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Full text of "Der Dialog : ein literaturhistorischer Versuch"

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Der Dialog, ein 
literarliistoris.. 




Rudolf Hirzel 




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I 

■ 



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DER DIALOG 



EIN LITERARHISTORISCHER VERSUCH 

VüN 

RUDOLF HIRZBI^ 



£RST££ IHfilL . 



LEIPZIG 
VERLAG VON 8. HIRZEL 

1895. 



Das Rflcbl dmr Uebenetsung ist vorbehalten. 



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Meinem lieben Bruder 
HEINRICH - 

und lueineiu Freunde 

VICTOR GARDTHAUSEN 
aus Dankbarkeit. 



4 



Difiitizcd by CloOgle 



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\ 



Vorwort, 



Hiermit übergebe ich der Oeffentlichkeit ein Werk, 
für das ich Mühe und Zeit wahrlich nicht gespart habe. 
Trotzdem bin ich weit entfeiTit die gethane Arbeit schon 
für abgeschlossen zu halten. Die Mängel derselben zu ent- 
decken wird den Recensenten nicht schwer fallen. Be- 
sonders gehört dazu die mehrfach hervortretende Ungleich- 
mftsaigkeit in der Behandlang des Gegenstandes. Diese hat 
zum Theil in der durch Jahre sich hinziehenden Aus- 
arbeitung des Ganzen ihre Ursache, zum Theil aber ist sie 
auch beabsichtigt. So habe ich mich gerade Über den 
Hauptschrillsteller, über Piaton, verhältnissmtoig kurz ge- 
fosst, weil über ihn schon so viel, ja zu viel geschrieben , 
ist und mein Bestreben war Allbekanntes nicht immer 
von Neuem zu wiederholen. Ebenso lag es von vorherein 
in meiner Absicht das Mittelalter und die neueren Zeiten 
mit geringerer Ausführlichkeit, nur anhangsweise, zu be- 
handeln, da ich auf diesem Gebiete nur Dilettant bin und 
mich allzu unsicher fühle. Ja ich haitr sogar daran ge- 
dacht diesen Theil ganz fortzulassen: weim ich mich trotz- 
dem entschlossen habe eine so dürftige Skizze zu veröfi"e?jt- 
lichen, so geschah es im Hinblick auf das einmal von mir 
gesanmielte Material, das ich nicht gerade wollte unter- 
gehen lassen und das in dieser Zusammenstellung und Ver- 
werthung doch vielleicht auch Fachmännem einiges Nene 
bietet. 

Worauf es mir am meisten ankam war die Entwick- 
lung einer bisher in den geschichtlichen Darstellungen arg 
vernachlässigten Literaturgattung aufzuzeigen, und viel- 
leicht ist es mir wenigstens geglückt die Grundlinien dieser 



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VI 



Vorwort. 



Entwicklung richtig zu ziehen und ihre Hauptgesetze zu 
finden. Ganz fern lag mir dagegen ein zusammenfassendes 
Compendiuiii des Dialugs oder gar ein Repertorium seiner 
Literatur zum Nachschlagen zu geben. An ein solches 
Unternehmen wäre ohnedies hif^r am Orte nicht zu denken 
gewesen; an die Adresse; der hiesigen Universitälsbibliolhek, 
deren gegenwärtiger beklagenswerther, bei der Unzuläng- 
lichkeit ihrer Mittel aber unvermeidlicher Zustand alles 
gewissenhafte Arbeiten auf historisch -pbilr»logischem Ge- 
biete schlechterdings unmöglich macht, bitte ich auch die 
weitaus meisten der Vorwürfe zu richten, die man sonst 
geneigt sein könnte wegen gänzlicher Vernachlässigung 
oder mangelhafter Benutzung der einschlagenden Literatur 
gegen mich zu erheben. 

Nur ein Versuch soll das Ganze sein — mit diesem 
Worte habe ich es auf dem Titel sehr ernst genommen — 
ein Versuch, der wie ich selber am lebhaftesten wünsche 
vielleicht Andere, die gelehrter und geschickter sind, an- 
regt zu ergänzen und zu verbessern was ich gemacht habe 
so -Iii ich eben konnte. Verschiedene Zeichen deuteten 
diii uul' iiui üass eine Ari)eit gerade üi)er diesen Gegenstand 
dem wisj^enschaftlichen Bedürfniss der Zeit entsprechen 
wüide, dass sie so zu sagen in der Luft lag: das lässt mich 
hofTen, dass das Buch wenigstens einen oder den anderen 
wohlwollenden Leser linden wird. 

Jena im Joni t895. 

IL Hirzel. 



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InhaltavaneiohDisfl. 



Enter TheiL 

Einleitung 5. 4 f. 

L WflMB und Ursprung de« Dialog«. S. 8—67. 

BegrilT 2 ir. Ursprung 4 IF. Dialog im Orient 8 ff. bei den Grie» 
eben Uff. in Epos und Lyrik Ii ff. Siingcrstreit 4 7 ff. Dialog in Si- 
cilim soff. Bpicharm und Sophron ttff. Dialog in Athen S6ff. D. und 
Brotiic Ii IS. lonier in Athen S« ff. Ion von CbioB S6 ff. Herodot 88 ff. 

Thukydides 48 ff. Tragödie und Komödie 49. Die Redner 59. Die 
Schrift vom Staate der Athener 51 ff. Die Sophisten 53 ff. Zeiioii von 
KU';i f55. ProtngoraH 5ß. ^"<)J;£t? 57 f. Hippias von EUs 59 f. Hro- 
dikoü 60 ff. Duinokrit 68 f. krilias 64 ff. 



IL Die Blüthe. S. 68— «7<. 

4. Sokrates. S. 68—88. 
Art der Meoschen. mit denen Sokr.itcs viM-kohrle 72 ff, Mannieh- 
faltigkeit seiner Gespri«' h<- 74 f. Entwickclung des st»kmtis(:hen Gesprächs 
75 IX. Die widerlegenden üesprftcbe 77. Die luaieutisctien 78. Sokrates 
und Aspasia 79 ff. 

S. Die Sokratiker. S. 88^174. 
A. AUgmeiMS. S. 88 — ^98. 

Naebabmung der sokratischen Gespräche 8S f. Wiederertttfalung 

derselben 84 f. erstr- « hriflliehe Anfzcirhnnnp S5 iT Finfluss von So- 
lu'ates' Tod auf die l ii i iiur (ies Dialofis 86 f. Boiitnitung des Dialogs 
für die Gesammtliteratur 87 ff. Der Dialo}^ und die attische Prosa 90 ff. 
Die Sokratiker als Vertreter atticistischer Teadeuzen 92 ff. Patriotisch- 
attische Tendenz 98 ff. 

Jl. ZH0 verschoUmen Sokraiikw. S. 99*^08. 

Alexamenos 100 f. Simon 409 ff. Glaolcon 408 f. SimmiaB und 
Kebes 106 f. lirlton 407 1 



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VIII 



Inhallsverzeichniss. 



C. Aristippos. Eukleides. Phaidon. S. <08 — H7. 

Aristipp 4 08 fr. Eukleides 140 f. Phaidon 1H fT. (Simon 412 fT. 
Zopyros 1U ff.) 

n. Antisthenes. S. 118—130. 

Herakles 120 f. Kyros 122 f. Archelaos 123 ff. Andere Dialoge 
des Antisthenes 1 26 f. Charakteristik des Antisthenes 1 27 ff. 

E. Aischines. S. 129—140. 

CJinrnktt^ristik des Ai.srhinftS 1 aO ff. MiUiades 134. Knllias iHH. 

Telauges 135 ff. Aspasia 137. Alkibiades und andere Dialoge 138 ff. 

F. Xenm>hon. S. 140—174. 

Die Memorabilien 141 ff. Der Oikonomikos 147 ff. Symposion 151 ff. 
Bedeutung der Symposien fürs Leben 151 ff. Das Kyrosideal 159 ff. 
Anabasis 160 f. Kyropädic 162 ff. Hieron 168 ff. Hellenika 172. Kleine 
Schriften der letzten Zeit 1 72 ff. 

a. Platon. S.174— S71. 
Historische Grundlage der Dialoge 1 75 ff. Poetischer Charakter 1 77 ff. 
Theorie des Dialogs als einer Dichtung 180 f. Chronologische Wider- 
sprüche in den Dialogen 181 ff. Verstösse gegen die Geschichte 185 ff. 
Concurrirende Behandlung der gleichen Stoffe durch verschiedene Sokra- 
tiker 1 88 ff. Scenerie der Dialoge 1 97 ff. Dialog und Drama 200 ff. 
Dramatischer Charakter der platonischen Dialoge 204 ff. Zahl der Per- 
sonen in den Dialogen 206 ff. Einthcilung der Dialoge in dramatische 
und erzählende 211 ff. Einrahmende Gespräche 214 ff. Dramatische 
Gliederung 21 8 ff. Eingreifen neuer Personen 220 f. Das Bild einer 
dramatischen Handlung 221 ff. Phaidros 223 ff. Phaidon 225 ff. Der 
Staat 230 ff. (Widersprüche in der Composition 240 ff.) Der Dialog als 
Essay 243 ff. Die Sprache der platonischen Dialoge 246 ff. Abnahme der 
Charakteristik 251 ff. Trilogien und Tetralogien 253 ff. Die Mythen 259 ff. 

m. Der Verfall. S. 272—351. 

1. Aristoteles. .S. 272— 808. 

Der Dialog als Schulgespräch 273 ff. Das mythische Element 277 ff. 
Rhetorischer Charakter seiner Dialoge 279 f. Die platonischen Dialoge 
in den aristotelischen nachgebildet 280 ff. Personen der aristotelischen 
Dialoge 291 ff. Dialog und Drama 294 ff. Einthcilung in Bücher 297 ff. 
Der Brief 300 ff. Brief und Abhandlung 807 f. 

2. Die Zeitgenossen des Aristoteles. S. 308 — 351. 

Praxiphanes 310ff. Speusipp 313. Stilpon Philon Aiexinos Pasiphon 
Diogenes Hcgesias 815 ff. Theophrast 317. Demetrios 318. Dicäarch 

318 ff. Hernklei.les 32! ff. An><tnn vnn Kens 331 ff. Der Wnndpr- und 

Aherglauhe der Zeit iiht Kintluss auf den Dialut; 33a f. Arisluxenuti und 
Aiulere 33 4 [T. rhantastisclie Dialoge 337 ff. Gespräche zwischen Un - 
genannten 340 f. Monologe im Dialog 342 f. Die Redner 343 f. Inhalt 
der Dialu^'c 3 '«5 ff. 



Inhallsverzeichniss. IX 

TV. Ueberreflte bei dan Alexandrinern. S. 3Sa— 440. 

Einleitendes 351. Der Brief 353 (T. Die Symposien 859 fT. Teles 
367 ff. Diatriben 869 ff. Personificationcn 374 ff. Die Menippische Satire 

878 f. Bion 374 ff. Neue Sophistik 379 f. Mischung von Prosa «nd 
Versen 381 IT. Die Menippisctu- Siilire 385 ir. MnHios dos l:!uhi'm('r()S 
3 90 IT. Dialoge in Versen 398 IT. Die .Vn haisten 401 IT. 

V. Wiederbelebung des Dialog. S. 4H — 565. 

4. Anfänge derselben bei den Griechen. S. 444 — 484. 

Erneuerung der Sokratik 44 4 f. Theorie des Dialogs 4 42 ff. Ar- 
kesilaos 44 7. Berührung der Griechen mit den Römern 447 ff. Nearchos 
448 ff. Antinehns von Askulon HO. Dion 4iO. fli ii-fc 494. 

i. Der Dialog bei ilen Hümern. S. — 5G.>. 
a) Erttaa Herrortretan. S. 484—481. 
Epos 424. Drama 422. Satire 428 ff. Ennius 423 f. Lucilius 424 ff. 
DieProtreptiken 426f. Cato 427f. Brutus 428 ff. Juristische Dialoge 484 f. 

b] Weitare Aiubildiuig im Zeitalter Varros oad Cioerot. S. 438 — 565. 

Symptome des Dialogs 488 ff. Varros Menippische Satiren 436 ff. 

Melea^ros von Gadara 439 f. Der politische Dialog' 4rj4 IT. Curio 4 55 IT. — 
M. Tullius Cicero 457 ff. [de re publica 459 ff. de legibus 474 ff. de 

oratore 479 IT. de partitione oratoria 493 f. Brutus 495. Orator 4G0. 
Paradoxa Stoicorum 460. Cimsolatio 498. Uortensius 499 11". Geplante 
Dialu{;'e 50 j IT. Academica priora 505 ff. de tinibus bonorum et maloruin 
54 3 IT. Acadeniica posteriora SällT. Tusculaneu 5i4 iT. de fatu 5i8. 
de natura deorurn .'»^8 IT. de tlivltiatione 535 IT. de fiito 539 f. Tiriiäus - 
framnent 541 f. Cato uiaior und Laelius 54 4 IT. ' Hfi7-//.£(o£tov 54 7 IT- 
Charakteristik der Ciceronischen Dialoge 550 ff., — Varro de re rusticn 
553 IT. 

Z we iter Th e il. 

VI. Der Dialog in der Kaiaeraeit» S. 4 — 865. 

4. Römische Dialope unter Augustus und seinen nächsten 

Nai bfoltjern. 1 — 4i. 
Unter Augustus 4 ff. Sokratischer Kreis 4. Die Fabel 4 f. Bucolische 
Maecenas 6 IT. Uriefe 8 f. Auyuslus 8. 0\id 9 



Horaz 9 ff. — 


Dialog 


als Mittel zur Popularisirung 


24. Livius 24 ff. 


Asellius Sabinus 


24. ~ 


L. Annaeus Seneca i4 (T. — 


.'^elbstf:ospriich 34. 



Persius 34 ff. Selbstgespräch 37. Petronius 87 ff. Roman und Dialog 44 f. 

2. Dialogische Uc^uu^en in der Zeit von Nero bis Trajan. 

S. 42—64. 

Nero 42. Disputationen 42 f. Denk- und Redefreiheit. Gelehrtes 
Interesse 48. Neue Sophistik 43 f. Theorie des Dialogs. Cültus Ciceros 
44. Ascontus 44 ff. — Tacitus' Dialogus 47ff. — Geist der neuen 
Epoche 60 f. kaiiipr /.wischen .\lt- und .\'ea-Uoiri 61. 



X 



Inhaltsvcrzcichniss. 



3. Erstarken des philosophischen Dialogs unter 
Trajan und Hadrian. S. 61 — 834. 

a) Die Z«it Trajans. S. 61—259. 

Juvenal 62 f. Florus 64 ff. Stimmung der Zeit 70. Weltbürger- 
thum Trajans 71. Griechen- und Rotncrthum im Kampf 7^ fT. Die IMiilo- 
sophen 73 f. Alcvander-Ideal 74 tl'. Dion Clii-\ sostomos 75 tT. IMutarelt 
77 f. Favorinus 79.) llücksicbt auf den Kaiser bestimmt Inhalt und 
Form der Schriften 83. Renaissance des Dialogs 84. — Dion Chry - 
sostomos 84 fr. (Der Sophist 85 ff. Der Philosoph 88. Eklektiker 94 ff. 
Einheit der praktischen Tendetiz 95 f. t^adaKo^^ischc Rhetorik U6 IV. 
Literarisches Verdienst 99. vierfache 'rheolot^ie 99 fl". Ahhünj^igkeit von 
alteren Vorbildern 102 ff. Mythen 107 ff. Dialogische Schriftstellerei 
114 IT. Diatriben 117. Scenerio. Personen M8f. Sokrates ilO). — 
Favorinus 1 1 9 ff . — Plutarch 134 ff. Rhetorik 1^5 f. Ansiitze dia - 
logischer Gestaltung 127 f. Gryllos 128 ff. — Gastmahl der Sieben Weisen 
132 ff. Die Sage von den Sieben Weisen 183 ff. Neuerung in der Syni - 
posienliteratur 137 ff. — lieber das Daimonion des Sokrates 148 ff. Dai- 
monologie 156 ff. Bootischer Fatriotisnuis 162 f. — 'AT:o;i.vTj;iov£6ixaTa 
168 ff. — ITfthftr dif! Gftaiindhpitslf.hn» 1fi4ff. — tlfthftr dia Hp^fhwirh- 

tigung des Zorns 167 ff. — Dialog über die Frage »Ob die Land- oder 

Wasserthiero klüger sind» 17m". l'\ thaizoreismus Lobrede auf die 

Ja^d 173 f. Schiedsrichter 177 f. Verhaitniss zu den QucUen 178 ff. — 
Naturphilosophie 181. — Leber das Mondgesicht 18211. ^cptnaTo; 187. — 
teher das Aufliüren der Orakel 18'J IT. rrepfTrat'); 19Q. Wahrheit und 
Dichtung 194. — Lainprias- I)ialo}.;e 19Gf. ■ — i ulior das Ki in Delphi 
197 ff. repiTtttToc 198. IMuturchs Rolle im Ücsprüch 199 f. — iljij-.xQl 
X<>YQt 201 ff. — Dialog darüber »dass die Pythia ihre Orakel nicht in 
Versen ertheilta 203 ff. — Leber die welche erst si)at von der Gottheit 
bestraft werden all ff. Plutarch hat den Princii)at — Dialog' »von 
der Seele« 216. — Brief über Isis und Osiris 217 f. — Ueber Die Daidala 
in Plataiai 218. — Die gegen Epikur gerichteten Dialope 219 ff. Gegen 
Kolotes 220 f. Dass nicht einmal angenehm zu leben nUiglicli sei den 
Lehren Llpikur■^^ entspn'cheiul ii\ f. — Von den allen Menschen ^emein - 
SBuien Vorstellungen 22^ IT. — Die Tischgespräche 2^4 IT. — Plutarch 
und Sokrates 227. — Plutarchs Familie 228 ff. — Der Dialog von der 
Liebe 230 IT. — Von der Musik 236 f.). — Musonius undEpiktet 338 IT. 
Musonius 339 IT. Leben auf Gyaros 240 f. Keine Scbriftslellerei 343 ff.} 
E piktet 345 IT. (Art seiner Vortr;>}ze 346 f. Diatribe 348. Selbstgespräch 
248 f. Aufzeichnung seiner Reden. Arrian 249 f. Gegensatz zu Dion 
Favorin und Plutarch 250 ff.\ — Juncus 252 ff. Das Gemälde des Kebes 
254 ff. (.Sokratik und Pythagoreismus 257 f. ApoUonios von Tyana 258). 

b) Die Zeit Hadriaas nnd eetner nächBton Naohfolgw. S. 259—334. 
Umschwung 259. Gellius 259 f. Oinoroaos 261. Hadrian 261 f. 
Marc Aurel 262 ff. (Selbstgespräch 264 ff. Anschlu.ss an Epiktel 266. 
Aufzeichnungen 267 f.) — Lucian 269 ff. (Beginn der dialogischen 



Inhalttven^cbnlss. 



XI 



Schriftstellerei 269 IT. AtdXo^o; als Name 270. lebertritt zur Philosophie 
f71. Rhetorik 27f f — skythe, Harmonido« Traum 272 f — Atticis- 
mus 273 ir. Altattische honiodie 274 f. Meiiipp 275 f. Chronologu? der 
Lucianscben Dialoge 276 ff. — Die Bilder 278 f. — Für die Bilder il^ iL 

— lieber die Liebe und ilire Arten SSI ff. ' Veriiiltniss su Pseudo-Pltttarcbs 
Liebesdialog S81 f. Bedenken gegen die Echtheit S8S. — üeber den 
Taus SSI f. — Anachanls tB4 ff. — Toxaris 187 f. — Ueber den Parasiten 
889 r. Parodie auf den sokratischcn Dialog 289. HermottmOS 890 f. 

— Nigrtnos 29< flf. — Hetärongesprachc 294. — See- und Götterffpsprilcho 
295. — Prometheus und Götterversamnilunj.' 295 ff. — P^PiiHo-Sophisles 
297. : — Lc.viphancs 297 f. — Tlmon 298 IT. — Der Doppeltverklagte 
301 ff. — Lebensversttiigerun^ 303 ff. — Der Fischer 305 ff. — Die Aus- 
reisaer 808 ff. — Der Kyniker Sil f. — Symposion 81t f. — Lügen- 
freund 848 ff. — Bonncbos 818. — Das Sdiiff 848. Menippos oder 
das Todtenorakel 84 6 f. — Ikaromenippos 817 f. — Todlengefpritoha 
319 f. — Widerlegung des Zeus 321 f , — Niederfahrt 322 f. — Charon 
323 f. — Hahn 324 f. — Kronos-Schriften 325 f. — Der tragische Zeus 
326 f. — Gesammtcharakteristlk 327 ff. Sophist und Rhetor 328 f. Yer- 
gleichung mit Plutarch 334 ff.). 

4. Die AusUufer des antiken Dialoga. S. 884—868. 

PseudO'LtteianB Cbaildemoa 884 f. Lob des Demostbenes 888 l 
PhUopatris 886 1 — AeUus ArisUdes 887. Die Pbflostrate 887 ff. (Nero 

888 ff. Das Leben des ApoUonios 344. Heroikos 342.) — Dialoge bei 
den Historikern. Cassius Dio. Vopiscus 343. — Das Ende der 
Menippea 343. Julian 343 ff. (Cösares 3U f.' Martianus Capella 845 f. 
Fulgentius 347. Boethius' »Trost der l'lalosophle« 347 f. — Dialoge 
in Versen. Die Ati^txd doü Orpheus 348. — Symposien 348 ff. 
Apulejus 849. Uerodlan 880 ft Aflienalos 88Sff. Macroblus 866 ff. — 
Philosophen 888 ff. Nnmenios 888 1 Die bermelischen Schriften 889 f. 
Die Neuplatoniker 868 fll (Porpbyrioa 864 1 Longbios 86S. Dexippos 
868 f. Xenedemos 368. Boütblus' Logische Dialoge 868). — Katechis- 
men und Schnigesprttche 864 t 

VIL Per Dialog in der altoliriatUohen Liiteratur. S. 366—380. 

Solu^tes und Jesus 866 f. Religion und Philosophie 367 f. Aristons 
GesprÄch zwischen Jason und Papiskos 368. Justins Dialot? mit Trypbon 
368 f. Octavius und Minucius Felix 369. Polemik gegen Sekten 36ü f. 
Masken-Dialoge 370. Die ciementiniscben Homilien und Recognitionen 
870. Pistls Sophia 374. Cassianus' Collationes 874. Gregor von Nyssa 
und Aioetas von Gasa 871 f. Helhodios. Üermippos 879. Zadkarias von 
Mitylene 879 f. de feto des sogen, llinudus Felix und des Psendo-Barde* 
sanes 378. Clemens von Alexandrien und Jobannes Chrysostomos 878 1 
.S-hiedsriehter. Schilderungen. Sulpicius Severus. Apollinaris. Gregor 
der Grosse 374. Symposien. Lartantius. Methodios 874 f. Classische 
Yorl>Uder. Hieronymus. Schein des Uistoriscben 978. Polemik gegen 



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XII 



Inbaltoveneiobiiiss. 



Bücher. Kyrill. Basileios 376. Methodios .^76. Augustin S7A ff« 
(Selbstgespräch 878. Abnahme der dialogischen Neigung 879.) 

VUL Der Dialog im Mittelalter und den neueren Zeiten« 

S. 381—4 37. 

Mittelalter 38< iT. Byzantiner. Nachahmung Lucians. Kate- 
chisinonliti'raiiir. Nachahmung Piatons 38^. Germanen und Romanen. 
Streitgedichte. Nachahmung des Antiken (Ackermann aus Böhmen} 382. 
Katechismen 88i t Vehikel für Entthlungen 388. Katharina von Siena 
888. Allegoriea und Personiflcationen 888 f. Das Mittelalter liat es xu 
keinem rechten Dialoge gebradit 884 f. 
Renaissance 885 ff. 

Italiener 385 ff. Petrarca. Lorenzo Valla 886. GrscIIigkoit 
386 f. Paradiso degli Alberti. Leon Batti'^tR Alberti 387. Platoni- 
sche Academie 387 f. Cristoforo Landino. i^embo. Castiglione. 
Pietro Aretino 388. Historische Personen 388. Lucians Vorbild. 
Piaton. Xenophon. Plutarch. Cicero 388 f. Macbiavelli. Guic- 
dardini. Savonarola. Bemardino Odilno 889. Ertfrterungen Uber 
die Sprache 889. 
Spanier und Portugiesen 8891 
Reformation 390 ff. Zusammenhang mit Italien 391. Erasmus 
S94. Hutten 391 f. Populariüt des Dialogs 392 f. England 393. 

Nachzüftler der Reformation 3<j3. Nachzügler der Renaissauce 
393 11. Tasso 394 1. Giordano Bnwo 395 f. Galilei und B^rigard 896f. 
Leibolz 397 f. 

Achtzehntes Jahrhundert 898 ff. 

England 898 ff. Z^talter der Bevolation 899 f. Johnson 400. 
Zeitschriften 404. Addison 404. Shafteshury 40t f. Berkeley 
408 f. Home 408. Hume 405. Hurd 405. Lyttelton 406. 

Frankreich 406 ff. Liebeshöfe 407. Salons 407 f. Bedeutung 
des gesprochenen Wortes 407 f. Agrippa d'Aubign6. Des Cartes 
und Balzac. Fontenelle. Föneion 408 f. Lnmy. Malebranche 409. 
Port Royal und die Jesuiten. Pascal. Saiut-Evremond. Uamol- 
Bouhours 410. Streit der Antiken und Modernen. Perrault 4H. 
Skepsis, de la Hothe Vayer. Bayle 414 t AufkUrung 449. 
yoltaiio449. llaUy 44lf. Montesquieu. Grimm. Rousseau 448. 
. GaUani 444. Diderot 444 ff. 

Joseph de Maistre. Napoleon 417. 
Benjamin Franklin Franz Hemsterhuys 418. 
Deutsi-hland 1 h iT. Kant 'H 8 t Gührunt' der Zeit 41«». Dus 
Denken em gemeinsames 419 f. Bedeutende üespräche. S' lnller. 
Goethe 4:io f. Höhere Schät^eung des Dialogs 421. Die Homan- 
tiker. Friedrich Schlegel. Schleiermacher 494 f. Die neue Theo- 
rie ist auf dem allgemeinen Boden der Zeit gewachsen. Lessing 
499 f. Mendelssohn. EngeL Justus M(Jser. Friedrieb der Grosse 
498* Stürmer und Diünger. Schubart. KUnger 498. Wieland 



Inhattsveneichniss. 



XIII 



428 f. Klupslork '.21. Schiller 484 f. (ioetho 4i5. Herder 425 ff. 
Lessiiig 4i7 tl. iremde binllu^se 489 ff. i*laton 430ff. Joh. 
Georg Schlosser. Ueinse. Rehberg 430. Friedr. Ueinr. Jacobi 
4aof. SchteienDadier 411. Friedrich Schlegel 4S4 f. Angust Wil- 
helm Sohlegel ISt. Solger. Delbrück 48«. Fichte 43$. Schleier- 
macheni Selbstgespiitch eine» ReoeaMaten 484. ScheUing 484 ff. 
HoUinann. Cru.^iiis und Ernesti 436. 

Symptome des Verialls. Wflhelm von Uamholdl. Jean Paul. 
Schelliog 437. 

IZ. Bftctkbllok. S. 488— 48t. 

In der Gegenwart 488 ff. Der Dialog sinkt von seiner Gelluiig 
in der WissenMdiaft. Strauss imd Schopenhauer. Vlscher. Büchner 
488 1 Kgmpfe der Zeit 489 f. 

IiidiTtdiien 4481 

Nationen 444 ff. DUettantlsnras 44S. GesprHche der Wirklich- 
kelt 442 r. 

Charakter der Zeiten 443 ff. Sophist^m. Humani.stcii. Auf- 
tiörer 444. Cullur der Natur 444 f. Sociale und politische Theorien. 
Die Kunst. Idealisirung der Naturvüllier 445. Wissenscliaft 44ä f. 
Methodik. Geschidito. Memoiren 448. — Bedeutung des Individuums 
448 tt. Der Mensch vermag Alles 446 IT. Tugend 447. Theorie und 
Prasis 447 1 Gesunder Menschenverstand 448. Drang nadi Bildung 448 f. 
Pgdagogik 449. AHes bezieht sich auf den Mansdien 440 f. Ethik. 
Seibsterkenntniss 449. Die Ideale xverden zu Persönlichkeiten U9f. 
Das Individuum in der Geschichte 4öO. Elnffuss der Aerzte 450. — 
Mt-ianthrople 450. Idealstaaten 450 f. Kosmopnlitismus. Geselligkeits- 
trieb 454. Gehaltvolle Gespräche. Freude an natürlicher Rede 454. 




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EINLEITUNG. 



UuMA «al tAv [Aerd (A^Tpovi in»rr}|ieiTaiv 
iv täte ^(«vohit« 4vni xim auvritivrw ikSf^ 

eTrlp-jv Ttjv ^ö^av rf ; iXzf^o; £Xcißev 06 {x-fjV 
xi n'xpaXcX«(|jifi.£v'3(. Isokratcs. 

^\er die grosse Zahl der literarischen Formen bedenkt, 
in denen sich die Poesie und Prosa der Gegenwart bewegt, 
wer das Bestreben der Schriflsteller unserer Zeit wahrnimmt 
auch daa in Zeit imd Raum Entlegenste ihren Zwecken dienst- 
bar XU machen, den mnaa es Wunder nehmen in der bunten 
Menge der Literaturgattungen nicht auch dem Dialog su be- 
gegnen, oder ihn dodi, wenigstens bei uns Deutschen, nur in 
höchst kfimmerlicher Weise vertreten su finden. Und doch 
hat derselbe eine glfinzende Vergangenheit hinter sich, die an 
sich wohl geeignet scheint auch noch in viel spSterer Zeit 
und bei anderen Yttlkem zu Nachahmungen zu reisen. Warum 
dies trotzdem nicht geschehen, das zu erklären ist hier nicht 
meine Al)sicht. Mir genügt es auf die Thatsache hingewiesen 
zu haben, und an ihr wird sich nicht zweifeln lassen: der 
Dialog ist von seiner ehemaligen Höhe, auf der er fast wie 
ein König die Literatur beherrschte, zum Bettler herabge- 
sunken, den man kaum noch eines Blickes würdigt; und aus 
dem kunstvoll gebauten Hause, das einst von dem höchsten 



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3 t. Weien und Cnprong. 

ttad edelsten Geistesleben erfttlU war, ist eine Buine gewor- 
den, am deren tfden Rfiumen uns die Langeweile aogähnl. 
Aber wenn er hiernach aus dem Leben verschwunden ist, 
wenn er dem oberflächlichen Blicke als eine todte Form er- 
scheint, die nur Pedanten versuchen konnten, su neuem Leben 
XU erwecken, so hat er sich nur einen desto hQheren Anspruch 
auf eine historische Betrachtung erworben, wie ich sie im 
Folgenden anstellen wilL 

L Wesen und Ursprung des Dialogs. 

B«grlff. Was ist ein Dialog? Diese Frage muss vor Allem beant- 
wortet werden, ehe von einer Geschichte desselben die Rede 
sein kann'). «Ein Dialog ist ein Gesprächtf. so wird vielleicht 
Mancher antworten und glauben, die Sache damit abgethan 
zu haben. Indess so einfach liegt sie doch nicht, und Dialog 
und Gespräch decken sich ihrem BegriQe nach keineswegs. 
Zwar ist jeder Dialog ein Gespräch, aber nicht umgekehrt jedes 
Gespräch ein Dialog. Oder fallt es etwa Jemand ein, jedes Ge- 
spräch oder die Gesprächsketten, die sich anmuthsvoU um Kaffee- 
oder Biertisch schlingen, als Dialoge su beseichnen? Von einem 
Dialog verlangen wir, wenn es erlaubt ist zu sagen, etwas 
mehr. Was das ist, wird uns am besten die ursprangliche Be- 
deutung des Wortes sagen. Hierfttr scheint man gewöhnlich die 
eines Gespräches anzusehen. Auf eine andere Ansicht muss 
uns aber die Betrachtung des mit ZivXvfo^ wort- und sinn- 
verwandten 8iaX^s99ai bringen. Das Aktivum des letzteren, 
IkttAiYsiv, ist soviel als anseiaander lesen, sondern, zergliedern, 

m 

1 Giordano Bruno lässt in La ccna delle ceneri dial. I S. iii Lag. 
den Pedanten Prudentio folgende Erklärung pehen: Tetralogo . , . id est 
quattionim fHicIi sermo, comc dialML« vuol dire duorum sermo, Irilogo 
triuui »eiiiiü, et cusi ollre, de peiuaiu^u, eptalogo et allri, cbo abusi- 
vam«nte n chiunano dialogi, come dioooo aldrani quasi divenomm 
logi: ma non 6 verisimlle che U greci iuveatori di questo nome hab- 
bino quaUa prima slllaba Di pro capite illius latinaa dictionis divertttm. 
Dieser Erklärung entsprechend wurde im Ausgang des Mittelalters auch 
»Dyalogus« geschrieben und bildete Wiclif seinen »Trialogus« in dem 
Sinne eines Gesprächs zwischen Iireion. Herford. The literary rela- 
tiüuä of Engl, aod Germ, in thc sixteenUi ccutury S. ii. 



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Begriff. 



3 



das Medium, eigentlich etwas fUr sich zergliedern, bedeutet 
daher zunächst klar und doutüch reden, sodann aber und 
vorzügUch etwas in der Rede crörteni Auch die erste Be- 
deutung Ton dioAo^ wttrde claher die einer Erörterung sein; 
und so ISsst 68 sieh auch noch an den meisten der platonischen 



4j Dies entüprichl freilich nicht der gewöhnlichen Meinung, nach 
weleher vielinehr die Bedeutung von »sich unterreden« die ursprüngliche 
wllfe. Von spKteran Bedeatongen, wonach ^oXi^coftat Jedweden Verkehr, 
sogar «m Uossee Haben (wie hei Aescb. g. Tlnuirdi. 19} bezeichnet, sehe 

Ich ab. Aber wie soll jene Bedeutung in das Wort hineinkommen ? Die 
Vcrtheilung der Rede auf Mehrere kann doch durch &id nicht bezeichnet 
werden: denn, um von Anderem aliziisehen, bezeichnet C'7 (Vw Trennung 
des vorher Verciniizloa, im Gespiüt lt ?»!nM- findet vielmehr eine Vereini- 
gung des vorher Getrennten, ein Zusauunensprcchen statt, wie wir denn 
in^ tm Deutschen Gc-spräch und nicht, wie es sonst bcissen müsste, 
Zer^prüch zagen, und der Lateiner ebenzo oonloqnium und nicht dizlo- 
qnium. Die im Text vorgetragene Ansicht wird aber auch durch den 
Sprachgebrauch bestätigt. Wo uns das Wort zuerst entgegentritt, bei 
Homer (in der Formel dXXa Ttij fiiot tayta «plXo; iu\i^i':o dufio;;) hat es 
die Bedeutung von erwägen, überlegen, obgleich Andere auch hier ein 
Zwiegespräch darin finden; und wenn man spalor häufig Itrikifss^ni tivi 
oder rpöc Ttva sagte in Fallen, in denen lediglich ein Sprechen zu einem 
Andern bezeichnet werden sollte (ahnlich übrigens auch sermo, z. B. bei 
Plin. epist. I, S: aermoni quem apud municipes moos halral), keineswegs 
aber eine Antwort von dessen Seite vorausgesetst wurde, ja AlUdamas 
(scboL Hermog. VII, p. 8 W. Blass A. B. II*, 8. M, i) sogar die Rhe- 
torik als itoXo^txj) definirte, so beweist dies abermals, dass mit dem 
Wort die Vorstellung eines Gespräches nicht Tmth wendig verbunden war; 
auch der Unterschied, der in der stoischen Schule zwischen SiaX^ifeodai 
und itaXo^tCeaöat gemacht wurde (Diog. L. VII, 48), verdient in diesem 
Zusammenhang Erwähnung. AiaX^YCsdai muss also mit den lateinischen 
disserere und disputare vergli<dien werden und %tä hat in ihm nicht 
mehr au sagen als in StaNotrolkt. Die zweite Bedeutung »sich unter- 
reden« hat man auf das Wort nur darum Übertragen, well Erttrierangen 
gern und oft im Tuspräche mit Andern angestellt werden. Auf diese 
Niiffasstins des Wortes fuhrt auch die Erklärung, welche von ihm der 
Mri-.t'M- des rji'x'Li-(e.z\)n. Sokrales, gegeben haben soll, von dem l»«i 
Xenupli. Memur. iV. 1, Ii berichtet wird: l^rj hi %a\ to oiaX^Y^sOat ö<c- 
{Mis^vai Tot> euviövxoc «0(v^ ßouXeues^ai ^taXd^ovia; xaxd fi'^ri 
xd Tzpi^it-axt, Doch rühren diese Worte wahrsieheinlich nicht von 
Xenoption, sondern vom Xnterpolator der Memorabliien her, s. Dindorf, 
Oxforder Ausg. prüf. S. XIII. Im Wesentlichen zu demselben Fii:i'bniss, 
was die Bedeutung von itaXffEsdat anlangt, kommt Ernst Graf in seiner 
HabUitationsachrift De Graecorum vekerom re musica $. 43 ff., bes. S. 43, 4. 



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4 



I. Wesen und Ufspning. 



Stellen, an denen es sieh findet, fassen Somit kann der 
Dialog, wenn er ein GesprSch beseichnet, nur ein solches be- 
Eefchnen, das mit einer Erörterung verbanden ist'). Ausge- 
schlossen sind daher von diesem Namen solche GesprSche 
wie die, auf welche vorher hingedeutet wurde, insoweit nfim- 
lieh, als in ihnen lediglich ein Austausch von allerlei Nach- 
richten höherer und niederer Gattung stattfindet; und ebenso- 
wenig kann darunter begriffen werden der bunte Wechsel 
mehr oder minder geistreicher Bemerkungen, das Springen 
der Unterhaltung von eiriüm Gegenstand auf den anderen, wie 
es der gute Ton in der gebildeten Gesellschaft erfordert. 
Denn mag letzteres auch die volleudetr ConversatiQn charak- 
terisiren, die nichts weiter will, als in möglichst angenehmer 
Weise durch Reden die Zeit ausiUilen das Wesea des 

i) Hep. I, 354 C übersetzt mau es zwar in i% toü SioXd^ou mit 
»GespiUob«'. Da aber Sokrates kars vorher nur von seiner Untergnditt&g 
spricht, ohne auf die Bethdligung des Thrasymachi» daran Gewicht ta 
legen, so scheint es vielmehr in der Bedeutung von »Erörterung« über- 
haupt gefasst werden zu müssen. Im Soph. 263 G sodann wird das 
Denken 'v.avot« tleiii lo-^oz wesentlich glciclit;esct/l und der ünterschiod 
beider darauf beHchmnkt. dass, wahrend der letztere ruis dem .Mund«' 
^elil und im Ohr Hillt. das Denken ein oiö/oyoc ist, den die Sf««!*' inil 
äich ^U)er au:ileill. Hier liefet das artt)ildende Merkmal nicht iii dem 
Gharakter des Denkens als eines Zwiegespräches, sondern darin, daas es 
ein innerer Vorgang ist im GegensaU zum Xöyo;, der nach aussen dringt, 
und statt (1^X070; könnte eben so gut lAyoi geaettt werd«i, wie dies an 
den anderen Stellen, in denen derselbe Gedanke ausgesprochen wird 
(Theaetet 189 E. Tim. p. 37 A fT , thatsttchlich geschehen ist. Endlich 
scheint auch Protag. 338 A fAdf.r.-^o^ in tö)v ^.ta)/;-^«/ jedwede wissen- 
schaflli<-he Erörterung, sowohl die nach der Manier des .Sokrates in Ge- 
sprachsiorm, wie die de«* Protasjorns in der Form von liiagerea Ueden 
zu umfassen. AiaXo^o(; steht daher zu Xo^o* in einem ähnlichen Yer- 
hAltniss, wie ItAwu» zu voS«, und bezekdinet eine mehr zergliedernde 
Weise der Rede, wie sie vorzugsweise, nadb sokratischer- Ansicht sogar 
ausschliesslich, im GesprKch stattfindet. 

Bouterwek, Vorr. zu den Dialogen S. VUI: »Uehrigens habe ich 
diese Dialogen nicht (bespräche genannt, weil ich mit dem griechischen 
Worte nur solche CJespriiche bezeichnen mochte, in denen ein ernsl- 
hufiri St oll durch einen zusammeutiaugenden Gedaukenwecbsei abgebau- 
delt wird.« 

8) So fasst den UegrifT derselhon auch Liliencron, »Die Kunst der 
Cottversalion« in der Deutschen Rundschau & S8B u, 885 f. Am voll- 
ständigsten werden die Gesetze der Conversation zusammengestellt ia 



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Dialog uod Conversalion. 



5 



Dialog«: stellt es nicht dar, da dieser sich erörternd in die 
Gegenstände versenkt und deshalb nicht wie ein Schmetter- 
line von einem zum andern flattern kann Es liegt mm 
aber in der Natur solcher Erörterungen, dass sie am besten 
und liebsten im Gespräche angestellt werden, und insbeson- 
dere haben sie diese Form angenommen, als sie zum ersten 
Mal in der Literatur selbständig hervortraten. An ihnen, 



Oiderot'8 Encyklopttdie u. oonvenation : als erstes Geseti eracbeint hier 

»de ne s'y appäscntir sur aucun objol«. Dieses »parier agr(^ablcment 4^ 
loul Sans s'ifppc^ u>tir sur rien« hielten, wie bei Taine, La Rr^volution 
III, S. AOJ, 1 brzciij^t wird, die Milfülieder der alten französis* In n Aristo- 
kratie auch im Gefungniss fest: auch hier in der elendesten Imgebunf;, 
die Guillotine fast vor Augen, Übten sie die leichte Conversation, also 
QDter UmsUbideii, unter denen Sokrates die schwerwiegendsten Dialoge 
Uber die Unsterblldikeit geführt hatte; jeder selgte noch einmal, worin 
er Meister war. 

4), Denselben Unterschied macht zwischen Gespric h und Conver- 
.«atJon andeutungsweise B;ink<' im • Polili^' lM'n Gcspriicli" .'^aiumll, WW. 
XLIX, S. 34 4, vel. auch 316 f. Ehtiiso de Maistre SoirCes de Saint- 
P<4tersbourg VIII Enlretion Anfg., der nur Entretien an die Stelle des 
Dialogs setzt, während er »Dialogue« ganz willkürlich in der Bedeutung 
speslell des erdichteten Gesprächs fesst. Dieser Unterschied zwischen 
Dialog und Conversatlon ist nicht immer beachtet worden, wie t, B. von 
Krug nicht, der Im encyklop.-philos. Leiikon Sokrates einen Conversa- 
tlonsphllosophen nennt, und selbst Lazarus, der doch »Ideale Fragen« 
S. 237 fr. der Natur des Gesprächs bis in illc seine Fasern narhfiespürt 
hat. schrin» ihn vgl. S. 263 f.) nicht zu kennen. Oder solUe er ihn nur 
nicht ancrivcnnrn? Aber auch hier kann uns die Etymologie leiten: 
denn da Conversatiou ursprünglich nur ein Zusammensein, einen Ver- 
kehr bedeutet und somit dem griechischen ^iXCot oder eovoMla (swiaohen 
diesen beiden untersdieidet Porphyr, v. Plot. 5 «ov6^c iv taU AfuXlaic 
— — ICrrdbteyv tt tciTc euvouoCaic Y*^o|Alv(nv. 48 ifiiXoövTi lotxivat ^>Tat( 
8uvoj^(7t;) entspricht, so sind darunter offenbar solche Gespräche ge- 
meint, die diesem Zti^sammenspin . dtc^en Verkehr iraornlw i<* futdcrn. 
keineswegs aber oder dcch nirht v(irzuKli<'h solche, dii- wie der Diiilnu 
an dem Gegenstand selbst und seiner Krkenntniss ein Interesse nehmen. 
Ucbcrdies habe ich t>ei meiner Ansicht Uber die Natur der Cunvcrsation 
Goethe auf meiner Seite, der in den Wahlverwandtschaften Charlotte 
sagen Usst (W. in 60 B. 17, 880): »Die gute Pädagogik Ist gerade das Um- 
gekebrte der guten Lebensart. In der Gesellschaft soll man auf nichts 
verweilen und bei dem Unterricht wäre dos höchste Gebot gegen alle 
Zerstreuung zu arbeiten.« Derartig'«' Omin fr^atinn hat offenbar in den 
Mimen des Sopbron und Xenarchos f;cluTrs( hl, und deshalb wurden diese 
nicht unter die Dialoge gerechnet, obgleich sie doch Gespräche waren. 



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6 



I. Wesen und Irsprunj:. 



diesen scbriltlich iixirteu Erörterungen in Gesprächsform, isl 
denn auch vorzugsweise der Name des Dialogs hängen ge- 
blieben. Auf sie beziehen sich ;iucb die Definitionen, die das 
Alterthum vom Dialoge gab; dieselben, so unvollkommen sie 
im Uebrigen sind, haben doch dadurch für uns ein Inl» resse, 
dass sie das Wesen fle^ Dialogs an den Wechsel von Frage 
und Antwort knüpfen und somit die blosse Conversalion, in 
der etwas derartiges nicht stattzufinden braucht, sondern auch 
Referate mit Referaten oder Behauptungen mit Behauptungen 
wechseln können, von jenem Namen nuszuschliesscn schei- 
nen I). Auf dieser Höhe seines Begriffes hat sich aber der 
Dialog nic^t lange erhalten. Einmal als selbständige Literatur- 
gattung herrorgetreten, ist er seinen eigenen Weg gegangen 
und hat der durch die ursprttngUche Bedeutung seines Na» 
mens ihm vorgeschriebenen Bahnen nicht geachtet: daher be- 
gegnen wir schon hi der ersten und besten Zeit Dialogen, die 
von Rechts wegen vielmehr Gonversationen heissen sollten. 
Erst der neueren Zeit war es indessen vorbehaltai, den ur- 
sprttngb'chen Begriff des Dialogs so su verwaschen, dass man 
jetzt diesen Namen auf jedes literarisch fixirte Gespräch über- 
ti dgl und deshalb vom Dialog im Drama ja sogar in Ro- 
manen und \o Vellen zu sprechen pflegt. 

I Mri l>iiii;i'nes Laertius III, A8 wird das VVosoii ilcs Dialogs in 
l(tlj;fH(l<M ÜetinitioQ zusaninicngcfasst: £oti oc oid).o|o; X^i^o; ^ptuifj««; 
xai äjtoxpiosoj; o'j-ptE^IAevo; Ttepl tivo; t&v tpiXoso^oyjxivmv xoX TtoXitixmv 
licxä TfjC zpE7co63Tj5 ^ftoicoitoc T&v icapaXa{i^avo{Aiv<nv zposdurcuv xai tf^; 
xatd Xi^tv «areunstril«. HiormH stimmt überein Albinos Einleitung 
io d. piaton. Dial. c. 1 f. Diese Definition Ist tu eng» da sie den Dialog 
auf die Behandlung hostiminlor Gegenstände einscbrttnkt» und bleilit es 
auch, wenn wir dati Wort roXttix&v in der weiten Bedeutung nehmen, 
die Freudenlhal. Ilt llrriist. Stnd. Heft 3 .der Platoniker Albinos und der 
falsche Alkinoos), S li.io m dasselbe hineinlefien will: denn immer w enicii 
in dem Zusätze jierä tf^; zpero'jcr-; xtX. Forderungen an den Dialog ge- 
stellt, denen nur die besten Muster der ganzen Gattung, d. i. ein Tbeil 
der platonischen Dialoge genügen. Diesen Fehler der Alten, nldii so 
sehr eine Wesensbestimmung des Dialogs zu geben, als ein Ideal des- 
selben /.u zeiebnen, baben auch Spfttere, wie Torquato Tasso, Dell' arte 
dei diulogo, und Sigonius de dialogo S. US {Opp. 14 BlUano I7S7} nicht 
vermieden. 

2^ Der iillrie Ausdruck für diesen Tln il des Dramas war bei den 
Griechen bekanntlich xd Iztj. in der technischen .Sprache des Aristoteles 
Ist dafür das Werl iitctoäoiov eingetreten. 



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Dialog und (louversation. 



7 



Der Dialog, als selbständiges Werk der Literatur, ist also 
streng genommen eine Erörterung in Gespriiciihfürm. Es ist 
daher allerdings nur eine Art des Gesprächs, unterscheidet 
sich aber von mIIpr anderen Gespr^ichen in der Literatur da- 
durch, dass in ihm mehr als irgendwo anders das Gespräch 
eine selbständige Bedeutung erlangt hat: denn die Gespräche 
des Dramas begleiten doch nur die Handlung und dienen ihr 
und jn der Gonversation der Mimen Sophrons sollten nur 
Personen und Situationen sich spiegeln, im vollkommenen 
INalog dagegen eriiebt sich das Gespräch au eigenthfimlichem 
Leben, neben dem auch die reichste Scenerie aum blossen 
Anssenwerk herabsinkt^ und vrM zu einem in sich geschlosse- 
nen Wesen, dem die Menschen und ihre Handlungen entbehr^ 
lieh sind. Insofern kann man sagen, dass der Dialog den 
Höhepunkt des Gesprächs in der Literatur bezeichnet, und 
was vor ihm an Gesprächen in der Literatur erscheint, lässt 
sich ab eine Vorstui'e der in ihm gipfeUiden Entwickclung 
fassen. 

So wunderbar es Manchem scheinen mag, das Gespriich Uwprnng, 
ist älter als der Monolog. Monoloso im vollen Sinne des 
Wortes gibt es in Wirklichkeit und unter gesunden Menschen 
nicht und liat es nie gegeben, sie sind ein Unding : was man 
im Drama so nennt, sind entweder Torträge an das Publikum 
oder Selbstgespräche und streiten, auf die eine oder andere 
Arl ge&ssk^ mit der Absicht, auf der Bühne die nackte Wirk- 
lichkeit zur Darstellung zu bringen^. Der natürliche und 



4 ] Vgl. aber auch Erich Schmidt, Lessing 11, 72i f. 

3) Sie gehtfren zum Apparat der früher aileinherrschend«! idealisi- 
rciideD DarsteUuogsweiae und unser sonst so realistisch gestimmtes 
PabUkam laset sie sich aoe eller Gewohnheit gelUleOf obgleich sie ge- 
eignet sind alle lUosicnt der Wirklichkeit 7:11 zcrstoixn. Von Reden, die 
ein Theaterpublikum voraussetzfn, braucht dies nicht weiter ausgeführt 
zu \vor<l>'?i Mmt inich wenn wir darin ScllKtLHsprJirhe .«clirn. ?ilt das- 
srlhi'. Huclisten.s uiil den berühmten Munoio!>'fn tUs s(»|)lu)lvlcisrhpn 
Ajax und Hamlets liessc sich eine Ausnahme nmclien, da tiian darin ein 
Symptom des Wahnsinns finden kOnote: denn, wie Kant (WW. von 
HarfCDfli. Ii, 194, Anm. S) einmal mit Recht bemerkt, Jeder Mensch, der 
mit sich selbst laut redend betroffen i^ird, gerfith dadurch in den Ver- 
dacht, dasa er eine kleine Anwandlung von Wahnsinn habe. Natürlich 
hat| wer auerat Monologe auf die Btthne bradite, seine Helden damit 



8 



I. Wesen und Ursprung. 



gesunde Mensch bedarf, um zum Sprechen angeregt zu wer- 
den, der Gegenwart eines anderen Menschen Alles Sprechen 
ist daher entweder schon Theil eines Gesprfichs oder birgt 
doch den Keim in sich, aus dem ein solches werden könnte, 
nnd bat so auf die eine oder andere Weise die Blchtung auf 
das Gesprach. Die Natur des Sprediens drängt cum Gesprieb 
und man darf deshalb von vornherein voraussetien, dass 
letzteres in der Literatur keines Volkes, wenn dieselbe nur 
einen gewissen Umfang erreicht bat und das Leben in einiger 
Breite spiegelt, gänzlich fehlen wird. In dieser Voraussetzung 
würden wir freilich getäusoht werden, wenn der gesammte 
Der Omnt. Orient dem Gespräche Verschlüssen wäre. Dies war indessen 
nur die Ansicht von Wieland : das Gespräch, lueinle er, be- 
darf zum Gedeihen der Sunne der Freiheit, deshalb sei für 
dasselbe im demokratischen Athen der geeignete Boden ge- 
wesen, eben deshalb aber habe es der Sklavenweit des 
Orients und seiner Literatur ewig fremd bleiben müssen^). 
Insofern diese Meinung auf einer falschen Auffassung des 
Orients beruht, bedarf sie heutzutage keiner besonderen Wi- 
derlegung; lauter als alle anderen Gründe redet überdies 
gegen sie die einlhche Thalsache, dass auch die Literatur des 
Orients GesprSche hervorgebracht hat. Schon Goethe sah sich 
deshalb genüthigt die Behauptung seines Freundes sn modi- 
fisiren, indem er zwar zugab, dass das orientalische Leb^n 
an steh selbst nicht gesprSchIg sei und der Despotismus keine 
Wechselreden befördere, auf der anderan Seite aber auch 



nicht als wahnsinnijz cbHrflktori^ircn wollen: vielmehr sah «r skli vor 
dio Wahl gestellt, entweder die Durchsichtigkeit der drnmalischcii Hand- 
lung zu opfern, die an der Kcnntniss geheimer Heguiigen und l'ebcr- 
leguugen in der Seele des Heiden hing (J. Grimro, Kl. Sehr. IH, S. 994), 
oder dieselben im Widerspruch mit der gemeinen Wirldichkeit dordi 
lautes Aussprechen dem Publikum kund gelten zu lasseo, und sog als 
rechter Künstler das xweite vor. So viel vom dramatisdien Dichter. 
Wenn dagegen Homer den Dulder Odysseus sein vielgeprüftes Hen an- 
reden liisst tiTXaOt Zr^ y.paSiTj, xal xiv-epov Ä>.Xo kot i-).r^:. ^^o kann man 
dies zwar auch oiiioii MonoloL' oder ein Srlbstsrospriu li lunineu, aber Nie- 
mand ist genothigt dali< i an ein laulc.> i<prechcn zu denken. 

i] Was J. (Jrimuj eiiuual (Kl. Sehr. HI, S, 495] so schon als treffend 
einen »RedegescUen« nennt. Vgl. auch Er. Schmidt, Lessing H, 7n f. 

St Attisches Museum IV. S, S. 99 IT. 



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Dialog im Orient. 



9 



hervorhob, das8 der Orientale die Gesprächsform so wenig 
aU ein anderes Volk entbehren möge, wie diese bei den 
Persern in der Hochscbätatmg der Fabeln des Bidpai, der 
Wiederholung, Naefaafamung nnd FortseUung derBelben und 
in den VSgelgesprtIclien des Perideddin Atter sicli seige*). 
Und dasselbe Zngestfindniss müssen wir noch auf die Se* 
mUen ausdehnen. In den arabischen Traditionen sind Ge- 
sprSdie und dramatisirende Darstellungen hliufig^). Noch 
mehr hat deren die jQdlsche Literatur anfkuweisen. So sind 
uns aus der ersten Zeit Dach der Zerstörung des Tempels 
Schul gesprSche erhalten, wie sie in Synagogen geführt wurden^). 
Doch sind dies ännhClin Proben verglichen mit den glänzenden, 
die für das dialugische tiedürfniss der Hebräer das alte 
Testomeut im Buche Hiob und dem Hohen Liedo ablest. So 
sehr tritt in diesen beiden das Element des Gespräches her- 
vor, dass man jenes einen philosophischen Dialog') genannt 
bat irnd in diesem geradezu ein Drama erblicken wollte^). 
Ueber diese Auffinge sind aber die genannten Vdlker nicht 
hinausgekommen: das Gespräch ist bei ihnen immer im Rahmen 
der Erzählung stecken geblieben und hat sich nicht bis zur 
Selbststfindigkeit eines Literaturwerkes entwickelt, in dem die 
redenden Menschen unmittelbar vor den Leser treten. Dies 
erscheint minder aufTaltend, wenn wir uns daran erinnern, 
dass den Semiten sowohl als den Persem auch das Drama 
fehlt"^: denn beide Literaturgatfungen. so verschieden sie 
übrigens sind, haben doch das mit einander gemein, duss sie 



4 Noten zum Divan = WW. 6, S. if5. 

2 Sprenger, Moliammeds Leben u. Lehre I, 303. 

3i Hausralh, Ntuilfst. 7i'ilt.'os< ii. fV. S. H-'. 

4, Inibrcit nach Phiiii»ii>on, Ezechiel des jüdischen Trauerspiel« 
dichters Auszug aus Egj-pten S. 3, I. 

s; Herder, WW. zur Relig. u. TheoL 7, S. 88 ff. Ausg. v. HQUcr). 

9) Die Treibhaus-Poesie des Juden Ezechiel, der im sweiten Jahrb. 
V. Chr. den Aoszug der Kioder Israel aus Egypten tu einem Drama ver- 
«cheitete und aoaeerdem noch mduoK- Trngüdien verrasste, darf man nicht 
hiergegen anführen: denn abgesehen davon, dass diese Erscheinung ver- 
einzelt dasti'ht. verdient sie aiirh darum keine weitere Beachtung, weil 
die««» Dichtung aller OHginalitiit entbehrte und nichts weiter war als 
♦•»a kla^:lich jfesclioiterter Versuch es den Griechen auch auf diesem üu- 
biete gleich zu thun. 



10 



I. Wesen und Uraprunff. 



uns den Meuschen nicht in Worten und Berichten Anderer, 
sondern unmittelbar, mit einer gewissen sinnlichen Deutlich- 
keit vor Augen führen, und scheinen daher dem Naturell jener 
Völker ebenso zuwider gewesen tu sein als ihm bekanntlieh 
die Darstellung des Mensdien in der bildenden Kunst war>). 
Wollte man nun aber hiemach generaÜsirend dem Orient 
Oberhaupt das Drama absprechen, so wQrde dies em Irrthum 
sein, den, um von den uns gar zu fernen und fremden Be- 
wohnern des Reichs der Mitte abzusehen, ein Blick auf die 
Literatur der Inder augenblicklich widerlegt. Bekanntlich 
hat bei diesem Volke das Drama eine eigenthtlmliche und 
hohe Ausbildung erlangt. Dasselbe würde man auch ftlr den 
Dialog voraussetzen dürfen, wenn wirklich Existenz und Blüthe 
dieser beiden LileraLurt^aUungea unter- dem Einfluss des 
gleichen Gestirnes stehen. Die Inder auf solche Weise mit 
den Griechen zusammentreffen zu sehen könnte um so we- 
niger befremden, als wir auch sonst zwis* lun beiden Völkern 
in der Literatur eine efwisse Verwandlschafl wahrnehmen, 
indem sie darin Originalität mit Tiefe und Mannigfaltigkeit 
verbinden. Die Thatsachen bestätigen diese Yermuthung: die 
indische Literatur zeigt uns wirklich Dialoge. Wie die Inder 
nicht müde wurden Über den Sinn ihrer heiligen Lehren und 
Sctuiilen nachzudenken, so haben sie auf dieselben Gegen- 
stSnde auch das Gespräch gern hingelenkt und theologisch- 
philosophische Disputationen waren bei ihnen nichts Seltenes. 
Wie tief in den Indem die Neigung zum Gesprich und ins- 
besondere zum Gespräch über philosophische Gegenstände 
wurzelte, kann schon die berühmte Episode des Mahabharata, 
die Bhagavad-Gita, lehren; und wer sich bei der oberfläch- 
lichen Vorstellung beruhigt, dass der Dialog ein philosophisches 
Drama sei, wird sich zu demselben Zwecke auch auf Erishna- 
Micra's theologisch-philosophisches Drama, Prabodha-Chandro- 
daya, d. i. die Geburt des Begriffes (eigentlich der Mond- 



I) Nur eine Neheaursachc, weshalb diese Völker es nicht bis zum 
Drama gebracht baben, ist wohl» was Herder, WW. 2ur Relig. u. Thml. 
7. S.S9, alt Hauptorsaidie behandelt: »Das Handeln UDd GestikolireD auf 
dem Schauplatz ist einem Morgenlünder verttchtlich; auch im gemeinen 
Reden spricht er mit dem Munde, nicht mit den Hllnden, er Steht wie 
eine verhüllte, schweigende Gestalt da«. 



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Dialog bei den Griechen, 



aofgang d«r ErkenntoissJ, berufen kOnnen'). Noch mehr zeigt 
Bieh, wie reich das iodische Leben an Gespr&ohen philoso- 
phischen hihalls war, in dem Niederschlag derselben, den 
wir in den Yeden und Yedantss antroffen. Hier finden wir 
eine Reihe von ErsShlongen, in denen das ersShlende Element 
mehr oder minder yon dem dialogisdien Überwogen wird. 
Bald sind es personifisirte Wesen » die mit einander reden, 
wie die Sinne unter sich und mit dem Herien Uber den Vor- 
zug streiten, bald wirkliche Menschen und vorsttglich Brah- 
manen und Priester, zwischen denen die hOchsten Probleme 
der indischen Philosophie zur Verhandlung kommen. So viel- 
fach aber diese Gespräche sind und so wichtige Dinge sie 
berühren, das rechte dialogische Leben fehlt ihnen doch. Es 
ist nicht bloss die Kürze, die ihnen schadet und das Gesprächs- 
element zu keiner vollen Entfaltung kommen lässt, sondern 
die ganze Anlafze, da nur selten ein Anlauf zu einem Streit 
der Meinungen gendimnen wird und in der Regel es darauf 
hinausläuft, dass Emer als der Wissende die Uebrigen beiehrt 
und die von ihnen gestellten Fragen beantv^ortet. Der indische 
Dialog befindet sich so auf einer Stufe, die der griechische 
erst im Niedergange seiner Entwickelung erreicht hat. Statt 
der Kritik, des unermüdlichen Suohens nach neuen Einwenden, 
eüier gewissen serstOrenden Tendens, die die Seele des echten 
Dialoges Ist, haben wir hier ein Streben nach festen befrie- 
digenden Besultaten. Ein dogmatischer Hauch liegt fiber dem 
Ganten, wie Ober der Philosophie der Inder Oberhaupt. Das 
isl aber die Luft, die, wie sie schliesslich der BlOthe des 
griechischen Dialogs verderblich wurde, so die des indischen 
nicht auikommen Uess. 

Wenn der Düilog, wie man gesagt hat , ein Sohn der Di» CMMhra. 
Philosophie ist, so ist er jedenfalls ein treuer Sohn gewesen, 
der die Schicksale seiner Mutter getheilt hat. Nicht erst durch 
einen Machtspruch des Tliales ist die Philosophie in s Dasein 
gerufen worden: vielmehr finden wir bei allen Cultur\ »Ikern 
philosophische Anwandlungen, denen man den Namen von 

i) In Wahrheit anterscbeidet sieb freiticb dieses Drama von einem 
Dialoge dadurch, dass es eine Allegorie philosophischer Gedanken ist, 

während jener eine Krörterung dersellien sein sol . 
8} Luciau Bis accu:». S8. 



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42 



I. Weseo und Unpmng. 



Pbilosophieen ebenso wenig versagen darf, als den eines 
Menschen dem Rinde, das noch nicht sum voUen und freien 
Gebrauch seiner Kräfte iirkommen ist. Können daher die 
Griechen auch nicht als die Erfinder der Philosophie gelten, 
so kann ihnen doch das Verdienst nicht streitig gemacht 
werden» dass sie das Wesen dieser Wissensehaft^ das bei an^ 
deren Völkern im theologischen Nebel verschwanmi, sum ersten 
Mal in festen klaren Umrissen dargestellt haben. Nicht anders 
ist es dem Dialog ergangen: andi er ist bei den Obrfgen 
Völkern nicht über das Eindesalter hinausgekommen und hat 
erst bei den Griechen diejenige Reife erlangt, die ihn berech- 
tigte sich zu einancipiren und als ein selbständiges Glied in 
die Reihe der Literaturgattiingen einzutreten. 

Unter allen Formen der Literatur ist dem Dialoi^ keine so 
nahe verwandt nls das Drama. Beide sind Kinder einer 
Mutter und wurzeln in der dein Menschen natürlichen Neigung, 
was seine Seele bewegt und erfüllt Anderen nicht bloss durch 
Zeichen verstandllcli, sondern möglichst sinnlich, anschaulich 
oder vernehmlich zu machen, seien es nun Handlungen, die in's 
Auge, oder Reden, die in's Ohr fallen sollen. Mögen daher Dialog 
und Drama in späterer Zeit ein gesondertes Dasein itthren und 
unabbfingig von einander ihre eigene Entwickelung verfolgen, so 
gehen sie doch in ihren An^gen sosammen und die ersten 
Keime des Emen können auch als die ersten des Anderen 
gelten. Sie finden sieh schon in der Sltesten Urkunde des 
poetisdien Geistes der Hellenen, den homerisdien Gedichten. 
Den dramatischen Charakter hat in diesen bereits Aristoteles 
wahrgenommen, wenn er hervorhebt, dass Homer selber mög- 
lichst wenig spreche und es liebe statt seiner den aultreten- 
den Personen das Wort zu lassen'^. Nicht nu't Unrecht er- 
kennt der grösste Kunstrichter des AUerthums hierin einen 
Vorzug des alten epischen Sängers vor späteren, in deren 
Werken die mehr indirekt andeutende Erzählung die un- 
mittelbare Nachahmung überwiegt. Es ist dies kein üeber- 
schreiteo der besonderen der epischen Dichtgattung gezogenen 
Grenzen. Vielmehr hat jede poetische Darstellung auf den 
verschiedensten Gebieten der Literatur, in epischen oder lyri- ' 



4) Poet c 8, p. 4U8% SS f., c. 24, p. 1460% S ff. 



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Dialog In VipoB und Lyrik. 



43 



sehen Gedichten, in Romanen oder Novellen, da sie nach 
mögUchsl sinniiehem und lebendigem Ausdruek strebt, die 
Neigiiiig dnmatiscii bq werden, weQ gerade in dieser beson- 
deren Art der Dichtliunst jenes allgemeine Ziel am voll- 
kenunensten emidit wird. Daher, wie das Drama der Gipfel 
der Dicfatkunsl ist, aneh jede andere Art derselben in dem 
Ilaasse, als sie der eigenen YoUendong aSber kommt, dem 
Drama sidi nShert, mid was Aristoteles von Homer gesagt 
hat, noch auf andere Meister ihres Faches übertragen werden 
darf. Es wird also wohl kein Zulail sein, dass gerade unter 
den Fragmenten des Arcbilochos mehrere Spuren auf kleine, 
seinen Liedern eingell ( htene Gespräche leiten. ') Aber nicht 
bloss auf die Grösse des poetischen Talents weist der mehr 
oder minder stark ausgeprägte dramatische Charakter einer 
Dichtung hin, sondern auch auf die Jugend, sei es nun des 
Verfassers oder auch seines Volkes. Dass in dieser Richtong 
das dichterische Schaffen durch das Lebensalter des Dichters 
beeinflusst wird, kann jeder erproben, der die Vi^erke des * 
ailemden Goethe mit denen des jungen vergleichen will. Da- 
gegen ist nicht gans so leicht lu erweisen, dass in derselben 
Weise die Dichtong, wenigstens auf epischem Gebiet, auch 
dnich Jugend und Alter ehies gansen Volkes bedingt wird. 
Kodeme Dichter, wie etwa die romantischen Epiker, wie Ariost 
tmd Tasso oder auch aus dem Alterthum Virgil, bei denen 
ja allerdings das dramatisch-dialogische Element auf ein weit 
geringeres Maoss herabgesetzt ist als bei Homer-), darf man 
doch deshalb nicht zu jenem Beweise benutzen, \Neil sich er- 
widern liesse, dass sie auch an poetischem Talent dem alten 
griechischen Epiker nachstehen Wohl aber liefert den ver- 

<i ÜLinicko, AixhikK hü Pario quid in üraccis lUtuns Sit trlbueaduiu 
.Ualli»ciiU biss. 1877], 21. 

8} Charakteristisch ist, wenn man sich tthnlicher Vorgänge bei 
Homer erinnert, daias Camoens im ersten Gesang der tusladen in seiner 
Sehiidentng des GotterconcUa nur Juppiter und Mars selbstredend ein* 
führt, über den Inhalt der Reden des Bacchus and dar Venus dagegen 
bibia h^TK-htet. 

3 Auf der and<Ton Seite darf man jedoch auch nicht daraus, dass 
in üoethc s HerrnniiTi und Dorothea oder Vo!»*;ens I.iitsp die Menschen 
von einer hornensthen Kcdselipkeit sind, den uiiipt'krhilen Schluss ziehen, 
dasü also • darulier, ob in einem Epos der dranialischc Charakter mehr 



. kj ' y Cüogle 



44 



I. Wesen uad Unprang. 



langten Beweis ein Blick auf das germanische Epos. Niemand 
wird behaupten wollen^ dass die poetische Kraft, welche die 
Nibelongeii und Gudrun hervorgdmdil hat, geringer war als 
die, welche aus dem Hildebrandslied and den alten Liedern 
der Edda uns entgegentritt: trotsdem sind an dramatischer 
Gewalt diese Repräsentanten einer froheren Stufe des Epos 
jenen späteren Gedichten entschieden fiberlegen, da in ihnen 
die Erzählung gegen den Dialog nicht bloss surQcklritt, son- 
dern gelegentlich so gut wie ganz verschwinde! Hiernach 
scheint auf der frühesten Stul'e des Epos Rede und Gegen- 
rede roin draraatisch mit einander gewechselt zu haben. Dies 
wird uns })estätigt durch das indische und irische Epos der 
ältesten Zeit, in dem nur die Dialoge in Verse gebracht 
wurden, die tiberleitenden erzählenden Worte dagegen in 
Prosa waren und deshalb für die lieurtheilung des Gedichtes 
eigentlich nicht in Betracht kommen. £& ist ja auch nur 
natürlich, dass ein jugendlicheres Alter an dramatischer Dar- 
stellung seine Freude hat. Leidenschaftliche Jugend liebt es, 
aus sich heraussugehen, lebt in der Aussenw^t und gefölU 
sich deshalb auch in Verkleidungen. Dahingegen das Alter 
sidi in sidi selbst susanuneniiehV alles Aeussere in Besiehung 
sum eigenen Ich setst und diese Besiehong auch in der Vor- 
tragsweise sum Ausdruck bringt, die diejenige der ruhigen 
gleiohmSssigen ErsShlung und Belehrung zu sein pilegt. Den 
Unterschied, der in Folge dessen swischen der homerisdien 
und der späteren Epik stattfindet, erkennt man bei schärferer 
ßetracliluiii^ schon innerhail» der homerischen Poesie. Das hat 
im Wesentlichen schon der neben Aristoteles geistreichste 
Kunstkritiker des Alterthums, der unbekannte Verfasser der 
Schrift vom Erhabenen, bemerkt, wenn er fS. 22. 25 ff. ed. Jahn) 
den dramatisch leidenschaftlichen Charakter der Ilias gegenüber 
der die Odyssee beherrschenden Lust am FabuUren (to 91X0- 
l*udov) hervorhebt und diesen Wechsel des* Tones aus dem 



oder minder hcrvortntl. die frühere oder späten' i^t^iip- ri irit', der es an- 
gehört, nicht das geringste pntncheidet: denn Lei üoethe sowohl Jils lici 
Voss beruht die Achiilichkuil luil Humer auf bewusster iNacluüiuiuug. 
Dasselbe Hesse sich, wenn man sich auf sie berufen sollte, auch gegen 
ApoUonios von Rhodos und seine ArgonauUca geltend macbeai 



Dialog in Epos uid Lyrik. 



15 



verschiedenen Alter des Dichters ableitet Man muss aber 
hiniufQgen, dass auch in der Kraft und Lebendigkeit des Dia- 
logs das Sltm Gedicht dem jiUigeren überlegen ist: dies be- 
weisen, um nur Beispiele zu geben, die Lieder, die uns 
Hektors Abschied von Andromacbe, die Gesandtschaft der 
grieehischen Helden zum Achill und Priamos* Aufenthalt bei 
demselben sofalldem, vor allem aber die SIreitscene zwischen 
Achill und Agamenmon im ersten Buche, der sich an packender 
dramatisch-dialogischer Gewalt aus der ganien Odyssee niciits 
an die Seite setzen Ifisst. 

Wie stark aber auch der dramatische Geist schon im 
ältesten E{k»s seine Flügel vc^^i, so hat er sich doch von diesem 
Boden aus, wenigstens bei den Griechen niemals voilkommeD 
frei aufgeschwungen. Was iLu hieran hinderte, war die bei 
alleiu Wechsel der hervortretenden Gestalten sich gleich- 
bleibende Persönlichkeit des epischen Sängers, gewisser- 
maassen des einen Schauspielers, der alle Roürn agirte: 
tlenn von diesem gemeinsamen Grunde mochten sich die 
Figuren der Dichtung noch so sehr abheben, so konnten sie 
sich doch nie gänzlich von ihm lösen und diejenige Selbst- 
ständigkeit des Daseins erlangen, die den Gestalten des ent- 
wickelten Dramas zukommt. Diese Schranke, die sich der 
Entfaltung des dem Epos eingesenkten dramatischen Reimes 
entgegenstellte, fiel in der Lyrik, insoweit sie Ghorlyrik ist, 
weg, da hier der Vortrag nicht Sache eines Einzigen, sondern 
Mehrerer ist. Daher ist nur hier das keimende Drama wirk- 
lich ausgebildet worden. Aber auch hier nicht an versdiiedenen 
Orten, sondern ans einem und demselben Baume, den Uedem, 
die in Lust und Schmers aus Anlass des dionysischen Gultus 
gesungen wurden, sind die beiden Zweige des Dramas, zuerst 
die Tragödie und dann die Komödie hervorgewadisen. Nichts- 



^jseto; uro^ip&fj-ivrj; ifir^ i&iöv dativ ev ffjp^ tö «piXöjx'JÖov. S. 23, 10: 

4) Anders m j dies bei den Indern gewesen sein. Vgl. E. Wiodisch, 
Der griechische Einlluss im indischen Drama S. 5 ff. (Separafaibdruck 
aus <ka Abbaadlungea des Berliner OrientaUsten-Koagresses). 



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16 



I Wo8eu und Ursprung. 



destoweniger war auch hier der Same des Dramatischen weiter 

verstreut und hat noch anderwärts zu treiben begonnen. Das 
zeigen zunächst die üymenäen der Sappho: denn was in der 
Geschiebte des Dithyrambus ein Symptom des hervorbrechen- 
den Dramas gewesen ist, das linden wir auch hier, d. h. wie 
in den Dithyramben ein Einzelner sich vom Chor sonderte 
(oi ^^ap/ovres t6v Bt&upa{ißov Aristot. Poet. c. 4. p, 1449 *44) 
und ihm redend und agirend gegenübertrat oder wohl auch, 
wenn wir von den späteren tragischen Chören zurückschliessen 
dürfen, die Masse des Chores selber sich in kleinere GhUre 
schied, also Oberhaupt die Gesänge des Chors sich nicht 
bloss an das Publikum richteten sondern ihren nichsten 
Widerhall bei einem Mitspielenden ftnden, so wenden sich 
auch in den Hochieitsliedem der lesbisdien Dichterin die 
Chöre der Jttngluige und der Mädchen gegen einander, indem 
sie wettdfemd f um Gesänge sieii herausfordern und einander 
antworten'). Ein ähnlicher Streit der Chöre tritt uns hi dem 
Drei-Chor (tpr/o^yiot entgegen, in dem Greise, Maimer und 
Knaben je einen Chor für sich bildeten und jedes Alter den 
anderen gegenüber sich des eigenen Werthes rtlhmte^\ Dieser 
Wettgesang, »ien eine Nachricht auf Tyrtaios zurück! ulirf, war 
in Sparta von Alters her (iblich. in Sparta aber fand, wie 
es scheint, auch sonst was sich den Dramen näherte eine 
gute Aufnahme. So suchten wenigstens Einige hier die Heimath 
der Wechselgesänge, mit denen Hirten und Bauern einander 
neckten 3), und bekannt ist, dass dieselbe Stadt für einen Ur- 
siti niedriger Komik galt^). Wenn daher der Lyder Alkman 
seine Mädchenlieder (icapOlveta} zum Thdl in die Form von 

4) Wann Fr. i99 Bergk, ein Gespräch zwischen der Bnrat und der 

Jungfräulichkeit (r.apHVia), den Ilymenüen der SappIlO ai^^ehürt. so ist es 
ein Zeichen mehr, dass (gerade diese Dichtungen zu einer dramatisiren- 

den Darstellunpswpisp neigten. 

2) Cannina Popuiaria ed. Berjik Fr. 18 (P. L. III, S. 13033 . 

vjjns. Mit diesen Worten, denen sie eine Legende über den Ursprung 
dieser Dichtung anreiht, beginnt die Abhandlung Hcpl xou IloS ««tt IlAc 
«6pi6i) td ßooxoXixi hei Theocritus, Bio et Moschus ex rec Hein. S. 4. 
Weldcer, Kl. Sehr. I, 404. 

Vi Ucher die oetxTjXixral s. Sosibios bei Athen. XIV, 691 Df. Lorenz, 
Leben u. Schriften des Koers Epicbarmos S. 21 f. 



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Sttnger^treit 



47 



GesprächeD, iei es swisohen dem Dichter und den SSngerinneii 
oder dieser unter einander, brachte*), so meiot man hierin 
das Wehen der Lull su spüren, die der Dichter in Sparta 
einaChmete. 

Aber wie frei auch in diesem lyrischen Dialog die Per- 
sonen heraustreten, su denen die wechselnden Empfindungen 
des Dichters sich verkSipert haben — so ft-ei, dass sie selber 
vortragen was sie su sagen haben und hierin von dem Dichter 
unabhängiger sind als die Gestalten des Epos — durch Ehi 
Band bleiben sie doch immer noch an ihn geknüpft, durch 
die Worte, die sie singen und die sie nicht selber hnden, 
sondern die er ihnen einflösst. Die Frage liegt nahe, ob nicht 
hin mul wieder auch dieses Band zerrissen wurde und das 
poetische Gesprach, nicht ü:ebunden an einen vorgeschriebenen 
T^\t oder auch nur eingeengt durch einen vorbedachten Plan, 
so trei dahinfloss wie dasjenige der Wirklichkeit, getrieben 
lediglich von den momentanen Eingebungen der Betheiligten. 
Dass das antike Drama aus Improvisationen hervorgegangen 
ist, wäre an sich vorauszusetzen und ist ausserdem aus der 
Nachricht des Aristoteles (Poet. c. 4 p. 4449* 40) bekannt. 
Trotsdem möchte ich diese Thatsache nicht benutsen, um jene 
Fknge SU bejahen: denn wir sind weder Ober die Art noch 
aber das H aass dieser Improvisation genauer unterridttet, und 
wissen insbesondere nicht, ob sie bloss den Vortrag von Ue- 
dem betraf oder sich auch des Dialogs bemflchtigt hat Sehen 
wir darum hiervon ab, so bleibt uns immer nodi ein Beispiel 
einer solchen Improvisation in dem »Wettstreit Hesiods und 
Romers« f HoioSou xal ' OiArJpou a-^m). Zwar ein eigentliches 
Gespräch ist es nicht, was hier von den beiden poetisclien 
Antipoden des epischen Zt italters der Griechen improvisirt 
wird; wohl aber das Surrogat eines solehen, indem bald der 
eine Dichter einen Vers singt, zu dem der andere einen ent- 



4; In B«zug uuf das uiufangreiche FragmciU eines solchen Mädchen- 
Iwdes sind beide Ansichten geäussert worden, die erste von Bergk, P. L. 
G. III', S. S34 (sa vs. I5)| die zweite von Blass, Herrn. XIII, S. SO f. 

S) Denn so ktfnnte man dieses MüdchenUed nennen, wie Köchly, 
Akad. Vortr. I, ff,, die HyoienSea der Seppho als lyrische Dramen 
bezeidbBet hat. 

flirstl, Dialoff. S 



48 



I. Wesen and ürapning. 



sprechenden fiigt*), bald in poetischer Form eine Frage stellt, 
die auf dieselbe Weise beantwortet w 'wd. Obgleich nun die 
Darstellung dieses Wettstreits einer späten Zeit angehört, so 
ist doch nicht anzunehmen, dass der Rhelor Alkidamas, auf 
den sie schliesslich zurückzugehen scheint und der ein Zeit- 
genosse des Isokrates war, sie lediglich erdichtet habe. Mag 
dieser Schiller des Gorgias bei der Ausführung des fiinselnen 
aoch so frei verfahren sein und insbesondere in Homer eine 
Art Typus Gorgianischer Beredsamkeit hingestellt haben die 
Thatsaidie eines SSngerkrieges in Oialkis war ihm doch sehon 
durch alte Ueberlieferung (Hesiod W. u. T. 654 ffl) gegeben. 
Und dass auch die Formen, in denen sich derselbe bewegt, 
nicht erst der Zeit des Bhetors angehören und von diesem in 
eine entfernte Vergangenheit übertragen wurden, darf man 
daraus schliessen, dass auf ihnli«^e Weise die BivalitSt der 
Poeten sich auch sonst Luft gemacht hat*). Wenn Hesiod 
seinem Kunstgenossen schwierige Fragen vorlegt, die dieser 
aus dem Stegreif beantworten soll, so ist dies eine Art. die 
Geschicklichkeit und den Witai zu prüfen, die an den in Si- 
cilien (Llolm, Gesch. Siciliens II 307) wie in Deutschland 
(Wackemagel, Gesch. der deutschen Literatur S. 257; Wein- 
hold, Die deutschen Frauen 129 ff.) alteinheimischen Räthsel- 
wettsLreit erinnert^); und insofern überhaupt aufgegthene 
Fragen poetisch discutirt werden, kann auch die Tcnzonc der 
Frovenzalen und Franzosen verglichen werden. In ganz an- 
derer Weise als heutzutage war in alter Zeit das Leben der 



i) Hierin hat in neuerer Zeit Wilainowilx, »Homerische Unter* 
•ttchuogen« S. 26S das Wesen der vidbesiiroölMnen I^nopoX^ and dvr«- 

ic6((h:i; erblickt. 

S; Nictzclu', Uli. M. i5. S3<j. 

S) Auch an Uen R itlisel-WeUstreil tuil Mopsos, der Kalchas das 
Leben kostete und vuii dein sclion ein Ucüiodisches Gedicht (Kinkel, Fr. 
I77J ZU erzählen wusste, darf hier erinnert werden. 

4) Besonders gilt dies von der Au^gahe, die Hesiod dem Homer in 
folgenden Versen stellt: 

Tojv ujv fjiT)5ev 't^'oe, V «D-Xr,; fxvf,<Tctt dot^-f^c- 
Der deubclie Halhsel-WetUilreil hat mit dem griemlii'n! hen (S. vor. .\ninrkg.) 
auch das gemein, dass sein Ausgang gelegentlich der Tod des Üater- 
liegenden war. Weinhold, Die deutsch. Frauen 11 >, 4 30. 



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SSogAr^tralt. 



19 



Poeten ein Kampf. Während heutzutage der Regel ^nach ein 
Jeder nnbekümmerl um den Andern seines Weges zu gehen 
fldieinty d. Ii. den Boden der Diehtimg nicht sum Schauplate 
einer offsnen Polemik madit') und der Kampf vielmehr in 
ider Gesindestnbe der Uteratnn von den Besensenten gefllhrt 
wird, traten damals die Poeten selber auf den Plan, und zwar 
nicbt bloss, indem sie im Hinblick auf ausgesetzte Preise Einer 
es dem Andern savorzuthun saehten, sondern auch, indem 
sie persdnlidi mid direkt sich gegenseitig angriffen. Beispiele 
hierfür liefert besonders die idtattisdie Komödie, aber auch 
die Tragödie, die ihrer ganzen Beschaffenheit nach ein solches 
Einmischen subjektiver Beziehungen am Wenigsten zu ver- 
tragen scheint, und bekannt sind auch die poetischen Gift- 
pfeile, die Pindar seinen lyrischen Kunstgenossen zusandte. 
Doch tritt in diesen FSUen die Aehniichkeit mit den dia- 
logischen Streitgedichten des Mittelalters, in denen ein- und 
dieseibe Frage in entgegengesetztem Sinne erorterl und l)e- 
antwortet wurde, nicht so sehr hervor als in andorcn, der 
älteren Zeit angehörigen. So hatte Siuuuiidrs \ on" Kvos sich 
in einem Ltede (fr. 5 Bergk) gegen einen Ausspruch des 
Pittakos gewandt; Sappho, als sie auf die poetische Liebcs- 
werbvng des Alkaios (fr. 55) erwiderte (fr. 28), an dessen 
eigene Worte kritisirend angelcnfipfl^]- und namentlich Solon 
den Wunsch des Mimnermos (fr. 6), hn sechsigsten labre zu 
sterben, dahin corrigirt, dass er statt dessen das achtzigste 
setate (fr. SO). DOrltig wie diese Sporen sind, so verräth 
flieh doch in ihnen eine Neigung, die schon frOb zu solchen 
WettkBmpfen flihren konnte, wie sie nach Alkidamas* Erzih- 
lang zwischen Homer und Hesiod Statt fanden. Es ist daher 
wahrscheinUcfa, dass seine Angaben nicht bloss das zu seiner 
Zeit Uebtiche wiederholen oder gar aus der Luft gegriffen 
sind, sondenn dass sie fa der Beobachtung einer alten Sitte 
ihren Grund haben. Aber was haben derartige Sängerstreite 



4) Die berühmte und lehtfne Temone zwischen Uhland und Rttckert 
ist veraiaielt geblieben und iiat keiiie Nachfnlge gefunden. Vgl. daiu 
die Bemeri^nng von Weiniiold, Die dentachen Frauen II, 4S4*« 

5) Ein spKterer Grammatiker bei Gramer, Anecd. Par. I. 266, 2S 
(Bergk zu fr. 28' h;it hirmus oinon Dialn-^ zwisrh'^n einem Liebhaber 
und seiner Geliebteu confuDdirt, den äappho tsedichU^i habe. 

!♦ 



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20 



1. Wesen und Dr^rung. 



mit dem Drama zu tbun? Mehr als es auf den ersten An- 
blick scheint: denn da aus dora R&ihselwettstrelt das erste 
deutsche Drama erwachsen ist (Wackernagel. Gesch. d. deutsch. 
Literat. S. 302 ff.) und die französische Manier der Tenxonen 
(insbesondere des jeu parti] die Dramen CSalderon^s, ja sogar 
ein Drama Shakespeare's (Love's Labours lost) erlUilt, so 
seheint swischen dieser Art von Dichtungen und dem Drama 
doch eine Verwandtschaft zu bestehen und das SSuseln jener 
kleinen poetischen Geister auch in der filteren griechischen 
Zeit nur das Nahen des grösseren, gewaltiger stfirmenden zu 
verkQnden. Zum Dialog haben dieselben noch eine besondere 
Besiehung. Der Reis und die Schwierigkeit des Rfithsels be- 
ruht auf dem Doppelsinn sei es einselner Worte oder ganier 
Schilderungen, also auf derselben Sache, von der auch das 
Geh'ngen der unter dem Namen Gristik vereinigton Bestrebun- 
gen abhc'ingt: und auch das Ziel beider ist, wenigstens wenn 
wir uns den Ilälhseldichter im WeüslreiL mit anderen denken, 
dasselbe, da in diesem l alle das Riithsel nicht aufgegeben 
wird, danlit der Andere die Lösung finde, sondern damit er 
sich vergeblich um sie l)eintjhe, wie ja auch die Fragen des 
l«!rislikers nur bestimmt sind einen Andern in Verlegenheit 
zu setzen. Dns Eine wie das Andere ist lüristik, nur ent- 
sprechend der Verschiedenheit der Zeiten in verschiedene 
Formen gefasst, und man darf in den Bäthsclwettstreiten der 
alten Zeiten eins der frühesten Symptome der späteren, eigent- 
lich sogenannten Gristik erblicken Damit ist aber die 
Brücke zwischen Räthseiwettstreit und Dialog geschlagen, da 
für den letzteren die grosse Bedeutung der Gristik, einer 
Schwester der Dialektik, ausser allem Zweifel steht. 
Sidlian, Byi- Dass wirklich, wie wir vermuthet haben, die WettkSmpfe 
sollrol!^ der alten Sänger dem späteren Drama und Dialog nicht gans 
fremdf dass sie vielmehr rohe Improvisirte Versuche desselben 
Geistes sind, der in jenen beiden Literaturgattungen sur Reife 
gekommen ist, findet sich auch in der Erfahrung bestätigt. 
So ist die Komödie aus den jambischen Spotlliedem hervor- 
gegangen, diese letsteren aber haben sich aller Wahrschein- 



4) Wie dies Wiiickeliiiaiiii, Prolegp. ad Plafoiiis Euthyd. p. XXI, und 
Seil neide wiu, de Laso llermion. p. 18 sq., gethau haben. 



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Dialog in $iciliea> 



tichkeil nach uicbt bloss gegen das Fubliicum oder gegen Ab- 
wesende gerichtet, sondern sind, wenigstens theilweise, Necke- 
reien der Sftoger unter einander gewesen. >) Vorzflgüch aber 
tritt uns dieser Zusammenhang in Sicilien entgegen. Hier, 
wo, wie es scheint, seit alters die Sfingerwcttstreite, wie wir 
sie jetst noch im Spiegel der späteren BukoUk und der heu- 
tigen Volksfeste schauen, in besonderer BlQthe standen (Holm, 
Gesell. SicU. II, 305 ff.), hat auch das Gesprftcli lum ersten 
Mal literarische Selbständigkeit erlangt und insofern der 
dramatisch -dialogische Geist seinen frühesten Triumph ge- 
feiert. Die StStte, an der dies geschah, war Syrakus. Diese 
Stadt, die mit Athen bis auf den Tod gekfimpft hat, zeigt doch 
mit ihm als politisches und geistiges Gentrum der Insel wie 
durch die Geschichte und die Sinnesart ihrer Bewohner eine 
so hervorstechende, tum Theil schon von den Alten bemerkte 
(Thukyd. VIII, IMi) Aehnltchkelt, dass man beide Schwestern 
nennen küunte. Diese Beobachtung bewährt sich auch in der 
Literaturgeschichte. Hier ist für Aliicn nichts so cLaiakle- 
ristisch nls dass es das Drama und den Dialog ausgebildet 
hat; diese 8ell)en Lileraturfuruieü aber sind auch in Syrakus 
und zwar in dersellien Reihenfolge, erst (ias Dranm und dann 
der Dialog, hervorj^etreten und sind es wesentlidi. aul" denen 
die Bedeutung dieser Stadt fiir die I'^ntwickeliiiiL; der griechi- 
schen Dichtung beruht. Kaun sich nun auch in dieser Uich- 
tung die sicilische Schwester mit der attischen an Begabung 
nicht messen, so bat sie doch auf die Priorität einen An- 
spruch, der sich ihr nicht streitig machen lässt. Zu einer Zeit, 
da in Athen die Tragödie zwar unter Phrynichos' und Aischylos' 
Binden schon in glänzendem Aufschwünge, a])or doch noch 
wesentlidi lyrischer Natur war und deshalb der Dialog gegen- 
über den Chören noch surdckstehen musste, da vollends die 
KomOdie noch den Charakter des jambischen Liedes trug 
(Aristot. Poet. c. 4, p.U49^ 5 ff.), hatte in Syrakus das Drama 

S) Das liisst sich einmal aus dem Aundruck des Aristoteles schlios- 
»en — deSB das it^f^t^, in dem er den Keim der Komödir findet, bc- 
Irachtcl er nls ein pc^'cnseilifies "'An-i'.W' 'i>> r)'ij; Poet. c. 4, p. 1118 2, 
32, _ sodann aber wird es dun h dio Analoj^i«- dt r Df^meterfcstc wahr- 
«rheinlifh. W\ denen Chore von Weibera sich gegenseilig verbohuteu 
HerodoU V , »a. Mommsen, Ucortul. S. 497;. 



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I. Weiea und i'npraiiK. 



sich bereits auf eigene Füsse gestellt, indem es den IHtlog, 
dieses Kennzeichen des echten Dramas, in den Vordergnmd 
schob und ihm selbständige Bedetttong und Leben verlieh. 
Der Rnhm, der sieh an diesen entsoheidettden Schritt knOpf^ 
gebührt nach unserer Ueberliefenmg dem Koer Ep icharm. >) 
Im sicilischen Megpra gross geworden, hat derselbe, wie es 
scheint, dem alten Possenspiel seiner Heiiaiat neuen Glans Ter- 
liehen, sowohl, indem er es hnnstmissiger gestaltete, als auch 
dadurch, dass er es naeh Syrakus Terpflansle und hier am 
Fttrstenhofe Gelons und Hierons einem gi^sseren und gebil- 
deteren Kreise von Hellenen vor Augen stellte. In diesen 
KomSdien des sicilischen IKchters kann aber, wenn die ihn 
betreffende, Uber den Chor gSnzlich schweigende Ueberh'efe- 
rung uns nicht täuscht, der letztere nicht in dem Maasse her- 
vorgelreton sein, wie dies in der älteren Tragödie und mm 
Theil in der allattischen Kniu idie der Fall war, und uiag leicht 
nur da, wo der Gegenstand ihn forderte oder eine Würze 
durch Gesang und Tanz nöthig schien, Verwendung gefunden 
haben. 2) Desto freieren Spielraum hatte der Dialog sich zu 
entwickelo. So erklart es sich, dass wir denselben bei Epi- 
charm bereits auf einer Stufe finden, die er in der Kntwicke- 
lung der Tragödie erst mit Sophokles erreicht hat: denn was 
uns bei Aischylos noch nicht, bei dem jüngeren Dichter aber 
öfter begegnet, dass die Personen im Eifer der Unterredung 
eine der anderen nicht einmal einen vollen Vers gönnt, sondern 
dass sie sich darum gewissermassen reissen und jede schliess- 
lich nur einen Theil behSlt, dieses Mitlei — die sogenannten 
avttXapflU') — , das so sehr dasu dienl die Lebend^|Leit des 
GesprSchs sn erhohen, hatte der alte sioilische Dichter sieh 
bereits su Nutie gemacht. Das lehren 1^. 4(y und II bei Lorens. 
Ja, wenn man sieht, wie hier der eine der beiden Unterredner 
durch den Andern vermittelst einer Katechese und an der 



4} Vielleicht dass neben ihm auch als sein Vorgänger Aristoxenos 
von SeUniuit vod als sein Zeit- und KuDstfpsDosse Phonnis in Betracht 
kommen würden: aber das wissen wir nicht. 

i) Lorens, Leben und Schriften des Koers Bpicharmos S. 89 f. Man 
ilnrf dies um so weniger unwahrscheinlich finden, als hekanntlich selbst 
die nltnttisclie Kominlie %\rh oft ^«'nn'' ohne Chörlieder behelfen musste. 

3; Schneidewia zu Soph. El. iiiO. 



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Epichann und Sophron. 23 



Uaod aUgemeiner Begriffe und philosophischer Theorien von 
seiner bisherigen Meinung bekehrt wird, so darf man in diesem 
Verfahren ein Vorspiel, wenn auch nur en miniature, des 
sokratischen Dinlogs erblicken*). Was diese Munterkeit des 
Gespriohs beftnfii, so mögen hierin den Komödien Epicharms 
die Mimen seines jUngeren Zeitgenossen Sopliron') gleicfa- 
gefftanden haben. In anderer Beiiehnng waren diese ihnen 
nodi ▼ornns. Man mSdite sagen: der mittlerweile Tolliogene 
Umschwung der polilisohen YerhSItnisse spiegele sich in ihnen ; 
der freie Geist, der dranssen im Leben das Jooh der Tyrannis 
abschüttelte und die Demokratie in Syrakus begrOndete, scheine 
anch in der Welt der Dichtung sich au regen und Sophron ge- 
trieben lu haben, dass er die ihythmisohen Formen der poeti- 
schen Rede, wo nicht gans abwarf, so doch lockerte*). Seine 



Ii Besonders der Aofang voa fr. 44 ist in dieser Hinsicht charaic- 

teristisch : 

A. 'Ap' loTtv ay?.T,a!c ri ?:paY[Jn^; B. Ilavy {ajv wv. 

A, K<u, t( V nxiktfii ^ xU c^iv toi hofuX\ 

"Avipoiffoe; o4 ^dp; B, Ildw (drv &v. 06% Sovel 
Obtftc ix<r» [rot] xal utpl t^bfodou ; «tX. 
0iO erschöpfende Gründlichkeit , mit der hier zu Anfong die Frage ge- 
slellt wird, ob ei? überhaupt et^sas gebe, das man Flölenspicl nenne, 
erinrtfM t an die Weise des Sokrates, der z. B. im Phaidon p. Ci C zu 
B« -inii ('iner Erörterung frügt ^yo"K>*^'* OdvotTov cmi; und 430 C 

btp{jLOv XI xaXtU xal '}/'rfjf(tH\ — Leber die Echtheit dieser Fragmente 
hnndit Jetit wohl nichts mehr gesagt su werden. Vgl. iMBondofS J. Ber- 
nays Ah. M. issa, S. SS5 f. (Ges. Abh. 1, 144). Lorens, Leben und Scbriften 
dos ICoers Bpicharmos s. ii9. 

a] Neben Ihm wird als Verfasser von Mimen noch Xenarchos genannt. 

8) Dass in seiner Rede Rhythmus und Gliederung das Surrogat der 
poetischen Form war, bemerl^t der SchoHast zum (irrfior von Na^ianz 
(othoc (Sophron] {jl6vo; t&v rottjr&v [»ui}(Aotc xiat xai xaiÄot( ijyrijooTo itotr^- 
xtxi^c dvoXofitK xaTa^poW]oa; BibUotheoo Coisliniono p. 4tO iMi Hdti, Les 
mlmos de Sophron S. 71, 4)- Um nur eine Vorstolinng von solcher poe- 
tischen Pros« su geben, iisnii mon auf Gessner's Idyllen (Helte a. e. O. 
7S) verweisen, sodenn anf die Prosa-Ipldgenie Goethe s und Ilölderlin's 
Hyperion oder, was hier, wo von Dialogen die Rede ist, noch naher 
lie^t, auf das mit(<'lho 'hdeutsche Streitgespräch »Der Ackermann aus 
Böhmen« (s. hierüber kmesiiieck in Bibliothek der millt liiochdeulsclien 
Literatur in Böhmen H, S. 84. Vgl. noch Wackernanel, (iesch. der deut- 
schen Literatur S. a47 f.) ^ lauter Werke, in denen, sei es In Folge des 



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84 



1. Wesen und Ursprung. 



Mimen waren in Prosa verfasst und eben deshalb besser als 
Epioharm's Komödien im Stande das Gespräch der Wirklich- 
keit treu wiederzugeben. Diese Sophroti sehen Mimen, kleine 
vermittelst des Gesprächs ausgeführte Bilder aus dem l ohen 
der Menschen und Heroen^), von deren Weise uns Theokrit's 
Adoniasusen noch am ersten eine Vorstellung geben tu kOnnen 
scheinen^), sind eins der grSssten Wunder, das die wunder- 
reiche Insel Sioilien hervorgebracht hat. Weder aus der frOlieren 



poetischen Inhalts oder der poetischen Stimmung des Verfassers, die 
Prosa sich uinvillkiuiich zu Versen ordnet. Wie hier die halhpoetische, 
bH!l>prosaische Uede nur der Ausdruck für die Zw itl<'t -Natur lies Werkes 
selber ist, so kann die gleiclic i-Ir-^cjKMinin^ nii< Ii fui ^anre Zeiten cha- 
rakteristisch sein, in deueu sich ein lebcrgang von der I^uesie zur l'rusii 
vollzieht. Das gilt von der Reimprosa des deutschen Mittelalters t^Wacker- 
nagel, Gesch. der deutsch. Literatur S. S4}. Dassellie darf man aber auch 
von Sophroo und noch mehr von seinem jüngeren Zeitgenossen und 
sicilisclien Landsinann Gorgias sagen. Beide lebten zwar nicht im Be- 
ginn der griechischen l^rusa überhaupt, wohl aber noch in den .^nDtnKen 
df'sjf'niu'cn Zcitniunis, in deni die prosnisciien Leistungen das lebcr- 
f^ewichl über die poetischeji hjiücn uiwl dfii wir deshalb den kbissischm 
der griechiscbeu Prosa nennen kunuen, und inusslcn deshalb mit dem 
Geschmadc eines Publikoms rechnen, das gewohnt war seine Gedanken 
und Empfindungen in poetischer Form ausgedrückt su finden. So sehr 
daher im Uebrigen die überschwttngliche gesuchte Sprache des Rhelors 
von der schlichten volksthündichen des Mimendichlcrs abwich, in Bezug 
auf die poetische Würze, die beiden lu-igefügt war, tnifcn >ic doch wie- 
der /usanmicn: so dass nicht minder als in Sophron's Mimen d;is sirImmi 
nacli Rhythmus und strenger Tdiederung der Sülze sich auch in (iorgius 
Reden gellend macht, wie dies insbesondere, wenn auch in karikirender 
Weise, Piaton Im Symposion durch Agatbon's Rede gezeigt hat, und 
ebenso die GlelchUttnge und Assonanzen alter Art, mit denen Goi^ias' 
Reden Uberladen waren (Blass, Attische Bereds. f, S. S9 ft.), )>ei Sophron 
nicht fehlten (fr. 49 Botzon: -üj^ Ik ■/'j}jtm^xwt «dil xdi^ d^Tjr,eiit(i':ay4. 
iS: xiTÖi yttnhi So-ioa drooo;. 70: TptYXaj |i,iv y^vt,ov, xpi-^i'Ki h' ir.is^'^At 
vgl. noch fr. H. HO: toouvov l;E5ev, y.ujjLtvjv £T:f>i3£v. Hierzu vgl. nach 
BoIzod'ü Vernmthung noch fr. 5i: ^>ivv»jj ÜTjXajxövt, ^a'floi ßajjißpaoove. 
nach Ahrens' und Botzon's Vermutbung fr. 60 f.: Xixvorlpav t&v icopt^u- 
pav, iwrtairuYOTfp'zv t* dX<prjOTav). 

I) Haitz, Lea mimes de Sophron S. 41 f. 

2} Den Versuch Schuster s, Rh. Mus. 89, S. 605 ff., aus Platon's 

(lorgias p. '»92 E IT. einen (j.i|jio; des Sophron zu reconstruiren, halte ich 
für verfehlt, wie ifh dicK srhon früher in den zu Ehren Mommsen's 
hcrausgegebeni-ii Coinnn-iihitiunes philotogac S. 11 IT. ausgesprochen und 
dort nüher bcgrundel habe. 



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Epicbarm und Sophron. 



noch aus der späteren Zeit des AUerthinns lässt sich ihnen 
etwas an die Seite setzen es war ein neuer Weg, der hier 
eingos<*h]agen wurde; die I^oesie hat ihn aber nicht weiter 
verluigt, niemals wieder, wenn wir von Xenarchos absehen, 
ifli die Form des prosaischen Gesprächs zu rein poetischen 
Zwecken ven\'andt worden^), und als Theokiit die Mimen 
Sopbron*8 nachbildete, that er dies in gebundener Rede. Hier 
hat zum ersten Mal innerhalb der Literatur die Form deB pro- 
saischen Gesprficha selbstfindige Bedeutung erlangt. Das ist 
es, worauf die Aebnlichkeit der Mimen mit den sokrattschen 
Dialogen beruht Man darf deshalb wohl beide mit einander 
vergleichen, nuiss sich aber auch des tiefgreifenden, schon 
von Aristoteles angedeuteten ^] Unterscbiedes bewusst bleiben, 
der swischen ihnen besteht und die Mimen der poetischen, 
die Dialoge der wissenschaftlichen Literatur zuweist: denn 
wehrend in den Dialogen uns eine grttndliche, mit des Ge- 
dankens Schwere belastete Erörterung entgegentritt, war es 
in den Mimen allem Anschein nach die leichteste, freiesle Cuu- 
versation. die iiiil den Gegcnsliinden nur spielte, und während 
der Dialotjenschreiber das Gespriich brauchte um zu einer Er- 
kenntniss hinzuleiten, wollte der Mimendiehler dadurch theils 
unterhalten theils zur Charakteristik der nuftretenden Per- 
sonen etwas heitrngen Ileitz S. 35 f.). Was die Mimen von 
den Dialogen trennt, ist dasselbe, was sie den Komödien 
Epicharm's annähert, besonders dann, wenn die letzteren, wie 
Lorenz (Leben u. Sehr, des Koers iipich. S. 171) meint, bei 
geringem Umfange nur wenig Handlung enthielten und nicht 
sowohl Dramen als vielmehr Charakter- und Sittengemälde 
waren Diirfen sie daher auch mit den Dialogen nicht in 

! I.uciau's Götter- und rDtllcn^rspriirhc komiiii'ii iliiri >;iliri>< hon 
loiifli'n/. wt'im'n nicht in Belraclil, uiid i'k« llelareiigespraclit', sie 
sich aucli luil den Mimen vergleichen licsscn, können doc-li mit ein in 
nefarerer Hlosicht sehr ahgeblaBBtes Bild von ihnen geben. 

Das Prosa- Drama ist bekanDtlicb dem Allertham firemd ge- 
blieben. 

8) Poet. e. 1, U^7 9 (T. TztrA rrorr-Äv fr. 6t Hos- 
4 Nücli n«Mlz S. 5* r. L'i'liPn die Mimen in •it'iader Linio tutf 
eharni's Koniodic zurück, aus deren Verfall >if critspruii'/fMi sind. Hii h- 
tiger scheiul es mir, in den Minien etwas in .Syrakus ian^.sl tieiiiii- 
scbes und lebliches zu erblicken. Darauf fulul der Syrakuser und dit> 



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86 



t. Wesen and Dnpraog. 



eine |{( ük sti Iii w orden, so haben sie d eh auf die Aus- 
bildung des im eigentlichen Sinne so genannten Dialogs einen 
entschiedenen Einlluss geübt und nehmen unter den Vorläu- 
fern desselben den ersten Platz ein. An den Komödien £pi- 
chann's und den Mimen Sophron's lernte man zum ersten Mal, 
welcher Wirkungen die Form des Gesprächs in der Dichtung 
Hihig sei. Aber wie anmuthig sich auch in der neuen Form 
die Ongioalität und der weitberttlunte Witz der Sikelioten 
bewegl hatten, es blieb doch mehr nur ein %>iel, ein fir- 
seugntss des Esprit, der gleichseiUgen Bhelorik eines Koraz, 
Tisias und Gorgtas vergleichbar; und wie die sicilianischeD 
Bhetoren durch die attischen Redner in Schatten gestellt 
wurden, so fand sich aadi die geistige Kraft, die im Stande 
war Drama^ sowohl als Dialog su vertiefen und mit reicherem 
Inhalte su erfttUen, erst in Athen. 
Atiita. Wie alle Kunst aus der Improvisation hervoi gegangen ist, 
so setzt auch das kunstvoll gestaltete Gespräch der Literatur 
das iraprovisirte des wirklichen Lebens voraus. Von jeher 
haben natürlich die Menschen das Bedürfniss empfunden, sich 
mit ihresgleichen in Gespräche einzulassen, aber doch nach 
Zeil und Ürl in sehr verschiedenem Maasse. wie auch die Ge- 
wandtheit im Gespräch und die Fähigkeit, ein solches zu 



dio Aufruiitiiiig, dio or in Xi iuiplion s Symposion c. IX \»MiU)slHltel. Sie 
bielt'l meines Erachlens ein lehneiche.s und noch iiiclit genügend aus- 
genutztes bild eines Mimos. Die Personcu desselben, Dionysos und 
Ariadne, bescbrUnkcn sich nicht bloss aof stamine Aktion und Gestiku- 
lation, aondeni reden aiich mit einander (6: «al ^xouov to9 AtwOow» 

fd) jA^ov tht Ai^vuoov dXXd «al to r'ipovT'jic araycdc ot>vo|i4««t xxX.). 
Das pantomimische Element bat sieb dann in der Kaiserzeit zum eigent- 
lirh soj.'onnnnt<»n f'nnfomirno«? verselbständigt, in dem nun Alles durch 
niinnsrlic (IcliiTtli'u «usgiulnickt und mr nirhi mehr eeredet wurde. 
Aber au< h st hon vorher war dieses paiitoniiniiscbe Element im Mjuiüs 
stark genug, um ihn von der gleichseitigen Atellane tu nntertchdden; in 
der nicht die Rede tur Verdeutlichung der GestlkulaUon, sondern um- 
gekehrt die letztere der alles beherrschenden Rede diente. Dieses Ele- 
ment der Rede im Mimos war es, das sich Sophron herausgrifT und 
weiter ausbildele und so den Mimos in die Literatur überlruj: Seine 
.Stellung 7M den volksthiimlichen Mim<»n in Syrakus ist <l!»her wniil eine 
äbnliehe gewesen, wie tlie des l alteiius und Publilius >yrus zu den 
Mimen ihrer Zeit oder die des Poinponius uud Novius zur Aleliane. 



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Dialog In Athen. 



«7 



Itthren, je nach doa Anlagen der verschiedeaea Menschen 
und den Verhältnissen, unter denen sie leben, sehr ungleich 
sind. Wenn die Gespräche zwischen Bauern solcher DGrfer, 
die von der städtischen Gultnr noch nicht berOhrt sind, 
stockend und langwellig sind, so dass sie den Namen von 
GesprSchen kanm verdienen, wenn sie Ihrem Inhalte nach 
sieh auf das Nothwendigste beschrtnken, so sind dagegen die- 
jenigen der GrossstSdIer von einer oft nur su sehr sprudeln- 
den Lebendigkeit und erstrecken sich über das ganse weite 
Gebiet mensdilicher Gedenk«! und Empfindungen: die einen 
geben uns ebenso ein Bild von der Einförmigkeit des Mnd- 
lichen Daseins, die den Menschen in sich selbst surQcktreibt,. 
wie in den anderen die Mannichfaltigkeit der Interessen und 
MenbcheQ sich spiegoll, die das Lehen an den grossen Mittel- 
punkten der Cultur in lieberhaftei Aufregung erhalten. Ein 
Mittelpunkt dieser Art war für den hellenischen Westen längere 
Zeit hindurch Syrakus. Man bedenke, welche Menge von 
Fremden, den verschiedensten grieehischen Stäniinen und 
Städten angebörig, hier zusannnen- und welche Fülle des 
Neuen und Merkwürdigen dadurch auf Sinn und (leist der 
Bewohner einströmen musste, man nehme hinzu die Alle be- 
rührenden politischen Interessen , die sich an die drohende 
Nachbarschaft der Karthager, den jShen Umschwung der Yeiv 
fassung von einer Despotie sur Demokratie, an die Erhebung 
der SIeuler unter Duketios und Anderes mehr knüpften, und 
man wird sugeben, dass dies nicht der Boden war, auf dem 
die einsame Betrachtung gedeihen konnte, dass hier vielmehr 
jeder hinausgelockt wurde um von Anderen su hOren und 
mit ihnen die Allen gemeinsamen Angelegenheiten, die 
schwebenden Fragen aller Art hn Gespräche su erOrtem. Geist- 
reicher und feiner mag dies an Hierons Ffirstenhofe geschehen 
sein, wo Simonides, Bacchylldes, Pindar und Aischylos als 
Güste weilten, freier und vielleicht mit ebenso viel Wits auch 
in den übrigen Schichten des Volkes. Dass aus dieser Um- 
uebußg heraus das Gespräch zum ersten Mal bedeutungsvoll 
und selbständig in die Literatur eintritt, wird man nicht für 
Zufall hallen, sondern darin eine Bestätigung des zu Anlang 
aufgestellten Satzes finden. Die Gespräche, die allerwärts in der 
Luft umherschwirrten, darl man sagen, wurden von Epicharm 



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88 



I. Wesen und Ursprung. 



und Sopbron nur eingefaDgen und für ihre poetischen Zwecke 
bearbeitet und tum Theil veredelt^). 

Aehnliche Verhältnisse, wie wir sie in Syrakus finden, 
wiederholen sich in Athen. Als die mAchtigste in Griechen- 
land nächst Sparta erscheint diese Stadt schon < ur Zeit des 
ionischen Aufstandes (Herodot, V 97) und gepflegt durch die 
Pisistratiden hatte sich ein reiches geistiges Leben entwickelt, 
das schon damals auch durch Anwesenheit firemder Gelebri- 
täten wie Anakreon gewOrxt wurde: schon vor den Perser- 
kriegen konnte es daher in Athen der Redseligkeit semer 
Bewohner nicht an Nahrung fehlen. Was aber Syrakus durch 
•die Sühno des Deiuüiiieiieji, also durch fremde Fürsten, das 
und in viel höherem M;i;isse ist Alhen durch die Krall seines 
eigenen Volkes geworden, die Hauptstadt eines weiten Reiches 
und der Mittelpunkt der luunuichfaltigsten sich kreuzenden, 
politischen wie liternrisihen und künstlerischen. Interessen. 
Das war die Ernte, die es heimtnis aus der giorreiclien Saat 
des Freiheilskampfes, die Inngc nachhaitende Wirkung der 
Noth und Arbeit, die sein Leben und Wesen damals in allen 
Tiefen erschüttert und aufgewühlt halten. Jetzt erst ist Athen 
die Stadt geworden, auf der die Augen aller Hellenen neidisch 
oder bewundernd ruhten, deren grosse Feste nationale Feste 
wnren und die sich rühmen durfte die hohe Schule der Bil- 
dung für gans Griechenland zu sein (Thukyd. II 41,1). Es 
erscheint als der Heerd der damaligen Gultur. Um seine 
Flamme sammeln sich die Gäste von allen Seiten der helle- 
nischen Welt, darunter die hervorragendsten Männer ihrer Zeit. 
Und dieser Verkehr, in den die versduedensten Menschen unter 
einander traten, wird durch keine politischen Schranken ge- 
hemmt, die Redelust kann frei auflodern, ohne durch die 
Rücksicht auf einen übermächtigen Despoten gedämpft su wer- 
den: 80 mussten hier, wo an Nachrichten und Problemen aller 



4) Nur ttm Missverstandoisseo vofEubeugcn, bemerke Ich, dass ich 
nicht etwa die einseinen Mimen des Sophron für die Nachahmung dieses 
oder jenes bestimmten Gespräches der Wirklichkeit halle. Schon der 

L'iustnnd, dass historische Anspichiiif^i'n in den crhuilenon Fragmenten so 
mit wie Iriac sich finden (HeiU S. U), würde sich oiuer soHicn Au- 
nähme enigcgeustellen. 



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Dialog in Athen. 



89 



Art ein unendlicher GesprüchsstofT sich anh^infte, den die leben- 
digste Erörterung (iiglich aufzehrlo und doch immer wieder 
erneut fand, grosse und kleine Geister nach allen Richtungen 
zu gewaltig auf einander platzen und tJigtäglich die anmu- 
thigsten. geistreichsten, belelirendsten Dialoge hervortreten, 
längst ehe dieselben aus dem Leben und der Wirklichkeit in 
die Literatur Eingang fanden^'. Doch war auch in Athen die 
Blüthe des Gesprächs nicht iiborall auf der Gasse zu finden. 
Am Besten w ird dieselbe, wenn nur Geist und Witz zur Hand 
sind, in der Atmosphäre gesellschaftlichen Taktes und auf dem 
Boden einer höheren Bildung gedeihen : daher ist man berech- 
tigt, sie vor Allem in den Häusern der athenischen Grossen 
Stt suchen. Dass diese damals ihre Müsse nicht bloss mit dein 
gewöhnlichen Sport des Adels ausfUUten, sondern ihren Eifer 
auch den Kttnsten und Wissenschaften suwandteUi ist bekannt. 
Auch durch ein Patronat Uber Beide suchten sie lu glSnsen, 
und was man bisher nur an FQrstenhÖfen gefunden hatte, ein 
Zusammenleben erlesener Greister, die von aller Noth des Lebens 
entbunden in freien Verkehr Uber ihre eigensten Interessen 
traten, das wurde durch sie in das demokratische Athen Über- 
tragen. In dieser Hinsiebt hat. sich vor Anderen Kallias, des 
Uipponlkos Sohn, einen Namen gemacht. Aufgewachsen als 
der Sohn des reichsten Mannes in Athen, ausgestattet mit einem 
gesunden und kräftigen Körper, aber auch nicht ohne Anlagen 
ftir Kunst und Wissenschaft^), schien er vom Schicksal zum 
Genussmenschen besliimnt zu sein. Seine sinnliche Natur 
machte sich frühzeitig in Ausschweifungen Luft, während er 



I) Daas der autoschediastischc Dialog dem künstlichen 211 Grunde 
liefl, bemerkt auch Wieland, Attisch. Mus. IV. S, S. 408, inmitten einer 
vortrefflieheD Daratellung der Umstünde, die den Dialog gerade damals 

und in Athen In r\ urgebraciit litiben. 

2; Für das Eine wie das Andere spricht das Interesse, das er an 
beiden nahm. Es war ihm bei der rinstfrcundsrhfifl, die er hervorragen- 
den Verlreleru beider ciwirv,, kciiipsw i-gs mir um den Ruhm zu tliim. 
den die Btikaontschafl mit benihniteu Mannern gewahren Ivann: vielmehr 
verrith aidi ein wenigstoM dUettantiachea Stral>ea darin, daas er dte 
Flöte zu spielen gelernt und bei den Sophisten Unterricht genommen 
hatte, welcher letztere Umstand ihm, allerdings nur bei Macrobiiis, das 
Prädikat •doctissimus« eingetragen bat. 



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30 



I. Wesen und Ursprung. 



sein wissenschaftliches Bedflrfniss da befriedigte, wo man es 
in jener Zeit befriedigen konnte, bei den Sophisten. Von den 
verschiedensten Seiten fanden sich diese in seinem Hause ein 
und machten dasselbe zu einem Anziehungspunkt fUr alle 
schönen Geister. Dichter'!. Gelehrte und Staatsmänner ver- 
sammelten Sil Ii lu i ihm. und wie anregend sich der Verkehr 
gestaltete, können noch jetzt die Schilderungen lehren, die 
uns davon durch Piaton im Protagoras und durch Xenophon 
im Symposion erhallen sind. Im Gegensatz zu der gewöhn- 
lichen Auflassung, die sich von dem landläufigen Urtheil Ober 
die Sophisten nicht losmachen kann und unter der Ungunst 
dieser auch deren Gönner und Freund leiden lässt, darf man 
Kaüias mit seinen Tugenden und Fehlern wohl den Mediceem 
vergleichen, um so mehr als er auch am politischen Leben 
seiner Vaterstadt sich betheiligt bat. Und wie in dem Floren- 
tiner Gescblechte der künstlerische und literarisdie Dilettan- 
tismus nicht auf einselne Individuen beacbrSnkt sondern 
gewbsermassen Famflientradition war, so theilte auch Kaüias 
seine Liebhaberei mit seinem Bruder HermogeneSi der schwer^ 
lieh dem engeren Kreise der Sokratiker angehört haben wflrde, 
wenn er nicht an der Erörterung wissenscbaftlidier F^en 
lebhaften AntheÜ genommen hAtte'), Was in Kallias* Hause 
vorging wird im damaligen Athen nicht allein gestanden haben, 
sondern Aehnliches, wenn auch mit weniger Glanz und weniger 
Geräusch, hat sich ohne Zweifel noch andersvärts wiederholt. 
Die Bildung war eben eine Macht geworden, für die der Reiche 
gern hohe Summen zahlte'), die aber auch der Politiker in 
den Kreis seiner Berechnung zog. Das hatt« s« fi( n Kimon, 
der Freund Ions und Polygnots, gethan, in grösserem Maasse 
führte es Perikics durch und, wenn auch die Ueberlieferung 



i) Bei Piaton im Protagoras wird der Junge AgaUion unter den 
Anwesenden erwähnt, sowie Paosanias, den das Alterthum ebenfalls als 
Poeten kannt« {Meinecke, Hlst. crit. com. Graec. S. SSS]; aus Eupolis 
K^Xixe; fr. 164 Kork kennen Wir als einen der Gliste seines Hauses den 
Tragiker Mphiiilhids. 

lliervoit gibl uns i^laloii s kralyiuü iiocli ein Beispiel. 

S) Von Kalliati, dem Sohu des Kalliades, und von einem Py thodoros 
heisst es bei Piaton, Alkib. I, p. 119 ff., dass sie an Zenon jeder f 00 Minen 
gezahlt hatten. 



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Dialog und Erotik, 



34 



schweigt und uns durch keine erhaileiie Schilderimg den Mil- 
genuss gestattet, so k in neu wir tioch ahnen, wie lebendip iiml 
wie ideenreich die (ies[)räche waren, die in der ümL:il)img 
diesi'!^ grossen Staatsmannes uiführt wurden. Die bedt uten- 
sten Männer von den verschiedensten Gebieten der Kunst und 
Wissenschaft dürlen wir uns hieran betheiligt denken. Zum 
Theil jedoch erhielten diese Gespräche, wie überhaupt die 
Gesprftche im damaligeik Atheo, ihre Wttne noch durch ein 
aaderos Flement. 

Die Liebe hat zwar su allen Zeiten die Herzen der lU» Liebe. 
Menflchen regiert. In higherem Maasse jedoch ist dies immer 
dann der Fall gewesen, wenn ttberhaupt der Verkehr der 
Menadien unter einander lebhafter und enger wurde und 
daher nicht bloss die Gelegenheit sum AnknQpfen eroti- 
scher Flden aller Art sich Öfter darbot sondern auch die 
Gesehidcliobkeit hienu wuchs. Solch eine Zeit war damals 
in Athen eingetreten. Daher ist dies die Zeit, da man das 
Wesen des Bros kflsstlerisoh ^) und philosophisch^) su er^ 
fassen suciite, die Zelt, da die 2p«mxot') und die «aiSixol 

I) Dass Eros der eigentlich archaischen Knnst fremd sei, sich erst 
auf rotbfigurigen Vasen und in der Skulptur zuer.'^t bei Phoidias und 
seiner Schule flnde, hiilnMi Furtwängler, Eros in der Vasenmalerei, S. IJfT,, 
und FuL'uer, Eros S. 34 f., Iicnu rkt. Alkihiades. ejn rechtes Kind seiner 
Zeit, fuhrle auf seinem S« hilil eiiu'ii hlit/Hchwingeuden Eros. Plut^rch, 
Alkib. 16. Athen. XII, 5ä4E. In der Tragödie, wie Rohdc, Der griecb. 
Roman, S. SO ff., ansruhrt, verachmlihte noch Alachylos die erotiachen 
Hotlva gfinsiich, während Sopholtles aie bin und wieder, Boripides soi^r 
mit VorlidM verwerthel« und durch die Art, wie er die Liebe ala den 
allgemeinen, die ganze Welt durchdringenden und beherrschenden, auch 
die Dichter begeisternd«*!! Sthcncl). p. 666 N Triol) fasst 'Rci^arke^. Der 
Todesgedanke bei den (irie€heo, S. 20 f.j, der Vorrätiger des platouischcn 
Sokrates wird. 

S) Wie beliebt der Eros als Gesprüchsthcma war, beweisen schon 
das ptaitoniaehe und iMopliontiacbe Symposion, audi wenn üi diesen 
Werten der historischen Grundlage noch so viel Dichtung hinxugefttgt 
Ist. Ausserdem erhellt es daraus, dass der bekannte athenische Staats- 
mann Kritias eine eigene Sdirifl, iccpl (p^seco; fpoixoc, verfssst hatte, vgl. 
Bach, Critiae carminnni quae supprsunt. S. 10!. 

3 Das fruhcslc ?'rodiikl dieser Art uns bekannt wird, ist der 

durch IMntuu im Phaulids erhaltene EroUkos des Lysias. Man brauctit 
nicht gerade den Phaidros, wie neuerdings wieder behauptet worden ist, 
für ein Jagendwerk des Philosophen su halten, um doch wahrscheinlich 



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32 



I. Weien und Ursprung. 



XoYot') in Mode kuuimeD. Die iebenzeugende Gewalt dieses 
Triebes haben aber zu allen Zeiten und mussien auch damaU 
die Gespräche erfahren. Was Diderot, einer der Meister des Dia- 
logs, einmal seiner Freundin schreibt^), dass er durch den Geist 
und die Beredsamkeit seiner Conversation die Bewunderung 
Aller erregt habe und dass ihm dies nur durch den Gedanken 
an sie möglich gewesen sei, das hat Piaton gewissennassen sur 
Theorie erhoben, wenn er uns die Gesprächskunst seines 
Lehrers als eine Art von Erotik schildert; und es ist eine 
überall und immer wiederkehrende, am besten freilich an 
den italifiniachen Fttrstenhöfen der Renaissance und den fran- 
zösischen Salons des siebsehnten und achtsehnten Jahrhunderts 



KU Goden, dass der Eratikos des berUbniteii Redoers dessen erster Periode 

IBIuss. Att. Bereds. I, 4<8; uinl somit (lorjeiüi:en Zeil an{j;ehort, die im 
Text geschililorl wird. rt btMdi«'^ \<l aber der Er olikns <ie> I.\ sias krincs- 
wefis diM crsir «»eintM- Art gewesen. Da vielmehr l'haidroh hei Platun 
p. 227C hervorhebt, dass Lysias darin vnn der ^ewohnhchcn Manier solcher 
erotiscbeo Reden abgewichen war, so niu2»sen \^i^ annehmen, dass EroUkoi 
nach der üblichen Schablone scHion vor Lysias mehr als einer eiisUrten. 
Das früheste Werk der Art wUrde nach DÜmmlor, Akademika S. 43 fll, 
der Erotikos des Pausanias, des Freundes AgathoDS, seln< — Auf einen 
Krolikos des Sokratikers Eukleides darf man sieh jetzt niclil mehr berufen, 
seit s< liaiiz (Hermes XVHl, S. 429 ff.) denselben ins Reich der Fabel ver- 
wiesen liat. 

i) Dies sind Lie))esgeschich(en, deren Mittel|)unkl schone knat)cn 
bilden; Breitenbacbs Erklärung zu Xenoph. Ages. 8, 3, dass darunter zu 
verstehen seien »sennones quales ab amanlibus habebantur«, kann Ich 
nicht billigen. Xenopbon erwähnt Ihrer als einer feststehenden Gattung 

von Erzüliiungcn (Heilen. V, 3, 20. Agesil. 8, t) und hat von ihr in 
seinen Werken nicht selten Gebrauch gemacht ;Cyrop. I, 4, 27 IT. Hellen. 
V, 1, 39 f. Hellsni. V, 4, 25 ff. Anab. Vll, 4, 7 ff., vgl. auch HI. 1. t4 
mit 38 f. . Mau darf daher annehmen, da'^s ilire Knl^lchnug schon frulicr 
fallt und sie in einer Zeil aufgekomtiien sirul, die an den sybaritischen 
und äsopischen Reden (Arlstopb. Wesp. 1269; so wie an anderen kleinen 
Geschichten in Prosa (Xenoph. Cyrop. Ii, 2, Ii: Aeitcp fvtot «al h (p&alc 
«od 4v X^tet« oixtpi^ xr»« XoYovowvtfTcc tU Sdupu« neipAvTdt if^vt) ihre 
Freude hatte. Sie sind gewissermassen das prosaische Gegon^tück zu 
dfn rrjr-i/o'. uix o'., Wenn übrigens der Roman aus der erotischen Er- 
zahlniiL: hervorgegaogcu ist, SO waren sie mit unter dessen Vorläufer 
aufzunehmen. 

2 Lettres ü Madcmoiselie Voilatid .W = Oeuvres, par Tourneux, 
XVIII, p. 899. 



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Dialoi; und EroUk. 



33 



zu beobachtende Tiialsache. dass nirgends das Gespräch anniu- 
thiger imd reicher sich eotialtet als wo geistreiche und schone 
Frauen der Mittelpunkt eines geselligen Zirkels sind. Im 
Wesentlichen war es auch in Athen nicht anders, wenogleicb 
die Verschierlenheit der allgemeinen socialen Verhältnisse auch 
iD diesem Puokle gewisse Modifikationen herbeiführen musste. 
Nirgends unter den Griechen , scheint es, lebten Frauen und 
Mftddhen so eingezogen als hier und, cbarakteristisoh genug, 
ist es gerade ein atheniscber Historiker i), der an einer Frau 
es besonders rQbmenswerth findet, wenn von ihr möglichst 
wenig gesprochen werde. Von den attischen Frauen ist daher 
nicht SU erwarten, dass sie auf die Gesprftche in Mäuner- 
gesellschaften einen anregenden Einfluss geflbt hätten; es wird 
uns Überdies mit dttrren Worten gesagt, dass mit Niemand 
der Athener so wenig redete, als mit seiner Frau'). An 
Liebeshöfen fehlte es indessen auch hier nicht; sie wurden 
jedoch durch schöne Knaben und Hetären regiert, in deren 
Gegenwart ^raan durch Geist und Witz mit einander wetteiferte 
und zu den lebendigsten Gesprächen sich angetrieben fühlte. 
Die sokratische Literatur liefert hierfür die Belege^' und, da 
sie uns zeigt wie das reinste Meu.schen-Ideal der Geschichte, 
Sokrates. an diesen Verhältnissen keinen wesentlichen Anstoss 
nimmt, zugleich deren Rechtfertigung. In dieser Weise wurden 
Autolykos und Alkibiades umworben und ähnlich mag im 
Kreise, der sich an Perikles anschloss, die Stellung der Aspasia 
gewesen sein — einer Frau, deren geistige Bedeutung sich am 
besten daraus ermissl^ dass man ihr einen bestimmenden Ein- 



{ Thiikyd. II. 43. i. 

i; Xeiiophon. Oei^oM. Ii. [Mit Xanlhippr lud <'s Sokratns eben- 
falls nicht andcs gehHUiii, wiu aus Plaluns l'haidon, p. 60 A /u si liiiedseii 
ist. Die Extreme beiuiiren sich, und i»u scheinen die Albere, in diesem 
Punkte es nicbl viel besser gonirchl zu haben als die Samojeden, von 
denn Frauen Uchtenberg, \erfn. Schrifieii V, S. 44S (Gtfttingen ISOi), 
enshlt: »Sie dürfen nicht allein nicht am Tisch mit dem Slaone essen, 
sondern er apridit, einige zürtlichc Ahende ausgenommen, nicht ein Mal 
mit ihnen, sondern lässt siol» alles an den Aticen absehen.« 

3,1 Bcispielshalber verweise ich ;mf Plalon. Chartnidcs, p. 154A ff., 
und Xenophon, Mem. IM, 41, i ff., an welclier letzteren iSlelle (ier Besuch 
des Sokrates l>ei der Theodote geschildert wird. 

Hit«*1, Dbl«g. X 



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34 1. Wescu und Ursprung. 

fluss selbst auf die poIiUsche Thätigkeii des grössicn Staats- 
mannes der Zeit zutraute, und die in der bis in den Tod 
getreuen Freundschaft desselben den 1h steu Schild gegen die 
bis auf den heutigen Tag nicht verstummte Nachrede solcher 
besitzt, die auch in der Sonae nur die Flecken sehen, 
lonitr. Aspasia, die aus Milet stammte, gehörte lu den Vielen, die 
in jener Zeit ()r^7u mitwirJLten ionisches Wesen nadi Athen zu 
tragen. Schon früher hatte sich, Dank der überlegenen Gollor 
der Kolonien, der Einfluss desselben geltend gemach^ aber noch 
niemals hatte es sich Ober Attflus Hauptstadt in so mächtigem 
Strome ergossen als damals, da Athen in Wahrheit das geworden 
war, wofttr es der Tradition schon längst g^lt, die Metropole eines 
ionisdien Reichs. In der bunten Fremdenbevölkerung, die 
sich in der neuen Seestadt susammendrängte, mussle das 
ionisdie Element bei weitem überwiegen. Es war nicht bloss 
der ionische Kaufmann, der kam, oder Gesandte ihrer Heimat, 
die eine puliüsche Mission zu erfüllen halloii, sondern auch 
die Vertreter der Kunst und Wissenschaft fanden sich ein, 
und Anaxagoras von Klazomenä, Polygnot und Stesinihrolos 
von Thasos, Ion von Chios und Andere sind nur » in/eloe 
glänzende Namen, die uns aus der grossen Masse bekannt 
werden. Das marathonische Athen bekam in Folge dessen ein 
ganz neues Gesicht* Das Leben wurde reicher und genus»- 
süchtiger, aber auch feiner, und namentlich der gesellige 
Verkehr konnte dadurch nur gewinnen. Noch waren die 
lonier die Träger der Cultur — eine Rolle, die sie allerdings 
im Begriff stsnden an Athen abzugeben — und die ionische 
Redelust, wie sie sich in der Literatur durch das Epos und 
die Geschichtsschreibung ein Denkmal gesetst hat, ist fast zum 
Sprichwort geworden: daher werden wir annehmen dürfen, 
dass in einer Gesellschaft, in die etwas vom ionischem Cha- 
rakter ÜbergegiQg die Gespräche inhaltsvoller und zugleich 



1) Mflo darf A^ohl die Frage uuf\vcrfcn, ob nicht in der gchiidetoti 
GeMllflcliafl Athens, z. B. in dem Kreise, der steh am Anexagoras, Aspasia 
oder die hervorragenden ionisdien Sophisten bildete, auch von Athenern 
ionisch gesprocheo wurde. Denn eine Umgangssprache, wte wir das 
Hochdeutsche, müssen doch auch die Griechen der tflteren Zeit gehabt 
haben, und diese kann nalttriich nicht das Lakonlsdie oder ein anderer 



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loDier in Alhien. 



35 



lebendiger wurden. Dieser S tiric tonischen Wesens wurde 
aber in Atlika nicht bloss besonders reichlich ausgeslreiit. son- 
dern fand hier auch fruchtbaren Boden bei den stammvcM- 
waudten Athenern, die Redelust und Aedegewait schon von 



Dialekt, der hishtr nur in poetischer Form über sein engeres Sprui li- 
gebtot bioaus allgemeifie Anerkoinung uad VerstMndniss gefunden hatte, 
sondera nur die Sprache der damaligen Prosa, das lonisdie, gewesen sein, 
bis dann spttler die S]midie der spiteren Prosa, das Attisdie^ dafttr ein- 
trat. Natürlich "war dies lonisdi nicht eine der besonderen Mundarten, 
sondern ohw Art xof.r, dieser, wie sie sich immer in solrlicii FHÜen zu 
bilden |>ncgt und IxMsjticlsweise bei Herodol vorliegt. Von einer solclicn 
konnte man, hIs es die Verhiiltnisse so mit sich brachten, im (iebraucb 
leicht zum Attischen übergehen, welchen ohnedies nicht schweren Schritt 
das Altattiache nodi erieichterte. Dass loniw, wenn sie in Athen waren, 
noch mr Zeit des Arlstoplianes sich nicht etwa Mtlhe gaben Attisch xu 
reden, xeigt Frieden 46 ff. Vgi auch Eupolis K^Xox«« fr. XXI— XXV bei 
Meinelie und dessen Bemericung. — Dass es eine bclleoiscbe Umgangs- 
sprache z« Xenophons Zeit ;:ab, folgt daraus, dass dieser er/Uhlt Anab. 
VII, 6, 8j, der Thraker Southts halx?, was bei einem einzeliu n Anlass 
Griechen redeten, das .Meiste auf Griechisch rF'XXT.vtSTi^ utui ohne Dol- 
metscher verstanden: da nun der Erste, der spricht, ein Arkader ist, so 
würde dies bei dem ThrakerfUrsten eiae beaekl<wswerthe Kenntniss der 
griechischen Dialdite voraussetzen, wofern nümlich jeder Redner sich der 
Sprache seiner Heimat und nicht einer den Meisten geläufigen Vericehrs* 
spräche bediente, lud wenn im Gesprach mit rleni Perser Attaginos 
der Orchomenier Tljersander sich, wie Herodot IX, \6 sagt, der T.XXa; 

l)ediento. so wird dies nicht clwa ein boiotischer Dialekt, sondern 
der ionische f^ewcscn >ein. luneihalh di-r Aojf;'.; hat eine xotvfj auch 
Ahrens (dial. II, 4ü6; angenommen, in der liei Versammlungen vcr- 
scldedener Glieder des dorischen Stammes die Verhandiaogen geführt 
worden. — SoUte man endlich gegen die Annahme einer solchen Ver- 
lielirssprache in Älterer Zdt, deren sich Griechen unter einander be- 
dienten, geltend machen, dass Dank der Vermittlerrolle, weiche die Poesie 
gespielt hat, den Griechen die verschiedenen Dialekte ihrer Sprache nie- 
mals in dem Maasse fn'md gewesen seien als uns Deutschen die der 
unseren, ao kann man liiese Thatsache zwar «upehcn. rnuss aber be- 
streiten, dass sie einen Einwand bildet: denn fremd genui: konnte des- 
halb a. B. das Aiolische dem Attiker immer noch klingen, und klang 
ihm, wie Piaton Protag. HiC zeigt (vgl. auch Sauppe s. St.), so fremd, 
dass er es eine harbarische Spraclie nannte; und in Aischyloe* Sieben 
g. Th. I55fürchh. fleht der Chor der Thebanerinnen zu den Gi)ttem, sie 
möchten die .Stadt nicht neinem Heere anderer Zunge« 'iTcpo'ft6v'') orpotTu^ 
tituTÜfffin — so wenif; empfindet er den gemeinsamen hellfinisrheit Stamm. 
<ier howohl dem argivischen als dem boiotischen Dialekt zu (iiunde liegt. 

S« 



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36 



I. Wesen und Ursprung. 



der Natur empfangen hatteo und sich beide nicht erst von 
den Fremden zu holen brauchten^). 

Zu den charakteristischsten Vertretern seiner Zeit, d. i. der 
Ioaf«BCUoe. Zeit, von der hier die Rede ist. gehört unstreitig Ion von Ghios. 

DalUr SU gelten gibt ihm nicht bloss die Vielseitigkeit seines 
Wesens einen Anspruch, die ihm gestattete sich auf den ver- 
schiedensten Gebieten der Poesie und der Prosa xu versuchen 
und uns bald als Dichter, bald als Historiker oder gar Phi- 
losoph entgegenzutreten, sondern ebenso sehr der Umstand, 
dass er, dieser Typus eines unruhigen, reise*, Wissens- und 
redelustigen loniers, in der Literatur der Erste seines Stammes 
ist, der, indem er in seinen Dramen für den Dialog sich des 
attischen Dialekts bedient, dem Gem'us Athens seine Uuldi- 
gung darbringt 2) Als ein Zeichen der Zeit muss es daher 
angesehen werden, dass gerade aus den Werken dieses Mannes 
uns zum ersten M;il innerhalb der ionisch-attischen Literatur 
der Dialui^ iiiblickt. Nüch ist derselbe nicht zu freier Selb- 
ständigkeit lier ausgetreten, sondern festgewachsen an den Boden 
der Erzählun». Der heitere, lebensfrohe Mann, dem ohne 
Zweifel die Lust und Gabe behaglicher Mittheihine in hohem 
Grade eigen war, fand hierfür in den niannichfaltigen Erseliei- 
nungen seines vielbeueglen Lebens den reichsten StotF und 
legte, was er guten Freunden beim vollen Becher gewiss 
längst erztlhlt hatte, in späteren Jahren'^) auch dem Publikum 
vor. So entstanden seine ))Reisen < '1. Schon im Titel liegt es, 
wie bunt und wechselnd der Inhalt dieses Werkes war, 
zusammengehalten nur durch die Persönh'chkeit des Verfassers, 



4) Dass nirgends so viel gestrfiteit «erde als in seiner Vaterstadt, 

Husserl ini Gesphich mit Sokrates der Jüngere Perikles hei Xenopbon 

III, 5. <6. Doch fallt dieses Zeugniss. da es Zustünde einer .späteren Zeit 
l>etrifrt. in der der attische Tharnkfer h"r<'i(>; Tnodiflzirt sein koinilc 
wenit-'t'r ins (ifvsicht nl<* dns des nltereu .'^lesimhrotos von Thasos. dtr 
von einer den .\ttikeni eigenen Wivött^« xai otoijwXla »pricht iPlutarth. 
Kimoo c. 4). 

2) Welcker, Die griecb. Trag. III, S. 945, nennt ihn ein ionisches 
Reis gepfropft auf attischen Stamm. 

8) Dies Ist, wenn auch nicht überliefert, doch die nalUrilcfae An^ 
nehme. 

V Ohss so der Titel 'Rm^t^lai xu erklären int. zeigt F. Schöll, 
KU. M. 3i. 457. 



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Ion von ChioK. 



37 



der darin seine eigenen Erlebnisse berichtete, und also in 
Walirheit Memoiren >). Sie sind in gewisser Hiosiebi das Vor- 
bild aller spSteren Werke dieser Art geworden. Bin Hauch 
des Individuellen lag Ober dem Gänsen und macht sich nament- 
lich in der Neigung bemerkbar, historische hervorragende 
Persönlichkeiten nicht nach ihrer Bedeutung lUr das Allgemeine, 
Staat oder Nation, dem sie angehören, sondern nach ihren 
Besiebungen aum Verfasser darzustellen; ja selbst die Unsu- 
verllssigkeit, dieser so wesentliche Zug, fehlt nicht, um das 
Bild jenes Nebensweiges der Historie voll zu machen '^). Wenn 
so der Verfasser das Aeussere eines Kimun iPlul. Cim. 5) 
schilderte, dessen Uniijaugsformen und Wesen mit derien des 
Perikles verqlicli {Plut. Per. 5), so konnte es kaum fehlen, 
sondern war eim tast nothwcndige Folge der gesainmlen Ten- 
denz, dass er kU ine Gespräche oinwob. in denen das indivi- 
iliielle Wesen jenei- Männer anschaulich und lebendig vor die 
Seele des Hörers und Lesers trat^j. lu dieser Weise hatte 

i} Daher koiiiitoii sie sclion im AlU'rthuiii yrojrvTjijLata Kenunnl 
werden — weniKSlens es eine wahrschcinliclic Vertuuthung Kriihercr 
lind iit'iu'i tiiriL'^ wieder >< liOlls a. a. 0. 158', dass dies nur ein nnderer 
Tik'l fiit das.>c'lU' Werk ist. Der gewuhnlii he Titel für Memoiren ist aller- 
dings dnci|XNTjjjLOv£ i •i*Pf auch u7:o(iivtj(i.'jiT« dafür eiulrelen kann, 
habe ich Uotcrs. tu Cit^roa philo». Sehr. II, S. 66 Annu bemerkt. Iliencu 
atlmml, dass eine Notiz, die man aus den UTtoycrf^nx«. Ions ableitet, von 
Plutarcli, Cimon 16, mit den Worten 6 (^'Ituv di;o(Avy]|fcovc6et einf^eftihrt wird. 

i Ich denke an die von Dioi^tMies Laertius II. i:» aurbcwidirte Nacb- 
richL i\,\<^ (ier jun^'e Sokratos mit An lielaos zusammen nach Samos pe- 
rfi>( >ei. Mit deni nusdnickli' Im'h /(■iifini*^!* Ptatous im kriton p. 52, 
t\ouuth Sokrales mir «'inmai und zwar zu den islbniischen Spielen ver- 
reist wäre, liu>»t sich dies freilich kaum vereinigen. Doch sind wir des- 
halb noch nicht berechtigt, wie Wilamowite, Philolog. Unters. 1, S. S4 Anm., 
thut, an die Stelle des Philosoplicn einen anderen des Namens in setzen 
und die Schuld des Irrthums von Ion auf einen Peripatetiker abzuwälzen, 
der bei dem Namen aSokraIcsM nur an den berühmtesten Trflgcr des- 
selb<'n (ia< iite. 

A ii>^|»rprh<'ti«l hat flu solches (iespra'li /svisihrn \nliiilamos. 
Thurydiiles de.-» Vlelesias' Sohn und Ion ATSchlosseu und sogar seine 
Sceuerie geschildert, in einer Villa des spartanischen Künigs an den Ab- 
bSngeo des Taygelos, U. KOhler Herrn. 19, 487 f. — Auch in der Memoiren* 
llleratur anderer Zeilen und Velker beobachtet man dieselbe Hinneigung zur 
dialogischen Form (Gervinus, Grundzüge der Historik. S. 37), wic anderor- 
Mits die Dialoge vielfach etwas vom Charakter der Memoiren annehmen. 



