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Full text of "Griechische märchen, sagen und volkslieder"

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GRIECHISCHE 
MÄRCHEN, 
SAGEN UND 
VOLKSLIEDER 



Bernhard Schmidt 



Iii 

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INDIANA 
UNIVERSITY 
LIBRARY 



GRIECHISCHE 



MÄRCHEN, SAGEN 



UND 



VOLKSLIEDER 



GESAMMELT , ÜBERSETZT UND ERLÄUTERT 



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VON 



BERNHARD SCHMIDT. 




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- 



LEIPZIG, 

DRUCK UND VERLAG VON B. O. TEUBNEH. 

1877. 



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In 

I 

PO 

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MEINER 

LIEBEN MUTTER 

ZUM 14. JULI 1877. 



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Yorred e. 



Hiermit übergebe ich dem Publikum die schon seit 
mehreren Jahren von mir versprochene kleine Sammlung 
neugriechischer Märchen, Sagen und Volkslieder, deren Her- 
ausgabe hauptsächlich durch meine Uebersiedelung nach Frei- 
burg und den Eintritt in einen neuen Wirkungskreis länger 
als ich geglaubt hatte verzögert worden ist. Ich wünsche 
dieselbe wegen ihres geringen Umfangs nur als einen Anhang 
zu meinem Buche 'Das Volksleben der Neugriechen und das 
hellenische Alterthum' betrachtet zu sehen. 

Was die Märchen (neugriechisch TrctpauüGia) betrifft, so 
habe ich diejenigen von der Insel Zakynthos, die den weitaus 
grössten Theil der Sammlung bilden, sämmtlich von dem 
damals am Ausgange des Knabenalters stehenden Zakynthier 
Dimitrios Lountsis, welcher in seiner Kindheit viel mit Frauen 
aus den unteren Volksschichten, bekanntlich den hauptsäch- 
lichsten Inhaberinnen und Pflegerinnen der Märchenpoesie, 
in Berührung gekommen war, an Ort und Stelle mir erzählen 
lassen und in griechischer Sprache niedergeschrieben. Die 
kleine Zahl der übrigen ist später, nachdem ich nach Deutsch- 
land zurückgekehrt war, hinzugekommen, und zwar verdanke 
ich die beiden Märchen aus dem Dorfe Stein im alten Phoker- 
lande (Nr. 2 und 3) und dasjenige aus dem parnasischen 
Arachoba (Nr. 25) Herrn Georgios Kremos, 1 ) das Märchen 
aus Kallipolis (Nr. 10) Herrn Spyridon Boulgaridis, endlich 
das lesbische (Nr. 22) Herrn Lykourgos Maliakas. 2 ) Die Ge- 

>) Die Märchen und Sagen, welche derselbe ron seiner aus Steiri 
gebürtigen seligen Mutter gehört zu haben sich erinnerte, sind als von 
dorther stammend bezeichnet worden. Daß heutige Dorf Creipi liegt 
in der Nähe der alten phokischen Stadt Steiris, deren Namen es er- 
halten hat. 

*) Vgl. Volksleben der Neugriechen I, S. 20 f. 

Schmidt, (iriecb. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 1 



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nannten mit Ausnahme von Boulgaridis sind, wie gleich hier 
bemerkt sei, auch meine Gewährsmänner für die Sagen. 

Bei der Uebersetzung der griechischen Texte ins Deutsche 
habe ich näch möglichster Treue gestrebt und daher auch 
aller schmückenden Beiwörter mich enthalten: nur wo ich 
Verse wiederzugeben hatte, war einige Freiheit in dieser Be- 
ziehung um des Metrums willen unvermeidlich, aber in die- 
sen Fällen findet man auch stets den griechischen Wortlaut 
in einer Anmerkung unter dem Texte zur Controle beigefügt. 
Die wenigen und ganz unbedeutenden, auf ein paar Worte 
sich beschränkenden Zusätze, die ich gemacht habe, berühren 
den Inhalt in keiner Weise und bezwecken nur grössere Deut- 
lichkeit, Herstellung mangelnder Verbindung oder Beseitigung 
sonstiger Härten in der Rede. Aus denselben oder ähnlichen 
Gründen ist hie und da ein sinnverwandtes Wort für das 
dem griechischen Ausdruck zunächst entsprechende gebraucht 
oder eine geringe Umstellung der Sätze vorgenommen wor- 
den. Denn nicht alle Stücke wurden mir in gleich guter 
Form erzählt. Das hier Bemerkte gilt selbstverständlich auch 
von den Sagen. In Nr. 15 der Märchen ist durch Tilgung 
einiger Worte des griechischen Textes ein Widerspruch be- 
seitigt worden, der ohne Zweifel auf Rechnung des Erzählers 
kommt, worüber die Anmerkung unter dem Texte das Nähere 
enthält. Hie und da, namentlich in Nr. 13 der Sagen, sind 
auch einige für den gebildeten Leser allzu lästige, wenn auch 
vom Volke selbst nicht gescheute Wiederholungen gestrichen 
worden. Die meisten der Märchen wie der Sagen wurden 
mir ohne Titel mitgeiheilt, und es sind daher die Ueberschrif- 
ten, wo sie fehlten, von mir hinzugefügt. 1 ) Von einem ein- 
zigen Märchen (Nr. 5) lagen mir zwei im Einzelnen abwei- 
chende Fassungen vor; über das in diesem Falle von mir 
eingeschlagene Verfahren belehrt die Anmerkung. 

Als ich auf Zakynthos Märchen aufzuzeichnen begann, 
war die grosse Sammlung des Consuls J. G. von Hahn 2 ) noch 
nicht erschienen, noch wusste ich davon, dass sie vorbereitet 



') Vom Erzähler angegeben wurden nur die Titel der Märchen 
Nr. 5. 6. 9 (wo ich aber an Stelle des überlieferten Titels einen pas- 
senderen gesetzt habe, vgl. die Anm. hinter den Texten). 10. 11. 12. 
15. 18. 23., und der Sagen Nr. 3 und 5. 

2 ) Griechische und albanesische Märchen, 2 Theile, Leipzig 1864. 



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werde; was aber damals von neugriechischen Märchen vor- 
lag, beschränkte sich auf wenige vereinzelte Stücke, die ich 
übrigens erst später kennen lernte. 1 ) Nach dem Erscheiuen 
des Hahn'schen Werkes, und zum Theil jedenfalls in Folge 
der hier gegebenen Anregung sind dann noch mehrere kleinere 

*) Die Litteratur vor Hahn hat neuerdings Reinhold Köhler in 
den Göttingischen gel. Anzeigen v. J. 1871, B. II, S. 1402 ff.' ziemlich 
vollständig verzeichnet, nänifich: 1) zwei von Zuccarini im f Ausland' 
v. J. 1832, Nr. 58, S. 230 und Nr. 61, S. 242 auszugsweise mitgetheilte 
Märchen. 2) das reizende psarianische Schiffermärchen 'Georg und 
die Störche', welches L. Ross in den Blättern für literar. Unterhaltung 
1835, Nr. 10 — 12 veröffentlicht hat, und das dann wiederabgedruckt 
ist in den von 0. Jahn herausgegebenen Erinnerungen und Mitth eilun- 
gen aus Griechenland (Berlin 1863), S. 281 ff. 3) aas schöne Märchen 
T'dedvctTO vepö bei Eulampios in dem Buche '0 'AudpavTOc n>oi xd 
pööa xnc ävcrfevvneekric *6XXdöoc (St. Petersburg 1843), S. 76 ff. 4) drei 
Märchen bei J. A. Bucnon, La Grece continentale et la Morde (Paris 
1843), S. 263—280. 5) das von Anastasios Lountsis — denn so lautet 
in Wahrheit sein Name — in Mannhardt's Zeitschrift f. deutsche My- 
thol. und Sittenkunde IV, S. 320 ff. mitgetheilte Märchen von Zakynthos 
f Die Citronenjungfrau'. — Hierzu habe ich noch Folgendes nachzu- 
tragen: 1) TTapauüGi tx\c 'AXouttoöc Kcrrd t?|v yXObccav tuiv iraibi'ujv. 
"€köocic oeux^pa £rrnuEnu£vn. '€v 'AOnvaic 1860. Dieses ist eine Va- 
riante des Märchens f Vom Bauer, der Schlange und der Füchsin' bei 
Hahn Nr. 87, aber weit ausführlicher und sehr gut erzählt. Da das 
kleine Volksbüchlein nicht leicht zu erreichen sein dürfte, so will ich 
die Hauptpunkte im Interesse der vergleichenden Märchenforschung 
hier hervorheben. Der Mann rettet die Schlange vom Tode durch 
Feuer. Schiedsrichter zwischen beiden sind nach einander ein Pferd, 
ein Esel, ein Kind, welche sämmtlich zu Ungunsten des Mannes ent- 
scheiden, der aber ihre Urtheile als parteiisch und von der Leidenschaft 
eingegeben bezeichnet. Daher wird zuletzt noch ein Fuchs aufgerufen, 
welcher durch eine List den Menschen von der Umarmung der Schlange 
befreit, nachdem jener ihm durch ein Zeichen mit der Hand fünf 
Küchelchen und einen Hahn als Belohnung versprochen hat. Der 
schliesslich«- Undank des Menschen, der dem Fuchse statt der ver- 
heissenen Leckerspeise einen Jagdhund im Sacke bringt, findet sich 
auch hier. Vgl. über dieses weit verbreitete Märchen ausser Benfey 
Pantschatantra I, S. 113 ff. besonders noch R. Köhler's Nachweise zu 
Nr. 69 der von Laura Gonzenbach gesammelten Sicilianischen Märchen 
(Leipzig 1870). Zwei weitere griechische Varianten desselben bei Mo 
rosi in dem unten anzuführenden Werke, Nr. 4, S. 75 f., und bei Ioan- 
nidis in dem gleichfalls unten zu nennenden Buche S. 266 f. f in beiden 
fehlt der Undank des Menschen). 2) In der athenischen Zeitschrift 
TTavövupa, XI, 1861, q>. 259, p. 452 f. theilt Skordelis vier in seiner Hei- 
math Stenimachos in Thrakien umlaufende Märchen mit, aber leider 
in sehr knapper Form und auch nicht in der Volkssprache», sondern 
im heutigen Schriftgriechisch. Das erste und relativ ausführlichste ist 
das M. von der Schwalbe (ö uööoc Tf\c xeXibövoc), in welchem der hel- 
lenische Mythos von Prokne und Phüomele, wenn auch nur schwach, 
nachklingt. Die drei übrigen Stücke sind blosse Gerippe von Mär- 
chen. — Dagegen was der Franzose Guys in seinem Voyage litteraire 
de la Grece, 3. Ausg., Paris 1783, I, S. 347—364 unter der Ueberschrift 
f Les Contes Grecs ou Paramythia' mittheilt, das sind keine Volks- 
märchen, sondern durchaus künstliche Erzeugnisse mit vorwiegend 
ethischer Tendenz. 

1* 



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Sammlungen neugriechischer Volksmärchen an die Öffentlich- 
keit getreten, so dass derselben nunmehr eine beträchtliche 
Anzahl und aus den verschiedensten Gegenden der griechi- 
schen Lande vorliegt. 1 ) Trotzdem darf ich wohl hoffen, dass 



') Bereits von Köhler a. a. 0. S. 1406 f. zusammengestellt ist Fol- 
gendes : ausser den vier in demselben Jahre wie die Hahn'sche Samm- 
lung von K. Simrock hinter seinen 'Deutschen Märchen' (Stuttgart 
1864), S. 358 ff. in deutscher Uebersetzung veröffentlichten neugriechi- 
schen Märchen, welche aus Argos herrühren, 1) acht kyprische Mär- 
chen bei Sakellarios KwrpiaKd, B. III, Athen 1868, S. 136—173 (ins 
Deutsche übersetzt und mit ganz kurzen Anmerkungen versehen von 

F. Liebrecht in Ebert's Jahrbuch für romanische und englische Litera- 
tur, B. XI, 1870, S. 345—386). 2) fünf in den griechischen Colonieen 
Unteritaliens umlaufende Märchen bei Morosi Studi sui dialetti greci 
della Terra d'Otranto, Lecce 1870, S. 73—76. 3) elf aus verschiedenen 
Theilen Griechenlands stammende Märchen in den von der philologi- 
schen Gesellschaft 'TTapvaccöc' in Athen herausgegebenen NcoeXXnviKä 
'AvdXeKxa, B. I, 1870, q>. A'. — Hierzu sind nun noch hinzuzufügen: 
1) zwei von dem dänischen Gelehrten Jean Pio in der Tidsskrift for 
Philologi og Paedagogik, 7. Aarg. 1866, im Dialekt der Kykladen treff- 
lich mitgetheilte Märchen. 2) acht unter den Griechen am Pontus 
cursirende Märchen bei Ioannidia 'lexopia Kai cxaxicxiKfi TpoireZoOv- 
toc Kai rf\c irepl xaüxnv xwpac übe Kai xä itepl xrje £vxaü9a £XXnviKn,c 
TTXujccnc, Konstantinopel 1870, S. 264—267 (grösstenteils sehr kurz und 
unbedeutend). 3) siebenunddreissig Märchen von der Insel Naxos in 
den NcotXXriviKct 'AvdXeKxa, Bd. II, 1874, <p. A' und B' (sämmtlich vor- 
trefflich erzählt und für die Kenntniss der dortigen Mundart sehr werth- 
voll, dagegen ihrem Inhalte nach grossentheüs ohne sonderliche Be- 
deutung; übrigens sind manche dieser Stücke nicht sowohl Märchen, 
als vielmehr Parabeln und Schwanke; auffällig ist der viele Schmutz 
in ihnen). 4) Einige bisher ungedruckte-^oder auch in irgend einer 
griechischen Zeitung versteckt gewesene Märchen sind tneils voll- 
ständig, theils nur stückweise mitgetheilt von N. G. Politis an ver- 
schiedenen Stellen seines Buches MeX^xrj irrl toü ßiou xtfüv v€uux£pujv 
'GXXrjvujv, B. I, von welchem Bande die erste Abtheilung im J. 1871, 
die zweite im J. 1874 zu Athen herausgekommen ist. Darunter befin- 
den sich ein paar Märchen, die an die Redaction der NeoeXX. 'AvdXeKxa 
eingeschickt worden sind und in diesen veröffentlicht werden sollen. 
— Noch ungedruckt ist die längst verheissene Sammlung epirotischer 
Märchen von dem Herausgeber der epirotischen Volkslieder, Chasiotis, 
welche Politis in dem o. a. Buche an einigen Stellen benutzt hat. 
Weitere kypribche Märchen hat für den 2. Band in Aussicht gestellt 

G. Loukas in der Vorrede (p. ia') seiner <PiXoXoYiKai 'CiricK^vpeic xiüv 
tv xw ßiip xüjv veujx^pwv KuTrpiwv uvrjueiujv xujv dpxaiujv , deren 
1. Band zu Athen im J. 1874 erschienen ist. Auch von Emile Legrand 
ist die Veröffentlichung griechischer Märchen, in deren Besitz er auf 
seiner im J. 1875 unternommenen griechischen Reise gelangt ist, zu 
erwarten. Vgl. den Brief desselben an Perrot in der Revue archeol., 
Septemberheft 1875, S. 189 f. — Die von Bretös in seinem '€0viköv 
'HuepoXÖY«ov vom J. 1867, S. 110—144 unter der Aufschrift 'AnuoxiKd 
xpafoüöia Kai irapauüOia' gegebenen Erzählungen sind von ihm selbst 
verfertigt mit theil weiser Benutzung von Lieder- und Märchenstoffen, 
gehören also nicht hierher. Endlich sei noch erwähnt, dass in einem 
mir nicht zu Gesicht gekommenen Buche von Arabantinos über Epirus 
(wahrscheinlich der f> €9iuoYpaqua xf]C 'Huelpou', die auf dem Umschlag 



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die Veröffentlichung der von mir aufgezeichneten Märchen 
auch jetzt noch willkommen sein werde, zumal da meine 
Sammlung unter einem besonderen Gesichtspunkte angelegt 
ist. Als ich nämlich auf der Insel Zakynthos die mir ge- 
botene Gelegenheit, griechische Volksmärchen kennen zu 
lernen, ergriff, war es keineswegs der Standpunkt des spe- 
ziellen Märchenforschers oder des Vergleichenden Mythologeu, 
der mich hierzu veranlasste, sondern ich hatte dabei ein enge- 
res, rein antiquarisches Interesse: es reizte mich als Philo- 
logen zu erfahren, ob und wie viel Reste der hellenischen 
Mythologie in den heutigen griechischen Märchen etwa fort- 
leben möchten. Daher zeichnete ich denn auch von den mir 
mündlich mitgeth eilten Stücken in der Regel nur diejenigen 
auf, welche aus dem angeführten Grunde für mich ein nähe- 
res Interesse hatten; was ich freilich später einigermassen 
bereuet habe, zumal da es vorkommen kann, dass die Bezüge 
eines Märchens zu einem hellenischen Mythos nicht so ganz 
offen zu Tage liegen, dass man sofort beim ersten Anhören 
sie zu erkennen vermöchte. So ist denn meine Sammlung 
trotz ihres geringen Umfangs viel reicher an antiken Remi- 
niscenzen als die Hahn'sche, und es sind nur sehr wenige 
Nummern, welche nichts dieser Art enthalten, und die ich 
aus anderen Gründen ausnahmsweise dennoch aufgezeichnet 
hatte. 1 ) Einige Märchen haben, wie ich nicht verkenne, als 
solche nur geringen AVerth (was indessen vielleicht nur an 
der mangelhaften Erinnerung meines Erzählers liegt), und 
hat eben nur der antiquarische Gesichtspunkt zu ihrer Mit- 
theilung mich bestimmt. Uebrigens will ich doch auch nicht 
verschweigen, dass einer der ersten Kenner auf diesem Ge- 
biete, Reinhold Köhler in Weimar, dem sowohl die Mär- 
chen als die Sagen seiner Zeit im Manuscript vorgelegen 



des im J. 1863 erschienenen TTapoiuiacTripiov als unter der Fresse be- 
findlich bezeichnet wird), u. a. auch einige Märchen sich befinden 
sollen. 

') Die Märchen aus Zakynthos sind, um dies beiläufig zu erwäh- 
nen, auch zarter, sittlicher, als die Hahirschen, die nicht nur vielen 
Schmutz, sondern öfters auch eine auffällige llohheit und Verwilderung 
der Gesinnung zeigen. Dadurch wird selbstverständlich der wissen- 
schaftliche -Werth jener Sammlung nicht im geringsten geschmälert, 
aber man mag daran den im Vergleich zu Epirus, woher Hahn den 
bei weitem grösseren Theil seiner Märchen bezogen hat, immerhin viel 
höheren Bildungsgrad der Bewohner der ionischen Inseln erkennen. 



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haben, sie sämmtlich als der Veröffentlichung werth bezeich- 
net hat. 

Manches in den aus Zakynthos herstammenden Märchen, ■ 
das durch seine Anklänge an althellenische Sagen oder Vor- 
stellungen überrascht, wird vielleicht gerade darum Verdacht 
erregen, als beruhe es nicht auf lebendiger Ueberlieferung, 
sondern sei auf irgend eine Weise eingeschwärzt. Ich selbst* 
habe in Betreff der Nummern IG und 18 (so weit in der letz- 
teren Eros und se,ine Umgebung geschildert wird) meine star- 
ken Zweifel ausgesprochen (s. die Anmerkungen). Aber ab- 
gesehen von diesen beiden Stücken glaube ich, je mehr ich 
Erfahrungen auf dem Gebiete des griechischen Volkslebens 
gesammelt und je länger ich über die Sache nachgedacht 
habe, um so zuversichtlicher für die Echtheit des in diesen 
Märchen abgelagerten antiken Stoffes, d. h. für die Erhaltung 
und Fortpflanzung desselben im Volke durch unmittelbare 
Ueberlieferung von Geschlecht zu Geschlecht mich verbürgen 
zu können. Zunächst hat mir mein oben genannter Gewährs- 
mann wiederholt versichert, die ihm bekannten Märchen 
sämmtlich aus dem Volksmunde, und zwar grossentheils von 
Bäuerinnen, gehört zu haben. Dass im Geiste meines Er- 
zählers selbst mitunter etwas in der Schule Gelerntes mit 
den Erinnerungen seiner Kindheit unvermerkt sich vermischt 
haben sollte, wird gewiss niemand für wahrscheinlich halten. 
Ich selbst habe, als ich die Gebirgsdörfer der Insel Zakynthos 
bereiste und unter anderem auch nach dem Inhalte der dort 
cirkulirenden Märchen forschte, mich überzeugen können, 
dass dieselben in der That vielerlei Antikes enthalten, wie 
ich denn von einem Knaben aus Bolimais zwei Stücke in 
Umrissen — denn vollständig und ausführlich wusste er sie 
leider nicht — mitgetheilt erhielt, von denen das eine stark 
an die Sage von der Niobe, das andere an Herakles' Aben- 
teuer mit der Hydra erinnerte. In der Regel sind es nur 
einzelne Züge hellenischer Mythen, die in natürlicher unge- 
zwungener Weise in die hier veröffentlichten Märchen ver- - 
woben erscheinen, und zwar in Märchen, welche zum gröss- 
ten Theile bei anderen Völkern ihre Parallelen haben , deren 
Volkstümlichkeit im allgemeinen also ausser allem Zweifel 
ist. Wer nun trotzdem jene Züge als eingeschwärzt betrach- 
ten wollte, müsste annehmen, dass die Erzählungen, in denen 



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sie vorkommen, von einem der alten Mythologie Kundigen 
etwas umgestaltet und versetzt wieder unter das Volk, von 
welchem sie ausgegangen, gebracht worden seien. Das hätte 
aber gewiss nicht geschehen können ohne litterarische Fixirung 
derselben. Für eine solche Annahme fehlt nun jeder Anhalt. 
Und wenn man auch hierauf kein sonderliches Gewicht legen 
wollte aus dem Grunde, weil wir eben über die in Griechen- 
land verbreiteten oder verbreitet gewesenen Volksbücher im 
Ganzen wenig unterrichtet sind, 1 ) so wäre doch jedenfalls 
der Zweck einer absichtlichen Versetzung jener volkstüm- 
lichen Gebilde mit ihnen fremden Elementen unerfindlich. 
Denn hätte etwa jemand die Absicht gehabt, dem Volke so 
zu sagen antike Nahrung darzureichen, so würde er sich doch 
sicher nicht damit begnügt haben, ganz vereinzelte Züge aus 
den Sagen der Vorzeit seinen Märchen einzuverleiben. Wich- 
tiger noch ist die Thatsache, dass jene antiken Züge keines- 
wegs immer genau mit demjenigen übereinstimmen, was uns 
durch die schriftliche Ueberlieferung aus dem Alterthum über- 
kommen ist, sondern mehrfach modificirt erscheinen. Wenn 
z. B. Nr. 6 meiner Sammlung aus der angeschwollenen Wade 
eines unverheiratheten Königs eine am ganzen Körper bewaff- 
nete, Lanze und Helm tragende Jungfrau geboren werden 
lässt, so wird jedermann sofort an die Geburt der Athene 
aus dem Haupte des Zeus erinnert, und es kann schwerlich 



*) Von zwei Märchen der Hahn'schen Sammlung ist es allerdings 
erweislich, dass sie ihren Stoff tfus Volksbüchern geschöpft haben, 
allein diese Fälle sind ganz anderer Art. Dem Märchen f von dem 
weiberscheuen Prinzen' (Nr. 50), einem aus Aübali in Kleinasien stam- 
menden Stücke, liegt, wie zuerst Liebrecht bemerkt hat in den Heidelb. 
Jahrb., '57. Jahrgang, 1864, S. 217, die im Mittelalter weit verbreitete 
Erzählung von Apollonius von Tyrus zu Grunde, deren uns erhaltene 
lateinische Bearbeitung unzweifelhaft auf ein verlorenes griechisches 
Original zurückgeht. Das neugriechische Märchen wird nicht unmittel- 
bar aus diesem letzteren hervorgegangen sein, sondern aus einer spä- 
teren vulgargriechischen Uebersetzung des lateinischen Textes (eine 
solche in Versen bei Wagner Carmina graeca medii aevi, Lips. 1874, 
S. 248—276); mit Tycho Mommsen (s. A.Biese in derPraefat. zu seiner 
Ausgabe der Historia Apollonii, Lips. 1871, S. VII) zu vermuthen, dass 
es durch die Kreuzfahrer nach Kleinasien gebracht worden, sehe ich 
keinen triftigen Grund. Das zweite Märchen, Nr. 16, aus Iannina 
stammend, beruht, wie E. Rohde Der griech. Roman und seine Vor- 
läufer (Leipzig 1876), S. 534 bemerkt, auf der Sage von der guten 
Florentia, von welcher es gleichfalls eine vulgargriecnische Bearbeitung 

fegeben haben wird. Beide Stücke gewähren einen lehrreichen Ein- 
lick in die Art, wie das Volk dergleichen Litteraturproducte zu Mär- 
chen sich zurecht zu machen weiss. 



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einem Zweifel unterliegen, dass dieser Zug des Märchens 
wirklich aus dem hellenischen Mythos herstammt. Aber ge- 
rade der Umstand, dass in dem Märchen die Geburt aus dem 
Haupte mit einer Geburt aus der Wade vertauscht ist, ver- 
bunden mit der originellen Motivirung der Sache, spricht 
gegen die Annahme einer Einschmuggelung des Zuges von 
schriftkundiger Seite und beweist vielmehr die Entstehung 
desselben aus dem Volke heraus. Endlich fehlt es ja an 
dergleichen vereinzelten antiken Reminiscenzen auch in den 
von anderen veröffentlichten neugriechischen Märchen keines- 
wegs, nur dass sie dort im Ganzen seltener zum Vorschein 
kommen als in meiner gerade unter diesem speciellen Gesichts- 
punkte angelegten Sammlung. So hat sich z. B. in dem von 
L. Koss mitgetheilten Schiffermärchen 'Georg und die Störche' 
ein Zug der Polyphemossage erhalten, der Held der Erzäh- 
lung rettet sich aus der Behausung eines menschenfressenden 
blinden Drachen auf ganz ähnliche Weise wie Odysseus aus 
der Höhle des geblendeten Riesen, 1 ) und Ross macht dazu 
die Bemerkung, dass solche Anklänge an die althellenischen 
Mythen und Geschichten in den neugriechischen Volksmär- 
chen sich nicht selten finden, und meistens, wie hier, in 
eigenthümlichen Modificationen. 2 ) Das von Eulampios mit- 
getheilte Märchen enthält, abgesehen von der schönen, das 

*) Georg gelangt in dein Felle eines von ihm getödteten Widders, 
auf allen Vieren kriechend, an dem die kleine Pforte des Vorhofs be- 
wachenden Drachen vorüber glücklich ins Freie. — Die Worte des 
Märchens: 'sei es, dass er von d«m berühmten Helden Odysseus ge- 
hört hatte, sei es, dass es seine eigene Erfindung war', gehörten dem- 
selben ursprünglich offenbar nicht an, sondern sind späterer Zusatz, 
vielleicht erst jenes Psarianers, von dem Koss die Erzänlung hörte. — 
Dio Polyphernossage ist freilich auch bei zahlreichen anderen Völkern 
nachweisbar. S. Lauer Geschichte der homerischen Poesie (Berlin 
1851), S. 319 tf. und besonders W. Grimm in d. Abhandlungen der kön. 
-Akad. der Wissensch, zu Berlin v. J. 1857, S. 1—30, welcher (S. 23 f.) 
aus inneren und äusseren Gründen , deren Gewicht man anerkennen 
muss, die Abstammung dieser Erzählungen aus .der homerischen läug- 
net und für sämmtliche eine gemeinsame ältere Quelle voraussetzt. 
Vgl. noch E. Kohde Der griech. Roman S. 173, Anm. 2, wo man einige 
Nachträge zu Grimm's Zusammenstellungen findet. Bemerkenswerth 
ist, dass das griechische Märchen die angeführte Modification, wonach 
der Held nicht, wie Odysseus, unter dem Bauche eines Widders hän- 

Sen'd, sondern im Felle eines solchen dem Ungeheuer entschlüpft, mit 
en meisten der übrigen Erzählungen (z. B. mit der oghuzischen 
Fassung, mit dem serbischen und dem romänischen Märchen) gemein 
hat, woraus indessen zu folgern, dass es von dorther geborgt habe, 
voreilig wäre. 

2 ) Erinnerungen und Mittheilungen aus Griechenl. S. 289 Anm. 



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Wirken der Schicksalsgöttinnen bei der Geburt des Menschen 
schildernden Episode, auch eine deutliche Erinnerung an die 
Symplegaden, indem es von zwei hohen Bergen erzählt, die 
ewig auseinandergehen und wieder zusammenklaffen, und zwi- 
schen denen ein Königssohn hindurch muss, um das dahinter 
am Ende der Welt niessende wunderthätige Wasser für seinen 
kranken Vater zu holen; 1 ) wie denn auch das achte der von 
Sakellarios mitgetheilten kyprischen 2 ) und mehrere der Hahn'- 
schen Märchen 3 ) einen freilich schwächeren Nachhall der- 
selben Sage bewahrt haben. 4 ) Diese letztere Sammlung ent- 
hält ausserdem noch eine Anzahl anderer mehr oder minder 
deutlicher Anklänge an alte Sagen, worüber ich mich be- 
gnüge auf die Anmerkungen und das Sachverzeichniss des 
Herausgebers zu verweisen. 

In einer kleinen Anzahl meiner Märchen beschränkt sich 
nun allerdings der hellenische Gehalt nicht auf den oder 
jenen Einzelzug einer alten Sage, sondern hat grössere Aus- 
dehnung. Allein auch hier liegt, von den beiden schon oben 
bezeichneten Nummern abgesehen, kein irgend triftiger Grund 
zu einem Verdachte vor. Das volksthümliche Gepräge auch 
dieser Stücke und ihre theilweise Uebereinstimmung mit Mär- 
chen anderer Völker werden die Anmerkungen in das ge- 
hörige Licht setzen. Aber auch schon die Thatsache, dass 
in einigen von ihnen, wie in Nr. 11 und 23, eine Vermischung 
verschiedener hellenischer Sagen stattgefunden hat, spricht 
* durchaus gegen die Annahme einer Beeinflussung von gelehr- 
ter Seite. Und sodann stehen überhaupt auch hinsichtlich 
dieses stärkeren Gehaltes an altgriechischem Gute jene zakyn- 
thischen Märchen keineswegs allein. Ich verweise zunächst 
auf die aus der Oedipussage hervorgegangene arachobitische 
Erzählung in Nr. 12 meiner Sagensammlung, ein Stück oder 



«) S. 88 und 108. 

l ) KimpictKd III, S. 171 und 172. 

s ) S. Nr. 37 und 69, ferner die Variante zu Nr. 5 und die zweite 
Variante zu Nr. 65. 

4 ) Der Symplegadensage analoge Mythen finden sich übrigens auch 
bei einer Reihe anderer sehr ferner Völker, z. B. bei den Eskimos 
(Liebrecht in d. Heidelb. Jahrb., 62. Jahrgang, 1869, S. 127), den Mon- 

golen (Jülg in d. Verhandl. der Philologcnversamnil. in Würzburg, 
64), den Karenen in Hinterindien (Tylor Die Anfänge der Cultnr, 1, 
S. 342 d. d. Uebers., Leipzig 1873). Vgl. noch Liebrecht in d. Gött. 
gel. Anzeigen 1872, S. 1290, und 1876, S. 478. 



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vielmehr Bruchstück, das, wie ich hinterher sehe, viel passen- 
der zu den Märchen gestellt worden wäre, und von welchem 
auch auf Zakynthos eine Variante existirt, die aber, weil sie 
mir in allzu mangelhafter Form erzählt wurde, nur in der 
Anmerkung zu dem arachobitischen Stücke Erwähnung ge- 
funden hat, woselbst auch ein in denselben Kreis ge- 
höriges kyprisches Märchen besprochen ist. Dr. Kremos ver- 
sicherte mir obendrein, dass überhaupt mehrere in seiner 
Heimath Arachoba gangbare Märchen in sehr vielen Zügen 
theils mit der Oedipus- theils mit der Heraklessage überein- 
stimmen, wenn auch die alten Mythen etwas verändert seien ; 
auch habe er einmal von einem parnasischen Hirten ein Mär- 
chen gehört, welches der Geschichte Laokoons sehr ähnlich 
gewesen. Politis führt ein unverdächtiges Zeugniss dafür an, 
dass der Mythos von Phineus und den Harpyien noch jetzt, 
in ein Märchen verwandelt, in Lakonien vom Volke erzählt 
werde. J ) C. Wachsmuth erhielt durch Koumanoudis in Athen 
Kunde von dem Vorhandensein eines Märchens, das die Sage 
von Prokne und Philomele getreu wiedergibt und worin auch 
der Name von der Prokne Sohn Itys, nur leicht verstümmelt 
in v l£uc, haften geblieben ist, während die Namen der übri- 
gen in dem althellenischen Mythos auftretenden Personen 
vergessen sind. 2 ) In Samos auf jler Insel Kephalonia erzählte 
mir ein etwa dreizehnjähriger Knabe, er habe als kleines Kind 
ein schönes Märchen gekannt, und als er dann in der Schule 
die Geschichte von Theseus und seinen Heldenthaten gehört, 
da sei ihm jenes Märchen wieder eingefallen, 3 ) und er habe 
sich sehr verwundert über die grosse Aehnlichkeit zwischen 
beiden. Endlich sei noch an das wahrscheinlich auch irgendwo 
in Griechenland verborgene albanesische Märchen bei Hahn 
Nr. 98 erinnert, welches eine so auffallende Aehnlichkeit mit 
der Perseus- und zum Theil auch mit der Oedipussage zeigt, 
dass Hahn ehemals selbst den Verdacht einer Fälschung 



') McXdTT] I, S. 159, Aum. 3: '0 irepl 'Apiruiüjv Kai <t>iv€wc |nö6oc 
ctOZexai u^XP* Toübe M€TaTpairelc etc irapauuOiov, übe ö cpiXoc uou k. f\ 
K. Xoüunc, cxoXäpxnc £v lüpa, jU ißeßauucev, äKoücac auxöv uapd 
Tpa(ac k(xtoikoi) tuiv KapbauuXwv (soll jedenfalls heissen Tn.c Kapöo- 
uuXnc). 

*) Das alte Griechenl. im neuen, S. 19 und 50. 

3 ) Möglicher Weibe eine Variante von Nr. 23 meiner Sammlung. 



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- 11 - 

äusserte, 1 ) den er indessen spater ausdrücklich zurückgenom- ' 
men hat. 2 ) 

Dies alles stellt es, denke ich, ausser Zweifel, dass überall 
in Griechenland gewisse hellenische Mythen in Märchenform 
unter dem Volke in Umlauf sind, und zeigt zugleich, dass 
der Reichthum an neugriechischen Märchen durch die uns 
vorliegenden Publicationen noch länge nicht erschöpft ist, 
und dass das Sammeln eifrig fortgesetzt zu werden verdient, 
um auch das zur Zeit noch Verborgene* oder nur mangelhaft 
Bekannte, welches möglicher Weise alles bisher Veröffent- 
lichte an Bedeutung überragt, allmählich ans Licht zu ziehen. 

Wiewohl nun erst dann, wenn der neugriechische Mär- 
chenschatz in annähernder Vollständigkeit vorliegt, ein ab- 
schliessendes Urtheil über sein Verhältniss zu den Sagen des 
hellenischen Alterthums einerseits und zu den Märchen der 
verwandten Völker andrerseits sich wird fällen lassen, so 
darf doch schon jetzt so viel als feststehend gelten, dass 
diejenigen Märchen, welche nicht blos sporadische Anklänge 
an alte Sagen enthalten, sondern, wie z. B. Nr. 4 und 23 mei- 
ner Sammlung, einen hellenischen Mythos geradezu zur Grund- 
lage haben, eben unmittelbar aus dem hellenischen Alterthum 
herstammen, sei es nun, dass die betreffenden Mythen noch 
während des Alterthums selbst so weit erblassten, dass sie 
vom Volke in Märchen verwandelt wurden, sei es, dass sie 
erst beim Untergange des Hellenismus diese Form annahmeu : 
denkbar wäre ja auch wohl für gewisse Fälle ein selbständi- 
ges Nebenhergehen des Märchens neben der so zu sagen 
officiellen Heldensage. 3 ) Dass es aber überhaupt bereits im 
klassischen Alterthum wirkliche Märchen unter dem Volke 
gegeben habe, ist zwar von mancher Seite in Abrede gestellt 
worden, 4 ) kann aber meines Erachtens nicht im mindesten 

«J Albanesische Studien H, S. 164. 
*) S. seine Anmerk. zu Nr. 98. 

8 ) Dass in den ersten christlichen Jahrhunderten die Ammen der 
Thescussage sich bemächtigt hatten, zeigt Philostr. Imag. I, 15: "Oti 
Tr\v 'Apidövnv ö 0nceüc döiKa öpüüv — kcct^Xiitcv Iv Ata Trj vf)ciu KCt6eu- 
ooucav, Taxa ttou Kai TiT6r|C biaKrjKoac, ccxpal fäp dicervat rä ToiaOxa 
Kai öaKpuouav £tt' atiioic, öxav döcXuuav. 

4 ) So von Fr. Pressel in den 'Erläuterungen' am Ende seines Schrift- 
chenB 'Psyche. Ein allegorisches Märchen. Nach dem Lateinischen 
des Appuleius' (Ulm 1864), welcher sehr leichtwiegende Gründe dagegen 
ins Feld fuhrt und überhaupt den ganzen Gegenstand nicht klar eri'asst 
hat, indem er das Erscheinen des Märchens in der Litteratur und seine 

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- 12 - 

• bezweifelt werden. Selbst wenn keine einzige Notiz bei den 
alten Schriftstellern auf das Vorhandensein von Volksmärchen 
hinwiese, so würde, abgesehen von vielem Anderen, schon 
die Thatsache allein, dass in der Odyssee mehrere Be- 
standteile sich vorfinden, die einen ausgeprägt märchen- 
haften Charakter an sich tragen und mit der Märchen- 
und Sagenwelt anderer Völker die merkwürdigsten Ueberein- 
stimmungen zeigen, mit vollem Rechte dafür geltend gemacht 
werden können. 1 ) Aber was soll denn unter den f uO0oi', 
durch welche z. B. im rasenden Herakles des Euripides Am- 
phitryon der Megara ihre über des Vaters Abwesenheit be- 
trübten Kinder zu beschwichtigen räth, 2 ) oder wie sie an dem 
Feste der Oschophorien in Athen erzählt zu werden pflegten 
zur Erinnerung daran, dass dergleichen in alter Zeit die atti- 
schen Mütter ihren für den Minotauros in Kreta bestimmten 
Kindern vor der Abreise zur Aufmunterung erzählt haben 
sollten, 3 ) oder mit denen nach Platon's und anderer gering- 
schätzigen Aeusserungen die alten Weiber sich zu befassen 
pflegten 4 ) — , was soll, frage ich, hierunter anderes zu ver- 



Existenz im Volke — zwei ganz verschiedene Dinge — durcheinander- 
wirft. Auch Wclcker gibt das Vorhandensein von Volksmärchen im 
Alterthum nur in sehr bedingter Weise zu, wie seine Ausführungen in 
der griech. Götterlehre I, S. 107 — 114 zeigen, besonders S. 109—111. 
Gegen diese Ansicht, die sich doch im Wesentlichen auf nichts weiter 
als die Thatsache stützt, dass in der alten Litteratur nur sohr verein- 
* zelte Erwähnungen und Spuren von Märchen zu finden sind, hat Fried- 
laender Darstell. aus der Sittengesch; Koms I, S. 509 der 4. Aufl. eine 
sehr zutreffende Bemerkung gemacht. 

*) S. das S. 8, Anm. 1 über die Polyphemsage Bemerkte, und fer- 
ner die Schrift von Georg Gerland f Altgriechi8che Märchen in der 
Odyssee' (Magdeburg 1869), wo mehrfache Verwandtschaft zwischen 
der Geschichte des Brahmanen Saktideva und den Abenteuern des 
Odysseus aufgezeigt ist. Am schlagendsten ist die Uebereinstimmung 
in der Bettung beider aus der vom Meeresstrudel (Charybdis) drohen- 
den Gefahr durch Anklammern an den darüber sich ausbreitenden 
Feigenbaum (S. 7 und 18). Auch der Zusammenhang der Phaeaken 
mit den Vidyadliaren , die gerade in der indischen Novellen- und 
Märchendichtung eine grosse Rolle spielen, scheint mir hinlänglich 
nachgewiesen. 

*) V. 98 ft'.: dXX' riCuxoZc Kai öaKpuppöouc t^kvujv 
irrjTöc äqpaipei Kai rcapeuKnXct Aöyoic, 
kX^tttouco unOotc äOXtouc KXoTräc öuiuc. 
Vgl. auch rhilo8tr. Heroic. 1,1: Kai KaTeuu8oXöY€i jue rj titG»] xapi- 
Iviujc u. s. w. 

3 ) Plut. Thes. 23: Kai uöOoi X^yovtoi 6iä tö KäKetvac tOOimlac £v€Ka 
Kai irapriYopiac uüOouc bie£i£vai toIc naid. 

4 ) Vgl. z.B. Plat. Gorg. p. 527 A: Taxa b' ouv TaOxa uOOöc coi 
ook£i XdY€c6ai, wcuep Ypaöc, Kai KaTa<ppovcic aÜTÜJv; Kepubl. I, p. 350E: 
lf\h bl coi, uicirep Tak yp<*ikI xaic toüc uuOouc XeYoucaic, elev tpw. 



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- 13 - 



stehen sein, als eben jene Haus- und Kindermärchen, die 
noch heute in dem gleichen Besitze sind und dem gleichen 
Zwecke dienen? Ja auch dafür, dass der charakteristische 
♦ Stil der heutigen Kindermärchen im Wesentlichen schon im 
hellenischen Alterthum gefunden war, haben wir ein Zeugniss 
aus klassischer Zeit bei Aristophanes in den Wespen, wo die 
ersten Worte eines Thiermärchens angeführt werden, welche 
dem allbekannten stehenden Anfang unserer Märchen ent- 
sprechen. 1 ) Aus dieser Stelle 2 ), wie auch schon aus den 
angeführten platonischen, erkennen wir zugleich die Gering- 
schätzung, mit welcher die* griechischen Männer auf diese 
Art Volkspoesie herabzublicken pflegten — wie ja das auch 
heute noch gewöhnlich ist — , und dadurch erklärt es sich 
hinlänglich, warum in der gesammten griechischen Litteratur 
zwar Märchenhaftes genug, aber kein einziges wirkliches Mär- 
chen uns entgegentritt. Auch bei den Römern hat erst im 
zweiten Jahrhundert nach Christus der aus Afrika gebürtige 
Apuleius das Märchen in die Litteratur eingeführt. Denn 
dass die in seine Metamorphosen eingeflochtene berühmte 
Erzählung von Amor und Psyche von Apuleius nicht erfun- 
den worden, sondern wesentlich auf einem im Volke umlau- 
fenden Märchen beruht, welches jener nur leicht überarbeitet 
und mit einer Allegorie verschmolzen hat, indem er die Rolle 
der schönen Königstochter im Märchen auf Psyche und die 
ihres Geliebten ; auf Cupido übertrug, das hat Friedlaender 
durch Vergleichung derselben mit heutigen deutschen und 
indischen Volksmärchen sowohl aus dem Inhalt im allgemei- 
nen als auch aus einer Reihe einzelner Züge und Wendungen 
überzeugend nachgewiesen. 3 ) 

•) V. 1182: oötu» ttot* n> uüc Kai fa\f\, wie unser f Es war ein- 
mal', das neugriechische '"Hiave uiä (popä' u. s. w. Vgl. was der 
Scholiast dazu bemerkt: irpöc xf)v cuvfi6€iav, öri töv uü0ov Ttpotrar- 
tov oütujc, oiov, f^v oötu) y^ptuv Kai fpaüf. Kai TTXäxuiv £v <l>aibpip 
p. 2H7, B] ,,r}v oütu) bf\ iralc, ^läXAov bt ineipaKlcKoc* toütuj ö' i^cav 
pacrai irdvu TroXXol." 

*) V. 1185: uüc Kai yaXäc uiXXetc Xcy^iv ev ävopäciv; 
3 ) Lud. Friedlaenderi dissertatio, qua fabula Apulejana de Psyche 
et Cupidine cum fabulis cognatis comparatur, in zwei Königsberger 
Universitätsprogrammen vom J. 1860. Darauf hat er den ganzen Gegen- 
stand im l.Theü seiner Darstellungen aus der Sittengesch. Borns an- 
hangsweise von neuem behandelt, und dieser Aufsatz ist in den neueren 
Auflagen des angeführten Werkes durch Aufzeigung einiger anderer 
mehr oder minder deutlicher Spuren des Volksmärchens im Alterthum, 
sowie durch Adalbert Kuhn's vollständigere Nachweise von Parallelen 



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14 - 



Anders steht es nun aber bei denjenigen meiner Mär- 
chen, in welchen nur vereinzelte Züge eines hellenischen 
Mythos zum Vorschein kommen, die auf den Gang und Ver- 
lauf der Erzählung keinen wesentlichen Einfluss haben. Hier • 
ist kein zwingender Grund zu der Annahme vorhanden, dass 
die Märchen selbst aus dem Alterthum stammen, sondern es 
können in jüngere, aus der Fremde eingewanderte Erzählun- 
gen bei ihrer Weiterverbreitung ältere im Volke noch fort- 
lebende Erinnerungen absichtlos und unvermerkt einverwebt 
worden sein. 

Aus dem bisher Gesagten wird man bereits erkannt haben, 
welche Stellung ich in der neuerdings lebhaft erörterten all- 
gemeineren Frage über den Ursprung der heutigen Volks- 
märchen einnehme. Bekanntlich stehen sich hier zwei Haupt- 
ansichten einander gegenüber, diejenige der Gebrüder Grimm, 
welche im Wesentlichen übereinstimmend unsre heutigen Mär- 



zu der Erzählung des Apuleius bereichert worden. Vgl. noch Härtung 
'Auslegung des Mährchens von der Seele und des Mänrchens von der 
schönen Lilie, nebst einer kurzgefassten Naturgeschichte des Mähr- 
chens überhaupt', im Jahresbericht des k. Gymnas. zu Erfurt, Ostern 
1866, S. 11. — Die vou Friedlaender und Kuhn gegebenen Nachweise 
aus heutigen Volksmärchen Hessen sich noch vermehren. Ich beschränke 
mich auf einen einzigen Nachtrag zu Kuhn bei Friedl. I, 543 4 , welcher 
mir nicht unwichtig scheint. Bei Apuleius (V, 28) fällt, während Psyche 
sich liebetrunken über den schlafenden Eros beugt, aus ihrer Lampe 
ein Tropfen heissen Oels auf des Gottes Schulter, worauf er erwacht 
und forteilt, die Geliebte in dumpfer Verzweiflung zurücklassend. 
Hierzu vgl. L. Gonzenbach Sicilian. Märchen Nr. 16 (T, S. 108), wo dio 
Katastrophe auf Behr ähnliche Weise erfolgt: Peppino wünscht die 
zarte von ihm geliebte Mädchengestalt einmal zu sehen, die — in einem 
schönen Schlosse im Innern eines Felsens — allnächtlich neben ihm im 
Bette ruht, aber am Morgen stets verschwunden ist. Dies bewirkt er 
durch ein Geschenk seiner Mutter, ein Fläschchen und eine kleine 
Kerze, die, wenn in das erstere gesteckt, sich alsbald von selbst ent- 
zündet. 'Als sie (die Geblebte) aber eingeschlafen war, nahm er schnell 
die Kerze hervor und steckte sie in das Fläschchen; alsbald brannte 
sie licht und hell, und bei dem Scheine sah er ein Mädchen von so 
wunderbarer Schönheit, dass er sich nicht von dem Anblicke trennen 
konnte, und sie voll Entzücken anschaute. Wie er sich aber über sie 
neigte, um sie zu küssen, fiel ein Tropfen Wachs auf ihre feine Wange, 
— in demselben Augenblick verschwand das ganze schöne Schloss, und 
er fand sich in finstrer Nacht, nackt und allein' u. s. w. Vgl. auch 
ebenda». Nr. 15 mit R. Köhlers Anm. — Da die Vermuthung geäussert 
worden, dass das von Apuleius bearbeitete Volksmärchen vielleicht ein 
griechisches war (vgl. Friedl. I, 521), so wird es interessiren zu erfah- 
ren, dass mir auf der Insel Zakynthos von sehr glaubwürdiger Seite 
versichert wurde, es sei hier ein dem Märchen des Apuleius sehr ähn- 
liches im Munde des Volkes. Leider bin ich desselben nicht habhaft 
geworden, wenn auch einige Stücke meiner Sammlung Berührungs- 
punkte mit der Erzählung des Apuleius darbieten. 



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— 15 — 



chen als einen Niederschlag uralter Mythen betrachten und 
die zwischen den Märchen der verschiedenen indogermani- 
schen Völker sich herausstellende Verwandtschaft, von ein- 
zelnen Ausnahmen abgesehen, aus der gemeinsamen Abstam- 
mung dieser Völker erklären, eine Ansicht, welche der Her- 
ausgeber der griechischen und albanesischen Märchen durch 
beachtenswerthe äussere Gründe zu stützen gesucht hat, *) und 
diejenige Theodor Benfey's, nach welchem die heutigen Volks- 
märchen fast ohne Ausnahme ursprünglich indische Gebilde 
sind und erst in christlicher Zeit von dort aus über die Erde 
sich verbreitet haben. ? ) Ich glaube, dass hier, wie so oft, 
die Wahrheit in der Mitte liegt, und freue mich zu sehen, 
dass ich mich in dieser Beziehung mit einem Forscher wie 
Felix Liebrecht in der Hauptsache in Uebereinstimmung be- 
finde, indem auch er eine vermittelnde Stellung zwischen der 
Grimmschen und der Benfey'schen Theorie einnimmt. 3 ) Dass 
indische Märchen in geschichtlicher Zeit theils durch münd- 
lichen Verkehr, theils auf litterarischem Wege in die Länder 
des Westens eingewandert sind und hier im Volke Wurzel 
geschlagen haben, stelle ich nicht in Abrede, glaube aber 
auch nicht, dass dieses in der von Benfey behaupteten Aus- 
dehnung geschehen sei, und bin vielmehr der Ueberzeugung, 
dass ein nicht geringer Theil unsrer heutigen europäischen 



>) In der Einleitung zu dem oben genannten Werke, B. I, S. 9—16, 
auch S. 27 (in dieser Einleitung findet man auch die wesentlichsten, 
an verschiedenen Stellen verstreuten Aeusserungen von Jacob und Wil- 
helm Grimm über den Gegenstand zusammengestellt). Vgl. auch Hahn's 
Sagwissenschaftliche Studien, Jena 1876, S. 51 f. 

*) Früher (Vorrede zum Pantschatantra p. XXII f.) war ßenfey der 
Meinung, dass die Verbreitung der indischen Märchen nach dem Occi- 
dent in grossem Massstabe erst mit dem 10. Jahrhundert n. Chr. durch 
die näherem Berührung der islamitischen Völker mit Indien erfolgt sei. 
Später, nachdem F. Liebrecht in Ebert's Jahrb. für roman. und engl. 
Literat., B. II, 1860, S. 314—334, überzeugend nachgewiesen, dass der 
aus dem 7. oder 8. Jahrhundert stammende geistliche griechische Ro- 
man r Barlaam und Josaphat' auf eine buddhistische Quelle zurückgehe, 
hat er jene Ansicht modificirt und einen früheren Beginn der littera- 
rischen Ueberleituhg indischer Couceptionen nach dem Westen ange- 
nommen. S. Gött. gel. Anzeigen vom J. 1860, S. 874. 

3 ) S. Ebert's Jahrb. III, 1861, S. 79; vgl. auch Heidelb. Jahrb., 57. 
Jahrg., 1864, S. 205 f. Ferner verweise ich auf den gediegenen, von 
gründlicher Sachkenntniss zeugenden anonymen Aufsatz 'Neue Mär- 
chen-Forschungen» in der Zeitschrift 'Die Grenzboten', 28. Jahrg., 1869, 
II. Sem., II. B., S. 98 — 108, durch welchen ich zu erneutem Nachden- 
ken über den Gegenstand angeregt und in meiner Ueberzeugung be- 
festigt worden zu sein bekenne. 



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— 16 — 



Märchen von den betreffenden Völkern aus der gemeinsamen 
asiatischen Urheimath mitgebracht, also ererbt, oder auf euro- 
päischem Boden selbständig und unabhängig geschaffen wor- 
den ist. Die Uebereinstimmung der Märchen im Allgemeinen 
und im Einzelnen bei den verschiedenen Nationen wird zum 
Theil allerdings auf späterer Entlehnung, zum Theil auf der 
Gleichheit der Abstammung beruhen : es gibt aber auch noch 
ein Drittes, worauf, wie mir scheint, in der Regel zu wenig 
Gewicht gelegt wird, nämlich die eigentümliche natürliche 
Anlage des menschlichen Geistes, welche selbst bei unver- 
wandten, auf den verschiedensten Culturstufen stehenden und 
durch weite Entfernung von einander getrennten Völkern 
allezeit Aehnliches und doch Selbständiges hervorzubringen 
vermag. 1 ) Es wird nun aber in vielen Fällen ungemein 
schwierig, ja — wenigstens bei dem heutigen Stande der 
Forschung — geradezu unmöglich sein, das Ursprüngliche 
und das Entlehnte mit Sicherheit zu unterscheiden; zumal da 
es doch offenbar sehr leicht geschehen konnte, dass ein bei- 
spielsweise im achten Jahrhundert unserer Zeitrechnung aus 
Indien nach Griechenland vorgedrungenes Märchen hier schon 
längst, wenn auch in mehr oder weniger abweichender Fas- 
sung, vorhanden war und nunmehr die beiden Gebilde, das 
einheimische und das ausländische, mit einander verschmol- 
zen. Dass, wie Benfey meint, 2 ) die indischen Märchen durch 
ihre innere Vortrefflichkeit alles, was etwa Aehnliches bei 
den verschiedenen Völkern, zu denen sie gelangten, schon 
existirt hatte, absorbirt haben sollten, vermag ich weder im 
Allgemeinen noch speciell in Bezug auf Griechenland zuzu- 
geben. Vielmehr wird, wer des Volkes Eigenart, seine Zähig- 
keit im Festhalten des ihm einmal zugehörigen Besitzes und 
seine Sprödigkeit gegenüber dem Fremdländischen erwägt, 3 ) 

! J Hierüber hat Liebrecht Treffendes gesagt und einige merk- 
würdige Beispiele dieser Art angeführt in Ebert's Jahrbuch II, 1860, 
S. 121 ff. Vgl. auch desselben Vorrede zu seiner deutschen Bearbei- 
tung von John Dunlop's Geschichte der Prosadichtungen, Berlin 1851, 
p. XVII. 

') Vorrede zum Pantschatantra p. XXV. 

3 ) Ich will hier, vieles Andere übergehend, nur an die eine, von 
Hahn Griech. und alb. Märchen I, S. 27 und Sagwissensch. Studien 
S. 52 hervorgehobene Thatsache erinnern, dass die Sammlung von 
'Tausend und eine Nacht», von der es eine sehr verbreitete neugrie- 
chische Uebersetzung gibt, auf den neugriechischen Märchenschatz fast 
gar keinen Einfluss gehabt hat. Und so dürfte derselbe voraussicht- 



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I 

- 17 - 

eher zu der entgegengesetzten Annahme sich gedrängt füh- 
len, dass nämlich von den indischen Conceptiouen nur die- 
jenigen Eingang fanden und dauernd haften blieben, welche 
sich mit einheimischen Ueberlieferungen mehr oder minder 
nahe beröhrten. 

Aber selbst wenn die Benfey'sche Theorie in der von 
ihrem Urheber ihr gegebenen Ausdehnung richtig wäre, was 
ich bestreite, und demnach auch die neugriechischen Volks- 
märchen samint und sonders auf indischen Couceptionen be- 
ruhten, so würden dieselben natürlich trotzdem, soweit auch 
sonst nachzuweisender neugriechischer Volksglaube in ihnen 
hervortritt, für die wissenschaftliche Darstellung dieses Volks- 
glaubens ganz unbedenklich herangezogen werden dürfen. 
Ich würde diese Bemerkung über eine so selbstverständliche 
Sache gar nicht für nothwendig halten, wenn nicht C. Wachs- 
muth an diesem in meinem Buche über das Volksleben der 
Neugriechen in der That ohne Weiteres von mir beobachteten 
Verfahren Anstoss genommen und nur in der Voraussetzung, 
dass ich mich in der Vorrede zu der vorliegenden Sammlung 
deshalb rechtfertigen werde, vorläufig mit seinem Tadel mich 
verschont hätte. Derselbe sagt in den Gotting, gel. Anzeigen 
v. J. 1872, ö. 244 wörtlich Folgendes: 'Wenn der Verf. auch 
die neugriechischen Märchen als Zeugen für den Volks- 
glauben der Junghellenen unbedenklich benutzt, so stimme 
ich ihm darin zwar sachlich im Wesentlichen bei. Allein die 
von Benfey (Pantschatantra, Vorrede S. XXII f. und Gotting, 
gel. Anz. 1860, S. 874; vgl. auch Beil. z. Augsburger allg. 
Zeit. 12. Juli 1871 *)) aufgestellte, neuerdings auch von Max 
Müller (Essays. 3. Bd., aus dem Engl, übertr. von Liebrecht. 
1872. S. 303 ff. und 530 ff.) angenommene 2 ) Ansicht über den 
Ursprung der Märchen kann in einer wissenschaftlichen Arbeit 
nicht einfach ignorirt werden; und wenn man, wie ich es 



lieh auch durch die Uebersetzuug abendländischer Märchen ins Vulgär- 
griechische, die neuerdings Michael Deffner zu Athen veröffentlicht nat 
( vgl. Literar. Centralblatt 1873, Nr. 28), wenig oder gar nicht alterirt 
werden. 

*) Das ist ein reines Prunkcitat, denn in jenem Aufsatz findet sich 
gar nichts direct auf unsre Frage Bezügliches. 

*) Beiläufig bemerkt, ist dieses unrichtig. Vielmehr nimmt auch 
Müller einen zwischen den beiden extremen Ansichten vermittelnden 
Standpunkt ein, wie zu ersehen aus den Essays B. II, S. 217 f. der 
d. Ausg. (Leipzig 1869). 

S< hmi.lt , Grioch. Marchvn, Sagen o. Volkslieder. 2 



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- 18 - 

auch, wenn schon mit bestimmten Einschränkungen thue, 
dennoch an der Grimmschen Ansicht über die Bedeutung der 
Märchen festhält, so muss man diesen Standpunkt doch aus- 
drücklich der ßenfey 'sehen Theorie gegenüber motiviren. Ks 
müsste daher auffallen, dass der Verf. für den Gebrauch, den 
er von ihren Angaben macht, kein Wort der Rechtfertigung 
für nöthig hält, wenn man nicht erwarten dürfte, dass er sich 
in der Vorrede der von ihm versprochenen — Sammlung neu- 
griechischer Märchen, Sagen und Volkslieder über diesen 
Punkt ausführlicher verbreiten wird.' Diese Auslassung mag 
vielleicht einem Laien durch den Schein strenger Gewissen- 
haftigkeit imponiren: dem Sachverständigen zeigt sie nur, 
dass Wachsmuth die Benfey'sche Ansicht völlig verkannt und 
nicht einmal die Vorrede zum Pantschatantra mit der gebüh- 
renden Aufmerksamkeit gelesen hat. Denn ßenfey spricht 
doch hier ausdrücklich von der ' Nationalisirung ' der nach 
seiner Meinung durchweg indischen Gebilde, er erkennt es 
ausdrücklich an, dass dieselben dadurch, dass sie aus der Lit- 
teratur ins Volk, aus diesem verwandelt wieder in die Litte- 
ratur, dann wieder ins Volt u. s. w. übergingen, den Charak- 
ter nationaler Wahrheit angenommen haben (S. XXV f.). 
Und konnte er Angesichts der europäischen Märchen anders? 
Ist etwa in ihnen von indischen Göttern und Dämonen, von 
Brahmanen und Krokodilen die Rede? Es ist doch wahrlich 
sonnenklar, dass Benfey, indem er indischen Ursprung der 
europäischen Märchen behauptet, damit nur die Grundlage 
derUeberlieferung meint, welcher dann, um mit Wilhelm 
Grimm zu reden, 1 ) die jedem Volke innewohnende dichterische 
Kraft unbewusst den Stempel des eigenen Lebens aufgedrückt 
hat. Gleichwie also beispielsweise in den deutschen Märchen 
Wichtelmänner und Zwerge, Nixen und Frau Holle vorkom- 
men, so treten in den griechischen Nemden, Moeren, Lamien, 
Charos und andere wohlbekannte Gestalten des griechischen . 
Volksglaubens auf, und was von diesen in den Märchen aus- 
gesagt wird, das sollte nicht als Beleg für eben diesen 
Volksglauben ohne Weiteres verwendet werden dürfen? Die 
Frage, ob die Märchen selbst aus Indien oder anderswoher 
stammen oder ob sie uraltes Eigenthum der Griechen sind, 

') Die Sage von Polyphem, a. o. a. U. S. 23. 



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— 19 — 



kommt hierbei ganz und gar nicht in Betracht. 1 ) Wenn man 
nun schon darüber höchlich sich verwundern muss, dass 
Wachsmuth dieses einfache Sachverhältniss so vollständig hat 
verkennen können, so steigt das Befremden noch , wenn man 
sich erinnert, dass derselbe- in der im J. 1864 erschienenen 
Schrift 'Das alte Griechenland im neuen , , welche er doch gar 
sehr als eine 'wissenschaftliche Arbeit' betrachtet, ganz das 
gleiche Verfahren, das er jetzt mir zum Vorwurf machen 
möchte, seinerseits eingeschlagen und die Hahn'sche Mär- 
chensammlung für den Volksglauben der Neugriechen aus- 
genutzt hat, 2 ) ohne der doch schon fünf Jahre vorher bekannt 
gewordenen Benfey'schen Ansicht von dem Ursprung der 
Märchen auch nur mit einem einzigen Worte zu gedenken! 

Ich habe hinsichtlich der Märchen in dieser Vorrede wei- 
ter nichts hinzuzufügen, als dass ich in den Anmerkungen 
zu denselben am Ende der Sammlung zwar die anderwärts 
veröffentlichten griechischen Märchen zum Vergleich heran- 
gezogen, in besonderen Fällen auch verwandte Märchen an- 
derer Völker berücksichtigt, dagegen auf einen vollständigen 
Nachweis aller parallelen Märchen und Märchenzüge aus der 
gesammten einschlägigen Litteratur verzichtet habe. Oefters 
ist zum Ersatz dafür namentlich auf R. Köhler's reichhaltige 
Anmerkungen zu Laura Gonzenbach's Sicilianischen Märchen 
verwiesen worden. Billige Beurth eiler werden diese Beschrän- 
kung auf das Notwendigste schon durch den Standpunkt, 
von welchem aus ich meine Sammlung unternommen habe, 
für hinlänglich gerechtfertigt halten und überhaupt von mir als 
Philologen nicht die Belesenheit in der Märchenlitteratur ver- 
langen, durch welche die Köhler und Liebrecht sich auszeichnen. 

Zwischen Märchen und Sage gibt es keine ganz feste 
Grenze, sie gehen mehrfach in einander über, und man kann 
bei manchen Erzeugnissen in Zweifel sein, zu welcher von 
beiden Gattungen man sie rechnen solle. Ich glaube indessen 
die Sonderung richtig vollzogen zu haben, nur dass, wie 



') Etwas Anderes ist es natürlich, wenn jemand sich mit Märchen- 
deutung befasst und beispielsweise einen in einem Märchen erwähn- 
ten runden Kuchen auf die Sonne bezieht. Da kann er, selbst die 
Richtigkeit der Deutung zugegeben , nicht ohne Weiteres einen Rück- 
schluss auf die Mythologie des Volkos machen, bei dem er das Mär- 
chen vorfindet. Allein davon findet man in meinem Duche nichts. 

*) Vgl, /. Ii. S. 5*. 56. 57. 

2* 



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- 20 — 



schon oben bemerkt worden, Nr. 12 meiner Sagen besser den 
Märchen zugewiesen worden wäre. ') Die vorliegende kleine 
Sammlung neugriechischer Volkssagen nun ist meines Wis- 
sens die erste, die zur Veröffentlichung gelangt. 2 ) Möchte 
sie den Griechen, welche neuerdings angefangen haben ihren 
Märchen ein lebhafteres Interesse zuzuwenden, nun auch zur 
Aufzeichnung und Bekanntmachung der in ihrem Volke leben- 
digen Sagen die Anregung geben. Der Reichthum an solchen 
ist gross, und eine möglichst vollständige Sammlung dersel- 
ben, insbesondere der Ortssagen, würde vielleicht bezüglich 
des Gehalts an althelleuischem Erbgut noch weit interessantere 
Resultate ergeben als der gesammte Märchenschatz. Denn 
wennschon ein Theil der griechischen Ortssagen erst im 
Mittelalter unter dem Einfluss der fränkischen Eroberer sich 
gebildet haben mag, so ist es doch andrerseits gewiss, dass 
in manchen Gegenden Sagen haften, welche altgriechische, 
an dieselben Gegenden sich knüpfende Mythen zur Grundlage 
haben, und es würde, wenn sie uns sämmtlich vorlägen, ab- 
gesehen von allem Uebrigen , schon das einen nicht geringen 
Reiz gewähren, des Genaueren die Wandlungen zu verfolgen, 
welche die hellenischen Erzählungen im Lauf der Zeiten erfah- 
ren haben. Vielleicht ist es dem Leser nicht unwillkommen, 
wenn ich hier alles dasjenige, was ich an neugriechischen 
Volkssagen in der mir zugänglichen Litteratur vorgefunden 
und notirt habe, in einem allgemeinen Ueberblicke zusammen- 
stelle; wobei ich jedoch alle diejenigen ausschliesse , welche 
ich bereits im ersten Theile meines Volkslebens der Neu- 



*) Dieses Stück, welches als Schauplatz der erzählten Begebenheit 
die Unigegend von Tneben nennt, unter die Sagen aufzunehmen hatte 
mich die Bemerkung der Gebrüder Grimm in der Vorrede zu den 
Deutschen Sagen (Berlin 1816), S. V bewogen , wonach die Sage das 
Besondere hat, 'dass sie an etwas Bekanntem und Bewusstem hafte, an 
einem Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten Namen.' Es 
ist dies allerdings im allgemeinen als eines der die Sage vom Märchen 
unterscheidenden Merkmale anzuerkennen, trifft aber nicht für alle 
Fälle zu. Vgl. noch Ludwig Bechstein Deutsches Märchenbuch, Vor- 
wort S. III der 1. Auflage (Leipzig 1847). 

*) Denn die neuerdings von F. Liebrecht in Höpfner's und Zacher's 
Zeitschrift für deutsche Philologie, B. II, 1870, S. 177—18» unter der 
Aufschrift 'Neugriechische Sagen' bekannt gemachten, einer von einem 
griechischen Metropoliten im vorigen Jahrhundert verfassten allgemei- 
nen Weltgeschichte entnommenen elf Erzählungen sind keine wirk- 
lichen Volkssagen, wie ihr Inhalt deutlich genug lehrt. Woher der 
Verfasser jener Weltgeschichte sie genommen, ist nicht bekannt. 



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- 21 - 



griechen mitgetheilt oder erwähnt habe') oder im zweiten 
Theile anzuführen gedenke, sowie ausserdem diejenigen, welche 
mit Sagen meiner Sammlung verwandt sind und daher pas- 
sender in den Anmerkungen zu diesen ihre Stelle finden. 

In der Ebene von Pheneos in Arkadien, deren Erd- 
schlünde man im Alterthum für einen Eingang zur Unter- 
welt hielt, und durch den einen von welchen nach der ört- 
lichen Ueberlieferung Pluton mit seiner schönen Beute, dem 
Demeterkind Persephone, nach seinem unterirdischen Reiche 
hinabgefahren sein sollte, 7 ) haftet eine gewisse Dämonologie 
noch heute. Zwei böse Geister, so erzählen die umwohnen- 
den Bauern, machten sich den Besitz des Sees streitig. Der 
schlauere von beiden kam auf den Gedanken seinen Gegner 
mit Kugeln von Pech zu bekämpfen, welche bei der Berüh- 
rung mit dessen Körper Feuer fingen. Der Unglückliche, 
ganz in Flammen stehend, riss in seiner Verzweiflung einen 
Felsen los und stürzte sich durch den so entstandenen Schlund 
in den Schoos der Erde. Seit dieser Zeit ergiessen sich die 
Wasser des Sees auf dem nämlichen Wege in die Tiefe. 3 ) 

Die Umwohner des benachbarten Styxfalles (jetzt xct 
Mctupovepia, bisweilen auch rot ApotKOve'pia genannt) haben 
die im Alterthum an sein Wasser sich knüpfenden Sagen 
ihrem wesentlichen Inhalte nach aufbewahrt, sie erzählen noch 



•) S. besonders S. 105, 110—117, 119 f., 122 (Nerai'densagen), S. 164ff. 
( Vampy raagen), S. 177 f. (Sagen vom Teufel), S. 185 ff. (zakynthisehe 
Sagen von der Hausschlange) , S. 188 f. (Sagen von sonstigen Orts- 
geistern) und S. 193 ff. (Drachensagen); ferner S. 197 f. (Sagen von ein- 
gemauerten Menschen), S. 205 ff. (Sagen von den alten Hellenen), S. 244 
(Unterweltsfahrten), endlich auch S. 43 f. und 47 (Heiligenlegenden). 

«J Conon Narrat. 15 (Mythogr. ed. Westerm. S. 130). 

') Emile Gebhart in dem Aufsatz f Un pelerinage aux sanctuaires 
du paganisme. L'Olympe et le Styx', in der Revue des deux mondes, 
T. LXIX, 1867, S. 1002. Leake Travels in the Morea III, S. 148 f., der 
die Sage in folgender etwas abweichender Fassung hörte : f Two devils 

Eossessed the lake, one of whom resided near Giöza, thc other towards 
yküria. These demons, as was to be expected of such characters, 
often quarrelled, and at length a terrible conflict occurred between 
them at a place near the top of Mount Saetä. The one who lived on 
the western side of the lake, and was the more cunning devil of the 
two, devised a plan of pelting his adveraary with balls made of the 
tat of oxen, which, when they came in contact with the devils skin, 
caught rire and annoyed him so terribly, that he was seized with a 
pamc, and could Hud no way of escape but through the mountain, 
leaving a passage by which the waters flowed off and left the piain 
dry.' Eine dritte Version dieser Sage endlich findet man bei üodwell 
Reise durch Griechenland II, 2, S. 331 d. d. Uebers. v. Sickler. 



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— 22 - 

heute fast dasselbe wie Pausanias (VIII, 18), nämlich dass 
der Genuss dieses Wassers verderblich sei, und dass kein Ge- 
fäss es aufnehmen könne, ohne zerstört zu werden. 1 ) 

Vom kopai'schen See weiss das dortige Landvolk folgende, 
poetischen Werthes nicht ermangelnde Sage zu erzählen. 
'Ein alter König herrschte einst über die ganze Ebene, die 
völlig trocken war, da die Gewässer sich durch die Kata- 
bothren 2 ) verliefen. Er besass zahllose Herden und zwei- 
hundert schöne Dörfer, die dort standen, wo jetzt in den 
Sümpfen Hohr wächst, und im Winter ein weiter See steht. 
Als er sein Ende herannahen fühlte, vertheilte er seinen Reich- 
thum unter seine zwei Söhne. Dem einen gab er die Aecker, 
dem andern die Herden. Nach der Zeit begab es sich, dass 
ein heftiger Frost und Schneegestöber plötzlich alles Vieh 
vernichtete. Der verarmte Bruder kam zum reichen und bat 
um einen Antheil an seinem Ueberttuss. Dieser wies ihn 
schnöde von seiner Thür hinweg. Der Hirt ersann eine 
schreckliche Rache. Er verstopfte heimlich die Katabothren, 
und als der Winterregen kam, verliefen die Gewässer sich 
nicht mehr. Der See stieg, und die schönen Dörfer gingen 
alle in den Wellen unter. :; ) 

Sagen von versunkenen Ortschaften finden sich auch sonst 
noch in Griechenland. So knüpft sich an den im Alterthum 
wenigstens in der jetzigen Ausdehnung noch nicht vorhande- 
nen, zwischen dem Minthegebirge und der Meeresküste sich 
hinziehenden See Kaiapha in Elis die Sage von einer ver- 
sunkenen Stadt, die man in seiner Mitte unter dem Wasser- 
spiegel noch zu erkennen vermeint. 4 ) Auch an der lykischen 

*) S. beKonders Leake Travels in the Morea III, S. 166 f., welcher 
auch die in einzelnen Punkten von einander abweichenden antiken 
Berichte am vollständigsten angeführt und besprochen hat. Vgl. noch 
E. Curtius Peloponnesos I, S. 196. — Leake bemerkt, er habe in Solos 
keinen Menschen, selbst den Lehrer nicht ausgenommen, gefunden, 
der so unterrichtet gewesen, um zu wissen, dass er in der Nähe der 
alten Styx wohne. Dies beweist die Echtheit der örtlichen Ucbcr- 
lieferung. — Nach Schwab Arkadien S. 16 herrscht bei den heutigen 
Umwohnern des Styxfalls noch ein anderer Glaube, nämlich der, dass 
das herabtropfende Wasser, an einem bestimmten Tage des Jahres, 
den niemand weiss, getrunken, die Eigenschaft habe, den Trinker un- 
sterblich zu machen; wobei man sich an die jüugere Achillessage 
erinnert, wonach Thetis ihren Sohn in die Styx tauchte und ihn bo 
unsterblich machte. 

*) d. i. unterirdische Abflüsse. 

3 ) Ulrichs Reisen und Forschungen in Griechenland I, S. 212 f. 
*) Ponqucville Voyage de la Greec VI, S. 12 der 2. Ausgabe (Paris 



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Küste wissen die griechischen Schiffer und Schwammfischer 
viel von versunkenen Städten, ßouXiacuevaic xinpaic, zu reden; 1 ) 
und auf eine derartige Sage weist auch der Name f\ Bou- 
Xictcuevr) (erg. xwpa) hin, welchen heutzutage der See Escha- 
tiotis in der korinthischen Peraea führt. 2 ) 

Eine sehr bekannte Sagenfigur im heutigen Griechenland 
ist die 'Alte mit der Herde', welche, als der Frühling ge- 
kommen war, stolz und frohlockend ausrief, dass nun ihren 
Schafen und Ziegen nichts mehr geschehen könne, aber auf 
einmal trat noch ein scharfer durchdringender Nachtfrost ein, 
der alle ihre Thiere zu Grunde richtete. Diese Geschichte, 
die als eine ernste Warnung vor Uebermuth und voreiligem 
Sicherheitsgefühl dem Geschmack des Volkes besonders zuzu- 
sagen scheint, wird in verschiedenen Gegenden des Landes, 
wenn auch mit manchen Abweichungen im Einzelnen, als 
Ortssage erzählt, so in der marathonischen Ebene, wo mau 
die Ueberreste einer Anlage des Herodes Attikos in der Nähe 
des Dorfes Branas als den Schafstall dieser Alten (tt\c fpyäc 
tö juavbpi) bezeichnet; so auf der Insel Thasos, wo sie den 
Namen 'Popina* führt und eine grosse Einfriedigung von 
Steinen für das Vieh 'die Hürde der Pdpina' (xr]c TTwinvac 
r\ udvbpa) heisst; so auf Samothrake, wo man von den hier 
vorkommenden Ziegen oder vielmehr Steinböcken glaubt, dass 
sie ehemals zur Herde der Alten gehörten, und gewisse weisse, 
in eine Felswand eingesprengte Streifen deren Wäsche (Tfjc 
Yprjäc toi Ttaviä) nennt. 3 ) In Arkadien, etwa drei Stunden 



1826. 27). Ueber die Oertlichkeit vgl. Bursian Geogr. v. Griechen!. 
II, S. 280 f. 

') L. Ross Kleinasien und Deutschland (Halle 1850), S. 10. 

•) S. E. Curtius Feloponnesos II, S. 553 f. und 598, Anm. 96. 

9 ) S. Chandler Travels in Asia minor and Greece, 13. II, S. 207—209 
der Oxforder Ausg. v. J. 1825. Ross Erinnerungen und Mittheilungen 
aus Griechenl. S. 180. Leake Die Deuien von Attika, S. 67 d. d. Uebers. 
Conzc Reise auf den Inseln deB thrakischcn Meeres, S. 33 und 19. Vgl. 
jetzt auch Lolling in d. Mittheilungen des deutschen archaeol. Institutes 
in Athen, I, 1876, S. 83 f. — Dem zuerst genannten Briten wurde die 
in der marathoni sehen Ebene gehende Sage von einem Eingeborenen 
so erzählt, dasa die übermüthige Frau sammt ihrer Hürde und ihrer 
zahlreichen Herde zu Stein geworden sei, und eine am Boden liegende 
sitzende weibliche Bildsäule ohne Kopf als die versteinerte Alte be- 
zeichnet. Auch versicherte man ihm, dass die Felsen in der dortigen 
Gegend, von einem gewissen Punkte aus betrachtet, das Ansehen von 
Schafen und Ziegen in ihrer Hürde hätten. Chandler glaubte dem- 
nach diese Felsen mit den von Tansanias 1, 32 a. E. erwähnten ir^rpat 
Tä iroXXä alElv etnacu^vai, welche man ehedem die 'Ziegenherdc des 



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- 24 — 



voii Tripolitsa in der Gegend, welche «PporfKÖßpuco (Frauken- 
quelle) hcisst, zeigt man an einem Berge die versteinerten 
Schafe der Alten. ! ) Mehrere altgriechische Ortsbezeichnun- 
gen, wie Tpaöc crnOoc, Tpaöc fäka, Tpaiac fövu, Tpaiac cäua, 
KaXoTpaiac ßouvöc, 2 ) scheinen auf das einstige Vorhanden- 
sein ähnlicher Sagen hinzuweisen. 

Bei den Bewohnern der marathonischen Ebene fand L. 
Ross auch eine Erinnerung an die alte Perserschlacht vor. 
Einst in der Zeit der Hellenen, so erzählten sie ihm, seien 
viele 'Fustanellen' 3 ) in diese Ebene gekommen; die Athener, 
die oben im Thale bei der 'Schafhürde der Alten' gelagert 
gewesen, hätten sie angegriffen und ihrer so viele erschlagen, 
dass der Fluss von dem Blute roth gefärbt worden. Allein 
es ist, wie Ross selbst bemerkt, zweifelhaft, ob diese Sage 
als eine echte, unmittelbar aus dem Alterthum herstammende 
Volksüberlieferung zu betrachten oder ob sie erst in neuerer 
Zeit dadurch entstanden ist, dass ein halbgelehrter Priester 

Pan' nannte, identificiren zu dürfen, und meinte, dass die Alte der 
modernen Sage einfach an die Stelle des antiken Hirtengottes getreten 
sei. Allein nach der Beschreibung des Pausanias befand sich die so- 
genannte Ziegenherde des Pan innerhalb der diesem geweiheten 
Grotte, und es müssen demnach Stalaktiten gewesen sein, deren For- 
men den alten Griechen zu dieser Bezeichnung Anlass gaben. Gleich- 
wohl wird die angeführte Uebereinstimmung der Vorstellungen in der 
nämlichen Gegend in alter und neuer Zeit schwerlich eine blos zufäl- 
lige sein. Ich denke mir, dass bis auf Chandler's Zeiten unter den 
Bewohnern der marathonischen Ebene die Erinnerung an das Vor- 
handensein merkwürdiger, einer Ziegenherde gleichenden Felsbildungen 
in der Umgegend aus dem Alterthum sich erhalteu hatte, dass aber 
der Ort selbst ihnen nicht mehr genau bekannt war. 

') Politis McX^tn dm t. ßiou t. veurr. 'GXXnvujv I, S. 36. Derselbe 
theilt S. 35 die Sage in folgender Fassung mit: die Alte habe am letz- 
ten Tage des März, in dem Wahne, dass nunmehr alle Gefahr vorüber sei, 
verächtlich ausgerufen: TTptTCi, Mdpxi pou! to Eex^iuaca rä KOTCiKÖKia 
Mou!, d.i. ätsch, März, nun haV ich doch meine Zicklein überwintert; 
da habe der März im Zorne vom Februar noch einen Tag geborgt, 
habe durch ungeheure Kälte die Alte genöthigt, sich unter den Kessel 
zu stecken, in dem sie Käse bereitete, und sie in dieser Lage sammt 
ihrer ganzen Herde zu Stein werden lassen. Ganz ähnlich Satnas in d. 
NcoeXX. 'AvdX I, S. 321 f. — Auf diese Sage beziehen sich endlich auch 
die Sprüchwörter Nr. 42 ab und 43 ab bei A. Mommsen Griech. Jahres- 
zeiten I, S. 28. Vgl. dazu die Berichtigungen Liebrecht's in d. Jahrb. für 
klass. Philologie B.CVII.1873, S.239, welcher hier zugleich auch, mit Ver- 
weisung auf das von ihm zu Gervas. S. 182 ff. Zusammengestellte, die Ansicht 
ausspricht, dass die Alte die Wintergöttin oder den Winter repräsentirc. 

*) 8. Meineke zu Steph. Byz. S. 601 und zu Theoer. 5, 121 (d. 3. 
Ausg., Berlin 1856). Vgl. auch Pape-Benseler Wörterb. d. gr. Eigenn. 
unter Tpata. 

3 ) (pooerate oder (poucTav^XXaic, d. i. Krieger, eine von der moder- 
nen Tracht hergenommene Bezeichnung. 



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— 25 - 



oiler ein Reisender den Bauern von der einst hier geschlage- 
nen Schlacht erzählte. 1 ) 

Aber es knüpft sich noch eine weitere, sicherlich echte 
Volkssage, über die nur leider allzu dürftige Berichte vor- 
liegen, an diese berühmte Ebene. Die Hirten reden noch 
heute von einem seltsamen Getöse, das in den Sümpfen sich 
vernehmen lasse, und wollen auf der Anhöhe von Brandis 
einen kleinen Reiter sich tummeln sehen. 2 ) In diesem ge- 
spenstischen Reiter hat man, ohne haltbaren Grund, eine 
Erinnerung an den alten Landesheros Echetlos zu erkennen 
geglaubt, welcher, wie Pausanias bei seinem Besuch der mara- 
thonischen Ebene sich sagen Hess, in der Schlacht gegen die 
Perser in der Gestalt und Kleidung eines Bauern erschien 
und, nachdem er viele von den Barbaren mit einer Pflugschar 
erschlagen, nicht weiter gesehen wurde. 3 ) Vielmehr werden 
wir beide Theile der heutigen Erzählung zusammen als eine ab- 
geschwächte Fassung jener anderen Sage zu betrachten haben, 
die Pausanias gleichfalls aus dem Munde der Eingeborenen 
hörte, dass allnächtlich auf der Wahlstatt Rossegewieher und 
Kampfgetümmel sich vernehmen lasse. 4 ) Es sind die Geister 
der gefallenen Helden, welche hier nach dem Glauben der 
Alten tobende Schlachten weiter kämpften, und diese Vor- 
stellung vom 'wütenden Heere', die auch in Deutschland vor- 
zugsweise an ehemaligen Schlachtfeldern haftet, 5 ) hat sich an 
dieser Stätte bis auf die Gegenwart erhalten. 



') Ros8 Erinnerungen u. Mittheilungen aus Griechenland S. 192 f. 
Vgl. auch Fr. Lenormant Monographie de la voie sacree Eleusinicnne, 
T. I (Paris 1864), S. 525, n. 1, welcher behauptet, dass sich in der Um- 
gegend von Marathon zu allen Zeiten die Erinnerung an eine grosse 
und fürchterliche Schlacht erhalten gehabt, und hierfür den türkischen 
Namen eines dortigen Weilers, Cecpepi, d. i. Schlacht, geltend machen 
will, worauf nicht eben viel zu geben sein dürfte, vgl. über diesen 
Weiler Leake Die Domen von Attika, S. 66 und besondere S. 76, Anm. 
210 der d. üebere. 

l ) Ampdre in der Revue des deux mondes, T.VI1, 14. annee, nouv. 
1844, S. 44. — Lenormant a. a. 0. macht, wiewohl auf' Ampere ver- 
weisend, aus dem kleinen Reiter einen 'cavalier gigantesque, arme' d'une 
massue,' und Politis MeX^xn 1, S. 153 schreibt's ihm nach. 

s ) Pausan. I, 32, 5. Vgl. auch 15,3. 

*) Pausan. I, 32, 4: evxaü6a dvd itäcav vüKxa Kai Yumuv xpeyexi- 
Zövxujv Kai dvftpuiv uaxou^viuv lexiv alcö^cGar Kaxacxfjvai b£ ic lv- 
Yfj 6&xv dm'xnoec udv ouk £cxiv öxiy cuvrjveYKtv, ävnKÖiu bi Övxi Kai 
Xujc cupßäv oük £cxiv £k xüjv oaiuövuiv öprn,. 
b ) Vgl. Adolf Wuttke Der deutsche Volksaberglaube der Gegen- 
wart, 2. Bearbeitung, Berbn 1869, S. 17. 



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— 26 - 



Eine steile, dem höchsten Gipfel gegenüberliegende Fels- 
wand des Parnasos heisst bei den Anwohnern der '(J reisen - 
Mb\ ö TtpovTÖßpaxoc, und hat diesen Namen von der Volks- 
sage erhalten, dass hier die Alten ihre greisen, zu Arbeit 
und Erwerb unfähig gewordenen Väter in die furchtbare 
Schlucht hinunter zu stürzen pflegten. 1 ) Dieselbe Sage haftet 
auch auf der Insel Hydra an einem in der Nähe des Strandes 
befindlichen Felsen Namens Zctcräc, von welchem nach dorti- 
ger Ueberlieferung ehemals die Greise in einem Korbe von 
ihren eignen Kindern herabgestürzt wurden, bis einst ein 
Alter in dem Augenblicke, da er in den Korb gelegt ward, 
. zu seinem Sohne sagte: 'Bewahre den Korb gut auf, mein 
Sohn, damit, wenn du alt geworden, auch deine Kinder ihn 
benutzen können;' eine Bemerkung, die auf den Sohn solchen 
Eindruck machte, dass von der Zeit an der barbarische Brauch 
unterblieb. 2 ) Eine ganz ähnliche Ueberlieferung findet sich 
auch bei den Walachen vor. 3 ) L. Ross wirft bei Erwähnung 
der parnasischen Sage die Frage auf, ob derselben vielleicht 
ein in vorhistorische Zeit hinaufreichendes Factum zu Grunde 
liege, und erinnert an den auf der Insel Keos herrschen- 
den Brauch, wonach hochbejahrte Personen beiderlei Ge- 
schlechts durch einen Schierlings- oder Mohntrank sich den 
Tod gaben, um den jüngeren Platz zu machen. 4 ) In der 

') Ross Griechische Königsreisen I, S. 55 f. Vgl. auch desselben 
Reisen im Peloponnes S. 93, Anm. 53. Das Vorhandensein dieser Ueber- 
lieferung in dem parnasischen Arachoba bestätigte auch Dr. Kremos. 

«) Bretös im '€9viköv 'HucpoXoriov vom J. 1867, S. 97. 

3 ) Schott Walachische Maehrchen (Stuttg. und Tüb. 1845), Nr. 12, 
S. 152 f., welches Stück die Ueberschrift trägt: 'Eine Geschichte aus 
der Römerzeit. ' Vor alten Zeiten, erzählen die Walachen, herrschte 
der Brauch die bejahrten Leute zu erschlagen, weil mau sie als unnütz 
ansah. Ein junger Mann, der's nicht über sich vermochte, den eignen 
Vater zu tödten, verbarg denselben im Keller und ernährte ihn heim- 
lich. Nun begab es sich, dass alle streitbaren Manner zum Kampfe 
ausziehen mussten wider ein Ungeheuer, das von seiner Höhle aus 
ringsumher Jammer und Elend verbreitete. Da gab der am Leben 
gebliebene Alte seinem Sohne einen heilsamen Rath mit auf den Weg, 
dessen Befolgung allen Rettung brachte. Als sie nun erfuhren, wer 
den Rath gegeben, sahen sie ein, dass es nicht gut sei die alten und 
eben darum erfahrenen Leute zu tödten, und so wurde die grausame 
Sitte aufgehoben. 

') Ueoer das alte Keiuuv vö^i|iov handelt ausführlich Bröndsted 
Vovages dans la Grece, l.Livraison, Paris 1826, S. 63 ff. Vgl. Böekh's 
Bemerkungen hierzu in d. Ges. kleinen Schriften, Bd. VJI, S. 346 ff. 
Die wichtigsten Zeugnisse der Alten findet man bei Heraclid. Polit. 9, 
S. 14 Schneidew., Strab. X, p. 486. Aelian. V. Hist. III, 37. Valer. 
Max. II, 6, 8. 



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That kann, nach den zahlreichen Analogien, die wir bei 
anderen und zwar auch stammverwandten Völkern finden, 1 ) 
kaum bezweifelt werden, dass einstmals auch in Griechenland 
die grausame Sitte der Tödtung der Greise geübt worden ist, 
und der bis in die späten Zeiten des Alterthums hinabreichende 
Brauch auf Keos wird als Milderung einer ehemaligen här- 
teren Gewohnheit aufzufassen sein. 

Eigentümliche Sagen von heidnischer Grausamkeit haf- 
ten auch an dem lykaeischen Gebirge in Arkadien, und ihnen 
mag eine dunkle Erinnerung an die noch im späten Alter- 
thum hier dargebrachten Menschenopfer zu Grunde liegen. 
Die heutigen Bergbewphner knüpfen an die halbverbrannten 
Ueberreste von Knochen, mit denen die Fläche des heiligen 
Gipfels noch jetzt überdeckt ist, die Erzählung an, die alten 
Hellenen seien so grausam gewesen, dass sie ihre Kriegs- 
gefangenen auf dieser Stätte, wie auf einer Dreschtenne, von 
Pferden hätten zerstampfen lassen; oder sie hätten dieselben 
an einer andren Stelle des Gebirges in die Erde vergraben 
oder . endlich dort, wo der Weg ins Nedathal steil hinabführt, 
sie als Treppenstufen verwendet. 7 ) 

Von einem Riffe bei der Insel Samothrake Namens Sgou- 
rapha erzählen die Schwammfischer, dass dort in einer Fels- 
höhle unter der Meeresfläche ein grosses Unthier wohne, 
daher sie nicht sehr tief an diesem Riffe zu tauchen sich 
getrauen ; von einem Schwammfischer, der dies einstmals doch 
gewagt, sei nur der halbe Mensch wieder heraufgekommen, 
so übel habe das Thier ihn zugerichtet: eine Geschichte, zu 
welcher es nahe lag das alte Märchen von der CkuXXti TreTpat'n. 



') S. besonders F. Liebrecht zu Gervasius von Tilbury, S. 81 fl". 
Vgl. jetzt auch E. Kohdo D. griech. Roman S. 230 Anro. nebst dem 
Nachtrag auf S. 545. 

2 ) S. Ross Reisen im Peloponnes S. 93, der auch folgende hierauf 
bezügliche Yerse eines Liedes anführt: ctö x«vbdKi touc £xavbaKiü- 
cave, iTrjv ocdXav touc £cKaXwcave, Ztöv "Ayiov 'HXiäv touc dXuiucavc, 
und zum Vergleich heranzieht, was licrakleides bei AthenaeoB XI 1, 
p. 524 von den Milesiern erzählt: KpaTqcac ö bfjuoc Kai touc trXoudouc 
CKßaXdjv Kai cuvaYaYÜJv Td t^kvo tüjv qnrfövTUJv eic äXujviac, ßoöc 
cuvaYaYÖvTec cuvnXoincav Kai uapavouujTdTiu OavdTip bidtpOcipav. Vgl. 
noch E. Curtius Peloponn. I, S. 302. — Dass auf dem Lykaion noch zu 
. Tansanias' Zeit Menschen geopfert wurden, ist nach der geheimniss- 
vollen Ausdrucksweise desselben, mit welcher er es ablehnt auf die 
Art des dortigen Opferdienstes sich einzulassen (VIII, 38, 7), nicht im 
geringsten zu bezweifeln. Vgl. Welcher Kleine Schriften III, S. 162, 
und von Stackelberg Der Apollotempel zu BasBae, S. 102. 



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zu vergleiche«, die dein Odysseus sechs seiner Gefährten aus 
dem Schiffe riss. 1 ) 

An das kleine vulkanische Eiland Kaymeui im Golf von 
Santorini haben sich, wie leicht begreiflich, mancherlei Sagen 
angeknüpft, deren eine, erst neuerdings bekannt gewordene 
von drei verstorbenen Sündern erzählt, welche dort — in 
Maulthiere verwandelt — schwere Lasten unaufhörlich bergab 
und bergan zu tragen haben. 2 ) 

Auf der Insel Salamis wird ein hellenischer Bau, in 
welchem man das Temenos der Athene Skiras erkannt hat, 
vom Volke cum toö 'Apdnri, d. i. Mohren- oder Gespenster- 
haus genannt, und die Phantasie der Hirten und Schiffer sieht 
darin den Wohnsitz eines gewaltigen heimtückischen Geistes, 
der hier reiche Schätze hütet und menschliche Neugier und 
Vorwitz mit dem Tode bestraft. 3 ) 

Allerlei Sagen von Königen, Königinnen, Prinzen und 
Prinzessinnen knüpfen sich in Griechenland an zahlreiche 
hellenische oder auch mittelalterliche Ruinen an, sind uns 
aber nur zum kleinsten Theile des Genaueren bekannt. Ich 
möchte nicht mit L. Ross behaupten, dass diese Sagen selten 
eine weitere Ausbildung und ein bestimmtes Gepräge erhalten 
haben und daher meistens poetischen Werthes ermangeln. 4 ) 
Wohl aber darf man aus der von Reisenden unseres Jahr- 
hunderts vielfach bezeugten und von mir selbst erfahrenen 
grossen Schwierigkeit, die es hat, derselben wirklich habhaft 
zu werden, mit Bestimmtheit schliessen, dass sie nur noch 
im Besitze von sehr wenigen sind und daher Gefahr laufen 
in nicht ferner Zeit gänzlich unterzugehen. Eine planmässige 
Sammlung derselben wäre demnach eine um so dankcns- 
werthere Aufgabe für die Griechen, die aber einen längeren 
Aufschub nicht verträgt. 



') Conzc ReiBC auf den InBein des thrakischen Meeres, S. 48. 

*) NcocXXnvtKä 'AväAcKTa I, S. 327 f. — Gemeint ist wohl das grösstc 
der drei Eilande dieses Namens, die N&x KaüM^vn. — Eine andere an 
derselben Stätte haftende Ueberlieferung erinnere ich mich in der 'Eipn,- 
ucplc tujv <t>iXoua6u>v gelesen zu haben, vermag aber gegenwärtig die 
# Notiz nicht aufzufinden. Vgl. noch Politis McX^Tn T, S. 407. 

3 ) Lolling in den Mittheilungen des deutschen archaeolog. Insti- 
tutes in Athen I, S. 136 und 138. — Ucber die Mohren als Ortsgeister 
vgl. Volksleben I, S. 188. 

') Griechische Königsreisen II, S. 208. 



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— 29 — 

Mehrere Ruinen führen den Namen tä BaciXncd, d. i. die 
Königsburg. So z. B. die Trümmer vom Tempel des nemei- 
schen Zeus, und die Sage berichtet, dass hier, ebeuso wie in 
dem Theater beim epidaurischen Heiligthum des Asklepios, 
ein althellenischer König gewohnt habe.') — Von einer ver- 
fallenen Feste auf dem Taygeton, welche den in Griechenland 
ungemein häufigen Namen TTaXaiOKacipo, d. h. die alte Burg, 
trägt, aber nach L. Ross ein Werk des Mittelalters ist, erzählen 
die Bewohner des in der Nähe gelegenen Dorfes Socha, dass 
dieselbe älter als Sparta sei, dass die Könige des Landes ur- 
sprünglich hier gewohnt und erst von da aus den die Ebene 
bedeckenden Wald ausgerottet hätten. 2 ) — Dergleichen Sagen 
mögen auch an der grossen Zahl derjenigen alten Trümmer 
haften, welche beim Volke t& ITaXdTia, d. i. der Königspalast, 
heissen, wie z. B. die Ruinen von Methydrion, :J ) die Ueber- 
reste des Poseidontempels auf Kalauria, 4 ) und eine Gegend 
mit alten Trümmern auf Karpathos. 5 ) — Die Bauern von 
Kastrf haben, da sie ihren Ort oft Delphi nennen hörten, 
gemäss der beim Volke überhaupt vorhandenen Neigung, 
Wörter und Namen, die ihm unverständlich sind, durch scho- 
nende Umwandlung sich mundgerecht zu machen, 6 ) daraus 
f] 'AbeXqpoö und o e i 'AbeXcpoi, d. i. 'Bruderstadt', gebildet und 
verstehen darunter eine an Schätzen reiche Feste, die von 
zwei Königssöhnen, welche sie erbaut, ihren Namen erhalten 
habe. Von diesen beiden Brüdern wissen sie eine Geschichte 
zu erzählen, welche derjenigen von Romulus und Remus nicht 
unähnlich ist. Zugleich bringen sie oder brachten sie vor 
Jahrzehnten — denn der Fortgehritt der Bildung mag die 
höchst seltsame Vorstellung mittlerweile verdrängt haben — 
die ihren Ort besuchenden englischen Reisenden, die so ge- 
nannten 'Milordi', mit den ehemaligen Bewohnern dieser 
Feste, den heidnischen Adelphiern, in Verbindung, die, als 
das Christenthum in diesen Gegenden sich auszubreiten be- 
gann, ins Frankenland sich geflüchtet hätten, und deren 



') Ross Erinner, u. Mittheil, aus Griechenl. S. 229. 
x ) Ross Griech. Königsreisen a. a. 0. 

3 ) E. Curtius Peloponnesos I, S. 309. 

4 ) Derselbe a. a. 0. II, S. 448 und 577. 
s ) Pashley Travels in Crete I, S. 188 f. 

Ü J Vgl. unten die Anmerkungen zu Nr. 23 der Märchen. 



