GRIECHISCHE
MÄRCHEN,
SAGEN UND
VOLKSLIEDER
Bernhard Schmidt
Iii
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INDIANA
UNIVERSITY
LIBRARY
GRIECHISCHE
MÄRCHEN, SAGEN
UND
VOLKSLIEDER
GESAMMELT , ÜBERSETZT UND ERLÄUTERT
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VON
BERNHARD SCHMIDT.
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LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. O. TEUBNEH.
1877.
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In
I
PO
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MEINER
LIEBEN MUTTER
ZUM 14. JULI 1877.
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Yorred e.
Hiermit übergebe ich dem Publikum die schon seit
mehreren Jahren von mir versprochene kleine Sammlung
neugriechischer Märchen, Sagen und Volkslieder, deren Her-
ausgabe hauptsächlich durch meine Uebersiedelung nach Frei-
burg und den Eintritt in einen neuen Wirkungskreis länger
als ich geglaubt hatte verzögert worden ist. Ich wünsche
dieselbe wegen ihres geringen Umfangs nur als einen Anhang
zu meinem Buche 'Das Volksleben der Neugriechen und das
hellenische Alterthum' betrachtet zu sehen.
Was die Märchen (neugriechisch TrctpauüGia) betrifft, so
habe ich diejenigen von der Insel Zakynthos, die den weitaus
grössten Theil der Sammlung bilden, sämmtlich von dem
damals am Ausgange des Knabenalters stehenden Zakynthier
Dimitrios Lountsis, welcher in seiner Kindheit viel mit Frauen
aus den unteren Volksschichten, bekanntlich den hauptsäch-
lichsten Inhaberinnen und Pflegerinnen der Märchenpoesie,
in Berührung gekommen war, an Ort und Stelle mir erzählen
lassen und in griechischer Sprache niedergeschrieben. Die
kleine Zahl der übrigen ist später, nachdem ich nach Deutsch-
land zurückgekehrt war, hinzugekommen, und zwar verdanke
ich die beiden Märchen aus dem Dorfe Stein im alten Phoker-
lande (Nr. 2 und 3) und dasjenige aus dem parnasischen
Arachoba (Nr. 25) Herrn Georgios Kremos, 1 ) das Märchen
aus Kallipolis (Nr. 10) Herrn Spyridon Boulgaridis, endlich
das lesbische (Nr. 22) Herrn Lykourgos Maliakas. 2 ) Die Ge-
>) Die Märchen und Sagen, welche derselbe ron seiner aus Steiri
gebürtigen seligen Mutter gehört zu haben sich erinnerte, sind als von
dorther stammend bezeichnet worden. Daß heutige Dorf Creipi liegt
in der Nähe der alten phokischen Stadt Steiris, deren Namen es er-
halten hat.
*) Vgl. Volksleben der Neugriechen I, S. 20 f.
Schmidt, (iriecb. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 1
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nannten mit Ausnahme von Boulgaridis sind, wie gleich hier
bemerkt sei, auch meine Gewährsmänner für die Sagen.
Bei der Uebersetzung der griechischen Texte ins Deutsche
habe ich näch möglichster Treue gestrebt und daher auch
aller schmückenden Beiwörter mich enthalten: nur wo ich
Verse wiederzugeben hatte, war einige Freiheit in dieser Be-
ziehung um des Metrums willen unvermeidlich, aber in die-
sen Fällen findet man auch stets den griechischen Wortlaut
in einer Anmerkung unter dem Texte zur Controle beigefügt.
Die wenigen und ganz unbedeutenden, auf ein paar Worte
sich beschränkenden Zusätze, die ich gemacht habe, berühren
den Inhalt in keiner Weise und bezwecken nur grössere Deut-
lichkeit, Herstellung mangelnder Verbindung oder Beseitigung
sonstiger Härten in der Rede. Aus denselben oder ähnlichen
Gründen ist hie und da ein sinnverwandtes Wort für das
dem griechischen Ausdruck zunächst entsprechende gebraucht
oder eine geringe Umstellung der Sätze vorgenommen wor-
den. Denn nicht alle Stücke wurden mir in gleich guter
Form erzählt. Das hier Bemerkte gilt selbstverständlich auch
von den Sagen. In Nr. 15 der Märchen ist durch Tilgung
einiger Worte des griechischen Textes ein Widerspruch be-
seitigt worden, der ohne Zweifel auf Rechnung des Erzählers
kommt, worüber die Anmerkung unter dem Texte das Nähere
enthält. Hie und da, namentlich in Nr. 13 der Sagen, sind
auch einige für den gebildeten Leser allzu lästige, wenn auch
vom Volke selbst nicht gescheute Wiederholungen gestrichen
worden. Die meisten der Märchen wie der Sagen wurden
mir ohne Titel mitgeiheilt, und es sind daher die Ueberschrif-
ten, wo sie fehlten, von mir hinzugefügt. 1 ) Von einem ein-
zigen Märchen (Nr. 5) lagen mir zwei im Einzelnen abwei-
chende Fassungen vor; über das in diesem Falle von mir
eingeschlagene Verfahren belehrt die Anmerkung.
Als ich auf Zakynthos Märchen aufzuzeichnen begann,
war die grosse Sammlung des Consuls J. G. von Hahn 2 ) noch
nicht erschienen, noch wusste ich davon, dass sie vorbereitet
') Vom Erzähler angegeben wurden nur die Titel der Märchen
Nr. 5. 6. 9 (wo ich aber an Stelle des überlieferten Titels einen pas-
senderen gesetzt habe, vgl. die Anm. hinter den Texten). 10. 11. 12.
15. 18. 23., und der Sagen Nr. 3 und 5.
2 ) Griechische und albanesische Märchen, 2 Theile, Leipzig 1864.
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werde; was aber damals von neugriechischen Märchen vor-
lag, beschränkte sich auf wenige vereinzelte Stücke, die ich
übrigens erst später kennen lernte. 1 ) Nach dem Erscheiuen
des Hahn'schen Werkes, und zum Theil jedenfalls in Folge
der hier gegebenen Anregung sind dann noch mehrere kleinere
*) Die Litteratur vor Hahn hat neuerdings Reinhold Köhler in
den Göttingischen gel. Anzeigen v. J. 1871, B. II, S. 1402 ff.' ziemlich
vollständig verzeichnet, nänifich: 1) zwei von Zuccarini im f Ausland'
v. J. 1832, Nr. 58, S. 230 und Nr. 61, S. 242 auszugsweise mitgetheilte
Märchen. 2) das reizende psarianische Schiffermärchen 'Georg und
die Störche', welches L. Ross in den Blättern für literar. Unterhaltung
1835, Nr. 10 — 12 veröffentlicht hat, und das dann wiederabgedruckt
ist in den von 0. Jahn herausgegebenen Erinnerungen und Mitth eilun-
gen aus Griechenland (Berlin 1863), S. 281 ff. 3) aas schöne Märchen
T'dedvctTO vepö bei Eulampios in dem Buche '0 'AudpavTOc n>oi xd
pööa xnc ävcrfevvneekric *6XXdöoc (St. Petersburg 1843), S. 76 ff. 4) drei
Märchen bei J. A. Bucnon, La Grece continentale et la Morde (Paris
1843), S. 263—280. 5) das von Anastasios Lountsis — denn so lautet
in Wahrheit sein Name — in Mannhardt's Zeitschrift f. deutsche My-
thol. und Sittenkunde IV, S. 320 ff. mitgetheilte Märchen von Zakynthos
f Die Citronenjungfrau'. — Hierzu habe ich noch Folgendes nachzu-
tragen: 1) TTapauüGi tx\c 'AXouttoöc Kcrrd t?|v yXObccav tuiv iraibi'ujv.
"€köocic oeux^pa £rrnuEnu£vn. '€v 'AOnvaic 1860. Dieses ist eine Va-
riante des Märchens f Vom Bauer, der Schlange und der Füchsin' bei
Hahn Nr. 87, aber weit ausführlicher und sehr gut erzählt. Da das
kleine Volksbüchlein nicht leicht zu erreichen sein dürfte, so will ich
die Hauptpunkte im Interesse der vergleichenden Märchenforschung
hier hervorheben. Der Mann rettet die Schlange vom Tode durch
Feuer. Schiedsrichter zwischen beiden sind nach einander ein Pferd,
ein Esel, ein Kind, welche sämmtlich zu Ungunsten des Mannes ent-
scheiden, der aber ihre Urtheile als parteiisch und von der Leidenschaft
eingegeben bezeichnet. Daher wird zuletzt noch ein Fuchs aufgerufen,
welcher durch eine List den Menschen von der Umarmung der Schlange
befreit, nachdem jener ihm durch ein Zeichen mit der Hand fünf
Küchelchen und einen Hahn als Belohnung versprochen hat. Der
schliesslich«- Undank des Menschen, der dem Fuchse statt der ver-
heissenen Leckerspeise einen Jagdhund im Sacke bringt, findet sich
auch hier. Vgl. über dieses weit verbreitete Märchen ausser Benfey
Pantschatantra I, S. 113 ff. besonders noch R. Köhler's Nachweise zu
Nr. 69 der von Laura Gonzenbach gesammelten Sicilianischen Märchen
(Leipzig 1870). Zwei weitere griechische Varianten desselben bei Mo
rosi in dem unten anzuführenden Werke, Nr. 4, S. 75 f., und bei Ioan-
nidis in dem gleichfalls unten zu nennenden Buche S. 266 f. f in beiden
fehlt der Undank des Menschen). 2) In der athenischen Zeitschrift
TTavövupa, XI, 1861, q>. 259, p. 452 f. theilt Skordelis vier in seiner Hei-
math Stenimachos in Thrakien umlaufende Märchen mit, aber leider
in sehr knapper Form und auch nicht in der Volkssprache», sondern
im heutigen Schriftgriechisch. Das erste und relativ ausführlichste ist
das M. von der Schwalbe (ö uööoc Tf\c xeXibövoc), in welchem der hel-
lenische Mythos von Prokne und Phüomele, wenn auch nur schwach,
nachklingt. Die drei übrigen Stücke sind blosse Gerippe von Mär-
chen. — Dagegen was der Franzose Guys in seinem Voyage litteraire
de la Grece, 3. Ausg., Paris 1783, I, S. 347—364 unter der Ueberschrift
f Les Contes Grecs ou Paramythia' mittheilt, das sind keine Volks-
märchen, sondern durchaus künstliche Erzeugnisse mit vorwiegend
ethischer Tendenz.
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Sammlungen neugriechischer Volksmärchen an die Öffentlich-
keit getreten, so dass derselben nunmehr eine beträchtliche
Anzahl und aus den verschiedensten Gegenden der griechi-
schen Lande vorliegt. 1 ) Trotzdem darf ich wohl hoffen, dass
') Bereits von Köhler a. a. 0. S. 1406 f. zusammengestellt ist Fol-
gendes : ausser den vier in demselben Jahre wie die Hahn'sche Samm-
lung von K. Simrock hinter seinen 'Deutschen Märchen' (Stuttgart
1864), S. 358 ff. in deutscher Uebersetzung veröffentlichten neugriechi-
schen Märchen, welche aus Argos herrühren, 1) acht kyprische Mär-
chen bei Sakellarios KwrpiaKd, B. III, Athen 1868, S. 136—173 (ins
Deutsche übersetzt und mit ganz kurzen Anmerkungen versehen von
F. Liebrecht in Ebert's Jahrbuch für romanische und englische Litera-
tur, B. XI, 1870, S. 345—386). 2) fünf in den griechischen Colonieen
Unteritaliens umlaufende Märchen bei Morosi Studi sui dialetti greci
della Terra d'Otranto, Lecce 1870, S. 73—76. 3) elf aus verschiedenen
Theilen Griechenlands stammende Märchen in den von der philologi-
schen Gesellschaft 'TTapvaccöc' in Athen herausgegebenen NcoeXXnviKä
'AvdXeKxa, B. I, 1870, q>. A'. — Hierzu sind nun noch hinzuzufügen:
1) zwei von dem dänischen Gelehrten Jean Pio in der Tidsskrift for
Philologi og Paedagogik, 7. Aarg. 1866, im Dialekt der Kykladen treff-
lich mitgetheilte Märchen. 2) acht unter den Griechen am Pontus
cursirende Märchen bei Ioannidia 'lexopia Kai cxaxicxiKfi TpoireZoOv-
toc Kai rf\c irepl xaüxnv xwpac übe Kai xä itepl xrje £vxaü9a £XXnviKn,c
TTXujccnc, Konstantinopel 1870, S. 264—267 (grösstenteils sehr kurz und
unbedeutend). 3) siebenunddreissig Märchen von der Insel Naxos in
den NcotXXriviKct 'AvdXeKxa, Bd. II, 1874, <p. A' und B' (sämmtlich vor-
trefflich erzählt und für die Kenntniss der dortigen Mundart sehr werth-
voll, dagegen ihrem Inhalte nach grossentheüs ohne sonderliche Be-
deutung; übrigens sind manche dieser Stücke nicht sowohl Märchen,
als vielmehr Parabeln und Schwanke; auffällig ist der viele Schmutz
in ihnen). 4) Einige bisher ungedruckte-^oder auch in irgend einer
griechischen Zeitung versteckt gewesene Märchen sind tneils voll-
ständig, theils nur stückweise mitgetheilt von N. G. Politis an ver-
schiedenen Stellen seines Buches MeX^xrj irrl toü ßiou xtfüv v€uux£pujv
'GXXrjvujv, B. I, von welchem Bande die erste Abtheilung im J. 1871,
die zweite im J. 1874 zu Athen herausgekommen ist. Darunter befin-
den sich ein paar Märchen, die an die Redaction der NeoeXX. 'AvdXeKxa
eingeschickt worden sind und in diesen veröffentlicht werden sollen.
— Noch ungedruckt ist die längst verheissene Sammlung epirotischer
Märchen von dem Herausgeber der epirotischen Volkslieder, Chasiotis,
welche Politis in dem o. a. Buche an einigen Stellen benutzt hat.
Weitere kypribche Märchen hat für den 2. Band in Aussicht gestellt
G. Loukas in der Vorrede (p. ia') seiner <PiXoXoYiKai 'CiricK^vpeic xiüv
tv xw ßiip xüjv veujx^pwv KuTrpiwv uvrjueiujv xujv dpxaiujv , deren
1. Band zu Athen im J. 1874 erschienen ist. Auch von Emile Legrand
ist die Veröffentlichung griechischer Märchen, in deren Besitz er auf
seiner im J. 1875 unternommenen griechischen Reise gelangt ist, zu
erwarten. Vgl. den Brief desselben an Perrot in der Revue archeol.,
Septemberheft 1875, S. 189 f. — Die von Bretös in seinem '€0viköv
'HuepoXÖY«ov vom J. 1867, S. 110—144 unter der Aufschrift 'AnuoxiKd
xpafoüöia Kai irapauüOia' gegebenen Erzählungen sind von ihm selbst
verfertigt mit theil weiser Benutzung von Lieder- und Märchenstoffen,
gehören also nicht hierher. Endlich sei noch erwähnt, dass in einem
mir nicht zu Gesicht gekommenen Buche von Arabantinos über Epirus
(wahrscheinlich der f> €9iuoYpaqua xf]C 'Huelpou', die auf dem Umschlag
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die Veröffentlichung der von mir aufgezeichneten Märchen
auch jetzt noch willkommen sein werde, zumal da meine
Sammlung unter einem besonderen Gesichtspunkte angelegt
ist. Als ich nämlich auf der Insel Zakynthos die mir ge-
botene Gelegenheit, griechische Volksmärchen kennen zu
lernen, ergriff, war es keineswegs der Standpunkt des spe-
ziellen Märchenforschers oder des Vergleichenden Mythologeu,
der mich hierzu veranlasste, sondern ich hatte dabei ein enge-
res, rein antiquarisches Interesse: es reizte mich als Philo-
logen zu erfahren, ob und wie viel Reste der hellenischen
Mythologie in den heutigen griechischen Märchen etwa fort-
leben möchten. Daher zeichnete ich denn auch von den mir
mündlich mitgeth eilten Stücken in der Regel nur diejenigen
auf, welche aus dem angeführten Grunde für mich ein nähe-
res Interesse hatten; was ich freilich später einigermassen
bereuet habe, zumal da es vorkommen kann, dass die Bezüge
eines Märchens zu einem hellenischen Mythos nicht so ganz
offen zu Tage liegen, dass man sofort beim ersten Anhören
sie zu erkennen vermöchte. So ist denn meine Sammlung
trotz ihres geringen Umfangs viel reicher an antiken Remi-
niscenzen als die Hahn'sche, und es sind nur sehr wenige
Nummern, welche nichts dieser Art enthalten, und die ich
aus anderen Gründen ausnahmsweise dennoch aufgezeichnet
hatte. 1 ) Einige Märchen haben, wie ich nicht verkenne, als
solche nur geringen AVerth (was indessen vielleicht nur an
der mangelhaften Erinnerung meines Erzählers liegt), und
hat eben nur der antiquarische Gesichtspunkt zu ihrer Mit-
theilung mich bestimmt. Uebrigens will ich doch auch nicht
verschweigen, dass einer der ersten Kenner auf diesem Ge-
biete, Reinhold Köhler in Weimar, dem sowohl die Mär-
chen als die Sagen seiner Zeit im Manuscript vorgelegen
des im J. 1863 erschienenen TTapoiuiacTripiov als unter der Fresse be-
findlich bezeichnet wird), u. a. auch einige Märchen sich befinden
sollen.
') Die Märchen aus Zakynthos sind, um dies beiläufig zu erwäh-
nen, auch zarter, sittlicher, als die Hahirschen, die nicht nur vielen
Schmutz, sondern öfters auch eine auffällige llohheit und Verwilderung
der Gesinnung zeigen. Dadurch wird selbstverständlich der wissen-
schaftliche -Werth jener Sammlung nicht im geringsten geschmälert,
aber man mag daran den im Vergleich zu Epirus, woher Hahn den
bei weitem grösseren Theil seiner Märchen bezogen hat, immerhin viel
höheren Bildungsgrad der Bewohner der ionischen Inseln erkennen.
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haben, sie sämmtlich als der Veröffentlichung werth bezeich-
net hat.
Manches in den aus Zakynthos herstammenden Märchen, ■
das durch seine Anklänge an althellenische Sagen oder Vor-
stellungen überrascht, wird vielleicht gerade darum Verdacht
erregen, als beruhe es nicht auf lebendiger Ueberlieferung,
sondern sei auf irgend eine Weise eingeschwärzt. Ich selbst*
habe in Betreff der Nummern IG und 18 (so weit in der letz-
teren Eros und se,ine Umgebung geschildert wird) meine star-
ken Zweifel ausgesprochen (s. die Anmerkungen). Aber ab-
gesehen von diesen beiden Stücken glaube ich, je mehr ich
Erfahrungen auf dem Gebiete des griechischen Volkslebens
gesammelt und je länger ich über die Sache nachgedacht
habe, um so zuversichtlicher für die Echtheit des in diesen
Märchen abgelagerten antiken Stoffes, d. h. für die Erhaltung
und Fortpflanzung desselben im Volke durch unmittelbare
Ueberlieferung von Geschlecht zu Geschlecht mich verbürgen
zu können. Zunächst hat mir mein oben genannter Gewährs-
mann wiederholt versichert, die ihm bekannten Märchen
sämmtlich aus dem Volksmunde, und zwar grossentheils von
Bäuerinnen, gehört zu haben. Dass im Geiste meines Er-
zählers selbst mitunter etwas in der Schule Gelerntes mit
den Erinnerungen seiner Kindheit unvermerkt sich vermischt
haben sollte, wird gewiss niemand für wahrscheinlich halten.
Ich selbst habe, als ich die Gebirgsdörfer der Insel Zakynthos
bereiste und unter anderem auch nach dem Inhalte der dort
cirkulirenden Märchen forschte, mich überzeugen können,
dass dieselben in der That vielerlei Antikes enthalten, wie
ich denn von einem Knaben aus Bolimais zwei Stücke in
Umrissen — denn vollständig und ausführlich wusste er sie
leider nicht — mitgetheilt erhielt, von denen das eine stark
an die Sage von der Niobe, das andere an Herakles' Aben-
teuer mit der Hydra erinnerte. In der Regel sind es nur
einzelne Züge hellenischer Mythen, die in natürlicher unge-
zwungener Weise in die hier veröffentlichten Märchen ver- -
woben erscheinen, und zwar in Märchen, welche zum gröss-
ten Theile bei anderen Völkern ihre Parallelen haben , deren
Volkstümlichkeit im allgemeinen also ausser allem Zweifel
ist. Wer nun trotzdem jene Züge als eingeschwärzt betrach-
ten wollte, müsste annehmen, dass die Erzählungen, in denen
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sie vorkommen, von einem der alten Mythologie Kundigen
etwas umgestaltet und versetzt wieder unter das Volk, von
welchem sie ausgegangen, gebracht worden seien. Das hätte
aber gewiss nicht geschehen können ohne litterarische Fixirung
derselben. Für eine solche Annahme fehlt nun jeder Anhalt.
Und wenn man auch hierauf kein sonderliches Gewicht legen
wollte aus dem Grunde, weil wir eben über die in Griechen-
land verbreiteten oder verbreitet gewesenen Volksbücher im
Ganzen wenig unterrichtet sind, 1 ) so wäre doch jedenfalls
der Zweck einer absichtlichen Versetzung jener volkstüm-
lichen Gebilde mit ihnen fremden Elementen unerfindlich.
Denn hätte etwa jemand die Absicht gehabt, dem Volke so
zu sagen antike Nahrung darzureichen, so würde er sich doch
sicher nicht damit begnügt haben, ganz vereinzelte Züge aus
den Sagen der Vorzeit seinen Märchen einzuverleiben. Wich-
tiger noch ist die Thatsache, dass jene antiken Züge keines-
wegs immer genau mit demjenigen übereinstimmen, was uns
durch die schriftliche Ueberlieferung aus dem Alterthum über-
kommen ist, sondern mehrfach modificirt erscheinen. Wenn
z. B. Nr. 6 meiner Sammlung aus der angeschwollenen Wade
eines unverheiratheten Königs eine am ganzen Körper bewaff-
nete, Lanze und Helm tragende Jungfrau geboren werden
lässt, so wird jedermann sofort an die Geburt der Athene
aus dem Haupte des Zeus erinnert, und es kann schwerlich
*) Von zwei Märchen der Hahn'schen Sammlung ist es allerdings
erweislich, dass sie ihren Stoff tfus Volksbüchern geschöpft haben,
allein diese Fälle sind ganz anderer Art. Dem Märchen f von dem
weiberscheuen Prinzen' (Nr. 50), einem aus Aübali in Kleinasien stam-
menden Stücke, liegt, wie zuerst Liebrecht bemerkt hat in den Heidelb.
Jahrb., '57. Jahrgang, 1864, S. 217, die im Mittelalter weit verbreitete
Erzählung von Apollonius von Tyrus zu Grunde, deren uns erhaltene
lateinische Bearbeitung unzweifelhaft auf ein verlorenes griechisches
Original zurückgeht. Das neugriechische Märchen wird nicht unmittel-
bar aus diesem letzteren hervorgegangen sein, sondern aus einer spä-
teren vulgargriechischen Uebersetzung des lateinischen Textes (eine
solche in Versen bei Wagner Carmina graeca medii aevi, Lips. 1874,
S. 248—276); mit Tycho Mommsen (s. A.Biese in derPraefat. zu seiner
Ausgabe der Historia Apollonii, Lips. 1871, S. VII) zu vermuthen, dass
es durch die Kreuzfahrer nach Kleinasien gebracht worden, sehe ich
keinen triftigen Grund. Das zweite Märchen, Nr. 16, aus Iannina
stammend, beruht, wie E. Rohde Der griech. Roman und seine Vor-
läufer (Leipzig 1876), S. 534 bemerkt, auf der Sage von der guten
Florentia, von welcher es gleichfalls eine vulgargriecnische Bearbeitung
fegeben haben wird. Beide Stücke gewähren einen lehrreichen Ein-
lick in die Art, wie das Volk dergleichen Litteraturproducte zu Mär-
chen sich zurecht zu machen weiss.
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einem Zweifel unterliegen, dass dieser Zug des Märchens
wirklich aus dem hellenischen Mythos herstammt. Aber ge-
rade der Umstand, dass in dem Märchen die Geburt aus dem
Haupte mit einer Geburt aus der Wade vertauscht ist, ver-
bunden mit der originellen Motivirung der Sache, spricht
gegen die Annahme einer Einschmuggelung des Zuges von
schriftkundiger Seite und beweist vielmehr die Entstehung
desselben aus dem Volke heraus. Endlich fehlt es ja an
dergleichen vereinzelten antiken Reminiscenzen auch in den
von anderen veröffentlichten neugriechischen Märchen keines-
wegs, nur dass sie dort im Ganzen seltener zum Vorschein
kommen als in meiner gerade unter diesem speciellen Gesichts-
punkte angelegten Sammlung. So hat sich z. B. in dem von
L. Koss mitgetheilten Schiffermärchen 'Georg und die Störche'
ein Zug der Polyphemossage erhalten, der Held der Erzäh-
lung rettet sich aus der Behausung eines menschenfressenden
blinden Drachen auf ganz ähnliche Weise wie Odysseus aus
der Höhle des geblendeten Riesen, 1 ) und Ross macht dazu
die Bemerkung, dass solche Anklänge an die althellenischen
Mythen und Geschichten in den neugriechischen Volksmär-
chen sich nicht selten finden, und meistens, wie hier, in
eigenthümlichen Modificationen. 2 ) Das von Eulampios mit-
getheilte Märchen enthält, abgesehen von der schönen, das
*) Georg gelangt in dein Felle eines von ihm getödteten Widders,
auf allen Vieren kriechend, an dem die kleine Pforte des Vorhofs be-
wachenden Drachen vorüber glücklich ins Freie. — Die Worte des
Märchens: 'sei es, dass er von d«m berühmten Helden Odysseus ge-
hört hatte, sei es, dass es seine eigene Erfindung war', gehörten dem-
selben ursprünglich offenbar nicht an, sondern sind späterer Zusatz,
vielleicht erst jenes Psarianers, von dem Koss die Erzänlung hörte. —
Dio Polyphernossage ist freilich auch bei zahlreichen anderen Völkern
nachweisbar. S. Lauer Geschichte der homerischen Poesie (Berlin
1851), S. 319 tf. und besonders W. Grimm in d. Abhandlungen der kön.
-Akad. der Wissensch, zu Berlin v. J. 1857, S. 1—30, welcher (S. 23 f.)
aus inneren und äusseren Gründen , deren Gewicht man anerkennen
muss, die Abstammung dieser Erzählungen aus .der homerischen läug-
net und für sämmtliche eine gemeinsame ältere Quelle voraussetzt.
Vgl. noch E. Kohde Der griech. Roman S. 173, Anm. 2, wo man einige
Nachträge zu Grimm's Zusammenstellungen findet. Bemerkenswerth
ist, dass das griechische Märchen die angeführte Modification, wonach
der Held nicht, wie Odysseus, unter dem Bauche eines Widders hän-
Sen'd, sondern im Felle eines solchen dem Ungeheuer entschlüpft, mit
en meisten der übrigen Erzählungen (z. B. mit der oghuzischen
Fassung, mit dem serbischen und dem romänischen Märchen) gemein
hat, woraus indessen zu folgern, dass es von dorther geborgt habe,
voreilig wäre.
2 ) Erinnerungen und Mittheilungen aus Griechenl. S. 289 Anm.
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Wirken der Schicksalsgöttinnen bei der Geburt des Menschen
schildernden Episode, auch eine deutliche Erinnerung an die
Symplegaden, indem es von zwei hohen Bergen erzählt, die
ewig auseinandergehen und wieder zusammenklaffen, und zwi-
schen denen ein Königssohn hindurch muss, um das dahinter
am Ende der Welt niessende wunderthätige Wasser für seinen
kranken Vater zu holen; 1 ) wie denn auch das achte der von
Sakellarios mitgetheilten kyprischen 2 ) und mehrere der Hahn'-
schen Märchen 3 ) einen freilich schwächeren Nachhall der-
selben Sage bewahrt haben. 4 ) Diese letztere Sammlung ent-
hält ausserdem noch eine Anzahl anderer mehr oder minder
deutlicher Anklänge an alte Sagen, worüber ich mich be-
gnüge auf die Anmerkungen und das Sachverzeichniss des
Herausgebers zu verweisen.
In einer kleinen Anzahl meiner Märchen beschränkt sich
nun allerdings der hellenische Gehalt nicht auf den oder
jenen Einzelzug einer alten Sage, sondern hat grössere Aus-
dehnung. Allein auch hier liegt, von den beiden schon oben
bezeichneten Nummern abgesehen, kein irgend triftiger Grund
zu einem Verdachte vor. Das volksthümliche Gepräge auch
dieser Stücke und ihre theilweise Uebereinstimmung mit Mär-
chen anderer Völker werden die Anmerkungen in das ge-
hörige Licht setzen. Aber auch schon die Thatsache, dass
in einigen von ihnen, wie in Nr. 11 und 23, eine Vermischung
verschiedener hellenischer Sagen stattgefunden hat, spricht
* durchaus gegen die Annahme einer Beeinflussung von gelehr-
ter Seite. Und sodann stehen überhaupt auch hinsichtlich
dieses stärkeren Gehaltes an altgriechischem Gute jene zakyn-
thischen Märchen keineswegs allein. Ich verweise zunächst
auf die aus der Oedipussage hervorgegangene arachobitische
Erzählung in Nr. 12 meiner Sagensammlung, ein Stück oder
«) S. 88 und 108.
l ) KimpictKd III, S. 171 und 172.
s ) S. Nr. 37 und 69, ferner die Variante zu Nr. 5 und die zweite
Variante zu Nr. 65.
4 ) Der Symplegadensage analoge Mythen finden sich übrigens auch
bei einer Reihe anderer sehr ferner Völker, z. B. bei den Eskimos
(Liebrecht in d. Heidelb. Jahrb., 62. Jahrgang, 1869, S. 127), den Mon-
golen (Jülg in d. Verhandl. der Philologcnversamnil. in Würzburg,
64), den Karenen in Hinterindien (Tylor Die Anfänge der Cultnr, 1,
S. 342 d. d. Uebers., Leipzig 1873). Vgl. noch Liebrecht in d. Gött.
gel. Anzeigen 1872, S. 1290, und 1876, S. 478.
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vielmehr Bruchstück, das, wie ich hinterher sehe, viel passen-
der zu den Märchen gestellt worden wäre, und von welchem
auch auf Zakynthos eine Variante existirt, die aber, weil sie
mir in allzu mangelhafter Form erzählt wurde, nur in der
Anmerkung zu dem arachobitischen Stücke Erwähnung ge-
funden hat, woselbst auch ein in denselben Kreis ge-
höriges kyprisches Märchen besprochen ist. Dr. Kremos ver-
sicherte mir obendrein, dass überhaupt mehrere in seiner
Heimath Arachoba gangbare Märchen in sehr vielen Zügen
theils mit der Oedipus- theils mit der Heraklessage überein-
stimmen, wenn auch die alten Mythen etwas verändert seien ;
auch habe er einmal von einem parnasischen Hirten ein Mär-
chen gehört, welches der Geschichte Laokoons sehr ähnlich
gewesen. Politis führt ein unverdächtiges Zeugniss dafür an,
dass der Mythos von Phineus und den Harpyien noch jetzt,
in ein Märchen verwandelt, in Lakonien vom Volke erzählt
werde. J ) C. Wachsmuth erhielt durch Koumanoudis in Athen
Kunde von dem Vorhandensein eines Märchens, das die Sage
von Prokne und Philomele getreu wiedergibt und worin auch
der Name von der Prokne Sohn Itys, nur leicht verstümmelt
in v l£uc, haften geblieben ist, während die Namen der übri-
gen in dem althellenischen Mythos auftretenden Personen
vergessen sind. 2 ) In Samos auf jler Insel Kephalonia erzählte
mir ein etwa dreizehnjähriger Knabe, er habe als kleines Kind
ein schönes Märchen gekannt, und als er dann in der Schule
die Geschichte von Theseus und seinen Heldenthaten gehört,
da sei ihm jenes Märchen wieder eingefallen, 3 ) und er habe
sich sehr verwundert über die grosse Aehnlichkeit zwischen
beiden. Endlich sei noch an das wahrscheinlich auch irgendwo
in Griechenland verborgene albanesische Märchen bei Hahn
Nr. 98 erinnert, welches eine so auffallende Aehnlichkeit mit
der Perseus- und zum Theil auch mit der Oedipussage zeigt,
dass Hahn ehemals selbst den Verdacht einer Fälschung
') McXdTT] I, S. 159, Aum. 3: '0 irepl 'Apiruiüjv Kai <t>iv€wc |nö6oc
ctOZexai u^XP* Toübe M€TaTpairelc etc irapauuOiov, übe ö cpiXoc uou k. f\
K. Xoüunc, cxoXäpxnc £v lüpa, jU ißeßauucev, äKoücac auxöv uapd
Tpa(ac k(xtoikoi) tuiv KapbauuXwv (soll jedenfalls heissen Tn.c Kapöo-
uuXnc).
*) Das alte Griechenl. im neuen, S. 19 und 50.
3 ) Möglicher Weibe eine Variante von Nr. 23 meiner Sammlung.
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äusserte, 1 ) den er indessen spater ausdrücklich zurückgenom- '
men hat. 2 )
Dies alles stellt es, denke ich, ausser Zweifel, dass überall
in Griechenland gewisse hellenische Mythen in Märchenform
unter dem Volke in Umlauf sind, und zeigt zugleich, dass
der Reichthum an neugriechischen Märchen durch die uns
vorliegenden Publicationen noch länge nicht erschöpft ist,
und dass das Sammeln eifrig fortgesetzt zu werden verdient,
um auch das zur Zeit noch Verborgene* oder nur mangelhaft
Bekannte, welches möglicher Weise alles bisher Veröffent-
lichte an Bedeutung überragt, allmählich ans Licht zu ziehen.
Wiewohl nun erst dann, wenn der neugriechische Mär-
chenschatz in annähernder Vollständigkeit vorliegt, ein ab-
schliessendes Urtheil über sein Verhältniss zu den Sagen des
hellenischen Alterthums einerseits und zu den Märchen der
verwandten Völker andrerseits sich wird fällen lassen, so
darf doch schon jetzt so viel als feststehend gelten, dass
diejenigen Märchen, welche nicht blos sporadische Anklänge
an alte Sagen enthalten, sondern, wie z. B. Nr. 4 und 23 mei-
ner Sammlung, einen hellenischen Mythos geradezu zur Grund-
lage haben, eben unmittelbar aus dem hellenischen Alterthum
herstammen, sei es nun, dass die betreffenden Mythen noch
während des Alterthums selbst so weit erblassten, dass sie
vom Volke in Märchen verwandelt wurden, sei es, dass sie
erst beim Untergange des Hellenismus diese Form annahmeu :
denkbar wäre ja auch wohl für gewisse Fälle ein selbständi-
ges Nebenhergehen des Märchens neben der so zu sagen
officiellen Heldensage. 3 ) Dass es aber überhaupt bereits im
klassischen Alterthum wirkliche Märchen unter dem Volke
gegeben habe, ist zwar von mancher Seite in Abrede gestellt
worden, 4 ) kann aber meines Erachtens nicht im mindesten
«J Albanesische Studien H, S. 164.
*) S. seine Anmerk. zu Nr. 98.
8 ) Dass in den ersten christlichen Jahrhunderten die Ammen der
Thescussage sich bemächtigt hatten, zeigt Philostr. Imag. I, 15: "Oti
Tr\v 'Apidövnv ö 0nceüc döiKa öpüüv — kcct^Xiitcv Iv Ata Trj vf)ciu KCt6eu-
ooucav, Taxa ttou Kai TiT6r|C biaKrjKoac, ccxpal fäp dicervat rä ToiaOxa
Kai öaKpuouav £tt' atiioic, öxav döcXuuav.
4 ) So von Fr. Pressel in den 'Erläuterungen' am Ende seines Schrift-
chenB 'Psyche. Ein allegorisches Märchen. Nach dem Lateinischen
des Appuleius' (Ulm 1864), welcher sehr leichtwiegende Gründe dagegen
ins Feld fuhrt und überhaupt den ganzen Gegenstand nicht klar eri'asst
hat, indem er das Erscheinen des Märchens in der Litteratur und seine
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• bezweifelt werden. Selbst wenn keine einzige Notiz bei den
alten Schriftstellern auf das Vorhandensein von Volksmärchen
hinwiese, so würde, abgesehen von vielem Anderen, schon
die Thatsache allein, dass in der Odyssee mehrere Be-
standteile sich vorfinden, die einen ausgeprägt märchen-
haften Charakter an sich tragen und mit der Märchen-
und Sagenwelt anderer Völker die merkwürdigsten Ueberein-
stimmungen zeigen, mit vollem Rechte dafür geltend gemacht
werden können. 1 ) Aber was soll denn unter den f uO0oi',
durch welche z. B. im rasenden Herakles des Euripides Am-
phitryon der Megara ihre über des Vaters Abwesenheit be-
trübten Kinder zu beschwichtigen räth, 2 ) oder wie sie an dem
Feste der Oschophorien in Athen erzählt zu werden pflegten
zur Erinnerung daran, dass dergleichen in alter Zeit die atti-
schen Mütter ihren für den Minotauros in Kreta bestimmten
Kindern vor der Abreise zur Aufmunterung erzählt haben
sollten, 3 ) oder mit denen nach Platon's und anderer gering-
schätzigen Aeusserungen die alten Weiber sich zu befassen
pflegten 4 ) — , was soll, frage ich, hierunter anderes zu ver-
Existenz im Volke — zwei ganz verschiedene Dinge — durcheinander-
wirft. Auch Wclcker gibt das Vorhandensein von Volksmärchen im
Alterthum nur in sehr bedingter Weise zu, wie seine Ausführungen in
der griech. Götterlehre I, S. 107 — 114 zeigen, besonders S. 109—111.
Gegen diese Ansicht, die sich doch im Wesentlichen auf nichts weiter
als die Thatsache stützt, dass in der alten Litteratur nur sohr verein-
* zelte Erwähnungen und Spuren von Märchen zu finden sind, hat Fried-
laender Darstell. aus der Sittengesch; Koms I, S. 509 der 4. Aufl. eine
sehr zutreffende Bemerkung gemacht.
*) S. das S. 8, Anm. 1 über die Polyphemsage Bemerkte, und fer-
ner die Schrift von Georg Gerland f Altgriechi8che Märchen in der
Odyssee' (Magdeburg 1869), wo mehrfache Verwandtschaft zwischen
der Geschichte des Brahmanen Saktideva und den Abenteuern des
Odysseus aufgezeigt ist. Am schlagendsten ist die Uebereinstimmung
in der Bettung beider aus der vom Meeresstrudel (Charybdis) drohen-
den Gefahr durch Anklammern an den darüber sich ausbreitenden
Feigenbaum (S. 7 und 18). Auch der Zusammenhang der Phaeaken
mit den Vidyadliaren , die gerade in der indischen Novellen- und
Märchendichtung eine grosse Rolle spielen, scheint mir hinlänglich
nachgewiesen.
*) V. 98 ft'.: dXX' riCuxoZc Kai öaKpuppöouc t^kvujv
irrjTöc äqpaipei Kai rcapeuKnXct Aöyoic,
kX^tttouco unOotc äOXtouc KXoTräc öuiuc.
Vgl. auch rhilo8tr. Heroic. 1,1: Kai KaTeuu8oXöY€i jue rj titG»] xapi-
Iviujc u. s. w.
3 ) Plut. Thes. 23: Kai uöOoi X^yovtoi 6iä tö KäKetvac tOOimlac £v€Ka
Kai irapriYopiac uüOouc bie£i£vai toIc naid.
4 ) Vgl. z.B. Plat. Gorg. p. 527 A: Taxa b' ouv TaOxa uOOöc coi
ook£i XdY€c6ai, wcuep Ypaöc, Kai KaTa<ppovcic aÜTÜJv; Kepubl. I, p. 350E:
lf\h bl coi, uicirep Tak yp<*ikI xaic toüc uuOouc XeYoucaic, elev tpw.
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- 13 -
stehen sein, als eben jene Haus- und Kindermärchen, die
noch heute in dem gleichen Besitze sind und dem gleichen
Zwecke dienen? Ja auch dafür, dass der charakteristische
♦ Stil der heutigen Kindermärchen im Wesentlichen schon im
hellenischen Alterthum gefunden war, haben wir ein Zeugniss
aus klassischer Zeit bei Aristophanes in den Wespen, wo die
ersten Worte eines Thiermärchens angeführt werden, welche
dem allbekannten stehenden Anfang unserer Märchen ent-
sprechen. 1 ) Aus dieser Stelle 2 ), wie auch schon aus den
angeführten platonischen, erkennen wir zugleich die Gering-
schätzung, mit welcher die* griechischen Männer auf diese
Art Volkspoesie herabzublicken pflegten — wie ja das auch
heute noch gewöhnlich ist — , und dadurch erklärt es sich
hinlänglich, warum in der gesammten griechischen Litteratur
zwar Märchenhaftes genug, aber kein einziges wirkliches Mär-
chen uns entgegentritt. Auch bei den Römern hat erst im
zweiten Jahrhundert nach Christus der aus Afrika gebürtige
Apuleius das Märchen in die Litteratur eingeführt. Denn
dass die in seine Metamorphosen eingeflochtene berühmte
Erzählung von Amor und Psyche von Apuleius nicht erfun-
den worden, sondern wesentlich auf einem im Volke umlau-
fenden Märchen beruht, welches jener nur leicht überarbeitet
und mit einer Allegorie verschmolzen hat, indem er die Rolle
der schönen Königstochter im Märchen auf Psyche und die
ihres Geliebten ; auf Cupido übertrug, das hat Friedlaender
durch Vergleichung derselben mit heutigen deutschen und
indischen Volksmärchen sowohl aus dem Inhalt im allgemei-
nen als auch aus einer Reihe einzelner Züge und Wendungen
überzeugend nachgewiesen. 3 )
•) V. 1182: oötu» ttot* n> uüc Kai fa\f\, wie unser f Es war ein-
mal', das neugriechische '"Hiave uiä (popä' u. s. w. Vgl. was der
Scholiast dazu bemerkt: irpöc xf)v cuvfi6€iav, öri töv uü0ov Ttpotrar-
tov oütujc, oiov, f^v oötu) y^ptuv Kai fpaüf. Kai TTXäxuiv £v <l>aibpip
p. 2H7, B] ,,r}v oütu) bf\ iralc, ^läXAov bt ineipaKlcKoc* toütuj ö' i^cav
pacrai irdvu TroXXol."
*) V. 1185: uüc Kai yaXäc uiXXetc Xcy^iv ev ävopäciv;
3 ) Lud. Friedlaenderi dissertatio, qua fabula Apulejana de Psyche
et Cupidine cum fabulis cognatis comparatur, in zwei Königsberger
Universitätsprogrammen vom J. 1860. Darauf hat er den ganzen Gegen-
stand im l.Theü seiner Darstellungen aus der Sittengesch. Borns an-
hangsweise von neuem behandelt, und dieser Aufsatz ist in den neueren
Auflagen des angeführten Werkes durch Aufzeigung einiger anderer
mehr oder minder deutlicher Spuren des Volksmärchens im Alterthum,
sowie durch Adalbert Kuhn's vollständigere Nachweise von Parallelen
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14 -
Anders steht es nun aber bei denjenigen meiner Mär-
chen, in welchen nur vereinzelte Züge eines hellenischen
Mythos zum Vorschein kommen, die auf den Gang und Ver-
lauf der Erzählung keinen wesentlichen Einfluss haben. Hier •
ist kein zwingender Grund zu der Annahme vorhanden, dass
die Märchen selbst aus dem Alterthum stammen, sondern es
können in jüngere, aus der Fremde eingewanderte Erzählun-
gen bei ihrer Weiterverbreitung ältere im Volke noch fort-
lebende Erinnerungen absichtlos und unvermerkt einverwebt
worden sein.
Aus dem bisher Gesagten wird man bereits erkannt haben,
welche Stellung ich in der neuerdings lebhaft erörterten all-
gemeineren Frage über den Ursprung der heutigen Volks-
märchen einnehme. Bekanntlich stehen sich hier zwei Haupt-
ansichten einander gegenüber, diejenige der Gebrüder Grimm,
welche im Wesentlichen übereinstimmend unsre heutigen Mär-
zu der Erzählung des Apuleius bereichert worden. Vgl. noch Härtung
'Auslegung des Mährchens von der Seele und des Mänrchens von der
schönen Lilie, nebst einer kurzgefassten Naturgeschichte des Mähr-
chens überhaupt', im Jahresbericht des k. Gymnas. zu Erfurt, Ostern
1866, S. 11. — Die vou Friedlaender und Kuhn gegebenen Nachweise
aus heutigen Volksmärchen Hessen sich noch vermehren. Ich beschränke
mich auf einen einzigen Nachtrag zu Kuhn bei Friedl. I, 543 4 , welcher
mir nicht unwichtig scheint. Bei Apuleius (V, 28) fällt, während Psyche
sich liebetrunken über den schlafenden Eros beugt, aus ihrer Lampe
ein Tropfen heissen Oels auf des Gottes Schulter, worauf er erwacht
und forteilt, die Geliebte in dumpfer Verzweiflung zurücklassend.
Hierzu vgl. L. Gonzenbach Sicilian. Märchen Nr. 16 (T, S. 108), wo dio
Katastrophe auf Behr ähnliche Weise erfolgt: Peppino wünscht die
zarte von ihm geliebte Mädchengestalt einmal zu sehen, die — in einem
schönen Schlosse im Innern eines Felsens — allnächtlich neben ihm im
Bette ruht, aber am Morgen stets verschwunden ist. Dies bewirkt er
durch ein Geschenk seiner Mutter, ein Fläschchen und eine kleine
Kerze, die, wenn in das erstere gesteckt, sich alsbald von selbst ent-
zündet. 'Als sie (die Geblebte) aber eingeschlafen war, nahm er schnell
die Kerze hervor und steckte sie in das Fläschchen; alsbald brannte
sie licht und hell, und bei dem Scheine sah er ein Mädchen von so
wunderbarer Schönheit, dass er sich nicht von dem Anblicke trennen
konnte, und sie voll Entzücken anschaute. Wie er sich aber über sie
neigte, um sie zu küssen, fiel ein Tropfen Wachs auf ihre feine Wange,
— in demselben Augenblick verschwand das ganze schöne Schloss, und
er fand sich in finstrer Nacht, nackt und allein' u. s. w. Vgl. auch
ebenda». Nr. 15 mit R. Köhlers Anm. — Da die Vermuthung geäussert
worden, dass das von Apuleius bearbeitete Volksmärchen vielleicht ein
griechisches war (vgl. Friedl. I, 521), so wird es interessiren zu erfah-
ren, dass mir auf der Insel Zakynthos von sehr glaubwürdiger Seite
versichert wurde, es sei hier ein dem Märchen des Apuleius sehr ähn-
liches im Munde des Volkes. Leider bin ich desselben nicht habhaft
geworden, wenn auch einige Stücke meiner Sammlung Berührungs-
punkte mit der Erzählung des Apuleius darbieten.
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— 15 —
chen als einen Niederschlag uralter Mythen betrachten und
die zwischen den Märchen der verschiedenen indogermani-
schen Völker sich herausstellende Verwandtschaft, von ein-
zelnen Ausnahmen abgesehen, aus der gemeinsamen Abstam-
mung dieser Völker erklären, eine Ansicht, welche der Her-
ausgeber der griechischen und albanesischen Märchen durch
beachtenswerthe äussere Gründe zu stützen gesucht hat, *) und
diejenige Theodor Benfey's, nach welchem die heutigen Volks-
märchen fast ohne Ausnahme ursprünglich indische Gebilde
sind und erst in christlicher Zeit von dort aus über die Erde
sich verbreitet haben. ? ) Ich glaube, dass hier, wie so oft,
die Wahrheit in der Mitte liegt, und freue mich zu sehen,
dass ich mich in dieser Beziehung mit einem Forscher wie
Felix Liebrecht in der Hauptsache in Uebereinstimmung be-
finde, indem auch er eine vermittelnde Stellung zwischen der
Grimmschen und der Benfey'schen Theorie einnimmt. 3 ) Dass
indische Märchen in geschichtlicher Zeit theils durch münd-
lichen Verkehr, theils auf litterarischem Wege in die Länder
des Westens eingewandert sind und hier im Volke Wurzel
geschlagen haben, stelle ich nicht in Abrede, glaube aber
auch nicht, dass dieses in der von Benfey behaupteten Aus-
dehnung geschehen sei, und bin vielmehr der Ueberzeugung,
dass ein nicht geringer Theil unsrer heutigen europäischen
>) In der Einleitung zu dem oben genannten Werke, B. I, S. 9—16,
auch S. 27 (in dieser Einleitung findet man auch die wesentlichsten,
an verschiedenen Stellen verstreuten Aeusserungen von Jacob und Wil-
helm Grimm über den Gegenstand zusammengestellt). Vgl. auch Hahn's
Sagwissenschaftliche Studien, Jena 1876, S. 51 f.
*) Früher (Vorrede zum Pantschatantra p. XXII f.) war ßenfey der
Meinung, dass die Verbreitung der indischen Märchen nach dem Occi-
dent in grossem Massstabe erst mit dem 10. Jahrhundert n. Chr. durch
die näherem Berührung der islamitischen Völker mit Indien erfolgt sei.
Später, nachdem F. Liebrecht in Ebert's Jahrb. für roman. und engl.
Literat., B. II, 1860, S. 314—334, überzeugend nachgewiesen, dass der
aus dem 7. oder 8. Jahrhundert stammende geistliche griechische Ro-
man r Barlaam und Josaphat' auf eine buddhistische Quelle zurückgehe,
hat er jene Ansicht modificirt und einen früheren Beginn der littera-
rischen Ueberleituhg indischer Couceptionen nach dem Westen ange-
nommen. S. Gött. gel. Anzeigen vom J. 1860, S. 874.
3 ) S. Ebert's Jahrb. III, 1861, S. 79; vgl. auch Heidelb. Jahrb., 57.
Jahrg., 1864, S. 205 f. Ferner verweise ich auf den gediegenen, von
gründlicher Sachkenntniss zeugenden anonymen Aufsatz 'Neue Mär-
chen-Forschungen» in der Zeitschrift 'Die Grenzboten', 28. Jahrg., 1869,
II. Sem., II. B., S. 98 — 108, durch welchen ich zu erneutem Nachden-
ken über den Gegenstand angeregt und in meiner Ueberzeugung be-
festigt worden zu sein bekenne.
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— 16 —
Märchen von den betreffenden Völkern aus der gemeinsamen
asiatischen Urheimath mitgebracht, also ererbt, oder auf euro-
päischem Boden selbständig und unabhängig geschaffen wor-
den ist. Die Uebereinstimmung der Märchen im Allgemeinen
und im Einzelnen bei den verschiedenen Nationen wird zum
Theil allerdings auf späterer Entlehnung, zum Theil auf der
Gleichheit der Abstammung beruhen : es gibt aber auch noch
ein Drittes, worauf, wie mir scheint, in der Regel zu wenig
Gewicht gelegt wird, nämlich die eigentümliche natürliche
Anlage des menschlichen Geistes, welche selbst bei unver-
wandten, auf den verschiedensten Culturstufen stehenden und
durch weite Entfernung von einander getrennten Völkern
allezeit Aehnliches und doch Selbständiges hervorzubringen
vermag. 1 ) Es wird nun aber in vielen Fällen ungemein
schwierig, ja — wenigstens bei dem heutigen Stande der
Forschung — geradezu unmöglich sein, das Ursprüngliche
und das Entlehnte mit Sicherheit zu unterscheiden; zumal da
es doch offenbar sehr leicht geschehen konnte, dass ein bei-
spielsweise im achten Jahrhundert unserer Zeitrechnung aus
Indien nach Griechenland vorgedrungenes Märchen hier schon
längst, wenn auch in mehr oder weniger abweichender Fas-
sung, vorhanden war und nunmehr die beiden Gebilde, das
einheimische und das ausländische, mit einander verschmol-
zen. Dass, wie Benfey meint, 2 ) die indischen Märchen durch
ihre innere Vortrefflichkeit alles, was etwa Aehnliches bei
den verschiedenen Völkern, zu denen sie gelangten, schon
existirt hatte, absorbirt haben sollten, vermag ich weder im
Allgemeinen noch speciell in Bezug auf Griechenland zuzu-
geben. Vielmehr wird, wer des Volkes Eigenart, seine Zähig-
keit im Festhalten des ihm einmal zugehörigen Besitzes und
seine Sprödigkeit gegenüber dem Fremdländischen erwägt, 3 )
! J Hierüber hat Liebrecht Treffendes gesagt und einige merk-
würdige Beispiele dieser Art angeführt in Ebert's Jahrbuch II, 1860,
S. 121 ff. Vgl. auch desselben Vorrede zu seiner deutschen Bearbei-
tung von John Dunlop's Geschichte der Prosadichtungen, Berlin 1851,
p. XVII.
') Vorrede zum Pantschatantra p. XXV.
3 ) Ich will hier, vieles Andere übergehend, nur an die eine, von
Hahn Griech. und alb. Märchen I, S. 27 und Sagwissensch. Studien
S. 52 hervorgehobene Thatsache erinnern, dass die Sammlung von
'Tausend und eine Nacht», von der es eine sehr verbreitete neugrie-
chische Uebersetzung gibt, auf den neugriechischen Märchenschatz fast
gar keinen Einfluss gehabt hat. Und so dürfte derselbe voraussicht-
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eher zu der entgegengesetzten Annahme sich gedrängt füh-
len, dass nämlich von den indischen Conceptiouen nur die-
jenigen Eingang fanden und dauernd haften blieben, welche
sich mit einheimischen Ueberlieferungen mehr oder minder
nahe beröhrten.
Aber selbst wenn die Benfey'sche Theorie in der von
ihrem Urheber ihr gegebenen Ausdehnung richtig wäre, was
ich bestreite, und demnach auch die neugriechischen Volks-
märchen samint und sonders auf indischen Couceptionen be-
ruhten, so würden dieselben natürlich trotzdem, soweit auch
sonst nachzuweisender neugriechischer Volksglaube in ihnen
hervortritt, für die wissenschaftliche Darstellung dieses Volks-
glaubens ganz unbedenklich herangezogen werden dürfen.
Ich würde diese Bemerkung über eine so selbstverständliche
Sache gar nicht für nothwendig halten, wenn nicht C. Wachs-
muth an diesem in meinem Buche über das Volksleben der
Neugriechen in der That ohne Weiteres von mir beobachteten
Verfahren Anstoss genommen und nur in der Voraussetzung,
dass ich mich in der Vorrede zu der vorliegenden Sammlung
deshalb rechtfertigen werde, vorläufig mit seinem Tadel mich
verschont hätte. Derselbe sagt in den Gotting, gel. Anzeigen
v. J. 1872, ö. 244 wörtlich Folgendes: 'Wenn der Verf. auch
die neugriechischen Märchen als Zeugen für den Volks-
glauben der Junghellenen unbedenklich benutzt, so stimme
ich ihm darin zwar sachlich im Wesentlichen bei. Allein die
von Benfey (Pantschatantra, Vorrede S. XXII f. und Gotting,
gel. Anz. 1860, S. 874; vgl. auch Beil. z. Augsburger allg.
Zeit. 12. Juli 1871 *)) aufgestellte, neuerdings auch von Max
Müller (Essays. 3. Bd., aus dem Engl, übertr. von Liebrecht.
1872. S. 303 ff. und 530 ff.) angenommene 2 ) Ansicht über den
Ursprung der Märchen kann in einer wissenschaftlichen Arbeit
nicht einfach ignorirt werden; und wenn man, wie ich es
lieh auch durch die Uebersetzuug abendländischer Märchen ins Vulgär-
griechische, die neuerdings Michael Deffner zu Athen veröffentlicht nat
( vgl. Literar. Centralblatt 1873, Nr. 28), wenig oder gar nicht alterirt
werden.
*) Das ist ein reines Prunkcitat, denn in jenem Aufsatz findet sich
gar nichts direct auf unsre Frage Bezügliches.
*) Beiläufig bemerkt, ist dieses unrichtig. Vielmehr nimmt auch
Müller einen zwischen den beiden extremen Ansichten vermittelnden
Standpunkt ein, wie zu ersehen aus den Essays B. II, S. 217 f. der
d. Ausg. (Leipzig 1869).
S< hmi.lt , Grioch. Marchvn, Sagen o. Volkslieder. 2
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auch, wenn schon mit bestimmten Einschränkungen thue,
dennoch an der Grimmschen Ansicht über die Bedeutung der
Märchen festhält, so muss man diesen Standpunkt doch aus-
drücklich der ßenfey 'sehen Theorie gegenüber motiviren. Ks
müsste daher auffallen, dass der Verf. für den Gebrauch, den
er von ihren Angaben macht, kein Wort der Rechtfertigung
für nöthig hält, wenn man nicht erwarten dürfte, dass er sich
in der Vorrede der von ihm versprochenen — Sammlung neu-
griechischer Märchen, Sagen und Volkslieder über diesen
Punkt ausführlicher verbreiten wird.' Diese Auslassung mag
vielleicht einem Laien durch den Schein strenger Gewissen-
haftigkeit imponiren: dem Sachverständigen zeigt sie nur,
dass Wachsmuth die Benfey'sche Ansicht völlig verkannt und
nicht einmal die Vorrede zum Pantschatantra mit der gebüh-
renden Aufmerksamkeit gelesen hat. Denn ßenfey spricht
doch hier ausdrücklich von der ' Nationalisirung ' der nach
seiner Meinung durchweg indischen Gebilde, er erkennt es
ausdrücklich an, dass dieselben dadurch, dass sie aus der Lit-
teratur ins Volk, aus diesem verwandelt wieder in die Litte-
ratur, dann wieder ins Volt u. s. w. übergingen, den Charak-
ter nationaler Wahrheit angenommen haben (S. XXV f.).
Und konnte er Angesichts der europäischen Märchen anders?
Ist etwa in ihnen von indischen Göttern und Dämonen, von
Brahmanen und Krokodilen die Rede? Es ist doch wahrlich
sonnenklar, dass Benfey, indem er indischen Ursprung der
europäischen Märchen behauptet, damit nur die Grundlage
derUeberlieferung meint, welcher dann, um mit Wilhelm
Grimm zu reden, 1 ) die jedem Volke innewohnende dichterische
Kraft unbewusst den Stempel des eigenen Lebens aufgedrückt
hat. Gleichwie also beispielsweise in den deutschen Märchen
Wichtelmänner und Zwerge, Nixen und Frau Holle vorkom-
men, so treten in den griechischen Nemden, Moeren, Lamien,
Charos und andere wohlbekannte Gestalten des griechischen .
Volksglaubens auf, und was von diesen in den Märchen aus-
gesagt wird, das sollte nicht als Beleg für eben diesen
Volksglauben ohne Weiteres verwendet werden dürfen? Die
Frage, ob die Märchen selbst aus Indien oder anderswoher
stammen oder ob sie uraltes Eigenthum der Griechen sind,
') Die Sage von Polyphem, a. o. a. U. S. 23.
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kommt hierbei ganz und gar nicht in Betracht. 1 ) Wenn man
nun schon darüber höchlich sich verwundern muss, dass
Wachsmuth dieses einfache Sachverhältniss so vollständig hat
verkennen können, so steigt das Befremden noch , wenn man
sich erinnert, dass derselbe- in der im J. 1864 erschienenen
Schrift 'Das alte Griechenland im neuen , , welche er doch gar
sehr als eine 'wissenschaftliche Arbeit' betrachtet, ganz das
gleiche Verfahren, das er jetzt mir zum Vorwurf machen
möchte, seinerseits eingeschlagen und die Hahn'sche Mär-
chensammlung für den Volksglauben der Neugriechen aus-
genutzt hat, 2 ) ohne der doch schon fünf Jahre vorher bekannt
gewordenen Benfey'schen Ansicht von dem Ursprung der
Märchen auch nur mit einem einzigen Worte zu gedenken!
Ich habe hinsichtlich der Märchen in dieser Vorrede wei-
ter nichts hinzuzufügen, als dass ich in den Anmerkungen
zu denselben am Ende der Sammlung zwar die anderwärts
veröffentlichten griechischen Märchen zum Vergleich heran-
gezogen, in besonderen Fällen auch verwandte Märchen an-
derer Völker berücksichtigt, dagegen auf einen vollständigen
Nachweis aller parallelen Märchen und Märchenzüge aus der
gesammten einschlägigen Litteratur verzichtet habe. Oefters
ist zum Ersatz dafür namentlich auf R. Köhler's reichhaltige
Anmerkungen zu Laura Gonzenbach's Sicilianischen Märchen
verwiesen worden. Billige Beurth eiler werden diese Beschrän-
kung auf das Notwendigste schon durch den Standpunkt,
von welchem aus ich meine Sammlung unternommen habe,
für hinlänglich gerechtfertigt halten und überhaupt von mir als
Philologen nicht die Belesenheit in der Märchenlitteratur ver-
langen, durch welche die Köhler und Liebrecht sich auszeichnen.
Zwischen Märchen und Sage gibt es keine ganz feste
Grenze, sie gehen mehrfach in einander über, und man kann
bei manchen Erzeugnissen in Zweifel sein, zu welcher von
beiden Gattungen man sie rechnen solle. Ich glaube indessen
die Sonderung richtig vollzogen zu haben, nur dass, wie
') Etwas Anderes ist es natürlich, wenn jemand sich mit Märchen-
deutung befasst und beispielsweise einen in einem Märchen erwähn-
ten runden Kuchen auf die Sonne bezieht. Da kann er, selbst die
Richtigkeit der Deutung zugegeben , nicht ohne Weiteres einen Rück-
schluss auf die Mythologie des Volkos machen, bei dem er das Mär-
chen vorfindet. Allein davon findet man in meinem Duche nichts.
*) Vgl, /. Ii. S. 5*. 56. 57.
2*
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- 20 —
schon oben bemerkt worden, Nr. 12 meiner Sagen besser den
Märchen zugewiesen worden wäre. ') Die vorliegende kleine
Sammlung neugriechischer Volkssagen nun ist meines Wis-
sens die erste, die zur Veröffentlichung gelangt. 2 ) Möchte
sie den Griechen, welche neuerdings angefangen haben ihren
Märchen ein lebhafteres Interesse zuzuwenden, nun auch zur
Aufzeichnung und Bekanntmachung der in ihrem Volke leben-
digen Sagen die Anregung geben. Der Reichthum an solchen
ist gross, und eine möglichst vollständige Sammlung dersel-
ben, insbesondere der Ortssagen, würde vielleicht bezüglich
des Gehalts an althelleuischem Erbgut noch weit interessantere
Resultate ergeben als der gesammte Märchenschatz. Denn
wennschon ein Theil der griechischen Ortssagen erst im
Mittelalter unter dem Einfluss der fränkischen Eroberer sich
gebildet haben mag, so ist es doch andrerseits gewiss, dass
in manchen Gegenden Sagen haften, welche altgriechische,
an dieselben Gegenden sich knüpfende Mythen zur Grundlage
haben, und es würde, wenn sie uns sämmtlich vorlägen, ab-
gesehen von allem Uebrigen , schon das einen nicht geringen
Reiz gewähren, des Genaueren die Wandlungen zu verfolgen,
welche die hellenischen Erzählungen im Lauf der Zeiten erfah-
ren haben. Vielleicht ist es dem Leser nicht unwillkommen,
wenn ich hier alles dasjenige, was ich an neugriechischen
Volkssagen in der mir zugänglichen Litteratur vorgefunden
und notirt habe, in einem allgemeinen Ueberblicke zusammen-
stelle; wobei ich jedoch alle diejenigen ausschliesse , welche
ich bereits im ersten Theile meines Volkslebens der Neu-
*) Dieses Stück, welches als Schauplatz der erzählten Begebenheit
die Unigegend von Tneben nennt, unter die Sagen aufzunehmen hatte
mich die Bemerkung der Gebrüder Grimm in der Vorrede zu den
Deutschen Sagen (Berlin 1816), S. V bewogen , wonach die Sage das
Besondere hat, 'dass sie an etwas Bekanntem und Bewusstem hafte, an
einem Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten Namen.' Es
ist dies allerdings im allgemeinen als eines der die Sage vom Märchen
unterscheidenden Merkmale anzuerkennen, trifft aber nicht für alle
Fälle zu. Vgl. noch Ludwig Bechstein Deutsches Märchenbuch, Vor-
wort S. III der 1. Auflage (Leipzig 1847).
*) Denn die neuerdings von F. Liebrecht in Höpfner's und Zacher's
Zeitschrift für deutsche Philologie, B. II, 1870, S. 177—18» unter der
Aufschrift 'Neugriechische Sagen' bekannt gemachten, einer von einem
griechischen Metropoliten im vorigen Jahrhundert verfassten allgemei-
nen Weltgeschichte entnommenen elf Erzählungen sind keine wirk-
lichen Volkssagen, wie ihr Inhalt deutlich genug lehrt. Woher der
Verfasser jener Weltgeschichte sie genommen, ist nicht bekannt.
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- 21 -
griechen mitgetheilt oder erwähnt habe') oder im zweiten
Theile anzuführen gedenke, sowie ausserdem diejenigen, welche
mit Sagen meiner Sammlung verwandt sind und daher pas-
sender in den Anmerkungen zu diesen ihre Stelle finden.
In der Ebene von Pheneos in Arkadien, deren Erd-
schlünde man im Alterthum für einen Eingang zur Unter-
welt hielt, und durch den einen von welchen nach der ört-
lichen Ueberlieferung Pluton mit seiner schönen Beute, dem
Demeterkind Persephone, nach seinem unterirdischen Reiche
hinabgefahren sein sollte, 7 ) haftet eine gewisse Dämonologie
noch heute. Zwei böse Geister, so erzählen die umwohnen-
den Bauern, machten sich den Besitz des Sees streitig. Der
schlauere von beiden kam auf den Gedanken seinen Gegner
mit Kugeln von Pech zu bekämpfen, welche bei der Berüh-
rung mit dessen Körper Feuer fingen. Der Unglückliche,
ganz in Flammen stehend, riss in seiner Verzweiflung einen
Felsen los und stürzte sich durch den so entstandenen Schlund
in den Schoos der Erde. Seit dieser Zeit ergiessen sich die
Wasser des Sees auf dem nämlichen Wege in die Tiefe. 3 )
Die Umwohner des benachbarten Styxfalles (jetzt xct
Mctupovepia, bisweilen auch rot ApotKOve'pia genannt) haben
die im Alterthum an sein Wasser sich knüpfenden Sagen
ihrem wesentlichen Inhalte nach aufbewahrt, sie erzählen noch
•) S. besonders S. 105, 110—117, 119 f., 122 (Nerai'densagen), S. 164ff.
( Vampy raagen), S. 177 f. (Sagen vom Teufel), S. 185 ff. (zakynthisehe
Sagen von der Hausschlange) , S. 188 f. (Sagen von sonstigen Orts-
geistern) und S. 193 ff. (Drachensagen); ferner S. 197 f. (Sagen von ein-
gemauerten Menschen), S. 205 ff. (Sagen von den alten Hellenen), S. 244
(Unterweltsfahrten), endlich auch S. 43 f. und 47 (Heiligenlegenden).
«J Conon Narrat. 15 (Mythogr. ed. Westerm. S. 130).
') Emile Gebhart in dem Aufsatz f Un pelerinage aux sanctuaires
du paganisme. L'Olympe et le Styx', in der Revue des deux mondes,
T. LXIX, 1867, S. 1002. Leake Travels in the Morea III, S. 148 f., der
die Sage in folgender etwas abweichender Fassung hörte : f Two devils
Eossessed the lake, one of whom resided near Giöza, thc other towards
yküria. These demons, as was to be expected of such characters,
often quarrelled, and at length a terrible conflict occurred between
them at a place near the top of Mount Saetä. The one who lived on
the western side of the lake, and was the more cunning devil of the
two, devised a plan of pelting his adveraary with balls made of the
tat of oxen, which, when they came in contact with the devils skin,
caught rire and annoyed him so terribly, that he was seized with a
pamc, and could Hud no way of escape but through the mountain,
leaving a passage by which the waters flowed off and left the piain
dry.' Eine dritte Version dieser Sage endlich findet man bei üodwell
Reise durch Griechenland II, 2, S. 331 d. d. Uebers. v. Sickler.
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— 22 -
heute fast dasselbe wie Pausanias (VIII, 18), nämlich dass
der Genuss dieses Wassers verderblich sei, und dass kein Ge-
fäss es aufnehmen könne, ohne zerstört zu werden. 1 )
Vom kopai'schen See weiss das dortige Landvolk folgende,
poetischen Werthes nicht ermangelnde Sage zu erzählen.
'Ein alter König herrschte einst über die ganze Ebene, die
völlig trocken war, da die Gewässer sich durch die Kata-
bothren 2 ) verliefen. Er besass zahllose Herden und zwei-
hundert schöne Dörfer, die dort standen, wo jetzt in den
Sümpfen Hohr wächst, und im Winter ein weiter See steht.
Als er sein Ende herannahen fühlte, vertheilte er seinen Reich-
thum unter seine zwei Söhne. Dem einen gab er die Aecker,
dem andern die Herden. Nach der Zeit begab es sich, dass
ein heftiger Frost und Schneegestöber plötzlich alles Vieh
vernichtete. Der verarmte Bruder kam zum reichen und bat
um einen Antheil an seinem Ueberttuss. Dieser wies ihn
schnöde von seiner Thür hinweg. Der Hirt ersann eine
schreckliche Rache. Er verstopfte heimlich die Katabothren,
und als der Winterregen kam, verliefen die Gewässer sich
nicht mehr. Der See stieg, und die schönen Dörfer gingen
alle in den Wellen unter. :; )
Sagen von versunkenen Ortschaften finden sich auch sonst
noch in Griechenland. So knüpft sich an den im Alterthum
wenigstens in der jetzigen Ausdehnung noch nicht vorhande-
nen, zwischen dem Minthegebirge und der Meeresküste sich
hinziehenden See Kaiapha in Elis die Sage von einer ver-
sunkenen Stadt, die man in seiner Mitte unter dem Wasser-
spiegel noch zu erkennen vermeint. 4 ) Auch an der lykischen
*) S. beKonders Leake Travels in the Morea III, S. 166 f., welcher
auch die in einzelnen Punkten von einander abweichenden antiken
Berichte am vollständigsten angeführt und besprochen hat. Vgl. noch
E. Curtius Peloponnesos I, S. 196. — Leake bemerkt, er habe in Solos
keinen Menschen, selbst den Lehrer nicht ausgenommen, gefunden,
der so unterrichtet gewesen, um zu wissen, dass er in der Nähe der
alten Styx wohne. Dies beweist die Echtheit der örtlichen Ucbcr-
lieferung. — Nach Schwab Arkadien S. 16 herrscht bei den heutigen
Umwohnern des Styxfalls noch ein anderer Glaube, nämlich der, dass
das herabtropfende Wasser, an einem bestimmten Tage des Jahres,
den niemand weiss, getrunken, die Eigenschaft habe, den Trinker un-
sterblich zu machen; wobei man sich an die jüugere Achillessage
erinnert, wonach Thetis ihren Sohn in die Styx tauchte und ihn bo
unsterblich machte.
*) d. i. unterirdische Abflüsse.
3 ) Ulrichs Reisen und Forschungen in Griechenland I, S. 212 f.
*) Ponqucville Voyage de la Greec VI, S. 12 der 2. Ausgabe (Paris
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Küste wissen die griechischen Schiffer und Schwammfischer
viel von versunkenen Städten, ßouXiacuevaic xinpaic, zu reden; 1 )
und auf eine derartige Sage weist auch der Name f\ Bou-
Xictcuevr) (erg. xwpa) hin, welchen heutzutage der See Escha-
tiotis in der korinthischen Peraea führt. 2 )
Eine sehr bekannte Sagenfigur im heutigen Griechenland
ist die 'Alte mit der Herde', welche, als der Frühling ge-
kommen war, stolz und frohlockend ausrief, dass nun ihren
Schafen und Ziegen nichts mehr geschehen könne, aber auf
einmal trat noch ein scharfer durchdringender Nachtfrost ein,
der alle ihre Thiere zu Grunde richtete. Diese Geschichte,
die als eine ernste Warnung vor Uebermuth und voreiligem
Sicherheitsgefühl dem Geschmack des Volkes besonders zuzu-
sagen scheint, wird in verschiedenen Gegenden des Landes,
wenn auch mit manchen Abweichungen im Einzelnen, als
Ortssage erzählt, so in der marathonischen Ebene, wo mau
die Ueberreste einer Anlage des Herodes Attikos in der Nähe
des Dorfes Branas als den Schafstall dieser Alten (tt\c fpyäc
tö juavbpi) bezeichnet; so auf der Insel Thasos, wo sie den
Namen 'Popina* führt und eine grosse Einfriedigung von
Steinen für das Vieh 'die Hürde der Pdpina' (xr]c TTwinvac
r\ udvbpa) heisst; so auf Samothrake, wo man von den hier
vorkommenden Ziegen oder vielmehr Steinböcken glaubt, dass
sie ehemals zur Herde der Alten gehörten, und gewisse weisse,
in eine Felswand eingesprengte Streifen deren Wäsche (Tfjc
Yprjäc toi Ttaviä) nennt. 3 ) In Arkadien, etwa drei Stunden
1826. 27). Ueber die Oertlichkeit vgl. Bursian Geogr. v. Griechen!.
II, S. 280 f.
') L. Ross Kleinasien und Deutschland (Halle 1850), S. 10.
•) S. E. Curtius Feloponnesos II, S. 553 f. und 598, Anm. 96.
9 ) S. Chandler Travels in Asia minor and Greece, 13. II, S. 207—209
der Oxforder Ausg. v. J. 1825. Ross Erinnerungen und Mittheilungen
aus Griechenl. S. 180. Leake Die Deuien von Attika, S. 67 d. d. Uebers.
Conzc Reise auf den Inseln deB thrakischcn Meeres, S. 33 und 19. Vgl.
jetzt auch Lolling in d. Mittheilungen des deutschen archaeol. Institutes
in Athen, I, 1876, S. 83 f. — Dem zuerst genannten Briten wurde die
in der marathoni sehen Ebene gehende Sage von einem Eingeborenen
so erzählt, dasa die übermüthige Frau sammt ihrer Hürde und ihrer
zahlreichen Herde zu Stein geworden sei, und eine am Boden liegende
sitzende weibliche Bildsäule ohne Kopf als die versteinerte Alte be-
zeichnet. Auch versicherte man ihm, dass die Felsen in der dortigen
Gegend, von einem gewissen Punkte aus betrachtet, das Ansehen von
Schafen und Ziegen in ihrer Hürde hätten. Chandler glaubte dem-
nach diese Felsen mit den von Tansanias 1, 32 a. E. erwähnten ir^rpat
Tä iroXXä alElv etnacu^vai, welche man ehedem die 'Ziegenherdc des
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- 24 —
voii Tripolitsa in der Gegend, welche «PporfKÖßpuco (Frauken-
quelle) hcisst, zeigt man an einem Berge die versteinerten
Schafe der Alten. ! ) Mehrere altgriechische Ortsbezeichnun-
gen, wie Tpaöc crnOoc, Tpaöc fäka, Tpaiac fövu, Tpaiac cäua,
KaXoTpaiac ßouvöc, 2 ) scheinen auf das einstige Vorhanden-
sein ähnlicher Sagen hinzuweisen.
Bei den Bewohnern der marathonischen Ebene fand L.
Ross auch eine Erinnerung an die alte Perserschlacht vor.
Einst in der Zeit der Hellenen, so erzählten sie ihm, seien
viele 'Fustanellen' 3 ) in diese Ebene gekommen; die Athener,
die oben im Thale bei der 'Schafhürde der Alten' gelagert
gewesen, hätten sie angegriffen und ihrer so viele erschlagen,
dass der Fluss von dem Blute roth gefärbt worden. Allein
es ist, wie Ross selbst bemerkt, zweifelhaft, ob diese Sage
als eine echte, unmittelbar aus dem Alterthum herstammende
Volksüberlieferung zu betrachten oder ob sie erst in neuerer
Zeit dadurch entstanden ist, dass ein halbgelehrter Priester
Pan' nannte, identificiren zu dürfen, und meinte, dass die Alte der
modernen Sage einfach an die Stelle des antiken Hirtengottes getreten
sei. Allein nach der Beschreibung des Pausanias befand sich die so-
genannte Ziegenherde des Pan innerhalb der diesem geweiheten
Grotte, und es müssen demnach Stalaktiten gewesen sein, deren For-
men den alten Griechen zu dieser Bezeichnung Anlass gaben. Gleich-
wohl wird die angeführte Uebereinstimmung der Vorstellungen in der
nämlichen Gegend in alter und neuer Zeit schwerlich eine blos zufäl-
lige sein. Ich denke mir, dass bis auf Chandler's Zeiten unter den
Bewohnern der marathonischen Ebene die Erinnerung an das Vor-
handensein merkwürdiger, einer Ziegenherde gleichenden Felsbildungen
in der Umgegend aus dem Alterthum sich erhalteu hatte, dass aber
der Ort selbst ihnen nicht mehr genau bekannt war.
') Politis McX^tn dm t. ßiou t. veurr. 'GXXnvujv I, S. 36. Derselbe
theilt S. 35 die Sage in folgender Fassung mit: die Alte habe am letz-
ten Tage des März, in dem Wahne, dass nunmehr alle Gefahr vorüber sei,
verächtlich ausgerufen: TTptTCi, Mdpxi pou! to Eex^iuaca rä KOTCiKÖKia
Mou!, d.i. ätsch, März, nun haV ich doch meine Zicklein überwintert;
da habe der März im Zorne vom Februar noch einen Tag geborgt,
habe durch ungeheure Kälte die Alte genöthigt, sich unter den Kessel
zu stecken, in dem sie Käse bereitete, und sie in dieser Lage sammt
ihrer ganzen Herde zu Stein werden lassen. Ganz ähnlich Satnas in d.
NcoeXX. 'AvdX I, S. 321 f. — Auf diese Sage beziehen sich endlich auch
die Sprüchwörter Nr. 42 ab und 43 ab bei A. Mommsen Griech. Jahres-
zeiten I, S. 28. Vgl. dazu die Berichtigungen Liebrecht's in d. Jahrb. für
klass. Philologie B.CVII.1873, S.239, welcher hier zugleich auch, mit Ver-
weisung auf das von ihm zu Gervas. S. 182 ff. Zusammengestellte, die Ansicht
ausspricht, dass die Alte die Wintergöttin oder den Winter repräsentirc.
*) 8. Meineke zu Steph. Byz. S. 601 und zu Theoer. 5, 121 (d. 3.
Ausg., Berlin 1856). Vgl. auch Pape-Benseler Wörterb. d. gr. Eigenn.
unter Tpata.
3 ) (pooerate oder (poucTav^XXaic, d. i. Krieger, eine von der moder-
nen Tracht hergenommene Bezeichnung.
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— 25 -
oiler ein Reisender den Bauern von der einst hier geschlage-
nen Schlacht erzählte. 1 )
Aber es knüpft sich noch eine weitere, sicherlich echte
Volkssage, über die nur leider allzu dürftige Berichte vor-
liegen, an diese berühmte Ebene. Die Hirten reden noch
heute von einem seltsamen Getöse, das in den Sümpfen sich
vernehmen lasse, und wollen auf der Anhöhe von Brandis
einen kleinen Reiter sich tummeln sehen. 2 ) In diesem ge-
spenstischen Reiter hat man, ohne haltbaren Grund, eine
Erinnerung an den alten Landesheros Echetlos zu erkennen
geglaubt, welcher, wie Pausanias bei seinem Besuch der mara-
thonischen Ebene sich sagen Hess, in der Schlacht gegen die
Perser in der Gestalt und Kleidung eines Bauern erschien
und, nachdem er viele von den Barbaren mit einer Pflugschar
erschlagen, nicht weiter gesehen wurde. 3 ) Vielmehr werden
wir beide Theile der heutigen Erzählung zusammen als eine ab-
geschwächte Fassung jener anderen Sage zu betrachten haben,
die Pausanias gleichfalls aus dem Munde der Eingeborenen
hörte, dass allnächtlich auf der Wahlstatt Rossegewieher und
Kampfgetümmel sich vernehmen lasse. 4 ) Es sind die Geister
der gefallenen Helden, welche hier nach dem Glauben der
Alten tobende Schlachten weiter kämpften, und diese Vor-
stellung vom 'wütenden Heere', die auch in Deutschland vor-
zugsweise an ehemaligen Schlachtfeldern haftet, 5 ) hat sich an
dieser Stätte bis auf die Gegenwart erhalten.
') Ros8 Erinnerungen u. Mittheilungen aus Griechenland S. 192 f.
Vgl. auch Fr. Lenormant Monographie de la voie sacree Eleusinicnne,
T. I (Paris 1864), S. 525, n. 1, welcher behauptet, dass sich in der Um-
gegend von Marathon zu allen Zeiten die Erinnerung an eine grosse
und fürchterliche Schlacht erhalten gehabt, und hierfür den türkischen
Namen eines dortigen Weilers, Cecpepi, d. i. Schlacht, geltend machen
will, worauf nicht eben viel zu geben sein dürfte, vgl. über diesen
Weiler Leake Die Domen von Attika, S. 66 und besondere S. 76, Anm.
210 der d. üebere.
l ) Ampdre in der Revue des deux mondes, T.VI1, 14. annee, nouv.
1844, S. 44. — Lenormant a. a. 0. macht, wiewohl auf' Ampere ver-
weisend, aus dem kleinen Reiter einen 'cavalier gigantesque, arme' d'une
massue,' und Politis MeX^xn 1, S. 153 schreibt's ihm nach.
s ) Pausan. I, 32, 5. Vgl. auch 15,3.
*) Pausan. I, 32, 4: evxaü6a dvd itäcav vüKxa Kai Yumuv xpeyexi-
Zövxujv Kai dvftpuiv uaxou^viuv lexiv alcö^cGar Kaxacxfjvai b£ ic lv-
Yfj 6&xv dm'xnoec udv ouk £cxiv öxiy cuvrjveYKtv, ävnKÖiu bi Övxi Kai
Xujc cupßäv oük £cxiv £k xüjv oaiuövuiv öprn,.
b ) Vgl. Adolf Wuttke Der deutsche Volksaberglaube der Gegen-
wart, 2. Bearbeitung, Berbn 1869, S. 17.
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— 26 -
Eine steile, dem höchsten Gipfel gegenüberliegende Fels-
wand des Parnasos heisst bei den Anwohnern der '(J reisen -
Mb\ ö TtpovTÖßpaxoc, und hat diesen Namen von der Volks-
sage erhalten, dass hier die Alten ihre greisen, zu Arbeit
und Erwerb unfähig gewordenen Väter in die furchtbare
Schlucht hinunter zu stürzen pflegten. 1 ) Dieselbe Sage haftet
auch auf der Insel Hydra an einem in der Nähe des Strandes
befindlichen Felsen Namens Zctcräc, von welchem nach dorti-
ger Ueberlieferung ehemals die Greise in einem Korbe von
ihren eignen Kindern herabgestürzt wurden, bis einst ein
Alter in dem Augenblicke, da er in den Korb gelegt ward,
. zu seinem Sohne sagte: 'Bewahre den Korb gut auf, mein
Sohn, damit, wenn du alt geworden, auch deine Kinder ihn
benutzen können;' eine Bemerkung, die auf den Sohn solchen
Eindruck machte, dass von der Zeit an der barbarische Brauch
unterblieb. 2 ) Eine ganz ähnliche Ueberlieferung findet sich
auch bei den Walachen vor. 3 ) L. Ross wirft bei Erwähnung
der parnasischen Sage die Frage auf, ob derselben vielleicht
ein in vorhistorische Zeit hinaufreichendes Factum zu Grunde
liege, und erinnert an den auf der Insel Keos herrschen-
den Brauch, wonach hochbejahrte Personen beiderlei Ge-
schlechts durch einen Schierlings- oder Mohntrank sich den
Tod gaben, um den jüngeren Platz zu machen. 4 ) In der
') Ross Griechische Königsreisen I, S. 55 f. Vgl. auch desselben
Reisen im Peloponnes S. 93, Anm. 53. Das Vorhandensein dieser Ueber-
lieferung in dem parnasischen Arachoba bestätigte auch Dr. Kremos.
«) Bretös im '€9viköv 'HucpoXoriov vom J. 1867, S. 97.
3 ) Schott Walachische Maehrchen (Stuttg. und Tüb. 1845), Nr. 12,
S. 152 f., welches Stück die Ueberschrift trägt: 'Eine Geschichte aus
der Römerzeit. ' Vor alten Zeiten, erzählen die Walachen, herrschte
der Brauch die bejahrten Leute zu erschlagen, weil mau sie als unnütz
ansah. Ein junger Mann, der's nicht über sich vermochte, den eignen
Vater zu tödten, verbarg denselben im Keller und ernährte ihn heim-
lich. Nun begab es sich, dass alle streitbaren Manner zum Kampfe
ausziehen mussten wider ein Ungeheuer, das von seiner Höhle aus
ringsumher Jammer und Elend verbreitete. Da gab der am Leben
gebliebene Alte seinem Sohne einen heilsamen Rath mit auf den Weg,
dessen Befolgung allen Rettung brachte. Als sie nun erfuhren, wer
den Rath gegeben, sahen sie ein, dass es nicht gut sei die alten und
eben darum erfahrenen Leute zu tödten, und so wurde die grausame
Sitte aufgehoben.
') Ueoer das alte Keiuuv vö^i|iov handelt ausführlich Bröndsted
Vovages dans la Grece, l.Livraison, Paris 1826, S. 63 ff. Vgl. Böekh's
Bemerkungen hierzu in d. Ges. kleinen Schriften, Bd. VJI, S. 346 ff.
Die wichtigsten Zeugnisse der Alten findet man bei Heraclid. Polit. 9,
S. 14 Schneidew., Strab. X, p. 486. Aelian. V. Hist. III, 37. Valer.
Max. II, 6, 8.
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- 27 -
That kann, nach den zahlreichen Analogien, die wir bei
anderen und zwar auch stammverwandten Völkern finden, 1 )
kaum bezweifelt werden, dass einstmals auch in Griechenland
die grausame Sitte der Tödtung der Greise geübt worden ist,
und der bis in die späten Zeiten des Alterthums hinabreichende
Brauch auf Keos wird als Milderung einer ehemaligen här-
teren Gewohnheit aufzufassen sein.
Eigentümliche Sagen von heidnischer Grausamkeit haf-
ten auch an dem lykaeischen Gebirge in Arkadien, und ihnen
mag eine dunkle Erinnerung an die noch im späten Alter-
thum hier dargebrachten Menschenopfer zu Grunde liegen.
Die heutigen Bergbewphner knüpfen an die halbverbrannten
Ueberreste von Knochen, mit denen die Fläche des heiligen
Gipfels noch jetzt überdeckt ist, die Erzählung an, die alten
Hellenen seien so grausam gewesen, dass sie ihre Kriegs-
gefangenen auf dieser Stätte, wie auf einer Dreschtenne, von
Pferden hätten zerstampfen lassen; oder sie hätten dieselben
an einer andren Stelle des Gebirges in die Erde vergraben
oder . endlich dort, wo der Weg ins Nedathal steil hinabführt,
sie als Treppenstufen verwendet. 7 )
Von einem Riffe bei der Insel Samothrake Namens Sgou-
rapha erzählen die Schwammfischer, dass dort in einer Fels-
höhle unter der Meeresfläche ein grosses Unthier wohne,
daher sie nicht sehr tief an diesem Riffe zu tauchen sich
getrauen ; von einem Schwammfischer, der dies einstmals doch
gewagt, sei nur der halbe Mensch wieder heraufgekommen,
so übel habe das Thier ihn zugerichtet: eine Geschichte, zu
welcher es nahe lag das alte Märchen von der CkuXXti TreTpat'n.
') S. besonders F. Liebrecht zu Gervasius von Tilbury, S. 81 fl".
Vgl. jetzt auch E. Kohdo D. griech. Roman S. 230 Anro. nebst dem
Nachtrag auf S. 545.
2 ) S. Ross Reisen im Peloponnes S. 93, der auch folgende hierauf
bezügliche Yerse eines Liedes anführt: ctö x«vbdKi touc £xavbaKiü-
cave, iTrjv ocdXav touc £cKaXwcave, Ztöv "Ayiov 'HXiäv touc dXuiucavc,
und zum Vergleich heranzieht, was licrakleides bei AthenaeoB XI 1,
p. 524 von den Milesiern erzählt: KpaTqcac ö bfjuoc Kai touc trXoudouc
CKßaXdjv Kai cuvaYaYÜJv Td t^kvo tüjv qnrfövTUJv eic äXujviac, ßoöc
cuvaYaYÖvTec cuvnXoincav Kai uapavouujTdTiu OavdTip bidtpOcipav. Vgl.
noch E. Curtius Peloponn. I, S. 302. — Dass auf dem Lykaion noch zu
. Tansanias' Zeit Menschen geopfert wurden, ist nach der geheimniss-
vollen Ausdrucksweise desselben, mit welcher er es ablehnt auf die
Art des dortigen Opferdienstes sich einzulassen (VIII, 38, 7), nicht im
geringsten zu bezweifeln. Vgl. Welcher Kleine Schriften III, S. 162,
und von Stackelberg Der Apollotempel zu BasBae, S. 102.
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zu vergleiche«, die dein Odysseus sechs seiner Gefährten aus
dem Schiffe riss. 1 )
An das kleine vulkanische Eiland Kaymeui im Golf von
Santorini haben sich, wie leicht begreiflich, mancherlei Sagen
angeknüpft, deren eine, erst neuerdings bekannt gewordene
von drei verstorbenen Sündern erzählt, welche dort — in
Maulthiere verwandelt — schwere Lasten unaufhörlich bergab
und bergan zu tragen haben. 2 )
Auf der Insel Salamis wird ein hellenischer Bau, in
welchem man das Temenos der Athene Skiras erkannt hat,
vom Volke cum toö 'Apdnri, d. i. Mohren- oder Gespenster-
haus genannt, und die Phantasie der Hirten und Schiffer sieht
darin den Wohnsitz eines gewaltigen heimtückischen Geistes,
der hier reiche Schätze hütet und menschliche Neugier und
Vorwitz mit dem Tode bestraft. 3 )
Allerlei Sagen von Königen, Königinnen, Prinzen und
Prinzessinnen knüpfen sich in Griechenland an zahlreiche
hellenische oder auch mittelalterliche Ruinen an, sind uns
aber nur zum kleinsten Theile des Genaueren bekannt. Ich
möchte nicht mit L. Ross behaupten, dass diese Sagen selten
eine weitere Ausbildung und ein bestimmtes Gepräge erhalten
haben und daher meistens poetischen Werthes ermangeln. 4 )
Wohl aber darf man aus der von Reisenden unseres Jahr-
hunderts vielfach bezeugten und von mir selbst erfahrenen
grossen Schwierigkeit, die es hat, derselben wirklich habhaft
zu werden, mit Bestimmtheit schliessen, dass sie nur noch
im Besitze von sehr wenigen sind und daher Gefahr laufen
in nicht ferner Zeit gänzlich unterzugehen. Eine planmässige
Sammlung derselben wäre demnach eine um so dankcns-
werthere Aufgabe für die Griechen, die aber einen längeren
Aufschub nicht verträgt.
') Conzc ReiBC auf den InBein des thrakischen Meeres, S. 48.
*) NcocXXnvtKä 'AväAcKTa I, S. 327 f. — Gemeint ist wohl das grösstc
der drei Eilande dieses Namens, die N&x KaüM^vn. — Eine andere an
derselben Stätte haftende Ueberlieferung erinnere ich mich in der 'Eipn,-
ucplc tujv <t>iXoua6u>v gelesen zu haben, vermag aber gegenwärtig die
# Notiz nicht aufzufinden. Vgl. noch Politis McX^Tn T, S. 407.
3 ) Lolling in den Mittheilungen des deutschen archaeolog. Insti-
tutes in Athen I, S. 136 und 138. — Ucber die Mohren als Ortsgeister
vgl. Volksleben I, S. 188.
') Griechische Königsreisen II, S. 208.
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Mehrere Ruinen führen den Namen tä BaciXncd, d. i. die
Königsburg. So z. B. die Trümmer vom Tempel des nemei-
schen Zeus, und die Sage berichtet, dass hier, ebeuso wie in
dem Theater beim epidaurischen Heiligthum des Asklepios,
ein althellenischer König gewohnt habe.') — Von einer ver-
fallenen Feste auf dem Taygeton, welche den in Griechenland
ungemein häufigen Namen TTaXaiOKacipo, d. h. die alte Burg,
trägt, aber nach L. Ross ein Werk des Mittelalters ist, erzählen
die Bewohner des in der Nähe gelegenen Dorfes Socha, dass
dieselbe älter als Sparta sei, dass die Könige des Landes ur-
sprünglich hier gewohnt und erst von da aus den die Ebene
bedeckenden Wald ausgerottet hätten. 2 ) — Dergleichen Sagen
mögen auch an der grossen Zahl derjenigen alten Trümmer
haften, welche beim Volke t& ITaXdTia, d. i. der Königspalast,
heissen, wie z. B. die Ruinen von Methydrion, :J ) die Ueber-
reste des Poseidontempels auf Kalauria, 4 ) und eine Gegend
mit alten Trümmern auf Karpathos. 5 ) — Die Bauern von
Kastrf haben, da sie ihren Ort oft Delphi nennen hörten,
gemäss der beim Volke überhaupt vorhandenen Neigung,
Wörter und Namen, die ihm unverständlich sind, durch scho-
nende Umwandlung sich mundgerecht zu machen, 6 ) daraus
f] 'AbeXqpoö und o e i 'AbeXcpoi, d. i. 'Bruderstadt', gebildet und
verstehen darunter eine an Schätzen reiche Feste, die von
zwei Königssöhnen, welche sie erbaut, ihren Namen erhalten
habe. Von diesen beiden Brüdern wissen sie eine Geschichte
zu erzählen, welche derjenigen von Romulus und Remus nicht
unähnlich ist. Zugleich bringen sie oder brachten sie vor
Jahrzehnten — denn der Fortgehritt der Bildung mag die
höchst seltsame Vorstellung mittlerweile verdrängt haben —
die ihren Ort besuchenden englischen Reisenden, die so ge-
nannten 'Milordi', mit den ehemaligen Bewohnern dieser
Feste, den heidnischen Adelphiern, in Verbindung, die, als
das Christenthum in diesen Gegenden sich auszubreiten be-
gann, ins Frankenland sich geflüchtet hätten, und deren
') Ross Erinner, u. Mittheil, aus Griechenl. S. 229.
x ) Ross Griech. Königsreisen a. a. 0.
3 ) E. Curtius Peloponnesos I, S. 309.
4 ) Derselbe a. a. 0. II, S. 448 und 577.
s ) Pashley Travels in Crete I, S. 188 f.
Ü J Vgl. unten die Anmerkungen zu Nr. 23 der Märchen.