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38 



I. Wesen und Ursprung. 



er von Sophokles eriähll: als der Dichter nach Chios gekommen, 
habe er bei einem Symposion Liebe lu einem schOnen Knaben 
gefasBt, der den Wein einschenkte, und diesen durch seine 
Reden in Verlegenheit gesettt und als er roth wurde, aus- 
gerufen: iwie schön hat doch Phrynichos gesagt: «es leuchtet 
auf purpurnen Wangen der Uebe Strahlt; ein Schulmeister 
sei hier eingefallen und habe gesagt »Sophokles, du verstehst 
Kwar etwas yon der Poesie; trotzdem scheint mir Phrynichos 
sich nicht gut ausgedrückt zu haben, wenn er die Backen 
eines Schönen purpurn nennt. Denn, wenn ein Maler die 
Backen dieses Knaben mit Purpurfarbe anstreichen wollte, so 
würde er nicht mehr schön erscheinen. Mnn soll daher nicht 
das Schöne mit dem, was nicht schön ist. vergleichen«; worauf 
dann Sophokles — in Worten die uns abermals in direkter 
Rede mitgetheiit werden — auf Simonides und Homer, die 
dem gleichen Tadel unterliegen würden, hingewiesen und so 
unter dem Gel lichter aller tU)rigen Anwesenden den ttberweisen 
Kritiker sum Schweigen gebracht habe'). Was man wohl als 
wesentlich fUr den echten Dialog beieichnet bat^, dass er, von 
unbedeutenden Süsseren AnlSssen ausgehend, ebie ernstere 
Wendung nehme und zu einer tiefer dringenden Erörterung 
leite, dieses Merkmal fehlt auch dem kleinen von Ion mit- 
getheilten Gesprfich nicht gana und es hat nur an der An- 
wesenheit eines Sokrates oder der Meisterhand dnes Piaton 
gefehlt, um das von dem Schulmeister angeregte und von 
Sophokles nur erweiterte Problem in seiner wahren Bedeutuiiii 
zu erfassen und noch vor f.essing uns einen Laokoon oder 
doch ein Werk »>über die Grenzen der Maierei liiui Poesie^ 
zu geben: so wie es uns jetzt vniliriit. ist das (»e'ipräch in 
dem vielverheissenden Anlange eines Dialojis stecken gei)lieben. 
Hezodot. Dem Begründer der Memoirenliteratur >j reibt sich billiger 
Weise der Vater der Geschichte an. Wie in dem jugend- 
lichen £po8 ein dramatischer Geist waltete, der die Gestalten 

i \tli. ii. Xin j). 603R 

i Niehuhr in den Lehensiiarhr I. lOs 

■! In ühnlirbor Art mit Dialogen dutcliM t/l \\ ui .ic ;iu( li das Mcn^oirrn- 
Nvtrk des Atlit ucts Dik.iins i^owesen soin Tt•«ul1^ein. Herrn, 25, 5i7 ff. . 
wpnn OS wirkiirh »'\istirl |hal und eine Quelle des herodoteisohen Ge- 



Herodot. 



39 



desselben mit seibstAndigem Leben erfüllte, so dass sie flUiig 
wurden selber auszusprecheo was ihre 8eele bewegte und 
der Dichter nicht nOthtg hatte beständig statt Ihrer das Wort 
in itthren, se leigt auch der dem Epos entsprechende Theil 
der Prosaliteratar, die Historie» in ihren AnfÜngen^) eine ent- 
schiedene Neigung Über den ebenen Boden der Enfihlnng sich 
sn erheben und in gesteigerter Darstellungsweise die von ihr 
erwihnten Personen unmittelbar yorsufllhren^ d. h. selber 
reden f u lassen. Dies hat mit dazu beigetragen dem Werke 
Herodots das charakteristische Gepräge zu geben, wodurch es 
sich von denen der späteren Historiker unterscheidet. Gewiss, 
an Reden fehlt es auch bei diesen Späteren nicht: dieselben 
sind aber nicht der Aiisl>nii f» eines dramatischen sondern eines 
rhetorischen Geistes; sonst \NUrden ebenso oft auch kürzere, 
mUndliche Aensseningen in direkter Forin und namentlich 
Gespräche mitgetheilt werden, was beides nicht der Fall ist. 
Wie weit dagegen Herodot entfernt ist Rhetor zu sein, zeigt 
sich besonders an solchen seiner Reden, die nichts weiter als 
eine lange Ersählung sind ^) und daher nicht sowohl den Reden 
der Historiker, als den Reden gleichen wie sie auch das Epos 
gelegentlich einem Nestor oder Odysseus in den Mund legte. 
Wenn femer das Epos in dem Bestreben, den farbigen Abglans 
des Lebens so treu als möglich wiedenugeben, uns die Be- 
achtung auch der kleinsten Züge nicht schenkt und insbeson- 
dere jeden mUndlichen Auftrag in ungeschmiUerter WortfUlle 
nicht bloss ertbeilen. sondern auch ausrichten lisst, so Ist auch 
Herodot nicht zufrieden uns den Sinn und Inhalt irgend einer 
an sich unbedeutenden mündlichen Aeusserung mit zwei Worten 



1. leb virebs wohl, dass Hekalaios und Andere noch vor Herodot 
Gcachlcbte geschrieben haben. Aber auch vor den Dichtern der Ilias 

bat es Epiker gegehcn: so güt daher, wie dieses Gedicht trotz seiner 
hoben Vollendung für uns den Anfung der griechischen Epik bezeichnet, 
werden wir »nch Uerodolfi Werk an die Spitze der griechischen UistorilL 
stellen dürfen. 

3 Dies gilt vua der Uede des ivcuuilliers Sosikles y\, 9i,, die im 
WescDtlichcn nichts aUs ein Bericht ühcr die Schicksale und Tbateii d«j* 
Kypsctos und Perlander ist, so wie von der des Leotychidos (VI^ 86;, 
der darin den Athenern als warnendes Beispiel die Geschichte iM^ines 
Landsmanns Glaukos erzikhH. 



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40 



I. Wesen und Ursprung. 



mitautbeilea, obgleich dies fUr den Pragmatismus seiner Ge* 
schichte vollkommen genttgen würde, sondern lässt dieselbe 
in einer Form, als wenn sie frisch aus dem Hunde ihres 
Urhebers k&me, an unser Ohr klingen. Aus demselben drama- 
tisirenden» aber auch altepischen Geiste, 4st sodann die Cha- 
rakteristik des Xerxes geboren : den jeder als den ttbermflthigen, 
über si'iue Macht verblendeten Grosskönig kennt; aber nicht 
weil dies ausdrücklich t^csa^t wird, Maidern weil dies in den 
Reden, die er führt'', viel lebendiger und kräitiper hervortritt, 
als dasselbe in der Form eines einzelnen ziisairimenfassenden 
Urthciles mögh'ch gewesen Wfire. Xirgemls jedoch offenbart 
sich dieses Streben nach lebendiger Vergegenwärtigung des 
Geschehenen — was Niebuhr gelegentlich als die eigentliche 
Aufgabe des Historikers bezeichnete — so deutlich als in den 
Gcspriicbcn. mit denen der Geschichtschreiber verstanden hat 
die Einförmigkeit der Erzählung aufs Anuiuthigste zu tmter- 
brechen. Diese GesprÜche, wie sie lahlreich sind, so sind 
sie auch von sehr verschiedener Art. Bisweilen sind sie ganz 
in die ErzShlung verflochten und dienen nur zu deren Be^ 
lebung. Hierher gehört was an Reden in der Geschichte des 
Kandaules und Gyges vorkommt (I 8 11.). die Gespriche die 
Kroisos nach seiner Befreiung vom Scheiterhaufen mit Kyros fahrt 
(C. 87 ff.), sodann was Atossa mit Dareios redet um Demokedes 
die Rückkehr in seine Heimat i^u ermüi^lii-hen III t34), auch 
die Besprechung der gegen Smerdis verschworenen Perser, 
in der iil)er die Ausfüliining des Planes }»erathen wird (III 71 ff.), 
kann hierher gereeluH't werden und st» noch Anderes, in 
allen diesen Fällen sind die Gespräche nichts als der Sehaum, 
den die bewegten Wellen der Erzh'hlimg aufgeworfen haben, 
und an sich, durch ihren Inhalt, ohne jeden Werth. Eine 
grössere Selbständigkeit kommt üchon solchen zu. denen die 
Pointe, mit der sie schliessen, eine eigenthUmliche Bedeutung 
verleiht. £tn hervorragendes Beispiel dieser Gattung ist das 
Gesprfich zwischen Dareios und der Frau des Intaphrenes, 
worin diese mit einem berflhmt gewordenen Ausspruch es 
rechtfertigt, dass sie lieber den Bruder als die Kinder vom 
Tode losbittet (III M9). Diese letzteren sind GesprSche, die 

I Vn, H. H, :»!'. '.7 11.. lü i. 



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UerodoU 



41 



den Charakter der Änekdüte tragen. Sie verdankea ihr Leben 
und das Recht wie die Möglichkeit einer gesonderten Exislen?^ 
der Sentenz, in der sie ihren Abschhiss finden und auf die 
alles Vorausgehende nur vorbereitet. Noch mehr durchgeistigt 
sind solche, in denen dieses sententiöse Element nicht erst zum 
Schluss hervortritt, sondern noch auf andere Theile des Ge- 
sprftdis verstreut ist. Dies gilt von der Unterredung des Xer- 
xes sowohl mit Artabanos wie von derjenigen mit Demaratos, 
wenn auch von der letxteren in minderem Grade'). Immer- 
hin sind die allgemeinen Senlensen in diesen beiden GesprSehen 
nur ein Nebenwerk, und seheint ihre eigentliche Tendens eine 
panegyrische xu sein, in dem einen auf die Verherrlichung 
Athens (VII 51), in dem anderen auf diejenige Spartas (102.101) 
gerichtet. Noch ist in denselben das Gesprich nicht von dem 
Faktischen der Erslhlung abgelöst and hat keine Ober den 
llQchtigen Moment derselben hinausreichende Bedeutung er- 
Uuigl ; auch ist es nicht in die reine Luit des Gedankens 
erhoben, sondern haiigi mit allen Fäden an dem Irdischen 
der Personen und Ereignisse. Die Scheidewand, die in dieser 
Beziehung noch zwischen den Gesprächen des lltalorikj i > und 
den eigentlich so genannten Dialogen besteht, ist indessen in 



i) VII, 46 11. Eine meiaiicliolidche Bcni(*rkuii|4 ii<>> \er\es über die 
Kurze des menst hlicheii LcImmis, la-rvorgiTufoii dureh doti Anblick der 
ungeheuren um ilui \ «'p<riinnu'Uen Heeresuiassc , In der dorh keiner es 
Iiis auf lüO Jaliir Imniicu werde, tijidet ein^n l''i(lii:t ii IionI m der He- 
nierkung des Art}il)iuu»s, dass die Kulie >uii Leiden, rnil denen wu- heim- 
gesucht werden, das Sterben nur wilnschcnswerlh mache (46-. Beide 
gehen denn allerdings zu einem ooncreteren Thema über und erOrtem 
den mutbmassUclien Erfolg des bevorstehenden Feldiugs; aber auch hier- 
von lenkt Xerxcs bald wieder zu einer allgemeinen Betrachtung ab, indem 
er den Bedenken des Arlubanos itejienuber ausführt, dass. wer Alles, auch 
das KleirHte rrwii^rt und bedenkt, niemals etwas (;r(!*><es leisten werde 
(SOi timl Ai tuliiino-' lir n\ ideninu' gipfelt in dem allK«Mneinen Salze, dass 
niemals in dem Antung schon tias binde •»iehtbar ^51,. 

3 Ml, 494 fl. Nur eine aUgemeiue Sentena in coucfet» Fnrm ist 
der Satz, dass Hellas zwar von Natur ein annes Land sei, dass seine 
Bewohner aber diesen Mangel der Natur durch die Tugend, die sie sieb 
mit eigener Kraft erworben, ergänzt hätten (<0i); so wie der andere, 
dass die Laeedamouier bei aller Freiheit doch nicht vollommon frei seien, 
da sie einen Herren hütien . den sie nocl> wfit mehr fürchteten als den 
(iros!iküiii({ j»eine l nterthancn, — das tieselz lü i , 



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42 



[. Wesen und Ursprung. 



zwei aniloren Heispielen beseitigt. In der Unterredung . die 
Solon mit Kroisüs über das Glück des menschlichen Lebens 
fuhrt (130 ff.) , und in der Verhandlung der sieben Perser, 
Uber die nach dem Sturze des Sraerdis eiiuuftihrende Ver- 
fassung (III 80 kann man die Rollen des Gesprächs an 
Andere vertheilen und dieses selber in eine andere Zeit ver- 
setzen, ohne dass das Wesen desselben dadurch irgendwie 
zerstört oder beeintrfichtigt wttrde. Der Gehalt und Werth 
dieser Gespräche besteht eben in der Erörterung von Fragen, 
die tu allen Zeiten und Uberall nachdenkende Menschen inter- 
essirt haben, und die historische Einkleidung, in der sie er- 
scheinen, ist eine zufällige Zuthnt, von der man sie leicht befreien 
kann. Vergleicht man diese Gespräche mit denen der zuerst er- 
wähnten Gattung, in der die Gespräche nur den Zweck hatten 
die Erzählung zu beleben, so hat sich nun das Verhilluiiss beider 
umgekehrt und das Hislorisehc scheint jetzt nur da zu .sein, um 
dem, seinem Inhalt nach absli*aklcn, Gespräch ein lebensvolleres 
Aussehen tu gobeu. Das Verhältniss ist also hier dasselbe, wie 
in den »kialischen Dlaloiion nnd wie diese letzleren deslialb 
nulder itrenze \ on Wahrheit und Dichtung schweben, so gilt das 
gleiche \on den herodoteischen — Darin, dass llerodot über- 
haupt Gesjirärhe in solcher Zahl in sein Werk aufnahm, folgte er 
unwillkürlich einem Zuge der Zeit und seine Gespräche mögen 
daher zum Theil noch Anklänge an solche der Wirklichkeit ent- 
halten, wie z. B. in die Yerbaudiungen der Perser über die Staats- 
verfassungen Gedanken aus den politischen Gesprächen des 
perikleischen Kreises fibergegangen sein können. Daneben kann 
er aber auch von der Erfahrung geleitet worden sein, dass 
gerade beim Vorlesen — und das war doch in jener Zeit 
noch die erste Art der Publikation — solche Gespräche und 



Der lioschirhtsx-IiriMlior luit >u h zuai rlrn miL:liiiil)ii.'tMi lirllcnen 
;^o;;ouul>er aufs Eifrigste für die Wahihtil .•»euu-s Bericliles über das Ge- 
spräch von den StaatsverfagKungcn verbürgt und wir dürfen deshalb das^ 
»elbe Dicht fUr eine pure^ in seinem Kopfe allelii eDtstandeoe Dichtung 
halten; auf der anderen Seite aber kann auch kein Verständiger sweifeln, 
dass die Ucberliefening ihn» nur die altgemeinsten Umrisse, also etwa 
rill fiospriich über Monarcliit-,* Oligarchie und Demokratie, dargeboten 
hat und «Iii < Wi iii re der AuüfUhninfr nein Werk ist. i^. hierüber auch 
MaasH in ncrnic!» H, &»1 IT. 



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Merodot. 



43 



Reden eioe viel böhere Wirkung thaton, als die ruhige Erzäh- 
lung i). Kaum SU bezweifeln ist, dass sie eine solche Wir- 
kung vor allen bei den Athenern hervorbrachten, und es muss 
deshalb ein merkwflrdiger Zufall heissen, dass in demselben 
tfaasse, als im Verlaufe des Werkes gegen den Schluss hin 
die Zeichen von des Verfassers Sympathie gerade fQr diese 
Stadt sich mehren, auch die Reden und Gespräche sich hAu* 
fen, als wenn er darin seinen athenischen Freunden hStte lu 
Gefiillen sein wollen. Den eigentlich attischen Charakter des 
Gesprächs freilich vermochte er nicht lu treffen, so lange er 
auch auf attischem Boden gelebt haben mag. Vielmehr wenn * 
wir an Epicharms und Sophrons Leislungen /nriickdenken, 
so kann uns die annnUln't'e Couversation. die Herudols Erzäb- 
lungen belebt und dii i^elegentlich in einer Pointe endet, an 
seine dorische Ahstamuiunt' erinnern, ebenso wie wir in der 
Art. mit der er in seinen lehrhaften G^^^^nriicben die Meinungen 
mehr empirisch sammelt und nebeneinander stellt als in einen 
Streit unter sich verwickeln lässt, ein Zeichen seiner ionischen 
Bildung sehen können. Hätte er uns die Darstellung eines 
wirklichen Kampfes der streitenden Meinungen gegeben, in 
dem keiner von beiden Gegnern zur Ruhe kommt und Bede 
and Gegenrede wie Schlag auf Schlag einander folgen, und 
hätte er es nicht, so zu sagen, bei der blossen gegenseitigen Her- 
ausforderung bewenden lassen, so wQrde er allerdings in die 
DomSne des attischen Stammes übergegriffen haben. Aber 
ehie solche Leistung blieb dem ionisirten Derer versagt und 
Semem attischen Zeit- und Kunstgenossen, Thukydides, vor- 
behalten. 

Wie jeder, der die Geschichte sehier Zeit schreibt, viel TkvkydidM. 
leichter dazu kommt, Betrachtungen über das Geschehene in 

die Erzählungen einzustreuen, als wer von längst vergangenen 

Dingen berichtet, so ist auch bei Thukydides der Vorrath an 
Gedanken und Urtheilen grösser als bei Herodot: was ausser- 
dem noch in der praktischen Tendenz seines Werkes seinen 
Grund hat, das ja nach des Historikers eigenen Worten 



1) »Je me garderai hten de vow eovoyer mes Dialogues; j'y perdrais 
le plaiBir quo j imritis ä voo« les lire« schreibt Diderot am ti, September 
4769 an die VoUand ^Oeuvres 19, S. S2S). 



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44 



I. Wesen und lirspinnft. 



(1 ii, 4 i nicht iür den Genuss des Augenblicks bestimmt wnr, 
sondern ein bleibender Schatz sein sollte, den die Staatsmänner 
der Zukimtt sich zu Nutze machen konnten. Diese Er5rte> 
rangen und Urtheile, die er seiner Gcschichto beigefügt hat^ 
bal aber Thukydides in der Regel nicht als eigene gegeben, 
sondern den auftretenden Personen in den Mund gelegt und 
damit tbeils einem künstlerischen BedQrfblsse genügt, dem 
ein wiederboUes Fallenlassen der Bnfiblung tu Gunsten 
allgemeiner Betracbtungen wenig entsprocben beben wflrde, 
tbeils Ist er dem Geschmack der Zeit» die Fireude an Reden 
batte/ entgegengekommen. So mussten die Reden des Tbu- 
kydides weit labl- und umfangreicber werden, als die bero> 
doteiscben, so dass sie, wie er selber einmal andeutet (1 
geradezu den einen Theil «eines Geschichl5?werkes bildeten. Nicht 
bloss der grössere lleichlhum an Gedanken zoiclinet diose Reden 
vor den herudoteischen aus: sondern auch das ist ihnen eieen- 
thümlich, dass sie häufig in Geticnsalz zu einander treten und 
eine auf die andere bezogen ist, in welcher Weise zwei, auch 
wohl mehr Ueden unter sich verbunden werden T>ami! ist 
aber der erste Schritt zum Dialoi: cjelhan. Immer üjreilbarer 
sehen wir das Wesen desselben sich bei Thukydides entfalten. 
£inen Dialog erkannten die Alten schon im zweiten Buche in 
den VerbandiuDgen des Archidamos mit den Plataiem(c. 71ff.)^\ 
Indessen sind sie in diesem Falle uu't dem Namen zu freigebig 
gewesen und haben als Dialog bezeichnet, was höchstens die 
Skizze eines solchen heissen kann^). Ein wirkliches Gespräch, 



I] Roscher, Leben, Werk und /eilaller de» Thukydides. S. 164 IT. 
Auf diese bezieht sich der Rhetor Dionysius de Thucyd. hisl. 
c*. 37 mit den Worten i:apd t&v ^tdÜM^w, oSto xat>.ä»; «al «ptrcSic 

lynma — eine Stelle, die Frcvnlt'iithul. Hrllfn. Stud. 8. S. 251 f., hatte 
IxMUitziMi k<iiin(M), um svinv YtTiiuithuii^: . diiss dir-.,' I'arlii' *U's tliucytli- 
deisL'heii W«'rk('s von \!hin<»^ ? iS. 15 11'. f:<'nii'itit zu b«'Slatipcn. 

:<} Die iiussi'io A«'linli<"likt'il mit oiiioiii Diiilo^ liiTulil «)dr;iiif. duss 
Rede Uiid Gegeurcde nicht bloss eiiuaul, suuderu öfter mit ciiiitiuk-r ab- 
wechseln. Ein wirkliches Gcsprttch, das an die Einheit der Zeit und des 
Ortes tn viel höherem Grade als das Drama gebunden ist, liegt aber 
deshalb nicht vor, weil die Antworten der Plataier zwar in der Regel 
im Lager, eiumal über aucli von den Mauern der .Stadt uus gegeben 
werden, wu\ ;iu( h in jenem Falle nieht nnpenlilir'klirh, sondern erst noch 
eiuKehotter In.slruction. Dazu kommt, du.s.s die Worte der l'lataicr. .soweit 



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ihukydides. 



45 



freilich nur ein ganz kurzes, begegnet uns dagegen im dritten 
Buche (c. ^13), dem es aber, um vollen Anspruch auf den 
i\amen eines Dialogs zu haben, an der Erörterung eines Gedan- 
kens gebricht und das in der Weise vieler herodoteischer nur 
dazu dient die Erzählung zu beleben. So geht die Erwar- 
tung, die sich an die öfter wiederkehrenden Redekärapfe an- 
knüpfen konnlc auch einen Dialog bei Thukydides zu finrien. 
erst im fünften Buche in Krlullung, durch das berühmte 
Gespräch der Melier und Athener (c. 85 ff.). In alter und 
m neuer Zeit ist daselbe viel bewundert worden']. Auch an 
Tadlern hat es nicht gefehlt^). Aber so gewiss der Thuky- 
dideische Dialog an Lebendigkeit und Durchsichtigkeit der Form 
mit den platoniadien sieh nicht messen kann, so gewiss 
ist auchi dass ein Vorwurf den Historiker deshalb ni<dit trifit^ 
da nach dem damaligen Stande der attischen Prosa eine 
Gewandtheit in der Handhabung derselben , wie wir sie bei 
Spfttem finden, Oberhaupt nicht und am wenigsten auf dem 
so schwierigen Gebiete des Dialogs su verlangen war, auf 
dem Thukydides wo nieht luerst, doch als einer der Ersten 
Bahn gebrochen hat, und da ausserdem der leichte Gang des 
GesprSohs, der zur Anmuth der sokratischen IMaloge so viel 
beiträgt, hier, wo politische Angelegenheiten der schwerwie- 
gendsten Art zwischen Vertreten zweier Staaten verhandelt 
werden, nicht am l'latze gewesen wäre. Welchen Fortschritt 
f^r die Geschichte des Dialogs das GesprSch der Melier und 
Athener bezeicliiict, zeigt sich am besten, wenn wir diese 
Leistung des ihukydfdes mit derjenigen Herodots vergleichen. 
Man kann im Allgemeinen sagen, dass das Werk des Thuky- 
dides dramatischer sei, als das seines Vorgängers, insofern 
als das Drama Handlung, Kampf, Leidenschaft darstellen soll. 
Dasselbe gilt aber auch noch in anderer Beziehung. Eine 



sie sieb an Arcbidtunos riclilen, von der ersten Rede abgesehen, nur in 
indirekter Form mltgetheilt werden. 

sogt mit Bezug auf ihn dtn- Rhctor Dionys de Thucyd. bistor. c. 87. 

S. auch Ffpudcnthnl. HpUcii. SUkI. ;i. S. «5 4 f 

4 Soweit dieser Tadel den Inhalt ht-trilTl, liiit sich des Tlmkydides 
gegeu den Rhetor Dionys angenommen Joli. (ti-oig Sehlosser, Kl. Schv. 
VI, S. 38S IT. 



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46 



1. Wesen und Ursprung. 



wesentliche Eigenschaft des Dramas liegt doch auch in der 
Form, in der auls Aeusserste gesteigerten Siuiilalligkeit seiner 
Darstellung, dass die Handlung unmittelbar vor uns geschi«»ht 
und nicht bloss erzühlt wird. So anschauiich und iarbig, so 
lt^b(>n(lip nun ancli ilic Erzählung Herodots ist, so greill^ar 
und voll Wirklichkeit tritt doch das Loben bei ihm und treten 
insbesondere die Menschen uns nicht entgegen, wie in einem 
Thcil der Reden des Thukydides und am Meisten im Dialog 
der Melier. Derselbe hält sich zu Anfang noch innerhalb des 
Rahmens der Erzählung. Dann aber ist es, als ob auf ein 
Mal der dramatische Genius erwachte — und gesprengt sind 
die Schranken der Ersfihlung und es heisst nicht mehr »die 
Athener sagten« oder »die Meh'er erwiderten«, sondern als ob 
sie auf der Bflhne vor uns stünden, so reden sie mit einander, 
und der Historiker ist vollkommen verschwunden'). Der gegen- 
standlichen Wirklichkeit des Gesprächs wu*d dadurch nichts 
genommen, dass die an ihm betheiligten Personen keine indi- 
viduellen Charaktere, sondern nur Typen sind: nicht dieser 
oder jene bestimmte Athener ist es, der spricht^ sondern »die 
Athener« und daher beschränkt sich die Charakteristik auch 
darauf, nur solche Züge hervorzuheben, wie sie den Athenern 
überhaupt in iln l oliLik eigenthümlich waren, vorzüglich also 
die Rücksichtslosigkeit und die Ehrlichkeit 2 1. Und wenn Piaton 
und die Sokratiker die Personen ihrer Dialoge mit einigen 
Strichen mehr charakterisirten, wenn sie sich nicht begnügten, 



1) Nüchdera Thuky<1i(ics noch die Worlc der Athener oin;^» fulirt 
hiil oi OE töjv A&TjVaimv TT&ecßet; eXcfov -milt und die Antwort der .Melier 
mit o\ 0£ T&v MrXfnjv ;üv£op?)i driXfHv/vTo, folgen von c. 87 die direkten 
Reden heider ohne jede einführenden Worte und erst v. H2 tritt der 
Historiker wieder hervor, nachdem der eijieutUchc Diulog durch das 
recapilttlirende Schlusswort der Athener sein finde gefunden hat. Auf 
dieses Umspringen der erzählenden in dJe dramatische Darstellung weist 
auch der Rhetor Dionys de Thucyd. bist. c. S7 und 88 hin. 

i Es iHl dieselbe Ehrlichkeit, die auch aus der in Kaniarina ^e« 
hallenen Hede des Atheners Euplionus VI. i>^, i und 85) spricht. 

T>nfnr. dass dieselbe einen wesenf liehen Zu!4 im (Charakter der Athener 
bildete. k.,uui nuiw aurli L:e|te[ui inael\eii. diss ilieseii im Charakter der 
Lacedamonier, wenn man aus dem Bilde, da:» die euripideischc Tragödie 
davon entwirft, schliessen darf, nichts sn sehr aulBel ate deren Falsehheit 
lind Verücblagenheil. 



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Thukydidfis. 



47 



blosse liepräsentanten gewisser Richtungen und Gedanken auf- 
treten zu lasseu, sondern HiV einzelnen Menschen wiV' sie 
waren, portraitirten , so begründet dies keine Anklage gegen 
Thukydides, als wenn er seine Pflichten als DiaIo|iSchreiber 
vernachlässigt hätte, sondern gibt uns nur einen Hinweis, dass 
ein ähnlicher Schritt, wie er in der Schwesterkunst der Tra- 
von der idealistischen Weise des Aischylos und Sopho- 
kles zu der realistisohen des Earipides führte, auch auf dem 
Gebiete des Dialogs gelhan wurde. In ähnlieher Weise wie 
die Personen, erhebt sieb auch der Inhalt des Dialogs Uber 
das historisch Eint eine und Gonerete und halt sieh auf der 
Höhe einer allgemeinen Betrachtung, die ihn auch Ittr andere 
Zeiten und yerbSltnisse anwendbar macht; und wenn er die- 
selbe hin und wieder verlfisst und auf die besonderen Be- 
siehungen eingeht^ wie sie sur Zeit despeloponneslschen Krieges 
und Bwischen Athmem undMeliem bestanden^), so geschieht 
dies entweder weil dies Reste einer Ueberlieferung Uber das 
wirkliche Gespräch sind, die der Historiker nicht preisgeben 
wollte, oder weil wenigstens der Schein erregt werden soll, 
das von Thukydides niitgotheilte GesprUeb sei nicht Dichtung, 
sondern Wahrheit. Dass das ganze Gespräch, wie wir es bei 
Thukydides lesen, die treue Wiedergabe eines wirklich ge- 
führten sei, EU der ihn sei es nun schriftliche Aufzeichnungen 
oder mündliche Erzählungen belahigten. davon kann heut/u- 
tage fUglich nicht mehr die Rede sein und es gilt von diesem 
Gespräch noch mehr, als von den Reden, dass im besten Fall 
ein historischer Kern darin vorhanden sei. der aber frei um- 
gebildet - und durch eigene Zuthaten des Thukydides ^ver- 
mehrt ist 3). Dürfen nun, woiUr doch die aberwiegende Wahr- 
scheihUchkeit spricht, su diesen eigenen Zuthaten gerade die 
Gedanken allgemeiner Art gerechnet werden, an denen es in 
unserem Gesprfich so wenig als in den Reden fehlt, so haben 

i) Vgl. c SSff. und 104 ff. 

S) HIenu würde z. B. gebdren die streng logische Gliedening, dl« 
in diesem Gesprttdie nachweist Blass, Att. ßercd-snink. I, 237. 

3) Nicht mohr nl«^ r'xne historische Basis nimmt für das (icsphich 
auch Vischer an, Kl. bchr. I, 428, 1. 456. Vgl. noch Blass. .\ti. Bereds. 
I, 230. 



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48 



I. Wesen und Ursprung. 



wir in denselben das Zeugnis für eine gewisse Geistesver- 
wandtschaft des Historikers mit seinem Zeil- und Laadsgenossen 
Sokrates, für den es charakteristisch war, dass er einzelne 
Anlässe des wirklichen Lebens gern benutzte um von ihnen 
aus den Blick weiter und höher zu richten. Man darf diese 
Uebereinstimmung um so weniger vernachlässigen, als sie nicht 
allein steht, sondern Hand in Uand mit einer anderen geht. Mit 
Recht gilt Sokrates als derjenige, der den didaktischen Werth 
der dialogischen Methode klar erkannt und durch sein Beispiel 
Allen vor Augen gestellt hat. Aber mit Unrecht scheint er 
von Einigen für den ersten and alleinigen Entdecker dieser 
Wahrheit gehalten zu werden. Denn dieselbe, wie sie im 
Sinne seines Lehrers Piaton am deutUchsteii aasgesprochen 
hat, findet sich angedeutet bereits bei Thukydides, wenn 
dieser die Athener und Melier gleich eu Anfang ihrer Unter- 
redung sich dahin verständigen lässt, dass vor den längeren 
zusammenhängenden Reden, die im Einzelnen nicht geprüft 
werden können und deshalb das Volk nur verltlhren. die Forui 
des Gesprächs, in der allein wirkHt he Belehrung möglich sei. 
den Vorzug verdiene 'J. So bewährt sich hier wieder einmal 
das Dichterwort: 
Gedanken kommen wie des Frühlings goid ner Duft: 
Sie sind nicht mein noch dein, sie liegen in der tuft '*'). 



1 Die AUuMHT ^5nirfM\ r. 85: 'KrrEtot) oO rpo; tö ttXtjÖo; ol loyA -(It*^''' 
Tott, 3::<uc hi^ jat, ^jvfeyei p-f^oei roXXoi Iza-fto-^a v.'xi äveAe^*"' 

ioa'a^ dxouaav'c; V)p.av dnattjOöiot — — üfACti; oi %adTj|WJOt 

in ^s^tt^OTepov noi'^sarc* xa9* lxa9cov -ydp xal (xr^o' (>{Aet( ivi X6-f(f dXXoi 
«pöe xb {J.T] oomG^ irnrnMoic XiyM^ai c{»IN^« 6«coXa|Aßavovtcc «p(ym. Hier- 
auf erwidern die Melier c S6: 'ij fiiv di:u(xci« To*i ftiftiisxctv m^t* ^w- 
/(av dU^Xouc 06 ^fiptm «tX. Offepbar «pricht sich in dfeaen Worleo 
dieselbe Ansicht aus, wie in der hekannt«*n Stelle des platonischen Phnidros 
p. 27S A : <I;is>; die zusamnienhängenden längeren Reden, ol pa4M|>io6,u£'v9t 

2 Der v't'iche dcdanko. ilnss Iii lehriin)^ in der Forin des Dialogs 
gesucht werden uiüSüe. wird unch in der Red«- des Atlieiiagoras bei 
Thucyd. VI, S8, 4 f, aagedeutel, wo dieser syraknslsche Demagog erst 
seine Gegner zu belehren verhelsst ;d(Mex<ov} und daao mit IhneD ein 
Verhtfr anstellt, in dem allerdings deren Antworten nur In Gedanken 
Hupponirt werden. — Das Verdienst des Sokralos soll hierdurch in keiner 
Weise iteschmSlcrt werden. Alit erüter Entdecker kann auf dem Gebiete 



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Tragödie und IvomOdie. 



49 



Dass der Dialog damals in der Luft lag, vorrathen noch 
andere der Literatur jener Zeit aufgedrückte Sparten. Beson- 
ders deutlich redet die Entwickelung der Trag ö d i e. Während Die Trtgödie. 
noch in den älteren Stücken des Aischylos die zusamnien- 
huügenden längeren Reden vorwiegen, zeigt sich bereits in 
den spätereo desselben Dichters und noch inelir in denen 
seiner Nachfolger die Neigung den ruhig dahinüiessenden 
Strom der Hede stärker zu bewegen und in das lebendigere 
Wellenspiel des Dialog» SU verwandeln*). Charakteristisch 
genug hat diese Richtung in Sophokles ihren Gipfel erreicht, 
dem am Meisten attischen unter den drei grossen Tragikern. 
Ob dieselbe auch in der Entwickelung der Komödie hervor- ]}i«K«nMii. 
trat^ können wir nicht mehr oitscheiden, da uns nur Stücke 
des Äristophanes, aber keine seiner Yorgfinger oder Siteren 
Zeitgenossen eihalten sind. Vennuthen können wir es immerhin. 
Und wenigstens in einem Falle sehen wir, dass der grösste 
Vertreter der altattischen Komödie dem Geschmacke seiner 
Zeit entgegengekommen ist: denn was anderes ist die Streik 
scene swisehen der gerechten und ungerechten RedCy die 
der Dichter fttr die zweite Bearbeitung seiner Wolken bestimmt 
hatte, als ein mächtiger und zwar recht selbständiger und 
in sich abgeschlossener Dialog, in dein Athens alte und neue 
Zeit mit einander um den Vorzug kämpfen?-) Die leiden- 



der Wii^nschaft nickt derjenige geltcu, der irgend einen Gedanken zuerst 
batle, sondera nur der, der iha merst scharf fassle und mit Gründen und 
Beweieen ttoterstttlxte. So werden gerechte Richter Niebuhr'nicht deshalb 
herabMfseo, weil vor Unn Pertsonlua lebte, oder Fr. August Wolf, weil 

ahnlieh über das Epos schon vor ihn) (iian Battisla Vicu und Anden* 
urtheilten, oder Schleierniachcr, weil die Ansicht über Plutuns Denk- und 
Schreibweise, die er zuerst für die Wissenscliafl Truchtbar gemacht hat, 
als Einfall schon im Kupfe von Fr. Srlil«»^«'! spukte. 

4; In den Eumeuideu vs. 575 il. k. tritt der Chor, statt eine zusam- 
meDhiiigende AnklBgeiede tu bellen, mit Orestes in em Gesprflcb ein 
und racbt ibm im raschen Wedisel von Frage und Antwort das Be- 
kenntnifls seiner Schuld abtuntfthlgeD. 

Sj Aeholiche Streitscencn (d^ftbve;) auch noch In anderen Stücken. 
Ob man bierin mit Zielinski ein nll^fcmoines (icsetz der altattischen Koniüdie 
anzuerkennen hat. ist mir zweifelhaft. Rirhtif: sieht vielleicht Couat 
Aristoph. S. 354 darin i'iiic Kij.'<'nUiümllchkeit des Aristophanes, durch die * 
er seineu üuguen) Sokrates und i'lutuii nüher Irüleii würde. Vgl. hierzu 
Docb Hense, Fretburger Prorektoratsprogr. 1893, S. i4 ff. 
Blraal, Dtalsg. 4 



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50 



I. Wesen und Ursprung. 



schafllicbe Erreiiung, dio goisligo Unruh«\ für die der Dialog 
in dor Literatur der rechte Ausdruck ist und die an» lit l>t('n 
Die Btdner. die Atliener eriirilfen hatte, kommt auch in den Heduern 
jener Zeit zu Tage. Ein Beispiel hierfür liefert der syraku- 
sische Deraagog Athenagoras, dessen Rede uns Thukydides 
mitgetheilt bat (VI, 36 ff.). Der Art. wie dieser darin seine 
Gegner anredet und Fragen an sie stellt, fehlt sum voUkom- 
menen GesprSch nur, dass die Antworten jener, auf die sich 
seine Erwiderungen beziehen, nicht wirklich ausgesprochen, 
sondern nur vorausgesetst werden Der Bedner befindet 
sich also auf dem Weg sum Dialog, so gut wie im Folgenden, 
wo er einen Einwand, den er erhebt^ nicht als einen eigenen 
gibt, sondern sich als den eines Anderen denkt und dem 
entsprechend beantwortet'). Noch weiter ist in dieser letaten 
Betiehung Antiphon gegangen, der einen solchen Einwand 
einmal nicht bloss seinem Inhalt nach mittheilt, sondern ihn 
wirklich erheben ISsst, d. h. in die Form der direkten Rede 
kleidet 5). Das sind embryonische AnfSnge des Dialogs^) — 
Zeichen, die nur ein Iliüstreben zu ihm bedeuten und deshalb 
i'ür seine Werde/.eit «»benso charakteristisch sind wie sie uns 
später nocli einmal als die Sterbe-Symptome dieser Literatur- 
gattuug begegnen werden. Mehr als das finden wir bei 



4) Vgl. 38, 5: xai fjf-.i, 8 7-^>)a7.t; iT/r laa-r^v, tI xnl ßo'iXcoöc , J» 

1) S9: CM}«« Ttc ^lAOApattflrv o&rc Covtt^ oOt* foov ttvai, to6< V i^ovra; 

3) Totrai. III, 2, 3: Elcv* 4peT Ii »a>X h vÖ|ao; cTp^cuv |xi^ Stxa(«K 
jjif,TC ihlxmi äzoxTEiveiv £voyov toü ToT; drtTt|jiiot; dro-iottvet oe ^Ivra* 
o vap dv^^p T£dyf]xev«. i^uj 0£ hc'jztftvi /M iptTOv oüx ttTtoxTetvat <fTf[ti' 
JSubji'kl zu ipei Ist nicUl olwa rincr der AnkUifior, sondern eh» unhc- 
stimmter »iii« uud es ist müglirh. duss dieses »tic« nicht, wie es jetzt 
nach d«r Ueberlieferung nothwendig ist, nur in Gedanken ergänzt, sondern 
wie bei Thukyttides dem Teit hinsugeltt|$t werden muss. 

4) Von den Kednem bat dergleichen auch Sophokles, s. B. Philokt 
305, wo die Worte Toy' ouv Tt; xxX. mit Recht von Scbneidewin als Ein- 
wurf im Sinne des Nertptolemos hezeichnet werden. Ehen.so DikHiopolis 
in der Red«-, die or vor (Jen Acharnern halt. 5*0 loct Tt; -/.tX.. wo aber 
der Schüliiixt l»i'ni- rkt, »l;is«4 dies aus de»n Telephos stammt; dasselbe in 
Eur, Bucch aü4 ;vgl. noch bluydes zu Ach. 54ü;. 



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Redner. Schrift vom Staate der Athener. 



54 



Andd Lides. Da er des Mysterienfrevels angeklagt vor seinen 
Huhtem stand, ergreift ihn der Gedanke, wie es gewesen 
wäre, wenn er als Angeklagter so vor den dreissig Tyrannen 
gestanden hStte, mit solcher Lebhaltigkeit, dass er das für 
diesen Fall nur supponirte Verhör durch einen der Dreissig, 
durch Gharikles, wirklich zu erleben glaubt und das Gesprach 
mit diesem nun nicht mehr erzählt »ondern als eine der dabei 
betheiligton Personen unmittelbar vor- und darstellen hilft 
Inuner hat eine stärkere Bewegong der Seele, mag sie nun 
?on Natur dem Menschen eigen sem oder durch Süssere Um- 
stände in ihm hervorgerufen, die Neigung sich lum Dialog su 
gestalten. Als nach fast zweitausend Jahren und zwar wieder 
in eiiaer dialogisch arbeitenden Zeit euier der grOssten Redner, 
die die Geschichte kennt, Girolamo Savonarola, ebenfalls in 
schwerer Stunde, um sich zu rechtfertigen, vor seine Gemeinde 
trat, da begann auch er die gewaltigste, von tii'fster Erregung 
getragene, seiner Predigten mit einem Dialog-). Aehn liehe Die Schrift 
Ursachen hah« m den Dialoc: aneli in die literatur der 
phiete ein^eiiilirt. Ein Famphleleuschreilier ohne Leidenschaft 
ist gar nicht denkbar und jede Leidensehafl neigt zu drama- 
tischer Darstellung; er bekämpft ausserdem nicht wie etwa 
ein Gelehrter im Dienste der Wissenschaft nur mögliche Ein- 
würfe, sondern Ansichten, die in der Wirklichkeit ihre Ver- 
treter haben, mit welchen letzteren er in der Regel schon 
mQndlich gestritten hat; und endlich will er auf die öffent- 
liche Meinung einwirken, d. h. einer Unsahl von Gesprächen, 



Die Worte aus der MysU^ricnroilc »ind § 4 01 folgende: dt^ixptvc 
« d^v pc tCc AXqc ^ XaptxXf,; ipoTdiv, YAr^i S> *Astt»ilTi, r^/vStc tU 
AexiXcun, «ol iffctelxto^ ittxpihi rg otnoroS; Ou« tfmnft, T( hi; fccfac 

iMi WTxacTÜ.u^s; t^jv 8^(i,ov, o\>hi ß(a xarfjXftf; ei; tf;/ rA}.vr, fljoev to6- 

r»>)),o(; Der ErzUhler tritt hier cUiusu volliilMndi); hiuU:r den Pcriuuen 
rie» Gesprächs zurück, ohne durch ein eingefügtes »sai;te« oder »erwi- 
derte" au seine Gegenwart zu erinnem, wie die« Tfaukydides im Dialog 
der Heller und Atliener gethan hat 

S) Vilteri La Slorla di Girolamo Savonarola 1, S. »7S. — Hit Hecht 
tagt QuintUlan Instlt IX, i, S9 von dieser Art von Redeflguren: mir« 
com verlant orationem tum excitant. 



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I. W«Ben Qod üraprang. 



in denen diese sich xu bilden pflegt, eine gewisse Bicti- 
tung geben: so begreift es sich leicht, dass sein einsames 
Schreiben etwas von der Natur des Gesprflchs annimmt oder 
wohl gar von vornherein der Dialog bei ihm an die Stelle 
der susammenhSngenden Darstellung tritt Daher hatten, um 
nur Beispiele ansulühren, lur Zeit der iweiten englischen 
Revolution, als nadi der Thronbesteigung des Oraniers das 
Land mit Pamphleten Qbersohwemmt wurde, unsShlige der- 
selben dialogische Form und auch die beiden Glassiker unter 
den modernen Pamphletisten , Niebuhri) und P. L. Courier, 
haben sich zu ihr fortrois.sen lassen Es wäre also 
keineswegs wunderbar, wenn schon das älteste l'aiuplilct das 
die Geschiehle keimt, in dem die revululionäre den l'artei- 
kaiupl auf den Gipfel treibende Zeit des pelopoiiaesisehen 
Krieges sich spiegelt, die unter Xenophons Nain«'r» gehende 
Sclirifl vom Staate der Atliener Gesprlichslurui schabt hatte 
und sumit das älteste Denkmal atlisclier Prosa ziiL'Ieicb das 
früheste Beispiel eines wirklichen Dialogs gewesen wäre. Aber 
dass diese Schrift ein Dialog war, ist bisher nur eine Ver- 
muthung, die, wenn auch noch so scharfsinnig durchgeftlhrt 
durchaus nicht als sicher gelten kann. Lassen wir also diese 
Vermuthung fallen, so bleibt ftlr die Schrift charakteristisch, 
dass die Erörterung in ihr in Folge von Einwürfen fortschreitet, 
die nicht etwa als Selbsi-Einwarfe des' Schriftstellers, sondern 
als Einwürfe Anderer erscheinen und mit einem »man sagtt 
»einige wundem sich« u. s. w. eingefllhri werden^). Was 
wir bei Antiphon und in der Rede des Athenagoras nur in 
einselnen Beispielen fanden, das ist hier Ober eine ganse Schrift 
verstreut und wie wir dort schon darin Anseichen des wer- 
denden Dialogs eriilickten, so kOnnen wir nun mit noch mehr 

1 Nieliuhr, Ueber geheime Verbindungen S. iS. Courier an sahl« 

reichen Stollen. 

2' Von lAiUioi-i ;.'k>ichartigen Flirgsrhrifl^n säst Siherer, Geschichte 
der üeuUdi. Lileialur S. ;284: bKr hält nie Moiiuio^e; soadem stets bc- 
kotntnen wir efai Stück aus einem Dialog xu hören«. 

8} Und aucb in neuester Zelt von Belot wieder für Xeoopbon In 
Anspruch genommene. 

4) Von Curt Wachsinuib im GOtt. Progr. 1874, der dem Gedanken 
von Cobet erst xiir rechten Bedeutung verhelfen hat. 

5 Die Stellen gesamuieU von Wacbsmulh a. a. 0. £>. 6. 



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Die äophistao. 



53 



Hf'cht diese Schrift, wenn auch nicht als den todten Best eines 
Dialogs, was sie nach der erwähnten Vermuthung sein würde, 
so doch als die Vorarbeit su einem Dialog betrachten, durch- 
geführt bis zu der Grenze, wo, von einer Künstlerhand auf- 
genommen, die Geisterschlacht abstrakter Gedanken ein Ge- 
sprSch lebendiger Menschen hätte werden kSnnen. 

Noch stehen wir nur im Vorhofe des Dialogs; der Weg, »• SofUttw. 
der Kum AUeiheillgsten ftthrte und den Griechen zum ersten 
Ifal den Dialog auf eigenen Füssen stehend seigte, war noch 
nicht geAmden. Kein sicheres Beispiel ist uns bisher vor- 
gekommen, dass ein Sohriflsteller es gewagt hStte eine Er- 
5rterung in Gesprächsform als ein selbständiges Werk heraus- 
zugeben. Audi würde ein Versuch, den man etwa mit dem 
hervorragendsten Beispiel seiner Art, das uns bisher begegnet 
ist, dem Gespräche der Melier und Athener hätt4> machen 
wollen, nothwendiu haben nnss^lückcn müssen: denn so gross 
das Interesse ist. das dieser Dialog erregt, so gründet sich 
dasselbe doch wesentlich auf den Zusammenhang, in dem er 
mit der (ieschichte von Athen und Meios steht, und seine 
Bedeutung ist, genauer besehen, nirht grösser und nicht g(^- 
ringer als die des Dialogs im Drama, der, wie ausgebildet 
und reizvoll er auch sei, doch am £nde nur dazu dient die 
Hebel sichtbar zu machen, durch die die Handlung bewegt 
wird. Uüberhaupt waren einzelne Fragen praktisch-politischer 
Art nicht das Gebiet, aur dem der Dialog erstarken konnte; 
das war nur mOglich in der Luft allgemeiner Probleme und 
Theorien, wo die Entscheidung des Streites nicht wie zwischen 
Athenern und Meliem schliesslich von äusserer Macht und 
vom Willen abhängt, sondern durch Gedanken und Worte 
gewonnen wird und ein Gespräch daher schon an sich eine 
That Yon selbständiger Bedeutung sein kann. Allgemeine 
Probleme und Gedanken standen aber damals im Vordergrund 
des Interesses. »Die Geister sind erwacht: o Jahrhundert^ es 
ist eine Lust zu leben irt), mit diesen Worten des deutschen 
Ritters hätte auch ein Grieche damals sein » igenes Zeitalter 
begriissen können. Ks war eine der ZcUcn, in denen die 
Menschheil in ihren liefen aulgerUtlcU wird, aus langer traum- 



I; Epist. 90 Schi, (bei Söcking 1, S. 21 7 j. 



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54 



I. WeMa und UrspmiiK. 



artiger Befangenheit sich znr Freiheit emporringt und nun. 
indem sie sich niif sich selber besinnt, anfängt Uber ihr 
ganses bisheriges Thun zu reflektiren; mündig geworden will 
sie sich durch keine Tradition, auch die ehrwürdigste nicht, 
mehr etwas vorschreiben lassen, Alles will sie erst selber 
prüfen, ehe sie es billigt, sie erkennt kein Geseti an, als das 
sie sich selber gegeben hat. Im YoUgenuss der neuen Frei- 
heit maasst sich der Verstand die Herrschaft Ober Alles an, 
kein Mysterium ist ihm heilig, die Dogmen der Reb'gion und 
der Philosophie tastet er an und wühlt in den Grundlagen des 
socialen und politischen Lebens, auch den geheimen Gängen 
des menschhVhon Genius spürt er nach und sucht alles wissen- 
srltiirili( he und künstlerische Thun tlts Menschen, indem er 
es auf feste klar erkaniili' Hegeln bringt, sich selber zu unter- 
werfen. So kam es, dass auf dem Gebiete der Theorie und 
des Denkens die RevoUilion nicht minder i^ewaltif.! war als 
die, welche gleichzeitig der peloponnesische Kriefi im äusseren 
Leben der Griechen herbeiführte, (ind hier wie dort extreme 
Parteien sich aufs heftigste befehdeten, die Vertreter des 
Alten und des Neuen, ebenso wie diese L(>tz(eren wieder 
unter sich. Allerdings wurde auf diese Weise der Boden 
gepflügt^ aus dem die Saat eines neuen geistigen Leben auf- 
gehen konnte; aber von den Karten Keimen des letzteren ist 
noch wenig sichtbar und was der Blick zunächst im Bilde 
dieser stürmischen Zeit wahnUmmt, ist das Getümmel d«^r 
mit einander Streitenden und zwar mit um so heisserer Leiden- 
schaft Streitenden, als es in diesem Kampfe den tiefeten Grund 
und das höchste Ziel alles menschlichen Daseins und Thuns 
izilt. Aus diesem Kampfesgewölke zucken wie Blitze die 
l)ial(ij:e hervor, /uniirhst die mündlielien. die hier wie ühcrall 
die Vorliiul'er <ler selirill liehen gevvesi'U sind. Wejui The»;»'Ms 
einmal heiin Kiiripides saiil. er habe sich niil einem Anderen 
darüber gestritten, oh die Zahl der l'ebel oder der (iüter auf 
der Erde grösser sci^}, so wirft dies ein Licht auf die Ge- 

I) Soppl. 495 ff.: ^.0181 ^ 'z'i'iT^'s* d|MXXt)ftclc hj^fn 

0£ TO'JTOU "ivTiav ^"/.*"' 

r/.situ Tot '/JJT^zzc^ tcüv x'/xüjn ei'^ai ppoTot;. 



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Zenon. 



55 



spräche, wie sie (laniais in Athen unter ilen Gebildeten ge- 
pflogen wurden. Eine üeberlieferung aus derii Alterthum 
nennt als den ersten, der Dialoge schrieb, den Eleaten Zenon*). flnoi, 
In der Thal, io dem Augenblicke, da die Dialektik die Philo- 
sophie ergrifr, schlug die Geburtsstunde des Dialogs und es 
würe nur natürlich, wenn der erste namhafte Vertreter der 
Dialektik, welchen Aristoteles sogar Ittr den Begründer der- 
selben erklärte^), auch unter den Ersten erschiene, die den 
Dialog aller Fesseln frei und selbständig in die Literatur 
htnausstellten. Trotidem ISsst sich dies nicht erweisen und 
scheint jene Üeberlieferung auf einem Missverstfindniss zu 
beruhen'). Zenon war vielleicht doch noch su sehr ein Ver- 



1) Diog. U«rl. Ul, 48. 

t] AriAtotela» im 2eft«t^c tr.M der Akad. Ausg. 

8) Zwar lesen wir bei Aristot. Soph. el c.1S p. 170b %t «ixXd x«l 
6 dit0«pivtf|wvoc Xttl 6 cf^mTü>v Z-f]vcuv iv o{ri|xsvo; eivai t|p(Jj77]Sc und hierin 
hat man bisher, auch Zeller I, 536 Anm., einen Beweis gesclx^n, »lass dir 
im jilatonischrn IN^rmonides erwalmli" Schrift in Frapc uiui Antwort ge- 
gliedert und iiiM>i<'rn ein «n'spriifh mior riohtiger da.n Skclell eines solchen 
war. Mir scheint aber in den WorUni des Aristoteles der Aorist Tjptunjae 
darauf hinaiweiseD, da» diese Frage Zenons mündlich gctban war und 
nicht in einer dem Aristoteles noch Yoriiegenden Schrift. Es würde so- 
nach mit Ihr dieselbe Bewandtniss haben, wie mit dem X^yoc Zenons, 
dessen Aristoteles phys. VII, 5 p. 250» SO gedenkt und der nach SimpH- 
cius schol. ed. Brand p. 423i» 43 » iiu in Gespräche mit Protagoras an- 
gehörte. Vollends ist es unaliniblii h, tl,is<< die Schrift, in der 7,cnon jene 
Frage gelhan hahcn soll, ilii« itu P.irnn-nides erwähnte war; denn von 
ihr sagt Sdkratcs >Fiu-m. p. )i7E iiu.sdnicklich und Zenon bestätigt es, 
dass ihre Absidit nicht war geradesu die Einheit des Alls zu erweisen, 
sondern nur indirekt diese Fundamentallehre des Parmenides au bekrttf- 
Ugen durch den Nachweis, dass eine Vielheit nicht existirt; in dem X^yoc 
dagegen, dem jene Frage entnommen ist. handelte es sich,' wie Aristoteles 
p 170'' iX' Hnuibt, um den direkten Beweis des Ev nx»Ta. Wie man 
trotzdem d««zii Kommen konnte Zonon ftir (\r>n ersten Verfasser von Dia- 
Ingen zu erklären, begreift sieh Ifirlit. i-r .ils der Erfinder der Dia- 
lektik galt und diese den Sputei-en als die Kunst zu fragen ufid zu ant- 
worten erschien (Diog. L. VII, 42}. Es ist dasselbe Missverstttndniss, das 
Einige verführt 2u haben scheint von Dialogen sogar des Parmenides zu 
sprechen (Biogr. ed. West. S. 995, S angef. von Heitz, Die verL Schriften 
des Arist. S. Hl. 3 . ich kann mich daher auch nicht mit C. Wachsmulh 
einverstanden erklären, der Sillogr.' S. 98 f. durch eine künslliche Aus- 
legung von Timons d{«>fOTcpo-{X(uoaou ein neues Zeugniss für Zenons Dia- 
loge gewinnt. 



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56 



I. Wesen und Cnpraog. 



treter der alten Zeit mit ihrer Naturphilosophie, um am 
literarischen Himmel den Dialog heraufzufUhren, dioses Ge- 
stirn, unter dessen Scheine die neue Periode der Philosophie 
verlaufen sollte. Um so mehr dürfen wir dagegen erwarten, 
dass er uns bei den Sophisten entgegentreten werde, den 
Bannerträgern der neuen Zeit. Und allerdings, wenn dieselben 
mttndlich sich als Dialektiker seigen wollten, so gesidoh dies 
durch verfängliche Fragen, die sie an einen Mitunterredner stell- 
ten, also durch eine Art von dialogischem Verfahren, wie uns 
diese Piaton an dem edlen BrOderpaare Buthydem und Dionyso- 
dor geschildert hat (Euthyd. p. 275 D ff.). Doch betrifft diese 
platonische Schilderung zunächst jüngere Sophisten, und ausser- 
dem ist auch die l laj^e, ob sie dasselbe Vorlahn n nun auch 
in ihren Schriften festhielten*). Freilich die lleberlieferung 
scheint die ausgespnichenc Erwartung in vollem Maasse 7,u 
FroUforu. beslfitigen, indem sie Protnanras, den Vater der Sophislik, 
zum Vater auch dvs Dialogs uiKi soizar dos sokratischen machen 
iiKu htc'-). W«'nn dieselbe nur zuverlässiger wäre als die cleich- 
artige Zenon belrellende!') Doch kann man ihr wenigstens so 
viel zugestehen, dass der die ganze Zeil durchziehende, hier 
und dort ansotacnde Dranc: nach dialogischer Gestaltung der 
Rede auch in gewissen Schriften dieses ältesten Sophisten sich 
bemerkbar machte«). Dasselbe gilt von den im dorischen 

0 Dass Zcnoii miindlirli das gleldie Verfahren bcfoIfiU' . erhellt aus 
(lein S. ">?>. t mif^relheillen; dass »t e«* ntich \n srhrifllii lirr Darstellung 
gelhun hiilu', ist, wie ebenda {zezeipt wortien isl, mindestens unerweislicb. 

2 Diogenes Lnertius sagt von Prolagoras IX, 53 outo( xa't tö loixpa- 
twAv tlhoi Td»v Xd<(aiv TipüjTo; exivT^ae. 

i) Abgesehen davon, dass sie ohne jeden glaubwürdigen (Sewttbrs- 
innm erscheint, büsst sie den Werth, den sie allenblls noch haben 
kflnnte, dadurch ein, dass sie ProtsKoras zum Begründer nicht des Dia- 
logs iiberhanpl. sondern Insbesondere des sokratischen macht: denn dies 
isl uncIaiiWirfi, nh wir nun mifcr sn|<r.iti*;flirn Dialogen snlchf vorslrhrn, 
in dt'iK'ii Soki.ili's I Ulf \\n\\v nd»'r nur soI' Ih". 'fn' '!»'n <■< !i) s(»kr-i- 

lisvhen an Leix'ndiHlvvil jjleuhkoninu'n. Der iTspiuiiL; ilo Vlissv nsland- 
nlsses Icaon derselbe gewesen sein, den wir bei Zenon vcrmulbel haben, 
da Protagons 'AvTiXo^ixd geschrieben halte und das Wesen dw Anii- 
logiseben später an die Ponn von Frage und Antwort geknüpft wurde 
(Isoer. IC. iml. $ 45}; vielleicht aber Ist er in etWM Besonderem so 
suchen, worauf die nächste Anmerkung hinweisen soll. 

4J Ich meine die 'AvTiAo^iai (Oiog. IX, SS). Lesen wir allerdings 



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ProtagorvA. AiaXl^tc. 57 



IHalekt gesciu'iebeiien J^ioXi^SK, die jetzt ziemUcä allgemein 



Quasit. Protagg. S. 187, so schiene darin Protagoras seine Theorie, 

dasa Uber jedes Ding zwei Behauptungen einander p;o^cnüber stünden, 
nur auseinandorgosotzt zu habnn. Schon durch den Titel WvtiXoyi^i ^vird 
aber wahrstheinlich, dass er sk nach durcli Beispiele erläutert und der- 
artige Beheuptuntjen oder Xö^oe, wie sie die llicoiie als moglicti erwies, 
den Lesern wirklich vor Augen gestellt hatte. Der Streit der beiden 
XÄyof^ den wir aus Arlstopbanes' Wolken kennen (vgl. auch Platou, Phaidr. 
p. 9M D 01), wttre hiernach nichts weiter als die poetische Nachbildung 
eines KampUBS, der bereits in der Sdurlll der Soplilsten gefUlirt wurde 
(vgl. auch Maass im Herrn. 29, 585, S dvnXlYnv bei Aristoph. Wölk. M4. 
938. 1040). An diese» deren anderer Titel [J. Bernays Kl. Sehr. 1, fT.) 
KaTa5'?)>ovr?; war, erinnert viclleiehl auch bei Aristophanes vs. 1?29 
iT.ira^ATjTo;, Aber auch was den Inhalt des Streites belritTt, hat sich 
der Poet vielleicht enger, als man gewöhnlich aniUtniul, hü den Sophisten 
angeschlossen. Bei Aristophaoes handelt es sich iu den Wurteu des 
Abuuo( Xöfo; scUiesalicb vm ein Lob der Gereditigkeit ebenso wie in 
denen des'A(t»e( nm das GegenthdL Dass nun Beides in Slinlicher 
Weise schon in der Scbrifl des Protagoras sich gegenüber gestanden hat, 
ist eine Vermnthung, die sich nicht bloss auf die allgemeine BrwSgnng, 
dass dieser Gegenstand noch in späterer Zeit ein Parade-Thema dialek- 
tischer Hhetoren wie des Karneades war, oder auf die Andeutung; hei 
Plato. Supb. 232 D. L'riindet, sondern einen festeren Anhalt an der Nach- 
richt des Aristoxeiios Diog. Iii, 37} hat, nach der die pintoiiist he Politie 
sich fast ganz .schun in den 'AvrtXo^ixd des Protagoras fand, irgend einen 
Gnmd moss letztere Nachridit doch haben, mag sie im Uebrigen ein Zeug« 
niss nidit so sehr für das wirkliche Verbaltniss der genannten Schriften 
als ftbr die Malice des Aristoxenos g^en Phiton sein. Welchen Grund, das 
hat schon.K. Fr. Hermann, Gesdi. d. plat. Phil. S. 694, S79, gesehen. Plalons 
Werk über den Staat ist hervorgcwnchsen aus dem CSegensatz zweier Reden 
X6^oty ^<»n denen die eine, durch Thrasymachns '1, ,343 B IT , r.laukon 
[II, 35Ü A ff.; und Adeimantos II. ^OiDfl.) vertreten, dn« boli der tn- 
gerechlipkeit und eines ihr enlsprcc iionden Lebens « nlhalt, die andere, 
die den Hauptinhalt der Schrift bildet, in Sokrutcs' Munde die Gerechtig- 
keit verherrlicht Wer auf diese Anlage des Ganzen sah und ausserdem 
Einseines In den Lobreden auf die Ungerechtigkeit berücksichtigte, das 
sich audi bei Protagoras wiederfinden roodite, konnte, wenn er nur 
ausserdem den Wnnsch dazu milbrachle, sich leicht für berechtipt halten 
Piaton des Plagiats am Sophisten zu bezirtdigen. liin solcher sah dann 
geflissentlich über die zurückbleibende Verscbiedeiiheit beider Werke 
hinweg. Dieselbe erstreckte sich über den Inhalt hinaus vermulhlich auch 
auf die Disposition: denn wuürend bei l'laton das Lob der l'ngerechtigkeit 
vorangeht und das der Gerechtigkeit folgt, hatte Protagoras, wie man 
Ibeils aus dem Sieg, den bei Arlstopbanes der ''A&ntoc M^oc davon trttgt, 
thetb aus dem Titel KeffapdXXovrt« »die Umstünenden« vermuthen kann, 



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58 



1. Wesen and Urqiraiig. 



für das Werk eines Sopliisten angosf^hon worden'): auch hier 
kämpfen fortwährend 013301 ko^oi niil einander, ohne sich doch 
jemals bis zu wirklichen Personen eines Dialogs herauszu- 
urbeiteD. Einen entschiedeneren Ausdruck hat derselbe erst 
bei jüngeren Vertretern dieser Rii litMnu 'jcfunden, wie ja über- 
haupt die Sophistik auch des fUnfteo Jahrhunderts nicht etwas 
SUUstebendes ist, sondern Spuren einer gewissen Entwickelung 
zeigt. Hier sind deshalb Prodikos von Koos und Hippias 
von Elis SU nennen. Yor dem auflodernden Freiheitsdrange 
und den Leidenschaften, die derselbe im Gefolge hatte, war die 
Sittenstrenge und Ehrbarkeit der alten Zeit surQckgewichea. 
Die Sehnsucht fing an nach ihr zu rufen und fand ihre Wort- 
fllhrer auch unter den Sophisten, obgleich gerade diese durch 
ihr Treiben jene Bewegung am Meisten förderten. Sittliche 
Ermahnungen waren mehr als jo an der Tagesordnung. FOr 
diese bot sich aber in der Literatur die Form des Dialogs fast 
von selber dar. Denn {licjenigen, die früher dergleichen ver- 
fasst, hatten dieselben nicht ins Blaue, an den Leser oder 
Hörer in abstracto, soiuli in ,ai einzelne besliramte Persönlich- 
keiten gerichtet, wie sehun Hesiod. was er in dieser Bezieh- 
ung; nuf dem Herzen halte, an « inen Bruder I'erses, Theoguis 
an seine i'reundc, besonders den Kyrnos, und Solon an sich 
sellier <}T.o^>)r /.r/.: Z'.: zaurov). \Wn das wirkliche Lehen diesem 
Urango nach BcsUmmlheil in der Form, wie er für die Grie- 

«beusu wie später in seinen Vorlraj^en Karncades die uuigekfhrle Folge 
ionegehaltoti und Alles was er vorher sa Gunsten der Gerechtigkeit vor- 
gebracht hatte durch die folgende mit allen Mitteln der Rhetorik und 
des Scharfsinns ausgeriistete Lobrede auf die Ungerechtigkeit wieder .uro- 

gewnrreii. Auch Cicero im Brutus iCt scheint diese Ansieht iilirr die 
Schrift «Ics l'rnt;i','nras zu hcsliitigen: denn im dieso Sr lrrift i->t doch bei 
den «nTinii iltustriuin dispulationes«- zu denken die (Cicero den Soj^histcn 
abfast-ci» und, nach 47 zu s<-hlie»;sen. sind unter solchen >>disj)utii- 

liones« zu verstehen t»singularuni n runi lauries vituperalionesquc«. In- 
wiefern Übrigens in einer sokdien rhetorischen Schrift auch der Eotwurf 
eines Ideal-Staates Platz flndeo konnte, kann das Kapitel iccpl v6(unv in 
Aoaiimenes' Rhetorik bei Spengel, Rhct. Gr I, S. ISf f., lehren. 

1} Trieber im Hern). 27, 213 IT. V^l. noch das unten bei Simnnias 
Zusammengestellte. Warvim übrigens Trieber hei der Erörterung des 
Titels AtiAeUu 226 den Aristophanischen Vers Wolken 317 'iirttp fnif 
p.r^v xai o((i/.e^iv xiA.j ganz ausser Aciii läsrnif >^eis$ icli oiclit. 



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59 



chen chara( teristisch ist, nicht genügte, half die Mythologie 
aus. So entstand das unter Hesiods Namen gehende Gedicht 
PCelptavot üTco&fjxai), dessen Verfasser den ganzen Schatz seiner 
Moral und Lebensweisheit zu Rathschlägen gestaltet hatte, die 
durch den Mund des weisen Cheiron dem jugendlichen Achilleus 
suflossen^). An solche Vorgänger schloss sich der Sophist 
Hippias an^), wenn er alles, wosv er selber junge Leute HinpUt. 
efmahiieD mochte, durch Nestor dem Neoptolemos sagen Uess'). 
Die Soene war Troja — daher die Schrift den Titel Tpioixo« 
tUirte^) — die Zeit nach der Eroberung der Stadl*]; 
BpStere nennen die Schrift einen lUalog*^). Möglicher Weise 
beschrSnkte sich aber das Dialogische darauf, dass Neop- 
tolemos die Frage stellte^ was ^ junger Hsun thun 
müsse um sich einen guten Namen zu machen, und Nestor 
diese Frage ia längerer Rede beantwortete hümraler Aka- 
(iemika . Dass ausserdem Gespräche vorausgegangen 
seien oder sich aDg«'scblossco hätten, sind wir nicht berechtigt 
anzunehmen"\ Jedenlalls bildete den Hauptinhalt die Rede 
Nestors und war das GlanzstUclL, auf das sich der Verfasser 



I) Vielleicht audi noch aiidcrn Heroen, Aii^tid. or. 52, p. 436, 
S Jehb (MeleaKer? Xenopb., Cyneg. i, i]. Dass es ein äiinli<d)es Gedicht 
g»b2, in dem an die Stelle Chelrona der Weise Pittheus und an die des 
AcirfUmis Tiieseas oder Hlppolytos trat, vermnlhet Schneldewin de Fit* 
theo Tröz. S. 1 2 IT. 

2i Wie beliebt und bekannt gerade die Fabel von Cheiron und 
A«hillcns und die auf sie gfirrMTulcten uroO-^xm ergibt sich aus 

itcri B»'iiiiMknii.L;en vrm .S<"liii< hli \shi de Piltheo 'Iru/.. 6. Sie bahon 
noch in später Zeit einen IJiulojj, den 'AiO^t'Ji des Üio Chr^sostomus 
or. 58) hervorgerufen. 

S) Zn bemerken ist, dass Piaton im Hipp. Maj. p. 286 B, wo er von 
dieser Schrift den Hipplas sprechen iSsst, mit Bezug auf Nestors Ermah- 
nungen das Woft 6in»cillj»svO( hraucht; denn dies erinnert an die 6i;o- 
tiJXQtt, von denen die Rede war. 

V Eine Aniilocin hicU i der Eußooo« des Dio Cbrysostomus ^ or. 7. 

5) Plalon Hipp. Maj. äiSfi B. 

6 Philnstr. vit. Soph. p. 15. 

7} In folgtiider Weise referirt Ilippias bei Piaton. Hipp. Maj. 286 B, 
aJber den Eingang seiner Schrift: dneiot^ tj Tpoia 7~Xtu, /i^et ö >öp;, oxt 
Ncoiet6Xc|A0« NIotofNi l^ocro, ico?« Ion «aXa licTT]oeu[iiaTa, Ä ti« harr^ 
tcveo« vloc &v eMoxi|MiiTvco( ifivorro ; yusxä xatka ^ H'fw* ivw h Niotop 



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60 



I. Wesen und Ursprung. 



Helber am Meisten za Gute that*). Das Ganse war sonach 
mehr oiae rhetoriscbe Leistung und konnte schwerlich ftlr eine 
Bereicherung der dialogischen Literatur angesehen werden^). 
Ein Tugendprediger trat in dieser Schrift auf und der Ein- 
flnse desselben auf sehien gelehrigen Sohttler wurde nicht 
durch den Widerspruch eines Dritten, durch Reden entgegen- 
gesettten Inhaltes gestOrt. So glatt ging es damals in der 
Wirklichkeit nicht inuner ab. In dieser Zeit eines Uebergangs 
EU gan^ neuen Lebensanschauungen und Sitten herrschte 
weder das Alte noch das NeuCi sondern lagen mit einander 
im Kampf und wfihrend sonst wohl das Laster nur praktisch 
genht wird, in der Theorie sich aber nicht hervorwagt, erhob 
es damals, wo keine Rücksicht das Denken und Reden der 
Menschen mehr zu binden schien, kühn sein unverhüUles 
Ilaupl bis iVL dieser Höhe. In die empfcinglichen GemQther 
der Jugend mussto deshalb sehr verschiedener Same aus- 
gestreut werden, und nicht bloss die verschiedenen Söhne 
eines Vaters wuchsen in Folge dessen mit verschiedenen 
Grundsiilzen auf, wie (b'es Aristophanes in den Sctimausitrüdern 
(AaiTaXsT;) geschildert halte, sondern auch um die jugendliche 
Seele des Einzelnen mochten sieh oft genug die Geisler der 
alten und neuen Zeit streiten und der Streit der beiden Reden 
um IMieidippidcs nur in typischer Weise zusammenfassen, 
was im wirklichen lA^hm in unsShIigen FfiUon sich ereignete'). 
Nur ein Bild aus dem Leben, mythologisch verschleiert, war 
FrodikM. es daher, das Prodi kos gab, wenn er schilderte, wie dem 
Herakles bei seinem Eintritt in das Jttnglings-Alter die Pcr- 
sonificationen des Lasters (Kaxb) und der Tugend f Aptn)) 
entgegenkamen und jede Ihn durch ihre Beden für sich su 



r Wonjp*;<t iis hrb! rr hri PInInn. Hipp. >f.ij. A, nur dir Rt>do 
hervor und l< -^i <|i<n) was ihr vorausging keine weitere Bedeutung bei 
als sie zu motivir«;n. 

2) Aehnlich war wohl auch in den 'Epojnxol der Zeit (s. 5. 3t, 3j 
das dialogische dement, wenn es überhaupt vorhanden war^ nur avf 
AnBtftce beschrtfnkt. So achllesst der Brotikos des Lysias bei Pletoni 
PhSdr. p. 234 C, mit den Worten: ifdi [acv ouv tiund |Mt vo|dCai td tl^ 

8j Ein ähnlicher Streit auch in Krates ^ia fr. 4 t f. K. 



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Prodiko«. 



64 



m^vinnen suchte'^ (»t Ii i:riih ii /um Dialog war unter diesen 
Linslünden gegeben uud der Sophist hat sie auch bis zu 
einem gewissen Grade benutzt. Erst lässt er das Laster eine 
Aede aa Herakles richten, wuruuf dieser sich nach dem Namen 
desselben erkundigt; kaum hat er di> Antwort erhalten, so 
isl aodi schon die Tugend da und hält ihrerseits eine An- 
sprache an den Helden; swar wird sie hierin einmal vom 
Laster unterbrochen, nbnml aber hiervon nur den Anlass, 
sich In heftiger Weise gegen dieses su wenden und in ISngerer 
Rede dem Jflngling alle Yorthelle, die ein tugendhaftes Leben 
bringt, vor Augen su stellen. Hiermit schliesst, was uns aus 
der Schrift des Prodikos Xenophon erhalten bat (Hemer. II, 
4, 84 ff.)^. Basselbe bildet ein kleines Ganses fttr sich, su 
dessen kunstvoller Gomposition unter anderem gehOrt, dass 
die beiden Gegnerinnen sieb erst jede Ittr sich an den Helden 
und danach gegen einander wenden, gerade wie die gerechte 
und die ungerechte Hede in den Wolken des Aristuphuucs. 
Das Aeusserliche des l)i;tluus ist in Rede und licgenrede 
unverkennbar und auch der Versuch, denselben durch ein 



4) Vgl. Uber das Wesen dieser «uTxpieic auch Henae's vorlrellliche 
AbhaDdlnng im Fteiburger Prorectoratsprogramin S. 14 tT. 

9) Dass die Schrift des Prodikos, aus dvr dies entnommen ist, einen 
grösseren tmfang hatte, lässt sich nicht beziwcifcln, da was wir bei Xeno- 
phon lesen zu wenli: ist, um tiir sich allein den Inhalt einer sclbstäindif'en 
Schrift zu hilUci». Uuss abi-i die«»»? Erweiterung des I uff in.^is diniii be- 
slaudeii habe, da»s anderes und uiehr vun Herakles in der Uiigiaulbchrift 
enSblt wurde oder gar das o67ifpctfjL{jia t& ircpl tow 'HpaxXioj; (Xeuoph. 
a. a. 0. Sl) nur der Thell eines grösseren Werices gewesen sei, icann man 
ans den Titel 'Qpat dieser Scbrifl beim SchoUasten tu Aristoph. "Weilt. 
S61 nicht schlicssen : denn abgesehen davon, dass dieser Scholiasl mit 
seinem Zeugniss allein steftt was Suidas u. llpdoixo; und ^Qpai gibt ist nur 
von ihm genommen), so saL-t < r uns über den Inhatt der Schrift nieht 
mehr uls was wir aus Xeuoiihuii kenu«'n. 1> kuna also wohl sein, dass 
»Herakles am Scheidewege« den Inhalt einer sclbst^iudigen Schrift des 
Prodikos bildete und der nöthige Umfang durch die breitere rhetorische 
AusfÜhniiig dieses Themas erreicht wurde, aus d«: l»el Xenophon nur 
ein Eicerpt vorlfegen wilrde. Dass l^elsterer nieht wortgetreu wieder- 
gegeben liat> was er bei Prodikos fand, deutet er selber an (vgl. {StH rmc 
Xi^Qjv 21 und o&xoi rcoc 84} sowie dass bei Prodilios Alles rhetorischer 
aufgeputzt war (iipö^xoc ixdofiijoc td( pMbfiac in (U^oXcietifOU ^|*aetv 
T, i-y«^ '''''' 



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62 



I. Wesen uad Urspruag. 



charakteristisches Auftreten der betheiligten Personen leben- 
diger zu machen, fehlt nicht, indem das Laster in ungeduldiger 
Hast vorauseilt um vor der Tugend zu Worte zu kouiuieii 
(23) und später deren Rede in heiliger Weise unterbricht (29). 
Der Agon der Gerichtsverhandlungen war hierdurch ungefähr 
zur gleichen Zeit in daB Gebiel des Dialogs eingeführt worden, 
XU der er auf der dramatischen, der komischen^) wie der tra- 
gischen, Bahne Eingang geftanden hatte. Mag daher auf dem 
Wege zum Ideal des Dialogs die Schrift des Prodikos der- 
jenigen des Hippias einen Schritt voraus sein, wie ja auch 
ihr Verfasser in Athen, der Heimath des echten Dialogs, mehr 
XU Hause war, so ist sie doch ebenfalls nicht über die Re- 
iiiun hinausgekonuujMi. in »i\ov das dialogische i\hMnent nucli 
vom rli<*tonsrh<Mi tiht^rwogcn wird. Niehl l)h»ss lirgt der 
Schwtirpunkt der ganzen Üarstelluuij: oflenhar in tlen langen 
Reden der Tugend, sondern (Wosc sirui auch rhetorisch zurecht 
gestutzt und spielen mit Worten und Wendungen in einer 
damals allgemein beliebten und besonders für Prodikos cha- 
rakteristischen Manier, wie dies schon in der Xenophontischen 
Kopie KU Tage tritt, noch mehr aber im Original der Fall 
war'). — Gab es noch andere Dialoge von Sophisten, deren 
Kunde uns jetzt verloren ist — und es ist kaum zu be- 
zweifeln, dass deren in dem jammervollen Schiffbruch der 
sophistischen Literatur mit untergegangen sind') — so werden 
dieselben schwerlich einen anderen Charakter als die eben 
besprochenen gelrageu hcil>en: die Scene derselben wird eben- 
falls in der mythologischen Well gewesi ii und auch die auf 
ihr spielenden Figuren werden deshalb, ohne den r(^chten Tun 
des Gesprächs zu trt!tlt'iK mehr oder minder auf rhetorischen 
Stelzen gegangen sein. Dass irgend Einer der Sophisten be- 
reits den folgenreichen Schritt gethan und den philosophischen 
Dialog auf realen Boden verptlanzt, zu Trfigem desselben 



4) Man sieht hIeTaus hoffeDllich, das.« ich nicht die Ansicht von 
XieUnski. eher die von Coaat, Aristophane et rancienne comMio Attlqve 

S. 351, billige o. S. U). 

i) Bhs«;. \fti«4che Bemls. I, 30 f 

:) KiniMn sulcheii t^laubl Maas^ im Hermes Si, 5»u Aiiiti. aut der 
Spur zu i^eiu. 



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Demokrit. 



63 



historische Personen der lüntzsten Vercanüeiiiieit oder (»euen- 
wart gewählt habe, lässt sich bis jetzt durch nichts beweisen^"». 

Wurde sonach unter den Iiiinden der Sophisten die 
dialogische Form noch rhetorischen Zwecken untergeordnet, 
so ist doch durch dieselben schon das wissenschaftliche Ge- 
biet bezeichnet worden^ auf dem sie demnächst ihre grilssten 
Triumphe feiern sollte. Dies ist das Gebiet der Ethik. Denn 
während die Probleme, die sick hier ergeben, durch Dispu- 
* tation ihre Lösung finden können, entliehen diejenigen der 
NatQTwIssenschafl in der Regel sich einer solchen, da sie 
mehr einsames Nachdenken und Forschen beanspruchen, und 
widerstreben deshalb der dialogischen Behandlung in dem- 
selben Maasse, als jene ihr sich anbieten. Nur um so mehr 
darf es daher als ein Tribut an den Zeitgeist angesehen 
werden, wenn der grüsste Naturphiloso]^ dieser Zeit, der- 
jenige, den um seiner glänzenden Biction willen schon die 
Alten mit Flaton verglichen, wenn Demokrit gelegentlich. Dentkilt. 
und zw ar gerade in einer Schrift nicht etliiM-lu-n lüiiails, den 
Ansatz zu dialogischer Darstellung macht. In einer Krörterung, 
die den Sinnenlnig zcrstürtc und die WaiirbeiL in lien Atomen 
und im I »'pren nachwies, liess er die Sinne ]>prs()nilioirt auf- 
treten und heftige Reden gegen den denkenden Geist fiilin u, 
der erst sieh ihrer hedieru' um zur Frkenntniss zu gelanijen 
und danach sie verwürfe'^), aber Ireiiich, wie sie hiniufUgeo, 



i] Dcuu die Vorinulliung von Diels (Berr. der Bcri. .\ku(). 1884 
Sb S44,l. 858), der4K»9txi< des AtkiUamas sei ein Dialog gewesen» in dem 
Goügias als Führer des GesprVchs auftrat, entbebrt jedes Haltes, wenn 
man nidit etwa die blosse UngiaubwUrdigkeit einer NoUx, die jener 
Schrift entnommen sein soll, scbon als Beweis Rlr deren dialogische Form 
gelten lassen will. 

2i Dies bissen wir aus einem nur in lateinischer LelMTs*'t?ung he- 
kannten Fmenienl Tifllens, das zuer^l Peipers. Die Erkniiiluissllieorie 
Fla tos S. 678, verolVentticlil wurden ist. liaien sagt (luiiu: Deniucrilus 
qnando apparenUa vituperabat, vbl dUisset i^e color, lege amarum, 
Vera antem (id est ittfi) atomns et vacuum, flnxit sensus advorsus cogi- 
tationem in hnnc modnm loqui: misera mens quae cum a nobls fidem 
assumpseris nos ilejicis. At cum nos dcjicis, tu ipsa cadis. Vgl. hierzu 
jetzt Natorp, Die Ethika des Demokritos S. Hi f., der hierzu noch weitere 
Beispiele, namentlich eines fürmiicbea i'roceiüMMi des Leilies gegen die 
äeele uuchweist. 



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64 



I. Wesea und Ursprung. 



nur um dadurch selber zu Falle zu kommen. Deraokrit war 
eben nicht bloss der letzte Vertreter ilei alten Naturphilosophie, 
sondern sein wissenschaftlicher Horizont ist so umfassend, 
dasS) während auf der einen Seite die untergehende Natur- 
philosophie noch einmal in vollem Glänze leuchtet und ihre 
Strahlen bis in die fernste Zukunft der Wissenschaft sendet^ 
auf der anderen schon die Moi^nrSdie des neuen Tages an- 
bricht. Auf diese Stellung an der Scheide sweier Zeiten -wies 
yielleicfat auch die Form seiner Schriften hin. 

Oder war es nur eine Regung seines kflnstlerischen Genius, 
die ihn der Form des Dialogs nittier treten liess? Auch in 
diesem Falle bliebe es ein Zeichen der Zeit. Denn die Ver- 
biuilung des künstlerischen und wissenschaftlichen Wesens ist 
Itir sie el)(»nsü charakteristisch, wie Überhaupt die Veieiaiguiig 
der versi hiedensten Bestrebungen und Fähigkeiten in einem 
und demselben Individuum. Ein glän/eades Beispiel hierfür 
. gibt Kritias. Nicht bloss dass er praktischer Staatsmann 
war, auch als Schriftsteller hat er sich versucht und zwar in 
Prosa wie in Versen, als Historiker und Philosoph, als Elegiker 
und TlragOdiendichter. Er war eine sehr schwer lu fossende 
Natur. Wie er als Politiker unter keine der gewöhnlichen 
Schablonen su bringen ist, bald als eingefleischter OUgareh 
sich geberdet und dann doch wieder die Penesten Thessaliens 
gegen Ihre Herren aufwiegelt, so erscheint sein ganses Wesen 
gespalten swischen einem kühnen Verstände, der Alles 
zersetzt, in der Sprache nach den eigentlichsten Worten sucht 
und auch die poetischen Piudukte nicht Ober eiiu gewisse 
Nüchternheit hifiauskommen lässt. und einem leidensi hatllichen 
Enthuhiasuiu^. d*'r sieh a\ich in seiner Üarstellungsweise durch 
eine Neigung /u pathetisch erhabenem Ausdruck kund gab. 
Hin solcher Mann musste natürlich sehr verschiedene Beur- 
theiler finden, wie denn schon seine jüngeren Zeitgenossen, 
Xenophon und Platon, der eine ihn mit ebenso viel Missgunst 
wie der andere mit Wohlwollen behandeln. In allen diesen 
Besiehungen darf er wohl mit dem* berühmten SekretSr der 
florentinischen Republik, mit Niccolo Hachiavelli verglichen 
werden, dem Panegyriker des Gesare Dorgia, dem Verfasser 
des Principe und der Discorsi, dem Schwirmer für die Re- 
publik der den Dienst der Medici suchte, dem SchrilWleller 



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65 



der sich in Poesie wie in Prosa hervorgethan hat und auf dem 
eioen Gebiet ebenso durch Klarheil und Einfachheit der Rede 
wie auf dem anderen durch eine gewisse Nüchternheit cha- 
rakterisirt ist. Beide gleiehcn sich auch darin, dass in ihren 
Schriften die Muttersprache zu einem unverfälschten Ausdruck 
gelangte, und haben schliesslich auch bei der Nachwelt das- 
selbe Schicksal gehabt, die aie Anfangs einseitig schmähte und 
erst spSt ihr Andenken zu ehren anfing'). Was uns aber hier 
am Ifeiaten interessirt, beide, scheint es, sind sich auch auf dem 
Gebiete des Dialogs begegnet Wenigstens kannte das Altep- 
thum dne Schrift des Kfitias, die GesprSche enthielt'). Sie 
trog den Titel *0)fttX(ai*). Es mag dies ein memoirenartiges 
Werk gewesen sein, in dem Kritias Ober GesprSehe, wie er 
sie insbesondere wihrend seines Aufenthaltes in der Fremde^) 
Ober philosophische politische und vielleicht auch noch 



4) In Bezug auf Kritias gebührt dies YenUeoat dem Uerodes AttiOQA, 
vgi. Wilamowil/ Anal. Eurip. S. 166, 7, 

2) Das etgiiut sich aus fr. 2 ä. 105 bei Bach: cl V oOt&c «l3xf|3eia;, 
SroK Y^t^H-v) 0-^ \%'xs6^y fyuvttt dv o&tbc 6k' a<SToS ttniT]^(t)c. Statt 
p(6(«,iQ o-Q wird wohl '(^fb^'Q la^ SU leaen selo. 

5) Zu der Stili0 OftUens bei Bach S. 405 kmnmt Jet<t noch ein Citai 
bei Herodian II 946, 1 LenU. 

4) Zu dieser Vermuthung führen folgende Worte des Philostratoa 
im Leben des Kritias 2, 6 f: aE-rfßaXov V av 'die Thessalcf' xaX I; to Km- 

6 Ii ^jfiiXei (AM To6Toy, ßapuripac o' oüroi; izoicixo xd« <iXif «p/ia; E-taXe- 
^ifACvot Toi; ixtl SuvaToT« xa\ itadatitö|ACvo; f&iv ^-qi^ioxpatla^ 

vovTKc &«tc ivlt»|UN»|ikiv<p tvSta Kprcioc vi cTi) Sttxa^o&c (it^pdkc (tiX* 

Xov ^^ KptTtav BcTTa>.o(. Woher sind dem Philostratos diese geoanen 
Nachrichten über den Inhalt der Gespräche, die Kritias in Thessalien ge- 
führt hatte, gekommen, wenn or xic t\i< hl ;>us jcMior Schrift geschöpft? 
Nicht zuföllig wird daher derselbe bcbriftsteiler inii Bezug gerade auf 
Kritias' thessalischen Aufenthalt sich des Wortes 6[A(Xta bedient haben 
(2, 8: Tolt fdstmtov» bi:6 BrrraX(ac xai xf^; ixtiuj^ 6{AtX(a; napecpftopi'^at 
cMv). Vielleicht hat auch Xenophon die gleiche Schrift Im Sinne, wenn 
er Memor. I S, S4 aagt: Kpnto« tfw^ il« drcraXlav IxtT ewi)v dvSpttoot« 
iituda [AöXXov 1^ (titaioQ6vg yifmfUsmi. — Gesprtfche, die er in Athen ge-^ 
rührt, konnte kritias anch flchwarlich einen Anlam haben sellwt aufira- 
leichnen. 

5) Aus dem von Galen (XVIil i. S. 65G cd. Kiifm . orh<»ltf»nf*n Frap- 
nent (o. Anm. folgt freilich noch nicht, duss auch von pLiioüoptu&cben 

Uirt«l, DUlog. 5 



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66 



1. Weseu und Ursprung. 



andere Gegenstände geführt, berichtet hatte — also ein Werk 
manuicbfaliigen Inhalts, in seiner Composition etwa den Xeno- 
phontischen Meinorabilien vergleichbar LSsst man dies als 
den Gesammtcharakter des Werkes gelten, so folgt ferner, 
dass die Gespräche, über die darin berichtet war, historische 
und nicht fingirte waren, und dies würde genügen um Kritias 
in der Geacbiehte des Dialogs eine hervorragende RoUe anzu- 
weisen Er wfire es dann gewesen, der den Dialog, der unter 
den HSnden der Sophisten am dürren Baum der Mythologie 
hingen blieb, auf den frisohen historischen Boden Terpflantte'J ; 
und, wie er ja selber in der Jugend Schüler des Sokrates 
gewesen war und daher vielleicht settlebens eine besondere 
Lust am Gespräche behalten hatte, so würde er auch den 
Ueb erlang zu den Sokratikeru machen, die dadurch, dass sie 

DiDgen die Rede war: denn in diesem fordert nur ein Ungenannter einen 
Andern aof seinen Verstand anssubildea, damit er von einem Dritten 
kein Unrecht leide. Vielmehr ISsst sidi eine solche Auffotderung leichter 
in einem Gesprtlch politischen Inhalts unterbringen und twar in einem 
das sich nicht In allgemeinen Staatstheorien erging, sondern die indlvi« 
duellcn Verhtlltnisse einzelner Menschen botraf. Da aber Galen hinzu- 
fügt: Kritias habe im zwoitcti Buch derselben Schrift öfter zwischen 
Sinnes- und Vcrstandes-Erkenntiuss. aioi>tjoeti und Y^oipit), unterschieden, 
SU wird wahriicheinUcb, ds^s auch philosophische Fragen darin erörtert 
wurden. 

4) Sicherer llesse sich auf den Charaktor von Kritias' Werk ein 
SchloBB stehen, wenn uns Uber Arrians 'OimXUu 'EmKrijxott (Phot Cod* 5S) 
etwas Nliheres bekannt wSfe, Zeller (in 4, S. 7S9, S*) and vor ihm schon 
Andere (s. Schweighacuser, Bpiktet vol. II 1 , S. 1 1 IT., auch Schenk!, Berr. 
d. "W. A. <4 5, S. 447; vermutheten, dass diese letztere Schrift idenlisch 
wnr mit »'iner de<selhon Verfassers über das Leben und Ende Epiktets, 
auf d.r ius zu Aiifant' seines Commentars zum l'>Yyetptitov hin- 
wtiibt. ischen kann man an die 0(JiiX(at des sogenannten Clemens 
erinnern, deren Inhalt Ciespiiiche und Reden bildeten, welche Petrus wäh- 
rend seiner Reisen gefUhrt hattOi und daran, dass die letderen iTct&T^{A(ai 
genannt werden, die Vermnthnng knüpfen, dass man überhaupt unter 
'0|AiXiAi den *Ein&T)|»(« Ions ähnliche Schriften verstand. 

5) Dass er sieb auf die Kunst des dialektischen Gesprächs verstand, 
scheint auch der Verfasser des Eryxias vorauszusetzen, nach der RoUe 
SU schlicssen, die er ihn spielen liiss! 'p. 395 K f. ;<lt6 K ff.\ 

3) Einen Dnilog, der Diinioa zu den Areopafziten redemi darstellte, 
hal Hiiehfler lih. M. 4 885, S. H\ \ f. aus Philodem de mus. IV ( .»1. 33 u. 
34 ciutKespurt und in die Sophislenzeit verlegt. Indess gibt die Existenz 
desselben zu mehr als einem Bedenken Anlass. 



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Kritias. 



67 



den Dialog an die Wirklichkeit anknüpfteD. dicst m ein ganz 
neues Leben eiiihiiuchten ') und ihn erst fähig machten, inner- 
halb der Literatur auf eigenen Füssen cu stehen. 



I) Aach Uer veriiiUt sich der Dialog der Sokratiker xa dem sophlsti- 
Sdien ähnlich wie die Leistungeo der attischen Redner, die sich an der 
harten Wirklichkeit erprobten, zu den rhctorisi hcn Kunslstiickcu der 
Sophisten, deren GegenstMode der Mythologie eotnouimea wurden ^Blat», 
Attische Bereds. II 339*). 



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U. Die mthit. 



1. Sokrate«. 

Wie jeder Zustand, in dem die Persönlichkeit des Menschen 
sieh in ein einzige» Thun und Kmpündeu verliert, wie daher 
# nach einer Bemerkung von Goethe jede Leidenschaft etwas 

Geniales hat, so tritt der Genius in der Geschichte der Mensch- 
heit überall da hervor, wo irgend eine ThStigkeit, irgend eia 
Bestreben, sei es wisaenschalllicher, künstlerischer oder auch 
anderer Art in einem einzelnen Menschen persönliches Leben 
erhält. In solchen Menschen ist Leben nnd in einer bestimm- 
ten Bichtung der Kunst oder Wissenschaft thStig sein efai und 
dasselbe. Epoehe machen dergleichen Individuen, wenn sie 
nii^l bloss ein eihteUies WeriL hervorbringen, sondern irgend 
eine Thitigkeit, irgend eine Art des Wirkens zum ersten Mal 
in sich darstellen und so der Menschheit neue Aussichten und 
Bahnen der Thätigkeit eröffnen. Der Glanz, der dieses Neue 
umstrahlt, macht dann oft blind gegen den Zusammenhang, 
in dem es mit Anderem steht, und lässt als ein den Lauf 
der (ieschichte durchbrechendes Wunder erscheinen, was in 
Wahrheit wie alles Andere aus dem Schoosse der Vergangen- 
heit aufgestiegen und durch die Umstände der Gegenwart ge- 
bildet worden ist. Nichts der Art steht isolirt im Bilde einer 
Zeit. Ist ein gestaltender Drang einmal in einer Zeit lebendig, 
so strebt er bald hier bald dort hervor, bb er endlich an 
einer Stelle mit voller Gewalt hervorbricht; aus einem ein- 
«igen mfichtigen Krater schiesst der feurige Strom gen Himmel 
empor, aber kleinere visrkünden um ihn herum die NShe des 
Biesen. Als daher die Stunde des Dialogs geschlagen halte 



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Sokntes. 



69 



und die Zeit daran arbeitete ihn hervorzubringen, traten uns 
weit Terbreitet im geistigen Leben die Spuren davon entgegen. 
Es waren das nur Anfibige des Dialog»; aber diese AnfSnge 
weisen Uber sidi hinaus und bereiten uns vor auf das Indi- 
viduum, das sie snr Reife bringen sollte, das nieht bloss wie 
Andere nnr obenhin von der Freade am Dialog berfihrt war 
und nur gelegentlieh sich in dialogiseher Darstellnng ver- 
suchte; neinl dessen ganzes Wesen vom Dialog erfOllt war 
und das eben deshalb im hdehsten und nicht in dem heutau- 
tage gewOhnlidben und missbrijuchlichen Sinne des Wortes*) 
fttr ihn genial geworden ist Dieses Individuum war Sekretes. 
Er suerst hat die Mensehen die Bedeutung des Dialogs gelehrt; 
unter seinen Hfinden war derselbe nieht mehr wie bei den 
Sophisten ein Schaustück der Rethorik, sondern wurde ein 
Werkzeug der Wissenschaft. Sokrates war ein Athener; 
und dass in Athen der Heiland des Dialogs geboren sei, ver- 
kündeten die Zeichen wie sie uns deutlich und glänzend in 
Soj)hokies und Thukydides, dunkler auch in Kritias erschienen 
sind. Sokrates war aber auch ein Kind seiner Zeit. Als sol- 
ches stand er den Sophisten nahe, so nahe, dass die foitip 
Grenzlinie, die zwischen beiden lief, in jener Zeit selbst für 
ein durch Philosophie geschärfies Auge kaum zu bemerken 
war. Wie die Sophisten ^^andte er sich von der mOssigen 
Speenlation der alten Naturphilosophie ab und einem neuen 
Wissen zu, auf das sich die Praxis des Lebens gründen könnte, 
und wie jene hat auch er dieser Tendenz zu Liebe das ganse 
weite Beich der menschliehen Thfttigkeit durchlaufen und ist 
keineswegs dabei stehen geblieben die Gesetse nur des sitt- 
liohen Handelns sa suchen >). Das Gebiet, über das sich die 



{' Hfulzuhi^r ist das Wort so herunlorgekoramon, dass es last 
unt«!r5chietislos mit laienUoll gebraucht wird und beinahe Jeder, dem eine 
geläufige Zunge oder Feder zu Gebote steht, auf das Priidikat «genial« 
AMproch madMD darf. Tempom matantor. In einem Budie des vorigea 
Jahrhiuidertft erbmere Ich mich gelesen zu haben« dass es seit Beginn der 
mensdklichflii Geschichte nur etwa drei oder vier Genies gegeben habe. 

i) Worüber redet er nicht In Xenophons Memorabilien ! Urber die 
Verthcidipunp Attikas III 5, 26 f., über Reit»^rrninniando 3, 1 ff., über den 
Hüuserbau 8, 8 IT.. über Malerei ^0, 4 ff., Biltihaucrei ß ff., Panzerf;<brikatjon 
9 ff. Als XeoxpiTtxi; xpöico« bezeichnet einmal Aristides Hhetor II 5, 



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70 



IL Die Btttthe. 



üedefertigkeit, diircb die sich beide auszeichnclrn und die sie 
auch auf Andere übertrugen ausbreitete, war indessen keines- 
wegs unendlich sondern, wie schon angedeutet, begranal duroh 
die Schranken, welche das Interesse am Menachen zog. Dies 
war der Punkt , in dem sich die Bealiebungen des Sokrates 
nicht minder als der Sophialen ooncentrirtnL »Der Mensob 
ist das Xaasa aller Dingec dieser Sata des Pktrtagoras ist das 
MottOy in dem man das Wesen von Sokrates* ThStigkeit so gut 
wie das der sophistischen Bewegung snsammenftissen kann. 
Im Umgang mit den Menschen Ton ihnen zu lernen und wie- 
derum lörduiid auf sie öiüzuwirken, das war die Aulgabe, die 
er sich gestellt hatte und der ei- sich mii der vollen Einsei- 
tigkeit genialer Naturen hingab. Während sein grosser Zeit- 
gf TKJssr Dcmokrit, um seinem Bedürlniss nach Erkenntniss der 
Natur zu ^iMuiL'un, auf weiten Reisen die Welt durchstreifte, 
hat Sokrates treu dem Grundsata, dass Felder und Bäume ihm 



S. SS4 Speng. ^ H ««nie yiptflK^ tt Mefwi* Dass dies TheoreUsiron 
nnd Red0D ttber Alles «üu sopÜstlscber Zug ist, sieht man ans Zelter 1 

966« und dem bekannten Anerbieten des Gorgias (Platon Gorg. 447 C} tkbsr 
jeden beliebigen Gegenstand reden zu wollen. 

1) Thatsächlirh war aufh Sokrates ein Lehrer der Bercd^mkeit, 
wenn er auch nicht wie die Siiphiston aus dem Untomcht in der Rhe- 
torik Profession machte. Beredsamkeil war es, die Kritias und Alkibiades 
durcli ilin zu ei langeu suchlcn und nach Xenopiions Eingesttindniäti auch 
erlügt haben (Mem. 1 a, 1 5 f.). Aber firelllob diese Beredsaaikielt war 
nicht die gewöhnliche der Sophisten und Bhetorea, nicht ein mttssiger 
Pmok mit Worten und Wortfignren, sondern die, wie dte Geschichte der 
Beredsamkeit zeigt, echt attische Kunst die Seelen der Menschen durch 
Worte zu leiten und zu beherrschen (Xenophon a. a. 0. H : i^^;€93<« Sontpd- 
TT)^» — — ToT; otaXe-f 0(j.£vot; vj-m roai ypAfAtvov rot; X/^y^*^ ürro; ßou- 
XoiTo\ Dass ihm indessen auch die gemeine Rhetorik nicht fremd war 
und er es nicht verschmähte cielegentlich von seiner Fertifcrkeil darin 
eine Probe abzulegen, tiut i'laton im Menexenos und noch mehr im 
Phaidros zur Genüge angedeutet und tiestatigt iiberdiess Xenophon, wenn 
er ihn {mem. III S, S ff.) Vorscbrillen m einer Rede erlheHen lisst» daich 
die man die Athener sur Tagend begeistern kOnne. So ganz Uaieoht 
hatte also weder Kritias, als er dnrch das Verbat, die Kunst der Rede 
(Xj^v ti^cvii) zu lehren, Sokrates zu treffen glaubte (Xea0|dlon Mem. I 
4, 3< — eine Stelle, die freilich von Krohn. Sokrale> nnd Xenoph. S. 91 
für imecht erklärt wird . noch der altr Stre])siades als er von ihm da« 
Geheimniss /u ei fahren hoflle, wie man den ^tt«^ in den xpcltrav 

vorwandeln koiwie. 



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Sokratflft. 



71 



nichts Ichren kannten, sondern nur die Menschen in der Stadt'), 
die Grenzen seiner engeren Heimat während seines langen 
Lebens nur viermal, davon dreimal gezwungen im Dienste des 
Vaterlaads, verlassoi und ist selbst in Attika, insoweit es vor 
den Thoren AlheDS lag, immer ein Fremder geblieben 2). Was 
er sachte, waren Menschen, mit denen er ein GesprSch an- 
knUpfen koimle, und die fand er nirgends besser als in seiner 
Vaterstadt^ deren Bewohner hienu dnrdi angeborene Sinnes- 
art getrieben wurden nnd die damals der Sammelplats aus» 
erlesener Geister aus gans Griechenland war. Wo in derselben 
Vensehen mit einander verkehrten, m'eht bloss in den Hfinsem 
der Privaten, sondern auf dem Markte, in den Hallen (itep^Tcatoi), 
in den Pialflstren und Gymnasien'), auch in den LBden der 
Handwerker^), überall stellte sich auch Sokrates ein. Was bei 
Anderen Müssiggang, war bei ihm Beruf, dem er deshalb vom 
frühen Morgen "') bis zum Abend nachging, dem er sogar .Nächte 
widmete^). Gerade weil man L'cNvohrit war ihn stets im leben- 
digsten Verkehr uiit Anderen zu hen, fiel das einsame Nach- 
denken, in das er bisweilen versank"), nur desto mehr auf. 
Erst im Verkehr mit Anderen schöpfte sein Geist recht Athem; 
ein Leben ohne Gespräch galt ihm gar nicht als Leben ^t. 
Wie von einer inneren Nothwendigkeit wurde er zum Gespräch 
getrieben und iiess diesen Zwang auch Andere empfinden, 
die er wider ihren Willen xu Gesprächen nöthigte ^) und solange 
dabei festhielt bis ein gewisser Abschluss erreicht war^<>). Wo 



I) Piaton Phaldr. p. Sit D. 
t) Pluton Phaldr. p. SBO C t 

3) Xpnoph. Mem. I <, 4 0. 

V Z. B. in einem Yivtoroisiov bei Xonoph. IV S, 4 ; in der WerltSlaÜ 
des Schusters Simon nach Diog. LaerU II Iii. 

5) Xenoph. Mem. I 1, 10. 

6j Dena da^ von Plaloii geschilderte Symposion war sicherlich nicht 
da» einsigo seuier Art» und hier hält Sokrates his sa Tagesmbnich aus, 
bidem er noch suMt mit Agatbon und Aristopbanes ein GesprSch über 
dramatisohe Kunst führt. 

7} Piaton Sympos.^p. 17SA f., p. %iO C. 

8} Vgl. was ihn Piaton sagen lasst. Apol. p. 38 A. 

9) So den Gorgias hei Piaton Oorg. p. 44dB, den Protagoras bei Piaton 
Protag. p, S34CfT 

1 0) PiatoQ Prolag. p. ä 4 4 C. 



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72 I>ie BiüUie. 

sich Gelegenheit zu cineiii Gespräch bot, griff er zu und konnte 
hierüber, wie erzählt wird'), alles Andero vergessen. So 
Art der wandelte er als ein Fanatiker des Gesprächs unter seinen 
toitnSobfttM Landsleuten. Und wie in Fanatikern neben dem einen Drang, 
vtrktkrti, der sie errolU, eine andere Rücksicht nioht aufkommt, 8o 
schien auch er nur auf die Befriedigung jenes einen Triebes 
sein Augenmerk gerichtet su haben und deshalb jeder Mensch, 
sobald er nur dem angegeheaen Zwecke diente, flun recht in 
Sehl. ZunScht freilich wurde er, da er der Sohn ehies Hand- 
werkers war^, auf den Yerkehr mit Menschen diesen Standes 
hingewiesen') und hat denselben auch spiterfain nicht unter- 
brochen^). Bald jedoch wird ihn seine geistige Bedeutung 



1) PlatoD Sympos. p. <94 D. 

i) Sein Vater war Bildhauer (Wwpjhi heissl er bei Diog. L. II 4 8; 
und er selbst hat Anfflnps diesen Beruf gehabt. Vom modernen Stand- 
punkt aus wiirdi* daher er sowohl wie sein Voter Künstler genannt 
werden müssen. Aber bekannt ist auch, dass die bildende Kunst der 
Alten, deren Vertreter niemals auf den »»tulzen Titel von noiTjTai, d. i. von 
Schaffenden, Anspruch eiliobMi haben, dem Handwerk viel oIUiot stand, 
and gewisse Vorxüge, die ihr vor der modernen eigen sind, dttrftea eben 
hierin ihren Grund haben. 

3) Wie der Sohn des Zimmermanns von Naxareth seine Gleidinisse 
(Hausrath, Neutest. Zeitgrsch. I^ S. 844 f. 340) so hat deshalb Sokrates 
uern seine Beispiele deni Leihen und Treiben der Handuerker entnommen. 
Heide suchten si( h eben dem Kassungsvermu^en derer, z.u denen sie 
sprachen, möglichst anzupassen, wie dies \uu Sokrates gerade in Bezug 
auf die Wahl seiner Beispiele ausdrücklich Dio Chrys. or. 30 extr. be> 
merkt. Daher es ihm, wie aus Xenoph. Mem. 1 S, 37 und PInton Gorg. 
p. 491 A so wie den ao l»eideD Stellen von den ErklSrem gegebenen 
weiteren Belegen hinreichend erhellt, seine Gegner xom Vorwurf mnch- 
ten, dass er immer und ewig von Schustern, Zimmericuten, Schmieden 
und dergleichen spreche. Geradezu bezeugen den Verkehr des Sokrates 
mit Männern im< dem Handwerkerstände Xonophoo Memor. III 10. Oecon. 
6, U und IMaton Apol. 22 D. 

4i Die» ergibt sich schon aus den zum Schluss der vorigen An- 
merkung angeführten Stellen und liegt insliesondere noch als Voraus- 
setxung der Angabe {epist. Socrat. i 4, 4] xu Grunde, die ipf aor^pta hätten 
das Geridit umstanden und das ürtbeil über Sokrates au beeinflussen ge- 
sucht. Auch ApoUodor »der itasende«, der, wie die Einleitung des pla- 
tonischen Symposions zeigt, erst in den letzten Lebensjahren des Sokrates 
dessen Anhünper wurde, wäre nndi einer Vermuthnng von M. Hertz 
vorher Bildhauer gewesen; indessen so bestechend auf den ersten AohUolr 



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Art der Menschen, mit denen Sokrates verkehrte. 73 



Uber diese engen Schranken iiiuauägehoben haben. So treffen 
wir ihn im Hause dos Kallias ') und dürfen vennulhen, dass 
er auch in anderen vornehmen HSusern Athens als ein gern 
gesehener Gast verkehrte*^). Hier war es, wo er Gelegenheit 
fand die hervorragendsten unter den Sophisten xu sprecheni 
einen Protogoras, Uippias und Andere 3), auch an ihnen seine 
Kunst des Gesprlchs üben imd so im Wettotreit mit diesen 
gefeierten Männern sich neuen Rohm und neue Anhänger er- 
werben konnte. Unter den leiseren tritt besonders die reiche 
Jugend hervor, die sich ihm anschloss und ihn auf seinen 
Gingen begleitete*) ; aber auch die Ärnrnth hatte ihre Vertreter^), 
die gegen die gUnienden Gestalten eines Alkibiades und An- 
derer seltsam absteöhen mochten. Dabei war er fortwährend 
bestrd^t Ober diesen engeren Kreis hinaus sehie Bekanntschaft 
SU erweitem; sobald ihm jemand in irgend einer Besiehung 
gerOfamt wurde, sudite er Gelegenheit mit ihm sosammentu- 
kommen*) und es mag wohl sein dass es mit der Zeit im 
damaligen Athen kaum einen ueistig her\'orragenden Mann gab, 
iiiit dem Sokrates nicht eiimial ein Gespräch geftlhrt halte. 
Mit Menschen aller Stände und Berutsarten verkehrte er'), mit 

di« Pliniiiastelle, auf die sich diew VermuthuDg grttndet, wirkt, so stellt 
flidi doch bei nSherar Betraditung die Identität des dort genannten Bfld> 
haners mit dem Sokratiker als sehr unwahrscheinlich heraus. 

1] Dies st^ht durch Piatons Protaporas. Xcnnphoti"« Sympo'^ffui und, 
wenn Bergks Vermuthung . dass (iie!»e Vers«' den Ko/ax*; cutuoiumen 
sind, richtig ist. durch Eupolis fr. 352 ed. Kock und 36< fest. 

8j Dass hierunter auch das tlau^ de» Perikies war, kann man aus 
Sokrates* VerhSltnlas wn gleichnainigeD Sohn des grossen Staatsmannes, 
dem Feldherm In der Aiginnsenschlaciit (Xenophon. Mem. III 5, 4 IT.), 
sa Alkibiades, dem Mtlndel des Perikies, and rar Aspasia sohllessen. 

3) Den Gor^ins im Haose des KalHUes nacb Piaton Gorg. 494 B« 

4) Plalon Apol. 23 C. 

5* Zu dtpiPD gehörte z. B. Anti«thf^nf s. nacli Xenoph. Synipos. 4,34, 
ferner .\poiiodor, der hei Piaton Synipos. IT.'iC sich die nXouotoi gegen- 
über stellt, und Aischines nach Diog. Laert. II 34. 

6) So sagt tr von IschomadioSy mit dem er bald darauf im Gesprfich 
erscheint, bei Xenophon Oeoon. 6, 47: iml o5v xiv 'lox^pa^ov t^ooov icp6c 
ioinwr» ical dvBpAv «al jwuiat&i* «al (Iva» «ol dttröv «s^dv T< «dy*^^ 
cr:ovo|iaC^ftcvov, ilo'^i [loi zo'jttn r£!fjci8f,vai «UY^evioBai. L'nd ebenso, als 
ihm Einer die Schönheit der Hetäre Theodote rühmt, macht er sich so- 
gleich auf den Weg zu ihr (Xenoph. Mem. III 41, 1.; 

7; Diftselben werden übersicfatlicb zusammeogelasst in der Schilde- 



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74 



il. Die BlüUie. 



der Jugend nicht nur, sondern auch mit (lern Älter'), Ober- 
haupt mit Menschen aller Art: daher weisen mvh die Anhänger 
keines Mannes solche Gegensätze ;iuf, wie die des Sokrates, 
zu dessen Schülern Aristipp nicht minder als Antisthenes ge- 
hörte, dessen Freunde Kritias und Gharmides, die USupler der 
OHgarchen, ebenso gut waren als der leidenschaflUche Demokrat 
MaaniohfiUtig- Ghürephon. Und wie verschieden waren diese GesprSohe auch 
^^11^^^ nach den Gegenständen, die je nach Haasigabe der Personen, 
mii denen jene geflihn, oder der Anlässe, aus danen sie ent- 
sprangen, bald der SphXre des praktischen Lebens angehörten >) 
bald in den Bereich der Wissensehaft') fieloi; wie versefaie- 
den aber auch in der Form, indem die einen in raschem 
Wechsel von Frage und Antwort Terllefen, die anderen ra 
Ungeren VortrSgen des Sokrates Baum Hessen^), und wie 



rung (Plalon Apol i\ B fT.) wie Sokrates in Athen umherging um einen 
Mann tu siirlu^n. der weiser wäre als er selber, den das pytbische Orakel 

lUr den weiscslcn » rkliirt hatte. 

<^ Mm denkt' hu Lysimachos und Mplf»Ma«i im Lachet»; an dea greisen 
Kephulos im Eingang der platonischen Republik. 

2J Einige Beispiele s. o. S. 0$, t. 

s) Keineswegs bloss der Ethik. Das« Sokrales anch logisehe, meta- 
physische und hesondera natnrphilMophische Prablenie mit seinen Fieon- 

den erörterte, folgt schon aus dem Charakter dor sokrati<;chen Schulen, 
deren keine die Ethik iiuscliliosslirh aMspobildct liat. und wird ausdriick- 
lich !)()( h durch Xenophons /cngniss hostatigl, wonach er mit tieinen 
Krcunden zusammen die Schriften der allen Weisen las {Mem. I 6, H). 
Dem widerspricht es nicht, wenn derselbe Gewährsmann anderwärts 
(Mem. I ifH ff.) erkilirt, Sokrates habe «Ue aatorphilosopblsche For- 
schung für ein thtirichtes und eussichUoses Beginnen erklärt: denn ein 
solches verwerfendes Urtheil musste Sokrates Schülern wie Pleton ^gen- 
iiber durch bessere Gründe rechtfcrti^zen als der oberflKchliche Hinweis 
auf den Stroit der versrhiedenen Ansichten ist. womit er sich bei Xeno- 
pbon (a. a. ü. 1 '» !if L'nn.t und das konnte nur geschehen, wenn er in die 
einzelnen Naturplnlosuptuen und Probleme tiefer einging. 

4j Hiervon geben Beispiele die Gespräche mit i^Uitiphon, in denen 
Sokrates den Worten de« Sophisten mii Ittngeran Beden entgegnet (Xeno- 
phon Hern. I 6, 4 ff. und 13 f.}; so wie mit Buthydem (a. tu 0. IV t ff.) 
und Aristipp (a. a. 0. II 4, 18 ff.). Doch hat es mit dem mietet angeführten 
eine besondere BewandtnlSS» da in demselben im Anschluss an ProdikoS 
Sokrates die Geschichte von Herakles nm Scheidewege erzählt und diese 
in der Hauptsache selbst ein Gesprach i^t ¥.< -^rheifil rilso dnss Snkratfs 
in diesem Falle nur seiner von Piaton, be&onder^ tui Symposion, aber 



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Mannichialtigkeit a, Entwickelung der Gesprttcbe Delphisches Orakel. 75 



mannichfaltig endlich nach Zweck und Richtung bald mehr 
disputirend und streiif^nd Imld lehrhaft und in diesem Falle 
wiederum theils falsche Meinungen beseitigend theiis geradezu 
auf die richtigen hinlenkend. Wie jedes Talent^ indem es an 
verechiedeDeo Stoffen und unter verschiedenen Umständen 
und nach verschiedenen Richtungen sich versucht, dadurch 
nur geübt wird, so musste das des Sokrates tnr Gesprfichs* 
Ülhnmg durch den Wechsel der Persenen, Gegenstände und 
Absichten bis rar VirtoositSt gesteigert werden. 

Zu dieser Meisterschait ist natttrlicb Sokrates erst all- 
mShllg aufgesUegen. Wie Oberhaupt der Gharacter setner 
Gespridie mit den Jahren sich etwas geändert haben wird, 
sodass der platonische Sokrates, der in den früheren Dialogen 
negativen Tendenien folgt und viel lebendiger in der Dialektik 
ist, in den spfiteren dagegen mehr dogmatisch in ruhigem 
Fortschritt der Gedanken positiven Resultaten zustrebt, viel- 
leicht die EntWickelung seines historischen Vorbildes wieder- 
holt: so wird insbesondere der jugemiliche und nocii unge- 
übte SoiLrates mehr als ein Mal im Streite mit einem älteren 
und gewandteren Gegner diesem haben weichen mftsscn in 
der Weise, wie uns dies der platonische Parmenides, in dieser 
Beziehung gewiss historisch treu, schildert. Von einem An- 
fang dieser Thätigkeit kann freilich bei ihm noch weniger als 
bei anderen genialen Männern die Rede sein, obgleich das 
BedQrfniss des menschlichen Verstandes ihn immer wieder 
U'eibt, einen solchen zu suchen. Nur den Schein eines solchen 
gewährt das bekannte delphische Orakel, das Sokrates für den D&s Ddphinh« 
Weisesten erklärte, und die Darstellung, die Piaton in der Brakel. 
Apologie (p. 20 £ ff.) von den Wirkungen desselben gibt. 
Historisch wird diese Schilderung im Wesentlichen sein: für 

auch von Xenophon 'Oecon. V l If. geschiktiiien Gewohnheit Gespräche 
wieder zu «TXHhlcn treu geblieben Ist. üass er iniiossen gelegentlich 
auch in längerer Aliseinandersetzung sich erging, best^iiigt noch einmal 
XflDophon Mem. IV 6, 15, wo die Worte iitsAn Ik «M^ xt t(j> Uf*^ oie^lot, 
tftv ladXitfw hnokerfWipAm* iitopc6tTO den Gegensati so den gemein* 
schädlich im Gespräche mit Anderen angesttUlen Erörterungen bewichnen. 
Ja dieser seihe Schriftsteller lässt ihn Mem. I S, 1 IT. eioen Lchrvortrag 
über dip i-(y.';Araa hallen. Her einlgermaassen an das BtW erinnert, das 
der ^ < rt,i>>cr des unter Pialüris Namen gebenden fcüeitophon von dem 
Proireptikcr 5oiirates entwirft. 



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76 



II. Die Blttthe. 



historisch muss zunächst das Orakel gelten historisch kann 
aber auch der Glaube des Sokrates an dasselbe sein'), so wie 

<) Wäre es tingirt, so stönde diese Ficlion hier an ganz unpassen- 
der Stelle. Plalon will den Sokrates vertheidigen und insbesondere dessen 
Leliribätigkeit in das rechte Licht setzen: wie konnte er dann diese letz> 
ter» an ein Orakel anknüpfen, von dem Ae Zeitgenonen gewaasl htttten, 
dass es erlogen sei? Mit Recht hemerkt DUUiey, System dwGdsteswin. 
I Sit, I: »Die Vertheldigmig hatte nur dann ^nen Sinn, wenn sie ein 
treues Bild des Sokrates, mindestens in Besag auf die GegenatMada der 
Anklage, gali <. Aber auch abgesehen hiervon, wfire es recht gewesen, 
statt die Verantwortung für die Wahrheit dieser Nachricht auf sich zu 
nehmen, sie (Iharcphon und dessen Bruder {p. 24 A) aufzubürden und so 
beide, von denen noch dazu der eri>le bereits gestorben war, in Gefahr 
XU hfiogen, daas sie Lügner gescholten wurden? V» Hiebe also mir die 
MOgUobkelt, Piaton- habe die Fictlon als eine von Sokrates gamacfale an- 
gesehen wissen and an diesem Beispiel die bekannte Ironie sehies Leh- 
rers zeigen wollen: dann aber wSre dies der einxlge Fall} dass diese 
Ironie sich auch an dem Heiligen vergriffen hätte, während sonst, hei 
Piaton nicht minder als bei Xfnophon, Sokrates immer als ein Muster 
einfacher altväteriscber Frümmit^keil erscheint. Was Ist denn aber an 
dem Orakel so anstössig, das uns uulhigte zu so unwahrscheinlichen Hy- 
pothesen unsere Zoflacht za nehmen? Ist es etwa unerhört, dass Apol- 
Ion Cenauren der Weisheit ertbeilte? Hätte sich denn ttherhaupt die 
Sage von den Sieben Welsen bilden kOnnen, wenn der Gott nicht bis- 
weilen solche Erklärungen abgegeben hätte, und sind wir nicht in einem 
Falle wenigstens, in dem Mysons (Hipponax fr. 45 Bergk*, welche Verse 
mit ten Brink dem Kallimnchos beizulegen irh keinen genügenden Grund 
sehe), noch zu beweisen im t>tan(le, dass er dies wirklich gethan batleV 
Aber auch warum eine solche Erklärung von Delphi aus gerade über 
Sokrates abgegeben wurde, Ittsst sich begreifen: in Mitten eines skepti- 
schen Zeltalters batte er sich Ebrliircht vor der Religion bewahrt — dies 
musste ihm die Gunst der Priester erwerben, noch mehr aber daas 
er den Wahlapradi des delphischen Gottes n^ft&t atvjxiis auch zum 
seinigen gemacht zu haben schien; es kam nur darauf an, dass ihnen 
beides von der rechten Seite und in eindringlicher Wei^o vorpestelU 
wurde, und daran wird es der leidenschaflliche Chärephon nicht haben 
fehlen lassen. Ein ühnliches Orakel «.smdf übrigens in noch viel spaterer 
Zeit dem Dio Ckrysostomos nach dessen eigener Erzählung (or. <3 p.331 M.) 
SO Thell, Inaofem es die bisherige Lebenswelse und Thätigkeit des ]|ed> 
ners billigte und ihn so besUIrkte in deraelben fortsnlahren. — H. Sdians, 
Indem er neuerdings (Hermes t9, A99 f.) das auf Sokrates basilglidie 
Orakel in das Bei eicli der platonischen Dichtung verwies, hat es sich 
mit seiner Kritik doch etwas zu !»*irht gemacht. 

2i Dieser Glauhe ist nur eine Folge aus dem Verhältnisse des 
Sokrates zur Voiksreligion, wie es uns sonst bekannt wird, und tritt 



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Widerlegeode und maieuUscbe Gespräche des Sokrates. 



77 



sein Bemühen durch eine eigenthUmliche InterpretaUun des 
Orakels dessen Wahrheit zu retten^). Trotzdem wird hier- 
durch noch kein Anfang der gesammten Thatigkeit des So- 
krates bezeichnet, da ja nicht alle, also i . K. nielit die soiie- 
nannten maieutischeu'^), sondern nur eine einzelne Art von 
Gesprächen, diejenigen^ durch welche einem Andern die Ein- 
bildung eiwas zu wissen genommen wurde, und auch diese 
letiteren nur insofern sie dem Sokrales Feindschaft (diaßoXT]) zu- 
legen^ an das Orakel angeknüpft werden Wenn man also Piaton 
Mgen 1888(| Sokrates sei erst auf Antrieb des delphischen Gottes 
Sil seüQfir dialogischen Methode gekommen, so schiebt man ihm 
einen Gedanken unter, den er in Wirklichkeit nicht aus- 
gesprochen hat und schafft sieh selber unnQthige Schwierig- 
keiten. Aber wenn Sokrates auch schon lange, ehe er das 
Onkel empfing, dem ihm von der Natur vorgeseichneten Be- 
rufe folgte, so ist es doch nicht die Stimme seines Genius 
allein gewesen, die ihm diesen Weg wies, sondern Süssere 
Anregungen haben hierzu mitgewirkt. Gerade für solche Ge- 
spräche, wie er sie nach Piaton im Auftrage des delphisehen 
Gottes rührte und in denen er die Menschen ihres NicliLwiascns Die wideriegeu- 
überführte, d. h. von der Unrichtigkeit gehegter Meinungen 
Uberzeugte, i^ouiite er sein Vorbild bei den gleichzeitigen 
Sophisten finden. Zwar <len älteren, einem Protagoras und 
Gorgias, scheint dieses dialektische Verfahren noch fremd m?- 
blieben su sein, jüngere dagegen wie Dionysodor und Kuthydem 

ttherdlM nooh in elim anderen vod XeaoplioD, Anab. III i, S fT., mit- 
gelheiltea Falle hervor. 

4) Ea kaadelte sich hierbei nicht bloss um die Ehre des Gotles 
als Wahrsager sondern ausserdem um Sokrates' ganzes VerhültniHs zu 
seinen Anhängern, der, wenn er bis daiiin den Titel eines Weisheits- 
Lehrer« beharrlich abgelehnt hatt«, sich dessen nunmehr s(th,«Ul er die 
Wort* (1- s Orakels im gewöhnlichen Sinne gelten Hess, uichi mehr wei- 
gern durfte. Daher ist es wühl glaublich, das» er unmittelbar uucU dem 
Eintreffen des Orakels, um einem Missverständniss entgegenzutreten, in 
Gemetnsciiaft mit seinen AnhSngeni einen solelien Rundgang, wie ihn 
uns Platoa gesehUdert hat, hei allen denen machte, die sich im weiten 
Sinne des hellenischen Wortes «ofolra sein dünkten, nnd nachwies, wie 
leer diese Einbildung sei. 

f Auf 'j-nttlichen Antrieb werden dieselben elieiifalls zurückgeführt, 
aber in in ieiti Weise, bei Piaton TheUtet. p. 150 C iu den Worten des 
Sokrate«: {i.2uuc3da{ (&c 6 dt^ dvaKxdi^ci. 



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78 



IL Die BIttthe. 



sehen wir dasselbe mit Lust und Leichtigkeit handhaben, und 
der Unterschied zwischen ihnen und Sokrates liegt nur darin, 
dass, was von den Sophisten lediglich als Kunst zur Schao- 
Btellimg ihrer Fertigkeit und unter schablonenhafter Anwendung 
gewisser Oberliefertor Kunstgriffe geübt ward, tob Sokiatas 
mit kluger MenschenprUfiuig yerbundea und so der AulUimng 
Die maientt- Anderer dienstbar gemacht wurde Aefanlloli wie deijenige 
'spricht der widerlegenden Ist auch der Ursprung der maieutlBohen 
GesprScbe gewesen, in denen Sokrates die Xenschen nOthigte 
durch eigenes Nachdenken die Wahfheit su finden. Er selbst, 
wenigstens in der platonischen Darstellung, hat dieselben 
scherzend als ein Erltiht il seiner Mutter, der Hebarame Fbai- 
tiarete, bezeichnet, intiein er seine Thatigkeit einer geistigen 
Geburtshilfe verglich. In Wahrheit ist seine Mutter auch hier 
die Zeit gewesen, in der er lebte. Oder wober sonst sollte 
denn ischomachos die maieutische Methode gekommen sein, deren 
er sich in Xenophons Oikonomikos nicht bloss gegentiber seiner 
Frau^), sondern in viel höherem Maasse, was aufifoUen muss, 
gegentiber Sokrates bedient?^) Ja, dieses Yerftthren, das man 
fttr ein dem Sokrates eigenthOmliehes halten wollte, war es 
doch so wenig, dass es in gewissen Füllen ui dem Athen 
seiner Zeit sogar gesetzlich Yorgesehrieben war. Ich meine 
die sogenannte avoxpioi;, ein Verfahren in jure, Wobei die 
streitenden Parteien durch Fragen der Beamten veranlasst 
wurden ihre beiderseitigen Ansprüche darzulegen und ihre 
Standpunkte kiar m machen. Dass dieses Verfahren dem 

1} Gharakterlatlsdi in dieser fltnsfcht sind die Worte, welche ihm 
die Anekdot« bei Diog. L. II 80 in den MuDd legt, als er den Bokleldes 

sich eifrig mit i^mauA X6foi abgeben sah: »Eukleides, mit Sophisten 
wirst du n\in verkehren können, aber nicht mit Menschen«. 

2j 10, i ir. 

3) 4 6, SfT. 17, 4 ff. Dass das Verfahren des Sokrates hier gegen ihn 
selber gekehrt werde, bemerkte schon biote Plato III 570 c. Besonders 
bervurzuheben sind uuch solche Stellen wie 18, 1. 3. d; iQ, 13, 14 f., in 
denen In Folge der Antworten des Sokrates ladhomachoB anftdrttcUicb 
erklärt» Sokrates wisse das Alles schon, worüber er sich vorher unwittead 
gestellt habe. Das kann dem Zoaammenliang nach nidkt ein Betopiel der 
aokratlschen Ironie sefai sondern nur ein Hinweis aaf die Yoranssetiang 
die aller niiueutischen Mettiode zu Grunde Hegt, dass dcs Winen in der 
Seele des Gefragten sohoo vorlianden ist und der Fragende es nur ber- 
vofzuiookea braucht. 



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Soltnias und Aspcaia. 



79 



sokratischen verwandt ist^ deutet der gemeinsame Name an^). 
Es lag hiernach im Zuge der Zeit und ist nicht von Sokrates 
erdacht worden'). Ja, dieser scheint nicht einmal der Erste 
gewesen su sein, der diesen Zug der Zeit erlumnte und sich 
ihm mit besonderem Eifer und Erfolg hingab, sondern selber 
in dieser Beziehung von Anderen Anregung empfangen xu 
haben. Kaum darf man es heutsutage auszusprechen wageUf A«pm1a. 
dass ein solches Verdienst um Sokrates der Aspasia gebührt. 
Und doch wird dies bei ruhiger Erwägung wahrscheinlich. 
Jene seltene Frau ist es nuuientlich auch darum, weil sie bei 
iiller Stärke des Geistes doch echt weiblich blieb uud deshalb 
gerade in den ihr (Ii lilechl betreffenden Fragen eine Fein- 
htit des Verstinuii s und einen sittlichen Emst zeigte, ilie ans 
ganz Nergessea lassen, dass wir es mit einer Hetäre zu thun 
haben^). Hiervon geben uns eine l^be die Gespräche, die 



4) Um von den Stellmi abcusehen an denen auch bei Platon die Worte 
tfmCxpMic wie dhoxpivciv nif das geiiehtliclie Verfaiiren angewandt werden, 

SU wird der Anfaog zu eioer Uebertraguiig derselben nuf die andere Bedett' 
tuDg im Chariuides p. 1 76 C gemacht. Btdloei dpa xal o'jh' dvdxptolv (mi {«daei^; 
sagt hier Sokrates, als Charmides ihm Tnillheill, zwisclien ihm und Kritias 
sei schun alles alx^t'macht und unwiderruflich. Vollentlel ist die Leber- 
tragung im Fhuuirus und Symposion. Im Phaidros p. £77 E suil der 
Unterschied der Gespräche von den zusammenhängenden Reden hervor- 
gehoben werden und heia&t es deshalb von diesen: dass sie [>a(|Ktiö<»6(Aevot 
in» iftmfkntK «ei Mox^I« miOoGc Ivtx« iXi^^Mcv; «ad im Symposion 
weiden die Gesprüclie der Diottma mit Soiirates, die ausdrüddicb als 
das Vorbild der sokratischen beielelinet werden, p. 804 B durch dir 
Worte &c noti (U ^f«) dvaxpivouaa Sctq« eingeführt. — Das sokratische 
Verfahren aneewrindt in einer r.erirhtsv erliandlung, allerdings auf dem 
Boden der Dichtung, findet man bei Xeoophon Kyrop. III, J Sil., vgl. 
auch Dcmosth. 43, 48 ff. Lys. !2, 25; in römisrher Zelt von Atilius 
Calatinos in der Verhandlung zwischen C. LuUlius Cutuluh und Q.Valc- 
riufli s. Valer. Uax. n 8, 9. 

5) Dies folgt auch daraus, dass ein Vorspiel des sokratischen Ver^ 
fahrens ans bereits bei Epicbarm liegegnet s. o. S. S8 f. 

3} Man vergleiche zu dem, was im Texte angeführt wird, nodi die 
Vorschrift die sie bei Xenophon Memor. II 6, 36 den npo{AVT]STp(Se; gibt. 
Es klingt daher ganz glaublich, uas Plularch Perikl. 24 erzfthlt, dass 
man die Frauen zu ihr scliickle, damit sie ihr zuhörten; und nur eine 
verleumderische Entstellung dieser Thalsache wird es ^ewesen sein, wenn, 
wie wir a. a. O. 3i let»eo, da komödiendicbter ilermippos gegen As- 
pasia die Anklage wegen Kuppelei freigeborener Frauen erhob. Fttr den 



80 



II. Die Biaib». 



Sie, wie Sokrates in einem Dinlo^o des Aischines erzShlte, mit 
Xenophon sowohl als dessen Fniu geführt hatte and deren 
Ergebniss die an beide Gatten gerichtete Anflbrdenmg war, 
dass jeder in seinem Berufe suchen ni9ge das HISohste in 
leisten^]. Aber nicht diesem Umstände verdanken wir die 
Kenntniss dieser Gesprftdie, sondern weil Cicero, der sie uns 
mittheilt, daran als an einem besonders charaoteristiscben Bei- 
spiel das Wesen der sokratischen Induction zeigen will*). In 
jenem Dialoge des Aischines erschien also Aspasia hinsichtlich 
der Methude, deren sie sich in ihren GesprSchen bediente, 
als die Vorgängerin des Sokrates. Und dieses Zeugnis« des 
Sokratikerü lediglich uiit (h'ni Hinweis auf den iin_ht< i ischon 
Charakter der Dinloü;e zu lu'seili^cn, sin<l wir nicht hi rt chtjüt : 
denn mag iuimerhin der besondere Inhalt und Anlass der 
Gespräche erdichtet sein, die Eigenthfimlichkeit eines Andern 
in Aede und Denkweise auf Aspasia su fibertragen und diese 
Frau so in einen weiblichen Sokrates umsuschaffen, ging Ober 
die auch in einem sokratischen Dialoge gestattete Freiheit. 
Warum sollen wir uns aber auch gegen jene Annahme striuben ? 
Etwa weil Piaton dieses Yerhttltaüss einmal mit Ironie behan- 
delt') und Antisthenes sich wegwerfend Ober Aspasia Äussert?^) 
Aber Antislhenes' Urtheil kann das des Plebejers sein und 



Ruf, io dem AspaBia stand, die beste Kennerln welbUcber Tagend tu seio, 
habea wir ia Xenophoos Oeoonom. 8, 44, auch weon diese Worte nicht 
von Xenophon herrtthren soHlen, doch das Zeugniae einet alten GewShra* 

mannes , da der Inlerpolator nuch Linckc Xcnophons Dialog iccpt ohtevo- 
(ibc s. 9«. 162 ein jüngerer Zeitgenosse des Autors sein soll. 

1} Cicero de inveiit. 1 51 f. 
2) A. a. O. 51 u. 53. 
3; Menexen. p. 235 E ff. 

h] So wird wohl iti dem Zusanimeuiiuiig. lu ilejii es bei Athen. XUl 
589 E Steht, das Wort x^v ivftpiDiiov, das er von Ihr braucht, aufm- 
fossen sein. Dau dieses Wort sich aber auch mit einer hohen Achtung 
vor der geistigen Bedeutung Aspasias vertiügt, lehrt Plutarch Perlkl. S4. 
Vgl. auch dens. Consol. ad Apollon 19 p. B, wo rljc dvVpAicov mit 
Bezog auf die Königin Arsino«' i;r'«)agt ist. Anders nllordings de Pyth 
orac. c. 16 p. 401 E; doch de def orac. c. 5 p. 4f2 C drückt es nicht 
gerade Verachtung aus. Es steht vielmehr ebenso wie 6 iyOpcuro«, h 
dvt^p stall des Pronomens (Sintenis-Fuhr zu Plutarch Per. 4, 1.]. Bei Plut. 
Aiualor. 2i p. 768 C. wird -c^v dtvi^piunov von einer Frau gesagt, die Im 
Uebrigen nur Gegenstand unserer Bewunderung sein soll 



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Sokrates und Aspwla. 



81 



Piatons Ironie, da sie sich sunlchst nur auf den besonderen 
Fall besieht) dass Sokrates eine dnselne Rede von der Aspasia 
gelernt haben will, schliesst einen Binfluss der Aspasia auf 
Sokrates so wenig aus, dass sie, um rechten Sinn su haben, 
denselben sei es nun als ehien frtther dagewesenen oder in 
der Gegenwart noch fortbestehenden vielmehr voraussetzt. 
Des Cartes rühmt einmal den philosophischen Geist der Frauen, 
und cartesianische Lehren, ausserdem überhaupt moralische 
und psychologische Probleme, wurden in den Conferenzen bei 
der Mnrqiiisc de Sabl6 verhandelt, die den llulmi L'eniesst 
Geister wie Pascal und La Rochefoucauld in ihrer Thätigkeit 
angeregt eu haben Stand die Geliebte und Frau des Perikles 
niedriger als Ninon TEnclos, deren Rath Moli^re für seine 
Komödien, Fontenelle für seine Dialoge einholte? Vielmehr ist 
mir wahrseheinlich, dass auch Aspasia, wie ein Zeitgenosse von 
Julie TEspinasse, der Freundin d'AIembert's rühmt im h0ch- 
sten Grad die so schwere und köstliche Kunst angeboren war, 
dem Geist Anderer lur gebflhrenden Geltung su yerhelfen, ihn 
anzuregen und ihm Spielraum zu geben. Freilich war So- 
krates keine von den weichen, zartbesaiteten Naturen, denen 
erst im Verkehr mit Frauen das Ganze ihres geistigen Lebens 
aufgeht*), Dass aber auch er unter der Einwirkung geistvoller 
Frauen gestanden hat, kann man, um soa der Rollo, die ihn 
Piaton der Diotima gegenüber spielen liisst, abzusehen, nach 
der Aeusserung vermuthen, die er selbst in Xenophons Sym- 
posion thut und nach der das weibliche Geschlecht in der- 
selben Weise begabt ist wie das männliche^); denn hiermit 



<) LoUieiSflen, Franz6s. Liter, des siebzehnten Jahrbdts. III 54 f iS5 f. 

2) Grimm bei Ifettner Franzö^. I.iter. II 283. 

'f' S») schreibt Schleiorm«cher einmal an seine Schwester [Aus 
Schleiermachers Lchon I S. 213i: »Es liegt sehr lief in meiner Natur, 
liebe Lotte, dass ich mich immer genauer an i-iaucu uuschliessen werde 
als an Männer; denn es ist so vieles in meinem CSemtith, was diese sel- 
ten verstebo*. 

4) S, S: x«l 6 Scmptfnjc ilitr», 'Ev icoXXole |4vi & dMpcc, ««1 iXXotc 
^Xm mal iv oT« Vii icals icout Sti ^ Tuvamcia ^iet« o6ti« X*^P*"^ ^ 

dvipi; oiSaa Tv^j^c^y«, |i((j|AT)C W itai iriyo^ oettat. Dieser Gedanke ist be- 
kanntlich der wesentliche Gehalt, den der platooiscbe Sokrates in der 

Rept)!)hk naher HU^führt. 

Hiri«l, Dialog. 6 



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8S 



II. Die Biaihe. 



schliessb sich Sokrates der auf die Emancipatioü des weiblichen 
Geschlechts gerichteten Tendern seiner Zeit an. solche Ten- 
densen Ussen aber da, wo sie sich flasseroy in der Begel auf 
dominirenden Einfluss gewisser Frauen scfaUessen Wenn 
Sokrates daher auch nodi spfiter, als er sdion Anhänger 
hatte'}, Aspasia bisweilen aufsuchte, wenn er nSheren An«- 
theil an ihrem Sohne Perikles nahm^}, so war beides mdg- 
licber Weise nur die Nachwirkung einer früheren Zeit, in der 
er selber durch sie geistig bis zu einem gewissen Grade be- 
stimmt worden wur^i. Sols.ratikern freilich, die die Glanzzeit 
der Aspasia, die Zeit des Perikles, nicht erlebt hatten, die 
auch Sokrates nur auf der Höhe seines Wirkens kannten und 
denen vielleicht überdies der Blick durch Yerieumdungen ge- 
trübt war, mochte zwischen beiden eine Kluft zu bestehen 
scheinen, die jeden ernsthaften Verkehr aiisschloss, und was 
in Aeusserungen des Sokrates auf einen solchen deuten konnte, 
mochten sie für blossen Schein erklären, hervorgerufen durch 
die allbekamite Ironie ihres tehrers*}. 



4] Wie dies z. B. von der Perlode unserer Romantik gilt 

S) Plutarch Per S4: Samptfnic foriv Sit |Utd tAv 7vnp((MN ifolmt 

T *^rtnsl würde er sich schwerlich die Muhe t-cnommen hahen. wie 
er hei Xenophon Memor. III 5 thut, ihu in eui* m langen Gespräch Uber 
die tlan als Strateficn obliegenden Pflichten aufxu klaren. 

4; In der spateren Zeit ist dieses Vorhalinis^s des Sokrates zur As- 
pasia vollstandiK ^ur Legende tuDgehildel worden. Es schUleri In dea 
versdiledensteo Fariien. Die Einen fassen es als ein erotisdies, and hier 
ist Sokrates bald der Liebhaber der Aspasia, wie das in den Versen des 
Hcrmesianax (bei Athen. Xni 599 Aws* SSff.; der Fall tu sein scheint, 
bald sucht er nur, -wie das die vom Grammatiker Herodes einem Schülei 
des Krfites angcfülirten Verse (Athen. V 44 9 C ff.; schildern. Trost und 
Hilfe liei ihr wahrend seiner l.iebe zum Alkitiirtde«; \ndere InsspTi f!,ts 
Vorhallniss auf das geuieiiisanie Interesse an der i'iiilosophie gegründet 
sein und dann ist es das eine Mal Sokraleti, der bei Aspasia in die Schule geht 
(Clemens Alex. Strom. IV p. 6<9 Pott: Asnaola; — Scnxpd-n); p,€v dniXauocv 
t(« <piXooo^(av, n£[>txXi^c f»r,tc»pixrjv), das andere Mal diese, die unter 
Sokrates* Aaleiiung j^losophiit (n«|»d Soxpdttt iccfiXoeofijvwT«, ^ Ati» 
(cBpoc iv ttp i{t(»l MiX^tw ouYifpdftkfiffd ftfiv» schol. Plat. ed. Bekker S. t94 ) 
— welche letztere Ansicht in neuerer Zeit, durch das Beiwort Smxpatixf,. 
das der Aspasia Athenaeus XIII 569 F gibt, verfülhrt, MSbly Im PlüloL 
1852 S, i46 wiiMler nufprnommen h.ii 

5j In diesem Zusammenhange muss auch auf die Worte des 



ijiyiiizeQ by GoOglc 



Nachahmung und Wiederenihhuig sokratischer Gespiüche. 83 

Jedes Genie bedarf der Vorläufer» nicht bloss xa seiner 
eigenen Entfaltung, sondern nach, damit der Boden bereitet 
sei, auf dem es den Samen ausstreuen kann. Sokrates wird 
von dieser Regel keine Ausnahme gemacht haben. Nur 
daram, weil es so fest im Boden der Zeit wnrxelte, vermochte 
auch das sokratische Gesprfich die reiche und edle Frucht su 
tragen, die es getragen hat. 

2. Die Sokratiker. 

A. Allgemeines. 

Die Wirkungen, welche von Sokrates ausgingen, be- 
schrSnkten sich nach der gewöhnlichen Meinung auf die Ge< 
schichte der Philosophie. Dass er auch Ober dieses engere 
Gebiet hinaus Epoche gemacht hat, ist viel weniger beachtet 

und ihm darum der Platf versagt worden, der ihm in der 
Geschichte auch der griecliischün Literatur ü;ehiih[L Freilich 
ist Sokrates nie Schriftsteller gewesen, ja er hat sogar prin- 
cipiell die schrittliche Form der Mittheilung verworfen und 
die mündliche allein für die wahre und ihres Namens würdige 
erklärt'). Trotzdem hat er durch sein Vorbild auf die Lite- 
ratur seiner engeren Heimat nach Form und Inhalt den nach- 
haltigsten Einfluss geübt, gerade wie Friedrich der Grosse, 
dieser Verächter deutscher Literatur und Poesie, doch durch 
sein Dasein und Wesen einer ihrer mfichtigsten Förderer ge^ 
wesen ist. Denn erst die Persönlichkeit des Sokrates hat die 
.Literatur der sokratischen Dialoge hervorgerufen. 

