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Full text of "Blätter für die Kunst, eine Auslese aus den Jahren .."

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Blätter für die 
kunst 






Stefan Anton 
George 




HARVARD 
COLLEGE 
LIBRARY 



I 




LFETTERFÖRDIE 

ÖNCnUSLE&EflUS-DölM 




6E0RGEONDI 
BERL1N1&9S) 



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BLATTER FOR DIE KUNST- BEORONDET VON STEFAN 
CffiOROB • HBRAUBQBCSBEH VQH CARL AUOUBT KLEIN. 



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nl LFETTERFÖR-DIE 

kMQNDRUmCflUS-DEN^ 
l3]JHHREN(^tS{^I&52-98 




6E0R&BONDI 
BERLIN1&9S 



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4- -* 



HARVARDE 
UNIVERSITYI 
LIBRARY I 



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VORWORT 



Die Blätter für die Kunst sind seit einer 

reihe von jähren für eine auserwählte gemein- 
schaft von künstiern und kunst-anhängem er- 
schienen . schon nach den ersten heften hatten 
sie sich von dem verdacht gereinigt eine neue 
schule oder richtung anpreisen zu wollen und 
zur genüge dargethan dass mitarbciter und 
leser durch keinen anderen gedanken verbunden 
waren als den : auch bei uns gegen das un- 
vornehme geräusch des tages der Schönheit 
und dem geschmack wieder zum siege zu ver- 
helfen . so unterstuzten sie die glcichlaulcnden 
bestrebungen in der bildenden und ausschmük- 
kenden kunst . ( nach und nach wurde ihnen 
zu teil auch aufserhalb ihres kreises viele freunde 
zu erwerben und anregend und umgestaltend 
zu wirken . Jezt mussten sie sich entschliefsen 



mit dieser auslese aus sämmtlichen Jahrgängen 
den weg der Öffentlichkeit zu beschreiten weil 
sie durch die zahlreichen bedeutungsvollen be- 
sprechungen der lezten zeit ohnehin ihre schranken 
verlassen und in unsere dichtung und unser 
Schrifttum so fühlbar eingegriffen haben dass 
das verlangen aller teilnehmenden nach einer 
zusammengefassten und erreichbaren ausgäbe 
gerecht zu sein schien . 



AUB DEM QE8AMIIT-INHALT DER SUTTER fOr Oft XUilBT 



EMTC FOLS C 

I. BAND 

BLÄTTER FÜR PTE KUNST. 
STEFAN GEORGE : AUSZÜGE 
AUS HYMNEN PHiOERFAHR- 
TEN ALGAB.1L. HUGO VON 
HOFMANNSTTliVL . DEE TOD 
DES TIZIAN. PAUL GE- 
RABDY: DIE KBEUZE. *: 
LB& TOPEN . KAHL ROÜ^ : 
OfiDIGHTE. TSAQBBJÜM'S^, 

n. BA^D 

*: LEGENDEN. HUGO VON 
HarifAiniSTHAL:GEDICHTE . 

CARL AUGUST KLEIN : tTBEB. 
STEFiVN GEORGE . GEORG 
EDWARD ; GEDICHTE . ÜBEBr 
TBAGÜNGEN AUS STEPHANE 
MALLARifE , PAUL VERLAI- 
NE , JEAN MOREAS. HENRI 
DEBEGNIER. NACHEICHTEN . 

m. BAND 

*: TAGE UND THATEN . *: 
AUS WANTTEL. MAX DAU- 
THENDEY : AUS ULTKAVIO- 
L ETT. CARL AUGUST KLEIN : 
UNnatHALTÜNQEN . ÜHEK- 

ti:agt^\';t:n aus alger- 
non charles swine urne, 

GABRIELE D'ANNüNZIO. 
NAGHBICHTEN. 

IV. BAND 
STEFAN GEORGE: AUS EI- 
NEM BÜCH SAGEN UND SÄN- 
GE. HÜOO VON HOFICANNS- 
THAL: IDYLLE. CARL AU- 



GUST KLEIN: ÜNTERHAL- 
TtPNOEN. GAHLBOtr&E: GE- 
DICHTE . • : EINE PIETA DES 
BÖCKLUv . ÜBERTRAGUN- 
GEN AUS FRANCIS VIELE- 
GEIFFIN , STUART MERRILL , 
AISERT SAINT-PAUL . 

V. BAm> 

BLÄTTER Ff)R DIK KUNST. 
♦: BEItti. DES KAISERN 
ALEXIS. *: DICHTERKÖPPE 
MALLARME. CARL BAUER: 
GEDICHTE ZU BILDERN . 
PAUL GERARD Y: LIEDER. 
GABL AUGUST KLEIN: UN- 
TERHALTUNGEN . G. R S. : RO- 
SEN UND DISTELN. ÜBER- 
TRAGUNGEN AUS JENS PE- 
TER JACOBSEN . 

EINBANDDEOKE VON TH. 
TH. HEINE. 



ZWEITE FOtBC 

I. BAND 

BLÄTTER FÜR DIE KUNST. 
ST EFAN GEORGE : AUS DEN 
BÜCHER NDEB HIRTEN- UND 
FßEISGEDICHTE DER SA- 
GEN UND SÄNGE UND DER 
HÄNGENDEN GÄRTEN . MAX 
DAUTHENDEY: AUS STIM- 
MEN DES SCHWEIGENS. 
LEOPOLD ANDRTAN : AUS 
DEM BÜCKE DER TRAURIG- 
KEIT. GEORG EDWARD: GE- 
DICHTE . LUDWIG ELAGES : 
AUS EINEIC DBAHA DESIDB- 



RATA. ÜBERTRAGUNGEN 

AUS CHARLES BAUDELAIRE 
ALS BEILAGE (VOR DIE 
GANZE FOLGE) EADIERUNG 
VON HEBMANN SCHUTT- 
GEN. 

n BANT) 

BLAilLiv kLii l>i±. KUNST. 
STEFAN GEORGE : EINE SA- 
GE. PAUL rrElJARDY : RIT- 
TERLICHE TRÄUME. CARL 
AUGUST KLEIN: ZWEI GE- 
DICHTE. GEORG FUCHS: 
YOBSPIEL. LUDWIG KLA- 
GES ; DiriTTrX(;EN . KARL 
WOLFSKEHL : DICHTUNGEN . 
ALS EINLAGE : EIN GESANGS- 
STÜCK VON KARL HAUi* 
WACHS. 

m. BAND 

DREI GEDICHTE. *: TAGE 

UND THATEN . ZU SKIZZEN 
VON KIJNGER . PAUL GE- 
IIAHDY; DIELILLEN. HUGO 
VON HOFMANNSTHAL: GE- 
DICHTE. LEOPOLD ANDRI- 
AN: AT^ DEM BFriFE DER 
TKAUlUGKEIT. KAHL VVOL- 
FSKEHL: AUS DEN HERO- 
ISCHEN ZIERRATEN. AUS 
DEN WERKEN VON WACLAW 
LIEDER ^ NACHRICHTEN. 
ALS ELNLAüK: ZKICHNÜNG 
^ r /Ä ^v. -rWON AUGUST DONNAY UND 
FERNAND KHNOPFF. 

IV. BAND 

VORREDE ZU DEN BÜGHERN 

D. U. S. W STEFAN GEORGE : 
DER AUSZUG. DAS BILD. 
VORBEREITUNGEN . HUGO 
VON HOFMAN4STHAL: LB- 
BEN. PAULGERARDY: DIE 
JUNGFRAUEN . GEISTIGE 



KUNST. KARLWOLFi 

DTCrrTUNOEN . * : ÜBER 
DICHTUNG . ÜBERTRAGUN- 
GEN AUS DANTE GABRIEL 
BOSSETTI . NACHRICHTEN . 
ALS INLAGE: ABDRUCK EI- 
NES BILDES VON LEO SAM- 
BERGER. 



V. BAND 

BLÄTTER FÜR DIE KUNST. 

*: NACH DER LESE. PAUL 
GERARDY : DIE JUNGFRAU- 
EN . BASiLEA . LUDWIG 
KLAGES: AUS EINER SEE- 
LENLEHSE DES KÜNSTLERS 
RICHARD PERLS : GEDICHTE 
*: UM-SCHREIBUNOEN AUS 
MANUEL. NACHBILDÜNGEN 
DES PAUL VERLAINE . NACH- 
RICHTEN. ALS INLAGE: EIN 
GESANGSSTÜCK VON KURT 
PETERS . 

EINBANDDECKE VON TU . 
TH. HEINE. 



DBITT£ F01.8C 

I . BAND 

BLÄTTER FÜR DIE KUNST. 
STEFAN GEORGE; AUS DAS 
JAHR DER SEELE . HUGO VON 
HOPMANNSTHAL : TERZINEN . 
PAUL GERARl > Y ; DIE RITTER . 
KARL WOLFSKEHL : DER 
PRIESTER VOM GEISTS. DICH» 
TUNGBN. BICHARD PERLS: 
IN VILLA BLANCA. LUDWIG 
KLAGKS: GEDICHTE. OSCAR 
SCHMITZ ; GEDICHTE . ALS 
INLAGB: ABDRUCK EINES 
GLASGEM.XLDBB VON MELCHI- 
OR LBCHTEK. 



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n. BAND 
BLXTTBR für DIB mjNBT. 

WACLAW LTEDER: ERINNE- 
KUNG AN FAUL VERLAINE. 
HUGO VON HOFMA.NrNSTHAL: 
DICHTUNGBN. PAUL O^RAR- 
DY : DIB TÄNZE . ZUM RIHME 
BÖCKLIN'S . WATT. \ W T JKl )RR : 
DICHTUNGEN. KAHL \V0LF8- 
KBHL: DICHTURiKN. «: LOB- 
RBDB AUF JBAN FAUL. OS- 
GAR fiCHMlTZ: DICHTUNGEN. 

m. BAND 

WACLAW LIEDER : AUSGE- 
WÄHLTE DK'HTrNGEN . KAfiL 
WOLPSKEliL; ÜEDiCHTE . KI- 
CHARD PERL8 : BLUMEN VOM 
TODE . EUIL RUDOLF WEISS : 
GEDICHTE . ÜBERTRAGUNGEN 
AUB WILLEM KLOOS, ALBBRT 
VEliWEY, HERMAN GORTER. 
ALS INLAOB: BIN TONSTOCK 
VON CLEMENS FRANCKEN- 
STEIN. 

IV. BAND 
BLÄTTER FPR DIE KUNST. 
STEFAN GEORGE: ArS DAS 
JAHR DER SEELE . HUGO VON 
HOFMANNSTBAL: DICHTUN- 
GEN . PAUL GBRARDY : EINE 
WIDMUNO . KARL WOLFS- 
KEHL; DICHTUNGEN. OSCAR 
SCHlirrZ: ZWBI QEDICHTB. 
• : NACHBILDUNGEN AUS 
SWINBUKNE . .1 . RÜSKIN . ALS 
INLAGB : EINE ZEICHNUNG 
VON PAUL HERMANN . 

V. BAND 
BLÄTTER FÜR DIE KUNST. 
WACLAW LIEDER. AUSOB- 



WÄHLTE DICHTUNGEN. KARL 
W0LP8KBHL : ÜBBR DIB DUN- 

KELHEIT. PAUL frERARDY: 

DIE PRBUDBN . MEL CHIOR 

LECHTBR: SIBBEN NÄCaTB. 

RICHARD PERLS : BLUMEN 
VOM TODE. LUDWIG KLAGES : 
GEDICHT. *: EINE ERINNE- 
RUNG DES SOPHOKLES . ALS 
INLAGE: EIN TONBTÜCK VON 
KARL HALLWACHS. 

BINBANr i K KK VON TH. 
TH. HEINB . 



VIERTI FOLIE 



I-n. BAND 

BLÄTTER FÜR DIE KUNST. 
STEFAN GEORGE: SEIT DER 

ANKUNFT. HUGO VON HOF- 
MäNNSTHAL: GEDICHTE. BILD. 
UCHER AUSDRUCK . PAUL 
GBRARDY: HBIMKBHR UND 
FAHRT. KARL WQLFSKEHL : 
(iKOlCHTE. DER KÜNSTLER 
DER HEILAND . LEOPOLD AN- 
DRIAN: 80NNBTT. LUDWIG 
iCLAOBS: GEDICHTE. VOM 
SCHAFFF'.\;iFN KARL GUS- 
TAV VOLLMÜLLER: GEDICH- 
TE. AUGUST OHLER; DIE 
FBSTBDBRBPHBBBN. OSCAR 
SCHMITZ : SONNETTE . ERNST 
HARDT: GEDICHTE. ALS IN- 
LAGE : ENTWURF ZU EINEM 
WANDTEPPICH VON MELCHIOR 
LECHTBR. 



EINLEITUNGEN 
UND MERKSPRÜCHE 



TT 



1 1 

Der name dieser veröffeiitlidbuiig sagt schon 211m teü was 
sie soll : der kttnst besonders der dichtnng und dem schrifttitm 

dienen, alles staatliche und gesellschaftliche ausscheidend. 

Sie will die GEISTIGE KUNST auf grund der neuen fühl-i 

, ' » I 

weise und mache — eine kunst fihr d ie künst — und steht des- 
/// halb im gegensatz zu jener Terbrauchten und minderwertigen 
schule die einer falschen aufiEassung der Wirklichkeit entsprang . 
sie kann sich auch nicht beschäftigen mit weltverbesseningen 

und allbeglückungsträumen in denen man gegenwärtig bei uns 
den keim zu allem neuen sieht, die ja sehr »chön sein mögen 
aber in ein andres gebiet gehören als das der dicbtung. 

Wir halten es für einen vorteil dass wir nicht mit lehr* 
Sätzen beginnen sondern mit werken die unser wollen behellen 
und an denen man später die regeln ableite . 

Zwar werden wir auch belehrend und urteilend die neuen 
Strömungen der literatur im in - und ausländ einführen , uns 
dabei aber so sehr wie möglich aller schlagworte begeben* 



* Sfmbaliinias 



Okkoltimw a. s. w. 



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die auch bei uns schon auftauchten und dazu angethan sind 
die köpfe zu verwirren. 

Es sei liervoigehobeji dass wir jeder fehde abgeneigt sind : 
wenn wir diese blätter veibreiteii so geschieht es um serstreute 
noch unbekannte ähnlichgesinnte su entdecken und anzuwerben . 

Welche gestalt das unternehmen (ob einfacher ob ver- 
grdssert) gewinnt wird unsem lesem mitgeteilt . 

Enthalte man sich auch allen Streites und spottes über das 

leben wobei — wie Goethe meint — nicht viel hei aufkommt . 
In der kunst glauben wir an eine glänzende Wiedergeburt . 



I 5 

Vor dem sommerlichen verlassen der Stadt nehmen wir 

« 

von nnsem lesem Urlaub und danken ihnen für die hftufigen 
seichen emster teilnähme und eines geneigten eiginzens unsrer 
bestrebungen . 

Wiewol die bis jezt erschienenen beitrage der zahl nach 
gering, auch das andeutende oft dem feststehenden vorgezogen 
wurde so glauben wir doch bereits hinUnglich gezeigt zu haben 
auf welche b^en wir dichtung und rede leiten mochten . 

Wir schmeicheln uns sogar eine lücke auszufüllen, da J?egen- 
wärtij^ CS bei uns kaum ein blatt giebt wo eine dichterische 
kunst • Schöpfung aufnähme fände geschweige denn eines wo 
ein künstler ihre au&ahme wünschte . 

Hat man auch von fireundes seite das zu starke vorwalten 
der reim - werke in unsern heften gerügt sd erinnern wir an 
.. die oft vergessene tbatsache dass es keine bessere ei zichung für 
höhere prosa giebt als die strenge beschäftigung mit dem vers . " 



12 

Wir werden auch fernerhin regeln und schulnamen sein 
lassen, uns verschliefscn gegen das flache und alte sowol als 
gegen das derbe und niedre des zeitgenössischen sehreibewcsens 
aber aller jugend offen stehen die nach dem schönen und 
neuen sucht 



U 8 

Nicht blofs in xeiten des fibergangs sind die schwankenden 
bohrenden andeutenden sitze den schnlmäfsig feststehenden 

vorzuziehen : sie sind die sibyllinischen zeichen aus denen die 
jugend ihre üefste anregung empfängt. 

Niedergang (dckadcu) in verschiedener hinsieht ist eine 
erscheinung die man nnklugerweise zum einzigen ausfluss unsrer 
zeit machen wollte — die gewiss auch einmal in den rechten 
banden hflnstlerische behandlung zolässt sonst aber ins gebiet 
der heOkunde gehört . 

Jede niedergangs-erscheinung zeugt auch wieder von höherem 
leben. 

Das Sinnbild (svmboH ist so alt wie spräche und dichtung 
selbst . es giebt Sinnbild der einzelnen worte der cin/x'lnen teile 
und des gesamt - Inhalts einer kunst-schöpfung . das lezte nennt 
man auch die tiefere meinnng die jedem bedeutenden werk 
innewohnt . 

Siimbildliches sehen ist die natürliche folge geistiger reife 
und tiefe. 

Zwischen älterer und heutiger kunst giebt es aller- 
dings einige unterschiede: 



j Wir wollen keine erfindung von geschichten sondern wieder- 

gäbe von Stimmungen keine beüachtung sondern darsteiiung 
keine Unterhaltung sondern eindnick. 

Die älteren dichter schufen der mehrzahl nach ihre werke 
oder wollten sie wenigstens angesehen haben al«; stütze einer 
meinung : einer Weltanschauung — wir sehen in jedem ereignis 
jedem Zeitalter nur ein mittel künstlerischer eiregung . auch 
die freisten der freien konnten ohne den sittlichen deckmantel 
nicht anskommen ( man denke an die begriffe Yon schuld u. s. w. ) 
der uns ganz wertlos geworden ist . 

Drittens die kOrze — rein ellenmäfsig — die kürze. 

Das Gedicht ist der höchste der endgültige ausdruck 
eines geschehens : nicht wiedergäbe eines gedankens sondern einer 
Stimmung, was In der maierei wirkt ist Verteilung linie tmd 
färbe , in der dichtnng : auswahl mallB und klang . 

Viele die über ein zweck - gemälde oder ein zweck • tonstück 
lächeln würden glauben trotz ihres leugnens doch an die zweck • 
dichtung. auf der einen selte haben sie erkannt dass das 
stoffliche bedeutungslos ist, auf der andern suchen sie es be- 
standig und fremä ist ihnen eine dichtung zu geniessen • 

Erzählung. Man verwechselt heute kunst (Utentor) mit 
berichterstatteret (rcportage) zu welch lezter gattung die 
meisten unsrer erzählungen (Mgen. ronue) gehören . ein gewisser 
zeitgesdüchtUcher wert bleibt ihnen immerhin obgleich er nicht 
dem der tagesblätter richtrerhandlungen behördlichen Zählungen 
u. ä. gleichkommt. 

Eine neubelebung der Bühne ist nur durch ein völliges- 
in - hintergrund - treten des schau^ielers denkbar . 



u 

Warum gerade die bfihnen- diditung die höchste sei 

Kunstweit besizt die arbeit die menschen oder diogea 
iigend eine neoe^unbekannte seite absugewinnen and als^mög« 
lieh darsustellen wdfe'. 

Unsre Kunstrichter (kritiker) bedeuten deshalb so wenig 
weil sie meist verkümmerte künstler sind die andrer werke 
bereden und tadeln in der Ohnmacht eigne hervorzubringen. 

Wenn whr alle Fremdwörter auch die eingewurzelten — 
alle schl^r>^orte gehören hierin — weglie&en so bliebe vieles 
leere tingesagt . wenn ein satz der eines solchen Wortes nicht 

entbehren kann fortfällt so wird weder spräche noch gesell- 
schaft dadurch einen verlust erfahren. 

Reim ist ein teaer erkauftes spiel . bat ein kOnstler einmal 
zwei Worte miteinander gereimt so ist eigentlich das spiel fOr 
ihn verbraucht und er soll es nie oder selten wiederholen. 

Wir bemerken nun schon seit jähren : in keinem nebenstaate 

— auch den stammyerwandten nieder - und nordlflndischen nicht 

— dflrfen der gleichen leserstufe soldie erseugnisse als 
dichtungen dargeboten werden wie bei uns . daraus eigiebt sich 
für die nichstfolgende zeit die Verschiedenheit unsrer knnst« 
anhabe von der vnsnsr nachbain . 




m i 

Müssten wir beim b^^ unseres fünften jahres nachdem 
werke von reicher mannigfaltigkeit für uns |gesprodien haben 
noch einmal mit dem bescheid Tortreten welche kunst denn 
in diesen blättern dargestellt sei , wenn nicht einige der besseren 
schriftkundigen sich ixxmex wieder gemüfsigt sähen uns etwas 



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15 

wie eine scheu vor dem wirklichen und eine flucht in schönere 
vorzeiten als losung unterzuschieben ! zu dieser oberflächlichen 
bemerkung wurden sie wo! dadurch verleitet dass manche 
unserer künstler sich gelegentlich aus einer ferne und einer 
Vergangenheit die Sinnbilder zur wiedergäbe ihrer sümmnng 
holten. 

Wie nun gar häufig, vornehmlich in eben erscheinenden 
erzeugnissen . das schildern von gegenwart und Wirklichkeit 
diesen gerade so wenig entspricht als losestes träumen , so 
rückt andrerseits jede zeit oder jeder geist indem er ferne und 
▼ergangenbeit nach eigner : nach seiner weise gestaltet ins reich 
des naben peisönlicben und heutigen . wesentlich ist die künst« 
lerische Umformung eines lebens — weldies lebens? ist vorerst 
belanglos . 

Wenn nun solche die sich berufen glauben eine reinere 
sowol wiedererweckte als neugeborene kunstaufiOatssung zu 
geltnng zu bringen sich mit einer halbschlächtigen Sachführung 
begnügen , beständig Tom zipfel statt vom gewande d. h. vom 
aUemichtigsten nie aber vom allerwichtigsten bandeln und un- 
bestrittene eiTUngenschaften mit ohnmächtigen bemfihungen in 
einem atem nennen , können sie der ganzen entwickelung unserer 
dichtung und unseres scbretbtumes zum hemmnis werden, wie 
sehr diese beiden aber der pflege und entfaltung bedürfen das 
weifs jeder der ihren licuLii^en zustand der Welkheit mit ihrer 
eignen ehemaligen oder mit der fremden augenblicklichen blüte 
vergleicht . 

Ein&ch liegt was wir teils erstrebten teils verewigten : eine 

knnst frei von jedem dienst: über dem leben nachdem sie das 
leben durchdrungen bat : die nach dem Zarathustraweisen zur 

höchsten au^be des lebens werden kann : die nach dem un- 
sterblichen Meister des Titan sogar im gewaltigen und schreck- 



16 



, liehen «nicht umwölken und verdunkeln sondern erheitern und 

1 

' erhellen» soll ; eine kunst aus der anschauungsfreude aus rausch 



Ikdit einst UDd heiligkeit der kunst nahen : das war dem 
ganzen uns Torausgehendea dichtergeschlecht unbekannt . keiner 
der , Epigonen * — so wenig der hochgeborene Schack wie der 
bescheidene bfiigerllche reimer ist frei Ton der abstofsenden 
bdi&bigen bravheit und diesem rest von barbarentum den von 
Goethe bis Nietzsche alle gro£»en Deutschen getadelt haben. 

I.üge der grund weshalb im kaiserlichen Deutschland das 
Schrifttum auf so niedrer stufe steht darin dass jeder mit irgend 
welchen fähigkciten geborene sich einer staatlichen laufbahn 
zuwendet und das Schrifttum fast einzig der geistigen hefe 
überl&sst oder darin dass der Schwerpunkt deutschen strebens 
nach gebieten ¥erl^ wurde wo die kunst nie gedieh und in 
absdibarer zeit nicht gedeihen kann? 

Die tiiatsache dass es bei uns kein kGnstlaisches und 
dichterisches cici^is geben kann beweist dass wir uns in einem 
biidungsstaat zweiter Ordnung befinden. 

/ Unser ganzes Schrifttum von gestern ist sittlich ( sogar das 
I behfixdlich verbotene ) bürgerlich - pöbelhaft und unterhaltend- 
\ beehrend, wir kOnnen nur eines fassen das schön vornehm 
t beei ndru ckend ist.*) 

Heute einseitig auf den Volkston hinzuweisen wSre gerade 
so verkehrt als auf griechentum mittelalter u. ä. denn er 
liegt uns in gleidier weise fem . 



*) im deutächeo würde mau daitlr die wortc moralisch piebejisch- 
bourgeois belletmtiscb-4idiltiich n, m, w. cinadicB . 




III 2 



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17 

Vom nordischen geist bleibt dem deutschen nicht viel zu 
lernen was er nicht schon besizt ohne die verzeirungen . vom 
romanischen jedoch die Uarheit weite sonnigkeit. 

Der ,,naturalismus*' hat nur verhässlicht wo man früher 
verschönte aber strenggenommen nie die wirklichlceit wieder» 
gegeben, dem Franzosen ist er das absichtliche zusammen- 
tragen von in Wahrheit nie sich folgenden begebnissen, dem 
Norweger ist er das ausschweifendste spiel mit möglicbkeiten, 
dem Russen der bestllndige alpdrudc . 

Wir sind bereit manche heilsamen einflflsse des „natura- 
lismus" anzuerkennen vergessen aber einen unberechenbaren 
schaden nicht: dass er uns daran gewöhnt hat gewisse be- 
gleitende bewegungen einer handlung zur Vollständigkeit vi 
fordern , die aber wenn sie vom dichter berQcksichtigt werden 
jedes werk grofsen zuges unmöglich machen . 

Praerafaeliten und ähnliche : das gewollte licn'ortretenlassen 
gewisser wesentlicher eigentümlichkeiten für bescliauer die das 
genaue sehen verlernt und für die man schon sehr stark auf- 
tragen muss um bemerkt zu werden . 

Um einen j^edanken auszudrücken, eine j^cschichte tu er- 
klären : den thaisächlichcn wortcn takte und reime einzupressen 
ist ein mittelmässiges handwerk. wäre das spiel mit takten 
und reimen überhaupt eines vernünftigen wesens würdig wenn 
diese sich nicht unwiderstehlich als sangesweise aufdrängten? 
oft dienen worte gedanken ja bilder nur zur körperlichen dar- 
Stellung der sangesweise . 

Jungen dichtem : ihr thut euch unrecht eure werke zu früh 

zu veröffentlichen, denn ganz bald werdet ihr bereuen dass 

ihr eure liebsten gedanken wie ihr sie vielleicht nie gröfser 

fassen werdet in einer ungenügenden form bereits verraten habt 

B K 2 



18 



Einigai diclitem an dieser stelle: wir loben euch dass ihr 
uns wenig von euren schönen ansichten und viel von euren 
schOnen liedern gegeben habt, denn eure schflnen ansiebten 
werden sich ändern eure schönen lieder aber werden bleiben . 

Vielen sogenannten »jüngsten« : was ihr am wenigsten 
geben wolltet was ihr am sorgl^tigsten zu zerdrücken suchtet : 
das ist noch das einzige was uns an euch gefallen kann : der 
duft eurer jugend und eurer einfalt . 

Bevor in einem land eine grofse kunst mm blühen kommt 

niu5> dun h mohrerc gesclikchu-i liinduich der geschmack ge- 
pllegt worden sein. 

Das verwerfen jeder Übereinkunft in gesellschaft und kunst 
ist entweder sehr jung oder sehr gemein . leute von niederer 
abstammung haben keine Überlieferung . 

* Man hat uns vorgehalten unsere ganze kunstbewegung der 

„Blätter" sei /n >üdli( h zu wenig deutsch, nun ist aber fast die 
hervorragendste und iiatürlicliste aller deutschen stammescijjcn- 

j 

heiten : in dem südcn die vci voUständigung zu suchen , in dem 
Süden von dem luseie vorfahrea besitz ergriffen , zu dem unsre 
kaiser nicderstiegen um die wesentliche weihe zu empfangen . 
zu dem wir dichter pilgern um zu der tiefe das licht zu finden : 
ewige regel im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation . 



III 4 

Die ursaclicn die uascr volk und heutiges f;(.'srhlccht zur 
aufnähme von Kunst so besonders unfähig machen haben wir 
erwogen imd schon manche davon an dieser stelle gestreift, 
doch werden wir nicht erschrecken vor Prophezeiungen vom 
völligen dahinschwinden der diditung und der kunst , versuchte 
man auch die notwendigkeit ihres unteigaogs mit gewichtigen 



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19 

und TerfOhrendeii gründen darznthiin . Solche meinung -~ möge 
sie nun von denen herrühren die nie des scbafiens liraft besessen 
oder von denen die sie eingebfiXst haben — wfirde sogar wenn 
einer der unsrigen später sie zu teilen sich unterfinge nur 

geringe bedeutung haben . denn die werdeuclc iiinenrl wird 
darüber lächeln und den vom aller tot zurückc^elassLiK-ii formen 
in unerwarteter weise neues und glühendes leben einhauchen. 

Unsren grofsen vorfahren in der kunst war es gegeben auf 
jungfräulichen und unerschöpften weiten ein gebäude — ein 

ganzes — aufzuführen . daher ihre heute so unnahbare uns so 
oft entgem n^i lialtcne grftsse . ihnen beizukommen ist uns nur 
möglich durch innigere emplindung liebevolleres anschauen zu- 
sammengcfasstere ausführung . was sie aus ungehauenen wäldem 
unausgebeuteten feldem entnahmen , müssen wir aus den tiefen 
ztt gewinnen suchen. 