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— 30 —
Nachkommen nun als Pilger hierher kämen und die alten
Steine anbeteten. 1 )
Auf einem steilen Hügel nördlich von Lixouri auf Ke-
phalonia, welcher TTaXaiöxacTpo heisst und wo man die alte
Stadt Pale ansetzt, liegt ein mächtiger Felsblock mit einem
in seine Überfläche eingehauenen Grabe, welchen das Volk
toö ßaciXÖTTOuXou tö uvn.ua, das Grab des Königssohnes, nennt:
aber etwas Näheres über die zu Grunde liegende Sage in
Erfahrung zu bringen gelang mir nicht. — In Kalabryta,
einem kleinen Städtchen des «arkadischen Hochlandes, befindet
sich am östlichen Ende des Burgfelsens eine schroffe Fels-
platte, welche f die Platte der Königstochter', tx\c ßaciXoTTOu-
Xac f] 7rXä»ca, genannt wird, von wo nach der Sage ein vor-
nehmes Fräulein dem Kommen des Geliebten entgegensah
und, als derselbe nicht erschien, sich in den Tod stürzte. 2 ) —
In der Nähe der Ruinen von Phigaleia und des heutigen
Dorfes Paulitsa heissen die Ueberreste eines alten Grabmals
*das Grab der Königstochter', ö xdqpoc Tfjc ßctctXoTrouXac ; :< )
die Trümmer der beiden Tempel bei Rhamnus in Attika wer-
den von den Bewohnern der Umgegend f die Königstochter',
f| ßaciXoTTOÖXa, genannt. 4 ) Auch auf dem Isthmos von Korinth
haftet eine Sage von einem Königssohne, der hier, und von
einer Königin, die in dem westwärts davon gelegenen Trik-
kala regiert haben soll, aber auch sie ist nicht näher be-
kannt. 5 )
Dagegen wurde dem Franzosen Heuzey von den Bauern
in der Umgegend von Trikardökastro v d. i. der alten Stadt
Oiniadae am Acheloos, eine interessante Sage dieser Art mit-
getheilt. Hiernach wohnte daselbst vor Zeiten ein Prinz von
grosser Schönheit. Das seltsame Geschick, zu welchem er
verurtheilt war, hatte ihm den Namen Anilios ('AvnXioc), d. i.
>) Ulrichs Reisen und Forschungen in Griechen!. I, S. 123 f. und
S. 128, Anm. 32.
*) lioss Griech. Königsreisen I, S. 175.
a ) Wyse An Excursion in the Peloponnesus II, S. 19, der ßaciXo
TToüXr|C gibt, was Hellenisirung ist.
4 ) Rosa Erinner, u. Mittheil. a. Griechcnl. S. 193, welcher vergeb-
lich nach einer Sage zur Erklärung dieses Namens forschte, die aber
denn doch vorhanden sein wird.
6 ) Ludwig Steub Bilder aus Griechenland, Theil I (Leipzig 1841),
S. 175, der gleichfalls trotz aller Bemühungen nichts Genaueres darüber
zu erfahren vermochte.
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31 -
der Sonnelose, eingebracht. Er durfte sich nämlich dem
hellen Lichte des Tages nicht aussetzen, ohne dem Tode zu
verfallen, und lebte demzufolge im Dunkel eines unterirdischen
Palastes. Sobald aber die Nacht eingetreten war, begab er
sich auf das andre Ufer des Flusses in das Schloss der Frau
Rini : l ) so nennt man die Ruinen der alten aetolischen Stadt
Pleuron. Frau Rini, eine Zauberin von grossem Rufe, sah
ihn mit Schmerz jeden Morgen lange vor Sonnenaufgang
sich heim begeben. Um ihn zurückzuhalten, ersann sie eine
eigenthümliche List, welche darin bestand, dass sie allen
Hähnen in der Umgegend den Hals abschnitt. Dadurch Hess
Anilios sich täuschen und brach zu spät auf: kaum, dass er
die Furt des Acheloos erreichte, da stieg zu seinem Verderben
die Sonne bereits hinter den Gebirgen Aetoliens empor. —
Heuzey irrt vielleicht nicht, wenn er in dieser Geschichte
eine romantische Umdichtung der alten Landessage von De'ia-
nira, der Tochter des Oineus, Königs von Pleuron, und den
Werbungen des Stromgottes Acheloos um ihre Hand ver-
muthet. 2 )
Auf dem ehemaligen diktynnaeischen Vorgebirge der
Insel Kreta, dem heutigen Cap Spada, fand im vorigen Jahr-
hundert der Engländer Pococke eine Volkssage vor, welche,
an die Ueberreste einer kleinen, von den Umwohnern 'Magma*
genannten Stadt sich anknüpfend, von einer Jungfrau gleiches
Namens berichtet, die den ihr lästigen Bewerbungen eines,
vornehmen Mannes um ihre Hand durch eine listig ausge-
sonnene Flucht sich zu entziehen wusste, eine Sage, die ohne
Zweifel aus dem alten, in der nämlichen Gegend heimischen
Mythos von der Flucht der Göttin Diktynna vor König Minos'
Nachstellungen entstanden ist. 3 )
In Thessalien liegt zwischen Domokö und Phersala eine
*) Kupü 'Pfjvn, d. i. €lpnvn.
2 ) Le mont Olyinpe et TAcarnanie S. 458 f. (bekanntlich werden
die FlussgÖtter meist als in der Tiefe wohnend vorgestellt). Vgl. übri-
gens hierzu die theilweise übereinstimmende, an den Namen des Kai-
sers Trajan sich knüpfende Sage aus Bessarabien, die Friedlsiender
Sittengesch. Roms I, S. 639 d. 4. A. aus Haxthausen Studien über die
hinern Zustände Russlands II, 460 mittheilt.
s ) S. Pococke's Beschreibung des Morgenlandes, Theil II, S. 352 d.
deutschen Uebersetzung, neue Ausg., Erlangen 1791. 4. Vgl. dazu
Hoeck Kreta I, S. 24 f. und 381, und II, S. 159. Leider ist Pococke's
Mittheilung allzu knapp.
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- 32 —
Ruine, welche den Namen TuvaiKOKacTpo , Frauenburg, führt,
und in der Nähe des ersteren Dorfes sieht man einen aus
dem natürlichen Felsen herausgearbeiteten Sarkophag, in
dessen -eine Seite von Schütze Suchenden ein Loch gehauen
ist, da man den ungeheuren Deckel über. dem Sarge nicht
zu heben vermochte. Beides hat man durch folgende Sage
mit einander in Verbindung gebracht. In der Burg, erzählt
das Volk, habe einst eine reizende Prinzessin gewohnt; da
sie ohne Wissen ihres Vaters ein Kind geboren, so habe sie,
um es zu verbergen, jenes steinerne Haus aushauen und,
damit es keine Noth leide, das erwähnte Loch darin anbringen
lassen, durch welches sie jeden Morgen ihrem Kinde die
Brust gereicht. 1 ) — Aehnliches wird auf der Insel Samo-
thrake erzählt. Hier knüpft das Volk an einen aus dem
Mittelalter stammenden viereckigen Thurm die Sage, dass
eine Königstochter mit ihren zwei Brüdern darin gewohnt
habe. Zu derselben Zeit aber, heisst es weiter, lebte oben im
Gebirge ein Riese, dessen Höhle noch jetzt xoö dvöpeiujuevou
t6 cttiti genannt wird. Derselbe kam einst herunter an den
Strand und schwängerte die Königstochter; weswegen er von
ihren Brüdern, denen sie endlich den Buhlen entdeckte, nach-
dem sie anfänglich vorgegeben, sie hätte Bohnen gegessen,
mit Pfeil und Bogen — denn Schiessgewehre gab es damals
noch nicht — angegriffen und getödtet ward. 2 )
An die Ruinen der mittelalterlichen Feste von Aetos in
Akarnanien knüpft sich die Sage, dass diese Burg zur Zeit
des Einfalls der Türken von einer Zauberin Namens Koult-
ehina 3 ) bewohnt war, die, nachdem sie eine lange Belagerung
ausgehalten, ihre Zuflucht zu den Geheimnissen ihrer Kunst
nahm, um ihre Flucht zu sichern: sie stellte musikalische
Instrumente auf, welche zwei Wochen lang spielten, ohne
dass jemand sie berührte, und den Feind glauben machten,
dass sie noch drinnen im Schlosse sich befände; sie traf
sogar die Vorsicht, ihre Schuhe verkehrt anzulegen, um ihre
Verfolgung zu verhindern. 4 )
Zahlreiche Oertlichkeiten und Ruinen heissen f das Schloss
') Uasing Griech. Reisen und Studien (Kopenhagen 1857), 8. 117 f.
2 ) Conze Reise auf den InBein des thrak. Meeres S. 51.
3 ) Der Name ist ungriechisch,
4 ) Henzey Le mont Olympe et l'Acarnanie 8 359.
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- 33 -
der Schönen', tö Kdcipo tt^c ubpcuctc, Tnc wpnäc tö KdcTpo oder
auch in einem Worte tö uipnoKdCTpo. Das häufige Vorkom-
men dieser Namen in Griechenland beweist die grosse Ver-
breitung der damit zusammenhängenden Sagen. So z. B. gibt
es ein Schloss der Schönen in der alten Thyreatis in der
Landschaft Argolis, wo eine mittelalterliche, aber vielleicht
auf hellenischen Fundamenten stehende Burg diesen Namen
führt, 1 ) ferner am Berge Lykaion, 2 ) in der Mani südlich von
Metsapo und auf der Insel Thermia (Kythnos). 3 ) Eine dieser
Sagen liegt in einem Volksliede bearbeitet vor und ist uns
dadurch bekannter geworden. Dasselbe erzählt, wie das
prächtige Schloss nach langjähriger erfolgloser Belagerung
durch die Türken endlich durch eine auf das Mitleid des
weiblichen Herzens berechnete List — einer der Feinde, als
hungernden Mönch oder als arme hochschwangere Frau sich
ausgebend, erbittet und erhält Einlass in die Festung — ein-
genommen wird, und nun die betrogene Schöne verzweifelnd
sich selbst den Tod gibt oder von den Stürmenden getödtet
wird. 4 )
In denselben grossen Sagenkreis gehört endlich auch
eine merkwürdige Erzählung, welche G. Perrot im Jahr
J ) Buchon La Grece continentale et la Monte S. 398f. Vgl. E. Cur-
tiuB Peloponn. II, S. 381 und 566.
l ) Ross Griech. Königsreisen II, S. 208.
s ) Buchon a. a. 0. S. 402. Vgl. Rosa Reisen auf den griech. Inseln
1,8. 111 f.
4 ) Das Lied liegt uns in mehreren Versionen vor. S. Passow Popul.
Carinina Graeciae recentioris Nr. 485 und 485 a. Chasiotis ZuWot^
tüjv KCXT& Tr]v "Hireipov brjpoTiKwv ^cudrinv (Athen 1866), S. 115, Nr.39
(am Ende unvollständig). Buchon a. a. 0. 8. 401 f., der das Lied aus
dem Munde eines Hirten hörte, es aber nur in französischer Ueber-
tragung gibt. Vgl. ferner Rosb a. a. 0. (Kythnos) und Conze Reise
auf den Inseln des thrak. Meeres S. 5 (Thasos). — Nach der von Buchon
mitgetheilten Version, die sich auf die Ruine in Argolis bezieht, ist
die Schöne ein fränkisches Mädchen. Buchon meint (S. 403 ff.), viel-
leicht liege dieser Sage ein in der griechischen anonymen Chronik der
Eroberung Moreas durch die Franken erwähntes, um das Jahr 1291
fallendes Ereigniss zu Grunde, nämlich die Besitzergreifung der Festung
von Araclavon im Inneren des Peloponnes Seitens des fränkischen
Ritters Geoftroi de Briere, der durch eine ähnliche List, nämlich in
Folge einer erheuchelten Krankheit, Einlass in die Festung erhielt und
sich derselben bemächtigte, nachdem er die Besatzung trunken ge-
macht; eine Begebenheit, die dann in der Erinnerung des Volkes sich
umgestaltet una mit irgend einem anderen Ereigniss verbunden hätte,
dessen Heldin ein fränkisches Mädchen gewesen. — Ein 'Schloss der
Schönen des Landes», um die ein kühner Jüngling wirbt, kommt auch
in einem epirotischen Märchen vor (Hahn Nr. 22).
Schmidt. flTiech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 3
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— 34
1858 aus dem Munde attischer Bauern vernommen und jüngst
veröffentlicht hat. Hiernach lebte vor Zeiten eine wunderbar
schöne Königin, Namens Aphrodite, welche ein Schloss zu
Uaphni auf der Strasse von Athen nach Eleusis hatte und
auch Akrokorinth besass. Um von dem einen Herrschersitz
zum andren zu gelangen, hatte sie sich einen unterirdischen
Gang graben lassen, der unter dem Meere hinlief. Zwei
Könige, von ihrer Schönheit bezaubert, warben um ihre
Hand. Der eine von ihnen sagte ihr zu, während sie den
anderen verabscheute. Sie wollte indessen ihre Vorliebe für
jenen nicht frei heraus erklären und nicht den Zorn des
anderen herausfordern durch eine offene Ablehnung, und so
zog sie sich auf folgende Weise aus der Verlegenheit. Da
sie gerade damals einen Palast auf der Höhe von Korinth
sich bauen Hess, so gab sie dem einen ihrer Liebhaber auf,
den Gipfel des Hügels mit Mauern zu umziehen, dem anderen
aber, Wasser hinaufzuführen, und versprach demjenigen von -
beiden ihre Hand, der am frühesten seine Arbeit vollenden .
würde. Sie hatte aber dem von ihr begünstigten Bewerber
die leichtere und schneller auszuführende der beiden Auf-
gaben, die Versorgung des Hügels mit Wasser, übertragen.
Unglücklicher Weise jedoch trat das Gegen theil von dem
ein, was die Königin erwartet hatte: unvorhergesehene Schwie-
rigkeiten hielten gerade denjenigen auf, der Wasser auf den
Gipfel des Berges führen sollte, während die Mauern von
Stunde zu Stunde mit beängstigender Schnelligkeit in die
Höhe wuchsen. Schon waren sie vollendet, und nichts blieb
noch übrig, als den Schlussstein über die grosse Pforte zu
legen. Aphrodite, die Gefahr bemerkend, wandte sich mit
einschmeichelnder Stimme und holdem Lächeln an den, der
zu siegen im Begriffe stand, hiess ihn die Kelle niederlegen,
da er ja doch des Preises sicher sei, zog ihn auf eine Rasen-
bank und wusste ihn hier durch si^sse Worte und Lieb-
kosungen so lange aufzuhalten, bis der andere, der jetzt seine
Anstrengungen verdoppelte, den Felsen endlich durchbohrt
hatte, und eine starke Quelle hervorsprudelte. 1 ) — Schon
Perrot selbst hat hervorgehoben, dass ganz in der Nähe des
') Aiinuaire de PAssoeiation pour renconragement des t'tudes Grec-
ques en France, Jahrgang VIII, Paris 1874, S. 392 ff.
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- 35 —
in dieser Sage genannten Klosters Daphni im Alterthum ein
Tempel der Aphrodite stand; 1 ) bekannt ist ferner, dass die
höchste Spitze von Akrokorinthos ein Heiligthum der näm-
lichen Göttin krönte, 2 ) und aus der besonderen Verehrung,
welche dieselbe überhaupt in Korinth genoss, erklärt es sich,
dass eine attische Sage gerade dort die schöne Königin sich
ein Schloss erbauen lässt. In der mit einem Male aus dem
Fels hervorsprudelnden Quelle mag man mit Perrot eine
Erinnerung an die alte Peirene erkennen. Die treue Erhal-
tung des Namens der Göttin selbst in der modernen Sage
könnte es allerdings zweifelhaft erscheinen lassen, ob wir hier
wirklich eine echte Volksüberlieferung vor uns haben; wie-
wohl sich denken lässt, dass dieser Name, wenn er auch
sonst dem Volke abhanden gekommen ist, doch in einer ver-
einzelten örtlichen Sage sich behauptet habe.
Es mögen hier noch einige Ortsbezeichnungen erwähnt
werden, die ihrer Beschaffenheit nach deutlich auf Localsagen
hinweisen. In Athen heisst, wie mir seiner Zeit von dem
Wärter am Theseion mitgetheilt wurde, ein Felsen in der
Nähe der so genannten Pnyx fj Kcckt) TTeGepd, d. i. 'die böse
Schwiegermutter'. Es ist dies ohne Zweifel jener losgerissene
Fels, welchen schon Dodwell 3 ) in der nämlichen Gegend
unter dem Namen 'Kake Pethara' 4 ) erwähnt, und der nach
seiner Angabe von der Ferne aus genau den Anblick einer
sitzenden weiblichen Figur gewährt. Der britische Reisende
dachte dabei an die in Stein verwandelte Aglauros, nach der
von Ovid in den Metamorphosen mitgetheilten Sage. 5 ) —
Drei gesonderte felsige Spitzen der Olonos-Kette führen den
Namen Tpetc Tuvaucec, 'die drei Frauen'/') — Eine Brücke
über den Ladon heisst tö Tecpupi ttic Kupäc, 'die Brücke der
Herrin'. 7 ) — Auf der Insel Kalymnos, in der Nähe der Stadt,
ist eine Höhle, welche 'Gcptd TTap8evatc, d. i. 'die sieben
') Pausan. I, 37 a. E. Vgl. Bursian Geographie von Griechenland
I, S. 327.
8 ) Vgl. Bursian a. a. 0. II, S. 17.
3 ) Reise durch Griechenland I, 2, S. 238 der d. Uebers.
<) Jedenfalls nur verhört oder verdruckt für KaKf| TTeöepd.
■'•) II, 711-832 (vgl. V. 830 ff.: saxum iam colla tenebat, Oraque
duruerant, signumque exsangue sedebat. Nec lapis albus erat: sua
mens infecerat illam).
6 ) Leake Travels in the Morea II, S. 114.
') Leake a. a. 0. S. 105.
3*
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- 3G -
Jungfrauen', genannt wird; 1 ) an die wohl eine christliche
Legende sich anknüpft. — Auf Karpathos heissen zwei Fels-
gräber toö TYictvti 6 Tdcpoc Kai ttic yuvcukcic tou, 'das Grab
des Hygianis und seiner Frau', und das Volk lässt hier einen
tapfren Helden, einen dvbpeuuuevoc, bestattet sein. 2 )
Ich schliesse diese Uebersicht mit der Mittheilung einiger
Heldensagen, die gegenüber den bisher betrachteten eigent-
lichen Ortssagen als landschaftliche bezeichnet werden
können.
Eine dem alten Mythos von Admetos und Alkestis auf-
fallend ähnliche Sage ist in einem trapezuntischen Volks-
liede bearbeitet, welches im Allgemeinen zu demjenigen Kreise
von Liedern gehört, die ich im Volksleben der Neugriechen
I, S. 230—232 besprochen habe. Iannis, so erzählt dieses
Lied, seiner Eltern einziger Sohn, trifft eben Vorbereitungen
zu seiner Hochzeit, als Charos mit drohender Geberde an
der Thüre erscheint, um des Bräutigams Seele zu holen. Der
junge Mann schlägt demselben vor, auf eherner Tenne einen
Ringkampf mit ihm zu bestehen: siege Charos, so gebe er
seine Seele preis, bleibe er selbst dagegen Sieger, so solle
er frei sein, um seine Hochzeit auszurichten. Indessen Charos
geht hierauf nicht ein: nicht um die Zeit mit Kämpfen und
Spielereien zu vergeuden, sondern um Seelen zu holen, habe
Gott ihn abgesandt. Da fleht Iannis den heiligen Georg an,
bei Gott es zu vermitteln, dass sein Leben verlängert werde.
Gott macht ihm denn auch das Zugeständniss, dass er am
Leben bleiben und seine Heirath vollziehen dürfe, falls sein
') Taularios in der TTavoiupct XII, <p. 285, S. 519.
*) Ko8S Reisen auf den griech. Inseln III, S. 66. Oder ist etwa
Yfiavn verhört für AiTevf\? — Absichtlich übergangen ist bei dieser
Zusammenstellung der mir bekannten griechischen Ortssagen 1) die
von Francois Lenormant Monogr. de la voie sacree fileusinieune I,
(Paris 1864), S. 399 ff. veröffentlichte Legende von der heiligen Dimitra,
welche ich im Rhein. Mus. N. F. B. XXXI, S. 273 ff. als eine Fälschung
erwiesen zu haben glaube, und 2) die von Julius Faucher in dem Buche
«"Ein Winter in Italien, Griechenland und Konstantinopel', B. II (Magde-
burg 1876), S. 195 ff. mitgetheilte Erzählung, welche die Ibykossage
auf Iktinoa, den Erbauer des Parthenon, überträgt und die Entdeckung
seiner Mörder durch namensverwandte (ktivcc , d. i. Weihen, erfolgen
lässt, eine Erzählung, die durch ihr gelehrtes Gepräge deutlich zeigt,
dass sie keine echte volkssage ist: ja sie muss sogar durch das Schiller-
sche Gedicht beeinflusst worden sein, da in ihr der Eumenidenchor
vorkommt, der bekanntlich eine Zuthat Schiller'« ist (F. neunt als sei-
nen Gewährsmann einen griechischen Herrn aus Athen, der von der
Ibykossage kein Wort gewusst habe).
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- 37 —
Vater von den dreissig Jahren, die ihm noch zu leben be-
stimmt sei, die Hälfte seinem Sohne geben wolle. Allein
der Vater mag nicht einmal einen Tag ihm schenken. Aber-
mals legt der Heilige Fürbitte ein, und Gott gestattet, dass
Iannis weiter lebe, falls seine Mutter ihm die Hälfte von
den dreissig Jahren geben wolle, die sie noch zu leben habe.
Aber auch die Mutter weigert sich, selbst nur um eines
Haares Breit« von ihrem Leben abzutreten. Endlich erlaubt
Gott, dass Iannis dieselbe Gunst von seiner Verlobten for-
dere, und diese geht mit grösster Bereitwilligkeit auf ihres
Bräutigams Bitte ein, indem sie sagt, dass die ihr vergönnten
Jahre für sie beide hinreichend seien. Und so richtet Iannis
seine Hochzeit aus. 1 )
Eine merkwürdige, vielbesungene, besonders auf Kypros
und in der Gegend von Trapezunt hochgefeierte Sagengestalt
ist der kühne, durch riesenmässige Grösse und Stärke aus-
gezeichnete Held Digenis. Den Kypriern gilt er als das
vollendete Ideal eines Helden, jede That, die menschliche
Kraft zu übersteigen scheint, wird ihm zugeschrieben, er ist
so zu sagen ihr Herakles, mit welchem man ihn denn auch
hat identificiren wollen, indem man — freilich völlig ver-
fehlt, wie wir unten sehen werden — seinen Namen Arfevrjc
als aus bioY£vr|C entstanden erklärte. Eine auf der Stätte des
alten Amathunt gefundene Kolossalstatue, welche auf Ver-
anlassung der ottomanischen Regierung nach Konstantinopel
geschafft worden ist, hielt das Volk für das Bild seines Lieb-
lingshelden. Zwei in dem kyprischen Dorfe Audimou (Aü-
bnuou) befindliche mächtige Säulen heissen die 'Stöcke' oder
'Keulen des Digenis', pdßboi toö Aitevoöc. 2 ) Eines der
kyprischen Volkslieder besingt seinen Kampf mit Charos, den
er nach dreitägigem furchtbaren Ringen überwältigt, und
welchem er erst dann erliegt, nachdem der Todesgott sein
Vermögen der Verwandlung zu Hülfe genommen. Der Ster-
bende erzählt darauf den ihn umringenden dreihundert Palli-
karen auf deren Verlangen seine Heldenthaten , seine sieg-
') Triantaphyllidis Oi (pirfdocc, Athen 1870, S. 174 f., welche Schrift
mir nicht zu Gebote steht. Den Inhalt des Liedes gibt aber, mit theil-
weiscr Anführung des Textes, auch Politis MeX^rn I, S. 278 f. wieder,
aus welchem ich geschöpft habe.
2 ) Loukas <t>iAoXoYiKal '€incK&petc I, S. 3t f. Vgl. auch Sakellarios
KimpiaKd III, S. 273 u. d. W. Ai£v(v)nc.
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— 38 -
reichen Kämpfe mit Drachen und Löwen und mit einem
riesenhaften Sarazenen am Euphratflusse. f ) Ein anderes,
gleichfalls auf den Tod des Digenis bezügliches Volkslied
gibt ihm eine Lebensdauer von dreihundert Jahren und be-
zeichnet seinen Tod als die Folge der Erlegung eines auf
seiner Schulter mit dem Bilde der heiligen Jungfrau gezeich-
neten Hirsches; 2 ) ein Gedanke, dem möglicher Weise eine
Erinnerung an den alten Mythos von der Tödtung der hei-
ligen Hirschkuh der Artemis durch Agamemnon zu Grunde
liegt. 3 ) Auch die Brautwerbung des Helden besingt ein
kyprisches Lied. 4 ) — Ueber diesen Digenis hatte schon Theodor
Kind geäussert, dass derselbe eine geschichtliche Person gewesen
sein möge, dessen Tapferkeit nachmals einen mythischen
Charakter angenommen habe. 5 ) Diese Vermuthung hat neuer-
dings eine wichtige Stütze erhalten, indem in Trapezunt,
also gerade in einer derjenigen Gegenden, wo die lebhaftesten
Erinnerungen an Digenis unter dem Volke sich erhalten
haben, in einer jetzt der Bibliothek der griechischen Schule
daselbst gehörigen, freilich lückenhaften Handschrift ein
grosses byzantinisches, ursprünglich aus zehn Büchern be-
stehendes Epos aufgefunden worden ist, welches die Aben-
teuer eines Helden Namens Basileios Digenis Akritis zum
Gegenstande hat und dessen Inhalt trotz der vielerlei sagen-
haften Ausschmückungen deutlich auf eine historische Grund-
lage, auf Ereignisse des zehnten Jahrhunderts, hinweist. Dieses
Gedicht ist, nachdem Sabbas Ioannidis, Professor an der
griechischen Schule zu Trapezunt, zuerst Mittheilung von
seinem Vorhandensein gemacht hatte, 6 ) vor zwei Jahren von
J) S. Sakellarios III, S. 46 ff. LoukaB I, 8. 34 ff. Bei Passow Po-
Eul. Carmina Nr. 430 steht eine kürzere, nicht kyprischc Version dieses
iedes, welche etwas weniger ins Ungeheure ausmalt und von einem
Siege des Digenis im Kampfe mit Charos nichts berichtet. Vgl. auch
noch die kretischen Lieder bei Anton Jeaunaraki "AcuctTa KpnrtKä,
Leipzig 1876, Nr. 276 und 93, und über den Ringkampf des Digenis mit
Charos im Allgemeinen, der in der That an gewisse Züge der Uerakles-
sage erinnert, Volksleben der Neugr. I, S. 231.
*) Passow Pop. C. Nr. 516 (aus Euboea), und Theod. Kind Antho-
logie neugriechischer Volkslieder v. J. 1861, S. 62 (nach der handschrift-
lichen Mietheilung eines Griechen). Weder der eine noch der andere
gibt das Lied völlig correct.
3 ) Vgl. Volksl. d. Neugr. I, S. 187, Anm. 4.
*) Sakellarios III, S. 11 ff. Vgl. auch Jeannaraki Nr. 83.
6 ) a. a. 0., Vorwort S. XVII.
6 ) 'kropia Kai CTaxtcTiKn. TpantZoüvTOC S. 35 ff.
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— 39 -
Konstautiiios Sathas und Emile Legrand gemeinsam, begleitet
von einer französischen Uebersetzung, herausgegeben worden; 1 )
eine zweite Ausgabe steht zu erwarten von dem Professor
Giuseppe Müller in Turin, dem es gelungen ist, in einer der
Bibliotheken Italiens eine ältere und vollständigere Hand-
schrift des nämlichen Gesanges aufzufinden, durch welche die
erheblichen Lücken des zur Zeit vorliegenden Textes bis auf
eine einzige ausgefüllt werden. 2 ) Dass der Digenis dieses
Epos identisch ist mit dem in den Volksliedern gefeierten,
kann nach dem, was hier wie dort von ihm gemeldet wird,
keinem Zweifel unterliegen, wenn auch die Volkslieder nur
einzelne Hauptbegebenheiten aus dem Leben des Helden her-
vorheben und diese, wie leicht begreiflich, noch mehr ins
Mythische ausschmücken, als es in dem byzantinischen Ge-
dicht geschieht. Aus diesem letzteren erhalten wir nun auch
Aufschluss über den Namen Arrevric, welcher ihm gegeben
ward, weil er von Eltern verschiedener Nationalität ab-
stammte, 3 ) denn er war der Sohn eines syrischen Emir und
einer Griechin, der Tochter des Andronikos Doukas; wäh-
rend Basileios sein Taufname und Akritis ein Zuname war,
den er als Grenzwächter, als Vertheidiger der Reichsgrenze
('AKp'iTnc wvoudcOn. top, wc TÖtc ätcpac <pu\dccwv) erhielt. 1 )
Akritas wird der Held übrigens auch in einigen trapezun-
tischen Volksliedern genannt/') und dieser sein Zuname lebt
in den Küstenländern des schwarzen Meeres in gewissen Orts-
und Geschlechterbezeichnungen fort, wie denn eine Ansied-
lung in Chaldia noch heute Akritante heisst und Akritidis
. und Akritopoulos häufige Familienzunamen in diesen Gegen-
den sind. Ausserdem gelten viele Festungen als von diesem
') Lea Exploits de Digenis Akritas, dpopee byzantinc du dixieme *
sicclc publice pour la premierc fois d'apres lc raanuscrit unique de
' Trebizonde, Paris 1875.
») S. W. Wagner in Zarncke's Literar. Centralbl. v. J. 1876, S. 17.
E. Legrand ChansonB populaires Grecqnes (speeimen d'un reeucil cn
preparation), Paris 1876, S. 4, Anna. 2.
3 ) Auch sonst legen byzantinische Schriftsteller diesen Namen
Sprösslingen aus Ehen zwischen Personen verschiedener Hasse bei. Vgl.
Wesselofaky in Röttger's Russischer Revue, Jahrg. IV, St. Petersburg
1875, S. 540, in welchem Aufsatze, wie beiläufig bemerkt sei, oinc ms
sieche Redaction des Gesanges von Digenis nachgewiesen wird.
«) S. V. 824-833 (S. 68).
») S. Passow Pop. Carm. Nr. 440. Legrand Recueil Nr. 89, S. 194,
und Chansons popul. (speeimen), S. 18. Sathas - Legrand Exploits de
Digenis, Introd. S.LVIIf.
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— 40 —
•
Helden angelegt, und bei Telikli-tasi in der Nähe von Tra-
pezunt zeigt man das Grabmal des Akritas, wohin die Mütter
ihre neugeborenen Kinder zu bringen pflegen, um sie vor
Behexung sicherzustellen. 1 ) Unter dem Namen 'AKpiTnc wird
endlich unser Held auch von einem bekannten Dichter des
zwölften Jahrhunderts, von Theodoros Prodromos, zweimal
kurz erwähnt, welcher an der einen Stelle den Kaiser Manuel
Komnenos preisend 'den neuen Akritis' (xöv v^ov xöv 'AKprmv)
nennt und an der anderen einen zweiten Akritis zur Züch-
tigung der schwelgerischen und hartherzigen Aebte seines
Klosters herbeiwünscht. 2 ) Aber dies ist auch die einzige
sichere Erwähnung des Helden bei den Schriftstellern der
byzantinischen Periode, und die Annahme von Sathas, welcher
denselben mit einem von Michael Psellos erwähnten Panthe-
rio8 identificirt, 3 ) ebenso unbewiesen, wie die Ansicht, welche
das ihn feiernde Epos in der zweiten Hälfte des zehnten
Jahrhunderts, kurze Zeit nach dem Tode des Digenis selber,
entstanden sein lässt. 4 )
Was endlich die hier veröffentlichten Volkslieder betrifft,
so habe ich dieselben auf den Inseln Zakynthos, Kephalonia
und Ithaka grösstentheils unmittelbar aus dem Munde des
Volkes niedergeschrieben : nur einen kleinen Theil erhielt
ich durch schriftliche Mittheilung. Auch beim Sammeln von
Liedern ging ich von einem ganz bestimmten Gesichtspunkte
aus und richtete mein Hauptaugenmerk auf solche, in denen
das häusliche Leben des griechischen Volks sich wiederspie-
gelt, weil diese für die Sittenkunde mir am ergiebigsten
schienen und am ehesten Reste antiker Anschauungen er- •
warten Hessen. Und hier waren wiederum zwei Gattungen
von besonderer Wichtigkeit für mich, nämlich die Hochzeit-
gesänge und noch mehr die sogenannten uupoXöxia, unter welchen
man zunächst und eigentlich die von Frauen an der Leiche
eines Verstorbenen mit specieller Beziehung auf diesen vor-
getragenen, im weitern Sinne überhaupt alle von Tod und
») loannidis 'leropia B. 39, und darnach Sathas-Legrand Introduct.
S. CXXXII.
l ) Sathas-Legrand a. a. 0. S. XCIX f.
3 ) Introduct. S. CI f.
4 ) Sathas-Legrand S. 271. — Es ist hier nicht der Ort, näher auf
diese Fragen einzugehen. Vgl. im Allgemeinen Wagner a. a. 0. und
Burßian in der Jenaer Literaturzeitung v. J. 1876, S. 696 f.
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- 41 —
Unterwelt handelnden Lieder versteht. Von beiden Gattun-
gen waren damals, als ich zu sammeln begann, im Verhält-
niss zu der grossen Zahl von Klephten- und anderen Liedern
im Ganzen nur wenige Stücke bekannt, und namentlich an
Myrologien im engern Sinne mangelte es sehr. Es ist in
der That auch viel schwieriger, zumal für einen Ausländer,
Klagelieder zu erlangen, als andre Lieder. Denn dieser Zweig
der Volkspoesie ist im ausschliesslichen besitz des weiblichen
Geschlechtes: nur Frauen dichten und kennen Myrologia.
Das Misstrauen derselben dem Fremden gegenüber ist aber
schwer zu überwinden. Da sie das Interesse, welches man an
ihren poetischen Erzeugnissen nimmt, meistenteils sich nicht
zu erklären vermögen, so kommen sie leicht auf den Ge-
danken, dass man sie nur ausforschen wolle, um hinterher
sich über sie lustig zu machen; auch haben sie überhaupt
eine sehr begreifliche Scheu, die Lieder, in denen sie ihre
innersten und tiefsten Empfindungen niederlegen, einem frem-
den Ohre anzuvertrauen. In dem zakynthischen Dorfe Koi-
liomeno bat ich den Priester, bei welchem ich eingekehrt
war, irgend eine Frau, die' das Amt eines Klageweibs aus-
übe, kommen zu lassen. Das geschah. Allein die Frau ge-
rieth, als sie mir nun einige Klagelieder mittheilen sollte,
in sichtliche Verlegenheit und gab vor, dergleichen Gesänge
nicht zu kennen: es war trotz vielen Zuredens nichts aus
ihr herauszubringen. Endlich nahm der Priester Feder und
Papier, führte die Frau hinaus in die Küche und kam nach
kurzer Zeit mit einigen Myrologien, die jene ihm allein nun
ohne Strauben mitgetheilt hatte, in das Zimmer zurück. In
Kerf, einem andren Dorfe auf derselben Insel, brachte mich
das unvorsichtige Benehmen meines Agogiaten, der mir in
der Erreichung meiner Zwecke, die er kannte, behülflieh
sein wollte, aber so zu sagen mit der Thür ins Haus fiel,
sogar in eine ziemlich ernstliche Gefahr, indem ein Bauer
über dieses, wie er sagte, neugierige Aushorchen ihrer Weiber
in heftigen Zorn gerieth und die ganze Bevölkerung des
Dorfes gegen uns aufzuregen drohte. Ist man aber auch hie
und da so glücklich eine Frau anzutreffen, die zu dergleichen
Mittheilungen ohne Umstände sich bereit finden lässt, so
entstehen neue Schwierigkeiten. Nicht selten stocken die
Klagefrauen beim Vortrag ihrer Lieder, verwirren sich und
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vermengen das eine mit dem anderen. Auf Kephalonia und
Ithaka versicherten mir einige wiederholt, so oft das Ge-
dächtnis sie im- Stiche liess, dass es ihnen schwer falle, so
ohne eigentliche Yeranlassung ihre Lieder herzusagen, wäh-
rend, wenn sie vor der Leiche sässen und ihr Amt wirklich
ausübten, ihnen die. Texte ohne Mühe wie von selbst zu-
strömten, eine Versicherung, der man vollen Glauben schenken
darf, da.es in der Natur der Sache liegt, dass dem Vortrag
solcher Lieder die Ekstase der Stimmung wesentlich zu Hülfe
kommt. Endlich begegnet es auch, dass die Klagefrauen
beim Vortragen ihrer Lieder von der Empfindung überwältigt
werden. 1 ) In Samos auf Kephalonia vermochten einige alte
Frauen mir ihre Lieder nur mit von Thränen halb erstickter
Stimme mitzutheilen , einige Knaben und Mädchen, die um-
lief sassen und zuhörten, brachen dabei in lautes Schluchzen
aus, und ich hatte den Eindruck, als ob die Leute im Stillen
meine Hartherzigkeit verurtheilten, dass ich gerade an solchen
Gesängen so besonderes Gefallen fände. Trotz solcher Schwie-
rigkeiten ist die Ausbeute an Liedern dieser Art keine ganz
geringe gewesen — während von Hochzeitgesängen nicht
mehr denn vier Nummern mir zu Theil geworden, was
blossem Zufall zuzuschreiben ist — , und ich hoffe, dass man
den hier veröffentlichten Myrologien auch jetzt noch Inter-
esse schenken wird. Denn obwohl neuerdings auch von
dieser Art der griechischen Volkspoesie Mehreres ans Licht
getreten, so ist doch die Zahl der gedruckt vorliegenden
Klagelieder noch immer keine grosse, und überdies sind die
jüngst hinzugekommenen fast sämmtlich in griechischen, bei
uns in Deutschland wenig bekannten Schriften enthalten. 2 )
■) Ganz ähnliche Erfahrungen, wie ich, hat in diesem Punkte
Giuseppe Morosi'in den griechischen Dörfern Süditalicns gemacht. S.
dessen Studi sui dialetti greci della Terra d'Otranto S. 91.
*) Im Jahre 1870 hat eine griechische Dame eine Sammlung lako-
nischer Klaggesänge zu Athen veröffentlicht unter dem Titel: TTpooifnct
MupoXoYÜnv AaKWviKüüv cuXXcylvTa uirö if\c *xupioc Zt. TT. 'Pa&Xou.
Diese Sammlung, die mir erst vor kurzem zugänglich geworden, ent-
hält viel Werthvolles, und mehrere Lieder derselben sind Varianten
der von mir gesammelten. Zu bedauern ist, dass die llerausgeberin
die Stücke nicht numerirt hat, wodurch das Citiren erschwert wird;
auch sind ßie nicht einmal durchgängig genau von einander abgetheilt
(von einer früher in Athen erschienenen kleinen Sammlung speciell
lakonischer Myrologia bat C. Wachsmuth D. alte Gricchenl. im neuen
S. 112 eine Probe mitgetheilt; auch hat G. Perrot maniatische Klag-
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Ich habe in meiner Sammlung die Myrologia im engeren
Sinne, welche auf Geschlecht, Stand, Alter und Eigenschaften
des Verstorbenen in bestimmter Weise Bezug nehmen oder
doch nach ihrem sonstigen Inhalte als ganz speciell für die
eigentliche Todtenklage gedichtet sich erweisen, von den
allgemeineren charonischen Liedern sondern zu müssen ge-
glaubt, wiewohl auch die letzteren öfters an der Leiche selbst
vorgetragen werden, 1 ) wo sie also keinen andren» Zweck
haben als zur Begleitung jener, ersteren zu dienen und durch
ihre schwermüthigen Gedanken und Bilder der Klage und
Trauer gleichsam neue Nahrung zu geben.
Wenngleich ich nun aber auf die beiden bezeichneten
Gattungen des Volksgesanges es vorzugsweise abgesehen hatte,
so habe ich doch auch andre Lieder, die sich mir darboten,
nicht verschmäht, und ich hoffe, dass auch diese willkommen
sein werden. Nach dem Abschluss meiner Sammlung habe
ich dieselbe übrigens gesichtet und alles, was ich in den
grösseren Sammlungen von Passow und Chasiotis schon vor-
fand, ausgeschieden, da ich nicht bereits dort gedruckte
Sachen wiederholen, sondern den uns vorliegenden Lieder-
schatz des griechischen Volkes wirklich bereichern wollte.
Nur in einigen Fällen habe ich hiervon eine Ausnahme ge-
macht, nämlich wo mir besonders ausführliche oder aus
einem andren Grunde wichtige Versionen von Liedern zu
gesänge mitgebracht und Legrand zur Veröffentlichung überlassen: s.
Annuaire de l'Assoc. pour l'encourag. des Stüdes Gr. Vfil, 1874, S. 389.
Vgl. Legrand Recueil Nr. 124). Ferner sind Myrologia zu finden in
den NcocXXnvucä 'AväXcKTa I, S. 121 — 127, Nr. 69-81, in der atheni-
schen Zeitung Aüyh v. 14. April 1869, S. 4, bei Chasiotis ZuXXotfl T wv
Korrä Tf|v "Hireipov 6r|l L10TlKt i' v öcjnäTtuv, Athen 1866, S. 172—185, .ob-
wohl die hier vereinigten 30 Nummern nur zum kleineren Theile Myro-
logia im engeren Sinne sind, wie denn auch in der betreffenden Rubrik
der Pasöow'schen Sammlung (Nr. 352—407) nur die wenigsten als solche
gelten können. Ferner hat Morosi in dem o. a. trefflichen Werke eine
Anzahl eigentlicher Klaggesänge aus den griechisch redenden Dörfern
der Terra d'Otranto veröffentlicht. Auch unter den von G. G. Pappa-
dopoulos in der TTavbinpa, T. XV, 1864, <p. 353 mitgetheilten Volks-
liedern der Griechen auf Corsica (in getreuer italienischer Uebersetzung
wieder herausgegeben von Astorre Pellegrini unter dem Titel Canti
popolari dei Greci di Cargese. Bergamo 1871) sind ein paar Myrologia.
Vgl. endlich noch Elpis Melena Kretas Biene, München 1874, S. 27
— 30, und Lelekas A»iuotik^ 'AvGoXoTia, Athen 1852 (von Passow nicht
gekannt), S. 35 f.
') Die Klagefrauen, die ich selbst kennen lernte, machten zwischen
beiden Arten keinen Unterschied, begriffen die eine wie die andere
unter dem Namen uupoXÖYia.
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Gebote standen, welche in jenen Sammlungen in unvollkom-
menerer Gestalt vorhanden sind. Damit glaube ich dem
künftigen Herausgeber eines möglichst vollständigen Corpus
der neugriechischen Volkslieder einen Dienst erwiesen zu
haben. Dass ein solcher in nicht zu ferner Zeit sich finden
möge, ist dringend zu wünschen. Denn abgesehen davon,
dass die in den beiden letzten Jahrzehnten veröffentlichten
Lieder, unter denen manche einen hervorragenden Werth
haben, allenthalben und zum grossen Theil in schwer zu-
gänglichen neugriechischen Werken und Zeitschriften zer-
streut sind, so ist die bekannteste und umfangreichste Samm-
lung, die von Arnold Passow, mit viel zu unvollständiger
Sprachkenntniss unternommen worden, als dass sie noch
lange vorhalten könnte.
In kurzen Anmerkungen unter dem Texte der Lieder
habe ich theils Varianten angeführt, theils von meinem kri-
tischen Verfahren Rechenschaft gegeben, jedoch mit Be-
schränkung auf das Wesentlichste: ganz selbstverständliche
Berichtigungen durchweg anzumerken habe ich unterlassen,
denn es lag mir fern mit Emendationen zu prunken, die auf
diesem Gebiete im Allgemeinen ziemlich wohlfeil sind. In
den Texten selbst habe ich mich bestrebt die wirkliche volks-
thümliche Aussprache so genau wiederzugeben, als dies mittelst
des gewöhnlichen griechischen Alphabetes möglich ist: ge-
wisse Zeichen zur Verdeutlichung derselben anzuwenden oder
gar eines besonderen phonetischen Alphabets mich zu be-
dienen, wie neuerdings von einigen geschehen und vom rein
grammatischen Standpunkte aus ja auch ganz gerechtfertigt
ist, war hier weder geboten noch rathsam, da das Sprachliche
nicht der erste Zweck meiner Sammlung ist , wennschon diese
Lieder auch als ein Beitrag zur näheren Kenntniss des hepta-
nesischen Dialektes gelten können. So habe ich denn auch
nach längerer Ueberlegung besonders aus ästhetischen Gründen
darauf verzichtet, die in der Sprache und demgemäss auch
in der Dichtung des Volkes so häufige Synizese durch ein
äusseres Zeichen anzudeuten, will aber hier doch nicht unter-
lassen zu bemerken, dass gar mancher auf den ersten Blick
sehr holperige Vers durch richtige Anwendung derselben glatt
und gefällig wird. So, um nur einige wenige Beispiele an-
zuführen, ist 2, 2 zu lesen: Kfj öyioc b£v exei ckotwuö, bev
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I
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xAcriei tcou CKOTwuevouc ; 5, 1: Kpiua erv' va xävouvTcu o\
* — * «■ — ' w
xaXol; 8, 2: K17 ö b£ (pwväcrj öitoioc TroveT, u. s. w. Einmal
darauf aufmerksam gemacht wird man leicht in jedem ein-
zelnen Falle erkennen können, welche Silben mit einander
zu verschleifen sind. Einige Neuerungen, die ich in der
Orthographie getroffen und der Gleichmässigkeit halber auch
auf die Citate aus anderen Sammlungen ausgedehnt habe,
beruhen auf sorgfaltiger Erwägung, aber es würde zu weit
führen, wenn ich hier darauf eingehen wollte, und ich darf
dies um so eher unterlassen, als ich gelegentlich an einem
andren Orte über diesen Punkt mich zu äussern gedenke.
Den griechischen Texten habe ich eine deutsche Uebersetzung
auf Wunsch der Verlagsbuchhandlung beigefügt. Zu einer
Wiedergabe in Prosa konnte ich mich nicht entschliessen,
ich habe die Versmasse der Originale beibehalten, wiewohl
dies in manchen Fällen etwas misslich war. In den wenigen
Liedern, die den Reim darbieten, habe ich denselben auch
im Deutschen festzuhalten mich bestrebt; überall aber konnte
dies nicht geschehen, sollte nicht die Treue der Uebersetzung
dadurch Schaden leiden. In Nr. 54 ist freilich durch Auf-
geben des Reims in der deutschen Uebersetzung ein nicht
geringer Reiz dieses Tanzliedes verloren gegangen. Für das
genauere Verständniss des Einzelnen ist ausserdem durch An-
merkungen am Ende der Sammlung Sorge getragen worden,
und dort findet man auch die wichtigeren sprachlichen Eigen-
tümlichkeiten kurz erläutert.
Damit könnte ich diese Vorrede, welche ohnehin schon
das gewöhnliche Mass einer solchen weit überschritten hat,
beschliessen, sähe ich mich nicht veranlasst, über meine dem
heutigen griechischen Volksthum mit nicht geringem Aufwand
von Zeit und Mühe gewidmeten Studien hier ein allgemeines
Wort zu sagen. Welcher Zweck mich dabei geleitet hat, ist
in dem Vorwort und der Einleitung meines Buches 'Das
Volksleben der Neugriechen und das hellenische Alterthum'
deutlich ausgesprochen, und schon dieser Titel lehrt es hin-
länglich. Ich war und bin der Ueberzeugung, dass sorg-
fältige Forschungen auf diesem Felde, abgesehen von ihrem
allgemeinen kulturgeschichtlichen Werthe, auch speciell der
klassischen Philologie zu Gute kommen müssen. Ich wies
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auf das von Jacob Grimm und seinen Nachfolgern aus dem
Schatze lebendiger Ueberlieferung für die deutsche Mythologie
und Sittenkunde Gewonnene hin, unterliess aber dabei nicht
hinzuzufügen, dass in Folge des verhältnisstnässig sehr be-
deutenden Reichthums an schriftlichen und monumentalen
Quellen, welche uns für die Erkenntniss des hellenischen
Alterthums zu Gebote stehen, die vom antiquarischen Ge-
sichtspunkte aus unternommene Forschung auf dem Gebiete
des neugriechischen Volkslebens desto grössere Sicherheit
gewinne und also schon darum vor der analogen Forschung
auf germanischem Gebiete entschieden etwas voraus habe.
Ich hätte noch ein zweites für meine Behauptung kaum
minder wichtiges Moment hinzufügen können, dass nämlich
Griechenland seit den Zeiten des Alterthums bis auf den
heutigen Tag keine neue und eigenthümliche Cultur gehabt
hat und aus diesem Grunde von vorn herein eine treuere Er-
haltung antiker Sitten und Anschauungen erwarten lässt als
diejenigen Länder, die, wie Deutschland und Italien, eine
mittelalterliche Kunst und Bildung entwickelt haben. Sodann
setzte ich des Ausführlicheren auseinander, dass und warum
die bekannte Fallmerayer'sche Slaventheorie nicht im Stande
sei, irgend welche Bedenken gegen den Erfolg der bezeich-
neten Aufgabe zu erwecken. Die Anerkennung, welche der
bis jetzt allein erschienene erste Theil meines Buches sowohl
in Deutschland, als auch in England und Frankreich, um
von Griechenland zu schweigen, bei vorurtheilsfreien Fach-
genossen gefunden hat, zeigte mir denn auch, dass man den
Nutzen, den die Erforschung des neugriechischen Volkslebens
der Alterthuraswissenschaft zu bringen vermag, vollkommen
zu würdigen weiss. Nur zwei Recensenten meiner Arbeit
haben sich in ziemlich entgegengesetztem Sinne geäussert,
nämlich Curt Wachsmuth in den Göttingischen gelehrten An-
zeigen v. J. 1872, S. 241 — 264, und A. Döring in Leutschens
Philologischem Anzeiger B. VI, 1874, S. 510—514. Die
Gründe derselben sind zu bezeichnend, als dass ich der Ver-
suchung widerstehen könnte, sie etwas näher zu beleuchten,
und ich hoffe bei meinen Lesern Entschuldigung dafür zu
finden, weil ich es in der Vorrede zu einem Büchlein thue,
das ich als einen blossen Anhang zu jenem grösseren Werke
betrachtet zu sehen wünsche. Nach Wachsmuth's eigenem
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Bekeniitniss (S. 247) 'kann eine unbefangene Forschung nicht
umhin anzuerkennen, dass der Grundstock der neugriechischen
Sitten und Anschauungen an das hellenische Alterthum an-
knüpft.' Allein er vermöge sich, heisst es dann S. 257 ff.
weiter, nicht zu überzeugen, dass der Alterthumswissenschaft
aus der genauen Kunde von Glaube und Brauch der Neu-
griechen ein so reicher Gewinn erwachsen werde, als ich in
Aussicht stelle. Gewiss könne hie und da eine vereinzelte
unklare Notiz aus althellenischen Quellen durch Neugriechisches
eine hellere Beleuchtung, eine erwünschte Verlebendigung
erhalten. Allein es werde doch nothwendig sein, hier na-
mentlich bei Rückschlüssen auf Glauben und Aberglauben der
Alten mit der äussersten Behutsamkeit zu verfahren. Denn
wie sich für das Alterthum ejne Fortentwickelung dieser Vor-
stellungen nachweisen lasse, so habe eine weitere Ausbildung
und Gestaltung auf dem Gebiete der niederen Mythologie und
des Aberglaubens ohne Zweifel auch in den langen Jahr-
hunderten der Zwischenzeit stattgefunden. Wenn für die
deutsche Mythologie aus dem Schatz der lebendigen Ueber-
lieferung viel gewonnen sei, so erkläre das die traurige Aerm-
lichkeit der directen Tradition hinlänglich. 'Für das klassische
Alterthum sind wir ja aber glücklicher Weise ganz anders
gestellt: viele und reiche Quellen fliessen da für die Erkennt-
niss des durch Kunst und Litteratur wie im öffentlichen Cultus
ausgebildeten Glaubens, und auch über die roheren Vorstel-
lungen der niederen Volksschichten, um die es sich hier ja
im Wesentlichen handelt, besitzen wir manche monumentale,
und wenn auch meist mehr gelegentliche litterarische Aus-
kunft. Es scheint mir also kein genügender Grund vorzuliegen,
den Zustand, der für die deutsche Mythologie durch eine
Nothlage erzwungen ist, auf das klassische Gebiet zu über-
tragen.' Das heisst also, um den Wachsmuth'schen Gedanken-
gang kurz zusammenzufassen: das neugriechische Volksleben,
das im Wesentlichen eine Fortsetzung des altgriechischen ist,
kann allerdings zum besseren Verständniss des hellenischen
Alterthums einiges beitragen. Allein die grosse Zahl und
Reichhaltigkeit der für das letztere uns zu Gebote stehen-
den unmittelbaren Quellen lässt es überflüssig erscheinen,
von jener abgeleiteten Quelle Gebrauch zu machen. — Ich
überlasse es dem Leser zu beurtheilen, wie es sich mit der
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Logik einer derartigen Argumentation verhält, und möchte
für meinen Theil nur fragen, ob das die Sprache eines
Forschers ist, und ob, wer so spricht, sich jemals ein
mythologisches Problem kann vorgelegt haben. Wenn wir
für das hellenische Alterthum an directen Quellen so arm
wären, wie für das deutsche, so würde Wachsmuth gegen
ein Herbeiziehen des neugriechischen Glaubens und Brauches
zu Gunsten des ersteren nichts einzuwenden haben, denn für
die deutsche Mythologie ist ja aus der Volkstradition nach
seinem eigenen Zugeständniss 'viel gewonnen' worden. Aber
da wir in Betreff des klassischen Alterthums in einer glück-
licheren Lage sind, so wird jenes flülfsmittel vornehm bei
Seite geschoben, trotzdem dass seine Anwendung hier bei
weitem gefahrloser ist, weil dieselbe in so vielen Fällen durch
die unmittelbaren Quellen controlirt werden kann. Man darf
sich billig wundern, dass gerade Wachsmuth jetzt eine solche
Sprache führt, der im Jahre 1864 in seiner Schrift 'Das alte
Griechenland im neuen' sagte, dass es für alle, denen daran
liege eine lebendige Anschauung vom klassischen Alter-
thum zu erlangen, 'eine der anziehendsten und frucht-
bringendsten Aufgaben' sei, 'im heutigen Griechenland
das alte zu suchen und zu finden' (S. 1), der die von fast
jedem schärfer beobachtenden Reisenden in Griechenland ge-
machte Bemerkung wiederholte,* dass häufig ein einfacher Blick
auf klassischen Boden 'überzeugende Aufklärung' über
Dinge gewähre, 'die uns auf de* Studirstube ewig im Halb-
dunkel bleiben würden' (S. 4), der behauptete, dass auf diesem
Boden nicht blos die Natur Gegenstand 'lehrreichen*
Studiums werde, sondern 'nicht minder das jetzige Grie-
chenvolk selbst mit der ihm vom Alterthum in un-
unterbrochener Kette überkommenen und in ihm
fortlebenden Ueberlieferung' (S. 8), der es für eine
ebenso anziehende wie ergiebige Arbeit erklärte, aus Schrift-
stellern und Kunstwerken zusammenzustellen, was wir bei
den Alten von Gesten und Pantomimen kennen, und 'zur
aufklärenden Vergleich ung' der heutigen Griechen und
Neapolitaner Gebrauch heranzuziehen, und an Jorio's Schrift
La mimica degli antichi unter anderem eben auch das aus-
zusetzen fand, dass sie den neugriechischen Usus gänzlich
ausser Acht gelassen (S. G.'i); dem bei seinem Aufenthalte in
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Griechenland selber der ernstliche Gedanke eines ausführlichen
Werkes über Aberglauben , Sitten und Gebräuche der heutigen
Griechen entstanden war (S. 69) und der eine solche Arbeit
für eine sehr dankbare hielt (S. 43); der es sehr bedauerns-
werth fand, dass f die Nachrichten über die Hochzeitsgebräuche
der alten Griechen so gar spärlich auf uns gekommen sind'
(S. 82). Mit diesen damals gethanen Aeusserungen steht sein
jetziges Bestreben, den Nutzen Ton Forschungen auf dem
Gebiete des neugriechischen Volksthums für die klassische
Philologie auf ein Minimum herabzudrücken, seine jetzige
Genügsamkeit mit den aus dem Alterthum uns überlieferten
Quellen in seltsamem Widerspruch. Was mich betrifft, so
wird, gerade je länger ich mich mit dem klassischen Alter-
thum beschäftige, um so stärker die Ueberzeugung in mir,
dass unser Wissen überall eben nur Stückwerk ist. Wer
diese Ueberzeugung mit mir theilt — und deren dürften doch
wohl nicht wenige sein — , dem wird es nicht beikommeu,
sich ablehnend gegen weitere Hülfsmittel zu verhalten, welche
für die fortschreitende Erkenntniss desselben mehr oder minder
Nutzen versprechen. Der volksthümliche Glaube und Brauch
der Neugriechen, welcher nur für die Mythologie (im weitesten
Sinne), sowie für. die sogenannten Religions- und Privat-
alterthümer in Betracht kommen kann, ist nicht das Einzige,
was das heutige Griechenland ausser seinem Boden und den
auf ihm erhaltenen monumentalen Resten des Alterthums
für die Erforschung seiner Vorzeit an die Hand gibt. .Um
von der Menge belehrender und veranschaulichender Einzel-
heiten hier abzusehen, welche sonst in Erscheinung, Tracht,
Charakter, Gerätschaften, Schmucksachen und überhaupt in
dem ganzen Leben und Treiben der jetzigen Bewohner, zu-
mal in den abgelegeneren Gegenden, dem aufmerksamen
Beobachter entgegentreten, 1 ) so ist die lebende Volkssprache
mit ihren zahlreichen örtlichen Mundarten , sowohl in Hinsicht
des Sprachschatzes, als auch der Formen und der Aussprache, 2 )
ein unverächtliches Unterstützungsmittel für ein vertieftes
Studium des Altgriechischen. Auf germanischem Gebiete hat
') Wer sich davon überzeugen will, der möge die Reisewerke
namentlich von Pashlcy, Fellows und Newton in die Hand nehmen.
*) Damit soll natürlich keineswegs behauptet werden, dass die
heutige Aussprache iu allen Stücken die alte sei.
Schmidt, ürioch. Märchen, Sagen «.Volkslieder. 4
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man längst die Bedeutung der lebendigen Volksdialekte für
das Studium des älteren Sprachzustandes anerkannt, und es
ist erfreulich zu sehen, dass jetzt endlich auch unter den
Vertretern der klassischen Philologie mehr und mehr diese
Ueberzeugung sich Bahn bricht, nachdem lange Zeit eine
entschiedene Abneigung der meisten Philologen gegen eine
Berücksichtigung des Neugriechischen zu bemerken gewesen
war. 1 ) Hat doch neuerdings auch die königl. preussische
Akademie der Wissenschaften dieser Ueberzeugung Ausdruck
verliehen, indem sie Michael Deffner in Athen f zur Unter-
stützung seiner Forschungen über neugriechische Volkssprache'
eine Geldsumme bewilligte, und die Zeit dürfte nicht mehr
fern sein, wo man die umfassende, wahrhaft wissenschaftliche
Erforschung dieses Idioms allgemein als eine der klassischen
Philologie sehr förderliche Aufgabe anerkennt. Sodann können
die klimatischen Verhältnisse, die Pflanzenwelt, das Thierreich,
kurz die gesammte Natur des Landes bei sorgfältiger Be-
obachtung der antiquarischen Forschung trefflich zu Statten
kommen. Wie fruchtbare Gesichtspunkte insbesondere aus
der genaueren Kenntniss der griechischen Jahreszeiten für
Religion, Cultusgebräuche und Zeitrechnung der Hellenen
sich ergeben, hat neuerdings August Mommsen dargethan, 2 )
und es ist im Interesse der Alterthumswissenschaft sehr zu
wünschen, dass die einschlägigen Publicationen dieses Ge-
lehrten nicht durch Mangel an Theilnahme ins Stocken ge-
rathen möchten. Es wird niemandem einfallen, diese ver-
schiedenen indirecten Quellen den directen an Bedeutung
gleichzustellen. Aber sie principiell abzuweisen wäre einseitig
und pedantisch. Dass Mangel an Vorsicht und Kritik bei
') Ueber diese sonderbare Erscheinung hat einige sehr richtige Be-
merkungen gemacht der treffliche italienische Gelehrte Comparctti bei
Gelegeoneit seiner Anzeige der Deville* sehen Schrift über den tsako-
nischen Dialekt in Kuhn's Zeitschrift XVIII, S. 132 f.
') Die griechischen (attischen) Jahreszeiten mit Bezug auf Reli-
gionsgebräuche und Sitten, in den Verhandl. der 27. Versamml. deut-
scher Philologen in Kiel, S. 147 — 156. — Derselbe, Mittelzeiten. Ein
Beitrag zur Kunde des griech. Klimas. Schleswig 1870. Derselbe, Griech.
Jahreszeiten, unter Mitwirkung Sachkundiger herausgegeben, Heft I
— IV, Schleswig 1873—76 (Heft I enthalt: neugriech. Bauernregeln,
vom Herausgeber, Heft II : das Klima von Athen , von Ludwig Mat-
thiessen, Heft HI: Zeiten des Gehens und Kommens und des Brfltens
der Vögel in Griechenland und Ionien , Heft IV: Klima von Corfu,
lanina und Smyrna, von F. Biisser).
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Benutzung derselben auf Abwege führen kann, ist doch
wahrlich kein Grund ; um sie überhaupt zu verschmähen; als
ob nicht der gleiche Mangel bei Anwendung unserer schrift-
lichen, inschriftlichen und monumentalen Quellen die gleichen
Folgen nach sich zöge. Und hat nicht Wachsmuth selbst
in demjenigen Abschnitte seines Werkes über die Stadt Athen
im Alterthum, welcher f die attische Ebene nach Boden-
beschaftenheit , Klima und Atmosphäre' bespricht, von den
jüngsten sorgfältigen Beobachtungen über die heutigen kli-
matischen Verhältnisse und den Vegetationswechsel in Attika
zur Vervollständigung und lebendigen Erläuterung der spär-
lichen Nachrichten und Andeutungen der Alten über diese
Punkte einen sehr ausgiebigen Gebrauch gemacht? ') Er
schickt zwar voraus, dass der Rückschluss aus der Gegenwart
auf das Alterthum in diesen Dingen an sich nicht zwingend
sei, findet aber doch, dass die Angaben der Alten soweit sie
reichen und gerade an entscheidenden Punkten so gut zu den
gegenwärtigen Verhältnissen stimmen , dass man hotten dürfe,
im Wesentlichen mit der Schilderung der jetzigen Zustände
auch die antiken richtig zu zeichnen. Ich kann hiernach nicht
annehmen, dass Wachsmuth mit seinen ehedem ausgesprochenen,
oben angeführten Ansichten vollständig gebrochen hat, niuss
mich aber nun allerdings um so mehr verwundern, dass er
für meine auf ein ganz ähnliches Ziel gerichteten Bestrebungen
ein so geringes Verständniss zeigt. Ueber Glaube und Sitte
der Hellenen ist uns aus dem Alterthum selbst im Ganzen
doch nur wenig Zusammenhängendes überliefert, und das
Gebäude der Mythologie und noch mehr dasjenige der gottes-
dienstlichen und der sogenannten Privat-Alterthümer beruht
zu einem grossen Theile auf Verknüpfung einer Menge nicht
selten sehr knapper, ungenauer oder auch unklarer Einzel-
bemerkungen. Wo nun nachweislich althellenische Vorstel-
lungen oder Sitten im heutigen Griechenland unter dem Volke
sich wiederfinden, da kann und soll diese lebendige Volks-
tradition, vorausgesetzt, dass sie sorgfältig erforscht und in
ausführlicher Darstellung vorgelegt wird, fördernd und auf-
klärend wirken. Darin sehe ich den Haupt werth der For-
schungen auf dem Gebiete des neugriechischen Volksthums,
') S. besonders S. 100. 107. 109-111.
4«
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und diesen Nutzen nehme ich z. B. für meine Mitteilungen
über Opfergebräuche , über den Glauben an Hausgeister,
Neraiden, Moeren u. a. allerdings in Anspruch;') auch sei
hier' noch darauf hingewiesen, eine wie gewichtige Unter-
stützung durch den Volksglauben der Neugriechen die von
mehreren Gelehrten aufgestellte, auf deutliche Spuren aus
dem hellenischen Alterthum selbst gestützte und nach meiner
Ueberzeugung vollkommen richtige Ansicht erhält, dass die
etruskische Bedeutung des Charon als Todes- und Unterwelts-
gottes auch die ursprünglich griechische, dass also Charon
mit Pluton eigentlich identisch sei. 2 )
Es handelt sich also zunächst und hauptsächlich gar nicht
darum, eine durch alte Zeugnisse nicht belegte Vorstellung
oder Sitte der heutigen Griechen dem Alterthum zuzuweisen,
sondern darum, altgriechische Nachrichten durch die lebendige
Ueberlieferung der Neugriechen zu ergänzen oder schärfer
zu beleuchten. Wie man das eine Uebertragung des für die
deutsche Mythologie durch eine Nothlage erzwungenen Zu-
standes auf das klassische Gebiet nennen kann , ist mir un-
erfindlich. Wenn Wachsmuth geltend macht, dass auf dem
Gebiete der niederen Mythologie und des Aberglaubens doch
ohne Zweifel auch in den langen Jahrhunderten vom Ausgang
des Alterthums bis auf die Gegenwart f eine weitere Ausbildung
und Gestaltung' stattgefunden habe, so Hesse sich dagegen
bemerken, dass, gleichwie es für den Sprachforscher nicht
unwichtig ist , eine Sprache oder einzelne Sprachformen durch
alle Stadien ihrer Entwickelung hindurch bis zu ihrem Ver-
falle zu verfolgen, ebenso auch für den Mythologen der
successive Wandel mythischer Vorstellungsweise belehrend
') Es möge mir gestattet sein, weil nun einmal der Gegenstand
darauf leitet, an dieser Stelle anzuführen, wie z. B. das Capitel über
die Neraiden von K. Dilthey, einem Gelehrten, der seine Competenz
auf mythologischem Gebiete durch manche schöne Abhandlung dar-
gethan hat, in der archäol. Zeitung, N. F., B. VI, 1878, S. IM, A. 4
beurtheilt wird. Ks heisst daselbst: 'Ueberhaupt sind B. Schmidts
Mittheüungen über die Neraiden von unschätzbarem Werth ; sie bieten
nach verschiedenen Seiten Stotf, die hier angeregten Gedankenreihen
fortzuspinnen und zu stützen. Ks scheint, dass in diesem wie in vielen
anderen Stücken der griechische Volksglaube keine wesentlichen Ver-
änderungen seit dem Alterthum erlitten hat.' Weitere briefliche Aeus-
serungen desselben übergehe ich gern, wie sehr sie auch zur Bestä-
tigung des oben Gesagten dienen könnten.
«) Vgl. Volksl. d. Neugr. I, S. 222 ff.
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sein müsse, er übrigens das Spätere unschwer zu erkennen
und vom Früheren zu unterscheiden wissen werde. Allein
dies ist, von der Verfinsterung mancher heidnischer An-
schauungen unter dem Einflüsse des Christenthums abgesehen,
in Griechenland sicher nicht in grossem Umfang der Fall
gewesen, wie eben mein Buch deutlich zeigt, und es hängt
das mit der schon oben berührten Thatsache zusammen, dass
keine neue Cultur über Griechenland gekommen ist, daher
denn auch die neugriechische Sprache der altgriechischen
noch viel näher steht, als irgend eine lebende europäische
Sprache ihrer Wurzel. Setzen wir einmal den Fall, wir
hätten über den Glauben der Hellenen an die Nymphen oder
an die Moeren "oder au schlangengestaltete Hausgeister aus
dem Alterthum selbst keine Kunde und wären nur auf Rück-
schlüsse aus den entsprechenden Vorstellungen der Neugriechen
angewiesen: würde denn das Bild der antiken Zustände, das
diese wiederspiegeln, ein so gar ungetreues und verschwom-
menes sein?
liebrigens habe ich nirgends, wie Wachsmuth mir unter-
legt, unserer Wissenschaft einen sehr reichen Gewinn aus
der genauen Knude von Glaube und Brauch der Neugriechen
ausdrücklich verheissen: ich zog es vor mein Buch für sich #
allein sprechen zu lassen, und selbst ein geringer Gewinn in
dieser Beziehung würde immerhin anzuerkennen sein, da
genug Bücher über das Alterthum geschrieben werden, durch
welche dessen Erkenntniss nicht um einen Schritt weiter ge-
fördert wird. Um aber hierüber ein allgemeines Urtheil
fällen zu können, niüsste mau doch erst die Vollendung des
Werkes abwarten.
Ueberhaupt ist die ganze Waehsmuth'sche Recension
meines Buches ein wahres Muster nörgelnder Polemik, und
wenn ich einem jungen Manne an einem Beispiele klar
machen wollte, wie man nicht recensiren soll, so könnte
ich kaum ein geeigneteres finden als diese Anzeige. Hierfür
möge mir der Leser gestatten noch einige Belege beizubringen.
Bei Zusammenstellung der äusserst geringen directen Spuren,
welche der Zeuscultus in Griechenland zurückgelassen, hatte
ich S. 27 auch den von Soutsos bezeugten kretischen Ausruf
nKOuie uou Ztuve 9ee angeführt. Ich sagte, man nehme an,
dass in dem Wort Zuuve der Name des Zeus erhalten sei,
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und in der That könne dasselbe kaum auf andere Weise ge-
deutet werden. Die Art meines Ausdrucks zeigt zur Genüge,
dass es mir fern lag, die Sache als eine ganz sichere hin-
stellen zu wollen. Wachsmuth selbst hatte ehedem (S. 19),
mit Beziehung auf dieselbe Nachricht, geäussert, dass sich
der Name des Zeus 'vielleicht' in einen kretischen Schwur
geflüchtet habe, dann aber in einer Anmerkung (S. 50) hin-
zugefügt, dass ihm die Sache sehr bedenklieh sei wegen des
in Nordalbanien üblichen Schwärs rrep -reve Zöve, d. i. 'bei
dem Herrn.' Dazu bemerkte ich, dass, da albauesische Ein-
wanderungen in Kreta meines Wissens nicht stattgefunden,
dieses Bedenken mir nicht erheblich zu sein scheine. Hier-
gegen bietet nun Wachsmuth, obwohl er zugesteht, dass auch
ihm von einer solchen Einwanderung nichts bekannt sei,
nicht weniger als drei Druckseiten auf und sucht mir zu be-
weisen, dass auch sonst albauesische Wörter in das kretische
Idiom eingedrungen seien. Selbst wenn dieser Versuch ge-
lungen wäre , würde damit noch immer nicht viel bewiesen
sein, denn es ist doch etwas ganz anderes, ob irgend ein
Fremdwort in die tägliche Rede sich Eingang verschafft hat
• oder ob es in einer volksthüralichen feierlichen Schwurformel
• erscheint, welcher letztere Fall eine viel stärkere Berührung
mit dem fremilen Volke voraussetzen würde. Von den Türken
z. B. haben die Griechen bekanntlich ziemlich viele Wörter
in ihre Volkssprache aufgenommen, allein eine türkische
Schwurformel hat wohl noch niemand in derselben nach-
gewiesen. Indessen diese ganze linguistische Abschweifung
hätte Wachsmuth in seinem eigenen Interesse besser unter-
lassen. Denn dass er in der griechischen Vulgarsprache nicht
hinreichend bewandert ist, woraus ich ihm übrigens an sich
keinen sonderlichen Vorwurf machen will, habe ich schon
früher an einigen Beispielen zu zeigen Gelegenheit gehabt, 1 )
und was nun gar das Albanesische betrifft, so dürfte seine
Kenntniss darin schwerlich weiter reichen, als das Hahn'sche
Wörterverzeichniss. Da wird denn u. a. die Behauptung ge-
wagt, dass das kretische ßouice, welches 'Mist' bedeute, und
das nach den ihm gewordenen Informationen weder slavisch
noch türkisch sei, vielmehr albancsisch scheine. Freilich ist
'} Gott, gel. Anzeigen v. J. 1865, S. 5181'.
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es weder slavisch noch türkisch, aber ebenso wenig albanesisch,
aus dem einfachen Grunde, weil es — gut griechisch ist.
Hätte er sich nur weiter informirt bei einem Kenner des
Vulgargriechischen oder auch nur bei einem griechischen
Studenten, deren ja in Göttingen sicherlich zu finden waren,
so würde ihm die Belehrung geworden sein, dass ßouice (f|)
mit ßouc zusammenhängt und speciell den Ochsenmist be-
deutet. Das Wort kommt in verschiedenen Formen vor, am
nächsten der kretischen steht die auf Kalymnos, Patmos,
Leros und einigen anderen Inseln gebräuchliche Form ßouTCid
oder ßouZid; auf Rhodos sagt man ßuubia, eine Form, die,
beiläufig bemerkt, zu den Resten des Dorismus auf diesem
ehemals dorischen Eiland gehört, 1 ) auf Thera ßoubid, auf
Kythnos ebenso und daneben auch ßouvid, und diese letztere
Form ist die verbreite falte. •) Das albanesische ßouce-a, d. i.
Mistkäfer, worauf der Recensent verweist, ist demnach grie-
chisches Lehnwort. Da übrigens das soeben besprochene
kretische Wort von Bibylakis im Philistor (IV, S. 513), wel-
chen Wachsmath citirt, ganz richtig durch KÖTrpoc toö ßoöc
erklärt wird, so wäre es gewiss auch ihm selbst ein Leichtes
gewesen , die Etymologie desselben zu erkennen , wenn nicht
der Eifer, mir zu widersprechen, die Klarheit seines Blickes
getrübt hätte. Bezüglich des zweiten mit einer gewissen Be-
stimmtheit von ihm für albanesisch gehaltenen Wortes vdKCtpa
beschränke ich mich der grossen Unsicherheit der Sache halber
auf die Bemerkung, dass dasselbe nicht blos auf Kreta, sondern
auch auf Thera gebräuchlich ist. 3 ) Um nunmehr auf jenen kre-
tischen Schwur zurückzukommen, so wiederhole ich, dass mir die
Beziehung desselben auf Zeus keineswegs zweifellos erscheint,
aber doch auch nicht so unsicher oder unglaublich, dass man
die ganze Sache einfach über Bord zu werfen berechtigt wäre.
Wenn mein Recensent bemerkt, dass die Auctorität der Notiz
ohnehin nur auf dem r voreingenommenen , Soutsos beruhe,
') Vgl. Volksl. der Neugr. I, S. 9.
*) Benetoklis in d. '€<pnu€pk twv <t>iXoMa90üv 1862, S. 2177. Bal-
lindas ebend. 1861, S. 1S4». Petalas Möuütiköv Tfjc OnpcüKnc Theene
(Athen 1876), S. 41; ßouvia = xönpoc ßujbiou ist auch bereits bei
Korai's "ÄTaKTct IV, I, S. 59 verzeichnet. Auf Zakynthos sagt man
cßouvid mit einem in der Volkssprache öfters dem Anlaut vorgesetzten c.
a ) vdKCtpa, iä, = »i (puciKf) büvauic toO äv8pdmou: Petalas a. a. 0.
S. 105.
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so sollte man doch mit dergleichen Schlagwörtern nicht so
rasch bei der Hand sein, am wenigsten, wenn man selbst,
wie seiner Zeit Wachsniutb, von den übrigen Mittheilungen
dieses 'Voreingenommenen' unbedenklich Gebrauch gemacht
hat; und wenn er weiter hinzufügt, Baron Ow könne nicht
in Betracht kommen, so erwidere ich, dass ich auf dessen
Mittheilungen im Allgemeinen allerdings sehr wenig gebe
und sie daher auch viel seltener benutzt habe als Wachsmuth
selbst; dass ich aber in diesem besondren Falle seine Nach-
richt gänzlich zu unterdrücken um so weniger Grund hatte,
als dieselbe von Soutsos' Notiz etwas abweicht, woraus her-
vorzugehen scheint, dass er aus einer anderen Quelle geschöpft
hat. Seltsam ist übrigens, dass mein Kecensent aus eben
diesem Ow, der hier nicht in Betracht kommen soll, doch
S. 2öV) einen 'Nachtrag' zu meinen Mittheilungen gibt. End-
lich kann ich auch den Schluss aus dem Schweigen des
Chourmouzis über jenen kretischen Schwur nicht gelten
lassen, da dessen kleine Schrift über Kreta doch in keiner
Hinsicht als eine 'erschöpfende betrachtet werden kann, und
überhaupt auch dem sorgfältigsten Forscher auf diesem Felde
sich sehr leicht manches entzieht, was ein anderer ohne
Mühe durch einen Zufall gewinnt. — Indem ich die Zeug-
nisse über die den Moeren vom weiblichen Geschlechte zu
Theil werdende Verehrung zusammenstellte, brachte ich
(S. 217 f.) dasjenige des Briten Galt, wonach junge heiraths-
lustige Athenerinnen am ersten Abend des Neumonds am
Ufer des Iiissos, in der Nähe des Stadion, denselben ein aus
Honig, Salz und Brod bestehendes Opfer darbringen, mit der
Nachricht Pouqueville's in Verbindung, nach welcher in Athen
die Frauen, um fruchtbar zu werden oder leichte Geburt zu
erlangen , an einem Felsen in der Nähe der Kallirrhoe sich
reiben und dabei die nämlichen Wesen anrufen, ihnen gnädig
zu sein, denn die beiden bezeichneten Orte sind entweder
identisch oder doch einander sehr benachbart, und ich konnte
unter diesen Umständen nicht umhin, auf die Wahrschein-
lichkeit — denn Sicherheit lässt sich ja in solchen Dingen nicht
erreichen — eines Zusammenhangs dieser Bräuche mit dem
vor Alters in dieser Gegend bestehenden Cultus der Aphro-
dite Urania als ältester der Moeren hinzuweisen, zumal
da ein ganz analoger Fall in einem andren Theile Griechen-
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lands vorzuliegen scheint: denn in einer Grotte am Fusse
des Riganigebirges werden oder wurden bis in unser Jahr-
hundert hinein den Moeren von Seiten hei rathslustiger junger
Mädchen Kuchen- und Honigopfer dargebracht, und in der-
selben Gegend erwähnt Pausanias eine der Aphrodite ge-
weihete Grotte, in welcher besonders Wittwen die Göttin
um Wiederverheirathung anflehten. Es will mir scheinen,
als ob Wachsmuth an diese Combination von vorn herein
nicht mit der erforderlichen Unbefangenheit des Urtheils
herangetreten sei. Er selbst hatte ehemals der erwähnten
Notiz Pouqueville's eine nach dessen deutlichen Worten ganz
unmögliche Beziehung auf den bekannten Rutschfels am
Nymphenhügel gegeben, worin ich nur eine Uebereilung
sehen konnte. Wenn er nun jetzt (S. 253 f.) bemerkt, von
einem derartigen Felsen in der Nähe der Kallirrhoe wisse
ausser dem 'flüchtigen* Pouqueville niemand etwas, und er
habe deshalb, keineswegs blos (?) in Folge einer Ueber-
eilung, die Notiz desselben auf den zu gleichen Zwecken be-
nutzten Rutschfels am Nymphenhügel beziehen zu müssen
geglaubt, so wird die Sache dadurch freilich etwas anders:
nur hätte er da nicht unterlassen sollen, diese seine Ab-
weichung von Pouqueville anzumerken und zu begründen,
da es doch sonst nicht Sitte ist, dass man für eine bestimmte
Thatsache ohne Weiteres auf einen Gewährsmann verweist,
der von dieser Thatsache gar nicht redet. Dass Pouqueville
mit Vorsicht zu benutzen sei, habe ich selbst (S. 24, A. 1)
hervorgehoben, und ich bin mir bewusst, diese Vorsicht in
etwas höherem Grade geübt zu haben als seiner Zeit Wachs-
muth. 1 ) Allein die Nachricht, um die es sich hier handelt,
zu beanstanden sehe ich keinen triftigen Grund: Pouque-
ville's Worte lassen an Bestimmtheit und Klarheit nichts zu
wünschen übrig, und offenbar geht seine Mittheilung auf
Fauvel, den langjährigen französischen Consul in Athen, zu-
rück, in dessen Begleitung er seine archäologische Wanderung
durch die Stadt machte. Eine gewisse Stütze erhält sie ja
obenein eben durch Galt's Zeugniss. Das von diesem Be-
richtete bezieht nun freilich Wachsmuth auf den unterirdischen
Gang des Stadion, in welchem gleichfalls den Moeren geopfert
') Vgl. meine Bemerkungen in d. Gött. gel. Anz. 1865, S. 514.
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wird. Allein das ist nicht minder willkürlich. Denn Galt
spricht von einem Orte am Ufer des Iiissos in der Nähe
des Stadion: jener Gang aber befindet sich bekanntlich keines-
wegs am Ufer des Iiissos, sondern ziemlich weit davon ent-
fernt ganz am Ende des Stadion, abgesehen davon, dass, wenn
Galt's Berichterstatter diesen gemeint hätte, er sicherlich nicht
von einem 'Orte', sondern eben von einem unterirdischen
Gange oder einer Höhle gesprochen haben würde. Und wenn
Wachsmuth hinzufügt, es sei jedenfalls charakteristisch, dass
alle modernen Cultstätten der Moeren in Grotten seien, so
ist das freilich leicht behaupten, wenn man sich über ein
entgegenstehendes Zeugniss ohne Bedenken hinwegsetzt. —
S. 246 hält Wachsmuth den ävaiKaÖouuevoc , d. i. den 'Auf-
hockenden', wie nach ausdrücklichem Zeugniss der Vainpyr
auf der Insel Tenos genannt wird (der ja wirklich auch nach
dem sonstigen neugriechischen Volksglauben den Leuten auf-
hockt, vgl. S. 165 meines Buches), für identisch nicht mit
dem Vampyr, sondern vielmehr mit dem sogenannten Kali-
kantsaros, einem anderen dämonischen Wesen der Neugriechen.
Sollten das die Bewohner von Tenos nicht besser wissen, als
ein wenn auch noch so gelehrter deutscher Professor? —
Unter den Beispielen von dem Uebergang hellenischer Mythen
auf Heilige der griechischen Kirche habe ich S. 43 die an-
muthige Legende von dem die erste Rebe pflanzeuden hei-
ligen Dionysios, welche Professor Christian Siegel von einem
böotischen Bauer hörte und die in Hahn 's Märchensammlung
veröffentlicht ist, ihrer Wichtigkeit wegen vorangestellt. Die-
selbe war ehemals meinem Recensenten als Schmuck für
seinen Vortrag recht gelegen gewesen. Jetzt aber erklärt
derselbe S. 243: er wolle doch nicht verschweigen, dass
mehrere hellenische Bekannte und Freunde ihm den bestimm-
ten Verdacht geäussert, dass diese Erzählung ein eigenes
Product von Siegel sei. Hat sich Wachsmuth wohl gehörig
überlegt, was für einen schweren Verdacht er hiermit auf
einen Mann lenkt, an dessen Name kein Makel haftet? Man
denke sich: Hahn bittet seinen vielgewanderten Freund um
einen Beitrag zu seiner Märchensammlung, falls er einen
solchen zu geben im Stande sei, und dieser sendet dem
Freuude — ein eigenes Fabrikat! Wer in Griechenland ge-
wesen ist, sollte doch wissen, dass die Griechen gegen jeden
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Fremden, der in ihrem Lande etwas Wichtiges findet oder
erforscht, Neid empfinden, und dass leichtsinniges Verdäch-
tigen zu ihren Hauptfehlern gehört. Die Sage, um die es
sich handelt, bietet in ihrer reizenden Einfachheit und Natür-
lichkeit durchaus nichts, was zu' einem Misstrauen berechtigte.
Zum Ueberfluss hat mein Freund Dr. Richard Schillbach in
Potsdam, der Siegel genau kennt, bei ihm in Athen gewohnt
hat und mit ihm gereist ist, auf mein Befragen mir erklärt,
dass er denselben eines derartigen Betrugs für durchaus un-
fähig halte. Und somit erfülle ich nur eine Pfiicht, wenn
ich den Landsmann, der sich selbst zu vertheidigen gar nicht
in der Lage ist, gegen den unbesonnenen Angriff auf seine
Ehre hiermit in Schutz nehme. — S. 69 habe ich des Brauchs
der Seeleute gedacht, dem in Sturmesnoth um Hülfe ange-
rufenen Heiligen nach glücklicher Rettung ein Schiffchen
von Gold oder Silber darzubringen. Dass die alten Griechen
denselben gekannt, lasse sich, so fügte ich hinzu, meines
Wissens nicht bestimmt nachweisen, könne aber, zumal in
Anbetracht der sonstigen zahlreichen Analogien zwischen
neugriechischer und hellenischer Sitte in Bezug auf Weih-
geschenke, nicht bezweifelt werden; möglicher Weise sei
das im J. 1862 im Erechtheion aufgefundene eherne Schiff,
das als Lampe gedient zu haben scheine, von einem Seefahrer
aus gleichem Anlass in Jenes Heiligthum gestiftet worden.
Diese letztere, wie mein Ausdruck lehrt, ganz anspruchslos
und beiläufig gemachte Bemerkung, .die, hätte ich sie unter-
drückt, vielleicht irgend einer meiner Recensenten würde
nachgetragen haben, nennt Wachsmuth eine ziemlich gewagte
Vermuthung und macht dagegen geltend, dass jene antike
Lampe ja wohl sicher als Cultusgeräth gedient habe! Als
ob man nicht gerade auch Gegenstände, die zum Gebrauch
im Cultus dienten, schon im Alterthum, gleichwie heut-
zutage, als Weihgeschenke dargebracht hätte! Ich ver-
weise meinen Recensenten auf S. 67 und 68 meines Buches,
wo er mehrere Belege dafür finden kann. Was derselbe
weiter noch über den nämlichen Punkt hinzufügt, kommt
ja schliesslich eben auf das als das wahrscheinlichste hinaus,
was ich selbst nur als möglich bezeichnet hatte. — In dem
Abschnitte über die Dämonen S. 91 ff. habe ich zunächst
gezeigt, welche Wesen das Volk unter diesem Namen ver-
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steht, dass zu dem Begriffe des Dämon vor allem die gegen-
sätzliche Stellung zur christlichen Weltordnung, die Theil-
haberschaft an einem ihr widerstrebenden Reiche gehört,
wie dies zum Theil auch in den sonstigen Bezeichnungen
derselben ausgedrückt liegt. Demnach mussten von den Dä-
monen alle diejenigen Wesen abgetrennt werden, welche,
obwohl dem Heidenthum angehörig, doch nicht in Gegensatz
zum Christenthum treten, sondern entweder unvermittelt neben
demselben hergehen, wie die Ortsgeister und die Moeren, oder
sogar in den Dienst des christlichen Gottes gestellt erschei-
nen, wie namentlich Charos. Diese meine Unterscheidung
beruht auf langem sorgfältigen Nachdenken, und dass sie
richtig ist, beweist schon der eine Umstand, dass von den
zahlreichen allgemeineren Namen, mit denen das Volk die
Dämonen benennt, und die ich an jener Stelle aufgeführt
habe, kein einziger jemals z. B. auf die Moeren angewendet
wird. Trotzdem findet der Recensent S. 200 'die principielle
Abtrennung der Moiren von den Dämonen nicht hinlänglich
gerechtfertigt'! Mit so leicht hingeworfenen Worten stösst
man aber eine reiflich erwogene Ansicht noch nicht um.
Diese Beispiele, die sich noch beträchtlich vermehren
Hessen, hätte ich die Geduld meiner Leser nicht schon zu
lange auf die Probe gestellt, werden zur Genüge zeigen, in
welchem Geiste die Wachsmuth'sche Reeension abgefasst ist.
Ich will daher zum Schlüsse nur noch bemerken, damit man
den Grad der Aufmerksamkeit erkenne, mit welcher der
Recensent mein Buch gelesen hat, dass unter denjenigen
Dingen, welche er am Ende seiner Besprechung als Nach-
träge geben zu müssen glaubt, nicht weniger als drei sich
befinden, die von mir erwähnt worden sind. Bei dem all-
gemeinen Abschnitt über die 'Dämonen, sagt Wachsmuth,
hätte er gern die Bemerkung gesehen, dass als Sitz derselben
namentlich jede Art von Höhlen, Felsgrotten, unterirdischen
Gemächern gilt. Dies steht bei mir zu lesen genau da, wo
jener es zu sehen wünscht, nämlich S. 93. Die vom Recen-
senten vermisste Nachricht über den an eine grosse Höhle
in den pierischen Bergen sich knüpfenden Volksglauben habe
ich sehr ausführlich mitgetheilt S. 125. Auf die von ihm
vermisste Notiz de la Guilletiere's über die Höhle am taena-
rischen Vorgebirge habe ich verwiesen S. 248, Anm. 1 . Unter
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den übrigen Nachtrügen ist nicht weniges, was ich entweder
als zu geringfügig absichtlich weggelassen oder dem in dieser
Vorrede gegebenen Ueberblick über die griechischen Orts-
sagen von vornherein vorbehalten hatte.
Wenn ich auf die Kritik meines Buches von Seiten
Wachsmuth's ausführlicher eingegangen bin, so geschah es,
weil derselbe früher auf dem nämlichen Gebiete gearbeitet
hat und daher seiner Stimme von den dem Gegenstand ferner
Stehenden leicht ein gewisses Gewicht könnte beigelegt wer-
den. Mit Herrn Döring's Anzeige werde ich mich nicht so
lange aufhalten, und würde das selbst dann nicht thun, wenn
seine Bemerkungen nicht schon durch das bisher Gesagte
zum grössten Theil widerlegt wären. Derselbe behauptet, ich
erkläre die von mir begründete Disciplin (?) für eine neue
Hülfsdisciplin der Alterthums Wissenschaft, so gutwie Topo-
graphie, Epigraphik, Archäologie. Es bedarf wohl
kaum erst der Versicherung, dass ich nirgends so thöricht
und ungeschickt gesprochen habe. Für Herrn Döring glänzen
nun aber der Hellenen 'unvergängliche Culturdenkmäler im
hellsten Sonnenlichte der Geschichte', und mit dieser schönen
Phrase, die nur demjenigen ansteht, der seine ganze Weisheit
vom Alterthum aus dürftigen Compendien zu schöpfen ge-
wohnt ist, glaubt er über mein Buch und seine Zwecke das
Urtheil gesprochen zu haben. Was bedarf es denn da wei-
terer Forschung? Herr Döring hat nun zwar eigentlich die
löbliche Absicht, sein Urtheil über den der Alterthumswissen-
schaft aus meinem Buche erwachsenden Gewinn bis nach
Vollendung desselben aufzusparen, indessen kann er doch
nicht umhin, am Schlüsse seiner Uebersicht über den Inhalt
des ersten Theils zu dieser Frage zurückzukehren, und da
findet er 'das Resultat allerdings gering*. In manchen Fällen,
fügt er recht naiv hinzu, fühle man allerdings antikes Leben
sich näher gebracht, und S. 96 erlange eine Stelle Theokrits
durch eine neugriechische Vorstellung eine auffallende Illu-
stration. Allein das alles ist für den sehr gewissenhaften
Recensenten eben doch nur ein 'geringes Resultat'. — Wie
unreif das Urtheil dieses gestrengen Herrn im Einzelnen ist,
mag folgendes Beispiel lehren. Die alte bis zum Ueberdruss
wiederholte Mär von der Ersetzung des Helios durch den
heiligen Elias in christlicher Zeit, an welche gegenwärtig
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— 02 —
in Deutschland sicherlich kein einziger Gelehrter mehr glaubt
— auch Wachsmuth, der die Sache in seinem Vortrag wieder
vorgebracht hatte, ist ohne Zweifel davon zurückgekommen,
wie seine Aeusserungen in dem Buche über die Stadt Athen
im Alterthum I, S. 53 ff. lehren können — , diese Mär also
erscheint Herrn Döring noch jetzt sehr einleuchtend, und
meine S. 48 gegebene Widerlegung derselben — thatsHchlich
nur eine kurze Zusammenfassung der schon längst von ande-
ren dagegen erhobenen schlagenden Einwendungen — stützt
sich nach dem Ausspruch dieses Kundigen 'auf ziemlich
schwache Gründe'! — Auf S. 512 sagt mein Recensent: f Zu
den Reiseschriften könnte noch hinzugefügt werden die Schrift
von Henry M. Baird, Modern Greece: a narrative of a resi-
dence and travels in that country; with observations on its
antiquities, literature, language, politics and religion New-York
1856, die freilich nicht gerade viel Ausbeute liefern möchte.'
\ Er kennt also diese Schrift gar nicht, und ihm selber scheint
es zweifelhaft, ob sie mit Nutzen herangezogen worden wäre.
Allein vorgebracht musste das gleichwohl werden, da es nun
einmal Princip des handwerksmässigen Recensententhums ist,
auf alle Fälle etwas nachzutragen.
Jeder, der ■ eine Arbeit unternimmt, die aus dem alt-
gewohnten Geleise der zünftigen Wissenschaft einigermassen
heraustritt, muss darauf gefasst sein, dass einzelne aus was
immer für Gründen ihn anfechten und den Nutzen seiner
Bestrebungen in Zweifel ziehen. Es ist dies das Schicksal
alles Neuen, und es liessen sich aus andren Wissenschaften
ganz analoge Fälle anführen. Man darf sich dadurch nicht
verstimmen lassen. Und so werde ich denn, soweit sonstige,
mir gleich sehr am Herzen liegende Studien und Gesundheit
es erlauben, den eingeschlagenen Weg weiter gehen, trotz
Herrn Döring's und seiner Gesinnungsgenossen 'Sonnenlichte',
welches mir denn doch noch nicht hell genug strahlt, als
dass ich nicht das lebhafte Bedürfniss empfände nach mehr
Licht.
Freiburg i. B.
B. S.
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I.
Märche n.
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1.
J)ie Fauleiizerm.
Zakynthos.
Es war einmal ein junges Mädchen, das war sehr faul
und überliess immer seiner Mutter die Arbeiten, die ihm sel-
ber oblagen. So wuchs es auf, und die Zeit kam heran, da
es sich zu verheirathen wünschte. Da kaufte ihm seine Mut-
ter eine Menge Garn, um Strümpfe zu stricken und Leinwand
zu Hemden und andern Kleidungsstücken zu weben. Ein
Jahr gab die Mutter der Tochter Zeit, ihre Ausstattung her-
zurichten: das Jahr darauf sollte glie Hochzeit sein. Aber die
Tochter Hess das ganze Jahr verstreichen, ohne zu arbeiten.
Als nun der Tag der Trauung immer näher rückte und sie
sah, dass nichts fertig war, da weinte sie Tag und Nacht und
war ganz untröstlich. In der letzten Nacht vor "der Hochzeit
erschienen auf einmal drei Frauen vor ihr. Die eine von
ihnen hatte eine Nase, die war so gross, dass sie bis auf die
Füsse hinabhing; die zweite hatte eine Unterlippe von ähn-
licher Länge; die dritte endlich hatte einen Hinteren, der war
grösser als die ganze Person. 1 ) Und sie sprachen zu dem
Mädchen: 'Wir sind drei Schwestern, die eine von uns heisst
Mytü, die andere Tsachilü und die dritte Kolli. 2 ) Fürchte
dich nicht vor uns, liebes Kind. Denn siehe, wir sind deine
') Eine auf Zakynthos häufig gebrauchte hyperbolische Aus-
drucksweise.