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— 30 — 



Nachkommen nun als Pilger hierher kämen und die alten 
Steine anbeteten. 1 ) 

Auf einem steilen Hügel nördlich von Lixouri auf Ke- 
phalonia, welcher TTaXaiöxacTpo heisst und wo man die alte 
Stadt Pale ansetzt, liegt ein mächtiger Felsblock mit einem 
in seine Überfläche eingehauenen Grabe, welchen das Volk 
toö ßaciXÖTTOuXou tö uvn.ua, das Grab des Königssohnes, nennt: 
aber etwas Näheres über die zu Grunde liegende Sage in 
Erfahrung zu bringen gelang mir nicht. — In Kalabryta, 
einem kleinen Städtchen des «arkadischen Hochlandes, befindet 
sich am östlichen Ende des Burgfelsens eine schroffe Fels- 
platte, welche f die Platte der Königstochter', tx\c ßaciXoTTOu- 
Xac f] 7rXä»ca, genannt wird, von wo nach der Sage ein vor- 
nehmes Fräulein dem Kommen des Geliebten entgegensah 
und, als derselbe nicht erschien, sich in den Tod stürzte. 2 ) — 
In der Nähe der Ruinen von Phigaleia und des heutigen 
Dorfes Paulitsa heissen die Ueberreste eines alten Grabmals 
*das Grab der Königstochter', ö xdqpoc Tfjc ßctctXoTrouXac ; :< ) 
die Trümmer der beiden Tempel bei Rhamnus in Attika wer- 
den von den Bewohnern der Umgegend f die Königstochter', 
f| ßaciXoTTOÖXa, genannt. 4 ) Auch auf dem Isthmos von Korinth 
haftet eine Sage von einem Königssohne, der hier, und von 
einer Königin, die in dem westwärts davon gelegenen Trik- 
kala regiert haben soll, aber auch sie ist nicht näher be- 
kannt. 5 ) 

Dagegen wurde dem Franzosen Heuzey von den Bauern 
in der Umgegend von Trikardökastro v d. i. der alten Stadt 
Oiniadae am Acheloos, eine interessante Sage dieser Art mit- 
getheilt. Hiernach wohnte daselbst vor Zeiten ein Prinz von 
grosser Schönheit. Das seltsame Geschick, zu welchem er 
verurtheilt war, hatte ihm den Namen Anilios ('AvnXioc), d. i. 



>) Ulrichs Reisen und Forschungen in Griechen!. I, S. 123 f. und 
S. 128, Anm. 32. 

*) lioss Griech. Königsreisen I, S. 175. 

a ) Wyse An Excursion in the Peloponnesus II, S. 19, der ßaciXo 
TToüXr|C gibt, was Hellenisirung ist. 

4 ) Rosa Erinner, u. Mittheil. a. Griechcnl. S. 193, welcher vergeb- 
lich nach einer Sage zur Erklärung dieses Namens forschte, die aber 
denn doch vorhanden sein wird. 

6 ) Ludwig Steub Bilder aus Griechenland, Theil I (Leipzig 1841), 
S. 175, der gleichfalls trotz aller Bemühungen nichts Genaueres darüber 
zu erfahren vermochte. 



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31 - 



der Sonnelose, eingebracht. Er durfte sich nämlich dem 
hellen Lichte des Tages nicht aussetzen, ohne dem Tode zu 
verfallen, und lebte demzufolge im Dunkel eines unterirdischen 
Palastes. Sobald aber die Nacht eingetreten war, begab er 
sich auf das andre Ufer des Flusses in das Schloss der Frau 
Rini : l ) so nennt man die Ruinen der alten aetolischen Stadt 
Pleuron. Frau Rini, eine Zauberin von grossem Rufe, sah 
ihn mit Schmerz jeden Morgen lange vor Sonnenaufgang 
sich heim begeben. Um ihn zurückzuhalten, ersann sie eine 
eigenthümliche List, welche darin bestand, dass sie allen 
Hähnen in der Umgegend den Hals abschnitt. Dadurch Hess 
Anilios sich täuschen und brach zu spät auf: kaum, dass er 
die Furt des Acheloos erreichte, da stieg zu seinem Verderben 
die Sonne bereits hinter den Gebirgen Aetoliens empor. — 
Heuzey irrt vielleicht nicht, wenn er in dieser Geschichte 
eine romantische Umdichtung der alten Landessage von De'ia- 
nira, der Tochter des Oineus, Königs von Pleuron, und den 
Werbungen des Stromgottes Acheloos um ihre Hand ver- 
muthet. 2 ) 

Auf dem ehemaligen diktynnaeischen Vorgebirge der 
Insel Kreta, dem heutigen Cap Spada, fand im vorigen Jahr- 
hundert der Engländer Pococke eine Volkssage vor, welche, 
an die Ueberreste einer kleinen, von den Umwohnern 'Magma* 
genannten Stadt sich anknüpfend, von einer Jungfrau gleiches 
Namens berichtet, die den ihr lästigen Bewerbungen eines, 
vornehmen Mannes um ihre Hand durch eine listig ausge- 
sonnene Flucht sich zu entziehen wusste, eine Sage, die ohne 
Zweifel aus dem alten, in der nämlichen Gegend heimischen 
Mythos von der Flucht der Göttin Diktynna vor König Minos' 
Nachstellungen entstanden ist. 3 ) 

In Thessalien liegt zwischen Domokö und Phersala eine 



*) Kupü 'Pfjvn, d. i. €lpnvn. 

2 ) Le mont Olyinpe et TAcarnanie S. 458 f. (bekanntlich werden 
die FlussgÖtter meist als in der Tiefe wohnend vorgestellt). Vgl. übri- 
gens hierzu die theilweise übereinstimmende, an den Namen des Kai- 
sers Trajan sich knüpfende Sage aus Bessarabien, die Friedlsiender 
Sittengesch. Roms I, S. 639 d. 4. A. aus Haxthausen Studien über die 
hinern Zustände Russlands II, 460 mittheilt. 

s ) S. Pococke's Beschreibung des Morgenlandes, Theil II, S. 352 d. 
deutschen Uebersetzung, neue Ausg., Erlangen 1791. 4. Vgl. dazu 
Hoeck Kreta I, S. 24 f. und 381, und II, S. 159. Leider ist Pococke's 
Mittheilung allzu knapp. 



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- 32 — 



Ruine, welche den Namen TuvaiKOKacTpo , Frauenburg, führt, 
und in der Nähe des ersteren Dorfes sieht man einen aus 
dem natürlichen Felsen herausgearbeiteten Sarkophag, in 
dessen -eine Seite von Schütze Suchenden ein Loch gehauen 
ist, da man den ungeheuren Deckel über. dem Sarge nicht 
zu heben vermochte. Beides hat man durch folgende Sage 
mit einander in Verbindung gebracht. In der Burg, erzählt 
das Volk, habe einst eine reizende Prinzessin gewohnt; da 
sie ohne Wissen ihres Vaters ein Kind geboren, so habe sie, 
um es zu verbergen, jenes steinerne Haus aushauen und, 
damit es keine Noth leide, das erwähnte Loch darin anbringen 
lassen, durch welches sie jeden Morgen ihrem Kinde die 
Brust gereicht. 1 ) — Aehnliches wird auf der Insel Samo- 
thrake erzählt. Hier knüpft das Volk an einen aus dem 
Mittelalter stammenden viereckigen Thurm die Sage, dass 
eine Königstochter mit ihren zwei Brüdern darin gewohnt 
habe. Zu derselben Zeit aber, heisst es weiter, lebte oben im 
Gebirge ein Riese, dessen Höhle noch jetzt xoö dvöpeiujuevou 
t6 cttiti genannt wird. Derselbe kam einst herunter an den 
Strand und schwängerte die Königstochter; weswegen er von 
ihren Brüdern, denen sie endlich den Buhlen entdeckte, nach- 
dem sie anfänglich vorgegeben, sie hätte Bohnen gegessen, 
mit Pfeil und Bogen — denn Schiessgewehre gab es damals 
noch nicht — angegriffen und getödtet ward. 2 ) 

An die Ruinen der mittelalterlichen Feste von Aetos in 
Akarnanien knüpft sich die Sage, dass diese Burg zur Zeit 
des Einfalls der Türken von einer Zauberin Namens Koult- 
ehina 3 ) bewohnt war, die, nachdem sie eine lange Belagerung 
ausgehalten, ihre Zuflucht zu den Geheimnissen ihrer Kunst 
nahm, um ihre Flucht zu sichern: sie stellte musikalische 
Instrumente auf, welche zwei Wochen lang spielten, ohne 
dass jemand sie berührte, und den Feind glauben machten, 
dass sie noch drinnen im Schlosse sich befände; sie traf 
sogar die Vorsicht, ihre Schuhe verkehrt anzulegen, um ihre 
Verfolgung zu verhindern. 4 ) 

Zahlreiche Oertlichkeiten und Ruinen heissen f das Schloss 



') Uasing Griech. Reisen und Studien (Kopenhagen 1857), 8. 117 f. 

2 ) Conze Reise auf den InBein des thrak. Meeres S. 51. 

3 ) Der Name ist ungriechisch, 

4 ) Henzey Le mont Olympe et l'Acarnanie 8 359. 



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- 33 - 

der Schönen', tö Kdcipo tt^c ubpcuctc, Tnc wpnäc tö KdcTpo oder 
auch in einem Worte tö uipnoKdCTpo. Das häufige Vorkom- 
men dieser Namen in Griechenland beweist die grosse Ver- 
breitung der damit zusammenhängenden Sagen. So z. B. gibt 
es ein Schloss der Schönen in der alten Thyreatis in der 
Landschaft Argolis, wo eine mittelalterliche, aber vielleicht 
auf hellenischen Fundamenten stehende Burg diesen Namen 
führt, 1 ) ferner am Berge Lykaion, 2 ) in der Mani südlich von 
Metsapo und auf der Insel Thermia (Kythnos). 3 ) Eine dieser 
Sagen liegt in einem Volksliede bearbeitet vor und ist uns 
dadurch bekannter geworden. Dasselbe erzählt, wie das 
prächtige Schloss nach langjähriger erfolgloser Belagerung 
durch die Türken endlich durch eine auf das Mitleid des 
weiblichen Herzens berechnete List — einer der Feinde, als 
hungernden Mönch oder als arme hochschwangere Frau sich 
ausgebend, erbittet und erhält Einlass in die Festung — ein- 
genommen wird, und nun die betrogene Schöne verzweifelnd 
sich selbst den Tod gibt oder von den Stürmenden getödtet 
wird. 4 ) 

In denselben grossen Sagenkreis gehört endlich auch 
eine merkwürdige Erzählung, welche G. Perrot im Jahr 



J ) Buchon La Grece continentale et la Monte S. 398f. Vgl. E. Cur- 
tiuB Peloponn. II, S. 381 und 566. 

l ) Ross Griech. Königsreisen II, S. 208. 

s ) Buchon a. a. 0. S. 402. Vgl. Rosa Reisen auf den griech. Inseln 
1,8. 111 f. 

4 ) Das Lied liegt uns in mehreren Versionen vor. S. Passow Popul. 
Carinina Graeciae recentioris Nr. 485 und 485 a. Chasiotis ZuWot^ 
tüjv KCXT& Tr]v "Hireipov brjpoTiKwv ^cudrinv (Athen 1866), S. 115, Nr.39 
(am Ende unvollständig). Buchon a. a. 0. 8. 401 f., der das Lied aus 
dem Munde eines Hirten hörte, es aber nur in französischer Ueber- 
tragung gibt. Vgl. ferner Rosb a. a. 0. (Kythnos) und Conze Reise 
auf den Inseln des thrak. Meeres S. 5 (Thasos). — Nach der von Buchon 
mitgetheilten Version, die sich auf die Ruine in Argolis bezieht, ist 
die Schöne ein fränkisches Mädchen. Buchon meint (S. 403 ff.), viel- 
leicht liege dieser Sage ein in der griechischen anonymen Chronik der 
Eroberung Moreas durch die Franken erwähntes, um das Jahr 1291 
fallendes Ereigniss zu Grunde, nämlich die Besitzergreifung der Festung 
von Araclavon im Inneren des Peloponnes Seitens des fränkischen 
Ritters Geoftroi de Briere, der durch eine ähnliche List, nämlich in 
Folge einer erheuchelten Krankheit, Einlass in die Festung erhielt und 
sich derselben bemächtigte, nachdem er die Besatzung trunken ge- 
macht; eine Begebenheit, die dann in der Erinnerung des Volkes sich 
umgestaltet una mit irgend einem anderen Ereigniss verbunden hätte, 
dessen Heldin ein fränkisches Mädchen gewesen. — Ein 'Schloss der 
Schönen des Landes», um die ein kühner Jüngling wirbt, kommt auch 
in einem epirotischen Märchen vor (Hahn Nr. 22). 

Schmidt. flTiech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 3 



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— 34 



1858 aus dem Munde attischer Bauern vernommen und jüngst 
veröffentlicht hat. Hiernach lebte vor Zeiten eine wunderbar 
schöne Königin, Namens Aphrodite, welche ein Schloss zu 
Uaphni auf der Strasse von Athen nach Eleusis hatte und 
auch Akrokorinth besass. Um von dem einen Herrschersitz 
zum andren zu gelangen, hatte sie sich einen unterirdischen 
Gang graben lassen, der unter dem Meere hinlief. Zwei 
Könige, von ihrer Schönheit bezaubert, warben um ihre 
Hand. Der eine von ihnen sagte ihr zu, während sie den 
anderen verabscheute. Sie wollte indessen ihre Vorliebe für 
jenen nicht frei heraus erklären und nicht den Zorn des 
anderen herausfordern durch eine offene Ablehnung, und so 
zog sie sich auf folgende Weise aus der Verlegenheit. Da 
sie gerade damals einen Palast auf der Höhe von Korinth 
sich bauen Hess, so gab sie dem einen ihrer Liebhaber auf, 
den Gipfel des Hügels mit Mauern zu umziehen, dem anderen 
aber, Wasser hinaufzuführen, und versprach demjenigen von - 
beiden ihre Hand, der am frühesten seine Arbeit vollenden . 
würde. Sie hatte aber dem von ihr begünstigten Bewerber 
die leichtere und schneller auszuführende der beiden Auf- 
gaben, die Versorgung des Hügels mit Wasser, übertragen. 
Unglücklicher Weise jedoch trat das Gegen theil von dem 
ein, was die Königin erwartet hatte: unvorhergesehene Schwie- 
rigkeiten hielten gerade denjenigen auf, der Wasser auf den 
Gipfel des Berges führen sollte, während die Mauern von 
Stunde zu Stunde mit beängstigender Schnelligkeit in die 
Höhe wuchsen. Schon waren sie vollendet, und nichts blieb 
noch übrig, als den Schlussstein über die grosse Pforte zu 
legen. Aphrodite, die Gefahr bemerkend, wandte sich mit 
einschmeichelnder Stimme und holdem Lächeln an den, der 
zu siegen im Begriffe stand, hiess ihn die Kelle niederlegen, 
da er ja doch des Preises sicher sei, zog ihn auf eine Rasen- 
bank und wusste ihn hier durch si^sse Worte und Lieb- 
kosungen so lange aufzuhalten, bis der andere, der jetzt seine 
Anstrengungen verdoppelte, den Felsen endlich durchbohrt 
hatte, und eine starke Quelle hervorsprudelte. 1 ) — Schon 
Perrot selbst hat hervorgehoben, dass ganz in der Nähe des 



') Aiinuaire de PAssoeiation pour renconragement des t'tudes Grec- 
ques en France, Jahrgang VIII, Paris 1874, S. 392 ff. 



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- 35 — 



in dieser Sage genannten Klosters Daphni im Alterthum ein 
Tempel der Aphrodite stand; 1 ) bekannt ist ferner, dass die 
höchste Spitze von Akrokorinthos ein Heiligthum der näm- 
lichen Göttin krönte, 2 ) und aus der besonderen Verehrung, 
welche dieselbe überhaupt in Korinth genoss, erklärt es sich, 
dass eine attische Sage gerade dort die schöne Königin sich 
ein Schloss erbauen lässt. In der mit einem Male aus dem 
Fels hervorsprudelnden Quelle mag man mit Perrot eine 
Erinnerung an die alte Peirene erkennen. Die treue Erhal- 
tung des Namens der Göttin selbst in der modernen Sage 
könnte es allerdings zweifelhaft erscheinen lassen, ob wir hier 
wirklich eine echte Volksüberlieferung vor uns haben; wie- 
wohl sich denken lässt, dass dieser Name, wenn er auch 
sonst dem Volke abhanden gekommen ist, doch in einer ver- 
einzelten örtlichen Sage sich behauptet habe. 

Es mögen hier noch einige Ortsbezeichnungen erwähnt 
werden, die ihrer Beschaffenheit nach deutlich auf Localsagen 
hinweisen. In Athen heisst, wie mir seiner Zeit von dem 
Wärter am Theseion mitgetheilt wurde, ein Felsen in der 
Nähe der so genannten Pnyx fj Kcckt) TTeGepd, d. i. 'die böse 
Schwiegermutter'. Es ist dies ohne Zweifel jener losgerissene 
Fels, welchen schon Dodwell 3 ) in der nämlichen Gegend 
unter dem Namen 'Kake Pethara' 4 ) erwähnt, und der nach 
seiner Angabe von der Ferne aus genau den Anblick einer 
sitzenden weiblichen Figur gewährt. Der britische Reisende 
dachte dabei an die in Stein verwandelte Aglauros, nach der 
von Ovid in den Metamorphosen mitgetheilten Sage. 5 ) — 
Drei gesonderte felsige Spitzen der Olonos-Kette führen den 
Namen Tpetc Tuvaucec, 'die drei Frauen'/') — Eine Brücke 
über den Ladon heisst tö Tecpupi ttic Kupäc, 'die Brücke der 
Herrin'. 7 ) — Auf der Insel Kalymnos, in der Nähe der Stadt, 
ist eine Höhle, welche 'Gcptd TTap8evatc, d. i. 'die sieben 



') Pausan. I, 37 a. E. Vgl. Bursian Geographie von Griechenland 
I, S. 327. 

8 ) Vgl. Bursian a. a. 0. II, S. 17. 

3 ) Reise durch Griechenland I, 2, S. 238 der d. Uebers. 

<) Jedenfalls nur verhört oder verdruckt für KaKf| TTeöepd. 

■'•) II, 711-832 (vgl. V. 830 ff.: saxum iam colla tenebat, Oraque 
duruerant, signumque exsangue sedebat. Nec lapis albus erat: sua 
mens infecerat illam). 

6 ) Leake Travels in the Morea II, S. 114. 

') Leake a. a. 0. S. 105. 

3* 



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- 3G - 

Jungfrauen', genannt wird; 1 ) an die wohl eine christliche 
Legende sich anknüpft. — Auf Karpathos heissen zwei Fels- 
gräber toö TYictvti 6 Tdcpoc Kai ttic yuvcukcic tou, 'das Grab 
des Hygianis und seiner Frau', und das Volk lässt hier einen 
tapfren Helden, einen dvbpeuuuevoc, bestattet sein. 2 ) 

Ich schliesse diese Uebersicht mit der Mittheilung einiger 
Heldensagen, die gegenüber den bisher betrachteten eigent- 
lichen Ortssagen als landschaftliche bezeichnet werden 
können. 

Eine dem alten Mythos von Admetos und Alkestis auf- 
fallend ähnliche Sage ist in einem trapezuntischen Volks- 
liede bearbeitet, welches im Allgemeinen zu demjenigen Kreise 
von Liedern gehört, die ich im Volksleben der Neugriechen 
I, S. 230—232 besprochen habe. Iannis, so erzählt dieses 
Lied, seiner Eltern einziger Sohn, trifft eben Vorbereitungen 
zu seiner Hochzeit, als Charos mit drohender Geberde an 
der Thüre erscheint, um des Bräutigams Seele zu holen. Der 
junge Mann schlägt demselben vor, auf eherner Tenne einen 
Ringkampf mit ihm zu bestehen: siege Charos, so gebe er 
seine Seele preis, bleibe er selbst dagegen Sieger, so solle 
er frei sein, um seine Hochzeit auszurichten. Indessen Charos 
geht hierauf nicht ein: nicht um die Zeit mit Kämpfen und 
Spielereien zu vergeuden, sondern um Seelen zu holen, habe 
Gott ihn abgesandt. Da fleht Iannis den heiligen Georg an, 
bei Gott es zu vermitteln, dass sein Leben verlängert werde. 
Gott macht ihm denn auch das Zugeständniss, dass er am 
Leben bleiben und seine Heirath vollziehen dürfe, falls sein 

') Taularios in der TTavoiupct XII, <p. 285, S. 519. 

*) Ko8S Reisen auf den griech. Inseln III, S. 66. Oder ist etwa 
Yfiavn verhört für AiTevf\? — Absichtlich übergangen ist bei dieser 
Zusammenstellung der mir bekannten griechischen Ortssagen 1) die 
von Francois Lenormant Monogr. de la voie sacree fileusinieune I, 
(Paris 1864), S. 399 ff. veröffentlichte Legende von der heiligen Dimitra, 
welche ich im Rhein. Mus. N. F. B. XXXI, S. 273 ff. als eine Fälschung 
erwiesen zu haben glaube, und 2) die von Julius Faucher in dem Buche 
«"Ein Winter in Italien, Griechenland und Konstantinopel', B. II (Magde- 
burg 1876), S. 195 ff. mitgetheilte Erzählung, welche die Ibykossage 
auf Iktinoa, den Erbauer des Parthenon, überträgt und die Entdeckung 
seiner Mörder durch namensverwandte (ktivcc , d. i. Weihen, erfolgen 
lässt, eine Erzählung, die durch ihr gelehrtes Gepräge deutlich zeigt, 
dass sie keine echte volkssage ist: ja sie muss sogar durch das Schiller- 
sche Gedicht beeinflusst worden sein, da in ihr der Eumenidenchor 
vorkommt, der bekanntlich eine Zuthat Schiller'« ist (F. neunt als sei- 
nen Gewährsmann einen griechischen Herrn aus Athen, der von der 
Ibykossage kein Wort gewusst habe). 



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- 37 — 

Vater von den dreissig Jahren, die ihm noch zu leben be- 
stimmt sei, die Hälfte seinem Sohne geben wolle. Allein 
der Vater mag nicht einmal einen Tag ihm schenken. Aber- 
mals legt der Heilige Fürbitte ein, und Gott gestattet, dass 
Iannis weiter lebe, falls seine Mutter ihm die Hälfte von 
den dreissig Jahren geben wolle, die sie noch zu leben habe. 
Aber auch die Mutter weigert sich, selbst nur um eines 
Haares Breit« von ihrem Leben abzutreten. Endlich erlaubt 
Gott, dass Iannis dieselbe Gunst von seiner Verlobten for- 
dere, und diese geht mit grösster Bereitwilligkeit auf ihres 
Bräutigams Bitte ein, indem sie sagt, dass die ihr vergönnten 
Jahre für sie beide hinreichend seien. Und so richtet Iannis 
seine Hochzeit aus. 1 ) 

Eine merkwürdige, vielbesungene, besonders auf Kypros 
und in der Gegend von Trapezunt hochgefeierte Sagengestalt 
ist der kühne, durch riesenmässige Grösse und Stärke aus- 
gezeichnete Held Digenis. Den Kypriern gilt er als das 
vollendete Ideal eines Helden, jede That, die menschliche 
Kraft zu übersteigen scheint, wird ihm zugeschrieben, er ist 
so zu sagen ihr Herakles, mit welchem man ihn denn auch 
hat identificiren wollen, indem man — freilich völlig ver- 
fehlt, wie wir unten sehen werden — seinen Namen Arfevrjc 
als aus bioY£vr|C entstanden erklärte. Eine auf der Stätte des 
alten Amathunt gefundene Kolossalstatue, welche auf Ver- 
anlassung der ottomanischen Regierung nach Konstantinopel 
geschafft worden ist, hielt das Volk für das Bild seines Lieb- 
lingshelden. Zwei in dem kyprischen Dorfe Audimou (Aü- 
bnuou) befindliche mächtige Säulen heissen die 'Stöcke' oder 
'Keulen des Digenis', pdßboi toö Aitevoöc. 2 ) Eines der 
kyprischen Volkslieder besingt seinen Kampf mit Charos, den 
er nach dreitägigem furchtbaren Ringen überwältigt, und 
welchem er erst dann erliegt, nachdem der Todesgott sein 
Vermögen der Verwandlung zu Hülfe genommen. Der Ster- 
bende erzählt darauf den ihn umringenden dreihundert Palli- 
karen auf deren Verlangen seine Heldenthaten , seine sieg- 

') Triantaphyllidis Oi (pirfdocc, Athen 1870, S. 174 f., welche Schrift 
mir nicht zu Gebote steht. Den Inhalt des Liedes gibt aber, mit theil- 
weiscr Anführung des Textes, auch Politis MeX^rn I, S. 278 f. wieder, 
aus welchem ich geschöpft habe. 

2 ) Loukas <t>iAoXoYiKal '€incK&petc I, S. 3t f. Vgl. auch Sakellarios 
KimpiaKd III, S. 273 u. d. W. Ai£v(v)nc. 



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— 38 - 



reichen Kämpfe mit Drachen und Löwen und mit einem 
riesenhaften Sarazenen am Euphratflusse. f ) Ein anderes, 
gleichfalls auf den Tod des Digenis bezügliches Volkslied 
gibt ihm eine Lebensdauer von dreihundert Jahren und be- 
zeichnet seinen Tod als die Folge der Erlegung eines auf 
seiner Schulter mit dem Bilde der heiligen Jungfrau gezeich- 
neten Hirsches; 2 ) ein Gedanke, dem möglicher Weise eine 
Erinnerung an den alten Mythos von der Tödtung der hei- 
ligen Hirschkuh der Artemis durch Agamemnon zu Grunde 
liegt. 3 ) Auch die Brautwerbung des Helden besingt ein 
kyprisches Lied. 4 ) — Ueber diesen Digenis hatte schon Theodor 
Kind geäussert, dass derselbe eine geschichtliche Person gewesen 
sein möge, dessen Tapferkeit nachmals einen mythischen 
Charakter angenommen habe. 5 ) Diese Vermuthung hat neuer- 
dings eine wichtige Stütze erhalten, indem in Trapezunt, 
also gerade in einer derjenigen Gegenden, wo die lebhaftesten 
Erinnerungen an Digenis unter dem Volke sich erhalten 
haben, in einer jetzt der Bibliothek der griechischen Schule 
daselbst gehörigen, freilich lückenhaften Handschrift ein 
grosses byzantinisches, ursprünglich aus zehn Büchern be- 
stehendes Epos aufgefunden worden ist, welches die Aben- 
teuer eines Helden Namens Basileios Digenis Akritis zum 
Gegenstande hat und dessen Inhalt trotz der vielerlei sagen- 
haften Ausschmückungen deutlich auf eine historische Grund- 
lage, auf Ereignisse des zehnten Jahrhunderts, hinweist. Dieses 
Gedicht ist, nachdem Sabbas Ioannidis, Professor an der 
griechischen Schule zu Trapezunt, zuerst Mittheilung von 
seinem Vorhandensein gemacht hatte, 6 ) vor zwei Jahren von 



J) S. Sakellarios III, S. 46 ff. LoukaB I, 8. 34 ff. Bei Passow Po- 

Eul. Carmina Nr. 430 steht eine kürzere, nicht kyprischc Version dieses 
iedes, welche etwas weniger ins Ungeheure ausmalt und von einem 
Siege des Digenis im Kampfe mit Charos nichts berichtet. Vgl. auch 
noch die kretischen Lieder bei Anton Jeaunaraki "AcuctTa KpnrtKä, 
Leipzig 1876, Nr. 276 und 93, und über den Ringkampf des Digenis mit 
Charos im Allgemeinen, der in der That an gewisse Züge der Uerakles- 
sage erinnert, Volksleben der Neugr. I, S. 231. 

*) Passow Pop. C. Nr. 516 (aus Euboea), und Theod. Kind Antho- 
logie neugriechischer Volkslieder v. J. 1861, S. 62 (nach der handschrift- 
lichen Mietheilung eines Griechen). Weder der eine noch der andere 
gibt das Lied völlig correct. 

3 ) Vgl. Volksl. d. Neugr. I, S. 187, Anm. 4. 

*) Sakellarios III, S. 11 ff. Vgl. auch Jeannaraki Nr. 83. 

6 ) a. a. 0., Vorwort S. XVII. 

6 ) 'kropia Kai CTaxtcTiKn. TpantZoüvTOC S. 35 ff. 



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— 39 - 

Konstautiiios Sathas und Emile Legrand gemeinsam, begleitet 
von einer französischen Uebersetzung, herausgegeben worden; 1 ) 
eine zweite Ausgabe steht zu erwarten von dem Professor 
Giuseppe Müller in Turin, dem es gelungen ist, in einer der 
Bibliotheken Italiens eine ältere und vollständigere Hand- 
schrift des nämlichen Gesanges aufzufinden, durch welche die 
erheblichen Lücken des zur Zeit vorliegenden Textes bis auf 
eine einzige ausgefüllt werden. 2 ) Dass der Digenis dieses 
Epos identisch ist mit dem in den Volksliedern gefeierten, 
kann nach dem, was hier wie dort von ihm gemeldet wird, 
keinem Zweifel unterliegen, wenn auch die Volkslieder nur 
einzelne Hauptbegebenheiten aus dem Leben des Helden her- 
vorheben und diese, wie leicht begreiflich, noch mehr ins 
Mythische ausschmücken, als es in dem byzantinischen Ge- 
dicht geschieht. Aus diesem letzteren erhalten wir nun auch 
Aufschluss über den Namen Arrevric, welcher ihm gegeben 
ward, weil er von Eltern verschiedener Nationalität ab- 
stammte, 3 ) denn er war der Sohn eines syrischen Emir und 
einer Griechin, der Tochter des Andronikos Doukas; wäh- 
rend Basileios sein Taufname und Akritis ein Zuname war, 
den er als Grenzwächter, als Vertheidiger der Reichsgrenze 
('AKp'iTnc wvoudcOn. top, wc TÖtc ätcpac <pu\dccwv) erhielt. 1 ) 
Akritas wird der Held übrigens auch in einigen trapezun- 
tischen Volksliedern genannt/') und dieser sein Zuname lebt 
in den Küstenländern des schwarzen Meeres in gewissen Orts- 
und Geschlechterbezeichnungen fort, wie denn eine Ansied- 
lung in Chaldia noch heute Akritante heisst und Akritidis 
. und Akritopoulos häufige Familienzunamen in diesen Gegen- 
den sind. Ausserdem gelten viele Festungen als von diesem 

') Lea Exploits de Digenis Akritas, dpopee byzantinc du dixieme * 
sicclc publice pour la premierc fois d'apres lc raanuscrit unique de 
' Trebizonde, Paris 1875. 

») S. W. Wagner in Zarncke's Literar. Centralbl. v. J. 1876, S. 17. 
E. Legrand ChansonB populaires Grecqnes (speeimen d'un reeucil cn 
preparation), Paris 1876, S. 4, Anna. 2. 

3 ) Auch sonst legen byzantinische Schriftsteller diesen Namen 
Sprösslingen aus Ehen zwischen Personen verschiedener Hasse bei. Vgl. 
Wesselofaky in Röttger's Russischer Revue, Jahrg. IV, St. Petersburg 
1875, S. 540, in welchem Aufsatze, wie beiläufig bemerkt sei, oinc ms 
sieche Redaction des Gesanges von Digenis nachgewiesen wird. 

«) S. V. 824-833 (S. 68). 

») S. Passow Pop. Carm. Nr. 440. Legrand Recueil Nr. 89, S. 194, 
und Chansons popul. (speeimen), S. 18. Sathas - Legrand Exploits de 
Digenis, Introd. S.LVIIf. 



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— 40 — 

• 

Helden angelegt, und bei Telikli-tasi in der Nähe von Tra- 
pezunt zeigt man das Grabmal des Akritas, wohin die Mütter 
ihre neugeborenen Kinder zu bringen pflegen, um sie vor 
Behexung sicherzustellen. 1 ) Unter dem Namen 'AKpiTnc wird 
endlich unser Held auch von einem bekannten Dichter des 
zwölften Jahrhunderts, von Theodoros Prodromos, zweimal 
kurz erwähnt, welcher an der einen Stelle den Kaiser Manuel 
Komnenos preisend 'den neuen Akritis' (xöv v^ov xöv 'AKprmv) 
nennt und an der anderen einen zweiten Akritis zur Züch- 
tigung der schwelgerischen und hartherzigen Aebte seines 
Klosters herbeiwünscht. 2 ) Aber dies ist auch die einzige 
sichere Erwähnung des Helden bei den Schriftstellern der 
byzantinischen Periode, und die Annahme von Sathas, welcher 
denselben mit einem von Michael Psellos erwähnten Panthe- 
rio8 identificirt, 3 ) ebenso unbewiesen, wie die Ansicht, welche 
das ihn feiernde Epos in der zweiten Hälfte des zehnten 
Jahrhunderts, kurze Zeit nach dem Tode des Digenis selber, 
entstanden sein lässt. 4 ) 

Was endlich die hier veröffentlichten Volkslieder betrifft, 
so habe ich dieselben auf den Inseln Zakynthos, Kephalonia 
und Ithaka grösstentheils unmittelbar aus dem Munde des 
Volkes niedergeschrieben : nur einen kleinen Theil erhielt 
ich durch schriftliche Mittheilung. Auch beim Sammeln von 
Liedern ging ich von einem ganz bestimmten Gesichtspunkte 
aus und richtete mein Hauptaugenmerk auf solche, in denen 
das häusliche Leben des griechischen Volks sich wiederspie- 
gelt, weil diese für die Sittenkunde mir am ergiebigsten 
schienen und am ehesten Reste antiker Anschauungen er- • 
warten Hessen. Und hier waren wiederum zwei Gattungen 
von besonderer Wichtigkeit für mich, nämlich die Hochzeit- 
gesänge und noch mehr die sogenannten uupoXöxia, unter welchen 
man zunächst und eigentlich die von Frauen an der Leiche 
eines Verstorbenen mit specieller Beziehung auf diesen vor- 
getragenen, im weitern Sinne überhaupt alle von Tod und 



») loannidis 'leropia B. 39, und darnach Sathas-Legrand Introduct. 
S. CXXXII. 

l ) Sathas-Legrand a. a. 0. S. XCIX f. 

3 ) Introduct. S. CI f. 

4 ) Sathas-Legrand S. 271. — Es ist hier nicht der Ort, näher auf 
diese Fragen einzugehen. Vgl. im Allgemeinen Wagner a. a. 0. und 
Burßian in der Jenaer Literaturzeitung v. J. 1876, S. 696 f. 



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- 41 — 



Unterwelt handelnden Lieder versteht. Von beiden Gattun- 
gen waren damals, als ich zu sammeln begann, im Verhält- 
niss zu der grossen Zahl von Klephten- und anderen Liedern 
im Ganzen nur wenige Stücke bekannt, und namentlich an 
Myrologien im engern Sinne mangelte es sehr. Es ist in 
der That auch viel schwieriger, zumal für einen Ausländer, 
Klagelieder zu erlangen, als andre Lieder. Denn dieser Zweig 
der Volkspoesie ist im ausschliesslichen besitz des weiblichen 
Geschlechtes: nur Frauen dichten und kennen Myrologia. 
Das Misstrauen derselben dem Fremden gegenüber ist aber 
schwer zu überwinden. Da sie das Interesse, welches man an 
ihren poetischen Erzeugnissen nimmt, meistenteils sich nicht 
zu erklären vermögen, so kommen sie leicht auf den Ge- 
danken, dass man sie nur ausforschen wolle, um hinterher 
sich über sie lustig zu machen; auch haben sie überhaupt 
eine sehr begreifliche Scheu, die Lieder, in denen sie ihre 
innersten und tiefsten Empfindungen niederlegen, einem frem- 
den Ohre anzuvertrauen. In dem zakynthischen Dorfe Koi- 
liomeno bat ich den Priester, bei welchem ich eingekehrt 
war, irgend eine Frau, die' das Amt eines Klageweibs aus- 
übe, kommen zu lassen. Das geschah. Allein die Frau ge- 
rieth, als sie mir nun einige Klagelieder mittheilen sollte, 
in sichtliche Verlegenheit und gab vor, dergleichen Gesänge 
nicht zu kennen: es war trotz vielen Zuredens nichts aus 
ihr herauszubringen. Endlich nahm der Priester Feder und 
Papier, führte die Frau hinaus in die Küche und kam nach 
kurzer Zeit mit einigen Myrologien, die jene ihm allein nun 
ohne Strauben mitgetheilt hatte, in das Zimmer zurück. In 
Kerf, einem andren Dorfe auf derselben Insel, brachte mich 
das unvorsichtige Benehmen meines Agogiaten, der mir in 
der Erreichung meiner Zwecke, die er kannte, behülflieh 
sein wollte, aber so zu sagen mit der Thür ins Haus fiel, 
sogar in eine ziemlich ernstliche Gefahr, indem ein Bauer 
über dieses, wie er sagte, neugierige Aushorchen ihrer Weiber 
in heftigen Zorn gerieth und die ganze Bevölkerung des 
Dorfes gegen uns aufzuregen drohte. Ist man aber auch hie 
und da so glücklich eine Frau anzutreffen, die zu dergleichen 
Mittheilungen ohne Umstände sich bereit finden lässt, so 
entstehen neue Schwierigkeiten. Nicht selten stocken die 
Klagefrauen beim Vortrag ihrer Lieder, verwirren sich und 



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- 42 — 



vermengen das eine mit dem anderen. Auf Kephalonia und 
Ithaka versicherten mir einige wiederholt, so oft das Ge- 
dächtnis sie im- Stiche liess, dass es ihnen schwer falle, so 
ohne eigentliche Yeranlassung ihre Lieder herzusagen, wäh- 
rend, wenn sie vor der Leiche sässen und ihr Amt wirklich 
ausübten, ihnen die. Texte ohne Mühe wie von selbst zu- 
strömten, eine Versicherung, der man vollen Glauben schenken 
darf, da.es in der Natur der Sache liegt, dass dem Vortrag 
solcher Lieder die Ekstase der Stimmung wesentlich zu Hülfe 
kommt. Endlich begegnet es auch, dass die Klagefrauen 
beim Vortragen ihrer Lieder von der Empfindung überwältigt 
werden. 1 ) In Samos auf Kephalonia vermochten einige alte 
Frauen mir ihre Lieder nur mit von Thränen halb erstickter 
Stimme mitzutheilen , einige Knaben und Mädchen, die um- 
lief sassen und zuhörten, brachen dabei in lautes Schluchzen 
aus, und ich hatte den Eindruck, als ob die Leute im Stillen 
meine Hartherzigkeit verurtheilten, dass ich gerade an solchen 
Gesängen so besonderes Gefallen fände. Trotz solcher Schwie- 
rigkeiten ist die Ausbeute an Liedern dieser Art keine ganz 
geringe gewesen — während von Hochzeitgesängen nicht 
mehr denn vier Nummern mir zu Theil geworden, was 
blossem Zufall zuzuschreiben ist — , und ich hoffe, dass man 
den hier veröffentlichten Myrologien auch jetzt noch Inter- 
esse schenken wird. Denn obwohl neuerdings auch von 
dieser Art der griechischen Volkspoesie Mehreres ans Licht 
getreten, so ist doch die Zahl der gedruckt vorliegenden 
Klagelieder noch immer keine grosse, und überdies sind die 
jüngst hinzugekommenen fast sämmtlich in griechischen, bei 
uns in Deutschland wenig bekannten Schriften enthalten. 2 ) 



■) Ganz ähnliche Erfahrungen, wie ich, hat in diesem Punkte 
Giuseppe Morosi'in den griechischen Dörfern Süditalicns gemacht. S. 
dessen Studi sui dialetti greci della Terra d'Otranto S. 91. 

*) Im Jahre 1870 hat eine griechische Dame eine Sammlung lako- 
nischer Klaggesänge zu Athen veröffentlicht unter dem Titel: TTpooifnct 
MupoXoYÜnv AaKWviKüüv cuXXcylvTa uirö if\c *xupioc Zt. TT. 'Pa&Xou. 
Diese Sammlung, die mir erst vor kurzem zugänglich geworden, ent- 
hält viel Werthvolles, und mehrere Lieder derselben sind Varianten 
der von mir gesammelten. Zu bedauern ist, dass die llerausgeberin 
die Stücke nicht numerirt hat, wodurch das Citiren erschwert wird; 
auch sind ßie nicht einmal durchgängig genau von einander abgetheilt 
(von einer früher in Athen erschienenen kleinen Sammlung speciell 
lakonischer Myrologia bat C. Wachsmuth D. alte Gricchenl. im neuen 
S. 112 eine Probe mitgetheilt; auch hat G. Perrot maniatische Klag- 



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— 43 - 

Ich habe in meiner Sammlung die Myrologia im engeren 
Sinne, welche auf Geschlecht, Stand, Alter und Eigenschaften 
des Verstorbenen in bestimmter Weise Bezug nehmen oder 
doch nach ihrem sonstigen Inhalte als ganz speciell für die 
eigentliche Todtenklage gedichtet sich erweisen, von den 
allgemeineren charonischen Liedern sondern zu müssen ge- 
glaubt, wiewohl auch die letzteren öfters an der Leiche selbst 
vorgetragen werden, 1 ) wo sie also keinen andren» Zweck 
haben als zur Begleitung jener, ersteren zu dienen und durch 
ihre schwermüthigen Gedanken und Bilder der Klage und 
Trauer gleichsam neue Nahrung zu geben. 

Wenngleich ich nun aber auf die beiden bezeichneten 
Gattungen des Volksgesanges es vorzugsweise abgesehen hatte, 
so habe ich doch auch andre Lieder, die sich mir darboten, 
nicht verschmäht, und ich hoffe, dass auch diese willkommen 
sein werden. Nach dem Abschluss meiner Sammlung habe 
ich dieselbe übrigens gesichtet und alles, was ich in den 
grösseren Sammlungen von Passow und Chasiotis schon vor- 
fand, ausgeschieden, da ich nicht bereits dort gedruckte 
Sachen wiederholen, sondern den uns vorliegenden Lieder- 
schatz des griechischen Volkes wirklich bereichern wollte. 
Nur in einigen Fällen habe ich hiervon eine Ausnahme ge- 
macht, nämlich wo mir besonders ausführliche oder aus 
einem andren Grunde wichtige Versionen von Liedern zu 



gesänge mitgebracht und Legrand zur Veröffentlichung überlassen: s. 
Annuaire de l'Assoc. pour l'encourag. des Stüdes Gr. Vfil, 1874, S. 389. 
Vgl. Legrand Recueil Nr. 124). Ferner sind Myrologia zu finden in 
den NcocXXnvucä 'AväXcKTa I, S. 121 — 127, Nr. 69-81, in der atheni- 
schen Zeitung Aüyh v. 14. April 1869, S. 4, bei Chasiotis ZuXXotfl T wv 
Korrä Tf|v "Hireipov 6r|l L10TlKt i' v öcjnäTtuv, Athen 1866, S. 172—185, .ob- 
wohl die hier vereinigten 30 Nummern nur zum kleineren Theile Myro- 
logia im engeren Sinne sind, wie denn auch in der betreffenden Rubrik 
der Pasöow'schen Sammlung (Nr. 352—407) nur die wenigsten als solche 
gelten können. Ferner hat Morosi in dem o. a. trefflichen Werke eine 
Anzahl eigentlicher Klaggesänge aus den griechisch redenden Dörfern 
der Terra d'Otranto veröffentlicht. Auch unter den von G. G. Pappa- 
dopoulos in der TTavbinpa, T. XV, 1864, <p. 353 mitgetheilten Volks- 
liedern der Griechen auf Corsica (in getreuer italienischer Uebersetzung 
wieder herausgegeben von Astorre Pellegrini unter dem Titel Canti 
popolari dei Greci di Cargese. Bergamo 1871) sind ein paar Myrologia. 
Vgl. endlich noch Elpis Melena Kretas Biene, München 1874, S. 27 
— 30, und Lelekas A»iuotik^ 'AvGoXoTia, Athen 1852 (von Passow nicht 
gekannt), S. 35 f. 

') Die Klagefrauen, die ich selbst kennen lernte, machten zwischen 
beiden Arten keinen Unterschied, begriffen die eine wie die andere 
unter dem Namen uupoXÖYia. 



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44 - 



Gebote standen, welche in jenen Sammlungen in unvollkom- 
menerer Gestalt vorhanden sind. Damit glaube ich dem 
künftigen Herausgeber eines möglichst vollständigen Corpus 
der neugriechischen Volkslieder einen Dienst erwiesen zu 
haben. Dass ein solcher in nicht zu ferner Zeit sich finden 
möge, ist dringend zu wünschen. Denn abgesehen davon, 
dass die in den beiden letzten Jahrzehnten veröffentlichten 
Lieder, unter denen manche einen hervorragenden Werth 
haben, allenthalben und zum grossen Theil in schwer zu- 
gänglichen neugriechischen Werken und Zeitschriften zer- 
streut sind, so ist die bekannteste und umfangreichste Samm- 
lung, die von Arnold Passow, mit viel zu unvollständiger 
Sprachkenntniss unternommen worden, als dass sie noch 
lange vorhalten könnte. 

In kurzen Anmerkungen unter dem Texte der Lieder 
habe ich theils Varianten angeführt, theils von meinem kri- 
tischen Verfahren Rechenschaft gegeben, jedoch mit Be- 
schränkung auf das Wesentlichste: ganz selbstverständliche 
Berichtigungen durchweg anzumerken habe ich unterlassen, 
denn es lag mir fern mit Emendationen zu prunken, die auf 
diesem Gebiete im Allgemeinen ziemlich wohlfeil sind. In 
den Texten selbst habe ich mich bestrebt die wirkliche volks- 
thümliche Aussprache so genau wiederzugeben, als dies mittelst 
des gewöhnlichen griechischen Alphabetes möglich ist: ge- 
wisse Zeichen zur Verdeutlichung derselben anzuwenden oder 
gar eines besonderen phonetischen Alphabets mich zu be- 
dienen, wie neuerdings von einigen geschehen und vom rein 
grammatischen Standpunkte aus ja auch ganz gerechtfertigt 
ist, war hier weder geboten noch rathsam, da das Sprachliche 
nicht der erste Zweck meiner Sammlung ist , wennschon diese 
Lieder auch als ein Beitrag zur näheren Kenntniss des hepta- 
nesischen Dialektes gelten können. So habe ich denn auch 
nach längerer Ueberlegung besonders aus ästhetischen Gründen 
darauf verzichtet, die in der Sprache und demgemäss auch 
in der Dichtung des Volkes so häufige Synizese durch ein 
äusseres Zeichen anzudeuten, will aber hier doch nicht unter- 
lassen zu bemerken, dass gar mancher auf den ersten Blick 
sehr holperige Vers durch richtige Anwendung derselben glatt 
und gefällig wird. So, um nur einige wenige Beispiele an- 
zuführen, ist 2, 2 zu lesen: Kfj öyioc b£v exei ckotwuö, bev 



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I 



— 45 — 

xAcriei tcou CKOTwuevouc ; 5, 1: Kpiua erv' va xävouvTcu o\ 

* — * «■ — ' w 

xaXol; 8, 2: K17 ö b£ (pwväcrj öitoioc TroveT, u. s. w. Einmal 

darauf aufmerksam gemacht wird man leicht in jedem ein- 
zelnen Falle erkennen können, welche Silben mit einander 
zu verschleifen sind. Einige Neuerungen, die ich in der 
Orthographie getroffen und der Gleichmässigkeit halber auch 
auf die Citate aus anderen Sammlungen ausgedehnt habe, 
beruhen auf sorgfaltiger Erwägung, aber es würde zu weit 
führen, wenn ich hier darauf eingehen wollte, und ich darf 
dies um so eher unterlassen, als ich gelegentlich an einem 
andren Orte über diesen Punkt mich zu äussern gedenke. 
Den griechischen Texten habe ich eine deutsche Uebersetzung 
auf Wunsch der Verlagsbuchhandlung beigefügt. Zu einer 
Wiedergabe in Prosa konnte ich mich nicht entschliessen, 
ich habe die Versmasse der Originale beibehalten, wiewohl 
dies in manchen Fällen etwas misslich war. In den wenigen 
Liedern, die den Reim darbieten, habe ich denselben auch 
im Deutschen festzuhalten mich bestrebt; überall aber konnte 
dies nicht geschehen, sollte nicht die Treue der Uebersetzung 
dadurch Schaden leiden. In Nr. 54 ist freilich durch Auf- 
geben des Reims in der deutschen Uebersetzung ein nicht 
geringer Reiz dieses Tanzliedes verloren gegangen. Für das 
genauere Verständniss des Einzelnen ist ausserdem durch An- 
merkungen am Ende der Sammlung Sorge getragen worden, 
und dort findet man auch die wichtigeren sprachlichen Eigen- 
tümlichkeiten kurz erläutert. 

Damit könnte ich diese Vorrede, welche ohnehin schon 
das gewöhnliche Mass einer solchen weit überschritten hat, 
beschliessen, sähe ich mich nicht veranlasst, über meine dem 
heutigen griechischen Volksthum mit nicht geringem Aufwand 
von Zeit und Mühe gewidmeten Studien hier ein allgemeines 
Wort zu sagen. Welcher Zweck mich dabei geleitet hat, ist 
in dem Vorwort und der Einleitung meines Buches 'Das 
Volksleben der Neugriechen und das hellenische Alterthum' 
deutlich ausgesprochen, und schon dieser Titel lehrt es hin- 
länglich. Ich war und bin der Ueberzeugung, dass sorg- 
fältige Forschungen auf diesem Felde, abgesehen von ihrem 
allgemeinen kulturgeschichtlichen Werthe, auch speciell der 
klassischen Philologie zu Gute kommen müssen. Ich wies 



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auf das von Jacob Grimm und seinen Nachfolgern aus dem 
Schatze lebendiger Ueberlieferung für die deutsche Mythologie 
und Sittenkunde Gewonnene hin, unterliess aber dabei nicht 
hinzuzufügen, dass in Folge des verhältnisstnässig sehr be- 
deutenden Reichthums an schriftlichen und monumentalen 
Quellen, welche uns für die Erkenntniss des hellenischen 
Alterthums zu Gebote stehen, die vom antiquarischen Ge- 
sichtspunkte aus unternommene Forschung auf dem Gebiete 
des neugriechischen Volkslebens desto grössere Sicherheit 
gewinne und also schon darum vor der analogen Forschung 
auf germanischem Gebiete entschieden etwas voraus habe. 
Ich hätte noch ein zweites für meine Behauptung kaum 
minder wichtiges Moment hinzufügen können, dass nämlich 
Griechenland seit den Zeiten des Alterthums bis auf den 
heutigen Tag keine neue und eigenthümliche Cultur gehabt 
hat und aus diesem Grunde von vorn herein eine treuere Er- 
haltung antiker Sitten und Anschauungen erwarten lässt als 
diejenigen Länder, die, wie Deutschland und Italien, eine 
mittelalterliche Kunst und Bildung entwickelt haben. Sodann 
setzte ich des Ausführlicheren auseinander, dass und warum 
die bekannte Fallmerayer'sche Slaventheorie nicht im Stande 
sei, irgend welche Bedenken gegen den Erfolg der bezeich- 
neten Aufgabe zu erwecken. Die Anerkennung, welche der 
bis jetzt allein erschienene erste Theil meines Buches sowohl 
in Deutschland, als auch in England und Frankreich, um 
von Griechenland zu schweigen, bei vorurtheilsfreien Fach- 
genossen gefunden hat, zeigte mir denn auch, dass man den 
Nutzen, den die Erforschung des neugriechischen Volkslebens 
der Alterthuraswissenschaft zu bringen vermag, vollkommen 
zu würdigen weiss. Nur zwei Recensenten meiner Arbeit 
haben sich in ziemlich entgegengesetztem Sinne geäussert, 
nämlich Curt Wachsmuth in den Göttingischen gelehrten An- 
zeigen v. J. 1872, S. 241 — 264, und A. Döring in Leutschens 
Philologischem Anzeiger B. VI, 1874, S. 510—514. Die 
Gründe derselben sind zu bezeichnend, als dass ich der Ver- 
suchung widerstehen könnte, sie etwas näher zu beleuchten, 
und ich hoffe bei meinen Lesern Entschuldigung dafür zu 
finden, weil ich es in der Vorrede zu einem Büchlein thue, 
das ich als einen blossen Anhang zu jenem grösseren Werke 
betrachtet zu sehen wünsche. Nach Wachsmuth's eigenem 



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- 47 — 



Bekeniitniss (S. 247) 'kann eine unbefangene Forschung nicht 
umhin anzuerkennen, dass der Grundstock der neugriechischen 
Sitten und Anschauungen an das hellenische Alterthum an- 
knüpft.' Allein er vermöge sich, heisst es dann S. 257 ff. 
weiter, nicht zu überzeugen, dass der Alterthumswissenschaft 
aus der genauen Kunde von Glaube und Brauch der Neu- 
griechen ein so reicher Gewinn erwachsen werde, als ich in 
Aussicht stelle. Gewiss könne hie und da eine vereinzelte 
unklare Notiz aus althellenischen Quellen durch Neugriechisches 
eine hellere Beleuchtung, eine erwünschte Verlebendigung 
erhalten. Allein es werde doch nothwendig sein, hier na- 
mentlich bei Rückschlüssen auf Glauben und Aberglauben der 
Alten mit der äussersten Behutsamkeit zu verfahren. Denn 
wie sich für das Alterthum ejne Fortentwickelung dieser Vor- 
stellungen nachweisen lasse, so habe eine weitere Ausbildung 
und Gestaltung auf dem Gebiete der niederen Mythologie und 
des Aberglaubens ohne Zweifel auch in den langen Jahr- 
hunderten der Zwischenzeit stattgefunden. Wenn für die 
deutsche Mythologie aus dem Schatz der lebendigen Ueber- 
lieferung viel gewonnen sei, so erkläre das die traurige Aerm- 
lichkeit der directen Tradition hinlänglich. 'Für das klassische 
Alterthum sind wir ja aber glücklicher Weise ganz anders 
gestellt: viele und reiche Quellen fliessen da für die Erkennt- 
niss des durch Kunst und Litteratur wie im öffentlichen Cultus 
ausgebildeten Glaubens, und auch über die roheren Vorstel- 
lungen der niederen Volksschichten, um die es sich hier ja 
im Wesentlichen handelt, besitzen wir manche monumentale, 
und wenn auch meist mehr gelegentliche litterarische Aus- 
kunft. Es scheint mir also kein genügender Grund vorzuliegen, 
den Zustand, der für die deutsche Mythologie durch eine 
Nothlage erzwungen ist, auf das klassische Gebiet zu über- 
tragen.' Das heisst also, um den Wachsmuth'schen Gedanken- 
gang kurz zusammenzufassen: das neugriechische Volksleben, 
das im Wesentlichen eine Fortsetzung des altgriechischen ist, 
kann allerdings zum besseren Verständniss des hellenischen 
Alterthums einiges beitragen. Allein die grosse Zahl und 
Reichhaltigkeit der für das letztere uns zu Gebote stehen- 
den unmittelbaren Quellen lässt es überflüssig erscheinen, 
von jener abgeleiteten Quelle Gebrauch zu machen. — Ich 
überlasse es dem Leser zu beurtheilen, wie es sich mit der 



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— 48 - 



Logik einer derartigen Argumentation verhält, und möchte 
für meinen Theil nur fragen, ob das die Sprache eines 
Forschers ist, und ob, wer so spricht, sich jemals ein 
mythologisches Problem kann vorgelegt haben. Wenn wir 
für das hellenische Alterthum an directen Quellen so arm 
wären, wie für das deutsche, so würde Wachsmuth gegen 
ein Herbeiziehen des neugriechischen Glaubens und Brauches 
zu Gunsten des ersteren nichts einzuwenden haben, denn für 
die deutsche Mythologie ist ja aus der Volkstradition nach 
seinem eigenen Zugeständniss 'viel gewonnen' worden. Aber 
da wir in Betreff des klassischen Alterthums in einer glück- 
licheren Lage sind, so wird jenes flülfsmittel vornehm bei 
Seite geschoben, trotzdem dass seine Anwendung hier bei 
weitem gefahrloser ist, weil dieselbe in so vielen Fällen durch 
die unmittelbaren Quellen controlirt werden kann. Man darf 
sich billig wundern, dass gerade Wachsmuth jetzt eine solche 
Sprache führt, der im Jahre 1864 in seiner Schrift 'Das alte 
Griechenland im neuen' sagte, dass es für alle, denen daran 
liege eine lebendige Anschauung vom klassischen Alter- 
thum zu erlangen, 'eine der anziehendsten und frucht- 
bringendsten Aufgaben' sei, 'im heutigen Griechenland 
das alte zu suchen und zu finden' (S. 1), der die von fast 
jedem schärfer beobachtenden Reisenden in Griechenland ge- 
machte Bemerkung wiederholte,* dass häufig ein einfacher Blick 
auf klassischen Boden 'überzeugende Aufklärung' über 
Dinge gewähre, 'die uns auf de* Studirstube ewig im Halb- 
dunkel bleiben würden' (S. 4), der behauptete, dass auf diesem 
Boden nicht blos die Natur Gegenstand 'lehrreichen* 
Studiums werde, sondern 'nicht minder das jetzige Grie- 
chenvolk selbst mit der ihm vom Alterthum in un- 
unterbrochener Kette überkommenen und in ihm 
fortlebenden Ueberlieferung' (S. 8), der es für eine 
ebenso anziehende wie ergiebige Arbeit erklärte, aus Schrift- 
stellern und Kunstwerken zusammenzustellen, was wir bei 
den Alten von Gesten und Pantomimen kennen, und 'zur 
aufklärenden Vergleich ung' der heutigen Griechen und 
Neapolitaner Gebrauch heranzuziehen, und an Jorio's Schrift 
La mimica degli antichi unter anderem eben auch das aus- 
zusetzen fand, dass sie den neugriechischen Usus gänzlich 
ausser Acht gelassen (S. G.'i); dem bei seinem Aufenthalte in 



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- 49 - 



Griechenland selber der ernstliche Gedanke eines ausführlichen 
Werkes über Aberglauben , Sitten und Gebräuche der heutigen 
Griechen entstanden war (S. 69) und der eine solche Arbeit 
für eine sehr dankbare hielt (S. 43); der es sehr bedauerns- 
werth fand, dass f die Nachrichten über die Hochzeitsgebräuche 
der alten Griechen so gar spärlich auf uns gekommen sind' 
(S. 82). Mit diesen damals gethanen Aeusserungen steht sein 
jetziges Bestreben, den Nutzen Ton Forschungen auf dem 
Gebiete des neugriechischen Volksthums für die klassische 
Philologie auf ein Minimum herabzudrücken, seine jetzige 
Genügsamkeit mit den aus dem Alterthum uns überlieferten 
Quellen in seltsamem Widerspruch. Was mich betrifft, so 
wird, gerade je länger ich mich mit dem klassischen Alter- 
thum beschäftige, um so stärker die Ueberzeugung in mir, 
dass unser Wissen überall eben nur Stückwerk ist. Wer 
diese Ueberzeugung mit mir theilt — und deren dürften doch 
wohl nicht wenige sein — , dem wird es nicht beikommeu, 
sich ablehnend gegen weitere Hülfsmittel zu verhalten, welche 
für die fortschreitende Erkenntniss desselben mehr oder minder 
Nutzen versprechen. Der volksthümliche Glaube und Brauch 
der Neugriechen, welcher nur für die Mythologie (im weitesten 
Sinne), sowie für. die sogenannten Religions- und Privat- 
alterthümer in Betracht kommen kann, ist nicht das Einzige, 
was das heutige Griechenland ausser seinem Boden und den 
auf ihm erhaltenen monumentalen Resten des Alterthums 
für die Erforschung seiner Vorzeit an die Hand gibt. .Um 
von der Menge belehrender und veranschaulichender Einzel- 
heiten hier abzusehen, welche sonst in Erscheinung, Tracht, 
Charakter, Gerätschaften, Schmucksachen und überhaupt in 
dem ganzen Leben und Treiben der jetzigen Bewohner, zu- 
mal in den abgelegeneren Gegenden, dem aufmerksamen 
Beobachter entgegentreten, 1 ) so ist die lebende Volkssprache 
mit ihren zahlreichen örtlichen Mundarten , sowohl in Hinsicht 
des Sprachschatzes, als auch der Formen und der Aussprache, 2 ) 
ein unverächtliches Unterstützungsmittel für ein vertieftes 
Studium des Altgriechischen. Auf germanischem Gebiete hat 



') Wer sich davon überzeugen will, der möge die Reisewerke 
namentlich von Pashlcy, Fellows und Newton in die Hand nehmen. 

*) Damit soll natürlich keineswegs behauptet werden, dass die 
heutige Aussprache iu allen Stücken die alte sei. 

Schmidt, ürioch. Märchen, Sagen «.Volkslieder. 4 



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— 50 — 



man längst die Bedeutung der lebendigen Volksdialekte für 
das Studium des älteren Sprachzustandes anerkannt, und es 
ist erfreulich zu sehen, dass jetzt endlich auch unter den 
Vertretern der klassischen Philologie mehr und mehr diese 
Ueberzeugung sich Bahn bricht, nachdem lange Zeit eine 
entschiedene Abneigung der meisten Philologen gegen eine 
Berücksichtigung des Neugriechischen zu bemerken gewesen 
war. 1 ) Hat doch neuerdings auch die königl. preussische 
Akademie der Wissenschaften dieser Ueberzeugung Ausdruck 
verliehen, indem sie Michael Deffner in Athen f zur Unter- 
stützung seiner Forschungen über neugriechische Volkssprache' 
eine Geldsumme bewilligte, und die Zeit dürfte nicht mehr 
fern sein, wo man die umfassende, wahrhaft wissenschaftliche 
Erforschung dieses Idioms allgemein als eine der klassischen 
Philologie sehr förderliche Aufgabe anerkennt. Sodann können 
die klimatischen Verhältnisse, die Pflanzenwelt, das Thierreich, 
kurz die gesammte Natur des Landes bei sorgfältiger Be- 
obachtung der antiquarischen Forschung trefflich zu Statten 
kommen. Wie fruchtbare Gesichtspunkte insbesondere aus 
der genaueren Kenntniss der griechischen Jahreszeiten für 
Religion, Cultusgebräuche und Zeitrechnung der Hellenen 
sich ergeben, hat neuerdings August Mommsen dargethan, 2 ) 
und es ist im Interesse der Alterthumswissenschaft sehr zu 
wünschen, dass die einschlägigen Publicationen dieses Ge- 
lehrten nicht durch Mangel an Theilnahme ins Stocken ge- 
rathen möchten. Es wird niemandem einfallen, diese ver- 
schiedenen indirecten Quellen den directen an Bedeutung 
gleichzustellen. Aber sie principiell abzuweisen wäre einseitig 
und pedantisch. Dass Mangel an Vorsicht und Kritik bei 



') Ueber diese sonderbare Erscheinung hat einige sehr richtige Be- 
merkungen gemacht der treffliche italienische Gelehrte Comparctti bei 
Gelegeoneit seiner Anzeige der Deville* sehen Schrift über den tsako- 
nischen Dialekt in Kuhn's Zeitschrift XVIII, S. 132 f. 

') Die griechischen (attischen) Jahreszeiten mit Bezug auf Reli- 
gionsgebräuche und Sitten, in den Verhandl. der 27. Versamml. deut- 
scher Philologen in Kiel, S. 147 — 156. — Derselbe, Mittelzeiten. Ein 
Beitrag zur Kunde des griech. Klimas. Schleswig 1870. Derselbe, Griech. 
Jahreszeiten, unter Mitwirkung Sachkundiger herausgegeben, Heft I 
— IV, Schleswig 1873—76 (Heft I enthalt: neugriech. Bauernregeln, 
vom Herausgeber, Heft II : das Klima von Athen , von Ludwig Mat- 
thiessen, Heft HI: Zeiten des Gehens und Kommens und des Brfltens 
der Vögel in Griechenland und Ionien , Heft IV: Klima von Corfu, 
lanina und Smyrna, von F. Biisser). 



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- 51 — 



Benutzung derselben auf Abwege führen kann, ist doch 
wahrlich kein Grund ; um sie überhaupt zu verschmähen; als 
ob nicht der gleiche Mangel bei Anwendung unserer schrift- 
lichen, inschriftlichen und monumentalen Quellen die gleichen 
Folgen nach sich zöge. Und hat nicht Wachsmuth selbst 
in demjenigen Abschnitte seines Werkes über die Stadt Athen 
im Alterthum, welcher f die attische Ebene nach Boden- 
beschaftenheit , Klima und Atmosphäre' bespricht, von den 
jüngsten sorgfältigen Beobachtungen über die heutigen kli- 
matischen Verhältnisse und den Vegetationswechsel in Attika 
zur Vervollständigung und lebendigen Erläuterung der spär- 
lichen Nachrichten und Andeutungen der Alten über diese 
Punkte einen sehr ausgiebigen Gebrauch gemacht? ') Er 
schickt zwar voraus, dass der Rückschluss aus der Gegenwart 
auf das Alterthum in diesen Dingen an sich nicht zwingend 
sei, findet aber doch, dass die Angaben der Alten soweit sie 
reichen und gerade an entscheidenden Punkten so gut zu den 
gegenwärtigen Verhältnissen stimmen , dass man hotten dürfe, 
im Wesentlichen mit der Schilderung der jetzigen Zustände 
auch die antiken richtig zu zeichnen. Ich kann hiernach nicht 
annehmen, dass Wachsmuth mit seinen ehedem ausgesprochenen, 
oben angeführten Ansichten vollständig gebrochen hat, niuss 
mich aber nun allerdings um so mehr verwundern, dass er 
für meine auf ein ganz ähnliches Ziel gerichteten Bestrebungen 
ein so geringes Verständniss zeigt. Ueber Glaube und Sitte 
der Hellenen ist uns aus dem Alterthum selbst im Ganzen 
doch nur wenig Zusammenhängendes überliefert, und das 
Gebäude der Mythologie und noch mehr dasjenige der gottes- 
dienstlichen und der sogenannten Privat-Alterthümer beruht 
zu einem grossen Theile auf Verknüpfung einer Menge nicht 
selten sehr knapper, ungenauer oder auch unklarer Einzel- 
bemerkungen. Wo nun nachweislich althellenische Vorstel- 
lungen oder Sitten im heutigen Griechenland unter dem Volke 
sich wiederfinden, da kann und soll diese lebendige Volks- 
tradition, vorausgesetzt, dass sie sorgfältig erforscht und in 
ausführlicher Darstellung vorgelegt wird, fördernd und auf- 
klärend wirken. Darin sehe ich den Haupt werth der For- 
schungen auf dem Gebiete des neugriechischen Volksthums, 



') S. besonders S. 100. 107. 109-111. 

4« 



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- 52 — 



und diesen Nutzen nehme ich z. B. für meine Mitteilungen 
über Opfergebräuche , über den Glauben an Hausgeister, 
Neraiden, Moeren u. a. allerdings in Anspruch;') auch sei 
hier' noch darauf hingewiesen, eine wie gewichtige Unter- 
stützung durch den Volksglauben der Neugriechen die von 
mehreren Gelehrten aufgestellte, auf deutliche Spuren aus 
dem hellenischen Alterthum selbst gestützte und nach meiner 
Ueberzeugung vollkommen richtige Ansicht erhält, dass die 
etruskische Bedeutung des Charon als Todes- und Unterwelts- 
gottes auch die ursprünglich griechische, dass also Charon 
mit Pluton eigentlich identisch sei. 2 ) 

Es handelt sich also zunächst und hauptsächlich gar nicht 
darum, eine durch alte Zeugnisse nicht belegte Vorstellung 
oder Sitte der heutigen Griechen dem Alterthum zuzuweisen, 
sondern darum, altgriechische Nachrichten durch die lebendige 
Ueberlieferung der Neugriechen zu ergänzen oder schärfer 
zu beleuchten. Wie man das eine Uebertragung des für die 
deutsche Mythologie durch eine Nothlage erzwungenen Zu- 
standes auf das klassische Gebiet nennen kann , ist mir un- 
erfindlich. Wenn Wachsmuth geltend macht, dass auf dem 
Gebiete der niederen Mythologie und des Aberglaubens doch 
ohne Zweifel auch in den langen Jahrhunderten vom Ausgang 
des Alterthums bis auf die Gegenwart f eine weitere Ausbildung 
und Gestaltung' stattgefunden habe, so Hesse sich dagegen 
bemerken, dass, gleichwie es für den Sprachforscher nicht 
unwichtig ist , eine Sprache oder einzelne Sprachformen durch 
alle Stadien ihrer Entwickelung hindurch bis zu ihrem Ver- 
falle zu verfolgen, ebenso auch für den Mythologen der 
successive Wandel mythischer Vorstellungsweise belehrend 



') Es möge mir gestattet sein, weil nun einmal der Gegenstand 
darauf leitet, an dieser Stelle anzuführen, wie z. B. das Capitel über 
die Neraiden von K. Dilthey, einem Gelehrten, der seine Competenz 
auf mythologischem Gebiete durch manche schöne Abhandlung dar- 
gethan hat, in der archäol. Zeitung, N. F., B. VI, 1878, S. IM, A. 4 
beurtheilt wird. Ks heisst daselbst: 'Ueberhaupt sind B. Schmidts 
Mittheüungen über die Neraiden von unschätzbarem Werth ; sie bieten 
nach verschiedenen Seiten Stotf, die hier angeregten Gedankenreihen 
fortzuspinnen und zu stützen. Ks scheint, dass in diesem wie in vielen 
anderen Stücken der griechische Volksglaube keine wesentlichen Ver- 
änderungen seit dem Alterthum erlitten hat.' Weitere briefliche Aeus- 
serungen desselben übergehe ich gern, wie sehr sie auch zur Bestä- 
tigung des oben Gesagten dienen könnten. 

«) Vgl. Volksl. d. Neugr. I, S. 222 ff. 



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- 53 - 



sein müsse, er übrigens das Spätere unschwer zu erkennen 
und vom Früheren zu unterscheiden wissen werde. Allein 
dies ist, von der Verfinsterung mancher heidnischer An- 
schauungen unter dem Einflüsse des Christenthums abgesehen, 
in Griechenland sicher nicht in grossem Umfang der Fall 
gewesen, wie eben mein Buch deutlich zeigt, und es hängt 
das mit der schon oben berührten Thatsache zusammen, dass 
keine neue Cultur über Griechenland gekommen ist, daher 
denn auch die neugriechische Sprache der altgriechischen 
noch viel näher steht, als irgend eine lebende europäische 
Sprache ihrer Wurzel. Setzen wir einmal den Fall, wir 
hätten über den Glauben der Hellenen an die Nymphen oder 
an die Moeren "oder au schlangengestaltete Hausgeister aus 
dem Alterthum selbst keine Kunde und wären nur auf Rück- 
schlüsse aus den entsprechenden Vorstellungen der Neugriechen 
angewiesen: würde denn das Bild der antiken Zustände, das 
diese wiederspiegeln, ein so gar ungetreues und verschwom- 
menes sein? 

liebrigens habe ich nirgends, wie Wachsmuth mir unter- 
legt, unserer Wissenschaft einen sehr reichen Gewinn aus 
der genauen Knude von Glaube und Brauch der Neugriechen 
ausdrücklich verheissen: ich zog es vor mein Buch für sich # 
allein sprechen zu lassen, und selbst ein geringer Gewinn in 
dieser Beziehung würde immerhin anzuerkennen sein, da 
genug Bücher über das Alterthum geschrieben werden, durch 
welche dessen Erkenntniss nicht um einen Schritt weiter ge- 
fördert wird. Um aber hierüber ein allgemeines Urtheil 
fällen zu können, niüsste mau doch erst die Vollendung des 
Werkes abwarten. 

Ueberhaupt ist die ganze Waehsmuth'sche Recension 
meines Buches ein wahres Muster nörgelnder Polemik, und 
wenn ich einem jungen Manne an einem Beispiele klar 
machen wollte, wie man nicht recensiren soll, so könnte 
ich kaum ein geeigneteres finden als diese Anzeige. Hierfür 
möge mir der Leser gestatten noch einige Belege beizubringen. 
Bei Zusammenstellung der äusserst geringen directen Spuren, 
welche der Zeuscultus in Griechenland zurückgelassen, hatte 
ich S. 27 auch den von Soutsos bezeugten kretischen Ausruf 
nKOuie uou Ztuve 9ee angeführt. Ich sagte, man nehme an, 
dass in dem Wort Zuuve der Name des Zeus erhalten sei, 



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- 54 - 

und in der That könne dasselbe kaum auf andere Weise ge- 
deutet werden. Die Art meines Ausdrucks zeigt zur Genüge, 
dass es mir fern lag, die Sache als eine ganz sichere hin- 
stellen zu wollen. Wachsmuth selbst hatte ehedem (S. 19), 
mit Beziehung auf dieselbe Nachricht, geäussert, dass sich 
der Name des Zeus 'vielleicht' in einen kretischen Schwur 
geflüchtet habe, dann aber in einer Anmerkung (S. 50) hin- 
zugefügt, dass ihm die Sache sehr bedenklieh sei wegen des 
in Nordalbanien üblichen Schwärs rrep -reve Zöve, d. i. 'bei 
dem Herrn.' Dazu bemerkte ich, dass, da albauesische Ein- 
wanderungen in Kreta meines Wissens nicht stattgefunden, 
dieses Bedenken mir nicht erheblich zu sein scheine. Hier- 
gegen bietet nun Wachsmuth, obwohl er zugesteht, dass auch 
ihm von einer solchen Einwanderung nichts bekannt sei, 
nicht weniger als drei Druckseiten auf und sucht mir zu be- 
weisen, dass auch sonst albauesische Wörter in das kretische 
Idiom eingedrungen seien. Selbst wenn dieser Versuch ge- 
lungen wäre , würde damit noch immer nicht viel bewiesen 
sein, denn es ist doch etwas ganz anderes, ob irgend ein 
Fremdwort in die tägliche Rede sich Eingang verschafft hat 
• oder ob es in einer volksthüralichen feierlichen Schwurformel 
• erscheint, welcher letztere Fall eine viel stärkere Berührung 
mit dem fremilen Volke voraussetzen würde. Von den Türken 
z. B. haben die Griechen bekanntlich ziemlich viele Wörter 
in ihre Volkssprache aufgenommen, allein eine türkische 
Schwurformel hat wohl noch niemand in derselben nach- 
gewiesen. Indessen diese ganze linguistische Abschweifung 
hätte Wachsmuth in seinem eigenen Interesse besser unter- 
lassen. Denn dass er in der griechischen Vulgarsprache nicht 
hinreichend bewandert ist, woraus ich ihm übrigens an sich 
keinen sonderlichen Vorwurf machen will, habe ich schon 
früher an einigen Beispielen zu zeigen Gelegenheit gehabt, 1 ) 
und was nun gar das Albanesische betrifft, so dürfte seine 
Kenntniss darin schwerlich weiter reichen, als das Hahn'sche 
Wörterverzeichniss. Da wird denn u. a. die Behauptung ge- 
wagt, dass das kretische ßouice, welches 'Mist' bedeute, und 
das nach den ihm gewordenen Informationen weder slavisch 
noch türkisch sei, vielmehr albancsisch scheine. Freilich ist 



'} Gott, gel. Anzeigen v. J. 1865, S. 5181'. 



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— 55 — 



es weder slavisch noch türkisch, aber ebenso wenig albanesisch, 
aus dem einfachen Grunde, weil es — gut griechisch ist. 
Hätte er sich nur weiter informirt bei einem Kenner des 
Vulgargriechischen oder auch nur bei einem griechischen 
Studenten, deren ja in Göttingen sicherlich zu finden waren, 
so würde ihm die Belehrung geworden sein, dass ßouice (f|) 
mit ßouc zusammenhängt und speciell den Ochsenmist be- 
deutet. Das Wort kommt in verschiedenen Formen vor, am 
nächsten der kretischen steht die auf Kalymnos, Patmos, 
Leros und einigen anderen Inseln gebräuchliche Form ßouTCid 
oder ßouZid; auf Rhodos sagt man ßuubia, eine Form, die, 
beiläufig bemerkt, zu den Resten des Dorismus auf diesem 
ehemals dorischen Eiland gehört, 1 ) auf Thera ßoubid, auf 
Kythnos ebenso und daneben auch ßouvid, und diese letztere 
Form ist die verbreite falte. •) Das albanesische ßouce-a, d. i. 
Mistkäfer, worauf der Recensent verweist, ist demnach grie- 
chisches Lehnwort. Da übrigens das soeben besprochene 
kretische Wort von Bibylakis im Philistor (IV, S. 513), wel- 
chen Wachsmath citirt, ganz richtig durch KÖTrpoc toö ßoöc 
erklärt wird, so wäre es gewiss auch ihm selbst ein Leichtes 
gewesen , die Etymologie desselben zu erkennen , wenn nicht 
der Eifer, mir zu widersprechen, die Klarheit seines Blickes 
getrübt hätte. Bezüglich des zweiten mit einer gewissen Be- 
stimmtheit von ihm für albanesisch gehaltenen Wortes vdKCtpa 
beschränke ich mich der grossen Unsicherheit der Sache halber 
auf die Bemerkung, dass dasselbe nicht blos auf Kreta, sondern 
auch auf Thera gebräuchlich ist. 3 ) Um nunmehr auf jenen kre- 
tischen Schwur zurückzukommen, so wiederhole ich, dass mir die 
Beziehung desselben auf Zeus keineswegs zweifellos erscheint, 
aber doch auch nicht so unsicher oder unglaublich, dass man 
die ganze Sache einfach über Bord zu werfen berechtigt wäre. 
Wenn mein Recensent bemerkt, dass die Auctorität der Notiz 
ohnehin nur auf dem r voreingenommenen , Soutsos beruhe, 



') Vgl. Volksl. der Neugr. I, S. 9. 

*) Benetoklis in d. '€<pnu€pk twv <t>iXoMa90üv 1862, S. 2177. Bal- 
lindas ebend. 1861, S. 1S4». Petalas Möuütiköv Tfjc OnpcüKnc Theene 
(Athen 1876), S. 41; ßouvia = xönpoc ßujbiou ist auch bereits bei 
Korai's "ÄTaKTct IV, I, S. 59 verzeichnet. Auf Zakynthos sagt man 
cßouvid mit einem in der Volkssprache öfters dem Anlaut vorgesetzten c. 

a ) vdKCtpa, iä, = »i (puciKf) büvauic toO äv8pdmou: Petalas a. a. 0. 
S. 105. 



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so sollte man doch mit dergleichen Schlagwörtern nicht so 
rasch bei der Hand sein, am wenigsten, wenn man selbst, 
wie seiner Zeit Wachsniutb, von den übrigen Mittheilungen 
dieses 'Voreingenommenen' unbedenklich Gebrauch gemacht 
hat; und wenn er weiter hinzufügt, Baron Ow könne nicht 
in Betracht kommen, so erwidere ich, dass ich auf dessen 
Mittheilungen im Allgemeinen allerdings sehr wenig gebe 
und sie daher auch viel seltener benutzt habe als Wachsmuth 
selbst; dass ich aber in diesem besondren Falle seine Nach- 
richt gänzlich zu unterdrücken um so weniger Grund hatte, 
als dieselbe von Soutsos' Notiz etwas abweicht, woraus her- 
vorzugehen scheint, dass er aus einer anderen Quelle geschöpft 
hat. Seltsam ist übrigens, dass mein Kecensent aus eben 
diesem Ow, der hier nicht in Betracht kommen soll, doch 
S. 2öV) einen 'Nachtrag' zu meinen Mittheilungen gibt. End- 
lich kann ich auch den Schluss aus dem Schweigen des 
Chourmouzis über jenen kretischen Schwur nicht gelten 
lassen, da dessen kleine Schrift über Kreta doch in keiner 
Hinsicht als eine 'erschöpfende betrachtet werden kann, und 
überhaupt auch dem sorgfältigsten Forscher auf diesem Felde 
sich sehr leicht manches entzieht, was ein anderer ohne 
Mühe durch einen Zufall gewinnt. — Indem ich die Zeug- 
nisse über die den Moeren vom weiblichen Geschlechte zu 
Theil werdende Verehrung zusammenstellte, brachte ich 
(S. 217 f.) dasjenige des Briten Galt, wonach junge heiraths- 
lustige Athenerinnen am ersten Abend des Neumonds am 
Ufer des Iiissos, in der Nähe des Stadion, denselben ein aus 
Honig, Salz und Brod bestehendes Opfer darbringen, mit der 
Nachricht Pouqueville's in Verbindung, nach welcher in Athen 
die Frauen, um fruchtbar zu werden oder leichte Geburt zu 
erlangen , an einem Felsen in der Nähe der Kallirrhoe sich 
reiben und dabei die nämlichen Wesen anrufen, ihnen gnädig 
zu sein, denn die beiden bezeichneten Orte sind entweder 
identisch oder doch einander sehr benachbart, und ich konnte 
unter diesen Umständen nicht umhin, auf die Wahrschein- 
lichkeit — denn Sicherheit lässt sich ja in solchen Dingen nicht 
erreichen — eines Zusammenhangs dieser Bräuche mit dem 
vor Alters in dieser Gegend bestehenden Cultus der Aphro- 
dite Urania als ältester der Moeren hinzuweisen, zumal 
da ein ganz analoger Fall in einem andren Theile Griechen- 



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- 57 - 



lands vorzuliegen scheint: denn in einer Grotte am Fusse 
des Riganigebirges werden oder wurden bis in unser Jahr- 
hundert hinein den Moeren von Seiten hei rathslustiger junger 
Mädchen Kuchen- und Honigopfer dargebracht, und in der- 
selben Gegend erwähnt Pausanias eine der Aphrodite ge- 
weihete Grotte, in welcher besonders Wittwen die Göttin 
um Wiederverheirathung anflehten. Es will mir scheinen, 
als ob Wachsmuth an diese Combination von vorn herein 
nicht mit der erforderlichen Unbefangenheit des Urtheils 
herangetreten sei. Er selbst hatte ehemals der erwähnten 
Notiz Pouqueville's eine nach dessen deutlichen Worten ganz 
unmögliche Beziehung auf den bekannten Rutschfels am 
Nymphenhügel gegeben, worin ich nur eine Uebereilung 
sehen konnte. Wenn er nun jetzt (S. 253 f.) bemerkt, von 
einem derartigen Felsen in der Nähe der Kallirrhoe wisse 
ausser dem 'flüchtigen* Pouqueville niemand etwas, und er 
habe deshalb, keineswegs blos (?) in Folge einer Ueber- 
eilung, die Notiz desselben auf den zu gleichen Zwecken be- 
nutzten Rutschfels am Nymphenhügel beziehen zu müssen 
geglaubt, so wird die Sache dadurch freilich etwas anders: 
nur hätte er da nicht unterlassen sollen, diese seine Ab- 
weichung von Pouqueville anzumerken und zu begründen, 
da es doch sonst nicht Sitte ist, dass man für eine bestimmte 
Thatsache ohne Weiteres auf einen Gewährsmann verweist, 
der von dieser Thatsache gar nicht redet. Dass Pouqueville 
mit Vorsicht zu benutzen sei, habe ich selbst (S. 24, A. 1) 
hervorgehoben, und ich bin mir bewusst, diese Vorsicht in 
etwas höherem Grade geübt zu haben als seiner Zeit Wachs- 
muth. 1 ) Allein die Nachricht, um die es sich hier handelt, 
zu beanstanden sehe ich keinen triftigen Grund: Pouque- 
ville's Worte lassen an Bestimmtheit und Klarheit nichts zu 
wünschen übrig, und offenbar geht seine Mittheilung auf 
Fauvel, den langjährigen französischen Consul in Athen, zu- 
rück, in dessen Begleitung er seine archäologische Wanderung 
durch die Stadt machte. Eine gewisse Stütze erhält sie ja 
obenein eben durch Galt's Zeugniss. Das von diesem Be- 
richtete bezieht nun freilich Wachsmuth auf den unterirdischen 
Gang des Stadion, in welchem gleichfalls den Moeren geopfert 



') Vgl. meine Bemerkungen in d. Gött. gel. Anz. 1865, S. 514. 



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wird. Allein das ist nicht minder willkürlich. Denn Galt 
spricht von einem Orte am Ufer des Iiissos in der Nähe 
des Stadion: jener Gang aber befindet sich bekanntlich keines- 
wegs am Ufer des Iiissos, sondern ziemlich weit davon ent- 
fernt ganz am Ende des Stadion, abgesehen davon, dass, wenn 
Galt's Berichterstatter diesen gemeint hätte, er sicherlich nicht 
von einem 'Orte', sondern eben von einem unterirdischen 
Gange oder einer Höhle gesprochen haben würde. Und wenn 
Wachsmuth hinzufügt, es sei jedenfalls charakteristisch, dass 
alle modernen Cultstätten der Moeren in Grotten seien, so 
ist das freilich leicht behaupten, wenn man sich über ein 
entgegenstehendes Zeugniss ohne Bedenken hinwegsetzt. — 
S. 246 hält Wachsmuth den ävaiKaÖouuevoc , d. i. den 'Auf- 
hockenden', wie nach ausdrücklichem Zeugniss der Vainpyr 
auf der Insel Tenos genannt wird (der ja wirklich auch nach 
dem sonstigen neugriechischen Volksglauben den Leuten auf- 
hockt, vgl. S. 165 meines Buches), für identisch nicht mit 
dem Vampyr, sondern vielmehr mit dem sogenannten Kali- 
kantsaros, einem anderen dämonischen Wesen der Neugriechen. 
Sollten das die Bewohner von Tenos nicht besser wissen, als 
ein wenn auch noch so gelehrter deutscher Professor? — 
Unter den Beispielen von dem Uebergang hellenischer Mythen 
auf Heilige der griechischen Kirche habe ich S. 43 die an- 
muthige Legende von dem die erste Rebe pflanzeuden hei- 
ligen Dionysios, welche Professor Christian Siegel von einem 
böotischen Bauer hörte und die in Hahn 's Märchensammlung 
veröffentlicht ist, ihrer Wichtigkeit wegen vorangestellt. Die- 
selbe war ehemals meinem Recensenten als Schmuck für 
seinen Vortrag recht gelegen gewesen. Jetzt aber erklärt 
derselbe S. 243: er wolle doch nicht verschweigen, dass 
mehrere hellenische Bekannte und Freunde ihm den bestimm- 
ten Verdacht geäussert, dass diese Erzählung ein eigenes 
Product von Siegel sei. Hat sich Wachsmuth wohl gehörig 
überlegt, was für einen schweren Verdacht er hiermit auf 
einen Mann lenkt, an dessen Name kein Makel haftet? Man 
denke sich: Hahn bittet seinen vielgewanderten Freund um 
einen Beitrag zu seiner Märchensammlung, falls er einen 
solchen zu geben im Stande sei, und dieser sendet dem 
Freuude — ein eigenes Fabrikat! Wer in Griechenland ge- 
wesen ist, sollte doch wissen, dass die Griechen gegen jeden 



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Fremden, der in ihrem Lande etwas Wichtiges findet oder 
erforscht, Neid empfinden, und dass leichtsinniges Verdäch- 
tigen zu ihren Hauptfehlern gehört. Die Sage, um die es 
sich handelt, bietet in ihrer reizenden Einfachheit und Natür- 
lichkeit durchaus nichts, was zu' einem Misstrauen berechtigte. 
Zum Ueberfluss hat mein Freund Dr. Richard Schillbach in 
Potsdam, der Siegel genau kennt, bei ihm in Athen gewohnt 
hat und mit ihm gereist ist, auf mein Befragen mir erklärt, 
dass er denselben eines derartigen Betrugs für durchaus un- 
fähig halte. Und somit erfülle ich nur eine Pfiicht, wenn 
ich den Landsmann, der sich selbst zu vertheidigen gar nicht 
in der Lage ist, gegen den unbesonnenen Angriff auf seine 
Ehre hiermit in Schutz nehme. — S. 69 habe ich des Brauchs 
der Seeleute gedacht, dem in Sturmesnoth um Hülfe ange- 
rufenen Heiligen nach glücklicher Rettung ein Schiffchen 
von Gold oder Silber darzubringen. Dass die alten Griechen 
denselben gekannt, lasse sich, so fügte ich hinzu, meines 
Wissens nicht bestimmt nachweisen, könne aber, zumal in 
Anbetracht der sonstigen zahlreichen Analogien zwischen 
neugriechischer und hellenischer Sitte in Bezug auf Weih- 
geschenke, nicht bezweifelt werden; möglicher Weise sei 
das im J. 1862 im Erechtheion aufgefundene eherne Schiff, 
das als Lampe gedient zu haben scheine, von einem Seefahrer 
aus gleichem Anlass in Jenes Heiligthum gestiftet worden. 
Diese letztere, wie mein Ausdruck lehrt, ganz anspruchslos 
und beiläufig gemachte Bemerkung, .die, hätte ich sie unter- 
drückt, vielleicht irgend einer meiner Recensenten würde 
nachgetragen haben, nennt Wachsmuth eine ziemlich gewagte 
Vermuthung und macht dagegen geltend, dass jene antike 
Lampe ja wohl sicher als Cultusgeräth gedient habe! Als 
ob man nicht gerade auch Gegenstände, die zum Gebrauch 
im Cultus dienten, schon im Alterthum, gleichwie heut- 
zutage, als Weihgeschenke dargebracht hätte! Ich ver- 
weise meinen Recensenten auf S. 67 und 68 meines Buches, 
wo er mehrere Belege dafür finden kann. Was derselbe 
weiter noch über den nämlichen Punkt hinzufügt, kommt 
ja schliesslich eben auf das als das wahrscheinlichste hinaus, 
was ich selbst nur als möglich bezeichnet hatte. — In dem 
Abschnitte über die Dämonen S. 91 ff. habe ich zunächst 
gezeigt, welche Wesen das Volk unter diesem Namen ver- 



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steht, dass zu dem Begriffe des Dämon vor allem die gegen- 
sätzliche Stellung zur christlichen Weltordnung, die Theil- 
haberschaft an einem ihr widerstrebenden Reiche gehört, 
wie dies zum Theil auch in den sonstigen Bezeichnungen 
derselben ausgedrückt liegt. Demnach mussten von den Dä- 
monen alle diejenigen Wesen abgetrennt werden, welche, 
obwohl dem Heidenthum angehörig, doch nicht in Gegensatz 
zum Christenthum treten, sondern entweder unvermittelt neben 
demselben hergehen, wie die Ortsgeister und die Moeren, oder 
sogar in den Dienst des christlichen Gottes gestellt erschei- 
nen, wie namentlich Charos. Diese meine Unterscheidung 
beruht auf langem sorgfältigen Nachdenken, und dass sie 
richtig ist, beweist schon der eine Umstand, dass von den 
zahlreichen allgemeineren Namen, mit denen das Volk die 
Dämonen benennt, und die ich an jener Stelle aufgeführt 
habe, kein einziger jemals z. B. auf die Moeren angewendet 
wird. Trotzdem findet der Recensent S. 200 'die principielle 
Abtrennung der Moiren von den Dämonen nicht hinlänglich 
gerechtfertigt'! Mit so leicht hingeworfenen Worten stösst 
man aber eine reiflich erwogene Ansicht noch nicht um. 

Diese Beispiele, die sich noch beträchtlich vermehren 
Hessen, hätte ich die Geduld meiner Leser nicht schon zu 
lange auf die Probe gestellt, werden zur Genüge zeigen, in 
welchem Geiste die Wachsmuth'sche Reeension abgefasst ist. 
Ich will daher zum Schlüsse nur noch bemerken, damit man 
den Grad der Aufmerksamkeit erkenne, mit welcher der 
Recensent mein Buch gelesen hat, dass unter denjenigen 
Dingen, welche er am Ende seiner Besprechung als Nach- 
träge geben zu müssen glaubt, nicht weniger als drei sich 
befinden, die von mir erwähnt worden sind. Bei dem all- 
gemeinen Abschnitt über die 'Dämonen, sagt Wachsmuth, 
hätte er gern die Bemerkung gesehen, dass als Sitz derselben 
namentlich jede Art von Höhlen, Felsgrotten, unterirdischen 
Gemächern gilt. Dies steht bei mir zu lesen genau da, wo 
jener es zu sehen wünscht, nämlich S. 93. Die vom Recen- 
senten vermisste Nachricht über den an eine grosse Höhle 
in den pierischen Bergen sich knüpfenden Volksglauben habe 
ich sehr ausführlich mitgetheilt S. 125. Auf die von ihm 
vermisste Notiz de la Guilletiere's über die Höhle am taena- 
rischen Vorgebirge habe ich verwiesen S. 248, Anm. 1 . Unter 



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61 - 



den übrigen Nachtrügen ist nicht weniges, was ich entweder 
als zu geringfügig absichtlich weggelassen oder dem in dieser 
Vorrede gegebenen Ueberblick über die griechischen Orts- 
sagen von vornherein vorbehalten hatte. 

Wenn ich auf die Kritik meines Buches von Seiten 
Wachsmuth's ausführlicher eingegangen bin, so geschah es, 
weil derselbe früher auf dem nämlichen Gebiete gearbeitet 
hat und daher seiner Stimme von den dem Gegenstand ferner 
Stehenden leicht ein gewisses Gewicht könnte beigelegt wer- 
den. Mit Herrn Döring's Anzeige werde ich mich nicht so 
lange aufhalten, und würde das selbst dann nicht thun, wenn 
seine Bemerkungen nicht schon durch das bisher Gesagte 
zum grössten Theil widerlegt wären. Derselbe behauptet, ich 
erkläre die von mir begründete Disciplin (?) für eine neue 
Hülfsdisciplin der Alterthums Wissenschaft, so gutwie Topo- 
graphie, Epigraphik, Archäologie. Es bedarf wohl 
kaum erst der Versicherung, dass ich nirgends so thöricht 
und ungeschickt gesprochen habe. Für Herrn Döring glänzen 
nun aber der Hellenen 'unvergängliche Culturdenkmäler im 
hellsten Sonnenlichte der Geschichte', und mit dieser schönen 
Phrase, die nur demjenigen ansteht, der seine ganze Weisheit 
vom Alterthum aus dürftigen Compendien zu schöpfen ge- 
wohnt ist, glaubt er über mein Buch und seine Zwecke das 
Urtheil gesprochen zu haben. Was bedarf es denn da wei- 
terer Forschung? Herr Döring hat nun zwar eigentlich die 
löbliche Absicht, sein Urtheil über den der Alterthumswissen- 
schaft aus meinem Buche erwachsenden Gewinn bis nach 
Vollendung desselben aufzusparen, indessen kann er doch 
nicht umhin, am Schlüsse seiner Uebersicht über den Inhalt 
des ersten Theils zu dieser Frage zurückzukehren, und da 
findet er 'das Resultat allerdings gering*. In manchen Fällen, 
fügt er recht naiv hinzu, fühle man allerdings antikes Leben 
sich näher gebracht, und S. 96 erlange eine Stelle Theokrits 
durch eine neugriechische Vorstellung eine auffallende Illu- 
stration. Allein das alles ist für den sehr gewissenhaften 
Recensenten eben doch nur ein 'geringes Resultat'. — Wie 
unreif das Urtheil dieses gestrengen Herrn im Einzelnen ist, 
mag folgendes Beispiel lehren. Die alte bis zum Ueberdruss 
wiederholte Mär von der Ersetzung des Helios durch den 
heiligen Elias in christlicher Zeit, an welche gegenwärtig 



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— 02 — 

in Deutschland sicherlich kein einziger Gelehrter mehr glaubt 
— auch Wachsmuth, der die Sache in seinem Vortrag wieder 
vorgebracht hatte, ist ohne Zweifel davon zurückgekommen, 
wie seine Aeusserungen in dem Buche über die Stadt Athen 
im Alterthum I, S. 53 ff. lehren können — , diese Mär also 
erscheint Herrn Döring noch jetzt sehr einleuchtend, und 
meine S. 48 gegebene Widerlegung derselben — thatsHchlich 
nur eine kurze Zusammenfassung der schon längst von ande- 
ren dagegen erhobenen schlagenden Einwendungen — stützt 
sich nach dem Ausspruch dieses Kundigen 'auf ziemlich 
schwache Gründe'! — Auf S. 512 sagt mein Recensent: f Zu 
den Reiseschriften könnte noch hinzugefügt werden die Schrift 
von Henry M. Baird, Modern Greece: a narrative of a resi- 
dence and travels in that country; with observations on its 
antiquities, literature, language, politics and religion New-York 
1856, die freilich nicht gerade viel Ausbeute liefern möchte.' 
\ Er kennt also diese Schrift gar nicht, und ihm selber scheint 
es zweifelhaft, ob sie mit Nutzen herangezogen worden wäre. 
Allein vorgebracht musste das gleichwohl werden, da es nun 
einmal Princip des handwerksmässigen Recensententhums ist, 
auf alle Fälle etwas nachzutragen. 

Jeder, der ■ eine Arbeit unternimmt, die aus dem alt- 
gewohnten Geleise der zünftigen Wissenschaft einigermassen 
heraustritt, muss darauf gefasst sein, dass einzelne aus was 
immer für Gründen ihn anfechten und den Nutzen seiner 
Bestrebungen in Zweifel ziehen. Es ist dies das Schicksal 
alles Neuen, und es liessen sich aus andren Wissenschaften 
ganz analoge Fälle anführen. Man darf sich dadurch nicht 
verstimmen lassen. Und so werde ich denn, soweit sonstige, 
mir gleich sehr am Herzen liegende Studien und Gesundheit 
es erlauben, den eingeschlagenen Weg weiter gehen, trotz 
Herrn Döring's und seiner Gesinnungsgenossen 'Sonnenlichte', 
welches mir denn doch noch nicht hell genug strahlt, als 
dass ich nicht das lebhafte Bedürfniss empfände nach mehr 
Licht. 

Freiburg i. B. 

B. S. 



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I. 

Märche n. 



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1. 

J)ie Fauleiizerm. 

Zakynthos. 

Es war einmal ein junges Mädchen, das war sehr faul 
und überliess immer seiner Mutter die Arbeiten, die ihm sel- 
ber oblagen. So wuchs es auf, und die Zeit kam heran, da 
es sich zu verheirathen wünschte. Da kaufte ihm seine Mut- 
ter eine Menge Garn, um Strümpfe zu stricken und Leinwand 
zu Hemden und andern Kleidungsstücken zu weben. Ein 
Jahr gab die Mutter der Tochter Zeit, ihre Ausstattung her- 
zurichten: das Jahr darauf sollte glie Hochzeit sein. Aber die 
Tochter Hess das ganze Jahr verstreichen, ohne zu arbeiten. 
Als nun der Tag der Trauung immer näher rückte und sie 
sah, dass nichts fertig war, da weinte sie Tag und Nacht und 
war ganz untröstlich. In der letzten Nacht vor "der Hochzeit 
erschienen auf einmal drei Frauen vor ihr. Die eine von 
ihnen hatte eine Nase, die war so gross, dass sie bis auf die 
Füsse hinabhing; die zweite hatte eine Unterlippe von ähn- 
licher Länge; die dritte endlich hatte einen Hinteren, der war 
grösser als die ganze Person. 1 ) Und sie sprachen zu dem 
Mädchen: 'Wir sind drei Schwestern, die eine von uns heisst 
Mytü, die andere Tsachilü und die dritte Kolli. 2 ) Fürchte 
dich nicht vor uns, liebes Kind. Denn siehe, wir sind deine 



') Eine auf Zakynthos häufig gebrauchte hyperbolische Aus- 
drucksweise. 