Die einen zu uns : eure haltung ist uns denn doch zu kalt 

und jriihig und zu wenig der jugend angemessen . wir zu ihnen: 
Seid ihr noch nicht vom gedanken überfallen worden dass in 

diesen glatten und zarten selten vielleicht mehr auü-ulu' cütiialtcn 
ist als m all euren donnernden und zerstörenden kampfreden? 

Wut nehmen es gern auf uns noch manchmal mit dem 
äufseren als dem nietrügenden spiegel des innem zu unter- 
halten, seht ihr also noch immer nicht, dass eure deutschen 
buch- und zeitschriftausgaben die scbönheitswidrigstoA sind so- 
wol der rohe flitter- und emporkömmlingspmnk der einen als 
die platte und nüchterne alltaglichkcü der andern? 

Man wollte uns beweisen dass wir durch verbannen der 

gewöhnlidien beliebteren Schriftart die bequemlichkeit der 

einen davon abhalten sich unsren werken zu nähern und bei 
anderen als gegnem des absonderlichen anstofsen. an den 

ersten glauben wir kaum viel zu verlieren , den zweiten sagen 

2» 



20 



wir da&s niclit vir zu dieser neuerung den anscUag gegeben 
haben und dass uns ein wort eines altrordem zu sehr im ge- 
dichtnis ist : den Deutschen werde eher der geschmadc nicht 
kommen bis sie sich diese geschmacklose sogenannte deutsche 

Schrift abgewöhnt hätten . 

Berut der halb-fabigea . das Schicksal lässt es häufig zu 
dass halbfähtge die neuen und grofscn gedanken in der weise 
verallgemeinem dass sie das fremde neue mit bekanntem altem 
vermischen und nach und nach in immer stärkeren gaben der 
menge eintröpfeln, diese geniefst dann vorerst in verdfinntem 
zustand den wein der rein für sie zu schwer war. 

Wie erfinderisch die mittelniässigkeit wiid wcna es gilt 
siti» lü verhüllen ! — Hält man uns nun die dichtung von 
baucrn und bäuerinnen entgegen die alle kunst in schatten 
stelle, wahreres und endgültigeres es doch nichts gebe! mit 
demselben recht könnte man aller weltweisheitdie kemsprüche 
des Volkes entgegenhalten als schon alle menschli^e erkenntnis 
in sich bergend . aber ganz abgesehen davon dass diese scheinbar 
so einfachen werke oft mit der äufsersten mühsamkeit und 
künstlichkeit zu stände gebracht werden, und dass gerade die 
ungeschickUchkett (Qber die sich jeder ieser im geheimen er- 
haben glaubt) es ist welche die Wirkung hervorbringt — so 
handelt es sich doch uitht blos d.u um gold und cdclstt-in auf- 
zufinden sondern auch darum >it' von ruhen beimischungen und 
schlaLkeii zu befreien und durch schleifen oder ächmelzen ihnen 
den rechten glänz zu verleihen. 

III 6 

Jnsofemdfirfte dieses unternehmen bald aus seinen schranken 
heraustreten als man mit uns zu bemerken und zu bedauern 
beginnt dass hinter allen gebildeten ländem das unsrige in stU 



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21 



und geschmack seit jähren zurückgeblieben ist : als in weiteren 
denkenden Icreisen empfunden wird dass durch die ausschliefs- 
tiche erziehnng eines geschlechtes zu wechselseitigem hartem 
kämpfe ein wichtiges etwas verloren ging — ja schon auf einigen 
rag^den gipfeln ein dunkles gefßhl dSmmert es möchte das 
gröfste und edelste einer rasse sein was da einer allmählichen 
▼erflachung und vertrocknung entgegenläuft. 

Wir suchten die umkehr in der kunst einzuleiten und über* 
lassen es andren zu entwickeln wie sie aufs leben fortgesezt 
werden mflsse . 

Wir wollen hier noch einige von dei ihorheit ver>tliobenc 
punkte richtig .setzen und uns gegen einige an-^t huldigunticn 
Terwahren die schein und missverständnis auf uns luden . wenn 
wir unserem vo1ke mit der crlahmung des weiten und freien 
gedankens*) seine kunstlosigkeit und seine durch fremde ein* 
flüsse in bösen zeiten angenommenen schönbeit-tötenden Unsitten 
(die durchaus nicht in das tagende jahrhundert fortgeschleppt 
KU werden brauchen) manchmal nachdrOcklich entgegenhielten 
so haben wir alle unsere grofsen förderer von Goethe bis 
Nietzss he mit ihren oft furchtbaren Worten zu Verteidigern und 
— wie sie — thaten wir es nicht etwa aus einer missachtung 
unseres Volkes sondern aus hoher liebe zu ihm und seiner an- 
gestammten guten art. 

Auch den ansdiein möchten wir nicht erwecken als ob wir 
die uns in der kunst vorausgehende gruppe von dichtem 
mit geringschätzung betrachtet hätten . dass sie uns nicht ver> 



*) Aoznbiegen ist hier dass man gerade in den lag er weite ud 
Inilwit «m meiitett vexiaiact wo de atuaekUefdidi ab fahacaachflmdc 
pnagCB sollen nad wo lUes was Uber h51i«re werte laut wird meU nur 
gemetoplittUdi kliagt sondern «ndi engkersig vnd ttbcr alle iMÜMa 
littrgeilich. 



22 



stehen ist ein zeitlicher fehler der sie nicht schändet so wenig 
wie den weisen von gestern dies: dass ihm was heut eines 
Schülers eigentum ist nicht zu. ergründen gelang . wir lohten 
in ihnen (soweit sie nicht in Spielerei und greisentum versanlcen) 
die treuen wahrer einer gewissen Überlieferung die mit der 
hinterlassenschaft der ahnen ihre häuslichkeit verschönten doch 
können wir ihnen nicht anrechnen was wir nie in ihnen fanden: 
einen einzigen für unsere kunst fortwiricenden lebenbringenden 
bauch . 

Diesen können wir den unmittelbar u m uns steh regenden — 
sie trugen schon alle namen — noch weit weniger nachrühmen . 
erfüllt von ganz aufserkOnstlerischen bestrebungen sind sie in 
ihren Schriften gewöhnlich und in ihren spärlichen anschauungen 

über kunst veialicl und urmehildet . ihre j^ründunp^en die seit 
kui;:cra allerdings mit narlialimcndci Lrcuc auch clwa.-> andres 
bieten wollen als gcscllschattliche rednerei , zuweilen mit einem 
sehr äufscrlichen schein der neuheit bedeckt sind und >ich 
vorderhand nur durch schlechten gescbmack auszeichnen, suchen 
ihr gedeihen durch ein herabsteigen zur menge und kommen 
für die Weiterentwicklung unseres scbriftümies nicht inbetracht . 
doch auch diesen männem gegenüber liegt alle unacbtung weit 
^Ton uns . bddagen können wir nur das nutzlose verschwenden 
so vieler ki^e die in anderer thätigkeit als der dichtenden und i 
schreibenden rühmliches zu leisten gewiss nicht verfehlt hätten . | 

Was an unseren blättern das wertvollste scheinen wird 
möge dies sein : dass sie von IHR allein angeregt an die grofse 
und ewige kunst wieder anbauen wollten und deren grundfeste 
die ernste dichtong stfizten. so tbuend was seit Jahrzehnten 
keinem mehr thuens würdig war . sie holten die werke derjenigen 
dichter aus dem dunkel hervor aus denen der neue frische geist 
m besonderer und bedeutsamer weise wiederschien . ihnen ward 



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23 

das .seltene glück /u teil imltcn in winici- und \\ ü>te reiche 
duficaUe blumcii /u finden, sie zeigien in den vcischiedensten 
fonnen eine neue Schönheit . 

Was die minder starken beiträgc betrifft so wurden sie zur 
büdung des nötigen hintern^ndes zugelassen, stets aber nur 
dann wenn wir darin^ein erkennen der vorläufig einzig richtigen 
bahnen gewahrten oder ein gutes versprechen fOr die zukunft . 
sie anzustreichen ist leicht wie es denn leichter ist die kleinen 
vorsprQnge und Iflcken zn bemängeln als deren bauliche not- 
wendigkeit und dienlichkeit am ganzen denkmal zu begrflnden . 

Mit grofser vorsieht haben vvii die ausländischen hervor- 
ragenden mcisier cmgrliihrt . die h( * hverehrten heller und er- 
gänzer damals als unsere einheimischen erzeugnisse an zahl wol 
noch gering waren, vor nichts aber hüteten wir uns mehr ab 
vor einem sinnlosen blofsen herubemehmen und brachten nur 
das was durch die art der Übertragung eigenster besitz ge- 
worden fQr unsere ^>rache unser Schrifttum und unser Werk im 
emzelnen natürlich und zuträglich war. 

Kleine äuCserlicbe Seltsamkeiten die anfänglich fragen hervor- 
riefen hat der einsichtige längst gebilligt wenn er sie auch nur 
auficisste als bollwerk gegen den an.sturm wilder bürden deren 
sich noch männiy:lich erinnert und dcix-n lauk- /.ügcUosigkeit 
den erbarmenswertesten teil unserer scluilitum-geschichle lullen 
wird . 

Dass unser anhang nur lanjgsam wuchs war uns so sehr 
freude dass wir ein schnelleres zunehmen s<^;ar för bedenklich 
gehalten hätten, auch dürfen wir es uns fast als gewinn an- 
rechnen dass wir von zwei berufsscharen noch wenig l>eobachtet 
worden sind: gewissen gelehrten die wol |nach äulserlichen 
merkzeichen in klassen sondern können aber zu eng sind um 
nach der bUdungsstufe die sie voraussezt eine eischeinung zu 
bew^en — und den gewöhnlidien beschreibem und mittel- 



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«4 

Personen geistiger Schöpfungen , den verlegenen tastem in dem 
ihnen dunklen und unbekannten land der kunst . 

Ohne besonderen belang erscheint es un•^ da>> >4c\vis,>c arten 
der erzählunp und der für die schaubühno gedachten dicht- 
wei ke nui w enif( i aum inne haben . für uns mehr zufällige arten 
der gruppiening aus Vorliebe oder zweck . das vj)rnehgiste ist 
der neue sich deutlich äafsemde gcist aus dem wie unsre 
sänge und reden so auch unsre Schaustücke üossen und fliefsen 
werden . 

Wir sind des stolzen glauben^ dass wir für diese jähre 
nicht nur das höchste y:t'samraelt haben was in einem be«itimmten 
fache menschliciicn könncns eine ganze stämmc-vercinit^un^ 
hervorzubringen fähig war sondern wir helfen auch den werdenden 
und kommenden die pfade geebnet 2u haben auf denen sie 
weiterschreiten können zur entdeckung neuer immer reinerer 
kunsfhimmel. 



nr 1 

Dies sei uns noch immer anfang und ende: von der Kunst 
zu reden : den künsten m ihren beziehungen und ihrem zusammen- 
wirken eine die andre anregfend und vor erstarrunj^ bewahrend . 
nie wäre bei uns^chrifttum. und dichtung von heute in so 
traurige Verödung geraten wenn ihre Vertreter zu den gleich- 
leboiden meistern der bildenden^ und tonkunst den blick erhoben 
hätten. 

Andrerseits hat es sich an diesen gerächt dass sie keine 
ebenbürtigen werke des Schrifttum^ um sicii sahen . so blieb 
auch unseren besten meistern manehmal der weg zum höch.sien 
▼erlegt und sie mussten mitten unter werken ersten ranges 
immer wieder in jene bestürzende tüdeske Plumpheit verfallen. 



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25 

Anch alles firOhere schOne in eiaem zweige der kunst ist 
für ein volk für einen Zeitabschnitt gleicbsam gebunden wenn 
niclit in diesem zweig ein grofser Schönheit - finder ersteht der 
mit dem was er fürs heute entdeckt auch alles firfihere schöne 
erlöst . das belegt uns sogar der all • umfassende ^oethe der 
för malerei nur ein geringes Verständnis haben konnte . so sind 
wir sehend geworden durch männer wie unser ^öcklin . 

Unsere Unduldsamkeit gegenfiber dem was in Schrifttum 
und dichtung neben uns herläuft leitet sich daraus ab dass diese 
andren zielen zustrebenden erzeugnisse beständig mit kunst ver- 
wechselt werden und so jedes Verständnis für die kunst ab- 
stumpfen, alle kunst hört auf wenn sie um dem aussprucb 
eines berühmten tondichters zu folgen „real - programmatisch- 
tendenziös" wird . ein ganzes geschlecht ist noch nicht willens 
diesen bciiuemen Standpunkt zu verlassen . 

Auch denen die jezt zur allgemeinen umkehr mahnen ist 
durch die lai^e gewohnheit so das gefühl erstarrt und der blick 
getrfibt dass ehe sie sich wieder mit kunst beschäftigen man 
ihnen raten muss ^sieben jähre hindurch über nidits jiachzudenken 
^als über. das: warum . ein gedieht sch&ier sei als eine gleiches 
sagende rede ein gemälde schöner als das genauere farbige 
lichtbild ein bildwerk schöner als die treuere wachsform . 

So werden jezt eigentümliche ^übcig uigsarbeiten hervor- 
gezogen: mit eifrigem bemühen sich ftufserlich als neue ein- 
zuführen und nodi ganz im alten barbarischen geist befangen . 
die gefUhle verworren die anschauungen verwischt die Stile 
vermengt — mit hier und dort einem dämmern des neuen 
geistes in entwürfen ansätzen und flecken: vielfarbige stücke 
stOrze und splitter. ' 

Einigen die mit zu raschen schritten die Schwenkung mit- 
machen wollen: ihr dürft anmut (grazie) nicht an fremden 



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26 

kunstwcikea abgehen wollen, denn es wird nie gelingen, lernet 
zuerst anmut f f^ra^ie ) der eigenen haltunq: und bcweu^ng . es 
ist bedeuisam dass ihr merket wie ^eln mc euch tehle docli i-^t 
es langwierig den reigea zu eriernen mit nicht mehr jungen 
gliedmalsen . 

Es ist ein Irrtum dass nur jjTosse geister ein anteraehmen 
mit grofsem gedanken zu fördern vermöcliten . von aller wichtig* 
keit ist es die kleineren zu erziehen und liinzuleiten auf dass 

sie die lufl luidcn in denen der gi ülsc gedanken atmen kann . 

Wir wissen wo! dass dei^schönste^ kreis die grof-^en geister 
nictit liervorrufen kann . aber auch dies dass manciie ihrer werke 
nur aus einem kreis heraus möglich werden. 

Bedeutender trost für die kleineren : wenn ihr das höhere 

•p«. ~ • 

leben eurer führer begriffen habt so seid ihr nicht nur dazu 

nötig das feld frisch und locker lu. erhalten sondern ihr sammelt 
gar Ott blumen und fruchte die — wenn ihr es selber nicht 
vermögt — ein gröfserer später in seinen kränz dicht . 

Ein weiterer ring der gesellscbaft ist für kunst noch nicht 
zu gewinnen solange man nicht zu scheiden vermag zwischen 
der wesentlichen wirktti^ des kunstwerkes und der gemeinen 
stofElichen anregung durch das erzählte ( anekdotische ) . kunst- 
▼erständnis ist nur da zu finden wo ein kunstwerk als ^bilde 
( rytmisch ) ergreift und ergriffen wird . 

Des grolsen kunstwerks beide geistige Wirkungen sind 
folgende : 

das begeisternde feuer : oft ohne Terständnis 

augenblicklich 
nie wiederkehrend 
das klare geniefsen: durch eindringen 

nach und nach 
immer wieder zu empfinden. 



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27 

Einige hatten durch fahre an uns au'^/u^eizcn ; da» siele 
fehlen der äufsersten schärfe — das häufige andeuten — das 
spröde nicht- ganz-erkennen-lassen . wir aber entdecken heute 
darin begrüfsend das gewisse herbe mit dem Zeitalter der wieder- 
gebmt sich allemal eingeleitet haben . 

Hing j;aDze niedergehende weit war bei allen ihren ein- 
richtungen aufs ängstlichste bedacht den armen im geiste gerecht 
zu werden : mochte eine auijg^ehende sich vornehmen der reichen 
im geiste zu gedenken. 

D<is> ein stralil von Hellas auf un> fiel : da-^s uusic jugcud 
jezt das leben nicht mehr iiiediii; -ondern glühend anzusehen 
beginat: dass sie im leiblichen und geistigen nach schönen 
mafsen sucht: dass sie von der Schwärmerei fÜTj seichte all- 
gemeine bildung und beglfickung sich ebenso gelöst hat als 
Ton verjährter lanzknechtischer barbarei: dass sie die steife 
gradheit sowie das geduckte lastentragende der umlebenden als 
hässUch yermeidet und freien hauptes schön durch das. leben 
schreiten will : dass sie schliefsUch auch ihr Volkstum grofs 
und nicht im beschränkten sinne eines Stammes aulEasst: darin 
finde man den Umschwung des deutschen wesens bei der jähr* 
hundert wende . 



STEFAN GEORGE 



AUS LEGENDEN 



EKKENNTxMS 



Es quellen die bäume in sommerahnung . 

Im wogengehöhlten bette rinnen 

Nur schmale güsse auf schlangelndem pfade 

Hier stürzen im lauf sie von felsen sich nieder 

Dort einen sie sich in strudelndem bad. 

Am ufer jugendliche glieder sich dehnen , 

Jungfräuliche blumen danach schmachten 

Von ihnen geknickt und getötet zu werden . 

Das haupl des ek-ben berührt den boden 

Nur leise stüzi es sein ruhender arm 

Sein auge folgt müde dem kieselstein 

Den reiner beständiger fluten spiel 

In leuchtenden alabaster schleift. 

Das luftmeer über der dämmerzone 

Wo tod und keimbegierde ringen 

Zu ruh und trägem Schlummer stimmt. 

Mann des glückes ! bereits verzweifelnd 
Fandest du in dem weltengetöse 



Die Erträumte die Göttliche. 

Niederem kreis entrissest du sie , 

Willig in diese einsamkeit 

Die von wonnen Übergossen 

Und durch fehidinge heilig ist 

Zog sie mit dir vereinigt aus 

Ohne Orakel und fluchesgeleit . 

In deiner hütte wo dich kein wesen 

Lästigen aoatnnen überliefert 

Kein profanes ange dich reizt 

Hast du sie ganz von dir nur geschaut 

Dir nur bliiht sie und lächelt sie zu. 

O herber schmerz ! grausame enttäuschung I 
Im paradies das zu pflanzen ich glaubte 
Erwächst mir unkraut und dornengestrüpp . 
Warum von allem anbeginn schon 
Wo Ittsterwartung das sinnen ersticken 
Und grübelnde blicke blenden soUte 
Ist mir das widrige denkbUd erschien«! 
Das niemals mir zu verwischen gelang? 
Wie kann ich frieden und lust mich ergeben 
Wenn unwissend noch zu erfahren ich dürste 
üb sie als reme pnesteiin kam ? 
Denn unerbittlich mit gottmneneifer 
Verwerl ich sie wenn vor anderem altar 
Sie opfernd je auf den knieen schon lag . 

Leise kommt sie den weg erratend 
Gierig nach seiner nähe zauber 
Ungesehen von ihm sich vermeinend 
Der sie gar wol sah und nicht benotet 



30 

Gldchgiltig gebahren zu heucheln , 
Unschuldig kniet sie zur seite ihm nieder 
Streift seine haare in flüchtigem kuss , 

Er empoiialirrnd : rief ich dich, weib ? 
Nahe dich nur wenn ich deiner bedarf . 
Sie erhebt sjch — nhne ci widrung — 
Denn wozu / wenn der lan^e blick 
Von Verzweiflung Vorwurf und schäm 
Ihn nicht rührt , sie gebt hinweg 
Schmerzhafte mutter aus freudennot. 

Indessen icli in cjualen mich winde 

Will leichter miahc sie mich erobern 

Sie stellt sich ob meines zornes betrübt 

Vielleicht auch ist sie's weil ihre bethönu^ 

An mir nicht so leicht wie an andern gelmgt. 

Ja grade die zärtlich schmeichelnden weisen 

Die ihre schwüre bekräftigen sollen 

Mit ihrer feinheit und kunst mir verraten: 

Sie wurde durch die probe erfahren 

Nur gaukelspiel ist ihre kindlichkeil . 

Und immer noch säum ich • ein augenbUck 
Vermöchte mich zu versichern ■ weshalb nicht 
Erfass idi den schleier mit forschendem finger? 

Ich fühle dass ach! noch ein Icztes geflacker 

Von sterbe nder hoffnun^ mir bleibt . 

Ich fürchte den ^^TOlsen tag zu beschwören 

Der meinen urteilspruch mir bringt. 

Ich könnte wol sagen : unheilvolle 

Jezt bin ich gewiss dass du mich belogst 

Verachtung dir und verstofsung! 



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Doch könnte ich sagen : ich quälte dich 

Beargwöhnie dich die du wahr gewesen 
Ich brüter von schiniiitliclieii gcdanken 
Bezweifelte trotz deiner küsse und thranen 
Dich aller reine und heiligkeit quell 1 

Ein tag beginnt seui licht zu verteilen . 

Sie treten beide über die schwelle 

Vom ersten vollen scheine geblendet 

Verändert doch zwiespältiger art : 

Das weib in himmlischem glänz erstrahlt — 

£r niedergedrückt und verstört. 

Jezt will er gehen ... ein weibliches wissen 

Befiehlt ihr ihn nicht zurückzuhalten 

— Nach ungewohntem ist einsamkeit not 

Noch flöfet das so neue ihm schrecken ein — 

Sie lässt ihn schlecht ihren jubel verhehlend 

Und schlcchi — unselige ! deutung findend 

Für f=;eine miene nach solchem genusse . 

Sie schaut ihm lange ahnungslos nach 

Sie süfser und herrlicher jezt . 

Damit zu voller Schönheit und frische 

Sie wunderbar sich entfalten konnte 

Bedurfte sie nur der küsse regen 

Und seliger stunden weckenden thau. 

Dem wald entgegen durcheilt er die Auren 

Das herz voll gift und reuezorn . 

Nun sinnloser hast du gewissheit . 
Verderbliches «rissen! lastrische probe! 
Ich war Verbrecher vom au^ enblick an 
Da ich zum vc^ui an die ^eite ihr trat 
Mit einer schandthat kauft ich die lösung 



Ach endlich glaubte sie mich besiegt 
Geheilt von dem übel das sie am meisten 
Zerqualen musste • so wonneerfollt 
Bedünkten sie die Umarmungen echt 
Die tierische zucfcungen übers&feten 
Die liebeseingabe sie geglaubt. 

Da ist der sturzbach • dunkle wellen 
Von des gebirges wettern genährt 
Wälzen sich wo vor kurzem noch friedlich 
Silberne linien und lachen güssen. 
Wie er hassUch mein bild mir zurückwirft 
Fluch mir verheizend wie alle es thun 
Blumen und fluren und bergc^g.ptel. 
Deine klaren wasser bezcu^^tcn 
Meine zager- und dulderstunden 
Düstere wogen die heuh'n und >chäumen 
Machen mir zeichen • sie ziehn mich hinab 
Dass ich dort meine Verdammnis beginne. 



AUS HYMNEN 



WEIHE 

Htnatis zum ström 1 wo stolz die hohen röhre 
Im Unden winde ihre Cathnen schwingen 
Und wehren junger wellen schmeichel-chore 

Zum utennoose kosend vorzudringen . 

Im rasen rastend sollst du dich betäuben 
An starkem urduft . ohne denkerstörung , 
So dass die fremden hauche all zerstauben. 
Das auge schauend harre der erhörung: 

Siehst du im takt des Strauches Laub schon zittern 
Und auf der glatten fluten dunkelglanz 
Die diuine nebelmauer ^ch zersplittern? 

Hörst du das elfenlied zum tllenianz ? 

Schon scheinen durch der zweige zackenrahmen 
Mit stemen«;tädten seli<jc gefilde. 
Der Zeiten flug verliert die alten namen 
Und räum und dasein bleiben nur im bilde. 

B K 3 



34 

Nun bist du reif, nun schwebi die iR-rrin nieder, 
Mondlarbne gazesrhleier sie umschlingen , 
Halboffen ihre liaumesschweren lider 
Zu dir genei)$t die Segnung zu vollbringen : 

Indem ihr mund auf deinem antlitz bebte 
Und sie dich rein und so feheitigt sah 

Dass sie im kuss nichl auszuweichen strebte 
Dem finger stützend demer iippe nali . 

NACHTHYMNE 

Dein auge blau, ein türkis, leuchtet lange 

Zu reich dem leinen • K it verharre hange . 
Den kiesel tröstrt deines kUides saum 
Kaum tröstet mich ein träum . 

Die alten götter waren nicht so strenge. 
Wenn aus der schönen mutberauschten menge 

Ein jüngling ange^lüht von frommem feuer 

Zu iHRiiM lobe hels drs hchtes pfade 

So war dai reine opler ümen teuer 

So lächelten und winkten sie mit gnade . 

Bin ich so ferne schon von opfeijahren? 
Entweiht mich sü&es lüsten nach dem tode 
Und sang ich nicht zu dröhnenden fanfaren 

Der freudenliebe sonnen-ode? 

Geruhe du nur dass ein kurzer Schimmer 
Aus deiner wimper brechend mich versehre: 
Des glückes hoifnung misst ich gern für immer. 
Nach deinem preise schlöss ich meinen psalter 
Und spottete dem schatten einer ehre 
Und stürbe wertlos wie ein abendMter. 



35 



GESPRACH 

Ufie sei mir freude an den kalten ehren: 
Wenn königlich da deinen leib verbietest 
Den niedren mägden die ihn dreist ergebren 
Und deren du mit seufzen nur entrietest. 

Vergebens musst du ja die bände ringen 
Nach einem labetrunk aus hoher sfare , 
O dass um selber ihn herabzubring^en 
Dass einer mutter ich geboren wäre . 

Herr oder flehend mögest du mich laden , 
Es sollte mir kein doppel-rot entquiUen, 
Ich wurde dich in seidenwellen baden 
Auf schwerem purpur freudig dir 2tt willen . 

Doch so kann ich mit schattenkuss nur trösten , 
Ich leichter wölke kind und lichter plane, 
Im chaos fragen , jubehi dem Erlösten 
Und dulden wie ich deine duldung ahne. 



DIE GÄRTEN SCHLIESSEN 

Frühe nacht verwirrt die ebnen bahnen , 
Kalte traute trübt die weiher, 

Glückliche ApoUe und Dianen 

Hullen sich in nebelschleier . 

Graue blätter wirbeln nach den gruften . 

Dahlien levkojen rosen 
In enswungenem ordiester duften, 

WoUen schlaf bei weichen moosen . 

Hexlse monde flohen aus der plorte . 

Ward dein liotten deine habe? 
Baust du inmier noch auf ihn- worte 

Pilger mit der hand am Stabe? 



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AUB PILGERFAHRTEN 



MAÜNUNG 

Du folgst der horde die dich tosend lud 
Zum thron aus grellem gelbem Seidenstoff 
Und rohem gold das oft vom blute troff 

inmitten trümmersee und flammensud . 

Nun weihe jede lust und jeden mord ! 
Dein wille rasend wie der gischt am fels 
Erfreut sich am verheererischen nord 
Und spottet klarer luft und klaren quells . 

Vor deinen schuhen stammelt man den eid , 

Entführte weiber weinen ihren gram 

Und eine, wirr im schrecken, ohne schäm 

Zerreifst vor deiaem herrenblick ihr kleid. 

Wie feile kiese bieten sich dir dar 
Koralle perle demant und Smaragd, 
Die priesterin in ziichtigem talar 

Verneigt sich grüfsend : siehe deine magd . 

Und einsam giebst du dir ein wildes spiel: 
Wenn sich dein haar in niedrer lache nasst 
Dein stolz mit wonne in die furchen fiel 

Die der gemeinen tiere klaue lassi . . 

War so denn wirklich dein erstritten land? 
O überhöre jenen lockungschrei 

Und sag nicht dass dein leid dein fuhrer sei 
Und Wechsel nicht ein würdiges gewand . 



Muhle lass die arme stiii 
Da die haide ruhen will . 
Teiche aul den thauwind harren, 
Ihrer pflegen lichte lanzen 
Und die kleiu tt bäume starren 
Wie getünchte ginsteipflanzen . 

Wcifse kinder schleifen leis 
Ueberm see auf blindem eis 
Nach dem segentag • sie kehren 
Heim zum dorf in stillgebeten , 
Dm beim fernen gott der lehren 
Die schon bei dem naheiflehten . 

Kam ein pfiff am grund entlang ? 
Alle lampen flackern bang. 
War es nicht als ob es riefe? 
Es empfingen ihre braute 
Schwarze knaben aus der tiefe.. 
Glocke laute glocke laute! 



NEUER AUbFAHRTSEÜEN 

Als noch ver!ieif<iung mich ins ferne schickte, 
In lichten schlafen ich die braut ersann 
Da (batest du mich einen tag in bann 
An dem ich dich als ihren boten blickte. 

Da langsam heifse gier nach ihr erstickte , 
Ich in entsagung frieden fast gewann, 
Sprich ob es gute fugung heüsen kann 
Wenn nochmal mir dein auge niedemickte . . 



Ich schreite durch den dorn zum mittelthron 
Auf goldnen füfeen quahnen harz und santel , 
Mein sang ist schallend wie zu oigelton 

Zur sdlbung fliefs mein eigen siedend blut ! 
Wo find ich wiL-der meinen pils^ermantel 
Wo £nd ich wieder memen pilgerhut? 