*) Mutoö, Tcax€«XoO, KujXoö, von puTrj (Nase), x^'Xoc (Lippe) und
küjXoc (Hintere) gebildet. Die neugriechischen Feminina auf oö ent-
sprechen genau den altgriechischen auf uj, wie KXu>6uj. Die erste Silbe
in TcaxciXoö dient zur Verstärkung des Begriffes und ist ohne Zweifel
aus dem alten Praefixum la- entstanden.
Schmidt, (iriech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 5
— 06 —
Moeren. Wir haben dir das Los zugetheilt, dass du eine
Faulenzerin bist, 1 ) doch wollen wir dich nicht als solche auch
vor deinem Bräutigam erscheinen lassen. Wir sind gekom-
men, dir zu helfen. Gib nur dein Garn her. Die eine von
uns ist Weberin, und weil sie bei ihrer Arbeit bald nach
links bald nach rechts sich wendet und die Nase beständig
hin und her bewegt, davon ist diese so gross geworden. Die
andere ist Nähterin, und darum hat sich ihre Lippe sp weit
herunter gezogen, indem sie sie beständig mit dem Finger
berührt, um diesen zu netzen und den Faden zu drehen. Die
dritte von uns ist Strickerin, und von dem ewigen Hocken
auf einem Fleck hat sie einen so grossen Hinteren bekom-
men.' Das Mädchen gab den drei Frauen das Garn. Nun
machten sich diese an die Arbeit, und in einer Stunde war
alles vollendet, was die Faule in einem Jahre hatte machen
sollen. Jetzt brachen die Moeren wieder auf, indem sie zu
ihr sagten: 'Sieh, wir haben dir dies alles gemacht und ver-
langen keinen Lohn dafür. Nur bitten wir dich uns zu er-
lauben, dass wir morgen zu deiner Hochzeit kommen.' — 'Ei
mit Vergnügen antwortete das Mädchen. Arn folgenden
Abend war alles bereit zur Hochzeit. Da Hessen sich auf
einmal grosse Freudenrufe vernehmen, und Wagen rollten
eilends daher. Gleich darauf öffnete sich die Thür, und herein
traten die drei Moeren, gingen auf die Braut zu, küssten sie
und setzten sich neben ihr nieder. Da fragte der Bräutigam
seine Braut ganz verwundert, ob sie diese Weiber kenne, und
wie es komme, dass sie so verunstaltet seien. 'Ja,' antwortete
die Braut, 'das sind Freundinnen von mir/ und nun erzählte
sie ihm, auf welche Weise sie so hässlich geworden. Da
sagte er, von Verwunderung und Angst zugleich erfüllt, zu
seiner Braut: 'Ei, ich will ein schönes Weib haben und nicht
ein hässliches. Damit es dir also nicht auch so gehe, wie
diesen Frauen, sollst du nimmer arbeiten.' So erfüllte denn
das Mädchen ihr Geschick.
') '€|iek c£ ^oipdvajie, dKa^dxpa vd t[ca\.
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- 67 -
2.
Der Spruch der Moeren.
Steiri.
Anfang des Märchens. Guten Abend euch allen! 1 ) Es
war einmal in alten Zeiten ein junger Mann, ein Kaufmann,
lieisst es, der befand sich auf der Reise, und als es dunkel
wurde, kehrte er in einem Hause ein. Die Fiau seines Wir-
thes hatte kurz vorher ein Kind bekommen , und zwar ein
Mädchen. Als nun die Leute im Hause sich schlafen legten,
legte sich auch der Fremde nieder. Es war schon ein Theil
der Nacht verstrichen, da hörte er drei Frauen sprechen. Er
horchte auf, um zu vernehmen, was sie sagten. Da hörte
er, dass von dem neugeborenen Kinde die Rede war. Die
eine sagte: c Es soll einen guten Mann bekommen, wenn's
gross geworden.' Das nämliche sagte auch die zweite. Die
dritte aber sprach: 'Nein! Es soll keinen andern Mann be-
kommen, als den Fremden, der hier auf der Erde liegt und
schläft.' Als das der Fremde hörte, ward er zornig und
sprach zu sich: f VVas? Ich, ein kräftiger Mann von dreissig
Jahren, soll diesen Teufel da heirathen?' Uud damit stand
er auf, ergriff das Kind und warf es zum Fenster hinaus. Es
fiel aber mit der Seite auf einen Pfahl und wurde angespiesst.
Nun machte sich der Fremde aus dem Staube. Als nun am
Morgen die Mutter aufstand und ihr Kind nicht mehr sah,
suchte sie es in allen Ecken und fand es endlich an dem
Pfahle hängend gleich einem kleinen Weinschlauch. Sie nahm
es herunter und pflegte es gut, und das Kind genass. Nach
Verlauf vieler Jahre beschloss jener Kaufmann sich zu ver-
heirathen und hielt bei vielen an, erreichte jedoch seinen
Zweck nicht. Nach einiger Zeit holte er sich eine Frau aus
einem andern Orte. Als nun am Abend beide zu Bette
gingen, bemerkte der Mann, dass seine Frau in der Seite
eine grosse Narbe hatte. Er fragte sie, woher das komme,
und da erzählte sie ihm, wie einst, als sie kleiu war, ein
Fremder, der im Hause ihres Vaters eingekehrt, sie zum Fen-
ster hinausgeworfen habe, und wie sie auf einen Pfahl ge-
fallen und an der Stelle, wo die Narbe zu sehen, angespiesst
') 'Apx^ T oö irapa|uu6ioö * *aki) cir^pa cac!
5*
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— 68 —
•
worden sei. Da sagte ihr Mann zu ihr: f Höre, Weib, ich
war jener Fremde, von dem du sprichst. Ich hörte da-
mals die Moeren sagen, das neugeborene Kind solle mich
zum Manne bekommen, darüber ärgerte ich mich, da ich
bereits dreissig Jahre alt war. Nun. sieh, wie die Moeren es
fügen: was sie einmal bestimmen, daran ändern sie nichts.' 1 )
So sprachen sie mit einander und schliefen gut, und wir
noch besser.
3.
Die gute Schwester.
Ebendaher.
Ks waren einmal ein König und sein Weil), die Königin,
und sie hatten eine Tochter. Eines Tages bekam die Königin
auch ein Knäblein. In der dritten Nacht nach der Geburt
kamen die Moeren, um dem Kleinen sein Los zuzutheilen;
und seine Schwester, die in seiner Nähe schlief, wachte auf
und hörte, was sie redeten. Die eine von ihnen sprach: 'Er
soll, wenn er drei Jahre alt ist, ins Feuer fallen und ver-
brennen.' Die zweite sprach: 'Nein! Wenn er sieben Jahre
alt ist, soll er von einem Felsen stürzen.' Die dritte endlich
sprach: 'Nein! Er soll nicht verbrennen noch von einem
Felsen stürzen, sondern, wenn er zweiundzwanzig Jahre alt
ist und sich verheirathet hat, soll am ersten Abend, da er
mit seiner jungen Frau schlafen geht, eine Schlange oben
vom Dachstuhl' 2 ) herunterkommen und ihn beissen ' Die
Schwester merkte sich alles genau, was die Moeren gesagt
hatten; sie Hess ihren kleinen Bruder nie allein und hatte
immer Acht auf ihn. Obgleich sie schon erwachsen war und
in dem Alter stand, wo die Mädchen heirathen, so wollte sie
doch seit jenem Tage, wo sie die Moeren so Schlimmes hatte
verkünden hören, weder andere Kleider anlegen noch an Fest-
lichkeiten Theil nehmen, obwohl sie doch eine Prinzessin
war, noch wollte sie heirathen; sondern sie schlich einher,
') Krj irctpcuTnpci irwe t6 cp^pvi rj Moiptjc" 8, xi Ypd<pvi, blv Ec-
Ypdq>vi.
*) dir' ri) ndva. - Das Märchen überträgt hier die Einrichtung
eines griechischen Bauernhauses auf einen Palast.
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wie eine Unglückliche, und weinte immer. Ihr Vater und
ihre Mutter blickten mit grosser Betrübniss auf sie und frag-
ten sie, warum sie so traurig sei Allein weder ihren Eltern
noch irgend einem andern wollte sie's gestehen; sie blickte
nur immer auf ihren Bruder und weinte. Als dieser nun
drei Jahre alt war, näherte er sich eines Tages dem Feuer,
das er schüren und" mit den Flammen spielen wollte. Schon
war er nahe daran hineinzufallen und sich zu verbrennen, da
riss ihn die Schwester noch hinweg, und so entrann das
Kind dem bösen Schicksal, welches die erste der Moeren ihm
vorausbestimmt hatte. Es wuchs nun heran und wurde sehr
wild; und eines Tages, da es mit den andern Kindern spielte,
war es eben daran, von einem Felsen hinab in die Tiefe zu
stürzen, da sprang seine Schwester, die ihm überall hin folgte,
rasch herbei, fasste ihren Bruder beim Hemd und zog ihn
zurück. . Und so entrann er auch dem andern bösen Schicksal,
welches die zweite der Moeren ihm vorherbestimmt hatte.
Er wurde allmählich gross und wurde ein sehr schöner Jüng-
ling. Und als er das zweiundzwanzigste Jahr erreicht hatte,
verheirathete er sich und nahm ein sehr schönes Mädchen,
und das war auch eines Königs Tochter. Am ersten Abend
nun, als das junge Paar sich niederlegen wollte, stürzte sich
eine furchtbare Schlange, wie ein Balken so stark und noch
stärker, vom Dachstuhl wüthend auf den Prinzen herab und
drohte ihn zu verschlingen. Aber da war wieder seine Schwe-
ster zur Stelle mit dem Schwerte ihres Vaters, und in dem
Augenblicke, da die Schlange auf ihren Bruder losfuhr, zückte
sie das Schwert und schlug sie todt. Und somit entrann
jener auch dem von der dritten der Moeren ihm bestimmten
Schicksal. Nun, da die drei Gefahren überstanden waren,
von denen die bösen Moeren gesprochen hatten, erklärte die
Tochter ihrem Vater und ihrer Mutter, aus welchem Grunde
sie keine andren Kleider hatte anlegen, nicht an Festlich-
keiten Theil nehmen und nicht heirathen wollen, so viele und
so gute Männer auch ihre Eltern ihr vorgeschlagen, und
warum sie ihrem Bruder überall hin nachgegangen sei. Jetzt
entschloss auch sie sich zum Heirathen und bekam einen
guten Mann. Und ihr Vater und ihre Mutter gaben ihr was
sie nur wünschte, zum Danke für ihren Edelsinn und für die
Liebe, die sie ihrem Bruder bewiesen. Und der Bruder schenkte
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ihr noch mehr. Und so blieb das Königreich nicht ohne
Erben, und die Tochter machte noch eine sehr gute Partie,
wie ihr edles Herz es verdiente. — So handeln die guten
Schwestern !
4.
Der König mit den Bocksohren.
Zakynthos.
Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein junger
Bursch, der ging, nachdem sein Vater gestorben war, in
Trauerkleidern auf die Wanderschaft, immer der Nase nach. 1 )
Indem er so dahin wanderte, sah er am Wege ein Schilfrohr
stehen, das schnitt er ab und machte sich eine Flöte daraus.
Als er nun auf der Flöte bliess, Hess diese die Worte ertönen:
r Der König, der fünffach verschleierte, hat Bocksohren. ' 2 ) Er
zog, immer auf der Flöte spielend, weiter und kam endlich
in die Stadt des fünffach verschleierten König*. Dieser König
hatte wirklich Bocksohren, und seine Moeren hatten einst
den Ausspruch gethan, dass, wenn sein Volk dieses erführe,
er sterben werde. Darum war sein Kopf stets mit fünf
Schleiern verhüllt, und niemand durfte sein Gesicht sehen
ausser seinem Barbier, und der allein wusste, wie die Sache
stand. Als nun der König von der Ankunft des jungen Man-
nes Kunde erhielt und erfuhr, was derselbe von ihm sage,
gerieth er in Zorn, beschied sofort seinen Barbier zu sich
und befahl ihm unter Drohungen anzugeben, wem er das
Geheimniss verrathen habe. Der Barbier antwortete ihm
zitternd, an dem ersten Tage, da er das Geheimniss erfahren,
sei er nicht im Stande gewesen es bei sich zu behalten; er
habe es jedoch keinem Menschen offenbart, sondern habe
in den Erdboden ein Loch gegraben, seinen Mund hinein-
gesteckt und es der Erde anvertraut; an dieser Stelle nun
sei das Rohr emporgewachsen, aus welchem der Jüngling
') öttou iöoöv t& jad-na tou, eine besonders in der Märchenspraehe
häufige Redensart, deren Sinn durch die obige freiere Uebersetzung
mir am besten wiedergegeben zu werden schien.
*) 'O ßaciXiäc ö -rrevT^ßeXoc £x €l TpdYtvo aüxi. — irevxtßeXoc ist aus
■nlvTt und dem italienischen velo gebildet.
\
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- 71 -
sich seine Flöte gemacht, und nicht dieser, sondern die Flöte
hringe das Geheimniss an den Tag. Der König liess den
Jüngling kommen, und dieser berichtete ihm unerschrocken
die Wahrheit. Da rief der König, indem er des Spruchs
seiner Moeren gedachte, seine Tochter zu sich, welche das
schönste Mädchen auf Erden war, gab sie dem jungen Manne
zur Frau and setzte diesen zu seinem Nachfolger ein. Hier-
auf zog er die Schleier von seinem Haupte weg, umarmte
die Neuvermählten und verschied. Die lebten nun glücklich,
wir aber hier noch glücklicher.
5.
Die drei Citronen.
Ebendaher.
Es lebte einmal und zu einer gewissen Zeit ein König,
der hatte einen sehr schonen Sohn. Dieser ging eines Tags
auf die Jagd, und als er so durch Wälder und über Berge
schweifte, gelangte er an einen Garten und war eben in
Begriff hineinzugehen, doch da besann er sich plötzlich an-
ders, denn er gewahrte viele wilde Thiere, welche unter einem
Citronenbaume lagen und brüllten. Der Citronenbaum stand
in der Mitte des Gartens, und an ihm hingen drei goldne
Früchte, während seine Blätter verwelkt waren. Betrübt
darüber, dass er die Citronen nicht bekommen konnte, kehrte
der Jüngling wieder um. Auf dem Heimweg begegnete er
einem Mönche, welcher seine Traurigkeit bemerkte und zu
ihm sagte:
f Was weinst du denn und härmest dich,
Mein liebes, gutes Söhnlein?
Jiist wohl bergauf bergab gestreift
Und nun erschöpft vom Hunger?")
«) T( KXctlc Kai ti |uapa(v€cai,
TTmöi umi dYairnu^vo;
Mnrcwc £ir£pacec *rä ßouvä
Kai ckai Treivaq^vo;
(In V. 3 habe ich aus Kücksicht auf das Mehrum Tä ßouvd geschrieben
für txoMä ßouvä, wie mir mitgetheilt ward).
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- 72 -
'Nein,' antwortete der Königssohn,
'Doch einen Garten sali ich, der
In goldnen Früchten prangte,
Und hält die Wacht ein grimm'ger Leu,
Das« mir im Herzen bangte.")
'Fürchte dich nur nicht,' versetzte darauf der Mönch, 'ich
bin der Gärtner dieses Gartens, und wenn du die goldnen
Citronen abzuschneiden wünschest, so will icli dir sagen,
wie du das anfangen musst. Höre mich au ! Nimm recht
viel Fleisch mit dir und wirf es dem Löwen und den übrigen
wilden Thieren vor, da werden sie dich die Citronen nehmen
lassen.' Der Jüngling küsste hierauf dem Mönche dankend
die Hand und kehrte heim. Am andern Morgen aber stand
er frühzeitig auf, versah sich mit Fleisch, wanderte wieder
nach dem Garten, fütterte die wilden Thiere, schnitt, ohne
von ihnen belästigt zu werden, die drei goldnen Citronen ab,
steckte sie in seine Tasche und trat dann wieder den Rück-
weg an. Als er so dahin zog, ward er sehr durstig, und er
beschloss die eine der drei Citronen aufzuschneiden, um durch
ihren Saft sich zu erfrischen. Wie er aber schnitt, da sprang
auf einmal eine schöne Jungfrau aus der Frucht heraus: die
bat ihn um Wasser, und da er nicht im Stande war ihr wel-
ches zu geben, hauchte sie sofort ihr Leben aus. Sehr be-
trübt über diesen Vorfall zog der Jüngling seines Weges
weiter. Da der Durst ihn fortwährend quälte, so schnitt er
auch die zweite Citrone auf, und da ging's ihm ebenso, nur
war das Mädchen, das heraussprang und dann verschied, noch
schöner als das erste. Er beschloss nun die dritte Citrone
so lange aufzuheben, bis er an eine Quelle mit Wasser käme.
Als er endlich eine solche fand, schnitt er auch die dritte
Citrone auf, und mit einem Male sprang ein wunderschönes
Mädchen heraus, dessen Schönheit die Sonne verdunkelte.
Da schöpfte der Königssohn eilig Wasser aus der Quelle, be-
sprengte die Jungfrau damit und erhielt sie auf diese Weise
am Leben. Schnell war sein Entschluss gefasst, sie zur Frau
zu nehmen. Als er ihr aber diese Absicht mittheilte, sprach
') Mä clba Kf|Tro bpocepö
NU 9pOÖTTa (DOpTUUU^VO,
Kr) £va Xiovxdpi iroÜTo "ku
NU lxe\ (poßtqu^vo.
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- 73 -
sie: 'Nein, gel) erst allein nach Hause und erzähle deinen
Eltern die Sache, mich aher lass einstweilen hier oben auf
diesem Maulheerbaum, dann komm zurück und hole mich ab.
Aber sieh dich vor, dass deine Mutter dich nicht küsse, denn
sonst wirst du mich vergessen.' Also hob sie der Königs-
sohn auf den an der Quelle stehenden Maulbeerbaum und
nahm unter Thränen von ihr Abschied. Er hatte sich noch
nicht eine Viertelstunde weit entfernt, als eine Mohrin, die
von ihrer Herrin abgeschickt war, um Wasser zu holen, an
die Quelle kam. Als diese im Wasser den Schatten des Mäd-
chens erblickte, das auf dem Baume sass, vermeinte sie ihr
eigenes Bild zu schauen und rief aus:
•Ei sieh k wie wunderschön bin ich!
Und Wasser holen heisst man mich!")
Dabei warf sie ihren Krug zu Boden, dass er zerbrach, und
kehrte nach Hause zurück. Und hier sagte sie das nämliche
zu ihrer Herrin, der Lamnissa. Die schalt das Mohrenmäd-
chen aus, machte sich aber dann selbst — denn sie merkte
wohl, wie die Sache sich verhalten mochte — auf den Weg
nach der Quelle. Dort angekommen gewahrte sie, als sie in
die Höhe blickte, die Jungfrau auf dem Baume und sprach
zu ihr: 'Steig herunter, dass ich dich fresse.' Jene aber
antwortete: f Geh nach Hause, knete den Teig, backe und
dann komm zurück, mich zu fressen.' Da ging die Lamnissa
wieder nach Hause, buk in aller Eile Brod und kehrte dann
zurück, um das Mädchen zu fressen. Nachdem sie es vorher
noch genöthigt hatte, ihr seine ganze Geschichte zu erzählen,
frass sie es. Während ihrer Mahlzeit aber fiel, ohne dass
sie's merkte, ein kleines Knöchelchen ins Wasser und ver-
wandelte sich sofort in ein Goldfischchen. Nachdem nun die
Lamnissa das Mädchen aufgefressen hatte, setzte sie an seiner
Statt sich selber auf den Maulbeerbaum.
Verlassen wir jetzt die Lamnissa und wenden wir uns
zum Königssohn! Der gelangte zu Hause an und hütete
sich wohl davor, dass seine Mutter ihn küsste. Als er aber
eben im Begriff war sein ganzes Erlebniss seinem Vater zu
erzählen, versank er, ermüdet wie er war von dem weiten
) KurtaEe ti öuop<p>| itoö ety* ^dj,
Kai u£ CT^pvct tl Kupd nou y i & vepö!
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- 74 —
Wege, in Schlaf, und während des Schlafes küsste ihn seine
Mutter. Als er dann am andern Morgen erwachte, da hatte
er alle Erinnerung an die Geliebte verloren. So verstrichen
sechs Monate. Da zog er eines Tags mit grossem Gefolge
zu Pferd auf die Jagd und kam auf seinem Wege zufällig
an den Maulbeerbaum, auf dem die Lämnissa sass. Als diese
den Königssohn erblickte, stieg sie sofort vom Baum her-
unter und erzählte ihm alles, was geschehen war, indem sie
sich selbst für das von ihm verlassene Mädchen ausgab.
Jetzt kam ihm wieder die Erinnerung an das frühere Erleb-
niss, und obwohl ihm die grosse Veränderung der Geliebten
auffiel, so nahm er doch an, dass die Sonne das bewirkt »
habe, fiel der Lämnissa zu Füssen, bat sie um Verzeihung,
hob sie auf ein Pferd und brachte sie nach Hause. Noch
um selbigen Abend Hess er sich mit ihr unter grossen Feier-
lichkeiten trauen. Er hatte aber auch das Goldfischchen mit-
genommen und behielt es in seinem Zimmer, denn er liebte
es sehr. Da fasste die Lämnissa Verdacht gegen das Fischchen
und war sehr eifersüchtig darauf. Sie sann und sann, wie
sie es wohl tödten könnte. Sie stellte sich also krank und
bestach einen Arzt, der musste aussagen, dass die Prinzessin
nicht genesen könnte, wenn sie nicht das Goldfischchen zu
essen bekäme. Der Königssohn hörte das zu seiner grossen
Betrübniss, allein da es sich um die Gesundheit seiuer Ge-
mahlin handelte, so gab er seine Einwilligung dazu. Man
schlachtete also das Fischchen, briet es und gab es der
Kranken. Sobald diese es verzehrt hatte, fühlte sie sich
wohler, und nach wenigen Tagen verliess sie das Bett. Die
Gräten des Goldfischchens aber, die man in den nahen Garten
der alten Wäscherin des Schlosses geworfen hatte, gingen
hier auf als ein schöner Rosenstrauch, und daran blühte eine
prächtige Kose. Eines Tages, als die Alte die Wilsche ins
Schloss tragen wollte, kam sie auf den Gedanken, auch die
Rose mitzunehmen, für welche sie ein paar Heller zu lösen
hoffte. Aber in dem Augenblicke, da sie dieselbe schnitt,
sprang ein liebliches Mädchen aus dem Rosenstrauch heraus
und sprach zu der erschrockenen Alten: 'Fürchte dich nicht,
liebes Mütterchen, ich bin kein böses Mädchen. Sage aber
ja niemandem, dass ich bei dir bin. Sieh, ich war einst eine
Königstochter, nach meiner Geburt kamen meine Moeren und
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theilfen mir das Los zu,') dass ich das beste und schönste Mäd-
chen von der Welt sein sollte. Aber als sie darauf wieder die
Treppe unseres Hauses hinabstiegen, strauchelte die älteste
von ihnen und fiel hin. Darüber erzürnten sie, kehrten
wieder um und sprachen zu mir: was sie mir einmal zuge-
theilt, das sollte ich zwar behalten, aber sobald ich das drei-
zehnte Jahr erreicht, sollte ich in eine Citrone verwandelt
werden und in diesem Zustande so lange bleiben, bis jemand
käme und mich erlöste. Da fand sich der Sohn des Königs
hier: der befreite mich und erwählte mich zu seinem Weibe.'
Nachdem die Jungfrau hierauf ihr weiteres Geschick erzählt,
wie sie von der Lämnissa, der jetzigen Frau ihres Geliebten,
gefressen, wie sie dann in ein Goldfischchen und hierauf in
den Rosenstrauch verwandelt worden war, sprach sie zu der
Alten: 'Trage jetzt deine Wäsche ins Schloss und nimm
auch dieses Körbchen voll Rosen für den Königssohn mit.
Doch sage ihm nichts von mir. Den Dienst aber, den du
mir erweisest, will ich dir schon lohnen.' In diesem Körbchen
befand sich unter den Kosen auch der Ring, den das Mädchen
einst vom Köniijssohn erhalten hatte. Die Wäscherin besorgte
den Auftrag, und als der Königssohn die Rosen aus dem
Körbchen nahm , fand er auch den Ring. Da schöpfte er
gleich Verdacht und sagte zur Alten, er werde am folgenden
Tage sie besuchen , um etwas heimlich mit ihr zu besprechen.
Freudig kehrte die Alte heim und überbrachte diese Botschaft
dem Mädchen. Am nächsten Tage kam der Königssohn ganz
allein in der Alten Wohnung, und da sagte diese zu ihm:
'Zeig ich dir die Geliebte dein,
Wirst du sie wiederkennen,
Sie, die dein Weib, die Lsimnissa,
Durch deine Schuld gefressen? ' *)
Nun führte sie rasch die Jungfrau vor ihn , und nachdem
diese ihrem Geliebten alles erzählt, fiel er unter Thränen ihr
zu Füssen, bat sie um Verzeihung und versprach ihr, dass
er ihr Blut rächen werde. Hierauf brachte er sie sammt der
rjpüave rj Moipatc nqu Kai u£ Suoipävavc vä u. s. w.
*€Yvu)pi£€e, ä coö £b€txva,
Tloiä €lv' rj 7ro8r|Tn cou,
TToö frpaye uiä Adu.vicca
Tid IS oiTi'ac öiki'i cou;
Andere geben V.;i u. 4: TToö <5(pn.K€C Kai £<par€ H Aäuvicca f| biKn, cou;
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•
Alien heimlich ins Schloss. Am andern Tage aber veran-
staltete er ein grosses Gastmahl, zu welchem viele Herren
und Frauen geladen waren, und unter den erstem viele
Rechtskundige. Er lenkte das Gespräch auf Verbrechen und
Strafen; und nachdem er sich lange über diesen Gegenstand
mit seinen Gästen unterhalten hatte, wandte er sich an seine
Gattin mit der Frage: *Was für eine Strafe, meinst du wohl,
soll ich über ein Weib verhängen , welches ein anderes ge-
fressen hat?' Die Lamnissa stellte sich sehr entrüstet und
erwiderte: 'Es soll in Stücke gerissen werden.' Da sprach
der Königssohn: f Du bist dieses Weib und sollst jetzt die
Strafe erleiden, die du selber vorgeschlagen.' Nun führte
er rasch seine Geliebte mit der alten Wäscherin herein und
erzählte allen Anwesenden das Geschehene. Hierauf gab er
den Befehl, die Lamnissa au vier trunken gemachte Rosse
anzubinden, um von ihnen in Stücke gerissen zu werden.
Nachdem dies geschehen, Hess er sich mit seiner Geliebten
trauen. Seiu Vater zog sich jetzt zurück und überliess ihm
seine Krone. Die alte Wäscherin aber ward wie die Mutter
der jungen Königin betrachtet, und der Vater derselben legte,
nachdem er alles erfahren, die Trauerkleider ab, öffnete seiu
Haus wieder und eilte daun in die Arme seiner Tochter,
welcher er seine eigene Krone noch dazu gab.
6.
Die verzauberte Königstochter oder der
Zauberthurm.
Ebendaher.
Einmal und zu einer gewissen Zeit lebte ein König, der
war der grösste, reichste und tugendhafteste unter allen
Königen, und wegen seines guten Wandels und seiner guten
Werke liebte ihn Gott sehr. Aus Tugendhaftigkeit hatte er
sich auch entschlossen, nie eine Frau zu nehmen, sondern
Junggesell zu bleiben. Doch hätte er gern Kinder gehabt.
Und eines Tages sass er und weinte und klagte sehr darüber,
dass er kein einziges Kind hätte, und dass sein Thron viel-
leicht in schlechte Hände übergehen würde. Da erschien
ihm ein Engel und sagte ihm, er solle nicht weinen, er
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werde ein Kind bekommen aus seiner Wade. Kurze Zeit
darauf schwoll das eine Bein des Königs an, und eines
Tages, da er auf der Jagd war, stach er sich einen Dorn
hinein. Da mit einem Male sprang eine wunderschöne Jung-
frau aus der Wade, welche am ganzen Körper bewaffnet war
und Lanze und Helm trug. Aber kaum war sie geboren,
da wurde sie von einer Lamnissa hinweggerafft und in einen
grossen und schönen Thurm gebracht. Hier angekommen
sank sie sofort in Schlaf.
Zu derselben Zeit nun lebte ein andrer König, der hatte
einen einzigen Sohn, und den wollte er verheirathen. Der
Sohn hatte viel reden hören von der im Thurme schlafenden
Königstochter, welche die schönste von allen Jungfrauen auf
der Welt sei, aber nicht erwachen könne, wenn nicht ein
Jüngling sie erlöse. Es kam also dem Königssohn in den
Sinn , dieses Mädchen sich zu erwerben. Um nun aber zu
erfahren, wie er das anzufangen habe, ging er zu einer Zau-
berin und befragte sie darüber. Die sagte ihm, er solle drei
Thiere beladen, das eine mit Fleisch, das andre mit Getreide
und das dritte mit Meerläusen. 1 ) Mit diesen drei Thieren
solle er aufbrechen und immer vorwärts ziehen, bis er an
ein altes, dem Einsturz nahes Thor gelange, über welchem
geschrieben stehe:
'Eine Wade meine Mutter
Und ein Dornstrauch meine Hebamme.' 2 )
Zu diesem Thore solle er sagen: f Ach, was für ein schönes
Thor ist das/ und dann solle er von seinem Pferde absteigen
und es reinigen. So werde das Thor nicht einstürzen und
ihn erschlagen. Nachdem er dann hindurchgegangen, werde
er auf einige Löwen stossen, die würden drohen ihn zu fressen,
aber er solle nur nicht zagen, sondern ihnen das Fleisch
vorwerfen. Hierauf werde er einer ungeheuren Menge Ameisen
begegnen, und die würden ihn ebenfalls fressen wollen, aber
er solle ihnen nur gleich das Getreide vorwerfen, da würden
sie ihn verschonen. Endlich werde er beim Uebergang über
einen Fluss einen gewaltigen Fisch antreffen, der werde eben-
falls Miene machen ihn zu fressen. Dem solle er nur die
') Hȣipcuc toO wcXdrou,
8 ) "Atco f\ udva uou
Kai ßdToc i\ uauui'i uou.
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Säcke mit den Meerliiusen vorwerfen, da werde das Thier
ihm nichts anhaben. Nachdem der Königssolln diese An-
weisungen von der Zauberin erhalten hatte, rüstete er alles
zu, und den andern Tag machte er sich auf den Weg. Er
kam an das Thor, that, wie die Alte ihn geheissen, und ging
dann ungefährdet durch. Hierauf traf er auch die Löwen,
die frassen das ihnen vorgeworfene Fleisch und sprachen
dann zum Königssohn: 'Hier hast du drei Haare von unsren
Mähnen, und wenn du in den Fall kommst, unserer zu be-
dürfen, so wirf nur die Haare ins Feuer, da werden wir
gleich bei dir sein.' Nun zog der Königssohn weiter und
kam zu den Ameisen, die verzehrten das ihnen hingeworfene
Getreide und gaben ihm darauf einen von ihren Flügeln und
sagten ihm dasselbe, was die Löwen ihm gesagt hatten. Jetzt
musste er auch den Fluss überschreiten. Da sprang ein un-
geheurer Fisch heraus, der ihn verschlingen wollte. Aber
sogleich warf ihm der Jüngling die Meerläuse hin, da Hess
ihn der Fisch vorüberziehen und gab ihm auch eine Schuppe
von seinem Leibe und sagte ihm, wenn er ihn brauche, so
solle er die Schuppe ins Feuer werfen. Nun kam der Jüng-
ling an dem Thurme an und trat ein, da erwachte sogleich
die Königstochter, und es waren gerade, seit sie eingeschlafen,
vierzig Tage und Nächte vergangen. Sobald sie erwacht
war, sagte sie zu dem Königssohne: 'Ach, du bist also der-
jenige, der mich befreien wird. Aber du hast noch viel zu
bestehen. Die Alte, die Lämnissa, wird dich in einen grossen
Raum einschliessen, da befinden sich in der einen Hälfte vier
Tausend Rinder, und die andre ist mit Weizen, Gerste und
Mais in bunter Mischung angefüllt. Und in einem einzigen
Tage musst du von den Rindern abtrennen und ordnen die
Eingeweide, die Häute, die Bäuche, das Fleisch und die Kno-
chen. Von den durch einander liegenden Getreidekörnern aber
musst du an demselben Tage jede Art aussondern. Am Abend
wird dann die Alte eine Nadel in den Fluss werfen, die du
binnen einer Viertelstunde finden musst.' Den andern Morgen
ward der Königssohn in den grossen Raum eingeschlossen.
Da nahm er aus seiner Tasche die drei Haare von den Mäh-
nen der Löwen und warf sie ins Feuer. Sogleich waren die
Löwen zur Stelle, und diese mit ihren Zähnen und ihren
Tatzen tödteteu die Rinder und verrichteten die vorgeschrie-
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- 79 —
bene Arbeit vollständig. Darauf warf der Königssohn auch
den Flügel, den er von den Ameisen erhalten hatte, ins
Feuer. Sofort kamen diese und ordneten mit dem Munde
das ganze Getreide. Am Abend kam die Alte mit der Jung-
frau herein und sah zu ihrem Erstaunen, dass alles gemacht
war. Nun führte sie den Königssohn an den Fluss und warf
die Nadel hinein. Der hatte aber bereits die Schuppe, die
er vom Fisch bekommen, ins Feuer geworfen, und in dem
Augenblick, da er ins Wasser sprang, eilte der Fisch herbei,
ergriff die Nadel und brachte sie ihm. So stieg der Königs-
sohn mit der Nadel wieder aus dem Wasser heraus und gab
sie der Alten zurück. Nun ergriff er seine Geliebte und
setzte mit ihr auf das andere Ufer des Flusses, wo die Ameisen
und die Löwen waren. Die Lamnissa aber wollte die Königs-
tochter auch jetzt noch nicht ziehen lassen und rief den
Löwen und den Ameisen zu, sie sollten den Jüngling fressen.
Aber vergebens! Da jagte sie selber den Fliehenden nach,
um die Königstochter wieder zu gewinnen, die aber warf
einige Haare hinter sich, und aus ihnen entstand ein grosser
See, der zwischen den Fliehenden und der Lamnissa sich
ausbreitete, und diese nöthigte von der Verfolgung abzu-
stehen. Der Königssohn brachte seine Geliebte glücklich
nach Hause und verheirathete sich mit ihr. Und Gott, der
das Mädchen sehr liebte, verlieh ihm als Mitgift die Gabe,
die Zukunft zu schauen, und erhob es so wie zu einer Göttin.
7.
Die Herrin über Erde und Meer.
Ebendaher.
Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein König,
der hatte drei Söhne. Eines Tages begab er sich auf die
Reise, und bei seiner Rückkehr brachte er jedem seiner Söhne
ein Geschenk mit. Dem ältesten gab er ein Bild von der
Herrin über Erde und Meer. 1 ) Als der Königssohn dieses
Bild sah, wurden seine Sinne bezaubert von seiner Schönheit,
und er wollte die Herrin über Erde und Meer aufsuchen,
•
') tc»^ Kupäc Tcfj ff\c Kai tct\ 6aXäccn,c
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um sie sich zum Weibe zu nehmen. Da er aber nicht wusste,
wo sie wohnte, noch wie er's anzufangen hätte, um sie zu
gewinnen, beschloss er sich an eine Zauberin zu wenden. Er
ging also zu einer solchen, und die sagte ihm, er müsse den
Weg einschlagen, der nach seinem Namen benannt sei: auf
diesem Wege werde er einen Bogen finden von solcher Be-
schaffenheit, dass wer mit ihm schiesse unmöglich das Ziel
verfehle. Er werde aber auch zwei sehr lange und dicke
Haare finden, das seien Haare von dem Wurm mit den drei
Köpfen. Die solle er aufheben und mit ihnen und dem
Bogen den Weg zur Herrin über Erde und Meer antreten.
Um nun aber in deren Wohnung zu gelangen, müsse er den
Weg zur Rechten seines Schlosses einschlagen, da werde er
an eine Erdöffnung kommen, diese führe zu ihrem Palaste.
Wenn er bei ihr angekommen sei, werde sie zunächst von
ihm verlangen, dass er ein Flaschehen zerschiesse, ohne die
Taube zu tödten, welche dasselbe in ihrem Schnabel trage.
Mit dem Bogen werde er dies vollbringen. Hierauf werde
sie ihm aufgeben, die Haut des dreiköpfigen Wurms und das
Geweih, 1 ) das derselbe auf seinen Häuptern trage, ihr zu
bringen. Da solle er die Haare nehmen und ihr eines Ende
an seinen Händen befestigen, das andere aber hängen lassen.
Wohin er nun merke, dass die Haare ihn zögen, dahin solle
er gehen. So werde er zu dem Wurm gelangen. Der werde
ihn fressen wollen, aber er solle nur Muth haben und sich
nicht vor seiner Grösse und seinen gewaltigen Zähnen fürch-
ten , sondern ihm schnell einen grossen Haufen Erde hin-
werfen, die müsse er aber vorher sich verschaffen, denn dort
gebe es keine Erde, sondern nur Steine. Wenn der Wurm
an der Erde sich satt gefressen, werde er einschlafen, und
nun solle er ihn tödten, ihm die Haut abziehen und auch
das Geweih von seinen Häuptern nehmen. Als der Königs-
sohn diese Rathschläge vernommen hatte, suchte er zuerst
den Bogen und die Haare, und nachdem er beides gefunden,
machte er sich auf nach dem Schloss der Herrin über Erde
und Meer. Nach langer Wanderung kam er dort an. So-
bald die Herrscherin ihn erblickt und von ihm gehört hatte,
dass er . gekommen sei sie zu freien, theilte sie ihm mit,
') tö KÖKKaAo, d. i. eigentlich 'Knochen'.
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— 81 —
welche Befehle er vorher auszuführen habe. Und Tags darauf
erhob sie sich, weckte den Jüngling und führte ihn, begleitet
von ihrem ganzen Gefolge, in eine sehr schöne Gegend. Auf
einen Schlag mit einer Ruthe erschien sofort eine schöne
Taube vor ihr. Nun nahm sie ein Fläschchen aus der Tasche
und band es um den Hals der Taube und gab dem Jüngling
auf, es zu zerschiessen , ohne die Taube zu tödten. Als er
sich zum Schusse vorbereitet, liess sie die Taube fliegen. Der
Königssohn traf die Flasche, und die Taube flog unbeschä-
digt zurück und liess sich auf ihrer Herrin nieder. Die sagte
nichts, sondern schwieg. Am folgenden Tage aber sagte sie
zu dem Jüngling, er müsse ihr noch die Haut des dreiköpfigen
Ungeheuers und das Geweih, das es auf seinen Häuptern
trage, binnen vier und zwanzig Stunden bringen. Da brach
der Königssohn am andern Morgen frühzeitig auf, und nach-
dem er sich die Haare an die Hände gebunden, merkte er,
dass sie ihn nach dem Meere zogen, in der Richtung auf
ein kleines Eiland zu, welches wie ein einziger Stein aussah.
Am Strande angekommen füllte er zwei Säcke mit Erde, be-
stieg ein kleines Fahrzeug, das er dort vorfand, und landete
drüben an der Insel. Hier sah er aus einer Höhlung drei
Häupter hervorblicken mit feuersprühenden Augen und Mäu-
lern, die Flammen aushauchten, dass einen schauderte. Aber
der Königssohn warf dem Ungeheuer schnell die Erde hin,
an der sättigte es sich ,' und dann kroch es ganz aus seinem
Loch heraus und legte sich schlafen. Da versetzte ihm der
Jüngling einen tödtlichen Stich, zog ihm dann die Haut vom
Leibe, riss auch das Geweih von den Häuptern ab und kehrte
damit zur Herrin über Erde und Meer zurück. Die liess
nun einen prächtigen Wagen zurecht machen, stieg mit ihrem
zukünftigen Gemahl hinein — und in einem Augenblick
waren sie in dessen Lande. Hier verheiratheten sie sich und
lebten einige Jahre zusammen, aber immer herrschte Unfriede
unter ihnen, und eines Tages gerieth die Herrin über Erde und
Meer in solchen Zorn, dass sie den Wassern gebot die ganze.
Erde zu überschwemmen. Da ertranken sämmtliche MWK
sehen. Sie aber schwebte in der Luft und schaute pi&v/Nfttffe
dem nun alle Menschen ertrunken und die 4 \^as#?fc wjie^jf
abgelaufen waren, stieg sie auf die Erde Jjßrj^eÄ.jfn^jm^cJj^
neue Menschen, indem sie Steine säe$p. 1fJ #iff^ V^ e 4f Fichte
Schmidt, Oriech, Märchen, Sagen a. Volkglieder. 6
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- 82 -
sie wieder die ganze Welt von dem Throne aus, auf dem
sie war geboren worden.
8.
Der goldne Apfel des unsterblichen Yogels.
Ebendaher.
Es lebte einmal ein König, der hatte eine Tochter, die
war das schönste Mädchen auf der ganzen Welt. Da es nun
Zeit war sie zu verheirathen , so machte der König bekannt,
wer den goldenen Apfel aus dem Garten des unsterblichen
Vogels, des ewig brennenden und nie verbrennenden, seiner
Tochter zu bringen vermöchte , der solle ihre Hand erhalten.
Niemand getraute sich dies auszuführen. Da geschah es, dass
ein Jüngling, als er die Königstochter sah, von so mächtiger
Liebe zu ihr ergriffen wurde, dass er beschloss alles zu wagen,
um sie zu erwerben. Er wandte sich also an eine Zauberin,
um sie zu fragen, auf welche Weise er in den Besitz jenes
Apfels gelangen könne. Die antwortete ihm, er solle seine
Flinte nehmen und den Weg rechts von ihrer Wohnung
einschlagen; und alle Vögel, die er unterwegs antreffen werde,
bis er in. den W r ald gelange, worin der unsterbliche Vogel
wohne, solle er tödten. In dem Walde angekommen werde
er einen Alten finden, der mit Schläuchen handle; von diesen
solle er einige kaufen und sie an der im Walde iiiessenden
Quelle mit Wasser füllen. Dann solle er sie nach dem Schlosse
in der Mitte des Waldes tragen. Vor der Thür des Schlosses
stehe ein Apfelbaum, an dem hänge der goldene Apfel.
'Dieser Baum nun,' so fuhr sie fort, 'wird nach Wasser
schmachten, begiesse ihn also mit dem Wasser, das du in
den Schläuchen hast, da wird er dich nicht mit seinen Zweigen
schlagen, sondern sich vor dir niederbeugen. Nun schneide
den Apfel ab und flieh eilig davon, denn so du einen Augen-
blick noch verweilst, werden die wilden Thiere aus dem
Schloss hervorstürzen und dich fressen.' Der Jüngling that
ganz wie die Zauberin ihn geheissen, raubte den Apfel und
kehrte zurück in die Stadt, in der der König wohnte. Als
das Volk den goldnen Apfel sah, der wie die Sonne strahlte
und alle Weisen der Erde spielte, führte es den Jüngling
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— 83 -
unter grossem Freudengeschrei ins Schloss. Da Hess der
König schnell den Priester und den Brautführer kommen und
seine Tochter mit dem Jüngling trauen. Er trat ihnen auch
seinen Thron ab, und so lebten sie glücklich mit einander,
wir aber sind hier noch besser daran.
9.
Prinz Krebs.
Ebendaher.
Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein Fischer,
der hatte ein Weib und drei Kinder. Er ging täglich auf
den Fischfang, und was er fing, verkaufte er an den König.
Eines Tags fing er unter den Fischen einen goldnen Krebs.
Als er zu Hause ankam, legte er die Fische in eine Schüssel,
den Krebs aber that er, weil er so schon war, oben auf den
Schrank. Wie nun die Alte, seine Frau, die Fische ab-
schuppte und dabei ihren Rock aufgeschürzt hatte, so dass
ihr Fuss sichtbar war, da hörte sie eine Stimme, die rief:
f LaB8 geschwind dein Röcklein nieder,
Dass man nicht dein Füsschen sieht.' *)
Sie sah sich um, da bemerkte sie das kleine Ding, den
Krebs, und sagte: 'Sprechen kannst du, du närrischer
Krebs V Und nun nahm sie ihn und legte ihn in eine Schüssel.
Als ihr Mann nach Hause kam, setzten sie sich zu Tische.
Auf einmal hörten sie den Krebs, wie er zu ihnen sagte:
'Gebt mir doch auch ein Bisschen !' Darüber geriethen alle
in Erstaunen, gaben ihm aber zu essen. Als nachher der
Alte den Teller, auf welchen er das Essen für den Krebs
gethan hatte, wieder wegnehmen wollte, fand er ihn voll
von Gold. Von dem Augenblicke an liebte er den Krebs gar
sehr, zumal da sich täglich das Nämliche wiederholte. Eines
Tags nun sagte der Krebs zu des Fischers Frau: 'Geh zum
König und sag ihm, ich wünschte seine jüngste Tochter zu
heirathen.' Die Alte ging hin und trug die Sache dem Könige
vor. Der lachte zwar, dachte aber doch bei sich, es könne
') KaTaißace tc- ^ouxaAäta cou,
Kai <paiv€Toi tö wobapuia cou.
6*
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— 84 -
auch irgend ein verzauberter Prinz in dem Krebse stecken.
Daher sprach er zu der Fischersfrau: 'Geh, Alte, und sage
dem Krebs, ich wolle ihm meine Tochter geben, wenn morgen
früh vor meinem Schlosse eine Mauer stehe viel höher als
mein Thurm, und auf welcher alle Blumen der Welt blühen.'
Die Frau ging nach Hause und sagte das. Da gab ihr der
Krebs eine goldne Ruthe und sprach zu ihr: 'Geh und schlage
damit an der Stelle, die der König dir bezeichnet hat, drei
Mal auf den Boden, und morgen früh wird die Mauer dort
stehen.' Das that die Alte und ging wieder weg. Am andern
Tage, als der König aufwachte, was sah er da? Das, was
er angegeben hatte, vor seinen Augen. Nun ging die Alte
wieder zum König und sprach zu ihm: 'Das, was du be-
' fohlen hattest, ist geschehen.' — 'Ja,' sagte der König, 'aber
dennoch kann ich meine Tochter nicht hergeben , wenn nicht
vor meinem Palaste ein Garten entsteht mit drei Quellen,
von denen die eine Gold rieselt, die andre Diamanten und
die dritte Brillanten.' Da schlug die Alte wieder drei Mal
mit der Ruthe auf den Boden, und den andern Morgen war's
da. Jetzt gab der König seine Einwilligung, und die Hochzeit
wurde auf den andern Tag festgesetzt. Da sagte der Krebs
zu dem alten Fischer: 'Hier hast du diese Ruthe, geh und
klopfe damit an den und den Berg , da wird ein Mohr heraus-
kommen und dich fragen, was du wünschest. Antworte ihm:
„Mich hat dein Herr, der König, hergeschickt, dir zu sagen,
dass du ihm sein goldnes Gewand schicken sollst, das die
Sonne darstellt." Lass dir ferner auch das Frauenkleid von
Malama 1 ) von ihm geben, das die Fluren mit den Blumen
darstellt, und bring mir beides. Und das goldne Kopfkissen,
auch das bring mir mit.' Der Alte ging hin und führte den
Auftrag aus. Als er die Sachen gebracht hatte, da zog der
Krebs das goldne Kleid an und kroch dann auf das goldne
Kissen. Und so nahm ihn der Fischer und trug ihn ins
Schloss. Hier überreichte der Krebs das andere Gewand seiner
Braut. Sie wurden nun getraut und zogen sich dann ins
') tö jiaXctMaT^vio. — Die gewöhnliche Bedeutung des Wortes nä-
Xa^a (tö) ist 'Gold'. In den zakynthischen Märchen jedoch wird Mä-
lania vom Golde wie vom Silber als ein drittes kostbares Metall be-
stimmt unterschieden. S. Nr. 12. 20. 23. Ebenso in dem Volkslied
bei Paßsow Nr. 354, 3. Daher habe ich da« griechische Wort in der
Uebersetzung beibehalten.
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- 85
Brautgemach zurück. Da gab sicli der Krebs seiner jungen
Frau zu erkennen und erzählte ihr, dass er der Sohn eines
der grössten Könige der Welt sei, dass er aber verwünscht
worden am Tage Krebs und nur Nachts Mensch zu sein ; und
so oft er wolle, könne er sich in einen Adler verwandeln.
Kaum hatte er das gesagt, so schüttelte er sich und ward
auf einmal ein schöner Jüngling. Den andern Morgen aber
schlüpfte er wieder in die Krebsschalen, und so geschah's
täglich. Die ganze königliche Familie war höchst erstaunt
darüber, dass sich die Prinzessin stets so freundlich und auf-
merksam gegen den Krebs bewies : sie späheten und späheten,
konnten aber nichts herausbekommen. So verstrich ein Jahr,
und die Prinzessin bekam einen Sohn, den nannten sie Ben-
jamin. Ihre Mutter aber hegte immer grossen Argwohn.
Eines Tages sagte sie zum Könige, man müsse die Tochter
über die Sache fragen, ob sie sich vielleicht einen andern
Gemahl an Stelle des Krebses wünsche. Als nun die Tochter
gefragt wurde, antwortete sie: 'Dieser war mir bestimmt,
und nur diesen will ich'. Da sprach der König zu ihr: 'Ich
werde dir ein Turnier veranstalten und dazu alle Prinzen der
Welt einladen, und wenn einer von diesen dir gefällt, so
wirst du ihn heirathen.' Am Abend erzählte die Prinzessin
das dem Krebs, der sprach zu ihr: c Nimm diese Ruthe, geh
und klopfe damit an den Garten, da wird ein Mohr heraus-
kommen und zu dir sagen: „Was willst du von mir und
warum verlangst du mich?" Darauf antworte ihm: „Mich
hat dein Herr, der König, hergeschickt, du sollst ihm sein
goldnes Gewand und seinen Kappen und den silbernen Apfel
geben." Und bring mir das.* So that sie und brachte es.
Am folgenden Abend kleidete sich der Prinz an, um sich
zum Turnier zu begeben. Ehe er ging, sagte er zu seiner
Gattin: 'Du wirst doch nicht etwa, wenn du mich siehst,
sagen, ich sei der Krebs? Denn dann werd' ich dich ver-
lassen. Setz dich mit deinen Schwestern ans Fenster, ich
werde vorüberreiten und den silbernen Apfel dir zuwerfen,
den nimm und heb ihn auf. Wenn sie aber dich fragen, wer
ich sei, so antworte, du wüsstest es nicht.' Hierauf küsste
er sie, wiederholte noch einmal seine Warnung und ging
weg. Die Prinzessin trat mit den andern ans Fenster und
schaute dem Turniere zu. Auf einmal ritt ihr Gemahl vorüber
*
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— 86 -
und warf ihr den Apfel hinauf. Sie nahm ihn und ging
dann in ihr Zimmer, in welches kurz darauf auch ihr Gemahl
zurückkehrte. Ihr Vater aber wunderte sich sehr, dass seine
Tochter über keinen von den Prinzen sich wohlgefällig ge-
äussert hatte. Er veranstaltete daher noch ein zweites Turnier.
Da gab der Krebs seiner Gattin denselben Auftrag wie vorher,
aber dieses Mal war der Apfel, den sie von dem Mohr er-
hielt, von Gold. Bevor nun der Prinz sich zum Turnier
begab, sagte er zu seiner Gattin: 'Heute wirst du mich ver-
rathen.' Sie bestritt es und schwur, dass sie es nicht thun
werde. Er aber wiederholte seine Behauptung und ging weg.
Am Abend stand die Prinzessin mit ihrer Mutter und den
Schwestern am Fenster. Da sprengte plötzlich ihr Gemahl
auf seinem Ross vorüber und warf ihr den goldnen Apfel zu.
Da gerieth ihre Mutter in Zorn, gab ihr eine Ohrfeige und
rief: 'Auch der gefällt dir nicht, du Närrin?' Da rief die
Tochter in ihrem Schreck: 'Aber das ist ja der Krebs.' Nun
gerieth die Mutter nur noch mehr in Zörn, dass sie's ihr
nicht vorher gesagt hatte, eilte in der Tochter Zimmer, wo
noch die Krebsschalen lagen, nahm sie und warf sie ins
Feuer. Da weinte die arme Prinzessin sehr, aber es half ihr
nichts: ihr Gatte war verschwunden.
Lassen wir jetzt die Prinzessin und wenden wir uns zum
andern. Einst ging ein alter Mann an einen Bach, um ein
Brödchen einzutauchen, das er essen wollte. Da kam ein
Hund ans Wasser, schnappte ihm das Brödchen weg und
lief davon. Der Alte eilte ihm nach. Aber der Hund er-
reichte eine Thür, stiess sie auf und sprang hinein. Auch
der Alte lief hinein. Er stieg eine Treppe hinunter und kam
vor einem stattlichen Palaste an. Er trat ein und fand hier
eine gedeckte Tafel für zwölf Personen. Er verbarg sich
hinter einem grossen Bilde, um zu sehen, was da geschehen
werde. Um Mittag hörte er grossen Lärm, und die Furcht
machte ihn zittern. Wie er hinter dem Bilde hervorblickte,
sah er zwölf Adler geflogen kommen. Da wurde sein Schrecken
nur noch grösser. Die Adler flogen in einen Brunnenständer
hinein und badeten sich darin — da wurden auf einmal zwölf
herrliche Jünglinge aus ihnen. Nun setzten sie sich an die
Tafel , und der eine von ihnen ergriff den mit Wein gefüllten
Becher und sprach: 'Auf die Gesundheit meines Vaters!'
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— 87 —
Und der andre sprach: 'Auf die Gesundheit meiner Mutter!',
und so ging's weiter. Einer, von ihnen aber sprach:
f Die Gesundheit meiner Liebsten!
Fluch jedoch der Schwiegermutter,
Die verbrannte meine Schalen I")
Und dabei weinte er sehr. Darauf erhoben sich die Jüng-
linge, stiegen in den Brunnenständer, wurden wieder zu
Adlern und flogen davon. Nun entfernte sich auch der Alte
wieder, kehrte in das Reich des Tages zurück und ging nach
Hause. Hier hörte er, dass die Prinzessin krank sei, und
dass sie Gefallen daran finde, Märchen sich erzählen zu lassen.
Also ging auch er in das königliche Schloss, trat in der
Prinzessin Zimmer ein und erzählte ihr sein Erlebniss. Kaum
hatte sie's angehört, als sie ihn fragte, ob er den Weg nach
jenem Schlosse kenne. Ma wohl/ antwortete er. Und nun
sprach sie ihm sofort den Wunsch aus, von ihm hingeführt
zu werden. Der Alte that dies, und als sie dort angekommen
waren, verbarg er sie hinter dem grossen Bilde und hiess
sie sich still verhalten. Auch er nahm hinter dem Bilde
seinen Platz. Die Adler kamen und verwandelten sich in
Menschen, und sofort erkannte die Prinzessin ihren Gemahl
unter ihnen heraus und wollte aus ihrem Versteck hervor-
treten , aber der Alte hielt sie zurück. Die Jünglinge setzten
sich nun zu Tisch, und da sprach ihr Gemahl wieder, indem
er den Becher ergriff:
'Die Gesundheit meiner Liebsten!
Fluch jedoch der Schwiegermutter,
Die verbrannte meine Schalen!'
Da konnte sich die Prinzessin nicht mehr halten, eilte her-
vor und schloss den Geliebten in ihre Arme. Und er er-
kannte sie sofort wieder und sprach zu ihr: 'Erinnerst du
dich, dass ich dir sagte, du würdest mich verrathen? Jetzt
siehst du, dass ich die Wahrheit sprach. Doch das ist nun
vorüber. Höre mich jetzt an. Drei Monate muss ich noch
verwünscht bleiben. Willst du, bis diese Zeit um ist, hier*
bei mir wohnen, so ist mirs recht.' Da blieb die Prinzessin
da und sagte zu dem Alten: 'Geh ins Schloss und sage
>) Zrfjv (rpa Ten no0nTf|c uou!
Kai dvdecfia Tn.u Tie9€pä uou,
TToö «Kaie rä xautcaXd uou!
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- 88 —
meinen Eltern, ich sei hier geblieben.' Der Alte kehrte
zurück und richtete das aus. .Darüber waren ihre Eltern
sehr betrübt. Aber die drei Monate verstrichen, der Königs-
sohn ward endlich wieder ganz Mensch, und sie begaben
sich nach Hause. Und nun lebten diese glücklich, und wir
hier noch glücklicher.
10.
' Die Schönste. 1 )
Kallipolis.
Es war einmal ein König, der hatte drei Töchter. Alle
drei waren ihm theuer, aber die jüngste von ihnen liebte er
doch mehr als die beiden andren, weil sie die schönste war.
Einst beabsichtigte der König, gegen ein feindliches Land
zu Felde zu ziehen, um es sich zu unterwerfen und die
Schlösser seines Königs in Besitz zu nehmen. Ehe er nun •
in den Krieg zog, fragte er seine Töchter, was er ihnen
mitbringen solle, wenn er siegreich aus dem Feldzug zurück-
kehre. Da sprach die älteste von ihnen: f Ich wünsche mir,
lieber Vater, ein Armband von lauterem Golde.' Die zweite
sprach: 'Mir magst du einen schönen Schleier mitbringen.'
Die dritte und jüngste aber sagte: r Ich begehre keine Kost-
barkeiten, ich wünsche nur eine Rose.' Hierauf zog der
König in den Krieg; und nachdem er die Feinde besiegt
hatte, erinnerte er sich der Geschenke für die älteste und
für die mittlere seiner Töchter; das für die jüngste dagegen
vergass er, weil es so unbedeutend war. Auf der Rückkehr
nach seinem Reiche musste er auch über ein Meer fahren.
Er bestieg also mit seinen siegreichen Truppen die Schiffe;
aber kaum waren sie eine kleine Strecke vorwärts gesegelt,
so ward das ganze Meer zu Stein, und die Schiffe standen
still. Der König konnte dieses Wunder nicht begreifen.
'Nach einer Weile aber sagte er: 'Vielleicht ist dieses Uebel
uns begegnet, weil ich nicht gedacht habe an das Geschenk
für meine schönste Tochter.' Er kehrte daher in das er-
') 'H KaXX(cTr|. — Diese Form hat sich in Kallipolis im Gebrauche
des Volkes erhalten, und zwar in der obigen Bedeutung.
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oberte Land zurück, begab sich in den Garten des königlichen
Schlosses, sali sich überall um und suchte eine schöne Rose
für seine jüngste Tochter. Es gab deren hier unzählige,
aber eine war die schönste von allen. Er trat herzu, um sie
abzuschneiden. Aber wie er eben Hand anlegte, vernahm er
ans der Erde heraus eine Stimme, die sprach zu ihm : 'Schneide
mich nicht ah, oder, wenn du's doch thust, so versprich mir,
dass du deine jüngste Tochter für so und so lange Zeit hier-
her senden willst.' Der König versprach das und schnitt die
Rose ab. Hierauf machte er sich wieder auf den Heimweg,
fand das Meer diesmal in seinem gewöhnlichen Zustande, ge-
laugte zu Hause an und überreichte seinen Töchtern die ge-
wünschten Geschenke. Indem er aber der jüngsten die Rose
gal), theilte er ihr auch gleich die Bedingung mit, unter wel-
cher er sie abgeschnitten hatte. Die nahm die Bedingung
an, und schon nach wenigen Tagen reiste sie nach dem
Laude ab, aus dem ihr Vater die Rose mitgebracht hatte»
Dort angekommen begab sie sich in den Garten des Schlosses,
erging sich darin und betrachtete alle die schönen Blumen
und reifen Früchte, die hier zu linden waren. Und sie strahlte
einer Neraide gleich, 1 ) so dass der ganze Garten erglänzte
von ihrer Schönheit. Als aber der Abend herankam, ängstigte
sie sich ; sie suchte einen Menschen, aber nirgends war einer
zu sehen. Nach eingebrochener Nacht entschloss sie sich, in
den Palast zu gehen, zu dem der Garten gehörte. Sie stieg
also die Treppe hinauf, ging durch eine Reihe von Zimmern
und suchte einen Menschen. Aber auch hier zeigte sich nie-
mand. Sie ging noch weiter und kam in ein prächtiges Ge-
mach, darin stand ein mit frischen Speisen besetzter Tisch.
Da sie hungrig war, so setzte sie sich nieder und ass. Nach
Beendigung ihrer Mahlzeit bemerkte sie nebenan ein zweites
Gemach, darin befanden sich sehr schöne Möbeln und ein
trefflich hergerichtetes Bett. Da legte sie sich nieder und
schlief. Am andern Morgen stand sie auf, ging in den Gar-
ten, blieb hier bis Mittag und begab sich dann, da sie Hunger
verspürte, in das nämliche Gemach, wo sie Tags zuvor ge-
speist hatte. Nachdem sie darauf den Nachmittag wieder im
Garten zugebracht und später ihr Abendbrod eingenommen
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- 90 -
hatte, legte sie sich schlafen. Um Mitternacht vernahm sie
vor der Thür ihres Schlafgemachs eine klagende, rührende
Stimme, die rief: 'Oeffne mir, bedauerst du mich denn nicht?'
Allein sie öflhete nicht, denn sie fürchtete sich. In der fol-
genden Nacht hörte sie die nämliche Stimme wieder, welche
diesmal rief: f Lass mich ein, ich thue dir nichts. Ich liebe
dich wie meinen Augapfel.' Da öffnete sie die Thür, in dem
Glauben, dass irgend ein unglücklicher Mensch bei ihr Zu-
flucht suche. Aber als sie nun geöffnet hatte, was sah sie
da? Eine grosse, furchtbare Schlange, die zischend auf sie
zukroch. Die Prinzessin war starr vor Schreck über diesen
Anblick, die Schlange aber sprach zu ihr: 'Fürchte dich nicht,
liebes Mädchen, ich thue dir nichts. Ich liebe dich.' Darauf
entfernte sich die Schlange wieder, kam aber nun jede Nacht
zurück und ward allmählich so vertraut mit dem Mildchen,
dass dieses, in Ermangelung eines andren Gefährten, ohne
Furcht mit ihr spielte und sie liebkoste.
Da nun die Prinzessin Muth bekommen hatte, bat sie
eines Tags die Schlange, zu ihrem Vater zurückkehren und
eine bestimmte Zahl von Tagen bei ihm verbleiben zu dürfen.
Die Schlange erlaubte ihr das, fügte aber hinzu: f So du
länger ausbleibst, wirst du mich bei deiner Rückkunft nicht
mehr antreffen.' Die Prinzessin reiste also in die Heimath
ab. Die Zeit ihres Urlaubs ging zu Ende; allein sie kehrte
nicht zur Schlange zurück. Ihre Schwestern nun, welche sie
hassten, baten ihren Vater, er möchte sie zwingen zur Rück-
kehr. Der Vater war traurig hierüber und hatte keine Lust,
seine schönste Tochter wieder fortzuschicken; diese aber, als
sie sah, wie sehr sie ihren Schwestern verhasst war, kehrte
nun freiwillig, wenn auch betrübten Herzens, nach dem ver-
lassenen Lande zurück. Sie ging wieder in den Garten, ver-
weilte hier längere Zeit, begab sich darauf ins Schloss, legte
sich am Abend schlafen, aber die Schlange zeigte sich nicht
mehr, weder in dieser noch in den folgenden Nächten. Die
Prinzessin war sehr betrübt über den Verlust ihres einzigen
Gefährten ; und eines Tages weinte sie so sehr, dass die Thrä-
nen ihre Wangen erhitzten und sie genöthigt war, zu einem
nahen Brunnen zu gehen, um sich zu waschen. Da erblickte
sie plötzlich im Brunnentrog die Schlange, die aber halb todt
war. Von Mitleid ergriffen streckte sie ihre Hände aus und
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— 91 -
nahm die Schlange aus dem Troge heraus. Die blieb jedoch
unbeweglich. Nachdem das Mädchen sie geraume Zeit ge-
pflegt und geliebkost hatte, hörte es auf einmal ein furcht-
bares Krachen: die Schlange barst,, und ehe sich die Prin
zessin von ihrem Erstaunen erholen konnte, sah. sie sich
plötzlich in den Armen eines wunderschönen Jünglings, der
sprach zu ihr: 'Fürchte dich nicht, ich will dir alles erklären.
Einst liebte eine Neraide mich so heftig, dass sie mich zum
Gatten begehrte. Da ich aber hierauf nicht eingehen wollte,
so verwandelte sie mich in eine Schlange, verfluchte mich
und sprach: „So lange sollst du Schlange bleiben, bis eine
andere Geliebte sich für dich findet, die so schön ist, wie
ich selber." Ich hoffte nicht, eine zweite zu finden, wie jene;
allein du bist genau ebenso schön.' Hierauf nahm er sie bei
der Hand und führte sie ins Schloss. Und jetzt ward die
Jungfrau gewahr, dass allenthalben über den Thüren des Pa-
lastes geschrieben stand: 'Das Schloss der Schönsten'; 1 ) und
sie merkte, dass sie die Schönste sei. Der Jüngling nahm
sie nun zum Weibe, und das übrige könnt ihr euch denken.
11.
Der Oapitän Dreizehn. 2 )
Zakynthos.
Zur Zeit der Hellenen 3 ) lebte einmal ein König, der war
der stärkste seines Zeitalters, und die drei Haare auf seiner
Brust waren so laug, dass man sie fassen und zweimal um
die Hand wickeln konnte. Dem erklärte einst ein andrer
König Krieg, und in einem Monat begann der Kampf. An-
fangs war der andre König siegreich, aber nachher überwand
der starke König mit seinem Heere die Feinde und verfolgte
sie bis in ihre Stadt. Hier nun würde er sie sämmtlich ver-
nichtet haben, wenn nicht sein Weib ihn um vierhundert-
tausend Thal er, die es von den Feinden erhielt, verrathen
und die drei Haare ihm abgeschnitten hätte. Hierdurch
') T6 iraAdTi xf^c KaXXicxnc.
*) '0 KantTdvoc AcKarptic.
') Itöv Katpö toüv €XXnvu)V6.
9
- 92 -
wurde er der schwächste von allen Menschen. Die Feinde
nahmen ihn nun gefangen, fesselten ihn, schlössen ihn in
eine Festung ein und reichten ihm jeden Tag nur eine Unze
Brod und eine Unze Wasser. Aber in kurzer Zeit fingen
seine Haare wieder an zu wachsen, und darum wurde der
Capitäu Dreizehn — denn so nannte man ihn — zusammen
mit dreizehn seiner Gefährten von den Feinden in einen Ab-
grund geworfen. Da er aber der letzte war, der hineingewor-
fen wurde, fiel er auf seine Gefährten und blieb so am Leben.
Die Feinde aber deckten einen Berg über den Abgrund. Am
zweiten Tage nun, seit er in den Abgrund war gestürzt wor-
den, fand er irgendwo einen todten Vogel. Da klebte er sich
dessen Flügel an seine Hände und flog in die Höhe. Er stiess
mit dem Kopfe au den Berg und schleuderte ihn empor an
die Sonne. Nun flog er weiter und schwang sich sehr hoch
in die Luft, aber da kam ein Regenguss und erweichte den
Lehm, womit er die Flügel sich angeklebt hatte, und der
Capitän Dreizehn fiel ins Meer. Da fuhr der Meergeist ')
heraus und gab ihm mit seiner dreizinkigen Gabel einen
Schlag, dass sich das Meer roth färbte von seinem Blute,
und verwandelte ihn in einen grossen Fisch, nämlich in einen
Delphin. Er sagte ihm zugleich, dass er nicht eher wieder
erlöst werden könne, als bis ein Mädchen sich fände, das
bereit sei ihn zum Gemahl zu nehmen. Das Meer nun, worin
der Delphin lebte, war von der Art, dass kein Schiff, welches
einmal hineingefahren war, wieder herauskommen konnte.
Da geschah es einst, dass ein König mit seiner Tochter es
befuhr. Sie waren wohl hineingekommen , aber konnten nicht
wieder heraus, und es ereilte sie ein so gewaltiger Sturm,
dass ihr Schiff zerschellte. Niemand andres konnte sich ret-
ten ausser der Königstochter und dem König, denn sie beide
trug der Delphin auf seinem Rücken zu einem kleinen Eiland
und setzte sie von da nach der Küste über, von der sie ge-
kommen waren. Da beschloss die Königstochter den Delphin
sich zum Gemahl zu nehmen, und um ihn in ihr Schloss zu
bringen, Hess sie einen grossen Kanal vom Meere bis zum
Schlosse graben. Als alles fertig war für die Hochzeit, da
schüttelte der Delphin auf einmal seine Haut ab und ver-
) d baCj-iovac tct) eäXaccac.
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— 93 -
wandelte sich in einen jungen Mann von gewaltiger Kraft
und hoher Schönheit. Er heiratbete die Königstochter, und
nun lebten diese glücklich, wir aber hier noch glücklicher.
12.
Der Drache.
Ebendaher.
Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein König,
der ging eines Tages auf die Jagd. Als er so seines Wegs
hinzog, gewahrte, er von weitem einen Hirsch. Dem setzte
er nach und lief so immer weiter und weiter. Da sprang der
Hirsch in einen Wald. Auch der König sprang hinein, und
indem er bald dahin bald dorthin eilte, kam er endlich in
einen Garten. Hier im Garten verlor er den Hirsch aus den
Augen, und nun wusste er selbst auch nicht, wo er den Aus-
gang finden sollte. Da er niemanden im Garten bemerkte,
so öffnete er eine Thür, welche er vor sich sah, und trat
durch sie in einen andern Garten ein, dessen Bäume waren
von Gold und seine Kräuter von Diamanten. Da war auch
eine Rose, und es kam ihm die Lust, sie abzuschneiden.
Aber als er sie schnitt, sprang ein langer Faden heraus und
wickelte sich so fest um den König, dass er sich nicht mehr
bewegen konnte. Nun wusste der Unglückliche gar nicht,
was er thun sollte, und fing an kläglich zu weinen. Da ver-
nahm er auf einmal ein Getöse, davon die Erde zitterte, und
plötzlich kam aus dichtem Gestrüpp ein gewaltiger Drache
hervor. Der näherte sich dem König, beroch ihn und sprach
zu ihm: 'Du riechst nach königlichem Blut, und ich will
dich nicht fressen, aber ich sage dir, dass du mir in einem
Monat eine von deinen Töchtern bringen musst, die will ich
mir zum Weibe nehmen.' Der arme König versprach das,
und nachdem ihn der Drache von dem Faden befreit, ihm
einen Weg gezeigt und nochmals ihn erinnert hatte, dass er
seine Tochter nicht vergessen möge , ging er zitternd hinweg.
Nach langer Wanderung kam er auf seinem Schlosse an und
begrüsste seine Kinder, — er hatte nämlich drei Töchter und
einen Sohn — , sagte aber weiter nichts zu ihnen, denn er
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— 94 -
war sehr traurig. Alleiii es rückte die Zeit heran, zu welcher
er die Tochter dem Drachen bringen musste, und da ward
er noch viel trauriger. Da sprachen seine Kinder zu ihm:
'Warum, lieber Vater, bist du so niedergeschlagen V Er
weigerte sich anfangs, es ihnen zu gestehen, aber nachher
erzählte er ihnen die Sache. Die eine von seinen Töchtern
nun wollte unter keiner Bedingung zum Drachen gehen. Und
mit der zweiten war's ebenso. Die dritte dagegen sagte : 'Für
dich, lieber Vater, geb' ich selbst meinen Kopf dahin.' Als
nun die Zeit gekommen war, machte sich der König mit die-
ser auf den Weg zum Drachen. Sobald sie dort angelangt
waren, kam der Drache, in Gewänder von Gold, Mälama 1 )
und Silber gekleidet, mit seinem ganzen befolge auf sie zu,
nahm das Mädchen in seinen Arm und führte es in einen statt-
lichen Palast. Der war auf folgende Weise eingerichtet. Jedes
Zimmer war mit goldenen Tapeten und mit herrlichem Haus-
geräth aus Gold, Silber und Brillanten versehen. Und das
Schlafgemach war so prächtig, dass es in der Nacht von selber
leuchtete ; auch das Bett war von grösster Pracht, aber ganz
mit Glocken behangen. Man hörte aber in diesem Schlosse
immer ein dumpfes, von fern her kommendes Stöhnen. Es
fand nun die Hochzeit statt, und der König zog darauf wie-
der heim , nachdem ihm der Drache vier Rosse mit Gold und
acht mit Brillanten beladen und ihn gebeten hatte, recht oft
zu kommen und seine Tochter zu besuchen. Der Drache nun
verliess jeden Tag sein Schloss und übergab deshalb sämmt-
liche Schlüssel seiner Frau; dabei sagte er ihr, dass sie im
ganzen Hause umhergehen dürfe, ein einziges Zimmer aus-
genommen, das am Ende des Schlosses lag. Es verging lange
Zeit, ohne dass die Königstochter jemals sich unterfangen
hätte, das verbotene Zimmer zu öffnen. Eines Tages aber,
da der Drache fortgegangen war, um drei Monate auszublei-
ben, trieb sie die Neugier, — denn sie hörte ein Stöhnen
von dort herausdringen — das Zimmer zu öffnen, und sie
trat ein. Da sah sie einen tiefen Abgrund vor sich, und auf
seinem Grunde einen Jüngling, der wehklagte und jammerte.
Kaum hatte sie ihn erblickt, als sie den Beschlues fasste ihn
zu erretten. Sie fand ein langes Seil und warf das eine Ende
■) Vgl. oben Nr. 9, S. 84, Anm. 1.
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dem Jüngling hinunter. Der band sich daran fest, und die
Königstochter zog ihn herauf. Als sie ihn heraufgezogen
hatte, was sah sie da? Einen Prinzen, der vom Drachen ver-
wundet und in den Abgrund geworfen worden war. Die
Königstochter giug nun sogleich daran, seine Wunde zu
heilen, und sie heilte sie so gut, dass er in drei Wochen
wieder hergestellt war. Da sprach sie zu ihm: 'Geh jetzt
fort von hier und thue, was ich dir sagen werde, um auch
mich retten zu können. Lass einen goldnen Schrank machen,
der sich von innen öffnet, bring 7 ihn hierher und biet' ihn
feil. Ich werde ihn kaufen und hineinsteigen, und so wird
der Drache glauben, er habe mich verloren, und in seinem
Zorn darüber den Schrank, ohne zu ahnen, dass ich darin
stecke, sanimt allem anderen, was ich angeschafft habe, ver-
kaufen, um die Sachen nicht mehr vor Augen zu haben und
an mich erinnert zu werden. Du aber, der du jetzt in deine
Heimath zurückkehrst, erlaube deiner Mutter nicht dich zu
küssen, denn so sie dich küsst, wirst du mich vergessen.'
Der Jüngling schied betrübt von ihr und gelangte in seiner
Heimath an. Am ersten Tage liess er durchaus nicht zu,
dass seine Mutter ihn küsste, auch ging er gleich hin und
bestellte den goldnen Schrank. Allein in der Nacht, wäh-
rend er schlief, schlich sich seine Mutter ganz leise in sein
Zimmer und gab ihm einen Kuss. Am andern Morgen hatte
der Prinz alles vergessen. Einige Tage darauf brachte ihm
der Goldschmied den Schrank, er aber jagte ihn mit Gewalt
aus dem Hause, indem er rief, das seien Lügen, er habe
keinen Schrank bei ihm bestellt. Der Goldschmied, der ganz
in Verzweiflung war, nahm den Schrank und machte sich,
von vielen Leuten begleitet, auf den Weg, um ihn an einem
andern Orte zu verkaufen. Wohin, wohin sollte er aber
gehen? Der Zufall führte ihn an den Ort, wo der Drache
wohnte. Und hier traf die Königstochter mit den Leuten zu-
sammen und kaufte den Schrank. Zugleich befahl sie ihnen,
in zwei Monaten an demselben Tage wiederzukommen, den
Schrank zurückzukaufen, ihn in den Ort des Prinzen zu
bringen, den sie gerettet hatte, und an diesen um jeden,
auch den geringsten Preis zu verkaufen; sie werde ihnen das
schon vergelten. Nachdem sie hierauf die Leute mit Gold
und Silber reichlich beschenkt hatte, gingen diese fort. Als
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nun die Zeit heranrückte, da der Drache nach Hause zurück-
kehren musste, da schloss sich die Prinzessin, nachdem sie
sich mit einigen Lebensmitteln versehen hatte, in den Schrank
ein. Der Drache kam, stieg die Treppe hinauf und trat in
sein Schloss ein, bemerkte aber nirgends seine Frau. Da sah
er eilig zu, ob der Prinz noch in dem Abgrunde sich befände,
und als er sich überzeugt hatte, dass er nicht mehr darin
war, da lief er und durchsuchte das ganze Haus. Da er nun
seine Gemahlin nirgends fand, so rief er seine Diener herbei
und befahl ihnen, alle Sachen seiner Frau zu nehmen und
sie so schnell als möglich loszuschlagen. Die Diener nahmen
die Sachen, und als sie in der Nähe des Schlosses die Kauf-
leute gewahrten, welche die Königstochter dahin bestellt hatte,
verkauften sie sie an diese. Die nahmen nun den Schrank
und trugen ihn, nachdem sie die andern Sachen weggeworfen,
zu dem Königssohne. Der hatte keine Lust ihn zu kaufen,
aber sie peinigten ihn so sehr, dass er ihn doch für einen
sehr geringen Preis nahm. Er stellte ihn in sein Zimmer.
Da nun der Prinz ausserhalb des Hauses Unterricht hatte, so
pflegte ihm. seine Mutter eine Schüssel mit Essen auf sein
Zimmer zu stellen. Da trat die Prinzessin in seiner Abwesen-
heit ganz leise aus dem Schranke heraus und verzehrte das
Gericht. Und so blieb der Königssohn nüchtern. Den ersten
und zweiten Tag ertrug er das, am dritten aber erzählte er
die Sache seiner Mutter. Wie nun die Mutter hörte, dass
ihr Sohn ohne Speise geblieben war, sprach sie zu ihm:
'Bleib einen Tag zu Hause, mein Kind, um zu erfahren, wer
dir dein Essen verzehrt.' Er blieb also zu Hause und ver-
steckte sich in seinem Zimmer, und da sah er, wie das Mäd-
chen aus dem Schranke herauskam und sein Essen verzehrte.
Da eilte er aus seinem Versteck hervor und fasste das Mäd-
chen, und in dem Augenblick, da er ihm ins Antlitz blickte,
erinnerte er sich seiner auf einmal , wieder und fiel ihm zu
Füssen und bat es um Verzeihung, dass er es vergessen
hätte. Darauf ersuchte er seine Mutter, ihm täglich eine
doppelte Portion von der Suppe und den andern Gerichten
zu schicken. Die Mutter that das, und so verging eine lange
Zeit. Da musste der Prinz in ein anderes Land in den Krieg
ziehen. Ehe er fortging, sagte er zu seiner Mutter, sie möchte
fortfahren, eine Schüssel mit Essen in sein Zimmer zu stellen,
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und sich hüten, den Schrank von seiner Stelle zu rücken.
Hierauf zog er betrübten Herzens fort.
Lassen wir jetzt den Königssohn und kommen wir auf
seine Tante ! Die hatte eine Tochter, die sie mit dem Prinzen
zu verheirathen wünschte. Sie hatte aber bemerkt, dass er
seit der Zeit, da er den Schrank bekommen, sie nicht mehr
besuchte und auch um ihre Tochter sich nicht mehr küm-
merte. Darum argwohnte sie, dass irgend etwas in dem
Schranke stecken müsse. Sie veranstaltete also ein Gastmahl
und bat des Prinzen Mutter, ihr den Schrank für diesen Tag
zu leihen. Die Mutter des Prinzen gewährte ihre Bitte, da
sie eng mit ihr befreundet war. Aber kaum hatte die Tante
den Schrank erhalten, als sie den Befehl ertheilte, ihn ins
Feuer zu werfen. Als das Mädchen im Schranke das hörte,
öffnete sie ihn eilig, verwandelte sich auf einmal in einen
Vogel und flog davon. Da nun die Tante sah, dass das Mäd-
chen fort war, gab sie den Schrank der Mutter des Prinzen
zurück, und die stellte ihn wieder an seine frühere Stelle.
Als der Königssohn zurückkehrte und den Schrank offen sah,
fragte er seine Mutter darüber : die antwortete ihm ängstlich,
sie habe den Schrank nirgendhin gegeben. Nun verfiel der
Prinz in grosse Schwermuth, und jeden Morgen sass er an
seinem Fenster und weinte. Da vernahm er eines Tages
ein grosses Geräusch, sein Zimmer erglänzte, und er sah
einen Vogel hereinfliegen, der sich auf einmal in das Mäd-
chen verwandelte, das im Schranke gewesen war. Des Prinzen
Freude hierüber war gross. Er fragte nach diesem und nach
jenem, und sie erzählte ihm das Geschehene. Da rief er
sofort den Priester und den Brautführer herbei und liess sich
heimlich mit dem Mädchen trauen. Hierauf sagte er zu seiner
Tante, er werde ihre Tochter heirathen, und die Hochzeit
solle in wenigen Tagen stattfinden. Es kam der Hochzeits-
tag heran, und am Abend sass die Braut, der Trauung ge-
wärtig , neben ihrem Bräutigam. Aber auch des Prinzen Frau
war anwesend. Als nun der Priester den Bräutigam auf-
forderte, seine Braut vor ihn zu führen, erhob er sich, aber
anstatt die Tochter seiner Tante zu nehmen, führte er seine
Gemahlin herbei, stellte sie allen als sein Weib vor, erzählte
auch die übrige Geschichte und erklärte seiner Tante — denn
auch sie war eine Königin — den Krieg. Er besiegte sie
Schmidt, Griech. Marcheu, Sagen u. Volkslieder. 7
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und schnitt ihr und den ihrigen die Köpfe ab. Sein Weib
aber, die Königstochter, erhielt nach ihres Vaters Tode auch
noch dessen Thron, da ihre Geschwister alle gestorben waren,
und so lebten sie glücklich mit einander, wir aber hier noch
glücklicher.
13.
Der Riese vom Berge.
Ebendaher.
Es lebte einmal und zu einer gewissen Zeit eine Königs-
tochter. Zu der kamen drei Tage nach ihrer Geburt die
Moeren, ihr Geschick zu bestimmen ; 1 ) und nachdem sie dies
gethan und ihr gesagt hatten, dass alle Güter der Erde ihr
zu Theil werden sollten , setzten sie hinzu , sie müsse im fünf-
zehnten Jahre ihres Lebens sich in Acht nehmen, dass die
Sonne sie nicht bescheine, denn wenn dieses geschähe, werde
sie in eine Eidechse verwandelt werden und ins Meer fallen
und fünf Monate darin bleiben. Als nun das Mädchen heran-
wuchs und ihr Los erfuhr, war sie sehr traurig, besonders
als sie sich dem fünfzehnten Jahre näherte. Auch ihr Vater,
der König, war sehr traurig und wusste gar nicht, was er
beginnen sollte. Er entschloss sich endlich, um sich ein
wenig zu zerstreuen, eine Reise zu machen. Am Tage vor
seiner Abreise rief er seine Tochter und sprach zu ihr: 'Ich
werde verreisen, mein Kind. Wünschest du, dass ich dir etwas
mitbringe, so sage es.' Das Mädchen antwortete ihm: c Ich
wünsche nichts andres als dass du mir den Riesen vom Berge 2 )
zum Gemahl verschaffest.' Der König trat nun, mit sehr
vielem Gepäck versehen, seine Reise an und hatte die Ab-
sicht, wo möglich den Wunsch seiner Tochter zu erfüllen.
Er reiste immer immer weiter und kam endlich vor einer
grossen Stadt an. Als er fragte, wie sie heisse, antwortete
man ihm, dass es die Stadt des Riesen vom ßerge sei. Er
ging also hinein, und als er auf den Markt kam, hörte er
sagen, dass der Alte, der König, sich zu verheirathen be-
) f^pGctvc i 5 ! Moipaic vot t»iv f.iotp(ivouv€.
! ) töv tiT a VTa toü ßouvoö.
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absichtige und die schönste Jungfrau der Welt haben wolle.
Er sagte nichts dazu. Am andern Morgen aber stand er sehr
früh auf und ging in eine Barbierstube. Hier sagte ihm der
Barbier, er sei des Königs ßartscbeerer und geniesse allein
Vertrauen bei ihm; nur er könne mit ihm reden und ihm
etwas entgegnen, und wer selber mit dem Könige zu sprechen
wünsche, müsse zuvor sich an ihn wenden. Als der fremde
König das hörte, sagte er zum Barbier: 'Freund, ich habe
eine Tochter, der ist's in den Kopf gekommen, sich mit dem
Riesen vom Berge zu verheirathen. Ich habe nun erfahren,
dass der eben euer König ist, und da du so grossen Einfluss bei
ihm hast, so möchte ich dich bitten, ihm das zu sagen und
hinzuzufügen, dass, wenn er mir's erlaube, ich kommen und
ihn besuchen wolle.' Nachdem er dann dem Barbier viel
Geld versprochen hatte, sagte dieser: f Wenn du deine Absicht
ausführen willst, so höre mich an. Morgen gehe ich zum
Biesen, ihm den Bart zu scheeren, da will ich ihm die Sache
vortragen, und, wenn er dich zu sehen geneigt ist, dann ver-
spreche ich dir, dich zu unterstützen, bis dass du dein Vor-
haben zum Ziele führst.' Nun verabschiedete sich der König
von dem Barbier und ging fort. Am andern Morgen kam
er wieder und fragte, wie die Sache stehe. 'Ausgezeichnet,'
antwortete ihm der Barbier, 'morgen wird der Riese bereit
sein, dich zu empfangen. Aber, wisse wohl, du niusst dich
auf dem Wege zu ihm von mir begleiten lassen, denn ich
weiss nicht, was ihm sonst einfallen könnte dir anzuthun.
Sobald wir eintreten, wird er dich fragen, ob du sein Sohn
seiest. Antworte ihm : "Ja." Dann wird er dich auffordern,
die sieben Schleier ihm abzunehmen, die sein Gesicht um-
hüllen. Das thue aber nicht, denn da würde es dir sehr
schlimm ergehen, sondern antworte ihm, er möge sich erst
davon überzeugen , ob du ein Sohn von ihm seiest. £)a wird
er eine gewaltige Stange ergreifen, die neben ihm lehnt, und
dir damit einen so starken Schlag versetzen, dass du, wenn
du nicht thust, was ich dir jetzt sagen will, todt auf der
Stelle bleibst. Höre mich also an, dann wird dir kein Leid
geschehen. In seiner Nähe befindet sich ein grosser Schlauch,
den nimm und wirf ihn um deine Schultern. So wird der
Riese, anstatt dich zu treffen, den Schlauch treffen. Sobald er
nun den Schlag geführt hat, musst du gleich zu ihm sagen:
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"Erkennst du mich jetzt?" Und nun kannst du ihm alsbald
die Schleier abnehmen. Er wird dip dafür danken und dich
fragen, ob du etwas von ihm wünschest. Da thue ihm nun
deine Absicht kund. Er wird dich darauf in ein Zimmer
führen , worin eine Menge Gemälde sich befinden, die sämmt-
lich junge Mädchen darstellen; hier wird er dich fragen, ob
deine Tochter einem von den Bildern ähnlich sei, und da
sag ihm die Wahrheit.' Am folgenden Tage also mach-
ten sie sich fertig, und als die Stunde kam, gingen sie
zum Riesen, thaten, wie sie verabredet hatten, und wurden
dann von ihm in das Zimmer geführt, wo die Gemälde hingen.
Der Riese fragte den König, ob seine Tochter dieser oder
jener Jungfrau ähnlich sehe, der König aber entgegnete, von
allen diesen sei keine würdig seiner Tochter auch nur die
Füsse zu waschen. Da zog der Riese von seiner Brust ein
kleines Bildchen hervor und fragte den König, ob seine Toch-
ter dem ähnele. Der aber antwortete: 'Nein, so sieht viel-
mehr die Kammerjungfer meiner Tochter aus.' Da sagte der
Riese: 'Wenn alles das wahr ist, was du mir da sagst, so
will ich deine Tochter zum Weibe haben.' Darauf gab der
König dem Riesen die Hand und reiste zurück in seine Hei-
math. Hier erzählte er alles seiner Tochter. Die machte
sich nun zur Reise fertig, und damit die Sonne sie nicht be-
scheine, schloss sie sich mit ihrer Amme und deren Tochter
in eine Sänfte ein und liess sich darin auf das Schiff tragen,
das sie zum Lande des Riesen bringen sollte, denn um dahin
zu gelangen, musste man übers Meer. Als sie nun dem Lande
des Riesen schon nahe waren, liess die Amme in der Ab-
sicht, ihre eigne Tochter an der Prinzessin Stelle zu setzen \
ein kostbares Tuch ihrer Herrin aus der Sänfte fallen und
bat sie, zu erlauben, dass die Thür der Sänfte geöffnet werde,
um es wieder zu erhalten. Die Königstochter wollte anfangs
nichts davon wissen, gab aber dann doch dem Drängen der,
Amme nach. Die befahl also ihrer Tochter hinauszugehen
und das Tuch zu holen. Aber wie die Thür sich öffnete,
schien die Sonne herein, und sobald die Prinzessin von ihr
beschienen wurde, verwandelte sie sich in eine Eidechse und
fiel ins Meer. Nun setzte die Amme ihre Tochter an der
Prinzessin Stelle. Zu deren Vater aber, der sich auch mit
auf dem Schiffe befand, sagte sie, ihre Tochter sei gestorben,
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und um nicht die Thür der Sänfte zu öffnen, habe sie sie
vom Fenster aus ins Meer geworfen. Der König lobte sie
deswegen sehr, und da er keinen Verdacht hegte, so sah er
nicht einmal in die Sänfte hinein. Endlich kamen sie vor
der Stadt des Riesen an. Der kam auf einem hohen Rosse,
in der Rechten ein grosses Scepter, in der Linken ein ge-
waltiges Schwert, unter Musik und lautem Jubel und von
seinem ganzen Volke begleitet, herangeritten. Der König
stieg zuerst aus dem Schiffe und that dem Riesen zu wissen,
warum seine Tochter nicht vor Abend aussteigen könne. Als
nun der Abend herankam, da trat der König in die Sänfte
ein. Aber was sah er da? Statt seiner Tochter fand er ein
ganz hässliches Mädchen darin. Aber die Amme sagte .sofort
zu ihm, das Mädchen sei wirklich seine Tochter, und sie
müsse, da ihr einmal von den Moeren dieses Los zugetheilt
worden, fünf Monate lang so bleiben, darauf werde sie ihre
frühere Gestalt wiedererlangen. Der König war ganz er-
staunt darüber, nahm aber doch das Mädchen bei der Hand
und stellte es dem Riesen vor. Der nun, weil er glaubte
vom König hintergangen worden zu sein, sprach zu ihm:
'Ich will zwar deine Tochter nehmen, dich selbst aber ver-
urtheile ich zu der Strafe, auf fünf Jahre mein Stallknecht
zu werden.' Der König erwiderte nichts darauf, sondern
ertrug sein Los mit Demuth. Der Riese fasste nun das Mäd-
chen bei der Hand und führte es sammt seiner Mutter, die
sich für seine Amme ausgab, zu einem grossen hohen Berge.
Hier nahm er ein Haar von seinem Haupte, berührte damit
den Berg, der alsbald in zwei Hälften auseinanderklaffte, und
trat mit den beiden Frauen in das Innere, wo sein eigent-
liches Reich war, ein. Da drinnen war ein ungeheurer Raum,
und da waren eine Menge Riesen, alle mit einem einzigen
Auge auf der Stirn; sie befanden sich tief unten in einer
Schlucht und gruben tief in die Erde hinein und holten aus
ihrem Schoos grosse Schätze und gewaltige Steinblöcke her-
auf, mit denen sie ihre Häuser aufbauten. Aber sowie ihr
König mit den Frauen eingetreten war, Hessen alle sogleich
von ihrer Arbeit ab und erhoben sich, um ihre neue Königin
zu begrüssen. Der Riesenkönig richtete eine Rede an sie
und sprach: 'Hier ist, meine Völker, eure Königin; ihr sollt
ihr gehorchen und keiner anderen.' Die Riesen versicherten
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mit ungeheurem Geschrei, dass sie ihr gehorchen würden.
Nun schloss sich der Berg, und sie blieben darin. Am andern
Tage stand der König früh auf und ging aus dem Berge
hinaus, am Abend aber kehrte er zurück. Er sagte seiner
jungen Frau, sie dürfe in alle Zimmer seines Schlosses im
Berge gehen , ein einziges ausgenommen, und bezeichnete ihr
dieses. Sie aber that am folgenden Tage nichts andres, als
dass sie überall umherblickte, um den Schlüssel ausfindig zu
machen, der zu dem verbotenen Zimmer gehörte. Es gelang
ihr auch, ihn zu finden, und nun öffnete sie ganz leise, ohne
ihre Mutter etwas merken zu lassen, die Thür und trat ein.
Als sie eingetreten- war, sah sie eine alte ungeheuer grosse
Frau vor sich, die sass auf einem hohen Stuhle und hielt in
der einen Hund einen sehr grossen, in Goldplatten eingefass-
ten Stein, in der andern einen grossen eisernen Stab. Auch
sie war einäugig. Es war nämlich die Mutter des Riesen,
und sie hatte die Gabe, die Zukunft zu schauen. Als nun
die Alte des Mädchens gewahr wurde, sprach sie zu ihm:
'Ich kenne dich sehr wohl, du bist nicht die wahre Königs-
tochter, und ich sage dir, die Stunde wird kommen, da du
deine That bereuest.' Da erbleichte das Mädchen, gerieth ganz
ausser sich und wusste nicht, was es sagen sollte. Die Alte
sprach weiter zu ihr: 'Wisse, dass es dir nicht so hingehen
wird; mein Sohn wird Rache nehmen. Die wahre Königs-
tochter ist nicht dort geblieben, wo ihr sie habt ins Meer
fallen sehen, sie befindet sich hier in der Nähe, und ihr Blut
verfolgt dich.' Da lief das Mädchen zitternd hinaus zu seiner
Mutter und erzählte ihr das, und sie beriethen beide mit ein-
ander, wie sie es anfangen sollten, um die Königstochter zu
tödten. Da kamen sie auf den Gedanken, dem Riesen zu
sagen, seine Frau, die Königin, sei krank, und um zu ge-
nesen, müsse ihr das Vergnügen gemacht werden, dass alle
Fische, die sich im Hafen befänden, vor ihren Augen ver-
brannt würden. Der König gab sogleich zwei Riesen den
Befehl, die Netze zu nehmen, den ganzen Hafen einzuschlies-
sen und alle darin befindlichen Fische zu fangen. Das ge-
schah , und sie warfen die gefangenen Fische in einen grossen
Kessel. Aber was war geschehen? An demselben Tage, aber
vor dem Fischfang, war die Königstochter aus dem Wasser
befreit und wieder in ihre frühere Gestalt verwandelt worden.