Die Freude, die die GesprSche des Sokrates erregten und iMkaiimug 
der z. B. Kallias im platonischen Protagoras unverhohlenen .o^^ttgchen 
0<ijfiflli>i 

Diofi»^ne«4 Laert. 11 123 (ojto;, ^azi, zpüiTo; hO.iy^, rou; lAyo'j^ rmz Stnxpaxi- 
Aoü;; hingcwiciiou werden, welche nach i«trciiger Auslegung den ^inn 
ergeben, dass nach dnor im Allerthum cursircodcn Meinung der Schuster 
Simon and nicht Solcrates sidi zuerst der sogenaoolen sokratischen Ge- 
sprScbsmethode bedient liabe. Iluc genauere Erörterung werden diese 
Worte spSler finden, wenn von *diesem klassischen Vertreter der 
literarischen Schuster die Rede sein wird. 

1) Das würde man auf Grund der Aeusscrungen im platonischen Phai- 
dros alU iii noch niclit behaupten künneo; woiil aber, weil Sein faktisches 
VerliaUen mit Uenseiben im Einklang stellt. 

S» 



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84 



U. Die Blttthe. 



Aludruck gibt'), reizte in energischeren Natarea den Trieb 
zur Nachahmimg. Die jugendlichen Heissspome unter seinen 
Anhängern eigneten sich sehi VerfUiren an und hatten eine 
fibermliUiige Freude, wenn sie dadurdi Andere sum Bekennt- 
niss des Nicht-Wissens nSthigen konnten^). Ein Beispiel der 
Art, wie die Gespräche des Sokrates nachgebildet wurden, 
kann schon die Unterredung swisdien Hermugenes und Kra- 
tylos geben 3); noch mehr aber verlauft nach der sokratischen 
Schablone Alkibiades' Gespräch mit l'crikles (Xenophon Mem. 1,2, 
40 ff.), wenn auch die küiiboiihaiu Art, in der dieser hier mit 
dem grossen Staatsmnnnc ums])i inizt , natüriich auf seine 
WiederzäHang eigene Rechnung küiiiiut ' . Das allgeiueiue Wesen des sokra- 
MkratiBoher tischen Gesprächs konnte so erhalten werden; aber die Ver- 
ehrung für Sokrates fand damit' kein Genüge , sondern hielt 
auch die individuelle Gestalt, die jenes im einzelnen Gespräch 
gefunden hatte, der Erinnerung und wiederholten Mittheiiung 
Werth und konnte sich hierbei auf Sokrates' Vorgang berufen, 
' der es liebte GesprSche, sei es an denen er selbst betheiligt 
war oder die Andere geführt hatten, wieder suerziihlen^). So 
soll nach Piatons Berichte noch M Sokrates' Lebseiten Aristo- 



i] p. 335 D bUlt er den Sokrates, der fortgehen und das Oesprttch 

abbrorhen will, mit «Ion Worten zurück: O'ix dt'ip-f.softfv ae, oü SctV/.potTs;, 

;capct(jt&tvai 'i,^W thi iiui üjo dv £voc Y,^tov dxousai(U ^ ooü te xcu llpfo- 

%) Piaton Apol. p. 23 C f. schildert dies Gebahren, das, so anschal« 
dig es scheint, dodi tchlimme Wirkungen hatte, die auf Sokrates tu- 
rttckfielen. 

8) PlatoQ Kratyl. p. 888 B. Dass Hermogeneg aucAi noch mit Anderen 
sokratische Gespräche pflog, scheint aus p. 88( G «al Toötq» (toXtxteU 

utaUL dDvXoi; roXXoT; zu folgen. 

V Ucbricrons gehürt (He>es Cnspriicb m den Abschnitten der Mcmo- 
rabilien, die Krohn dem Interpolator zuschreibt (Sokratei» u. Xeuoph. 
S. 94 f.). 

ö) Beispiele von Gespräcbeii die Sukrak's Vrieilererzdiiii uuil an ileiiou 
er selbst Theil genommen bat, ^eb^n die platonischen Dialoge; uad dass 
dies ein historischer Zug de> {ilatonlscheD Solcrales ist» beweist Xeno- 
phon, der Im Oiltonomikos 7 ff. Solcratea sein Gcsprttch mit IsChomachos 
erzählen iSsst. Von Gesprttcben Anderer, die Sokrates wiodereratfhlle, 
haben wir als Beispiel das der Aspasia mit Xenophon , welches sidt in 
einem Dialoge des Aischines fiind (Cicero de invent I 54). 



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Ersle Aulzeichnuog der Gespräche. EiiiUui»ä von öokraies' Tod. ^5 

dem was er über das Symposion iü Agathons Hause wusstc 

an Apollodoi- nn<I dipser dann weiter erzählt haben, und so 

wenig der Bericht riatons fUr diesen besonderen Fall, in dem 

der Philosoph sich nur eine Basis ftlr seine eigene Erzählung 

des Symposions schaOen wollte, glaubwtirdig ist, so darf man 

doch so Yiel aus ihm schliessen, dass in anderen Fällen in 

der Thai der Gang der Tradition ein solcher gewesen ist. Aber 

das gesprodiene Wort verklingt und ist ein scblechler Leiter 

der Ueberlleferung: frtthseitig musste daher das Bedflrlniss Bnt« Bokrifi- 

entstehen die wichtigeren und berOhmteren der sokratiscfaon f"^'!'^ 

nang der öe- 

Gesprflche dadurch, dass man sie anfceidmete, der Vergessen- gprAohe, 
heit zn entliehen und Vor FSlsohung zu schützen; ganz ab- 

gesohon davon, dass es nicht jedermanns Sache sein konnte, 
wenigstens die umfangreicheren unter ihnen mit iliren langen 
und verschlungenen (if ii.inkenketten bloss im Gedächtniss aul- 
zubewahren. Zwar, dass man die Gespniche des Sokrntes, 
während sie gehalten w^urden , stenographirt und gewisscr- 
massen Protokoll über sie geführt habe, ist nach dem ganzen 
Charakter dieser Gespräche so wie des Sokrates fast undenk- 
bar 1). Nachträglich wird sich dieser und jener Notiien gemacht 
haben, entweder unmittelbar nachher oder auch später, zu 
einer Zeit da ihm gerade die Wichtigkeit eines Gespräches aus 
irgend einem Grunde besonders einleuchtete. Diese Notisen, 
die zunächst nur die Erinnerung beieben sollten und für den 
eigenen Gebrauch bestimmt waren, konnten dann auch zu 
schriftstellerischen Zwecken benutzt werden und weiter aus- 
geführt dazu dienen dem grösseren Publikum ein Bild der 
Sükralischen Gespräche zu geben. So erwuchs eine Literatur, 
deren Anfänge möglicher Weise noch bis in Sokrates' Lebens- 
zeit zurückreichen^). Reicher und mächtiger ging sie über 



I) Trotzdem Mhelnt dies die AoBicht von Lipsius gewesen zu sein. 
Denn eptsi ad. Beigas cent. I 27, S. 167 (eplst mL Vliiacl 4604) bezieht 

er in der Xenophon betrefTenden Notiz bei Ding. L. II 4S i>ico9i]fMta«d« 
(iCNOc ouf tit< Ii\ iir.iphische Nlederschrifl und würde ebenso u-ooTjfjLettusci; 

in den luf <in n hezu'^liehen Worten II ^^i verstanden haben, wenn er 
diese Slelle berücksichtigt bütte. Vgl. noch Gardtbauseo, Griech. Paläogr. 

i) Eine Ueberlleferung Uber diesea Punkt gibt es nicht. WUhrend 
die bekannte Anekdote über dee platoidscben Lysis (Diog. III SS) die 



L.icjui^L.ü cy Google 



86 



U. Die Blttihe. 



EmfloMTon seinem Grabe auf, wip fihnlich nach Savonarolas wie nach 
Christi Tode, weil der Geist der Miirtvrer nicht mit ihnen 

auf die Literatur 

dMlUftlogi. stirbt sondern lebensprüheoil unter ihren Anhängern weilt. 
Als nach dem Tode des Sokrates , so berichtet die Sage 
seine Schüler sich nach Megara begaben, wurden dort die 
ersten sokraUschen Dialoge vorgelesen. So viel ist gewiss, 
daas unter dem frischen Eindruck jener ersohttttomden Kata- 
strophe Sokrates fikr seine Anhänger der Hittelpunkt alles 
Denkens und Redens sein, jedes seiner Worte und Gespräche 
kostbar und der Aufbewahrung weiih erscheinen musste. 
Unter den gegenseitigen Mittheilungen, wie sie in solchen Zeiten 
flberstrdmen, erwärmt die Erinnerung und, wenn sie auch 
nicht wie bei religiösen Schwärmern zu Visionen führte die 
^ den Meister leibhaftig gegenwärtig sahen 2 , so konnte sie doch 
antrtuben in der Schrift sein Bild festzuhalten. Es ist daher 
wohl mös;lich, dass zu der sokratiscben Literatur, zu der die 
vorangehende Zeit schon Bausteine geliefert haben mochte, 



AbfaifsunK dieses Dialogs noch in Sokrates' Lebenszeit setzt, so würde 
»msjokehrt die Nnr-ljnrlit Oini;. II 48 , wonach Xonophon mit seinen 
Menu)r;»l)ilirii der Erste gowescil wMre. th'r snkralische Dialoj^e liri.iiis- 
gah, den Beginn dieser ganzen Literatur bis über Sokrates' Tod lierab- 
rttcfcen. Die Neueren haben die Frage in specieller Anwendung auf Platon 
erörtert und sind auch hier zu lieiner Einigung gelangt, obgleich die 
Mehrsahl jetzt sich der Meinung zuzuneigen scheint, dass iieiner der pla- 
toniaehen Dialöge vor den Tod des Solcrates fiillt (vgl. Zeller II» S. 4$0, 
% u. . Duss die Annahme, sokratische Di ilo^o seien m hoti bei Lel>> 
Zeiten des Sokrates hervnrcetretpn. s< IiIk liU rdings widersinnig sei, kann 
ich nifht zugeben: meine ürtmdo in (foni rnth;iltnn. was ich in> 

Text bemerkt habe. Nur nvif einon l instiind will ich noi Ii hinweisen. 
In der Einleitung zum platonischen ihualet p. 143A erziihtt Eukteides, 
er habe das Gespräch zwischen Sokrates und Theätet sich nach und 
nach zu Hause aufgeschrieben und immer von Neuem wieder, wo er 
etwas vergessen hatte, bei Sokrates danach gefragt. Hier wird also ein 
sokratischer Dialog bei Lebzeiten des Sokrates ausgearbeitet, und Platon 
würde dies schwerlich finglrt haben, wenn ihm nicht aus seiner Erfob- 
rung Aehnliches bekannt gewesen wäre. 

1) Diop, L. II fi?. Fpist Socrat. 15, 2. Vgl, hierzu wh«s unten über 
Aischines aus Atilas> s« im s Miltiades und ul>er Xenophon:» dialogische 
Scbrtftstcllerei bemerkt werden wird. 

%) Wenigstens im Traum erschien er dem Chier Kyi^as nach der 
ErzHhlung bei Suidas u. IwxpdfrT]; S. 845 Bernh^ auf die sich wohl auch 
Ubanius Socrat. Apol. S. 63, 1 ff. Reiske bezieht. 



Dialog aad GesammtUleralur. 



87 



erst damals das breite Fundament gelegt wurde. JtNaoh mir 
werden Jüngere kommen und euch zur Kechenschaflt zieJüen« 
ruft Sokrates seinen Richtern zu fPlat. Apol. p. 39 C f.), und 
&ie kamen. In die nächste Absicht, das Andenken des Sokrates 
XU erhalten^ rnnsste sich nach Lage der Sache das Bestreben 
mischen dasselbe von den Flecken su reinigen, die die jflng- 
sten Anklagen darauf geworfen hatlen, und so die neu auf- 
tauchende Literatur mit der memoirenhafteD, den engeren 
Kreis der Sokraliker ins Auge fossenden Tendenx auch eine 
apologetische, auf das grossere Publikum berechnete ▼erbinden. ■ 
Uie nalOrlidie, jedem Menschen innewohnende, vorsfiglich aber, 
wie dies der HeroencuHos bewShrt^ den Griechen eigene Nei- 
^ung das Bild theurer Verstorbener zu verklären, wurde durch 
die besonderen Umstände, welche Sokrates' Tod umgaben, 
noch verstärkt und in demselben Maasse der individuellen 
Anschauung der einzelnen Berichterstatter auf die Dai sfplhmg 
ein grösserer Einfluss zugestanden. Daher ging allmählich 
diese Literatur, die in ihren AniHngen ohne Zweifel einen rein 
historischen Charakter hatte, auf das Gebiet der Poesie über 
und gewann erst hierdurch die zwischen Wahrheit und Dich- 
tung schwankende Eigenthümlichkeit, sowie ihre Yolle Seib- 
stlndigkeit hmerhaib der übrigen Literaturgattungen. 

Und wie ehrenvoll hat sie diesen Platz behauptet! Welche Bedmtoiig dm 
Bedeutung hat diese Literatur für die Gesammtliteraturl Nicht ^g^'jl ^fJl' ^ 
bloss ihres Inhaltes wegen, durch den sie in der Geschichte ii%mm* 
der Philosophie Epoche macht, sondern auch rein formal be- 
trachtet! Wie alle Kunst von Zeit zu Zeit auf ihre ewige Quelle, 
die Natur, zurückgehen muss um neue.s Lehen zu schöpfen, 
so bedarf auch die Literatur der BerftCrung mit der lebenditzen 
Volkssprache, die gleichsam der Jimgbrurlnen ist. in dem sie 
immer wieder untertauchen muss um nicht in todten Foru)en 
zu erst^rren'^. So beruht die fortschreitende Kntwickelung 
der griechischen Poesie wesentlich darauf, dass immer wieder 
eine frische Art des Volksliedes in den Bereich der Kunst 



M 

i) Am unumwundensten haben dies die' arabischen (Icli ln ton zu- 
«estanden, die unter die Beduinen pinuoii um hier die Spraciic in ihrer 
Heiuheit zu »ludireu und, v,da sie hier gcierul hutten, iu die Literatur 
ttbertragen* 



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88 



Ii. Die Bläthe. 



gezogen wird, und auch in diesem Fallo bewährt die Geschichte 
der griechischen Poesie nur ihre vorbildliche Bedeutung, da 
sie Dur eindringlicher und klarer lehrt was sich auch zu 
anderen Zeiten und bei anderen Völkern wiederholt hat. Eine 
ähnliche Stellung aber, wie innerhalb der Poesie dem Volks- 
lied, gebührt in der Prosa dem Geftpräob, in dem sioh gerade 
darum, weü es improyisirt wird, nicht erat durch irgend welche 
schon künstelnde Meditation hindurchgegangen ist, die Sprache 
des Volkes am reinsten offenbart. Daher finden wir in den 
Anfängen der Prosa verschiedener Literaturen vielfkch ein 
stärkeres Hervortreten des dialogischen Elements. Im Beginn 
zwar nicht der italiänischen Prosa überhaupt, aber doch in 
einer Zeit, mit der dieselbe durch ein grösseres vSlroben nach 
natfirlichem Ausdruck in eine neue Periode tritt, erscheint als 
der grösste Prosaist Machiavelli, indem er til)erall einer ein- 
fachen wahren kernigen Sprache sich befleissigt und hierdurch 
der Bede des Volks so nahe als möglich kommt, und derselbe 
ist zugleich unter seinen Landsleuten einer der ersten Ver- 
treter des Dialogs wie des Prosa-Dramas in italiänischer Sprache; 
sodann als spSter Pedanten den toskanischen Dialekt für den 
allein der Literatur wOrdigen erklSrten, und selbst abgestor^ 
bene Formen desselben in ihr festhalten wollten, war es ein 
Dialog, der Gortegiano Gastiglione's, der sich der lebendigen 
Sprachgewohnheit annahm und das gute Recht der mOndlfehen 
Rede auf die schriftliche in Wort und That verfocht i). Dieses 
berühmte Werk der italiänischen Literatur nahmen sieh spa- 
nische Schriftsteller als Vorbild, sodass auch ilab Verdiiingen 
des Lateinischen aus dem Alleinbesitz der Prosa in Spanien 
uikI (las Eintreten des Castilianischen an seiner Steile ledig- 
lich einer Reihe von Dialogen verdankt wird^). An den Gor- 
tegiano kntiplte vielleicht auch Rodriguez Lobo an, als er den 
»Hof auf dem Lande« oder *die Wintern ächte« verfasste, eine 
Reihe von Dialogen, welche die JLlassische Prosa der Portugie- 



V Der Gortegiano eifert nicht bloss theoretisch gegen die aus* 

schliesslich^ Hrrrsrhaft des tnsknnischen Dialekts (S. 79 (T. mv-h di r 
ländor Auf»g. v. is:ji, sondern \Nill auch praktisch (laj) Musler einer cdeln 
und zugleich kbeudigen Scliriltspr^' ho t'»'!»«»n 

i] Ticknor iüstor) of Spanish likrul. II, s. y ff. vLondon 4 863;. 



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Dialog ood Geaammtlileraiur. 



89 



sen begründet haben Auch die aufstrebende fraozüsischu 
Prosa hat des Dialogs oichl entrathen können: Balzac, einer 
der Begründer derselben, schrieb Dialoge und hielt einen Dia- 
log, den Aristippe, für sein bestes Werk^J; und den von jeder 
Prosa erstrebten GäipM völliger Ungeiwungenheit und Wahr- 
heit erreichte die fransOsisehe erst^ als sie durch Voltaire und 
noch mehr durch Diderot ein Spiegel der lebendigen Pariser 
CtonTersation wurde ^. Nicht anders ist es auch bei uns ge- 
wesen. Welche Kraft die Volkssprache fttr die Prosa besitst^ 
kündigt sich gegen den Ausgang der mittelhochdeutschen 
Literatur in einem Dialog «dem AckeriTiiina aus Böhiuen« an, 
einem der herrlichsten Erzeugnisse unserer gesammten Litera- 
tur; und findet soini) glänzende und volle Bestätigung^ im 
Zeitalter Luthers, d. i. in einem Zeitalter, dessen Literatur 
vom dialogischen Element nach allen Richtungen hin durch- 
7o§;en ist, so wie in demjenigen Lessings und des jungen 
Goethe, zweier Geister die, wie sie durchdrungen sind von 
der Herrliclikeit der Volkssprache und deren Schälse fiir die 
Literatur ausbeuten, so auch eine entschiedene Neigung zu 
dialogischer Darstellung gemein haben Aebnlicfaes beobaditen 



4; Bouterwck, Gesch. der portug. Poc?if u. Reredsaiuk. s, 232 ff. 

2i Lotheisscn, Französ. I>itcr. dos sieliz h ii' H Jahrhdts. l 480. Da 
Balzac dem Kreise des Hotel iuuiiliüuillcl angehörte, so zeigt sich hier 
wieder eiamal, dass der Dialog der Literatur, wenigstens wo er zuerst 
henrarlriti, nicht einfache FIctIon, sondeni Nachbildung oder Nacfawiikung 
mündlicher GcsprSche ist. 

S) Auch einer der Begründer der niederlMndischen Prosa, Goornherl, 
vereuchte sich in der Form des Dialog. 

'i l i'ber Lessing, der in der Lust za dialogisiren an Diderot erinnert^ 
brauche ich hier kein Wort weiter zu verlieren, l elter floethe genügt es 
auf Dichtung und Wahriicit zu \ or\veiscn. Hier erzahlt er seihst Werke in 
60 B. its. von der Zeit tu der der Werlher ent<5!and. ii!)er <li(' Gesellschaft, 
mil der er verkehrte, sei damals eine Lust gekomineu ailes zu »drama- 
tisiren«. »"Was dieses Kunstwort«, föhrt er fort, »eigentlich bedeutete, ist 
Iiier noseioander za aeUen. Dnrch ein geistreiches Zasammensein an 
den heitersten "Aigen anljgeregt, gewohnte man sieh in augenbliciclichon 
ItQnen Darstelhingen alles äatjjenige zu zersplitteni, was man sonst zu- 
sammengehalten hatte um grössere Compositionen daraus zu erbauen. 
Ein einzelner einfacher Vorfall, ein glücklich naives, jn ein albernes Wort, 
ein Missverstand, eine Paradoxie, eine geistreiche Bemerkung, persönliche 
Eigenheiten oder Aogewohnlieiteni Ja eine Itedeutende Miene oud, was 



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90 



U. Die aiütbe. 



wir bei den Griechen. Zwar, dass das erste Werk in dori- 
scher Prosa die Dialoge Sophrons sind, kann kaum ini Be- 
tracht kommen, da dieser Zweig griechischer Prosa sich nur 
sehr kfimmerlich entwickelt hat. Eher wQrde man darauf 
ikinweisen kfinnen, dass die ionische Prosa, obgleich sie in 
ihren Anfibigen vom Dialog frei blieb, doch, wie nns Ion von 
Ghios (S. 36 ff.) , Demokrit (S. 63 f.) und Herodot (S. 38 ff.) 
gezeigt haben, in der Zeit^ da sie luerst die Fesseln der Poesie 
yollstindig abwarf, da sie beweglicher wurde und reicher, des 
dialogischen Elements nicht entbehren konnte. Weit wichtiger 
aber ist es zu sehen, welch mächtigen Hebel der Dialog ein- 
OwOiali^ gesetzt hat um die attische Ptosb nuf die Höhe zu heben, 
ttiMllfi rliiiii klassische der Griechen geworden ist^). Ihrem 
Aufkommen stand zunächst die Macht der Tradition entgegen, 
die bei den Grierhon in Literatur wie Kunst ausserordentlich 
gross war und die für die Prosa des ftinften Jahrhunderts 
den ionischen Dialekt forderte. Daher geht noch ein SchriH- 
steller, wie Thukydides im Gängelbande des lonismus. Trotz- 
dem war, wie Kritias und das älteste uns erhaltene Prosa- 
Werk in echt attischer Sprache, die Sdirift vom Staate der 
Athener, lehren, das Bestreben da, der Volkssprache Atlikas 
in der Literatur den Platz zu erobern, der der Bedeutung 
dieses Landes für das politische und geistige Leben der ge- 
sartiiuLen Nation entsprach. Aber dies Bestreben wäre uner- 
füllt geblieben nnd die Macht der Tradition nicht gehrochen 
worden, wenn nicht die literarische Bewegung Gehiele ergriffen 
hätte, die bis dahin unbebaut waren und ihrer BesctiafTenheit 
nach sich in die in der Literatur hergebrachte Form nicht 
wohl fassen Hessen. Diese Gebiete waren die Rede und das 
Gespräch. Freilich Reden und Gespräche finden sich auch bei 
Thukydides, ohne dass in ihnen der Ausdruck auch nur um 



nur immer in einem hunten ranschendea Leben vorkommen mag, alles 
yilrd in Form des Dialogs, der Katechisattoo, ehier bewegten HaiMllung« 
eines Schanspiels dargestellt, mandimal in Prosa, öftere in Versen«. Im 
Goethe-ArthIv sollen sich nnrh nngcdruckt«' Oialogo finden, t. B. einer 
vom 14. Orloher1774, in d«^ra Frau Aja eine Rolle spielt 

<) Pics*' l^odcutung des lelundiLcn riesprüchs in den Schulen der 
IMillosophi ri (iriitt t schon W. von Uumboldt an, Vcrsch. des meoschl. 
äpracblKiUS ^ tü^ S. 255 Pott. 



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Dialog und die aitiache Prosa. 



91 



ein Haar breit der wirklichen attischen Sprache näher kSme: 
aber diese Reden und Gespräche sollen auch keine treuen 
Nachbildungen der wirklich gehaltenen sein und konnten des- 
halb in demselben Konstdialekt abgefasst sein, den Gorgias 
snerst aufgebracht hatte*), jenem iontsirten Attisch, das der 
ftbrigen Darstellung des Historikers eignet Anders stand es 
dagegen mit den Reden s. B. des Andokides, die nichts weiter 
als Aufceichnungen der wirklich gehaltenen waren: ihre Sprache 
musste daher die Sprache der Wirklichkeit, der echt attische 
Dialekt, aus demselben Grunde sein, aus dem er die Spraehe 
der sokratischen Dialoge gewesen ist, die wenigstens in ihren 
AnOinaen nichts woit43r wollten, als die von Sokrates wirklicli 
geiiilH len Gespräche mou liehst treu wiederc'obon. Die Redner 
und die Dialogenschreiber haben die echt attiselie Prosa be- 
gründet. Man braucht nun die Bedeutung jener nicht zu 
unterschätzen, man kann zugeben, dass sie derjenigen der 
deutschen Predigt itir die Entwickelung der neuhochdeutschen 
Prosa gleichkommt; so wird man doch sugeben mflssen, dass 
die Dialoge in dieser Richtung viel mehr geleistet haben als 
die Reden. Was wir in den Reden finden, wenigstens in den 
Reden, die in die Literatur kommen, d. i. den vorbereiteten, 
ist nfoht die Yollkommen natürliche Sprache, der unwfllkfir- 
liehe Ausdruck von Gedanken und Empfindungen, sondern 
durch das Medium der Ueberlegung hindurchgegangen und 
auf diesem Wege durch die Kunst umgebildet worden; während 
in den iüipio\ isirteu Gesprächen — und solche ahmen die 
schriltiichcn Dialoge nach — der Strom der Worte frei und 
ungezwungen über die Uppen des Sprechenden üiesst, wie 



4} Es ist eine cigenthttmlicbe und ich weiss nicht ob hinreicbend 
beobachtete Thatsache, der wir bisweileo io der Geschichte begegnen, 
dass solche, die in der Uteratar einer Sprache Bahn gehrochen, derselben 
ursprünglich nicht angehören sondern fremd gCKenttber stehen. Am Ein* 
gang der neuhochdeutschen Literatur tritt uns so Alhrecht Hallcr der 
Schweizer entgegen, der an der Grenze zweier Sprachen aufwuchs, dem 
wie iillt ri S< {iwoizern das Hochdeulsehr t in fremder Dialekt war. der 
deshiill» I<li(»tisiuun iu seinen Gedichten nicht vt imeidcn kuunte und der 
doch auf die folgenden Dichter eine unendliche Wirkung ausübte; und 
der erste Dichter römischer Zunge, der ms bekannt wird, war der 
Griedie Livlus Andronicos. 



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9S U> Die Blttthe. 

er aus (iem Quoll der Natur aulsteigt, nicht cetricben durch 
das Druck- und Röhrenwerk rhetorischer Kunst oder gehemmt 
durch ängstliche McksicliteD. Aber nicht bloss weil sie die Volks- 
sprache reiner, sondern auch weil sie dieselbe vollständiger 
darstellten, gaben die sokratischen Dialoge ein besseres Bild 
von ihr als die Reden: denn wie eng erscheint doch der Kreis 
von Gegenständen, Uber die die Redner sprachen, wie beschränkt 
daher auch die Zahl der Worte und Wendungen, deren sie 
sich bedienen konnten, verglichen nut dem weiten unermess- 
liehen Gebiet, welches Sokrates in seinen Gesprächen durch- 
' wanderte und das, wie es Alles, was Menschen seiner Zeil 
uiut seines Landes erregte und interessirt<% umfassle, so auch 
nur durch den vollen Umfang der Volkssprache gedeckt wer- 
den konnte. Das Bestreben, der attischen Volkssprache in der 
Literatur Geltung zn verschafifen, ist daher am vollkommensten 
in der sokratischen Literatur erfüllt worden, mehr noch als selbst 
in der Komödie. IHe Geschichte der attischen Redner bezeugt 
dies gewissennaassen selber: denn die beiden Redner, welche 
vor Anderen sich durch Reinheit der attischen Spradie aus- 
zeichneten, Lysias und Isokrates haben beide eine Zeit lang 
wenigstens und gerade in den Anfängen ihrer Thätigkeit, hi 
freundschaftlichen Beslehungen sum sokratischen Kreise ge- 
standen. 

IMeSokratlVw Dieser Atticismus der Sokratiker ist nur ein Moment in 

ihrem Kampfe neigen die So[)histen. Während die Sophisten 
Teadeuui. mehr an der Erscheinung, an dem Formalen der Dinge hafteten, 
ging Sukrates tiefer und drang (überall auf das Wahre und 
Wesentliche; während jenen desh;db die Rede oft Selbstzweck 
wurde und sie dieselbe mit schmückenden Figuren alier Art 
Uberinden und ihre freie Entfaltung einengten, war fUr So- 
krates das Wort nur ein Diener des Gedankens und der 



4] Vgl. bes. Dionys. Hai. de Isoer. S: *H Xl^t;, { xl/pTjTat, lotoG- 

cCx'jJ xtdcToa Üwyua,' xt SitfXnmv dhtptßouo« h toTc ntfyu t^v Mcvi^ xsl 

2} Diese Anschauaj^SWeisu, die Sokrates in seinen Hesprüchen prak- 
tisch bewahrte, hat ihren theoretischen Ausdruck durch Piaton gefunden. 
Im Sinne seines T.elirrfN fas^l IM.itnn seine Feindschaft gepen .ille feste 
Termiuolugie uiamal iu Ueu Worten zusammeu (Politik, p. 261 E,, Ua&s 



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AtticUUsche Teadenz der SojLrattker in der Sprache. 



93 



einfachste Tine«'7wun£:enste Ausdruck ihm ij;era(ie recht; zu 
eioem popuiäreo, volksmässigen musste der leztere um so 
mehr werden, als Sokratea selbst ein Kind des Volkes war 
und seine Beden sich an jedermann ohne Unterschied der 
Slände wandten, hingegen diejenigen der Sophisten» da sie 
ein gewähltes PnbUknm im Auge hatten, auch ehie gewShlto 
flache erforderten. Dasselbe YerhSltniss, wie es hiemach 
iwisdien den mOndÜchen Reden der Sophisten und des So- 
krates stattfand, wiederholte sich dann in den Uterarisehen 
NiederschlSgen beider, und in den Werken der Sokratiker 
herrschte der unverfälschte attische Volksdialekt, in denen der 
Suphisten, auch wenn sie sich nicht der traditionelieu ionischen 
Prosa bedienten, eine gekünstelte, nur für Feinschmecker der 
Hede geniessbare Sprache^). Üie Revolution des Denkens, 



man um die Wahl des NamenB, sobald nar die dadurch heceichnete Vor- 
stellmig klar sei, nicht besorgt sein solle, und verheisst dem, der sich 
nicht zu sehr um Worte kümuiert, Im Alter einen desto grüsseren Keich- 
thnm an Gedanken (vgl. noch Stailbaum zu Piaton a. a. O.]. Seiner Ab- 
neifning gegen den WoHpriink und Flilterstnat der Sophistik hat Plalon 
oftf'r ATi«:(lrn( l, ^epo!)en. liurchgreifcndäten iui Phnidros. Das System 
dtr llJu tonk, desst'u 'jiuiidzüge er hier entwirft, liisst ein Ideal der Be- 
redsamkeit durchblickcu, in dem dieselbe nicht luehr als die Fertigkeit 
crsclielnt aus Phrasen und Redeflguren ein nothdürftiges Ganzes znsammen- 
laflioken, sondern sich darstellt als ehie wahrhaft geistige Thätigkeit, die 
den rtdchen ihr ni Gebote stehenden Schall von Saeh- und fifenschen- 
kenntniwt für Ihre Zwecke mit kluger Berechnung ta verwerthen weiss. 
Mit dieser Theorie, die er den ionisirenden Sophist on entgegenhielt, spricht 
der attische Sokratiker nur aus, was im WesentUclien die attlsdien Redner 
jener Zeit thntsachlich leistclen. 

4> Protniioras und in den meisten seiner Schriften auch Gnrpas 
hielten noch an der t onvenlionellen innisclien Prosa fest und auch, wenn 
Gorgias sich des Attischen bediente, so war dies nicht der reine Volks- 
dialekt, sondern mit lonism«! vers^rt. Prodikos mag Attisch gesclirieben 
haben — obgleich sich dies nicht beweisen ISssi — so lehrt doch das 
in Xenophons Bearbeitung vorilegende Fragment sebies Herakles, wie die 
lebendige natttrüche Rede von ihm geserrt und verdreht wurde, um den 
Forderungen sowohl der Mode-Rhetorik wie seiner Synonymik zu genügen. 
Dass Hippias attisch schrieb, zeigen die vom Alexandriner Clemens atifl)e- 
x\?ihrten Worte ■<einer Schrift. Ob er dies alx-r immer that, ist eine andere 
Frage; und aus der Noli/ de«5 Phrynichos, der ihn wet'cn des Gebrauchs 
von rao'2Üf;/.tj statt -cipax7Tot^f,xrj mit dem Chier Ion auf eine Slufe stellt 
(Rutherford S. 366 denkt l>ei imva tiva ouYTp'af ^« an Herodot. In diesem 



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94 



U. Die Blulbe. 



welche durch die Sokratik bezeichnet wird, war auch eine 
Revolution der Spruchi'. Ks ist dies leicht begreiflich. Wenn 
überhaupt der Charakter der Sprache, wenigstens der Literatur- 
sprache, sich der herrschenden Denkweise anpasst, so werden 
diejenigen, welche den seit lange angesammdten Wust des 
Wissens bei Seite werfen, gern auch die Sprache aufgeben, 
in der derselbe seinen Ausdruck gefunden halle, and, indem 
sie das Denken aus dem künstlichen und starren, das es mit 
der Zeit geworden war, su einem lebendigen und natOrlichen 
machen, auch die Sprache, in die es sich kleidet, der Natur, 
d. i. der Volkssprache wieder annähern; wie denn in der That die 
grossen Umwälzungen im Reiche des Gedankens, an die uns 
die Namen Luther, Lessing und Kant erinnern, Epochen auch 
in der Geschichte der Literatursprache sind und Des Gartes, mit 
dem eine neue Periode in der Entwickelung der Fhilusophie 
anhebt, im Gege n ^^atz zu den vor ihm Latein schreibenden 
Philosophen der Begründer der neu -französischen Prosa ist. 
Der neue Wein musste in neue Schläuche geftlllt werden. 
Ein neuer Geist wehte freilich auch in den Schriften der So- 
phisten; aber doch nicht mit der Macht, dass er die alte Form 
vollkommen hätte durchbrechen müssen und sie gehindert 
worden wären die Naturphilosophie mit deren eigenen Waffen 
EU bekämpfen. Wie daher ihre Stellung in der Geschichte 
der Philosophie im Uebergange von der alten in die neue Zeit, 
nicht schon zu Beginn dieser ist, so stellt auch ilire Erschei- 
nung in der Literatur uns eine Zwitterbildung dar, da sie 
sowohl zu dialogischer Gestaltung wie zur Einführung der 
attischen Prosa nur AnUiuic üiacklen und weder in jenem 
Falle von der gleichmassig sich fortspinnenden Rede, noch 
in diesem von der hergebrachten Kunstsprache und ihren 
lonismen lassen konuti?n. Seinen besonderen Charakter erhielt 
dieser Kampf der Volks- gegen die Kunstsprache erst dadurch, 
dass die Sophisten heimatlos, nirgends recht zu Hause waren, 
während die Sokratik mit allen Wurzeln im attischen Boden 



l'all»' iiiiissto i's ,ihvr doch Uuv>/.ov tf^i lirisseii! , niiis^rn wir srhlir><is<»n 
euUviHler, dass er ui aiidereti .sinner Schriften dur Iradilion folgend ionisch 
schrieh, oder dass er chcuso weaijj als üorgias im Staude war das Atti- 
sch« rein zu schreibeo. 



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P^iriotisch-altische lendeoz der Sokrattker. 



95 



hing. Nicht bloss war Sokrates der treuste Sohn seines Vater- 
landes, der den Gesetzen seiner Heimat aach dann noch ge- 
horsam blieb, als sie ihm Unrecht ibaten, und gQg<'n den 
niederträchtigen Grundsatx, dass, wo es ihm gut gehe, des 
Menschen Vaterland sei, durch sein Leben wie sein Sterben 
protestirte; sondern ancfa die von ihm ausgestreuten Keime 
haben sich am tie&ten eingesenkt und sind am reichsten, 
philosophisch wie literarisch, in solchen aufgegangen, die wie 
Piaton Xenophon AnCisthenes und Aisehines Attika ihre Heimat 
nannten: wandten sich daher die Sokratiker der Volkssprache 
zu, so verstand es sieh nach ihrer Uerkuntl von selber, dass 
sie die attische wiüilten. ganz abgesehen also davon, <lass 
das Wesen und Wirken »'iner so uratlischen Persönlichkeit, 
wie Sükrates, sich im ionischen Gewände nicht treu darstellen 
liess; ebenso wie es lür die die ganze hellenische Welt durch- 
schweifenden, nach dem Beifall aller Hellenen strebenden 
Sophisten natürlich war, dass sie sich der gemeinhellenischen 
Umgangs- und Literatursprache bedienten. Die Lust an der 
Heimatspraehe pflegt aber nicht allein su kommen, sondern 
ist nur eine einselne Aeusserung der allgemeinen Freude an 
allem YaterlSndischen Uberhaupt. Daher ging Hand in Hand 
mit der Erneuerung der deutschen Sprache und ihrer V^issen- 
schaft im Aasgang des vorigen und im Beginn dieses Jahr- 
hunderts ein Erwachen des deutschen Geistes, das auch noch 
auf anderen Gebieten zu einem patriotischen Aufschwung 
führte und daher ist es der izrösste der Sokratiker, Piaton, 
der nicht nur der neuen Literatursprache den vollendetsten 
Ausdruck gegel)en hat, sundern auch mit mehr Stolz als 
irgend ein Anderer sich als Attiker fühlt, mag er nun die 
klimatischen und Bodenverhältnisse dieser Landschaft, die 
geistige Begabung ihrer Bewohner rtihmen (Tim. p. 21 C.) 
oder von der Verwirklichung seines Idealstaates im Attika der 
Urseit trSumen (Tim. p. 25 E. 26 Gf.). So zeigt sich inner- Fatriotisob- 
halb der Sokratak eine patriotisch-attische Tendenz. Dieselbe ^^^^^ 
war in jener Zeit keineswegs vereinzelt. Aehnlich wie Piaton 
Susserten sich noch Andere'). Auch Kritias, der als Schrift- 

1) Vgl. die Stellen bei Stallh. zu Tiiu. p. i4 C uud WacUsinuth, Uic 
Stadl Athou I, S. 4 0t, 3. 



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96 



II. Dto Blttthe. 



steiler unter den Atticisien einen hervorragenden Platz ein« 
nimmt, folgt derselben Richtung und der scharfe Tadel, den 
er gegen das attische Staatswesen seiner Zeit richtet, scheint 
bei ihm, wie xum Theil auch bei Piaton, nur daher su rfihren, 
dass sein durch die Herrlichkeit einer eingebildeten Vergan- 
genheit verwöhnter Blick die Müngel der Gegenwart desto 
stSrker empfand*). Kritias ist aber keineswegs der erste Ver- 
treter dieser vom attischen Patriotismus geleiteten und nach 
verschiedenen Uichtungon sich verlaufenden Bewegung. Viel- 
mehr hatte dieselbe schon mit Solon begonnen, theiis politisch, 
da jedeStiirkunt^ iles Demos eine SUir kuug des attischen Elements 
der Bevölkerung bedeutete, theils literarisch, da dieser Staatsmann 
der erste Athener war. der in der Literatur in grösserem Umfange 
den heimatlichen Dialekt anwandte in der Prosa seiner Gesetze 
wie in seinen Versen. Gefördert wurde sie sodann durch die 
Staatsmänner aus dem Alkmaionidengeschlecht, das, wenn es 
auch von Anderen zu den eingewanderten gerechnet wurde, doch 
sich selber rOhmte authochthon tu sein') durch Klelsthenes, 
der die ionischen Phylen aufhob'), und noch mehr durch* 
PeHkles. Dieser Staatsmann, der vftterlicher wie mütterlicher- 
seits altattischer Herkunft war^], verhalf durch seine Politik 
dem attischen Wesen cum Sieg ttber das ionische, indem er 
Athen zur herrschenden Metropolis des ionischen Stanunes 



1) Dass Kritfas in der athenischen Vergangenheit seine Ideale suchte, 

dürfen wir aus der Rollo, die ihn Piaton im Tinuiios und Kritias spielen 
lässt) schliessen. Man müchte ihn einen Koniantiker nennen und in einer 
romantischen Sehnsucht nach cntThwundcncn Zustanden die Quelle seiner 
l'nzurriedenhcit mit jeder Gegenwart so wie seiner ewigeu Umsturz- 
Pläne linden 

2) Da Heiodüt, ihr Freund, sie als Athener buzcichnet (V so 
darf man annehmen, dass dies Famitlen-Traditon war. Pausaiüus IHS, 9 
rechnet sie su den Neliden, wozu nach Herodoi V 61 vielmehr ihre Geg- 
ner die Pisistratiden geborten. 

S) Dass dies nur eine Folge seiner Abneigung gegen das ionische 
Wesen war, sagt Herodot V 69. 

4; Mültciiieherseils f^ehorte or zu den Alkmaioniden , und auf 
diese Abkunft legt Herodot VI ni ripwirhf. wie dicseüfc nucfi die Spar- 
taner in» Auge hallen, ah «iie zii^liegiiiii il» |)<"le|)onnesi>i ht ii Krieae*. (?ie 
Austreibung des Gcsi hicehls aus Athen torderleu. Vom Valer her war 
er Uuzvf;c. 



L.ujui^L.ü Ly Google 



Pfetrlotisch-Bttl84^ Teideiis der Sokntiker. 



erhob Mochteo immer Dichter an den grossen Festen 
Athens, in deren Publikum die Bundesgenossen zahlreich ver- 
treten waren, die ionische Abkunft der Athener TerherrUehen') 
oder Diplomaten sieb eben derselben bedienen, nm aus ihr 
gewisse Redite der Athener Uber die lonier absuleiten^ — 
die eigentliche Henensmeinnng der Athener lernen wir aus 
solchen Offentlidien wohl berechneten Aeosserungen nicht 
kennen ; die hat uns Herodot verrathen, wenn er uns sagt 
(I 443), die Athener seiner Zeit hätten sich geschämt lonier 
zu heissen^). Je stärker gerade damals in dem neuen Bundes- 
staate attisches und ionisches Wesen sich berührten, desto 
mehr erwachte in dem Attiker das GefÖhl seiner Eigenart 
und dem mächtig herein ihithenden Strome ionischer Cultur 
stemmte sich mit naturgemiisser Reaction der Alticismus ent- 
gegen. Aehnlich wie bei uns in den Zeiten der Deutsch- 
thUmler wollte man auch damals seine Gesinnung Susserlioh 
zur Schau tragen: daher erklärt es sich, dass der linnene 
Chiton der lonier sammt Krobylos und Gicade aus der Mode 
kam und hinfort nur noch ein Gegenstand des Spottes fllr 
die jflngere Generation war*). Auch die gelehrte Forschung 
trat in den Dienst dieser Bestrebungen: Ursprung und Ge- 
schichte Athens suchten Historiker wie Pherekydes yon Leros 
und Hellanikos zu erforschen, die damit den Grund sur 



I) Nadi einer Bemerkung des AeliuB Dtonyslus, die uns Enstathiiu 
m II. K p. SIS (angeführt In Lehmaims Luden I SS7) erhalten, wttrden 

die atticistischen Tendenzen des PiM-ikles sich sogar auf die Sprache er- 
streckt haben und er durch sein Beispiel der Anläse geworden sein, den 
man attlschi s t an Stelle des ionischen o sprach. 

ä Wiü Euripides im Ion. 

3) Dips thut z. B. bei Thucyd. VI 82 Euphemos als athenischer 
Gesandter in Kamarina. 

4) Die^ Athener verlangten, dass ihre Dichter anf die anwesenden 
BondesgenoBsen tine gewisse Rttcksldit nahmen» wie die Anktage beweist 
die gegen den Dichter der Babylonier Kleon erhob (Aristoph. Ach. SOS f.). 
Ic^ beurtheile daher die in Euripides' Ion sieh kundgebende Tendent 
anders als Wilamowiti Kydathen & 44, 70, eiienso wie die Aeusserong 
des Euphemos. 

5) Hierzu stimmt es, wenn init '}tim%6i ti; bei Aristoph. Fried. 46 
ein .lonier nicht atlnMii-i hi i AbkLinfi liozeichnet wird. 

6; Thucyd. i 6, 3 uud dazu iiiumuer Griech. Privatalterth. 2». 473 f, 
Birtel, DUlog. 7 



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98 



II. Die BlUihe. 



Literatur der Atthiden legten, und s^leichzeitig wandte die Phi- 
lologie ihr Interesse der altattischen Sprache zu, studirte dereo 
Wesen an den solonischen Gesetzen ^) und achtete auf alter- 
thttmliche Heste derselben, wie sie sich länger im Munde der 
Frauen als der MSnner erhalten^. Aneh die InschrifWn der 
Zeit legen Zeugniss von dieser Bewegung ab, da sie sich, wie 
man Ifingst beobachtet hat, mehr und mehr der lonismen 
entledigen. In der Poesie war es luerst das Drama, welches 
das attische Wesen zur Geltung brachte: das zeigt sich in 
der Tragödie des Aeschylus, des Euripides und zumeist des So- 
phokles, des attischsteu unu r den drei grossen Tragikern, und 
mehr noch in der durch Kratinos Eupolis und Aristophanes 
gestalteten Komödie, die so nur in Attika gedeihen konnte 
und niemals anderswo heimisch geworden ist. Unter den 
Prosagattungen aber hat keine dieser Tendenz so kräftigen 
Ausdruck gegeben als der Dialog, der in dem Maasse, wie er 
historisch treuer ist als die phantastische Komödie, auch das 
attische Leben und seine Sprache genauer wiedergab und so 
für seine Heimat Aehnlicfaes leistete wie die Sophnmschen 
Mimen für Syrakus. Das war sum Theil auch schon die 
Ansicht der Alten, wenn sie den attischen Dialekt für ein 
unentbehrliches 'Requisit des Dialogs ansahen^). Mit dem 
Dialog begümt das attische Zeitalter der Philosophie nldit 



4} Das SltMte ZengniM solcher Stodiea ist in den AarntXctc des 
Aristophanes fr. Sit ed. Kode. Auch die Befapiele, die Platon im Kratyl. 
p. SSS B und D dem «ItatUichea Dialekt entoimmt, setien dergleichen 

voraus: akozu das Lob stimmt, das derselhe ia den Gesetzen VII 816 D 
der allen Sprache überhaupt spendet. Nach Xenoph. Mem. III 14. 7 
mnchto schon Sokratcs d;utnif aufmerksam, dass man im atli«;rhcn Dia- 
lekt cjr.<)yc'z?i'n für iattUiv sagte, und billigte diese EigeulbUmlicUiieU 

des Auhilrucks. 

2) Platon krutyl. 418 Bf. Dieselbe Bemerkung machte man auch in 
Rom (Cicero de Orat III 45), als dort im letzten lahrhundert der Republik 
valerUadiflche Alterthttmer und Sprache mit beflonderer Uebe gepflegt 
worden und man auf die Gesetze der 4i TSfehi ebenso sorttckfing wie 
in Athen auf die soionlschen. Vgl Taine Ancien Regime III S, 4 . S. i44, S. 

3 Albinus YAwf. c. %S, 448 cd. Herrn.: w; rr^ Tp'zvo)?,'! x%\ xoifiui- 



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Die vencbollenea Sokratlker. 



•9 



nur, scmdern er ist audi das Symptom geblieben, an dem 
man dessen Daner erkennt. Als die dialogische Form In der 
pliflosoplüsehen Literatur wieder der froheren monotonen 
Weise des insammenhängenden Vortrags Plati maehte, als 
gleichseitig an die Stelle des attischen Dialekts eine gemein 
hellenische Sprache trat, war es entschieden, dass von nun 
an nicht mehr Attiker sondern Fremde in der Philosophie 
herrschen sollten und ein neuer Geist in die Wissenschaft 
eingezogen sei. 

B. Die verschollenen Sokratiker. 

Im Verhfiltniss ta den ungeheuren Wirkungen, die von 

Sokrates ausgingen, müssen die Nachrichten, die darüber auf 
uns gekommen sind, dttrilig erscheinen. Sokrates ist der 
Mittelpunkt einer weiten Lichtsphare, aus der nur wenige 
Namen solcher, die seinen belebenden klSrenden Einfluss er- 
fahren haben, erhalten sind; auch über die kleinere Zahl derer, 
die dieses Licht im Spiegel der Literatur auffingen, ist nur 
serstreute und dunkele Kunde geblieben, wenn es ihnen nicht 
gelang selbständig die Wirkung des Meisters weiter zu leiten 
und in einem grosseren Kreise von Schfllem sich ein dauern- 
des Andenken su sichern. Ja, wollten wir uns an Panaitlos 
(DIog. II, 64) halten, so wflrde unser geringes Wissen llber die 
Sokratiker noch verringert werden, da wir dann In einem 
grossen Theil der von Diogenes erhaltenen Titel von Schriften 
nur ebenso viele Anzeichen literarischer Fälschungen sehen 
dOrften und unsere Vorstellung einer umfangreichen sokrati- 
schen Literatur mit der Anerkennung allein der Dialoge des 
Platüü, Xeuüphon , Aiilisthenes, Aischines und allenfalls des 
Phaidon und Eukleides vert.iuschen müssten'). Aber wir sind 
an das ürtheil des alten Kritikers nicht gelinnden, da der 
Maassstnb desselben, wonach er über die Echtheit eines Dialogs 
entschied, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Idealbild des so- 
kratisdien Gesprächs und somit ein gans subjektiver war^J; 



4) Die."» ist die Ansicht von WilainowUz, Herrn. \l\ 4 87. 
i) Weuightcnä glaube ich dies in muiueii Uulers. zu Ciceros philos. 
Sekr. U SSO ff. gezeigt zu haben. 

7* 



400 



U. Die Blüthe. 



um von anderen Gründen abzusehen die für das Vorbanden- 
sein einer sokratiscben Literatur auch ausserhalb der von Pa- 
naitios gesogenen Grenzen sprechen ^j. An der Spitze dieser 
Literatur erscheml billiger Weise der, dem Aristoteles diesen 
PlaU angewiesen hat, 

Aiexamenos'^). 
Zu fragen ob er aus dem euboiischeuStyra oder, waswahr- 



i) Wollten wir dem Urthcil des Panaitioa fo^pBD, 80 müssten Dio- 
genes oder vieiraehr die r.rw iihrsmänntT. denen er seine Berichte ül)cr 
di<^ Schriften der Sokraliker entnommen hat, aller Kritik btuir gewesen 
sein. Dass ihre kritik nicht immer die richtige v,nr. orL-ilit sich aller- 
dings daraus, dass unter den Schriften des Kcbcs ;ll lij, der Iltva; er- 
scheint. Dass sie aher nicht aller Kritik ermangelten, siebt man dwius, 
dass sie unter dqa Diaio|{en Glankons (4S4) SS als uneclite aussondalen 
und hinsichtlich der Dieloge Simons (IftS wo ich ot Ik mit der latelnl* 
sehen Uebersctzung des Ambrosius durdi »aUI volunta efklHre)und ArisUpps 
(81 f.] eine Verschiedenheit der Ansichten notirtcu. Als ein Zeichen solcher 
Kritik kann viollfitlit auch angesehen werden, dass unter den Schriften 
Kritons fioi Dioj^cjios (liO die Apologie des Sokr;(t4'<; fehlt, die FuidfH ii. 
Kpittov ihm zuscliri'iltt. Sclhslündig war diese krilik freilich nicht, son- 
dern oiTenbar ubhäugig von dem Bestände einer Bibliothek, worunter 
dann am Wahrscheinlichsten an die atexandrinische gedacht wird: denn 
die echten Dialoge sind in der Regel die in einem Bande {ht ivl ßtßXlu>] 
vereinigten (124, 4 U, 114 [Glaukon v. SimmiasJ u. SS). Esstilnde sonach 
das Urtheil des betreffenden Bibliothekars gegen das des Panaitios. Wich- 
tiger ist d»<!s der letctere auch Aristoteles gegen sich hat, wenn derselbe 
wirklirti Alexamenos von Teos für den ersten Verfasser sokraiiflcber 
Dialoge hielt. 

2 Als denjenigen, der zuerst sokralische Dialoge ges( hrieben. nennt 
ihn Aristoteles in dem 1-ragmeat des Dialogs über die Dicbti^r, welches 
Athen. XI p. 505 B aufbewahrt hat. Freilich ist weder der Gedanke noch 
die Form dieser aristotelisdaan Worte mit voller Sicherheit festsostelten. 
Aber das steht fest: die DeberUeferang hat to&c 'AXtgapcvoS toS T^itott 
TQuc "KpdiKW»^ fptuftntK T»v SompBTtx&v BtaX^Yor«. Und hierin icpf&me« in 
TrpoT^pou; oder sonstwie zu Undem sind wir nicht berechtigt Diogenes 
III 48 gibt freilich als Meinung des Aristoteles, dass Alexamenos die ersten 
Dinloge überlumpt, nicht bloss die or<;ten sokralischcn ^'eschrieben l\al>e. 
Aber Diogenes kann die Meinung; des Aristoteles ^■.)\<•-'h referirt haben — 
oder nur ungenau; denn wenn Aristoteles die sokrali.schen Dialoge im 
Allgemeinen für die ersten hielt, so musstc der erste Verfasser sokrati- 
scher Dialoge der erste Dialogenschreiber überhaupt sein. So wenig als 
dieser abweichenden Angabe des Diogenes kommt dem Umslaiide eine 



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AioxamcQos. 



404 



scheinlich der Ansicht des Aristoteles entspricht dem klein- 
asiatischen Teos slatmnle, erscheint uiiissig, da in dem einen 
wie in dem anderen Falle das, worauf es ankommt un(i wo- 
durch die übrigens dunkle Persönlichkeit des Alexamenos ein 
iDleresse erweckt, gesichert ist, der ionische Ursprung. Als 
wenn clieBer Stamm damals selber auf sein Vorrecht in der 
Prosa hSite versichteii wollen, sehen wir Angehörige desselben 
xwei Hauptarien der attischen Prosa in die Literatur einfUh^ 
ren: an derSpitie der attischen Beredsamkeit steht^ wie man 
längst weiss, ein lonier aus den chalkidisohen Kolonien, Gor- 
gias, und die ihrem Wesen nach echt attische Literatur des 
sokratischen Dialogs hat^ wie sich uns eben ergeben hat, ihren 
ersten Vertreter in Alexamenos^). Unverkümmert aber sollte 

Bedeatoog so, dass In seiner Agfashlnng der Sokratiker Aleumenos 
ttbergongen wird und nitr In eliiem anderen Zusammenhange gelegentlich 
(Hl 48) ErwtthnuDg findet: denn dies lässt sich auch daher erkttren, 
dass Alexamenos nicht in den Kanon der Sokratiker aufgenommen war, 
sowenig als Pasiphon von Eri'tria, tlen wir doch, da seitio Dialoge mit 
denen des Aischim's und Anti«thcnos verwech^Jclt wurden ^Diog. II 61) 
und in ihnen N'ikiiis eine Holle spielte ^'lul. Nu:. 4), den unmittelbaren 
Schülern des ."^okralcs zurechnen dürfen, oder Polyainos, der nach Suid. u. 
Ais^ivY]c einem Dialoge des Aischines den Namen gab und hierdarch, 
wenn man damit die Meinung verhindet, die ihn und nicht Pbaidon oder 
Aischines fttr den Verfaser des Dialogs M^fteoc hielt (piog. II 405], das 
Recht erhftlt ebenlUls als Sokratiker in gelten. Qebrigens haben das 
Nöthige um das überlieferte 7Tpc6Toue stt retten schon Heitz, die veri. Sdir. 
des Arist. S. f iü. und 0. Jahn im Herrn. II 437 bemerkt. Hinzuzufügen 
ist noch, dass denselben Sinn, dj»n Dobree durch Aenderun^ des rot&Touc 
in rpoTioou? In die Wort«* des Aristoteles braeht«», »lelion Si}.;i)niuH de 
dialogo iOpp. Mailand 4 737; S. 443 darin gefunden hatle, wenn er über- 
setzt: Aiexameni dialogos, qui ante Socraticos scripti sunt. 

I) Wenigstens nennt er Ihn Tfjtoc In den Worten, die AthenMus 
(s. vor. Anm.) von Ihm anftthrt. Nach Diog. III 48 freilich, wenn wir 
seine Worte streng nehmen wollten, htttle schon der Philosoph geschwankt, 
wo die Heimat des Alexamenos zu suchen sei. Aber er citirt nicht wört- 
lich und kann schon in sofern neben Athenäus niiht in Betracht kom- 
men; da er iil)erdj<»s gleichzeitig Favorin citirt, so wird dieser wohl, wie 
schon .S husler Hb M. 29. S, 619 vermuthct«, auf irgend eine Weise zu 
der .schwunkeudea Bezeichnung l.vjpia ^ Jiiios den Anlass i^egebi^n haben. 

2] Vgl. auch o. S. 90, 1. Dass Alexamenos auch attisch schrieb, 
Ist kaum xu besweifeln. Schon Schuster Rh. M. %9 S. M9 hat dies 
vermuthet. Das Gegentheil ist sehr unwahrscheinlich: denn die Pihigkelt 
attisch SU reden und zu sehreiben dürfen wir bei einem lonier aus dem 



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402 



Ii. Die Blüthe. 



ihm dieser Ruhm nicht bleiben. Als wenn sich der attische 
Stolz gegen das Zugeständniss gesträubt hätte, dass ein lonier 
die Bahn gebrochen habe ftlr die Literatur des sok ratischen 
Dialogs, nahm man dieses Verdienst vielmehr für Einheimische 
Bimom in Anspruch, die Einen für Xenophou ^Diog. II, 48^, Andere viel- 
leicht 1) ftir Simon. Nur dieser letztere interessirt uns hier weiter. 
Er soll seines Zeichens em Schuster gewesen sein und den heili- 
gen Crispin mflsste es erbarmen, wenn er um das wechseivoUe 
Schieksal wfiflste, das Ober seinem heldnisehen Zunflgenossen 
gewallet hat Noch im Torigen Jahrhundert strahlte sein Stein in 
ToUem Glanse*), bis er allmShlig nnter dem Einflnss modemer 
Kritik in eibleiehen anfing. Schritt für Sobritt vordringend hat 
dieselbe seinem Wesen immer mehr sngesetst: erst nahm sie 
ihm die Uterarische Reputation^], strich ihn sodann aus der 

Gebifli des atlischen Bondesstaates ▼oranssetiea; in diesem Falle aber 
auch die Neigung, da der echt attisdio Inhalt in fremder Sprache be> 
handelt viel von seinem Reiz verlieren musste. V^I. hierzu S. 4 09, i. 

i) Das vorsichtige »vielleicht« griindel sich darauf, dass bei Diog. 
II 183 nur steht o'jto«, «paol, ^rptuTO« ot£)i/ft?] toO? >öy'^'-'; wü; JTtuxpciTi- 
xo6c. Staübaum, De dialogis «uper Simoni Socratico adscriptis S. 28, 
nahm dies ohne Bedenken in dem Sinne, dass Simon die ersten sokra- 
tischen Dialoge geschrieben habe; Heilz, die verlorenen Schrift, des 
Arist S. I4S, ebenfalls ohne Bedenken, erklärte »dass er merst sogenannte 
sokratlBche Onterredongen pflog«; Gegen Stallbanm spricht sanachst der 
erste und eigentliche Sinn der Worte und «sodann der Umstand, dass eine 
solche Bemerkung, wie sie nach seiner Erklärung in diesen Worten ge- 
geben warde, schon früher, wo von Simons Aufzeichnung sokratischcr 
Gespräche die Rede war, ihren Platz gehabt hätte. (Diog. 122 oGto; 
ipyofx^oi» SooTtpdftouc int t6 Äp'Y'^aT+jptov xit E'yojjlIvo'j zisd, ms iavt;a4ve jtv 
üi:&0T,(jL£ta»3£i; ezotsiio. vgl. II 48 über Xcuojihou: xai TcpöiTot ÜTtoarjficuD- 
«(i(i.eNo;td eU dbdpcibnous -f^ja^ev); gegen Helte llsst sich geltend 

machen, dass nach seiner Aufliusung Simon nicht sowohl, wofltr er sonst 
gilt, efai Schiller als vielmehr der Vorgänger des Sokrates sein und ihm 
damit ein Verdienst sugeschobea wtlrde, das er In WirklidikeH nicht 
SU tragen vermag. In ^\ie forn alter trotzdem bei Einigen der Alten 
wenigstens die Meinung aufkoiumen konnte, dass Simon und nicht So- 
Itrates sich zuerst der Gesprächsmethorl*' fiir phi1"<uphische Erürterungen 
bedient habe, soll nachher zur Sprache koinnien S. 4 04, 4). 

? Kranz llernsterhuis hielt ihn für wcrtli, si-inen Hialos; »Sinmn ou 
dca lacullc» de l äme« nach ihm zu benennen und in dem eiurAliniendco 
Gespräch desselben ihm eine Bolle saznweisM. Vf^ answrdem Bdckh 
In Piatonis qnt vulgo (ertttr Mlnoem S. 44. 

8) So BOckh a. a. 0. S. 44 t, der, während noch Bnicfcer den Ver- 



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Simon. 



103 



Reilie der Schriftsteller und rndlii h so zu sagen gar aus der 
Reihe der Schuster oder vielmehr der lebenden Wesen über- 
haupt, indem sie den einst gefeierten Ahnherrn Jakob Böhmes in 
mythische Nebel auflöste^). Der Triumph dieser Kritik schien voll* 
kommen, als man in dem gleichnamigen Dialoge Phaldons die 
Quelle der Simonsage entdeckt tu haben glaubte >). Man hat 
dabei nur ttbersehen, dasa die Dialoge der Sokratiker auf adas 
Lob poetischer Schtfpfericraft«, das man emem yon ihnen in 
diesem Falle suerkennen wollte, nur bescfarSnkten Anspruch 
erboboi, dass, wie wir an den platonischen und xenophon- 
tisehen Werken sur Genüge lernen kSnnen, die Situationen 
darin oft genug frei ersonnen waren, die auftretenden Personen 
aber nichtsdestoweniger histürisch blieben^ . So ist es gekom- 
men, dass der «Simom des Pbaidun, in dem man glaubte den 
Schuster gleichen Namens für alle Zeiten begraben zu haben, 
eine Falle vielmehr für dessen Kritiker geworden ist: denn 
weit eütlemt deren destruktive Tendenzen zu unterstützen 
sichert er vielmehr seinem Heiden, nach dem er den Namen 
trägt, dessen gefährdete Existenz*), Aber woher nahm man 
denn überhaupt das Recht dieselbe zu bestreiten ? Ist es denn 
undenkbar, dass schon in Athen einmal ein Mann dieser Zunft 
philosophirte oder dass Sokrates mit ihm Terkehrte? Aber, 



lost der Dialoge Sbnons beUagt hatte, behauptete, dass dieselben elendes 
Ifadiwerk gewesen ond ebendeshalb von den Alten Schosterdlalege 
(exuTtxol Xo^ot) genannt worden seien» 

<) Zeller, Die Phil, d. Gr. II» S. 206, 3». 

2) Nnchdcm schon Zcllcr ;i. a. O. S. fOfi es ansgcsprochen liatle, 
dass wahrsch»Mnlic h der ganze Mann ein«' rrHU htotr I'erson sei, hat Wila- 
iiiowilz fHerni. XIV 187 auch dies »wahrscheinlich«« cntrernt und es für 
eine ausgemachte, jedew Knaben bekannte Wahrheit erklärt, dass der 
Schuster Simon keine historische Figur sei. 

9) WUemowits a. a. 0. 

4} Freilich haben wir auch In den platonischen Dialogen Pmonea, 
deren historische Realität uns durch andere Nachrichten nicht verbärgt 

wird. Dieselbe aber deshalb zu leugnen würde mir ein ttherspanntcr 
Suhjectivismiis scheinen, der Alles, was Sich seiner Keootniss entzieht, 
als nicht exisUrend behandelt. 

5) Wäre 08 sicher, was vor der Hand nur eine Jicharfsinnige Vor- 
muthung Ferdinand Dümmlers (Aotisthen. S. 37, 1]ist, dass Simon auch 
in einem Dialoge des AntistiieDes eine Rolle spielte, so würde vollends die 
GeechiditUehkeit seiner Persönlichkeit Uber Jeden Zweifel erhaben sehi. 



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U. Die filüUie. 



sagt man^), Xenophon oHorPlalon hätten seiner doch erwähricu 
müssen. Als wenn dif si' is sich mr Aufgabe gemacht 
hätten ims alle Sokratiker oder auch nur die hervorragen- 
den unter ihnen vollständig aufzuzählen^). Lassen wir ihm 
daher seine Existens gelten, so ist freilich auf der anderen 
Seite nicht lu leugnen, dass, was genaueres fiber dieselbe 
berichtet wfird, sum Theü den Ciharakter der Anekdote trSgf); 
historisch mag dagegen sein, weil sie uns aus verschiedenen 
Spuren entgegentritt, eine gewisse Geistesverwandschaft mit 
den Kynikera^). In seinen Schriften oder denen, die das 



4) Zoller a. a. 0. S. ^of,, ^. 

i) So schwoigl l>okHuiit !if h PhUfHi iibor Xenophon und nur an einem 
Haare hing es, dass auch Piulon» hanm uns nirgends in den xcnaphon- 
tischen Schriften bogcgnoto (vgl. Ileni. m S, f , die einzige Stelle wo Plt- 
ton genannt wird). Wer den Hennenos nicht fUr ein platonisches Weric 
halt, findet bei Platon kein Wort Uber den Verkehr des Sokrates mit 
Aspesia und Xenoj^on gedenkt Ihrer nur ganz heilHuflg Memor. II S, SS, 
Nviihrend Antlslhcnes sowohl als Aischines sie zum Gegenstand eigener 
Dialoge gemacht hatten. Antisthencs und Aristipp werden von Platon 
nur gelegentlich erwähnt; kein Dialog trü-jt nach ihnen den Namen. Hier- 
an«? crholll zur nenimt'. dass, wenn Xcnoplion und Platon uher Simon 
srhwoigon, Phaidon ai)er ihm einen cigoncn Dialog gewidmet hatte, er 
riu^Htialb nicht nothwendig oloe von Phaidon erdichtete Persönlichkeit sein 
mnsa; vielmehr Msst sich jmies Stillschweige andi so erklSren, dass 
Xenophon und Platon an dem auch ihnen wohl bekannten lUtgllede des 
sokratlschen Kreises nicht das gleiche personliche oder sachliche Interesse 
nahmoi wie PiialdMi, welches nOthlg gewesen wäre um Ihm einen Fiats 
noch in ihren Werken zu verschaffen. 

3) Hierher gehört (Diog. II 4 23) dass Pcrikles ihm Wohnung und 
l^nt«rhalt in seinem Hause anp;eboten, er dies aber mit dem Bemerken 
abgelehnt habe, dasij» ihm die Kreilicil der Rfdo um kcirifn Preis feil sei. 
Aehnlich stellte sich dass Verhiiltaiüs beider iiuigiu lirr Weise auch der 
angebliche Aristipp (Socralioor. ep. 4 Sj vor, wenn er sagt, Perikles sei nur 
dandi sdn Amt nnd durch den Krieg abgehalten worden 9moa dmn- 
teils za besuchen. 

4) So nähert sich eehie Lebensanlfasming der kynisdien nach Socra- 
tlc eplst 4S (vgl. anch Wilamowltz a. a. 0. S. ISO); kynisch ist sodann 
seine Frcimüthigkcit (Diog. II ISS) and endlich die Festigkeit mit der er 
im Gespräch jeder Behauptung gegenüber auf dem X^^o; bestand (Syne- 
sios Dlon 37 f.), Dass man ihm kynische Ansichten zutraute, lehrt auch 
der Titel einer der ihm hcipelepten ^( hriflen >\y\nü. II 12i r.trA olcETr; 
8ti o'i fjih'i%r6s : denn für nicht lehrbar konnte »'in S(tki .iltkn- die TuKcud 
doch nur iu dem Üiaac crkliUrcu, dass er zu liirer Vulleudung ausser der 



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Simon. Glaokon. 



105 



AlCerthiim filr solche hielt, kam das originelle Wesen des 
Mannes schwerlich zum Ausdruck; ganz abgesehen davon, dass 
wir nicht mehr zu l)eurtheil(»n vermögen, wie viele von ihnen 
mit Recht als seine Werke galten (S. iOO,4)'). — Unter den 
schriftstell erndeu Sokiiitikem tritt uns zun ichsl nach Simon 
III der Liste des Dlugenes Glaukon entgegen, unter dem QUokon. 
kein Anderer ais i'latons jüngerer Bruder gemeint sein kann, 
in der Republik ist ihm ein glänzendes Denkmal gesetzt. Wir 
lernen ihn hier kennen als einen jongen Mann ritterlichen 
Wesens, dem der Gedanke des Staates die Seele füllt, dabei 
hochgebildet^ gewandt in der Rede und imennüdlioh im For- 
schen und Denken. Warum sollte er nicht auch Dialoge ge* 
schrieben haben? Fflr die EchCheit der 9 Ihm sugeschriebenen 
spricht der Umstand, dass von diesen 32 als unechte unter- 
schieden werden (Diog. II, 124). Wir kennen nur die Titel, 
und an diesen ist bemerkenswerth, dass sich in ihnen 



Erkcnnlniss auch die Uebung für nuthif: hielt (Zolh^r II:» ir»7, 2;. Heshalb, 
wie es scheiot, machte man im Alterihuiu Anlibtheiies zu SRlnem Vi-r- 
ehrer (Socratic. cp. 13). Mau kuaate sich wundern und fiiigcn, warum 
nicht umgekehrt Simon zu einem Anbänger des Antisthencs oder doch 
XU fletnem gleichstellenden Genossen. Die Antwort Ist, dass nach der 
Vorstellong des Altertbnins Simon innerhalb des sokntlscben Kreises 
eine bevorcngte Stellung einnahm und im ZusamnmihMig lüennit sogar 
Sokrate«i gegenüber eine gewisse Selbständigkeit bebaui^ete (Synesios a. 
B. 0.;. Dieselbe würde sich dann erltlären, wenn er schon vor dem 
Verkehr mit Sokrates auf eipfnic Hand phiiosophirt hiittc: man könnte 
annehmen, dass eben dies die Aufmerksamkeit des Snkrntcs prrt'irl und 
dass Sokratcs selber dies in Phaidonb Diulog erzählt halte; Uciui dnss 
durch die Schilderung, welche dieser Dialog gab, das Dild Simons im 
Allerthum hsnptsttchiicb festgestellt und verbfeitet worden ist, rttume ich 
Wilamowlls voUstHndlg ein. So ttllt ein neues Ucht auf die schon be- 
sprochene (S. 40S, 1) Nachricht des Diogenes, dass Simon xuerst (also 
noch vor Soiuutes) sokratische GesprSclie gepflogen habe. 

4) Böckh, In Platonls qui vulgo fertur Unoem S. 45 f., hatte dem 
Simon vier klrine pscudo-platonische Dialoge, rcpl dpcr?^;. rttpl otxaiou, 
(\on Hippareh und d<'n Miiios. zuschreiben wollen — pxuc Ansicht, die 
iunitzutage schwerlich nocli von Jemand getheilt wird urnl in di r That 
tu der Uebereinstimmuns! der Titel keine «genügende Gewälir hat. I^Joch 
weniger vermag ich diu Vermulhung Teichumllcrs zu billigen, der (Lite- 
rarische Fehden U S. 406 ff.) Simon fair d«n Yerfosser der dorisch ge- 
schriebenen AutXigctc hsit. Und wird sie tttwriiaupt Jemand billigen? 
S. auch S. 107, 4, 



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406 



n. Die Blttthe. 



eine gewisse Familienähnlichkeit ausspricht, insofern als sie 
▼on Personen hergenommen slnd^) gerade wie die meisten der 
BinniM platonischen. — Es folgt das thebanisdie Fkvundespaar Bim- 
mias und Kebes, deren Andenken durch Piatons unvergäng- 
liche Kunst mit den lotsten Augenblicken des Sokrates vor- 
flochten ist. Zu der Uebe, mit der er ihr Bild im Phaidon 
gezeichnet bat. hat wohl eine gewisse Verwandtschaft des Geistos 
mitgewirkt; (leim Simmias und Kebes sind ausser Platon die 
einzigen Sokratiker, in deren Wesen sich Pythagoreisches mit 
Sokratischein verbuni]: nur dass die gleichen Elemente auf 
beide in uragekehrter Folge gewirkt haben, Platon als Sokra- 
tiker anfing, um erst später sich dem Pythagoreismus zuzu- 
wenden, Simmias und Kebes dagegen früher in ihrer Heimat 
die dogmatische Sprache des Pythagoreers Philolaos vernahmen 
und dann erst in Athen von dem Forschungseifer des Sokrates 
durchglüht wurden. JHe Lust am dialektischen Gesprich^, ihre 
Gewandheit in demselben und die Yerehrung fOr Sokrates — 
das sind drei Ursachen, durch die sie wohl bestimmt werden 
konnten sokratische Dialoge su Yeriassen. Unter den drei 
fireiltch, die Diogenes (II, 125) dem Kebes zuschreibt, kOnnen 
wir sogleich einen als unecht ausmerzen, «das Gemälde« (Oiva^), 
wenn darunter, was doch alle Wahrscheinlichkeit für sich 
hat, das erhaltene Gespräch dos Namens zu verstehen ist. Es 
versieht sich von st^lluT, dass hiernach auch der Urspning 
der übrigen, nicht nur der dem Kebes sondern auch der dem 
Simmias beigelegten, einem gewissen Zweifel unterliegt. Unter 
allen Umständen aber wird man zugeben müssen, dass der 
Fälscher nicht ganz roh verfahren ist, sondern mit Rück- 
sicht auf die eigenfhUmliche Stellung gearbeitet hat^ die Shn- 

i) Es sind die folgenden: «PeiWXo; Eüpi7c("5TjC 'AfA-ivriyoc Eüdiac Auai- 
dcl^Tj« 'Ap'.^Tcfavr^; KctfaXo; 'Ava^^cptjfio; MrilPevoc Inw illkiirüch dfnkl 
mnn bei Keo-aXo; (laran, dass Kephalos im Eingang dt-r He[)ul>iik hu' 
Kollc .spielt, also in demselben Werke, in dem Glaukon neben bokrates 
die Hauptrolle hat. 

3) Besonders gilt dlM von ^mmiat, wie dies auwer dem Fbaldon 
noch durch folgende Worte des Sokrates Im Phaldr. p. S4S A 1 beieugt 
wird: %ti6i 7*ct ncpl touc X^T^ ^ 4>«it^f «al dn^vA« 9ao(*datD€. olfiai 
ydp ixdb Twv iid toQ oo9 ßlou f€^w6xm it-tfiisa icXtloTK ^ iccnoitjxivat 



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Slnunias and Kebes. Kriton. 



407 



mias und Kebcs im sokratlschen Kreise cinnabmon: denn nur 
so würde es sich erklären, wie dem Kebes ein Dialog Namens 
'£ßSo|i-y]) was an pythagoreische Zahlenspeculation erumert, 
und dem Simmias einer irepl ^^yj^^ zugeschrieben werden 
konnte, welcher letztere Titel innerhalb der sokratischen Lite- 
ratur höchst auffallend ist und nur noch im platonischen Phai- 
don sein Seitenatttck ha(^) — Unter allen Sokratikem, die wir 
keuneui hatte keiner mit Sokrates in so langem und engem 
Verkehr gestanden als sein Alters- and Gaugenosse Kriton, Krttoa. 
den wir im Leben und Sterben aufs treuste um ihn bemUht 
finden. Keiner hatte uns mehr über Sokrates berichten können 
als dieser Slteste seiner Freunde und der Antheil, den er an 
Sokrates nahm, der Werth, den er auf sein Urtheil und 
seinen Rath legte, machen es sogar wahrscheinlich, dass er, 
wie er dies Andere thun sah, sich ebenfalls dieses und jenes 
seiner Gespräche aufzeirhnele, zu bleibender Erinnerung und 
ohne dabei von schriftstellerischem Ehrgeiz geleitet zu werden. 
Von diesem Standpunkt aus mUssen wir daher geneigt sein 
die Bialoge, deren Titel uns angeführt werden (Diog. Ih 121), 
Air echt zu halten ; und dass in einigen derselben sich Kritons 
eigenthümlicher Ciharakter tu spiegeln scheint kann uns in 
dieser vorgefessten Meinung nur bestärken. 

4) In neuerer Zeit hat Bkfls (Fleckeis. Jahrb. 4B84 S. 789 f.) die Vermox 

thung ausgesprcchm, dass die dorisch geschriebenen ÄioiXe^e« ;o.S.87}deni 
Sokratikcr Simniias gehören und unter anderen Titeln bei Diogenes ver- 
borgen sind. Dies ist aber ^o]^- unwahrsclifinüch: denn weder ist es 
riuthit! das überliefert« Muoxai in lt|x(j,ta; 2U andi'jn, nocti glaublicli, 
da>s di«* VOM Diogenes verzeichneten Dialope im dori'^clirn Dialclct ge- 
schrieben wai'en, da er auf eine sulctie AbsonderltclikeiL hier wühl ebenso 
hingewiiien haben würde, als er dies hei Aristipp II 88 tbnt. Vgl. noch 
B. Rohde Güü. Gel. Ans. 1884 No. I S. 84 ff., H. Schanz Hermes 49 S.869ff., 
Wilamowits GOtt Progr. 4889 S. 7 ff. dazu F. Dtbnmler Akademtka 
S. 389, 9. Nach Tb. BerglL (Fünf Abbandl. S. i n fT), dem Zeller (Archiv 
f. Gesch. d. Ph. V S. ill] zustimmt, war der Verfasser ein Sophist, der 
in den nürhsten Jahrzehnten nacli 'Icni ¥,m\v des peloponnesi'^rhen Kriejies 
in Cypern lebte. C. Trieber im Hermes, ä7, il S «Mitst hcidef sicti für Ab- 
fassung \or dem .lahre 404. feber TeichmüUers Ansicht s. oben S. 40.'>, 4. 

2; Kriton war ein Manu des praktischen Lebens. Es fehlte iliin 
zwar nicht an Wisebegterde (Piaton Euthyd. 804 C), wohi aber an jedem 
tidinren wissoisdiaftUchen Interesse und er mvss sich deshalb von Sokra- 
tes efaien Vorwurf machen lassen, weil er für die Bniehung seiner SOhne 



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408 



U. Die Blütbe. 



Dass ausser den bisher GenaDuten auch noch Andere so- 
kratische Dialouc S(:lirirl)en, von denen uns weder die eigenen 
Naiiu D noch die Namen ihi*er Schriften bekaunt werden, halte 
ich iÜr sehr wahrscheinlich >). Wie viele JiaUen ein Interesse 
daran sich und Anderen das Andenken an die GesprSdhe mit 
Sokrates su erhalten! Wenn diese ganie Literatur nichts- 
destoweniger für uns mehr oder minder verschollen ist, so 
ist dies in der Hauptsache gewiss kein unverdientes Schicksal, 
da die Hehrsahl dieser Dialoge Uber den Qiarakter von Notisen 
oder Memoiren sich wohl kaum erhob und, indem sie nur das 
Skelett eines sokratischen Gesprächs gab, nicht belebt durch 
anschauliche Schilderung der Scenerie, auf den Reiz verÄichlete, 
der auch noch einen späteren Leser hätte fesseln können^). 

G. Aristippos. Eukleides. Phaidon. 

AxMw* Mit den vorher besprochenen theiite Ar! stipp das Schick- 
sal aus dem Kanon derer, die sokratische Dialoge geschrieben 



von der l'liilosophiü keinen Gewinn erhofft 'Eutliyd. Hü7 A f.). Ist das 
nicht der Mann, von dem v^ir erwarten kniincn, dahs» er sich solche 
Aeusscrungcn des Sokratcs notUi hahen wird, in denen er den ihm zu- 
sagenden GedankeD ihnd, Stt o&k h. toG iaoNIv ot dT«9o(, wie in der That 
der Titel einer seiner Dialoge lautete? Wenn femer ein guter Haushaller, 
wie Kriton war, vor Allem auf Ordnung halt, so entspridit es abermals 
seinem Wesen, dass unter den ihm zugescbriebcnon Dialogea sidk einer 
icBpl cu07](jLoa6vtjc (vgl. Xennph. Cyrop. VIII 5, 7) befindet 

<) Wenip*5trns das Andenken einos d<'rsplben lässt sich noch reiten. 
AU Verfasser des Dialogs MijSio; concurrirt bei Diog. II 4 05 mit Phai- 
«i'in und Aischines ein Polyninos. Monage denkt dabei m\ den i^chülcr 
Dliikurs; dass aber ein Sokrülikt r zu verstehen sei, ist schon desshalb 
wahrscheinlich, weil als Verfasser jenes Dialogs neben ilun zwei SokratÜLer 
genannt werden, und wird weiterhin noch dadurch besttttigt, dass ein 
Dialog Namens noX&otvoc als ein Werk des Aischines cireulfarte (Suld. 
n. Alex*)« 

2) Dies ergibt sidi daraus, dass ihre Titel von dem Inhalt und nicht 
von Personen hergenommen sind, gerade wie die der pseudo-platonischen 
rsot ^ixitou und T.tri\ -^oerfj;. Wie in diesen, wird datier wold ;hi< ii in 
ihnen Sokratcs mit einem ungenannten draipoc im Gespräch aufgeirett n 
sein. Eine scheinbare Ausnahme bildet der riofDxaY^pot; lloXmxö; Kri- 
tons, der seinen Namen tragen nittciite, ni( hl weil Protagoras durin redend 
auftrat, sondern weil seine Theorie den Gegenstand des GesprScbs bildete; 



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Aristipp. 



409 



hatten, von Panaitios ausgeschlossen zu sein. M;in hat ange- 
nommen, dass auch die Gründe, die den stoischen Kritiker 
in diegero Falle bestimmten, die gleichen gewesen seien und 
Panaitios die unter Aristipps Namen gehenden Dialoge nicht 
für echte Werke des Philosophen gehalten habe. Aber mit 
Unrecht Vielmehr waren die Aristipps Namen tragenden 
Dialoge gar keine sokratischen; Dialoge wohl, aber nicht solche, 
in denen Sokrales redend anftral*). Dieser noch nicht be- 
achtete Umstand ist sehr merkwttrdig : schon Ufngst hatte man 
auf Grand des Inhalts seiner Philosophie sowie der Nachrichten 
Uber sein Leben behauptet, dass dieser Schiller des Sokrates 
dem Lehrer von Anfang an freier und selbständiger gegenüber 
gestanden habe als irgend ein anderer-}; nun verräth sich 

ciue wirkliche dagegen wohl der <I)p6vi^o; des kebet» und suiutniliche 
echle Dialoge Glaukons, von denen In cUeser Hlnsidit schon S. 406, i 
die Rede war. Anweniem war eine reichere fintlUtiiiig de» mimischen 
Beiwerkes hei den Dialogen wenigstens des Kriton, Simon und Stanmias 
schondvcib deren Kttrae ausgeschlossen, die es, wie wir bei Diogenes sehen, 
mißlich machte eine grosse Zahl derselben in Einem Bai^e zu vereinigen. 

1) In dem Vcrzeithniss der aristippischen Dialopp. wHchos Dioppnos 
II 84 gibt, ist zuuaclist benierkenswerth, dass darin auch solche ScIirifUMi 
aufgenommen sind, welche, wie man ziemlich sicher boliaujiti'u kann, 
keine dialogische Form hatten, so der Brief an seine Tüthiui Arcte und 
die Ctirica. Aber aacfa diejenigen, denen wir dialogische Form zusprechen 
dürfen, wie dem 'Aptd^aCo« und 4^(XÖ{iii]Xoc, nöthigen uns doch dondi 
iliren Ute! kehieswegs an Gespräche gerade mit; Sokrates su denken. 
Vollends In den tan dorisohMi Dlalelit abgel^ten Icann Sokratesnicht 
das Wort geführt haben: denn das wäre ja nicht anderS} als wenn ein 
MecklenburjiPr oder Schwoizer Schüler Hegels es sich wollte einfallen 
lassen, r,esprache ntit dem grossen Philo<?ophcn zu vcrilffentlichen, in 
dfiwu dieser seine liefsiimigeu Anschauungen in der Sprache Fritz Reuters 
oder der Lrkantone entwickelte. Selbst ein Falscher hätte diese Abge- 
schmacktheit nicht begehen können, ausser wenn er wirklich eine komi- 
»ehe Wirkung beahsicfatigt hätte. Es ist also kein Widerspruch, wenn 
Panaitios, het Diog. n 64, Aristipp nicht unter den Verfassern sokratischer 
Dialoge nennt und SS eine Reihe von Schriften dieses Philosophen, darunter 
audi einen Dialog, den Artabazos, für echt anerkennt ; und jede Textes- 
änderung, sowohl diCi, welche zur Beseitigung des Widerspruchs Nietsche 
Bh M XXIV S. ^87 vorschlug, F. Dümmler, Antisthenica S. 66, 1 modi- 
licirte, und der ich seiher früher (Unters, zu Ciceros phllos. Sehr. Ii 36a,<) 
zustimmte, als auch die frühere von Suscmibl Rb. M. 26 S. 338 f. er- 
schcial als unnOtbg. 

9) Zeller n* 189 ff. III. 



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440 



il. Die Blülhe. 



uns dasselbe auch durch die äussere Form seiner Schriften, 
die, insoweit sie dialogisch ist, den Einfluss des Sokrates nicht 
verkennen lässt, darin aber, dass sie nicht diesen sondern 
andere Personen zu Trägem des Gesprächs macht, sich von 
ihm emancipirt^). 

BtUaiaat. In den engsten Kreis der Sokratiker führt uns Eukiei> 
des. Er war einer der ältesten und treusten Schüler des 
Sokrates. I>ie8 TerhälCniss sprach sich auch in seinen Schriften 
aus: denn nicht Uoss waren dies simmiÜdi Dialoge^) und 
zwar solche, deren Personen wohl^ alle der nächsten Um- 
gebung des Sokrates entnommen waren sondern auch yon der 
ursprflnglichen Lebendigkeit der sokratischen Gespräche war 
wenigstens ein Hauch noch in ihnen zu spüren^). Das mag 

1) So nähert er »ich auch in dieser Benehung den Sophisteo. Gdit 
aber doch auch hier nicht ganz zu ihnen ttber: denn dazu wttrde gehören, 
dass er mythische oder allegorische Figurea in das Gespräch eingeführt 
hStle, während er doch, worauf die Titel <&tX«SpLt)Xo( und 'Aptd^aCo; deuten» 

immer noch oinifrcrmaassen historischen Boden unter <\rh bt hielt, 

2) Dies Hugt Diogenes II Iü8, und es widerspricht doni nicht, wenn 
derselbe zu fk n Dialogen auch einen *Epa)~txo; rechuet, da in diesem die 
Liübcsrcdc, ui.i^ mo immer den grössten Raum eingenonuücu haben, doch 
wie der ^Emxd'^ioi im platonischen Menexenos von einem Gespräch kann 
eingerahmt gewesen sein (Hermes X S. 66). 

S) Beim Atex^vijc» KfCtow, *AX«ißuiSi)c lehrt dies der erste Bllok. 
Für den ^ol'vtg beweist es Piaton Symp. p. l7fiB. 47SB. Und dass ans 
Aa|»iep{a« In derselben Eii^cnsehaft niü>ekannt Ist» wird woUnttr dleSchidd 
unserer mangelhaften Ueberlieferung sein. 

4 Sonst wurde sich Panaitos ihnen grecnübnr schwerlich mit einem 
blossen Zweifel an der Echtheit begnügt hidii-n ?>i<t.^ II 64). Vgl. S. 99, i. 
Wollte uiau uhi ij:* ii<. dem Irtheil des antil^en Knlikers folgend, den 
Eukleides ganz uus der Keihe der Schriftsteller streichen, so würde t}fitu 
der Eingang des platoiüschea ThMtet widers^echsn: denn Piaton wQrde 
schwerlieh den Eukleides hier als den Veriuser eines einzehien Dialogs 
fingirt haben, wenn derselbe nicht Im Allgemeinen als Verfiuser von 
Dialogen bekannt gewesen wäre. — Erhalten Ist uns ans Euklids DMogen 
kein Fragment von Belang, ausser dem einen bei Stob. Floril. VI 6S« 
Wegen des rhetorischen Charakters, den dasselbe trügt, möchte man es 
dem Krotiko« zuweisen; eine Beziehung auf den Eros freilich, kann ich 
iiiehl wie Meineke Anal. crit. ad Atlieii. Dcipnos. S. 259 f, darin linden. 
Die Bemerkung über die Liebe, die Hermins als euklidisch zu geben scheint, 
giebt er in Wahrheit vielmehr als eine von Hcrakleides herrührende 
(Unters, tu Ciceros pbilos. Sehr, n 896 f. Schanz im Herrn. XVIII 4t9 ff.). 
— Vermutheo lässt siebt ^ dem Aiex^vt]« genommen Ist, was wir 



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EuUeides. Pliaidon. 



dem Mann dorischer Abkunft, der in einem fremden Dialekte 
schrieb, immer hoch angerechnet werden, erklärt wird es bei 
dem Megariker durch die Nachbarschaft Athens. Nicht so bei 
Phaidon von Elis, der deshalb in dieser Hinsicht ein noch Pbaido^ 
grosseres Verdienst in Anspruch nehmen darf. Zu der frem- 
den Abkunft, die ihm mit seinem Siteren Genossen gemein 
war, kam bei diesem jOngsten Schttler des Sokrates noch die 
yerliSItnissmisdg knne Zeit, v^ihrend der er mit seinem Lehrer 
verkehrt hatte, und das jugendlidie Alter, in dem er damals 
stand, um es doppelt begreiflich zu machen, dass de nGipfci 
der Vollkommenheit das sokratische GesprSch in seinen Dia- 
logen nicht erreichte; trotzdem können auch sie des künst- 
lerischen Reizes nicht entbehrt haben und v\ird ihre Feinheil 
austii iii klicli gerühmt 1). Zw ei davon halteten im Gedächtniss 
auch noch des späteren Aiterthums, Simon und Zopyros^). 



bei DIog. L. U S4 tesen: Alox^ ^ c^licfcoc »itt*t^ tiful «ol dAXo (Uv 
«AUv £'/(m, Uomyn 81 oot lp.auTÖv« »ap'ouv, slntv, oAx atodav-Q xä. fAi^atTti (mi 
St&ouc;« Oder stammen daher die Voraussagung des Sokrates, dass er 
naiii drei Tagen sterben werde, und die Rrziihlung des Traumgesiehts? 
Bei Plaloii bl es Kriton, (U'v Ikm(1('j> liürt, nach Andorn war es Aisehincs 
(Diog. L. II 35. 60. III 3r> mal diese Andern, die Piaion i-iner liistorischen 
Fälschung Kuiiien, kuuuteu eiaen Anhalt iu Eukleides Dialog gefundea halieo. 

4) Admodom degaates Demit sie GelUtu II 4S, B. Ausserdem kann 
DMB au<di bei ibnea wie bei den Dialogen des Bukleldes (s. vor. Anmericg.} 
aof einen gewissen kttnstlerisdien Werth ans dem Urtheii des Panaitios 
schliessen, der es nicht wagte ihre Echtheit entschiedea zu verwerfen, 
sondern sich darauf lieschrttokte sie zu bezweifeln [Diog. II 64). 

2) Der Zopyros wird von den Aüieislen cilirt (Prellcr, Ausgew. 
Aufsätze S. 370) und die Syxir des SirüOTi ist deutlich Socratic. cpist. 13, 
worauf sclion früher Buekli in IMatoui?» Min. S. 4 i uiul mit grosserem 
Nachdruck Wilamowitz, Herraes XIV, 6. 189 IT., hingewiesen bat. Dass 
Pliaidon noch mehr als diese beiden Dialoge geschrieben habe, möchte 
man allerdings annefanma. Aber keiner von denen, deren Titd uns 
ausserdem genannt werden, hat das Recht als ein echtes Werk des eli- 
scben Philosophen in geltra: denn um von denen ganz abcusehen, die 
dadurch, dass nur Suidas u. Oat^cov sie kennt, hinreichend gerichtet 
sind, so liisst die milde Kritik des Dio<!enes nur jene beiden iibriir und 
zweifeil binsiebllicb der anderen. I nter diesen letzteren verdient unsere 
Aufnicrksauikcit der Ntxli;. Derselhe ist tnoylii herweise identisch mit 
dem Dialoge Pasiphons, aus dem Piularch Nie. 4 Einiges mitllieilt; denn, 
wie wir aus Diog. II 61 sehen, hatte derselbe nicht bloss Dialoge des 
Aiscfainea und Antlsttienei geOUscbt Zu den sweifelliallen Dialogen Phal- 



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II. Die Blttthe. 



In beiden sind wir berechtigt lebensvolle Schilderung der 
Scenerie und eloeD Anflug jener feinen Komik vorauszusetzen, 
wie sie sich z. B. im platonischen Frotagoras finden. An der 
BtiMB. Gestalt des Schuster Simon konnte dieser Hmnor sich anfs 
anmuthigste emporranken^). In der Einleitung enShlte Phai- 
don oder vielleicht Sokrates selber von der erstaunlichen 
Weisheit des Mannes und berief sich sum Beweise derselben 
vermuthlich darauf, dass es demselben gelungen war den Pro- 
dikos, dessen Weisheit sprichwdrtlicih war, zu widerlegen*]. 



doiss werden nach Cobcts Text des Diogenes auch oxuTtxot Xijtn ge- 
rerhiicl, für deren Verfasser Andere den Aischines hielten. Nun sagt 
uns aber Diosienes selber (II 122), was «r »inter «v)tixoI Xö^ot oder ö-j- 
Xo^oi versteht: Dialoge, nicht etwa in denen neben Sokrates ein SchvisUvr 
redend aullrilt, »undcrn solche, die einen t^chuster und zwar Simon zum 
Verfasser faabMi. Für äm VerCasser solcher Dialoge koimte man daher 
nicht Phaidon oder Aischlnes halten. Es bleibt also nichts übrig, als tu 
der Ansicht Menages (ra Dlog. a. a. 0.) and Prellers (Ausg. Anb. S. S7S) 
surttcksttkehren und statt oxutixout Xö^^uc hei Diogenes Swuftcxoi^e X. zu 
achreiben. Aus diesen £«t)0txo( H-^oi mag zum Theil entnommen sein, 
wtm vnn Aensserungen des Anacharsi'? Dioifencs I 102 ff. gibt und was 
Maximus Tyr. diss. 31, 1 Dio Chrys. or. 32, p. 674 R {1, S. 445 Dindf.) und 
Sext. Emp. adv. dog. I 65 ff. berichten. 

4) Dass der Gegenstand huniürtstiscli behandelt war, lehrt Arislipps 
Brief an Simon (Socratic ep. 13): denn hier heisst es, dass Phaidon den 
Simon verspottet habe (od« i^e» «otAtpSo} dXXd Oat^). War Sokrates 
der BraShler des Ganzen, so wird der Humor In der gewöhnlich«! sokra- 
tiscben Ironie bestanden haben, die vielleicht nur etwas stürker als sonst 
hervortrat. 

^* n.'iss in Aristipps Briefe (s. vor. Aniiiki:. Phaidon ;ils df>rjeniL:e 
genannt wird, der .*^iinon s erspottet halie. vi-rtra;;! sieli natürlich rnit der 
Vermuthung, dass er diest u >\)u[t dem Solirates in den Muud gelegt hatt^. 

3) Zu dieser Venimthuag gibt Aristipps angeführter Brief (Aum. 4) 
Anlass, dessen Anfang so lautet: oOx 1^6» ot d^Xd OotBoiv Xi^cov 

^t^asbm e» «pcieae» w\ oo^turepoN npoM«oo To5 Kctot), 6« Ifs di(cXA;f |au es 
aMft iKpl t6 ifwby^m «(« *HpaiXia ^cvöiAtvo^ «önjL Die Probe der 
Weisheit war um so einleuchtender, wenn die WiderlegunB gerade einer 
so berühmten Darstellunii des Sophisten galt, als der Iferakles am Schelde- 
wpt;c war. — Das Vorhandensein eines Sprichworts ITpri^fv-ij 3otr({»T€f.o; 
wirii durch Aristoph, Wölk, .'ißl und Vü£.'el 692 bestätigt (auch im plato- 
nix hen l'rotag. p. 313 Ii wird er durch das Beiwort zdoao'fo; vor Anderen, 
darunter Protagorus und Utppias, ausgezeichnet) und Zeller hatte 
um seine künstliche Deutung desselben (der auch Martin Schani, Die 
Sophisten S. 4S, bdslimmt) »weiser als ein Schiedsrichteri (l 9) m 



Phaldon. 



H3 



Hieran schloss sich, wie es Bcheint^ die Erzählung eines ein- 
seinen GesprSohs Ober einen uns unbekannten Gegenstand'), 
worin Simon tapfer seinen Hann gestellt liatte und dem So- 
krates mit einer gewissen SelbstSndigkeit gegenQber getreten 



rechtfertigen, erst zeigen mtissen, dass die Weisheit der Sdiiedtticbler 
jemals in besondcrom Ansehen gestanden h.tl. und vor Allem, dass die An- 
gaben der antiken Lexikographen über diese Bedeulunp von TrpöStxo; 
wirklich zuverlässig sind. — Eine Vermulhunn danil)or, in welcher 
Richtung sich jene Widerlegung bewegte, hat Wilaniowitz Hermes 
XIV S. 194 f. aufgestellt: Simon habe sich zwar insofern an Pro- 
dikos angeschlossen, als er mit diesem die f^oovf, verwarf; darin aber 
sei er von ihm abgewichen, dass er unter der dpid^ etwas anderes 
verstand, nSmiich nicht diejenige Tugend« die in den Strapasen kriege* 
riscbcn Lebens und kriegerischer Erziehung besteht^ sondern eine solche, 
wie sie auch ein Schuster ausüben kann. Diese Vermuthung ruht aber 
auf der falschen Voraussetzung, dass die Tu}4ond hei Prodikos wirklich 
nur in dem beschränkten Sinn einer bloss kriegerischen gcfasst werde: 
was, wie Xenoph. Mem. II 4, 32 lehrt, keineswegs der Fall ist. Ausser- 
dem aber lässt sie sich mit dem Lob nicht vereinigen, das nach Aristipps 
Brief Simon dem Prodikos spendete 6(aoXoy^ tAX^Yoi« dpoitäv Ilpd- 
ttxov) und woraus Jener den Scbluss sieht, dass Simon sich elgenUlch 
hätte auf seine, Aristipps, und nicht auf die Seite des Antisthenes schlagen 
müssen. Was man im Alterthum und was daher auch Simon an der 
Darstellung des I^odikos tadeln konnte, zeigt Maximus Tyr. diss. XXI 7 
S. H4 ed Reike: 'A).)'ojO£ ton '\\rjix\ia ["^iw^c ii-^frjy.ai ayeuotov xoi >iai- 
ToyON ifj^orf^c öiapiüjvai, oü Kei&Ofjiat zovidnajt xq* Ilpo&txtf). 'AXX' elet -jap 
<ivopc/<; "^^ovat 7rapauuAo6{ACvai toü( 6t äpeTfjc r6vou;, ou iid oapxörv, ou hi 
ft ti aioÖTjaeojv i-ippuToi dXX* a'JTO^uei; xtsii xai l'^&odev 2iavi9Tap.evat dfti- 
CopivT)c T^c ^l^i laiptt^t toCc «oXeU «sl fppt« «al iictn]S66(i.aoi taX X^yot;. 
in der That erscheint nach Prodikos der Weg der Togend als ein iiesohwer' 
licfaer und der zwar su Gutem aller Art, aber nur ia sehr l»escheidenem 
Biaasse auch zur ffiotii führt [Xenoph. Mem. II i, 33), während an dieser 
wie überhaupt an der GIückscMgkcit das Laster überreich ist. Trotz- 
dem konnte Simon es loben, dass l'rodikos wenigstens die Frage aufwarf, 
{6(i.oXo'ymv eüXÖYcoc ipwTov t. Rp.) ob ein genussreiches oder ein t iurnd- 
baftes Leben vorzuziehen sei, und nicht einfach mit den kyiukera jeden 
Genuas als ein l'ebel verdammte. 

4) Wllamowits a. a. 0. S. 191 f. nimmt an, dass eben jene Widern 
legung des Prodikos den Inhalt des Dialogs gehüdet habe. Damit weiss 
Ich eher ^nichi zu vereinigen, was für mich doch ausser Zweifel steht, 
dass Sokrates mit Simon im Gespräch war: denn dann müsste Sokrates 
die Ansicht des Prodikos vertreten haben und wäre also im dialogischen 
Kampfe dem Simon unterlegen, eine solche Niederlage seiiv^s Lehrers 
wurde aber ein Sokratiker wie Phaidon schwerlich geschildert haben. 

Hirt«l, Dialog. 8 



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144 



II. Die Blttthe. 



war^). Diesem Dialog gehört vielleiolii auch das dnsige längere 
Fragment an, das uns aus emer ^Schrift Phaldons erhalten 
Xopjiw. ist^. — lieber den Zopyres sind wir ebenfalls nur dOrflig un- 
terrichtet. Zopyros — so hiess su jener Zeit ein Physiogno- 
miker der sehte Kunst an Sokrates zeigen wollte, dÄmit 

<) Das schlicsso ich aus Synesios Dion p. .17 R: *AXXa xal D iuxcdv, 
iXkä xax Kpitiac ix -ri^c i(M>(ac ix6t(Ü(sc. XoxpiTet) Itiktfoyxo, xalouoc l^ifMON^ 

2) Seneca epist. 94, hi : »Minuta quaedam, ut ait Phaciinn, ininialia, 
cum niordint. non sentiuntur; udeo tenuis Ulis et fallens m pcrKulum 
vis est: tumor iodicat laorsum et iü ipso tumore nuUuoi volnus ad- 
paret Idem tibi in conversatioiie vironim fapfenttnm eveniei: dod de- 
prelieiideS} qttemadmodnm aot qnaDdo tibi prosit, profbisse deprehendes.« 
Dass dies Fragment entweder aus dem Simon oder ans dem Zopyros 
genommen ist, hat alle Wahrscheinlichkeit für sich. Seinem Inhalte nach 
wttrde es sich gut in die Einleitung des ersteren fügen: denn wenn in 
dpr^plb«»n von dor Woi<;heit Sin^^ns Hif Red»» war und sodann von 
Sokrates tmgang mit demselben S. 112;, sn w n h\cr nno Bomerkung 
über den rmgnng mit weisen MSnnern üherhaupt und uIh i dir Art. wie 
derselbe wirkt und nützlich wird, ganz ao ihrem Platze und kunnte über- 
dies durch den Vorwurf, den ein Anderer dem Sokrates ans seinem Ver- 
kehr mit dem Scbnster gemacht hatte, noch besonders provodrt sein. 
Dass die Weisheit Simons der Grand war, weshalb Schrates und Andere 
den Verkehr mit Ihm suditen, sagt ausdrttdtUch der Verfasser von Ari- 
stipps Brief an Simon (Socrat. epist. (3]: daufidlCea (xivrot st «vi iicatvoa, 

miXX(ot(d; TnjM viniv %a\ cu^EvcaTotTo»; r.irA t:» xnM^t^^ii y.rX — Dem Simon 
weist Wilaniüwitz Herrn. XIV S. 476 auch das Fragment Fhaidons bei 
Julian ep. 58, 9 zu. 

3) An den Pädagogen des Aikibiades gleichen Namens kann nicht 
gedadit werden: denn nach PIntarch v. Alclb. 4 war dieser nur dnrdi 
Platon (Aleib. 1 p. f ts B) beluaint. Dass Zopyros übertiaupt eine histo- 
rische Persönlichkeit sei, liaben wir kernen Gmnd an bezweifeln (mit 
Wilamowitz Herm. XIV S. <87f.). Znnach*;t spricht dafür der Charakter 
des sokratisrluMi Dialo(:s. der bloss erdichtete Wesen ausschliesst. ^S. 4 08 f.;. 
Sodann aber Nvir<l durch den Geist jenes ZciJalters und <v\n(- Rich- 
tung nur wahrseheinlK h, dass unter anderen Diseipimeii sich damals auch 
die Physiognomik entwickelt habe: denn diese ist doch nur einer der 
vielen Wege, die zur Erkenntniss des Menschen fuhren oder doch zu fuhren 
sdieinen; daher In dem geistesverwandten achtiehnten Jahriwndert Lavnter 
ond Gall nelien Kant nnd den Anlklib^ni ebenso stehen, wie neben Sokrates 
und den Sophisten Zopyros stehen würde, sobald wir den letzteren als histo- 
rische Persönlichkeit gelten lassen. Auf eine gewisse Anlage der Griechen 
für diese sogenannte Wissenschaft und auf frühere Versuche, dieselbe 
auszubilden, weist Übrigens schon die Einleitung der unter Aristoteles' 



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PhaldODB Zopyros. 



aber so wenig Glück hatte als später Doktor Gall mit Goethe. 
Denn wenn der letztere dem grössten deutschen Dichter die 
Anlage snm Dichten absprach und ihm alles ErnBtes versicherte, 
dass er sum Volksredner geboren sei, so behauptete sein Yor- 
gSnger im Altertiium, dass einer der schSrfsten Denker und 
reinsten Charaktere, die die Welt gesehen hat, alle physio- 
gnomisehen Anseieben des Stumpfeums und der Wollust an sieh 
traget). Stflnnische Heiterkeit rief diese Erklärung im Kreise 
der anwesenden Sokratiker, namentUdi bei Alkibiades'), her- 
vor und nicht sehr sehmeichelhafi scheinen die Aeusserungen 
gewesen zu seiu, mil denen man dem allzu eifrigen Apostel 



Namon gehenden Physiognomik und wa?? ausserdem Fiillfborn, ncylrHgc 
zur Gesch. d. Philos. 8 8. 9 {T., und Rieb. Förster, Die Physiognomik der 
Griechen S. 6fT., Iici|.'ol)ra( ht haben. 

1 } Die Merkuialc, aus denen er auf Slmuplsinn schloss, gibt uns Cicero 
de &lo 40 an: Stnpidum esse Socraten dixit et bardam, quod jugula con- 
cavB noD habwet, obstruclas eaa partes et obturatas esse dloebal. Fttlle- 
bom a. a. O. S. SS Andel es aaflkUend, dass Zopyros gerade daher den 
Grund seines Urtheils genommen habe. Damit man aber bierans nfdit 
^on Neuem Misstrauen gegen da>; Historische des ganzen Vorganges schüpfi^ 
so verweise ich auf die ofTeubar übereinstimmende Ansicht des Ver- 
fassers (l'T ariHtülcliscben I'hysio?nomik hin, wie sie sich in der Zu- 
sammen^lelluüg der dvataiHj-ou ar^\i.^^>x (c. 3 p. 807^ lOfl.) ausspricht: rd 

xoTuXt] orpofY'jXt), cbjxorXdtai f-vm divearaafjiivai , a£tturov Ttepufspe; 
eiotpvAScCt Ä|*p-« yXojpov xtu^fSv, xvf^jAai -tfi a^'Jpbs Tio^etai sapxcE»§ci( 
otpo||6Xai, etaidvec l*rpiX« evpwMcie, tef &e eapoubKijc, mOcq (Ji««ptf, Tpdxt)W 
WKi^t icp^ownw <ntpx&^c, bniftaxpev U«vd(. Worauf sich die Bebaap- 

(ung der W »l'.ust (addidit et!:iin muliorosum) gründete, gibt Cicero nicht 
an; auch der Verfasser von Aristot. Problem. 80 nicht, obgleich er jener 
Behauptung Glauben geschenkt zu haben scheint, da er den Snkrates als 
Beispiel eines fAcXiYXoXtx^»; anführt fp. O.j.l ^ ^7 und danach liemerkt 
(p. OSS'» 32 f.^ dass die meisten Melancholiker Kd^vrit ^leien. Vielleicht 
tttsst sich indessen die Lücke, die in dieser Beziehung in unserer Kennt- 
niss von Phaidons Dialog bleibt « mit Hilfe von Polemon ausfallen, der 
bemerkt (Scrfptores physiogn. ed. Frans S. SM) ci U &4^Xol t(«M ot 6f- 
BoXfiei, (UfdXot %ai Xa|Acpol «al c(iX«tpeIc (viell. c6aY67$} «al O^p^v ßX^icovr«« 
l^txatouc (TJ'^eToj; ^iXoixadeic Ipaitec ffXi^petc d^&pac OTjXo^stv und hin- 
zufügt izoTo; r^•^ Soxpa-rt]; b ff0.6oo'fOi. Dass Zopyros auf die Bescbaffen- 
heit der Augen achtete, sagt Cicero de fato a. a. 0. 

Lcbrigons lag darin, das?; gerade Alkibiades »cachinnuni dicitur 
sustiilisse« (Cicero de fato 1 Ol als Sokrales für >< mulicrosus« erklärt wurde, 
wohl eine Anspielung auf dessen bekanntes Vcrliültniss zu Sokratcs. 



446 



U. Die Blütbe. 



der neuen Kunsl diese Probe derselben vergalt. Aber Sokrates 
legte sich dazwischen und indem er darauf hinwies, dass er 
die Mängel und Fehler seiner Naturanlage durch sittliche 
Kraft und geistige Zucht tiber\s'unden habe, zeigte er, in wie 
fern die intellectuellen und moralischen Vorzüge, die seine 
Schüler an ihm bewunderten, sehr wohl bestehen könnteo mit 
den Ergebnissen, eu denen Zopyros durch seine Beobaohtung 
gefltfirt worden war. Diesen Eingang des Dialogs hat uns die 
Ueberlieferang erhalten Dass Sokrates hierauf in seiner 
Bechtfertignng der Physiognomik fortge&hren sei, ist mir sehr 
unwahrscheinlich^); viel näher liegt die Yermuthung, dass er 



4) Am BUsrülirlichät«Q Ciceru de falo 4 0 f. Kürzer uud mit unbedeu- 
tenden Abwetcbnngen Ders. Tuse. IV SS. Alexander Apbrodis. de feto c. 6 
S. I S ed OrellL schol. Pers IV. Sl. Dass^diese Erztthlimg von Qcero einer ver- 
lorenen Siteren Schrill entnommen sei, hatte schon FttUebom» a. a.0. S. S4, 
vermuthet Neuere wie Prelleri Ausgew. Auff. S. 870, Wilamowlts, Hermes 
XIV S. 4 87 f., und Rieh. Förster, Die Physiogn. der Griechen S. 4 2, 4, haben 
dann bestiintntor auf Phaidons Diitlo;^ als dieso Quelle hingewiesen. Mit 
dem von Pbuidon geschilderten Vorgang darf ein anderer vcrtjlichcn 
wcid.'M, den Dio Chry.H. or. 33 p. iGR. (II S. 4 8, 8 ff. ed. Dlntif j erzählt: 
denn auch hier sehen wir einen herumreisenden Physioguuuicn vor einem 
grosseren Kreise Proben seiner Kunsl ablegen, diesen aber mit besserem 
Erfolge als Zopyrog. — An Sokrates* Rechtfertigung erinnert tthrigena die 
des Kynikers bei Luden Catapl. S4: "Efh oot ^pdow xxk. 

a) Die Ansicht von Wilamowitx a. a. .0. 488 acheint es allerdings 
SU sein. Aber würde dies nicht ein tieferes Eingehen in naturwissen- 
schaflliche Erörterungen vorau.4setzcn als sich mit dem Charakter des 
Sokrntos vertrHi^t. w'w wir ihn ^durch <Iic übrige sokratische Literatur 
kennen lernen? Fn-üirh hat Rieh. Försler Die i'hy<;iognomik d'T Griechen 
S. 4 3 mit Phaiddus Zopyios eiu Gej»pracii des Antisthenes übet Physio- 
gnomik verglichen. Gemeint ist damit der <p'j3ioY>(u(xovtx6; des Kynikers 
(Üiog. VI 4 5). Dass dies aber ein Dialog war, wird durch nichts bewiesen. 
Ueberdies ist mir wie Anderen wahrscheinlicher, dass der Titel des Wer- 
kes mpX Töjv «(KpiotSvv lautete und ^uotoY-««i{AovnUbc nur beigesetzt Ist, um 
die Weise zu bezeichnen^ wie von den Sophisten gehandelt wurde. Ich 
vennutlie nämlich, wie schon Mttller, De Antisthenis Gyn. vita et scriptis 
S. 44, dass Antisthenes eine Satire gegen die .Sophisten schrieb uud durin 
in .N.tchahmung älterer Vorbilder, wie des Simonides von Aniorgos, das 
Wesen und Treiben derselhrn (lunli Vert'l'M*h«nt^ iiul \t«rschiedenen 
Thierarten zu charakterisiren uud lut. Ihm Ii« Ii zu in;irh< ii ^u. lite. Phy- 
siognoniisch konnte man ein solches Werk nennen, insofern man schon 
im Alterlhum in solchen Vergleichungen menschlicher mit Thiercharak- 
teren Spuren physiognomischer Kunst erblickte (Aristot.niysiogo.'l p.805i>. 



üigiiizea by GoOglc 



Pbaidons Zopyros. 



dieser falschen Art der Menschenprüfung seine eigene enU 
gegengesetzt habe, die nicht von ftusserlichen und zufälligen 
Eigenschailen des Kdipen ausging sondern aus den Reden 
and Gedanken der Menschen, im Gesptfoh, deren wahres 
Wesen tu erkennen suchte Ein solcher Inhalt konnte wohl 
das Interesse namentiidi sokratischer Leser erregen, da er, 
wie seilen einer, Gelegenheil gab das eigenthttmliche Wesen 
des Sokrates ans Licht su stellen; um den Reis, den der Dialog 
schon hierdurch ausüben musste, zu erhöhen, hatte Phaidon 
überdies eino Darstellung gewählt, die, wie es scheint, kcinos- 
wegs tro( keü war, sondern den episodischen Schmuck gelegent- 
lich eingestreuter kleiner Erzählungen nicht verschmähte^). 



<0. Anal. pr. II p. 70»» <5, vgl. dazu tulleborn a. u. 0. S. 78). Durch 
das einzige Fragment, das uns aus diesem Werk erhalten ist, scheint 
diese Vermutbung bestätigt zu werden: 'AvrioftivTjc &*iv ^'uotop^oDtAovixiji^ 
leseo wir bei Athen. XIV p. S5SF., »nol jdip fatcfvat xA Uk^dua npi« 
piav yoptdICoom«. Doch ilOiineii worauf die ebenda angeführten Worte des 
Aiscliinea fuhren, unter facTvat auch «(««mjXISf« verslanden werden. Eine 
andere sehr j:e\vaptf Vermiithung bat über den Physiognom. Dttmmler, 
Akad. 209 f aufgestellt; auch er hält ihn für einen Dialog. 

Vel. bes. Plnton Thi-atot p. — Vielleicht mir ein letzter 

Nachhall der Henierkunt^en, die Sokrotes ubor die Kunst des Zopyros bei 
Phaidon geinai l»t hiStte. Ist der Einwand den gegen dieselbe Maximus 
Tyriiis erhebt <iiss. WXI 3 S. 403 cd. R: 'AXX' h (lev ZAnupo; ixclvoc 

^vraplCetv TO fjdoc «al ««ca|Mtm6ce9at xi^c '^yfii ZA tftv i^myAm* |Mcm(atv 
d8«f4). Tl« fäf iitifM^Ia «pi« iy^tifajz» ^nixi)« '»tA e4|Mtec; El ft*feti 
Tciov iid ^IVXV ^^^^^ dffttttpdN oftÜ deVcvOiv eufißtSXcuN, toT; (aIv 

ifftoXiAoU icapoympTjriov tV)v yptoyArms te *di oyt]{ji4Toiv xai rfjc 6* touwc 

2) Theo Pro^ynm. 3 fbcl Spcn|.'pl Rhot. Gr. II S. 75): bzoUi iotl xal 
itapd Ttb Stoupaxtxüj ^PaiOiöMi |i.jÖoc iv ttjj ZtuTzupt^j t^jv piiv ^dp dpx^^ ^i't^ 
vffi (dnvnx^i lytu <patf( teUuv, A ZAxpaxtc, tÄ^ vciftTaTOV ßaef 
Xi«c ulöv xo'F^^A^^A^ Xlovtoc eKÖfAvev* ptncpftv (c &icoß^ 

n^pocit ipä-rf l^aaav tou Ttatli« aixov, xai td i^fäc (vgl. Wilamo- 
witz, Henri. XIV S 476) Der hier sprielit. \<i nicht Sokrates: man vcr- 
muthet daher 7op\ros. Krinrn i ( inaii sich nun aus Herodot, dass Zopyros 
ein persisf In 1 N'iune war, so wird henierki ti^\\ erth (vgl. auch Luzac 
Leclt. Att. h. i44f.), das» der Sprechende, wus er erzahlt, von Persem 
gehört haben wlU. 



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448 



II. Die Bluthe. 



D. Anliathenes. 

Mit Antisthenes beginnt die Reihe deijenigen, in denen 
das Alterthum die Klassiker des sokratischen Dialoge schätzte. 
Indessen ist er kein reiner Vertreter desselben gewesen. Wie 
er erst sp8( in Yerkelir mit Sokrates trat, wie er deshalb 
auch in der Lehre immer etwas vem Sophisten behielt^ so 
hat er sich auch m der literarischen Form nie ganz von 
seinoi alten Lehrern losgemacht. Daher war in seinen Schriften 
ein rhetorisches Element geblieben und besonders stark trat 
dasselbe in den npoTpEicrixol und in der^AXT^Östa hervor, also 
in zwei Schriften die beide Literaturgattungen angehören die 
von den Sophisten begründet worden sind Ob und wie 



4) In Betreff der IIpetpcimMl TgL HernMS X & 70 f. 74. Dem dort 
Bemerkten ist noch UnzunifilgeQ, dass auch Aristfpp, also ebealUla ein 

den Sophisten verwandter Sokratiker, einen nporpcTTTixö; geschrieben hatte, 
der nach Diop. II 85 zu den von Sotinn nnd Panaitios als echt anerkannten 
Werken gehörte. Liii von Inhalt und Mnnior dieser Schrift des Antisthenes 
eine tronauero Vorstellung tn t^oben, tragt vielleicht fol^^endo Er'^ägung 
bei. In dem unter Tlatons Namen gehenden kleitophuu \sird uns So- 
krates als Prolreptiker geschildert (p. 407 A IT.)* Ton und Haltung des- 
selben sind dabei die eines Busspredigors, der von der Göttertii^he (ftenp 
hA |ftvix«viic TpotYtxfjs Mi p. 407 auf die ihn das Bewnastsein seiner 
Tugend erhebt, verichtlich auf das Mtele Treiben der Menschen herabechaut. 
0as ist aber ein Wesen, welches dem pintonischen und xenophontischen 
Sokrates ganz fremd ist. Sollte nun der Verrasser des Klcitophon sich dieses 
neue Bild von Sokrates selber gemacht haben ? Das ist mir nicht wahrschein- 
lich. Ich vermuthe daher, dass er sich nn die Darstellung gehalten hat. die 
Antisthenes von üokrates' Auftreten ni semem Protreptikos cegeben halte. 
(Darauf, dass Sokrates im Protreplikus redete, führt auch diu Vermuthung 
von Winoiceimana an Protrept fr. I, dass Athen XI 78AG ans dieser Schrill 
des Antisthenes ahnileiten sei.). Treu war diese Darstellung des Sokrates 
dann firellich kaum; auf der anderen Seite aber, wie wir aus dem Gefallen 
schliessen dürfen, das splitere tum Kynismos neigende Philosophen (Epictet 
diss. III 22, 26 Dio Chrys. or. 13 p. 424R), daran fanden, war die historische 
Wahrheit darin nur in einer "Weise getrübt, dio dem Gei.ste des Kyuikers 
genehm sein mnrhte und ihm daher ehf»nso gni zuzutrauen ist, wie die 
ents|irechtMido Mudilicütion, du- rhcnlalls mit Sokrates Platon vorgenommen 
hat. Auch dass in der protreplisciieu Rede, die der klcilophon dem So- 
krates in den Mund legt, die Tugend insbesondere als Gerechtigkeit erscheint 
(p. 407 B. D.}, führt auf Antisthenes, dessen nporpennmlsich, wie e» scheint, 
auf die beiden »königlichsten Tugenden« (Dio Chrys. or. 2 p. 90 R) die 



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Aniistbeoes. 



449 



weit diese beiden Werke dialogische Form liaUen, ist nicbi 
mehr ausiumacdien. Jedenfalls schimmerte auch unter dieser 



Gerechtigkeit und die Tapferkeit bezogen (Diog. I-nerl. VI <n vt;l. Müller 
(fe Antisth. vitn vi Script, p. 45). Darf man .sodann die Mischung von 
Ilhftürik und Dinlofiik für die Kyniker überhaupt, nicht erst fiir die 
Spateren unter ihnen ^Wiianiowit/, Antigen. S. 307) chuiaklerisliäch linden, 
80 MM weih dieses Merkmal kynischen Ursprungs oidit im sokretisclieii 
Protreptikos des Kleitopiioii. Endlidi empfiehlt sich die ausgesprochene 
VermaUiaiig auch darum, weil sie erklärt, wie der Kleitophoo, diese Pole- 
mik gegen Sokrntes, unter die platonischen Schriften gerathen konnte: 
denn war es eine Polemik, die sich sunüchst gegen eine Darstellung des 
Anti.sthenes richtete, so konnte man wohl Pl.don. der auch anderwärts 
gegen diesen Philosophen poieniisirt hatte, für ihnni I rhcher halten, vgl. 
auch Paul Hartlich Kxhortationuni a Graecis hoinanisque scriptarum 
bistoria et indoles [Leipziger stud. XI j S. 234. — Auch über die 'A/vt|Ö£ta ge- 
statt«^ das vorli^ende Material vielleldit eine genauere Vorstellung als 
man sich bisher davon gebildet hat. Ansxugehen Ist davon, dass Anti- 
stbenes mit Protagoras der Satx gemeinschaftlich war^ dass man nldit 
widerspredMn dttrfo (Piaton Euthyd. 186 C. Zeller II« 4*): es Ist daher 
nicht unwahrscheinlich, dass in den Schriften beider Männer, deren gleiche 
Titel auf ähnlichen Inhalt schliessen lanson, mich jener S.itz von beiden 
aufgestellt und begründet war. \S'eiter durfcrs wir annehmen, dass dieser 
bau l)ei Protagoras nur eine der Consequenzen v/ar, die er aus dem 
Fundaxneiiialsatz seiner Welt- und Lebensansicht herleitete, wonach der 
Mensch das Maass aller Dinge ist, und in der lliat bezeichnet ihn als 
solche Piaton im TheStet. p. 161 B. Hlemacfa wäre die 'AXiljVcia des Prota« 
goras erkenntnisstheoretischen Inhalts gewesen. Dasselbe wird daher auch 
vor der i^elchnamigea Schrift des AntlsiheDes gdlen. G^en eine Schrift 
dieses Sokratikers, in der derselbe seine Erkenntnisstheorie dargelegt hatte, 
wendet sich aber der j)!;» tonische Theätcl. und ilas ist. wie die Ver- 
gleichung von Thealei. p. 2öt K. 11. mit Alex. Aphrod. z. Met. S '<0f>, äeflf. 
Bon. h'lirl, dieselbe Schrift, in der die Zulässigkcit des AVi.lorspruchs 
bcftlrillen w urde. So ergibt sich das ansprechende Resultat, dass Platon 
im Theütet gegen die 'Alrfitw zunttchst des Protagoras und dann des 
Antisthenes (Dümmler Antisth. S. 60) polemislr|. Zu bemerken ist noch, 
dass die *AXif}9«ia des Antisthenes von Diog. VI I unter die Dialoge gerechnet 
wird, das dialogische Element darin aber wcjil nnr auf ein geringes Haas« 
beschränkt war (Hermes X S. 76) und dass wenigstens einen Anlauf zu 
dialogischer Form auch die S( firlft des Protagoras genommen hatte 's. 
oben S. 56. t). Bei so viel rehereinstirnnuintr ist die Vermitlhuiij.: woid 
erlaubt, da-^s, was im Schriflonverzeii hnis.s des AntisUienes bei Diof VI 
16 ais Name einer besonderen Schrift nach der 'AX-r^öcta erscheint r.trA 
T0& (taXi^^cadat dvrtXo^tx^;, in Wirklichkeit nur ein Nebentitel der erstercn 
ist: denn auch die Schrift des Protagoras hatte den Nehentitel 'AvTiXo^nid 



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II. Di« Biatbe. 



Form die sophistische Bildung des Antislhenes hervor, da er, 
hierin Arislipp ähnlich (s. o. S. 409,4), seine Gespräche keines- 
wcgs immer an Sokrates anknöpfte sondern als Träger der» 
selben auch mythische Personen siiliess. Ein Beispiel hiervon 
H«mUM. gjbt uns sein Herakles^). Hie Fahrten des Heroen waren darin 
moraliseh-didaktisohen Zwecken etwa in der Weise dienstbar 
gemacht wie in der Gyropfidle die Geschichte des persisebra 
KSniga. Damit ist schon ausgcsprocheo, daas dieses Werk 
des Kynikers wahrschebllch kefai Dialog war, der frei wie 
ein Drama für sich allein heraustrat, sondern eine Reihe von 
Gesprächen in den liaiimeo der Erzählung gefasst^). Mag das 



(Bemays KL Sehr. I S. 118f.] und der andere Titel der Schrift des Anti- 
sthenos r. t. 5iaX. würde sich dadurch erklären, dass Antisthenos in der- 
s'HIx'n der Meinung Piaton Thcätet. p. 162A) entgegentreten wollte als 
wenn mit der MugUcUkeit des Widerspruchs auch der Nutzen des sokra* 
tischen Gesprächs bestritten würde. 

1} Dass es nur eine S chrUldieses Namens gab, macht Müller, de 
Antlslh. Vit et scr. S. 44 1, wahncheinttcfa. 

9} Die VeimntiranK von F. Dflmmler, Anttstfa, 8.0, 4, der auch 
Suseniihl, Ttedtels. Jahrb. 1887 S. SIS, zustimmt, HersUes sei für den 
Dialog nur das Gesprächsthema, nicht eine der darin anftrctcndcn Personen 
gewesen, wird meines Erachtens schon durch fr. III und V bei Winckel- 
mann widerlegt: denn wenn Prokln«? sa|:t , Xi-f^i o'jv xiX 6 'AvTioft£vou5 

%<ii xaXö; %xk., so wird das Xi-^a und ccTji'. ohne Noth niemand von der 
Schrift, in der sich diese Aeusscruug fand, verstehen, sondern von dem 
Helden selber, der spricht, und vollends nntarohs 6*A'«t(a^cto; ' HpaxXfj; 
rap^gvei Totc vttMÜ kann schon wegen des ImperfectnmB r.a^i^si keine 
andere Beziehung haben. Auch das von BUcheler mitdeckte Bnidistttck 
des Werkes (Rh. Mns. S7 S. 450) bestätigt es, dess Eerakles in demselben 
als GesprUchsper.son eine Rolle spielte. Freilich schüessl^ wie Dümmler 
richtig bemerkt hat, der grelle Wechsel der Scenerie, der uns aus Cheirons 
Grotte in die rmpehung des Prometheus versetzt, die M/lplichkeit aus, 
dass das Ganze eiu einheitlichiT Oialot; war, wenn man nicht etwa an- 
nehmen will, entweder dass Antisthenes in seinen Dialosen sich um Ein- 
heit des Ortes ebenso wenig gekümmert hulie als Luciua oder dass 
Herakles im Gespräch mit Prometheus diesem seinen Besuch bei Cheiron 
erzllhit habe. So kommt man auf die im Texte ausgesprochene Meinung. 
Aber das Xctpifryciw Olxoc, wie Bficfaeler a. a. 0. S. 4S0, 4 meint» kann 
nicht den Faden gebildet haben, der die Efxtthlong von Cheiron zu Pro- 
metheus leitete: denn wenn wir den Scholiasten zum Germ. p. 478 cd 
Breysig beim Worte nehmen, so starb nach Antisthenos Cheiron ohne 
Weiteres in Folge der Verwundung (tthnlicb bei Ovid. FasU V 88711; 



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AntlsflieDes* Herakles. 



124 



aSchste Vorbild hierzu ProdikoB* Sdirift Uber Herakles ge- 
wesen sein, so bestand doch ein nichi unwesentlicher Unter- 
schied Ton derselben allem Anschein nach darin, dass, wShrend 
Prodikos den M^fthos nor benntst hatte, um durch seine bunte 
Hfllle moralischen Ermahnungen allgemeiner Art mehr Heiz 
zu verleihen, Antisthenes die Gestalten der Sage zu Vertretern 
ge wisser gleichieitigcr Richtungen der Philosophie machte und 
ihnen so einen Theil ihres mythischen Wesens nahm^). Wie 



and Fbolos bei ApoUod. biU. II 5, 4] und bedurfte nicht erst des Pro- 
metbeiis als Slellvertoeters. Nehmen wir daher an, dass im Herakles ttber- 
haapt das Leben und^die Abenteuer des Helden eizlUilt wurden, ao Ictfnnte 
darin einen Mats geAinden haben, was wir bei Dio Chrys. or. 8 p. S85 R 

rr s. 4 50 , 2 IT. Dindf.) lesen. Dagegen Msst sich Plutarch de El apnd 
Delphos 6 p. 387P nicht honutzen um unsere Vorstellungen vom «Herakles» 
des Antisthenes zu »Te inzcn : denn der dort erscheinende Herakle s ist 
nicht f^T kyni.sche sondern der stoische, wie sich ans den ihm crtlM iit n 
Priulikaton aivrnnfrraTOc xil SiaXexTtxATaTO^ ergibt. Vgl. jetzt noch Dunuai* r 
Akadeai. 4 92, Kaibel Herrn. 25, 588 f. und abermals Dunimler Philul. 50, 
tSS II. — Diese Verarathnngen Uber den Inhalt des Heraides würden 
nicbt besldien kOnnro, wenn wir mit Dttmmler Antlsth. S. 0, 1 aus diesem 
die beiden Fragmente ableiteten, die ^HnclLeimann als fr. II and VI dem 
Kyros gegeben hat, aber fr. V ntfthigt uns hlemi nicht mid ausserdem 
liegt es am nächsten, jene beiden Fragmente dem unechten 'AXxtßtdd)« 
nsnweiscn. 

4) Zunächst ist Herakles nichts weiter nl's der Kyniker des rinthi- 
si'hen Zeitalters, der in einem enthaltsamen nuihe\nllen l)iis<'in, in der 
lehuQg der Tugend seine Befriedigung lindel. Ihm tritt Prometheus 
gegenüber (bei Themistios im Rh. Mus. 27 S. 450 f.), der ihm die aos- 
seliDesslicbe Sorge um weltliche Dinge, wie er es nennt, zum Vorwarf 
macht und ihn auf die Beschäftigung mit den himmlischen hinweist, 
durch die aUein der Mensdt cur Vollkommenheit sich erhebe und ohne 
die er zum Thier herabsinke. Was aber hier Antisthenes den Prometheus 
zu Herakles sagen lösst, dasselbe hat Platoii im Theätet p. 173 K (vgl. 
4 76 A fr.' nustresprorhen. Sollte daher mit l*rninctheus nicht Piaton ge- 
meint 'ivin? Um das noch glaublicher zu machen ist zu bedenken, was 
schon Bücheler im Rh. Mus. 27 S. 450, 1 bemerkt hat, dass hei einem 
solchen Tadel des Herakles durch Prometheus es in der Schrift eines 
Kynikers sein Bewenden nicht haben konnte, das Ende des Gespräches 
vielmehr eine Zurechtweisung »des Sophisten« (Dio Chrys. 8 p. tS6R. 
▼gl. Blaxim. Tyr. diss. XXI • S. 409 ed Reiske: El U ^IkXcv 6 'HpavXi)« 
htawyiw^ooa — dvff 'HponXlooc «o^tsr^] Prometheus durch Herakles 
sein musste. So würde Antisthenes hier gegen Piaton poleroisirt hallen 
ohne ibo zu nennen, und das ist um so wahrscheinlicher, als elienso 



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II. Die BlütlM. 



Kjn». iui Horaklos an < iiio iiiv(hisch(; so hatlo im Kvros Anlislliein s 
seine Moral an cino historische Persönlichkeit geknüpft die 
aber kaum der alte Perserkönig war sondern wahrscheinlicher 
sein sp&ter gleichnamiger Nachkomme 2), der nieht minder 



nicht bloss Platoa im Theatel gegen ihn, sondern Antislhenes selber im 
2d9<»v gegen Plalmi v«rfihfMi ist (vgl. ansserdem Dämmler S.I4tii. 99, 
gegen den sieb Weber in den Leipziger Stadien X S. 94S wendel; bierav 
wieder Dfimmler, Philol. SO« 290, 4). Wenn tlbrigens Antistbenes gerade 
den Prometbeus als mytblscben Vertreter seines pbilosophiscben Gegners 
wflblte, so Icann dies in dessen eigenem Voigang seine Ursache hal>on, 
da schon Plalon, und nidit, wie Bücheier zu meinen srlieint. erst Ihco- 
phrast, in i'romctlious soin !drnl des Philn<;f)phcn auf ahnli( h<' Weise 
darfiost<»!!t fand, ^ir die kyniiier das ihrige in Herakles (Phileh. p. 16C; 
vgl. auch Epist. 11 p, 3H B), woliei er ebenfalls sich an allere Vor- 
stellungen anlehnen konnte, wie Aischylos Prom. 445 ff. Kirctih. I>eweist 
(Cicero TimcuL V 8). Bine poiemiscbe gegen Pbiton gericbtete Tendens 
des Herakles zu vermutben Ictfnnen auch fr. III und Y einen Anlass geben, 
die möglicberweise nur BmcbsiOclce ans einer Verdammung des Ipnc 
sind, die sich gegen Piatons Verherrlichung desselben wandte (Antislh. 
*£paiT. (r. 1 W können immerhin Worte dos Herakles sein, in dessen Mund 
das xaTaxo;£63ai(j.t vortrelflich passen würde, und aus der gleichnamigen 
Schrift stammend 

^^ pjog. L. VI 2: Kai Sxt h r.6so^ d'(i^'j^i oyv^onqsc toj jxcy^Xo'j 
llpax/.eoui; *at xoO Küpoy, t6 p-iv dr.ii xtbv K/j'.tjvobv t6 Ii dni» xüiv ^ap^- 

S) So bebt sieb das Bedenken, das bei der Besiebung des Namens 
auf den filteren Kyros unvermeidlich war: wie bi einem Dialog, in dem 
dieser eine Rolle spielte, Alkihlades gesdimübt werden konnte (Gr. I). 
Denn die Ausflucht, die man in jenem Fall ergriffen bat, den älteren 

Kyros aus einem Theilnchmer des Gr sprächs in den Gopenslitnd <less€lben 
zu verwandeln 'Dümmler S. 6, 1), wird dur( Ii fr. III. worin Kyros ange« 
redet wird, abgeschnitten (vgl. noch Suseniilil Flcckeis. Jahrl» 18S7 S. 2H;. 
Dagegen hatte der jüngere Kyros, schon seil er Statthalter lu Kieinasica 
geworden war, allen Anlass im Gesprftcb die Rede auf Alkibiades zu 
bringen, besonders ni der Zelt, da er befttrcfaten musrte, AlkilMades 
werde seine geheimen Plttne dem Kdnig denunriren (Bphoros bei Diodor. 
XIV II). Das Gesprttcb insbesondere, das Antistheaes darf^ldit baUe, 
konnte seinen Ausgang genommen haben vom Tode des Alkibiades: 
nehmen wir dann an, doss als die Ur^a« he (üeses Toties der ehebreche- 
rische Umgang des Alkibiades mit einem Weibe angesehen wurde, wie 
dies nach Plutareh Alrih. Schi, die Meinung Kiniger war, so konnte sich 
hieran leicht die Schmähung anschliessen, die nach fr. I dem Alkibiades 
überhaupt unerlaubten Verkehr mit dem weiblichen Geschlechte zum 
Vorwurf madite. Um sodann den Kyros sur TheilnabBie an einem philo« 



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ADtlitliMies' Kyros. 423 

als aein Ahiüierr von den Hellenen jener Zeit bewundert und 
gepriesen wurdet); derselbe wurde dort im Gasprftch mit 
einem Andern TorgefOhrty den wir nicht kennen, der aber 
keinen&Ua Sokratea war^. An den Kyroa reiht sich natnr- 
gemlaa der Archelaoa an, nicht bloss weil der Titel über- Asoiiaiaoi. 



sophischen Gespivich geeignet crschfinen zu lassen, müssen wir uns er- 
innern, das» er unU?r anderen Dingen, wegen deren er einen Vorzug vor 
fldjMiii Bender betnspniabte (Plntarch Aitoz. 6), steh andi rtthmte mehr 
sn phOosophiren als dieser. Allerdings Uesse sich gegm die Beziehung 
des Kyros auf den JüDgeren dieses Namens ein Einwand erheben auf 
Grund der sehr wahrscheinlichen Vermuttrang HttUers S. 44, dass was 
wir bei Arsenios 'loivtd ed. Walz p. 502 losen Kupo; 6 ßaatXeu; ^pcaiTjOet;, 
Tt ava-ptaiötarov ett) \iÄ%ri\i.^, rh dTrofiafttTv, fcpr, röt -/Lixd dem Kyros des 
Anttsthcnes entnommen sei: denn Kyros »der König« könne nur der 
iiltero sein. Mit Hilfe von Xenophon Oeconom. IV < 6 und 4 8 lasst siel» 
dieser Einwand nicht beseitigen, da nach Lincko Xcnophons Dialog r.tft 
otnovopLta; S. 87 dort eine vom Interpolator berrtthrende Verweehselung 
des alteren mit dem jttngeren Kyros vorliegt; wohl aber darf man geltend 
machen, dass 4 p««tX«^ dieser Zosati su dem Namen Kyros nioht ans 
Antlsthenes' Sehrifi entnommen, sondern von einem Spateren gemacht 
sei, der sich bei diesem Namen nur des berühmtesten Trägers desselben 
erinnerte. Oder haben wir mit Diogenes (Müller S. 43 f.) zwei Werke des 
Antisthenes zu unterscheiden, die beide den Titel Küoo: führten, und ist 
das eine auf den älteren, das nndere auf den jun^reren des Namens zu 
beziehen? Zu der Vermuthung vcn Wilamowitz, Commentariolum pram- 
niat. lU (Gott. Progr. 4889] S. 42 f., dass Spuren dieses Autislhenischen 
Werkes sidi in er. 15 des Die Chrys. Bnden, sdie ich keinen genügenden 
AnUss; wenigstens genügt mir liierfUr nicht was dort p. 461 R lUier den 
iilteren Kyros gesagt wird. 

4) Xenoph. Anal. I 9, 4 flf. Die Worte ibe icopd icdlvrov iftoXoifctTat 
t6v K6pou %oxo6vTajs b* mipa ^evlodai sprechen aus, dass Xenophon hier 
nicht bloss sein eigenes Urtheil trilit. Ich möchte sogar plnuben, d;«ss 
erst die Bewunrlerung des jüngeren Kyros den Anstoss gegeben habe zur 
Idenlisirung des (dtcren, an den sein Name erinnerte und erinnern sollte 
(Plutarch Arlui. 1;. Noch in später Zeit erscheint neben dem alteren 
ancfa der jüngere Kyros als dns der Ideale, sn denen die heHenlsche 
Menschheit aufblickte (Lucian, Wahre Gesch. II 49). 

5) Wenliptens würde dies ein su grober Verstoss gegen die hislo- 
risehe Wirklichkeit sein als dass wir Ihn Antisthenes sntranen konnten. 
Wohl aber kannte man Gespräche zwischen Kyros und Lysander, wie 
Plntarch, Lys. 4 und 9, und noch mehr Xenophon, Oecon. 4, 20 (T. beweist. 

31 Der Beweis, den Susemihl in FIcckeis. Jahrb. 4 887 S. 408 f. für 
die Unechtheil dieses Dialogs führen wollte, hat mich nicht überzeugt. 
VgL jetzt auch Dümmler,|^Akadem. 6. 2ff. 



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II. Die BItttbe. 



haupt aaf eine hiatorische Persdnlicbkeit weiat» welcher der Dia- 
log galt, flondem auch weil dieselbe zu den berOlimten Zeil- 
genoBsen des Sokratea gehörte. Was wir Ober diese Schrill 
unmittelbar durch Ueberlieferung erfahren, ist wenig; glöck- 

licher Weise aber der Art, dass wir Vormuthun^eü (lar;in 
knüpfen und es so oinigerinaassen ergänzen können. Schoo 
Andere sind auf den Gedanken gekommen, dass hier der 
Einladung gedacht war, die Sokrates an den maki (Jonischen 
Königs- und Musenhof erhalten, aber abschlägig beantwortet 
haben sollte und an diese Annahme schliesst sieb leicht die 
andere und wird bei aftherer Betrachtung nur bestätigt, dass 
nämlich der Inhalt des ersten in der Sammlung der sokra- 
tischen Briefe, eines Briefes, den Sokrates an Archelaes schreibt 
und worin er dessen Einladung ablebnt, in der Hauptsache 
aus dem Dialoge des Kynikers genommen ist*). Dann würde 



<) Dies ist die Metiiunf; Lseners, wie Duniniler Antisth. S, 10 angibt. 
Wcnu der letztere aber meint, der Inhalt der 1 3. Rede des Die Chrysostomus 
sei zum groMen Theil dieser Schrift des Antistbenes entaommeD, so 
scheint mir dies sehr unsicher. Freilich beseichaet Bio a. «. 0. p. 4SI R 
den Inhalt seiner Worte als sokratisch: dabei «lier ao den Antistbeni- 
sehen Sokrates zu denken sind wir nicht berechtigt; denn schon p. 
hat er Sokrates citirt und dort i^i es 7\voifi'llos der pseudo - platonische 
Kloilophon, den er im Auge hat; dersrlbo könnte daher nurh an der 
spateren Stelle t:enieint sein und Dio dort den Inhiilt seiner Worte al** 
sokratisch deshalb he/etehnet haben, weil darin nur breiter und jielb- 
ständig ausgeführt die Ertirlerungcn des Kleitophon wiederholt wurden. 
Dflmmler hat seine Ansicht von Neuem begründet in den Akadmnika 
S. 4 fr. Vgl. jetst noch P. Hasen im Phllol K. F. IV. S. 881 IT. 