Beträufelt an bäum und zäun 
Ein baisam das sprockc holz? 

Verspäteter sonnen eigi^uhn 
Die herbätliclien larbeii verschmolz: 
Rotgelb , gesprenkeltes braun , 
Scharlach und seltsames grün. 

Wer naht sich dem namenlosen 
Der fem von der menge sich härmt? 
In mattblauen kleidem ein kind. 
So raschelt ein schüchterner wind 
So duften sterbende rosen 
Von scheidenden strahlen erwärmt. 

An schillernder hecken raiid 
Bei dorrenden laubes "fekmster 
Und lichter wipfel sang 
Führen wir uns bei der band 
Wie märchenhafte geschwister 
Verzückt und mit zagendem gang . 



AUS ALQABAL 



TM UNTERREICH 

Jhr hallen prahlend in reichem gewande 
Wisst mcht was unter dem fafs euch ruht 
Den meister lockt nidit die landschaft am strande 
Wie jene blendend im schofse der flut . 

Die häuser und höfe von ihm nur ersonnen 
Und unter den tritten der wesen beschworen. 
Ohne beisptel die hügel der bronnen 
Und grotten in strahlendem rausche geboren . 

Die einen gleifeen in ewigen wintern , 

Jene von hundertfarbigen erzen 

Aus denen Juwelen als tropfen sintern 

Und flimmern und glimmen vor währenden kerzen 

Die strdme die in den höheren stoUen 
Wie scharladi granat und lubinen sprühten 
Verfärben sich blässer im niederrollen 
Und fliefsen von nun ab wie rosenblüten. 

Auf Seen tie^iün in bäfen verloren 
Schaukeln die ruderentbehrenden nachen, 
Sie wissen auch in die wellen zu bohren 
Bei armige riffe und gähnende drachen. 

Der Schöpfung wo er nur geweckt und verwaltet 
Erhabene neuheit ihn manchmal erfreut 
Wo auiser dem seinen kein wüle schaltet 
Und wo er dem licht und dem wetter gebeut. 



40 



Daneben war der räum der blassen helle 

Der weifses licht und weifsen glänz vereint . 
Das dach ist glas , die streu gebleichter feile 
Am boden schnce und oben wölke scheint. 

Der wände matte täfelung aus zedem . 
Die dreifsig pfauen stehen dran im kreis, 
Sie tragen daiinen blank wie schwanenfedem 
Und ihre schleppen schimmern wie das eis. 

Für jede zier die freunden farbenstrahlen : 
Aus blitzendem tmd blinderem metatl 

Aus elfenbein und milchigen opalen 
Aus demant alabaster und kristall 

Und perlen ! klare gaben dumpfer statte 
Die ihr wie menschliche gebüde rollt 
Und doch an einer wangc warmer glätte 
Das nasse kühl beharrlich wahren soUt. 

Da lag die kugel auch von murra-stein 
Mit der in früher jugend Er gespielt — 
Des kaisers finger war am tage rein 
Wo thranend er sie vor das auge hielt. 



Aua SAGEN UlMD SÄNGE 



I 4 

FRAÜENLOB 

In der Stadt mit alten firsten und g^iebelbildern , 
Den schneckcnbö^fen an gebälk und tliüren , 
(icmalten M.'heiben , türmen die an die Sterne rühren , 
Den hohlen gangen und verwischten Wappenschildern , 
ßei den brunnen wann morgen und abend graut 
Bei der gelächter und der wasser silbernem laut : 
Ein leben voll zäher bürden« 
£in ganzes leben dunklen duldertumes 
War ich der herold eurer wurden 
War ich der sanger eures ruhmes : 

VVeilse kinder der bili-gep ränge 

Mit euren kerzen fahnen bändem, 

Fülirerinnen der heitren klänge 

In farbigen lockeren gewandenii 

Bleiche fireundinnen der abendmahle 

Patrisiertdchter stolze hochgenannte) 

Die unter heiligem portale 

Die schweren kieider ^len der levante — 

Und habe meiner töne ganze kunst gepflegt 

Für euch ihr zierden im fest- und jubelsaale 

Herrinneu mächtig und unbewegt . 



Wer von euch aber reichte nur txaa gmfte 
Den becher und den eichenkranz entgegen? 
Wer sagte mir dass sie imch würdig wähne 
Ihr leichtes band gehorsam anzulegen ? 

Welche thräne und welche müde bufse 
Gab antw ort je auf meiner leier thränen ? 
Ich fühle iriedlicb schon des todes lufs . 

Bei der glocke klagen folgen jungiraun und braute sacht 

Einem sarg in düstrer tracht 

Nur «Ufte bände reine und hehre 

Dürfen flin zum münster tragen zum gewölb und grab 

Mit königfUcher ehre 

Den toten priester ihrer Schönheit zu verklären , 
Mädchen und mütter unter den zahren 
Gemeinsamer witwenschaft gie£sen edle weine 
Blumen und edelsteine 
Fromm in die gruft hinab . 



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Das lied des zwergen : 

Ganz kleine vö^^el singen . 
Ganz kleine blumen springen , 
Ihre glocken klingen , 

Auf hell blauen heiden 
Ganz kleine lämmer weiden 
Ihr vUefs ist weifs und seiden. 

Ganz kleine kinder neigen 
Und drehen sich laut im reigen 
— Darf der xweig sich zeigen ? 

Lilie der auen! 
Herrin im rosenhag! 
Gieb dass ich mich freue, 

Dass ich mich erneue 

An deinem gnadenreichen kronungstag . 

Mutter du vom licht , 
Milde frau der frauen , 
Wei>e deine güte 
Kindlichem gemüte 

Das mit geäst und moos dein bild umflicht . 

Frau vom guten ratl 

Wenn ich voll vertrauen 

Wenn ich ohne sünde 

Deine macht verkünde : 

Schenkst du mir worum ich lange bat? 



AUS HIRTENGEDICHTE 



n 4 

DER AUSZUG DER ERSTLLNGE 

Uns traf das los : 

tirir müssen schon «in neues heim 
In fernem feld 

uns suchen die wir Idnder sind. 
Ein epheuzweig 

vom feste steckt uns noch im haar. 
Die mutter hat 

uns auf der schwelle laug gc icüsst , 
Sie seufzte leis 

und unsre väter gingen mit 
Geschlossnen munds 

bis an die marken , hingen dann 
Zur trennung uns 

die feingeschnizten tafehi um 
Aus tannenholz <— 

wir werfen eüiche davon 
Wenn einer ans 

den lieben brudem stirbt ins grab. 



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Wir scliieden leicht 

nicht ( ines hat von uiis geweint , 
Denn was wir thun 

greschieht den unsi^en zum heil . 
Wir wandten nur 

ein eüizigmal den blick zurück 
Und in das blau 

der fernen traten wir getrost . 
Wir ziehen gern 

ein schönes ziel ist uns gewiss 
Wir ziehen froh 

die Götter ebnen uns die bahn. 



AVB DAS JAHR DER SEELE 



II 

NACH DjER lese 

Komm in den totgesagten park und schau ! 
Der Schimmer femer lächehider gestade 

Der reinen wölken unverhofftes blau 
Erhellt die weiher und die bunten piade . 

Dort nimm da? ticl'c gelb das weiche grau 
Von birken und von buchs • der wind ist lau, 
Die späten rosen welkten noch nicht ganz 
Erlese küsse sie und flicht den kränz, 

Vergiss auch diese lezten astem nicht! 
Den purpur um die ranken wilder reben 
Und auch was übrig blieb von grünem leben 
Verwinde leicht im herbstlidien gesteht. 



ihr rufe junger jabre die befahlen 

Nach IHR tu suchen unter diesen zweigen i 

Ich muss vor euch die stim vemeinend neigen 

Denn meine liebe schläft im land der strahlen . 



Doch schickt ihr sif mir wieder die im brennen 
Des sommers und im flattern der Eroten 
Sich als geleit mir schüchtern dargeboten: 
Ich will sie diesmal freudig anerkennen . 



Die reifen trauben gähren in den bülten 
Doch will ich alles was an schönen trieben 
Und edler saat vom sommer mir geblieben 

Aus vollen händeii vor ihr luederschütten . 



Ja heil und dank dir die den segen brachte ! 
Du schläfertest das immerlaute pochen 
Mit der erwartung deiner Teure — sachte 
In diesen glanzerfullten steibewochen. 



Du kämest und wir halten uns umschlungen 
Ich werde zarte worte lür dich lernen 
Und ganz als gUchest du der einen fernen 
Dich loben auf den sonnen-wanderungen . 



48 



Wir srhrtüen auf und ab im reichen flitter 
Des buchenganges beinah bis zum thore 
Und sehen auisen in dem feld vom gitter 
Den mandelbaum zum zweiten mal im jQoie. 

Wir suchen nach den sdiattenfr^en bänken 
Dort wo ans niemals fremde stimmen sdieuchten . 
Li träumen imsre arme sich verschränken 

Wir laben uns am langen milden leuchten. 

Wir lühlen dankbar wie zu leisem brausen 
Von wipteln strahlcnspuren aul uns iropien 
Und horchen nur und blicken wenn in pausen 
Die reifen früchte an den boden klopfen. 



Umkreisen wir den stillen teich 

I i d . m die Wasserwege münden , 
Du suclist micli heiter zu ergrvinden 
Ein wind umweht uns frühlingsweich. 

Die blätter die den boden gilben 
Verbreiten neuen wohlgenich. 
Du sprichst mir nach in klugen silben 
Was mich erfreut im bunten buch . 

Doch weiÜBt du auch vom tiefen glücke 
Und schätzest du die stumme thräne^ 

Das auge schattend auf der l)rücke 
Verfolgest du den zug der schwane . 



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Wir stehen an der hecken gradcm wall , 
In reihen kommen kinder mit der nonne 
Sie singen lieder von der himmelswonne 
In dieser erde sichrem klarem hall . 

Die wir ims in der abendneige sonnten 
Uns schreckten deine worte tmd du meinst: 
Wir waren glücklich blols solang wir einst 
Nicht diese hecken überschauen konnten. 



Du willst am mauerbrunnen wasser schöpfen 
Und spielend in die kühlen strahlen langen 
Doch scheint es mir da wendest mit befangen 
Die hande von den beiden löwenk&pfen. 

Den Ving mit dem erblindeten juvs ele 
Ich suchte dir vom finger ihn zu drehen , 
Dein feuchtes auge küsste meine seele 
Als antwort auf mein unverhülltes flehen . 



Nun säume nicht die gaben zu erhaschen 
Des scheidenden ^epränßfes vor der wende , 
Die grauen wölken sammehi sich behende, 
Die nebel können bald uns überraschen . 

Die Wespen mit den goldengrünen schuppen 
Sind von verschlossnen kelchen fortgeflogen , 
Wir faluren mit dem kahn in weitem bogen 
Um bronzefarbnen laubes Inselgruppen. 

B K4 



Wir werden heute nicht zum garten gehen . 
Denn wie uns manchmal rasch und unerklärt 
Dies leichte duften oder leise wehen 
Mit lang vergessner freude wieder nährt: 

So bringt uns jenes mahnende gespcnster 
Und leiden das uns bang und müde macht — 
Sieh unterm bäume draufsen vor dem fenster 
Die vielen leichen nach der winde Schlacht! 

Vom thore dessen eisen lilien rosten 
Entschweben vögel zum verdeckten rasen 

Und andre tnnken frierend auf den pfosten 
Vom regen aus den hohlen blumenvasen. 



Jch schrieb es auf — nicht länger sei verhehlt 

Was als gedanken ich nicht mehr verbanne . 
Was ich nicht sage . du nicht lüiüöl : uns fehlt 
Bis an das glück noch eine weite spanne. 

An einer hohen blume welkem stiel 
Entfaltest du's : ich stehe fem und ahne . . 
Es war das weifse blatt das dir entfiel 
Die grellste ferbe auf dem fahlen plane. 



Jm freien Viereck mit den gelben steinen 
In dessen mitte sich die brunnen regen 
Willst du noch flüchtig spate reden pflegen 
Da heut dir heU wie nie die steme scheinen. 



Doch tiitt von dem basaltenen behalter, 
Er winkt die toten zweige zu bestatten , 
Im vollen mondenlicfate weht es kalter 
Als droben unter jener fölu-en schatten . 

Ich lasse meine grofse traurigkeit 

Dich falsch erraten um dich zu verschonen . 

Ich fühle : hat die zeii uns kaum entzweit 

So wirst du meinen träum nicht mehr bewohnen. 

Doch wenn erst unterm schnee der park entschlief 
So glaub ich dass noch leiser trost entquille 
Aus manchen schönen resten — stiaufs und bhef — 
In tiefer kalter winterlicher stille. 



AUS EINEM NEUEN BUCH 



I 

Ich forschte bleich 'n eiters nach dem horte: 
Nach strofen drinnen tietste kümmernis 
Und dinge rollten dumpf und ungewiss 

Da trat ein nackter engel durch die pforte . 

Entgegen trug er dem versenkten sum 
Der reichsten blumen last und nicht geringer 
Als mandelblüten waren seine finger 

Und rosen, rosen waren um sein Idnn. 

Auf seinem lutupu- keine kröne ragte 
Und seine siimnu- fast der meinen glich : 
»Das schöne leben sendet mich an dich 

Als boten« während er dies lächelnd sagte 

Entfielen ihm die lihen und mimosen 
Und als ich sie su heben mich gebückt 
Da kniet auch er • ich badete beglückt 

Mein ganzes antÜtz in den frischen rosen. 



TL 



Gieb mir den grofsen feierlichen haadi 
Gieb jene glut mir wieder die verjünge 
Mit denen einst der kindheil-flü^el Schwünge 
Sich hoben zu dem frühsten opier-rauch 

Ich mag mcht atmen als in deinem dutt . 
Verschliefs mich ganz in deinem heiligiume, 
Von deinem reichen tisch nur eine krume ! 
So fleh ich heut aus meiner dunklen klufi. 

Und Er : was jezt mein ohr so stürmisch trifft 
Sind wünsche die sich unentwirrbar streiten, 
Gewährung eurer vielen kostt}arkeiten 
Sei nicht mein amt und meine ehrengift 

Wird nicht durch zwai^ errungen ' dies erkenn — 
Ich aber bog den arm an seinen knieen 
Und aller wachen Sehnsucht stimmen schrieen : 
Ich lasse nicht ! du segnetest mich denn . 

in 

Zu lange düist ich schon nadi eurem glücke! 
Dass mich des Herren joch nicht mehr bedr&dke l 
Zu düster und zu einsam war sein dienst 
Ais du mir schmerzlichem am weg erschienst. 

Er gebe mir die fineiheit wieder» nehme 
Die palmen und die starren diademe, 

Versprechen einer neuen morgenblust 

Um dich — mit meiner stim an demer brüst . 



Da trat Er mir entgegen fahnenschwinger 

Im hi-rbstesgolde und er hob den finger 
Und lenkte micli zurück in seinen bann 
Mit einem ton der ernst den geist umspann 

Beim märchen der antikischen Sirenen 
Und mit dem langen schwermut-blick der jenen 
Des Meisters an dem see der heimat glich 
Als er die jünger fragte : liebt ihr mich ? 



IV 

Du wirst nicht mehr die lauten fahrten preisen 
Wo falsche flut gefährlich dich umstürmt 
Und wo der abgrund schroffe felsen türmt 
Um deren spitzen himmels adler kreisen . 

In diesen einfachen gefilden lern 
Den wind der den zu kühlen frübling lindert 
Und den begreifen der die schwüle mindert 
Und ihrem Idndes-stammeln horche gern. 

Du findest das geheimnis ewiger runen 
In dieser halden strenger linienkunst 
Nicht nur in mauermeeres zauberdunst — 
Schon lockt nicht mehr das wunder der lagunen 

Das all*umworbene trümmexgrofee Rom 
Vfie herber eichenduft und rebenblüten 
Wie sie die deines Volkes hört behüten 
Wie deine wogen » lebengiüner ström . 



Li meinem leben rannen schlimme tage 

Und manche töne hallten rauh und schrill . 
Nun hall ein guter geisi die reclite wage 
Nun thu ich alles was der enge! will. 

Wenn auch noch oft an freudelosem ufer 
Die seele bis zum schluchzen sich vergisst — 
Sie hört sogleich am ankerplatz den nifer: 
Zu schönenn Strand die segel an^ehisst! 

Wenn mich atafe hohe meer geneigt ein nener 

Gewitterstuim bedroht vom wahne links 

Vom tode rechts — so greift Er schnell das Steuer , 

Der kräfte toben harrt des einen winks . 

Gebietend sclilichtet er der wellen hader , 
Die wölken weichen reiner bläue dort : 
Bald zieht auf glatten wassern dein geschwader 
Zur stillen insel zum gelobten port. 



UM-SCHREIBUNGEN AUS „MANUEL** 



( Das fM VW Tim&nt kam ) 

Maamü — Leüa 

T.KTT.A ( Humen pflückend i 
Was folgest du mir auf meinem blumengange ? 
I>a hebst nicht die hände und scheinst doch ein bittender . 

MANUEL 

Ich möchte nur dies: mit dir susanunen blumen lesen. 

LEILA 

Wie das silb^ der birken und der gesang in ihren zweigen 
So gehört auch die weite wiese dir und mir. 

( ue pßüdken jmmmhi«» bhme» } 

Liebst du die glänzenden steme zu betrachten 

Und die wechselnden büder der wölken zu verfolgen ? 

MANUEL 

Ja tmd liebst du den schimmernden gewässem nach- 
zublicken 



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Und liebst du das schauem in den nächtigen wäldem ? 

LEILA 

Was kommst du mir so nah tmd bridist mir meine blumen ? 

MANUEL 

Damit ich deine hände sehe die weiüser als die lilien sind . 

LEILA 

WOiJJEL 

Willst du nicht meinen strauis zu dem deinen nehmen? 

LliILA 

Ich nehme ihn . doch daifst du mchi so viele knospen 

milbrechen . 

( stimme Timons ) 
LEILA 

Der vater ruft — idi muss zurück in die hütte . 

MANUEL 

Und du wirst mir nicht verbieten wiederzukommen? 

LEILA 

Ich sagte dür schon dass die wiese uns beiden gehört . 

MANUEL 

Wenn du so sagst werd ich wol nicht wiederkommen. 

LEILA 

So sag ich es wäre mir schmerz wenn du nicht wieder- 

kämesi . 
( nie ftuchid mit ihren blumt n j 



58 

( Am brunnen ) 

Manuel — Leüa 
I.EILA 

' nii'f ri'nem kmge htmmeud ) 

Warum lächelst du heute nicht froh da ich erscheine ? 

MANUEL 

Ich leide noch von der ani^st dass du ausbleiben könntest . 

LEILA 

Ich bin zum dritten mal gekommen und weüs nicht ob 

ich darf. 

MANUEL 

Es verfloss keim' stunde wo ich nicht bei dir lel>le 

Ich rufe nach du* in nachten die ich ohne schlaf verbringe . 

UEILA 

Ich hörte häufig deine stimme deutlich hier an der quelle . 

liIANUEL 

Und zum monde sah ich denkend dass du auch hins&hest . 

LEILA 

Ich fühlte es an der plötzlichen waiine seiner strahlen. 

MANUEL 

So kurze nähe und so lange trennung trag ich nicht mehr . 
Höre Leüa! drüben in weiten gärten liegt mein haus. 
Was sagtest du wenn wir dort im morgen der blumen 

warteten 

Im abend den vögeln tauschten unter dunklen lauben 
Und wenn wir niemals verliefsen für alle tage — 
(tü «eAltf^0«i» ihre finger in einanda^ und Juibm m hü »wr 

MchuUerhOhe) 
LEILA (stA kmiatmi} 
Du musst jezt schweigen und mich verlassen 

Denn meme seele ist ganz in zittern. 

(Manuei steht irmrig da . Leüa mit ihrem brug mr hütU) 



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39 

Der VaUr — Leüa 
VATER 

Warum richtest du dein auge nickt auf die purpurne sonne ? 

LEILA 

Ich sehe die purpurne sonne auch mit geschlossenem auge . 

VATER 

Willst du nicht einige schritte mit mir wandeln eh sie 

untergeht ? 

LEILA 

Ich bin den ganzen tag unter bäumen und durch blumen 

gewandelt* 

VATER 

Ich glaube dass du deine jungen tauben noch nicht ge- 
futtert hast . 

I.l'.ILA 

Meine jungen tauben werden ihr futter linden auch ohne mich. 

VATER 

Warum bringst du mir keine blumen mehr wie früher? 

LEILA 

Es trocknen noch einige sträuXse an unsrem fenster. 

VATER 

Deine worte kommen mir zögernd und müde vor. 
LEILA (sieM auf und se^wiigt) 

Als ich dich heut morgen riet sähest du mich so staiT an . 

LEILA (st^weigt) 



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60 



VATER (traurif) ) 
Ich ahne dass deine liebe zu mir verloren geht. 

LEILA (auff ihn meütnd) 
Vater du züchtigst mich und ich weifs nicht warum . 

VATER { abweisend) 
Bleib und lüge zu deinem undank keine lüge , 
Ich merke dass du dich von mir trennen wnlUtf 
Ein rotes mal isl auf deine stirn g^ezeichnet , 
Ich werde bald aufhören dich meine tocbter zu nennen. 

(gOa M dte MOk) 
LEn.A 

W as ist vorgefallen in jenen kurzen tagen : 

Ich sah zwei äugen und war plötzlich wie geblendet 

Blumen quellen und himmel kamen mir anders vor. 

Ich spürte zwei Uppen und ich lebe seitdem 

In einem wunderbaren und süfsen reiche. 

So oft ich die Uder schliefse spüre ich sie wieder. 

De^ib kann mein vater doch nicht erzürnt sein. 

ifünllademi UMd die arme eu^pwMbmA) 
Ich fühle mich rein wie die kinder im himmel droben . 



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61 



LOBREDE AUF JEAN PAÜJL 

Von einem dichter will ich euch reden euicm der gröfsten 
und am meisten vcrf^e^tjencn und aus seinem reichen vor hundert 
jähren ersonnenen lebenswerk einige seilen lösen von über- 
raschender neuheit unveränderlicher pracht und auffallender 
▼CTwandtschaft mit euch von heute» damit ihr wieder den reinen 
quell der fheimat schätzen lernet und euch nicht zu sehr Ter* 
lieret in euren mennig^roten wiesen euren fosfomen gesichtarn 
und euren liia-träumen. 

Wenn es seiner hohen Zeitgenossen befriedigung war 
empfundene und geschaute Wirklichkeiten deutlich wiederzu- 
geben so war es sein heiliges streben den zauber der träume 
und gesichte zu verbildlichen . wenn andere mit der worte 
klarheit und richtigkeit •-legten so hat Er mit der worte ver- 
schwindend /arten abscliattunRon gewirkt, über ihren }];elicimnis- 
voilen unsichtbar rauschenden und anziehenden unterstrom auf- 
schlüsse gegeben und zuerst — ein vater der ganzen heutigen 
eindrucks-kunst — die rede mit unerwarteten glänzen und lichtmi 
belebt mit heimlichen tOnen mit versteckten pulsschlägen seufzem 
und Verwunderungen . 

Iclk wir a» die flliiite «iol« auf den obeivtea ttafen eines 

({riechischen teropels gelehnt . dessen weifsen fafsbodctt die gkpfel 
taumelnder päppeln umzinj^e'ton unJ die t^ipfcl von eichen und 
kastanien liefen nur wie ti uchthccken und ^eländerbaumc wallend 
um den hohen tempel und reichten dem menschen darin nur bis 
«nt ben. 

O wenn ein erdeomenteh in einem trmm dnrck du 
elysittm gegangen , wenn grobe nobdoinnte binnen ttbef ihm 
msammenscblagen , wenn ein aeliger ihm eine von diesen blumen 
gerächt bitte mit den «orten : »Diese erinnere dich . wenn du 



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62 



erwachst, dass du nicht getiäumt« wie würde er schmachten 
mch dem dycücbea luid« to oft er die Mume uiilie ! 

Da Mukeft vor nni Uchte tchneeperieB «k iaiikeii nieder , 
wir btidcten aai uoA drei goldgrtiie pindiesvflgel niegteo tidi 
obeo und zogen unaafhörlich einen kleinen kreis hinter einander 
her un t die fklleoden perlen waren aas ihren aogea oder ihre 
angen selb« . 

L'ä begann die lallende tuuge aus orgeltremulanten durch 
die ade stUie den tenfier da meoseheii answedeo und der wankende 
ton wand eich ra lief in «ein weiches hen. 

Er sah nie einen eo reinen sehne« des avcapMi nm die 
blane hiflaraelsöftniing die weit in die schöne seele ging , nnd 
wenn sie das auge in den garten niederschlug stand das grofse 
vci bullende augenlid mit seinen zitternden Wimpern ebenso scbOn 
darüber wie eine Ulie Uber einer quelle . 

Er weinte nicht, aber konnte doch nicht mehr spredien, 
ihre swei henen ruhten verknllpit in einander and die nacht 
nmhfillte schweigend ihre stamme Hebe nnd ihre gro(sen gedanken . 

Wenn oft ein imdurchdringliches gestrQpp ims den weg 
durch den anmutigen duftenden garten mühsam macht: wenn 
ganze Seiten Ton wunderlichen Zusammenstellungen und mafs- 
losen abschweifungen uns erschrecken so sollen wir uns zurück- 
rufen ddss der tiichter zur ztit des Zopfstiles gelebt hat den Et 
allein im welt-sclinfttum verüili. zur zeit in der man die edlen 
formen mit lächerlichen anhängen hässUchen Schnörkeln und 
überflüssigen zierraten versah . und wenn mitten im trauten ge-» 
spräch der liebenden ihr des schlummernden vaters rohes ge- 
lalle hören und mitten in einem erhabenen stemen-chore bis 
auf die minute erfahren mfisset wann der mond au^ht : so ist 
dies ein jäher rückruf, der peinliche unvameidUche schlag den 
der dichter sich und euch wieder giebt so wie . ihn seine hehre 
se^e in all den Meinen st&dten an all den kleinen höfen Tom 
niederen leben empfing. 

Doch um wie viel öfter bleiben wir erstaunt und bescliämt 
stehen vor einem so zarten empfinden einer >u frauenhaften 
aufmerksamkeit einem solchen reichtiun der gefühle, besonders 



63 

da wo es ihn. f^chngl — entgegen dem beispicl der gleich- 
altrigen — herzlich und zugleich fem zu sein : traulich aber 
nicht derb, weich aber nicht verschwommen . 

Wie hat er noch den wald gesehen das kindliche thal und 
die einlkchen blumen ! wie hat er noch der vögel sänge lauschen 
können, mit welclier kühnheit und mit welch frommem schauer 
ist er durch die unermesslichketten , durch räume voll sonnen 
monden und erden geschwebt! wie hat er noch den mal ge* 
nossen von seinem ersten kfihlen windrauschen an bis zur 
himmliscfaen trunkenheit und verzückten auflösung im warmen 
blüten-meere ! 

Und sind sie nicht alle etwas von unserem fleische , seine 
wesen in denen wir nur die kämpienden und sich vcrüuhncnden 
teile der eijjnen seele sehen , die ohne g^ofse thfiter zu 
sein unendlich sinnen und unendlich leiden , die zwischen dem 
flötenspiele zarter Jünglinge und dem rosigen welken zarter 
mädchen hin und herziehen vom stillen Lilar zum lauschigen 
Blumenbühl . 

^ Sei aber nicht gesagt dass es in seinen werken an heft^ 
ergreifenden auftritten fehle f wie Linda*s verderben , EmmanueVs 
entschlummern , Vulf s abschied von Walt und der grOlsten und 
rOhrendsten einer : Albano*s wahn genesung und reise mit einem 
beinahe heldengedichtlichen abschluss . 

Wenn Du höchster Goethe mit Deiner mannomen band 
und Deinem sicheren schritt unsrer spräche die edelste bauai t 
hinterlassen hast so hat Jean Paul der suchende der sehnende 
ihr gewiss die glühendsten färben gegeben und die tiefsten 
klänge . 



64. 



BRIEFE DES KAISERS AUXIS AN DEN DICHTER ARKADIOS 

I 5 

(AUSZÖGE) 

ARKADIOS AH ALEXIS 

Wenn ich den schmerz über die irenniing von dir schon 
flberstanden so dürfte ich den Wechsel aus dem städtischen lärm 
tind glänz in die ruhe dieser kühlen gartenländer nicht bereuen 
in die deine gnade o grOlster und (gütigster cäsar mich versezt . 

wo ich am moos der gesteine dem allmählichen reifen der 
fruchte und dem rollen reichlicher gewas^cr mich freuen ge- 
lernt Avährend die tage in p;leichm;ilsigcr bchaglichkcit voröber- 
schweilen. e< i<?t mit eine an^enelime miiisigkcit j;e\vordea 
den platzen die ich be.Nünders licb gewinne namen zu erfinden ; die 
eichen oberhalb des gaitens die mich in den ersten stur.^cn 
meines aufcnthaltes in Malakoi Potamoi so sehr getröstet nannte 
ich das wäldcb^ der morgenrdte . . die stelle wo der grade 
bach durch dunkle tannen ganz von der sonne geschieden ist 
den traueT'Ort der n)rmphen. seitdem du o Alexis meinen 
gesängen beifall gespendet habe ich^oft gedacht dass jeder 
augenblick mir verloren wäre den ich nicht zu deiner freude 
oder zu deinem preise verbrächte . 