*) Mutoö, Tcax€«XoO, KujXoö, von puTrj (Nase), x^'Xoc (Lippe) und 
küjXoc (Hintere) gebildet. Die neugriechischen Feminina auf oö ent- 
sprechen genau den altgriechischen auf uj, wie KXu>6uj. Die erste Silbe 
in TcaxciXoö dient zur Verstärkung des Begriffes und ist ohne Zweifel 
aus dem alten Praefixum la- entstanden. 

Schmidt, (iriech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 5 



— 06 — 



Moeren. Wir haben dir das Los zugetheilt, dass du eine 
Faulenzerin bist, 1 ) doch wollen wir dich nicht als solche auch 
vor deinem Bräutigam erscheinen lassen. Wir sind gekom- 
men, dir zu helfen. Gib nur dein Garn her. Die eine von 
uns ist Weberin, und weil sie bei ihrer Arbeit bald nach 
links bald nach rechts sich wendet und die Nase beständig 
hin und her bewegt, davon ist diese so gross geworden. Die 
andere ist Nähterin, und darum hat sich ihre Lippe sp weit 
herunter gezogen, indem sie sie beständig mit dem Finger 
berührt, um diesen zu netzen und den Faden zu drehen. Die 
dritte von uns ist Strickerin, und von dem ewigen Hocken 
auf einem Fleck hat sie einen so grossen Hinteren bekom- 
men.' Das Mädchen gab den drei Frauen das Garn. Nun 
machten sich diese an die Arbeit, und in einer Stunde war 
alles vollendet, was die Faule in einem Jahre hatte machen 
sollen. Jetzt brachen die Moeren wieder auf, indem sie zu 
ihr sagten: 'Sieh, wir haben dir dies alles gemacht und ver- 
langen keinen Lohn dafür. Nur bitten wir dich uns zu er- 
lauben, dass wir morgen zu deiner Hochzeit kommen.' — 'Ei 
mit Vergnügen antwortete das Mädchen. Arn folgenden 
Abend war alles bereit zur Hochzeit. Da Hessen sich auf 
einmal grosse Freudenrufe vernehmen, und Wagen rollten 
eilends daher. Gleich darauf öffnete sich die Thür, und herein 
traten die drei Moeren, gingen auf die Braut zu, küssten sie 
und setzten sich neben ihr nieder. Da fragte der Bräutigam 
seine Braut ganz verwundert, ob sie diese Weiber kenne, und 
wie es komme, dass sie so verunstaltet seien. 'Ja,' antwortete 
die Braut, 'das sind Freundinnen von mir/ und nun erzählte 
sie ihm, auf welche Weise sie so hässlich geworden. Da 
sagte er, von Verwunderung und Angst zugleich erfüllt, zu 
seiner Braut: 'Ei, ich will ein schönes Weib haben und nicht 
ein hässliches. Damit es dir also nicht auch so gehe, wie 
diesen Frauen, sollst du nimmer arbeiten.' So erfüllte denn 
das Mädchen ihr Geschick. 



') '€|iek c£ ^oipdvajie, dKa^dxpa vd t[ca\. 



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- 67 - 
2. 

Der Spruch der Moeren. 

Steiri. 

Anfang des Märchens. Guten Abend euch allen! 1 ) Es 
war einmal in alten Zeiten ein junger Mann, ein Kaufmann, 
lieisst es, der befand sich auf der Reise, und als es dunkel 
wurde, kehrte er in einem Hause ein. Die Fiau seines Wir- 
thes hatte kurz vorher ein Kind bekommen , und zwar ein 
Mädchen. Als nun die Leute im Hause sich schlafen legten, 
legte sich auch der Fremde nieder. Es war schon ein Theil 
der Nacht verstrichen, da hörte er drei Frauen sprechen. Er 
horchte auf, um zu vernehmen, was sie sagten. Da hörte 
er, dass von dem neugeborenen Kinde die Rede war. Die 
eine sagte: c Es soll einen guten Mann bekommen, wenn's 
gross geworden.' Das nämliche sagte auch die zweite. Die 
dritte aber sprach: 'Nein! Es soll keinen andern Mann be- 
kommen, als den Fremden, der hier auf der Erde liegt und 
schläft.' Als das der Fremde hörte, ward er zornig und 
sprach zu sich: f VVas? Ich, ein kräftiger Mann von dreissig 
Jahren, soll diesen Teufel da heirathen?' Uud damit stand 
er auf, ergriff das Kind und warf es zum Fenster hinaus. Es 
fiel aber mit der Seite auf einen Pfahl und wurde angespiesst. 
Nun machte sich der Fremde aus dem Staube. Als nun am 
Morgen die Mutter aufstand und ihr Kind nicht mehr sah, 
suchte sie es in allen Ecken und fand es endlich an dem 
Pfahle hängend gleich einem kleinen Weinschlauch. Sie nahm 
es herunter und pflegte es gut, und das Kind genass. Nach 
Verlauf vieler Jahre beschloss jener Kaufmann sich zu ver- 
heirathen und hielt bei vielen an, erreichte jedoch seinen 
Zweck nicht. Nach einiger Zeit holte er sich eine Frau aus 
einem andern Orte. Als nun am Abend beide zu Bette 
gingen, bemerkte der Mann, dass seine Frau in der Seite 
eine grosse Narbe hatte. Er fragte sie, woher das komme, 
und da erzählte sie ihm, wie einst, als sie kleiu war, ein 
Fremder, der im Hause ihres Vaters eingekehrt, sie zum Fen- 
ster hinausgeworfen habe, und wie sie auf einen Pfahl ge- 
fallen und an der Stelle, wo die Narbe zu sehen, angespiesst 

') 'Apx^ T oö irapa|uu6ioö * *aki) cir^pa cac! 

5* 



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— 68 — 

• 

worden sei. Da sagte ihr Mann zu ihr: f Höre, Weib, ich 
war jener Fremde, von dem du sprichst. Ich hörte da- 
mals die Moeren sagen, das neugeborene Kind solle mich 
zum Manne bekommen, darüber ärgerte ich mich, da ich 
bereits dreissig Jahre alt war. Nun. sieh, wie die Moeren es 
fügen: was sie einmal bestimmen, daran ändern sie nichts.' 1 ) 
So sprachen sie mit einander und schliefen gut, und wir 
noch besser. 



3. 

Die gute Schwester. 

Ebendaher. 

Ks waren einmal ein König und sein Weil), die Königin, 
und sie hatten eine Tochter. Eines Tages bekam die Königin 
auch ein Knäblein. In der dritten Nacht nach der Geburt 
kamen die Moeren, um dem Kleinen sein Los zuzutheilen; 
und seine Schwester, die in seiner Nähe schlief, wachte auf 
und hörte, was sie redeten. Die eine von ihnen sprach: 'Er 
soll, wenn er drei Jahre alt ist, ins Feuer fallen und ver- 
brennen.' Die zweite sprach: 'Nein! Wenn er sieben Jahre 
alt ist, soll er von einem Felsen stürzen.' Die dritte endlich 
sprach: 'Nein! Er soll nicht verbrennen noch von einem 
Felsen stürzen, sondern, wenn er zweiundzwanzig Jahre alt 
ist und sich verheirathet hat, soll am ersten Abend, da er 
mit seiner jungen Frau schlafen geht, eine Schlange oben 
vom Dachstuhl' 2 ) herunterkommen und ihn beissen ' Die 
Schwester merkte sich alles genau, was die Moeren gesagt 
hatten; sie Hess ihren kleinen Bruder nie allein und hatte 
immer Acht auf ihn. Obgleich sie schon erwachsen war und 
in dem Alter stand, wo die Mädchen heirathen, so wollte sie 
doch seit jenem Tage, wo sie die Moeren so Schlimmes hatte 
verkünden hören, weder andere Kleider anlegen noch an Fest- 
lichkeiten Theil nehmen, obwohl sie doch eine Prinzessin 
war, noch wollte sie heirathen; sondern sie schlich einher, 



') Krj irctpcuTnpci irwe t6 cp^pvi rj Moiptjc" 8, xi Ypd<pvi, blv Ec- 
Ypdq>vi. 

*) dir' ri) ndva. - Das Märchen überträgt hier die Einrichtung 
eines griechischen Bauernhauses auf einen Palast. 



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- 69 - 



wie eine Unglückliche, und weinte immer. Ihr Vater und 
ihre Mutter blickten mit grosser Betrübniss auf sie und frag- 
ten sie, warum sie so traurig sei Allein weder ihren Eltern 
noch irgend einem andern wollte sie's gestehen; sie blickte 
nur immer auf ihren Bruder und weinte. Als dieser nun 
drei Jahre alt war, näherte er sich eines Tages dem Feuer, 
das er schüren und" mit den Flammen spielen wollte. Schon 
war er nahe daran hineinzufallen und sich zu verbrennen, da 
riss ihn die Schwester noch hinweg, und so entrann das 
Kind dem bösen Schicksal, welches die erste der Moeren ihm 
vorausbestimmt hatte. Es wuchs nun heran und wurde sehr 
wild; und eines Tages, da es mit den andern Kindern spielte, 
war es eben daran, von einem Felsen hinab in die Tiefe zu 
stürzen, da sprang seine Schwester, die ihm überall hin folgte, 
rasch herbei, fasste ihren Bruder beim Hemd und zog ihn 
zurück. . Und so entrann er auch dem andern bösen Schicksal, 
welches die zweite der Moeren ihm vorherbestimmt hatte. 
Er wurde allmählich gross und wurde ein sehr schöner Jüng- 
ling. Und als er das zweiundzwanzigste Jahr erreicht hatte, 
verheirathete er sich und nahm ein sehr schönes Mädchen, 
und das war auch eines Königs Tochter. Am ersten Abend 
nun, als das junge Paar sich niederlegen wollte, stürzte sich 
eine furchtbare Schlange, wie ein Balken so stark und noch 
stärker, vom Dachstuhl wüthend auf den Prinzen herab und 
drohte ihn zu verschlingen. Aber da war wieder seine Schwe- 
ster zur Stelle mit dem Schwerte ihres Vaters, und in dem 
Augenblicke, da die Schlange auf ihren Bruder losfuhr, zückte 
sie das Schwert und schlug sie todt. Und somit entrann 
jener auch dem von der dritten der Moeren ihm bestimmten 
Schicksal. Nun, da die drei Gefahren überstanden waren, 
von denen die bösen Moeren gesprochen hatten, erklärte die 
Tochter ihrem Vater und ihrer Mutter, aus welchem Grunde 
sie keine andren Kleider hatte anlegen, nicht an Festlich- 
keiten Theil nehmen und nicht heirathen wollen, so viele und 
so gute Männer auch ihre Eltern ihr vorgeschlagen, und 
warum sie ihrem Bruder überall hin nachgegangen sei. Jetzt 
entschloss auch sie sich zum Heirathen und bekam einen 
guten Mann. Und ihr Vater und ihre Mutter gaben ihr was 
sie nur wünschte, zum Danke für ihren Edelsinn und für die 
Liebe, die sie ihrem Bruder bewiesen. Und der Bruder schenkte 



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- 70 - 

ihr noch mehr. Und so blieb das Königreich nicht ohne 
Erben, und die Tochter machte noch eine sehr gute Partie, 
wie ihr edles Herz es verdiente. — So handeln die guten 
Schwestern ! 



4. 

Der König mit den Bocksohren. 

Zakynthos. 

Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein junger 
Bursch, der ging, nachdem sein Vater gestorben war, in 
Trauerkleidern auf die Wanderschaft, immer der Nase nach. 1 ) 
Indem er so dahin wanderte, sah er am Wege ein Schilfrohr 
stehen, das schnitt er ab und machte sich eine Flöte daraus. 
Als er nun auf der Flöte bliess, Hess diese die Worte ertönen: 
r Der König, der fünffach verschleierte, hat Bocksohren. ' 2 ) Er 
zog, immer auf der Flöte spielend, weiter und kam endlich 
in die Stadt des fünffach verschleierten König*. Dieser König 
hatte wirklich Bocksohren, und seine Moeren hatten einst 
den Ausspruch gethan, dass, wenn sein Volk dieses erführe, 
er sterben werde. Darum war sein Kopf stets mit fünf 
Schleiern verhüllt, und niemand durfte sein Gesicht sehen 
ausser seinem Barbier, und der allein wusste, wie die Sache 
stand. Als nun der König von der Ankunft des jungen Man- 
nes Kunde erhielt und erfuhr, was derselbe von ihm sage, 
gerieth er in Zorn, beschied sofort seinen Barbier zu sich 
und befahl ihm unter Drohungen anzugeben, wem er das 
Geheimniss verrathen habe. Der Barbier antwortete ihm 
zitternd, an dem ersten Tage, da er das Geheimniss erfahren, 
sei er nicht im Stande gewesen es bei sich zu behalten; er 
habe es jedoch keinem Menschen offenbart, sondern habe 
in den Erdboden ein Loch gegraben, seinen Mund hinein- 
gesteckt und es der Erde anvertraut; an dieser Stelle nun 
sei das Rohr emporgewachsen, aus welchem der Jüngling 



') öttou iöoöv t& jad-na tou, eine besonders in der Märchenspraehe 
häufige Redensart, deren Sinn durch die obige freiere Uebersetzung 
mir am besten wiedergegeben zu werden schien. 

*) 'O ßaciXiäc ö -rrevT^ßeXoc £x €l TpdYtvo aüxi. — irevxtßeXoc ist aus 
■nlvTt und dem italienischen velo gebildet. 

\ 



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- 71 - 



sich seine Flöte gemacht, und nicht dieser, sondern die Flöte 
hringe das Geheimniss an den Tag. Der König liess den 
Jüngling kommen, und dieser berichtete ihm unerschrocken 
die Wahrheit. Da rief der König, indem er des Spruchs 
seiner Moeren gedachte, seine Tochter zu sich, welche das 
schönste Mädchen auf Erden war, gab sie dem jungen Manne 
zur Frau and setzte diesen zu seinem Nachfolger ein. Hier- 
auf zog er die Schleier von seinem Haupte weg, umarmte 
die Neuvermählten und verschied. Die lebten nun glücklich, 
wir aber hier noch glücklicher. 



5. 

Die drei Citronen. 

Ebendaher. 

Es lebte einmal und zu einer gewissen Zeit ein König, 
der hatte einen sehr schonen Sohn. Dieser ging eines Tags 
auf die Jagd, und als er so durch Wälder und über Berge 
schweifte, gelangte er an einen Garten und war eben in 
Begriff hineinzugehen, doch da besann er sich plötzlich an- 
ders, denn er gewahrte viele wilde Thiere, welche unter einem 
Citronenbaume lagen und brüllten. Der Citronenbaum stand 
in der Mitte des Gartens, und an ihm hingen drei goldne 
Früchte, während seine Blätter verwelkt waren. Betrübt 
darüber, dass er die Citronen nicht bekommen konnte, kehrte 
der Jüngling wieder um. Auf dem Heimweg begegnete er 
einem Mönche, welcher seine Traurigkeit bemerkte und zu 
ihm sagte: 

f Was weinst du denn und härmest dich, 
Mein liebes, gutes Söhnlein? 
Jiist wohl bergauf bergab gestreift 
Und nun erschöpft vom Hunger?") 



«) T( KXctlc Kai ti |uapa(v€cai, 

TTmöi umi dYairnu^vo; 
Mnrcwc £ir£pacec *rä ßouvä 
Kai ckai Treivaq^vo; 

(In V. 3 habe ich aus Kücksicht auf das Mehrum Tä ßouvd geschrieben 
für txoMä ßouvä, wie mir mitgetheilt ward). 



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- 72 - 



'Nein,' antwortete der Königssohn, 

'Doch einen Garten sali ich, der 

In goldnen Früchten prangte, 

Und hält die Wacht ein grimm'ger Leu, 

Das« mir im Herzen bangte.") 

'Fürchte dich nur nicht,' versetzte darauf der Mönch, 'ich 
bin der Gärtner dieses Gartens, und wenn du die goldnen 
Citronen abzuschneiden wünschest, so will icli dir sagen, 
wie du das anfangen musst. Höre mich au ! Nimm recht 
viel Fleisch mit dir und wirf es dem Löwen und den übrigen 
wilden Thieren vor, da werden sie dich die Citronen nehmen 
lassen.' Der Jüngling küsste hierauf dem Mönche dankend 
die Hand und kehrte heim. Am andern Morgen aber stand 
er frühzeitig auf, versah sich mit Fleisch, wanderte wieder 
nach dem Garten, fütterte die wilden Thiere, schnitt, ohne 
von ihnen belästigt zu werden, die drei goldnen Citronen ab, 
steckte sie in seine Tasche und trat dann wieder den Rück- 
weg an. Als er so dahin zog, ward er sehr durstig, und er 
beschloss die eine der drei Citronen aufzuschneiden, um durch 
ihren Saft sich zu erfrischen. Wie er aber schnitt, da sprang 
auf einmal eine schöne Jungfrau aus der Frucht heraus: die 
bat ihn um Wasser, und da er nicht im Stande war ihr wel- 
ches zu geben, hauchte sie sofort ihr Leben aus. Sehr be- 
trübt über diesen Vorfall zog der Jüngling seines Weges 
weiter. Da der Durst ihn fortwährend quälte, so schnitt er 
auch die zweite Citrone auf, und da ging's ihm ebenso, nur 
war das Mädchen, das heraussprang und dann verschied, noch 
schöner als das erste. Er beschloss nun die dritte Citrone 
so lange aufzuheben, bis er an eine Quelle mit Wasser käme. 
Als er endlich eine solche fand, schnitt er auch die dritte 
Citrone auf, und mit einem Male sprang ein wunderschönes 
Mädchen heraus, dessen Schönheit die Sonne verdunkelte. 
Da schöpfte der Königssohn eilig Wasser aus der Quelle, be- 
sprengte die Jungfrau damit und erhielt sie auf diese Weise 
am Leben. Schnell war sein Entschluss gefasst, sie zur Frau 
zu nehmen. Als er ihr aber diese Absicht mittheilte, sprach 



') Mä clba Kf|Tro bpocepö 

NU 9pOÖTTa (DOpTUUU^VO, 

Kr) £va Xiovxdpi iroÜTo "ku 
NU lxe\ (poßtqu^vo. 



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- 73 - 

sie: 'Nein, gel) erst allein nach Hause und erzähle deinen 
Eltern die Sache, mich aher lass einstweilen hier oben auf 
diesem Maulheerbaum, dann komm zurück und hole mich ab. 
Aber sieh dich vor, dass deine Mutter dich nicht küsse, denn 
sonst wirst du mich vergessen.' Also hob sie der Königs- 
sohn auf den an der Quelle stehenden Maulbeerbaum und 
nahm unter Thränen von ihr Abschied. Er hatte sich noch 
nicht eine Viertelstunde weit entfernt, als eine Mohrin, die 
von ihrer Herrin abgeschickt war, um Wasser zu holen, an 
die Quelle kam. Als diese im Wasser den Schatten des Mäd- 
chens erblickte, das auf dem Baume sass, vermeinte sie ihr 
eigenes Bild zu schauen und rief aus: 

•Ei sieh k wie wunderschön bin ich! 
Und Wasser holen heisst man mich!") 

Dabei warf sie ihren Krug zu Boden, dass er zerbrach, und 
kehrte nach Hause zurück. Und hier sagte sie das nämliche 
zu ihrer Herrin, der Lamnissa. Die schalt das Mohrenmäd- 
chen aus, machte sich aber dann selbst — denn sie merkte 
wohl, wie die Sache sich verhalten mochte — auf den Weg 
nach der Quelle. Dort angekommen gewahrte sie, als sie in 
die Höhe blickte, die Jungfrau auf dem Baume und sprach 
zu ihr: 'Steig herunter, dass ich dich fresse.' Jene aber 
antwortete: f Geh nach Hause, knete den Teig, backe und 
dann komm zurück, mich zu fressen.' Da ging die Lamnissa 
wieder nach Hause, buk in aller Eile Brod und kehrte dann 
zurück, um das Mädchen zu fressen. Nachdem sie es vorher 
noch genöthigt hatte, ihr seine ganze Geschichte zu erzählen, 
frass sie es. Während ihrer Mahlzeit aber fiel, ohne dass 
sie's merkte, ein kleines Knöchelchen ins Wasser und ver- 
wandelte sich sofort in ein Goldfischchen. Nachdem nun die 
Lamnissa das Mädchen aufgefressen hatte, setzte sie an seiner 
Statt sich selber auf den Maulbeerbaum. 

Verlassen wir jetzt die Lamnissa und wenden wir uns 
zum Königssohn! Der gelangte zu Hause an und hütete 
sich wohl davor, dass seine Mutter ihn küsste. Als er aber 
eben im Begriff war sein ganzes Erlebniss seinem Vater zu 
erzählen, versank er, ermüdet wie er war von dem weiten 



) KurtaEe ti öuop<p>| itoö ety* ^dj, 

Kai u£ CT^pvct tl Kupd nou y i & vepö! 



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- 74 — 



Wege, in Schlaf, und während des Schlafes küsste ihn seine 
Mutter. Als er dann am andern Morgen erwachte, da hatte 
er alle Erinnerung an die Geliebte verloren. So verstrichen 
sechs Monate. Da zog er eines Tags mit grossem Gefolge 
zu Pferd auf die Jagd und kam auf seinem Wege zufällig 
an den Maulbeerbaum, auf dem die Lämnissa sass. Als diese 
den Königssohn erblickte, stieg sie sofort vom Baum her- 
unter und erzählte ihm alles, was geschehen war, indem sie 
sich selbst für das von ihm verlassene Mädchen ausgab. 
Jetzt kam ihm wieder die Erinnerung an das frühere Erleb- 
niss, und obwohl ihm die grosse Veränderung der Geliebten 
auffiel, so nahm er doch an, dass die Sonne das bewirkt » 
habe, fiel der Lämnissa zu Füssen, bat sie um Verzeihung, 
hob sie auf ein Pferd und brachte sie nach Hause. Noch 
um selbigen Abend Hess er sich mit ihr unter grossen Feier- 
lichkeiten trauen. Er hatte aber auch das Goldfischchen mit- 
genommen und behielt es in seinem Zimmer, denn er liebte 
es sehr. Da fasste die Lämnissa Verdacht gegen das Fischchen 
und war sehr eifersüchtig darauf. Sie sann und sann, wie 
sie es wohl tödten könnte. Sie stellte sich also krank und 
bestach einen Arzt, der musste aussagen, dass die Prinzessin 
nicht genesen könnte, wenn sie nicht das Goldfischchen zu 
essen bekäme. Der Königssohn hörte das zu seiner grossen 
Betrübniss, allein da es sich um die Gesundheit seiuer Ge- 
mahlin handelte, so gab er seine Einwilligung dazu. Man 
schlachtete also das Fischchen, briet es und gab es der 
Kranken. Sobald diese es verzehrt hatte, fühlte sie sich 
wohler, und nach wenigen Tagen verliess sie das Bett. Die 
Gräten des Goldfischchens aber, die man in den nahen Garten 
der alten Wäscherin des Schlosses geworfen hatte, gingen 
hier auf als ein schöner Rosenstrauch, und daran blühte eine 
prächtige Kose. Eines Tages, als die Alte die Wilsche ins 
Schloss tragen wollte, kam sie auf den Gedanken, auch die 
Rose mitzunehmen, für welche sie ein paar Heller zu lösen 
hoffte. Aber in dem Augenblicke, da sie dieselbe schnitt, 
sprang ein liebliches Mädchen aus dem Rosenstrauch heraus 
und sprach zu der erschrockenen Alten: 'Fürchte dich nicht, 
liebes Mütterchen, ich bin kein böses Mädchen. Sage aber 
ja niemandem, dass ich bei dir bin. Sieh, ich war einst eine 
Königstochter, nach meiner Geburt kamen meine Moeren und 



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- 75 - 



theilfen mir das Los zu,') dass ich das beste und schönste Mäd- 
chen von der Welt sein sollte. Aber als sie darauf wieder die 
Treppe unseres Hauses hinabstiegen, strauchelte die älteste 
von ihnen und fiel hin. Darüber erzürnten sie, kehrten 
wieder um und sprachen zu mir: was sie mir einmal zuge- 
theilt, das sollte ich zwar behalten, aber sobald ich das drei- 
zehnte Jahr erreicht, sollte ich in eine Citrone verwandelt 
werden und in diesem Zustande so lange bleiben, bis jemand 
käme und mich erlöste. Da fand sich der Sohn des Königs 
hier: der befreite mich und erwählte mich zu seinem Weibe.' 
Nachdem die Jungfrau hierauf ihr weiteres Geschick erzählt, 
wie sie von der Lämnissa, der jetzigen Frau ihres Geliebten, 
gefressen, wie sie dann in ein Goldfischchen und hierauf in 
den Rosenstrauch verwandelt worden war, sprach sie zu der 
Alten: 'Trage jetzt deine Wäsche ins Schloss und nimm 
auch dieses Körbchen voll Rosen für den Königssohn mit. 
Doch sage ihm nichts von mir. Den Dienst aber, den du 
mir erweisest, will ich dir schon lohnen.' In diesem Körbchen 
befand sich unter den Kosen auch der Ring, den das Mädchen 
einst vom Köniijssohn erhalten hatte. Die Wäscherin besorgte 
den Auftrag, und als der Königssohn die Rosen aus dem 
Körbchen nahm , fand er auch den Ring. Da schöpfte er 
gleich Verdacht und sagte zur Alten, er werde am folgenden 
Tage sie besuchen , um etwas heimlich mit ihr zu besprechen. 
Freudig kehrte die Alte heim und überbrachte diese Botschaft 
dem Mädchen. Am nächsten Tage kam der Königssohn ganz 
allein in der Alten Wohnung, und da sagte diese zu ihm: 

'Zeig ich dir die Geliebte dein, 
Wirst du sie wiederkennen, 
Sie, die dein Weib, die Lsimnissa, 
Durch deine Schuld gefressen? ' *) 

Nun führte sie rasch die Jungfrau vor ihn , und nachdem 
diese ihrem Geliebten alles erzählt, fiel er unter Thränen ihr 
zu Füssen, bat sie um Verzeihung und versprach ihr, dass 
er ihr Blut rächen werde. Hierauf brachte er sie sammt der 

rjpüave rj Moipatc nqu Kai u£ Suoipävavc vä u. s. w. 
*€Yvu)pi£€e, ä coö £b€txva, 
Tloiä €lv' rj 7ro8r|Tn cou, 
TToö frpaye uiä Adu.vicca 
Tid IS oiTi'ac öiki'i cou; 
Andere geben V.;i u. 4: TToö <5(pn.K€C Kai £<par€ H Aäuvicca f| biKn, cou; 



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- 76 - 

• 

Alien heimlich ins Schloss. Am andern Tage aber veran- 
staltete er ein grosses Gastmahl, zu welchem viele Herren 
und Frauen geladen waren, und unter den erstem viele 
Rechtskundige. Er lenkte das Gespräch auf Verbrechen und 
Strafen; und nachdem er sich lange über diesen Gegenstand 
mit seinen Gästen unterhalten hatte, wandte er sich an seine 
Gattin mit der Frage: *Was für eine Strafe, meinst du wohl, 
soll ich über ein Weib verhängen , welches ein anderes ge- 
fressen hat?' Die Lamnissa stellte sich sehr entrüstet und 
erwiderte: 'Es soll in Stücke gerissen werden.' Da sprach 
der Königssohn: f Du bist dieses Weib und sollst jetzt die 
Strafe erleiden, die du selber vorgeschlagen.' Nun führte 
er rasch seine Geliebte mit der alten Wäscherin herein und 
erzählte allen Anwesenden das Geschehene. Hierauf gab er 
den Befehl, die Lamnissa au vier trunken gemachte Rosse 
anzubinden, um von ihnen in Stücke gerissen zu werden. 
Nachdem dies geschehen, Hess er sich mit seiner Geliebten 
trauen. Seiu Vater zog sich jetzt zurück und überliess ihm 
seine Krone. Die alte Wäscherin aber ward wie die Mutter 
der jungen Königin betrachtet, und der Vater derselben legte, 
nachdem er alles erfahren, die Trauerkleider ab, öffnete seiu 
Haus wieder und eilte daun in die Arme seiner Tochter, 
welcher er seine eigene Krone noch dazu gab. 



6. 

Die verzauberte Königstochter oder der 

Zauberthurm. 

Ebendaher. 

Einmal und zu einer gewissen Zeit lebte ein König, der 
war der grösste, reichste und tugendhafteste unter allen 
Königen, und wegen seines guten Wandels und seiner guten 
Werke liebte ihn Gott sehr. Aus Tugendhaftigkeit hatte er 
sich auch entschlossen, nie eine Frau zu nehmen, sondern 
Junggesell zu bleiben. Doch hätte er gern Kinder gehabt. 
Und eines Tages sass er und weinte und klagte sehr darüber, 
dass er kein einziges Kind hätte, und dass sein Thron viel- 
leicht in schlechte Hände übergehen würde. Da erschien 
ihm ein Engel und sagte ihm, er solle nicht weinen, er 



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- 77 - 

werde ein Kind bekommen aus seiner Wade. Kurze Zeit 
darauf schwoll das eine Bein des Königs an, und eines 
Tages, da er auf der Jagd war, stach er sich einen Dorn 
hinein. Da mit einem Male sprang eine wunderschöne Jung- 
frau aus der Wade, welche am ganzen Körper bewaffnet war 
und Lanze und Helm trug. Aber kaum war sie geboren, 
da wurde sie von einer Lamnissa hinweggerafft und in einen 
grossen und schönen Thurm gebracht. Hier angekommen 
sank sie sofort in Schlaf. 

Zu derselben Zeit nun lebte ein andrer König, der hatte 
einen einzigen Sohn, und den wollte er verheirathen. Der 
Sohn hatte viel reden hören von der im Thurme schlafenden 
Königstochter, welche die schönste von allen Jungfrauen auf 
der Welt sei, aber nicht erwachen könne, wenn nicht ein 
Jüngling sie erlöse. Es kam also dem Königssohn in den 
Sinn , dieses Mädchen sich zu erwerben. Um nun aber zu 
erfahren, wie er das anzufangen habe, ging er zu einer Zau- 
berin und befragte sie darüber. Die sagte ihm, er solle drei 
Thiere beladen, das eine mit Fleisch, das andre mit Getreide 
und das dritte mit Meerläusen. 1 ) Mit diesen drei Thieren 
solle er aufbrechen und immer vorwärts ziehen, bis er an 
ein altes, dem Einsturz nahes Thor gelange, über welchem 
geschrieben stehe: 

'Eine Wade meine Mutter 

Und ein Dornstrauch meine Hebamme.' 2 ) 

Zu diesem Thore solle er sagen: f Ach, was für ein schönes 
Thor ist das/ und dann solle er von seinem Pferde absteigen 
und es reinigen. So werde das Thor nicht einstürzen und 
ihn erschlagen. Nachdem er dann hindurchgegangen, werde 
er auf einige Löwen stossen, die würden drohen ihn zu fressen, 
aber er solle nur nicht zagen, sondern ihnen das Fleisch 
vorwerfen. Hierauf werde er einer ungeheuren Menge Ameisen 
begegnen, und die würden ihn ebenfalls fressen wollen, aber 
er solle ihnen nur gleich das Getreide vorwerfen, da würden 
sie ihn verschonen. Endlich werde er beim Uebergang über 
einen Fluss einen gewaltigen Fisch antreffen, der werde eben- 
falls Miene machen ihn zu fressen. Dem solle er nur die 

') Hȣipcuc toO wcXdrou, 

8 ) "Atco f\ udva uou 

Kai ßdToc i\ uauui'i uou. 



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Säcke mit den Meerliiusen vorwerfen, da werde das Thier 
ihm nichts anhaben. Nachdem der Königssolln diese An- 
weisungen von der Zauberin erhalten hatte, rüstete er alles 
zu, und den andern Tag machte er sich auf den Weg. Er 
kam an das Thor, that, wie die Alte ihn geheissen, und ging 
dann ungefährdet durch. Hierauf traf er auch die Löwen, 
die frassen das ihnen vorgeworfene Fleisch und sprachen 
dann zum Königssohn: 'Hier hast du drei Haare von unsren 
Mähnen, und wenn du in den Fall kommst, unserer zu be- 
dürfen, so wirf nur die Haare ins Feuer, da werden wir 
gleich bei dir sein.' Nun zog der Königssohn weiter und 
kam zu den Ameisen, die verzehrten das ihnen hingeworfene 
Getreide und gaben ihm darauf einen von ihren Flügeln und 
sagten ihm dasselbe, was die Löwen ihm gesagt hatten. Jetzt 
musste er auch den Fluss überschreiten. Da sprang ein un- 
geheurer Fisch heraus, der ihn verschlingen wollte. Aber 
sogleich warf ihm der Jüngling die Meerläuse hin, da Hess 
ihn der Fisch vorüberziehen und gab ihm auch eine Schuppe 
von seinem Leibe und sagte ihm, wenn er ihn brauche, so 
solle er die Schuppe ins Feuer werfen. Nun kam der Jüng- 
ling an dem Thurme an und trat ein, da erwachte sogleich 
die Königstochter, und es waren gerade, seit sie eingeschlafen, 
vierzig Tage und Nächte vergangen. Sobald sie erwacht 
war, sagte sie zu dem Königssohne: 'Ach, du bist also der- 
jenige, der mich befreien wird. Aber du hast noch viel zu 
bestehen. Die Alte, die Lämnissa, wird dich in einen grossen 
Raum einschliessen, da befinden sich in der einen Hälfte vier 
Tausend Rinder, und die andre ist mit Weizen, Gerste und 
Mais in bunter Mischung angefüllt. Und in einem einzigen 
Tage musst du von den Rindern abtrennen und ordnen die 
Eingeweide, die Häute, die Bäuche, das Fleisch und die Kno- 
chen. Von den durch einander liegenden Getreidekörnern aber 
musst du an demselben Tage jede Art aussondern. Am Abend 
wird dann die Alte eine Nadel in den Fluss werfen, die du 
binnen einer Viertelstunde finden musst.' Den andern Morgen 
ward der Königssohn in den grossen Raum eingeschlossen. 
Da nahm er aus seiner Tasche die drei Haare von den Mäh- 
nen der Löwen und warf sie ins Feuer. Sogleich waren die 
Löwen zur Stelle, und diese mit ihren Zähnen und ihren 
Tatzen tödteteu die Rinder und verrichteten die vorgeschrie- 



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- 79 — 

bene Arbeit vollständig. Darauf warf der Königssohn auch 
den Flügel, den er von den Ameisen erhalten hatte, ins 
Feuer. Sofort kamen diese und ordneten mit dem Munde 
das ganze Getreide. Am Abend kam die Alte mit der Jung- 
frau herein und sah zu ihrem Erstaunen, dass alles gemacht 
war. Nun führte sie den Königssohn an den Fluss und warf 
die Nadel hinein. Der hatte aber bereits die Schuppe, die 
er vom Fisch bekommen, ins Feuer geworfen, und in dem 
Augenblick, da er ins Wasser sprang, eilte der Fisch herbei, 
ergriff die Nadel und brachte sie ihm. So stieg der Königs- 
sohn mit der Nadel wieder aus dem Wasser heraus und gab 
sie der Alten zurück. Nun ergriff er seine Geliebte und 
setzte mit ihr auf das andere Ufer des Flusses, wo die Ameisen 
und die Löwen waren. Die Lamnissa aber wollte die Königs- 
tochter auch jetzt noch nicht ziehen lassen und rief den 
Löwen und den Ameisen zu, sie sollten den Jüngling fressen. 
Aber vergebens! Da jagte sie selber den Fliehenden nach, 
um die Königstochter wieder zu gewinnen, die aber warf 
einige Haare hinter sich, und aus ihnen entstand ein grosser 
See, der zwischen den Fliehenden und der Lamnissa sich 
ausbreitete, und diese nöthigte von der Verfolgung abzu- 
stehen. Der Königssohn brachte seine Geliebte glücklich 
nach Hause und verheirathete sich mit ihr. Und Gott, der 
das Mädchen sehr liebte, verlieh ihm als Mitgift die Gabe, 
die Zukunft zu schauen, und erhob es so wie zu einer Göttin. 



7. 

Die Herrin über Erde und Meer. 

Ebendaher. 

Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein König, 
der hatte drei Söhne. Eines Tages begab er sich auf die 
Reise, und bei seiner Rückkehr brachte er jedem seiner Söhne 
ein Geschenk mit. Dem ältesten gab er ein Bild von der 
Herrin über Erde und Meer. 1 ) Als der Königssohn dieses 
Bild sah, wurden seine Sinne bezaubert von seiner Schönheit, 

und er wollte die Herrin über Erde und Meer aufsuchen, 

• 

') tc»^ Kupäc Tcfj ff\c Kai tct\ 6aXäccn,c 



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- 80 _ 



um sie sich zum Weibe zu nehmen. Da er aber nicht wusste, 
wo sie wohnte, noch wie er's anzufangen hätte, um sie zu 
gewinnen, beschloss er sich an eine Zauberin zu wenden. Er 
ging also zu einer solchen, und die sagte ihm, er müsse den 
Weg einschlagen, der nach seinem Namen benannt sei: auf 
diesem Wege werde er einen Bogen finden von solcher Be- 
schaffenheit, dass wer mit ihm schiesse unmöglich das Ziel 
verfehle. Er werde aber auch zwei sehr lange und dicke 
Haare finden, das seien Haare von dem Wurm mit den drei 
Köpfen. Die solle er aufheben und mit ihnen und dem 
Bogen den Weg zur Herrin über Erde und Meer antreten. 
Um nun aber in deren Wohnung zu gelangen, müsse er den 
Weg zur Rechten seines Schlosses einschlagen, da werde er 
an eine Erdöffnung kommen, diese führe zu ihrem Palaste. 
Wenn er bei ihr angekommen sei, werde sie zunächst von 
ihm verlangen, dass er ein Flaschehen zerschiesse, ohne die 
Taube zu tödten, welche dasselbe in ihrem Schnabel trage. 
Mit dem Bogen werde er dies vollbringen. Hierauf werde 
sie ihm aufgeben, die Haut des dreiköpfigen Wurms und das 
Geweih, 1 ) das derselbe auf seinen Häuptern trage, ihr zu 
bringen. Da solle er die Haare nehmen und ihr eines Ende 
an seinen Händen befestigen, das andere aber hängen lassen. 
Wohin er nun merke, dass die Haare ihn zögen, dahin solle 
er gehen. So werde er zu dem Wurm gelangen. Der werde 
ihn fressen wollen, aber er solle nur Muth haben und sich 
nicht vor seiner Grösse und seinen gewaltigen Zähnen fürch- 
ten , sondern ihm schnell einen grossen Haufen Erde hin- 
werfen, die müsse er aber vorher sich verschaffen, denn dort 
gebe es keine Erde, sondern nur Steine. Wenn der Wurm 
an der Erde sich satt gefressen, werde er einschlafen, und 
nun solle er ihn tödten, ihm die Haut abziehen und auch 
das Geweih von seinen Häuptern nehmen. Als der Königs- 
sohn diese Rathschläge vernommen hatte, suchte er zuerst 
den Bogen und die Haare, und nachdem er beides gefunden, 
machte er sich auf nach dem Schloss der Herrin über Erde 
und Meer. Nach langer Wanderung kam er dort an. So- 
bald die Herrscherin ihn erblickt und von ihm gehört hatte, 
dass er . gekommen sei sie zu freien, theilte sie ihm mit, 



') tö KÖKKaAo, d. i. eigentlich 'Knochen'. 



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X 



— 81 — 

welche Befehle er vorher auszuführen habe. Und Tags darauf 
erhob sie sich, weckte den Jüngling und führte ihn, begleitet 
von ihrem ganzen Gefolge, in eine sehr schöne Gegend. Auf 
einen Schlag mit einer Ruthe erschien sofort eine schöne 
Taube vor ihr. Nun nahm sie ein Fläschchen aus der Tasche 
und band es um den Hals der Taube und gab dem Jüngling 
auf, es zu zerschiessen , ohne die Taube zu tödten. Als er 
sich zum Schusse vorbereitet, liess sie die Taube fliegen. Der 
Königssohn traf die Flasche, und die Taube flog unbeschä- 
digt zurück und liess sich auf ihrer Herrin nieder. Die sagte 
nichts, sondern schwieg. Am folgenden Tage aber sagte sie 
zu dem Jüngling, er müsse ihr noch die Haut des dreiköpfigen 
Ungeheuers und das Geweih, das es auf seinen Häuptern 
trage, binnen vier und zwanzig Stunden bringen. Da brach 
der Königssohn am andern Morgen frühzeitig auf, und nach- 
dem er sich die Haare an die Hände gebunden, merkte er, 
dass sie ihn nach dem Meere zogen, in der Richtung auf 
ein kleines Eiland zu, welches wie ein einziger Stein aussah. 
Am Strande angekommen füllte er zwei Säcke mit Erde, be- 
stieg ein kleines Fahrzeug, das er dort vorfand, und landete 
drüben an der Insel. Hier sah er aus einer Höhlung drei 
Häupter hervorblicken mit feuersprühenden Augen und Mäu- 
lern, die Flammen aushauchten, dass einen schauderte. Aber 
der Königssohn warf dem Ungeheuer schnell die Erde hin, 
an der sättigte es sich ,' und dann kroch es ganz aus seinem 
Loch heraus und legte sich schlafen. Da versetzte ihm der 
Jüngling einen tödtlichen Stich, zog ihm dann die Haut vom 
Leibe, riss auch das Geweih von den Häuptern ab und kehrte 
damit zur Herrin über Erde und Meer zurück. Die liess 
nun einen prächtigen Wagen zurecht machen, stieg mit ihrem 
zukünftigen Gemahl hinein — und in einem Augenblick 
waren sie in dessen Lande. Hier verheiratheten sie sich und 
lebten einige Jahre zusammen, aber immer herrschte Unfriede 
unter ihnen, und eines Tages gerieth die Herrin über Erde und 
Meer in solchen Zorn, dass sie den Wassern gebot die ganze. 
Erde zu überschwemmen. Da ertranken sämmtliche MWK 
sehen. Sie aber schwebte in der Luft und schaute pi&v/Nfttffe 
dem nun alle Menschen ertrunken und die 4 \^as#?fc wjie^jf 
abgelaufen waren, stieg sie auf die Erde Jjßrj^eÄ.jfn^jm^cJj^ 
neue Menschen, indem sie Steine säe$p. 1fJ #iff^ V^ e 4f Fichte 

Schmidt, Oriech, Märchen, Sagen a. Volkglieder. 6 



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0 



- 82 - 

sie wieder die ganze Welt von dem Throne aus, auf dem 
sie war geboren worden. 



8. 

Der goldne Apfel des unsterblichen Yogels. 

Ebendaher. 

Es lebte einmal ein König, der hatte eine Tochter, die 
war das schönste Mädchen auf der ganzen Welt. Da es nun 
Zeit war sie zu verheirathen , so machte der König bekannt, 
wer den goldenen Apfel aus dem Garten des unsterblichen 
Vogels, des ewig brennenden und nie verbrennenden, seiner 
Tochter zu bringen vermöchte , der solle ihre Hand erhalten. 
Niemand getraute sich dies auszuführen. Da geschah es, dass 
ein Jüngling, als er die Königstochter sah, von so mächtiger 
Liebe zu ihr ergriffen wurde, dass er beschloss alles zu wagen, 
um sie zu erwerben. Er wandte sich also an eine Zauberin, 
um sie zu fragen, auf welche Weise er in den Besitz jenes 
Apfels gelangen könne. Die antwortete ihm, er solle seine 
Flinte nehmen und den Weg rechts von ihrer Wohnung 
einschlagen; und alle Vögel, die er unterwegs antreffen werde, 
bis er in. den W r ald gelange, worin der unsterbliche Vogel 
wohne, solle er tödten. In dem Walde angekommen werde 
er einen Alten finden, der mit Schläuchen handle; von diesen 
solle er einige kaufen und sie an der im Walde iiiessenden 
Quelle mit Wasser füllen. Dann solle er sie nach dem Schlosse 
in der Mitte des Waldes tragen. Vor der Thür des Schlosses 
stehe ein Apfelbaum, an dem hänge der goldene Apfel. 
'Dieser Baum nun,' so fuhr sie fort, 'wird nach Wasser 
schmachten, begiesse ihn also mit dem Wasser, das du in 
den Schläuchen hast, da wird er dich nicht mit seinen Zweigen 
schlagen, sondern sich vor dir niederbeugen. Nun schneide 
den Apfel ab und flieh eilig davon, denn so du einen Augen- 
blick noch verweilst, werden die wilden Thiere aus dem 
Schloss hervorstürzen und dich fressen.' Der Jüngling that 
ganz wie die Zauberin ihn geheissen, raubte den Apfel und 
kehrte zurück in die Stadt, in der der König wohnte. Als 
das Volk den goldnen Apfel sah, der wie die Sonne strahlte 
und alle Weisen der Erde spielte, führte es den Jüngling 



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— 83 - 



unter grossem Freudengeschrei ins Schloss. Da Hess der 
König schnell den Priester und den Brautführer kommen und 
seine Tochter mit dem Jüngling trauen. Er trat ihnen auch 
seinen Thron ab, und so lebten sie glücklich mit einander, 
wir aber sind hier noch besser daran. 



9. 

Prinz Krebs. 

Ebendaher. 

Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein Fischer, 
der hatte ein Weib und drei Kinder. Er ging täglich auf 
den Fischfang, und was er fing, verkaufte er an den König. 
Eines Tags fing er unter den Fischen einen goldnen Krebs. 
Als er zu Hause ankam, legte er die Fische in eine Schüssel, 
den Krebs aber that er, weil er so schon war, oben auf den 
Schrank. Wie nun die Alte, seine Frau, die Fische ab- 
schuppte und dabei ihren Rock aufgeschürzt hatte, so dass 
ihr Fuss sichtbar war, da hörte sie eine Stimme, die rief: 

f LaB8 geschwind dein Röcklein nieder, 
Dass man nicht dein Füsschen sieht.' *) 

Sie sah sich um, da bemerkte sie das kleine Ding, den 
Krebs, und sagte: 'Sprechen kannst du, du närrischer 
Krebs V Und nun nahm sie ihn und legte ihn in eine Schüssel. 
Als ihr Mann nach Hause kam, setzten sie sich zu Tische. 
Auf einmal hörten sie den Krebs, wie er zu ihnen sagte: 
'Gebt mir doch auch ein Bisschen !' Darüber geriethen alle 
in Erstaunen, gaben ihm aber zu essen. Als nachher der 
Alte den Teller, auf welchen er das Essen für den Krebs 
gethan hatte, wieder wegnehmen wollte, fand er ihn voll 
von Gold. Von dem Augenblicke an liebte er den Krebs gar 
sehr, zumal da sich täglich das Nämliche wiederholte. Eines 
Tags nun sagte der Krebs zu des Fischers Frau: 'Geh zum 
König und sag ihm, ich wünschte seine jüngste Tochter zu 
heirathen.' Die Alte ging hin und trug die Sache dem Könige 
vor. Der lachte zwar, dachte aber doch bei sich, es könne 



') KaTaißace tc- ^ouxaAäta cou, 

Kai <paiv€Toi tö wobapuia cou. 

6* 



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— 84 - 



auch irgend ein verzauberter Prinz in dem Krebse stecken. 
Daher sprach er zu der Fischersfrau: 'Geh, Alte, und sage 
dem Krebs, ich wolle ihm meine Tochter geben, wenn morgen 
früh vor meinem Schlosse eine Mauer stehe viel höher als 
mein Thurm, und auf welcher alle Blumen der Welt blühen.' 
Die Frau ging nach Hause und sagte das. Da gab ihr der 
Krebs eine goldne Ruthe und sprach zu ihr: 'Geh und schlage 
damit an der Stelle, die der König dir bezeichnet hat, drei 
Mal auf den Boden, und morgen früh wird die Mauer dort 
stehen.' Das that die Alte und ging wieder weg. Am andern 
Tage, als der König aufwachte, was sah er da? Das, was 
er angegeben hatte, vor seinen Augen. Nun ging die Alte 
wieder zum König und sprach zu ihm: 'Das, was du be- 
' fohlen hattest, ist geschehen.' — 'Ja,' sagte der König, 'aber 
dennoch kann ich meine Tochter nicht hergeben , wenn nicht 
vor meinem Palaste ein Garten entsteht mit drei Quellen, 
von denen die eine Gold rieselt, die andre Diamanten und 
die dritte Brillanten.' Da schlug die Alte wieder drei Mal 
mit der Ruthe auf den Boden, und den andern Morgen war's 
da. Jetzt gab der König seine Einwilligung, und die Hochzeit 
wurde auf den andern Tag festgesetzt. Da sagte der Krebs 
zu dem alten Fischer: 'Hier hast du diese Ruthe, geh und 
klopfe damit an den und den Berg , da wird ein Mohr heraus- 
kommen und dich fragen, was du wünschest. Antworte ihm: 
„Mich hat dein Herr, der König, hergeschickt, dir zu sagen, 
dass du ihm sein goldnes Gewand schicken sollst, das die 
Sonne darstellt." Lass dir ferner auch das Frauenkleid von 
Malama 1 ) von ihm geben, das die Fluren mit den Blumen 
darstellt, und bring mir beides. Und das goldne Kopfkissen, 
auch das bring mir mit.' Der Alte ging hin und führte den 
Auftrag aus. Als er die Sachen gebracht hatte, da zog der 
Krebs das goldne Kleid an und kroch dann auf das goldne 
Kissen. Und so nahm ihn der Fischer und trug ihn ins 
Schloss. Hier überreichte der Krebs das andere Gewand seiner 
Braut. Sie wurden nun getraut und zogen sich dann ins 

') tö jiaXctMaT^vio. — Die gewöhnliche Bedeutung des Wortes nä- 
Xa^a (tö) ist 'Gold'. In den zakynthischen Märchen jedoch wird Mä- 
lania vom Golde wie vom Silber als ein drittes kostbares Metall be- 
stimmt unterschieden. S. Nr. 12. 20. 23. Ebenso in dem Volkslied 
bei Paßsow Nr. 354, 3. Daher habe ich da« griechische Wort in der 
Uebersetzung beibehalten. 



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- 85 



Brautgemach zurück. Da gab sicli der Krebs seiner jungen 
Frau zu erkennen und erzählte ihr, dass er der Sohn eines 
der grössten Könige der Welt sei, dass er aber verwünscht 
worden am Tage Krebs und nur Nachts Mensch zu sein ; und 
so oft er wolle, könne er sich in einen Adler verwandeln. 
Kaum hatte er das gesagt, so schüttelte er sich und ward 
auf einmal ein schöner Jüngling. Den andern Morgen aber 
schlüpfte er wieder in die Krebsschalen, und so geschah's 
täglich. Die ganze königliche Familie war höchst erstaunt 
darüber, dass sich die Prinzessin stets so freundlich und auf- 
merksam gegen den Krebs bewies : sie späheten und späheten, 
konnten aber nichts herausbekommen. So verstrich ein Jahr, 
und die Prinzessin bekam einen Sohn, den nannten sie Ben- 
jamin. Ihre Mutter aber hegte immer grossen Argwohn. 
Eines Tages sagte sie zum Könige, man müsse die Tochter 
über die Sache fragen, ob sie sich vielleicht einen andern 
Gemahl an Stelle des Krebses wünsche. Als nun die Tochter 
gefragt wurde, antwortete sie: 'Dieser war mir bestimmt, 
und nur diesen will ich'. Da sprach der König zu ihr: 'Ich 
werde dir ein Turnier veranstalten und dazu alle Prinzen der 
Welt einladen, und wenn einer von diesen dir gefällt, so 
wirst du ihn heirathen.' Am Abend erzählte die Prinzessin 
das dem Krebs, der sprach zu ihr: c Nimm diese Ruthe, geh 
und klopfe damit an den Garten, da wird ein Mohr heraus- 
kommen und zu dir sagen: „Was willst du von mir und 
warum verlangst du mich?" Darauf antworte ihm: „Mich 
hat dein Herr, der König, hergeschickt, du sollst ihm sein 
goldnes Gewand und seinen Kappen und den silbernen Apfel 
geben." Und bring mir das.* So that sie und brachte es. 
Am folgenden Abend kleidete sich der Prinz an, um sich 
zum Turnier zu begeben. Ehe er ging, sagte er zu seiner 
Gattin: 'Du wirst doch nicht etwa, wenn du mich siehst, 
sagen, ich sei der Krebs? Denn dann werd' ich dich ver- 
lassen. Setz dich mit deinen Schwestern ans Fenster, ich 
werde vorüberreiten und den silbernen Apfel dir zuwerfen, 
den nimm und heb ihn auf. Wenn sie aber dich fragen, wer 
ich sei, so antworte, du wüsstest es nicht.' Hierauf küsste 
er sie, wiederholte noch einmal seine Warnung und ging 
weg. Die Prinzessin trat mit den andern ans Fenster und 
schaute dem Turniere zu. Auf einmal ritt ihr Gemahl vorüber 



* 



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— 86 - 



und warf ihr den Apfel hinauf. Sie nahm ihn und ging 
dann in ihr Zimmer, in welches kurz darauf auch ihr Gemahl 
zurückkehrte. Ihr Vater aber wunderte sich sehr, dass seine 
Tochter über keinen von den Prinzen sich wohlgefällig ge- 
äussert hatte. Er veranstaltete daher noch ein zweites Turnier. 
Da gab der Krebs seiner Gattin denselben Auftrag wie vorher, 
aber dieses Mal war der Apfel, den sie von dem Mohr er- 
hielt, von Gold. Bevor nun der Prinz sich zum Turnier 
begab, sagte er zu seiner Gattin: 'Heute wirst du mich ver- 
rathen.' Sie bestritt es und schwur, dass sie es nicht thun 
werde. Er aber wiederholte seine Behauptung und ging weg. 
Am Abend stand die Prinzessin mit ihrer Mutter und den 
Schwestern am Fenster. Da sprengte plötzlich ihr Gemahl 
auf seinem Ross vorüber und warf ihr den goldnen Apfel zu. 
Da gerieth ihre Mutter in Zorn, gab ihr eine Ohrfeige und 
rief: 'Auch der gefällt dir nicht, du Närrin?' Da rief die 
Tochter in ihrem Schreck: 'Aber das ist ja der Krebs.' Nun 
gerieth die Mutter nur noch mehr in Zörn, dass sie's ihr 
nicht vorher gesagt hatte, eilte in der Tochter Zimmer, wo 
noch die Krebsschalen lagen, nahm sie und warf sie ins 
Feuer. Da weinte die arme Prinzessin sehr, aber es half ihr 
nichts: ihr Gatte war verschwunden. 

Lassen wir jetzt die Prinzessin und wenden wir uns zum 
andern. Einst ging ein alter Mann an einen Bach, um ein 
Brödchen einzutauchen, das er essen wollte. Da kam ein 
Hund ans Wasser, schnappte ihm das Brödchen weg und 
lief davon. Der Alte eilte ihm nach. Aber der Hund er- 
reichte eine Thür, stiess sie auf und sprang hinein. Auch 
der Alte lief hinein. Er stieg eine Treppe hinunter und kam 
vor einem stattlichen Palaste an. Er trat ein und fand hier 
eine gedeckte Tafel für zwölf Personen. Er verbarg sich 
hinter einem grossen Bilde, um zu sehen, was da geschehen 
werde. Um Mittag hörte er grossen Lärm, und die Furcht 
machte ihn zittern. Wie er hinter dem Bilde hervorblickte, 
sah er zwölf Adler geflogen kommen. Da wurde sein Schrecken 
nur noch grösser. Die Adler flogen in einen Brunnenständer 
hinein und badeten sich darin — da wurden auf einmal zwölf 
herrliche Jünglinge aus ihnen. Nun setzten sie sich an die 
Tafel , und der eine von ihnen ergriff den mit Wein gefüllten 
Becher und sprach: 'Auf die Gesundheit meines Vaters!' 



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— 87 — 



Und der andre sprach: 'Auf die Gesundheit meiner Mutter!', 

und so ging's weiter. Einer, von ihnen aber sprach: 

f Die Gesundheit meiner Liebsten! 
Fluch jedoch der Schwiegermutter, 
Die verbrannte meine Schalen I") 

Und dabei weinte er sehr. Darauf erhoben sich die Jüng- 
linge, stiegen in den Brunnenständer, wurden wieder zu 
Adlern und flogen davon. Nun entfernte sich auch der Alte 
wieder, kehrte in das Reich des Tages zurück und ging nach 
Hause. Hier hörte er, dass die Prinzessin krank sei, und 
dass sie Gefallen daran finde, Märchen sich erzählen zu lassen. 
Also ging auch er in das königliche Schloss, trat in der 
Prinzessin Zimmer ein und erzählte ihr sein Erlebniss. Kaum 
hatte sie's angehört, als sie ihn fragte, ob er den Weg nach 
jenem Schlosse kenne. Ma wohl/ antwortete er. Und nun 
sprach sie ihm sofort den Wunsch aus, von ihm hingeführt 
zu werden. Der Alte that dies, und als sie dort angekommen 
waren, verbarg er sie hinter dem grossen Bilde und hiess 
sie sich still verhalten. Auch er nahm hinter dem Bilde 
seinen Platz. Die Adler kamen und verwandelten sich in 
Menschen, und sofort erkannte die Prinzessin ihren Gemahl 
unter ihnen heraus und wollte aus ihrem Versteck hervor- 
treten , aber der Alte hielt sie zurück. Die Jünglinge setzten 
sich nun zu Tisch, und da sprach ihr Gemahl wieder, indem 
er den Becher ergriff: 

'Die Gesundheit meiner Liebsten! 
Fluch jedoch der Schwiegermutter, 
Die verbrannte meine Schalen!' 

Da konnte sich die Prinzessin nicht mehr halten, eilte her- 
vor und schloss den Geliebten in ihre Arme. Und er er- 
kannte sie sofort wieder und sprach zu ihr: 'Erinnerst du 
dich, dass ich dir sagte, du würdest mich verrathen? Jetzt 
siehst du, dass ich die Wahrheit sprach. Doch das ist nun 
vorüber. Höre mich jetzt an. Drei Monate muss ich noch 
verwünscht bleiben. Willst du, bis diese Zeit um ist, hier* 
bei mir wohnen, so ist mirs recht.' Da blieb die Prinzessin 
da und sagte zu dem Alten: 'Geh ins Schloss und sage 

>) Zrfjv (rpa Ten no0nTf|c uou! 

Kai dvdecfia Tn.u Tie9€pä uou, 
TToö «Kaie rä xautcaXd uou! 



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- 88 — 



meinen Eltern, ich sei hier geblieben.' Der Alte kehrte 
zurück und richtete das aus. .Darüber waren ihre Eltern 
sehr betrübt. Aber die drei Monate verstrichen, der Königs- 
sohn ward endlich wieder ganz Mensch, und sie begaben 
sich nach Hause. Und nun lebten diese glücklich, und wir 
hier noch glücklicher. 



10. 

' Die Schönste. 1 ) 

Kallipolis. 

Es war einmal ein König, der hatte drei Töchter. Alle 
drei waren ihm theuer, aber die jüngste von ihnen liebte er 
doch mehr als die beiden andren, weil sie die schönste war. 
Einst beabsichtigte der König, gegen ein feindliches Land 
zu Felde zu ziehen, um es sich zu unterwerfen und die 
Schlösser seines Königs in Besitz zu nehmen. Ehe er nun • 
in den Krieg zog, fragte er seine Töchter, was er ihnen 
mitbringen solle, wenn er siegreich aus dem Feldzug zurück- 
kehre. Da sprach die älteste von ihnen: f Ich wünsche mir, 
lieber Vater, ein Armband von lauterem Golde.' Die zweite 
sprach: 'Mir magst du einen schönen Schleier mitbringen.' 
Die dritte und jüngste aber sagte: r Ich begehre keine Kost- 
barkeiten, ich wünsche nur eine Rose.' Hierauf zog der 
König in den Krieg; und nachdem er die Feinde besiegt 
hatte, erinnerte er sich der Geschenke für die älteste und 
für die mittlere seiner Töchter; das für die jüngste dagegen 
vergass er, weil es so unbedeutend war. Auf der Rückkehr 
nach seinem Reiche musste er auch über ein Meer fahren. 
Er bestieg also mit seinen siegreichen Truppen die Schiffe; 
aber kaum waren sie eine kleine Strecke vorwärts gesegelt, 
so ward das ganze Meer zu Stein, und die Schiffe standen 
still. Der König konnte dieses Wunder nicht begreifen. 
'Nach einer Weile aber sagte er: 'Vielleicht ist dieses Uebel 
uns begegnet, weil ich nicht gedacht habe an das Geschenk 
für meine schönste Tochter.' Er kehrte daher in das er- 



') 'H KaXX(cTr|. — Diese Form hat sich in Kallipolis im Gebrauche 
des Volkes erhalten, und zwar in der obigen Bedeutung. 



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- 89 - 



oberte Land zurück, begab sich in den Garten des königlichen 
Schlosses, sali sich überall um und suchte eine schöne Rose 
für seine jüngste Tochter. Es gab deren hier unzählige, 
aber eine war die schönste von allen. Er trat herzu, um sie 
abzuschneiden. Aber wie er eben Hand anlegte, vernahm er 
ans der Erde heraus eine Stimme, die sprach zu ihm : 'Schneide 
mich nicht ah, oder, wenn du's doch thust, so versprich mir, 
dass du deine jüngste Tochter für so und so lange Zeit hier- 
her senden willst.' Der König versprach das und schnitt die 
Rose ab. Hierauf machte er sich wieder auf den Heimweg, 
fand das Meer diesmal in seinem gewöhnlichen Zustande, ge- 
laugte zu Hause an und überreichte seinen Töchtern die ge- 
wünschten Geschenke. Indem er aber der jüngsten die Rose 
gal), theilte er ihr auch gleich die Bedingung mit, unter wel- 
cher er sie abgeschnitten hatte. Die nahm die Bedingung 
an, und schon nach wenigen Tagen reiste sie nach dem 
Laude ab, aus dem ihr Vater die Rose mitgebracht hatte» 
Dort angekommen begab sie sich in den Garten des Schlosses, 
erging sich darin und betrachtete alle die schönen Blumen 
und reifen Früchte, die hier zu linden waren. Und sie strahlte 
einer Neraide gleich, 1 ) so dass der ganze Garten erglänzte 
von ihrer Schönheit. Als aber der Abend herankam, ängstigte 
sie sich ; sie suchte einen Menschen, aber nirgends war einer 
zu sehen. Nach eingebrochener Nacht entschloss sie sich, in 
den Palast zu gehen, zu dem der Garten gehörte. Sie stieg 
also die Treppe hinauf, ging durch eine Reihe von Zimmern 
und suchte einen Menschen. Aber auch hier zeigte sich nie- 
mand. Sie ging noch weiter und kam in ein prächtiges Ge- 
mach, darin stand ein mit frischen Speisen besetzter Tisch. 
Da sie hungrig war, so setzte sie sich nieder und ass. Nach 
Beendigung ihrer Mahlzeit bemerkte sie nebenan ein zweites 
Gemach, darin befanden sich sehr schöne Möbeln und ein 
trefflich hergerichtetes Bett. Da legte sie sich nieder und 
schlief. Am andern Morgen stand sie auf, ging in den Gar- 
ten, blieb hier bis Mittag und begab sich dann, da sie Hunger 
verspürte, in das nämliche Gemach, wo sie Tags zuvor ge- 
speist hatte. Nachdem sie darauf den Nachmittag wieder im 
Garten zugebracht und später ihr Abendbrod eingenommen 



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hatte, legte sie sich schlafen. Um Mitternacht vernahm sie 
vor der Thür ihres Schlafgemachs eine klagende, rührende 
Stimme, die rief: 'Oeffne mir, bedauerst du mich denn nicht?' 
Allein sie öflhete nicht, denn sie fürchtete sich. In der fol- 
genden Nacht hörte sie die nämliche Stimme wieder, welche 
diesmal rief: f Lass mich ein, ich thue dir nichts. Ich liebe 
dich wie meinen Augapfel.' Da öffnete sie die Thür, in dem 
Glauben, dass irgend ein unglücklicher Mensch bei ihr Zu- 
flucht suche. Aber als sie nun geöffnet hatte, was sah sie 
da? Eine grosse, furchtbare Schlange, die zischend auf sie 
zukroch. Die Prinzessin war starr vor Schreck über diesen 
Anblick, die Schlange aber sprach zu ihr: 'Fürchte dich nicht, 
liebes Mädchen, ich thue dir nichts. Ich liebe dich.' Darauf 
entfernte sich die Schlange wieder, kam aber nun jede Nacht 
zurück und ward allmählich so vertraut mit dem Mildchen, 
dass dieses, in Ermangelung eines andren Gefährten, ohne 
Furcht mit ihr spielte und sie liebkoste. 

Da nun die Prinzessin Muth bekommen hatte, bat sie 
eines Tags die Schlange, zu ihrem Vater zurückkehren und 
eine bestimmte Zahl von Tagen bei ihm verbleiben zu dürfen. 
Die Schlange erlaubte ihr das, fügte aber hinzu: f So du 
länger ausbleibst, wirst du mich bei deiner Rückkunft nicht 
mehr antreffen.' Die Prinzessin reiste also in die Heimath 
ab. Die Zeit ihres Urlaubs ging zu Ende; allein sie kehrte 
nicht zur Schlange zurück. Ihre Schwestern nun, welche sie 
hassten, baten ihren Vater, er möchte sie zwingen zur Rück- 
kehr. Der Vater war traurig hierüber und hatte keine Lust, 
seine schönste Tochter wieder fortzuschicken; diese aber, als 
sie sah, wie sehr sie ihren Schwestern verhasst war, kehrte 
nun freiwillig, wenn auch betrübten Herzens, nach dem ver- 
lassenen Lande zurück. Sie ging wieder in den Garten, ver- 
weilte hier längere Zeit, begab sich darauf ins Schloss, legte 
sich am Abend schlafen, aber die Schlange zeigte sich nicht 
mehr, weder in dieser noch in den folgenden Nächten. Die 
Prinzessin war sehr betrübt über den Verlust ihres einzigen 
Gefährten ; und eines Tages weinte sie so sehr, dass die Thrä- 
nen ihre Wangen erhitzten und sie genöthigt war, zu einem 
nahen Brunnen zu gehen, um sich zu waschen. Da erblickte 
sie plötzlich im Brunnentrog die Schlange, die aber halb todt 
war. Von Mitleid ergriffen streckte sie ihre Hände aus und 



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— 91 - 

nahm die Schlange aus dem Troge heraus. Die blieb jedoch 
unbeweglich. Nachdem das Mädchen sie geraume Zeit ge- 
pflegt und geliebkost hatte, hörte es auf einmal ein furcht- 
bares Krachen: die Schlange barst,, und ehe sich die Prin 
zessin von ihrem Erstaunen erholen konnte, sah. sie sich 
plötzlich in den Armen eines wunderschönen Jünglings, der 
sprach zu ihr: 'Fürchte dich nicht, ich will dir alles erklären. 
Einst liebte eine Neraide mich so heftig, dass sie mich zum 
Gatten begehrte. Da ich aber hierauf nicht eingehen wollte, 
so verwandelte sie mich in eine Schlange, verfluchte mich 
und sprach: „So lange sollst du Schlange bleiben, bis eine 
andere Geliebte sich für dich findet, die so schön ist, wie 
ich selber." Ich hoffte nicht, eine zweite zu finden, wie jene; 
allein du bist genau ebenso schön.' Hierauf nahm er sie bei 
der Hand und führte sie ins Schloss. Und jetzt ward die 
Jungfrau gewahr, dass allenthalben über den Thüren des Pa- 
lastes geschrieben stand: 'Das Schloss der Schönsten'; 1 ) und 
sie merkte, dass sie die Schönste sei. Der Jüngling nahm 
sie nun zum Weibe, und das übrige könnt ihr euch denken. 



11. 

Der Oapitän Dreizehn. 2 ) 

Zakynthos. 

Zur Zeit der Hellenen 3 ) lebte einmal ein König, der war 
der stärkste seines Zeitalters, und die drei Haare auf seiner 
Brust waren so laug, dass man sie fassen und zweimal um 
die Hand wickeln konnte. Dem erklärte einst ein andrer 
König Krieg, und in einem Monat begann der Kampf. An- 
fangs war der andre König siegreich, aber nachher überwand 
der starke König mit seinem Heere die Feinde und verfolgte 
sie bis in ihre Stadt. Hier nun würde er sie sämmtlich ver- 
nichtet haben, wenn nicht sein Weib ihn um vierhundert- 
tausend Thal er, die es von den Feinden erhielt, verrathen 
und die drei Haare ihm abgeschnitten hätte. Hierdurch 



') T6 iraAdTi xf^c KaXXicxnc. 
*) '0 KantTdvoc AcKarptic. 
') Itöv Katpö toüv €XXnvu)V6. 



9 



- 92 - 



wurde er der schwächste von allen Menschen. Die Feinde 
nahmen ihn nun gefangen, fesselten ihn, schlössen ihn in 
eine Festung ein und reichten ihm jeden Tag nur eine Unze 
Brod und eine Unze Wasser. Aber in kurzer Zeit fingen 
seine Haare wieder an zu wachsen, und darum wurde der 
Capitäu Dreizehn — denn so nannte man ihn — zusammen 
mit dreizehn seiner Gefährten von den Feinden in einen Ab- 
grund geworfen. Da er aber der letzte war, der hineingewor- 
fen wurde, fiel er auf seine Gefährten und blieb so am Leben. 
Die Feinde aber deckten einen Berg über den Abgrund. Am 
zweiten Tage nun, seit er in den Abgrund war gestürzt wor- 
den, fand er irgendwo einen todten Vogel. Da klebte er sich 
dessen Flügel an seine Hände und flog in die Höhe. Er stiess 
mit dem Kopfe au den Berg und schleuderte ihn empor an 
die Sonne. Nun flog er weiter und schwang sich sehr hoch 
in die Luft, aber da kam ein Regenguss und erweichte den 
Lehm, womit er die Flügel sich angeklebt hatte, und der 
Capitän Dreizehn fiel ins Meer. Da fuhr der Meergeist ') 
heraus und gab ihm mit seiner dreizinkigen Gabel einen 
Schlag, dass sich das Meer roth färbte von seinem Blute, 
und verwandelte ihn in einen grossen Fisch, nämlich in einen 
Delphin. Er sagte ihm zugleich, dass er nicht eher wieder 
erlöst werden könne, als bis ein Mädchen sich fände, das 
bereit sei ihn zum Gemahl zu nehmen. Das Meer nun, worin 
der Delphin lebte, war von der Art, dass kein Schiff, welches 
einmal hineingefahren war, wieder herauskommen konnte. 
Da geschah es einst, dass ein König mit seiner Tochter es 
befuhr. Sie waren wohl hineingekommen , aber konnten nicht 
wieder heraus, und es ereilte sie ein so gewaltiger Sturm, 
dass ihr Schiff zerschellte. Niemand andres konnte sich ret- 
ten ausser der Königstochter und dem König, denn sie beide 
trug der Delphin auf seinem Rücken zu einem kleinen Eiland 
und setzte sie von da nach der Küste über, von der sie ge- 
kommen waren. Da beschloss die Königstochter den Delphin 
sich zum Gemahl zu nehmen, und um ihn in ihr Schloss zu 
bringen, Hess sie einen grossen Kanal vom Meere bis zum 
Schlosse graben. Als alles fertig war für die Hochzeit, da 
schüttelte der Delphin auf einmal seine Haut ab und ver- 



) d baCj-iovac tct) eäXaccac. 



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— 93 - 



wandelte sich in einen jungen Mann von gewaltiger Kraft 
und hoher Schönheit. Er heiratbete die Königstochter, und 
nun lebten diese glücklich, wir aber hier noch glücklicher. 



12. 

Der Drache. 

Ebendaher. 

Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein König, 
der ging eines Tages auf die Jagd. Als er so seines Wegs 
hinzog, gewahrte, er von weitem einen Hirsch. Dem setzte 
er nach und lief so immer weiter und weiter. Da sprang der 
Hirsch in einen Wald. Auch der König sprang hinein, und 
indem er bald dahin bald dorthin eilte, kam er endlich in 
einen Garten. Hier im Garten verlor er den Hirsch aus den 
Augen, und nun wusste er selbst auch nicht, wo er den Aus- 
gang finden sollte. Da er niemanden im Garten bemerkte, 
so öffnete er eine Thür, welche er vor sich sah, und trat 
durch sie in einen andern Garten ein, dessen Bäume waren 
von Gold und seine Kräuter von Diamanten. Da war auch 
eine Rose, und es kam ihm die Lust, sie abzuschneiden. 
Aber als er sie schnitt, sprang ein langer Faden heraus und 
wickelte sich so fest um den König, dass er sich nicht mehr 
bewegen konnte. Nun wusste der Unglückliche gar nicht, 
was er thun sollte, und fing an kläglich zu weinen. Da ver- 
nahm er auf einmal ein Getöse, davon die Erde zitterte, und 
plötzlich kam aus dichtem Gestrüpp ein gewaltiger Drache 
hervor. Der näherte sich dem König, beroch ihn und sprach 
zu ihm: 'Du riechst nach königlichem Blut, und ich will 
dich nicht fressen, aber ich sage dir, dass du mir in einem 
Monat eine von deinen Töchtern bringen musst, die will ich 
mir zum Weibe nehmen.' Der arme König versprach das, 
und nachdem ihn der Drache von dem Faden befreit, ihm 
einen Weg gezeigt und nochmals ihn erinnert hatte, dass er 
seine Tochter nicht vergessen möge , ging er zitternd hinweg. 
Nach langer Wanderung kam er auf seinem Schlosse an und 
begrüsste seine Kinder, — er hatte nämlich drei Töchter und 
einen Sohn — , sagte aber weiter nichts zu ihnen, denn er 



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— 94 - 

war sehr traurig. Alleiii es rückte die Zeit heran, zu welcher 
er die Tochter dem Drachen bringen musste, und da ward 
er noch viel trauriger. Da sprachen seine Kinder zu ihm: 
'Warum, lieber Vater, bist du so niedergeschlagen V Er 
weigerte sich anfangs, es ihnen zu gestehen, aber nachher 
erzählte er ihnen die Sache. Die eine von seinen Töchtern 
nun wollte unter keiner Bedingung zum Drachen gehen. Und 
mit der zweiten war's ebenso. Die dritte dagegen sagte : 'Für 
dich, lieber Vater, geb' ich selbst meinen Kopf dahin.' Als 
nun die Zeit gekommen war, machte sich der König mit die- 
ser auf den Weg zum Drachen. Sobald sie dort angelangt 
waren, kam der Drache, in Gewänder von Gold, Mälama 1 ) 
und Silber gekleidet, mit seinem ganzen befolge auf sie zu, 
nahm das Mädchen in seinen Arm und führte es in einen statt- 
lichen Palast. Der war auf folgende Weise eingerichtet. Jedes 
Zimmer war mit goldenen Tapeten und mit herrlichem Haus- 
geräth aus Gold, Silber und Brillanten versehen. Und das 
Schlafgemach war so prächtig, dass es in der Nacht von selber 
leuchtete ; auch das Bett war von grösster Pracht, aber ganz 
mit Glocken behangen. Man hörte aber in diesem Schlosse 
immer ein dumpfes, von fern her kommendes Stöhnen. Es 
fand nun die Hochzeit statt, und der König zog darauf wie- 
der heim , nachdem ihm der Drache vier Rosse mit Gold und 
acht mit Brillanten beladen und ihn gebeten hatte, recht oft 
zu kommen und seine Tochter zu besuchen. Der Drache nun 
verliess jeden Tag sein Schloss und übergab deshalb sämmt- 
liche Schlüssel seiner Frau; dabei sagte er ihr, dass sie im 
ganzen Hause umhergehen dürfe, ein einziges Zimmer aus- 
genommen, das am Ende des Schlosses lag. Es verging lange 
Zeit, ohne dass die Königstochter jemals sich unterfangen 
hätte, das verbotene Zimmer zu öffnen. Eines Tages aber, 
da der Drache fortgegangen war, um drei Monate auszublei- 
ben, trieb sie die Neugier, — denn sie hörte ein Stöhnen 
von dort herausdringen — das Zimmer zu öffnen, und sie 
trat ein. Da sah sie einen tiefen Abgrund vor sich, und auf 
seinem Grunde einen Jüngling, der wehklagte und jammerte. 
Kaum hatte sie ihn erblickt, als sie den Beschlues fasste ihn 
zu erretten. Sie fand ein langes Seil und warf das eine Ende 



■) Vgl. oben Nr. 9, S. 84, Anm. 1. 



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dem Jüngling hinunter. Der band sich daran fest, und die 
Königstochter zog ihn herauf. Als sie ihn heraufgezogen 
hatte, was sah sie da? Einen Prinzen, der vom Drachen ver- 
wundet und in den Abgrund geworfen worden war. Die 
Königstochter giug nun sogleich daran, seine Wunde zu 
heilen, und sie heilte sie so gut, dass er in drei Wochen 
wieder hergestellt war. Da sprach sie zu ihm: 'Geh jetzt 
fort von hier und thue, was ich dir sagen werde, um auch 
mich retten zu können. Lass einen goldnen Schrank machen, 
der sich von innen öffnet, bring 7 ihn hierher und biet' ihn 
feil. Ich werde ihn kaufen und hineinsteigen, und so wird 
der Drache glauben, er habe mich verloren, und in seinem 
Zorn darüber den Schrank, ohne zu ahnen, dass ich darin 
stecke, sanimt allem anderen, was ich angeschafft habe, ver- 
kaufen, um die Sachen nicht mehr vor Augen zu haben und 
an mich erinnert zu werden. Du aber, der du jetzt in deine 
Heimath zurückkehrst, erlaube deiner Mutter nicht dich zu 
küssen, denn so sie dich küsst, wirst du mich vergessen.' 
Der Jüngling schied betrübt von ihr und gelangte in seiner 
Heimath an. Am ersten Tage liess er durchaus nicht zu, 
dass seine Mutter ihn küsste, auch ging er gleich hin und 
bestellte den goldnen Schrank. Allein in der Nacht, wäh- 
rend er schlief, schlich sich seine Mutter ganz leise in sein 
Zimmer und gab ihm einen Kuss. Am andern Morgen hatte 
der Prinz alles vergessen. Einige Tage darauf brachte ihm 
der Goldschmied den Schrank, er aber jagte ihn mit Gewalt 
aus dem Hause, indem er rief, das seien Lügen, er habe 
keinen Schrank bei ihm bestellt. Der Goldschmied, der ganz 
in Verzweiflung war, nahm den Schrank und machte sich, 
von vielen Leuten begleitet, auf den Weg, um ihn an einem 
andern Orte zu verkaufen. Wohin, wohin sollte er aber 
gehen? Der Zufall führte ihn an den Ort, wo der Drache 
wohnte. Und hier traf die Königstochter mit den Leuten zu- 
sammen und kaufte den Schrank. Zugleich befahl sie ihnen, 
in zwei Monaten an demselben Tage wiederzukommen, den 
Schrank zurückzukaufen, ihn in den Ort des Prinzen zu 
bringen, den sie gerettet hatte, und an diesen um jeden, 
auch den geringsten Preis zu verkaufen; sie werde ihnen das 
schon vergelten. Nachdem sie hierauf die Leute mit Gold 
und Silber reichlich beschenkt hatte, gingen diese fort. Als 



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nun die Zeit heranrückte, da der Drache nach Hause zurück- 
kehren musste, da schloss sich die Prinzessin, nachdem sie 
sich mit einigen Lebensmitteln versehen hatte, in den Schrank 
ein. Der Drache kam, stieg die Treppe hinauf und trat in 
sein Schloss ein, bemerkte aber nirgends seine Frau. Da sah 
er eilig zu, ob der Prinz noch in dem Abgrunde sich befände, 
und als er sich überzeugt hatte, dass er nicht mehr darin 
war, da lief er und durchsuchte das ganze Haus. Da er nun 
seine Gemahlin nirgends fand, so rief er seine Diener herbei 
und befahl ihnen, alle Sachen seiner Frau zu nehmen und 
sie so schnell als möglich loszuschlagen. Die Diener nahmen 
die Sachen, und als sie in der Nähe des Schlosses die Kauf- 
leute gewahrten, welche die Königstochter dahin bestellt hatte, 
verkauften sie sie an diese. Die nahmen nun den Schrank 
und trugen ihn, nachdem sie die andern Sachen weggeworfen, 
zu dem Königssohne. Der hatte keine Lust ihn zu kaufen, 
aber sie peinigten ihn so sehr, dass er ihn doch für einen 
sehr geringen Preis nahm. Er stellte ihn in sein Zimmer. 
Da nun der Prinz ausserhalb des Hauses Unterricht hatte, so 
pflegte ihm. seine Mutter eine Schüssel mit Essen auf sein 
Zimmer zu stellen. Da trat die Prinzessin in seiner Abwesen- 
heit ganz leise aus dem Schranke heraus und verzehrte das 
Gericht. Und so blieb der Königssohn nüchtern. Den ersten 
und zweiten Tag ertrug er das, am dritten aber erzählte er 
die Sache seiner Mutter. Wie nun die Mutter hörte, dass 
ihr Sohn ohne Speise geblieben war, sprach sie zu ihm: 
'Bleib einen Tag zu Hause, mein Kind, um zu erfahren, wer 
dir dein Essen verzehrt.' Er blieb also zu Hause und ver- 
steckte sich in seinem Zimmer, und da sah er, wie das Mäd- 
chen aus dem Schranke herauskam und sein Essen verzehrte. 
Da eilte er aus seinem Versteck hervor und fasste das Mäd- 
chen, und in dem Augenblick, da er ihm ins Antlitz blickte, 
erinnerte er sich seiner auf einmal , wieder und fiel ihm zu 
Füssen und bat es um Verzeihung, dass er es vergessen 
hätte. Darauf ersuchte er seine Mutter, ihm täglich eine 
doppelte Portion von der Suppe und den andern Gerichten 
zu schicken. Die Mutter that das, und so verging eine lange 
Zeit. Da musste der Prinz in ein anderes Land in den Krieg 
ziehen. Ehe er fortging, sagte er zu seiner Mutter, sie möchte 
fortfahren, eine Schüssel mit Essen in sein Zimmer zu stellen, 



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— 97 — 



und sich hüten, den Schrank von seiner Stelle zu rücken. 
Hierauf zog er betrübten Herzens fort. 

Lassen wir jetzt den Königssohn und kommen wir auf 
seine Tante ! Die hatte eine Tochter, die sie mit dem Prinzen 
zu verheirathen wünschte. Sie hatte aber bemerkt, dass er 
seit der Zeit, da er den Schrank bekommen, sie nicht mehr 
besuchte und auch um ihre Tochter sich nicht mehr küm- 
merte. Darum argwohnte sie, dass irgend etwas in dem 
Schranke stecken müsse. Sie veranstaltete also ein Gastmahl 
und bat des Prinzen Mutter, ihr den Schrank für diesen Tag 
zu leihen. Die Mutter des Prinzen gewährte ihre Bitte, da 
sie eng mit ihr befreundet war. Aber kaum hatte die Tante 
den Schrank erhalten, als sie den Befehl ertheilte, ihn ins 
Feuer zu werfen. Als das Mädchen im Schranke das hörte, 
öffnete sie ihn eilig, verwandelte sich auf einmal in einen 
Vogel und flog davon. Da nun die Tante sah, dass das Mäd- 
chen fort war, gab sie den Schrank der Mutter des Prinzen 
zurück, und die stellte ihn wieder an seine frühere Stelle. 
Als der Königssohn zurückkehrte und den Schrank offen sah, 
fragte er seine Mutter darüber : die antwortete ihm ängstlich, 
sie habe den Schrank nirgendhin gegeben. Nun verfiel der 
Prinz in grosse Schwermuth, und jeden Morgen sass er an 
seinem Fenster und weinte. Da vernahm er eines Tages 
ein grosses Geräusch, sein Zimmer erglänzte, und er sah 
einen Vogel hereinfliegen, der sich auf einmal in das Mäd- 
chen verwandelte, das im Schranke gewesen war. Des Prinzen 
Freude hierüber war gross. Er fragte nach diesem und nach 
jenem, und sie erzählte ihm das Geschehene. Da rief er 
sofort den Priester und den Brautführer herbei und liess sich 
heimlich mit dem Mädchen trauen. Hierauf sagte er zu seiner 
Tante, er werde ihre Tochter heirathen, und die Hochzeit 
solle in wenigen Tagen stattfinden. Es kam der Hochzeits- 
tag heran, und am Abend sass die Braut, der Trauung ge- 
wärtig , neben ihrem Bräutigam. Aber auch des Prinzen Frau 
war anwesend. Als nun der Priester den Bräutigam auf- 
forderte, seine Braut vor ihn zu führen, erhob er sich, aber 
anstatt die Tochter seiner Tante zu nehmen, führte er seine 
Gemahlin herbei, stellte sie allen als sein Weib vor, erzählte 
auch die übrige Geschichte und erklärte seiner Tante — denn 
auch sie war eine Königin — den Krieg. Er besiegte sie 

Schmidt, Griech. Marcheu, Sagen u. Volkslieder. 7 



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und schnitt ihr und den ihrigen die Köpfe ab. Sein Weib 
aber, die Königstochter, erhielt nach ihres Vaters Tode auch 
noch dessen Thron, da ihre Geschwister alle gestorben waren, 
und so lebten sie glücklich mit einander, wir aber hier noch 
glücklicher. 



13. 

Der Riese vom Berge. 

Ebendaher. 

Es lebte einmal und zu einer gewissen Zeit eine Königs- 
tochter. Zu der kamen drei Tage nach ihrer Geburt die 
Moeren, ihr Geschick zu bestimmen ; 1 ) und nachdem sie dies 
gethan und ihr gesagt hatten, dass alle Güter der Erde ihr 
zu Theil werden sollten , setzten sie hinzu , sie müsse im fünf- 
zehnten Jahre ihres Lebens sich in Acht nehmen, dass die 
Sonne sie nicht bescheine, denn wenn dieses geschähe, werde 
sie in eine Eidechse verwandelt werden und ins Meer fallen 
und fünf Monate darin bleiben. Als nun das Mädchen heran- 
wuchs und ihr Los erfuhr, war sie sehr traurig, besonders 
als sie sich dem fünfzehnten Jahre näherte. Auch ihr Vater, 
der König, war sehr traurig und wusste gar nicht, was er 
beginnen sollte. Er entschloss sich endlich, um sich ein 
wenig zu zerstreuen, eine Reise zu machen. Am Tage vor 
seiner Abreise rief er seine Tochter und sprach zu ihr: 'Ich 
werde verreisen, mein Kind. Wünschest du, dass ich dir etwas 
mitbringe, so sage es.' Das Mädchen antwortete ihm: c Ich 
wünsche nichts andres als dass du mir den Riesen vom Berge 2 ) 
zum Gemahl verschaffest.' Der König trat nun, mit sehr 
vielem Gepäck versehen, seine Reise an und hatte die Ab- 
sicht, wo möglich den Wunsch seiner Tochter zu erfüllen. 
Er reiste immer immer weiter und kam endlich vor einer 
grossen Stadt an. Als er fragte, wie sie heisse, antwortete 
man ihm, dass es die Stadt des Riesen vom ßerge sei. Er 
ging also hinein, und als er auf den Markt kam, hörte er 
sagen, dass der Alte, der König, sich zu verheirathen be- 



) f^pGctvc i 5 ! Moipaic vot t»iv f.iotp(ivouv€. 
! ) töv tiT a VTa toü ßouvoö. 



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- 99 - 

absichtige und die schönste Jungfrau der Welt haben wolle. 
Er sagte nichts dazu. Am andern Morgen aber stand er sehr 
früh auf und ging in eine Barbierstube. Hier sagte ihm der 
Barbier, er sei des Königs ßartscbeerer und geniesse allein 
Vertrauen bei ihm; nur er könne mit ihm reden und ihm 
etwas entgegnen, und wer selber mit dem Könige zu sprechen 
wünsche, müsse zuvor sich an ihn wenden. Als der fremde 
König das hörte, sagte er zum Barbier: 'Freund, ich habe 
eine Tochter, der ist's in den Kopf gekommen, sich mit dem 
Riesen vom Berge zu verheirathen. Ich habe nun erfahren, 
dass der eben euer König ist, und da du so grossen Einfluss bei 
ihm hast, so möchte ich dich bitten, ihm das zu sagen und 
hinzuzufügen, dass, wenn er mir's erlaube, ich kommen und 
ihn besuchen wolle.' Nachdem er dann dem Barbier viel 
Geld versprochen hatte, sagte dieser: f Wenn du deine Absicht 
ausführen willst, so höre mich an. Morgen gehe ich zum 
Biesen, ihm den Bart zu scheeren, da will ich ihm die Sache 
vortragen, und, wenn er dich zu sehen geneigt ist, dann ver- 
spreche ich dir, dich zu unterstützen, bis dass du dein Vor- 
haben zum Ziele führst.' Nun verabschiedete sich der König 
von dem Barbier und ging fort. Am andern Morgen kam 
er wieder und fragte, wie die Sache stehe. 'Ausgezeichnet,' 
antwortete ihm der Barbier, 'morgen wird der Riese bereit 
sein, dich zu empfangen. Aber, wisse wohl, du niusst dich 
auf dem Wege zu ihm von mir begleiten lassen, denn ich 
weiss nicht, was ihm sonst einfallen könnte dir anzuthun. 
Sobald wir eintreten, wird er dich fragen, ob du sein Sohn 
seiest. Antworte ihm : "Ja." Dann wird er dich auffordern, 
die sieben Schleier ihm abzunehmen, die sein Gesicht um- 
hüllen. Das thue aber nicht, denn da würde es dir sehr 
schlimm ergehen, sondern antworte ihm, er möge sich erst 
davon überzeugen , ob du ein Sohn von ihm seiest. £)a wird 
er eine gewaltige Stange ergreifen, die neben ihm lehnt, und 
dir damit einen so starken Schlag versetzen, dass du, wenn 
du nicht thust, was ich dir jetzt sagen will, todt auf der 
Stelle bleibst. Höre mich also an, dann wird dir kein Leid 
geschehen. In seiner Nähe befindet sich ein grosser Schlauch, 
den nimm und wirf ihn um deine Schultern. So wird der 
Riese, anstatt dich zu treffen, den Schlauch treffen. Sobald er 
nun den Schlag geführt hat, musst du gleich zu ihm sagen: 

7* 



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— 100 - 

"Erkennst du mich jetzt?" Und nun kannst du ihm alsbald 
die Schleier abnehmen. Er wird dip dafür danken und dich 
fragen, ob du etwas von ihm wünschest. Da thue ihm nun 
deine Absicht kund. Er wird dich darauf in ein Zimmer 
führen , worin eine Menge Gemälde sich befinden, die sämmt- 
lich junge Mädchen darstellen; hier wird er dich fragen, ob 
deine Tochter einem von den Bildern ähnlich sei, und da 
sag ihm die Wahrheit.' Am folgenden Tage also mach- 
ten sie sich fertig, und als die Stunde kam, gingen sie 
zum Riesen, thaten, wie sie verabredet hatten, und wurden 
dann von ihm in das Zimmer geführt, wo die Gemälde hingen. 
Der Riese fragte den König, ob seine Tochter dieser oder 
jener Jungfrau ähnlich sehe, der König aber entgegnete, von 
allen diesen sei keine würdig seiner Tochter auch nur die 
Füsse zu waschen. Da zog der Riese von seiner Brust ein 
kleines Bildchen hervor und fragte den König, ob seine Toch- 
ter dem ähnele. Der aber antwortete: 'Nein, so sieht viel- 
mehr die Kammerjungfer meiner Tochter aus.' Da sagte der 
Riese: 'Wenn alles das wahr ist, was du mir da sagst, so 
will ich deine Tochter zum Weibe haben.' Darauf gab der 
König dem Riesen die Hand und reiste zurück in seine Hei- 
math. Hier erzählte er alles seiner Tochter. Die machte 
sich nun zur Reise fertig, und damit die Sonne sie nicht be- 
scheine, schloss sie sich mit ihrer Amme und deren Tochter 
in eine Sänfte ein und liess sich darin auf das Schiff tragen, 
das sie zum Lande des Riesen bringen sollte, denn um dahin 
zu gelangen, musste man übers Meer. Als sie nun dem Lande 
des Riesen schon nahe waren, liess die Amme in der Ab- 
sicht, ihre eigne Tochter an der Prinzessin Stelle zu setzen \ 
ein kostbares Tuch ihrer Herrin aus der Sänfte fallen und 
bat sie, zu erlauben, dass die Thür der Sänfte geöffnet werde, 
um es wieder zu erhalten. Die Königstochter wollte anfangs 
nichts davon wissen, gab aber dann doch dem Drängen der, 
Amme nach. Die befahl also ihrer Tochter hinauszugehen 
und das Tuch zu holen. Aber wie die Thür sich öffnete, 
schien die Sonne herein, und sobald die Prinzessin von ihr 
beschienen wurde, verwandelte sie sich in eine Eidechse und 
fiel ins Meer. Nun setzte die Amme ihre Tochter an der 
Prinzessin Stelle. Zu deren Vater aber, der sich auch mit 
auf dem Schiffe befand, sagte sie, ihre Tochter sei gestorben, 



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- 101 - 



und um nicht die Thür der Sänfte zu öffnen, habe sie sie 
vom Fenster aus ins Meer geworfen. Der König lobte sie 
deswegen sehr, und da er keinen Verdacht hegte, so sah er 
nicht einmal in die Sänfte hinein. Endlich kamen sie vor 
der Stadt des Riesen an. Der kam auf einem hohen Rosse, 
in der Rechten ein grosses Scepter, in der Linken ein ge- 
waltiges Schwert, unter Musik und lautem Jubel und von 
seinem ganzen Volke begleitet, herangeritten. Der König 
stieg zuerst aus dem Schiffe und that dem Riesen zu wissen, 
warum seine Tochter nicht vor Abend aussteigen könne. Als 
nun der Abend herankam, da trat der König in die Sänfte 
ein. Aber was sah er da? Statt seiner Tochter fand er ein 
ganz hässliches Mädchen darin. Aber die Amme sagte .sofort 
zu ihm, das Mädchen sei wirklich seine Tochter, und sie 
müsse, da ihr einmal von den Moeren dieses Los zugetheilt 
worden, fünf Monate lang so bleiben, darauf werde sie ihre 
frühere Gestalt wiedererlangen. Der König war ganz er- 
staunt darüber, nahm aber doch das Mädchen bei der Hand 
und stellte es dem Riesen vor. Der nun, weil er glaubte 
vom König hintergangen worden zu sein, sprach zu ihm: 
'Ich will zwar deine Tochter nehmen, dich selbst aber ver- 
urtheile ich zu der Strafe, auf fünf Jahre mein Stallknecht 
zu werden.' Der König erwiderte nichts darauf, sondern 
ertrug sein Los mit Demuth. Der Riese fasste nun das Mäd- 
chen bei der Hand und führte es sammt seiner Mutter, die 
sich für seine Amme ausgab, zu einem grossen hohen Berge. 
Hier nahm er ein Haar von seinem Haupte, berührte damit 
den Berg, der alsbald in zwei Hälften auseinanderklaffte, und 
trat mit den beiden Frauen in das Innere, wo sein eigent- 
liches Reich war, ein. Da drinnen war ein ungeheurer Raum, 
und da waren eine Menge Riesen, alle mit einem einzigen 
Auge auf der Stirn; sie befanden sich tief unten in einer 
Schlucht und gruben tief in die Erde hinein und holten aus 
ihrem Schoos grosse Schätze und gewaltige Steinblöcke her- 
auf, mit denen sie ihre Häuser aufbauten. Aber sowie ihr 
König mit den Frauen eingetreten war, Hessen alle sogleich 
von ihrer Arbeit ab und erhoben sich, um ihre neue Königin 
zu begrüssen. Der Riesenkönig richtete eine Rede an sie 
und sprach: 'Hier ist, meine Völker, eure Königin; ihr sollt 
ihr gehorchen und keiner anderen.' Die Riesen versicherten 



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mit ungeheurem Geschrei, dass sie ihr gehorchen würden. 
Nun schloss sich der Berg, und sie blieben darin. Am andern 
Tage stand der König früh auf und ging aus dem Berge 
hinaus, am Abend aber kehrte er zurück. Er sagte seiner 
jungen Frau, sie dürfe in alle Zimmer seines Schlosses im 
Berge gehen , ein einziges ausgenommen, und bezeichnete ihr 
dieses. Sie aber that am folgenden Tage nichts andres, als 
dass sie überall umherblickte, um den Schlüssel ausfindig zu 
machen, der zu dem verbotenen Zimmer gehörte. Es gelang 
ihr auch, ihn zu finden, und nun öffnete sie ganz leise, ohne 
ihre Mutter etwas merken zu lassen, die Thür und trat ein. 
Als sie eingetreten- war, sah sie eine alte ungeheuer grosse 
Frau vor sich, die sass auf einem hohen Stuhle und hielt in 
der einen Hund einen sehr grossen, in Goldplatten eingefass- 
ten Stein, in der andern einen grossen eisernen Stab. Auch 
sie war einäugig. Es war nämlich die Mutter des Riesen, 
und sie hatte die Gabe, die Zukunft zu schauen. Als nun 
die Alte des Mädchens gewahr wurde, sprach sie zu ihm: 
'Ich kenne dich sehr wohl, du bist nicht die wahre Königs- 
tochter, und ich sage dir, die Stunde wird kommen, da du 
deine That bereuest.' Da erbleichte das Mädchen, gerieth ganz 
ausser sich und wusste nicht, was es sagen sollte. Die Alte 
sprach weiter zu ihr: 'Wisse, dass es dir nicht so hingehen 
wird; mein Sohn wird Rache nehmen. Die wahre Königs- 
tochter ist nicht dort geblieben, wo ihr sie habt ins Meer 
fallen sehen, sie befindet sich hier in der Nähe, und ihr Blut 
verfolgt dich.' Da lief das Mädchen zitternd hinaus zu seiner 
Mutter und erzählte ihr das, und sie beriethen beide mit ein- 
ander, wie sie es anfangen sollten, um die Königstochter zu 
tödten. Da kamen sie auf den Gedanken, dem Riesen zu 
sagen, seine Frau, die Königin, sei krank, und um zu ge- 
nesen, müsse ihr das Vergnügen gemacht werden, dass alle 
Fische, die sich im Hafen befänden, vor ihren Augen ver- 
brannt würden. Der König gab sogleich zwei Riesen den 
Befehl, die Netze zu nehmen, den ganzen Hafen einzuschlies- 
sen und alle darin befindlichen Fische zu fangen. Das ge- 
schah , und sie warfen die gefangenen Fische in einen grossen 
Kessel. Aber was war geschehen? An demselben Tage, aber 
vor dem Fischfang, war die Königstochter aus dem Wasser 
befreit und wieder in ihre frühere Gestalt verwandelt worden. 