- 103 -
Sie suchte nun sogleich ihren Vater auf, — der war damals
in dem Palaste, den der Riese in der Stadt hatte, wo er die
Pferde besorgte — und bat ihn , sie augenblicklich zum Riesen
zu führen und ihm das Geschehene zu erzählen. Der Vater
nahm sogleich seine Tochter bei der Hand, ging mit ihr an
den Berg und wartete hier auf den Riesen, um mit ihm hin-
einzugehen. Als dieser Abends kam und den Berg öffnete,
ging auch der König mit seiner Tochter hinein. Tags darauf
begab er sich in den Palast des Berges, erzählte dem Riesen
zitternd alles, was geschehen war, und stellte ihm seine Toch-
ter vor. Jetzt erschienen auch die Amme und ihre Tochter,
die Königin. Da hörte man auf einmal das Haus erbeben,
und es kam des Riesen Mutter aus ihrem Gemache und be-
fahl ihrem Sohne, die Tochter der Amme zu der nämlichen
Todesart zu verurtheilen , durch die sie die Königstochter
hatte umbringen wollen. Der Riese that das, und so wurde
sie verbrannt. Er heirathete nun die Königstochter, und der
Vater kehrte jetzt frei in sein Reich zurück, versprach aber
seiner Tochter wiederzukommen und sie zu besuchen. Nach-
dem nun einige Monate vergangen waren, fing der Riese an
seine Gemahlin sehr schlecht zu behandeln, weil er sah, dass
sie enge Freundschaft mit seiner Mutter pflog, mit der er
selbst in Uneinigkeit lebte. Da ersann die Königstochter,
schlau wie sie war, eine List, um zu entfliehen. Sie sagte
eines Tages zum Riesen, sie wolle Brod backen, wie man es
in ihrer Heimath backe. Der Riese sagte nichts darauf, und
so buk sie denn. Darauf nahm sie von den gebackenen
Broden mehrere an sich und entfloh heimlich aus dem Berge.
Sie fand ein Schiff und kehrte in ihr Vaterland zurück. Der
Riese aber, der des Abends von seiner Mutter ihre Flucht
erfuhr, machte sich sogleich auf und eilte ihr nach. In ihrer
Heimath angekommen bestellte er bei einem Goldarbeiter
einen grossen goldnen Kasten, der nur ein kleines Loch zum
Heraussehen haben und von innen sich öffnen lassen sollte.
Als dieser Kasten fertig war, stieg der Riese hinein und be-
redete den Goldschmied durch vieles Geld, den Kasten zur
Tochter des Königs zu bringen und um den ersten besten
Preis ihr zu verkaufen; er sollte ihr sagen, der Leib eines
Heiligen befinde sich darin. Der Goldschmied that so, und
die Königstochter kaufte den Kasten. Als sie nun am Abend
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ihr Gebet davor verrichtete, da hörte sie auf einmal zicki
zicki und sali den Kasten sich öflnen. Da merkte sie, dass
der Riese darin war, und schrie laut auf, da kamen Soldaten
herbeigeeilt, und nachdem sie erfahren, wer in dem Kasten
stecke, bohrten sie durch das Loch einen glühend gemachten
ßratspiess und stiessen damit dem Riesen das Auge aus.
Dann nahmen sie ihn und schlugen ihn mit grosser Gewalt
auf den Knöchel am Fusse, und da starb der Riese.
14.
llelios und Maroula.
Ebendaher.
Es war einmal eine Frau, die bekam nie Kinder von
ihrem Manne. Eines Tags ging Helios in der Gestalt eines
Mönchs an ihrem Hause vorüber und sprach zu ihr: e Willst
du, dass ich dir zu Kindern verhelfe?' — 'Ja', antwortete die
Frau. Da gab ihr der Mönch einen Apfel und sagte zu ihr,
den möge sie essen, da werde sie ein Kind gebären. Er
machte ihr aber zur Bedingung, dass sie das Kind mit ihm
theile, also dass es in der einen Hälfte jedes Jahres ihr, in
der andren aber ihm gehöre; wolle sie es aber nicht her-
geben, so müsse sie. ihm dafür jedesmal einen Kuchen backen.
Die Frau ging auf diese Bedingung ein. Sie ass also den
Apfel, und schon nach wenigen Tagen fühlte sie sich schwan-
ger ; sie gebar darauf ein Töchterchen und nannte es Maroula,
und das wuchs zu einem sehr schönen Mädchen heran. Eines
Tages nun, als es aus der Schule nach Hause ging, begegnete
es dem Mönche, und der trug ihm auf seiner Mutter zu sagen,
er wolle ihre Tochter oder den Kuchen. Maroula richtete
das ihrer Mutter aus, die aber antwortete darauf nichts.
Hierüber erzürnt raubte Helios eines Tags Maroula und brachte
sie in seine Wohnung hinter den Bergen. Die Mutter wartete
auf ihr Kind. Da es sich aber nirgends sehen Hess, so ahnte
sie, dass der Mönch es würde geraubt haben; da legte sie
Trauerkleider an, schloss sich in ihr Haus ein und wollte
niemanden sehen noch hören. Helios lebte nun mit dem
Mädchen in seiner Wohnung. Aber jeden Morgen stand er
frühzeitig auf und ging fort, um seinen Lauf zu vollenden,
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und Maroula blieb allein. So lebten sie lange lange zusam-
men. Eines Abends hörte Helios jemanden weinen, er stand
also auf, um nachzusehen, wer das sei, da fand er das Mädchen
im Garten und hörte es unter Thränen sagen:
• 'Wie im Wind der Lattich zittert,
Zittert meiner Mutter Herzchen
Für die Arme, die Maroula.' 1 )
Da sagte er am andern Morgen zu Maroula: 'Wünschest du
zurückzukehren zu deiner Mutter?' — f O ja,' antwortete sie
weinend, 'dass ich das doch erlebte!' Da rief Helios am
folgenden Tage mit gewaltiger Stimme einem Hirsche zu:
'Hirschlein, Hirschlein, willst du Maroula zu ihrer Mutter
bringen?» — 'Ja,' sprach der Hirsch. 'Aber was willst du
unterwegs fressen?» fragte Helios weiter. 'Ich werde von
ihrem Fleische fressen und von ihrem Blute trinken.' — 'Fort,'
sprach Helios, 'du taugst nicht für mich.» Nun rief er einem
andern Hirsche zu: 'Hirschlein, Hirschlein, willst du Maroula
zu ihrer Mutter bringen?» — 'Ja, ich bringe sie hin.' — 'Aber
was willst du unterwegs fressen?' — 'Ich werde Gräschen fressen
und werde Quellchen trinken.' — 'Gut, bringe sie hin,' sprach
Helios. Da nahm der Hirsch das Mädchen auf seinen Rücken
und brachte es zu seiner Mutter zurück. Als sie deren Woh-
nung nahe kamen, da fingen plötzlich alle Thiere des Hauses
an zu rufen: 'Maroula kommt, Maroula kommt.' Die Mutter
aber rief den Thieren zu : 'Schweigt, ihr Thörichten, schweigt,
und beunruhigt mich nicht!' Allein die Thiere schrieen noch
lauter: 'Maroula ist gekommen, sie ist gekommen.' Die Mutter
rief wieder: 'Schweigt, ihr Thörichten, schweigt!' Aber auf
einmal öffnete sich die Thür, und Maroula trat ein. Auch
Helios kam, wieder in Mönchsgestalt, herein, gab sich jetzt
der Mutter zu erkennen und sagte ihr, dass er ihr Kind nur
deshalb geraubt habe, um ihr mehr Sorgfalt für ihre Familie
beizubringen.
■) Tp^uei, Tp^uei TO iiapouXi,
Tp£H€i Kai tc' uävac u* u tcapöoöAa
da xfj uaupn Tt 1 ] MapoöXa.
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— m —
15.
Das Schloss des Helios.
Ebendaher.
Es war einmal ein König, der hatte vier Kinder, näm-
lich drei Söhne und eine Tochter. Als dieser und seine Frau
gestorben waren, sagte eines Tages die Prinzessin zu ihren
Brüdern, dass sie in die Ferne ziehen wolle. Sie Hess sich
daher ein schwarzes Kleid mit drei Streifen machen und in
jeden Streif zweitausend Goldstücke einnähen. Als das ge-
schehen tirar, nahm sie von ihren weinenden Brüdern Ab-
schied und zog von daunen. Sie ging immer zu immer
zu und kam endlich am Fusse eines Berges an. Den er-
stieg sie, und als sie dann wieder auf der andren Seite
abwärts ging, begegnete sie einem Mönche, der fragte sie,
wo sie hin wolle. Sie antwortete, sie ginge der Nase nach. 1 )
Da sie aber in der Ferne einen weissen Gegenstand bemerkte,
so fragte sie zugleich den Mönch, was das sei. r Das ist,
mein Kind,' antwortete der Mönch, 'das Schloss des Helios, 2 )
und dort befinden sich mehr als zehntausend Prinzen, die
einst auf der Jagd in die Gegend kamen und von Helios
versteinert worden sind. Du, mein Kind, bist ein braves
Mädchen, und ich möchte nicht, dass dir Böses widerfahre,
sondern vielmehr, dass dir's gut gehe. Darum will ich dir
die Sache erklären, damit du nicht nur selbst Gutes erfährst,
sondern auch anderen Gutes erweisen kannst. So wisse denn!
In jenes Schloss musst du hineingehen. Aber auf dem Wege
dahin wirst du Lärm und Getöse und menschliche Stimmen
vernehmen, die Stimmen deiner Brüder, die dir zurufen werden.
Aber traue ihnen nicht und drehe dich nicht um, denn das
sind Geister,'') und so du dich umkehrst, wirst du in Stein
verwandelt werden. Bist du dann im Schlosse augekommen,
so nimm rasch die grosse Flasche, die darin auf einem Tische
steht, eile damit hinaus und besprenge alle die versteinerten
Prinzen mit dem darin befindlichen Wasser, denn das ist
Lebenswasser. 4 ) Darauf wirst du einen gewaltigen Riesen
') önou iöoöv xä uutiu xcr\. — Vgl. oben Nr. 4, S. 70, Anm. 1.
») Ö TTÜPTOC TOÜ "HXlOU.
3 ) baiUÖVia,
4 ) V€pÖ TCf) £»JUf|C.
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- 107 -
vor dir sehe», der wird dich fressen wollen. Aber verzage
nur nicht, sondern sag ihm gleich, du suchtest gerade ihn.
Nun wird er Wasser von dir verlangen, und du musst darum
schon vorher solches in Bereitschaft haben. Sobald er das
erhalten, wird er dich bei der Hand nehmen und in seinen
Palast führen und sich mit dir verheirathen. Nachher wird
er dich fragen, woher du das Wasser genommen habest,
darauf musst du ihm antworten: "Von dort, wo es war."
Weiter wird er dich fragen, ob du seine Sklaven befreit
habest. Da antworte ihm, du hättest sie ins Leben zurückge-
rufen. Da wird er merken , dass ich dir das alles gesagt habe,
und wird dir kein Leid zufügen. Nun wirst du fortan in
seinem Schlosse leben, und es werden auch deine Brüder
kommen, 1 ) und ihr werdet zusammen bleiben. Und an dem
Tage, wo deine Brüder kommen, werden auch die von dir
befreiten Prinzen erst anfangen sich zu bewegen und voll-
ständig wieder aufzuleben.' Die Königstochter dankte dem
Mönch für diese Mittheilungen und ging weiter. Sie kam
endlich an dem Schlosse des Helios an und ging hinein. Hier
ergriff sie die Flasche und besprengte mit dem Wasser die
versteinerten Jünglinge, und dann füllte sie die Flasche wieder
an einer in der Nähe fliessenden Quelle. Kaum hatte sie
das gethan, als plötzlich der Riese vor ihr erschien. Er
fragte sie, von wannen sie komme und wie sie hierher ge-
langt sei, ^und machte Miene sie zu fressen. Sie aber er-
widerte, dass sie gerade ihn suche; und als er Wasser ver-
langte, gab sie ihm zu trinken. Da sagte Helios : f Du taugst
für mich/ nahm sie mit sich hinauf in sein Schloss und ver-
heirathete sich mit ihr. Dann fragte er sie, wo sie das
Wasser geschöpft habe. 'Dort, wo es war,' antwortete sie.
Weiter fragte er, ob sie seine Sklaven befreit habe, und sie
antwortete: f Ja, ich habe sie ins Leben zurückgerufen.' Da
sagte der Kiese von neuem zu ihr: f Du taugst für mich,'
und setzte sie auf einen Thron.
Lassen wir jetzt die Königstochter und nehmen wir die
') In genauem Anschlnss an den griechischen Text wäre zu über-
setzen gewesen: 'Nun wirst du in dem- Schlosse leben drei Tage,
und dann werden auch deine Bruder kommen.' Ich habe den da-
durch entstehenden Widerspruch mit der folgenden Erzählung durch
die obige, geringe Aenderuug beseitigt.
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Söhne dran, die ihre geliebte Schwester verloren hatten und
sich aufmachen wollten, sie zu suchen. Der älteste sprach
zu seinen Brüdern: 'Ich will fortziehen, meine Brüder, um
unsere Schwester aufzusuchen.' Er gürtete sich also sein
Schwert um und zog von dannen. Er stieg über den Berg,
über den auch seine Schwester gestiegen war, allein er be-
gegnete keinem Mönch, der ihn gewarnt hätte, und so ward
er nahe beim Schloss des Helios in Stein verwandelt. Nach
geraumer Zeit machte sich auch der zweite Bruder auf den
Weg, da er sah, dass sein Bruder nicht zurückkehrte. Allein
es ging ihm ebenso, wie jenem. Nun brach endlich auch
der dritte auf, und als er sich jenseits des Bergs befand, be-
gegnete er dem Mönch, der sprach zu ihm: 'Geh nur immer
vorwärts, da wirst du deine zwei Brüder, in Stein verwan-
delt, auf dem Wege antreffen. Bleib aber nicht stehen noch
kehre dich um, sondern geh immer zu, da wirst du einen
Garten finden und darin deine Schwester.' Der Königssohn
ging also weiter, fand, wie ihm der Mönch gesagt, seine
beiden versteinerten Brüder, setzte jedoch seinen Weg fort,
kam am Schlosse an und erblickte im Garten seine Schwester.
Die fragte ihn, wie er hergekommen sei, und er erzählte
ihr's. Da sprach die Schwester: 'Wie werden wir's nun aber
machen? Mein Mann ist Helios, und wenn er dich sieht,
wird er dich fressen. Er kehrt jedoch erst Abends hierher
zurück.' Als sich nun die Stunde näherte, wo Helios in
seine Behausung zurückkehrte, da verwandelte die Königs-
tochter ihren Bruder, um ihn vor ihrem Gemahl zu verbergen,
durch eine Ohrfeige, die sie ihm gab, in einen Fingerhut.
Denn als Weib des Helios hatte sie die Macht dazu. Jetzt
kam Helios an und sprach sogleich zu ihr mit gewaltiger
Stimme: 'Es riecht hier nach menschlichem Blute.' Und er
fing an zornig zu werden, aber seine Frau sagte zu ihm:
'Und wenn nun mein Bruder angekommen wäre, würdest du
den fressen wollen?' — 'Nein,' antwortete Helios, und als er
ihr das durch einen Schwur betheuert hatte, gab sie dem
Fingerhute, den sie an ihre Hand gesteckt, einen Schlag,
und alsbald verwandelte er sich wieder in ihren Bruder.
Helios umarmte und küsste ihn und sagte zu ihm : 'Ich weiss,
dass du zwei andre Brüder hast und dass sie versteinert sind.
Nimm Wasser aus dieser Flasche hier und geh und besprenge
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- 109 -
sie damit.' So that der Königssohn, und als die Brüder er-
löst nach dem Schlosse zugingen, da lebten auch alle die
andern Prinzen auf, und die drei Brüder empfingen sie. Als
Helios sie alle vor sich sah, sprach er zu ihnen: 'Bleibt ihr
Brüder meines Weibes hier bei mir, und von den andern,
wer Lust dazu hat, auf dass ihr glücklich lebt. Alle andern
.iber, die nicht hier bleiben wollen, mögen in ihre Heimath
zurückkehren.» Da blieben die drei Brüder da, und sowohl
sie, als auch die zurückkehrten, lebten nun glücklich, wir
aber hier noch glücklicher.
16.
Die Mutter des Ärotas.
Ebendaher,
Es war einmal ein armes Mädchen, das liebte einen vor-
nehmen jungen Herrn, hatte aber, weil es so arm war, keine
Hoffuung, ihn heirathen zu können. Da ging es eines Tags
zu der Mutter des Erotas. 1 ) An ihrer Wohnung angekommen
stellte es sich unter ihr Fenster und weinte. Die Mutter des
Erotas kam heraus und fragte: 'Was hast du, mein Kind,
dass du weinst?' Das Mädchen aber weinte und klagte nur
noch mehr, ohne Antwort zu geben. Da sprach die Mutter
des Erotas zu ihr — denn sie kannte den Grund ihres Kum-
mers wohl — : 'Liebst du etwa einen, und der ist gleichgültig
gegen dich?' — 'Ja,' antwortete darauf das Mädchen tiefbe-
trübt. Da sprach des Erotas Mutter: 'Weine nicht, mein
Kind, ich werde deinen Kummer heilen. Bleib hier, bis mein
Sohn zurückkommt, der seit heute Morgen auf den Bergen
und in den Thälern umherzieht.' Als nun Erotas' 2 ) zurück-
kehrte, da sprach seine Mutter zu ihm: 'Mein Sohn, ich
möchte dich bitten mir einen Gefallen zu thun.' — 'Ja,' sagte
Erotas, und nun trug ihm seine Mutter die Sache vor. Am
folgenden Morgen ging Erotas mit Bogen und Pfeilen aus
und setzte sich an dem Hause nieder, darin das Mädchen
wohnte. Als nun der Jüngling, den es liebte, vorüberkam,
') CTf| ndva toO "CpujToc.
*} ö "6pu)Tac.
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- 110 -
schoss Erotas plötzlich seinen Pfeil auf ihn ab, und von dem
Augenblicke an ergriff den Jüngling so mächtige Liebe zu
dem Mädchen, dass er's zu seinem Weibe nahm.
17.
Maroula und die Mutter des firotas.
Ebendaher.
- Es lebte einmal eine Königstochter, die war unter allen
Frauen der Welt weitaus die schönste. Als das die Mutter
des Erotas erfuhr, die nicht dulden mag, dass eine andre
schöner sei, denn sie selbst, fasste sie den Gedanken, das
Mädchen zu tödten. Um das auszuführen, ging sie, als Alte
verkleidet, mit einem verzauberten Goldapfel unter das Schlott
der Prinzessin und bot ihn ihr feil. Die Prinzessin war eine
Waise, hatte aber mehrere Brüder, die hüteten ihre Schwester
sehr und schlössen sie, wenn sie ausgingen, in den Palast
ein, damit niemand zu ihr komme. So war sie denn auch
eingeschlossen, als die Alte kam und ihr den Goldapfel zeigte.
Sie wünschte ihn aber zu kaufen, und da sagte ihr die Mutter
des Erotas, sie solle einen Strick aus dem Fenster herab-
lassen, damit der Apfel daran befestigt und hinaufgezogen
werde. So geschah es. Aber beim ersten ßiss, den das
Mädchen in den Apfel that, sank es alsbald ohnmächtig zu
Boden. In diesem Zustande fanden die arme Maroula — so
hiess nämlich das Mädchen — ihre Brüder bei der Rückkehr.
Als sie nun den Apfel bemerkten, dachten sie, er möchte
vielleicht bezaubert sein und ihrer Schwester geschadet haben.
Sie nahmen ihr also das abgebissene Stück aus dem Munde,
und da kam sie auf einmal wieder ins Leben zurück.
Die Mutter des Erotas aber wünschte sich genau davon
zu überzeugen, ob die schöne Königstochter auch wirklich
an dem Genüsse des Apfels gestorben sei. Sie hielt daher
einen Spiegel vor die Sonne und sprach:
f Sonne mein mit deinem Schein,
Sag mir, bei deiner Augen Licht!,
Welches ist da« schönste Weib auf Erden ? ' ')
') "HXi€ uou, irpocnXi€ uou,
T\ic uou, vö Zoüv Td udria cou!,
TTo(a eTvai r\ 6uop<piT€pn T^vaiKa toO köcuou;
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'Auch du bist schön,' antwortete die Sonne, 'aber Maroula
hat nicht ihres Gleichen auf der Welt* Als des Erotas Mutter
horte, dass Maroula noch am, Leben sei, ward sie noch viel
zorniger über sie und begab sich, diesmal mit einem verzau-
berten Ringe, abermals unter ihr Schloss. Die Prinzessin
kaufte den Ring, aber kaum hatte sie ihn an den Finger
gesteckt, als sie leblos zu Boden sank. Und diesmal merkten
die Brüder bei ihrer Rückkehr nicht, dass der Ring am Finger
ihrer Schwester bezaubert sei; und da sie die Hoffnung auf-
gaben, Maroula ins Leben zurückrufen zu können, legten sie
sie in einen grossen goldnen Sarg und setzten diesen in
einem Haine in der Nähe ihres Schlosses nieder.
Eines Tags wurde ein Königssohn auf» der Jagd des
Sarges gewahr, indem ein Vogel aus den Lüften geflogen
kam und sich darauf niedersetzte. Er Hess den Sarg durch
sein Gefolge aufheben und in seinen Palast bringen. Hier
öffnete er ihn und sah das schöne Mädchen darin liegen.
Ganz zufällig zog er ihr den bezauberten Ring vom Finger,
und da kam sie auf der Stelle wieder ins Leben zurück. Da
verheirathete sich der Prinz mit ihr, und nachdem sie eine
Zeit lang mit einander gelebt hatten, wurde die junge Frau
schwanger und gebar Zwillinge. Die Mutter des Prinzen
aber war sehr ungehalten darüber, dass ihr Sohn bei seiner
grossen Liebe zu seiner Gemahlin ihr selbst keine Aufmerk-
samkeit erwies, und sie beschloss ihre Schwiegertochter zu
verderben. Sie ging eines Abends in deren Zimmer, schnitt
ihren beiden Kindern die Köpfe ab und warf das Messer,
womit sie den Mord vollbracht hatte, auf das Bett der Ma-
roula, um den Verdacht der That auf sie zu lenken. Am
folgenden Morgen sah ihr Sohn das Geschehene, und da auch
seine Mutter der Maroula die That Schuld gab, so zweifelte
er nicht mehr, dass sie die Verbrecherin sei. Er befahl da-
her, es sollten ihr die Hände abgeschnitten und sammt den
Leichen ihrer Kinder in einen Sack genähet werden; den
solle man der Mörderin um den Hals hängen und sie dann
fortjagen. So geschah es.
Als nun Maroula ihres Wegs dahin zog, begegnete sie
einem Mönche, dem erzählte sie alles* Der Mönch setzte den
Kindern die abgeschnittenen Köpfe wieder auf, da wurden
sie ins Leben zurückgerufen, und der Mutter fügte er wieder
die Hände an. Darauf schlug er mit einem Stabe auf die
Erde, und alsbald entstand ein grosser Palast. Nun sagte er
zu Maroula: 'Bleib hier oben . mit deinen Kindern und lebe
glücklich! Wisse, ich bin dein guter Engel 1 ) und ich werde
wieder kommen. ■ Nach diesen Worten verschwand er plötz-
lich, und Maroula hatte nicht einmal Zeit gehabt von ihm
Abschied zu nehmen.
Während sie nun mit ihren Kindern in dem Schlosse
lebte, kam eines Tags ihr Gemahl, der sie aus seinem Hause
verjagt hatte, auf einem Spaziergange mit seinen Freunden
unter ihrer Wohnung vorüber und sah sein Weib oben, er-
kannte es aber nicht. Maroula aber erkannte ihn, und auf
den Rath des Mönchs, ihres guten Engels, der ihr jetzt auf
einmal wieder erschien, lud sie ihn ein heraufzukommen.
Während der Prinz mit seinen Freunden hinaufstieg, befahl
Maroula ihren Kindern, bei seinem Erscheinen zwei Bälle zu
ergreifen, sie zu werfen und dabei zu sagen: <Mög' es wohl
gehn unsrem Vater, aber bersten mag unsre Grossmutter,
die, von Erotas' Mutter angestachelt, 2 ) den Vater bewogen
hat, der Mutter die Hände abzuschneiden, obwohl doch sie
selbst uns ermordet hat.' Als der Prinz das hörte, sagte er
zu seinen Freunden: 'Wisset, das ist mein Weib, und das
sind meine Kinder.' Und nun erzählte er ihnen den ganzen
Vorfall. Und Maroula erzählte ihrem Gemahle, was hinter-
her geschehen war, wie der Mönch sie und ihre Kinder ge-
heilt und ihr gesagt habe, dass die Mutter des Erotas es sei,
die aus Neid über ihre Schönheit solche Nachstellungen ihr
bereite. Der Prinz nahm nun sein Weib und seine Kinder
mit sich und verbarg sie auf seinem Schlosse. Tags darauf
lud er viele seiner Freunde zu einem Gastmahle, erzählte
ihnen alles und forderte sie auf, die Strafe zu bestimmen,
die seine Mutter verdiene. Da sagten alle einstimmig, er
solle sie in ein mit Pech versehenes Fass stecken und auf
dem Meere verbrennen. So geschah's. Das junge Ehepaar
aber lebte von nun an glücklich, denn die Mutter des Erotas
begnügte sich mit den Leiden, die Maroula ausgestanden, und
liess sie fortan unangefochten.
M ö KotAöc cou ÄTT^Xoc.
*) ßapn^vii ^ 1TT ^ Mtiva toö v €pujTOC.
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— 113 —
18.
Der Garten des firotas. 1 )
Ebendaher.
Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein König,
der hatte einen Sohn. Es trug sich zu, dass der König
krank wurde und das Licht seiner Augen verlor. So viele
Aerzte auch zu ihm kamen, keiner konnte ihm helfen. Eines
Tags kam auch eine Alte und sagte zum König, er werde
nicht wieder sehend werden, wenn er nicht seine Augen mit
dem Wasser bestreiche, das in dem Garten des Erotas fliesse.
Als das der Sohn des Königs hörte, beeilte er sich zu er-
fahren, wo sich jener Garten befinde. Man sagte ihm, um
es zu erfahren, müsse er sich zu einem alten Manne auf
dem und dem Berge begeben, der werde ihm Auskunft er-
theilen können. Da machte sich der Jüngling auf den Weg
dahin, und oben auf dem Berge angekommen trat er vor
den Alten und fragte ihn nach dem Garten des Erotas. Der
sagte ihm, er solle eines seiner besten Pferde besteigen und
immer rechts reiten, dann, bei einer mit Säulen eingefassten
Strasse, sich zur Linken wenden und den Berg, der dort sich
erhebe, überschreiten, dahinter werde er den Garten des Erotas
finden. — Am folgenden Tage also brach der Königssohn mit
seinem besten Pferde auf, und nach einer dreitägigen Reise
gelangte er zum Garten des Erotas. Beim Hineingehen er-
blickte er ein Weib, das war das schönste auf Erden; es
sass an der Pforte und spielte mit einem Knaben, der Flügel
hatte und einen Bogen in der Hand hielt sammt einer Menge
von Pfeilen. Der Garten aber war ganz voll von Rosen, und
über ihnen flatterten eine Menge kleiner Knaben mit Flügeln,
gleich Schmetterlingen. In des Gartens Mitte war eine Quelle,
wo das heilkräftige Wasser rieselte. Als sich der Königs-
sohn der Quelle näherte, bemerkte er in ihr ein Weib weiss
wie Schnee und leuchtend wie der Mond. Und es war auch
wirklich der Mond, der hier ein Bad nahm. Neben der
Quelle sass eine zweite, wunderschöne Frau, das war die
Mutter des Erotas. 2 ) Die fragte den Jüngling, ob er viel-
•) To ircpißöXi toO "€pu)Ta.
*) f\ (idvo toö "£pu)Ta.
Schmidt, Griocb. Märchen, Sagen n. Volkslieder. 8
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- 114
leicht etwas begehre, und als er ihr den Grund, warum er
gekommen, angegeben hatte, reichte sie ihm ein mit dem
heilenden Wasser angefülltes Fläschchen und gab ihm ihren
Segen. Nun brach der Königssohn wieder auf. Als er aus
dem Garten heraustrat, sah er einen gewaltigen Menschen
herankommen, das war Helios, der den Erotas besuchen wollte.
Er ging nahe an dem Jüngling vorüber, bemerkte ihn* aber
nicht, denn hätte er ihn bemerkt, so würde er ihn gefressen
haben. Der Königssohn kehrte nun auf dem nämlichen Wege,
auf dem er gekommen war, zu seinem Vater zurück und über-
gab ihm das Wasser. Und sowie der Vater seine Augen da-
mit genetzt, ward er alsbald wieder sehend. Da umarmte er
seinen Sohn und küsste ihn und gab ihm sein Königreich zu
eigen. Der Jüngling dankte ihm, und nun lebten beide
glücklich, wir aber hier noch glücklicher.
19.
Tischtuch und Goldhuhn.
Ebendaher.
Es war einmal ein alter Mann, der hatte sein ganzes
Leben über brav gelebt. In seinem Alter hatte er daher das
Glück, dass ihm sein guter Engel ') erschien. Der sprach zu
ihm — denn er hatte ihn lieb — : r Ich will dir angeben,
wie du glücklich werden kannst. In dem und dem Berge
ist ein Loch, da geh hinein und geh immer immer vorwärts,
bis du an ein grosses Schloss kommst. Da klopfe an die
Thür. Wenn diese sich öffnet, wirst du eine hohe Frau vor
dir sehen, die wird dich alsbald bewirthen und nach deinem
Alter, deiner Beschäftigung und deinem Befinden fragen. Ant-
worte nur, du seist von mir gesandt, da wird sie das Weitere
schon wissen.' Der Alte that so, und die Frau im Innern
der Erde gab ihm ein Tischtuch und sagte ihm, wenn er
das ausbreite und spreche: 'Im Namen des Vaters und des
Sohnes und des heiligen Geistes/ so werde alles, was er sich
wünsche, darauf zu finden sein. So war's in der That. Nach-
dem nun der Alte oftmals davon Gebrauch gemacht, kam's
') ö KCtAöc ärr*A6c tou.
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— 115 —
ihm einst in den Sinn, den König in sein Haus einzuladen.
Als der das Wundertuch sah, nahm er's dem Alten ab. Allein,
da er kein tugendhafter Mann war, so that das Tuch bei
ihm seine Wirkung nicht, und er wart' es deshalb zum Fenster
hinaus, worauf es zu Staub wurde. Der Alte ging nun wieder
zu der Frau im Berge, und die gab ihm diesmal ein Huhn,
das jeden Tag ein goldnes Ei legte. Als der König davon
Kunde erhielt, liess er dem Alten auch das Huhn nehmen.
Allein bei ihm legte es nicht, und so warf er auch das Huhn
zum Fenster hinaus, worauf es ebenfalls zu Staub ward. In
seinem Zorne liess er nun zugleich den Alten greifen und
ihm den Kopf abschlagen. Aber kaum war das geschehen,
so erschien vor dem König die Herrin über Erde und Meer l )
— das war nämlich die Frau im Berge — , sagte ihm mit
kurzen Worten, was für ein Lohn ihn nach diesem Leben
für seine Schlechtigkeit erwarte, und stampfte dann mit dem
Fusse auf die Erde, die sich aufthat und das Schloss sammt
dem König und allem, was darin war, verschlang. Der ge-
tödtete Alte aber war ins Paradies eingegangen.
20.
Die Wunderpfeife.
Ebendaher.
Es war einmal ein Priester, der hatte einen Sohn, der
so gut war, dass alle Menschen ihn lieb hatten. Sein Ge-
schäft war hinauszuziehen und die Ziegen zu weiden. Eines
Tages traf er an seinem Weideplatze den Panos, 2 ) und der
gab ihm ein Zicklein, wie man kein zweites in der Welt
findet: sein Fell war golden, seine Ohren silbern und seine
Hufe von Mälama. 3 ) Kaum hatte der Jüngling das Zicklein
erhalten, so opferte er es Gott, indem er's verbrannte. Da
erschien vor ihm ein Engel, von Gott gesandt, und fragte
ihn, welche Belohnung er für seine Handlung begehre. Der
Jüngling antwortete, er wünsche sich nichts andres als eine
Hirtenpfeife von der Beschaffenheit, dass, wenn er auf ihr
') n. Kupä Tcfl fflc Kai xcn. eaAdccnc.
*) töh TTävo.
•) S. Nr. 9, S. 84, Aiim. 1.
8*
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- 116 -
spiele, alle die ihn hörten zu tanzen anfingen. Alsbald war
eine solche Flöte da. Der Jüngling nahm sie, und was ihm
nunmehr auch widerfahren mochte, mit seiner Flöte rettete
er sich. Da kam der Befehl vom König, ihn zu ergreifen.
Allein es war niemandem möglich, ihn festzunehmen. End-
lich, um sich an dem Könige zu rächen, Hess er sich frei-
willig fangen. Als sie ihn aber nun ins Gefängniss geworfen
hatten, da fing er an auf seiner Flöte zu blasen, und da
tanzten nicht nur Thiere und Menschen, sondern auch Häuser
und Felsen, und die Häuser und Felsen stürzten auf die Men-
schen und erdrückten sie alle sammt dem Könige; nur der
Jüngling selbst und seine Familie blieben am Leben. Die
ganze Sache aber war von Panos angestiftet, um die Welt
etwas zu säubern von schlechten Menschen.
21.
Der Garten des Charos.
Ebendaher.
Es war einmal eine Frau, die bekam keine Kinder. Da
erschien eines Tags eine der Moeren 1 ) vor ihr und sprach:
'Ich bin abgesandt von meiner Herrin, dir zu sagen, dass
du, um ein Kind zu bekommen, zu dem und dem Berge dich
begeben müssest. Dort wirst du in der Erde eine Oeflnung
bemerken, da steige hinein und geh immer vorwärts, bis du
in den Garten des Charos gelangst. Sobald du darin ange-
kommen bist, schneide das Kraut ab, das an der Quelle des
Gartens wächst, und nimm es mit dir und iss es, da wirst
du ein Kind bekommen.' So sprach die Moere und verschwand.
Am folgenden Tage brach die Frau auf, ging nach dem
Berge, fand die Oeffnung, stieg hinein und gelangte nach
einer sehr beschwerlichen Wanderung in Charos' Garten. Es
war ein dunkler Raum, darinnen sie aber doch Kinder, Frauen,
Männer und Greise unterschied, die sämmtlich versteinert
waren; auch waren da Sicheln, Knochen und Schädel zu
sehen. Auch flatterten eine Menge Todtenvögel 2 ) in dem
l i ixiti Motpa.
2 ) CTpirrXoiroüAia.
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— 117 -
Garten umher, und die Frau bemerkte, wie Charos einige
von ihnen fing, um Mahlzeit zu halten. Während er nun
zusammen mit seinem Weibe, der Charontissa, ') speiste,
schnitt sie das Kraut an der Quelle ab und machte sich dann
auf und davon. 2 ) Sie blickte aber auf ihrer Flucht hinter
sich und sah, wie Charos nach der Mahlzeit von den ver-
steinerten Kindern einige abschnitt und an ihnen roch, als
wären es Rosen, und wie er von den übrigen versteinerten
Menschen genoss, als wären es Früchte. Zu Hause angekom-
men ass sie das Kraut und gebar darauf ein Knäblein, so
anmuthig und lieblich, wie nur auf der Welt eins sein kann.
Als aber ihr Sohn herangewachsen und ein grosser Mann
geworden war, erzählte ihm einst seine Mutter, was für einem
Umstände er seine Geburt zu verdanken habe. Da Hess sich
auf einmal ein gewaltiges Getöse vernehmen, Charos erschien
und nahm sich den Sohn zum Gärtner, die Mutter aber ver-
wandelte er in seinem Garten in Stein.
22.
Gevatter Charos.
Lesbos.
Es war einmal ein sehr armer Mann, der wünschte sich den
Charos zum Gevatter zu nehmen, und führte es auch wirklich
aus. Weil er nun so arm war, gab ihm Charos den Rath,
Arzt zu werden: auf diese Weise werde er zu Reichthümern
gelangen. r Wenn du mich,' sagte er, f zu Füssen des Kranken
sitzen siehst, da gibst du ihm einige Tropfen gefärbten Was-
sers ein, und er wird genesen. Siehst du mich an seinem
Leibe sitzen, machst du's ebenso. Wenn du mich aber ihm
zu Häupten sitzen siehst, da sagst du: "Der Kranke wird
sterben, es gibt keine Rettung für ihn," und gehst weg.'
Der Mann that so, wurde ein berühmter Arzt und erwarb
. sich unermessliehe Schätze. Eines Tags nun sagte er zu
Gevatter Charos: 'Du willst doch nicht etwa auch mich nun
') |id rt\ XapövTiccd tou.
2 ) <p€UY€i rä capövTa Sparet, eine auf Zakynthos häufig gebrauchte
Redensart, die in der Uebersetzung nur nach ihrem »Sinn im Allgemei-
nen wiedergegeben werden kann.
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— 118 —
holen?' — 'Nein,' antwortete ihm Charos, 'erst nach drei
Jahren hol' ich dich.' Da verliess der Mann, um dem Charos
zu entgehen, sein Vaterland, und nach einer Wanderung von
einem Jahr kam er in einem Orte an, von dem er glaubte,
dass Charos ihn nicht besuche. Allein drei Jahre nach sei-
nem Wegzug aus der Heimath, als er gerade in einem Kaffee-
hause Katfee trank, erschien auf einmal Charos vor ihm und
sprach: 'Guten Tag, Gevatter! Seit drei Jahren haV ich dich
nicht gesehen! Jetzt ist's Zeit, dass ich deine Seele hole.'
Da sagte jener: 'Nicht doch, lieber Gevatter, nicht doch,
lieber Charos, nimm mir die Seele nicht, lass mich noch
leben f Aber Charos entgegnete ihm : 'Nein, ich kann nicht
anders, Gott hat mich abgeschickt.' Und ohne Weiteres nahm
er ihm seine Seele, ohne dass er auch nur seinen Kaffee aus-
trinken konnte. — Charos kennt eben weder Freundschaft
noch Verwandtschaft noch Erbarmen; alle Menschen sind in
seinen Augen gleich, und wohin auch einer fliehen mag,
Charos weiss ihn schon zu finden.
23.
Die siebenköpfige Schlange. 1 )
Zakyuthos.
Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein König.
Der versammelte einst seine Flotte mit der ganzen Mann-
schaft um sich und trat eine weite Reise an. Er fuhr Tag
und Nacht immer vorwärts, bis er an einen Ort kam, der
dicht mit Bäumen bewachsen war, und an jedem Baume lag
ein Löwe. Als er sich mit seinen Leuten ausschiffte, da
stürzten sich mit einem Mal die Löwen auf sie und wollten
sie verschlingen. Nach langem Kampfe gelang es ihnen
endlich die wilden Thiere zu erlegen, aber auch von ihnen
waren die meisten getödtet worden. Die übrig gebliebenen
zogen nun durch den Wald hindurch und fanden auf der |
andren Seite einen wunderschönen Garten, darin standen alle
Gewächse, die's in der W elt gibt. Es waren auch drei Quellen
hier, und die eine von ihnen rieselte Malama, 2 ) die andere
>) T6 <ploi tö VrctK^aXo.
») S. Nr. 9, S. 84, Anm. 1.
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— 119 -
Gold und die dritte Perlen. Da nahinen sie ihre Reisesäcke
und füllten sie mit diesen köstlichen Dingen. Es war auch
ein grosser See in der Mitte des Gartens. Als sie auf
diesen zugingen, fing er an zu reden und sagte zu ihnen:
'Was macht ihr hier, Kinder, und wen sucht ihr? Verlangt
ihr nach unsrem König? ' Sie aber erschracken sehr und
antworteten nichts. Da sprach der See abermals zu ihnen:
'Ich sehe es, dass ihr euch fürchtet, aber ihr seid auch zu
eurem Unheil hier herein gekommen. Unser König, der
sieben Köpfe hat, schläft jetzt. In wenigen Minuten wird
er aufwachen und hierher kommen, sein ßad zu nehmen.
Wehe dem, der hier im Garten von ihm betroffen wird! Es
ist unmöglich, ihm zu entrinnen. Macht's indessen, um euch
zu retten, also: legt alle eure Kleider ab und breitet sie auf
den Weg aus von dem Schlosse an bis hierher. Der König
wird dann weich gehen, was er sehr liebt, und so wird er
euch nicht fressen. Er wird euch nur eine Strafe auferlegen
und dann euch ziehen lassen.' So thaten sie denn und war-
' teten den Ausgang ab. Um Mittag dröhnte die Erde und
barst an vielen Stellen, es erschienen Löwen, Tiger und andre
wilde Thiere und umringten das Schloss, und tausend und
aber tausend Thiere kamen aus seinem Inneren heraus mit
ihrem König, der siebenköpfigen Schlange. Dieser schritt
über die Kleider hinweg, kam zum See und fragte ihn
wer die weichen Sachen auf den Weg gebreitet habe. Der
See antwortete, das hätten Leute gethan, die gekommen
wären, ihm ihre Ehrerbietung, zu bezeigen. Alsbald befahl
der König, dass die Leute vor ihn kommen sollten. Sie nah-
ten sich ihm auf den Knieen und erzählten ihm mit wenigen
Worten ihre Geschichte. Er aber sprach zu ihnen mit ge-
waltiger furchtbarer Stimme: 'Weil ihr hier herein gekommen
seid, lege ich euch zur Strafe die Verpflichtung auf, mir jedes
Jahr aus eurem Volke zwölf Mädchen und zwölf Jünglinge
zum Frasse zu bringen. Und wenn ihr das nicht thut, werde
ich euer ganzes Volk vertilgen.' Hierauf theilte er ihnen
eines seiner Thiere zu, um ihnen den Weg aus dem Garten
zu zeigen, und verabschiedete sie. So zogen sie von dannen.
In ihr Land zurückgekehrt erzählten sie das Geschehene. Und
schon rückte die Zeit heran, da sie die Mädchen und Jüng-
linge dem König der Thiere bringen mussten. Es erging also
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der Befehl im Laude, dass zwölf Mädchen und ebenso viel
Jüuglinge sich opfern sollten, um das Vaterland zu retten. So-
gleich eilten Jünglinge und Jungfrauen in grosser Zahl herbei,
viel mehr als nöthig waren. Man baute ein neues Schiff und
versah es mit schwarzen Segeln: auf dem schifiten sie die
für den König der Thiere bestimmten Jünglinge und Mädchen
ein und fuhren nach seinem Lande ab. Dort angekommen
gingen sie wieder auf den See zu, aber weder die Löwen
regten sich diesmal, noch rieselten die Quellen, und auch
der See redete nicht. Sie warteten also , und es dauerte nicht
lange, da dröhnte die Erde noch gewaltiger als das erste
Mal, das Ungeheuer kam ohne Begleitung heran, schaute den
Frass und verschlang ihn mit einem Male. Die Ueberbringer
kehrten darauf in ihre Heimath zurück, und so geschah's *
noch viele Jahre hindurch.
Verlassen wir jetzt das Ungeheuer und nehmen wir den
König des unglücklichen Landes dran! Der wurde alt, und
auch die Königin alterte, und Kinder hatten sie nicht. Eines
Tags nun sass die Königin am Fenster und weinte, weil sie
kinderlos war und sah, dass der Thron in fremde Hände über-
gehen werde. Da auf einmal erschien vor ihr ein altes Müt-
terchen, das hatte einen Apfel in der Hand und fragte : 'Was
ist dir, meine Königin, dass du weinst und dich härmst?' —
r Ach, liebe Alte/ erwiderte jene, 'es betrübt mich sehr, dass
ich keine Kinder habe.' — 'Ei,' sprach die Alte, 'darum
härmst du dich? Hör mich an. Ich bin eine Nonne aus dem
Kloster Gnothi, 1 ) und meine selige Mutter hat mir als Erb-
schaft den Apfel hier hinterlassen: wer den isst, der bekommt
ein Kind.' Die Königin gab der Alten viele Thaler und kaufte
dafür den Apfel. Dann schälte sie ihn, ass ihn und warf
die Schalen zum Fenster hinaus. Eine Stute aber, die im
Hofe umherlief, frass die Schalen. Die Königin ward darauf
schwanger, und zur selben Zeit ward auch die Stute trächtig.
Als die Zeit kam, gebar die Königin ein Knäblein, die Stute
aber warf ein männliches Füllen. Der Knabe und das Füllen
wuchsen zusammen auf und wurden gross und liebten ein-
ander wie Brüder. Da starb der König, sein Weib folgte
>) dnd tö uovacrn.pi rviu8rj. Das Märchen selbst leitet weiter unten
diesen Namen von yv£6w, spinnen, her. S. die Anmerkungen dazu
hinter den Texten.
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ihm nach, und so blieb der Sohn allein, der damals neun-
zehn Jahre zählte. Eines Tags nun, da er sich mit seinem
Pferde abgab, sprach dieses zu ihm: 'Wisse, dass ich dich *
lieb habe und dass ich dein Wohl und das deines Landes
will. So höre mich. Wenn du fortfährst jedes Jahr zwölf
Mädchen und zwölf Jünglinge dem König der Thiere aus-
zuliefern, so wird dein Volk in wenigen Jahren zu Grunde
gegangen sein. Auf, setz dich auf meinen Rücken, ich werde
dich zu einer Frau bringen, die dir angibt, wie du das Un-
gethüm tödten kannst.' Da bestieg der Jüngling sein Ross,
das trug ihn weit fort zu einem Berg, in dem eine Höhle
war, die dehnte sich unter der Erde aus gleich einer grossen
Ebene. Darin sass eine Alte und spann. Es war das ein
Nonnenkloster, und die Alte war die Aebtissin. Und weil sie
in einem fort spann, davon hatte das Kloster den Namen
Gnothi (Spinnheim) erhalten. An den Wänden der Höhle
befanden sich ringsum steinerne, aus dem Fels ausgehauene
Betten, auf denen schliefen die Nonnen. In der Mitte aber
brannte ein Licht. Das mussten die Nonnen abwechselnd
hüten, damit es nie verlösche, und wenn eine von ihnen es
ausgehen Hess, so wurde sie von den übrigen getödtet. So-
bald nun der Königssohn der spinnenden Alten gewahr wurde,
fiel er ihr zu Füssen und bat sie ihm doch zu sagen, wie er
das Ungeheuer tödten könne. Sie aber hob den Jüngling auf,
umarmte ihn und sprach: 'Wisse, mein Sohn, dass ich es
gewesen bin , die die Nonne zu deiner Mutter sandte und so
bewirkte, dass du geboren wurdest, und mit dir auch das
Ross, auf dass du mit seiner Hülfe die Welt von dem Un-
geheuer befreien könntest. Lass dir also jetzt sagen, was du
zu thun hast. Belade dein Ross mit Baumwolle und schlage
mit ihm den und den Weg ein* — hierbei bezeichnete sie
ihm einen heimlichen Weg, der nach dem Palast der Schlange
führte und auf dem man den reissenden Thieren verborgen
blieb — , 'du wirst den König schlafend antreffen auf einem
Bett, an dem ringsum Glocken angebracht sind; und über
ihm in der Mitte seines Lagers wirst du ein Schwert hängen
sehen. Nur mit diesem Schwerte ist es möglich die Schlange
zu erlegen, denn seine Klinge, wenn sie auch bricht, ersetzt
sich immer wieder bei jedem neuen Kopfe, der dem Unge-
heuer wächst, also, dass du damit alle sieben Häupter ihm
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abschlagen kannst. Um das nun aber dem Könige zu ent-
wenden, niusst du's also machen. Schleiche dich ganz leise
* hinauf in sein Schlafgemach und verstopfe alle Glocken, die
sein Lager umgeben, mit Baumwolle, hierauf nimm ganz
sacht das Schwert herab und versetze damit dem Ungeheuer
rasch einen Schlag auf seinen Schweif. Da wird es erwachen
und, sobald es dich erblickt, sofort dich angreifen. Du aber
hau ihm nun den einen Kopf ab und warte dann, bis der
zweite hervorwächst. Dann schlag ihm auch den ab, und so
fahre fort, bis du alle sieben Köpfe abgeschlagen.' Hierauf
gab die Alte dem Königssohne ihren Segen. Der machte sich
nun auf den Weg, gelangte in dem Schlosse des Ungeheuers
an und war so glücklich es zu erlegen. Als die Thiere des
Gartens den Tod ihres Königs erfuhren, da eilten sie alle
nach dem Schlosse, aber der Jüngling sass schon längst wie-
der auf seinem Pferd und war bereits weit von ihrem Reiche
entfernt. Sie verfolgten ihn zwar hitzig, konnten ihn aber
nicht mehr einholen. Er gelangte glücklich heim, und so
hatte er sein Land von grosser Gefahr befreit.
24.
Der Teufel und des Fischers Töchter.
Ebendaher.
Es war einmal ein alter Fischer, der ging eines Tags
ans Meer, um Fische zu fangen. Als er das ausgeworfene
Netz emporziehen wollte, vermochte er's nicht, wie sehr er
auch zog und zog. Endlich, nach vieler vieler Mühe, gelang
es ihm, und da fand er ausser einigen kleinen Fischen einen
mächtig grossen eisernen Schlüssel im Netze. Während er
nun den betrachtete, erschien vor ihm ein gewaltiger, hoch-
gewachsener Mann und sprach: 'Der Schlüssel, den du ge-
funden, gehört mir. Ich bin Belzebul, 1 ) der Teufel oberster,
und wohne in der Hölle, 2 ) wo es ungeheuer grosse Schätze
gibt und die Menschen glücklich sind. Nimm den Schlüssel
•) B€pTC€ßaoüXnc, d. i. Belzebul (Beizebub).
2 ) ctöv äbnv.
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— 123 -
jetzt zu dir und komm damit am Dinstag um die zwölfte Stunde
wieder ans Gestade; du wirst da eine Thür vor dir sehen,
die öffne, tritt ein und besuche mich.' Nach diesen Worten
verwandelte er sich in eine dichte Rauchwolke und verschwand
in der Erde. Der Alte kehrte nach Hause zurück, und bei
Tisch, während er mit seinen Kindern die kleinen Fische ver-
zehrte, die er gefangen hatte, zeigte er ihnen den grossen
Schlüssel, erzählte sein Abenteuer und setzte hinzu, dass er
. nächsten Dinstag ihnen Schätze mitbringen werde. Die Tage
verstrichen, und der Dinstag kam heran. Der Fischer nahm
zur angegebenen Stunde den Schlüssel und ging ans Gestade.
Hier sah er eine grosse Thür vor sich, eine Meile hoch, sagt
man, und dritthalb Meilen breit. Er öffnete sie mit dem
grossen Schlüssel und trat in den unbekannten Raum ein.
Da drinnen sass ein Greis, dem hing die Nase vor Alter fast
bis auf die Füsse hinab, und seine Brauen und sein weisser
Bart waren so lang, dass sie ihn beinahe ganz verhüllten.
In seiner Rechten hielt er eine Sichel, in der Linken hatte
er einen Rosenkranz, dessen Knöpfe er zählte, das waren
Tausende und aber Tausende; in jedem Augenblick gab er
ein Kind von sich und verzehrte es wieder. Als dieser den
Fischer bemerkte, sprach er zu ihm in einem tiefen und
ernsten Tone: 'Zu wem willst du und wen suchst du? Viele
sind hier herein gekommen, aber nicht wieder hinaus. Hat
dich der Zufall hergeführt oder dein eigner Wunsch?' —
'Ich will deinen Herrn sprechen,' antwortete der Fischer,
'den mächtigen Herrn.' — 'Da bist du zu bedauern, mein
Sohn, denn vieles, vieles wirst du zu überstehen haben, bis
du zu ihm gelangst. Doch jetzt, da du einmal eingetreten,
ist's allerdings das beste, dass du weiter gehst. Aber ich will
dir einige Vorschriften geben. Du hast diesen Weg hier
einzuschlagen. Auf dem wirst du an eine grosse Lapsana-
staude ') kommen , die wird auf der einen Seite von einem
sehr starken, stolzen Löwen, auf der andren von einer ab-
gemagerten, vor Hunger fast zusammenbrechenden Wölfin
bewacht. Auch wirst du ringsum Stimmen vernehmen, die
') Aaiyriva, ir|, d. i. Xaiydvr}, ein Kraut, das gegessen wird, sonst
auch ßpoußa oder Ypoüßa genannt. Vgl. Philister IV, S. 432. '€q>nn.
tüjv 4>i\ouaeuiv 1862, S. 2200 und 1864, S. 405. Du Gange unter ßpotißn-
NtoeXX. TWdX. I, S. 409.
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— 124 -
dich erschrecken und dir zurufen werden, deine Familie sei
zu Grunde gegangen, und dergleichen Schlimmes mehr. Zage
aber nur nicht und gib keine Antwort, wenn man dich bei
deinem Namen ruft! Wenn du nun an der Staude vorüber-
gegangen bist, kommst du an eine Treppe, da steig' hinab,
so wirst du den Gesuchten finden.' — Der Fischer that, wie
ihm der Alte vorgeschrieben, und traf Belzebul allein in
seiner Behausung an. Der stand auf und fragte ihn, ob er
Töchter habe. Ma,' antwortete der Fischer, r ich habe drei, .
und es sind Waisen.' Da befahl der Teufel einem seiner
Diener, den Alten mit Schätzen zu beladen; und, als das
geschehen, hiess er ihn wieder nach Hause gehen und trug
ihm auf, am folgenden Tage ihm eine seiner Töchter zu
bringen. Der Fischer kehrte in freudiger Stimmung nach
Hause zurück. Als nun die Kinder das viele Geld sahen,
das der Vater mitgebracht, da riefen sie, die Mädchen und
die Jungen, durcheinander: 'Vater, kauf mir ein Tuch! Mir,
Vater, eine Wieste! Mir eine Mütze! Mir einen Rock!' Und
am nächsten Morgen brach die älteste von den Töchtern
voller Freuden mit ihrem Vater auf nach des Teufels Woh-
nung. Sie trafen ihn wieder allein. Nachdem der Fischer
abermals aufs reichlichste mit Geld beschenkt worden war,
trat er den Heimweg an, seine Tochter aber Hess er dem
Teufel als Weib zurück. Als nun die Mittagszeit herankam,
ging Belzebul aus, gab aber vorher seiner Frau einen Men-
schenfuss zum Mahle. Aber diese war nicht im Staude ihn
zu verzehren und warf ihn daher auf den Mist. Bei seiner
Rückkehr fragte sie der Teufel, ob sie den Fuss gegessen
habe. f Ja,' gab sie zur Antwort. Da lobte er sie sehr; weil
er aber ihrem Wort nicht recht traute, rief er: f Fuss, wo
bist du'?' Da antwortete der Fuss: 'Auf dem Miste.' Da
also der Teufel sah, dass seine Frau ihn belogen habe, gab
er ihr eine Ohrfeige, und alsbald wurde sie zu Stein; darauf
warf er sie in ein Gemach, wo alle die von ihm versteiner-
ten Frauen sich befanden. Tags darauf kam der Fischer
wieder, und nachdem ihm der Teufel von neuem ein Geld-
geschenk gemacht, trug er ihm auf, seine zweite Tochter zu
bringen. Der Alte that das, aber es ging der zweiten gerade
so, wie der ersten. Endlich brachte er seine jüngste Tochter.
Als er wieder weggegangen war und die Mittagszeit heran-
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rückte, setzte Belzcbul, ehe er ausging, dem Mädchen eine
Menschenhand zu essen vor. Das Mädchen nahm sie und
band sie sich auf den Leib. Als der Teufel zurückkehrte,
fragte er es, ob es die Hand gegessen habe. 'Ja,' war des
Mädchens Antwort. Da rief der Teufel: 'Hand, wo bist du?',
und diese antwortete: 'Im Leibe.' •) Also glaubte der Teufel
dem Mädchen, und nun gewann er's sehr lieb und nahm
sich's zum Weibe. Weil er aber täglich ausging, sagte er
seiner jungen Frau, sie könne in alle Gemächer gehen, ein
einziges ausgenommen, das er ihr bezeichnete. Eines Tags
nun, als ihr Mann ausgegangen war, trieb sie die Neugier,
in das verbotene Zimmer zu gehen. Aber was sollte sie da
erblicken! Eine Menge Frauen, darunter ihre eignen Schwe-
stern, allesammt versteinert! Da gerieth sie in die grösste
Verzweiflung. Aber auf einmal bemerkte sie, dass oben an
der Wand des Zimmers geschrieben stand: 'Leben/ und dar-
unter hing eine Flasche mit Lebenswasser. Sie nahm sie,
öffnete sie und besprengte alle mit dem Wasser, und da
kamen sie sämmtlich wieder ins Leben. Nun öffnete sie ihnen
die Thür und entfloh mit ihnen aus des Teufels Reich.
25.
Die Sendung in die Unterwelt.
Arächoba.
Es war eininal ein Bey, dem war ein Sohn gestorben.
Da ging ein Gauner 2 ) täglich an seiner Wohnung vorüber
und rief: 'Wer hat Briefe für den Hades?' 3 ) Als die Frau
des Bey das hörte, rief sie ihn hinauf in den Palast und
fragte ihn, wann er aus der Unterwelt 4 ) gekommen sei und
wann er wieder dorthin zurückkehre. Jener antwortete:
'Gestern bin ich angekommen, heute sammle ich Briefe ein
und in kurzem gehe ich wieder zurück.' Da fragte die Beyin
•) Ixnv xoiXid, was sowohl f auf dem Leibe' als f im Leibe» be-
deuten kann.
*) KaTp€Tcipnc (von xdxepYov), eigentlich Galeerensträfling, dann
allgemein ein lügnerischer und betrügerischer Mensch.
3 ) TTotöc Ypauucrra riä T öv
*) dir* xöv tcdxu) köcuo.
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- 126 -
weiter: 'Hast du etwa iinsern Sohn gesehen?' — 'Ja,' er-
widerte er, 'ich sah ihn, wie er mit einer hölzernen Wage
in der Hand Küchen kriiuter verkaufte; er hatte weder Kleider
noch sonst etwas.' Da brach die Beyin in Wehklagen aus
und sagte zu ihm: 'Kannst du für meinen Sohn etwas mit-
nehmen ¥ — 'Ja,' antwortete er, 'aber nicht viel.' Da gab
sie ihm Geld in Menge, golddurchwirkte Gewänder und einen
Brief dazu. Der Gauner nahm die Sachen und machte sich
schnell damit aus dem Staube. 1 ) Nicht lange darauf kam
der Bey, hoch zu Ross, nach Hause, und seine Frau erzählte
ihm, was sich in seiner Abwesenheit zugetragen. Der Bey
durchschaute den Betrug und sagte zu ihr: 'In welcher Rich-
tung ist der Mann gegangen?' — 'Dorthin,' antwortete seine
Frau. Da bestieg er wieder sein Pferd und sprengte mit
verhängtem Zügel ihm nach. ? )
Mittlerweile war der Gauner immer weiter geeilt und an
einer Mühle angekommen. Davor stand der Müller, und der
hatte einen Grindkopf. Da sprach der Gauner zu ihm: 'Hast
du's denn schon gehört, Unglücklicher, was der König be-
schlossen hat? Die Köpfe der Grindigen will er sämmtlich
zu Trommeln verarbeiten lassen, und sieh, da hinten kommt
schon einer, der ist vom Könige abgesandt.' Da sprach der
Müller: 'Was soll ich thun?' — 'Das will ich dir gleich
sagen. Zieh deine Kleider aus, und lass mich sie anlegen,
du aber nimm die meinigen und steig hinauf auf den Baum
dort, damit er dich nicht sieht.' Und so machten sie's. Der
Grindige kletterte auf den Baum, und der Gauner blieb in
der Mühle, als -wenn er der Müller wäre, und verbarg hier
das Geld und die Kleider, die er entwendet hatte. Kurz
darauf kam der Bey auf seinem Pferde dahergesprengt und
fragte den Gauner: 'Hast du nicht einen Mann hier vorbei-
kommen sehen?' — 'Ja wohl,' antwortete dieser. 'Er sitzt
dort auf dem Baume.' Da stieg der Bey vom Pferde und
fing an den Baum hinauf zu klettern und drohte dem Grin-
digen. Der aber kletterte immer höher hinauf und stiess
seinen Kopf gegen den Baumstamm und sagte: 'Lieber will
') Tt&KOiye Xdcnn.
*) tö uuüo'i ' crä iröbia, dein Sinne nach so viel als c tu. übet dirö
£uTn.poc.
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ich ihn zerschellen, aber eine Trommel machst du mir nicht
daraus!' Dem Bey kamen diese Worte sehr wunderlich vor.
Nach einer Weile rief er ihm zu: *He du, halt einmal! Was
sagst du?', und erkannte aus seinen Reden, dass der Mann
getäuscht worden sei. Er sagte daher zu ihm: 'Heda, komm
nur herunter! Ich thu dir nichts.' Und damit stieg der Bey
vom Baume herab. Unten angekommen sah er sich nach
seinem Pferde um. Das war nirgends zu finden! Der Gauner
hatte das Geld und die Kleider wieder an sich genommen,
sich auf das leere Pferd gesetzt und — fort war er. 1 ) Der
Bey kehrte nun zu Fusse nach Hause zurück. Und als sein
Weib ihn fragte, wo er sein Pferd gelassen habe, sagte er:
'Ich hab's ihm sanimt allen meinen Waffen noch dazu ge-
geben, auf dass er die Sachen desto schneller in die Unter-
welt zu unsrem Sohne bringen kann.'
') ibü) irctv oi fidMot (d. i. oi öXAoi), eine eigentümliche
Redensart, deren Sinn in der Uebersetznng nur annähernd wieder-
gegeben werden konnte.
I
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IL
Sagen.
Schmidt, Qrlecli. ttftrelifu, Sagen u Volkslieder. 9
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igmzea Dy
Google
I.
Gott und die Biesen.
Zakynthos.
Die Riesen dünkten sich einst mächtiger denn Gott und
trachteten nach der Herrschaft über Himmel und Erde. Sie
stiegen daher auf einen hohen Berg und ergriffen Felsblöcke
und warfen sie gegen Gott. Allein dieser griff zu seinen
Donnerkeilen *) und schleuderte sie gegen die Riesen, so dass
sie alle den Berg hinabstürzten, viele von ihnen getödtet wur-
den und die übrigen flohen. Einer von den Riesen jedoch hatte
denMuth noch nicht sinken lassen: er schnitt eine grosse Menge
Rohre ab, band sie an einander, machte • sich auf diese Weise
einen ungeheuer langen Stook und suchte damit den Himmel
zu erreichen. Und wirklich fehlte nicht mehr viel daran: da
traf ihn plötzlich ein von Gott gesandter Blitzstrahl und ver-
wandelte ihn in Asche. Hierauf machten seine Gefährten
noch einen letzten Versuch , um in den Himmel zu gelangen
und Gott zu stürzen, indem sie einen Berg auf einen andern
thürmten. Da nun Gott sah, dass die Riesen immer noch
nicht Ruhe hielten, erzürnte er gewaltig, schleuderte wieder
seine Blitze gegen sie , sandte dann seine Engel zu den über-
lebenden und Hess ihnen ihr Urtheil verkünden: dass sie ihr
ganzes Leben lang in dem Innern eines Berges sollten ein-
geschlossen bleiben.
') TcaKtfjvet Tä äcTpotreX^tcia tou.
- 132 -
2.
Charos 1 Strafe.
Lesbos.
Es gab eine Zeit, da Charos die Weinenden hörte und
gerührt wurde durch ihre Thränen. Da ward er einst ab-
gesandt, die Seele einer wunderschönen Jungfrau zu holen.
Wie er nun deren hohe Schönheit sah und die Wehklagen
ihrer Verwandten vernahm, wurde er weich, schenkte der
Jungfrau das Leben und kehrte ohne ihre Seele zu Gott zu-
rück. Da nun Gott sah, dass Charos alle anderen Seelen,
die er zu holen abgeschickt worden, gebracht hatte, nur die
Seele jenes Mädchens nicht, so ergrimmte er und machte
Charos taub, blind und lahm am Fusse: taub machte er ihn,
damit er die Weinenden nicht mehr höre; blind, auf dass er
nicht mehr sehe und unterscheide, ob die Seele, die er holen
soll, die eines Greises oder eines Jünglings oder einer Jung-
frau oder eines Kindes sei; lahm endlich, um nicht schnell
fliehen zu können von dem Orte, wo er sein Amt ausüben soll.
3.
Der Yogel Gkiön. 3 )
Arkehoba.
Es waren einmal zwei Brüder,. und der eine von ihnen
war Hüter in den Weinbergen. Zu diesem sagte einst der
andere, welcher Antonis hiess: r Heut' Abend komm' ich und
stehle dir Trauben.' Da entgegnete jener: 'Komm nur, ich
erschiesse dich.' Am Abend kam Antonis wirklich und ver-
suchte Weintrauben zu stehlen. Sein Bruder schoss, nur um
ihn zu erschrecken, traf ihn jedoch wider Willen; und als
er näher kam , fand er ihn in seinem Blute. Da bat er Gott
in seinem Schmerz, er möge ihn in einen Vogel verwandeln,
auf dass er ewig seinen Bruder beweine. Gott erhörte ihn und
verwandelte ihn in den Vogel Gkiön. Seitdem klagt er um
seinen Bruder Antonis und ruft in einem fort: c Nton, Nton!',
und nicht eher hört er zu klagen auf, als bis ihm Blut aus
') '0 fKiwv (auch YKitdvric).
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dem Schnabel fliesst. Das ist ihm ein Zeichen, dass der ge-
tödtete Bruder sein Blut als Sühne entgegennimmt, und
so gewinnt dann endlich der Vogel, halb todt vor Er-
schöpfung, Ruhe
4.
Himmel und Meer.
Ebendaher.
In alten Zeiten war der Himmel so nahe der Erde,
dass die Rinder an ihm lecken konnten. Eines Tages nun
nahm ein Mensch Ochsenmist und warf ihn an den Mond;
und der Mist ist seitdem am Monde kleben geblieben, woher
die dunkeln Flecken auf seiner Scheibe kommen. Darüber
gerieth der Himmel in Zorn und sprach zum Meere: 'Gib
mir Höhe, und ich will dir Tiefe geben.' Denn auch das
Meer war zu jener Zeit ganz flach, und man konnte nach
allen Richtungen hin auf seinem Grunde gehen. Da gab das
Meer dem Himmel Höhe, und der Himmel dem Meere Tiefe,
und so trennten sie sich von einander.
5.
Die Neralde. *)
Ebendaher.
Es war einst ein sehr schöner Jüngling, und viele Mäd-
chen bewarben sich um ihn. Allein er selbst hatte keine
Lust eine von den Frauen dieser Welt 2 ) zu nehmen, sondern
er wünschte sich eine Neraide. Und auch die Nera'fden hat-
ten ihn ihrerseits lieb und kamen oftmals und neckten ihn.
Allein so oft er auch den Versuch machte sich einer von
ihnen zu nähern, es gelang ihm doch nie. Da fragte er eines
Tags eine alte, eine sehr alte Frau, wie er's anfangen solle,
um eine von den Nemden zum Weibe zu erhalten. Die Alte
sagte ihm: 'Sobald die Neraiden herankommen, dich zu necken,
') 'H N€ P di5a.
f ) dird tc^i YUvaiKec toö köcuou.
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— 134 —
und Worte au dich richten, so sieh zu, dass du einer
von ihnen ihr Tuch l ) wegnehmen kannst. Und ist es dein
Wunach, dass sie für immer bei dir bleibe und dir nie wie-
der entfliehe, so musst du das Tuch in den Backofen werfen
und verbrennen. Aber freilich wird sie dann an dem Kum-
mer hierüber sterben. Drum ist's besser, du verbirgst es.
Aber habe ja Acht, dass sie dich nicht täusche und das Tuch
dir entreisse. So wird sie dir folgen, wohin du auch gehen
magst.' Als nun die Nera'iden wieder einmal herankamen
und den Jüngling neckten und Worte an ihn richteten, stürzte
er rasch auf eine von ihnen zu; da entfiel dieser in dem
Augenblicke, da sie sich in die Luft schwingen wollte, ihr
Tuch, und er ergriff es und steckte es in seinen Busen. Nun
bat ihn die Neraide, ihr das Tuch wiederzugeben, und
sprach zu ihm: 'Gib mir, Iannis, das Tuch, gib's mir, lieber, 2 )
und ich thue alles, was du willst.' Allein der Jüngling ging
darauf nicht ein und sagte ihr nur, dass er sie zur Frau
nehmen wolle. Die übrigen Nera'iden waren in die Luft ge-
flogen und entflohen ; sie aber vermochte nicht mehr zu fliegen
und blieb beim Iannis. Der brachte sie nun in sein Haus,
heirathete sie und erzeugte auch Kinder mit ihr. Aber sie
war immer betrübt und kummervoll, und keine Festlichkeit
und kein Feiertag konnte sie bewegen die Kleider zu wech-
seln und sich zu putzen oder sonst zu thun, wie die andren
Frauen. Iannis, der den Kummer seines Weibes sah, be-
dauerte dasselbe ; und eines Tags, 's war ein Festtag, da alle
zum Tanze hinaus vor das Dorf zogen, wir wollen einmal
sagen , nach Pisaldnia , 3 ) und die Neraide unter Thränen von
ihrem Manne das Tuch begehrte, drängte diesen das Mitleid,
es ihr zu geben ; nur fürchtete „er, dass sie, wenn sie wieder
im Besitze desselben wäre, ihm entfliehen möchte, und darum
sagte er zu ihr : c Ich geb's dir, auf dass du zum Tanze gehest,
aber du musst mir versprechen, dass du nach Hause zurück-
kehren und nicht entfliehen willst; sonst bekommst du's
') tö (uavTriXi.
2 ) K<xü|i£v€ , was hier, wie überhaupt sehr oft in der täglichen Rede,
vertraulieh gesagt ist und daher am passendsten durch obiges Wort
wiedergegeben wird.
3 ) nicaXtüvia, Tä, (d. i. xd ötucuj dtXujvia), Name einer Gegend
westlich von Aruchoba, wo die Tennen der Arachobiten liegen und an
Festtagen die öffentlichen Reigentänze stattfinden.
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nicht.' Sie versprach ihm das und fügte hinzu: 'Nunmehr
werd' ich dich doch nicht verlassen, nach so vielen Jahren,
und da ich Kinder von dir habe!' Und so erhielt sie denn
ihr Tuch, und nun wusch sie sich, wechselte ihre Kleider
und schmückte sich ; und mit einem Male erglänzte das ganze
Haus von ihrer Schönheit, denn als Nerai'de übertraf sie ja
an Schönheit jedes andre Weib. Hierauf begab sie sich zum
Tanze, und da leuchtete der ganze Reigen, und alle geriethen
in Bewegung über ihr Erscheinen. Sie aber machte die Vor-
tänzerin ') und begann mit hoher, helltönender Stimme ein
Lied 2 ) zu singen, das die Steine zersprengte 3 ) und aller
Herzen mächtig ergriff. Und als sie dreimal im Kreise herum-
getanzt, da wiegte sie sich und wand sich 4 ) und schwenkte
ihr Tuch, und mit dem Rufe f Ho ho ho' 5 ) schwang sie sich
in die Lüfte und verschwand, indem sie zu ihxen Gefährtinnen
eilte. Und so war lannis um sein Weib gekommen.
Einst wollte eine alte Frau von Steiri nach der Kloster-
mühle gehen, welche mehr als eine Stunde vom Dorfe ent-
fernt ist. Sie stand schon um Mitternacht auf oder vielmehr
noch früher ; sie glaubte nämlich, der Morgen sei angebrochen,
weil der Mond so hell schien, als wäre es Tag. Sie belud
ihren Esel auf beiden Seiten und legte auch noch eine Last
') nfjyc uupoucrtXXa (d. i. UTrpocT^XXa, von (Lurpocrä = e"uTTpoc9ev
«) Dieses Lied wird von der Sage angeführt, aber leider vermochte
sich der Erzähler desselben nicht zu erinnern.
3 ) ttujckiZi (itoO £cxiZe) Tfyi ir£xpa.
. 4 ) C€iCTr|Ke, Xuf (cTr|K€. Diese Ausdrücke beziehen sich auf die von
schlanken Frauen und Jungfrauen während des Rcigentauzes ausge-
führten zierlichen Bewegungen des Körpers, besonders der Hüften,
welche beim Volke grossen Beifall finden. Vgl. Emmanuel Georgillas'
Gedicht To GavariKÖv Tfjc 'Pööou, V. 116 (in Wagner's Medieval Greek
Texte. P. I. London 1870, S. 174, jetzt auch in desselben Carmina
Graeca medii aevi. Lipsiae 1874, S. 36).
5 ) cT cl et im griechischen Texte.
6.
Die Neraiden an der Mühle.
Steiri.
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oben darauf, einen kleinen Sack mit fünf bis sechs Okka
Weizen zu grobem Mehle, da sie die Absicht hatte Traeha-
nas 1 ) zu bereiten. Nachdem sie nun sorgfältig aufgeladen
hatte, trat sie den Weg zur Mühle an. Dort angekommen
fand sie den Müller schlafend. Sie rief und rief, aber der
Müller hörte nicht. Endlich, nach geraumer Zeit, wachte er
auf und öflhete ihr, und sie trat in die Mühle ein. Der
Müller wunderte sich, dass eine so alte Frau die ganze Nacht
auf den Beinen sei. Als nun die Alte ihr Getreide gemahlen
hatte und sich anschickte nach dem Dorfe zurückzukehren,
sagte er zu ihr: 'Höre, Alte, bleib doch hier und warte, bis
es Tag wird. Warum willst du die ganze Nacht hindurch
wandern?' Aliein die Alte hörte nicht auf ihn, sondern
stand auf und ging weg. Nachdem sie sich eine kleine
Strecke von der Mühle entfernt hatte, überschritt sie einen
Bach und stieg nun in die Höhe, denn wenn man von der
Mühle kommt, geht's bergan. Da hörte sie hinter sich einen
Schwärm Frauen, welche über den Bach setzten und sich ihr
näherten. Die Alte merkte gleich, dass das keine guten
Frauen seien, sondern vielmehr Teufelinnen. 2 ) Da nahm sie
geschwind den oberen Sack von ihrem Esel herunter, verbarg
ihn in einem Gebüsch und setzte sich selbst auf. Nun kamen
die Neraiden 3 ) — denn sie waren es — an den Esel heran,
umringten ihn und suchten die Alte. Aber sie fanden sie
nicht und sprachen: f Da ist die eine Seite, da ist die andere,
da ist auch der Obersack, aber wo ist denn die Alte?' Sie
hielten nämlich das Weib, welches sich auf dem Esel zu-
sammengekauert hatte, für den oberen Mehlsack. Da sprach
eine von ihnen: 'Sie wird in die Mühle zurückgegangen sein.'
Und mit einem Male schwangen sie sich alle in die Luft und
waren in demselben Augenblicke schon an der Mühle. Der
Müller hörte über sich einen furchtbaren Lärm, Steine, Holz-
scheite, Glasscherben und andre Dinge fielen auf das Dach
') xpaxctvdc, 6, eine in der Umgegend des Parnasos sehr beliebte
Speise, welche aus Milch und grobem Mehl gekocht und an der Sonne
gedörrt wird. Vgl. Ulrichs Reisen und Forschungen L S. 122. — Belon
Öbservations l. f, ch. 59 und Ii, 7 (S. 133 und 184 der Ausgabe vom
J. 1588) halt den Trachanäs für die \xaZa der Alten.
») öiaßöXtcccuc.
3 ) * Nepäibec.
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der Mühle. Hierauf begaben sich die Neraiden auch hinein
in die Mühle, wo der Müller sich befand, kehrten alles darin
tun, setzten auch die Mühlsteine in Bewegung, riefen dem
Müller zu und verlangten die Alte von ihm. Dieser jedoch
» gab ihnen keine Antwort und kauerte sich vor Furcht in
seinem Bett zusammen wie ein Knäuel, 1 ) denn, wenn jemand
in einem solchen Falle redet, nehmen ihm ja die Teufel 2 )
die Sprache. Die Neraiden waren sehr zornig auf ihn, aber
sie wagten doch nicht ihm nahe zu kommen, weil er ein
Mönch aus dem Kloster des heiligen Herrn Lukas war und
Bibelsprüche vor sich hinmurmelte. Da sie nun nichts aus-
richteten und die Alte nicht fanden, so brachen sie mit einem
Male wieder auf, nahmen den Weg, auf welchem die Alte
dahinritt, und holten sie ein, obwohl cliese, während die
Teufelinnen in der Mühle nach ihr suchten, ihren Esel an-
gespornt und auf ihn drauf geschlagen hatte, dass der Wolf
ihn nicht schlimmer hätte zurichten können. 3 ) Und ein Theil
von ihnen stellte sich vor dem Esel auf, andere hinter ihm
und wieder andere auf beiden Seiten, und sie wimmelten wie
Ameisen und Hessen das Thier nicht weiter und sagten wie-
der: 'Da ist die eine Seite, da ist die andre, da ist auch der
Obersack, aber wo ist denn die Alte? Gehen wir noch ein-
mal zurück! Der Müller hat sie versteckt.' Im Nu flogen
sie wieder zur Mühle zurück. Abermals krachten die Ziegeln
auf dem Dache, als wenn starker Hagel fiele, von den Steinen
und den anderen Dingen, welche sie darauf warfen. Sie
stöberten abermals ausserhalb und innerhalb der Mühle nach,
umringten auch wieder den Müller, ob er nicht etwa die
Alte in seiner Nähe verborgen hätte. Aber da sie nirgends
etwas fanden, brachen sie wieder auf und eilten dem Esel
nach, auf welchem die Alte sass. Diese war jetzt bereits bis
hinauf an die Weinfelder von Steiri gekommen. Nun umzin-
gelten die Neraiden wiederum zornig den Esel und sagten
abermals : 'Da ist die eine Seite, da ist die andre, da ist auch
der Obersack, aber wo ist denn nur die Alte? Ach, fänden
wir sie nur, das alte Dreckweib, 1 ) wie wollten wir sie zu-
') naZiir/T-nKe javiA Koup.oü\a cdv xoußdp'.
*) ol öiaßöXot.
3 ) noO TiJjTpu>Yi (d. i. TÖ £TpwY€) ö Xukoc.
4 ) xfj CKaTÖYpija.
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- 138 -
richten! Wenn sie wüsste, was ihrer wartet! Ach, wo mag
sie mir sein! — Aber wir wollen sie schon linden, bis ins
Dorf hinein gehen wir.' Als das die unglückliche Alte hörte,
Hess sie vor Angst einige streichen 1 ) und hielt den Athem
so fest an sich, dass sie beinahe platzte.
Während nun die Neraiden also sprachen und um den
Esel herumschwärmten, kamen sie dem Dorfe immer näher.
Da krähte ein Hahn, und eine von ihnen sprach: c Ein Hahn
kräht.' Eine andere aber entgegnete: 'Lass ihn nur krähen,
's ist der grüne.' Kurze Zeit darauf krähte ein zweiter Hahn.
Da sprach eine von ihnen: 'Hört, auch ein zweiter Hahn
kräht, lasst uns fliehen!' — 'Ach was,' erwiderte eine andere,
'lass ihn krähen, 's ist der scheckige.' 2 ) Als sie vor dem
Dorfe angekommen* waren, dort, wo die Höhlen sind, da
krähte ein dritter Hahn. Da riefen sie: f Gehen wir, gehen
wir! Denn der schwarze Hahn hat gekrähet, und der Tag
überrascht uns. — Ach, du altes Dreckweib!' Damit flogen
sie davon. Und so gelangte denn die Alte, am ganzen Leibe
zitternd, nach Hause, wo sie gleich mit Weihrauch räuchern
Hess; und später, nachdem sie etwas ausgeruhet hatte und
wieder zu sich gekommen war, erzählte sie ihr Erlebniss und
wurde ruhig. So hatte sich die Alte durch ihre Klugheit
gerettet. Und nachdem Gott den Tag hatte anbrechen lassen
und es ganz hell geworden war, ging sie zusammen mit
ihreni Alten an den Ort, wo sie den Sack mit dem Mehle
gelassen hatte, und sie nahmen ihn und trugen ihn nach
Hause.
') tc ' KoußövTcavi (d.i. xf\c dKoßövtave, ^KÖßovxo, dKÖntovTo) Aiyoi
XiTOi Aiyoi.
*) ou rcapbaAöc.
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- 139 -
7.
Der Wampyr.
Arilchoba.
Einst wurde an einem Orte ein Mensch getödtet und
blieb lange Zeit unbestattet liegen. Endlich fand man ihn
und begrub ihn in dem Dorfe, welchem er angehörte. Einige
Zeit nachher bemerkten die Bewohner dieses Dorfes, dass
ihnen ihre Eier, Hühner, Ziegen und Schafe abhanden kamen,
und sie wussten sich das nicht zu erklären. Als nun ihr
Priester einmal Nachts nach der Kirche ging, sah er, wie
ein Teufel aus dem Grabe jenes Ermordeten stieg und in
die Ställe der Leute einbrach; auch begab sich derselbe vor
das Haus der Wittwe und rief hier gerade so, wie jener, als
man ihn tödtete, gerufen hatte: '0 ich Armer! Warum er-
mordet ihr mich? Menschen werde ich dafür verschlingen!' 1 )
Der Priester benachrichtigte seine Gemeinde von dem, was
er gesehen und gehört hatte. Da nahm ein Greis das Wort
und sprach zu den Bewohnern des Dorfes: 'Der Teufel,
welcher aus dem Grabe steigt, ist niemand anderes, als jener
Ermordete, welcher zum Wampyr geworden ist. 2 ) Wie der-
selbe damit angefangen hat unsere Eier und unser Vieh zu
verzehren, so wird er nachher auch seine Verwandten ver-
schlingen und endlich uns alle. Wir müssen also dem vor-
beugen. Wie ihr wisst, verlassen die Wampyrn 3 ) Sonnabends
ihre Gräber nicht. Wir müssen nun vor allem einen an
einem Sonnabend Geborenen 4 ) ausfindig machen und ihm
das Grab des Wampyrs zeigen. Der wird schon wissen, was
er zu thun hat.' Die Bauern folgten dem Rathe des Alten,
machten einen am Sonnabend Geborenen ausfindig und trugen
ihm die Sache vor. Derselbe sprach zu ihnen: 'Siedet zwei
Kessel voll Essig, härtet einen Bratspiess im Feuer und haltet
eine Axt, einige scharfe Messer und einen Mantel in Bereit-
schaft. Am Sonnabend vor Sonnenaufgang bringen wir alle
diese Gegenstände an das Grab des Wampyrs.' So geschah's.
') köcmo 6d <pdoi.
*) ßoupöoXdKiace.
3 ) oi ßoupböXaKoi.
4 ) £vav caßßaTOY€*«vnu£vov.
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- 140 -
Am Grabe angekommen wusch sich das Samstagskind zuerst
Gesicht und Hände in Essig. Darauf nahm er den Mantel,
befestigte ihn dem Grabe gegenüber an einem Baumstamme
und faltete ihn so, dass man glauben konnte, es sei ein
Mensch darin eingehüllt. Nun ergriff er die Axt und fing
an das Grab zu öffnen. Und der Wampyr unten in der Erde
hörte das und stöhnte und drohete, indem er rief: 'Wer ist
das? Ich werde ihn verschlingen.* Jener aber entgegnete:
'Erst will ich dich ans Tageslicht ziehen, dann verschlinge
mich.' So ward denn der Wampyr ausgegraben. Es war
eine grosse, wohlgenährte Gestalt, von blühendem Aussehen
und mit wild rollenden Augen. Zornig wandte er sich an.
den am Sonnabend Geborenen und sprach: 'Wer hat mich
verratheu ?' — 'Der dort drüben,' antwortete jener, 'der an
dem Baume lehnt.' Er hatte kaum diese Worte gesprochen,
da war der am Baum befestigte Mantel mit einem Male ver-
schwunden: der Wampyr hatte seine Flammen auf ihn aus-
gehaucht und ihn verbrannt. Xun aber packte das Samstags-
kind den Wampyr, schnitt ihm den Leib auf, nahm das Herz
heraus, durchstach es mit dem Bratspiess, warf es in den
einen der beiden mit Essig angefüllten Kessel und zerkochte
es. Dann goss er den Essig ins Grab auf den Wampyr, warf
auch die Axt nebst allen übrigen gebrauchten Gegenständen
hinein und schüttete es wieder zu. Hierauf wusch er sich
die Hände und ging mit den übrigen fort. Und nun war
der böse Geist 1 ) von dem Orte verschwunden.
8.
Der Teufel in der Flasche.
Zakynthoa.
Einstmals machte sich der Teufel ganz klein und kroch
in eine Flasche, in der Absicht, die Weiber zu täuschen. Er
sprach zu sich selber: 'Die Frau, welche die Flasche öffnen
wird am ersten Tage, will ich glücklich machen; die sie
') ö TpicKardparoc.
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öffnen wird am zweiten, die will ich entehren; die sie öffnen
wird am dritten, der will ich alles Böse zufügen, was es
nur auf der Welt gibt.' Am dritten Tage öffnete eine Frau
die Flasche 5 der Teufel fuhr als Rauch heraus, wandelte sich
sofort in einen Balken und wollte ihr eben ein Leid anthun.
Sie aber sah dies voraus und sagte rasch: 'Ich glaube dir's
nicht, dass du in dieser kleinen Flasche, warst, du, ein so
grosser und mächtiger Herr.' Um ihr nun das zu beweisen,
fuhr der Teufel wieder als Rauch in die Flasche hinein. Die
Frau aber drückte geschwind den Stöpsel darauf und Hess
den Teufel nicht wieder heraus. Und daher sagt man, wenn
man von der Schlauheit der Weiber redet, dass sie selbst den
Teufel hinein in die Flasche stecken.
9.
Die Rache der Lamnissa.
Ebendaher.
Eine Lamnissa 1 ) wollte einst auf die Jagd gehen. Aber
kaum hatte sie ihre Behausung verlassen und ihren Weg
angetreten, als sie durch einen Flintenschuss, den ein Mann,
sobald er sie erblickte, auf sie abfeuerte, verwundet wurde.
Sie konnte daher ihren Vorsatz nicht ausführen und kehrte
nach Hause zurück. Ihr Zorn üBer jenen Mann aber war
so gross, dass sie dem Menschengeschlecht grimmige Rache
schwor. Sie Hess sich sogleich einen Backofen bauen, der
wenigstens fünfzig Menschen in sich fassen konnte. Nach-
dem dann ihre Wunde geheilt war, ging sie wieder auf die
Jagd. Auf dem Wege, den sie einschlug, traf sie gerade
eine Menge Menschen an: sie wählte sich also die grössten
und dicksten unter ihnen aus und trug sie in ihre Behau-
sung. Hierauf reinigte sie mit ihren Brüsten den Backofen,
machte Feuer an und briet alle ihre Gefangenen, zur Rache
für die Unbill, die sie zuvor erlitten hatte.
») Adfivicca.
- 142 -
10.
Die Arachobiten und die Lamnia,
Arachoba.
In der Doubri 1 ) hauste einst eine Lamnia. 2 ) Dieser
mussten die Einwohner von Arachoba an jeder Kirchweih,
die sie abhielten, einen der Ihrigen zum Frasse preisgeben,
um unbelästigt von ihr das Fest begehen zu können. Sie
pflegten daher immer vor Beginn der Feier das Los zu werfen,
und wen dasselbe traf, der ward das Opfer der Lamnia. Als
nun einst das Los auf einen jungen, stattlichen Pallikaren
gefallen war, da sprach der Sohn des Ersten und Vornehm-
sten im Dorfe: 'Ich will hingehen und der Lamnia mich
darbieten, um unser Dorf zu retten.' Man sagte nämlich,
dass, wenn einmal die Lamnia den Sohn des Ersten im Dorfe
bekommen hätte, sie nachher keinen anderen mehr fressen
würde. Die Eltern des Jünglings weinten und härmten sich
und suchten ihren Sohn von seinem Vorsatze abzubringen.
Allein dieser hörte nicht auf sie, sondern zog aus und stieg
hinein in die Doubri, um die Lamnia aufzufinden. Sobald
diese nun des Jünglings ansichtig wurde, stürzte sie sich auf
ihn, um ihn zu verschlingen; er aber versetzte ihr, noch
ehe sie ihn packen konnte, rasch einen Stich mit seiner Lanze
und tödtete sie. Hierauf begab er sich zur Kirchweih und
erzählte den über seine Rettung Erstaunten das Geschehene.
Seitdem hatte das Dorf Ruhe. •
11.
Der Drache von Kotimaria.
Ebendaher.
In der tiefen Schlucht von Koumaria 3 ) hauste ehemals
ein furchtbarer Drache, welcher eines Tages einen Menschen
') NToujUTrpn, n, ein tiefer Riss in dem Bett eines vom Parnasos
herabkommenden Giossbachs, nordöstlich von Arachoba.
*) AÜUVIK.
■) Koofiaptd (Erdbeerbaum) heisst eine Gegend in der Nahe \on
Arachoba.
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- 143 -
von weitem her in seinen Rachen zog. Als er den Unglück-
lichen bis zu den Achseln verschlungen hatte, breitete dieser
seine Hände aus und schrie um Hülfe. Einer der vielen,
die aus der Ferne zusahen, rief ihm zu, um seine Qual ab-
zukürzen: 'Falte die Hände zusammen, so wird der Drache
dich loslassen.' Der Unglückliche folgte diesem Käthe, und
alsbald schluckte ihn der Drache vollends hinter.
12.
*
Die Räthselwette.
Ebendaher.
Bruchstück.
Es war einst eine Königin unten bei Theben, 1 ) die sass
am Wege auf einem Felsen und gab allen , die dort vorüber-
kamen, drei Räthsel auf. Sie verkündete, dass sie denjenigen,
der diese liäthsel zu losen vermöchte, werde vorüberziehen
lassen, ohne ihm etwas anzuhaben, ja dass sie bereit sei den-
selben zum Manne zu nehmen; wer sie aber nicht errathen
könne, den werde sie fressen. Viele zogen dort vorbei, aber
keiner vermochte die Räthsel zu lösen. Da hörte ein junger
Prinz von dieser Königin, und weil dieselbe, wie es hiess,
von hoher Schönheit war, so beschloss er an dem Felsen,
auf welchem sie sass, vorüberzugehen, indem er hoffte ihre
Hand gewinnen zu können. Sein Vater versuchte ihn zurück-
zuhalten, allein der Sohn hörte nicht auf ihn und machte
sich zu jener Königin auf den Weg. Als diese den An-
kömmling erblickte, sprach sie zu ihm: 'Ach, du Armer! Du
bist ein so schöner Jüngling und willst dich ins Verderben
stürzen ? Kehre zurück zu deinem Vater ! Schon so viele sind
hier vorbeigekommen, aber keiner ist im Stande gewesen die
Räthsel zu lösen. Wirst du sie errathen können?' Da ent-
gegnete der Jüngling: 'Lass dich das nicht kümmern! Ich
hoffe sie zu errathen.' Da sagte sie ihm das erste Räthsel.
Dieses lautete: 'Welches ist das Ding, das, was es erzeugt,
verzehrt? Es erzeugt seine Kinder und verzehrt sie wieder.'
') kutou Kar' Orißa.
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- 144 —
Da antwortete jener: 'Ei, Frau Königin, das ist ja sehr leicht
zu errathen. Das ist das Meer: dieses verzehrt seine eigenen
Kinder, denn aus dem Meere entstehen die Flüsse und ins
Meer fallen sie zurück.' Da sprach die Königin: 'So ist's.
Nun will ich dir das zweite Räthsel vorlegen.' Dasselbe
lautete: 'Welches ist das Ding, das weiss und schwarz aus-
sieht und nimmer altert?' — 'Ei,' sagte der Jüngling, 'auch
dies ist nicht schwer. Das ist die Zeit. Diese sieht weiss
und schwarz aus, denn sie ist nichts anderes als Tag und
Nacht; diese «altert auch nie, denn seit die Welt steht, ist
sie, und wird sein bis an der Welt Ende.' — 'Richtig,' sagte
die Königin. 'Aber jetzt will ich dir das dritte Räthsel vor-
legen, das wirst du nicht zu lösen vermögen.' — 'Wir wollen
sehen,' antwortete der Prinz; 'sag mir's nur.' Nun sagte
sie ihm das dritte Räthsel, das also lautete: 'Welches ist
das Ding, das Anfangs auf vier Beinen geht, dann auf zweien
und zuletzt au/ dreien?") Da sagte jener: 'Das ist das
leichteste von allen. Das ist der Mensch. Wenn dieser klein
ist und zu laufen anfängt, kriecht er auf allen Vieren; wird
er grösser, so geht er auf seinen zwei Beinen, und wenn er
ins Alter kommt und sich ohne Stütze nicht mehr aufrecht
halten kann, so nimmt er einen Stab zu Hülfe und geht also
nun auf drei Beinen einher.'
* *
*
13.
Der Einsiedler auf dem Berge Liakoura.
Umgegend des Parnasos.
Ein Mönch vom Kloster des heiligen Lukas 2 ) fasste einst
den Entschluss, einen ganzen Winter auf dem Gipfel des
Berges Liakoura 3 ) zuzubringen, denn er wünschte zu erfahren,
') TToiö 'vcti £k£Wo tö irpäua, iroü mpßaTei irpüÜTa u£ x^eeepa iröoia,
KOVTä |i£ 6uö kal kovtoi ixt Tp(a;
*) südlich vom Parnasos in der Nähe des Dorfes Steiri. Vgl.
oben Nr. 6, S. 135 und 137.
3 ) d. i. des Parnasos.
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- 145 -
wie streng der Winter dort oben sei und wie die Geister 1 )
dieses Berges mit einander streiten. Er richtete sich also auf
demselben in einer Höhle eine feste Wohnung her, versah
sich mit Nahrungsmitteln und den übrigen Lebensbedürfnissen
für den ganzen Winter und schloss sich , ehe dieser begann,
in die Höhle ein. Der Schnee verschüttete ihn vollständig
in seiner Wohnung, und den ganzen-Winter über sah er
weder Himmel noch Erde. Er hielt aus bis zur Mitte des
März. Da fühlte er das Ende seines Lebens herannahen und
schrieb folgende Worte an die Wand der Höhle: 'Ich habe
den ganzen Winter hier oben zugebracht, habe den Kampf
der Winde und der Geister dieses Berges vernommen und
bis zur Mitte des März gelebt; länger vermochte ich's nicht
auszuhalten, und ich sah mein Ende kommen, denn der Frost
des März und das Toben und Brüllen der Geister und Winde
waren fürchterlich j der Berg schwankte hin und her, und es
schien mir, als wolle er zusammenstürzen. Ich habe diese
Worte aufgeschrieben, damit keiner wieder es wage, gleich
mir den Winter auf dem Berge Liakoura kennen zu lernen.'
Lange Zeit zeigte man die Höhle, in welcher der Mönch
gelebt, und die Worte, die er an die Wand derselben an-
geschrieben.
14.
Alexander von Makedonien.
Ebendaher.
Bruchstück.