ALEXIS AN ARKADIOS 

Wie gern ich dich im palaste behalten hätte nachdem ich 
dich kaum gefunden und gekannt und welche gründe deine 
entfernung — denn veibannung darfst du es nicht nennen — 
veranlasst haben o mein Arkadios da* weifst du . bald hiittot 
du das wa^ du als segen empiingest al.> bürde ihehen wollen 
und ich hätte dich vor ranken und Gehässigkeiten nicht schützen 
können der ich selber oft dem gröfstcn zwange tmterworfen 
bin. hat doch Seleukos erst kürzlich die zahl meiner flöten- 
bläser beschränken wollen tmd es mir verübelt dass ich in der 
rennbahn die partei der Grünen ergriffe . deine nänten geliebtester 
Arkadios die ich überallhin bei mir führe sind mir eine un- 
versiegliche quelle der lust und sie werden mich an dich 



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65 



erinnem bis ich zum beginne der opora in deine abgeschieden* 
heit dich zu begrüssen eUe . 

AKKADIOS AN ALEXIS 

Es war ein böser morgen der mich zu einer maiTnor5?äule 
des Lysippos führte die den goti des weines und der trcude dar- 
stellt und in einem mir seither unentdeckten laubgang des lust« 
gartens errichtet ist. die ausgezeichnetsten werke jenes bildners 
die ich in der hanptstadt gesehen und von denen einige deine 
erhabene wohnung schmücken haben mich zwar immer mit 
staunen und bewundenmg erfüllt : niemals aber fand ich eben* 
mafs starke glieder und carte rundungen in so wahrhaft gött- 
licher weise vereinigt und die konst des Lysippos dftuchte mir 
das höchste geschenk der himmlischen im vergleich zu der alle 
— auch die meine — gering und tadelhaft wären. ob%vol ich 
Polyhymnia's und Erato's sanfte vorwürfe zu vernehmen glaubte 
und das gedächtnis an dein gütiges lob o Alexis mich wieder 
ermunterte: es war der erste^ tag meiner thränen in Malakoi 
Potamoi . 

ALEXIS AN ARKADIOS 

Schweren herzens setze ich dich von einem tode in kenntnis : 
des Bumenes der am abend der nonen dem gift erlegen ist . 
es wurden stimmen laut der jfingling habe sich beim gelage zu 
Schmähungen hinretfsen lassen die andeuten dass er sich gegen 
unser geschlecht feindlich benehmen werde sobald erst die 
jähre mehr die begierde nach thaten als nach gastmahlen in 
ihm wachgerufen hätten . Seleukos wie die Augusta sahen in 
seinem tod eine staatliche notwendigkeit ; unsre herschaft bedürfe 
der ständigen festigung und man solle nicht dulden dass ein 
uns gefahrlicher anhanp; in der Straflosigkeit gedeihe . sie bc- 
harrten beide auf ihrem entschluss obwol ich ihnen mit flehen 
abriet und ich den Kuraenes weniger wegen der verdienbie seiner 
ahnen als wegen semer jugcnd imd früheren freundschaft zu 
uns geschont hätte . 



fi K 5 



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AUB TAGE UND THATEN 



n 8 

SONNTAGE AUF MEINEM LAND 
Die sttsammenstimmende ruhe von wiesen vasser und blauer 
ferne wird nur manchmal unterbrochen durch das wehen einer 

flagge oder durch einen teicrtag>klang der umliegenden weiler . 
in langen Zwischenräumen si hretca uuthahne auf dem meierhof . 
kinder stehen mitten im flachen fluss und tisclien , andere baden 
zwischen dem wr-idicht und weiter oben --cliwankt ein leeres 
boot an der fähre wäre es möglich in dieser friedfertigen 
gediegenen landschaft seine seeie wiederzufinden? 

Es sollte mir gezeigt werden , ein familien - erbstack das 
schon seit jähren dastand : die gips • büste eines schönen staien 
klugen kindes das früh sterben musste. es wurde mir gezeigt 
in dem frostigen langen fünf-fenstrigen saal mit den altmodischen 
Vergoldungen dem weifsen gedielten estrieh dem verbrauchten 
plüsch und den hi> zur Unkenntlichkeit nachgedunkelten Öl- 
gemälden . alle laden wurden geöflftiet damit man es g^t 
betrachten könne . auf einem alten kaunitz in einem glasgehäuse 
stand es mit der hohen etwas gewölbten stim — viel älter aus- 
sehend da es nach der totenmaske gebildet war — das binter- 
köpfchen stark heryortreteod und um den mund schon den 
ansatz zur falte die man später die schmerzensfalte nennt . 

FRÜHLINGSFIEBER 

In den schollen der äcker und am rande der bäche haften 

noch einige schnee • spuren und von der eintönigen verschleierten 
ebene fliegen die krähen auf. weilte Wolkenstreifen strecken 
in den grauen vuriahi Inmmel ilire t()tenhände. gewichtig und 
lächerlich grofsen vögeln gleichend drehen sich einige dürre 
bäume auf einer bergeshalde im winde hin und her. 



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, 67 

Die erinnerung an euch goldumrandete wölken — flatternde 
Versprechungen — war verblasst als von neuem warme tage 
das blut in gefährliche wallun^j; treiben und vom haus zu den 
hügcln von den leidem zu den ilüssen jagen . die sonnen- 
gebadeten höhen verletzen das auge das nur das graue ver- 
schlissene laub des vergangenen sommers betrachtet und die 
aackCheit der blütenbedeckten liAume die noch jedes grOns ent- 
behren . abends sind diese aber in den dunklen gärten hell- 
blinkende schwankende gestalten. * 

Es ist natürlich dass auch einmal die gräber mich zum 
besuche laden . zwei derselben sagen mir besonders zu : eines 
mit breiten edelkiefem die lauchprüne spitze irQchte tragen , ein 
andres wo eine vci >c hlcicrto hau seit einem halben jahrhund rt 
die kalte wohnung eines kindcs beschUzt . nicht sehr fem ist 
es zu der düsteren kleinen kirche auf einen vorsprung in den 
fluss gebaut deren Scheiben und deren mneres zertrümmert sind 
und wo man ehmals messen las damit ein gewisser heiliger die 
leichen derer die dort herum ertranken linden lasse, unter 
einer reihe Ton gebogen«! Terwitterten kreuzhölzem gehe ich 
ganz nahjian den strom^und ich ermüde das ohr am gleich» 
mäfeigen geräusch und am flimmernden spiegel die äugen die 
seit langem die lust verloren sich mit tröstenden thränen zu 
füllen. 

In dieser paanmg von müdigkeit und unnihe vereinige ich 
oft mit verkehrter frcude die verschiedenartigsten ausschnitte zu 
einer landschaft und es scheint mir wenn plötzlich ein zitKmen- 
gelber Schmetterling durch die kahlen farbenUisen getilde tliegt 
wie ein jäher entschluss mitten in unbei^timmtea wünschen und 
drangen. 



HUGO VON HOFMANNSTHAL 



VORFRÜHLING 

I 2 

Es läuft der frühlingswind 
Durch kahle alleen , 
Seltsame dinge sind 
In seinem wehen. 

Er hat sich gewiegt 
Wo weinen war 
Und hat sich geschmiegt 
In zerrüttetes haar . 

Er schüttelte nieder 

Akasdenblüten 

Und kühlte die glieder 

Die atmend gMten. 

Durch die glatten 
Kahlen alleen 
Treibt sein wehen 
Blasise schatten 

Und den duft 
Den er gebracht 
Von wo er gekommen 
Seit gestern nacht. 



69 



Lippen im lachen 
Hat er berührt , 
Die weichen und wachen 
Fluren durchspvfft. 

Er glitt durch die flöte 
Als sdiludizender sdirei » 
An dämmemdor röte 
Flog er vorbei. 

Er flog mit schwt it^en 
Durch flüsieinde zimmer 
Und löschte im neigen 
Der ampei Schimmer. 



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EIN TRAUM VON GROSSER MAGIE 



m 1 

Viel königlicher als ein ptrlenbaad 

Und kühn wie junges meer im moigenduft^ 

So war ein grolser traum , wie ich ihn fand . 

Durch offene glasthüren ging die luft, 
Ich schlief im paviUon zu ebner erde 
Und durch vier ofbe thiiren ging die luft , 

Und früher liefen schon geschirrte pferde 
Hindurch und hunde eine ganze Schaar 
An meinem bett vorbei, doch die geberde 

Des magiers , des ersten , grolsen , war 
Auf einmal zwischen mir und einer wand , 
Sein stolzes nicken, königliches haar 

Und hinter ihm nicht mauer : es entstand 
Ein weiter prunk von abgrund , dunklem meer 

Und giimen matten liinter seiner band . 

Er bückte sich und zog das tiefe" her , 

Br buckle iicii und seine finger gingen 
Im boden so als ob es wasser war. 

Vom dünnen quellenwasser aber fingen 

Sich riesige opale in den bänden 

Und fielen tönend wieder ab in ringen. 



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71 



Dann warf er sich mit leichtem schwung der lenden , 

Wie nur aus stolz , der nächsten klippe zu 

— ' An ihm sah ich die macht der schwere enden. 

In seinen äugen aber war die ruh 

Von schlaiend doch Lebendgen edelsteinen . 

£r sezte sich und sprach ein solches Du 

Zu tapen die uns ganz vcrg^angen scheinen 
Dass sie herkamen (rauervoll und gi ofs : 
Das treute ihn zu lachen und zu wemen . 

£r fühlte traumhaft aller menschen loos 

So wie er seine eignen glieder fühlte . 

Ihm war nichts nah und fern , nichts klein und grofs . 

Und wie tief unten sich die erde kühlte 
Das dunkel aus den tiefen aufwärts drang» 
Die nacht das laue aus den wipfehi wühlte , 

Genoss er allen iebens grofsen gang 
So sehr dass er in grol'ser trunkeoheit 
So wie ein löwe über klippen sprang. 

Cherub und hoher herr ist unser geist . 
Wohnt nicht in uns und in die obern slerne 
Sezt er den stuhl und lässt uns viel verwaist: 

Doch er ist feuer uns im tiefsten kerne 

— So ähnle nur da ich den trauni da fand — 
Und redet mit den feuern jener lerne 

Und lebt in mir , wie ich in meiner band . 



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BALLADE DES ÄUSSEREN LEBENS 



m 

Und Idnder wachsen auf mit tiefen äugen 

Die von nichts wissen , wachsen auf und sterben 

Und alle meoKshen gehen ihre wege 

Und süfse fruchte worden aus den herben 
Und fallen nachts wie lote vögel nieder 
Und liegen wenig tage und verderben 

Und immer weht der wind uud immer wieder 

Vernehnnien wir und reden viele worte 
Und spüren lust und müdigkeit der gUeder 

Und strafsen laufen durch das gras , und orte 
Sind da und dort, voll fackeln bäumen teicben 
Und drohende , und totenhaft verdorrte . . 

Wozu sind diese aufgebaut? und gleichen 
Einander nie 7 und sind unzählig viele ? 
Was wechselt lachen weinen und erbleichen? 

Was frommt das alles uns und diese spiele 
Die wir doch groüs und ewig einsam sind 
Und wandernd nimmer suchen irgend ziele? 

Was frommt's dergleichen viel gesehen haben?: 
Und dennoch sagt der viel der .abend* sagt, 
Ein wort daraus tiefsinn und trauer rinnt 

Wie schwerer honig aas den hohlen waben . 



TERZINEN Ober Vergänglichkeit 



lU 

Noch spür ich ihren aiem auf den wan^^eii : 
Wie kann das sein dass diese nahen tage 
Fort sind, für immer fort und ganz vexgangen? 

Dies ist ein ding das keiner voll aussiant 
Und viel zu grauenvoll als dass man klage : 
Dass alles gleitet und vorüberrinnt 

Und dass mein eignes ich durch mchts gehemmt 

Herüber glitt aus einem kleinen kind, 

Mir wie ein hund unheimlich stumm und firemd . 

Dann: dass ich auch vor hundert jähren war 

Und meine ahnen die im totenhemd 

Mit mir verwandt sind wie mein eignes haar . 

So eins mit mir als wie mein eignes haar. 



74 



Ui 2 

Manche freilich müssen unten sterben 
Wo die schweren rader der schiffe streifen. 
Andre wohnen bei dem Steuer droben 
Kennen vogelflug und die lander der steme . 

Manche liegen immer mit schweren gliedern 
Bei den wurzeln des verworrenen Lebens , 
Andern sind die stuhle gerichtet 
Bei den Sibyllen, den königinnen 

Und da sitzen sie wie zu hause 
Leichten haupies und leichter liände . 

Doch ein schalten lallt von jenem leben 
In die anderen leben hinüber 
Und die leichten sind an die schweren 
Wie an Inft und erde gebunden: 

Ganz vergessener Völker müdi^keiten 
Kann ich nicht abthun von meinen lidern 
Noch weghalten von der erschrockenen seele 
Stummes niederfallen femer steme. 

Viele geschicke weben neben dem meinen. 
Durcheinander spielt sie alle das dasein 
Und mein teil ist mehr als dieses lebens 
Schlanke flamme oder schmale Icier. 



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Dein antlitz war mit träumen ganz beladen . 
Ich schwieg und sah dich an mit stummem beben 
Wie stieg das auf! das s ich mich eimnal schon 
In frühem nachten völlig hii^egeben 

Dem mond und dem zuviel geliebten thal 
Wo auf den leeren hängen auseinander 
Die magern bäume standen und dazwischen 
Die niedren Ideinen nebelwolken gingen 
Und durch die stille hin die immer frischen 
Und immer fremden silberweifsen wasser 
Der fluss hinrauschen liefs, wie stieg das auf I 

Wie stieg das auf! denn allen diesen dingen 

Und ihrer Schönheit die unfruchtbar war 
Hingab ich mich in gfrofser Sehnsucht ganz 
Wie jezt für das anscliaun von deinem haar 
Uud zwischen deinen lidern diesen glänz! 



BOTSCHAFT 



IV 1-8 

Idi habe mich bedacht dass schönste tage 
Nur jene heifsen dürfen da m redend 
Die landschaft uns vor äugen in ein reich 
Der seele wandelten : da hngelan 

Dem schatten zu wir stiegen in den hain 

Der uns umling wie schon einmal erlebtes , 

Da wir auf abgetrennten wiesen still 

Den träum vom leben niegeahnter wesen 

Ja ihres gehns und trinkens spuren fanden 

Und überm leich ein gleitendes gespräch 

Noch tiefre Wölbung spiegelnd als der himmel: 

Ich habe mich bedacht auf solche tage 

Und dass nächst diesen drei: gesund zu sein. 

Am eignen leib und leben sich zu freuen 

Und an gedanken, flügehi junger adler. 

Nur eines frommt : gesellig sein mit freunden . 

So will ich dass du kommst und mit mir trinkst 

Aus jenen icrügen die mein erbe sind 

Geschmückt mit laubwcrk und beschwingten kindem 

Und mit mir sitzest in dem garten-turm : 

Zwei Jünglinge bewachen seine thür 

In deren köpfen mit gedämpftem blick 



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Halbabgewandt ein ungeheueres 

Geschick dich steinern anschaut dass du schwebt 

Und meine landschaft hingebreitet siehst, 

Dass daiiii vielleicht ein vers von dir sie mir 
Veredelt kiinftig in der einsamkeit 
Und da und dort erinnerung an dich 
Im schatten nistet und zur dämmenmg 
Die strafse zwischen dunklen wipfeln rollt 
Und schattenlose wege in der luft 
DahinroUt -wie ein femer godlner donner . 



DER TOD DES TIZIAN 



(BRUCHSTÜCK) 

I 1 

Dramatis persona 
Der Prolog , ein page . 

Filippo Pomponio Vecellio» genannt Tizianello, des 

Meisters söhn. 
Giocondo . 

Desiderio . 

Gianino (er ist 16 jähre alt und sehr schön). 
Batista . 
Antonio« 
Paris . 

Lavinia, eine tochter des Meisters. 

Cassandra . 

Lisa. 

Dies spielt im jaiire 159Q , da Tizian neunundneunzig - 

jähng starb . 

Die stene -luf der tcrrasse von Tizians \i!la, nahe bei Venedig, 
die terrasse ist nach rtlckwärts durch eine steinerne , durchbrochene rampe 
abeescbkMacB , Ober di« in der ferae die wipfel von pinica nnd pappdn 
schauen . links röckwärts läuft eine ( unsichtbare ) treppe in den garten . ihr 
ausging vor der rampe ist durch zwei marmorrasen markiert* die liake 
•dtc der len-asie flUlt steil RCffen den f^ten ab . hier «berUatten qd»»- 

und rris(.nianken dir lampc und bilden mit hohem (^^-bü^ch des ^rlCBI ud 
hereinhangeadea zweigen ein uodurclidtingliches dickicht. 

Keehta flUien stofen ücberfSnnig die rSckwirlige ecke au «nd fUixea 
tu eioem offenen altan . von diesem tritt man dorcih dM thtr, dia ain 

vorhanp: schliefst , ins haus . die wand des hau'^cs . von reben und rosen 
umi>puuncu mit blisten und baäireiicfs geaEtcrt , vascn an den fen^terstaueD 
ava denen iddingpflanicn quellen » acfaliefirt di« bahne nadi reehtt ab . 



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PROLOG 



Der Pr olog , ein Page , tritt nrischen dem vorhaoff bfitroT « 

jjTtifst artif^ . se?t sich auf die rampe und lüsst die beinc ( er trägt 
losa seidenstrürapfe and raattgelbc schuhe J ins ordiester hängen : 

Das stfick . ihr klugen herrn und hübschen damen , 
Das sie heut abend vor euch spielen wollen 
Hab ich gelesen. 

Mein freund der Dichter, hat mir's selbst gegeben. 

Ich stieg einmal die greise treppe nieder 
In unseim schloss , da hängen alte bilder 

Mit schönen wappen, klingenden devisen, 
Bei denen mir so viel u^edaaken kommen 
Und eine trunkenhcit von fremden dingen , 
Dass mir zuweilen ist als müsst ich weinen . , 

Da blieb ich stchn bei des Infanten bild — 
Er ist sehr jung und blass und früh verstorben . . 
Ich seh ihm ähnlich — sagi ii sie — und drum 
Lieb ich ihn auch und bleib dori immer stehn 
Und ziehe meinen dolch und seh ihn an , 
Traurig und lächelnd und mit einem dolch . . 
Und wenn es ringsum still und dämmrig ist. 
So träum ich dann ich wäre der Infent 
Der längst verstorbne traurige Infant . . , 

Da schreckt mich auf ein leises leichtes gehen , 
Und aus dem erker tritt mein freund , der Dichter , 
Und kttsst mich seltsam lächelnd auf die stim 
Und sagt, imd beinah ernst ist seine stinune: 



80 



» Schauspieler deiner selbst^eschaffnen träume , 

» Ich weifs . mein freund , dass sie dieli liif^Mu-r nennen 

» Und dich verachten, die dich nicht ve rstehen . 

y Doch ich versteh dich o mein zwiUingsbruder « 

Und seltsam lächelnd ging er leise fort 

Und si^Lter hat er mir sein stück geschenkt. 
Mir hat's gefalien • zwar ist's nicht so hübsch 
Wie lieder die das volk im sommer singt , 
Wie hübsche fraiien . v/ie ein kind das lacht , 

Wie graziöse goldverzierte gondeln 
Und wie jasmin in einer Delfter vase . . 
Doch mir gefällt's weil's ähnlich ist wie ich : 
Vom jungen Ahnen hat es seine färben 
Und hat den schmelz der ungelebten dint^e . 
Allkluger weisheii voll und frühen Zweifels, 
Mit einer grofsen Sehnsucht doch , die fragt . 



Wie man zuweilen beim vorübergehen 

Von einem köpfeben das profil erhascht — 

Sie lehnt kokett verboigen in der sanfte» 

Man kennt sie nicht , man hat sie kaum gesehen 

(Wer weils man hatte sie vielleicht geliebt) 

(Wer weifs man kennt sie nicht und liebt sie doch) 

Inzwischen malt man sich in hellen träumen 

Die Sänfte aus , die hübsche weifse sanfte , 

Und drinnen duftig zwischen rosa seide 

Das blonde köpfchen , kaum im flug gesehn , 

Vielleicht ganz falsch . was thut's , . die seele will's . , 

So , dünkt mich, ist das leben hier gemalt 

Mit unerfahrnen färben des Verlangens 

Und stillem durst der sich in träumen wiegt. 



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81 



Spät^mmermittag. Auf polstern and teppichen lagern auf den dtufen 
4ic ringt nur rampe flllir» Desiderio, Antonio, Batista und Paris, 
alle schwcit^cL. Jlt wind bewejjt leise den Vorhang der thür . Tizianello 
and Gianino kommen nach «iner weile aus der thUr rechts. Desiderio . 
Atttonio. Batista and Paria ttatn ihnen besorgt und tragend entgegen 
nad driagea ikli an sie . nach einer kleinen pan$e : 

Par: Nicht gut? 

Gian : ( mit erstickter stimme ; 

Sehr schlecht . 
( xa Tixiaodlo der in thräuen ausbricht i 

Mein armer Fippo ! 

Bai ; Er schläft ? 

Gian : Nein , er ist wach und fantasiert 

Und hat die Staffelei begehrt. 
Ant : Allein 

Man darf üe ihm nicht geben » nicht wahr , nein ? 
Gian: Ja, sagt der arzt, wir sollen ihn nicht quälen 

Und geben was er will in seine bände. 
Tiz: (ansbrecbend) 

Heut oder moigen ist*s ja dodi zu endel 
Gian : Er darf uns länger , sagt er , nicht verhehlen . . . 
Par : Nein sterben , sterben kann der Meister nicht ! 

Da lügt der arzt , er weifs nicht was er spricht : 
Des : Der Tizian sterben der das k ben schafft ! 

Wer hätte dann zum leben recht und kraft ? 
Bat : Doch weils er Selbst nicht wie es um ihn steht ? 
Tiz : Im fieber malt er an dem neuen büd , 

In atemloser hast , unhcimUch wild : 

Die mädchen sind bei ihm und müssen sleiin , 

Uns aber hiefs er atis dem zimmer gehn . 

Ant : Kann er denn maieti , hat er denn die krait '! 

Tiz : Mit einer rätselhaften leidenschaft 

Die ich beim malen nie an ihm gekannt 
Von einem martervollen zwang gebannt. 

Ein page könnt aas der thflr lecht«, hinter ihn diener» aQe cndireckea. 

Tiz; ' 

Gian : Was ist ? 

Par: , 

B K 6 



82 



Page : Nichts , nichts, der Meister hat befohlen 
Dass wir vom gartensaal die bilder holen . 

Tiz : Was will er denn ? 

Page : Er sa;^t er muss sie sehen . . 

»Die alten , die erbärmlichen . die bleichen . 
»Mit seinem neuen das er mall vergleichen . . 
»Sehr schwere dinge seien ihm jezt klar , 
»Es komme ihm ein unerhört verstehen 
» Dass er bis jezt ein matter stümper war . . » 
Soll man ihm folgen? 

Tiz : Gehet , gehet , eilt ! 

Ihn martert jeder pulsschlag den ihr weilt . 

Die diener sind indessen Ober die btthnc gegangen , an der treppe holt 
äe der pag^ ein . Tiiianello geht auf den futsspitzen , leite de& vorbaue 
•aOebead , hinein . die andern gdien unruhig aof and nieder . 

Ant: (halblaut) 

Wie fürchterlich , die lezte , wie imsäglich . . 
Der gdttliche . der Meister , lallend , klaglich . . 

Gian : Er sprach schon früher was ich nicht verstand , 
Gebietend ausgestreckt die blasse hand . . 
Dann sah er uns mit gro^n äugen an 
Und schrie laut auf : c es lebt der groise Pan » 
Und vieles mehr, mir wars als ob er strebte 
Das schwindende vermögen 2U gestalten , 
Mit überstarken formein festzuhalten , 
Sich selber zu beweisen dass er lebte 
Mit starkem wort , indess die stimme bebte . 

Tiz I ( nirOckkommend ) 

Jezt ist er wieder ruht^'^ . und es strahlt 
Aus seiner blässe, und er malt und malt. 
In seinen au^en ist ein guter schmimer 
Und mit den mädclien plaudert er wie immer . 

Ant: So le^en wir uns aut die stufen nieder 

Und hülfen bis zum nächsten schlimmem wieder . 

Sie lagern sich auf den stufen . lizianello spielt nut Gianino c haar , 
die anfea halb geiddnfiicn . 



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83 



Bat : (halb für sich i 

Das scblimmre . . dann das schlimmste endlich . . nein . 

Das schlimmste kommt , wenn gar nichts scfalimmres mehr . 

Bas tote taube dürre weitersein . . 

Heut ist es noch als ob's undenkbar war . . 

Und wird doch morgen sein* 

Puie. 

Gian : Ich bin so müd . 

Par : Das macht die iuft » die schwule , und der sud . 
Tiz : (laehclnd) 

Der arme hat die ganze nacht gewacht 1 

Gian : (anf den «TO gestillt} 

Ja . Du . . . die erste die ich ganz durchwacht . 
Doch woher weifst denn du's 7 
Tiz : Ich fühlt es ja , 

Erst war dein stilles atmen meinem nah , 

Dann standst du auf und safsest aul den stxifen . . 

Gian: Mir Avar als ging^e durch die blaue nacht » 
Die atmende . ein rätselhaftes rufen . 
Und nirgends war em schlaf in der natur . 
Mit atemholen tief und feuchten lippen . 
So lag sie horchend in das grolse dunkel 
Und lauschte auf geheimer dinge spur . 
Und sickernd , rieselnd kam das sterngefunkel 
Hernieder auf die weiche wache flur. 
Und alle fruchte schweren blutes schwollen 
Im gelben mond und seinem glänz , dem vollen , 
Und alle bnmnen glänzten seinem ziehn , 
Und es erwachten schwere harmonien . . 
Und wu die Wolkenschatten hastig glitten 
War wie ein laut von weichen nackten tritten . . 
Leis stand icli auf — ich war an dich geschmiegt — 

fei steht «rzähknd auf, zu luianello t^enci^^t) 

Da schwebte durch die nacht ein sülses tönen 
Als hörte mau die Hole leise stöhnen 
Die in der hand aus marmor sinnend wiegt 
Der faun der da im schwarzen loibeer steht 

6* 



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Gleich nebenan , beim nachtviolenbeet . 

Ich sah ihn stehen still und maimom leuchtea , 

Und um ihn her im silbrig blauen feuchten 

Wo sich die offenen granaten wiegen, 

Da sah ich deutlich viele bienen fliegen 

Und viele saugen , auf das rot gesunken . 

Von nächtigem dutt und reifem safte trunken. 

Und wie des dunkels leiser atemzt^ 

Den dufl des gartens um die siirn mir trug . 

Da schien es mir wit* das vorübersch weilen 

Von einem weichen wogenden gewand 

Und diL" t)erühi"uivj einer warmen hand . 

In weilsLMi , seidig weilscn nioiidesstreifen 

War liebestoUcr mücken dichter lanü 

Und auf dem teiche lag ein weicher glänz 

Und plätscherte und blinkte auf und nieder . 

Ich weifs es heut nicht , ob*s die schwane waren . 

Ob badender najaden weifse glieder, 

Und wie ein süfser duft von Jrauenhaaren 

Vermischte sich dem duft der aloe . . 

Das rosenrote tönen wie von gei^^en , 

Gewoben aus der Sehnsucht und dem schweigen. 

Der brunnen plätschern und der blülen scbnee 

Den die akazien leise niedergossen , 

Und was da war ist mir in eins verflossen : 

In eine überstarke schwere pracht , 

Die sinne siumtn und worte sinnlos macht . 

Ant : Beneidenswerter, der das noch erlebt 
Und solche ding-' in das dunkel webt! 

Gian : Ich war in halbem träum bis dort gegangen , 

WO man die Stadt sieht, wie sie dninten ruht. 
Sich lliisternd schmieget in das klcid von prangen 
Das mond um ihren schlaf gemadit wid Hut, 
Ihr lispeln weht manchmal der nachtwind her. 
So geisterhaft , verlöschend leisen klang , 
Beklemmend , seltsam und verlockend bang , 
Ich hört es oft , doch niemals dacht ich mehr . . 



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85 



Da aber hab ich plö^lich viel {»cfühlt r 

Ich ahnt in ihrem sieim-rn süUlii seh \vl' igen 

Vom blaurn snoni (K^r nacht cinpoi gespült 

Des lOivn bluts bacchantisch u ihieii rcJgen , 

Um ihre däciicr sah ich fosfor yhn^nica , 

Den Widerschein geheimer dinge schwiounen 

Und schwindelnd überkam^s mich auf einmal: 

Wol schlief die Stadt : es wacht der rausch, die qual , 

Der hass , der geist , das blut : 'das leben wacht . 

Das leben , das lebendige , allmacht'ge — 

Man kann es haben und darauf veigessen 1 . . 

(er hilc «D« augenUick iAD«) 
Und alles das hat mich so müd gemadit : 
Es war so viel in dieser einen nacht. 

Des : ( an der rampc zu Gianino ) 

Siehst du die Stadt wie jezt sie drüben ruht? 

Gehüllt in duft und gokhie abendglut 

Und r(>«ig helles gelb und helles grau , 

Zu ihren tüfscn schwaizer schatten blau . 

In Schönheit lockend, feuchtverklärter reinheil. 

Allein in diesem duti . dem ahnungsvollen . 