- 103 - 

Sie suchte nun sogleich ihren Vater auf, — der war damals 
in dem Palaste, den der Riese in der Stadt hatte, wo er die 
Pferde besorgte — und bat ihn , sie augenblicklich zum Riesen 
zu führen und ihm das Geschehene zu erzählen. Der Vater 
nahm sogleich seine Tochter bei der Hand, ging mit ihr an 
den Berg und wartete hier auf den Riesen, um mit ihm hin- 
einzugehen. Als dieser Abends kam und den Berg öffnete, 
ging auch der König mit seiner Tochter hinein. Tags darauf 
begab er sich in den Palast des Berges, erzählte dem Riesen 
zitternd alles, was geschehen war, und stellte ihm seine Toch- 
ter vor. Jetzt erschienen auch die Amme und ihre Tochter, 
die Königin. Da hörte man auf einmal das Haus erbeben, 
und es kam des Riesen Mutter aus ihrem Gemache und be- 
fahl ihrem Sohne, die Tochter der Amme zu der nämlichen 
Todesart zu verurtheilen , durch die sie die Königstochter 
hatte umbringen wollen. Der Riese that das, und so wurde 
sie verbrannt. Er heirathete nun die Königstochter, und der 
Vater kehrte jetzt frei in sein Reich zurück, versprach aber 
seiner Tochter wiederzukommen und sie zu besuchen. Nach- 
dem nun einige Monate vergangen waren, fing der Riese an 
seine Gemahlin sehr schlecht zu behandeln, weil er sah, dass 
sie enge Freundschaft mit seiner Mutter pflog, mit der er 
selbst in Uneinigkeit lebte. Da ersann die Königstochter, 
schlau wie sie war, eine List, um zu entfliehen. Sie sagte 
eines Tages zum Riesen, sie wolle Brod backen, wie man es 
in ihrer Heimath backe. Der Riese sagte nichts darauf, und 
so buk sie denn. Darauf nahm sie von den gebackenen 
Broden mehrere an sich und entfloh heimlich aus dem Berge. 
Sie fand ein Schiff und kehrte in ihr Vaterland zurück. Der 
Riese aber, der des Abends von seiner Mutter ihre Flucht 
erfuhr, machte sich sogleich auf und eilte ihr nach. In ihrer 
Heimath angekommen bestellte er bei einem Goldarbeiter 
einen grossen goldnen Kasten, der nur ein kleines Loch zum 
Heraussehen haben und von innen sich öffnen lassen sollte. 
Als dieser Kasten fertig war, stieg der Riese hinein und be- 
redete den Goldschmied durch vieles Geld, den Kasten zur 
Tochter des Königs zu bringen und um den ersten besten 
Preis ihr zu verkaufen; er sollte ihr sagen, der Leib eines 
Heiligen befinde sich darin. Der Goldschmied that so, und 
die Königstochter kaufte den Kasten. Als sie nun am Abend 



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- 104 - 



ihr Gebet davor verrichtete, da hörte sie auf einmal zicki 
zicki und sali den Kasten sich öflnen. Da merkte sie, dass 
der Riese darin war, und schrie laut auf, da kamen Soldaten 
herbeigeeilt, und nachdem sie erfahren, wer in dem Kasten 
stecke, bohrten sie durch das Loch einen glühend gemachten 
ßratspiess und stiessen damit dem Riesen das Auge aus. 
Dann nahmen sie ihn und schlugen ihn mit grosser Gewalt 
auf den Knöchel am Fusse, und da starb der Riese. 



14. 

llelios und Maroula. 

Ebendaher. 

Es war einmal eine Frau, die bekam nie Kinder von 
ihrem Manne. Eines Tags ging Helios in der Gestalt eines 
Mönchs an ihrem Hause vorüber und sprach zu ihr: e Willst 
du, dass ich dir zu Kindern verhelfe?' — 'Ja', antwortete die 
Frau. Da gab ihr der Mönch einen Apfel und sagte zu ihr, 
den möge sie essen, da werde sie ein Kind gebären. Er 
machte ihr aber zur Bedingung, dass sie das Kind mit ihm 
theile, also dass es in der einen Hälfte jedes Jahres ihr, in 
der andren aber ihm gehöre; wolle sie es aber nicht her- 
geben, so müsse sie. ihm dafür jedesmal einen Kuchen backen. 
Die Frau ging auf diese Bedingung ein. Sie ass also den 
Apfel, und schon nach wenigen Tagen fühlte sie sich schwan- 
ger ; sie gebar darauf ein Töchterchen und nannte es Maroula, 
und das wuchs zu einem sehr schönen Mädchen heran. Eines 
Tages nun, als es aus der Schule nach Hause ging, begegnete 
es dem Mönche, und der trug ihm auf seiner Mutter zu sagen, 
er wolle ihre Tochter oder den Kuchen. Maroula richtete 
das ihrer Mutter aus, die aber antwortete darauf nichts. 
Hierüber erzürnt raubte Helios eines Tags Maroula und brachte 
sie in seine Wohnung hinter den Bergen. Die Mutter wartete 
auf ihr Kind. Da es sich aber nirgends sehen Hess, so ahnte 
sie, dass der Mönch es würde geraubt haben; da legte sie 
Trauerkleider an, schloss sich in ihr Haus ein und wollte 
niemanden sehen noch hören. Helios lebte nun mit dem 
Mädchen in seiner Wohnung. Aber jeden Morgen stand er 
frühzeitig auf und ging fort, um seinen Lauf zu vollenden, 



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- 105 — 

und Maroula blieb allein. So lebten sie lange lange zusam- 
men. Eines Abends hörte Helios jemanden weinen, er stand 
also auf, um nachzusehen, wer das sei, da fand er das Mädchen 
im Garten und hörte es unter Thränen sagen: 

• 'Wie im Wind der Lattich zittert, 
Zittert meiner Mutter Herzchen 
Für die Arme, die Maroula.' 1 ) 

Da sagte er am andern Morgen zu Maroula: 'Wünschest du 
zurückzukehren zu deiner Mutter?' — f O ja,' antwortete sie 
weinend, 'dass ich das doch erlebte!' Da rief Helios am 
folgenden Tage mit gewaltiger Stimme einem Hirsche zu: 
'Hirschlein, Hirschlein, willst du Maroula zu ihrer Mutter 
bringen?» — 'Ja,' sprach der Hirsch. 'Aber was willst du 
unterwegs fressen?» fragte Helios weiter. 'Ich werde von 
ihrem Fleische fressen und von ihrem Blute trinken.' — 'Fort,' 
sprach Helios, 'du taugst nicht für mich.» Nun rief er einem 
andern Hirsche zu: 'Hirschlein, Hirschlein, willst du Maroula 
zu ihrer Mutter bringen?» — 'Ja, ich bringe sie hin.' — 'Aber 
was willst du unterwegs fressen?' — 'Ich werde Gräschen fressen 
und werde Quellchen trinken.' — 'Gut, bringe sie hin,' sprach 
Helios. Da nahm der Hirsch das Mädchen auf seinen Rücken 
und brachte es zu seiner Mutter zurück. Als sie deren Woh- 
nung nahe kamen, da fingen plötzlich alle Thiere des Hauses 
an zu rufen: 'Maroula kommt, Maroula kommt.' Die Mutter 
aber rief den Thieren zu : 'Schweigt, ihr Thörichten, schweigt, 
und beunruhigt mich nicht!' Allein die Thiere schrieen noch 
lauter: 'Maroula ist gekommen, sie ist gekommen.' Die Mutter 
rief wieder: 'Schweigt, ihr Thörichten, schweigt!' Aber auf 
einmal öffnete sich die Thür, und Maroula trat ein. Auch 
Helios kam, wieder in Mönchsgestalt, herein, gab sich jetzt 
der Mutter zu erkennen und sagte ihr, dass er ihr Kind nur 
deshalb geraubt habe, um ihr mehr Sorgfalt für ihre Familie 
beizubringen. 

■) Tp^uei, Tp^uei TO iiapouXi, 

Tp£H€i Kai tc' uävac u* u tcapöoöAa 
da xfj uaupn Tt 1 ] MapoöXa. 



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— m — 

15. 

Das Schloss des Helios. 

Ebendaher. 

Es war einmal ein König, der hatte vier Kinder, näm- 
lich drei Söhne und eine Tochter. Als dieser und seine Frau 
gestorben waren, sagte eines Tages die Prinzessin zu ihren 
Brüdern, dass sie in die Ferne ziehen wolle. Sie Hess sich 
daher ein schwarzes Kleid mit drei Streifen machen und in 
jeden Streif zweitausend Goldstücke einnähen. Als das ge- 
schehen tirar, nahm sie von ihren weinenden Brüdern Ab- 
schied und zog von daunen. Sie ging immer zu immer 
zu und kam endlich am Fusse eines Berges an. Den er- 
stieg sie, und als sie dann wieder auf der andren Seite 
abwärts ging, begegnete sie einem Mönche, der fragte sie, 
wo sie hin wolle. Sie antwortete, sie ginge der Nase nach. 1 ) 
Da sie aber in der Ferne einen weissen Gegenstand bemerkte, 
so fragte sie zugleich den Mönch, was das sei. r Das ist, 
mein Kind,' antwortete der Mönch, 'das Schloss des Helios, 2 ) 
und dort befinden sich mehr als zehntausend Prinzen, die 
einst auf der Jagd in die Gegend kamen und von Helios 
versteinert worden sind. Du, mein Kind, bist ein braves 
Mädchen, und ich möchte nicht, dass dir Böses widerfahre, 
sondern vielmehr, dass dir's gut gehe. Darum will ich dir 
die Sache erklären, damit du nicht nur selbst Gutes erfährst, 
sondern auch anderen Gutes erweisen kannst. So wisse denn! 
In jenes Schloss musst du hineingehen. Aber auf dem Wege 
dahin wirst du Lärm und Getöse und menschliche Stimmen 
vernehmen, die Stimmen deiner Brüder, die dir zurufen werden. 
Aber traue ihnen nicht und drehe dich nicht um, denn das 
sind Geister,'') und so du dich umkehrst, wirst du in Stein 
verwandelt werden. Bist du dann im Schlosse augekommen, 
so nimm rasch die grosse Flasche, die darin auf einem Tische 
steht, eile damit hinaus und besprenge alle die versteinerten 
Prinzen mit dem darin befindlichen Wasser, denn das ist 
Lebenswasser. 4 ) Darauf wirst du einen gewaltigen Riesen 



') önou iöoöv xä uutiu xcr\. — Vgl. oben Nr. 4, S. 70, Anm. 1. 

») Ö TTÜPTOC TOÜ "HXlOU. 

3 ) baiUÖVia, 

4 ) V€pÖ TCf) £»JUf|C. 



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- 107 - 

vor dir sehe», der wird dich fressen wollen. Aber verzage 
nur nicht, sondern sag ihm gleich, du suchtest gerade ihn. 
Nun wird er Wasser von dir verlangen, und du musst darum 
schon vorher solches in Bereitschaft haben. Sobald er das 
erhalten, wird er dich bei der Hand nehmen und in seinen 
Palast führen und sich mit dir verheirathen. Nachher wird 
er dich fragen, woher du das Wasser genommen habest, 
darauf musst du ihm antworten: "Von dort, wo es war." 
Weiter wird er dich fragen, ob du seine Sklaven befreit 
habest. Da antworte ihm, du hättest sie ins Leben zurückge- 
rufen. Da wird er merken , dass ich dir das alles gesagt habe, 
und wird dir kein Leid zufügen. Nun wirst du fortan in 
seinem Schlosse leben, und es werden auch deine Brüder 
kommen, 1 ) und ihr werdet zusammen bleiben. Und an dem 
Tage, wo deine Brüder kommen, werden auch die von dir 
befreiten Prinzen erst anfangen sich zu bewegen und voll- 
ständig wieder aufzuleben.' Die Königstochter dankte dem 
Mönch für diese Mittheilungen und ging weiter. Sie kam 
endlich an dem Schlosse des Helios an und ging hinein. Hier 
ergriff sie die Flasche und besprengte mit dem Wasser die 
versteinerten Jünglinge, und dann füllte sie die Flasche wieder 
an einer in der Nähe fliessenden Quelle. Kaum hatte sie 
das gethan, als plötzlich der Riese vor ihr erschien. Er 
fragte sie, von wannen sie komme und wie sie hierher ge- 
langt sei, ^und machte Miene sie zu fressen. Sie aber er- 
widerte, dass sie gerade ihn suche; und als er Wasser ver- 
langte, gab sie ihm zu trinken. Da sagte Helios : f Du taugst 
für mich/ nahm sie mit sich hinauf in sein Schloss und ver- 
heirathete sich mit ihr. Dann fragte er sie, wo sie das 
Wasser geschöpft habe. 'Dort, wo es war,' antwortete sie. 
Weiter fragte er, ob sie seine Sklaven befreit habe, und sie 
antwortete: f Ja, ich habe sie ins Leben zurückgerufen.' Da 
sagte der Kiese von neuem zu ihr: f Du taugst für mich,' 
und setzte sie auf einen Thron. 

Lassen wir jetzt die Königstochter und nehmen wir die 



') In genauem Anschlnss an den griechischen Text wäre zu über- 
setzen gewesen: 'Nun wirst du in dem- Schlosse leben drei Tage, 
und dann werden auch deine Bruder kommen.' Ich habe den da- 
durch entstehenden Widerspruch mit der folgenden Erzählung durch 
die obige, geringe Aenderuug beseitigt. 



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— 108 - 



Söhne dran, die ihre geliebte Schwester verloren hatten und 
sich aufmachen wollten, sie zu suchen. Der älteste sprach 
zu seinen Brüdern: 'Ich will fortziehen, meine Brüder, um 
unsere Schwester aufzusuchen.' Er gürtete sich also sein 
Schwert um und zog von dannen. Er stieg über den Berg, 
über den auch seine Schwester gestiegen war, allein er be- 
gegnete keinem Mönch, der ihn gewarnt hätte, und so ward 
er nahe beim Schloss des Helios in Stein verwandelt. Nach 
geraumer Zeit machte sich auch der zweite Bruder auf den 
Weg, da er sah, dass sein Bruder nicht zurückkehrte. Allein 
es ging ihm ebenso, wie jenem. Nun brach endlich auch 
der dritte auf, und als er sich jenseits des Bergs befand, be- 
gegnete er dem Mönch, der sprach zu ihm: 'Geh nur immer 
vorwärts, da wirst du deine zwei Brüder, in Stein verwan- 
delt, auf dem Wege antreffen. Bleib aber nicht stehen noch 
kehre dich um, sondern geh immer zu, da wirst du einen 
Garten finden und darin deine Schwester.' Der Königssohn 
ging also weiter, fand, wie ihm der Mönch gesagt, seine 
beiden versteinerten Brüder, setzte jedoch seinen Weg fort, 
kam am Schlosse an und erblickte im Garten seine Schwester. 
Die fragte ihn, wie er hergekommen sei, und er erzählte 
ihr's. Da sprach die Schwester: 'Wie werden wir's nun aber 
machen? Mein Mann ist Helios, und wenn er dich sieht, 
wird er dich fressen. Er kehrt jedoch erst Abends hierher 
zurück.' Als sich nun die Stunde näherte, wo Helios in 
seine Behausung zurückkehrte, da verwandelte die Königs- 
tochter ihren Bruder, um ihn vor ihrem Gemahl zu verbergen, 
durch eine Ohrfeige, die sie ihm gab, in einen Fingerhut. 
Denn als Weib des Helios hatte sie die Macht dazu. Jetzt 
kam Helios an und sprach sogleich zu ihr mit gewaltiger 
Stimme: 'Es riecht hier nach menschlichem Blute.' Und er 
fing an zornig zu werden, aber seine Frau sagte zu ihm: 
'Und wenn nun mein Bruder angekommen wäre, würdest du 
den fressen wollen?' — 'Nein,' antwortete Helios, und als er 
ihr das durch einen Schwur betheuert hatte, gab sie dem 
Fingerhute, den sie an ihre Hand gesteckt, einen Schlag, 
und alsbald verwandelte er sich wieder in ihren Bruder. 
Helios umarmte und küsste ihn und sagte zu ihm : 'Ich weiss, 
dass du zwei andre Brüder hast und dass sie versteinert sind. 
Nimm Wasser aus dieser Flasche hier und geh und besprenge 



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- 109 - 



sie damit.' So that der Königssohn, und als die Brüder er- 
löst nach dem Schlosse zugingen, da lebten auch alle die 
andern Prinzen auf, und die drei Brüder empfingen sie. Als 
Helios sie alle vor sich sah, sprach er zu ihnen: 'Bleibt ihr 
Brüder meines Weibes hier bei mir, und von den andern, 
wer Lust dazu hat, auf dass ihr glücklich lebt. Alle andern 
.iber, die nicht hier bleiben wollen, mögen in ihre Heimath 
zurückkehren.» Da blieben die drei Brüder da, und sowohl 
sie, als auch die zurückkehrten, lebten nun glücklich, wir 
aber hier noch glücklicher. 



16. 

Die Mutter des Ärotas. 

Ebendaher, 

Es war einmal ein armes Mädchen, das liebte einen vor- 
nehmen jungen Herrn, hatte aber, weil es so arm war, keine 
Hoffuung, ihn heirathen zu können. Da ging es eines Tags 
zu der Mutter des Erotas. 1 ) An ihrer Wohnung angekommen 
stellte es sich unter ihr Fenster und weinte. Die Mutter des 
Erotas kam heraus und fragte: 'Was hast du, mein Kind, 
dass du weinst?' Das Mädchen aber weinte und klagte nur 
noch mehr, ohne Antwort zu geben. Da sprach die Mutter 
des Erotas zu ihr — denn sie kannte den Grund ihres Kum- 
mers wohl — : 'Liebst du etwa einen, und der ist gleichgültig 
gegen dich?' — 'Ja,' antwortete darauf das Mädchen tiefbe- 
trübt. Da sprach des Erotas Mutter: 'Weine nicht, mein 
Kind, ich werde deinen Kummer heilen. Bleib hier, bis mein 
Sohn zurückkommt, der seit heute Morgen auf den Bergen 
und in den Thälern umherzieht.' Als nun Erotas' 2 ) zurück- 
kehrte, da sprach seine Mutter zu ihm: 'Mein Sohn, ich 
möchte dich bitten mir einen Gefallen zu thun.' — 'Ja,' sagte 
Erotas, und nun trug ihm seine Mutter die Sache vor. Am 
folgenden Morgen ging Erotas mit Bogen und Pfeilen aus 
und setzte sich an dem Hause nieder, darin das Mädchen 
wohnte. Als nun der Jüngling, den es liebte, vorüberkam, 



') CTf| ndva toO "CpujToc. 
*} ö "6pu)Tac. 



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- 110 - 



schoss Erotas plötzlich seinen Pfeil auf ihn ab, und von dem 
Augenblicke an ergriff den Jüngling so mächtige Liebe zu 
dem Mädchen, dass er's zu seinem Weibe nahm. 



17. 

Maroula und die Mutter des firotas. 

Ebendaher. 

- Es lebte einmal eine Königstochter, die war unter allen 
Frauen der Welt weitaus die schönste. Als das die Mutter 
des Erotas erfuhr, die nicht dulden mag, dass eine andre 
schöner sei, denn sie selbst, fasste sie den Gedanken, das 
Mädchen zu tödten. Um das auszuführen, ging sie, als Alte 
verkleidet, mit einem verzauberten Goldapfel unter das Schlott 
der Prinzessin und bot ihn ihr feil. Die Prinzessin war eine 
Waise, hatte aber mehrere Brüder, die hüteten ihre Schwester 
sehr und schlössen sie, wenn sie ausgingen, in den Palast 
ein, damit niemand zu ihr komme. So war sie denn auch 
eingeschlossen, als die Alte kam und ihr den Goldapfel zeigte. 
Sie wünschte ihn aber zu kaufen, und da sagte ihr die Mutter 
des Erotas, sie solle einen Strick aus dem Fenster herab- 
lassen, damit der Apfel daran befestigt und hinaufgezogen 
werde. So geschah es. Aber beim ersten ßiss, den das 
Mädchen in den Apfel that, sank es alsbald ohnmächtig zu 
Boden. In diesem Zustande fanden die arme Maroula — so 
hiess nämlich das Mädchen — ihre Brüder bei der Rückkehr. 
Als sie nun den Apfel bemerkten, dachten sie, er möchte 
vielleicht bezaubert sein und ihrer Schwester geschadet haben. 
Sie nahmen ihr also das abgebissene Stück aus dem Munde, 
und da kam sie auf einmal wieder ins Leben zurück. 

Die Mutter des Erotas aber wünschte sich genau davon 
zu überzeugen, ob die schöne Königstochter auch wirklich 
an dem Genüsse des Apfels gestorben sei. Sie hielt daher 
einen Spiegel vor die Sonne und sprach: 
f Sonne mein mit deinem Schein, 
Sag mir, bei deiner Augen Licht!, 
Welches ist da« schönste Weib auf Erden ? ' ') 

') "HXi€ uou, irpocnXi€ uou, 

T\ic uou, vö Zoüv Td udria cou!, 
TTo(a eTvai r\ 6uop<piT€pn T^vaiKa toO köcuou; 



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'Auch du bist schön,' antwortete die Sonne, 'aber Maroula 
hat nicht ihres Gleichen auf der Welt* Als des Erotas Mutter 
horte, dass Maroula noch am, Leben sei, ward sie noch viel 
zorniger über sie und begab sich, diesmal mit einem verzau- 
berten Ringe, abermals unter ihr Schloss. Die Prinzessin 
kaufte den Ring, aber kaum hatte sie ihn an den Finger 
gesteckt, als sie leblos zu Boden sank. Und diesmal merkten 
die Brüder bei ihrer Rückkehr nicht, dass der Ring am Finger 
ihrer Schwester bezaubert sei; und da sie die Hoffnung auf- 
gaben, Maroula ins Leben zurückrufen zu können, legten sie 
sie in einen grossen goldnen Sarg und setzten diesen in 
einem Haine in der Nähe ihres Schlosses nieder. 

Eines Tags wurde ein Königssohn auf» der Jagd des 
Sarges gewahr, indem ein Vogel aus den Lüften geflogen 
kam und sich darauf niedersetzte. Er Hess den Sarg durch 
sein Gefolge aufheben und in seinen Palast bringen. Hier 
öffnete er ihn und sah das schöne Mädchen darin liegen. 
Ganz zufällig zog er ihr den bezauberten Ring vom Finger, 
und da kam sie auf der Stelle wieder ins Leben zurück. Da 
verheirathete sich der Prinz mit ihr, und nachdem sie eine 
Zeit lang mit einander gelebt hatten, wurde die junge Frau 
schwanger und gebar Zwillinge. Die Mutter des Prinzen 
aber war sehr ungehalten darüber, dass ihr Sohn bei seiner 
grossen Liebe zu seiner Gemahlin ihr selbst keine Aufmerk- 
samkeit erwies, und sie beschloss ihre Schwiegertochter zu 
verderben. Sie ging eines Abends in deren Zimmer, schnitt 
ihren beiden Kindern die Köpfe ab und warf das Messer, 
womit sie den Mord vollbracht hatte, auf das Bett der Ma- 
roula, um den Verdacht der That auf sie zu lenken. Am 
folgenden Morgen sah ihr Sohn das Geschehene, und da auch 
seine Mutter der Maroula die That Schuld gab, so zweifelte 
er nicht mehr, dass sie die Verbrecherin sei. Er befahl da- 
her, es sollten ihr die Hände abgeschnitten und sammt den 
Leichen ihrer Kinder in einen Sack genähet werden; den 
solle man der Mörderin um den Hals hängen und sie dann 
fortjagen. So geschah es. 

Als nun Maroula ihres Wegs dahin zog, begegnete sie 
einem Mönche, dem erzählte sie alles* Der Mönch setzte den 
Kindern die abgeschnittenen Köpfe wieder auf, da wurden 
sie ins Leben zurückgerufen, und der Mutter fügte er wieder 



die Hände an. Darauf schlug er mit einem Stabe auf die 
Erde, und alsbald entstand ein grosser Palast. Nun sagte er 
zu Maroula: 'Bleib hier oben . mit deinen Kindern und lebe 
glücklich! Wisse, ich bin dein guter Engel 1 ) und ich werde 
wieder kommen. ■ Nach diesen Worten verschwand er plötz- 
lich, und Maroula hatte nicht einmal Zeit gehabt von ihm 
Abschied zu nehmen. 

Während sie nun mit ihren Kindern in dem Schlosse 
lebte, kam eines Tags ihr Gemahl, der sie aus seinem Hause 
verjagt hatte, auf einem Spaziergange mit seinen Freunden 
unter ihrer Wohnung vorüber und sah sein Weib oben, er- 
kannte es aber nicht. Maroula aber erkannte ihn, und auf 
den Rath des Mönchs, ihres guten Engels, der ihr jetzt auf 
einmal wieder erschien, lud sie ihn ein heraufzukommen. 
Während der Prinz mit seinen Freunden hinaufstieg, befahl 
Maroula ihren Kindern, bei seinem Erscheinen zwei Bälle zu 
ergreifen, sie zu werfen und dabei zu sagen: <Mög' es wohl 
gehn unsrem Vater, aber bersten mag unsre Grossmutter, 
die, von Erotas' Mutter angestachelt, 2 ) den Vater bewogen 
hat, der Mutter die Hände abzuschneiden, obwohl doch sie 
selbst uns ermordet hat.' Als der Prinz das hörte, sagte er 
zu seinen Freunden: 'Wisset, das ist mein Weib, und das 
sind meine Kinder.' Und nun erzählte er ihnen den ganzen 
Vorfall. Und Maroula erzählte ihrem Gemahle, was hinter- 
her geschehen war, wie der Mönch sie und ihre Kinder ge- 
heilt und ihr gesagt habe, dass die Mutter des Erotas es sei, 
die aus Neid über ihre Schönheit solche Nachstellungen ihr 
bereite. Der Prinz nahm nun sein Weib und seine Kinder 
mit sich und verbarg sie auf seinem Schlosse. Tags darauf 
lud er viele seiner Freunde zu einem Gastmahle, erzählte 
ihnen alles und forderte sie auf, die Strafe zu bestimmen, 
die seine Mutter verdiene. Da sagten alle einstimmig, er 
solle sie in ein mit Pech versehenes Fass stecken und auf 
dem Meere verbrennen. So geschah's. Das junge Ehepaar 
aber lebte von nun an glücklich, denn die Mutter des Erotas 
begnügte sich mit den Leiden, die Maroula ausgestanden, und 
liess sie fortan unangefochten. 

M ö KotAöc cou ÄTT^Xoc. 

*) ßapn^vii ^ 1TT ^ Mtiva toö v €pujTOC. 



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— 113 — 



18. 

Der Garten des firotas. 1 ) 

Ebendaher. 

Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein König, 
der hatte einen Sohn. Es trug sich zu, dass der König 
krank wurde und das Licht seiner Augen verlor. So viele 
Aerzte auch zu ihm kamen, keiner konnte ihm helfen. Eines 
Tags kam auch eine Alte und sagte zum König, er werde 
nicht wieder sehend werden, wenn er nicht seine Augen mit 
dem Wasser bestreiche, das in dem Garten des Erotas fliesse. 
Als das der Sohn des Königs hörte, beeilte er sich zu er- 
fahren, wo sich jener Garten befinde. Man sagte ihm, um 
es zu erfahren, müsse er sich zu einem alten Manne auf 
dem und dem Berge begeben, der werde ihm Auskunft er- 
theilen können. Da machte sich der Jüngling auf den Weg 
dahin, und oben auf dem Berge angekommen trat er vor 
den Alten und fragte ihn nach dem Garten des Erotas. Der 
sagte ihm, er solle eines seiner besten Pferde besteigen und 
immer rechts reiten, dann, bei einer mit Säulen eingefassten 
Strasse, sich zur Linken wenden und den Berg, der dort sich 
erhebe, überschreiten, dahinter werde er den Garten des Erotas 
finden. — Am folgenden Tage also brach der Königssohn mit 
seinem besten Pferde auf, und nach einer dreitägigen Reise 
gelangte er zum Garten des Erotas. Beim Hineingehen er- 
blickte er ein Weib, das war das schönste auf Erden; es 
sass an der Pforte und spielte mit einem Knaben, der Flügel 
hatte und einen Bogen in der Hand hielt sammt einer Menge 
von Pfeilen. Der Garten aber war ganz voll von Rosen, und 
über ihnen flatterten eine Menge kleiner Knaben mit Flügeln, 
gleich Schmetterlingen. In des Gartens Mitte war eine Quelle, 
wo das heilkräftige Wasser rieselte. Als sich der Königs- 
sohn der Quelle näherte, bemerkte er in ihr ein Weib weiss 
wie Schnee und leuchtend wie der Mond. Und es war auch 
wirklich der Mond, der hier ein Bad nahm. Neben der 
Quelle sass eine zweite, wunderschöne Frau, das war die 
Mutter des Erotas. 2 ) Die fragte den Jüngling, ob er viel- 



•) To ircpißöXi toO "€pu)Ta. 
*) f\ (idvo toö "£pu)Ta. 

Schmidt, Griocb. Märchen, Sagen n. Volkslieder. 8 



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- 114 



leicht etwas begehre, und als er ihr den Grund, warum er 
gekommen, angegeben hatte, reichte sie ihm ein mit dem 
heilenden Wasser angefülltes Fläschchen und gab ihm ihren 
Segen. Nun brach der Königssohn wieder auf. Als er aus 
dem Garten heraustrat, sah er einen gewaltigen Menschen 
herankommen, das war Helios, der den Erotas besuchen wollte. 
Er ging nahe an dem Jüngling vorüber, bemerkte ihn* aber 
nicht, denn hätte er ihn bemerkt, so würde er ihn gefressen 
haben. Der Königssohn kehrte nun auf dem nämlichen Wege, 
auf dem er gekommen war, zu seinem Vater zurück und über- 
gab ihm das Wasser. Und sowie der Vater seine Augen da- 
mit genetzt, ward er alsbald wieder sehend. Da umarmte er 
seinen Sohn und küsste ihn und gab ihm sein Königreich zu 
eigen. Der Jüngling dankte ihm, und nun lebten beide 
glücklich, wir aber hier noch glücklicher. 



19. 

Tischtuch und Goldhuhn. 

Ebendaher. 

Es war einmal ein alter Mann, der hatte sein ganzes 
Leben über brav gelebt. In seinem Alter hatte er daher das 
Glück, dass ihm sein guter Engel ') erschien. Der sprach zu 
ihm — denn er hatte ihn lieb — : r Ich will dir angeben, 
wie du glücklich werden kannst. In dem und dem Berge 
ist ein Loch, da geh hinein und geh immer immer vorwärts, 
bis du an ein grosses Schloss kommst. Da klopfe an die 
Thür. Wenn diese sich öffnet, wirst du eine hohe Frau vor 
dir sehen, die wird dich alsbald bewirthen und nach deinem 
Alter, deiner Beschäftigung und deinem Befinden fragen. Ant- 
worte nur, du seist von mir gesandt, da wird sie das Weitere 
schon wissen.' Der Alte that so, und die Frau im Innern 
der Erde gab ihm ein Tischtuch und sagte ihm, wenn er 
das ausbreite und spreche: 'Im Namen des Vaters und des 
Sohnes und des heiligen Geistes/ so werde alles, was er sich 
wünsche, darauf zu finden sein. So war's in der That. Nach- 
dem nun der Alte oftmals davon Gebrauch gemacht, kam's 

') ö KCtAöc ärr*A6c tou. 



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— 115 — 

ihm einst in den Sinn, den König in sein Haus einzuladen. 
Als der das Wundertuch sah, nahm er's dem Alten ab. Allein, 
da er kein tugendhafter Mann war, so that das Tuch bei 
ihm seine Wirkung nicht, und er wart' es deshalb zum Fenster 
hinaus, worauf es zu Staub wurde. Der Alte ging nun wieder 
zu der Frau im Berge, und die gab ihm diesmal ein Huhn, 
das jeden Tag ein goldnes Ei legte. Als der König davon 
Kunde erhielt, liess er dem Alten auch das Huhn nehmen. 
Allein bei ihm legte es nicht, und so warf er auch das Huhn 
zum Fenster hinaus, worauf es ebenfalls zu Staub ward. In 
seinem Zorne liess er nun zugleich den Alten greifen und 
ihm den Kopf abschlagen. Aber kaum war das geschehen, 
so erschien vor dem König die Herrin über Erde und Meer l ) 
— das war nämlich die Frau im Berge — , sagte ihm mit 
kurzen Worten, was für ein Lohn ihn nach diesem Leben 
für seine Schlechtigkeit erwarte, und stampfte dann mit dem 
Fusse auf die Erde, die sich aufthat und das Schloss sammt 
dem König und allem, was darin war, verschlang. Der ge- 
tödtete Alte aber war ins Paradies eingegangen. 



20. 

Die Wunderpfeife. 

Ebendaher. 

Es war einmal ein Priester, der hatte einen Sohn, der 
so gut war, dass alle Menschen ihn lieb hatten. Sein Ge- 
schäft war hinauszuziehen und die Ziegen zu weiden. Eines 
Tages traf er an seinem Weideplatze den Panos, 2 ) und der 
gab ihm ein Zicklein, wie man kein zweites in der Welt 
findet: sein Fell war golden, seine Ohren silbern und seine 
Hufe von Mälama. 3 ) Kaum hatte der Jüngling das Zicklein 
erhalten, so opferte er es Gott, indem er's verbrannte. Da 
erschien vor ihm ein Engel, von Gott gesandt, und fragte 
ihn, welche Belohnung er für seine Handlung begehre. Der 
Jüngling antwortete, er wünsche sich nichts andres als eine 
Hirtenpfeife von der Beschaffenheit, dass, wenn er auf ihr 

') n. Kupä Tcfl fflc Kai xcn. eaAdccnc. 
*) töh TTävo. 

•) S. Nr. 9, S. 84, Aiim. 1. 

8* 



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- 116 - 



spiele, alle die ihn hörten zu tanzen anfingen. Alsbald war 
eine solche Flöte da. Der Jüngling nahm sie, und was ihm 
nunmehr auch widerfahren mochte, mit seiner Flöte rettete 
er sich. Da kam der Befehl vom König, ihn zu ergreifen. 
Allein es war niemandem möglich, ihn festzunehmen. End- 
lich, um sich an dem Könige zu rächen, Hess er sich frei- 
willig fangen. Als sie ihn aber nun ins Gefängniss geworfen 
hatten, da fing er an auf seiner Flöte zu blasen, und da 
tanzten nicht nur Thiere und Menschen, sondern auch Häuser 
und Felsen, und die Häuser und Felsen stürzten auf die Men- 
schen und erdrückten sie alle sammt dem Könige; nur der 
Jüngling selbst und seine Familie blieben am Leben. Die 
ganze Sache aber war von Panos angestiftet, um die Welt 
etwas zu säubern von schlechten Menschen. 



21. 

Der Garten des Charos. 

Ebendaher. 

Es war einmal eine Frau, die bekam keine Kinder. Da 
erschien eines Tags eine der Moeren 1 ) vor ihr und sprach: 
'Ich bin abgesandt von meiner Herrin, dir zu sagen, dass 
du, um ein Kind zu bekommen, zu dem und dem Berge dich 
begeben müssest. Dort wirst du in der Erde eine Oeflnung 
bemerken, da steige hinein und geh immer vorwärts, bis du 
in den Garten des Charos gelangst. Sobald du darin ange- 
kommen bist, schneide das Kraut ab, das an der Quelle des 
Gartens wächst, und nimm es mit dir und iss es, da wirst 
du ein Kind bekommen.' So sprach die Moere und verschwand. 
Am folgenden Tage brach die Frau auf, ging nach dem 
Berge, fand die Oeffnung, stieg hinein und gelangte nach 
einer sehr beschwerlichen Wanderung in Charos' Garten. Es 
war ein dunkler Raum, darinnen sie aber doch Kinder, Frauen, 
Männer und Greise unterschied, die sämmtlich versteinert 
waren; auch waren da Sicheln, Knochen und Schädel zu 
sehen. Auch flatterten eine Menge Todtenvögel 2 ) in dem 



l i ixiti Motpa. 

2 ) CTpirrXoiroüAia. 



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— 117 - 



Garten umher, und die Frau bemerkte, wie Charos einige 
von ihnen fing, um Mahlzeit zu halten. Während er nun 
zusammen mit seinem Weibe, der Charontissa, ') speiste, 
schnitt sie das Kraut an der Quelle ab und machte sich dann 
auf und davon. 2 ) Sie blickte aber auf ihrer Flucht hinter 
sich und sah, wie Charos nach der Mahlzeit von den ver- 
steinerten Kindern einige abschnitt und an ihnen roch, als 
wären es Rosen, und wie er von den übrigen versteinerten 
Menschen genoss, als wären es Früchte. Zu Hause angekom- 
men ass sie das Kraut und gebar darauf ein Knäblein, so 
anmuthig und lieblich, wie nur auf der Welt eins sein kann. 
Als aber ihr Sohn herangewachsen und ein grosser Mann 
geworden war, erzählte ihm einst seine Mutter, was für einem 
Umstände er seine Geburt zu verdanken habe. Da Hess sich 
auf einmal ein gewaltiges Getöse vernehmen, Charos erschien 
und nahm sich den Sohn zum Gärtner, die Mutter aber ver- 
wandelte er in seinem Garten in Stein. 



22. 

Gevatter Charos. 

Lesbos. 

Es war einmal ein sehr armer Mann, der wünschte sich den 
Charos zum Gevatter zu nehmen, und führte es auch wirklich 
aus. Weil er nun so arm war, gab ihm Charos den Rath, 
Arzt zu werden: auf diese Weise werde er zu Reichthümern 
gelangen. r Wenn du mich,' sagte er, f zu Füssen des Kranken 
sitzen siehst, da gibst du ihm einige Tropfen gefärbten Was- 
sers ein, und er wird genesen. Siehst du mich an seinem 
Leibe sitzen, machst du's ebenso. Wenn du mich aber ihm 
zu Häupten sitzen siehst, da sagst du: "Der Kranke wird 
sterben, es gibt keine Rettung für ihn," und gehst weg.' 
Der Mann that so, wurde ein berühmter Arzt und erwarb 
. sich unermessliehe Schätze. Eines Tags nun sagte er zu 
Gevatter Charos: 'Du willst doch nicht etwa auch mich nun 



') |id rt\ XapövTiccd tou. 

2 ) <p€UY€i rä capövTa Sparet, eine auf Zakynthos häufig gebrauchte 
Redensart, die in der Uebersetzung nur nach ihrem »Sinn im Allgemei- 
nen wiedergegeben werden kann. 



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— 118 — 

holen?' — 'Nein,' antwortete ihm Charos, 'erst nach drei 
Jahren hol' ich dich.' Da verliess der Mann, um dem Charos 
zu entgehen, sein Vaterland, und nach einer Wanderung von 
einem Jahr kam er in einem Orte an, von dem er glaubte, 
dass Charos ihn nicht besuche. Allein drei Jahre nach sei- 
nem Wegzug aus der Heimath, als er gerade in einem Kaffee- 
hause Katfee trank, erschien auf einmal Charos vor ihm und 
sprach: 'Guten Tag, Gevatter! Seit drei Jahren haV ich dich 
nicht gesehen! Jetzt ist's Zeit, dass ich deine Seele hole.' 
Da sagte jener: 'Nicht doch, lieber Gevatter, nicht doch, 
lieber Charos, nimm mir die Seele nicht, lass mich noch 
leben f Aber Charos entgegnete ihm : 'Nein, ich kann nicht 
anders, Gott hat mich abgeschickt.' Und ohne Weiteres nahm 
er ihm seine Seele, ohne dass er auch nur seinen Kaffee aus- 
trinken konnte. — Charos kennt eben weder Freundschaft 
noch Verwandtschaft noch Erbarmen; alle Menschen sind in 
seinen Augen gleich, und wohin auch einer fliehen mag, 
Charos weiss ihn schon zu finden. 

23. 

Die siebenköpfige Schlange. 1 ) 

Zakyuthos. 

Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein König. 
Der versammelte einst seine Flotte mit der ganzen Mann- 
schaft um sich und trat eine weite Reise an. Er fuhr Tag 
und Nacht immer vorwärts, bis er an einen Ort kam, der 
dicht mit Bäumen bewachsen war, und an jedem Baume lag 
ein Löwe. Als er sich mit seinen Leuten ausschiffte, da 
stürzten sich mit einem Mal die Löwen auf sie und wollten 
sie verschlingen. Nach langem Kampfe gelang es ihnen 
endlich die wilden Thiere zu erlegen, aber auch von ihnen 
waren die meisten getödtet worden. Die übrig gebliebenen 
zogen nun durch den Wald hindurch und fanden auf der | 
andren Seite einen wunderschönen Garten, darin standen alle 
Gewächse, die's in der W elt gibt. Es waren auch drei Quellen 
hier, und die eine von ihnen rieselte Malama, 2 ) die andere 

>) T6 <ploi tö VrctK^aXo. 
») S. Nr. 9, S. 84, Anm. 1. 



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— 119 - 



Gold und die dritte Perlen. Da nahinen sie ihre Reisesäcke 
und füllten sie mit diesen köstlichen Dingen. Es war auch 
ein grosser See in der Mitte des Gartens. Als sie auf 
diesen zugingen, fing er an zu reden und sagte zu ihnen: 
'Was macht ihr hier, Kinder, und wen sucht ihr? Verlangt 
ihr nach unsrem König? ' Sie aber erschracken sehr und 
antworteten nichts. Da sprach der See abermals zu ihnen: 
'Ich sehe es, dass ihr euch fürchtet, aber ihr seid auch zu 
eurem Unheil hier herein gekommen. Unser König, der 
sieben Köpfe hat, schläft jetzt. In wenigen Minuten wird 
er aufwachen und hierher kommen, sein ßad zu nehmen. 
Wehe dem, der hier im Garten von ihm betroffen wird! Es 
ist unmöglich, ihm zu entrinnen. Macht's indessen, um euch 
zu retten, also: legt alle eure Kleider ab und breitet sie auf 
den Weg aus von dem Schlosse an bis hierher. Der König 
wird dann weich gehen, was er sehr liebt, und so wird er 
euch nicht fressen. Er wird euch nur eine Strafe auferlegen 
und dann euch ziehen lassen.' So thaten sie denn und war- 
' teten den Ausgang ab. Um Mittag dröhnte die Erde und 
barst an vielen Stellen, es erschienen Löwen, Tiger und andre 
wilde Thiere und umringten das Schloss, und tausend und 
aber tausend Thiere kamen aus seinem Inneren heraus mit 
ihrem König, der siebenköpfigen Schlange. Dieser schritt 
über die Kleider hinweg, kam zum See und fragte ihn 
wer die weichen Sachen auf den Weg gebreitet habe. Der 
See antwortete, das hätten Leute gethan, die gekommen 
wären, ihm ihre Ehrerbietung, zu bezeigen. Alsbald befahl 
der König, dass die Leute vor ihn kommen sollten. Sie nah- 
ten sich ihm auf den Knieen und erzählten ihm mit wenigen 
Worten ihre Geschichte. Er aber sprach zu ihnen mit ge- 
waltiger furchtbarer Stimme: 'Weil ihr hier herein gekommen 
seid, lege ich euch zur Strafe die Verpflichtung auf, mir jedes 
Jahr aus eurem Volke zwölf Mädchen und zwölf Jünglinge 
zum Frasse zu bringen. Und wenn ihr das nicht thut, werde 
ich euer ganzes Volk vertilgen.' Hierauf theilte er ihnen 
eines seiner Thiere zu, um ihnen den Weg aus dem Garten 
zu zeigen, und verabschiedete sie. So zogen sie von dannen. 
In ihr Land zurückgekehrt erzählten sie das Geschehene. Und 
schon rückte die Zeit heran, da sie die Mädchen und Jüng- 
linge dem König der Thiere bringen mussten. Es erging also 



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— 120 — 

der Befehl im Laude, dass zwölf Mädchen und ebenso viel 
Jüuglinge sich opfern sollten, um das Vaterland zu retten. So- 
gleich eilten Jünglinge und Jungfrauen in grosser Zahl herbei, 
viel mehr als nöthig waren. Man baute ein neues Schiff und 
versah es mit schwarzen Segeln: auf dem schifiten sie die 
für den König der Thiere bestimmten Jünglinge und Mädchen 
ein und fuhren nach seinem Lande ab. Dort angekommen 
gingen sie wieder auf den See zu, aber weder die Löwen 
regten sich diesmal, noch rieselten die Quellen, und auch 
der See redete nicht. Sie warteten also , und es dauerte nicht 
lange, da dröhnte die Erde noch gewaltiger als das erste 
Mal, das Ungeheuer kam ohne Begleitung heran, schaute den 
Frass und verschlang ihn mit einem Male. Die Ueberbringer 
kehrten darauf in ihre Heimath zurück, und so geschah's * 
noch viele Jahre hindurch. 

Verlassen wir jetzt das Ungeheuer und nehmen wir den 
König des unglücklichen Landes dran! Der wurde alt, und 
auch die Königin alterte, und Kinder hatten sie nicht. Eines 
Tags nun sass die Königin am Fenster und weinte, weil sie 
kinderlos war und sah, dass der Thron in fremde Hände über- 
gehen werde. Da auf einmal erschien vor ihr ein altes Müt- 
terchen, das hatte einen Apfel in der Hand und fragte : 'Was 
ist dir, meine Königin, dass du weinst und dich härmst?' — 
r Ach, liebe Alte/ erwiderte jene, 'es betrübt mich sehr, dass 
ich keine Kinder habe.' — 'Ei,' sprach die Alte, 'darum 
härmst du dich? Hör mich an. Ich bin eine Nonne aus dem 
Kloster Gnothi, 1 ) und meine selige Mutter hat mir als Erb- 
schaft den Apfel hier hinterlassen: wer den isst, der bekommt 
ein Kind.' Die Königin gab der Alten viele Thaler und kaufte 
dafür den Apfel. Dann schälte sie ihn, ass ihn und warf 
die Schalen zum Fenster hinaus. Eine Stute aber, die im 
Hofe umherlief, frass die Schalen. Die Königin ward darauf 
schwanger, und zur selben Zeit ward auch die Stute trächtig. 
Als die Zeit kam, gebar die Königin ein Knäblein, die Stute 
aber warf ein männliches Füllen. Der Knabe und das Füllen 
wuchsen zusammen auf und wurden gross und liebten ein- 
ander wie Brüder. Da starb der König, sein Weib folgte 

>) dnd tö uovacrn.pi rviu8rj. Das Märchen selbst leitet weiter unten 
diesen Namen von yv£6w, spinnen, her. S. die Anmerkungen dazu 
hinter den Texten. 



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- 121 - 

ihm nach, und so blieb der Sohn allein, der damals neun- 
zehn Jahre zählte. Eines Tags nun, da er sich mit seinem 
Pferde abgab, sprach dieses zu ihm: 'Wisse, dass ich dich * 
lieb habe und dass ich dein Wohl und das deines Landes 
will. So höre mich. Wenn du fortfährst jedes Jahr zwölf 
Mädchen und zwölf Jünglinge dem König der Thiere aus- 
zuliefern, so wird dein Volk in wenigen Jahren zu Grunde 
gegangen sein. Auf, setz dich auf meinen Rücken, ich werde 
dich zu einer Frau bringen, die dir angibt, wie du das Un- 
gethüm tödten kannst.' Da bestieg der Jüngling sein Ross, 
das trug ihn weit fort zu einem Berg, in dem eine Höhle 
war, die dehnte sich unter der Erde aus gleich einer grossen 
Ebene. Darin sass eine Alte und spann. Es war das ein 
Nonnenkloster, und die Alte war die Aebtissin. Und weil sie 
in einem fort spann, davon hatte das Kloster den Namen 
Gnothi (Spinnheim) erhalten. An den Wänden der Höhle 
befanden sich ringsum steinerne, aus dem Fels ausgehauene 
Betten, auf denen schliefen die Nonnen. In der Mitte aber 
brannte ein Licht. Das mussten die Nonnen abwechselnd 
hüten, damit es nie verlösche, und wenn eine von ihnen es 
ausgehen Hess, so wurde sie von den übrigen getödtet. So- 
bald nun der Königssohn der spinnenden Alten gewahr wurde, 
fiel er ihr zu Füssen und bat sie ihm doch zu sagen, wie er 
das Ungeheuer tödten könne. Sie aber hob den Jüngling auf, 
umarmte ihn und sprach: 'Wisse, mein Sohn, dass ich es 
gewesen bin , die die Nonne zu deiner Mutter sandte und so 
bewirkte, dass du geboren wurdest, und mit dir auch das 
Ross, auf dass du mit seiner Hülfe die Welt von dem Un- 
geheuer befreien könntest. Lass dir also jetzt sagen, was du 
zu thun hast. Belade dein Ross mit Baumwolle und schlage 
mit ihm den und den Weg ein* — hierbei bezeichnete sie 
ihm einen heimlichen Weg, der nach dem Palast der Schlange 
führte und auf dem man den reissenden Thieren verborgen 
blieb — , 'du wirst den König schlafend antreffen auf einem 
Bett, an dem ringsum Glocken angebracht sind; und über 
ihm in der Mitte seines Lagers wirst du ein Schwert hängen 
sehen. Nur mit diesem Schwerte ist es möglich die Schlange 
zu erlegen, denn seine Klinge, wenn sie auch bricht, ersetzt 
sich immer wieder bei jedem neuen Kopfe, der dem Unge- 
heuer wächst, also, dass du damit alle sieben Häupter ihm 



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- 122 



abschlagen kannst. Um das nun aber dem Könige zu ent- 
wenden, niusst du's also machen. Schleiche dich ganz leise 
* hinauf in sein Schlafgemach und verstopfe alle Glocken, die 
sein Lager umgeben, mit Baumwolle, hierauf nimm ganz 
sacht das Schwert herab und versetze damit dem Ungeheuer 
rasch einen Schlag auf seinen Schweif. Da wird es erwachen 
und, sobald es dich erblickt, sofort dich angreifen. Du aber 
hau ihm nun den einen Kopf ab und warte dann, bis der 
zweite hervorwächst. Dann schlag ihm auch den ab, und so 
fahre fort, bis du alle sieben Köpfe abgeschlagen.' Hierauf 
gab die Alte dem Königssohne ihren Segen. Der machte sich 
nun auf den Weg, gelangte in dem Schlosse des Ungeheuers 
an und war so glücklich es zu erlegen. Als die Thiere des 
Gartens den Tod ihres Königs erfuhren, da eilten sie alle 
nach dem Schlosse, aber der Jüngling sass schon längst wie- 
der auf seinem Pferd und war bereits weit von ihrem Reiche 
entfernt. Sie verfolgten ihn zwar hitzig, konnten ihn aber 
nicht mehr einholen. Er gelangte glücklich heim, und so 
hatte er sein Land von grosser Gefahr befreit. 



24. 

Der Teufel und des Fischers Töchter. 

Ebendaher. 

Es war einmal ein alter Fischer, der ging eines Tags 
ans Meer, um Fische zu fangen. Als er das ausgeworfene 
Netz emporziehen wollte, vermochte er's nicht, wie sehr er 
auch zog und zog. Endlich, nach vieler vieler Mühe, gelang 
es ihm, und da fand er ausser einigen kleinen Fischen einen 
mächtig grossen eisernen Schlüssel im Netze. Während er 
nun den betrachtete, erschien vor ihm ein gewaltiger, hoch- 
gewachsener Mann und sprach: 'Der Schlüssel, den du ge- 
funden, gehört mir. Ich bin Belzebul, 1 ) der Teufel oberster, 
und wohne in der Hölle, 2 ) wo es ungeheuer grosse Schätze 
gibt und die Menschen glücklich sind. Nimm den Schlüssel 



•) B€pTC€ßaoüXnc, d. i. Belzebul (Beizebub). 
2 ) ctöv äbnv. 



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— 123 - 



jetzt zu dir und komm damit am Dinstag um die zwölfte Stunde 
wieder ans Gestade; du wirst da eine Thür vor dir sehen, 
die öffne, tritt ein und besuche mich.' Nach diesen Worten 
verwandelte er sich in eine dichte Rauchwolke und verschwand 
in der Erde. Der Alte kehrte nach Hause zurück, und bei 
Tisch, während er mit seinen Kindern die kleinen Fische ver- 
zehrte, die er gefangen hatte, zeigte er ihnen den grossen 
Schlüssel, erzählte sein Abenteuer und setzte hinzu, dass er 
. nächsten Dinstag ihnen Schätze mitbringen werde. Die Tage 
verstrichen, und der Dinstag kam heran. Der Fischer nahm 
zur angegebenen Stunde den Schlüssel und ging ans Gestade. 
Hier sah er eine grosse Thür vor sich, eine Meile hoch, sagt 
man, und dritthalb Meilen breit. Er öffnete sie mit dem 
grossen Schlüssel und trat in den unbekannten Raum ein. 
Da drinnen sass ein Greis, dem hing die Nase vor Alter fast 
bis auf die Füsse hinab, und seine Brauen und sein weisser 
Bart waren so lang, dass sie ihn beinahe ganz verhüllten. 
In seiner Rechten hielt er eine Sichel, in der Linken hatte 
er einen Rosenkranz, dessen Knöpfe er zählte, das waren 
Tausende und aber Tausende; in jedem Augenblick gab er 
ein Kind von sich und verzehrte es wieder. Als dieser den 
Fischer bemerkte, sprach er zu ihm in einem tiefen und 
ernsten Tone: 'Zu wem willst du und wen suchst du? Viele 
sind hier herein gekommen, aber nicht wieder hinaus. Hat 
dich der Zufall hergeführt oder dein eigner Wunsch?' — 
'Ich will deinen Herrn sprechen,' antwortete der Fischer, 
'den mächtigen Herrn.' — 'Da bist du zu bedauern, mein 
Sohn, denn vieles, vieles wirst du zu überstehen haben, bis 
du zu ihm gelangst. Doch jetzt, da du einmal eingetreten, 
ist's allerdings das beste, dass du weiter gehst. Aber ich will 
dir einige Vorschriften geben. Du hast diesen Weg hier 
einzuschlagen. Auf dem wirst du an eine grosse Lapsana- 
staude ') kommen , die wird auf der einen Seite von einem 
sehr starken, stolzen Löwen, auf der andren von einer ab- 
gemagerten, vor Hunger fast zusammenbrechenden Wölfin 
bewacht. Auch wirst du ringsum Stimmen vernehmen, die 

') Aaiyriva, ir|, d. i. Xaiydvr}, ein Kraut, das gegessen wird, sonst 
auch ßpoußa oder Ypoüßa genannt. Vgl. Philister IV, S. 432. '€q>nn. 
tüjv 4>i\ouaeuiv 1862, S. 2200 und 1864, S. 405. Du Gange unter ßpotißn- 
NtoeXX. TWdX. I, S. 409. 



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— 124 - 



dich erschrecken und dir zurufen werden, deine Familie sei 
zu Grunde gegangen, und dergleichen Schlimmes mehr. Zage 
aber nur nicht und gib keine Antwort, wenn man dich bei 
deinem Namen ruft! Wenn du nun an der Staude vorüber- 
gegangen bist, kommst du an eine Treppe, da steig' hinab, 
so wirst du den Gesuchten finden.' — Der Fischer that, wie 
ihm der Alte vorgeschrieben, und traf Belzebul allein in 
seiner Behausung an. Der stand auf und fragte ihn, ob er 
Töchter habe. Ma,' antwortete der Fischer, r ich habe drei, . 
und es sind Waisen.' Da befahl der Teufel einem seiner 
Diener, den Alten mit Schätzen zu beladen; und, als das 
geschehen, hiess er ihn wieder nach Hause gehen und trug 
ihm auf, am folgenden Tage ihm eine seiner Töchter zu 
bringen. Der Fischer kehrte in freudiger Stimmung nach 
Hause zurück. Als nun die Kinder das viele Geld sahen, 
das der Vater mitgebracht, da riefen sie, die Mädchen und 
die Jungen, durcheinander: 'Vater, kauf mir ein Tuch! Mir, 
Vater, eine Wieste! Mir eine Mütze! Mir einen Rock!' Und 
am nächsten Morgen brach die älteste von den Töchtern 
voller Freuden mit ihrem Vater auf nach des Teufels Woh- 
nung. Sie trafen ihn wieder allein. Nachdem der Fischer 
abermals aufs reichlichste mit Geld beschenkt worden war, 
trat er den Heimweg an, seine Tochter aber Hess er dem 
Teufel als Weib zurück. Als nun die Mittagszeit herankam, 
ging Belzebul aus, gab aber vorher seiner Frau einen Men- 
schenfuss zum Mahle. Aber diese war nicht im Staude ihn 
zu verzehren und warf ihn daher auf den Mist. Bei seiner 
Rückkehr fragte sie der Teufel, ob sie den Fuss gegessen 
habe. f Ja,' gab sie zur Antwort. Da lobte er sie sehr; weil 
er aber ihrem Wort nicht recht traute, rief er: f Fuss, wo 
bist du'?' Da antwortete der Fuss: 'Auf dem Miste.' Da 
also der Teufel sah, dass seine Frau ihn belogen habe, gab 
er ihr eine Ohrfeige, und alsbald wurde sie zu Stein; darauf 
warf er sie in ein Gemach, wo alle die von ihm versteiner- 
ten Frauen sich befanden. Tags darauf kam der Fischer 
wieder, und nachdem ihm der Teufel von neuem ein Geld- 
geschenk gemacht, trug er ihm auf, seine zweite Tochter zu 
bringen. Der Alte that das, aber es ging der zweiten gerade 
so, wie der ersten. Endlich brachte er seine jüngste Tochter. 
Als er wieder weggegangen war und die Mittagszeit heran- 



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- 125 - 

rückte, setzte Belzcbul, ehe er ausging, dem Mädchen eine 
Menschenhand zu essen vor. Das Mädchen nahm sie und 
band sie sich auf den Leib. Als der Teufel zurückkehrte, 
fragte er es, ob es die Hand gegessen habe. 'Ja,' war des 
Mädchens Antwort. Da rief der Teufel: 'Hand, wo bist du?', 
und diese antwortete: 'Im Leibe.' •) Also glaubte der Teufel 
dem Mädchen, und nun gewann er's sehr lieb und nahm 
sich's zum Weibe. Weil er aber täglich ausging, sagte er 
seiner jungen Frau, sie könne in alle Gemächer gehen, ein 
einziges ausgenommen, das er ihr bezeichnete. Eines Tags 
nun, als ihr Mann ausgegangen war, trieb sie die Neugier, 
in das verbotene Zimmer zu gehen. Aber was sollte sie da 
erblicken! Eine Menge Frauen, darunter ihre eignen Schwe- 
stern, allesammt versteinert! Da gerieth sie in die grösste 
Verzweiflung. Aber auf einmal bemerkte sie, dass oben an 
der Wand des Zimmers geschrieben stand: 'Leben/ und dar- 
unter hing eine Flasche mit Lebenswasser. Sie nahm sie, 
öffnete sie und besprengte alle mit dem Wasser, und da 
kamen sie sämmtlich wieder ins Leben. Nun öffnete sie ihnen 
die Thür und entfloh mit ihnen aus des Teufels Reich. 



25. 

Die Sendung in die Unterwelt. 

Arächoba. 

Es war eininal ein Bey, dem war ein Sohn gestorben. 
Da ging ein Gauner 2 ) täglich an seiner Wohnung vorüber 
und rief: 'Wer hat Briefe für den Hades?' 3 ) Als die Frau 
des Bey das hörte, rief sie ihn hinauf in den Palast und 
fragte ihn, wann er aus der Unterwelt 4 ) gekommen sei und 
wann er wieder dorthin zurückkehre. Jener antwortete: 
'Gestern bin ich angekommen, heute sammle ich Briefe ein 
und in kurzem gehe ich wieder zurück.' Da fragte die Beyin 

•) Ixnv xoiXid, was sowohl f auf dem Leibe' als f im Leibe» be- 
deuten kann. 

*) KaTp€Tcipnc (von xdxepYov), eigentlich Galeerensträfling, dann 
allgemein ein lügnerischer und betrügerischer Mensch. 
3 ) TTotöc Ypauucrra riä T öv 
*) dir* xöv tcdxu) köcuo. 



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- 126 - 

weiter: 'Hast du etwa iinsern Sohn gesehen?' — 'Ja,' er- 
widerte er, 'ich sah ihn, wie er mit einer hölzernen Wage 
in der Hand Küchen kriiuter verkaufte; er hatte weder Kleider 
noch sonst etwas.' Da brach die Beyin in Wehklagen aus 
und sagte zu ihm: 'Kannst du für meinen Sohn etwas mit- 
nehmen ¥ — 'Ja,' antwortete er, 'aber nicht viel.' Da gab 
sie ihm Geld in Menge, golddurchwirkte Gewänder und einen 
Brief dazu. Der Gauner nahm die Sachen und machte sich 
schnell damit aus dem Staube. 1 ) Nicht lange darauf kam 
der Bey, hoch zu Ross, nach Hause, und seine Frau erzählte 
ihm, was sich in seiner Abwesenheit zugetragen. Der Bey 
durchschaute den Betrug und sagte zu ihr: 'In welcher Rich- 
tung ist der Mann gegangen?' — 'Dorthin,' antwortete seine 
Frau. Da bestieg er wieder sein Pferd und sprengte mit 
verhängtem Zügel ihm nach. ? ) 

Mittlerweile war der Gauner immer weiter geeilt und an 
einer Mühle angekommen. Davor stand der Müller, und der 
hatte einen Grindkopf. Da sprach der Gauner zu ihm: 'Hast 
du's denn schon gehört, Unglücklicher, was der König be- 
schlossen hat? Die Köpfe der Grindigen will er sämmtlich 
zu Trommeln verarbeiten lassen, und sieh, da hinten kommt 
schon einer, der ist vom Könige abgesandt.' Da sprach der 
Müller: 'Was soll ich thun?' — 'Das will ich dir gleich 
sagen. Zieh deine Kleider aus, und lass mich sie anlegen, 
du aber nimm die meinigen und steig hinauf auf den Baum 
dort, damit er dich nicht sieht.' Und so machten sie's. Der 
Grindige kletterte auf den Baum, und der Gauner blieb in 
der Mühle, als -wenn er der Müller wäre, und verbarg hier 
das Geld und die Kleider, die er entwendet hatte. Kurz 
darauf kam der Bey auf seinem Pferde dahergesprengt und 
fragte den Gauner: 'Hast du nicht einen Mann hier vorbei- 
kommen sehen?' — 'Ja wohl,' antwortete dieser. 'Er sitzt 
dort auf dem Baume.' Da stieg der Bey vom Pferde und 
fing an den Baum hinauf zu klettern und drohte dem Grin- 
digen. Der aber kletterte immer höher hinauf und stiess 
seinen Kopf gegen den Baumstamm und sagte: 'Lieber will 



') Tt&KOiye Xdcnn. 

*) tö uuüo'i ' crä iröbia, dein Sinne nach so viel als c tu. übet dirö 
£uTn.poc. 



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ich ihn zerschellen, aber eine Trommel machst du mir nicht 
daraus!' Dem Bey kamen diese Worte sehr wunderlich vor. 
Nach einer Weile rief er ihm zu: *He du, halt einmal! Was 
sagst du?', und erkannte aus seinen Reden, dass der Mann 
getäuscht worden sei. Er sagte daher zu ihm: 'Heda, komm 
nur herunter! Ich thu dir nichts.' Und damit stieg der Bey 
vom Baume herab. Unten angekommen sah er sich nach 
seinem Pferde um. Das war nirgends zu finden! Der Gauner 
hatte das Geld und die Kleider wieder an sich genommen, 
sich auf das leere Pferd gesetzt und — fort war er. 1 ) Der 
Bey kehrte nun zu Fusse nach Hause zurück. Und als sein 
Weib ihn fragte, wo er sein Pferd gelassen habe, sagte er: 
'Ich hab's ihm sanimt allen meinen Waffen noch dazu ge- 
geben, auf dass er die Sachen desto schneller in die Unter- 
welt zu unsrem Sohne bringen kann.' 

') ibü) irctv oi fidMot (d. i. oi öXAoi), eine eigentümliche 
Redensart, deren Sinn in der Uebersetznng nur annähernd wieder- 
gegeben werden konnte. 



I 



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IL 

Sagen. 



Schmidt, Qrlecli. ttftrelifu, Sagen u Volkslieder. 9 



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igmzea Dy 



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I. 

Gott und die Biesen. 

Zakynthos. 

Die Riesen dünkten sich einst mächtiger denn Gott und 
trachteten nach der Herrschaft über Himmel und Erde. Sie 
stiegen daher auf einen hohen Berg und ergriffen Felsblöcke 
und warfen sie gegen Gott. Allein dieser griff zu seinen 
Donnerkeilen *) und schleuderte sie gegen die Riesen, so dass 
sie alle den Berg hinabstürzten, viele von ihnen getödtet wur- 
den und die übrigen flohen. Einer von den Riesen jedoch hatte 
denMuth noch nicht sinken lassen: er schnitt eine grosse Menge 
Rohre ab, band sie an einander, machte • sich auf diese Weise 
einen ungeheuer langen Stook und suchte damit den Himmel 
zu erreichen. Und wirklich fehlte nicht mehr viel daran: da 
traf ihn plötzlich ein von Gott gesandter Blitzstrahl und ver- 
wandelte ihn in Asche. Hierauf machten seine Gefährten 
noch einen letzten Versuch , um in den Himmel zu gelangen 
und Gott zu stürzen, indem sie einen Berg auf einen andern 
thürmten. Da nun Gott sah, dass die Riesen immer noch 
nicht Ruhe hielten, erzürnte er gewaltig, schleuderte wieder 
seine Blitze gegen sie , sandte dann seine Engel zu den über- 
lebenden und Hess ihnen ihr Urtheil verkünden: dass sie ihr 
ganzes Leben lang in dem Innern eines Berges sollten ein- 
geschlossen bleiben. 

') TcaKtfjvet Tä äcTpotreX^tcia tou. 



- 132 - 



2. 

Charos 1 Strafe. 

Lesbos. 

Es gab eine Zeit, da Charos die Weinenden hörte und 
gerührt wurde durch ihre Thränen. Da ward er einst ab- 
gesandt, die Seele einer wunderschönen Jungfrau zu holen. 
Wie er nun deren hohe Schönheit sah und die Wehklagen 
ihrer Verwandten vernahm, wurde er weich, schenkte der 
Jungfrau das Leben und kehrte ohne ihre Seele zu Gott zu- 
rück. Da nun Gott sah, dass Charos alle anderen Seelen, 
die er zu holen abgeschickt worden, gebracht hatte, nur die 
Seele jenes Mädchens nicht, so ergrimmte er und machte 
Charos taub, blind und lahm am Fusse: taub machte er ihn, 
damit er die Weinenden nicht mehr höre; blind, auf dass er 
nicht mehr sehe und unterscheide, ob die Seele, die er holen 
soll, die eines Greises oder eines Jünglings oder einer Jung- 
frau oder eines Kindes sei; lahm endlich, um nicht schnell 
fliehen zu können von dem Orte, wo er sein Amt ausüben soll. 



3. 

Der Yogel Gkiön. 3 ) 

Arkehoba. 

Es waren einmal zwei Brüder,. und der eine von ihnen 
war Hüter in den Weinbergen. Zu diesem sagte einst der 
andere, welcher Antonis hiess: r Heut' Abend komm' ich und 
stehle dir Trauben.' Da entgegnete jener: 'Komm nur, ich 
erschiesse dich.' Am Abend kam Antonis wirklich und ver- 
suchte Weintrauben zu stehlen. Sein Bruder schoss, nur um 
ihn zu erschrecken, traf ihn jedoch wider Willen; und als 
er näher kam , fand er ihn in seinem Blute. Da bat er Gott 
in seinem Schmerz, er möge ihn in einen Vogel verwandeln, 
auf dass er ewig seinen Bruder beweine. Gott erhörte ihn und 
verwandelte ihn in den Vogel Gkiön. Seitdem klagt er um 
seinen Bruder Antonis und ruft in einem fort: c Nton, Nton!', 
und nicht eher hört er zu klagen auf, als bis ihm Blut aus 



') '0 fKiwv (auch YKitdvric). 



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- 133 - 



dem Schnabel fliesst. Das ist ihm ein Zeichen, dass der ge- 
tödtete Bruder sein Blut als Sühne entgegennimmt, und 
so gewinnt dann endlich der Vogel, halb todt vor Er- 
schöpfung, Ruhe 



4. 

Himmel und Meer. 

Ebendaher. 

In alten Zeiten war der Himmel so nahe der Erde, 
dass die Rinder an ihm lecken konnten. Eines Tages nun 
nahm ein Mensch Ochsenmist und warf ihn an den Mond; 
und der Mist ist seitdem am Monde kleben geblieben, woher 
die dunkeln Flecken auf seiner Scheibe kommen. Darüber 
gerieth der Himmel in Zorn und sprach zum Meere: 'Gib 
mir Höhe, und ich will dir Tiefe geben.' Denn auch das 
Meer war zu jener Zeit ganz flach, und man konnte nach 
allen Richtungen hin auf seinem Grunde gehen. Da gab das 
Meer dem Himmel Höhe, und der Himmel dem Meere Tiefe, 
und so trennten sie sich von einander. 



5. 

Die Neralde. *) 

Ebendaher. 

Es war einst ein sehr schöner Jüngling, und viele Mäd- 
chen bewarben sich um ihn. Allein er selbst hatte keine 
Lust eine von den Frauen dieser Welt 2 ) zu nehmen, sondern 
er wünschte sich eine Neraide. Und auch die Nera'fden hat- 
ten ihn ihrerseits lieb und kamen oftmals und neckten ihn. 
Allein so oft er auch den Versuch machte sich einer von 
ihnen zu nähern, es gelang ihm doch nie. Da fragte er eines 
Tags eine alte, eine sehr alte Frau, wie er's anfangen solle, 
um eine von den Nemden zum Weibe zu erhalten. Die Alte 
sagte ihm: 'Sobald die Neraiden herankommen, dich zu necken, 



') 'H N€ P di5a. 

f ) dird tc^i YUvaiKec toö köcuou. 



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— 134 — 



und Worte au dich richten, so sieh zu, dass du einer 
von ihnen ihr Tuch l ) wegnehmen kannst. Und ist es dein 
Wunach, dass sie für immer bei dir bleibe und dir nie wie- 
der entfliehe, so musst du das Tuch in den Backofen werfen 
und verbrennen. Aber freilich wird sie dann an dem Kum- 
mer hierüber sterben. Drum ist's besser, du verbirgst es. 
Aber habe ja Acht, dass sie dich nicht täusche und das Tuch 
dir entreisse. So wird sie dir folgen, wohin du auch gehen 
magst.' Als nun die Nera'iden wieder einmal herankamen 
und den Jüngling neckten und Worte an ihn richteten, stürzte 
er rasch auf eine von ihnen zu; da entfiel dieser in dem 
Augenblicke, da sie sich in die Luft schwingen wollte, ihr 
Tuch, und er ergriff es und steckte es in seinen Busen. Nun 
bat ihn die Neraide, ihr das Tuch wiederzugeben, und 
sprach zu ihm: 'Gib mir, Iannis, das Tuch, gib's mir, lieber, 2 ) 
und ich thue alles, was du willst.' Allein der Jüngling ging 
darauf nicht ein und sagte ihr nur, dass er sie zur Frau 
nehmen wolle. Die übrigen Nera'iden waren in die Luft ge- 
flogen und entflohen ; sie aber vermochte nicht mehr zu fliegen 
und blieb beim Iannis. Der brachte sie nun in sein Haus, 
heirathete sie und erzeugte auch Kinder mit ihr. Aber sie 
war immer betrübt und kummervoll, und keine Festlichkeit 
und kein Feiertag konnte sie bewegen die Kleider zu wech- 
seln und sich zu putzen oder sonst zu thun, wie die andren 
Frauen. Iannis, der den Kummer seines Weibes sah, be- 
dauerte dasselbe ; und eines Tags, 's war ein Festtag, da alle 
zum Tanze hinaus vor das Dorf zogen, wir wollen einmal 
sagen , nach Pisaldnia , 3 ) und die Neraide unter Thränen von 
ihrem Manne das Tuch begehrte, drängte diesen das Mitleid, 
es ihr zu geben ; nur fürchtete „er, dass sie, wenn sie wieder 
im Besitze desselben wäre, ihm entfliehen möchte, und darum 
sagte er zu ihr : c Ich geb's dir, auf dass du zum Tanze gehest, 
aber du musst mir versprechen, dass du nach Hause zurück- 
kehren und nicht entfliehen willst; sonst bekommst du's 



') tö (uavTriXi. 

2 ) K<xü|i£v€ , was hier, wie überhaupt sehr oft in der täglichen Rede, 
vertraulieh gesagt ist und daher am passendsten durch obiges Wort 
wiedergegeben wird. 

3 ) nicaXtüvia, Tä, (d. i. xd ötucuj dtXujvia), Name einer Gegend 
westlich von Aruchoba, wo die Tennen der Arachobiten liegen und an 
Festtagen die öffentlichen Reigentänze stattfinden. 



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- 135 - 



nicht.' Sie versprach ihm das und fügte hinzu: 'Nunmehr 
werd' ich dich doch nicht verlassen, nach so vielen Jahren, 
und da ich Kinder von dir habe!' Und so erhielt sie denn 
ihr Tuch, und nun wusch sie sich, wechselte ihre Kleider 
und schmückte sich ; und mit einem Male erglänzte das ganze 
Haus von ihrer Schönheit, denn als Nerai'de übertraf sie ja 
an Schönheit jedes andre Weib. Hierauf begab sie sich zum 
Tanze, und da leuchtete der ganze Reigen, und alle geriethen 
in Bewegung über ihr Erscheinen. Sie aber machte die Vor- 
tänzerin ') und begann mit hoher, helltönender Stimme ein 
Lied 2 ) zu singen, das die Steine zersprengte 3 ) und aller 
Herzen mächtig ergriff. Und als sie dreimal im Kreise herum- 
getanzt, da wiegte sie sich und wand sich 4 ) und schwenkte 
ihr Tuch, und mit dem Rufe f Ho ho ho' 5 ) schwang sie sich 
in die Lüfte und verschwand, indem sie zu ihxen Gefährtinnen 
eilte. Und so war lannis um sein Weib gekommen. 



Einst wollte eine alte Frau von Steiri nach der Kloster- 
mühle gehen, welche mehr als eine Stunde vom Dorfe ent- 
fernt ist. Sie stand schon um Mitternacht auf oder vielmehr 
noch früher ; sie glaubte nämlich, der Morgen sei angebrochen, 
weil der Mond so hell schien, als wäre es Tag. Sie belud 
ihren Esel auf beiden Seiten und legte auch noch eine Last 



') nfjyc uupoucrtXXa (d. i. UTrpocT^XXa, von (Lurpocrä = e"uTTpoc9ev 



«) Dieses Lied wird von der Sage angeführt, aber leider vermochte 
sich der Erzähler desselben nicht zu erinnern. 
3 ) ttujckiZi (itoO £cxiZe) Tfyi ir£xpa. 
. 4 ) C€iCTr|Ke, Xuf (cTr|K€. Diese Ausdrücke beziehen sich auf die von 
schlanken Frauen und Jungfrauen während des Rcigentauzes ausge- 
führten zierlichen Bewegungen des Körpers, besonders der Hüften, 
welche beim Volke grossen Beifall finden. Vgl. Emmanuel Georgillas' 
Gedicht To GavariKÖv Tfjc 'Pööou, V. 116 (in Wagner's Medieval Greek 
Texte. P. I. London 1870, S. 174, jetzt auch in desselben Carmina 
Graeca medii aevi. Lipsiae 1874, S. 36). 
5 ) cT cl et im griechischen Texte. 



6. 

Die Neraiden an der Mühle. 



Steiri. 




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- 136 - 

oben darauf, einen kleinen Sack mit fünf bis sechs Okka 
Weizen zu grobem Mehle, da sie die Absicht hatte Traeha- 
nas 1 ) zu bereiten. Nachdem sie nun sorgfältig aufgeladen 
hatte, trat sie den Weg zur Mühle an. Dort angekommen 
fand sie den Müller schlafend. Sie rief und rief, aber der 
Müller hörte nicht. Endlich, nach geraumer Zeit, wachte er 
auf und öflhete ihr, und sie trat in die Mühle ein. Der 
Müller wunderte sich, dass eine so alte Frau die ganze Nacht 
auf den Beinen sei. Als nun die Alte ihr Getreide gemahlen 
hatte und sich anschickte nach dem Dorfe zurückzukehren, 
sagte er zu ihr: 'Höre, Alte, bleib doch hier und warte, bis 
es Tag wird. Warum willst du die ganze Nacht hindurch 
wandern?' Aliein die Alte hörte nicht auf ihn, sondern 
stand auf und ging weg. Nachdem sie sich eine kleine 
Strecke von der Mühle entfernt hatte, überschritt sie einen 
Bach und stieg nun in die Höhe, denn wenn man von der 
Mühle kommt, geht's bergan. Da hörte sie hinter sich einen 
Schwärm Frauen, welche über den Bach setzten und sich ihr 
näherten. Die Alte merkte gleich, dass das keine guten 
Frauen seien, sondern vielmehr Teufelinnen. 2 ) Da nahm sie 
geschwind den oberen Sack von ihrem Esel herunter, verbarg 
ihn in einem Gebüsch und setzte sich selbst auf. Nun kamen 
die Neraiden 3 ) — denn sie waren es — an den Esel heran, 
umringten ihn und suchten die Alte. Aber sie fanden sie 
nicht und sprachen: f Da ist die eine Seite, da ist die andere, 
da ist auch der Obersack, aber wo ist denn die Alte?' Sie 
hielten nämlich das Weib, welches sich auf dem Esel zu- 
sammengekauert hatte, für den oberen Mehlsack. Da sprach 
eine von ihnen: 'Sie wird in die Mühle zurückgegangen sein.' 
Und mit einem Male schwangen sie sich alle in die Luft und 
waren in demselben Augenblicke schon an der Mühle. Der 
Müller hörte über sich einen furchtbaren Lärm, Steine, Holz- 
scheite, Glasscherben und andre Dinge fielen auf das Dach 



') xpaxctvdc, 6, eine in der Umgegend des Parnasos sehr beliebte 
Speise, welche aus Milch und grobem Mehl gekocht und an der Sonne 
gedörrt wird. Vgl. Ulrichs Reisen und Forschungen L S. 122. — Belon 
Öbservations l. f, ch. 59 und Ii, 7 (S. 133 und 184 der Ausgabe vom 
J. 1588) halt den Trachanäs für die \xaZa der Alten. 

») öiaßöXtcccuc. 

3 ) * Nepäibec. 



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- 137 - 

der Mühle. Hierauf begaben sich die Neraiden auch hinein 
in die Mühle, wo der Müller sich befand, kehrten alles darin 
tun, setzten auch die Mühlsteine in Bewegung, riefen dem 
Müller zu und verlangten die Alte von ihm. Dieser jedoch 
» gab ihnen keine Antwort und kauerte sich vor Furcht in 
seinem Bett zusammen wie ein Knäuel, 1 ) denn, wenn jemand 
in einem solchen Falle redet, nehmen ihm ja die Teufel 2 ) 
die Sprache. Die Neraiden waren sehr zornig auf ihn, aber 
sie wagten doch nicht ihm nahe zu kommen, weil er ein 
Mönch aus dem Kloster des heiligen Herrn Lukas war und 
Bibelsprüche vor sich hinmurmelte. Da sie nun nichts aus- 
richteten und die Alte nicht fanden, so brachen sie mit einem 
Male wieder auf, nahmen den Weg, auf welchem die Alte 
dahinritt, und holten sie ein, obwohl cliese, während die 
Teufelinnen in der Mühle nach ihr suchten, ihren Esel an- 
gespornt und auf ihn drauf geschlagen hatte, dass der Wolf 
ihn nicht schlimmer hätte zurichten können. 3 ) Und ein Theil 
von ihnen stellte sich vor dem Esel auf, andere hinter ihm 
und wieder andere auf beiden Seiten, und sie wimmelten wie 
Ameisen und Hessen das Thier nicht weiter und sagten wie- 
der: 'Da ist die eine Seite, da ist die andre, da ist auch der 
Obersack, aber wo ist denn die Alte? Gehen wir noch ein- 
mal zurück! Der Müller hat sie versteckt.' Im Nu flogen 
sie wieder zur Mühle zurück. Abermals krachten die Ziegeln 
auf dem Dache, als wenn starker Hagel fiele, von den Steinen 
und den anderen Dingen, welche sie darauf warfen. Sie 
stöberten abermals ausserhalb und innerhalb der Mühle nach, 
umringten auch wieder den Müller, ob er nicht etwa die 
Alte in seiner Nähe verborgen hätte. Aber da sie nirgends 
etwas fanden, brachen sie wieder auf und eilten dem Esel 
nach, auf welchem die Alte sass. Diese war jetzt bereits bis 
hinauf an die Weinfelder von Steiri gekommen. Nun umzin- 
gelten die Neraiden wiederum zornig den Esel und sagten 
abermals : 'Da ist die eine Seite, da ist die andre, da ist auch 
der Obersack, aber wo ist denn nur die Alte? Ach, fänden 
wir sie nur, das alte Dreckweib, 1 ) wie wollten wir sie zu- 



') naZiir/T-nKe javiA Koup.oü\a cdv xoußdp'. 
*) ol öiaßöXot. 

3 ) noO TiJjTpu>Yi (d. i. TÖ £TpwY€) ö Xukoc. 

4 ) xfj CKaTÖYpija. 



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- 138 - 



richten! Wenn sie wüsste, was ihrer wartet! Ach, wo mag 
sie mir sein! — Aber wir wollen sie schon linden, bis ins 
Dorf hinein gehen wir.' Als das die unglückliche Alte hörte, 
Hess sie vor Angst einige streichen 1 ) und hielt den Athem 
so fest an sich, dass sie beinahe platzte. 

Während nun die Neraiden also sprachen und um den 
Esel herumschwärmten, kamen sie dem Dorfe immer näher. 
Da krähte ein Hahn, und eine von ihnen sprach: c Ein Hahn 
kräht.' Eine andere aber entgegnete: 'Lass ihn nur krähen, 
's ist der grüne.' Kurze Zeit darauf krähte ein zweiter Hahn. 
Da sprach eine von ihnen: 'Hört, auch ein zweiter Hahn 
kräht, lasst uns fliehen!' — 'Ach was,' erwiderte eine andere, 
'lass ihn krähen, 's ist der scheckige.' 2 ) Als sie vor dem 
Dorfe angekommen* waren, dort, wo die Höhlen sind, da 
krähte ein dritter Hahn. Da riefen sie: f Gehen wir, gehen 
wir! Denn der schwarze Hahn hat gekrähet, und der Tag 
überrascht uns. — Ach, du altes Dreckweib!' Damit flogen 
sie davon. Und so gelangte denn die Alte, am ganzen Leibe 
zitternd, nach Hause, wo sie gleich mit Weihrauch räuchern 
Hess; und später, nachdem sie etwas ausgeruhet hatte und 
wieder zu sich gekommen war, erzählte sie ihr Erlebniss und 
wurde ruhig. So hatte sich die Alte durch ihre Klugheit 
gerettet. Und nachdem Gott den Tag hatte anbrechen lassen 
und es ganz hell geworden war, ging sie zusammen mit 
ihreni Alten an den Ort, wo sie den Sack mit dem Mehle 
gelassen hatte, und sie nahmen ihn und trugen ihn nach 
Hause. 



') tc ' KoußövTcavi (d.i. xf\c dKoßövtave, ^KÖßovxo, dKÖntovTo) Aiyoi 
XiTOi Aiyoi. 

*) ou rcapbaAöc. 



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- 139 - 



7. 

Der Wampyr. 

Arilchoba. 

Einst wurde an einem Orte ein Mensch getödtet und 
blieb lange Zeit unbestattet liegen. Endlich fand man ihn 
und begrub ihn in dem Dorfe, welchem er angehörte. Einige 
Zeit nachher bemerkten die Bewohner dieses Dorfes, dass 
ihnen ihre Eier, Hühner, Ziegen und Schafe abhanden kamen, 
und sie wussten sich das nicht zu erklären. Als nun ihr 
Priester einmal Nachts nach der Kirche ging, sah er, wie 
ein Teufel aus dem Grabe jenes Ermordeten stieg und in 
die Ställe der Leute einbrach; auch begab sich derselbe vor 
das Haus der Wittwe und rief hier gerade so, wie jener, als 
man ihn tödtete, gerufen hatte: '0 ich Armer! Warum er- 
mordet ihr mich? Menschen werde ich dafür verschlingen!' 1 ) 
Der Priester benachrichtigte seine Gemeinde von dem, was 
er gesehen und gehört hatte. Da nahm ein Greis das Wort 
und sprach zu den Bewohnern des Dorfes: 'Der Teufel, 
welcher aus dem Grabe steigt, ist niemand anderes, als jener 
Ermordete, welcher zum Wampyr geworden ist. 2 ) Wie der- 
selbe damit angefangen hat unsere Eier und unser Vieh zu 
verzehren, so wird er nachher auch seine Verwandten ver- 
schlingen und endlich uns alle. Wir müssen also dem vor- 
beugen. Wie ihr wisst, verlassen die Wampyrn 3 ) Sonnabends 
ihre Gräber nicht. Wir müssen nun vor allem einen an 
einem Sonnabend Geborenen 4 ) ausfindig machen und ihm 
das Grab des Wampyrs zeigen. Der wird schon wissen, was 
er zu thun hat.' Die Bauern folgten dem Rathe des Alten, 
machten einen am Sonnabend Geborenen ausfindig und trugen 
ihm die Sache vor. Derselbe sprach zu ihnen: 'Siedet zwei 
Kessel voll Essig, härtet einen Bratspiess im Feuer und haltet 
eine Axt, einige scharfe Messer und einen Mantel in Bereit- 
schaft. Am Sonnabend vor Sonnenaufgang bringen wir alle 
diese Gegenstände an das Grab des Wampyrs.' So geschah's. 



') köcmo 6d <pdoi. 
*) ßoupöoXdKiace. 

3 ) oi ßoupböXaKoi. 

4 ) £vav caßßaTOY€*«vnu£vov. 



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- 140 - 

Am Grabe angekommen wusch sich das Samstagskind zuerst 
Gesicht und Hände in Essig. Darauf nahm er den Mantel, 
befestigte ihn dem Grabe gegenüber an einem Baumstamme 
und faltete ihn so, dass man glauben konnte, es sei ein 
Mensch darin eingehüllt. Nun ergriff er die Axt und fing 
an das Grab zu öffnen. Und der Wampyr unten in der Erde 
hörte das und stöhnte und drohete, indem er rief: 'Wer ist 
das? Ich werde ihn verschlingen.* Jener aber entgegnete: 
'Erst will ich dich ans Tageslicht ziehen, dann verschlinge 
mich.' So ward denn der Wampyr ausgegraben. Es war 
eine grosse, wohlgenährte Gestalt, von blühendem Aussehen 
und mit wild rollenden Augen. Zornig wandte er sich an. 
den am Sonnabend Geborenen und sprach: 'Wer hat mich 
verratheu ?' — 'Der dort drüben,' antwortete jener, 'der an 
dem Baume lehnt.' Er hatte kaum diese Worte gesprochen, 
da war der am Baum befestigte Mantel mit einem Male ver- 
schwunden: der Wampyr hatte seine Flammen auf ihn aus- 
gehaucht und ihn verbrannt. Xun aber packte das Samstags- 
kind den Wampyr, schnitt ihm den Leib auf, nahm das Herz 
heraus, durchstach es mit dem Bratspiess, warf es in den 
einen der beiden mit Essig angefüllten Kessel und zerkochte 
es. Dann goss er den Essig ins Grab auf den Wampyr, warf 
auch die Axt nebst allen übrigen gebrauchten Gegenständen 
hinein und schüttete es wieder zu. Hierauf wusch er sich 
die Hände und ging mit den übrigen fort. Und nun war 
der böse Geist 1 ) von dem Orte verschwunden. 



8. 

Der Teufel in der Flasche. 

Zakynthoa. 

Einstmals machte sich der Teufel ganz klein und kroch 
in eine Flasche, in der Absicht, die Weiber zu täuschen. Er 
sprach zu sich selber: 'Die Frau, welche die Flasche öffnen 
wird am ersten Tage, will ich glücklich machen; die sie 

') ö TpicKardparoc. 



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öffnen wird am zweiten, die will ich entehren; die sie öffnen 
wird am dritten, der will ich alles Böse zufügen, was es 
nur auf der Welt gibt.' Am dritten Tage öffnete eine Frau 
die Flasche 5 der Teufel fuhr als Rauch heraus, wandelte sich 
sofort in einen Balken und wollte ihr eben ein Leid anthun. 
Sie aber sah dies voraus und sagte rasch: 'Ich glaube dir's 
nicht, dass du in dieser kleinen Flasche, warst, du, ein so 
grosser und mächtiger Herr.' Um ihr nun das zu beweisen, 
fuhr der Teufel wieder als Rauch in die Flasche hinein. Die 
Frau aber drückte geschwind den Stöpsel darauf und Hess 
den Teufel nicht wieder heraus. Und daher sagt man, wenn 
man von der Schlauheit der Weiber redet, dass sie selbst den 
Teufel hinein in die Flasche stecken. 



9. 

Die Rache der Lamnissa. 

Ebendaher. 

Eine Lamnissa 1 ) wollte einst auf die Jagd gehen. Aber 
kaum hatte sie ihre Behausung verlassen und ihren Weg 
angetreten, als sie durch einen Flintenschuss, den ein Mann, 
sobald er sie erblickte, auf sie abfeuerte, verwundet wurde. 
Sie konnte daher ihren Vorsatz nicht ausführen und kehrte 
nach Hause zurück. Ihr Zorn üBer jenen Mann aber war 
so gross, dass sie dem Menschengeschlecht grimmige Rache 
schwor. Sie Hess sich sogleich einen Backofen bauen, der 
wenigstens fünfzig Menschen in sich fassen konnte. Nach- 
dem dann ihre Wunde geheilt war, ging sie wieder auf die 
Jagd. Auf dem Wege, den sie einschlug, traf sie gerade 
eine Menge Menschen an: sie wählte sich also die grössten 
und dicksten unter ihnen aus und trug sie in ihre Behau- 
sung. Hierauf reinigte sie mit ihren Brüsten den Backofen, 
machte Feuer an und briet alle ihre Gefangenen, zur Rache 
für die Unbill, die sie zuvor erlitten hatte. 



») Adfivicca. 



- 142 - 



10. 

Die Arachobiten und die Lamnia, 

Arachoba. 

In der Doubri 1 ) hauste einst eine Lamnia. 2 ) Dieser 
mussten die Einwohner von Arachoba an jeder Kirchweih, 
die sie abhielten, einen der Ihrigen zum Frasse preisgeben, 
um unbelästigt von ihr das Fest begehen zu können. Sie 
pflegten daher immer vor Beginn der Feier das Los zu werfen, 
und wen dasselbe traf, der ward das Opfer der Lamnia. Als 
nun einst das Los auf einen jungen, stattlichen Pallikaren 
gefallen war, da sprach der Sohn des Ersten und Vornehm- 
sten im Dorfe: 'Ich will hingehen und der Lamnia mich 
darbieten, um unser Dorf zu retten.' Man sagte nämlich, 
dass, wenn einmal die Lamnia den Sohn des Ersten im Dorfe 
bekommen hätte, sie nachher keinen anderen mehr fressen 
würde. Die Eltern des Jünglings weinten und härmten sich 
und suchten ihren Sohn von seinem Vorsatze abzubringen. 
Allein dieser hörte nicht auf sie, sondern zog aus und stieg 
hinein in die Doubri, um die Lamnia aufzufinden. Sobald 
diese nun des Jünglings ansichtig wurde, stürzte sie sich auf 
ihn, um ihn zu verschlingen; er aber versetzte ihr, noch 
ehe sie ihn packen konnte, rasch einen Stich mit seiner Lanze 
und tödtete sie. Hierauf begab er sich zur Kirchweih und 
erzählte den über seine Rettung Erstaunten das Geschehene. 
Seitdem hatte das Dorf Ruhe. • 



11. 

Der Drache von Kotimaria. 

Ebendaher. 

In der tiefen Schlucht von Koumaria 3 ) hauste ehemals 
ein furchtbarer Drache, welcher eines Tages einen Menschen 



') NToujUTrpn, n, ein tiefer Riss in dem Bett eines vom Parnasos 
herabkommenden Giossbachs, nordöstlich von Arachoba. 

*) AÜUVIK. 

■) Koofiaptd (Erdbeerbaum) heisst eine Gegend in der Nahe \on 
Arachoba. 



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- 143 - 

von weitem her in seinen Rachen zog. Als er den Unglück- 
lichen bis zu den Achseln verschlungen hatte, breitete dieser 
seine Hände aus und schrie um Hülfe. Einer der vielen, 
die aus der Ferne zusahen, rief ihm zu, um seine Qual ab- 
zukürzen: 'Falte die Hände zusammen, so wird der Drache 
dich loslassen.' Der Unglückliche folgte diesem Käthe, und 
alsbald schluckte ihn der Drache vollends hinter. 



12. 

* 

Die Räthselwette. 

Ebendaher. 
Bruchstück. 

Es war einst eine Königin unten bei Theben, 1 ) die sass 
am Wege auf einem Felsen und gab allen , die dort vorüber- 
kamen, drei Räthsel auf. Sie verkündete, dass sie denjenigen, 
der diese liäthsel zu losen vermöchte, werde vorüberziehen 
lassen, ohne ihm etwas anzuhaben, ja dass sie bereit sei den- 
selben zum Manne zu nehmen; wer sie aber nicht errathen 
könne, den werde sie fressen. Viele zogen dort vorbei, aber 
keiner vermochte die Räthsel zu lösen. Da hörte ein junger 
Prinz von dieser Königin, und weil dieselbe, wie es hiess, 
von hoher Schönheit war, so beschloss er an dem Felsen, 
auf welchem sie sass, vorüberzugehen, indem er hoffte ihre 
Hand gewinnen zu können. Sein Vater versuchte ihn zurück- 
zuhalten, allein der Sohn hörte nicht auf ihn und machte 
sich zu jener Königin auf den Weg. Als diese den An- 
kömmling erblickte, sprach sie zu ihm: 'Ach, du Armer! Du 
bist ein so schöner Jüngling und willst dich ins Verderben 
stürzen ? Kehre zurück zu deinem Vater ! Schon so viele sind 
hier vorbeigekommen, aber keiner ist im Stande gewesen die 
Räthsel zu lösen. Wirst du sie errathen können?' Da ent- 
gegnete der Jüngling: 'Lass dich das nicht kümmern! Ich 
hoffe sie zu errathen.' Da sagte sie ihm das erste Räthsel. 
Dieses lautete: 'Welches ist das Ding, das, was es erzeugt, 
verzehrt? Es erzeugt seine Kinder und verzehrt sie wieder.' 



') kutou Kar' Orißa. 



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- 144 — 

Da antwortete jener: 'Ei, Frau Königin, das ist ja sehr leicht 
zu errathen. Das ist das Meer: dieses verzehrt seine eigenen 
Kinder, denn aus dem Meere entstehen die Flüsse und ins 
Meer fallen sie zurück.' Da sprach die Königin: 'So ist's. 
Nun will ich dir das zweite Räthsel vorlegen.' Dasselbe 
lautete: 'Welches ist das Ding, das weiss und schwarz aus- 
sieht und nimmer altert?' — 'Ei,' sagte der Jüngling, 'auch 
dies ist nicht schwer. Das ist die Zeit. Diese sieht weiss 
und schwarz aus, denn sie ist nichts anderes als Tag und 
Nacht; diese «altert auch nie, denn seit die Welt steht, ist 
sie, und wird sein bis an der Welt Ende.' — 'Richtig,' sagte 
die Königin. 'Aber jetzt will ich dir das dritte Räthsel vor- 
legen, das wirst du nicht zu lösen vermögen.' — 'Wir wollen 
sehen,' antwortete der Prinz; 'sag mir's nur.' Nun sagte 
sie ihm das dritte Räthsel, das also lautete: 'Welches ist 
das Ding, das Anfangs auf vier Beinen geht, dann auf zweien 
und zuletzt au/ dreien?") Da sagte jener: 'Das ist das 
leichteste von allen. Das ist der Mensch. Wenn dieser klein 
ist und zu laufen anfängt, kriecht er auf allen Vieren; wird 
er grösser, so geht er auf seinen zwei Beinen, und wenn er 
ins Alter kommt und sich ohne Stütze nicht mehr aufrecht 
halten kann, so nimmt er einen Stab zu Hülfe und geht also 

nun auf drei Beinen einher.' 

* * 
* 



13. 

Der Einsiedler auf dem Berge Liakoura. 

Umgegend des Parnasos. 

Ein Mönch vom Kloster des heiligen Lukas 2 ) fasste einst 
den Entschluss, einen ganzen Winter auf dem Gipfel des 
Berges Liakoura 3 ) zuzubringen, denn er wünschte zu erfahren, 



') TToiö 'vcti £k£Wo tö irpäua, iroü mpßaTei irpüÜTa u£ x^eeepa iröoia, 
KOVTä |i£ 6uö kal kovtoi ixt Tp(a; 

*) südlich vom Parnasos in der Nähe des Dorfes Steiri. Vgl. 
oben Nr. 6, S. 135 und 137. 

3 ) d. i. des Parnasos. 



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- 145 - 

wie streng der Winter dort oben sei und wie die Geister 1 ) 
dieses Berges mit einander streiten. Er richtete sich also auf 
demselben in einer Höhle eine feste Wohnung her, versah 
sich mit Nahrungsmitteln und den übrigen Lebensbedürfnissen 
für den ganzen Winter und schloss sich , ehe dieser begann, 
in die Höhle ein. Der Schnee verschüttete ihn vollständig 
in seiner Wohnung, und den ganzen-Winter über sah er 
weder Himmel noch Erde. Er hielt aus bis zur Mitte des 
März. Da fühlte er das Ende seines Lebens herannahen und 
schrieb folgende Worte an die Wand der Höhle: 'Ich habe 
den ganzen Winter hier oben zugebracht, habe den Kampf 
der Winde und der Geister dieses Berges vernommen und 
bis zur Mitte des März gelebt; länger vermochte ich's nicht 
auszuhalten, und ich sah mein Ende kommen, denn der Frost 
des März und das Toben und Brüllen der Geister und Winde 
waren fürchterlich j der Berg schwankte hin und her, und es 
schien mir, als wolle er zusammenstürzen. Ich habe diese 
Worte aufgeschrieben, damit keiner wieder es wage, gleich 
mir den Winter auf dem Berge Liakoura kennen zu lernen.' 
Lange Zeit zeigte man die Höhle, in welcher der Mönch 
gelebt, und die Worte, die er an die Wand derselben an- 
geschrieben. 