S) Zunächst steht nichts in dem Briefe, trat nicht ein Kyniker ge- 
schrieben haben könnte (die Vergleichung 6 toS liccYeIf)QVTOc &<nctp fUMMto« 
scheint allerdings von Piaton Apol. p. 30 E genommen): besonders hebe 
ieh hervor den Werth, den Sokrates auf die rarypT^aia legt 42, nnrl dio 
moralische AusleL-unu' und N'erwendunt: des Hellerophontes- Mythos M f. 
Sodattn weist bestiiumler auf die Schrift des Antisthenes als Quelle, dass 
wir die drei Funkte, die aus dem Inhalt derselben feststehen, auch in 
dem Briefe mehr oder minder deutlich hervortreten sehen. Am dent^ 
lichsten natfirlich die Beiiehung auf Archelaos; aber audi was der Nebeo- 
titel ictpt ßaaiXelac veiheisst, eine Erörterung über das KOnigthum fehlt 
nldit 1 0 f. ; und wenn endlich der Dialog eine Veihöhnung des Bhetors 
Gorgias (FopY^ou toO ^-^iropoc xitaopofiifjN Athen. V p. tSOD; DÜmmler, 
Akademika 10 f.) enthielt, so kann daraus in dem Briefe noch prhlieben 
sein die Bemerkung 4, dass es nicht schon sei philosophische Reden zu 



L/iyilizeü by GoOgle 



AnlfotheuM' Archelaos. 



hierin die Frage erörtert worden sein, ob wirklich Herrschen 
und KSnigthum unter allen Umständen i^ttcklich mache und 
nicht der Privatmann in demselben oder noch höheren Grade 
glftcklich sein könne. Das ist aber dieselbe fngSy auf die 
sich schliesslich auch das Gesprttoh im platonischen Gorgias 
suspitzt, und da nun überdies in dem letiteren als Beispiel 
eines von Allen bewunderten und glücklich gepriesenen Kö- 
nigs ÄrchelaoB vorgeführt wird (p. 470 D..ff. S. 25 D.), anderer- 
seits aber auch in Antisthenes' Dialog der Rhetor Gorgias 
verhöhnt worden sein soll (S. <24, 4 , so stellt sich zwischen 
den Werken der beiden Sokratiker eine überraschende Aehn- 
lichkeii heraus. Es war allem Anschein nach nur dasselbe 
Grundthema ^ concret ausgedrückt, der Gegensalz zwischen 
Sokrates und Archelaos, das in beiden Schrillen variirt 
wurde. Dabei ist eine polemische Beziehung, wie sie sonst 
swischen Antisthenes und Piaton so häufig sind, nirgends 
bemerkbar t). Es bleibt also um diese Uebereinstimmung 

verkaufen (xo^ h <fiXoao<pta X(>yo'j; ntTipaQxsiv/, und was 10 f. über das 
thörichte Streben nach Herrschaft gesagt wird, das auch bei Gorgias 
(iur rhblirkt im ^loichiiamii-'oii platonischen Dialog p. 4.")^ l), wo ihm die 
J. h t l ik ( in Milti'i zum llerr^cheu über Andere ist, und noch mehr bei 
M iniMii M iiuler l'ulos, der p. 470 D Archelaos «Is das Muster eines glück- 
lichen MenschcD hinstellt. — Auch was der Briefschreiber 9 über Sokrates' 
Beoebmen auf dem Radtxug nach der Schlacht hei Delion» Plttoos Be- 
richt (Sympos. p. A) ergilnzend, ersshlt, venSth, dass er aus einer 
alteo uns nicht mehr fUeaaendeu Quelle schttpfle, und dass dies die Schrift 
eioes Sokratikers war, wird durch den Einfluss, der bei jenem YoHüedle 
dem Daimoolon zagescbriebeo wird, noch besonders wahrscheinlich. Dass 
Antisthenes überhaupt in seinen Dialogen Sokrates kriegerische Tapfer- 
keit erwähnt hatte. /.ei}it fr. ine. X W. Athen. V ilöB) und. was nicht 
zu übersehen ist. aueli in tiiesern let/.teren Falle lautet sein Bericht anders 
als derjenige Piatons. Es kunu wühl sein, dass auch dies Fragment dem 
Archelaos susuwaisen und unter dem ^ivo;, dar darin angeredet wird, 
Goiglaa zu verstehen ist. ~ Aus dem Archelaos stammt möglicherweise 
aueh was wir hei Aristot. Rbet. II SS p. IS9S* 94 lesen: xal (t* 0 Imtpd- 
rtjii o6x itfrn ßadCstv ibc *Afy(ÜMn* fißpr» ^dp ffiQ tUa/i t6 ^6va90a( 
d(A6vaodat 6(i.o[o>; cy raöövta Äozep xal xox&c- (Vgl. Seneca de benef. 
V 6, ü; bei Marc Aurel XI i5 steht wohl nur dur« h ein Versehen Per- 
dikkas .statt Archelaos.); ferner die Antwort, die uuch Arrian hei .stob, 
flor. III 214, 6 Mein. Sokrates dem Areiielaos gab. V^l. Plutarch adv. 
Golot. 4 8, p. 4 4 47E. Aelian V. H. XIV 4 7. 

i j Eher mochte man im Gorgias eine L.ebeasaaschauuug tiudeu, die 



426 



II. Die Blüthe. 



zu erklären nur die Glefchzeitigkeit der Abfassung übrig: 
beides waren Gelegenbeitsschriilen , die der Tod des Arche- 
laos und die noch frische Erinnerung an denjenigen des So- 
Aii(!t re Dialoge kratcs hervom'ef>), — An einen anderen platonischen Dialog 
desAniiitUien«a.QPlmjgPl Menexenos des Antisthenes. Bebandelten auch 
die beiden gleichnamigen Dialoge nicht denselben Gegenstand 
— worOber nach dem Nebentitel des antistheDlschen »Tom 
Herrschen t (icepl tou ap^siv) kein Zweifel sein kann — , so kann uns 
doch der platonische dienen Ober den Inhalt des anderen etwas aos- 
zomachen. Denn ans ersterem lernen wir Menexenos als einen 
ehrgeizigen jungen Menschen kennen, der gern eine Bolle im 
Staate spielen (ap/civ) möchte, wenn nur Sokrates nichts da- 
wider habe (p. 234 A), und dürfen daher vermuthen, dass 
ihm der letztere bei Antisthenes darüber den Kopf in ähn- 
licher Weise zurecht gesetzt habe, wie er dies bei Xenophon 
(Memor. Iii 0, 4J mit Piatons Bruder Glaukon thut^j — Wie 



der kynischen verwandter ist als diejenii:'' rmderer platonischer Dialoge. 
Hierher gehört was p. HS A f. und 515 1). tl. pegen hervorragende athe- 
nische Staatsmänner der V»ML'an^'enheil und der Gegenwart fvpl. hierzu 
was über den floXitixi; des Autislhenes Athen. V 220 D sagt unii Dümmler 
S. 7), sodann was Uberhaupt gegen Könige und Herrscher p. 5^5 D f. ge- 
sagt wird (vgl. hierzu ttb«r AntistbeiiM ep. Socrat. H : ou ^clp auxtp dpiaxci 
tt>pdlv«ote ^IXot« xp^^^^Oi ferner die strenge Scheldong swischen dem An- 
gendimen (^6) und Guten {ifM^ p. 494 C fll, endlich die Anerkennung 
nur einer einzigen, der philoeophtechen Tugend. Nlibert steh Piaton so 
durch den Inhalt seines Gorgias der Schroffheit und Starrheit der kyoi» 
sehen Moral, so erinnert er in der Form durch die längeren rhotorisi- 
readen VodrSipc des Sokrates (vgl. p. 465 E. 482 C. 492 K fT 507 A ff. 
511 C (T. 54 9 l). äi3 A (T.) an eine Darsteliungs weise, die Antiälbeues [s. o. 
S. 148) geliebt zu haben scheint. 

1] Durch diese Erörterung wird die Verniuthung von Wilamowitz, 
Kydsthen S. S49, Aber die Abfisssungszelt des platonischen Gorgias be- 
sUfligt (Dümmler, Akademlka S. 69, I. & 95.) Nehmen wir an, dass der 
Gorgias bald nadi 899 gesehrteben wurde, so begraift sich auch die 
Debereinstiromong, in der wir hier Platon mit Antisthenes finden: denn 
es ist nur natürlich, dass Meinungsverschiedenheiten unter den Sokratikem 
sich (tnI (iniyi' Zeit uiivh dem Tod«^ dos Sokrates ausbildeten. Dabei 
setze ich natürlich voraus, dass der l'haidros nicht vor, sondern erst 
geraume Zeit nach dcui Gorgins verfasst ist. 

9) Es ist daher bemcrkenswerlh, dass unter Glaukons Dialogen sich 
ein liU .iliioi befindet ;Diog. I1 194). Was übrigens den Menexenos noch 
besonders cur Hauptperson eines Dialogs quallflsble, dass ist, dass er, 



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Andere Dialoge des AntistheDes. Charakterlsilk. 



427 



es für ili'e beiden zuletzt erwähnten Dialoge wahrscheinlich ist^ 
dass Sokrates darin eine Rolie spielte^), so dürfen wir das» 
selbe auch für die beiden, Aspasia and Sathon genannten, 
sowie für den Politik es aonebmen^). Trotsdem hatte derChvakteriatik 
aokratische Dialog in den Angen des Antisüienes nicht die Be- j^Qtia^eBM. 
deutung wie in denen Flatons, wie ja auch das Menschenldeal 
Ihm nicht bloss In Sokrates, sondern auch in Herakles und 
Kyros erfüllt schien. Deshalb hatte flberiianpt nur ein Theil 
seiner SchrifleD dialogische Form. Ein Meister des Dialogs 
muss er allerdings gewesen sein und es verstanden haben 
den Charakter des sokratischen Gesprächs wiederzugeben^;, 
wenn auch vielleicht mehr als in den platonischen ein rhe- 
torisches Element beigemischt war^). Dass in dieäe Ge* 

wie Plalon Lys. p. B sagt, o^6h^ epirrixo; war, uud es ist nicht un- 
ini^glich, dass es dieM Seite seines Werkes war, die sowohl den mega- 
rischen Dialektiker Philen bestimmte eine seiner Sduiflea naeh ihm sa 
nennen, als anch den Diodoros Kronos ehie scriner disputirlasUgea Ttfchler 
(McvtHn)) (Clemens Alex. Strom. N. 5SBA. Zeller II« 848,5'}. 

1) Für den Archrlnos würde es sicher sein, wenn feststünde, dass 
diesem Dialog fr. im-. X. W. (s. o. S. 125 Ann».) angchürte. — Ausserdem 
würd«' PS für »Icf) Pr(itr«'[viik(»s foißcn aus der Verniuthuog, die Winckel* 
mann zu fr. 1 desselben über Athen. XI p. 284 C äussert. 

2) Der Sathon scheint die hrwiderung gewesen zu sein, auf die 
AogrüTe, die Piaton ge^en seine »Wahrheit« im Kuthydem und Thcätct 
gerichtet hatte (s. o. S. 149 Anm. Zeller 11^ S. 855, — Dass er die 
Aspasia im gleichnamigen Dialog geschmüht habe, ist nicht nothwendig, 
trots des deriben »i^ ivftpaieoc«, dessen er sich mit Bezug auf sie bedimt 
(fr. IIW.). Vgl. o. S. 80,4. Im Gegentheil könnte man daraus, dass er 
nur den beiden Ulteren Sühnen des Perikies von einer andern Mutter 
Cebles nachgesagt haben soll Tr. I W ), vermuthen, er habe den jüngsten, 
Perikies, von der Aspasia gelobt und dass dieser Ijesser geratheu war, 
auf den guten Einfluss der Mutter rnrüfk^efuhrt. 

3) Sonst würde Panaitios seine Dialoge nicht haben als echt geilen 
lassen, s. o. S. 444, 4. 

4) Diog. L, VI 4 : o&TOC ^PX^^ V^^'* ^t^'^^^^ Pop^^o'^ '^oO ^V)Topo«* 84r# 
^Tfcopnt&v cUoc t» tote (mX^you iiciflpu (s. o. S. 448, 4). Eine gorgia- 

nische Witselei ist wolil in fr. IIW.: 'Avttad^Tj; ipasd^vta 97^ ^Iv aOröv 
(Perikies) 'Asicaaloic 81; rf,; tjfxipac eioi^vra Act! iW^-Ki dr' aj-r^; doitd- 
Ceedoit t9)v av^pwTro'* (in diesen Worten ist wohl nach Mnassgabe von 
Plutarch Per. 24 %ai ^dp e;ia>v, &; cpaai, xai eisiaiv dn' d^opä; r^-zd^ixo 
x<ad fjpi^pav fltürfjv iaetgitov -AaTci^ptXsiv statt dr ajrf,; zu schreiben är' ^Yopä;) 
und stand möglicherweise in Zusanuneuhun^ mit der Nuliz, dass As- 
pasia ilirea Namen erst in Attika «halten und vordem Myrto liiess 



428 



II. Die Blüthe. 



spräche hin und wieder Mythen eingestreut waren'), wider- 
spricht dem sokratischen Charakter derselben nicht, da Anti- 
sthenes sowohl als Piaton sieb in dieser Beziehung auf den 
Vorgang des Sokrates M'n>er beruleu kuiinten. wie (liest r 
wiederum darin nur einer Moderichtung der Zeit geloigt war. 
Immerhin wird trotz mancher Uebereinstunmiiiig iwischen dem 
Stifter der kynischen Schule und seinem grossen sokratischen 
Gegner auch auf dialogisehem Gebiet derselbe Unterschied 
bestanden haben, den wir sonst bemerken und der steh aus 
der verschiedenen Lebensstellung beider ableiten ISsiit Wie 
Piaton immer der vornehme Mann hlleb, so konnte Antistbenes 
den Plebejer auch hier nicht verleugnen. Ist Platons Sprache 
lebendig und volksthfhnlioh, so scheint die des Antistbenes 
zum TheO derb und vulgär gewesen su sein^J; und die 

(flchol. XU Aristld. III S. (6S ed. Dlodf. Aucb die xwdte Aspasia, die 
Geliebte des jttngereii Kyros, soll ihren Namen erst spMter erhallen wid 
früher MUto gehelssen haben. Plutarch, Per. c. 94. Athen. XIII p. 576 D. 
Aelian Y. iL 4.). Doch findet sich derisleichea auch bei Platon and 
kann ausserdem satirisch gcmcirvt srtn. 

<) Villi Mydtt'n des Anlislb»'n<-^ «spricht Julian or. VII p. lüH \. ilie 
er mit dea \enuphontischen verj^li'icht. VVu htigrr ist, wrnn ilei -.i 1 1 «» 
ebenda p. Hl \ sie mit den xenophoutischea und plulouischen zusainmeu- 
stellt und mit Bezug auf alle dr« sich des kuadnukB ipi«TQtfii{iit«TOt 
bedient: denn hieraus erhellt^ dass nicht femeint sind ganz in das Gewand 
des Mythos gekleidete Werke, wie der Herakles,, sondern gelegentlich 
in die didogische Darstellung eingestreute Mythen, wie a. B., wenn die 
S. IS4, 4 über die Quelle des ersten sokratischen Briefes geäusserte Ver- 
mutbang richtig ist. der Mythos von Hellerophontes (ep. Socr. I H t) 
einer war. Lnbeirrt ifltcli ist mir, wie man {WinckelmannJ Antisth. fr. 
S. 23) die wj^o^pif^ia des Antisthenes, von der Julian spricht, von der 
allcgorisciien Auslegung der homerischen Gedichte hat verstehen können. 

i) Die Vergleichung mit der Schweinemast finden wir xwetanal in seinen 
Fragmenten. Stammen beide auch vleUeicht aus zwei nicht dialogiscbeo 
Schriften, dem Protreptlkos fr. II W. und dem Physiognomonikos, und 
gehören insofern niebt anmittelbar bierfaer, so gestattet doch dieser 
Umstand einen SdUuss auch auf die Sprache der Dialoge. Dassolhe gilt 
von der Thatsache, dass in seinen Schriften slcli viborhaupt ein Ausdruck 
für "Nachttopf" (oüpeio; ^Txo; fand (Protrept. f. Iii W.). — Wie or in den 
Ausdrücken nicht w»hli'ris( Ii war, so scheint er auch in den gr;»min;i- 
lisrhfm Formen sich ohne Weiteres an die lebendige Volkssprache goiialtou 
zu haben, und da nun diese immer der Schriftsprache voraneilt, so er- 
klSrt sich vielleicht, dass Formen, die Platon noch vermieden sa haben 
scheint, Antisthenes bereits gebraucht hatte. So eitiSre ich mir die 



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Antisthenes. Aiscbines. 



189 



Polemik, die sich auch durch Piatons Dialoge biodurchzieht und 
der Scliirfe nicht entbehrt, nahm bei ihm wohl noch einen 
grosseren Raum ein und steigerte sieh bis zur UnflAligkeit*). 
Kurs, wenn man die solirattsohen Dialoge^ wie dies ihre Natur 
in gewisser Hinsicht gestattet, den Jamben der alten Dichtung 
vergleiciien wollte, so wttrde Piaton die Rolle des Arehilochos, 
Antistiienes die des Hipponax spielen. 

• 

E. Aischines. 

Sehr verschieden spiegelte sich das Bfld des Sokrates 
in den Schriften seiner Schiller: bald trägt es die hoheits- 
YoUen ZQge des platonischen Geistes, bald den Charakter 
xenophontischer Einfachhdt und Mittelmässigkeit und unter den 
HÜnden des Antisthenes wird es wohl etwas von dem Tuffen d- 
stolze und der harten Menschenverachtung der Kyniker un- 
genoinmen haben Den Sokrates dargestellt zu haben, wie 
er wirklich war, dies Verdienst scheinen die Alten dem 
Aischines zugesprochen zu haben, in dessen Dialogen sie 
eine so grosse historische Treue fanden, dass Manche Sokrates 
selber fiir den Verfasser derselben erklärten^). Zum fheil 
können auch wir dies Urteil noch aus den Fragmenten be- 
stätigen*): wir sehen daraus, dass dem Sokrates des Aischines 



B«iiiericttng des Jo. Iheties p. 4^5 ed. Herrn, (b^ Wecklein Curae epigr. 
S. foctyftt icX^v tAv xupiov wdvra ^ yMY^'v ^e(Xl[c ipml^ 
litK^i xal tdi S|Mita* 06 ^ij^ Mal Ai)|»oa9iwqc ^'AvtteNvi)c iiA cöftcb^ 

i Dies folfit meines Erachtens aus seinem wie aus dem Cliarakter 
der kyni^cben .Schule überhaupt. Ehen danarh f1;irf man vcrniuthen, 
dass im Dialo;; gelegentlich eine grosse 8cblagfcrtigkeit herrschte. 

Beweis ist, was über den gegen Piaton gerichteten Sathon Athc- 
naios V 390 D sagt: «ai nXdltcDva hi [xeTovofAcfoa; Xadojva dw^i xaX ^ opxi- 

S) So ^rf man vermutheo, weno die ohen S. IIB, 1 ausgeführte 
Ansicht richtig Ist» wonach der Protreptiker Sokrates des Kleitophon einer 
Schrift des Antisthenes entnommen wäre. 

4] K. Fr. Hermann, de Aeschinis Socratici reliquHs 8. 7,13 u. 4 4. 

5) Ja in neuester Zeit ist wieder von Meisler, Fleck. Jahrb. 1890 S. 677 
das Zeugniss des Suida*;. welcher den p«ieudo-platoaischea Eryxias für 
eine» Dialog ileä Ai.schuies erklärt, vertheidigt worden. 

Hir««l, Dislos. 9 



iL Die Btülbe. 



Cbarakteristik die Ironie nicht fremd war'), dass er seine Thäligkeit gern 
de« AiMhmes. j^yf Liebo zurückführte und dieser die höchsten geistigen 
Wirkungen zuschrieb^), dass er nichts su wiflseD vorgab^), 
dass er es liebte Gespräche mit Anderen wiederzuerzählen^}. 
Und wenn wirklich in aeinoi Schriften das mythische Element 
geringer war als bei Xenophon^) imd vielleicht andi als bei 
Piaton Antisthenes und Phaidon, das IKalogische also in dem- 
selben Maasse noch mehr hervortrat, so firSgt es sich noch, 
ob er nicht auch in dieser Beiiehung den historischen CSha- 
rakter des Sokrates treuer wiedergegeben hat. Auch andere 
Sokratiker verfolgten die gleiche Absicht und werden kaum 



1) Hermann a. a. 0. S. 8, 18. Rinon der irtuiie ver\\an(!ten r.harakU»r 
trug, wie Demetrius de Elocui. p. 291 bemerkt, die Erzählung von Telauges, 
von der man nicht wussle ob sie Bewunderung oder Hohn sein sollte. 

t) Nur vermöge etaer ida (AoTpa, nicht irgend vrdeber Koost oder 
Wissenschaft, traute er sidi nach Aristides Rhetor. S. tO DiadL und 
fl4 (bei Herrn. S. SS) einen besaemdeD EinOnss auf AUUbiades so und 
diese %tla |MTpa wfeder lag in der Begeisterung, die die Liebe zu Alki- 
biades in ihm erregte. Die Uebesrede im Phaidros hat hiermit schon 
Hennann S. 84 voroHchpn. 

3^ Aristides Rhetor. s. i4. Uebrigens auch nur, wie das in der 
voi igen Anmerkung angeführte, ein einzelnes Beispiel seiner Ironie. Wenn 
Hermann S. 24 es hiermit nicht vereinbar findet, dass Sokrates dem 
Themlstoklee ein Wissen nsdirelbi (bei Aristtdee ed. Bindt U S. 294}, 
und dem Aiaddnes dies vorrttdct) well er damit sich selbai widenprodheo 
und die Anscbemiagswelse des historischen Sokrates verfehlt habe, so 
kann ich Ihm nicht beistimmen. Sich selber sprach Sokrates das Wissen 
ab, indem er darunter eine wissenschaftliche Erkcnntniss verstand, und 
in diesem .^innr wurtlc er allerdings auch dem Themistokles nicht 
haben zugestehen dürfen; wohl aber konnte er letzterem die ir.iTrf-nr^ 
lassen, wenn er dieselbe als eine auf Kenotnissea beruhende Tüchtigkeit 
und Gewandtheit des Geistes fasste. 

4) So im AMblades vgl. Aristides ed. Diodf. II &SS4, 4 n. IQ im 
Telanges vgl. Prisdan XVIII la p. 191 (mS.««7, 41 HerU). Ond nicht 
bloss seine eigenen Gespriche mit Anderen, enVhlle Sokrates, londeni 
auch solche, an denen er .«selbst, zunächst wenigstens, nicht betheOlgt 
war, wie in der Aspasia das, welches diese mit Xenophon und dessen 
Gattin geführt hatte, vgl. Cicero de invent. 1 51. Dagegen ist in den 
Fragmenten unbekannter Dialoge, die Priscian XVIII ?5, p. HG '= S i 
21 HeriZj und Demetrius de Elocut. S. 205 mittheilen, nicht klar, ob der 
Erzähler Sokrates oder ein Anderer ist. 

i) Hermogenes, De idels bei Spengel fthet Gr. II 4iO, 1 1 



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Aiflchines. 



431 



wissentlich ein falsches nild des Sokrates geseichnet haben. 
Aber die Macht und FQUe eigener Gedanken und das Be- 
wusstsein, dieselben sei es mittel- oder nnmiUelbar Yon So- 
krates empfongen au* haben, binderte sie diese Absiebt su 
erreichen und yerfllhrte sie immer und immer wieder, den 
Sokrates Tortragen su lassen was im Grande nur ihre eigene 
niilosophie war. Aischines war hierin freier. Keine Spur ist 
uns erhalten, woraus sich ergfibe, dass er die von Sokrates 
gewiesenen Wege sdbstSndig weiter gegangen sei and ebenso 
wie etwa Piaton oder Antisthenes den sokratischen Strom in 
ein besonderes Bett« fortgeleitet habe. Daher das AUerthum 
auch nur einen einzigen Schüler des Aischines kannte'); und 
dieser wird es nicht auf Grund gewisser Dogmen, die er 
ebenso wie der Lehrer verlrat, gewesen sein, sondern weil 
er in Beziehung auf Richtung und Melhode der Forschung mit 
diesem übereinstimmte, von dem wir vermuthen dürfen, dass 
er die dialogische Methode für die in der Wissenschaft allein 
xulässige erklärte und dass er die Grenzen der Wissenschaft 
mit denen der Moral zusammenfallen liess^). War sonach die 
geringere Kraft des eigenen Denkens für den Darsteller des 
Sokrates ein Yortheil, insofern sie ihn strenger bei dem Ueber^ 
lieferten festhielt, so war sie doch bei ihm wie bei Xenophon 
auch wieder mit dem Nachtheil verbunden, dass beide in 
demselben Ilaasse auch die Fähigkeit verloren, die in den 
Gesprtchen sich offenbarende Macht der sokratischen IMalektik 
voll und gans su erfessen und dem entsprechend Anderen in 
ihren Dialogen vorzuführen*). Es war wohl Oberhaupt nicht 
so sehr die wissenschafUiche Bedeutung des Sokrates, die ihn 



i) Deo AristoteleSi geoaimt & MSdo«, aaciiDiog. L. n 69. Aosserdem 
enahlte man (Atbeo, XI p. S07C) daM X«ookr«t68 anfingllch sein Sdittler 
gowesen sei, Piaton aber ihm denselben abspenstig gemacht habe. 

9) Weoigateos waren .seine wisscDSchaftUchen Erörterungen nur in 
Dialogen enthalten und die Tlieiiiiita der Iftzleren. fo viel die Fragmente 
ergeben, ausschliesslieh der Momlphilosophie entnomruer! 

8) Hienuif beziehe ich, was Timon von PUiius i Diog. L. II 85 
sagt: 'AöÖcvixTj Ti Ao-joiv ^ua; r^Tpid; Ixi Ti(SfO(» ülo; z.^v^o'^uoi'^ U t Alo- 
yifnw «Ax t6iKiftt)( rpatj^at. Diogenes frsiikA II SS besieht dies auf Ge- 
richtsreden. Die ZnMmmenstellmig mit Xenophon scheint mir aber mehr 
(Ikr die Dialoge ta sprechen. 

9* 



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432 



U. Pie Bluih«. 



reizte, als die ganze Persönlirlikeit des Mannes, auf die er 
mit der Verehnine dt s Scliüiers. aber auch mit dem Auge 
des Künstlers schaute. Daher musste ihm manches Aeusser- 
liobe und an sich Unbedeutende wichtig erscheinen, sobald 
es nur daiu dieutoi sei es die Gestalt des Sokrates selber 
anschaulicher su machen oder mehr Licht über deren Um- 
gebung zu verbreiten; und vieUeichi erklttrt sich so, dass 
seine Darstellung in der Ausdehnung, wie wir es noch in den 
Fragmenten beobachten, das Binielne des Lebens und Wesens 
der im Dialoge auftretenden Personen in ihren Kreis log^. 
Farbiger und plastischer, lebensvoller wurden so seine Schil- 
derungen und brachten den Eindruck grOsster Wahrhalli^»ii 
hervor. Dieser Bindruck wurde noch verstärkt durch die 
Einfachheit und Schlichtheit der Darstellung, mit der nur die 
Sache selbst ohne viel Umschweife vorgetragen wurdet, das 
überall bemerkl>are Streben nach I)euth"chkeit'*) und eine ge- 
wisse Naivetat, die, wenn auch nicht so oft als bei Xenophun, 
doch häufig genug hervortrat^). Dem entsprach auch die 



4j Bald zeigt er sich hier mehr als Poet bald als Historiker. Don 
Poeten merken wir, wenn er getrieben von dem BedÜrbüM nach stmi- 
lich-coDcreter Darstellimg uns den Kratylos schildert wie er fticMiCow ««l 
ToTv x'P^'^ tiaetdnv redet (Aristei Rhet IIIISp.4447b|), wenn er uns 

den Telauges vorführt in dem Mantel, der nicht sein eigener ist, sondern, 
für dessen Benutzung er täglich einen halben Oboi an den Walicer zahlt, 
einen Lederschurz um den Leib, in zerrissenen, mit Bindfaden 7usam- 
mengeknüpflen Schuhen 'Athen. V p. a^OA) und wohl auch mit dem 
Bettelranzen (Deuielriuü de Elocut. p. l 70\ wenn er endhch den Zwist des 
ICallias mit seinem Vater eingehend darstellte (Athen Y 220 B}. Der Nci- 
gong des Historilters dagegen entspricht es, daaa er ntdit blow In all- 
gemeinen Worten die staatsmttnniflcfaeii Verdienste des Tfaemistokles pries, 
sondern dieselben einseln namhaft machte (Aristides ü S. i9lt ed. Dindt) 
und von den Einwirkungen entfUte, die Aspasia erst auf Perikles und 
nach dessen Tode auf Lysikles ausgeübt hatte. (Plutarch. Per. 2 4 u. 32 
vgl. dazu Hermann 17 f. aber auch Snuppe, Die Quellen Platarclis für 
d. Leben des Per. in Abhh. d. Gütt. Ges. XIII S. ii). 

%) Diess isi diu %a^<i^6T^i Rhetor. Gr. ed. Speugcl II i76, 4. Dass 
sie dem Aisddoes vorzüglich eigen war, sagt Hermogenes ebenda 449, i$, 

9) Die c6Kp(vcta nach Rhetor. Gr. ed. Sp. II W, 80. Dem Aischines 
schreibt sie xn Hermogenes ebenda 449, 49. 

4) Die d^iUia des Aischines bemerkt Hermogenes Rhet. Gr. ed. Sp. 
Ii 449, 98. Als Naivetitt habe ich sie gefasst, Ibeils wegen dessen, was 



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133 



Form der Aede» die nicht in langen wohlgerUglen Periodon 
dahinfloss, sondern kurze Sätze aneinander reihte und solche 
Schönheitsmittel eines raffinirteren Geschmackes, wie das Ver- 
mfliden des Hiatus, Tersehmfihte^). Alles trag den Stempel 
des Ungekflnslalten, war aber nichtsdestoweniger höchst künst- 
lich^), cftwa wie manches Gebilde moderner Lyrik, das den 
Ton des TolksUeds so treffen sacht and anter UmstSnden 
aach wohl trifft Zu diesem Grandcharakter stimmte der 
satirisdie, oft derbe Humor, der vielHich beigemischt war ^] ; 
und die ernsteren Gedanken, die tiberall hervorblickten^), 
gaben dem Ganzen nur eine neue Würze: wodinch es be- 
greiflieb wird, wie den Alten die Dialoge des Ais(;hine8 so 
besonders geistreich und zierlich erschienen^]. Ja nimmt man 



Uber Xenophons d^^ta ebeoda S. 418 f. gesagt wird, Ibcils und insbe- 
sondere auf Grund folgender Worte des Uermogenes ebenda 381, iht: 
iM»c (*8v XlfONio ifcXcl« al tAv dicXcbfoBV f)9&v (sc Iwoiai) taX M tt 
injidv*, fw« dIßcXtipaM Xihf^ ti«, tXv* t& iccpl itpatf|ftrftwi (tc^iivat mAv 

4; Mit Hermo^enes a. a. 0. II 856, 32 llt SU vergleichen 279, 16 (S. 
urtd I 4 36, n. Die Hiate nicht ängstlich zu meiden wird unter die 
Eigenheiten dor •xaft /'^'^'tr : trprr -hnrt . rbcnda II 279, 21 IT. Das Urtheil 
der Rhetoren bestütigea die b< n L:ni>>seren aus Diainjjen des Aischines 
erhaltenen Fragmente, das nus dein Alkibiades hei Aristides Ii S. 292 fT. 
Dindf. und noch mehr das aus dem Milliades im Anhang zu Stobaios 
PlorOflg. ed. Mein. V S. ISS. 

t) Das8 die Sprache in den Dialogen des AlMhises anb «>rgllUUgste 
dardigeaiiieitet war, sagt Longin in Bhei Gr. 'ed. Sp. 1 SOS, 49; und 
Hermogenes ebenda II 4S0, 6 hebt hervor, dass unbeschadet ihrer Ein- 
bdibeit und Naivetöt seine Darstellong kttnBttiacber (}AdXXov imiicX^c) 
war als diejeni^-'p Xenophons. 

S) S. o. S. i 'ii, 1 wie er den Kratylos und Telauges geschildert hatte. 
Auch Athen. V 220 A xal Air/t-yT,; 6 ScuxpaTr^ö; h t«T Tr{Ka{tfu Kpixö- 
ßouXov töv Kpkoavoc irJ äp'jftia vtai '^•■jr^apövfjfii piou xaipitpöei xal 

Ttkitww, ^i^-zopa o6 (AcrpCmc Sia^cXf gehört hiexlier. 

1} IHea folgt scikon im Allgemeinen ans dem moralisirenden Inhalt 
der Dialoge und wird überdies bealMtlgt dnroh Bennogenes in Rhek. Gr. 
ed. Spengel n 419, tl : Iwetou« odx Achate »ol airk (Alscblnea) ac{*vot^atc 

Aristides. der doch sonst abgesehen von der historischen Treue 
(II S. 369 Dftidf xoic öD.Xotc A{(r/lvt)c Xcnt^fuvo; IlXofTajvo;) den Aischines 
unter Piaton stellt, nennt ihn xo|A<}kkt während er Piaton durch oe{Av^c 
charakterisirt [II S. 25 o.). 



434 



n. Die BltkUie. 



Alles in Allein, so kommt man in Versuchung, sich von ihm n 
ein ähnliches Bild zu machen wie von den Mimen Sophrons: 
anmuthige treue Bilder des wirklichen Lebens, ausgeführt in 
volksthümlicher einfacher Sprache und Darstellung, voll guter 
Laune und nicht ohne tieferen Gehalt Ein wichtiger Unter- 
schied dagegen bestand in dem historisdien Charakter, den 
die Dialoge des Aiscfaines iu der Bogel festgehalten haben. 
Das seigt sich schon an demjenigen unter denselben, den das 
JOitUdN. Alterthum ittr den firObesten erkUbrte, dem Miltiades'). Zwar 
nicht dea berOhmten Feldherm, aber vermuthlich ehien Yer> 
wandten desselben, den Sohn eines Stesagoras, hatte er darin 
vorgeführt, ein rechtes Bild der guten alten Zeit, der durch 
frühe Zucht des Geistes sieh den Preis eines gesunden kräf- 
tigen Körpers im Alter verdient hatte und daher zu einem 
Gespräch, das etwa <len Werth der oto^poauvr, vor Augen 
stellen wollte, den hickiicbsten Anljiss bot^). indessen hatte 
die historische Treue in den Dialogen des Aischines gewisse 
Grenzen. In dieser Hinsicht liefert zur Kenntniss derselben 



1) Auch die kurzen SiilzcJion kehren bei Sophrow wieder; und Jahn 
Prologg. £u Peih. i>. XCIX hat gezeigt, dass es Hcinon Mimen kcioe:>wcgs 
au erastcrem Gehalt gebrach. Wena man ührigeos bedcukt, dass Theokrit 
4en Sopbron naehahmte (Jabo a. a. 0. p. C int), so wird man geneigt 
aeio, das Vrtheil der alten Rhetoren (Rhei Gr. ed. Sp. IX SS4, SO. 35S, 
45), dasa in Theokrlts Idyllen die d^iXcia zu finden sei, audi aof Soplffons 
Mimen au Ubertragen. Ebenso wird ihnen als Werken eines Sicilianors 
(Piaton Gorg. p. 493A} die den Dialogen dos Aiscliities nachgerühmte 
*0{xi|^<iiTj; eilten ppwpseii sei. Bekannt sind dem Aii»( hine^, der sich längere 
Zeit in isyrakus auf.uelialtt ii hat, die Mimen ohne Zweilel gewesen. 

2) Diog. L. Ii 6\ sagl, dass der Milliudes von den Dialogen zuerst 
geschrieben wurde und fügt hinzu: lih «al dofteviottf^ r.oa e^ei. Wenn 
nur nldii etwa an diese »Schwache«, die man lu bemerken glaubte, die 
Bestimmung der Abfassungszelt angeknttpfl bat, ähnlich wie nach dnn- 
selben Diogenes III S8 Manche den Phaidros für Piatons erstes Werk 
hielten, weil sie ihm den Charakter einer gewissen Jugendlichkeit auf- 
gedrückt fanden. Lassen wir diese Zeithe«timmun? j^elten und nehmen 
hinzu, dass er mit dem Miltiailes sii h die dunst des Tyrannen Dionys er- 
worben haben soll (Lucian de paru:». 32,, liamals also n\ ohl erst diesen 
einen Dialog verfasst hatte, so würde wahrscbeiulicb werden, dass er 
überhaupt erst nach dem Tode des Sokrates die dialogische Scbri&teUerei 
begonnen bat (vgl o. S. 85 f.). 

8) Hermann a. a. 0. S. 10 f, 



Aiichinei' Kallias und Telauges. 



135 



einen wichtigen Beitrag der Kailias. Wenigstoos fUr den XaUIm. 
Fall, dass man es für historisch unmöglich hält, der mit diesem 
Namen gemeinte reiGhe GOnner der Sophisten habe mit dem 
Philosophen Anazagoras in persönlichem Verkehr gestanden 
und sei Ton seinem Vater Hipponikoa wegen der Verachwen- 
dong von desBen Vermögen lur Rede geaelil worden wfirden 
wir in dem genannten Dialog einen Beleg haben, dass Aisdilnes 
die historische Treue nicht Ängstlich bis ins Einselne fest- 
gdudten hat und in dieser Besiebung Ähnlich verfhhren ist 
wie Platon'). Hatten doch von liistorischer Treue selbst die 
antiken Historiker andere Vorstelluingen als wir. Von diesem 
Standpunkt aus werden wir auch über den Te langes ein Telaugea. 
anderes Urthel Ifällen als Hermann (a. a. 0. S. 2(>). Wir werden 
es hiemach nicht mehr für unmöglich erklären, dass wirk- 
lich der Sohn des Pythagoras mit diesem Namen gemeint und 
mit Sokrates im Gespräch zusammengeführt worden sei ; denn 



4) Hermann & 14. S. aber auch die GegenbemerlEiingen von Zeller, 
Plia der Gr. I« S. 868 f. Anm. 

2' Snuppc, Einl. zum Protap, S. 4 4. — Hermann a. a. 0. hat, um 
den A Dachronismen aus dem Wege zu gehen, in den Worten des Athe- 
naios V p, 920 B 6 KiXXI'jc i'jt*>ü trepi^/tii T-r^v toü KaXXlo'j itpic xöv 
icatipa i^ta^ofidv die oia^opa statt auf einen Zwist zwischen Vater und 
Sohn Tielmehr nur auf den VoterBOhled Ihrer Charaktere gedentet, Un- 
wahrechelnlieh} wie diese Vennnthiing an sich ist^ Ittsst sie sich ausser- 
dam yielleloht noch wMorlegen durch eine Spar dieser (to^opd, die man 
In einem an(^hliciien Briefe des Sokrates finden kann. Aus dem von 
Hermann S. 4S f. aus Plutarch Aristid. c. i5 angeführten und dem Kallias^ 
zupcwtcsenen Fragment k;inn man verniuthen, «Ifiss in Hiosom Dialog das 
Glück der Arniuth gegenüber dem Reichthum gepriesen wurde, DaS55elhe 
geschieht aber auch in dem 6. der snkratisclicn Briefe, Es ist daher 
wohl möglich, dass der Inhalt desselben grusseuthoils dem kallias ent- 
nommen ist. Besonders gilt dies von § 6, wo das IJnglttck derer beklagt 
wird, die In die Binde von Scbmelchlem fallen (iutctxofil«<|i M »oX«-* 
«cCoc MpAnm h^i^ Utttn): denn unter den Sehraelehlem liegt es 
nadi dem Titel der Kom<fdle des Bupolis (KöXaxe;) nahe die S(i|)histen 
ZQ verstehen, gegen diese aber wandte sich grade der Kallias. Nun lese 
man ahrr. was § 7 folgt: «{xeTc 'am; drm xt; 5-^ ivf^p roXiTtxo; dfn- 
vaitToiv t:oö; toj; ivjxo'j uUTc xXrjpovOfUiv iirtl^fxoiivxa; , o'jlk TEÄejTÄvTO? 
d^£^£3ftat (jLO'j oiivoeloÖe . d).Xd %a\ «XeutSiVTo Tpo<pflic ol ^üiYz&i airrjaeie 
xai oüx alo^uvciabe davaxou C«»^"* änpaxxoxepav ßtoüvrec; dXXd juev lyA 
«iptrtc6cry «sl fictA hanvcw d(toQ«E iripoic, V »{xfrepa OfiTv M* cU tb 
ilapitiect. ixdvec i^tv o9v exetot« teoK «p&« toft« iatamü wßUn jjflionai 



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436 



il. Die BlUlbe. 



ebenso lässt Plalon iui Parmeiiides den eleatischeo Philosophen 
sich mit Sokrates unterreden^]. Oder soll man dem Aischines 
zutrauen, dass er sich noch mehr von der historischen Wirk- 
lichkeit frei gemacht und die Persönlichkeit des Telauges selbst 
erfunden habe ? Denn die Komik, die darin liegt, dass ein im 
Bettlerileide einhergehender (s. o. 2) und darauf Überdies 
noeh eiteler Mensch^ der »Femhinlenclitendei heiast, ist so stark, 
dass man geneigt wird sie nicht auf blossen Zufiül inrflcfczu- 
fOhrenS). Wie dem auch sei, allem Anschein nach trat in 
diesem Dialog ein Ideal der Sedflirfiiisslosigkeit dem andern, 
Telauges dem Sokrates gegenüber und der Sokratiker sorgte 
natürlich dafür, dass der Wettstreit mit dem Siege des letzteren 
endete In demselben Werke hatte Aischines den Bruder des 



ToT« X^fois leatptx^v X|mi icoXmx{ ica^|^tiff(«v äfm* So oder doch Sbnlieb 
kann wohl Hlpponikoa zum KalUas gesprochen haben. 

1) An T'irmenides durfte um 90 mehr erinnert werden, als bei 
Suidos u. EjakeSo-xX. Parmenides und Telauges beide Lehrer des Empo- 
dokles hcissen. al<?o als 7oilL''M<o<<f*n bolmindcU worden. Dass aus chrono- 
logischen Gründen den Alten oin /usamnientmlTen zwischen Telauges nnd 
Sokrates nicht gerade unnioglicli scheinen nuisste, darauf weist auelj 
lamblichos V. P. <46 hin, wonach Telauges beim Tode seines Vaters noch 
sehr jung war. Dass Telauges ein Redner war, folgert Kaibel aus Athen. 
Y SiO B; die Folgerung schetnl mir aber ganx unsicher. 

i) Wenigstens liess er sich bewundern Demetr. de Elocut. f SSI. 

S) Bin erdichteter Name war ja andi der des Aatfsthenes; 

dodi war wenigstens eine historische Person, Piaton, daranter gemeint; 
auch würde nach dem S. iO!^ Bemerkten die Erfindung einer Person ein 
Verstoss gegen die RcL-el (ier sokratiischen Dinloce sein. 

4; Marc Aurel scheint damit nicht einverstanden izewesen zu sein. 
Denn er sagt VII 66: i:6^tv d TtjXoiutouc StuvtpaTT;« xai otadcctv 

%p£i93(uv /jV • o'j YO^p <ip«i, ii 2tijxp<iTT^? ^So^ötepov diciöavcv xoX IvTpejf^iart- 
pov ToTc oo^tTraU oteX^Yeio xal xapxcptx^ttpov iv Tiji za'yq) Sttvux- 

%aX h täte 68eT« Ippcv96rre *xL Die heransgehoheoen Worte %a\ «a^p. 
«tX. beruhen nicht auf Piaton Sympos. p. SSO B, werden daher wohl von 

Aischine? genommen sein. Gegen diesen würde sich dann der kaiser- 
liche Stoiker mit den Worten ou -^ai^ dpxtX xtX. wenden. Fragen wir, 
was dem Telauges diese hohe Gunst verschafft hat, ''o müssen wir be- 
denken, dass Marc .\urels Stoicismns zum Kynismns neigte und mit der- 
selben philos<iphisehen Richtung aucli die ßedürfuisslosigkeit des Telauges 
eine Aehnlichkeit iiabeti konnte (vgl. insbes. den » Bettelranzen « o. S. 13i, 2), 
VieHeicht liatte Alsdiines in Telauges mit ironischer Bewunderung .Deiuetr. 



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AiBdiinM' Telauges und Aipasia. 



137 



Kailias, Hermogenes, erwähnt und es diesem zum Vorwurf ge- 
macht, dm er nicht besser für seineii Freund Telauges sorge 
(Proidos nun Kratyi S. 2^ Hermann S. 25). Das seheint 
YoranssosetEoa^ dass er sich in wohlhabenden Terhaltnissen 
befand; wfthrend wir doch aus Plalon undXenophon wissen, 
dass das Gegentheil der PaU war: besieht sich also Aischines' 
Angabe nicht anf eine frühere Zeit in Hennogenes' Leben, 
so hat er es anoh hier mit der historischen Wirldichkeit nicht 
XU genau genommen. Anders haben wir es zu erklären, wenn 
sein Unheil über Kritobulos, Kriton's Sohn, so ganz verschie- 
den lautete von demjenigen Piatons und Xenojjliüüs ; während 
derselbe bei diesen zum engsten Kreise des Sokrntes uehörl, 
hatte Aisctiinei; im Telniiges ihn wegen seiner Diiminlu it und 
wegen seines scbm atzigen Lebens verspottet^}, iiier icommen 
die verschiedenen Sympathien und Antipathien in Betracht^ 
die ohne Zweifei schon bei Lebzeiten des Sokrates den sokra- 
tischen Kreis durchzogen und die ihn nach dem Tode vollends 
auseinander rissen. Wie Tersehieden sich gewisse Persönlich* 
holten, mit denen Sokrates verkehrte, in den Augen seiner 
Anhänger spiegelten, seigt sich namentlich In der Auffassung 
und Behandlung, die Aspasia bei ihnen fand (s. o. S. 79 ff.). A»pMU. 
Während dieselbe von Xenophon mit Wohlwollen, von Piaton 
ironisdi, minder günstig vielleicht auch von Antisthenes be- 
handelt wird, hat sie in Aischines einen begeisterten Lobredner 
gefunden ^} . Sie erschien in dessen gleichnamiger Schrill ebenso 



de Elocat. § t94 und x^pt*^ In den Worlea des Proklos m Piaton 
KratyL § S4 Hermann S. 25) einen Vorläufer der späteren Pythagoristen 

ge«ichfldert, die in Bedürfnisslosigkeit mit den Kynikoni wottciferlen, und 
so zugleich seiner Missbilligung der asketischen Moral des Antisthenes 
Ausdruck gegeben. Zuzutrauen wUre ihni dies insofern, weil er auch 
nach anderen Nachrichten in seinur i^et)ensanächauung mehr auf Sotten 
des Aristippos gestanden haben soll (Diog. L. II 60. 61 ; was 6i in io'jtou 

StoX^uc «tX. gesagt wird, will dagegen nicht viel bedenten; vgl. 
«qich, WM Uber sein Lebea am Hofe des Dionys Lnclan de paras. c. 89 
bemeikt). 

4} Athen. Y iSOA (s. o. S. 133. 5\ 

2) Hermann S. 27 f. Noch mehr ergibt sich dies aus den Worten, 
in denen Lucinn Tmogg. 47 von dem Bilde der Aspasia spricht: AioyCvT); 

■AH [nt-c' fpwTOfi ^YP^f^. Das -{pdfeiv bedeutet hier nicht «schreibenn, 



üiyiiizeQ by GoOgle 



138 



U. Die BlUthe. 



als die Lehrerin des Sokrates in seiner Kunst die Menschen 
SU prüfen und zu behandeln, in der Liebeskunst wie er sie 
nannte, wie Diotima in Platona Gastmahl i). Und wie in dem 
letiteren die gl8niendste Probe seiner Erotik Sokrates an 
Alkibiades ablegt| so hatte auch Äisohines in einem eigenen 
AUdUidM. Dialoge, dem Alkibiades, die Macht seines Lehrers Uber 
diese reiche, aber sOgellose Natur su schfldem Tersuchtb Das 
Thema hatte dieser Dialog mit dem ersten Alkibiades Ptatons 
gemeiii. Den frOhen Ehrgehs des jungen Mannes, der ihn vor 
der Zeit zu einer politischen Thätigkeit spornte, bemühte sich 
Sokrates zu dämpfen unter Hinweis namentlich auf TbemistokJes, 



.Sündern "niaii*n'>. Daher erklärt 3\ch, wie Alschines und Sokrates nttjien 
einander gc^^t^lit vverdeu konuteu: vielleicht liutte AiscLluet» zuerät in eigo- 
nem Nameo Einiges tarn Preffle der lUleelerin gesagt und dann sich auf 
das Urtheil seiDea Lehrers hemfen, das in Form eines oder mehrerer Ge- 
sprScbe ausgefOhrt den Kern des nach Aspasia benannten Dialogs biidele. 

4) Die Belege bei Hermann S. 16 ff. Daronter vermisse ich jedoch 
Maximus Tyr. di&s. XXIV c. 4, wo Sokrates ein Diener der Liebe und als 
seine Lehrer in dieser Kunst Aspiisla wnd Diotitna penannl werden: denn 
auf Aist.liines diese Hrw iihnuni: d<'r \»;pasi;i zuriickzufuhren sind wir 
deshalb im Hechte, weil im Koktuden r. r. derselbe nelien l*laton «nd 
Xenophon als einer der GewahrHiiiänner ani^efuhrl wird, denen wir the 
Kennlniss alles dessen, was Sokrates angeht, yerdanken (auch c. 4 
liPTol}9tt«t— td« Bdhtx«« ist Ton Aischines genommen, Hermann S. SS). 
Ebendaher wlid schliesslich stammen, was wir im Dion des Syneslos 
p. SSR lesen, dass Sokrates su Aspasia zu gehen pflegte yd^v* toO td 
ipTOTtxd Ttaioeuö-^vat. — Dagegen haben wir nicht das geringste Recht die 
Worte des Dio Chrys nr. 55 Sehl, oj to?vjv ryjfji Soixporrjc xtX. zur 
Keruitniss dps Dinlogs Aspasia zu Itenutzen. sondern werden dieselben 
mit grosserer Wahrscheinlichkeit als versprengte Trümmer verschiedener 
verloren gegangener sokratischer Dialoge betrachten. — Nimnit man übri- 
gens an, wie in neuerer Zelt wieder Grote Plato III 8. 867 getlian hati 
dass Xenophon nur einmal verhelratliet war und dass er aioh seine Firaii 
aus Aalen mitbrachte, so wttrde man es lUr duM« atarken Anachronismos 
erklären müssen, dass in der Aspasia des Aischines Xenophon schon 
wahrend seines athenischen Aufenthalts und noch bei Lebzelten dee 
Sokrates verheirathet erschien. S. indess Krüger Histor. philol. Studien 
II S. i74 f., wonach bei Ais( hines Xenophons erste Frau gemeint wäre. 
Einen anderen Ausweg liat Franz Rühl eingeschlagen, der unter Xeno« 
phon nicht den Sokratiker, sondern den Strategen aus Melite verstand 
(Boqnette, De Xenophontls vita 8. 46). — Geoanefes Uber Inhalt imd Gang 
des Dialogs sucht Jetit Natorp anssnnaohen PhiIoL 61, S. 486 ff. 



Atscbinea' Alkibladw «od andere Dialoge. 



139 



dessen grosse Talente und Yerdiensie ihm doch ein trauriges 
Ende nicht hatten abNvebron kennen; und so eindringlich 
wusste er lu reden, daßs Alkibiades, nicht wagend sich mit 
ThenustoUes zu yei^eichen, mutiüos den Kopf auf die Kniee 
flinken liess und weinte*}. Ueber die beiden noch ttbrigen 
Dialoge dea Äischines, Rhtnon und Axiochos, erfahren 
wir nichts NSheres^, 

Das sind die sieben Dialoge des Aisdiines, welche, wie 
es sobeinty von; den Meisten im Alterthnm als echt aneikannt 
wurden'). Dass ihrer so wenige waren, ISsst sich theils aus 
der Sorgfalt erklären, die der Verfasser auf ihre Ausarbeitiinc; 
verwandt hatte, theils aus ihrem Umlang ^j. So weit %\ir 
sehen, verliessen sie nie den Boden einer gemeinveretaad- 
lichen Moral um sich sei es in die Irrgänge der Dialektik zu 
verlieren oder zu den üühen der ^iaturphiiosophie zu erheben 



I) AriBtldes U m Dlndf.: dvapu(C«t xXactv Um «efoX^v i«l 
fiiwm dtupnlioavca, die oM* BcfMOtonXei na^axioi^. 

Diesen Zug, der bezeichnend ist für Äischines' anschauliche Art zu schil- 
dern und auf den sich auch Plutarch, Quomodo aduiator ab am. int. 29 
p. 69 F bezieht, hat Hermann S. 21 fT. übersehen. Ebenso ist ihm ein 
audere.s, übrigens bedeutungsloses, Fragment bei Priscian XVIII 897 
^S. i&b, 14 ed. ilertzy entgangeo: 6 oi ^sia dvdp({»n(uv ^eY^^^"« ^""i luvrrj- 
xo>xd rcr/, 

1) Zu den voo Hermann & SO nAchgewtesenen Fragmenten des 
Axioehos kommt noch Prisclan XVIII S9S (S. aS8, 1 ed. Herts) : «ot toeoÖDip 
Ixctvo to6too &iafipfcv l«6|uCov S«ov «petttcnv iedv dvj^f ^amö«. 

S) Diog. L. II 6!: o? ö' o jv täv Aloyjvoy xö ^tuxpaxtxov •^öoc dm- 
|xe{AaY|i-^oi elolv dirrä xt).. Diese Hcgründung der Echtheit lösst ver- 
muthen, diK^. Panaitios den Kanon der sieben echten Dialofjo foslgostoIU 
hatte o. >. 'ju f. Pcrsaios hielt auch unter diesen den grosseren Theit 
für gefulächt Diog. II 61. 

4) Lucian paras. SS nennt die Dialoge {jiaxpol xal dnctot. Dieses 
Ortheil scheint man in komisch- drastischer «Weise (Diog. L. II 60 und 
dazu Welcker im Rhein« Has. I8SS S. 407, i7) auch so ansgedritckt zu 
ballen, dass man Äischines zum Sohn eines Wursthiindicrs dXXavTonubXrjt) 
machte (Aristoph. Ritt. 207 : 6 opdxojv -^dp dort jjiaxpov 5 t dXXd; au (xaxpöv) 
und diesem den Namen Xipivo; j,'iib. S. mich scho!. ni Arisfoph. FrOSOb. 
38i über Philokles, den Kinigo einen Sulm des Halniion nannten. 

5) In dieser h^tzten-n Hinsicht m liemt mir eliarakkribtisch, dass 
Ana&agoras bei Äischines socfiaxi^; hiess und dcslialb mit Prodikos in 
eine tinie gestellt wurde (Atlien. V p. SSO B]. Vgl. auch Zeller I 868 f. 
JLüm,* 



uo 



n. Die Blüihe. 



Dies und dass iWe dialogische Bewegung in ihnen nicht 
bei den grossen Massen stehen l)lieb sondern die kleinsten 
Elemente des Gedankens ergrifft), macht es begreiflich wie 
man im Alterthum gerade den Aischines als den echten 
Schüler des Sokrales beseichnen konnte ^j. 

F. Xenophon. 

Eine fihnliche Sngstliolie Treue, wie diejenige mit der 
Aischines an Sekretes hing und die ihn auf der Gedanken- 
bahn nicht Uber den Punkt hinauskommen Uess auf dem 
nach seiner Meinung Sekretes stehen geblieben war, finden 
wir auch bei Xenophon, der, wenn er als Schriftsteller das 
philosophische Gebiet betrat, eigentlich immer nur Historiker 
blieb und sich niemals zu selbständiger Reflexion erhob. 
Während aber Aischines zeitlebens mit seiner gesammten 



1) Bei Hermogenes in Rhet. Gr. ed. Spengel III 825 f. sind Aischines 
und Piaton die Vcrtrotor dos (o(cnc xaXo6(xevov eI">o; Smyoitix^ v. Zur Er- 
läuterung dieses Urteils wird der gleiche Gedanlce in verschiedener Form 
wiedergegeben. Bei Aristipp hat derselbe die Form der Behauptung und 
des Vorwurfs 8ti ol ÄvOpoarrot •/pT,fi.a-:a (xiv ä-o^.elro jat toTc iiaioiv, ^ztoT+j- 
[At^ hk 06 ouvanoXetrouat , r^jv ^pT)aof«.£vtjv toic ditoXettpOetot. Dafür sagt 
Xenophon: (tT ^dp ou jj^^kara ^uSiw* dnoXniftv tote «l>iAy icatoV» ÄX4 
«al iiRod)(fci)v T^v xtM()«otüvf)^ a^Tc Atoehfaifls altein gestaltet ihn tum Ge- 
spräch: icat, 7c6sa aoi yjiri][i.afm didXtiirv h n^-rf]p \ ^ iieXXi tna 
oö« ci»&p{ft(jiT}Ta ; rioXXiL, ib S(top«xt6> *Apa oiW «ol iin9r%it]pf diclXiici eot 

ä) Aristides IT S. 24 ed. Dindf.: dXX' cX Ttva« dtsttep Tzalio-i ojxo>« 
xa\ £ti(c'/j; ypi^ hi-ju^ frt](5lo\ti, 'prf\aios Aio^tvTjv £cux[>aTouc rapetXVj<pa(iCN. 
Freilicli hatte er sich auch als Rhetor versucht, wie theils Diog. II 69 
(vgl. dam Blau, Ati Berods. II 845, I*) theils die Rede anf die Thargelia 
(tctpl Tjj« 6ap7i)X(a€ X670« bei Fhilostrat. Epist p. S64 Kayser) bewetot; 
denn diese Rede nur für ein Bruehstttck ans dem Diatog Aspasla in 
halten, wie Hermann S. 18 nach dem Vorgang Anderor thut, haben wir 
meines Erachfens kein Recht, l'nd zw^nr ohmte er als Redner den Gorgias 
narh 'Diog. U f>:^ und Reispid l)ei Pfiilnstr. n ■\. O.V Kin treuer und 
echter Schüler des Sokralos liomite er al>er darum doeli lileiben: denn 
um von Aristipp, Anti-sthenes und dem Erotikos des Eukleides ganz ab' 
insehen, so würde ein so fanatischer VorkKmpfer des Dialogs wie Piaton 
kaum seinen Sokrates so* oft sosammenhllngende Reden haben halten 
lassen, 'wenn dies nicht der Gewohnheit des historischen Sokrates big 
zu einem gewissen Grade entsprochen hstte. 



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XeDophon. MemorabiUen. 



144 



Thätigkeil in den Kreis des Sokrates gebannt blieb, wurde 
Xeoophon durch seine tüchtige dem Praktischen zugewandte 
Natur in Bahnen gedrängt, auf denen Sokrates ihn nicht mehr 
fiUuren konnte. Xenophon der Jäger, der Beiler, der MililSr 
musste sich die Ideale, die sein Enthusiasmus audi hier nicht 
entbehren mochte, anderwärts suchen und Ihnd sie schliesa^ 
lieh im jüngeren Kyros und in AgesiUos. Biese beiden sind 
es daher neben Sokrates, die sein Leben regieren; in deren 
Dienst er auch sehie Sdiriftstellerei gestellt hat. 

Mustern wir jetit dieselbe. Yen den drei MAnnem, deren 
Vorbild flir Xenophon bestimmend gewesen ist, hat ohne 
Zweifel Sokrates den stärksten Einüuss auf ihn geübt, der 
sich deshalb in dem grössten Theil seiner SchriiXen sowolil im 
Inhalt als in der Form zeigt. Und das ist begreiflich theils 
darum weil Sokratt^^ von den dreien die bedeutendste Per- 
sönlichkeit war theiis aber auch weil er «im frühsten %\i 
Xenophon in Beziehungen trat und zu einer Zeit da dieser 
noch im bestimmun gsfühigsten Alter war. Wie sich hieraus 
erklärt weshalb Sokrates den Einfiuss der beiden anderen 
überwog und weshalb die Spuren desselben so weit über 
Xenophons Schriften verstreut sind, so wird es weiter aus 
demselben Grunde wahrscheinJich dass, je frOher eine Schrift 
Xenophons verihsst ist, desto stSrker darin jener Einfluss 
hervortreten wird. Von diesem Standpunkt aus wflrde das- 
jenige Werk, das gans eigens dem Andenken und der Yer- 
theidigung des Sokmtes gewidmet ist, die Memorabilien Memor» 
Xenophons erste literarische Leistung sein. Dass dieselbe 
in die Zeit seines Aufenthalts in Skillus fallt, darüber sind 
selbst solche einig, die über den besonderen Anlass dieser 
Schrift verschiedene Ansichten haben In einem memoiren- 
lustigen Zeitalter, wie etwa das unsrige ist, bedürfte es eines 
solchen freilich nicht: jede Ruhe, die in einem l»owegten 
Leben eintritt, würde für sich allein schon genügen um die 
Lust zum Aufzeichnen der Erinnerungen zu wecken. Auch 
die hellenische Literatur hatte tu der Zeit, da Xenophon 
schrieb, bereits Memoiren aufzuweisen, wie die betreffenden 
Schriften des Kritlas (s. o, S. 65, 4) und des Ion von Ghios 



Roqueite, De Xenophontto vlta S. 7t. 



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44S 



IL Die BlütkM. 



zeigen. Doch ISsst sich aus diesen spärlichen Symptomen nicht 
auf das Vorhandensein eines allgemeinen und verbreiteten 
Triebes der Art schliessen. Man wird sich daher immer nach 
einer besonderen Ursache umsehen, die Xenophon zur Ab- 
fassung dieses Werkes bestimmte, und sich nicht bei dem 
Gedanken beruhigen dass die Stille des ländb'chen Aufent- 
halte in Skiiius ihm die Möglichkeit gab, sich in die Ver- 
gangenheit zu versenken und aus ihr das Bild des geliebten 
Lehren henrerslelgen su lassen sich und Andern tu frischer 
und bleibender Erinnerung. Diese Änsidit Uber die Ent- 
stehung der Memorabflien wird ausserdem durch die Anfangs- 
werte derselben widerlegt^ in denen Xenoffhon tiemlich deut- 
lich es als seine Absicht beseichnet, durch dieses Werk die 
gegen Sekiates erhobene Anklage als unbegrOndet su be- 
weisen. Man ftfigt: welche Anklage? Denn die Anklage des 
Anytos und Meietos haftete damals, mehre Jahre nach Sokrates' 
Tod, schwerlich noch im Gedächlniss der grossen Masse, 
repräsentirte schwerlich noch die Meinung des athenischen 
Volkes, das sonst der Erstarkung und Ausbreitung der sukrali- 
schen Schulen mehr als wir hören entgegengetreten wäre 
und das überdies das Lob des Sokrates aus dem Munde 
nicht bloss von Philosophen, sondern auch von Rednern wie 
Lysias und Isokrates vernehmen konnte. Wozu also das 
Andenken an jene Anklage erneuern , wenn dies nicht von 
gegnerischer Seite gesdiehen war und so eine abermalige 
Vertheidigung des Sokrates nOthig scheinen konnte? Piaton 
verfolgte mit seiner Apologie Oberhaupt keine direkt apolo- 
getische Absicht sondern wollte allem Anschein nach darin 
nur wie üi andern sehier Dialoge die sich gleich bleibende 
Persönlichkeit des Sokrates in einer neuen Umgebung und 
Situation zeigen. Lysias dagegen, der eine wiridiche Apologie 
des Sokrates schrieb, liat dieselbe nidit gegen die verjihrte 
Anklage des Anytos und Meietos gerichtet sondern gegen die 
moderne Auffrischung, die derselben durch Polykrates lu 
Thcil geworden war. An diese Adresse werden sich daher 
Wühl, wie man langst vermutliet hat, auch tlie Memorabitien 
wenden*). Ist es nun wahrscheinlich, dass die Rede des 



1) Nachdem dies Cobet vermutbot hatte» ist dies in neuerer Zeil 



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Xenophon. Memorabilieo. 



143 



Polykrates bald nach dem Jahr 393 abgefasst ist'), so wird 
es üothweDdig in die nächste Zeit darauf die Xenophontische 



wieder bestritten worden, zuletzt von RcM^uette de Xenophontis vita S.67ff. 
Wenn derselbe aber gegen Cobet geltend macht, dass In der Rede des 
Polykrates IMnge standen, die Xeoophon nicbt berOcksicbtigt, so verglast 
er die MOgUchlLeit, daas derselbe eine Auswahl unter den Anklagepnnkten 

traf und nur die wichtigsten einer Wlderl» gung würdigte. Ebenso wenig 
kann ich es mit demselben Gelehrten aufTallend flnden, dass Poiylcrates' 
Name von X«nu>[)hon nicht eenftnnt wird. Dies orkliirt sieh aus der 
cigenthümlicheu Besohcinenheit du H Je, über die icti im Rhein. Mus. 
42, ii9t. gesprochen hübe. Danacli gab sich diese nicht als eine An- 
lilage des Polykrates, sondern hatte die Form der Rede, welche Anytos 
▼or Gericht gegen Sokratea hielt Aua derselben Beschaffenheit der Rede 
erklärt es sich ferner, dass es bei Xenophon, wo die Anklagepunkte er^ 
wihnt werden, heisst 6 ««id^|ttpoc und nichi, wie man bid einer 
erst von Polykrates verfassten und noch schrifUich vorliegenden Anklage 
erwarton sollte, '^Tjaiv 4 vtiTf.-'opo;: sei es nnn dass Xenophon wirklich 
die Rede fiir die vor Gericlit gehaltene ausah oder dass er mif die Fiction 
des Polykrates einging;. Man hat sich endlich daran geslosseii, (Boquetto 
S. 69), dass die Ankläger bald in der Mehrzahl erwähnt werden, oi "yp«- 
^d|jKvoi, bald auch nur von Einein die Rede ist, i f^a^d^oi* Aber auch 
dies Iteweist nicht, was es soll: denn die Apologie des Ubanlos, die, wie 
ich a. a. 0. Itewiesen halie, sich ebenfalls gegen die Anklage des Poly- 
krates und deshalb hauptsächlich gegen Anytos wendet, berücksichtigt 
doch daneben auch dessen Mitkläger und gebraiirht deshalb S. 3, M bei 
der Angabe eines Klagepunktes icpaaav und S. 5, 29 ouxol ^pootv. S. jetzt 
auch Joel Der echte und der falsche Xenophon. 

i) Zunächst freilich folgt aus dem Anachronismus, dessen sich der 
Sophist darin sehuldig gemacht hatte, indem er den Mauerhau Könens 
erwähnte, nur, dass seioe Schrift nach dem Jahr 3s>ä abgefasst war. Man 
kann alter nodk einen Schritt weiter gehen. Wie man ans dem Ana- 
chronismus des platonischen Symposions, der Erwühnung des ftiotittaiA^ 
von Mantinela, nicht bloss geschlossen hat, daas der Dialog nach diesem 
EreigniBS, sondern auch, dass er nicbt lange Zeit danach geschrieben 
sei, so darf man den gleichen Schluss auch hinsichtlich der Rede des 
Polykrates ziehen, Dass dieselbe n'cht lange nach dem Jnhre sy.j ah- 
gefasät sei, wird ^ut^h darum wahrscheinlich, weil, je mehr 7<'il seil dem 
Tode des SokraU'> verlloss, desto geringer der Anlass \suiiii noch ein- 
mal mit einer Anklage gegen den Philosophen hervorzulretea. Blass, Att. 
Berods, n IM, dem Roquette de Xenophontis vita S. 7S lusUmrot, setst 
die AbfiBMSung swischen tn and 3M und hält eine engere seitliche Be- 
ziehuDg derselben fiir unmöglich. In eine sn spttte Zeit die Schrift des 
Sophisten herabittrttdcen , emp6ehlt sich auch desshalb nicht, weil dann 
in demaelben Ilaasse auch die Xenophontische SchrUI spater und somit 



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444 



IL Die Blüthe. 



Gegenschrift zu setzen. Sie ist keine Apulügie im eigent- 
lichen Sinne des Wortes da dieser Name, wie es scheint, 
wenigstens in Ülterer Zeit den eigentlichen Reden vorbehalten 
wurde "■^j; eine apologetische Tendenz wird man ihr zwar nicht 
absprechen können, ihrem allgemeinen Wesen nach aber ist 
sie keine rhetorische sondern eine historische Schrift, £rinne- 
ruDgen aus dem Gedächtnis oiedergescbriebeii, wie das theils 
im Namen liegt theila toh Xenophon selber angedeutet 
wird^). Dem vagen Titel entsprechend ist auch der Inhalt 
sehr mannigiUtig: mit Berichten Ober Sokrates* Thun und 
Lassen^) wechseln solche Über seine GesprAche; so Jedoch 



in otoe Zeit gesetzt w«rden müsste, in der benlts doe oin&iigretclie 
sokratiflche Literatur vorliaiiden war, es aber nicht wattrsclieiiiUbh ist, 
dass Xenophon dieselbe, in der das BOd des SoVratee in allen Farben 

schillerte und schwerlich immer in einer Weise dargestellt war, die 
seine Billigung hatte, dann ganz unberücksichtigt gelassen haben würdo 
in ein(>Tn Werke, dn<> panz eigentlich die Absicht halte ,die Wahrheit 
über SokraU-s an den Tag zu bringen. 

fi Wie Krolm Sokrates und Xenophon S. H5 a. S. 4 47 uicint. 

2j Vgl. Rh. Mus. 42. 249. 

t) 'Aico{Avr,2Aovcu|Mrra scheinen sidi eben dadurch von 6ro[i.v-^(iiat« zu 
nntersdieiden, jene bedenlenf was man aus dem Gedlichtniss, diese 
was man sich xur Brinnemng niederschreibt (KOpke, Ueber die Gattung 

der dKO|ivijfiov£6tA5ti in clor griechischen Literatur. Progr. der Ritter- 
Akademie TU Brandenburg S. 4 (T.}. Dies wird natürlich durch Gellius 
XIV 3, der Xenophons di:rop.vyMov: Saara als »lihros commentarios« be- 
zeichnet. wHhrfnd sonst da«? lateiiusclie ocoi!Hii»'r(t;irius« dem griechischen 
UKOji.'^T^.u'A >^iioayui ist, nicht widerlegt, da iiiitcr rinem andern Gesichts- 
punkt die xenophonischen izo^sT^^l.. auch 'j::o{AvT^|ji,ata genannt werden 
konnten und tbatsttcblicb so genannt worden sind (S. meine Unters, su 
Cioeros pbilos. Sehr. II S. SS Anm.}. Auch Piatons TheaUet p. US A 
widerspricht nicht, obwohl hier sokratische Dialoge &i:o{Av^fftaT« genannt 
werdei! : tlt im su heissen diese niedergeschriebenen Dialoge nur, insofern 
sio na« Ii (i.'r in der bekannten Stelle des Phaidros vertrolonon Anschau- 
ung nur an die mumilirhen wirklich L'f»haltcncn Gespratli'- orinticru sollen. 
Hiernach ist theila tisr zu corrigiren. \va» ich a.a.O. beuKikl habe. 

4; 1 3, < tu; 0£ OT^ %n io'jxei jxot row; ^yvövTaj xä (ien Ipfj» 

^ticv6<»v oToc ^.v, xä Ik x«l At«XtY<i{xevo;, xo&tm ^ -^pw^^m 4ictfea 9v Sta(j-vt]- 

S} I S, 4 ff, lY 7 n. 8. Doch gehört das 8. Kapitel su demjenigen 

Abschnitten des Werkes, deren Echtheit bestritten wird. Vgl, noch II 8, 
4 ff., wo ebenfalls nicht ein Ccspräch mitgetheilt, sondern eniUilt wird, 
was KritOQ und Arcbedein thaten. 



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XtmphMM Memorabilton. 



445 



daBS diese leiiteren den Hauptraum eüinehmeDy eben weil 
in Urnen die EigenUiOmlichkeit des Sokrates am Meisten su 
Tage trat. Audi die GesprSche sind keineswegs gleichartig, 
da neben iLUrseren, die kaum noch den Namen von GesprSchen 
verdienen längere von einem Umfang erscheinen, der dem 
der kleineren unter den selbstfindig herausgegeben«! Dialogen 
wenigsteqs nahe kommt^). Man möchte sagen, dass in dieser 
xenophontischen Schrift zwei Literaturgattungen im Keime bei 
einander liegen, die schoD zu Xenophons Zeil, aber noch mehr 
später auseinander getreten sind, die Ciirien iXpsTai)') und 
die selbständigen Dialoge. Dem unbestimmten Titel entspricht 



4) Man vgl. die Ul itl raaamineiigeBtetiteii. Boispiclswelse hebe 

Ich herauü III 13, 4: KoXdloavroc H Ttvoc Isyucöi; dxöXouftov J^peto, t( 
T^oXcirafvot X4p icfdErovTt. "Ott, l(pT], i^^ttrioraTÖc ts öjv ßX.ax(aT«cöc ii^tt 

vcuv ->v7j(üN oeiTat, ou 6 HfduWf Vgl. auch Köpko, Ueber die Gattung 
der dno|*>T^|xo-«(6iAaTa S. 8. 

S} Dieser Art sind z. B. die Gespräche mit Kritobul II 6 und mit 
Enthydem IV S. 

S] Ueber die Chrien hat das'fifelsta «uammengestellt Rosa Aristo- 
teles Pwad. S. S14 1 Vgl. Aristoteles fragm. ed. Heits S. Ihre Ver* 
wandtschaft mit den dito|«vY)|MMi6(utta erhellt schon aus dMi ebeada aa> 
geführten Deflnitionaa der Rhetoren, z. B. des Hermog. progymn. e, 3: 

•cofxov £/ov OTjXcuaiv, tüs £r ~tj z/-£io-:ov, y [i-rjotfjiou Ttvoc fvtxor. Vgl. Röpke, 
Ueber dir (iatlung tler a-ouvT,a. in der jiriechischen Literatur S. 4. E, Weber 
in Leipzig, btudd. X S. 83. Ciirien erscheinen schon in dem ijchriften- 
verzeidmisse Aristipps liei Diog. II S4 a 85. Doch ftifgt es sich, ob 
derglelcheo Sammlnngeii nicht schon früher Toraostaltet ivonlan sind; 
hierdurch wird die Ansicht von Ferdinand Dttmmler widerlegt, der Antisth. 
S. 70 den tCynilcer Metrokies für den ersten Herausgeber von Gbrien 
hält (ebenso Susrniihl Alex. Liter. I 34, 93). Seateaxea und mehr oder 
minder witzige üirt;i hi dirsen oder jpnen Namen geknüpft, waren bereits 
\\;ihrtMid des fluiUei) Jahrhunderts in aller Munde. Auf einen Aussprucli 
Aristodems bezieht sieh Piudar Islhm. auf einen des Pittakos Simo- 

nides» (fr. 5, 8 Bergk,. kleine Gespräche des ietztcreu ina i'ausanias und 
Hieron waren bekannt (Schneidewin Simonidis relL S. XIX; und eins 
davon gab vemmthUch den Anlaas so Xenophons Hieron (Schnddewln 
a. a. 0. & XXI). Chrienartig ist das von Ion mitgetheilte Gespräch des 
Sophokles (s. o. S. 38). Chrienartiges findet sich anch bei Herodot (s. o. 
S. 40 f . \ Vielleicht haben auch fu dieser Art von Literatur die Sophisten 
den Anstoss gegel>en und insbesondere die Ausspruche der Sieiieo Weisen 
gesammelt. 



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146 



II. Die Blttlhe, 



die geringe Ordnung, die ehen die von Memoiren ist und 
aach in modernen Werken derselben Art keinen hohen Grad 
erreicht >). Es ist dem Verfosser nur um die Mittheilnng 
dessen su thun was er weiss; einen bestimmten Zweck, der 
gemeiniglich erst eine bestimmtere Anordnung des Inhalts 
hervorzurufen püegt, verfolgt er nicht Den reih historischen 
Charakter der Schrift zu bestreiten kdnnte man vielleicht 
daher ein Recht nehmen, weil sich Unhistorisches in derselben 
ßndet. Hier ist aber zu bedenken, dass Xenophon ein Histo- 
riker iü der antiken Bedeutung des Wortes sein wollte und 
in diese nicht eine so 3ntj,>tlii he Treue iui Anschluss an das 
wirklich Geschehene eingeschlossen war (Quiutilian. 4. 19), wie 
wir sie heutzutage unbilliger Weise wohl fordern, aber nie- 
mals lei&tcn^]. 



1 ] Unnütbigerweiso hat man sich an diesen Mangel an Ordnung ge- 
stossen. Bei Krobo Sokrates und Xeoopbon S. 84 f. toi dies einer der 
allgemeinen Gründe» um deretwillen er die MemorabUIeD nidit für eia 
echtes Werk Xenophoos lUÜt sondern giaabt,' dass sie stark inlerpolirt 
seien; und auch Schenitl 6er. d. Wien. Ak. SO iSsst sich von den- 
seilten Bedenken leiten, wenn er z.B. S>4l9f. und $.134 die rechten 
Ueborgänge zwi<< lu-ii einzelnen Abschnitten vermisst und lediglich deshalb 
an diesen Stellfti die Ueberlieferung unseres Textes für lückcnhafl httlt. 
Man sehe aber tMimial. ob in Lucians Demonax, der dix 1» nach des Ver- 
fassers eigenen Wollen am Schlüsse tayta dXiya rdvu ix -oÄXüjv ättcjjivTj- 
{iö-veuos cbenfaliä unter die Gattung der (iT:o{jivT];iiove6{AaTa gerechnet werden 
dari; eine bessere Ordnung lierrscht. Nach Aristtdas Rhetor II It, SS 
(S. 5K4| S7 Spengel) gehört Mangel an Ordnung mit snm Wesen von 
dito|ftvi){&«M6(MtTa — eine Ttieorte, die allerdings mtfgUcberweise eist 
von den Xenophontischen Memorabilien abgezogen isi Eine gewisse Ord> 
nung hat wenigstens für einen grossen Thi ii dt r Moniomhilicn neuerdings 
nachzuv.tM'^rii versiirht Th. Rirt Do Xenopbonti& coo)nientar. Socratic 
compusiliune Marburi:. PrtiL;r. ^893. 

2 Dass die Mt-iuurahilien Lnhistorischcs enthalten, hat numentlicb 
Schenk! in den Xenophont Stud. Der. d. Wien. Ak. 80 S. 1 48 f. ausgesprochen 
und sie deshalb als Wahrheit und Diebtung besetchnet» Bs versieht siA von 
selber, dass so umfangreiche Dialoge des Sokrates, wie sie dort mitgetheilt 
werden, nicht genau mit den Worten mitgetheilt werden konnten, wie 
sie aus Sokrates' und seiner Mitnnterredner Munde kamen, wenn Xeoo^ 
phon sich nicht wahrend derselben die nöthigen Aufzeichnungen gemacht 
halle. Das (lodat htniss allein vermag so viel nicht f«*>t7iilialtpn Tnd 
dnrh hezeicluirt \rnophon dieses ! 3 i ids die fiiiziyc yucllc seiner 
Natliiichteu; wie er denn überhaupt komoswegs den Leser tausehen will, 



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XttDopbons Olkonomlkos. 



447 



Lassen wir die Memorahilien als die trübste der sokrati- 
sehen Schriften Xenophons gelten, so zeigt sich in der Ent- 
wicklung seiner Dialoge dasselbe Gesetz, das wir in der 
Geschichte der BoJuntiseheD Uteraiiir überhaupt beobachten: 
auf die historbchen Dialoge , die wirkliche Gespriche des 
SokrateSy so treu als man es vermochte und als die antiken 
Leser es yerlangten, wiedergeben wollten, folgten andere 
die sich immer weiter von dem Boden der Wirklichkeit ent- 
fernten und !n denen die Person des Sekretes mehr und 
mehr zum Träger wurde Air die eigenen Anschauungen des 
Schriftstellers. Nach diesem Gesetz scheint sich an die Me- 
Lüorabüien der Oikonomikos angeschlossen zu haben ^J. Der D«r Oikouuuii- 



sondern IV G, 13 mit »ungefähr so (aioi ro»; habe Sokrates i^e- 

sprocben« dem Glaui^eti an die buchstäbUcho Genauigkeit dessen, was 
er seinen Lehrer sagen lasst. entgesjentrilt. Er wird die historische Wahr- 
heit seiner Gespruche uiit deniselbeii Maassstab geinessen haben wie 
Tbukydides die »eloer Beden. Dam er sich, wie Schenkt a. a. O. S.449 
will, nicht gMcheat habe dem Sokrates seine eigneo Anschauungai 
den Mimd »i lagen, folgt aber daraus noch nicht — Noch ehi anderer, 
MusserUchor Umstand k<}nnte dafür zu sprechen scheinen, dass wir es 
in den Memorahilien nicht mit einer historisclien Schrift 7.u thun haben. 
Die Historiker der älteren Zeit scheinen, wie wir es von Iii k tf uo?», Herodot 
und Tbukydides wissen, ihre Werke damit begonnen zu hai)cu, dass sie 
sieh selber durch Nennung ihres Namens »Is Verfasser IjHskannten; und 
diese Sitte, die allerdings nicht bloss auf historische Werke beschrankt 
war (Loheck Agl. 1 7i2<^ vgl. u. 4 50 Aum.) ist doch hier besonders zu billigen, 
weil gerade die Glaohwttrdigkeit des Historikers viel von seiner Persi^nlich- 
keit ahUingt. Wenn also Xenophon es unterlSsst sich den Lesern der Hemo- 
rahilien gleich Anftings in dies«' Weise voranstellen, so kann dies allere 
dings aud^llea. Auf Xenophons Scheu in eigenem Namen vor das Publikum 
7.n tretfn. um statt dessen einen Anderen, wie z. B. Thcmistogenes Roquette 
de XfTsoph. vita S. fi'« fT.- vorzuschieben, wird man aber die> nicht ru- 
ruckfuluen wollen. Ebenso wenig »nI es nölhig mit Linckt? im llerni. 17 
S. £82 daraus zu schliesscn, dass Xenophon die Memorahilien nicht selbst 
veröffentlicht habe. Vielmehr hindert nichts anzunehmen, dass dieselbe 
Welse, die wir hei späteren Historikern wie Polybios finden und wonach 
der YerCusseniame lediglich durch den Titel beseichnet und nicht in die 
Darsl^long selbst hineingezogen wird, einen Vertreter schon In Xenophon 
liabe. 

i) Ich weiss recht wohl, dass ich damit den Ausführungen Dittcn- 
bergers im Hermes XVI 330 I. ent^ej^enfn-te. der den Olkonomikos für 
die ältc.<;te unter allen «änknUisihen Schriften halt, hh weiss auch, dass 
diese Ausluhrungeu Dittenl>ergers vielen Beifall geiunden hüben und dass 

40* 



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448 



IL Die Blülbe. 



Verfasser selber hat diese Schrift in einen äussern Zusamnieo- 
liang mit seinen Erinnerungen an Sokrates gesetzt Trotsdem 



ihre Kes^ullate, insoweit sie speziell Xonophon betreffen, in neuster Zeit 
von Roqueltf*, De Xrnnphonti^' vitti S. ;{5 tf. , vertheidigt worden 
Trutzdem kmu\ ich mir sie nicht aaeignen. Was das Allgemeine betntH, 
so verweise ich auf die vorstündigen Gegenbemerkungen von Frederkiiig 
in Fleckeis. Jahrb. S. 534 ff. Denselben möchte ich nur Eins hin- 
sufttgen: Dittenberger bat die Frage aufgeworfen, wie sieb das {»Kftslicbe 
AuHavMihen der ParUkel-Verbindung t( (a^v In den platoniscben Dialogen 
erkläre, und als Antwort bierauf auf Piatons sicUischen Aufeirtbalt bin- 
gewiesen (a. a. 0. S. 334 f). Aus dw Conversationssprache der sicilischen 
Duritr soll diese Wendung stammen. Out! Aber wie hat sie donn 
Xenophon kennen lornt n , der doch nie in Sicilien wnr? Wenigstens 
AthtMi. X 4i7 F \t;l. RoijuctU' S. 78) wird man doch nicht ids ein Zeug- 
niss gitllc'u lassen, dass auch vv an den Hof des Diunysios gekommen ist. 
Hier scheint mir eine bedenkliche Lücke in der Argumentation Ditten* 
bergers zu sein. Was nun insbesondere den Oik<Hioaiikos betrifft, so 
soll derselbe vor den Memorabilien verfssst sdn, well in ibm die Partikel^ 
Verbindung p.*^, für die die Memorabilien bereits Beispiele bieten, uns 
noch nicht begegnet (üittentk a. a. 0. S. 831 ). Roquottc, der diesen Schluss 
billigt, setzt nun die Memorabilien zwischen die Jahre 384 und 380 
(S. 72), don Oikonomikos nach -as" (S. 67;. Man muss doch billig frngon, 
welche Idiosynkrasie Xeiiophim bewou. sich bis zu dem angegebenen Zeit- 
punkl dieser unschuldigen PaiUkel- Verbindung ganz zu enthalten, oder 
was ihn plötzlich auf andere Gedanken gebracht hat, dass er nach Ab- 
lauf von drei, böcbstens sieben Jabren anfing sieb ibrer fu bedienen. 
Bbe man uns zumutbet xu glauben, dass so kurse Zeltabsduiitte für die 
Gescbicbte derartiger Partikeln eine wabroebmbare Bedeutung beben, 
sollte man dahin zielende Versnobe erst cinmrd an ehum modernen 
Schriftsteller anstellen, wo wir über die Chronologie der Schriften genau 
unterrichtet sind. If h plniihe ;d)er, man wird hier kaum den Muth hal»en 
mich nui zu der VürausselzuiiL; , diisn eine Schrift, weil sieh in ifir die 
l'aitikei -Verbindung «aber iluch** weniK oder gar nicht liudel, in die 
Jahre zwischen 1870 und 1880, eine andere, in der sie hUuliger wieder- 
kehrt, nach dem zuletst genannten Jahre zu setzen sd. Auch soHte man 
zur rechten Würdigung solcher statistischen Beobachtungen die Bemei^ 
kung nicht Übersehen, die Lachmann einmal in einen Brief an Lahrs 
eingeflochten und Friedländcr Die homerische Kritik von Wolf bis Grote 
Vorwort S. VII veröffentlicht bat. 

1^ Dass der Oikonomikos nur ein Theil der >feriu)ral)ilien und als 
^nirhcr Non Anfang an von Xenoplion i:i-(lai hl w ni dru >ci, sclieint mir 
eine Annahme zu sein, die sich nicht hallen lasst. ist da s also die An- 
sieht von Diudorf pruef. in Xenuph. Mcmor. S. XIV, Schenkl, Wiener 
äilxungsber. 80 S. 447 (T. u. A«, so muss ich ihr widersprechen: denn 



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Xcuophons Oikoaomikos. 



U9 



ist sie vvoseatlich davon verschieden und steht in dor Entwick- 
iiiiijg des Dialogs auf einer anderen Stufe. Das ia ihr mil^etheiltc 



der üiküüünuko> uiU« m si heidet sich Iheils durcb seinen llmrang, Iheils 
durch die kunslvullere Art, mit der in ihm dus Gespräch zwischen Sokra- 
tes und Iscbomachos von dem anderen zwbdieii SÖkmtes und KritobuloA 
eingeleitet wird, so bedeutend von den in den Memorabilien mitgetheUten, 
daas er nmntfglidi mit denselben uraprQnglich ein Ganzes gebildet haben 
kann; ganz abgesehen davon, dass oin Gespräch, das uns nicht sowold 
die Meinung des Sokrales als diejenige des Isrhomachos mittheilt, zu der 
apoloizclischon Tendenz der M'-nrnriibilitni , der nur dl«- eipmifn Aousse- 
ruiiiion des Sukratcs dienen kurincu , iii' ht passen w urde;. ISuu scheint 
aber der Anscbluss an die Meniurabiliiii durch die Anfangswortc des 
Oikonomikus : f/xousa Ii kots airoO xat repl oixovojAlai Toidoe oia}.e']fO{jiivo'j 
gefordert xn werden. Dittenl)erger, dem dies nntiequem war, da ihm 
dnrcb seine Unteranchiingen die Abfassung des Oikonomikos vor den 
llemorabitten feststand, hat deshalb jene Worte für eine Interpolation er- 
klärt (Uennes 16, 331) und hält den Oikonomikus für einen durchaus 
selbständigen Dialog nach Art der platonischen. Wie ^vi^ uns dann aber 
in den Worten, die dann den Anfang* bilden würden liTzi (xoi, Ijt], u» 
Kpt-rißouXe das l-chlcii jedes Subjekts zu &<fi] zu erkiiiren hnhen . Iial er 
uns nicht gesagt. Roquette a. a. O. S. 73 f. meint auf <lie Aiuialuuo 
einer Interpolation verzichten zu können, da trotz der Adversativ-Par- 
tiltel &i die Worte i^otra« H der Anfong einer selbständigen Schrift sein 
könnten. Um diese sehr gewagte Vermuthung zu begründen, verweist 
er anf Heraklit und Pliilolaos, die beide ihre Schriften in gleicher Art 
bepoiinen hätten, dabei übersieht er aber, dass gerade Aristoteles die 
l»etrefirenden Worte Heraklit»? ohne das fragliehe Zi ^ibt: sodass, wenn 
man hieranf Gewicht legen wollte, nur das Frafiincnl tles Philolaos, ein 
unechter liri»'!' des Pythagoreers Lysis (v^l. S<luist<M , Heraklit S, 3li3, 
Nachtrag zu p. ^ä} und der Anfang zu lona Iriaguud ^liarpukraliun u. 
'lurO übrig bleil)en würden, gewiss uicht geuügend, um etwas so Lner- 
httrtes, wie ein derartiger Anfang sein würde, glaubhaft zu machen. Ein 
Fall ganz anderer Art ist es natUrlidi, wenn Anacharsis in dem nach 
ihm genannten Dialog Lncians das Gesprllcfa mit tetür« 6j»rv xtX. be- 
ginnt. Audi der Anfang einer hippokratischen .Schrift, von der Heitz 
in Müllers Gr. Literatur^;es( h. II ÜO. 2 sj)ri< ht. lösst sich nicht vergleichen, 
vgl. noch xai (xt^v zu .Vulaiii; \nii Dio Chr\s. or. 6i r^lc zu An- 
f.<ii-' \>>u or. 12 u, dazu Aiiiiin im iicnri. i6, 388 u. 397 fT. . Alter das 
mag immer in den Worten Heraklits gestanden haben, so iiuiuilen die- 
selban von Allstotales als der Anfang der Schrill auch dann noch be> 
zeichnet werdm, wenn ihnen eine ganz kurze Einleitung voranging 
(Schuster a. a. O. S. 44 f.). Um so mehr, wenn diese Einleitung nicht 
zur eigentlichen Erörterung gehörte, sondern lediglich die kurze Angabe 
Über den Verfasser des Buches enthielt: denn dass dies in ttlterer Zelt 



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150 



II. Die Blüthe. 



Gespräch bleibt, auch wenn wir die Zusfitse des spSteren Re- 
daktors 1) ausscheiden, immer noch so umfangreich, dass wer es 
verfasste, nicht einmal die Absicht haben konnte historisch treu 
auch nur im antiken Sinne des Wortes zu sein; und ausser- 
dem weist auch die Art, wie Sokrates hier in einem Ge- 
spräch mit einem Andern diesem ein (iespräch. das er mit 
einem drillen, mit Ischomachos '^J hatte, wiedererzählt, auf 
eine kunstvollere Gestaltung des Stoffes als wir vom blossen 
Berichterstatter erwarten. Nimmt man hinzu, dass auch die 
Gegenstände, um die sich die Unterhaltung dreht, der prak- 
tischen Lebenssphare entnommen sind, in der auch Xenophon 
und vielleicht noch mehr als Sokrates zu Hause war, so wird 
es sehr wahrscheinlich^ dass In diesem Dialog im besten Fall 
Wahrheit und Dichtung gemischt sind und der in ihm auf- 
tretende Sokrates In der Hauptsache nicht der historische, 
sondern nur eine Maske ist, unter der Xenophon seine eigenen 
Ansichten vorträgt. 



rino vorbrcilete SilUi war. lassl sicli diin }\ so zalih eiche Ueispielu belogen 
(zu den von Lobeck Agl. I lii^ [o. S. 147 Aiim.] angeführten kommen noch 
Antloeho« von Syrakiw bei Dionys. Hai. Antiqa. Rom. I ti [vgl. Krüger zum 
Thukyd I 1, 1] und verrouthoDgsweise der Naturpbilosoph Anaximander, 
wenn dieser wirklicb In seiner Schrift sein Alter sof 64 Jahre angegeben 
battOf vgl. O. MUller, Gr. Liter. I 489. Zeller, Phil. d. Gr. V ISS, S), dass 
man es für eine iilltjcmcine Sitte halten möchte. Weist hiernach der 
Oiki»rif)!iMk(i.s durch seinen Anfang auf einen An.s« hlnss an di«- Memora- 
i)ihen, kann derselbe nlior inif der iindorcn Svür Mu h nicht in eiiu-ni 
Zuge mit den übrigen (ioprächen dieses giussereu Werkes ent*standen 
»ein, iH) bleibt nichts weiter übrig ab diu .Vonahine, dass er von Xeno- 
phon später verfiisst, aber als ein Anhuig an die Memorablllen gedacht 
sei, gerade wie Piaton dem Tbeätet den Sophisten iwd der Republik den 
Timaios in gans flusserlicher Weise nachträglich angehängt bat (vgl. Th. 
Birt, De Xenophontis commentar. Socratic: compositione, Marburg. Progr. 
4893 S. XIX u. S. X.K fT). Das Zi, wodurch die ein7.elnen Bttcher der 
Perif»Ere«^o des Pausnnins mitiMnander verknüpft werden, kann verglichen 
werden iliurlitt. l eher Pausanin< S. Gi); verglichen kann auch werden 
(Iiis ä).Xd z« Anfanii des Symp i-iou und der Schrift vom Staate der Laced., 
worüber ."^t Imeiiiewin zu liyper. f. Eu.\en. p. 3, 3. 

i] \'^\. Llncke, Xenophons Dialog, zifi oixovo}i.ia;. 

Dieser Ischomachos ist doch wohl identisch mit dem Manne des- 
selben Namens, von dessen Zusammentreffen mit Arlstipp In Olympia 
Plutarch de curios. d p. 546G berichtet. Ich weiss nicht, ob dies schon 
bemerkt worden ist. 



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Xenuphons 5yuipoMoo. 



154 



In einem Shnlicben losen Zusammenhange wie der Oiko- Sympoiioo. 
iiomikos steht mit den Mcmora])ilien das Symposion, das 
einzige Werk in der Literatur nut dem Xenophon llpoche 
gemacht hat. lh\^ üastmabl, welches darin gescf ildt it wird, 
fand im iiause des reichen KalUas Statt und imter den Theil- 
nehmern desselben treten am meisten Sokrates und seine 
Schüler, x. B. Antisthenes, hervor. Einen Dialog dieser Art 
itt verfassen konnte Xenophon einen dopp<>Iten Grund haben. 
Der eine, den er selbst su Anfang seiner Schrift ausdraeklicb 
als solehen beseichnet'), war die Absicht Sokrates von einer 
nenen Seite su seigen und während ihn uns die IfemorablUen 
in ernsteren Lagen des Lebens als Lehrer und als Berather 
vorf&hren, die Bedeutung seiner Persdnlichkeit dadurch erst 
in ihr voUes Ucht su setsen, dass er sie auch bei Spiel und 
heiterer Geselligkeit hervortreten liess. Der andere Grund 
liegt in gewissen socialen Yerhäilnissen. 

Nicht bloss im Leben der Griechen, wie man gesagt hat 2), Bedt^utong 
spielen die Symposien eine hervorragende Rolle, sondern "^^^J^ä* 
allen Völkern, die einer edlereu (iix lligkcil f^hig sind. Ks 
scheint, dass das sinnliche Behagen, das sich mit Essen und 
Trinken verbindet, die Genussfahigkeit Uberhaupt steigert und 
wie es die Zunge löst, so auch die Krlitlte der Phantasie und des 
Verstandes su freierer Entfaltung bringt. Wenn bei den Deut- 
sehen der alten Zeit Musik und Poesie tur Tafel gerufen wurden, 
um die grossen Theten des Volkes su feiern, wenn ähnlich wie 
bei den Persera') die wichtigsten Fragen des Volkes, der 
Gemeine, der Familie, Krieg und Frieden beim Becher be- 
rathen, Vertrüge und K8ufe abgemacht wurden *) ; wenn Luther 
in den Tischreden in seiner klugen und kräftigen Weise sich 
über Alles äussert, was sein und seines Volkes Herz hewecle; 
wenn in den französischen Salons des achlzehnten .hiiirhundorls 
die Diners dur( h lebendige Streit- und Wechselreden gewürzt 
wurden, an denen sich Männer wie Diderot und d'Aiembert 

a) Welcker, kl. .scüi. II 

8) Athen. V 4 98 C: ift ivtotc Ik wtl t&v Ilepotx&v w^tmim^ ifbwc6 
K) Weiohold, Die deutsclieo Frauen U* & iset 



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i52 



11. Die Bluthe. 



betheiligteni;; wenn es auch bei den Juden zur frommen 

Sitto gehörte Tischgespräche über die Torah zu Itlhren^), wenn 
dem eotsprecheiul der Stifter der christlichen Religion in 
.seinen Tischredon vom Brot und Salz, vom alten und neuen 
Wein, vom iiiiirl>eii und festen Schlauch, vom vornehmen 
und c;<'ringcn Platz, von der geniuschvoUen oder stillen Gast- 
frcundschuil Anlass nahm zu den tiefsten Sinnsprüchen, wie 
der Denker des Morgenlandes sie liebt so sind dies ebenso 
viele Symptome der weitverbreiteten uralten Neigung und 
Fähigkeit des Menschengeschlechts sich Ober alltägliche 
Sinnesgenüsse xo erheben und daraus einen bleibenden 
> geistigen Gewinn zu ziehen *), Die Griechen werden in dieser 
Beziehung keine Ausnahme gebildet haben: wir dürfen dies 
um so mehr erwarten als ihnen in seltenem Haasse ilas Talent 
eigen war Sinnliches mit Geistigem zu durehdriogen und zu 
verklären. Dass Gesang, Saitenspie) und Tanz die Zierde des 
Mahles sind, weiss schon Homer (Od. 4, 452. 21,430) und im 
Gegensalz zu barbarischer Skythensitte war der Grieche stolz 
darauf, dass bei ihm die Lust des Weines in schönen Liedern 
austönte (Anakreon fr. 64 Bergk) Auch mit Räthseln und 
verwandten Scherzen wurden gewiss schon frühzeitig die 
Symposien gewürzt*); wie man auch schon früh d. i. schon 
in der Zeit der homerischen Sänger in Speise und Trank eine 
Nahrung nicht bloss des Leibes sondern auch der Weisheit 
und des Verstandes erblickte, durch die selbst die ernst- 
haftesten Erörterungen nur gefördert werden konnten (Homer 
IL 9, 89 ff. Plutarch Quaest. Com. VII 9). Herrschend wurde 



I) Uettoer, Llteraturgescb. II S. SSt, S86. 

8) Hausrath. Neutest. Zeitgescb., I 79, 

3) Hausrath, Nrutrsl. Zeitgesch,, 1 849. 

4) Cieern nd fiini IX i4, 3: sf«rinonP — fainilinri, qui est in con- 
viviis duicissitiuis, ul s;i|iifnt!in'- iidstii <fns»m <iraeei: Uli ay|xT:öa!7 huI 
aivcsinva, id fsl conp«»! itmii» > aul cuuccuuliuiics , nos «cunvivia«, quod 
tum ni u X i m e ä i lu u l \ i v 1 1 u i . 

5} Winten» Deutung der Ixuötxf^ rösu scheint mir freilich gesucht, 
Jahrb. des archäol. Inst. VIII (1898) S. 158. 

6) Hermaon-BlUmner, Griech. Privatalterth. S. H9t 4. HeroduL VI 
129: Qi; Zi dizh oeCrvou ifhtwto, oi |AW]9rl)pi« Iptv ci^ov d|Afl tt (MNioix^ 



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XenophoDS SymposioD. Bedeutung der Symposien tün Leben. 453 



dieser letztere Gedanke') in dem Zeitalter, das in der grie- 
chischeo Geschichte als das Zeitalter des Verstandes bezeichnet 
werden könnte und gemeinhin das der Sophisten zu heissen 
pflegt. Ueberau brach man damals mit der Tradition, Überall 
scJirSokte man das Reich der Phantasie und Empfindung ein 
und liess den reflektirenden Verstand walten: auch bei den 
Symposien. Die Frese tritt auch hier an die Stelle der Peesie^]. 
Pheidippides, an dem uns Aristophanes die Wirkungen der 
sophistischen Bildung gezeigt hat, will nichta davon wissen, 
dass man beim THnken die Githar spielt und singt; SchlSge 
verdient nach seiner Ansicht wer so etwas noch in Vorschlag 
zu bringen wagte Und wenn die Führer der geistigen 
Bewegung, die Sophisten, Protagoras an der Spitze, sich in 
dem Hanse ihres Macens. des reichen Kallias. zu Mahlzeiten 
und Symposien versammelten, wie wir dies aus den Schmeich- 
lern des Eupolis schiiessen dürfen, so geschah dies nur dem 
genannten Komiker su Folge in schmarotzerischer Absicht; 
mit mehr Recht werden wir den eigentlichen Zweck dieser 
Zasammenkflnfte und ihre Hauptwflrse in den geistreichen 



i] Doch haMe schon der Philft«»ph Xrn(»[>liaiics auf eine Reform 
der Symposien gedrungen, indctii ii zur Lulerliaihm!; wührcnd der- 
selben Ge&präche iibur die Tugend empfahl. S. Welcker, Kl. i>cbr. 11 
S. 216. 

t) Difis hat Im Weseoillchea schon richtig bemerkt Wieland in 
dem Aafeats Uber Xenophons Gastmahl im Attisch. Mus. IV S S. 99 IT, 
wo er unter anderem Folgendes sagt: Matttrllcherwelse mossten unter 
dem gebildetsten Theil des Attischen Volkes nicht nur die Unlerlialinngen 

in den Cffcntlicbcn Hallen, l'nterrcdungi^iittlen (Xio^^at) und ergangen, 
sondern selbst die Tisrhcrc^präche (wobei ehemals wohl aieistens nur 
Korn^^ Htid Riicclius den Ton angegeben hHtlen) sowohl in Ansehunp des 
Stoffes als dci Forin durcli liie vorerwähnten Umständt' cme ganz andere 
Beschadenheit erhalten. AiisLalt dass man sich ehemals bloss mit poli- 
tischen Yorfallcnhcitcn, neuen Gesellen, Rechtshäudelo — — - — unlei'- 
hielty war jetst in der guten Gesellschaft (wenigstens viel häufiger als in 
vorigen Zelten) die Rede von Philosophie, Literatur und Kunst; und da 
die Sophisten das Reden für und wider eine Seche — — — zur Hode 
gemacht hatten: so lässt sich leicht erachten, was für eine Wendung 
die gesellschafllicbe Unterhaltung unter so geistvollen und genialischen 
Menschenkindern, wie wir die Athener kennen, durch diesen Um- 
stand habe erhalten nnissen. 

3) Aristoph. Wolken 4 357 «. und dazu schol. 



154 



iL Diu Blutbe. 



dabei grl'iihrten Gesprächen suclitMi '), Auch in dieser Beziehung 
sind Sokrates und auch die Sokratiker Kinder ihrer Zeit und 
stiiiiiiu n mit den Sophisten überein. Und insbesondere tritt So- 
krates hier wieder einmal seinem sirossen Geistesverwandten 
unter den Philosophen, Kant, nahe. Derselbe erklärt es in der 
Aothropologie (WW. von Uartenst. 7, 600) als ungesund fUr 
einen philosophirenden Gelehrten, allein zu essen und meint 
ebenda (a. a. 0. 601), dass Männer von Gesehmack bei ihren Zu- 
sammenkOnften nicht bloss die Absitzt hStten, igemeinscliaftlicb 
eine Mahlzeit, sondern einander selbst zu geniessent. Ausserdem 
eifert er (a. a. 0. 602) gegen Tafelmusik als eine Barbarei 
Nun hat Sokrates allerdings gelegentlich der alten Yolkssitle 
ein ZugestSndniss gemacht, wie ja nadi der platonischen Schill 
derung die Stärke seines Talents und seines Charakters eben 
darin hervortraten, dass sie den verschiedensten Verhältnissen 
und Anforderungen sich gewachsen zeigten: daher Hess ihn 
EupoUs in einer seiner Komödien (fr. 361 Kock) bei einem 
Symposion, wie dir IW iho nn ihn kommt etwas vorzutragen, 
ein Lied des Stcsichorus zur. Leier singen. Aber das Gewöhn- 
liche war dies keineswegs, sondern bei den Mahlzeiten, die 



I) Es ist daher ein deiu wirklichen Lehen jener Zeit eutlehnter 
Zug, wenn Eryximachos In Platons Symposion p. 476E den Vorschlag 
macht die Fitftenapleierln zu entfernen und sich mit Reden su unler- 
balten. SklavenmSssig nennt Libanios die Symposien, bei denen nicht 

{geredet wird, Apol. Socrat. 26, 21 (ei fiiv oüv xdvtaüJ^a aicuTtav vo}xoHTtl 
xeXeuwv dfdbivauc iodistv xal rtveiv, dv^i^aroocb^v] notel Td 9U(jLT:(iata rSn 
iXeud^pcov YiiTf/t »/.erpetv dvafxdCtnv td; ouvouiti;); und da or in seiner 
Schrift sich jicK»-*« die Rcfl.' d(S Polykralcs wendet und zum Theil 
der Apolojjjf de« Lysias hupft ^Khcin. Mus. hi, 239 fr.i, so kann ><'iii 
Irtlieil lieiiuUl werden, um die Anschauungsweise der Zeit kennen 
lernen, von der hier die Bede ist. Auch Buripides, der doch derselben 
Zeit und dem gleichen Kreise philosophisch'sophistischer Bildung ange- 
hörte, erkUirt sich Med. ISO ff. dagegen, dass man die Mahle durch Musik 
zu würzen suche. 

S) Der Gcschmtick ist rhon verschieden nach den Menschen und 
Zeiten. Mit Kiuil zieht aui Ii Murtial eine Malilzoit ohn.' Musik vor Ep. IX 
77, 5: Quod Optimum sit quaerilis conviNiiimy In (juo i hoiaules non 
crit is. dazu FriedlJinder). Andere wollten hU von u-dflirloii imhI 
philosophischen <jesprachen wissen, wie ^icll aus IMularch ^uuoüt. i>)uip. 
I I ergibt. Derselben Ansicht ist auch Janus Comarius de oonvivils 
(Baseler Ausg.) $. S9 ff. 



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Xeaopbons Symposion. Bedeutung der Symposien Airs Loben, 455 

fr gemt in schalt lieh mit seinen Sciiülern abhielt M, ttihrle er, 
wie wir aus Xenophon wissen Memor. III i4), Gespräche auf 
seine Weise d. h. immer mit einer gewissen philosophischen 
TendeDiy and noch entschiedener bekennt er sich zur An- 
sehaanngsweise seiner Zeit im platonischen Protagoras (p. 347G) 
wo er niedrige und gemeine Menschen nennt, die bei den 
Symposien sich nicht Unterhaltung im CresprilGh sn schaffen 
wissen nnd dam der Flötenspielerinnea und Tfinserinnen be- 
dürfen 3). 

Obgleich Sokrates mit diesen Änschanungen nur anf 
dem Boden seiner Zeit stand, mochte doch Manchen anch 

das eigenthfimliche Wesen des Sokrates darin hervorzutreten 
scheinen, wenn sie an die Sitten der alten Zeit und deren 
sie überlebende Vertreter dachten, und seine Schider konnten 
darin einen Anlass finden die Schilderung seiner Persönlich- 
keit durch diejenige eines Symposions, an di m ov Iheil ge- 
nommen. 7U ergänzen. Daher schrieb Xenophon aus der Kr- 
ionerung an solche Symposien und Mahle die betreifenden 
Abschnitte der Memorabilien (Iii 44) und aus der gleichen 
Erinnerung, wenn auch frei umgestaltet, mögen zum Theil 
die Gespräche stammen, die bei derselben Gelegenheit in der 
Kyropttdie Kyros nnd seine Genossen iQhren*). Doch das 
waren nur einsehie und dara recht matte lichter, die Zeno- 
phon anf diese Seite von Sokrates* Wesen l^en liess. Erst 
in dem eigentlich sogenannten Symposion hat er auch dieses 
Stock aus dem Leben seines Lehrers zu einem Gemälde voll 
Glans und Farbe gestaltet. Und swar war Xenophon der 
Erste, der den Sokrates von dieser Seite zeigte'*). Der Auf- 

0 Vgl darüber DIels Philos. Aofos. Zeller gewidmet S. S58 Anin. 
Aot 9o\cbe Gespräche bezieht sich wohl auch Plutarch Quomodo adulator 

ab amico intern, c. 32 p. 70 F. 

S) Warum dies eine Anspielung speciell auf da<« Xenophontischc 
Symposi<»n «iein soll, wie Christ Abh. der Münch. Ak. 4 7 (4 886) S. 409 
UQd Duiniulcr Aküdomik. S. 50 wollen, vermag ich nicht einzusehen. 

3) II '\t\ fxiv o'jv e-rrcfjL^XcTO h K5poc, hrAxt ojoy.Tj><ouv, Znmz eu^fa- 
piOTÖTatoi x£ ajx'jt Xö-jot ijAflÄT^HtjoovTai xat noipop|xä>vTe5 eic Tdyaö'Jv xtX. ■ 
Vm I, e ff. Zum Theil fireilidi mag Xenophon sidi mit Bewus^tseio hier« 
bei an eine wirklidie Sitte der Pener angeseblossen haben; vgl. was 
S. m,9 aus Atbeaalos angefübii wurde. 

4) Wenit.'slt'ns muss ich hekennen, dass ich durch die Gründe, die 
Uog zuerst im PhUoL Vn 63S ff. und dann in der Einleitung zu seiner 



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156 



11. Die Blüthe. 



enthalt in Skillus ') mag dazu nicht wenig beigetragen haben: 
denn dort in der Stille und Einsamkeit des ländlichen Lebens 
mussten selbst in Xenophon. der ein Freund des Landl( l)ens 
und ritterlichen Sports war und nicht eben ein Mann des 
Saloos gewesen zu sein scheint, die Bilder jener feinen und 
ausgesuchten atheniftchen Geselligkeit wieder neu und doppelt 
lebendig werden, deren geistige AUnospliAre er selber einmal 
geatlunet hatte. So erOffineCe er unter den Sokratikem und 
Phäosophen Oberhaupt die Symposienliteratur. Nicht als wenn 
er der Erste gewesen w8re, der diese Gattung in die Literatur 
eingeführt hAtte. Er hat Vorgänger gehabt: denn wenn auch 
die Yersnohe Symposien in der poetischen Literatur der fiteren 
Zeit nadizuweisen SchlSge ins Wasser gewesen shid^, so 
hatte doch Ion von Chios in seinen Memoiren, in denen er 
der dialogischen Dai^^iuiiung überhaupt vorarbeitete, auch 
Symposien geschildert, an deren einem Kimon fPlut. Cim. 9} 
und an" einem anderen Sophokles 's. o. S. 38 in hervor- 
ragender Weise betheiligt wnr, und Sopliron, wie er zuerst 
das Prosasgespräch selbständig gemacht hat, scheint auch zuerst 
eine Mahlzeit und die dabei geAihrten Beden in einem eigenen 
Werke behandelt zu haben ^j. Mochten die Gespräche, die in 
diesem letzteren berichtet wurden, auch himmelweit entfernt 
sein von den an den soiratischen und überhaupt den phflo- 



Ausi.'. XXIII n. für die l'riuiihit ilcs Xmophontisi Imn Symposiums 
Solteml gemacht hat, vollkommen ul)ir/.( ii;:l worden Was Schanz 

im Hermes 21, S. 457 f. hiergegen l)emerkt hat, ist für mich nicht be- 
weisend, da 68 auf statifitischeD Beobacbtungen ruht, denen ich nach 
dem o. S. 447,1 bemerkten kein Gewldit bellten kann. S. jetzt avch 
Dttmmler, Akademtka S. 4t ff. 

4) Xenophons Symposion lUII meiner Ansidit nach vor da» plato- 
nische, dessen Abfassungszeit wiederum wegen des bekannten Anachro- 
nismus bald nach 385 v. Chr. anzusetzen sein wird. Fs föllt aber auch 
nach den Meniorabilien, die s. o. S. AM ff.i nicht lange narh verfassl 
sind, und der Aufenthalt in hkillus hegionl spiltesteoü Hül (vgl. Roquelle. 
a. a. 0. 21 ;. 

2) Auf Symposien in poetischer Form cielte schon die Vermuthung 
0, Müllers fiescb. der gr. L. I SIS f. Uber die Elegien des Tboognis und 
eine ähnliche Ansteht Äusserte in Besug auf die Fragmente des Dionysios 
Chalkus Welcker, Kl. Sehr. II SSI f. 

8} Helte, Les mimes de Sophron S. Ss f. 



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XenophoQS Symposion. 457 

hophischen Symposien übliciien \), darin berührte es sich doch 
mit diesen dass es an den gleichen oder doch einen ähnh'chen 
Akt des täglichen Lebens die Dialoge anknüpfte und dass es 
ein freies Kunstwerk war, nicht eingefügt und gebunden in 
eine Erzählung. Man hat freiUch wenigstens in dem xcno- 
phontischen Symposion das historisohe Element fOr öbb über- 
wiegende gehalten^. Und niemand wird leugnen woDen, 
dass dasselbe darin vorbanden ist, und wahrseheinlicfa ist mir, 
dass, was Xenophon den einzelnen historisehen Persdnlioh- 
keiten und namenttich Sokrates in den Mund legt, sum Tbeü 
wirklieh von ihnen bei dieser oder jcuer Gelegenheit ge^ 
sprochen worden ist. Ein historischer Bericht ist darum das 
Ganze doch nicht, so ^^cüig als Goethes Egmont oder Schillers 
Wallenstein. Was Xenophon als Historiker über Sokrutes' 
Benehmen bei solchen Gelegenheiten zu sagen halt«, war in 
den MriDorahiheii al)gelhan; es erübrigte nur noch dasselbe 
in einem einzelnen Fall durch künstlerische Schilderung zu 
vergegenwärtigen und diesem Zwecke diente das Symposion 3) . 
Es konnte insofern von Xenophon als Anhang zu den Memo- 
rabilien gegeben werden, wenn es audi an dieselben sich in 
noch freierer Weise anscbloss als der Oikonomikos. Denn 
während dieser einen wirklichen Dialog enthält, der nur durch 
seinen Umfang sich von den in den M emorabilien mitgetheOten 
unterscheidet, bietet das Symposion was man im engeren 
Sinne des Wortes eine Gonversation nennen kann (s. o. S. 4, S). 
Man hat sich flbereüt, wenn man behauptete dass nirgends 



1 } Sie verstiessen g^en die Regel, beim Esmii nicht vom Essen zu 
sprechen, ebenso wie der xwelte der den Titel Le Banquei tragenden 
Dialoge in dra Diverses Levens des Spaniers Pierre Messie 8. S84 ff. (nach 
der frnnzOsisdien I3eber§etzung, Lyon 139^ . 

i) Ilug im Philol. YII 654 f. 658. Die entgegengesetsle Ansichi ver- 
tritt R(.q netto 0. a. 0. S. H f. 

3) Auf den Kinwand, das*? aber doch XeimplKm >»'lb»'r si< h als an- 
wp'jf'nd beS dem Ssinposioa und damit als Augen- und Obit'nzi"U|:o di's 
dann Er/ühllcn vorführe, hat schon Roqucttc a. a. 0. S, 1 1 f. geantwortet. 
Es kann dies eine FicUon sein nach Art der platonischen, dvrch die, 
was erdichtet ist, mit dem Scheine historischer 'Wahrheit »mitleidet und 
kdne TSusciiimg, sondern nur ehie künstlerische Illusion erzeugt wer^ 
den soU. 



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458 



U. Die Bluibe. 



in der griechischen Literatur voo Conversation die Rede sei '). 
Als Beispiel einer soichen d. i. einer bunten, Scherz und Emst 
befassenden Unterhaltung können schon die in der Kyropädi© 
(II i) miigetheüten Gespräche dienen^). Noch weit mehr aber 
gilt dies vom Symposion. Die Unterhaltung geht aus von dem 
Auftreten des Syrakusiers und seiner Begleiter, weioiieft dam 
Sokrates AnUss gibt die Gastlichkeit des KalL'as zu rfihmen 
und von hier aus die Reden unter lebhafter Betheiligung der 
GSste (6 : icoAXol Ifd^Savxo) Ober venchiedene Gegenstände, 
von Bemerkungen über Salben und Wohlgerllohe bb cur Er* 
Srterung der Lefarbarkeit der Tugend, fortgleiten Utost (8, 4 — 7). 
Diese Erörterung wird von Sokrates als su keinem Besultate 
führend abgeschnitten. Die hierauf folgende Pause in der Unter- 
haltung wird von der Tänzerin ausgefüllt, deren Leistimgen ein 
Gespiiicli über die Naturanlagen des weiblichen Geschlechts, 
darüber was sich Alles durch richtige Behandlung aus ihm 
machen lasse, und über das persönliche VerhäJtniss des So- 
krates zur Xanthippe hervorrufen ( — H). Sodann werden aber- 
malige Leistungen der Tänzerin durch ihre Waghaisigkeit der 
Grund zu einem Gespräch fiber die Tapferkeit und an den Tanz 
eines Knaben knüpfen sich Bemerkungen Über den Nutzen der 
Tanskunst überhaupt ( — 24). Nun mengt sich Philippos, der 
Spassmacher von Profession, mit einigen Schersen ein und So- 
krates belehrt, weshalb es besser sei im IMnken mfissig sa sein 
( — 3,4). Was nun folgt, Ist allerdings einGespxioh inneihalb 
vorgeschriebener Grensen, insofern jedes Mitglied der Gesell- 
schaft angeben soll, was es für das Beste hfilt von Allem was es 
versteht, und seine Ansieht nSher begrtlnden ( — 5, 4). Immer- 
hin herrscht auch in diesem aenau umschriebenen Gesprächs- 
kreise (uepi'ooo? Tfuv ÄoY<')v i.t)i; in Folge der Einwände ver- 
schiedenster Art. die dem jeweiligen Redner von der übrigen 
Gesellschaft gemacht werden, eine solche Mannigfaltigkeit des 
Inhalts, (lass aucli hier der Charakter einer IVim' schweifenden 
sich hier und dorthin wendenden, ja springenden Gonversation 
nicht verloren geht. Vollends das Weitere lässt gänzUch den 
durchgehenden festen Faden vermissen, der sur Eigenthüm- 

4) Liüencronf Deutsche Rundsch. 4886 S. 887. 

t) Xenophon fasst »ie 8, 4 cutammen mit den Worten: totavra 



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XoDOphons SympoBiOD, 



459 



lichkdit de3 reohten Dialogs gehört: erst ein neckendes Ge* 
sprich iwischen Sotates und Kritobulos, dana Scherz- und 
Stlchelreden swischen Hermogenes Kallias und Sokrates, hier- 
auf abermals solche swischeu Sokrates» dem Syrakuser und 
Antisthenes, Absingen eines Uedes, Worte des Sokrates an den 
Syrakuser gerichtet und endlich snm Schluss die Rede des 
Sokrates auf die Liebe. Ein künstlerisches Ganze mag dieses 
bunte Vielerlei immerhin sein; ein dialogisches ist es nicht, 
da ein solches ohne einen gewissen Zusammenhang der in 
den Gesprächen erörterten Gedanken nicht wohl bestehen 
kann Das Symposion sieht seiner Art nach isolirt innerhalb 
der Xenophontischen Schriften. Sollen wir es ihm deshalb 
absprechen? Diejenigen, die das in neuerer Zeit gewagt habend), 
haben m'cht bedacht, welches Verdienstes sie damit Xenophon 
berauben. Denn ist er der Verfasser des Symposions ^ so 
hat er durch dieses Werk nicht bloss den Anstoss sur litemtur- 
gattung der 2o)iiroota iScrapaTtxa >) gegeben sondern eine hmg 
andauernde Bewegung hervorgerufen, von der eui lelster Nach- 
klang noch in Dantes Cionvito vernehmbar ist 

Nodi zeigt sich Xenophon in diesen Schriften durch tausend BatKyspiUft«!. 

i] Wieland sagt })ti Bornemann a. a. 0. s. XI: »Xenophnns Gast- 
mahl ist, itdor scheint wenigstens h\(y^< «Mfr 7 u f;i 1 1 i l' c s Tischges|)racli 
unter einiccn t^iiitfn Freunden zu sein, lieiu-ti es blu.>^s um eine angenehme 
Unlerhulluiig, und auch da, wo das ücaprach eine crn^thaflore Wendung 
ainimt, nicht um Offenbarungen aus der Geister- und Götterwclt, son- 
dern um üchJiGhte nackte menBcbliclke Wahrheit su thun ist Wenn 
audi der Eine oder Andere (wie t. B. Kallias und Anlisthenes) nldit ohne 
allen Anspruch ist, so kommt doch nidit mehr davon zum Vorschein, 
als nöthig ist, damit jeder aelne eigene Rolle spiele, d. i. sich so zwang- 
los als die symposischo Freiheit gestattet, in seiner eigenen Gestalt 
zeige, ohne darüber die irrliori'^e Rücksicht auf Andere zu vergessen, 
wolfhe die I rltanitsU gebildelcii IVrsonen auch bei den Irolilichsten 
ge^ettiit-hurtlictitii l tilethaltungen 7.ui uiinachlas«i|gen Pllicht macht; und 
wofern es ja begegnet, dass Einer itber die leine Linie des Schicklichen 
hineusgeräth , so Usst er sich doch bald und leicht wieder ia den Ton 
der guten Gesellschaft zurttckstimmen.« Audi nach dieser Schildenrog 
der GesprlKdie des Symposions kann sich schwerlich einer von ihnen 
eine andere Vorstellung als die einer Conversation machen. 

S) In neuester Zeit wieder in scliarfoinniger Weise Uncliey de Xeao- 
phontis libris Socratiris S. |/(. 

ii Ucrmog. in Rhet. Gr. ed. Speng. U 4ft£, ii. 



460 



XI. Die Blüthe. 



Fäden mit seinem Lehrer verknüpft; aber wir fühlen doch 
auch, wie dieses Band sich bereits lockert, wie der historische 
Sokrates ihm allmählig so gut wie Anderen seiiier Schulgenossen 
unter den Händen entschwindet und nur noch ein Idealbild 
desselben übrig bleibt. Auch dieses erbleicht allmählig und 
yerschwindety wenigstens in den Schriften Xenophons, unter 
dem Glanse eines neaen Gestirns. Es ist das KyrosideaL Die 
Geister der Vergangenheit , die sich an Xenophon dribtg^n 
und ihr Becht verlangten, brachten mit sich die Erinnerung 
an die grOsste und ruhmwfirdigste That seines Lebens» den 
Bflckzug der Zehntausend. Seinen S9hnen und Frennden 
mochte er längst davon erzählt haben. Jetzt schrieb er das 
ünrt ii ii t nieder, was ihm geläufig \\ar. Wir wissen nicht, was den 
nächsten Anlass dazu bot; dotii konaon wir vermuthen, dass 
er damit die Berichte Anderer Uber dasselbe Ereignis» theils 
ergänzen, theüs corrigiren wollte Wie er selbst zwar gegen 



1} Zum Th«U mag hierbei das Vorbild der anderen Sokratiker be- 
stimmend auf Xenophon gewirkt und seine historische Treue erschüt- 
tert haben, sodass aus dem Memoirenschreiber der Dialopendiclitcr ^urde. 
So k^innte der Oilionomikos dureh die gleichnnmi^e Schrifl des Anti- 
sthenes ;l)ioL:. VI 16. Müller de Anlisth, S. 48 hervurgerufeu sein und, 
wie diejeaigen, die das Xenophontische Symposion für später haltün, aa- 
nehiueu, ist dieses so auf Anlass des platonischeu cotstanden. 

S) So verhielt sich Xenophons Anabasis in dem bebreflenden Ab- 
schnitt in Kteslas' penischen Geschichten (Weil, Zeitschr. t d. Alterth. 
4S4S S. 147 f.) und tfhnlidi wohl noch za der Anabasis des Sophainetos 
Krüger de Xenoph. vita S, H = histor. philol. Sehr. II 274; Rnquette 
de Xenoph. vita S. 63 f.) und anden;r In^enannter, auf deren \ Orhanden- 
sein niMM Krüger n. n. ü.i aus Aeiian V. H. 7, 4 4 ^esvclilnssen hat. Themisto- 
irenes rncti hte ich uilerdings unter diese VorgünKer nicht i*echnen. sondern 
Imii tler Ansicht, dass die diesem beigelegte i\iiabasis das Werk Xeno- 
phons war (Roquette de Xenoph. vita S. 64 ff.). Dran wenn es auch 
denkbar, ja bei den Historikern und Schriftotellern der lUtesten Zeit sogar 
üblich ist, dass der anerkannte Verfasser einer Schrift von sich selber 
darin in der dritten Person spricht, so ist doch zwischen der Art wie 
Tluikydides und Ilerodot sieh zu Anfting ihrer Geschichte dem Leser vor- 
stellen und <lei Weise wie Xenophon mitten in seinem Werke sich ge- 
leiienllich eiiilulnl idie kurze Erwähnung vorher. 1! ( kommt nicht 
in Betnieht~ ab »einen gewissen Athener Xenophon, der mit im Huere 
war« III t, 4 f-/ Ii -i^ atpatiä itvo'ftuv 'Aftijvaio;], ein itimmel- 

weiler Unterschied ; und auch der Bericht in den MemoraMlien über das 
Gesprttcb zwischen Xenophon und Solcrates ;l S, 8 ff.; bietet keine genaue 



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Xenophons AnabasU. 



161 



den eigentlichen Wunsch seines Lehrers, wie man wenigstens 
swischen den Zeilen su lesen meint (III 1, 5 ff.), aber doch 
nicht ohne Einwilligung desselben nach Asien aufbrach, um 
an dem Zuge des jüngeren Kyros fheÜxunehmen, so ist auch 
aus seinem Werke, das von dieser Kriegs^rt uns enfihlt, 
der Geist der Sokratik noch nicht ganz gewichen. Die auf- Sokrttitohea in 
tretenden Personen handeln nicht nur, sondern reden auch AMfAtuSa, 
und zwar in solchem UeberÜuss, dass man darin recht deut- 
lich die Lust des Verfassers an Rede und Gespräch sy)ürt. 
Nicht bloss die Reden, wie sie im Kriegsrath und sonst von 
den Führern und anderen hervorragenden Pt rsonlichkeilen 
auf freundlicher und feindlicher Seite gehalten werden, theiit 
er uns in direkter Form mit, weil sie für das Geschick des 
Heeres entscheidend geworden sind, sondern auch Gespräche, 
oft von geringem Umfang, wie sie aus den verschiedensten 
Anlässen auch von unbedeutenden Leuten gepflogen wurden, 
h8lt er der Wiedergabe f&r werth<). Ja das OesprSch, in 
dem Kyros den Orontes inquiriri, (I 6, 6), zeigt sogar einen 
Anflug sokratischer Methode. Niehl bloss die angeborene 
Redelust des Atiieners verrith sich hierin, sondern noch mehr 
die Schule des Sokrates, aus der Xenophon in seine bisherige ' 
literarische Thütigkeit die Kunst und Neigung mitgebracht 
hatte, die Gesprfiche als die Hauptsache und die Enihlung 
nur als den Rahmen der Darstellung zu behandeln. 

Aber wie die Thciliiahme an der Anabasis selbst schon j)er jüngere 
eine Emancipation von dem ausschliesslichen Einflüsse des Kyro». 
Sokrates bedeutete, so erwuchs nun während des Feldzugs 
ein neues Ideal, das mit dem sokratischen bald in erfolgreichen 
Wettstreit trat. Die Seele des ganzen Unternehmens war der 
jugendliche Perserprinz, dessen Gestalt in Mitten der ver- 
kommenen Sitten des Orients sich nur um so glänzender abhob 



Pareltele; an welchem man. übrigens nicht deshalb hstte Anstess nehmen 
soUen (Kroho, Sokrates o. Xenopb. S. 97), weil die darin herrschende 
dritte Person mit der ersten, in der sonst in derselben Schrift (vgl. zu 
Anfang ^öd-jua^a Xenophon von sich spricht, zu streiten scheint; denn 
cf^rnde <n %v(>rt)s<;lt in Bezog auf sich selber mit beiden Personen ThujLy- 
dides ^vgl. S 26, \ u. 4). 

i) III 4. as ff. 5, 4 ff. 8 ff. IV 1, 19 ff. 6. 7 ff. 7, 3 ff. 8. 4 ff. V 6, 
n ff. s. 2 ff. VI 6, 42 ff. VII 8, 24 ff. 3, 8 ff. 35 ff. 6, 4 ff. 39 ff. 7, 2 ff. 



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II. Die Blttthe. 



und die Blicke der gaBsen Welt, der Barbarpii wie der HeUenen, 
auf sich log^). DasB auch Xenophon ihm in Uebe und Be- 
wimdening huldigte, davon hat er uns in der SdtQdenmg 
seines Wesens, die dem Berichte über den Tod angereiht ist 
(Anab. I 9), ein unverwerfliches Zeugniss hinterlassen. Mochte 
es sich Xenophon gestehen oder nichts das Menschenideal, das 
ihm bis dahin so rein und vollkommen in Soluates geleuchtet 
hatte, wurde in der neuen Erscheinung durch efaien Zug be- 
reichert, der gerade ihm besonders zusagen musste, die 
vollendete Ritterlichkeit. Von dieser Seite wird den Kyros 
schon Proxenos in seinem Briefe geschildert und dadurch nicht 
wenig beigetragen haben, den Freund zur Tbeitnabme an dem 
kriegerischen Abenteuer zu bestimmen 2), selbst gegei^ deu 
Wunsch des Sokrates uüd <nif die Gefahr hin, es mit seinen 
Laudsleuten, den Athenern tiiiindlich zu verderben^). Die 
Umrisse dieses Bildes bestätigten und ergänzten sich Xenophon 
ans eigener Erfahrung und als er dann im Alter daran ging, 
die Memoiren seines Feldzugs zu schreiben, hatten bereits der 
Tod des üelden und die ihm folgende schmersliche Erinnerung 
es noch weiter verklärt» So wenig der Dichter der göttlichen 
Komödie und der Verfasser der Anabasis sonst gemein haben, 
darin gleichen sich doch beide, dass aus den Zeiten ihrer 
Jugend längst entschwundene Gestalten im goldenen Schleier 
der Brinnenmg sie bb ins Alter begleiten, dort sich mit 
anderen Ideen verbinden und so die Quellen eines neuen 
Lebens, neuer literarischer Schöpfungen im Geiste des schwir» 
mendea Dichters wie des nüchternen Prosaikers werden. 
Kyropidie. Wie Xenophons dem I'iaklischen zuneigende Natur im Ver- 
kehr mit Sokrates sich vorzüglich solchen Betrachtungen und Er- 
örterungen zuwandte, die seinen eigenen BestrebuDfien entgegen 
kamen, so wird er auch schon früh und noch unter der An- 
leitung seines Lehrers sein Nachdenken auf politische Probleme 
gerichtet haben. Die späteren Geschicke seines Lebens, die 



4) Xenoph. Anab. I 9, 28: i-^m^c iz cüv <i]ui6a «piva» bmh icXctd- 

?i Proxenos wnr der Gastfreund des K-jtos (Anab. M. In dem 

Brief an Xenophon versprach er diesem, ti eXdoi, <f>tXov a jtöv K6p(|i itoifj- 
ociv, 8v oÜTÖc l«pt] xoeirroj l^'jTtp vo|i.iCsw t^c 7raTp(oo« (III 1. <). 

3; Diese Befürchtung äussert Sokrates bei Xenophon a. a. 0. ä. 



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XenophoDB Kyropüdie. 



163 



Geschichte fleines YaterlandeSf die ihm in buntem Wechsel 
die manniglaohsten StaatsTerfassmigen so wie deren Ftflchte 
und Ausgang zeigten, konnten wSne Gedanken nur in der- 
selbett Richtung erhalten und auch die Antwort, die er auf 

die Fragen nach dem heston Staat mui seinen Bedingungen 
gab, erfolgte in dorn gleichen aristokratischen Sinne wie hei 
Sükrates. Er sah gleich seinen Schulgenossen don Kynikern 
die menschlichen Staatswesen iui Bilde von Heerden : wie 
diese daher von ihren Hirten, so sollten auch die Menschen- 
heerden von einem Herrscher geleitet werden^). 

Das war ftir ihn keine blosse Theorie, an der er ein ürBprnng 
nichtiges VergnOgen empfand, sondern wie die ganze Zeit darin ^^^g^egeli"' 
eine jugendliche war, dass sie noch an die Verwirklichung 
ihrer Ideale glaubte, so hoffte auch er für das semige dasselbe 
von der Zukunft Wie nach der Erhebung des jüngeren Dionys 
auf den Herrscherstuhl von Syrakus Piaton wohl den Moment 
gekommen glaubte, da sein Idealstaat aus den Wolken herab- 
steigen und aus einem lichten Traume sich in schönere Wirk- 
lichkeit verwandeln wtlrde, so mochten auch in Xenophons 
Brust nach der Bekanntschaft mit dem jüngeren Kyros ähn- 
liche Erwai Lungen rege werden. Das frühe Ende des wahrhaft 
königlichen und der Herrschaft würdigen ^) Prinzen zerstörte 
sie^ vielleicht nur. um seinen bewundernden Freund vor 
grausamiicii Enttäuschungen zu bcwafu tn. Seine Ideale und 
den Glauben daran vermochte es ihm nicht zu rauben. Noch 
immer war sein Auge auf den Orient gerichtet und wie andere 
seiner Zeitgenossen suchte auch er in dessen geheimnissvoUen 
Femen die Wirklichkeit idealer Zustände die Gegenwart 

» Cyrop. I 1. Obgleich Xcnophon es nicht ..'frjMlozu ausspriclit, 
.so liegt ddch (las monarchische Prinzip in der Cuiiscquenz seiner An- 
schauungen wie (lurjenigen der ganzen Zeit, div auch praktiscii uut seine 
Durchführung hindrängte. Xenophons Yergleicbung der Staaten mit Heer- 
den bedeutet am so mehr eine Uebeteiitttlmniang mit dea Kynikern, als 
Platon dieselbe bestritten hat, vgl. Zeller Il> 978. 757*. 

«ol dp^fftv dKufitttto« nennt ihn Xenophon Anab. 19,1. 

3) S. was er von den persischen Gesetzen nilmit Cyrop. I 2, 2. 
Abgesehen vnn dem Cult, der mit Aegypten und agvptisciier VVeisiieit 
Mhori lirtiiials ^;t'trieben wurde, liet»en Symptome für eine IdeaÜsirung 
der Vüllier des Ostens schon \or bei Ktcsias ed. Müller ^hinter dem 

U* 



II. Die Blilthe. 



freilich bot auch dort wenig, aber was hinderte den Roman- 
tiker ^) in die Vergangenheit hinabzusteigen und das dort 
Begrabene in verUArter Gestalt ans Tageslicht su liehen? Er- 
innerte doch schon der Name des von ihm bewunderten 
Perserprinsen, wie dies vielleicht auch in der Absicht derer, 
die ihn gegeben hatten, lag, an den Stifter der grossen Mo- 
narchie, die die früheren Reiche verschlangen und sich 18nger 
als eines derselben behauptet hatte und noch mit dem An- 
sprach auf die Weltherrschaft behauptete, und die Vermttthung 
liegt n.'iho. dass aut h die Brust des jüngeren Kyros von dem 
Gedanken tiesehwellt wurde, es dem grossen Ahnherrn gleich 
ÄU thun und dadurch erf^t seines Namens recht würdig zu 
werden. Dass wir Ihim- den Ursprung des Herrscherspiegels 
suchen (iiirleo, den \' rio|»lioii in dem Bilde des alten Perser- 
königs seinen Landsleuten vorhielt, orgiebt sich aus den Zügen, 
die darin an den späten £nkel erinnern^) and dasselbe als 
dessen Portrait, ins Kolossale und Ideale gezeichnet, erscheinen 
lassen. 

Vcrg^uger Xenophou war wohl nicht der Erste, der es wagte, 
x<mophoiks. piiilosophische oder politische Theorien in der Gestalt eines 



Üidotschfn Horodot lud. fr. M (über diu Pyjimäon) und fr. U. Das sind 
die Keime dur Anschau ungeo, die in der olexandrinischen Periodu mehr 
Qnd mehr herrschend werden; sie sind selber nur die FortseUung der 
Richtung, die der IdeaUsimngstrieb der Griechen mü der Sage von den 
Hyperboreern und den Abiem- genommen liat, wel<^e letzteren Homer 
die Lt rechtesten der Menschen nennt; vgl. Christ in Fiociceis. Jahrb. 487S 
ö. 333 tr. 

1* VAur roniontische MioiiiuniJ d;»m;iU aurh sonst im GaiiiH-, 

wie dit-s üben S. 96, < in Urzii;^ ;hiI Knlias boiuorkt worden ist. Wit- 
unsere Honiantik, so battc auc Ii die alliache eine patriotische Tendenz. 
Aber wie jede Romantik vor allen Dingen charakterisirt Ist durch das 
Abwenden von der Gegenwart^ so bat auch die attische Romantik gMcb 
derjenigen unserer Zeit sehnsuchtsvoll nicht bloss in die Vergangenheit 
des Vaterlandes, sondern auch n»(-h dem Osten und den wunderbaren 
Schtft/en seiner allen Cultnr und Weisheit ausgeschaut. 

2 KrUtrer nnthrnt. rl intr>f_'r, Anab. Xenoph. JS. 24, Grote Plato 
III 57y, XciH selber wrist aul <iif Aehnlirhkeit der beiden Trager 
des Namens K>ru?., wenn er von (ieiu jungctcu Anab. I 1). t sogt: d>r,p 

ITCvIsdat. 



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Xenophons Kyropädie. 



165 



Barbarenfilrsten zu verkdrpern ; er hatte bei diesem Wagotss, 
wenn es bei der dem Orient sich xuwendenden StrOmung der 
Zeit ttberhaapt ein Wagniss war, möglicher Weise einen Ge- 
nossen in AntistheneSy von dessen Kyres schon frOher (S. ISS f.) 
die Rede war. Auch in der besonderen Art und Weise, wie 
er seine Aufgabe ergriff, konnte er sich auf Vorgänger berufen: 
denn nicht ein fertiges Bild stellte er in glUnsender Schilderung 
dem Leser vor Augen, das nur blendet und keine Einsicht 
gewährt, sondern, wie es doiii Uistorikor zienil, i^iiig er ge- 
netisch zu Werke und zeigte den Weg, auf dem der Hi ld 
allmählig zu seiner idealen Höhe aufgestiegen wnv und den 
nach Xenophons Absicht auch Andere versuchen sollten ihm 
nachzug« ficn. d. h. er ahmte das Vorbild nach, das die So- 
phisten und Andere in ihren Schriften von der Jugend und 
dem Werdegang des Herakles gegeben hatten. Hatten diese 
ihr Ideal in der Sage gesucht, so tibertrug Xenophon das 
seine in die Geschichte in ähnlicher Weise wie die So]u*atiker 
die mythischen Dialoge der Sophisten durch historische 
ersetzten. 

Einer verbreiteten Meinung gegenfiber, die in der Kyro- Die Kyropäd 
pSdie nichts als einen historischen Roman sieht*}, muss be^ keinh strn 
tont werden, dass Xenophon selbst, was auch schliesslich 
das Ergebniss seiner Arbeit war, wenigstens nicht die Absicht 
hatte eine Dichtung zu geben, sondern Geschichte schreiben 
wollte ^. Wenn sich ihm trotxdem die Dichtung uDwillkllrlich 
in die DarsteUung einmischte, so ist es ihm nicht anders 
ergangen als den Verfassern sokratischer Dialoge, in deren 
Werken sie schliesslich die historische Wahiheit i^anz ver- 
drängte; einen Vorwurf wird man ihm daraus um so 
weniger machen, als Überhaupt in der VorsU liung des Alter- 
thums zwischen Historiker utid Dichter keine so weite Khill 
bestand, als nach modernen BegriÜ'en. Wäre das letzte nicht 



10 

scher Boman. 



4' ' I -I- rlns Alter ditKci Meiaung 8. Menage zu Diog, L. III 94. 

2j »Was wir v'ohorl und vornonmicn liahen üIht Kyro>« sagt er 
l i, H r>das wollen Nvir ver^iKhcn /.u erzahUii«. Dem entsprechend be- 
nifl »•[• »ich 2. 1 auf das was die Perser noi li Iiis ;nif den lieutipeu Tau 
\on ihm singen und sagen: oüvat hi b Küpo; Xe^exat xai (zorcat ht. *at vi>v 
^ zmt ßap^dptuv tlho^ |Uv «(iXXiOTo« xtX. Vgl. noch Breitenbach Ein- 
leitiiog S. Xlt. 



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ü. Die ßliitlie. 



Kteftiu. der Fall j^ewesen, so halU t iii Schriftsteller wie Ktesias es 
gar nicht wnaen dürfeo, seine asiatischen Geschichten för ein 
historisches Werk auszugeben V'. und gerade dieses W vvk ist, 
wie die Anabasis zeigt, aut Xeiiophon nicht ohne Eindruck 
geblieben. Aber während er sich dort nur auf den Inhalt 
desselben, ihn ergänzend oder berichtigend, bezieht, scheint 
er in der Kyropftdie sieh die Form bis zu einem gewissen 
Grade als Muster genommen zu haben. Neben der einfachen 
und anmutlugen Sprache erfreute den Leser des Ktesias die 
Abwechselung, die derselbe in seine Darstellung su bringen 
wusste und die eine Folge theils des ElnflechCens yon Ge- 
sprächen iheils der Ueberraschungen, die er gern mit etwas 
Unvorhergesehenem bereitete, sein mochte, so wie die leiden- 
schaftliche Bewegung und dramatische Kraft, die darin 
herrschten 2). 

Mit dciiselben Mitteln hat auch Xenophon versucht, seine 
Erzählung zu würzen und die Monotonie zu unterbrechen^). 



I] Düüutriiis de Eloc. ä<5 (Spenge! Hht. Iii 309) sagt von »hm: 
roiT^TTjV aÜTÖv xct/.otr^ Ti; eaöiiu; und Phutiiu» bibl. 44" 15 Bckk. bemerkt, 
dass seine Berichte an das Mythische streifen. Die Fragmente bestätigen 
bekanntlich dieses Urtheil zur Genüge. 

2} Pbotius a. a. 0. 5: '£9Ct U outoc 6 ottffpatftb^ mxfffi yc «al 4<pc- 

r.i^r^zivJi'i xa\ drooooilxTjTOv ^yriir ttoX'j. Demetrius a. a. O. 212 ''^pencel 
30S) rühmt seine ivdp;jeia und belegt sie durch Beispiele. VgL Rohde, 
Griech. Rom. .S. 3y. 

3j Episoden, die au die Liebesgeschichtu des Meders Stryangdus 
und der SakerkOnigin ZarinSa bei Ktesias (Rohde, Grleeh. Rom. S. S9) 
erinnern, sind die Erstthlongen Uber die Liebe der Pantlieia und andere 
mehr^ die Breilenbach EtnI. S. XXII zusammenstellt. Anch im Dialekt 
stimmten beide woiil mehr ttberein, als man zunüchst vermuthet von 
z\\v\ Schriftstellern, von denen der eine Ionisch gesehrieben haben soll, 
wiiluend der andere unter die Klassiker <!t'r .ittisrlien Literatur fjereoh- 
net wird. Iiidej^sen wie man jetzt zur (Iriiu^'c irkannt hat und scliou 
im Allerlhum wusste, Xenophon stellt keineswegs ein Muster des atti- 
schen Dialektes dar, sondern vermischt denselben mit ionischen Brocken, 
sodass seine Sprache vielleicht das früheste Beispiel der späteren heUeni- 
sUschen ist; und lihnlich ist auch Ktesias* Sprache kein reiner Dialekt, son* 
dern eine Trübung des Ionischen durch das Attische, kommt also der 
Xenophontischen entgegen wie vor Allem Photlus bibl. 45* 6 f. Bekk. 



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Xenophons KyropSdic. 



Hl 



Natürlich konnte durch ein solches Vorbild die historische 
Treue nicht gestärkt werden. Die SUnde aber, die er 
gegen die geschichtliche Wahrheit beging, ist kaum grösser 
als die des naiven Dichters, der ehne Weiteres die Sitten 
und Anschauungen seiner Umgebung in eine firemde Welt 
QbertrSgti): so besteht auch das Falsche in Xenophons Be- 
richten tiber Persien darin, dass er griechische Gebrfiuche 
dorthin versetst und die Barbaren des fernen Ostens denken 
und reden ISsst, als wenn sie wie er den Umgang des So- flofantlieliM in 
krates genossen oder wenigstens im perikleisohen Athen gelebt ^^^J»»?*^' 
hätten^). Das hat man längst beobachtet und insbesondere 



li lii t. aber auch das Fragment bei Üometr. de Eloc. i13 (äpengel 308) 

bestätigt. 