Ein mächtiger König aus fernem Lande beschloss einst
auszuziehen, um das ganze Land, welches unsere Grossväter 2 )
bewohnten, sich zu unterwerfen. Darüber war grosse Be-
stürzung unter diesen, und sie fürchteten, von jenen unter-
jocht zu werden. Aber da war einer unter ihnen, der Alexan-
der hiess und aus Makedonien stammte, welches Land jetzt
*) ol TraitiroO&£c uac.
Schmidt, Griech. Märchen, Sagen n. Volkulieder. 10
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- 146 -
die Türken inne haben: der war sehr tapfer und konnte
Thaten vollbringen, die kein anderer zu vollbringen ver-
mochte. Derselbe fasste den Beschluss, jenem fremden Könige
sich entgegenzustellen. Die Alten 1 ) erzählen, er sei König
geworden, weil er sehr schön und sehr edel war. Dieser
Alexander versammelte also in seinem Vaterlande lauter aus-
erwählte Makedonier um sich und zog mit ihnen dem feind-
lichen Könige entgegen. Er besiegte ihn und befreite auf
diese Weise unser Volk 2 ) von der ihm drohenden Knecht-
schaft. Hierauf nahm er alle seine Länder in Besitz und
fand hier so viel Reichthum und fruchtbaren Boden, dass er
nicht wieder in sein Vaterland zurückkehrte. Seine Mutter
verfluchte ihn deshalb, weil er sie verlassen hätte. Alexander
hatte vorausgesehen, dass es so kommen würde. Allein es
war sein Wunsch, immer weiter vorzudringen gen Sonnen-
aufgang, um die Enden der Erde aufzufinden. Auf seinem
Zuge traf er mit vielen Völkern und vielen Königen zusam-
men, die er alle überwand. Und er zog immer weiter vor-
wärts und fand auch Menschen, welche Flügel und nur einen
Fuss hatten; dieselben flogen in der Luft umher und frassen
viele von seinen Kriegern. Aber Alexander fand ein Mittel
aus, um auch diese Feinde zu besiegen. Als er noch weiter
vorrückte, stiess er auf Menschen, welche Hundsköpfe hatten ;
dieselben waren sehr gefrässig und fügten dem Heere Ale-
xanders grossen Schaden zu. Aber auch sie besiegte er.
Hierauf kam er in das Reich eines mächtigen Königs, dessen
Krieger nicht zu Fuss kämpften, sondern Thürme auf den
Rücken gewisser Thiere errichtet hatten, welche zugleich
mit den Thürmen auch noch viele Menschen zu tragen ver-
mochten. Diese Leute kämpften sehr tapfer gegen Alexan-
der, aber endlich überwand er sie ebenfalls. Nun marschirte
er viele Tage lang, ohne einen Gegner mehr anzutreffen.
Seine Soldaten baten ihn umzukehren. Da er indessen die
Enden der Erde aufzufinden wünschte, so Hess er seine Sol-
daten an einem Orte zurück und drang allein weiter. Nach-
dem er viele Tage lang gewandert war, kam er endlich an
>) Unter den 'Alten» sind hier ganz allgemein die früheren Gene-
rationen zu verstehen.
*) tö £8voc moc.
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— 147 —
die Küste eines grossen Meeres und konnte nicht weiter vor-
wärts. Da dachte er sich, dass hier das Ende der Erde sein
werde. Ermüdet wie er war, legte er sich nahe am Meere
unter einem Baume nieder und schlief ein. Als er erwachte,
erblickte er sich gegenüber eine herrliche Insel mit einem
prächtigen Garten, darinnen Blumen, Bäume, bunte Vögel
und alle Güter der Welt sich befanden. Sie war aber ringsum
von sehr hohen ehernen Mauern umgeben, so dass niemand
hingelangen konnte. Ein Weib, schön wie eine Nerai'de, er-
schien vor ihm und sagte zu ihm, er möge nicht versuchen
weiter zu dringen, denn das werde ihm das Leben kosten.
Alexander fragte die Jungfrau, was das für eine starke Festung
mit den ehernen Mauern drüben im Meere sei, und jene ant-
wortete ihm: 'Das ist die Insel der Seligen. 1 ) Auf ihr ist
das Paradies, und kein Lebender kann dorthin eingehen, son-
dern nur ein Verstorbener, und auch dieser erst, nachdem
ihn Gott für würdig befunden.' Alexander war betrübt hier-
über und weinte, weil er, nachdem er die ganze Welt er-
obert, nicht auch ins Paradies eingehen könne, um auch die
Abgeschiedenen zu sehen. Das Mädchen bedauerte ihn, dass
ein so schöner Jüngling nicht zu erreichen vermöge, was er
begehre, und sie sprach zu ihm: f Ich kann dir ein Mittel
angeben, damit du wenigstens einige der Verstorbenen sehest. '
Sie zeigte ihm nun eine Gegend, wo sich eine Höhle befand,
und sagte: 'Hole einige deiner Genossen und begib dich mit
ihnen hinein in die Höhle, da wirst du einige der Verstor-
benen seheu, doch nähern kannst du dich ihnen nicht.'
Alexander ward durch diese Mittheilung zufrieden gestellt.
Er kehrte also zu seinem Heere zurück, holte seine Getreusten
ab und begab sich mit ihnen nach der Höhle. Als er in
dieselbe eingetreten war, erblickte er jenen König, der gegen
unser Vaterland hatte zu Felde ziehen wollen, nebst allen
anderen von ihm Besiegten, an Ketten gefesselt. Sie jam-
merten alle und riethen dem Alexander, er möge sich hüten
Böses zu thun, wie sie, damit er nicht Strafe erleide. Es
war auch grosse Finsterniss in diesem Räume, und nur mit
Fackeln hatte man ihn betreten können. Aus allem diesen
erkannte Alexander, dass hier der Ort der Verdammten sei,
') tö vr)d tuiv nandpiuv.
10*
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und er empfand Mitleid mit ihnen. Da er nun seinen Zweck
erreicht hatte, so gebot er seinen Genossen, die Höhle wieder
zu verlassen. Im Herausgehen hoben sie Erde vom Boden
auf, und als sie ans Tageslicht gekommen waren, bemerkten
sie, dass es nicht Erde war, sondern lauteres Gold. Da er-
griff Reue ebensowohl alle die, welche Erde aufgehoben, wie
diejenigen, welche keine aufgehoben hatten, und zwar jene,
weil sie nicht mehr aufgehoben hatten, und diese, weil sie
gar keine aufgehoben hatten.
III.
Volkslieder.
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A. Myrolögia im engeren Sinne.
1.
Zakynthos (Dorf Loükka).
KaXö ttou eivai, tö cürevo v' rjvai cujiu.a£wu.evo
Kai et KaXö xai ce kcxkö v 5 fjvai cuvTpoq>euevo !
2.
Ebendaher.
"Otioc bev Ix« OdvciTO, bev KXaiei tcou TraiGau.u.e'vouc,
Kr) ötioc bev exet ckotwuö, bev KXaiei tcou cKOTtuuivouc,
Kai ötioc bev Ix« nvipu-ö, bev KXaiYei tcou Trvijiuivouc.
3.
Ebendaher.
TTpe'Trei r\ yf\c vct x<*ip€Tai, rrplTrei vd Kau.apu)vrj,
TTpe'Trei vd Trjve CTrepvouve xXovid u.apYapiTapi ;
TTpenei vd Tfjv CKCtXiZouve u.e xpvcä CKaXicrripia-
TToö tpujt > diTOuc Kai CTaupaiTOuc Kai viaic u.e Td CToXibia,
öTTou Tptuei Kai Td uaKpd Traibid u.e tö ßuZi ctö CTÖ/aa.
4.
Ithaka (Bathy).
Bruchstück.
TTpe'Trei f) rfjc vd x<rfp€Tui f TTperrei vd Kau.apujvrj,
TTpe'Trei vd tt| CKOußXiZouu.e cpipTice'via ckoötto,
TTpe'Trei vd ttj CKeTrd£ouu.e ui KaTr]q>evta pouxa*
A. Eigentliche Klagelieder.
1.
Gar eine gute Sitte ist's, die die Verwandtschaft einet,
Dass sie in Freude wie in Leid treulich zusammenstehet!
2.
Wer keinen Sterbefall erlebt, beweint nicht die Verstorbnen ;
Wer keinen Mord erfahren je, weint nicht um Mordes Opfer;
Wem niemand je ertrunken ist, beweint nicht die Er-
trunknen.
3.
Fürwahr die Erde muss sich freun, niuss *stolz sein und
sich brüsten!
Mit edlen Perlen muss man, statt mit Körnern, sie besäen,
Und golden muss das Grabscheit sein, zu graben ihren
Boden.
Denn sie verzehrt des Jünglings Kraft, die Jungfraun in
dem Schmucke,
5 Verzehrt die kleinen Kindlein auch , die Mutterbrust im
Mündchen !
4.
Fürwahr die Erde muss sich freun, muss stolz sem und
sich brüsten!
Mit Besen, die von Elfenbein, muss man die hohe kehren,
Mit weichen Sanimettüchern auch muss man sie über-
decken.
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— 152 —
TToö Tpuütei viouc, ttou Tpurrei viaic, ttoö Tpwei TTaXXr)Kap.'.K: a ?
5 Tpwei toö jiiaväbiuv Tä Traibid, toöv dbepqpüuv t' dbepqna,
Tpwtei Kai toi dvTpÖYuva ict TroXuaYaTrrineva.
*
5.
Ebendaher.
Kpi|ict eiV vd xdvouvTdi oi KaXoi k' o\ £ebiaXeu.ue'voi,
riax* o\ KaXoi xpeu&ouvTai k' ol äHioi dTroEnjujuvTai,
fiai' eiv' KaXoi rrpaYuaTeuTaic Kr) dHioi KamTaveoi,
K' eivai KaXoi fia qpajueXid Kai d£ioi Yid Td cmTia,
5 K' eivai ctöv KÖcjao 9XduTroupa Kai tc 1 eKKXn.ciäc CToXibi,
K' eivai Kai juec' tö ctuti touc öXöxpuco KavTrjXi.
6.
Kephalonia (Bezirk Skala).
TToö ixd cxf)|i TTöXi, cipecpexai, Kai cirj Cupid, Tupfer
Keivoc, ttoö Ttqi ctt) naupn, tnv, ötucw be yvpiUu
7.
Zakynthos (Dorf Loükka).
Kavicxpi u.upioTtXouMicro, Y<*pou<paXa fio^idio,
Ce ti Kapdßi Gd ßpeGrjc Kai c* ti ttöpto 8' dpdfcrjc,
l~id vdpOrj ri jiavouXd cou vd ce Havaropdcrj;
8.
Ebendaher.
"A bev dcTpdqiri, be ßpovTdei, & be ßpovTdrj, be ßpe'xei,
Kr) d be 9wvdcr| öttoioc Ttovei, be xpexei 6 KOCfioc öXoc.
'Ottoö exei jidva, de xXißeiai, Kai dbpecpn, de XinräTai,
Krj öttoö eiV KaXö dvTpÖYuvo, vd töv ipuxoTroväTai !
9.
Zakynthos (Dorf Koiliome'no).
'TTXdKa XP uc n» TtXdK' dpxupfi, TtXaKa juap|uapujue'vr|,
TT' öXouc touc veouc e^idpavec Kr) öXaic Taic viaic yapaiveic,
Kai Touiove töv vioutciko vd ^fjv TÖve jLiapdvrjc!' —
9, 2. vtouc in viouc zu andern liegt nahe, scheint mir aber doch
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Denn sie verzehrt die Jünglinge, die Jungfraun, alle Tapfren,
5 Verzehrt der Mütter Kinder auch, der Schwestern theure
Brüder,
Verzehrt die Ehegatten selbst, die sich herzinnig lieben!
5.
Herb ist es, wenn dem Tod verfall'n die Guten, Auserlesnen !
Die Guten werden ja gebraucht, und aufgesucht die Braven,
Sie geben gute Kaufherrn ab und würd'ge Kapitäne,
Sind nützlich der Familie, des Hauses starke Stützen,
5 Sind die Standarten in der Welt, und auch der Kirche Zierde,
Und drinnen in dem eignen Haus sind sie die goldne Leuchte.
6.
Wer nach Konstantinopel geht, nach Syrien, kehret wieder ;
Doch wer die schwarze Erd' erwählt, der kehret nimmer
wieder.
7.
Du buntgestickter Blumenkorb, mit Nelken angefüllet,
Auf welchem Schiff wirst fahren du, in welchem Hafen landen,
Dass kommen kann dein Mütterlein, dich wieder loszukaufen?
8.
Wenn es nicht blitzt, so donnert's nicht, nicht regnet's,
wenn's nicht donnert,
Und wenn nicht aufschreit, wer sich härmt, strömt nicht
herbei die Menge.
Wer Mutter oder Schwester hat, der mag ihn mit beweinen,
Und wo ein wackres Ehepaar, mag's innig um ihn trauern !
•
9.
'Du silbernes, du goldnes Grab, du Grab von edlem Marmor,
Das alle Jünglinge verzehrt und alle jungen Mädchen,
Nur diesen einen Jüngling da, den wolle nicht verzehren ! '
nicht geratheu. Vgl. 10, 2 und 5; 22, 3; 23, 2, u. s. w.
- 154 —
K* f\ irXdKa aTTriXoTnötiKe , töv t^toiov Xötov eine-
5 f MTVfdpic cfyiat u.dva tou , untdpic dbepcpn tou,
Mntdpic €?fiai 7TpiuTo0eid, vd unv tövc fiapdvur,'
10.
Ebendaher.
c BapKou\aic ttoö uiceu€Te, ßapKOuXaic, CTa^axicTe
Kr) auTOv töv vio ttoö dirnpeie xdxa nrjv xo/a TrouXfjTe!
XiXi' £biva vd töv ibw, xiXia vd tou uiXrjcuu,
XiXr «fbive ri u.dva tou Kai x^i' f| dbepcpn tou!' —
5 Kr) ö vloc dTrgXoYr|0»iKe ul tö tXukö tou ctöu.ci ■
fV €xeT€ Ypöcia, <päT^ Ta, cpXwpid, <puXd£eT^ Ta!
Krj örav dcTTpicri ö KÖpaxac Kai fivri Trepicrepi,
Töt€ Kai cü, |LiavouXd |iou, i^xiva dKapTepci.'
11.
Kephalonia (Dorf Zerbäta).
To viö ttoö cuveßxdvouue ti €?x ou M e va tou TtoGue;
TTouto ipriXöc cdv dfTtXoc, Xuyvöc cdv KUTtapiccr
TTouxe tö Mai tcii irXdTaic tou, tt)v dvoiHi CTd crrjGia,
T' dcTpa Kai töv aurepivö cto |udTia koi CTd qppubia-
ÖTTOUTOV CTOUC Kd|HTrOUC TÖ ßloXl, CT*)V €KKXT]Cld KavTnXi,
"Htov koi eic tö ctuti tou Kapdßi dpuaTwu.evo.
Kai tö ßioXi TcaKiCTr]K€ koutö kovtiiXi £cßucrr|
Kai tö Kapdßi t' ö)nopcpo Kf| ^Keivo dtrriKOUTUCTTi.
12.
Kephalonia (Bezirk Skala).
'€d cou irdve, vioutcik€, evvid u-upoXotcrpaic,
'H Tpeic dirö rf) |iud uepid k* fj Tpeic dirö Tfjv &\\r\,
K 1 rj TpiTaic rj KaXXiTepaic dtraviu dir' tö K€<pdXi.
'ApxovTiKe ri} euTeviKe* — dXXiwc tö jnupoXöi! —
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- 155 -
Darauf entgegnete das Grab und sprach die harten Worte:
5 'Bin ich etwa die Mutter sein, bin ich denn seine Schwester,
Bin ich denn seine Muhm' etwa, dass ich ihn soll ver-
schonen?»
10. •
'Ihr Barken, die ihr zieht dahin, o haltet an, ihr Barken,
Verkaufet doch den Jüngling nicht, den ihr habt mitge-
nommen !
Wohl tausend gäb' ich, ihn zu sehn, wohl tausend, ihn zu
sprechen,
Und tausend gäb' die Mutter sein und tausend seine
Schwester!' —
5 Drauf öffnet seinen holden Mund der Jüngling und erwidert:
f Eu'r kleines Geld verzehret nur, und die Zechinen spart euch!
Denn wenn die schwarzen Raben sich in weisse Tauben
wandeln,
Dann magst auch du, mein Mütterlein, den Sohn zurück-
erwarten.'
11.
Wie sollen wir den Jüngling hier, den wir geleiten, preisen?
Hoch war er einem Engel gleich, und schlank wie die
Cypresse;
Den Mai trug auf den Schultern er, und auf der Brust
den Frühling,
Es strahlte ihm der Sterne Glanz von Augen und von Brauen.
5 Er war die Violin' im Feld , die Leuchte in der Kirche,
Er war ein wohlgerüstet Schiff im Innern seines Hauses.
Zerbrochen ist die Violin', erloschen ist die Leuchte,
Das Schiff^ das stattliche, es ist zertrümmert und versunken.
12.
Wohl ziemt sich's, Jüngling, dass um dich neun Klage-
frauen weinen:
Drei müssen dir zur Rechten stehn, drei andre dir zur Linken,
Und die drei letzten von den neun, die besten, dir zu
Häupten.
Du junger Herr aus edlem Blut — nein, traulich sei das
Klagüed!
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- 156 —
5T( £x*ic, ^r\\ia jliou, Krj lirecec, ti exetc Kai HcpiZujOric,
TToö fjTav n piZa cou xpucr} k 1 o\ kXujvoi cou daiuivioi
Kai id TTepiKXuuvdpia cou Tcd|iiTTaic uaprapixdpia;
- 13.
lthaka (Bathy).
IToioc Tove hcvutcuc, töv tctoio viö, toö Xdpou;
*Av rjiav ö nXioc, vd xaörj! t ddpi, vd ßaaXe'iprj!
Krj dv niave M«va Traibid, vd xdvrj Td Ttaibid TCt]l
Krj dv fYrav KÖpr) dvÜTravTpr), jioipa vd uiyv Yvujpi^rj!
5 <t>ibi vd cpdrj Tf| rXiuccd Tcrj Krj dcxpirrjc ix\ XaXid xcr| !
14.
Zakynthos (Dorf Loükka).
Nd jLiopOYdpr) ö CTaupöc, vd u.a£wXTrj t* dace'pi,
Nd ibrj tö ttoiöc töv x^ß^Tai, vd ibrj tö ttoiöc töv KXaiei!
Töv KXaiei tö £u.Tra toö cttitiou, tö Ijutto Tfjc auXfjc tou,
Töv kXoiv t' dTTOKepd^iTa, ttoö ctövc tö qpapu.aKi.
15.
Kephalonia (Dorf Katapodäta).
r €uToö ttoö dKivrjcec vd Trete er* drupuco TaHibi,
Ctöv Geov c' öpK&w vd yoö tttjc, ttöt6 vd ce Trpocuevw,
Nd pi£w pöba crf)v aöXr|, TpavTdcpuXXa CTrm TröpTa,
Nd qmdcw Yiöu.a vd TeuTfjc Kai bewrvo vd beurvricrjc,
5 Nd CTpujcuu Kai Tfjv kXivti cou, vd Trecrjc vd ^XaTidcrjc.'
f *A qmdcrjc Tiöjaa , fiyov TO, Kai bemvo, bemvrice' to,
Krj ö cr/pwcrjc Kai Tfjv KXivrj nou, Trece, KOijuricou dirdvoj!
Kr) if\b Trd*fw ctt) u.aupri yf\c, ct* dpaxviacuivo x&u.a ;
Krj £xuj T H Tn c Tid TrdTrXuju.a, tö x&Ma fiä ccvtövi,
10 Kai t€uou.at töv KOupviaxTÖ, benrvduj dirö tö xwu.a,
Kai TfivuJ t 5 ibpYrjocTdXaxTO Tcfj nXaKac tö 9apu.aKi.' —
l *Av direqpdcicec vd Ttac, vd ui|V u,aTaYupkrjc,
IS, 5. Statt iiY)\\ä nou andere: b^vrpo nou.
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- 157 -
5 Mein Apfelbaum, was hat denn dich, den kräftigen, ent-
wurzelt?
War deine Wurzel doch von Gold, und deine Zweige silbern,
Und deine Aestlein ringsumher wie feine Perlenschnüre.
13.
Wer nur den schönen Jüngling hier an Charos hat ver-
rathen ?
Die Sonne? nicht mehr leuchte sie! Der Stern? er gehe
unter !
War's eine Mutter, möge sie verlieren ihre Kinder!
Und war es eine Jungfrau gar, nie soll sie Hochzeit feiern !
5 Der Schlangen und der Nattern Brut mag ihre Zunge fressen!
14.
Noch säumen mag das Crucifix, dass sich die Menge sammle,
Zu sehn, wer um den Todten klagt, zu sehn, wer ihn beweinet!
Des Hauses Eingang weint um ihn, die Pforte seines Hofes,
Die Wasserrinnen an dem Dach, sie träufeln bittre Thränen
15.
■ Indem du auf die Reise gehst, von wannen keine Rückkehr,
Sag' mir, bei Gott beschwör' ich dich, waun dein ich harren
dürfe.
Denn Rosen möcht' ich auf den Hof und vor die Pforte
streuen,
Möcht' auch ein Mahl bereiten dir zum Mittag und zum
Abend,
5 Und dir dein Lager ordnen schön, gemächlich auszuruhen.' —
'Das Mittags- und das Abendmahl verzehre du nur selber,
Und richtest du mein Lager zu, magst selbst du darauf ruhen !
Ich wähle ja zum Aufenthalt den finstem Grund der Erde,
Zur Decke dient die Erde mir, der Schutt dient mir als
Bettzeug,
10 Zu Mittag speis' ich von dem Staub, zu Abend von dem
Schutte,
Das Wasser, das vom Grabstein trauft, wird mir zum
Labetrunke.' —
'Bist du entschlossen fortzuziehn und nicht zurückzukehren,
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- 158 -
"AvoiHe iä notTäKia cou k' Ibk u.id yjrdvTa Kg &\\r\
Kr) dcpce utia ctö cttiti cou k utia ctoüc £biKOuc cou
15 Kai crjtcu) irdpe niceiye, ctikujcou irdpe cpeuYa,
TTpud cou cupouv ÖujuiaTÖ, et ipdXXouv o\ Trairdbec,
TTpud ce TTepiXdßouve xcfj tnc 01 KXepovöjuoi ! ' —
16.
Kephalonia (Samos).
NoiKOKUpd ^TOijadcTTiKe. vd irdpr) vd Micltpr).
'Erupice dir' tt)u. Tiöpia tcti cifj ja^cri tou cttitiou t?ic
Krj ÜTrXujee crf| u.ecouXd ttjc Kai Td xXeibid ttic TTidvei
• Kr) ^Yupicc Kai TappiEe ctt) u^cr) tou cttitiou Tn.c.
6 ' Kr) ÖTroia V KaXfi voiKOKupd , vd CKUiprj vd Td Trdpri ! ■
17.
Kephalonia (Dorf Skaliä).
Macröpicca, cuvTdxTn.K€C vd qmdcric tt)v aTiXdba.
KdTce k' iCTÖpric^ tou Td coucouu.ia tou Kopjiiou tou.
<t>Tidc' tö K€(pdXi 9pöviyo, koBujc tö u.ep€Tdpei,
<J>Tidc' tou Td uxtTia buo v dXrjaic, Td tppubia buo raiTavia,
f>0ridce tou Kai Td u.drouXa, ttou fjvai cdv tö vepdvTci,
TTou elxav tou. tiXiou tc' öyopqpiaic, tou (perrapiou tc'
dcTrpdbaic,
TOU Mr|X0U TOU ßCVCTlKOU tct) ^oboKOKKivdbaic.
0Tidc' tou tcti X'ivoc T ö Xaiuö, TCf) TTOTTiaC tö KecpdXi.
Cd xnva dTrepTrdTOuve , cdu. Trairia dvaiKaBÖTou.
B. Lieder von Oharos und der Unterwelt.
18.
Kephalonia (Dorf Zerbata).
7\kouct€ ti biaXdXTice tou TrpiKOu Xdpou f] u.dva*
'TTüjxouv Traibid, ac Td Kpuipouve, kt) dbc'pcpia, öc Td <pu-
XdHouv,
TuvaiKec tüjv KaXwv dvTpuiv vd Kpuiyouve touc dvTpec!
18,2. Meine Quelle fehlerhaft iri&xei » ich habe Trd&xouv hergestellt.
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- 159 -
So öffne deine Augen jetzt und blick' noch einmal um dich,
Sag' deinem Haus ein Lebewohl, ein Lebewohl den Deinen,
15 Und mache dann dich eilig auf und fliehe rasch von hinnen,
Bevor die Priester über dir den Weihrauch sträun und singen,
Bevor der Erde Erben dich mit ihren Händen fassen!' —
16.
Des Hauses Herrin ist bereit, sie will von dannen ziehen.
An ihrer Pforte kehrt sie um nach ihres Hauses Mitte,
Greift nach dem Schlüsselbunde jetzt, der Zier des schlan-
ken Leibes,
Und wendet sich und wirft ihn hin in ihres Hauses Mitte.
6 c Die eine wackre Hausfrau ist, die mag nach ihm sich bücken !'
17.
Dem Gatten hast du, Meisterin, die Kölyba bereitet.
So setz' dich hin und zähl' ihm auf die Zeichen seines
Körpers.
Gib ihm ein Antlitz voll Verstand, wie es verdient der
Todte,
Und Augen zwei Oliven gleich, und Brauen wie zwei Bänder,
5 Und Wangen gib ihm, an Gestalt der Goldorange gleichend
Der Sonne Schönheit zeigten sie, den weissen Glanz des
Mondlichts,
Gemischt mit zartem Rosenroth des Apfels von Venedig.
Gib ihm den schlanken Hals der Gans, gib ihm das Haupt
der Ente:
Stolz wie die Gans schritt er einher, und gleich der Ente
sass er.
B. Lieder von Charos und der Unterwelt.
18.
Hört, hört doch, was verkündet hat des bittren Charos
Mutter:
'Wer Kinder hat, verberge sie, wer Brüder, nehm' in
Acht sie,
Ihr Frauen wackrer Männer, auf!, verberget eure Gatten!
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- 160 -
Kf) 6 Xdpoc cirfupfäeTCti Yid vdßYr) vd Kpouclv|iq.' —
6 Md vd tov Kai KaTaißaive tcou Kau.Trouc KaßcXXdpic.
Maöpoc fjTav, KaTdu.aupoc, paupo Kai t* öXotö tou.
Cepvei creX^Tia biKOTra, ciraGid HeYunvw^tva-
CTeXe'TTa tdxei Y»d xapbiaic, cTraGtd Y*d xd K€(pdXia.
Ctckuj Ka\ TÖfi TTCpiKaXiI), Td x^'pia CTaupujue'va •
10'Xdpo, fiä bk TtXripwvecai , fiaii bkn Tr^pveic darpa;
TTdpe toöv ttXouciuuv Td <pXwpid Kai tou <ptujxüjv Td xpöcia,
Kai Trdpe xai toöv TrcvryTiuv t' du.7T€Xoxwpaq>d touc!' —
Krj ^K€ivoc (i* d7TOKpi9nKe cd ckuXoc u.aviau.evoc*
'Nd x Q poöv oi ttXoucioi Td cpXwpid Kai oi qpTwxoi Td
Ypöcia,
15 Nd xaipouvTai k' oi TrivrrTec x* duTreXoxuupaqpd touc!
Krj iyvj Trepvaj ÖVopqpa Kopu.id ; t 1 dYY€XoKau.wuiva,
Nd TcritapiZa) tc* dbepqpaic, vd XaxTapiZuu judvaic
Kai vd xwptfuj dvTpötuva, Td TToXiiaTaTTrui^va.' —
y Q 9c- u.eYaXobuvau.e , iroXXd KaXd ttoö kovcic,
2oTToXXd KaXd u.äc ^Ka/iec, u.d Iva KaXd bfcv Kdveic
Tioqpupi (ie'c* tö TT^Xafo, CKaXa ctöv kotiü köcu.o,
Nd KOTaißaivouv rj dbepqpaic, vd KaTaißai'vouv fj ndvaic,
N ' dvaißOKaTaißaivouve KaXwv dvTpuiv YuvaiKec.
19.
. lthaka (Batby).
'Akoüc tö ti biaXdXr|ce tou u.aupou Xdpou r] jadva;
Tuvaucec, KpuipTe tc' dVrpec cac, jnavdbec, Td Traibid cac!
Krj 6 yuiöc u.ou ßYHKe crd ßouvd, v' aXacpoKuvirrncr),
Krj öG 1 cuprj TrcVrc, n^pvei Tpcic, Kfj 69* cuprj Tpek, tcoi
buo,
5 Kfj 09' cuprj Kf) fc'vavc u.ovax6, x^Tipi bkv tou Kavci.' —
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- 161 -
Denn Charos schickt sich eben an, zum Plündern auszu-
ziehen.' —
5 Und sieh, da kam er, hoch zu Ross, herab in die Gefilde.
Schwarz war er, rabenschwarz sogar, und einen Rappen
ritt er.
Z weisen neid'ge Dolche führet er und Schwerter ohne Scheide,
Die Herzen zu durchbohren und die Köpfe abzuhauen.
Die Hände faltend blieb ich stehn und sagte zu ihm flehend:
10 'Warum, o Charos, lässt du nicht mit Gelde dich bezahlen?
Nimm doch den Reichen ab ihr Gold, den Dürft'gen die
Piaster,
Nimm doch den Armen selbst hinweg die schmalen Wein-
gelände!' —
Doch jener, wüthend wie ein Hund, gab mir die rauhe
Antwort :
'Den reichen Leuten bleib' ihr Gold, den Dürft'gen die
Piaster,
15 Die Armen mögen sich erfreun an ihren Weingeländen !
Ich nehme schöne Leiber mir, die Engeln gleich gebildet,
Zu bringen Qual und bittres Weh den Schwestern und
den Müttern,
Und treuer Ehegatten Bund, den inn'gen, zu zerreissen.' —
0 Gott, Grossmächtiger, der du so gütig dich erweisest,
20 Viel Gutes hast du uns gethan, doch eines thust du nimmer:
Bau eine Brücke übers Meer, zum Hades eine Treppe,
Den Schwestern und den Müttern zum Hinuntersteigen
dienlich,
Den Frauen wackrer Männer auch zum Auf- und Nieder-
steigen.
19. •
Weisst du, was uns verkündet hat des schwarzen Charos
Mutter?
'Verbergt, ihr Fraun, die Gatten wohl, ihr Mütter, eure
Kinder!
Mein Sohn ist in die Berge ja zur Hirschjagd ausgezogen.
Wo fünf er antrifft, nimmt er drei, wo drei er findet, zweie,
5 Und wo nur einen einzigen, er schenkt ihm keine Gnade.' —
Schmidt, Griech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 11
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- 162 -
20.
Kephalonia (Dorf Zerbäta).
[Ol dvTpeiujuivoi Xerave ttüjc Xdpo b€ <poßoOvxai.]
Kr) 6 Xdpoc kottou t* ÖKOUce, ttoXu tou KaKO<pdvr|.
^TtfiYe Kai toüc r|upr|K€ ctö rio^ia ttou reuövTav.
'KaXitic Td TraXXnKdpia nou, KaXwc Td TroXe^Te!' —
5 f KaXuk tov€ töv Xdpovxa! Kd0ice vd YeuTOuue,
Nd qpac t* arraKia toö Xaroü, CTT)0dui änö Trcpbfoi,
Nd irirjc Kai TpiTraXrjö Kpaci, ttou ttivouv oi dvTp€mJue*voi !' —
c Aev GeXtu eorw tö tifyia cac cibe tö Xeibivö cac,
rTap > rjpöa fia töv koXXio cac, Yid töv KaXXiicpö cac.' —
loKavetc btv dTTOKpi6riK€ cm s öcoi Kr) av YeuövTav,
TTapd Ter) xnpac tö Traibi, ttou fjxav mXr dvTpeiwuevo •
f Xdpo, de TrapacapTdpouMC, kt) öttoioc TrpoXdßrj, de Trdpr)!' —
CapTaiv* Tcfj xr\pac tö Traibi, Trdei capdvTa Trdcca.
CapTaivei 6 TTpiKOxdpovTac Kai Trdei capdvTa TreVre.
15 f Xdpo, ac jaaTacapxdpouiue, kt) öttoioc TrpoXdßr], ac Trdpr]!' —
CapTaiv* Tcfj x^pac tö rraibi Kai Trdei TrcvrjvTa rrdeca.
CapTaivei 6 TTpiKOxdpovTac Kai rrdci nevfjvTa tt€vt€.
Kr) öx Td u.aXXid töv €*Tnace Kai tövc KiwXoce'pvei.
'"Acc ue, Xdpc, dop' Td u.aXXid Kai mdee m' cup* Td
Xe*pia!' —
20. Die mir dictirende Frau gab als Anfang dieses Liedes irrthüm-
licher Weise einige Verse desjenigen, welches bei Passow Nr. 42U— 425
in mehreren Versionen mitgetheilt ist. Nach Beseitigung derselben
habe ich V.l ergänzt aus dem verwandten Liede bei Passow Nr. 428, 1,
nur daBS ich statt xp€lc dvxpnujuevoi geschrieben ol dvxp., eine Aen-
dernng, welche die Worte dn' öcoi nrj dv teuövxav in V. 10 erforder-
ten (und die mir auch im Passow'schen Liede nothwendig erscheint,
vgl. daselbst V. 15). — Ich hätte den Anfang dos obigen Liedes auch
nach einer aus dem Bezirk Skala auf Kephalonia mir zugekommenen
Variante desselben ergänzen können, welche mit folgenden Versen
beginnt:
Xpicx£, Kai ttoO vd ßplcKovxai toO köcuou ol ävxpauiu^voi ;
Oüö£ d Yiöua ßpicKovxai oüö£ et iravr|T u P l >
Qübi Kai ci Kauviä x<*pd ttoO väv' ol dvxpenuu^voi!
KdTou CTd 'IcpocöXuua uupTov dÖcpcXtujvav,
TTupyov £e€ueAiujvave, vd unv xouc €üpn ö Xdpoc.
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- 163 -
20.
Die Helden rühmten sich, dass sie vor Charos sich nicht
fürchten.
Charos vernahm das irgendwo, und es verdross ihn heftig.
Er kam und traf sie eben an, wie sie beim Mahle sassen.
'Seid mir gegrüsst, ihr Tapferen, Heil eurem Kriegerhand-
werk !' —
5 f GrüssGott, Herr Charos! Setze dich zur Mahlzeit bei uns
nieder !
Iss von den Hasenlenden hier, iss hier die Brust vom
Rebhuhn,
Und trinke alten starken Wein, wie ihn diellelden trinken!' —
'Nach eurem Mahl verlangt mich nicht, sei's Mittags oder
Abends.
Ich kam zu holen mir von euch den schönsten und den
besten. ' —
io Von allen, die zum Mahl vereint, wagt keiner eine Antwort.
Allein der Sohn der Wittwe wagt's, der muthigste von ihnen :
f Lass um die Wette springen uns! Wer siegt, nimmt den
Der Wittwe Sohn beginnt und macht im Sprunge vierzig
Schritte.
Drauf springt der bittre Todesgott und bringt's auf funf-
undvierzig.
lö'Lass uns noch einmal springen, Tod! Wer siegt, nimmt
den Besiegten!' —
Der Wittwe Sohn beginnt und macht im Sprunge fünfzig
Schritte.
Drauf springt der bittre Todesgott und bringt's auf fünf-
undfünfzig.
Da packt er an den Haaren ihn und schleift ihn auf dem
Boden.
'Lass, Charos, meine Haare los und fass mich an den
Händen!' —
Allein auch diese Verse gehören ohne Zweifel nicht zu unserem Liede,
sondern vielmehr zu einer Variante desjenigen, welches Th. Kind An-
thol. (1861), S. 68 f. (N. VI.) veröffentlicht hat. - V. 8 bietet statt der
Worte €ioe to Aei&ivö cac dioVar. von Skala: ovbt Kai tö Kpaci cac.
20, 13. iräcca: andere uiXia. Ebenso V. 16.
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- 164 -
91.
Zakynthos (Dorf Koilioineno).
Bruchstück?
Ctouc oüpavoüc cr)u.aivouv€, ctöv äbrjv Kavouv rduov.
Kai <ppöviu.ov tmXicavt, vd na vd crcqxxvuxr).
Maupr) Xau.Trdba toö yöM^PO 0 äcrrpo Kepi Tcrj vuuqprjc.
Cif|v pourav ttoö CTrrVfaive töv 6e'ov CrrepiKaXei,
5 Nd toö ^x°^ !a 0 TöM^pöc v* £pxÖTOuva ctt) vuu.q>r|.
22.
Ithaka (Bathy).
Ti vd toö Kdu.uj, TfuJKiuuve junXiot ctöv kutlu köcuo
Kai xpe'uae xP u cä CTtaGid Kai kökkivo pavTriXia!
Kai Träv oi vioi Y»d Td CTraOid k r| v^aic Yid Td u.avTr|Xia
Kai Td bpocdTa Td Ttaibid vd |idcouv€ Td MfjXa!
23.
Zakynthos (Dorf Koiliomeno).
ToO Xdpou toö ßouXt'ier|K€ vd Kdu.r) TrepißöXi.
TTe'pvei Tcf| viaic Yid Xcuoviaic, tcou v^ouc Yid KCTrapiccia,
TTt'pvei Kai Td uiKpd iraibid, Td ßdvei KuuXopiEia.
NdnEpa, öürk Kai CTaupai'TC, ttoö 8d |ioö cl qpuTe'ipouv,
5 [~id vdpxounai cuxvd cuxvd vd ce cuxvottot(Z!uj,
Nd Kaurjc kXujvouc Kai KXabid Kai vd EeßXacTapwcrjc,
flava) cid (puXXa vd ttottjc, tcoI kXujvouc vd ßacuecai*
l~id vd ßacnlcai, udTia u.ou, väpOric ctou Trdvuj köcuo,
Nd ibrjc tö ttoiöc d xMß € ™i, tö ttoioc ttovci Y»d cc'va.
24.
Kephalonia (Dorf Skaliä).
Toö Xdpou toö ßouXr|8r)K€ ttupto vd GeueXiuxri..
TTe'pvci tcou Y^pouc (kueXo, tcou ve'ouc y»' dfKUJvdpia,
TTe'pvei Kai Td |iiKpd Traibid £pTaic Yid rrapaGupia.
21, 2. Oder iKaXlcave nonö v. cx.V
24. Im Bezirk Skala auf Kephalonia lautet dieses Lied von
V. 2 an:
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— 165 —
21.
Im Himmel läutet man zum Fest, im Hades hält man
Hochzeit,
Und einen recht Verständigen rief man, das Paar zu trauen.
Schwarz ist das Licht des Bräutigams, weiss ist des Bräut-
leins Kerze.
Doch auf der Strasse, die er zog, bat seinen Gott er flehend,
S Dass reu'n es möcht' den Bräutigam , zu seiner Braut zu
kommen.
22.
Fluch dem, der einen Apfelbaum im tinstern Hades pflanzte
Und hängte goldne Schwerter dran und purpurrothe Tücher!
Die Burschen gehn den Schwertern nach, den Tüchern
unsre Mädchen,
Und unsre zarten Kindlein selbst treibt's Aepfel aufzulesen !
23.
Dem Charos kam es in den Sinn, zu schaffen einen Garten:
Die Mädchen als Citronenbäuin', die Burschen als Cypressen,
Die kleinen Kinder setzet er ins Beet als zarte Senker.
Du adlergleicher Jüngling mein, wüsst' ich, wo man dich
hinpflanzt !
5 Dann kam' ich oft, gar oft zu dir, mit Wasser dich zu netzen,
Auf dass du Aest' und Zweige triebst, zum hohen Baume
würdest.
Dann setztest du den Fuss aufs Laub, hieltst fest dich an
den Aesten,
Und kehrtest so, mein Augenlicht, zur Oberwelt zurücke,
Zu sehen, wer sich um dich härmt, wer klagt um deinet-
willen.
24.
Dem Charos kam es in den Sinn, sich einen Thurm zu bauen:
Die Alten nimmt als Fundament, als Eckstein' er die Jungen,
Die kleinen Kindlein wählt er sich zu Pfosten für die
Fenster.
Bdvei xcou ytpovc Ö^eXo, tcoü Wouc dYxwvdpia,
aöralc Tale ßcpYoXÜYcpaic xaic ßdvei dYKUJvoTTr|Ao,
Ktj . \< iv. ( xd jnupd iraibiä xd ßdvci coixnoXdKia.
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■
— 166 -
25.
Zakynthos (Dorf Loükka).
'KXarre ^e, ndva, KXaiYe ye aurr) Kai u.ecrui€pi ;
Kai jitc' t j dvdrupua toö r)Xioö tcotc cou MH KXdiprjc,
TtaTi bemvdei ö XdpovTac ttj Xapövnccd tou.' —
'KpaTei K€p\ Kai q)€YY€ touc, rroTripi Kai Kepva touc* —
5'Moü £au.oXucrai tö Kepi, Kr) ö Xdpovtac jue bepvei.' —
26.
lthaka (Bathy).
TToie ßaciXejua fiXioö ui)u TTidvrjc nupoXÖY»,
Tia-ri b€iTTvdei ö XdpovTac ui rrj XapövTiccd tou.
Kr| exei Td 7Tidxa dvairoba, xd TOußaXiGia u.aöpa,
Kr) ^x ei KCtl C T° TpaTreCi tou MiKpwv Traibiüjv KtqpdXia,
5 K»i £x ei MaxaipOTiepouvo toö CTaupai'Tujve x^P ia '
Kr) c'xci tcoi vioüc ttoö töv Kepvoöv, Tcrj viaic rrou Tpa
Youbäve.
Kl] OTTO TÖV Kt'pVO TÖjLl TTOXu KT) dq>' TO lyrjXö Tparoubi
'O viöc £TfapaTrdTr)ce, Kf| ^trece tö TTOTrjpr
Kr) ö Xdpoc KaTapdcTrjKe, vd Kd|nouve xfj Zujrj touc.
27.
Kepnalouia (Dorf Skaüä).
TTotc ßariXe^a rjXioö jnf|u. mdvqc |aupoXÖYi,
TtaTi beiirvdei ö XdpovTac u.€ if\ XapövTiccd tou.
Kfj dK€i ttou ^TpüjTa Kfj eftiva Kai bmXoxaipeTtwvTa,
'€tupic€ f) XapövTicca Kai £'XeYe tou Xdpou 1
f> r Xdpo, tö viö ttou jioucpepec t\ Ixw vd töv KajiU);
Aixaic Gpovi b£v KdGeTai, bixwc Y^aXi beu. mvct,
Aixiuc \\H]\6 TTpocK^qpaXo b£u TreqpTCi vd TrXaYidcr),
25, 2. itot^ cou: andere statt dessen TripaEe (Dorf Mariais).
27, 7 lautet in einer auf lthaka unvollständig mir mitgetheilten
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— 167 -
25.
'Bewein' mich, Mutter, wein' um mich am Morgen und zu
Mittag,
Doch gegen Sonnenuntergang heb' niemals an die Klage;
Denn Charos speist um diese Zeit mit seinem Weib zu
Abend.' —
'Halt hin eiu Licht, zu leuchten ihm, ein Glas, ihm zu
kredenzen.' —
5 'Es fallt das Licht mir aus der Hand, und Charos gibt mir
Schläge.' —
26.
Nie lass bei Sonnenuntergang ein Klagelied erschallen!
Denn Charos speist um diese Zeit mit seinem Weib zu
Abend.
Die Teller stehen umgekehrt, schwarz sind die Servietten,
Und seine Tafel ist besetzt mit kleiner Kindlein Häuptern.
5 Der Tapfren Hände dienen ihm als Messer und als Gabel.
Die Jünglinge kredenzen ihm zum Mahl, die Jungfraun
singen.
Und ob des vielen Schenkens und der Mädchen hellen
Liedern
Trat fehl ein Jüngling, und ihm fiel vor Schreck das Glas
zu Boden.
Da fluchte Charos fürchterlich und jagte sie vom Tische.
27.
Nie lass bei Sonnenuntergang ein Klagelied erschallen!
Denn Charos speist um diese Zeit mit seinem Weib zu Abend.
Und wie sie einst bei Speis' und Trank sich wechselseitig
grüssten,
Da wandte sich des Charos Weib zum Gatten mit den
Worten :
5 'Was soll ich mit dem Jüngling nur, den du mir brach-
test, machen?
Er will nicht sitzen ohne Stuhl, will ohne Glas nicht trinken,
Will ohn' ein hohes Kissen nicht zum Schlaf sich niederlegen,
Variante dieses Liedes: Xiuplc i[>r\\b npocx&paXo töv iinvo bi töja
ir^pvti. '
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- 168 -
Aixwc necctXoTOußdeXct bcv Kd8€Tai vd (parj.' —
f Cuma ecü, Xapövncca, ki] dtujxuj vd töv Kajuu)
loAixtuc Spovi vd Kdötiai, bixwc fuaXi vd Trivrj,
Aixwc iprjXö TrpocKeqpaXo vd Tre'qrrr) vd 7r\aTidcrj,
Aixuuc necaXoToußdeXa vd xdeeTat vd qpdrj.' —
»
28.
Kcphalonia (Dorf Katapodäta).
'Gipec tö ßpdbu ebidßaiva dir' tc' eKKXrjcidc xrijn iröpia.
K' eixc CKacjidba r\ jaaupn t»l c *' eiba töv kotuj KÖCjio.
€iba tcou viouc £apfidTWTOuc , Ter) vialc xwpic croXibta,
€iba Kai Td MiKpd naibid cdv nnXa juapajaeva.
5"AK0uca tti XapövTicca, MaXwvei tö Xdpo*
f Xdpo, tö viö ttoö jnouqpepec ti fyw vd tövc- Kdfjuj;
Xwpic Gpovi btv KäOrvrai, xwpic yvdkx ben irivei,
Xwpic TtepouvoKouTaXa bev Kd0r)Tai vd Tpurrrj,
Xuupic cevTÖvia dtepixd beja Tre'qpTei vd KOiMäTai.' —
10 Kr] 6 Xdpoc aTTOKpi8r|K€ , töv tctoio Xöto XfcYti*
'CiaiTra ecu, XapövTicca, Kfj efw töv KaTacpt'pvw
Xwpic 9povi vd KdBrjTai, xwpic yvaXi vd ttivii,
Xwpic Trepouvojudxaipo vd Kd0r)Tai vd TpwYr),
Xuupic cevTÖvia dyepiKd vd Trtqrrr) vd KOijiäTai.' —
29.
Kcphalonia (Dorf Zerbata).
'Gipcc TrpoxTk dbtdßaiva dTT* tc' ^KKXrjciäc Tryi rröpTa,
v Oxi vd rcdpw vd btaßw, vd Trdpw vd fitceipw,
TTap' eKCtTca Kr] ejn^Tpnca Td nvryiam noca eivai.
K J fjTav Td nvr)|iciTa ^kotö, Td jidpuapa biaKÖcta,
5 Kai toö MiKpwve toO|ji Ttatbiwv nTave TrevTaKÖcia.
Kamuc dTTapaitaTnca c* £voö dvTpeiuüji^vou )nvn^a.
28, 8. Es wird auch hier trepouvouäxatpo zu schreiben sein, oder
auch V. 13 irepouvoKoÜTaXa. — Statt vcrqpdrj, wie mir mitgotheilt wor-
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— 169 -
Und ohne Tisch- und Handtuch nicht die Mahlzeit zu sich
nehmen.' —
'Sei ruhig nur, mein Weib, ich will ihn schon dazu noch
bringen,
loDass er sich setze ohne Stuhl, dass ohne Glas er trinke,
Dass ohn' ein hohes Kissen er zum Schlaf sich niederlege
Und ohne Tisch- und Handtuch auch die Mahlzeit zu sich
nehme.' —
28.
Am Abend gestern wandert' ich vorbei am Thor der Kirche
Und blickte in die Unterwelt durch einen Riss der Erde.
Ich sah die Mädchen ohne Schmuck, die Burschen ohne
Waffen,
Und sah die kleinen Kindlein auch, die welken Aepfelu
glichen.
6 Und Charos' Gattin hört' ich drauf mit ihrem Ehherrn
hadern :
'Was soll ich mit dem Jüngling nur, den du mir brach-
test, machen?
Er will nicht sitzen ohne Stuhl, will ohne Glas nicht trinken,
Will sich zur Mahlzeit setzen nur mit Gabel und mit Löffel
Und nur auf feinem Bettuch sich zum Schlafe niederlegen.' —
io Doch Charos drauf entgegnete der Gattin mit den Worten :
c Sei ruhig nur, mein Weib, ich will ihn schon dazu noch
bringen,
Dass er sich setze ohne Stuhl, dass ohne Glas er trinke,
Dass er zum Mahl verlange nicht die Gabel und den Löffel,
Dass ohne feines Bettuch er zum Schlaf sich niederlege.
29.
Vor kurzem wandert' ich einmal vorbei am Thor der Kirche,
Nicht um für eine Reis' etwa den Segen mir zu holen,
Nein, nieder setzt' ich mich, zu sehn, wie viel der Gräber
seien.
Es waren hundert Gräber da, zweihundert Leichensteine,
5 Zuletzt fünfhundert Gräber noch, drin kleine Kinder ruhten.
Aus Zufall strauchelt' ich und trat auf eines Tapfren Grabmal.
den, habe ich vet tpujy>3 gesetzt. Vgl. V. 13. — V. 9 habe ich x^pte
geschrieben für Mxwc. Vgl. V. 14 und L. '27, 6—12.
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— 170 -
'Akouuj tö u.vr)u.a Kai ßoTKaei, tö viö Kg dvacTevdZei.
'Ti exeic, nvnnä nou, Kai ßoYKac, vie* nov, Kr) dvacre-
vdCeic ;
Mf)v eiv' tö xwpä cou ßapu k* fj TiXaKa cou jueTaXfi;' —
lo'Aev elv' t6 x&M a Mou ß a PÜ k' r\ tiXciko u.ou u.eYaXr),
MoüV tujxuj Tfujc ja* ^TrdTr)cec ^Trdvuj ctö KeqpdXi.
Taxa bev rj/jouv Krj dyw viöc, bev rjiiouv iraXXriKdpi;
Aev ^7rpoßdTOuva ktj e>ruj Tf) vüxto jue (petrapi;
Aev rjtAOuv ßaciXiwc Ttaibi, KaXoö pryröc aYYÖvi;
15 €ixa tö Mdi Tcfj TrXaTaic iaou, ty\v ävoi£i cto cTr|0ia,
T' dcTpa Kai töv autepivö crd lAaTia Kai cto qppubia.
Aev eKaTabexöjaouva CTf) rnc vd irepTraTricuj,
Kai Twpa KaTabexTr)Ka Trj juauprj ff\c KXivdpi!' —
30.
Zakynthos (Dorf Koiliomeno).
'Cxtcc ßpdbu eire'paca dq>' tc* dKKXrjciäc Tr)iA TtöpTa.
Kai mou äpece vd TrpoßaTüJ, ir\ poOra vd irriTCuvw.
Kfj ^KdGica Krj eye'Tpr|ca Td iivriiiaTa iroca eivar
BpiCKU) Td |ivr)|aaTa ^koto, Td judp/iapa biaKÖcia.
5 Krj «ei eTrapairaTrica eic dvTpeiwfie'vou |ivf)na
Kr) aKOuuj tö lAvrjiAa Kai ßotKaei, tö vt'o Krj dvacrevd£ei.
'Mvrjjid iaou, ti fyeic Kai ßoYKqtc, vie iaou, Krj dvacTe-
vd£eic ;
Mfjv etv' tö x^jLia cou ßapu k' f\ TiXaKa cou ikyixXii;' —
'Aev elv' tö xw^d mou ßapi» k' f) TrXaKa iaou lAeYdXr),
io'AXX' fjpeec Kai u.' eTrdTrjcec arrdvou ctö KeopdXi.
TTivuj toö äbr) tö vepö, eivai TiiKpö qpapiAOKi,
29, 11. irOüc inäTTjcec meine Quello: ich habe u' eingeschaltet.
S. L. 30, 10. — V. 15 und 16 gehörten vielleicht ursprünglich einem
anderen Liede an.
HO. Dieses Lied scheint nicht ganz vollständig und treu mitge-
theilt zu sein. V. 6 und 7 bot meine Quelle also : K\) ökouuj tö uvrjun
Kol ßoTKdei Kai ßapuavacTeväZei. f Mvf|uä uou, ti ix tlc * ai ßoY*äc Kai
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- 171 —
Da hör' ich, wie das Grabmal stöhnt, der Jüngling drinnen
seufzet.
'Was ist dir, Grabmal, dass du stöhnst, was seufzest du,
mein Jüngling?
Ist denn die Erde dir zu schwer, zu gross die Marmor-
platte?» —
io f Nicht ist die Erde mir zu schwer, zu gross die Marmor-
platte.
Doch das empfind' ich schmerzlich, dass du mir aufs Haupt
getreten.
War nicht auch ich ein Jüngling einst, ein tapfrer Pallikare?
Lustwandelte nicht einst auch ich bei Nacht im Monden-
scheine?
War eines Königs Sohn ich nicht, nicht Enkel eines Grossen V
15 Den Mai trug auf den Schultern ich und auf der Brust
den Frühling,
Es strahlte mir der Sterne Glanz von Augen und von Brauen.
Ich war zu stolz einst, mit dem Fuss die Erde zu berühren,
Und jetzt lass' ich gefallen mir die schwarze Erd' als Lager!'—
30.
Am Abend gestern wandert' ich vorbei am Thor der Kirche,
Und es gefiel mir, weiter fort die Strass' entlang zu gehen.
Drauf setzt' ich nieder mich, zu sehn, wie viel der Gräber
seien.
Ich zählte ihrer hundert, dann zweihundert Leichensteine.
5 Aus Zufall strauchelt' ich imd trat auf eines Tapfren Grabmal.
Da hör' ich, wie das Grabmal stöhnt, der Jüngling drinnen
seufzet.
'Was ist, mein Grab, dir, dass du stöhnst, was seufzest du,
mein Jüngling?
Ist denn die Erde dir zu schwer, zu gross die Marmor-
platte?' —
'Nicht ist die Erde mir zu schwer, zu gross die Marmor-
platte,
io Allein du bist gekommen und hast mir aufs Haupt getreten.
Des Hades Wasser trinke ich, das bittrem Gifte gleichet.
ßapuavacxevdZeic ; ' Da aber im Folgenden der im Grabe ruhende
Jüngling als auf die Fragen in V. 7 und 8 antwortend eingeführt wird,
so waren die beiden Versenden nach L. 29, 7—8 umzuändern.
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- 172 —
To mvouv ve'oi, eXtßoviai, xai viaic Kfj dvacrevdZouv •
Md ifwum ßaaXiwc Traibi k* eljuai Kai pnra yyövi.' —
Kai rcdXi ^ataTre'paca Ten e'KKXnciäc tt|u TcdpTa
löKrj dKOuuj Tf| Xapövncca, |uaXwvei jLte to Xdpo-
'OÜXoUC TOUC V€OUC TTOÖ JIOÖ €*<p€peC OÖXoUC TOUC ri|iepUJVUJ,
Md £TOÜTOV€ TO VIOUTCIKOV — i^Ut pUUUOUC btV €*X€l,
Xwpic vepö bk TtueTai, xwpic Kpaci be Tpiirrci.' —
31.
Kcphalouia (Dorf Katapodäta).
'Eipec tö ßpdbu ebidßaiva ott* tc' ^KKXnciäc thjh Tröpia.
K' e?xt CKac^idba f) ^aüpr| Tfjc k' efba töv kotw köcjlio'
Kr) aKOuca viaic ttoö xMßovrai Kai viouc ttoö dvacTevd£ouv,
Ka\ aiKwvouve Td x e P ia T cou Kai Kavouv tö CTaupö ctou*
5 r TToXXd KaXd ttoö Kavei 6 öcöc , Krj e'va KaXö bev Kaver •
KdG' dTtOKpid Kai TtacxaXid v' üvoiYr) 6 kotuu köcjlioc,
Nd ßXeTrrj r) ndva Td Traibid Kai Td Traibid xi\ jidva,
Nd ßXeiTOuvTai Kai t* dvrpÖYuva Td TroXuaYaTirm^va,
Nd ßXe'TTouve k' rj dbep<paic t' dYaTrrjjueva dbepqna!' —
32.
Ebendaher.
Bruchstück.
Kg d coö 7Tovf|, jiavoöXd pou, vd Ibrjc tö TTpocumö u.ou,
Kd^e Td vuxia cou Tcarri Kai tc' dTtaXdnaic <pTuäpi
Kai CKdijje dirö tö xü>|id u.ou, Y»d vd fit EecKtTrdcrjc.
Kr) äv ffaai äcTrpoc Kai kokkivoc, CKÜipe Kai q>i\r\cl ye!
5 Kr) äv fjuai ^aupoc Krj äexnMoe, Yupic' to, CKetrace jie!
30, 15. In dem mir vorliegenden Texte dieses Liedes, welches
mir schriftlich mitgctheilt worden, lautet dieser Vers: Krj dKoütu tö
Xdpo Kai |mäXujv£ u- tv| Xapövriccd tou. Allein nicht Cbaröntissa, son-
dern Charos ist es, welcher die Todten in die Unterwelt befördert;
der Vergleich mit 27, 4 und 28, 5 lehrte, wie zu ändern war.
L. 32 ist auch auf Zakynthos gekannt. Aber auch dort gelang es
mir nicht das ganze Lied zu gewinnen; im Dorfe Loukka schrieb ich
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— 173 -
Es trinken's Jünglinge mit Qual und Mädchen unter Seufzern.
Doch ich bin eines Königs Sohn, bin Enkel eines Grossen.' —
Und wieder wandert' ich darauf vorbei am Thor der Kirche.
15 Da hörte Charos' Gattin ich mit ihrem Ehherrn hadern:
r Die Burschen alle, die du mir gebracht, kann ich bezähmen.
Nur dieser kleine Bursche da, der lässt sich nicht bezähmen,
Will ohne Wein und Wasser nicht die Mahlzeit zu sich
nehmen.' —
31.
Am Abend gestern wandert' ich vorbei am Thor der Kirche
Und blickte in die Unterwelt durch .einen Riss der Erde
Und hörte Mädchen jammern laut und junge Burschen
seufzen.
Sie hoben ihre Händ' empor, bekreuzigten sich dreimal:
5 'Viel Gutes wahrlich thuet Gott, doch eines thut er nimmer:
Zu Fastnacht und am Osterfest müsst' öffnen sich der Hades,
Auf dass sich gegenseitig säh'n die Mütter und die Kinder,
Auf dass sich wiedersähen auch die treuen Ehegatten,
Und dass die Schwestern wiedersäh'n die vielgeliebten
Brüder.' —
32.
Wenn du dich sehnst, mein Mütterlein, zu schaun des
Sohnes Antlitz,
So mach' zum Karst die Nägel dein, die flache Hand zur
Schaufel,
Nimm weg das Erdreich über mir und deck' mich auf, den
Armen.
Und wenn ich weiss und roth noch bin, so beug' dich,
mich zu küssen.
5 Doch wenn ich schwarz bin und entstellt, so decke zu
mich wieder!
aus dem Munde einer Frau folgendes dem obigen entsprechende Frag-
ment davon nieder:
Kai cxdijjc Iii Tä vüxia cou cäv dtpioticpaKiva.
Krj dv flucti cäu itujc t^uouva, CKÜqie Kai q>(Ar|cl ne!
Kr) dv f^ai naüpoc Kai x^wuioc, Tpdßa, koukoüXujcI |U€.
Diese Verse wurden von meiner Quelle mit einer Variante der Lieder
29 und 30 in ungehöriger Weise vermengt.
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174 -
33.
Ebendaher.
TT£r€ nac ti EouXe'ipaTe koltku ctöv kcctuj köclio,
TTüjKei x°PÖc be YiveTai, ttujk€i x<*P« bev eivai,
TTwKei dcTrpoi naupfcouve k' 01 jiaöpoi äTtoMaupiCouv
Kai ptc' tö capavTormepo dpMOuc up|iouc x^piCouv;
öTTe'cpTouve Ta Savßd inaXXid, ßratvouv toi naöpa u.&Tia,
Kai xwpia irdei tö xopn! Kai xwpia tö KetpdXi.
Kephalonia (Dorf Zerbata).
T7paTMaT€UTf)c 6e vd ycvuj, vd KOTaißui ctöv dbrj,
Nd Ttapiü pouxa Y»d Ter] viaic Kr) dp^aTa rid tcouc veouc
Kai qpecia TOuvettviKa fia tc' öjuopcpouc XeßevTaic.
To Xdpo 7T€piKdXeca Td x^P ia CTaupuipeva,
öNd moO baveicrj Td KXeibid, KXeibid Tcfi irapabei'coc,
Nd Iba) tcoi viouc ttüjc dTrepvoöv , tcii veaic ttoic biaßaivouv.
BpiCKiü Ter] viaic HecTÖXicraic , tcou viouc 2apnaTWu.evouc
Kai Td piKpouTciKa rratbid xwpic noKafiicdKia.
35.
Zakynthos (Dorf Mariafs).
XpiCT^, Kai vd ue ßdvave irpaYMaTeuTf) ctöv dbr),
Nd ßdXw cTriv Kavicrpa nou k6Gcc Xothc Xofdbi,
NctxuJ toö ve'ou TrouKdjüiica, Tcf| XuTepfjc ßeXe'cia,
Ndxtu Kai toö mKpoö Traibioü 9acKiaic Kai cTraptavibaic !
3G.
Zakynthos (Dorf Koilionu-no).
Xpicre\ Kai vd jioö Xe^ave ttujc epxouvTai d<p' töv abr),
Kfj a bev frpexa YXrpropa, Td Tröbia vd poö eVößav,
Kr) a bev e'YVwpiEa KaXd, Td u.dTia vd pou ^ßxdvav,
Kr) a bev dtKdXia£a cqpiXTd, Td x^P ia vd |io0 eKÖßav,
5 Kr) a bev e'qpiXouva fXuKa, tö CTÖpa vd juoö Tre'cr)!
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— 175 -
33.
Sagt nur, wonach begehrtet ihr da unten in dem Hades,
Wo man zum Reigentanz nicht geht und keine Hochzeit
feiert,
Wo schwarz die Weissen werden und die Schwarzen noch
viel schwärzer,
Und binnen vierzig Tagen sich des Körpers Glieder lösen?
5 Die blonden Haare fallen ab, die schwarzen Augen faulen,
Und Rumpf und Haupt sich trennen los und gehen aus-
einander.
34.
Ein Handelsmann will werden ich, zu gehen in den Hades,
Dass Waffen ich den Jünglingen, den Mädchen Kleider bringe,
Und Fese vom Tuneserland den schönen tapfren Burschen.
Die Hände faltend wandt' ich mich an Charos mit der Bitte,
5 Dass er die Schlüssel leihe mir, des Paradieses Schlüssel,
Zu sehn, wie es den Burschen geht und wie den jungen
Mädchen. »
Die Mädchen find' ich ohne Schmuck, die Burschen ohne
Waffen,
Die armen kleinen Kinder gar entbehren selbst der Hemdchen.
35.
Herr Jesus, schickte man mich doch als Händler in den
Hades,
Dass Waaren ich von aller Art in meinem Korbe brächte,
Den jungen Burschen Hemden fein, den schlanken Dirnen
Röcke,
Und Wickelbind' und Windeln auch den armen kleinen
Kindern!
36.
Herr Jesus, meldete man mir: die Todten kehren wieder!
Eilt' ich da nicht entgegen gleich, wollt' ich die Füsse missen,
Erkannt' ich sie nicht wieder, wollt' die Augen ich verlieren,
Drückt' ich sie nicht an meine Brust, wollt' um die Händ'
ich kommen,
5 Und küsst' ich sie nicht inniglich, da sollt' der Mund mir
faulen!
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- 17(3 -
37.
* Zakynthos.
TTXe'ei toö Xdpou to ttcm, TTXe'ei tct) u.aüpaic poipaic,
'€k€i ttoö eivai ipuxaic iroXXaic, re'poi Kai Kopadbaic.
Maöpo eiV tö Kapdßi tou Kai u.aöpa Td Travid tou,
(Maöpo eiV tö «acptbi tou Kai paupa Tä Koumd tou.)
sTp^xouv xuvaiK€c Kai Traibtd, ävTpec Kai KaXorepoi,
Tpexouv eic to KatKi tou, Tcoi dpTrdxvei dnö tö x^P>-
Kpua eTv' Td Kpeidia tou, äcrrpa eiV Td uaXXid tou,
Apairdvi exei ctö x^P* tou, tt&ptouv Td KÖKKaXd tou.
Krj e^eT ttoö rre'qpTOuv* nidvouve Kaiovrac cd cpujTia,
10 Cd vd Tirouva e'Kei kovtq |ierdXr| cpouYYapia.
'Tpe'xa, ßpe Xdpe, Tr^pvoc 1 touc, k j eiV äXXoi ttou trpoc
uivouv.' —
'ApTTaXVtl 6K61VOC TO KOum Kai touc kuttoci Kai (pcutei.
Kai TrdXt e>aTatupice Kai ttoXi ^aTOTT^pe
"AvTpec, tuvaiKec Kai iraibid, Y*'pouc, Traibid Kai xnP«K-
38.
Ebendaher.
'Aq>' TÖ TTOTaU.1 TO ÖTTOTO 6 XdpOC €TT€pVOUC€,
Kai u.ia ipux^i eupe'eri e\ei Kai töv exaipeToüce
cT Q Xdpe u.ou TtoXuxpove Kai TToXuaYaTrr)u.eve,
TTdpe u.€ Kai eu.£ Kovrd, TTdpe u.e cu Kaüjue've!
5 0TUJXOÖ ipuxn tfyouva, (pTuixoö Kai biaKOVidprj,
NT dq>r|cav€ ki) exd0n,Ka T*' £va KXovi KpiGdpi.
CTfcpvd £>€ be iioubuJKav, be u.oubu>Kav Tcf) Kaüuivric,
Mr|T£ X6<pTÖ ctö CTÖjia u.ou Tid ce ttou Trepiu.e'veic.
0TUJxd tJtouv Td TraibdKia jjou, qnu>xd ki) dTreXTTicu.eva,
10 T dqpncavc, TraiGdvave äeaqrra, Td Kaüpe'va.
'€cu Td TTTipec, Xdpe jjou, ecu to mipec, c'.eiba,
T6u.ou tö Kpuo tö x € P ! cou tc* äpTraüe Tf| TrXeEtba.
TTdpe u.€, Xdpo, TTdpe ue, Tfdpe )ne, *rf) Kaü|ue'vr|,
TTdpe u.'e'KeT, Trdpe u/ «ei, ttou öXXoc be ce TTpocuivei ! ' —
37, 4 scheint nur Stellvertreter von V. 3.
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— 177 -
37.
Des'Charos Segel blähet sich, zu ziehn zum Ort der Trauer,
Wo viele Seelen sind vereint von Alten und von Jungen.
Schwarz ist die Farbe seines Schiffs, die Farbe seiner Segel,
(Von schwarzer Farbe ist der Kiel, und schwarz sind seine
Ruder.)
5 Es eilen Kinder, eilen Fraun, und Ehgemahl' und Mönche,
Um einzusteigen in sein Boot; er fasst sie bei den Händen.
Gar kalt fühlt sich sein Körper an; schneeweiss sind seine
Haare,
Die Sichel hält er in der Hand, es klappern seine Knochen
Und fangen Feu'r und brennen hell beim Aneinanderstossen,
10 Als war' von einem grossen Brand die Gegend rings er-
leuchtet.
'Auf, Charos, setz' sie über doch, noch andre harren deiner.* —
Er greift zum Ruder, überblickt die Schaar und fährt von
dannen.
Und wieder kommt gefahren er, und wieder nimmt er mit sich
An Müttern und an Kindern viel, an Männern, Greisen,
Wittwen.
38.
Den tiefen Strom der Unterwelt durchschnitt des Charos
Barke.
Am Ufer diesseits grüsste ihn die Seele eines Todten.
'Heil dir und langes Leben dir, mein vielgeliebter Charos !
Nimm doch auch mich mit in dein Boot, o nimm mich
auf, mein Lieber!
5 Ein Armer war bei Lebzeit ich, ein armer alter Bettler,
Den man zu Grunde gehen Hess um einen Bissen Brodes.
Kein Todtenopfer ward zu Theil der Seele des Verstorbnen,
Selbst einen Heller gab man nicht ihr mit für dich, den
Fährmann.
Arm waren meine Kinder auch, in Elend und Verzweiflung.
10 Sie starben in Verlassenheit und fanden kein Begräbniss.
Du hast, o Charos, sie geholt, du warst's, mein Auge sah dich,
Wie du mit deiner kalten Hand sie an den Haaren fasstest.
Nimm mich, o Charos, nimm mich auf, nimm meine arme
Seele,
Und bringe sie dahin, dahin, wo niemand deiner harret!»-
Schmidt. Oriech. Märchen, Sagea u. Volkflieder. 12
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15"€tci toG ciV dKCtoö fi H/uxn, ki) ö Xdpoc jcr\ dTTOKpiGri.
'"GXa, Hiuxn, eTcm KaXr|, kt) ö öioc ck £cTrXaYXvr|Gr|.* —
Tf)V äpTraü€, Triv €ppi£e cTrjv öXXr| tou M^P» a ?
Kri aTrXiuvovTac töt€c tö ttovi <p€ÜY€i an* e^ei u.aKpua.
39.
Ebendaher.
'0 Xdpovrac dbiaßaive \ii rr\ XapövTiccd tou.
Krj eupr|Kave 2va t^povia ttoö IkXoiyc toi Traibid tou.
f Ti ?X €IC > T^povTa, Kai kXoic; fyacec tol Traibid cou;
CujTTa Kai Mn uapaivecai, KdGouvTai £bw kovto cou.' —
5 tv €xaca, Xdpe, Td KaXd, xövovtoc Td Traibid u.ou,
XdvovTac Tfj YuvaiKd you xf) oüXri Tf| (pa^eXid u.ou.
CO jiou Td rnipec, XdpovTa! böc mou Ta ouXa dmau
Kai tupice Kai £Xa 'bw, £Xa vd ck qnXricuj!
OiXoc cou 6^ vd ycvuj, iftij xai Td Traibid u.ou,
io 'Gyw xai f) YuvaiKd nou kt) ouXrj f| cpapeXid u.ou.' —
f Nd ^iröpia, Ttpo, c* TujKava, couKava IfOj Tf| xdpi,
Md bk urropw, b€ buvau.ai, fyw öxTpö XiovTapi,
"€xw öxTpö ifw ckuXi, tt' oüXouc Mac yäc cpuXdei,
Kfi ävTac ibr), Tapd&Tai Kai GAei vd ui <pdrj.
iö€ivai ckuXi Tpnc6paXo, ttoö Kaiei cd opuma,
"€x€i Td vuxia TrouvTCpd Kai tt|v wpd u.aKpua.
Bxdvei (puJTid , qp > Td (LiaTia tou, dirö tö CTÖjia Xdßpa,
C H YXtfjccd tou cfvai ^aKpud, Td böVna tou €?vai u.aupa.
Kr) ävrac Treivdei, Td bövTia tou t' £va jn£ t' dXXo cKdve,
20 Cdv vd rfrouva £kci kovto qpaßpoi ttoö TicXeKäve.
v €xw ttouXi exib öxTpö, q>r]Xö cd juia XeXe'xa,
- 179 -
15 So bat des Bettlers Seele ihn, und Charos drauf erwidert:
'So komm denn, Seele, du bist gut, und Gott erbarmt sich
deiner.' —
Er nahm den Todten, setzte ihn an seiner Seite nieder
Und zog darauf das Segel auf und fuhr von dannen eilig.
*
39.
Die Strass' entlang zog Charos hin mit seiner Ehegattin.
Sie trafen einen Alten an, der weint' um seine Kinder. .
'Was hast du, Alter, dass du weinst? Kamst du um deine
Kinder?
Hör' auf zu härmen dich darob, sie sind in deiner Nähe.' —
5 'Verloren hab' ich all mein Glück mit dem Verlust der Kinder,
Mit dem Verluste meines Weibs und meines ganzen Hauses.
Du hast sie, Charos, mir geraubt, gib sie mir wieder alle,
Dann drück' ich dich an meine Brust und küsse dich zum
Danke.
Dann werde ich dein treuer Freund mit allen meinen Kindern,
10 Mit meinen Kindern, meinem Weib und meinem ganzen
Hause.' —
'Vermocht' ich's, Alter, thät' ich's wohl, thät' ich dir den
Gefallen.
Doch kann ich's nicht, da einen Feind von Löwenstärk'
ich habe:
Ein Hund von schrecklicher Gestalt bewacht gar streng
uns alle.
Bei meinem Anblick tobt er wild und will mich schier
verschlingen.
15 Drei Häupter hat das Ungethüm, die Feuerflammen gleichen,
Die Lüfte peitscht sein langer Schweif, und seine Klauen
drohen ;
Die Augeu sprühen Feuer aus, sein Ilachen sendet Gluthhauch,
Und zwischen schwarzen Zähnen hängt heraus die lange
Zunge;
Und so es hungert, knirschet es gar furchtbar mit den
Zähnen, •
20 Laut dröhnt's, wie wenn der Hammer fallt aufs Eisen in
der Schmiede.
Ein Vogel auch ist feindlich mir, dem Storch an Grösse
gleichend,
12*
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— 180 —
TTiüxei Td vuxia Humuto k' eivai u.icö YuvaiKa.
NT ä Gc'Xrjc, Yt'po, vd Ta ibrjc, e"Xa cri\v ccfKaXid |iou!
Kai 0a ce Ttdo) ibw kovt6, ttoö eTvai fi KaTöiKid u.ou.' -
25 Kai £c<pi£e tö y^POVto ccpiXTa CTf|v ärKaXiä tou,
Kr] dKivncav icrj c'nriYave vaüpouve Td iraibiä tou.
Kai »cXaiovTac 6 rcpovTac töv köqio xaipCTäei,
Kai Tfj ipuxf) ttou ftpeuxe tö m6ti didouGdei.
fV Au.e, ipuxn nov, ctö KaXö Kai CTfj KaXrj Trjv wpa,
30 Kai vd Yiouacrj h frovfa cou TpavTätpuXXa Kai pöba!' —
0 XdpovTac ^Kivnce jjc th XapövTiccd tou.
c O TtpovTac HaTrXu)9r|K€ TpaßtuvTac Td jnaXXid tou.
C. Hochzeitsliecler.
40.
Kephalonia (Samos).
( €uxncou |ne, TraTepa fiou, vd TTidctu Td 7rpocuu.ia!' —
r 'Q Tfjv euxri (iou vox^e, xfj 6 Geöc vd cäc TrpoKÖiyrj!' —
'eüxncou )i€ ; u.avoöXä pou, vd mdcuj Td trpoZuma!' —
f 'Q Tf|v euxn juou vöx^Te, Kf| 6 Geöc vd cäc irpoKÖiffif) ! ' —
6 f 6uxn0tiT€ , jLiTrap^Trdbec u.ou, vd iridcuj Td TrpoEünia!' —
ttiv euxt'i M«c vdxtTC, Kr) 6 9€Öc vd cäc TTpOKÖiyr)!' —
41.
Ebendaher.
CriKw, vucprj, Krj c^oiydcou,
Niipou Kai CTaupoxepidcou !
COpe, Käjie fiiä |i€Tävoia
Tou TraT^pa Kai Tcf) fidvac, •
5 Nd co*0 bujcr) Tfjv cuxn Trjc
Tou 9eoö Kai Trjv biKrj Tr)c! —
<Cüp€, ndTia u.ou, ctö KaXö, cupe Kai ctt|V euxn jjou,
40, 6. jiac habe ich geschrieben für ^ou.
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— 181 —
Zur Hälfte Weib, doch fürchterlich durch seine scharfen
Krallen.
Doch willst du sehn die Deinigen, so komm in meine Arme !
Ganz in der Nähe ist mein Haus, da will ich hin dich
führen.' —
25 So presste er den Alten fest in seine starken Arme.
Zusammen zogen sie nun fort, zu finden seine Kinder.
Und unter Thränen nahm der Greis vom Erdenleben Abschied,
Sein Auge folgt der Seele nach wie sie vom Körper fliehet.
f So zieh denn, meine Seele, hin zum Heile dir und Segen,
30 Und mögest duft'ge Rosen du auf deinem Wege finden ! ' —
Im Augenblick, da Charos sich mit seinem Weib entfernte,
Da streckte sich des Alten Leib im letzten Todeskampfe.
C. Hochzeitsliecler.
40.
l O segne mich, mein Väterchen, dass ich den Teig nun
knete!' —
Ma, meinen Segen nehmet hin, und Gott lass' euch ge-
deihen ! ' —
r O segne mich, mein Mütterlein, dass ich den Teig nun
knete!' —
'Ja, meinen Segen nehmet hin, und Gott lass' euch ge-
deihen!' —
5 f O segnet mich, ihr Onkelchen, dass ich den Teig nun
knete!' —
'Ja, unsren Segen nehmet hin, und Gott lass' euch ge-
deihen!' —
41.
Auf! mein Bräutchen, mach' dich fertig,
Wasche dich und kreuz' die Arme!
Geh, verneig' dich ehrerbietig
Vor dem Vater und der Mutter,
5 Dass sie gebe dir den Segen,
Ihren und auch Gottes Segen! —
'Zieh hin, mein Augenstern, Glück auf! Zieh hin mit mei-
nem Segen,
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— 182 -
Ctoö 06OÖ KO\ CTf)V blKH jnou!
Krj ö Geöc vd ce TTpOKOv^rj,
io"e£n t€kv(x vd coö biwcrj!
Ndv* id xeccapa 7raibdKia
Kai xd bud KOTTeXoubdKia!' —
42.
Kephalonia (Dorf Zerbata).
'Miceuw, |iidva, Kr) ex* irrid,
Kai TidTU) c' ctXXri YeiTovid.' —
f Cöp€, ÖuYaTepoüXd uou,
Kai vdxflc xfiv eüxoöXd jliou!
öCöpe, Traibi uou, ctö KaXö,
Tc 1 öxxib Yupice vd c J ibw!
Krj ä ce naXwcrj f\ TteGepd,
Nd urj tö S^prj fj reiTovid,
Krj a ce uaXiucr) 6 dvipac cou,
10 Nd |if) tö geprj n UTrdvTa cou!' —
43.
Ebendaher.
Ndv' ö Ya/iirpöc KaXÖTuxoc k* y\ vu<pr| KaXouoipa,
Nd Kaurj dpceviKd iraibid Kai OuraTtpa uia!
7 Q xapd ce TeToia udva,
TTwKaue TeToia couXTdva!
5'Q xapa c 1 tctoiov naTepa,
TToö exei Texoia GuraTepa!
Md k* n Tieöepd exei qpuci,
TTujKajLie Te'Toio Kimapica!
AdjuTrei fj vüqprj ue*ca c' öXaic
loCdv TpiavTdqpuXXa Kai ßiöXaic.
Adjutrei fj vuqpn f\ revid Ten
Kai t* dbep<poeHdbep<pd tcti.
€iv* n vutpn uaTCoupdva, -
Kr) ö YauTrpöc Xpucrj KauTrdva.
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— 183 —
Meinem und auch Gottes Segen!
Gott lasse dich gedeihen,
10 Geb' sechs Kinder dir zu eigen!
Vier davon soll'n Knäblein sein,
Die zwei andern Mägdelein!' —
42.
'Gehab dich wohl, mein Mütterleiu,
Ich geh' und zieh' wo anders ein.' —
f Zieh hin, mein liebes Töchterleiti,
Und nimm mit dir den Segen mein!
5 Zieh hin, mein Kind, zu deinem Glück,
Doch in acht Tagen kehr' zurück! 1 )
Schilt dich die Schwiegermutter aus,
So bleib's hübsch drinnen in dem Haus,
Und schilt dein Ehgemahl dich aus,
10 So mach' dir nicht zu viel daraus!' —
*
43.
Mög' glücklich sein der Bräutigam und seine Braut gesegnet,
Dass lauter Knaben sie bekomm' und nur ein einzig
Mädchen !
Welcher Stolz für solche Mutter,
Die geboren solche Schöne!
5 Welcher Stolz für solchen Vater,
Der gezeuget solche Tochter!
Art hat auch die Schwiegermutter,
Die den schlanken Sohn geboren!
Bräutchen glänzt vor allen andern,
10 Wie die Rose und das Veilchen,
Glänzt sammt ihrem ganzen Stamme,
Sammt Geschwistern, Vetterschaften.
Bräutchen gleicht dem Majoraue,
Bräutigam einer goldnen Glocke.
') zum Besuche der Mutter.
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- 184 -
D. Liebeslieder.
44.
Zakynthos.
KeqxxXiuvrncca öiuoptpri Kai TTatpivict Kupd nou,
Met €cu, ZaKuv9ivoöXd nou, |biujKaq/ec tt]V Kapbid nou.
45.
i
Ebendaher.
Cid irapaiOupi, ttoö elcai cu, eivai k*| äXXaic Kovrd cou,
Mä ecu 'cai tö rapoü^aXo k' f| dXXaic xd KXabid cou.
46. .
Ebendaher.
"0, ti jnoO Tirjc, dtdirri \io\), ö, ti fioü tt^c, 9d Kdu.uj.
0d KÜOouf-iai vd coö ^CTpüj kXovi kXovi töv dj4io.
47.
Ebendaher.
Ce Touinve tf) ycitovhx, cid x<*M*lk« cmTOKia
KdGouvTai bud |ueXaxpoivaic Td nouKanicdiaa.
48.
Ebendaher.
H9eXa vd drevoTouva n GdXacca crparutvi,
Nd epxö^ouva, Mapivo nou, vd ibüu, ttoioc coö CTpuuvei.
49.
Ebendaher.
0eXuj vd c' dXrjcu.ovr|CUJ , k* x\ Kapbid iliou efe irover
Cu 'cai f| irpuiTTi u.ou dranr), cu 'cai k* r] TravToteivr|.
50.
Zakynthos (Dorf Plemonario).
"Apxice, Y^üKXa TaTreivn, icrj piu.vaic v* dpabiderje,
Tnv KÖpn dir ' tö TTeptouXo vd Tnve KaTaißdcrjc.
"Apxice, rXiLcca xaTreivn, YXüjeca ßacavicuivrj ,
"Ottou xcfi axaTTnc tö ciraOi c' i%a ßaGua Konuivn*
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— 185 —
D. Liebeslieder.
44.
Schön ist die Kephalonierin, auch Patras' Maid verehr' ich,
Doch dich, mein Mädel von Zakynth, mit heisser Gluth
begehr' ich.
45.
Am Fenster, wo du sitzest, Lieb, kann man auch andre
schauen,
Doch du, du bist die Nelke und die andren deine Stengel.
46.
Was du, mein Liebchen, mir befiehlst, das führ' ich aus,
auf Ehre!
Ich setz' mich hin, und Korn für Korn zähl' ich den Sand
am Meere.
47.
Hier in der nächsten Nachbarschaft, in jenen niedren Hütten,
Da sitzen zwei Brünetten drin, nur von dem Hemd ver-
hüllet.
48.
0 würde doch, wie wünscht' ich es, das Meer zur breiten
Fläche !
Denn sehen möcht' ich, wer, Marin, das Lager dir bereitet.
49.
Möchte wohl vergessen deiner, doch mein Herz verlangt
nach dir;
Meine erste Liebe bist du, meine Liebe für und für.
50.
Beginne, arme Zunge mein, hübsch Vers an Vers zu reihen,
Und ziehe von dem Laubaltan die Maid zu mir herunter.
Beginne, arme Zunge mein, du vielgequälte Zunge,
In die der Liebe spitzer Stahl so tief ist eingedrungen;
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— 186 —
5 v Apxice, YXwcca TaTreivr), KurraHt vd jnfi apdXXrjc,
Ttaii ebw neca KaOouvTai öXoi TTpurrobacKaXoi. —
KaXri cou vuxia, udTia nou, KaXr) cou aurr), yuxn Mou,
KaXd cou EnM^P^Maxa, baxTuXiböcTO|urj |liou!
51.
Zakyuthos.
'Kupdica TTXucTpoTrouXa,
Kd(ne uou <iva KaXö'
TTXöve mou eva navTT}Xi,
Krj tYUJ c' euxapiCTüj.' —
5'Aev elnai TrXucTpoTroüXa,
Atv ei^ai, Öttujc Xec,
ITapd efuai naupo^dia,
fToü vyevuj Ter) Kapbtaic.' —
52.
Ebendaher.
f KaXn ucpa cou, Kupd mou! crrjv di^va Tf) xpucfi
Ti (puieüeic, ti ttot&cic, Kai be ßraivcic vd ibrjc —
'TI ce tvoidici, TraXXrjKdpi, ti <puTtüuj, ri exw fcbüj;
Töba Krj ävGia TrXouMicjuicva rid tö vtov ttoü dYaTTÜj.' —
ö'Mirdce Tri tacTpoöXa uica, ttou tyiic tö ßaciXiKÖ,
Mfm Ttepacr) t* dnbovaKi Kai cou <pdrj töv dvSö.* —
r T' dtibovdia Kr) ä TTtpdcii Kai /nou qpdrj tov dvuo,
"€xiu dvöia naYCiitva Yid tö vto ttou draml;.' —
53.
Zakynthos (Dorf Plemonario).
ToO xopo°-
Köpr) Mapiavn, KÖprj MapiavoTroüXa,
TTou dTraiGunnce — tö li\o,
FTcc (iou, <püjc /aou, ti vd reviu —
51, 8. Statt ttoü y£vu> xcrj »capöiak auch uapcuvw Tcrj Kapoiaic.
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6 Beginne, arme Zunge mein, gib Acht, dass du nicht fehlest,
Denn lauter Meister des Gesangs sind, die da drinnen
sitzen. —
Gut' Nacht, mein Leben, wünsch' ich dir, und einen guten
Morgen,
Erwache süss, du herzig Lieb, mit deinem runden Mündchen !
51.
'Verehrtes Waschmamsellchen,
Thü 'nen Gefallen mir,
Wasch mir ein Tuch recht sauber,
Nimm meinen Dank dafür.' —
5 'Ich bin kein Waschmamsellchen,
Bin nicht, wie er mich nennt,
Bin ein schwarzäugig Mädchen,
Das Herzen nur verbrennt.' —
52.
'Guten Tag, verehrte Herrin! auf dem goldnen ßrete da
Was doch pflanzest, was begiesst du? Kommst nicht mehr
heraus zu mir?' —
'Was geht dich das an, mein Bursche, was ich pflanz' und
hege da?
Rosen sind's und bunte Blumen für den Jüngling meiner
Wahl.' —
ß'Th'u hinein den Topf, worin du ziehest das Basilikum,
Dass die Nachtigall nicht komm' und beisse dir die Blii-
the ab.' —
f Ob die Nachtigall auch komm' und beisse mir die Blüthe ab,
Meine Blumen sind verzaubert für den Jüngling meiner
Wahl.' -
53.
Tanzlied.
Jungfer Marian', die kleine Mariane
Hatte just den Wunsch — mein Leben,
Sag, was soll aus mir nur werden —
— 188 —
fToö ctTTaieujunce kotou yioAö vd TrXüvrj.
5 Kai toi inäZwH — tö £evo,
fTec juou, dtTCtTTT] , ti vd rivw —
Kai rd ^dCwSe Td XiYöOfidcxaXd tcx\
Kai Td £(pöpTU>C€ — xaXe nou
TpixXwve ßaciXiK^ you —
10 Kai id d(pöpTUJC€ ctö koXXio tcy] nouXdpi
K»i ^KaTaißrpce, KdTOu YiaXö Td TtXuvei.
Kr) 6 dve^oc qpuca — tö Hvo,
TTe'c uou, dYdTrri, ti vd y^vuu —
Kr) 6 äve/joc cpucql, patcTpoc, TpeuouvTdva,
15 Kai Tcfj crpcwcl tov, tÖ|h TrooÖYupd Tcrj,
Kai dq>dvrjK€ — tö &vo,
TJic jxou, qpüjc jiou, ti vd fivw —
Kai £q>dvr]Ke tö CTpataXoirobö toi,
Kfj äXdu/ ö TiaXöc - tö Hevo,
2oTTec uou, aYami, ti vd fivw —
Kr) fiXaip' 6 Y"*X6c, Kr) äXau/ ouXoc 6 köcjlioc.
54.
Kephalonia (Bezirk Sanios).
Toö xopoO.
NT dpÖYeuj' rj ^avoüXd uou c' dpxovTOTrouXac x^pia,
Ce cTtaGid Kai cfe uaxaipwr
Nd KoußaXüj tö x^io vepö,
Tov xeiMWTKaipo,
5'0x toö Tracä tx\ ßpuci —
TToioc Tf)V xdvei T^oia Kpia; —
Nd TtXaCvrj Td Trobdpia Tpc,
Td Hepdbia nie*
Nd cre'Kw 6p0öc vd tt\v Kepvüü, —
ioTö)i Trepibpouo! —
53, 15. Der junge Bauer, aus dessen Munde ich dieses Lied nieder-
schrieb, gab hier nur Kai xcf) cr)KU>ce tou TrooÖTupct Tcrj. Allein das
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— 189 —
Hatte just den Wuusch, zu waschen an dem Strande.
5 Und sie sammelte — mein Liebchen,
Sag, was soll aus mir nur werden —
Und sie sammelte die schmutzigen Gewänder,
Packte sie sodann — Basili-
kum, du schönes mit drei Stengeln —
10 Packte sie sodann auf ihrer Mäuler bestes,
Stieg hinunter nun, am Strande sie zu waschen.
Und es bläst der Wind — mein Liebchen,
Sag, was soll aus mir nur werden —
Und es bläst der Wind von Norden und Nordwesten,
ir,Hebt ihr in die Höh' die Falbel ihres Kleides,
Und es zeigte sich — mein Leben,
Sag, was soll aus mir nur werden —
Und es zeigte sich der Knöchel ihres Fusses.
Da erglänzt der Strand — mein Liebchen,
20 Sag, was soll aus mir nur werden —
Da erglänzt der Strand, erglänzt die ganze Erde.
54.
Tanzlied.
Mein Mütterlein verdung mich einst in eines Fräuleins
Hände,
— Schwerter waren es und Messer —
Zu bringen laues Wasser ihr,
In der Winterszeit,
5 Von ihres Paschas Quelle —
Wer kann solches sich wohl denken ?
Wollt' waschen ihre Fässchen rein,
Ihre Hölzchen fein.
Im Stenn musst' ich kredenzen ihr, —
io Ei zum Teufel auch! —
Metrum verlangt eine Silbe mehr: daher habe ich ein vorbereitendes
töv hintei; crpcuuce eingeschoben. Vgl. V. 7 und L. 54, 6.
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— 190 -
TovaTiciOjc vd mvrj,
AeuT€piä vd jafjv u.oö bivr}!
Tp(a xpövia xf|v £bouXeua,
Maupoc xt\ ZouXeua.
ir> Tcou T&capouc xf^c
Tf| ßotiTca mou, va cpeuYur
'Aöc u.ou, Kupd, Tri P^TO Mou, böc fiou tt| bouXetpi |iou,
Q ßap€6r)K€ f) ipuxri pou!' —
''C^TräTe, acXdßoi, baicre tou
20Mai3pOU, bÜJCri TOU
*H CTdpi f| KpiGdpi
*H KXovi juaptapiTdpi ! 1 —
f Kupd u-ou, bi et böuXeua Yid CTdpi, fiä KpiGdpi,
Tid kXovi MapYapvTdpi.' —
55.
Kephalonia (Dorf Zerbata).
ToO xopoO.
Twpa elvai Mdic kt) ävoiEic, Tiupa elv' tö KaXoKaipi,
Tüjpa Kf) ö Hevoc ßoüXeTai ctöv töttov tou vd Trag.
Nuxto ccXXujvci t' öXoyo, vuxTa tö KaXiYujvei.
Bdvei Ta Tr^TaXa XP UC <* Kai Td Kapq>id dcrju^via
5 Kai Ta ctpupiooKaXira Kfj auTa jiaXanaT^via.
K' x] KÖpr) ttou töv dtaTrdei öpöri TÖ|i TrapacreKer
f TTdp€ Kai u.£, XeßevTr) nou, cTfj crpaTa ttou iraYalveic' —
f Crr| CTpdTa ttou TraYaivw ifJj, YuvaiKec bev KXouGoöve.' —
c €utou ttou Trox, XeßevTrj u.ou, TToXXr) dKpißeia vd iT^cr|!
10 Nd Trdrj tö crdpi cto £kotö, tö KpiGoc CTd biaKÖcia,
Kai tö koü^vo tö cpiXi cto x^ia TrevTOKÖcia ! ' —
54, 20. ToO uaOpou, 6üjct4 tou meine Quelle. Die Rucksicht auf
das Metrum gebot die Streichung des Artikels: nun ist tou am Ende
dea V. 19 mit uaüpou zu verbinden.
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- 191 -
Dass knieend sie thät trinken,
Keine Ruhe mir vergönnte!
Drei Jahre hatt' ich ihr gedient,
Ihre Gunst erhofft.
16 Im vierten fordr' ich von ihr
Meinen Lohn, um wegzugehen.
'Gib mir, o Herrin, meinen Lohn, bezahl' mir meine Dienste
Ueberdrüssig bin ich deiner!' —
'Herein, ihr Sklaven, reichet dem
20 Armen, reichet ihm
Sei's Weizen oder Gerste
Oder einge Edelsteine!' —
'Nicht hab' ich, Herrin, dir gedient um Weizen oder Gerste
Oder ein'ge Edelsteine.' —
55.
Taijzlied.
Jetzt ist der Mai, der Frühling da, jetzt ist die Wonnezeit da,
Jetzt geht der Fremde damit um, die Heimath aufzusuchen.
Er sattelt bei der Nacht sein Ross und bei der Nacht be-
schlägt er's.
Von lautrem Gold ist der Beschlag, und silbern sind die
Nägel,
5 Ein Schmuck aus edlem Malama prangt an des Rosses
Knöchel.
Das Mädchen, das den fremden liebt, steht aufrecht ihm
zur Seite:
c Nimm doch auch mich, mein Tapferer, mit fort auf deine
Reise.' —
'Kein Weib darf auf der Reise, die ich mache, mich be-
gleiten.' —
'So soll den Ort, wohin du ziehst, heimsuchen grosse
Theurung!
10 Der Weizen steig' auf hundert auf, die Gerste auf zwei-
hundert,
Und eines lieben Mädchens Kuss auf tausend und fünf-
. hundert!' —
♦
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•
- 192 -
56.
Zakynthos (Dorf Plemonarfo).
Toü xopoO.
Tiwpct xd TTOuXid, Tüüpa Td x^^övia,
Tuipa rj ire'pbiKCC , Tiiupa XaXoöv Kai X^ve '
'ZuTrva, dqp^vTr) u.ou, Suttvo, KaXe u.ou dq>cVrr|!