14. 

Alexander von Makedonien. 

Ebendaher. 
Bruchstück. 

Ein mächtiger König aus fernem Lande beschloss einst 
auszuziehen, um das ganze Land, welches unsere Grossväter 2 ) 
bewohnten, sich zu unterwerfen. Darüber war grosse Be- 
stürzung unter diesen, und sie fürchteten, von jenen unter- 
jocht zu werden. Aber da war einer unter ihnen, der Alexan- 
der hiess und aus Makedonien stammte, welches Land jetzt 



*) ol TraitiroO&£c uac. 

Schmidt, Griech. Märchen, Sagen n. Volkulieder. 10 



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- 146 - 



die Türken inne haben: der war sehr tapfer und konnte 
Thaten vollbringen, die kein anderer zu vollbringen ver- 
mochte. Derselbe fasste den Beschluss, jenem fremden Könige 
sich entgegenzustellen. Die Alten 1 ) erzählen, er sei König 
geworden, weil er sehr schön und sehr edel war. Dieser 
Alexander versammelte also in seinem Vaterlande lauter aus- 
erwählte Makedonier um sich und zog mit ihnen dem feind- 
lichen Könige entgegen. Er besiegte ihn und befreite auf 
diese Weise unser Volk 2 ) von der ihm drohenden Knecht- 
schaft. Hierauf nahm er alle seine Länder in Besitz und 
fand hier so viel Reichthum und fruchtbaren Boden, dass er 
nicht wieder in sein Vaterland zurückkehrte. Seine Mutter 
verfluchte ihn deshalb, weil er sie verlassen hätte. Alexander 
hatte vorausgesehen, dass es so kommen würde. Allein es 
war sein Wunsch, immer weiter vorzudringen gen Sonnen- 
aufgang, um die Enden der Erde aufzufinden. Auf seinem 
Zuge traf er mit vielen Völkern und vielen Königen zusam- 
men, die er alle überwand. Und er zog immer weiter vor- 
wärts und fand auch Menschen, welche Flügel und nur einen 
Fuss hatten; dieselben flogen in der Luft umher und frassen 
viele von seinen Kriegern. Aber Alexander fand ein Mittel 
aus, um auch diese Feinde zu besiegen. Als er noch weiter 
vorrückte, stiess er auf Menschen, welche Hundsköpfe hatten ; 
dieselben waren sehr gefrässig und fügten dem Heere Ale- 
xanders grossen Schaden zu. Aber auch sie besiegte er. 
Hierauf kam er in das Reich eines mächtigen Königs, dessen 
Krieger nicht zu Fuss kämpften, sondern Thürme auf den 
Rücken gewisser Thiere errichtet hatten, welche zugleich 
mit den Thürmen auch noch viele Menschen zu tragen ver- 
mochten. Diese Leute kämpften sehr tapfer gegen Alexan- 
der, aber endlich überwand er sie ebenfalls. Nun marschirte 
er viele Tage lang, ohne einen Gegner mehr anzutreffen. 
Seine Soldaten baten ihn umzukehren. Da er indessen die 
Enden der Erde aufzufinden wünschte, so Hess er seine Sol- 
daten an einem Orte zurück und drang allein weiter. Nach- 
dem er viele Tage lang gewandert war, kam er endlich an 



>) Unter den 'Alten» sind hier ganz allgemein die früheren Gene- 
rationen zu verstehen. 
*) tö £8voc moc. 



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— 147 — 

die Küste eines grossen Meeres und konnte nicht weiter vor- 
wärts. Da dachte er sich, dass hier das Ende der Erde sein 
werde. Ermüdet wie er war, legte er sich nahe am Meere 
unter einem Baume nieder und schlief ein. Als er erwachte, 
erblickte er sich gegenüber eine herrliche Insel mit einem 
prächtigen Garten, darinnen Blumen, Bäume, bunte Vögel 
und alle Güter der Welt sich befanden. Sie war aber ringsum 
von sehr hohen ehernen Mauern umgeben, so dass niemand 
hingelangen konnte. Ein Weib, schön wie eine Nerai'de, er- 
schien vor ihm und sagte zu ihm, er möge nicht versuchen 
weiter zu dringen, denn das werde ihm das Leben kosten. 
Alexander fragte die Jungfrau, was das für eine starke Festung 
mit den ehernen Mauern drüben im Meere sei, und jene ant- 
wortete ihm: 'Das ist die Insel der Seligen. 1 ) Auf ihr ist 
das Paradies, und kein Lebender kann dorthin eingehen, son- 
dern nur ein Verstorbener, und auch dieser erst, nachdem 
ihn Gott für würdig befunden.' Alexander war betrübt hier- 
über und weinte, weil er, nachdem er die ganze Welt er- 
obert, nicht auch ins Paradies eingehen könne, um auch die 
Abgeschiedenen zu sehen. Das Mädchen bedauerte ihn, dass 
ein so schöner Jüngling nicht zu erreichen vermöge, was er 
begehre, und sie sprach zu ihm: f Ich kann dir ein Mittel 
angeben, damit du wenigstens einige der Verstorbenen sehest. ' 
Sie zeigte ihm nun eine Gegend, wo sich eine Höhle befand, 
und sagte: 'Hole einige deiner Genossen und begib dich mit 
ihnen hinein in die Höhle, da wirst du einige der Verstor- 
benen seheu, doch nähern kannst du dich ihnen nicht.' 
Alexander ward durch diese Mittheilung zufrieden gestellt. 
Er kehrte also zu seinem Heere zurück, holte seine Getreusten 
ab und begab sich mit ihnen nach der Höhle. Als er in 
dieselbe eingetreten war, erblickte er jenen König, der gegen 
unser Vaterland hatte zu Felde ziehen wollen, nebst allen 
anderen von ihm Besiegten, an Ketten gefesselt. Sie jam- 
merten alle und riethen dem Alexander, er möge sich hüten 
Böses zu thun, wie sie, damit er nicht Strafe erleide. Es 
war auch grosse Finsterniss in diesem Räume, und nur mit 
Fackeln hatte man ihn betreten können. Aus allem diesen 
erkannte Alexander, dass hier der Ort der Verdammten sei, 



') tö vr)d tuiv nandpiuv. 

10* 



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und er empfand Mitleid mit ihnen. Da er nun seinen Zweck 
erreicht hatte, so gebot er seinen Genossen, die Höhle wieder 
zu verlassen. Im Herausgehen hoben sie Erde vom Boden 
auf, und als sie ans Tageslicht gekommen waren, bemerkten 
sie, dass es nicht Erde war, sondern lauteres Gold. Da er- 
griff Reue ebensowohl alle die, welche Erde aufgehoben, wie 
diejenigen, welche keine aufgehoben hatten, und zwar jene, 
weil sie nicht mehr aufgehoben hatten, und diese, weil sie 
gar keine aufgehoben hatten. 



III. 

Volkslieder. 



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A. Myrolögia im engeren Sinne. 



1. 

Zakynthos (Dorf Loükka). 
KaXö ttou eivai, tö cürevo v' rjvai cujiu.a£wu.evo 
Kai et KaXö xai ce kcxkö v 5 fjvai cuvTpoq>euevo ! 

2. 

Ebendaher. 

"Otioc bev Ix« OdvciTO, bev KXaiei tcou TraiGau.u.e'vouc, 
Kr) ötioc bev exet ckotwuö, bev KXaiei tcou cKOTtuuivouc, 
Kai ötioc bev Ix« nvipu-ö, bev KXaiYei tcou Trvijiuivouc. 

3. 

Ebendaher. 

TTpe'Trei r\ yf\c vct x<*ip€Tai, rrplTrei vd Kau.apu)vrj, 
TTpe'Trei vd Trjve CTrepvouve xXovid u.apYapiTapi ; 
TTpenei vd Tfjv CKCtXiZouve u.e xpvcä CKaXicrripia- 
TToö tpujt > diTOuc Kai CTaupaiTOuc Kai viaic u.e Td CToXibia, 
öTTou Tptuei Kai Td uaKpd Traibid u.e tö ßuZi ctö CTÖ/aa. 



4. 

Ithaka (Bathy). 
Bruchstück. 

TTpe'Trei f) rfjc vd x<rfp€Tui f TTperrei vd Kau.apujvrj, 
TTpe'Trei vd tt| CKOußXiZouu.e cpipTice'via ckoötto, 
TTpe'Trei vd ttj CKeTrd£ouu.e ui KaTr]q>evta pouxa* 



A. Eigentliche Klagelieder. 

1. 

Gar eine gute Sitte ist's, die die Verwandtschaft einet, 
Dass sie in Freude wie in Leid treulich zusammenstehet! 

2. 

Wer keinen Sterbefall erlebt, beweint nicht die Verstorbnen ; 
Wer keinen Mord erfahren je, weint nicht um Mordes Opfer; 
Wem niemand je ertrunken ist, beweint nicht die Er- 

trunknen. 

3. 

Fürwahr die Erde muss sich freun, niuss *stolz sein und 

sich brüsten! 

Mit edlen Perlen muss man, statt mit Körnern, sie besäen, 
Und golden muss das Grabscheit sein, zu graben ihren 

Boden. 

Denn sie verzehrt des Jünglings Kraft, die Jungfraun in 

dem Schmucke, 
5 Verzehrt die kleinen Kindlein auch , die Mutterbrust im 

Mündchen ! 

4. 

Fürwahr die Erde muss sich freun, muss stolz sem und 

sich brüsten! 

Mit Besen, die von Elfenbein, muss man die hohe kehren, 
Mit weichen Sanimettüchern auch muss man sie über- 
decken. 



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— 152 — 

TToö Tpuütei viouc, ttou Tpurrei viaic, ttoö Tpwei TTaXXr)Kap.'.K: a ? 
5 Tpwei toö jiiaväbiuv Tä Traibid, toöv dbepqpüuv t' dbepqna, 
Tpwtei Kai toi dvTpÖYuva ict TroXuaYaTrrineva. 

* 

5. 

Ebendaher. 

Kpi|ict eiV vd xdvouvTdi oi KaXoi k' o\ £ebiaXeu.ue'voi, 
riax* o\ KaXoi xpeu&ouvTai k' ol äHioi dTroEnjujuvTai, 
fiai' eiv' KaXoi rrpaYuaTeuTaic Kr) dHioi KamTaveoi, 
K' eivai KaXoi fia qpajueXid Kai d£ioi Yid Td cmTia, 
5 K' eivai ctöv KÖcjao 9XduTroupa Kai tc 1 eKKXn.ciäc CToXibi, 
K' eivai Kai juec' tö ctuti touc öXöxpuco KavTrjXi. 

6. 

Kephalonia (Bezirk Skala). 
TToö ixd cxf)|i TTöXi, cipecpexai, Kai cirj Cupid, Tupfer 
Keivoc, ttoö Ttqi ctt) naupn, tnv, ötucw be yvpiUu 

7. 

Zakynthos (Dorf Loükka). 
Kavicxpi u.upioTtXouMicro, Y<*pou<paXa fio^idio, 
Ce ti Kapdßi Gd ßpeGrjc Kai c* ti ttöpto 8' dpdfcrjc, 
l~id vdpOrj ri jiavouXd cou vd ce Havaropdcrj; 

8. 

Ebendaher. 

"A bev dcTpdqiri, be ßpovTdei, & be ßpovTdrj, be ßpe'xei, 
Kr) d be 9wvdcr| öttoioc Ttovei, be xpexei 6 KOCfioc öXoc. 
'Ottoö exei jidva, de xXißeiai, Kai dbpecpn, de XinräTai, 
Krj öttoö eiV KaXö dvTpÖYuvo, vd töv ipuxoTroväTai ! 

9. 

Zakynthos (Dorf Koiliome'no). 
'TTXdKa XP uc n» TtXdK' dpxupfi, TtXaKa juap|uapujue'vr|, 
TT' öXouc touc veouc e^idpavec Kr) öXaic Taic viaic yapaiveic, 
Kai Touiove töv vioutciko vd ^fjv TÖve jLiapdvrjc!' — 

9, 2. vtouc in viouc zu andern liegt nahe, scheint mir aber doch 



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Denn sie verzehrt die Jünglinge, die Jungfraun, alle Tapfren, 
5 Verzehrt der Mütter Kinder auch, der Schwestern theure 

Brüder, 

Verzehrt die Ehegatten selbst, die sich herzinnig lieben! 

5. 

Herb ist es, wenn dem Tod verfall'n die Guten, Auserlesnen ! 
Die Guten werden ja gebraucht, und aufgesucht die Braven, 
Sie geben gute Kaufherrn ab und würd'ge Kapitäne, 
Sind nützlich der Familie, des Hauses starke Stützen, 
5 Sind die Standarten in der Welt, und auch der Kirche Zierde, 
Und drinnen in dem eignen Haus sind sie die goldne Leuchte. 

6. 

Wer nach Konstantinopel geht, nach Syrien, kehret wieder ; 
Doch wer die schwarze Erd' erwählt, der kehret nimmer 

wieder. 

7. 

Du buntgestickter Blumenkorb, mit Nelken angefüllet, 
Auf welchem Schiff wirst fahren du, in welchem Hafen landen, 
Dass kommen kann dein Mütterlein, dich wieder loszukaufen? 

8. 

Wenn es nicht blitzt, so donnert's nicht, nicht regnet's, 

wenn's nicht donnert, 

Und wenn nicht aufschreit, wer sich härmt, strömt nicht 

herbei die Menge. 

Wer Mutter oder Schwester hat, der mag ihn mit beweinen, 

Und wo ein wackres Ehepaar, mag's innig um ihn trauern ! 

• 

9. 

'Du silbernes, du goldnes Grab, du Grab von edlem Marmor, 
Das alle Jünglinge verzehrt und alle jungen Mädchen, 
Nur diesen einen Jüngling da, den wolle nicht verzehren ! ' 



nicht geratheu. Vgl. 10, 2 und 5; 22, 3; 23, 2, u. s. w. 



- 154 — 



K* f\ irXdKa aTTriXoTnötiKe , töv t^toiov Xötov eine- 
5 f MTVfdpic cfyiat u.dva tou , untdpic dbepcpn tou, 
Mntdpic €?fiai 7TpiuTo0eid, vd unv tövc fiapdvur,' 

10. 

Ebendaher. 

c BapKou\aic ttoö uiceu€Te, ßapKOuXaic, CTa^axicTe 
Kr) auTOv töv vio ttoö dirnpeie xdxa nrjv xo/a TrouXfjTe! 
XiXi' £biva vd töv ibw, xiXia vd tou uiXrjcuu, 
XiXr «fbive ri u.dva tou Kai x^i' f| dbepcpn tou!' — 
5 Kr) ö vloc dTrgXoYr|0»iKe ul tö tXukö tou ctöu.ci ■ 
fV €xeT€ Ypöcia, <päT^ Ta, cpXwpid, <puXd£eT^ Ta! 
Krj örav dcTTpicri ö KÖpaxac Kai fivri Trepicrepi, 
Töt€ Kai cü, |LiavouXd |iou, i^xiva dKapTepci.' 



11. 

Kephalonia (Dorf Zerbäta). 
To viö ttoö cuveßxdvouue ti €?x ou M e va tou TtoGue; 
TTouto ipriXöc cdv dfTtXoc, Xuyvöc cdv KUTtapiccr 
TTouxe tö Mai tcii irXdTaic tou, tt)v dvoiHi CTd crrjGia, 
T' dcTpa Kai töv aurepivö cto |udTia koi CTd qppubia- 

ÖTTOUTOV CTOUC Kd|HTrOUC TÖ ßloXl, CT*)V €KKXT]Cld KavTnXi, 

"Htov koi eic tö ctuti tou Kapdßi dpuaTwu.evo. 
Kai tö ßioXi TcaKiCTr]K€ koutö kovtiiXi £cßucrr| 
Kai tö Kapdßi t' ö)nopcpo Kf| ^Keivo dtrriKOUTUCTTi. 



12. 

Kephalonia (Bezirk Skala). 
'€d cou irdve, vioutcik€, evvid u-upoXotcrpaic, 
'H Tpeic dirö rf) |iud uepid k* fj Tpeic dirö Tfjv &\\r\, 
K 1 rj TpiTaic rj KaXXiTepaic dtraviu dir' tö K€<pdXi. 
'ApxovTiKe ri} euTeviKe* — dXXiwc tö jnupoXöi! — 



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- 155 - 



Darauf entgegnete das Grab und sprach die harten Worte: 
5 'Bin ich etwa die Mutter sein, bin ich denn seine Schwester, 
Bin ich denn seine Muhm' etwa, dass ich ihn soll ver- 
schonen?» 

10. • 

'Ihr Barken, die ihr zieht dahin, o haltet an, ihr Barken, 
Verkaufet doch den Jüngling nicht, den ihr habt mitge- 
nommen ! 

Wohl tausend gäb' ich, ihn zu sehn, wohl tausend, ihn zu 

sprechen, 

Und tausend gäb' die Mutter sein und tausend seine 

Schwester!' — 

5 Drauf öffnet seinen holden Mund der Jüngling und erwidert: 
f Eu'r kleines Geld verzehret nur, und die Zechinen spart euch! 
Denn wenn die schwarzen Raben sich in weisse Tauben 

wandeln, 

Dann magst auch du, mein Mütterlein, den Sohn zurück- 
erwarten.' 

11. 

Wie sollen wir den Jüngling hier, den wir geleiten, preisen? 
Hoch war er einem Engel gleich, und schlank wie die 

Cypresse; 

Den Mai trug auf den Schultern er, und auf der Brust 

den Frühling, 

Es strahlte ihm der Sterne Glanz von Augen und von Brauen. 
5 Er war die Violin' im Feld , die Leuchte in der Kirche, 
Er war ein wohlgerüstet Schiff im Innern seines Hauses. 
Zerbrochen ist die Violin', erloschen ist die Leuchte, 
Das Schiff^ das stattliche, es ist zertrümmert und versunken. 

12. 

Wohl ziemt sich's, Jüngling, dass um dich neun Klage- 
frauen weinen: 
Drei müssen dir zur Rechten stehn, drei andre dir zur Linken, 
Und die drei letzten von den neun, die besten, dir zu 

Häupten. 

Du junger Herr aus edlem Blut — nein, traulich sei das 

Klagüed! 



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- 156 — 

5T( £x*ic, ^r\\ia jliou, Krj lirecec, ti exetc Kai HcpiZujOric, 
TToö fjTav n piZa cou xpucr} k 1 o\ kXujvoi cou daiuivioi 
Kai id TTepiKXuuvdpia cou Tcd|iiTTaic uaprapixdpia; 

- 13. 

lthaka (Bathy). 
IToioc Tove hcvutcuc, töv tctoio viö, toö Xdpou; 
*Av rjiav ö nXioc, vd xaörj! t ddpi, vd ßaaXe'iprj! 
Krj dv niave M«va Traibid, vd xdvrj Td Ttaibid TCt]l 
Krj dv fYrav KÖpr) dvÜTravTpr), jioipa vd uiyv Yvujpi^rj! 
5 <t>ibi vd cpdrj Tf| rXiuccd Tcrj Krj dcxpirrjc ix\ XaXid xcr| ! 

14. 

Zakynthos (Dorf Loükka). 
Nd jLiopOYdpr) ö CTaupöc, vd u.a£wXTrj t* dace'pi, 
Nd ibrj tö ttoiöc töv x^ß^Tai, vd ibrj tö ttoiöc töv KXaiei! 
Töv KXaiei tö £u.Tra toö cttitiou, tö Ijutto Tfjc auXfjc tou, 
Töv kXoiv t' dTTOKepd^iTa, ttoö ctövc tö qpapu.aKi. 



15. 

Kephalonia (Dorf Katapodäta). 
r €uToö ttoö dKivrjcec vd Trete er* drupuco TaHibi, 
Ctöv Geov c' öpK&w vd yoö tttjc, ttöt6 vd ce Trpocuevw, 
Nd pi£w pöba crf)v aöXr|, TpavTdcpuXXa CTrm TröpTa, 
Nd qmdcw Yiöu.a vd TeuTfjc Kai bewrvo vd beurvricrjc, 

5 Nd CTpujcuu Kai Tfjv kXivti cou, vd Trecrjc vd ^XaTidcrjc.' 
f *A qmdcrjc Tiöjaa , fiyov TO, Kai bemvo, bemvrice' to, 
Krj ö cr/pwcrjc Kai Tfjv KXivrj nou, Trece, KOijuricou dirdvoj! 
Kr) if\b Trd*fw ctt) u.aupri yf\c, ct* dpaxviacuivo x&u.a ; 
Krj £xuj T H Tn c Tid TrdTrXuju.a, tö x&Ma fiä ccvtövi, 

10 Kai t€uou.at töv KOupviaxTÖ, benrvduj dirö tö xwu.a, 
Kai TfivuJ t 5 ibpYrjocTdXaxTO Tcfj nXaKac tö 9apu.aKi.' — 
l *Av direqpdcicec vd Ttac, vd ui|V u,aTaYupkrjc, 



IS, 5. Statt iiY)\\ä nou andere: b^vrpo nou. 



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- 157 - 

5 Mein Apfelbaum, was hat denn dich, den kräftigen, ent- 
wurzelt? 

War deine Wurzel doch von Gold, und deine Zweige silbern, 
Und deine Aestlein ringsumher wie feine Perlenschnüre. 

13. 

Wer nur den schönen Jüngling hier an Charos hat ver- 

rathen ? 

Die Sonne? nicht mehr leuchte sie! Der Stern? er gehe 

unter ! 

War's eine Mutter, möge sie verlieren ihre Kinder! 
Und war es eine Jungfrau gar, nie soll sie Hochzeit feiern ! 
5 Der Schlangen und der Nattern Brut mag ihre Zunge fressen! 

14. 

Noch säumen mag das Crucifix, dass sich die Menge sammle, 
Zu sehn, wer um den Todten klagt, zu sehn, wer ihn beweinet! 
Des Hauses Eingang weint um ihn, die Pforte seines Hofes, 
Die Wasserrinnen an dem Dach, sie träufeln bittre Thränen 

15. 

■ Indem du auf die Reise gehst, von wannen keine Rückkehr, 
Sag' mir, bei Gott beschwör' ich dich, waun dein ich harren 

dürfe. 

Denn Rosen möcht' ich auf den Hof und vor die Pforte 

streuen, 

Möcht' auch ein Mahl bereiten dir zum Mittag und zum 

Abend, 

5 Und dir dein Lager ordnen schön, gemächlich auszuruhen.' — 
'Das Mittags- und das Abendmahl verzehre du nur selber, 
Und richtest du mein Lager zu, magst selbst du darauf ruhen ! 
Ich wähle ja zum Aufenthalt den finstem Grund der Erde, 
Zur Decke dient die Erde mir, der Schutt dient mir als 

Bettzeug, 

10 Zu Mittag speis' ich von dem Staub, zu Abend von dem 

Schutte, 

Das Wasser, das vom Grabstein trauft, wird mir zum 

Labetrunke.' — 
'Bist du entschlossen fortzuziehn und nicht zurückzukehren, 



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- 158 - 



"AvoiHe iä notTäKia cou k' Ibk u.id yjrdvTa Kg &\\r\ 
Kr) dcpce utia ctö cttiti cou k utia ctoüc £biKOuc cou 
15 Kai crjtcu) irdpe niceiye, ctikujcou irdpe cpeuYa, 
TTpud cou cupouv ÖujuiaTÖ, et ipdXXouv o\ Trairdbec, 
TTpud ce TTepiXdßouve xcfj tnc 01 KXepovöjuoi ! ' — 

16. 

Kephalonia (Samos). 
NoiKOKUpd ^TOijadcTTiKe. vd irdpr) vd Micltpr). 
'Erupice dir' tt)u. Tiöpia tcti cifj ja^cri tou cttitiou t?ic 
Krj ÜTrXujee crf| u.ecouXd ttjc Kai Td xXeibid ttic TTidvei 

• Kr) ^Yupicc Kai TappiEe ctt) u^cr) tou cttitiou Tn.c. 

6 ' Kr) ÖTroia V KaXfi voiKOKupd , vd CKUiprj vd Td Trdpri ! ■ 

17. 

Kephalonia (Dorf Skaliä). 
Macröpicca, cuvTdxTn.K€C vd qmdcric tt)v aTiXdba. 
KdTce k' iCTÖpric^ tou Td coucouu.ia tou Kopjiiou tou. 
<t>Tidc' tö K€(pdXi 9pöviyo, koBujc tö u.ep€Tdpei, 
<J>Tidc' tou Td uxtTia buo v dXrjaic, Td tppubia buo raiTavia, 
f>0ridce tou Kai Td u.drouXa, ttou fjvai cdv tö vepdvTci, 
TTou elxav tou. tiXiou tc' öyopqpiaic, tou (perrapiou tc' 

dcTrpdbaic, 

TOU Mr|X0U TOU ßCVCTlKOU tct) ^oboKOKKivdbaic. 

0Tidc' tou tcti X'ivoc T ö Xaiuö, TCf) TTOTTiaC tö KecpdXi. 

Cd xnva dTrepTrdTOuve , cdu. Trairia dvaiKaBÖTou. 



B. Lieder von Oharos und der Unterwelt. 

18. 

Kephalonia (Dorf Zerbata). 
7\kouct€ ti biaXdXTice tou TrpiKOu Xdpou f] u.dva* 
'TTüjxouv Traibid, ac Td Kpuipouve, kt) dbc'pcpia, öc Td <pu- 

XdHouv, 

TuvaiKec tüjv KaXwv dvTpuiv vd Kpuiyouve touc dvTpec! 
18,2. Meine Quelle fehlerhaft iri&xei » ich habe Trd&xouv hergestellt. 



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- 159 - 

So öffne deine Augen jetzt und blick' noch einmal um dich, 
Sag' deinem Haus ein Lebewohl, ein Lebewohl den Deinen, 
15 Und mache dann dich eilig auf und fliehe rasch von hinnen, 
Bevor die Priester über dir den Weihrauch sträun und singen, 
Bevor der Erde Erben dich mit ihren Händen fassen!' — 

16. 

Des Hauses Herrin ist bereit, sie will von dannen ziehen. 
An ihrer Pforte kehrt sie um nach ihres Hauses Mitte, 
Greift nach dem Schlüsselbunde jetzt, der Zier des schlan- 
ken Leibes, 

Und wendet sich und wirft ihn hin in ihres Hauses Mitte. 
6 c Die eine wackre Hausfrau ist, die mag nach ihm sich bücken !' 

17. 

Dem Gatten hast du, Meisterin, die Kölyba bereitet. 
So setz' dich hin und zähl' ihm auf die Zeichen seines 

Körpers. 

Gib ihm ein Antlitz voll Verstand, wie es verdient der 

Todte, 

Und Augen zwei Oliven gleich, und Brauen wie zwei Bänder, 
5 Und Wangen gib ihm, an Gestalt der Goldorange gleichend 
Der Sonne Schönheit zeigten sie, den weissen Glanz des 

Mondlichts, 

Gemischt mit zartem Rosenroth des Apfels von Venedig. 
Gib ihm den schlanken Hals der Gans, gib ihm das Haupt 

der Ente: 

Stolz wie die Gans schritt er einher, und gleich der Ente 

sass er. 



B. Lieder von Charos und der Unterwelt. 

18. 

Hört, hört doch, was verkündet hat des bittren Charos 

Mutter: 

'Wer Kinder hat, verberge sie, wer Brüder, nehm' in 

Acht sie, 

Ihr Frauen wackrer Männer, auf!, verberget eure Gatten! 



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- 160 - 

Kf) 6 Xdpoc cirfupfäeTCti Yid vdßYr) vd Kpouclv|iq.' — 
6 Md vd tov Kai KaTaißaive tcou Kau.Trouc KaßcXXdpic. 
Maöpoc fjTav, KaTdu.aupoc, paupo Kai t* öXotö tou. 
Cepvei creX^Tia biKOTra, ciraGid HeYunvw^tva- 
CTeXe'TTa tdxei Y»d xapbiaic, cTraGtd Y*d xd K€(pdXia. 
Ctckuj Ka\ TÖfi TTCpiKaXiI), Td x^'pia CTaupujue'va • 
10'Xdpo, fiä bk TtXripwvecai , fiaii bkn Tr^pveic darpa; 
TTdpe toöv ttXouciuuv Td <pXwpid Kai tou <ptujxüjv Td xpöcia, 
Kai Trdpe xai toöv TrcvryTiuv t' du.7T€Xoxwpaq>d touc!' — 
Krj ^K€ivoc (i* d7TOKpi9nKe cd ckuXoc u.aviau.evoc* 
'Nd x Q poöv oi ttXoucioi Td cpXwpid Kai oi qpTwxoi Td 

Ypöcia, 

15 Nd xaipouvTai k' oi TrivrrTec x* duTreXoxuupaqpd touc! 
Krj iyvj Trepvaj ÖVopqpa Kopu.id ; t 1 dYY€XoKau.wuiva, 
Nd TcritapiZa) tc* dbepqpaic, vd XaxTapiZuu judvaic 
Kai vd xwptfuj dvTpötuva, Td TToXiiaTaTTrui^va.' — 
y Q 9c- u.eYaXobuvau.e , iroXXd KaXd ttoö kovcic, 

2oTToXXd KaXd u.äc ^Ka/iec, u.d Iva KaXd bfcv Kdveic 
Tioqpupi (ie'c* tö TT^Xafo, CKaXa ctöv kotiü köcu.o, 
Nd KOTaißaivouv rj dbepqpaic, vd KaTaißai'vouv fj ndvaic, 
N ' dvaißOKaTaißaivouve KaXwv dvTpuiv YuvaiKec. 



19. 

. lthaka (Batby). 
'Akoüc tö ti biaXdXr|ce tou u.aupou Xdpou r] jadva; 
Tuvaucec, KpuipTe tc' dVrpec cac, jnavdbec, Td Traibid cac! 
Krj 6 yuiöc u.ou ßYHKe crd ßouvd, v' aXacpoKuvirrncr), 
Krj öG 1 cuprj TrcVrc, n^pvei Tpcic, Kfj 69* cuprj Tpek, tcoi 

buo, 

5 Kfj 09' cuprj Kf) fc'vavc u.ovax6, x^Tipi bkv tou Kavci.' — 



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- 161 - 

Denn Charos schickt sich eben an, zum Plündern auszu- 
ziehen.' — 

5 Und sieh, da kam er, hoch zu Ross, herab in die Gefilde. 
Schwarz war er, rabenschwarz sogar, und einen Rappen 

ritt er. 

Z weisen neid'ge Dolche führet er und Schwerter ohne Scheide, 
Die Herzen zu durchbohren und die Köpfe abzuhauen. 
Die Hände faltend blieb ich stehn und sagte zu ihm flehend: 
10 'Warum, o Charos, lässt du nicht mit Gelde dich bezahlen? 
Nimm doch den Reichen ab ihr Gold, den Dürft'gen die 

Piaster, 

Nimm doch den Armen selbst hinweg die schmalen Wein- 
gelände!' — 

Doch jener, wüthend wie ein Hund, gab mir die rauhe 

Antwort : 

'Den reichen Leuten bleib' ihr Gold, den Dürft'gen die 

Piaster, 

15 Die Armen mögen sich erfreun an ihren Weingeländen ! 
Ich nehme schöne Leiber mir, die Engeln gleich gebildet, 
Zu bringen Qual und bittres Weh den Schwestern und 

den Müttern, 

Und treuer Ehegatten Bund, den inn'gen, zu zerreissen.' — 
0 Gott, Grossmächtiger, der du so gütig dich erweisest, 
20 Viel Gutes hast du uns gethan, doch eines thust du nimmer: 
Bau eine Brücke übers Meer, zum Hades eine Treppe, 
Den Schwestern und den Müttern zum Hinuntersteigen 

dienlich, 

Den Frauen wackrer Männer auch zum Auf- und Nieder- 
steigen. 

19. • 

Weisst du, was uns verkündet hat des schwarzen Charos 

Mutter? 

'Verbergt, ihr Fraun, die Gatten wohl, ihr Mütter, eure 

Kinder! 

Mein Sohn ist in die Berge ja zur Hirschjagd ausgezogen. 
Wo fünf er antrifft, nimmt er drei, wo drei er findet, zweie, 
5 Und wo nur einen einzigen, er schenkt ihm keine Gnade.' — 

Schmidt, Griech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 11 



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- 162 - 
20. 

Kephalonia (Dorf Zerbäta). 
[Ol dvTpeiujuivoi Xerave ttüjc Xdpo b€ <poßoOvxai.] 
Kr) 6 Xdpoc kottou t* ÖKOUce, ttoXu tou KaKO<pdvr|. 
^TtfiYe Kai toüc r|upr|K€ ctö rio^ia ttou reuövTav. 
'KaXitic Td TraXXnKdpia nou, KaXwc Td TroXe^Te!' — 

5 f KaXuk tov€ töv Xdpovxa! Kd0ice vd YeuTOuue, 
Nd qpac t* arraKia toö Xaroü, CTT)0dui änö Trcpbfoi, 
Nd irirjc Kai TpiTraXrjö Kpaci, ttou ttivouv oi dvTp€mJue*voi !' — 
c Aev GeXtu eorw tö tifyia cac cibe tö Xeibivö cac, 
rTap > rjpöa fia töv koXXio cac, Yid töv KaXXiicpö cac.' — 

loKavetc btv dTTOKpi6riK€ cm s öcoi Kr) av YeuövTav, 
TTapd Ter) xnpac tö Traibi, ttou fjxav mXr dvTpeiwuevo • 
f Xdpo, de TrapacapTdpouMC, kt) öttoioc TrpoXdßrj, de Trdpr)!' — 
CapTaiv* Tcfj xr\pac tö Traibi, Trdei capdvTa Trdcca. 
CapTaivei 6 TTpiKOxdpovTac Kai Trdei capdvTa TreVre. 

15 f Xdpo, ac jaaTacapxdpouiue, kt) öttoioc TrpoXdßr], ac Trdpr]!' — 
CapTaiv* Tcfj x^pac tö rraibi Kai Trdei TrcvrjvTa rrdeca. 
CapTaivei 6 TTpiKOxdpovTac Kai rrdci nevfjvTa tt€vt€. 
Kr) öx Td u.aXXid töv €*Tnace Kai tövc KiwXoce'pvei. 
'"Acc ue, Xdpc, dop' Td u.aXXid Kai mdee m' cup* Td 

Xe*pia!' — 



20. Die mir dictirende Frau gab als Anfang dieses Liedes irrthüm- 
licher Weise einige Verse desjenigen, welches bei Passow Nr. 42U— 425 
in mehreren Versionen mitgetheilt ist. Nach Beseitigung derselben 
habe ich V.l ergänzt aus dem verwandten Liede bei Passow Nr. 428, 1, 
nur daBS ich statt xp€lc dvxpnujuevoi geschrieben ol dvxp., eine Aen- 
dernng, welche die Worte dn' öcoi nrj dv teuövxav in V. 10 erforder- 
ten (und die mir auch im Passow'schen Liede nothwendig erscheint, 
vgl. daselbst V. 15). — Ich hätte den Anfang dos obigen Liedes auch 
nach einer aus dem Bezirk Skala auf Kephalonia mir zugekommenen 
Variante desselben ergänzen können, welche mit folgenden Versen 
beginnt: 

Xpicx£, Kai ttoO vd ßplcKovxai toO köcuou ol ävxpauiu^voi ; 

Oüö£ d Yiöua ßpicKovxai oüö£ et iravr|T u P l > 

Qübi Kai ci Kauviä x<*pd ttoO väv' ol dvxpenuu^voi! 

KdTou CTd 'IcpocöXuua uupTov dÖcpcXtujvav, 

TTupyov £e€ueAiujvave, vd unv xouc €üpn ö Xdpoc. 



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- 163 - 



20. 



Die Helden rühmten sich, dass sie vor Charos sich nicht 

fürchten. 

Charos vernahm das irgendwo, und es verdross ihn heftig. 
Er kam und traf sie eben an, wie sie beim Mahle sassen. 
'Seid mir gegrüsst, ihr Tapferen, Heil eurem Kriegerhand- 
werk !' — 

5 f GrüssGott, Herr Charos! Setze dich zur Mahlzeit bei uns 

nieder ! 

Iss von den Hasenlenden hier, iss hier die Brust vom 

Rebhuhn, 

Und trinke alten starken Wein, wie ihn diellelden trinken!' — 
'Nach eurem Mahl verlangt mich nicht, sei's Mittags oder 

Abends. 

Ich kam zu holen mir von euch den schönsten und den 

besten. ' — 

io Von allen, die zum Mahl vereint, wagt keiner eine Antwort. 
Allein der Sohn der Wittwe wagt's, der muthigste von ihnen : 
f Lass um die Wette springen uns! Wer siegt, nimmt den 



Der Wittwe Sohn beginnt und macht im Sprunge vierzig 

Schritte. 

Drauf springt der bittre Todesgott und bringt's auf funf- 

undvierzig. 

lö'Lass uns noch einmal springen, Tod! Wer siegt, nimmt 

den Besiegten!' — 
Der Wittwe Sohn beginnt und macht im Sprunge fünfzig 

Schritte. 

Drauf springt der bittre Todesgott und bringt's auf fünf- 
undfünfzig. 

Da packt er an den Haaren ihn und schleift ihn auf dem 

Boden. 

'Lass, Charos, meine Haare los und fass mich an den 

Händen!' — 



Allein auch diese Verse gehören ohne Zweifel nicht zu unserem Liede, 
sondern vielmehr zu einer Variante desjenigen, welches Th. Kind An- 
thol. (1861), S. 68 f. (N. VI.) veröffentlicht hat. - V. 8 bietet statt der 
Worte €ioe to Aei&ivö cac dioVar. von Skala: ovbt Kai tö Kpaci cac. 

20, 13. iräcca: andere uiXia. Ebenso V. 16. 




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- 164 - 



91. 

Zakynthos (Dorf Koilioineno). 
Bruchstück? 

Ctouc oüpavoüc cr)u.aivouv€, ctöv äbrjv Kavouv rduov. 
Kai <ppöviu.ov tmXicavt, vd na vd crcqxxvuxr). 
Maupr) Xau.Trdba toö yöM^PO 0 äcrrpo Kepi Tcrj vuuqprjc. 
Cif|v pourav ttoö CTrrVfaive töv 6e'ov CrrepiKaXei, 
5 Nd toö ^x°^ !a 0 TöM^pöc v* £pxÖTOuva ctt) vuu.q>r|. 

22. 

Ithaka (Bathy). 
Ti vd toö Kdu.uj, TfuJKiuuve junXiot ctöv kutlu köcuo 
Kai xpe'uae xP u cä CTtaGid Kai kökkivo pavTriXia! 
Kai Träv oi vioi Y»d Td CTraOid k r| v^aic Yid Td u.avTr|Xia 
Kai Td bpocdTa Td Ttaibid vd |idcouv€ Td MfjXa! 

23. 

Zakynthos (Dorf Koiliomeno). 
ToO Xdpou toö ßouXt'ier|K€ vd Kdu.r) TrepißöXi. 
TTe'pvei Tcf| viaic Yid Xcuoviaic, tcou v^ouc Yid KCTrapiccia, 
TTt'pvei Kai Td uiKpd iraibid, Td ßdvei KuuXopiEia. 
NdnEpa, öürk Kai CTaupai'TC, ttoö 8d |ioö cl qpuTe'ipouv, 
5 [~id vdpxounai cuxvd cuxvd vd ce cuxvottot(Z!uj, 
Nd Kaurjc kXujvouc Kai KXabid Kai vd EeßXacTapwcrjc, 
flava) cid (puXXa vd ttottjc, tcoI kXujvouc vd ßacuecai* 
l~id vd ßacnlcai, udTia u.ou, väpOric ctou Trdvuj köcuo, 
Nd ibrjc tö ttoiöc d xMß € ™i, tö ttoioc ttovci Y»d cc'va. 



24. 

Kephalonia (Dorf Skaliä). 
Toö Xdpou toö ßouXr|8r)K€ ttupto vd GeueXiuxri.. 
TTe'pvci tcou Y^pouc (kueXo, tcou ve'ouc y»' dfKUJvdpia, 
TTe'pvei Kai Td |iiKpd Traibid £pTaic Yid rrapaGupia. 

21, 2. Oder iKaXlcave nonö v. cx.V 

24. Im Bezirk Skala auf Kephalonia lautet dieses Lied von 
V. 2 an: 



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— 165 — 
21. 

Im Himmel läutet man zum Fest, im Hades hält man 

Hochzeit, 

Und einen recht Verständigen rief man, das Paar zu trauen. 
Schwarz ist das Licht des Bräutigams, weiss ist des Bräut- 
leins Kerze. 

Doch auf der Strasse, die er zog, bat seinen Gott er flehend, 
S Dass reu'n es möcht' den Bräutigam , zu seiner Braut zu 

kommen. 

22. 

Fluch dem, der einen Apfelbaum im tinstern Hades pflanzte 
Und hängte goldne Schwerter dran und purpurrothe Tücher! 
Die Burschen gehn den Schwertern nach, den Tüchern 

unsre Mädchen, 
Und unsre zarten Kindlein selbst treibt's Aepfel aufzulesen ! 

23. 

Dem Charos kam es in den Sinn, zu schaffen einen Garten: 
Die Mädchen als Citronenbäuin', die Burschen als Cypressen, 
Die kleinen Kinder setzet er ins Beet als zarte Senker. 
Du adlergleicher Jüngling mein, wüsst' ich, wo man dich 

hinpflanzt ! 

5 Dann kam' ich oft, gar oft zu dir, mit Wasser dich zu netzen, 
Auf dass du Aest' und Zweige triebst, zum hohen Baume 

würdest. 

Dann setztest du den Fuss aufs Laub, hieltst fest dich an 

den Aesten, 

Und kehrtest so, mein Augenlicht, zur Oberwelt zurücke, 
Zu sehen, wer sich um dich härmt, wer klagt um deinet- 
willen. 

24. 

Dem Charos kam es in den Sinn, sich einen Thurm zu bauen: 
Die Alten nimmt als Fundament, als Eckstein' er die Jungen, 
Die kleinen Kindlein wählt er sich zu Pfosten für die 

Fenster. 



Bdvei xcou ytpovc Ö^eXo, tcoü Wouc dYxwvdpia, 

aöralc Tale ßcpYoXÜYcpaic xaic ßdvei dYKUJvoTTr|Ao, 
Ktj . \< iv. ( xd jnupd iraibiä xd ßdvci coixnoXdKia. 



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■ 

— 166 - 



25. 

Zakynthos (Dorf Loükka). 
'KXarre ^e, ndva, KXaiYe ye aurr) Kai u.ecrui€pi ; 
Kai jitc' t j dvdrupua toö r)Xioö tcotc cou MH KXdiprjc, 
TtaTi bemvdei ö XdpovTac ttj Xapövnccd tou.' — 
'KpaTei K€p\ Kai q)€YY€ touc, rroTripi Kai Kepva touc* — 
5'Moü £au.oXucrai tö Kepi, Kr) ö Xdpovtac jue bepvei.' — 



26. 

lthaka (Bathy). 
TToie ßaciXejua fiXioö ui)u TTidvrjc nupoXÖY», 
Tia-ri b€iTTvdei ö XdpovTac ui rrj XapövTiccd tou. 
Kr| exei Td 7Tidxa dvairoba, xd TOußaXiGia u.aöpa, 
Kr) ^x ei KCtl C T° TpaTreCi tou MiKpwv Traibiüjv KtqpdXia, 
5 K»i £x ei MaxaipOTiepouvo toö CTaupai'Tujve x^P ia ' 
Kr) c'xci tcoi vioüc ttoö töv Kepvoöv, Tcrj viaic rrou Tpa 

Youbäve. 

Kl] OTTO TÖV Kt'pVO TÖjLl TTOXu KT) dq>' TO lyrjXö Tparoubi 

'O viöc £TfapaTrdTr)ce, Kf| ^trece tö TTOTrjpr 

Kr) ö Xdpoc KaTapdcTrjKe, vd Kd|nouve xfj Zujrj touc. 



27. 

Kepnalouia (Dorf Skaüä). 
TTotc ßariXe^a rjXioö jnf|u. mdvqc |aupoXÖYi, 
TtaTi beiirvdei ö XdpovTac u.€ if\ XapövTiccd tou. 
Kfj dK€i ttou ^TpüjTa Kfj eftiva Kai bmXoxaipeTtwvTa, 
'€tupic€ f) XapövTicca Kai £'XeYe tou Xdpou 1 
f> r Xdpo, tö viö ttou jioucpepec t\ Ixw vd töv KajiU); 
Aixaic Gpovi b£v KdGeTai, bixwc Y^aXi beu. mvct, 
Aixiuc \\H]\6 TTpocK^qpaXo b£u TreqpTCi vd TrXaYidcr), 



25, 2. itot^ cou: andere statt dessen TripaEe (Dorf Mariais). 

27, 7 lautet in einer auf lthaka unvollständig mir mitgetheilten 



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— 167 - 



25. 

'Bewein' mich, Mutter, wein' um mich am Morgen und zu 

Mittag, 

Doch gegen Sonnenuntergang heb' niemals an die Klage; 
Denn Charos speist um diese Zeit mit seinem Weib zu 

Abend.' — 

'Halt hin eiu Licht, zu leuchten ihm, ein Glas, ihm zu 

kredenzen.' — 

5 'Es fallt das Licht mir aus der Hand, und Charos gibt mir 

Schläge.' — 

26. 

Nie lass bei Sonnenuntergang ein Klagelied erschallen! 
Denn Charos speist um diese Zeit mit seinem Weib zu 

Abend. 

Die Teller stehen umgekehrt, schwarz sind die Servietten, 
Und seine Tafel ist besetzt mit kleiner Kindlein Häuptern. 
5 Der Tapfren Hände dienen ihm als Messer und als Gabel. 
Die Jünglinge kredenzen ihm zum Mahl, die Jungfraun 

singen. 

Und ob des vielen Schenkens und der Mädchen hellen 

Liedern 

Trat fehl ein Jüngling, und ihm fiel vor Schreck das Glas 

zu Boden. 

Da fluchte Charos fürchterlich und jagte sie vom Tische. 

27. 

Nie lass bei Sonnenuntergang ein Klagelied erschallen! 
Denn Charos speist um diese Zeit mit seinem Weib zu Abend. 
Und wie sie einst bei Speis' und Trank sich wechselseitig 

grüssten, 

Da wandte sich des Charos Weib zum Gatten mit den 

Worten : 

5 'Was soll ich mit dem Jüngling nur, den du mir brach- 
test, machen? 

Er will nicht sitzen ohne Stuhl, will ohne Glas nicht trinken, 
Will ohn' ein hohes Kissen nicht zum Schlaf sich niederlegen, 



Variante dieses Liedes: Xiuplc i[>r\\b npocx&paXo töv iinvo bi töja 
ir^pvti. ' 



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- 168 - 



Aixwc necctXoTOußdeXct bcv Kd8€Tai vd (parj.' — 
f Cuma ecü, Xapövncca, ki] dtujxuj vd töv Kajuu) 
loAixtuc Spovi vd Kdötiai, bixwc fuaXi vd Trivrj, 
Aixwc iprjXö TrpocKeqpaXo vd Tre'qrrr) vd 7r\aTidcrj, 
Aixuuc necaXoToußdeXa vd xdeeTat vd qpdrj.' — 

» 

28. 

Kcphalonia (Dorf Katapodäta). 
'Gipec tö ßpdbu ebidßaiva dir' tc' eKKXrjcidc xrijn iröpia. 
K' eixc CKacjidba r\ jaaupn t»l c *' eiba töv kotuj KÖCjio. 
€iba tcou viouc £apfidTWTOuc , Ter) vialc xwpic croXibta, 
€iba Kai Td MiKpd naibid cdv nnXa juapajaeva. 
5"AK0uca tti XapövTicca, MaXwvei tö Xdpo* 
f Xdpo, tö viö ttoö jnouqpepec ti fyw vd tövc- Kdfjuj; 
Xwpic Gpovi btv KäOrvrai, xwpic yvdkx ben irivei, 
Xwpic TtepouvoKouTaXa bev Kd0r)Tai vd Tpurrrj, 
Xuupic cevTÖvia dtepixd beja Tre'qpTei vd KOiMäTai.' — 
10 Kr] 6 Xdpoc aTTOKpi8r|K€ , töv tctoio Xöto XfcYti* 
'CiaiTra ecu, XapövTicca, Kfj efw töv KaTacpt'pvw 
Xwpic 9povi vd KdBrjTai, xwpic yvaXi vd ttivii, 
Xwpic Trepouvojudxaipo vd Kd0r)Tai vd TpwYr), 
Xuupic cevTÖvia dyepiKd vd Trtqrrr) vd KOijiäTai.' — 



29. 

Kcphalonia (Dorf Zerbata). 
'Gipcc TrpoxTk dbtdßaiva dTT* tc' ^KKXrjciäc Tryi rröpTa, 
v Oxi vd rcdpw vd btaßw, vd Trdpw vd fitceipw, 
TTap' eKCtTca Kr] ejn^Tpnca Td nvryiam noca eivai. 
K J fjTav Td nvr)|iciTa ^kotö, Td jidpuapa biaKÖcta, 
5 Kai toö MiKpwve toO|ji Ttatbiwv nTave TrevTaKÖcia. 
Kamuc dTTapaitaTnca c* £voö dvTpeiuüji^vou )nvn^a. 



28, 8. Es wird auch hier trepouvouäxatpo zu schreiben sein, oder 
auch V. 13 irepouvoKoÜTaXa. — Statt vcrqpdrj, wie mir mitgotheilt wor- 

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— 169 - 

Und ohne Tisch- und Handtuch nicht die Mahlzeit zu sich 

nehmen.' — 

'Sei ruhig nur, mein Weib, ich will ihn schon dazu noch 

bringen, 

loDass er sich setze ohne Stuhl, dass ohne Glas er trinke, 
Dass ohn' ein hohes Kissen er zum Schlaf sich niederlege 
Und ohne Tisch- und Handtuch auch die Mahlzeit zu sich 

nehme.' — 

28. 

Am Abend gestern wandert' ich vorbei am Thor der Kirche 
Und blickte in die Unterwelt durch einen Riss der Erde. 
Ich sah die Mädchen ohne Schmuck, die Burschen ohne 

Waffen, 

Und sah die kleinen Kindlein auch, die welken Aepfelu 

glichen. 

6 Und Charos' Gattin hört' ich drauf mit ihrem Ehherrn 

hadern : 

'Was soll ich mit dem Jüngling nur, den du mir brach- 
test, machen? 

Er will nicht sitzen ohne Stuhl, will ohne Glas nicht trinken, 
Will sich zur Mahlzeit setzen nur mit Gabel und mit Löffel 
Und nur auf feinem Bettuch sich zum Schlafe niederlegen.' — 
io Doch Charos drauf entgegnete der Gattin mit den Worten : 
c Sei ruhig nur, mein Weib, ich will ihn schon dazu noch 

bringen, 

Dass er sich setze ohne Stuhl, dass ohne Glas er trinke, 
Dass er zum Mahl verlange nicht die Gabel und den Löffel, 
Dass ohne feines Bettuch er zum Schlaf sich niederlege. 

29. 

Vor kurzem wandert' ich einmal vorbei am Thor der Kirche, 
Nicht um für eine Reis' etwa den Segen mir zu holen, 
Nein, nieder setzt' ich mich, zu sehn, wie viel der Gräber 

seien. 

Es waren hundert Gräber da, zweihundert Leichensteine, 
5 Zuletzt fünfhundert Gräber noch, drin kleine Kinder ruhten. 
Aus Zufall strauchelt' ich und trat auf eines Tapfren Grabmal. 



den, habe ich vet tpujy>3 gesetzt. Vgl. V. 13. — V. 9 habe ich x^pte 
geschrieben für Mxwc. Vgl. V. 14 und L. '27, 6—12. 



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— 170 - 

'Akouuj tö u.vr)u.a Kai ßoTKaei, tö viö Kg dvacTevdZei. 
'Ti exeic, nvnnä nou, Kai ßoYKac, vie* nov, Kr) dvacre- 

vdCeic ; 

Mf)v eiv' tö xwpä cou ßapu k* fj TiXaKa cou jueTaXfi;' — 
lo'Aev elv' t6 x&M a Mou ß a PÜ k' r\ tiXciko u.ou u.eYaXr), 

MoüV tujxuj Tfujc ja* ^TrdTr)cec ^Trdvuj ctö KeqpdXi. 

Taxa bev rj/jouv Krj dyw viöc, bev rjiiouv iraXXriKdpi; 

Aev ^7rpoßdTOuva ktj e>ruj Tf) vüxto jue (petrapi; 

Aev rjtAOuv ßaciXiwc Ttaibi, KaXoö pryröc aYYÖvi; 
15 €ixa tö Mdi Tcfj TrXaTaic iaou, ty\v ävoi£i cto cTr|0ia, 

T' dcTpa Kai töv autepivö crd lAaTia Kai cto qppubia. 

Aev eKaTabexöjaouva CTf) rnc vd irepTraTricuj, 

Kai Twpa KaTabexTr)Ka Trj juauprj ff\c KXivdpi!' — 



30. 

Zakynthos (Dorf Koiliomeno). 
'Cxtcc ßpdbu eire'paca dq>' tc* dKKXrjciäc Tr)iA TtöpTa. 
Kai mou äpece vd TrpoßaTüJ, ir\ poOra vd irriTCuvw. 
Kfj ^KdGica Krj eye'Tpr|ca Td iivriiiaTa iroca eivar 
BpiCKU) Td |ivr)|aaTa ^koto, Td judp/iapa biaKÖcia. 
5 Krj «ei eTrapairaTrica eic dvTpeiwfie'vou |ivf)na 
Kr) aKOuuj tö lAvrjiAa Kai ßotKaei, tö vt'o Krj dvacrevd£ei. 
'Mvrjjid iaou, ti fyeic Kai ßoYKqtc, vie iaou, Krj dvacTe- 

vd£eic ; 

Mfjv etv' tö x^jLia cou ßapu k' f\ TiXaKa cou ikyixXii;' — 
'Aev elv' tö xw^d mou ßapi» k' f) TrXaKa iaou lAeYdXr), 
io'AXX' fjpeec Kai u.' eTrdTrjcec arrdvou ctö KeopdXi. 
TTivuj toö äbr) tö vepö, eivai TiiKpö qpapiAOKi, 



29, 11. irOüc inäTTjcec meine Quello: ich habe u' eingeschaltet. 
S. L. 30, 10. — V. 15 und 16 gehörten vielleicht ursprünglich einem 
anderen Liede an. 

HO. Dieses Lied scheint nicht ganz vollständig und treu mitge- 
theilt zu sein. V. 6 und 7 bot meine Quelle also : K\) ökouuj tö uvrjun 
Kol ßoTKdei Kai ßapuavacTeväZei. f Mvf|uä uou, ti ix tlc * ai ßoY*äc Kai 



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- 171 — 

Da hör' ich, wie das Grabmal stöhnt, der Jüngling drinnen 

seufzet. 

'Was ist dir, Grabmal, dass du stöhnst, was seufzest du, 

mein Jüngling? 

Ist denn die Erde dir zu schwer, zu gross die Marmor- 
platte?» — 

io f Nicht ist die Erde mir zu schwer, zu gross die Marmor- 
platte. 

Doch das empfind' ich schmerzlich, dass du mir aufs Haupt 

getreten. 

War nicht auch ich ein Jüngling einst, ein tapfrer Pallikare? 
Lustwandelte nicht einst auch ich bei Nacht im Monden- 
scheine? 

War eines Königs Sohn ich nicht, nicht Enkel eines Grossen V 
15 Den Mai trug auf den Schultern ich und auf der Brust 

den Frühling, 

Es strahlte mir der Sterne Glanz von Augen und von Brauen. 
Ich war zu stolz einst, mit dem Fuss die Erde zu berühren, 
Und jetzt lass' ich gefallen mir die schwarze Erd' als Lager!'— 

30. 

Am Abend gestern wandert' ich vorbei am Thor der Kirche, 
Und es gefiel mir, weiter fort die Strass' entlang zu gehen. 
Drauf setzt' ich nieder mich, zu sehn, wie viel der Gräber 

seien. 

Ich zählte ihrer hundert, dann zweihundert Leichensteine. 
5 Aus Zufall strauchelt' ich imd trat auf eines Tapfren Grabmal. 
Da hör' ich, wie das Grabmal stöhnt, der Jüngling drinnen 

seufzet. 

'Was ist, mein Grab, dir, dass du stöhnst, was seufzest du, 

mein Jüngling? 

Ist denn die Erde dir zu schwer, zu gross die Marmor- 
platte?' — 

'Nicht ist die Erde mir zu schwer, zu gross die Marmor- 
platte, 

io Allein du bist gekommen und hast mir aufs Haupt getreten. 
Des Hades Wasser trinke ich, das bittrem Gifte gleichet. 

ßapuavacxevdZeic ; ' Da aber im Folgenden der im Grabe ruhende 
Jüngling als auf die Fragen in V. 7 und 8 antwortend eingeführt wird, 
so waren die beiden Versenden nach L. 29, 7—8 umzuändern. 



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- 172 — 

To mvouv ve'oi, eXtßoviai, xai viaic Kfj dvacrevdZouv • 
Md ifwum ßaaXiwc Traibi k* eljuai Kai pnra yyövi.' — 
Kai rcdXi ^ataTre'paca Ten e'KKXnciäc tt|u TcdpTa 
löKrj dKOuuj Tf| Xapövncca, |uaXwvei jLte to Xdpo- 

'OÜXoUC TOUC V€OUC TTOÖ JIOÖ €*<p€peC OÖXoUC TOUC ri|iepUJVUJ, 
Md £TOÜTOV€ TO VIOUTCIKOV — i^Ut pUUUOUC btV €*X€l, 

Xwpic vepö bk TtueTai, xwpic Kpaci be Tpiirrci.' — 

31. 

Kcphalouia (Dorf Katapodäta). 
'Eipec tö ßpdbu ebidßaiva ott* tc' ^KKXnciäc thjh Tröpia. 
K' e?xt CKac^idba f) ^aüpr| Tfjc k' efba töv kotw köcjlio' 
Kr) aKOuca viaic ttoö xMßovrai Kai viouc ttoö dvacTevd£ouv, 
Ka\ aiKwvouve Td x e P ia T cou Kai Kavouv tö CTaupö ctou* 
5 r TToXXd KaXd ttoö Kavei 6 öcöc , Krj e'va KaXö bev Kaver • 
KdG' dTtOKpid Kai TtacxaXid v' üvoiYr) 6 kotuu köcjlioc, 
Nd ßXeTrrj r) ndva Td Traibid Kai Td Traibid xi\ jidva, 
Nd ßXeiTOuvTai Kai t* dvrpÖYuva Td TroXuaYaTirm^va, 
Nd ßXe'TTouve k' rj dbep<paic t' dYaTrrjjueva dbepqna!' — 

32. 
Ebendaher. 
Bruchstück. 



Kg d coö 7Tovf|, jiavoöXd pou, vd Ibrjc tö TTpocumö u.ou, 
Kd^e Td vuxia cou Tcarri Kai tc' dTtaXdnaic <pTuäpi 
Kai CKdijje dirö tö xü>|id u.ou, Y»d vd fit EecKtTrdcrjc. 
Kr) äv ffaai äcTrpoc Kai kokkivoc, CKÜipe Kai q>i\r\cl ye! 
5 Kr) äv fjuai ^aupoc Krj äexnMoe, Yupic' to, CKetrace jie! 



30, 15. In dem mir vorliegenden Texte dieses Liedes, welches 
mir schriftlich mitgctheilt worden, lautet dieser Vers: Krj dKoütu tö 
Xdpo Kai |mäXujv£ u- tv| Xapövriccd tou. Allein nicht Cbaröntissa, son- 
dern Charos ist es, welcher die Todten in die Unterwelt befördert; 
der Vergleich mit 27, 4 und 28, 5 lehrte, wie zu ändern war. 

L. 32 ist auch auf Zakynthos gekannt. Aber auch dort gelang es 
mir nicht das ganze Lied zu gewinnen; im Dorfe Loukka schrieb ich 



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— 173 - 



Es trinken's Jünglinge mit Qual und Mädchen unter Seufzern. 
Doch ich bin eines Königs Sohn, bin Enkel eines Grossen.' — 
Und wieder wandert' ich darauf vorbei am Thor der Kirche. 
15 Da hörte Charos' Gattin ich mit ihrem Ehherrn hadern: 
r Die Burschen alle, die du mir gebracht, kann ich bezähmen. 
Nur dieser kleine Bursche da, der lässt sich nicht bezähmen, 
Will ohne Wein und Wasser nicht die Mahlzeit zu sich 

nehmen.' — 

31. 

Am Abend gestern wandert' ich vorbei am Thor der Kirche 
Und blickte in die Unterwelt durch .einen Riss der Erde 
Und hörte Mädchen jammern laut und junge Burschen 

seufzen. 

Sie hoben ihre Händ' empor, bekreuzigten sich dreimal: 
5 'Viel Gutes wahrlich thuet Gott, doch eines thut er nimmer: 
Zu Fastnacht und am Osterfest müsst' öffnen sich der Hades, 
Auf dass sich gegenseitig säh'n die Mütter und die Kinder, 
Auf dass sich wiedersähen auch die treuen Ehegatten, 
Und dass die Schwestern wiedersäh'n die vielgeliebten 

Brüder.' — 

32. 

Wenn du dich sehnst, mein Mütterlein, zu schaun des 

Sohnes Antlitz, 

So mach' zum Karst die Nägel dein, die flache Hand zur 

Schaufel, 

Nimm weg das Erdreich über mir und deck' mich auf, den 

Armen. 

Und wenn ich weiss und roth noch bin, so beug' dich, 

mich zu küssen. 
5 Doch wenn ich schwarz bin und entstellt, so decke zu 

mich wieder! 



aus dem Munde einer Frau folgendes dem obigen entsprechende Frag- 
ment davon nieder: 

Kai cxdijjc Iii Tä vüxia cou cäv dtpioticpaKiva. 

Krj dv flucti cäu itujc t^uouva, CKÜqie Kai q>(Ar|cl ne! 

Kr) dv f^ai naüpoc Kai x^wuioc, Tpdßa, koukoüXujcI |U€. 

Diese Verse wurden von meiner Quelle mit einer Variante der Lieder 
29 und 30 in ungehöriger Weise vermengt. 



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174 - 



33. 
Ebendaher. 

TT£r€ nac ti EouXe'ipaTe koltku ctöv kcctuj köclio, 
TTüjKei x°PÖc be YiveTai, ttujk€i x<*P« bev eivai, 
TTwKei dcTrpoi naupfcouve k' 01 jiaöpoi äTtoMaupiCouv 
Kai ptc' tö capavTormepo dpMOuc up|iouc x^piCouv; 
öTTe'cpTouve Ta Savßd inaXXid, ßratvouv toi naöpa u.&Tia, 
Kai xwpia irdei tö xopn! Kai xwpia tö KetpdXi. 



Kephalonia (Dorf Zerbata). 
T7paTMaT€UTf)c 6e vd ycvuj, vd KOTaißui ctöv dbrj, 
Nd Ttapiü pouxa Y»d Ter] viaic Kr) dp^aTa rid tcouc veouc 
Kai qpecia TOuvettviKa fia tc' öjuopcpouc XeßevTaic. 
To Xdpo 7T€piKdXeca Td x^P ia CTaupuipeva, 
öNd moO baveicrj Td KXeibid, KXeibid Tcfi irapabei'coc, 
Nd Iba) tcoi viouc ttüjc dTrepvoöv , tcii veaic ttoic biaßaivouv. 
BpiCKiü Ter] viaic HecTÖXicraic , tcou viouc 2apnaTWu.evouc 
Kai Td piKpouTciKa rratbid xwpic noKafiicdKia. 

35. 

Zakynthos (Dorf Mariafs). 
XpiCT^, Kai vd ue ßdvave irpaYMaTeuTf) ctöv dbr), 
Nd ßdXw cTriv Kavicrpa nou k6Gcc Xothc Xofdbi, 
NctxuJ toö ve'ou TrouKdjüiica, Tcf| XuTepfjc ßeXe'cia, 
Ndxtu Kai toö mKpoö Traibioü 9acKiaic Kai cTraptavibaic ! 



3G. 

Zakynthos (Dorf Koilionu-no). 
Xpicre\ Kai vd jioö Xe^ave ttujc epxouvTai d<p' töv abr), 
Kfj a bev frpexa YXrpropa, Td Tröbia vd poö eVößav, 
Kr) a bev e'YVwpiEa KaXd, Td u.dTia vd pou ^ßxdvav, 
Kr) a bev dtKdXia£a cqpiXTd, Td x^P ia vd |io0 eKÖßav, 
5 Kr) a bev e'qpiXouva fXuKa, tö CTÖpa vd juoö Tre'cr)! 



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— 175 - 



33. 

Sagt nur, wonach begehrtet ihr da unten in dem Hades, 
Wo man zum Reigentanz nicht geht und keine Hochzeit 

feiert, 

Wo schwarz die Weissen werden und die Schwarzen noch 

viel schwärzer, 

Und binnen vierzig Tagen sich des Körpers Glieder lösen? 
5 Die blonden Haare fallen ab, die schwarzen Augen faulen, 
Und Rumpf und Haupt sich trennen los und gehen aus- 
einander. 

34. 

Ein Handelsmann will werden ich, zu gehen in den Hades, 
Dass Waffen ich den Jünglingen, den Mädchen Kleider bringe, 
Und Fese vom Tuneserland den schönen tapfren Burschen. 
Die Hände faltend wandt' ich mich an Charos mit der Bitte, 
5 Dass er die Schlüssel leihe mir, des Paradieses Schlüssel, 
Zu sehn, wie es den Burschen geht und wie den jungen 

Mädchen. » 

Die Mädchen find' ich ohne Schmuck, die Burschen ohne 

Waffen, 

Die armen kleinen Kinder gar entbehren selbst der Hemdchen. 

35. 

Herr Jesus, schickte man mich doch als Händler in den 

Hades, 

Dass Waaren ich von aller Art in meinem Korbe brächte, 
Den jungen Burschen Hemden fein, den schlanken Dirnen 

Röcke, 

Und Wickelbind' und Windeln auch den armen kleinen 

Kindern! 

36. 

Herr Jesus, meldete man mir: die Todten kehren wieder! 
Eilt' ich da nicht entgegen gleich, wollt' ich die Füsse missen, 
Erkannt' ich sie nicht wieder, wollt' die Augen ich verlieren, 
Drückt' ich sie nicht an meine Brust, wollt' um die Händ' 

ich kommen, 

5 Und küsst' ich sie nicht inniglich, da sollt' der Mund mir 

faulen! 



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- 17(3 - 



37. 

* Zakynthos. 
TTXe'ei toö Xdpou to ttcm, TTXe'ei tct) u.aüpaic poipaic, 
'€k€i ttoö eivai ipuxaic iroXXaic, re'poi Kai Kopadbaic. 
Maöpo eiV tö Kapdßi tou Kai u.aöpa Td Travid tou, 
(Maöpo eiV tö «acptbi tou Kai paupa Tä Koumd tou.) 

sTp^xouv xuvaiK€c Kai Traibtd, ävTpec Kai KaXorepoi, 
Tpexouv eic to KatKi tou, Tcoi dpTrdxvei dnö tö x^P>- 
Kpua eTv' Td Kpeidia tou, äcrrpa eiV Td uaXXid tou, 
Apairdvi exei ctö x^P* tou, tt&ptouv Td KÖKKaXd tou. 
Krj e^eT ttoö rre'qpTOuv* nidvouve Kaiovrac cd cpujTia, 

10 Cd vd Tirouva e'Kei kovtq |ierdXr| cpouYYapia. 
'Tpe'xa, ßpe Xdpe, Tr^pvoc 1 touc, k j eiV äXXoi ttou trpoc 

uivouv.' — 

'ApTTaXVtl 6K61VOC TO KOum Kai touc kuttoci Kai (pcutei. 

Kai TrdXt e>aTatupice Kai ttoXi ^aTOTT^pe 

"AvTpec, tuvaiKec Kai iraibid, Y*'pouc, Traibid Kai xnP«K- 



38. 
Ebendaher. 

'Aq>' TÖ TTOTaU.1 TO ÖTTOTO 6 XdpOC €TT€pVOUC€, 

Kai u.ia ipux^i eupe'eri e\ei Kai töv exaipeToüce 
cT Q Xdpe u.ou TtoXuxpove Kai TToXuaYaTrr)u.eve, 
TTdpe u.€ Kai eu.£ Kovrd, TTdpe u.e cu Kaüjue've! 

5 0TUJXOÖ ipuxn tfyouva, (pTuixoö Kai biaKOVidprj, 
NT dq>r|cav€ ki) exd0n,Ka T*' £va KXovi KpiGdpi. 
CTfcpvd £>€ be iioubuJKav, be u.oubu>Kav Tcf) Kaüuivric, 
Mr|T£ X6<pTÖ ctö CTÖjia u.ou Tid ce ttou Trepiu.e'veic. 
0TUJxd tJtouv Td TraibdKia jjou, qnu>xd ki) dTreXTTicu.eva, 

10 T dqpncavc, TraiGdvave äeaqrra, Td Kaüpe'va. 
'€cu Td TTTipec, Xdpe jjou, ecu to mipec, c'.eiba, 
T6u.ou tö Kpuo tö x € P ! cou tc* äpTraüe Tf| TrXeEtba. 
TTdpe u.€, Xdpo, TTdpe ue, Tfdpe )ne, *rf) Kaü|ue'vr|, 
TTdpe u.'e'KeT, Trdpe u/ «ei, ttou öXXoc be ce TTpocuivei ! ' — 

37, 4 scheint nur Stellvertreter von V. 3. 



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— 177 - 
37. 

Des'Charos Segel blähet sich, zu ziehn zum Ort der Trauer, 
Wo viele Seelen sind vereint von Alten und von Jungen. 
Schwarz ist die Farbe seines Schiffs, die Farbe seiner Segel, 
(Von schwarzer Farbe ist der Kiel, und schwarz sind seine 

Ruder.) 

5 Es eilen Kinder, eilen Fraun, und Ehgemahl' und Mönche, 
Um einzusteigen in sein Boot; er fasst sie bei den Händen. 
Gar kalt fühlt sich sein Körper an; schneeweiss sind seine 

Haare, 

Die Sichel hält er in der Hand, es klappern seine Knochen 
Und fangen Feu'r und brennen hell beim Aneinanderstossen, 
10 Als war' von einem grossen Brand die Gegend rings er- 
leuchtet. 

'Auf, Charos, setz' sie über doch, noch andre harren deiner.* — 
Er greift zum Ruder, überblickt die Schaar und fährt von 

dannen. 

Und wieder kommt gefahren er, und wieder nimmt er mit sich 
An Müttern und an Kindern viel, an Männern, Greisen, 

Wittwen. 

38. 

Den tiefen Strom der Unterwelt durchschnitt des Charos 

Barke. 

Am Ufer diesseits grüsste ihn die Seele eines Todten. 
'Heil dir und langes Leben dir, mein vielgeliebter Charos ! 
Nimm doch auch mich mit in dein Boot, o nimm mich 

auf, mein Lieber! 
5 Ein Armer war bei Lebzeit ich, ein armer alter Bettler, 
Den man zu Grunde gehen Hess um einen Bissen Brodes. 
Kein Todtenopfer ward zu Theil der Seele des Verstorbnen, 
Selbst einen Heller gab man nicht ihr mit für dich, den 

Fährmann. 

Arm waren meine Kinder auch, in Elend und Verzweiflung. 
10 Sie starben in Verlassenheit und fanden kein Begräbniss. 
Du hast, o Charos, sie geholt, du warst's, mein Auge sah dich, 
Wie du mit deiner kalten Hand sie an den Haaren fasstest. 
Nimm mich, o Charos, nimm mich auf, nimm meine arme 

Seele, 

Und bringe sie dahin, dahin, wo niemand deiner harret!»- 

Schmidt. Oriech. Märchen, Sagea u. Volkflieder. 12 



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15"€tci toG ciV dKCtoö fi H/uxn, ki) ö Xdpoc jcr\ dTTOKpiGri. 
'"GXa, Hiuxn, eTcm KaXr|, kt) ö öioc ck £cTrXaYXvr|Gr|.* — 
Tf)V äpTraü€, Triv €ppi£e cTrjv öXXr| tou M^P» a ? 
Kri aTrXiuvovTac töt€c tö ttovi <p€ÜY€i an* e^ei u.aKpua. 



39. 
Ebendaher. 

'0 Xdpovrac dbiaßaive \ii rr\ XapövTiccd tou. 

Krj eupr|Kave 2va t^povia ttoö IkXoiyc toi Traibid tou. 

f Ti ?X €IC > T^povTa, Kai kXoic; fyacec tol Traibid cou; 

CujTTa Kai Mn uapaivecai, KdGouvTai £bw kovto cou.' — 
5 tv €xaca, Xdpe, Td KaXd, xövovtoc Td Traibid u.ou, 

XdvovTac Tfj YuvaiKd you xf) oüXri Tf| (pa^eXid u.ou. 

CO jiou Td rnipec, XdpovTa! böc mou Ta ouXa dmau 

Kai tupice Kai £Xa 'bw, £Xa vd ck qnXricuj! 

OiXoc cou 6^ vd ycvuj, iftij xai Td Traibid u.ou, 
io 'Gyw xai f) YuvaiKd nou kt) ouXrj f| cpapeXid u.ou.' — 

f Nd ^iröpia, Ttpo, c* TujKava, couKava IfOj Tf| xdpi, 

Md bk urropw, b€ buvau.ai, fyw öxTpö XiovTapi, 

"€xw öxTpö ifw ckuXi, tt' oüXouc Mac yäc cpuXdei, 

Kfi ävTac ibr), Tapd&Tai Kai GAei vd ui <pdrj. 
iö€ivai ckuXi Tpnc6paXo, ttoö Kaiei cd opuma, 

"€x€i Td vuxia TrouvTCpd Kai tt|v wpd u.aKpua. 

Bxdvei (puJTid , qp > Td (LiaTia tou, dirö tö CTÖjia Xdßpa, 

C H YXtfjccd tou cfvai ^aKpud, Td böVna tou €?vai u.aupa. 

Kr) ävrac Treivdei, Td bövTia tou t' £va jn£ t' dXXo cKdve, 
20 Cdv vd rfrouva £kci kovto qpaßpoi ttoö TicXeKäve. 

v €xw ttouXi exib öxTpö, q>r]Xö cd juia XeXe'xa, 



- 179 - 

15 So bat des Bettlers Seele ihn, und Charos drauf erwidert: 
'So komm denn, Seele, du bist gut, und Gott erbarmt sich 

deiner.' — 

Er nahm den Todten, setzte ihn an seiner Seite nieder 
Und zog darauf das Segel auf und fuhr von dannen eilig. 

* 

39. 

Die Strass' entlang zog Charos hin mit seiner Ehegattin. 
Sie trafen einen Alten an, der weint' um seine Kinder. . 
'Was hast du, Alter, dass du weinst? Kamst du um deine 

Kinder? 

Hör' auf zu härmen dich darob, sie sind in deiner Nähe.' — 
5 'Verloren hab' ich all mein Glück mit dem Verlust der Kinder, 
Mit dem Verluste meines Weibs und meines ganzen Hauses. 
Du hast sie, Charos, mir geraubt, gib sie mir wieder alle, 
Dann drück' ich dich an meine Brust und küsse dich zum 

Danke. 

Dann werde ich dein treuer Freund mit allen meinen Kindern, 
10 Mit meinen Kindern, meinem Weib und meinem ganzen 

Hause.' — 

'Vermocht' ich's, Alter, thät' ich's wohl, thät' ich dir den 

Gefallen. 

Doch kann ich's nicht, da einen Feind von Löwenstärk' 

ich habe: 

Ein Hund von schrecklicher Gestalt bewacht gar streng 

uns alle. 

Bei meinem Anblick tobt er wild und will mich schier 

verschlingen. 

15 Drei Häupter hat das Ungethüm, die Feuerflammen gleichen, 
Die Lüfte peitscht sein langer Schweif, und seine Klauen 

drohen ; 

Die Augeu sprühen Feuer aus, sein Ilachen sendet Gluthhauch, 
Und zwischen schwarzen Zähnen hängt heraus die lange 

Zunge; 

Und so es hungert, knirschet es gar furchtbar mit den 

Zähnen, • 

20 Laut dröhnt's, wie wenn der Hammer fallt aufs Eisen in 

der Schmiede. 

Ein Vogel auch ist feindlich mir, dem Storch an Grösse 

gleichend, 
12* 



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— 180 — 



TTiüxei Td vuxia Humuto k' eivai u.icö YuvaiKa. 

NT ä Gc'Xrjc, Yt'po, vd Ta ibrjc, e"Xa cri\v ccfKaXid |iou! 

Kai 0a ce Ttdo) ibw kovt6, ttoö eTvai fi KaTöiKid u.ou.' - 
25 Kai £c<pi£e tö y^POVto ccpiXTa CTf|v ärKaXiä tou, 

Kr] dKivncav icrj c'nriYave vaüpouve Td iraibiä tou. 

Kai »cXaiovTac 6 rcpovTac töv köqio xaipCTäei, 

Kai Tfj ipuxf) ttou ftpeuxe tö m6ti didouGdei. 

fV Au.e, ipuxn nov, ctö KaXö Kai CTfj KaXrj Trjv wpa, 
30 Kai vd Yiouacrj h frovfa cou TpavTätpuXXa Kai pöba!' — 

0 XdpovTac ^Kivnce jjc th XapövTiccd tou. 

c O TtpovTac HaTrXu)9r|K€ TpaßtuvTac Td jnaXXid tou. 



C. Hochzeitsliecler. 

40. 

Kephalonia (Samos). 
( €uxncou |ne, TraTepa fiou, vd TTidctu Td 7rpocuu.ia!' — 
r 'Q Tfjv euxri (iou vox^e, xfj 6 Geöc vd cäc TrpoKÖiyrj!' — 
'eüxncou )i€ ; u.avoöXä pou, vd mdcuj Td trpoZuma!' — 
f 'Q Tf|v euxn juou vöx^Te, Kf| 6 Geöc vd cäc irpoKÖiffif) ! ' — 
6 f 6uxn0tiT€ , jLiTrap^Trdbec u.ou, vd iridcuj Td TrpoEünia!' — 
ttiv euxt'i M«c vdxtTC, Kr) 6 9€Öc vd cäc TTpOKÖiyr)!' — 



41. 
Ebendaher. 
CriKw, vucprj, Krj c^oiydcou, 
Niipou Kai CTaupoxepidcou ! 
COpe, Käjie fiiä |i€Tävoia 
Tou TraT^pa Kai Tcf) fidvac, • 
5 Nd co*0 bujcr) Tfjv cuxn Trjc 
Tou 9eoö Kai Trjv biKrj Tr)c! — 

<Cüp€, ndTia u.ou, ctö KaXö, cupe Kai ctt|V euxn jjou, 
40, 6. jiac habe ich geschrieben für ^ou. 



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— 181 — 



Zur Hälfte Weib, doch fürchterlich durch seine scharfen 

Krallen. 

Doch willst du sehn die Deinigen, so komm in meine Arme ! 
Ganz in der Nähe ist mein Haus, da will ich hin dich 

führen.' — 

25 So presste er den Alten fest in seine starken Arme. 
Zusammen zogen sie nun fort, zu finden seine Kinder. 
Und unter Thränen nahm der Greis vom Erdenleben Abschied, 
Sein Auge folgt der Seele nach wie sie vom Körper fliehet. 
f So zieh denn, meine Seele, hin zum Heile dir und Segen, 

30 Und mögest duft'ge Rosen du auf deinem Wege finden ! ' — 
Im Augenblick, da Charos sich mit seinem Weib entfernte, 
Da streckte sich des Alten Leib im letzten Todeskampfe. 



C. Hochzeitsliecler. 
40. 

l O segne mich, mein Väterchen, dass ich den Teig nun 

knete!' — 

Ma, meinen Segen nehmet hin, und Gott lass' euch ge- 
deihen ! ' — 

r O segne mich, mein Mütterlein, dass ich den Teig nun 

knete!' — 

'Ja, meinen Segen nehmet hin, und Gott lass' euch ge- 
deihen!' — 

5 f O segnet mich, ihr Onkelchen, dass ich den Teig nun 

knete!' — 

'Ja, unsren Segen nehmet hin, und Gott lass' euch ge- 
deihen!' — 

41. 

Auf! mein Bräutchen, mach' dich fertig, 
Wasche dich und kreuz' die Arme! 
Geh, verneig' dich ehrerbietig 
Vor dem Vater und der Mutter, 
5 Dass sie gebe dir den Segen, 
Ihren und auch Gottes Segen! — 

'Zieh hin, mein Augenstern, Glück auf! Zieh hin mit mei- 
nem Segen, 



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— 182 - 

Ctoö 06OÖ KO\ CTf)V blKH jnou! 
Krj ö Geöc vd ce TTpOKOv^rj, 
io"e£n t€kv(x vd coö biwcrj! 
Ndv* id xeccapa 7raibdKia 
Kai xd bud KOTTeXoubdKia!' — 

42. 

Kephalonia (Dorf Zerbata). 

'Miceuw, |iidva, Kr) ex* irrid, 

Kai TidTU) c' ctXXri YeiTovid.' — 

f Cöp€, ÖuYaTepoüXd uou, 

Kai vdxflc xfiv eüxoöXd jliou! 
öCöpe, Traibi uou, ctö KaXö, 

Tc 1 öxxib Yupice vd c J ibw! 

Krj ä ce naXwcrj f\ TteGepd, 

Nd urj tö S^prj fj reiTovid, 

Krj a ce uaXiucr) 6 dvipac cou, 
10 Nd |if) tö geprj n UTrdvTa cou!' — 

43. 

Ebendaher. 

Ndv' ö Ya/iirpöc KaXÖTuxoc k* y\ vu<pr| KaXouoipa, 

Nd Kaurj dpceviKd iraibid Kai OuraTtpa uia! 

7 Q xapd ce TeToia udva, 

TTwKaue TeToia couXTdva! 
5'Q xapa c 1 tctoiov naTepa, 

TToö exei Texoia GuraTepa! 

Md k* n Tieöepd exei qpuci, 

TTujKajLie Te'Toio Kimapica! 

AdjuTrei fj vüqprj ue*ca c' öXaic 
loCdv TpiavTdqpuXXa Kai ßiöXaic. 

Adjutrei fj vuqpn f\ revid Ten 

Kai t* dbep<poeHdbep<pd tcti. 

€iv* n vutpn uaTCoupdva, - 

Kr) ö YauTrpöc Xpucrj KauTrdva. 



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— 183 — 

Meinem und auch Gottes Segen! 
Gott lasse dich gedeihen, 
10 Geb' sechs Kinder dir zu eigen! 
Vier davon soll'n Knäblein sein, 
Die zwei andern Mägdelein!' — 

42. 

'Gehab dich wohl, mein Mütterleiu, 
Ich geh' und zieh' wo anders ein.' — 
f Zieh hin, mein liebes Töchterleiti, 
Und nimm mit dir den Segen mein! 

5 Zieh hin, mein Kind, zu deinem Glück, 
Doch in acht Tagen kehr' zurück! 1 ) 
Schilt dich die Schwiegermutter aus, 
So bleib's hübsch drinnen in dem Haus, 
Und schilt dein Ehgemahl dich aus, 

10 So mach' dir nicht zu viel daraus!' — 

* 

43. 

Mög' glücklich sein der Bräutigam und seine Braut gesegnet, 
Dass lauter Knaben sie bekomm' und nur ein einzig 

Mädchen ! 

Welcher Stolz für solche Mutter, 

Die geboren solche Schöne! 
5 Welcher Stolz für solchen Vater, 

Der gezeuget solche Tochter! 

Art hat auch die Schwiegermutter, 

Die den schlanken Sohn geboren! 

Bräutchen glänzt vor allen andern, 
10 Wie die Rose und das Veilchen, 

Glänzt sammt ihrem ganzen Stamme, 

Sammt Geschwistern, Vetterschaften. 

Bräutchen gleicht dem Majoraue, 

Bräutigam einer goldnen Glocke. 



') zum Besuche der Mutter. 



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- 184 - 

D. Liebeslieder. 
44. 

Zakynthos. 

KeqxxXiuvrncca öiuoptpri Kai TTatpivict Kupd nou, 

Met €cu, ZaKuv9ivoöXd nou, |biujKaq/ec tt]V Kapbid nou. 

45. 

i 

Ebendaher. 

Cid irapaiOupi, ttoö elcai cu, eivai k*| äXXaic Kovrd cou, 
Mä ecu 'cai tö rapoü^aXo k' f| dXXaic xd KXabid cou. 

46. . 
Ebendaher. 

"0, ti jnoO Tirjc, dtdirri \io\), ö, ti fioü tt^c, 9d Kdu.uj. 
0d KÜOouf-iai vd coö ^CTpüj kXovi kXovi töv dj4io. 

47. 

Ebendaher. 

Ce Touinve tf) ycitovhx, cid x<*M*lk« cmTOKia 
KdGouvTai bud |ueXaxpoivaic Td nouKanicdiaa. 

48. 
Ebendaher. 

H9eXa vd drevoTouva n GdXacca crparutvi, 
Nd epxö^ouva, Mapivo nou, vd ibüu, ttoioc coö CTpuuvei. 

49. 
Ebendaher. 

0eXuj vd c' dXrjcu.ovr|CUJ , k* x\ Kapbid iliou efe irover 
Cu 'cai f| irpuiTTi u.ou dranr), cu 'cai k* r] TravToteivr|. 

50. 

Zakynthos (Dorf Plemonario). 
"Apxice, Y^üKXa TaTreivn, icrj piu.vaic v* dpabiderje, 
Tnv KÖpn dir ' tö TTeptouXo vd Tnve KaTaißdcrjc. 
"Apxice, rXiLcca xaTreivn, YXüjeca ßacavicuivrj , 
"Ottou xcfi axaTTnc tö ciraOi c' i%a ßaGua Konuivn* 



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— 185 — 

D. Liebeslieder. 
44. 

Schön ist die Kephalonierin, auch Patras' Maid verehr' ich, 
Doch dich, mein Mädel von Zakynth, mit heisser Gluth 

begehr' ich. 

45. 

Am Fenster, wo du sitzest, Lieb, kann man auch andre 

schauen, 

Doch du, du bist die Nelke und die andren deine Stengel. 

46. 

Was du, mein Liebchen, mir befiehlst, das führ' ich aus, 

auf Ehre! 

Ich setz' mich hin, und Korn für Korn zähl' ich den Sand 

am Meere. 

47. 

Hier in der nächsten Nachbarschaft, in jenen niedren Hütten, 
Da sitzen zwei Brünetten drin, nur von dem Hemd ver- 
hüllet. 

48. 

0 würde doch, wie wünscht' ich es, das Meer zur breiten 

Fläche ! 

Denn sehen möcht' ich, wer, Marin, das Lager dir bereitet. 

49. 

Möchte wohl vergessen deiner, doch mein Herz verlangt 

nach dir; 

Meine erste Liebe bist du, meine Liebe für und für. 

50. 

Beginne, arme Zunge mein, hübsch Vers an Vers zu reihen, 
Und ziehe von dem Laubaltan die Maid zu mir herunter. 
Beginne, arme Zunge mein, du vielgequälte Zunge, 
In die der Liebe spitzer Stahl so tief ist eingedrungen; 



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— 186 — 



5 v Apxice, YXwcca TaTreivr), KurraHt vd jnfi apdXXrjc, 
Ttaii ebw neca KaOouvTai öXoi TTpurrobacKaXoi. — 
KaXri cou vuxia, udTia nou, KaXr) cou aurr), yuxn Mou, 
KaXd cou EnM^P^Maxa, baxTuXiböcTO|urj |liou! 

51. 
Zakyuthos. 
'Kupdica TTXucTpoTrouXa, 
Kd(ne uou <iva KaXö' 
TTXöve mou eva navTT}Xi, 
Krj tYUJ c' euxapiCTüj.' — 

5'Aev elnai TrXucTpoTroüXa, 
Atv ei^ai, Öttujc Xec, 
ITapd efuai naupo^dia, 
fToü vyevuj Ter) Kapbtaic.' — 

52. 

Ebendaher. 

f KaXn ucpa cou, Kupd mou! crrjv di^va Tf) xpucfi 
Ti (puieüeic, ti ttot&cic, Kai be ßraivcic vd ibrjc — 
'TI ce tvoidici, TraXXrjKdpi, ti <puTtüuj, ri exw fcbüj; 
Töba Krj ävGia TrXouMicjuicva rid tö vtov ttoü dYaTTÜj.' — 
ö'Mirdce Tri tacTpoöXa uica, ttou tyiic tö ßaciXiKÖ, 
Mfm Ttepacr) t* dnbovaKi Kai cou <pdrj töv dvSö.* — 
r T' dtibovdia Kr) ä TTtpdcii Kai /nou qpdrj tov dvuo, 
"€xiu dvöia naYCiitva Yid tö vto ttou draml;.' — 

53. 

Zakynthos (Dorf Plemonario). 
ToO xopo°- 
Köpr) Mapiavn, KÖprj MapiavoTroüXa, 
TTou dTraiGunnce — tö li\o, 
FTcc (iou, <püjc /aou, ti vd reviu — 



51, 8. Statt ttoü y£vu> xcrj »capöiak auch uapcuvw Tcrj Kapoiaic. 



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6 Beginne, arme Zunge mein, gib Acht, dass du nicht fehlest, 
Denn lauter Meister des Gesangs sind, die da drinnen 

sitzen. — 

Gut' Nacht, mein Leben, wünsch' ich dir, und einen guten 

Morgen, 

Erwache süss, du herzig Lieb, mit deinem runden Mündchen ! 

51. 

'Verehrtes Waschmamsellchen, 
Thü 'nen Gefallen mir, 
Wasch mir ein Tuch recht sauber, 
Nimm meinen Dank dafür.' — 

5 'Ich bin kein Waschmamsellchen, 
Bin nicht, wie er mich nennt, 
Bin ein schwarzäugig Mädchen, 
Das Herzen nur verbrennt.' — 

52. 

'Guten Tag, verehrte Herrin! auf dem goldnen ßrete da 
Was doch pflanzest, was begiesst du? Kommst nicht mehr 

heraus zu mir?' — 
'Was geht dich das an, mein Bursche, was ich pflanz' und 

hege da? 

Rosen sind's und bunte Blumen für den Jüngling meiner 

Wahl.' — 

ß'Th'u hinein den Topf, worin du ziehest das Basilikum, 
Dass die Nachtigall nicht komm' und beisse dir die Blii- 

the ab.' — 

f Ob die Nachtigall auch komm' und beisse mir die Blüthe ab, 
Meine Blumen sind verzaubert für den Jüngling meiner 

Wahl.' - 

53. 

Tanzlied. 

Jungfer Marian', die kleine Mariane 
Hatte just den Wunsch — mein Leben, 
Sag, was soll aus mir nur werden — 



— 188 — 

fToö ctTTaieujunce kotou yioAö vd TrXüvrj. 
5 Kai toi inäZwH — tö £evo, 
fTec juou, dtTCtTTT] , ti vd rivw — 

Kai rd ^dCwSe Td XiYöOfidcxaXd tcx\ 
Kai Td £(pöpTU>C€ — xaXe nou 
TpixXwve ßaciXiK^ you — 

10 Kai id d(pöpTUJC€ ctö koXXio tcy] nouXdpi 
K»i ^KaTaißrpce, KdTOu YiaXö Td TtXuvei. 
Kr) 6 dve^oc qpuca — tö Hvo, 
TTe'c uou, dYdTrri, ti vd y^vuu — 

Kr) 6 äve/joc cpucql, patcTpoc, TpeuouvTdva, 
15 Kai Tcfj crpcwcl tov, tÖ|h TrooÖYupd Tcrj, 
Kai dq>dvrjK€ — tö &vo, 
TJic jxou, qpüjc jiou, ti vd fivw — 

Kai £q>dvr]Ke tö CTpataXoirobö toi, 
Kfj äXdu/ ö TiaXöc - tö Hevo, 
2oTTec uou, aYami, ti vd fivw — 

Kr) fiXaip' 6 Y"*X6c, Kr) äXau/ ouXoc 6 köcjlioc. 

54. 

Kephalonia (Bezirk Sanios). 
Toö xopoO. 

NT dpÖYeuj' rj ^avoüXd uou c' dpxovTOTrouXac x^pia, 
Ce cTtaGid Kai cfe uaxaipwr 

Nd KoußaXüj tö x^io vepö, 
Tov xeiMWTKaipo, 

5'0x toö Tracä tx\ ßpuci — 
TToioc Tf)V xdvei T^oia Kpia; — 

Nd TtXaCvrj Td Trobdpia Tpc, 
Td Hepdbia nie* 

Nd cre'Kw 6p0öc vd tt\v Kepvüü, — 
ioTö)i Trepibpouo! — 



53, 15. Der junge Bauer, aus dessen Munde ich dieses Lied nieder- 
schrieb, gab hier nur Kai xcf) cr)KU>ce tou TrooÖTupct Tcrj. Allein das 



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— 189 — 



Hatte just den Wuusch, zu waschen an dem Strande. 
5 Und sie sammelte — mein Liebchen, 
Sag, was soll aus mir nur werden — 

Und sie sammelte die schmutzigen Gewänder, 
Packte sie sodann — Basili- 
kum, du schönes mit drei Stengeln — 

10 Packte sie sodann auf ihrer Mäuler bestes, 
Stieg hinunter nun, am Strande sie zu waschen. 
Und es bläst der Wind — mein Liebchen, 
Sag, was soll aus mir nur werden — 

Und es bläst der Wind von Norden und Nordwesten, 
ir,Hebt ihr in die Höh' die Falbel ihres Kleides, 
Und es zeigte sich — mein Leben, 
Sag, was soll aus mir nur werden — 

Und es zeigte sich der Knöchel ihres Fusses. 
Da erglänzt der Strand — mein Liebchen, 
20 Sag, was soll aus mir nur werden — 

Da erglänzt der Strand, erglänzt die ganze Erde. 

54. 
Tanzlied. 

Mein Mütterlein verdung mich einst in eines Fräuleins 

Hände, 

— Schwerter waren es und Messer — 

Zu bringen laues Wasser ihr, 
In der Winterszeit, 

5 Von ihres Paschas Quelle — 
Wer kann solches sich wohl denken ? 

Wollt' waschen ihre Fässchen rein, 
Ihre Hölzchen fein. 

Im Stenn musst' ich kredenzen ihr, — 
io Ei zum Teufel auch! — 



Metrum verlangt eine Silbe mehr: daher habe ich ein vorbereitendes 
töv hintei; crpcuuce eingeschoben. Vgl. V. 7 und L. 54, 6. 



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— 190 - 



TovaTiciOjc vd mvrj, 
AeuT€piä vd jafjv u.oö bivr}! 

Tp(a xpövia xf|v £bouXeua, 
Maupoc xt\ ZouXeua. 

ir> Tcou T&capouc xf^c 
Tf| ßotiTca mou, va cpeuYur 

'Aöc u.ou, Kupd, Tri P^TO Mou, böc fiou tt| bouXetpi |iou, 
Q ßap€6r)K€ f) ipuxri pou!' — 

''C^TräTe, acXdßoi, baicre tou 

20Mai3pOU, bÜJCri TOU 

*H CTdpi f| KpiGdpi 

*H KXovi juaptapiTdpi ! 1 — 

f Kupd u-ou, bi et böuXeua Yid CTdpi, fiä KpiGdpi, 
Tid kXovi MapYapvTdpi.' — 



55. 

Kephalonia (Dorf Zerbata). 
ToO xopoO. 

Twpa elvai Mdic kt) ävoiEic, Tiupa elv' tö KaXoKaipi, 
Tüjpa Kf) ö Hevoc ßoüXeTai ctöv töttov tou vd Trag. 
Nuxto ccXXujvci t' öXoyo, vuxTa tö KaXiYujvei. 
Bdvei Ta Tr^TaXa XP UC <* Kai Td Kapq>id dcrju^via 

5 Kai Ta ctpupiooKaXira Kfj auTa jiaXanaT^via. 
K' x] KÖpr) ttou töv dtaTrdei öpöri TÖ|i TrapacreKer 
f TTdp€ Kai u.£, XeßevTr) nou, cTfj crpaTa ttou iraYalveic' — 
f Crr| CTpdTa ttou TraYaivw ifJj, YuvaiKec bev KXouGoöve.' — 
c €utou ttou Trox, XeßevTrj u.ou, TToXXr) dKpißeia vd iT^cr|! 

10 Nd Trdrj tö crdpi cto £kotö, tö KpiGoc CTd biaKÖcia, 
Kai tö koü^vo tö cpiXi cto x^ia TrevTOKÖcia ! ' — 



54, 20. ToO uaOpou, 6üjct4 tou meine Quelle. Die Rucksicht auf 
das Metrum gebot die Streichung des Artikels: nun ist tou am Ende 
dea V. 19 mit uaüpou zu verbinden. 



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- 191 - 



Dass knieend sie thät trinken, 
Keine Ruhe mir vergönnte! 

Drei Jahre hatt' ich ihr gedient, 
Ihre Gunst erhofft. 

16 Im vierten fordr' ich von ihr 
Meinen Lohn, um wegzugehen. 

'Gib mir, o Herrin, meinen Lohn, bezahl' mir meine Dienste 
Ueberdrüssig bin ich deiner!' — 

'Herein, ihr Sklaven, reichet dem 
20 Armen, reichet ihm 

Sei's Weizen oder Gerste 
Oder einge Edelsteine!' — 

'Nicht hab' ich, Herrin, dir gedient um Weizen oder Gerste 
Oder ein'ge Edelsteine.' — 

55. 
Taijzlied. 

Jetzt ist der Mai, der Frühling da, jetzt ist die Wonnezeit da, 
Jetzt geht der Fremde damit um, die Heimath aufzusuchen. 
Er sattelt bei der Nacht sein Ross und bei der Nacht be- 
schlägt er's. 

Von lautrem Gold ist der Beschlag, und silbern sind die 

Nägel, 

5 Ein Schmuck aus edlem Malama prangt an des Rosses 

Knöchel. 

Das Mädchen, das den fremden liebt, steht aufrecht ihm 

zur Seite: 

c Nimm doch auch mich, mein Tapferer, mit fort auf deine 

Reise.' — 

'Kein Weib darf auf der Reise, die ich mache, mich be- 
gleiten.' — 

'So soll den Ort, wohin du ziehst, heimsuchen grosse 

Theurung! 

10 Der Weizen steig' auf hundert auf, die Gerste auf zwei- 
hundert, 

Und eines lieben Mädchens Kuss auf tausend und fünf- 

. hundert!' — 



♦ 



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• 



- 192 - 
56. 

Zakynthos (Dorf Plemonarfo). 
Toü xopoO. 