< I Ueber Aescliylus' Perser vgl. in dieser Hiii)»ii:iit (1. Heruiuuu, üpusc. 
II S. 101. Dass Xenopboii gelegentlich mit Absiebt die Wahrheit ent- 
stellt habe, schliefst Well, Zeilscbr. f. d. Alterth. 1842 S. 457, aus der 
Vergleichung von Anab. I S, 46 mit Cyr. in S, 58 und VII 4, 40: denn 
das Umgehen de/ Parole erscheine an den letzteren beiden Stellen auch 
als pefSischer Brauch, wahrend an der erstcren der jüngere Kyros, als 
er CS zuerst bei den Ciriechen wahrniniint, sein»' VtrwunderunR darüber 
tiussere. Aber niolit über das rrnpfctuMt der l'arolc wundert sich Kyros, 
sondern über ein Geräusch, das er vernimuit uud sich nicht gleich zu 
deulco weiss. 

1) Auf das uieiäte der Art hat man geachtet. Unbemerkt scheint 
aber Folgendes geblieben su sda. YIIl 4, 44 thut Gobryas den Aua» 
sprach, dass es schwerer sei Gnies so ertragen als Uebles, und stellt 
solcher Aussprüche seinem kttnftigea Schwi^ersohn nodt mehrere in 
Aussicht, da er dergleichen viele aorges<h rieben besitze. Ist damit nun 
tler Besitz l inor Bibliothek geniclnl? Lrul wt'tin niflit . vv«*nri wirklich 
bloss Notizen gemeint sind, die »^ich Gobr\ns Lii inacht hatte, enlsprnchen 
solche Aufzoicbnurmen elw;i einem persiNclieu Brauche? — Auch in der 
Art, wie er die Päderastie in die persischen Verhältnisse hineintragt, ist 
Xenophon nldit historisch treu. Nach Platon Sympos. 48SB wäre die 
Mttiinerfreundscbaft bei den Barbaren verpOnt gewesen. Und in der That 
wird im Zend-Avesta die Knabenliebe unter die unsttbnbaren Handlung<»i 
gerechnet (Stein zu Herod. Mss u. Ranke, Weltgesrli. I 142 f.). Herodot 
n. !i. O. sagt, die Perser hätten diese Sitte von den Hellenen übernommen. 
Bei Xenophon erscheint sie Im Allgemeinen keineswet."; als etwas ur- 
sprüngli' b Hellenisches, sondern nur ihre rebcrlrdhung , d. h. wenn 
Einer su ueit gehl den geliebten Knaben mit sich ins Kriegslage!- zu 
nehmen (Ii i, i^ü). Im l'ebrigen dagegen müsstc man nach Xcnophons 
Darstellung annehmen, dass die PiderasUe bei den Persem ebenso ver- 
breitet und zulässig gewesen sei als hei den Griechen: denn nicht bloss 



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468 



IL Die Blüihe. 



ist seit [.e^^ MiiL ; wiederholt auf das sokratische Element hin- 
gewiesen wordcD, das sich in der Kyropädie auf die Form 
niehl minder als nuf den (iedunken erstreckt'^], keine Ge- 
legenheit lässt Xenophon vorübergehen, um Gespräche von 
mehr oder minder lehrhafter Tendenz einzuflechten — alte 
Bekannte Kum Theil, die uns schon in den Memorabilien be- 
gegnet sind und nun hier in neuer Umgebung wiederkehren. 
Sehr zur Unseit macht sich bisweilen diese Neigung des Ver- 
fassers, Alles dialogisch %n gestalten, gehend, tritt aber dadurch 
nur desto mehr hervor: wie wenn der rebellische Armenierfttrst, 
da er gefangen vor Kyros steht, von diesem nach allen Hegeln 
der Haieutik ausgefragt und genOthigt wird, seine Schuld em- 
zugestehen und damit sich selber das Urtheü su sprechen; 
dann aber Kyros selbst durch den Sohn seines Gefangenen, 
Tigranes, der ein noch grösserer dialektischer KAnstler ist, 
ins GedrSnge kommt (III 1, 8 ff.) — meinen wir da nicht auf 
den Tummelpia t/, aller Dialektik, nach Allien, versetzt /u sein ? 
Und damit wir Über die Quelle dieser Dialoge ja nicht im 
Zweifel bleiben, wird uns als der Lehrer des Tiiiranes ein 
So})hist genannt (III 1, 11' und das wenige, das wir von 
diesem erfahren, insbesondere sein erhnuliches Ende iIII 1. '}Sf.) 
genügt, um uns in ihm eine Kopie des Sokrates erkennen zu 
lassen. Die Kyropädie ist nichts weiter als die Memorabilien 
auf dem Grunde der Erinnerungen, welche die Anabasis in 
dem Verfasser geweckt hatte: die Erzählung bildet nur einen 
dünnen Faden, an den unzählige Gespräche und Beden 
gehfingt sind. 

Der mefOB. Ben Sokratiker verleugnet daher Xenophon auch in diesem 
Werke nicht, wenn es auch sunfichst nicht ein Ausfluss der 
Verehrung für seinen Lehrer war, sondern der Ikarstellung 
eines andern zur Zeit der Anabasis gewonnenen Lebensideals 



T 4. 27 fr. Vkiid :iK i'iwas ilun liaiis liaruilosf.-» In'lijmdflt , NdUtli in 

auch V i, 12 blickt durtti die allgouKuiiva Bomcrkuiigeu über die L»obe 
immer die besondere Form der Männerliebe hindurch, gerade wie sie es 
auch bei PlAton Ist an der das Wesen der Liebe verdetttUchi wird; ja 
als eine Art von Männerfreundschaft hat Xenophon vielMcht auch dns 
Verhttitniss des Sophisten zum Tigranes gefasst III 1, SS (vgL 44). 
l.ossing. Srhrifleii von Laohmann-Maltzahn H ^ S. 342. 
S) Besonders vgl. Weil in Zeitschr. f. d. AllerUiumüwiss. 484S S. 451 ff. 



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Xenophooä Hieron. 



169 



galt. So ist es fenuT sokratisch, dass darin die Dialoge 
zwischen historischen Personen geführt werden und nicht^ wie 
das in den Werken der Sophisten vielfach geschah, zwischen 
mythischen. In diesem Shine iritt der soluratische Charakter 
auch in dem Dialog Hieron berv^or. Dieses Werk reiht sich 
unter einem gewissen Gesichtspmikt ähnlich an die Kyropfidie 
wie Symposion nnd (Hkonomikos an die MemorabUien : wie 
in diesen beiden der sokratisehe Dialog som ersten Hai 
literarische Selbstflndigkeit erlangte, so der nicht an die Person 
des Sokrates geknttpfte im Hieron, wihrend In der Kyropädie 
wie in den MemorabUien erst grossere Hassen Ton Gesprichen 
ein eigenes Ganse bilden. 

Ueber Ursprung und Zweck dieser kleinen Schrift sind Urapruag und 
sehr verschiedene Ansichten geäussert worden. Man fand i^'«*' 
theils den Gedanken wunderlich, einem Tvrannen die Mittel 
anzugeben . durch die er seine Herrschaft danemd begrün- 
den koiuie. und ihm dadurch gewisser Maassen den Weg 
zu zeigen bei meinem verwerflichen Beginnen, theils stiess 
man sich an der Einkleidung des Dialogs und frug, wes- 
halb das Gespräch gerade einem Hieron und Simonides 
in den Mund gelegt sei'). Die verschiedenen Yermuthungen, 
die in Folge dessen über die Entstehung der Schrift laut ge- 
worden sind, begegnen sich doch darin, dass sie alle in den 
Thaten und Schicksalen eines der Tyrannen, die zu Xenophons 
Zeit von sich reden machten, den Anlass finden, mag dieser 
Tyrann nun Jason yon PherS oder einer der beiden Dionyse 
Ton Syrakus sein. Die letsteren haben natürlich die grossere 
Wahrscbeinlichkeit fQr sich^ dass sie es ^d, die unter der 
Haske Hierons sich verbergen ^] : denn leicht konnten die Ge- 
danken eines Lesers von diesem Vorgänger in der Herrschaft 
über Syrakus auf die beiden Nachfulger geführt werden. Aber 
warum soll sich Xenophon überhaupt einer solchen Maske 
bedient haben? Konnte er nicht, was er (\ber einen i yrannen 
zu sagen hatte, offen und geradezu aussprechen, sei es nun, 



4) S. die verschiedenen Vermutbangen bei Roipielte de Xenophontis 
vila S. 19 t 

9) Id einem Brief an Dionys gedenkt aodi Psendo-Platon ep. II 
p. 3H A des Hieron. 



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470 



n. Die BluÜie. 



dass er ihn historisch behandelte oder ein Schreiben nn ihn 
richtete, wie Isokrates an Nikokles und Philippos V Was 
hatte denn ausserdem Xenophon für intime Beziehungen m 
SicUien und seinen Herrschern? Die Geschichte weiss nichts 
davon, nur die Legende*). 

Wir bedürfen aber auch dieser Hypothese gar niohty am 
die Wahl des Hieron und Simonide«? zu Gesprächspersonell 
zu erklären. Dass die Sokraliker sich mit der Zeit von Sokrates 
emancipirten und ihm nicht in allen Dialogen eine Rolle futheil- 
ten, hiÄen wir schon früher an Änderen und noch luletet an 
Xenophon selber gesehen, der in seiner Kyropädie Aiisserlich 
wenigstens sich von der Person des Sokrates ganz frei gemacht 
hatte. Wie nun die grosseren sokratischen Dialoge aUer Wahr- 
scheinlichkeit nach so entstanden, dass ehi kunes GesprSch nach 
Art derer, die in Memorabilien oder Chriensammlimgen anfge 
zeichnet waren, weiter ausgeführt und künstlerisch gestaltet 
wurde, so wird auch der Kern des Uieron nicht der dich- 
tenden Phantasie seinen Ursprung verdanken, sondern aus einer 
der Erzählungen stammen, die über Unterredungen des Herr- 
schers von Syrakus mit Simonides im Umlauf waren und 

lj Atben X p. 4S7E V((l. Roqueite S. 78, 4. Zur Bestätigung diewr 
ErzShlung konnte wer -wollte die synchronistischen Beziehungen benatzen, 
die sich in den Helienika auf SicUien und Dionyslos finden {Niebuhrf 
Kleine histor ii. phllol. Sehr. I S. 469} oder die PersiSnllchkelt des Syra- 
kusers Themistogenes , dessen Namen, als den des Verfassers, Xeno- 
phon auf den Titel seiner Anabnsis gesetzt IkiIx h soll o. S. 160, <; und 
hinter dem Niebulir (a. a. 0. S. 470]i um >'l)\on)^m> den Fiir<*ten>ohi> •< 
veruiuthele. Hierzu fiige man eudlicli imch , dass Xeti(i|diuti in seinen 
Schriften sich der Partikeln t{ {xif^v bedient, die nach Dlttenlierger (s. o. 
S. 447, 1} der sicilischen Gonversationssprache entstammen, und das 
Gerüst einer Gomblnation ist fertig — die Iwtm leisesten Hauch der 
Krittt zusammenstürzen muss. 

2) lel)cr Aristipp s. S. HO, \ und über Antisthenes S. HO. 

3; Von solchen und ausserdem von fiesprächen des Sinionides inil 
P.ni'^ani.i-v <prirlit I'<eudo-P|aton Epi'^f. II p. 3t t A, vgl. o 145, 3. Wie wir 
UMS (lii'M- (i(>s|ii ;i( he zu »lenken ha)>en, und dass sie unter l tnst^inden lerhl 
geluiUvoll waren, zeigt die Probe bei Cicero de nat. deor. I 60. Nach 
Tertullian, ad nat. II 8 p. 189 OehL waren die Pwsonen des von Gloero 
erwähnten Gesprttches Thaies und Krtfsus. Auf eine derartige Tradition 
f»ht wohl auch Uerodots Bericht ilher Solons und Krtfsus' Unterredung 
zurüclc, mit welcher das dem xenophontiscben Hleron zu Grunde liegende 
Gespräch schon Grote Plate III 378 verglichen hat, uxid ebenso was wir 



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Xeoophons Uieron. Uellenika. 



171 



wenn er sich gerade diese zur Bearbeitung auserwäblle, in <ler 
die Vortbeile und Nachtheile der Tyrannis erwogen wurden, so 
lag der Grund natürlich darin, dass gerade dieses Problem 
damals Xenophons Nachdenken beschäftigte. 

Welcher Zeit der xenophontischen Schriflstellerei dies AMutBagaatit. 
kleine Werk zuzuweisen sei, wird sich nioiit leicht sagen 
lasseiL In eine ziemlich späte Zeit muMten es natürlich die* 
jenigen rUcken, die darin ein Manifest an den jttngeren Dionys 
bei dessen Thronbesteigung (367 v. CShr.) erblickten. Ich sehe 
den elnaigen Anhalt in der besonderen Beschaffenheit des Dia- 
logs: denn die geringe Lebendigkeit des Gesprächs, die vor- 
herrschende Neigung zu längeren YortrSgen*) weist nach dem 
Gesets, das wir theüs an der Reihe der platonischen Dialoge 
theils in der Entwickelung des Dialogs Oberhaupt beobachten, 
auf eine spätere Abfassungszeit 

Noch meiülcii wir in den bisher besprochenen Schrillen 
Xenophons etwas von dem belebenden sokratischen Uauch 
TU sptlren. Derselbe wird, wenn wir uns weiter umsehen, 
immer s« bwächer, die Freude am dialektischen Gespräch, so 
eharnkt ristisch fUr die Jugend, verschwindet und ein Merk- 
mal des alternden SchriAsteliers, das Behagen am zusammen- 



ülier das Zasammeiitreflen des PyUiagoras mit dem Tyrannen Leon von 
Pidiiis erfahren (Menage za Diog. L. VIII 8). Am Ende klingt aus allen 
diesen Erzählungen wie aus verschiedenen Variationen dasst llx- Thema 
wieder von dem Gegen?<at7: , der zwischen den Mächtigen dt r lirdr und 
den Weisen besteht und in deren gesamtuter Lobeusautifassung und An- 
schauungsweise zu Tage tritt. 

4) NilLber crlUuterl wird dies von Roquette de Xenoph. vitaS. 80,1. 
Auch Aeltere (s. Breltenliech, Elal. sur Ausg. S. XI} haben dies be- 
merkt und nicht mit Unrecht zwiachen der Art des Dialoges im Hieren 
and der Ariatotelischon eine Aebollchkeit gefanden. 

2; Man liat in ni iUTer Zeil wieder die Echtheit des Dialoges ange- 
zweifelt. Was alxr >il/.lor de Xenophonteo qui fertur llierone In dieser 
HiiLsiclit vorgebracht hutj wird in t\or Hauptsache durch das im Te\le 
bemerkU widerleat: wie, wenn er geltend innfht, dass Sukrates in dem 
Gesprach keine Rolle «piele S. 7, dass die sokratische Maieutik fehle 
S, iL, dass die Iiistoriscbe Treue darch die Schilderung von Hicrons 
Charakter und «eine wie Simonides Reden verleUl werde S. 8 ff.^ dass 
endlicli Xenopbon keine Rathschläge zur Verbesserung und Befestigung 
der Tyrannis kenne gegel»en haben S. S8 t Vgl. auch Roquette a. a. 
0. S. 79. 



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172 



II. Die UltiUit'. 



Iiiiiii'enden Ichrli.iiu-ii Vortmi::. Iritl iiiimer stärker hervor. 
HtUtnika. Zwar in den Hellenika. einem Werke freilieh, dfis zu den 
versel)iedeiisten Zeilen entstanden ist, liisst sich die Hand des 
Dialogcnschreihers nicht verkennen : man mag es dramatisch 
oder subjektiv nennen so giebt man doch zu, dass bei 
Xenophon mehr als in den Geschichtswerken des Uerodot und 
Thukydides Reden und Gespräche den Erklärungsgrund Hir 
alle Erscheinungen enthalten; ja rein statistisch und iasser- 
Uoh betrachtet erhellt dasselbe, wenigstens in Bemg anf 
Thukydides, dadurch, dass, während dieser In seinen acht 
Bachem nur ein eigentliches Gespräch hat, auf die sechs der 
Hellenika deren sechs kommen'); und kann sich die Schil- 
derung eines Vorganges bei den genannten beiden älteren 
Historikern an individueller Lebendigkeit und Kraft der Ge- 
richtsscene zwischen Theramenes und Kritias vergleichen, die 
eben dadurch über die Grenzen der blossen Geschichts- 
erzShlung hinaustritt und der dialogischen Darstellung sich 
nähert? 

lüeiao Schrif- Dag» li n in den ühriiien Schrillen dieser let/ton Periode 
^jj*"*** erinnert kaum noch etwas an den Mann, der gewohnl war, 
seine Gedanken in Gesprächen zu erörtern und darzulegen. 
In der Schrift vom Staate der Lacedämonler wird nur 
einmal in Einwürfen, die sich der Verfasser st Iber macht und 
die er beantwortet indem er als deren Urheber ehien 
ungenannten Jemand supponirt, ein Anlauf %nm Dialog ge- 
nommen, aber nicht weiter verfolgt*) ; Aehnliches geschieht in 



I) S. was Weil gegen Greuier bemerkt in Zeitsciir. l d. Alterthuins- 
wiss. 484S S. 455 Anm. 1. 

S) Gesprttche zwischen DerkyllldaB und Meldtos III I , SS t Leoty- 
cbidfis und AgesUaos t, i f. AKesitaos und Tissapherncs 4, 5 f. Agesi 
laos und LysnnfU'r 4. 9. Agesilaos, Spilhridates und Otys IV, 4, 3 fl. 
A'-'f^sÜHOs und PharnalKtzus t, 29 ir. Kiidlirh haben wir VI 1. h (f. ein 
(it'^ipräch . das Polydaiuad der Pharsaücr erzählt und das er selber mit 
Jason geführt hM 

3) 2, 8 Etroi ö' äv o'jv Ii;, -i öfjta, eiTTcp t6 vJ.ir.'u^ d'^at^öv i-vö|xi^£, 
mXXic itXfJY^ iffdpaXc T<p dXiaxofjiivq) ; Stt, ^r^ixl dfcb , x«l tdfXX« tca d^- 

fpmtft ti «ttl ixt |iOt SoxoSoiv ol Au«o6p^ ^futK dix(vi]fcot ((ft|ftiwiv» 



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Xeaophons lotete Schriften. 



473 



der Schrift von den Einkünften und im Hipparchikos 
die letzteren beiden erhalten ausserdem dadurch, dass der Ver- 
fasser in der Form der Anrede sich unmittellMir an seine 
Leser wendet ^j^ den Charakter eines Briefes und somit eines 
iialbirten Dialogs. Es scheint, als wenn Xenophon niemals 
sich in die RoUe des einsamen Denkers babe finden kQnnen, 
für den das Schreiben nichts weiter ist als ein Fixiren des 
Ideenganges, der sich ohne Rflcksicht auf Andere m ihm voU- 
sogen hat. Zum Theü lag dies auch an der praktlsclien 
Tendens seiner Sehriltstellerei. Deshalb hält er auch in 
solchen Werken, in denen wie in der Schrift vom Reiten mid 
im »JSgert sonst das dialogische Element ganz verwischt ist, 
keiue Monoloae. sondern denkt sich ein l)eslininites l*ul)likuu), 
in den genunnteu Füllen junge Leute, an die er sich mit beiner 
Schrift zunächst wendet^}. 



4} Von den Eink. 4, 84 tl ti xtvec Xo^tCovrat xxX. S, S ci U itpic 

TaÜTa xtX. 1< el xt; ay xtX" id ei Ii ri; \u lirepotr«^, ^ vm äv m 
dotxiQ T?;v TtoXtv, Xe^Ei; XP"') "P^» to5tov e(pV^vi)v ieftvi; oöx 
faii^v. Hipparch. 9. 8 e{ Ii ti; toOto ?)'3jfxaC6t xt>. 

T Von drn Eink. », ;i2 ^oßeioilg iljier ist al)er die Lesart unnicher). 
5, 9 f. £1 Ii v.at, oitöj; TO AeXtfol; te(>o a-j-^vojAOv iLsrep "[/'jailtv 

el Ik xai 8iC(BC dvd tcSoiQiv y^v x-at BoIXaixaN £ipT|VT] Corat favtpol 

tXtfn izifx^XoüfjLEvoi xtX. Hipparch. 1, i af,S£tr,; (Jv. 86 or. 9. Ii. i2. 20. 
2, I 3 'iT:iSel;ai;). 42 'Efi^HaTtj. ß, 2. 3. 4. Dass der Hipparchikos nic ht 
als Hi'de, Sündern als Brief gedacht iüt, lehrt 9, 1 xaüxa oe dvaii^voi- 
cxeiv ftev xat öXifäxt; dpxet. 

icc6itv oi6|teda l(fti:«poi tmcutfls fe^cvi^sd«, ßcniX^iicda xal xot« vtovcipoe« 
x€n ^EXinv BijXftMt j St* vop.{Co|A«v a6to6c i(»<KiT«Ta fmcoi« icpo«^pta0«. 
Kyneget. I, 18: i^d» (Uv o3v mpatvAtoC« luiTei^povcTv trnifftelm 

}iT/i£ TT,; 5>.Xt^; raioeia;. — Aus dein im Texte Gesagten ergibt Sich, «lass 
ich den K> no;:otiko-; nicht, wie Ditt€nl»t'ri.M r Hi rni.XN'l. ^30 und Roquctte 
S. 35 II'. 52 Ihun. fiir eine Jujjends» lu llt .\*'iii>iiliitiis li ilti". Das Ein/itro. 
was zu diesem chronologis( lit'ii Aii--;il/. tulinn kanu, ^^l Uic üben S, 147, l 
hesprochene statistiüuhe Mclhude und tieren l£r^ebnissc haben in nieincn 
Aog^n nicht die Festigkeit, dass ich ihnen zu Liebe die aus der An« 
nähme dieser AbiutsangBxeit entspringenden Schwierigkeiten in den Kauf 
nehmen mochte. Ich halle daher mit Lhicite Herrn. XVII, 820 die Schrift 
vieimebr fttr eine der späteren, die in SIcillus \erfa$st wurden. 



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474 



Ii. Die BiUthe. 



üeberblick UeberbUcken wir noch einmal die Schriftstelltirei Ximo- 
l*i^5ü?*X^*"!* pbons. Mit den Memorabüien nahm sie, wie wir vermulheten, 
ihren Anfang. Ihren Gipfel erreichte sie auf dem Gebiete der 
dialogischen Darstellungy das wir hier allein ins Auge fassen, 
im Oikonomikos und Symposion, da erst diese zwei voll ent- 
wickelte und aus dem Zusammenhange mit anderen losgelöste 
selbst8ndige IHaloge sind. In den spiUeren Werken nimmt 
dieser Trieb nach dialogischer Gestaltnng wieder merUiofa ab; 
eigentliche Dialoge bringt er nicht mehr heryor, er vermag 
nur noch GesprSche ra schaffen, die wie in der Kyrop8die 
an den Faden euier Ifingeren EnShlung gereiht sind, bis er 
schliesslich fast gani erÜscht und sein Dasein nur noch durch 
eine gewisse erhShte Lebendigkeit der Darstellung sowie 
durch das Oineinziehon persönlicher Rücksichten in eine sach- 
liche Erörterung kuml ^il>t. Abei üicht erst in dem alternden 
Xenopliüii hat es die Erzählung und der gleichmSssig fliessende 
Vortrag über den Dialoi,' davon getragen. Auch auf der Höhe 
seines Wirkens, als er den C>ikonomikos and das Symposion 
schrieb, ist Xenophon doch immer Historiker geblieljcn . alle 
seine Dialoge werden erzählt, keiner spielt sich wie ein Dram» 
unmittelbar vor dem Leser ab Einem höheren Genius war 
es vorbehalten, die Krone nicht allein unter den Dialogen- 
Schreibern davonitttragen, sondern damit zugleich auch einen 
Ehrenplati unter den Dramatikern su gewinnen. 

G. Piaton. 

So gross die Begabung dieses ausserordentlichen Mannes 
war, so ist der mächtige Einfluss, den sein Genie auf die 
Entwickelung des menschlichen Geistes geObt, doch nicht 
wenig dadurch gefilrdert worden, dass das Schicksal ihm lu 
allem Anderen auch ein so langes Leben gegOnnt hat. Er 

t) Je kürzer und unbedeutender die einleitende Erzühlung in Oiko» 
nomikoK (über diesen s. aiuh S. 4 48, Ii Sympovion und Hiomn i«;t. je 
wr-nicror man sie vermissen wunlf». wenn sie feiill«'. \\tu\ ji' li'irjiirr- «-s 
lui «i> ii \ frf-i>«er gewesen wiire »ie abzustreifen, desto cbarakleriftisciier 
ist e5 Im itin, dass er sie trotzdem beibebullca hat, gleichsam als den 
dilnnen Faden, der diese Erzeugnisse einer bereits dichtenden Phantasie 
noch mit den Anfilngen der Gattunft, den bistoHschen zur Erinnerung 
an Sokrates erzählten Dialogen verknüpft. 



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Platoa. Histonscbe Gnindlase der Dialoge. 



darf in dieser Hinsicht wohl mit Yüilaire und Goelhe ver- 
glichen werden. Wie diese beiden dadurch in den Stand ^ 
gesetzt wurden, ihr Talent nach allen Richtungen zu entfalten 
und auf diese Weise in ihrer einselnen Persönlichkeit ganze 
Zeitalter, ja Völker zur Darstellnog zu bringen, so hat auch 
PlaUm dem hohen Alter, das er erreichte, es mit zu verdanken, • 
dass seine Seluiftstellerei fttr die Litorator des Dialogs typisch 
geworden ist^ nnd wir dessen wesentliche Bntwiokelangs- 
stufen, Yon den Gesprächen, die historischen Spuren folgen, 
bis m freien KnnslsobÖpfiingen, von solchen, die mit dem 
Inhalt nur so spielen scheinen, bis zu andern, in denen die 
Form unter der Last der Gedankt fast erdrückt wird, in 
der Reihe der platonlsdien Werke fiberblicken können. In 
Piatons Geist war eine poetische Anlage und «war, wie nach 
Zeil^loi" üiui liüiiiiath zu vei mullien ist, zum Dramatiker mehr 
als zum Epiker oder Lyriker; ausserdem beschäftigten ihn 
schon früh die Probleme der Naturphilosophie, namentlich des 
tiefsinnigen iieraklit. Auch in seiner Brust waren, wie in 
anderen grossen Männern, die l)eiden Triebe, der künstlerische 
sowohl als der wissenschaftliche , rege und mochten wohl • 
mit einander streiten, bis in der Form des Dialogs sich 
ihnen ein gemeinsamer Tummelplatz bot und sie Gelegenheit 
fanden, sich zu einer mächtigen Wirkung zu vereinigen. So 
wurde diese Form sugjbich die Form des platonischen Gebtes, 
wenigstens in seinen literarischen Aeosserungen >), und wir 
sehen mit derselben auch diesen reifen und absterben. 

Man ist allsu geneigt tlber Piatons IHaloge in Bausch und Hiütoiische 
Bogen absuurtheilen und alles, was darin zu den Äusseren ^^'^^.^^j^^^'^* 
Umstfinden des Gesprächs gehört, auf Rechnung seiner dicb- 
tenden Phantasie su. setsen. Aber wenn etwa das Sj-mposion 
ein Gedicht Ist, waren es deshalb auch die frühesten Dialoge ? 



V IMntiiii silirieh eigentlich nur Dialog«' Denn auch dann, wenn t 
pr --i Ii i r Furui der 7.usamnienhängenden Rede bediente hat er ifoeh 
i»eincr AiihäugUchketl un den Dialog Ausdruck gegeben, indeni er ent- 
weder wie im lleaeieBot den Dialog wu Bfimhaniog bemitite oder wie in 
der Aptdogie die Gel^enbeit ergriff GesprHche in die Rede einzuilechten. 
Je das Denicen selber — ohatakteristisch fär seine Art des Denkens — 
achieD ihm nur ein GesprSch der Seele mit sich selber za sein (Soph. 
p. ses B). 



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II. Die BluUie. 



S<» wonig wir im Einzelnen im Stande sind, innerhalb der 
sukratiscln>u Dialoge, so weit sie uns erhalten sind, genau die 
Grenzlinie (1<'S Historibchen und des bloss Erdi iiti (<^n /.u 
ziehen, so entschieden Ifissl sich doch im Allgeuieiuen be- 
haupten, dass die ersten sokratischen Dialoge historisch sein 
wollten (s. 0. S.84 ff.); ja mehr als das, wir dUrfen behaupten, 
dass jeder der unmittelbaren Sokratiker mil historischen 
Dialogen begonnen hat. Auch Piaton macht nnttirlich trete 
seiner dichterischen Anlage und Neigung von dieser Regel 
keine Ausnahme'). Er hat uns im Eingange seines Theaitet 
geseigt^ mit welcher ängstlichen Treue man bei der Aufiteich- 
Qung und schriftlichen Piximng sokratischer Gespräche verfuhr, 
und im* Pfaaidros iSsst er nur diejenige schriftliche Erörterung 
philosophischer Fragen gelten, die an mllndliche derselben 
Art erinnert-). Nicht als wenn er sich zeitlebens an die engen 



1) Die bekannte Anekdote iiher den Lysis (Diog. L. III 35) beweist 
hiergegen nichts; denn auch wenn sie mehr würt^ als eine blosse Anek- 
dote, würde sie doch nur zeigen, dass es Plalon nicht geglückt war in 
dicM-rn nifilog historisch treu zu sein. nicl»t aber <la«s er auch nu lii die 
.Vbsicht liatle. Auch die Muhe, die sich Piaton uanieiilUcli lui >s>iuposion 
und Panneniftes gibt den Gang der TradiUon zu zeigen, durch die er 
cur Kenntniss der beiden Dialoge gelangt ist, scheint doch nur unter der 
Voraussetzung ganz erklHrlich, dass ursprünglich dergleichen Dialoge 
fUr historisch galten. Dieser historische Charakter ist den platonischen 
Dialogen in gewisser EUnaicht immer geblieben. So behaupte irh. dass von 
ganz vercin7oll« n Ausnahnu?n abgesehen u. S. 180, 1) samnitliche Personen 
platonischer Dialoge, die un«; mit NunüMi t:eii;innt werden, histori'^rh sind. 
In den allermeisten Fidlen Kmiiiii ii wii ilnen ."^[iuren noch in der Viesclu lite 
nach gehen. Wo es uicht mehr möglich int, schiebe ich die Schuld aul 
unsere mangelliafte Ueberlleferong. Nach meiner Ueberzeugung bat daher 
wirklich ein Kallikles existirt, wie ihn der platonische Gorgias schildert, and 
ich halte den Einbll Bergka (Gr. Litgesch. IV S. 447), dem F. DUmmler, 
Akadeinika S. 71 zustimmt, nicht für richtig, dass der Name nur ge- 
wühlt sei um auf Charlkles anzuspielen. Solche Anspielungen mag die 
KonHvdi«» lielifn. niif Hialou'i^i Ih n (iehiet dürfen wir sie nicht ohne weiteres 
ul)ertrageti liici sind ^h' <ist in moderner Zeit «^eit der Renaissance 
üblich gevv*»i(lcu, was wir in Varros fiespradien de re ruslica an 
Künsteleien dieser Art beobachten werden, bl doch weMsuMicb ver- 
schieden, ebenso der SdiStov des Antisthenes und wenn die S. A9S ge* 
äusserte Vermuthung richtig sein sollte, auch der Tt^/.ciuyt]; des Aischlnes. 

t) Die besten geschriebenen sagt er dort p. 818 A, sbid solche, 
die den bereite Wissenden zur Erinnerung dienen, eKömv &3c^|ivi)«tc shid. 



Piaton. Poetischer Charakter der Dialoge. 477 

Grenzen gebunden hätte, die er an dem letzteren Orte der 
schriftstellerischen Thätigkeit zieht; aber das Hauptmotiv, das 
ihn in den Anföngen derselben leitete, scheint doch damil 
bezeichnet zu sein. Erst unhewusst, dann absichtlich hat er 
seinen Dialog von diesen Schranken befreit und ihn, indem 
er ihm fiusserlich dasselbe Gewand liess, doch innerlich gSnslich 
umgestaltet. Der antike Historiker band sich nicht wie der 
modeme Ängstlich an die Buchstaben der Ueberliefenmg : er 
scheute sich nicht, die Menschen seiner Geschichte reden su 
lassen, wie sie in Wirklichkeit niemals gesprochen hatten, wie 
es aber ihrem Geiste und Wesen entsprach. Dasselbe müssen 
wir von den Sokratikem annehmen, wenn sie auf ihrem 
engeren Gebiet historisch sein wollten, und in besonders 
hohem Maasse gilt dies von Piaton. nicht bloss weil der künsi- ^ 
lerische Trieb und die GestaUungskrall in ihm besonders 
mächtig, die Verehrung für Sokrates besonders leidenscbaHIich 
sondern auch weil das historische Interesse allem Anschein 
nach sehr i^ering war*). 

UnwiUkürlidi sunftchst, fast unbewusst verband sich die Poetischir 
IMchtiing mit der Wahrheit, ahnlich wie es auch modernen ^'^^^"^ 
Memoirenschreibem ergehl, die ihre ersten Notizen nun für 
einen grösseren Leserkreis ausfuhren und gestalten wollen: 
das Gestalten greift in diesem Falle leicht tiefer und wird 
tu einer Umbfldung auch des Inhalts'). Nicht wie er leibte 



I) Das zeigt eich augenblicklich, sobald wir seine und seiner 

Schüler Arbeiten mit denen de§ Aristoteles und der PcripatetÜLer ver- 
gleichen. Anstotrios liebt es, «»oine Erörtern nf^en dun li fioschichtliche 
Ueborltlii ki' oinzuU'iU'n. wovon bei Flatun kaum ciiK- S|)ur zu findfii ist. 
und, wahrend unter den i'cnpatelikern vi»'l<> als liistonkiM- sicii finru 
Namen gemacht, üudcu wir Fiutoniiier namentlich unter den Malheiua- 
tikem und Astronomen. 

S) Vgl. nach dieser Bichtoog die treffende Bemerkung R. Kosers In 
der Einleitung xu den Memoiren und Tagebüchern De Catls S. XXVI f. : 
•Vw Uemoirea lassen den Kdnig vieles sagen, was er an Ort und Stelle 
nicht gesagt hat, kaum etwas was er nicht hätte sagen ktfnnen, was in 
seinem Munde unmöglich gewesen wäre. Für die chronologische Be- 
stimmung der Vorgänge und Aeusserungen schleohterdinp« werthlos. 
geben diese Aufzeichnungen doch ein treues Bild von der Art der Con- 
Versalion 1 ticdrichs, den Foruiea, in denen sie sich beweglo. \uii 

dem eigculhumlichen Reize,, der sie belebte. sind nicht IntcrbHltungen, 
Uirxel, Dialog. IS 



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478 



II. Die Blüthe. 



und lebte, nein! Gelauterl in dem Feuer der apoKii:« ti- 
schen und künstlerischen Begeisterung steht Sokrates in den 
platonischen Dialogen vor uns, fleckenlos und frei von 
alle Schlacken der Endlichkeit : einer der platonischen Ideen 
vergleichbar ist er erhaben Uber Wechsel und Werden und 
in den früheren Aeusserongen seines Wesens ebenso voll- 
kommen als in den spStesten^); er ist eine durchauB in sich 
geschlossene und einstimmige PersSnliöhkeil, die, nachdem sie 
einmal das Eekennlniss des Nichtwissens abgelegi hat, die 
ihr dadurch gezogene Grense niemals ttbersdureitet; die yon 
dem Grundsats ausgehend, dass die dialogische Form Set 
Erörterung die wissenschaftlichen Fragen allein angemessene 
sei, diesem Grundsatz niemals etwas vergibt und deshalb den 
zusammenhängenden Vortrag entweder auf unwissenschaftliche 
oder doch der strengen Wissenschaft entzogene Theuiaia an- 
wendet oder gar denselben, wenn er durch äussere Umstände 
unvermeidUch geworden ist, wie in der Apologie und im 
Symposion, unter der Hand in ein GesprMch zu verwandeln 
weiss ; die nicht bloss in naiv genialer Weise diese ihr eigen- 
thümliche Methode ausübt, sondern auch das volle Bewussteein 
Ober deren Werth und Wesen hat^). 



dio so, wie sie uns vorgelegt werden, wirklich stattgefonden hstieo, aber 
es sind (^ewissermassen Typen der DnterlialtiiBgen des Kt^nigs, die als 
solche oline Fra^^e von Werth sein müssen «. 

4 Njidi dem Parmenidcs halle er bcn'it*s in früher Jufjend iT^^jZya 
sioi p. i'il C) die IdcPTdrhrc vollkommen uusf^cbildcl. Von eim r lüil- 
wiokehmjz di s Snkiiitrs i.^t nur im Phaidon p. 96 (T. die Rede; ahi t 
dic;«e halte Sukiale.s ilamal^ schon hinter sich, ( eher das alluiuldiilie 
UeFanreifen ihres Lehrers scheinen Oberliaapt die Sokratiker i^chl viel 
bertebiet zu haben. Nur das SelbstbelteooiniM kann man noch hieriier 
rechnen, das Sokrales in Pbaidons Zopyros von sieb ablegte (s. o. & 4 IS) 
und wonach er erst mit der Zelt Meister der ihm angeborenen teiden* 
<chaflen pewor l- n \\:\r. Was wir von Lehrern des Sokrates erfhbren. hat 
woni'-' 7\\ !u>(!i iiirii. Ainli liier erinnern di<> soknitisdicn Dialnnc an die 
L.V .ini.'rl icii, iiin li wrli hrn der 1 iiiMt"'«'^iilin )><'roits bei seinem ^'T^tr'f) Ih r- 
%orlivU'ii Uli lempcl Mcii im vulleu IScsil/* der hö<"hsten Wei>lirit /A'\,:i. 

2) Die sukratische Maieutik, wie sie uns der Menun und noeii iin-lir 
der Theaitetos zeigt, ist sokmtiscbe McUiode, gdttniert und fortgdtthrt 
von Piatonü Künstlerhand. Hierin «tlmme ich Peipera, Die Erkenntnisü- 
llieorie Platoos S. 715 voUkommcn bei. 



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PlatoD. Poetischer Cberakter der Dialoge. 



479 



Von Natur und in der Wirklichkeit entstehen so harmo- 
nische Wesen nicht; sie vermag nur eine Künstlerhand im 
Bilde zu schaffen. Ist aber eine solche künstlerische Gestaltung 
einmal im Gang, so lieht sie immer weitere Kreise und ergreift 
ausser den Personen auch deren Umgebnng: die ideale Land- 
schaft pflegt eine ideale Staffiige mythologischer Figuren nach 
sich KU si^en und umgekehrt sehen wir in der chrisüichen 
Malerei die Heiligen der Legende wohl auf einem landschaft- 
lichen Hintergründe heryortreten , der der WirUidikeit «war 
Motive abborgt ohne sie deshalb zu copiren. Nicht anders ist die 
platonische Kunst im Symposion und, wir dürfen hinzurügen, im 
Protagoras verfahren. Diese glänzenden Bilder athenischer Gc- 
solliskeit, wie sie uns eine Auzalil ausgezeichneter MSnner 
der Kunst und Wisseiisrhaft in lebendigem Verkehr mit ein- 
ander zeigen>das eine Mal beim Gastmahl des Dichters Agathen, 
das andere Mal im üause des reichen KalUas, erregen zwar 
Dank der Meisterschaft ihres Urhebers ganz die Ulosion der 
Wirklichkeit, der sie auch in den einzehien Zügen gewiss 
entlehnt sind; su diesem Geusen aber sind sie aller Wahr« 
sohetnllohkeit nach erst von Piaton gefllgt worden, der einen 
Ueberbli<dc Aber das geistige Leben seiner Zeit und Vater- 
stadt geben, Sol^rates* Yerhfiltniss zu den verschiedenen 
Aeusserungen desselben beseicfanen woUte und ihn deshalb 
als den Typus der wahren Philosophie den Vertretern anderer 
Richtungen gegenüberstellte; nach dem Maassstab historischer 
Wahrheit haben sie deshall» keinen höheren und keinen ge- 
ringeren Werth als den Raphaels Schule von Athen für die 
Geschichte der Philosophie besitzt. 

Immer mehr liess Piaton im Laufe der Zeit dit soiii dich- 
tenden Geiste die Zügel schiesson. Während er Irüher wenig- 
stens die Personen seiner Dialoge der historischen Ueberliefe- 
rang oder eigener Erinnerung entnahm und erst wenn er 
daran ging, sie im Gespräch ^u vereinigen und ihren Verkehr 
au schüdem, sich mehr oder minder von der wirlüichen 
Geschichte unabhingig machte, hat er ia den späteren Werken 
selbst jenen dünnen Faden fallen lassen, der sehie Dialoge 
noch an die Geschichte knüpfte, und nicht bloss die Scene der- 
selben, sondern auch die Personen so, wie er sie brauchte, 
sich selber gesdiaffen. Auf diese Weise snad entstanden in den 

4a* 



180 



II. Die Blutbe. 



Gesetzen der Kreier Rleinias und der Lacedämonier Megillos, so 
wie der mit ihnen dort im Gespräch befindliche athenische 
Freiüdiing; dasselbe gilt von dem elealischen Freindiing des 
Sopliistes und Politikos und vielleicht aucli von Fhilebos 
Theorie Dieser poetische Charakter seiner Dialoge, je mehr er im 

r xitoftug ^^^^ denselben hervortrat, musste in dem gleichen 

Maasse ihm selber immer klarer werden und aus der gewohnteo 
Praxis eine bewusste Theorie entstehen, die dann wiederum 
auf jene fttrdemd einwirkte. So erUSrt es aidi, dass er Ober 
diese Beschaffenheit seiner Sohriften sich nirgends so bestimmt 
ausgesprochen hat als in der spätesten derselben, dem Werk 
über die Gesetse, in dem er zugleich am weitesten sich von 
dem Boden der Geschichte entfernt hat Denn an die Stelle 
der vulgaren Poesie, die in den Ersiehongscorsus seines 
Staates nicht taugen würde, empfiehlt der Athener dort solche 
Erörterungen zu setzen, wie sie deren bis didiin mil einander 
gepflogen haben fVII 811 C. ff. vgl. VI 761) A). Derselben Auf- 
rüstung der dialogischen Schriflstellerei begegnen wir aber schon 
im Phaidros '^J. Und zwar erscheint ihm das Dichten, wie über- 
haupt jede küDstlerische Thätigkeit nur als ein Spiel des 
Geistes, wenn auch als ein edles, aber doch nur als ein Spiel 
und nicht als eine wirkb'ch ernste Tbfitii:k(>it^). Mit einer ge- 
wissen heiteren Ironie blickt er so auf seine Schriflstellerei 
und er durfte das von der Höhe seines Wirkens und der Jahre 



1) Leber lioii wir weder mus dem }:!ei«lmrtmigen Dialog noch 
aus ändert»!" ijuelie etwas erfahK'n, während uns ein anderer Theil- 
uchmei des Gespräches, Prulan hos, nicht bloss durch den Namen seines 
Vaters als Soho des Kallias naher kenntlich gemacht (p. 49B) soadem 
ftttsserdeoi als noch Junger Blann (p. ISA. SSD. SSEj und Rhetor aus 
der Schule des Gorglas (vgl. Hermes 40, W t) vorgeführt wird. 

i] Die beste Art der SckriltsteUeret — und dabei haben wir natflr- 
lieh an die platonischen Dialo^^e zu denken — wird hier p. 276 B. D. als 
eine riilia «les (jeisles bezeichnet. Das-^ er (laiiül eine Thatigkeit 
küii-th tischer und insbesondert^ poetischer Art uieiTit wissen wir aus 
andi'i« ii seiner Acsserungen, iiiul iliis?; ihm aN ciii Bcispitl solcher riio'.d 
gerade der Phaidros gilt, zeigen p. i"5 U Sokrates' Worte: ouxoiv 
i»na(o8« {iziianvzai Bergk, ilenu. i&, 51 7j p-eipU«; r,p.iv td -epi ÄcJyaiv. 

3) Zu den im Texte aus den Gess. und zu den in der vor. Anmkg. 
angoruhrlen Stelleo vgl. noch Ges. Ii 65S C. Rep. III 434 D. E. X SOS B. 
Polit. 368 B. 



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Platoo. Dialog als Dicittiiiig. CSironologlsclie Widenprache. 1 gf 

herab: sah er auf die steigende Zahl seiner Schüler und 
auf den stetig sich erweiternden Wirkungskreis, der sich jetst 
seinem mündlichen Worte er50hete, so konnte das geschriebene 
nicht anders als minderwerthig scheinen. Waren seine Schriften 
in der Form geflillig und entsprach ihr Inhalt den Forde- 
rungen einer rigorosen Ethik, so erfüllten sie ihren Zweck, 
einer anstündlgen Erholung des Verfassers und des Lesers su 
dienen, und alle weitere Sorgfalt, die man auf dergleichen 
noch wenden konnte, schien verschwendet. 

Am wenigsten war es nöthig auf diesem Standpunkt histo- ChronoiogUohe 

rische Treue in der Ai^ahe des ThatsSchlichen zu beobachten; Widerspräche 

° in den 

weder hat Piaton selber diese jemals unter die Pflichten eines Dialogen. 
Dichters gerechnet, auch nicht in dem strengen Gericht das 
er iilur die Dichter in der Re}iiil)lik ergehen llisst, noch 
konnte dies überhaupt einem Griechen in den Sinn kommen, 
deren Dichter nur ganz ausnahmsweise geschichtliche Gegen- 
stände behandelten Nun erscheinen die bekannten Ana- 
chronismen der platonischen Dialoge, deren man mit den 
Jahren immer mehr entdeckt, zum Theil auch nur tu ent- 
decken meint, in einem ganz andern Licht als in dem von 
Verstttssen gegen die Zeitrechnung, wie sie Piaton beim Nieder- 
schreiben seuier Dialoge entschlfipft seien; die Dialoge, in 
denen sie sich finden, wie das Symposion, sind viel zu sorg- 
fUtig gearbeitet als dass dergleichen MSngel, wenn sie es 
Oberhaupt in seinen Augen waren, dem Philosophen hStten 
entgehen können. Auch von den Anachronismen, mit denen 
die Dramen nicht bloss des Aischylos sondern auch der Jüngern 
Tragiker übersät sind, unterscheiden sie sich wesentlich; sie 
wollen nicht durch Züge aus der Gegenwart die Bihler einer 
heroischen Vergangenheit den Zeitgenossen deutlicher und 
verständlicher machen und die Stimmung, die sich in ühk ii 
kund gibt, hat mit der grandiosen Naivetät nichts zu thun. 
mit der ein Miiton Satan zum £rfiüder der ersten Kanone 



1) Ai-^f h'v los in den Persern hat zwar einen historischen StolT i:e- 
wfihll: dadiir» Ii aber, da.sjj er die Handlung nach Persien vcrle.gU) , ihn 
von einer Seite behandelt^ die ihn der histori}»chen Kcnatniss der Griechen 
entzog , und so diudi diesen genialen Griff dem Dichter die soaverttoe 
Hemdiaft über den Gegenstand gewahrt. 



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182 



D. Dto BlilUke. 



macht und ihn und seine Engel diese infernalische Maschine 
gegen die himmlischen üeerschaaren ins Feld ftihren lässt. 
Vielmehr erinnern Piatons Anachronismen an die attische 
' Komödie und nthmen wie diese einen Uebermuth, der sich darin 
gefSlH absichiUcb die Schranken der Zeit zu über^ringeD: 
man möchte sagen, nicht ohne Grund ist deijenige unter den 
platonischen Anachronismen, der mehr als irgend ein anderer 
in die Augen springt und den man den klassischen nennen 
könnte, einem Vertreter der Komödie, dem Aristophanea, in 
den Mund gelegt (Sympos. p. 193A), der die Zerschneidung 
der Urmenschen, welche die Götter zur Strafe Ober sie ver- 
hängten, nicht besser zu illustriren weiss als durch die Auf- 
lösung der Stadt Mantinea in mehrere Gemeinden, also durch 
ein Ereigniss, das von der Zeit des Gesprächs um uu hrere 
Jahrzehnte abliegt und das weder Sokrates noch Aristophanes 
selber erlol»t hn]>en. 

Noch in einer andern Beziehuim zoiet sich Platuns 
Gleichgiltigkeit gegenüber von Zeitbestimmungen und seine 
Vernachlässigung einer der ersten Pflichten wenigstens des 
modernen Historikers; und auch hierin trifft er wieder mit 
der KnmOdie zusammen. Denn in dieser gilt nicht die- 
gewöhnliche Ordnung der Zeiten, ihre Dauer scheint ge* 
schwunden und friedlich geht auf dieser idealen Sfllme 
neben einander her was in unserer seitlich und räumlich 
beschrSnkten Welt unvereinbar ist. In früher Morgenstunde 
nach seiner eigenen Angabe (vs. 20) sitst Dikaiopolis in den 
Achamem auf der Pnyx und kaum hat er swaniig Yerse 
gesprochen, so kündigt er uns an, dass es bereits Mittag ist; 
derselbe rüstet sich zu Anfang des Stückes (vs. 250) die 
ländlichen Dionysien /.u leieni und während wir ihn von 
vs. 719 nn in den Vorbereitungen zu diesem Fest begriffen 
glauben, nothigt uns vs. 961 (vgl. noch 1000. 1076. 1079. 1202. 
1211) zu der Annahme dass mittlerweile ein Monat abgelaufen 
und die Zeit der Aothesterien hereingebrochen ist^]. Gegen 

4) Ich weiss wohl, welche ühi'ieUte Folgerungen man in neuerer 
Zeil au» diesen und anderen sogenannten Widersprüchen iu dem Slt^ekc 
auf riae IhnuMtung desselben gezogen hat & irtod aber Widerspräche 
nur fUr den, der eine andere als die ihn umgebende Alltagawelk nldit 
kennt) und in die phantastische der alten Comtfdie sich nicht su finden weiss. 



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Piaton. Chronologische Widerspruche in den Dialogen. 483 

diesen Geist der Komüdie versliess es iiii ht, wenn Herakles 
aus Therikleischen Bechern trank und zur Zeit des trojanischen 
Krieges des Iphikrates Erwähnung geschah']; ja um die ver- 
kehrte Weit voll zu machen, so erscheint im Anfang von 
Aristophanes* FrOsehen Herakles noch unter den Lebenden in 
der Oberwelt y während die drei grossen Tragiker Athens 
bereits bei den Todten sind. In dieser Welt der Wunder 
kann es dann auch nicht mehr auffallen» wenn ArchiloGlios 
und Hipponax, Gott weiss in welchem Utopien, mit ihrer 
Zunftgenossin Sappho zusammentreffen und su ihr in Liebe 
erglflhen, obgleich der eine erheblich filter, der andere jünger 
war als die Lesbische Dichterin, um von den rSumlichen 
Schranken, die beide von ihr trennten, ganz abzusehen. 
Diphilos in seiner Sappho hatte so gedichtet zum Beweise, dass 
der neuen aiLibchen Komödie das chronolouische Gewissen 
nieht minder fehlte als der mittleren und alten, und durch 
diese Zusaiüiuensteilung zeitlich einander ausschliessender 
Personen ein SeitenstUck zu Piatons Symposion (s. o. S. ild) 
geliefert. 

In mehrerer Beziehung zeigt uns gerade dieser Dia- QyaiMgioa. 
log den grossen Philosophen als einen Verfichter jeder 
Genauigkeit in den Zeitangaben. Zu dem schon erwähnten 
Anachronismus (S* 482) kommen noch die Spuren, die auf 
eine Bestimmung der Zeit, in welche der jenem Werke su 
Grande liegende Vorgang, das Gastmahl Agathons, gehört^ zu 
leiten scheinen und die doch am Ende gaoz auseinander 
laufen. Wie in den Achamem an das Fest der ISndlichen 
Dionysien. so glauben wir uns hier xu Anfang in die Zeit 
gleich nach der grossen städtischen Feier versetzt und wie 
dort im Handumdrehen aus den Dionysien die Anlhesterien 
werden, so, kann man sagen, gehe das Symposion, tias zur 
Frühlingszeit der Dionysien begann, mit dem Winterfest der 



1) Vf^l. wa'^ in dieser Hin«iif ht Bcntlfv zusaniinontjoslelll hat, Rcs- 
pons. ad Boyl. >. f. (Opusc. philo), ed. Lennep, Leipzig 1781). 

2) So deutet man es wenigstens mit Recht, da.ss nach p. ITiiK 
AgaUionü Weisheit vor den Hellenen ai^l Zeugen geleuchtet hahon 
soll, während doch an dem auaschliessUch attischen Feste der Lenften 
Zeugen derselben nicht die Hellenen, sondern nur die Athener gewesen 
waren. 



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I 



484 U* I>ie BlUUie. 

Lenäen zu Ende Man wQrde diesen chronologischen Wider- 
sprach vielleicht als einen einfachen Irrthum behandeln^), 
gingen fluo nicht die anderen xur Seite und fSnden wir nicht 
pföt^oiM. ähnliches auch im Protagons, der ebenfalls unter die künst- 
lerisch vollendetsten nnd sorgfiQtigst gearbeiteten Dialoge iSUt 
Anch hier taumeln wir iwischen den verschiedensten Zeiten 
unj^er. Um die Zeit tu bestimmen, in die Piaton dieses Ge- 
sprfich verlegt hat, haben vdr, wenn llbeihaupt, nur einen 
einzigen sichern Anhalt in der Angabe (p. 327 D) dass das 
Jahr vorher ndie Wüden«, eine bekannte KomQdie des Phere- 
krates, aufgeführt worden seien Das letztere ist im Jahr 
420 geschehen und man giaui>t wirklich im Jahr il9 sich zu 
beßnden, wenn mau hört dass ilippunikos, der um 422 starb, 
bereits todt war und Kallias das väterliche Erbe angetreten 
hatte (p. .*H5D). Berührt es aber hiernach schon eieenlhtim- 
lich, dass die Jugendlichkeit des Sokratcs betont wird (Sauppe 
£inl. S. 41), der doch damals etwa 50 jährig war; dass der 
etwa 3Sjährige Alkibiades ein junger Mann heisst, dem der 

Die Nächte, hci<5?t o<? p. 223 C, waren daiuals noch lant: und 
das hat bereits Wolf auf tli«: Zeit der Leaaeii l)ezogen, ao weklitai K>te 
auch nach Athen. Y i4 7A von Agathon der tragische Sieg errungen 
wurde» der xn dem Fote den ilnliiss gab. 

i) Die PliUoIogen der neiaeren Zell» als w«na ihre Augen durch die 
vielhanderljMhri^ Arbrat der Wissenschaft überreizt wären, wcfdeo 
von solchen Irrthttmcrn meistens viel zu empfindlich iMführt Wss 
haben sich nicht deshalb nicht bloss die Poeten, sondern auch die Pro- 
saiker müssen gefallen lassen! Wie manche Contamination und l eber- 
arheitung »st nur auf diosi'rn Weize f.'efnnden worden! Niemand aber 
hat fsicli dabei ci iiirit'rt , dass selbst ein so nalui kundiger Diehter wie 
Goethe und in einem so Mruhl uu»gourbeiteleu (iedichl wie liermana und 
Dorothea sur gleichen Zeit die Traalien (vgl Anfang der Eotcrpe) nnd 
das Korn (Anfang der Uelpomene) reif sein Ittsst. Oder hKIten wir am 
Ende auch hier die Spttr elnra* spüteren Delierarbeitang durch den Dich- 
ter oder gar eine Inteqi(rfation? Welche erfreuliche Aussicht für mnthige 
Forscher! 

3) Mii.i;licIuTwei«;e wollte IMaton aber auch hiermit, durcb diese 
scheinbar so ^:tuaue Üalieruni:, nur die Illusion' eines historischen Vor- 
fjanejes beiiu Leser erzeuf^en. Bemerkt ü.-.\serth ist indess, dass dann 
die Zeil des Gespracli^, 4^9 v. Clir. , ungefulir zusammenfallt mit der 
Auffübrungsieii von Eupolis' aScl^eichlem«, die an den Dlonysien des 
Jahres 4S4 stattliuid. Das mochte also die Zeit sein, in welcher das 
Leben im Hause des Kallias sich am günsendsten entfiütete. 



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Platon. Verstösse gegen die Gescbiclile. 



485 



erste Flaum um die Wangen spriesst fp. 300 B^: so meint man 
vollernls Gespenster zu sehen, wenn Pcrikle.s und seine Söhne, 
die 429 starben, noch unter den Lebenden erscheinen (p. 31 5 A. 
349€L 328G.}*). Plafcoa hat bidr den Zauberstab des Dichters 
gesdiwnngen, der wen und wie er will zum Leben erweckt; 
denselben Zauberstab des Dichters, der die üelena mit ewiger 
Schönheit umkleidete und Egmont^ den Gatten imd Vater von 
neun Kindern, in einen jugendlichen Uebhaber umschuf. In 
diesem Falle mochte er sich um so freier von historischen 
Bttckaicliten Itkhlen, da dasselbe Gebiet Eupolis schon in 
den »Schmeichlern« betreten und damit gewissermaassen für 
die Dichtung erobert hatte. 

Das Historisehe an sich hat fttr Piaton keinen Werth, Tentsue 
sondern nur solange es andern Absichten dient. Daher darf 8«8«'J 4"" ^ 
Protagoras zum Schluss des Dialogs, wo er seine Zufrieden- 
heiL mit Sokrates aussprechen soll [(p. 361 D. f.), erklären, 
wie er ihn schon vor Vielen gerühmt habe als den , den 
er von allen jungen Männern, mit denen er zusatinn(Mii.'('trofien 
sei, am meisten schätze; obgleich dieser selbe Protagoras, wie 
wir zu Anfang des Dialogs erfahren haben (p. 309 G. ff.), erst 
zwei Tage in Athen war, also kaum schon mit Vielen über 
Sokrates geredet haben konnte und, was die Hauptsache ist, 
allem Anschein nach mit Sokrates vor jener Unterredung im 
Hause des Kallias nodi gar nicht in BerOhrung gekommen war. 

Wie Aber die zeitlichen Schranken so sind die platoni- 
schen Personen auch Ober diejenigen des Baums und anderer 
Süsseren VerhSltnisse erhaben, wofür abermals der Protagoras 
ein Beispiel liefert. Denn ob su einer Zeit, da Athen mit 
den peloponnesischen Staaten im Kriege war, Hippies von Elis 
sich in jener Stadt aufhalten konnte, haben schon die Alten 
bezweifelt Aber das platonische Atiieu ist ein ganz neutraler 



I Vj:l. noch Sauppe a. a. 0. S. 10 f. Man kann diese Widersprüche 
nicht dadurch bff^citipen, dass tm;ui einen Tiieil der Umstiindr und Fiu len, 
durch die um heivor^crufuu wurden, zu Nebeosachen hürabdruekl, Ein 
»ulcUer Nebcnumstand , wie man angenommen hat, ist doch wahrlich 
nicbt da;» Haus des Kuliias und die Gelegcubcit, die dasselbe ausgezcich« 
oetM MXimeni der Wimischaft und Knast bot, unter sich zu verlLehren. 

i) Athen. V SIS D. Ueberhaupt findet sich nifgends eine Spur des 
peioponnefischen Krieges in dem Gesprttcb, der, wenn Piaton den Dialog 



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n. Die Blülbe. 



Timloi. Boden, auf dem daher selbst, wie der Timaios zeigt, der 
Syrakusaner Hermokrates verkehren kann, dieser Todfeind 
Athens. Letzteres historisch rechtfertigen zu wollen ') ist 
ebenso müssig als wenn man erklären wollte, wie in il r 
Lysistrate des Komikers die Frauen aus ganz Griechenland 
sich in Athen versammeln konnten. Wie wenig Platon, als er 
den Timaios schrieb, in der SLimmUDg war sich um die ge- 
schichtliche Wirüichkeit xu kttmmeni, lehrt der Verstoss gegen 
die Zeitrechniuigi den man erst neuerdings in diesem IKalog 
entdeckt hat und der nns sumuthen möchte su glauben dass 
Kritias, das Haupt der dreissig Tyrannen, mit seinem gleich- 
namigen Vorfahren, dem Freund Solons, ein Gesprfich geführt 
habe (MfiUer - Strttbing im Phüol. Suppl. IV. S. 401). Wir 
werden dies aber dem platonischen Kritias so wenig glauben 
als wir es den Achamem der Aristophanischen Komddie 
glauben, dass sie schon in der Schlacht bei Marathon mit- 
gekämpft haben (Ach. 090 f. vgl. 181), oder gar den athenischen 
Greisen der Lysistrate (vs. 274 ü'.^ dass sie unter denen waren 
die den Kleomenes und Isagoras in der Burg belagorten 

OeMtu. JNach alle dem ^) heisst es Piaton nicht zu viel zimiuLhen, 

nach der Schablone unserer historischen Romane liätte verfasse wollen, 
den düsteren Uintergnind bstte bilden müssen. Das Go<;pi'ticb desbalb 
bis in die Zeit vor dem Beginn des Krieges hinaufinirttcicen sind wir nicht 
berechtigt s. o. S. 4S4 f. 

1) Man k<lnnte] die Zeit des GesprUches vor der sicUischen 
Expedition ansetzen «nil <lii das Gesprürh des Tiniauts mir einen Tng 
spater als dasjeniuf der Ht'|ni!dik fallen soll, dieses letztere mit K fr. 
Hcrmami an «Iiis .I;ilir 4ili knüpfen. AImm «liuui trele» alle die Wnier- 
sprüche hervor, auf die Zcllcr, L'cbür i\n' .\nachronismea in den plato- 
nischen Gesprächen (Abhh. der Beri. Akad. 487S) S. 86 IT. hingewiesen 
bat. Wir befinden uns Iiier also in einer Zwidimtthle. 

S) Man vermisst vielleicht unter den Deweisen für die Freiheit, mit 
der Platon über seine Personen verfQgte, ein Wort über den Pamenides. 
Aber so viel auch in [dem Dialog erdichtet sein inaf;, Zusammen- 
treffen ZNviscIn n Sokrates und dem eleati.>*chen Philo.sophen scheint doch 
staltgefunden /.u li;ihen. Dphti auch im Theaitet 483 K und im Soph. 
24 7 (! wird des>t ii»en Krsv tiuiiiii}: ^ethari und «Fiese Aeusserungen sind 
nur i'i klailic h. wenn sie si»_h entweder auf eirt wirkliches Kreignt!>s oder 
auf das lingirte und im Parmenide» geschilderte boziebea. Bei der 
letzteren Annahme müsste dieser Dialog vor dem Theaitet und Sophinlea 
gesehrieben sein. Vgl. hiermit o. S. 436, 4. 

3) Man vergleiche noch den Schluss des Theaitet mit fiuthypbnm 



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PlatoD. Versldsse g^en die Geschichte. 



1S7 



vvonn man ihn den kretist lirn Schfr und Priester i^pimcnicics 
zu einem Zeitgenossen der Ferserkriege machen und somit 
die Grenze seines Lebens hundert Jahre herabrüoken lässt: 
wer ebne dies nicht gewohnt war nuf die Linien zu achten, 
welche die Geschichte zwischen Persmen und Ereignissen 
sieht, dem musston dieselben in den poetisch- mythischen 
Nebeln, in die sich besenders die Altere Geschichte Ar die 
Griechen der klassischen Zelt hQUte, vollends yerschwinden 



AofBog und Ende. Daraus ergibt sich, dass das Gesprifih des Thealtei 
noch vor das des Euthyphroo flUli, and dass beide gedacht werden 
sollen als geführt an demselben Tage und zwar vor der Gerichtsverhand- 
lung des SokraU s mit Meietos. Das letztere gehOrt doch wohl auch SU 

den historischon 1 nmoL'lichkeiten. 

1) Die auf EpitncDiUfs bf^ztigUrhe Stelle der Gen«». I 642 D h«t ZcUer 
lieber die Anachronismen S. 95 II. in VerLindung gebracht mit der Nach- 
richt, dass dieses letste Werk des Philosophen erst nadi dem Tode desselben 
-von Philippos von Opus heraus^dien wurde, und hieraus geschlossen, 
dass die fragUehe Aeussemng über Epimenides dem Herausgeber und 
nicht Piaton gehöre, dem man einen so groben historischen Irrihum 
nicht aufbürden könne. Zellcr meint, die änderet) Anachronismen der 
plntonisihen ricspnH ht' seien durch Icünstlerisrlu' oder sonstige Rück- 
sichten erklilrü h. deren sich bei diesem keine aiiffiiHltMi liessen. Aber 
welche RücksK hten waren es denn, welche Piaton iHstiiniiilen im Pm- 
tagoras Perikles und seine Sohne noch unter den Lebenden aufzuführen? 
Und wenn man es fUr möglich bSlt, dass PhOippos von Opus sich in der 
Zeit des Epimenides so weit irren Itonnte, warum will noan dasselbe 
nicht auch Piaton sutranen? Das chronologisch •historische Gewissen 
der Alten war überhaupt sehr weit. In Bezug auf die Redner, Ando- 
kides, Lykurg, Domosthenes ist dies schon mehrfach liemerkt worden von 
Wju hsinulh. Athen I 558, <. Blass, Alt. Berods. I Boeckh. Staatsh I 

58r>. Matzner zur Leokrat. 70 u. H5. Mullei -Strubinj?. Aristoph. u. d. 
bist. Kr. S. i74 IT. Vischer, Kl. Sehr. 1 35, i. Leber ein lireigniss, wie 
die Schlacht bei Salamis, berichten sie in der gröbsten Webe Falsches, 
Kimon wird von ihnen mit Mlltiades verwechselt u. s. w. Als redne- 
rische LIcens behandelt dies Cloero im Brutus 4S. Noch viel mehr aber 
eriaubl sich Ktesias, wenn er, wie nach Photios bibl. p. W BeUc. an- 
zunehmen ist, die Schlacht bei Plataiai vor die bei Salamis setzte, und 
auch der Vater der Geschichte hat sich in Bezug auf Selon eines starken 
Irrthtims sehuldii: gemacht, wenn derselbe auch nicht so schlimm ist, 
wie Niebuhr, Koin. Gesch. I 579, 49 meinte, nach dem er in Bezug auf 
die solonische Gesetzgebung sich um 40 OI>Hi(tiaden geirrt hUttc (vgl. 
Stein zu llerodot. I 29, 7). AufTaUend ist die l'nkenntniss der nächsten 
Vergangenheit, welche, wie Grote, bist of Greeoe IV 491 Anm. zeigt* 
Aischylos verrHth, indem er nicht weiss, dass Dareios an der Spitoe 



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188 



II. Die ßiüthc. 



Goaoarrirendo Noch ein Umstand kam hinzu um diese freie Behandlung 
^rgleidhfn Hislurischen in den Dialogen zu begünstigen. Die grieclii- 
Stoffa daxob schen Dichter waren in einer Beziehung viel mehr an den 
^1^^^ Stoff gebunden als die modernen, insofern als sie der Kegel 
nach densell>en nicht frei schufen sondern der Ueberlieferunc 
entnahmen; darin aber dass eine solche Ueberlieferung filr 
sie viel weniger bedeutete, dass sie loit ihr nach Belieben 
schalten und walten durften ^ waren sie auch nieder viel 
unabhängiger. Die Dichter folgten hier nur dem dichtenden 
Geist der Sage selber^ der sich über ein gegebenes Grund- 
Thema die mannigfachsten Yariatlonen erlaubte. 

Besonders weit sind in dieser Bichtung die Tragiker ge- 
gangen. Das hing theüs mit den Verhältnissen susammen, wie 
sie in ihrer Heimath Athen im fünften Jahihundert bestanden 
und wodurch der Respekt vor d«n Mythus und IlbMhaapt tof 



seines Heeres den Bosporus Uberschrill und schwere Verluste gegen die 
Skythen erlitt (vgl. noch TeulTel-Wecklein, Einl. zu den Persern S. :\v. 
Auch in der Zeil de«* pewecklen historisch -chronnlosisciicn Interesses 
und der verfeinerten l urschung katn (io« h noeh AelmlicUes vor. Arislar- 
chos beim Scho). zu Aristoph. Früsch. ikti h'^uLI, dass die damalige Yor- 
bannuog des Atldbiades dieselbe sei, während deren er die Spartaner snr 
Besetrong von Dekeleia ermunterte. Man denke ausserdem daran, dass 
ein Gelehrter wie Aristoxenos den Sokrates in Bigamie leben nnd den 
Plalon in der Schlacht bei Delion milkämpfen Hess. Und in allen dienen 
Fullen haben wir es doch mit rein historischen EreiKoissen und Personen 
zu thun. Epinienides nber ist eint' i\\>-\d von der Sage umsponnene Per- 
sönlichkeit, deren i.'i'«.' hiehtlirheii I\ iii wir kaum 7U erkennen ver- 
mögen. Nanieullieli »her sein Alter evistin n die fabelhaftesten \nt:alien, 
mit denen sich nicht bloss die Nachrieht, die ihn zu einem Schuler und 
Zeitgenossen de« Pythagoras macht (Porphyr vit. Pythag. S9. Jambllch 
415 f.), sondern auch eine Ausdehnung seines Lebens bis in die Zeit der 
Peraerkriege vollkommen vertragen würde. Mindestens, dass das letstere 
auf Traditionen beruhte, diese Miiglichkelt ai^eint mir hieniaoli trott 
Zoller a. a. 0. S. 96 nicht zu bestreiten und mehr als dies liegt auch in 
den frii^lichrii Worten der Ges' fze nicht: denn nicht Plalon spricht die- 
selben od'T sein Vertreter, der .\thener, sondern dem Kreter klemias 
.sind sie in *leii Mund ^'elepl. der es sieh gefallen lassen muss wegen seiner 
Vorliebe für den Lundsmaiui von dem Athener III p. 677 D geneckt zu 
werden. Piaton konnte ganz wohl überteugt sein, dass die Tradition 
falsch war, nichtsdestoweniger aber den Glauben daran zur Charakteristik 
seines Kreters benutzen. Vgl. jetzt über Epimenides auch Diels, Borr, 
der Berl. Ak. 1894 S. 387 ff., bes. S. 394 f. 



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PlatoD. Concarrireode Behandlung der gieioben Stoffe. 489 

jeder Ueberlieferung aufgehoben wurde, theils war es darin be- 
gpOndeti dass si« genöthigt wnren immer und immer wieder 
dieselbe geringe Zahl von Sagen-Stofien xu behandeln und 
daher den Reiz der Neuheit, der dem Gegenstände fehlte, durch 
die immer wechselnde Art der Behandlung suchen mussten. 
So blieb der Grundstock der Mythe swar bestehen, alles Uebrige 
aber Änderte sich, die Namen und Rollen der Personen so wie 
der Gang der Handlung und ihre Motive; ja so sehr liessen die 
einseinen Dichter bisweilen diese Abweichungen von ihren 
Yorgängem hervortreten, dass sie wie eine polemisirende 
Kritik derselben erschienen. 

Aehnlich wie die Traiiikei zu Jen Mythen standen die 
Sokratiker zu dem, was den Inhalt ihrer Dialoge bildete, den 
Reden und Thaten des Sokrates. Man braucht nur einen Blick 
auf die Titel der sokralischen Literatur zu werfen, so erkennt 
man die engen Grenzen, innerhalb deren sich dieselbe be- 
wegte: es ßind dieselben Gegenstände der Krörterung, die- 
selben Gesprächspersonen, die darin immer wiederkehren. Die 
Einförmigkeit des Gegenstandes konnte nur durch den Wechsel 
in der Behandlung wieder gut gemacht werden und dafür gab 
auch hier die bereits in sich uneinige Ueberlieferung den ersten 
Anhalt; wo dieselbe aber versagte, haben die Schriftsteller 
selber mit dichtendem Geiste nachgeholfen. Einige Beispiele 
miSgen dies verdeutlichen. 

Unter den Ueberlieferungen Über Solurates hatte man SofcntMbd 
Grand auf diejenigen besondem Werth zu legen, die von '''^^„^'"^ 
seinen kriegerischen Thaten erzählten: denn in der Apolo- 
gie^ die ihn zu einem guten Büit^or zu stempeln sucht, bil- 
den sie ein wichtiges Kapitel. Trotzdem scheint die Tradition 
hierüber frühzeitig ins Schwanken gekommen zu sein. Man 
wüste, dass er einmal einen Tapferkeitspreis erhalten und 
diesen an Alkibiades abgetreten habe: wann dies aber ge- 
schehen sei, vermochte man nicht mehr anzugeben und Plutou 
konnte deshalb den Vorgang an eine Schlacht bei Potidäa, 
Antisthenes an die von Delion anknüpfen ^j. Ueber Sokrotes' 



^] In dieser Schlacht soll er neicb Diog. L. II 22 deo XcDophon, der 
vom Pferde gestürzt war, gerettet haben. Aristoxenos weiter dichtend 
lies» dann gar Platon den Tapferkeitspreb bei Delion davontragen, Diog. 



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190 



n. Die Bltttbe. 



Verhalten auf der Flucht, die auf das letztere Treffen folgte, 
haben wir ebenlnlls verschiedene Berichte. Nach Platon 
Sympüs. Ziili wäre er, während die Andern sich auf der 
Flucht zerstreuten, mit Lachem ruhig zurückgegangen und 
hätte die verfolgenden Feinde durch Blick und Haltung von 
»ich abgeschreckt; der Verfasser des ersten sotLratischen Briefes 
(§ 9) leitet hingegen die Kettung des Sokrates nicht von seiner 
Tapferkeit ab sondern von der innem Stimme, dem Datmonion, 
das akh zur rechten Zeit vernehmen lieBs und ihm den Weg 
seigle, auf dem er unbehelligt yon der feindlichen Aeiterei 
entkam^). Diese sweite Nachricht als werthlose spStere Er- 
flndimg bei Seite zu werfen muss uns sdkon der Ort warnen, 
an dem sie sich findet: denn gerade die neuere Zeit hat ge» 
lehrt, und wir haben es selbst schon gesehen (s. o. 8. 448 ff. 
424, 4} dass in diesen Briefen sich Reste der sokratiscben 
Dialoge erhalten haben. Dazu kommt, dass sie, indem sie 
eine Flucht der Athener nacli mehreren Richtungen vor- 
aussetzt, sich an den historischen Bericht des ikukydides 
(IV 96) anschliesst^). Sollen wir nun zwischen den beiden 

Laert. UI 8 vgL Zeller, Phil. d. Gr. II» 84i, %\ Gegen Piaton und Anti- 
stheaes wendet sich Demochares hei Athen. V p. 81 5 C ff. Dass man an 
dieser Stelle den Text des Atfaeoalos so gelassen hat, wie Ich ihn bis 
jetxt In den Ausgaben finde, wundert mich. Mir scheinen p. S45 D die 
Worto |ai)(ev6$ Toüd' Icropr.xöto; — dnoXofUvtov und p. SISA ICAC ^ «cd 
TTOv dp'.TT. — TToirzW^ III «Miiep Weise gegen den Zusammenhang zu Ver- 
stössen, dass ich sie weder auf die Rechnung des Athenaios oder ««eines 
Excerptors, sondern nur auf die <'inej> lnU^rpolators setzen kann. Aurh 
in den Worten p. 2i6 C 6 Ii [YKdzoisai loixpcCiT}; — 7iapctxfj^tupT,xivai 
entblüt wenigstens das «weite Glied des Sattes einen grollen Intbim. 

4] Ebenso Phitarch, de genio Socr. 14 p. 581 D t, der aber als Ge- 
währsmann der Gesddchte den PyrUampes nennt, der verwundet in die 
Gefangenschaft der Thebaner gerathen war; nach dem Briefe ist es ehea- 
falls ein Verwundetor, der die Nachrieht bringt, aber einer, der trots 
seiner Wunde jjUicklich nach Athen entkommen war. 

2' Auf denselben Dialog, dem die zweite NiK'bricIit über Sokrates' 
Verhalten in der Sc Idacht bei Delion entnommen ist , bezieht sich viel- 
leicht auch Luciaii de purasit. c. 43, doon hier hcisst es, dass Sokratc» 
nach der Schlacht bei Delion auf der Flacht vom Paraes her in die Pa^ 
Ifista« des Tanreas gekommen sei. Man besieht dies auf den Anfeng des 
platonischen Channides. Aber doi$ ist von der Schlacht bei Potidlla die 
Rede. Dass Einige nach der Niederlage bei Delion über den Pames flohen, 
bestütigt Thukydldes. 



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PlatoD. CooGurrireodo Behandlung der gleichen Stoffe. 494 



abweichenden Berichten eine Concordnnz stiften? Wabr- 
sdiein lieber ist ohne Zweifel, dass jeder auf seine Weise 
die wunderbare Rettung des Sokrates erklären wollte. Je 
fabelhafter nun der platonische klingt desto deutlicher ent^ 
hallt sich in ihm die idealisirende Tendenz, der es nicht um 
historische Wahrheit sondern um die Verherrlichung des So^ 
krates su thun war und die deshalb, Platous sonstiger Ansicht 
entsprechend, die Auflhssimg des Baimonions als einer ge- 
meinen Prophetengebe umgangen so wie die Tapferkeit des 
Sokrates in ein viel glansenderes licht gertlokt hatte >}. 

Waren es hi den angeführten Beispielen Ereignisse aus 
dem Leben des Soluntes^ HÜber die man im Allgemelhen einig 
war und die erst bei einer ins Einzelne gehenden Darstißllung 
verschieden ersehienen, so sind es in andern Fällen Aeusse- 
ruijgen des Philosophen aus Gesprächen mit Anderen, über 
die ebenfalls im Allgemeinen ein Zweilei nicht bestand und 
hinsichtlich deren man nur schwankte wem gegenüber sie 
gethan waren. Im Znsammenhange von Gespräehen üi)er die 
Gerechtigkeit hatte Sokrates in seiner Weise Handwerker, 
Schuster u. s. w., überhaupt das tägliche Leben zu Verglei« 
chnngen benutzt. »Immer dasselbe sagst Du« erwiderte ihm 
Srgerlich ein Anderer. »Nicht bloss dasselbe« antwortete 
Sokrates »sondern auch ttber dieselben Dinge; du dagegen 
sagst Aber dieselben Dinge niemals dasselbe .c Diesen Anderen 
nannte Xenophon in den Memorabilien Bippias; Piaton im Gor- 
gias Eallikles*). 

Einstimmigkeit herrschte nicht einmal in den Berichten BoknW 
Ober die letste Lebenssett des Sokrates und doch durfte man 



1) Dass Blicke und Haltang des Sokrates allein nicht vermdgend 
gewesen wSren die verfolgenden Feinde von einem AngiilT auf seine Per- 
son ahrohalfenf hatte schon Democbares bemerkt bei Athen. V 94 SA. 

2) Auch das» ihm bei Plat^m 'mt:u]v I.mi Iks. dessen Tapferkeil 
sprichwortlich war, als Genosse auf die Flucht gegeben wird, ist bezeich- 
nend. Dasselbe cpschieht indessen auch bei PIntarch de grn. S(»cr. ii 
p. 58< D. wo docli der Daimonion die Rettung des Sokrates besorgt. 

3 Xcnoph. Mcm. IV 4 , ti Kai 6 (xiv Mrrw; 'iy.o'jaa; Tctüta, ä^ttco 

ä V(m TrtfX« TCOti eou r^xo'jsa; «al 6 Ztoxpitr^;. *0 Ii xmöxw Setvö- 
ttpev, ifi], & IcicUi, 06 {A^ov dsX aAtd Mit» dXXd «vliccpltav afttibv* 
9j l * tooit t& noXvp«^« tlvat tccpi tdv oöSiscote «Axd Xi^ei«. 



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192 



11. üie Blütbe. 



diese hier am ersten erwarten, wo es sich diu die nächste 
noch in frischer Erinnerung schwebende Vergangenheit handelte 
und noch dazu um eine die die Aufmerksamkeit von Anfang an 
in hesüJiders hohem Grade nnl sich ziehen musste und deren 
Weihe und Heiligkeit geeigael war selbst dem unbändigsten 
Dichtergeist Zügel anzulegen. Es scheint, dass man zwar 
streng festhielt was Sokrates damals geihan und geredet 
hatte. Worte und Tbaten voU ewigen Lebens, gegen das Wie 
aber deato gleichgiltiger war, weil neben der im Märtyrer- 
glanie strahlenden PersSnliehkeit des Sokrates und deren 
unmittelbaren Aensserungen alles Andere yerdonkelt nnd snr 
unbedeutenden Nebensache wurde. So konnte man nicht 
vergessen dass er selber in Folge eines Traumgesidits seinen 
Ted nach dreien Tagen vorausgesagt, noch weniger wie mann- 
haft und pfliditvoll er die angebotene Befreiung aus dem 
GefSngniss zurückgewiesen habe; dagegen mochte der Name 
dessen, dem gegenüber Sokrates jene ewig denkwürdigen 
Aeusäerungen gethan, weniger fest !m Gedüchtniss haften, 
vielleicht waren es auch ihrer mehrere gewesen die sie ver- 
nommen, kurz die Dichtung hatte hier freieres bpiei und 
Piaton konnte als die fragliche Persönlichkeit den kritoo, 
Andere den Aifichines^) beseichnen. 



Piaton Gorg. 491 E: KaU. 'Q; it\ Taurd Xf^ci; , & SdbxpotC«. 2«. Oi 

|i<5vov ^c, t'j KoXXtxXei;, dXXd xai Trcpi t&v aOtwv. — 2cu. 'Op«;, 

o) jieATtOTe KaXXtxXci;, di« o'i raOtd oii t'£(ioO •xiTTj^opcT; xai if6i ooj; tj 
jifv fdp ifi-e ^prjc itt Tiurd Xlyetv, y.'il ufu^c« [aoi • i-y<äi Ii «oO toyvavnov. 
Ott o-jlizQTt TajTd Xe^et; repi ttöv ajxvu'* xtX. Krohn, (Sokrates und 
XenopbOD S. 49S ff.) und wer mit ihn das hetreffende Kapil«! der lle- 
morabUton einem laterpolator zuschreibt, mnss freilich diese Uebereia- 
stiminung mit der platonisdien Steile anders, nSmlich aus einer Nadi- 
aUniung Piatons durch Psendo-Xenopbon eriüSren. Aeballch Dttmmler 
(AlMdemika S. 252 f.) 

1) Dass Sokrates den aus Plnton«: Kritoii p. 4 • A f. bckannlon Traum 
dem Aischinos erzählt habe, sagt üiog. I-, II IVrsolho Sokratikor, 

und nicht, wie Piaton a. a. 0. 44 B berichtet, kritun, war a, naoli Pio- 
genes II 60 und Iii 36, der dem Sokrates den Rath gab, sich durch die 
Flucht tu retten. Diogenes citirt zwar eis seinen Gewährsmann an den 
beiden zuletzt angeführten Stellen den Epikureer Idomeneus. Aber die 
letzte Quelle der Nacbricbt kann dieser doch kaum gewesen sein, son- 
dern war vcrniuthlich die Schrift eines Sokratikers. Zum Beispiel könnte 
der Atsj^lvt^c des Euklid diese Quelle gewesen sein (s. o. S. 410, 4). leb 



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• 



Piaton. Goocarrimide BehaiKUang der gleichen Stoffe. 493 

Aehnlich schwankte die UeberHeferune; in ReziiK auf die 
letzten Augenblicke des Philosophen. Einige hervorspringende 
Punkte hatten sich auch hier der Erinnerung eingeprägt; 
zwischen diesen irrte aber eine mehr oder minder bewusste 
Dichtung liemlich frei hin und her. Die reichste Quelle des 
Trostes waren fOr die überlebenden Freunde und Schüler des 
sterbenden Philosophen die Worte, in denen er sie be4^tttete| 
dass der todte Körper, den sie bald sehen wOrden, Jiicht er, 
Sokrates, seL Und diese Bedeutung behielten die Worte, gleich 
viel aus weEchem Anlass sie gethan wurden. Bei Pkton (Phaidon 
p. 445 G) Ist es' eine Flrage des Kriidn wie man es mit der Be- 
stattung des Sokratos halten solle die jenen Anlass gibt; nach 
Anderen (Diog. L. II 36. Aellan V. H. 1 4 6] war es Apollodor da er 
koslbare Kleider ins GefÜngniss mübraohte um den Leichnam 
darein zu hüllen (vgl. auch Theon bei Spengcl Rhet. Gr. II S.99, 
30). Bei Piaton werden jene Worte im Hinblick auf die voraus- 
gegangeneu Gespräche über die Unsterblichkeit gesagt, in 
denen der Tod als eine Trennung der Seele vom Leibe er- 
schienen war; nach den Andern scheinen sie vielmehr den 
Ausgangspunkt für weitere Erörterungen gebildet zu haben.' 
Welcher Art diese Erörterungen waren, wissen wir nicht. Aber 
wenn sie sich auch in derselben Richtung wie die platonischen 
bewegten und das Fortleben der Seele nach dem Tode im Auge 
hatten, so werden sie doch noch verschieden genug von ihnen 
gewesen sein. Ob wir aus ihnen erfahren würden, was der 
hfotorische Sokratos gesagt hat, ist eine andere Frage. Sicher ist^ Pktidon. 



gebe der Ueberiognng anheim, ob dfesem oder Überhaupt «inein sokrati- 
sdien IHalogo auch fo^cade AeuSBerongoo bat Diog. L. n 85 eDlnommen 
siad. Als ta SokrateB Jemand sagte, "die Athener haben dich zum Tode 
verurtheilt« antwortete er »Und sie die Natur«; und als ihm seine Frau 
sagte, »Mit Unrecht leidest du den Tod » fnh er ihr zur Antwort >üad du, 
wünschest du etwa, dass ich ihn mit !< < Iit ? > 

1) Weder ist iu dem Berichte Aeliaus Im \ orausgcgangeue Gespräche 
ein Platz noch deuten die Worte, welche Sokrates dort spricht, auf 
Micha iilo. Dean nachdem ApoHodor mit den lüeidem gakommen und 
- ' • iiire Bestimmung angegeben) soll Sokrates Folgendes gesagt haben: Kai 
eö« (ncip ^A(« «oJUftc *AicoXX68iBpQc oStcd So|diCft, d 7* KcictorcOxev, Sxt 

Hirtel, DUlog. 4H 



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194 



U. Die BlUthe. 



dass wir e> »iureli Platon nicht erfahren, dessen Gespräche über 
die Unsterblichkeit auf der eigenthiunlich plaloniijclien Ideen- 
lehro basirt sind: und auch das ist höL-hst unwahrscheinlich, 
dass der historische Sokrates, wie er bei Haton thut, sich 
während der letzten Augenblicke seines Lebens ganz einer 
Unterredung mit den beiden Thebanern Simmias und Kebes 
gewidmet habe; viel wahrscheinlicher dagegen, dass Platon 
seiner Preimdsohaft für diese ond seiner Vorliebe für den 
Pyfhagorelsmus im Phaidon ein Denkmal errichten wollte, 
ahnlioh wie er es in der Ref^oblik seiner BmderUebe errichtet 
hat'). Anwesend waren Simmias und Kebes gewiss während 
der letsten Aagenblii^e des Sokrates*) ; aber Platon hat ihnen 
eine viel bedeutendere Rolle zugewiesen, als sie inWirkli^ 
keit gespielt haben. Br hat eben auch in diesem FaUe das 
historisch Gegebene benutit und für seine Zwecke umgestaltete 
Das gleiche Verfahren tritt noch an einem anderen Punkte 
des Phaidon besonders deutlich hervor. In einem der sokra- 
tischen Briefe (Ii. 9) wird uns erzählt, dass Sokrates. als er 
das Gill getrunken, den Freunden nocii den Aulirag gab, 
dem Asklepios einen Hahn zu opfern, den er dem Gotte 
schulde in Folge eines Gelübdes, das er während einer Krank- 
heit nach der Schlaclit hei Delion gcthan. Diese Nachricht, 
die einer späten Erdichtung nicht gleich sieht, m^n so in 
einem sokratischen Dialog gestanden haben und konnte unter 
allen Umständen dazu dienen, die einfache Frömmigkeit des 
Sokrates zu charakterisiren. Ein historischer Kern verbirgt 



4) Die Vorliebe für den Pythagorefsmvt spricht sich onverkennbar 
im Phaidon aus. Nicht bloss der Lehrinhalt weist danmf hin sondern 

ebcii.sd sehr der Umstand dass öte iiauptrollen des Dialogs Simmias und 
Kebes überlrapen sind, also iwn Männern die aus ilirom frühoren Leben 
her entschiedene Be/.i<^htiT)<.'en zu den Pythapioreem halten, und dfiss im 
einleitenden rn-spritrh aheiinals ein Pythagoreer auftritt. l''i l»«'kr;ites, dem 
niaii so'^ar den gan?.en Dialog sich gewidmet denken kann. Dass nun 
aber nicht bloss in PIstons Darstellung sondmi «adi in der WIrklichiceit 
neben Simmias und Kebes alle anderen Schttler des Solcrates, nameatiich 
so alte und her\'orragende %-ie Antisthenes und Enkiddes, so guulich 
solitcii xuriiek^etreten seiOf wie dies nach Piatons Bericht den Anschein 
bat, i^t kaum denkbar. 

t Audi Aehan a. a. 0. setzt dk» Anwesenheit, wenigstens des Siro- 
niia.^ voraus. 



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Piaton. Coneorrirende BehandlaDg der gleichen Stoffe: 495 

sich ohne Zweifel darunter. Was hat nun Piaton daraus ge- 
macht? Bei ihm that Sokrates diese AeuMerung nicht ttber- 
havpl, nachdem er das Gift getrunken, sondern es sind dies 
geradesu die letiten Worte, die er spricht. IMeselben sind 
dadureb nur um so eindrnoksvoUer. 8le werden es aber 
noch mehr — und bierin leigt ü6tk abermato die platonische 
KuBBi — weil ^e siob bei ihm auf die Auffordenmg be- 
sofarSnken, dem Golle sein Opfer sn bringen und keinen 
Gnmd desselben angeben 1). Der Leser angeregt, ihn binsu- 
f ttdenken, kann ihn nnr fa^ den vorangegangenen GesprScben 
Uber die Unsterbliolikeit finden. Unter diesen Umstinden ISllt 
auf die einfechen Worte ein wttndeii>areB Licht: denn sie 
erscheinen nun als die Aeusserung dessen, der die beginnende 
Heilung von allen irdischtMi Leiden bercM'ts an sich eiupnndet. 
dessen Seele der Morgeiiiuiach der Ewigkeit umwittert und 
schliessen so die Gespräche über die Unsterblichkeit aufs 
Schönste ab, indem sie auf die dialeklisch und naturphilo- 
sophisch gewonnenen Uosullale durch die peisüuliche l^rfahnmg 
des Sokrates und deren bekenntniss gewisserinaassen das Siegel 
drücken. Piatons eigentbümliches Verfahren, das historisch 
Gegebene zu vergeistigen, indem er es in den Dienst der 
Kunst £wingt und zum Symbol tieferer Ideen macht, tritt uns 
hier besonders deutlich entgegen, sodass man sein Verhältniss 
m den tibrigen Sokratikem dem dee vierten Evangelisten su 
den Synoptikem gleich stellen mOchte. 

Davon, dass eine und dieselbe (Jeberlieferung von Ooigiu. 
verschiedenen Sokratikem verschieden gestaltet und ausge* 
sclimflclct wurde ^, liegt uns vermuthlich auch eine Spur 



4 ) Pbaidon p. 4 1 8 : *0 Kpkw», ff*}, tip *A«itXv}inip öfctXotwv (iXenTpttdva. 

2) In Betreff der letzten AugenhÜckf dos Sokrates weicht von Piaton 
nach TeJps hei Stob. flor. V R7 ft S. liT Mein.: nU. Hiernach hatte Sokrates 
noch drei Ta^<! Frist zum Toflc tr;iiik aiicr niclit^dcstowenisjer dort Schier- 
lingsbecher ^huü aia er^len und wartete nicht bis die ^onne hiuUr den 
Bergen war. Daä letztere tindet sich auch bei Pluton Phaidon p. H6E 
ttnd «Bdi an die drei Tage ein Anklang, allerdings nur elo ganx schwacher, 
im Kritoo p. 44 A f. Was Teles weltw beridhtet, dass Sokrates den Rest 
des Trankes dem AlUbiades xar Gesundheit wie im Kottahos bingescbleu- 
dert habe, erinnert nn Xcnoph. Hell. II 8, 56; wnhrscbciDlicher aber als 
eine Verwechselung hiermit ist mir dass diese Version in apologetischer 

4S* 



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496 



II. Die BlÜUie. 



vor in der Aehnlichkeit , die wir schon früher zwischen Anü- 
sthenes' Archeiaos und dem platonischen GorgiaB beobaditeton 
(S. 125 f.) 

SjmpMioii* Durch alles dies sind wir nun genügend vorbereitet, um 
es nicht mehr unmöglich zu finden, dass aach das Xenophon* 
tische und Platonische Symposion, wie sehr sie immer unter 
sich abweichen mögen, doch nur verschiedene Brechungen des 
gleichen Lichtstrahles sind: überliefert war nur die dunkle Er- 
innerung an ein Gastmahl, bei dem Schrates eine Bede aof den 
Eres gehalfen haben sollte, dasu vielleichl einige Gedanken ans 
dieser Rede; dieses Gastmahl wurde von Xenophon im Hause 
des Kallias, von Phiton In dem des Agathen loealisirt, Zeit 
und Anlass venehieden bestimmt^ sowie die bethefligten Per- 
sonen, Gedanken, die bei Xenophon, Sekretes und Pausanias 
gegeben sind, bei Piaton auf Pausanias, Phaidros und andere 
Redner vertheilt und so und noch durch Anderes aus dem 
gleichen Stoffe zwei Werke geschaflen, deren gründliche Ver- 
schiedenheit mehr als etwas Anderes den verschiedenen Geist 
der beiden Künstler zeigt ^j. 



Absicht entstaaden ist am die Verbindung des Sokrates mit denjenigen 
SU serreissen, dessen Freundschaft man ihm touptsScblfGh snm Vorwurf 
machte. Anders Hense, Tcletis rell. S. XMl u. XXXVI. Den gleichen Vor- 
gnnfi 8US den allerletzten Atipenliückon don Sokrates in verschiedener 
TrudiUon und Beleuchtung betreilen vieilctcht Platou PhaidOD p. II7B 
und Juvt'ual .sal. 13, 185 ff. {u. dazu Wcldner). 

t) Auch zu Piatuns Euthyphrou p. 4 A liegt eine Variaate vor bei 
Diog. L. II 99, die Bergk de rel. com. Att. ant. S. 857 t aus einer Komödie 
ableitet, die aber viel wahrschelnlldier ihren Qrspnuig in eiotm sokra- 
tischen Dialog hat. 

2) Für das Nähere verweise ich auf Hugs Einleitung zum platoni- 
Sf lipn Symposion S, XXIV ff. Die Beziehungen l>oiik'r Sympo*;ien auf 
« iiKiiidür trotz aii< r V(-r«ohiedenheit sind unverkennbar: man könnte sie 
iwi'i Aesten vergleichen, dit* von demselben Stamme aus sich nach ver- 
schiedenen Richtungen strecken, dcicu Zweige und Laubwerk aber sich 
immer wieder mit einander verflechten. Hat man ttbrigena si^ einmal 
davon Uberzeugt, dass Piaton in seinem Symposion sich polemisch auf 
das zenophontiscbe besiehe, dann kann man eine soldie polemlscbe Be- 
ziehung auch in dem Anfang beider Dialoge verroutbcn: beide SchrlK* 
st<?l!cr geben hier an, wie sie zur Kenntniss des betreffenden Vorgangs 
gekommen sind; «nher während diese Angabe hei \«'noph«)n ftu?''Prst 
dürftig ausgefallen ist, sich nämlich darauf beschrankt den Erzähler d<;s 



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Piaton. Scenerie der Dialoge. 



197 



Dass die platonischen Werke nicht streng wissenschaftlich 
sind, dass sie vielmehr an der Grenze der Poesie schweben, 
zeigt sich aber nicht bloss in negativer Weise darin, dass sie 
um historische Wahrheit sich nicht kümmern. Tiefer ist ihnen 
der dichterische Charakter eingeprägt, wie das der Macht des 
poetischen Genius in Piaton entsprach, der, wenn wir auf 
Aristotf'los hören wollten, stark genug war. gelegentlich in 
das Reich des philosophischen einzubrechen und poetische Phan- 
tasiegebilde an die Stelle wissenschaftlicher Gedanken zu setzen. 
Alle Poesie strebt nach sinnlicher Vergegenwärtigung ihrer 
Gegenstande und die platonischeil Dialoge zeigen, dass auch 
er das Talent lebendiger und anschaulicher Schilderung in 
hohem Grade besass, stellen sieh also aach von dieser Seite 
als poetische Werke dar. 

Wie dem Dichter im Prologe des Faust alle Naturgewalten LandBobaft- 
und -Wesen su Dienste sind, um die Ton ihm beabsichtigten 
Wirkungen su unterstUtseUi so weiss auch der Dialogensdirelber 
sich dieses Mittel su Nutse lu machen und durch vorausge- 
adückte oder eingellochtene Naturschilderungen Empfindungen 
und Stimmungen su erregen, die mit Inhalt und Gang des Dialogs 
in Einklang stehen. Indem er uns an die Ufer des Serchio auf 
einen lieblichen Hügel zu einem schönen Quell unter schattige 
BSume führt und Empliuduiigen der Liebe und Melancholie er- 
weckt, sucht uns Tasso in seinem Dialog dD'w Bäder« so zu stim- 
men, dass wir gern dm »losprächen über eine andere dieser 
zarten Empfirif hingen, die ties Mitleids, folgen; und wie hat es 
Joseph de Maistre in seinen «Abenden von St. Petersburg« ver- 
standen, durch die ]ir;ichtvolle S( liilderung des Sonnenunter- 
gangs auf der Newa und der horeindämmemden Nacht eine 



Folgenden als einpti Aui^onzcutron zu bezeichnen, und da nun dieser Kr- 
zähler kein anderer uls Xeaopiion »»elber sein kann, auch chroiiolugi:i(iien 
Bedenfcfio «nterliogt (s. o. S.'487, 8), ist dieselbe bei Platon sehr künstlich 
gestaltetf sodass wir den Weg zu ttberachatten glauben, wie die Kenniaiss 
des ErdUdten durch verschledeiie Mittelglieder, wie Aristodem und Apollo- 
dor, h\s auf Platon gekommen ist. Wer freilich das xenophontische Sym- 
posion für das spätere hält, wird auch hierüber anders urtheilen. l'nrt nnch 
allem was bisher flarüber verhandelt worden ist, kann man zweifeln ob 
eine lebereinstimmunp: in der Hauptfrage jenia!»- <>rziell werden wird, so 
wenig als dies bis jetzt in der nahe verwandten Frage nach dem Ver- 
hSUoifle der sophokleischen und earipideischen Elektro gelungen Ist. 



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198 



11. Die Biathe. 



weihe- und n n da chts volle Stimmung EU erzeugen und uns da» 
durob vorzubereiten fUr die folgenden Erörterungen an denen 
der Geist sieh xu den hOohsten Aufgaben und Fragen des mensoh- 
lichen Daseins erhebt Schon der antil^ Schriftstekbr konnte 
PkftiaNi. in solchen F8Uen auf nachempfindende Leser rechnen. Nlohi 
umsonst bat uns Piaton den anmuthigen Platx vor den 
Mauern Athens gesdiildert (Phaidr. p. 230 B. f.), an dem 
sein Sokrates und Phaidros sich niederlassen und so» 
dann das Gespräch Über die Rhetorik führen, und nicht 
umsonst erinnert er den Leser immer wieder von Neuem an 
diese, die Redenden umgebende Natur der Oertlicbkeit 
(p. i'ö\)A. fl'. mul zum fechluss p. iTDB, in dem Gebot an 
Pan und die librigon Götter des Ortes) : es ist lieisser Mittag 
im Sommer, abei oine hohe Platane und andere BSurae geben 
Schatten an eineui mit weichem («ras bedeckten AMüing am 
kühlen Quell, Blüthenduft erfiiUi den Baum, ein lindes LüfU 
chen weht und der Chor der Grillen singt darein, Weih- 
gefichenke mahnen an die Nähe der Gottheit — so athmet 
alles in diesem Bilde der Natur Ruhe und Leben sug}eioh 
und ist ganz geeignet, auch in der Brust des Lesers, eine ge- 
wisse behagliche und doch ernste Stimmung henrenurufen, 
wie sie au den folgenden GesprSchen passt, die frei von aller 
ieidensohaftlichen Streitsucht ruhig das gestalte Thema erOrtem 
und nur gelegentlich yon einem gelinden Hauch der Be- 
gebterung angeweht werden. 
Kunt dM Im* Aber nicht die äussere Natur der Landschall war es, die 
trast^a 1 er jp^^^ ^ Sokratlkor logeu Ihn nur der Mensch 

und seine Zustünde stfirker an und hat er deshalb auf deren 
Schilderung allein die ganze Fülle seines Talents verwandt 
Darüber zu reden ist überflfissiti : jeder seiner Dialoge lehrt es, 
wie ihm (h'e kleinsten und unbedeutendsten Züge im Bilde sei 
es einer SiUialion oder eines Menschen doch der Erwclhuung 
Werth scheinen, nicht nl^ svenn sie mit dem wissenschaniiehen 
Gehalt des Gesprächs in irgend welchem Zusammenhang stän- 
den — den vermag höchstens neu]>Iatonische Auslegungssucht 
herauszufinden — sondern lediglich weil durch eine solche 
Individualisirung der betreffende Vorgang, die betreffende Per- 
son dem Leser deutlicher vor Augen gerückt wird. Wenn es 
erlaubt ist nach Lessmg noch von einer malenden Poesie lu 



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Platon, Dialog und Oraina. 



199 



reden, so ist Piaton ein Meisler in derselben. Wie wenige 
veraland er es seine Gebilde der Phantasie einzuprägen und 
hat sich, am ihre Ansohauliclikeit su erhöhen, insbesondere 
der sdiweren Kunst der Kontraste und der Gruppirung be- 
dient. Unvergleiehllobes bietet in dieser Hinsicht das Symposion, SympoBisdi. 
wie die Soeoe, in weioher der trunkene Aliübiades in die su 
ernsten Gedanken gestimmte Versammlung eindringt, — einen 
Gegenstand, den Diderot der Kunst des grSssten Malers für 
wttrdig erUlirte und den ein grosser Maler der Neuseit, Feuer- • 
bach, in der That durch seine Kunst verhör AichC faat^) — und 
Bum Schluss, nachdem es still und leer geworden ist, die 
Andern eingeschlafen oder fortgegangen siniK Sokrates allein 
noch in ernstem Gespräch mit Aristophanes und Agathon — eine 
Ii nippe, deren grossarUge Bedeutsamkeit man mit der Ver- 
klärung Jesu zwischen Moses und Elias verglichen hat^). 

Insofern jede Darstellung, die in w iikiin- voller Weise PiatouUcho 

menschliche Charaktere und üandlunsjen neheneinandt^r stellt, ^^^^°s« »!■ 

^ Dramen, anf- 

fiir dramatisch m gelten pflogt, kann man auch in den beiden g«iiMt* 
angefidirten Beispielen platonischer kunst Spuren eines dra- 
matischen Talents erkennen. Es sind nicht die einzigen, die 
man in Piatons Dialogen hat finden wollen. Vielmehr hat 
man in erster Linie, wenn man den Philosophen als einen 
Poeten beurthetlte, einen Dramatiker in iiun gesehen, seine 
Dialoge als pliilosophlsehe Dramen bezeichnet, ja selbst den 
Unterschied von TVagikUe und Komödie auf sie angewandt, 
und endlich sogar, was die praktische Probe auf diese An- 
aidil war, in alter wie in neuer Zeit platonische Dialoge auf 
die Blihne oder doch wenigstens zur AuflÜhrung gebracht. 

Was ist nun an dieser Ansicht das Wahre ? Die äussere Siii^ 
Form kann leidit zu einer Verwechselung von Drama und ■'^^'''^ 
Dialog ftlbren da wenigstens für das Auge des Lesers beide 



<) Im Artikel rtromposltion« des Diclionnairc de 1 Encydüp(^die. 

2 Dif Phantasie antiker Maler scheint der Phaidon anpercfzl zu 
haben, die nach Luciaa L'ubcr das Endu duü l'cregrinus 37 den sokrates 
im Getängniss unter Minen Freunden dantellion. 

S) Sfrauss Leben Jesu II S. S74, 47 (1. Aufl.). 

4) Plutarch QuaesL Conviv. VII S, I. 

5) Aristides or. 4S p. 39 Jcbb schwankt oh er von platonisdien 
Dramen oder Dialogen spreehen «oll; k* iXXot« xa\ lpe((ik«eiv ^ Xö^otc, 



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200 



a. Die Biathe. 



nichts als eine Reihe von GesprSchen sind. Und auch ein 
flüchtiger Blick auf die Geschichte scheint diese Meinung zu 
bestSfigen. Freilich Shakespeare's Hamlel} so gedankenreioh 
er ist, bleibt immer noch Ümmelwett versdiieden Ton einem 
pletonischen Dialog. Aber was hier selbst dem blödesten 
Auge erkennbar ist» das vermag in anderen FSIlen seibat das 
sehärflite nkbt an entscheiden imd man wird in Serag anf 
gewisse literarische Produkte immer streiten, ob sie tur dra- 
matiseben oder dialogischen Gattung f u rechnen ahid. 

Insbesondere finden sich solche in den Anfängen des 
modernen Dramas. Manche altfranzösische Desputaison, hat man 
gesagt '), könnte man sich so gut aulgefiihrt denken, wie manche 
sicher aufgeführte Moralit6, und wiederum manche der Mora- 
litäten des Mittelalters sind ihrem Wesen nach von Dialogen 
Lucianscher Art kaum zu unterscheiden. Kein Wunder daher, 
dass mnn in gewissen Dialogen der Spanier die Vorläufer des 
Dramas bei diesem Volke gesehen haf^). ludesseo sollte man 
hier vorsichtiger sein. Die Repräsentanten, die man theiis unter 
den Dramen theiis unter den Dialogen wShlt, sind nicht ge- 
eignet, um aus deren Aehnlichkeit auf eine Aehnliohkeit auch 
des Wesens der beiden Literaturgattungen zu schliessen : denn 
sie stellen beide dieses Wesen nicht rein dar, die Ludanischen 
Dialoge nichts weil sie der 2eit des Verfalls angehören, in der 
sich das Dialogische mit dem Dramatisdien mischte, und die 
filtesten Dramen nicht, weil diese embryonische Bildungen 
sind; jene also, weil in ihnen das Wesen nicht mehr, diese, 
weil es in ihnen noch nicht rehi sur Erscheinung kommL 
Und doch regt sich bereits in den ersten dramatischen Ver- 
suchen ein Trieb, der sie wesentlich von Dialogen unter- 
scheidet ; sie wollen aufgeführt sein, nur dann erreichen sie 
ihren Zweck, eine wirkliche Handlung darzustellen; für die 
Dialoge genügt es, wenn sie gelesen werden; erst von der 
Natur ab lallende Zeiten haben hieran zu ändern gewagt. 

Wie verschieden beide sind, kommt am deulü hsten da 
zum Vorschein, wo ähnlichen oder auch wohl einem un(i dem- 
selben Gegenstände sowohl dramatische als dialogische Behand- 



1} Adolf Tobler, Methodik der phllologtsdiien PorBchting 8. 49. 
I) Tickiior, History of Spaniah Ulerat. I tat ff. 



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PlatoD. Dialog und Drama. 



804 



lung zu Theil geworden ist. In Rameau's Neffen sowohl als in 
Goethes Tasso ist die Absicht des Verfassers, einen Charakter 
SU schildern; dies ist die Hauptaufgabe und nicht die Dar- 
stellung einer Handlung in dem einen, die BrOrterung eines 
philosophiseh-wissenschaiUlehen Problems in dem andern Falle. 
Auf wie verschiedenen Wegen aber kommen su diesem gleichen 
Ziele Drama und Dialog I Der letstere, Indem er seinen CSha- 
rakter sich selber schildern ISsst; jenes, Indem es ihn In eine 
Beihe von Situationen bringt, die Ihm Gelegenheit geben, sich 
SU seigen. 

Noch mehr tritt uns die Verschiedenheit von Drama und DieTimonfabel. 
Dialog entgegen, wenn wir die Timonfabel auf ihrem Wege 
durch die Literatur verfolgen. Ursprünglich in dem Athen 
des fünften Jahrhunderts, auf der komischen Bühne heimisch, 
ist sie von Lucian für den Dialog benutzt, dann aber von 
Bojnrdo und Shakespeare für das Drama zurtickerobcrt worden. 
Bei Lucian haben wir wie in den Mysterienspielen des Mittel« 
alters eine doppelte Bühne, eine irdische und eine himmlische; 
der Uauptacteur auf der ersteren und, insofern auf ihn das 
Interesse der Götter sich concentrirt, auch der «weiten, ist 
TImon, der theils in längeren Monologen uns Über seinen 
Menschenhass untenjchtet, theils denselben den Abgesandten 
des Zeus sowie seinen Mitmenschen gegenüber in Worten und 
Thalen beWShrt. Wir haben hier also eine Reihe von Heden 
und Gespriöhen, in denen In mehr oder mhider satirischer 
Welse das Thema des Menschenhasses varlirt wird; die eigent- 
liche Handlung, insofern sie an den Haupthelden geknüpft ist, 
sdireitet während dessen nicht fort Bei Bojardo (Klein, Ge> 
sddchte des Ihvmas IV. 255 ff.) hat sich hieran insofern nichts 
geändert, als auch er uns den Timon von vornherein auf der 
Höhe seines Menschenhasses zeigt; etwa.s Aeusserliches ist es, 
dass er den Inhalt des Dialogs in Akte getheilt, wichtiger, 
dass er durch Einsehaltungeu und Umstellungen einen strafferen 
Znsniiiinenliant: hergestellt und die Hauptsache, dass er in 
pinrin lünflcn Akte, den er zu dem von Liirian Gd^cebenen 
hinzu (lichtete, einen versöhnenden Abscbiuss gefunden hat, 
wonach Timon als ein Unglücklicher erscheint und zwar durch 
eigene Schuld unglücklich Gewordener und nls Einer, der 
schliesslich sein Joch freiwillig wieder und damit endgiltig 



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202 II- Di« BIttlh«. 

auf sich nimmt. Diese Ansätae su einer dramatischen Ent- 
wicklung hat Shakespeare weiter geführt. Bei ihm tritt uns 
der Charakter TimoDS nicht wie bei Lueian und B<^)ardo fertig 
entgegen, wir sehen ihn werden, gewahren, wie er doreh 
eigenes Verschnlden in Armuth gerälh nnd damit einer Menschen- 
Verachtung anheimflült, die die hfirtesten Proben besteht, selbst 
Yor der Noth des um Hilfe flehenden Vaterlandes nicht weicht 
und am Ende keinen andern Ausw«g hat als den Tod; was 
uns Shakespeare geschildert hat, Ist das Ringen und Untere 
liegen einer edlen Natur, die eben durch ihren Edelmuth 
ihren Untergang lindet und dor wir unser Mitgeffihi nicht 
versagen können, wie es in der Schlussklage des Alkibiades 
zum Ausdruck kommt. Ad dio Stelle der todten Maske des 
Menschenhassers Timon. hin» r dn- sich die satirische Laune 
des Dialogon*^<-hreil)ers verbirgt, ist ein Mensch von Fleisch 
und Hiut getreten, der vor nnsern Augen lebt und sich ent- 
wickelt und der deshalb Anspruch auf unsere Theiinahme 
hat, und eine ganze Welt der verschiedensten Menschen be- 
wegt sich ebenfalls lebendig charakterisirt und handelnd um 
ihn. da wo der Dialog nur einige ziemlich fade Typen des 
damaligen Lebens reden Usst, ihrer Zahl nach kaum genügend, 
den Akt eines Shakespearischen Dramas tu füllen. 

Die grossere Vertiefung der Charaktere und die ausgedehn- 
lere reichere Handlung sind die beiden Hauptkennsei^en, durch 
die sich das echte entwickelle Drama Tom Dialog unterscheidet. 
Von dieser Einsicht wurde auch Diderot geleitet, als er es unter- 
nahm, den Inhalt des platonischen Fhaidon xu einer Tragödie 

Dn FkftUton umzugestalten. Aehnlich wie Piaton hatte anch er den Ge- 
elneflit^'le <^8^''=^^'° einer Ueroriu des Theaters gefasst indem er diesem 

nm^ultet. eine Richtiint; aul das Moralische geben wollte. Manchmal, 
sagt er. habe ich gedacht, dass man aul der Üiihne Fragen 
der Moral diseutiren sollte und dass dies geschehen könnte, 
ohne dem kralligen und raschen Verlauf der dramatischen 
Handlung zu schaden' \ Er dringt auf Vereinfachung der 
Handlung, auf Vermehrung der Diskurse und will dadurch das 
moderne Drama dem antiken, besonders dem sophokleischen 
nSher bringen '^). Kein Gegenstand scheint ihm (tkr ein soiches 

1, D« la po<'sie »Iramaliquc S. 684 (Oeuvres IV Taris 18!8j. 
3: A. B. 0. S. 630. 



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Platoa. Dialog und Drama. 



moraliBirendes Drama geeigDetar, als der Tod des Sokralea. »Qttel 
eanefvas pour im portal troftar ans mid ein ander Mal^ : » loh 
würde lafrieden sterben, wenn es mir gel8nge, diese Aufgabe so 
EU lösen, wie idi sie im Sinne habe«. Er hat es aber bei dem 
Bnlworf daso bewenden lassen'). Den Rahmen liefert der 
Fbaiden imd das Ganse besteht ia einem Akt mit lUnf Scenen, 
der aber den Umftng eines gewöhnllehen Dramas haben soll. 
Aach darin gleicht dieses Drama dem platonisdien Dialog, dass 
sein Schwerpunkt in den Gesj)rächen über die Unsterblichkeit 
liegen sollte. iTentera cetle scene qui l'osera«*). Bemerkens- 
werther sind die Abweichungen. Selbstverständlich war, dass 
was im Pbaidon, namentlich in der Einleitung Erzclhlnng ist, 
von Diderot dramatisch umgestaltet wurde. Ausserdem hat 
er die SchlussgesprSche dos llialoLjs sich zwar 7ii Nutze 
gemacht, sie aber so geformt und zugespitzt^), dass sie ge- 
eigneter sind auf die Empfindung der Menschen xu wirken 
imd insbesondere zu rühren. Aber hiermit nicht genüge hat 
er sich überhaupt nicht auf den Phaidon beschränkt, sondern 
zur Ergänzung des dort gebotenen dramatisohen Stoffes den 
Kriton iHr die Traumepisode und die Apologie fttr die Ver- 
handlung vor Gericht Terwerlben wollen, die beide mit in 
das Stück aufgenommen werden sollten. Auf diese Weise 
bitte es demselben allerdings nicht an dramatischer Wirkung 
und dramatischem Leben fehlen können. Zugleich sieht man 
aber hier recht deutlich, wie selbst da, wo der beste Wille 
war, den Dialog auf ^e Bflhne zu übertragen, dies ohne 
bedeutende Umänderungen und Zusätze doch nicht geschehen 
konnte. 

Dnuiia und Dialog sind eben zweierlei. Sie sind einander 
verwandt: deshalb haben diejenigen modernen Volker, die das 
meiste dramatische Talent bekunden, es auch auf dem Gebiete 
de»; Dialogs zur grössten Meisterschaft gel>racht; vielleicht kann 
man {geradezu sagen, dass das Volk Shakespeare s auch die fein- 
sten ßluthen des modernen Dialogs gezeitigt hat in den Werken 

1) A. n. O, S. «84. 
2j A. a. O. S. 630. 

S} A. a. 0. 8. 6SS f. 
4) A. a. O. S. 685. 
5} A. a. O. 5. 68S IT. 



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S04 



n. Die Blütfa«. 



Berkeley's, Humes und Shaflesbury's. Aber Drama und Dia- 
log sind doch auch wesentlich TerochiedeOi und deshalb haben 
unter den Zeiteltem sich für den Dialog bisher besonders 
fruchtbar erwiesen gewisse Epochen der aUgemeinen Kultur- 
gesehlehtef für das Drama solche nationalen AufiMshwungs^). 
Beides erklflrt sich aus der Natur der beiden'Uteraturgatlungen, 
von denen die eine das Handeln, die andere das Denken und Reden 
der Menschen s])iegelt. So sehr hiemach beide als yerschieden 
erscheinen, so kann doch auch ein gewisser Zusammenhang 
nicht bestritt^?!! werden, der sich uns darin kuiid gibt, dass, wie 
wir so eben beobachteten, der einzelne Dialog wenn auch 
nicht ausreichenden Stoif für ein ganzes Drama, so doch für 
eine einzelne Scene oder einen Akt desseli^en gibt. Und 
hieraus rrkbirt sich dann weiter das Verhältniss. das zwischen 
der Begjiluini; zum i)iaiogenschreiber und zum l)r;iiiion*llrhter 
Stattfindet. Ist der Dialog gewissermaassen nur der Theii, 
Scene oder Akt, eines Dramas, so folgt, dass man swar wohl 
die Fähigkeit besitzen kann, einen Dialog zu verfassen, ohne 
deshalb schon das Zeug sum wirklichen Dramatiker zu haben. 
Die Erfahrung, die uns unsShlige Dialogenschreiber zeigt^ die 
niemals im Stande waren ein Drama su dicliton, dagegen nur 
selten Männer, wie Diderot und Lessing, die den Dialogen* 
Schreiber mit dem Dramatiker in sich verbanden, bestätigt 
dieses Resultat, und die historische Betrachtung im Grossen 
stimmt hiermit ttberehi, da aus der Neigung und Anlage tu 
dramatischer Auffassung, wie sie sich bei den Deutschen in 
der Literatur des 14. und 15. Jahrhunderts kund gibt^), kein 
einziges echtes Drama, wohl aber die Fluth von Dialogen 
iiervorgcgangen ist, mit der das 16. Jahrhunderl üljerschwemmt 
wurde. Daher frMgt sidi auch, ob Piaton eine so hohe Meisler- 
st.halt er auf ilcm Gi>l)i('t4' des Dialogs bewährt hat, als Dra- 
matiker mehr als höchst mittelmSssig geworden wäre. 
BnawüMbw Piaton NVTichs auf in Athen zu einer Zeit, da dort der 
*pUto^hM^ dramatische Genius seine höchsten Triumphe feierte und Sinn 
Ditloga« - — 

<i Daher srhrinl os auch zu erklären dd&s die Spanier, so gross 
ihre Lei.>.luiigen nu Drama Mnd unil so bedeutend ihre Begabung hierfür 
ist, doch im Dialog sich ntcht sonderlidi ausgczeiclinet haben. 

1} Nach der Bemerkttiig von W. Scherer Geach. der deutschea 
Literatur S. 152. 



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PlaUm. Dramallsclier Charakter selaw Dialoge. 205 

und Anlage für dramatische Dichtung im Volke so weit ver* 
breitet war, wie vielleicht nie wieder. Es war eine der 
Zeiten, in der jeder gute Kopf Verse macht, und häufiger al» 
SU anderer Zeit und bei andern VOlkem mochten damals diese 
Verse dramatische Form annehmen. UnabUngig hiervon ent- 
sprang lor gleiehen Zeit der Dialog und wurde namentlich 
durch die von Sokrates ausgehenden Anregungen gefördert» 
Dass auf seine weitere Ausbildung auch der dramatische Geist 
der Epoche Einfluss flbte, ist nach dem, was Uber den Zu- 
sammenhang beider Literaturgattungen soeben bemerkt wurde, 
wahrscheinlich und wird llberdies dadurch bestätigt, dass auch 
in Syrakus dem Drama der Dialog, der KomOdie Epicharms 
die Mimen des Sophron und Xenarchos gefolgt sind. So ist 
auch die Kunst des platonischen Dialogs 7Avar zunächst her- 
vorgegangen aus den Keimen, die Sukrates in Piatons Seele 
gesenkt hatte; dass aber diese Keime sich so mächtig und 
gerade in dieser besonderen Art entwickelten, dazu hat auch 
die Luft nicht wenig beigetragen, die gerade damals Athen 
durchwehte und Samen des Dramas lauseudfaltig enthielt. 
Ein Tribut an den herrschenden Zeitgeist war es, wenn Platou 
wirklich in seiner Jugend Dramen gedichtet hat 2). Wir wissen 
das nicht. Was wir aber wissen und noch mit Augen sehen 
kSnnen, sind die unverkennbaren, den platonischen Dialogen 
aufgedrdckten Spuren eines Talentes, das, wenn es auch nicht 
genfigte, ans dem Philosophen einen Dramatiker im hifchsten 
Sinne des Wortes lu machen, doch ihn belXliigte einxelne 
der mannigfhchen, dem Dramatiker zufaUenden Aufgaben auf 
vonflglicbe Weise su lOsen. 



4) Die Nenplatonilier laMeo Platon bei den Tragikern in die Schule 
gehen. Olymp, vita Plat. 3: {Aera xa^xa xi\ «apA toT; xpa^ixoi; £T:ai- 

prolegg. 8: icpo(Tt)«rv hi %a\ TpOTfixoT;, t6 dv oty-roi; <je(i.viv dpusaoSai ßou- 
X6fMvoc* d(po{T7)oev hi Uli /KuutxoT;, t-^v tppdtotv ouruiv djtpcXTjö-^vai ßouXöfievo;. 

f( Das antike Matt'riai, das zu dieser Verniuthung Anla«s ^i*hm 
kann, ü. bei ^tiMutuul, Piatons Leben S. 292 f. Die Glaub^ürdi^ketl der 
Anekdote, dass Piaton seine erste Tragödie oder Tetralogie unter Parodi- 
roDg eines bomeilMiieo Verses verbnuwt bebe — einer Anekdote, die 
Steinhart a. a. 0. 8. 74 geneigt ist für wahr zn halten — wird auch da* 
durch einigw Maaaaea enebttttert, daM deaiellwn Vers nach Diog. VI 
98 auch der Kyniker lletroUes fesprochen babeo soU, als er Sciiriflea 
Theophra&te verbrannte. 



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206 



U. Di« BlUUie. 



In roaDchen Stücken erinnert Piaton an die grossen Dra- 
matiker des fünften Jahrhunderts. Wo es sich darum handelt, 
Macht der Empfindung und Hoheit der Gesinnung zum Aus- 
druck zu bringen, zeigt seine Sprache eine UbeiX{aellende 
FfiUe und fast unbändige Freiheit, wie wir sie ausser bei 
Pindtr und in der alten Komödie sonst nur bei Aisohylos 
finden; die Verbindung von Philosophie und Poesie, wie sie 
in den Dialogen eratrobt wird, hat von einem anderan Aoa- 

EwipUM. gangapunkt aus auch Euripidea in seinen Tragödien yersnefat^}, 
wfihrend eine satirisdie Tendens, die selbst das Burleske nicht 
TerschmMht, ihm mit Aristophanes und dessen Kunstgenossen 
gemein ist. Doch das sind Eigenschaften und Vorsttge, die 
das Wesen des Dramas nicht betreffen, wenigstens nicht in 
dem Maasse als die wundenroUe Gabe der Charakteristik 

Sophokles, und der Gesprächstiihrung, um welcher beider willen er mit 
Sophokles verglichen werden kann ; denn die Gespräche dieses 
Dichters sind lebendig und doch nicht bloss rhetorisch blendend 
wie die Euripi l t ischen, sondern dialektisch einschneidend und 
wi* (loruni (Iii Charakteristik Plntons beschränkt sich nicht 
bios auf eine malerische Schiidenmg des Aeussern der Men- 
schen, obgleich sie dieselbe keineswegs verschmäht, sondern 
greift tiefer und Ifisst in echt dramatischer Weise die be- 
treffenden Personen sell>er ihr wahres Wesen uns enthüllen. 
Z»bi der Per- Das siud Mittel, durch die selbst ein Dialog, wie der Phai- 
dros, der nur swischen swei Personen verlfiuiX, doch eine ge- 
wisse dranmtische Wirkung thut. Warum diese Wirkung noch 



1) Auch sonst erinnert in diesen MBacbes n Dfalogo. In der Ad- 
tlope war der Streit zwischen Atnphion und Zetbos dM poetlache Gegen- 
bUd ni dem Kampf, den la Piatons Gorgia» iüiUlklea und Sokrates Über 

den Werth der Philosophie fttbren. Vgl. auch Cicero de erat II 4SS 
Piderit. Auch der bekannte von Ennius dem Neoptolemus In den Mund 
pclc^t^' V<-i -i > [)liilnsr>|)harl est mihi t\<*ressp. al patiris. non omnino haut 
plocet" ist Ii wiilil einem Stücke de> Kiiii(>ides eatlolml und ruft uns 
die Situation \ou ll»|>j»ia.s Dialog vor Augen {o. S. 59 L;. inwiefern das 
Dranm ^utu philosophischen Dialog hinüherschwaokt, heseichnet 0. Lud- 
wig Shakespearestudien S.SOII mit folgenden Worten: »sowie Mächte des 
Bewttsstselns streiten, wird das Problem ein pbilosopblscbes, es stebt 
dann auf der Refleiion, dann kämpft Geslehtspunkt mit Gesichtsponkt, 
das Kt ld des philosophischen Dialogs, und die Ausfilhmng kann nur eine 
rhetorische werden«. 



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Piaton. PenoAenzahi io den Dialogen. 



stärker vom Euthydcm und Protagoras ausgeht, erklären sie 
al)er nicht. Dramatisches Leben kündigt sich ausser durch 
eine gri^sere Mannigfaltigkeit der Handlung auch durch die 
gjrtMer« Zahl der auftretenden Personen an. Beidos steht 
in einem ursächlichen Zusammenhang mit einander und 
Shakespeares Dramen, wie sie uns den Strom der Hand- 
lung in grösserer Breite und Ausdehnung feigen, als die 
sophokleisohen, bedurften eben deshalb auch einer grösseren 
Zahl handelnder Personen. Wer daher zuerst den sweilen 
Sdiauspieler auf dem attischen Theater . einführte und noch 
mehr, wer den dritten hininflgte, hat damit nicht bloss Epoche 
gemacht In der Geschichte der scenisohen Aufitihrungen su 
Athen, sondern auch in der der dramatischen Poesie; es war der 
Gedanke nicht eines Regisseurs, sondern eines Dichters, der, 
vom dramatischen Geist erfüllt, auf diese Weise der Handlung 
mehr Fülle und Bewegung gel»eu wollte, in der Tragödie 
kennen wir die Münner, die diese folgenreichen Schritte ge- 
than babrn ; in der Komödie bemühte man sich schon zu 
Ai istitteles Zeit vergeblich, sie ausOndig zu machen; im Dialog 
endlich hat man überhaupt nicht daran gedacht, dass es auch 
hier möglich war sich ein ähnliches Verdienst zu erwerben. 

Wie das Drama aus der Lyrik, so arbeitete sich der kunst- l«aophoii. 
mfissige Dialog aus der Historie empor und für dieses Streben 
in dem einen wie in dem anderen Falle ist die Vermehrung 
der handelnd oder redend auftretenden Personen ni(^t bloss 
ein Symptom, sondern ein mitwirkender Faktor gewesen. 
Was der historische Dialog in dieser Hinsicht leistete, sehen 
whr aus Xenophons MemorabiUen: nicht mehr als das Uner- 
ttssHche, indem mit Schrates immer nur eine Person im 
Gespräch auftritt Nut was in dieser Weise zwischen sweien 
verhandelt worden war, vermochte allenfhlls das GedSchtniss 
festzuhalten*]. Wozu aber das poetische und dialogische Be- 
dürfniss führte, wenn es durch keine solche fiücksicht gehemmt 
wurde, lehrt derselbe Schriftsteller, indem er den durch die 
mageren Dialoge seiner Memorabilieu und des Oikonomikos 



4) Auch Courier^» vom i. Marz 1812 datirt^ ConversaUon chez la 
comlesse d'AIbany. nn der drei Personen betheiliiit *;ind, gibt sich als 
historisch und folgt gewiss auch histonschea Spureu^ ist aber in der 



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808 



II. Die Biuthe, 



ganz anders gewöhnten Leser im Symposion mit einer zahl- 
reichen und liunten Geseilschafl übeirnsrhl. Das letztere Werk 
ist eben eine Dichtung und durch die Menge der darin auf- 
tretenden Personen hat es noch in neuerer Zeit so entschieden 
den Eindruck eines Dramas gemacht, dass man alles Ernstes 
versucht hat, es nach der Weise eines sokshen in yersohiedeiie 
Akte zu zerlegen 

Fktott. Was bei Xenephon noch als Ausnahme erscheint, ist 
bei Piaton fast rar Hegel geworden: wShrend er in einigen 
seiner Dialoge (Euthyphron, Kriton, Phaidros, Alkibiades I, 
Hippias Major, Ion, Menezenos) sieh noch mit swei Per- 
sonen begnügt, ist in den meisten das GesprSch auf drei 
oder mehr vertheilt. In den Eingängen seiner Dialoge pflegt 
er uns mit diesen Theilnehmero des GesprSchs und ftberhaupt 
den Anwesenden bekannt ra machen und auch hierin dem 
Vorbilde des Dramas zu folgen, da es nicht bloss auf der 
Bühne des Mittelalters sondern, wie die neuere Forbcliung 
gelehrt hat, auch auf" der des Alterthunis üblich war, dass 
vor der Äutliihrung sich der Dichter mit dem gesammten Dar- 
stellerpersonal dem PiililikuDi präsentirte. So werden wir 
bisweilen von ihm in eine grosse Versammlung geführt, wie 
in dt r Republik, dem Phaidon und Protagoras, dies und das 
wird von Verschiedenen geredet, das Meiste verhallt wirkungs- 
los in der Luft, bis endlich Sokrates bei einer einzelnen 
Aeusserung Feuer fangt und von nun an dem Gesprfiche eine 
tiefere Wendung gibt. Damit verschwindet auf ein Mal die 
ganze reiche, das Auge serstreuende und blendende Scenerie 
vor unsem Augen — hdchstens dass noch einmal wie im 
Protagoras ein Intermesso (p. 335 G ff.) oder wie im Phaidon 

Hauptsache natürlich vom Verfasser frei gestaltet worden nach Rtt<^* 
sichten des Gedankens wie dt>r Ktini^t vgl. Sainte-Bcuve Nouveaiix Lun- 
dis V 432 f;. >Eine eigentliche Unterhaltung, pfleptp Addison zu sa^en, 
kann nur zwischen zwei Personen stattfinden«. Macaula> . Aus;:c\\. S< hr. 
V 1 80. Nach de Maistrc, Soiröes de Saint-Pötersbourg Vlii tnlivl. Anfg. 
gestattet das Weseo dar Coaveraation ehie nnbesciirtfnkte Zahl vod TheU- 
nehmeriif das Entretien aber — and dieoea tritt in Maislre's Augan an 
die Stelle des Dialogs (o. S. 9, 4) — ist den Gesetxen der dramatischen 
Kunst unterworfen uüd Ittsst dMhalb niemals einen vierten Thdinebmer 
der * ntci rcduiig zu. 

I Rettig Einleitung zu Xenoplions Gastmaiil S. iQ (l. 



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Plalon. PersoneBsabL 209 

der Schloss des Dialogs uns daran erinnert — und unsere 
Aufinerksamkeit ooncentrirt sich auf ein einxelnes wissensdiafto 
lidies Problem und gewahrt daneben nur noch die an der 
Erörterung desselben thStig bethelligCen Personen. Deren sind 
aber nur Wenige, in der Begel nicht mehr als drei. Der 
Dialog folgt also demselben Gesets wie das gleichzeitige Drama, 
in dem, wie es nur drei Schauspieler gab, auch niemals mehr 
als drei Personen am Gespräch Theil luihmen. Die Personen- 
Verzeichnisse, die man wohl den platonischen Dialogen vor- 
ausgeschickt hat. weisen allerdings mehr auf und mit Recht, 
insolero in dieselben alle diejenigen aufgenommen sind, die 
irgendwie und irgendwo einmal ihr Schärflein zum Gespräche 
beigesteuert haben. Handelt es sich aber nur um die, deren 
Reden von eingreifender Bedeutung sind und den Fortschritt 
des Dialogs bestimmen, so wird es bei jener beschrfinkten 
Zahl sein Bewenden haben. Die übrigen entsprechen den 
Obersähligen Sohauspielem des Dramas, den tcapa}(ofi]7r|tAata. 
Auf diese Weise kann im Gharmides GhSrephon beseitigt werden, 
da der eigentliche Dialog in den Binden von Sokrates, Kritias 
und Gharmides liegt, im Laches Lysimachos und MelesiaSy im 
Lysis Hippothales und Ktesippos, im Phaidon der gleichnamige 
Sokratiker, obgleich derselbe p* 89 Äff. mit ins Gesprich ge- 
sogen wird, hxk TImaios und Kritias Sokrates; und was die 
Republik betrifft, so haben wir, Piatons eigenem Winke folgend, 
hier zwei Dialoge, einen kleineren im rrstrii Huche, der 
zwischen Polemachos Thrasymachos und Sukiales geführt wird. 
und den Hauptdialog, den eigentlichen Kern des Werkes, an 
(iem nasser Sokrates nur noch Glaukon und Adeiuiantos be- 
theilijit sind. 

Nur wenige Ausnahmen scheinen gegen diese Regel zu AMii»hmeix. 
Verstössen. Die eine findet sich im Euthydem, dem un- EaihjduB. 
ruhigsten aller platonischen Dialoge und der eben deshalb 
in gewisser Hinsicht am Meisten wie ein Drama wirkt, da er 
nicht bloss unser Denken sondern auch unsere Leidenschaften 
erregt , Der Faden dieses Gesprichs wird um nicht weniger 
als fllnf Personen in mannigfach wechselnder Gruppirung ge- 
schlungen, Sokrates, die beiden Brflder Euthydem und Diony* 
sodor, Kleinias und Ktesippos: wir finden erst Kleinias mit 
Euthydem und Dionysodor im Gesprüeh, dann Sokrates mit 

Uirzcl. DUlog. 44 



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810 



TL Die BlUtbe. 



kleinias, hierauf Dionysodor mit Kleimas, dann Ktt sipp niit 
Dionysodor und so gehl es weiter. Hat hier Piaton sich wirlL- 
Uch des Vortheils bedient, den der Dialogenschreiber vorm 
dramatischen Dichter voraus hatte, wenigstens vor dem, der 
iUr die Bühne dichtete und dadurch an deren Einrichtungen 
und Gesetse gebunden war? Yielleioht bedttrfen wir dieser 
Annahme nicht, wenn wir bedenken, dass Euthydem and 
Dionysodor genau dieselbe RoDe spielen, also lür das Drama 
nur eine Person sind, wie sie denn au<^ von Sokrales dfter 
in der Anrede verbunden werden, und dass Klelnias iwar 
am Gespräche betheüigt ist, aber doch nur hisofern er das 
corpus vile abgibt, an dem die verschiedenen Parteien Ihre 
dialektischen Experimente machen. — Erweist sieh hiemadi 
diese Ausnahme von jener dramatisehen Regel nur als Schein, 
SU gilt dasselbe noch mehr von einer andern, die man im 
Sjmpoeion. Symposion finden krönte: denn mehr Personen als in irgend 
einem andern ]>l;ifoni- 'ht^n Diuloe, nicht weniger als sieben, 
werden hier redend eingetührt und zwar so, dass keine ohne 
Bedeutung für das Ganze ist, vielmehr jede für die Ent- 
wickelung des Inhalts eine besondere Stufe für sich bezeichnet. 
Aber dieses einzige Kunstwerk spottet überhaupt jeder Regel: 
man kann es weder ein Drama noch einen Dialog nennen; 
es ist die Schilderung eines Vorganges aus dem athenischen 
Leben, bei dem eine Reihe von Reden Über die Liebe gehalten 
werden, und gipfelt schliesslich in einer Verherrlichung des 
Sokrates; man darf es daher auch nicht mit dem dramatisch» 
dialogischen Maassstabe messen. So bleibt noch der Gorgias, 
wo uns als Hauptpersonen und wesentlich am Dialog betheiligt 
Oorgiu. vier entgegentreten, ausser Sokrates noch Gorgias, Polos und 
Rallikles. Entweder kann man nun auch hier Polos mit seinem 
Lehrer Gorgias zu einer Person zusammenfassen, worauf schon 
der Schüliast zu 1 1 G, 15 bei Bekker, deutet, oder nuui kum 
die Ausnahme gellen lassen, wodurch die Bogel nicht umge- 
slossen wird. 

Nec quarta loqn! persona laborel — dieses Gesetz, wie 
es Horaz für die Bühne ausgesprochen hat, hat sich also 
im Wesentlichen auch Piaton im Dialog zur Richtschnur 
genommen. Nicht als wenn er es dem Drama abgesehen 
und damit seiner eigenen Kunst Fesseln angelegt hätte, die 



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Piaton. PersoDeitfabi. EintbeiluQg der Dialoge. 244 



derselben eigentlich fremd waren. Vi« lnu br ist es die 
Natur der Sache gewesen, die in dein einen wie dem andern 
Falle zur Befolgung der gleichen Hegel geführt hat. Dass das 
griechische Drama beim dritten Schauspieler stehen blieb} war 
kein Zufall, sondern hing mit der Eigenthümlichkeit sasammen, 
wodurch es sich yora modernen unterscheidet, dass es nämlich 
viel mehr Dialog als Handlung war. Ein lebhaftes und dabei 
eindringendes GesprScb duldet aber höchstens drei Theilnehmer; 
werden deren mehr, so tritt die Gefahr ein, dass es sich zur 
oberflächlichen Gonversation serstreue. Ja eigentlich wird ein 
solches GesprSch in der Regel ein Zwiegespräch sein, und der 
etwa anwesende Dritte dient, wenn es ins Stocken gekommen 
sein sollte, nur dasu, es von Neuem anzuregen oder auch den 
einen der beiden bisherigen Theilnehmer abzulösen'). Das- 
selbe gilt auch von den platonischen Dialogen. In den meisten 
derjenigen Dialoge, die drei Gesprächspersonen aufwciseu, 
hat Sükrales nicht bloss die Hauptrolle, sondern ist auch ge- 
wissormaassen die siehende Figur, der gegenüber die Ändern 
sich abwechseln. Besond« ! -^ (ieutlich \;\»[ >ich dies im Gorgias, 
im Phaidon und in der K( |)uhlik beol)achten. Die Komposition 
dieser Dialoge gleicht daher einigerinaassen der des äschyloi- 
schen Prometheus, wo es Prometheus ist, der nicht nur von 
Anfang an auf der BOhne sich bcßndet, sondern auch bleibt und 
mit dem nach einander eine Reihe anderer Personen ins Ge- 
spräch treten, Okeanos, lo und Hermes. Und wie im genannten 
Drama das Auftreten einer neuen Person als der Beginn eines 
neuen Aktes angesehen werden kann, so wird auch im Dialog 
durch jeden Wechsel eine neue Stufe des Gesprächs, ein 
weiterer Portschritt im Gedanken bezeichnet. Doch dies 
greift in eine andere Präge über, von der nachher die Hede 
sein soll. 

Im Aherthum theflte man die platonischen Dialoge in Biatlwilin« 
dramatische und erzählende und solche, die aus der Natur '^J'^^^^^J'fj^^^ 
dieser beiden gemischt sind -^ . Mit Hecht, insofern als in den and erjaUend«. 
platonischen Dialogen ebenso wie in den Idyllen Theokrits 



I) Vgt in Bezug aaf das Drama hierttber die Bemerkungen von 
Freytag, Technik S. f. 1. AuH.!. .S. auch o. S. 207, 

S) Diog. Laert. ÜI &0. Plutarch, Quaest. Conv. VII 8, 1. 



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4 



11. Die Blulhv. 

und den Eklogen Virgils die Gespräche theils unmittelbar vor 
uns geführt, theils erst durch einen Erzähler uns mitgetheilt 
werden. Mit Unrecht aber deshalb, weil dieser Erzähler nie- 
mals Piaton selber, sondern stets eine andere Person ist, die 
ihrerseits im Gespräch mit Anderen unmittelbar vor uns hin- 
tritt und dadurch auch den sogenannten erzählenden Dialogen 
einen gewissen dramatischen Charakter verleiht. Piaton unter- 
scheidet sich in dieser Besiehung sehr wesentUdi vonXenophon. 
Während dieser sich das Wort gegeben su haben sdieint^ dass 
er immer Historiker bleiben, stets selbst enihlen will, und 
deshalb auch in den selbstSndigen Dialogen immer noch einen 
Rest dieses ersShlenden Elements Ifisst, so leicht es ihm ge- 
wesen wftre, namentlich im Oikonomikos und Hieron, dasselbe 
abzustreifen und so wenig es zur Wirkung des Ganzen etwas 
beiträgt, ist bei Piaton das erzählende Element, dessen auch 
er nicht immer tnlbehren konnte, von dem dramatisch-dia- 
logischen gewisserniaassen aufgesogen \N()rden. In gewissem 
Sinne sind daher alle platonischen I>i;iloge dramatisch und 
nicht zwischen dramatischen und erzählcndt'n Dialogen darf man 
unterscheiden, sondern zwischen einfachen iJialogen und solchen, 
in denen ein Dialog in einen andern eingefügt istM. 
Grfinde des Für den Schriftsteller, wie dies in die Augen springt, über- 

'^wilflffi*" ^^^^ ^^^^ l'Thoaitet. p. U3C.) und nach ihm von 

Cicero (Lälius 3) bezeugt wird, war die Form des einfachen Dia- 
logs die bequemere. Daher hat er sich ihrer gerade In den- 
jenigen Dialogen bedient, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu 
seinen Irühesten gehSren, wie im Kriton, Butiiyphron, Laches 
und Gorgias^), sie aber auch spSter noch beibehalten im Phai- 



0 Um MissverstSndni^isen zu begegneD, bemerike Ich, dasa ich auch 

solche Dialoge, in denen Sokrates von Anfung an erztthlt, wie z. B. die 
nepuMik, unter diejenigen rechne, in denen ein Dialog von einem anderen 
t iiiucraliiiit wird. Die Hauptsache ist, Ua>>> Iii l'liil«»n selber, sondern 
.Sokrates erzählt und dessen Erzählung nicht iitda« Iii NM'rden kann ohne 
einen Kreis um ihn YcrsammcUir Zuhörer, mit denen or vorher im üe- 
sprtich gestanden hat. 

S] Doch fehlt auch im Gorgiaa die WiedereraShlung nicht ganx. Sie 
erscheint als RecapitulatioD der bisherigen BrOrterung p. SOS G ff., so je- 
doch, dus.s .Sokrates ohne eingescbaltetee C^t^ u. dergl. das Game drama- 
tisch wiedergibt. 



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PlatOD. Dramatische und erzählende Dialoge. 



213 



dros, ja selbst im Philebos und den Gesetzen ') Diese Form war 
um so mehr am Platze, je weniger II;iri(Uung sich in dem 
betreflFenden Dialoge fand; ausserdem köon{e PlaLua zur Wahl 
deräelben durch das Vorbild Öophrons^) und durch den immer 
mehr aufkommendeo Geschmack am Lesen von Dramen be- 
stimmt worden sein. 