Da wohnt die hisslichkeit und die gemeinheit 

Und bei den tieien wohnen dort die tollen . . 

Und was die ferne weise dir verhüllt 

Ist ekelhaft und trüb und schal erfüllt 

Von wesen die die Schönheit nicht erkennen 

Und ihre weit mit imsren worten nennen . . 

Denn unsre wonne oder unsre pein 

Hat mit der Ihren nur das wort gemein . . 

Und liegen wir in tiefem schlaf befangen . 

So gleicht der unsre (iuem sclilafe nicht : 

Da schlafen purpuiblukMi . ^oldnc bcljl.iiii^en , 

Da schläft ein beig m dem Titanen bainiiirrn — 

Sie al>L'r schlalen wie die ausiern dämmern . 

Ant : ^ hnlb auf,{erichtet > 

Darum umgeben gitter . hohe . schlanke . 
Den gai len den der Meister Üefs erbauen . 



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86 



Darum durch üppig blumendes gferanke 

Soll man das auüseo ahnen mehr als schauen . 

Par : ( ebenso ) 

D.is ist die lehre der verschlungnen gänge . 

Bat : ( ebeo&o ) 

Das ist die grofise konst des hintergnmdes 
Und das geheimnis zweifelhafter lichter. 

Tiz.: ( mit getcblonencD mfoen ) 

Das macht so schön die halbverwehten klänge. 
So schön die dunklen worte toter dichter 
Und alle dinge denen wir entsagen. 

Par : Das ist der zauber auf versunknen tagen 

Und ist der quell des grenzenlosen schönen. 
Denn wir ersticken wo wir uns gewöhnen. 
Alle Tentomnien . paute , TizianeUo wriot Idie vor sick hin . 

Gian : ( schmeichelnd ) 

Du darfst dich nicht so trostlos drein versenken » 
Nicht unaufhörlich an das eine denken. 

Tiz: ( traurie: lächelnd ) 

Als ob der schmerz denn etwas anders war 
Als dieses e\vi(;e dian-denken-niüssen 
Bis es am ende farblos wird uiid leer . . 
So lass mich nur in den gedanken wühlen , 
Denn von den leiden und von den genüssen 
Hab längst ich abgestreift das bunte kleid 
Das um sie webt die Unbefangenheit, 
Und ein&ch hab ich sdkon verlernt zu fiifal«i . 

Pause. 

Gian: Wo nur Giocondo bleibt? 

Tiz : Lang vor dem morgen 

— Ihr schlieft noch schlich er leise durch die pfiorte , 
Auf blasser stim den kuss der liebessorgen 
Und auf den lippen eifersüchtVc worte 
Pagen tragen zwei bilder bbcr die bOhne (die Venus mit den blumea 
«ad das grosse Bac c haaal ) dk uMkt ertebe» ridi «ad «tehea , to laagc 
die bilder fOfttbergetragen «rerdea , ndi gcacaktem köpf, da« barett ia der 

Nack dacr pause ( alte atekea ) 



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87 



Des : Wer lebt nach ihm , ein künstlei und lebend ger , 
Im geiste herrlich und der dinge band' ger 
Und in der einfalt weise wie dat kind? 

Ant: Wer ist der seiner weihe freudig traut? 

Bat : Wer ist dem nicht vor seinefli wissen graut ? 

Par : Wer will uns sagen ob wir kunstler änd ? 

Gian : Er bat den regungslosen wald belebt : 

Und wo die braunen weiher murmelnd liegen 
Und epheuranken sich an buchen schmiegen , 
Da hat er gdtter in das nichts gewebt: 
Den sat3rr der die syrinx tönend hebt, 
Bis alle dinge in verlangen schwellen 
T'nd hirten sich den hirlinnen gesellen . , 

Bat : Er hat den wölken die vorüberschweben » 
Den wesenlosen , einen sinn gegeben ; 
Der blassen weifsen schleierhaft"? dehnen 
Gedeutet in ein blas;.es süfses selincn ; 
Der mächt'gen (^oldumrundct schwarzes wallen 
Und runde graue die sich laciicnd ballen 
Und rosig silberne die abends ziehn : 
Sie haben seele , haben sinn durch ihn . 
Er hat aus klippen , nackten , fahlen , bleichen , 
' Aus grüner wogen brandend weifsen schäumen. 
Aus schwarzer haine regungslosen träumen 
Und aus der trauer blitzgetroffiner eichen 
Ein menschliches gemacht das wir verstehen 
Und uns gelehrt den geist der nacht zu sehen. 

Par : Er hat uns aufgeweckt aus halber nacht 

Und unsre seelen licht und reich gemacht: 
Und uns gewiesen , jedes tages tlicfscn 
Und fluten als ein Schauspiel zu genieisen , 
Die Schönheit aller formen zu verstehen 
Und unsrem eignen leben zuzusehen. 
Die frauen und die blumen und die wellen 
Und seide , gotd und bunter steine strahl 
Und hohe brücken und das fruhlingsthal 
Mit blonden nymphen an kristallnen quellen 



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88 



Und was ein jeder nur zu triMunen liebt 
Und was uns wachend herrliches umgiebt : 
Hat seine grofse Schönheit erst empfangen, 
Seit es durch seine seele durch gegangen . 

Ant : Was für die schlanke Schönheit reigentanz , 
Was üackelschein iur bunten madcenkranz , 
Was für die seele die im schlafe liegt 
Musik die wogend sie in rhythmen wiegt 
Und was der Spiegel für die junge frau 
Und für die bluten sonne licht und lau: 
Ein auge , ein harmonisch dement 
In dem die Schönheit erst sich selbst erkennt — 
Das fand natur m seines wesens strahl . 
» Erweck uns , mach aus uns ein bacchanal ! c 
Rief alles lebende das ihn ersehnte 
Und seinem blick sich stumm entgegendchnte . 

WTihrend Antonio spiitht, sind die drei mädchen leise aus der thör 
getxciea und zuhörend stehen geblieben . diu Tiiianello der zerstreut und 
tdlnaiiilot etwai alwdts tcdtts strht Kbeint sie n benerken. Lavinit 
trägt das blonde haar im goldnetz und das reiche kostttm einer veneziani- 
schen patrizicrin. Cassandra und Lisa, etwa 19 und 1 7 jährig , tragen 
beide ein einfaches kaum stilisiertes peplura aus wetfsera anschmiegeadcm 
flutendem byssus ; nackte arme mit goldenen schlangenreifen am oberarm ; 
Sandalen, j^ilrfel aus goldstoff . Casandra ist aschblind , praziös . Lisa hat 
eine gelbe rosenknospe im schwarzen haar . irgend etwas an ihr erinnert 
aas knabenliafic , wie irgend etwas an Gtanino aa« midchenhafte crianert . 
hinter ihnen tritt ein p»?e aus der thttr der einen getriebenen sÜbernca 
weinkrag und becher trägt. 

Glan ; Dass uns die fernen bäume lieblich sind , 
Die träumerischen , dort im abendwind . . 

Par: Und dass wir Schönheit sehen in der flucht 
Der weifsen segel in der blauen bucht . . 

Tiz: (zu dem madchen, die er mit einer leichten beweguug begiüsst 
bnt . alle andern drehen lick nn ) 

Und dass wir eures haares duft und schein 

Und eurer formen mattes elfenbein 

Und goldne gürt' 1 die euch reich umwinden 

So wie musik und wie ein glück empfinden — 



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89 



Das macht : Kr lehrte uns die diüge sehen . . 
( bitter ) 

Und das wird man da drüben nie verstehen! 
Glan : ( go 4e0 mSdeben ) 

Ist er allein ? soll niemand zu ihm gehen ? 
Lav : Bleibt alle hier . er will jezt niemand sehen . 
Des : Vom schaffen beben ihm der seele saiten 

Und jeder laut beleidigt die |]feweihten ! 
Tiz : C.) kam ihm jezt der tod , mit sanftem neig;en , 

In diebcr schönen trunkenheit , im schweigen! 
Par: Allem das l>ild ^ vollendet er das bild? 
Ant : Was wird es werden ? 

Bat : Kann man es erkennen ? 

Lav : Wir werden ihnen unsre haltung nennen . 
Ich bin die göttin Venus , diese war 
So schön dass ihre Schönheit trunken machte. 

Cass : Mich malte er wie ich verstohlen lachte , 
Von vielen küssen feucht das offne haar . 

Lisa : Ich halte eine puppe in den bänden , 

Die ganz verhüllt ist und verschleiert ganz 
Und sehe sie mit scheu verlangend an: 
Denn diese puppe ist der groüse Pan , 
Ein Gott , 

Der das gelieimnis ist von all -m leben 
Den halt ich in den armon wie L'in kind , 
Doch ringsum luhi ich ratselliaties weben 
Und mich verwirrt der laue abendwind . 

Lav : Üfich spiegelt still und wonnevoll der teich . 

Cass : Mir küsst den fufs der rasen kühl und weich . 

Lisa : Schwergoiden glüht die sonne die sich wendet : 
Das ist das bild und morgen ist's vollendet . 

Lav : Indess er so dem leben leben gab , 

Sprach er mit rulie viel von seinem grab. 
Im bläulich bebenden schwarzgrünen hain 
Am weifsen Strand wil! er begraben sein : 
Wo dichtverschlun^en viele ptlan/en stehen, 
Gedankenlos im werden und \erf^^ehen 
Und alle dinge auf sich selbst vergessen 



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90 



Und wo am meere das sid) träumend regt 
Der leise puls des stummen lebens schiigt. 

Par : Er will im unbewussten untersinken , 

Und wir, wir sollen seine seele trinken 
In des lebendgen lebens lichtem wein , 
Und wo wir Schönheit sehen wird Er sein! 

Des : Er aber hat die Schönheit stets gesehen , 
Und jeder augenblick war ihm erfollung , 
Indessen wir xu schaffen nicht verstehen 
Und hülflos harren müssen der enthüllung . . 
Und unsre gegenwart ist trüb und leer , 
Kommt uns die weihe nicht von aufsen her. 
Ja , hatte der nicht seine liebessorgen 
Die ihm mit rot und schwarz das heute färben 
Und hätte jener nicht den träum von morgen 
Mit leuchtender erwaitung glück zu werben 
Und hätte jeder nicht ein heimlich bangen 
Vor irgend etwas und ein still verlangen 
Nach irgend etwas und erregung viel 
Mit innrer lichter buntem forbenspiel 
Und irgend etwas was zu kommen siumt 
Wovon die seele ihm fantastisdi träumt 
Und irgend etwas das zu ende geht 
Wovon ein schmerz verklärend i!:n durchweht, 
So lebten wir in dammerung dahin 
Und unser leben hätte keinen sinn . . 

Die aber wie der Meister sind, die gehen 
Und Schönheit wird und sinn wohin sie sehen. 



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91 



BIL,DLICHER AUSDRUCK 



IV 1-2 

iwoijoa« ÖTt xov KotJjTTjv hioi tiiztp [xeXXol 

Man hörl nicht selten die rede : em dichtwerk sei mit bild- 
lichem ausdruck geziert, reich an bildern . dies muss eine 
falsche anschauuag hervomifea als seien die bilder — metafem 
— « etwas allenfalls entbebrliches , dem eigentlichen stoff aus 
welchem gedichtetes besteht äulserlich angeheftetes . Tielmehr 
aber ist der uneigentliche der bildliche ausdruck kern and wesen 
aller poesie : jede dichtung ist durch und durch ein gebilde aus 
unetgentlichen ausdrücken. 

Die „handlungen" die „ge-stalten" sind nichts anderes wo- 
fern man das wort nur recht versteht: gleichnisse aus vielen 
gleichnlssen zusamuengesezt . mit der spräche ist es nichtanders , 
nur sind es unter den redenden die dichter allein die sich des 
gleichnishaften der spräche nnaufhOrlidi bewusst bleiben. 

Was der dichter in seinen unaufhörlichen gleichnissen sagt, 

das lässt sich niemals auf irgend eine andere weise fohnc gleich- 
nisse) saficn : nur das leben vermag das gleiche auszudrücken, 
aber in seinem sto£^ wortlos. 

Die leute suchen gern hmter einem gedieht was sie den 
^^eigentlichen sinn** nennen, sie sind wie die äffen die auch 
immer mit den bänden hinter einen Spiegel fahren als mässe 
dort ein kOrper zu fassen sein . 



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92 



DICHTER UND LEBEN 



IV 1-2 

Wer ixnmer mit dea Spiegelbildern zu thun hat wird im 
guten und bteen nicht sehr geneigt sein an das feste zu glauben . 

Das wirkliche ist nicht viel mehr als der feurige rauch aus 
dem die erscheinungcn berrortreten sollen; doch sind die er^ 
scheinungen kinder dieses rauches . 

Dies ist der gefahrlii hste beruf der <\ch immer mit dem 
schein des sittlichen ab^iiebt ; er führt dazu sich mit sittlichen 
möglichkeiten zu begnügen. 

Das wissen um die daisiclll arkeit tröstet gegen die über- 
wäiligunfi durch das lelu'n : das wissen ums leben tröstet über 
die schattenhaftigkeit der dar.stellung . so sind <ic mit einander 
verbunden ; dies wird eine schwache begabung hinabziehen , eine 
starke emportreiben. 

Der dicluer begreift alle dinge als brüder und kinder eines 
bluies ; dies führt ihn aber zu keiner Verwirrung . er schazt die 
einzigkeit der begebenheil unendlich hoch . übei alles sezi er 
das einzelne wesen, den einzelnen Vorgang, denn in jedem be- 
wundert er den zusammenlauf von tausend fäden die aus den 
tiefen der Unendlichkeit herkonunen und sich nirgends wieder, 
niemals wieder vOUig so treffen . hier lernt er seinem leben 
gerecht 2tt werden. 



PAUL GERARDY 



LIEDER 

I 

Das lied ganz aus mondenschem 

Hersag ich's «in wenig bleich. 

Eine amsel sang es beim dammern 

Dem. horchenden schwan auf dem blauen ieith 

Es klingt von liebe von trauer , 
Von freudc noch von liebe noch , 
Von schweren goidnen Seufzern 
Und hreude bleibt es doch. 

Die amsel schlug eilend die flugel — 
Der schwan sinnt über den neuen ton , 
Er zieht mit dem köpf unterm flugel 
Auf des wassers rucken davon . 

n 

Lass singen den herbst vor den thüren 
Harmonische pracht des herbstes. 

Gold , purpur die winde führen , 
Zerstückte kleidung des herbstes . 

Deine arme in küssen in tollen 
Um meinen nacken sich schlingen , 
Weisheit die thranenvolle 
Der wind tragt sie weg im singen. 



Ich ruhe ein wenig vom leben , 
Ich sende in sortrlosem träum 
Meine lieder \ ci;i klarer freude 
Wie tauben zum bimmeissaum. 



AUS ALLEN DENEN VON DER RUNDE 



U 2 

i WIDMUNG AN STEFAN GEORGE 

Aut deiner erhobnen theorbt- singen die steme 
Von Goethe von Platen und dem dichlergeblüt 
Dess klare hoheit entzündete die steme , 
Das freudige gold das germanische himmel besprüht . 

I Du Herrlicher singst allein noch die sänge der götter 
■ Aus niederer menge die das schweigen entweiht - 
Du wandelst hehr und die ganze freude der götter 
Aus deinem nrand sich in strahlenden takten befreit . 

O Sänger der mir meine lange ihorheit verdachte 
Von dem ich ferne mein leidendes leben verbrachte, 
Idk widme dir meine bruderlichen träume 

Damit für euch ihr bewobner im heiligen lichte 
Aus azur und reinem glänze sich errichte 
Das stolze sdüoss meiner bruderlichen träume . 



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95 



ERWACHEN 

U » 

Hehre hohe goldne blumen 
Ragen zu der sonne auf. 

Müde von des langen tages schwüle 

Von dem langen streichen durch die berge 

\'on der hellen hehren sonnenfreude , 

Aller blumen r.iüd und malt 

Ist der ntler eini,aschlafen 

Unter einer hohen goldnen blume 

Die der sonne winkt in winden . 

Neben ihm die dünne lanze 
Die ein Wolfshund ihm bewacht. 

Doch die sonne roi und grofs 
Sinkt wie feuersbrunst am himtnel 
Und die kühlen winde wecken 
Leise rufend leise neckend 
Ritter hund und lanze . 

Und die hoben goldnen blumen 
Schlielsen sich und schlafen ein. 

Ritter schweigsam greift zur lanze 
StUl und langsam mit dem wolfsbund 
Schleicht er durch den blumenirieden fort. 



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DIE JUNGFRAUEN 



n 4^ 

üiLDEGAKDIS 

»So lange tage stand ich und so dunkle nachte 
Hoch auf dem türme wo die raben schauernd lagern 
Ich sdiaute nach der panzer nach der lanzen blitzen 
Verloschen einst als in des morgens jungem lieble 
Der schar voran Er feierlich gen osten zog . 

So trübe tage lebt ich witer stillen thränen 
Zum Heiland hob ich klagend oft die bangen bltcke: 
O mörht ich nur wenn fürchterliches Schicksal käme 
r^iu kuiileii bänden ihm der wunden feuer limlcrn 
Mit frommem küsse ihm die müden Uder drucken. 

O Herr ! zu (od verzagen würd ich wenn nicht heut 
In Ostens sanftem licht die heflen panzer strahlen 
O Herr ! doch m^e sanft sein tod und meiner sein . . < 
Ein hom . . und lanzen glühen rot im morgen • blut , 
Da sank sie sanft den magden in die frommen arme. 



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CANDIDA 



Beten wird er wol in stiller Uaiue 
Und meiner denken — lüge ist es 
Dass er tobe wie die heiden 
Dass er in kämpf nnd lustgezelten 

Das Schwert in wildem tanze schwinge . 

Verworfen mag er wol nicht sein 

Der einst so sanft die lippon küsste 

Mir , so sanft dass es den eitern 

Sünde deuchte, dass sie streng beschlossen 

Zu meiner sdiwachen seele heil 

Eines klosters sanfte mbe , . 
Doch dass er tobe wie die heiden 
In Sünden , das muss lüge sein — 
In stiller klause denkt er mein 
Und ich hör ihn — und er betet. 



NINIANE 

Merlin lass die zauberwerke 
Merlin lass die böse kunst » 
Lass audi der gebete bronst , 
Ich lade dich zu fleisches mahlen 
— Gott muss über satan si^en. 

B K 7 



98 



Merlin , Merlin komm zum mahle 
Meines fleisches rosenduft 
Ruft dich aus der hölleogruft 
Ruft didi aus des himmels sehnen 

— Ich muss über satan siegen. 

Merlin komme I Merlin raste 
Süfse roh in meinem schofse, 
Mein mund erteilet scfaidcsalsloose 

Merlin meine blutigen lippen . . 

— Uber Goti und satan wirst du siegen . 



CAECILIA 

Der glocke sanftes lied verscholl in abendstille 
Und firoamie träume ruhn in domes hallen. 

O leise dass ich nicht das hehre schweigen störe! 

Nicht wecken will ich auch der orgel schlaf — uui uaumen 
Von einem reinen bräuügam — nur träumen . 

Ich spiele sanfte psalmen-weisen wenn er kommt , 
Er hat doch lilien in der hand — und ach die fuiise 
Die hände bluten — o wie leise ruht sein aug 
Auf mir ! die hände bluten . er hält weifse lilien 
Und kröne zepter purpurmantel — war er kdnig ? 

Ein junger priester steht er am altar — nichi dieser — 
Vergieb o herr ! nicht dieser <■ lilien muss er halten . . 
Ihr finger bebt — ein klang . . und tausendfach erdröhnt 

Des Schweigens zom - und zitternd steht sie da und weifs nicht 

üb Gott erzürnte weil sie Uiiuuue , leise traunile . 



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BASILEA 



Vom meer in sanftem bogfen steigt die treppe hoch und breit 
LorbeCTbäume und zipressen ragen zur terrasse 

Schweigen auf dem meere . stiller Schlummer in der au , 

Feierlitjh die morgensonnt- in des osUus grau — 

Stumm und hehr auf hohen stufen schauet sie zum meer. 

Segel nahen , jjondeln wiegen sich und schwane träumen . 
In der waffen freude krieger durch die leider ziehen . 
Krieger scbüter nahen und umstehen die terrasse 
Stillgebeugte häupter harren auf der herrin wort . 
Stumm und hebr gen osten hebt sie ihre band. 

Rennen waffentosen , schwane fliehen , schiffe eilen 
Fem im osten schon von kampfesbrausen dröhnt die luft. 
Krieger fallen, schiffe stranden — wess sieg die schwane singen? 
Feierlich die morgensonne strahlt in Ostens rot 
Stunmi und bdir auf der terrasse schauet sie zum meer. 



7* 



DIE TANZE 



m 2 

I. HELLAS 

Auf stufen die steigen za tempels pfeilern 

Tanzet zur freude der göttlichen Hellas 
— Jakchos und Iris Kybele uikI Pan — 
Die frcudc des lebens die Schönheit der iust , 
Die Worte die schritte das mafs. 

In Wollust in wonne das lied ist verklungen, 
In schwarzen äugen wohnt feuer der Hellas, 
In äugen voU träum — die tempel zexfielen 
Die hatten verstummten , auf grabem nun lies : 
Die Worte die schritte das ma£i . 

Doch Kronos der steger besiegt nicht das leben ^ 
In faltigem kldde schwing woUust des leibes , 

Du lanzerin , ewige freude des traunics I 
Wir lesen in marmor für ewig geschrieben: 
Die werte die schritte das mals . 



n. GALLIEN 



In eichen im träume 
Die all-götter leben . 

Die frommen priester in weifeem gewande 
Sie wandeln und singen 
Die mistel zu ernten. 

Die färben die äugen — 

* 

Der glut-wein im becher . 

Uns hat im herzen die freude verwundet, 

Wir sterben und leben 
Mit lieben und spiel . 

Zum tanze zur freude ! 
Es reizet die beiden 

Die nacktheit der leiber in scherzenden Zierden 
Die scherzenden beiden 
Zu wonne und tod. 



m. GERMANIEN 

Schwinglag der freude singtag der lust ? 
Am flusse gelind wie die reigeu sich winden ! 
Im haine das schweigen der birken und weiden , 
Das rieselnde wasser die heile der mond 
Und auf den gefilden nebelt ein träum. 



103 



Das lied ist vorüber , die freude verschollen , 
Es kamen in heibstbraunen mänteln gewandelt 
Durch Saaten und blumen die möndie mit kreusen » 
Sie haben den reiben im walde verjagt, 
Am bäume des lebens genagelt das kreuz . 

Es trauern die lande der tanz ist verstoben — 

Und stirbt von dem nagel im herzen die eiche 
So stirbt am kreuze das land — nur wenn wachsend 
Die eiche das kreuz zerdrückt hat so (iarnrncrt 
Von neuem schwingtag der freude singtag der lust , 

IV . ARABIEN 

Sand und himmei und feuer die weite . . 
Es dr&igen der hohen kameele schritte , 

Hoch sizt der meisten in weifsen gewanden , 
Die flöte singt Ireude erneuerter fahrt , 
Verschleierte schönen umnebelt ein träum . 

Quellen und dattein . die rast ist hier gut . 
Die tiere knieen , die zelte sich reihen , 
Es staunet der stamm um den meister gelagert 
Zum tanze der firauen in woliust und scherz — 
Dodi welche in freude der meister wo! schaut? 

Zur ruhe zum schlafe I das mahl ist vorüber . 
Die sonne gestorben in feuer und blut — 
Vorm meister allein in behender zierde 

Die nacktheit der schönsten sich schaukell und scluvmgt 
Den dolch in der hand und im auge den brand . 



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103 



V. INDIEN 

Tief zu sinnen priester krieger raste hier! 
Wie der Ganges stolz und erost ztim meere schreitet 
Grofeer vögel flügel sich gelassen schvriiigen 
Also geht das leben und veigeht — hier raste , 
Lerne dass die einte nicht die arbeit lohnt. 

Viele miihten sich mit raschen schritten schon 
Doch vor allen nah dem ziele langt der tod . 

Ringen ist umsonst . nur leise Schwermut frommt , 
Schau in dir das Schauspiel deiner selbst sich '■pielen, 
Raste hier die lotosblume ptlückend , träumend . 

Tanzet ernste schritte voll der freudc aus euch selbst 
Denn des lebens hehrste fülle quillt euch ewig. 
Konunt und rastet , schaut die schritte , träumet , denket 
Wollustvoll des tebens Schönheit zu geniefsen, 
Erntet liebe in dem spiegel-flug der zeit . 



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HEIMKEHR UND FAHRT 



IV 1 2 

I 

Lasst die Städte schlafen lasst die schätze ruhn ! 
Fahren will ich heut auf weiten meeren , 
Zu den rudern meine sklavcn ! hoch zu mast ! 
Schlagt die wellen lasst die lieder scbaUen, 
Lasst im wind die goldgestickten s^el wallen. 

Wir erobern keine lande . fahren fahren ! 
Ruf ich zu den schwertein : zuckt das schwert 
Ob der Schönheit der gestalten, nicht zum kämpfe. 
Heut will ich hinaus zu besserem streite 

Und mit liedern fahren in die weite . 

Fahren ! lasst sie rufen in den Städten 

Lasst sie weinen ! segcl blahn sich schon im winde , 

Hoch die weifs- und goldgestickten segel ! 

Wo mein wappen glänzt und wo ich reite 

Blanken Schwertes stürmend in die weite. 



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II 



Nach den hälen nach den weifsen Städten 
Geht die fahrt die frohe fahrt , 
Ruderscbläge schifierlieder ziebn , 
Bringen furcht in schilf und aue 
Und die grofsen reiher fliehn . 

Und der ström und die kanäle 
Ziehn unendlich durch die ebne . 
Pappeln flüstern und das stille röhr 
Und die frommen hütten schaun hervor 
Staunend nach den weifs- und goldnen segeln 

Aller Umder Städte mit den kuppeln 

Den terrassen und den türmen 

Starren an den frohen zug 

Und der könig steht beim hohen mäste 

Träumt noch von der reiher weitem flug. 



m 

Betritt die wüste, königfin der wüste! 
Leg dir die binde um das haupt 
Umhülle es mit goldnen falten 
Und lass mit sonnen glut und strahlen 
Der nackten brüste blumen spielen . 



io6 



Steh unterm sternen^baldadiine 

Auf hohem grat des ele£uiten 

Beim könige — du herrin meiner sinne , 

Du herrin meiner äugen meiner w&nsche — 

Wir fahren stols und frei in unsre wüste. 

Kameele schreiten elefanten traben 

Im sonnen-gold durch heüsen sand 

In schweren schritten ernst besonnen — 

Frag nicht wohin sie gehn wohin wir schreiten . . 

Sieh dort die gdtter uns den weg bereiten . 



IV 

Heil^es land wo nur die lempel 
Unsrer hehren götter stehn 
Wo in ewiger festcs-stille 
Durch die grünen heiligen haine 
Feierliche priester gehn. 

Und die götter deren tempel 

In der bäume frieden ragen 
Sind die starken sind die guten 
Die der wollust die der fülle 
Lebens liedes und der liebe . 



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107 



Schweigend sieht die karawane 
Durch gesegnete gefilde 
Breiter stiere feierschritte 
Grolse schweifoel&dne wagen . . 
Wohin sie fahren fahren.. 



V 

Ich ritt allein — mich trieb es fort , das scliicksal rief , 
Durch Waldesrauschen eilt ich schweigend eilt ich sinnend, 
Da stand unendlich hoch und weit der dunkle wall» 
Der waid ward friedlicher und freundlich ernst 
Und staunend vor der dunklen pfoite macht ich halt . 

Aus stein ein starres götterbild sprach santt zu mir ; 

So kommst du stürmender und frioilcloser doch . 

Ich harrte dein, tritt ein zu ruhn und schliefs das thor , 

Denn wenn du ganz den kelch geleert von freud und leid 

Gesang und sehnen stürm und fahrt so schlieis das thor! 

Wenn du das leben ganz gelebt ist alles wol . 
An allen bechern und an allen lippen trinken 
Ist leben nur und thatest du"s so ruhst du gut .' 
Du hast gelebt - die ahnen schlafen hier gelind 
Und ruhen darist du nun wie sie die leichen sind . 



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WIE EIN EDLEK SANCiER SANG 
UNI) WIK EINE SCHÖNE DAME 
DARAUF STARB : 



IV 1-2 

Ein edler sanier kam von fern 
Mit sfinei* drei-saitigen leier — 
Er sang das lied das so sanfte 
Er sang das lied das so scliune 
Auf seiner drei-saitigen leier. 

Er kam zu dem lilien-garten 

Mit einem scbloss in der mitten 

Mit einem scbloss gans weifs und schlank 

Von einem schlafeS'See umrahmt 

Wo schväne ziehen still und sanft. 

Und auf der weifsen schwane stolz 

Und aut Ii m yclilossc blank und SLluank 

Inmitten lilien und see 

War keiner sonne übelthat 

War nichts als eine lichte blässe 

Von immer gütgem mondenstrahl . 



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Die dame die am fenster stand 
Sie war so schön und weiss und klar 
Und üreude kam den sänger an . 
Er sang das lied das so sanfte 

Er sang das lied das so schöne 
Auf seiner drei saitigen leier . 

Und siifs und leise f^ing >ein lied 
Die klare dame hörte zu 
Dem leisen lied dem sanften lied . 
Ein schwaches lächeln ( weifse lilie ) 
Schien wider ihr im feuchten blick 
Da — reifst eine satte seiner leier. 