Tiwpct xd TTOuXid, Tüüpa Td x^^övia, 

Tuipa rj ire'pbiKCC , Tiiupa XaXoöv Kai X^ve ' 

'ZuTrva, dqp^vTr) u.ou, Suttvo, KaXe u.ou dq>cVrr|! 

EuTrva, vd qnXQc buo nana Eaxapc^via 

5 Kai dciTpo Kopfii, ßuEid cd buo Xeipövia!' — 
'Md 5ct6 jae vd KOiu.r)8üj, töv üttvo vd xopxdcuj, 
TiaT' 6 dqp^vTrjc jnou ctx\ ßdpbia u/ €?x' a7TÖi|J€, 
Ctt] ßdpbia xa\ crön TröXc^o, Kf) öXo uJTpocrd ui ßdv€i, 
*H vd cq>au>, vd ckotu>8w f\ CKXdßo vd ui irdpou. 

io Kf) frau/ ö Geöc k' r\ TTavaYid k' r] b&rcoiva toö kocu.ou, 
Kfj ^TToX^nrjca pk Toupkouc, u/ 'Apßavfraic. 
XiXiouc €KOi|ia ; x^ l0uc KC(l °uo X l ^ taoec * 
Kfj £vac uoujieivc Kfj ^kcivoc Xaßuj^voc. 
Kdcrpo dYüpeue, xwpiö, vd 7rdr) vd neivr). 

16 Md u.r|T€ Kdcipo rjüpnxe Mr|T€ x^pid, vd ixeivi), 
TTap' £va bevTpö lyriXö cdv KUTrapica. 
"A&ou H€, bevTpö, b&ou u.e, Kuirapica !" — 
tc Md l k* f| ßiEaic |nou, Kai blce x* äXotö cou, 
*€ k' o\ kXwvoi ^ou, Kai Kp^ac' t' dppaid cou, 

20 *€ Kf) Ö ICKlOC U.OU, Kai 7T6CC KOI KOlUTjCOu! 

Kai ctö |iic€|id tö voki vd TrXcpwcrjc, 
Tpia cTau.vid vcpö Tcfj ßtfaic vd TTOTicrjc." — 
""Akou', oupave, k' i] fr\c nnv tö ßacTdErjc! 
( Qc Kai tö bevTpö tö voua hou rupeuei, 
25Tpia crau.vid vcpö tctj £i2aic vd ttotioju!" — * 

57. 

Zakynthos (Dorf Oxochöra). 
Toö x°P°ö' 

Gyrisma: t* dnbövi t' ä>)bövi und t' dnbövi T* änöoväia. 
"Gva 7TpaTMaT€UTÖTrouXo crfm TTöXi Kaiaißaivei, 
M£ tö |iavTrjXi ctö Xaijuö, ji£ Td XouXd ctö x^P 1 - 
Tf)v ÖKpriv ÖKpr) TrpoßaTcT, t?|V äKpn,v aKpr) Trotci, 
Nd nn tö Trdprj 6 KOupviaxTÖc, vd pr) tö Kdiprj 6 tjXioc. 

67, 4. Eine übrigens mir wenig abweichende Variante dieses Lie- 



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- 193 - 

56. 
Tanzlied. 

Alle Vögel jetzt, die Schwalben, die Rebhühner, 
Alle rufen sie mit lauter lauter Stimme: 
'Auf, mein Herr, wach auf, mein schöner Herr, wach 

auf nun! 

Küssen sollst du jetzt zwei zuckersüsse Aeuglein, 
5 Einen weissen Leib und Brüste wie Limonen!' — 
'Ach lasst mich Armen schlummern noch, mich sättigen 

am Schlafe! 

Denn mein Kapitän hatt' heute mich auf Wache, 

Auf Wach' und im Gefecht sogar, und stellte stets voran mich, 

Sei's dass ich fallen sollte, sei's dass ich gefangen würde. 

10 Da fügten es die Himmlischen, Gott und die heil'ge Jungfrau, 
Dass ich in Kampf gerieth mit Türken, Albanesen. 
Tausend, ja noch mehr, zweitausend hieb ich nieder. 
Einer nur entkam, und der selbst war verwundet, 
Suchte eine Burg, ein Dorf darin zu bleiben. 

15 Doch fand er weder eine Burg noch auch ein Dorf zum Bleiben, 
Aber einen Baum so hoch wie die Cypressen. 
"Nimm mich auf, o Baum, nimm auf mich, o Oypresse!" — 
"Hier die Wurzeln mein, dein Ross daran zu binden, 
Hier die Zweige mein, die Waffen aufzuhängen, 

20 Hier mein Schatten auch, darinnen du magst ruhen! 
Doch beim Aufbruch musst die Miethe mir bezahlen, 
Meine Wurzeln mit drei Krügen Wasser tränken." — 
"Himmel, höre es! halt's nicht geheim, o Erde, 
Dass sogar ein Baum will Miethe von mir haben, 

25 Seine Wurzeln soll mit Wasser ich begiessen!" — 9 

57. 
Tanzlied. 

Es zog ein junger Handelsmann hin gen Konstantinopel, 
fiin Tuch bedeckte seinen Hals, die Hand hielt die Cigarre. 
Am Strande immer ging es hin, am Strande ging es vorwärts, 
Um vor dem Staub geschützt zu sein und vor der Gluth 

der Sonne. 

des, welche mir von einem Bauer aus dem Dorfe Plemonarfo mit- 
getheilt ward, schiebt nach diesem V. noch folgende zwei ein: 
Ctov fcpöuov öirou iirnjaive, cxöv bpöu,ov öirou irä€i 
'€öuyac€ vä uirj vepö, £k€iöc Kai t' öXoyö tou. 
Schmidt, üriech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 13 



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— 104 — 

5 Bpeocei Kopdcio TrdmXaive et u.apu.ap6/ia ßpuci. 
r Aöc u.ou, Kopn, vd ttiüu vcpö, &ph Kai t' aXotö uou.' — 
CapdvTa Tdaa eßraXc, ctu u.aTia b£ xf)v cibc, 
Kai cid capdvTa Tc'ccepa ßapud ävacrevdCei. 
' Ti €xeic, KÖpn, Kai xXi߀cai, ti £xeic Kr ) dvacTCvaEcic;' — 

io tv €xw dvTpa crr) Hevueid, Kai Xeurei be'Ka xpövia, 

Kr) dXXoi u.ou Xe've, dirtGave, Kr) dXXoi u.ou X^ve ; C^dOr).' — 
r Krj dXrjGeia, KÖpr), dTre'Gavc, Kr) dXr|0eia, KÖpr), ^X<* 0 n- 
Kcpi, Xißdvi TOußaXa, k' fip0a vd uou tö bujcrjc.' — 
'Kcpi, Xißdvi ä ToußaXec, eXa vd coö tö oujcuj!' — 

ir.'Toö ^bdvcica Kr) cva 91X1, k' fjp9a vd uou tö bujcrjc' — 
f OiXi Kr) a toö cbdveicec, cöpe vd coö tö büjcr)!' — 
"Gyw eiu,ai, KÖpr), ö dvTpac cou Kr) 6 dYaTrr|TiKÖc cou.' — 

'TTeC J40U COUCOUUia TOÖ CTTITIOÖ, TÖTeC Vd TO T^CT€^JUJ. , — 

fV €x€ic ur)Xid cttim TTÖpTa cou Kai KXrjua CTrjv aöXrj cou 
•20 Kai utc' Tf) uc'cr) tou cttitiou cV öXöxpuco KavTrjXi.' — 
f KaTi biaßdTric rjcouva Kr) CTre'pacec Kai Ta eibec. 
TT^c uou coucouuia tou Kopuiou, tötcc vd c' tö TricTeVuj.' — 
fV €xeic £\r)ä ctö uaYOuXo Kr) dXrjd cnr)v duacKaXf), 
'Avdueca crd buö ßu£id fy^c tou rjXiou Ta KdXXr).' — 
2"> f Cu cicai,' Xc'ei/'ö dvTpac jliou Kr) ö dTaTrrjTiKÖc uou.' — 



68. 

Zakynthos (Dorf Pleinonano). 
Toö xopoö. 

"€vac kovtöc kovtoutcikoc Ix** öjnopcpr| tuvaiKa. 
Töve ZouXeuouv Ta xwpid, tövc ZouXcuei fj xwpa, 
Töve ZouXeüei ö ßaciXidc, TroXXd xpe'n tou ßixvei. 
Tp^xci ö kovtöc, cTOxd^CTai tö XP fe oc tou vd ßtdXr). 



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~ 195 — 

5 Da traf er eine Maid, die wusch an einem Marmorbrunnen. 

'Gib mir, mein Mädchen, für mich selbst und für mein 

Ross zu trinken.' — 

Der Schalen vierzig schöpfte sie, nie schaute auf ihr Auge, 

Und bei der vierund vierzigsten, da seufzte tief das Mädchen. 

'Worüber, Mädchen, härmst du dich, was will dein schwe- 
res Seufzen?' — 
10 'Fern in der Fremde ist mein Mann, es sind zehn volle Jahre. 

Die einen sagen mir, "er starb," und "er kam um" die 

andern.' — 

'Ja wohl, er ist gestorben, Maid, ja, er ist umgekommen. 
Weihrauch und Kerze spendet' ich, du sollst zurück mir's 

geben.' — 

'Gabst Kerz* und Weihrauch du für ihn, so sollst du's 

wieder haben.' — 
15 'Ich lieh ihm auch noch einen Kuss, auch den sollst du 

erstatten.' — 

'Lieh' st einen Kuss du ihm, so geh und wend' dich an ihn 

selber!' — 

'Ich bin ja, Maid, dein Ehgemahl, ich bin ja dein Ge- 
liebter.' — 

'Nenn' unsres Hauses Zeichen mir, dann will ich dir's 

wohl glauben.' — 

'Ein Apfelbaum steht an der Thür, ein Weinstock in dem 

Hofe, 

20 Und eine goldne Leuchte hängt in deines Hauses Mitte.' — 
'Das wirst du beim Vorüberziehn einmal gesehen haben. 
Nenn' Zeichen mir von meinem Leib, dann will ich dir's 

wohl glauben.' — 
'Du hast ein kleines Muttermal an Wang' und Achselhöhle, 
Und zwischen deinen' Brüsten glänzt's und leuchtet's wie 

die Sonne.' — 

25 'Wahrhaftig, du bist,' ruft sie da, 'mein Gatte, mein Ge- 
liebter.' — 

58. 

Tanzlied. 

Ein kleines Männlein hatte einst ein schönes Weib zu eigen. 
Den Glücklichen thut Stadt und Land um den Besitz beneiden. 
Der König selbst beneidet ihn, stürzt ihn in schwere Schulden. 
Der Kleine sinnt darüber nach, wie seine Schuld er tilge. 

13* 



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- 196 - 

ö'Ntucou, ctoXicou, Xufepn, vd Trdui vd c£ TrouXrjcuj.' 
r Mf) ue TtouXrjc, XeßcvTTi pou, Kfj Ifvj vd c* öpurrvcVuj. — 
'EjieTc d^Xia ^xouu-C, duTreXia Krj dXrjocTdaa. 
CTijndpic > xa Kai ttouXtic' to, tö yp^oc cou vd ßYdXrjc.' — 
f Md oüXa tü dcTtjadpica, tö XP*°c Mou be ßY,dvu>. 

ioNtucou, ctoXicou, \uT€prj , vd Trduj vd cc ^goX^u).' — 
r Mfi u.£ TfouXrjc, Xeße'vTT] juou, Krj iyl) vd c* öp|nr)V€iyuj. 
'€ueic avurria v txouue Krj auXaic jie ircpißöXia. 
Grifiäpic' Ta Ka\ TrouXnc' Ta, tö XP*oc cou vd ßfdXrjc.' — 
r Md ouXa id dcnjudpica, tö XP&> C M<>u ßtdvw. 

iüNtucou, ctoXicou, XuTCpn, vd 7rdw vd ck TrouXr|cu). , — 
'€vtuOtik€, ctoXicttikc, cdv tö ttitcouvi e^wr). 
Bdvei töv fjXio irpocumo Kai tö <p€YY<*pi dKaXXri 
Kai toö KOpaKOu Td qpTepd Td ßdvei uaupa qppübia. 
Krj dirö tö x^pi Tfjv KpaTeT Kai ctö uTraldpi irdei 

20 Kai biaXaXrrca £ßaXe Tcrj Tpeic uepiak Tcrj x^pac 
TToiöc 0* diropdcrj XuYCprj, ttoiöc 0' dYOpdcrj KÖprj; 
TpaKÖcia Ypöaa tö <piXi Ka\ %i\ia tö TraiYvibi, 
Krj öttoioc 0d Tidprj XuYepr), äjueTpa Gdv Ta buxr).' — 
Kavc'vac bev £uiXr]C€ ; xave'vac bk jiiXdci. 

25"€vac jhoötcoc TraXrjöuouTcoc , TtaXrjöc Kapaßoucidvoc • 
c BYdXe, KOVTt, tö cpt'ci cou, dueTpa vd Ta Trappe.' — 
Krj dirö tö x^'pi Tf|v KpaTeT Kai ctö Kapdßi ttuci. 
Kai tötcc Triv dpwTr|C€ xai tötcc ttj pwTaci 
Kai totc^c tt)V Y^OKoqpiXei Kai xr\ SavapwTaci. 

soXpucöc diTÖc c^rrc'pacc Kai Y^UKOKiXaiboöce- 

f <t>iXeT dbpecpöc Tfiv dbpeqpfj Kai b£ Tf)V€ Yvwpftci!' — 



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- 197 — 

5 «Kleid' an und schmück' dich, schlankes Weib, ich muss dich 

jetzt verkaufen.' — 
'Verkauf mich nicht, mein braver Mann, und hör' was ich 

dir rathe. 

Wir haben Wein im Felde ja und auch Olivenstände. 
Lass schätzen das, verkaufe es, um deine Schuld zu tilgen.' — 
'Das alles hab' ich abgeschätzt, doch meine Schuld ist grösser. 
10 Kleid' an und schmück' dich, schlankes Weib, ich muss dich 

jetzt verkaufen.' — 
'Verkauf mich nicht, mein braver Mann, und hör' was ich 

dir rathe. 

Wir haben ein zweistöckig Haus, und einen Hof mit Garten. 

Lass schätzen das, verkaufe es, um deine Schuld zu tilgen.' — 

'Das alles hab' ich abgeschätzt, doch meine Schuld ist grösser. 
15 Kleid' an und schmück' dich, schlankes Weib, ich muss dich 

jetzt verkaufen.' — 

Sie kleidete und schmückte sich und ward wie eine Taube. 

Ihr Antlitz strahlt wie Sonnenglanz, dem Mond an Schön- 
heit gleicht sie, 

Des Raben Federn ähnlich sind der Augen schwarze Brauen. . 

Nun fasst der Mann sie bei der Hand und geht mit ihr 

zum Markte 

20 Und macht bekannt der ganzen Stadt, was er hat feil zu bieten. 
'Wer kauft wohl eine schlanke Maid, wer kauft ein schönes 

Mädchen? 

Dreihundert Piaster für den Kuss, für grössre Scherze tausend, 
Und wer die Maid behalten will, mussUngemessnes zahlen.' — 
Es zeigte niemand sich bereit, den hohen Preis zu geben. 
25 Da trat ein alter Seemann vor, der oft das Meer befahren : 
'Halt her dein Fes, unzählig Geld will ich hinein dir 

schütten.' — 

Drauf nahm er bei der Hand die Maid und führte sie zum 

Schiffe. 

Hier fragt er dies und jenes sie, lässt sich von ihr erzählen, 
Und herzt und küsst sie hochbeglückt und fragt sie dann 

von neuem. 

ao Ein goldner Adler fliegt vorbei und spricht mit süsser 

Stimme: 

'Da küssen zwei Geschwister sich und keines kennt das 

andre!' — 



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- 198 - 



f Mwpr|, TT0Ü9' eivai r\ u,dva cou Kai irouBeve oi roveic 

cou;' — 

ft H Mava u.ou d<p J lfm TTpe'ßeCa k»i ö KÜpic u.ou ay* tx]ü 

nöxi, 

K' €ixa Kai TTpaiTOV dbpeq)öv, TraXrjoKapaßoucidvo.' — 

35 Kai TÖT6C TT)V ^YVUJplCC, 7TÜUC f|TO X] dbp€(pr) TOU. 

Kr) dirö tö x € P* TT 1 V KpaT€i Kai xoö kovtoö lfm Trder 
f Adße, kovt£, Tf)v KÖpr) cou, Xdße tiiv dbpeqpr) mou, 
Tiafi 7TpoiKiö cou xpwciaTa, Yid vd cou tö Tdcptucw!' — 



* 



59. 

Kephalonia (Dorf Zerbsita). 
'0 MecovTac eiaiceipe, toü Meya to Kapdßi. 
'Qc tö eibe n TTöXi, kefcTriKC, k 3 r\ BevcTid tTapdxTn- 
Kai t' ökouc6 uid Xurepf) Kai Tidei vd TrpocKuvricr)* 
Kai kottujc tTrapdcKuipe Kr) iq>avr\ tö ßutt ttjc. 

5'Qc tö cib* 6 tuiöc tou ßaciXiAc, Ittccc tou GavaTOU" 
'Gmiaivc ctö cttiti tou cd jafiXo jiapau.evo, 
Cd MrjXo, cd ba/nacKr)vö KiTpivoqpuXXiacjae'vo. 
f Mdva, Tr)v KÖpr] Ttouba erw YuvaiKa 0d ty\\i 7TdpuJ. , — 
'TTüjc ctvai, T^ie, tö ßoXeTÖ c', YuvaiKa vd xf^Li Trdpric, 

loTTou ^K€ivn elv' 'Apßavincca Kr) tcu 'cai xcüoepevoc;' — 
f Mdva, £yuj ttjv e?ba ipc'c, xpvcä KaXiYia qpöpic 
'0 föpoc TCfj TTobouXac Ter) KdcTpi vd SaYopdcr), 
Krj öxi tö KdcTpi juovaxö, ö, ti Kr) öv fyr) pico.' — 
r *Av fjvai 7 indTia, cd jioö Xtc, ctciXc TTpoEcvriTabec.' — 

15 Ore'pvei töv dpxovTa <t>ouKä ; crc'pvei tö NiKrjtpöpo, 

Cxe'pvei töv TpejuoTpdxnXa, töv Tpt'jiei f] '{f\c Krj ö köc/joc. 
CapdvTa jaepaic Kavouve, tt) CKdXa v* dvaißouve, 
Ki) dXXaic capdvTa Te'ccapaic, Tr) XuYepr) vd iboöve. 
Me'c' Ter) capdvTa Te'ccapaic n XuYepr) Ttpoßaivci. 

•-»o'KaXwc töv dpxovTa <|)ouKd ; KaXwc tö NiKrjcpöpo, 

KaXüuc töv TpCMOTpdxnXa, töv Tpe'juei ry fr}c k\) ö KÖcyoc!' 
f> €bw Jude cTe'pvei ö ßaaXiäc, TiivaiKa vd et TTdprj.' — 



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- 199 - 



'Hör, Mädchen, sag' mir doch einmal, woher sind deine 

Eltern?' — 

f Die Mutter war von Prevesa, von Stambul war mein Vater, 
Auch einen Bruder hatte ich, der früh zur See gegangen.' — 
35 Und nun erkennt der Kapitän in ihr die theure Schwester. 
Er fasst sie bei der Hand und bringt zurück sie zu dem 

Kleinen. 

'Hier hast du, Kleiner, deine Frau, hier hast du meine 

Schwester. 

Denn Mitgift schuldete ich dir, die sei nun abgetragen!' — 

59. 

Das Schiff des Grossherrn rüstet sich zu machen eine Reise. 
Bewegung war in Stambul drob, Bestürzung in Venedig. 
Ein schlankes Mädchen eilt herbei, den König zu begrüssen, 
Und beim Verbeugen ward entblösst von ungefähr ihr Busen. 
5 Wie das des Königs Sohn gewahrt, wird er zum Tod betroffen. 
Er kehrte nach dem Schloss zurück gleich einem welken Apfel, 
Wie eine Pflaume, die verdorrt inmitten gelber Blätter. 
'Die Maid, o Mutter, die ich sah, werd' ich zum Weib mir 

nehmen.' — 

'Wie kann, mein Sohn, dein Will' es sein, sie dir zum 

Weib zu nehmen, 
10 Sie, eine Albaneserin, für dich, den Stolz der Eltern!' — 
'0 Mutter, gestern sah ich sie, sie prangt' in goldnen 

Schuhen, 

Und ihrer Schürze Saum reicht hin, zu kaufen eine Feste, 
Und nicht allein die Feste, nein, auch Hab* und Gut dar- 
innen.' — 

'Ist's, wie du sagst , so fath' ich dir, Brautwerber auszu- 
senden.' — 

15 Da sendet er den Phokas aus und sendet Nikephoros, 
Und auch den Tremotrachilas, vor dem die Erde zittert. 
Der Tage vierzig brauchten sie, die Trepp' hinaufzusteigen, 
JJnd vierundvierzig weitere, eh' sie die Maid erblickten. 
Gerad' am vierundvierzigsten trat sie hervor und sagte: 

20 'Willkommen, edler Phokas, mir, willkommen, Nikephoros, 
Willkommen, Tremotrachilas, vor dem die Erde zittert!' — 
'Uns sendet unser König her, zum Weib will er dich 

nehmen.' — 



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— 200 - 

f Ae 6eXu) to, be XPflEw to, bev KaTabe'xouu.al to* 
Aev n6eXa xä bövTia xou iraXoikia ctöu TrXaKÖ pou 

25 Kai rot EavGd tou Ta u.aXXid vd bevuj t* äXoYÖ pou. 

*Av GeXr) dirö Ter] ßdricuc uou Kr) dir' xc' dvabeHipiak uou* 
Ten juiäc mou ßdYiac tö kcXXi xpocoKepauwuevo 
Kai xc' dXXnvfic tö cttiti ttic xpucoTraXouKUJuevo, 
Keivfjc öttoö ju. * e'ßüEaive, dcrjui Kai XoYapr 

30 Cepvei to TrairouTcdKi Trjc XiTpa uapYapiTdpi.' — 
Cxi] CTpdTa öttou Trrpfaivav töv KüJCTavTä aTtavTaivouv. 
'KaXujc töv dpxovTa <t>ouKä, koXüjc tö NiKn,<pöpo, 
KaXüjc töv TpejiOTpdxnXa ! xaXd acapucia cpepvei!' — 
fV Oxi, vd Zrjcrjc, KujcravTa! töco KaXd bev eivai! 

35 Ae GeXei ce, be xp^i ce, bev KaTabexeTai ce 
Aev fiGeXe Ta bövTia cou TiaXouKia ctöu ttXokö ttic 
Kai Ta üavGd cou Td uaXXid vd bevrj t* öXotö ttic. 
*Av GeXrjc dir' Ter) ßdriaic Ter) kt) öx tc' dvabeEiuiaic jy\c' 
Ten Midc TCfj ßdtiac tö xeXXi xpocoKepauwuevo 

40 Kai tc' dXXr]vf|c tö cttiti tcti xpucoTraXouKWjuevo; 
Keivnc öttou tt] ßuCaive, dcrju.i Kai Xoxdpr 
Ce'pvei tö TTOTtouTcdKi ttic Xu-pa uapfapirdpi.' — 
'ETTriaive ctö cttiti tou cd ufjXo uapauevo, 
Cd uf]Xo, cd bauacKrivö KiTpivomuXXiacuevo. 

45 Ctt* CTpdTa öttou cWrrijaive uid udicca dtravTaivei. 



*Tiipa£ > tj CKuXoTuqpTicca tö TroöGe ue Yvojp&ei!' — 
f Kr) etüb av ce Kauuu vd cpiXf^c, Tivdv'TÖ xäpicud uou;' 
'XiXia cou bivuj Tfjv autn, uupia tö uecr*uepi, 
KovTd CTd HriuepwuaTa cou bivifl Tpek x^idbec.' — 



59, 45. Nach diesem Verse ist offenbar mindestens ein Vers aus- 
gefallen, worin die Hexe den Prinzen mit Namen anredete, vielleicht 
auch auf sein Liebesleid hindeutete oder nfcch dem Grunde seiner 
Traurigkeit fragte. Vgl. auch das Bruchstück bei Passow Nr. 526, 6, 
wo die Worte KctXwc tovc töv KuxTavTä iroö xiä <pt\i ircrfaivtic der 
Hexe angehören. 



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— 201" — 

• 

f Das mag ich nicht, das brauch' ich nicht, davon will ich 

nichts wissen. 

Ich möchte seine Zähne nicht als Pfähle meiner Hürde, 
25 Und seine blonden Locken nicht, mein Ross daran zu binden. 
Will eine meiner Ammen er, will er der Pathen eine: 
Der einen Amme Zelle ist gedeckt mit goldnen Ziegeln, 
Der andren Wohnung wird gestützt von lauter goldnen 

Balken, 

Und jener, die mich säugte, Haus ist ganz aus Gold und Silber; 
30 Pfundweis' an ihren Schuhen prangt der Schmuck der edlen 

Perlen.' — 

Auf ihrem Heimweg treffen sie mit Konstantin zusammen. 
'Willkommen, edler Phokas, mir, willkommen, Nikephoros, 
Willkommen, Tremotrachilas! Ihr bringt mir frohe Bot- 
schaft!' — 

'Heil dir, mein Konstantin! doch, ach!, so froh ist nicht 

die Botschaft! 

35 Sie mag dich nicht, sie braucht dich nicht, sie will von 

dir nichts wissen, 
Sie möchte deine Zähne nicht als Pfähle ihrer Hürde, 
Und deine blonden Locken nicht, ihr Ross daran zu binden. 
. Willst eine ihrer Ammen du, willst ihrer Pathen eine: 

Der einen Amme Zelle ist gedeckt mit goldnen Ziegeln, 
40 Der andren Wohnung wird gestützt von lauter goldnen 

Balken, 

Und jener, die sie säugte, Haus ist ganz aus Gold und 

Silber; 

Pfundweis' an ihren Schuhen prangt der Schmuck der edlen 

Perlen.' — 

Da kehrt' er nach dem Schloss zurück gleich einem welken 

Apfel, 

Wie eine Pflaume, die verdorrt inmitten gelber Blätter. 
45 Auf seinem Weg begegnet er durch Zufall einer Hexe. 

'Schau einer das Zigeunerweib, woher mag es mich kennen!' — 
'Verhelf ich dir zu deinem Lieb, was gibst du mir zum 

Lohne?' — 

'Am Morgen geh' ich tausend dir, zehntausend dir um Mittag, 
Und wenn man gute Nacht sich wünscht, sollst du drei- 
tausend haben.' — 



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- 202 - 



öo^'Aptct xdtTCe Kai beiTrvrjcc, dpYd kXcTcc xcrj Tröpxaic, 
Kr) dpTa Ti^ce dfiv KXivrj cou Kai irece Kai koimticou.' - 
Kr) dKeivoc crrapaKouce xcrj jadtccac Td Xöykt 
Topt' £kotc€ Krj e'bciTrvrjce, topt' KXeice xcrj iröpxaic, 
Topt* cVcce cxrjv KXivrj tou Krj £tt€C€ Kr) eKOijuäTo. 

55 'OXrjvuxiic e^aYtuc judva Kai Gutaxe'pa. 
T' diTOTaxua cr)Ktu9r|K€ Td x^P ia cxaupunj^va. 
ry Q ßdYiaic |iOu ; a» bouXaic mou, tu irapabeHijuiaic m ou > 
Xpucrj ߀pxa cid x^P»a mou, CKtirr] cxrjv KecpaXn pou, 
Xpucd KaXiYia <p6pxe mou, vd Trduj cxöja TcoBrixöv mou!' — 

60 'Attö inaKpud x£v HaYvavxa Kr) dirö KOVTd toö Xeer 
f "Avoi£e, jadiccac Traibl Kai udiccac ottövi, 
'Orroupxec Kai jue |udY€i|J€C ja^ca cxrjv Kdu^apd pou!' — 
'TToiöc eibe x' dcxpi xrjv avyr] Kai ^e'c 5 tö pecriuepi ; 
TToiöc eibe ßepYoXuY€paic vd Trepßaxoöv xrjv vuxxa; 

65 '€yuj efba x* dcxpi xfjv aÜYrj, x' dcxpi xö |ieam £ P'> 
BXe'Tru) xcrj ßepYoXuYepak ttoö TrepßaxoOv xfjv vuxxa!' — 
''Avofexe oi £cpxd oupavoi, piExe baxxuXibaKi, 
Toö Yupou Y^pou öXöxpuco, cxrj ntcr) xö qpapMaKi!' — 
T' diroxaxud crjKUjGrjKe, xf| ßpicKei xraiOajujjievri. 

70 Xpucö inaxaipi e*ßYaXe aTr* dpYupö qpouKdpi, 

Mecoupavic xö Trexa£e, m^c 5 Trjv Kapbid xou 7rdei. 
'Xdpou, u.dva ; xcrj x a P €C cou KCtl Tcr J <piXoxi|uiaic cou! 
v €xacec KÖprj epwxapid Kai viöv YpaMMa^Mevo.' — 
f O viöc CYivrj KaXa^oc k' fj KÖprj KUTrapicci. 

75 AuYoßepYdei ö KaXajjoc, 91X61 xö KUTrapicci. 



V. 58. ß^pra habe ich geschrieben für ß^pa. S. die Anmerkung 
hinter den Texten. 

V. 73. "€xoc€ meine Quelle: ich habe £x« c€ c geschrieben. 



1 

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— 203 — 



50 f Spät setze dich zum Abendbrod, spät schliesse deine Pforte, 
Und spät erst lege dich zu Bett, des Schlafes zu gemessen.' — 
Jedoch der Königssohn verhört der Zauberin Ermahnung: 
Früh setzt' er sich zum Abendbrod, früh schloss er seine 

Pforte, 

Und früh schon legt' er sich zu Bett, des Schlafes zu ge- 
messen. 

55 Die ganze Nacht durch zauberte die Hexe sammt der Tochter. 
Beim Frühlicht sprang die Schöne auf und rief, die Hände 

faltend: 

'Ihr Ammen und ihr Mägde mein, ihr Pathen, auf! und 

höret! 

Rasch eine goldne Tasche mir, rasch einen feinen Schleier, 
Auch goldne Schuhe bringt herbei ! Ich eile zum Geliebten.' — 
60 Von "weitem späht sie schon nach ihm, und aus der Nähe 

ruft sie: 

'Thu auf die Pforte, thu sie auf, du schlimmer Hexen- 

sprössling, 

Uer über Nacht du mich behext in meinem Schlafgemache!' — 
f Wer hat schon einen Stern gesehn am Morgen und am 

Mittag? 

Wer hat schon schlanke Mädchen je bei Nacht umherziehn 

sehen? 

65 Ich hab' schon einen Stern gesehn am Morgen und am 

Mittag, 

Ich seh' auch schlanke Mädchen jetzt bei Nacht umher 

sich treiben!' — 
'Ihr sieben Himmel, thut euch auf, werft einen Ring herab mir, 
Der, ringsum golden, tödtlich Gift in seinem Innern berge!' — 
Am Morgen steht der Jüngling auf und findet sie als Leiche. 
70 Da zog er einen goldnen Dolch aus einer Silberscheide 
Und schleuderte ihn in die Höh'; sein Herz durchbohrt er 

fallend. 

'So freu' dich deines Hochrauths nun und deiner Ehrsucht, 

Mutter! 

Ein lieblich Mädchen und ein Sohn von Bildung sind die 

Opfer.' — 

Der Jüngling drauf zum Schilfrohr ward, das Mägdlein 

zur Cypresse. 

75 Das Schilfrohr neigt zur Seite sich und küsset die Cypresse. 



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- 204 - 

Hd 'be Td KOLKOpilim, id KaKOMOipiac|i^va* 

"Av bk (piXiAviai ZwvTavd, qnXiwvTai Traieammtva. 



E. Lieder verschiedenen Inhalts. 

60. 

Zakynthos. 
Toö xopoö. 

'H KÖpn e^paYOubricc TCfi Tpixctc tö Yioqpupi. 
Kai tö Tiocpupi dppaYice, xf) 6 Troiajaoc icjäQr\, 
Kai tö XiovTdpi t' aKOuct Krj IcmQr) Kr) dqpoutKpdcTn. 
f, H KÖpri 7toö CTpaYOÜbnce vd jaaTaTpaTOubrjcrj ! ' — 
5 r Md Ivb Kfj av dTpayoubrica , ce /nupoXÖTi tö eiTta, 
TTou £xw dbepqpö ctt\ EcviTeid Kai Taipi cTd KaTapTia.* — 



61. 

Zakynthos (Dorf Plemonario). 
TTepbiKd you nXoujiiic)aevTi» ttoö cto bdcr| TrcpTraTeTc, 
Bpöxia Kai ßepTid 8d crrjcw, vd Trepdcrjc vd macTrjc. 
Kfj d Trepdcrjc Kai cl macu), ibpaioxaTti Kupd, 
6d coö qpTidcuü eva KXoußdKi |ae- öXöxpuca ßcpYid* 

5 0d coö qmdcuj £va cmTÄKl, öXo ^dp^apa X ti ctö, 
'Ekci M^ca vd cou ßdXaj tö KXoußdKi tö xpucö- 
0d coö qmdcuj nepißöXi jue- öXöxpuca bevTpd, 
TcavTcayivia Kai nocKOÖXaic, bidqpopa /nupiCTucd* 
Krj if\h vdpxoujLiai v' dvoiYW thjli TtopTOÖXa toö KXoußioö, 

io Pia vd ßYawrjc vd u.a£uuvr)c t* dvöia toö TrepißoXiou. 



61, 5. Vielleicht (uapuapöxTicxo. 



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- 205 — 



Nun schau die armen Liebenden, zu schlimmem Los erkoren : 
Der Kuss, den Lebenden versagt, wird erst zu Theil den 

Todten. 



E. Lieder verschiedenen Inhalts. 

60. 

Tanzlied. 

Ein Mädchen sang gar lieblich einst an einer schmalen 

Brücke. 

Die Brücke barst ob des Gesangs, der Fluss stand still 

darüber, 

Ein Lowe, der es hört, bleibt stehn und lauscht den zarten 

Tönen. 

f Das Mädchen, das soeben sang, noch einmal mag es singen !' — 
5 'Nein, ob ich auch gesungen hab', ein Klagelied nur war es: 
Im fremden Land mein Bruder weilt, mein Mann ist auf 

dem Schiffe.' — 

61. 

Rebhuhn mein, du schön geschmücktes, das du in dem 

Wald spazierst, 

Schling' und Ruthen werd' ich stellen, dich zu fangen, 

wenn du kommst. 
"Kommst du dort vorüber, Schönste, und ich fange wirk- 
lich dich, 

Mach' ich einen feinen Käfig mit ganz goldnen Stäben dir, 
5 Baue dann dir auch ein Häuschen, das von lauter Marmor ist, 
Da hinein den goldnen Käfig dir zu setzen, wie sich's ziemt; , 
Richte dir auch einen Garten mit den schönsten Sträuchern 

her, 

Jasmin, Rosen und so manchem anderen Wohlriechenden. 
Wenn ich komme dann und öffne deines Käfigs Thüre dir, 
10 Fliegst heraus du, dir zu holen, was im Garten blüht und 

grünt. 



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- 206 - 



62. 

Zakynthos. 
Navvdpic|ia. 
Ndvva vdvva vdvva tou, 
"Oco vdpe' r\ udva tou, 
Nd tou q>^pr) ttcvt' aurd, 
, TTe'vT' aurd, TTevTe koko 
ö Kai Tcrj yotTac ir\v wpd 

Kai TOU 7TOVTIKOÖ t' OUTld. 

KouKou\o^dTr|, e*Xa, 
TpaXd Xapd Xapd, 
KXeTce tou Td judTia tou, 
10 Td |idTia Td croupd! 

03. 
Ebendaher. 

'AvoiScTe töv KXrjbova ct* ai Tiawiou ir\ xdpi! 
Kai 7tou eivai KaXopiEiKOC, crmepo pi£iKapei. 
'Avoi£€T6 töv xXr|öova, vdßrr) 6 x a PiTwu.evoc, 
TT 1 ouXa Td xdcTpa TroXeu.a, Yid väßtr) Kepbfu.e'voc! 

64. 

Kephalonia (Dorf Skalia). 
Ten TdßXccc 

'0 KwciavTivoc ö jniKpöc Krj ö 'AXe'Eic 6 dvTp€iuJU€voc 
Kai tö uiKpö BXaxöiTOuXo ö KacTpoTroXeu.iTr)C 
'AvTdua TpüJTa Krj eVivav kou cuxvoxaipeTiwvTa, 
Kr) dvTdu/ e*xouv tcoü uaupouc touc c' eva crdßXo be- 

juevouc, 

6C eva CTdßXo, c' eva craßXi, c 1 eva öjuopqpo Xißdbi. 
Kr) eVei ttou Tpa»v Kai mvouve Kai cuxvoxaipeTiujvrai, 
Oujvfi touc fjp0 * dir' oupavouc cdv aTr' dtT^ou croua' 
r> €ceic TpujTe Kai mveTe k* oi ToupKoi ede Koupceuou!' — 
f Cd ti Koupcid jiäc Kavouve, cd ti jude 7ToXeu.ouve — 

lO'TTe'pvouv t* 'AXe'Hi buo Traibid, tou KuucravTa Tf) ydva, 
Kai tou mKpou BXaxÖTrouXou nnpav Tfjv dbepcpn tou.' — 
c *€ßYa, pwpe BXaxÖTtouXo, ctt) ßitXa ßiyXice touc! 
Kr) av eüprjc x^iouc, KÖiye touc- Kr) dv eüprjc buo x^tdbec, 



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- 207 - 



62. 
Wiegenlied. 

Schlafen mag das Kindlein ein, 
Bis zurück sein Mütterlein, 
Das ihm bringt der Eier fünf, 
Eier fünf vom Gackerchen, 
5 Und dazu des Kätzchens Schwanz 
Und des Mäusleins Ohren auch. 
Du Augenschliesser, komm jetzt, 
Lullu lala lala, 

Drück' ihm nun die Äeuglein zu, 
10 Die dunklen Aeugelein! 

63. 

So öffnet jetzt den Klidonas in St. Johannis Namen! 
Wer vom Geschick begünstigt ist, wird heute es erfahren. 
So öffnet jetzt den Klidonas und zieht des Glückes Günstling, 
Der gegen alle Festen kämpft, um siegreich zu bestehen! 

64. 
Tischlied. 

Der kleine Konstantinos und der tapfere Alexis 
Und der schon manche Burg bekämpft, der kleine Wlachen- 

sprössling, 

Ergötzten sich beim frohen Mahl undtranken zu sich wacker. 
In einem Stalle hatten sie die Rappen angebunden, 
6 In einem Stall, der aufgebaut auf einer schönen Wiese. 
Inmitten ihres frohen Mahls und ihres lust'gen Zechens 
Ertönet wie aus Engelsmund von oben eine Stimme: 
'Ihr esst und trinket hier, indess die Türken bei euch 

plündern!' — 

'Was nehmen sie uns denn hinweg, wie ist die Art des 

Kampfes?' — 

10 'Alexis' Söhne rauben sie, dem Konstautin die Mutter, 
Dem kleinen Wlachen haben sie die Schwester fortgenom- 
men.' — 

'Auf, Wlachensprössling , eil* hinaus und spähe nach den 

Feinden ! 

Sind's tausend, hau sie nieder gleich ; doch findest du zwei- 
tausend, 



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- 208 - 

Kr) dv eüprjc TpeTc Kai Tt'ccapouc, £ßfa Kai \ii\r\c6 päd' — 
ir> 'CßitXice , biaßiYXice, btaßrfXtcuoüc bkv efx*. 

CräuTra tou M^n»<e cdv aeiöc, CTÖßta tou cum 7T€TptTr}C 

'TTouc', dbepq^ uou KujcravTa, Kai cu, db€p<pe u' 'AX&i; 

"Av fjcT* öuirpöc u.ou, q)UY€T€ ; Krj ötucuj pou, KpuqmjTe! 

Kai tö CTraöi uou eppdrice KÖßoviac id Ke<pdXia, 
20 '€b€iXiac€ Ki] ö uaöpöc uou iraTUJVTac tu Koutpdpia.' — 



65. 

Kephalonia (Dorf Zerbäta). 
Auub€Ka yuioi tou Airevr) Tmve vd KuvrjTncouv. 
f Aö juac , TTaTepa, Tf]v eüxn, vd Traue ctö Kuvrrri.' — 

*CupT€, Ttaibld UOU, CTÖ KaXÖ Kai CUpT€ CTfjV €uxn uou! 

'Attö t' '€XdTou tö ßouvö Mrju näie v' aTrepacre, 
5 TiaT ' €iv ' £va kokö GepYiö Kai cäc KaTapouqpdei.' — 
'0Xr)ueplc ^Tp^xave, Kuvrrri b€v tKauav. 
Tö ßpdbu TiapaKOucave toö Kupi touc Td XÖTia 
Kr) dTTÖ t' *€XdTOu tö ßouvö Trr|Yave Kfj aTrepdcav. 
Kr) £ßYf)K€ tö kokö GepYiö Kai Td KaTapouq)d€i. 
io Tö ßpdbu tcou Trpocjuevave, cthti tcou bev t'TrriYav. 
Mid vucpr) dnö tou Aixevr) tö ßX6rei ct* öveipö Ter), 
TTüjc e?xe KXujcca ue rrouXid die bu>b€Ka xeqpdXia, 
Krj ^CKuip* di'TÖc Krj eWrfjpe' Ta, Kai t* dvaue*vei f) kXujcco * 
T" dTTOTaxud crncujGr)K€, tö Xeei tou TreGepou toi* 
16* *Q treGepe' mou Arrevri, öveipo ttoü eiV diTÖipe! 
TTüjc eixa KXukca ue irouXid ibc bujbeKa K€<pdXia* 
"GpxeT* di'TÖc Kfj emipe Ta m\ t' dvauevei f) KXüjcca.' — 
'AiKÖ uac eivai t* öveipo, biKÖ uac Kai tö Gdua.' — 



f>5, 9. tu: 08 wird auch hier die Masculinform touc oder tcoü zu 
setzeu sein. 



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- 209 - 

Dreitausend oder mehr sogar, so komm' und mach' uns 

Meldung!' — 

15 Er späht und späht nach ihnen aus, kann nicht die Zahl 

erspähen. 

Dem Aar gleich fällt er unter sie, schnell wie der Falk' 

entweicht er. 

'Wo bist du, Bruder Konstantin, wo bist du, mein Alexis? 
Seid ihr voraus, so fliehet rasch! wenn hinter mir, ver- 

# bergt euch! 

Zerbrochen ist mein blankes Schwert vom vielen Kopf- 
abhauen, 

20 Mein edler Rappe wurde scheu beim Treten auf die 

Leichen.' — 

65. 

Des Digenis zwölf Söhne treibt's hinaus zur Jagd zu ziehen. 
'Gib, Vater, deinen Segen uns, dass auf die Jagd wir gehen.' — 
'Zieht hin, ihr Kinder, euch zum Glück, zieht hin mit 

meinem Segen! 
Doch über den Elatos-berg geht nicht, ich warn' euch, 

Kinder! 

5 Denn droben haust ein Ungethüm, und wenn ihr kommt, 

verschlingt's euch.' — 
Den ganzen Tag lang liefen sie und machten keine Beute. 
Am Abend achteten sie nicht des Vaters Warnungsworte, 
Und über den Elatos-berg ging unbesorgt der Jagdzug. 
Da brach das Ungethüm hervor, verschlang die Brüder alle. 
10 Am Abend wartet man auf sie, sie kommen nicht nach 

Hause. 

Da träumt' es von den jungen Fraun beim Digenis der einen, 
Als hätte eine Henne sie mit Küchelchen, zwölf Köpfen: 
Die rafft ein Adler ihr hinweg, vergebens harrt die Henne. 
Am andern Morgen stand Sie auf, erzählt's dem Schwieger- 
vater : 

15 '0 Digenis, was hab' ich doch des Nachts im Traum 

gesehen ! 

Hör', eine Henne hatte ich mit Küchelchen, zwölf Köpfen: 
Die rafft ein Adler ihr hinweg, vergebens harrt die Henne.' — 
'Uns selber gilt, was du geträumt, uns selber gilt das 

Wunder.' — 

Schmidt, Oriech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 1 4 



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- 210 - 



66. 

Kephalouia (Dorf Skalia). 
'GbÜJ TT€pblKCt bk XaX€l Kr) 6 KOÖKKOC be TO A&l, 

To Ae've t»P ^Ypaqpiumccaic Kai xr| 'AtpaqNWTOTiouAaic' 
"Ottujx > ävTpa ct*| Hevueia Kr) fy* dbepqpo cid Heva, 
fToie vd jifjv T0V Ka P Tt P^; v d MHV T0 M TravTuxaivrj ! 
öTiaT' dpxivrjör] 6 nöXepoc Kai KÖßei y\ TTavoÖKXa. 
Kr) öXo Ter) vüxTaic 7repTraT€i Kr) öXo tc* airraic Koupceüei 
Kr) öXo tcou Ee'vouc KuvriYdci Kr) ÖXo tcou He'vouc Ttc'pvei. 
"06' eüprj TreVre, Tre'pvei xpeic, Kr) Ö8 J eüpr) Tpeic, tcou 

büo, 

Kr) 60' eüpr) Kr) eva u.ovaxö, Kr) eKeivov tövc Tre'pvei.' — 



67. 

Zakynthofl (Dorf Koilionn-no). 
BpiCe (i€, |idva, ßpiCe u.e, Kr) e'Yuj vd <pÜYu) OeXiu, 
Nd ttuuü u.e Td KaTp€Ya, u.e Td x°VTpd Kapdßia, 
Nd Kanu) pnvec vd biaßw, Kai xpovouc vd fvpicu), 
Nd ßapeGoüv Td lidTia cou TppdZovTac Ter) crpaTaic 
5 Kai vd u.aXAidcr) f) xXOüccd cou pwauvTac tcoi biaßaTaic 
'AiaßaTaic ttoö biaßaiveTe, KaXoi u.ou CTpaTnXaTaic, 
Mf)v eibeTC töv v €pwTa Kf) e^eva tö Traibi u.ou;' — 
'TTe'c |uou coucou>ia tou Kopjaiou, vd c' tövc coucou- 

Miacuj.' — 

f Md fiiav tpr|Xöc, y.d fjiav Xuyvöc, u.d f)Tav Kerrapicccvioc, 
10 Md eixe KOpuA Tid t' dp/aaia Kai pecri Yid TraTpujva, 
Md eixe Kai vuüjjouc TopveuTouc, Yid Td TOuqpCKia c^ava* 
Md eixe Tr)v KeqpaXr) xpucf) k«i id laaXXid juctoHi, 
Kai Td cpTepd tou Xeirrave tou Ymou you vd ^TeTdEr). , 
Kr) £k€?voi dTrriXoriBnKave , töv tetoio Xöyo Xeve* 
ir> f '€^eic e>ec töv eibaye ctöv du.u.0 EaTrAunjevo • 
K* €?xe Td öuKia TTdirXiu^a, tov äjujuo u.aTapdTci 



«7, 13. Für Kai dürfte uöv', U. i. uövov, zu schreiben sein. 



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- 211 - 



66. 

Kein Rebhuhn hier, kein Kukuk ist's ; der sich vernehmen 

Hesse, 

Die Frauen sind's von Agrapha, die aus Erfahrung sprechen : 
'Die in der Fremde einen Mann, die einen Bruder haben, 
Die mögen nimmer harren sein, und nimmer auf ihn hoffen! 
5 Denn Krieg ist ausgebrochen dort, die Pest gar schrecklich 

wüthet. 

In finstrer Nacht schleicht sie einher und plündert bis zum 

Morgen, 

Und grad' die armen Fremden sind's, die sie verfolgt und 

wegrafft. 

Wo fünf sie antrifft, nimmt sie drei, wo drei nur, nimmt 

sie zweie, 

Und wo sie einen trifft allein, auch der ist ihr verfallen.' — 

67. 

Schilt mich, o Mutter, schilt mich nur! Ich will von dan- 

nen gehen, 

Will fort mit den Galeeren ziehn, den grossen breiten 

Schiffen. 

Und Monde nicht nur, Jahre lang werd' in der Fremd' ich 

weilen. 

Da wird dein Aug' ermüden wohl vom Ausschaun auf die 

Strassen, 

5 Und von dem vielen Fragen dir die Zunge trocken werden : 
'Ihr Pilger, die vorbei ihr zieht, ihr tapfren Kapitäne, 
Habt meinen Sohn ihr nicht gesehn, ihn, der dem Eros 

gleichet?' — 

'Beschreibe mir sein Aeusseres, so will ich Kunde geben.' — 
f Er war von hohem, schlanken Wuchs, gleich dem Cy- 

pressenbaume, 

10 Den Waffen eignete sein Leib, die Hüfte den Patronen, 
Und seiner Schultern Ebenmass zum Tragen des Gewehres. 
Es leuchtete sein Haupt wie Gold, sein Haar war weich 

wie Seide, 

Und nur die Flügel fehlten ihm, die Lüfte zu durchmessen.' — 
Die Wanderer erwiderten darauf der armen Mutter: 
16 «Wir haben gestern ihn gesehn am Ufer ausgestrecket : 
Der Seetang dient' als Decke ihm, der Sand als Unterbette, 

14* 



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— 212 - 



Kctt Td Ha8d tou tu u.aXXid Yid TrpocKe<paXdKi. 
Maöpa TTouXid töv Tpuuravc Krj äcirpa töv Tporuptfav 
Kf| £va ttouXi, KaXö ttouXi, bev rjueXe vd <pdrj. 
2O ff 0d€ Kai cü, jiujpfc ttouXi, qpde Kai cü arr' euiva, 
<Pä dTTÖ Tiöbia t^nropa Kai xtpia TrpoKOuu.e'va, 
<Pde Kr) d<p ' tt| TXujecouXd u.ou Tf)v dr|bovoXaXoöca! 
Md Ge vd Kdu.w u.id Tpa<pn cibepoßouXXujjLi^vr) , 
Nd CTeiXuj tct) navoöXdc u.ou Tcf| TroXuoTTiKpajievric." — 1 



G8. 
Kephalonia. 

Tou Tidvvou fj udva dZuuwve toö yuioö Trjc 7ratiu.dbi. 
Me bdKpua toö xd Eüuujve ko\ ui ja u.upoXÖYia. 
'ViDjidKi |iou, )if)v dvaißrjc, cpoöpvö u.ou, uriv KOTrvicrjc, 
Mnöpic biaßoöv Td KOTepta, vd u.r) uicc'u/ ö yuiöc u.ou.' — 
6'Mdva u.ou, cuvTaCöcouva, YiaTi 9c vd cou tpuYU), 
Nd 7rduü ue Td KaTCpYa, ui Td xovTpd Kapdßia* 
/ Nd Kaurjc u.rjv€c va iofic, xpovia vd u.' dYpoiKricrjc. 

Kr] dvTrmepa t' äi I~iujpyioü, cdu Trac ctö TraveYupi, 
Gaupgc töv töttov jnou dbeiavö Kai ctö craribi jliou dXXov 
10 Kai 0d caTrrj r\ |iTroXouXd cou c<poYYi£ovTac tö baKpu, 
Kai Od CTCTVioEri r\ YXujccd cou pwTwvTac tcoi biaßaTaic. 
t( AiaßdTaic ttou biaßaiveTe, crpaTiuVraic ttou TtepväTe, ♦ 
Mfj u.ou cioct' evav viöv KaXö Kr) £v' dEio TraXXr|Kdpi; " — 
'Tid nee jnac ja coucouu.ta tou, k^| £u.eic vd cou tou. 

Troupe." — 

15 "Cd buo ßouvd €iv* f] TrXdTaic tou, cdv Kacrpo f| KCcpaXr) 

TOU, 

Cd vepavTcouXa qpouvTUJTf] cpouvTwvouv Td u.aXXid tou.'' — 



68. Von diesem Liede wurden mir auf Kephalonia drei Varianten 
mitgetheilt: dem Texte zu Grunde gelegt habe ich die ausführlichste 
derselben aus dem Dorfe Katapodäta, jedoch nach den beiden übrigen 
(Dorf Skaliii und Bezirk Skala) einige Verse theils verbessert theils 
ergänzt. 



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- 213 - 

Und zum Kopfkissen hatt' er nichts als seine blonden Locken. 
Es frassen schwarze Vögel ihn, und weisse sassen um ihn. 
Ein schöner Vogel war dabei, der wollte nicht mit fressen. 
20 "Friss doch auch du, mein Vogel, friss auch du von mei- 
nem Leibe! 

Friss von den schnellen Füssen hier, von den gewandten 

Händen, 

Und von der Zunge, die dereinst der Nachtigall es gleich 

that ! 

Doch ich will schreiben einen Brief und fest versiegelt 

senden 

Dem armen Mütterlein, das sich so bitter um mich här- 
met." — ' 

. 68. 

Des Iannis Mutter knetete dem Sohne feines Backwerk. 
Mit Thränen knetet sie es ihm und unter Klagerufen. 
'Mein Teig, o bitte, geh nicht auf, nicht brenne, lieber 

Ofen ! 

Vielleicht, dass ohne meinen Sohn die Schiffe weiterziehen.' — 
5 'Gut sorgtest, Mutter, du für mich, denn ich will von dir 

gehen, 

Will fort mit den Galeeren ziehn, den grossen breiten 

Schiffen. 

In Monden und in Jahren wirst du nichts von mir ver- 
nehmen. 

Am Tage nach St. Georg, früh, wenn du zur Kirchweih 

gehest, 

Wirst in der Kirch' an meinem Platz du einen andren finden. 
10 Da wird von deinem Thränenstrom dein Schleiertuch ver- 
faulen, 

Und von dem vielen Fragen dir die Zunge trocken werden : 
"Ihr Wandrer, die vorbei ihr zieht, ihr, meine tapfren 

Krieger, 

Saht einen Pallikaren ihr, so jung und schön, wie edel?" — 
"Beschreib sein Aussehn uns zuvor, dann soll dir Kunde 

werden." — 

15 "Zwei Bergen gleicht sein Schulternpaar, sein Haupt ragt 

wie ein Burgfels, 
Dem buschigen Orangenbaum sind seine Locken ähnlich." — 



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rr '€ueic dvpec töv eTbajae ctöv ä|iuo EaTrXujuc'vo. 

€fxe töv duu.o TraTrXujua, Tf) 0dXacca ceviövia. 

Maöpa TTOuXiä töv Tpiurave kt) äcTtpa töv TpirupiEav ■ 
20 Kr) eva 7iouXi, KaXö ttouXi, bev rjOeXe vd cpar). 

Eunvaei ö viöc Kai ßXe'Trei to kgu ßapuavacrevd£ei' 

'Ode, ttouXi, öx Tf) viötti u.ou, qpde Kf) öx Tf)v dvTpid juou, 
^<t>de kv) öx Tf) fXujecoöXd |iou Trvv dr)bovoXaXoöca, 

'Ottoö Tf)V eixav Td TrouXid ckottö Kai KiXaiboücav.' — 
•25 f Aev 6eXw öx Tf) viotti cou erre kt) öx Tfjv dvTpid cou 

€it€ kt) diTÖ Tf) TXOüCcd cou Trjv dr|bovoXaXoüca, 

'Ottoö Tf)v eTxav Td TrouXid ck,ottö Kai KiXaiboücav, 

TiaT' eT/Ll " OTTO TÖV TÖTTO COU Kf) OTTO Tf) YClTOVld cou.' — 

* Md dv eic' ottö töv tötto u.ou Kf) ottö tt) taTovid u.ou, 
30 XauTTTTXuuce tct) cprepouTaic cou, Tp'ia Xötia vd cou Ypmpuj' 
To eva vd ttglc tctt, udvac uou, tö ctXXo Ter) dbepqpfjc uou, 
To Tpiio tö qpapuaKepö vd Trac toi. tto0£TT)C u.ou ■ 
Nd tö biaßdc' f) u.dva u.ou, vd KXairj f) dbepqpn uou, 
Nd tö biaßdc' f) dbcpqpf), vd KXairj f) ttoGctt) uou, 
35 Nd tö biaßdc' f) ttoGctt], vd KXairj ö köcuoc öXoc! 
Kf) dv fjvai vuxto, uf)V tö tttjc, ue'pa, )if)V tö biaXuvrjc* 
KovTd CTd £n.MepwuaTa e*ßYa, biaXdXrjce to* 
Nd Trdp' f) udva tcou yia^ouc, k' f) dbepqpf) tcou ßpdxouc, 
Kf) tKeiv' fj böXia TToeerfi vd Trdr) töv duuov duuov.' — M 
4o'Gtxtip' n Mava tcou YiaXouc, k' f) dbepq>fj tcou ßpdxouc, 
Kf) 6K6iv' fj böXia TToGeTf) Trfjpe töv duuov duuov. 
€üpr)K' f) udva tö KOpui, k' fj dbcpcpf) tö x*P l > 



V. 18 töv d|U|io näTrXuj|na schwerlich richtig, wiewohl ebenso 
auch bei Passow Nr. 346, 9. 

V. 21. Statt HuTivdei andere: Yup&i. 



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— 215 — 

ft Wir haben gestern ihn gesehn am Ufer ausgestrecket : 

Zur Decke hatte er den Sand, das Meer zu seinem Bettuch. 

Es frassen schwarze 'Vögel ihn, und weisse sassen um ihn. 
20 Ein schöner Vogel war dabei, der wollte nicht mit fressen. 

Da wacht der Jüngling auf und sieht's und spricht mit 

schwerem Seufzer: 

c Friss nur von meiner Jugend, friss von meiner Mannes- 
kraft nur, 

Und von der Zunge, die dereinst der Nachtigall es gleich 

that, 

Die beim Gesang die Vögel sich so gern zum Muster 

nahmen!' — 

•25 'Ich will von deiner Jugend nicht, von deiner Mannes- 
kraft nicht, 

Noch von der Zunge, die dereinst der Nachtigall es gleich 

that, 

Die beim Gesang die Vögel sich so gern zum Muster nahmen; 
Weil ich aus deiner Heimath bin, ein Nachbar eures 

• Hauses.' — 

* Wenn du aus meiner Heimath bist, ein Nachbar unsres 

Hauses, 

30 So lass auf deine Flügel mich drei kurze Worte schreiben ! 
Das eine bring der Mutter mein, das andre meiner Schwester, 
Das dritte dann, das bitterste, das bringe der Geliebten; 
Und so es meine Mutter liest, wird weinen meine Schwester, 
Und so's die Schwester liest darauf, wird die Geliebte weinen ; 

3öSo's die Geliebte endlich liest, da weint die ganze Erde! 
Doch nicht des Nachts, auch nicht am Tag sollst du die 

Botschaft bringen: 
Ums Morgengraun begib dich hin und bring die Trauer- 
kunde. 

Die Mutter such' am Meeresstrand, die Schwester in den 

Klippen, 

Die Arme, die Geliebte, geh' im Sande immer vorwärts.' — " 
40 Die Mutter sucht am Meeresstrand, die Schwester in den 

Klippen, 

Die Arme, die Geliebte, wählt den Sand am Meer zum 

Suchen. 

Die Mutter fand des Sohnes Leib, die Schwester seine 

Hände, 



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- 216 - 



Kf) tKeiv' f] böXict nod€xr\ eüpriKe to KeqpdXt. 
r K€(pdXi, 7TOÖ eivai to KOpjni; Kop^i, irouv* to KtcpdXr, * 
45 f Tö nf\p* r\ juaupn GdXacca, TÜjqpat' ö naöpoc ßpdxoc.' 

69. 

Zakynthos (Dorf Mariais). 
Td ßdcavd nou eivai TioXXd, Tcfj TteTpac vd Td Xew, 
K' n TitTpa vd Td Xerj e>ie, vd KaGoufica vd nXaiw! 

70. 

Kephalonia (Saiuos). 
T Q oupave', TTCtTcpct jnou, k* r\ ff\c, |ndva rXuKud ^u, 
Nd juf| id Xdßrj dXXoc xavek Td napabappaTa mou! 



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- 217 — 

Die Arme, die Geliebte, fand das theure Haupt des Todten. 
f O Haupt, wo ist der Leib? mein Leib, wo ist das Haupt 

geblieben?» — 

45 'Vom wilden Meer hinweggespült! vom schwarzen Fels 

vernichtet!' — 

69. 

Die Qualen mein, die gross an Zahl, will ich dem Stein 

erzählen ; 

Der Stein sagt sie mir wieder vor, und weinend hör' ich 

zu ihm. 

70. 

0 Himmel, Vater mein, und du, o süsse Mutter Erden, 
Dass keinem andren je die Qual, die ich erleide, werde! 



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I 



A n m e r k ii n g e n. 



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I. Anmerkungen zu den Märchen. 



1. Die Faulenzerin. 

Die griechische Fassung des Märchens von den drei Spinnerinnen 
bei Grimm Nr. 14, wo von den drei hülfreichen Frauen die erste durch 
einen breiten Platschfuss, die zweite durch eine über das Kinn herunter- 
hängende Unterlippe, die dritte durch einen breiten Daumen verun- 
staltet ist: näher unserem Märchen steht in dieser Beziehung die von 
Prätorius mitgetheilte Version (Grimm III, S. 24), wonach die eine 
von den drei Frauen hinten sehr breit vom Sitzen ist, die andre eine 
ungeheure Nase, die dritte einen breiten Daumen hat. Dieses Märchen 
ist in Europa ziemlich weit verbreitet: Nachweise über das Vorkommen 
desselben s. bei Grimm zu Nr. 14 und besonders bei Reinh. Köhler in 
den Gott- gel. Anzeigen, 1868, S. 1364. 

Ueber die Moeren oder Schicksalsgöttinnen im heutigen griechischen 
Volksglauben s. mein Buch f Das Volksleben der Neugriechen und das 
hellenische Alterthum', Th. 1, S. 210—220. Sie kommen in den griechi- 
schen Märchen häufig vor. 

2. Der Spruch der Moeren. 

Ein ähnliches, gleichfalls den Gedanken der Unabwendbarkeit der 
Schicksalbeschlüsses ausführendes Märchen von der Insel Naxos findet 
sich in den NcoeHnviKä 'AväXeKTa B. II, S. 23 f., Nr. 14, dessen Inhalt 
kurz folgender ist: Der Pathe eines Mädchens hört unmittelbar vor 
der Taufe desselben die Moeren, wie sie der Kleinen das Los bestim- 
men , im Alter von achtzehn Jahren zu ertrinken. Um dieses Geschick 
von ihr abzuwenden , bittet er sich beim Herannahen des verhängniss- 
vollen Jahres die Tochter von ihren Eltern auf einige Zeit aus, nimmt 
sie mit sich in sein Dorf und weist ihr ein abgesondertes Zimmer an, 
das sie nicht verlassen darf und wohin ihr alles, was sie braucht, ge- 
bracht wird: hier findet man sie eines Tages ertrunken im Waschbecken. 

"Was die gleichsam den Prolog des Märchens bildenden Worte 'Apx^i 
toO uapauuöioö ' icaAf) culpa cac! (oder, wie es statt dessen auch heisst, 
Ka\f| culpa tc ' ä<pevTiäc cac und dergleichen) betrifft, so werden damit 
die griechischen Märchen gewöhnlich eingeleitet, denn der Abend oder 



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- 222 - 



die Nacht, besonders die langen Winterabende, sind die eigentliche 
Zeit zum Vortrag derselben. Vgl. das Märchen bei Eulampios S. 76, 
das psarianische bei Ross Erinn. u. Mittheil. S. 283, ferner NeoeXX. 'AvdX. 

I, 1, Nr. 2 u. Nr. 6; II, Nr. 33. Sakellarios Nr. 1. u. s. w. Man hat 
auch längere gereimte Prologe, die zum Theil ebenfalls mit einem 
Gutenabend! für die Zuhörerschaft enden, so To TrapapüOi tö koXö pe 
rpepvc-i v'dpxivncuj | xai Tfjv KaXn,v pac cuvTpoq)iä vä xf\v KaXr)cirepicu) 
(Hahn II, S. 267) oder Kökkivu, kXwctu, ßapplvn, | cxf|v dvlpn, iuXip£vr|, | 
böc tch kXujtco vd Yupicrj I itapapuOi v* <4pX lv ^l cr l » I T,f, ) v KaXn, cac cuv- 
Tpoqnä vä Tnv KaXncirepkn. (NeoeXX. 'AvdX. II, Nr. 34), wozu der Sammler 
bemerkt, dass die Zuhörer darauf mit einem KaXn. cirepa zu antworten 
pflegen. Ganz Aehnliches bei Sakellarios Nr. 7; vgl. auch Pio's Anm. 1 
zu Nr. 1. Ein auf den Inhalt des Märchens anspielender Prologreim, 
Nd ittfjva irapapüOi, | tö koukkI Kai tö poß(6i, in den NeoeXX. 'AvdX 

II, Nr. 16. 

Der eigentliche Anfang der griechischen Märchen lautet in der 
Hegel, von mundartlichen Verschiedenheiten in den Wortformen ab- 
gesehen, Mid <popd f\rav oder Miä qpopä xrj evav Kaipö nrav (oder mit 
Voranstellung des VerbB) , oder auch Mid ßoXd njav. Ferner ist nicht 
selten (so in unserm Märchen) der Anfang pid cpopd Krj evav Kaipö Kai 
CTd iraXaid Zapdvia u. s. w. ituuävi, d. i. Zeit, arabisches Wort, ins 
Türkische und aus diesem ins Vulgargriechische übergegangen). Auch 
eigentümliche humoristische Reime kommen zu Anfang vor, so NeoeXX. 
'AvdX. 1, 1, Nr. 11: Mid cpopd Krj £vav Kaipö Kr) eva iraXnoZapdvi j ttoö 
Kdvave ot ToüpKoi papaZdvi | c' eva Tpouirio KaZdvi, und ähnlich eben- 
das. II, Nr. 32. 

. Auch das Ende der Erzählung wird oft in stereotypen Reimen 
gegeben, wenigstens ist häufig der Schluss Krj c^Kapav rdpouc (oder 
ydpov) Kai xapalc | Kai EecpdvTiucec KaXafc. Vgl. z. B. Pio Nr. 1. Hahn 
II, S. 283. NeoeXX. 'AvdX. II, Nr. 12. 23. 36. Nach Korais "AxaKTa II, 
S. 293 wird an Stelle von SEerpdvrujcec auch Tiapaoiäßacec gesagt. — 
Viele Märchen haben auch einen Epilog. Sehr häufig ist es, dass die 
erzählende Person, unmittelbar an die letzten Worte der Erzählung 
anknüpfend, ihr eigenes und ihrer Zuhörerschaft Los zu dem Lose der 
Hauptpersonen des Märchens in Vergleich stellt. Wie es am Ende 
unsres Märchens heisst: r So sprachen sie mit einander und schliefen 
gut, und wir noch besser,' so ist sehr häufig dieser oder ein dem ähn- 
licher Schluss: f Die lebten nun glücklich, wir aber hier noch glück- 
licher» (Krj epeic eödi KaXXixepa). Vgl. z. B. Nr. 4 u. Nr. 15 meiner 
Sammlung, Hahn Nr. 51 u. 75, NeoeXX. 'AvdX. I, 1, Nr. 7.8. 10. 11. Es 
ist jedenfalls charakteristisch für das griechische Volk, dass dieser Ver- 
gleich immer zu Gunsten der traulich zusammensitzenden Gesellschaft 
ausfällt*); wogegen, was zu constatiren von Interesse ist, die siciliani- 

*) Nur in dem Märchen bei Simrock Nr. 3, S. 371 heisst es statt 
dessen : 'Ich wollte wir wären noch glücklicher,' und dies ist vielleicht 
Accommodation an italienischen Brauch, denn die Erzählerin desselben 
war eine zwar aus Argos gebürtige, aber in Neapel dienende Kinder- 
wärterin (vgl. Gött. gel. Anz. 1871, S. 1106). 



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— 223 — 



sehen Märchenerzählerinnen am Ende ihrer Erzählung durch Wen- 
dlingen wie f So lebten sie glücklich und zufrieden, wir aber gehen 
leer aus' und dergleichen ihre und der Zuhörer ärmliche Verhältnisse 
dem Glück ihrer Märchenhelden entgegenzusetzen pflegen. Vgl. 0. 
Hartwig in dem Vorwort zu Laura Gonzenbach's Sicil. Märchen, S. VIII. 
— Einen guten Wunsch für einen der jungen Zuhörer oder Zuhörerinneu 
enthält der Epilog eines Märchens, das mit einer Hochzeit endet, bei 
Hahn Nr. 49: 'und ich wünschte, dass auch die deinige bald käme 
und ich dabei wäre.' — In einem Märchen bei Morosi Nr. 2, S. 74 
wird wie zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit die Gesellschaft aufgefor- 
dert, selbst hinzugehen und sich von der Wahrheit des Erzählten zu 
überzeugen, was, da die Wohnung einer Ameise gemeint ist, um so 
komischer wirkt; wogegen eine Reihe andrer Epiloge gerade das Ge- 
gentheil aussprechen , nämlich dass die vorgetragene Erzählung keinen 
Anspruch darauf mache geglaubt zu werden, so bei Hahn Nr. 25: f Ich 
war nicht dabei, und darum brauchst du es auch nicht zu glauben.' 
Vgl. ferner ebendas. Nr. 26. 37. 64. NeoeXX. 'AvdX. I, 1, Nr. t— 3. 5. 
6. 9. Hierher gehören auch die gereimten Epiloge Vöuara Kr) dXrj- 
6eia | e-rcäv' tA uapajuueia (NcoeXX. 'AvdX. II, Nr. 24. 25. 34) und TTapa- 
uüGi uü6apoc , | n. KoiXid cac iriGapoc (ebendas. Nr. 8. Vgl. auch Proto- 
dikos 'löiujTiKd xfjc vewTcpccc £XAnv. YXujccr)C, S. 48). — In den kypri- 
schen Märchen wiederum begegnen wir am Schlüsse öfters der Fiction, 
dass der Erzählende Augenzeuge der von ihm vorgetragenen Ereignisse 
gewesen sei und soeben vom Schauplatze derselben herkomme, so 
gleich Sakell. Nr. 1 : d<pn.ca^v ™uc ^eic CKdvouc Utl Kai rfpiauev od, 

und ganz ähnlich Nr. 2. 4. 5. 7 Es läge nahe und wäre nicht ganz 

ohne Interesse, auch die Märchen anderer Völker für diese Betrachtung 
heranzuziehen, würde mich aber viel zu weit führen: es muss genügen, 
den obigen charakteristischen Unterschied zwischen den griechischen 
und den sicilianischen Märchen in dieser Hinsicht hervorgehoben zu 
haben. 

3. Die gute Schwester. 

Auffällig und der herrschenden Volksansicht zuwider ist in diesem 
Märchen, dass es der Schwester durch beständige Wachsamkeit ge- 
lingt, das ihrem Bruder von den Schicksalsmächten bestimmte un- 
glückliche Los abzuwenden; auffällig ist auch, dass die drei, obwohl 
sioh gegenseitig ausschliessenden Sprüche der Moeren doch sämmtiieh 
sich erfüllen wollen, während sonst in diesem Falle nur der Spruch 
der zuletzt sich äussernden, dem die beiden andern schliesslich bei- 
stimmen, zu gelten pflegt. Hinsichtlich des ersteren Punktes ist einiger- 
massen ähnlich das naxische Märchen in den NcoeXX. 'AvdX. II, Nr. 36, 
wo die Stiefmutter eines Mädchens, dem die Moeren es bestimmt 
haben, im Alter von zwölf Jahren zur Buhlerin zu werden, diesem 
Schicksalsspruche wenigstens eine möglichst günstige Wendung zu geben 
vermag, wodurch das Glück ihrer Stieftochter dauernd begründet wird: 
das Mädchen muss den Königssohn verführen, worauf sie ein Kind von 
ihm gebiert und schliesslich seine Gattin wird. 



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4. Der König mit den Bocksohren. 

Die bekannte Geschichte von König Mitlas' Ohren, welche sich 
auch in walisischen, irischen und bretonischen Sagen, sowie in einem 
serbischen und in einem mongolischen Märchen vorfandet. Vgl. Jac. 
Grimm Kleinere Schriften IV, S. 216 f. (aus den Gött. g. Anz. v. J. 1824, 
S. 118 ff.). Grimm Kinder- und Hausmärchen III, S. 310 f. Liebrecht 
zu Dunlop S. 471, Anm. 153. EdeMestand du M6ril fitudes sur quelques 
points d' arche'ologie et d' histoire litte"raire, Paris und Leipzig 1862, 
S. 432, wo die Sage, wie sie in der Bretagne von König Portzmar'h 
erzählt wird, raitgetheilt ist nach De Nore Coutumes, mythes et tra- 
ditions des provinces de Frauce, S. 219. Wuk Stephanowitsch Kara- 
dschitsch Volksmärchen der Serben, ins Deutsche übersetzt von dessen 
Tochter Wilhelmine, Berlin 1854, Nr. 39. Benfey Pantschatantra Vor- 
rede S. XXII Anm., wo die mongolische Veraion im Auszug gegeben 
ist, die man jetzt vollständig findet bei Beruh. Jülg Mongolische Mär- 
chen (Innsbruck 1868), S. 46 ff., Nr. 22. — Benfey hält es für völlig 
sicher, dass die Grundlage dieser Erzählung aus dem üccident stamme, 
und sie ist von allen ihm bekannten Märchen das einzige, von dem er 
dieses unumwunden zugibt; dahingegen Liebrecht in Ebert's Jahrbuch 
B. III, 1861, S. 86 es wahrscheinlich findet, dass die Geschichte von 
Midas sich aus Indien herleite. Wie dem nun auch sei: dass unser 
neugriechisches Märchen unmittelbar aus dem hellenischen Alterthum 
herstammt und nicht etwa erst durch Vermittlung eines andren Volkes 
nach Griechenland wiedereingewandert ist, wird wohl niemand be- 
streiten wollen. Es steht der altgriechischen Erzählung viel näher als 
alle übrigen uns vorliegenden Versionen*), ist aber andrerseits auch 
wiederum so selbständig und von jener in charakteristischen Einzel- 
heiten doch so verschieden, dass an ein Hineintragen ins Volk von 
schriftkundiger Seite entfernt nicht gedacht werden kann. Ich erinnere 
z. B. an die fünf Schleier (statt der phrygischen Mütze), an den Spruch 
der Moeren, an den Abschiuss mit einer Hochzeit. Noch bemerkens- 
werther scheinen mir die Bocksohren statt der Eselsohren, und viel- 
leicht ist in dieser Beziehung das neugriechische Märchen alterthüm- 
licher als die litterarische Ueberlieferung. Denn Midas steht bekannt- 
lich in engster Beziehung zum phrygischen Dionysos und seiner Um- 
gebung, und noch Philostratos V. Apoll. 6, 27 sagt: uctcIxc u£v yäp toö 
tuiv caTüpuuv fivovc ö Mioac outoc, ujc £onXou xd ü>ra. Jedenfalls 
dürften die Satyrohren des Midas ursprünglicher sein als die Esels- 
ohren. Vgl. Jacobi Handwörterb. der gr. u. röm. Myth. u. d. A. und 
Erdmannsdörffer in dem Aufsatz f Das Zeitalter der Novelle in Hellas' 
in den Preussischen Jahrbüchern B. 25, 1870, S. 288 f. Das serbische 



*) Wenn übrigens Liebrecht am zuletzt angef. Orte S. 87 sagt, das 
Schilf komme in Keiner andren Version als der griechischen vor, so 
irrt er: in der bretonischen Sage sprossen aus dem Sande des Meeres- 
ufers, dem der Scheerer das lastende Geheimniss anvertraut hat, drei 
Kohrstengel empor, durch welche die Sache verrathen wird. 



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Märchen steht in dieser Beziehung dem unsrigcn am nächsten, denn 
hier hat der 'Kaiser Trojan* Ziegenohren. In der mongolischen Version 
finden wir die Eselsohren, in der bretonischen und den übrigen oben 
erwähnten dagegen Pferdeohren. 

5. Die drei Citronen. 

Von diesem auf Zakynthos sehr beliebten Märchen liegen mir zwei 
in manchen Einzelheiten von einander abweichende Fassungen vor, 
welche ich übrigens einem und demselben Gewährsmann verdanke, der 
das erste Mal aus eigener Erinnerung erzählte und später sich das 
Märchen von einer Bäuerin aus dem Dorfe GaTtäni nochmals vortragen 
Hess. Ich habe diese spätere Erzählung als die ausführlichere und 
besser geordnete bei der üebersetzung zu Grunde gelegt, jedoch auch 
aus der früheren einiges aufgenommen, namentlich den die Katastrophe 
drastischer darstellenden Zug, dass die Verbrecherin durch Beant- 
wortung der an sie gerichteten verhängnissvollen Frage sich selbst das 
Urtheil spricht. Der interessante Zug von den Moeren wird von beiden 
Fassungen geboten, wogegen derselbe in einer dritten gleichfalls zakyn- 
thischen Version, welche der Zakynthier Anastasios Lountsis in Mann - 
hardt's Zeitschrift für d. Mythol. und Sittenk. B. IV, S. 320 ff. mit- 
getheilt hat, gänzlich fehlt. Eine vierte griechische Variante dieses 
Märchens aus Argos findet sich bei Simrock Nr. 3, S. 365 ff.; eine 
fünfte, aus Kleinasien, bei Hahn Nr. 49. Das Märchen kommt auch 
in der Walachei, in Ungarn, Italien, Sicilien und sonst vor: s. die Nach- 
weise R. Köhlers zu L. Gonzenbach N. 13. — Von den griechischen 
Versionen weichen die kleinasiatische und die aus Argos Btark von 
unsrem Texte ab, namentlich im Eingang; am nächsten kommt ihm 
begreiflicher Weise die von A. Lountsis mitgetheilte , wiewohl aucli 
sie mancherlei Abweichendes hat (wenn hier die schwarze Sklavin, die 
sich für des Prinzen Braut ausgibt, aus detfÄchlosse seiner Eltern selbst 
ist, so kann das nur Entstellung sein). Eigenthümlich unserem Text- 
märchen ist, dass nicht das zum Wasserholen ausgesandte Mohren- 
mädchen, sondern dessen Herrin, die Lamnissa (über diese Gestalt des 
Volksglaubens s. mein 'Volksleben' I, S. 131 — 135) Bich an Stelle der 
von ihr gefressenen Schönen auf den Baum setzt. Vgl. hierzu Hahn 
Nr. 41, wo das auf dem Baume sitzende Sonnenkind Letiko gleichfalls 
von einer Lamia bedroht wird und diese, um Zeit zu gewinnen, auf- 
fordert, erst ihre häuslichen Geschäfte zu besorgen und dann wieder- 
zukommen. 

Der Zug, dass ein Kues das Erlebte vergessen macht, kommt auch 
in der von A. Lountsis mitgetheilten Variante vor und — genau mit 
denselben Einzelheiten wie in unserm Texte — in Nr. 12 meiner Samm- 
lung und bei Hahn Nr. 64. Weitere Nachweise aus Märchen andrer 
Völker 8. bei Köhler zu L. Gonzenbach Nr. 14. — Dass das falsche 
Weib sich krank stellt und angeblich um ihrer Genesung willen ein 
Begehren äussert, dessen Erfüllung der verwandelten Schönen den Tod 
bringen soll, wiederholt sich in Nr. 13 meiner Sammlung. 
Schmidt, G riech. Märchen, Sagen u. Volkslieder. 15 



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Das unbewusste Urtheilspreehen über eich selbst kommt auch in 
der Variante aus Argos vor und ist überhaupt in den Märchen häufig. 
Vgl. Köhler zu L. Gonzenbach Nr. 13 a. E. Die Strafe der Schuldigen 
ist in allen griechischen Varianten dieselbe und wiederholt sich öfters 
in den griechischen Märchen. Vgl. Pio Nr. 1. NeocXX. 'AvdX. I, 1, Nr. 4 
n. Nr. 10. 

(J. Die verzauberte Königstochter oder der Zauberthurm. 

Dieses Märchen gehört, sofern es von der Erlösung einer in Schlaf 
versunkenen Jungfrau durch einen kühnen Jüngling handelt, in den- 
selben Kreis wie z. B. das deutsche 'Dornröschen' (Grimm Nr. 50). 

Höchst merkwürdig ist die Geburt der bewaffneten, Lanze und 
Helm tragenden Jungfrau aus der Wade des Königs: offenbar eine 
Erinnerung an die Geburt der Athene aus dem Haupte des Zeus, viel- 
leicht vermischt mit einer zweiten an des Dionysos Geburt aus desselben 
Gottes Schenkel (vgl. Preller Gr. Mythol. I, S. 521). Dass die Wade 
an Stelle des Hauptes getreten ist, spricht jedenfalls für die Echtheit 
des Zuges. Vgl. Vorrede S. 7 f. lieber ähnliche wunderbare Geburten 
aus Händen, Füssen u. s. w. namentlich in nordischen und indischen 
Ueberlieferungen vgl. Jac. Grimm Deutsche Mythologie S. 536. An 
Athene, Zeus' Lieblingstochter, erinnert zudem auch der-Schluss unsres 
Marchens, wo übrigens ursprünglich wohl auch eine Zurückbeziehung 
auf den Eingang stattgefunden haben und etwa gesagt gewesen sein 
wird, dass der Königssohn die erlöste Jungfrau ihrem Vater gebracht 
und dieser ihm zum Danke seinen Thron übergeben habe. 

Bei dem Thurm der Lauinissa wird man an die Stelle Tertullian's 
adv. Valent. 3 erinnert: uonne tale aliquid dabitur te in infantia inter 
somni difficultates a nutricula audisse , Lamiae turres et pectines Solis ? 

Dass der Held des Märchens sich bei einer Zauberin erkundigt, 
ehe er sein Abenteuer wajfly und von ihr nützlichen Kath empfängt, 
ist in den griechischen Märchen nicht selten. Vgl. Nr. 7 u. 8 meiner 
Sammlung. Einen ganz ähnlichen Kath wie hier die Zauberin, gibt 
einem Jüngling seine Moere in dem peloponnesischen Märchen NeoeAA. 
'AvdX. I, 1, Nr. 10, nämlich den Rath, zehn Ladungen Fleisch, ebenso- 
viel Getreide und ebensoviel Honig für die Löwen, Ameisen und Bienen, 
die er auf seinem Wege treffen werde, mitzunehmen, und überhaupt 
berührt sich die ganze Episode von der in einer Burg gefangen ge- 
haltenen c ir€VTduuopqprj toö köcuou', welche der Held dieses Märchens 
einem Könige bringen muss, ziemlich nahe mit unserem Texte. 

Das Loben des alten Thores stellt sich zu dem Loben des Feigen- 
baums mit bittren Früchten und des Flusses mit bittrem Wasser bei 
Simrock Nr. 3, S. 367 f., der stinkenden Quelle bei Hahn Nr. 54, und 
zu ähnlichen Zügen ebendaselbst Nr. 72 u. Nr. 100. Vgl. noch Köhler 
zu L. Gonzenbach Nr. 13 u. 15. 

Dass dankbare Thiere ihrem Wohlthäter etwas von ihrem Leibe, 
wie ein Haar, einen Flügel n. s. w., geben, was, wenn es angebrannt 
wird, die Thiere selbst sofort zu seiner Hülfe herbeiführt, ist in den 



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griechischen Märchen häufig. So in dem angeführten aus dem Pelo- 
ponnes (Löwenhaar, Ameisenflügel, Bienenfliigel), ferner bei Hahn 
Nr. 26. 37. 61 (hier Schuppe von einem Fische). Aehnliche Züge eben- 
das. Nr. 6, Nr. 54 (Verbrennung des Haares einer Neraide versammelt 
alle Teufel), Nr. 63; NcocXX. 'AvdX. II, Nr. 37. 

Wie dem Helden unsres Märchens, so werden auch dem des pelo- 
ponnesischen drei Arbeiten aufgegeben, welche die dankbaren Thiere 
für ihn ausführen. Und zwar kehrt das von den Ameisen besorgte 
Sichten der bunt durch einander geschütteten Getreidearten auch hier 
wieder, gleichwie in der Variante bei Hahn Nr. 37, und ebendas. 
Nr. 63. Bekanntlich findet sich derselbe Zug auch schon in dem Mär- 
chen von Amor und Psyche bei Apuleius VI, 10. 

Zu dem grossen See, der aus einigen von der fliehenden Königs- 
tochter hinter sich geworfenen Haaren entsteht, vgl. Hahn Nr. 1, wo 
aus dem von den Fliehenden hinter sich geworfenen Messer eine un- 
geheure Ebene , aus dem Kamme ein dichter Wald , aus dem Salze ein 
Meer wird, und ebendaselbst Nr. 45, wo ganz Aehnliches geschieht. 

7. Die Herrin über Erde und Meer. 

Die in einem unterirdischen Palaste wohnende 'Herrin über Erde 
und Meer' kommt auch in Nr. 19 meiner Sammlung vor, wo sie zum 
Christenthum in Beziehung gesetzt ist und als eine freundliche, der 
Gerechtigkeit dienende Frau erscheint. Eine Vermuthung über den 
Ursprung dieser eigenthümlichen Gestalt wage ich nicht zu äussern. 
Vergleichen lässt sich ihr die 'Schöne der Welt 1 bei Hahn Nr. 63 und 
die 'rccvTduuopcpn. toO köcuou' in den N€0€XX. 'AvdX. I, 1, Nr. 10, die 
beide auch erst nach Lösung schwieriger Aufgaben gewonnen werden, 
noch mehr aber die von einem dreiköpfigen Hunde bewachte 'Schöne 
der Erde' in der Unterwelt in dem albanesischen Märchen bei Hahn 
Nr. 97. 

Was am Ende des Märchens erzählt wird von der grossen Fluth 
und von dem Säen von Steinen, um neue Menschen entstehen zu lassen, 
rührt offenbar aus der Deukalionsage her. 

8. Der goldne Apfel des unsterblichen Vogels. 

Die vorliegende Fassung ist wohl nur das Gerippe des Märchens. 

Der 'unsterbliche Vogel, der ewig brennende und nie verbrennende', 
erinnert an den Vogel Phoenix. 

Dem musicirenden Apfel darf man die lachenden Aepfel bei Hahn 
Nr. 114 vergleichen, die in dem Garten eines Drachen wachsen, und 
welche der Held des Märchens gleichfalls holen muss, um die Braut 
Sil gewinnen. Vgl. auch ebendas. Nr. 63 (II, S. 12). 

9. Prinz Krebs. 

Die vom Erzähler angegebene Ueberschrift dieses Märchens ist Ol 
bwbfKü dexoi: ich habe statt ihrer die passendere 'Prinz Krebs' gesetzt. 

15* 



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Es gibt, wie mir Reinh. Köhler mittheilt, ein paralleles polnisches 
Märchen dieses Titel». Sonst kommt an Stelle des Krebses eine Schlange, 
ein Schwein, ein Igel u.a. vor. Das Märchen gehört im Allgemeinen, 
wie auch das folgende, zu jenem grossen Märchenkreise, über welchen 
L. Friedlaender und A. Kuhn in des ersteren Darstellungen aus der 
Sittengeschichte Roms, I, S. 620-54« d. 4. Aufl. mit Rücksicht auf das 
Märchen von Amor und Psyche gehandelt haben. Im Einzelnen steht 
ihm vielfach sehr nahe das albanesische Märchen aus Porös bei Hahn 
Nr. 102, welches übrigens, wie der Herausgeber bemerkt, auch auf der 
— nur von Griechen bewohnten — Insel Teno» erzählt wird. Zum 
Theil verwandt ist auch Hahn Nr. 100 (gleichfalls albanesisch). 

Zu den zwei Aufgaben, die der König dem die Hand seiner jüngsten 
Tochter begehrenden Krebse stellt, vgl. Hahn Nr. 9 (I, S. Ulf.) und 
desselben Anmerkungen zu Nr. 31. 

Der zugeworfene Apfel gilt, wie im Alterthum ( Auf hol. Palat. V, 
79 u. 80. Theocrit. 5, 88), so auch heute als Liebessymbol. Vgl. E. Cur- 
tius i. d. Gött. Nachrichten 1857, Nr. 22, S. 308. C. Wachsmuth D. a. 
Griechenl. i. n. S. 83. Hahn Märchen Nr. 70 (II, S. 50). 

Zum Verbrennen der Krebsschaleu seitens der Schwiegermutter des 
Verzauberten vgl. die Verbrennung der Schlangenhaut bei Halm Nr. 31. 

Den zwölf Adlern entsprechen die zwölf Tauben bei Hahn Nr. 102, 
die gleichfalls durch Untertauchen wieder Menschengestalt annehmen 
(nur die zwölfte vermag dieses nicht mehr, nachdem die Braut das 
Geheimniss von dem verzauberten Jüngling ausgeplaudert). Ebenda 
findet sich auch der Zug, dass die Prinzessin zur Linderung ihres 
Kummers über den Verlust des Geliebten sich Geschichten erzählen 
lässt und dass dadurch die Wiedervereinigung mit demselben herbei- 
geführt wird. Vgl. auch noch Hahn Nr. 70 und Mannhardt's Zeitschrift 
IV, S. 323, wo gleichfalls durch das Verlangen, ein Märchen zu hören, 
die Lösung des Knotens erfolgt. 

10. Die Schönste. 
Vgl. die Anmerk. zu Nr. 9. 

Eine Variante unsres Märchens, aber an Lieblichkeit beträchtlich 
nachstehend, ist das kyprische Märchen bei Sakellarios Nr. 7. Nur im 
Eingang dem unsrigen sehr ähnlich, sonst aber stark abweichend ist 
Hahn's Nr. 7. Insbesondere kommt auch hier der Zug vor, dass das 
Vergessen des der jüngsten Tochter versprochenen Geschenks das Vor- 
wärtskommen hindert (vgl. auch Hahn Nr. 12). S. ferner Grimm Nr. 88 
und namentlich die in den Anmerkungen hierzu, ß. III, S. 152 f. u. 155 
mitgötheilten Varianten, ferner R. Köhler in den Gött. gel. Anzeigen 
v. J. 1868, B. II, S. 1372 f. 

Eigentümlich unserm Märchen ist der Fluch der NeraYde, wenn 
schon in der kypi-ischen Fassung die Verwandlung des Prinzen in eine 
Schlange gleichfalls Folge des Fluchs einer Geliebten ist. In dem nicht 
verwandten Märchen bei Hahn Nr. 58 wird ein Manu durch Verfluchung 
seitens einer Neraide in eine Frau verwandelt lieber diese dämo- 



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nischen Wesen s. Volksleben der Neugriechen I, S. 98-130. Uebrigens 
widerlegt der in Rede stehende Zug die Bemerkung Hahn's in der Ein- 
leitung seiner Sammlung (I, S. 37 f.), dass das der Verwünschung in den 
germanischen Märchen eigene Mittelglied in dem griechischen Märchen- 
kreise fehle. 

IL Der Capitän Dreizehn. 

Zu dem eigenthümlichen Namen 'Dreizehn' ist zu vergleichen J. 
W. Wolf Deutsche Märchen und Sagen, Nr. 22, angeführt von Hahn II, 
S. 301, wo die starke Gestalt denselben Namen führt, weil sie für drei- 
zehn arbeitet, aber auch für dreizehn isst. In dem griechischen Märchen 
wird der Name ursprünglich in ähnlicher Weise inotivirt gewesen sein. 

Ueber die Begriffe des Volkes von den Hellenen, in deren Zeit 
unsere Erzählung verlegt wird , s. Volksleben der Neugr. I, S. 203—209, 
besonders S. 206, wo der hier begegnenden Vorstellung gedacht ist, 
dass die Stärke der alten Hellenen in drei Brusthaaren gesessen habe 
und durch deren Abschneidung geschwunden sei. Hierzu und zum 
Folgenden vergleiche man ausser der Simsonsage des alten Testaments 
den hellenischen Mythos von dem megarischen Könige Nisos und seiner 
Tochter Skylla, welche, von Minos bestochen oder aus Liebe zu ihm, 
dem Vater das purpurne Haar seines Hauptes auszieht, an dem seine 
Macht und sein Leben hing (s. die Stellen bei Preller Gr. Myth. I, S. 485, 
Aum. 1 der 2. Aufl.); ferner das Märchen aus Syra bei Hahn II, S. 282 
und das kyprische bei Sakellarios Nr. 8, in welchen beiden ein Jüng- 
ling vorkommt, dessen Stärke in drei goldnen Haaren seines Hauptes 
sitzt, die ihm von Beiner Mutter oder Schwester abgeschnitten werden. 

Dass der gefangene Held mit seinen Gefährten von den Feinden 
in einen Abgrund gestürzt wird und allein unversehrt unten ankommt, 
erinnert sehr an die Sage vom Messenier Aristomenes bei Pausan. 
IV, 18,. 4. 

Aber mit der Flucht daraus beginnen dann wiederum sehr deut- 
liche Anklänge an die Sage von Ikaros (an Stelle des kretischen Laby- 
rinths ist der Abgrund getreten, der künstlichen Flügel die Flügel eines 
todten Vogels, des Wachses Lehm, der Sonnenwärme ein Regcnguss). 

Ueber den Meergeist vgl. Volksl. d. Neugr. I, S. 135 f. Der Zug, 
dass der in Thiergestalt Verwandelte nicht eher erlöst werden kann, 
als bis ein Mädchen sich findet, das ihn zum Gemahl haben will, kehrt 
bei Sakellarios Nr. 7 wieder. 

Die Rettung des Königs und seiner Tochter auf dem Rücken des 
Delphins ist ein so nahe liegendes Motiv, dass man nicht an eine Her- 
übernahme dieses Zugs aus der Arionsage zu denken braucht. 

12. Der Drache. 

Dieses Märchen gehört in seinem' ersten Theile in dieselbe Gruppe 
wie Nr. 9 und 10 (und wie das Märchen von Amor und Psyche), nimmt 
aber dann einen anderen Verlauf, indem die Prinzessin nicht das Un- 
geheuer, dem sie von ihrem Vater in der Noth zugesagt worden, lieb 



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gewinnt, sondern vielmehr einen aus der Gewalt desselben befreiten 
Jüngling, mit welchem sie schliesslich vereinigt wird. 

Ueber die Drachen s. Volksleben der Neugr. I, S. 190—195. 

Der Palast des Drachen mit dem prachtvollen Schlafgemach, in 
dem es auch bei Nacht hell bleibt, erinnert sehr an die Beschreibung 
des Apuleius V, 1. 

Das ganz mit Glocken behaugene Bett kehrtfin Nr. 23 wieder, wo 
der König der Thiere, eine siebenköpfige Schlange, der Sicherheit 
halber in einem solchen Bette schläft. Aus demselben Grunde hat bei 
Hahn Nr. 3 der Drakos eine Bettdecke mit Schellchen. Vgl. noch L. 
Gonzenbach Sicil. Märchen Nr. 83. 

Das Verbot ein bestimmtes Zimmer zu öffnen und die Uebertretung 
desselben aus Neugier ist in den griechischen Märchen sehr häufig. So 
z. B. Nr. 13 und 24 meiner Samml., NeocXX. 'AvöX. I, 1, Nr. 11, Sakel- 
lurios Nr. 1, und das allem Anschein nach auf einem Märchen beru- 
hende Volkslied in BretcV '€6viköv "HuepoXotiov 1865, S. 44 f., das jetzt 
auch bei Politis MeXem. I, S. 1G1 f. abgedruckt ist. 

Ueber den die Erinnerung raubenden Kuss s. die Anmerk. zu Nr. 5. 

Zu dem Schrank, in welchem die Prinzessin sich in die Wohnung 
ihres Geliebten bringen lässt, vgl. den grossen goldncn Kasten des 
Kiesen in Nr. 13 meiner Samml., und den Gitterkasten bei Hahn Nr. 19, 
welches Märchen überhaupt einige Züge mit dem unsrigeu gemein hat. 

13. Der Riese vom Berge. 

Eine eigentümliche Version des weitverbreiteten Märchens 'von 
dem Bruder und seiner schönen Schwester', über welches R. Köhler 
zu L. Gonzenbach Nr. 33—34 gehandelt hat: an Stelle des Bruders er- 
scheint hier der Vater der Schönen. 

Der Zug, dass kein Sonnenstrahl das Mädchen berühren darf, findet 
sich auch in dem entsprechenden wälschtiroler und böhmischen Mär- 
chen. Vgl. übrigens auch die in der Vorrede S. 30 f. mitgetheilte Sage 
vom Prinzen Anilios. 

Wie hier die Tochter auf des Vaters Frage, was er ihr von der 
Reise mitbringen solle, antwortet, er möge ihr den Riesen vom Berge 
zum Gemahl verschaffen, so erwidert in einem catalanischen Märchen 
die jüngste von drei Töchtern auf die gleiche Frage, sie wolle dem 
Königssohn vermählt werden: s. Köhler zu L. Gonzenbach Nr. 9. 

Ueber die Riesen s. Volksl. d! Neugr. I, S. 200 ff. 

Die sieben Schleier, die des Riesen Gesicht umhüllen, sind ohne 
eigentliche Motivirung. Uebrigens vgl. die sieben Schleier der Schönen 
bei L. Gonzenbach Sicil. M. Nr. 13 und 64, und die fünf Schleier des 
Königs mit den Bocksohren in Nr. 4 meiner Samml. 

Der Zug, dass der Riese die Stärke des Königs durch einen ge- 
waltigen Schlag prüft, den jener durch einen um die Schulter gewor- 
fenen Schlauch parirt, stellt sich zu den verwandten Zügen neugrie- 
chischer Sagen, die ich Volksleben I, S. 193 u. 206 nachgewiesen habe. 

Dass der Vater der Schönen in ein Zimmer geführt wird, worin 



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eine Menge Mädchen abgebildet sind , und darnach die Schönheit seiner 
Tochter beurtheilt wird, findet sich auch bei Hahn Nr. 7. Uebrigens 
möchte mau hierbei auch an den verliebten Polypheinos der späteren 
hellenischen Sage denken, wie ja die Blendung des Riesen am Ende 
unsres Märchens offenbar aus der homerischen Polyphemsage herüber- 
genommen ist. 

Der Zug, dass die Amme auf der Fahrt zur Hochzeit ihre Tochter 
an die Stelle der Schönen setzt, kommt auch in dem Märchen bei 
Hahn Nr. 28 vor, welches überhaupt in denselben Kreis gehört, ob- 
schon es mit dem unsrigen sich nicht näher berührt. 