Wo es ihm dagegen nicht bloss um die Reden der auf- Gr&nde de« 
tretenden Personen sn Ihun war, wo ihm daran lag, deren ^'^jj^^Jl^'^ 
ganses Wesen nnd Treiben xu schfldero und ans nicht bloss 
em Gesprfioh, sondern ein kleines Bild aas dem atheni- 
schen Leben zu geben, sah er in friUierer und splterer Zeit, 



I) Man sieht schon hieraus, dass ich weder der Meinung von Wcisse- 
Schöne (Schöne Ueher Piaions Protagoras S. 8 ff.) bin, die die flogenannten 
drainatisclieo Dialoge für die frUhereo halten, noch mit Teichmttller 
iCeber de B^henfolge der platoniachen Dialoge) übereinatimme, der sie 
umgekehrt f&r die spSteren erklart Gegen Schöne spricht natürlich, dass 
unter den draniatiaohw Dialogen sich auch die Gesetze beOnden, und 
schwerlich wird man, um diesen Widerspruch zu heben, si« h lioutzu- 
tage noch entschlicssen, dieses opus pnslumum Piatons für eine Ju^-end- 
arbeit zu erklHren, Teiehnuillcrs Ansicht dage.Lieii berahl auf falschen 
Schlüssen, die er aus Platuiis Theaitet, p. 143 C gezon^en hat. Piaton cr- 
klttrl hier die Form der WiedererzShlung für eine unbequeme. Dass 
aber hieraus niehi folgt, er habe sich ihrer bis dahin ansschUesslich be- 
dient und alle dramattscfaen Dialoge seien somit nach dem Theaitet 2u 
setzen, liegt auf der Hand. Nur soviel ergibt sich aus jener Stelle, dass 
Piaton der Form der ErzUhlung sich spfiter nichl vhnc N(jIIi bedient 
haben \sir<l Wenn nun aber diese Noth eintrat, wenn er aus irsend 
einem Grunde der Form der Erzählung nicht i^laubtc entbehren zu kön- 
nen, wird er sich dann nicht über Unbequemlichkeiten, die dieselbe im 
Gefolge hatte und die er redit wohl kannte, binwcggesetat haben? Man 
^ht also, und sdion Sdüelermacber s. B. hatte dies bemeikt, dass die 
betreffende Aensserung Piatons nicht genügt, uro mit ihrer Hilfe nach 
Maaesgatie der Form die firttheren und spttteren Dialoge zu scheiden. 
Cebriffens ist Platon keineswegs pedantisch gewesen und lial auch in den 
erzahlten Dlalopen, wo in Folce der {rehhaften Frofren und Antworten die 
beständigen tcri u. s. w. ^or zu lastii; gewesen wären, wie im zweiten 
Theil des Parnienides, dieseil>en einfach weggelassen, ohne ein Wort 
weiter darülier zu verlieren; ebenso schon gelegentlich in der RcpubUk. 

S) Für die rein drametiscbe Form von dessen Mimen sprechen so- 
wohl die beiden Nachhildongen Theokrits, das sweite und fUnfrehnle 
Idyll, als auch die Beseidinung $p«i|Mrca, die von Demetrius de Elocut. 
15<) auf sie angewandt wird. Doch ist das letzte Argument nicht ganz 
sicher: Rohde, Gr. Ron. ZM. 



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214 Die Blulbe. 

wie Lysis, Charmidcs un d die Repuhiik. beweisen, >ich ge- 
nöthigt zur Erzählung zu greifen. Indem er diese dem 
Sokrates in den Mund legto, orreichto er noch einen andern 
Zweck und fügte zu dem Bilde seines Leiirers, zu dessen 
eigenthtimliohen Gewohnholten es gehörte, mit anderen geiülirlo 
Gespräche wiederzuerzählen s. o. S. 84, 5), dadurch) einen 
charakleristischen Zug. Wenn freilich derjenige, dessen Ver- 
halten bei einem bestimmten Anlass er berichten w ollte, Sokrates 
selber war, musste selbstverständlich die Rolle des ErsSblers 
einem Andern Übertragen werden. Insbesondere konnte So- 
krates weder sein eigener Lobredner und Bewunderer werden, 
noch selber die Botschaft seines Todes bringen, weshalb was 
wir im Symposion und Phaidon lesen yielmehr durch Ver- 
mittelung seiner SchUler Apollodor und Phaidon an uns gdangt 
IM« »iimli- Dieser Bahmen nun, den Piaton in Form einer ErxShlung 
Ta^^^hTin "™ Dialoge gelegt hat, ist je nach den Umstünden 

Dialog über, mehr oder weniger stark und hervortretend. Kaum sichtbar 
ist er in einiLien der Dialoge, in denen Sokrates der Erzählende 
ist: die Erzählung beginnt hier ohne Weiteres, man konnte 
sagen, sie sei schon in» 1 lus>e, da der Leser zuerst etwas von 
ihr verninnnt; wen wir als EizäbhM- vor uns haben, deuten 
uns selir liald Worte an, in donvu Sokrates mit Namen an- 
geredet wird; aber weder war es nöthig, seine Person, die 
Alle kannten, näher zu schildern, noch den Anlass der Er- 
zählung nälier zu ])ezeichnen, da es an diesem einem Sokrates 
in Mitten seiner S<-hüler niemals fehlen konnte >). Anders 
wurde diese, sobald in der Erzähl errolie Andere an die Stelle 
des Sokrates rQckten. Wer Apollodor war und wer Phaidon, 
besonders aber welchen Anlass die beiden hatten^ der eine 
vom Symposion des Agathon, der andere von Sokrates* lotsten 
Standen zu erzählen, war nicht ohne Weiteres und für jeden 
Loser der betreffenden Dialoge klar: hier war es daher an- 
gezeigt, den Bahmen der Erzählung bis zu einem förmlichen 



4) Daher sieht man den Grund nickt «In, wc^^balb Piaton auch dem 
Prolagoras ein einleitendes Gespräch vorausgeschickt hat, in dem die Er- 
zählung des Sokrates niotivirt wird. So gut wie im Channide«i. L\si<. 
und der Republik hätte dieselbe auch hier p, 310 A ohoe Weiteres mit 
den Worten Jffi ::ape>«do'jcr^; vuxTÖt beginnen können. 



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Piaton. Biiv«hin«nde Gesprüche. 315 

Dialog so erweitern, in dem wir auf jene Fragen Antwort 
erhalten. 

Derartige einleitende GesprSdie bat dann Piaton auch Bio einioiten- 
noch zu anderen Zwecken benutitw Sie vertreien bei ihm die^^J^^JJj^^^ 
SteQe Ton Vorreden: wie man daher in diesen Rechenschaft den Oang a«r 
ablegt fkber die benuisten Quellen, so ISsst auch Piaton in 
den Eingangs-GesprSchen des Symposion und Parmenides 
uns einen Einblick thun in den Gang der Tradition, durch 
die er zur Renotois» des folgenden Hauptgesprächs, wenn 
nicht wirklich gelangt ist, so doch gelangen konnte. Noch '^^VHI 
weiter geht die Einleituns /um Theaitet. Hier lernen wir 
sogar den Verfasser des l)ialoL's kennen und merkwürdiger 
Weise ist dies ni hi l'lifrn s ndern Euklid. Dieser ist es, 
der das ihm von Sokrates erzählte Hauptgespräch des Dialogs 
au^eschrieben hat und es seinem Freunde Terpsion auf dessen 
Wunsch von einem Sklaven vorlesen lässt. ^atiirUcb lehnt 
Piaton damit nicht die Autorschaft des Dialogs von sich ab, 
sondern eignet ihn nur dem Euklid zu, durch den er su 
solchen Untersuchungen, wie sie im Theaitet geführt werden, 
mag angeregt worden sein und dem dieser Dialog daher »in 
mehr als einem Sinne gehörte«. Oefter nehmen Einleitungen 
und Prologe die Form des Hauptwerkes an: Poeten setsen 
ihren Gedichten gern Widmungen in Versen vor; kein Wunder 
daher, dass Piaton, der Fanatiker des Dialogs, die Widmung 
eines solchen in dialogischer Form aussprach. Als das Bei- 
spiel einer Widmung werden wir daher wohl auch das ein- 
rahmende Gespräch des Phaidon ansehen dürfen: denn wie 
hatte Piaton sonst einen Dialog, dessen Inhalt zum guten Theil 
unhistorisch, dafür aber desto rei hrr an eigenthüralich pla- 
tonischen Gedanken war, einem andern namhalten Sokratiker 
in den Mund Legen können, ohne sich einem Dementi auszu- 
setzen, wenn nicht seine Absicht dabei lediglich gewesen wäre, 
eioe freundschaflliche Zueignung auszudrücken, die ebenso 
gut dem Todten als dem Lebenden gelten konnte. Ebenso 
mag man sich auch die Rolle erklftren, die ApoUodor in der 
Ehileitung des Symposion spielt'). 



i) In anderer Weise wird vitiin I t i'inr n*>diration an Isokrati's im 
Phaedr. p, 279 B ausgesprochen, wo sokrates, also der Vertreter Piatons, 



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216 



II. Die Biülbe. 



Swiiohmi- Aber nicht bloss auf die Einleitungeu sind solche seciin- 

dSre Gespräche beschränkt. Piaton hat sich ihrer auch noch 
zu eioeui anderen Zwecke bedient. Man kann in Bezug 
auf das Verh;iltnis> der Neben- zu den Hauptgespriichen 
der Dialoge drei Stufen unterscheiden. Entweder das Ge- 
spräch wird nur vorausge.setst, weil doch die £näiiliing 
des Sokrates darin ihren Anlass gehabt haben muss: so ist 
es in der Republik. Oder es wird uns mitgetheflt, wie im 
Protagoras, ist aber mit der Einleitung su Ende, oder end- 
lich es wSchst (Iber diese hinaus, brioht auch später noch 
gelegentlich durch den Kern des Dialogs hindurch und sofaliesst 
ihn wohl gar noch ab, um erst in diesem letaleren Falle mit 
vollem Recht den Namen eines einrahmenden Gesprächs lu 
tragen. Auf dieser dritten Stufe befinden sich Euthydem und 
Phaidon. Ein solches Ineinanderschieben verschiedener Ge- 
spräche ist nicht unerhOrt. Wir finden es ausserdena bei 
Lucian iiiiii Pliitarch, die sich aber hier an Piaton können 
angeschlossen haben; und ganz unabhängig kehrt es auch im 
Dram i \^ ieder, wo l»i k;inatlich oft genug Komödie in Her Ko- 
mödie gespielt wird. Jn ganz toller Weise auscrhildct aber 
erscheint es in den Fabeln des Bidpai und in Diderots Jacques 
ie Fataliste: wie ein Weichselzopf sind hier die Gespräche in 
einander geflochten und es bedarf einer gespannten Aufmerk- 
samkeit, um die Fäden der einzelneu nicht zu verlieren. Was 
hier in dem einen Falle die Maasslosigkeit des Orients, in dem 
andern die Unbfindigkeit und der Uebermuth eines grossen 
Talents ist und ausserdem su komisdien Effekten und Ueber^ 
raschungen dlent^ wurde von PUton fttr einen ernsteren Zweck 
verwerthet. 

Pbftid«a. Im Phaidon schien der Glaube an die Unsterblichkeit 

der Seele durch die vorausgegangenen Erörterungen des 
Sokrates schon fest genug begründet su sein: da wird er 
wider Erwarten durch die scharfsinnigen Einwände, die, den 

einen Siramias, den andern Kebes dagegen erheben, wieder 
ins Schwanken gebracht (p. 85Rfl.). Sie bringen auf die 
Anwesenden den grössten Eindruck hervor: aus der tiuhe 



sagt: ta^Ttt oS» l^di i^iv n«fd tfiivt« tAv IcAv ibc i|M»Tc ttmitniolc *1<m- 



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Piaton. Einrahiiiende Gespräche. Drumatti^che Gliederuag. 217 

der Ueberzeugung, in der sie sich bereits gewiegt halten, 
werden sie wieder herausgerissen und verlieren daniii den 
Glauben nicht })loss an die vorher gehörten Beden des 
Sokrates, sondern auch an ihre eiLrcne Urteil slahigkeit, die 
ihnen dieselben so bündig und überzeugend erscheinen Hess 
(p. 88 Bf.J. Um nun zu zeigen, wie triftig und gewichtig 
jene Einwände waren, welche Wirkung sie deshalb thun 
konnten, hat Piaton an dieser Stelle den Gang der Erzählung 
durch ein eingOBchaltetoB kurses Gesprfieh iwiscben Echekrates 
und PhAid<Mi imterbrocIiAD, worin der entere gesteht, dasB 
aach auf Um dieselben den gleioben Elndraek hervorgebracht 
haben. Das Gesprich vertritt hier die Stelle eines Ghorlieds 
hl der Tragödie: es macht aufmerksam auf die Bedeutung 
des Moments. Dasselbe leistet es noch ein Mal spfiter, als 
Sokrates bereits in die Widerlegung der beiden Einwinde ein- 
getreten ist. Den des Siramias hat er glflcklich erledigt Dem 
des Kebes gegenüber bedarf es aber einer Verständigung über 
den einzunehraenden Slaudpiiükt: an die Stelle der physi- 
kalischen Betrachtung der Dinge soll eine dialektische Er- 
örterung treten, vermöge deren der Naturprozess des Werdens 
nicht als ein mechanischer Vorsang nofgefasst, sondern aus 
dem Begriff und dessen Uedeutung abgeleitet wird. Erst 
hiermit ist das Fundament gegeben, auf welches die ganze 
folgende Beweisführung ftlr die Unsterblichkeit oder vielmehr 
Ewigkeit der Seele aufgebaut werden kann. Dieses Fundament 
kann also nicht fest genug gelegt werden: es genfigt nicht, 
dass Simmias und Kebes mit den flbrigen Anwesenden dem 
Sokrates ihra Zustinmiung erkUren, sondern auch Echekrates 
und die, welche mit ihm der EnShlung des Phaidon zuhörten, 
müssen von sich das-Gleldie bekennen; abermals daher wird 
(p. I08A) em Zwischengesprloh xwisdien Echekrates und dem 
Bnlhler ebgesohaltet, das, so kura es ist, doch seinen Zweck 
erreicht und dem Leser die entscheidende Bedeutung des 
Moments vor Augen fuhrt. 

In noch viel höherem Maasse haben im Kiithydom die Lutüjdem. 
NebengesprSche die Aufgabe den Leser auf den richtigen 
Sl^indpunkt zu versetzen, vofi dem aus er den Dialot; auf- 
fa^sen soll. Jede?* würde geneigt sein diesen Dialog für eine 
blosse Posse zu halten, hätten wir nicht die ziemlich um- 



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248 



II. Die Blütbe. 



fangreichon Gespräche zwischen Sokrntes und Kriton, von 
denen das erste als Einleitung, das andere als Intermezzo, 
das dritte als Scbluss dient; so aber werden wir auf die 
hittere Satire hingewiesen, welche die scheinbar so harmlose 
Komödie von Dionysodor und Euthydeni den )>eiden Fechte 
meistern, die sich auf die dialektische Klopttechteit i gelegt 
hatten, in sich birgt, und angeregt über das Wesen der Weis- 
heit nachzudenken, das weder in der tauschenden Dialektik 
jenes würdigen Brttderpftars noch in der selbst;^. ufnedenen 
Rhetorik des Ungenannten, in dem man mit Unrecht Isokrates 
erkennen wollte, su finden isti). 
Dramatisdi» So wonig aU der Vera schon das Wesen eines Gedichtes, 
Qiiedtnus. ^ ^^^^jg macht die Selbstdarstellong der betheiUgten Personen 
schon dasjenige eines Dramas aus. Um ein solches hervor- 
subringen wird mehr erfordert, nicht am Wenigsten eine ge- 
wisse Gliederung der Handlung oder Überhaupt des Gegen- 
standes, wie sie in dem Maasse weder die Lyrik noch das 
Epos beansprucht. Während in diesen beiden die Empfindung 
oder Er/älilunL' in einem gewissen gleichmässigen Flusse 
weiter geht, kann man ein Drama ohne Akte sich nicht denken. 
Die Frage erhebt sich daher, ob der dramatische Charakter 
der piatonisehi>n Dialoge so weit reicht, dass siu auch dieser 
Forderung genügen. 
Vtiiändemnj Denken wir an die Umstünde, von denen im Drama ein 
des Orte, ^j^^ ^^^^ Scencnwechsel begleitet werden kann , so gehört 
dasu auch die YerSnderung des Orts. Nun begegnen wir 
ThMitot. derselben auch in den platonischen Dialogen. Im Theaitet 
treffen sich Euklid und Terpsion irgendwo im Freien. Der 
Erstere macht dem Andern den Vorschlag, sie wollten 
sich, wührend sie sich ausruhten, durch* einen Sklaven einen 
Dialog des Sokrates vorlesen lassen, und fordert ihn su dem 
Zwecke auf, mit su gehen. Terpsion erklSrt sich bereit 
Die nächsten Worte, die Euklid spricht »liier, Terpsion, ist 
das Buch«, setzen voraus, dass sie mittlerweile im Hause des 
Euklid angelangt sind. Hier botriflX der Ortswechsel indessen 



i) AI» wenn es der einpeschachlclten Gespräche nicht schon genug 
wiire, muss auch Kriton nfi Ii ciasjeni>;e erz.ihlcn (p. 304 C ff.), das er mit 
dem uugunanntcn Pscudo^lsokrates geführt hat. 



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Platoo. Dramatische Gliederung. 



249 



nur das einleiteode Gespräch. In den Hauptdialug selber 
sreiPt er im Gorgias ein. Sokrates und Chärephon treffen mit OorglM. 
Kailikies vor dem Hause desselben zusammen und wechseln 
dort einige Worte mit ihm. Schon bald (p. 447 D) zeigt aber 
die Frage, die GhSrephon an Gorgias richtet, dass sie nun ins 
Haus geireten sind. Sich dies vorzustellen bleibt dem Leser 
ttberlassen, auf desaeo Nachhilfe PlatoD Uberhaupt hier rechnet, 
wie er denn auefa der doch nothwendig verauagehenden Be- 
grüssung des Gorgias und der Übrigen Anwesenden von 
Seiten des Sokrates und Ghfirephon mit keiner Silbe gedenkt 
Der morose Charakter des Dialogs kommt auch in dieser 
gSoiIichen Yersichtung auf mimisches Beiwerk sum Vorschein 
und bedingt auch insofern einen rechten Gegensatz sum 
Phaidros, dessen lebensYoUe Darstellung nur ein Ausdruck 
für die lebensfreudige Stimmung des Autors ist. Auch im 
Phaidros haben wir einen Wechsel des Lokals. Aber hier Phaidros. 
wird der malenden Phantasie des Lesers nicht so viel über- 
lassen; vielmehr werden wir fast über die einzelnen Stationen 
des Spaziergangs unterrichtet, den Sokrates und Phnidros mit 
einand<*r von den Mauern der Stadt l)is zum Uulieplatz unter 
der Platane machen. Auf diesem findet schliesslich das liuupt- 
gespräch statt. Auch hier wird also während des eigentlichen 
Dialogs der Ort von den betheiligten Personen nicht gewechselt 
und ist die Aenderung desselben so gut wie im Theaitet und 
im Gorgias in eine Einleitung verwiesen. Peripatetischer Art 
Ist unter den platonischen Dialogen nur das Werk Ober die 
Gesetse, da dasselbe sich aus Gesprächen xusammensetst, die im« tot», 
in Kreta während eines Gangs sur Grotte des Zeus geführt 
werden. 

Nirgends hat der Ortswechsel in den angefOhrten Bei*- 
spielen eine eingreifende Bedeutung, etwa derjenigen ver- 
glefehbar^ die die Verlegung der Scene von Delphi nach Athen 

in Aischylos' Eumeniden oder aus der Stadt Athen auf das 
Land in Arislopüanes' Acharnern besitzt: denn nirgends ver- 
knüpft sich mit ihm eine irgendwie hcmerkenswerthe Wendung 
im Gange des Dialogs. Er ist also nur eine rseheusache. 
Nicht^destowüaiger verdient er nn^rre Beachtung. Platün stellte 
<larait an den Leser eine Zumuthung, wie sie dieser sonst nur 
von Seiten der Dramatiker gewohnt war und von diesen hin* 



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220 



11. Die Bliithe. 



nehuH a iiiusste, da ihre Werke nicht eigentlich für die Lektüre, 
sondern für die Auliühriinp; bestimmt waren. Ja selbst die 
Dramatiker, wenigstens die modernrji mit ihren nur allzu 
reichlichen parenthetischen Bemerkungen über die den Dialog 
begleitenden Handlungen machen es in dieser Beziehung 
dem Leser leichter. So wie Platon thut, lediglich ein GesprScb 
hiniaschreiben und es dem Leser su Überlassen, wie er sich 
dasselbe unter Binsudenken gewisser äusserer Handlungen 
dramatisdk yergegenwärligen wolle, bt gewiss nicht das Nalfir- 
liche und war daher wohl auch nicht das UrsprOngUohe. Es 
mag sein, dass ihn dabei der Vorgang von Lesedramen leitete; 
näher liegt es auch hier an Sophrons Mimen su denken, die, 
wenn wir uns an Theokrits Adoniasnsen halten, gleicUUls 
nur aus GesprSchen tu bestehen schienen und doch tum 
vollen Verständniss das Hinzudenken einer gewissen Hand- 
lung, spcciell eines Ortswechsels, verlangten. Für den Gang 
des eigentlichen Dialogs war dieser Ortswechsel ohne Be- 
deutung. 

Protagon«. Viel tiefer als in den sogenannten dramatischen Dialogen 
greift derselbe in das Ganze ein in eitieiu der er7;ihli ii 
Dialoge, im Protagoras: denn das erste Gespräch, das hier im 
Hause des Sokrates zwischen diesem und Hippokrates ge- 
führt wird, ist durchaus nicht gleichsiltiger Art, sondern 
verb&lt sich zu dem folgenden, das bei Kallias statt6ndet, wie 
der erste Theil eines Dramas su den Übrigen, d. h. es gibt die 
Exposition und ist daher ein integrirender Theil des künst- 
lerischen Organismus, den man unbeschadet des Gänsen nicht 
wohl abtrennen kann. 
BiagNiHw wahrend der Ortswechsel nicht blos im Dialog sondern 
Qtf FteMmn. Drama nur ein begleitender Umstand der Entwickelnng, 

eiii Symptom und nicht ein Faktor derselben ist, hat dagegen 
das Eingreifen einer neuen Person in das Gespräch unstreitig 
diese letztere Bedeutung, sei es nun dass dieselbe ganz neu 
auf die Bühne tritt oder sieh schon vorher auf derselben be- 
fand, bis dahin aber im Hintergründe gehalten wurde. Im 
Dialog kommt das Eine wie das Andere nicht häufig vor. 



1) Aber auch deo LeiwD antiker Dramen kamen bekanntlldi die 
Scholiaslen mit einem icapticiYpatf-jj zu HOfe. 



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Platon. Neue Penoneo. Bild einer Handlang. 



224 



In Xeaophons SympoBion sehen wir auf diese Weise zu der 
schon vorhandenen Gesellschaft erst den Spassmacher Phi> 
lil^K» (141) und dann den Syrakusier mit seinen Be- 
gleitern (II 4) hinsukommen, und wenigstens an das 
En<^einen des letaCeren hat man In neuerer Zeit den Beginn 
des ersten Aktes geknüpft (Rettig, Einleitung s. Symp. S. 40], 
nachdem man einmal darauf ausgegangen war das Symposion 
in das Gerüst eines Dramas einsuswSngen. So gibt dem 
Dialogus des Tadtus der im Verlauf des Gesprichs hinzu- 
kommende Messalla eine neue Wendung. Aehnliches findet 
sich nun auch bei Platon. Anytos im Menon und Kallikles Menoa 
im Gorgias sind zwar beide von Anfang an so zu sagen auf O^S^«»« 
der BQhne. Aber von Anytos' Anwesenheit erfahren wir erst 
in dem Augenblicke (p. 8üE) etwas, wo er bestimmt ist, 
den Menon im Gespräch mit Sokrates zeitweih'g abzulösen, 
und Kallikles tritt uns zwar zunächst schon im Beginn des 
Dialogs entgegen, verschwindet aber dann vollständig wieder 
im Hintergrund , bis sein abermaliges Hervortreten (p. 484 B) 
und energisches Eingreifen den Dialog auf eine ganz neue 
Stufe seiner Entwickeiung hebt. Nur ein Mal lässt Platon zu Bjnioflott« 
den vorhandenen Personen des Dialogs eine andere gans neue 
hinzutreten^ Alkibiades im Symposion, und jeder teser weiss, 
welche einschneidende Wirkung dies auf den Gang des Dia- 
logs hat 

Alles bisherige zugegeben, so wflrden es nur die Aussen- Du Bua da«r 
Seiten des Dramas sein, die dem platonischen Dialog mit dem ^'^^^i^''' 
Drama gemein wfiren. Und viel wird der Dialog über 

eine Nachahmung dieser Aussenseite niemals hinauskommen, 
weil er niemals die ^anze Handlung eines Dramas darstellen 
kann, höchstens so viel als zum Inhalt einer Scene gehört. 
Immerhin gibt es noch etwas im l)rama, das der Dialog sich 
aneignen und wodurch er dem Wesen desselben um einen 
Schritt näher kommen kann. Er kann zwar keine ganze 
Handlung darstellen; er kann aber doch die Art und Weise, 
wie eine solche verläuft, ihre Gesetze in den ihm eigenthüm- 
lichen Stoff übertragen und so in diesem das Bild einer dra- 
matischen Handlung hervorrufen, oder, mit andern Worten, 
der Gang eines Dialogs kann dieselben Stufen oinhaJten wie 
der eines Dramas. LSngst hat man dies geahnt Aber indem 



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222 



II. Die Blüthe. 



man nun an die Anwendung (lieses richtigen Gedankens ging, 
liess man sich Uel)ertreibangen zu Schulden kommen, die 
wohl geeignet waren ilm wieder in Verruf zu bringen : man 
nöthigte den platonischen Dialogen die Gliederung in liinf 
Akte auf ')| obgleich dieselbe hier um so weniger zu erwarten 
war als sie nicht einmal den Dramen des Alterthums durch- 
weg zu Grunde liegt. Das Drama ist Kampf und ebenso der 
Dialog. Im Drama ringt der Wille eines Menschen gegen 
andere oder gegen das Schicksal; im Dialog Gedanken gegen 
Gedanken oder gegen die Wahrheit. Je mehr daher im Dialog 
in das Ringen der Credanken sich WiUe und Leidenschallen 
mischen, wie vielfach bei Piaton da wo gewisse Persönlich* 
keiten von ihren Gedanken und Theorien ganz durchdrungen 
sind und deshalb mit ihrem gesammten Wesen (Ür sie ein- 
treten, z. B. Thrasymachos in der Republik oder Kallikles im 
Gorgias, desto dramatischer ist die Wirkung und sie muss 
insbesondere tragisch werden, wenn, wuzu Piatons Darstellung 
allerdings kaum den Anlass gibt*-), auch der unterliegenden 
Partei sieh unser Mitgefühl zuwendet. Aber nicht jede Dar- 
stellung eiiii s Kampfes wirkt dramatisch: vielmehr nur die, 
welclie die einzelnen Phasen eines solchen und zwar so vor- 
führt, dass jede neue, wenn auch geahnt, doch bis zu einem 
gewissen Grade unerwartet kommt. Die dramatische Darstellung 
muss spannend sein. Auch die Darstellung der Gedanken- 
arbeit) wie sie ein platonischer Diidog gibt, ist dies und es 
ist gerade diese Eigenschaft, wodurch derselbe sich von den 
gewöhnlichen faden Dialogen, namentlich neuerer Zeit, und 
ebenso von einer wissenschaiUichen Abhandlung unterscheidet, 

I) So Fr. Thiersch »C«ber die dramatisdie Natur der platoniMiheD 

Dialoge«, der dieses Binthetlungsprineip . am Protagoras Gorgias und 
Pliaidon durchzuführen sucht. Nur aus dem Philol. Anz. IV S. 584 f. 
kenne i<'h Kin-hslcin, "Tcbpr Piatons l'rot^iLiorns " Pn)<:r. di'r höheren 
Bürgerschule /u i •unibinnen 1874, worin dasselbe Eiatheilungspriacip auf 
den Protagoras angewandt wird. 

i) Es würde dies der Fall sein, wenn Piaton öfter ähnlich ver- 
fahren wttre wie in der RepublllL bei der Kritik Homers, dem er den 
Krieg erklttrt, aber mit blutendem Herxen und als wenn das Band oloor 
alten llefgewurzelten Freundschaft zerrissen würde. Anderwärts verfolgt er 
seine Ge^^nor bis zum letsten Moment, wo er Ihnen den Garaus macht, 
nur mit Spott und Hohn. 



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PlatoD. Bild einer Handlung. Phaidros. 223 

der eine genaue Disposition vorausgeschickt wird und deren 
gesammten Verlauf man ia Folge dessen von Anfang an tiber- 
sieht Daher macht uns Platon öfter glauben, die Erörterung 
sei zu Ende, die Frage beantwortet, bis uns ein neuer tiber- 
raschender Einwand aus diesem Glauben reisst. So schreiten 
wir von Stufe su Stufe weiter. Jeder neue Sieg bereitet die 
endliche Katastrophe vor und macht sie wahrscheinlicher. 
Man vergleiche den König Oedipus des Sophokles: wie hier 
das Schicksal des Helden immer furchtbarer und deutlicher 
sich enthQIlti so im Dialog die Wahrheit; beide gleichen der 
Sonne, die eine Wolkensdiidit nach der andern durchbricht, bis sie 
zuletzt das eine Mal Verderben, das andere Mal volle Klarheit 
bringend uuverhüUt hervortritt. Die einzelnen Punkte, wo 
in dieser Weise die Handlung im Drama einen gewissen Ab- 
schluss erreicht, bezeichnen das Ende eines Aktes und. in- 
sofern CS zu sulcheti Ahschliissen iwxrh hu Dialog Analogien 
giebt, kann man auch in ihm von Akten sprechen. 

Phaidros. 

Nehmen wir zunächst den Phaidros, der durch die Art, 
wie hier die Dichtung bald als Gegenstand bald als Mittel 
der Darstellung benutst wird, fast dazu auffordert, an ihn 
den Msassstab dichterischer Werke su legen. In diesem Dia- 
log tritt uns zu Anlang , die Rheterik auf dem Gipfel ihrer 
Macht und Herrlichkeit entgegen, wie sidi dies in der Veiv 
ehmng des Phaidros lür Lysias und weiter darin kund gibt, 
dass Sokrates derselben nur zuzustimmen scheint; aber indem 
sieh doch auch hier schon die Verschiedenheit der Charaktere 
zwischen den beiden Theilnehmem des Gesprächs, Phaidros 
und Sokrates, bemerkbar marlit, wird bereits liier das Thema 
angeschlagen, das im Folgenden mehr und mehr durehklingt, 
zunächst in dem Theü, der sich durch seine Form deutlich 
von den übrieen abhebt und die Liobesrede des Lvsias so 
wie die beiden mit ihr concun irm den (ies Sokrates enthält. 
Sokrates trägt mit jeder dieser iieden einen biet; über Lysias 
davon. Es ist der erste Schlag, der Liegen tlie lilietorik und 
mit Erfolg geführt wird; doch trifll er nur ein einzelnes 
Werk derselben, den Erotikos des berühmten Redners, und 



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224 



n. Die Blüthe. 



ist auch nur mit rhetorischen Mitteln errungen worden. Immer- 
hin kann man schon aus der Ueberlegenheit^ die hier Sokrates 
der Philosoph dem Rhetor Lysias gegenttber bewähr^ das 
endliche Schicksal der Bhetorik ahnen, gerade wie das end- 
liche Schicksal des ödipiis ans den dunkeln Andentungen des 
Teiresias im ersten Epeisodien, In den sich nun anschliessenden 
Erörterungen über Wesen und Aufgabe der Rhetorik stellt 
sich zwar das Ungenfigende der bisherigen Rhetorik heraus; 
da aber gleichzeitig das Gebftude derselben von Neuem ent- 
worfen und auf festerer Grundlage errichtet wird (p. 274 Äff.), 
so scheint sich ihre Lage noch einmal günstiger zu gestalten^ 
gerade wie im sophokl eischen Stück im dritten Epoisodion 
durch die Botschail aus Koriiiih noch einmal ein Uoffhungs- 
strahl in die Seele dos ödipiis ßllt. Aber das GesprHch 
erhebt sich auf eine neue Slule. Was zum Heile der Rhetorik zu 
sein schien, gereicht ihr viohnehr zum Verderben. Die neue 
Grundlage, die für die Rhetorik geschürten ist, ist so tief und 
so umfassend, setzt deshalb einen solchen Aufwand an Zeit und 
Kraft voraus, dnss die Frage entsteht, ob der Zwwk auch 
dem Mittel entspricht und ob, wer in jener Weise gerüstet 
ist, nicht einem höheren und lohnenderen Ziele nachstreben 
wird als die Bhetorik steckt Nur einige Worte des Sokrates 
deuten dies zum Schluss des vorangehenden Theils oder Aktes 
an>); erst im folgenden [von p. 274 B an) bricht die Katastrophe 
unverhtttlt Ober die Heldin des Dialogs herein. Harmlos 
scheinende Erörterungen Ober den Werth des Schreibens für 
die geistige Bildung des Menschen fOhren zu dem Ergebniss, 
dass alles Schreiben und auch alles Reden, insoweit es nicht 
der Belehrung anderer Menschen dient, nur eitles Spiel sei 
und nicht werth, Gegenstand einer ernsten Beschälii^uiig zu 
werden fp. 278 A). Damit ist es um die Rhetorik geschehen, 
deren Aufgabe ebenfalls nicht in der Belehrung liegt; von 



•?,v oj/ evexa toO y.iftis xai rpaiTttv itfi; dvÖptürouc Ott oiajrovcioÖai tov 
oiü'^pova, d}.Xa toü Oeoi; x£/aptO|x|va (jiev Xi-yeiv O'jvaodai, xcyapisfiivcoc oe 
rparreiv t6 rav oyvapiiv' o'j i[ap hi] 5p', ä Ttoia, ^astv o! ooi^diTCpot 
tj{xd»v, OjAO&ojXot; Uli /ctpi^taöot (xtXtTäy töv vojv r^ovTa, oxt fA»j n«p6p70v, 



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Platou. Bild einer Handlung. Phaidoo. 225 

dem erhabenen Throne, auf dem sie sich zu Anfang des Dialogs 
befand, ist sie gestUrKt. Die Wirkungen Hieser Katastrophe 
recht vor Augen zu führen, dii nt t in kiir/or Schiussakt : 
Phaidros, der treuste Anh.'inger der Hhelorik, zeigt sich darin 
als einen Abtrünnigen und derselbe Abfall steht von Anderen, 
die bis dahin die Sadie der Bhetorik verlraten, wie Lysias 
und Isokrates, zu erwarten ; an Stelle der Rhetorik schickt 
sich die Philosophie an^ den Uerrschersitz im Reiche des Geistes 
elnsunehmen; so ist es auch am Schiuss der Tragödie um 
Oedtpus, den Tonnals angebeteten KOnig, einsam geworden 
und dem gedemfilhigten tritt Kreon in seiner neuen Würde 
als Herrsdier von Thdl>eii gegeuHberi). 

Phaidon. 

Mehr als der Phaidros, mehr als irgend ein anderer pla- 
tonischer Dialog hat von je her der Phaidon bei seinen 
Lesern den Gedankt n an eine Tragödie erweckt*-^). Es beruht 
dies darauf, dass dieser Dialog an das Ende des Sokrates 
anknüpft, also an einen tragischen Gegenst^ind, und ist unge- 
fähr ebenso berechtigt, wie wenn man den Abschnitt eines 
mythologischen Handbuchs, weil er die Geschichte des Oedipus 
erzählt, oder eine Komödie, weil sie ihr Hauptmotiv einer 
bildlichen Darstellung z. B. der Sdüttssscene des Egmont oder 
der Kerkerscene des Paust entainunt, für eine Tragödie 
erklAreu wollte. Die Hoffbung auch ia diesem IKalog eine 
der dramatisdien fihnUcbe Gliederung su entdecken brauchen 
wir aber danun nicht aufsugeben. 

Der Held, der sich in dem Kampf, den dieser Dialog uns i»^t 
schildert, bewahren soll, ist die freudige Hoflhung des Phflo- ^^^^ 
sophen auf ein seliges Dasein nach dem Tode Dieselbe trifil 

Mit den verschiedenen Eintlieilungsversuchen, die man gerade 
am Phaidros in neuerer Zeit gemacht hat, kauo ich mich natürlich hier 
nicht auseinandersetzen, 

2) Slailbauuj zum Schiuss des ersten Kapitels seiner Proicgg. ruft 
aus: Quid v^ro? nam qua antiquitas, num qua aetas recentior talem 
QObis extnlit tragoedlam, quam exhfbet Fhaedo Piatonis ^ 

S) p. SS Bf.: *AXX* 6|itv ^ toU lanmli ßo6Ko|»at ^Siq tftv X6fw 

ijiM, i-KiilAy TeXctK^o^g. cf. p. 63 B f. 



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226 



n. Die Blüthe. 



aaf Unglauben : denn die Meinung besteht, gerade die Verstän- 
digsten müssten am Meisten den Tod fürchten p. GiCf.;. Dem 
gegenüber wi^^i daher auseinandergesetzt, dass das ganze Leben 
des Philosophen nichts ist als eine Vorbereitung auf den Tod, ein 
beständiges SterbenwoUen, und dass sie erst durch den Tod ihr 
Streben gekrönt, ihre Wünsche erftillt zu sehen erwarten. Jene 
Hoffnung hat gesiegt. Aber nur einen Augenblick scheint es 
so: denn mit dem Siege erhebt sich schon ein neuer Gegner, 
der sie an einer viel geföhrlicheren Stelle angreifl und sie bis 
in ihren Grund erschüttert, der Einwand nSmUch, dass die bis- 
her TorauBgeaetate Unsterblichkeit der Seele beiweifelt werden 
mflsse (p. 70 A). Der Stärke des Gegners entspricht die Energie 
der Vertheidigung. Nicht bloss die Unsterblichkeit der Seele 
wird behauptet) sondern um für diese Behauptung einen 
festeren Anhalt su gewinnen, auch die PrSezistens, und su 
diesem Zweck werden die verschiedensten GrOnde Ins Feld 
geftlhrt, wie sie der Glaube an die Seelenwanderung (p. 70 €f.}» 
Betrachtungen über die Natur alles Werdens (p. 70 D f. bis 
72 E 77 D) und endlich die specitisch platonischen Lehren 
von der Wiedereriniitrung p. Ii K— IIA) und den Ideen 
(78Bff.) an die Hand gal)en. Siegesgewiss schlit s>t die Kr- 
örterung (p. 84 B) und mächtig ist diesmal in der That der 
Eindruck, der auf die Au\ves( nden hervorgebracht wird 
(p. 84 B): »Stille ward es, als Sokrates so gesprochen hatte, 
lange Zeit hindurch und er selbst, wie es den Anschein hatte^ 
war noch mit seinen Gedanken bei dem Gegenstand und die 
meisten von uns.« Aber der Augenblick des höchsten Triamphes 
droht für den Helden der des tiefsten Verderbens lu werden. 
Die Gjagner ruhen nicht Sie rOhren sich anfangs nur leise, 
wir sehen ihren Widerstand wachsen (p. SiCff.) und schliess- 
lich in swei mSchtigen Schlfigen hervorbrechen. Es sind dies 
die beiden Einwfinde, die gegen die vorausgegangene Er- 
örterung gemacht werden und von denen der eine die Natur 
der Seele betriflt und hervorhebt, dass nichts hindere, sich 
dieselbe als die Harmonie des Körpers zu denken, in welchem 
Falle sie ebenso vergänglich sein müsste wie dieser; während 
der andere dnnud hinweist, (las.>> /.war die Fortdauer der 
Seele nach dein Tode, aber uur eine zeitweilige, nicht die 
uiibegrünzlc bewiesen sei. Alles Gewonnene scheint vernichtet, 



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Plftton. Bild einer IbQdlttng. Phaidon. 



827 



die Katastrophe nun doch noch über den Helden hereinge- 
brochen KU sein: so fassen es die Anwesenden auf (p. 88 Bf.) 
und eb Echo dieses ersten erschfittemden Eindrucks klingt 
noch nach Jahren in dem Zwiegespräch des Eehekrates und 
Phaidon nach, das nicht ohne Absicht, um die Bedeutung des 
Moments dem Leser recht einzuprägen, Piaton gerade an dieser 
Stelle eingeschaltet hat (p. 88G.~89A). Die dramatische 
Spannung hat ihren höchsten Grad erreicht. Vorbereitende 
Betrachtungen (p. 89 C ff.) müssen vorausgehen, um erst wieder 
Miith einzullüssen, bevor der Kampf von Neuem eröffnet 
Nvenien kann, der aber dann mit Einsatz aller Kräfte geführt 
wird. Beide Einwände fallen daiiin und (irr Sieg, an dem 
man schon verzweifelte, wird al)ornials uewonaen, diesmal 
för alle Zeiten: an der BeliaiiptuDL;. dass die Philosophen sieh 
eines seligen Daseins nach dem Tode getrösten können, lässt 
sich nun nicht mehr rütteln; sie bietet nicht mehr Raum für 
irgend welchen Angriff, alle ihre Gegner sind vernichtet. Wie 
im Triumphgesange tönt die siegreich durchgefochtene üeber- 
Beugung noch einmal voll aus in der Schilderung, die sum 
Schluss von den Ober- und unterhrdischen Räumen und im 
Zusammenhang hiermit von dem Loose, das dort die Guten, 
hier die Verdammten erwartet, gegeben wird. 

Mustern wir die Gründe, die auf jeder der beieichneten Botwitkeinng 
Stufen des dialektischen Dramas zum Beweise der Unsterblich- ^l' ^.f''" 
keit vorgebracht werden, so nehmen wir ein Steigen im OebaitM 
Gewicht derselben wahr. Zunächst erscheint die Unsterblich- 
keit nur als die VoraussetzunL'. auf der das Leben und Streben 
der Philosophen ruht: sie hat also einen sehr schwachen Halt, 
den man kaum mit dem Namen eines Grundes bezeielinen 
kann. Wirkliehe GrCinde für sie lernen wir erst auf der 
zweiten Stufe kennen: hier wird zuerst auf die Lehre von 
der Seelenwanderung, weiterhin auf die platonische von der 
Wiedererinnerung hingewiesen — diese beiden Gründe •) 
haben also nur so viel beweisende Kraft, als Uberhaupt die 



{) Ich fiihro sie hier unter (i.n (inmflpn auf, die für ilw I iisU'rb- 
iiciikeit gogobon werden; denn nullelbar gellen sie doch auth für diese 
wenn sie sich auch anmlttethar our auf die Prttcxistenz der Seele be- 
siehen. 

IS* 



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228 



U. Die BlilUie. 



Berufung auf fremde MeiüUMi^eii religiöser oder wiäsenschafl- 
licher Aalur besitzen kann; mehr ins Gewicht fSllt, was über 
die Natur alles Werdens vorgebracht wird so wie Uber eine 
gewisse Aebniichkeit der Seele mit den Ideen — aber auch 
in jenem Falle kommen wir Ober ein aligemeines Gesetz nicht 
hinaus, von dem es sich nodi Mgt^ wie weil auch die Seele 
ihm nnterworfen ist^ und in diesem haben wir es nur mit 
einem Änalogieschlusa su Ihun. Kurs, die bisher viMrgebmohten 
Gründe sbd solche, wie sie Aristoteles enier exolerisdi-dialek- 
tischen Erörterung luwetsen würde. Wie aber bei ihm der 
exoterisdi-dialektischeii, nicht in den Kern eindringenden Ei^ 
Orterung die pragmatische^ aus dem eigensten Wesen der 
Sache schöpfende /u lüLgeu pflegt, so finden wir es — was 
noch üiciiL i>emerkt worden ist, aber bemerkt zu werden 
verdient weil Aristoteles auch hier sich an das Vorbild seines 
Lehrers gehalten hahni könnte — auch bei Piaton, der, nachdem 
die vorausgegangenen exoteriscben Beweise nichts gefruchtet 
haben, den letzten entscheidenden aus der innersten I^atur 
der Seele selber entnimmt, 
des mytliisclion Mit dieser Entwickelung des wissenschaftlichen Gehaltes 
ElraieatM. mythischen Elementes gleichen Schritt. Gewöhn- 

lich sieht man dasselbe im Phaidon nur durch den gpMsen 
eschatologischen Sddussmytbus reprSsentirty worin Sokrates 
in gliniender Schilderung uns bk die Höben und Tiefen der 
Welt führt und damit Raum gewinnt tttr Ausblicke in das 
Leben der Seelen nach dem Tode, der verdammten wie der 
gerechten und reuien. Und doch ist dies nur eine, wenn 
auch die voHkommenste Repräsentation. Genauer betrachtet ge- 
winnt aucb dieses mythische Element erst allmählig seine 
volle (iestall. Zuerst begegnet es uns zum Scbluss der ersten 
Entwickelungsstufe des wissensciiaftlichen Gedankens. Es ist 
der erste j» Ausblick in (ii»» Ewigkeit j, den Sokrates wagt und 
der sich noch auf loigende Worte beschrSnkt ^p. 69 Gl: »Und 
es scheinen auch die, welche 'die Weihen eingerichtet haben, 
nicht ganz einfältig zu sein, sondern schon längst in ihrer 
Uäthsels]>raclie uns ZU verkdnden, dass, wer da ungeweiht 
in den Hades kommt, im Schlamme liegen, wer aber gereinigt 
\md geweiht, bei den Göttern wohnen wird.« Ueber diese 
dürftigen Andeutungen hhiauszugehen, wagt Sokrates erst, 



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PlatoD. Bild einer Handictng. Phaidon. 229 

nuchdem er mittlerweile den Glauben an die Unsterbliohkeii 
fester begründet hat. Nun (p. 84 Alf.) erfahren wir erst, wa8 
unter dem Hades zu verstehen ist, das Reich des Unsichtbareii, 
68 wird sodann bestimmter swiachen den Gaten im gewQbn- 
liohen Sinne und den Philosoplien untersdiieden und endlidi 
das Schleksal, das diese so vih die andern Seelen nach dem 
Tode erwartet^ mit Hilfe der Lehre von der Seelenwanderung 
viel genauer beieiohnet. Und doch wie unseheinbar ist selbst 
was hier gesagt wird, wenn man es mit dem lotsten Mythus 
der dritten Stufe vergleicht: erst nachdem der Gedanke der 
Unsterblichkeit über alle Zweifel erhoben ist, darf ihm nach- 
strebend die Phantasie ihre Flügel frei entfalten 'l 

Eß sind dieselben Vorstellungen, die auf den verschie- Btnfen 
denen Stufen nach einem angemessenen Ausdruck ringen und 
ihn in wiederholten Anläufen immer mehr erreichen. Das 
gilt von der Eütwickelung des wissenschaftlichen Gedankens 
ebenso wie von der des mythischen Elements. Die ver- 
schiedenen so entstehenden Abschnitte des Dialogs als Stufen 
Btt beieichnen, erscheint auch darum passend, weil dieser 
Name ebenso die Abhängigkeit der einzelnen imter einander 
wie eine gewisse SelbstSndiglLeit ausdrückt. Die f^rüheren 
Abschnitte bereiten nicht bloss die ap&teren vor und unter* 
stfltien sie, wie umgekehrt diese jene voraussetsen^), sondern 
bilden auch kleinere Ganse itlr sich, die ihre Selbständigkeit 
xum Theil sogar dadurch seigen, dass sie mit einander in 
Widerspruch stehen'). Sie bilden in ihrem Zusammenhang 

1) Uebcr das Mythische im Phaidon vgl. noch meine Schrill »Ueber 
das Rhetorische und seino Dedi-utung bei Piaton« S. 39 (T. 

2j Auch wir den drilton und allrin entscheidenden Beweis für die 
l'nsterblichlteit besUzl, wir er auf der dritten Stufe geführt wird, wird 
doch zur Vorbereitung und Liilerslutzung auch die frühi^ren gern zu 
Hilfe oebmeD, gleichsam um nur erst den alten Schutt wcgzuräutneu, 
bevor der eigentliche Bau beginoi So wird auch, wer den Sdihissmythoa 
kennt) gefo ao dea ersten (p. 69 C), auf die Mysterienleltfe gegrtadeten 
eftneni, m dem er alch nur verbslt, wie die nllhere AusfUlinuig lu den 
allgemeinsten Umrissen eines Bildes, und auf diese Weise etwas von dem 
Glanz dic*;er allhcilipcii Vorslfllunfzon auch für slcli zu jiewinnen suchen, 
und (iersoltjc wird die Scelenwanderungslchre des zweiteu zur ErgUnzuag 
benutzen können. 

S] In Bezug auf die Mythen habe ich dies in meiner Schrift »Oeber 

das Rhetorische nnd seine Bedeutung bei PUiton« S. 4a ff. ausgeführt 



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£30 



n. Die Blülbe. 



Dicht eine gerade Linie; eher könnte man sie einer Reihe von 
Kreisen vergleichen, die einander «war berühren, von denen 

aber doch jeder in sich abgeschlossen ist. Auch in dieser 
Beziehung verhalten sie sich wie die Akte eines Dramas. 
Solcher Akte haben wir hislicr drei gezählt, entsprechend den 
drei Tiiingon, in welchen der Kani|)t" des ünstcrl»lichkcits- 
gedankens diirchgt'fochten wird. Ihnen s oraiis geht ein anderer 
Theil, der Prolog des klassischen Dramas, welcher die Expo- 
sition der Umstände gibt, unter denen der Kampf sich voll- 
zieht, und den Beginn desselben vori)ereitet; ihm entspricht 
sum SchluBS der Epilog, in dem das Thema des ganzen Dia- 
logs austönt, der, indem er uns den sterbenden Sokrates mit 
unvergänglichen Zflgen schildert^ die vorausgegangenen theo- 
retischen Erörterungen in die Praxis einfiihrt und damit^ 
ähnlich vde im Phaidros, zum Siege den Triumph fUgt. Nicht 
der Tod ist überwunden, wie in der Alkestis des Dichters, 
wohl aber der Todesgedanke. 



Der Staat. 

Dieselbe eigenthttmliche Entwickelung des Gedankens, 
wonach auf jeder der früheren Stufen derselbe bereits seine 
abschliessende Darstellung gefunden zu haben scheint und dann 
doch auf der jedesmal folgenden zu klarerem und vollerem Aus- 
druck gebracht wird, wiederholt sich auch in Piatons grösstem 
Anriebt Werk, dem Staat, ja diese Entwickelung ist es, die meines Er^ 
ti'ühlmicheir Röthsel löst, das sich sonst mit der Romposition des- 

Werk, selben verknüpft. Während die leinen die Einheitlichkeit der 
letzteren rühmen, erblicken die Anderen darin allerlei Mängel 
und schieben dies entweder überhaupt auf eine gewisse iNach- 
lässipkeit des SchriJlstt'lh'rs oder l)enut/.en es, um daraus auf die 
Entsteh un Lesart des Werkes zu schliessen, das nacli ihnen den 
verschiedensten Zeiten anpehiiren würde und deshalb unmöglich 
dieselbe Gleichmässigkeit und innere Uebereinstimmung be- 
sitzen kann wie ein Werk aus einem Gusse Nach der 



i) Die Vertreter der vcr!»ehiodc&en Ansichten zJihlen auf Kroho Der 
platonische Staat S. I ff. und Bcnitiard Grlmmelt, De Aelpubllcae Piatoni- 
cae composiiionc (*i unitate Berliner Disscrt. 1SS7) S. 5 f. Hierin komint 
jetzt noch Robde Psyche 557, 4. 



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Platon. Bild eioer Handlung. Staat* 



Ansicht clie«er letzteren wOrde also der platonische Staat 
ebenso viel Einheit besitzen wie der Goethesche Faost^ nicht 

mehr und nicht minder; beide würden Lebenswerke ihrer 
Verfasser sein, die dieselben von ihren rrühcsti'n bis iu die 
spiitost(>n Jahre begleitet haben und in deren weiten Falten 
;nis den v(M".s( hi(>drnsten Anlässen diese und jene, sogar wider- 
sprechende Gedanken iintergebrarht wurden. Der Werth des 
platonischen Staates, insofern derselbe eines der ausijezc i< h- 
netsten Dokumente des platonischen Geistes ist, könnte dadurch 
nur steigen. Leider hat aber diese Ansicht gar keinen festen 
Grund. Was man ftir eine urkundliche Ueberliefernng aus- 
gegeben hat, ist nur der Schatten einer solchen ^) und auch 
die Ergebnisse der inneren Kritik sind nicht ttberzeugender, 
da sie mit Mitteln gewonnen sind, vor denen auch die Ein- 
heit des Phaidon nicht bestehen, sondern auch dieser Dialog 
sich in eine Reihe einzelner, zu verschiedenen Zeiten ent- 
standener und unter sich nicht recht ttbereinstimmender 
Abhandlungen auflösen wOrde>). 

4) K. Fr. Hermann, Gesch. u. System der Platoo. Phil S. 5S7 sagt 
auf Grund einer Stelle des Gellius, es sei urkundliche Ueberlieferung, dass 
Platon zuerst zwei Bücher der Republik allein herausgegeben habe. Be- 
denken, die sich dicsor Nachrirhl ('!nt).:('^<'nslollen, sucht Hcriniinn zu be- 
Mitigen. Das HanptbedtMikeii hImt, dass dirse zwei BucIkt sich gar 
n'n-lil pit:n<'ii fMi» <o!!t<t.iiidiu'os Ganze zu bilden hnt er nirht boseititil, 
Sond*'rii nur •-(•irii'rsrit>> hc-^t.itict. indem er das er^tc P.iu li fiir denjenigen 
Tlieil ik-s Werkes erklärt, den Platon ursprünglich allein selbständig her- 
ausgegeben habe. 

5) Krofan, Der piatonische Staat S. 43, vennisst in den früheren 
Biichem eine schSrfere Scheidung der ^&Xane( von den dpxo^<<» weshalb 
Erkenntniss und die davon geleitete Thätigkeli noch in denselben Per- 
aonen zusammenfallen. Dersellx'. S t7, iHMnerkt, dass man im Rlickhiick 
auf die mitfjelheilten Vorschriften der Wfif^ftter die vollkommene Ab- 
%V( serdi< it jedes philosophisi'hrn Elementes erkenne; S. 20, dass. wo vom 
»lAosocpov dii' Hede sei, dieses anders anffefasst werde als spater. Kine 
Idee im späteren platonischen Sinne, sagt er S. 63, komme in den ersten 
Büchern noch nicht vor; sie habe in dieser pbysioiogisdien Anschauung 
der Seelenwelt keinen Platz. In diesen und in anderen Punkten, auf die 
Krohn noch hinweist^ bemerken wir einen Fortschritt vom Allgemeinen 
und Unbestimmten zum Bestimmten und Einzelnen; und dieser Fort- 
schritt ist nach Krohn S. 8 fT. nichts anderes, als die Entwickelung, die 
Platon in ^'\-'h -••iber durch^'Mtinclit li:it. Dcr^^rlli.' Fi ii t hritl vuin l'n- 
tieslimmlCQ zum Bestimmten tindet auch iui Phaidon statt, wie sich bei 



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232 



II. Die Blüthe. 



AelinlichJteit Wie hierin schon angedeutet ist, hat die Komposition des 
j ^^^" Staates niifTalIrnde Aehnllehkeit mit dor des Phaidon. Diese 
Aehnlichkeit zeigt sich zunächst öusscrlich in den Personen, 
insofeni in beiden Dialogen die Hauptrolle neben Sokrates 
einem eng verbundenen Paar zugewiesen ist, im Phaidon den 
beiden thebanischen Freunden Simmias und Kebes, im Staat 
Piatons Brüdern Glaukon und Adeimantos. Aach darin treffen 
beide Dialoge tosammen, dass jeder dem betreffenden Paar 
SU Ehren verfasst su aein scheint. Und ebenso ist die 



Verg!cirlnins des zweiten mit dcni «Iriltcn Bfwclj^o für die Dnslerblicb- 
keit ergibt. Dort (70 C — 8i C. wird nur bewiesen, dass die Seele srhon 
vor diest'iu I.t hen existirt hat uaU nach demselben weiter existircn wird. 
Die nahen: Bestimmung, dass sie nicht bloss im Allgemeinen die^t*«» 
Leben übefdauert^ sondern Im strengeren Sinne des Wortes ewig ist, er- 
gibt sich erst später. Innerhalb des zweiten Beweises hatte Sokntes 
nur aus einer gewissen Adhnlidhkeit der Seele mit den B^riffen der 
Dinge ihre Unveränderlichkeil erschlossen (p. 78Bff.); doSS dss Verbldt- 
niSS der Seele zu den BegrifTen uder Ideen ein viel engeres ist und bis 
zur unnnflüNÜrhcn VtM-l)indiin!i mit cinor derselben, der Idee de> Lebens 
sich sli'iL'i I i und darum auch in seiner Consequenz wt it iiber die Ln- 
Veränderlichkeit hinaus, bis zur Ewigkeit führt, erfahren wir erst später 
(p. 103 C IT.). Sodann ist von den RegrifTen der Dinge, wie gesagt, schon 
im zweiten Beweise die Rede (p. 78 D}; die Rolle von Ideen wird den- 
selben aber erst später (p. 100 D) zugewiesen, wo sie als die Ursachen 
alles Seins und Werdens erscheinen. Nach Krohns Verfahren mttsste 
man auch hier schliessen, dass IMatou, als er den zweiten Beweis für 
dit' rnsterblichkeit führte, die Ideenlehre noch nicht vollkommen ausge- 
bildet und aiif'h in anderer Bezichtins srine Theorie noch nicht bis in< 
Einzolno bo>.tiinmt und fiusi.'r';irlM'it>'t liatto. Auch in Rezui; auf di<- 
mylbiacbcii Vorstellungen der Kcpublik hatte Kruhn dasselbe Lrlbcil ge- 
fällt. Weil Piaton in den fr&heren Teilen der Republik sich mit all- 
gemeinen Andeutungen Uber die Unterwelt begnügt, erst im letzten Buch 
eine genauere Schilderung gibt, soll dieses letzte Buch bedeutend später 
geschridien und sein Inhalt die Frucht einer Entwickelung sein, die sich 
in dem eigenen Geiste des Schriftstellers vollzogen hat. Was Krohn S. H 
in diesem Fall schliesst, würde mit nndir Recht aus der viel grösseren 
VcrschiednnluMt der mythischen Vorstellungen über die l iif^rwelt er- 
schlossen werden müssen, dir» zwisrhen den einzelnen Theilen des Phai- 
don besteht (s. o. S. 229, i,. Aber heilich werden wir uns hüten, im 
Phaidon diesen Schluss zu ziehen, um so mehr, da Piaton selbst p. 103 A (. 
auf «Am solche Verschiedenheit in der Darstellung des zweiten und dritten 
Theiles hinweist, in derselben also keine Sttfrung des einhdtlichen Planes 
seiner Composition erblickte. 



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Platon. Bild einer Handlung. Staat. S33 



Art, wie aus diesem Grunde im Phaidon die beiden The> 
bancr, im Staat Glaukon und Adeimantos in ein günstiges 
Licht gerückt werden, in beiden Dialogen wesentlich die- 
selbe. An den einen wie an den andern erscheint, wenn man 
an die Theilnehmer anderer sokratischer GesprSehe denkt^ be- 
sonders rflhmlich und eharakteristisch snn&chst die SelbstSndig- 
keit, mit der sie Sokrates gegenfibertreten und durch immer 
neue EinwSnde, die sie seinen Beweisen entgegensetzen, das 
Feuer des GesprSches stets lebendig erhalten; sodann aber, 
dass sie nicht fanatische Yertreter der Ansichten sind, die sie 
gegen Sokrates geltend machen, sondern ihre Einwände ledig- 
lich im s;irhlichen Interesse erliei>eD, damit nichts, was in 
Frage k( iiiiiit^n kann, un])espr()chen bleibe und die begonnene 
Erörterung auch wirklich zu Knde geführt werde'). — Eine 
weitere auffallende Aehnlichkeit in der Kumposition der beiden 
Dialoge besteht darin, dass in beiden das behandelte Thema 
nicht einfach ist, sondern doppelt, ein nominelles und 
ein fektisches. In Bezug auf den Staat hat man dies Tüul, 
ISngst beobachtet und deshalb die Frage aufgeworfen, ob 
der Titel dieses Werkes in Piatons Sinne »Ober die Ge- 
rechtigkeit« oder »der Staat« sei: aber auch im Phaidon 
findet etwas Sbnliches statt, nicht die Unsterblichkeit der Seele 
wollte Sokrates ursprünglich beweisen, sondern das Recht des 
Philosophen dem Tode getrost und ohne Furcht entgegen zu 
gehen, das ist der Gedanke, von dem er ausging (p. 62Cfr.) 
und SU dem er schliesslich wieder zurOekkehrt (p. \HJ>f.). 
Auch der Grund dieses umständlichen Verfahrens ist in beiden 
Fällen derselbe: der Weise des historischen Sokrates schien 
eine naturphilosophische Krürtt nini.' über die ljnsterl)lichkeit 
und gar die Entwickelung eines bestimtuU-u Dolüm is über das 
Wesen der Seele ebenso fremd zu sein wie die Konstruktion 
des Idealstaats; um nichtsdestoweniger die eine wie die andere 
Ausführung ihm in den Mund legen zu können, mussten beide 
mit der Behandlung einer der Fragen verflochten werden, 
wie sie bekanntermaasscn der wirkliche Sokrates zu be- 
sprechen pflegte-, daher geht der Unsterblichkeitsbeweis aus 



1) Phaidon p. 84 D. SS D. SS E f. Rcp. II p. 358 G. 367 A. Beide 
Paare iiat auch Snaemihl, Gen6li9cbe_Entw. II S7 miteinander vei^lichen. 



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234 



II. Die üluthc. 



der Frage, ob der Weise den Tod zu fürchten habe, hervor 
und das Bild des Idealstaats wird gefunden, indem man den 
Begriff der Gerechtigkeit sucht. - Die Art und Weise, wie 
das Letztere geschieht, oder richtiger die Art und Weise, wie 
die Frage, der auch die DeUnilion der Gerechtigkeit dient, 
die Fra^e nämlich, ob der Gerechte oder Ungerechte ulück- 
lieber sei, gelöst wird, bietet abenuals zu dem im Phaidon 
eingehaltenen Verfahren eine Parallele; der Weg zu dem 
erstrebten Ziele liihri in beiden Fällen über ähnliche Stufen. 
inhiU. Stufen Mit den beiden ersten mittleren Theilen des Phaidon lässt 
^"j^^;;^" sich das erste Buch der Republik vergleichen. Die Selb- 
if««hod«. ständJgkeit desselben den Übrigen Theilen des Werkes gegen- 
über ist ISngst erkannt worden und konnte auch nicht verkannt 
werden nadi den Andeutungen, die Piaton selbst darüber 
gegeben hat. Denn nicht nur nennt er es ausdrOcklich das 
Prooimion des Ganzen (II 3&7A), sondern legt auch in diesem 
Theil das Gespräch anderen Personen in den Mund als später. 
Um so bemerkenswerther ist, dass auch die Methode der Un- 
tersuchung diesem Theil eigenthümlich ist: die Entsclioidung 
der Frage, ob dor (Icrechte oder der Ungerechte glücklicher 
ist. wir<l liHliijlich durch die Betrachtiinii der äusseren 
Folgen gewonnen, die sich mit der (jcrechtigkeit wie mit 
ihrem Gegentheil verknüpfen ; nicht aus der Tiefe des Wesens 
beider geschöpft Die Methode ist also gerade wie anlang- 
lich im Phaidon die esoterische. Darum ist auch die Ent- 
scheidung nur eine vorläufige, keine endgiltige. Den breiten 
Grund, der hierzu erfordert wird, legen erst die folgenden 
Bttcher dadurch, dass sie das Wesen der Gerechtigkeit klar 
und fest stellen. Dabei ist das Verfahren nicht dieses, dass 
eins nach dem andern die einzelnen Merkmale des Begriffs 
zusammengesucht und erst zum Schluss zu einer totalen Vor- 
stellung vereinigt werden, sondern gleich in den AnfSngen 
wird ein Gesammtbild wenigstens in den äusserblen Umrissen 



i] Daher kann Glaukon II p. 858 B zu Sokratea sagen: i^juol olinn 
«aiÄ vouv dff6%ciSte ifiTOvc rcpl ixonipov (Über Gerochiigkeit und l'n- 
fcorcchtiiifceit.. ii:iftu)jidi <fdp dhtoüottt t( Iotiv ixdTcpov xal t(va fj^si 
[xtv u'j-fj xaö' aOti <viv iv ^'•'X^* "^^^ ^ |«ffftowc w\ td fiYvifAC^a As 



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Piaton. Uiid einer Handlung. Slaat. 



235 



gpgchen und dann in wiederholten Anläufen zu wachsender 
Klarheit erhoben 

Im Gnnz(»n dos Staates soll sich da.s \Ve<»Mi «ItT (ierech- 
ligkeit otlenharcn und orscluMiU daher in dciusclbeu .Maasse, 
wie sich jener entwickelt, in immer grösserer Vollkomnionheit. 
Im Naturstaat ist Alles nur auf die Befriedigung der noth- VatantMt. 
wendigsten leiblichen Bedürfnisse des Menschen berechnet; 
daher erscheint auch die Gerechtigkeit hier nur ganz änsseP" 
lieb und oberflScUicb darin das« jeder Angehörige des Staates 
in der ihm sugewiesenen engen ThStigkeitsspbSre bleibt^ der 
Schuster bei seinem Lebten^ der Bauer bei seinem Pfluge u. s.w. 
(II p. 369 372 D). Es isl nur der Schatten der Gerechtigkeit, 
der hier sichtbar wird*). 

Mehr enthQllt sich von ihr auf der nächsten Stufe, im lri«f«ntMt. 
Kriegerstaat, der sich aus dem Natorstaat entwickelt, indem 
dem dort allein vertretenen Nährstand der Wehrstand gegen- 
tibertritt. Dieser Staat ist ein dreifach gegliedertes Ganze, da 
in dem Wehrsland selber die Herrscher und solche, die diesen 
zur Seite stehen und sie unterstützen (sT^üoupot), unterschieden 
werden, und gibt, da seine Thcile der Znh! wie der Natur 
nach (ien Theiien der Seele entsprechen, ein Hihi der Seele ira 
Grossen, also auch die Gerechtigkeit, soweit sie in ihm vorhan- 
den ist, ein Bild derselben wie sie sich in der Seele seiher, nicht 
bloss Susserlich in gewissen Handlungen darstellt. Sokratcs 
und Glaukon glauben somit das Wesen der Gerechtigkeit, 
nicht blos ein Schattenbild su haben und halten eben deshalb 
auch die Frage nach dem Nutsen derselben, von der das 
ganze Gesprich ausging, für erledigt 3). 

Wir stehen an einem wichtigen Abschm*tt. Auf die Bedeu- 
tung desselben macht uns Piaton durch dasselbe Mittel wie im 



r II 3fif> A sagt Sokrat<'s: ',Ap' otiv, Tjv o i^a», ei f'p'^!*^''V 

S} Apx^-v « xal t6inN tnd Ti]« StxaMeOvr;; nennt es Sokratos III 
443 B und ftloich darauf C elooXov xt. 

8] IV p. 444 A f. Auch später bei einem Rückblick (VI p. 504 B) 
erkllUrt Adeimnntos. dass ihm wie allen Anderen damals die Frage er- 
ledigt gesdiienen habe. 



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236 



II. Die Blüthe. 



Phaidon (p. 84Cff.) aufmerksam: wie dort Simmias und K('l>es 
hoiiuüch mit einander flüstern imd erst dann mit den Einwanden 
hervortreten, die zur Erörterung des dritten Theils ftihreu, so 
hier Polemarchos und Adcimantos (V p. 449 B). Zunächst freilich 
erscheint Alles, was in diesem neuen Abschnitt gegeben wird, 
nur wie eine Reihe von NachtrSgen zu dem voihergehenden. 
Wenigstens die Ueberschrift zu dem Kapitel Ton derWeiber- 
xmd Kindergemeinschaft, das wir jetit im fünften Buche lesen, 
6nden wir schon froher (IV p. 483 Ef). Ebenso waren schon 
froher die beiden Klassen der WSchter, die Herrscher und die 
Helfer, geschieden worden, schon frOher war eiUlrt, dass Ar 
den CSiarakter der WSchter ein philosophisches Element er- 
forderlich sei il 375 E, 876 BC); aber erst jetzt wird diese 
Scheidung s<;hi«rfer durcLgeführi und erscheinen die Herrscher 
Philoiophon- als Philosophen und zwar in dem engeren Sinne dieses Wortes*). 

Ancl) die Berichtigung det früheren Darstellung', die hierbei 
gegeben wird, dass der l^nterscbied zwischenil ^n Ilerrschem 
nicht bloss im Alter, sondern bereits in der ursprünglichen 
Natur XU suchen sei (vgl. YII 536 Gf. mit Ul il^Df.), Hlhrt 
doch nur eine Andeutung aus, die bereits der Mythus Ul 
415 A) enthält, wenn er die Einen die goldenen, die Andern 
die silbernen nennt. 
UrthoiUbtrdi* Auch der Widerspruch, in denSokrates dadunshmit sieh 
^c^tM. gei^iii^ j^gg er IHlher dlie Dichtung nur theilweise, jetit 
aber gani von seinem Staate ausschliesst (vgl. X 595 A mit 
in 397 D;, spie^^elt keineswegs Piatons eigene Bntwickelung 
und war nicht unbeabsichtigt von ihm, sondern fügt sich in 
den methodischen und kflnstlerischen Plan des Werkes, inso- 
fern darin ein Gespräch der Wirklichkeit möglichst treu dar- 
gestellt werden sollte, in solchen aber die Gedanken alimählig 
reifen, sich klaren und berichtigen: so waren erst jet^t die 
Prämissen zu einem Schluss gegeben, der das Verhältoiss der 



1) Die nr-j'tlt iTsrheint no( h IV 128 B ff. ganz allgemein als das 
Wissen, vpirii.tge dessoti der Staat fiwt regiert wird. Auch wenn den 
Wächtern Iruher schon '-fiXosocpli rugesehririben wird, so ist dies in dem 
weiteren Sinne zu nehmen , dessen dieses Wort noch in der Zeit des 
Isokrates fähig war. Die lictotif)(xT) von den Ideen and dem dyaMv tritt 
mt spJiter hervor. 



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PlatOD. Bild einer Uaaijlang. Staat. 



237 



Dichtkunst sum Staat viel tiefer lassi als dies früher mügiick 
war '). 

Wir gewahren ttberhaapt in diesem Abschnitt einen Fort- Fortschritt voo 
schritt von einer mehr populfiren zu der streng wissenschaftr ^^^^^!° 
liehen Betrachtungsweise, der parallel ist mit dem Uebergang BohaftUohen 
von dem Hervorheben des kriegerischen Charakters an den ^^'^JJ^Jl^^' 
WSebtem (^uXax««] lu demjenigen des philosephisehen, und es 
findet flonach swischen diesem Abschnitt und dem froheren 
dasselbe YerhSltniss statt wie swisohen letzterem und dem 
ProoimioiD, d. h. eine mehr exoterische Methode muss auch in 
diesem Falle einer, andern tiefer, in die Sadie eingehenden 
weichen. 

Spüren wir schon hierau, dass wir auf eine neue Stufe der 
dialogischen Erörterung getreten sind, so drau^t sich dies nucU 
mehr bei Betrachtung der Art auf, wie sich jetzt die Gerechtig- DwrteUnog der 
keit dar stellt. Zunächst freilich scheint für die Erkenntniss der- 
selben in diesem neuen Abschnitt nichts Sonderliches gewonnen 
lu werden. Abgesehen davon, dass in dem Maasse, als das 
Wesen des Staates deutlicher wird und zugleich die von der 
Gerechtigkeit ausgehenden Wirkungen klarer hervortreten, wir 
besser einsehen, dass Einheit und Glück im Einzi^lnf^n wie 
im Gänsen auf ihr beruhen, so ist das Bild, das IX oSHGff. 
von ihr entworfen wird in wie fem sie sieh in der Seele dar* 
stellt^ swar kiSiyger und plastischer, im Wesen aber doch 
kein anderes als das, welches uns bereits IV 443 D f. geseigi 
worden war. Aber je treuer das Portrait, desto lebhafter ruft 
«B in uns die Erinnerung an das Origmal hervor. Schon 
VI 507 B war von den Ideen die Rede gewesen, 54 7 B auch 
eine solche der Gerechtigkeit genannt worden ; trotzdem hatte 
man uach wie vor das Bild der GereciiliL;keit, wie es sich 
durch das Medium der dreifach getheilten Seele darstellt, für 
d?is Wesen selber genommen. Diese Ansicht hatte sogar noch 
einmal IX 580 D ff. eineu sehr energischen Ausdruck gelimden. 
Da stellt sich X (il 1 B fl". heraus, dass auch die Seele in dieser 
Welt nur entstellt erscheint und ihrem ursprünglichen Wesen 
nach durchaus einfach ist, und SolLrates Ifisst uns ahnen 



4) Noch Mheint eine Hutdentoog auf dergleicheD kommende Ertfrte- 
magea sdioo in tO p. B9t G la li«g«a. 



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II. Die Bluthe. 



(611 C), dass es auch mit der GerecLitii;keit sich ähnlich 
verhält. So schreitet die Darstellung auch der GerechfitTkrit 
Über die drei Stuleü vor, auf denen nach Platou üherliaapt 
die Dinge sich den Menschen oflenbaren ;VI 510 Bff.). Ihr 
Schattenbild erblicken wir im Naturstaat^ heller tritt sie in 
die Erscheinung im Eriegerstaat, so dass man hier bereits 
ihr Wesen zo haben glaubt, in Wahrheit enthOUt sich das- 
selbe aber erst auf der dritten Stufe da, wo alles sich zur 
HIJhe der Idee erhebt, wo aus den Wächtern und nur klugen 
und weisen Regenten Philosophen werden und der Staat, der 
in der Wirklichkeit und Natur gegründet sdiien, als ein Ideal 
in den Wolken verschwindet (IX 592 A). In dieser idealen 
Sphflre löst sich auch für den denkenden Leser endgiltig die 
anfängliche Frage nach dem Nutzen, welchen die Gerechtig- 
keit bringt, oder dem Glück, welches sie gewlihrt: denn wie 
könnte darüber, ob sie ein Gut sei, jetzt noch eine Fraise 
sein, nachdem das luichste Gut als der Uniuell aller Ideen 
erschienen (VI 508 Eff.) und die Gerechtigkeit unter die Ideen 
aufgenommen ist? 

So bereits im Uebersinnlichen wandelnd sind wir vor- 
bereitet, die Seele auf ihrem Gange durchs Jenseits tn be- 
gleiten, wie es uns der das ganze Werk abschliessende Mythus 
schildert. Wir dürfen denselben als einen abgesonderten Theil 
betrachten, obgleich er in mehr als einer Beziehung an den 
grossen eschatologischen Mythus des Phaidon erinnert und 
wir diesen zur vorausgehenden dialektischen Erörterung als 
deren letzte Blüthe gerechnet haben. Aber wShrend der 
Mythus des Phaidon nur populfir schildert und ausmalt, was vor- 
her wissenschaftlich erschlossen war, darf sich der Mythus der 
Republik eines neuen Gedankens rühmen und deshalb ehie 
grössere Selbständigkeil beanspruchen. Vorher war das Wesen 
der Gerechtigkeit enirlert \Nnrd»'n und es hatte sich danu"t im 
Zusammenhang ;iuf jedrr ncMien Stufe der Betrachtung vun 
Neuem ergeben, dass dicselhe Itir den, tler sie liesitzt. ein 
Gut sei. Von den äussern Belohnungen »ind Einen, die dem 
Gerechten zufallen, war der Forderung der beiden Brüder 
AdeimanUJS und Glaukon gemäss (II 3ö8B. X il67Bft".) zunächst 
abgesehen worden, .lelat 6l iMV u ird hierauf zurtickgegrifl'en 
und werden damit, namentlich durch die Schilderung der 



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Ptatoo. Bild einer HaDdlttog. Staal. 



839 



Schickfiale, welche den Gerecfalen und Ungereciiteii nach dem 
Tode erwarten, BetrachtungeD ergänzt, wie sie bereits das erste 
Buch angestellt hatte; denn von den Belohnungen und Strafen 
im Hades war dort (I 330 D] nur eine Andeutung gegeben 
worden 

Indem sieb so der Anfang mit dem Ende in Eins zu- Füufzahi der 
sammenzieht, wird ein in sich abgeschlossenes Ganse ge- "^^^ 
bildet. Sowohl die Fflnfxahl der Theile, in die es sich 
gliedert, als deren Verhfiltniss unter einander erinnern an die 
Gomposition des Phaidon und so zeigt auch dieses Werk, das 
man sich gewöhnt hat als ein Compondiuin der platonischen 
Lehre anzusehen^), einen gewissen drainatiscben Aulhau. Um Dramatiacher 
ihn sich zu verdeutlichen, genügt ein einzelnes Drama nicht; A***»«' 
wohl alK r kann die Wailenstein-Triiugie unseres Dii hters 
hierzu dienen. Es sind ziiniieli-^t Hie liusseren, vom Iii Id - ri 
ausgehenden Wirkungen, die im Lager und seinen Sohialen 
sichtbar werden; sein Wesen selber glauben wir sodann in 
den Piccolomini zu haben, wo uns nicht bloss die vertrautesten 
Mitwisser seiner Pläne vorgeführt werden, sondern auch Wallen- 
stein selber zuerst die Bühne betritt; und doch die Volle 
Tiefe dieser Persönlichkeit, der ganze Umfang ihrer Absichten 
enthOllt sich uns erst im dritten Stttck der Trilogie. In der- 
selben Weise schreitet auch die Darstellung der Gerechtigkeit 

1) ZeUer, Philos. d. Gr. II* 470 Ann.' 

2 Dem Charakter eines Compendiams enspricht Folgendes. IV 427 D 
ist durchaus nicht ohne Weiteres klar, weshalb die Zahl der Tugenden 
nur vier sein so!!. Auch uhrr dir Idee des r.nton -^ird mit einer, 
der Sehwierigkeit der Sache nirht enlspiff Kiir/.rwci^jzcgangen. 
Noch Anderes der Art wäre zu nennen, was diiraul deutet, dass Plalon 
bei der Abfassung der Republik sich an die Vorschrift seines Phaidros 
band nad für solche schrieb, di« sich beim Lesen an genauere mttnd- 
Ocbe ErörterangVD fiber dieselben Gegenstände erionerten. Uebrigens 
trifft auch hier die Republil^ wieder mit dem Phaidon zusammen « y/o 
p. 73 E als t)ekannt vorausgesetzt wird, dass alles Lernen auf der - 
erinnernn!-' I^fnih»^ Do* Ii map hier ein Cit;it dr^ Menon vorliegen. Da- 
mit dicst^ < nrn|icudians<*he Kür?«» sich mit der Impirten Socnerie des Ge- 
spräches vertrüge, hat Piaton beide Male solche Mltuntem-dner dps 
Sokratcs gewählt, die besonders begabt und besonders vt rtraul mit dun 
waren, nnd denen er daher Vieles nur anzudenten braachte was Anda«n 
gegenttber einer eingehenderen und breiteren Ausehiandersetsang be- 
durft hätte. 



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240 



U. Die Blüthe. 



vorwärts mit dem Exoterisohslen beginnend und im Miltel- 

puükl des Wesens endend. 

Der Staat ist in einer Hinsicht unter den platonischen 
Dialogen das grösstc Kunstwerk, weil sich hier die Kunst an 
dem sprödesten Stofl' versucht hat; aber eben deslialh ist er 
eigentlich kein Kunstwerk mehr, sondern » in Kunststück, 
woran wir wie an einer Statue aus Porphyr die Kunst zwar 
erkennen und bewundern, aber nicht mehr gemessen können. 
Er ist ein grossartiges Denkmal des Streites, in den Piaton 
mit sich selber gerieth, da er durch den Zug seiner Gedanken 
Uber Sokrates hinausgeführt, durch Pietät und Gewohnheit 
aber nooh im Banne der sokratlsclien Tradition festgehalten 
wurde. Während Solontes nie Über eine EritÜL einieber 
politischer Institutionen und der Staaten der Wirklichkeit 
hinausgekommen war, hatte Piaton dieselbe nur benutit, um 
sich den Boden lu ebnen, auf dem er das GebAude seines 
Idealstaates errichtete ; da solche KiMistroktionen demhistorischen 
Sokrates ganz fremd waren, so konnte Piaton, wenn er sie 
doch durch ihn vor den Augen des Lesers wollte ausführen 
lassen, ohne die historische Treue zu sehr zu verletzen, dies 
nur dadurch erreichen, dass er sie in die Behandlung eines 
andern Themas, die Untersuchung über den BegritV der Ge- 
rechtigkeit, einlügte, sie gewissermaasseii darin versteckte. 
Wid«rfprtolie Hierdurch kam aber ein Widerspruch in das Werk, das 
Spiegelbild des Streites, an dem Piatons eigene Seele litt: 
denn was in Wirklichkeit der Hauptgegenstand der Erortcnmg 
ist, der Aulbau des Idealstaates, erscheint jetzt nur als Mittel 
xum Zweck. Diesem Widerspruch geseilt sich ein anderer. 
Wenn wir von dem Prooimion absehen, so ist es in der Haupt- 
Dialog Sache Sokrates allein, der die Untersuchung Uber die Ge- 
rechtigk^t ftkhrt^ seine eigenen Gedanken darOber entwickelt*); 
nur hin und wieder bestStIgen die beiden Söhne des Ariston 
durch ihr Ja oder Nein je nach der Art der an sie gestellten 



Oompotitini. 



4} Bczcicbucud ist, dass Sokrates n 868 C von den anweflenden auf- 
gefordert wird XU forschen (oupejvi^oaadat] viaa die Gerechtigkeit seL 
Vgl. auch Krohn, S. SS, 84 f. Das Proeimion oder erste Buch hielt man 
aonst für das Muster eines echten Dialogs, nach Weise der früheren pla- 

lonisdton: aber auch hier ergibt sich von p. 850 C nn ThrasymachOS 
darein, dem Sokratei» so su antworten, wie dieser es wünscht. 



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Piaton. Staat. Widersprüche ia der Compositioo. 241 



Fragen die Ergebnisse der sokratischen Forschung; weder hat 
es Sokrates nöthig, seine Ansichten gegen ihre abweichenden 
sa Tertheidigeni), noch ist es seine xnaieutische Kunst, die 
ihnen die vorgetragenen Gedanken entlockt. In Wahrheit 
haben wir also einen Monolog des Sokrates vor uns, nur der 
Schein des Dialogs wird noch gewahrt 3) und auch an diesem 
Widerspruch twiachen Form und Wesen trägt der Zwang der 
sokratisdien Tradition die Sdiuld, von dem Piaton sich da- 
mals noch nicht frei machen konnte und ohne den er gewiss 
die Form des susammenhängenden Tortrags schim damals ge- 
wählt haben würde. 

Derselbe Zwang hat noch einen (Lritteo W ider:?prucli Syttun d«r 
verschuldet. Der reiche Inhalt des platonischen Staates bleibt 
nicht bei dem stehen, was wir eine Politik nennen, sondern 
dehnt sich aus fast bis zu einem System tler platonischen 
Lehre überhaupt. Ein solches in einzelne Abschnitte zu 
zerlegen erscheint unerlässiich, wenn die Lebersicht über das 
Ganze nicht verloren gehen soll. Trotzdem hat Piaton diese 
Theilung nicht vorgenommen — denn ich setae voraus, dass 
die jetiige Eintheünng in Bücher nicht von ihm herrührt Bisth i -ng b 
— und was in die Steile denelben tritt, die nachgewiesene 
dramatische Gliederung, erralcht jenen Zweck nichts da darin 
die einseinen Theile in der kunstvollsten Weise In einander 
fibergeleitet werden und eben deshalb nicht augenfilllig 
genug hervortreten. Auch hier war ihm die sokratlsche 
Form des Dialogs hinderiich. Im AUgemeinaa vertrug sich 



11 Die Ansichtrn, f^cpiMi welche Sokrates spricht und die nllerdings 
Gliiukon nml Adciniaotoa» j^cltond machen, sind doch nicht deren eigene 
Ansichten, wie beide Ii 364 K und 367 A f. ausdrucklich versichern. Auch 
blerm gleicht ihre Stelluog derj« üigcu des SimmUis und Kebes Im Pbaidon, 
die ebenblls ihre EiDwSnde gegeo Sokrates oicbt erhebm, nm ihn xu 
widerlegen, sondern nur um Uin dadurch zu einer weiteren und noch 
genaueren Erörterung des Gegenstandes zu veranlassen. 

2) So spricht Sokrates IX 383 C wie Einer, dem das Ergebaiss der 
Untersuchung schon fest steht und der nur nachträglich noch durch die 
dialogische Fornj darauf hinlcitcn will: mV, cTtton, i^cup-^jsst aoO dTtoxpivo- 
{iivo'j Ctittü'* 4(jwt. In X 593 Ii scheint er st liun in» BegrilT, in zusammen- 
hängender Rede seine Meinung vorzutragen: daher dxo'^i oV^; da besinnt 
er sich, dass er die dialogische Form inne xu halten hat und deshalb 
fügt er hinzu {jiäXXov H dnoif ivo». 

Hiri«l» Dblftg. 4^ 



< 



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242 



IL Die Blütbe. 



<1io dialok'isrhe Vorm wohl mit der Eintheüuüg in Bücher, 
wie genug Beispiele aus späterer Zeit lehren. Piaton hätte 
das Ganze in verschiedene Gespräche zerlegen uad jedes dieser 
Gespräche einer besonderen Zeit, sei es einem besonderen 
Tage oder auch nur einem Vormittag oder Nachmittag, wie 
Cicero einmal im Gespräche vom Redner, lawetsen können, 
indem er sie sn kleinereD dialogischen Ganzen abrundete. 
Aber was im AUgemeinen möglich war, war es im Besondem 
nicht) weil ein solches Abbrechen und Wlederanfiiehmen des 
GesprSohs gegen die Gewohnheit des Sokrates gewesen w8re, 
der jede Erörterung, die er für sich allein oder mit einem 
Andern begonnen hatte, ohne Racksicht auf Zeit und Ort tu 
Ende su fahren pflegte. Das Festhalten an der sokratischen 
Form des Dialogs verlangte daher den ununterbrochenen Fort- 
gang desselben ' . iiulem Pl.iton dieser Forderung nachkam, 
i»l;uil«to rr zwar die historische Treue gegenüber seinem Lehrer 
uii(i lirsssn Gesprächen zu wahren; umsomehr aber verstiess 
er gegen die allgemeine Natur der menschlichen Gespräche, 
deren keines jemals so lange Zeit hindurrh in ununterbrochenem 
äusserst künstlich verflochtenem Zusammenhange und noch 
dazu Über so schwierige, die ganse Geisteskraft des Menschen 
in Anspruch nehmende Fragen geführt worden ist 2). Doch 
daran brauchte Piaton sich nicht zu kehren, da er wie die 
Persönlichkeit des Sokrates eben so gut auch seine Gespriche 
in eine ideale SphSre erheben durfte. Der Versuch, diese 
gewaltige Gedankenmasse in der knappen Form des sokratischen 
Dialogs XU bSndigen, war wohl des grOssten KQnstiers werCh. 
Aber er ist misslungen; die Deutlichkeit der Gliederung, efiae 



4) Hierzu kann mit Nutzen Scheiliugs Bemerkung, Clara 5. US 
(Sonderabdrudt IS65) verglichen werden: »Ich weiss nicht, sagte ich, 
aber der Komao widerspricht seiner Natur nach der Einheit der Zelt und 
der Handlung, im philosophischen GesprSche dagegen seheint mir diese 
l^prade SO weseatileh wie im Trauerspiele, weil dort nlles so gans inner- 
lich vorgeht, wegen des enf;**n CrdniikcnztisMmrDt'nhnni^eH «ileichsMm ?i»if 
der Stelle, ohno si» li vnn dem einmal uingcuommeDCD Orto wegzubogebcn, 
entschieden werden inu^.s. 

Olmu Zweifei, sagte sie lüchelud, damit der zarte, Üucbtige, oft auf 
bloss augenbHcUkdien Wendungen benihe&de GedankemiisaiiHiienhang 
nicht verklinge?« 

2' Vgl. auch Birt, Das antike Buchwesen S. 47t f. 



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Platon. Der Dwlog als Sssay. 



243 



der Hauptbedingungen eines jeden Kunstwerkes ging verloren. 
Auch Platon mussto es an sich erfahren, dass es nicht mehr 
anging, den neuen Wein in die alten Schläuche sa füllen. 

PUtons Staat^ indem er die Ponn des Dialogs xu sprengen Der Dialog 
droht^ beseichnet eben damit den Uebergang von der Form *^ 
des E ssay SU einer mehr systemati^enden Darstellnngsweiae. 
Je naidi der Verschiedenfaeit der Zeiten pflegt die eine oder 
die andere dieser Daralellungsweisen mehr bevorsugi su 
werden. In der Utesten Zeit der griechischen Prosa entschloss 
man sich nicht so leicht zum Schreiben und Veröffentlichen 
eines Buches wie heutzutage , wenn man Uberhaupt dazu kam, 
so war es in der Regel wohl erst in späten Jahren ') und 
hatte (1 inn l)ei einem einzigen Werke sein Bewenden. 
Auch in tu lu rLr Zeit haben grosse Entdecker wie Kopernikus 
und Kant \:M\i^r gezögert, bevor sie das Publikum die Frucht 
ihres Nachdenkt ns kosten Hessen, und jene Werke der ersten 
griechischen Philosophen waren fast alle durch irgend eine 
epochemachende Entdeckung ausgezeichnet, ihre Verfasser 
zogen darin die Summe des eigenen Lebens, sie wollten etwas 
Abschliessendes etwas Zusammenfassendes geben und hatten 
weder die Absicht noch den Glauben, nur persönlidie An- 
sichten auBsosprechen, damit dieselben mit andern im Kampfe 
sich versnohten. Sie fühlten sich ala Triger einer Offenbarung. 

IHeses GefOhl, tlber die Masse der Menschen lunausiuragen, 
prägte sidi auch in ihrer Sprache aas, die keineswegs die der 
grossen Masse und des alltäglichen Lebens war, sondern eine 
getragene, halb oder gans poetische, und nicht selten wie die 
Rede eines Propheten klang, wovon uns der Vortrag des Pytha- 
goreers in Piatons Timaios noch eine Vorstellung geben mag. 

Nicht immer aber ist, wie es damals war, die schrifl- Uatnr des 
stellerische Leistung die Frucht eines ganzen Lebens, ^^^^JJJ^^^' 
votii Baume Rillt, wenn sie reif ist. Zu anderen Zeiten dient Zeit, 
die Literatur dcni Tace. üeber die vorüberi'eheiulen Freiy- 
oisse und Erscheinungen desselben lässt sie sich vernehmen; 



Thaies bat überhaupt nichts geschrieben; Anaximander erst mit 
64 Jafareo Min Werk TeHasstf wie wenigst«n9 wahrscheinlich lüt, und 
von Anderen iHsst sich AehnticbeB annehmen, weil es in der Natur der 
Sache liegt. 

<6* 



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344 



II. Die BlUlhe. 



in den Streit der Ansicblt'n, der sich darüber entspinnt, will 
d<'r Schriftsteller auch die seinige hineinwerfen. Die gesaramtr 
Literatur gleicht einer im weitesten Kreise geführten Kon- 
versation und es ist natürlich, dass, was der Einzelne hierzu 
beiträgt, in keiner Weise etwas Vollendetes ist. Man stellt 
die Gegenstfiade Dicht systematisch dar, sondern beleuchtet 
sie von dieser oder jener Seite und ist es in der Hast des 
«Pertigstellens« sogar zufrieden, blosse Fragmente heraus- 
sugeben; nacblSssig wie in Besug anf den Inhalt, ist man 
auch in der Form, die man sich gar nicht die MQhe nimmt^ 
ihres subjektiven Charakters su entkleiden. Man scheut sich 
nicht, Skisien, Studien, Versuche dem Publikum darsubietoi. 
Das ist der Boden^ auf dem die Literatur des Essay gedeilit, 
mag in der Natur desselben mehr das Journalistische, wie 
bei Addison, oder das Subjektive, wie in Montaignes Selbst- 
bekenntnissen oder endlich das Benutzen einzelner Erschei- 
nungen zum Anknüpfen weiterer Gedanken, wie bei Macauiay, 
hervortreten. 

Eine solche Zeit des Essay war das 18. .iahrhundert. 
wo man in ühermüthiger Laune sogar Gott zum Essayisten 
machte*). Für Griechenland kam sie im Laufe des fünften 

Booten* Jahrhunderts mit der sophistischen Bewegung. Innerhalb 
der Naturphilosophie selber giebt sich dies su erkennen, wenn 
man die umfangreiche Uber die Yerschiedensten eintelnen 
GegenstSnde sich erstreckende Schrillstellerei Demokrits mit 
derjenigen sehier Vorginger vergleicht, die die Ffille ihrer 
Resultate in ein einsiges Werk susammendrSngten. Noch mehr 
aber kam diese essayistische Behandlung in den Gesprächen 

BskntM. des Sokrates sum Vorschein, deren Spiegelbild wiederum die 
Dialoge der Literatur waren. Wie schon angedeutet wurde, 

Eawy und »st das Gespräch dem Essay verwandt und raan wird es da- 

8etpiloh. iier keinen Zufall nennen, dass ein Meister auf dem Gebiete 
dieser l.iteraturgattung , wie Addison, zugleich ein Meister in 
der Convt rsation war. Ist doch der Essay auch vielfach nichts 
weiter als em verkümmertes Gespräch und in manchem Essay 



4) Friedlieh Scblegd sohreibt »Aus Sehleiennaehen Leben« Iii & 77, 
dsM er das IlDivemuD selbst für einen Essay nicht sowohl Im StU des 
Hemsterhays eU Gervens halte. 



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IMatoi). Der Dialog als Essay. 



245 



MouUujznes \n ürden die mit einander ringeDden, auf und ab- 
wogenden Gedanken sich deuUicUer gegen einander abheben, 
wenn der Verfasser sie in die Form eines Dialogs gebracht 
hätte. 

Auch die plaloDisi lu-n Dialoge sind grosseotheils Essays IHeplatoni- 
und zwar in einetn doppelten Sinn. Sie sind f»s einmal, Jq- "•l*** ^^^^f»^ 
sofern die sokratischen Gespräche, die sie nachahmen, etwas 
vom Charakter des Essay an sich tragen und wie dieser von 
unbedeutenden Anlässen ausgehend sich mehr und mehr ver- 
tiefen '); sie sind es aber auch deshalb, weil wenigstens in 
vielen Pftllen wohl der Schrülgteller erst durch eine zuföUige 
äussere GelegenheU yeranlasst wurde, den betreffenden Dialog 
niedenuschreibeo, seinen Gedanken gerade diese besondere 
Richtung su geben. Natttrlidi sind wir nur sehr selten im 
Stande, in dem eintelnen Falle genau anzugeben, welches 
diese Gelegenheit war, und mfissen zufrieden sein,* wenn uns 
vergönnt wird hin und wieder Yermuthungen darOber auf- 
zustellen. So scheint der Gorgias seinen Süsseren Anlass im eocgiM. 
Tod des Archelaos gehabt zu haben (vgl. oben S. 1 26). Auch 
für das Symposion fehlt es an einem solchen nicht, mag man SjapoiloB« 
denselbeii nun, wie neuerdings wiederholt geschehen ist 2), in 
der SUitung des philosophischen Thiasos der Akademie erblicken, 
oder in dem Erscheinen von Xenophons gleichnamigen Dialoe:, 
der Piaton zur Rivalität und kntik autiorderte. Den Phaidros Pluidm. 
hat man iSngst und öfter für Piatons Antrlttsprogramm bei 
Eröffnung seiner Schule erklJirt ; sonst könnte man darin auch 
die Rezension einer Rede des Lysias sehen, die sich von hier 
aus, ähnlich wie Macaulays Essay ttber Miiton, zu selbständigen 
Betrachtungen höherer und allgemeinerer Art erhebt. Ein Werk 
wie der Euthydem vollends, so durch und durch polemisch, Bvfhjaan. 



I) Das Ausgehen vom GologcoUicbeu rechDCt Niebubr, Lebensnach- 
richten I SOS zu den Kennzeichen des Tecblen Dialogs. Die ganze sokre- 
tische Lttemtiir, ausgehend von Sokrates' I^ben und Sterben und der 
Verherrlichoog deeselben dienend» Ist eine Reihe von Essays, die ihre 
Ebiheit hat in einer einzigen Persönlichkeit, itholich wie Addisons Essays 
im Spectator in mehreren fingirten und lloniaignes in der PersOnlichlteit 
des Verfassers. 

2 Vgl. Wilamowilz in den PhUolog. tnterss. IV S. S82 und L. von 
$)bei, Das Symposion S. 10. 



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246 



II. DJe Bltiliif. 



ist obne einen von aussen kommenden Anstoss gar nidit zn 

verstehen und noch von manchem andern Dialog mag dasselbe 
gellPii. (lass er nicht das nothwendis^e Ergebniss der hisheritit n 
I^Uwickelung des platonischen Geistes ist. sondern durch einen 
iiisseren zufälligen rrastand lu rvorgeruleu. - Wie der Ursprung 
so gleicht auch die Absiciit der platonischen Dialoge derjenigen 
von Essays. »Anzuregen nicht zu erschöpfen bleibt ja die 
bescheidene Aufgabe des Essays« hat ein neuerer Schriftsteller 
gesagt I) und seit Schleiermacher kann kaum noch bestritten 
werden, dass auch Piaton mit einem grossen Theil seiner 
Schrifistellerei nichts Anderes bezweckte. Dass ihm dies ge- 
lungen ist, bestStigt Aristoteles, wenn er den sokratiscben 
Dialogen die xouvoto(i{Qi nachrOhmt^).' Freilieh nur von einem 
Theil der platonischen Dialoge gUt dies, also s. B. nicht von 
JkT 8tMt dem t Staat«. Derselbe will seinen Gegenstand erschöpfen und 
seine Darstellung in systematischer Weise abscbliessen; er 
kann auch nicht die Geburt eines Augenblicks, der Berflhrung 
vorttbergehender Süsserer VerhSltnisse mit Piatons Geiste sein 
sondern Usst sidi nur verstehen als das Ergebnis» langjShriger 
geistiger Arbeit, die endlich einmal Gestalt gewinnen und sich 
äussern nuisste. 

DisBpraolie. Die Sprache lehrt uns Aehnliches über die Natur der 
platonischen Dialoge. Der echte Essayist schreibt wie er 
spricht; es gehört recht eigentlich zu seinem Wesen, sich 
gehen zu lassen in den Gedanken wie in der Form. Den- 
selben Grundsatz spricht Piaton aus^). Sich um Namen zu 
sorgen scheint ihm kleinlich, so lange die Sachen noch so 
viel zu thun geben; und je weniger er sich um Worte ge- 
kOmmert hat, desto reicher hoflü er im Alter an Gedanken xu 



4 Treitschke, im Vorwort zur i. Auflage seiner historischen und 
politischen Aufsätze. 

S} Damit hingt zusammeD, dtss so häufig io den platonisehen Dia- 
logen die Erörterung xum Schlnss als unvoHstüDdig beseicbnei und eine 
Fortsetcung zu einer anderen Zeit in Aussielit genommen wird, so Thealtet, 
p. 840D. Kratyl. p. 440E. Prolag. p. 361 E. 

3' Th.Ttitrt. p, 4 84 C: T^^ ^jI ij/er,:: -rujv •'jvoadfTmv T€ yM hr^^ii'zeo't 



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Plakou. Dialog al« Kpsay. Sprache. 



247 



seiQ Dalier scheut er sieb nicht, bald dasselbe Wort in 
verschiedener Bedeutung 2), bald zur Bezeichniing des gleichen 
Begriffes verschiedene Worte zu brauchen'). Für die Späteren, 
die durcii die Philosophen ihrer Zeit und namentlich durch 
die Stoiker an eine strenge Terniinologie gewöhnt waren, 
wurde dadurch das Verstäadniss der platonischen Schriften 
erschwer!*). Für Piaton war es unerlässlich, so und nicht 
anders zu schreiben, da er die lebendigen Gespräche des 
Sokrates nachbilden wollte. Seine Sprache sollte die des Sprache dot 
^tSgUchen Lebens sein und sie ist dies auch mil der Fülle ihrer ^Ij^^ 
'Worte und Wendungen, in der Freiheit des Satzbaus und doi 
tausend kleinen NacUftssigkeiten, die sich nicht hererifihlen 
lassen. Welcher Abstand, wenn man sie mit der Sprache der 
gleidiieitigen Bhetoren verglicfa*). Selbst die attische Komödie 
gibt uns kein so treues Bild der gewdhnlichen Rede. 

Aber wie hier der Zwang des Verses hinderlich war, so x^utipnob«. 
fSnt auch die Sprache der platonischen Dialoge keineswegs mit 
derjenigen zusammen, die man zu Platoos Zeit in der guten 
(Gesellschaft Athens sprach. Eine Reihe von lonismen, poetischen 
und veralteten Formen, die jedenf ills seit der Zeit, da Piatons 
schriftstellerische Thatigkeit begann, aus der lebendigen Sprache 
Attikas verschwunden waren treten uns in seinen Schrilteu 



1; Die Belege hei K. Fr. flermaiill» Geacb. u. Syst, d. pl. Philos. 
S. 573, 103 f. Vgl. iiiM-li o. S. :» 

8; Dtog. Laert. Hl 68 f. bemerkt dies in Bezug auf ao^io. und 9aüAo;. 

8) Dies gesteht er selbst, Ges. III 693 C, in Bezug auf acufpovstv, 
^p<!;*rrjstc und fiXta. 

4) Diog. lU 6S: iv6|utat «l^fT^ icomlWc icpic t6 ivfj t6<ifrMToc 

5; In Bezug auf die Zulassung von Hiatcn bemerkt dies Gioero Orator 
IM vgl. dazu Blass, Att. Bereds. II .S. 420 f. 

6) In der Fv( |> Vit r)33B lesen wir teTpdcpaTat. Di'rarlit:»' Ftuiiien 
kuiuinen nach Mcisterhans lirammatik d. a. I. S. 75 auf Inüchritttiit seit 
dem Jahr 4i(j ab. — ato im Plusquamperfekt und Optativ finden sich 
noch bei Thokydides und Aristophanes s. Gerth in Gurttug* Stnd. I S 
8. tS9. Die alten Formeo des Plnsquamperfokts wie -t/jt^ u. a. w., die 
nach PanaltioB sich io den ffandschrifleD fioden, ans der lebendigen 
Sprache aber bOToita in der letzten Zeit des Ariatoplianes verschwunden 
waren (a. Stallbaum zu Piaton Sympns. p. 498C),' treten uns bei Platin 
in den verschiedensten Dialotien. IrnlK i en. Apolo^'ie und Prolagorus, und 
spateren entgegen. Nach Aelius Dionysius bei Eustbat. zur II. k. 



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248 



IL Die Biath«. 



entgegen und zwar in den spSCeren häufiger als in den 
froheren. IHe Sprache verliert mehr und mehr den Charakter 
der mQndlichen Rede und wird su einer literarischen. GleidH 

zeitig tritt an die Stelle des freien sokratischen Forsöhens 

allmählig ein gewisser Dogmatismus und dieses Erstarren des 
Denkens ist von einem I:irstarren auch der Sprache begleitet. 
Terminologie, die für einzelne Begriffe bestimmte KunstausdrUcke bildet 



scheint os. flass Ptaton auch rpasato. Ba) 7-337 u. s. w s< hriob wie Thuky- 
Uidt's»; es geUurten diese Formen wotii zu dor n loisirenden weicheren 
i>praühc der Hauptstadt (ünodTjXurepa otctXexTo; nciml sie Aristoph. fr. iuc* 
98 Mein.;, wMhmd diejenigen auf tt wohl dem Mnsterdialekt der fuoo- 
*ttia (Philostrat. v. soph. n 1 p. 558) entnommen sind und deshalb nicht 
roOllig an den boiotischen DIalelct (Meister, Dial. 1 884 f.) erinnern. Die 
Dative in otot finden sich in sicheren Beispielen nach Schneider sur Rep. 
III 389 B nur in der Republik, im Timaios und in den Gesetzen. 'Ofcia 
und «ia-^ot; lesen wir im Phaidnn. xeoiulctv im !-ysis 's. dazu Kühner-Blass, 
Ansf. Gr. I 402, 3 und Rutherford, Phr\n. S. iST f . Wtjo^ec im Tlieait<5t 
p. i69B. Hierzu kommen noch einzelne Worte wie ifavosöcri. das sich 
in der ältertn Zeit ausser bei Dicht«irn nur uueb im Pbaidr. 234 0 findet, 
ähnlich c65id; väjAot, das im Gorgias «nd Phaldros; X(eoo{jLa(, das in der 
Prosa ausser bei Herodot noch in der Repnblilc begegnet u. s. w. u.'s. w. 
Es fehlt noch sehr an einer genügenden Semmlnng alles hier einschlagen- 
den Material.s. 

4) Das Bedürfniss nach mögli(>hster Bestimmtheit des Ausdruckes 
spricht sich «rhon Theaitet. p. t84C in den Wort<»n aus, die nnf die, S. 245, 3 
citirUMi fol^(Uj: eort ht 5tc dva^xatoN, otov xil vjv a-jd-ft-ri izü.aj^io^at rffi 
ctTTOxpiccoj;, -i^v droxplvet, ^ oux öpÖTj' oxöret Y«p , otriixpiot; «ox^pa ipfto- 
T^pa, tp6pd>}xev, toüto clvai 6^daX{jL0'Jc, ^ hi ot> Cipiüpiiv, xal dxoüopiev, 
<bx«, ^ 8(* o5 dxo6o}ftcv; Auf Kunstausdrttcke, wenn auch erst sich bil- 
dende, bei Piaton hat Bücken hingewiesen in seiner Gesch. der philoso- 
phischen Terminologie S. U ff. Eine Reihe von solchen citirt er nament- 
lich aus dem .Sophisten und Politikos, also Dialogen der späteren Zeit 
S. io. 2;. Drx Ii Iteircf^niM un« ebenda, wo sich das Bedürfniss lüu h 
mo;;lichst scfi ii frr Ausdrur k-^weisc äussert, im Theaitet, schon die Bil- 
dung eines Kunst ausdrucke.s wie ttoiöttj; p. 184A vgl. düzvi Slnübaum u. 
den Schol.;. Mehr bietet die Republik, wie in der houdoruuy der ver- 
schiedenen Erkenntnissstttfen dorch die Fixinmg der Worte duboia 
u. s. w. an bestimmte derselben VI 511 E oder in der Verwendung von 
S l«ti, welche dem aristotelischen tt ien vorarbeitet, X 597A 5 ^ ^aficv 
cUot Z lore x>.(vT] .597 C a&Tjjv ixs(vt)v 8 {ort xX(vi) oder in der Verbin- 
dung Tj-b oiicxioojvTjv dTTatvojvTE; II 363 A. stallbaums Anmerkung zu 
der letzten .Stelle liefert die merkw lirdiyen Beletro , wonach die uleiche 
Verbindung sich ausserdem im Pannenides und im Theaitet findet. Die- 
selbe macht es auch glaubhch. dass Bildangen wie lünKivi^paiKO; und 



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IM.iton. Spraclie seinei- Dialoge. 



S49 



Bei einem Denker wie Plalon isl es von vorn herein 
wahrscheinlich, dass sich diese Umwandelung nicht ganz üiii)e- 
wusst vollzogen hat. Neue Wörter und Ausdrücke /u ijilden 
zur ht sUmmteren Bezeichnung neuer BegrilTe, dazu konnte er 
leicht gelangen, ja musste er conbcijüciiter Weise i^elührt 
werden von dein Standpunkt aus, den wir ihn im Krat\lüs 
einnehmen sehen: denn hiernach ist die Sprache nichts als 
ein Stoti in der Hand des Menschen, worin derselbe Willkür- 
Uch 8eine Gedanken ausprSgen kann. Und bedenken wir, wie 
er sonst bestrebt ist, die in seinen Dialogen auftretenden 
Personen bis ins Einzelne der Sprache hinein su charak- 
torisiren, dass er Ihren Stil, aber auch ihre Dialekte nach- DuiakUh 
bildet 80 könnte es abermals nur consequeat erscheinen, 
dass er in die attische Prosa seiner Dialoge scheinbare lonismen 
und poetische Formen aufiiahm, weil das alterthOmlicfae An- 
sehen, das dadurch die Bede erhielt, zu der Scene der Dialoge, 

aCiTolrro; (Aristotcli's . Mcl.iph. VII <fi p. lO'iO'' 3i«i bereits von Piaton 
vorpenorameo wurden und nicht, ^ic HiU'uiokLM', Rh. Mus. 187'J S. 76, 
meint. Neuerungen des Aristoteles sind. IMaton mag übrigens im K^•l^e 
seiner Schüler und beim mündlichen Vorlrag manches gewagt haben, 
wovor er beim Schreiben noch zurttekBciieQte. Dahin gehören Worte 
wie tpareC^TT]; xuaftdn)« oder doch analoge, über die der Kyniker Anti- 
stheoes spottete, vgl. Zeller, Philos. d Gr. II» S. 954, 4* und Lehfs de 
Aristarchi stud. Horn. S. 257 (\ 

11 Bekannt sind die unübertretTIichen Nachbildungen im Symposion 
iinH Protagoras, die den Stil ot\rr die Manier gewisser Schriftsteller he- 
IruHcn. Derselben Art Ist w is .i, ,1 Polns (iorir. p. nsc in den Mund 
gelegt wird. Dass i'latou aucti Kleiütgkeileu de» Dialektes aachatuitt, 
zeigt das Ittw Zej; oder, wie Abrens wollte, mo) A^u; des Thcbaners 
im Phaldon p. 6SA. Aeiinliches, uns jetit verborgen, steckt vielleicht 
noch mehr In den platonischen Dialogen. Der Scholiast su Gorg. p. 450C 
bemerkt, dass die Worte x*^^^^FfW^ «»ptD«t«, deren sich Gorglas 
dort liedient^ aas dessen einheimischem Dialekt, dem Leontinischen, ent- 
nommen seien. Das mag die Vt imuthung einc^ nlexandrinischen Gram- 
matikL'is sein, der fiir den (Icttr uicli >o .«seltener Worte nach einer Er- 
kiarunj: suchlt*, und aller Wahrsclieiulicbkeit nach schiesst sie über ihr 
Ziel hinaus. Aber so viel scheint richtig zu sein, dass mit dem (jubrauch 
des Wortes «6p»3ic Piaton auf eine Eigenthttniliehkeit des Gorgias hin« 
deuten wollte: wenigstens bedient sich Sokrates, als er p. 450 D f. den 
Gedanken des Gorgias aubimmt, statt «6paiaic des gelSufigeren »Spoc, 
worauf der SdioUast sowohl als Olympiodor nicht verfehlt haben hinzu- 
weisen, und dasselbe x^poistc kehrt bei keinem älteren Schriftatelier 



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250 



U. Die ßlütho. 



dem Athen der Vergangenheit, besser zu passen schien, weil 

er die Konversationssprache geben wollte, wie sie von Sokratus 
gesprochen wurde und uicht wie sie von seinen eigenen da- 
mals lebenden Zeitgenossen. In diesem Falle niüsste aber 
i'Uitoiis Gopie der wirklichen Sprache eine missiungene ge- 
nannl werden. 

CtoiEiaoiiMs Wahrscheinlicher ist daher, dass es Piaton ercaneen 
▼olkMpluk«. '^^ unseren Romantikern und Germanisten, wie schon 

Lessing und Reiske, dass er nämlich um die Muttersprache 
wieder zu kräftigen und anzufrischen, thails die älteren 
Werke der Literatur benutete theUs unmittelbar aus der 
Rede des Volkes aohSpfte*). So ^tstand eine Kunst&pradiey 
in der Aeltestea und Neustes liiedlicli neben einander her- 
ging, Sbnlieh wie bei Euripides*) und Kritias^). Besonders 
die homerischen Gediobte beutete er fdr diesen Zweck aus, 
deren Gitate schliesslich mit der eigenen Rede unlösbar und 
kaum noch erkennbar verwuchsen und die als6 hier wieder 
einmal Shnliche Dienste thaten wie uns Deutschen die Luthersche 
Bibelübersetzung. Immer mehr bildete sich diese eigenthüm- 
liehe Sprache aus, sie wurde zur Manier, wie namentlich 



nieder, ausser bei Thukydides, dessen Sprache wie belcannt in vieler 
Minsirht die dos Gorpias nachbildet. Auf Lakonismeo in den Gesetzen 
zur Cliaraktenstik des Motiillos 'T p. 62r»C \i. fiiSf.^ hat schon Hürkh in 
Piülonii» .Minoem S, 69 f. hinj^ewiesen. Mi»n \t^l. nodi das -ai^oüvTai des 
.Syrakusaners in Xcnophons Symp. iX, i Kuthertorii, Phryn. S. 91). 

I) So bat er, wie der Kratylos zeigt, naiDentlich die solooischen 
Geaetsc von ihrer sprachlichen Seite studirt, gleich wie die römischen 
PbilologeD und Romantiker der dasronlschea Zeit die swölf Tafbin. Per- 
sirtigo philologische Studien regte vielleicht schon Sdcrates hei seinen 
Schülern an: vgl. o. S. 98. I. 

t] Den Frauen sah rr auf den Mund nach Kraiyl p. U8C. vj:! 
hierzu o. S. 98. 2. Dasselbe gilt von Jakoh Grimm, der ii» iler Vui- 
rede zum Worlerb. S. XIII sagt: »frauea, mit ihiem gesunden luutter- 
wilz und im gedächtniss gute sprüchc bewahrend, tragen oft walire be- 
gierde ihr unverdorheoes Sprachgefühl zu ubeo^ vor die leisten ond Itaston 
zu treten, aus denen wie gefaltete letnwand lautere wtfrter ihnen enl- 
Kcgenquellen«. 

3) Rulherford. Phryu. S. til. 

4 Blass. All. Bereds. I 27.'»'. 

5 Sengebuscb, diss. Horn. pr. S. Iii f. 



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Plulon. Abttabmc der Charakleristik. 25 t 

Piatons lotxtes Werk, die Gesetze, lehrt und trat der Sprache Die OeMtse. 
(1(1 W ii klichkeit immer fremder gegenüber, elwn wiV die (ies 
all( n (iiielhe. Welcher Abstand zwischen .luizend und Alter! 
Aus der Natur ward Kunst und schliesslich Künstelei, in 
den früheren Werken herrscht eine freie natürliche Rede, wie 
sie dem £ssayisten siemt; dann aber macht sich der Dog- 
matiker und Prediger geltend in einer feierlichen und be- 
rechneten Aufldruckflweifle. 

Was wir so an der Sprache beobachten, das bemerken Penonon des 
wir auch in der fibrigen Entwickelung des Dialogs. Auch 
hier seigt das Alter seine isolirende Kraft, vermOge deren es öhutkttriiin. 
den Menschen mehr und mehr auf sich selbst surQckdrttngt 
und von der Aussenwelt abschliesst, in die sich die Jugend 
gern verliert Auch im üebrigen tSst sich in den platonischen 
Dialogen mehr und mehr der Zusammenhang mit der Wirk- 
lichkeit und büssen sie deshalb im Laufe der Zeil das frische 
attische Cobrit ein, durch das sie früher ausgezeichnet waren 
und das ihnen für die Keiiiiünss des athenischen Lebens im 
fünflen Jahrhundert nahezu denselben Werth gab, wie ihn 
Sopiirons Mimen für Syrakus besassen. 

An die Stelle von lebendigen farbenreichen Gemälden treten 
schattenhatle Umrisse. Man denke an Protagoras und Symposion 
und vergleiche damit von Piatons späteren Schriften Philebos, 
Sophist, Politikos und Gesetze: während uns in jenen Dialogen 
das scharf geseichnete Portrait der auftretenden, aus der Ge- 
schichte bekannten Personen mitten in die historische Wirk- 
lichkeit versetst, entschwindet die letstere in den andern immer 
mehr den Augen; zwar sind es auch hier zum grössten Theil 
noch historische Persönlichkeiten^, die uns als Theilaehmer 
am Gespräch entgegentreten, aber es sind doch eigentlich nur 
Namen und die historische IndividualitSt ihrer Träger kommt 
für die Rolle, die ihnen im Dialog zugetheilt ist, kaum in Be- 
tracht; es kann uns daher nicht w undern, wenn der hier be- 
reits schwankende Boden der Wirklichkeit schliesslich vollends 
unter den Füssen schw indet und die GestalUTi des eiealischen 
FremcUings so wie des Atheners der Gesetze gänzlich in der 



< Zeller, Piaton. Stadd. S. 84 If, 
Vgl. auch O. S. 476, 4. 480, 1. 



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252 Ii- I»e Hluthe. 

Lufl schweben, nichts sind, als Fictionen Piatons, die nicht 
einmal durch die Phantasie ihres Schöpfers individuelles Leben 
erhalten haben, sondern auch nach dessen Willen, wie er sich 
in den ganz allgemein gehaltenen Namen ausspricht, lediglich 
abstrakte Schemen geblieben sind. 
Soenerie der Mit den auftretenden Personen verliert auch die Scene 
charakteristisches Aussehen. Sie stellt nicht mehr Attika, 
Athen und seine nächste UmgebuDg, Oberhaupt den be- 
schränkten Baum dar, auf dem es Sokrates beliebt«* m 
wirken. In dem Maasse als Platon sich von Sokrates frei 
macht, scheint er auch die durch dessen Wirksamkeit ge- 
zogenen localen Schranken su durchbrechen* Wir schauen 
nicht mehr der athenischen Jugend in den Palfisten und Gym- 
nasien zn, wir wandeln nl^t mehr bei der KQnigshaUe, wir 
werden nicht mehr Zeugen des Treibens der Sophisten im 
Hause des reichen Kallias oder kommen ungeladen zum Mahle 
des Agathon, wir besuchen au<^ nicht den Sokrates im Ge~ 
fSngniss, wir lenken nicht am Bendisfeste unsere Schritte zur 
Hafenstadt Peiraieus, um dort bei Polemarchos den nächtlichen 
Fackelritt zu Ehren der GüiUd ai)zuwarten und Niemand iührt 
uns an die Ufer des Iiisos . damit wir gegen die Gluth der 
Mittasssonne uns einen schattigen Platz unter der Platane 
suchen Iv ituirn. Färb- und gestaltlos liegt die Welt um uns. 
Platons Dichtergeist entzCmdet kein sinnliches Leben mehr in 
ihr, wir befinden uns in einer Geistersphäre, die erhaben ist 
Uber Zeit und Baum. Was Platon schon firüher hin und 
wieder gewagt hat, wie im Laches und Meuon, das scheint Air 
ihn später zur Begel geworden zu sein, wie der Kratylos, 
Sophistes, Politikos, Pliilebos und Timaios lehren. Wire es 
nicht die Person des Sokrates, die uns nach Athen wiese, so 
konnten diese Gespräche an einem beliebigen Punkte zwischen 
Himmel und Erde spielen. So war der Zusammenhang mit 
der Heimath des sokratischen Dialogs bereits gelockert Immer 
mehr entfernen wir uns von AtCika, wenn wir der Beihe nach 
die Scene des Theaitet, des Phaidon und der Gesetze betreten. 
Denn wenigstens in den einrahmenden Gesprächen der beiden 
erstgenannten Dialoge werden wir in dem einen nach Megara, 
in dem andern nach Phlius versetzt und Platons letztes Werk 
fuhrt uns weit weg aus der Gesellschaft des Sokrates aut die 



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Piaton. Trilogien und Tetralogieo. 



253 



ferne Insel Kreta. Id dem neuen Räume weht ein neuer 
Geisi; er deutet uns an, dass die eigentlittmlich attische Art 
des Dialogs zu Ende war. 

Wie das eehte dialogische Leben mehr und mehr aus Triiogi^n aid 
Piatons Gesprftohen entschwand, so bttsston dieselben auch 
ihren dramatischen Charakter ein. Wie aber doch Piaton noch 
bis snletzt sidk an die dialogische Form klammerte sn einer 
Zeit, da ihr Geist ISngst entwichen war, so hat er auch den 
dramatischMi Charakter nicht aufgegeben, ihn yielmehr, je 
weniger er sich im Innern der Gespräche regte, desto mehr 
an der OberflSche derselben festgehalton. So kann man es 
wenigstens deuten, dass er spSter einzelne Dialoge tbefls 
unter sich, theils mit früheren in eine Verbindung setzte, aus 
der trilogische, ja telralogischc Compositionen erwuchsen. 
Es ist möglich, dass er den grossen Gedanken des Aischylos 
in omor Zeit wieder aufnahm, in der derselbe bereits fremd 
geworden war'); jmuIi hier dem Euripides niinli(h-), an den 
er schon in der Behandlung der S[)rache erinnorfr 'S ^HO. 3). 
Aber weder daraus, dass Aristophanes von Byzanz einzelne 
Dialoge zu Trilogien zusammenfasste, Thrasyllos an Derkyliides 
sieh anschliessend, alle nach Tetralogien ordnete, folgt dies 3) 



4j BekanoUich hat Aristoteles in soinur Poetik auf die trilogiscbe 
«der tetralogische GomposltioD keine Httcksicht genoRimeii. 
S) Wilamowits fm Hennei 4S, it4. 

S) Dem TbrasYl] (bei Dlog. L. III 5S) wird es natttrllch Niemand 
glaubeo, dsM die Tetralogien, aach denen er die Dialoge ordnete, wirk- 
lich difjenigen waron. in denen ihr Verfasspr sie hfrausjrppobpn. Auf 
liiesclbe Quelle map Aelian V. H. U 30 zui uckgclu'ti. der den jupendliclipn 
PlatoD eine Tetralogie dicliten lasst, walin-nd Uinu, L. III ;» sn-h mit 
einer Tragödie begnügt. Mehr würde die Autorität des Aristopiianes von 
Sysaox ins Gewidit faUeo (Diog. L. III 64 f.}, der vorsichtig genug nur 
einen Theil der platoniscben Dialoge in die triloglsclie Form fUgte. Ob 
iba aber dabei liberbanpt die dcnmatiscbe Analogie leitete, ist swelfiol- 
hafl. Christ in den Abhh. der beyer. Akad. philos. philol. Cl. XVIi 
S 46j hat die Vt rrnuthung ausgesprochen, dass der Name Tetralogie zu- 
erst auf dit' platonischen Dialoge antrcwandt und von hipr auf die Dramen 
des Ai.sc hylob ubertragen worden sei. l nd in der That führt keine 
Spur weder des Namens Telralügie noch Trilogte bis in die frühere, 
namentlich die klassische Zeit des griechischen Theaters. Aj-istoteles in 
der Poetik kennt den Ausdruck nicht, sondern sagt dafür c. S4 p. U69(» 
II «Xljto« tpe^ftiAv t6v tt( (kCov dxpöoatv tt0c|Aiv««, Ion von Chios 



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254 



11. Die Blulhe. 



lind ebenso wenig haben es die Neueren bewiesen. Das That- 
sächiiche beschränkt sich darauf, dass Plafcoa eine Reihe seiner 



bei Plutarch Pericl. 5 nennt dasselbe TpocY^^'^i (i^nttXiot und die ofticiellc 
Bezeichnung scheint das einfache TpaY^ifiCa gewesen zu sein. Deber den 
Titel TpiXofla, den schelnbnr oin Stück des Nikoinachos trug. <?, Moinekc 
hist. crit. S. 467. Es ist übeikiui[»t nicht zu sa^en, wie damals der 
Name habe aufkummcn können. Kitt einzelner Auftritt in einem Drama 
Hess sich wohl ab Xö^o; bezeichnen (vgl. -pöXofot und Welker Aesch. 
Tril. S. SOS f.), eher nichl das ganze Drama, das immer mdbrere 
XAfw umfosste. Daher Xö^ot von Agalhons Tragödie in Platoos Sym- 
pos. p. 47SA; und Xtf^c bei Aristoph. Wesp* S4 geht ebenso wie 
Xo<yiSu»v 64 auf das Argument, nicht auf das Stück selber, vgl. Frieden 
50 und Meineke in fragni. com. II S. Ü26 zu Kralin. fr. <56. Auch 
in den Vöj:i'ln .10 ist unter Xö-fo: in den Worten (LvSpE? ol r^povrec 
Xöyqi wohl nur die Rodt" /u \trstohoii, die Euelpides gerade halt. Ich 
Iiiuchte daher vermutheil, dass die Namen erst von den Alexuudrmern 
au^ebracht wurden. Nach schol. zu Aristoph. Frösche iük bezeichneten 
Aristarch und ApoUonios so die Orestle. Andere, die su dersellwn noch 
das Satyrspiel Proteus fugten, sprachen in diesem Falle von einer Tetra- 
logie. Sdkon hieraus kann man vermutheo, dass diese Namen ursprUng« 
lieh nicht in der weiten Bedeutung gebraucht wurden, die man ihnen 
spätor bt'ilt'gte und wonach sif von allen drei oder vier zu oiner Auf- 
führung % (Ml)undcnf»n Slurkcu gebraucht winden, sondern für mehrere 
solche Drauit'u autgesparl wurden . die wirklich ein einheitliches Ganze 
bildeten. Die drei Stücke der Oreslie standen unter sich in dieser 
engen Verbindung, nicht aber mit diesen das SatyrspieL Daher erkliirt sich, 
dass in der Hypothesis zu den Sieben g. Th. zwar die AuueöpYita des 
Polyphradmon eine Tetralogie genannt^ den vier Aischyleischen Dramen 
(Leios, Oedipos, Sieben, Sphinx sowie den drei des Aristias Perseus. 
Tantalos, Palaistaii aber ein solcher Name versagt wird. Zwar fehlt auch 
in den .\ischylcischen Dramen der Zusammenhani: nicht ganz, sondern 
ist thei!«5 in den Geschicktii fiiiiM- und derselben taiuilie llieil> in d^r 
chronologischen Folge gci^ebi ii. \\ a> abei fehlt, ist der Mittelpunkt euitr 
einzigen Persönlichkeit, auf die sich Alles bezieht. Einen solchen besass 
die At>«o6^c(A ohne Zweifel in der Person des Lykurgos, die IltNStovl« 
des Philokles, die zweimal in schol. zu Aristoph. Froesch. 981 Tetralogie 
genannt wird, in der des Pandion. Dagegen heissen des Euripfdes, 
Alexander, Palamedes, Troerinnen und Sisyphos bei .\eHan V. H. II 8 
ebensowenig, wie die vier damit concurrirenden Stucke des Philokles 
eine Tetralogie. Dasselbe eri^itd»! «irh aus der Hypothesi*i der rb(ini>M n. 
Medea und Mkestis. Wenn nun Arislopbane» den Namen liilocn" in 
dieser Bedtnttunp auf pe\vi>s«: Dieibeiten pliiloiiischer Dialuge anwandle, so 
wulUc er damit sagen, dass ^diese Dialoge ein gewisses Ganse bildeten. 
Jeder einzelne Dialog erschien darin als ein "Ktrfoi : denn, wie schon Birt, 
Antikes Buchw. S. S<J, beobachtet hat, dieses Wort bezeichnet solche 



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PlaloQ. Tiilogten und Tetralogien. 25$ 

Dialoge in einen engeren Zusammenhang gesetzt und dadurch 
als 1 heile eines grösseren Ganzen bezeichnet hat. 

Ein solcher Zusammenhang besteht zwischen Sophist und SopUst. 
Politikos, zu denen der ursprOngiichen Idee nach noch ein ^^j^J^ 
dann nicht vollendeter PhUosophos gehörte ^) : tn dieser Trilogie 
sollte der Begriff des Wissens von allen Seiten klar gestellt 
werden; sie wurde zur Tetralogie, da sie nur die im Theaitet 
begonnene Untersuchung sunt Abschluss brachte und der 
Sophist mit diesem durch die Scenerie des Dialogs aufs Engste 
verlmüpft ist'). 

Theile eines literartochen Ganzen, die eine gewisse SelbstSndiglcelt bean- 
sprachen, eine grössere Selbständigkeit als was man ein Bach nannte, 
dem auf dem dramatischen Gebiet nicht die Stücke einer Trilogie, 80n> 
dern die veri^chiedeneii Akte des einzelnen Dramas analo*! sein würden; 
so erklart sich auch bis zu einem «rewissen ürade die 'l'etr;»!fi'iie (le< 
Nfiucsion. worin Lehrs Arislarch. S. 31, 15* nichts als einen LoinnuMil.'ir 
in vier Büchern sah, wahrend es doch genug Werke in vier Büchern 
gab, denen man diesen Namen nidit beilegte. 

4) Der Sophist, Staatsmann und Piiilosoph werden von Piaton auch 
im Tim. p. zusammengestellt. 

i) Zum Schluss des Theaitet trifTl Sokrates mit Theodor die Verab- 
redung sich am nächsten Tage wieder zu trofTen. Zu Anfang des Sophistoii 
snpf Theodor Sokrates. (lass sie entsprechend der Liestripen Verab- 
redung gekomnui) seien. Merkwürdigerweise bat Aristophanes diesen Zu- 
sammenhang bei :>einer Anordnung der Dialoge ignorirt nnii slelit den 
Theaitet mit Euthyphron und Apologie zu einer Trilogie zusammen (Diog. 
L. III 6«}. Offenbar leitete Ihn dabei die Rücksicht theils anr Theaitet 
p. USC, wo es heisst, dass das Zusammentreffen des Sokrates mit 
Theaitet knrx vor des Ersteren Tode stattgefhnden habe, theils ond vor- 
züglich auf den Schluss des Dialogs, wo Sokrates sapt. dass er Jetzt in 
die KönigsTialle gehen müsse wegen der Anklage, die Meietos gegen ihn 
erhoben. Bei der Königshalle trifft aber Euthyphron im Anfang des 
gleichnamigen Dialogs' den Sokrates, und zwar zu der Zeil, da dieser 
eben im Begriff steht sich gegen die Anklage des Meielos zu verant- 
worten. Das Gespräch des Euthyphron findet also kurze Zeit nach dem- 
jenigen des Theaitet oooh an demselben Tage statt (s. auch o. S. 186, 3j, 
wahrend das Gespritoh des Sophist und PoUtikos erst dem folgenden 
Tage angehürt Pttr die historlsdk-philologische Richtung des Aristepbanes 
ist es bezeichnend, dass er sich mehr durch solche chronologische Rüde- 
siebten als durch die Krwu|:ung des philosophi.schen Inhaltes leiten Hess. 
Ebenso charaklcrisirt es ihn, dass er an Stelle des ni< hl vorhandenen 
Philosopbos den Kratylos setzte und daher diesen mit Sophistcs und 
Politikos zu einer Trilogie vereinii;tc; die SprachpbUosophie schien in 
seinen Augen die Steife der Philosophie ttberhsupi vertreten zu kennen. 



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i56 



U. Die Blütbo. 



8uat. TunaioB. Eine ininlit lH ii'tniloifie fflaiihle in;ui l)isher noch im 
Staat Timaio.s kritias und dem von Phiton ebenfalls mir b(»- 
absichtigten, aber nicht ausgeführten Hormokrates zu besitzen. 
In dem Gesprfich dos ersten Tages wird das Ideal eines 
Staates entworfen^ die Gespräche des zweiten haben es mit 
der Verwirkh'chung desselben zu thun — einer Verwirklichung, 
die ab ovo d. i. mit der Entstehung der ganzen Welt beginnt. 
Bei schärferem Zusehen erscheint indessen der Zusammenhang 
twischen Staat und Timaios nioht so eng als man gewöhnlich 
annimmt, so dass streng genommen nur von einer Trflogie die 
Rede sein kann, deren Fragment uns erhalten ist und die 
von Timaios Kritias und Hermokrates gebildet werden sollte^). 

i] Diese ketzeri^iche Meiikuug — '«triperlilus >eriu(>" sagl iial Bü«ie- 
tmng auf Republik, Timäus und Kritias. schoo Cic«ro de rep. ii 5f — 
bedarf einer Rechtfertigung. Das Gospracb des Tlmtios ftUt aof deo 
Tag der Panetheoaiea (p. 91 A. 86 E); das GesprSch über den Staat, 
welches Sokrates am Tage darauf wieder erslihlt, fand xor Zeit der Ben- 
disfeier statt. ßi<>her glaubte man, Proklos folgend, dass in der That die 
Feier der kleinen Panalhenaien zwei Tage nach den Bendideen stattfand. 
Neuordinp«5 hal>en indos die Untersuchnngen von .\n^. Mummsen (Hcort. 
S. U9 (T. und Tafel lu. .S. U6) gelehrt, dass beide Feste im attischen 
Kalender weit auseinander liegen. Piaton kann einen chronologischen 
irrtbum nicht begangen haben. Vielmehr haJben die Neaweo sich durch 
die Reeapitnlation tauschen lassen, die Sokrates von gewissen BrOrie- 
rangen üher den Staat gibt (Tim. p. 47C IT.). IHeee Erörterungen decken 
sich allerdings mit solchen des Staates. Sie reprSsentiren aber keines- 
wegs den ganzen Inhalt desselben. Sie beginnen mit der Frage, welches 
der boslo Staat und aus was für Miinnern er liestrht p. ITC : fehlt 
also der Anfang der RepubUk . die die Vorzüge der Gerechtigkeit und 
L'nfierechligkeit L'«'s:«'n i'inaiidcr abwagenden Erörterungen des ersten 
Buches, guni^ ahgesebeu davon, dass in der Art, wie im liniaios, die 
Frage nach dem besten Staat und seinen Elementen in der Republik 
überhaupt nioht gestellt wird. Die Erörterung des Timaios geht sodann, 
allerdings ganz summarisch und nur die allerwlchttgsten Punkte herOh- 
rend, parallel mit der der Republik bis su dem Kapitel über Weiher- 
gemetn^rhafl und Kindererziehung und zwar einschliesslich dos letzteren. 
Hier bricht Sokrates plötzlich ab und lasst sieh von Tlmaio^^ bestätigten, 
dass das fiesagle ^rn;*n dcii Inhalt der r;iLs /uvor angestfiiten lin'fte- 
runpcn wieder gebe, nii ht^ dann vermtssl werde p. 19 A;. I nd doch 
vermissen wir darin »lies dm, was vom 6. Buch der Republik an bis 
xam Schluss vorgetragen wird. Um eine blosse Flüchtigkeit in der Ro- 
capitttlalioQ kann es sich nicht handeln: denn Sokrates beseichnet gleich 
darauf (Tim. p. lOBfT.; als die eigeDtbdmIicfae AnliKabe der folgenden 



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Piatoii Trllogien uud Yetralogieu. 



«57 



Ausserileiii hat mnn in neuerer Zeit noch eine der Tetra- Eothyphron. 
logion des Thrasyli, Euthjphron Apologie Kritou uüd PhaidoD, ^^^1^'* 
zu Ehren bringen wollen und behauptet, dass Phiton diese Dia- ihMn» 
löge zweifeUobae xu einem Ganzen verbunden wissen wollte 
Aber ohne genügenden Grund; denn dass diese Dialoge eine 
Reihe gewigger rasch auf einander folgender Akte aus dem 



Erörterungen den Idealstanl in der lebendigen wirklichen Welt nachzu* 
weisen, wahrend dnc h auch in der Republik das Ideal des Staates keines- 
wegs als etwas in der Lull schwebende« hpbnndeU, vielmehr cbenfnll*^ zu 
seiner Realisinm^ der Versuch gemachl \\ iid. nierkw iirdigor Wi'isi' aber 
erst von dem Funkle an, wo die Rccapilulution des Tituaius abbricht 
(vgL V p. 466D und 471 C. SoUeo wir nun diese DUTerenxeD dadurch 
ausgleichen, dass wir anaebmen, der Timaios beziehe sich auf eine andere 
Ausgabe der RepublUt als die uns jetzt vorliegende? auf eine Ansgatw, 
zu der das jetdge erste Buch noch nicht als Prooiniion ^eHigt war und 
der aii«!<;»»rdem noch der ganze Haupt- und Schlusstheil fehlte? Mich 
wundert, dass von denen, die In neuerer Zeit uns das platonische Kunst- 
werk haben /or|tlhi( kcn wulku, noch Niemand, soviel ich wenigstens 
weiss, die Kecapilulaliuu des Timuioit BestUtigung einer solchen An- 
sicht benatzt hat; namentlich von Krohn ivundert es mich, der am 
Schloss des fünften Buches der Repubtilc den Wendepunict des Ganzen 
findet (S. 107). Wer indessen den Sprüngen der HyperkritUc Krohns und 
Anderer nicht zu folgen vermag, dem bietet sich ein anderer Ausw^ 
dar, um die dargelegten Schwierigkeiten zu beseilij»en. Abgesehen von 
der partiellen L'el>ereinstimmiiTiL' der Gedanken weist utis niimlich nirbts 
darnuf, das«« jene Recapitulalion >ii b fj^rade tinf die Ilepublik bezielit. 
lud uiu diese l'ebereinstimmung zu erklaren, gcmi}:lc die Annahme, dass 
Platon ein Gesprttch des Solirates mit Tinuiios und den Uebrigeu üngirt 
habe, in welchem jener thellweise die gleichen Gedanken über den Ideal- 
staat vorgetragen hatle« wie in der Republik. Zu dieser Annahme passt 
es auch besser, wenn Sokrates zu Timaios mit Bezug auf jene früheren 
Erörterungen sagt ?^uiXö(jL£8a ;p. 4 7C) cirojuv (ib. I); i}.iyJ\^t'^^ (p. \a D) 
irrvi , f'i^SrjjxEv (ib. C) : denn wer dic>;c Fornicn nicht etwa als pluralis 
niajestal'u u?! fa'sst. der (inikl dncb ilabei an ciiii ii \'nj-frag, den Sokrates 
vor Timaios, oder an ein (jespruch, das er iiat tiicn, n) geführt liatlc, 
nicht aller die Wiedererzatdung von Gesprüchen, an denen Timaios nicht 
im Geringsten bethciligt gewesen war. Platon dachte sich also einen 
Vortrag des Solcrote«, analog denen, welche Timaios und Kritias halten, 
und dass er ihn uns nicht wirklich und ausführlich mittheilt, sondern 
uns nur die RecapUulation gibt, hatte seinen Grund darin, dass er nicht 
noch einmal sagen wollte, was er in anderer Form zur Genüge .schon in 
der Repuidik ausceführt hatte 

1: W. rbrisl, Abtih. der ba^er. Akad. philos. phdul. Cl. .Wll S. -iüS. 
Uirxul, Dialog. 47 



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258 



IL Die Blttthe. 



Leben des Sokrati^s darstellen, beweist docli noch nicht, dass 

PlaU)n sie nls ein Ganzes befrachtet wissen wollte 

Trlloglsobe Es gebort also der Gedanke der trilogischcn Gomposilion 

Composition erst Platons Späterer Zeit an und es mag sein, dass er darin 
•nt in Bpäterer ^ ' o ? 

Stft. die letzte Gonsequenz aus der son<;tigen dramatischen Haltung 
seioer Dialoge erblickte. Natürlicher scheint mir eine andere 
Annahme. Wie die dramatische Beschaffenheit der platonischen 
Dialoge nicht so sehr auf bewusster Nachahmung von Bühnen- 
stücken beruhte, sondern daher rUhrte, dass ein Mann mit 



\) Wer (Iiis behauptet, übersieht auch, (I i - r Ph;üdon uiunillel- 
bar nicht die Gespräche des Sokrates während einer letzteo Stunden 
wiedorgibl, sondern, dramatisch betrachtet, ein Gesprttch zwischen EchO' 
krates und Phaidon ist, welches weder zeitlich noch sonst in irgeod- 
wdchem Zusammenhange mit dem angeblich vorausgehenden Slilcke der 
Tetralogie, der Apologie» steht. Will man ttberhaupt in der MOgllcbkelt 
eines chronologischen Anschlusses schon das Zeichen triloglscher oder 
tetralogischcr ZusammeDgehÜrigkeit seben , so iiiüsste man consequentcr 
Weise bis zur Annahme einer Peotalogie fortgehen, da der chronologische 
Anschluss des Euthypbron an den Theaitet (s. o. S. 255» 2} enger nicht 
gedacht werden kann. 

2) Als er den Theaitet schrieb, hatte er noch keine Ahnung, dass er 
daran dereinst den Sophist und Politikos scbUessen würde. Das beweist 
das einrahmende Gesprttch des Theaitet: denn ausdrttclüich wird dort 
nur ein einziges Gesprttch angekündigt und zwar eines, an dem ausser 
Sokrates nur Theodor und Theaitet betheiligt waren (p. 443B; den 
elcatischen Fremdling und den jüngeren Sokrates sah damals also tM<U(>n 
elxTisowenis vomtis, als das folgende Gespriifh. nii dem diese beiden be- 
theiliut sind. Mau wende nicht ein, dass doch der juni:ere Sokrat^^s im 
Theaitet, p. <47C, in den Worten -zk^ arp 6|j.u)vu{Aqj toüto» lujxpixei als 
anwesend vorausgesetzt werde: denn x^^xvf kann hier ursprünglich aar 
»den bekannten« liaben bezeichnen sollen, wie in 6 r^fj^irepoc itvlpo« 
np6((xe$ oSto( im Hipp. nuO. p. t8tC, wo Stallbaum zu vgL Der An- 
schluss des Sophisten an den Theaitet ist auch nur ganz ttusserlich: auf 
die besondere Situation in der Sokrates zum Schlussdes Theaitet erscheint, 
dH er im ÜfL:iifT stchl in die Gericht'^vrMliandluni! mit ^^•!•■t^s einzii- 
trt'ten. nimmt der Anfanp d»'s Sophisten nicht die geiintslc Hucksicht; 
Tlieudui hall es gar nicht der Muhe werlh aucli uui' zu tragen, wie es 
Sokrates vor Gericht ergangen sei; dies ist nicht erklärlich bei der An- 
nahme, dass Piaton den Sophisten unmittelbar nach dem Theaitet schrieb, 
zu einer Zeit, wo er noch das volle Bewusstseln der dort gemachten 
historischen Voraussetzungen hatte, leicht begreiOich aber, wenn der 
Sophist erst viel spttter nachträglich hinzogefiigt wurde, um den Inhalt 
des Theaitet zu ergttnzen. 



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Platop. Triloglen und Tetralogten. Die Mytben. 



259 



diesem Talente gerade einen so gearteten Stoff ei^riff und 
kOnstlerisch su gestalten suchte, so kann auch der Fortgang 
vom Abfassen einselner Dialoge sum Entwerfen grosserer 
(üompositionen in demselben allgemeinen kfinstlerischen Gesetie 
seinen Grund haben, wonach die kleineren Heldenlieder cum 
umfassenden Epos, die Tragödien sur Trilogie und in spSterer 
Zeit die Novellen sum Boman susammenschossen oder sich 
erweiterten. In Piatons Geiste wurde diese kQnstlerische Ent- 
wickelung durch die wissenschaftliche unterstutzt, die von 
der essayistischen Behandlung; einzelner Probleme mehr und 
mehr zur systematischen I) ir^tellung von Resultaten forti^insr. 
Der Versuch, dieser neuen Aufgabe in der alten Form des 
einzelnen Dialogs zu genügen, konnte nnrh der Republik, wie 
wir sahen (o. S. 2i0 f.), als ^gescheitert gelten. So wagte er das 
Neue, mehrere Dialope der Scenerie nach mit einnnder zu 
verknüpfen, und erreichte so, ohne die künstlerischen Voraus- 
setzungen des Dialogs zu verletsen, denselben Vortheil wie 
Spätere durch die Eintheilung grosserer Werke in Bücher. 



Die MytheQ. 

Der Timaios ist seinem Daupttheil nach kein Dialog, son- 
dern ein Mythus. Was ist dies und welche Bedeutung kommt 
diesen Mythen innerhalb der platonischen Schriften su? ') 
Im Allgemeinen kann man sie als den rhetorischen Bestand- 
theil derselben beieichnen; im Einzelnen aber erleidet diese 
Bezeichnung eine Reihe von Modificationen^). Die verschiedenen 
Mythen spielen in den verschied<'nen platonischen Dialogen 
eine sehr verschiedene Rolle. Zum Theil haben sie einen 
Werth für die Gomposition: selbst ein Fanatiker des Dialogs 



*) Vgl. Jetzt auch Dttmmler, Akademika S. SSSt 

1) Auf die ich in meiner Schrift, »Leber das Rhetorische bei Platoa« 
2U wenig geachtet habe. Sonst aber holte ich das dort. nainiMitlif h libor 
die Unterschiede der einzelnen Mythen, Gesagte in allem Wesentli« hon 
vollkommen aufrecht; ich betone die*? gegenüber einer heutzutage herr- 
schenden Neigung die Uiiter:»^ hiede zu Gunsten eines postulirteo Gesammt- 
blldes der platonischen Escbatologie zu verwischen und so gleichzeitig 
Piaton den ktthnea vor keiner Consequenz zurUckBchreckenden Dialektiker 
in «Inen scbwSnneaden Propheten zu verwandeln. 