EuTrva, vd qnXQc buo nana Eaxapc^via
5 Kai dciTpo Kopfii, ßuEid cd buo Xeipövia!' —
'Md 5ct6 jae vd KOiu.r)8üj, töv üttvo vd xopxdcuj,
TiaT' 6 dqp^vTrjc jnou ctx\ ßdpbia u/ €?x' a7TÖi|J€,
Ctt] ßdpbia xa\ crön TröXc^o, Kf) öXo uJTpocrd ui ßdv€i,
*H vd cq>au>, vd ckotu>8w f\ CKXdßo vd ui irdpou.
io Kf) frau/ ö Geöc k' r\ TTavaYid k' r] b&rcoiva toö kocu.ou,
Kfj ^TToX^nrjca pk Toupkouc, u/ 'Apßavfraic.
XiXiouc €KOi|ia ; x^ l0uc KC(l °uo X l ^ taoec *
Kfj £vac uoujieivc Kfj ^kcivoc Xaßuj^voc.
Kdcrpo dYüpeue, xwpiö, vd 7rdr) vd neivr).
16 Md u.r|T€ Kdcipo rjüpnxe Mr|T€ x^pid, vd ixeivi),
TTap' £va bevTpö lyriXö cdv KUTrapica.
"A&ou H€, bevTpö, b&ou u.e, Kuirapica !" —
tc Md l k* f| ßiEaic |nou, Kai blce x* äXotö cou,
*€ k' o\ kXwvoi ^ou, Kai Kp^ac' t' dppaid cou,
20 *€ Kf) Ö ICKlOC U.OU, Kai 7T6CC KOI KOlUTjCOu!
Kai ctö |iic€|id tö voki vd TrXcpwcrjc,
Tpia cTau.vid vcpö Tcfj ßtfaic vd TTOTicrjc." —
""Akou', oupave, k' i] fr\c nnv tö ßacTdErjc!
( Qc Kai tö bevTpö tö voua hou rupeuei,
25Tpia crau.vid vcpö tctj £i2aic vd ttotioju!" — *
57.
Zakynthos (Dorf Oxochöra).
Toö x°P°ö'
Gyrisma: t* dnbövi t' ä>)bövi und t' dnbövi T* änöoväia.
"Gva 7TpaTMaT€UTÖTrouXo crfm TTöXi Kaiaißaivei,
M£ tö |iavTrjXi ctö Xaijuö, ji£ Td XouXd ctö x^P 1 -
Tf)v ÖKpriv ÖKpr) TrpoßaTcT, t?|V äKpn,v aKpr) Trotci,
Nd nn tö Trdprj 6 KOupviaxTÖc, vd pr) tö Kdiprj 6 tjXioc.
67, 4. Eine übrigens mir wenig abweichende Variante dieses Lie-
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- 193 -
56.
Tanzlied.
Alle Vögel jetzt, die Schwalben, die Rebhühner,
Alle rufen sie mit lauter lauter Stimme:
'Auf, mein Herr, wach auf, mein schöner Herr, wach
auf nun!
Küssen sollst du jetzt zwei zuckersüsse Aeuglein,
5 Einen weissen Leib und Brüste wie Limonen!' —
'Ach lasst mich Armen schlummern noch, mich sättigen
am Schlafe!
Denn mein Kapitän hatt' heute mich auf Wache,
Auf Wach' und im Gefecht sogar, und stellte stets voran mich,
Sei's dass ich fallen sollte, sei's dass ich gefangen würde.
10 Da fügten es die Himmlischen, Gott und die heil'ge Jungfrau,
Dass ich in Kampf gerieth mit Türken, Albanesen.
Tausend, ja noch mehr, zweitausend hieb ich nieder.
Einer nur entkam, und der selbst war verwundet,
Suchte eine Burg, ein Dorf darin zu bleiben.
15 Doch fand er weder eine Burg noch auch ein Dorf zum Bleiben,
Aber einen Baum so hoch wie die Cypressen.
"Nimm mich auf, o Baum, nimm auf mich, o Oypresse!" —
"Hier die Wurzeln mein, dein Ross daran zu binden,
Hier die Zweige mein, die Waffen aufzuhängen,
20 Hier mein Schatten auch, darinnen du magst ruhen!
Doch beim Aufbruch musst die Miethe mir bezahlen,
Meine Wurzeln mit drei Krügen Wasser tränken." —
"Himmel, höre es! halt's nicht geheim, o Erde,
Dass sogar ein Baum will Miethe von mir haben,
25 Seine Wurzeln soll mit Wasser ich begiessen!" — 9
57.
Tanzlied.
Es zog ein junger Handelsmann hin gen Konstantinopel,
fiin Tuch bedeckte seinen Hals, die Hand hielt die Cigarre.
Am Strande immer ging es hin, am Strande ging es vorwärts,
Um vor dem Staub geschützt zu sein und vor der Gluth
der Sonne.
des, welche mir von einem Bauer aus dem Dorfe Plemonarfo mit-
getheilt ward, schiebt nach diesem V. noch folgende zwei ein:
Ctov fcpöuov öirou iirnjaive, cxöv bpöu,ov öirou irä€i
'€öuyac€ vä uirj vepö, £k€iöc Kai t' öXoyö tou.
Schmidt, üriech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 13
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— 104 —
5 Bpeocei Kopdcio TrdmXaive et u.apu.ap6/ia ßpuci.
r Aöc u.ou, Kopn, vd ttiüu vcpö, &ph Kai t' aXotö uou.' —
CapdvTa Tdaa eßraXc, ctu u.aTia b£ xf)v cibc,
Kai cid capdvTa Tc'ccepa ßapud ävacrevdCei.
' Ti €xeic, KÖpn, Kai xXi߀cai, ti £xeic Kr ) dvacTCvaEcic;' —
io tv €xw dvTpa crr) Hevueid, Kai Xeurei be'Ka xpövia,
Kr) dXXoi u.ou Xe've, dirtGave, Kr) dXXoi u.ou X^ve ; C^dOr).' —
r Krj dXrjGeia, KÖpr), dTre'Gavc, Kr) dXr|0eia, KÖpr), ^X<* 0 n-
Kcpi, Xißdvi TOußaXa, k' fip0a vd uou tö bujcrjc.' —
'Kcpi, Xißdvi ä ToußaXec, eXa vd coö tö oujcuj!' —
ir.'Toö ^bdvcica Kr) cva 91X1, k' fjp9a vd uou tö bujcrjc' —
f OiXi Kr) a toö cbdveicec, cöpe vd coö tö büjcr)!' —
"Gyw eiu,ai, KÖpr), ö dvTpac cou Kr) 6 dYaTrr|TiKÖc cou.' —
'TTeC J40U COUCOUUia TOÖ CTTITIOÖ, TÖTeC Vd TO T^CT€^JUJ. , —
fV €x€ic ur)Xid cttim TTÖpTa cou Kai KXrjua CTrjv aöXrj cou
•20 Kai utc' Tf) uc'cr) tou cttitiou cV öXöxpuco KavTrjXi.' —
f KaTi biaßdTric rjcouva Kr) CTre'pacec Kai Ta eibec.
TT^c uou coucouuia tou Kopuiou, tötcc vd c' tö TricTeVuj.' —
fV €xeic £\r)ä ctö uaYOuXo Kr) dXrjd cnr)v duacKaXf),
'Avdueca crd buö ßu£id fy^c tou rjXiou Ta KdXXr).' —
2"> f Cu cicai,' Xc'ei/'ö dvTpac jliou Kr) ö dTaTrrjTiKÖc uou.' —
68.
Zakynthos (Dorf Pleinonano).
Toö xopoö.
"€vac kovtöc kovtoutcikoc Ix** öjnopcpr| tuvaiKa.
Töve ZouXeuouv Ta xwpid, tövc ZouXcuei fj xwpa,
Töve ZouXeüei ö ßaciXidc, TroXXd xpe'n tou ßixvei.
Tp^xci ö kovtöc, cTOxd^CTai tö XP fe oc tou vd ßtdXr).
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~ 195 —
5 Da traf er eine Maid, die wusch an einem Marmorbrunnen.
'Gib mir, mein Mädchen, für mich selbst und für mein
Ross zu trinken.' —
Der Schalen vierzig schöpfte sie, nie schaute auf ihr Auge,
Und bei der vierund vierzigsten, da seufzte tief das Mädchen.
'Worüber, Mädchen, härmst du dich, was will dein schwe-
res Seufzen?' —
10 'Fern in der Fremde ist mein Mann, es sind zehn volle Jahre.
Die einen sagen mir, "er starb," und "er kam um" die
andern.' —
'Ja wohl, er ist gestorben, Maid, ja, er ist umgekommen.
Weihrauch und Kerze spendet' ich, du sollst zurück mir's
geben.' —
'Gabst Kerz* und Weihrauch du für ihn, so sollst du's
wieder haben.' —
15 'Ich lieh ihm auch noch einen Kuss, auch den sollst du
erstatten.' —
'Lieh' st einen Kuss du ihm, so geh und wend' dich an ihn
selber!' —
'Ich bin ja, Maid, dein Ehgemahl, ich bin ja dein Ge-
liebter.' —
'Nenn' unsres Hauses Zeichen mir, dann will ich dir's
wohl glauben.' —
'Ein Apfelbaum steht an der Thür, ein Weinstock in dem
Hofe,
20 Und eine goldne Leuchte hängt in deines Hauses Mitte.' —
'Das wirst du beim Vorüberziehn einmal gesehen haben.
Nenn' Zeichen mir von meinem Leib, dann will ich dir's
wohl glauben.' —
'Du hast ein kleines Muttermal an Wang' und Achselhöhle,
Und zwischen deinen' Brüsten glänzt's und leuchtet's wie
die Sonne.' —
25 'Wahrhaftig, du bist,' ruft sie da, 'mein Gatte, mein Ge-
liebter.' —
58.
Tanzlied.
Ein kleines Männlein hatte einst ein schönes Weib zu eigen.
Den Glücklichen thut Stadt und Land um den Besitz beneiden.
Der König selbst beneidet ihn, stürzt ihn in schwere Schulden.
Der Kleine sinnt darüber nach, wie seine Schuld er tilge.
13*
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- 196 -
ö'Ntucou, ctoXicou, Xufepn, vd Trdui vd c£ TrouXrjcuj.'
r Mf) ue TtouXrjc, XeßcvTTi pou, Kfj Ifvj vd c* öpurrvcVuj. —
'EjieTc d^Xia ^xouu-C, duTreXia Krj dXrjocTdaa.
CTijndpic > xa Kai ttouXtic' to, tö yp^oc cou vd ßYdXrjc.' —
f Md oüXa tü dcTtjadpica, tö XP*°c Mou be ßY,dvu>.
ioNtucou, ctoXicou, \uT€prj , vd Trduj vd cc ^goX^u).' —
r Mfi u.£ TfouXrjc, Xeße'vTT] juou, Krj iyl) vd c* öp|nr)V€iyuj.
'€ueic avurria v txouue Krj auXaic jie ircpißöXia.
Grifiäpic' Ta Ka\ TrouXnc' Ta, tö XP*oc cou vd ßfdXrjc.' —
r Md ouXa id dcnjudpica, tö XP&> C M<>u ßtdvw.
iüNtucou, ctoXicou, XuTCpn, vd 7rdw vd ck TrouXr|cu). , —
'€vtuOtik€, ctoXicttikc, cdv tö ttitcouvi e^wr).
Bdvei töv fjXio irpocumo Kai tö <p€YY<*pi dKaXXri
Kai toö KOpaKOu Td qpTepd Td ßdvei uaupa qppübia.
Krj dirö tö x^pi Tfjv KpaTeT Kai ctö uTraldpi irdei
20 Kai biaXaXrrca £ßaXe Tcrj Tpeic uepiak Tcrj x^pac
TToiöc 0* diropdcrj XuYCprj, ttoiöc 0' dYOpdcrj KÖprj;
TpaKÖcia Ypöaa tö <piXi Ka\ %i\ia tö TraiYvibi,
Krj öttoioc 0d Tidprj XuYepr), äjueTpa Gdv Ta buxr).' —
Kavc'vac bev £uiXr]C€ ; xave'vac bk jiiXdci.
25"€vac jhoötcoc TraXrjöuouTcoc , TtaXrjöc Kapaßoucidvoc •
c BYdXe, KOVTt, tö cpt'ci cou, dueTpa vd Ta Trappe.' —
Krj dirö tö x^'pi Tf|v KpaTeT Kai ctö Kapdßi ttuci.
Kai tötcc Triv dpwTr|C€ xai tötcc ttj pwTaci
Kai totc^c tt)V Y^OKoqpiXei Kai xr\ SavapwTaci.
soXpucöc diTÖc c^rrc'pacc Kai Y^UKOKiXaiboöce-
f <t>iXeT dbpecpöc Tfiv dbpeqpfj Kai b£ Tf)V€ Yvwpftci!' —
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- 197 —
5 «Kleid' an und schmück' dich, schlankes Weib, ich muss dich
jetzt verkaufen.' —
'Verkauf mich nicht, mein braver Mann, und hör' was ich
dir rathe.
Wir haben Wein im Felde ja und auch Olivenstände.
Lass schätzen das, verkaufe es, um deine Schuld zu tilgen.' —
'Das alles hab' ich abgeschätzt, doch meine Schuld ist grösser.
10 Kleid' an und schmück' dich, schlankes Weib, ich muss dich
jetzt verkaufen.' —
'Verkauf mich nicht, mein braver Mann, und hör' was ich
dir rathe.
Wir haben ein zweistöckig Haus, und einen Hof mit Garten.
Lass schätzen das, verkaufe es, um deine Schuld zu tilgen.' —
'Das alles hab' ich abgeschätzt, doch meine Schuld ist grösser.
15 Kleid' an und schmück' dich, schlankes Weib, ich muss dich
jetzt verkaufen.' —
Sie kleidete und schmückte sich und ward wie eine Taube.
Ihr Antlitz strahlt wie Sonnenglanz, dem Mond an Schön-
heit gleicht sie,
Des Raben Federn ähnlich sind der Augen schwarze Brauen. .
Nun fasst der Mann sie bei der Hand und geht mit ihr
zum Markte
20 Und macht bekannt der ganzen Stadt, was er hat feil zu bieten.
'Wer kauft wohl eine schlanke Maid, wer kauft ein schönes
Mädchen?
Dreihundert Piaster für den Kuss, für grössre Scherze tausend,
Und wer die Maid behalten will, mussUngemessnes zahlen.' —
Es zeigte niemand sich bereit, den hohen Preis zu geben.
25 Da trat ein alter Seemann vor, der oft das Meer befahren :
'Halt her dein Fes, unzählig Geld will ich hinein dir
schütten.' —
Drauf nahm er bei der Hand die Maid und führte sie zum
Schiffe.
Hier fragt er dies und jenes sie, lässt sich von ihr erzählen,
Und herzt und küsst sie hochbeglückt und fragt sie dann
von neuem.
ao Ein goldner Adler fliegt vorbei und spricht mit süsser
Stimme:
'Da küssen zwei Geschwister sich und keines kennt das
andre!' —
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- 198 -
f Mwpr|, TT0Ü9' eivai r\ u,dva cou Kai irouBeve oi roveic
cou;' —
ft H Mava u.ou d<p J lfm TTpe'ßeCa k»i ö KÜpic u.ou ay* tx]ü
nöxi,
K' €ixa Kai TTpaiTOV dbpeq)öv, TraXrjoKapaßoucidvo.' —
35 Kai TÖT6C TT)V ^YVUJplCC, 7TÜUC f|TO X] dbp€(pr) TOU.
Kr) dirö tö x € P* TT 1 V KpaT€i Kai xoö kovtoö lfm Trder
f Adße, kovt£, Tf)v KÖpr) cou, Xdße tiiv dbpeqpr) mou,
Tiafi 7TpoiKiö cou xpwciaTa, Yid vd cou tö Tdcptucw!' —
*
59.
Kephalonia (Dorf Zerbsita).
'0 MecovTac eiaiceipe, toü Meya to Kapdßi.
'Qc tö eibe n TTöXi, kefcTriKC, k 3 r\ BevcTid tTapdxTn-
Kai t' ökouc6 uid Xurepf) Kai Tidei vd TrpocKuvricr)*
Kai kottujc tTrapdcKuipe Kr) iq>avr\ tö ßutt ttjc.
5'Qc tö cib* 6 tuiöc tou ßaciXiAc, Ittccc tou GavaTOU"
'Gmiaivc ctö cttiti tou cd jafiXo jiapau.evo,
Cd MrjXo, cd ba/nacKr)vö KiTpivoqpuXXiacjae'vo.
f Mdva, Tr)v KÖpr] Ttouba erw YuvaiKa 0d ty\\i 7TdpuJ. , —
'TTüjc ctvai, T^ie, tö ßoXeTÖ c', YuvaiKa vd xf^Li Trdpric,
loTTou ^K€ivn elv' 'Apßavincca Kr) tcu 'cai xcüoepevoc;' —
f Mdva, £yuj ttjv e?ba ipc'c, xpvcä KaXiYia qpöpic
'0 föpoc TCfj TTobouXac Ter) KdcTpi vd SaYopdcr),
Krj öxi tö KdcTpi juovaxö, ö, ti Kr) öv fyr) pico.' —
r *Av fjvai 7 indTia, cd jioö Xtc, ctciXc TTpoEcvriTabec.' —
15 Ore'pvei töv dpxovTa <t>ouKä ; crc'pvei tö NiKrjtpöpo,
Cxe'pvei töv TpejuoTpdxnXa, töv Tpt'jiei f] '{f\c Krj ö köc/joc.
CapdvTa jaepaic Kavouve, tt) CKdXa v* dvaißouve,
Ki) dXXaic capdvTa Te'ccapaic, Tr) XuYepr) vd iboöve.
Me'c' Ter) capdvTa Te'ccapaic n XuYepr) Ttpoßaivci.
•-»o'KaXwc töv dpxovTa <|)ouKd ; KaXwc tö NiKrjcpöpo,
KaXüuc töv TpCMOTpdxnXa, töv Tpe'juei ry fr}c k\) ö KÖcyoc!'
f> €bw Jude cTe'pvei ö ßaaXiäc, TiivaiKa vd et TTdprj.' —
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- 199 -
'Hör, Mädchen, sag' mir doch einmal, woher sind deine
Eltern?' —
f Die Mutter war von Prevesa, von Stambul war mein Vater,
Auch einen Bruder hatte ich, der früh zur See gegangen.' —
35 Und nun erkennt der Kapitän in ihr die theure Schwester.
Er fasst sie bei der Hand und bringt zurück sie zu dem
Kleinen.
'Hier hast du, Kleiner, deine Frau, hier hast du meine
Schwester.
Denn Mitgift schuldete ich dir, die sei nun abgetragen!' —
59.
Das Schiff des Grossherrn rüstet sich zu machen eine Reise.
Bewegung war in Stambul drob, Bestürzung in Venedig.
Ein schlankes Mädchen eilt herbei, den König zu begrüssen,
Und beim Verbeugen ward entblösst von ungefähr ihr Busen.
5 Wie das des Königs Sohn gewahrt, wird er zum Tod betroffen.
Er kehrte nach dem Schloss zurück gleich einem welken Apfel,
Wie eine Pflaume, die verdorrt inmitten gelber Blätter.
'Die Maid, o Mutter, die ich sah, werd' ich zum Weib mir
nehmen.' —
'Wie kann, mein Sohn, dein Will' es sein, sie dir zum
Weib zu nehmen,
10 Sie, eine Albaneserin, für dich, den Stolz der Eltern!' —
'0 Mutter, gestern sah ich sie, sie prangt' in goldnen
Schuhen,
Und ihrer Schürze Saum reicht hin, zu kaufen eine Feste,
Und nicht allein die Feste, nein, auch Hab* und Gut dar-
innen.' —
'Ist's, wie du sagst , so fath' ich dir, Brautwerber auszu-
senden.' —
15 Da sendet er den Phokas aus und sendet Nikephoros,
Und auch den Tremotrachilas, vor dem die Erde zittert.
Der Tage vierzig brauchten sie, die Trepp' hinaufzusteigen,
JJnd vierundvierzig weitere, eh' sie die Maid erblickten.
Gerad' am vierundvierzigsten trat sie hervor und sagte:
20 'Willkommen, edler Phokas, mir, willkommen, Nikephoros,
Willkommen, Tremotrachilas, vor dem die Erde zittert!' —
'Uns sendet unser König her, zum Weib will er dich
nehmen.' —
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— 200 -
f Ae 6eXu) to, be XPflEw to, bev KaTabe'xouu.al to*
Aev n6eXa xä bövTia xou iraXoikia ctöu TrXaKÖ pou
25 Kai rot EavGd tou Ta u.aXXid vd bevuj t* äXoYÖ pou.
*Av GeXr) dirö Ter] ßdricuc uou Kr) dir' xc' dvabeHipiak uou*
Ten juiäc mou ßdYiac tö kcXXi xpocoKepauwuevo
Kai xc' dXXnvfic tö cttiti ttic xpucoTraXouKUJuevo,
Keivfjc öttoö ju. * e'ßüEaive, dcrjui Kai XoYapr
30 Cepvei to TrairouTcdKi Trjc XiTpa uapYapiTdpi.' —
Cxi] CTpdTa öttou Trrpfaivav töv KüJCTavTä aTtavTaivouv.
'KaXujc töv dpxovTa <t>ouKä, koXüjc tö NiKn,<pöpo,
KaXüjc töv TpejiOTpdxnXa ! xaXd acapucia cpepvei!' —
fV Oxi, vd Zrjcrjc, KujcravTa! töco KaXd bev eivai!
35 Ae GeXei ce, be xp^i ce, bev KaTabexeTai ce
Aev fiGeXe Ta bövTia cou TiaXouKia ctöu ttXokö ttic
Kai Ta üavGd cou Td uaXXid vd bevrj t* öXotö ttic.
*Av GeXrjc dir' Ter) ßdriaic Ter) kt) öx tc' dvabeEiuiaic jy\c'
Ten Midc TCfj ßdtiac tö xeXXi xpocoKepauwuevo
40 Kai tc' dXXr]vf|c tö cttiti tcti xpucoTraXouKWjuevo;
Keivnc öttou tt] ßuCaive, dcrju.i Kai Xoxdpr
Ce'pvei tö TTOTtouTcdKi ttic Xu-pa uapfapirdpi.' —
'ETTriaive ctö cttiti tou cd ufjXo uapauevo,
Cd uf]Xo, cd bauacKrivö KiTpivomuXXiacuevo.
45 Ctt* CTpdTa öttou cWrrijaive uid udicca dtravTaivei.
*Tiipa£ > tj CKuXoTuqpTicca tö TroöGe ue Yvojp&ei!' —
f Kr) etüb av ce Kauuu vd cpiXf^c, Tivdv'TÖ xäpicud uou;'
'XiXia cou bivuj Tfjv autn, uupia tö uecr*uepi,
KovTd CTd HriuepwuaTa cou bivifl Tpek x^idbec.' —
59, 45. Nach diesem Verse ist offenbar mindestens ein Vers aus-
gefallen, worin die Hexe den Prinzen mit Namen anredete, vielleicht
auch auf sein Liebesleid hindeutete oder nfcch dem Grunde seiner
Traurigkeit fragte. Vgl. auch das Bruchstück bei Passow Nr. 526, 6,
wo die Worte KctXwc tovc töv KuxTavTä iroö xiä <pt\i ircrfaivtic der
Hexe angehören.
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— 201" —
•
f Das mag ich nicht, das brauch' ich nicht, davon will ich
nichts wissen.
Ich möchte seine Zähne nicht als Pfähle meiner Hürde,
25 Und seine blonden Locken nicht, mein Ross daran zu binden.
Will eine meiner Ammen er, will er der Pathen eine:
Der einen Amme Zelle ist gedeckt mit goldnen Ziegeln,
Der andren Wohnung wird gestützt von lauter goldnen
Balken,
Und jener, die mich säugte, Haus ist ganz aus Gold und Silber;
30 Pfundweis' an ihren Schuhen prangt der Schmuck der edlen
Perlen.' —
Auf ihrem Heimweg treffen sie mit Konstantin zusammen.
'Willkommen, edler Phokas, mir, willkommen, Nikephoros,
Willkommen, Tremotrachilas! Ihr bringt mir frohe Bot-
schaft!' —
'Heil dir, mein Konstantin! doch, ach!, so froh ist nicht
die Botschaft!
35 Sie mag dich nicht, sie braucht dich nicht, sie will von
dir nichts wissen,
Sie möchte deine Zähne nicht als Pfähle ihrer Hürde,
Und deine blonden Locken nicht, ihr Ross daran zu binden.
. Willst eine ihrer Ammen du, willst ihrer Pathen eine:
Der einen Amme Zelle ist gedeckt mit goldnen Ziegeln,
40 Der andren Wohnung wird gestützt von lauter goldnen
Balken,
Und jener, die sie säugte, Haus ist ganz aus Gold und
Silber;
Pfundweis' an ihren Schuhen prangt der Schmuck der edlen
Perlen.' —
Da kehrt' er nach dem Schloss zurück gleich einem welken
Apfel,
Wie eine Pflaume, die verdorrt inmitten gelber Blätter.
45 Auf seinem Weg begegnet er durch Zufall einer Hexe.
'Schau einer das Zigeunerweib, woher mag es mich kennen!' —
'Verhelf ich dir zu deinem Lieb, was gibst du mir zum
Lohne?' —
'Am Morgen geh' ich tausend dir, zehntausend dir um Mittag,
Und wenn man gute Nacht sich wünscht, sollst du drei-
tausend haben.' —
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- 202 -
öo^'Aptct xdtTCe Kai beiTrvrjcc, dpYd kXcTcc xcrj Tröpxaic,
Kr) dpTa Ti^ce dfiv KXivrj cou Kai irece Kai koimticou.' -
Kr) dKeivoc crrapaKouce xcrj jadtccac Td Xöykt
Topt' £kotc€ Krj e'bciTrvrjce, topt' KXeice xcrj iröpxaic,
Topt* cVcce cxrjv KXivrj tou Krj £tt€C€ Kr) eKOijuäTo.
55 'OXrjvuxiic e^aYtuc judva Kai Gutaxe'pa.
T' diTOTaxua cr)Ktu9r|K€ Td x^P ia cxaupunj^va.
ry Q ßdYiaic |iOu ; a» bouXaic mou, tu irapabeHijuiaic m ou >
Xpucrj ߀pxa cid x^P»a mou, CKtirr] cxrjv KecpaXn pou,
Xpucd KaXiYia <p6pxe mou, vd Trduj cxöja TcoBrixöv mou!' —
60 'Attö inaKpud x£v HaYvavxa Kr) dirö KOVTd toö Xeer
f "Avoi£e, jadiccac Traibl Kai udiccac ottövi,
'Orroupxec Kai jue |udY€i|J€C ja^ca cxrjv Kdu^apd pou!' —
'TToiöc eibe x' dcxpi xrjv avyr] Kai ^e'c 5 tö pecriuepi ;
TToiöc eibe ßepYoXuY€paic vd Trepßaxoöv xrjv vuxxa;
65 '€yuj efba x* dcxpi xfjv aÜYrj, x' dcxpi xö |ieam £ P'>
BXe'Tru) xcrj ßepYoXuYepak ttoö TrepßaxoOv xfjv vuxxa!' —
''Avofexe oi £cpxd oupavoi, piExe baxxuXibaKi,
Toö Yupou Y^pou öXöxpuco, cxrj ntcr) xö qpapMaKi!' —
T' diroxaxud crjKUjGrjKe, xf| ßpicKei xraiOajujjievri.
70 Xpucö inaxaipi e*ßYaXe aTr* dpYupö qpouKdpi,
Mecoupavic xö Trexa£e, m^c 5 Trjv Kapbid xou 7rdei.
'Xdpou, u.dva ; xcrj x a P €C cou KCtl Tcr J <piXoxi|uiaic cou!
v €xacec KÖprj epwxapid Kai viöv YpaMMa^Mevo.' —
f O viöc CYivrj KaXa^oc k' fj KÖprj KUTrapicci.
75 AuYoßepYdei ö KaXajjoc, 91X61 xö KUTrapicci.
V. 58. ß^pra habe ich geschrieben für ß^pa. S. die Anmerkung
hinter den Texten.
V. 73. "€xoc€ meine Quelle: ich habe £x« c€ c geschrieben.
1
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— 203 —
50 f Spät setze dich zum Abendbrod, spät schliesse deine Pforte,
Und spät erst lege dich zu Bett, des Schlafes zu gemessen.' —
Jedoch der Königssohn verhört der Zauberin Ermahnung:
Früh setzt' er sich zum Abendbrod, früh schloss er seine
Pforte,
Und früh schon legt' er sich zu Bett, des Schlafes zu ge-
messen.
55 Die ganze Nacht durch zauberte die Hexe sammt der Tochter.
Beim Frühlicht sprang die Schöne auf und rief, die Hände
faltend:
'Ihr Ammen und ihr Mägde mein, ihr Pathen, auf! und
höret!
Rasch eine goldne Tasche mir, rasch einen feinen Schleier,
Auch goldne Schuhe bringt herbei ! Ich eile zum Geliebten.' —
60 Von "weitem späht sie schon nach ihm, und aus der Nähe
ruft sie:
'Thu auf die Pforte, thu sie auf, du schlimmer Hexen-
sprössling,
Uer über Nacht du mich behext in meinem Schlafgemache!' —
f Wer hat schon einen Stern gesehn am Morgen und am
Mittag?
Wer hat schon schlanke Mädchen je bei Nacht umherziehn
sehen?
65 Ich hab' schon einen Stern gesehn am Morgen und am
Mittag,
Ich seh' auch schlanke Mädchen jetzt bei Nacht umher
sich treiben!' —
'Ihr sieben Himmel, thut euch auf, werft einen Ring herab mir,
Der, ringsum golden, tödtlich Gift in seinem Innern berge!' —
Am Morgen steht der Jüngling auf und findet sie als Leiche.
70 Da zog er einen goldnen Dolch aus einer Silberscheide
Und schleuderte ihn in die Höh'; sein Herz durchbohrt er
fallend.
'So freu' dich deines Hochrauths nun und deiner Ehrsucht,
Mutter!
Ein lieblich Mädchen und ein Sohn von Bildung sind die
Opfer.' —
Der Jüngling drauf zum Schilfrohr ward, das Mägdlein
zur Cypresse.
75 Das Schilfrohr neigt zur Seite sich und küsset die Cypresse.
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- 204 -
Hd 'be Td KOLKOpilim, id KaKOMOipiac|i^va*
"Av bk (piXiAviai ZwvTavd, qnXiwvTai Traieammtva.
E. Lieder verschiedenen Inhalts.
60.
Zakynthos.
Toö xopoö.
'H KÖpn e^paYOubricc TCfi Tpixctc tö Yioqpupi.
Kai tö Tiocpupi dppaYice, xf) 6 Troiajaoc icjäQr\,
Kai tö XiovTdpi t' aKOuct Krj IcmQr) Kr) dqpoutKpdcTn.
f, H KÖpri 7toö CTpaYOÜbnce vd jaaTaTpaTOubrjcrj ! ' —
5 r Md Ivb Kfj av dTpayoubrica , ce /nupoXÖTi tö eiTta,
TTou £xw dbepqpö ctt\ EcviTeid Kai Taipi cTd KaTapTia.* —
61.
Zakynthos (Dorf Plemonario).
TTepbiKd you nXoujiiic)aevTi» ttoö cto bdcr| TrcpTraTeTc,
Bpöxia Kai ßepTid 8d crrjcw, vd Trepdcrjc vd macTrjc.
Kfj d Trepdcrjc Kai cl macu), ibpaioxaTti Kupd,
6d coö qpTidcuü eva KXoußdKi |ae- öXöxpuca ßcpYid*
5 0d coö qmdcuj £va cmTÄKl, öXo ^dp^apa X ti ctö,
'Ekci M^ca vd cou ßdXaj tö KXoußdKi tö xpucö-
0d coö qmdcuj nepißöXi jue- öXöxpuca bevTpd,
TcavTcayivia Kai nocKOÖXaic, bidqpopa /nupiCTucd*
Krj if\h vdpxoujLiai v' dvoiYW thjli TtopTOÖXa toö KXoußioö,
io Pia vd ßYawrjc vd u.a£uuvr)c t* dvöia toö TrepißoXiou.
61, 5. Vielleicht (uapuapöxTicxo.
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- 205 —
Nun schau die armen Liebenden, zu schlimmem Los erkoren :
Der Kuss, den Lebenden versagt, wird erst zu Theil den
Todten.
E. Lieder verschiedenen Inhalts.
60.
Tanzlied.
Ein Mädchen sang gar lieblich einst an einer schmalen
Brücke.
Die Brücke barst ob des Gesangs, der Fluss stand still
darüber,
Ein Lowe, der es hört, bleibt stehn und lauscht den zarten
Tönen.
f Das Mädchen, das soeben sang, noch einmal mag es singen !' —
5 'Nein, ob ich auch gesungen hab', ein Klagelied nur war es:
Im fremden Land mein Bruder weilt, mein Mann ist auf
dem Schiffe.' —
61.
Rebhuhn mein, du schön geschmücktes, das du in dem
Wald spazierst,
Schling' und Ruthen werd' ich stellen, dich zu fangen,
wenn du kommst.
"Kommst du dort vorüber, Schönste, und ich fange wirk-
lich dich,
Mach' ich einen feinen Käfig mit ganz goldnen Stäben dir,
5 Baue dann dir auch ein Häuschen, das von lauter Marmor ist,
Da hinein den goldnen Käfig dir zu setzen, wie sich's ziemt; ,
Richte dir auch einen Garten mit den schönsten Sträuchern
her,
Jasmin, Rosen und so manchem anderen Wohlriechenden.
Wenn ich komme dann und öffne deines Käfigs Thüre dir,
10 Fliegst heraus du, dir zu holen, was im Garten blüht und
grünt.
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- 206 -
62.
Zakynthos.
Navvdpic|ia.
Ndvva vdvva vdvva tou,
"Oco vdpe' r\ udva tou,
Nd tou q>^pr) ttcvt' aurd,
, TTe'vT' aurd, TTevTe koko
ö Kai Tcrj yotTac ir\v wpd
Kai TOU 7TOVTIKOÖ t' OUTld.
KouKou\o^dTr|, e*Xa,
TpaXd Xapd Xapd,
KXeTce tou Td judTia tou,
10 Td |idTia Td croupd!
03.
Ebendaher.
'AvoiScTe töv KXrjbova ct* ai Tiawiou ir\ xdpi!
Kai 7tou eivai KaXopiEiKOC, crmepo pi£iKapei.
'Avoi£€T6 töv xXr|öova, vdßrr) 6 x a PiTwu.evoc,
TT 1 ouXa Td xdcTpa TroXeu.a, Yid väßtr) Kepbfu.e'voc!
64.
Kephalonia (Dorf Skalia).
Ten TdßXccc
'0 KwciavTivoc ö jniKpöc Krj ö 'AXe'Eic 6 dvTp€iuJU€voc
Kai tö uiKpö BXaxöiTOuXo ö KacTpoTroXeu.iTr)C
'AvTdua TpüJTa Krj eVivav kou cuxvoxaipeTiwvTa,
Kr) dvTdu/ e*xouv tcoü uaupouc touc c' eva crdßXo be-
juevouc,
6C eva CTdßXo, c' eva craßXi, c 1 eva öjuopqpo Xißdbi.
Kr) eVei ttou Tpa»v Kai mvouve Kai cuxvoxaipeTiujvrai,
Oujvfi touc fjp0 * dir' oupavouc cdv aTr' dtT^ou croua'
r> €ceic TpujTe Kai mveTe k* oi ToupKoi ede Koupceuou!' —
f Cd ti Koupcid jiäc Kavouve, cd ti jude 7ToXeu.ouve —
lO'TTe'pvouv t* 'AXe'Hi buo Traibid, tou KuucravTa Tf) ydva,
Kai tou mKpou BXaxÖTrouXou nnpav Tfjv dbepcpn tou.' —
c *€ßYa, pwpe BXaxÖTtouXo, ctt) ßitXa ßiyXice touc!
Kr) av eüprjc x^iouc, KÖiye touc- Kr) dv eüprjc buo x^tdbec,
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- 207 -
62.
Wiegenlied.
Schlafen mag das Kindlein ein,
Bis zurück sein Mütterlein,
Das ihm bringt der Eier fünf,
Eier fünf vom Gackerchen,
5 Und dazu des Kätzchens Schwanz
Und des Mäusleins Ohren auch.
Du Augenschliesser, komm jetzt,
Lullu lala lala,
Drück' ihm nun die Äeuglein zu,
10 Die dunklen Aeugelein!
63.
So öffnet jetzt den Klidonas in St. Johannis Namen!
Wer vom Geschick begünstigt ist, wird heute es erfahren.
So öffnet jetzt den Klidonas und zieht des Glückes Günstling,
Der gegen alle Festen kämpft, um siegreich zu bestehen!
64.
Tischlied.
Der kleine Konstantinos und der tapfere Alexis
Und der schon manche Burg bekämpft, der kleine Wlachen-
sprössling,
Ergötzten sich beim frohen Mahl undtranken zu sich wacker.
In einem Stalle hatten sie die Rappen angebunden,
6 In einem Stall, der aufgebaut auf einer schönen Wiese.
Inmitten ihres frohen Mahls und ihres lust'gen Zechens
Ertönet wie aus Engelsmund von oben eine Stimme:
'Ihr esst und trinket hier, indess die Türken bei euch
plündern!' —
'Was nehmen sie uns denn hinweg, wie ist die Art des
Kampfes?' —
10 'Alexis' Söhne rauben sie, dem Konstautin die Mutter,
Dem kleinen Wlachen haben sie die Schwester fortgenom-
men.' —
'Auf, Wlachensprössling , eil* hinaus und spähe nach den
Feinden !
Sind's tausend, hau sie nieder gleich ; doch findest du zwei-
tausend,
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- 208 -
Kr) dv eüprjc TpeTc Kai Tt'ccapouc, £ßfa Kai \ii\r\c6 päd' —
ir> 'CßitXice , biaßiYXice, btaßrfXtcuoüc bkv efx*.
CräuTra tou M^n»<e cdv aeiöc, CTÖßta tou cum 7T€TptTr}C
'TTouc', dbepq^ uou KujcravTa, Kai cu, db€p<pe u' 'AX&i;
"Av fjcT* öuirpöc u.ou, q)UY€T€ ; Krj ötucuj pou, KpuqmjTe!
Kai tö CTraöi uou eppdrice KÖßoviac id Ke<pdXia,
20 '€b€iXiac€ Ki] ö uaöpöc uou iraTUJVTac tu Koutpdpia.' —
65.
Kephalonia (Dorf Zerbäta).
Auub€Ka yuioi tou Airevr) Tmve vd KuvrjTncouv.
f Aö juac , TTaTepa, Tf]v eüxn, vd Traue ctö Kuvrrri.' —
*CupT€, Ttaibld UOU, CTÖ KaXÖ Kai CUpT€ CTfjV €uxn uou!
'Attö t' '€XdTou tö ßouvö Mrju näie v' aTrepacre,
5 TiaT ' €iv ' £va kokö GepYiö Kai cäc KaTapouqpdei.' —
'0Xr)ueplc ^Tp^xave, Kuvrrri b€v tKauav.
Tö ßpdbu TiapaKOucave toö Kupi touc Td XÖTia
Kr) dTTÖ t' *€XdTOu tö ßouvö Trr|Yave Kfj aTrepdcav.
Kr) £ßYf)K€ tö kokö GepYiö Kai Td KaTapouq)d€i.
io Tö ßpdbu tcou Trpocjuevave, cthti tcou bev t'TrriYav.
Mid vucpr) dnö tou Aixevr) tö ßX6rei ct* öveipö Ter),
TTüjc e?xe KXujcca ue rrouXid die bu>b€Ka xeqpdXia,
Krj ^CKuip* di'TÖc Krj eWrfjpe' Ta, Kai t* dvaue*vei f) kXujcco *
T" dTTOTaxud crncujGr)K€, tö Xeei tou TreGepou toi*
16* *Q treGepe' mou Arrevri, öveipo ttoü eiV diTÖipe!
TTüjc eixa KXukca ue irouXid ibc bujbeKa K€<pdXia*
"GpxeT* di'TÖc Kfj emipe Ta m\ t' dvauevei f) KXüjcca.' —
'AiKÖ uac eivai t* öveipo, biKÖ uac Kai tö Gdua.' —
f>5, 9. tu: 08 wird auch hier die Masculinform touc oder tcoü zu
setzeu sein.
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- 209 -
Dreitausend oder mehr sogar, so komm' und mach' uns
Meldung!' —
15 Er späht und späht nach ihnen aus, kann nicht die Zahl
erspähen.
Dem Aar gleich fällt er unter sie, schnell wie der Falk'
entweicht er.
'Wo bist du, Bruder Konstantin, wo bist du, mein Alexis?
Seid ihr voraus, so fliehet rasch! wenn hinter mir, ver-
# bergt euch!
Zerbrochen ist mein blankes Schwert vom vielen Kopf-
abhauen,
20 Mein edler Rappe wurde scheu beim Treten auf die
Leichen.' —
65.
Des Digenis zwölf Söhne treibt's hinaus zur Jagd zu ziehen.
'Gib, Vater, deinen Segen uns, dass auf die Jagd wir gehen.' —
'Zieht hin, ihr Kinder, euch zum Glück, zieht hin mit
meinem Segen!
Doch über den Elatos-berg geht nicht, ich warn' euch,
Kinder!
5 Denn droben haust ein Ungethüm, und wenn ihr kommt,
verschlingt's euch.' —
Den ganzen Tag lang liefen sie und machten keine Beute.
Am Abend achteten sie nicht des Vaters Warnungsworte,
Und über den Elatos-berg ging unbesorgt der Jagdzug.
Da brach das Ungethüm hervor, verschlang die Brüder alle.
10 Am Abend wartet man auf sie, sie kommen nicht nach
Hause.
Da träumt' es von den jungen Fraun beim Digenis der einen,
Als hätte eine Henne sie mit Küchelchen, zwölf Köpfen:
Die rafft ein Adler ihr hinweg, vergebens harrt die Henne.
Am andern Morgen stand Sie auf, erzählt's dem Schwieger-
vater :
15 '0 Digenis, was hab' ich doch des Nachts im Traum
gesehen !
Hör', eine Henne hatte ich mit Küchelchen, zwölf Köpfen:
Die rafft ein Adler ihr hinweg, vergebens harrt die Henne.' —
'Uns selber gilt, was du geträumt, uns selber gilt das
Wunder.' —
Schmidt, Oriech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 1 4
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- 210 -
66.
Kephalouia (Dorf Skalia).
'GbÜJ TT€pblKCt bk XaX€l Kr) 6 KOÖKKOC be TO A&l,
To Ae've t»P ^Ypaqpiumccaic Kai xr| 'AtpaqNWTOTiouAaic'
"Ottujx > ävTpa ct*| Hevueia Kr) fy* dbepqpo cid Heva,
fToie vd jifjv T0V Ka P Tt P^; v d MHV T0 M TravTuxaivrj !
öTiaT' dpxivrjör] 6 nöXepoc Kai KÖßei y\ TTavoÖKXa.
Kr) öXo Ter) vüxTaic 7repTraT€i Kr) öXo tc* airraic Koupceüei
Kr) öXo tcou Ee'vouc KuvriYdci Kr) ÖXo tcou He'vouc Ttc'pvei.
"06' eüprj TreVre, Tre'pvei xpeic, Kr) Ö8 J eüpr) Tpeic, tcou
büo,
Kr) 60' eüpr) Kr) eva u.ovaxö, Kr) eKeivov tövc Tre'pvei.' —
67.
Zakynthofl (Dorf Koilionn-no).
BpiCe (i€, |idva, ßpiCe u.e, Kr) e'Yuj vd <pÜYu) OeXiu,
Nd ttuuü u.e Td KaTp€Ya, u.e Td x°VTpd Kapdßia,
Nd Kanu) pnvec vd biaßw, Kai xpovouc vd fvpicu),
Nd ßapeGoüv Td lidTia cou TppdZovTac Ter) crpaTaic
5 Kai vd u.aXAidcr) f) xXOüccd cou pwauvTac tcoi biaßaTaic
'AiaßaTaic ttoö biaßaiveTe, KaXoi u.ou CTpaTnXaTaic,
Mf)v eibeTC töv v €pwTa Kf) e^eva tö Traibi u.ou;' —
'TTe'c |uou coucou>ia tou Kopjaiou, vd c' tövc coucou-
Miacuj.' —
f Md fiiav tpr|Xöc, y.d fjiav Xuyvöc, u.d f)Tav Kerrapicccvioc,
10 Md eixe KOpuA Tid t' dp/aaia Kai pecri Yid TraTpujva,
Md eixe Kai vuüjjouc TopveuTouc, Yid Td TOuqpCKia c^ava*
Md eixe Tr)v KeqpaXr) xpucf) k«i id laaXXid juctoHi,
Kai Td cpTepd tou Xeirrave tou Ymou you vd ^TeTdEr). ,
Kr) £k€?voi dTrriXoriBnKave , töv tetoio Xöyo Xeve*
ir> f '€^eic e>ec töv eibaye ctöv du.u.0 EaTrAunjevo •
K* €?xe Td öuKia TTdirXiu^a, tov äjujuo u.aTapdTci
«7, 13. Für Kai dürfte uöv', U. i. uövov, zu schreiben sein.
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- 211 -
66.
Kein Rebhuhn hier, kein Kukuk ist's ; der sich vernehmen
Hesse,
Die Frauen sind's von Agrapha, die aus Erfahrung sprechen :
'Die in der Fremde einen Mann, die einen Bruder haben,
Die mögen nimmer harren sein, und nimmer auf ihn hoffen!
5 Denn Krieg ist ausgebrochen dort, die Pest gar schrecklich
wüthet.
In finstrer Nacht schleicht sie einher und plündert bis zum
Morgen,
Und grad' die armen Fremden sind's, die sie verfolgt und
wegrafft.
Wo fünf sie antrifft, nimmt sie drei, wo drei nur, nimmt
sie zweie,
Und wo sie einen trifft allein, auch der ist ihr verfallen.' —
67.
Schilt mich, o Mutter, schilt mich nur! Ich will von dan-
nen gehen,
Will fort mit den Galeeren ziehn, den grossen breiten
Schiffen.
Und Monde nicht nur, Jahre lang werd' in der Fremd' ich
weilen.
Da wird dein Aug' ermüden wohl vom Ausschaun auf die
Strassen,
5 Und von dem vielen Fragen dir die Zunge trocken werden :
'Ihr Pilger, die vorbei ihr zieht, ihr tapfren Kapitäne,
Habt meinen Sohn ihr nicht gesehn, ihn, der dem Eros
gleichet?' —
'Beschreibe mir sein Aeusseres, so will ich Kunde geben.' —
f Er war von hohem, schlanken Wuchs, gleich dem Cy-
pressenbaume,
10 Den Waffen eignete sein Leib, die Hüfte den Patronen,
Und seiner Schultern Ebenmass zum Tragen des Gewehres.
Es leuchtete sein Haupt wie Gold, sein Haar war weich
wie Seide,
Und nur die Flügel fehlten ihm, die Lüfte zu durchmessen.' —
Die Wanderer erwiderten darauf der armen Mutter:
16 «Wir haben gestern ihn gesehn am Ufer ausgestrecket :
Der Seetang dient' als Decke ihm, der Sand als Unterbette,
14*
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— 212 -
Kctt Td Ha8d tou tu u.aXXid Yid TrpocKe<paXdKi.
Maöpa TTouXid töv Tpuuravc Krj äcirpa töv Tporuptfav
Kf| £va ttouXi, KaXö ttouXi, bev rjueXe vd <pdrj.
2O ff 0d€ Kai cü, jiujpfc ttouXi, qpde Kai cü arr' euiva,
<Pä dTTÖ Tiöbia t^nropa Kai xtpia TrpoKOuu.e'va,
<Pde Kr) d<p ' tt| TXujecouXd u.ou Tf)v dr|bovoXaXoöca!
Md Ge vd Kdu.w u.id Tpa<pn cibepoßouXXujjLi^vr) ,
Nd CTeiXuj tct) navoöXdc u.ou Tcf| TroXuoTTiKpajievric." — 1
G8.
Kephalonia.
Tou Tidvvou fj udva dZuuwve toö yuioö Trjc 7ratiu.dbi.
Me bdKpua toö xd Eüuujve ko\ ui ja u.upoXÖYia.
'ViDjidKi |iou, )if)v dvaißrjc, cpoöpvö u.ou, uriv KOTrvicrjc,
Mnöpic biaßoöv Td KOTepta, vd u.r) uicc'u/ ö yuiöc u.ou.' —
6'Mdva u.ou, cuvTaCöcouva, YiaTi 9c vd cou tpuYU),
Nd 7rduü ue Td KaTCpYa, ui Td xovTpd Kapdßia*
/ Nd Kaurjc u.rjv€c va iofic, xpovia vd u.' dYpoiKricrjc.
Kr] dvTrmepa t' äi I~iujpyioü, cdu Trac ctö TraveYupi,
Gaupgc töv töttov jnou dbeiavö Kai ctö craribi jliou dXXov
10 Kai 0d caTrrj r\ |iTroXouXd cou c<poYYi£ovTac tö baKpu,
Kai Od CTCTVioEri r\ YXujccd cou pwTwvTac tcoi biaßaTaic.
t( AiaßdTaic ttou biaßaiveTe, crpaTiuVraic ttou TtepväTe, ♦
Mfj u.ou cioct' evav viöv KaXö Kr) £v' dEio TraXXr|Kdpi; " —
'Tid nee jnac ja coucouu.ta tou, k^| £u.eic vd cou tou.
Troupe." —
15 "Cd buo ßouvd €iv* f] TrXdTaic tou, cdv Kacrpo f| KCcpaXr)
TOU,
Cd vepavTcouXa qpouvTUJTf] cpouvTwvouv Td u.aXXid tou.'' —
68. Von diesem Liede wurden mir auf Kephalonia drei Varianten
mitgetheilt: dem Texte zu Grunde gelegt habe ich die ausführlichste
derselben aus dem Dorfe Katapodäta, jedoch nach den beiden übrigen
(Dorf Skaliii und Bezirk Skala) einige Verse theils verbessert theils
ergänzt.
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- 213 -
Und zum Kopfkissen hatt' er nichts als seine blonden Locken.
Es frassen schwarze Vögel ihn, und weisse sassen um ihn.
Ein schöner Vogel war dabei, der wollte nicht mit fressen.
20 "Friss doch auch du, mein Vogel, friss auch du von mei-
nem Leibe!
Friss von den schnellen Füssen hier, von den gewandten
Händen,
Und von der Zunge, die dereinst der Nachtigall es gleich
that !
Doch ich will schreiben einen Brief und fest versiegelt
senden
Dem armen Mütterlein, das sich so bitter um mich här-
met." — '
. 68.
Des Iannis Mutter knetete dem Sohne feines Backwerk.
Mit Thränen knetet sie es ihm und unter Klagerufen.
'Mein Teig, o bitte, geh nicht auf, nicht brenne, lieber
Ofen !
Vielleicht, dass ohne meinen Sohn die Schiffe weiterziehen.' —
5 'Gut sorgtest, Mutter, du für mich, denn ich will von dir
gehen,
Will fort mit den Galeeren ziehn, den grossen breiten
Schiffen.
In Monden und in Jahren wirst du nichts von mir ver-
nehmen.
Am Tage nach St. Georg, früh, wenn du zur Kirchweih
gehest,
Wirst in der Kirch' an meinem Platz du einen andren finden.
10 Da wird von deinem Thränenstrom dein Schleiertuch ver-
faulen,
Und von dem vielen Fragen dir die Zunge trocken werden :
"Ihr Wandrer, die vorbei ihr zieht, ihr, meine tapfren
Krieger,
Saht einen Pallikaren ihr, so jung und schön, wie edel?" —
"Beschreib sein Aussehn uns zuvor, dann soll dir Kunde
werden." —
15 "Zwei Bergen gleicht sein Schulternpaar, sein Haupt ragt
wie ein Burgfels,
Dem buschigen Orangenbaum sind seine Locken ähnlich." —
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rr '€ueic dvpec töv eTbajae ctöv ä|iuo EaTrXujuc'vo.
€fxe töv duu.o TraTrXujua, Tf) 0dXacca ceviövia.
Maöpa TTOuXiä töv Tpiurave kt) äcTtpa töv TpirupiEav ■
20 Kr) eva 7iouXi, KaXö ttouXi, bev rjOeXe vd cpar).
Eunvaei ö viöc Kai ßXe'Trei to kgu ßapuavacrevd£ei'
'Ode, ttouXi, öx Tf) viötti u.ou, qpde Kf) öx Tf)v dvTpid juou,
^<t>de kv) öx Tf) fXujecoöXd |iou Trvv dr)bovoXaXoöca,
'Ottoö Tf)V eixav Td TrouXid ckottö Kai KiXaiboücav.' —
•25 f Aev 6eXw öx Tf) viotti cou erre kt) öx Tfjv dvTpid cou
€it€ kt) diTÖ Tf) TXOüCcd cou Trjv dr|bovoXaXoüca,
'Ottoö Tf)v eTxav Td TrouXid ck,ottö Kai KiXaiboücav,
TiaT' eT/Ll " OTTO TÖV TÖTTO COU Kf) OTTO Tf) YClTOVld cou.' —
* Md dv eic' ottö töv tötto u.ou Kf) ottö tt) taTovid u.ou,
30 XauTTTTXuuce tct) cprepouTaic cou, Tp'ia Xötia vd cou Ypmpuj'
To eva vd ttglc tctt, udvac uou, tö ctXXo Ter) dbepqpfjc uou,
To Tpiio tö qpapuaKepö vd Trac toi. tto0£TT)C u.ou ■
Nd tö biaßdc' f) u.dva u.ou, vd KXairj f) dbepqpn uou,
Nd tö biaßdc' f) dbcpqpf), vd KXairj f) ttoGctt) uou,
35 Nd tö biaßdc' f) ttoGctt], vd KXairj ö köcuoc öXoc!
Kf) dv fjvai vuxto, uf)V tö tttjc, ue'pa, )if)V tö biaXuvrjc*
KovTd CTd £n.MepwuaTa e*ßYa, biaXdXrjce to*
Nd Trdp' f) udva tcou yia^ouc, k' f) dbepqpf) tcou ßpdxouc,
Kf) tKeiv' fj böXia TToeerfi vd Trdr) töv duuov duuov.' — M
4o'Gtxtip' n Mava tcou YiaXouc, k' f) dbepq>fj tcou ßpdxouc,
Kf) 6K6iv' fj böXia TToGeTf) Trfjpe töv duuov duuov.
€üpr)K' f) udva tö KOpui, k' fj dbcpcpf) tö x*P l >
V. 18 töv d|U|io näTrXuj|na schwerlich richtig, wiewohl ebenso
auch bei Passow Nr. 346, 9.
V. 21. Statt HuTivdei andere: Yup&i.
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— 215 —
ft Wir haben gestern ihn gesehn am Ufer ausgestrecket :
Zur Decke hatte er den Sand, das Meer zu seinem Bettuch.
Es frassen schwarze 'Vögel ihn, und weisse sassen um ihn.
20 Ein schöner Vogel war dabei, der wollte nicht mit fressen.
Da wacht der Jüngling auf und sieht's und spricht mit
schwerem Seufzer:
c Friss nur von meiner Jugend, friss von meiner Mannes-
kraft nur,
Und von der Zunge, die dereinst der Nachtigall es gleich
that,
Die beim Gesang die Vögel sich so gern zum Muster
nahmen!' —
•25 'Ich will von deiner Jugend nicht, von deiner Mannes-
kraft nicht,
Noch von der Zunge, die dereinst der Nachtigall es gleich
that,
Die beim Gesang die Vögel sich so gern zum Muster nahmen;
Weil ich aus deiner Heimath bin, ein Nachbar eures
• Hauses.' —
* Wenn du aus meiner Heimath bist, ein Nachbar unsres
Hauses,
30 So lass auf deine Flügel mich drei kurze Worte schreiben !
Das eine bring der Mutter mein, das andre meiner Schwester,
Das dritte dann, das bitterste, das bringe der Geliebten;
Und so es meine Mutter liest, wird weinen meine Schwester,
Und so's die Schwester liest darauf, wird die Geliebte weinen ;
3öSo's die Geliebte endlich liest, da weint die ganze Erde!
Doch nicht des Nachts, auch nicht am Tag sollst du die
Botschaft bringen:
Ums Morgengraun begib dich hin und bring die Trauer-
kunde.
Die Mutter such' am Meeresstrand, die Schwester in den
Klippen,
Die Arme, die Geliebte, geh' im Sande immer vorwärts.' — "
40 Die Mutter sucht am Meeresstrand, die Schwester in den
Klippen,
Die Arme, die Geliebte, wählt den Sand am Meer zum
Suchen.
Die Mutter fand des Sohnes Leib, die Schwester seine
Hände,
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- 216 -
Kf) tKeiv' f] böXict nod€xr\ eüpriKe to KeqpdXt.
r K€(pdXi, 7TOÖ eivai to KOpjni; Kop^i, irouv* to KtcpdXr, *
45 f Tö nf\p* r\ juaupn GdXacca, TÜjqpat' ö naöpoc ßpdxoc.'
69.
Zakynthos (Dorf Mariais).
Td ßdcavd nou eivai TioXXd, Tcfj TteTpac vd Td Xew,
K' n TitTpa vd Td Xerj e>ie, vd KaGoufica vd nXaiw!
70.
Kephalonia (Saiuos).
T Q oupave', TTCtTcpct jnou, k* r\ ff\c, |ndva rXuKud ^u,
Nd juf| id Xdßrj dXXoc xavek Td napabappaTa mou!
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- 217 —
Die Arme, die Geliebte, fand das theure Haupt des Todten.
f O Haupt, wo ist der Leib? mein Leib, wo ist das Haupt
geblieben?» —
45 'Vom wilden Meer hinweggespült! vom schwarzen Fels
vernichtet!' —
69.
Die Qualen mein, die gross an Zahl, will ich dem Stein
erzählen ;
Der Stein sagt sie mir wieder vor, und weinend hör' ich
zu ihm.
70.
0 Himmel, Vater mein, und du, o süsse Mutter Erden,
Dass keinem andren je die Qual, die ich erleide, werde!
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I
A n m e r k ii n g e n.
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I. Anmerkungen zu den Märchen.
1. Die Faulenzerin.
Die griechische Fassung des Märchens von den drei Spinnerinnen
bei Grimm Nr. 14, wo von den drei hülfreichen Frauen die erste durch
einen breiten Platschfuss, die zweite durch eine über das Kinn herunter-
hängende Unterlippe, die dritte durch einen breiten Daumen verun-
staltet ist: näher unserem Märchen steht in dieser Beziehung die von
Prätorius mitgetheilte Version (Grimm III, S. 24), wonach die eine
von den drei Frauen hinten sehr breit vom Sitzen ist, die andre eine
ungeheure Nase, die dritte einen breiten Daumen hat. Dieses Märchen
ist in Europa ziemlich weit verbreitet: Nachweise über das Vorkommen
desselben s. bei Grimm zu Nr. 14 und besonders bei Reinh. Köhler in
den Gott- gel. Anzeigen, 1868, S. 1364.
Ueber die Moeren oder Schicksalsgöttinnen im heutigen griechischen
Volksglauben s. mein Buch f Das Volksleben der Neugriechen und das
hellenische Alterthum', Th. 1, S. 210—220. Sie kommen in den griechi-
schen Märchen häufig vor.
2. Der Spruch der Moeren.
Ein ähnliches, gleichfalls den Gedanken der Unabwendbarkeit der
Schicksalbeschlüsses ausführendes Märchen von der Insel Naxos findet
sich in den NcoeHnviKä 'AväXeKTa B. II, S. 23 f., Nr. 14, dessen Inhalt
kurz folgender ist: Der Pathe eines Mädchens hört unmittelbar vor
der Taufe desselben die Moeren, wie sie der Kleinen das Los bestim-
men , im Alter von achtzehn Jahren zu ertrinken. Um dieses Geschick
von ihr abzuwenden , bittet er sich beim Herannahen des verhängniss-
vollen Jahres die Tochter von ihren Eltern auf einige Zeit aus, nimmt
sie mit sich in sein Dorf und weist ihr ein abgesondertes Zimmer an,
das sie nicht verlassen darf und wohin ihr alles, was sie braucht, ge-
bracht wird: hier findet man sie eines Tages ertrunken im Waschbecken.
"Was die gleichsam den Prolog des Märchens bildenden Worte 'Apx^i
toO uapauuöioö ' icaAf) culpa cac! (oder, wie es statt dessen auch heisst,
Ka\f| culpa tc ' ä<pevTiäc cac und dergleichen) betrifft, so werden damit
die griechischen Märchen gewöhnlich eingeleitet, denn der Abend oder
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- 222 -
die Nacht, besonders die langen Winterabende, sind die eigentliche
Zeit zum Vortrag derselben. Vgl. das Märchen bei Eulampios S. 76,
das psarianische bei Ross Erinn. u. Mittheil. S. 283, ferner NeoeXX. 'AvdX.
I, 1, Nr. 2 u. Nr. 6; II, Nr. 33. Sakellarios Nr. 1. u. s. w. Man hat
auch längere gereimte Prologe, die zum Theil ebenfalls mit einem
Gutenabend! für die Zuhörerschaft enden, so To TrapapüOi tö koXö pe
rpepvc-i v'dpxivncuj | xai Tfjv KaXn,v pac cuvTpoq)iä vä xf\v KaXr)cirepicu)
(Hahn II, S. 267) oder Kökkivu, kXwctu, ßapplvn, | cxf|v dvlpn, iuXip£vr|, |
böc tch kXujtco vd Yupicrj I itapapuOi v* <4pX lv ^l cr l » I T,f, ) v KaXn, cac cuv-
Tpoqnä vä Tnv KaXncirepkn. (NeoeXX. 'AvdX. II, Nr. 34), wozu der Sammler
bemerkt, dass die Zuhörer darauf mit einem KaXn. cirepa zu antworten
pflegen. Ganz Aehnliches bei Sakellarios Nr. 7; vgl. auch Pio's Anm. 1
zu Nr. 1. Ein auf den Inhalt des Märchens anspielender Prologreim,
Nd ittfjva irapapüOi, | tö koukkI Kai tö poß(6i, in den NeoeXX. 'AvdX
II, Nr. 16.
Der eigentliche Anfang der griechischen Märchen lautet in der
Hegel, von mundartlichen Verschiedenheiten in den Wortformen ab-
gesehen, Mid <popd f\rav oder Miä qpopä xrj evav Kaipö nrav (oder mit
Voranstellung des VerbB) , oder auch Mid ßoXd njav. Ferner ist nicht
selten (so in unserm Märchen) der Anfang pid cpopd Krj evav Kaipö Kai
CTd iraXaid Zapdvia u. s. w. ituuävi, d. i. Zeit, arabisches Wort, ins
Türkische und aus diesem ins Vulgargriechische übergegangen). Auch
eigentümliche humoristische Reime kommen zu Anfang vor, so NeoeXX.
'AvdX. 1, 1, Nr. 11: Mid cpopd Krj £vav Kaipö Kr) eva iraXnoZapdvi j ttoö
Kdvave ot ToüpKoi papaZdvi | c' eva Tpouirio KaZdvi, und ähnlich eben-
das. II, Nr. 32.
. Auch das Ende der Erzählung wird oft in stereotypen Reimen
gegeben, wenigstens ist häufig der Schluss Krj c^Kapav rdpouc (oder
ydpov) Kai xapalc | Kai EecpdvTiucec KaXafc. Vgl. z. B. Pio Nr. 1. Hahn
II, S. 283. NeoeXX. 'AvdX. II, Nr. 12. 23. 36. Nach Korais "AxaKTa II,
S. 293 wird an Stelle von SEerpdvrujcec auch Tiapaoiäßacec gesagt. —
Viele Märchen haben auch einen Epilog. Sehr häufig ist es, dass die
erzählende Person, unmittelbar an die letzten Worte der Erzählung
anknüpfend, ihr eigenes und ihrer Zuhörerschaft Los zu dem Lose der
Hauptpersonen des Märchens in Vergleich stellt. Wie es am Ende
unsres Märchens heisst: r So sprachen sie mit einander und schliefen
gut, und wir noch besser,' so ist sehr häufig dieser oder ein dem ähn-
licher Schluss: f Die lebten nun glücklich, wir aber hier noch glück-
licher» (Krj epeic eödi KaXXixepa). Vgl. z. B. Nr. 4 u. Nr. 15 meiner
Sammlung, Hahn Nr. 51 u. 75, NeoeXX. 'AvdX. I, 1, Nr. 7.8. 10. 11. Es
ist jedenfalls charakteristisch für das griechische Volk, dass dieser Ver-
gleich immer zu Gunsten der traulich zusammensitzenden Gesellschaft
ausfällt*); wogegen, was zu constatiren von Interesse ist, die siciliani-
*) Nur in dem Märchen bei Simrock Nr. 3, S. 371 heisst es statt
dessen : 'Ich wollte wir wären noch glücklicher,' und dies ist vielleicht
Accommodation an italienischen Brauch, denn die Erzählerin desselben
war eine zwar aus Argos gebürtige, aber in Neapel dienende Kinder-
wärterin (vgl. Gött. gel. Anz. 1871, S. 1106).
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— 223 —
sehen Märchenerzählerinnen am Ende ihrer Erzählung durch Wen-
dlingen wie f So lebten sie glücklich und zufrieden, wir aber gehen
leer aus' und dergleichen ihre und der Zuhörer ärmliche Verhältnisse
dem Glück ihrer Märchenhelden entgegenzusetzen pflegen. Vgl. 0.
Hartwig in dem Vorwort zu Laura Gonzenbach's Sicil. Märchen, S. VIII.
— Einen guten Wunsch für einen der jungen Zuhörer oder Zuhörerinneu
enthält der Epilog eines Märchens, das mit einer Hochzeit endet, bei
Hahn Nr. 49: 'und ich wünschte, dass auch die deinige bald käme
und ich dabei wäre.' — In einem Märchen bei Morosi Nr. 2, S. 74
wird wie zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit die Gesellschaft aufgefor-
dert, selbst hinzugehen und sich von der Wahrheit des Erzählten zu
überzeugen, was, da die Wohnung einer Ameise gemeint ist, um so
komischer wirkt; wogegen eine Reihe andrer Epiloge gerade das Ge-
gentheil aussprechen , nämlich dass die vorgetragene Erzählung keinen
Anspruch darauf mache geglaubt zu werden, so bei Hahn Nr. 25: f Ich
war nicht dabei, und darum brauchst du es auch nicht zu glauben.'
Vgl. ferner ebendas. Nr. 26. 37. 64. NeoeXX. 'AvdX. I, 1, Nr. t— 3. 5.
6. 9. Hierher gehören auch die gereimten Epiloge Vöuara Kr) dXrj-
6eia | e-rcäv' tA uapajuueia (NcoeXX. 'AvdX. II, Nr. 24. 25. 34) und TTapa-
uüGi uü6apoc , | n. KoiXid cac iriGapoc (ebendas. Nr. 8. Vgl. auch Proto-
dikos 'löiujTiKd xfjc vewTcpccc £XAnv. YXujccr)C, S. 48). — In den kypri-
schen Märchen wiederum begegnen wir am Schlüsse öfters der Fiction,
dass der Erzählende Augenzeuge der von ihm vorgetragenen Ereignisse
gewesen sei und soeben vom Schauplatze derselben herkomme, so
gleich Sakell. Nr. 1 : d<pn.ca^v ™uc ^eic CKdvouc Utl Kai rfpiauev od,
und ganz ähnlich Nr. 2. 4. 5. 7 Es läge nahe und wäre nicht ganz
ohne Interesse, auch die Märchen anderer Völker für diese Betrachtung
heranzuziehen, würde mich aber viel zu weit führen: es muss genügen,
den obigen charakteristischen Unterschied zwischen den griechischen
und den sicilianischen Märchen in dieser Hinsicht hervorgehoben zu
haben.
3. Die gute Schwester.
Auffällig und der herrschenden Volksansicht zuwider ist in diesem
Märchen, dass es der Schwester durch beständige Wachsamkeit ge-
lingt, das ihrem Bruder von den Schicksalsmächten bestimmte un-
glückliche Los abzuwenden; auffällig ist auch, dass die drei, obwohl
sioh gegenseitig ausschliessenden Sprüche der Moeren doch sämmtiieh
sich erfüllen wollen, während sonst in diesem Falle nur der Spruch
der zuletzt sich äussernden, dem die beiden andern schliesslich bei-
stimmen, zu gelten pflegt. Hinsichtlich des ersteren Punktes ist einiger-
massen ähnlich das naxische Märchen in den NcoeXX. 'AvdX. II, Nr. 36,
wo die Stiefmutter eines Mädchens, dem die Moeren es bestimmt
haben, im Alter von zwölf Jahren zur Buhlerin zu werden, diesem
Schicksalsspruche wenigstens eine möglichst günstige Wendung zu geben
vermag, wodurch das Glück ihrer Stieftochter dauernd begründet wird:
das Mädchen muss den Königssohn verführen, worauf sie ein Kind von
ihm gebiert und schliesslich seine Gattin wird.
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4. Der König mit den Bocksohren.
Die bekannte Geschichte von König Mitlas' Ohren, welche sich
auch in walisischen, irischen und bretonischen Sagen, sowie in einem
serbischen und in einem mongolischen Märchen vorfandet. Vgl. Jac.
Grimm Kleinere Schriften IV, S. 216 f. (aus den Gött. g. Anz. v. J. 1824,
S. 118 ff.). Grimm Kinder- und Hausmärchen III, S. 310 f. Liebrecht
zu Dunlop S. 471, Anm. 153. EdeMestand du M6ril fitudes sur quelques
points d' arche'ologie et d' histoire litte"raire, Paris und Leipzig 1862,
S. 432, wo die Sage, wie sie in der Bretagne von König Portzmar'h
erzählt wird, raitgetheilt ist nach De Nore Coutumes, mythes et tra-
ditions des provinces de Frauce, S. 219. Wuk Stephanowitsch Kara-
dschitsch Volksmärchen der Serben, ins Deutsche übersetzt von dessen
Tochter Wilhelmine, Berlin 1854, Nr. 39. Benfey Pantschatantra Vor-
rede S. XXII Anm., wo die mongolische Veraion im Auszug gegeben
ist, die man jetzt vollständig findet bei Beruh. Jülg Mongolische Mär-
chen (Innsbruck 1868), S. 46 ff., Nr. 22. — Benfey hält es für völlig
sicher, dass die Grundlage dieser Erzählung aus dem üccident stamme,
und sie ist von allen ihm bekannten Märchen das einzige, von dem er
dieses unumwunden zugibt; dahingegen Liebrecht in Ebert's Jahrbuch
B. III, 1861, S. 86 es wahrscheinlich findet, dass die Geschichte von
Midas sich aus Indien herleite. Wie dem nun auch sei: dass unser
neugriechisches Märchen unmittelbar aus dem hellenischen Alterthum
herstammt und nicht etwa erst durch Vermittlung eines andren Volkes
nach Griechenland wiedereingewandert ist, wird wohl niemand be-
streiten wollen. Es steht der altgriechischen Erzählung viel näher als
alle übrigen uns vorliegenden Versionen*), ist aber andrerseits auch
wiederum so selbständig und von jener in charakteristischen Einzel-
heiten doch so verschieden, dass an ein Hineintragen ins Volk von
schriftkundiger Seite entfernt nicht gedacht werden kann. Ich erinnere
z. B. an die fünf Schleier (statt der phrygischen Mütze), an den Spruch
der Moeren, an den Abschiuss mit einer Hochzeit. Noch bemerkens-
werther scheinen mir die Bocksohren statt der Eselsohren, und viel-
leicht ist in dieser Beziehung das neugriechische Märchen alterthüm-
licher als die litterarische Ueberlieferung. Denn Midas steht bekannt-
lich in engster Beziehung zum phrygischen Dionysos und seiner Um-
gebung, und noch Philostratos V. Apoll. 6, 27 sagt: uctcIxc u£v yäp toö
tuiv caTüpuuv fivovc ö Mioac outoc, ujc £onXou xd ü>ra. Jedenfalls
dürften die Satyrohren des Midas ursprünglicher sein als die Esels-
ohren. Vgl. Jacobi Handwörterb. der gr. u. röm. Myth. u. d. A. und
Erdmannsdörffer in dem Aufsatz f Das Zeitalter der Novelle in Hellas'
in den Preussischen Jahrbüchern B. 25, 1870, S. 288 f. Das serbische
*) Wenn übrigens Liebrecht am zuletzt angef. Orte S. 87 sagt, das
Schilf komme in Keiner andren Version als der griechischen vor, so
irrt er: in der bretonischen Sage sprossen aus dem Sande des Meeres-
ufers, dem der Scheerer das lastende Geheimniss anvertraut hat, drei
Kohrstengel empor, durch welche die Sache verrathen wird.
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Märchen steht in dieser Beziehung dem unsrigcn am nächsten, denn
hier hat der 'Kaiser Trojan* Ziegenohren. In der mongolischen Version
finden wir die Eselsohren, in der bretonischen und den übrigen oben
erwähnten dagegen Pferdeohren.
5. Die drei Citronen.
Von diesem auf Zakynthos sehr beliebten Märchen liegen mir zwei
in manchen Einzelheiten von einander abweichende Fassungen vor,
welche ich übrigens einem und demselben Gewährsmann verdanke, der
das erste Mal aus eigener Erinnerung erzählte und später sich das
Märchen von einer Bäuerin aus dem Dorfe GaTtäni nochmals vortragen
Hess. Ich habe diese spätere Erzählung als die ausführlichere und
besser geordnete bei der üebersetzung zu Grunde gelegt, jedoch auch
aus der früheren einiges aufgenommen, namentlich den die Katastrophe
drastischer darstellenden Zug, dass die Verbrecherin durch Beant-
wortung der an sie gerichteten verhängnissvollen Frage sich selbst das
Urtheil spricht. Der interessante Zug von den Moeren wird von beiden
Fassungen geboten, wogegen derselbe in einer dritten gleichfalls zakyn-
thischen Version, welche der Zakynthier Anastasios Lountsis in Mann -
hardt's Zeitschrift für d. Mythol. und Sittenk. B. IV, S. 320 ff. mit-
getheilt hat, gänzlich fehlt. Eine vierte griechische Variante dieses
Märchens aus Argos findet sich bei Simrock Nr. 3, S. 365 ff.; eine
fünfte, aus Kleinasien, bei Hahn Nr. 49. Das Märchen kommt auch
in der Walachei, in Ungarn, Italien, Sicilien und sonst vor: s. die Nach-
weise R. Köhlers zu L. Gonzenbach N. 13. — Von den griechischen
Versionen weichen die kleinasiatische und die aus Argos Btark von
unsrem Texte ab, namentlich im Eingang; am nächsten kommt ihm
begreiflicher Weise die von A. Lountsis mitgetheilte , wiewohl aucli
sie mancherlei Abweichendes hat (wenn hier die schwarze Sklavin, die
sich für des Prinzen Braut ausgibt, aus detfÄchlosse seiner Eltern selbst
ist, so kann das nur Entstellung sein). Eigenthümlich unserem Text-
märchen ist, dass nicht das zum Wasserholen ausgesandte Mohren-
mädchen, sondern dessen Herrin, die Lamnissa (über diese Gestalt des
Volksglaubens s. mein 'Volksleben' I, S. 131 — 135) Bich an Stelle der
von ihr gefressenen Schönen auf den Baum setzt. Vgl. hierzu Hahn
Nr. 41, wo das auf dem Baume sitzende Sonnenkind Letiko gleichfalls
von einer Lamia bedroht wird und diese, um Zeit zu gewinnen, auf-
fordert, erst ihre häuslichen Geschäfte zu besorgen und dann wieder-
zukommen.
Der Zug, dass ein Kues das Erlebte vergessen macht, kommt auch
in der von A. Lountsis mitgetheilten Variante vor und — genau mit
denselben Einzelheiten wie in unserm Texte — in Nr. 12 meiner Samm-
lung und bei Hahn Nr. 64. Weitere Nachweise aus Märchen andrer
Völker 8. bei Köhler zu L. Gonzenbach Nr. 14. — Dass das falsche
Weib sich krank stellt und angeblich um ihrer Genesung willen ein
Begehren äussert, dessen Erfüllung der verwandelten Schönen den Tod
bringen soll, wiederholt sich in Nr. 13 meiner Sammlung.
Schmidt, G riech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 15
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Das unbewusste Urtheilspreehen über eich selbst kommt auch in
der Variante aus Argos vor und ist überhaupt in den Märchen häufig.
Vgl. Köhler zu L. Gonzenbach Nr. 13 a. E. Die Strafe der Schuldigen
ist in allen griechischen Varianten dieselbe und wiederholt sich öfters
in den griechischen Märchen. Vgl. Pio Nr. 1. NeocXX. 'AvdX. I, 1, Nr. 4
n. Nr. 10.
(J. Die verzauberte Königstochter oder der Zauberthurm.
Dieses Märchen gehört, sofern es von der Erlösung einer in Schlaf
versunkenen Jungfrau durch einen kühnen Jüngling handelt, in den-
selben Kreis wie z. B. das deutsche 'Dornröschen' (Grimm Nr. 50).
Höchst merkwürdig ist die Geburt der bewaffneten, Lanze und
Helm tragenden Jungfrau aus der Wade des Königs: offenbar eine
Erinnerung an die Geburt der Athene aus dem Haupte des Zeus, viel-
leicht vermischt mit einer zweiten an des Dionysos Geburt aus desselben
Gottes Schenkel (vgl. Preller Gr. Mythol. I, S. 521). Dass die Wade
an Stelle des Hauptes getreten ist, spricht jedenfalls für die Echtheit
des Zuges. Vgl. Vorrede S. 7 f. lieber ähnliche wunderbare Geburten
aus Händen, Füssen u. s. w. namentlich in nordischen und indischen
Ueberlieferungen vgl. Jac. Grimm Deutsche Mythologie S. 536. An
Athene, Zeus' Lieblingstochter, erinnert zudem auch der-Schluss unsres
Marchens, wo übrigens ursprünglich wohl auch eine Zurückbeziehung
auf den Eingang stattgefunden haben und etwa gesagt gewesen sein
wird, dass der Königssohn die erlöste Jungfrau ihrem Vater gebracht
und dieser ihm zum Danke seinen Thron übergeben habe.
Bei dem Thurm der Lauinissa wird man an die Stelle Tertullian's
adv. Valent. 3 erinnert: uonne tale aliquid dabitur te in infantia inter
somni difficultates a nutricula audisse , Lamiae turres et pectines Solis ?
Dass der Held des Märchens sich bei einer Zauberin erkundigt,
ehe er sein Abenteuer wajfly und von ihr nützlichen Kath empfängt,
ist in den griechischen Märchen nicht selten. Vgl. Nr. 7 u. 8 meiner
Sammlung. Einen ganz ähnlichen Kath wie hier die Zauberin, gibt
einem Jüngling seine Moere in dem peloponnesischen Märchen NeoeAA.
'AvdX. I, 1, Nr. 10, nämlich den Rath, zehn Ladungen Fleisch, ebenso-
viel Getreide und ebensoviel Honig für die Löwen, Ameisen und Bienen,
die er auf seinem Wege treffen werde, mitzunehmen, und überhaupt
berührt sich die ganze Episode von der in einer Burg gefangen ge-
haltenen c ir€VTduuopqprj toö köcuou', welche der Held dieses Märchens
einem Könige bringen muss, ziemlich nahe mit unserem Texte.
Das Loben des alten Thores stellt sich zu dem Loben des Feigen-
baums mit bittren Früchten und des Flusses mit bittrem Wasser bei
Simrock Nr. 3, S. 367 f., der stinkenden Quelle bei Hahn Nr. 54, und
zu ähnlichen Zügen ebendaselbst Nr. 72 u. Nr. 100. Vgl. noch Köhler
zu L. Gonzenbach Nr. 13 u. 15.
Dass dankbare Thiere ihrem Wohlthäter etwas von ihrem Leibe,
wie ein Haar, einen Flügel n. s. w., geben, was, wenn es angebrannt
wird, die Thiere selbst sofort zu seiner Hülfe herbeiführt, ist in den
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griechischen Märchen häufig. So in dem angeführten aus dem Pelo-
ponnes (Löwenhaar, Ameisenflügel, Bienenfliigel), ferner bei Hahn
Nr. 26. 37. 61 (hier Schuppe von einem Fische). Aehnliche Züge eben-
das. Nr. 6, Nr. 54 (Verbrennung des Haares einer Neraide versammelt
alle Teufel), Nr. 63; NcocXX. 'AvdX. II, Nr. 37.
Wie dem Helden unsres Märchens, so werden auch dem des pelo-
ponnesischen drei Arbeiten aufgegeben, welche die dankbaren Thiere
für ihn ausführen. Und zwar kehrt das von den Ameisen besorgte
Sichten der bunt durch einander geschütteten Getreidearten auch hier
wieder, gleichwie in der Variante bei Hahn Nr. 37, und ebendas.
Nr. 63. Bekanntlich findet sich derselbe Zug auch schon in dem Mär-
chen von Amor und Psyche bei Apuleius VI, 10.
Zu dem grossen See, der aus einigen von der fliehenden Königs-
tochter hinter sich geworfenen Haaren entsteht, vgl. Hahn Nr. 1, wo
aus dem von den Fliehenden hinter sich geworfenen Messer eine un-
geheure Ebene , aus dem Kamme ein dichter Wald , aus dem Salze ein
Meer wird, und ebendaselbst Nr. 45, wo ganz Aehnliches geschieht.
7. Die Herrin über Erde und Meer.
Die in einem unterirdischen Palaste wohnende 'Herrin über Erde
und Meer' kommt auch in Nr. 19 meiner Sammlung vor, wo sie zum
Christenthum in Beziehung gesetzt ist und als eine freundliche, der
Gerechtigkeit dienende Frau erscheint. Eine Vermuthung über den
Ursprung dieser eigenthümlichen Gestalt wage ich nicht zu äussern.
Vergleichen lässt sich ihr die 'Schöne der Welt 1 bei Hahn Nr. 63 und
die 'rccvTduuopcpn. toO köcuou' in den N€0€XX. 'AvdX. I, 1, Nr. 10, die
beide auch erst nach Lösung schwieriger Aufgaben gewonnen werden,
noch mehr aber die von einem dreiköpfigen Hunde bewachte 'Schöne
der Erde' in der Unterwelt in dem albanesischen Märchen bei Hahn
Nr. 97.
Was am Ende des Märchens erzählt wird von der grossen Fluth
und von dem Säen von Steinen, um neue Menschen entstehen zu lassen,
rührt offenbar aus der Deukalionsage her.
8. Der goldne Apfel des unsterblichen Vogels.
Die vorliegende Fassung ist wohl nur das Gerippe des Märchens.
Der 'unsterbliche Vogel, der ewig brennende und nie verbrennende',
erinnert an den Vogel Phoenix.
Dem musicirenden Apfel darf man die lachenden Aepfel bei Hahn
Nr. 114 vergleichen, die in dem Garten eines Drachen wachsen, und
welche der Held des Märchens gleichfalls holen muss, um die Braut
Sil gewinnen. Vgl. auch ebendas. Nr. 63 (II, S. 12).
9. Prinz Krebs.
Die vom Erzähler angegebene Ueberschrift dieses Märchens ist Ol
bwbfKü dexoi: ich habe statt ihrer die passendere 'Prinz Krebs' gesetzt.
15*
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Es gibt, wie mir Reinh. Köhler mittheilt, ein paralleles polnisches
Märchen dieses Titel». Sonst kommt an Stelle des Krebses eine Schlange,
ein Schwein, ein Igel u.a. vor. Das Märchen gehört im Allgemeinen,
wie auch das folgende, zu jenem grossen Märchenkreise, über welchen
L. Friedlaender und A. Kuhn in des ersteren Darstellungen aus der
Sittengeschichte Roms, I, S. 620-54« d. 4. Aufl. mit Rücksicht auf das
Märchen von Amor und Psyche gehandelt haben. Im Einzelnen steht
ihm vielfach sehr nahe das albanesische Märchen aus Porös bei Hahn
Nr. 102, welches übrigens, wie der Herausgeber bemerkt, auch auf der
— nur von Griechen bewohnten — Insel Teno» erzählt wird. Zum
Theil verwandt ist auch Hahn Nr. 100 (gleichfalls albanesisch).
Zu den zwei Aufgaben, die der König dem die Hand seiner jüngsten
Tochter begehrenden Krebse stellt, vgl. Hahn Nr. 9 (I, S. Ulf.) und
desselben Anmerkungen zu Nr. 31.
Der zugeworfene Apfel gilt, wie im Alterthum ( Auf hol. Palat. V,
79 u. 80. Theocrit. 5, 88), so auch heute als Liebessymbol. Vgl. E. Cur-
tius i. d. Gött. Nachrichten 1857, Nr. 22, S. 308. C. Wachsmuth D. a.
Griechenl. i. n. S. 83. Hahn Märchen Nr. 70 (II, S. 50).
Zum Verbrennen der Krebsschaleu seitens der Schwiegermutter des
Verzauberten vgl. die Verbrennung der Schlangenhaut bei Halm Nr. 31.
Den zwölf Adlern entsprechen die zwölf Tauben bei Hahn Nr. 102,
die gleichfalls durch Untertauchen wieder Menschengestalt annehmen
(nur die zwölfte vermag dieses nicht mehr, nachdem die Braut das
Geheimniss von dem verzauberten Jüngling ausgeplaudert). Ebenda
findet sich auch der Zug, dass die Prinzessin zur Linderung ihres
Kummers über den Verlust des Geliebten sich Geschichten erzählen
lässt und dass dadurch die Wiedervereinigung mit demselben herbei-
geführt wird. Vgl. auch noch Hahn Nr. 70 und Mannhardt's Zeitschrift
IV, S. 323, wo gleichfalls durch das Verlangen, ein Märchen zu hören,
die Lösung des Knotens erfolgt.
10. Die Schönste.
Vgl. die Anmerk. zu Nr. 9.
Eine Variante unsres Märchens, aber an Lieblichkeit beträchtlich
nachstehend, ist das kyprische Märchen bei Sakellarios Nr. 7. Nur im
Eingang dem unsrigen sehr ähnlich, sonst aber stark abweichend ist
Hahn's Nr. 7. Insbesondere kommt auch hier der Zug vor, dass das
Vergessen des der jüngsten Tochter versprochenen Geschenks das Vor-
wärtskommen hindert (vgl. auch Hahn Nr. 12). S. ferner Grimm Nr. 88
und namentlich die in den Anmerkungen hierzu, ß. III, S. 152 f. u. 155
mitgötheilten Varianten, ferner R. Köhler in den Gött. gel. Anzeigen
v. J. 1868, B. II, S. 1372 f.
Eigentümlich unserm Märchen ist der Fluch der NeraYde, wenn
schon in der kypi-ischen Fassung die Verwandlung des Prinzen in eine
Schlange gleichfalls Folge des Fluchs einer Geliebten ist. In dem nicht
verwandten Märchen bei Hahn Nr. 58 wird ein Manu durch Verfluchung
seitens einer Neraide in eine Frau verwandelt lieber diese dämo-
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nischen Wesen s. Volksleben der Neugriechen I, S. 98-130. Uebrigens
widerlegt der in Rede stehende Zug die Bemerkung Hahn's in der Ein-
leitung seiner Sammlung (I, S. 37 f.), dass das der Verwünschung in den
germanischen Märchen eigene Mittelglied in dem griechischen Märchen-
kreise fehle.
IL Der Capitän Dreizehn.
Zu dem eigenthümlichen Namen 'Dreizehn' ist zu vergleichen J.
W. Wolf Deutsche Märchen und Sagen, Nr. 22, angeführt von Hahn II,
S. 301, wo die starke Gestalt denselben Namen führt, weil sie für drei-
zehn arbeitet, aber auch für dreizehn isst. In dem griechischen Märchen
wird der Name ursprünglich in ähnlicher Weise inotivirt gewesen sein.
Ueber die Begriffe des Volkes von den Hellenen, in deren Zeit
unsere Erzählung verlegt wird , s. Volksleben der Neugr. I, S. 203—209,
besonders S. 206, wo der hier begegnenden Vorstellung gedacht ist,
dass die Stärke der alten Hellenen in drei Brusthaaren gesessen habe
und durch deren Abschneidung geschwunden sei. Hierzu und zum
Folgenden vergleiche man ausser der Simsonsage des alten Testaments
den hellenischen Mythos von dem megarischen Könige Nisos und seiner
Tochter Skylla, welche, von Minos bestochen oder aus Liebe zu ihm,
dem Vater das purpurne Haar seines Hauptes auszieht, an dem seine
Macht und sein Leben hing (s. die Stellen bei Preller Gr. Myth. I, S. 485,
Aum. 1 der 2. Aufl.); ferner das Märchen aus Syra bei Hahn II, S. 282
und das kyprische bei Sakellarios Nr. 8, in welchen beiden ein Jüng-
ling vorkommt, dessen Stärke in drei goldnen Haaren seines Hauptes
sitzt, die ihm von Beiner Mutter oder Schwester abgeschnitten werden.
Dass der gefangene Held mit seinen Gefährten von den Feinden
in einen Abgrund gestürzt wird und allein unversehrt unten ankommt,
erinnert sehr an die Sage vom Messenier Aristomenes bei Pausan.
IV, 18,. 4.
Aber mit der Flucht daraus beginnen dann wiederum sehr deut-
liche Anklänge an die Sage von Ikaros (an Stelle des kretischen Laby-
rinths ist der Abgrund getreten, der künstlichen Flügel die Flügel eines
todten Vogels, des Wachses Lehm, der Sonnenwärme ein Regcnguss).
Ueber den Meergeist vgl. Volksl. d. Neugr. I, S. 135 f. Der Zug,
dass der in Thiergestalt Verwandelte nicht eher erlöst werden kann,
als bis ein Mädchen sich findet, das ihn zum Gemahl haben will, kehrt
bei Sakellarios Nr. 7 wieder.
Die Rettung des Königs und seiner Tochter auf dem Rücken des
Delphins ist ein so nahe liegendes Motiv, dass man nicht an eine Her-
übernahme dieses Zugs aus der Arionsage zu denken braucht.
12. Der Drache.
Dieses Märchen gehört in seinem' ersten Theile in dieselbe Gruppe
wie Nr. 9 und 10 (und wie das Märchen von Amor und Psyche), nimmt
aber dann einen anderen Verlauf, indem die Prinzessin nicht das Un-
geheuer, dem sie von ihrem Vater in der Noth zugesagt worden, lieb
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gewinnt, sondern vielmehr einen aus der Gewalt desselben befreiten
Jüngling, mit welchem sie schliesslich vereinigt wird.
Ueber die Drachen s. Volksleben der Neugr. I, S. 190—195.
Der Palast des Drachen mit dem prachtvollen Schlafgemach, in
dem es auch bei Nacht hell bleibt, erinnert sehr an die Beschreibung
des Apuleius V, 1.
Das ganz mit Glocken behaugene Bett kehrtfin Nr. 23 wieder, wo
der König der Thiere, eine siebenköpfige Schlange, der Sicherheit
halber in einem solchen Bette schläft. Aus demselben Grunde hat bei
Hahn Nr. 3 der Drakos eine Bettdecke mit Schellchen. Vgl. noch L.
Gonzenbach Sicil. Märchen Nr. 83.
Das Verbot ein bestimmtes Zimmer zu öffnen und die Uebertretung
desselben aus Neugier ist in den griechischen Märchen sehr häufig. So
z. B. Nr. 13 und 24 meiner Samml., NeocXX. 'AvöX. I, 1, Nr. 11, Sakel-
lurios Nr. 1, und das allem Anschein nach auf einem Märchen beru-
hende Volkslied in BretcV '€6viköv "HuepoXotiov 1865, S. 44 f., das jetzt
auch bei Politis MeXem. I, S. 1G1 f. abgedruckt ist.
Ueber den die Erinnerung raubenden Kuss s. die Anmerk. zu Nr. 5.
Zu dem Schrank, in welchem die Prinzessin sich in die Wohnung
ihres Geliebten bringen lässt, vgl. den grossen goldncn Kasten des
Kiesen in Nr. 13 meiner Samml., und den Gitterkasten bei Hahn Nr. 19,
welches Märchen überhaupt einige Züge mit dem unsrigeu gemein hat.
13. Der Riese vom Berge.
Eine eigentümliche Version des weitverbreiteten Märchens 'von
dem Bruder und seiner schönen Schwester', über welches R. Köhler
zu L. Gonzenbach Nr. 33—34 gehandelt hat: an Stelle des Bruders er-
scheint hier der Vater der Schönen.
Der Zug, dass kein Sonnenstrahl das Mädchen berühren darf, findet
sich auch in dem entsprechenden wälschtiroler und böhmischen Mär-
chen. Vgl. übrigens auch die in der Vorrede S. 30 f. mitgetheilte Sage
vom Prinzen Anilios.
Wie hier die Tochter auf des Vaters Frage, was er ihr von der
Reise mitbringen solle, antwortet, er möge ihr den Riesen vom Berge
zum Gemahl verschaffen, so erwidert in einem catalanischen Märchen
die jüngste von drei Töchtern auf die gleiche Frage, sie wolle dem
Königssohn vermählt werden: s. Köhler zu L. Gonzenbach Nr. 9.
Ueber die Riesen s. Volksl. d! Neugr. I, S. 200 ff.
Die sieben Schleier, die des Riesen Gesicht umhüllen, sind ohne
eigentliche Motivirung. Uebrigens vgl. die sieben Schleier der Schönen
bei L. Gonzenbach Sicil. M. Nr. 13 und 64, und die fünf Schleier des
Königs mit den Bocksohren in Nr. 4 meiner Samml.
Der Zug, dass der Riese die Stärke des Königs durch einen ge-
waltigen Schlag prüft, den jener durch einen um die Schulter gewor-
fenen Schlauch parirt, stellt sich zu den verwandten Zügen neugrie-
chischer Sagen, die ich Volksleben I, S. 193 u. 206 nachgewiesen habe.
Dass der Vater der Schönen in ein Zimmer geführt wird, worin
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eine Menge Mädchen abgebildet sind , und darnach die Schönheit seiner
Tochter beurtheilt wird, findet sich auch bei Hahn Nr. 7. Uebrigens
möchte mau hierbei auch an den verliebten Polypheinos der späteren
hellenischen Sage denken, wie ja die Blendung des Riesen am Ende
unsres Märchens offenbar aus der homerischen Polyphemsage herüber-
genommen ist.
Der Zug, dass die Amme auf der Fahrt zur Hochzeit ihre Tochter
an die Stelle der Schönen setzt, kommt auch in dem Märchen bei
Hahn Nr. 28 vor, welches überhaupt in denselben Kreis gehört, ob-
schon es mit dem unsrigen sich nicht näher berührt.
Wie hier der Riese sich in einen grossen goldnen Kasten steckt,
der unter dem Vorwande, der Leib eines Heiligen befinde sich darin,
an die dem Riesen entflohene Prinzessin verkauft wird, so schliesst
sich in dem sicilianischen Märchen bei L. Gonzenbach Nr. 23 Ohime,
welcher im Uebrigen dem Belzebul in Nr. 24 meiner Sammlung ent-
spricht,, mit musikalischen Instrumenten in eine hohle silberne Statue
ein , die dann von einem Burschen unter dem Rufe : r Ei, was habe ich
für einen schönen heiligen Nikolaus, und was der für schöne Musik
machen kann,' in der ganzen Stadt herumgetragen und schliesslich auf
Verlangen der dem Ohime entflohenen, nunmehr an einen Königssohn
vermählten Maruzza ins Schloss gebracht wird. Vgl. noch ebenda«.