Wie hier der Riese sich in einen grossen goldnen Kasten steckt, 
der unter dem Vorwande, der Leib eines Heiligen befinde sich darin, 
an die dem Riesen entflohene Prinzessin verkauft wird, so schliesst 
sich in dem sicilianischen Märchen bei L. Gonzenbach Nr. 23 Ohime, 
welcher im Uebrigen dem Belzebul in Nr. 24 meiner Sammlung ent- 
spricht,, mit musikalischen Instrumenten in eine hohle silberne Statue 
ein , die dann von einem Burschen unter dem Rufe : r Ei, was habe ich 
für einen schönen heiligen Nikolaus, und was der für schöne Musik 
machen kann,' in der ganzen Stadt herumgetragen und schliesslich auf 
Verlangen der dem Ohime entflohenen, nunmehr an einen Königssohn 
vermählten Maruzza ins Schloss gebracht wird. Vgl. noch ebenda«. 
Nr. 10. 

14. Helios und Maroula. 

Variante von Hahn Nr. 41 (Epirus). In den Gebirgsdörfern von 
Zakynthos kommen noch andere Fassungen vor, von denen die eine, 
mir in Umrissen mitgetheilte der Hahn'schcnl näher steht als unser 
Text, indem auch sie die Episode von der Lamia oder Lamnissa ent- 
hält. In einer andren ist die Mahnung, die Helios der ihrem Ver- 
sprechen ungetreuen Mutter durch Maroula zukommen lässt, in fol- 
gende Verse gefasst: To tüEiuo tioö uouraHe | fopfä vä uoö tö CT€(Xrj, | 
jmrj CKüiyu), Xdv^iu), itöpu) ce, | xai ti^v «apoiä ttjc Kdipuu. — Im Eingang 
unserm Märchen sehr ähnlich ist das sonst nicht verwandte bei Hahn 
Nr. 4. Vgl. auch ebendas. Nr. 68 und 82. 

Der fruchtbar machende Apfel kommt auch in Nr. 23 vor. S. ausser- 
dem Hahn's Sachverzeichniss u. d. W. 

Charakteristisch für Helios, der im heutigen Volksglaubon durch- 
aus ah Kiese und grosser Fresser erscheint, ist der Verzicht auf den 
Mitbesitz des Mädchens um den jährlichen Tribut eiues Kuchens. Ueber 
diesen Helios gedenke ich im zweiten Theile meines Volkslebens der 
Neugriechen ausführlich zu handeln und seinen Zusammenhang mit dem 
Sonnenheros Herakles nachzuweisen. 

Bei Hahn Nr. 41 sind es zuerst zwei Füchse, welche der Sonnen- 
ball fragt, ob sie die Geraubte nach Hause bringen wollen, und das 
ist offenbar das Ursprünglichere, da die Antwort zur Natur des Hirsches 
nicht stimmt. Dagegen ist dieser an zweiter Stelle, wo die Hahn'schc 
Version Hasen hat, ganz an seinem Platze. 



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- 232 - 



15. Das Schloss des Helios. 

Der dem Mädchen und seinem jüngsten Bruder guten Rath er- 
theileude Mönch ist als deren Schutzengel aufzufassen, wie denn solche 
öfters in den griechischen Märchen in Mönchsgeatalt auftreten. S. 
Nr. 17 m. S. und Hahn Nr. 69. 

Versteinerung von Menschen durch Zauberkraft und Wiederer- 
weckung derselben durch Lebens- oder Unsterblichkeitswasser (vcpö 
ty\c Lwf\c oder dBdvaro vcpö, das überhaupt ungemein häufig in den 
griechischen Märchen erwähnt wird) kommt auch vor in Nr. 24 meiner 
Sammlung, bei Buchon Nr. 3, S. 279 und in den NeoeXX. 'AvoXckto I, 1, 
Nr. 4, wo, was hier dem Helios, dem Teufel oder alten Zauberinnen 
beigelegt wird. 

Wie hier auf dem Wege zum Schlosse des Helios schreckende und 
täuschende Geisterstimmen sich vernehmen lassen, so in Nr. 24 auf dem 
Wege zur Wohnung des Teufeis. 

Der Zug, dass die Schwester den angekommenen Bruder, um ihn 
vor ihrem Manne zu schützen, durch eine Ohrfeige in einen unschein- 
baren Gegenstand verwandelt u. 8. w., findet sich auch bei Hahn Nr. 25. 
Vgl. auch Nr. 24 meiner Samml. 

16. Die Mutter des Erotas. 

Auf Erotas (Vulgarform für Eros) und seine Mutter wird im zweiten 
Theile meines Volkslebens der Neugriechen die Rede kommon: hier 
kann ich auf die Frage, ob und in wie weit die an beide sich anknüpfen- 
den, in Liedern und Erzählungen des Volkes begegnenden Vorstel- 
lungen als unmittelbare Ueberlieferungen aus dem Alterthum zu be- 
trachten seien , mich nicht näher einlassen. Nur so viel sei einstweilen 
bemerkt, dass das Wort IpiuTCtc auch als Appellati vum neben äTdirn, 
in der Volkssprache gebräuchlich ist, und dass daher um so weniger 
Grund scheint zu bezweifeln, dass die allgemeineren Vorstellungen von 
Erotas und seiner Mutter wirklich volkBthümlichen Boden haben; da- 
hingegen der mit Bogen und Pfoilen bewaffnete, geflügelte Liebes- 
gott, wie er hier und in Nr. 18, so wie in mehreren erotischen Distichen 
der Passow'schen Sammlung erscheint, sehr wohl erst unter dem Ein- 
flusse der Renaissance beim Volke Eingang gefunden haben kann. Ich 
möchte daher für die Echtheit der Nummern 16 und 18 (so weit hier 
Eros und seine Umgebung geschildert wird) nicht einstehen. 

17. Maroula und die Mutter des Erotas. 

Eine merkwürdige Variante des weit verbreiteten Schneewittchen- 
märchens (Grimm Nr. 53. Köhler zu L. Gonzenbach Sicil. Märchen Nr. 2 
— 4), verbunden mit dem gleichfalls weit verbreiteten Märchen vom 
Mädchen ohne Hände (Grimm Nr. 31. L. Gonzenbach Nr. 24 und dazu 
Köhler). Eine andere griechische Variante des ersteren ist das 'Rodia 1 
übersehriebene Märchen bei Buchon S. 263 ff. In diesem letzteren sind 



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- 233 - 



es die beiden älteren Schwestern , die der Schönen aus Eifersucht nach- 
stellen; in den meisten der hierher gehörigen Märchen dagegen ist es 
die schöne Stiefmutter, und an Stelle dieser ist in unserm Texte die 
Mutter des Erotas getreten. Der Hass derselben gegen das an Schön- 
heit sie übertreffende Mädchen, die Leiden, die sie ihm deshalb be- 
reitet, und ihre schliessliche Beruhigung erinnern jedenfalls an das 
Märchen von Amor und Psyche; womit indessen nicht gegen Fried- 
laender I, S. 522 der 4. Aufl. behauptet werden soll, dass auch Apuleius 
das Motiv der Eifersucht der Venus in dem von ihm benutzten Volks- 
märchen vorgefunden habe. 

Die befragte und antwortende Sonne, statt deren sonst gewöhnlich 
ein wunderbarer Spiegel genannt wird, kommt auch in der von Buchon 
mitgetheilten Version und in dem entsprechenden albanesischen Mär- 
chen bei Hahn Nr. 103 vor. Vgl. auch Politis McA^rn. I, S. 18, wo aus 
griechischen Märchen folgende, derjenigen unsres Textes ganz ähnliche 
Frage an die Sonne angeführt wird: "HXie uou Kai TrapaXi€ uou (wohl 
fehlerhaft für wpocnAie uou) K ai Kocuorupicxr) uou, | ekcu k' icv, etucu 
k' £yuj, uä ctöec Kf| ä\\r)v öuopqnT€pn, ; 

18. Der Garten des Erotas. 

Dieses Stück stimmt in den Grundzügen überein mit dem von 
Eulampios in seinem 'Audpavroc S. 76 ff. mitgetheilten, allerdings viel 
mehr im Detail ausgeführten Märchen T' dedvaTO vcpö, welches er- 
zählt, wie ein Königssohn für seinen kranken Vater das Unsterblich- 
keitswasser holt, das am Ende der Welt hinter zwei hohen, bald aus- 
einandergehenden , bald wieder zusammenstossenden Bergen sich be- 
findet, und hierdurch die Genesung desselben herbeiführt. Vgl. hierzu 
Grimm Nr. 97. Bei Hahn Nr. 6 holt ein Prinz für seinen erblindeten 
Schwiegervater das Wasser des Lebens. Im Uebrigen vgl. die Anm. zu 
Nr. 16. Bei der mit dem Liebesgott e spielenden Schönsten kann man 
doch nur an Psyche denken; dies bestätigt aber eben noch mehr den 
Verdacht, dass was hier von Erotas und seiner Umgebung erzählt 
wird, nicht echt volksthümliche Ueberlieferung sei; da ja der Mythos 
von Eros und Psyche im Alterthum niemals Eigenthum des Volkes ge- 
worden, sondern auf den Kreis der Gebildeten beschränkt geblieben 
ist, worüber man 0. Jahn in den Berichten der sächs. Gesellsch. der 
Wissensch., phil. hist. Cl., 1851, S. 157 nachsehe. Vgl. ebendenselben 
in der Archäol. Zeitung B. XXVII (N. F. B. II), 1869, S. 52 f. 

♦ 

19. Tischtuch und Goldhuhn. 

Dieses Märchen ist verwandt dem deutschen f Tischchen deck dich, 
Goldesel und Knüppel aus dem Sack* (Grimm Nr. 36) und den zahl- 
reichen von Köhler zu L. Gonzenbach Nr. 52 zusammengestellten Varian- 
ten desselben, hat aber im Einzelnen viel Abweichendes. 

Ueber den guten Engel des Menschen s. Volkel. d. Neugr. I, S. 180. 
Vgl. auch oben zu Nr. 15. 



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Wie hier dio Ilcrrin über Erde und Meer (vgl. über dieselbe oben 
zu Nr. 7) es ist, welche die Wundergaben verleiht, so ist es in dem 
sicilianischen Märchen das personificitte Glück des armen Mannes, und 
in dem walachischen bei Schott Nr. 20 der Herrgott. 

Ein goldene Eier legendes Huhn kommt auch bei Hahn Nr. 36 vor 
und wird dort von einem armen Manne seinem Glücke abgenöthigt. 

Eigenthümlich unserm Texte ist, dass die Wunderdinge in dem 
Besitze eines nicht tugendhaften Mannes ihren Dienst versagen, wie 
überhaupt die stark christliche Färbung des ganzen Märchens auffällt. 



20. Die Wunderpfeife. 

* 

Drei andre griechische Fassungen dieses Märchens findet man bei 
.Simrock Nr. 2, S. 362 ff. und bei Hahn Nr. 34 und II, S. 238 ff. (wo 
eine aus Koukouli stammende Variante des Textmärchens ausführlich 
mitgetheilt ist). Diese drei Versionen gehören unter sich und mit der 
walachischen Erzählung von Bakäla bei Schott Nr. 22, 4 — 7 (wo an 
Stelle der Pfeife ein Dudelsack getreten ist) näher zusammen, wogegen 
sie unsrem Texte ferner stehen. Vgl. noch Grimm Nr. 110 (hier eine 
Fiedel an Stelle der Pfeife) nebst der Anmerkung dazu und R. Köhler 
in den Gött. gel. Anzeigen v. J. 1868, B. II, S. 1373. Gemeinsam sämmt- 
lichen griechischen Fassungen ist übrigens der offenbar alterthümliche 
Zug, dass die Wunderpfeife von Gott oder der heiligen Jungfrau ver- 
liehen wird als Belohnung für ein dargebrachtes Opfer. Wie nämlich 
in unserm Märchen 'der Sohn des Priesters das von Panos geschenkte 
schöne Zicklein sofort Gott opfert, so trägt in den von Simrock und 
Hahn mitgetheilten Versionen der Narr die Menge des erbeuteten Weih- 
rauchs auf die Spitze eines hohen Berges und räuchert damit; worauf 
auch hier ein Engel erscheint oder Gott Belbst sich vernehmen lässt, 
um den Spender zu belohnen. Und demselben Zugo begegnen wir 
auch in der walachischen Fassung bei Schott S. 228, wo es heisst : f Als 
Bakäla sich auf seiner Flucht endlich in Sicherheit glaubte, gedachte 
er Gott und sich etwas Wohlgefälliges zu thun; er öffnete darum seinen 
Sack, schüttete allen Weihrauch auf einen Haufen und zündete ihn 
au. "Was ist das Bissclien Weihrauch in der Kirche gegen dieses 
Opfer V sprach er zu sich selber und lachte; er starrte dem Rauche, 
der sich gerade zum Himmel emporzog, nach, soweit er ihn verfolgen 
konnte, da sah er wie sich der Himmel öffnete und sein Opfer auf- 
nahm. Hier sass Gott mit blassem, eingefallenem Antlitz auf seinem 
Thron, der winkte ein paar Engeln, sie sollen Bakäla rufen. Bakäla 
ward also in den Himmel versetzt. Da richtete Gott sich auf und 
sprach: "Bakäla, dein Opfer war mir ein lieblicher Geruch, der mich 
von meiner Krankheit hat gesunden lassen; ich will dass du dir ein 
Geschenk von mir erbittest." Bakäla fürchtete sich anfangs,' u. 8. w. 

Ueber das Auftreten des Panos, d. i. des althellenischen Hirtengottes 
Pan, in unsrem Märchen s. meine Bemerkungen 'Volksleben der Neu- 
griechen' I, S. 155, Anm. 4. 



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— 235 - 



Zu dem Zicklein mit dem goldnen Fell und den silbernen Ohren 
vgl. Passow's Popularia Carmina Nr. 507, 21 f.: TTripdv uou tö Xartupvi, 
TTouxe tö xpvcö uaXXi, T' äcnuevio K^paro. 

21. Der Garten des Charos. 

Ueber die hier erwähnte Herrin der Moeren vgl. Volksl. der Neu« 
griechen I, S. 211, und über das öftere Auftreten einer einzelnen Moere 
in den griechischen Märchen ebendas. S. 216. 

Von einem Garten des Charos, d. i. des Todesgottes der Neu- 
griechen, in der Unterwelt weiss das Volk auch sonst zu erzählen. Vgl. 
Volksl. I, S. 241 f. Aber dass die Menschen in demselben versteinert 
seien, kommt sonst nirgends vor und könnte aus Märchen andren In- 
halts hierher übertragen sein (vgl. oben die Anm. zu Nr. 15). Allein 
da ferner erzählt wird, wie Charos von den versteinerten Kindern einige 
abschneidet und an ihnen riecht, wie an Rosen, und von andern ver- 
steinerten Menschen geniesst, als wären es Früchte, so haben wir hier 
offenbar nur eine Allegorie, ganz ähnlich derjenigen, die in einer An- 
zahl von Volksliedern begegnet, wo gesagt wird, dass Charos sich 
einen Garten angelegt und darin statt Bäumen Jünglinge und Mädchen, 
statt Blumen Kinder gepflanzt habe. S. die Anm. zu Nr. 23 meiner 
Liedersammlung. 

Ueber die Mahlzeit des Charos mit seinem Weib vgl. Volksl. 1, 
S. 215 f. 

22. Gevatter Charos. 

Zwei Varianten dieses Märchens theilt in Umrissen mit Politis 
M€\€Tn I, 2, S. 293 f., die. entere nach A. I. Olympios in der 'Avaxo- 
Xiko. ^Trteeujpnctc 1872, I, S. 81 f. Vgl. auch das neugriechische Sprüch- 
wort 'Aqpopur 1 ! Zt]Tö. 6 Xdpoc vd KaXecn, xöv Kouuudpo (Volksl. I, S. 234). 
Das entsprechende deutsche Märchen steht bei Grimm Nr. 44 (wo nicht 
der Gevatter, sondern der Pathe Arzt wird, und der Stand des Todes 
zu Füssen des Kranken dessen Ende anzeigt). Ausser den Anmerkungen 
hierzu (III, S. 69 f.) 8. noch Köhler's Nachweise zu L. Gonzenbach Nr. 19. 
— In den beiden von Politis mitgetheilten Varianten fehlt, ebenso wie 
im sicilianischen Märchen, der Zug, dass der Gevatter Arzt wird. In 
der ersteren ladet ein mit Glücksgütern gesegneter Mann den Charos, 
welchen er fürchtet, ein, sein Kind zu taufen, in der Hoffnung, dass 
dieser sich in Folge dessen mild gegen ihn erweisen werde. Charos 
tauft das Kind, nimmt es aber kurz darauf zu sich. Dem Vater jedoch 
gibt er, um sich erkenntlich zu zeigen, an, wie er, wenn eine Krankheit 
ihn befalle, erkennen könne, ob dieselbe tödtlich sei odernicht: so oft 
er ihn, den Charos, über seinen Füssen stehen sehe, laufe er keine 
Gefahr; sehe er ihn aber über seinem Haupte, so sei das ein Zeichen 
seines nahen Endes. Wie nun dieser letztere Fall eintritt, sucht sich 
der Gevatter der drohenden Gefahr zu entziehen, indem er sich mit 
dem Kopfe auf die entgegengesetzte Seite des Bettes legt, was ihm 



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— 236 - 



aber doch nichts hilft, denn Charos packt ihn trotzdem bei den Haaren 
und führt seine Seele fort. — In der zweiten Variaute ist Charos im 
Begriff seinen Gevatter zu holen, läset sich aber durch seine Bitten 
bewegen, ihn vorläufig noch zu verschonen; worauf dieser, um dem 
CharoB auch für die Folge zu entgehen, sich den Bart scheert, als Kind 
verkleidet und nach Konstantinopel geht. Hier überrascht ihn Charos 
eines Tags beim Spiele. 

23. Die siebenköpfige Schlange. 

Dieses Märchen ist wegen seiner deutlichen Bezüge zur Theseus- 
sage vielleicht das interessanteste Stück der ganzen Sammlung. Merk- 
würdige Anklänge an dieselbe Sage findet man auch bei Schott Wala- 
chische Mährchen Nr. 12, S. 152 f. 

Der redende warnende See im Garten der siebenköpfigen Schlange 
erinnert an die der Psyche Warnungsworte zurufende Quelle bei Apu- 
leius VI, 14: iamque et ipsae metum iniciebant vocales aquae. nam 
et 'discede» et 'quid facis? vide' et 'quid agis? cave' et 'fuge' et 'peri- 
bis' subinde clamant. 

Was den jährlichen Tribut von zwölf Mädchen und zwölf Jüng* 
lingen betritft, welchen das Ungeheuer fordert, so ist zu bemerken, 
dass schon die hellenische Sage nicht nur einen alle neun Jahre (Plut. 
Thes. 15. Diodor. IV, 61), sondern auch einen alljährlich sich wieder- 
holenden Tribut von sieben athenischen Jünglingen und Jungfrauen 
für den Minotauros kennt: Apollodor. III, 15 a. E. und darnach Vergil. 
Aen. VI, 21 u. andere. . 

Wenn es in unsrem Märchen heisst, dass daB Ungeheuer den frem- 
den Eindringlingen nach Auferlegung der Strafe eines seiner Thiere 
zugetheilt habe, um ihnen den Weg aus dem Garten zu zeigen, 
so haben wir hier offenbar einen Nachklang des Labyrinths, welches 
in der angezogenen walachischen Erzählung in voller Deutlichkeit her- 
vortritt. Dort bewohnt nämlich das zu bekämpfende Ungeheuer eine 
Höhle, welche unter der Erde hundert und aber hundert Winkel und 
Gänge hat, die kreuz und quer laufen, so dass der Ausgang nicht zu 
finden ist. Daher gibt der alte Vater dem ausziehenden Sohne den 
Rath mit: 'Nimm unsere schwarze Stute, die mit einem Füllen auf der 
Weide geht, und führe sie beide mit dir vor die Höhle. Dort schlachte 
und begrabe das Füllen, die Mutter aber nimm in die Höhle mit, sie 
wird euch, wenn ihr den Kampf glücklich bestanden habt, wohlbehalten 
wieder ans Tageslicht bringen.' Und so geschieht es, denn die Stute 
beginnt nach ihrem Füllen zu wiehern und zu suchen und ist bald auf 
dem rechten Wege zum Ausgang der Höhle. Vgl. Schott's Bemer- 
kungen hierzu S. 312. 

Interessant ist die Erhaltung des alten Zugs von dem Schiff mit 
den schwarzen Segeln (Plut. Thes. 17); wogegen von der nachmals 
zwischen Aegeus und Theseus verabredeten Vertauschung derselben 
mit weissen im Fall glücklicher Erlegung des Ungeheuers unser Märchen 



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— 237 — 

nichts weiss*) und sogar den Vater vor dem Auszuge des Sohnes sterben 
lässt. Ja es scheint überhaupt im weiteren Verlauf der Erzählung die 
Eingangs wiederholt erwähnte Seefahrt ganz vergessen, wenigstens ist 
von einer solchen nirgends mehr die Rede, und einiges steht eigentlich 
geradezu in Widerstreit mit der Vorstellung, dass das Meer die beiden 
Länder von einander trenne. — Dagegen tritt andrerseits in dem alten 
kinderlosen König, welcher schliesslich doch noch wie durch ein Wunder 
einen Sohn erhält, der der Befreier seines Landes wird, König Aegeus 
sehr deutlich hervor (vgl. Preller Griech. Mythol. II, S. 287). 

Das gleichzeitige Schwangerwerden und Gebären der Königin und 
der Stute, welche die Schalen des fruchtbar machenden Apfels gefressen 
hat, und die gegenseitige Zuneigung des Knabens und des Fohlens, die 
ihre Geburt der gleichen Ursache verdanken, finden wir auch bei Hahn 
Nr. 6, und ähnliche Züge in dem dritten Märchen bei Buchon S. 275 
und bei Hahn Nr. 22. — Ueber die klugen Pferde als Hauptmerkmal 
der Helden vgl. Grimm D. Mythol. S. 364 f. (der 3. Ausg.). Wie in 
unsrem Märchen das treue Ross des Heldenjünglings mit Sprache be- 
gabt erscheint, so auch bei Hahn Nr. 6, wo es zudem Thränen ver- 
giesst. Sehr häufig kommen redende und weinende Rosse in den Volks- 
gesängen der Neugriechen vor, besonders in den Klephtenliedern. Vgl. 
z. B. Passow's Popul. Carmina Nr. 85. 87. 158. 159. 439, wo überall 
Zwiegespräche zwischen Rossen und ihren Reitern erwähnt werden. 
Ebendas. Nr. 269, V. 59 f. ahnt Chatsis Michaiis durch das Weinen seines 
Rosses seinen nahen Tod. In der griechischen Alexandersage heisst es 
bei Zacher PseudocalliBth. S. 174 (Pseudocall. III, 33) nach der Hs. C 
(vgl. auch Stephan Kapp Mittheilungen aus zwei griech. Handschriften, 
als Beitrag zur Geschichte der Alexandersage im Mittelalter, im Progr. 
des k. k. Real- und Obergymnasiums im IX. Gemeindebezirke in Wien 
für d. Schuljahr 1871/2, S. 73): 'Als Alexander solches gesprochen hatte, 
kam das Pferd Bucephalus herein und benetzte Alexanders Bett mit 
seinen Thränen.' Bekanntlich weinen schon in der llias (XVII, 427. 
437 f.) Achiirs Rosse über den Tod des Patroklos. 

Merkwürdig ist das unterirdische Nonnenkloster, dessen Name 
Gnothi bedeutsam an Knosos anklingt und allem Anschein nach wirk- 
lich daraus entstanden ist. Denn dass das Märchen selbst den Namen 
von tv^öuj, spinnen, herleitet, spricht nicht dagegen, da das Volk es 
liebt, ihm unverständliche Ortsnamen durch Annäherung an ein ihm 
geläufiges Wort sich mundgerecht zu machen und demgemäss auch zu 
erklären ; Beispiele solcher 'Volksetymologie*, wie man die Sache pas- 
send genannt hat, sind 'Ac-cXcpoÜ oder 'AbcAqpoi für AcX<po( (s. oben 
Vorrede S. 29), 'AvOfjva für 'AGfjvcu (mit der Erklärung: bton t* 



*) Dagegen wird bekanntlich in der Tristansage eine ganz ähnliche 
Verabredung getroffen zwischen dem auf den Tod verwundeten Tristan 
und dem Schiffer, der ihm seine Isot bringen soll: ein weisses Segel 
soll aufgezogen werden, wenn sie kommt, ein schwarzes, wenn sie 
nicht kommt (vgl. R. Bechstein in seiner Ausgabe von Gottfriede 
Tristan, 2. Theil, S. 310 u. 321). Offenbar ist auch hier die Theseussage 
Grundlage. 



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- 238 — 

uvGn,) , Xpucö für Kpica ( Ulrichs Reis. u. Forsch, in Grieohenl. I, S. 18 
und 29, an welcher letztern Stelle die Verse angeführt werdon: tö 
Xpucö, tö Xpucum^vo, | tö KüCTpi, tö YfacTpujuivo), 'AcTponaXrjd für 
'AcTurrdAaia (Ross Inselreisen II, S. 57, Anm. 3) u. 8. w. Es kommt 
hinzu, dass von yv^Ouj, d. i. vn.8iu, ein Wort rvujGn. regelrecht gar 
nicht gebildet werden kann , und dass überhaupt nur ein einziges vom 
Stamme ve- abgeleitetes Nomen im Neugriechischen vorkommt, näm- 
lich Yv^ua =■ vfjua. — Ist aber die Vermuthung eines Zusammenhangs 
zwischen Gnothi und Knosos richtig, so hat man in der alten Aebtissin, 
die den Königssohn so liebevoll aufnimmt, ihm einen heimlichen Weg 
zur Behausung des zu bekämpfenden Ungeheuers angibt und durch 
ihren weiteren guten Rath, dem sie zuletzt noch ihren Segen hinzu- 
fügt, den glücklichen AusgaDg des gefährlichen Unternehmens herbei- 
führt, doch wohl keine andere als Ariadne zu erkennen, so seltsam 
auch deren Umwandlung in eine Nonne auf den ersten Blick erscheinen 
mag: dieselbe erklärt sich aber um so leichter bei Annahme einer 
Vermischung des Abenteuers gegen Minotauros mit demjenigen gegen 
den marathonischen Stier, welcher übrigens bekanntlich schon im Alter- 
thum zu den kretischen Sagen in Beziehung gesetzt erscheint (vgl. 
Preller Gr. Mythol. II, S. 120 f. 123. 200. 292). Denn auf dem Zuge 
gegen diesen letzteren kehrt der junge Theseus bei der alten guten 
Hekale ein, die ihn auf das liebevollste aufnimmt und für seine glück- 
liche Rückkehr dem Zeus Soter ein Opfer gelobt (Plut. Thes 14. Vgl. 
O. Schneider Callimachea II, S. 171 ff.). — Zugleich erinnert nun aber 
die nähere Beschreibung des Höhlenklosters mit dem in seiner Mitte 
brennenden Lichte, das die Nonnen abwechselnd hüten müssen, und 
auf dessen Vernachlässigung der Tod steht, auch wiederum an das 
delphische Heiligthum mit dem ewigen, von einer Wittwe unterhal- 
tenen Feuer auf dem Opferherde (s. die Stellen bei Bursian Geographie 
von Griechenl. I, S. 17G, Anm. 1), und an den römischen Vestadienst, 
wo das Erlöschenlassen des Tag und Nacht von den Vestalinnen ge- 
hüteten Feuers an der Schuldigen durch blutige Streiche geahndet 
wurde fg. die Stellen bei Preller Röra. Mythol. S. 640, Anm. 1). Des 
delphischen Heiligthums geschieht bekanntlich in der alten Theseus- 
sage wiederholt Erwähnung: der kinderlose Aegeus befragt das dortige 
Orakel wegen Nachkommenschaft, der zum Jüngling herangewachsene 
Theseus begibt sich nach Delphi, um Apollon die Erstlinge seines 
Haupthaars zu weihen, auch sollte ihm vor seiner Abfahrt nach Kreta 
der delphische Gott gerathen haben, Aphrodite zu seiner Führerin 
über das Meer zu machen (Plut Thes. 3. 5. 18). Unter diesen Umstän- 
den verdient in der modernen Erzählung auch das Beachtung, dass 
der die lange ersehnte Geburt eines Sohnes herbeiführende Apfel eben 
aus dem Nonnenkloster gesandt wird. 

Jedenfalls gewährt dieses ganze Stück überhaupt einen sehr beleh- 
renden Einblick in die Art, wie in den neugriechischen Märchen ver- 
schiedene antike Elemente mit einander verschmolzen werden , und 
zeigt, wie eigentümlich zuweilen ihre Ummodeluug und wie bunt ihre 
Mischung ist. Denn auch daran muss zum Schlüsse noch erinnert werden, 



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— 239 — 



dass in der näheren Beschreibung des Ungeheuers und der Art seiner 
Bekämpfung die Sage vom Minotauros verlassen und an ihre Stelle, 
wie es scheint, ein Zug aus der Heraklessage getreten ist: denn die 
Schlange mit den sieben Köpfen, die nach einander, sobald der eine 
abgeschlagen ist, entstehen, so dass das Ungethü'm nur mit einem 
Zauberschwert getödtet werden kann, ist höchst wahrscheinlich unter 
Umwandlung mancher "Einzelheiten aus der vielköpfigen lernaeischen 
Hydra hervorgegangen, welcher an Stelle eines abgehauenen Kopfes 
sofort zwei neue aufschiessen, und die Herakles nur durch Ausbrennen 
der Stellen, wo die Häupter sich erneuern, zu erlegen im Stande ist. 
Die grosse Aehnlichkeit der beiden Helden kann die Vermischung ihrer 
Sagen verursacht haben. In der Zahl der Häupter des Ungeheuers 
weicht unser Märchen von dem alten Mythos ab, übrigens ist sie dort 
keine feste, sondern schwankt zwischen neun, drei, fünfzig, hundert 
und einer unbestimmten Menge (vgl Heyne zu Apollodor. II, 5, 2. Jacobi 
Handw. u. d. A. Herakles. Preller Gr. Mythol. II, S. 192, Aum. 4). In 
dem griechischen Märchen bei Hahn Nr. 70 (II, S. 55) kommt eine zwölf- 
köpfige Schlange vor, deren Köpfe im Kampfe mit einem Jüngling 
gleichfalls erst nach und nach hervorwachsen , denn es heisst daselbst: 
'Da zog der Jüngling sein Schwert und schlug der Schlange das Haupt 
ab; diese aber rief: "hoho, du Schandbube! für dich habe ich auch 
noch andere Köpfe," und diese Schlange hatte wirklich zwölf Köpfe, 
und der Jüngling inusste mit ihr vom Morgen bis zum Abend kämpfen, 
bis er sie endlich alle abgeschlagen hatte.' Vgl. auch die Vorrede zu 
meiner Sammlung S. 6 u. 10. 

Zu dem Zauberschwerte unsres Märchens, mit dem es allein mög- 
lich ist, die Schlange zu erlegen, vgl. L. Gonzenbach Sicil. Märchen 
Nr. 44, wo erst ein Riese, dann ein siebenköpfiger Lindwurm mit 
einem Zauberschwerte getödtet wird. 

Ueber das rings mit Glocken behangene Bett des Ungeheuers vgl. 
oben die Anmerkungen zur Nr. 12, und zu dem Verstopfen der Glockon 
mit Baumwolle den ähnlichen Zug bei Hahn Märchen II, S. 183. 

24. Der Teufel und des Fischers Töchter. 

Im Eingang sehr ähnlich sind das kretische Märchen 'Filek-Zelebi' 
bei Hahn Nr. 73 und das melische f Tf}c Kdxfo tfic 6 dqplvrr)«:' in den 
NcoeXAnv. 'Avd\€KTa I, 1, Nr. 1, welche beide das Vorsetzen der eckel- 
haften Speise , die Befragung und Antwort der Todtengebeine und die 
List der jüngsten von den drei Schwestern mit unsrem Texte gemein 
haben, darauf aber einen wesentlich anderen Verlauf nehmen. Vgl. 
auch noch Hahn Nr. 19, wo fast die nämlichen Züge wiederkehren. 
Näher als die angezogenen griechischen Märchen steht dem unsrigen 
sowohl im Allgemeinen als auch im Einzelnen das sicilianische Märchen 
bei L. Gonzenbach Nr. 23: namentlich findet sich hier ausser den so- 
eben hervorgehobenen Zügen auch das Oeffnen einer verbotenen Thür 
und die Wiedererweckung der Schwestern. Vgl. noch Köhler's An- 
merkungen hierzu. 



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- 240 — 



Dass der Teufel sich in Rauch verwandelt, kommt auch in Nr. 8 
meiner Sagen vor. 

Der verhüllte Greis mit der Sichel in der einen, dem Rosenkranz 
in der andren Hand, welcher in jedem Augenblick ein Kind von sich 
gibt und es wieder verzehrt, ist offenbar eine Pergouitication der Zeit 
und hat auffallende Aehnlichkeit mit dem altgriechiachen Kronos. 

Der starke stolze Löwe auf der einen und die abgemagerte hun- 
gernde Wölfin auf der andren Seite ist wohl ein Bild für den Ueber- 
muth und das daraus dem Menschen erwachsende Elend. In der christ- 
lichen Kunst ist der Löwe mehrfach Symbol des Teufels, worüber vgl. 
Piper Mythologie und Symbolik der christlichen Kunst I, 1, S. 407 f. 

In Betreff der schreckenden Geisterstimmen auf dem Wege zur 
Wohnung des Teufels vgl. oben Nr. 15. 

Dass das Märchen Belzebul wiederholt gerade in der Mittagazeit 
ausgehen lässt, hängt zusammen mit dem neugriechischen Glauben, 
wonach die Dämonen in dieser Stunde auf Erden ihr Wesen treiben. 
Vgl. Volksleben der Neugr. I, S. 94 ff. u. S. 177. 

Ueber die Verwandlung in Stein durch eine Ohrfeige und die 
Wiedererweckung durch Lebenswasser s. zu Nr. 15. 

25. Die Sendung in die Unterwelt. 

Mehr ein lustiger Schwank als ein Märchen. Einige Aehnlichkeit 
damit hat die auf Naxos gangbare Erzählung in den NeocXXnv. 'Avd 
Xcktq II, S. 75 f., Nr. 26. 

Ueber Bestellungen und Sendungen an Verstorbene vgl. Volksleben 
der Neugr. I, S. 241. 



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II. Anmerkungen zu den Sagen. 



1. Gott und die Kiesen. 

Diese Sage beruht auf einer Vermengung der Mythen von den 
Aloaden, den Giganten und den Titanen, welche bereits im späteren 
Alterthum sich vollzogen hatte. Die Absicht, den Himmel zu stürmen 
durch Aufthüriuung des Ossa und Pelion auf den Olymp wird in der 
Odyssee XI, 313 ff. den Aloaden Otos und Ephialtes zugeschrieben. 
Ebenso von Apollodqr. I, 7, 4, der dieselben aber nicht, wie Homer, 
durch Apollon, sondern durch Artemis ihren Untergang finden lässt. 
Dieser Mythos erscheint in etwas veränderter Gestalt auf die erd- 
gcborenen Giganten übertragen bei Ovid. Metamorph. I, 152 ff.: Affec- 
tasse ferunt regnum caeleste gigantas Altaque congestos struxisse ad 
sidera moutes. Tum pater omnipotens misso perfregit Olympum Ful- 
mine et excussit subiecto Pelion Ossae. Obruta mole sua cum corpora 
dira iacerent, Perfusam multo natorum sanguine Terram Inmaduisse 
ferunt, u. s. w., und ganz ähnlich Fast. V, 35 ff. Die Strafe der Riesen 
am Schlüsse der neugriechischen Erzählung ist der Sage von den Titanen 
entnommen, die nach ihrer Besiegung durch Zeus und seine Brüder im 
Tartaros eingekerkert werden. Vgl. noch Volksl. der Neugr. I, S. 33 
und besonders S. 200—202. 

2. Charos' Strafe. 

Eine der unsrigen ganz ähnliche Sage wird auf Kypros erzählt: 
hiernach schreibt sich Charos' Taubheit von einem starken Schlage auf 
seine Wange her, den ihm einst Gott gegeben im Zorne darüber, dass 
jener durch die Bitten und Klagen der Angehörigen eines Sterbenden 
sich hatte rühren lassen und unverrichteter Sache in den Himmel zu- 
rückgekehrt war. S. Loukas <DiAo\oyikcü '€mcK^€ic I, S. 46. Im All- 
gemeinen vgl. Volksleben der Neugr. I , S. 234 f. 

3. Der Vogel Gki6n. 

Das Wort ykuuv oder YKunvnc bezeichnet eine kleine Eulenart und 
ist offenbar identisch mit dem albanesischen «fjovv£ oder tjov, über wel- 
Schmidt, Oriech. Märchen, Sagen n. Volkslieder. IG 



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- 242 - 



»lies h. G. Stier in Kuhn'« Zeitschrift für vergl. Sprachforschung B. XI, 
1862, S. 220. Die letztere Form kommt vor in der albanesischen Er- 
zählung hei Hahn Märchen Nr. 104, welche überhaupt Verwandtschaft 
mit unsrer Sage hat. Es hebst daselbst: 'Der Gjon und die Kjükje 
waren Bruder und Schwester und hatten noch einen Bruder, der gleich- 
falls Gjon hiess. Einst trat dieser zu seiner Schwester, als diese gerade 
mit ihrer Scheere hantierte; sie war aber so in ihre Arbeit vertieft, 
dass sie ihn nicht bemerkte. Da fuhr sie plötzlich mit ihrer Scheere 
aus, und diese traf den Gjon grade ins Herz, so dass er daran sterben 
musste. Ueber seinen Tod betrübten sich aber seine Geschwister so 
sehr, das* der Gjon in den Vogel gleiches Namens, die Kjükje aber in 
den Kukuk verwandelt wurde, und von da an ruft der Gjon des Nachts 
seinen Bruder beim Namen: ff Gjon! Gjon!", der Kukuk aber bei Tage: 
ff Ku? Ku?", das heisst auf deutsch: wo bist du?» — Man wird bei 
diesen Erzählungen an die alte Sage von König Zethos' Gemahlin Ai*- 
don erinnert, welche aus Versehen ihren Sohn Itylos tödtet, und die 
darauf Zeus aus Erbarmen in eine Nachtigall verwandelt, als welche 
sie beständig um den Verlorenen wehklagt (Horn. Odyss. XIX, 518 ff. 
Pherecyd. Fragin. 102 Müll.), und ferner an die Sage von Meleagros' 
Schwestern, die am Grabe ihres Bruder» unaufhörlich weinen, bis Ar- 
temis sie in Perlhühner (ueXconrpibec) verwandelt, in welcher Gestalt 
sie eine bestimmte Zeit des Jahres hindurch um den Verstorbenen 
trauern (Antonin. Lib. 2). 

Mythen von in Vögel verwandelten Menschen dürften überhaupt 
im heutigen Griechenland kaum minder häufig sein als im alten. Ausser 
den schon in der Vorrede S. 3, Anm. 1 und S. 10 berührten Erzäh- 
lungen dieser Art führe ich hier noch an die von Carnarvon Kemini- 
scences of Athens and the Morea (London 1869), S. 111 mitgetheilte 
Sage, die den soeben erwähnten altgriechischen noch näher steht: Here 
(in einem Walde unweit Tegea's) our Greeks were startled by a bird 
which flew across the road, and which they called r kira' (d. i. offenbar 
Kupd, Herrin). That bird they said had once been a woman, who de- 
prived of all her kindred by some great calamity, retired to a solitary 
mountain to bewail her loss, and continued on the sumniit forty days, 
repeating in the sad monotony of grief the lamentation of the couutry, 
r Ah ine! ah ine!' tili at the expiration of that period she was changed 
by pitying Providenee into a bird. Ferner die von Newton in Klein- 
asien allerdings aus dem Munde eines Türken gehörte, ursprünglich 
aber höchst wahrscheinlich ebenfalls griechische Sage in den Travels 
and Discoveries in the Levant II, S. 263: The other day we heard 
a bird uttering a plaintive note, to which another bird responded. 
When Mehemet Chiaoux heard this note, he told us with simple ear- 
nestness, that once upon a time a brother and sister tended their flocks 
together. The sheep strayed, the shepherdess wandered on in search of 
them, tili at last, exhausted by fatigue and sorrow, she and her brother 
were changed into a pair of birds, who go repeating the same sad no- 
tes. The female bird says, 'Quzumlari gheurdunmu ', — f Have you seen 
my sheep?' to which her mate replies: 'Gheurmeduni', — f I have not 



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— 243 - 



seen them.' Endlich erwähne ich noch aus eigner Kunde, dass auf der 
Insel Zakynthos die Meereisvögel (altgriechisch dXKuövec) xd ßaciX6- 
iTouXa genannt werden, eine Bezeichnung, welche auf das Vorhanden- 
sein eines Verwandlungsmythos hinzuweisen oder wenigstens ein Nach- 
hall der an diese Vögel sich knüpfenden hellenischen Sage zu sein 
scheint. 

4. Himmel und Meer. 

Diese eigentümliche kosmogonische Sage wird auch auf Kypros er- 
zählt, und zwar ausführlicher und mit charakteristischen Einzelheiten. 
Auch dort heisst es zunächst, dass der Himmel ursprünglich ganz nahe 
der Erde gewesen, und nicht nur, dass die Rinder an ihm geleckt, son- 
dern auch, dass man Gott habe sehen und berühren können. Da nun 
Gott weiter von der Erde sich zu entfernen wünschte, so schlosa er 
mit dem Meere einen Vertrag ab. Hiernach wollte Gott einen Fuss- 
tritt nach unten dem Meere geben, damit es tiefer würde, und das 
Meer sollte nach oben jenem einen Fusstritt geben, damit er erhöhet 
würde, und so sollten sie abwechselnd fortfahren, bis das Meer die 
nöthige Tiefe und Gott die nöthige Höhe hätte. So geschah es. Der 
Himmel in Vertretung Gottes begann mit dem Fusstritt, wodurch das 
Meer tiefer wurde. Dieses leistete nun das erste Mal bereitwillig den 
verabredeten Gegendienst, und darauf ward der Himmel höher. Da 
er aber noch grösserer Höhe bedurfte, so gab er dem Meere einen 
zweiten Tritt, in der Erwartung, dass dieses ihm ein Gleiches thun 
werde. Allein das Meer unterliess das und wurde vertragsbrüchig, weil 
es eifersüchtig auf Gott war und vor ihm etwas voraus haben wollte. 
Der Himmel machte Gott Meldung hiervon, welcher nun in seinem 
Zorn darüber und um den hochfahrenden Plänen des Meeres ein Ziel 
zu setzen , demselben drei Haare von einem Rossschweif als Zügel an- 
legte. Seit dieser Zeit tobt das Meer in wilder Wuth und droht dem 
die Schuld an seiner Strafe tragenden Himmel durch seine Bewegungen 
und sein Brüllen. Gelingt es ihm einmal sich wieder frei zu machen 
— und schon hat es in seinem Rachedurste zwei von jenen Haaren 
zerrissen und wird nur noch von einem einzigen gehalten — , so wird 
es durch eine grosse Fluth die ganze Erde verschlingen. S. Loukas 
«JnAoXoYVKal '€mcic&|J€ic I, S. 1-3. Man vergleiche hierzu, was Preller 
G riech. Mythol. I, S. 45 nach C. Schirren aus einer Sage der Neusee- 
länder anführt, wonach Himmel und Erde anfangs so dicht auf ein- 
ander lagen, dass die übrigen Götter und Geschöpfe im Dunkel und 
in der Enge ihres Lebens nicht froh werden konnten, daher sie mit 
Gewalt von einander getrennt werden musBten. Die Vorstellung, dass 
Himmel und Erde ehemals näher an einander gewesen, findet sich 
übrigens auch in jener den Hirten des thessalischen Olymp bekannten 
Sage, welche ich Volksl. 1, S. 35 nach Urquhart angeführt habe. 

Die Flecken des Mondes werden in Griechenland auch auf ver- 
schiedne andre Art erklärt, worauf ich im zweiten Theile meines 
Volkslebens zu kommen gedenke. 

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5. Die Neraide. 

S. Volksleben I, S. 112—117. Unter den von Hahn mitgotheilten 
'Elfcnmärchcn' stehen Nr. 83 und Nr. 77 unsrer Sage nahe. 

6. Die Neraiden an der Mühle. 

Verwandt sind die Erzählungen bei Hahn Märchen Nr. 78 und bei 
Politiß MeX^Tn. 1, S. 80, P», in welcher letzteren aber Kalikantsaren an 
Stelle der NeraTden aultreten. 

Die NeraTden erscheinen in dieser Sage als vollkommene Teufelin- 
nen, worüber vgl. Volksleben I, S. 126. Daher unter anderem auch 
ihre allen bösen Geistern eigene Furcht vor dem den Tag verkünden- 
den Hahnschrei. Vgl. Volksl. I, S. 94. 116. 127., wozu nachzutragen, 
dass schon Prudentius diesen Glauben erwähnt Cathemer. 1, 37 ff.: 
Ferunt vagantes daemouas Laetos tenebris noctium Gallo canente ex- 
territo8 Sparsim timere et cedere, eine Stelle, auf die Politis a. a. 0. 
S. 77 aufmerksam gemacht hat, welcher ausserdem auch Lucian. Philo- 
pseud. 14 a. E. wohl mit Recht heranzieht, wo es von der durch 
Zauberkünste zum liebentbrannten Glaukias gezogenen Chrysis heiest: 
'cuvf^v &%pi 01 ^1 dXeKxpuövujv n.Koücau€v dbövxwv. xöxe bn, rj T€ ZeXnvri 
dv^irxaxo ic töv oupavöv Kai f\ 'GKdxrj £bu Kaxd xfjc yr\c Kai xd dXXa 
(pdcuaxa riqpavicOrj' u. s. w. Was nun die in unsrer Sage geraachte 
Unterscheidung dreier Hähne, eines grünen, eines scheckigen und eines 
schwarzen, und die daran 6ich knüpfende Vorstellung betrifft, dass 
erst das Krähen des dritten, schwarzen Hahns die NeraTMen vertreibt, 
so gibt es auch dafür zahlreiche Parallelen. Zunächst verweise ich 
auf das im Volksl. I, S. 150 über die grosse Furcht der Kalikantaaren 
vor dem schwarzen Hahn Bemerkte, und .führe weiter nach münd- 
lieber Mittheilung des Lesbiers Maliakas an, dass nach den dortigen 
Volksüberlieferungen der zuerst und zwar schon um Mitternacht krä- 
hende rothe Hahn und der später krähende grüne die NeraTden nicht 
in Angst versetzen, wohl aber der kurz vor Sonnenaufgang krähende 
schwarze Hahn, bei dessen Schrei sie einander zurufen: qpeuYexe vd 
q>eüYUJU.€, und eilig fliehen (vgl. dazu den Ruf der Kalikantsaren beim 
Erscheinen des Priesters mit dem Sprengwedel Volksl. I, 151). Ganz 
Aehnlichea bieten sodann die NeraTdensagen bei Hahn Nr. 83 (wo zu- 
erst ein weisser, dann ein rother, endlich der schwarze Hahn kräht, 
worauf die NeraTden wegfliegen), und Nr. 78 (wo dieselben, so oft der 
schwarze Hahn kräht, von dem verfolgten Mädchen zurückweichen, und 
so oft der weisse kräht, wieder herankommen), und das Märchen Nr. 30 
derselben Sammlung (I, S. 210, wo die versammelten Teufel beim 
Krähen des weissen Hahns sich zum Abzug rüsten und beim Krähen 
des schwarzen, während es anfängt zu tagen, auseinandergehen). End- 
lich vgl. den Aufsatz R. Köhler's f Der weisse, der rothe und der schwarze 
Hahn» in Pfeiffers Germania XI, 1866, S. 85 — 92, wo ausser den so- 
eben augeführten Stellen der Hahu'schen Sammlung noch eine Reihe 
weiterer Parallelen aus einer mecklenburgischen und zwei österreichi- 



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sehen Volkswagen, aus dänisehen Volksliedern und Märchen, sowie aus 
alten schottischen Balladen nachgewiesen sind. Auch ist daselbst auf 
die von J. Grimm Deutsche Mythol. S. 262 3 angeführte Stelle aus dorn 
Reinardus aufmerksam gemacht, wo es von der Herodias heisst: quer- 
eubus et corylis a noctis parte secunda Usque nigri ad galli carmina 
prima sedet. 

Wie in unsrer Sage die Neraiden Steine, Holzscheite u. s. w. auf 
das Dach der Mühle werfen, so kommen sie bei Hahn Nr. 79 Mittags 
an das Haus eines Mannes und werfen es mit Steinen. Und ein ara- 
chobitischer Hirt erzählte Herrn Kremos, er habe einst in einer stür- 
mischen, aber mondhellen Nacht, da er bei seinen Herden Wache ge- 
halten, die Neraiden auf dem Gipfel der Kirphis tanzen und singen 
hören. In seinem Unverstand rief er dieselben mit lauter Stimme zu 
sich heran und stellte an sie eine beschimpfend e'Zumuthung — er rief 
ihnen nämlich zu: KcrrrißäTe k6tou vä cäc Yaun cou (d. *• Y<*Mn cu 0 — i 
da sammelten sie sich im Nu zornerfüllt um ihn und stiessen furcht- 
bare Drohungen gegen ihn aus, allein an ihn heran konnten sie nicht 
kommen, da er an einem grossen Feuer sass und bewaffnet war, und 
seine Hunde, unter denen zumal ein geistersichtiger war (rccccpoudTiico 
ckuXi, wovon im 2. Theile meines Volkslebens die Rede sein soll), sich 
ihnen entgegenwarfen. So zogen sie sich etwas höher den Berg hinan 
und warfen von dort einen Hagel von Steinen herab. Am Morgen 
fand der Hirt unterhalb der Stelle, wo er die Nacht zugebracht hatte, 
einen grossen Haufen von allerhand Steinen und Scherben vor. — Zum 
Schlüsse will ich hier, um die Lebhaftigkeit des Glaubens an die Nerai- 
den an einem weiteren Beispiel zu zeigen, noch anführen, was ich 
in dem betreffenden Capitel über diese Wesen im Volksl. der Neugr. 
unerwähnt gelassen habe, das« mir ganz nahe bei dem Dorfe Mariais 
auf Zakynthos ein Ort gezeigt ward, an dem sich früher eine Oelpressc 
befand, welcher aber damals vollständig verlassen und gemieden war. 
Einige Schelme nämlich hatten einst ausgesprengt, um ungestörter 
stehlen zu können, dass sich hier des Nachts Neraiden zu versammeln 
pflegten. Sie hatten sogar die Fussspuren derselben nachgeahmt, um 
die Dorfbewohner desto mehr von der Wahrheit ihrer Aussage zu 
überzeugen. 

7. Der Wampyr. 
S. Volksleben der Neugr. I, S. 157-171. 

8. Der Teufel in der Flasche. 

Dieselbe Ueberlistung eines bösen Geistes in dem Märchen bei 
Grimm Nr. 99. Vgl. die Anmerkungen hierzu (III, S. 179 — 181), ferner 
J. Grimm Deutsche Mythol. S. 950, Anm. **, Benfey Pantsch atantra I, 
S. 116 f., Zingerle in Pfeiffer's Germania V, 18H0, S. 369, Anm. 1. Lieb- 
recht i. d. Gött. gel. Anz. 1861, I, S. 430 f. 



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9. Die Kache der Laninissa. 

Ueber den Zug, data die Laninissa den lJackofcn mit ihren Brüsten 
reinigt, s. Volksl. d. Neugr. I, S. 134. 

10. Die Arachobiten und die Lamnia. 

Im Alterthum haftete in derselben Gegend die ähnliche Sage von 
der Lamia oder Sybaris, welche Antoninus Liberalis 8 uaeh Nikandros' 
€xepoioüpeva mit den folgenden Worten erzählt: TTapd xd c<pupä toö 
TTupvacoö irpoc vötov öpoc £cxlv ö KaXeiTai Kipcpic rcapd xrjv Kpicav, Kai 
ev aüxa) ecxiv in vöv cnnXuiov ÖTrepue* f eöec , £v uj 8r)piov ilwei jutya 
Kai imtp<puec, Kai auxö Aauiav, oi bi COßapiv ajvö|aaZov. xoöxo Ka9* 
tipepuv eKdcxnv xö Oflpiov enKpoixujv dvnpnaZev in xujv dypüJv xä 0pe>- 
uuxa Kai xouc dv0pumouc. f\br\ bi xujv AeXqnuv ßouXeuou^vwv ön£p 
uvacxdceiuc Kai xP'l^TrjpiaZoin^vujv €tc rjvxiva irap^covxai x^pav, ö öeöc 
örcöXuav icrmave xfjc cu|i<popdc, ei u^vovxec e0^Xoiev £K0eivai Trapä 
Tii) CTirjXaia» eva Koöpov xujv itoXixüJV. KdKCivoi Ka0dTrep ö 0eöc einev 
diroiouv. KXripoup^vajv b' IXaxev 'AXkuovcuc ö Aiö/iou Kai Mexaveiprjc 
uaic, novorevric üjv xip iraxpl Kai KaXöc Kai Kaxd xnv ötjnv Kai xö rf\c 
i|»uxrjc n0oc. Kai ol u.ev iepelc xöv AXkuovco cxe^avxec anriTatov eic 
xö xr|c Cußöpiboc cnrjXaiov, €öpußaxoc bi Kaxd baiuova e*K xr)c Koupn- 
xiöoc dmdiv ö €ü(pnuou iraic, y^voc uev 'AEiou xoö noxa|bioö, veoc b' 
üjv Kai Y €Vvai0C > ^vexuxev dYou^vw xüj iratbi, nXrjYeic £pujxi Kai iruöö- 
uevoc Kaö* n,vxiva irpö<pactv e"pxovxai, beivöv dnoiricaxo u.rj ouk duövai 
npöc büvautv , dXXd irepubeiv otKxpujc dvaipeS^vxa xöv naiba. irepicird- 
cac ouv dTrö xoö 'AXkuov^ujc xd cxe>naxa Kai aöxöc enl xnv Keq>aXt'iv 
em0€|a€voc e^Xeuev dnaYeiv eauxöv dvxl xoö Tiaiööc. £nel bi aöxöv 
oi iepelc dnf|YaYov, elcbpanibv Kai xfjv Cößapiv tK xhc Koixr|C cuvapnd- 
cac irapnveTKCv eic ducpavex Kai Kaxd xüjv nexpujv e'ppnj/ev r\ bi Kaxa- 
cpepo|i£vr| KpoceKpouce xrjv KeqpaXrjv irapa xä C(pupd xfjc Kpicrjc. Kai 
aÜTi'i jiev £k xoö xpaupaxoc dtpavqc £"f£vexo, ^ K °£ Tr ) c "T^xpac dKeivrjc 
äv€(pävr| irriTH, Kai auxiiv ol imxujpioi KaXoöci Cößapiv. — Also auch 
in der alten Sage tritt, wie in der uusrigen, ein hochherziger Jüng- 
ling aus Mitleid für den Unglücklichen ein, auf welchen daa Los ge- 
fallen ist, und tödtet das Ungeheuer. Die Höhle, in welcher die Sy- 
baris hauste, ist die in einer tiefen, jenseits des Pleistos von der Kirphis 
herabkommenden Schlucht versteckte grosse Höhle, die jetzt Krypsana 
heisst, und die (Quelle Sybaris die gegenüber befindliche Winterquelle 
Zälesca (Ulrichs Reisen und Forschungen in üriechenl. I, S. 26 f. und 
S. 31, Aum. 44). Die Doubri ist zwar an einer andren Stelle, aber 
doch in demselben Thale, und es dürfte demnach um so weniger einem 
Zweifel unterliegen, dass die heutige Sage wirklich aus jener helleni- 
schen, mit welcher aio in den Cirundzügen völlig übereinstimmt, her- 
vorgegangen ist. 

Im Eingang unsrer Sage ähnlich ist die von Politis MeXetr) I, S. 135 
mitgetheilte, welche sich an eine Kapelle des heiligen Georg beim 
Dorfe fidvvixca unweit Kakunata's in Messenien anknüpft. Die dor- 



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tigen Bauern erzählen, dass vor Zeiten bei der alljährlich am 23. April 
daselbst abgehaltenen Panegyris jedesmal ein croixeiö aus einem nahen 
Loch hervorkam und einen von den zur Festfeier Versammelten auf- 
frass. Da sie nach vierjähriger Erfahrung einsahen, dass dem Uebel 
nicht abzuhelfen , beschlossen sie das Fest gar nicht mehr zu begehen. 
Allein eine Woche vor demselben erschien der Heilige allen gleich- 
zeitig im Traume und versicherte ihnen, dass sie fortan nichts mehr 
bei der Festfeier zu leiden haben würden, da er das cxoixciö in seiner 
Behausung eingeschlossen habe. Und in der That fanden sie, als sie 
sich hinbegeben , die Oeffnung verrammelt mit einem gewaltigen Steine, 
auf welchem ein Hufeisen (ireTaXov) eingedrückt war. Das Ross des 
heüigen Georg nämlich hatte mit dem einen Fusse den Stein auf die 
Oeffnung gestampft. Seitdem führt der Heilige den Zunamen tt€tci- 
Xw-rnc, und noch jetzt zeigt man auf einer Steinplatte die Spuren des 
Hufeisens. 

Im Uebrigen darf man zu unsrer Sage das Märchen bei Buchon 
Nr. 3, S. 277 f. vergleichen, welches erzählt, wie alle Jahre ein Mäd- 
chen einem Ungeheuer dargebracht wird, das die Quello bewacht 
und die Bewohner des Ortes ohne diesen Tribut nicht schöpfen lässt, 
bis das Los die Königstochter trifft, welche der Held des Märchens er- 
löst durch Tödtung des Ungeheuers , worauf die Hochzeit beider erfolgt, 
und die sehr ähnlichen Züge bei Hahn Nr. 70 (II, S. 55) und in dem 
albanesischen Märchen ebeudas. Nr. 98. Vgl. endlich noch das offenbar 
auf einer Ortssage beruhende Lied vom heiligen Georg bei Jeanuaraki 
Kretas Volkslieder Nr. 1 (deutsch bei Elpis Melcna Kreta-Biene S. 9 ff.). 

11. Der Drache von Kouinaria. 

Ueber die hier begegnende Vorstellung, dass die Drachen auch 
aus der Ferne Menschen in ihren Rachen zu ziehen vermögen, vgl. 
Volksl. I, S. 191. 

12. Die Räthselwette. 

Leider erinnerte sich mein Berichterstatter dieser aus der Sphinx- 
sago hervorgegangenen Erzählung, welche auch den Schauplatz, wo 
jene spielte, noch kennt, nicht mehr vollständig. 

Was das erste der drei Räthsel und seine Lösung betrifft, so mag 
hier die antike Vorstellung zu Grunde liegen, wonach die Flüsse, 
Quellen und Bäche Kinder des Okeanos sind (vgl. Preller Gr. Mythol. I, 
S. 425 f.). 

Das dritte Räthsel ist dasselbe, welches nach der alten Sago die 
Sphinx aufgab und Oedipiw löste (Apollod. III, 5, 8. Jacobs Animad- 
vers. in Anthol. graec. III, 2, S. 350 f.). 

Auch auf Zakynthos ist ein mit demselben Mythos zusammenhän- 
gendes Märchen bekannt, welches mir leider in so roher Gestalt und 
so verwirrter Ordnung mitgetheilt wurde , dass ich auf seine Aufnahme 
in meine Sammlung verzichten musste. Auch hier löst ein junger 



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Mann drei Käthsel . tlic ein gefährliches Ungeheuer aufgibt. Das erste 
derselben lautet: 

T"Mvt€ K€<paAcuc, T^cc€pcuc dvanvoaic. 
TTöoia xtp\a cfcoct 
Kai vüx»a ^kotö, 

uud die Lösung ist: derTodte, der von vier Lebenden getragen wird. 
Das zweite Käthsel ist: 

"Aijmjxo, vuxri biv Ix* 

Kai Mjuxn. ßacTdci Kai Tpex€i, 
mit der Lösung: das Schiff (dieses Räthsel findet sich auch sonst in 
Griechenland, sowie bei den Tosken Albaniens: s. Loukas <J>iXo\oy. 
'€mcK^petc I, S. 153. Hahn Alban. Stud. II, S. 158». Das dritte Räthsel 
endlich ist dasselbe, wie dasjenige der arachobitischen Erzählung und 
der alten Sphinxsage, und lautet in dem zakynthischen Märchen: 

TToiö elv" £>cetö noö dnö toi lä 
Cxrjv dpxn tou T^cccpa xd nööia, 
€ic xr| ukn. tou t6 buo, 
Kai ctö tAoc tou Td xpia; 

Das nämliche Käthsel ist übrigens nach Maliakas' Mittheüung auch 
auf Lesbos bekannt, und zwar hier in folgender Fassung: 

TToiö clvcti t6 Zuj, ttoü tö iropvö 
TToupiraTd n£ T^ccapa noodpia, 
Tou uicudp' (d. i. tö |ftCCf}|Üpt) u£ bvö 
Krj tö ßpdb' ui Tpta; 

Anklänge an die Sphinxsage enthielt auch ein zweites Märchen, das 
ich auf Zakynthos aus Frauenmunde hörte, aber aufzuzeichnen keine 
Gelegenheit hatte. Ferner ist zu vergleichen das von der Insel Naxos 
stammende Märchen in den NeoeXXnv. 'AvdX. II, Nr. 16: hier gelangt 
(S. 28 f.) der Held der Erzählung an einen Thurm , welchen ein Drache 
bewohnt, der zwölf Räthsel aufgibt, und wer vorüberkommt und die- 
selben nicht zu lösen vermag, den frisst er; jener löst sie säinmtlich, 
worauf der Drache sofort aus dem Fenster fällt und berstet. 

Es sei hier zugleich mit erwähnt, dass bei den arachobitischen 
Bauern auch der Name der Sphinx sich noch erhalten hat in folgen- 
den sprüchwörtlichen , die Vorstellungen von der Natur dieses Wesens 
deutlich kennzeichnenden Redensarten: 1) Tp^x€i cdv Tr| Cqrirra, von 
einem flinken schnellfüssigen Menschen, 2) öpud€i dirdvou cdv Trj CqnTYa, 
von einem jähzornigen und rachsüchtigen, 3) aOTn, Tf| CqriYYa 8d yc- 
Xdcrjc; von einem klugen und scharfblickenden, der sich nicht täuschen 
lässt. Schliesslich bemerke ich noch, dass überhaupt mancherlei Mär- 
chen mit Zügen der üedipussage in Griechenland in Umlauf sind. Auf 
Zakynthos wurden mir mehrere, in denen unwissentlicher oder wissent- 
licher Vatermord und unwissentliche Verheirathung mit der Mutter 
oder Schwester vorkamen, — freilich nicht in verwendbarer Form — 
mitgetheilt. Vgl. ferner das in der Vorrede S. 10 o. u. unk Bemerkte. 
Endlich gehört hierher das kyprische Märchen bei Sakellarios Nr. 3, 



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— 249 — 



wo erzählt wird, wie ein Schiftskapitän ein Mädchen heirathet, aber 
unmittelbar nach der Hochzeit wieder verlässt, weil ein Gespenst (9dv- 
xacuct) ihm erscheint und weissagt, seine Frau werde mit ihrem Vater 
ein Kind zeugen und später ihren eigenen Sohn zum Manne nehmen. 
Das Mädchen, das sich Kunde von diesem Schicksalsspruche zu ver- 
schaffen weiss, sucht sein Eintreffen zu verhindern dadurch, dass sie 
ihren Vater ermorden lässt. Aber aus dessen Grabe wächst ein Apfel- 
baum hervor, von dessen Früchten die Tochter unbewusst einige kauft 
und isst, worauf sie schwanger wird. Als sie hinterher erfahren, dass 
auf dem Grabe ihres Vaters ein Apfelbaum stehe, erklärt sie sich den 
Grund ihrer Schwangerschaft und beschliesst, sobald sie entbunden, 
das Kind zu tödten. Wie dieses also geboren ist, versetzt sio ihm 
mehrere Messerstiche in die Brust, legt es in ein Kistchen und wirft 
dasselbe ins Meer. Der Kapitän eines vorübersegelnden Kauffahrtei- 
schiffes bemerkt das auf den Wellen treibende Kistchen, lässt es auf- 
fischen und nimmt das darin vorgefundene noch lebende Knäblein an 
Kindes Statt an. Nach vielen Jahren stirbt der Kapitän, sein mittler 
Weile herangewachsener Adoptivsohn setzt dessen Geschäft fort, kommt 
auf einer seiner vielen Reisen in den Wohnort seiner Mutter, heirathet 
dieselbe und zeugt mehrere Kinder mit ihr. Die Enthüllung der blut- 
schänderischen Ehe wird dadurch herbeigeführt, dass die Frau eines 
Tags die Narben der Messerstiche auf der Brust ihreB Mannes bemerkt ; 
worauf sie sich durch einen Sprung vom Dache den Tod gibt. 

Bekanntlich liegt die Oedipussage auch der Legende von Grego- 
rius auf dem Stein, sowie derjenigen vom heiligen Albanus und anderen 
Legenden des Mittelalters zu Grunde (vgl. Friedr. Lippold Ueber die 
Quelle des Gregorius Hartmanns v. Aue, Leipzig 1869. W. Creizenach 
in U. Paul's und W. Braune's Beiträgen zur Geschichte der deutschen 
Sprache und Literatur, B 11, 1876, S.' 1^9-203), und da dieselben, wie 
ihr Inhalt zeigt, sich nicht selbständig unmittelbar aus der hellenischen 
Sage entwickelt haben können, so mag Paul Recht haben, wenn er 
in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Gregorius von Hartmann 
(Halle 1873), S. XVII als Mittelglied eine griechische Legende voraus- 
setzt, von der freilich meines Wissens nicht die geringste Spur sich 
nachweisen lässt. Dass nun aber die in den Kreis der Oedipussage 
gehörigen neugriechischen Märchen aus dieser vorausgesetzten griechi- 
schen Legende sich gebildet haben sollten, was ja an sich wohl denk- 
bar wäre — gleichwio das sicilianische Märchen bei L. Gonzenbach 
Nr. 85 ohne Zweifel erst aus der Legende von Gregorius auf dem Stein 
entstanden ist — , hat deswegen keine Wahrscheinlichkeit, weil die- 
selben, so weit sie bis jetzt bekannt sind, durchaus nichts von der in 
der Gregoriuslegende und den verwandten erzählten Busse und Erlö- 
sung enthalten und überhaupt keine Spur von Christianisirung zeigen, 
und weil einige von ihnen das Abenteuer des Helden mit der Sphinx 
bewahrt haben, wofür es in jenen mittelalterlichen Legenden an einer 
wirklichen Analogie fehlt. Das oben in den Hauptzügen mitgetheilte 
kyprische Märchen berührt sich insofern etwas näher mit der Legende 
vom heiligen Albanus, als in beiden derjenige, der die Mutter heirathet, 



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- 250 - 



Sohn von Vater und Tochter ii>t. Coniparctti's Erläuterung dieses Mär- 
chens in A. D'Aneoua's Ausgabe von f La Leggenda di Vergogna e la 
Leggeiidu di Giuda', Bologna 1869 (vgl. R. Köhler i. d. Gött. g. Anz. 
1871, S. 1407) ist mir nicht bekannt, ebensowenig des nämlichen Ge- 
lehrten Schrift 'Edipo e la mitologia coinparata', Pisa 1867. 

13. Der Einsiedler auf tiein Berge Liakoura. 

Ueber den hier erwähnten Streit der Ortsgeister des Parnasos vgl. 
Volksleben der Neugr. 1 , S. 18ü f. 

14. Alexander von Makedonien. 

Kremos hörte als Kind aus dem Munde eines alten parnasisehen 
Hirten eine ausführliche und sehr gut vorgetragene Erzählung der 
Thaten und Schicksale Alexanders des Grossen, erinnerte sich aber 
genau nur noch des oben mitgetheilten Bruchstucks, welches ich dieser 
Sammlung nicht vorenthalten wollte, weil es vielleicht manchem von 
Interesse ist zu erfahren, dass und wie ungefähr die litterarisch so 
weit verbreitete Alexandersage mündlich unter dem griechischen Volke 
fortlebt. Uebrigens stimme ich durchaus der Bemerkung Zacher's 
Pseudocallisth. S. 3 bei, dass dio Alexandorsage schon im Entstehen 
und in der ersten Entwicklung durch Absicht und Gelehrsamkeit mehr- 
fach beeinflusst und bedingt worden und demnach keine reine Volks- 
sage ist; mau kann E. Robde Der griechische lloman und seine Vor- 
läufer (Leipzig 1876), S. 184 bereitwillig zugeben, 'dass der wesent- 
liche Inhalt dieses seltsamen Romans nicht der Willkür eines Einzelnen 
entsprungen ist», ohne doch darum in ihm eine 'ächte Volksdichtung' 
zu erkennen. Die mündliche Ueberlieferung der Sago unter den heu- 
tigen Griechen nun geht wohl nicht unmittelbar auf das Werk des 
l'seudocallistheues zurück, sondern vielmehr auf eine vulgärgricchische 
Bearbeitung desselben, wie deren mehrere in P rosa und in Versen be- 
kannt und zum Theil im Druck erschienen sind (s. Zacher a. a. Ü. S. 31. 
Vgl. auch Kapp i. d. oben S. 237 angef. Pr. S. 44, und Bartholdy Bruch- 
stücke zur nähern Kenntniss des heutigen Griechenlands, S. 430). Unser 
Text, im Allgemeinen begreiflicher Weise viel einfacher und summa- 
rischer als die Erzählung des Pseudocallisthenes, stimmt doch in man- 
chen Einzelheiten ziemlich genau — abgesehen von der chronologischen 
Folge der Begebenheiten — mit derselben überein, aber nicht durch- 
gängig mit der nämlichen Rccension , sondern bald mit dieser bald mit 
jener, so dass man annehmen muss, dass die vulgärgriechische Bear- 
beitung, auf welcher die Erzählung des Hirten nach meiner Meinung 
beruht, eklektisch verfahren ist, oder dass in der mündlichen Verbrei- 
tung der Sage eine Vermischung der verschiedenen Vorlagen stattge- 
funden hat. Wenn es z. B. in unsrem Texte heisst, dass Alexander 
auf seinem Zuge Menschen fand, welche Flügel und nur einen Fuss 
hatten, so geht das offenbar auf die durch die Hs. C repräsentirte 
Redaction zurück, in welcher erzählt wird, dass Alexander in einer 



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251 



wüsten Gegend (allerdings mich der Rückkehr aus der Finsternis«) 
kleine Menschen mit einem Beine und Schafschwänzeu traf (s. Zacher 
S. 142). Dagegen in der Erwähnung der Menschen mit Hundsköpfen 
stimmt uusre Erzählung vielmehr mit den IIss. ALB überein, welche 
III, '28 KUVoKecpdAouc bieten, während C äK€<pö\ouc und in Uebereiu- 
stimmung damit V horaines absque capitibus gibt (vgl. Zacher S. 168). 
Manches, wofür es im Pseudocallisthenes an einer Analogie fehlt, wird 
sich in der mündlichen Tradition ausgebildet haben. So gleich der 
Anfang, welchem eher eine dunkle Erinneruug an den Zug des Xerxes 
gegen Griechenland zu Grunde liegen mag, als die Erzählung des 
rseudocallisthenes. Auch kommt meines Wissens in keiner Rcdaction 
des letzteren der Zug vor, dass Alexander von seiner Mutter verflucht 
wird, weil er sie verlassen hat und nicht wieder in sein Vaterland 
zurückkehren will. 

In der Erzählung des Hirten war, wie raein Berichterstatter noch 
hinzufügte, auch vom Hinabsteigen Alexanders auf den Meeresgrund 
(vgL Zacher S. 140) und von seiner wunderbaren Geburt (vgl. Zacher 
S. 115: 'Erdbeben und Blitze begleiten Alexanders Geburt') die Rede; 
dass dagegen Alexander nicht Sohn Philipps, sondern des Xeetanebo 
gewesen, davon wusste der Hirt, so weit Kremos sich erinnerte, nichts. 

Kremos versicherte mir, dass überhaupt sehr viele Erzählungen 
von Alexander im Volksmundc umlaufen. Dasselbe bezeugt Politis 
MeX^irj 1, S. 62. Dass die Alexandersage hie und da selbst den leben- 
digen Volksaberglaubeu beeiuflusst hat, zeigt die auf der Insel Kepha- 
lonia bestehende Vorstellung, wonach die Gebieterin der Neraiden die 
'Schwester des Königs Alexander' ist (Volksl. I, S. 107. Vgl. auch S. 125). 
Endlich mag hier noch erwähnt werden, dass zu Touruefort's Zeiten an 
eine Inschrift am Eingange der «bekannten Stalaktitengrotte von Anti- 
paros (C. I. Gr. II, Nr. 2399) die Bewohner dieses Eilandes die selt- 
same Ueberlieferung knüpften, dass diese Inschrift die Namen der Ver- 
schworenen gegen das Leben Alexanders des Grossen enthalte, welche 
nach dem Misslingen ihres Anschlags hierher sich geflüchtet hätten 
(Tournefort Relation d'un voyage du Levant I, S. 224 der zu Lyon i. .1. 
1717 erschienenen Ausgabe); eine Ueberlieferung, zu deren Entstehung 
jedenfalls der Umstand geführt hat, dass unter den in der Inschrift 
aufgezählten Eigennamen auch ein Antipater sich befindet. Denn be- 
reit« im sechsten Jahre nach Alexanders Todo war die Sage aufge- 
kommen, dass der grosse König auf Anstiften seines Feldherrn Anti- 
pater von dessen Sohne vergütet worden sei (Plut. Alex. 77. Arrian. 
Vll, 27. Diodur. XVI 1, 118. Vgl. Droyscn Geschiehte des Hellenismus 
I, S. 705 f.), und dieser in der Folge mehr und mehr verbreiteten Mei- 
nung ist rseudocallisthenes (III, Hl Müll.) gefolgt. 



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III. Anmerkungen zu den Volksliedern. 



Diese Verse sind zu betrachten als eine Einleitung der Todten- 
klage. 

V. 1. tö cüycvo für tö cüyy*vo, d. i. oi cuYYtveic bAoi. 

V. 2. cuvTpoq)€u£vo für cuvTpoq>6UU^vo. 

2. 

V. 1. "Oyioc für oioc, worüber vgl. Korais "ATQKxa V, 1, S. 259. 
V. 3. irviuuö und irvtuu^vouc für itviyuöv und nviYu^vouc. 

3. 

Sjieciell für verstorbene Jünglinge, Jungfrauen oder Kinder. 

V. 1. fi\c ganz allgemein auf Zakynthos und Kephalonia für *ff\ 
(auch im Accus. Tri ff\c neben rn. ff\). Auch dvTpoTrnc oder vTpoirrjc 
hört man auf der ersteren Insel neben ^Tpoirrj. Uebrigens findet sich 
dieser Gebrauch auch anderwärts, z. d. in Epirus (vgl. Chasiotis S. 169 
oben), auf Kreta (vgl. Jeannaraki Kretas Volkslieder S. 328). — vä 
KHuapiüVTj: über Ableitung (icauöpa) und Bedeutung (äßpüvouai) dieses 
Verbs s. Korais "ATCtKTa II, 371. 

V. 2. xXovid: k\ov( (auch 38, 6 und 46, 2), d. i. Korn, finde ich 
weder bei Du Cangc noch sonst wo angeführt. 

V. 4. dixoüc Kai cxaupaiToüc: äiTÖc (d. i. äexöc) und cTaupa'iTÖc 
(eine besondre Adlerart, auch bei l'assow Pop. Carm. 8, 3 und 70, 32) 
werden in den Volksliedern öfters von kräftigen und muthigen Jüng- 
lingen gebraucht. Ebenso 23, 4 und 26, 5 meiner Sammlung. 

4. 

V. 2. cKoußA£ouu€ , d. i. CKOußaMZuiucv (vgl. altgriech. CKußaAov). 
— (pipncevia: qnpTic^vioc von (purrici oder (pcptici, was Elfenbein be- 
deuten soll (Ableitung?). 

V. 5. toö uavdbujv, d. i. toöv u., tüjv u. 

5. 

Auf verstorbene Familienväter. 

V. 1. SeöiaAeuuivot für Ee6iaA€Yudvoi. 



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- 253 - 

V. 2. äirofcrynuivTcu, d. i. äiroZriTOövTai (von äiroZnjäuj, duo£n,Tuj), 
wie man auch z. B. TijmoOvTai neben TiuoüvTat und dergleichen sagt. 
V. 6. u£c' tö cnvn für |n^c* cto (^ica €tc tö) cit(ti. 

6. 

Ganz ahnlich ißt das lakonische Myrologi bei Razelou S. 14: Crtf|v 
TTöAi ttöv€ k' IpxovTai, ctu. Bevend, TuplCouv, "Ocoi ct6v übnv kötci- 
ßoöv, öiriciu btv TupiZouv. Vgl. Volksleben 1, S. 235 und 242 f. 

7. 

Anrede an ein todtes Kind, das die Dichterin einem schön gestick- 
ten Blumenkorbe vergleicht. 

V. 2 beruht auf der antiken Vorstellung einer Ueberfahrt in den 
Hades. Vgl. unten L. 10 und Volksl. der Neugr. I, S. 237 f.: zu den 
dort beigebrachten Belegen sind jetzt noch hinzuzufügen das epiro- 
tische Volkslied bei Legrand Recueil de chansons populaires Grecques 
Nr. 125, S 254, worin Charos als Todtenschiffer vorkommt, und die 
Variante dieses Liedes bei Razelou S. 6. 

V. 3 wird, je nach den Umständen, auch verändert in Hd väpörj 
• r\ äÖ€p<poO\d cou vd cl Eavaxopdcrj, und dergleichen. 

8. 

V. 1. Vgl. das epirotische Sprüchwort "Av ö£v dcTpdyrj, o£v ßpov- 
Täci bei Arabantinos TTapot(LiiacTf|piov S. 18, Nr. 62. 

V. 3. xXißexai für eX(߀xai. Ebenso 23, i). 57, 9. Zur Vertauschung 
der Aspiraten in der griechischen Volkssprache vgl. Ulrichs Reisen und 
Forschungen II, S. 236 f., Ross Inselreisen IV, S. 210. 

9. 

Ein ähnliches Lied bei Razelou S. 31 f. Vgl. auch Passow Nr. 354. 
V. 4. dTrn\oYf)8nK€ , von drratXoYioüuai oder diraiXoYoüuai , d. i. 
dTtoAofoüuai. 

V. 5. Ueber das interrogative un,Y a PK vgl. Korais "Atokto I, S. 150. 
— Zum Gedanken vgl. noch Passow Nr. 384, 12 und Lelekas An.u. 
'AvOoX. S. 36. 

10. 

Vgl. im Allgemeinen die Anmerkung zu 7, 2. 

V. 2. Tdxa, Bonst in Fragen in der Bedeutung 'vielleicht, etwa' 
gebraucht, scheint hier die Bitte dringender zu machen. Oder sind die 
Worte als Frage zu fassen: ihr wollt doch nicht etwa verkaufen? 

V. 7—8. Derselbe Gedanke in mehrfacher Variation bei Razelou 
S. 1 1 f., z. B. auch "Ovtcc cxep^rj ^ GdXacca Kai ßYrj unXid p£ t' ävGrj, 
Tore Krj ai>TÖc iroO x aer ) K€ ™ CIW e ^ va ucxdpGrj, und "Av xduouv rj 
£Xrjalc vcpact Kai Td CTacpOXia Xd&t, T6t€ vd töv npoculvujue ttüjc GäßYrj 
dirö töv äörj. Ferner bei Lelekas Antonien, 'AvGoXoYia S. 35, wo Charos 
zu einem Mädchen in der Unterwelt spricht: "Orav vd CTUiy 1 r) GdXacca 
vd tivrj irepißöXi, "Otov v' dcirpic' ö KÖpaKac vd -fivi) irtptcrtpi, Töxe 



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— 2f)4 — 



vd cd iravrdxouve Kai vd cd KapTfpoüve. Ganz ähnlich hcisst es anch 
in einer typischen Elternklage am Grabe des gestorbenen Kindes im 
Siebenburger Sachsenlande: f Wonäo wirsch täo weder kun? Won de 
sehworz rowen wais fädereher hun.' (G. Schuller Volksthüml. Glaube 
und Brauch bei Tod und Begräbniss im Siebenb. Sachsenl. II, S. 31). 

11. 

V. 1. T6 viö für töv viöv, wie V. 3 tö Mai für töv Md'iv (d. i. 
Md'iov). — iröO cuveßYdvouue: den wir zusammen hinaustragen, dem 
wir. gemeinschaftlich das letzte Geleit geben (oder zu geben im Be- 
griffe sind). 

V. 2, ijjnXoc, d. i. ünmXöc. — Xuyvöc ist die richtige Schreibung, 
nicht Xifvöc, denn das Wort hängt offenbar, ebenso wie Xutepdc, mit 
altgriech. Xirroc zusammen. 

V. 3. to) uXdTaic für CTcfj fek Tale) irXdratC. 

V. 8. dirrjKOUTricTii ward mir durch dßuöicOn, erklärt: seiner Ety- 
mologie nach kann aber dTraiKouir(£oimat (diroKOUTrutouai) eigentlich 
nichts andres bedeuten als: die Ituder (Koumd) verlieren. 

12. 

Im Eingang sehr ähnlich ist ein Klagelied bei Razelou -S. 11: 
Idva coö updirouv, udria uou, dvvcä uupoXoYicrpaic , 'H Tpeic vd KXatve 
tö irpuri k' f) TpeTc tö u€Cn,udpi, K' i^i TpiTaic k' üCT€puÜT€pa»c Td Tpid (?) 
toö necovoxTou. Vgl. auch NcoeXX. 'AvdX. I, S. 123 f., Nr. 74. 

V. 4. Kf) dXXiOüc tö uupoXö'ü Nachdem die Klagefrau den ver- 
storbenen Jüngling in ehrerbietiger und förmlicher Weise mit den 
Worten dpxovTncd Kf| eüYcvucd angeredet hat, ändert sie plötzlich den 
Ton und nennt ihn traulich ihren Apfelbaum. Dieser Wechsel des 
Tons wird vorbereitet durch die obige Parenthese, deren Sinn kein 
andrer sein kann als der in der Uebersetzung gegebene. 

V. 7. Tcdu-naic: Tcduira bezeichnet nach einer von Kremos mir 
zugegangenen Mittheilung u. a. eine Schnur, an die Perleu und der- 
gleichen angereiht sind, und diese Bedeutung ist unsrer Stelle durch- 
aus angemessen. 

13. 

V. 1. uevÜT€U€: uevuTeüw, d. i. offenbar urjvuTcOw mit Erhaltung 
des nrsprüngbehen Lautes des rj (vgl. Volksl. d. Neugr. I, S. 99), von 
unvuTn,c gebildet und gleichbedeutend mit unvüw. 

V. 4. uolpa hier in der Bedeutung 'Verheirathung, Hochzeit», 
über welche vgl. Volksl. I, S. 220. 

V. 5. dcTpvrnc eine für sehr gefährlich geltende Schlangenart. 
Vgl. '€<pnu€ptc tujv OiXojLiaGutv 1858, S. 440. 

14. 

V. I. uopoYäprj: uopoYapuu, gleichbedeutend mit ßpaoüvw, zögern, 
säumen, vorzugsweise im Pelopoimes gebräuchlich und namentlich iu 
Arkadien allgemein f€(pr)U- tüjv <t>iXou. 1864, S. 405), ist möglicher 



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— 255 - 



Weise aus dem lateinischen moror entstanden. KoraTs dagegen, welcher 
"ATCtKTCt IV, 1, S. 330 uopYdpuu auführt und dieses Verb gleichfalls 
Peloponnesier in dem Sinne von ßpabuvuu hatte brauchen hören, möchte es 
von einem alten unbezeugten Wort p.opYOtipuj ableiten, mit Beziehung auf 
die Glosse des Hesychios uopYuXXcT* xP 0V °uXk€1. — dcK^pi, türkisches 
Wort (asker), gewöhnlich r Heer', hier f Volk, Menge'. — Der Sinn des 
Verses ist: der Leichenzug mit dem Träger des Crucifixes an der 
Spitze möge sich noch nicht in Bewegung setzen. 

V. 8 — 4. Aehnliches bei Razelou S. 11: Mäna uou, KXmei tö 
cit(ti cou, f.iupü\o'fu aöXr) cou, GrdZouv tä Kcpapiöia cou Ivvtä. XoyiOüv 
qpapfidia. 

V. 4. kXcuv, d. i. kXcuouv. — ärcoKCpdpiTa , von K^panoc gebildet, 
die Dachrinnen, ein ungewöhnlicher Ausdruck. — CTdve für crdouve, 
von ctöu», einer Nebenform von erdZw. Vgl. KUTTduj (37, 12) für kut- 
toZui. — <papndia hier, ebenso wie bei Razelou a. a. 0., so viel als 
<pap|ictKep<!t ödtepua. 

15. 

Klaggesang einer Wittwe an der Bahre des todten Gatten. Ein 
ähnliches, wenn auch im Einzelnen vielfach abweichendes Zwiegespräch 
zwischen einer Mutter und ihrem verstorbenen Sohne bei Razelou S. 32. 

V. 1. Gütoö: €Ütöc für ciötöc ganz gewöhnlich auf Kephalonia 
und Zakynthos, und auch anderwärts gebräuchlich, z. B. auf Kreta 
(vgl. Jeannaraki Kretas Volkslieder, Leipzig 1876, S. 333) und auf den 
Kykladen (vgl. Pio in Tidsskrift for Philologi, 7.^iarg. 1866, S. 13 des 
bes. Abdrucks). Auf den beiden zuerst genannten Inseln wird der 
Genetiv cUtoO zugleich als Umschreibung für das Pronomen der 2. 
Person gebraucht, z. B. eöxoö v<3c tö Käprjc, was für höflicher gilt als 
tev vd tö KÖprjc. Vgl. auch das von ebendort stammende Volkslied 
bei Passow Nr. 593, 5: €ütoO coö ctc^vuj, Xuyepn., Tp(a ckouXiä Xivdpt, 
wo man wohl cutoO cou zu corrigiren hat, was der allenthalben üb- 
lichen Umschreibung toö Xöyou cou entsprechen würde. Was nun 
unsre Stelle betrifft, bo kann hier cutoü nichts andres sein als Um- 
schreibung für et oder ici, welches dann im 2. Verse noch nachfolgt, 
um jenes wieder aufzunehmen, weil cötoO durch den dazwischen ge- 
tretenen Relativsatz zu weit von seinem Verbum öpid£uu getrennt ist: 
an das Ortsadverbium cütoü (d. i. aÜTOÜ) zu denken, welches Nr. 55, 9 
mein. S. und bei Pass. Dist. Nr. 341. 342. 343 vorkommt, geht schlechter- 
dings nicht an. — ct' dyCipiKO TaEioi, d. i. etc tö toEiöi, öGev biv 
■fnpitci »eavefe, f illuc unde negant redire quemquam' (Catull. 3, 12). 
Ueber diese und ähnliche Umschreibungen s. Volksl. I, S. 235. Die 
folgenden Worte c' öpxiZuj vd p.oü nrjc ttötc vd cc upocuivuj stehen 
eigentlich im Widerspruche damit, allein dieser Widerspruch erklärt 
sich aus dem Typischen des Ausdrucks tö dTÜpixo TaSföi. 

V. 2. 0^ov: O^oc für Geöc die auf Zakynthos vorherrschende Be- 
tonung, welche, wie unser Lied zeigt, auch auf Kephalonia neben der 
anderen (vgl. 40, 2. 41, 6 u. 9) vorkommt. * 

V. 3. Nd pi£u). Dass fn'xvuj, werfen, von prprvuw p/^vu^i abzu- 



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— 256 — 



leiten und demnach mit r| zu schreiben sei, wie Korais "ATatcxa II, 
S. 319 aufstellt, dem Mullach ad Demetr. Zen. v. 372 und Graramat. 
der griech. Vulgarsprache S. 297 folgt, kann ich nicht für richtig 
halten. Schon die Bedeutung spricht entschieden dagegen. Ich sehe 
jiixvw als durch Aspirationswechsel aus püpvuu entstanden und dieses 
als vulgare Nebenform für piiriu) an. Vgl. cpcpvu) für (pepuu, CTepvui 
(ct^Xvuj) für ct^XXiü, oiiwxvuj für bidjKU), äpirdxvu) (37, 12) für dpitdZu), 
ferner icpüßuj KÖßuj für kpütttuj kötttuj, und ahnliches. (Soeben sehe ich, 
dasa auch M. Deft'ner die Ableitung des Verbs pixvui von prjYvuui verwirft 
und dasselbe ebenso erklärt wie ich, in den NcocXX. *AvdX. I, S. 447.) 

V. 6. "A qmdcnc, d. i. dv qrr. 

V. 8. cxn. — ync: 8 - zu 3, 1. 

V. 9. irdtrXujua, entstanden aus €<pdirXujpa. Vgl. Kora'is "Atokto 
II, S. 301. 

V. 10. tov KoupviaxTÖ: Koupviaxxöc für KoviapKTÖc, KOViapTÖc, 
altgriech. KoviopTÖc. Ebenso 67, 4. 

V. 11. thpYnocTdXaxTo , d. i. uüpaiocxdXaKTov , schön tröpfelnd. — 
fpapjndKt. d. i. das Wasser, welches hier so bezeichnet wird in Rück- 
sicht auf den Ort der Trauer, auf den Grabstein, von welchem es 
herabträufelt gleich Thränen. Vgl. zu 14, 4, und unten 30, 11. 

V. 12. uaTcrfupknc , d. i. ueTaYupicnc. Vgl. 60, 4. 37, 13 20, 15. 
30, 14. 

V. 13. uTrdvxa, ital. banda, Seite, irXeupd. Ebenso 42, 10. 
V. 14. dqpc€ für dqpnce. 

V. 15. cr)KUj (aych 41, 1), ermunternder Zuruf, dem Sinne nach 
unserm 'auf!' entsprechend, von den Heptanesiern viel gebraucht, 
auch von Du Cange S. 1357 (der freilich cn.KO schreibt) angeführt, 
hängt mit dem Verbum cnKUJvu) zusammen, ist aber nicht eine Fle- 
xionsform desselben. Vgl. auch das trapezuntische couk bei Passow 
P. C. Nr. 440, 33. — Trdp€ (Imperat. Aor. von iraipvu)), dem Sinne 
nach dasselbe wie k(vt]C€. Vgl. 16, 1. 29, 2. — (petita eine häufig ge 
brauchte , aber anomale und noch unerklärte Imperativform (wie von 
einem Verb 9€UYduu f. <p€UYu>). Dasselbe gilt von rpexa (37, 11). 

V. 16. TTpiTd dem Sinne nach dasselbe, wie das allgemeiner üb- 
liche irpixoO, welches Korais "AxanTa II, S. 311 aus itpiv ou entstanden 
glaubt. Otfenbar ist irpiv erster Bestandtheil auch von irpixd, aber die 
Zusammensetzung bleibt dunkeL 

V. 17. Unter xcrj YH C ol KXepovöuot (d. i. KXnpovöuoi) scheinen im 
Gegensatz zum Todten im Allgemeinen die des Erdenlebens sich noch 
Erfreuenden und hier speciell die Träger des Sarges verstanden wer- 
den zu müssen. 

16. 

Auf den Tod einer Hausfrau. 

V. 1. voiKOKUpd für oltcoKupd: s. zu 67, 11. — vd irdprp s. zu 15, 15. 

V. 3. cmXuuce ct^ uecoüXd Tr|C, wörtlich : sie griff an ihre zarte oder 
schlanke Mitte (uccoöXa Deminutiv von pe"cn,), d. h. an den ihren zarten 
Leib umspannenden Gürtel, an dem der Schlüsselbund, das charakte- 
ristische Abzeichen einer wackren Hausfrau, hing. 



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- 257 - 
17. 

Dieses Lied ist bestimmt bei oder unmittelbar vor Darbringung 
der Kolyba, d. i. der Todtenopfer (über welche ich im 3. Theilc mei- 
nes Buches über das Volksleben der Neugriechen ausführlich zu han- 
deln gedenke, vorlaufig vergleiche man S. 55 ff. des 1. Theiles), vor- 
getragen zu werden. Und zwar gilt es allem Anscheine nach einem 
verstorbenen Handwerksmeister, da die Wittwe V. 1 mit dem Wort 
juacTöpicca angeredet wird. 

V. 1. cuvxdxTr|K€C : cuvxdZouai (d. i. cmrrdccoucn) muss hier und 
08, 5 bedeuten : Vorbereitungen oder Anstalten treffen, sich anschicken, 
und dergleichen. Korais "Atokto II, S. 426 erklärt cuvrdccouai durch 
cuu(pujvuj, Du Cange S. 1487 f. führt Stellen an, wo es so viel als vule 
dicere ist. Beide Bedeutungen hat dieses Verb bekanntlich schon in 
der alten Sprache, aber keine derselben passt hier, eben so wenig 
C8, 5. — vd qmdcrjc Trjv duXdöa, d. i. die Schüssel zurecht zu machen, 
nämlich die Schüssel, in welcher die Kolyba pflegen dargebracht zu 
werden. 

V. 2. Kd-rce für Kdeice. Ebenso 59, 60. — coucouuia, auch 57, 18 
und 22; 67, 8 (wo zugleich auch das davon abgeleitete Verb coucou- 
uidZio vorkommt) und 68, 14, d. i. Zeichen, charakteristische Merkmale, 
offenbar entstanden aus cuccrma (durch das Medium einer Deminutiv- 
form cuccrjjiiov). 

V. 3. nepexdpci, vom ital. meritare. 

V. 4. büo v cXnaic. Der im Auslaut sehr schwach tönende und 
daher so häufig ganz abgeworfene Buchstab v pflegt vor Vocalen, wenig- 
stens bei nahe zusammengehörigen Wörtern, wieder deutlich hervorzutre- 
ten, z. B. Tf| OdXacco, dagegen xn,v dXr)6€ia. Dies hat zur Folge, dass 
das Volk öfters zur Vermeidung des Hiatus auch da ein v hören lässt, 
wo es grammatisch nicht berechtigt ist. So an unsrer Stelle. 

V. 6. öuopqncuc für eüuopcpiak. 

V. 7. toö ßeWTiKou. Die venetianischen Aepfel Bind in Griechen- 
land besonders geschätzt. 

V. 8—9. Der Vergleich eines schönen Mannes mit Gans und Ente 
dünkt unsrem Geschmacke freilich komisch, erscheint dagegen dem 
griechischen Volke durchaus würdig, daher Aehnliches mehrfach in 
seinen Liedern vorkommt. 

V. 9. £irepTrdxouv€ (für cirepiudTouve) , seltenere Imperfectform 
statt der gewöhnlicheren direpTrdTic- und ^wep-rraToOcf. So z. B. auch 
^(Xouvct neben tutXia und tuiXoüca auf Zakynthos. Vgl. auch 29, 13. 
36, 5. — cdu für cdv vor folgendem tt. — dvancaOÖTOu für dvaiKaOö- 
touv (1. P, Imperf. dvaucaGönouv). 

18. 

V. t. irpiKoO für itiKpoö. Vgl. 20, 14 das Compositum TTpiKoxd- 
povrac. 

V. 4. Ueber cuxopiZouai vgl. Korais "Atokto IV, 2, S. 564. — 
Kpoucdipn, für Koupc^rj. # 

Schmi.lt, (irioch. Milrchen, Ragen n Volkslieder. 17 



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258 - 



V. 5. tcou Kdpnouc für ctcoü (de TOÜC) K. Vgl. zu 11, 3. — Ka- 
ßcXXdpic für KaßaXXdpic. 

V. 7. cT€X^TTa, von ital. stiletto. 

V. 9. TÖp vor folgendem tt für töv, wie 6^p für biv in V. 10- 
Vgl 17, 9. 

V. 10. rid für f\a"ci. — dctrpa zunächst Silbergeld, dann über- 
haupt alle« Geld. Vgl. KoraTs "Atokto II, S. 70. 

V. 13. paviap^voc, wohl von einem Verb pavtdu), welchem ich 
sonst im heutigen Griechisch allerdings nicht begegnet bin. 

V. 17. Tcnjapteuu, eigentl. braten, schmoren, in übertragener Be- 
deutung quälen, wird von KoraTs "ÄTairra I, S. 292 vom altgriech. 
Tn.Tav(ru» abgeleitet. — XaxTapiZuj, sonst auf den ionischen Inseln und 
anderwärts (vgl. Jeannaraki Kretas Volksl. S. 314) intransit. 'zucken, 
zappeln» sowohl in eigentlicher als in übertragener Bedeutung (eigentl. 
z. B. vom Fische, metaph. so viel als heftig begehren), hier wohl 
'schmachten machen, Sehnsucht erwecken' (nach den verlorenen Kin- 
dern). Das Wort hängt offenbar mit altgriech. XoktIEuj zusammen. 

V. 19—23. Sehr ähnliche Gedanken bei Razelou S. 13: Töca KaXd 
ttoö Kdv€i 6 0€Öc k* fc'va KaXö bkv Kdvei , Nd Kdprj CKdXa ctö YiaXö, 
Y€<püpi p<k' ctöv äbrjv, Tid v' dvaßaivouv ol nvtxxoi, vöpxujvT' ol irai- 
Oapp^vot. Und ebenda«.: Töca KaXd uoö tcdvci ö Geöc k* £va koXö i>€v 
Kdvei, Nd Kdprj tö yuxXö CTCpcäc, töv übt] uovondTi, N' ävorre xai Td 
pvrpjaiu. vd ßraiva ol rcaiOapp^voi , Nd ßXdir* r) pdva tö iraioi pla 
p£pa Kai pia vüxto, Kai väv' r\ p^pa Eäpn,vo Kai väv' q vuxto xpdvoc. 

19. 

V. 3. v' dXa<poKuvn,Yncn, d. i. v* £Xaq>OKuvn.Yn.cr), hier metaphorisch 
von der Menschenjagd. 

V. 4. ö6' kann kaum etwas andres sein als das altpoetisehe 66t 
für ou. Ebenso 66, 8, wie überhaupt dort die beiden letzten Verse 
unsres Liedes sich fast wörtlich wiederholen. 

V. 5. x aT iP l i türkisch hatir, 'Gefallen'. Vgl. Jeannaraki Kretas 
Volksl. S. 378. ChasiotiB ZuXXoy»i S. 240 (falsch ist Passow's Erklärung 
im Index zu den P. C. S. 610). 

20. 

Vgl. über dieses Lied Volksl. der Neugr. I, S. 232. 

V. 4. KaXOüc Td iroXcpäTC, formelhafter Gruss für Krieger, analog 
dem allgemeineren , von den griechischen Bauern viel gebrauchten 
Grusse koXüjc Td KdveTe (KdpveTe), zu welchem schon KoraTs "Atokto 
II, S. 175 das bei den Alten im Briefstil übliche eü irpdrmv verglichen 
hat. Beide Grussformen zusammen bei Passow Nr. 451, 16 (und zwar 
hier in der Anrede nicht an Krieger, sondern an Aerzte). 