17* 



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260 Ii- Oie Blulhe. 

TTiusste einschon, dass uach der z(>rsl reuenden Unruhe eines 
lebeadigen Gesprächs eine zusammeulassende glcichmässig 
verlaufende Rede einen angemessenen Abschluss bildet ; daher 
Hess Piaton schon in einem seiner frühsten Dialoge, dem 
Kriton, das Gespräch in eine Bede auslaufen, welche die 
penontficirien GeseUe Athens an Sokrates richten, und in 
derselben Absicht liess er im Gorgias, Phaldon und der Re- 
publik das angeschlagene Thema, nachdem er es dialogisch 
durohgeitlhrt hatte, mythisch ansklingen; durch den Inhalt 
der Mythen konnte in diesem letzteren Falle die beabsichtigte 
Wirkung nur verstärkt werden, da er ttber dieses Leben 
hinaus in ein Jenseits, auf die letzten Ziele des menschlichen 
Daseins weist. Abgesehen von dieser Bedeutung, die vor- 
zugsweise eine für die literarische Gomposition war, kommt 
den Mythen noch <M'ne weiter reichende zu, die iu ihrer über- 
redenden Kraft heiiihl. 
Die tiberliöfer- IMattui war nicht der Erste, der diesellu' t i kannf und vor- 
des wandt hat. Als der iiiteste Ausdnirk des hellenisehcn li. iikens 

hatten die überlieferten Mythen auch nocli in spiiterer Zeit tiele 
Wurzeln im Geist(^ des Volkes. Ihnen entnahm Pindar grossartige 
Bilder für seine Lieder, nicht als leere Zierde, sondern doch wohl, 
weil erst in dieser Form die Gedanken und Ermahnungen des 
Dichters mit voller Macht auf ein griechisches Ohr trafen. Nichts 
aber legt für die traditionelle Wirkung derselben ein besseres 
Zeugniss ab, als dass selbst diejenigen, die theoretisch Alles 
thaten, um den Werth der Mythen herabzusetzen, in der Praxis 
Hatarpbiio- nicht vou ihnen lassen konnten. Naturphilosophen und Sophisten 
srphUknf ^^^^ miteinander gewetteifert, den Glauben an diese uralten 
Traditionen SU untergraben, was ihnen um so leichter wurde, 
da dieselben in sich uneins und widerspruchsvoll waren. 
Daher kommt es, dass dieselben in den Augen der Gebildeten 
bald allen religiösen Werth verloren hatten und ihnen nur 
noch der einer bunten Dichtung von mehr oder minder tiefem 
Gehalt geblieben war. Die Dichter, wie t.ie die ältesten Be- 
wahrer und Verkünder der griechischen Heliizion gewesen 
waren, unterstützten in diesem Fall durch die l'roiheiten. die 
sie sich mit der (Ux rlielertt n Satze nahmen, nur dif He- 
strehnnpren der Fhilosophen. .Je leichter sie hiernach wogen, 
desto luohr eigneten sich die Mythen dazu als gelegeotUcher 



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PlatOQ. Die Mythen. 



ScbiBUck dor RimIo und Conversation zu diVnon. So hiilx ti 
f«ip auch die Sophisten vcrwoHhet, naturlich nicht, ind* lu sie 
sir einfach wiedprerzalillen, womit sto -iirh in diosoin geist- 
reichen und aufgeklärten Zeitaller nur lächerlich gemacht 
hfilten, sondern indem sie eigene Gedanken , namentlich 
moralischer Art, daran knüpften und zu diesem Zweck die 
Ueberlieferung aufs Freiste umgestalteten. Die Mythen waren 
ihnen theils die Texte, Ober die sie predigten, an die sie 
weitere Erörterungen knflpften, wovon uns der Mythus des 
Protagoras im gleichnamigen platonischen Dialog ein Beispiel 
giebty theils waren es EriShlungen, die wie der Herakles am 
Scheidewege des Prodikos ohne weiteren Gommentar die 
moralische Nuteanwendung darboten. 

Sokrates zeigt sich auch hier als Sophist. Denn dass auch BokntM uid 
er der Mythen steh gern und hftufig bediente, mOssen wir wohl ^ Bokmtlkn. 
daraus schliessen, dass das mi^hisehe Element in den Schriften 
seiner Schüler einen so breiten Raum einnimmt : um von Piaton 
ganz zu gc.schvveigen erfahren wir von Mythen in den Schriften 
des Phaidon'), Aischines^) und Antisthenes ^) ; ja in Xenophons 
Mrmorabilien ist er es, der uns die Geschichte des Herakles 
nach Pro(lik<JS Vnrgantie wiedererzählt. Und wanni! hätte er 
sich diese Würze des (iesprächs entgehen lassen sollen in einer 
Zeit, die am Erzählen solcher Geschichtchen eine besojidere 
Freude hatte, namentlich wenn sie lehrhaft waren wie die 
sopischen Fabeln^), und warum dieses Mittel eine abstracte 
Lehre sinnhVh und eindrucksvoll zu machen, er der doch 
fiberall auf Beispiele drängte und von Beispielen ausging? 

Wir sehen hiemach deutlich, wie Piaton dazu kam, eben- PiM«i< 
falls in seine GesprSche Mythen einsuflechten, ISngere und 

< l Rhetores Gr. ed. .Spen^el II S. 75, 4. ff. 

i) Rhft. Gr. ed. Spcng. II .«l. iiO. 2. 

3 Jiiliitii (.1. VII p. 209 A. 215 Bir. Durch den hüuligen Gebrauch, 
den er von diu» in den Mythen umchte, ist Herakles der Heilige der 
Kyaiker geworden. Vermutbungen Uber einen eschatologischeo Mythus 
htA Dttmmler Akademiita S. 9S ff. Derselbe spricht S. 95 audi davon» 
worin nach seiner Meinung Antlsthenes im Gebrauch der Myttien sich 
von Piaton unterschied. 

Man denke namentlich im die Stellen des Arislophanes. an denen 
sie erv^ äbnt werden Hrvs«; ^nkrates diese Fabeln genau kannte und liebte, 
folgt au3 Plalon i'huiduu p. 61 B. 



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262 



Ii. Die Bluthe. 



* 

kttnere GesdüehCen vob sehr verscbiedenem Inbali, die aber 

immer, sei es eine moralische Nutzanwendung gestatten oder 
zu einer wissenschaftlichen Erörterung in Beziehung stehen. An 
sich verleugnete er dadurch den sokratischen Charakter keines- 
wegs. So wie der platonische Sokrales in der Apologie in dem 
ergreifenden Schlusswort an die Richter sich fim s bessern 
Dnseins im Hades gelröstet, wo er Hoffnung habe, mit den 
Heroen der Volkssa^e zusammenzulrrllcn und das Geschäft 
der Menscbenpriliung, das ihm hier auf Erden das liebste 
war, mit grösserer Freiheit forlzusetzeD, so oder doch ähnlich 
kann auch der wirkliche Sokrates geredet haben; und eben 
derselbe mochte, wo er zur Tugend ermahote und deren 
Werth fQr die GlflckseHgkeit hervorhob, auch*aur die Todten- 
gerichte, auf die künftigen Strafen und Belohnungen hinweisen, 
80 wie es ihn Piaton im Gorgias tbun Ifisst. Auch die Um- 
deutung des Danaidenmythus in eine Allegorie auf die Un- 
ersättlichkeit der menschlichen Begierden, wie sie dem 
platonischen Sokrates im Gorgias p. 493 A if. in den Mund 
gelegt wird, ist keineswegs gegen den Geist des historischen. 
Und warum kannte dieser nicht auch einmal wahrend der heissen 
Mittagsstunde zum Beelen ermuntert haben durch die Erzählung 
des Mythus von den Cicaden, so wie es der platonische im 
Phiidr. p. 259 Äff. fbul? 
Fabeln. Ein Zug des hi^luri^rlicn Sokrates, wie schon bemerkt, 

mag es endlich fiiich sr in , «iass er gern und häufig Aesop 
und seine Fabeln im Munde führte , und hierauf die Er- 
wähnung des allen Fabeldichters im Phaidon p. 60 C D und 
ünteraobied p. 64 B sich gründen. An derselben Steile enthüllt sich 
^Bfffart<t°° ^^^^ zugleich der tiefgreifende Unterschied iwischen Piaton 
und seinem Lehrer. Der letztere gesteht geradezu (Phai- 
don p. 61 B), dass er nicht im Stande sei Mytheu lu er6nden, 
sondern sich fttr seine Zwecke der vorhandenen bediene. 
Er nahm also die Mythen, sowohl die welche ihm die Tolks- 
religion darbot als auch die welche unter dem Namen des 
Aesop gingen; so schloss er sich ja auch in der ErsShlung von 
Berakles am Scheidewege an Prodikos an. Piaton ging tiefer, 
ich möchte sagen, auf die Idee des Mythus surttck und schuf 
ihn danach neu. Aesop sollte Thatsachen des moralischen 
Lebens bildlich ausgedrückt und in die Form einer Erzählung 



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Piaton. Die Mythen. 



263 



gebracht haben; so erfindet nun auch Piaton in derselben Phton dichm 
Weise einen Mythus, der das VorhSitniss von Lust und ^7*^ 
Schmerz zu verdeutlichen bestimmt ist [Phädon p. 60 C) und 
dem gleichen Vorbilde folgt der kleine Mythus im Symposion 
p. 203 Äff., der die Geburt des Eros erzählt und dadurch das 
Wesen der Liebe klar machen will. Nicht anders fasste er aber Theorie 
auch die aberlieferften Mythen des Volkes auf, in denen er 
ebenMU nur unter einer dichterischen Halle allerlei Wahr- 
heiten eder Vorgftige der Natur und des mensdilichen Lebens 
erblickte Auch hier blieb er nicht bei der Theorie stehen 
oder beruhigte sich bei dem, was ihm die Ueberlieferung 
bot» sondern diditete, von dem gemeinsamen Grunde aus- 
gebend, neue Mythen, wie er sie ittr seine besonderen Zweeke 
brauchte. 

Nirgends iSsst er uns so in die Werkstatt derselben Der Mythoi tm 
blicken, als im dritten Buch seines Staates. Den Bürgern der '^^^^^^^^^ 
neugegrimdeten Stadl soll die Liaheillichkeit des Staates, die 
Zusammengehörigkeit aller Einzelnen und ausserdem der 
Untersc hied der drei Stande zu Bewusstsein gebracht werden. 
Die wahren Gründe, wie sie nur die philosophische Betrach- 
tung findet, würden sie nicht fassen können. Daher wird 
ihnen ein Mythus geboten, in dem sich Piaton offenbar an 
den Hesiodischen von den Weltaltem und an die Autoch» 
thonensagen anlehnt. Es wird ihnen erzählt (p. 414 G ff.), dass 
das Stück Erde, auf dem sie leben, der mfltterliche Schooss 
seil aus dem sie fertig und in voller Rüstung ans Licht getreten, 
dass sie als Erdgeborne unter einander alle Brttder, aber 
freilich von verschiedenem Metallgehalt seien, die Einen 
goldenen, Andere silbernen und wieder Andere eisernen oder 
ehernen Geschlechts, dass der Gott, der sie im Innern der 
Erde geformt^ sie nach dieser Verschiedenheit für verschiedene 
Stellen im Staate bestimmt habe und dass durch ein Orakel 
der Untergang des Staates für den Fall prophezeit sei, dass 
jemals diese Ordnung verrückt würde und etwa das silberne 
oder eiserne Geschlecht sich an die Stelle des goldenen 
drängte. Hierdurch hofil er ihnen Vaterlandsliebe und Ein- 



1 ) Darauf deutet schon Phädr. p. SflS C t, ferner Gorg. p. 498 A ff. 
ttod Politik, p. S6S E f. 



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2f^( U. Die Bluihe. 

trnchi cinzuflössen und tu bewirken, dass jeder Stand mit 
der ihm im Staate zugewiesenen Aufgabe zufrieden Ist. 

Blamantadas XJm von der rhetoriscluMi Al)sicht ah/iisehcn . die lUaton 
•y*kM« j^^jj^ ^^^^^ Mythus vorfolgte, so v<M'l»inden sich in demselben zwei 
H)!emente. das poolische und das religiöse: jenes, w^eil ein ti» derer 
Gehall aus der Susseren sinnlichen Form hervorleuchtet (vgl. 
ausserdem p. H4C cj; cpotatv ot Troir^rai xai Tteirei'xaaiv) dieses, 
weil das Menschliche im engsten Verkehr mit dem Göttlichen 
eracbeint. Dieselben beiden Elemente finden sich auch in 
anderen grösseren Mythen Piatons, die er frei schaffend, nur 
hin und wieder an id)erlieferte Formen sich anlehnend ge- 
dichtet hat, wie im Phaidros und zum Schluss der RepubliJL, 
nnd sind in dieser Weise von Platoo naoh dem Master der 
volkathQmlichen Mythen verbunden worden. Seine Mythen be- 
zweckten eme Reform der letzteren, sollten die Entwürfe zu 
einer neuen Poesie und Religion sein. Insofern waren sie den 
wissenschaftlichen Abschnitten seiner Dialoge fremd und wurden 
deshalb als Anhang an den Schluss gestellt oder wie im 
Phaidros in einer der Liebesredra, also ausserhalb der dia- 
lektischen Erörterung untergebracht. Noch wurde die dialogische 
Form nicht wesentlich durch sie beeinträchtigt. Doch lag in 
ihnen bereits der Keim, dessen Entwicklung derselben mit 
der Zeit verderblich wurde. 

DüUog and Die Bedeutung der dialogischen Form beruhte darauf, 
Mjl&M. j-Qj. einzige galt, welche sicli zur Darstellung 

eines wissenschalllichen Inhalts eignete ; was nicht diese Form 
hatte, dem sollte nach Piatons ursprünglicher Absicht eben 
dadurch das Zeichen der Unwissenschaftlichkeit aufgedrückt 
sein. Al)er bald sehen wir in dieser Beziehung zwischen 
Piaton und seinem Sokrates einen Zwiespalt eintreten. Was 
sein Sokrates nur als Scherz behandelt, als Episode zur ernst- 
haften Unterhaltung, darin beginnt Piaton einen Theil seiner 
wissenschaftlichen Ueberzeugungen niederzulegen. Die alte 

Die Natnr- duTch Sokratos bei ihm verdrfingte Naturphilosophie begehrte 

phuoiophi«. ^^Yk diese Hinterthttr wieder Einlass, erst leise, dann immer 
lauter und ungesttlmer. Schon in der Liebesrede, welche 
Ph»i4ni. Sokrates im Phaidros h8lt, erinnert das glanzvolle Bild, das 
von dem Leben der Götter und ihrem so wie der Seelen Um- 
zug durch die Weltenräume eutv\ orfea wird, an astronomische 



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Piaton. Die Mythen. 



«65 



\ (li stplliinepn der Pythagorecr. HrrtMi Vei llecblung mit An- 
deutungen über die Ideenlelire geeignet war die Grundlage 
für eine neue Darsiel lung der Naturphilosophie zu bilden ; 
UDd an demselben Orte giebt die Schilderung von der Seele 
als einem geflügelten Rossegespann, so poetisch sie im Uebrigen 
durchgeführt ist, doch im Wesentlichen Piatons Psychologie 
wieder. Aber die Form des Gleichnisses, in die Alles gehüllt ist, 
erscheint hier noch als ein weites Gewand, das sich nicht knapp 
an den Körper anschUesst und darum dessen Gestalt nioiit her- 
vortreten Ifisst, sondern durch den grossartigen Wurf der 
Falten, die Pracht des Stoffes und die Kunst der Arbelt den 
Blick gefangen nimmt. Durchsichtiger ist schon der Mythus 
der Republik, wenn er auch in dem, was er p. 646 G ff. tiber BapnbUk. 
die Sph8ren der Welt und die Gestirne sagt, im poetischen 
Bilde stecken bleibt; erst der Phaidonmythus hat jede Hülle Pbaidoa. 
abgeworfen und Schlögl in dem, was er über die äussere 
(p. 108a 108Kf.) und innere (p. HlCff.) Bildung der Erde 
vorträgt, einen ganz nüchternen Ton an. so dass wir hier 
wirklich ein Stück Naturphilosophie zu haben cl;iuben. In 
beiden Üi.iloqen linden wir Piaton auch sonst auf der ah- 
schUssigen Bahn, die ihn allmälig wieder vom dialogischen 
Gipfel herabführte. Zu dem. was in dieser Hinsicht schon 
früher (S. 540 r; über die Republik bemerkt wurde, kann 
noch der Hinweis gefügt werden, dass in den ersten Büchern 
die Entstehung und das allmälige Wachsen des Staates in 
einer Weise geschildert wird, die an die Enählung streift 
und von selbst snr Form des Mythus geführt haben wflrde, 
wenn Piaton damals nicht mit aller Gewalt noch die sokra- 
tlsobe des Dialogs hStte festhalten woUen. Auch im Phaidon 
ist nicht bloss die dialogische Form bereits erlahmt^), sondern 



1^ Hior mnp noch iiHchgotratron worden. (?ass der cU'aii^.che Fremd- 
ling im Soph. ilTC die Form des f<lit»Mi Dialogs i^'j^riulczu verpönt: 
denn er will der Form des Dialogs sich nur dann bedienen, wenn der, 
zu dem man spricht, sich im Gespräch willig und gefügig zeigt; sei 
darauf nicht tu rediaw, dana sei m besser die be^ffeode Frage (ttr 
sich sIIelD doreiisasprecheD. Das ist doch wohl die Theorie xu der 
Praxis späterer Dialoge Platons, io denen die Nebeaperson des GesprScht 
die Fragen der ITuiptperson so beantwortet wie diese wünscht und an* 
deutet, bejahend oder verneinend. 



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«66 



U. Die Blüthe. 



auch dem Inhalt nach wird die von Sokrates gezogene Grenze 
überschritten und in der Frage nach der Unsterblichkeit der 
Seele ein Theiua der Js'aturphilosophie behandelt. 
Tünaiot. So war der Weg geebnet und Piaton konnte den letzten 
entscheidenden Schritt thun, von dem uns der Timaios Zeugniss 
ablegt. Die Maskr- drs Sokratikers ist abgeworfen: Dialog und 
Mythus haben ihre Hollen vertauscht; während früher der 
Mythus nur ein allenfalls entbehrliches Anhängsel des Dialogs 
war, 80 ist jetzt der Dialog snr Einleitung des Mythus herab- 
gesunken, in dem allein der wesentliche Gehalt des ganien 
Werkes seinen Ausdruck findet. Piaton bricht darum nicht 
mit seiner Vergangenheit Solurates bleibt ihm nach wie vor 
der Vertreter der dialogischen Form, deshalb ist der Mythus 
nicht ihm, sondern einem Natarphilo80|ihen, dem Pythagoreer 
Timaios, in den Hund gelegt; und ebenso macht, was im 
Mythus vorgetragen wird, nach wie vor keinen Anspruch als 
streng bewiesene Wahrheit su gelten. Aber gerade in der 
letzteren Beziehung findet auch ein Unterschied statt, der uns 
zeigt, dass Plalon zwar äusserlich noch die Tradition festhält, 
iüiieiiich aber das Verhällniss von Mythus und Dialog anders 
beurlheilt als früher. Das Bild des Wahren, womit sich der 
Mythus des Timaios sogut als der des Phaidros begnügen 
muss, ist doch in beiden FSllen nicht dasselbe: im Phaidros 
ist es ein Gleichniss, das Piaton dichtet um uns darin die 
wahre Natur z. B. der Seele verständlich zu machen ') ; im 
Timaios umfasst es die gesammte Welt des Werdens, insofern 
in ihr die des Seins oder der Ideen zum Ausdruck kommt 
(p. 29 BE). wahrend wir daher beim Lesen des Phaidros- 
Mythus vorwiegend den Eindruck einer poetischen Schöpfung 
empfangen, wirkt der Timaios durdiaus wie eine Ilarslellong, 
die der volle Ausdruck der Ueberxeugung ihres Verfassers 
ist) und zwar so ausschliesslich und stark, dass man selbst 
den poetischen Flitter, der auch hier der flberlieferten Weise 
des Mythus su Liebe nicht fehlt und wosu die Gestalt des 
Weltbaumeisters gehört, schon im Alterthum mit unter Piatons 



<) Phaidr. p.246 A sagt Sokrates von der Seele: doix^toa 49| guatf-jT^j 
bj'A^xii. ■jT.rjr.'Awj 'li'i^n'ii xi xn\ Wir haben eioe At/in Vor Ulk» 

uboiich deneu vou denen der Gorg. p. 493 D spri(^U 



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Platon. Die Mythen. 



267 



wissenschaftliche Ansichten rechnete. Fs ist kein Zweifel: 
mit dem Timaios war die bis dahin verpönte Naturphilosophie 
thatsächlich wieder zu Ehren angenommen und für eine 
wissenschaftliche Disciplin erklärt Die lotsten FetseQ des 
dichterischen Kleides ihr abzureissen und so auch der Dar- 
stellung nach sie über die Region des Mythus hinaussuheben 
blieb Piatons Schalern vorbehalten. 

Der Mythus, der Anfangs im Dialog nur geduldet wurde, 
war diesem schliesslich Ober den Kopf gewachsen. Mit der 
Einseitigkeit vordringender Geister hatte der jugendliche Piaton 
geglaubt, die i^csammte FQlle der wissenschaftlichen Probleme 
in der Form des Dialogs bewältigen su können. Aber bald 
regten sich in seinem reifenden Geiste Gedanken, die einen 
andern Ausdruck verlangten. Nur schüchtern lässt er zu- 
nächst hier und da einzelne derselben verlauten, für die er 
aber jede Verantwortunij ablehnt: da brechen sie sich an- 
wachsend Bahn und erlüUen mit ihrem lireiten Strome ein 
ganzes Werk, so dass man ihnen wohl oder übel eine vvissen- 
sehaftÜche Bedeutung nicht melir absprechen kann. Die 
sokratischen Ideale liessen sich nicht durchführen: die um- 
gebende Welt macht ihr Hecht geltend. So hatte sich Par- 
mentdes herablassen müssen in dem zweiten Theile seines 
Gedichtes von der Weit des Nichtseienden zu reden '), obgleich Fannentdes 
er doch Alles, was darttber gesagt werden könne, für eitel if^^Miradt 

<} Von jeher habe ich das Verbältniss der beiden Theile des Par- 
meoideischen <iedichts in dieser \Vei<^e aufgcfosst und darin eni Analoyon 
zu dem Voiliallniss des niythisciien und dialeklisclii-n Bestaddlhfil-. dfr 
platoni2>clieii Schriften gesebcu. V^^l. tiieinc Lnlersü. zu Cicero;« pliiio:». 
Sehr. III S. IS n. 5S; wo aodi andere Beispiele der Art aus der Geschichte 
der «IteD Plillosophto g<^bea sind. Jetzt ist Diels in den Phlloss. Anfes. 
f. 2el]er (VII) S. W ff. im Wesentlichen xu derselben Ansicht gekommen. 
Man hat das wahre Verhältniss der beiden Theile des Parmenideischen 
Gedi( lits früher nur deshalb verkannt, weil der Philosoph den wissen- 
schaftlichen Mangel de?« zweiten tnit <n starken Ansdrück» !) Itezeichnel : 
als Lug und Trug schien ein Philosoph nicht wold h-'/fM [hh h zu können, 
was seine eigene l'eberzeugung war. Aber hier koniiut die ungelenke 
Sprache und die im Dialektischen noch wenig vorgeschrittene Entwldie- 
loDg der Philosophie in Betracht. HKtle Parroenides hnndert Jahre spftter 
gelebti so wttrde er gesagt haben, dass alles im zweiten Theil Vorgetragene 
nur Anspruch auf Wahrscheinlichkeit maehei und Niemand würde dann 
Asstoss genommen haben. 



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968 



II. Die Blutbc. 



Lug und Trug erklHrl hatte; nicht anders sah sich Piaion 
schliesslich gcnöthigt, in das Ucich der Mythen, das ihm bis 
dahin nur der Sitz der Lüiie und Täuschung gewesen ^^a^ ' , 
mit wissenschaftlicher Forschung einzudringen und Fragen 
d(^r Natur und des Menschenlebens, über die er bis dahin 
nur spielend den Schleier der Dichtung geworleu hatte, zu 
Gegenständen emsthallter Vernuithungen zu machen. 
Kant mit Auch die Geschichte der neueren Philosophie lehrt Aehn- 

^^tui««!' M^n hat so viel über Piatons Mythen geschrieben und 

doch bat Niemand daran gedacht in dieser Beziehung den 
grossen attischen Philosophen mit dem Bahnbrecher der neuesten 
Philosophie, mit Kant bu vergleichen. Allerdings platonische 
Mythen scheinen das Letste su «ein, das man bei dem Ver- 
fasser der Kritik der reinen Vernunft sucht, und doch sind 
sie bei Ihm vorhanden, vorhanden in allen wesentlichen Zügen. 
Auch dieser strenge Geist hat doch bisweilen wissenschaftlich 
geschwftrmt 

Atlg«iB8in«V»> In seinem Timaios, >der allgemeinen Naturgeschichte 

^nfTt!Sr und Theorie des Himmels«, ist er sich gerade wie Haton 
de» HimmolB. bcwusst, dass er nur Vermuthungen, wenn auch wahr- 
scheinliche, über das Universum und seine Entwickelung üuI- 
stellt, aber auch, dass über einen Gesrcnstand dieser Art ndie 
grösste geometrische Schärfe und mathematische rnfohlbarkeil« 
nicht verlangt werden kann (Werke von Harlenst. I 224 . 
T^nd dann'! die Aehnliehkeit mit dem griechischen Philosophen 
noch mehr hervortrete, so will auch er der Analogie folgen 
(a. a. O. S. 225, ?08) tmd «der Kühnheit der Muthmassungen 
nicht bis zu willkürlichen Erdichtungen die Zügel schiessen 
lassen« (S. 3M). Aber wie weit führt ihn dieser »Pfad einer 
vernünftigen Glaubwürdigkeit« (S. 343)2)1 Weit über die 
rSumlichen und zeitlichen Schranken des menschlichen Da- 
seins hinaus: bis ku den Bewohnern der Gestirne (S. 32901), 
wie auch Piaton im Timaios die Gestirne den Seelen als Wohn- 
sitE anweist und im Phaidon uns von den Bewohnern der 



V Wi^iiigstcns den Mythus Im dritton Buch des Slaalos, den ich 
»h(>n s. ißn f.j Hh ein Mus<i r Dinner Art besprochen habe, neoDl er 

geradezu « in -li'Ani p. 4U H I. und K), 

i, iHi.s ist SU iucbl das s^Xo^ov der griechii^chen Pbilosoi>hen. 



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Plaloo. Die Mythen. 



869 



wahren , nicht der scheintmren, ErdoberHäche zu erzählen 
weiss; bis in ein künftif^cs besseres Leben der Menschen 
(S. 301. 344). Und so sehr ihm die Grenzen des mensch- 
lichen Erkennens bekannt sind>). warum soll er sich nicht 
gelegentlich, wie sein griechischer Vorgänger, »eine Aus- 
schweifting in das Feld der Phantasie« erlauben (5. 843), 
durch Schildemng dessen, was kein menschliches Auge ge- 
schaut haty auch der Einbildungskraft Nahrung geben (S. 309)? 

Wie das körperlose Dasein der Seele, ihre Schicksale nach tmob« iIbm 
dem Tode das Lieblingsthema der platonischen Mythen sind, <3*(**«m1^*»- 
so sind sie es audi, die den Geist des Eönigsberger Denkers 
ergriffen und ihn Aber die Schranken der strengen Wissen- 
schaft hinausgerissen haben. Daher hielt er »die TrSume 
eines Geistersehers a nicht für unwerth, sie durch »Träume 
der Metaphysik« zu erläutern Werke 325 HJ. Wie Platün 
zieht er aus der Natur der Suele Schlüsse auf ihr körperloses 
Dasein nach dem Tode (a. a. O. S. 3i i . Was sieb hierüber 
sagen lässt, sind »Vermiithungen nach der blossen Vernuntl« 
(a. a. 0.), etwas j»Ve r n iinftii hn lichesft S. 3ö8, I) d. i. das 
Erriechische zv/.oi. Er ist sieh hewnsst, ilass wir ein Wissen 
über diese Dinge nicht haben können, sondern nur ein Meinen, 
— eine oo^a, keine imvc^^i^. Ein andermal bezeichnet er 
dergleichen Vorstellungen als »schwindlichte BegrifTe einer 
halb dichtenden, halb schliessenden YemunAt (S. 355), als 
»metaphysische Hypothesen« (S. 349): was man ebenso gut 
anf die Mythen Piatons ftbertragen kannte. Aber damit auch 
der eigentliche Name der letxteren, {iudoi, nicht fehlt, so 
nennt er eüomal seine Erörterungen »Märchen aus dem 
Schlaraffenlande der Metaphysik« (S. 364). Bis ins Einselne 
des Inhalts geht hier die Uebereinstimmung der beiden grossen 
Philosophen. Wie auf Piaton, so übten auch auf Kant nicht 
bloss die hergebrachten religiösen Vorstellungen einen Ein- 
fluss, sondern beide machten auch dem Aberglauben der 
Zeit ein gewisses Zugeständniss, Kaut, indeui er Geister- 

4) Vgl. a. a. 0. S. 844 das echt sokratische Bekenntniss: »Es ist iios 
nicht einmal recht bekannt, was der Mensch anjctzo wirklich ist, ob uns 
gleich das Bewusstsein und die Sinne hiervon boli^hnm sollten; wie viel 
weniger werden wir crraihen können, was er dereinst werden soll*. 



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270 



U. Die Blüthe. 



erscheinungen n\rh\ fiusschloss (S. 359), und Piaton, indem 
er in einer mylliisirenden Darstellung die Seelen von Ver- 
storbenen um die Gräber schweben lässt {riiaidon v. 8!Cf.). 

Ueberau wo die Dämmerung in der Wissenschaft beginnt, 
setzte nach Piaton der Mythus ein. DMramerung liegt aber 
nicht bloss ttber der letzten Zukunll des Menschen, sondern 
ebenso Ober der frühesten Vergangenheit seines Geschlechts: 
Ober sie giebt uns keine historische Urkunde Nachricht, keine 
Tradition reicht von dort su uns über di^ Urzeit der Mensch- 
heit ist uns nur ein Muthmaassen, nur ein Sohllessen nach 
der Analogie möglich. Daher war hier abermals ein rechter 
Boden f&r den Mythus und Piaton hat ihn sich su nutse ge- 
macht in den Mythen, die er dem eleatlschen Fremdling im 
Politikos und dem KriUas in der gleichnamigen Schrift in den 
Mund legt, aber auch in der Rede, die er Aristopbanes im 
Syinposion hallen lässt. Auch hier ist Kant ihm gefolgt, wie sein 

MnthmMM- Miiihiuaasslicher Anfang der M eu sehen geschichte«f (Werke 4, 
U«hw Aaftag g ;{l ill'/ beweist und zwar so. dass. wie Piaton die religiöse 

gescUchte. Uelx'rlicferung seines Volkes henulätle, so er seiner »Luslreisci 
in die Ver^anL'fnheit. wie er sie nennt, als Karte eine heilige 
Urkunde. Kapitel aus den Bfichern Mosis r.n Grunde Icsf-^ — 
in immer neuen Kreisen bewegt sich die Wissenschaft 
doch immer nach denselben Gesetzen: wo Kant nur Dämmerung 
sah, da erblickte die weniger anspruchsvolle Philosophie und 
Naturwissenschaft der folgenden Zeit lichte Klarheit, der Dog- 
matismus, der speculative und empirische, triumpbirte Ober den 
Kriticismus, gerade wie in der platonischen Schule der Mythus 
schliesslich den Sieg ttber den Dialog davontrug. 
Die ßMetH litt Man kann freilich einwenden, dass doch Ptaton seine 
Mjthw. schriltstellerische Thätigkeit mit einem Dialog abschloss: 

1} Ob Piaton wirklich fUr den Kritias-Mytbus in ägyptischen Iliero- 
^lyplien einen Anhalt hatte, ist mir trotz Christ Altlid d. Münch. Ak. 

phüos [ihilnl. CI. XVII 5ns nm h /w .'if<'!haft ; jodenfii'N \Auh sriner jioi'li- 
schou Phantasie und schicm Verumtheu auch dann noch genug ispiei- 
raum. 

%) Vollends dem Dichterphilusophcn musstc es auf diesem zwischen 
Wahrheit ood Dichtung schwankenden Gebiet wohl werden: daher hat 
Schiller In seinem Aufsatz Ȇber die erste Menscbengesellschaft nach dem 
i^eitfaden der mosaischen Urkunde« Kants Darstellung noch mehr ins 
Breite gezogen und mit glänzenderen Farl^n ausgemalt. 



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PlatoD. Die Mythen. 



Plalons hint erlassenes Werk über die Gesetze ist ein Dialog. 
Aber was für ein Dialog! Kaum in anderer Weise als der 
XioaiaioSy so dass was in den Gesprächen geäussert wird, 
gegenüber dem Yorlrage der Hauptperson, hier des Atheners, 
kaum in Betracht kommt; nicht einmal der Schein der dialek- 
tischen Erörterung, wie das doch noch in der Republik der 
Fall war, wird mehr gewahrt. In Wahrheit sind die Gesetse 
ein Mythus. Mit den Mythen haben sie auch die religiOs-feier- 
liehe und poetische Sprache gemein, die cum Theii ebenso 
eine Eigenheit von Piatons Alter sein mag wie sie eine von 
Goethes Alter war, lum Theil aber auch bewusste Nach- 
ahmung von Kosmologen wie Pherekydes oder Naturphilosophen 
wie Heraklit und Philolaos sein kann. Der alternde Körper 
des Dialogs ist geblieben; aber es fehlt der sokratische Geist. 
Die Gesetze gehen in dieser Hinsicht noch weiter als der 
Timaios. Nicht deshalb, weil in ilinen Sokrates fehlt — das 
würde etwas Aeusscrliches sein — sondern weil die flanpt- 
roUe darin einer Person übertrafen ist. die lediclidi als 
Athener characterisirt wird und die deshalb das Vennulhen 
alter und neuer Leser mit dem Verfasser, mit Piaton. identi- 
ficirt hat. So nahe Piaton es dem Leser gelegt hat, die Per- 
sönlichkeit des Verfassers unter der ÜUUe des Atheners zu 
erkennen, /errissen hat er diese Hülle doch nicht, so dass 
er sich selber mit Namen in einem Dialoge redend eingeführt 
hStte: diesen letzten, das lebendige Wesen des Dialogs ver- 
nichtenden Schritt zu thun blieb abermals seiner Schule 
überlassen 



4) Leber Zeit uud Hcbtbeit der plalunischeu Scbritleo konnte ich 
midi hier amaOglich in rtoe wi^r« ^rtcrang dniasMO. IHe VoraiHk 
tetSQBgen darüber, von denen Ich ausgegangen bin, werden mir wohl 
▼OB der Mehnahl der heatlgen Forscher zugegeben werden. 



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m. Der VertkU. 



1. Aristoteles» 

Grosse Sc •^rift'^^tcller, denen das Schicksal eiA langes Lebeo 
gönnte, werdea dadurch zu Spiegeln , in denen wir die Ge- 
schichte einer ganzen Zeit und Literatur schauen. So ergebt 
es uns Deutschen mit Goethe, in dessen Werken fast alle die 
mannichfachen Wandelungen unserer neueren Literatur ihre 
Spur hinterlassen haben. Und eine Ähnliche reprSsentative 
Bedeutung darf, wie schon früher bemerkt wurde, Piaton 
beanspruchen, insofern in der Reihe- seiner Dialoge in der 
Hauptsache der Entwicklungsgang der gesammten dialogischen 
Literatur vorgezeichnet ist. Weithin hatte sich die dialogische 
Bewegung ausgedehnt, auch über den engeren Kreis der 
Sokraliker hinaus: diese an sich berechtigte Venmitliuug 
scheint noch durch den psendo- platonischen Klfitoplion he- 
sUiligt zu werden. M Wir sehen (iie Blniho dieser Kunst sieh 
entfalttJii, aber wir sehen sie auch welken und allmählielj 
abfallen. Nur deutlicher (roten diese Svmptonn' (h's Verlalis 
bei Aristülelos hervor, zu dem mithin in der Literatur so 
wenig als in der Lehre der Uebergang ein schrotler 
Eigenthüm- Es scheint aber nicht, dass die Eigenthümlichiveil tles 
•rittotdlf^ aristotelischen Dialogs lediglich durch ein der Entwicklun.i: dt»s 
Diitioi^fliiedingt Dialogs überhaupt innewohnendes Gesets bedingt war. Wie 

durch die Zelt- 

▼«rhiltaiaM. " 



4) Trobc der umsichtigen ErOrteruDg Hartlich'8, der Leipi. Stnd. XI 
S. ns ff. XU eioem anderen BrgebDiss kommt} tot es mir doch wahr* 
scbdnlicb dass der Kleitopbon noch bei Piatoos Lebceitea verfaasl wurde, 

wenigstens vor dessen Werk über den Staat: deoo nach dem Erscbeioen 

lotzteren wJ<r»^ der panze Diulop gar zu gegenstandslos gewesen, 
lobrigcns über den kleitophon »uch o. S. 118. 1. 



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Arislolek». Der Dialog als SchulgespiUch. 



273 



vielmehr <ier obere Lauf eines Flusses es nicht allein ist, der 
den weittireo bestimmt, sondern auf diesen auch NebenflOsse 
und die BodenbeschafTonheit des Landes einwirken, 80 ist auch 
der aristotelische Dialog nicht die einfache Consequenz des 
platonischen. Gegenwart und Leben haben auch auf ihn ihr 
Recht geltend gemacht und so gut wie die platonischen Dia- 
loge das Abbild der wirklichen Gesprftobe des Sokrates waren, 
so trugen auch die aristotelischen den Charakter der GesprSche 
ihrer Zeit Die geistige GAhrung, die während des fUnften 
Jahrhunderts Athen ergriffen hatte, war vorüber, an die Stelle 
der unruhigen Zweifelsucht, die Alles in Frage stellte, die 
beinahe tSgUch und aus den geringsten Anlässen neue Pro- 
bleme hervorrief, war das ruhige Forscheu Einzelner über 
gegebene Fragen getreten. Hatte man bis (iaiiin mehr das 
ganze Gebiet der Wi'jspnsdiafi nur recognoscirt . so begann 
man nun nach erlangteiu I i i mm blick auf eln'/rliirii Theilen 
desselben sich häuslich einzurichten. Die Fragen zu stellen 
war man bisher beschäftigt gewesen, jetzt schickte man sich 
an sie su lösen; waren die Erörterungen früher mehr prin- 
cipiell und ins Allgemeine gehend gewesen, so ging man nun 
mehr in die Tiefe und ins Einseine. Die Wissenschaft trat 
aus dem genialen in das gelehrte Stadium, In jenem hatte 
sie noch die Hasse des gebildeten Publikums lu interessiren 
vermocht^ tu diesem wurde sie sur Sache Binselner, die ans 
ihr einen Beruf machten. Sie iQste sich vom Leben und eben 
deshalb bilssten audi die fhr geltenden GesprScfae, die Dia^ 
löge, die alte Lebendigkeit und Frische ein und krSnkelten 
in der Luft der Schiilstubc, Hierauf beruht der Unterschied 
des sokratischen und des aristotelischen Dialogs. 

Piaton ist z\N ischcn beiden der Vermittler nicht bloss durch Der Dialog als 
seine Schrillen sondern auch durch seine mündliche Lehr- ßctulgeaprich. 
thiitigkeit. Wer so lebhaft, ja Icidenschafllich den Nutzen oder 
vielmehr die alleinige Brauchbarkeit der diah)gischen Form für 
den wissenschaftlichen Unterricht verfochten hatte wie Piaton, 
der musste nothwendig, wenn er sich nicht eines schreienden 
Widerspruchs schuldig machen wollte, in der eigenen Praxis 
wenigstens den Versuch machen jene Methode ansuwenden. 
So mag er in der ersten Zeit seines Wirkens seinem Lehrer 
Sokrates in der Kunst des Gesprächs nachgeeifert haben. Später 

Hirstl, Difttof. 18 



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274 



III. Der Verfall. 



musfl er dann allerdings — das ergibt der ganze Charakter 
seiner Philosophie, darauf führen aueh sehie Schriften — wenig- 
stens theilweise ein anderes Verfahren gewählt haben. Davon 
kann uns oin Fragment des Koiiiikt t .s Epikrates (bei Meineke 
fr. ine. 1; nocli jeUt eine Vorstellimg geben. Dasselbe versetzt 
uns in die Akademie und zeigt uns die Schüler Platons, die 
über eine vom Lehrer gesteille Frage jeder erst eine Weile 
nachdenken und dann einer nach dein andern seine Meinung 
äussern. Die Wahrheit dieser Darstellung im AUgemeiuea zu 
bezweifeln liegt kein Grund vor, wenn auch alles £mielne 
ins Komische verzerrt ist. Die Zeit war Torflber^ da un- 
gesucht aus Gespräehen über die Angelegenheiten des Tages 
wissenschaftliche Probleme hervorschosseni); man hatte an 
den gefundenen genug und begnügte sich eine Auswahl daraus 
einer besonderen Auftnerksamkeit zu würdigen. So konnten 
Probiam- Problemsanuniungen ^entstehen , wie sie uns aus der peri- 
patetischen Schule unter dem Namen des Aristoteles erhalten 
smd. Wie leider inmier so schrAnkte auch hier die Schule 
das Nachdenken ein und gewithnte es in bestimmten vor- 
geschriebenen Gleisen weiter zu gehen. Dieselben dem Schüler 
zu weisen war die Aufgabe des Lehrers. Dass die aus dem 
Stellen solcher Probleme hervorgehende Discussion einen ganz 
anderen Charakter trug als derjenige der echten platonischen 
Ih.tloge ist, liegt in der Natur der Sache und wird uns ausser- 
dem durch das Beisj)iel Plutarchs in seinen Tischgesprächen 
bestätigt. Einer nach dem /Vndern gibt hier seine Ansicht 
Uber das aufgeworfene Problem kund in zusammenhängendem 
mehr oder minder langen Vortrage. So wird es immer gehen, 
wenn eine Frage zur Verhandlung kommt die entweder den 
Sprechenden bereits beluumt und schon öfter für sie Gegen- 
stand der Ueberlegung gewesen ist, oder über die sie doch, 
wie des Epikrates* Schilderung der platonischen Schule voraus- 
setzt) Zeit gehabt haben nachzudenken , über die jeder also 
einen gewissen Vorrath von Gedanken schon mitbringt: diese 



1 ) In dieser Hinsicht wenlon dio Gespräche des Sokratcs gut charak- 
terisirt von Dio Chr\ or ßO p. 3<2R: Sokratcs brachte die fJe-jprtirhs- 
(bcinnta nicht fertig und vorbereitet mit, iioadem lies« »tc »ich durch die 
ji'wciii^c Ini^chung slcUeu. 



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AristotolM. Der Dialog als SdiulgesprUoh. 275 

letiteren^ wie sie unter sich Ensanimpnhflngeiiy auch in xasaoH 
menbängeoder Bed^ darzulegen ist dann nur naturgemflss^), 
wUirend neu und Uberrascliend auftauchenden Problemen 
gegenIdMir, wie in der Regel Im sokratlschen IKalog, es sich 
nur um augenblickliche EhifUle handeln kann, die sich in 
wenige Worte fassen lassen und deshalb wie Schlag auf Schlag 
einander folgen kOnnen. So kommt es dass im sokratischen Dia- 
log ein hiutes gemeinsames Denken stattsufinden scheint, wir an 
der geistigen Arbeit selber thellnehmen, wihrend jene andere 
Art des Dialogs uns nur die Frucht derselben geniessen ISsst, 
ein Sdieingefecht mit den gewonnenen Resultaten vor dem 
Publikum aufführt, dem die wahren Kämpfe im Innern des 
still forsciiLiulüM Geistes längst vorausgegangen sind. 

Dass die aristotelischen Dialoge von dieser letzteren Art £eiae Pro- 
waren, darauf leiten uns noch mehrere Spuren. Der Kirchen- 
Schriftsteller Basilius epist. 107 (T. TU S. 1K7 E) sagt ausdrück- 
lich, dass Aristoteles und Theophrast in ihren Dialogen 
unmitteii)ar auf die Sachen losgegangen seien 2). Ob es aber, 
wie derselbe meint, nur deshalb geschehen sei, weil sie sich 
bewussl waren, dass ihnen die platoni<;che Aumuth fehle^ ist 
eine andere Ftage^ die ich nicht bejahen möchte. Wenn 
Piaton im Phaidon, im Phaidros, in der Republik und sonst Uuuräcbiod 
Prooimien Torausschickte, so hatte dies seinen guten Gnmd darin, 
dass zu seiner Zeit oder in der des Sokrates, in die er uns 
versetien wÜl, dialektisofae Erörterungen der Unsterblichkeit, 
Uber den Werth der gewöhnlichen Rhetorik, den Idealstaat 
und Anderes keineswegs an der Tagesordnung waren, sondern 
die betreffenden Probleme noch irisch aus den umgebenden 
YerhSltnissen der redenden Personen und aus vorausgehenden 

4) Vielleicht darf hierbei an eine Bemerkung Otto Ludwig's (Shake- 
spearestudien S. SS] über den Unteisdiied Hebbelschcr und Shakesi» iu < < 
scher Charaktere und Dialoge erinnert werden: »sie i die Charaktere Heb- 
bels) p'h«'n nt'l><^n rimmder, ohne sirh durch BeriihrunfZ zu niodifiritTn 

MC spreclii a überhaupt nicht miteinander, nur zueiuaiulcr; es 

fehlt der eigentliche dramatische Dialog«. 

9) auT6v -i^'l^vTo twv i;paY{ikat(uv. Die obige ErklMrung ist die 

einzige, die sich ungerwnngen aas den Worten ergibt und die auch durch 
Ludnn l>e oonscrib. bist, c SS begtstigt wird, wo e686« iicl xSn itpar- 
ffixw dasselbe ist wie 4ffpoof|iia9ni. Ich bemerice dies wegen Heltx, die 
verl. Sehr. S. US» 



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276 III- I>or VerfaU. 

Gosprächf^n iibor andere Dinge hervorspraniren. Diesen Vor- 
gang der Wirklichkeit zu schildern, zu schildern wie man 
dazu kam, gerade dieses oder jenes pK hlem zu erörtern, war 
eine Aufgabe, die sieh Piaton in der Mehrzahl seiner Dialoge 
gestellt hat und stellen musste. Ich sage, in der Mehrzahl seiner 
Dialoge; denn nicht immer ist Piaton so verfahren, wie er 
s. B. bereits im Menon ohne Weiteres mit der Frage heraus- 
kommt) ob die Tugend lehrbar sei, einer Frage, die aller- 
dings schon damals als abgestanden gelten konnte i). Was bei 
Piaton noch Ausnahme war, ist bei Aristoteles rar Regel ge- 
worden. Die Fragen, die er in seinen Dialogen behandelte, 
gehörten ISngst sum Inventar der Schule. Was war nidit 
schon über Unsterblichkeit, die Gerechtigkeit, das Wesen der 
Bhetorik geschrieben und noch mehr geredet worden! 

Es bedurfte also nicht erst umstfinäldier Prooimien, wie 
sie noch Piaton ftir nöthig befunden hatte, um ein Gesprfich 
über solche Gemeinplätze zu motiviren. Jedem Mitglied der 
Akademie lagen dieselben fortwährend im Sinn und daraus 
erklärt sich nun auch die andere Eigenthümlichkeit des 
Lingeie Sedw aristotelischen Dialof;s, tdier die wir durch Cicero Nachriehl 
IMido^ii Denn dieser hat nach seinem eigenen Gestöndniss -) 

das (iespräch vom Redner in der aristotelischen Weise ver- 
fasst; und worin diese aristotelische Weise besteht, wenn 
nicht in den längeren mit einander abwechselnden Reden der 
einzehien Gesprächspersonen, yermag ich nicht su sagen*). 



i) lieber den Kralylos vgl. Sleinthal, Gesch. der Sprachwissensch., 
S. SS f. 

S) Bpist. ad fam. 19, 93: acripsi igltor Aristotello more, quemad- 
moditm quidem volui, tri« libros in disputatione ac dialogo »de ontorc«. 

Die Wurte »in disp. ac dial. « liat mui streichea wollen. Da es aber im 

Folgenden lieissl: »scripsi eliam vcrsibus tris hbros de Icmporibus 
luuiS" sfluiiit mir dieser naher hn<titiimendc Zusatz nrrhf entbehrt 
werden lu. kunnen; ausserdem gibt muh (Kr AuscUin k ki'in' ii .\n>to«iS. 
weil nicht jede disputatio dialogische 1 orm hal und deshalb Viotd <ias 
»in dispulatiooe« durch ein hinzugefügtes »dialogo« genauer crlAot^ri 
werden konnte. Man vgl. noch Cicero ad fem. I 9, 4: in noatris ser^ 
monlbiig conlocttlionibusque de nat. deor. I 61 : in hnjusmodo sermone 
et consessu. 

3) Nach .Stahr. Arislolel. H ^»56. mit dem Madvig, de fin. praot. 
57. 2^ uberoinsliminl, soll durch den «Artstolelius mos« di« dialogische 



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Aristoteles. Das mythische BlemeDt. 



«77 



Die Fragmente hestStigen überdies diese Erklärung >). Dmlek- 
tische Sdiliissketlen, wie sie fir. 45 (Akad. Ausg.)^) imd fr. 41 
darbieten, aeheinen ihrer Natur naob wie bestlmiDl, um in 
der Weise des platonischen Dialogs in kurze Fragen und 
Antworten aufgelöst au werden. Trolsdem hat Aristoteles sie 
TO einem einiigen Vortrage verbunden') und dadurch dent- 
lidi genug seinen Abfall yon der platonischen Methode des 
Dialogs kund gegeben. 

Wenn Piaton in dieser W^se ehie einzige Person längere Das mythiMhe 
Schlussketten bilden lässt, geschieht dies in den Mytheu, Owiwt. 
wie z. B. im Phaidros, wo Sokrates den Beweis für die 
Unsterblichkeit der Seele fuhrt ^p. 24öGff.] und zu Anfang 



Form überhaupt, nicht eine besondere Art derselben, bezeichnet werden. 
Aber nun R^rttsentanten der dialogischen Methode ttberhaupt eignete 
sieh Aristoteles viel weniger als Solcrates oder Piaton und Cicero würde 
daher, wenn er den von Stahr ihm zugeschriebenen Gedanken hStte aus- 
drücken wollen, richtiger und deutlicher Socratico oder Platonico mon* 
gesagt haben. Eine andere Erkl?irung gab J. Bcniavs, Die Dial. S. 137: 
Cirero meine »itn AHgenieiueii ilie auf dramatische Kunst verzichtende 
Haltung der iiristotelisehen Dialoi:? in Ihrem Unterschied von den pla- 
tonischeu«. Aber iu diesem Falle huttc Cicero .sagen uiüi>seD, duss er in 
seinen Malogen nidit der platonischen Welse gefolgt sei; indem er sagt, 
er sei der Welse des Aristoteles gefolgt, moss er etwas Positives Im 
Stone gehabt haben. Auch passi zu dieser Erklttning des »Arlstotellns 
mos«, wonach dersell>e einen Mangel beseicbnet, nicht das »quemadroo- 
dum quidem volui«; Cicero kann doch unmöglich erklären, er habe sich 
nach hesten Kräften benniht, in seinem Di;iI.i'-o ;ujf dramatische Haltung 
zu verzichten. Mit vollem Recht«' hat H» itz, l»i>* verl. Sehr. S, 4 50 auf 
eine Stelle im üesprach vom Kediier selber hingewiesen Iii 21, 60 : sin 
aliquis eistiterit aliquando, qui Aristotelio more In utramque partem 
possK dioere et lo onuil oaosa dnas contrarias orationes, praeoeptls illius 
cognitis, explicare. Hieraus ergibt sich, was Cicero tu der Zeit^ als er 
jenen Brief schrieb, unter der Aristotelischen Weise vnrstand: das Fttr 
und Wider einer Seche In längeren einander enlgegengesetsten Reden 
erörtern. 

4} Vgl. auch Blass im lUietu. Mus. ao, S. 492 f. 

2) Ich folge in Betreff desselben der Ansicht von Uernays, Die Dial. 
S. 110 f. u. Blass, Rh. M. 30 S. 497 f. 

8) Die Bedenken von Blass, a. a. 0. S. 498 gegen fr. 48» das erst 
Im Excerpt die Form des znsammenhilngenden Vortrags erhalten, im 
Origüial dagegen einen IMalog gebildet habe, verfallen durch den Hinweis 
aof fir. 44. 



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278 



HI. Der Verfall. 



des Vortrags über die EntsUjhung der Weit im Timaios 
(p. 29 E ff.;. Der Mythus setzt sich also bei Aristoteles 
an die Stelle des Dialogs. Wir sehen bei ihm die Eotwickr 
lung Dur weiter geführt, deren Anfönge wir schon bei Platon 
beobachteten (s. o. S. 259 ff.). Auch er erhob sich gern zu 
glfintender DarsteUung des Weltgebäades (fir. 43 ff. fr. 48 f. 
Beroeya IMal. S. 99 ff.), siir SchilderuDg des seligen Znstandes 
der Menseben Dach dem Tode (fr. 35 ff. Hermes X 8. 84 f.): 
aber was bei Plalon der Art den Inhalt der Mytben, also 
vom Dialog gesonderter Theile, bildete, das war allem An- 
sdiein nach von Aristoteles in die Erörterung des Dialogs 
selber aufgenommen. Er bat nioht eigens Mythen fttr seine 
Dialoge gedichtet — wenigstens wird er nie unter den Ver- 
fassern solcher f^onannt — und halte auch keinen Grund dies 
zu thun, da er weder wie Platon eine Befonn der Religion 
oder Poesie beabsichtigte, noch wie dieser zu dem zerstreuenden 
dialektischen GesprSch eines Gegengewichts bedurfte Das 
Mythische durchzog bei ihm den ganzen Dialog, nicbl bloss in 
der Form von kosmoiogischen und eschatologischen Vorträgen, 
sondern auch als Sage und M&rchen| wie sie die Üeberlieferung 
des Volkes darbot <). 
HiBtcriflciie Hierher gehören anch die historischen Darstellungen, 
DanteUangeiL denen soiiie Dialoge so reich waren, wenner auf die 
ersten Anf&nge der Philosophie, der Sophlstik, der Rhetorik 
surttckging: auch derartige Darstellungen hatte Platon für 
die Mythen vorbehalten, hatte im Kritias die Auffinge des 
staatlichen Lebens, im Mythus des Protagoras, den er dem 
gleichnamigen Sophisten in den Mund legt, die frohste Knt- 
Wickelung aller menschlichen Gultur behandelt, und im Phi- 
lebos p. 16Cf. und im Menon p. 81 Äff., an welchen beiden 
Stellen wenigstens Keime von Mythen vorliegen, den Anlauf 
gemacht zu Geschichten der Dialektik und des Unsterblich- 
keilsglaubcns. Uebrigens sprechen gerade diese historischen 
Dnrstelhingen, die zahlreich in die Dialoge des Aristoteles 
eingellochten waren und sich doch unmöglich in der Form 
von Frage und Antwort wiedergeben Hessen, dafür dass in 
den Dialogen des Aristoteles die langen Reden überwogen 



4) Vgl. aucb Bemays Diai S. ts. 



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Aristoteles. Rhetorischer Ghanikter seioer Dialoge. 



279 



und das GesprSeb darin in der HanptBaohe in einem Wechsel 
von solchen bestand 

Der Dialog des Aristoteles trug mythische Farben. Daraus Der rhetorisch« 
folgt weiter, dass er auch rhetorischer war als der platonische. 
Nicht bloss vom spüteren Standpunkt des Aristoteles schien 
dies 80, weO hiemach die in den Dialogen herrschende 
esoterische Methode ein volles Wissen nicht begründen, 
sondern ühnlich wie die rhetorischen Vorträge und wie Piatons 
Mythen nur ein Meinen erzeugen kunute, sondern auch, was 
wir über die sprachliche Form erfahren, bestätigt dieses 
Urtheil. Obgleich es auch den aristotelischen DialuL'on nicht 
an Anmuth des Ausdrucks fehlte, obgleich auch ihuen ein- 
zelne Spässe (Ueitz Verl. Sehr. 4 61) oder Ironie bernays Dial. 
S. iOI) die Würze des Humors verliehen, die aus der attischen 
Yolksprache entspringende Fülle und Lebendigkeit der pla- 
tonischen Rede fand man hier schwerlich. Es war nicht das 
attische Athen des fünften Jahrhunderts, das sich in diesen 
Gesprächen spiegelte und es war kein rechter Athener, der 
sie verihsst hatte. Nur um so begreiflicher Ist es, dass er Spaobe. 
die Mängel des Fremden, die bei seiner Handhabung der 
attischen Schriftsprache hervortreten konnten, durch grossere 
Sorgfalt theils bu vermelden, theils su verdecken suchte. 
Auch im Deutschen beobachten wir etwas Aehnliches, dass 
nämlich solche Schriftsteller, die in einem von der Schrift- 
sprache sehr abweichenden Dialekt, wie dem schweizerischen, 
aufgewachsen sind, viel ängstlicher sich um Richtigkeit und 
glatte Schönheit des Ausdrucks bemühen als die Hochdeutschen 
selber. Von der göttlichen Nachlässigkeit der platonischen 
Rede, die so natürlich scheint und doch zum Theil auf tiefer 
künstlerischer Berechnung beruhen mag, war die Aristoteiisclie 
weit entfernt. 

Ausser der fremden Herkunft wirkte hier auch die Rich- 
tung mit, die schon firQh die ThäUgkeit des Aristoteles ge- 



il Einen anderen Charakter trMgl freilich fr. 83, wo Aristoteles ganz 

in sokratischer Weise einen rnpenannten katechi«?irt. Aber dieses Frag- 
ment geliort (lein Dialoy »vom .\(lel" an und iicfien dessen Echtlieit haben 
sich in alter und neuer Zeil Z\\eifol geregt — Zweifel, die vielleicht auf 
den Stoiker Panaitios zurucligeheu i^PluUrch, Arislid. 27;. 



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280 



111. Der VerfoU. 



nommen hatte. Im Kampfe gegen Isokrale s mui seine Schule 
war er selbst Rhetor geworden, indem er Piatons theoretische 
Versuche über diese Kunst weiter ausführte und der Praxis 
näher brachte. Es war dies ein TerhängnissvoUer Schritt: 
die Rhetorik sollte in die Philosophie aufgenommen werden; 
statt aber dass sie dadurch philosophischer geworden wfire, 
wurde umgekehrt jene immer rhetorischer. Der ErstOi bei 
dem sich dies zeigt^ ist Aristoteles selber. Auch Flaton kannte 
die rhetorischen Kunstmittel, hatte aber fttr sie in seinen 
Dialogen ausser in den mythischen Partieen und da wo er, 
wie im MenexMios und Symposion, Reden halten Uess, keinen 
BtlL Platz. In den aristotelischen Dialogen dagegen schienen die 
langen Reden recht eigentlich das bell zu sein, in dem sich 
»der goldne Strom seiner Rede >>^ ergiessen konnte. Etwas 
von seinem Glänze nehmen wir auch jetzt noch in den dürf- 
tigen Fragmenten wahr. Das auffallendste Merkmal rhetorischer 
Kunst, der rhythmische Periodenbau, scheint auch den aristo- 
telischen Dialogen nicht gefehlt zu haben (Blass Attische 
Bereds. TT S. 4*29 f.). Bis auf das Einzelne erstreckte sich 
die Feile des Ausdrucks, ünbekflmmert hatte Piaton in seinen 
Dialogen den Hiat angelassen, es wfire stilwidrig gewesen, 
wenn er ihn hfitte meiden wollen. Aristoteles dagegen 
sdieint hier gani auf Seite seines Gegners Isokrates su stehen 
(Blass im Rhein. Mus. 30 S. 484 ir.*). Bei Piaton finden wir 
yielleidit ktthne Wortstellungen; ob dagegen so affektirte, wie 
man sie hin und wieder bei Aristoteles beobachtet pllass 
a. a. 0. S. 482 f. II 44S), bezweifle ich, zumal Aristoteles 
bierin selbst das von Isokrates eingehaltene Maass überschritt. 
Die pktoal- Die Verschiedenheit der aristotelischen und der plato- 
tehra Dlilog« nischeu Dialoge musste um so mehr auffallen, als jene mit 

m den aristo- ' • 

telitohen naoh- ■ 

4) GioerOf Acad. pr. 149: cum enim tnus iste stoicos sapieas sylla- 
batim tibi ista dfxerit, veniet flumen orationis aureum fandens 
Aristoteles, qui lllum dcsipere dical. UeWt. Die verl. Sehr. S. 4 56. 

2; So urtbeilte schon Cicero, Orator 157. S. jetzt abfr auch die 
mo(li(i(ircQden Bemerkungen von Blass, AU. Bereds Ii s. 426 fT.. wo- 
nach ui dieser Hinsicht zwischen den früheren utul spateren Sc hriften 
des Philosophen ein Luterscbied lai und im Laufe der Zeil auch bei 
Flaton das Isokratteohe Oesets immar mehr durchdringt, o. S. 147, 5. 

s; Dies modifidrt Diels, Qm, Gel. Am. 4894 & S»7. 



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Aristoteles bildet die pletonisehen Dialoge nadi. 281 



diesen durch das Band des Inhalts aafs Engste verknüpft 
sind und daher fortwährend lur Vergleichung auffordern. 
Aristoteles hat nicht wie Piaton in schien Dialogen die eigenen Fkton trat 
Ansichten dem Lehrer in den Mund gelegt. Das war durch ^J^^^^^ 
die literarische Thltigkeit des Letiteren ihm unmöglich ge- 'MdtadMf. 
madil, und auch die Vermuthung, welche wenigstens ein Auf- 
treten PlatoDS als GesprächspersoD in einzelnen der aristotelischen 
Dialoge aDniuiml, ist nicht hinreichend begründet'). Und doch 
ist auch Aristoteles in seinen Dialogen zu seinem Lehrer in 
ein ähnliches Verhältaiss getreten wie Piaton zu bokrates. 

Der Name und die PersönUchkeit des Sokrates war für Pia- Di» amtot«ii- 

ton nicht bloss eine leere Maske, mit der er sich auch da deckte, ■«'('•^ 

' erläaters oie 

WO er dem Sokrates ganz fremde Ansichten vortrug ; wäre pUtoBtNliin. 
er so verfahren, so hSlte er nicht den naturphilosophischen 
Vortrag des Timaios einem P\ thagoreer in den Mund gelegt: 
vielmehr ist Piaton auf seine Weise historisch lu Werke ge- 
gangen und hat seinen Lehrer in den Dialogen sich so Süssem 
lassen» wie dieser entweder sich wirklich geSussert hatte, oder 
wie es Piaton dodi in der Gonsequena von dessen wirklichen 
AeuBserangen su liegen schien. Seine Dialoge erlftuterten ge- 
wissermaassen die Persönlichkeit des Sokrates, setzten dessen 
wahres Wesen, so wfe es seinen Augen sich darstellte, fn das 
rechte Licht. Etwas Aehnliches lässt sich aber auch von Aristo- . 
leles sagen, nur dass dieser mit seinen Dialogen nichi die Per- 
son Iii bkeit seines Lehrers tu erlSutem unternahm, sondern 
dessen Schriften. Die letzteren waren, ^( i es nun das Thema 
oder ein Vorbild oder der Anknüpfungspunkt fCir ihn. 

So hatte er in einem seiner Dialoge^) einen Bauern aus Du N^iptv^o«. 
Korinth vorgeführt, den die Lektüre des platonischen Gorgias so 
fUr die Philosophie als die allein selig machende Beschäftigung 
begeistert hatte, dass er seinen Acker verliess und nach Athen 
ging, um Piatons Schüler lU werden : hierin liegt meines Erach* 
tens ausgesprochen, dass das Gespräch in dieser Schrift irgend- 
wie sich an den Inhalt des Gorgias anschloss. Schon durch ihre 



1 Ro^c. Aristol. Pseud. S. 38. 55. 74 nimmt an, dass Piaton eine 
der (iesi!r.irlisp»»r*ionen im Nf,ptv0oc sowohl wie Uk deo Dialogen »von 
der Philosojjhio " und im t^udem war. 

<; In dem sogenannten N^pivöot. 



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288 UI. Der Verfoll. 

6opi}iNt'>a ^ni Titel erianerD an die gleichaanugen platonischen Dialoge der 
Vmi 3<>P^'^^^ Politikos ; an diese reibt sich passMid der Dialog 
FhüMopU». »von der Philosophiec, in dem Aristoteles gewissermaassen ein 
von seinem Lehrer gegebenes Yersprechen einlöste, der seinen 
Lesern den PhOosophos sehnldig geblieben wari). Im Oebrigen 
erg8ns(e wohl Aristoteles, wie das In seiher Natur lag, In 
diesen Dialogen die Betrachtungen Piatons namentlich nach 
der historischen Seite su. 
OiyilM. Ein anderer seiner Dialoge wandte sich gegen die Rhetorik 
und scheint nach Form und Inhalt sich den platonischen Phal- 
dros zum Muster genommen zu haben. Hatte Piaton darin vor- 
zugsweise eine Rheiuiik kritisirt, die ihre Blütbe in den red- 
nerischen Leistimeen des Lysias hatte, und alier philosophischen 
^ Bildung baar w;ir s > konnte Aristoteles, wenn er nicht einfacb 
das von seinem Lehrer (»esaete wipderholen wollte, nur Isukra- 
tcs und dessen Schule zum (iegenstand seines Angriffs machen. 
Diese neue Rhetorenschule trat mit ganz neuen Prätensionen auf, 
indem sie namentlich auf den Namen der Philosophie Anspruch 
erhob und dieser das SchimpIWort «Sophistik« zurtlolLgab. Die 
alte Polemik Piatons reichte gegen sie nicht mehr aus und so 
ergänste sie Aristoteles in seinem BGryllos«, Indem er nach- 
wies, dass auch von der modernen Rhetorik gelte, was Platon 
von der froheren nachgewiesen hatte, dass sie in Wahrheit 
gar keine Kunst sei. Auch in der Methode und CSomposHioD 
scheint der Phaidros fttr den Gryllos das Vorbild gewesen su 
seb. Platon ging in seinem Dialog von einer Rede des Lysias 
aus, die er lunSchst durch eigene Reden Ober denselben 
Gegenstand zu Obertreffen suchte und an die er dann seine 
weiteren Erörterungen über die Kunst der Rede knüpfte ; lür 
Aristoteles scheinen der Anlass Lobreden gewesen zu sein, 
die auf Xenophons im KaiDpfe «efallenen Sohn Gryllos ver- 
fasst woi den waren, und die WaluM In inlirhkeit spricht dafür, 
dass auch er sich nicht mit dem blossen iadel derseil)en be- 
gnügte, sondern durch Bessermachen ihm erst den gehörigen 
Nachdruck gab, indem er seinerseits eine Lobrede auf Gryllos, 
wie sie sein sollte, verfasste^). 

I] Platon, Soplu>t p. 217 A, Politik, p. S87Aff. 
S; Wenigstens weiss Ich mir sonst den Namen des Dialogs » Grylloso 
nicht so erklären. 



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AristotelM bildet die platonisclien Dialoge nach. 983 



Den iDhaii der erotischen Reden des Phaidros so wie Bnülm. 
derer des Symposions hatte Aristoteles vielleicht für seinen 
EroUkos benutzt^). Im Protreptikos konnte er sich an den pla- protnptikM. 
foniflehea BotliydeiD anlehnen'); und was uns aus der Sdirift ^u- 



r In \vi»'f('rn «lorsolbe ein Dialog, s. Horni»^'^ X 66. Aiuh hier 
scheint Aristoteles seiner Neigung folgend sich in historisches Detail ver- 
loreo zu haben. Ausserdem ist wahrscheinlich, dass er gegenüber der 
schwunghaften Darstellung Piatons, die deo Bros zu einem alle Höhen 
and Tiefen des Menseheolebens, Ja die gaose Welt nrnfasaenden Triebe 
erhobt denselben wieder in seine Natnrgrensen eingeschrtnkt habe. Sein 
Standpunkt war wohl nicht weit von denjenigen des Phaidros nnd Pan- 
sanias im Symposion entfernt; er mochte im Eros nur eine solche Ver- 
edelung der Knabenücbe preisen , für die auch die Geschichte Beispiele 
bot. Nach fr. 94 schauen die Liebhaber auf nichts am Körper der Ge- 
liebten, als auf die Augen und in der Topik .VI 7 p. 4 46^^ 9 f. und 
MI 1 p. 152^ 9) einer Schrift, deren Beispiele wir berechtigt sind auf 
die Dialoge zu beziehen, wird bestritten, dass die Liebe intdu|jLia O'jvou« 
obc seL 

i) Piaton, Bnlhyd. p. i78 B ff. Vgl. dazu Hermes X S. 94. Ich 
erwihne hier auch den Pratreptikos, well er durch seine eioterische 

Natur den Dialogen verwandt war. Im übrigen sind Diels' »nicht sehr 
tief geschöpfte« Bemerkungen Archiv f Gesch. d. Philos. T 4 S. 477 ff ] 
nicht im Stande yewcsen. m\rh \ nn inctTier früher im Hermes X S. r>l ff. 
dargelegten Ansicht zui ückzubringcu, \^(mactl der Protreptikos des .\nsto- 
teles nicht die Form des Gespräches, sondern des Briefes hatte. Diels, 
& 0. S. 484 vermisst bei mir eine Würdigung des aristotelischen 
Scitrillenkatalogs, »dessen Anordnung Bemays scharftinnig dmohscbattt 
hatten Nun hat Bennys allerdings Dial. 8. 181 die Yermnthimg be- 
gründet, dass an der Spitse des Katalogs die dialogisohen Sohriflen stehen. 
Trotzdem rühme ich mich, dass meine Ansicht mit der soinigen besser 
übereinstimmt als die von Diels, der auch in diesem Falle die Abhand- 
lung jenes ausf;ezeiclinelen Gelehrt^^n üicht genau tj:f^n!ii.' t'*'leseii /.ii haben 
sthfiii!. Denn zu den an der spitze des Veri^eichnisses stehenden 
Schriften gehört auch 'AXd^a^^po; i] utrcp dnotxcuv, mit Bezug* auf diese 
bemerkt aber Bemays a. a. 0. S. 56: »auch über ihre Form, ob sie ein 
wirkliches Gespräch gewesen oder, was nicht nn wahrscheinlich ist, 
in Briefform abgefasst und nur wegen ihrer durch die praktische 
Besttmmiuig bedingten popnlüren Utoltung den Dialogen im Vemidmiss 
des Andronikos angereiht wordoi, ist bei dem Mangel wirklich erhaltener 
Brachstücke eine Entscheidung unmöglich««. Bemays' Ansicht war also, 
dass an '1er Spitze Verzeichnisses die dialogischen und dialogartigon 
d. L die exutenscheu Schrüten standcu, und diese Ansicht halte ich nach 
wie vor für die richtige und bin nicht geneigt mich durch Diels (a. a. 
0. S. 484 f.} vom wahren zum falschen Bernays bekehren zu lassen. 



284 



III. Der'Verfall. 



»von der Bildung^ Bernays Dial. S. erhallen ist, erinnert an 
den Protagoras ; doch war darin yielleicht noch mehr vor d(^r 
Gefahr eiteler Vielwisserei gewarnt worden, die zur Zeit des 
Aristoteles viel dringender war 2). Ebenfalls durch den Titel 
OyrnpoBioB. leitet auf ein platonisches Vorbild das Symposion; die Absidit 
mit dem platonischen Meisterwerk su wetteifern, kSnnen wir 



4] Das einzige sichere Fragment aus dieser Schrift ist uns bei Diog. 
IX SS erhaltea. Hier wird dieselbe Geschichte erzählt, die wir ausRUir* 
lieber dtircli Gellius N. A. V S kennen. Protagoras» wird enihn, war 
als junger Maan Lasttrfiger. Einmal als er so ein Bund Holx trug, be- 
gegnete ihm D«nokrii und bewunderte die Kuaat, mit welcher er das- 
selbe durch einen )(urzen Strick zusammenhielt. Er fiutd darin den Ver- 
stand ohit s Goonielers. Gellius berichtet: tum Democritus, animi aciem 
soilerliiiiiKjue liDruhiis nnn docti admiraturt «mi aduiescens" inquit 
»cum ingeniiitn bene faciendi habeas, sunt majora molioraque, quae 
facere mecum possis« nbduxitque cum statim secumque linijuit et sump- 
tum ministravit et philosophias docuit et esse eum Tecit quantus postea 
fttit. Ein ganz ungebildeter Mensch erregt durch seinen Verstand die 
Bewunderung eines der grOssten Denker und Gelehrten. Die Geschichte 
regt die Frage an, wieviei Tüchtigkeit der Mensch seiner nattirlichen An- 
lage verdankt und was die Bildung etwa noch hinzuthun kann. Ganz 
ähnliche Erörterungen sind aber auch in Piatons Protagoras mit dem 
Namen dieses Sophisten in Verbindung pobracht worden. Freilich sträubt 
man sich den chronologischen Irrthuui, der darin liegt, dass Protnsoras 
als der jüngere Demokrit gegenüber erscheint, schon dem Aristoteles 
auEzuburdcu. Aber Niemand hat noch festgestellt, wie weit damals die 
Freiheit des Dialogs ging. 

S) Insofern würde fr. 81 gut in diesen Dialog passen. Die von 
Protagoras Im gleichnamigen platonischen Dialog p. SSSBf. geblUlgte 
Art des I nterriehts wird von Piaton Ges. VII 8I0E f, 841 B als zu blosser 
roX'Jixdfteta führend ausdrücklich verworfen: sonach hatten wir vielleicht 
in jenem Fragment eine neue Spur, wie eng Aristoteles auch in dieser 
Srliiitl sich an cin*«n Dialog seine« l ohrer« anschloss. Zu bemerken ist 
nocli, (luss die Ansidilen des Arisl tclcs über Bildung, wie er <\e vielleicht 
in diesem Dialog geäussert hatte, mit denen Dcmokrils ubereinstimmen: 
beide heben hervor, das« Bitdung mehr werth sei als Besitx, Demokrit in 
1^. mor. IS6 (Zeiler I SSO, 7*) und Aristoteles in fr. 91 ed. Belli, und beide 
sUid einig in der Verurtheilnng alles eltelen Vidwissens, Demoior. fr. 
140— US (Zeller I S96. «; und Arist. fr. 51. Hiemach liegt die Ver^ 
muthung allerdings nahe, dass das Gespräch zwischen Protagons und 
Demokrit über den Rahmen einer blossen Episude oder einer nur r»ls 
Beispiel dienenden Erzählung hinnus{.'in,.: und den Hauptinli.nit des Dialop-s 
bildeic. Aber wurde dann nicht der Dialog «ach einem der beiden seinen 
Namen erhalten haben? 



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Aristoteles bttdet die platonischen Dialoge nach. 285 



Aristoteles nicht zuschrelbeo, wolil aber ist möglich, dass er auch 
hier die Arbeit seines Lehrers ergfinzen wollte, theils durch histo- 
rische NachtrSge» die sich in diesem Falle auf die Geschichte 
der Symposien besogen (fr. 108), theils indem er darin ein 
Symposion schilderte, wie sie sa seiner Zeit wirklich in der 
Akademie stattfanden und deren gelehrte GesprSche bereits 
auf das aleiandrinische Museum deuten mochten, wflhrend in 
dem platonischen noch der kflnstlerische und ttbermttthige 
Geist des perikleischen Zeitalters webt. 

Was Plaloü selbst uüterliess und was überhaupt nicht in Die Arutot«li- 
der Gewohiihert der Alten laß, neue und mehr /eitgeuiässe Auf- I>i»log« 

o neue Auf- 

lagen ihrer Werke zu veranstalten, das snlieint Aristoteles für lagen der pia- 

ihn besorgt zu haben. In diesem Verhiilluj.ss stand wohl auch 
der Eudemos zum Phaidon. Beide Mai gilt es das Andenken Bid«Bwit 
eines verstorbenen Freundes so zu feiern, dass daraus die üeber- 
lebenden Trost Uber den Verlust schöpfen können und beide Mal 
geschieht dies annähernd in derselben Weise: anknüpfend an 
ein Ereigniss aus dessen letster Lebenszeit, vermittelt durch 
Traumgesichte, die ahnungsvoll ein Hereinragen des Göttlichon 
ins Menschliche bekunden, werden Gespräche flber die Un- 
sterblichkeit der Seele geführt, an denen der also su Feiemde 
wenn auch nicht die Hauptrolle, so doch einen wesentlichen 
Antheil hatte ^J. Trotsdem der Eudemos hiernach als eine 



4) Diese ao tldi nahe Hegende Aimabme wird noch besonders be- 
■tätigt durch fr. 107, wonach das Symposion des Aristoteles hauptsäch» 
lieh mit (lor IlrürttrunL' homerischtr Probleme angerüilt gewesen zu 
gein schrillt. Dif Vernmthung würde bestehen bleiben, auch wrnn 
wir im lebrigeu das Symposion von Athen nafh Mjikedonien verlci.;l<'n 
und aanühmen, dass ausser Aristoteles namenUich nuch Alexander dabei 
betheiligt war. Diese Aonahme wird nttmlicb unterstützt durch eine 
sdMrfilhiDige Vermutbung von Lehrs de Aristarchi stud. Horn. S. 11 4*, 
wonach Gesprfiche xwischen Alexander und Aristoteles Uber homerische 
Fragen bet Gelegrahelt eines Symposions stattfenden. 

ZHler TI 2 S. 59. 1*. Den Hauptvortrag hielt nach fr. 40. wenn 
wir Blass, Rh. M. 30 S. 483 folgen, Aristoteles. Aber wesentlichen An- 
theil aai Gespräch muss Eudem jedenf»)!!^ genommen haben, da sonst 
kaum Anlass genn^ war den Dialog ii:t« h ihm zu benennen. Ja man 
kann meines Erachtens sogar noch weiter gehen und liudciu geradezu 
den iiauptvortrag zuweisen. B«i der Herstellung des Textes durch Blass 
stOrt die Wortfolge. .Er will den Spuren der handschriftlichen Ueber- 



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III. Der VerfaU. 



Wiederholung des Pbaidon ersobeint, ao war er das doeii nur 
mit den Modifioationen, wie sie die vertoderle Zeit forderte. 
Wie noch in neuerer Zeit Moses Mendelsflohn Piatons olassisches 
Werk Ober die ünsterblidikeit dadurch su modemisiren ver^ 
sucht hat, dass er die Bewetsflihrung desselben auch gcgcnllber 
der neueren Philosophie stichhaltig zu machen Bich bemOhte, 
so ist schon Aristoteles verfahren, der in seinem Eudem das 
Dogma der Unsterblichkeit auf neue Grundlagen stellen wollte, 
da die ötütze, die der Verfasser des Piiaidon noch fUr die 



lieüBruDg folgeod schreiben: Tt tttGc*; l^ri xdbwTvoc 6iraXaß^. 'fi« dCpa 
^ii 1fcvla9ai fU«» Ifijv, i^9x»t ndEvtnv »xX. Dann würde ellerdingB nur 

die kurze Zwischenfrage t( to&to Eudem oder einem Anderen gehören 
und den eigentlichen Vortrag Aristoteles halten. Aber vgl. Piaton itop. 

II p. 872 C: xal 6 notj-Kojv u:toXoSt6v, "Awj ^<j;ou, cu; fotit«: rrX. 
IV 4<9C: xal 6 'Aoeipavtoc uiroXaPobv Tt ouv, £^tq, 5> SubupaTCc xtX. 
Eulhydcm. 294 B: xal 6 Kr-Zi^tTtKoc yroXaßdjv* Opi; Äiö;, l'cp'r), Aiovu3(5- 
Suipe xtX. ii^SE; xal ajöi; Taj(^u ünoXa^otv 6 AtO'vuo6i(upo(, tva npoxe- 
pdv tt cticoi 6 Kti^aticnoc, K«l ^ (aoi ixixp^N ' f (pTj, dn^Sxf ivat. Plotarch 
Qtiaest. Conv. I 9U p. «980: «al 6 6l«iV Mkai^, 0&^, 1^, 

III 6, S p. 651 B: fmoXa^ *OXi>tAictK<«, 'EimI fi^» ff<), toS Ilvft^ 
-fopixou xtX. IV 2, 3 p. 667 A: d[ico(t|a|Alvi»V H '^fxwv Jt:oXaßobv 6 B^cuv, 
Kat toGto , £97) , xclod« : Nach diesen und anderen Beispielen [vgl. noch 
Pltitarrh Quaest. Conv. V 40, 4 p. 685D. VI! ^ . 7 p. 704 B. VIII 4, 3 
p. UTE. 8. 5 p. 722D. 4, 5 p. 7241). 6, 4 p. 626C. 8, 4 p. 730 D. IX 
13, 3 p. 74iD. i i, 5 p. 74SO, die nur in der Eile aufgelesen sind, 
scheint mir in den Worten des Aristoteles KdxeNoc ünoXaßdiv nothwendig 
cum Folgenden gezogen werden lu mttssen und weiter folgt hienus, dass 
das handscfarifUiche £(pt]v, das Blass in den Text einführen wollte, mit 
den übrigen Herausgebern in IfT) ni ttndem ist. Dass aber Uerdurcb 
alle Fehler beseitigt seien, kann kih nicht zugeben. Das «dxetvoc in den 

Worten xdxeivo; unoXaßod^ f^fj setit voraus, dass die andere 

Gesprächsperson genauer bezeiclinet war als dies jetzt in den Worten 
Tl TOuT £^p7j geschieht. Ks scheint mir daher unumgüntilii)» dieses £cfTj 
in £'fTjV zu ändern. ArisiuUles war es hiernach, der du kurze Zwischen- 
frage stellte, und für den lüugcren Vortrag, den dieselbe unterbricht, 
bleibt dann nur Budemos übrig. Natürlich war dem Andenken desselben 
nur noch mehr gedient, wenn er nicht bloss den Anlass cum Gesprtfch 
gab, sondern auch die HaupUvlle darin spielte. Ausser an Sokrates und 
den Phaidon erinnert in diesem Fall der aristotelische Dialog an den 
Octavius des Minucius Felix, der, wie uns hier ausdrücklich gesagt wird, 
dem Andenken des Octavius gewidmet war und worin dieser den Haupt- 
voriraj: hHlt. Vgl auch was unten über den Kallisthenes des Tbeophrasl 
l^cmerkt werden wird. 



Arlslotdles bildel die platonischen Dialoge nach. 287 



festeste gehalten hatte, die Ideenlehre, mittlerweile hinfällig 
gewarden war und durch andere ersetst werden nrasste^). 

Den vielföltigsten Anlass sur Erläuterung und Kritik mochte 
dem Aristoteles Piatons grösstea und am meisten systematisches 
Werk, das über den Staat, gewähren, dem er eine Reihe von 
Schriften gewidmet hat. Auch hier verfuhr er als apolo- 
getischer Erklärer, indem er unter der paradoxen Httlle der 
platonischen Lehren einen wahren Kern hervorsuchte und sie 
dadurch für ein grösseres Publikum schmackhafter madite. 
Yonflglieh gflt dies von Aristoteles* grOsstem Dialoge, dem 
ȟber die Gerechtigkeitt. Von einem Idealslaat war darin Deber die 
kaum auch die Rede 2), wohl aber hatte auch er darin die 
Gerechtigkeit nicht schlechthin sondern als das einzig sicliere 
FundaiiK nt ji d* s Staates gepriesen 'i. Eine der bedcDklichsten 
Paradüxien unter den vielen der Republik, dass entweder 
die Philosophen regieren oder die Regenten philosopLireu 
sollten, hatte Aristoteles in der Schrift »vom Königthum« Vom E6nig> 
(fr. 79) dahin gemildert, dass die Könige gut daran thun 
würden, Philosophen zu Rathe zu ziehen und ihnen Gehör su 
geben f und durch diese kleine Aendenmg, wie ein späterer 
Berichterstatter bemerkt^), den platonischen Satz wahrer ge- 
macht. 



I) Beroays, Die Dial. & 15 f/ 

t) AoMer anderen folgt dies aus Cicero de rep. III i%: alter (Arl> 
stoteles) de ipsa justitla quaitiior inplevii sane grandes fibrös. 

3} Das iSsst sich wenigstens aus Tr. 71 scliliessen. Weiter liegt 
eine Anlehnung an Piaton auch darin, dass er in diesem Dialog noch an 
tWr DnMtheihing der Seele festhielt (vgl. Hernies X S. i , die ja auch 
von (Maton in krinoni anderen Work mit solcher Kntschiedcnhcit voll- 
zo^'Pti wurde. Wenn sodann i'liiton im /woiloii IJuch seiner Republik, 
also noch iu den Antaugen iteioer positiven Erürloruageu, die Forderung 
Stellt^ dass, um den wahren Werth der Gerechtigkeit wie der Ungefech- 
tigkdi IU erkennen, man beide auf ihren Gipfel treiben nnd dort be- 
tnebtea mttsee, so scheint derselben Ansicht auch Aristoteles gefolgt zu 
sein: denn in dem ersten Buche hatte er Ton einem Spitsbnbeo Eury- 
bates gesprochen (fr. 73), dessen Kunst und Schlauheit so gross war, dasM 
sie ihn leicht der verdienten Strafe entzog, und dadurch nur mit andern 
Mitteln dasselbe Bild eines scheinbar jzluekiichen Ungerechten {geschaffen 
wie Piaton, der zu (iieseni Zwec k seinem Lugerechten den unsichtbar 
macbeodeo Bing des Gygcs an den I'iiiKer gesteckt hatte. 

4) Themist or. 8 p. 48S Dind. 



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288 



m. Der VerfaU. 



Dass der Yt ifiihser unserer Poetik auch diejenigen Ab- 
schnitte der Republik einer {zenauen Prüfung unterworfen 
hat, die sich auf das Verhältniss der Dichtkunst zur Philosophie 
beziehen, versieht sich von selber. Auch hier bot sich ihm 
die von ihm so gern ergriffene Gelegenheit eine platonische 
Schroffheit zu mildem, die hier wie überall ihre Quelle in 
der Anschauung hatte, dass gegendber der Philosophie und 
ihren Forderaogen jedes andere mensehUche Streben inrQck- 
treten mOsse, und deshalb so dem Ergebaiss gelanglej daes 
die grossen Diehter der Griechen, Homer an der Spitse, auf 
gute Art aus dem Husterstaat zu entfernen seien. Im Anr 
schluss an diese platonischen Erörterungen, die sofaliesslich 
auf das dem politischen analoge Paradoxon hinausliefen, dass 
entweder die Philosophen dichten oder die Dichter philo- 
sophiren müssten, hatte Aristoteles die ganze Frage nach dem 
Von den Dich- Verhültniss von Philosophie und Poesie in seinem Dialog M on 
den Dichtern« besprochen'}. In seiner Weise ging er a il <lie 
Erfahrung zurück, die ihm die \\ rihi heit der platonischen 
Ansicht nicht bestätigte; an Beispielen aus der Geschichte, 
wie sie zunächst die sokratischen Dialoge, dann die Werke 
des Knipedokles und Kuripides darboten, zeigte er, dass. wenn 
einmal nach der platonischen Yorschriil, sei es nun die Philo- 
sophen gedichtet oder die Dichter pbilosophirt hätten, dadurch 
entweder die Philosophie oder die Poesie zu kun gekommen 
sei 2). Vielmehr erst wo diese beiden rein auseinander ge- 



4; Gewöhnlich sieht man in iht'M?in Dialog ein rein historisches Werl», 
das fai dieser Hinsicht die theoretischen Erörterungen der Poetik ergilmte. 
Bei dieser Annahme scheint man sich aber nicht recht klar gemacht zu 
haben, wie eüie Geschichle der Dichtkunst Gegenstand eines Dialogs, 
selbst eines aristotelischen sein konnte. Aber auch die Fragmente führen 
TU einer andr>ren AufTassung. Denn sehen wir vorläufig von den aus dem 
ilriltcn Buch cilirten ab, die nachher ihre Erledi^nnfr finden werden, "o 
bezieh«*n <ich diesolbon. «o woH sjo mit Sicherheit diesem Dialog 7u- 
j?evi.a\'<en werdiut kunueu, aiil die '»okraltschcn Dialoi.'*- und auf die Dich- 
tungen des Euipedukles und Euripides, d. i. aui Werke, in deren jedem 
wenn auch in verschiedenem VerhKltnlss Poesie und Philosophie eine Ver* 
binduDg eiQgegangen sind. 

S) Die Aeusserung des Aristoteles über Piaton (fr, 6S), dass seine 
Durstoliungswoise die Mitte halte zwischen poetisdier und {Nrosalseher 
Rede, und der Vorwurf, den er g^en ihn erhebt, dass er statt die Sache 



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Aristoteles bUdet die ftlatonischeD Dialoge Dach. 



halten worden, haben sie die höchsten Wirkungen hervur- 
gt4)raclit: darum wies Aristoteles ouf Sokratos hin, der in 
der Akademie noch immer als der grösste Philosoph gefeiert 
werden mochte und doch eigentlich oiemals Dichter gewesen 
war, sondern erst in den letzten Tagen seines Lebens sich im 
Versifisiren einer Ssopischen Fabel versuchl hatte, und auf 
Homer, den Diehterfttrsten^ in dessen Gedichten sich nirgends 
wie bei Hesiod die AnfSnge philosophischer Grübeleien fanden. 
Gerade hier mochte sich aber auch wieder die innere Wahr- 
heit der platonischen Paradoxie leigen. In der That ist es 
nur ein gewisser philosophischer Sinn, der den Dichter su 
dem macht was er sein soll, insofern die Darstellung des 
Allgemeinen, nicht des Einzelnen die Aufgehe der Dichtung 
ist, und so konnten ziini Schluss des aristotelischen Dialogs 
Sokrates. der zuerst mit Bewusstöein die Forschung auf die all- 
gemeinen BegriÜe gerichtet hatte, und Homer, der vor Andern 
den Namen des »Dichters« führte, sich versöhnt die üände 
reichen *). 

So scheint es, dass auch in diesem Falle die Kritik, Sri uk dar 
welche Aristoteles an der platonischen Theorie übte, nicht 
lediglich destnictiv^ war, wie man sie sich gewöhnlich vor^ 
stellt, sondern erUutern und dadurch retten wollte. Das- 
selbe gilt von seinem VerhSltniss zur Ideenlehre, das man 
sich m'cht als ein rem polemisches vorstellen darf. Im 
Gnmde war es doch nur die Transcendeni, die er be- 
Umpfte, und dieser Paradoxie entkleidet, zeitgemiss modifisirt, 
lebte die platonische Idee wieder auf in der aristotelischen 

Ulli 1 Ii rem rechten Namen zu bezeichnen poeiische Metaphern brauche 
(Metapb. I 9 p. 991« ii}, sind bekaont; ebenso die Stelle in der Poetik 
(1 p. 4447*» 17 t)t wo er dem Empedoldes das Recht bestreitet fttr etoeo 
Dichter lu gelteo. 

1} Auf diese Weise wird veratSndllch, waniin die beiden auf 8o> 
kraies und Homer bezüglichen Fragmente des Dialogs (63 u. 6S) gerade 
dem dritten und letzten Buch desselben angehören. Ich setze voraus, 
da«.s man sich der Stelle in der Poetik erinnert ^8 p. «451^ 5 fT. wo die 
Dicfjtkiinst für iihilosophisrhcr erklärt wird als die Geschichte, weil sie 
da» »liJoAoj zum Gege»i>tand hat, und ebenso anderer Stellen in der 
Metaphysik (bei Benitz im Ind. p. "thi^ iij wo in das OeflirireQ des 
vSUhwf das eigeBthaailicbe Verdienst des Sokrates gesetit wird. 

Hirs«l. OUlof. IS 



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290 



III. J>er Verfall. 



Knteiechio. Vollends in dipses Licht wird das Verfahron des 
Aristoteles ijerückt, wenn wir zugeben, dass die Erörterungen 
des Sophistes und Pannenides eine Selbstkritik Piatons ent- 
halten, die ebenfalls zur Immanenz der Ideen drängt*). Aber 
auch hiervon abgesehen konnte Aristoteles für sein allgemeines 
Recht die Ideenlehre zu bekfimpfen sich auf Platons Vorgang 
berufen. »Wahrheit geht vor Frenndschafti hatte dieser aus- 
gerufen als er sich anschidLte gegen Homer, den Liebling 
seiner Jugend, su streiten und denselben Ausruf wiederholte 
Aristoteles, als er far sieh das Hecht cu einer Kritik in An- 
spruch nahm, die sich gegen die Grundlchre seines Lehrers 
wandte Piaton hatte jene Aeusserung in der Republik 
gethan und in der Republik findet sich auch <b*e am meisten 
systematische DarsfoHung der Ideenlehre. So ist es dasselbe 
Werk, das Aristoteles den meisten und nächsten Anlas*^ zu 
seiner Kritik gab und das ihm zugleich eine Richtschnur war, 
wie er sich bei dieser Kritik zu verhalten habe*}« Mochte er 
Piaton zustimmen oder mochte er sieb gegen ihn erklären, 
im Guten wie im Bdsen blieb Aristoteles Platoniker ^) , nicht 
anders als Piaton selber noch bis in sp8tere Dialoge hinein, 

i) Beiläufig gesagt, ompfiehll sich die Anoahmc oiner solchen Selb^t- 
kritik schou deshalb, ^veii der durchgängige Abfall vun der ursprüDg- 
tiehen Form der Ideealehrei den wir in der platonischen Schale bemerken, 
kattm anders als aus dem Vorgang des Lehrers selber erkUfrt werden kann. 

8) Rep. X S9SC. 

3) Wenigstens in der Nlkom. Eth. I 4 p. 1096» 41 fT. Berühmt sind 

hier besonders die Worte geworden : da^poiv fdp ri/Tot-^ '^!).otv ^:tOM rrpoTt- 
}xäv Ti^s ä).7jHctav. Der Anklang an Platons Worte in der Republik dXV 
O'j ifoip rpö Tfj? ciXT^ftefa; TijjLT,T£o; ävf,p ist iiTiv-rkennbar. Eine ähnliche 
Aeusserung scheint aber Aristoteles auch in <l< i) Dialogen gethan zu haben 
nnrh fr. 4 0. Zu verglciclicn ist ferner noch was Aristoteles in der Me- 
laph. A 8 p. t073b 45 f. und Piaton im Phaidon p. 91 C sagt. 

4) Oh' Aristoteles diesen Ausspruch gerade im Dialog tftXoe. that, 
dem man ihn gewöhnlich cuweist (Bemays Dial. S. 4S}, ist mir zweifei« 
haft. Von der Idee des Guten zu reden hatte Aristoteles auch im Dialog 
z. ((xa(o~. Gelegenheit und im Zusammenhang mit einer Erörterung Uber 
Jene steht der Ausspruch in der NikomHchischen Ethik a. a. 0. 

5; Dahfr führt er noch in den erhaltenen Schriften platonische An- 
sichten mit tincm »»wir siiizm« und ähnlichen Wendungen ein. Bloss. 
Rh. M. S. Vj2 sieht in diesem »wir" ein Kennzoiehen solcher Stücke, 
die den Dialogen entlehnt .sind. .liMlenfalls kimii luiiii nicht, wie Dirls in 



Aristoteles. Personen seiner Dialoge. 



^91 



in denen er längst den Kreis des sokraysohen Forschens oder 
doch sehler Resultate ttbersohritten hatte, als Sokratiker gelten 
wollte. 

Hätten nicht Piatons Ansichten in seinen Werken be- 
glaubigt vorgelegen und wäre er firOher gestorben zu einer 
Zeit, da Aristoteles noch jünger und weniger entwickelt war, 
so würden wir wahrscKeinlich Piaton in den aristotelischen 
Dialogen dieselbe Holle s])ielen sehen wie sie Sokrates in iU'U 
platonischen spielt; und wie es uns dort jetzt schwer fällt in 
der Per>ri[ili<likoit des Sokratos das echt Sokr;itische vom 
Platonisrlicii zu sclteidt'ii, so \vür(it'ii wir i s dann nicht leichter 
haben dm Piaton der aristotelischen Dialojju auf seinen histo- 
rischen kern zurückzuführen. Dass dies nicht geschah, licfjt 
daran dass in diesem Falle die Individualitäten des Lehrers 
und Schülers su bekannt und ausgeprägt waren um eine ähn- 
liche Vermischung zuzulassen. Aristoteles musste sich daher SchükrFUtooB 
nach andern Stellvertretern umsehen und wählte sich natür- 

personan* 

Uch Schüler Piatons. Einer derselben war, wie es scheint, 
der korinthische Baner, der im sogenannten Nerinthos eine Vwtatboi. 
Haupirolle spielte. Er war in Athen durch die Schule Piatons 
gegangen und, wie wir vennuthen dUrfen, in seine korinthi- 
sche Hehnath lorttckgekehrt, wo er nun als eine Art »Socrate 
mstique« das neue Evangelium auch Anderen verkttndigte 
Seiner gansen Natur nach eignete sich dieser Bauer vortreiTlich 
dazu zwischen dem schroffen Idealismus der platonischen Ethik, 
wie ihn der durgias zeigt, und dem wirklichen Leben zu ver- 
mitteln, die pintonischen Ltlii\n zu popularisiren und so in 
einer Weise zu modifiziren, die gerade dem Sinne des Ari- 
stoteles genehm war; und der letztere brauchte sich um su 
weniger zu scheuen ihm seine eigenen Ansichten in den Mund 
zu legen, da die Persönlichkeit jenes Bauern kaum im vollen 
Licht der Geschichte stand, vielmehr wohl ähnlich wie die 
IKotima des Symposions halb in mythischer Dämmerung ver- 

6er. d. Berl. Ak. fSS3S. 4SS, 1 wollte, dieses »wir« tu einem blossen 
• man« verflürhliscn. 

<) Erst so, v.enn wir amiehmt ii. dass der Dialog in Korinlh spielte, 
begreifen wir, dass Tbemlstios ihn ab »■koiinthisuhca Dialog« bezeichnen 
konnte (or. 33 33S Dind.)- 



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29S 



lU. Der Verfall. 



schwand. At hnÜche Rechte raaasstc sich Aristoteles über 
fiademos. Eudemos an, der nicht mehr unter den Lebenden war als 
Aristoteles einen Dialog nach ihm benannte und der deshalb 
auch nicht dagegen protestiren konnte dass ihm dort eioe 
aristotelische ModilicatioD der platonischen UosterbUchkeitslehr« 
in den Mund gelegt war (s. o. S. 285, 2). 
Aristoteles Dieso Dialogo mOgoB beide noch der froheren Zeit des 
^elraof. Aristoteles zugewiesen werden. 0och kOndigt sich fttr uns, 
wenigstens in dem zweiten derselben, eine wichtige Neuerung 
an. Aristoteles trat darin selber redend auf, wenn auch noch 
nicht als Hauptperson Wie es der historische Solvates lieble, 
enShIte er ein GesprSch, das er selber einmal mit Eudem ge- 
ehrt (o. S. 285, 2). Das war ein wichtiger Schritt. Piaton 
bleil)l bekanntlich in seinen Dialogen mit seiner eigenen Person 
ganz im Hintergründe und neuut sich nur dreimal beiläufig, 
Xenophon erziihlt zwar einmal in den ÄJeiuorabilien ein Ge- 
sprcich, «las er mit Sükrates gehabt, spricht dabei aber, in 
der grossartigcn objektiv dramatischen Weise der alten Zeit, 
von sich wie von einem Dritten ; Aristoteles ist, wie es scheint, 
unter den Dialogenschreibern der Erste, der es gewagt hat 
mit einem »Ich sagte« sich selber redend einzurühren und 
dadurch die Identität einer Gespr&ohsperson mit dem Verfasser 
ganz offen auszusprechen. 
Arifttfttal«! bat Dieser eine wichtige Schritt zog bald einen weiteren 
di«Eeikptn»]]» luioh sich, dass nftmlieh Aristoteles in seinen Gesprftdien 



lj Duicli die bekannten Worte des ciceromschen Briefes an Atticus 
(Xlll <9.4) sind Nvir kt in. sw « l^s geruithigl nnzunehmen , dass Aristoteles 
in allen seiuca^Dialugeu ledeud auitral, und uocli weniger, dass er in 
allen den Hauptvortmg hielt. Nor so vi^ folgt daratu, daas dies das Ge- 
wöhnliche, DameoUich in seinen spSlereo Dialogen ^ut. Dieser Gewöhn* 
heil schliesst sich auch an der VeriMser des Dialogs »vom Adel« (wenn 
dieser Dialog nicht von Aristoteles sein sollte, vgl. Inimisch ConuiK iilt. Ribb. 
S. 7i> IT.). indem er den Aristoteles einen Dialog erzählen lässl in der- 
>rll I II W( die wir vom platoni-^rhen Sokrates kennen daher da«, 
\\ it'(]».'r!tolU; £-j.t,v fr ii. S5 d.r Akad. Ausg.). Anuu<Mims t\\ Cat»'-. 
fol. 6 B lasse ich nucli Krieche Forsch. <4 f. nalürhch bei lialachei- 
dung dieser Frage ganz bei Seite (vgl, noch Hcitz Die vcrl. Sehr. S. 15i,. 
Eher konnte man aus Cic. ad Quint fr. S, 5: Arislotelem denique quae 
de repubiica «t praestante viro scribat ipsam loqui schllesaen, dass 
Ariftloteles Uber andre Dinge nicht in eigener Person gesprochen habe. 



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ArUtotAlM. Personen Miner Dialoge. 



293 



sich anch <i?V Hauptrolle zutheHte ^' . Der noch ganz jugend- 
liche Schriftsteller wird es kaum gewagt haben in dieser Weise 
sich vom platonischeo Vorbild zu entfernen; es setzt dieses 
Herv^ordrSngen seiner eigenen Persönlichkeit eine Zeit vor- 
aiis, in der er auch wissenschaftlich schon selbständiger ge- 
worden war. Daher bemerken wir, dass er die Kritik der 
Ideenlehre in eigenem Namen gab (f^. 40). Niehl anders soll 
er aber anch da verfahren sein, wo er ide republica et 
praeslante viro« sprach (Cicero ad Qointum fir. 3, 5). Das- 
selbe müssen vrir noch von mehreren, ja den meisten seiner 
Dialoge annehmen, die nicht umsonst ihren Namen vom Inhalt 
nnd nicht wie die platonischen von den Personen' habend). 
Hiemach kOnnen andere Gesprfichspersonen neben der regel- 
mässigen Hauptperson, Aristoteles, nur sehr wenig hervor- 
getreten sein. 

"In welcher Weise im Uebrigen sich der > principataso Worin d« 
des Aristoteles, von dem Cicero spricht' , geltend machte, 
wissen wir nicht genau. Die cilirten Worte Ciceros weisen 
uns zunächst darauf hin, dass wir aus dessen Dialog de 
finibus uns ein Bild der aristotelischen su machen suchen. 

1} Ausser der gleich aazudeulenden ürsacbe künnen ihn hierzu noch 
swei Gründe bewogen haben. Zuerst die Beobachtung, dass platonischen 
Dialogen gegenüber die Leser vielfach Aber die Ansicht des Veri^issem 
tan QnUaien waren und genauere Angaben darüber venniseten. Und er 
•elber scheint sich den Dialogen seines Lehrers gegenttlwr in keiner 
andern Lage befunden zu haben: wenigstens v:o er n\i< den platonischen 
Dialogen citirt thut er dies in der Rccel nicht mit IMafmis. sondern mit 
Solirates' Nanieu. Wie wir daher Cicero ähnlichen Wunschen des Publi- 
kums (oai. deor. I 3. -10) Rechnung tragen sehen, indem er zum Schluss 
seiner Bücher »vom Wesen der Götter« ausdrückJich erklärte, welche 
der vorgetragenen Ansichten ihm die wahrscheinlidiste dilnlitef so konnte 
ans dem gleichen Grunde, um die Neugierde seiner Leser zu hefriedigen» 
auch ArlBl4>teles in seinen Dialogen sich aelher redend eingeführt haben. 
— Za diesem Grund kommt noch ein anderer, dass nämlich Piaton 
selber längst in seinen Dialogen thatsächlich die Hauptrolle gespielt hatte, 
nur unter der Ma<;ke des Sokrates. Aristoteles that also weiter nlchtSi 
als dass er die fremde Maske abwarf. 

2) Eine Ausnahme machen N-^tptvftoc, EWTjpio; und PpuXXo;, von 
denen schon die Rede war (S. 291. 285, 2. 282, 2]. 

$} ad Att Xm 49, 4. Aehnlioh -^,-re(j.ovta bei Plutarch Non poeae 
Bunv. vivi sec. Bp. i p. 4087 G; ^^y'I'^ ^^^^ staatsrecbtUch das 
rtfmische prtnceps wieder Mommaen Staatar. II' 750, s. 



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291 



III. Der Vorfall. 



Dann wOrde Aristoteles, gerade wie dori Cicero Ihut, die von 

Andern vorgetragenen Ansichten der Reihe nach kritisirt haben. 
Aber bei der blossen Nogalion wird er es kaum haben be- 
wenden lassen, da er nicht wie Cicero Skeptiker sein wollte, 
sondern wird auch seine eigenen Ansichten positiv dargelegt 
haben*). So kommen wir zu der Annahme von längeren 
Vorträgen, die er über gegebene Frobieme hielt und die nur 
durch kurze Zwischenfragen, vielleicht ungenannter Genossen 
(itotpoi) unterbrochen wurden 2). In verschiedenen Dialogen 
kann übrigens sein Verfahren ein verschiedenes gewesen sein. 
Dialog nnd Im dioDysischon Guit liegt eben deshalb der Ursprung 
Dnma. Dramas, weil er den Menschen nOthigte aus sich heraus 
SU gehen: im Drama verschwindet, wie wir noch in einer 
modernen Poetik (bei Scherer S. 254) lesen, der Autor vUllig. 
Mit einzelnen Zfigen seines Wesens mag der Dichter diese 
oder jene Figur seiner Dramen ausstatten, seine Gedanken 
und Ansiditen durch sie verkUndig«! lassen wie dies Euri- 
pides unzählige Mal gethan hat; aber sich selbst, dieses ein- 
zelne Individuum mit dem eigenen Namen, konnte er un- 
möglich auf die Buhne bringen ohne gegen die Natur und 
Gesetze alles dramatischen Schaffens zu Verstössen. Die schein- 



4} Was Cicero ad AU. II S, 3 schreibt »in qua 'S.mv.pvzvtA^ tic exal- 
TEpov, sed tarnen nd cxlremum, ut Uli solobant . t-^,v ä.oeaxo-jw/«. \M'>1 
sich wohl auch auf (Wfsc aristotoliscbo Wol^ des Dial(^8 boziehoD^ die 
plaWnisihc if't sie iiam gewiss nicht. 

2) Solche uiigenanuto ixoXoai machen aich im Lauf der Ges^cbichtc des 
Dialogs immer breiter. Uan vergleiche die Rolle, die sie in deo aoecbteo 
unter Piatons Namen gehenden Dialogen spielen, mit der, auf die sio In 
den echten hesebrtlnkt sind. Man kann auch an Senecas Dialoge orinoeni, 
in denen zwar eine gewisse »dlalogonim altercatio« (de benef. V IS, S) 
gebUeben ist, die Personen der Gesprächstheilnehmor aber neben Scneca 
volfkoninx'n verblicJien sind. Dass Scneea liicrin dem Vorbild des Arislo- 
lelt's gelol|;t sri. hal auch schon Rns'^hach im Herraes 17 > ir.S. \ ange- 
nommen. Jedenfalls haben wir allen Grund das »quasi« , witinii (in l.\(ler 
^*riscianus prooem. solut ad Chosr. 6. 42, 2 cd. Bywater das Werk »\od 
der Philosophie« nur in beschrünkler Webe des Namens »Dialog« für 
würdig erkitfrt (ei bis quae quasi in dialogis seripta sunt de Philosophie 
et de llundis\ nicht, wie gesch^en ist, leichtsinnig bei Seite m Selsen. 
Zn ver^leii hen ist mit diesem «qoesi in dialogis* der Ausdruck bei 
Pbotios bibL c. 37: dvc7v<&30i) [Iipi roXiTtxT); is otaXöy^ Mijvdv 



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Aristoteles. Personen. Dialof; und Drama. 295 



baren Ausnahmen bestiitigen nur die Regel. In der Oeiavia. 
die unter Senecas Namen auf uns gekommen ist, tritt aller- 
dings Seneca selber redend auf; aber das ist nur ein Zeichen 
mehr, dass Seneca eben nicht der Verfasser dieses Stückes ist. 
Und KraftiDOs' Wagniss, der in der letzten seiner Komödien, »der 
Flaschet, siek selbst dem Spotte des Publikums Preis gab, 
bat keinen Nachsluner geAmden ^) und ist auch davon abge- 
seben nur ein neuer Beweis dalür, dass die altattische Ko- 
mödie eben ihr Wesen darin fand sieh Ober alle sonst gel- 
tenden Gesetse hlnwegsuselsen. 

Wenn also Aristoteles sich selber redend in seinen Dia- AiittoMU« 
logen einfthrle, so gab er eben damit den *'Mn**i»cben 
Charakter des Dialogs auf, der bei Piaton uns in vielen rakter de« Dia- 
Spuren entgegentrat, der aber von Ari>totcles auch noch in 
anderer Ilinsicht verletzt wurde. Die Gliaiakteristik der Ge- 
sprächspersonen kann, wenn wir vom Nerintlios, dem Eudem 
und etwa dem Symposion abschen, in der Mehrzahl seiner 
Dialoge nicht so lebendig gewesen sein wk in den Platoni- 
schen, wo man sie vor sich wie auf der Bühne agiren sieht: 
denn sonst wUrden mehrere derselben nach den Personen und 
nicht nach dem Inhalt den Namen tragen. Ebenso wenig dürfen 
wir bei ihm eine so kunstvolle Anlage des ganzen Dialogs 
voraussetsen, um derentwillen bei Piaton der Verlauf des Ge- 
sprtfihs uns an den Gang der Handlung im Drama erinnerte; 
sicher ist, dass ein Haopterfordemiss hierzu, die Proömien, 
in denen Piaton edit dramatisch die Exposition der folgen- 
den Entwicklung gibt, bei ihm fehlten^. Dieser Umstand ist 
höchst merkwürdig darum, weil er ebenso eine Abweichung 
des Aristoteles vom alten klassischen Drama wie ein Zusam- 
mentreffen mit dem späteren bedeutet ^J. 



4} Attflgenommen vielleicht den Könier Baibus der in einer zu Gades 
43 V. Chi Hufpeftihrtcn praetexta seine diplomatische Reise zu Lentulus 
auf die butine gebracht hatti> und bei der Vorstellung derselben vor 
Riihruug uberfloss (CicorJi ad fam. X 34, 3]. 

8j ProOmien hatte er nur im Sinne von Vorifden Das er{j;iebi 
sich ans der Yergleichuog von Basilios Epist 4S7 T. III S. 187« (lleitz 
Verl. Sdir. S. 44«, 4) und Cicero ad Ati IV 4S. Vgl. daxu Helte a. a. 0. 
a 451. o. S. S75 f. 

8) Auch die Rhetorik der Zelt zeigt Aehnliches. Vod der Vorrede, 



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296 



Iii. Der Vorteil 



Parallele iwi- Zu den Symptomen des Verfalls der Tragödie gehört es, 
tpitorauDniDa ^^^^ Elemente derselben sich soodero, das feste GefÜga 
und d^m ari- der Theile, die bis dahin sieb su einem wundervollen Gänsen 
'^Mof^'^ verbanden, sich lockert. Chor und Dialog, bei Sopbokles noch 
auf eioander gewiesen wie Glieder Eines Leibes, werden bei 
Euripides mehr und mehr steh fremd; die Exposilien des 
Dramas, der Prolog, von Sophokles noch in den Gang der 
Handlung hineingezogen, wird unter der Hand des Euripides 
SU einer Vorrede, die nur noch Susserlich mit dem Qbrigen 
Körper des Dramas fusammenbängt. Nach Shnlichen Gesetsen 
vollzieht sich die Entwicklung der Komödie. Ein Wort über 
Gegenstand und Art des Stückes vorauszuschicken — dies 
Bedürfniss empfand trotz ihrer Parabase bisweilen auch die 
allatiische Komödie; aber sie befriedigte es nicht auf Kosten 
der künstlerischen Einheit sondern was sie in dieser Hicblung 
zu sagen hatte, das suchte sie in den Dialog des Dramas ein- 
zufügen'). Die mittlere und nene Komödie, vielleicbi durch 
den Vorgang des Euripides ermuntert^), ging weiter und gab 
dem Prolog die Gestalt, die wir aus den Nachahmungen des 
Plautos und Terens insbesondere kennen, d. h. die eines selb- 
stfindigen Einseivortrags, in dem der Dichter unter verschie- 
denen Formen Gelegenheit findet sich und sein Stflck dem 
Publikum su empfehlen. 

Wie die TtagOdie des Sophokles In dieser Hinsiohi su 



die Isokrates seiner Antldosls vorausgeschickt hat (1—14), fuhrt kein 
vcrmilteln«!' ! t 'Lorgang zur eigentlichen Rede, welche 44 begioiit. Nach 
Quintilian Iii 7, 9 wären schon tsokrate«? in dpr Helena nnd Gorgias im 
Olvrnpikos so weit t-'ewesen . (la<?<! sie nni'u Vorzuj^ darin fanden die 
I i II [hicn ihrer Reden mit einem dem HauptUieil möglichst frenriden In- 
halt zu füllen, und Satlust hatte stich in dieser Beziehung an sie ange- 
schlOMen. Das wttre im eigenUichsteD Sione rhetorischer haut got&t 
gewesen. 

1) Der Art ist was Arfstophanes In den Wesp. S4 ff. dem Xanthias 
and im Frieden SO ff. dem einen Sitlaven des Tk7gaio< in den Mond ge- 
legt hat und was wir Ritt. 36 ff. lesen. Die aristophanischen Prologe 

vergleirht mit den Furipideischen auch Fr. Krihler De Aristoph. licclesia- 
zuson tempore et choro S. ä«. Vi'l jetzt noch Paul Trwutwein de pro- 
logoruin Plautinorum iiuiolo alque nnlura Berlin. Diss». i8yO, S. 45. 

2) Von den Gutlera des Euripides bis zum 'CXe^/o« <l>6^o; und 
'At)f>, die io dar neuen ILomödie Prologe sprechen, war kein weiter Sduitt 



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ArtsloleleA. Dialog uod Drama. BiDthoHung In Bttdier. 297 

der des Kuripidcs %vie die alte Komöd!»» zur niitfVren 
nnd neuen, so verhält sich der Dialog Piatons zum aristo- 
telischen. Die platonischen Dialoge bilden noch jeder ein 
Gaofes, dessen sSmmtliche Theile eng unter sich zusammen- 
lülngen, dessen Proömion auch da wo es verhMltnissmässig 
umfangreich nod selbstfindig ist, wie in der Republik*), doch 
in den Gang des GesprSchs mit hinetngesogen ist. In den 
aristoteliscfaen Dialogen war dieser organische Zusammenhang 
serrissen: mit den Vorreden, in denen der Sebriftsteller sum 
Leser sprach, stand das folgende Gespiüch nur in fiusserlicher 
Verbindung. Diese Uebereinstimmung in der Entwicklung 
zwischen den beiden Arten des Dramas einer- und dem Dialog 
andererseits wird man nicht zufällig nennen wollen. Dass 
freilich der EinHuss des Euripides sich bis auf das Gebiet 
des Dialogs erstreckt habe, ist nicht anzunehmen. Wohl aber 
erinnert uns diese Gleichartigkeit der Entwicklung an die ur- 
sprüngliche Verwandtschaft zwischen Drama und Dialog. Bei- 
des sind Formen der Darstellung, die darin ihre Bedeutung 
und ihr Wesen haben dass der Künstler in ihnen vollständig 
surQcittritt; beide stellen aber ebendadurch Anforderungen 
an den Menschen, denen dieser nur kurse Zeit su genügen 
vermag. Zeitweilig unter dem Druck allgemeinerer Verhält- 
nisse Usst sich wohl die Persönlichkeit des einselnen Menschen 
so mrackdrfiugen, wie es Drama und Dialog verlangen. Dann 
getrieben von der nie rastenden Selbstliebe arbeitet sie sich 
wieder durch: Euripldes benutzt den Chor und die Personen 
seiner Dramen um durch sie seine eigenen Ansichten über 
die Welt und der Menschen Thun und Treiben an das Pu- 
blikum tu bringen, Aristoteles führt sich gar selber redend 
in seinen Dialogen ein; nur ein Symptom weiter dieser am 
Wesen des Dramas wie des Dialogs zehrenden Krankheit sind 
die [*rologe der späteren Dramatiker wie des Aristoteles. 

Von den AnHingen der Dialoge ausgebend ergriff dieser Ei&tiieüiing in 
Auflösungsprocess auch das Innere. Auch hier beobachten 

1 ) Natürlich weiss ich, dass auch Sophokles bisweilen Euripidelsche 
Prologe hatte. 

S) Dass hier ein Theil ansdrttciclidi eis Prooimioa beseldioet wird 
(U p. SS7 A), meg oiaii schon nie ein Zeichen der beginnenden Auflösung 
Machten. 



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^98 ''l- l'^-"!' VlMfull. 

wir dasselbe zuuächät am Drama. Wniirt iid man mil Recht 
die geschlossene Einheitlichkeil der sophokleischen Dramen 
bewundert, hat man von jehrr heobachtet, dass Euripideiscbe 
Stücke wie namentlich die llekabe und der Herakles in zwei 
Hälften aiiseinancier klaffen . die zwar äwsserlich aneinander 
gereiht, aber nicht innerlich zu einem organischen Ganzen 
Aehniichkeit vereinigt sind. Ja in dem einen der beiden angeführten Fälle 
^ft «r£ w^Pri- ^'^^ beiden Theile des DraBias sogar durch besondere 
DQM. Prologe bezeichnet : den Prolog zum ersten Tbeil der Hekabe 
spricht Aiiq;ihHryon, den vom sweiten Iris und Lyssa. Ein 
überrasohendes Seitenstttck hierzu bietet der aristotelische 
Pialog. 

Pi»t»i ud WShrend Piaton noch alles daran setzte damit seine Utera- 
^'^'^^^^ rischen Werke als künstlerische Ganze erscheinen, scheute sich 
Aristoteles nicht die seinigen in mehrere Theile zu zerreissen 

und diese Trennung ausdrücklich durch besondere den ein- 
zelnen Theilen vorauBgeschickte Prooimien zu sanktiuniren 



Dn.ss Aristoteles den einzelnen Büchern, in die er seine Dialoge 
«erlegte, je besondere Prooimien vorausschickte, ergiebl sich aus Cicero 
ad Atl. lY 46, 9. So urtheilten wenigsteos Helte V. Sehr. S. 158 vod 
BIrt ant. Buchw. S. 47S ff. und ich selber halte mich darüber schon im 
Herrn. X S. 80 in einer Weise ausgesprochen, an der Ich auch jetxt noch, 
nur mit einer geringen Modin( iilion s u.), festhalte. Ohne eigentliche 
Gründe anzurühren glaubt Diels jetzt im Archiv f. Gesch. d. Philos. I 
S. 'iS', (li(S(> Ansicht zurückweisen zu können. Der einzige Grund, den 
er wirklirh hcihrinirt. heniht m\f rjncni Mi^-^vorstHndni'ss. »Sollte, fragt 
er, ein(^ nur in den ganz. vereiuzeUen mehrbäudigeu Dialogen mu^licht' 
Anordnung von Cicero als Typus aristotelischer Kompositionsweise hin- 
gestellt worden sein?« Ich antworte darauf dass Cioaro als den aristo- 
telischen Dialogen eigenthttmlich wohl etwas beieicbnen konnte, was sich 
nur in diesen, wenn auch nicht in allen fiind. Die ciceronlachen Worte 
lauten: itaque cogttabam, quoniam in singulis libris utor prooemiis, ut 
.\ristoleles in eis. quos e^toTeptxoj; vocat, aliquid efticere, ut istum non 
sinn rausa appellarem. Hiernarh s(f»llf irh di«* Frage: i; Kam e?? Cirero 
hier wirklich, wie Hernny.s unU wollen, nur darauf an dir Ki- 

schutlt iilit'il der i'rOiMiiien, ihr Verhallniss zum folgenden Dialog zu 1k'- 
zeichuen, warum sagt er dann »in singuiis libris" und nicht einfach 
■in libris mors«? Denn die Beschaffenheit der ProOmien blieb dieselbe, 
ob sie nun dem ganzen Werke oder auch den einidneD Bttchem 
eines solchen vorgesetzt waren, t) Wenn Cioaro jene Absieht hatte, 
warum wtthlte er nicht einen deutlicheren Ausdruck und sagte «otor 



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Aristoteles. E^iuthuiluug iit Bücher. 



299 



Das kuiibiliTisr-he Bedürfniss iiacli Hinheit wurde bei ihm 
darch Erwägungen mehr nücliteroer Art überwogen. Auch Abeimftlige 
hier besteht zwischen dem jüngeren und älteren Dialog (ias- ^^^^j^^* 
selbe Vcrbältniss wie zwischen der jüngeren und älteren ud UnmM. 
Tragödie. Während Aeschylos in einer idealen Sphäre lebend 
Ober die Bedingungen der gemeinen Wirklichkeit hinwegsah, 
batte Euripides dafUr ein desto schfrreres Äuge und corrigirte 
gelegentlich seinen Vorglnger, wo er bei diesem einen Verstoss 
gegen die Natnrwahrheit wahnnnehmen glaubte. So trat der 
Realist Aristoteles dem Idealisten Piaton gegenfiber, nicht bloss 
im Inhalt der Lehre sondern auch in der literarischen Form, 
die er demselben gab. Gerade wie der platonische Sokrates 
keinen Gedanken fallen iSsst, sondern jeden in Ende denkt 
und darüber Zeit, Ort und alles Andere vcrgisst, wie das 
namentlich jedem Leser des Symposions bekannt ist, so kennt 
auch Piatoü in dem grossen Werk über den Staat keine andere 
Rücksicht als wie er die begonnene Erörterung ?:u Ende führt; 
ob in der Wirklichkeit ein so langes Gespräch sich mil den 
peistigen und körperlichen Kräften der Theilnehmer vertragen 
würde, kümmert ihn dabei nicht. Dagegen scheint es, dass 
Aristoteles solchen Erwägungen Baum gab>]. Wo er daher, 
wie das s. 6. in den Dialogen »von der Philosophie- und 
»von der Gerechtigkeit« der Fall ist, besonders ausgiebige 
Themata behandelte, die sioh nicht in einem kunen GesprSch er- 
ledigen Hessen, so machte er aus dem einen GesprSoh mehrere, 
die er auf verschiedene Tage oder auf versdiiedene Zeiten 



prooemüs qua Uhu» Aristoteles« oder Aehnliches stall des zuui Miss- 
YenClIiidiiiss geradem h«raiuforderaden » u t Aristoteles ? Wenn übrigciiä 
nach meiner ErklSniDg der Worte ȟben hefdemal, das eine Mal wo es 
in Gedanken zu ergänzen ist und das andre Mal wo es dasteht, in etwas 
verschiedenem Snne xtt nehmen ist^ so hat dies seine Analogie bei Cicero 
ad Alt. XIII 32, 2, wo, man mag «tres eos libros« beziehen wie man 
will, die Rechnung' ni( ht stimmt, wenn man nicht »über« als ein Werk 
verst"!if (las ;iu( )i iircrc Hui her umfassen kann, und wo donh zu 
•utrosqutMr dasseüit' Wort im Snmn eines» ein/einen Buches /u <'i';^;in/eii 
ist; ebeni^o iüt es ud Quinl. Ii <i, 4, hier ist zu utrost|ue aus dem vor- 
hergehenden utros ejus habneris libros zu verstehen librot», aber nicht 
ia dem Sinne, den es dort hat als Buch d. i. Theü eines grösseren Weites 
oder eorpQS, sondern « corpus. 

i; Ich schliesse mich hier ganz an BIrt Das antike Bachw. S. 471 IT an. 



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300 lU. 0«r Verfall. 

■ 

eines und desselben Tages verlheilen konnte. So entstanden 
Arifltotelei die grösseren Dialoge von mehreren Bnchern, deren jedes 
nAClon«. ejnom einzelnen Gespräch entsprach. Gerade so ist Cicero 
verfahren und alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass er 
auch hier nicht auf eigne Hand geneuert sondern sich an ein 
berühmtes Vorbild gehalten hat. Bei ihm wie bei Aristoteles 
würde also die Bemerkung des Atheners ia Piatons Gesetzen 
(IV 722 G), dass das GesprSch nun schon vom frühen Morgen 
bis snm Mittag dauere, das Sii^uat sum Abbrach der 
Unterredung und snm Ansetsen eines Bnehendes geworden 
sein, während sie jetit bei Piaton nur wie ein Schlag ins 
Wasser ist^ tkber den die Wogen des Gesprflcbs weiter 
strOmen. 

Die Praxis des Aristoteles blieb sich bei dieser Yertheilnng des diaio- 

Aristoteles gigdieii Stoffes auf mehrere Gespräche und Bttdier nur 
saiBBr Thdorio consequent, da diese Praxis mit anderwärts von ihm ge- 
tbanin. äusserten Ansichten übereinstimmt. Abermals kommt hier 
eine Analogie in Betracht, welche sich zwischen der Geschichte 
des Dramas imd des Dialogs darbietet. Die älteren Dramen 
behandelten den mythischen Stoff mit epischer Ausführlichkeit 
und Hessen sich darin durch keine Rücksicht der Zeit ein- 
schränken; die jüngeren suchten wenigstens die Zeit der 
Aufführung mit der Zeit, welche der Vorgang in der Wirk- 
lichkeit erfordert haben würde, bis su einem gewissen Grade 
aussugleichen. Die Aehnlichkeit dieses YerhSlInisses mit dem- 
jenigen, welches wir soeben zwischen den grosseren platonischen 
und aristotelischen Dialogen beobachteten, ist onverkennbar 
und Aristoteles hat sich in der Poetik 26 p. U62^ ( ff.) ent- 
scbieden auf die Seite des jüngeren Dramas gestellt 



Der Brief. 

Fast immer, wo der Dialog einen Schritt weiter in seiner 
Entwicklung thut. hat er das Drama zum Besileiter. Der 
aristotelische Dialog ist rhetorischer als der platonische {s. o. 
S. 279 tr.); ebenso verhall sich die spätere Tragödie zur 
früheren (Welcker Gr. Tr. II S. 320 f.), ebenso vielleicht auch 
die mittlere und neue Komödie zur altattischen (Meineke Hist 
crit. S. 303). Schriftsteller und Publikum fanden ein Behagen 



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Ariiloteleft. Der Brief. 



304 



an läDgereD und sentenziösen Vorlrägto. Nur in einpm Falle, Drama ami 
der uns wenigstens bekannt ist, ist in Lykophrons Alexandra, JJ^J^J^Jj* 
das Drama dieser Neigung bis zum Aeussersten nachgegangen 
und bat sicli in einen Monolog verwundelt. Oefter ist dies 
auf dem Gebiet dea Dialogs geschehen , mit dem von jetst 
an die Fonn des Briefs in einen erfolgreichen Weltstreit tritt. 

»Der Brief ist in Prosa was das Lied in der Poesie«. 
An diesem Sats ist wenigstens so viel richtig, dass beide 
ursprünglich der Ausdruck persönlicher Stimmungen und Ver- 
hältnisse sind und beide ursprünglich sich nicht, wie Epos 
und Drama, an die grosse Masse der Menschen, sondern wo 
nicht an Einzelne, so doch an einen engeren Kreis Aus- 
erwählter wenden. Eins folgt hier aus dem Andern Man Lied« »»Ein- 
hielt es in der äUern Zeit für unschicklich, die eigenen Schick-'*^***'**''' 
sale und Empfindungen dem Publikum vorzutragen: konnte 
man daher den Ausdruck derselben nicht hemmen, so 
adressirte man Um doch nur an einselne Wenige. Daher 
nSbert sieh von dem Augenblick an, wo das subjektive Ele- 
ment in der griecbisehen Dichtung hervortritt, dieselbe der 
Form des Briefes. So redete schon Uesiod, als es ihn drängte 
seinen persdnlichen Erfahrungen und Meinungen poetischen 
Ausdruck stt geben, den Nichstbetheiligten, seinen Bruder 
Perses, an. Mehr Spuren der Art zeigt natflrlich die eigent- 
liche Lyrik des Archilochos, Theognis u. A. ; ja das Lied, in 
dem Alkaios seinem Freunde Melauijjpos ttber den Verlust 
seines Schildes berichtet hatte, können wir nach der Art, wie 
Herodot (V 95) davon spricht, geradezu eine poetische Epistel 
nennen '). Doch unterscheidet sie sich vom rechten Briefe 
immer noch durch die kunstmässige Form. 

Rechte Briefe, die der natürliche Abdruck des Indivi- AafkeirT - 
dnums, seiner vorüber gehenden Stimmungen und Ansichten 
s^ sollten, hat sich selbst die Zeit noch lu veröffentlichen 
gescheut, die den einielnen Menschen zum Maass aller Dinge 
erhob und damit dem Individuum eine bis dahin unerhörte 



i Aui Ii unter deu Piodariscben Oden sind einzelne, die von Manchen 
fUr Briefe gehalten werden. — Nicht hloss der erste deutsclie Briefverkehr 
(Steiahaiuea Geschichte des deutscbeo Briefes 1 S. 8} war ein poetischer. 



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302 



III. Der VerfiH. 



Ht»f!eutung gab Dajjegon rils[>i i. hl » ^ dem Ciiarakier lii^.^^e^ 
Sophistische Zcitalt'^rs . der sophistisi-hen Poriode. dass man für die Form 
pBriode. Briefes ein besonderes Interesse zeigte. Man warf die 

Frage auf, wer den ersten Brief geschrieben habe 2), und die 
Historiker, wie sie Reden und Gespräche erdichteten, be- 
gannen auch Briefe in ihre Darstellungen einsufleohten, indem 
Brief im Rah- Sie bald wie Thukydides bei der Abfessung dieser Briefe sich 
""'^hiang?' ^ wn*klich geschriebene hielten und deren Inhalt nur frei 
wiedergeben'), bald .aber auch ganz als Dichter verfuhren 
und nicht bloss wie vielleicht Herodot den Inhalt sondern 
wie Ktesias*) und Xenophon") selbst die That8a<^e, dass 
unter gewissen Umstanden und von gewissen Personen ein 
Brief geschrieben wurde, fingirten. 
albromder So war tier iiriof Anfangs iiucli. gerade wie in den ersten 
Widauf« 2eiten der Dialog, in die Erzählung eingebettet und es be- 
durfte erst eines weiteren Schrittes, damit er aus dem Rahmen 
der Geschichte oder des Romans heraus und auf eigne Füsse 
treten konnte'''. Dieser Schritt, dass man Briefe unter be- 
rühmten Namen vertasste und selbständig herausgab, wurde 
wie es scheint noch nicht sogleich gethan. Zunächst äusserte 
sich das Behagen, das man an der literarischen Form des 
Briefe empfand, noch auf andere Weise. Man schrieb seine 

4} Die unter Lyalas' Namen spttler circulireaden Briefe sind doch 
mindestens von sweifelhafter Echtheit 

2j Dor Historiker Hellanikos (Müller F. H. G. I fr. 46S) soll Alossa 
für die erste Briefschreiberin erklärt tiaben NVesterniann De epi?tnl.ir. 
scriptor. Graec. cotum. 1 1) Vielleicht stammt diese Nachrieiit daher, 
thiss Afov;va als Weib wcuij^er in der Loge \v;ir ihre Befehle immer 
tiiuiiiiltch zu geben und deshalb häutiger sich der l orin des Briefes be- 
dient hatte; vielleicht hatte auch Hellanikos nur einen Brief der Atossa 
mitgetbeilt und Andere daraus den Schluss gezogen, dass sie die erste 
Briefsteilerin gewesen. 

3) Weslermann a. a. 0. 1 S. ♦ f, W. Vischcr Kl. Sehr. I s ;ä9 f. 

4) Westermann a. a. 0. T S. 3, h. Ktesias hatte einen Brief des 
Priamos an den Konig Teutamos mit^othnilt. Im Lichte der ganzen Zeit 
belrachlel er^^rhoint die^^e Fälschung nicht so sclüimm. 

5; In dci ( ,\ I n|),i«lif lY 5, 27 IT. 

6j Auch in neuerer Zeit sehen wir den Brief erst als Bestandtheil 
des Prosa-Kuiuans sein Glück macheu und erst danach auf eigne Hand 
und ohne solche Einrahmong es versuchen: Tohler Methodik der philolog. 
Forschung [in Grübers Grundriss der romanischen PhiloL' S. 19. 



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Aristoteles. Oer Brief. 



Gednnken nicht für sich selber nieder, so dass das ,i\>(t ent- 
stehende Werk nu'hts als der Abdruck eines inneren l'>leb- 
nisses war, sondern dachte sich bestimuite Personen, für die 
man schrieb, sei es nun, dass man sich diesen dadurch 
erkenntlich zeigen oder ihnen irgendwie förderlich sein oder 
beides sngleich wollte. So entsiaDden Werke, die einem 
Einielnen oder Hehreren gewidmet waren and eben dadurch 
mit Briefen eine unverkennbare Aehnliohkeit hatten. Wie 
die Dialoge der Literatur wirkliche GesprSdie derselben Art 
sor Voraussetsung hatten, so sind auch solche Briefe nicht 
denkbar ohne einen vorausgegangenen pentolichen Verkehr des 
Sdireibenden nnd seines Adressaten. In einer Schule daher FTthagoiMr. 
wie die pythagoreische, in der das Zusammenleben und der 
wissenschaftliche Verkehr der Mitglieder unter einander be- 
sonders gepflegt wurde . konnten am ehesten Werke jener 
Art entstehen und so ist es begreiflich, dass zwei Mäiiüei , 
die den Pythagoroern mehr oder minder nahe standen, Em- 
pedokUs und Alkmaion das erste Beispiel gaben'). In der 
Sophistenzeit, so sehr sich erwarten liess, dass die zahlreichen 
wissenschaflh'chen Gespräche, wie sie damals geftihrt wurden, 
in Briefen ein Echo haben würden, finden wir doch nichts 
der Art 2). Auch in der sokratischen Schule nicht, wo man 

1; Empedokles hatte das eine Gedicht dem Pausunias gewidmet. 
In dem andern, den y-^ftospiAof, redet or (pO'jt an, ai-^rt Äaru xa-rd 5»v8o\> 
"AxpaY^vro; v<3'.£t' ä/ axpa r''?.$'j; x-'k. . indfiii er ihnen zuruft yi'peTc, 
was doch ;in das später übliche yaipsiv d<-i- Rriefe erinnert. — Alkinaioii 
begann nach Diog. L. VIII 8.1 sein Werk inil folgenden Worten: 'AX/.- 
|Minv KpOTWvtfjTTj; tdÄ* IXE;e, UvoiHw 0W5, Bpoviivip xal A^o^i »ai 
Ba96XXc(» «xX. Im AdbcUiiss hieran spricht Krieche Die theoL Lyhren 
S. 74t, I die VermaUiung ans, dass auch Anaxagoras seine Schrift dem 
Lechineos gewidmet habe, und in Anbetracht der Zeit, in der dieser 
Philosoph lebte, einer Zeit in der li- • v t uschaftliche Verkehr -.mvh 
die pntferntestcn GfL'ondrn der LTirclii>( htMi Well mit einander veriiand, 
kann mau <lir \ i'niuithuiii: wold t-'t-lDÜcii lassiMi, 

2 Denn dass die ualcr Xenophou» Naineu gthetidc Schrift »vom 
sftaate der Athener« ein Brief sei, ist eine ni(^ht hinreichend begründete 
Vermntbung Rosdiers in der Klio S. 538, gegen welche s. Kirchhoff Abhh. 
d. B. Berl. Ak. 1874 S. I u. Cnrt Wachsmuth Götk Progr. 4874 S. 10, 1. 
In neuerer Zeit Ist sie von Belot La R^pobliqne h Äthanes Lettre sur le 
goavemement des Atb^oiens edress^e en 878 avant J.-G. par Xi^nophon 



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304 



m. Der Verfall. 



es doch ehonfalls vermuthen sollte \, Der Cultus des Dialogs 
stand hier im Wege. Wir sehen dies Damenilich an l'Uilon, der 
zwnr im Theailet unverkennbar eine Widmung an Euklid aus- 
sprechen will, bei der Hartnäckigkeit aber, mit der er unter 
allen Umständen am Dialo^ festhielt, auch diese wiederum in die 
Form eines Gespräches kleidet u. S. 21 5). Erst die gleichzeitige 
Ehftorik. Rhetorik hat der Form des Briefes zu weiteren Ehren ver- 
holfen. Isokrates Theopomp und Xbeokrit von Chios hedienleD 
sich ihrer Itlr symbuleuUsch-protreptiscbe Schriilen. In diesen 
Fällen trat der Brief meist an die Stelle der Rede, die man 
mdndlicb nicht ballen konnte. In andern waren es Tecbniker, 
die ihre Gulacbten in diese Form kleideten. Hierhin scheint 
zu geboren das Schreiben, welches der Ingenieur Rrates aus 
Ghalkis an Alexander den Grossen richtete (Westennann 
De epistol. scriptor. IV S. 9 f.), und die Epistel des athenischen 
Arztes Mneslheos über das Weinirinken izi^l y.M)i}iuv-3uotj bei 
Athen. XI p. 483 F)^). Ob der Plaloniker Speusippos den 
Brief an Dion wirklich geschrieben hat, aus dem uns Flutarch 
ein Fragment erhalten hat (Westerm. VII S. <8) und der pro- 
treptischcr Art gewesen zu sein scheint, wissen wir nicht und 
brauchen es Air unsern Zweck auch nicht zu wissen. Denn 
das Gesagte genügt, um su «eigen, dass auch fUr Aristoteles 
als Briefschreiber die Bahn geebnet war. Er ist sie gegangen, 
protreptikoB indem er einen Protreptikos an den KOnig Themison von 
Sd^nrnln CyP^A nach der Ansicht Mancher auch, indem er die 



Alasaadtr. 



au 101 «le >|)artp Ap^silas (Par is 1880) wieder aufgenommeo, aber keiov:>- 
wegs irgendwie besser begründet worden. Vgl. o. S. 5< f, 

4) Nur Xeiiopbon, wo er im Hipparch. i, i (dp;eia;) u. ü. einen Ein- 
Minen anzureden sdieinl^ im Cynegct 1 , l s sich an vlot wendet und «fpi 
ticRtxff« 4, 4 vcil^tipot tAv (plXwv sich Leser denkt, an die BrieSbrm, die 
ihm ein Surrogat des Dialogs ist, o. S. I7ft. 

i) Worauf die Nachriebt beruht dass der athenische Admiral Tiino- 
theos bei der Abfassung seiner oflicieilen Schreiben an das athenische 
Vf ik s'vh \or\ dorn ihn lip^ltMlenden Isokrates helfen Hess, ist nicht be- 
kaniil Wo>ti i mann üe epi>loI «srriptnr. Vlll S. 10. Wttre sie richtig, so 
würde daraus uwhi bloss oiiiollcn wclciioii WitIIi man damals auf wohl 
slilisirte Briefe legte sondern aucii hich ergeben dass überhaupt das An* 
sehen der Briefform Im Steigen war. Eben darauf fUbrt die Aeusserang 
Alexanders des Grossen bei Dio Chrys. er. t p. 81 R, dass sein Vater Phi- 
lipp als Briebchrelber eines besonderen Ruhmes genoss. 



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Aristoteles. Der Brief. 



305 



beiden symbuleuliscben Schriflen über »das KOnigtbum« und 
»die Kolonien« an Alexander richtete 

Damit erklärte Aristoteles allerdings offen, dass er in der 
literariflehen Form kein so fanatischer Sokrataker sei wie sein 
Lehrer Plalon. Trotzdem kann man nicht sagen, dass er des- 
halb mit der sokratisohen Tradition gans gebrochen hfitte. 
Der Brief fot ein halbirter Dialog, hatte schon Artemon 
erkUrt*) und in Folge davon f&r beide denselben stilistischen 
Charakter vorgeschrieben^]. Der Brief ist die Täuschung Brie&tu. 
eines Gesprächs ']. Beide gewähren die gleichen Vortheile : ^"^^^gjle'f 
sie gestatten eine ungezwungene Darstellungswelse und bieten vaA Bial«f. 
eine Form zur Popularisirung wissenschaftlicher Gedanken 
und zur Erörterung solcher Gegenstände, die eine syste- 
matische Behaniilung nicht vertragen. Menschen derselben 
Natur und Anlage, Alle, deren Wesen ein einsames Denken 
widersteht, wählen die eine oder andere dieser Formen, treten 
entweder in ein Gespräch ein oder schrcilM ti ciiicn lii ief'v. 
Die geistige Versvandtschaft zwischen Vater und Sühn, üernardo 
und ToHjualo Tasso konnte sich nicht deutlicher zu erkennen 
geben, als dadurch, dass der Vater ein Meisler der Epistolo- 



4; Was die beidf u letzteren betrifft, so vgl. lleilz Verl. Sehr. S. 20 'i fT., 
dessen Ansicht mir jetzt durum iiirtil mehr wahr«rh«Mnli<-h ist weil lu ide 
.Schriften vom Verfas}»< r der Einleitung zu den Kategorien ausdrucklich 
\oo Briefen unterschieden werden iRose Aristot. Pseud. S. 93 f.). Mit 
ipoynQftcU biA *Ale|^5poti bei Rose ist xa vergl. Cicero ad At(. XIII SS« 9: 
Alezrädrom — capleateiii sibi allquld consUii dari. 

S) Demetr. de Eloc c. tü. 

S) So sagt auch Scneca epist. 75: (Jualis sermo nieus esset, si unn 
sederemus aat ambularemus, iUaboratus et facilis, tales esse epistolas 
meas volo. 

4 Niebulir Lebeusn. I .S. (Brief an seine Braut: "It;h verlas:»e 
dieses Fapier ungern, welches die Täuschung eines Gesprächs mit Dir 
ist«. Cicero ad Aft. XIII IS, 1 : conloqui videbemur, in Tuaculano cum 
essem; tanta erat crebritas litterarum. »Dieselben glaubte man eo sehen, 
wie sie iieh bei dieser oder bei jener Stelle veränderten, wenn man 
Ihre Briefe las, so durchsichtig und seelenvoll schrieb sie, was sie als 
Gesprüch pedachl hatte«. Fr. Sehlegel I.ucinde S, 174 erste x\usg. 

.'i Leber eine CInssikerin des Briefes, Madame de Sevisne. sagt 
h«»rhst trelfend Nisard Literat. Frantaise III 4U: Elle ^crit des Icttres, 
parce quelle ne sail pas penscr toute seule. 

Hirtel, Dialog. io 



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306 



lU. Der Verfall. 



grapbie. der Sohn ein Meister des Dialogs war. Wie hier Im 
Uebergaug von einer Generalion zur andern der Brief mit dem 
Dinlo» worhselt, ebenso natürlich war es, dass der Dialogen- 
s(')ir( ÜM r Aristoieles gelegentlich die literarische Form des 

Brieles wühlte 'j. 