Der edle sanger singt und weint 
Das ang in dem äuge der dame 

Sein ti.iurig lied sein leises lied 
Mit seiner zwei-saitigen leier . 

Die weifsen lilien wcifsen schwane 
Breiten sich im mondenstrahi . 
O traurig leis und sanftes lied 
Von thränen in der dame auge 
Von thränen in dem klaren auge 
Und — es reifst eine saite seiner leier 

Mit einer saite auf der leier 

So schwach und schwanke sangerin 

Dehnt sich sein süfsester gesang 
Und weinet hin sein trüber sang 
Und weint und lacht sem bester sang 
Empor zum mondc trüb und bang. 



Die schwane siogen auf dem see 
Der lilien (od im garten. 

Die Schwäne und die lilien starben 
Und seine letzte saite brach. 

Die dame an dem fenster sank 

Die dame mit den lilien sank 
Wie eine lilie blank und schlank. 

Der Sänger aber zog von dannen 
Mit keiner saite auf der leier. 
Er zog von dannen träb und schwer 
Er zog die lande kreuz und quer 
Und niemals sang er mehr. 



GEISTIGE KUNST 



Wir «ollen die geistige Kunst 

BL t d. K. I. 1. 

n 4 

Diese worte sollea fOr diejenigen gelten die einen absehen 
empfanden am tage wo das zw^anzigste jähr sie aus dem land 
der fabel in die lebende wiikliclikeit versezte . trotz der schul- 
mäfoigen umliüllung leerer redacici hatte der schauer vor der 
geahnten pracht des Altertumes unsre vor bewunderung bleichen 
Stirnen gebeugt , und als wir kühn den göttlichen formen zueilen 
wollten stiefsen wir uns an dem leichnam der jahrhunderte . 
eine ganze fratzoihafte romantik und ein schwächliclkes epigonen* 
tum bewegte sidi obne rhytiimoa um unsre jugend , und als 
in den strafsen und auf den öfienfLicben platzen grobe naturen 
uns eine verkehrte weit als wirklich hmstellten die der barba- 
rische irrtum ihrer aagen ihren (ungebildeten seelen eingab: 
da ergriff uns traurigkeit, und einige rerloren den mut. 

Aber für andre erhob sich durch thränen hindurch eine 
morgenröte . überm meere drüben hatten die Prai-rafacliten 
wieder die lebende und schöne S'^t^ii<^ükeit der formen auf dea 
thron gesezt . es sangen noch dichter in Gallien und solche 
unter uns die in sich Icraft fühlten ergriffen den sUb frommer 
Pilgerfahrten . 



112 



Sie lernten viel, aber bald drang in'sie die Sehnsucht nach 
den dennoch schöneren väterlichen gcstirncn . der magische 
fingerzeig Zarathustra's wies ihnen den harten ruhmreichen und 
einsamen weg . und als an den glänzenden thoren Goethe und 
Platen die heiterer gewordenen seelen der rückkehrenden be- 
grflfsten yerbreitete sieb in diesen die ruhige freude und sie 
fohlten in sich die stfirke das wbrk m schaifen. mehr als 
die leuchtende graxie der Ftae-rafaeiiten und die schmelzende 
klangeinhett der französischen dichter begeisterte sie ein mann 
der aufroerksam den einklang des veltaUs beobachtete und den 
ein wunder aus dem blut seines geschlechtes erstehen liess : 
Arnold Böckltn . sie fQhlten sich als spätgeborene brüder des 
malers und sie bcf^rifi'en das steile und stolze ziel : durch den 
klaren und nie entstellten rhythmus ihrer gedichtegleich-sn ebende 
träume au-^zudrückcn und bald wagten sie mit ihren Schöpfungen 
aus dem dunkel hervor zu treten . 

Folgendes ist vielleicht was die neuen ankOmmlinge wünschen 
die dem grofsen häufen das recht verweigern auf ihren Wappen- 
schildern ixgend welchen anmalsenden Wahlspruch zu lesen: 
in den prismen ihrer seelen das grofse und tiefe leben wieder- 
zuschaffen, das immer schöne und harmonische leben, sie 
wissen dass alles lebt , sie wollen das schreckliche leben der 
felscn begreifen und erfahren welchen erhabenen träum die 
bäume verschweigen . sie wollen die heilige Schönheit der 
linien und mit dem lichtplanz der gedankcn die Vollendung der 
form . das leben ist schön da es göttlich ist . sie wissen dass 
es lästerung wäre das himmlische feuer dem hässlichen zu 
leihen das nur tod und Verwesung ist. sie wissen dass der 
blinde Oedipus oder der von Apollo geschundene InCarsyas oder 
der gequälte Prometheus grofs und schön sind wegen ihres un- 
endlichen menschlichen schmerzes der frei ist von linie- und 
formzerstörender entstellung und Verzerrung. 



113 

Und nun stehen wir vor wesentlichen woi tcn, ai mcn worten 
jedoch dif wie ein schleiei über soviele zeitgenössische mittel- 
mässigkeit geworfen wurden . . 

Mystizismus und Symbolik. 

Fuhlen leben das furchtbare leben der weiten , das einfache 
leben des alls, die seele die in den äugen der Jungfrauen schläft 
und die im entsetzlichen geheimnis der felsen ruht — das 
strahlende geheimnis der diuge fOhlen, darin leben und dann 
mit bewegter und von unsäglichen freuden sittemder stimme 
es stammeln — es mit bebender hand festhalten : Mystizismus. 

Und dann unter allen bedeutungsvollen dingen das hciaus- 
wählen das den gröfslcn und schönsten teil der schwingenden 
ä>eele enthält, das die andern in seinem tieferen wesen wieder- 
spiegelt und das sich durch seme vollkommenere form am 
meisten der unbedingten einheit, dem höchsten träum nähert — 
diese dinge mit klarer schöner und sogar am abgrundsrande 
unerschütterter stimme sagen (weü man jenseits des abgrunds 
sich selber als den gott fühlt den man freude^geblendet an- 
schaut) : Symbolik . 

Denn man täusche sich nicht: die stimmen der stocken 
durch fluten von aufsteigenden gleichlaufenden Itnien zu malen 
dies ist eine kindliche Spielerei und mag den malajischen malern 
gefallen . oder um das leben des waldes daizustellen die bäume 
als himmel-ersteigende riesen zu behandeln, um das leben einer 
dampfmaschine auszudrücken sie. keuchend wütend lärmend und 
hustend zu zeigen . das ist leicht aber unangenehm naiv . und 
das mag den häuptem und gliedern der naturalistischen schule 
behagen . aber nenne man diese Oberflächlichkeiten nicht Leben , 
Mystizismus, Symbolik. 

Man darf den dichtem die sich hier vereinigt haben nicht 

die leeren oder unvollständigen nameo Mystiker und Symbolisten 

.beilegen, denn das wollen sie nicht mehr sein als die klassischen 

B K 8 



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114 

metster es waren . allein der name kOnstler genflg:t tmd passt 
ihrem geringen stolz . eine reine klang^'olle strenge und schöne 
spräche ohne irgend etwas von dieser leichtfertigen und zer- 
fahrenen wei-e die heut im schwunij; ist . kein dunkel kein 
Wirrwarr , die kräftige Schönheit , die feinheit ohne kränkliche 
verziertheit , das ist was die neuen dichter erstreben . fem 
liegt es ihnen dinge und ereignisse zu beschreiben — ihnen 
lieifst es nur: hervorrufen und einflflstem mit hälfe wesent- 
licher Worte, sie werden keine exfindungen machen, gesell- 
scbafts-fragen lassen sie kalt , die menschen sind ffir sie von 
geringem interesse, d^m ihre aufinerksamkeit richtet sich auf 
den menschen und glaubensbekenntnisse haben fflr sie nur 
durch den darin eingeschlossenen schOnlieits-gehalt einen wert . 

Sie sind keine Sittenprediger und lieben nur die Schönheit 
die Schönheit die Schönheit . 



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KARL WOLFSKEHL 



AUS ULAI8 
I 

U 2 

Zum klaren berg der blauen seligkeilen 

Vergessnp müde pilpfer schreiten 

Die pi'orte scüioss sie pochen pochen . 

Verlorner töne himmlisch sehnend schweifen 
Schlingt sich um sie in elfen-zauberreigen 
Sie pochen pochen . 

Ad ihrem leibe fremde gluten rinnen 
Der berg der seligkdten strahlet imien 
Sie aber podten pochen . 



n 

Mm Schwert mein schwert wer badet dich rein! 
Dort rüsten sie das fest im hain 
Die holde winkt es flutet der wein . 

Es ist nicht blut o wir es bhit 

Das dich befleckt ich hiefs es gut 
Sieh ihre Schwester blinken i 

8» 



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116 



£s ist nicht rost du kennst nidit ruh 
Mit flammengierde kämpftest du 
Doch nimmer magst du blinken. 

Das treibt mich fort von fest und schmaus 
Von freundes seite hinaus hinaus 
Bis meine glieder sinken . 

Mein schwert mein schwert wer badet dich rein! 



OSIRIS 

Strenger Gott mit segcnträufelnden bänden I 
Ahrenzeuffender flutenherr wir spenden 
Schalen und dufte aus fernen schönen geländen 
Halt uns fürst mit den lebengebenden handenl 

Sieh wir dürsten o herrscher sieh wir darben 
Zehrende gluten würgen und viele starben 
Alle trauern wir bang in des todes färben 
Hilf o Machtiger gnädig sieh wir darben 1 

Sollen wir frauen dir weihen und lockige knaben? 
Dein ist ja alles Gütiger was wir haben 
Kühlung gewähre und schatten uns su laben 
Dass die mädchen herrlicher blühn und die knaben! 

Dass nicht dein garten dorre dein tempel falle 
Dass auf ewig dein goldenes lob erschalle 

Wahre dich — oder der tod vernichtet uns alle 
Wahre dich Herr dass nicht du und dein reich zerlalle ! 



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NÄNI£. 



Bebend lauscht er mohnes-güsse 

Fliefsen auf die weifsen glieder 

Dass er heute sterben müsse 
Singen ihm die quellen wieder . 

In den pinien das rauschen 
Schwebt heran auf schwarzen schwingen 
Weifse mäntei drüben bauschen 
Und die fernen saiten klingen . 

Mflde Ueder fromme laute 
Labet ihn mit linden schatten 
Streuet rosmarin und raute 
Todesblumen um den matten . 

Meister eile ihn zu krönen 
Schlinge ihm die purpurbinde — 
Dass auch um die stirn dem schönen 
Eppich sich und fUeder winde ! 



uö 



ADONIS 

m 1 

Um schlanke glieder schwanken lichte bluten 
Gebogne ampeln deine Schlummer hüten 
Ein roter maotel deckt verborgnes grauen 
In denen träumerische gluten glühten 
In deinen äugen si^wer vom kuss der frauen 
Die lezten blassen finstemisse thauen . 

Vor deiner zier die lieblichen epheben 

Die greisen büfser müde arme heben 

Zu deiner bahre dringt kein ruf der schaaren 

Nur einen weifsen talter seht ihr schweben 

Er schmiegt sich zitternd deinen weichen haaren 

Er fächelt und er schmeichelt lind den klaren 

Und welkt, den die Geweihten schweigend loben 
Adonis schied die wilden gluten stoben 
Adonis wandelt aus den lichten ballen 
Den Schleier hat er von dem sein gehoben 
Vom bäum der erde ist die frucht gefallen 
Zum toten herm die bangen beere wallen. 

Im weiten h'»ine wogt das trauern 

Das wehe stöhnen pocht an weifse mauern 
Durch alle reihn verhüllte schrecken schleichen* 
In allen häusern schwarze schulten lauern 
Im opferrauche will die lust erbleichen 
Vom leben trunken will das leben weichen. 



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ERINNERUNGEN 



Wo sich die späten leigen runden 
Im klaren saale fiel der Ihau 
Wo sich die späten reigen runden 
Aus schwülen sonnenscbwülen stunden 
Quoll kühlend das ersehnte blau. 

Die tagesmüden schatten steigen 
Erzitternd im geborgten glänz 
Die tagesmüden schatten steigen 
Die lebensroten lieder schweigen 

Die königin befiehlt den tanz . 

Ilir nahl in zagen und in klagen 
üeflohn aus trüben traumes rast 
Ihr naht in zagen und in klagen 
Aus purpurbächen elfenhagen 
In des gedenkens banger hast. 

Von lichter stime glitten Schleier 
Ein lächeln lauscht ein sdieiden bebt 
Von lichter stime glitten schleier 
In mattem schein erstrahlt die feier 
Die ihr aus duft und wölken webt. 



DITHYRAMBE 



Golden und tnib um schwarze gestade 

Sprüht ihr im lauche sühnender lieder 

Wangen schmietfel euch hemgea^ bade 
Schwarze f^estade 

Bebt ihr im reigen smgcnder glieder. 

Thälcr der stille banget dem hehren 
Heil dir Dionysos! brich das reis! 
Bandiger Endiger wonne der lehren 
Jubelt dem hehren 

Fachet die gluAen und schlinget den kreis , 

Dunkel im brande ruhen im rasen 
Hüllen fallen Du briutlicher werbe 

Kränz uns in küssen ! alle genasen 

Ruhen im rasen 

Berget uns flammen : weiis slraiilei das erbe 



121 



TRAMONTA 



lU 2 



In demen äugen schwammen die weiten 
Im roten wallen wiegte sich glänz: 
Im wehen schwoll der duft der Zeiten 

Vom altar hoben wir den kränz . 

Wie zittern milde die fernen strahlen 

Dem schweigen lauschet dem schweigen lauscht 1 

Zum grofsen npfcrgrufs im fahlen 

Dämmer der stille banner rauscht. 



AUS DER GROSSEN WÜSTE 
IV 

m 3 

Dürft ich durchs schweigende wasser streifen 
Gebrodienen av^ im schwarzen nachen 
Der grofsen stille becher greifen 
O gab es kein erwachen 1 

Kein harren fragen flammend ringen 
Kein opfern am entweihten stein: 

Botin mit mohnbel.' uten schwingen 
Wann rufst du mich zum reihn ? 



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133 

V 

m 8 

Mir war so bang und wie ein wehes raunen 
Glitt leise durchs gemach der dolden hauch 
Zitternd entsandt vom weifeen fliederstrauch 
Und in mir wuchs ein staunen . 

Ein ^rnfses staunen das mit bleichen Uppen 
Die sUme küsste die der duft umspült 
Wie Wellenschaum die nachtgehüllten klippen 
Mit todeskühle löüilt. 

»Aus ilireni bunten haus ist sie geganj^en 
Ersclilunnme nininier da die milde schied . .* 
Das bleiche küssen streifte meine wangen 
Als wie ein leztes lied. 



AN MEINE LAUTE 

lU 3 

Aus Sternengold in heiliger nachl geschlagen 
Mit i»patcn kranken Uäumerisch geziert 
Gen(*7i mit tiefem duft betaut von klagen 
Birgst du die wunder die der tag verliert . 

In keuschem harren heimlich buntem sfniefsen 
Ruht leben dort und tod in wirrem bund 
Die herrin träumt im rebengr&nen rund 

Verderbens blumen blaun im qualm der wiesen . 

Erlösen darf ich deiner seeie schwingen 
Der unsre sonne glans und klang verliehn . . 
H5r ich nicht schon das leise liebe singen 
Vom weifsen saulenhof heruberziehn ? 



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123 



IM KREUZGANGE 

III ;i 

Zum feierlichen amt geweihte schreiten 
Die sänge dröhnen dumpf : » in ewigkeiten 
Gelobt gelobt ...» geschmückte kerzen gleiten . . 

Der schwarze zug verschleiert in gebeten ! 
Darf sie im kreis der Schwestern vor dich treten 
Der lenz und nacht den weifsen kränz verwehten ? 

Darf heut ihr auge ruhn auf deinen waiigen ? 
Der gestern alle nachügallen sangen 
Darf sie bei des altaies lilien prangen ? 

Im heiliu^en rauch verhauchen leise schritte 
Die Schwestern knieen : erhör der braute bitte 
Ist eine sündeiin in unsrer mitte 

In glttt vertilge sie . . . die dampfe wallen 
Aus goldner weite weht ein lichtes schallen : 
Die Sünderin erheb ich ob euch allen 

In grofser liebe durfte sie gesunden 

Die himmclskrone hält ihr haupt umwunden 
An ihrem leibe strahlen meine wunden . 



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124 



HEKODIAS 

UI 4 

Den bleichen finger hebt er und lacht im boline 

Die toten blicke starren und klagen mich an 

Sie raunen vom schauernden hain und vom knospenden lohne 

Von küssen und küssen und sdiwarzer todesbahn . 

Sie raunen und lachen unu ob ich die lippen schürze 
Tief tief im schachie des kbenh bettet sich qual 
Und ob ich mit schiafcrndcm gussi- drn becher würze 
Ins dickicht der träume dringet der richtende strahl. 

Vernebmet alle: der heiUge ward geschlagen 
Um meines hasses willen verstummte sein mund 
Um meiner Uebe willen üefs ich ihn schlagen 
Um meiner gluten willen erblasste sein mund. 

In seinen locken schlummerten meine gnaden 
Licht glänzten die lieben wenn er zur fnJihe schied. 

Nun wird nimmer sein sehnender sang: mich laden 
Nimmer nimmer harrt er im lauschenden ried . 

Aber die blicke drolien . . . wohin ich schreite 
Flimmert der locken wehende goldene flut: 
Deine arme Segnender Sühnender breite 
Dein ist der sieg du herrlicher ! blut um blut . 



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DER PRIESTER VOM GEISTE 



in 1 

Aller lande gebSnfte garbeii laden 
Aber du neigett die stira tmd lüchdit Ittige 
BlitCer f. d. K. Zweite Folge 

Und lächelst lanfie"^ denn wie muchtcst du iieischen was 
sie dir boten, das m(")glichc wollen, gewiss der Vollendung — 
die band austrecken nach dem erreichbaren : bist du ein hand- 
langer? von neuen scbmercen tauten deine Uder: kein Tecgeb- 
liclies sehnen dass dir die reiche huldigten, beleidigte deine 
seele . also dass sie müde ward und in ihren Testen schlummerte . 
aus kraft wurdest du unkräfiig, well du dich nicht fiber- 
winden konntest , zerschelltest du träumend deine waffen . immer 
ja will das höchste Über sich selber triumphirend hinausschreiten : 
jeder gipfel will abgrund werden einem neuen gipfel . wo aber 
rauchte der brand in den versinkend du dich gebären konntest ? 
lange hatte man dich gelehrt , du seiest tcmpel zugleich und 
beter ; kein ziel '^ei so hoch , kein weg so weit — du seist das 
ende allen wandems gleichwie sein anbeginn . du selbst seist 
das band , nach dem deine stirnc ban;;c , du tiaitcst gelauscht 
und dem raunen neigte sich dein olu ; du zogest aus im glücke 
des suchcns und die schauer des unbckaimten kühlten deine 
Schläfe . mfibevoll dflnkten zum beginne dich frohen die pfade , 
nimmer zu fassen das lockende ziel und stolzer hob sich deine 
seele , denn in ihr brannte die lust zum ungeheuren . 

Seliges sämen verschwundener tage ! wehe dass ihm er- 
f&Ilung ward! 

In schäm und dumpfem weh versiegte das vertrauende 
wagen da der sieg errungen war . der leichte sieg ! ein spiegel 
war dir alles sein geworden und siehe du lachtest . du lachtest 
wie nur ächzender überdruss , schmerzliche«; grausen je lachen 
kann . kleines ziel ! kleines ziel ' also tönten deine lippen , deine 
seele aber blutete , du hülltest dich in den -^tulz deines leides, 
du achtetest dessen nicht . und die bluttlamme strömte dahin 
durch die weiten , sie loderte zu demem himmcl empor und 



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126 



verzehrte die matten zu deinen füssen . also dass der Spiegel 
schmol/ und dein tempel wankte da war es al^ fiele eine 
fe>sel von dir ab , du blicktest auf von der stalte deiner trauen 
und im purpur des unter^an^s stjalilte dir ein neues erstehen 
ein namenloses glück hob mahnend .seinen fin^,'er . wer mag des 
genesenen wonne ermessen? wie eines üunkenen bebten deine 
lippen und deine hände hohen sich in segnender Inst : anbeten , 
preisen duiften die seligen . eigne flanune hatte dich geläutert » 
du selbst hattest das ziel gefunden , das unerreichbar stets er- 
reichte . ihr eignes leben musste deine seele hingeben , auf dass 
sie leben könne , leben im reiche des virUichen , im lichten 
saale der Vereinigung : der kGste zu der nie ein einzelsein ge- 
langt, die dennoch nur einzelseins Strahlung ist. im ringenden 
sehnen nach diesem lande, im hegen und emreitem seiner 
grenzen und goldenen gaue . darin fand deine seele ziel und 
lohn für alle zeiten . wie leuchtet nun ihr ju<;endlicher blick 
wie rüstet sie sich zum streite und bebt in kamplesgierde ! ihre 
seliiT-ucht wandelt p;leich einer sonne über die gefilde, wie ein 
Ii ühiin{;;M egen Weckt sie die geislei de» haines , nimmer aber 
erschöpft sich der born der lust. ohne ende entquellen die 
ströme hannonischen Wirkens der neuen schale . verschwunden 
ist alles tageszagen : weggefegt die ingstUche eigensucht , die 
immer am vergänglichen klebt und jedem werden abhold ist , 
die kleinmütige I ein neues priestertum ist erstanden ein neues 
reich den gläubigen zu künden . brausend fühlt die seele des 
schalfens . des echten Schaffens unaussprechliche wonne . da 
zeugt jeder glücksgewinn ein kühneres hoffen : nur ein mcilen- 
stein zum weiterschreiten mahnend dünkt jeder sieg , ein jubelndes 
vonvärts ist alles erringen, der pfad /um leben ist gefunden, 
der heilige weg, auf dem jeder schritt i^t gleicliwie ein triumph- 
gesang . nicht blois sich zu retten aus dem dumpfen zucken 
des allseins heischt lürder der wille des einzelnen ; tief ekelt 
ihn des schnell erkämpften preises . sehend zu werden hat seine 
seele wiederum sich hingegeben , aber nicht in den gestaltlosen 
schlämm zurück scheuchte sie ihr leid, wie dies ehedem ge- 
schah : als Opferrauch loht sie nun empor , aufwärts zum reich 
ütr reiche . 



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BETRACHTUNGEN 

XU 1 

I 

Oft neigt sich der adler des Zeus sterblichen zu — ein 
Ganymedes doch erhebt auf ewig sich zum glänz des olympos . 

n 

Wie mag der schaöende ein erkennender sein? Mannes- 
macht und weibeswäblen sind die pole der weit. 

m 

Ein atmen in ihrer zukunft: die faller nngeboreno' lenze 
haben ihre stimen gekflsst : Shelley , Novalis . 

IV 

Mit dem epheulcranz in den locken wollte er gebete stammeln 
imd siehe : sein mund Tenriirte sich ! Hölderlin . 

V 

Die durch ihr sein im sein beschränkte einzelform des 
lebens : dieses einzig ist der tiagödie gehalt wie der komödie . 
Dort aber rauscht des bezwungenen cinzelwesens wollüstiger 
schmerz — hier lezt der genius der gattung sich am armen ge- 
fangenes der zähem netze zu entrinnen trachtet . 

VI 

Durch zwei pforten schreitet er aus seinem hause . eine 
Strasse führt ihn zum q:estaltlo■^ dumpfen >ein : zum TEMPEL 
leiten des anderen pfadcs hchie stufen . sein se!b<! aber zer- 
rinnt hier und dort, thorea die ihr im kunstwerk ein bekennt- 
niss erblicket! 

VII 

Gehört euch voll an , denn ihr müsst euch ganz Terlieren . 
weihet euch zur feier der fülle . 

vm 

Ein altar ist die Jungfrau , auf dem sich alle spenden läutern . 
jungfräulich ist echte kunst , in sich geborgen . keiner ist dem sie 
diene und alles geschehen verklärt ihr licht, 



ÜBER DIE DUNKELHEIT 



III 5 

Abrr die m> nschen liebten die dunkelheit mehr 
«Is das licht . ( Evangelium Johannis ) 

Du macht so schSa die halbrcrwehlea klinge 
So schon die dunkles worte toter dichter. 

(Hitf;o von HofmaoMthtl) 

In (l.immernde tiefe verliert ';irh unser suchen das der be- 
gnffsbiidung: ur>pi ün;;c zu eiitdi tkcn ti aehtet . nur dass sie in 
gleichnissen redend sich enthüllt , dürfen wir erkennen . gleich- 
nis , Sinnbild . . . Umformung , schöpferisches erfassen auch da 
wo wir nur festzustellen nur auftw^ichem scheinen . und in 
Jedem überlieferten begriffe wie in der lautform die ihn biigt 
strömt unser eignes leben : er ist unseres blutes Idnd und wie 
er unsrer tiefe entspross also lebt er sein eigenes sein. 

Wie kommt es dass die menschen sich verstehen 7 dem ge- 
meinen tagcs-verkehr und seinem derben bedarf genügen 
nSherungswerte die gleichwie schlechte m&ue von band zu 
hand gehen, aber das innerliche, geheimnisvolle miteinander- 
Icbeii das die gemeinschaii zweier scelcn zu einer ?;ciiaucilich 
und schönen wallfahrt verklärt ' aus den fernsten sdiachten des 
lebens strömen die quellen in deren spiegcl sich die verwandten 
geister erkennen : im dämmern in den schauem eines geahnten 
entzäckens wird der mensch dem menschen offenbar, nie ist 
unter heller sonne geweihter bund geschlossen worden . genossen 
mag die gemeinsamkeit des kampfpreises schaffen , geführten 
kann der wandrer finden auf seinen p&den — nimmer doch 
sind auf der heo-strasse oder selbst durch Waffenbrüderschaft 
die Seelen zusanunengeflossen . 



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129 

Und wie nur im heiligen geheismis2itteniden dunkel zwei 
Seelen sich erkennend ins ange blicken : also sucht unser sehn» 
allezeit ein anderes als das die sinne nnserm bewusstsein vor- 
täuschen wollen. 

Schöner dünkt es uns verborgenes ^^ut zu ahnen als in 
offene üuhen zu greifen, schöner heiliger wissender, denn 
wie in den mären des Volkes alle herrlichkeit schal und grau 
dahin welkt wenn sie der wissensicbere der thor beschaut, wie 
uns die weisen ans den ländem des aufganges lehren dass nur 
liebender hingäbe das gOtfliche sich entschleiert : so wissen wir 
dass die herrin der Schönheit nur im dämmer ihren reigen 
winkt, und wie wollten wir leben wenn wir nicht den reigen 
schlängen ? 

Wie anders liefse sich die dfistere wonne deuten mit der 

wir den geheimnisvoll kargen Hedem der Völker lauschen? so 

aber einer auf.Nirmdc und ,->cmc haud reckte und fragte ; ist der 

g'ildene (ioti nicht die quelle des seins ? webt er nicht ein 

strahlendes neiz von perlen um das all das nur aus semer hand 

das leben empfängt? warum lieben denn die menschen mehr 

die finstemiss denn das licht? zu dem spräche ich also: sieh 

hinaus in die halden wie sie zitternd atmen im grofsen mittag 1 

wie alles lebendige scheu kauert und Pan's atem über die Auren 

weht! wie alle färben sich lösen alle düfte ineinander fliefsen 

zu einem wetten weichen wallen . das sein hat gesiegt Über das 

wollen und da Er seine stunde feiert entschlummerten sie alle 

die im reigen sich erkennen . der vater der herr vor dem nichts 

bestehen kann . siehe aber ! er lächelt und sein antlitz senkt 

sich auf die tlitte dass ihre milden süfsen weisen die mutter 

nifen . da schreitet sie hin die heilige und ihre >chleier hüllen 

den heiTn also dass die flammen seiner s< lirecken erbleichen 

und die kinder erwachen und wie im träume blüten auf sich 

streuen . blüten , küsse der mutter , die ihre arme breitet und 

B K 9 



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130 

segnet, wie sie eilen und janclisen und in goldenem jubel sich 
bei den bänden fassen und sieb heiligen . alle fesseln fielen . 
alle die formen » alle die färben freuen sich der eigenen pradit, 
die doch Einer mutter kinder frob sich wissen . 

Heiliges dnnlcel, heilige nacht, da du auf unser selbst uns 
weisest , fühlen wir stolz und schaudernd in uns die blüten alles 
iebens prangen . was das wissen von uns selber reicher und 
tiefer bildet . das schweifende fjeheimnis schwerer worie und 
ferner klänge» das lässt von allem fremden leben die hüllen 
fallen . nur wenn wir uns erfassen erfassen wir das all . Pan 
aber, das grofse licht, löscht alle einzelflammen. 

So mag es kommen dass alles wissen der weit uns nimmer 
das grofse erkennen schenken kann . dass ein gerizter stein . 
dass anne runen die wabrbeit bergen die keinem unsro* weisen 
auijgegangen ist. 

So mag es kommen dass unsre heil^flmer tief drunten 
im dunklen hain sich erheben — dass unsre feste an den 
schweigenden wassern in die berauschte stille des Sternen- 
himmels klingen . 

So maj4 e^ koinmen dass die licdcr der liebenden mit dem 
naehtwind zum altane ziehen — dass wir in seinem rauschen 
die fülle wiederfinden die der tag uns geraubt hat . 