V. 6. dirdKia, 'Td nepl touc vetppoüc KpeaTa toö £ujou, £XX. ipöai 
i) ijMjai': KoraTs "Atokto I, S. 204, der die Vermuthung hinzufügt, 
ftm'tMu möge aus dXum^Kta (woraus zunächst dXandKia entstanden sein 
würde) verdorben sein, mit Beziehung auf Athenaeus IX, 399 b und 
Hesych. u. d. W. \putai. — erntäpi, von CTi^eoc gebildet. 



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— 259 — 



V. 8. cioe. Tch weiss nicht, ob diese Partikel aus dem helle- 
nischen €l bi durch Zurückziehung des Accentes entstanden oder aus 
ouÖ€ verdorben ist. Unten 68, 25 f. haben wir cite in demselben Sinne. 
— Xcibivö, durch Umstellung der Consonanten aus beiXivö entstanden, 
Vesperbrod, Abendmahlzeit. 

V. 10. dn* öcot, kurz für dir* öXouc ö'coi. 

V. 11. rcf) x^lP°c tö irouM. Es ist eine Eigentümlichkeit der 
griechischen Volksdichtung, dass sie gerade den Söhnen von Wittwen 
einen viel höheren Grad von Muth und Tapferkeit zuzuschreiben liebt, 
als den übrigen; wobei vermuthlich die Vorstellung zu Grunde liegt, 
dass einer Frau, die ihren Mann verloren, Gott gleichsam zur Ent- 
schädigung hierfür um so mehr Freude an ihren Söhnen verleiht. Vgl. 
ausser der übrigens sehr incorrect raitgetheilten Variante unsres Lie- 
des bei Passow Nr. 428, ebendaselbst Nr. 514, ferner Iatridis S. 77, 
Chasiotis S. 137, Nr. 8, Jeannaraki Nr. 146, 8 und 276, 14 und Pio 
Tidsskrift, 7. Aarg. 1866, S. 31 ff. des bes. Abdrucks (wo der Held des 
Märchens einer Wittwe Sohn ist). Daher r xn.pac ulöc' geradezu als 
auszeichnendes Prädicat bei Passow Nr. 437, 50. — uiXi' dvTpeiwu^vo: 
iriXio, d. i. irXeov, auf den ionischen Inseln sehr häufig (anderwärts 
itXiö und mö). 

V. 12. irotpacapräpoufAC : irapacapTdpuj für TrapacaXTdpw, von dem 
ital. saltare und der griech. Praeposition irapd gebildet. Ebenso cap- 
xalvuj für caXxaivuj V. 13. 14. 16. 17, und uaTacapxdpu) für ufTacaX- 
Tdpuj (vgl. zu 15, 12) V. 15. 

V. 13. udcca, vom ital. passo. 

V. 14. TTpiKOxdpovTctc : s. zu 18, 1. 

V. 18. öx aus €k entstanden und gleich dirö mit dem Accusativ 
verbunden, vorzugsweise, wie es scheint, auf den ionischen Inseln ge- 
bräuchlich. Ebenso unten 54, 5. 59, 38. 68, 22 ff. Weitere Stellen bei 
Passow im Index, S. 625 u d. W. 

V. 19. Damit findet das Lied wirklich seinen Abschluss. Vgl. 
Volksl. 1, S. 230. Ulrichs R. und F. I, S. 133. - "Acc für d<pnc€. Vgl. 
56, 6. 

21. 

Die Dichterin fingirt, dass der Verstorbene, welchem ihr Lied gilt, 
in die Unterwelt gerufen worden sei, um daselbst ein Brautpaar zu 
trauen, und lässt ihn auf seinem Wege dahin Gott anflehen, er möge 
aus dieser Hochzeit nichts werden lassen, damit er, seiner Verpflich- 
tung enthoben, auf der Oberwelt verbleiben könne. So weit ist das 
Lied vollkommen klar, aber im Einzelnen bietet es nicht unerhebliche " 
Schwierigkeiten. Möglicher Weise ist es auf einen verstorbenen Prie- 
ster gedichtet, in welchem Falle man in V. 2 CKCcXkave irarrä vd ct£- 
«pavtucn, zu schreiben haben würde, wie ich unter dem Texte zweifelnd 
vorgeschlagen: denn für sicher halte ich selbst diese Vermuthung 
nicht, obwohl ein Grieche, dem ich sie mittheilte, sie als eine zweifel- 
lose Emendation bezeichnete, da es feststeht, dass das Verb cxcqpavibvuj 
nicht blos vom Priester, sondern auch vom xouuttdpoc, d. i. vom liraut- 

17* 



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— 200 — 



rührer, gebraucht wird (das Nähere darüber muss ich mir für den 
3. Theil meines Volkslebens vorbehalten). 

V. 1. Ctouc oöpavoüc c»|ucuvouv€. Was ist der Sinn dieser Worte V 
Auf das Grabgeläute der Kirchenglocken sie zu beziehen, was an sich 
nahe läge, verbietet doch der Ausdruck cxoüc oöpavoüc. Vgl. auch 
Jeannaraki S. 143, Nr. 144, 1 f.: Ctöv oupavö xopcurouve, ctöv Ndbr\ 
Ydpo küvou K' £uir^av k" *KaX^cave oöXouc tco'i irpiKauu^vouc. 

V. 3. 'Schwarz' heisst die Kerze des Bräutigams offenbar in Hin- 
sicht darauf, dasB dieser ein Todter ist. Unter der Braut, der er ver- 
bunden werden soll, mag die Erde zu verstehen sein (vgl. Volksl. I, 
S. 233 oben mit Anm. 1), deren Kerze im Gegensatz zu derjenigen 
des Bräutigams 'weiss' genannt werden würde, weil für sie das Ereig- 
ni88 ein freudiges ist. Vgl. Nr. 3, 1 und 4, 1 meiner Liedersammlung. 

V. 4. £7rnxaiv€ und iuepiKdXa, näml. ö cppöviuoc. — 8eov: zu 15, 2. 

V. 5. ixoXia [neb*en ^xöXtac), Imperf. von xoXidu», einer Neben- 
form von xoMä:£uu, d. i. eigentlich zürnen (xoXf), x°^ oc )i dann aber 
auch etwas im Unwillen ablehnen, verschmähen und dergl. (bucape- 
ctoöucu). So hier. 

22. 

Vgl. Razelou S. 5: 'Avd0€pa dndjppixve u^Xo ctöv kütou KÖCfaov, 
MfjXo Kai xpwcopdvTnXov xf) £va CTraÖl dcr|u^vio, K' £bpauav vtoi Yid 
tö cnaei k' vialc fiä tö uavrnXt, Tp£Eav Kai xd uiKpd naibid vd 
•ndpouve tö pnXo! 

V. 1. irüJKiujve für ttoü Skiujvc, welches letztere Wort gleichbe- 
deutend ist mit ^CTrjce, eqpÜTeucc. Ich bin demselben sonst nirgends 
begegnet, es mag mit altgriech. k(ujv zusammenhängen. Vgl CTt]Xöu>. 

V. 4. öpocdTa, von bpöcoc gebildet, also eigentlich thauig. Vgl. 
Passow Nr. 532, 5 qnXi öpocdxo. — vd pdcouve: fpaca Aoristus des im 
Praesens, wie es scheint, ungebräuchlichen Verbs udZuj (d. i. öudZw, 
von öudc): die gewöhnlichen Formen des Praesens sind uaZujvuj und 
uaZۆu>. Vgl. Mullach Grammat. S. 292 f. 

23. 

Die hier ausgeführte Allegorie vom Garten des Charos begegnet 
auch sonst in den auf die Unterwelt bezüglichen Liedern. Varian- 
ten der drei ersten Verse unsres Liedes findet man bei Passow Nr. 434 
(wo übrigens verschiedene Lieder zusammengeworfen sind), und bei 
Razelou S. 4 und 7. Vgl. auch Nr. 21 meiner Märchen mit den Anmerk. 
dazu, ferner Chasiotis S. 172 f., Nr. 2 a. E. und Jeannaraki Nr. 113. 
Schon ferner steht Pass. Nr. 435. 

V. 1. Toö Kupon toö ßouXr')6r)K€ für das gewöhnlichere ö Xdpoc 
^ßouXrj6r|Ke (so bei Passow Nr. 434, 1 und bei Razelou S. 3 und 4). 
B;er unpersönliche Gebrauch von ßouXouat auch Nr. 24, 1 meiner Samm- 
lung. 

V. 2. Ktirapfccia für Kimapfcaa. 

V. 3. KwXopfcia, von kujXov (das schon in der alten Sprache von 
Ranken oder Zweigen gesagt wird) und {»Zu gebildet, iTapa<pudb£c, 
Nebenschösslinge, Senker. 



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261 



V. 4. NÖJitpa, d. i. vd r)S:€upa. — dn"£ Kai cTaupair£: zu 3, 4. 

V. i\. HcßXacTapibcrjc: EcßXacTapiövuj Nebenform von EeßXacxdiu. 

V. 7. Ein eigeuthümlicher Wechsel der Vorstellung: erst ist der 
Jüngling selbst zur Cypresse geworden, jetzt wird diese als Mittel zu 
seiner Befreiung aus dem Hades bezeichnet. Der Jüngling soll, wenn 
die Cypresse recht hoch geworden, aus ihr heraustreten, wie die Dryade 
aus ihrem Baum, und an ihr hinaufklettern auf die Oberwelt. — Tcoi 
kXüjvouc für ctcoI (etc toic, d. i. etc touc^ kX. Vgl. zu 11, 3 und 18, 5. 

24. 

Eine Variante dieses Liedes bei Razelou S. 3. 

V. 2. e^ueXo, d. i. 6cu£Xiov. Vgl. altgriech. G^ueiXov. 

V. 3. gpTcuc, Fensterpfosten. Ableitung? 

Unter copiroXÜKia in der unter dem Texte mitgetheilten Variante 
scheinen kleine Steine zum Ausfüllen verstanden werden zu müssen. 
Das Wort ist mir dunkel, und auch von Griechen, die ich darüber be- 
fragte, konnte ich keine bestimmte Auskunft erhalten. 

25. 

Zwiegespräch zwischen einem verstorbenen Kinde und seiner Mutter 
(dieser gehört nur V. 4). Vgl. zu diesem und den beiden folgenden 
Liedern Volksl. I , S. 2 15 f. * 

V. 2. dvdfupua, die Zeit, wo die Sonne sich ihrem Untergang 
nähert: man sagt Hyvpt ö f|Xioc in diesem Sinne (eigentl., die S. hat 
sich gewendet). Vgl. Korais "AraKTa II, S. 101. 

V. 5. EauoXudxai (Compos. von Xüuj), d. i. so viel als tHtttci dirpoc- 

ÖOKrjTUJC. 

26. 

V. 1. ßadXeua für ßariXcuua. — u>iu tt. für unv u. Vgl. zu 18, 9. 

V. 3. ToußaXiBia, offenbar vom ital. tovaglia. 

V. 5. uaxatpon^pouvo: über dergleichen Zusammensetzungen vgl. 
Ross Reisen auf den griech. Inseln II, S. 109 und M. Deffner NcoeXX. 
'AvdX. I, S. 449 tt. Vgl. auch 18, 23. 27, 8. 28, 8. 43, 12. - tou für 
toöv, d. i. tüjv. - cTaupavrüüve für CTaupavrüJv. Ueber die Bedeutung 
dieses Wortes b. zu 3, 4. 

V . 9. vd Kduouve xrj Zinn, touc , eine Fluchformel , deren Sinn sein 
soll: vd uV| u€Tcrfvpicouv. 

27. 

Vgl. zu diesem und dem folgenden Liede Volksl. 1, S. 241. 

V. 3. ^Tpujya für ^Tpurrav, £Tpu>Yav. Ebenso Imva für gmvav und 
ömXoxaip€Tiujvra für oinXoxaipeTiüjvTav. 

V. 8. iiiecaXoToußdeXa, zusammengesetzt aus uecüXa oder uecdXi 
(Tischtuch) und ToußdeXo, welches letztere, wie ToußaX(6t 26, 3, von 
ital. tovaglia abzuleiten. 

28. 

Vgl. das ähnliche Lied bei Razelou S. 7: "OXov töv äbr\ ^Yupica 
u£ oud Kepid dvauueva, Kai äKouca rrj Xdpicca k" £udXujve tö Kapo* 



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- 2G2 — 



'Xdpc, Kai ti uoü xön<p€pec tö ßapuappiüCTrm^vo , TToö OtXci pdvac fö- 
va/ra, 0£Xei dbepcpn.c UYKdXaic, O^Xei nairXumaTa naxud, O^Xci \\)t\\ä 
Kpcßßdxia, G^Xti VrctKpncapo i|miui, G^Xci Kpaci uocxdTo;' 
V. 2. yf\c: zu 3 » 

V. 3. EapudTuirouc für £EapudxujTouc. 

V. 9. d^epiKd (von dy^pac, d. i. depac, altgriech. dn.p), luftig, dünn, 
fein. Ebenso bei Passow Nr. 498, 7. 

V. 11. Kaxa<p£pvu> (f. Karaqp^puj), ziemlich gleichbedeutend mit 
neieuj oder ßidZuj. 

29. 

Varianten dieses Liedes bei Iatridis S. 40 und bei Razelou S. 36. 
Vgl. ferner Nr. 30 und 31 meiner Samml. 
V. 2. vd TrdpU): zu 15, 15. 
V. 3. £>caTca, d. i. Uädica. Vgl. 17, 2. 
V. 5. xoO uiKpujve: vgl. zu 26, 5. 
V. 6. £voü, Genet. von £vac, neben £vöc gebraucht. 
V. 11. uoüv\ d. i. uövov. 

V. 13. drcpoßdTouva , von npoßaTÜJ (vgl. 30, 2. 57, 3), einer auf 
Kcphalonia und Zakynthos sehr gebräuchlichen Vulgarform für wepi- 
TraTü) (woraus zunächst ircpiraxili geworden ist, was V. 17, ferner 17, 9. 
61, 1 und 66, 6 vorkommt, daraus wiederum iropTraxü), irponaTd) u. s. w.). 
Daneben findet sich auch eine Form itepßaTü) (59, 64 und 66). Ueber 
die Iinperfectform vgl. zu 17, 9. 

V. 14. ßaciXtuic (auch 30, 13.59,5), d. i. ßaciX£ujc, seltener als ßct- 
ctX&x oder ßaciXid. - pnjöc, seltener als pn.ta (30, 13), Genet. von pri- 
mae (lat. rex). — dYYÖvi für £yyövi (Deminutivum von ^ovoc). Ebenso 
59, 61. 

V. 15—16. Vgl. 11, 3 f. 

V. 17. Der Sinn dieses Verses kann kein anderer sein als der: ich 
verschmähte es zu Fuss zu gehen, zeigte mich nur zu Pferd oder zu 
Wagen. Allerdings genau genommen ein Widerspruch mit dem in 
V. 13 Gesagten. Man darf aber den Ausdruck iirpoßdTouva eben nicht 
genau nehmen, sondern muss ihn vom Reiten und Fahren verstehen. 
— Ueber ff\c als Accusat. in diesem und dem folgenden Verse vgl. 
zu 3, 1. 

30. 

V. 10. dirdvou für iirdvuj. , 

V. 14. rcdXi £uaTair£pttca: diesclbo Abundanz der Rede 37, 13. 
V. 17. £toütov€, d. i. toütov. — biv £x €t » nämlich ö vioütcikoc- 
Die Rede ist anakoluthisch. 

V. 18. Vgl. 27, 6 ff. und 28, 7 ff. 

31. 

V. 1 — 2, gleichlautend mit 28, 1 — 2. 

V. 5—9. Vgl. 18, 19- 23 mit der Anmerkung dazu, und speciell 
zu V. 5—6 den ganz ähnlichen Gedanken bei Razelou S. 4. 



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- 263 - 
32. 

Variaute bei Razelou S. 81: Cdv u' dyanqic, uavoüXd uou, Kai u£ 
^uxoTTOvt^cai, Kdue xd x^P l <* cou Tcairid, xfjc drcaXduaic (pxudpta, Kai 
niiaZe xd xwuaTa Kai CKüiye, x»'ipa££ |ue, Kijj äv fjin' äcupoc Kai pobivöc, 
cKÜiyc Kai qpiXnd u€, Kf| äv r^uai uaöpoc Krj äcxnuoc, mcw koukou- 
Xuuce ue. 

V. 1. ä coö irovr), d. i. f wenn es dich schmerzlich verlangt, weuu 
du dich in deinem Schmerze darnach sehnst.» Für diesen unpersön- 
lichen Gebrauch von uovüj kenne ich kein zweites Beispiel (persönlich 
oben 8, 2). Zur Bedeutung vgl. 49, 1. 

V. 2. xcani, vom ital. zappa (KoraiV Ableitung "AxaKxa V, S. 346 
von altgriech. ocaqnov ist verfehlt). — äiraXäuaic, d. i. iraXduaic. — 
tpxuäpi, altgriech. irxudpiov (Demin. v. irxuov). 

V. 5. Yüpic' xo, nämlich xd x<xi\xa (V. 3), wende die Schollen, lege 
die ausgegrabene Erde wieder auf .mich. 

Zur Variante unter dem Texte : dxpioYiepaKiva, von itpal und äYpioc 
gebildet. — x^wuiöc für x^wuoc, gelb, bleich (vgl. altgr. x*öoc, xXiupöc). 

33. 

V. 1. ZouXfyaxc, von ZouXcüw, d. i. ZnXcuuj. Vgl. 64, 14. 58, 2 u. 3. 

V. 3. dnouauplZouv, d. i. sie werden ganz schwarz. Vgl. altgriech. 
dnouujpöuj , und neugriech. äuouwpavvuj , diroXujXaivuj , welche Verba 
Korais "Axokxc IV, 1, S. 30 durch rendre tout-ä-fait fou, achever de 
tourner la tete erklärt. 

V. 4. Man nimmt an, dass in dem Zeitraum von vierzig Tagen 
der ins Grab gesenkte Körper verwese. Vgl. dazu Joannes Lydus de 
mensibus IV, 21: xeXcuxncavxoc yoüv ävGpumou £tt! u£v xf^c xpixnc d\- 
Xoioöxai iravx€Xujc Kai xf|v SmYvujciv xfic övyeujc öiaTtöXXua xö cOüua, 
iit\ bi xnc £väTnc öiappei aiuirav, €xi cwZoudvnc aütu> xn.c Kapöiac* titi 
be xfle xeccapaKOCirfc Kai aöxn, cuvanöXXuxai xw iravxi. öiä xoöxo xpi- 
xnv, £vdxnv Kai xeccapaKoex^v Im xwv x€6vnKÖxujv (puXdxxouciv ol 
£vaYi£ovxec auxolc, xf)c t& nox€ cucxäcewc xfjc xe u€x 4 tKtlvnv £inöö- 
ccujc Kai xö öi*) Trepac dvaXüceiuc ^TnuiuvncKÖuevoi, zu welchem Zeugniss 
jetzt noch dasjenige des famosen 'Splenios» aus dem cod. Vatican. Nr. 12 
(E. Rohde in Ritsehl's Acta I, S. 28. Vgl. Fleckeisen's Jahrbücher, 1871, 
S. 330 ff. und 577 ff.) hinzukommt. Dagegen lassen ein Klaggesang 
bei Passow Nr. 384, 14 ff. und ein zweiter bei Chasiotis S. 180 f., Nr. 19 
die Verwesung des Todten nach vierzig Tagen erst beginnen. 

V. 5. xd Eav6a uaXXid. Blondes Haar wird von den Griechen um 
so höher geschätzt, je seltener es unter ihnen vorkommt. Daher es 
in den Volksliedern so häufig erwähnt wird zum Ausdruck besondrer 
Schönheit (vgl. z. B. 59, 25. 67, 17 m. S.). Ueber den gleichen Ge- 
schmack der Alten vgl. Pashley Travels in Grete I, S. 247. 

34. 

V. 2. xeoue wird mitunter gehört für xeou (d. h. dem durch Buch- 
stabenversetzung aus xoüc entstandenen xeou wird das accusativische c 
von neuem angefügte 



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— 204 

V. 5. Tcfj irapubei'coc , gewöhnlicher tu) napdbcicoc, Geuet. von 
f\ nupcibftco. EbooM decliniri man auf den Ionischen Inseln, epeciell 
auf Zakynthos, »i ZükuvOo xcf) Zükuvöoc, f[ dßucco xcf\ ößuccoc. — 
(Jeber den Gebrauch des Ausdrucks 'Paradies' im Sinne von 'Hades' 
s. Volksleben I, S. 249. 

V. 7. Derselbe Gedanke schon 28, 3. Vgl. auch Razelou S. 5 oben. 

V. 8. TiOKauicdKta für ÜTroKauicdiaa (Demin. von ünoxduico). 

35. 

V. 2. KdÖcc \oft\c für kuö€ Xo^rjc (über das iudeelinable Pronomen 
Kdöe vgl. Mullach Gramm. S. 216), d. i. jeglicher Art. — Xo^dbi, offen- 
bar Ausgewähltes', werthvolle Sachen. Vgl. altgriech. Xoydc. Das Wort 
ist nicht zu verwechseln mit dein viel häutiger vorkommenden Xoxdpi, 
welches 'Gold, Geld. Schatz' bedeutet (s. 59, 29 m. S., ferner Passow 
Nr. 163, 15; 436, 3. Vgl. Korais "AxctKTa II, S. 296. Chourmouzis Kprj- 
tiku S. 111. Chasiotis CuXXotn S. 232. Jeaunaraki S. 345). 

V. 3. TiouKduicu, d. i. ÜTroKdjjuca. — ßeXtcia, 'Unterröcke', naeh 
der auf Zakynthos mir gegebenen Erklärung. Korais "ATCtKTa V, 1, 
S. 166 erklärt Xtvo߀\e£ov dureh 'ö<pacuu dnö Aivdpiov Kai uaXXiov', 
und fügt hinzu, das aus reiner Wolle gewobene heisse ßeXtvxZa (cou- 
verture de laine); er leitet dieses Wort von lat. vellus ab. 

V. 4. cpaocicuc tM. fascia) und cirapYCtvibaic (d. i. cndpxava) sind 
Synonyma. 

36. 

V. 5. iqnXouva: s. zu 17, 9. 

37. 

Dieses und die beiden folgenden Lieder, welche mir sämmtlich 
von dem Zakyuthier Dimitrios Lountsis mitgetheilt worden, habe ich 
von meiner Sammlung nicht ausschliessen wollen, obwohl es mir sehr 
zweifelhaft ist, ob dieselben als Volkslieder im eigentlichen Sinne zu 
betrachten seien, wie ich denn bereits Volksleben I, S. 23G und 245, 
Anm. 2 Bedenken dagegen geäussert habe. Zwar ihre Sprache ist ganz 
die in der Volkspoesie herrschende, und auch am Reim, den alle drei 
(iedichte darbieten, ist kaum Anstoss zu nehmen, denn obwohl der- 
selbe in den charonischen und Klaggesängen im Allgemeinen nicht 
üblich ist t so findet er sich mitunter doch auch hier, selbst in grösseren 
Stücken (vgl. z. B. das mauiatischc uupoXÖYi bei Waehsmuth D. a. Gr. 
i. n. S. 112), und in andren Gattungen der Volksdichtung, namentlich 
in llochzeits- und Liebesliedem , ist er sogar häufig angewandt; noch 
viel weniger darf auffallen , dass der Reim in Nr. 37 und 39 nicht ganz 
vollständig durchgeführt ist, denn dasselbe läast sich auch sonst in 
einer Reihe gereimter Volkslieder beobachten, vgl. z. B. Nr. 41. 43. 
50. 52. 61 meiner Samml., Passow Nr. 290. 301, u. s. w. Dagegen zeigen 
jene drei Lieder, wie mir scheinen will, doch nicht jene Einfachheit 
und Natürlichkeit, wie sie der echten Volkspoesie eigenthümlich ist, 
und sicher nicht deren gedrungene Kürze. Auch im Einzelnen haben 



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— 265 — 



sie manches Auffällige, besonders Nr. 38, wie unten an den betreffen- 
den Stellen wird hervorgehoben werden. Kremos, dem ich alle drei 
vorlegte , theilte in Bezug auf Nr. 37 meine Zweifel, wogegen er Nr. 38 
u. 39 als wirkliehe volkstümliche Erzeugnisse in Schutz nahm (auch 
erinnerte er sich dunkel eines ahnlichen Liedes wie Nr. 38). Mir selbst 
kommt gerade Nr. 38 am verdachtigsten vor. Möglicher Weise liegen 
uns Ueberarbeitungen von Volksliedern vor. 

V. 1. Ter) (für crcr|) uaupctic uoipaic, d.i. offenbar 'zum schwarzen 
(dunklen) Verhängniss». Statt des Pluralis möchte man eher, den Sin- 
gularis erwarten. 

V. 2. Kopaciocuc: Kopadöa, d. i. Kopäciov, vom ungebräuchlichen 
Kopacic, iooc, auch von Korais "Atokto IV, 1, S. 243 angeführt. 

V. 5. ävTpec hier 'Ehemänner', im Gegensatz zu den im Folgen- 
den genannten Mönchen. 

V. 6. dpTrdxvei: dpTrdxvuj, vulgäre Nebenform für 6pirdZiu. Ebenso 
V. 12.. 

V. 7. KpeidTa, Plur. von Kpeiac, d. i. Kp£ac. 

V. 8. opcrndvi für öpendvi (Demin. von op^itavov). 

V. 10. <pourrap{a, Feuer, Brand, hängt vielleicht mit cp^YYOC zu- 
sammen. Vgl. (ptyy&pi, Mond. 

V. Ii — 14. Diese Verse mit den vorausgegangenen 5 und 6 er- 
innern an Vergil. Aen. VI, 305 ff.: Huc omuis turba ad ripas effusa 

ruebat, Matres atque viri, pueri innuptaeque puellae, und 313 ff.: 

Stabant orantes primi transmittere cursum Tendebantque manus ripae 
ulterioris amorc. Navita sed tristis nunc hos nunc accipit illos, sowie 
an Sil. Itftl. XIII, 759 ff.: Nullo non tempore abundans Urabrarum huc 
agitur torrens, vectatque capaci Agmina mole Charon, ncc (so statt 
'et' mit Luc. Müller de re metr. S. 174) sufficit improba puppis. Vgl. 
auch die ganz ähnlichen Züge einer deutschen Erzählung bei J. Grimm 
D. Mythol. S. 792 oben. 

V. 11. xp^xct: vgl. zu 15, 15. — ßp£ und uxrpe, Interjection, ent- 
sprechend unsrem f he! holla! auf!', aus dem Vocativ uwp£ entstanden. 
Vgl. Korais "ATaKxa V, 1 , S. 33 f., der nur nicht zugleich auch an die 
Möglichkeit einer Ableitung von ßp^qjoc hätte denken sollen. — rc^p- 
vac\ d. i. 7T^pvac€, wie auf Zakynthos neben n^pace (Praes. nepvduj) 
gesagt wird. 

• V. 12. KUTxdci: vgl. zu 14, 4. 

V. 13. ixdXi £uaTaYupice u. s. w.: zu 30, 14 und 15, 12. 

38. 

Vgl. die Bemerkungen zum vorhergehenden Liede. 

V. 1. äitaTo, d. i. ohne Grund (irdxoc), unermesslich tief, wie auf 
Rhodos ünata vepd gesagt wird von den tiefsten Stellen des Meeres 
('Gcpnii. tujv <t>iXoua8wv 1802, S. 2125). 

V. 3. iioXuxpove, eigentlich 'langlebender'. Aber in dieser An- 
redo muss zugleich der Wunsch eines langen Lebens liegen, worauf 
schon £x<*«P€toOc€ in V. 2 hinweist, so dass also noXuxpove ziemlich 
gleichkommt der in mehreren Gegenden Griechenlands üblichen Be- 



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- 266 



grüssuugsformel troXüxpovoc (uäml. vd rjcai), über die vgL Volksl. I, 
S. 18, Aum. 3 und Kora'i's "Atokto IV, I, S. 445. 

V. 4. irdpe p€ Kai i\iit eine in der mundlichen Rede öfters vor- 
kommende Abundanz. Vgl. V. 7. — Kaüpive: vgl. oben S. 134, Aum. 2. 

V. 5. rjuouva, auflaUig: man erwartet vielmehr das Praesens. 

V. 6. f\' £va kXovI icpiOdpi, wörtlich: 'wegen eines Körnchens Gerste' 
(das man mir zu geben verweigerte). 

V. 7. CTT€pvd: s. Volksleben I, S. 56 f. 

V. 8. ttoü Tupiutvcic. Diese Worte sind nicht recht klar. Ihr Sinn 
soll wohl sein: der du hier auf die ankommenden Seelen wartest. 

V. 10. Trmedvave <S6a<pTa: auffällige Verbindung. 

V. 11 f. Charos, welcher sonst in diesem Gedichte nur als Fähr- 
mann über den Grenzstrom der Unterwelt auftritt, erscheint hier zu- 
gleich als Todesgott. Ueber diesen Dualismus vgl Volksl. I, S. 237. 

V. 12. töuou, Zeitpartikel, gleichbedeutend mit örav, ist nach 
Korais "ATaKxa II, S. 355 aus Td öuoü entstanden. — uXeEiba, Haar- 
flechte: unter den 'TtaiödtKia' (V. 9) können hiernach nur Mädchen ver- 
standen werden. Uebrigens erwartet man crf) irXcEiba, wenn anders 
ftpTrdZuj hier nicht 'entreissen', sondern 'fassen , packen' bedeutet, wie 
man mit Rücksicht auf den herrschenden Volksglauben (vgl. Volksl. 
I, S. 230) doch annehmen muas. 

V. 14. noö — irpocu£v€i. Der Sinn dieser Worte ist nicht völlig 
klar. Da aber noö schwerlich anders wird aufgefasBt werden können, 
denn als Correlativum zu Ik£\ , so scheint so viel festzustehen , dass sie 
eine Umschreibung sind für das jenseitige Ufer des Grenzstroms oder 
überhaupt für die Unterwelt 

V. 16. e*oc: zu 15, 2. 

39. 

Vgl. die Bemerkungen zu Nr. 37. Unser Lied enthält eine Dar- 
stellung des Todeskampfes und beruht auf der Vorstellung, dass Charos 
statt Gewalt mitunter auch Ueberreduug anwendet, um die Seele deß 
Menschen zu erhalten. Vgl. Volksl. I, S. 228 f. 

V. 3. kXoIc für KXcdeic. 

V. 4. cujira, wie 27, 9, für cuima (28, 11). 

V. 12. Xiovxdpi ist auf den im folgenden Verse genannten Höllen- 
htind zu beziehen, der wegen seiuer Stärke und Furchtbarkeit einem 
Löwen verglichen wird. 

V. 13. oüXouc — qpuXdei: das enklitische uac gehört als Genetiv 
zu oüXouc, das accentuirte ude ist Object zum Verbum. 

V. 14. dvrac, d. i. örav, wohl identisch mit övrac. Ebenso V. 19. 

V. 16. irouvtepd, spitzig, scharf, von iroövTa (ital. punta). — üjpd, 
dialektisch für oupd. Ebenso 62, 5. 

V. 17. Xdßpa, 1*1, d. i., wie Korans "AxaKia IV, 1, S. 271 erklärt, 
ÖTrepßoXiKTi Öepun, *1 koöcic, ££aiplTUJC toö n.Xtou. Vgl. altgriech. Xdßpoc. 

V. 19. t' £va — CKäve (für cKdouv€, vgl. V. 20 und 14, 4), d. i. 
sie reiben sich an einander, knirschen. In dieser Bedeutung ist mir 
das Verb aedu) sonst nicht vorgekommen. 



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— 267 - 



V. SO. qpdßpoi, d. i. ctotipoupYOi , vom ital. fabbro oder lat. faber. 
Daher auch ireXeKduj hier von der Bearbeitung des Eisens zu ver- 
stehen ist. 

V. 21 f. Vielleicht eine Erinnerung an die Harpyien oder auch 
an die Sphinx. 

V. 21. XcXeKa, Störchin, femin. Form zu XcXckcic (türkisches Wort 
nach KoraTs "Ar. IV, 1, S. 287). 

V. 22. EuuuTa: Eüuutoc, scharf, spitz, auch von Demetr. Zen. 
Paraphr. Batrachomyom. v. 456 gebraucht, offenbar abgekürzt für 6Eü- 
uutoc: der zweite Bestandtheil des zusammengesetzten Wortes ist jeden- 
falls auf uüTn., Nase, Spitze, zurückzuführen, wie auch Mullach (Com- 
ment. zu Demetr. Zen. S. 143 f.) meint, der aber trotzdem Eüunxoc 
schreibt, ebenso wie KoraTs v At. I, S. 85. Auf Zakynthos hat man 
auch ein Verb Eujiuxduj, spitzen (z. B. den Bleistift). 

V. 29 — 30. Sehr Aehnliches in einem Klaggesang bei Razehpu 
S. 27: Cöpe, nouXi uou, ctö koXö Kai crn.v KaXn. -rnv uipa, Kai vd ye- 
uicn. n. CTpdTa cou YapoixpaXa Kai pöba. 

V. 29. äuc , Imperativform (Plur. du€T€) , gleichbedeutend mit irn.- 
Yaive. Vgl. Kora'is "AxaKTa II, S.37 f., der übrigens als Pluralformen äu€T€ 
und äu€lx€ (?) anführt. Vgl. auch ebendas. S. 197, und IV, 1, S. 214. 

V. 30. Ywptefl für TSM-fo]. — TpavxdcpuXXa Kai pöba: vgl. 15, 3. 

V. 32. TpaßuüvTac xd uaXXid tou, sein Haar zausend, raufend. 

40. 

Dieses Liedchen wird bei der Zubereitung des Teiges für die Hoch- 
zeitbrode gesungen. 

V. 5. uirapuirdbec, Plur. von jindpuirac (ital. vulg. barba), Oheim. 

41. 

Gesungen beim Abzüge der Braut aus dem elterlichen Hause. — 
Das Lied besteht aus Trochaeen: nur V. 7 ist iambisch. 

V. 1. crpcui: zu 15, 15. — vö<pr| für vuu<py. Ebenso 43, 1 und sonst. 

V. 2. vuyou ist wohl nur auf das Waschen der Hände nach der 
Mahlzeit zu beziehen. — craupoxepidcou, von cxaupoxepidfcouat, d. i. 
die Hände kreuzweise auf die Brust legen, ein Zeichen der Ehrerbie- 
tung, das nur den Eltern gegenüber und in der Kirche üblich ist. 

V. 3. cöpe. Ueber Bedeutung und Gebrauch dieses Verbs in der 
heutigen Sprache vgl. Korais "Atokto IV, 2, S. 579. Ebenso unten V. 7, 
ferner 42, 3 und 5; 65, 3. 

V. 12. KoireXoubdKia , Deminutiv von KOTreXoüöi, welches wiederum 
Deminutiv von KOTieXa ist. 

42. 

Gesungen auf dem Wege zur Wohnung des Bräutigams. 
V. 7. ireGepd für irtvOcpd. Ebenso 43, 7. 

V. 8. Upt) für Hcüprj, n.Seüpn. Ueber diesos Verb vgl. Mullach 
Gramm. S. 286 f. 



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- 268 - 

V. 10. Wörtlich: so »oll es Dicht wiesen deine (andre) Seite (über 
uTTuvra zu 15, 13). Der Sinn kann kaum ein andrer sein als der in 
der (Jebersctzung gegebene. 

43. 

Während des Hochzeitschniauses vorgetragen. — Die beiden ersten 
Verse sind iambisch, die übrigen trochaeisch. 
V. 1. fannpöc für tapßpdc. 

V. 8 — 6. Aehnliches bei Jeannaraki Nr. 303, 31 tf". 
V. 4. couXTdvct, Sultauiu, hier als Ausdruck für hervorragende 
Schönheit. 

V. 7. cpüci (d. i. <puciv): diese Worte sind mir nicht vollkommen 
verständlich, und auch Griechen, die ich befragte, wussteu keine ge- 
nügende Erklärung zu geben. Es wird damit, wie es scheint, das edle 
Geschlecht der Schwiegermutter gepriesen, das sich durch die Geburt 
schöner Kinder bewährt. 

V. 8. Auch in eiuem kretischen Hochzeitsliede bei Jeannaraki 
Nr. 304, 34 wird der Bräutigam einer Cypresse verglichen. 

V. 12. äo€pq>o€£doepcpa, Zusammensetzung von dbeptpöc (d. i. dÖ€X- 
(pdc) und £Hd&€p(poc (d. i. £EdÖ€X(poc). Vgl. zu 26, 5. 

V. 13. uctTCOupdva (und pavTcoupdva) , nach Kora'is "AraKra IV, I, 
41G u. d. W. TUpca (vgl. auch V, 1, S. 175 und 192) aus dudpaicoc 
oder dudpuKov entstanden durch das Medium der spätlatcinischen 
Form maioraea. 

44. 

. 

V. 1. öpop<pr) für eüuopqpn- Vgl. 17, 6. 58, 1. — Kupd pou iat Prae- 
dicat, wie opoptpr). 

V. 2. pi&Kayec, d. i. poö licct^c (£kouc€c). 

45. 

« 

V. 1. napaidupi, d. i. irapaBüpi. 

47. 

V. 2. peXaxpoivaic : peXaxporvöc oder pcXarxpoivöc, d. i. xpd>pa 
€xmv ünöpaupov, bräunlich, schwarzbraun, altgriech. ptXdTXpooc pe- 
XaTXPnc peXaTXpoinc Vgl. Korais "Atoktu IV, 1, S. 317 f. — nouKapi- 
cüiaa, d. i. unoKaptcdKia. Vgl 35, 3. 

48. 

V. 1. crpaTUJvi, wohl das ital. stradone. 

49. 

Trochaeen. 

50. 

V. 1. pipvaic, d. i. pipaic, Reime. In der deutschen Uebersetzung 
• musstc 'Vers' gesagt werden, weil diese den Heim nicht widergibt. 
V. 2. it^pyouXo, vom lat. pergula oder ital. pergola. Vgl. Du 
Cange Glösa, ad script med. et iuf. Graec. S. 1149. 



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— 269 - 

V. G. TrpujxooacKdXoi, d. i. upujxoötbdcKaXoi. 

V. 7-8 enthalten allein das eigentliche Lied an die Geliebte, alles 
Vorhergehende ist nur die Einleitung dazu. 

V. 8. En.ucpujp.axa, Plur. von tr|U€puuua, von dem unpersönlichen 
Verb tn.M- € Pwv€i (für e£n,u€pujv€i), r es wird Tag', gebildet und den Tages- 
anbruch bezeichnend. Vgl. Kor. K Ax. II, S. 207. — oaxxuXiböcxoun. (x 
für k), die einen Mund so rund wie ein King hat. In einem die Schön- 
heit der Braut feiernden kretischen Hochzeitsliede bei .Teannaraki Nr. 303, 
15 f. heisst es: exei M-uxn, cdv kovxüXi, Cröua cdv xö öaxxuXifci. 

51. 

V. I. KupdTca, Schmeichelwort (von Kupd). 
V. C. Xec, d. i. Xerctc. 

52. 

Ein ahnliches Lied NeoeXX. 'AvdX. I, S. 110, Nr. 53. 

V. 1. dxeva bezeichnet aller Wahrscheinlichkeit nach das Blumen- 
bret. Ueber die Herkunft des Wortes weiss ich nichts zu sagen. 

V. 3. ti ce YvotdZci, d. i. was kümmert's dich» das Verbum ist ab- 
geleitet von £yvokx, d. i. evvota, welches in der heutigen Sprache die 
Bedeutung von (ppovxic, uepiuva hat. Vgl. Korais "Axa>cxa II, S. 124. 

V. 4. irXouuicueva , hier offenbar f bunt' (eigentl. 'gestickt', vgl. 
Kor. 'Ax. II, 278). Ebenso 6t, 1. Man begreift leicht, wie diese Be- 
deutung aus jener sich entwickeln konnte. 

V. 5. utrdcc, Imper. Aor. von undZw, d. i. epßdZw. — yacTpoüXa, 
Deminut. von fdCTpa, Blumentopf. Vgl. altgriech. ydcTpa, yacxfip. 

V. 6. xöv dvOö: 6 dvGöc für tö dvBoc sagt das Volk auf Zakynthos, 
wenn es speciell die Blüthe bezeichnen will, wogegen tö dvöoc (Plur. 
dvOta, s. V. 4 und 8) ihm die Blume im Allgemeinen bedeutet. 

V. 8. parcu^va für paYcuucva. 

53. 

Lied zum Tanze r \ eßavxlvtxo cxd xpla '. Dasselbe besteht aus 
längeren und kürzeren trocbaeischen Versen (akatalektischen Trimeteru 
und Dimetern) und hat strophische Composition : auf drei dreizeilige 
Strophen von je einem längeren und zwei kürzeren Versen folgen drei 
vierzeilige, von denen die beiden ersten so gebaut sind, dass auf je 
zwei längere Verse je zwei kürzere folgen, wogegen in der letzten 
Strophe die zwei kürzeren Verse von den längeren eingeschlossen sind. 
— Zu Anfang dem unsrigen ähnlich ist das Lied bei Possow Nr. 447. 

V. 2. dTrai6üpr)ce (diese Schreibung ist richtiger als dirtOuprice), 
fast dasselbe wie £Tre6uur|C€. — xd Ee'vo ist offenbar mit xi vd yivu* 
zu verbinden: x( vd y^vuj Ifdj, xd Uvo (nämlich iraiöO; und Etvoc 
scheint hier so viel wie 'arm, unglücklich» zu sein, eine Bedeutung, 
die auch £pr|uoc in der Volkspoesie öfters hat. 

V. 4. Kdxou y i <*X6, d. i. Kdxuu de xöv alYiaXöv. Ebenso V. 11. 

V. 5. xd £ud£u)£e, näml. xd XrfOopdcxaXa (V. 7). 

V. 7. XrföopdcxaXa, d. i. XiYÖtuuiva poöxa, schmutzige Kleid ungs- 



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— 270 — 



stücke, insbesondere Hemden. Denn Xitoa ist 1) fettige Substanz, 
2) Schmutz. Vgl, Hesych. III, S. 38 Schm. : Xir/ocr f) dKÖvrj. Kai tfj 
Kovia (d. i. hier: 'Lauge'). Zum zweiten BeBtandtheil unsrer Zusammen- 
setzung vgl. Hesych. ebendas. S. 76: uacxaXöv t6v xiTwva. 

V. 9. TpdtXuJve ßaciXiK^, dreistengliges Basilikum: so redet man 
in der poetischen Sprache Personen an, die man als schon bezeichnen 
will. Uebrigens derselbe Kehrreim bei Passow Nr. 637. 

V. 14. uaierpoc, Nordwestwind , ital. maestro und gewöhnlicher 
maestrale, franz. maestral und mistral, auch im Neugriechischen öfters 
uaecxpdXt. Vgl. F. Liebrecht in den Gött. gel. Anz. vom J. 1861, I, 
S. 571. — Tpcpouvrüva, vom ital. tramontana, Nordwind. In einem 
von Antikythera herstammenden Volksliede in BretcV '€8viköv 'Hpepo- 
Xöyiov v. J. 1865 kommt das Compositum uaiCTpOTpcyouvTdva vor. 

V. 15. xöu irooÖTupa, wonach der Nomin. Tto&ÖYupac lauten inuss. 
KoraTs "ATaKTa IV, 1, S. 441 führt ein Neutrum iroboYupt nach Soma- 
vera und Du Cange an und erklärt es durch 'frange, falbala', wie er 
schon "At. I, S. 314 dasselbe erklärt hatte durch 'bordure du bas 
d'une robe\ Es ist das, was die alten Griechen Kpdcneöov nannten 
(vgl. die Erklärung 'dieses Wortes bei Hesych. II, S. 531 Schm.). Die 
Bestandtheile unseres Compositum sind 1) yöpoc (s. 59, 12), 2) ttouc 
oder wohl vielmehr irooid, welches Wort nicht allein 'Schürze', son- 
dern auch r Saum' bedeutet ( f xö k6tu> ÖKpov tö rcpöc toüc irööac toü 
^Travwtpopiou' Korais "At. I, S. 256). Vgl. altgr. ttoöcujv. 

V. 18. CTperraXöirooo für dcTpcrraXöno&o, mit dcTpdtaXoc und ttouc 
zusammengesetzt. 

V. 19. fiXaiye, d. i. IXauipc. — Zum Gedanken vgl. Pasa. Nr. 447, 7 
und Liebrecht a. a. 0. S. 578, der dazu eine ähnliche Stelle aus der 
Edda nachweist. 

54. 

Lied zum Tanze f capTtKÖ' oder c koutcö'. Dasselbe besteht aus 
zwölf zweizeiligen Strophen von je einem iambischen und je einem 
darauf folgenden trochaeischen Verse. Die Strophen sind dreierlei Art : 

— — \J— \J — I W _ 1^ _ N-/ _ V-l 

{KJ — V — \J — \J — 
— V _ ^ \J 

{KJ _ \J _ \J _ lo» 
— V — V — \J — <U 

Also es wechseln ab entweder iambische katalcktische Tetrameter mit 
trochaeischen akatalektischen Dimctern, oder iambische akatalektische 
Dimeter mit trochaeischen Monometern (die stets auf einen Daktylus 
ausgehen), oder iambische katalektische Dimeter mit trochaeischen 
akatalektischen Dimetern. Die Anordnung der Strophen ist folgende: 

ab c b b c b c a b c a 

Varianten bei Passow Nr. 639 und bei Chasiotis S. 203 f., Nr. 25. 



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— 271 - 



V. 1. ^pö-fetpe (für ipötcuce): {toyfvw von t>6(a (unten V. 17) ge- 
bildet, über welches Wort Du Cange im Glossar und KoraTs "Atcikto 
I, S. 155 zu vergleichen sind. 

V. 3. KOußaXOu, d. i. ueTCupepu) duö töttov de töttov, wie KoraTs 
a. a. 0. S. 200 erklärt, welcher das Wort für alt hält und unter an- 
derem auf die Glosse des Hesychios (II, 479 Schm ) KißaXoc* öidicovoc 
verweist. — x^ 0 « d. *« X^ ,a P°- 

V. 5. öx: zu 20, 18. 

V. 6. Die Richtigkeit der von mir gegebenen Uebersetzung dieses 
Verses will ich nicht verbürgen, doch dürfte es schwer sein etwas 
Wahrscheinlicheres aufzustellen. Ein von mir befragter Grieche er- 
klärte: troToc oüvctTai vä öiKaioXoYncr) toüto Allein diese Erklärung 
lässt sich nicht anwenden auf die ganz parallele Stelle bei Passow 
Nr. 635, 1*. Vgl. noch Pass. Nr. 639, 18 (Sanders Volksl. der Neugr. 
S. G8, dem Pass. dieses Lied entnommen hat, übersetzt hier allerdings: 
'wer ist, der für recht das sah anV) und Chasiot. S. 204. 

V. 7. vä uXa(vrj: ttXcüvuj Nebenform von ttXuvuj. Vgl. 57, 5. 

V. 8. Ecpdoia ( von sepöc, d. i. Erjpöc), trockene, dürre Hölzer, hier 
auf die Füsse übertragen. 

V. 10. Ueber ircpiÖpouoc vgl. Volksleben I, S. 175. 

V. 12. X€ut€pid, d. i. ^XeuOepiav. — Auch dieser Vers lässt ver- 
schiedene Auffassungen zu. 

V. 15. tcou T^ccapouc, als wenn nicht xpövia, sondern xp6vovc 
vorausgegangen wäre. 

V. 16. poYixca, Deminut. von pöya. 

V. 17. öovXchu, d. i. öoüXcuav. 

V. 21. crdpi für cixdpi. Ebenso 55, 10. 

55. 

Zum Tanze f capTiKÖ\ — Vgl. die ähnlichen Lieder bei Passow 
Nr. 326 und 327. 

V. 1. KctXoKoupi, hier wörtlich 'schöne Zeit', nicht 'Sommer'. 

V. 3. ccXXdivei: ceXXujvw von ital. oder lat. sella. — KaXrrujvci: 
unten zu 69, 11. 

V. 5. ojnipnVtküXrf« scheint einen Schmuck am Knöchel (cqpupöv) 
oder überhaupt am Fusse des Pferdes zu bezeichnen; an eepupt, Ham- 
mer, kann nicht gedacht werden; über den zweiten Bestandtheil des 
Wortes s. zu 59, 11. — uaXauxtx^via : vgl. das oben S. 84, Anm. 1 
Bemerkte. 

V. 8. kXouOoOvc, d. i. di<oXou8o0ve. 

V. 9. eOroü: zu 15, 1. 

V. 10. to icpfOoc für i*| KpiOf; , selten (gewöhnlich tö KpiOdpt, wie 
54, 21 und 23) 

56. 

Zum Tanze f 6 CTaupunöc'. In diesem Liede wechseln wiederum 
trochaeische und iambische Verse : es beginnt mit fünf trochaeischen 
akatalektischen Trimetem , worauf ein iambiBcher katalektischer Tetra- 



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- 272 - 



meter, ein trochaeischer akatalektischer Trimeter und wiederum drei 
jambische Tetrameter und vier trochaeische Trimeter derselben Art 
folgen; V. 15 ist wieder ein jambischer kaialek tisch er Tetrameter, 
worauf zehn trochaeische Trimeter den Schluss machen. — Kürzere Ver- 
sionen dieses Liedes bei PoraOW Nr. 597 (metrisch nicht ganz correct) 
und 037. Vgl. auch Pass. Nr. 596. Nco€XXnv. -AvdXcKxa I, S. 102 f., 
Nr. 42. 

V. 1. x i ^ lö0via i d. »• x € ^ ,0 övta. 
V. 6. äcT€, d. i. dq>r)C€T€. 

V. 7. ßdpbia, venetian. vardia, ital. guardia, auch auf Kreta ge- 
bräuchlich (vgl. Jcaiiuaraki S. 325 u. d. W.). 

V. 9. c<paw für ccpaYu». — iräpou für ndpouv. 

V. 16. öevTpö, d. i. c^vopov. Ebenso 61, 7. Diese Betonung ist 
aber nicht, wie man meinen könnte, unter dem Einflüsse des rhyth- 
mischen AccentB entstanden, denn sie ist auch in der ungebundenen 
Rede gebräuchlich (so z. B. vTevrpd in einem Märchen NcocXX. AvdX. 
II, S. 124 g. E.). 

V. 18. £ dasselbe wie iboü. Etwa aus altgriech. rjv entstanden? 
Vgl. zu 13, 1. 

V. 21. ctö utc€uo, d. i. eic tov uiceuuöv. — voiici, d. i. £voikiov. 
V. 23. unv tö ßacTdHrjc, nämlich Kpuq>o, also so viel wie (pave- 
pwc£ TO. 

57. 

Ein bei den zakjnthischen Bauern ungemein beliebtes und über- 
haupt in Griechenland sehr weit verbreitetes Volkslied. Varianten bei 
P;issow Nr. 441 - 440, Loukas 0iXoX. 'emcK. I, S. 94 f. Jeannaraki 
Nr. 127 (vgl. auch Nr. 261 und 300). üeber ähnliche Stoffe bei andren 
Völkern vgl. Liebrecht in d. Gött. gel. Anz. 1861, I, S. 576. Ich habe 
dieses Lied auf der Insel Zakynthos zum Heigentanze singen hören; 
der Bauer, aus dessen Munde ich es niederschrieb , nannte den Tanz 
'XcßavTiviKO ctci Tpia'; ist diese Angabe richtig, so wird es schwerlich 
richtig sein , dass auch Nr. 53 zu diesem Tanze gesungen wird , denn 
unser Lied hat ianibischen, jenes trochaeischen Rhythmus. Zwischen 
je zwei Halbzeilen werden die zum Inhalte des Liedes in keiner Be- 
ziehung stehenden, lediglich dem Taktausdrucke dienenden Worte 
t* dnbövi t* än,bövi (dreisilbig zu sprechen) und t' dr|bövt t 1 dnbovdKi 
(viersilbig) abwechselnd eingeschoben, also z. B. "€va irpaYuareuTÖ- 
irouXo — t' dt)bövi t* dnbövi — Ct?)M TTöXi Karaißaivei — t' dnbövi 
t' drjöovdKi — , M£ tö uavTn,Xi u. s. w. 

V. 2. XouXd, Cigarre, nach der auf Zakynthos mir gegebenen Er- 
klärung. Das Wort hängt ohne Zweifel mit dem aus dem Türkischen 
entlehnten XouXlc, d. i. Tabackspfeife, zusammen. 

V. 3. irpoß(*T€t: zu 29, 13. 

V. 4. KOUpviaxTÖc: zu 15, 10. 

V. 5. ßplcxei, d. i. ßpicKCt, €ÜptCK€i. — KOpdcio und KÖpn, (s. V. 6 
und bes. V. 12 und 17) auch von juugen Frauen. Ebenso KÖpr) im Alt- 
griechischen und puella im Lateinischen. 



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, — 273 — 

V. 7. Tdcia, d. i. Tassen, Trinkschalen (anch bei .Teannaraki Nr. 
132, 7 und bei Passow V. L. zu Nr. 441, S. 322). 
V. 11. X£v€, d. i. X£youv€. 

V. 18. rctc, vulgär für tint. — coucotium: zu 17, 2. 
V. 21. KttTi ciaßcWric: 8. Mullach Gr. S. 214, 4. 
V. 23. öuacKdXn,, d. i. uacxdXr|. 
V. 25. X&l, d. i. \tfti. 

58. 

Andere Versionen dieses Liedes, aber viel kürzer und weit weuiger 
anmuthig, bei Passow Nr. 483 und 484, Chasiotis S. 140, Nr. 12. Jean 
naraki Nr. 268. Auch das im Eingang allerdings sehr abweichende 
Lied bei Zampelios in der Schrift TTöOcv i) koiv^ kltic TpaYoubw (Athen 
1859), S. 41 f. gehört demselben Kreise an. 

V. 1. kovtoutcikoc, Demiii. von kovtöc, wie uiKpoüxciKoc von uttcpöc. 

V. 5. vtücou, d. i. £vbucou. — irouXncuj, d. i. irujXncu). 

V. C. öpuTyv£iyuj, d. i. epunvcucw. 

V. 8. enudpice: cTiuaptttu, vom ital. stimare. 

V. 12. Ueber das eingeschobene v s. zu 17, 4. 

V. IG. mrcouvi, vom ital. piccione, auf Zakynthos neben irepi- 
CT^pi gebräuchlich. 

V. 17 — 18. Aehnliches ist häufig in der griechischen Volkspoesie. 
S. z. P». NeocXXnv. 'AvdX. T, S. 82. 

V. 17. dKdXXn für KuXXr] (vgl. 57, 24). 

V. 20. öiaXaXiTca, von biaXaXid gebildet, öffentliche Bekannt- 
machung. 

V. 22. TpctKÖcia für TptctKÖcia. — irarfvfbi, Liebesspiel, hier eu- 
phemistischer Ausdruck für den Beischlaf, wie die alten Griechen das 
Verb ircd£€iv, die Römer ludere und Indus in diesem Sinne gebrauchen. 

V. 23. 6dv statt des gewöhnlicheren 6d oder Ge- vd. — Td, näml. 
xd Ypöcta. 

V. 25. uoötcoc, eigentl. Schiffsjunge (uouTcöiTouXa Passow Nr. 391 a, 
18), franz. mousse, ital. mozzo, span. mozo. Vgl. KoraTs "AxaKTa V, 
S. 225, der das spanische mozo auf altgriech uöcxoc zurückführt (V ). — 
Kapaßoucidvoc, von xapdßi gebildet. — Zu ergänzen ist in diesem V. 
ein Verbum wie Kifei. 

V. 30. YXuKOKiXaibouce : yXukokiXoü&üj , aus yXuköc (yXuküc) und 
KiXa'ibw, d. i. altgriech. KeXabu), zusammengesetzt. — Zur Sache vgl. 
zu 68, 25 ff. » 

V. 31. döpeepöe, d. i. db€p<pöc, äoeXq>6c. Durch dieselbe Buch 
stabenversetzung ist dbp€(pr| entstanden. 

V. 32. fiujpr) , hier nicht in seiner eigentlichen Bedeutung , sondern 
mehr als lnterjection, ganz ähnlich wie ßp£ (s. zu 37, 11). — troOO', 
d. i. noöOe für irö9tv. Ebenso im Folgenden irouOcve. — ol y°vcic cou 
etwas auffällig, nachdem f) ndva cou vorausgegangen, wohl nur aus 
Rücksicht auf den Vera gesetzt, da weder ita-repac noch KUptc sich dem 
Metrum fügt. Oder sollte herzustellen sein ö yoviöc cou (yoviöc für 
Schmidt, Griech. Miiehen, Sagen u. Volkslieder. 18 



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— 274 - 

YoWoc, welche letztere Form auf Zakynthos in Gebrauch ist statt 
yovtöc)? 

V. 33. KÜpic, d. i. KÜptoc. 

V. 38. xP^ CTCt T a f" r XP^c Taa > Imperf. von xpuJCTriw, d. i. xpcwct^uj. 

59. 

Ein merkwürdiges Lied von offenbar ziemlich hohem Alter, dessen 
Entstehungszeit aber genauer zu bestimmen ich doch nicht versuchen 
möchte. Klar ist, dass für diese Frage ausser den Versen 1 — 2 und 
15—10 noch von Wichtigkeit sind die Verse 5 und 22, wo der Held 
der Dichtung das erste Mal yvmöc tou ßuciXiuuc, das zweite Mal 6 ßaci- 
Xiäc genannt wird, ferner 31 und 31, welche den Namen des könig- 
lichen Freiers enthalten, endlich aber auch V. 10 wegen der Bezeich- 
nung der Geliebten als r Albaneserin\ Die zuerst V. 15 f. und dann 
noch an zwei weiteren Stellen erwähnten Abgesandten des Prinzen 
«PouKdc, NiKn/pöpoc und TpeuoTpdxnXac sind offenbar dieselben, welche 
in dem Lied vom r Sohn des AndronikoB' vorkommen, das, nachdem 
es zuerst Zampelios in der Sehriff. TTöÖev r) Koivr) X^Eic Tpcrroubuj, 
S. 38 ff., aber mit mehreren eignen Zuthaten, veröffentlicht hatte (dar- 
nach Th. Kind Anthol. neugriech. Volkslieder, Leipzig 1861, S. 2 ff., 
und Max Büdinger Mittelgriechisches Volksepos, Leipzig 1866, Anhang 
A), später zweimal von E. Legrand treu nach der im Besitze von 
Brunet de Presle befindlichen Copie herausgegeben worden ist, zum 
zweiten Male in dem Recueü de chansons populaires grecques, Nr. 87, 
S 186 ff. , wo es von dem besungenen Helden V. Uff. heisst: KOtveva btv 
rpoßdrai, MrjT€ töv TT^Tpov töv Oujköv, ut'rre töv NiKrj<pöpov, Mi']T€ töv 
TTeTpoTpdxnXov, töv Tp^u' jf\ Krj ö köcuoc, Krj äv f\vai biicrjoc iröXf uoc, 
unre töv KujvctuvtIvov. Denn <Pouköc in unsrem Liede ist weiter nichts 
als vulgäre Aussprache für Oujköc, und auch TpeuoTpdxnXac ist un- 
zweifelhaft identisch mit TTf TpoTpdxnXoc, wie auch der beiden Namen 
gemeinsame Zusatz 'vor dem die Erde und die Welt zittert' beweist: 
es scheint, dass die erstere Nameusform aus der letzteren verdorben, 
und dass diese Verderbniss eben durch das nachfolgende Wort rpeuci 
herbeigeführt worden ist. Noch weitere Corruptionen desselben, offen- 
bar mit der Zeit dem Volke ganz unverständlich gewordenen Namens 
sind Tpn.uaTÖx€iXoc in dem Digenisliede bei Kind Anthol. neugriech. 
Volksl. v. J. 1861, S. 62, V. 4, und TpeuavTÜxeiXoc in der Version des 
nämlichen Liedes bei Pasßow P. C. Nr. 516, 4 Ferner gehört hierher 
eine Stelle in dem jüngst von Legrand Chans, pop. gr. (specimen 1876), 
S. 14 veröffentlichten Gesang von Porphyrios, wo ¥. 5 ff. der Held dieses 
Namens schon als Kind sich rühmt, r nu>c ävöpec biv qpoßÜTCti, Mr)T€ tö 
Y^po tö AouKd, pf)T€ töv NiKn/pöpo, Mn.T€ töv MaupoTpctxrjXoO, iroö Tp^u* 
t\ yf[ Krj ö köcuoc'; woselbst offenbar Ooukö für Aoukö (vgl. oben) und 
MaupOTpüxnXou (d.i. MaupoTpöxnXo| v]) zu schreiben ist. Mehr weicht 
ab die entsprechende Stelle eines trapezuntischen Volkslieds bei loan- 
nidis 'IcTopia Kai ctotictikt^ TpaucZoövToc S. 288 ff., welches wieder 
abgedruckt ist in dem Buche von Sathas und Legrand r Les exploita 
de Digeuis Akritas', Introdnct. S. CII ff.: Ovbt töv Bdpvav (pößouuai, 



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275 — 



oüoe töv NtK€f}jöpov, Ovbä töv BapuTpdxnAov, vtö t6 cuaOlv Koqrr' £u- 
irpou Kai cnriciu (der 2. Vers hat mehrere Silben zu viel, S. und L. 
sehlagen vor zu lesen: vtö KÖq>T' £uirpou Kai ön(cu)). Den hier er- 
wähnten Bdpvac halten Sathas und Legrand für den Feldherrn Bardas 
Phokas (vgl. auch S. CXXV11I); über BapuTpdxrjAoc haben sie sich nicht 
geäussert, wenn mau von der kurzen und nur negativen Bemerkung 
S. 279 absieht. Büdinger a. a. O. S. 19 sieht in 'Petrotrachilos' einen 
vom Soldatenwitz erfundenen Spitznamen für den Eunuchen Petros, 
einen griechischen Feldherrn, der im Kampfe gegen Saraccnon und 
Barbaren des Nordens sich auszeichnete und in der Schlacht von Ar- 
kadiopolis im J. 970 das zweite Hauptkommando führte. Was den 
Nikephoro8 betrifft, so enthält sich Büdinger (S. 20) wegen der Häufig- 
keit dieses Namens unter den hervorragenden Byzantinern des 10. Jahr- 
hunderts eines bestimmten Urtheils. Allein es liegt doch weitaus am näch- 
sten, an den durch die Eroberung Kretas im J.961 (vgl. darüber Hertzberg 
Gesch. Griechenlands seit dem Absterben des antiken Lebens, I, Gotha 
1876, S. 281 ff.) so berühmt gewordenen Feldherru und nachmaligen 
Kaiser NikephoroB Phokas zu denken, und Büdingens Grund dagegen 
( r wie aber hätte der wegen dieses Sieges hochgepriesene Kriegsmanu 
hier nur so nebenher genannt werden können!') finde ich sehr uner- 
heblich. Der dritte, Petros Phokas, kann kein andrer sein als der- 
jenige, welcher später gegen den ehemaligen Oberbefehlshaber in der 
Schlacht von Arkadiopolis, Bardas Skieros, nachdem derselbe zum Re- 
bellen geworden war, das Kommando führte und ihn im J. 081 nüthigte- 
zu den Saraceneu zu fliehen (Büdinger S. 20). — Es liegt nach dem 
bisher Auseinandergesetzten ziemlich nahe zu vermuthon, dass Kostan- 
tas, der Held unseres Liedes, identisch ist mit der vierten der in dem 
Lied vom Sohne des Andronikos au der oben angeführten Stelle ge- 
nannten Personen, mit Konstantinos (denn Büdingens Vcrrnuthung S. 20, 
dass mit diesem Bardas' jüngerer Bruder Kcftistantinos gemeint sei, 
hat gar keinen Halt). 

Wenn nun die bisher besprochenen Namen wenigstens zum Theil 
mit Bestimmtheit auf das 10. Jahrhundert hinweisen, so lassen andrer- 
seits die Erwähnung der Bestürzung Venedigs in V. 2 und die gering- 
schätzige Bezeichnung des von Kostantas geliebten Mädchens als Al- 
bauescriu in V. 10 an eine beträchtlich spätere Zeit denken. Will man 
also nicht V. 2 und das Wort 'Apßavmcca in V. 10 als spätere Inter- 
polationen ansehen, so wird man genöthigt sein anzunehmen, dass 
Phokas, Nikephoroa u. s. w. in diesem Liede nur als typische Helden- 
namen figuriren. . 

Ein kleines, nicht durchaus corroct mitgetheiltes Bruchstück einer 
Variante unsres Liedes findet sich bei Passow P. C. Nr. 520, und eine 
zweite vollständige Versiou in der griechischen Zeitung 6uT^pTrrj, cpuA. 
35 v. 1. Februar 1849, welche Version neuerdings in den NeotAAnv. 
'AvdAcKTa 1, S. 342- -3 49 wieder abgedruckt und dadurch mir bekannt 
geworden ist. Dieser Text weicht im Einzelnen sehr erheblich von 
dem meiuigen ab und entbehrt der besprochenen Namen, nur dass der 
Held des Liedes auch hier Konstantin heisst. 

18* 



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— 27G — 



V. 1. öM^covxac: über diesen Namen des Schiffes weiss ich keine 
Auskunft zu geben; ein Nachweis darüber würde vielleicht die chrono- 
logische Fixirung des Liedes ermöglichen. — toü M^fa, Genet. des wie 
ein Eigenname behandelten Titels ö tAlfat (wogegen uctdXou Genet. 
der gewöhnlichen neugriechischen Form des Adjectivs, uexdXoc, »ein 
würde). 

V. 2. TIÖXi für nöXtc. 

V. 4. ^TrapdCKuiye : TiapacKÜnxiu es versehen beim Sichbücken, sich 
falsch verbeugen. Vgl. ^napemdtnea 29, 6 und 30, 5. 
V. 5. ßaaXiuJc: zu 29, 14. 

V. 9. tö ßoX€TÖ c' (d. i. cou) kann nichts andres bedeuten als 
'dein Wunsch, Wille'. Sonst ist ßoXetö Synonymuni von buvaröv oder 
von tÜKaipov. Vgl. Korais "ATaKTa IV, 1, S. 66 und 57 (der es von 
ßoXn, ßdXXuj ableitet) und Jeannaraki S. 326 u. d. W. 

V. 10. x a »ö«M^voc für xaiÖ€u^voc. 

V. 11. KäXt-pu, d. i. Schuhe, in der mittelalterlichen Graecität 
häufig (vgl. Du Gange S. 549 f.) , in der heutigen Volkssprache meines 
Wissens nicht mehr üblich, ist nicht mit Korais "Atoktu I, S, 169 und 
IV, 2, S. 600 von lat. calceus, sondern vielmehr unmittelbar von lat. 
caliga abzuleiten. Vom Subst. KaXiti ist wiederum das auch im heuti- 
gen Griechisch noch ganz gebräuchliche Verb KaXifiOvuj, d. i. beschla- 
gen (s. 65, 3), gebildet. — cp6pi€, d. i. icpöpte, Imperf. von (popüj. 

V. 12. föpoc xcf\ noöoüXac (TroboüXa und irootoöXa, Deminut. von 
irobid): vgl. zu 53, 15. Zu ergänzen ist elvcu (t^touxi, d. h. dpK€l. 

V. 14. Xec, d. i. X^ttcic. 

V. 15. cr^pvei: cxepviu für ct^Xvui. d. i. ct^XXuj. 

V. 24. Zum Gedanken vgl. die Lieder bei Passow Nr. 526, 1 -4 
und NeoeXX. AvdX. I, S. 343, sowie Hahn s Gr. Märchen II, S. 148 oben. 
— nXcucö: irXctKÖc, Hürde, Pferch Tür Thiere, vielleicht verwandt mit 
nXd£, soll jetzt hauptsächlich in Makedonien gebräuchlich sein (das 
gemeingriechische Wort dafür ist udvopa). 

V. 26. ävabcStutouc (ävaö^x oua, )> die von ihr aus der Taufe ge- 
hobenen Mädchen (auch bei Pass. Nr. 526, 13). Unten V. 57 statt des- 
sen napcxbeEiuicuc , wohl um einen unangenehmen Hiatus zu ver- 
meiden. 

V. 27. xpucoKepauuuuivo, ergänze ttvoi. 

V. 28. dXXnvnc für ÜXXnc. Vgl. Mullach S. 197 ff. M. Donner 
Neogr. S. 87. — tö ctuti ine: das Pronomen abundirt. Ganz ähnlich 
sagt unser Volk: 'der andren ihr Haus'. 

V. 29. K€ivf|C und iKeivrjC für £K€ivr)C. Vgl. Mullach S. 199. — 
XoYdpi: zu 35, 2. 

V. 30. c^pvei, d. i. aipei. 

V. 31. KuKxavTa für KujvcTavTä, d. i. KwvcTavrivov. — dTtavTat- 
vouv: dnavTaivuj, Nebenform von dTTavtduj. Ebenso V. 45. 

V. 33. CKapiKta für cxapüaa (vgl. cKOtvi für cxoivi, ocoXeto für 
cxoXeiö, d. i. cxoXeiov, ckivoc für exivoe, äuacKdXri obon 57, 23 für 
uacxdXnJ, d. i. cuYX a Pi*ia, bezeichnet sowohl das Geschenk, das zum 
Danke für eine erhaltene frohe Botschaft gegeben wird, als auch die 



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- 277 — 



frohe Botschaft selbst. — q^pvei, nämlich zunächst Tremotrachilas. 
An cplpvi (dialektisch für <p£pv€, d. i. <p£pouvc) ist nicht zu denken. 
V. 45. udicca für u<Vricca. 

V. 46. CKuXoYuqpTicta, mit cküXoc, Hund, und Yuqmcca, Femin. 
zu YucpTric, d. i. Zigeuner, zusammengesetzt. — TroüOe: zu 58, 32. 
V. 47. vdv', d. i. vd nvai. 

V. 49. Kovrd crd ErjuepujuaTa , d. i. hier 'gegen Abend', wie aus 
dem Vorhergehenden sich ergibt. Allordings bedeutet £n,u^pujua den 
Tagesanbruch; aber mau wünscht sich eüiKaXö £n.u^piuuaeben am Abend. 

V. 50. Kd-rce: zu 17, 2. 

V. 53. tc>py\ d. i. TopT«, Adv. von Yopföc, das in der heutigen 
Sprache 'schnell, frühzeitig' bedeutet (vgl. Korais "Ar. II, S. 94). 

V. 55. öXrivuxTi'c, gewöhnlicher öXovuxtic, d. i. öXovuktuuc. Vgl. 
uccoupavi'c V. 71, besonders aber.öXn.u€pic 65, 6. 

V. 56. t* diroraxud (tö toxu und Taxud in der mittelalterlichen 
und heutigen Graecität niane, matutino tempore) muss hier den ganz 
frühen Morgen, das Morgengrauen bezeichnen. Vgl. V. 64, wo diese 
Zeit noch zur Nacht gerechnet wird. Dagegen unterscheidet sich der- 
selbe Ausdruck in V. 69 und 65, 14 nicht wesentlich von dem ein- 
fachen raxud. 

V. 58. f^pTa. Der mir vorliegende Text des Liedes, welches ich 
auf Kephalonia schriftlich mitgethcilt erhielt, bietet ßepct, ein Wort, 
das mir vollständig dunkel ist. Die Erklärung 'Ring', welche mir 
ein Grieche gab, wird allerdings bestätigt durch das neuerdings im 
2. Bande der NcoeXXrjviKd AvdXcKTa veröffentlichte TXujccdpiov KetpaX- 
Xnvuic, wo S. 178 ßepobaxTÜXiba aufgeführt und durch öiaqpöpujv elbüuv 
bctKTuXibta erklärt wird. Um so weniger aber kann ich nun das Wort 
selbst an unsrer Stelle für richtig halten, es stimmt dazu weder der 
Ausdruck ctd x^P ,<Jl uou (wozu cpepTe aus dem Folgenden zu ergänzen 
ist) noch der Inhalt von V. 67 (wo ja übrigens auch das allgemein 
übliche Wort für 'Ring' in der Deminutivform gebraucht ist). Ich 
habe daher ß^pxu, d. i. dß^pTCt, geschrieben, ein in der mittelalterlichen 
Graccität gebräuchliches Wort für 'Ranzen, Kleidersack, Reisetasche', 
lat. averta, altgriech. dop-rnc, dopTn.. Vgl. Suidas I, S. 516 Bernh.: 
'Aop-rnv. X^youciv ol rcoXXol vOv d߀pxr|v (dߣpTrjv?). MoKcboviKÖv bi 
Kai tö ck€üoc Kai tö övoua, und Du Cange unter dß^pTa, wo auch 
ein Nachweis für die abgekürzte Form ß^vra beigebracht ist. — An 
ßlpya, d. i. Ruthe (womit hier eine Reitgerte gemeint sein müsste), 
möchte ich nicht denken. — CK^irrj: darunter wird nicht ein Hut, son- 
dern ein den ganzen Kopf bedeckender Schleier zu verstehen sein. 

V. 60. EarvavT^, allem Anschein nach Compositum von dvrduj 
(EaYvavTÜuj für dEavavrdw). Die Bedeutung aber kann nach dem Zu- 
sammenhang kaum eine andre sein als 'spähen'. 

V. 61. dYYÖvi: zu 29, 14. 

V. 63—66. Offenbar höhnende Worte der Mutter des Prinzen. 
Vgl. V. 72. 

V. 64. ßepYoXuYCpaic, von ßtyra und Xurepöc, also eigentl. schlank 
wie eine Gerte. — -»tepßaTOuv: zu 29, 13. 



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- 278 - 



V. 67 — 68. Worte der Sehöneu. 

V. 67. Vgl. Passow Dist. 78: 'AvoiEav ol tqnä oupavoi. 
V. 68. toö Tüpou Y^pou, dasselbe wie rpiYÜpou. 
V. 69. cr|KU»0r|K€, nänil. der Königssohn. 

V. 70. (pouKdpi für (prpcdpt, öiixdpi, d. i. erpcr). Vgl. <t>nßa obeu 
S. 143, Aura. 1 und zu Lied 8, 3. 

V. 72. xäpov — rcrj xäptc cou wird auch heute noch mit bittrer 
Ironie gesagt zu einem, der durch Stolz und Uebermuth sich selbst 
ins Unglück gebracht hat. 

V. 74—75. Zum Gedanken vgl. Volksleben I, S. 250 f. 

V. 75. XuYo߀ptU€i, eine eigentümliche Umstellung für ßepYoAu- 
rdci, d. i. XuYdei ibcdv ߣpYti. 

V. 76. 'bt, d. i. ibl. 

60.' 

Variauto bei Passow Nr. 513 und vollständiger bei Iatridis CuXX. 
brmoT. dcudTUJV S. 79. Theilweise ähnlich ist auch Pass. Nr. 147. 

V. 1. KÖpn,: zu 57, 5. — rcrj für cxcfj (tic rrjc). — Welche 
Brücke gemeint und ob Tptxa Ortsname ist, weiss ich nicht. Nach 
Iatridis a. a. 0. S. 16 führt eioe schmale Brücke über den Mornos in 
Lokris den Namen tpixivo reqnipi: mau könnte an diese denken. 

V. 3. dcpouYKpdcTri für d<pouYKpdc0r|, Aor. von d<|'OUYKpdZopai, das 
aus diraKpodcouai (dKpodouai) verdorben scheint. Auch die Formen 
dqpouicpdZouai imd d<ppouKa£ouai kommen vor: s. Passow im lud. 
Verb. S. 603. Jeaunaraki üloss. S. 324. (Anders M. DeiFuer Neograeca 
S. 72 f.) 

V. 6. Tcupi wahrscheinlich für ^Tcripi, Dcmin. von 'dTmpoc, ob- 
wohl man auch an eine Ableitung von tt€poc denken köunte (in wel- 
chem Falle dann T^pi zu schreiben wäre). Vgl. Konus "Atokto II, 
S. 346, der beide Etymologien erwähnt und ganz richtig erklärt: f tö 
ueTaxttpiZovxai irdvroT€ eic ör|Xujciv npdYHUToc f) Trpocümou öx» iiidvov 
öuoiou rfjv qnkiv u* dXXo Trpöcüjnov f\ irpäYua, dXXd cuZcuym^vou cpuci- 
kujc f) TexviKüuc u' ^Ktivo, öict€ vd voutttTat KoXoßöv xwpiZduevov an' 
dteetvo.' 

61. 

Vogelfaugerlied oder auch Liebeslied, denn unter dem Rebhuhn 
kann sehr wohl ein Mädchen verstanden werden. 
V. 1. nXoumcu^vri : zu 52, 4. 

V. 4. KXoußdKi, Demin. von nXoußi, d. i. KXuußiov. 
V. 7. bevrpd: zu 56, 16. 

V. 8. TcavTcauivta: vgl. Passow im Ind. Verb. S. 636. — mockoO 
Xouc für uocxoüXcuc (zu 69, 33). Auf Zakynthos sollen die weissen 
Kosen so genannt werden. Vgl. im Allgemeinen Kora'is "ATaKTa V, 1, 
S. 216 f. 

62. 

NavvapicuctTa oder Wiegenlieder sind in nicht geringer Anzahl 
veröffentlicht. S. Passow Nr. 273—284. Chasiotis S. 29 -33 und 191— 



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- 279 - 



194. Sakellarios KimpiaKti III, S. 121 f. Morosi S. 26. '€(pnM e P' c T <&v 
OtXouaeüJV v. J. 1858, S. 393. Jeaunaraki Nr. 308. 
V. 2. vop9\ d. i. vd £p0r), eX9r). 

V. 4. kokö in der Kindersprache dasselbe wie airfd, das Gackern 
des Hohns nachahmend. Vgl. Sanders Volksl. S. 120 Anin. (darnach 
Pass. im Ind. Verbl). Ganz ähnlich nennt man im badischen Ober- 
lande das Ei in der Kinderspraeho f Gacka\ 

V. 5. ibpd: zu 39, 16. 

V. 7. KOUKOuXoudTri (koukouXüjvuj verhüllen, pdti Auge), Anrede 
an den personificirten Schlaf. 

V. 10. ctoupd: efoupöe bedeutet auf Zakynthos 'dunkel, schwärz- 
lich', wie in der mittelalterlichen Graecität (s. Du Cauge u. d. W.), 
und ist in dieser Bedeutung wohl von lat. obscurus herzuleiten. Ander- 
wärts, z. B. auf Kreta, heisst croupöc 'kraushaarig' (vgl. Jeaunaraki 
S. 366), was mit lat. cirrus zusammenzuhängen scheint. 

63. 

Dieses Lied wird gesungen beim Beginne des icXnbovac (altgriech. 
KXnbujv, rj), einer besondreu Art der Schicksalsbefraguug am Johannis- 
tage, von welcher ich im zweiten Theile des Volksl. der Ncugr. aus 
führlicher zu handeln gedenke, daher ich mich hier auf das zum Ver- 
ständuiss durchaus Nothwendige beschränke. Das Wesentliche besteht 
darin, dass die Thcilnehmer jeder einen ihm gehörigen Gegenstand, 
z. B. eineu King, in ein mit Wasser gefülltes Gefäss werfen, welches 
darauf zugedeckt und am Johannistage geöffnet wird: beim Heraus- 
ziehen eines jeden der hineingeworfenen Gegenstände wird ein — in 
der Regel erotisches — Distichon hergesagt, aus dessen Inhalte man 
auf das zukünftige Los desjenigen schliesst, dem der Gegenstand an- 
gehört. Jones Gefäss heisst eben auch KXn&ovctc, und die Anfangs- 
worte unsres Liedes enthalten die Aufforderung, dasselbe aufzudecken. 
Die kretische Version bei Passow Dist. Nr. 85 und bei Jeaunaraki 
Nr. 309. Vgl. auch Guys Voyage litteraire de laGrece, 3. e"dit. (Paris 
1783), I, S. 220, und NeotXXnv. 'AvdXeKxa I, S. 334. 

V. 1. ai, Genet. von die, d. i. ärmc. Vgl. 11,3. 29, 15. 55, 1. 65, 7. 

V. 2. piZwdpei, von ital. risicare (rischiare), aber hier in dem 
Sinne von KaXopiZnceuci (vgl. Du Cauge S. 1298), wie piZiKÜpnc gleich- 
bedeutend ist mit felix, fortuuatus. 

V. 4. K€pöeu£voc, d. i. Kcpörjuivoc. 

64. . 

V. 3. dvTdua, 'zusammen', für ivxdua, welches nach Korais "Ar. 
II, S. 124 aus Iv tu) dpa Entstanden ist. — Tpinya für xpüJTav, d. i. 
erpujYav. Ebenso cuxvoxaipeTiuJvra für cuxvoxaip€TiÜJvrav, und V. 8 
Koupceüou für Koupceüouv. Vgl. 27, 3 mit d. Anm. 

V. 4. cxdßXo: ctdßXoc (auch craüXoc geschrieben) von lat. sta- 
bulum. 

V. 6. rpüjv für Tpujyouv. 

V. 9. cd ti in dem Sinne von Kcttd uolov rpöirov. 



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- 280 — 

V. 12. ßiYXa, vom lat. vigilia, die Wache. Davon das Verbum 
ßrfXiZuj, bewachen, beobachten, spähen, und dergleichen. Vgl. Du Gange 
S. 199 und unten V. 15. 

V. 16. CTäuira tou, d. i. ctö £uTia tou, wie cräßra für ctö eßra 
steht. Zu diesem letzteren ist aus utrn.K€ (£ußnK€) ein ßYn.K€ (£ßYn.K€) 
zu ergänzen. — it€Tprmc höchst wahrscheinlich 'Falke'. Vgl. Passow 
Ind. Verb. u. d. W. Die hier völlig unpassende Bedeutung f Koth- 
kehlchen' beruht auf der Angabc Somavera's. Bei KoraTs "Ar. IV, 1, 
S. 421 sucht man vergebens nähere Aufklärung. 

V. 18. ÖUTrpöc, d. i. luirpöc (luirpocöcv). 

V. 20. Koucpdpia, Körper, meist, wie hier, todte Körper, Leich- 
name (vgl. Pass. Nr. 192, 13. 29, 6). Zur Etymologie vgl. Korais "Ar. 
II, S. 209 

65. 

Ein merkwürdiges Lied, dem offenbar eine Ortssage zu Grunde 
liegt. Unter dem auf dem Elatosberge hausenden Ungeheuer ist jeden- 
falls ein Drache zu verstehen. Draohensageu gibt es auf Kephalonia 
überhaupt mehrere. S. Volksleben I, S. 194 mit Anm. 1. Der Digenis 
uusres Liedes ist natürlich ein andrer, als der in der Vorrede S. 37 ff. 
besprochene Held dieses Namens. 

V. 1. iräv€ für ndouve, ttöyouvc, wie in V. 2 iräjn€ für irdwuev 
oder irätwucv. 

V. 2. bö für böc. 

V. 3. CÜpTe: vgl. zu 41, 3. 

V. 4. t' 'GXdrou tö ßouvö: gemeint ist das höchste Gebirge von 
Kephalonia im südöstlichen Theilc der Insel, der durch seinen Zeus- 
cult bekannte Aivoc der Alten (Strab. X, p. 456. Schob Apoll. Hhod. 
II, 297), welcher jetzt von den Eingeborenen tö uerdXo ßouvö genannt 
wird, früher aber auch den Namen "€Xotoc oder '€XctT6ßouvo führte: 
gegenwärtig heisst nur eine besondere Kuppe dieses Gebirges ctöv 
"CXcitov oder ctöv '€X<mä. 

V. 5. BepYtö für Gepiö, d. i. Onpiov. — Kcrrapouqpdei, Compos. von 
poucpduj, d. i. altgriech. boyiw. 

V. 6. öXrjuepic: vgl. zu 59, 55. — dtcduav, d. i. cxduavc, licauav. 

V. 7. KUpi, Genet. von Kuptc (vgl. 58, 33), d. i. Köpioc. Vgl. zu 63, 1. 

V. 10. CTUTl TCOU für CTÖ CTUTt TCOU. 

V. 11. vv<pr\ : zu 41, I . 

V. 12—13 erinnern an den Traum der Pcnelope Üdyss. XIX, 536 ff., 
so wie an das Wahrzeichen in Aulis II. II, 308 ff.| 
V. 14. TitOepou für u€v6fcpoü (vgl. zu 42, 7). 
V. 18. Oduet für OaOua. • 

66. 

V. 1. Der Sinn dieses Verses kann, nach dem Gegensatze in V. 2 
zu schlicssen, kaum ein anderer sein als der: 'es ist kein unbestimm- 
tes Gerücht' (sondern eine auf die Erfahrung der Frauen und Mädchen 
von Agrapha sich gründende Wahrheit). — Rebhuhn und Kukuk wer- 
den öfters zusammen genannt in den Liedern. So bei Passow Nr. 69, l 



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— 281 — 



(eine überhaupt mit der uusrigcu zu vergleichende Stelle). 73, 5 
und sonst. 

V. 2. Xdve: vgl. zu 57, 11. — xi> d. i. rj (cd). 
V. 3. ÖTidix', d. i. önoö ä%t\. 

V. 4. navTuxcu'vn. für dnavruxaivri, von dnavTuxcuvw , welches 
Verbum dasselbe bedeutet wie dnavT^xw (über dieses vgl. Korais "Ar. 
II, S. 52, der übrigens eine mir sehr unwahrscheinliche Etymologie 
aufstellt). 

V. 5. KÖßci, d. i. kötktci. 

V. 8-9. Vgl. 19, 4-5. 

. 67. 

Ein weit verbreitetes Lied, das mitunter zu den Myrologia ge- 
rechnet wird und mir selbst als solches mitgetheilt wurde, aber nicht 
eigentlich dafür gelten kann. Varianten bei Passow Nr. 343 — 349, 
Chasiotis S. 83, Nr. 18, Legrand Recueil Nr. 123, welche sämmtlich 
die Ueberschrift 'H koku, udva führen, auch bei Jeaunaraki Nr. 195. 
Nahe vorwandt ist auch Nr. G8 meiner Samml., wozu man die Anmerk. 
vergleiche. 

V. 1. ßpiZe, d. i. üßpiZc. 

V. 2. RdTpeya für KiVrepxa. 

V. 5. paXXtdcr): tiaXXidZuj (paXXi), eigentl. Haare bekommen, rauch 
werden. Ebenfalls von der Zunge bei Passow Nr. 343, 9. 348, 7. — 
pujTÜJVTac für £pu)TÜjvTac. Ebenso 68, 11. 

V. 7. Dieser Vers will nicht besagen, dass Eros stets in der He- 
gleitung des Sohnes sei, sondern der Sohn selbst wird als Eros be- 
zeichnet. — £p£va dient nur zur Hervorhobung des nachfolgenden uoö. 

V. 8. nie: zu 57, 18. — coucoüuta: zu 17, 2. 

V. 9. Ktirapicc^vioc für Kunapicc^vioc. 

V. 11. vumouc, d. i. djjaouc: vuiiioc ist dadurch entstanden, dass 
das v des Accusativs des Artikels zum Nomen herübergezogen wurde 
in Folge eines Hörfehlers, indem man statt xöv üjuov zu hören glaubte 
töv viftuov. Demselben Irrthum verdanken voucoKÜptc und voiKOKupd 
ihre Entstehung. Das Gegentheil hat stattgefunden bei 'AEid für 
NaEid, d. i. NdEoc. Hierüber hat schon Korais "ATaKTCt I, S. 183 völlig 
richtig geurtheilt. — ^Kdva für dKdvav, £i«xvav (i?Kauvav), d. h. hier, 
sie eigneten sich (die Schultern). 

V. 14. ätTr|Xor|8r|Kave für dnrjXoYnQn K 8ve. Vgl. zu 9, 4. 

V. 16. 6uKta, Td, heissen auf Zakyuthos die vom Meere ans Ge- 
stade gespülten Pflanzen und Blätter. Das Wort ist identisch mit 
altgrieeh. <puKiov (*püicoc), d. i. Meertang. Zum Wechsel der Aspiraten 
vgl. altgr. tpnp, 0n.p, UU( l zu 8, 3. — iranXioua: zu 15, 9. — (naxapdTCi, 
d. i. Matratze. 

V. 17. Ea9d für £av6d. — Ytd ist in diesem Verse ausnahmsweise, 
zweisilbig zu sprechen. 

V. 18. TpoYupftav für TptYupiZav. 
V. 20. ixwpl: vgl. zu 37, 11. 

V. 24. TToXuomKpap^vrjC selten für iroXumKpau^vr|C. 



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- 282 — 



6& 

Auch dieses Lied wurde mir als uupoXöyt bezeichnet, und es mag 
sein, dass es wirklich ein Klaggesang für einen im Meere umgekom- 
menen und an den Strand gespülten Jüngling ist. Wegen seiner 
grossen Aehnlichkeit mit dem vorigen Liede indessen, welches ich als 
eigentliches uupoXöxi nicht betrachten kann, habe ich vorgezogen es 
hierher zu stellen. Eine kürzere Version desselben findet sich bei 
Passow Nr. 350. 

V. iL uttojhc, Adverbium, gleichbedeutend mit Taue, hiiugt offen- 
bar mit dem Verbuni uiropui (£uiropuj), d. L öüvaucu, zusammen (also 
wörtlich: 'es kann sein, dass'). Auf Kreta wird in demselben Sinne 
das von derselben Wurzel gebildete Adverb uirop^Tiuc gebraucht. S. 
Jeannaraki Nr. 47, V. 42 und Sil (wo gleichfalls, wie au uusrer Stelle, 
der Conjunctiv nachfolgt) und Nr. 172, HL Vgl. noch das kretische 
Lied bei Passow Nr. 247 , 12, und im Allgemeinen Du Cauge Gloss. 
S. 382. 

V. 5_* cuvxaZöcouva, 2, Pers. Sing. Imperf. von cuvrdZouat. Ueber 
die Bedeutung s. zu 17, L Ich beziehe das Wort hier auf die Vor- 
bereitungen, die die Mutter für die Heise ihres Sohnes trifft, indem 
sie ihm Biscuit bäckt. 

V. 8, ävTrjucpa (für dvGrjuepa, von dvxi und nu^pa gebildetes 
Adverb) x" ui fuopTioO , d. L am ersten Tage nach dem St. Georgs- 
tage; wie tö dvriXauirpa und tö avtiTracxa den ersten Sonntag nach 
Ostern bezeichnen (vgl. Korais "Atüktci IV, Ij S. 22J. Bei l'assow 
Nr. 258, Z und 345, 1 findet sich dvnuepa mit dem Genetiv eines 
Heiligennamens, was f pridio' bedeutet, wie schon Liebrecht in den 
Ergänzungen zu P.issow's Index (Gott. gel. Anz. v. J. 1861, S. 568) 
bemerkt hat — irav€Yöpi, d. L navrixupi (Demiu. v. iravrprupic). Ueber 
diese Feste im heutigen Griechenland s. Volksl. I, S. 83—88. 

V. 5L Baüprjc, d. L 6d cüprjc. 

V. 11L uiroXoüXa, Demin. von uttöXiu, ^uiröXia (n), mit welchem 
Worte das von den griechischen Bäuerinnen getragene, den ganzen 
Kopf bedeckende und über den Kücken hinabwalleiidc Schleiertuch 
bezeichnet wird. Man erklärt es als entstanden aus lußoXia (£ußtiXXu>). 
So Korais "Atokto IV, 1^ S. UJL 

V. LL CTexvujErj, von ct€Tviüvuj, trocken werden (vgl. altgr. ere~ 
Yvöc ctcyvöuj). 

V. Ii. Yid, nicht zu verwechseln mit der Praeposition f\&i d. L 
bid, entspricht unsrem wohlan! auf! Korai's "ATaKta S. 295 f. ver- 
muthet mit Wahrscheinlichkeit, dass dieses parakcleusinatische f\a 
entstanden ist aus dem hellenischen ela, das besonders bei den sce- 
nischeu Dichtern häufig vorkommt. — itoOpe, d. L feiirtimev (ei- 
muuev). 

V. HL. vepavxcoöXa, Demin. von vcpavxcid. 
V. 22, öx: zu 20, HL 

V. tL. Derselbe Gedanke bei Jeannaraki Nr. 305 , 22 und bei 
Passow Nr. 354, & 



V. 2ü ff. Die Vogel erscheinen in der Volksdichtung der Neu- 
griechen ungemein häufig als mit Vernunft und Sprache begabt (dv- 
Opdmiva XaXoöct, ^Xeycv dvOpujmvn, XaXixca oder ähnlich heisst es sehr 
oft von ihnen in den Liedern) und als Antheil nehmend "an den Ge- 
schicken der Menschen: sie rathen, warnen, bestellen Grösse, und 
andre Aulträge, melden wichtige Ereignisse, verkünden auch Zukünf- 
tiges u. s. w. Zumal in den Klephtenliedern spielen sie eine grosse 
Rolle. Vgl. über diesen Gegenstand im Allgemeinen W. Wackernagel 
'Eirca irxepocvxa, ein Beitrag zur vergleichenden Mythologie, Basel 
1860, S. 14. ff. Ueberhaupt ist in dieser Poesie die ganze Natur leben- 
dig, auch die Bäume und die Steine reden (vgl. z. B. öj^ lä ff. 9, L. 
69", 2 meiner Samml.), wie im golduen Zeitalter der Menschen: £iri 
rf\c bi xf)vcf\c Kai xd Xomd xwv £u)ujv Oujv^v £vap6pov e?xe Kai Xöyouc 

n&ei* 'GXäXei bi nitpr) Kai xä <puXXa xnc tt£ökt]C, "€XdXei bi növ- 

toc, BpdYXfii vt|l Kai vauxrj, CxpouOol bi cuvexd irpoc Ytwptöv tbuiXouv 
(Babrios TTpoolu. fi ff.). 

V. 25. ctxe: vgl. zu 20, 8, 

V. 3JL xG^H^wce f ur xau^wce (x a H»l^ 0C )' — qvrepoüxaic für irxc- 
poÜYaic (v. altgriech. irx^puE). 

V. 32., uo6€xrlc, d. i. iroOnxfjc. 

V. 3JL biaXuvnc: oiaXuviu (auch bei Passow Nr. 412, 4 -und 14. 
553, 5) Nebenform von biaXu£u>, biaXuuj, auflösen, metaphor. enthüllen, 
erklären. Zur Bedeutung vgl. Korais "Ax. II, S. 406. 

V. 3JL böXta: böXioc hat in der heutigen Sprache die Bedeutung 
von altgriech. bclXaioc (dass dasselbe Wort daneben auch noch in der 
alten Bedeutung gebraucht wird, wie Kora'is "Ax. S. 268 angibt, 
ist mir nicht bekannt). — xöv duuov äuuov: vgl. 5^ JL 

Eigenthümlich und merkwürdig ist in diesem Liede die Lebhaf- 
tigkeit der Vorstellung, in Folge deren das Abschiedswort des Sohnes 
an die Mutter, in welchem er derselben sein trauriges Geschick vor- 
aussagt, allmählich und, wie es scheint, dem Dichter oder der Dich- 
terin selbst ganz uubewusst in eine epische, zugleich aber dramatisch 
belebte Erzählung dieses Geschickes übergeht. Das Nämliche findet 
auch schon in Nr. 6_I statt, wenn auch dort in etwas weniger auffäl- 
liger Weise. 

ea; 

Variante bei Passow Distich. Nr. 1101. — Zum Gedanken vgl. 
Grimm D. Mythol. S. 613 Aum. 

Aehnlich ein kretisches Distichon bei Elpis Melena S. 44_, Nr. 2& 
V. 2. Trapaodpuaxa , Plur. zu irapaoapuöc, von irapaölpvuj , über- 
grosse Qualen, Mühen. Vgl. zur Bedeutung Kora'is "Axokxo IV, 1^ 
S. 385. 



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Vorrede 1 —62 

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5. Die drei Citronen 


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6. Die verzauberte Königstochter oder der Xaubertbui m 


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7. Di»' Herrin über Knie und Meer 


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8. Der goldne Apfel des unsterblichen Vogels ... 


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». Prinz Kit'hs 


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12. Der Drache 


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—104 




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15. Das Schloss des Helios. 


100- 


—109 


Iß. Die Mutter des Erotas 


109 


-no 


17. Maroula und die Mutter des Erotas 


110 


-112 


Ift. Der Garten des Erotas . 


1 1;{ 


in 


1». Tisr.htnch nnd Gnldhnhn 


in 


-116 




115 


116 




116 


-117 


'2*2. Gevatter Charos 


117 


1 18 


23. Die siebenköplige Schlange 


IIS 


122 


21. Der Teufel und des Mischers Töchter 


122 


-125 




125 


127 



II. Sagen. 

1. Gott und die Kiesen 131 

2. Charos' Strafe 132 

3. Der Vogel Gkiön 132—133 

4. Himmel und Meer 133 

5. Die Neraide 133—135 

G. Die Neraiden an der Mühle 135-138 

7. Der Wampyr 139 — 140 

8. Der Teufel in der Flasche 140-141 

9. Die Rache der Lamnissa 141 

10. Die Arachobiten und die Lamnia 142 

11. Der Drache von Koumariä 142—143 

12. Die Rathsei wette 143—144 

13. Der Einsiedler auf dem Berge Liakoura 144 — 145 

14. Alexander von Makedonien 145—148 

m. Volkslieder. 

A - Ss'Ä*"!»'''-« ««> »• 

1$. Lieder von Charos und der Unterwelt, Nr. 18—39 . . 158 — 181 

C. Hochzeitslieder, Nr. 40 -43 180—183 

D. Liebeslieder, Nr. 44-59 184 205 

E. Lieder verschiedenen Inhalts, Nr. 60—70 204-217 

Anmerkungen. 

1. Anmerkungen zu den Märchen 221 — 240 

II. Anmerkungen zu den Sagen 241- 251 

III. Anmerkungen zu den Volksliedern 262 — 284 



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Druckfehler. 



S. 16, Anm. 3, Z. 4 von unten tilge 'von'. 

S. 36, Z. 5 von oben lies dvöpeiwu^voc für ävöpeuöuevoc. 

S. 36, Anm. 2, Z. 2 von oben schreibe AtY€vr) für Arfcvfj. 

S. 119, Z. 17 von unten setze ein Komma nach f ihn\ 

S. 132 in der Ueberschrift von Nr. 3 schreibe Gkiön 1 ) für Gkion 3 ). 

S. 196, V. 6 ist der Strich nach öpjnnv£ipiu zu entfernen und hinter 

irouAr)Cuu in V. 5 zu setzen. 
S. 217 in der vorletzten Zeile lies 'Erde' statt 'Erden'. 
S. 222, Z. 20 von oben schreibe Miä für |uu&. 

S. 238, Z. 3 von oben schreibe xpvcw^xivo für Xpuauu^vo, dagegen 

Kacrpi für Kacrpt. 
S. 241, Z. 1 von unten schreibe ijov für yjov. 



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