Nr. 10.
14. Helios und Maroula.
Variante von Hahn Nr. 41 (Epirus). In den Gebirgsdörfern von
Zakynthos kommen noch andere Fassungen vor, von denen die eine,
mir in Umrissen mitgetheilte der Hahn'schcnl näher steht als unser
Text, indem auch sie die Episode von der Lamia oder Lamnissa ent-
hält. In einer andren ist die Mahnung, die Helios der ihrem Ver-
sprechen ungetreuen Mutter durch Maroula zukommen lässt, in fol-
gende Verse gefasst: To tüEiuo tioö uouraHe | fopfä vä uoö tö CT€(Xrj, |
jmrj CKüiyu), Xdv^iu), itöpu) ce, | xai ti^v «apoiä ttjc Kdipuu. — Im Eingang
unserm Märchen sehr ähnlich ist das sonst nicht verwandte bei Hahn
Nr. 4. Vgl. auch ebendas. Nr. 68 und 82.
Der fruchtbar machende Apfel kommt auch in Nr. 23 vor. S. ausser-
dem Hahn's Sachverzeichniss u. d. W.
Charakteristisch für Helios, der im heutigen Volksglaubon durch-
aus ah Kiese und grosser Fresser erscheint, ist der Verzicht auf den
Mitbesitz des Mädchens um den jährlichen Tribut eiues Kuchens. Ueber
diesen Helios gedenke ich im zweiten Theile meines Volkslebens der
Neugriechen ausführlich zu handeln und seinen Zusammenhang mit dem
Sonnenheros Herakles nachzuweisen.
Bei Hahn Nr. 41 sind es zuerst zwei Füchse, welche der Sonnen-
ball fragt, ob sie die Geraubte nach Hause bringen wollen, und das
ist offenbar das Ursprünglichere, da die Antwort zur Natur des Hirsches
nicht stimmt. Dagegen ist dieser an zweiter Stelle, wo die Hahn'schc
Version Hasen hat, ganz an seinem Platze.
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15. Das Schloss des Helios.
Der dem Mädchen und seinem jüngsten Bruder guten Rath er-
theileude Mönch ist als deren Schutzengel aufzufassen, wie denn solche
öfters in den griechischen Märchen in Mönchsgeatalt auftreten. S.
Nr. 17 m. S. und Hahn Nr. 69.
Versteinerung von Menschen durch Zauberkraft und Wiederer-
weckung derselben durch Lebens- oder Unsterblichkeitswasser (vcpö
ty\c Lwf\c oder dBdvaro vcpö, das überhaupt ungemein häufig in den
griechischen Märchen erwähnt wird) kommt auch vor in Nr. 24 meiner
Sammlung, bei Buchon Nr. 3, S. 279 und in den NeoeXX. 'AvoXckto I, 1,
Nr. 4, wo, was hier dem Helios, dem Teufel oder alten Zauberinnen
beigelegt wird.
Wie hier auf dem Wege zum Schlosse des Helios schreckende und
täuschende Geisterstimmen sich vernehmen lassen, so in Nr. 24 auf dem
Wege zur Wohnung des Teufeis.
Der Zug, dass die Schwester den angekommenen Bruder, um ihn
vor ihrem Manne zu schützen, durch eine Ohrfeige in einen unschein-
baren Gegenstand verwandelt u. 8. w., findet sich auch bei Hahn Nr. 25.
Vgl. auch Nr. 24 meiner Samml.
16. Die Mutter des Erotas.
Auf Erotas (Vulgarform für Eros) und seine Mutter wird im zweiten
Theile meines Volkslebens der Neugriechen die Rede kommon: hier
kann ich auf die Frage, ob und in wie weit die an beide sich anknüpfen-
den, in Liedern und Erzählungen des Volkes begegnenden Vorstel-
lungen als unmittelbare Ueberlieferungen aus dem Alterthum zu be-
trachten seien , mich nicht näher einlassen. Nur so viel sei einstweilen
bemerkt, dass das Wort IpiuTCtc auch als Appellati vum neben äTdirn,
in der Volkssprache gebräuchlich ist, und dass daher um so weniger
Grund scheint zu bezweifeln, dass die allgemeineren Vorstellungen von
Erotas und seiner Mutter wirklich volkBthümlichen Boden haben; da-
hingegen der mit Bogen und Pfoilen bewaffnete, geflügelte Liebes-
gott, wie er hier und in Nr. 18, so wie in mehreren erotischen Distichen
der Passow'schen Sammlung erscheint, sehr wohl erst unter dem Ein-
flusse der Renaissance beim Volke Eingang gefunden haben kann. Ich
möchte daher für die Echtheit der Nummern 16 und 18 (so weit hier
Eros und seine Umgebung geschildert wird) nicht einstehen.
17. Maroula und die Mutter des Erotas.
Eine merkwürdige Variante des weit verbreiteten Schneewittchen-
märchens (Grimm Nr. 53. Köhler zu L. Gonzenbach Sicil. Märchen Nr. 2
— 4), verbunden mit dem gleichfalls weit verbreiteten Märchen vom
Mädchen ohne Hände (Grimm Nr. 31. L. Gonzenbach Nr. 24 und dazu
Köhler). Eine andere griechische Variante des ersteren ist das 'Rodia 1
übersehriebene Märchen bei Buchon S. 263 ff. In diesem letzteren sind
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es die beiden älteren Schwestern , die der Schönen aus Eifersucht nach-
stellen; in den meisten der hierher gehörigen Märchen dagegen ist es
die schöne Stiefmutter, und an Stelle dieser ist in unserm Texte die
Mutter des Erotas getreten. Der Hass derselben gegen das an Schön-
heit sie übertreffende Mädchen, die Leiden, die sie ihm deshalb be-
reitet, und ihre schliessliche Beruhigung erinnern jedenfalls an das
Märchen von Amor und Psyche; womit indessen nicht gegen Fried-
laender I, S. 522 der 4. Aufl. behauptet werden soll, dass auch Apuleius
das Motiv der Eifersucht der Venus in dem von ihm benutzten Volks-
märchen vorgefunden habe.
Die befragte und antwortende Sonne, statt deren sonst gewöhnlich
ein wunderbarer Spiegel genannt wird, kommt auch in der von Buchon
mitgetheilten Version und in dem entsprechenden albanesischen Mär-
chen bei Hahn Nr. 103 vor. Vgl. auch Politis McA^rn. I, S. 18, wo aus
griechischen Märchen folgende, derjenigen unsres Textes ganz ähnliche
Frage an die Sonne angeführt wird: "HXie uou Kai TrapaXi€ uou (wohl
fehlerhaft für wpocnAie uou) K ai Kocuorupicxr) uou, | ekcu k' icv, etucu
k' £yuj, uä ctöec Kf| ä\\r)v öuopqnT€pn, ;
18. Der Garten des Erotas.
Dieses Stück stimmt in den Grundzügen überein mit dem von
Eulampios in seinem 'Audpavroc S. 76 ff. mitgetheilten, allerdings viel
mehr im Detail ausgeführten Märchen T' dedvaTO vcpö, welches er-
zählt, wie ein Königssohn für seinen kranken Vater das Unsterblich-
keitswasser holt, das am Ende der Welt hinter zwei hohen, bald aus-
einandergehenden , bald wieder zusammenstossenden Bergen sich be-
findet, und hierdurch die Genesung desselben herbeiführt. Vgl. hierzu
Grimm Nr. 97. Bei Hahn Nr. 6 holt ein Prinz für seinen erblindeten
Schwiegervater das Wasser des Lebens. Im Uebrigen vgl. die Anm. zu
Nr. 16. Bei der mit dem Liebesgott e spielenden Schönsten kann man
doch nur an Psyche denken; dies bestätigt aber eben noch mehr den
Verdacht, dass was hier von Erotas und seiner Umgebung erzählt
wird, nicht echt volksthümliche Ueberlieferung sei; da ja der Mythos
von Eros und Psyche im Alterthum niemals Eigenthum des Volkes ge-
worden, sondern auf den Kreis der Gebildeten beschränkt geblieben
ist, worüber man 0. Jahn in den Berichten der sächs. Gesellsch. der
Wissensch., phil. hist. Cl., 1851, S. 157 nachsehe. Vgl. ebendenselben
in der Archäol. Zeitung B. XXVII (N. F. B. II), 1869, S. 52 f.
♦
19. Tischtuch und Goldhuhn.
Dieses Märchen ist verwandt dem deutschen f Tischchen deck dich,
Goldesel und Knüppel aus dem Sack* (Grimm Nr. 36) und den zahl-
reichen von Köhler zu L. Gonzenbach Nr. 52 zusammengestellten Varian-
ten desselben, hat aber im Einzelnen viel Abweichendes.
Ueber den guten Engel des Menschen s. Volkel. d. Neugr. I, S. 180.
Vgl. auch oben zu Nr. 15.
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Wie hier dio Ilcrrin über Erde und Meer (vgl. über dieselbe oben
zu Nr. 7) es ist, welche die Wundergaben verleiht, so ist es in dem
sicilianischen Märchen das personificitte Glück des armen Mannes, und
in dem walachischen bei Schott Nr. 20 der Herrgott.
Ein goldene Eier legendes Huhn kommt auch bei Hahn Nr. 36 vor
und wird dort von einem armen Manne seinem Glücke abgenöthigt.
Eigenthümlich unserm Texte ist, dass die Wunderdinge in dem
Besitze eines nicht tugendhaften Mannes ihren Dienst versagen, wie
überhaupt die stark christliche Färbung des ganzen Märchens auffällt.
20. Die Wunderpfeife.
*
Drei andre griechische Fassungen dieses Märchens findet man bei
.Simrock Nr. 2, S. 362 ff. und bei Hahn Nr. 34 und II, S. 238 ff. (wo
eine aus Koukouli stammende Variante des Textmärchens ausführlich
mitgetheilt ist). Diese drei Versionen gehören unter sich und mit der
walachischen Erzählung von Bakäla bei Schott Nr. 22, 4 — 7 (wo an
Stelle der Pfeife ein Dudelsack getreten ist) näher zusammen, wogegen
sie unsrem Texte ferner stehen. Vgl. noch Grimm Nr. 110 (hier eine
Fiedel an Stelle der Pfeife) nebst der Anmerkung dazu und R. Köhler
in den Gött. gel. Anzeigen v. J. 1868, B. II, S. 1373. Gemeinsam sämmt-
lichen griechischen Fassungen ist übrigens der offenbar alterthümliche
Zug, dass die Wunderpfeife von Gott oder der heiligen Jungfrau ver-
liehen wird als Belohnung für ein dargebrachtes Opfer. Wie nämlich
in unserm Märchen 'der Sohn des Priesters das von Panos geschenkte
schöne Zicklein sofort Gott opfert, so trägt in den von Simrock und
Hahn mitgetheilten Versionen der Narr die Menge des erbeuteten Weih-
rauchs auf die Spitze eines hohen Berges und räuchert damit; worauf
auch hier ein Engel erscheint oder Gott Belbst sich vernehmen lässt,
um den Spender zu belohnen. Und demselben Zugo begegnen wir
auch in der walachischen Fassung bei Schott S. 228, wo es heisst : f Als
Bakäla sich auf seiner Flucht endlich in Sicherheit glaubte, gedachte
er Gott und sich etwas Wohlgefälliges zu thun; er öffnete darum seinen
Sack, schüttete allen Weihrauch auf einen Haufen und zündete ihn
au. "Was ist das Bissclien Weihrauch in der Kirche gegen dieses
Opfer V sprach er zu sich selber und lachte; er starrte dem Rauche,
der sich gerade zum Himmel emporzog, nach, soweit er ihn verfolgen
konnte, da sah er wie sich der Himmel öffnete und sein Opfer auf-
nahm. Hier sass Gott mit blassem, eingefallenem Antlitz auf seinem
Thron, der winkte ein paar Engeln, sie sollen Bakäla rufen. Bakäla
ward also in den Himmel versetzt. Da richtete Gott sich auf und
sprach: "Bakäla, dein Opfer war mir ein lieblicher Geruch, der mich
von meiner Krankheit hat gesunden lassen; ich will dass du dir ein
Geschenk von mir erbittest." Bakäla fürchtete sich anfangs,' u. 8. w.
Ueber das Auftreten des Panos, d. i. des althellenischen Hirtengottes
Pan, in unsrem Märchen s. meine Bemerkungen 'Volksleben der Neu-
griechen' I, S. 155, Anm. 4.
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Zu dem Zicklein mit dem goldnen Fell und den silbernen Ohren
vgl. Passow's Popularia Carmina Nr. 507, 21 f.: TTripdv uou tö Xartupvi,
TTouxe tö xpvcö uaXXi, T' äcnuevio K^paro.
21. Der Garten des Charos.
Ueber die hier erwähnte Herrin der Moeren vgl. Volksl. der Neu«
griechen I, S. 211, und über das öftere Auftreten einer einzelnen Moere
in den griechischen Märchen ebendas. S. 216.
Von einem Garten des Charos, d. i. des Todesgottes der Neu-
griechen, in der Unterwelt weiss das Volk auch sonst zu erzählen. Vgl.
Volksl. I, S. 241 f. Aber dass die Menschen in demselben versteinert
seien, kommt sonst nirgends vor und könnte aus Märchen andren In-
halts hierher übertragen sein (vgl. oben die Anm. zu Nr. 15). Allein
da ferner erzählt wird, wie Charos von den versteinerten Kindern einige
abschneidet und an ihnen riecht, wie an Rosen, und von andern ver-
steinerten Menschen geniesst, als wären es Früchte, so haben wir hier
offenbar nur eine Allegorie, ganz ähnlich derjenigen, die in einer An-
zahl von Volksliedern begegnet, wo gesagt wird, dass Charos sich
einen Garten angelegt und darin statt Bäumen Jünglinge und Mädchen,
statt Blumen Kinder gepflanzt habe. S. die Anm. zu Nr. 23 meiner
Liedersammlung.
Ueber die Mahlzeit des Charos mit seinem Weib vgl. Volksl. 1,
S. 215 f.
22. Gevatter Charos.
Zwei Varianten dieses Märchens theilt in Umrissen mit Politis
M€\€Tn I, 2, S. 293 f., die. entere nach A. I. Olympios in der 'Avaxo-
Xiko. ^Trteeujpnctc 1872, I, S. 81 f. Vgl. auch das neugriechische Sprüch-
wort 'Aqpopur 1 ! Zt]Tö. 6 Xdpoc vd KaXecn, xöv Kouuudpo (Volksl. I, S. 234).
Das entsprechende deutsche Märchen steht bei Grimm Nr. 44 (wo nicht
der Gevatter, sondern der Pathe Arzt wird, und der Stand des Todes
zu Füssen des Kranken dessen Ende anzeigt). Ausser den Anmerkungen
hierzu (III, S. 69 f.) 8. noch Köhler's Nachweise zu L. Gonzenbach Nr. 19.
— In den beiden von Politis mitgetheilten Varianten fehlt, ebenso wie
im sicilianischen Märchen, der Zug, dass der Gevatter Arzt wird. In
der ersteren ladet ein mit Glücksgütern gesegneter Mann den Charos,
welchen er fürchtet, ein, sein Kind zu taufen, in der Hoffnung, dass
dieser sich in Folge dessen mild gegen ihn erweisen werde. Charos
tauft das Kind, nimmt es aber kurz darauf zu sich. Dem Vater jedoch
gibt er, um sich erkenntlich zu zeigen, an, wie er, wenn eine Krankheit
ihn befalle, erkennen könne, ob dieselbe tödtlich sei odernicht: so oft
er ihn, den Charos, über seinen Füssen stehen sehe, laufe er keine
Gefahr; sehe er ihn aber über seinem Haupte, so sei das ein Zeichen
seines nahen Endes. Wie nun dieser letztere Fall eintritt, sucht sich
der Gevatter der drohenden Gefahr zu entziehen, indem er sich mit
dem Kopfe auf die entgegengesetzte Seite des Bettes legt, was ihm
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aber doch nichts hilft, denn Charos packt ihn trotzdem bei den Haaren
und führt seine Seele fort. — In der zweiten Variaute ist Charos im
Begriff seinen Gevatter zu holen, läset sich aber durch seine Bitten
bewegen, ihn vorläufig noch zu verschonen; worauf dieser, um dem
CharoB auch für die Folge zu entgehen, sich den Bart scheert, als Kind
verkleidet und nach Konstantinopel geht. Hier überrascht ihn Charos
eines Tags beim Spiele.
23. Die siebenköpfige Schlange.
Dieses Märchen ist wegen seiner deutlichen Bezüge zur Theseus-
sage vielleicht das interessanteste Stück der ganzen Sammlung. Merk-
würdige Anklänge an dieselbe Sage findet man auch bei Schott Wala-
chische Mährchen Nr. 12, S. 152 f.
Der redende warnende See im Garten der siebenköpfigen Schlange
erinnert an die der Psyche Warnungsworte zurufende Quelle bei Apu-
leius VI, 14: iamque et ipsae metum iniciebant vocales aquae. nam
et 'discede» et 'quid facis? vide' et 'quid agis? cave' et 'fuge' et 'peri-
bis' subinde clamant.
Was den jährlichen Tribut von zwölf Mädchen und zwölf Jüng*
lingen betritft, welchen das Ungeheuer fordert, so ist zu bemerken,
dass schon die hellenische Sage nicht nur einen alle neun Jahre (Plut.
Thes. 15. Diodor. IV, 61), sondern auch einen alljährlich sich wieder-
holenden Tribut von sieben athenischen Jünglingen und Jungfrauen
für den Minotauros kennt: Apollodor. III, 15 a. E. und darnach Vergil.
Aen. VI, 21 u. andere. .
Wenn es in unsrem Märchen heisst, dass daB Ungeheuer den frem-
den Eindringlingen nach Auferlegung der Strafe eines seiner Thiere
zugetheilt habe, um ihnen den Weg aus dem Garten zu zeigen,
so haben wir hier offenbar einen Nachklang des Labyrinths, welches
in der angezogenen walachischen Erzählung in voller Deutlichkeit her-
vortritt. Dort bewohnt nämlich das zu bekämpfende Ungeheuer eine
Höhle, welche unter der Erde hundert und aber hundert Winkel und
Gänge hat, die kreuz und quer laufen, so dass der Ausgang nicht zu
finden ist. Daher gibt der alte Vater dem ausziehenden Sohne den
Rath mit: 'Nimm unsere schwarze Stute, die mit einem Füllen auf der
Weide geht, und führe sie beide mit dir vor die Höhle. Dort schlachte
und begrabe das Füllen, die Mutter aber nimm in die Höhle mit, sie
wird euch, wenn ihr den Kampf glücklich bestanden habt, wohlbehalten
wieder ans Tageslicht bringen.' Und so geschieht es, denn die Stute
beginnt nach ihrem Füllen zu wiehern und zu suchen und ist bald auf
dem rechten Wege zum Ausgang der Höhle. Vgl. Schott's Bemer-
kungen hierzu S. 312.
Interessant ist die Erhaltung des alten Zugs von dem Schiff mit
den schwarzen Segeln (Plut. Thes. 17); wogegen von der nachmals
zwischen Aegeus und Theseus verabredeten Vertauschung derselben
mit weissen im Fall glücklicher Erlegung des Ungeheuers unser Märchen
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nichts weiss*) und sogar den Vater vor dem Auszuge des Sohnes sterben
lässt. Ja es scheint überhaupt im weiteren Verlauf der Erzählung die
Eingangs wiederholt erwähnte Seefahrt ganz vergessen, wenigstens ist
von einer solchen nirgends mehr die Rede, und einiges steht eigentlich
geradezu in Widerstreit mit der Vorstellung, dass das Meer die beiden
Länder von einander trenne. — Dagegen tritt andrerseits in dem alten
kinderlosen König, welcher schliesslich doch noch wie durch ein Wunder
einen Sohn erhält, der der Befreier seines Landes wird, König Aegeus
sehr deutlich hervor (vgl. Preller Griech. Mythol. II, S. 287).
Das gleichzeitige Schwangerwerden und Gebären der Königin und
der Stute, welche die Schalen des fruchtbar machenden Apfels gefressen
hat, und die gegenseitige Zuneigung des Knabens und des Fohlens, die
ihre Geburt der gleichen Ursache verdanken, finden wir auch bei Hahn
Nr. 6, und ähnliche Züge in dem dritten Märchen bei Buchon S. 275
und bei Hahn Nr. 22. — Ueber die klugen Pferde als Hauptmerkmal
der Helden vgl. Grimm D. Mythol. S. 364 f. (der 3. Ausg.). Wie in
unsrem Märchen das treue Ross des Heldenjünglings mit Sprache be-
gabt erscheint, so auch bei Hahn Nr. 6, wo es zudem Thränen ver-
giesst. Sehr häufig kommen redende und weinende Rosse in den Volks-
gesängen der Neugriechen vor, besonders in den Klephtenliedern. Vgl.
z. B. Passow's Popul. Carmina Nr. 85. 87. 158. 159. 439, wo überall
Zwiegespräche zwischen Rossen und ihren Reitern erwähnt werden.
Ebendas. Nr. 269, V. 59 f. ahnt Chatsis Michaiis durch das Weinen seines
Rosses seinen nahen Tod. In der griechischen Alexandersage heisst es
bei Zacher PseudocalliBth. S. 174 (Pseudocall. III, 33) nach der Hs. C
(vgl. auch Stephan Kapp Mittheilungen aus zwei griech. Handschriften,
als Beitrag zur Geschichte der Alexandersage im Mittelalter, im Progr.
des k. k. Real- und Obergymnasiums im IX. Gemeindebezirke in Wien
für d. Schuljahr 1871/2, S. 73): 'Als Alexander solches gesprochen hatte,
kam das Pferd Bucephalus herein und benetzte Alexanders Bett mit
seinen Thränen.' Bekanntlich weinen schon in der llias (XVII, 427.
437 f.) Achiirs Rosse über den Tod des Patroklos.
Merkwürdig ist das unterirdische Nonnenkloster, dessen Name
Gnothi bedeutsam an Knosos anklingt und allem Anschein nach wirk-
lich daraus entstanden ist. Denn dass das Märchen selbst den Namen
von tv^öuj, spinnen, herleitet, spricht nicht dagegen, da das Volk es
liebt, ihm unverständliche Ortsnamen durch Annäherung an ein ihm
geläufiges Wort sich mundgerecht zu machen und demgemäss auch zu
erklären ; Beispiele solcher 'Volksetymologie*, wie man die Sache pas-
send genannt hat, sind 'Ac-cXcpoÜ oder 'AbcAqpoi für AcX<po( (s. oben
Vorrede S. 29), 'AvOfjva für 'AGfjvcu (mit der Erklärung: bton t*
*) Dagegen wird bekanntlich in der Tristansage eine ganz ähnliche
Verabredung getroffen zwischen dem auf den Tod verwundeten Tristan
und dem Schiffer, der ihm seine Isot bringen soll: ein weisses Segel
soll aufgezogen werden, wenn sie kommt, ein schwarzes, wenn sie
nicht kommt (vgl. R. Bechstein in seiner Ausgabe von Gottfriede
Tristan, 2. Theil, S. 310 u. 321). Offenbar ist auch hier die Theseussage
Grundlage.
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uvGn,) , Xpucö für Kpica ( Ulrichs Reis. u. Forsch, in Grieohenl. I, S. 18
und 29, an welcher letztern Stelle die Verse angeführt werdon: tö
Xpucö, tö Xpucum^vo, | tö KüCTpi, tö YfacTpujuivo), 'AcTponaXrjd für
'AcTurrdAaia (Ross Inselreisen II, S. 57, Anm. 3) u. 8. w. Es kommt
hinzu, dass von yv^Ouj, d. i. vn.8iu, ein Wort rvujGn. regelrecht gar
nicht gebildet werden kann , und dass überhaupt nur ein einziges vom
Stamme ve- abgeleitetes Nomen im Neugriechischen vorkommt, näm-
lich Yv^ua =■ vfjua. — Ist aber die Vermuthung eines Zusammenhangs
zwischen Gnothi und Knosos richtig, so hat man in der alten Aebtissin,
die den Königssohn so liebevoll aufnimmt, ihm einen heimlichen Weg
zur Behausung des zu bekämpfenden Ungeheuers angibt und durch
ihren weiteren guten Rath, dem sie zuletzt noch ihren Segen hinzu-
fügt, den glücklichen AusgaDg des gefährlichen Unternehmens herbei-
führt, doch wohl keine andere als Ariadne zu erkennen, so seltsam
auch deren Umwandlung in eine Nonne auf den ersten Blick erscheinen
mag: dieselbe erklärt sich aber um so leichter bei Annahme einer
Vermischung des Abenteuers gegen Minotauros mit demjenigen gegen
den marathonischen Stier, welcher übrigens bekanntlich schon im Alter-
thum zu den kretischen Sagen in Beziehung gesetzt erscheint (vgl.
Preller Gr. Mythol. II, S. 120 f. 123. 200. 292). Denn auf dem Zuge
gegen diesen letzteren kehrt der junge Theseus bei der alten guten
Hekale ein, die ihn auf das liebevollste aufnimmt und für seine glück-
liche Rückkehr dem Zeus Soter ein Opfer gelobt (Plut. Thes 14. Vgl.
O. Schneider Callimachea II, S. 171 ff.). — Zugleich erinnert nun aber
die nähere Beschreibung des Höhlenklosters mit dem in seiner Mitte
brennenden Lichte, das die Nonnen abwechselnd hüten müssen, und
auf dessen Vernachlässigung der Tod steht, auch wiederum an das
delphische Heiligthum mit dem ewigen, von einer Wittwe unterhal-
tenen Feuer auf dem Opferherde (s. die Stellen bei Bursian Geographie
von Griechenl. I, S. 17G, Anm. 1), und an den römischen Vestadienst,
wo das Erlöschenlassen des Tag und Nacht von den Vestalinnen ge-
hüteten Feuers an der Schuldigen durch blutige Streiche geahndet
wurde fg. die Stellen bei Preller Röra. Mythol. S. 640, Anm. 1). Des
delphischen Heiligthums geschieht bekanntlich in der alten Theseus-
sage wiederholt Erwähnung: der kinderlose Aegeus befragt das dortige
Orakel wegen Nachkommenschaft, der zum Jüngling herangewachsene
Theseus begibt sich nach Delphi, um Apollon die Erstlinge seines
Haupthaars zu weihen, auch sollte ihm vor seiner Abfahrt nach Kreta
der delphische Gott gerathen haben, Aphrodite zu seiner Führerin
über das Meer zu machen (Plut Thes. 3. 5. 18). Unter diesen Umstän-
den verdient in der modernen Erzählung auch das Beachtung, dass
der die lange ersehnte Geburt eines Sohnes herbeiführende Apfel eben
aus dem Nonnenkloster gesandt wird.
Jedenfalls gewährt dieses ganze Stück überhaupt einen sehr beleh-
renden Einblick in die Art, wie in den neugriechischen Märchen ver-
schiedene antike Elemente mit einander verschmolzen werden , und
zeigt, wie eigentümlich zuweilen ihre Ummodeluug und wie bunt ihre
Mischung ist. Denn auch daran muss zum Schlüsse noch erinnert werden,
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dass in der näheren Beschreibung des Ungeheuers und der Art seiner
Bekämpfung die Sage vom Minotauros verlassen und an ihre Stelle,
wie es scheint, ein Zug aus der Heraklessage getreten ist: denn die
Schlange mit den sieben Köpfen, die nach einander, sobald der eine
abgeschlagen ist, entstehen, so dass das Ungethü'm nur mit einem
Zauberschwert getödtet werden kann, ist höchst wahrscheinlich unter
Umwandlung mancher "Einzelheiten aus der vielköpfigen lernaeischen
Hydra hervorgegangen, welcher an Stelle eines abgehauenen Kopfes
sofort zwei neue aufschiessen, und die Herakles nur durch Ausbrennen
der Stellen, wo die Häupter sich erneuern, zu erlegen im Stande ist.
Die grosse Aehnlichkeit der beiden Helden kann die Vermischung ihrer
Sagen verursacht haben. In der Zahl der Häupter des Ungeheuers
weicht unser Märchen von dem alten Mythos ab, übrigens ist sie dort
keine feste, sondern schwankt zwischen neun, drei, fünfzig, hundert
und einer unbestimmten Menge (vgl Heyne zu Apollodor. II, 5, 2. Jacobi
Handw. u. d. A. Herakles. Preller Gr. Mythol. II, S. 192, Aum. 4). In
dem griechischen Märchen bei Hahn Nr. 70 (II, S. 55) kommt eine zwölf-
köpfige Schlange vor, deren Köpfe im Kampfe mit einem Jüngling
gleichfalls erst nach und nach hervorwachsen , denn es heisst daselbst:
'Da zog der Jüngling sein Schwert und schlug der Schlange das Haupt
ab; diese aber rief: "hoho, du Schandbube! für dich habe ich auch
noch andere Köpfe," und diese Schlange hatte wirklich zwölf Köpfe,
und der Jüngling inusste mit ihr vom Morgen bis zum Abend kämpfen,
bis er sie endlich alle abgeschlagen hatte.' Vgl. auch die Vorrede zu
meiner Sammlung S. 6 u. 10.
Zu dem Zauberschwerte unsres Märchens, mit dem es allein mög-
lich ist, die Schlange zu erlegen, vgl. L. Gonzenbach Sicil. Märchen
Nr. 44, wo erst ein Riese, dann ein siebenköpfiger Lindwurm mit
einem Zauberschwerte getödtet wird.
Ueber das rings mit Glocken behangene Bett des Ungeheuers vgl.
oben die Anmerkungen zur Nr. 12, und zu dem Verstopfen der Glockon
mit Baumwolle den ähnlichen Zug bei Hahn Märchen II, S. 183.
24. Der Teufel und des Fischers Töchter.
Im Eingang sehr ähnlich sind das kretische Märchen 'Filek-Zelebi'
bei Hahn Nr. 73 und das melische f Tf}c Kdxfo tfic 6 dqplvrr)«:' in den
NcoeXAnv. 'Avd\€KTa I, 1, Nr. 1, welche beide das Vorsetzen der eckel-
haften Speise , die Befragung und Antwort der Todtengebeine und die
List der jüngsten von den drei Schwestern mit unsrem Texte gemein
haben, darauf aber einen wesentlich anderen Verlauf nehmen. Vgl.
auch noch Hahn Nr. 19, wo fast die nämlichen Züge wiederkehren.
Näher als die angezogenen griechischen Märchen steht dem unsrigen
sowohl im Allgemeinen als auch im Einzelnen das sicilianische Märchen
bei L. Gonzenbach Nr. 23: namentlich findet sich hier ausser den so-
eben hervorgehobenen Zügen auch das Oeffnen einer verbotenen Thür
und die Wiedererweckung der Schwestern. Vgl. noch Köhler's An-
merkungen hierzu.
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Dass der Teufel sich in Rauch verwandelt, kommt auch in Nr. 8
meiner Sagen vor.
Der verhüllte Greis mit der Sichel in der einen, dem Rosenkranz
in der andren Hand, welcher in jedem Augenblick ein Kind von sich
gibt und es wieder verzehrt, ist offenbar eine Pergouitication der Zeit
und hat auffallende Aehnlichkeit mit dem altgriechiachen Kronos.
Der starke stolze Löwe auf der einen und die abgemagerte hun-
gernde Wölfin auf der andren Seite ist wohl ein Bild für den Ueber-
muth und das daraus dem Menschen erwachsende Elend. In der christ-
lichen Kunst ist der Löwe mehrfach Symbol des Teufels, worüber vgl.
Piper Mythologie und Symbolik der christlichen Kunst I, 1, S. 407 f.
In Betreff der schreckenden Geisterstimmen auf dem Wege zur
Wohnung des Teufels vgl. oben Nr. 15.
Dass das Märchen Belzebul wiederholt gerade in der Mittagazeit
ausgehen lässt, hängt zusammen mit dem neugriechischen Glauben,
wonach die Dämonen in dieser Stunde auf Erden ihr Wesen treiben.
Vgl. Volksleben der Neugr. I, S. 94 ff. u. S. 177.
Ueber die Verwandlung in Stein durch eine Ohrfeige und die
Wiedererweckung durch Lebenswasser s. zu Nr. 15.
25. Die Sendung in die Unterwelt.
Mehr ein lustiger Schwank als ein Märchen. Einige Aehnlichkeit
damit hat die auf Naxos gangbare Erzählung in den NeocXXnv. 'Avd
Xcktq II, S. 75 f., Nr. 26.
Ueber Bestellungen und Sendungen an Verstorbene vgl. Volksleben
der Neugr. I, S. 241.
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II. Anmerkungen zu den Sagen.
1. Gott und die Kiesen.
Diese Sage beruht auf einer Vermengung der Mythen von den
Aloaden, den Giganten und den Titanen, welche bereits im späteren
Alterthum sich vollzogen hatte. Die Absicht, den Himmel zu stürmen
durch Aufthüriuung des Ossa und Pelion auf den Olymp wird in der
Odyssee XI, 313 ff. den Aloaden Otos und Ephialtes zugeschrieben.
Ebenso von Apollodqr. I, 7, 4, der dieselben aber nicht, wie Homer,
durch Apollon, sondern durch Artemis ihren Untergang finden lässt.
Dieser Mythos erscheint in etwas veränderter Gestalt auf die erd-
gcborenen Giganten übertragen bei Ovid. Metamorph. I, 152 ff.: Affec-
tasse ferunt regnum caeleste gigantas Altaque congestos struxisse ad
sidera moutes. Tum pater omnipotens misso perfregit Olympum Ful-
mine et excussit subiecto Pelion Ossae. Obruta mole sua cum corpora
dira iacerent, Perfusam multo natorum sanguine Terram Inmaduisse
ferunt, u. s. w., und ganz ähnlich Fast. V, 35 ff. Die Strafe der Riesen
am Schlüsse der neugriechischen Erzählung ist der Sage von den Titanen
entnommen, die nach ihrer Besiegung durch Zeus und seine Brüder im
Tartaros eingekerkert werden. Vgl. noch Volksl. der Neugr. I, S. 33
und besonders S. 200—202.
2. Charos' Strafe.
Eine der unsrigen ganz ähnliche Sage wird auf Kypros erzählt:
hiernach schreibt sich Charos' Taubheit von einem starken Schlage auf
seine Wange her, den ihm einst Gott gegeben im Zorne darüber, dass
jener durch die Bitten und Klagen der Angehörigen eines Sterbenden
sich hatte rühren lassen und unverrichteter Sache in den Himmel zu-
rückgekehrt war. S. Loukas <DiAo\oyikcü '€mcK^€ic I, S. 46. Im All-
gemeinen vgl. Volksleben der Neugr. I , S. 234 f.
3. Der Vogel Gki6n.
Das Wort ykuuv oder YKunvnc bezeichnet eine kleine Eulenart und
ist offenbar identisch mit dem albanesischen «fjovv£ oder tjov, über wel-
Schmidt, Oriech. Märchen, Sagen n. Volkslieder. IG
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»lies h. G. Stier in Kuhn'« Zeitschrift für vergl. Sprachforschung B. XI,
1862, S. 220. Die letztere Form kommt vor in der albanesischen Er-
zählung hei Hahn Märchen Nr. 104, welche überhaupt Verwandtschaft
mit unsrer Sage hat. Es hebst daselbst: 'Der Gjon und die Kjükje
waren Bruder und Schwester und hatten noch einen Bruder, der gleich-
falls Gjon hiess. Einst trat dieser zu seiner Schwester, als diese gerade
mit ihrer Scheere hantierte; sie war aber so in ihre Arbeit vertieft,
dass sie ihn nicht bemerkte. Da fuhr sie plötzlich mit ihrer Scheere
aus, und diese traf den Gjon grade ins Herz, so dass er daran sterben
musste. Ueber seinen Tod betrübten sich aber seine Geschwister so
sehr, das* der Gjon in den Vogel gleiches Namens, die Kjükje aber in
den Kukuk verwandelt wurde, und von da an ruft der Gjon des Nachts
seinen Bruder beim Namen: ff Gjon! Gjon!", der Kukuk aber bei Tage:
ff Ku? Ku?", das heisst auf deutsch: wo bist du?» — Man wird bei
diesen Erzählungen an die alte Sage von König Zethos' Gemahlin Ai*-
don erinnert, welche aus Versehen ihren Sohn Itylos tödtet, und die
darauf Zeus aus Erbarmen in eine Nachtigall verwandelt, als welche
sie beständig um den Verlorenen wehklagt (Horn. Odyss. XIX, 518 ff.
Pherecyd. Fragin. 102 Müll.), und ferner an die Sage von Meleagros'
Schwestern, die am Grabe ihres Bruder» unaufhörlich weinen, bis Ar-
temis sie in Perlhühner (ueXconrpibec) verwandelt, in welcher Gestalt
sie eine bestimmte Zeit des Jahres hindurch um den Verstorbenen
trauern (Antonin. Lib. 2).
Mythen von in Vögel verwandelten Menschen dürften überhaupt
im heutigen Griechenland kaum minder häufig sein als im alten. Ausser
den schon in der Vorrede S. 3, Anm. 1 und S. 10 berührten Erzäh-
lungen dieser Art führe ich hier noch an die von Carnarvon Kemini-
scences of Athens and the Morea (London 1869), S. 111 mitgetheilte
Sage, die den soeben erwähnten altgriechischen noch näher steht: Here
(in einem Walde unweit Tegea's) our Greeks were startled by a bird
which flew across the road, and which they called r kira' (d. i. offenbar
Kupd, Herrin). That bird they said had once been a woman, who de-
prived of all her kindred by some great calamity, retired to a solitary
mountain to bewail her loss, and continued on the sumniit forty days,
repeating in the sad monotony of grief the lamentation of the couutry,
r Ah ine! ah ine!' tili at the expiration of that period she was changed
by pitying Providenee into a bird. Ferner die von Newton in Klein-
asien allerdings aus dem Munde eines Türken gehörte, ursprünglich
aber höchst wahrscheinlich ebenfalls griechische Sage in den Travels
and Discoveries in the Levant II, S. 263: The other day we heard
a bird uttering a plaintive note, to which another bird responded.
When Mehemet Chiaoux heard this note, he told us with simple ear-
nestness, that once upon a time a brother and sister tended their flocks
together. The sheep strayed, the shepherdess wandered on in search of
them, tili at last, exhausted by fatigue and sorrow, she and her brother
were changed into a pair of birds, who go repeating the same sad no-
tes. The female bird says, 'Quzumlari gheurdunmu ', — f Have you seen
my sheep?' to which her mate replies: 'Gheurmeduni', — f I have not
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— 243 -
seen them.' Endlich erwähne ich noch aus eigner Kunde, dass auf der
Insel Zakynthos die Meereisvögel (altgriechisch dXKuövec) xd ßaciX6-
iTouXa genannt werden, eine Bezeichnung, welche auf das Vorhanden-
sein eines Verwandlungsmythos hinzuweisen oder wenigstens ein Nach-
hall der an diese Vögel sich knüpfenden hellenischen Sage zu sein
scheint.
4. Himmel und Meer.
Diese eigentümliche kosmogonische Sage wird auch auf Kypros er-
zählt, und zwar ausführlicher und mit charakteristischen Einzelheiten.
Auch dort heisst es zunächst, dass der Himmel ursprünglich ganz nahe
der Erde gewesen, und nicht nur, dass die Rinder an ihm geleckt, son-
dern auch, dass man Gott habe sehen und berühren können. Da nun
Gott weiter von der Erde sich zu entfernen wünschte, so schlosa er
mit dem Meere einen Vertrag ab. Hiernach wollte Gott einen Fuss-
tritt nach unten dem Meere geben, damit es tiefer würde, und das
Meer sollte nach oben jenem einen Fusstritt geben, damit er erhöhet
würde, und so sollten sie abwechselnd fortfahren, bis das Meer die
nöthige Tiefe und Gott die nöthige Höhe hätte. So geschah es. Der
Himmel in Vertretung Gottes begann mit dem Fusstritt, wodurch das
Meer tiefer wurde. Dieses leistete nun das erste Mal bereitwillig den
verabredeten Gegendienst, und darauf ward der Himmel höher. Da
er aber noch grösserer Höhe bedurfte, so gab er dem Meere einen
zweiten Tritt, in der Erwartung, dass dieses ihm ein Gleiches thun
werde. Allein das Meer unterliess das und wurde vertragsbrüchig, weil
es eifersüchtig auf Gott war und vor ihm etwas voraus haben wollte.
Der Himmel machte Gott Meldung hiervon, welcher nun in seinem
Zorn darüber und um den hochfahrenden Plänen des Meeres ein Ziel
zu setzen , demselben drei Haare von einem Rossschweif als Zügel an-
legte. Seit dieser Zeit tobt das Meer in wilder Wuth und droht dem
die Schuld an seiner Strafe tragenden Himmel durch seine Bewegungen
und sein Brüllen. Gelingt es ihm einmal sich wieder frei zu machen
— und schon hat es in seinem Rachedurste zwei von jenen Haaren
zerrissen und wird nur noch von einem einzigen gehalten — , so wird
es durch eine grosse Fluth die ganze Erde verschlingen. S. Loukas
«JnAoXoYVKal '€mcic&|J€ic I, S. 1-3. Man vergleiche hierzu, was Preller
G riech. Mythol. I, S. 45 nach C. Schirren aus einer Sage der Neusee-
länder anführt, wonach Himmel und Erde anfangs so dicht auf ein-
ander lagen, dass die übrigen Götter und Geschöpfe im Dunkel und
in der Enge ihres Lebens nicht froh werden konnten, daher sie mit
Gewalt von einander getrennt werden musBten. Die Vorstellung, dass
Himmel und Erde ehemals näher an einander gewesen, findet sich
übrigens auch in jener den Hirten des thessalischen Olymp bekannten
Sage, welche ich Volksl. 1, S. 35 nach Urquhart angeführt habe.
Die Flecken des Mondes werden in Griechenland auch auf ver-
schiedne andre Art erklärt, worauf ich im zweiten Theile meines
Volkslebens zu kommen gedenke.
16*
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- 244 -
5. Die Neraide.
S. Volksleben I, S. 112—117. Unter den von Hahn mitgotheilten
'Elfcnmärchcn' stehen Nr. 83 und Nr. 77 unsrer Sage nahe.
6. Die Neraiden an der Mühle.
Verwandt sind die Erzählungen bei Hahn Märchen Nr. 78 und bei
Politiß MeX^Tn. 1, S. 80, P», in welcher letzteren aber Kalikantsaren an
Stelle der NeraTden aultreten.
Die NeraTden erscheinen in dieser Sage als vollkommene Teufelin-
nen, worüber vgl. Volksleben I, S. 126. Daher unter anderem auch
ihre allen bösen Geistern eigene Furcht vor dem den Tag verkünden-
den Hahnschrei. Vgl. Volksl. I, S. 94. 116. 127., wozu nachzutragen,
dass schon Prudentius diesen Glauben erwähnt Cathemer. 1, 37 ff.:
Ferunt vagantes daemouas Laetos tenebris noctium Gallo canente ex-
territo8 Sparsim timere et cedere, eine Stelle, auf die Politis a. a. 0.
S. 77 aufmerksam gemacht hat, welcher ausserdem auch Lucian. Philo-
pseud. 14 a. E. wohl mit Recht heranzieht, wo es von der durch
Zauberkünste zum liebentbrannten Glaukias gezogenen Chrysis heiest:
'cuvf^v &%pi 01 ^1 dXeKxpuövujv n.Koücau€v dbövxwv. xöxe bn, rj T€ ZeXnvri
dv^irxaxo ic töv oupavöv Kai f\ 'GKdxrj £bu Kaxd xfjc yr\c Kai xd dXXa
(pdcuaxa riqpavicOrj' u. s. w. Was nun die in unsrer Sage geraachte
Unterscheidung dreier Hähne, eines grünen, eines scheckigen und eines
schwarzen, und die daran 6ich knüpfende Vorstellung betrifft, dass
erst das Krähen des dritten, schwarzen Hahns die NeraTMen vertreibt,
so gibt es auch dafür zahlreiche Parallelen. Zunächst verweise ich
auf das im Volksl. I, S. 150 über die grosse Furcht der Kalikantaaren
vor dem schwarzen Hahn Bemerkte, und .führe weiter nach münd-
lieber Mittheilung des Lesbiers Maliakas an, dass nach den dortigen
Volksüberlieferungen der zuerst und zwar schon um Mitternacht krä-
hende rothe Hahn und der später krähende grüne die NeraTden nicht
in Angst versetzen, wohl aber der kurz vor Sonnenaufgang krähende
schwarze Hahn, bei dessen Schrei sie einander zurufen: qpeuYexe vd
q>eüYUJU.€, und eilig fliehen (vgl. dazu den Ruf der Kalikantsaren beim
Erscheinen des Priesters mit dem Sprengwedel Volksl. I, 151). Ganz
Aehnlichea bieten sodann die NeraTdensagen bei Hahn Nr. 83 (wo zu-
erst ein weisser, dann ein rother, endlich der schwarze Hahn kräht,
worauf die NeraTden wegfliegen), und Nr. 78 (wo dieselben, so oft der
schwarze Hahn kräht, von dem verfolgten Mädchen zurückweichen, und
so oft der weisse kräht, wieder herankommen), und das Märchen Nr. 30
derselben Sammlung (I, S. 210, wo die versammelten Teufel beim
Krähen des weissen Hahns sich zum Abzug rüsten und beim Krähen
des schwarzen, während es anfängt zu tagen, auseinandergehen). End-
lich vgl. den Aufsatz R. Köhler's f Der weisse, der rothe und der schwarze
Hahn» in Pfeiffers Germania XI, 1866, S. 85 — 92, wo ausser den so-
eben augeführten Stellen der Hahu'schen Sammlung noch eine Reihe
weiterer Parallelen aus einer mecklenburgischen und zwei österreichi-
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sehen Volkswagen, aus dänisehen Volksliedern und Märchen, sowie aus
alten schottischen Balladen nachgewiesen sind. Auch ist daselbst auf
die von J. Grimm Deutsche Mythol. S. 262 3 angeführte Stelle aus dorn
Reinardus aufmerksam gemacht, wo es von der Herodias heisst: quer-
eubus et corylis a noctis parte secunda Usque nigri ad galli carmina
prima sedet.
Wie in unsrer Sage die Neraiden Steine, Holzscheite u. s. w. auf
das Dach der Mühle werfen, so kommen sie bei Hahn Nr. 79 Mittags
an das Haus eines Mannes und werfen es mit Steinen. Und ein ara-
chobitischer Hirt erzählte Herrn Kremos, er habe einst in einer stür-
mischen, aber mondhellen Nacht, da er bei seinen Herden Wache ge-
halten, die Neraiden auf dem Gipfel der Kirphis tanzen und singen
hören. In seinem Unverstand rief er dieselben mit lauter Stimme zu
sich heran und stellte an sie eine beschimpfend e'Zumuthung — er rief
ihnen nämlich zu: KcrrrißäTe k6tou vä cäc Yaun cou (d. *• Y<*Mn cu 0 — i
da sammelten sie sich im Nu zornerfüllt um ihn und stiessen furcht-
bare Drohungen gegen ihn aus, allein an ihn heran konnten sie nicht
kommen, da er an einem grossen Feuer sass und bewaffnet war, und
seine Hunde, unter denen zumal ein geistersichtiger war (rccccpoudTiico
ckuXi, wovon im 2. Theile meines Volkslebens die Rede sein soll), sich
ihnen entgegenwarfen. So zogen sie sich etwas höher den Berg hinan
und warfen von dort einen Hagel von Steinen herab. Am Morgen
fand der Hirt unterhalb der Stelle, wo er die Nacht zugebracht hatte,
einen grossen Haufen von allerhand Steinen und Scherben vor. — Zum
Schlüsse will ich hier, um die Lebhaftigkeit des Glaubens an die Nerai-
den an einem weiteren Beispiel zu zeigen, noch anführen, was ich
in dem betreffenden Capitel über diese Wesen im Volksl. der Neugr.
unerwähnt gelassen habe, das« mir ganz nahe bei dem Dorfe Mariais
auf Zakynthos ein Ort gezeigt ward, an dem sich früher eine Oelpressc
befand, welcher aber damals vollständig verlassen und gemieden war.
Einige Schelme nämlich hatten einst ausgesprengt, um ungestörter
stehlen zu können, dass sich hier des Nachts Neraiden zu versammeln
pflegten. Sie hatten sogar die Fussspuren derselben nachgeahmt, um
die Dorfbewohner desto mehr von der Wahrheit ihrer Aussage zu
überzeugen.
7. Der Wampyr.
S. Volksleben der Neugr. I, S. 157-171.
8. Der Teufel in der Flasche.
Dieselbe Ueberlistung eines bösen Geistes in dem Märchen bei
Grimm Nr. 99. Vgl. die Anmerkungen hierzu (III, S. 179 — 181), ferner
J. Grimm Deutsche Mythol. S. 950, Anm. **, Benfey Pantsch atantra I,
S. 116 f., Zingerle in Pfeiffer's Germania V, 18H0, S. 369, Anm. 1. Lieb-
recht i. d. Gött. gel. Anz. 1861, I, S. 430 f.
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246 -
9. Die Kache der Laninissa.
Ueber den Zug, data die Laninissa den lJackofcn mit ihren Brüsten
reinigt, s. Volksl. d. Neugr. I, S. 134.
10. Die Arachobiten und die Lamnia.
Im Alterthum haftete in derselben Gegend die ähnliche Sage von
der Lamia oder Sybaris, welche Antoninus Liberalis 8 uaeh Nikandros'
€xepoioüpeva mit den folgenden Worten erzählt: TTapd xd c<pupä toö
TTupvacoö irpoc vötov öpoc £cxlv ö KaXeiTai Kipcpic rcapd xrjv Kpicav, Kai
ev aüxa) ecxiv in vöv cnnXuiov ÖTrepue* f eöec , £v uj 8r)piov ilwei jutya
Kai imtp<puec, Kai auxö Aauiav, oi bi COßapiv ajvö|aaZov. xoöxo Ka9*
tipepuv eKdcxnv xö Oflpiov enKpoixujv dvnpnaZev in xujv dypüJv xä 0pe>-
uuxa Kai xouc dv0pumouc. f\br\ bi xujv AeXqnuv ßouXeuou^vwv ön£p
uvacxdceiuc Kai xP'l^TrjpiaZoin^vujv €tc rjvxiva irap^covxai x^pav, ö öeöc
örcöXuav icrmave xfjc cu|i<popdc, ei u^vovxec e0^Xoiev £K0eivai Trapä
Tii) CTirjXaia» eva Koöpov xujv itoXixüJV. KdKCivoi Ka0dTrep ö 0eöc einev
diroiouv. KXripoup^vajv b' IXaxev 'AXkuovcuc ö Aiö/iou Kai Mexaveiprjc
uaic, novorevric üjv xip iraxpl Kai KaXöc Kai Kaxd xnv ötjnv Kai xö rf\c
i|»uxrjc n0oc. Kai ol u.ev iepelc xöv AXkuovco cxe^avxec anriTatov eic
xö xr|c Cußöpiboc cnrjXaiov, €öpußaxoc bi Kaxd baiuova e*K xr)c Koupn-
xiöoc dmdiv ö €ü(pnuou iraic, y^voc uev 'AEiou xoö noxa|bioö, veoc b'
üjv Kai Y €Vvai0C > ^vexuxev dYou^vw xüj iratbi, nXrjYeic £pujxi Kai iruöö-
uevoc Kaö* n,vxiva irpö<pactv e"pxovxai, beivöv dnoiricaxo u.rj ouk duövai
npöc büvautv , dXXd irepubeiv otKxpujc dvaipeS^vxa xöv naiba. irepicird-
cac ouv dTrö xoö 'AXkuov^ujc xd cxe>naxa Kai aöxöc enl xnv Keq>aXt'iv
em0€|a€voc e^Xeuev dnaYeiv eauxöv dvxl xoö Tiaiööc. £nel bi aöxöv
oi iepelc dnf|YaYov, elcbpanibv Kai xfjv Cößapiv tK xhc Koixr|C cuvapnd-
cac irapnveTKCv eic ducpavex Kai Kaxd xüjv nexpujv e'ppnj/ev r\ bi Kaxa-
cpepo|i£vr| KpoceKpouce xrjv KeqpaXrjv irapa xä C(pupd xfjc Kpicrjc. Kai
aÜTi'i jiev £k xoö xpaupaxoc dtpavqc £"f£vexo, ^ K °£ Tr ) c "T^xpac dKeivrjc
äv€(pävr| irriTH, Kai auxiiv ol imxujpioi KaXoöci Cößapiv. — Also auch
in der alten Sage tritt, wie in der uusrigen, ein hochherziger Jüng-
ling aus Mitleid für den Unglücklichen ein, auf welchen daa Los ge-
fallen ist, und tödtet das Ungeheuer. Die Höhle, in welcher die Sy-
baris hauste, ist die in einer tiefen, jenseits des Pleistos von der Kirphis
herabkommenden Schlucht versteckte grosse Höhle, die jetzt Krypsana
heisst, und die (Quelle Sybaris die gegenüber befindliche Winterquelle
Zälesca (Ulrichs Reisen und Forschungen in üriechenl. I, S. 26 f. und
S. 31, Aum. 44). Die Doubri ist zwar an einer andren Stelle, aber
doch in demselben Thale, und es dürfte demnach um so weniger einem
Zweifel unterliegen, dass die heutige Sage wirklich aus jener helleni-
schen, mit welcher aio in den Cirundzügen völlig übereinstimmt, her-
vorgegangen ist.
Im Eingang unsrer Sage ähnlich ist die von Politis MeXetr) I, S. 135
mitgetheilte, welche sich an eine Kapelle des heiligen Georg beim
Dorfe fidvvixca unweit Kakunata's in Messenien anknüpft. Die dor-
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tigen Bauern erzählen, dass vor Zeiten bei der alljährlich am 23. April
daselbst abgehaltenen Panegyris jedesmal ein croixeiö aus einem nahen
Loch hervorkam und einen von den zur Festfeier Versammelten auf-
frass. Da sie nach vierjähriger Erfahrung einsahen, dass dem Uebel
nicht abzuhelfen , beschlossen sie das Fest gar nicht mehr zu begehen.
Allein eine Woche vor demselben erschien der Heilige allen gleich-
zeitig im Traume und versicherte ihnen, dass sie fortan nichts mehr
bei der Festfeier zu leiden haben würden, da er das cxoixciö in seiner
Behausung eingeschlossen habe. Und in der That fanden sie, als sie
sich hinbegeben , die Oeffnung verrammelt mit einem gewaltigen Steine,
auf welchem ein Hufeisen (ireTaXov) eingedrückt war. Das Ross des
heüigen Georg nämlich hatte mit dem einen Fusse den Stein auf die
Oeffnung gestampft. Seitdem führt der Heilige den Zunamen tt€tci-
Xw-rnc, und noch jetzt zeigt man auf einer Steinplatte die Spuren des
Hufeisens.
Im Uebrigen darf man zu unsrer Sage das Märchen bei Buchon
Nr. 3, S. 277 f. vergleichen, welches erzählt, wie alle Jahre ein Mäd-
chen einem Ungeheuer dargebracht wird, das die Quello bewacht
und die Bewohner des Ortes ohne diesen Tribut nicht schöpfen lässt,
bis das Los die Königstochter trifft, welche der Held des Märchens er-
löst durch Tödtung des Ungeheuers , worauf die Hochzeit beider erfolgt,
und die sehr ähnlichen Züge bei Hahn Nr. 70 (II, S. 55) und in dem
albanesischen Märchen ebeudas. Nr. 98. Vgl. endlich noch das offenbar
auf einer Ortssage beruhende Lied vom heiligen Georg bei Jeanuaraki
Kretas Volkslieder Nr. 1 (deutsch bei Elpis Melcna Kreta-Biene S. 9 ff.).
11. Der Drache von Kouinaria.
Ueber die hier begegnende Vorstellung, dass die Drachen auch
aus der Ferne Menschen in ihren Rachen zu ziehen vermögen, vgl.
Volksl. I, S. 191.
12. Die Räthselwette.
Leider erinnerte sich mein Berichterstatter dieser aus der Sphinx-
sago hervorgegangenen Erzählung, welche auch den Schauplatz, wo
jene spielte, noch kennt, nicht mehr vollständig.
Was das erste der drei Räthsel und seine Lösung betrifft, so mag
hier die antike Vorstellung zu Grunde liegen, wonach die Flüsse,
Quellen und Bäche Kinder des Okeanos sind (vgl. Preller Gr. Mythol. I,
S. 425 f.).
Das dritte Räthsel ist dasselbe, welches nach der alten Sago die
Sphinx aufgab und Oedipiw löste (Apollod. III, 5, 8. Jacobs Animad-
vers. in Anthol. graec. III, 2, S. 350 f.).
Auch auf Zakynthos ist ein mit demselben Mythos zusammenhän-
gendes Märchen bekannt, welches mir leider in so roher Gestalt und
so verwirrter Ordnung mitgetheilt wurde , dass ich auf seine Aufnahme
in meine Sammlung verzichten musste. Auch hier löst ein junger
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Mann drei Käthsel . tlic ein gefährliches Ungeheuer aufgibt. Das erste
derselben lautet:
T"Mvt€ K€<paAcuc, T^cc€pcuc dvanvoaic.
TTöoia xtp\a cfcoct
Kai vüx»a ^kotö,
uud die Lösung ist: derTodte, der von vier Lebenden getragen wird.
Das zweite Käthsel ist:
"Aijmjxo, vuxri biv Ix*
Kai Mjuxn. ßacTdci Kai Tpex€i,
mit der Lösung: das Schiff (dieses Räthsel findet sich auch sonst in
Griechenland, sowie bei den Tosken Albaniens: s. Loukas <J>iXo\oy.
'€mcK^petc I, S. 153. Hahn Alban. Stud. II, S. 158». Das dritte Räthsel
endlich ist dasselbe, wie dasjenige der arachobitischen Erzählung und
der alten Sphinxsage, und lautet in dem zakynthischen Märchen:
TToiö elv" £>cetö noö dnö toi lä
Cxrjv dpxn tou T^cccpa xd nööia,
€ic xr| ukn. tou t6 buo,
Kai ctö tAoc tou Td xpia;
Das nämliche Käthsel ist übrigens nach Maliakas' Mittheüung auch
auf Lesbos bekannt, und zwar hier in folgender Fassung:
TToiö clvcti t6 Zuj, ttoü tö iropvö
TToupiraTd n£ T^ccapa noodpia,
Tou uicudp' (d. i. tö |ftCCf}|Üpt) u£ bvö
Krj tö ßpdb' ui Tpta;
Anklänge an die Sphinxsage enthielt auch ein zweites Märchen, das
ich auf Zakynthos aus Frauenmunde hörte, aber aufzuzeichnen keine
Gelegenheit hatte. Ferner ist zu vergleichen das von der Insel Naxos
stammende Märchen in den NeoeXXnv. 'AvdX. II, Nr. 16: hier gelangt
(S. 28 f.) der Held der Erzählung an einen Thurm , welchen ein Drache
bewohnt, der zwölf Räthsel aufgibt, und wer vorüberkommt und die-
selben nicht zu lösen vermag, den frisst er; jener löst sie säinmtlich,
worauf der Drache sofort aus dem Fenster fällt und berstet.
Es sei hier zugleich mit erwähnt, dass bei den arachobitischen
Bauern auch der Name der Sphinx sich noch erhalten hat in folgen-
den sprüchwörtlichen , die Vorstellungen von der Natur dieses Wesens
deutlich kennzeichnenden Redensarten: 1) Tp^x€i cdv Tr| Cqrirra, von
einem flinken schnellfüssigen Menschen, 2) öpud€i dirdvou cdv Trj CqnTYa,
von einem jähzornigen und rachsüchtigen, 3) aOTn, Tf| CqriYYa 8d yc-
Xdcrjc; von einem klugen und scharfblickenden, der sich nicht täuschen
lässt. Schliesslich bemerke ich noch, dass überhaupt mancherlei Mär-
chen mit Zügen der üedipussage in Griechenland in Umlauf sind. Auf
Zakynthos wurden mir mehrere, in denen unwissentlicher oder wissent-
licher Vatermord und unwissentliche Verheirathung mit der Mutter
oder Schwester vorkamen, — freilich nicht in verwendbarer Form —
mitgetheilt. Vgl. ferner das in der Vorrede S. 10 o. u. unk Bemerkte.
Endlich gehört hierher das kyprische Märchen bei Sakellarios Nr. 3,
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wo erzählt wird, wie ein Schiftskapitän ein Mädchen heirathet, aber
unmittelbar nach der Hochzeit wieder verlässt, weil ein Gespenst (9dv-
xacuct) ihm erscheint und weissagt, seine Frau werde mit ihrem Vater
ein Kind zeugen und später ihren eigenen Sohn zum Manne nehmen.
Das Mädchen, das sich Kunde von diesem Schicksalsspruche zu ver-
schaffen weiss, sucht sein Eintreffen zu verhindern dadurch, dass sie
ihren Vater ermorden lässt. Aber aus dessen Grabe wächst ein Apfel-
baum hervor, von dessen Früchten die Tochter unbewusst einige kauft
und isst, worauf sie schwanger wird. Als sie hinterher erfahren, dass
auf dem Grabe ihres Vaters ein Apfelbaum stehe, erklärt sie sich den
Grund ihrer Schwangerschaft und beschliesst, sobald sie entbunden,
das Kind zu tödten. Wie dieses also geboren ist, versetzt sio ihm
mehrere Messerstiche in die Brust, legt es in ein Kistchen und wirft
dasselbe ins Meer. Der Kapitän eines vorübersegelnden Kauffahrtei-
schiffes bemerkt das auf den Wellen treibende Kistchen, lässt es auf-
fischen und nimmt das darin vorgefundene noch lebende Knäblein an
Kindes Statt an. Nach vielen Jahren stirbt der Kapitän, sein mittler
Weile herangewachsener Adoptivsohn setzt dessen Geschäft fort, kommt
auf einer seiner vielen Reisen in den Wohnort seiner Mutter, heirathet
dieselbe und zeugt mehrere Kinder mit ihr. Die Enthüllung der blut-
schänderischen Ehe wird dadurch herbeigeführt, dass die Frau eines
Tags die Narben der Messerstiche auf der Brust ihreB Mannes bemerkt ;
worauf sie sich durch einen Sprung vom Dache den Tod gibt.
Bekanntlich liegt die Oedipussage auch der Legende von Grego-
rius auf dem Stein, sowie derjenigen vom heiligen Albanus und anderen
Legenden des Mittelalters zu Grunde (vgl. Friedr. Lippold Ueber die
Quelle des Gregorius Hartmanns v. Aue, Leipzig 1869. W. Creizenach
in U. Paul's und W. Braune's Beiträgen zur Geschichte der deutschen
Sprache und Literatur, B 11, 1876, S.' 1^9-203), und da dieselben, wie
ihr Inhalt zeigt, sich nicht selbständig unmittelbar aus der hellenischen
Sage entwickelt haben können, so mag Paul Recht haben, wenn er
in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Gregorius von Hartmann
(Halle 1873), S. XVII als Mittelglied eine griechische Legende voraus-
setzt, von der freilich meines Wissens nicht die geringste Spur sich
nachweisen lässt. Dass nun aber die in den Kreis der Oedipussage
gehörigen neugriechischen Märchen aus dieser vorausgesetzten griechi-
schen Legende sich gebildet haben sollten, was ja an sich wohl denk-
bar wäre — gleichwio das sicilianische Märchen bei L. Gonzenbach
Nr. 85 ohne Zweifel erst aus der Legende von Gregorius auf dem Stein
entstanden ist — , hat deswegen keine Wahrscheinlichkeit, weil die-
selben, so weit sie bis jetzt bekannt sind, durchaus nichts von der in
der Gregoriuslegende und den verwandten erzählten Busse und Erlö-
sung enthalten und überhaupt keine Spur von Christianisirung zeigen,
und weil einige von ihnen das Abenteuer des Helden mit der Sphinx
bewahrt haben, wofür es in jenen mittelalterlichen Legenden an einer
wirklichen Analogie fehlt. Das oben in den Hauptzügen mitgetheilte
kyprische Märchen berührt sich insofern etwas näher mit der Legende
vom heiligen Albanus, als in beiden derjenige, der die Mutter heirathet,
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Sohn von Vater und Tochter ii>t. Coniparctti's Erläuterung dieses Mär-
chens in A. D'Aneoua's Ausgabe von f La Leggenda di Vergogna e la
Leggeiidu di Giuda', Bologna 1869 (vgl. R. Köhler i. d. Gött. g. Anz.
1871, S. 1407) ist mir nicht bekannt, ebensowenig des nämlichen Ge-
lehrten Schrift 'Edipo e la mitologia coinparata', Pisa 1867.
13. Der Einsiedler auf tiein Berge Liakoura.
Ueber den hier erwähnten Streit der Ortsgeister des Parnasos vgl.
Volksleben der Neugr. 1 , S. 18ü f.
14. Alexander von Makedonien.
Kremos hörte als Kind aus dem Munde eines alten parnasisehen
Hirten eine ausführliche und sehr gut vorgetragene Erzählung der
Thaten und Schicksale Alexanders des Grossen, erinnerte sich aber
genau nur noch des oben mitgetheilten Bruchstucks, welches ich dieser
Sammlung nicht vorenthalten wollte, weil es vielleicht manchem von
Interesse ist zu erfahren, dass und wie ungefähr die litterarisch so
weit verbreitete Alexandersage mündlich unter dem griechischen Volke
fortlebt. Uebrigens stimme ich durchaus der Bemerkung Zacher's
Pseudocallisth. S. 3 bei, dass dio Alexandorsage schon im Entstehen
und in der ersten Entwicklung durch Absicht und Gelehrsamkeit mehr-
fach beeinflusst und bedingt worden und demnach keine reine Volks-
sage ist; mau kann E. Robde Der griechische lloman und seine Vor-
läufer (Leipzig 1876), S. 184 bereitwillig zugeben, 'dass der wesent-
liche Inhalt dieses seltsamen Romans nicht der Willkür eines Einzelnen
entsprungen ist», ohne doch darum in ihm eine 'ächte Volksdichtung'
zu erkennen. Die mündliche Ueberlieferung der Sago unter den heu-
tigen Griechen nun geht wohl nicht unmittelbar auf das Werk des
l'seudocallistheues zurück, sondern vielmehr auf eine vulgärgricchische
Bearbeitung desselben, wie deren mehrere in P rosa und in Versen be-
kannt und zum Theil im Druck erschienen sind (s. Zacher a. a. Ü. S. 31.
Vgl. auch Kapp i. d. oben S. 237 angef. Pr. S. 44, und Bartholdy Bruch-
stücke zur nähern Kenntniss des heutigen Griechenlands, S. 430). Unser
Text, im Allgemeinen begreiflicher Weise viel einfacher und summa-
rischer als die Erzählung des Pseudocallisthenes, stimmt doch in man-
chen Einzelheiten ziemlich genau — abgesehen von der chronologischen
Folge der Begebenheiten — mit derselben überein, aber nicht durch-
gängig mit der nämlichen Rccension , sondern bald mit dieser bald mit
jener, so dass man annehmen muss, dass die vulgärgriechische Bear-
beitung, auf welcher die Erzählung des Hirten nach meiner Meinung
beruht, eklektisch verfahren ist, oder dass in der mündlichen Verbrei-
tung der Sage eine Vermischung der verschiedenen Vorlagen stattge-
funden hat. Wenn es z. B. in unsrem Texte heisst, dass Alexander
auf seinem Zuge Menschen fand, welche Flügel und nur einen Fuss
hatten, so geht das offenbar auf die durch die Hs. C repräsentirte
Redaction zurück, in welcher erzählt wird, dass Alexander in einer
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251
wüsten Gegend (allerdings mich der Rückkehr aus der Finsternis«)
kleine Menschen mit einem Beine und Schafschwänzeu traf (s. Zacher
S. 142). Dagegen in der Erwähnung der Menschen mit Hundsköpfen
stimmt uusre Erzählung vielmehr mit den IIss. ALB überein, welche
III, '28 KUVoKecpdAouc bieten, während C äK€<pö\ouc und in Uebereiu-
stimmung damit V horaines absque capitibus gibt (vgl. Zacher S. 168).
Manches, wofür es im Pseudocallisthenes an einer Analogie fehlt, wird
sich in der mündlichen Tradition ausgebildet haben. So gleich der
Anfang, welchem eher eine dunkle Erinneruug an den Zug des Xerxes
gegen Griechenland zu Grunde liegen mag, als die Erzählung des
rseudocallisthenes. Auch kommt meines Wissens in keiner Rcdaction
des letzteren der Zug vor, dass Alexander von seiner Mutter verflucht
wird, weil er sie verlassen hat und nicht wieder in sein Vaterland
zurückkehren will.
In der Erzählung des Hirten war, wie raein Berichterstatter noch
hinzufügte, auch vom Hinabsteigen Alexanders auf den Meeresgrund
(vgL Zacher S. 140) und von seiner wunderbaren Geburt (vgl. Zacher
S. 115: 'Erdbeben und Blitze begleiten Alexanders Geburt') die Rede;
dass dagegen Alexander nicht Sohn Philipps, sondern des Xeetanebo
gewesen, davon wusste der Hirt, so weit Kremos sich erinnerte, nichts.
Kremos versicherte mir, dass überhaupt sehr viele Erzählungen
von Alexander im Volksmundc umlaufen. Dasselbe bezeugt Politis
MeX^irj 1, S. 62. Dass die Alexandersage hie und da selbst den leben-
digen Volksaberglaubeu beeiuflusst hat, zeigt die auf der Insel Kepha-
lonia bestehende Vorstellung, wonach die Gebieterin der Neraiden die
'Schwester des Königs Alexander' ist (Volksl. I, S. 107. Vgl. auch S. 125).
Endlich mag hier noch erwähnt werden, dass zu Touruefort's Zeiten an
eine Inschrift am Eingange der «bekannten Stalaktitengrotte von Anti-
paros (C. I. Gr. II, Nr. 2399) die Bewohner dieses Eilandes die selt-
same Ueberlieferung knüpften, dass diese Inschrift die Namen der Ver-
schworenen gegen das Leben Alexanders des Grossen enthalte, welche
nach dem Misslingen ihres Anschlags hierher sich geflüchtet hätten
(Tournefort Relation d'un voyage du Levant I, S. 224 der zu Lyon i. .1.
1717 erschienenen Ausgabe); eine Ueberlieferung, zu deren Entstehung
jedenfalls der Umstand geführt hat, dass unter den in der Inschrift
aufgezählten Eigennamen auch ein Antipater sich befindet. Denn be-
reit« im sechsten Jahre nach Alexanders Todo war die Sage aufge-
kommen, dass der grosse König auf Anstiften seines Feldherrn Anti-
pater von dessen Sohne vergütet worden sei (Plut. Alex. 77. Arrian.
Vll, 27. Diodur. XVI 1, 118. Vgl. Droyscn Geschiehte des Hellenismus
I, S. 705 f.), und dieser in der Folge mehr und mehr verbreiteten Mei-
nung ist rseudocallisthenes (III, Hl Müll.) gefolgt.
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III. Anmerkungen zu den Volksliedern.
Diese Verse sind zu betrachten als eine Einleitung der Todten-
klage.
V. 1. tö cüycvo für tö cüyy*vo, d. i. oi cuYYtveic bAoi.
V. 2. cuvTpoq)€u£vo für cuvTpoq>6UU^vo.
2.
V. 1. "Oyioc für oioc, worüber vgl. Korais "ATQKxa V, 1, S. 259.
V. 3. irviuuö und irvtuu^vouc für itviyuöv und nviYu^vouc.
3.
Sjieciell für verstorbene Jünglinge, Jungfrauen oder Kinder.
V. 1. fi\c ganz allgemein auf Zakynthos und Kephalonia für *ff\
(auch im Accus. Tri ff\c neben rn. ff\). Auch dvTpoTrnc oder vTpoirrjc
hört man auf der ersteren Insel neben ^Tpoirrj. Uebrigens findet sich
dieser Gebrauch auch anderwärts, z. d. in Epirus (vgl. Chasiotis S. 169
oben), auf Kreta (vgl. Jeannaraki Kretas Volkslieder S. 328). — vä
KHuapiüVTj: über Ableitung (icauöpa) und Bedeutung (äßpüvouai) dieses
Verbs s. Korais "ATCtKTa II, 371.
V. 2. xXovid: k\ov( (auch 38, 6 und 46, 2), d. i. Korn, finde ich
weder bei Du Cangc noch sonst wo angeführt.
V. 4. dixoüc Kai cxaupaiToüc: äiTÖc (d. i. äexöc) und cTaupa'iTÖc
(eine besondre Adlerart, auch bei l'assow Pop. Carm. 8, 3 und 70, 32)
werden in den Volksliedern öfters von kräftigen und muthigen Jüng-
lingen gebraucht. Ebenso 23, 4 und 26, 5 meiner Sammlung.
4.
V. 2. cKoußA£ouu€ , d. i. CKOußaMZuiucv (vgl. altgriech. CKußaAov).
— (pipncevia: qnpTic^vioc von (purrici oder (pcptici, was Elfenbein be-
deuten soll (Ableitung?).
V. 5. toö uavdbujv, d. i. toöv u., tüjv u.
5.
Auf verstorbene Familienväter.
V. 1. SeöiaAeuuivot für Ee6iaA€Yudvoi.
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- 253 -
V. 2. äirofcrynuivTcu, d. i. äiroZriTOövTai (von äiroZnjäuj, duo£n,Tuj),
wie man auch z. B. TijmoOvTai neben TiuoüvTat und dergleichen sagt.
V. 6. u£c' tö cnvn für |n^c* cto (^ica €tc tö) cit(ti.
6.
Ganz ahnlich ißt das lakonische Myrologi bei Razelou S. 14: Crtf|v
TTöAi ttöv€ k' IpxovTai, ctu. Bevend, TuplCouv, "Ocoi ct6v übnv kötci-
ßoöv, öiriciu btv TupiZouv. Vgl. Volksleben 1, S. 235 und 242 f.
7.
Anrede an ein todtes Kind, das die Dichterin einem schön gestick-
ten Blumenkorbe vergleicht.
V. 2 beruht auf der antiken Vorstellung einer Ueberfahrt in den
Hades. Vgl. unten L. 10 und Volksl. der Neugr. I, S. 237 f.: zu den
dort beigebrachten Belegen sind jetzt noch hinzuzufügen das epiro-
tische Volkslied bei Legrand Recueil de chansons populaires Grecques
Nr. 125, S 254, worin Charos als Todtenschiffer vorkommt, und die
Variante dieses Liedes bei Razelou S. 6.
V. 3 wird, je nach den Umständen, auch verändert in Hd väpörj
• r\ äÖ€p<poO\d cou vd cl Eavaxopdcrj, und dergleichen.
8.
V. 1. Vgl. das epirotische Sprüchwort "Av ö£v dcTpdyrj, o£v ßpov-
Täci bei Arabantinos TTapot(LiiacTf|piov S. 18, Nr. 62.
V. 3. xXißexai für eX(߀xai. Ebenso 23, i). 57, 9. Zur Vertauschung
der Aspiraten in der griechischen Volkssprache vgl. Ulrichs Reisen und
Forschungen II, S. 236 f., Ross Inselreisen IV, S. 210.
9.
Ein ähnliches Lied bei Razelou S. 31 f. Vgl. auch Passow Nr. 354.
V. 4. dTrn\oYf)8nK€ , von drratXoYioüuai oder diraiXoYoüuai , d. i.
dTtoAofoüuai.
V. 5. Ueber das interrogative un,Y a PK vgl. Korais "Atokto I, S. 150.
— Zum Gedanken vgl. noch Passow Nr. 384, 12 und Lelekas An.u.
'AvOoX. S. 36.
10.
Vgl. im Allgemeinen die Anmerkung zu 7, 2.
V. 2. Tdxa, Bonst in Fragen in der Bedeutung 'vielleicht, etwa'
gebraucht, scheint hier die Bitte dringender zu machen. Oder sind die
Worte als Frage zu fassen: ihr wollt doch nicht etwa verkaufen?
V. 7—8. Derselbe Gedanke in mehrfacher Variation bei Razelou
S. 1 1 f., z. B. auch "Ovtcc cxep^rj ^ GdXacca Kai ßYrj unXid p£ t' ävGrj,
Tore Krj ai>TÖc iroO x aer ) K€ ™ CIW e ^ va ucxdpGrj, und "Av xduouv rj
£Xrjalc vcpact Kai Td CTacpOXia Xd&t, T6t€ vd töv npoculvujue ttüjc GäßYrj
dirö töv äörj. Ferner bei Lelekas Antonien, 'AvGoXoYia S. 35, wo Charos
zu einem Mädchen in der Unterwelt spricht: "Orav vd CTUiy 1 r) GdXacca
vd tivrj irepißöXi, "Otov v' dcirpic' ö KÖpaKac vd -fivi) irtptcrtpi, Töxe
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— 2f)4 —
vd cd iravrdxouve Kai vd cd KapTfpoüve. Ganz ähnlich hcisst es anch
in einer typischen Elternklage am Grabe des gestorbenen Kindes im
Siebenburger Sachsenlande: f Wonäo wirsch täo weder kun? Won de
sehworz rowen wais fädereher hun.' (G. Schuller Volksthüml. Glaube
und Brauch bei Tod und Begräbniss im Siebenb. Sachsenl. II, S. 31).
11.
V. 1. T6 viö für töv viöv, wie V. 3 tö Mai für töv Md'iv (d. i.
Md'iov). — iröO cuveßYdvouue: den wir zusammen hinaustragen, dem
wir. gemeinschaftlich das letzte Geleit geben (oder zu geben im Be-
griffe sind).
V. 2, ijjnXoc, d. i. ünmXöc. — Xuyvöc ist die richtige Schreibung,
nicht Xifvöc, denn das Wort hängt offenbar, ebenso wie Xutepdc, mit
altgriech. Xirroc zusammen.
V. 3. to) uXdTaic für CTcfj fek Tale) irXdratC.
V. 8. dirrjKOUTricTii ward mir durch dßuöicOn, erklärt: seiner Ety-
mologie nach kann aber dTraiKouir(£oimat (diroKOUTrutouai) eigentlich
nichts andres bedeuten als: die Ituder (Koumd) verlieren.
12.
Im Eingang sehr ähnlich ist ein Klagelied bei Razelou -S. 11:
Idva coö updirouv, udria uou, dvvcä uupoXoYicrpaic , 'H Tpeic vd KXatve
tö irpuri k' f) TpeTc tö u€Cn,udpi, K' i^i TpiTaic k' üCT€puÜT€pa»c Td Tpid (?)
toö necovoxTou. Vgl. auch NcoeXX. 'AvdX. I, S. 123 f., Nr. 74.
V. 4. Kf) dXXiOüc tö uupoXö'ü Nachdem die Klagefrau den ver-
storbenen Jüngling in ehrerbietiger und förmlicher Weise mit den
Worten dpxovTncd Kf| eüYcvucd angeredet hat, ändert sie plötzlich den
Ton und nennt ihn traulich ihren Apfelbaum. Dieser Wechsel des
Tons wird vorbereitet durch die obige Parenthese, deren Sinn kein
andrer sein kann als der in der Uebersetzung gegebene.
V. 7. Tcdu-naic: Tcduira bezeichnet nach einer von Kremos mir
zugegangenen Mittheilung u. a. eine Schnur, an die Perleu und der-
gleichen angereiht sind, und diese Bedeutung ist unsrer Stelle durch-
aus angemessen.
13.
V. 1. uevÜT€U€: uevuTeüw, d. i. offenbar urjvuTcOw mit Erhaltung
des nrsprüngbehen Lautes des rj (vgl. Volksl. d. Neugr. I, S. 99), von
unvuTn,c gebildet und gleichbedeutend mit unvüw.
V. 4. uolpa hier in der Bedeutung 'Verheirathung, Hochzeit»,
über welche vgl. Volksl. I, S. 220.
V. 5. dcTpvrnc eine für sehr gefährlich geltende Schlangenart.
Vgl. '€<pnu€ptc tujv OiXojLiaGutv 1858, S. 440.
14.
V. I. uopoYäprj: uopoYapuu, gleichbedeutend mit ßpaoüvw, zögern,
säumen, vorzugsweise im Pelopoimes gebräuchlich und namentlich iu
Arkadien allgemein f€(pr)U- tüjv <t>iXou. 1864, S. 405), ist möglicher
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— 255 -
Weise aus dem lateinischen moror entstanden. KoraTs dagegen, welcher
"ATCtKTCt IV, 1, S. 330 uopYdpuu auführt und dieses Verb gleichfalls
Peloponnesier in dem Sinne von ßpabuvuu hatte brauchen hören, möchte es
von einem alten unbezeugten Wort p.opYOtipuj ableiten, mit Beziehung auf
die Glosse des Hesychios uopYuXXcT* xP 0V °uXk€1. — dcK^pi, türkisches
Wort (asker), gewöhnlich r Heer', hier f Volk, Menge'. — Der Sinn des
Verses ist: der Leichenzug mit dem Träger des Crucifixes an der
Spitze möge sich noch nicht in Bewegung setzen.
V. 8 — 4. Aehnliches bei Razelou S. 11: Mäna uou, KXmei tö
cit(ti cou, f.iupü\o'fu aöXr) cou, GrdZouv tä Kcpapiöia cou Ivvtä. XoyiOüv
qpapfidia.
V. 4. kXcuv, d. i. kXcuouv. — ärcoKCpdpiTa , von K^panoc gebildet,
die Dachrinnen, ein ungewöhnlicher Ausdruck. — CTdve für crdouve,
von ctöu», einer Nebenform von erdZw. Vgl. KUTTduj (37, 12) für kut-
toZui. — <papndia hier, ebenso wie bei Razelou a. a. 0., so viel als
<pap|ictKep<!t ödtepua.
15.
Klaggesang einer Wittwe an der Bahre des todten Gatten. Ein
ähnliches, wenn auch im Einzelnen vielfach abweichendes Zwiegespräch
zwischen einer Mutter und ihrem verstorbenen Sohne bei Razelou S. 32.
V. 1. Gütoö: €Ütöc für ciötöc ganz gewöhnlich auf Kephalonia
und Zakynthos, und auch anderwärts gebräuchlich, z. B. auf Kreta
(vgl. Jeannaraki Kretas Volkslieder, Leipzig 1876, S. 333) und auf den
Kykladen (vgl. Pio in Tidsskrift for Philologi, 7.^iarg. 1866, S. 13 des
bes. Abdrucks). Auf den beiden zuerst genannten Inseln wird der
Genetiv cUtoO zugleich als Umschreibung für das Pronomen der 2.
Person gebraucht, z. B. eöxoö v<3c tö Käprjc, was für höflicher gilt als
tev vd tö KÖprjc. Vgl. auch das von ebendort stammende Volkslied
bei Passow Nr. 593, 5: €ütoO coö ctc^vuj, Xuyepn., Tp(a ckouXiä Xivdpt,
wo man wohl cutoO cou zu corrigiren hat, was der allenthalben üb-
lichen Umschreibung toö Xöyou cou entsprechen würde. Was nun
unsre Stelle betrifft, bo kann hier cutoü nichts andres sein als Um-
schreibung für et oder ici, welches dann im 2. Verse noch nachfolgt,
um jenes wieder aufzunehmen, weil cötoO durch den dazwischen ge-
tretenen Relativsatz zu weit von seinem Verbum öpid£uu getrennt ist:
an das Ortsadverbium cütoü (d. i. aÜTOÜ) zu denken, welches Nr. 55, 9
mein. S. und bei Pass. Dist. Nr. 341. 342. 343 vorkommt, geht schlechter-
dings nicht an. — ct' dyCipiKO TaEioi, d. i. etc tö toEiöi, öGev biv
■fnpitci »eavefe, f illuc unde negant redire quemquam' (Catull. 3, 12).
Ueber diese und ähnliche Umschreibungen s. Volksl. I, S. 235. Die
folgenden Worte c' öpxiZuj vd p.oü nrjc ttötc vd cc upocuivuj stehen
eigentlich im Widerspruche damit, allein dieser Widerspruch erklärt
sich aus dem Typischen des Ausdrucks tö dTÜpixo TaSföi.
V. 2. 0^ov: O^oc für Geöc die auf Zakynthos vorherrschende Be-
tonung, welche, wie unser Lied zeigt, auch auf Kephalonia neben der
anderen (vgl. 40, 2. 41, 6 u. 9) vorkommt. *
V. 3. Nd pi£u). Dass fn'xvuj, werfen, von prprvuw p/^vu^i abzu-
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— 256 —
leiten und demnach mit r| zu schreiben sei, wie Korais "ATatcxa II,
S. 319 aufstellt, dem Mullach ad Demetr. Zen. v. 372 und Graramat.
der griech. Vulgarsprache S. 297 folgt, kann ich nicht für richtig
halten. Schon die Bedeutung spricht entschieden dagegen. Ich sehe
jiixvw als durch Aspirationswechsel aus püpvuu entstanden und dieses
als vulgare Nebenform für piiriu) an. Vgl. cpcpvu) für (pepuu, CTepvui
(ct^Xvuj) für ct^XXiü, oiiwxvuj für bidjKU), äpirdxvu) (37, 12) für dpitdZu),
ferner icpüßuj KÖßuj für kpütttuj kötttuj, und ahnliches. (Soeben sehe ich,
dasa auch M. Deft'ner die Ableitung des Verbs pixvui von prjYvuui verwirft
und dasselbe ebenso erklärt wie ich, in den NcocXX. *AvdX. I, S. 447.)
V. 6. "A qmdcnc, d. i. dv qrr.
V. 8. cxn. — ync: 8 - zu 3, 1.
V. 9. irdtrXujua, entstanden aus €<pdirXujpa. Vgl. Kora'is "Atokto
II, S. 301.
V. 10. tov KoupviaxTÖ: Koupviaxxöc für KoviapKTÖc, KOViapTÖc,
altgriech. KoviopTÖc. Ebenso 67, 4.
V. 11. thpYnocTdXaxTo , d. i. uüpaiocxdXaKTov , schön tröpfelnd. —
fpapjndKt. d. i. das Wasser, welches hier so bezeichnet wird in Rück-
sicht auf den Ort der Trauer, auf den Grabstein, von welchem es
herabträufelt gleich Thränen. Vgl. zu 14, 4, und unten 30, 11.
V. 12. uaTcrfupknc , d. i. ueTaYupicnc. Vgl. 60, 4. 37, 13 20, 15.
30, 14.
V. 13. uTrdvxa, ital. banda, Seite, irXeupd. Ebenso 42, 10.
V. 14. dqpc€ für dqpnce.
V. 15. cr)KUj (aych 41, 1), ermunternder Zuruf, dem Sinne nach
unserm 'auf!' entsprechend, von den Heptanesiern viel gebraucht,
auch von Du Cange S. 1357 (der freilich cn.KO schreibt) angeführt,
hängt mit dem Verbum cnKUJvu) zusammen, ist aber nicht eine Fle-
xionsform desselben. Vgl. auch das trapezuntische couk bei Passow
P. C. Nr. 440, 33. — Trdp€ (Imperat. Aor. von iraipvu)), dem Sinne
nach dasselbe wie k(vt]C€. Vgl. 16, 1. 29, 2. — (petita eine häufig ge
brauchte , aber anomale und noch unerklärte Imperativform (wie von
einem Verb 9€UYduu f. <p€UYu>). Dasselbe gilt von rpexa (37, 11).
V. 16. TTpiTd dem Sinne nach dasselbe, wie das allgemeiner üb-
liche irpixoO, welches Korais "AxanTa II, S. 311 aus itpiv ou entstanden
glaubt. Otfenbar ist irpiv erster Bestandtheil auch von irpixd, aber die
Zusammensetzung bleibt dunkeL
V. 17. Unter xcrj YH C ol KXepovöuot (d. i. KXnpovöuoi) scheinen im
Gegensatz zum Todten im Allgemeinen die des Erdenlebens sich noch
Erfreuenden und hier speciell die Träger des Sarges verstanden wer-
den zu müssen.
16.
Auf den Tod einer Hausfrau.
V. 1. voiKOKUpd für oltcoKupd: s. zu 67, 11. — vd irdprp s. zu 15, 15.
V. 3. cmXuuce ct^ uecoüXd Tr|C, wörtlich : sie griff an ihre zarte oder
schlanke Mitte (uccoöXa Deminutiv von pe"cn,), d. h. an den ihren zarten
Leib umspannenden Gürtel, an dem der Schlüsselbund, das charakte-
ristische Abzeichen einer wackren Hausfrau, hing.
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- 257 -
17.
Dieses Lied ist bestimmt bei oder unmittelbar vor Darbringung
der Kolyba, d. i. der Todtenopfer (über welche ich im 3. Theilc mei-
nes Buches über das Volksleben der Neugriechen ausführlich zu han-
deln gedenke, vorlaufig vergleiche man S. 55 ff. des 1. Theiles), vor-
getragen zu werden. Und zwar gilt es allem Anscheine nach einem
verstorbenen Handwerksmeister, da die Wittwe V. 1 mit dem Wort
juacTöpicca angeredet wird.
V. 1. cuvxdxTr|K€C : cuvxdZouai (d. i. cmrrdccoucn) muss hier und
08, 5 bedeuten : Vorbereitungen oder Anstalten treffen, sich anschicken,
und dergleichen. Korais "Atokto II, S. 426 erklärt cuvrdccouai durch
cuu(pujvuj, Du Cange S. 1487 f. führt Stellen an, wo es so viel als vule
dicere ist. Beide Bedeutungen hat dieses Verb bekanntlich schon in
der alten Sprache, aber keine derselben passt hier, eben so wenig
C8, 5. — vd qmdcrjc Trjv duXdöa, d. i. die Schüssel zurecht zu machen,
nämlich die Schüssel, in welcher die Kolyba pflegen dargebracht zu
werden.
V. 2. Kd-rce für Kdeice. Ebenso 59, 60. — coucouuia, auch 57, 18
und 22; 67, 8 (wo zugleich auch das davon abgeleitete Verb coucou-
uidZio vorkommt) und 68, 14, d. i. Zeichen, charakteristische Merkmale,
offenbar entstanden aus cuccrma (durch das Medium einer Deminutiv-
form cuccrjjiiov).
V. 3. nepexdpci, vom ital. meritare.
V. 4. büo v cXnaic. Der im Auslaut sehr schwach tönende und
daher so häufig ganz abgeworfene Buchstab v pflegt vor Vocalen, wenig-
stens bei nahe zusammengehörigen Wörtern, wieder deutlich hervorzutre-
ten, z. B. Tf| OdXacco, dagegen xn,v dXr)6€ia. Dies hat zur Folge, dass
das Volk öfters zur Vermeidung des Hiatus auch da ein v hören lässt,
wo es grammatisch nicht berechtigt ist. So an unsrer Stelle.
V. 6. öuopqncuc für eüuopcpiak.
V. 7. toö ßeWTiKou. Die venetianischen Aepfel Bind in Griechen-
land besonders geschätzt.
V. 8—9. Der Vergleich eines schönen Mannes mit Gans und Ente
dünkt unsrem Geschmacke freilich komisch, erscheint dagegen dem
griechischen Volke durchaus würdig, daher Aehnliches mehrfach in
seinen Liedern vorkommt.
V. 9. £irepTrdxouv€ (für cirepiudTouve) , seltenere Imperfectform
statt der gewöhnlicheren direpTrdTic- und ^wep-rraToOcf. So z. B. auch
^(Xouvct neben tutXia und tuiXoüca auf Zakynthos. Vgl. auch 29, 13.
36, 5. — cdu für cdv vor folgendem tt. — dvancaOÖTOu für dvaiKaOö-
touv (1. P, Imperf. dvaucaGönouv).
18.
V. t. irpiKoO für itiKpoö. Vgl. 20, 14 das Compositum TTpiKoxd-
povrac.
V. 4. Ueber cuxopiZouai vgl. Korais "Atokto IV, 2, S. 564. —
Kpoucdipn, für Koupc^rj. #
Schmi.lt, (irioch. Milrchen, Ragen n Volkslieder. 17
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258 -
V. 5. tcou Kdpnouc für ctcoü (de TOÜC) K. Vgl. zu 11, 3. — Ka-
ßcXXdpic für KaßaXXdpic.
V. 7. cT€X^TTa, von ital. stiletto.
V. 9. TÖp vor folgendem tt für töv, wie 6^p für biv in V. 10-
Vgl 17, 9.
V. 10. rid für f\a"ci. — dctrpa zunächst Silbergeld, dann über-
haupt alle« Geld. Vgl. KoraTs "Atokto II, S. 70.
V. 13. paviap^voc, wohl von einem Verb pavtdu), welchem ich
sonst im heutigen Griechisch allerdings nicht begegnet bin.
V. 17. Tcnjapteuu, eigentl. braten, schmoren, in übertragener Be-
deutung quälen, wird von KoraTs "ÄTairra I, S. 292 vom altgriech.
Tn.Tav(ru» abgeleitet. — XaxTapiZuj, sonst auf den ionischen Inseln und
anderwärts (vgl. Jeannaraki Kretas Volksl. S. 314) intransit. 'zucken,
zappeln» sowohl in eigentlicher als in übertragener Bedeutung (eigentl.
z. B. vom Fische, metaph. so viel als heftig begehren), hier wohl
'schmachten machen, Sehnsucht erwecken' (nach den verlorenen Kin-
dern). Das Wort hängt offenbar mit altgriech. XoktIEuj zusammen.
V. 19—23. Sehr ähnliche Gedanken bei Razelou S. 13: Töca KaXd
ttoö Kdv€i 6 0€Öc k* fc'va KaXö bkv Kdvei , Nd Kdprj CKdXa ctö YiaXö,
Y€<püpi p<k' ctöv äbrjv, Tid v' dvaßaivouv ol nvtxxoi, vöpxujvT' ol irai-
Oapp^vot. Und ebenda«.: Töca KaXd uoö tcdvci ö Geöc k* £va koXö i>€v
Kdvei, Nd Kdprj tö yuxXö CTCpcäc, töv übt] uovondTi, N' ävorre xai Td
pvrpjaiu. vd ßraiva ol rcaiOapp^voi , Nd ßXdir* r) pdva tö iraioi pla
p£pa Kai pia vüxto, Kai väv' r\ p^pa Eäpn,vo Kai väv' q vuxto xpdvoc.
19.
V. 3. v' dXa<poKuvn,Yncn, d. i. v* £Xaq>OKuvn.Yn.cr), hier metaphorisch
von der Menschenjagd.
V. 4. ö6' kann kaum etwas andres sein als das altpoetisehe 66t
für ou. Ebenso 66, 8, wie überhaupt dort die beiden letzten Verse
unsres Liedes sich fast wörtlich wiederholen.
V. 5. x aT iP l i türkisch hatir, 'Gefallen'. Vgl. Jeannaraki Kretas
Volksl. S. 378. ChasiotiB ZuXXoy»i S. 240 (falsch ist Passow's Erklärung
im Index zu den P. C. S. 610).
20.
Vgl. über dieses Lied Volksl. der Neugr. I, S. 232.
V. 4. KaXOüc Td iroXcpäTC, formelhafter Gruss für Krieger, analog
dem allgemeineren , von den griechischen Bauern viel gebrauchten
Grusse koXüjc Td KdveTe (KdpveTe), zu welchem schon KoraTs "Atokto
II, S. 175 das bei den Alten im Briefstil übliche eü irpdrmv verglichen
hat. Beide Grussformen zusammen bei Passow Nr. 451, 16 (und zwar
hier in der Anrede nicht an Krieger, sondern an Aerzte).