Zur mutter flüchten wir mit weinlaub und roten tanzer- 
gewanden — zur mutter eilen wir mit fackeln und den rosen 
der wonne . wo unser selbst sich heiligt da sind wir ihr nahe , 
der lebengebenden , die dem grofsen Pan uns geboren hat. 
der erhalterin die vor dem groisen Pan die kinder segnend 
wahrt. 



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LUDWIG KLAGES 



vorfrOhling 

III 1 

Wie dehnt sich weit das land ! scheint nicht der hohe bäum 
Der über uns noch nackte äste reckt zu frieren? 
Wie einsam steht auf diesem weiten land der bäum! 
Wir aber wollen müd an seinen stamm uns lehnen 
Und seines rauscbens leise stimmen trinken 
Wie kalte glut die schölle trinkt . 

Hörst du das klan* licht durcli seiiu' zwhm^c träufeln? 
I )i(" ersten blassen knOipen sti eui es ziUernd aus . 
Ahnst du das laubdach das vimi schwüle schatten breitet? 
Lass fernen sommers träum durch ileine seele Hüten 
Und lass mich still mit deinen locken spielen 
Wie mit den wölken spielt der wind. 

Verstehst du diesen wind? aus weiten blauen fernen 
Lockt er mit sdiarfem klang verlorne lem^ewölke . 
Ein ahnungsbaxkger jubel ist in seiner stimme l 
Lass eng verschlungen uns sein laues wehen spüren 
Lass unsre wangen an einander ruhen 
Wie fern am berg der himmel ruht . 



9* 



132 



m 1 

Ueber die weiten wiesen zieht ein staub . 
Ueber die fernen beige jagt ein reiter . 

Sterne stiegen — aber da sahst sie nicht. 

Leuchtende lenze zoj^en an dir vorüber. 

BliitciisclicUicf fltiUcrten um dein haupt . 

Sinkende sonnen woben dir goldgewänder . 

Bronnen rauschten . berückende düfto wogten . 

Aber du flogst hindurch mit seltsamem Schauder . 

Heimliche angst — es möchte lauernden herbstes 

Wesen und welken den rastenden überraschen , 

Vergiftete deinen brennenden diirst und herzte 

Dich mit verderblicher hast . — mit den schatten der wölken 

Flogst du hindurch . — was sagt die zitternde thrane? 

Was sagt das zucken des Schmerzes um deine Uppen? 

lieber die weiten \inesen zieht ein staub . 
L cber die lernen berge jagt ein reiter . 



■133 



WANDLUNGEN 

IV 1-2 

I 

Von dunkler klippe über die wüste des meers 
ErschwoU ein lied. — aus wölken zürnte die nacht 
Zu finsteren fernen wehten die wogenkämme . 
Dir troff um die stirn ossianischer stürme ton. 
Dir schwankten der tiefe metallene wasser 2U. 
Dem trunkenen rufe horchte die brandung nur, 
Du träumtest der inseln goldene schdnheit nicht. 

n 

Nun verirrte dein fuls in unerwünschte gefilde . 
Dämmrung ringt mit zuckender glut • — die bleiernen tiache 
Queren unwirtlichen pfad • unter gellend entfesselten winden 

Kreisen im abemigiau ik-; bäume entblätterte krönen. 
Lohend bricht aus wi.'.sten ciii schein : o Desiderata ! 
Käme sie wetterumhülli dir in den sterbenden feuern 
Käme sie leise bang vom schattenliügel gewandelt 
Nieder sänkest du g-an^ • es bräche der stolz dir im busen 
Schluchzend rührte dein haupt der götüichen schimmernde sohle 
Thrine die lange erstarrt dem trunkenen würde sie strömen 
Selig tief zerknirscht ohnmächtig schüfe das glück dich. 

m 

Der stille nebel hat dich eingehüllt 

Dann das nachtverlorene leben treibt . 
Du schreitest dumpf gewohnter strafse nach 
Die endlos fliefst • die luft ist leer und tot, 
Die soxme starb ■ sind wipfel über dir? 



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134 



Du lauschest bange schwerem tropfenfali 
Und siehst aus fernen dünsten dir die liand 
Die traurig winkende entgege'nnahn . — 
Wann wird die lezte m&digkeit dich laden? 



SALAMBO 

IV 1-2 

I 

Von roter wölke stummer pracht umhüllt 
So schreitest du gelassenen fusses hin 
Das dunkel<volle hohe haupt geneigt 
Die wimpeischwKen Uder tief gesenkt. 

Dir ward lir bleichen lüste trauni ver\\'ehrt 
Des norden^ scheue hedcr nieiflend lauscht 
Dein sinn entrückt dem güldenen f^elön 
Der kette die um deine schultern giutet. 

Und über dir sich die gewölke teilen . 
Aus blendend blauer Wölbung siegend bricht 
Des Südens sonnenstrom • zu deinen sohl^ 
Entbrennt der weiten wüste weifser plan . 

Da bebt dein haupt empor > da lodert mir 
Des königfltchen bltckes fremde glut . 

Da dröhnt der iulu-u khin^^ ■ du hebst den dolch 
Den rtainmenden der mich durchbohren wird. 



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II 



Dein blick der farbendüistend in sich selbst gesenkt 
Nach innerer wunder unerwachtem spiele späht , 

Erzittert sehen dem länder-schattenden dem rauch 

Der ziehenden gcwolke ■ deines dunkU i^ haars 

Zu schwerem schwung der linien kaum gezähmte prach 

Wird dieser breiten feuchtem dünste-anhauch welk. 

Ir. ungewürdigteu gewändern wallst du hier 

Wo selten nur in bleichem blau der himmel blüht 

Und jedem flammend heilen strahl der donner folgt. 

So wende nur den fiifs der heimat deiner seele zu . 

In südlichen gefilden wo im sonnenprunk 

Die blumen deiner ahnungslosen Sehnsucht glühn 

Bist du der erdensöhne schönstem ausersehn. 

Verlasse mich und meiner kalten träume beer 

Und gieb mich wieder weltverlorener traurigkeit 

Die mit den stürmen ilue uachlgesange harfl . 



ni 

\\'o leuchtender dir die goldenen kelche glühen 

In südliche lande bist du hinabgezogen 

Und liefsest mich einsam ■ hochhin spannte der sommer 

Der ewigen Wölbung lichteischlossene klarheit. 

Der mittagshöbe schweigende gluten sanken. 

Du hörtest mich nimmer • prunkende flore kränzen 

Die weiten balden die ich betrat umsonst mir. 

Der blühende bügel lädt nur den trauernden Siedler. 

Nun weht mein singen über die sonnengefilde 

In silberner fernen flimmernde horizonte . 

I'.ir: wandrer wul am stillen saum der beide 

Gen abend schreitend horcht verlorenem hall. 



AUS EINER SEELENLEHRE DES 
KUENSTLERS 

ni 8 

Die bisherige lehre vom schönen (ästhetik) hat sich gar 

viel mit fcststelluriK Liai ausmessun^; der bcp^nffc : schön und 
häfslith — aber zu wenig mit dein künsller selbst beschäftigt . 
dies dürfte vorwiegend die Ursache ihrer ungenügenden er- 
gebnisse sein. 

Aus diesem mangcl folgte in erster ünie die unheilvolle 
überschftUiuig des stoffis, des inhalts . eine menge geistesenergie 
wurde an die notwendig ergebnislose arbeit verschwendet 
das gebiet zu umgrenzen welches allein kflnstlerischer behand« 
Inng zugänglich sein soUte. man hielt sich an die schale 
und wo eine ahnung von tieferer bedeutung aufdftnunerte kamen 
so unsinnige dinge wie ,hannonie des Weltalls* zum Yorschein . 
wiewohl eine gegenströraung der althergebrachten ästhetik ist 
der naturalismus mit seiner ,mtlieu-theorie und description* den- 
noch jm ß:iunde le/te folge dieses mliims. 

Hiermit en;; verknüpft ist ein dritter fchlRriff: jenes ganz 
nebensächliche an grofsen kunstwcrken was durch seinen Zu- 
sammenhang mit dem religiösen zweckbewusstsein vielleicht am 
ehesten die gemäter der massen erregte nahm man für das 
Wesen, man machte die schOnheit zum sUaven TermeintUch 
noch höherer werte . man glaubte vom kunstwerk veredelnde 
Wirkung verlangen zu müssen und unterschob dem künstler 
erzieherische absiebten, — so wurde allmählich halb unbewusst 
die ganze Sittenlehre (moral) mit ihren ewig schwankenden 
mafsen in die ästhetik hinübergetragen. 



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137 

Schönes und häfsliches zu sehea hat die menscheit erst voa 
kOnstlern von dichtem gelernt^ 

Mitteilung in einer dtarch überliefening'imd gewohnheit ge- 
festigten redeveise genfigt den meisten menschen fast durchs 
ganze leben 'und wenn [der innere drack einmal ungewöhnlich 
gestiegen eoflastet sie ihr jauchzen oder weinen, andere 
seltenere giebt es, |||zähe tiefbohrer, die nach Terkettuog aller 
dinge spüren und in Systemen reden , noch andre sehr seltene sind 
schweigsam und lassen ihre ihaleii zeugen . die allcrwcaigstca 
und das sind die kunstler bedienen sich des rytmus des tons 
der fail'e und der form um intimste nur wenigen begreifliche 
geheimnisse zu verraten . 

«Darstellung einer idee' das leistet weit klarer und wirk- 
samer ein einziger satz . 

Nur der dichterisch yeranlagte wird durch das naturspiel 
erschüttert . wie kann man da vom kunstwerk verlangen dass 
es auf rohe geister wirken solle 7 

Dies kennzeichnet am tiefsten das meisterwerk dass es in 
uns eine lust entründet etwas unp:eheure? hervorzubringen . auf- 
gewühlt werden lu uns schlumnic-i ude tiefen . wir erwachen 
aus dem leben des alltags wie aus einer öden verersuug dci 
mächtii;-ten s:r<)me unseres innern . mit erstaunen glauben wir 
neue kräftc zu entdecken und werden einer ungewohnten Spannung 
gewahr . dies ringen und branden ist der kämpf mit dem genius 
des künsüers — aber es ist ein berauschender kämpf . die kunst 
heizt mit lebensdurst und grofsen selbs^efQhlen und das ist 
die höchste Wirkung die dichter und kOnstler wünschen dürfen. 

Diese Wirkung zu erzielen war und ist überall die wenn 
auch oft unbewusste absieht künstlerischen Schaffens . was dem 
Wechsel , der entwicklung unterliegt sind die mittel "der gestalt- 
ung mit deren hilfe dieses eneichl wird . in Jahrtausenden einer 
siegreicheren kultui einer mehr wachsenden befreiung von der 



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138 

Übermacht der umhüllenden naturdioge tun ihn her und seiner 
eigenen niederen notdürfte hat der mensch auf feinere reise ant> 
Worten gelernt . nicht mehr greller gegensätze : des todesröcbelns 
und triumphgeschreis bedarf das verfeinerte getrtebe unserer 
fantasie . was seine saiten bewegt ist das spiel unendlich zarte- 
rer abschattungen des geschehens . wir erlauschen naturtOne die 
den Alten fremd waren, uns reden mienenspiele deren kaum 
merkliche linien ehedem verborgen bleiben mochten unter den 
Zuckungen licfti^-erer reize . der mensch und vornehmlich der 
künstler ist gcistiy;ci und leidenb( liaft>>lf)><T geworden und dem- 
entsprechend haben sich auch die mittel zur erziclung des Icünst- 
lehschen eindrucks zu ändern . 

Wa s ist_der Icänstier? der künstler ist vor allem liebhaber 
des Icbens — des lebens und seiner reize . hierin gleicht er dem 
mann der ibat , dem feldberm , dem beiden : von dem unter- 
scheidet er sich aber dadurch dass der Schwerpunkt seines Wir- 
kens ins geistige , traumhafte verlegt ist . er empfindet sich statt 
in der Überwältigung grob handgreiflicher widerstände im leben- 
bedeutenden spiel eingebildeter gestalten . Tcrmögc gewaltiger 
Vorstellungskraft t;clmgt es ihm erregt weiden durch den 
gaukelt. in/ der diniic . die seine fantasie mit willkürlich eidieh- 
tetem inhalt la lebte . in diesem bezirk erträumter Sensationen ist 
er zugleich kämpfer triumfator und Zuschauer . in der Vorstell- 
ung bleibt das bewusstsein dass seine geschöpfe nur von ihm 
ihre seelen liehen, dass sie seinem zauberslab gehorchen und 
hinter der erregung steht leise aber vernehmlich lenkend der 
kaltherzig stilisierende verstand . 

Wie wuriäe d er k finsflgr? wer schreibt uns seine entwick- 
lungsgeschichte ? wie konnte der naturtrieb so nach innen ge- 
wendet werden ? ist da«? ein notausgang wie vielleicht alles gei- 
stige wie viellei( hl dei L^an/e gesellschaftliche mensch mit sei- 
nen erstaunlich unnatürlichen Verrichtungen? hierüber werden 



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139 

wir wol nicht eher aufschluss bekommen bis es sidi einmal be- 
liebt dass ein groser dichter zugleich kraft und mut der selbst- 
zergliedemng besixt um schaffend noch sein schaffen zu beauf- 
sichtigen und sich und der weit über die beweggrQnde und in- 
neren zustände während des empfangens und hervorbringen» sei- 
ner gebilde unirerflllschte rechenschaft ablegt . 

Was haben wir unter kün<tk n^chci torm zu vcisiehen? 
erstens auswahl im sinne eines einheitlichen eindrucks . einen 
solchen bietet uns die Wirklichkeit streng genommen nie . bei 
Völlig wacher auAntrksamkeit würden uns selbst in der einfach- 
sten landschaft viele das gesammtbild durchkreuzende einzel- 
hetten stören . der künstlerisch empfindende mensch hat in er* 
höhtem grade die lähigkeit diese zu übersehen . ein ton ein strahl 
in sein bewusstsein fallend genügen um unter der schwelle ein 
viel^deutiges spiel dunkler gefuhlsverknfipAu^n in ihm auszu- 
lösen , in welchem er taub und blind wird für die kunstlöten- 
den beimischuTigen der umgebenden Wirklichkeit, diese bereits 
im aut^fut lick (ki cniplangnis vollzot?ene unbewusstc au>\vahl 
ist da^ wcseniliche . im einzelnen w iiU mc hcioach beim eigent- 
lichen stliaffen durch ilie suniicrude thätigkcit des vor^tantk's 
vervollständigt . — Zweitens gehört zur künstlerischen form 
gruppierung des Stoffs (komposition) . — Ob es sich dabei um 
ein hineintragen menschlicher linienverhältnisse in die aufsen- 
dinge bandelt oder ob einfache mathematische beziehungcn von 
mafs und zahl für das vergnügen der sinne entscheidend sind 
bleibe dahingestellt . im schaffenden entscheidet ein nicht erlern- 
bares takigefühl . drittens endlich gehört zur künstlerischen form 
eine bis ins kleinste fühlbare art und weise der Verarbeitung 
de«; Stoffs fsttl) . an dieser lezten schwierigsten aufgäbe ist man- 
ches künstlers kiatt gescheitert, zuweilen \C'imisscn wir dioc 
intimste sprarlic seiner seelc . dann i^Icn ht das werk einem ver- 
hüllten köi;pcr der den schönen umriss nur vermuten lässt und 



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140 

wir empfinden schmerzlich den siegreichen widerstand der masse 
an dem die menschliche kraft erlahmte . zuweilen redet sie zu 
aufdringlich und wir stehen nicht mehr Tor dem innerlich ge* 
wordenen ereignis , sondern vor einem mit Uugheit und absieht 
ersonnenen kunststfick . wenn aber der Stoff den zwang der geistes» 
spuren trägt als ob das seine natur wäre dann isfs ein 
meisterwerk . 

Wie verh.'Ut es sich nun mit den dem künsileiischen schallen 
zu gründe legten neben-absichten? man darf wol annehmen 
dass dazu vorzüglich grofse dichter aulass gaben . nicht wenige 
von ihnen sehen wir wirklich mit einer mächtigen sittlichen 
leidenschaft ausgerüstet, manche entlehnen ihre stofiie mit Vor- 
liebe aus glaubensbekenntnissen und fahren das gute zum siege , 
andere machen gesellschaftliche misstSnde zum g^enstande 
geifselnder oder erschfittemder darstellungen. es ist auch kein 
Zweifel dass viele der firflheren emsthaft aus begeisterung ffir 
die Sache zu schaffen glaubten . damit aber legten sie ihre eigene 
natur falsch aus : denn der lezte antrieb künstlerischen Schaffens 
ist ein H in persönlicher . vielleicht ist alle kuii ubätigkeit gleich- 
sam rin j^eistij^cr notausgang überschüssiger oder gewaltsam 
eingeschränkter lebenskräfte . sicherlich wenigsten*: verdankt 
eine grofse und Kl'in^ende gruppe von kunstwerken ihr dasein 
einzig jenem merkwürdigen vorgange durch den der mensch be- 
fähigt ist aus seinen peinen heimliche freuden und seltene fertig- 
keiten zu machen . die Zergliederung desselben kann jeder an 
sich selbst vornehmen wenn er der Umwandlung eines schuld- 
bewufstseins in das gefdhl der tragischen niederlage oder der 
läuterung eines Schmerzes zur wehmut auflauert . diesem seit« 
sam schöpferischen entlastungsbedflrfhifs sehen wir die tragische 
und satirische dichtung entspringen . den zermalmenden zwang 
der Verhältnisse aus spielender Willkür schaffen — das ist die 
höchste des Schicksals spottende Steigerung des menschlichen 



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141 

machtgefühls — das ist im schaffenden der kanstgewinn schmerz- 
lich empfundener unmacht . die dichterische satii t: ihiciscits 
i^i nach auf>cn K'^'kehries im>>h vergnügen de* dichters über sich 
selbst, dies ist die wahre Ursache der sittlichen Iciden^^chaft 
mancher dichter . mögen sie sich selbst über den eigentlichen ! 
zweck ihres Schaffens täuschen , es bleibt doch der nämliche : ein 
leben henrorzubringen das hOhere wogen schlägt als das wirkliche 
und mit dessen notwendigkeiten eine menschliche willkiür schaltet . 

Zu den stärksten trrtümem der alten ästhetik gehört die 
meinung dass die kunst eine besondere art der erkenntnis sei . 
durch mächtige fürsprecher (z. b. Schopenhauer^ gestüzt ist diese 

anschauung in wechselnden Verkleidungen bis auf unsere tage 
gekommen und steht noch hruic im ansc.ien einer gewissUeit . 
ein blick aut das wocn der künstlerischen auHassuiiu^ai t k.inii 
uns ihre unhaltbarkeit beweisen . für den eindruck weichen 
ein künsücr von einem stück Wirklichkeit davontragt ist wie 
schon angeführt die thatsächliche beschaffenheit derselben keines- 
wegs allein ma^ebend. der dem naturspiel absichtslos hin- 
gegebene mensch erfahrt eine beeinflussung seiner empfindung 
welche unzertrennlich mit schwachen graden dunkler willens - 
an tr i eb e verknüpft ist : lust oder unlust , besitzen- oder meiden- 
wollen . im kfinstler ist diese .Stimmung* aufserordentlich heftig 
und doch zugleich von jeder beziehung zu eigentlichen nützlich- 
kcitsrücksichtcn völlig losgetrennt . dadurch wird es ihm mög- 
lich auf den eindruck mit einer ausstrahiung zu aniworccn in 
der nun wille Vorstellung und gedanke auf die merkwürdigste 
weise verflochten sind, demnach ist eine solche ausstrahiung 
keine Offenbarung des viel beredeten wesens der weit sondern 
einfach die mitieOung der an ein geschehen geknüpften frohen 
oder uufrohen empfindungen des künstlers. nicht eine be- 
reicherung unserer erkenntnis sondern eine erhOhung unserer 
freude am leben wird uns durch das kunstwerk zu teil . 



142 

Auch aus dem schwäcbliag springt ein funke der krafl 
wenn furcht oder zom in ihm entzündet ist. ebenso sprühen 
auf geistigem gebiete starke leidenschaften aus anlass der be- 
kSmpfung grober widerstände, dieser sich unter umständen 
als eines mittels zum zweck zu bedienen darf dem grofsen 
j kuü-ilei nicht verweitjci t werden . aber wenn wir bedenken 
\ wieviel dichtciiscli unwertes die weh schon eroberte weil es 
•' mit dem feuer sitttlicher verwerfun^^ vorj^elragen wurde so ist 
es billig von vornherein missirauisch zu sein gegen einen künstler 
der sich — zumal heute noch — mit Vorliebe solcher stoflfe 
: bedient welche weil auch der sittlichen erregung zugänglich 
durch einen beigesclmiack von erzieherischer absichtlichkeit 
verstimmen . 

Alle kunst welche die ersten rohen anfangsversuche hinter 
hat ist in einem gewissen verstände sinnbildlich (symbolisch) 
sie giebt zeichen die empfindungswerte bedeuten, bislang 
nun glaubte der kfinsfler aus der natur herauszulesen was er 

unbewusster weise in sie hineingetragen hatte . den alten war die 
weit geradezu erfüllt von mensLheniihnlic hen wollenden wesen . 
den späteren blieb sie \\ enig-stens jnensehenhaft Leseelt. die 
heutigen sind sich dieses Vorgangs mehr oder minder bewusst . 
sie haben begriffen dass der gegenständ tot ist wenn ihn nicht 
die persönlichkeit in belebende lichter taucht, insofern stehen 
wir an einer wende, die anzeichen sind nicht ausgeblieben. 
I alle kunst von heute ist fühlbar persönlich — fühlbar mehr auf 
I erzeugung einer hochgeistigen stinunuog angelegt . dürfen wir 
einen vermutenden blick in die zukunft wagen? ist vielleicht 
die zeit des sinnbildlichen kunstwerkes nur ein Übergang ? sollte 
der mensch einst die zu seiner hervorbringung nötige einbildungs* 
kraft verloren haben? und was dann? dann bliebe das aller- 
mspi ÜQglichste ; die reine färben- formen- und linieufreude . 



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VOM SCHAFFENDEN 



nr 1-2 

Kennen und können, der reiche verstand allein ist un- 
genügend zur liervorbringung des Werkes . das ungemeine wissen 
und selbst verstehen ist im best» falle handhabe imd hülfe des 
schaffenden, ohne die gestaltungshraft gleicht es einem Schutt- 
haufen . 

Die begeisterung. die schöpferischen naturen kennzeicb* 
net die tiefe liebe zum leben, aus ihr fliefst die begeisterung 
— das ist die kraft zur selbstaufopferuug , zur auflösung in den 
gegenständ der bewunderung . glaube und anbetung sind in der 
seele des schaffenden. 

Der leidet am tiefsten dessen liebe am grOfsten ist . bis in 
den grund muss er die menschliche ohmnacht erfahren und man* 
eher erliegt dem leiden . der schaffende aber lässt seine ent« 
täuschungen , lässt die grofse Zerknirschung hinter sich . wissend 
ohnmächtig und dennoch entsagungsfäbig wandelt er fiber den 
venvirrungen des lebens und schlägt ihr bild in die fesseln 
lächelnder schönheitsforni . in blutender seele flammt iliin i;i uad- 
lose be^^eistci un^^ — über der leere des abgrundcs cnttaltet sie 
das gewebe von Schönheit und erhabenhcit. 

Solche liebe gleicht der herbstlichen sonne welche — kraft- 
los zu cnvärmcn — den rausch der färben auf sterbende \\ äldcr 
legt, mit kühlen strahlen greift sie über die weit . nichts ist ihr 
unwördiij und zu t^ering . -ie r-^t jen-^eits vom wert der dinge 
und der mcinung der menschen . sie durchlichtet die nacht des 
vemeincns . sie kann die quälen nicht lösen die zum leben ge- 
hören , aber auch fiber quälen und trümmer gielst sie die klar- 
heit ihres tages aus • in ihrem scbtmmer erblfiht ein lächeln auf 



144 

den Uppen des sterbenden . sie vergoldet mienen die der schmerz 
verzerrte und flicht klagen und seufser in den rytmus ihres licht- 

gcsanges . 

Der ehrgeiii. der schaffende kennt den ncid nicht, sein 
scllistgeftihl schwankt zwisLlien den beiden polen : pjölVe und 
Verzweiflung . das werk schwebt ilun vor als ein ungehe ure-^ , 
höchstes, das nur emmai , aur durch ihn entstehen kann er 
nimmt sich als eine bestimmung , als eine neue Offenbarung des 
unergrQndlichen . das ungemeine ist einzig und ohne gleichen . 
nur weil er dem werke es zum Opfer bringt hat das leben ihm 
wert, das ist sein ehigeiz: der um des Werkes willen, 
in der Verteidigung seines ruhmes ist etwas von der heldenhaften 
liebe der mutter zu ihrem kinde . ehe man ihm diese gröfse 
streitig macht ist er bereit die werte der menge umzukehren 
und in schroflRer abgeschlossenheit auf der notwendigkeit seiner 
natur zu beharren . so mag er der anerkennung entbehren 
wenn auch vielleicht mit jenem zucken der lippe in welchem 
schmer?: und Überwindung streiten . — vermöchte ihn aber 
jemand in der weise seines Schaffens zu übertreffen so wäre 
damit die iluglcraft seines woUens zerschnitten . er würde als 
erster sein werk zertrümmern und das ihm würdelose leben 
enden . 

Es ist ein gar weiter abstand zwischen dtm ehrgdLZ des 
Schaffens und der Üiätigkeit aus ehrgeiz. demioch hört man 
nicht auf die beiden zu verwechseln und ist verwundert dass 
der schaffende nur den höhn der tiefsten Verachtung hat für den 

Stachel der gefallsucht , unter dem er die Wettbewerbe im leben 
des tagcs entbrennen sieht . nütiiiei-ne , welche nie den schauer 
der be^a-isterun^ empfanden können aus soKlieni antrieb das 
tüchtige leisten und sich die meinung der mchrzahl unterwerfen . 
darf man es manchem meister verargen, wenn er über dem 
werke die für welche er es schuf zu vergessen bemüht ist ? 



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145 

Die beschriBkung. — ohne eine glflckllche blindheit fOr 

die Vielheit der ziele ist noch kein schaffender gewesen . fremd 
ist ihm die zitternde, hungrige l eizbarkeit welche auf alles horchen 
und antwort geben muss . ihr zcipliUenider und widers])iuchs- 
voller reichtum erlaubt solchen allseitig empfänglichen naturen 
nicht die zusammenfassende hinwendung auf das Eine und ver- 
bietet den unterstrom yon leidenschaCt . bislang — so erschein« 
es — ist die henrorbringung des bedeutenden geknftpft an die 
dauernde eingenoinmenheit einer seeie von dem gegenstände 
ihrer bestrebungen . mag die bew^;ting auf das uniyerselle be* 
greifen : mag sie auf das künstlerische schaffen, auf kriegerische 
grofsthaten oder auf sonst irgend ein gestalten gerichtet sein — 
▼ir k/^nnen uns ihre das grofse schaffinide kraft nicht losgetrennt 
denken von einer gleichsam selbstmörderischen energie des ihrem 
schallen zugew endeten wo Ileus . es gab noch keinen genius von 
dem man sagen darf: er hat das gewaltige geleistet, aber er 
hätte es auch unterlassen können . von einer Vorstellung , einem 
Streben ganz erfüllt und mit dem unerschütterlichen glauben 
an den beziehungslos hohen wert des erstrebten wandelt der 
schaffende seinen weg . den menschen des zögems und zweifelns , 
der sich gern für den filosofen hält , mag dieses Schauspiel immer* 
hin mit grauen und bewunderung erfOUen . 

Das handwerkliche, in welcher diäti^eit immer ein 
sdiaffender sich entfaltet : sie hat ihre handwerkliebe seite . ge- 
wisse , im gnmde schöpferische naturen von allzu hastiger be- 
geisterung sind .<tets geneigt diese zu missachten, ihr sinn zwischen 
allen gipfeln heimisch . aber ohne die zühc geduld dt-r echten 
bildnerlust schwelgt in den gruisai tig&ien eatwiirien und kiimmert 
sich wenig um die Schwierigkeit der mittel . deshalb müssen sie 
an der ausfährung scheitern . so bleiben sie auf einer Vorstufe 
stehen: als die eifasser und Verehrer alles grolsen, als die 
menschen der tiefen einsiebt und der wesentlichen worte , welche 

B K 10 



146 

wol die richtimg weisen, aber nicht das fOlirende werk ge- 
gestalten kdnnen . ~ umgekehrt Terliert dies« oder jener Über 

der beschäftigung mit den mittein den zweck ans dem auge. 
das rein formale, um das er sich anfänglich m hinsieht aui Jic 
Verwirklichung des eiTCgenden mha!t<i bewarb, gewinnt ihm an 
Selbständigkeit und achtbarkeil m dem inafse als er sich der 
meisterschaft darin nähert . das leidenschaftliche innere welches 
er darzustellen rang zergeht ihm mlezt völlig in der freude am 
q>iel mit dem äufseren . dies entspringt aus einer gewissen träg- 
heit des geistes und ans der macht des unmittelbar sinnlichen . 
den meister unterscheidet es dass er die glut ewiger jugend aus 
aller Peinlichkeit handwerklichen bemfihens unvermindert da> 
TontrSgt. 

Zweifel . es gicbt eine ncugierde die unersättlich ist und 
ein wissen welches tötet . wir von heute leiden an dic>em 
Wissen . an dieser neugieide . mit staunen beinah stehen wir 
vor jenen erhabenen lügen gliiul iger jaintausende aus denen 
alle gröfsten werke der bisherigen menschheit geflossen sind, 
schwere zweifei beunruhigen uns : 

Wird mit dem glauben nicht auch die begeisterung schwin- 
den ? kennen wir noch höchste werte denen wir unsere gegen- 
wart opfern durften? ist dem wissenden selbst im schaffen 
nicht ein rest vorzeitlicher Wildheit und gläubigen ernstes ? was 
konnte uns nötigen das unerklärliche mit ehrfurcbc gebietenden 
wundem zn erföllen? welche andere kraft hat uns die dinge 
bedeutungsvoll gemacht und mit seelc erfüllt, wenn nicht die 
ausschweifenden eaibildungen aus der kindli* hkeit des geistes ? 
wäre vielleicht doch imseie kunst die traurige glul emei aiiend- 
dämmerung über einem menschbeitstage welcher untergeht / ist 
der verstand die feindliche gewalt und fähig, die glut des 
wollens zu löschen? werden alle ieidenschaften schliefslich 
untergehen in einem fanatismus des erkennen» und dieser 



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147 

selbst noch in teilnamcloser allwissenheit ? — nur eines ist 
sicher : wir stehen in der entwickcluntr des geistes an dem 
punkte einer unerhörten selbstbescliräiikiin^ ies menschlichen 
machtgefühls . wir lernten es noch nicht unseren grofsen und 
schönen empfindungen das zutrauen an ihrem erkenntniswert 
abzuziehen . wir sehen nur die zerstömng und begreifen nicht 
dass ein neues glücksgefflhl aus ihr erblQhen wird, aas 
einer gleichsam ursprfioj^ichen zaTersicht ahnen wir dass nur 
uns das Terstindnis dafiir mangelt , wacher art die schaffende 
freude sein wird in der ans nx engen w^t der späteren 
menscbheit 



10* 



LEOPOLD ANDRIAN 



VERSE VON 1804 



n 

EINE LOCKE 

Sie hat die müde süfse färbe 
Vom gold das seinen glänz verloren , 
Das in dem milden grau der asche 
Zu neuem leben ward geboren. 

Die färbe die so wunderbar 
Im aug die andern sinne bindet 
Weil es die weiche und den duft 
Im abgeblassten Schimmer findet . 

Mir ist als ob ihr ganzer körperloser reiz 

Aus dieser lock«.' mir cntpc^^enlachte 

Und dann — die unbegrenzte traurigkeit 

Der nächte die ich einsam keusch durchwachte. 



( 



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SÜNNKTT 



IV 1-2 

Ich bin ein königsidnd , in meinen seidnen haaren 
Weht duft vom cfaiysam das ich nie empfangen, 
Es halten meine bösen diener mich gelangen 
Und auch mein reis wich müd den langen jähren. 

Nicht er allein • ich habe ihre macht erfahren , 
Im leben das sie mich zu leben zwangen 
Ist alle meine hoheit hingegangen 
Ich ward so niedrig wie sie medrig waren. 

Sie haben mir den purpur abgenommen . 

Starr blickt mein aug nach totem glück ins ferne , 

Wo sind mir meine goldnen locken hingekommen? 

Ich kann nicht schlafen • quälend sind die steme . 
Oft nahen tückisch mir im schlaf die Wächter — 
Ich kann nicht schlafen und itk schliefe gerne ! 



RICHARD PERLS 



VOM NEUEN BUNDE 

U 5 

I 

Ich will in Sehnsucht mir gefährten werben 
Welche wissen von entschwundnen leiden. 
Längst vergessner schmerzen heitre erben 
Werden sich in freudenhüllen kleiden . 

Traarig schauen in die dunklen äugen 
Manner frauen von dem neuen bunde 
Und die blicke welche schmerzen saugen 
Küssen auf mit lust die alte wunde . 

Schwarze rosen duften in den vasen 
Trübe ai^en werden licht beim scheiden 
Und auf einem immergrünen rasen 
Klagen wir um die entschwundnen leiden. 



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Ich bette dich in Iraumestielc ruh , 

Trägst du noch gram nach schnell vergilbtem rühme '? 

Ich liebe dich und neige mich dir zti — 

£s bleibt das wissen um die bUue blume . 



Bist du madonna oder bist du fee? 
Du kommst gehüUt in weüsen Uchtes falten . 
Ich sterbe gern , es schmilzt das harte weh . 
Du magst nun frei mit meiner 8«eie schalten . 

Voa hellen stemen scheinst du hergerauscht 
Ich höre hclUes freie llulen rauschen , 
Und wie ich einst der seelen klang gelauscht, 
So will ich deinem Sphärenklange lauschen . 

Ich bette dich in traumestiefe ruh , 

Geh ein mein freund zum alten heil^ume, 

r 

Dort flüstert und dort raunet man dir zu ' 

■ 

Ein neues wissen um die blaue blume . I 



IN VILLA BLAKCA 



III 

I 

Ich will die stillen stuaden nicht entbehren 
Die träume fliehen wie gepeitsdit vom winde. 
Ich soll die brüder lieder singen lehren 
Und reigen tanzen unter fahler linde . 

Die seele weint in ängstlichen gefühlen . 
Ich kann die worte nicht zu klangen finden , 
Kaan die gedanken nich* zu kränzen winden 
Um roter wunde heiüsen brand zu kühlen. 

Ich lliehe licht und schliefse meine Uder. 
Ich sehne Uppen und begehre wonne. 
Mit kühlem gift durchdringet müde glieder 
Ein träum gewebt aus traurigkeit und sonne . 

Ich jauchze auf in tonendem frohlocken . 
Das heiige steht zu freiem eingang offen — 
Die königin hat mich ins herz getroffen 

Ich höre iicuieniuii und kirclicnglocken . 



n 



VOR ElMüM FKAUENBILDiNIS DES DONATELLO 



Ich fand dich unter hohem baldachine 
Ich fragte dich mit der erwartung auge 
Und las die antwort in der leidensmiene , 

Ais ob mein sehnen deinem blick nicht tauge . 

Ich sprach vom Uchte und ich sprach von auen, 
Vom stillen dult im nie betretnen thale , 
Vom heiigen glänze der entspringt dem blauen 
Dem lichten ewgen unentweihten Graie. 

Was willst du thörin langer mit mir streiten? 
Du sollst das schloss mit seinen zinnen schaun. 
Komm in den garten heller kostbarkeiten , 
Tritt in den reigen der geweihten fraun. 

Und wenn im stummen spiel das abendrot 
Zum lezten mal dein auge lenkt zur sonne 
Wird offenbar was nie sich dir erbot : 
Der weiten ziel und des eriösers wonne . 



154 



* 



in 



SEHNEN DES SÜDENS 



Lachend verg^ais ich der Weisheit sch&tze , 
Leiden und träume erfüllen den sinn. 
Wob um die weit einst demantene netze, 
Träume zu seligen ufern jezt hin . 

Schaue ia blülen ein e wiges wallen , 

Folge dem gott auf veibotoner spur . 

Wenn dann die wogen gelinde erkalten 

Zieht mich mein schwan auf der wogenden üm. 

Heilige Irauen auf heiliger reise , 

Traurige lieder traurig und hehr I 

Neige mein haupt und lache ich leise, 

Wie lacht es sich leise am dunkelnden meer ! 



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BLUMEN VOM TODE 



I. 

Wie die seelen ineinander glühen 
Wenn die töne deiner band entrauschen 
Wie die bunten blumen still erblühen 
Wenn wir leise dunkle worte tauschen ! 

Nimm den dingen ihre kostbarkeiten 1 
Flicht die weiten zum verwegnen kränz 
Und beim spiele dunkler traurigkeiten 
Locke Seelen zu dem lezten tans ! 

Neige dann in reinheit dich mir nieder 
Kaune das geheimnis leis mir zu 

Und ich küsse deine müden Uder 
Bei^e dich in traumestiefer ruh . 



156 



m 8 

n 

Ich kann nicht heben . ich kann nur sehnen , 

Denn ich bin krank und bin auch so müde 

Ich kann nur traurig am fenstcr noch lehnen 

Zu schaun wann der träum mich zur, hochzeit wol lüde . 

Gebt mir den erben nah meiner seele! 
Er wird mich bannen soU mich ▼erstehn. 
Gebt mir die Jungfrau rein ohne fehle 
Dass ich beseligt zum Schlummer kann gehnl 

Auf einer wiese wo blüten entspriefsen 

Gönnt mir ein frohes ein schmerzloses glück . 
Darf ich des heilandes blick noch geniefscn 
Ruft mich die Jungfrau zum Schlummer zurück. 



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MAX DAUTHENDEY 



AV» STIMMEN DES SCHWEIGENS 

ABEND 

Schwarze moose 
Erdgenich io laueo fiocken , 
Schmale dünne Silberbluten 
Und gesang von bleichen glocken. 

Welke feuer löschen leise , 
Nur ein atmen warmer flut. 
BlCJiend schmelzen rote meere , 
Dunkle sonnen saugen blut. 



AMSELSANG 

Fliehende kühle von jungen syringen. 
Dämmernde grotten cyanenblau. 
Wasser in klingenden bogen 
Wogen — 

Auf fosfomen schwingen 
Sehnende wogen . 

Purpurne inseln in schlummernden fernen . 
Silberne äste auf mondgruner au . 
Goldne lianen auf tu den Sternen . 
Von zitternden weiten, 
Sinkt feuertbau. 



OSCAR SCHMITZ 



I 

Iii 2 

Waram sind deine küsse kalt tind selten? 

Dein leib der mich wie flammenmeer umwandt 
Fleht in der ni.scho um gctraumte wellen 
Und perlen reiht die Uebesmüde hand . 

Die freudenhallen stehn verwaist und leer 
Die reigen fliehn die sich durch säulen schlangen 
Und dufte die uns schlafemd leis umfangen , 
Denn aus dem becken dampft kein amber mehr. 

Die ampel losch , die rosen sind verweht , 
Leer ist der pfuhl da deine Locken ruhten. 
In neuen schauem will dein leib verbluten , 
Der zu dem nackten blassen heiland fleht. 

• 

n 

Die tbrfinen lass in meine flechten fliefsen, 

Der müden seele süfsen zauberkreis 
Im ^aricn der erinnrung duften heils 
Die biumen die verrauschter iust entsphelsen ; 

Auf wirren Sträuchen , hüllen schwarzer schachte , 

Brennt scharlachrot die blume akeley. 

In lilienbeeten stirbt ein femer mai , 

Doch heliotropen gliihn dturdi unsere n&chte. 



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139 



SÜNNEITE 
IL 

lU 4 

Wo ruht das gold , mein gotf . in welchen schachten , 
Das wie ein diadem ihr haupt geschmückt , 
Zu welchem stern hast du den glänz entrückt 
Der lagerte auf diesen blonden flechten 

Wo strahlt der augren glut » in rausch verzuckt , 
Einsame leuchten mir in süfsen nachten , 
Wo dnd die genien die du b^luckt 
Dass sie zu ihrem heim die seele brächten? 

Ist denn des goldes glänz in nichts zerronnen 
Und müssen wilde flammen stumm verghmmen? 
Kein seraph hat an ihrem bett geweilt . 

Doch sah ich abends in dem licht der sonnen 
Ein Wölkchen einsam leise aufwärts schwimmen 
Wie eine seele die zur ruhe eilt. 



CHRYSANTHEMUM 

nr i'S 

Königin der Chrysantheme, 
Trittst du nur in meinen träum 
Oder grünt des iebens bäum 
Dass ich goldne trachte nehme? 



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Bis mein schritt sich dir bequeme 
( Unbewohnt in lichtem räum t 
Gieb mir deines kleides saum 
Königin der Chrysantheme! 

An der wülkenstrafse rand 
Spricfsen kleine weifse blülen . 
War's ein träum der sie erfand? 

Komm wir wollen sie behüten, 
Gieb mir deine weilsc liand 
Königin der kiemcn bluten! 



DIE WEISE 



Eine weise macht mich hang. 
Mahnend . wie von fremder erde . 

( Küsse dass ich trunken werde 
Schläire micli mii aüfscin klang ! ) 

Schul ein sinnen mir beschwerdef 
War^s ein vogel der ste sang 

Die durch rosenhajife drang , 

Schwül wie duft der weihrauchherde ? 

Kennst du sie die alte weise 

Die den trunkenen rausch verbannt? 

Ach sie mahnet früh und leise 

An die nacht da ich sie fand 
Einem augenpaar zum preise , 
Einer lodce , einer hand . 



ERNST HARDT 



TÖNE DER NACHT 



IV 

n 

Die nacht spannt eine ipoldne harfe 
Veisdiwi^en durch das tiial der weit. 

■ 

All ihre zarten saiten schwingen 
Wenn eine thräne niedexfallt. 

Wer einsam geht und schon um vieles 
Erfahren hat den sucht und wirbt 

r)er harlenklang der weihdosen 

Im druck des dunkels klanglos stirbt . 

Es klagen erdeiifremde leiden 
Mit schweren tropfen in der nacht . 
Nachts weinen heimhch bleiche männer, 
Da stolz am tag sie lächein macht . 

£s deckt die nacht mit ihrem fürstenmantel 
Die goldne harfe moi^ns zu . 

B K U 



KARL GUSTAV VOLLMOELLER 



ALS EIN PROLOG 

IV 1-2 

Verlorne Idnder aus dem sonnenland 

So irren wir schon immer duidi die zelten 

Die r&ddcelir suchend w^die keiner fand. 

Und schreiten grolsen 5uges in die weilen 
Und sind doch tausendfällig erdgebunden 
Durch aller derer müde traurigkeitcn 

Die einst vor uns gesucht und nicht gefunden . 
Und müde sehn wir unser sonnenblut 
Verströmen aus jahrtausendalten wanden — 

Jahrtausendalt verloht die heiligte gim . 
Vielleicht dass einer der in sternenklaren 
Hochsommemächten lasser sinne ruht 

Die goidne sladi im irauine mag gewahren 
Wie sonst die kühnen adlerjäger nur 
Die aul den zinnen jener berge waren 

Vermessen folgend eines wildes spur — 
Die goidne Stadt wo hundert tempei ragen 
Der Schönheit aufgebaut in goldner flur 



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163 



Die goldne Stadt nach der wir Spahn und iraffen 
In die kein zutritt ist durdi kralt oodi list , 
Die Stadt von der es heifit in alten sagen 

Dass einmal nur nach tausendjährger firist 
Als könig einzieht ein Terlomes tdnd — 
Und deren mauer rings von golde ist 

Und deren thore aii von golde sind. 



0DY88EUS 

Beim gelben unstäten schein von flammenden kienen 
Safsen sie schweigend neigend das haupt in der kdnigshalle 
Es safs da Helena die schöner als alle 
Frauen die immer die sonne beschienen. 
Es safsen Menelaos der jüngling Antüocbos 
Telemachos endlich. 

Da nun die gäste den palast verlielsen 
Die Sklaven abgeräumt das abendmahl 
Die dämmerung sich weitete im saal 

Der lezte tritt verklungen auf den ßiesen 
Und nun der laute tag zur ruhe kam : 

Da erneute sein düsteres flüstern der nagende gram . 

Und anfangs hatten sie es wol versucht 
Im Zwiegespräch das weh hinabzuzwingen 
Und bastig redend von gewohnten dingen : 

Vom stand der herden von der felder frucht — 

11» 



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164 



Jezt ^rach des Schweigens stimme unter iltnen 
Und während sie steh mühten ruhig zu scheinen 
Mit festen äugen und beherschten mienen 

Stand all ihr denken doch nur bei dem einen : 
Odysseus dem der heimkehrtag veilluclit . 

Di^T nun wohl fern im schreckenvoUen land 
Dahin sich schleppte matt durch heifse wüste 
Vielleicht an unwirtlicher meereslcüste 
Schon lag vermodernd in dem fahlen sand 
Den geiem und den luchsen frafs and mahl: 

Da durchbrach ein sehnen nach thranen die schweigende qua! . 

Und das weinen klang in der hohen halle — 
Es wdnte Helena die schöner als alle 

Frauen diu schauen den ewigen stralil . 
Es weinte laut der starke held Meneiaos 
Telemachos weinte . 

L'nd nicht blieb thränenlos Antilochos , er dachte 
Trauernd bei sich an den treuen bruder 
Den ihm beim kämpfe auf des Skamandros feld erschlagen 
Der strahlenden Eos söhn. 



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165 



PARCIVAL 



Xachdera der held im ersten morgengiauen 
Das ross gelenkt vom heiligten schloss des Gral 
Und durch den finstern wald hinab ins thal 
Gedankenschwer und ohne aufzuschauen 
Kam er zu einem see blank wie geschliffner stahl 

Rings blvLhten wilde gärten beifs und lüstern 

Umdttfteten ihn grofse Orchideen 

Und hier zuerst zwang ihn sich umzusehen 

Der blonden firau geheimnisvolles flüstern — 

Er sah das schloss im moigensonnengolde stehen : 

Die goldnc sonnenburg von Munsalvesche 

Und da geschah es dass ein irenides schauern 
Sein auge bannte an die roten mauern 
Er hielt gestüzt auf seiner lanze esche 

Und starrte stumpfen blicks in dumpfem trauern 
Und dunkel ahnend den verscherzten thron 
Zur goldnen sonnenbuig von Munsaivesche : 

Erst als die nacht hereinbrach ritt er irr davon . 



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AUGUST OEHLER 



DIE FESTE DER EPHEBEN 



rv 1-2 

Die bergeslelme ist ihr lieblingsplatz 
Da sind sie an den abenden zu finden , 

Wenn alle dinge sich im schatten neigen 

Und sie nichts mehr verwirrt • sie sind zufneden 

Die hellen regenlrnpten zu verfolgen 

Die von den schwanken büschen leis im wind 

Geschüttelt sinken auf das weiche moos . 

Die luft ist suis die nacht ist nicht mehr ferne . 



Dies ist ihr lohn • denn was das leben bielel 
Das wussten sie und wählten ihren teil, 
Ihr eignes los gedachten sie zu füllen , 
Auf wundersame weise zu erreichen 
Dass nirgends mangel , nirgends übeiiluss 
In ihrem haus das sie allein bewohnen 
Und doch mit andern teilen die sie lieben . 
So ist der gleichgesinnte kreis beglückt . 



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Dir waid eio mühsam steiler pfad zu kUmmen . 
Erst spät erkannten wir den hohen wert 
Von deinem starken uneischrocknen schaffen. 
Doch wie die frühren tage ohne ruhe 

Ein stetes hoffen stetes bitten waren 
So grüfsl dich jezt da^ leben eines nieisters , 
So wollen wir und so wirds dir beschieden : 
Dein kleid sei weifs vor allen andern kleidcrn 
Und deine locken zwing ein goidner reif. 
Die mädchen und die knaben sollen grüfsen 
Wenn dn herabsteigst deines hauses stufen . 
Und darum soll dir aUe ehre werden 
Dass andre, dieses zieles sich erinnernd, 
Ergeben täglich ihre scfaoUe pflügen. 



Er kam aus einem duiikien fernen kmd . 
Das kannte keine tempel . keine feste . 
Nicht mühe und nicht lohn • da sah er einst 
Aus einem haine opferdünste steigen , 
Da trat er näher • sonne fiel auf ihn 
Und auf die reine schar die er erblickte . 
Der eine augenblick ward ihm durch Jahre 
Allein der trost in seinen grossen leiden 
Die lange währten • aber er ertrug . 
Doch endlich löste sich sein stummer mund 
Und seine tfaiäneo, seine dankgebete 
Erzählten uns dass er der söhn der wüste 
In unsem garten eingetreten sei . 



168 



Vom mofgen bis zum mittag sind wir täglich 
Bemuht: wir sinnen und wir lesen. 
Doch grübelt nicht zu tief und denkt der götter 
Sie lieben uns und unser ganzes thun. 
Stets scheint die sonne Mediich in die halle 
Und steht nicht auch zum allgemeinen vorbild 
Der luarmorkopf dis wiisL-n in der mitte? 
Drum hoffen wir aut jenen freudentag 
Wo wir zu unscrn jungen brüdem saj^'tn : 
Das haupt war l«uig mir über jedes blau geneigt 
^n kri^ und ringen auch beinahe jede nacht : 
Nun bin idi sieger * und ich bin nicht müd . 



Seht die bewaffnete schar I sie schreiten Schwerter in bänden 

Laut durch die dämmernde luft ziehet ihr festliches lied . 
Ernstes irelübdc erfülU den sinn der blülienden männer 
Kämi)fer Wüllen sie sem weihe o könig ihr Schwert . 
Anfanf,'s wandelten sie nur manchmal zum einsamen tempel 
Doch sie verachteten stets finsternis wüsten und staub . 
Zittert ! mächtiger klingt empor zu den lauschenden wipfeln 
Ihrer weihe gesang I heute schon zieht sich der kreis . 



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Kommt alle mit • ich will euch einen tempel zeigen . 

Besteigt das boot • die strömuner soll uns leise tragen . 

Der lluss wud enge , zweige streifen unser antUtz 

Und blüten fallen ohne unterlass ins boot . 

Jezt kommen wir zum see , der grenze des bezirks — 

Lasst uns am ufer gehn • da sind die schlanken schwane 

Sie gleiten schnell und stolz im heiligen gewässer 

Sie freuen sich mit uns des teuren augenblicks 

Wo wir die sonne sehn die langsam niederschwebt. 

Ich grüfee euch mit rührung grüne sanfte züge , 

Ich beuge meinen scheitel voller scheu und ehxfiircht 

Vor diesem abendwind • doch sind wir alle würdig 

Emporzusteigen diese breite bahn zum tempel 

Und an der lezten stufe betend hinzuknien . 

Die weifst n saulen schimmern durch das abcnddunkel . 

Nehmt jeder eine blume von den rosensträuchen . 



Wir beide gleichen sinnes müssen uns doch trennen. 

Jezt fühl ichs wo der kränz auf meinen locken liocrt . 
Wir beide weihten wol uns heut dem gott des scliw eigens 
Doch andres suchen wir auf unscrn gleiclu n we^en . 
Du träumst von stillt r feier von den siilsen stunden 
Wo du dir selbst die lorbeerkränze winden kannst 
Weil du allein dein herr und meister bist, allein. 
Dir eine weit verbieten und erlauben magst. 
Ich aber will statt säulen dunkle stimme suchen 
Und dunkle nacht statt mittag • stille such ich 



170 

Gleich dir • doch nicht genügt dem frieden meiner seele 
Ein dicht umbuschtes haus auf noch so hohem g^iplel . 
Mein Gott sizt ernst und hoch , die arme weit gebreitet 
Inmitten dunkler landschaft dunkler weiter wogen 
Ld scbatten und verhüllt knie ich zu seinen fufsen. 



Unter den zweigen der ulme , in deren rinde wir iiamen 
Teure und heilige uns , schnitten , da ward sie geweiht — 
Sind wir auch heute gestanden den roten bimmel betrachtend , 
Atmend die heilige luft und zu verstehen bemüht 
Was unsre tage erluUt und unire scheite! umwunden 
Wie mit biumen und grün , lieblichem schattigem grün . 
Denn wir waren vereinigt , wir könnens jubelnd nun sagen , 
Von dem niedrigsten dienst bis zu dem krönenden fest. 



Wenn er die worte aller seiner freunde 
Vernommen hätte und danach gethan 
So war er jest der ente unsrer schar . 
Des vaters Segenswunsch der ihn entsandte , 
Ward nicht erfüllt • tmd wie war dein gelübde 
Vor imserm greisen fuhrer — Weihrauch streutest 
Mit vollen bänden du , nun sind es jähre — 
Und nanntest dich ein kind der einsamkeit? 
Was du trclobtest hast du nicfii j^efasst 
Und niedrige gelahrten bald ^^jesucht . . 
Nun nennt man nir^jends seinen namen , denn 
Ei ist kein held, kein redner, seine haare 



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171 



Sind wild und ohne kränz • er irrt umher . 
Die öde ist sein aufenlhalt . sein himmel 
Hat keine götter mehr • er ist nicht unser . 



Hier ist der plats • hier steh^ die drei buchen . 
Sie werden morgen unsem dienern sagen 
Sie sollen hier den kleinen altar bann. 
Ich darf mir selbst die linnen und geräte 

Das goldne band und das geweihte tier 

Von allen schätzen unsres hauses nehmen . 

Und wenn sich dann im wind die tücher bauschen 

Und alles <^ünstig , treten wir hervor . 

Voran die Schwester mit den blumenkürben . 

Die Scheibe wächst • der mond wird bald sich füllen . 



Jezt will ich rascb noch hinter diesen Vorhang treten . 
Die priester warten schon, jezt drängt sich auch das volk. 
Ist's möglich — nur das eine « Götter , mdcht ich wissen — 

Dass dieser eine tag der schnell vorübergeht 

Den bunicn reitfen aller anderen behersche . 
Werd ich bei eurem dienüte und bei meinem forschen 
Stets denken : damals wurdest du der brüder einer , 
In heifsen bitten hattest du die nacht gewacht , 
Die freunde und die eitern waren voller jubei 
Doch du . . 

Ein schritt. 

Man stört mich schon • es ist zu spät . 
Drei schmale stufen trennen mich noch vom altare 
Nun, selige beschutzer, sendet schnelle gnade. 



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172 



Zu meinen f&rsen roUt das meer dahin. 

Ich steh am gittcr , da die schatten sinken 

Und lasse mir erzählen von dem land 

Das drüben liegt da hcrscht die heitere weit . 

Da drüben wohnt die freudc und das leben 

Scheml nur em tag • die golter blicken milde . 

Das land ist grün und blühend . ihre kunst 

Und ihre feste sind &> weich und strahlend. 

Und doch vielleicht steht eben jest ein jüngling 

Mir gegenüber stumm an jener küste 

Und blickt nach unscrm land» nach unsem mauern. 

Der friede und die nacht bew^en ihn. 

Verworren dringt das klingende gelage 

Noch an sein ohr • er aber will nicht hin 

Selbsi kränze und gesängc locken nicht: 

£r träumt vom grofsen schätz den ich besitze. 

Er ruht • der mutter und Euterpen ziemt zu weinen . 

Ihr alle andern sollt mit andacht ihn betrachten . 

Ihr wisst ja selbst dass er noch jungst von dunkler Sehnsucht 

Die unbezwingbar sei und ihn erfülle sprach, 

Dass er was ihn erfreut jezt nur mehr überragte 

Und kurz vor seinem ende noch gewohntes mied . 

Deshalb wards ihm bestimmt * drum ist nicht unerklärlich 

Warum er lassig sich den wellen überlieis : 

Es lockte ihn das blaue und das weiche . tiefe . 

Denkt meiner nicht in traucr wenn der taff sich jährt 

Er nahm nnt sich was er besafs . uns allen andern 

Lässt er em süfs gedenken schöner zeit zurück . 



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INHALT 



VORWORT 5 

AUS D£M GESAMMTINHALT D£R BLÄTTER F. D. KUNST 7 

ELNLElTLNGEiN UND MERKSPRÜCUE 

1..IV. FOLGE 10 

SiKFAN GEORGE 

AUS LEGENDEN , 28 

AUS HYMNEN PILGERFAHRTEN ALÜABAL 83 

AUS SAGEN UND SÄNGE 41 

AUS HIRTENGEDICHTE 44 

AUS DAS JAHR DER SEELE 46 

AUS EINEM NEUEN BUCH fiß 

UMSCHREIBUNGEN AUS MANUEL 66 

LOBREDE AUF JEAN PAUL 61 

BRIEFE DES KAISERS ALEXIS . 66 

AUS TAGE UND TRATEN 66 

HUGO VOM UOFMAMNSTHAL 

VORFRÜHLING , 68 

EIX TRAUM VON GROSSER MAGIE 70 

BALI. AI E DES ÄUSSEREN LEBENS 72 

TERZINEN t^BER VERGÄNGUCHKEIT 78 

MANCHE FREILICH 74 

BOTSCHAFT 76 

i>ER TOD DES TIZLVN 78 

BILDUCHER AUSDRUCK 91 

DICHTER UND LEBEN 92 



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FAUL GERARDY 

LIEDER 94 

AUS ALLEN DENEN VON DER RUNDE 96 

ERWACHEN 96 

DIE JUNGFRAUEN 97 

DrE TÄNZE 100 

HKIMKEHR UND FATTRT . 104 

WIK EIN EDLER SÄNGER ÜANG 106 

GEISTIGE KUNST lU 

KARL WOLPSKEHL 

AUS ULMS 116 

DER PRIESTER VOM GEISTE 125 

BETR^\CHTUNGEN 126 

ÜBER DIE DUNKELHEIT 127 

Lin>W16 KLAGBB 

VORFRLILLlNo 131 

ÜBER DIE WEITEN WIESEN 132 

WANDLUNGEN 133 

SALAMBO 184 

AUS EINER SEELENLEHRE DES KÜNSTLERS 186 

VOM SCHAFFENDEN 148 

LEOPOLD ANDRIAN 

VERSE VON 1894 148 

RICHARD PERLS 

VON NEUEM BUNDE 150 

IN VILLA BLANCA 161 

BLUMEN VOM TODE 166 

MAX DAUTHENBEY 

AUS STIMMEN DES SCHWEIGENS 167 



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OSKAR SCHMITZ 

SONNETTE 



ERNST HARDT 
TÖNE DER NACHT 

KARL GUSTAV YOLLMOELLER 

ALS EIN PROLOG 

QDYB8EUS 

PARCIVAL 

AUGUST OEHLKK 
DIE FESTE DER EFEBEN 



GEDRUCKT BEI R. BOLL, BERLIN NW. 



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Please return ^pmptly. 



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