V. 6. dirdKia, 'Td nepl touc vetppoüc KpeaTa toö £ujou, £XX. ipöai
i) ijMjai': KoraTs "Atokto I, S. 204, der die Vermuthung hinzufügt,
ftm'tMu möge aus dXum^Kta (woraus zunächst dXandKia entstanden sein
würde) verdorben sein, mit Beziehung auf Athenaeus IX, 399 b und
Hesych. u. d. W. \putai. — erntäpi, von CTi^eoc gebildet.
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— 259 —
V. 8. cioe. Tch weiss nicht, ob diese Partikel aus dem helle-
nischen €l bi durch Zurückziehung des Accentes entstanden oder aus
ouÖ€ verdorben ist. Unten 68, 25 f. haben wir cite in demselben Sinne.
— Xcibivö, durch Umstellung der Consonanten aus beiXivö entstanden,
Vesperbrod, Abendmahlzeit.
V. 10. dn* öcot, kurz für dir* öXouc ö'coi.
V. 11. rcf) x^lP°c tö irouM. Es ist eine Eigentümlichkeit der
griechischen Volksdichtung, dass sie gerade den Söhnen von Wittwen
einen viel höheren Grad von Muth und Tapferkeit zuzuschreiben liebt,
als den übrigen; wobei vermuthlich die Vorstellung zu Grunde liegt,
dass einer Frau, die ihren Mann verloren, Gott gleichsam zur Ent-
schädigung hierfür um so mehr Freude an ihren Söhnen verleiht. Vgl.
ausser der übrigens sehr incorrect raitgetheilten Variante unsres Lie-
des bei Passow Nr. 428, ebendaselbst Nr. 514, ferner Iatridis S. 77,
Chasiotis S. 137, Nr. 8, Jeannaraki Nr. 146, 8 und 276, 14 und Pio
Tidsskrift, 7. Aarg. 1866, S. 31 ff. des bes. Abdrucks (wo der Held des
Märchens einer Wittwe Sohn ist). Daher r xn.pac ulöc' geradezu als
auszeichnendes Prädicat bei Passow Nr. 437, 50. — uiXi' dvTpeiwu^vo:
iriXio, d. i. irXeov, auf den ionischen Inseln sehr häufig (anderwärts
itXiö und mö).
V. 12. irotpacapräpoufAC : irapacapTdpuj für TrapacaXTdpw, von dem
ital. saltare und der griech. Praeposition irapd gebildet. Ebenso cap-
xalvuj für caXxaivuj V. 13. 14. 16. 17, und uaTacapxdpu) für ufTacaX-
Tdpuj (vgl. zu 15, 12) V. 15.
V. 13. udcca, vom ital. passo.
V. 14. TTpiKOxdpovTctc : s. zu 18, 1.
V. 18. öx aus €k entstanden und gleich dirö mit dem Accusativ
verbunden, vorzugsweise, wie es scheint, auf den ionischen Inseln ge-
bräuchlich. Ebenso unten 54, 5. 59, 38. 68, 22 ff. Weitere Stellen bei
Passow im Index, S. 625 u d. W.
V. 19. Damit findet das Lied wirklich seinen Abschluss. Vgl.
Volksl. 1, S. 230. Ulrichs R. und F. I, S. 133. - "Acc für d<pnc€. Vgl.
56, 6.
21.
Die Dichterin fingirt, dass der Verstorbene, welchem ihr Lied gilt,
in die Unterwelt gerufen worden sei, um daselbst ein Brautpaar zu
trauen, und lässt ihn auf seinem Wege dahin Gott anflehen, er möge
aus dieser Hochzeit nichts werden lassen, damit er, seiner Verpflich-
tung enthoben, auf der Oberwelt verbleiben könne. So weit ist das
Lied vollkommen klar, aber im Einzelnen bietet es nicht unerhebliche "
Schwierigkeiten. Möglicher Weise ist es auf einen verstorbenen Prie-
ster gedichtet, in welchem Falle man in V. 2 CKCcXkave irarrä vd ct£-
«pavtucn, zu schreiben haben würde, wie ich unter dem Texte zweifelnd
vorgeschlagen: denn für sicher halte ich selbst diese Vermuthung
nicht, obwohl ein Grieche, dem ich sie mittheilte, sie als eine zweifel-
lose Emendation bezeichnete, da es feststeht, dass das Verb cxcqpavibvuj
nicht blos vom Priester, sondern auch vom xouuttdpoc, d. i. vom liraut-
17*
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— 200 —
rührer, gebraucht wird (das Nähere darüber muss ich mir für den
3. Theil meines Volkslebens vorbehalten).
V. 1. Ctouc oöpavoüc c»|ucuvouv€. Was ist der Sinn dieser Worte V
Auf das Grabgeläute der Kirchenglocken sie zu beziehen, was an sich
nahe läge, verbietet doch der Ausdruck cxoüc oöpavoüc. Vgl. auch
Jeannaraki S. 143, Nr. 144, 1 f.: Ctöv oupavö xopcurouve, ctöv Ndbr\
Ydpo küvou K' £uir^av k" *KaX^cave oöXouc tco'i irpiKauu^vouc.
V. 3. 'Schwarz' heisst die Kerze des Bräutigams offenbar in Hin-
sicht darauf, dasB dieser ein Todter ist. Unter der Braut, der er ver-
bunden werden soll, mag die Erde zu verstehen sein (vgl. Volksl. I,
S. 233 oben mit Anm. 1), deren Kerze im Gegensatz zu derjenigen
des Bräutigams 'weiss' genannt werden würde, weil für sie das Ereig-
ni88 ein freudiges ist. Vgl. Nr. 3, 1 und 4, 1 meiner Liedersammlung.
V. 4. £7rnxaiv€ und iuepiKdXa, näml. ö cppöviuoc. — 8eov: zu 15, 2.
V. 5. ixoXia [neb*en ^xöXtac), Imperf. von xoXidu», einer Neben-
form von xoMä:£uu, d. i. eigentlich zürnen (xoXf), x°^ oc )i dann aber
auch etwas im Unwillen ablehnen, verschmähen und dergl. (bucape-
ctoöucu). So hier.
22.
Vgl. Razelou S. 5: 'Avd0€pa dndjppixve u^Xo ctöv kütou KÖCfaov,
MfjXo Kai xpwcopdvTnXov xf) £va CTraÖl dcr|u^vio, K' £bpauav vtoi Yid
tö cnaei k' vialc fiä tö uavrnXt, Tp£Eav Kai xd uiKpd naibid vd
•ndpouve tö pnXo!
V. 1. irüJKiujve für ttoü Skiujvc, welches letztere Wort gleichbe-
deutend ist mit ^CTrjce, eqpÜTeucc. Ich bin demselben sonst nirgends
begegnet, es mag mit altgriech. k(ujv zusammenhängen. Vgl CTt]Xöu>.
V. 4. öpocdTa, von bpöcoc gebildet, also eigentlich thauig. Vgl.
Passow Nr. 532, 5 qnXi öpocdxo. — vd pdcouve: fpaca Aoristus des im
Praesens, wie es scheint, ungebräuchlichen Verbs udZuj (d. i. öudZw,
von öudc): die gewöhnlichen Formen des Praesens sind uaZujvuj und
uaZۆu>. Vgl. Mullach Grammat. S. 292 f.
23.
Die hier ausgeführte Allegorie vom Garten des Charos begegnet
auch sonst in den auf die Unterwelt bezüglichen Liedern. Varian-
ten der drei ersten Verse unsres Liedes findet man bei Passow Nr. 434
(wo übrigens verschiedene Lieder zusammengeworfen sind), und bei
Razelou S. 4 und 7. Vgl. auch Nr. 21 meiner Märchen mit den Anmerk.
dazu, ferner Chasiotis S. 172 f., Nr. 2 a. E. und Jeannaraki Nr. 113.
Schon ferner steht Pass. Nr. 435.
V. 1. Toö Kupon toö ßouXr')6r)K€ für das gewöhnlichere ö Xdpoc
^ßouXrj6r|Ke (so bei Passow Nr. 434, 1 und bei Razelou S. 3 und 4).
B;er unpersönliche Gebrauch von ßouXouat auch Nr. 24, 1 meiner Samm-
lung.
V. 2. Ktirapfccia für Kimapfcaa.
V. 3. KwXopfcia, von kujXov (das schon in der alten Sprache von
Ranken oder Zweigen gesagt wird) und {»Zu gebildet, iTapa<pudb£c,
Nebenschösslinge, Senker.
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261
V. 4. NÖJitpa, d. i. vd r)S:€upa. — dn"£ Kai cTaupair£: zu 3, 4.
V. i\. HcßXacTapibcrjc: EcßXacTapiövuj Nebenform von EeßXacxdiu.
V. 7. Ein eigeuthümlicher Wechsel der Vorstellung: erst ist der
Jüngling selbst zur Cypresse geworden, jetzt wird diese als Mittel zu
seiner Befreiung aus dem Hades bezeichnet. Der Jüngling soll, wenn
die Cypresse recht hoch geworden, aus ihr heraustreten, wie die Dryade
aus ihrem Baum, und an ihr hinaufklettern auf die Oberwelt. — Tcoi
kXüjvouc für ctcoI (etc toic, d. i. etc touc^ kX. Vgl. zu 11, 3 und 18, 5.
24.
Eine Variante dieses Liedes bei Razelou S. 3.
V. 2. e^ueXo, d. i. 6cu£Xiov. Vgl. altgriech. G^ueiXov.
V. 3. gpTcuc, Fensterpfosten. Ableitung?
Unter copiroXÜKia in der unter dem Texte mitgetheilten Variante
scheinen kleine Steine zum Ausfüllen verstanden werden zu müssen.
Das Wort ist mir dunkel, und auch von Griechen, die ich darüber be-
fragte, konnte ich keine bestimmte Auskunft erhalten.
25.
Zwiegespräch zwischen einem verstorbenen Kinde und seiner Mutter
(dieser gehört nur V. 4). Vgl. zu diesem und den beiden folgenden
Liedern Volksl. I , S. 2 15 f. *
V. 2. dvdfupua, die Zeit, wo die Sonne sich ihrem Untergang
nähert: man sagt Hyvpt ö f|Xioc in diesem Sinne (eigentl., die S. hat
sich gewendet). Vgl. Korais "AraKTa II, S. 101.
V. 5. EauoXudxai (Compos. von Xüuj), d. i. so viel als tHtttci dirpoc-
ÖOKrjTUJC.
26.
V. 1. ßadXeua für ßariXcuua. — u>iu tt. für unv u. Vgl. zu 18, 9.
V. 3. ToußaXiBia, offenbar vom ital. tovaglia.
V. 5. uaxatpon^pouvo: über dergleichen Zusammensetzungen vgl.
Ross Reisen auf den griech. Inseln II, S. 109 und M. Deffner NcoeXX.
'AvdX. I, S. 449 tt. Vgl. auch 18, 23. 27, 8. 28, 8. 43, 12. - tou für
toöv, d. i. tüjv. - cTaupavrüüve für CTaupavrüJv. Ueber die Bedeutung
dieses Wortes b. zu 3, 4.
V . 9. vd Kduouve xrj Zinn, touc , eine Fluchformel , deren Sinn sein
soll: vd uV| u€Tcrfvpicouv.
27.
Vgl. zu diesem und dem folgenden Liede Volksl. 1, S. 241.
V. 3. ^Tpujya für ^Tpurrav, £Tpu>Yav. Ebenso Imva für gmvav und
ömXoxaip€Tiujvra für oinXoxaipeTiüjvTav.
V. 8. iiiecaXoToußdeXa, zusammengesetzt aus uecüXa oder uecdXi
(Tischtuch) und ToußdeXo, welches letztere, wie ToußaX(6t 26, 3, von
ital. tovaglia abzuleiten.
28.
Vgl. das ähnliche Lied bei Razelou S. 7: "OXov töv äbr\ ^Yupica
u£ oud Kepid dvauueva, Kai äKouca rrj Xdpicca k" £udXujve tö Kapo*
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- 2G2 —
'Xdpc, Kai ti uoü xön<p€pec tö ßapuappiüCTrm^vo , TToö OtXci pdvac fö-
va/ra, 0£Xei dbepcpn.c UYKdXaic, O^Xei nairXumaTa naxud, O^Xci \\)t\\ä
Kpcßßdxia, G^Xti VrctKpncapo i|miui, G^Xci Kpaci uocxdTo;'
V. 2. yf\c: zu 3 »
V. 3. EapudTuirouc für £EapudxujTouc.
V. 9. d^epiKd (von dy^pac, d. i. depac, altgriech. dn.p), luftig, dünn,
fein. Ebenso bei Passow Nr. 498, 7.
V. 11. Kaxa<p£pvu> (f. Karaqp^puj), ziemlich gleichbedeutend mit
neieuj oder ßidZuj.
29.
Varianten dieses Liedes bei Iatridis S. 40 und bei Razelou S. 36.
Vgl. ferner Nr. 30 und 31 meiner Samml.
V. 2. vd TrdpU): zu 15, 15.
V. 3. £>caTca, d. i. Uädica. Vgl. 17, 2.
V. 5. xoO uiKpujve: vgl. zu 26, 5.
V. 6. £voü, Genet. von £vac, neben £vöc gebraucht.
V. 11. uoüv\ d. i. uövov.
V. 13. drcpoßdTouva , von npoßaTÜJ (vgl. 30, 2. 57, 3), einer auf
Kcphalonia und Zakynthos sehr gebräuchlichen Vulgarform für wepi-
TraTü) (woraus zunächst ircpiraxili geworden ist, was V. 17, ferner 17, 9.
61, 1 und 66, 6 vorkommt, daraus wiederum iropTraxü), irponaTd) u. s. w.).
Daneben findet sich auch eine Form itepßaTü) (59, 64 und 66). Ueber
die Iinperfectform vgl. zu 17, 9.
V. 14. ßaciXtuic (auch 30, 13.59,5), d. i. ßaciX£ujc, seltener als ßct-
ctX&x oder ßaciXid. - pnjöc, seltener als pn.ta (30, 13), Genet. von pri-
mae (lat. rex). — dYYÖvi für £yyövi (Deminutivum von ^ovoc). Ebenso
59, 61.
V. 15—16. Vgl. 11, 3 f.
V. 17. Der Sinn dieses Verses kann kein anderer sein als der: ich
verschmähte es zu Fuss zu gehen, zeigte mich nur zu Pferd oder zu
Wagen. Allerdings genau genommen ein Widerspruch mit dem in
V. 13 Gesagten. Man darf aber den Ausdruck iirpoßdTouva eben nicht
genau nehmen, sondern muss ihn vom Reiten und Fahren verstehen.
— Ueber ff\c als Accusat. in diesem und dem folgenden Verse vgl.
zu 3, 1.
30.
V. 10. dirdvou für iirdvuj. ,
V. 14. rcdXi £uaTair£pttca: diesclbo Abundanz der Rede 37, 13.
V. 17. £toütov€, d. i. toütov. — biv £x €t » nämlich ö vioütcikoc-
Die Rede ist anakoluthisch.
V. 18. Vgl. 27, 6 ff. und 28, 7 ff.
31.
V. 1 — 2, gleichlautend mit 28, 1 — 2.
V. 5—9. Vgl. 18, 19- 23 mit der Anmerkung dazu, und speciell
zu V. 5—6 den ganz ähnlichen Gedanken bei Razelou S. 4.
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- 263 -
32.
Variaute bei Razelou S. 81: Cdv u' dyanqic, uavoüXd uou, Kai u£
^uxoTTOvt^cai, Kdue xd x^P l <* cou Tcairid, xfjc drcaXduaic (pxudpta, Kai
niiaZe xd xwuaTa Kai CKüiye, x»'ipa££ |ue, Kijj äv fjin' äcupoc Kai pobivöc,
cKÜiyc Kai qpiXnd u€, Kf| äv r^uai uaöpoc Krj äcxnuoc, mcw koukou-
Xuuce ue.
V. 1. ä coö irovr), d. i. f wenn es dich schmerzlich verlangt, weuu
du dich in deinem Schmerze darnach sehnst.» Für diesen unpersön-
lichen Gebrauch von uovüj kenne ich kein zweites Beispiel (persönlich
oben 8, 2). Zur Bedeutung vgl. 49, 1.
V. 2. xcani, vom ital. zappa (KoraiV Ableitung "AxaKxa V, S. 346
von altgriech. ocaqnov ist verfehlt). — äiraXäuaic, d. i. iraXduaic. —
tpxuäpi, altgriech. irxudpiov (Demin. v. irxuov).
V. 5. Yüpic' xo, nämlich xd x<xi\xa (V. 3), wende die Schollen, lege
die ausgegrabene Erde wieder auf .mich.
Zur Variante unter dem Texte : dxpioYiepaKiva, von itpal und äYpioc
gebildet. — x^wuiöc für x^wuoc, gelb, bleich (vgl. altgr. x*öoc, xXiupöc).
33.
V. 1. ZouXfyaxc, von ZouXcüw, d. i. ZnXcuuj. Vgl. 64, 14. 58, 2 u. 3.
V. 3. dnouauplZouv, d. i. sie werden ganz schwarz. Vgl. altgriech.
dnouujpöuj , und neugriech. äuouwpavvuj , diroXujXaivuj , welche Verba
Korais "Axokxc IV, 1, S. 30 durch rendre tout-ä-fait fou, achever de
tourner la tete erklärt.
V. 4. Man nimmt an, dass in dem Zeitraum von vierzig Tagen
der ins Grab gesenkte Körper verwese. Vgl. dazu Joannes Lydus de
mensibus IV, 21: xeXcuxncavxoc yoüv ävGpumou £tt! u£v xf^c xpixnc d\-
Xoioöxai iravx€Xujc Kai xf|v SmYvujciv xfic övyeujc öiaTtöXXua xö cOüua,
iit\ bi xnc £väTnc öiappei aiuirav, €xi cwZoudvnc aütu> xn.c Kapöiac* titi
be xfle xeccapaKOCirfc Kai aöxn, cuvanöXXuxai xw iravxi. öiä xoöxo xpi-
xnv, £vdxnv Kai xeccapaKoex^v Im xwv x€6vnKÖxujv (puXdxxouciv ol
£vaYi£ovxec auxolc, xf)c t& nox€ cucxäcewc xfjc xe u€x 4 tKtlvnv £inöö-
ccujc Kai xö öi*) Trepac dvaXüceiuc ^TnuiuvncKÖuevoi, zu welchem Zeugniss
jetzt noch dasjenige des famosen 'Splenios» aus dem cod. Vatican. Nr. 12
(E. Rohde in Ritsehl's Acta I, S. 28. Vgl. Fleckeisen's Jahrbücher, 1871,
S. 330 ff. und 577 ff.) hinzukommt. Dagegen lassen ein Klaggesang
bei Passow Nr. 384, 14 ff. und ein zweiter bei Chasiotis S. 180 f., Nr. 19
die Verwesung des Todten nach vierzig Tagen erst beginnen.
V. 5. xd Eav6a uaXXid. Blondes Haar wird von den Griechen um
so höher geschätzt, je seltener es unter ihnen vorkommt. Daher es
in den Volksliedern so häufig erwähnt wird zum Ausdruck besondrer
Schönheit (vgl. z. B. 59, 25. 67, 17 m. S.). Ueber den gleichen Ge-
schmack der Alten vgl. Pashley Travels in Grete I, S. 247.
34.
V. 2. xeoue wird mitunter gehört für xeou (d. h. dem durch Buch-
stabenversetzung aus xoüc entstandenen xeou wird das accusativische c
von neuem angefügte
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— 204
V. 5. Tcfj irapubei'coc , gewöhnlicher tu) napdbcicoc, Geuet. von
f\ nupcibftco. EbooM decliniri man auf den Ionischen Inseln, epeciell
auf Zakynthos, »i ZükuvOo xcf) Zükuvöoc, f[ dßucco xcf\ ößuccoc. —
(Jeber den Gebrauch des Ausdrucks 'Paradies' im Sinne von 'Hades'
s. Volksleben I, S. 249.
V. 7. Derselbe Gedanke schon 28, 3. Vgl. auch Razelou S. 5 oben.
V. 8. TiOKauicdKta für ÜTroKauicdiaa (Demin. von ünoxduico).
35.
V. 2. KdÖcc \oft\c für kuö€ Xo^rjc (über das iudeelinable Pronomen
Kdöe vgl. Mullach Gramm. S. 216), d. i. jeglicher Art. — Xo^dbi, offen-
bar Ausgewähltes', werthvolle Sachen. Vgl. altgriech. Xoydc. Das Wort
ist nicht zu verwechseln mit dein viel häutiger vorkommenden Xoxdpi,
welches 'Gold, Geld. Schatz' bedeutet (s. 59, 29 m. S., ferner Passow
Nr. 163, 15; 436, 3. Vgl. Korais "AxctKTa II, S. 296. Chourmouzis Kprj-
tiku S. 111. Chasiotis CuXXotn S. 232. Jeaunaraki S. 345).
V. 3. TiouKduicu, d. i. ÜTroKdjjuca. — ßeXtcia, 'Unterröcke', naeh
der auf Zakynthos mir gegebenen Erklärung. Korais "ATCtKTa V, 1,
S. 166 erklärt Xtvo߀\e£ov dureh 'ö<pacuu dnö Aivdpiov Kai uaXXiov',
und fügt hinzu, das aus reiner Wolle gewobene heisse ßeXtvxZa (cou-
verture de laine); er leitet dieses Wort von lat. vellus ab.
V. 4. cpaocicuc tM. fascia) und cirapYCtvibaic (d. i. cndpxava) sind
Synonyma.
36.
V. 5. iqnXouva: s. zu 17, 9.
37.
Dieses und die beiden folgenden Lieder, welche mir sämmtlich
von dem Zakyuthier Dimitrios Lountsis mitgetheilt worden, habe ich
von meiner Sammlung nicht ausschliessen wollen, obwohl es mir sehr
zweifelhaft ist, ob dieselben als Volkslieder im eigentlichen Sinne zu
betrachten seien, wie ich denn bereits Volksleben I, S. 23G und 245,
Anm. 2 Bedenken dagegen geäussert habe. Zwar ihre Sprache ist ganz
die in der Volkspoesie herrschende, und auch am Reim, den alle drei
(iedichte darbieten, ist kaum Anstoss zu nehmen, denn obwohl der-
selbe in den charonischen und Klaggesängen im Allgemeinen nicht
üblich ist t so findet er sich mitunter doch auch hier, selbst in grösseren
Stücken (vgl. z. B. das mauiatischc uupoXÖYi bei Waehsmuth D. a. Gr.
i. n. S. 112), und in andren Gattungen der Volksdichtung, namentlich
in llochzeits- und Liebesliedem , ist er sogar häufig angewandt; noch
viel weniger darf auffallen , dass der Reim in Nr. 37 und 39 nicht ganz
vollständig durchgeführt ist, denn dasselbe läast sich auch sonst in
einer Reihe gereimter Volkslieder beobachten, vgl. z. B. Nr. 41. 43.
50. 52. 61 meiner Samml., Passow Nr. 290. 301, u. s. w. Dagegen zeigen
jene drei Lieder, wie mir scheinen will, doch nicht jene Einfachheit
und Natürlichkeit, wie sie der echten Volkspoesie eigenthümlich ist,
und sicher nicht deren gedrungene Kürze. Auch im Einzelnen haben
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— 265 —
sie manches Auffällige, besonders Nr. 38, wie unten an den betreffen-
den Stellen wird hervorgehoben werden. Kremos, dem ich alle drei
vorlegte , theilte in Bezug auf Nr. 37 meine Zweifel, wogegen er Nr. 38
u. 39 als wirkliehe volkstümliche Erzeugnisse in Schutz nahm (auch
erinnerte er sich dunkel eines ahnlichen Liedes wie Nr. 38). Mir selbst
kommt gerade Nr. 38 am verdachtigsten vor. Möglicher Weise liegen
uns Ueberarbeitungen von Volksliedern vor.
V. 1. Ter) (für crcr|) uaupctic uoipaic, d.i. offenbar 'zum schwarzen
(dunklen) Verhängniss». Statt des Pluralis möchte man eher, den Sin-
gularis erwarten.
V. 2. Kopaciocuc: Kopadöa, d. i. Kopäciov, vom ungebräuchlichen
Kopacic, iooc, auch von Korais "Atokto IV, 1, S. 243 angeführt.
V. 5. ävTpec hier 'Ehemänner', im Gegensatz zu den im Folgen-
den genannten Mönchen.
V. 6. dpTrdxvei: dpTrdxvuj, vulgäre Nebenform für 6pirdZiu. Ebenso
V. 12..
V. 7. KpeidTa, Plur. von Kpeiac, d. i. Kp£ac.
V. 8. opcrndvi für öpendvi (Demin. von op^itavov).
V. 10. <pourrap{a, Feuer, Brand, hängt vielleicht mit cp^YYOC zu-
sammen. Vgl. (ptyy&pi, Mond.
V. Ii — 14. Diese Verse mit den vorausgegangenen 5 und 6 er-
innern an Vergil. Aen. VI, 305 ff.: Huc omuis turba ad ripas effusa
ruebat, Matres atque viri, pueri innuptaeque puellae, und 313 ff.:
Stabant orantes primi transmittere cursum Tendebantque manus ripae
ulterioris amorc. Navita sed tristis nunc hos nunc accipit illos, sowie
an Sil. Itftl. XIII, 759 ff.: Nullo non tempore abundans Urabrarum huc
agitur torrens, vectatque capaci Agmina mole Charon, ncc (so statt
'et' mit Luc. Müller de re metr. S. 174) sufficit improba puppis. Vgl.
auch die ganz ähnlichen Züge einer deutschen Erzählung bei J. Grimm
D. Mythol. S. 792 oben.
V. 11. xp^xct: vgl. zu 15, 15. — ßp£ und uxrpe, Interjection, ent-
sprechend unsrem f he! holla! auf!', aus dem Vocativ uwp£ entstanden.
Vgl. Korais "ATaKxa V, 1 , S. 33 f., der nur nicht zugleich auch an die
Möglichkeit einer Ableitung von ßp^qjoc hätte denken sollen. — rc^p-
vac\ d. i. 7T^pvac€, wie auf Zakynthos neben n^pace (Praes. nepvduj)
gesagt wird.
• V. 12. KUTxdci: vgl. zu 14, 4.
V. 13. ixdXi £uaTaYupice u. s. w.: zu 30, 14 und 15, 12.
38.
Vgl. die Bemerkungen zum vorhergehenden Liede.
V. 1. äitaTo, d. i. ohne Grund (irdxoc), unermesslich tief, wie auf
Rhodos ünata vepd gesagt wird von den tiefsten Stellen des Meeres
('Gcpnii. tujv <t>iXoua8wv 1802, S. 2125).
V. 3. iioXuxpove, eigentlich 'langlebender'. Aber in dieser An-
redo muss zugleich der Wunsch eines langen Lebens liegen, worauf
schon £x<*«P€toOc€ in V. 2 hinweist, so dass also noXuxpove ziemlich
gleichkommt der in mehreren Gegenden Griechenlands üblichen Be-
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- 266
grüssuugsformel troXüxpovoc (uäml. vd rjcai), über die vgL Volksl. I,
S. 18, Aum. 3 und Kora'i's "Atokto IV, I, S. 445.
V. 4. irdpe p€ Kai i\iit eine in der mundlichen Rede öfters vor-
kommende Abundanz. Vgl. V. 7. — Kaüpive: vgl. oben S. 134, Aum. 2.
V. 5. rjuouva, auflaUig: man erwartet vielmehr das Praesens.
V. 6. f\' £va kXovI icpiOdpi, wörtlich: 'wegen eines Körnchens Gerste'
(das man mir zu geben verweigerte).
V. 7. CTT€pvd: s. Volksleben I, S. 56 f.
V. 8. ttoü Tupiutvcic. Diese Worte sind nicht recht klar. Ihr Sinn
soll wohl sein: der du hier auf die ankommenden Seelen wartest.
V. 10. Trmedvave <S6a<pTa: auffällige Verbindung.
V. 11 f. Charos, welcher sonst in diesem Gedichte nur als Fähr-
mann über den Grenzstrom der Unterwelt auftritt, erscheint hier zu-
gleich als Todesgott. Ueber diesen Dualismus vgl Volksl. I, S. 237.
V. 12. töuou, Zeitpartikel, gleichbedeutend mit örav, ist nach
Korais "ATaKxa II, S. 355 aus Td öuoü entstanden. — uXeEiba, Haar-
flechte: unter den 'TtaiödtKia' (V. 9) können hiernach nur Mädchen ver-
standen werden. Uebrigens erwartet man crf) irXcEiba, wenn anders
ftpTrdZuj hier nicht 'entreissen', sondern 'fassen , packen' bedeutet, wie
man mit Rücksicht auf den herrschenden Volksglauben (vgl. Volksl.
I, S. 230) doch annehmen muas.
V. 14. noö — irpocu£v€i. Der Sinn dieser Worte ist nicht völlig
klar. Da aber noö schwerlich anders wird aufgefasBt werden können,
denn als Correlativum zu Ik£\ , so scheint so viel festzustehen , dass sie
eine Umschreibung sind für das jenseitige Ufer des Grenzstroms oder
überhaupt für die Unterwelt
V. 16. e*oc: zu 15, 2.
39.
Vgl. die Bemerkungen zu Nr. 37. Unser Lied enthält eine Dar-
stellung des Todeskampfes und beruht auf der Vorstellung, dass Charos
statt Gewalt mitunter auch Ueberreduug anwendet, um die Seele deß
Menschen zu erhalten. Vgl. Volksl. I, S. 228 f.
V. 3. kXoIc für KXcdeic.
V. 4. cujira, wie 27, 9, für cuima (28, 11).
V. 12. Xiovxdpi ist auf den im folgenden Verse genannten Höllen-
htind zu beziehen, der wegen seiuer Stärke und Furchtbarkeit einem
Löwen verglichen wird.
V. 13. oüXouc — qpuXdei: das enklitische uac gehört als Genetiv
zu oüXouc, das accentuirte ude ist Object zum Verbum.
V. 14. dvrac, d. i. örav, wohl identisch mit övrac. Ebenso V. 19.
V. 16. irouvtepd, spitzig, scharf, von iroövTa (ital. punta). — üjpd,
dialektisch für oupd. Ebenso 62, 5.
V. 17. Xdßpa, 1*1, d. i., wie Korans "AxaKia IV, 1, S. 271 erklärt,
ÖTrepßoXiKTi Öepun, *1 koöcic, ££aiplTUJC toö n.Xtou. Vgl. altgriech. Xdßpoc.
V. 19. t' £va — CKäve (für cKdouv€, vgl. V. 20 und 14, 4), d. i.
sie reiben sich an einander, knirschen. In dieser Bedeutung ist mir
das Verb aedu) sonst nicht vorgekommen.
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— 267 -
V. SO. qpdßpoi, d. i. ctotipoupYOi , vom ital. fabbro oder lat. faber.
Daher auch ireXeKduj hier von der Bearbeitung des Eisens zu ver-
stehen ist.
V. 21 f. Vielleicht eine Erinnerung an die Harpyien oder auch
an die Sphinx.
V. 21. XcXeKa, Störchin, femin. Form zu XcXckcic (türkisches Wort
nach KoraTs "Ar. IV, 1, S. 287).
V. 22. EuuuTa: Eüuutoc, scharf, spitz, auch von Demetr. Zen.
Paraphr. Batrachomyom. v. 456 gebraucht, offenbar abgekürzt für 6Eü-
uutoc: der zweite Bestandtheil des zusammengesetzten Wortes ist jeden-
falls auf uüTn., Nase, Spitze, zurückzuführen, wie auch Mullach (Com-
ment. zu Demetr. Zen. S. 143 f.) meint, der aber trotzdem Eüunxoc
schreibt, ebenso wie KoraTs v At. I, S. 85. Auf Zakynthos hat man
auch ein Verb Eujiuxduj, spitzen (z. B. den Bleistift).
V. 29 — 30. Sehr Aehnliches in einem Klaggesang bei Razehpu
S. 27: Cöpe, nouXi uou, ctö koXö Kai crn.v KaXn. -rnv uipa, Kai vd ye-
uicn. n. CTpdTa cou YapoixpaXa Kai pöba.
V. 29. äuc , Imperativform (Plur. du€T€) , gleichbedeutend mit irn.-
Yaive. Vgl. Kora'is "AxaKTa II, S.37 f., der übrigens als Pluralformen äu€T€
und äu€lx€ (?) anführt. Vgl. auch ebendas. S. 197, und IV, 1, S. 214.
V. 30. Ywptefl für TSM-fo]. — TpavxdcpuXXa Kai pöba: vgl. 15, 3.
V. 32. TpaßuüvTac xd uaXXid tou, sein Haar zausend, raufend.
40.
Dieses Liedchen wird bei der Zubereitung des Teiges für die Hoch-
zeitbrode gesungen.
V. 5. uirapuirdbec, Plur. von jindpuirac (ital. vulg. barba), Oheim.
41.
Gesungen beim Abzüge der Braut aus dem elterlichen Hause. —
Das Lied besteht aus Trochaeen: nur V. 7 ist iambisch.
V. 1. crpcui: zu 15, 15. — vö<pr| für vuu<py. Ebenso 43, 1 und sonst.
V. 2. vuyou ist wohl nur auf das Waschen der Hände nach der
Mahlzeit zu beziehen. — craupoxepidcou, von cxaupoxepidfcouat, d. i.
die Hände kreuzweise auf die Brust legen, ein Zeichen der Ehrerbie-
tung, das nur den Eltern gegenüber und in der Kirche üblich ist.
V. 3. cöpe. Ueber Bedeutung und Gebrauch dieses Verbs in der
heutigen Sprache vgl. Korais "Atokto IV, 2, S. 579. Ebenso unten V. 7,
ferner 42, 3 und 5; 65, 3.
V. 12. KoireXoubdKia , Deminutiv von KOTreXoüöi, welches wiederum
Deminutiv von KOTieXa ist.
42.
Gesungen auf dem Wege zur Wohnung des Bräutigams.
V. 7. ireGepd für irtvOcpd. Ebenso 43, 7.
V. 8. Upt) für Hcüprj, n.Seüpn. Ueber diesos Verb vgl. Mullach
Gramm. S. 286 f.
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V. 10. Wörtlich: so »oll es Dicht wiesen deine (andre) Seite (über
uTTuvra zu 15, 13). Der Sinn kann kaum ein andrer sein als der in
der (Jebersctzung gegebene.
43.
Während des Hochzeitschniauses vorgetragen. — Die beiden ersten
Verse sind iambisch, die übrigen trochaeisch.
V. 1. fannpöc für tapßpdc.
V. 8 — 6. Aehnliches bei Jeannaraki Nr. 303, 31 tf".
V. 4. couXTdvct, Sultauiu, hier als Ausdruck für hervorragende
Schönheit.
V. 7. cpüci (d. i. <puciv): diese Worte sind mir nicht vollkommen
verständlich, und auch Griechen, die ich befragte, wussteu keine ge-
nügende Erklärung zu geben. Es wird damit, wie es scheint, das edle
Geschlecht der Schwiegermutter gepriesen, das sich durch die Geburt
schöner Kinder bewährt.
V. 8. Auch in eiuem kretischen Hochzeitsliede bei Jeannaraki
Nr. 304, 34 wird der Bräutigam einer Cypresse verglichen.
V. 12. äo€pq>o€£doepcpa, Zusammensetzung von dbeptpöc (d. i. dÖ€X-
(pdc) und £Hd&€p(poc (d. i. £EdÖ€X(poc). Vgl. zu 26, 5.
V. 13. uctTCOupdva (und pavTcoupdva) , nach Kora'is "AraKra IV, I,
41G u. d. W. TUpca (vgl. auch V, 1, S. 175 und 192) aus dudpaicoc
oder dudpuKov entstanden durch das Medium der spätlatcinischen
Form maioraea.
44.
.
V. 1. öpop<pr) für eüuopqpn- Vgl. 17, 6. 58, 1. — Kupd pou iat Prae-
dicat, wie opoptpr).
V. 2. pi&Kayec, d. i. poö licct^c (£kouc€c).
45.
«
V. 1. napaidupi, d. i. irapaBüpi.
47.
V. 2. peXaxpoivaic : peXaxporvöc oder pcXarxpoivöc, d. i. xpd>pa
€xmv ünöpaupov, bräunlich, schwarzbraun, altgriech. ptXdTXpooc pe-
XaTXPnc peXaTXpoinc Vgl. Korais "Atoktu IV, 1, S. 317 f. — nouKapi-
cüiaa, d. i. unoKaptcdKia. Vgl 35, 3.
48.
V. 1. crpaTUJvi, wohl das ital. stradone.
49.
Trochaeen.
50.
V. 1. pipvaic, d. i. pipaic, Reime. In der deutschen Uebersetzung
• musstc 'Vers' gesagt werden, weil diese den Heim nicht widergibt.
V. 2. it^pyouXo, vom lat. pergula oder ital. pergola. Vgl. Du
Cange Glösa, ad script med. et iuf. Graec. S. 1149.
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V. G. TrpujxooacKdXoi, d. i. upujxoötbdcKaXoi.
V. 7-8 enthalten allein das eigentliche Lied an die Geliebte, alles
Vorhergehende ist nur die Einleitung dazu.
V. 8. En.ucpujp.axa, Plur. von tr|U€puuua, von dem unpersönlichen
Verb tn.M- € Pwv€i (für e£n,u€pujv€i), r es wird Tag', gebildet und den Tages-
anbruch bezeichnend. Vgl. Kor. K Ax. II, S. 207. — oaxxuXiböcxoun. (x
für k), die einen Mund so rund wie ein King hat. In einem die Schön-
heit der Braut feiernden kretischen Hochzeitsliede bei .Teannaraki Nr. 303,
15 f. heisst es: exei M-uxn, cdv kovxüXi, Cröua cdv xö öaxxuXifci.
51.
V. I. KupdTca, Schmeichelwort (von Kupd).
V. C. Xec, d. i. Xerctc.
52.
Ein ahnliches Lied NeoeXX. 'AvdX. I, S. 110, Nr. 53.
V. 1. dxeva bezeichnet aller Wahrscheinlichkeit nach das Blumen-
bret. Ueber die Herkunft des Wortes weiss ich nichts zu sagen.
V. 3. ti ce YvotdZci, d. i. was kümmert's dich» das Verbum ist ab-
geleitet von £yvokx, d. i. evvota, welches in der heutigen Sprache die
Bedeutung von (ppovxic, uepiuva hat. Vgl. Korais "Axa>cxa II, S. 124.
V. 4. irXouuicueva , hier offenbar f bunt' (eigentl. 'gestickt', vgl.
Kor. 'Ax. II, 278). Ebenso 6t, 1. Man begreift leicht, wie diese Be-
deutung aus jener sich entwickeln konnte.
V. 5. utrdcc, Imper. Aor. von undZw, d. i. epßdZw. — yacTpoüXa,
Deminut. von fdCTpa, Blumentopf. Vgl. altgriech. ydcTpa, yacxfip.
V. 6. xöv dvOö: 6 dvGöc für tö dvBoc sagt das Volk auf Zakynthos,
wenn es speciell die Blüthe bezeichnen will, wogegen tö dvöoc (Plur.
dvOta, s. V. 4 und 8) ihm die Blume im Allgemeinen bedeutet.
V. 8. parcu^va für paYcuucva.
53.
Lied zum Tanze r \ eßavxlvtxo cxd xpla '. Dasselbe besteht aus
längeren und kürzeren trocbaeischen Versen (akatalektischen Trimeteru
und Dimetern) und hat strophische Composition : auf drei dreizeilige
Strophen von je einem längeren und zwei kürzeren Versen folgen drei
vierzeilige, von denen die beiden ersten so gebaut sind, dass auf je
zwei längere Verse je zwei kürzere folgen, wogegen in der letzten
Strophe die zwei kürzeren Verse von den längeren eingeschlossen sind.
— Zu Anfang dem unsrigen ähnlich ist das Lied bei Possow Nr. 447.
V. 2. dTrai6üpr)ce (diese Schreibung ist richtiger als dirtOuprice),
fast dasselbe wie £Tre6uur|C€. — xd Ee'vo ist offenbar mit xi vd yivu*
zu verbinden: x( vd y^vuj Ifdj, xd Uvo (nämlich iraiöO; und Etvoc
scheint hier so viel wie 'arm, unglücklich» zu sein, eine Bedeutung,
die auch £pr|uoc in der Volkspoesie öfters hat.
V. 4. Kdxou y i <*X6, d. i. Kdxuu de xöv alYiaXöv. Ebenso V. 11.
V. 5. xd £ud£u)£e, näml. xd XrfOopdcxaXa (V. 7).
V. 7. XrföopdcxaXa, d. i. XiYÖtuuiva poöxa, schmutzige Kleid ungs-
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— 270 —
stücke, insbesondere Hemden. Denn Xitoa ist 1) fettige Substanz,
2) Schmutz. Vgl, Hesych. III, S. 38 Schm. : Xir/ocr f) dKÖvrj. Kai tfj
Kovia (d. i. hier: 'Lauge'). Zum zweiten BeBtandtheil unsrer Zusammen-
setzung vgl. Hesych. ebendas. S. 76: uacxaXöv t6v xiTwva.
V. 9. TpdtXuJve ßaciXiK^, dreistengliges Basilikum: so redet man
in der poetischen Sprache Personen an, die man als schon bezeichnen
will. Uebrigens derselbe Kehrreim bei Passow Nr. 637.
V. 14. uaierpoc, Nordwestwind , ital. maestro und gewöhnlicher
maestrale, franz. maestral und mistral, auch im Neugriechischen öfters
uaecxpdXt. Vgl. F. Liebrecht in den Gött. gel. Anz. vom J. 1861, I,
S. 571. — Tpcpouvrüva, vom ital. tramontana, Nordwind. In einem
von Antikythera herstammenden Volksliede in BretcV '€8viköv 'Hpepo-
Xöyiov v. J. 1865 kommt das Compositum uaiCTpOTpcyouvTdva vor.
V. 15. xöu irooÖTupa, wonach der Nomin. Tto&ÖYupac lauten inuss.
KoraTs "ATaKTa IV, 1, S. 441 führt ein Neutrum iroboYupt nach Soma-
vera und Du Cange an und erklärt es durch 'frange, falbala', wie er
schon "At. I, S. 314 dasselbe erklärt hatte durch 'bordure du bas
d'une robe\ Es ist das, was die alten Griechen Kpdcneöov nannten
(vgl. die Erklärung 'dieses Wortes bei Hesych. II, S. 531 Schm.). Die
Bestandtheile unseres Compositum sind 1) yöpoc (s. 59, 12), 2) ttouc
oder wohl vielmehr irooid, welches Wort nicht allein 'Schürze', son-
dern auch r Saum' bedeutet ( f xö k6tu> ÖKpov tö rcpöc toüc irööac toü
^Travwtpopiou' Korais "At. I, S. 256). Vgl. altgr. ttoöcujv.
V. 18. CTperraXöirooo für dcTpcrraXöno&o, mit dcTpdtaXoc und ttouc
zusammengesetzt.
V. 19. fiXaiye, d. i. IXauipc. — Zum Gedanken vgl. Pasa. Nr. 447, 7
und Liebrecht a. a. 0. S. 578, der dazu eine ähnliche Stelle aus der
Edda nachweist.
54.
Lied zum Tanze f capTtKÖ' oder c koutcö'. Dasselbe besteht aus
zwölf zweizeiligen Strophen von je einem iambischen und je einem
darauf folgenden trochaeischen Verse. Die Strophen sind dreierlei Art :
— — \J— \J — I W _ 1^ _ N-/ _ V-l
{KJ — V — \J — \J —
— V _ ^ \J
{KJ _ \J _ \J _ lo»
— V — V — \J — <U
Also es wechseln ab entweder iambische katalcktische Tetrameter mit
trochaeischen akatalektischen Dimctern, oder iambische akatalektische
Dimeter mit trochaeischen Monometern (die stets auf einen Daktylus
ausgehen), oder iambische katalektische Dimeter mit trochaeischen
akatalektischen Dimetern. Die Anordnung der Strophen ist folgende:
ab c b b c b c a b c a
Varianten bei Passow Nr. 639 und bei Chasiotis S. 203 f., Nr. 25.
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— 271 -
V. 1. ^pö-fetpe (für ipötcuce): {toyfvw von t>6(a (unten V. 17) ge-
bildet, über welches Wort Du Cange im Glossar und KoraTs "Atcikto
I, S. 155 zu vergleichen sind.
V. 3. KOußaXOu, d. i. ueTCupepu) duö töttov de töttov, wie KoraTs
a. a. 0. S. 200 erklärt, welcher das Wort für alt hält und unter an-
derem auf die Glosse des Hesychios (II, 479 Schm ) KißaXoc* öidicovoc
verweist. — x^ 0 « d. *« X^ ,a P°-
V. 5. öx: zu 20, 18.
V. 6. Die Richtigkeit der von mir gegebenen Uebersetzung dieses
Verses will ich nicht verbürgen, doch dürfte es schwer sein etwas
Wahrscheinlicheres aufzustellen. Ein von mir befragter Grieche er-
klärte: troToc oüvctTai vä öiKaioXoYncr) toüto Allein diese Erklärung
lässt sich nicht anwenden auf die ganz parallele Stelle bei Passow
Nr. 635, 1*. Vgl. noch Pass. Nr. 639, 18 (Sanders Volksl. der Neugr.
S. G8, dem Pass. dieses Lied entnommen hat, übersetzt hier allerdings:
'wer ist, der für recht das sah anV) und Chasiot. S. 204.
V. 7. vä uXa(vrj: ttXcüvuj Nebenform von ttXuvuj. Vgl. 57, 5.
V. 8. Ecpdoia ( von sepöc, d. i. Erjpöc), trockene, dürre Hölzer, hier
auf die Füsse übertragen.
V. 10. Ueber ircpiÖpouoc vgl. Volksleben I, S. 175.
V. 12. X€ut€pid, d. i. ^XeuOepiav. — Auch dieser Vers lässt ver-
schiedene Auffassungen zu.
V. 15. tcou T^ccapouc, als wenn nicht xpövia, sondern xp6vovc
vorausgegangen wäre.
V. 16. poYixca, Deminut. von pöya.
V. 17. öovXchu, d. i. öoüXcuav.
V. 21. crdpi für cixdpi. Ebenso 55, 10.
55.
Zum Tanze f capTiKÖ\ — Vgl. die ähnlichen Lieder bei Passow
Nr. 326 und 327.
V. 1. KctXoKoupi, hier wörtlich 'schöne Zeit', nicht 'Sommer'.
V. 3. ccXXdivei: ceXXujvw von ital. oder lat. sella. — KaXrrujvci:
unten zu 69, 11.
V. 5. ojnipnVtküXrf« scheint einen Schmuck am Knöchel (cqpupöv)
oder überhaupt am Fusse des Pferdes zu bezeichnen; an eepupt, Ham-
mer, kann nicht gedacht werden; über den zweiten Bestandtheil des
Wortes s. zu 59, 11. — uaXauxtx^via : vgl. das oben S. 84, Anm. 1
Bemerkte.
V. 8. kXouOoOvc, d. i. di<oXou8o0ve.
V. 9. eOroü: zu 15, 1.
V. 10. to icpfOoc für i*| KpiOf; , selten (gewöhnlich tö KpiOdpt, wie
54, 21 und 23)
56.
Zum Tanze f 6 CTaupunöc'. In diesem Liede wechseln wiederum
trochaeische und iambische Verse : es beginnt mit fünf trochaeischen
akatalektischen Trimetem , worauf ein iambiBcher katalektischer Tetra-
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- 272 -
meter, ein trochaeischer akatalektischer Trimeter und wiederum drei
jambische Tetrameter und vier trochaeische Trimeter derselben Art
folgen; V. 15 ist wieder ein jambischer kaialek tisch er Tetrameter,
worauf zehn trochaeische Trimeter den Schluss machen. — Kürzere Ver-
sionen dieses Liedes bei PoraOW Nr. 597 (metrisch nicht ganz correct)
und 037. Vgl. auch Pass. Nr. 596. Nco€XXnv. -AvdXcKxa I, S. 102 f.,
Nr. 42.
V. 1. x i ^ lö0via i d. »• x € ^ ,0 övta.
V. 6. äcT€, d. i. dq>r)C€T€.
V. 7. ßdpbia, venetian. vardia, ital. guardia, auch auf Kreta ge-
bräuchlich (vgl. Jcaiiuaraki S. 325 u. d. W.).
V. 9. c<paw für ccpaYu». — iräpou für ndpouv.
V. 16. öevTpö, d. i. c^vopov. Ebenso 61, 7. Diese Betonung ist
aber nicht, wie man meinen könnte, unter dem Einflüsse des rhyth-
mischen AccentB entstanden, denn sie ist auch in der ungebundenen
Rede gebräuchlich (so z. B. vTevrpd in einem Märchen NcocXX. AvdX.
II, S. 124 g. E.).
V. 18. £ dasselbe wie iboü. Etwa aus altgriech. rjv entstanden?
Vgl. zu 13, 1.
V. 21. ctö utc€uo, d. i. eic tov uiceuuöv. — voiici, d. i. £voikiov.
V. 23. unv tö ßacTdHrjc, nämlich Kpuq>o, also so viel wie (pave-
pwc£ TO.
57.
Ein bei den zakjnthischen Bauern ungemein beliebtes und über-
haupt in Griechenland sehr weit verbreitetes Volkslied. Varianten bei
P;issow Nr. 441 - 440, Loukas 0iXoX. 'emcK. I, S. 94 f. Jeannaraki
Nr. 127 (vgl. auch Nr. 261 und 300). üeber ähnliche Stoffe bei andren
Völkern vgl. Liebrecht in d. Gött. gel. Anz. 1861, I, S. 576. Ich habe
dieses Lied auf der Insel Zakynthos zum Heigentanze singen hören;
der Bauer, aus dessen Munde ich es niederschrieb , nannte den Tanz
'XcßavTiviKO ctci Tpia'; ist diese Angabe richtig, so wird es schwerlich
richtig sein , dass auch Nr. 53 zu diesem Tanze gesungen wird , denn
unser Lied hat ianibischen, jenes trochaeischen Rhythmus. Zwischen
je zwei Halbzeilen werden die zum Inhalte des Liedes in keiner Be-
ziehung stehenden, lediglich dem Taktausdrucke dienenden Worte
t* dnbövi t* än,bövi (dreisilbig zu sprechen) und t' dr|bövt t 1 dnbovdKi
(viersilbig) abwechselnd eingeschoben, also z. B. "€va irpaYuareuTÖ-
irouXo — t' dt)bövi t* dnbövi — Ct?)M TTöXi Karaißaivei — t' dnbövi
t' drjöovdKi — , M£ tö uavTn,Xi u. s. w.
V. 2. XouXd, Cigarre, nach der auf Zakynthos mir gegebenen Er-
klärung. Das Wort hängt ohne Zweifel mit dem aus dem Türkischen
entlehnten XouXlc, d. i. Tabackspfeife, zusammen.
V. 3. irpoß(*T€t: zu 29, 13.
V. 4. KOUpviaxTÖc: zu 15, 10.
V. 5. ßplcxei, d. i. ßpicKCt, €ÜptCK€i. — KOpdcio und KÖpn, (s. V. 6
und bes. V. 12 und 17) auch von juugen Frauen. Ebenso KÖpr) im Alt-
griechischen und puella im Lateinischen.
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, — 273 —
V. 7. Tdcia, d. i. Tassen, Trinkschalen (anch bei .Teannaraki Nr.
132, 7 und bei Passow V. L. zu Nr. 441, S. 322).
V. 11. X£v€, d. i. X£youv€.
V. 18. rctc, vulgär für tint. — coucotium: zu 17, 2.
V. 21. KttTi ciaßcWric: 8. Mullach Gr. S. 214, 4.
V. 23. öuacKdXn,, d. i. uacxdXr|.
V. 25. X&l, d. i. \tfti.
58.
Andere Versionen dieses Liedes, aber viel kürzer und weit weuiger
anmuthig, bei Passow Nr. 483 und 484, Chasiotis S. 140, Nr. 12. Jean
naraki Nr. 268. Auch das im Eingang allerdings sehr abweichende
Lied bei Zampelios in der Schrift TTöOcv i) koiv^ kltic TpaYoubw (Athen
1859), S. 41 f. gehört demselben Kreise an.
V. 1. kovtoutcikoc, Demiii. von kovtöc, wie uiKpoüxciKoc von uttcpöc.
V. 5. vtücou, d. i. £vbucou. — irouXncuj, d. i. irujXncu).
V. C. öpuTyv£iyuj, d. i. epunvcucw.
V. 8. enudpice: cTiuaptttu, vom ital. stimare.
V. 12. Ueber das eingeschobene v s. zu 17, 4.
V. IG. mrcouvi, vom ital. piccione, auf Zakynthos neben irepi-
CT^pi gebräuchlich.
V. 17 — 18. Aehnliches ist häufig in der griechischen Volkspoesie.
S. z. P». NeocXXnv. 'AvdX. T, S. 82.
V. 17. dKdXXn für KuXXr] (vgl. 57, 24).
V. 20. öiaXaXiTca, von biaXaXid gebildet, öffentliche Bekannt-
machung.
V. 22. TpctKÖcia für TptctKÖcia. — irarfvfbi, Liebesspiel, hier eu-
phemistischer Ausdruck für den Beischlaf, wie die alten Griechen das
Verb ircd£€iv, die Römer ludere und Indus in diesem Sinne gebrauchen.
V. 23. 6dv statt des gewöhnlicheren 6d oder Ge- vd. — Td, näml.
xd Ypöcta.
V. 25. uoötcoc, eigentl. Schiffsjunge (uouTcöiTouXa Passow Nr. 391 a,
18), franz. mousse, ital. mozzo, span. mozo. Vgl. KoraTs "AxaKTa V,
S. 225, der das spanische mozo auf altgriech uöcxoc zurückführt (V ). —
Kapaßoucidvoc, von xapdßi gebildet. — Zu ergänzen ist in diesem V.
ein Verbum wie Kifei.
V. 30. YXuKOKiXaibouce : yXukokiXoü&üj , aus yXuköc (yXuküc) und
KiXa'ibw, d. i. altgriech. KeXabu), zusammengesetzt. — Zur Sache vgl.
zu 68, 25 ff. »
V. 31. döpeepöe, d. i. db€p<pöc, äoeXq>6c. Durch dieselbe Buch
stabenversetzung ist dbp€(pr| entstanden.
V. 32. fiujpr) , hier nicht in seiner eigentlichen Bedeutung , sondern
mehr als lnterjection, ganz ähnlich wie ßp£ (s. zu 37, 11). — troOO',
d. i. noöOe für irö9tv. Ebenso im Folgenden irouOcve. — ol y°vcic cou
etwas auffällig, nachdem f) ndva cou vorausgegangen, wohl nur aus
Rücksicht auf den Vera gesetzt, da weder ita-repac noch KUptc sich dem
Metrum fügt. Oder sollte herzustellen sein ö yoviöc cou (yoviöc für
Schmidt, Griech. Miiehen, Sagen u. Volkslieder. 18
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— 274 -
YoWoc, welche letztere Form auf Zakynthos in Gebrauch ist statt
yovtöc)?
V. 33. KÜpic, d. i. KÜptoc.
V. 38. xP^ CTCt T a f" r XP^c Taa > Imperf. von xpuJCTriw, d. i. xpcwct^uj.
59.
Ein merkwürdiges Lied von offenbar ziemlich hohem Alter, dessen
Entstehungszeit aber genauer zu bestimmen ich doch nicht versuchen
möchte. Klar ist, dass für diese Frage ausser den Versen 1 — 2 und
15—10 noch von Wichtigkeit sind die Verse 5 und 22, wo der Held
der Dichtung das erste Mal yvmöc tou ßuciXiuuc, das zweite Mal 6 ßaci-
Xiäc genannt wird, ferner 31 und 31, welche den Namen des könig-
lichen Freiers enthalten, endlich aber auch V. 10 wegen der Bezeich-
nung der Geliebten als r Albaneserin\ Die zuerst V. 15 f. und dann
noch an zwei weiteren Stellen erwähnten Abgesandten des Prinzen
«PouKdc, NiKn/pöpoc und TpeuoTpdxnXac sind offenbar dieselben, welche
in dem Lied vom r Sohn des AndronikoB' vorkommen, das, nachdem
es zuerst Zampelios in der Sehriff. TTöÖev r) Koivr) X^Eic Tpcrroubuj,
S. 38 ff., aber mit mehreren eignen Zuthaten, veröffentlicht hatte (dar-
nach Th. Kind Anthol. neugriech. Volkslieder, Leipzig 1861, S. 2 ff.,
und Max Büdinger Mittelgriechisches Volksepos, Leipzig 1866, Anhang
A), später zweimal von E. Legrand treu nach der im Besitze von
Brunet de Presle befindlichen Copie herausgegeben worden ist, zum
zweiten Male in dem Recueü de chansons populaires grecques, Nr. 87,
S 186 ff. , wo es von dem besungenen Helden V. Uff. heisst: KOtveva btv
rpoßdrai, MrjT€ töv TT^Tpov töv Oujköv, ut'rre töv NiKrj<pöpov, Mi']T€ töv
TTeTpoTpdxnXov, töv Tp^u' jf\ Krj ö köcuoc, Krj äv f\vai biicrjoc iröXf uoc,
unre töv KujvctuvtIvov. Denn <Pouköc in unsrem Liede ist weiter nichts
als vulgäre Aussprache für Oujköc, und auch TpeuoTpdxnXac ist un-
zweifelhaft identisch mit TTf TpoTpdxnXoc, wie auch der beiden Namen
gemeinsame Zusatz 'vor dem die Erde und die Welt zittert' beweist:
es scheint, dass die erstere Nameusform aus der letzteren verdorben,
und dass diese Verderbniss eben durch das nachfolgende Wort rpeuci
herbeigeführt worden ist. Noch weitere Corruptionen desselben, offen-
bar mit der Zeit dem Volke ganz unverständlich gewordenen Namens
sind Tpn.uaTÖx€iXoc in dem Digenisliede bei Kind Anthol. neugriech.
Volksl. v. J. 1861, S. 62, V. 4, und TpeuavTÜxeiXoc in der Version des
nämlichen Liedes bei Pasßow P. C. Nr. 516, 4 Ferner gehört hierher
eine Stelle in dem jüngst von Legrand Chans, pop. gr. (specimen 1876),
S. 14 veröffentlichten Gesang von Porphyrios, wo ¥. 5 ff. der Held dieses
Namens schon als Kind sich rühmt, r nu>c ävöpec biv qpoßÜTCti, Mr)T€ tö
Y^po tö AouKd, pf)T€ töv NiKn/pöpo, Mn.T€ töv MaupoTpctxrjXoO, iroö Tp^u*
t\ yf[ Krj ö köcuoc'; woselbst offenbar Ooukö für Aoukö (vgl. oben) und
MaupOTpüxnXou (d.i. MaupoTpöxnXo| v]) zu schreiben ist. Mehr weicht
ab die entsprechende Stelle eines trapezuntischen Volkslieds bei loan-
nidis 'IcTopia Kai ctotictikt^ TpaucZoövToc S. 288 ff., welches wieder
abgedruckt ist in dem Buche von Sathas und Legrand r Les exploita
de Digeuis Akritas', Introdnct. S. CII ff.: Ovbt töv Bdpvav (pößouuai,
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275 —
oüoe töv NtK€f}jöpov, Ovbä töv BapuTpdxnAov, vtö t6 cuaOlv Koqrr' £u-
irpou Kai cnriciu (der 2. Vers hat mehrere Silben zu viel, S. und L.
sehlagen vor zu lesen: vtö KÖq>T' £uirpou Kai ön(cu)). Den hier er-
wähnten Bdpvac halten Sathas und Legrand für den Feldherrn Bardas
Phokas (vgl. auch S. CXXV11I); über BapuTpdxrjAoc haben sie sich nicht
geäussert, wenn mau von der kurzen und nur negativen Bemerkung
S. 279 absieht. Büdinger a. a. O. S. 19 sieht in 'Petrotrachilos' einen
vom Soldatenwitz erfundenen Spitznamen für den Eunuchen Petros,
einen griechischen Feldherrn, der im Kampfe gegen Saraccnon und
Barbaren des Nordens sich auszeichnete und in der Schlacht von Ar-
kadiopolis im J. 970 das zweite Hauptkommando führte. Was den
Nikephoro8 betrifft, so enthält sich Büdinger (S. 20) wegen der Häufig-
keit dieses Namens unter den hervorragenden Byzantinern des 10. Jahr-
hunderts eines bestimmten Urtheils. Allein es liegt doch weitaus am näch-
sten, an den durch die Eroberung Kretas im J.961 (vgl. darüber Hertzberg
Gesch. Griechenlands seit dem Absterben des antiken Lebens, I, Gotha
1876, S. 281 ff.) so berühmt gewordenen Feldherru und nachmaligen
Kaiser NikephoroB Phokas zu denken, und Büdingens Grund dagegen
( r wie aber hätte der wegen dieses Sieges hochgepriesene Kriegsmanu
hier nur so nebenher genannt werden können!') finde ich sehr uner-
heblich. Der dritte, Petros Phokas, kann kein andrer sein als der-
jenige, welcher später gegen den ehemaligen Oberbefehlshaber in der
Schlacht von Arkadiopolis, Bardas Skieros, nachdem derselbe zum Re-
bellen geworden war, das Kommando führte und ihn im J. 081 nüthigte-
zu den Saraceneu zu fliehen (Büdinger S. 20). — Es liegt nach dem
bisher Auseinandergesetzten ziemlich nahe zu vermuthon, dass Kostan-
tas, der Held unseres Liedes, identisch ist mit der vierten der in dem
Lied vom Sohne des Andronikos au der oben angeführten Stelle ge-
nannten Personen, mit Konstantinos (denn Büdingens Vcrrnuthung S. 20,
dass mit diesem Bardas' jüngerer Bruder Kcftistantinos gemeint sei,
hat gar keinen Halt).
Wenn nun die bisher besprochenen Namen wenigstens zum Theil
mit Bestimmtheit auf das 10. Jahrhundert hinweisen, so lassen andrer-
seits die Erwähnung der Bestürzung Venedigs in V. 2 und die gering-
schätzige Bezeichnung des von Kostantas geliebten Mädchens als Al-
bauescriu in V. 10 an eine beträchtlich spätere Zeit denken. Will man
also nicht V. 2 und das Wort 'Apßavmcca in V. 10 als spätere Inter-
polationen ansehen, so wird man genöthigt sein anzunehmen, dass
Phokas, Nikephoroa u. s. w. in diesem Liede nur als typische Helden-
namen figuriren. .
Ein kleines, nicht durchaus corroct mitgetheiltes Bruchstück einer
Variante unsres Liedes findet sich bei Passow P. C. Nr. 520, und eine
zweite vollständige Versiou in der griechischen Zeitung 6uT^pTrrj, cpuA.
35 v. 1. Februar 1849, welche Version neuerdings in den NeotAAnv.
'AvdAcKTa 1, S. 342- -3 49 wieder abgedruckt und dadurch mir bekannt
geworden ist. Dieser Text weicht im Einzelnen sehr erheblich von
dem meiuigen ab und entbehrt der besprochenen Namen, nur dass der
Held des Liedes auch hier Konstantin heisst.
18*
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— 27G —
V. 1. öM^covxac: über diesen Namen des Schiffes weiss ich keine
Auskunft zu geben; ein Nachweis darüber würde vielleicht die chrono-
logische Fixirung des Liedes ermöglichen. — toü M^fa, Genet. des wie
ein Eigenname behandelten Titels ö tAlfat (wogegen uctdXou Genet.
der gewöhnlichen neugriechischen Form des Adjectivs, uexdXoc, »ein
würde).
V. 2. TIÖXi für nöXtc.
V. 4. ^TrapdCKuiye : TiapacKÜnxiu es versehen beim Sichbücken, sich
falsch verbeugen. Vgl. ^napemdtnea 29, 6 und 30, 5.
V. 5. ßaaXiuJc: zu 29, 14.
V. 9. tö ßoX€TÖ c' (d. i. cou) kann nichts andres bedeuten als
'dein Wunsch, Wille'. Sonst ist ßoXetö Synonymuni von buvaröv oder
von tÜKaipov. Vgl. Korais "ATaKTa IV, 1, S. 66 und 57 (der es von
ßoXn, ßdXXuj ableitet) und Jeannaraki S. 326 u. d. W.
V. 10. x a »ö«M^voc für xaiÖ€u^voc.
V. 11. KäXt-pu, d. i. Schuhe, in der mittelalterlichen Graecität
häufig (vgl. Du Gange S. 549 f.) , in der heutigen Volkssprache meines
Wissens nicht mehr üblich, ist nicht mit Korais "Atoktu I, S, 169 und
IV, 2, S. 600 von lat. calceus, sondern vielmehr unmittelbar von lat.
caliga abzuleiten. Vom Subst. KaXiti ist wiederum das auch im heuti-
gen Griechisch noch ganz gebräuchliche Verb KaXifiOvuj, d. i. beschla-
gen (s. 65, 3), gebildet. — cp6pi€, d. i. icpöpte, Imperf. von (popüj.
V. 12. föpoc xcf\ noöoüXac (TroboüXa und irootoöXa, Deminut. von
irobid): vgl. zu 53, 15. Zu ergänzen ist elvcu (t^touxi, d. h. dpK€l.
V. 14. Xec, d. i. X^ttcic.
V. 15. cr^pvei: cxepviu für ct^Xvui. d. i. ct^XXuj.
V. 24. Zum Gedanken vgl. die Lieder bei Passow Nr. 526, 1 -4
und NeoeXX. AvdX. I, S. 343, sowie Hahn s Gr. Märchen II, S. 148 oben.
— nXcucö: irXctKÖc, Hürde, Pferch Tür Thiere, vielleicht verwandt mit
nXd£, soll jetzt hauptsächlich in Makedonien gebräuchlich sein (das
gemeingriechische Wort dafür ist udvopa).
V. 26. ävabcStutouc (ävaö^x oua, )> die von ihr aus der Taufe ge-
hobenen Mädchen (auch bei Pass. Nr. 526, 13). Unten V. 57 statt des-
sen napcxbeEiuicuc , wohl um einen unangenehmen Hiatus zu ver-
meiden.
V. 27. xpucoKepauuuuivo, ergänze ttvoi.
V. 28. dXXnvnc für ÜXXnc. Vgl. Mullach S. 197 ff. M. Donner
Neogr. S. 87. — tö ctuti ine: das Pronomen abundirt. Ganz ähnlich
sagt unser Volk: 'der andren ihr Haus'.
V. 29. K€ivf|C und iKeivrjC für £K€ivr)C. Vgl. Mullach S. 199. —
XoYdpi: zu 35, 2.
V. 30. c^pvei, d. i. aipei.
V. 31. KuKxavTa für KujvcTavTä, d. i. KwvcTavrivov. — dTtavTat-
vouv: dnavTaivuj, Nebenform von dTTavtduj. Ebenso V. 45.
V. 33. CKapiKta für cxapüaa (vgl. cKOtvi für cxoivi, ocoXeto für
cxoXeiö, d. i. cxoXeiov, ckivoc für exivoe, äuacKdXri obon 57, 23 für
uacxdXnJ, d. i. cuYX a Pi*ia, bezeichnet sowohl das Geschenk, das zum
Danke für eine erhaltene frohe Botschaft gegeben wird, als auch die
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- 277 —
frohe Botschaft selbst. — q^pvei, nämlich zunächst Tremotrachilas.
An cplpvi (dialektisch für <p£pv€, d. i. <p£pouvc) ist nicht zu denken.
V. 45. udicca für u<Vricca.
V. 46. CKuXoYuqpTicta, mit cküXoc, Hund, und Yuqmcca, Femin.
zu YucpTric, d. i. Zigeuner, zusammengesetzt. — TroüOe: zu 58, 32.
V. 47. vdv', d. i. vd nvai.
V. 49. Kovrd crd ErjuepujuaTa , d. i. hier 'gegen Abend', wie aus
dem Vorhergehenden sich ergibt. Allordings bedeutet £n,u^pujua den
Tagesanbruch; aber mau wünscht sich eüiKaXö £n.u^piuuaeben am Abend.
V. 50. Kd-rce: zu 17, 2.
V. 53. tc>py\ d. i. TopT«, Adv. von Yopföc, das in der heutigen
Sprache 'schnell, frühzeitig' bedeutet (vgl. Korais "Ar. II, S. 94).
V. 55. öXrivuxTi'c, gewöhnlicher öXovuxtic, d. i. öXovuktuuc. Vgl.
uccoupavi'c V. 71, besonders aber.öXn.u€pic 65, 6.
V. 56. t* diroraxud (tö toxu und Taxud in der mittelalterlichen
und heutigen Graecität niane, matutino tempore) muss hier den ganz
frühen Morgen, das Morgengrauen bezeichnen. Vgl. V. 64, wo diese
Zeit noch zur Nacht gerechnet wird. Dagegen unterscheidet sich der-
selbe Ausdruck in V. 69 und 65, 14 nicht wesentlich von dem ein-
fachen raxud.
V. 58. f^pTa. Der mir vorliegende Text des Liedes, welches ich
auf Kephalonia schriftlich mitgethcilt erhielt, bietet ßepct, ein Wort,
das mir vollständig dunkel ist. Die Erklärung 'Ring', welche mir
ein Grieche gab, wird allerdings bestätigt durch das neuerdings im
2. Bande der NcoeXXrjviKd AvdXcKTa veröffentlichte TXujccdpiov KetpaX-
Xnvuic, wo S. 178 ßepobaxTÜXiba aufgeführt und durch öiaqpöpujv elbüuv
bctKTuXibta erklärt wird. Um so weniger aber kann ich nun das Wort
selbst an unsrer Stelle für richtig halten, es stimmt dazu weder der
Ausdruck ctd x^P ,<Jl uou (wozu cpepTe aus dem Folgenden zu ergänzen
ist) noch der Inhalt von V. 67 (wo ja übrigens auch das allgemein
übliche Wort für 'Ring' in der Deminutivform gebraucht ist). Ich
habe daher ß^pxu, d. i. dß^pTCt, geschrieben, ein in der mittelalterlichen
Graccität gebräuchliches Wort für 'Ranzen, Kleidersack, Reisetasche',
lat. averta, altgriech. dop-rnc, dopTn.. Vgl. Suidas I, S. 516 Bernh.:
'Aop-rnv. X^youciv ol rcoXXol vOv d߀pxr|v (dߣpTrjv?). MoKcboviKÖv bi
Kai tö ck€üoc Kai tö övoua, und Du Cange unter dß^pTa, wo auch
ein Nachweis für die abgekürzte Form ß^vra beigebracht ist. — An
ßlpya, d. i. Ruthe (womit hier eine Reitgerte gemeint sein müsste),
möchte ich nicht denken. — CK^irrj: darunter wird nicht ein Hut, son-
dern ein den ganzen Kopf bedeckender Schleier zu verstehen sein.
V. 60. EarvavT^, allem Anschein nach Compositum von dvrduj
(EaYvavTÜuj für dEavavrdw). Die Bedeutung aber kann nach dem Zu-
sammenhang kaum eine andre sein als 'spähen'.
V. 61. dYYÖvi: zu 29, 14.
V. 63—66. Offenbar höhnende Worte der Mutter des Prinzen.
Vgl. V. 72.
V. 64. ßepYoXuYCpaic, von ßtyra und Xurepöc, also eigentl. schlank
wie eine Gerte. — -»tepßaTOuv: zu 29, 13.
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- 278 -
V. 67 — 68. Worte der Sehöneu.
V. 67. Vgl. Passow Dist. 78: 'AvoiEav ol tqnä oupavoi.
V. 68. toö Tüpou Y^pou, dasselbe wie rpiYÜpou.
V. 69. cr|KU»0r|K€, nänil. der Königssohn.
V. 70. (pouKdpi für (prpcdpt, öiixdpi, d. i. erpcr). Vgl. <t>nßa obeu
S. 143, Aura. 1 und zu Lied 8, 3.
V. 72. xäpov — rcrj xäptc cou wird auch heute noch mit bittrer
Ironie gesagt zu einem, der durch Stolz und Uebermuth sich selbst
ins Unglück gebracht hat.
V. 74—75. Zum Gedanken vgl. Volksleben I, S. 250 f.
V. 75. XuYo߀ptU€i, eine eigentümliche Umstellung für ßepYoAu-
rdci, d. i. XuYdei ibcdv ߣpYti.
V. 76. 'bt, d. i. ibl.
60.'
Variauto bei Passow Nr. 513 und vollständiger bei Iatridis CuXX.
brmoT. dcudTUJV S. 79. Theilweise ähnlich ist auch Pass. Nr. 147.
V. 1. KÖpn,: zu 57, 5. — rcrj für cxcfj (tic rrjc). — Welche
Brücke gemeint und ob Tptxa Ortsname ist, weiss ich nicht. Nach
Iatridis a. a. 0. S. 16 führt eioe schmale Brücke über den Mornos in
Lokris den Namen tpixivo reqnipi: mau könnte an diese denken.
V. 3. dcpouYKpdcTri für d<pouYKpdc0r|, Aor. von d<|'OUYKpdZopai, das
aus diraKpodcouai (dKpodouai) verdorben scheint. Auch die Formen
dqpouicpdZouai imd d<ppouKa£ouai kommen vor: s. Passow im lud.
Verb. S. 603. Jeaunaraki üloss. S. 324. (Anders M. DeiFuer Neograeca
S. 72 f.)
V. 6. Tcupi wahrscheinlich für ^Tcripi, Dcmin. von 'dTmpoc, ob-
wohl man auch an eine Ableitung von tt€poc denken köunte (in wel-
chem Falle dann T^pi zu schreiben wäre). Vgl. Konus "Atokto II,
S. 346, der beide Etymologien erwähnt und ganz richtig erklärt: f tö
ueTaxttpiZovxai irdvroT€ eic ör|Xujciv npdYHUToc f) Trpocümou öx» iiidvov
öuoiou rfjv qnkiv u* dXXo Trpöcüjnov f\ irpäYua, dXXd cuZcuym^vou cpuci-
kujc f) TexviKüuc u' ^Ktivo, öict€ vd voutttTat KoXoßöv xwpiZduevov an'
dteetvo.'
61.
Vogelfaugerlied oder auch Liebeslied, denn unter dem Rebhuhn
kann sehr wohl ein Mädchen verstanden werden.
V. 1. nXoumcu^vri : zu 52, 4.
V. 4. KXoußdKi, Demin. von nXoußi, d. i. KXuußiov.
V. 7. bevrpd: zu 56, 16.
V. 8. TcavTcauivta: vgl. Passow im Ind. Verb. S. 636. — mockoO
Xouc für uocxoüXcuc (zu 69, 33). Auf Zakynthos sollen die weissen
Kosen so genannt werden. Vgl. im Allgemeinen Kora'is "ATaKTa V, 1,
S. 216 f.
62.
NavvapicuctTa oder Wiegenlieder sind in nicht geringer Anzahl
veröffentlicht. S. Passow Nr. 273—284. Chasiotis S. 29 -33 und 191—
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194. Sakellarios KimpiaKti III, S. 121 f. Morosi S. 26. '€(pnM e P' c T <&v
OtXouaeüJV v. J. 1858, S. 393. Jeaunaraki Nr. 308.
V. 2. vop9\ d. i. vd £p0r), eX9r).
V. 4. kokö in der Kindersprache dasselbe wie airfd, das Gackern
des Hohns nachahmend. Vgl. Sanders Volksl. S. 120 Anin. (darnach
Pass. im Ind. Verbl). Ganz ähnlich nennt man im badischen Ober-
lande das Ei in der Kinderspraeho f Gacka\
V. 5. ibpd: zu 39, 16.
V. 7. KOUKOuXoudTri (koukouXüjvuj verhüllen, pdti Auge), Anrede
an den personificirten Schlaf.
V. 10. ctoupd: efoupöe bedeutet auf Zakynthos 'dunkel, schwärz-
lich', wie in der mittelalterlichen Graecität (s. Du Cauge u. d. W.),
und ist in dieser Bedeutung wohl von lat. obscurus herzuleiten. Ander-
wärts, z. B. auf Kreta, heisst croupöc 'kraushaarig' (vgl. Jeaunaraki
S. 366), was mit lat. cirrus zusammenzuhängen scheint.
63.
Dieses Lied wird gesungen beim Beginne des icXnbovac (altgriech.
KXnbujv, rj), einer besondreu Art der Schicksalsbefraguug am Johannis-
tage, von welcher ich im zweiten Theile des Volksl. der Ncugr. aus
führlicher zu handeln gedenke, daher ich mich hier auf das zum Ver-
ständuiss durchaus Nothwendige beschränke. Das Wesentliche besteht
darin, dass die Thcilnehmer jeder einen ihm gehörigen Gegenstand,
z. B. eineu King, in ein mit Wasser gefülltes Gefäss werfen, welches
darauf zugedeckt und am Johannistage geöffnet wird: beim Heraus-
ziehen eines jeden der hineingeworfenen Gegenstände wird ein — in
der Regel erotisches — Distichon hergesagt, aus dessen Inhalte man
auf das zukünftige Los desjenigen schliesst, dem der Gegenstand an-
gehört. Jones Gefäss heisst eben auch KXn&ovctc, und die Anfangs-
worte unsres Liedes enthalten die Aufforderung, dasselbe aufzudecken.
Die kretische Version bei Passow Dist. Nr. 85 und bei Jeaunaraki
Nr. 309. Vgl. auch Guys Voyage litteraire de laGrece, 3. e"dit. (Paris
1783), I, S. 220, und NeotXXnv. 'AvdXeKxa I, S. 334.
V. 1. ai, Genet. von die, d. i. ärmc. Vgl. 11,3. 29, 15. 55, 1. 65, 7.
V. 2. piZwdpei, von ital. risicare (rischiare), aber hier in dem
Sinne von KaXopiZnceuci (vgl. Du Cauge S. 1298), wie piZiKÜpnc gleich-
bedeutend ist mit felix, fortuuatus.
V. 4. K€pöeu£voc, d. i. Kcpörjuivoc.
64. .
V. 3. dvTdua, 'zusammen', für ivxdua, welches nach Korais "Ar.
II, S. 124 aus Iv tu) dpa Entstanden ist. — Tpinya für xpüJTav, d. i.
erpujYav. Ebenso cuxvoxaipeTiuJvra für cuxvoxaip€TiÜJvrav, und V. 8
Koupceüou für Koupceüouv. Vgl. 27, 3 mit d. Anm.
V. 4. cxdßXo: ctdßXoc (auch craüXoc geschrieben) von lat. sta-
bulum.
V. 6. rpüjv für Tpujyouv.
V. 9. cd ti in dem Sinne von Kcttd uolov rpöirov.
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- 280 —
V. 12. ßiYXa, vom lat. vigilia, die Wache. Davon das Verbum
ßrfXiZuj, bewachen, beobachten, spähen, und dergleichen. Vgl. Du Gange
S. 199 und unten V. 15.
V. 16. CTäuira tou, d. i. ctö £uTia tou, wie cräßra für ctö eßra
steht. Zu diesem letzteren ist aus utrn.K€ (£ußnK€) ein ßYn.K€ (£ßYn.K€)
zu ergänzen. — it€Tprmc höchst wahrscheinlich 'Falke'. Vgl. Passow
Ind. Verb. u. d. W. Die hier völlig unpassende Bedeutung f Koth-
kehlchen' beruht auf der Angabc Somavera's. Bei KoraTs "Ar. IV, 1,
S. 421 sucht man vergebens nähere Aufklärung.
V. 18. ÖUTrpöc, d. i. luirpöc (luirpocöcv).
V. 20. Koucpdpia, Körper, meist, wie hier, todte Körper, Leich-
name (vgl. Pass. Nr. 192, 13. 29, 6). Zur Etymologie vgl. Korais "Ar.
II, S. 209
65.
Ein merkwürdiges Lied, dem offenbar eine Ortssage zu Grunde
liegt. Unter dem auf dem Elatosberge hausenden Ungeheuer ist jeden-
falls ein Drache zu verstehen. Draohensageu gibt es auf Kephalonia
überhaupt mehrere. S. Volksleben I, S. 194 mit Anm. 1. Der Digenis
uusres Liedes ist natürlich ein andrer, als der in der Vorrede S. 37 ff.
besprochene Held dieses Namens.
V. 1. iräv€ für ndouve, ttöyouvc, wie in V. 2 iräjn€ für irdwuev
oder irätwucv.
V. 2. bö für böc.
V. 3. CÜpTe: vgl. zu 41, 3.
V. 4. t' 'GXdrou tö ßouvö: gemeint ist das höchste Gebirge von
Kephalonia im südöstlichen Theilc der Insel, der durch seinen Zeus-
cult bekannte Aivoc der Alten (Strab. X, p. 456. Schob Apoll. Hhod.
II, 297), welcher jetzt von den Eingeborenen tö uerdXo ßouvö genannt
wird, früher aber auch den Namen "€Xotoc oder '€XctT6ßouvo führte:
gegenwärtig heisst nur eine besondere Kuppe dieses Gebirges ctöv
"CXcitov oder ctöv '€X<mä.
V. 5. BepYtö für Gepiö, d. i. Onpiov. — Kcrrapouqpdei, Compos. von
poucpduj, d. i. altgriech. boyiw.
V. 6. öXrjuepic: vgl. zu 59, 55. — dtcduav, d. i. cxduavc, licauav.
V. 7. KUpi, Genet. von Kuptc (vgl. 58, 33), d. i. Köpioc. Vgl. zu 63, 1.
V. 10. CTUTl TCOU für CTÖ CTUTt TCOU.
V. 11. vv<pr\ : zu 41, I .
V. 12—13 erinnern an den Traum der Pcnelope Üdyss. XIX, 536 ff.,
so wie an das Wahrzeichen in Aulis II. II, 308 ff.|
V. 14. TitOepou für u€v6fcpoü (vgl. zu 42, 7).
V. 18. Oduet für OaOua. •
66.
V. 1. Der Sinn dieses Verses kann, nach dem Gegensatze in V. 2
zu schlicssen, kaum ein anderer sein als der: 'es ist kein unbestimm-
tes Gerücht' (sondern eine auf die Erfahrung der Frauen und Mädchen
von Agrapha sich gründende Wahrheit). — Rebhuhn und Kukuk wer-
den öfters zusammen genannt in den Liedern. So bei Passow Nr. 69, l
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— 281 —
(eine überhaupt mit der uusrigcu zu vergleichende Stelle). 73, 5
und sonst.
V. 2. Xdve: vgl. zu 57, 11. — xi> d. i. rj (cd).
V. 3. ÖTidix', d. i. önoö ä%t\.
V. 4. navTuxcu'vn. für dnavruxaivri, von dnavTuxcuvw , welches
Verbum dasselbe bedeutet wie dnavT^xw (über dieses vgl. Korais "Ar.
II, S. 52, der übrigens eine mir sehr unwahrscheinliche Etymologie
aufstellt).
V. 5. KÖßci, d. i. kötktci.
V. 8-9. Vgl. 19, 4-5.
. 67.
Ein weit verbreitetes Lied, das mitunter zu den Myrologia ge-
rechnet wird und mir selbst als solches mitgetheilt wurde, aber nicht
eigentlich dafür gelten kann. Varianten bei Passow Nr. 343 — 349,
Chasiotis S. 83, Nr. 18, Legrand Recueil Nr. 123, welche sämmtlich
die Ueberschrift 'H koku, udva führen, auch bei Jeaunaraki Nr. 195.
Nahe vorwandt ist auch Nr. G8 meiner Samml., wozu man die Anmerk.
vergleiche.
V. 1. ßpiZe, d. i. üßpiZc.
V. 2. RdTpeya für KiVrepxa.
V. 5. paXXtdcr): tiaXXidZuj (paXXi), eigentl. Haare bekommen, rauch
werden. Ebenfalls von der Zunge bei Passow Nr. 343, 9. 348, 7. —
pujTÜJVTac für £pu)TÜjvTac. Ebenso 68, 11.
V. 7. Dieser Vers will nicht besagen, dass Eros stets in der He-
gleitung des Sohnes sei, sondern der Sohn selbst wird als Eros be-
zeichnet. — £p£va dient nur zur Hervorhobung des nachfolgenden uoö.
V. 8. nie: zu 57, 18. — coucoüuta: zu 17, 2.
V. 9. Ktirapicc^vioc für Kunapicc^vioc.
V. 11. vumouc, d. i. djjaouc: vuiiioc ist dadurch entstanden, dass
das v des Accusativs des Artikels zum Nomen herübergezogen wurde
in Folge eines Hörfehlers, indem man statt xöv üjuov zu hören glaubte
töv viftuov. Demselben Irrthum verdanken voucoKÜptc und voiKOKupd
ihre Entstehung. Das Gegentheil hat stattgefunden bei 'AEid für
NaEid, d. i. NdEoc. Hierüber hat schon Korais "ATaKTCt I, S. 183 völlig
richtig geurtheilt. — ^Kdva für dKdvav, £i«xvav (i?Kauvav), d. h. hier,
sie eigneten sich (die Schultern).
V. 14. ätTr|Xor|8r|Kave für dnrjXoYnQn K 8ve. Vgl. zu 9, 4.
V. 16. 6uKta, Td, heissen auf Zakyuthos die vom Meere ans Ge-
stade gespülten Pflanzen und Blätter. Das Wort ist identisch mit
altgrieeh. <puKiov (*püicoc), d. i. Meertang. Zum Wechsel der Aspiraten
vgl. altgr. tpnp, 0n.p, UU( l zu 8, 3. — iranXioua: zu 15, 9. — (naxapdTCi,
d. i. Matratze.
V. 17. Ea9d für £av6d. — Ytd ist in diesem Verse ausnahmsweise,
zweisilbig zu sprechen.
V. 18. TpoYupftav für TptYupiZav.
V. 20. ixwpl: vgl. zu 37, 11.
V. 24. TToXuomKpap^vrjC selten für iroXumKpau^vr|C.
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6&
Auch dieses Lied wurde mir als uupoXöyt bezeichnet, und es mag
sein, dass es wirklich ein Klaggesang für einen im Meere umgekom-
menen und an den Strand gespülten Jüngling ist. Wegen seiner
grossen Aehnlichkeit mit dem vorigen Liede indessen, welches ich als
eigentliches uupoXöxi nicht betrachten kann, habe ich vorgezogen es
hierher zu stellen. Eine kürzere Version desselben findet sich bei
Passow Nr. 350.
V. iL uttojhc, Adverbium, gleichbedeutend mit Taue, hiiugt offen-
bar mit dem Verbuni uiropui (£uiropuj), d. L öüvaucu, zusammen (also
wörtlich: 'es kann sein, dass'). Auf Kreta wird in demselben Sinne
das von derselben Wurzel gebildete Adverb uirop^Tiuc gebraucht. S.
Jeannaraki Nr. 47, V. 42 und Sil (wo gleichfalls, wie au uusrer Stelle,
der Conjunctiv nachfolgt) und Nr. 172, HL Vgl. noch das kretische
Lied bei Passow Nr. 247 , 12, und im Allgemeinen Du Cauge Gloss.
S. 382.
V. 5_* cuvxaZöcouva, 2, Pers. Sing. Imperf. von cuvrdZouat. Ueber
die Bedeutung s. zu 17, L Ich beziehe das Wort hier auf die Vor-
bereitungen, die die Mutter für die Heise ihres Sohnes trifft, indem
sie ihm Biscuit bäckt.
V. 8, ävTrjucpa (für dvGrjuepa, von dvxi und nu^pa gebildetes
Adverb) x" ui fuopTioO , d. L am ersten Tage nach dem St. Georgs-
tage; wie tö dvriXauirpa und tö avtiTracxa den ersten Sonntag nach
Ostern bezeichnen (vgl. Korais "Atüktci IV, Ij S. 22J. Bei l'assow
Nr. 258, Z und 345, 1 findet sich dvnuepa mit dem Genetiv eines
Heiligennamens, was f pridio' bedeutet, wie schon Liebrecht in den
Ergänzungen zu P.issow's Index (Gott. gel. Anz. v. J. 1861, S. 568)
bemerkt hat — irav€Yöpi, d. L navrixupi (Demiu. v. iravrprupic). Ueber
diese Feste im heutigen Griechenland s. Volksl. I, S. 83—88.
V. 5L Baüprjc, d. L 6d cüprjc.
V. 11L uiroXoüXa, Demin. von uttöXiu, ^uiröXia (n), mit welchem
Worte das von den griechischen Bäuerinnen getragene, den ganzen
Kopf bedeckende und über den Kücken hinabwalleiidc Schleiertuch
bezeichnet wird. Man erklärt es als entstanden aus lußoXia (£ußtiXXu>).
So Korais "Atokto IV, 1^ S. UJL
V. LL CTexvujErj, von ct€Tviüvuj, trocken werden (vgl. altgr. ere~
Yvöc ctcyvöuj).
V. Ii. Yid, nicht zu verwechseln mit der Praeposition f\&i d. L
bid, entspricht unsrem wohlan! auf! Korai's "ATaKta S. 295 f. ver-
muthet mit Wahrscheinlichkeit, dass dieses parakcleusinatische f\a
entstanden ist aus dem hellenischen ela, das besonders bei den sce-
nischeu Dichtern häufig vorkommt. — itoOpe, d. L feiirtimev (ei-
muuev).
V. HL. vepavxcoöXa, Demin. von vcpavxcid.
V. 22, öx: zu 20, HL
V. tL. Derselbe Gedanke bei Jeannaraki Nr. 305 , 22 und bei
Passow Nr. 354, &
V. 2ü ff. Die Vogel erscheinen in der Volksdichtung der Neu-
griechen ungemein häufig als mit Vernunft und Sprache begabt (dv-
Opdmiva XaXoöct, ^Xeycv dvOpujmvn, XaXixca oder ähnlich heisst es sehr
oft von ihnen in den Liedern) und als Antheil nehmend "an den Ge-
schicken der Menschen: sie rathen, warnen, bestellen Grösse, und
andre Aulträge, melden wichtige Ereignisse, verkünden auch Zukünf-
tiges u. s. w. Zumal in den Klephtenliedern spielen sie eine grosse
Rolle. Vgl. über diesen Gegenstand im Allgemeinen W. Wackernagel
'Eirca irxepocvxa, ein Beitrag zur vergleichenden Mythologie, Basel
1860, S. 14. ff. Ueberhaupt ist in dieser Poesie die ganze Natur leben-
dig, auch die Bäume und die Steine reden (vgl. z. B. öj^ lä ff. 9, L.
69", 2 meiner Samml.), wie im golduen Zeitalter der Menschen: £iri
rf\c bi xf)vcf\c Kai xd Xomd xwv £u)ujv Oujv^v £vap6pov e?xe Kai Xöyouc
n&ei* 'GXäXei bi nitpr) Kai xä <puXXa xnc tt£ökt]C, "€XdXei bi növ-
toc, BpdYXfii vt|l Kai vauxrj, CxpouOol bi cuvexd irpoc Ytwptöv tbuiXouv
(Babrios TTpoolu. fi ff.).
V. 25. ctxe: vgl. zu 20, 8,
V. 3JL xG^H^wce f ur xau^wce (x a H»l^ 0C )' — qvrepoüxaic für irxc-
poÜYaic (v. altgriech. irx^puE).
V. 32., uo6€xrlc, d. i. iroOnxfjc.
V. 3JL biaXuvnc: oiaXuviu (auch bei Passow Nr. 412, 4 -und 14.
553, 5) Nebenform von biaXu£u>, biaXuuj, auflösen, metaphor. enthüllen,
erklären. Zur Bedeutung vgl. Korais "Ax. II, S. 406.
V. 3JL böXta: böXioc hat in der heutigen Sprache die Bedeutung
von altgriech. bclXaioc (dass dasselbe Wort daneben auch noch in der
alten Bedeutung gebraucht wird, wie Kora'is "Ax. S. 268 angibt,
ist mir nicht bekannt). — xöv duuov äuuov: vgl. 5^ JL
Eigenthümlich und merkwürdig ist in diesem Liede die Lebhaf-
tigkeit der Vorstellung, in Folge deren das Abschiedswort des Sohnes
an die Mutter, in welchem er derselben sein trauriges Geschick vor-
aussagt, allmählich und, wie es scheint, dem Dichter oder der Dich-
terin selbst ganz uubewusst in eine epische, zugleich aber dramatisch
belebte Erzählung dieses Geschickes übergeht. Das Nämliche findet
auch schon in Nr. 6_I statt, wenn auch dort in etwas weniger auffäl-
liger Weise.
ea;
Variante bei Passow Distich. Nr. 1101. — Zum Gedanken vgl.
Grimm D. Mythol. S. 613 Aum.
Aehnlich ein kretisches Distichon bei Elpis Melena S. 44_, Nr. 2&
V. 2. Trapaodpuaxa , Plur. zu irapaoapuöc, von irapaölpvuj , über-
grosse Qualen, Mühen. Vgl. zur Bedeutung Kora'is "Axokxo IV, 1^
S. 385.
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5. Die drei Citronen
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6. Die verzauberte Königstochter oder der Xaubertbui m
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7. Di»' Herrin über Knie und Meer
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8. Der goldne Apfel des unsterblichen Vogels ...
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12. Der Drache
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15. Das Schloss des Helios.
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Iß. Die Mutter des Erotas
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17. Maroula und die Mutter des Erotas
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Ift. Der Garten des Erotas .
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'2*2. Gevatter Charos
117
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23. Die siebenköplige Schlange
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122
21. Der Teufel und des Mischers Töchter
122
-125
125
127
II. Sagen.
1. Gott und die Kiesen 131
2. Charos' Strafe 132
3. Der Vogel Gkiön 132—133
4. Himmel und Meer 133
5. Die Neraide 133—135
G. Die Neraiden an der Mühle 135-138
7. Der Wampyr 139 — 140
8. Der Teufel in der Flasche 140-141
9. Die Rache der Lamnissa 141
10. Die Arachobiten und die Lamnia 142
11. Der Drache von Koumariä 142—143
12. Die Rathsei wette 143—144
13. Der Einsiedler auf dem Berge Liakoura 144 — 145
14. Alexander von Makedonien 145—148
m. Volkslieder.
A - Ss'Ä*"!»'''-« ««> »•
1$. Lieder von Charos und der Unterwelt, Nr. 18—39 . . 158 — 181
C. Hochzeitslieder, Nr. 40 -43 180—183
D. Liebeslieder, Nr. 44-59 184 205
E. Lieder verschiedenen Inhalts, Nr. 60—70 204-217
Anmerkungen.
1. Anmerkungen zu den Märchen 221 — 240
II. Anmerkungen zu den Sagen 241- 251
III. Anmerkungen zu den Volksliedern 262 — 284
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S. 16, Anm. 3, Z. 4 von unten tilge 'von'.
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S. 132 in der Ueberschrift von Nr. 3 schreibe Gkiön 1 ) für Gkion 3 ).
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irouAr)Cuu in V. 5 zu setzen.
S. 217 in der vorletzten Zeile lies 'Erde' statt 'Erden'.
S. 222, Z. 20 von oben schreibe Miä für |uu&.
S. 238, Z. 3 von oben schreibe xpvcw^xivo für Xpuauu^vo, dagegen
Kacrpi für Kacrpt.
S. 241, Z. 1 von unten schreibe ijov für yjov.
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