UaterschiAd Indessen darf doch auch der Unterschied nicht übersehen 
werden, der zwischen Brief und Dialog besteht. Der Brief 
ist eine Art von fiede und unterscheidet sich von der 
eigentlichen Rede nur durch seinen geringeren Umfang 
Er wird deshalb leicht rhetorischer sein als der Dialog: 
denn die Rhetorik bedarf eines ISngeren sitsammenUbigen- 
den Vortrags, um ihre Künste entfalten lu künnen. Aber 
rhetorisch angehaucht, und aus dem gleichen GnmdOy waren 
auch die aristotelischen Dialoge , die sich eben dadurch von 
den echten Dialogen unterschieden. Der Unterschied, der 
sonst eine Seheidewand swischen Dialog und Brief aufrichtet, 
fiel daher fUr Aristoteles hinweg und der Uebergang aus der 
einen Literaturform in die andere musste deshalb für ihn 
besonders leicht werden. Ebenso wenig bestand liir ihn ein 
anderer ünlersehied. Der Brief hat vor dem (i( sj)räch den 
Vortheil voraus, dass in ihm die ruhige Gedankenentwicklung 
nicht durch etwaige Einwende gestört werden kann. Wer 
daher zur Entwicklung seiner Gedanken der wirklichen oder 
vorgestellten Gegenwart eines Andern nicht entbehren kann, 
aber doch den Widerspruch scheut und als Ifistig empfindet| 
der v\ird, wie das Goethe einmal (26, Sil) bekennt, sich am 
liebsten in Briefen Süssem. Piatons Sache war daher das 
Briefschreiben nicht: er hat ein wahres Behagen an Wider- 
sprachen und Iftsst in mehreren seiner Dialoge den Leser im 
dichten Gestrüpp derselben stecken. Anders Aristoteles, dem 
es vor allem darauf ankam, die eigenen Gedanken systematisch 
XU entfalten, der schon in den Dialogen bemüht gewesen war. 

{) OuetUe Werke jn 60 B.; 26, i09 ff. schildert, wie tu ihm sellwr 
ein gewisser Cebcrgaog \ oni Dialog lum Brief staUfancl. Der luhiU der 
Wertberbriefe wurde von ihni zunttchst iiuerllch in Ideeller Unterhalt 
lung mit Personen, die er lu diesem Zweclc im Geltte tu sich berief. 

durchgosprochcn. 

2 Deinelr. de Elor. 228. isokrates Epist. II ^uu i'hilippo^ 13. Vgi. 
nucii Epiül. l au Dionvsios I— S u. dazu Blass Att Beredft. Ii i70. 



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Aristoiele». Brief und AbbaodlUDg. 



307 



sich <^en «Principnl- rn sichern, den er daDQ allerdiDgs in 
BriefeD noch ungestörter behaupten konnte. 

Begreiflich wie hiernach der Uebergaag vom Dialog zur 
Form des Briefes war, ebenso natürlich war auch der weitere 
Schritt vom Brief zur eiofachcn Abhandlung, in der der AbhuAlaaf. 
Sebriflstelier fttr sieh allein seine Gedanken ausströmen liess. 
Bs brauchte nur die Rflcksicht auf eine ohnedies nur in Ge^ 
danken yorgestellle Person bei Seite gesetzt, unter Umslfinden 
vielieidit nur die Adresse mit dem Namen fortgelassen su 
werden, so war die Abhandlung fertig. In den erhaltenen 
Schriften hat Aristoteles auch diesen Schritt getban. Wie 
natfirb'ch aus dem Dialog der Brief und ans diesem weiter- 
hin die Abhandlung hervorgeht, zeigt Herders Beispiel, der 
seinen »Geist der hebräischen Poesie« dialogisch begann, in 
Form eines Briefes über Moses lurllührte und mit einer Ab- 
handiuup als zweitem Tbeil abschloss. Wie Herder in der 
Vorerinnerung zum zweiten Theil sas^t, ist in dem selben die 
Einkleidung in Gespräche weggeiaiien, »weil sie in su ein- 
lelnen Untersuchungen lästig gewesen wäre«. Auch Aristoteles 
hat die Form des Gesprächs zum Theil wohl deshalb auf- 
gegeben, weil er sich bei seinen ins Einselne eindringenden 
Untersuchungen aUmftlig einem so massenhaften Material 
gegentlber sah, das er in dialogischer Form nicht mehr be- 
wältigen konnte. Den Ausschlag aber gab bei ihm jedenfalls 
die Verfinderung, die in seinen Ansichten Ober die wahre 
wissenschaftliche Methode eingetreten war. Die Zeit war AMacna« d«r 
UlDgst TorOber, da er mit Sokrates und Piaton das Heil der ^^^'^'^^j^^^^^; 
Wissenschaft nur vom Gesprfiche erwartete. An die Stelle 
der dialektischen Erörterung durch allgemeine Begriffe, für 
die allein die Form des Dialogs der angemessene literarische 
Ausdruck war, sollte eine andere treten, die nicht bloss die 
Begriffe und Meinungen der Menschen über einen Gegenstand 
durchijiiisterle und darum immer nur exolerisch blieb, sondern 
die ins Innere der Snehe selbst einilrnng und hieraus ihre 
Argumente schöplte. Dieser Methode aber, der es nicht auf 
die Meinungen der Menschen sondern nur auf die Wahrheit 
ankam, entsprach dann ebenso natürlich eine literarische Form, 
in der jede Rdcksichl, sei es auf einen Mituoterredner oder 
auch nur auf einen Adressaten weg6el. 



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308 



III. Der Verfall. 



Es war einer der grossen Moiai nie in der Geschichte der 
Wissenschaft, da eine bis dahin für unfehlbar geltende Me- 
thode durch eine nn<lere verdrängt wurde. Er kündigle sich 
schon in den letzten Schriften Piatons an, erst in den Werken 
des Aristoteles liegt er wirklich vor Augen, ßeschraakte 
Geister pflegen in solchen Zeiten das Alte einfach zu ver- 
werfen und ausschliesslich sich dem Neuen zuzuwenden. 
Vor dieser Uebertreibung wurde Aristoteles durch seinen 
historischen Sinn bewahrt, der ihn auch in dem Alten das 
unvergSngliche Gute eri^ennen liess. Daher hat er auch noch 
in den Abhandlongen seiner spSteren Periode seine wissen- 
schaiUichen Forschungen, wenn auch nicht in dialektischer 
Erörterung durchgeitihrt, so doch mit einer solchen erOShet 
und in dieser zum Theil das bereits in seinen Dialogen Ge- 
sagte wiederholt. DentÜeher l^oonte er nicht erklären, dass 
er in den Dialogen von jetzt an nur die Einleitung in die 
wirklich wissenschaftlichen Untersuchungen sah. So war der 
Faden der sokratischen Tradition wenigstens nicht zerrissen. 
Das zeigt sich auch noch in einem anderen Umstand. Ver- 
öflfentlicht hat er diejenigen Schrillen, die die Form der blossen 
Abhandlung haben, nieuials^ wahrscheinlich sie auch nicht zu 
diesem Zweck l)estimiut. Vor dem Publikum erschien er nach 
wie vor nur als der Verfasser der Dialoge und Briefe, Ef 
lag noch auf ihm wie ein letzter Schimmer der untergehenden 
Sonne, die einst über einer der seltensten Verbindungen von 
Kunst und Wissenschaft geleuchtet hatte, und er scheute sieb, 
wenigstens Ofifentlich dieses Band su lösen, gehaltvolle Ab- 
handlungen, die aber jeder eigentlich künstlerischen Form 
entbehrten, dem Publikum lu bieten. Das eherne Geschlecht, 
das nach ihm kam, kannte diese Scheu nicht. 



2. Die Zeitgenossen des Aristoteles. 

Das Entwicklungsgesetz des Dialogs liegt klar vor Augen. 

War er in seiner besten Zeit mit dem Inlialt aufs engste ver- 
\\a( h??en gewesen denn anders als im Gespriich schien das 
l orsi hen, das i)ei)keti des Sokrates sich gar nicht auss(>rn zu 
können — so sank er jetzt mehr und mehr zur blossen Form 



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Zoilgenosseti des AristoteleJi. 



309 



Ri'fonn- 
venache« 



liorab, flir die der Inhalt gleichgiltig war und die luan nur 
aus Pietät und andern Kücksichteo noch festhielt. Es konnte HonoiogiBi- 
oicht fehlen, dass der fremde Inhalt auch die Form verdarb: '""ä^^*" 
die dogmatisirenden Neigungen der Wissenschaft hatten eine 
monologisirende Art des Dialogs sur Folge. Refonnversuche 
wurden jedoch gemacht: man ftthrte Sokrates wieder in die Ge- 
sprlehe ein, gab Ihm die Hauptrolle und bildete seine Manier 
naeh dem Master der platonischen Dialoge zum Thell nicht ohne 
Glfick naidi'). Noch legen unter Platons Namen erhaltene 
Dialoge Zeugniss ab von dieser Bewegung, die bis in die 
alexandrinlschen Zeiten fortdauerte^. Erfolg hatte sie nicht; 
der allgemeine Zug der Zeit, der nach einer andern Richtung 
ging, war zu nicichtig. So viel Seiten die Person des So- 
krates bot. dieses Theraa war durch die umfangreiche Literatur 
der sükratiscben Dialoge erschöpft worden; man rausste sich 
nach neuen Gegenständen umsehen, um dem ausser Mode 
koDameiiden Dialoge noch ferner das Interesse des Publikums 
zu sichern. Das Natürlichste wäre gewesen, dass in der pla- 
tonischen Schule Piaton, in der peripatetischen Aristoteles an 
die Stelle des Sokrates trat. Beides ist nichtsdestoweniger 
nur g^B Vereinselt geschehen Die Annahme, dass Aristoteles 
in allen seinen Dialogen Piaton redend eingeführt habe, war 
eine llbereilto; Ii5chstons Ist dies das eine oder andere Mal 
geschehen, ohne dass wir im Stande wiren, mit Bestimmtheit 



i) Ich rechne duu solche Dialoge den TheuKes. Eryxias u. a., 
die man mit mehr oder minder SirlierluMt dem Piaton al>«;pri( Iit Die 
Lebendigkeit des Gesprächs liissl tliesellxn Itisweilen Platons nuhi l: mz 
unwürdig erscheinen. Namenllich in Bezug iiut den Eryiias hat man 
dies längst bemerkt. Der Tbeagcs war der Lieblingsdialog Niebuhrs 
(Leb«nsnachr. I SSO], allerdhigs eines SfenDes, der dem echten Piaion, 
aehieo Anschauttogen wie seinen Schriften, nicht gerecht geworden ist. 
Naeh meiner Vennuthung trat auch im Mandroholos Spensipps Sokrates 
«tf (s. u. S. 3Uj ; ebenso In den Dialogen Pasiphons ($. SIS) und vielleicht 
im Aristipp, Glittrekrates und Epigenes Stilpons ;.S. 315, 3.}. 

^ Tr'dicien der Lehre win der Sprache fühnnt darauf nnmentlich 
den zweiU'n Alkihiades und den Axiocluis \u (V\f"ie Zeil zu acl/eii. 

3) klcarchos. der Schüler de> Ari-^tuteU-s, halte meinen Lehrer in 
der Scbriti -i^i Gttvoj redend eingeführt nach Joseph, gegen Ap. I ii 
(Mttller fr. 69; vgl. Beraays AristoL Theorie d. Dramas S. 90 ff. Auch 
StUpoo hatte einen Dialog *AptgT<ydlXv)c geschrieben (Diog. II f toj. 



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310 



lU. Der Verfall. 



oder auch nur Wahrscheinlichkeit einen einzelnen Fall nam- 
haft zu machen (s. o. S. 281, 1). Von den Übrigen Schülern 
Piatons gilt dasselbe. 

Wir sind nur in einem einzigen Fall im Stande nach- 
inweisen, dass Piaton eine Gesprüclisperson in einem dieser 
FttxiphMM. 8]>Steren Dialoge war. Das war in dem Dialoge des Praxi- 
phanes, eines Schülers des Theophrast, »ttber die Dichter« 
üöber dl» geschehen *). Die Unterhaltung fand in dem Landhause des 
iMoiitMr. pi^i^ i^^j j^i^^jj iBokrates den Philosophen be- 

sucht hattet. Bier ist auch die Wahl des Ortes, an wel* 
oben das GesprSch versetst ist, für die verinderte Weise 
des Dialogs charakteristisch: nicht mehr in Gymnasien oder 
PalSstren oder, wo sonst sich Menschen in grosserer Zahl zu- 
sammenfinden , treffen wir die Personen des Dialogs mit 
einander in einem GesprJIch an, das um so lebhafter ist weil 
es zußiliig entsprungen ist, weil es öffentlich und vor einer 
Menge theilnehmender n?>rer geführt wird, sondern in die 
Stille des T-nnclMiifenthnltes, auf eine Villa haben sich zwei 
hervorragende Männer /uriK kijezoLien und tauschen dort ruhig 
und freundschafllich ihre Gedanken aus -*^). Das giebt ein Bild, 
das wir aus griechischen Dialogen sonst nicht gewohnt sind^), 

4) Ob auch die Schrill des Praxipbanes iccpl fMvi (Vol. Hera Noy. 
Göll. V ISS 8. Heydttck de Theophrasti llbris Ktpl ^iXlac S. 9) elo Dialog 
war, wissen wir nicht. Pfaxipbanes war fihrigens Dicht bloss dia- 
logischer Schriftsteller sondern nahm an der Literatur des Dialogs auch 

ein theoretische«^, gelehrtes Interesse, wie sich aus der Kritik zu ergehen 
scheint die er nach Proklos p. 5G am Anfaog des platODischea Timaios 
geUbt hatte. 

2) Diog. L. III 8: 6 i' dits ^tXojOCfo; xil looxpaxti '-^O.oz }^'^. xai ij- 
Tftv rioaji^dvT]; «wv^Ypi-J/E fttottptpifjv ttv« mpl iroti)t6kiy itso^iiiTf* h d^ptp 
icapd nXtfroivt iict|r««i9ivt(M)« to9 MooxpctTovc. 

5) Diese Gedanken gerade auf die Dichter zo lenken dem konnte 
den Prnxiphanes Isokrales selber angeregt haben, der im Panath. 3( eine 
solche Erörterung zwar, in Aussldil gestellt hatte, sie aber ecbwerUch 
noch gect'bcn bat. 

41 Dio Umdliche Natur hatte auch Flatoii im Phaidros zum Hinter- 
grund für ein Gespräch benutzt und es ist wohl mt>glich, dass auch 
Prasiphanes diesem Dialog Motive entnommen hat. Was Im Uebrigea 
den Inhalt des Dialogs bildete, wissen wir nicht. Blne Kritik der grie- 
chischen Dichter vom moralischen Standpunkte aus kann ea kaum ge- 
wc«cn sein , da Ober diesen Punkt Piaton und Isokrates sn sehr ttber- 
einsiinunteo. 



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Zettg^Douen des Aristoteles. Praxlphanes, 



3H 



desto mehr aber aus den rrmiischen und den italieDischen 
der Renaissance und noch späterer Zeiten. 

In dieselbe Renaissance, an einen der gUnsenden Fürsten- 
höfe derselben, deren geistiges Leben in anregenden und ge- 
dankenvollen Gesprächen sprudelte, wie sie uns meisterhaft 
namenUidi der Gortegiano schildert, fühlen wir uns versetit, 
wenn wir von einem andern Dialog des Praxiphanes »über üeber 
GescliiGfate« hören, dessen Seene der makedonische KOntgshof ^^*^^^* 
and dessen Tbeflnebmer hervorragende Vertreter der Dichi- 
kan«t und ein Historiker, Thukydides, waren, die alle es dem 
Yerfasser beliebt hatte dort susammentunihren. Das Thema 
war ein traditionelles der peripatetfschen Schule, Dichtkunst 
und Geschichte stritten um den Preis wie schon in der aristo- 
telischen Poetik und das Ende war auch hier die Nieder- 
lage der Geschichte oder ihres Vertreters, der wie es scheint 
von den anwesenden die Mehrzahl biidendeii DIi htern im Ge- 
s])r;ichc übel zugerichtet wurde'). Der Dialog fuhrt uns weit 
von Athen weg. 

Was sich Piaton, ausser seinem letzten Werk über die Athen mrh* 
Gesetze, nur in den einrahmenden Gesprficben seiner Dia- ^lu^TH*- 
löge, wie des Pbaidon erlaubt hatte, das geschieht jetzt öfter: l«ge> 
man verlegt den Schauplati des Dialogs ausserhalb derjenigen 
Stadt, die seine rechte Heimat war, als wenn man dadurch 
nur noch deuilicfaer bekennen wollte, dass auch sein Wesen 
nidit mehr das alte eigentlich attische war^. Immerhin 

4 ■ 'ASo^oc 9Jv <b; iz\ nXcTatov sact Markellinos. über de^Hen Worte 
SO wie Uber den ganzen Dialog s. mciucit Aufsatz im Horm, t S tf 
f\ Vgl. 0. S. 252. (ii»|>iache Dicaarcbs spielten das eine in koiintli 
Cicero Tusc. 1 21 j, das andere auf Lesbos [Cicero Tusc. I 77], ein drittes 
▼ielleidit auf der Burg von Uioo, weno nSmiich die Sdirift lupl tt,; iv *IXlqi 
Stioto; (Atheo. Xül p. SOS A f.) ein Dialog war, für welche Vemuthiing sich 
geltend machen Ustt, dass der Titel sonst schwer erklärlich ist (a. S. 819). 
Ob der XaXxitixh^ des Demetrlos von Pbaleron (bei Diog. V 81] hierher ge- 
hört, bleibt fraglich, DarUr spricht Dioiis EOßotxi; (or. 7j; andre Ver- 
tnuthungen s. bei Her\N i^ Ueber Demetr. Pbal. Schriften u. s w. S. 13. Der 
Verfasser des pseudo-platoiiiijchen Sisyphos versetzte nicht liloss das Ge- 
>^i(ich sondern :>ogar Sokrates nach Pharsalos und machte es uns da- 
durch nur um so leichter ihm die platonische Maske vom Gesicht zu 
lieben. Aoch der .VUYQ^ft^ des Theophrast gehört wohl hierher (Diog. 
L V (4,^ Daraus wird eine Aneicdote Ober den Kyniker Diogenes «nge- 



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342 



HI. Der Verfatl. 



halten die genannten Dialoge darin wenigstens noch die Weise 
der sokralischen fest, dass i heilnehmer des Gesprächs darin 
nur historische Personen sind. Dasselbe gilt auch noch von 



fuhrt, dio dessen Bedürfnisslosigkeit ins Licht stellt (Diog. Mit; aus» 
mbrlidier bei Aelian Var. HUt. 18, 16, aber etwas modifisirt]. Wie 
kommt dieae Anekdote gerade in den Mcfapni^ct Nach Aelian Var. Bist. 
Xn 58 htttte Dii^ene» überhaupt die dfxadta und dicaiScuola der Megarer 
verspottet und geäussert 2x1 dßoyXeto a^opo; xpiöc sivai fiö).Xov 

ri ulö;. Nach Plularcli de cupid. divit. 7 p. 'MCyC. hätte dieser Ausspruch 
der ^iXapYUpia und atxooXoYta der Megarer gegolten (Welcker Theognis 
S. LVII findet unuutliiger Wei&tj hier eine besondere Beziehung auf 
Theognis). Noch ein andres Wort des Diogenes, das sich ebenfalls gegen 
die Megarer wendet dtirt TertuUiaa im Apologet. 89 Hegannses obsonant 
quasi crasiina die morituri; aedificant vero quasi namqoam morituri. 
(Derselbe Gedanke wird von Platardi 1. c. 5 p. 885 B da» Stratoidkos an- 
geschrieben und kehrt dort seine Spitze gegen die Rhodier.) Hierher 
gehurt auch Stob. flor. VIT 47: 6p&v Me^apia; 6 Ato^ivriC ta (xaiipd tcI/t; 
i«T(£vTa;' u) jjtoyftrpof. clTte, [Jiif] toü fjiC";^IBou; rpovoEtTC Töi'v ret/cuv dXXä 
T&v It: ct'jTd)^ oTTjaofA^cav. Nehmen wir an. Ua!>s diese und andere 
Acusscrungen des Diogenes im Me^apixb; stunden, so begreifen wir wie 
dort jene Anekdote eraVblt werden konnte^ Denn dl^e Aeosseniogen 
wenden sieb gegen den Reicbthum and das folsdie Streben danach, jene 
Anekdote aber will uns den Diogenes als ein Huster vorführen, wie man 
auch mit Wenigem auskommen und glücklich sein kOnne. Hiemacb 
war der M. wohl ein Dialog, dessen Sccnc Mcgara und dessen Hauptfigur 
Diogenes war. Sein Nphontitel liiuletc vermu(bli< !i repi ttXoOto'j : deshalb 
wird in dem einen Kalulog der Theophraslischcn Schriften Diop V 44' 
nur der M., in dem andern ib. 47j nur repl rXotitoy angeführt. Auch 
hier erseheint also im Gesammtverzeichniss zweimal dieselbe Schrift 
unter veracbiedenen Titeln, wofitr Usener Anal. Theophr. S. 48 noch 
andere Beispiele giebt. Der gleidien Schrift Theopbrasts gehört wohl 
au( h noch dessen Aeussernng bei Plutarch de cupld. divit 8 p. 527 B an: 
dW ijtXo'jto; 6 rXoüro; *ai oiCtjXo; öXT^flA; xtX. Lycurg. 40 anders Rose 
Aristot. Psoudfp. S. t03\ Die Schildrnin;: . die Theo|>I)fiist in diesem 
Dialog den l)i(ii:enes von den .\Iej.:,irerii uelieii lie.«i.s, wird derjenigen des 
ßävajoo; entsprucbcii hüben, die wir bei Ari^lot. Eth. Nik. X 6 p. t^ii» 
80 ff. lesen: 1^ yop toi; jxtxpoii töiv SoravTjjwiTar* t.o}Jjx dva).l9xet xai Xajj.- 
i:^Ö¥CT«t itapd [liXo;, oiov dpavtotd; afiixdi« iond^, Kai iu»|Mptetc X^P^QT^ 
iv t{ icap6Bqi icopföpav ds^lpfw, Aeiccp ot McfapcTc. «al letfvts td toi- 
«uxa Tcot^eet o6 tofi itaXo!^ Ivc«« dXXd leXo&tev lm8ct«v6(Mvec xol ftid 
TaäT« o(6|x£No; 0oh>(m[Cc3971, xi\ o5 jUv (c7 iwXXd dvaXtuoat, dXiya ootw- 
'«•*),. oj ?/ öXqoi, roXX-a. Beiläufig, mag der Mö^apti^^; Theopbrasts den 
Rui .\iegiua.s ein zerstOrt haben, wie die Schrift Demoknts scpl c6#»- 
furji den AlKlera.s. 



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Zeitgenossen de» Aristoteles. Speuslpp. 



einer Reihe anderer Dialoge, die der sokratischen Schale und 
ihren Fortsettnngen in jener Zeit angehören. 

Von Spensipp, dem nächsten Nachfolger Plalons in der Spns!». 
Leitung der Aluidemie) ist schon deshalb sn erwarten, dass er 
auch in sehier literarischen Ihätigkeit sich den Lehrer sum 
Muster genommen haben wird. So deutet der singuUre Titel 
OU^oocpo; [Diog. L. lY 4) aller Wahrscheinlicfakeit nach auf einen 
Dialog, mit dem er die von Piaton im Sophistes mid Politikos 
begonnene Trias von Dialogen mi Ende Ähren wollte. ]n dem 
»Lob Piatons« (IlXtifTfuvo; dYxu>tJtiov Diog. L. IV 5) konnten ihn 
die Lobrede des Alkibiades auf Sokrates oder die Apologie 
leiten, auch der Epitaphios des Menexenos. Was uns hier 
angeht^ dass er in seinen Dialogen auf historischena Boden 
stand wie Piaton und nicht ins Mythische abgewichen war 
wif Andere, zeigen deutlich die Titel einiger derselben, der 
Kephalos^], Kleioomachos Lysias^j, Aristippos^). Hierher 

1) Dass dieser eine hiütorisdie Persönlichkeit war, zeigt der Titel 
eioer anderen Schrift Diog. T.. 4) die gegen K. (Trpo; K^^otXov) gerichtet war. 

2) Dass dieser Dialog \N Cfrcn des Nehmt itels Lyslas 'r, Auoia; Diog. Vi 
mit dorn Lysias (Diog. 6) identisch sei, ist eine üJiereUte Vermutbung 
Bywatcr s Journal of Philo). \II S. 28. 

3) Wie Piaton so hat auch Speusipp seine Gedanken iiher Rhetorik 
an die Personea de« Lysias und Isokrates aogeknttpfl. Gegen Isokrates, 
der wie viele Andere ein <7xdb|juov Fp^XXot» geschrieben hatte (piog. L. 
U 55), konnte sich die itpi; r(>6XXav (Diog. 4) betitelte Schrift richten, die 
hiemach dasselbe Objekt und den gleichen Anlass hatte, also wohl auch 
zur selben Zeit entstanden ist wie der aristotelische Dinlot; Cryllos Die 
Annahme ist um so wahrscheinlicher, als er auch (Üiog. 5i rpo; tov 
'Aixaprupov geschrieben hatte (Blass Att. Bereds. II 206, 2]. Mit dieser 
lüritik isokratischer Reden ist wohl auch die Notiz bei Diog. V 2 in Vcr- 
bindong jcu bringen, dass Speusipp zaent die Geheimlebren des Iso- 
krates ins Ptti>likum gebracht halte («ol lepAte« icvpd ^leovfatwc tA «a- 
)oj[ic-.oi dl-opor-a d;T,M£fvtcv): er wird durcli diese Kritik das Wesen der 
isokratischen Kunst blossgelegt haben (s. auch Blass a, a. 0. II 97, 8 
anders Reinhardt de Isocratis aemulis 8. 43). 

4) Diog. 5. Bywater a. a. 0. S. 87. i scheint \\^''.r:ir.-r.<r, ö K jpifjvaio; 
lur den vollen Titel zu halten. Diess beruht auf den Woi len, mit denen 
Diogenes 4 das Venceicbniss der Schriften einleitet: xataX^Xptne Zt r.dit.- 
icXst9ca &i:o{j.v^(M)vrs xai 5i«X^i>c i^iova«, ol« ««l Apbttmrov Ku- 
^nftnXWy ictfA icXoötm « , ictpl ifiwi^ s' «rX. Mir ist aber wahrschein- 
licher, dass vor 'Ap. zu ergänzen ist itptf;: ii oI« wA icpj^e 'Ap. iccpl 
aXo6toi> «. Die Schrill nepl nX. wftre hiemacb gegen Aristipp gerichtet 



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3U 



ni. Der Verfall. 



Mandrobolo«. gehört auch der rätlist lliaffe Mandrobolos (Diog. ö) in dem 
aller Wahrscheinlichkeit nach der bekannte athenische De- 
magog Kleophon eine Hauptrolle spielte -^) und vielleichl fihnlich 
wieKallikles bei Piaton von Sokrates zurecht gewiesen wurde'): 
von Sokrates in die Enge getrieben, legte er seinen Behaup- 
tungen immer einen neuen Sinn unter wodur«^ er aber 
stau seine Sache su bessern, sie nur verschiediteTte und se 
Anlass geben konnte lu der Vergleicbung mit Mandrobolos, 
der der Hera in Samos im mten Jahr ein goldraes Sohaaf 
stiftete^ im zweiten ein silbernes und im dritten eins aus Ers 
und daher aur sprIchwOrtliehen Beseiehnung aller derjenigen 
wurde» die im Schlechten immer weiter gehen'). Der Dialog 
hatte mQglicher Weise in der Geschichte dieser Literatargattung 
eine hervorragende Stellung: denn da nach dem Cilat zu 
schUessen, das Aristoteles daraus giebt, der dialektische Kampf 

« 

geweteo, dessea ADSichten bei Besprechang gerade dieses Themas dem 
Plstoniker genug Stoff zur Polemik bieteD konnten. Ist diesem GesprMch 
etwa die Anekdote bei Plutarch de curius. 8 p. 546 C entnommen, wo- 
nach Aristipp in Olympia dtirch Ischomarbns' Mitthfüutip'pn nber Ge- 
spräche den Sokrates bewogen wurde Hph letzteren jn Athen aufzusuchen? 
Die Person des Ischomachos. den wir als Musler eines o?xovofjnx4; aus 
Xenopbons Schrift kennen, würde zu einem Gespräch über den Reich- 
tham sehr gut passen. 

1) Besonders eiogehend hat Aber ihn in neuerer Zelt Byvater 
Journal of Philol. XO S. 47 ff. gehandelt. 

2) Bywater a. a. 0. S. 3o nennt dies eine ohronologiselie UnmOglieh- 
kcit. Eine «Jnlehe ist es nber doch nur dnnn . wenn man die von Cle- 
mens AI. Strom H p. 438 Pott, citirte SchriO Trpöt K> so^fiuvTi für eine 
dem Kleophon gewidmete, diesen in Folye davon lur einen Freund und 
Zeitgenossen Speusipps und weiterbm mit dem kleoplion des Mandrobolos 
fOr identisch halt. Alier rp^; KX. kann auch helssen »gegen Kl.« und 
dann hindert nichts diese Schrift Ittr dieselbe au halten, die bei Diogenes 
unter dem Titel Mandroholos erscbeini Der Inhalt dessen, was Gemens 
dUrt, begünstigt diese Meinung : ti ^oip ^ ßot<nXt(« orouWTov S xt oo^hi 
(x'5voc ßaaiXci^t wX äfjiWt ^ v'jiao; 6p8i; arouSalo;. Solche Ge- 
danken passen in eine politisch philosophische Erörterung, wie wir sie 
Tür ein Gospt i h /.wischen dem Demagogen Kleophon und Sokrates vor- 
aussetzen inussiMi 

3; Dass Sokrates am Gespräch theiluahin, ist darum wahrschein- 
lich, weil der Verfasser der Paraphras. in Soph. El. ed. HeydudL S. 4S, 14 
den Mandroholos einen ilXatvmxft« tidXoroc nennt. 

4) AristoV Soph. El. 4S p. 174(> U ff. 

ö Platoo fr. 5Mn Gomicor. Attte. 1^. ed. Kock. 



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ZeilgenosBen des Aristoteles. Stilpoo, Miilon u. A. 315 

dllrill ein lebhafter war und an demselben vieUeiobt auch 
Sokrates beihelligt, so gab er mSglioherweise das letite nam- 
hafte Beispiel eines echt sokratiscben Dialogs. 

Im Uebrigen ist es wahrscheinlich, dass in solchen Philo* 
sophensohulen, in denen die Dialektik ausschliesslieh oder voi^ 
wiegend gepflegt wurde, man die Weise des sokratiscben Ge> 
sprScbs, in dem Rede und Gegenrede sich in der Regel wie 
Schlag auf Schlag folgten, noch iSnger festhielt. Das mag in den 
Dialogen des Megarikers Stilpon ') der Fall gewesen sein : künsi- atilpon. 
lerischen Werth hatten dieselben weiter nicht, vielmehr waren sie 
nach dem Urlheil des Alterthums frostig ^}; die Berührung mit der 
historischen Wirklichlteit, die sich in den Titeln Aristippos, 
Ptolemaios, Arisloleles u. a. ausspricht, scheint also nicht im 
Stande gewesen zu sein, ihnen grösseres Leben einzuüössen 
Auf historischen Verhältnissen der Gegenwart basirte auch, 
wie der Titel ansudeuten scheint, der Menexenos Philons, FUimi* 



1) Diogeoes L. II IM imiDt neun, Saidas u. 2t(Xic. giebt twansig 
«n, was aber wob! ein Irrfhmn Ist. 

S) T'jxpol nennt sie Diog. a. a. 0. Fragmente daraus glaubt Hense 
Tektis rell. S. XL nachweisen tu können 

S r»«T Titel M6T/r: hn Diog H 1:^0 führt auf dt^n Schüler Phai- 
dons, ^v.i^cile(l dem und »Ulpon durcli die f?emein!*aineu Schüler Askle- 
piades und Menedem 'Diog. Ii 1i6j Beziehungen bestai^den. Der ihoXs- 
|ft«loc weist auf Ptolematos Soter, dessen Gunst sich stilpuu erfireute 
{Diog. II IIS). Der MtjtpoitXiic galt dem bekannten Kyniker; aus ihm 
Icannle das karte ZwIegesprlKdi stammen, das Plutarcb de tranqu. an. S 
p, ISS A anfuhrt (ein anderes Bruchstück in SchoU. su Deniosth. ver- 
üffentlicht Bulletin de corresp. bell. 1 4 51 vgl. Susemlfal Gesch. der pr. 
Lit, in der Alexandrinerzeit I S. 18, 46\ vorausgesetzt dass Stilpon nach 
dem Vorjjarig des Aristoteles sich in seinen Dialogen sclhf'r redend ein- 
geführt hatte. Das Letztere v^ar vielleicht auch in dem au heine mi^- 
ratbeoe Tocbter geri<diteten Dialog (icp^ t^v iautoS Ivforip«) der Fall 
(Sosemihl a. a. 0. S. 17, IS u. S. IS, 4S}. Nehmen wir hiertn noch den 
^AptototlSti}« und *Av«St|Uvy]c, bei welchem Titd dodt wohl an den be- 
kannten Bhetor zu denken sein wird fdas Verhältniss zum Kyniker Dio- 
genes, wie es die Anelidoten bei Diog. VI .j7 andeuten, konnte StofT zu 
Dialogen geben , so haben wir eine Reihe von Dialo^'^fi in Jonen der 
Philosoph Personen der Wirklioiikeit und zwar Zeitgeuu5.><'ii redend ein- 
geführt zu haben scheint. Auf historische Personen weisen auch Jei 
*Ap{9»inco« oder K«iXX(qi$, Xatpexparr^; und 'ErtfivTj;, führen uns aber 
weit von der Gegenwart des Verliusers weg In die Vergangenheit und 
den Kreis des Sokrales. 



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346 



III. Oer Yerfeli. 



eines Schülers des Diodoros Kronos *). Memorabilien [dm- 

A]«slioi. {xv7^pioveu}xaT7' liatte Alexinos gcscbriebeD, worin ein Gespräch 
AlexaDders des Grossen mit seinem Vater Philipp mitgetheilt 

PuiphoBi war (Euseb. praep. ev. XV 8, 4). — Hier kann auch Pasiphon 
erwShnt werden , der ein Eretriker heisst gnd vielleicht 
der eretriscben Schule angehörte^;. Man legte ihm Dialoge 
bei*}, die sonst unter dem Namen des Aischines gingen nnd 
deren GesprSch daher auf historische Personen vertheilt^J, die 
Hauptrolle sogar dem Sokrates gegeben gewesen sein muss. — 
Auch die kynische Schule hielt zum Theil noch tlen historischen 
Charakter fest; allerilings ist sie für uns nur noch durch 

Diogeue». Diogenes vertreten und durch Dialoge, deren Echtheit schon 
im AUerthum bezweifelt wurde, den Kephalion, Ichthvas, 
Theodoros, Hypsias, Aristarchos. Tolraiios, Kasandrns. Philis- 

HagMiM. kos*^). — Die Kyrenaiker repräsenlirl HegesiaS| der unter dem 

1} Nach Clem. AJex. Strom. IV SSS A wid Hieron. adv. Jovin. I 
T. IV 186 Mart. war darin vod den fünf Ttfchtem Diodora die Rede, die 
sich ebenso sehr durch Keuschheit als durch dialektische Kunst aus- 
zeichneten. Wenn wir Hieronymus beim Wort nehmen dürfen (plenis- 
simjini srribi< liistoriam', so kann ihre Erwiiluninfr nicht bloss einleitend 
oder ('ijisoilisch jiewesen sein. Fino der Tochter hiess M£vsPf#r Es 
liegt Huf d<M- liiind. das«* der Titel dauiit irgendwie in Verbindung sieht; 
aber wie, Nseiss it h uii hl. auch o. S. 4 26, 2. 

S) Wie man bei gewissen Dialogen swelfelte, ob Paslpboo oder 
Aeschines der Verfosser sei, so schwankte man bei andern rwisdien 
Phaidon und Aeschines (Diog. II lOS). Sollte dies nicht auf eine geistige 
Verwandtschaft zwischen Pasiphon und Phaidon schliessen lassen, wie sie 
/wischen dem Stifter der eltscben und einem Angehörigen der eretriscben 
Schule gef^ebeii war? 

^ II Gl. War er derselbe, der auch für den \ rrl;i>>>cr der 

Tragutücu il<'S Kynikers Diogenes galt nach Diog. VI 73? Der letztere 
heisst freilich Sohn des Aouxiavi;; aber der Zusammenhang der Worte 
fttbrt auf einen Zei{geno8sen des Diogenes. Vgl. auch Susemlbl Gesch. 
d. alex. Lit. I S. 14, SS«»). 

4) Nach Ptutarch Nie. 4 trat in diesen Dialogen Nlkias» der bekannte 
athenische Staatsmann und Feldherr, auf. 

Diese Titel fuhrt Diogenes VI 80 an. wovon die einen aus einem 
anonynien Verzeichniss . dir anderen au«! drmjenigen Sotions stammen. 
Ichthyas ist der»megHris< In- Philosoph fDiog. II 112; und der Dialog war 
wohl nicht ihm gewidmet !»ondern polemisirtu gegen ihn (rpö; 3v xat 
^tofi-iT^i 6 xjvixö; StdXo-yov zezoiT^tai Diog. a. a. O.). Aristarchos war viel- 
leicht der Vater des Theodcktes, von dem Plutarcb de frat. am. i p. 47S B 



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ZeltgeoosaeD des ArlstotolM. HegMlaSt Tbeoplirast u. A. 317 



zweiten Ptolemäer lebte. Der aus abstraktem LebensQberdross 
freiwillig sich Ausbungernde, dem dieser Philosoph in seinem 
'AicoxapT8p«oM die Hauptrolle gegeben hatte, und der durch 
sein Beispiel und seine Reden Andere sur Nacheiferung ver- 
lockte i), trfigt in sehr den Stempel seiner Zeit» als dass es 
mftglich gewesen wfire, ihn in mythisches Kostfim zu stecken. 
Obgleich wir daher seinen Namen nicht erfahren, so müssen 
wir ihn uns doch als eine Person aus historischer Zeit denken. 

Von den Peripatetlkem ist Theophrast su nennen, der naoplifMik. 
in seinem KaUlsthenes es unternahm, das Andenken seines un- 
glüddichen Freundes, des Begleiters Alexanders des Grossen, 
zu feiern und darin nach dem Vorbild, das Plaloii im Phaidon, 
Aristoteles im l:^udeiii {s. o. S. 285, 2) gegeben, diesen selber 
redend auftreten liess - : von demselben habe ich vermuthet, 
dass er in seinem Megaiiki s den K^niker Diogenes redend ein- 
führte (s. 0. S. 311 , iiS; — Lediglich historischer Art scheinen die 

«rxühll, er habe sich Uber die Menge der »Weisen « ao(p(9ca() zu seiner 
Zeit lustig pemarlit. die grösser sri ;i!s die der Nii ht -Weisen, während 
es doch früher dtTeii kaum ^ifhcn gegeben; wonigsleiis war ein ^nlcher 
Verächter des Professoieudunkels. wie eemacht die IlauptroUe im Ihalose 
eioes Kynikers zu spielen. Doch ist zu beincrlcen, dass bei Suidas unt. 
0toS. Vater des Theodefctes vielmehr 'Ap(«tavopo; heiwt Nur ein 
gaos allgemeiner Schluss auf den Inhalt des Kepluilion Ueaae sich aus 
Athen IV p. 464 A xiehen, wenn dort wirklich der Name des Biogenes 
hersostellen ist. Philiskos ist natürlic h der Freund des Diogenes, dem 
manche die unter dessen Namen gehenden Tragödien beilegten (Diog. IV 
78. 80). 

i] Cicero Tuscul 1. 83 f. l'lutarch de aniore jirol. 5 p. 497 0. 

2) Die Schrift iuhrtc den Nebenlitel rspl nlviio-^i. Sie wurde aber 
kaum ihren Namen nach KaUlsthenes tragen, wenn dieser bloss den An- 
laas SU allgemeinen Betrachtungen Qher die Trauer geboten hKtte. Eine 
Tirostachrilt unmittelbar nach dem Eintreffen der Todesnachricht kann 
sie schon deshalb nicht sein, weil in einer solchen, also noch bei 
Lebzeiten Al''van<U.i> , Theophrast üljer diesen sich schwerUch so ge- 
äussert haben \\urdi', wie er bei Cicero Tusr. II! 2t thtit: Niim <jui 
doh'l rebus alicuju» adversis, idem alicujus eliani secuudis (^lolel. I t 
Theophrastus, interitum deploran^j Cullisthenis sodalis sui, rebus Alcx.audri 
prosperls augitur, itaque dldt Cailislhenem incidisse in homlnem summa 
poteatia summaque fortuna sed ignarum quem ad modum rebus secundis 
all oonvenirat. 

3i War der Me7a%Xfj; i>ei Diog. V 47 ein Dialog, so wird auch er wohl 
in die Klasse der historischen gehört haben. 



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348 Ui. Der Verfall. 

D«m»trio». Dialoge von Theoplnnsts Schüler, Demetrios von Phaleron, 
gewesen zu sein, indem sie dabei von der Gegenwart bis io 
sehr ferne Zeiten der Vergangenheit hinaufstiegen*). — Nicht 

IMMMioh. mehr sind wir auch berechtigt von Dicaearch zu sagen 
Wenn auch seine Dialoge nicht bestimmte historische Situationen 
wiedergaben, so bewegten sie sich doch im weiteren Rahmen 
des Geschichtlichen luid scheiaen sich noch nicht ins Fabel- 
KorintbiBchet hafte uod Wanderbare verloren xu haben. Das »Korinthische 

^-e^ Gesprfich« (Koptvftiaxi«) kann iwar auf den ersten Anblick 
scheinen uns in die Sltesten Zeiten des Mensf^engescUedits 
SU versetien, da es sum Hauptredner einen Abkömmling des 
Deukalion Namens Pherekrates hatte. Es braacht aber dieser 
phthiotische Greis , wie in Cicero nennt (Tose. I 21), nicht 
gerade ein Sohn oder Enkel des Deukalion gewesen zu sein^ 
sondern kann einer in historischer Zeit lebenden Familie an- 
gehört haben, die ihren mythischen Ahnherrn in Deukalion 
verehrte. Leitete sich seine Familie etwa auf natürlichem 
Wege von D»nik;ilion ab 2), so konnte er besonders geeignet 
erscheinen , um sich gegen die Fabel zu erklären, wonach 
dem Deukalion aus den Steinen Kinder erweckt wurden 3), 
und damit einen längeren Vortrag über die Verbreitung des 
Lebensprinoips überhaupt in der Weit xu halten^). Auch die 

1; Auf die Gegenwart bezieben sich (Oiog. V 84; FlToXciMTlKt KXI<m'^ 
(Üioft. V 76\ vielleicht auch der 'ApisTifxayo; fHerwIg Ucber Demetr. Phal. 
Schriften S, 18 ; einer näheren und ferneren Vergangenheil gehören der 
Aiovuctoc und 'AptOTeiSTTj? (Herwig a. a. O.) 'ApT^p^dp^tjc an. Dem sokrati- 
schen Kreise ist der <^olO(uv5^; l'lat. Phäd. p. 59, Xenoph. Meu). I 2. 
Herwig a. a. 0.) entnomiuen. Räthsclhafl bleibt der .Vhiocov ; vielleicht iäi 
dafür Mfött>v tu lesen, wie eio pseado-platonfsdier Dtdog ;Diog. III St. 
und Komödien des Antiphanes iiod Ale&is blessen (lleioeke hist. crit 404}. 

i) Dies seheiot auch das delphische PriestercoUegiuiii der Hosioi 
t:<-than stt haben nach Plutarch Q. Gr. 9: denn vor Andern sich der 
AhsUimnuing von Deukalion zu rühmen halten sie kein Recht, wenn ihr 
Starombaum auf die aus Steinen erweckten Kinder desselben zurückging, 
Weni«istens hei Censorin. de die natali IV 3 u. 6 wird Dicttarch 
• unter die gerechnet, welche das Menschengeschlecht für so ewig als die 

Welt hielten und die Fabeln von Deukalion und Pyrrha verwarfen. 

4} Nach Cicero a. a. 0. sog sidi dieser Vortrag durdi das sweite 
und dritte Buch biadurcli und mochte der dogmatiscbe AbscUuss der 
iebhafteD Discussion sein, «dohe das erste Buch enthielt und woran viele 
••dnctt bomlnes« stieb betheiligten. Das Verhtfltniss des ersten Baches 



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ZeiteenoMen des Arfartotelo«. Dlcftearch. 



319 



>LesbischeD Gespräche« (Gieero Tose. 1 31, 77), deren StSUe LMbiMhe Oe- 

MytUene war und die sloh gegen die Unsterblichkeit der Seele "i^* 

riditeten, werden wir wohl in historischen Zeiten suchen 

dOrfeni). Und war die Schilderung des Opfers auf Ilion nicht 

▼ielleicht ein Dialog, an dem Alezander der Grosse betheiligt 

war? Oder doch wenigstens eine historische Novelle mit 

vielen GesprSchen untermischt?*) Wenigstens die Bedenken, 

die man sonst dem Titel dieser Schrift •vom Opfer auf Ilion« Opfer auf nion 

•repi tt;; h MXuo Ouaiac Athen. XIII p. 603 A f.) gegenüber 

hatte Müller fragm. histor. Gr. IIS. 241), wären dadurch mit 

einem Schlage l)eseiligt. Nur historischen Personen oder doch 

keinen der 51ytlu- k.mn Dicäarch seine politischen Gespräche poUtischd 0«- 

in den Mund gelegt haben, als deren Scene, wie es scheint. »f^^^ 

er Olympia gewählt hatte ^Cicero ad Att. XIII 30): Vertreter 

der verschiedenen griechischen Staaten konnten sich dort leicht 

zusammenfinden und in Gesprächen jeder das Lob seiner 

heimathlichen Verfassung verkünden, wobei Piatons Gesetze 

das Vorbild sein mochten^. Phantastisch klingt nur der 

XU den beiden anderen scbcint sonach iihnhch gewesen zu sein, wie das 
des ersten Buchen der platonischen Republik zu dein folgenden Thcil des 
Werkes, der seinem Wesen n.Kh doch auch nur die positive fintwick» 
lUDg der (ied.iuken des Sokrales ist. 

1) Diene Lesbischea Gespräche, die ebenfalls drei Bücher uniiaüsteu 
mit dem KoriDtbiscben so einem einzigen Werke su verbinden und dieses 
mit deo beiden Büchern mpl ^j/f,; (Cicero ad Att. XIII SS. Plntarch adv. 
Colot I p. II f SA) SU identiflciren (Schmidt de Heraclidae Part ed Dicaearchi 
Messen, dialogis deperd. S. 40 f.;, haben wir kein Recht. Denn von dem 
Letiensprincip und seiner Verbreitung durch die gar.ze Welt konnte in 
einem besonderen tunfanprreichen Werk die Rede sein und in einem ebenso 
umfangreichen davon unabhängigen von der Unsterblichkeit der iuen««e!t- 
liehen Seele : der Gegenstand war dadurch noch nicht erschöpft sondern 
gab, Dank den Forschungen IMatons und Aristoteles', noch den Stoff für 
•In drittes Werli in zwei Bächwn von der Seele her. Gans anderen 
Inhalt hatte die nur von Cicero (de off. II IS) citirte Schrift de Interitu 
hominuDt die man ebenfalls jenem eingebildeten unförmlichen Werli von 
der f^eele hat einverleiben vs ollen. 

2) Hierauf kann auch Arrian Anab. I 11, 7 f. u. ti, 1 IT. führen. 

3) Ob dieser Dialog mit dem 'OX*JfArt/'<: hv\ Athen. XIV p. 620 D 
identisch ^ar, ist mehr als fraglich; ehensn Ii t i der von Cicero ad .\tt. 
XIII 32 erwähnte Tpt7:o>aTixö; war. \on dem letzteren steht nicht hin- 
reichend fest, dass er Überhaupt ein Dialog war. Vermuthen kennte man 



iU. Der Verfali. 



Hinabfkhrt Titel Hinablahrt zur Höhle des Trophonios^^ (KaTa373i; zU 
1h^md«r Tp^?"*^^'o^ Schul i(it de Heracl. Pont, et Dicaearchi Mess. dial. 

deperd. S. 30 ff.), den eine Schrift des Dicaarch führte. Das 
Phantastische würde sich auflösen, wenn wir annehmen 
wollten, dass h'wr wieder einmal der Dialogenschreiber mit 
den Komikern rivaiisirte und der Zweck der Schrift eine 
Verhöhnung des Orakelschwindels in Lebadeia war. Von 
den verschiedenen Vermuthungen, die über den Inhalt dieser 
Schrift geäussert worden sind, Hess sich keine fester be- 
gründen. Vielleicht war von der Wahrsagung, ihrem Nutzen, 
ihrer MSglidüieil darin die Rede (fr. 69 und 70 bei MttUer, 
vgl. Bergk Bell. com. Att ani S. 845); Ghfironi) mochte 
fiber diese GegenstSnde das Orakel befragt haben, wie 
Timarchos dies bei Plutarch (de gen. Soor. 21 p. 590^ ff.) 
in Betreff des sokratischen D&nonion thut, und berichtete nun 
tUier das Ergebniss seiner Befragung in einer ISngeren Er- 
sShlung (j»in Trophoniana Ghaeronis narratione« Cicero ad kVL 
VI 2), die inügl icher Weise der des Timarchos nach Form und 
Gedanken ähnlich war 2). 



diess, wenn das jhm^ Amonapxtxiv in dem späten Dialog ictpl icoXitmijti 
den Phot cod. 67 ed. Bekk. bespricht, sich auf den Philosophen liosOge; 

dies scheint mir aber, da die.^e Art Verfassung ausdrttclUich iTcpov Cihot 
TToXtTeia; TTipa -za toi; TtaXatoic ii'ji^iih'x lu'hsi, unmdp;ltrh imd ich sehe 
«ifshiilh in dem Niunrn nur eine Htiii!riif nn^ auf die fifrccht«- Regierung, 
N\ ii' sie iiiil (irimd oincr sdh licii \ *'ri,i>Mm^.' stalUindet. Die Form '/i7-ui- 
opj^o; kenne ich zwar nicht aus der griechischen Literatur, aber >*enig- 
stens dltxaiapxo« bat Cicero ad Alt n Ii. 

4) Wer dieser Cliflron war, ist mit Sicherheit nicht aiissumachen. 
Beachtung verdient aber dass er sich für die geographische Lage der 
griechischen Städte interessirt (Cicero ad Att. VI S, %) und dass wir ein 
ähnUcheS Interesse auch für den mythischen Gründer von Charonca 
voraussetzen dürfen, der nach Plutniih i\o garnil. 1 p ."lüC die <tadt 
Cbaronea von piiiem Abhang, wo sie von dem Widerschein der Ahetul- 
sonne vom Pariiass her getrolTen wurde, auf die andere der auigchcudcn 
Sonne zugekehrte Seite verlegte. 

%} Kohdo Griech. Rom. S. iM Anm., aber auch El^ Ldps. Stiidd. 
XIII S. 84 4 f. Oder war die Ersählung auf einer Tafel geochrieben, wie das 
dem Brauche entsprach nach Paosao. IX 89, 44 (to6s (I t«» Tpofn- 
vlo'j »aTeXdfSvta« dydfti] Ofdc> 6lE60a l^xo'jsev fxasTOS ^ elSev , dlvadetvat 
Yt7pctjji|x£va £v rJvaxO, und wurde von da vorgelesen? Die Scene des Ge- 
r»prttcbs wäre dann in Lebadeia gewesen und dies war für ein Gespräch 



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Zeitgenossen des Aristoteles. Herakleldes. 321 

Je weiter sloli die Dialoge von der Gegenwart entfeinten, 
desto tSkev lag es, dass sie sich ins Fabelhafte Terloren and mit 
den dort geholten bnnten FUeken sich einen neuen Reis zu geben 

suchten. Zu denen, die die Scene des Gesprächs gern in eine 

entfernte Vergangenheil verlegten, rechnet Cicero (ad Att. XIII 

19, 4, adQ. fr. III 5, 1) den Pontikor Herakleides. Feld- EerakWdes. 

herru. Staatsmanner und i'hilusophen wurden in seinen üialoeen 

eingeftlhrt und redeten in der einfachen und fiatürlichen Weise, 

die der rechten Conversntion eis:en zu sein pllegt'). Insoweit 

wahrte er den historischen Charakter. An den Hof des Gelon Hi«tnri«cber 

führte einer seiner Dialoge, worin ein Mager auftrat und dem 

Fürsten von seiner Umschiffung Libyens berichtete^); in die 



über die Weiieagung ja der geeignete Ort, wie z. B. Lamprias nach Plutarcfa 

def. orac. 38 p. 431 gerade dort über denselben Gegenstand ein Gespriich 
geführt hat. Die Vermuthung, da.ss die Erzählung auf einer oder meh- 
reren Tafeln starxl, empfiehll sirl) darum, weil auf diese Weise endiirh 
einmal eine bcslininile Krklurun;^ der »Dicaearchi tahulac« bei Ctrcrf» ad 
Att. VI 2. 2 (Peloponnesias eisitates omnes maritimas esse, houimis nun 
nequum sed eliaoi tue judicio probati, Dicaearchi tabulis crcdidi. Is 
miüMt aomtitflNis in Trophoiüsna Cluieroiiii narratioiie Gniecos io eo repre- 
heodit etcj geftmden wäre (vgi. tabellae bei Cicero Tubc. 1 445). An einen 
Ycfv«^ kattpll das bekannte Gesprlleh des Kebes an und »In pariete picta 
ItaKa« gibt den Anlass zu dem ersten Varronischen Dialog de re ruat. 
▼gl. t, f u. t; au( h Sosqueulixes fr. 1 f. Rieae. 

'Ani CT&aTTjixÄv xii TtoAiTtxtu'j dvopräv irpoc dXXtjXo'JC otiXe^OfAlvrov. DaSS 
Herakleides in seinen Dialogen sich selber redend einfulirte, hat Wieland 
aus Cicero ad Quint. III 5, 4 in der Annieri^uag zur Uebersetzung ge> 
addoMen; die Stelle beweist aber vielmehr das Gegentheil, da dort nicht 
fleraltleidea aondem nur Aristoteles dem Cloero als Vorbild In dieser 
Besiebnng genannt wird. Onrcb ein MissvOfstSndniss dieser Stelle und ad 
Att. Xin 19, 1 1 ist ancb Krische Theol. Lehren S. SS6 zu falschen Sohlttasen 
über eine Entwickelung der dialogischen Schriftstellerei des Herakleides 
verleitet worden. Die Steile besagt nicht, das:^ Herakleides in einigen 
seiner Dialnae als n.m(tb\ rprjimitov auftrat, also zwar nicht nüttedete, 
aber doch zugegen war; sonst hätte Cicero den Ausdruck x. rp. nicht 
durch Hinweis auf sein eigenes Yerhältniss zu seinen Gesprüclien de 
republica erläutern können; vielmehr eigibt sich hieraus dass x. rp. auch 
vom Schriflateller gebrancbt werden kann» der gar Iceine KoUe In seinen 
Dialogen aplelti weder als GesprSchs^ noch als stnmme Person. 

%) Strabo II 4 p. SS. Audi was er bei Ronles De vita et scriptis 
Her. Pont. S. S4 ff. Ober Solon, Peisistratos , Tliemistokles und Perikles 
berichtet, kann zum Theil in Dialogen gestanden haben. 



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32S 



lU. Der Veriall. 



Umgobung speziell des Sokrates weisen der »Protagoras« 'Diog. 
V 88) uüd aKleinias« (a. a, 0. 87), wenn beide, wie doch wahr- 
scheinlich ist, Dialoge waren*) und der letztere den Bruder 
des Alkibiades meint ^J. Auch die Fragmente des Dialogs »Yon der 
Lust« (ic£pl TjoovT^;) 3) deuten durch zahlreiche Beziehungen auf 
Ereignisse und VerhSltniwe ans der Zeit nach den Perserkriegen; 

<) Nach allem, was darüber gescbriebcu isl, woge ich es uichl die 
Fragen zu lösen, die steh an das verworrene Verzeichniss der Sciiriften 
des Herakleides hei Diog. V 8S ff. knttpfen. Man s. Schmidt de Heraelidae 
Pontici et Dlcaearobi Mess. dialL deperd. S. 10 f. Vnger Rh. M. SS S. 495 ff. 
Schräder Philol. 44 S. 239,7. Eine Schwierigkeit scheinen mir Alle nicht 
genug gewürdigt zu haben: dass nninlich ^töLXoYoi bei Diog. 86 sieb 
schlcchterditt'jis nicht in die (!i)ustni( li(»ii fiict. Wir lesen: ^pepctai o a-jtoü 
C'JYTP^ififAat'/ x7./.XtaT<i te xai ao-ati ■ ota/ oYOt, tuv tjÖtxd utv rrfol hixawsj- 
vr^; xtX. Es ist Jilar, das» ■fjHtxd sich auf ou^TPaiJ^P-ä'*« zurückbe/iebl und 
diese Beziehung durch das eingeschobene §ta>vOYOt nur gestört wird. Daher 
ist auch nldits geholfen, wenn man mit Schräder a. a. 0. «ol vor tidXofoi 
hinsufilgl. Vielmehr muss $utX«Yoi gestrichen werden. Auch was wir 
nach dem Schluss des Veneidmfsses bei Diog. SS lesen , bestätigt diese 
Vermuthling: tojtwv (lev y.o:|At7.ä)5 r.i-rkixt^ w; ro Tztpi y/>ovfj; xol repl 
owopooivY;;, Tct oe TpoYtr*"»; to ~tpi xAv xaö' aorjV rat to TZtpi cuos^ct«; 
xai TO repl i^o'jaloc. Üciiii obslcich si<"h di^so Worin dor Snrhp n:irh 
auf di*» niidopo beziehen, so bezichen .sie siel» tiot i» tu i]cv loi ui iid ja^v^ — 
Ttx hij iediglich auf die Gjyfpdit]uaia zurück. Uebrigens legi tiieser letzleit; 
Umstand die Vcrmuthung nahe, dass die Werte (88) toötoiv |tiv «m(At- 
x&c icÄicXoxiv ursprünglich sich anmittelliar an <f^pcTM ^ adroS 
eiiinrpa'{i|Mita xdXXtara tc «al dptna (86) anschlössen und das Veneichniss 
erst naclitrüglich eingeschoben worden isi Denn auf dieses können die 
Worte ToÜTrov xd fxi'v xx).. unmüglich zunickweisen, da in demselben 
offenbar auch nirlif «lialo^isrhc Srbrifl<ni (Milb;ilton «ind. dio sich nicht 
unter eine der beidni Ii ibrikt ii, ti a;;is( brr oder komischer Coüipositionen. 
hriuj^ou la^tseu. Nt.hiin'ii wir- aber ;in dass xouxcuv xd fi£v xxX. sich an 
die cuYYpajAjAaxa xa)Aicxd x£ xai dpiaxa anschluss, so ist alles iu Ordnung, 
da mit den »schönsten und hesten Schriften« sehr wohl die Dialoge he- 
zeichnet werden ktfnnlen and das sah auch der ein, der das Wort 
Xo^foi doil hinzuschrieb, das dann verkehrter Weise in den Text gerieth. 

i) Schmidt de Heraelidae Pontici et Dicaearcbi Mcssenii di tloi^i« 
dcperditis S. 1 4 f. Hiernach könnte die Aeusserung Xenophons bei Dioi:. 
11 49 itber seine Liebe zu Kleinias wohl diesi^m Dinlnue cntnonmien 
Sein. liier niag auch >:leich der 'Axojafi; abjitlUun werden iDio*:. S.'.), 
an welchem Titel Schmidt a. a. 0. grossen Ansloss nimmt. An eine Kr- 
Orterung über Willensfreiheit oder -Unfreiheit ist nicht zu denken. Wenig- 
stens zu CIceros Zeit, wie wir aus ad Att. XI ts, t sehen, war 'Avoöotoe 
ein griechischer Name. 

Bei Roulcz S. 72 ff. 



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ZeitgenoMen des Aristoteles. Herakleides. 323 



vielleicht trat ein Mitglied ebenfalls des sokratischen Kreises, 
Aristipp, oder einer seiner Schüler darin redend auf']. 

Aber wie in der Persönlichkeit des Pontikers sich der HfirciieQ und 
Forscher and Gelehrte in seltsamer Weise mit dem Abenteurer 
und Phantesten verband, so gaben auch seine Dialoge dem Leser 
von Beiden tu kosten, da in ihnen emsthafte Wissenschaft auf 
eine schon den Alten anfällige Weise mit IlSrchen und Fabeln 
verseCct war>). Wie ein Theophrastus Paracelsns des Alter- 
thnms tritt er uns entgegen, unter den Frflheren dem Empe- 
dokles, unter den Spiteren am Meisten dem Poseidonios 
verwandt. Ihn einfach ftlr einen Schwindler su halten, haben 
wir kein Recht. Zu diesem harten Urtheil ist man haupt- 
sächlich bestimmt worden, weil man sich nicht weiter überlegte, 
an welchem ri ii/ und unter welchen Umständen er gewisse 
Aeusserungen, die ihm beigelegt werden, gcthan hat. 

In einer seiner Schriften (rspl rr,c arrvoo Diog. VIII (»7 f.) H^pi 
hatte er erzählt, wie Empedokles grossen Üuhiii erlangte, als er 
ein Mädchen, das man ihm lodt gei>racht, lebend wieder von 
sich cntlicss. und danach, dass derselbe Philoi>oph auf dem 
Liandgut des Peisianax ein Opfer vollzog. Es waren aber auch 
einige von den Freunden gebeten, darunter auch Pausanias. 
Nach beendigtem Schmause gingen die Uebrigcn fort, um sich 
jeder fttr sich auszuruhen, die Einen unter Bäumen, da der 
Garten gleich dabei war, die Andern wo es ihnen beliebte, er 
selbst aber blieb auf dem Plats, wo er wShrend des Mahles 
gelegen hatte. Als sie aber nach Tages Anbruch aufstanden, 
wurde er allein vermisst Und als man suchte und die Diener 
ansfhig und diese erklSrten, sie wOssten von nichts, erzählte 
Einer, um flUttemacht habe er eine Stimme von ttbermensch" 
lieber StSrke vernommen, die den Empedokles rief, danach 
sei er aufgestanden und habe ein Licht am Himmel und den 
Schein von Fackeln gesehen, sonst aber nichts. Wahrend die 



4) Die Art. wie die Lust darin gelobt wird, ist in s»etnem Sinne, 
Dicht in deui bpikurs, an den man auch schon aus chronologischen 
Gründen nicht hstte denken sollen. Dass übrigens die Schrift ein Dialog 
war, ergibt sich daraus, dass, was daraus angeführt wird, anf ganz ent- 
gegengeseide Ansichten Ober den Werth der Lust führt, S. 78 f. auf ein 
Lob, S. 75 IT. auf einen Tadel derselben. Vgl. Sehmldt S. 7. 

i) Vgl auch Diels Berr. der Berl. Aicad. 4S9I S. 894 f. 



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324 



lU. Der VeHaU. 



Andern sich nun hierübor entsetzten, ging Püiisiiiiias hinab 
und schickte welcii*' fort, die suchen .s(»lli( a; späterhin aber 
verhinderte er weiteres Nachforschen, indem er erklärte, was 
geschehen verlange vielmehr, dass man bete und ihm wie 
ainem Gotte opfere^). Der Historiker Timaios hat es für 
Werth gehalten, diesen Bericht einer Kritik zu unterziehen, 
worin er unter Anderem bemerkt, dass Peisianax ein Syra- 
kuser gewesen und deshalb bei Akragas gar kein Landgui 
besessen haben könne (Diog. VIII 74). Aller Wahrsebeiniicli- 
keit nach ist diese Kritik so wenig am Piatie als der Tadel, 
den sieh Piaton gefoUen lassen musste wegen der historischen 
Irrthflmer, die er in seinen Dialogen begangen haben sollte. 
Herakleides wird das Gastmahl geschildert haben, das Empe- 
dokles mit einigen seiner vertrautesten Freunde abhielt und 
welches sein letstes sein sollte. Den Anlass gab das Opfer^ 
das der Philosoph darbrachte zum Dank für die i^elungene 
ürweckung einer Todten zum Leben ^j. üoltr den Anwesenden 
befand sich auch Pausanias, der vertrauteste Freund des 
Empcdokles Nattirlich fiel «las (iespräch auf das EreigniN- 
der nächsten Vergangenheit, das d«»n Anlass zu dem Feste 
gegeben. Fausanias scheint bei diesem Ereigniss zufällig nicht 
zugegen gewesen zu sein: deshalb erzählt ihm besonders^ , 
da er als Arzt und Freund gleichmässig sich dafUr interessiren 
musste, Empedokles noch einmal den ganien Hergang mit all 
der Ausführlichkeit, wie sie ein Arr.t dem andern gegenüber 
Itlr angebracht halten konnte*). Weitere Erörterungen llbcr 

1] Hierauf bezieht sich auch hei Diog. Viil 6^: Tipo; to^U & OattOai'' 
iiini dvriXryc Dadnrdh da» er Ilm geheinudtsvoll m den Gtfltera eet- 
schweben Uess, iriderspracb Pauaanias der Fabel , wonach Empedokles 
in den Krater des Aetna gesprongeii sein sollte. 

2) Diog. VIII 67 sagt nach HeraUeides dnoorelXa« vift vcxpav is^pm» 
zov C<ü3av. Rationalistischer lautet der Bericht des Hermippos (Diog- 
wonarh ♦ sich nur um t'inc von den iibrigcn Aerzten aufgegebene Person 
handclk*. Empedokles «iiHxM- iihiuMr hu seine Wunderkraft, dass sie 
Todte wieder zum Leben zu erweclkca voriijöge. "^Acet; 6' Atoao 
xaTacpöifx^vou {xevo; civSp6; verheisst er vs. 470 seinem Schüler. 

3] Spätere (Diog. VIU 60} nanoten ihn seinen ipcu^evo«. 

4) Dass sich die Enihlong speclell an Pauaanias wandte, ergibt sich 
aus Diog. VUI 60: 'Hp««XctSi)c V iv t{ «tpl vdowv ft)«^ «al noueanCf 

6) Hierau» erlilari »Icii der Titel 'Aitvou;, den Galen De loci» aflci'tis 



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ZeügenMten des Aristoteles. Herakleideg, 



385 



(li*^ Natur (h^r Krankheiten konnten sich leicht hieranknüpfen'); 
aber wenn wir bedenken, dass Empedokles seine ganxe Phi- 
losophie in den Diensl theils der Religion, iheils der Medizin 
stellto^), so hogreifen wir, dass in einer Schrift, deren Mittel- 
punkt die BreäliluDg einer wunderbaren Heiltmg war, die 
Rede auf die Philosophie überhaupt, deren Wesen und Namen 
kommen konnte'). Hier, wenn es nicht schon in den ein- 
leitenden Remerkungen des Herakleides selber vorweg ge- 
nommen war, konnte Empedokles auch seines GrossTaters 
gedenken, der «war denselben Namen wie er trug, dessen 
Leben aber ganz anderen Interessen gewidmet war, der nicht 
wie der Enkt I Philosophie, sondern tTrnorpo'^ta trieb und zwar 
wie es .scrheint. um damit bei den grossen hellenischen Kampf- 
spielon Siege zu gewinnen *l So sehr er sich über andern 
Menschen erhob, den Namen d^^ Weisen, den ihm gerade 
damals seine Freunde nach der letzten höchsten Bewährung 
seiner Wissenschaft beilegen mochten, lehnte Empedokles von 
sich ab: »die Weisheit« sagte er wohl unter Berufung auf 
Pythagoras, »ist nur bei den GOttem und wird den Menschen 
erst au Theil, wenn sie in deren Gemeinschaft lurttckgekehrt 
und aus diesem Leben geschieden sindc*). Wflrdiger als 

VI VIII p. 4i4 tr. >'il. Kuliiij der ^cbrift gibt, und der andere nspi r^c 
dhwov. womit sie Diog. proüm. 32 bezeichnet. 

4 ) Daher kana dieselbe Schrift bei Diog. VIIT 54 und 60 iccpl H^an 
heisseD. 'Anveoe ^ iccpl v6owv lautete der Doppeltitel and wir haben 
keinen Grund mit Schmidt a. a. O. & SO die Schrift ictpl dirrati dem 
Uerakleides abzusprechen und fitr ein Werk des PaaaaniRB zu balten. 

5) Seiiu> Verehrer thellt Empedokles selber vs. 404 r. Mult. in zwei 
Klassen: ol (xev (tayroemiuM M](pi)|&ivoi, ol V Inl vo6eaiv IlavroUw iic6- 
tovTO xX^er^ vjT^xia ßdf^iv. 

^) Die namentlich aus Cicero lirkitnnlo Grsrhichle, wonach Pythagoras 
den Namen des "Weisen abgelehnt und nur drn des Philosophen bean- 
sprucht haben soll, ^balte Horaklcides Tupl r^; airvou erzählt s. Roulez 
a. 8. O. S. SS ff. Dttmmler Akadam. SIS. 

4) Der Glanz des Hnnses wird bei Diog. Vin S4 ans der Imrarpovfa 
des Grossvaters abgeMtet und Enitosthenes (a. a. 0.) wuaste yon einem 
Siege desselben in Olympia. In der Schrift des Herakleides aber (Cicero 
Tnsc. V 9 verglich Pythagoras die Philosophen mit denen, die wie die 
Wettkämpfer in Olympia nur nach Ruhm strebten, and (and dass sie das 
bessere Theil erwflhlt hiilten. 

5! Dem hi-torisehen Empedokles v,nr solche Bescheidenheit keines- 
wegs fremd. Vgl. vs. 409 f.: 'MXd t{ toU V itziiut^ moti ^ifa xptjixdi Tt 



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la Der V«rfiilL 



durch soldie BeCrachtupgen konnte der Sdilius niehi vor^ 
bereitet werden, er bringt die ErfttUang alles deaseo, wonach 

der Philosoph gestand sich sem Leben lang gesehnt tu haben : 

denn «t ineldel s»'in nithselljaftes Verschwinden und deutet an. 
dass er zu den Göttern erhoben worden sei. I)a> Ende w ar die 
Krone zu den V(»ranueganf:enen Erörterungen gerade wie in 
Matons I'licu l mj die Erzählung' ^^n Sokrates' Tod lU den 
Gesprächf-n iber die rnsterbliehkeit. 

Wer will nun dem üerakleides einen Vorvvurl daraus 
machen, dass er den Tod des Empedokles, die Heilung des 
Mädchens ins Wunderbare erhob, dass er überhaupt das histo- 
rische Material nach MaaMgabe seiner dichterischen Zwecke be- 
arbeitete? Für das Eine wie das Andere konnte er sich auf 
Piaton berufen 1). 

TondfvBMU. Von demselben Hissverstandniss, in das wir hier einen 
antiken Gelehrten fallen sahen, haben sich auch moderne nicht 
frei gehalten. In der Schrift »von der Seele« hatte Herakleides 

iriut. Cainill. 22) geäussert^ es sei das Gerücht gegangen, 
dass von den Hyperboreern her von auswärts ein Heer ge- 
küiauun »ui und « ine L'iiechische Stadt, Rom. die dort iri^endwo 
am grossen Meer jiclet'en, erobert habe. Daraus dass er in 
dieser Wrise die Eroberung Uoms durch die Gallier be- 
zeichnete, schien man ohne Weiteres schliessen zu dürfen, 
dass »sein Wissen in geographischen Dingen auf einer niedrigen^ 
von andern längst Uberstiegenen Stufe stände 2). Man hätte 
sich zweininl besinnen sollen, ehe man einem Mann, dessen 
Gelehrsamkeit Cicero wiederholt rUhmt^ eine solche Schuld 

tcpif|9Miv, £1 9>n]T^ nsfki^ «oXu^dopioiv dv9p(&ic»v. Den Menschen Itthlte 
er sich überlegen, vor den Göttern mochte er sich demUthigen. Be- 

inerkensworlli scheint mir in diesem Zii'^ammenhang, dass Plutarch de 
exiUo 17 p no7C das Hauptgedicbi des Empedokles unter dem Namen 

^iXoso'fia ciUrt. 

4' In das Rcii Ii ili-r sokratiü« Ih'u Legende gehurt \v;\s in Piatons 
Sn niposioi) L:<MiM'lti('l wird, dass Soki««tos in Nachdenken versunken die 
j^Huze Nkichl hindurch auf einem Fleck gestanden hahe. 

% Unger im Rh. M. SS S. 4S8. 503. Die Vertheldigung Deswert's, 
die Schräder Phllol. (4 S. 955, 37, billigt, Herakleides habe die gante Er- 
ztthlung in der Form aufgezeichnet, wie sie ihm das Gerttcht ragetrageo, 
isi unvollstSndIg; denn man IMgt, warum seiclmete er sie in dieser Form 
auf, wenn er selbst die Sache doch liesser wussle. 



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Zeilgtfouälieu des Arbtut^tes. Uerakleides. 



327 



iitillnirtiftc. Arislotüles lueiiriach klar und deutlich von 
Kültcu und Galliern gesprni lum und sie als die Eroberer 
Roms bezeichnet: also werden dieselben auch für Ilerakleides 
nicht in hyperboreischcm Nebel verschwunden sein, ich will 
nicht zu seiner Entschuldigung anführen, dass man die Hyper- 
boreer der Sage auf die historischen Kelten deutete. Die 
Lösung der Schwierigkeit bietet auch hier die Annahme eines 
Dialogs. Uerakleides hatte etwa ein Gespräch fingirt^ das in 
das Jahr 389 fiel. Etwas historisch Merkwtirdiges ist aber das 
Auftauchen jenes Gerächtes von der Eroberung Borns nur in 
einem Falle gewesen^ in dem es mit der Rückkehr der massa- 
liotischen Gesandten von Delphi TerknOpft war*). In der Gegend 
von Delphi, wo Alles voll der Sage von den Hyperboreern war, 
konnte das Gerücht leicht jene Form annehmen, zumal wenn 
es etwa im Zusammenhange der Sclirifl des Herakleides als die 
Bestätigung einer vorher mitgetheilten Weissagung der Pythia 
erschien: denn in der Sprache der Orakel konnte füglich die 
Eruberung Horns durch die Gallier als die Kr(»lMM ung einer 
hellenischen am grossen Meer gelegenen Stadt durch die Hyper- 
boreer bezeichnet werden -). Die Beziehung auf Weissagungen 
aber und Göttersprüche in Gesprächen über die Seele kann 
um 80 weniger befremden, als in den beiden Werken, die das 
nächste Vorbild für Herakleides waren, im platonischen Phaidon 
und aristotelischen Eudemos, etwas AehnUches geschehen war. 

So sonderbar es daher klingt, was Tlmaios ebenfalls dem ibnn ans d«n 
Herakleides Yorrftckt (Diog. YIIl 7!i), dass er von euiem 
Menschen erzfihlt habe, der vom Monde gefallen sei, so leicht 
erklSrllch ist es doch und thut dem wissenschaftlichen Emst 
des Herakleides keinen Eintrag, wenn wir nur annehmen, er 
habe sich einer solchen Fiction bedient, um gewissermaasseu 



4J Justin Hl5t. Phil. 4S, 5, B. Vgl Mominsen Delphika, S. 438, 1. 

2; Solitc die Absicht der maflaaliotischen GesandtSChafl idclil 
xvescn sein Nachricht über den Ausgang der Belagerung Massalias durch 
die <^;tJH(>r zu rrhniton? Das Orakel, wenn es di<^ an;^<»n<>fnnieno Form 
hatt»', Mius>ti' SU' /.unitcb-^t glauben mnchen, d;iss iluf \.il(THhul! in- 
zxsischcn von den Gullieru erobert wurden sei; denn eine .Stadt am 
grossen Meere konnte auch Massalio heissen. Erst das Gerücht und 
nadüier die Heimkehr enttäuschten sie völlig. Mir scheint dass durch 
diese Anoaluiie der Bericht Justins klarer wird. 



328 



III. Der Vorfall. 



durch einen Augenzeugen von den himmlischen Dingen be- 
richten zu lassen'). Der »Mann aus dem Monde« kann also 
die Hauptperson in einem Dialog »icepl twv h oopavfp« (Diog. 
V 87) gewesen sein^). Diese Person mag dem Dialog ein 
komisches Geprüge gegeben haben: was nur dasu stimmt, 
dass man die Dialoge des Herakleides in komische und tra- 
Abiib. gische eintheilte (Diog. V 88). — Vollends als MUrcihenbuoli galt 
den Alten der »Abaris« (Plut de aud. poek c. 4). In der 
That bot das Leben dieses wanderbaren ApoUopriesters Stoff 
genug zu Fabeleien und Herakleides mag denselben ausge- 
nutzt haben, da sogar ein zweites Buch dieser SchriR citirt 
^^ird (Bekker Anecd. Gr. p. 178). Trotzdem ist Herakleides 
auch hier seinem sonstigen schriftstell eri'^chen Charakter treu 
geblieben und waren die Fabein nur die Kinkieidung, während 



I) Lucrcz II 1163 f. sagt: Uaud, ut opioor, enim mortalia saecla 
superne Aurea de caelo demlsit Amis In arva. Ob er damit aber auf 
eine bestimmte Ansicht der Art sielt, weiss Ich nicht Inwieweit etwa 
das Motiv xn Lucians Icaromenippus auf dlcM Schrift des HeraUeldes 

zurückgeht, lasse ich dahin gestellt (vgl. bes. Luden Icarom. S4). An 

der Sage vom Nemeiscben Löwen, der vom Blonde gefallen sein sollte 
(Plutarch de facie in erb. !un. 24 p. 937 F. A^ lian H. .\. 12, 7), hatte Hera- 
kleide« einen gewissen Aiihi«ll für seine Dichtung. Die Kindrücke, die 
ein solcher vom Mond Gefalleiier von unserer Rrde empfing, mögen denen 
gleich geweseil sein, die Flui, de facie in a. i. ä40 E andeutet 

Was Cicero an seinen Bruder schreibt {ad Quint. I l , 2, 7) »Graecl qui' 
dem sie te Iis viventem Intnebuntur, ut quendam ex annalium memoria 
aut etiam de caelo divinum hominem esse In provineiam de- 
lepsum putent« ist vielleicht nicht bloss eine wlUkttrliche Annahme 
sondern beruht auf einer Reminlscenz und zwar spccicU aus der Lektüre 
des Herakleides. Auch Voltaire, Traiti'' de nietaph>s. ( h;ip. I, ^efölll sich 
einmal in der Vorstellung, wie es einem Bewohner des Mars oder Jupiter 
lu Mutiie sein wurde, der sich ph>t/lich aiil unsere Erde versetzt fände. 
Ich halte daher die Aenderung des Textes bei Diogenes, die im Auschluss 
an Reiske DIels vorschlägt (Herrn, ik, 321), nicht für nothwendig. 

S) Das Gegenstück war vielleicht icspl tBn iv ^&ou (Diog. V ,87). 
Hierher stammt wohl die durch Mal beieugle Notix des Proklos (bei 
Schöll in Anecd. var. 11 8. 64] : quendam vivum venantemqne (?) regna 
infema vidisse. Demokrit In seiner gteielmamlgen Schrift hatte von sol- 
chen berichtet, die vom Scheintod wieder zum Leben erwacht waren 
(Schüll a. a. 0. S. ct, 33 f.]. Nicht viel mehr hatte auch Piaton im Mythus 
seiner Republik i;elhaa. Herakleides scheint in der Kühnheit des Er- 
dichteus wcit^ii ^c^jaogea zu sein. Diels Archiv L (j. ü. Ph. Ul 3 6. 4ti». 



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Zeitgeoos^n des Arblulcles. Herakleidcs. 



329 



der Kern des Werkes Erörterungen über die GcTochligkcit 
bildeten *) : mit seinem Pfoi! durchzog Abaris die Welt, be- 
suchte die verschiVdenen Städte und maass die Emrichlungcn 
derselben und daü ganze Treiben an (1( m IdealbÜd der Ge- 
rechtigkeit, das ihm das Leben der ilyperboreer gewährt 
halle 2). Da der Abaris mehr als ein Buch umfasste, so war 
er wohl eine Art Ton Aoman, durch den aber ähnlich wie 
durch die KyropSdie Xenephons und vielleidit auch durch den 
Herakles des Antisthenes (s. o. S. 420) sjch ehie Kette von 
Dialogen schlang'). 

Stünde nicht der grössere Umfang des Werkes im Wege, emMMm' 
so liesse sich der Name »Abaris« auch von einer mythischen ^orbud for 
Episode ableiten, die sich mit diesem Wundermanne be- Yum logi- 
schäiligtc. Ritsehl (Opusc. Iii S. 4S:i Anm.j hat die Yermu- 
thung ausgesprochen, dass Varros »Logistorici« nach Inhalt 
und Form ihr Vorbild in Schuften des Ilerakleides halten. 
Bas Wesen dieser f.ogistorici scheint er mir aber nicht richtig 
bezeichnet zu haben, wenn er sie fQr philosophische mit einem 
reichen Beiwerk historischer Belege durchwirkte Discurse er-- 
klärt; denn wenn hierin ihr EigenthOmliches lag, so war lOr 



4] Bekanntlich fehlt der »Abaris« in dem Scbrifl^^nverzcichniss des 
Diogenes. Schmidt S. iS, 4 veramllMte, er sei Identisch mit der Schrift 
•von den Orakeln« {iccpl xp^ttqpUw), die iwar nicht von Diogenes, aber 
von Anderen dtlrt wird. Bedachte man das Wesen des Atwrlfl» der 

wahrsagend ()(pi]3(ioXo7&v) die Welt durchzogen haben sollte, so schien 
die Vermuthong nicht unbegründet. Sie Ist aber aufzugeben. Denn in 

Eratosth. Caf:t^t(r 49 heisst es von dem Pfeil des Apoll, der bei den 
Hyperboreern aufbewahrt wurde und kein an(lrr<T ist als der Pfeil des 
Abaris: rv hi 6ics())«c](idt^, <b( 'HpaxXcl^^ 6 llovttx^t ftfiis ntfX 

S) So luuui man wenigstens vermutben. Von den Hyperboreern 
singt Pindar Pyth. X 4t ff.: vfinm U mI (xa^äv arep olxiotet fW|4vTS« 
&ic<p(i«ov NlfMotv. Und in den beiden Fragmenten, die Alhenttns XII 
Sti B o. SSS F ans der SohriA von der Gerecliti^eit anfahrt, werden 

blutige und gewaltsame Theten aus der Geschichte von Sybaril und 

Milet erzählt, wohl um vor den Folgen der l'ngerechtigkeit zu warnen. 

3; Die Titin^else bei Bekkcr Anecd. r,r. p. m 'HpaxXetSou Flovri- 
xfi'j xws tii A^ciptv dvot.;epo{Jif^<ov erklärt sich leichler, wenn wir anneh- 
men, es seien darin dem Abaris allerlei Reden in den Mund gelegt 
worden, als wenn man das Ganze lediglich für eine Lrzalilung halt. Vgl. 
jeut Boeh DMs Archiv f. Geadi. d. Ph. lU 8 S. 4SS, SS. 



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330 



lU. Oer Verfall. 



Cicero kein Grund vorhanden, einen solchen logistoricus, wie 
er ad Alt. XVI II. 3 Ihul, als ' HpaxXciOitov zu bezeirhnen. 
da die VcrbinduDg philosophischer IHscnssion mit histurischcr 
Gelehrsamkeit nicht auf die Dialoge des Ueraklcides beschränkt 
war, sondern sich auch in anderen jener späteren Zeit, nameni- 
lich aus der peripatetischen Schule fand. Vielmehr führen 
die Titel dieser Varronischen Schriften wie »Orestes oder vom 
Wahnsinn« (Orestes aut de insania Ritsehl a. a. O. S. 40&) 
oder »Marius oder vom SehiciLsal« (Marius vel de fortuna 
Ritsehl a. a. 0.) auf die Vermuthung, dass in derartigen 
Schriften das Ergebniss der dialogischen Erörterung durch 
eine ErsShlung aus dem Bereich der Sage oder Geschichte 
untersttttxt wurde '). Freilich müssen derartige Erzählungen 
zum Ganzen des Werkes in einem andern Verhältniss gestanden 
haben, als die platonischen Mythen zu ihren Dialogen, da die 
Schriften nnch ihnen den Namen trugen. In weli In m Ver- 
liiillniss. das leliren uns die unter IMatons Schriften erliaitenen 
Fsendo-Platons kleineren Dialoge Minos und Ilippnrchos, die eltenlalls nach 
^ytrohlf^^ solchen historischen Episoden ihren Nameu tragen, während 
die dazu gehörenden Gespräche vom Gesetz (irspt vdpou) und 
vom Streben nach Vortheil (cpiXoxspoY;;) handeln. Bas sind 
wirklich logistorici d. h. X^yoi» Gespräche, verbunden mit 
imp{a^y Gesdiichte. Der unbekannte Yerfesser beider mag 
sich Herakleides sum Vorbild genommen haben, der wohl 
der einzige hervorragende Vertreter dieser Gattung war 

1) Rit.schls AufTassung (a. a. 0. S. 403) dass tViv als Titel dirnon<UMi 
Namen diejcnigon Personen bezeichnen, welchen die Schriften dedairl 
vvRion. kommt beim Marius und Orestes in rlir Brüche. Iragekehrl steht 
mit der vorgeschlagenen zuniiohst liegenden hrkl;irung keiner der übrigen 
Titel in Widerspruch. Im »Atticus oder von den Zahlen« (de uumeris 
Ritsehl a. a.0. S, t05) und im »Sisenna oder von der Gwcfaichte« (de historia 
Ritschi a. a. 0.) wurde also nebea ErKrterangen flher die Zahlen und Uber 
die Geschichte auch etwas zu Ehren des Atticus und des Siaeona er> 
zählt. Nun erst begreifen wir, warum Cicero daran gelegen war eben- 
falls ein snU hos 'll&axXcioetov von Varro zu erhalten. 

i' Niidi Hertz zu Gell. lY 19, i könnt« eine Varrontsche Schrift 
dieser Art auch wlncist^ria« gennnnt worden. 

3^ WÜamowitz liöitine I'iogi. 1S89 S. 20 verweist uns auf Plu- 
tarchs .Moialia, aus denen wir am besten die Niiicii der logistorici kennen 
lernen könnten; aber oline seine Ansicht lu begründen. In der SchriA 
»Ueber das Daimonlon des Sokrttes« treten die beldea Elemente, die der 



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Zeitgenossen des Aristoteles. Merakleides, Ariston. 334 



Unter den Schriften des Pontikers, die uns bekannt sind, 
kann der Abaris oiclit dasa gehört haben, weil in einem 
Werke, das wie dieses aus mehreren lU'u-hcrn bestand, die 
Episode eines einseinen Buches nicht den Hiel für das Ganse 
abgeben kennte; wohl aber s. B. der Protagoras (iccpl too 
^ritQpsdstv 1] nposTaY^pa« Diog. V 88) <). Es würden sich diese 
Schriften des Herakleides» auch wenn die Episode darin nicht 
gerade der Mythe sondern der eigentlichen Geschichte ent^ 
nommen Ist, doch mit dem Abaris und seinesgleichen auf 
eine Linie stellen lassen; denn die Lust am Fabuliren ist 
darin stärker als die Freude an dialektischer Erürterunt^, dit^ 
Erzählung ist in Wahrheit der Kern und das Di i logische nur 
die Schale, worin man dem Uerkominen zu Liebe jenen glaubte 
bergen zu müssen. 

Kinder sehr verschiedenen Ursprungs hatte der aben- Weitere« aber 
teuemde Sinn des Ueraklcides verbunden, das Märchen, ein ^^'^jJJ.^ 
Geschöpf der alles vereinigenden Phantasie, und den Dialog, 
diesen echten Sohn des sergliedemden Verstandes. Er stand 
aber nicht allein mit diesem Unterfangen, sondern hatte Nach- 
folger oder Mitstrebende. Aus der platonischen Schule ver^ 
rathen dieselbe Tendens die »PhSakenc und der »Epimenides«, 
xwei fUlschlich unter Piatons Namen gehende Dialoge (Diog. 
III 62). In spSterer Zeit stellt die peripatetische Sdiule su 
den Vertretern dieser Ridiiung den Ariston von Koos, der Aititosvw 
einen längeren Vortrag über das Alter dem mythischen 
Tithonos in den Mund gelegt hatte ^Cicero Gato maj. 3)^) und 

Titel des logistoricus zu fordern scheint, deutlich hervor: denn das Ge- 
spräch üI)(M «las Uaiinonion ist hier in die Geschichte der Befreiung 
Thebens verllochten (10 p. 580 C U p. 582 0. 20 p. r.SS B. 25 p. 594 A). 
Aber das VerhäUui>«> «liexT lieidtMi tlemenle ist ein anderes als in dt ii 
pscudo-plalonlsohen Dmiogtii uud ein anderes auch als es in Vanos 
logislorici gewesen zu sein scheint. Es fehlt^an einem inneren Zusammen- 
haog, der dagegen allergings im Erotlkos Dicht abiuleugoeo ist, wo die 
Geschichte voo der Liebe iwischen Ismenodon und Bacdion gleicheo 
Schritt hSlt mit dem Gesprttcbe ttber die Liebe und die Nacbricht der 
&)cliieitfeier narli n<scitigung aller Hindernisse in demselben Augenblick 
eintrifft, v>o auch das Gespräch in «Iti Rede von Aulobulos' Vater SU 
Gunsten der ehelichen l/u^hp seinen AbschhtHs izofuml'Mi )\.it. 

1^ Auf eioe ttbulicUc Aitöicbl ul>er die logistorici fuhrt Lseuer £pi- 
curea S. 93. 

2) Dass diese ächnll. uul dem Lyikon desselben Autors, den Plutarch 



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332 



UL Der YerfaU. 



auch sonst seine Gespräche auf mythische Personen und 



d6 aud. port. r. 1 citirl, identisch sei, ist dne nnwahrsdieinliche Ver- 
muthunp Ritsclils Rli. M. I S. 19 t f. . Dor T.yknn war. wie auch Ritsehl 
anninirnt, von Ariston dem Andenlion soines Lehrers gtn^iltnel. Dass 
in einer soU fn n S( hrifl aber die Hauptrolle einer inylhis« h»'n Gestalt, 
und noch dazu \ou so geringer Würde, wie Tithonos war, beigelegt 
worden sei will mir nicht pasmnd seheinen. Idi fliMesao midi iiier 
dem tlrthell Cioeros (b. a. 0.) an: pamm esset auctoritatis in &d!>ula. Und 
was sollten in einer Sdurift, die über den Verlust eines nahen Freundes 
trfisten sollte, solche Lobreden, wie sie der CiceroDisdie Gate nach 
Aristons Vorbild auf das hohe Alter hält? Die Tradition, wie sie durch 
Piaton im Phrudon begonnen, durrh Aristoteles im Eudom fort^psetzl 
vsor'l^ ii w;)v. -wi«"; hier einen anderen Wen: ihr /u Folj^e lat; der beste 
Trost Iii iiciii lliijviois auf ein besseres Dasein, welches den geschiedenen 
Freuild nach diesem Leben erwartete. Dass dieser Tradition Ariston ge- 
folgt war, beststigen aller auch Plntarcfas Worte (a. a. 0.): Kat tiv 'Apoptv 
' HpaxXcCSoo «al tün» AinearMi xftv *Apl«tm»oc Siepx^fACvei nal mpl xtn 
^Ktyijbt UrfpMm |M(UY|A^« |M>8oX<rf Ef |ftcV i)&o>riic ivioueiAet. Gewiss liat 
Ritsehl Recht, wenn er den Worten v.-A a ncpi «j/u-^öv xtX, eine engere 
Beziehung auf den Lykon gibt. Aber dadurch wird ja gerade dieser 
Dialog ein rechtes sciton^^f u' k zum Phaidon. der j.i ebenfalls von der 
Natur der Joelen und ihren >( hi( ksalen handelte und zu diesem Zweck 
recht lief in den mylhoiogisciien Farbentopf gegriffen hatte ih6-j[M.vi 
{Ae|jitYp.£va (jLuftoXo-f la). Man achte auch auf den Plural, dessen sich Plutarcb 
bedient, i:epl tüv tpu^^üv ; derseihe allein ISsst auf eine Schrift Ober die 
Unsterblichkeit sdiliessen^ worin von den Schicksalen der einseinen 
Seelen die Rede war, und nicht auf eine, die etwa wie des Aristoteles* 
Rücher von der Seele nur die Natur derselben im Allgemeinen im Auge 
hatte. — Was übrigens die Schrift über das Aller betrifft, so stand sie 
Wold in hewnssIt'Tn '-»'i^ensatz tai derjeni'-M-Ti des Demetrios von Plialeron, 
der denselben Gegenstand von einer ander» n m ite hetrai htel und vielmehr 
die Nachtheile des Alters betont hatte, wenn wir aus dem einen bei 
Diog. II 43 u. IX 20 erhaltenen Fragment schlicssen dürfen. Nach Ciccros 
Galo möchte man nlmllch schllessen, dass Tithonos sum Lobe des 
Alters sprach. Gans sicher Ist Indessen dieser Schluss nldit Denn 
zunächst besagen Ciceros Worte nichts weiter als dass auch Tithonos 
einen Vortrag über das Aller gehalten hatte. Dass dieser Vortrag auch 
in den Hauptgedanken mit demjenigen Catos übereinstimmte, liegt darin 
nicht gerade nofhwendit; ausgesprochen. Immerhin verführen die Wfirte 
zu dieser Annahme, lud so mnc sie weiter Oltung behalten; nur muss 
man sich auch klar werden, dass Ariston dann die volksthümliche Vor- 
stellung der Griechen, wonach Tithonos der T^us aller Schwflcben und 
Leiden des Alters ist (Blimnerm. fr. 4 bei Bergk P L II* S. 409; der Peri- 
{wtetiker Klearohos bei Athen. I p. 6 G), auf den Kopf gestdlt halte, 
und allerdings war ja, wenn wir bedenken dass Tithonos schliesslich 



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Z«itg6D0SseD des Aristoteles. Wunder- und Aberglaube. 



333 



Situationen gegründet zu haben scheint ^j. In Bezug auf den 
Inhalt ftcbioM er sich cum Theil an den Borystheniten 
Bion an^). 

Auf das kritische Zeitalter der Sophisten und Sokratiker b rWaader- 
war ein positiveres in Wissenschaft und Glauben gefolgt IMe "^l^^^?^^ 
dunkeln Regionen, aus denen die Wunder kommen und ID E^nfiu^s auf 
die nur Ahnungen retchen, suchte man mit Yorliebe auf und ^ ]>i*^* 
wie heutiutage musste die Naturwissenschaft dem Köhler^ 
glauben snr Statte dienen. Man schrieb Ober Orakel und 
Weissagungen f ttber enftasiastlsohe Zustände des Menschen, 
magnetischen Schlaf und dergleichen . Auch der Sokrates 
der Literatur wuriic in diese Strümang mit hiueingezoüien : 
hatte er bei Piaton sich gegen den seichten RationaliMuus 
und dessen willkürliche Umdeutungen alter Sagen erklärt^), 
so wurde er nun unter den Händen des Akademikers Leon Pieudo-PlÄton» 
(wenn dieser der Verfasser der Ualkyon ist*) zum wunder- 
gläubigen, sich aber wissenschalUich sierenden Theologen, der 
die m\'thischen Verwandlungen von Menschen in Thierc nicht 
wunderbarer und schwerer zu erklären findet, aU Anderes 



«ollU- in oiiie (^icnslc vt^rwnntlolt wonieii sein, df^r prsU^ Anfanj^ zu seiner 
IdealisirunK schon nou Flalon ücniacht. der Phaidr. i59 Ä IL. dieses Thier, 
weil CS uuermüdiich ist. zu singeo und den Musen zu dienen und darüher 
alJe leiblichen Begierden vergissl, den Menschen als Muster vorbttlt. Das» 
TithoDos als LobrednAT dos Alters aufgetreten sein sollte, hatte flchon 
J. Grimm auffaUend eefbndeo in der Rede Uber das Aller KL Sehr. I S. 4S9. 

I) Cicero a. a. O. mottvirt die historische Einkleidung seines Cato 
and seine Abweichung in dieser Hinsicht von Ariston mit den Worten: 
parum enim esset auctoritatis in fabula. Derselbe sagt de finib V 13: 
Concinnus et elegans Arinlo: ^ed ca, quac desideratur a magno philo^opho, 
gravilas in oo non fuit. Scrijjta sane et multa et polita: std nascio 
quo facto auctoritatem oratio non habet. Daruus ist wenigstens 
zu vermutbon, dass noch anderwärts die „auctoritas^' durch die my thische 
EfaiUeidttng beeUitrScbtigt wurde. 

S} Hense Teletls rell. 8. XGVm ff. R. Meiose Bli. M. 44, 541», 4 
erhebt gegen diese Annahme, Bedenken. 

8) J. Bemays Aristot. Theorie des Dramas S. 89 ff. 

4) Plato PhUdr. p. 2i9 c fi*. 

5i Diog. L. III 62. Athen \I p. 50 ß c. Vgl. auch A. Brinkmann 
Quaestionunt de Dialogis Phitoni falso addiclis specinicn Bonn IS'Jl) 
S. 25,1. Nach Brinkmann ist der Dialog im dritten oder zu Anfang des 
zweiten Jatjrhunderts v. Chr. verfusst. 



334 



III. Der Verfoll. 



was uns die Erfatumig in der Natur und im menschlichen 

Leben zeigt*); halte er sich Irüher nur auf eine innere Stimme 
berufen, die ihn warnte, gewisse Handlungen zu thun. so 
brüstete er sich jetzt mit seiner Propheten gäbe, die ihn in diu 
Zukunft der Einzelnen wie des Staates schauen h*ess^\ 
Historiker, wie Theopomp, die ihr Publikum verstamien, 
kamen dieser Neigung entgegen und suchten durch einge- 
streute Fabeln aller Art die WuDdersudit ihrer Leser eu 
befriedigen 

Aiexanaerzfl^o. Wie jedem Volke mit beweglicher Phantasie war diese 
^Spiegoi" Wimdersuoht den Griechen angeboren, durch die Alexander* 
Omr Seit, cflge aber noeh mehr gefördert worden, die eine Ffllle neaer 
und «merhCrter EindrQcke brachten. Auch hier bewahren sich 
die Dialoge als l^iegel ihrer Zeit Nicht bloss die Personen 
des jugendlichen Helden und seiner Nachfolger, die eine neue 
Epoche der Kultur begründeten, sehen wir darin erscheinen 
— ich erinnere an Qnesikritos, der eine »Erziehung Alexan- 
ders« nach dem Vorbild von Xenophons K^Topädie schrieb 
(Diog. VI 84), an den »Kasander« des Diogenes (Diog. VI 501, 
den »Ptolemaios« Stilpons (Diog. II liO s. S. HS, 3) und an 
die oben S. 319) über Dicaearchs »Opfer auf llion^ ge- 
äusserte Verjitnthunej — sondern auch die von ihnen aus- 
gehenden Wirkungen, die in einer viel ti< IVr LinM'fenden 
gegenseitigen Berührung zwischen Orient und lielUiienthum 
bestanden, treten hervor. Aristoteles musste während seines 
Aufenthalts in Asien mit einem Juden zusammentreffen — davon 
KlearohoB hatte cr selbst den Hyperochides in Klearchs Dialog »vom 
»vom Sohkf.. Schlaf« ersShlt«) und Inder und Perser nach Athen kom- 



1) HalkyoD c. VII. 

2/ Theagcs p. ^is D tl. Dif Nnchahmungen pintonisrin r SfoIt« n 
iiiuchcn es mir unzweiteUi.ifl. ihi^s dt i Tbcagcs einer sputercni Zeit uud 
iKt platontN( lu;n Sohulc «njiclMn l. N;i( }i schol. Aristoph. Thonmoph. 21 
Hchciucn ibu ullcrding» im Altvrtbuui Kioige für ein Werk dcä Auti:i>lbeDes 
gehalten zu hoben; x«l ^Avttvdivi^c ««1 IIX^v (Theagcs p. 4fSD. 
Rep. Vlll p. 568 A) EöptiH^u aÖT& clvat %oGvtai xtX. 

a) Blass Att. Berod, n 388,4. 

4 Josj'ph. c. Ap. I 18 S. 200 f. Bekk. Bornays Theophrasl S. HO 
u. 1S7. Abb. ubor" die Aristotoi. Tboorie d. Dr. S. 90 f. Anklänge an 
du's«' Krzaldun}: linden sieb Pliitnrrli rio def. orar. i\ p Wl A f.; niil 
dem dtaÄ^xTip Di.r^^ixöt bei Jos. 201, ) 9 isi ftbt&^A^ev bei l'Iularch a. a. O. B« 



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ZeitgenoMen des Arisloteles. Aristoxeikos und Andere. 



335 



mcD, um mit Sokrates Gespräche zu führen — das eine hatte 
Aristoxenos berichtet^), das andere stand in dem Magikos^), Äristozeaoa. 
den Manche dem Aristoteles beilegten, und lesen wir noch ^W^Ma^ito, 
in dem pseudo-plalonischen Axiochos^). Auch die Personen Pimdo-Fiatoos 

- . Ixiocbos. 

mit Joseph, iül , i6 roXX-^jV xat daufiaotov xaprtrAoi-i toD 'louocitou dvopi^ 
h Tfj oiaixTj xai a<u<ppoo6vTj bei Plutarrh a, ». (). H mo30'j xt Trdat;; dno-^i^i 

<pep<S{jievo; zu vergleichen. Vgl. auch o. S. S09, S. 

4) Eusebh praep. ev. Xl S. Daas es einem Dialog enloommen isl 
habe ich wahrscheinlich zu machen gesacht im Ahein. Mus. 45 S. 41 9 ff. 
Es scheint übrigens dass die hicgrapbischen Werke des Arisloxenos den 

Chanii trr \ oii AroavTjpo'^EUiJiaTa trugen. Wenigstens ^vn'^ das »Leben «les 
Archytas" angehl, so stand darin ein /icnilicli urufanjj;reioh<?s Gespiacli 
über die Lust, dessen Anta^^n un< AUkmi MI p. 'y^n \ Müller fr. t ."' nn- 
gibt und aus dem er uu^ ai»cli »Im XditiMu; lii-s Polyarchos niiUiieiil, 
worin dieser die Lust als das natuilu lu- Ziel alles ineu.scliüciien -Slrebens 
bezeichnet. Je umfengreiefaer dieser Vortrag ist, desto mehr muss 
es auch die Erwiderung des Archytas gewesen sein, so dass der Umfang 
des Ganzen dem eines der grösseren GesprSche in Xenophons Hemo' 
nibilien gleichlLam. Der Gewährsmann dieser Erinnerungen an Ardiy- 
las war. wie schon Miillt i zu (r. H vermuthet hat, für Aristoxenos 
sein Vater Spinlharos, derselbe, auf den er sich auch für seine Nach- 
richlen über Sokrates berief Müller fr. as). Tmtz solclier (jcwiihrsmünner 
waren liekannllicb die Na<lM icliten «les Arisluxenos über Sokrntfs ;iu<li 
süiibl keineswegs zuverlüssig. Es scheint vielmehr, dnss Ariiltivi ims 
auch iu diesen Ualbdialogen sich derselben Freiheit des Dlcbleos be- 
diente, die in den volkm und selhstHndigeu Werken dieser Art Iftngst 
üblich war. Vgl. noch Rohde Gr. Rom. S&1 Anm. BeilBuOg, ist diese 
Erifihlttng de« Aristoxenos über das Znsammentreffen des Sokrates mit 
dem Inder ein Beweis dafür, dass der erste AIcibiades nach dieser 
Erzählung verfassl wurde und daher schwerlich von Plalon herrührt: 
denn was der Inder hei Sokrates vertnisst, die Hiiisii hl di\><. trinn Mcn^' h- 
liches nicht ohne (iottliches erkennen kunne {xtj ou\7a8at rt-va ti «vDmü- 
nva xaxtieiv d-(^<tQ\t\xd -ye tä öeia;, das ist es ja gerade was Sokrates. in 
dem genannten Dialog p. 133 c nachdrück licli betont; der Dialog scheint 
daher von einem Plaloniker verEnssk, der dem Vorwurf des Inders die 
Spitze abbrechen wollte, tebrigens erscheint das Zusammentreffen des 
Inders mit Sokrates um so mehr als ein Seitenstück zu demjenigen des 
Aristoteles mit dem Juden, weil klearch in diesem Juden nur einen Ab- 
kömmling der indischen PhilosopTnn Vgl. Joseph, a. a. 0. 

t] Rose Aristot. pseu(le|). s .;o I. S. auch folgende Anm. 

3) p. 371 A, Hoeh nenril «llt ser den .Mager (Iobr\ es so hioss auch 
der Vater des MiiKiouios Fausau. \ 1.», 1, vgl. auch Buresch in Leipz. 
Sludd. IX S. 91, 6). Im Magikos hiess er vielleicht Zoroastres ^fr. 2 im 
Afistok Pseud. S. 51 ; s. Rieh. Försters Sriptt. Physiogn. vol. I prolegg. 



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336 



III. Der VerfaU. 



der Vergangenheit miissten sich der Mode fügen ; man übertrug 
ohne Weiteres das Geschehen und Denken der Gegenwart in 
die früheren Zeiten. So hatte Herakleides sogar am Hofe Gelons 
einen Mager auitreten lassen, der dorthin gekommen sein sollte, 
nachdem er Libyen umsduSl hatte*). 
Orient und Schon früher hatte sich der Orient mit dem Hellenenthum 

Uelkn^atiiQai. j^^^^^ ^iilou im Leben sondern auch in der Literatur berührt. 

Aber wenn dies gesohah, dann halte das HeUenenthum die Ober- 
hand behalten: der Kyros der sokratischen Literatur, Oberhaupt 
die Sitten und Einriditungen des Perserreiches unter ihm wurden 
erst hellenisirt, bevor sie su Idealen Ar die Griechen werden 
Vatowiegen konnten^. Jetst dagegen war umgekehrt das Uebergewicht 
dMOrianti. Orient. Herakleides hatte in seinem Zoroastres gegen 
Piaton polemlstrt d. h. vermuthlich die AutoritSt des Persers 
höher gestellt als die seines Lehrers: ganz abgesehen davon, 
dass auch unmittelbar im Dialog der Mager wohl Gelon gegen- 
über als der belehrende iheil erschien. Aehnlich war 
Klearchos mit seinem Lehrer Aristoteles 'verfahren, den er 
nicht bloss iij3 Allgemeinen zu einem Bewunderer jüdischer 
Weisheit hie, sondern auch durch den Vertreter derselben 
zu neuen Ansichten über das Verhällniss von Seele und Leib 
bekehrt werden liess^). Was vollends den Sokrates betrifft, 
für den diese Späteren in ihren Schrillen swar ein lebhaftes 
historisches Interesse bekundeten, mit dem sie aber kein 
engeres Band der PietSt 7erknttpftey so nahm man keinen 
Anstand, ihn tief unter die Weisen des Orients su stellen. 



S. XII Anm. doch vgl. Piaton Alkib. I p. 1i2 A, wo nach p. Iii E die 
{Aaysla 80 viel ftls oo«p(a), über welchen Namen s. Dieterich Papynu megica 
muBoi Lvgdiinensls Batavl (Philol. Jahrb. Suppl. Xü) S. 75S; auch der 
Mager des HeiBkleides trag vielleicht denselben Namen (s. im Folg.); 
im Alkib. I p. 4St A wird die persische fiotYcb auf Zoroaster surttck- 
geführt. 

1) Strabo il p. 98. Eine Schrift des Herakloides ZmpoiorpTj;. worin 
dieser gegen Piaton polemisirt hatte, erwähnt Plut^rch adv. Colot. r M. 
Dass sie eben nach jenem Mager den Nanien trug, hat Roulez vermuthet 
de vila et scriptis Heraclidae S. 2 t f. 

8} Wie es mit dem Artabazos Arlstipps (DIog. II 85) stand, In wie 
weit auch hier tielleicht Orientalisches Ins Hellenische vmgepfSgl war, 
weiss ich nldit 

S} Proklos bei SchüW Anecd. var. II S. 64 L 



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■ 

ZeitgMiosaen de» Aristoteles. PhaDtasiische Dialoge. 337 

Es mag hingehen, dass er im Axiochos nur unter Berufung 
auf Gobryes Aber die Dinge der Dnterwelt berichtet — denn 
das hat sein Vorbild im Mythus der platonischen Republik, 
worin er nur die Erzählung des Armeniers Br wiedergibt — 
dagegen widersprach es gans der sokratischen Tradition 
dass er im Magikos von dem Mager Zoroastres erst allerlei 
Vorwürfe über sein Leben und Wirken anhören und sich 
schliesslicli sein gewaltsames Ende musste vuraussagen lassen 
(Dioff. L. II i") und dass bei Aristoxenos (a. a. 0.) ein Inder, 
dem er erklärt hatte, er erforsche das Leben der Menschen. 
iliTi »leshall) auslachte. wer das \N esun der Götter niclit 

kenne, auch das der Menschen niemals verstehen werde*. 

Den Dialog auf diese ^\"eise mehr und mehr dem Lelien PhantÄstUohe 
und der Wirklichkeit zu entfremden. Ihm den soliden Grund 
unter den Füssen wegzuziehen und ihn so allmählig in ein 
luftiges Gebilde der Phantasie und des Witzes zu verwandeln, 
das sich nicht mehr eignete, ein Organ emster wissenschafir 
lieber Forschung zu sein, sondern nur noch der massigen 
Unterhaltung diente, dazu haben auch die Eyniker das ihrige Kyntker. 
beigetragen. Ihnen lag es gewissermaassen im Blute. Bereits 
Antisthenes, der Stifter der Schule, hatte in einer unter den 
filteren Sokratikero auimiigen Weise die Neigung bekundet, 
Inhalt und Form seiner Dialoge mit den Mythen zu verknüpfen. 
Was Wunder also, wenn auch seine Nachfolger desgleichen 
thaten und unter den Schriften des Diogenes ein »Ganymedes« 
und »Sisv'phos« (Diog, VI 80 1 erscheinen! Antisthenes hatte in 
dieser Be/.iehuhg sich an du ^(iphisten angeschlossen. Die 
Sophisten aber, indem sie für ihre Dialoge von den l'er^ünen 
der WirklicLkeit absahen, wählten diese! bcn nicht l>lüss aus 
den tlberlieferten Mythen, sondern schufen sie gelegentlich 

4} AaffitllMid ist auch der Ausspniclii der dem Sokrates bei Aelian 
V. IL X 44 in den Mund gelegt, wird und wonach er die Inder und Perser 

für die tapfersten und freisten unter den Menschen erklärt hahen soll. 

2' In denselben fiedankenkr i- 'gehört die Ausleirung des ^vöif^t 
'ZioyzK'i als einer Aiiffnrdonni? il is t lüver-^uin tn erforschen, weil (1i>r 
Theil nicht ohne »I is r,;mz<' daher die menschliche Natur niebt (»hm* di«' 
des Kosmos erkannt wurde, bei Clemens Alex. Strom. I Mi\ INdt. — Oh 
dieselbe Tendenz, den Uricat auf Kosten des Hclienenthums zu erheben, 
aoeh tm 'ApTa^eo;?^; Deoietrios von Pbaleron (Diog. L. V 81 zum 
Ausdruck kam, ist anbekannt. 

Rlriel, Diftlvf. iS 



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338 



• III. Der Verfall. 



sich selber, indem sie abstrakte Begriffe personificirten Das 
berühmteste Beispiel gab Prodikos, indem er seinem »Herakles 
am Scheidewege« die Tugend und das Laster leibhaftig ent- 
gegentreten liess, und schlug damit ein Thema an, das noch 

Jahrhunderte lang in mannigfachen Variationen nachklingen 
sollte. Auch unter den Dialügen des Diogenes lindel sicli 
einer, dessen Titel »Volk der Athener« (-Ar^fio; 'ADr^vai'tov Diog. 
VI HO) den Gedanken an eine solche Personilication eines 
BetjrilTes nahe le£;t: denn an dieser Personification versuchte 
sich nicht bloss die luldeii<li Kunst der Zeit (Müller Archäol. 
i05, i. C. Wachsiimlh bladt Athen 1 588); bereits Platuu in 
der Republik (VI p. 488 Äff.), noch mehr Aristophanes in den 
Rittern und überhaupt die aUt> Komödie hatten dem Kyniker 
Dialog and darin vorgearbeitet. Diese Berührung des Dialogs mit der 
Komödie. KoQj^^e ist begreiflich in einer Zeil, in der überhaupt die 
Philosophen den Dramatikern ins Handwerk pfuschten und 
zwar ganx offen ohne wie tum Theil die Verfosser unserer 
Professoren- Romane oder der angebliche Baco- Shakespeare 
sich unter fremden Namen su verstecken. Eubulides der 
Megariker schrieb Komödien (Athen Xp. 4378) ^i, Tragödien sein 
Schaler Euphantos (Diog. II HO)^ TragOiiUen auch die Kyniker 
Krates (Diog. VI 98) und Diogenes (Diog. VI 80. Dflmmler 
Aütisthenica S. 67 f.). Man sieht, Seneca und Oinomaos hatten 
ihre Vur^äuger. Der Komödie näher als dem wissenschaft- 
lichen Dialog standen wohl au( h die Scherze und Kleinigkeiten 
des Monimos, die unter komischer Hülle ernstere Gedanken 
bargen ^\ Sie machten den Uebergang zur Satire Menipps 
(Dümmier a. a. ü. S. 75). 
Thi«re &Ib Aehnlich wie die Komödie der alten Zeit fing auch der 

pfaMma! l^i^log an, sich in einer phantastischen Welt zu bcwt'uen, in 
einer Welt, die auch den Thieren, den Vögeln, Fröschen, 
Ziegen und ihresgleichen, die Gabe der Bede verleiht. Wenig- 
stens ist es am einftichsten, die Titel »Panther« (llapfiaXt; Diog. 

1; Eil war dies ein Mittel der Popularisiruog, %'ie be.sondm Dio 
Chr>s. or. S. 80, 6 ff Dind. einaial aiisfiihrlirli erörtert 

4 Was allrniiii^^ K lilu'l z. St. bozweiffll wird, uhue das« loh 
jedoch einen jieiiüj.'en(k'n (nutui des Zweifels säfit« 

■i Wx'.yA-x arojOTj )-.'K^^%•Ji'x [j.:tjiiY|Aiva neiiut »e Dioj;. VI S.1. Vjil. 
aiieli Ii, Weber de Diime Clirj.suslümo in l-cipz. Sludtl. .\ S. hv. 



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Zeitgenossen des Aristoteles. Phantastische Dialoge. 339 



VI 80) und »Krähe« (KoXo'.oc f». a. O. ho , w^^lcho Srhrifton dos 
Diogenes trugen, daher zu erkliiren, dass diese Tlut rc in ihuctt 
redend auftraten M. Vielleicht waren es nur ins Breite c;e7,()2;ene 
Thierfabeln : die Fabelj namentlich die äsopisdie, hat ein starites 
dialogisches Element in sich und das ist wohl mit ein Grund, 
weshalb in derselben Zeit, in der in Athen der Dialog eatstand, 
auch die äsopischen Fabeln dort im Sehwange waren und wes- 
halb auch Sokrates, der Vater des Dialogs, an ihnen Gefallen 
fand>). Wenn also beridilet wird, dass ein Schttler PlaCons, der 
berQhmte Astronom Eudoxos, »HandegesprSchec (xovdv StoXoyoi) Eid«i«. 
verfasste, so ist dies keine Nachricht, die man ohne Weiteres 
bei Seite werfen darf). Die alten Philosophen horten gern 
auf die Stimme der Natur, wie sie sich reiner und unvei^ 
fUachter In den Thieren Snssert*): da nun auch Eadoxos dies 

1) Dtels» Abh. Zeller nun SS. Jan. 1894 gewidmet 5. 4, 4. Doch weiss 

ich nicht, wie in einem solchen Thiergespräch «las Selbstbelceunlniss des 
Diogenes über seine Falsch münzerci Platz fand, das Üiog. VI 20 olTenbar 
daraus citirt: a'j'fjQ nbro'j (fr,atv ttj) !loooa>««> tu; Tina-fjoilrn t6 
■*6(Aiafj.a. — Ist etw.t HapfiaX»; In Uin^n}r,-^ ruloi Ww^dKit, zu ündern? 
S. auch E. Webt^r i.eipz. Sludd. \ s. ö^, I . — Dass die Kynikcr nicht bloss 
dea Hond SMidem auch iü» librig«i Tbiere einer geaanen fieobacbtang wür- 
digten, hebt E. Weber De Diene Ghrysost. hervor in Lel|». Stadd. X S.H 4. — 
Die pseudo-platonische XeXt&^v (Diog. III H) ist es rtttblicher Tür ein Selten« 
stück zur 'AXxuuiv /ii halten und anzunehmen, dass darin der Schwalben« 
mytbos in ähnlicher Weise behandelt war, wie dort die Sage von der Halkyon. 

2) I^t nu lrios von Phaleron hatte tihn S'oki;ites geschrieben nnd 
derselbe » ine Sammlung Usopischer Fabeln angelegt (Diog. V 81). S. au<'h 
was iilitr die Sophisten E. Weber Leipz. Studd. X S, Ur». 4 bemerkt. 
In etwas späterer, alexandriiiischer Zeit fanden die '•diiiiiiati pailLinti« ilueu 
Weg sogar in das Epos, s. WiJamowifaE Nachr. d. Gtftt. GesetlscA. 1803 
S. 744 ff. 

S) Sie geht anf Eratosthenes zurüelc. Parthey zu Plutarcb Uber 
isto nnd OsirN S. IR', wnlUe nnch Semler das y.-jvejv ^. bei DIog. VIII 
89 in vcxufuv ändern. Aber vixjöjv konnte es nicht heissen, sondern 
vexpÄv und dies an die Stelle von %'jv(")v zu setzen ist keine wahrscheiii- 
lirho Conjektur. Wie man im Alterthtfn» auf den (ledanken konimeii 
konnte, sie seien aus dem Aegyptischcn übersetzt, weiss ich nii^ht: man 
denkt an rhu xava töv Ai^öutiov Öeov (Piaton Gorg. p. 482 Bj und den 
Annbis (vgl. auch StobBus Floril. 97, 54 (S. S18, 16 Mein.). — Oder ist 
rtifi.vav SidXoYot ta schreiben? So würde sich die mericwürdige Notiz 
über die ra'ivol bei Philostrat Vit. sopb.l p. 464 Im .\hschaiit über Eudoxos 
erltlSren. 

4) Plotarch de am. pr. 4 p. 493 b f. Der dies sagt, nennt unter 

24* 



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340 



III. |Der Verfall. 



gethaD hatte, als er die Lust ftir das höchste Gut erklArte^), 
so hindert nichts an der Annahme, dasa ^ Gegenstand jener 
GesprSche eben diese Horaltheorie war; hat doch Swift in 

Gullivers Reisen in Gesprächen mit Pferden die ernsthaftesten 
GedcUikeu über das Lebeii uiui ireibeo der Menschen nieder- 
gelegt ^j. Das Motiv liess sich verschieden verwerthen, wie 
der »Hahn* Lucians lehrt. Der Hund vsar nicht bloss in 
vieler Beziehung ein Vorbild iur den Menscheu, sondern als 
der treuste Begleiter in viele Geheimnisse eingeweiht: hielt 
sich Eudoxos hieran, so waren seine Dialoge die Urahnen von 
Cervantes' berühmtem Coloquio de los perros'). 
Gespiüciie Von den Menschen der Gegenwart su denen der histo- 
rischen Vergangenheit) von diesen in die Mythe, weiter in das 
Reich der persönlich gefassten Begriffe und hiernach über die 
Grenzen einer immer noch menschenartigen Welt hinaus in 
die der Thiere sehen wir den Dialog fortschreiten und auf 
diesem Wege immer mehr von dem ursprünglichen echten 



swisohen Ua 
genftaaten. 



dt:u uiiizeiuen Beispielen von Thieruu, die er uufuhrl, au«. Ii die Ituuiic 
Vgl. auch Plutarch Gryll. 3 p. 987 B. 

1) Aristoteles Nik. Etfa. X S p. H7S>», 10: C6to^o( ixvt ouv r^v r/^^^V' 

Piaton Phileb. 67 B. Bedenkt man, dass die unter den Philosophen so ge- 

nannten K>/:; ^^anz andere Ansichten über die Lust Legten, so \vii-d es nicht 
unwahrscheinlicti, dass diese MeinungSNcrschiedenheit der echten und dei- 
philusophischen Hunde von Eudoxos zu ^vitzi^en PfMntf-n ausKclK-ulel 
worden ist. nwh Dümnder Prolcgomena zu PI:il()ii> Staat S. 5h, t. 

2) Barelti s (iopt acti /.wischen zwei Kutschplerden kenne idi nur 
aus BosweU's Life uf Johnson S. ä4ü (ed. hy Morris;. 

S| Dass die Hunde nicht bloss Vernunft beslissen, sondern audi sich 
einander versifindlicli madien, mit einander sprechen (fiioXiiseSat) künoten 
so gut wie die Menschen, behaupteten alles Ernstes die Skeptiker (Sexlus 
Emp. bYP- 1 "i'^]- Das Vermögen regelrectite Schlüsse xu bilden wurde 
ilmen niclit erst in neuerer Zell von Schopenhinn r, sondern schon \«n 
stoischen Dialektikern heigelr-.-t, nach Mutarch de soll, anini. 4 3 p.96y A 
Tö c;i/.öao'fOv rühmt ihnen dcrst'llie Plutarch n;n li Df <•! ()->n. H 
|i. 355 B. David in schol. Aii>tul. p. 35^ und inirli ilun Vwiht in 
Leipz. Sludd. X HO, 3 luliicu auch Platous üorgiH^ au, weit dort den 
Hunden dialektische und philosophische Fähigkeiten zugeschrieben wur> 
den. Die betreffenden Worte Piatons stehen aber Rep. II p. S76A und 
tragen, wenn man sie im Zusammenbang lies^ für unsere Zwecke nichts 
aus. — Zu den Hundegesprächen des Eudoxos kann aus späterer Z^t 
iioüli Plutarchi» Gr)Uos verglichen werden, (lüener Cpicurea S. LXX). 



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Zeitgenofljten des AristoU»]«», Gespricfae iwischeD Ungenannten. 34 { 

Leben verlieren. Bs fehlte nur noch, dass an die Stelle be- 
stimmter und deutlich geschilderter Wesen blosse Schatten 

traten, die auch nur mit einem Namen zu bezeichiit n 
man kaum noch der Mühe für werth hielt. Nur in den ein- 
rahmenden GesprJichen seiner Dialoge hatte Plafm sok he unge- 
nannte Freunde (iiaiooi) des Sokrates j'inueiiiliii, gegen die sich 
dann die scharf gezeichneten Personen des eigentlich<'n Dia- 
logs desto anschaulicher abhoben'). In der platonischen Schule 
drangen diese Schattenwesen bis ins Innere des Dialogs. In 
den 'T.tebh.ibem« ('Kpa3Ta{) oder »Nebenbuhlern« ('AvTepaarai') Paenf'^-p-atoni- 
siod die beiden mit Sokrates Sprechenden zwar auch nicht 
mit Namen genannl, aber doch wenigstens der Eine als ein 
Vertreter der musischen, der Andre als der gymnastischen 
Bildung eharakterisirt (p. 132 B)^. Im Hinos und Hipparch, 
ebenso im GesprSeh »vom Gerechten« (uspl Zixaiw) und »von 
der Tugend« {-rzpl aper^;) fehlt jede nShere Bezeichnung; 
Sokrates ist tiberhaupt mit einem Andern im Gespräch, tlber 
den wir weiter nichts erfuhren. In den drei kleinen Gesprächen, 
die mit unter dem Titel >Demod()kos« vereinigt sind, ist auch 
Sokrates versehwunden; höchstens in der Vnrstelinnt; des Ver- 
Tassers ist <'r noch der Erzählende, um wird er nirgends 
genannt, und so scheint nur iigend jemand zu erzählen, wie 
und was er mit irgend jemand sonst (avUptoTroi tive; p. 382 E. 
384 B. 38Ö C.) geredet hat. Fleisch und Blut ist gewichen 
und nur das Skelett des Dialogs noch übrig; wo früher eine 
bunte Gesellschaft sich durch einander bewegte, reden jetzt 
ähnlich wie in modernen Werken dieser Art höchst ernsthaft 
und höchst langweilig Herr A und Herr B mit einander^. 



1) Vgl, ohen S. S94, a. Eine Abnahme der Gestttltungslnst seigt 
sieh auch bei Plalon schon im »eieatischeo Fremdling« des Sophist und 

Politikos und im »Athener«' der Gesetze. 

2) Vgl. was hierüber spttler aus Anlas» des Eraiofitlienes bemerkt 

werden wird. 

3 Iii di«'ser Art hat man sii h vielleicht auch dio •jroiJivr,fiaTiÄOt 
o!a>-o-fii Speusipps Uiog. IV .•»' 7U denken, als Entwurfs zu Diahifjen, 
Denn auch der eine der Demodokos-Dialoge scheint von dem Verfasser 
des paendo-platonischen Sisyphos als SIcizze benutzt und breiter aus- 
fseftthrt worden zu sein, vgl. K. Fr. Hermann, Piaton. Phllos. S. 415. — 
liüt drai Gang, den ich oben Air die Entwiddong des Dialogs angenommen 
habe, Mast sieh die Umwandlung vergleichen» die im Laufe der Zrit mi: 



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342 



Ul. D«r Verfell* 



Honoiogo im 1q demselben Dcmodokos sehen wir diese Ruino völlig 
zerfallen: denn in der ersten der unter jenem Titel vereinigten 
Abhandlungen wird Demodokos iwar angeredet^ da er aber 
kein Wort sagt, so ist das Ganse nur der einseloe Vortrag 
eines Ungenannten. Noch ein anderes Symptom, das wir 
schon aus der Betrachtung der aristotelischen Dialoge kennen» 
deutete bei diesen Späteren auf das Hinttbersohwanken des 
Dialogs zum Monolog, dass nfimlich an die SteUe des lebendigen 
Gespräclis darin die zusammenhängenden Torträge Einzelner 
traten. In Dicäarchs korinthischem Dialog zog sich ein solcher 
Vurtrag durch zwei Büciier hindurch' ; in Aristons Gespräch 
vom Alter war nacli Ciceros Worten (de sen. 3) »omnis sermo« 
dem Tithonos in den Mund gelegt. Aucli dadurch, dass mau 
die Proöraien der Dialoge in Vorreden verwandelte, verschaffte 
man dem monologischen Element einen neuen Eingang und 
Theophrast und Herakleides, von denen dies ausdrücklich 
berichtet wird^), waren wohl nicht die Einzigen nach Aristoteles 
(8. 0. S. 295, 2), die das thatenS). 



den Themr^n »icr dcklnniiivndf'n Hliftorrn vftrping: zw Cireros Zoit noch 
dcklainirt«' man über Fülle, dii- j^cradezu dei »ifschiclitn tMitiinnuucn 
oder doch der Wirklichkeil nachgebildet waren; in der kniserzeil Iralen 
an deren Stelle Themata au» dem Reiche der Phantasie, in denen nicht 
bloss keine wirklicheii, sondern nicht einmal benannle Personen ein* 
geführt wurden (Blass, Griech. Ber. lOS, 4). 
I) Cicero Tu«% 1 21. 

2} Proklos in Parmenld. t. IV p. 54 Cons. : to oi -avtcXw; tiXXoTpi« 

ota).OYW» T.ÖLZi-i dvt» xptosto; |j.£T£/ov»3av ixor^v, \gl. Basilios epist. 18S: 

Heö'^paatoi eiSo; a'jTöiv i^'j'x-txu xwv nfia^p-dTtuv x.iX. 

3} Ob diese Späteren auch darin dem Aristoteles anf der Bahn xum 
Monologe folgton, dass sie sich selber re4leod einfiihrlen, wissen wir 
nicbi Von Theophrast und Arisloxeuos würden wir es annehmen müssen, 

wenn Wcstphals Auffassung (Theorie der musischen Künste I S. 19 von 
IMiilanh. Nori posse sua\itor vivi 4 3 p. IÖ'. 5K riehtig \Nare Js. aber u. 

■''( ■> 'i Nai fi iiuMtUM \ < rr}ml?!nny u. S. 347, i pab Theophrasl im 
Kiilli-t h. iif - Jim Ii -.,1111' \iMi-M'nm_rii uIkt die 'j/t <h'n ■Vnhe«« zu dem 
llaupl.uili.ti: des Kallislhones. Von lliiakicides uinunl ileitZj Die \erl. 

Sdirirtcu d. Ar. S. 151 an, dass er in der Welse des Aristoleles sich an 
den Gesprüchen der eigenen Dialoge betheiligtc; es lieruht aber diese 
Amtahmo auf cinont Missversländuiss von Cicero ad Q. f. Hl S«1. 



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ZeitgeoosseD des Aristoteles. Monologe. Redner. 343 



Wir sehen jetst aus den Reihen der Platoniker und Aristo- 
teliker H8nner hervorgehen, von denen es sweifelhaft ist, ob sie 
Oberhaupt Dialoge verfasst haben, wie Xenokrates und Straton. 

Keinein von diesen beiden legt die Ueberlieferung Dialoge 
bei und das si hwerflüssige Wesen des Einen so wie die 
vorwiegend naturwissenschaflliche HichUing des Andern macht 
es uns> v«)llkommen begreiflich, dass sie auf eine literariseiie 
Form verzichteten, die zu gliicklielier Behandlung eine gewisse 
Behendigkeit des Geistes erfordert und vorzugsweise zur Er- 
örterung ethischer und dialektischer Probleme sich eignet. 
Hatte noch Aristoteles allem Anschein nncli nur die Dialoge 
und dialogartigen Schriften fUr die Veröffentlichung bestimmt 
nnd auch in dieser Beziehung sich als den echten Schüler 
Piatons bewährt, so Übten seine Zeitgenossen und vollends 
seine Nachfolger diese Zurückhaltung nicht mehr. Einen Ge- 
sichtspunkt festhaltend, den ihnen schon Aristoteles in seinen 
spSteren Schriften an die Hand gab, schlössen sie mehr und 
mehr die prinzipiellen tiefer gehenden Untersuchungen von 
den Dialogen aus und beschränkten sich darauf in dieser 
Form gewisse an der Oberfläche liegende Themata in popu- 
lariüiren<ler Weise zu behandeln. In ganz anderem Sinne, 
als Plalon dies gemeint hatte, wurden die Dialoge zu einem 
müssigen Spiel des Geistes. 

Immerhin behält die Tradition noch ihre Macht. Wie Oie&adnert 
gross die Bedeutung des Dialoi^s noch immer war, zeigt sich 
namentlich darin, dass er von dem philosophischen und wissen- 
schaftlichen auf ein ihm ursprünglich fremdes Gebiet, das der 
eigentlichen Rede Übergriff. Aeusserlich, als Schlusswort und 
sur Erlfittterung, ist der panathenaischen Bede des Isokrates 
ein Gesprfich angehängt, (§. 200 ff.), das er selber mit einigen 

1 ; Doch ist unter den Titeln Xenok ratischer Schriften auf 
f])io}i. IV f t ; dnnsclben Titel trug eine Komödie des Antiphanes, s. Moineke 
lij'*t. reit S. M.V. KiX) «.v.) t : fi: um! ' Aoy£'jr,fxo; rcf/t Ofx^io-J'JvTi; {{'A' 
Inu/uweisen. die, wcau >»o au« ti nicht dialoj^ist he Form beweisen, doch 
darauf deuten konnten. Der Name KaX).tx>f^; erinnert ausserdem an die 
gleichnamige Gesprttchsperson in Platons Gorgias und mag davor warnen, 
diese nicht zu bastig für einen verlileideten Charilües zu halten (0. S. 176,1). 
Was 9traboo betrifft, so ist bemerlienswerth, dass in dem Verzelchniss 
seiner Schriften bei Diog. V 59 die ethischen nn der Spitze stehen, also 
denselben Fiats einnebmen, wie im aristotelischen die Dialoge. 



^ kj i^uo i.y Google 



344 



Hl. Der Vurfall. 



seiner Schüler über jene Rede geführt hubcu will das sich 
aber fast bis zu einem die Vorzüge Spartas und Athens ab- 
wägenden Dialog gestaltet und worin er in dem Anakoluth, 
§. i46 f. selbst die Nachllissigkoit des Dialogs nachbildet. 
Tiefer in den eigentlichen Körper der Rede, und zwar der 
Gerichts- und der politischen, dringt das dialogische Eleuieni 
bei Isaios (Dion. Hai. de Isaeo c. \i f.) und bei seinem 
grösseren Nachfolger Demosthencs (Dion. a. a. 0. Spengel 
Rhet. Gr. 111 67, H ff.) ein'). Bei Lysias hatten die Alten 
dergleichen noch nicht beobachtet. Dialog und Bede standen 
sich damals noch selbstSodiger gegenüber. Es bedurfte erst 
einiger Zeit, bis sie anfingen sich gegenseitig zu durchdringen, 
bis der Dialog rhetorischer und die Bede dialogischer wurde. 
Warum soll also nicht In etwas späterer Zelt ein namhafter 
Redner, wie Demochares, der Neffe des Demosthenes, 
einen Dialog geschrieben haben 3)? Vielleicht war er damit 
der Schöpfer des polilischen Dialugs, den in späterer Zeit 
der Römer Curio fortbildete, der aber erst in viel späterer 
Zeit und bei anderen Völkern massenhaft hervortrat. Wenn 
übrigens die attischen Uedensehreiber in derselben Sache 
beiden Parteien dienten, sowohl für als wider schrieben, wie 
z. B. Demosthenes in den Reden für Phormion und gegen 
Stephanos tbut, so treten sie damit in der Betrachtung der 
Dinge auf einen ähnlichen Standpunkt und zeigen eine fihn- 
liehe Fähigkeit wie der Dialogenschreiber. 
Festhält«!! der Auch die Philosophen lassen noch nicht von den Über- 



flberlit-foten 
'ormeu des 

Diai«gi. diejenigen, die der Neigung des Zeitalters zum dogma- 



Fomeu des ''^^^'^^'^ Fofmeu der Darstellung ab : man bevorzugt aber 



4) AucAiAntid. §. 4(iff. wird der Ansatz zu einem Dialog gemacht, 

indem ein Freund des Redners redend eingefttbrl wird. Einen hidb-dialo- 
giächen Eingaii j; Ji il »ueli der pseudo-detnosthenischc Erotikos, der nach 
Spenge! im riiiiol. l7.f^2lT. ein Werk der isokralischen Schule ist. 

Aus Pseudu-l)i«im}>Ui. :-i::r;i K:>!!i})pos 5, b ff. Die Neijjun^, 
das Erzählte oder ;uu-h nur \ Or-^L-Alflite tii <iniiili<)Ch uud dialogiDcU zu 
ge^tatteu, bekundet auch Aeschines z. B. i, 16SC 

3) Harpokration ^h/av'yo. cHirt Ar^H-'^X°'r''i* ^ ttaX^otc. Dies 
Zeugnis^ scheint mir durch Ruhnkeu su Rutil. Lop. S. S und Schäfer^ 
FIcckeis. Jahrb. 4870 $. 525 f. noch nicht beseitigt zu sein. Blass, Attische 
H n ds III'« s 307. Susemihl, Alex. Liter, l S. 35«, iS'J verwirft glHtli- 
falls diesen Zcugaiss. 



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ZeilgenosMn des Aristoteles. Inbali der Dialoge. 



tischen und rhetorischen Vortrag am Mei<;teD entgegenkamen. 
Dishalb wurden nach wie vor *EpQ»Tixoi>) und ilpotpETtTixot^ 
verfasst, man sehrieb an Fürsten »Ober das Königthum« 
{m^i ^aoiXgCo^'). Auch die »Symposien« starben nicht aus, 
xumaJ sie im Leben der Philoaophenschulen» an den immer 
mehr sieh auabildenden Thiasoi, einen starken Rückhalt halten^); 
ja sie trieben sogar noch eine besondere, den Froheren 
unbekannte Spielart, das »Todtenmahl« (icep^deticvov) hervor^). 

4) EiDCD 'Ep. des Demetriofl voa Phaleron erwlthnt Diog. V 84, des 
Kynikers Diogenes ders. VI 80, des Tbeophrast V 48, des üerakleldes V 87. 

3) Theophrast iDlog. V 49) Dometrios voo Phaleron (DIog. V 81) 
OunDäleon (Athen IV 184D) Monlmos (Diog. VI 88). Harllich, Exhor- 
tationum a Graecis Roinaiiisqiie scriptaruni liistoriH et iridolts I.eipz. 
.«^tudd. XI S. 274 ff. eiörtt i I , ob dir dem Ariston von Din- VII <63 bci- 
L'iM«%'ti' (liMii Peripaleliker aus Keos gehorl, im ' h iH < s für wahrscheia- 
licher, er ein Werk des .*^loikers aus Cliii»> w.n-. 

.1 Xenokrales au Alexander Diog. IV H) Theophrast an Kasander 
lUiug. \ kl) Luphantos an Antigonos (II 410). 

4) :>peu$iippos (s. folg. Anmerkg.) Hieronymos, und Prytanis bei 
PIttlarch Quaest. Goovl I prooem p. 471 (HlUer in Sat. ndlol. Hennanno 
Saupplo oblala S. 88}. Auf ein Symposion des Theophrast lässt sich 
deuten Plutarch, Non poss<> ^u;i\ v.sec. Ep. 18 p. 1098B: h It ou[ji7:ooiq) 

' Ao'TTO'^'vou; rrepi 'ÜjjLTjrvjy ra (hri •/.iz'x} }^'It^ Tat; yeps? y-).. Aber noth- 
w endig isl diese Deulunsi iiii lit /. liri . l'hil. d. Gr. II, i s>. 868, i'-^ . Von 
einem Symposion Ttieophrasls criahien wir sonst nichts. ^^{jitjiixTä 
rj^ROTtxd des Aristoxenos werden aber erwähnt (Athen XIV p. 688 A) 
und zwar waren darin gerade, wie Plutarch voraussetzt, musikalische 
Probleme besprochen (wie ja auch die Schrift iccpl (Muoncjjc ein Gespittcb 
ist, das bei einem Symposion geführt wurde, litmuXIvstoiXd^ot 41 p. 1146 D 
nach Henislerhuis' Vcrniuthunj; in Lehmanus Lucian I S. 475) vgl. 
Westpbal, Theorie der musischen Künste d. Hell. I S. <9, Stammt aus 
dieser Schrin . w.is Ptiitarrh df* mit*« c. ^^ p H4f>F citirt, nümlich die 
Rechtferli|-:uii:: di r Sitle, die S^ mpoNicii mit MuMk /u begleit<?n, so hatk' 
Aristoxeao.s dann wieder einmal, wie er }4;ern that, die Gelegenheit benutzt, 
ge^jeu l'lalün und zwar speziell Jiegen dessen Symposion (p. noE, zu 
polemisireo. 

5) Ein nXdtmvoc «spttcticvov von Speustpp erwtthot Diog. Iii 1 zu- 
gleich mit flXdboivoe iYsibffciov von Klearcbos. Diese Stelle mit Steinhart 
Leben Piatons S. 260 , 1 ^ so zu tfodern, dass dem Speusipp das IftA- 
jMOv, dem Klearchos das -r.irAfjiiz-iou zugesehriehen wird, isl kein genü- 
gender Ound vorhanden. Für die Uichtisrkeil des T'-\t.'s hei Diogenes 
•«[»I II hl lli«'ronym. adv, .lovtn l Opf» Tnfn. II p :<r,\ der eine Srhrift des 
hiearchos, uichl üc& Spcusipp, uuler dem TUei laus lUatouis« citirt uud 



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a 



346 



III. Der Verfeil. 



Was uns aus einem der letzteren über Piatons göttliche Ab- 
kunft berirhft^l wird, zeigt cUlSS man auch hier des Wunders 
und der Fabel zur Würze der Darstellung nicht entbehren 
konnte. Dem Geschmack des grossen Publikums sagte dies 
mehr xu als wenn man den Gedanken in solche H5hen und 
Tiefen führte wie Piaton, ja selbst noch Xenophon in seinem 
Symposion gethan hatte. Tm Uebrigen erhob man sich in 
diesen späteren Symposien kaum Ober die platte Wirklichkeit^ 
wie sie dem Verstände jedes Lesers sugSnglich war: Be- 
merkungen Ober die bei den Symposien Üblichen Gebriiuche, 
über die BekrSnzung, das Musiciren, das Trinken, hisiorisdie 
Notizen darüber aus Homer — alles Dinize. die aucli in den 
hciden classischen Werken der Art berührt, dort aber kurz 
ahgethciii worden waren, wurden jetzt, wie es scheint. Gegen- 
stand ausruhrllcher Erörterung, ja der üauptgegenstaud der- 
selben 

'E^comol. Nicht anders war es in den 'EpwTixoi : an die Stelle der 
Hymnen, welche Piaton darin der weittiberwiiideoden Alles 
durchdringenden Kraft der Liebe gesungen hatte, traten Samm- 
lungen von Liebesgeschichten (vgl. auch oben S. 283, t)^}. 



zwar zur He^ialigiing dcrsclbcu Nacliricbt, um die es sich bei Diogenes 
handelt; ebenso Plutarch, der Quaest. Conviv. proocoi. I p. 643D Speusipp 
unter den Verfassern von Symposien nennt (H. Schmidt, IHdym. S. 968). 
Das mptfieiicvev Spensipps stellte das Leichenmahl zum Andenken Piatons 

dar mit den Lobreden, wie sie bei solchem AnlasH üblich waren von 
einem ganz scliieclitcn Menschen sagte man sprichwörtlich vW iratve- 
Oetrjc o'jo r£pfO£'Tr'/«ii. l'eber prief hisrhe laudaliones funcbres s. jetzt 
I>iptrirh. Nekyi;i s. s<j \nin.) und dir in diosem Falle viell«M<'ht srr- 
scliiidciiiüi Mhulcr» l'lalons jiehaltcn wurden. Ks ist uIm» \w h[ imlh- 
wcndig identisch mit dem OXaTtuvo; ipt^jitov, das als Schrift Spousiiips bei 
Diog. IV 5 genannt wird. Menage zu Diog. a. a. 0. hat die Hauptsachen 
schon richtig bemerkt» auch darauf hingewiesen , dass in spiterer Zeit 
Timon ein ^ApxcotXdou ir£pi(etini»v verlasst hatte (Diog. IV 115 vgl Wachs- 
muth, in SiII«'^'r. Gracci. .S. 29 f.* und drs Stoikers Aristokrcon Xpuslrrt'yu 
t'i'fv? hei iMuIudom de Stoic. p. 7i ed. Conipar, I seiier Kpn ur S 1 XIX. \]]. 
Di\9y iihri?f^!is i-^xiuinT. Idsweilen «lialogisrhc Form hatten, hebt im Hin- 
blick .luf I ii< Inn« ^Y'/f^irMov Ar^ao^ftijo'j; Steinhart a. a. 0. S. 259,14 hervor 
(\gl. noch Berjik, in \W\in. 18, S. .t15]. 

1) Aristoteles in seinem SxmposioD hat hier verniuthiich schon das 
Beispiel gegeben. 

i; Die VerSndcrung in den T.paiT(xoi hing mit der verlinderten 



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Zeitgeoossen des Arisiolelos. Inhalt der Dialoge. 



347 



Auch die npoTpeicrtxof, statt wie frflher fOr die Tugeod nnd nporpcintxoL 
Philosophie sn begeistern, yerioreo sich, wie es scheint, mehr 
ins Emieloe: wie s. B. Ghamäleon in dem seinen speziell die 
Pflege der Musik empfohien hatte (Hartlich a. a. 0. S. 873 r.)^). 

Dem Geist sind die FlOgel beschnitten : er stttrmt nicht TnMnifttft. 
mehr den Himmel sondern vermag nur noch auf der Erde zu 
kriechen und in der Enge ist es ihm am wohlstcn. Seihsl 
der Tod solcher, (iie ihm nahe stehen, ist nicht luohr im 
Stande, iba aus der Alltagslimmiing zu reisseo. Wie tief- 
sinnige Gedanken über das Wesen der Seele nicht nur, sun- 
dern alles Sein und Werden, welche erhabenen Ausblicke 
auf das Ganze der Erde und die Wohnungen der Secligcn, 
welche stolzen Aeusserungen über den philosophischen Beruf 
hatte in Piaton das Bild des sterbenden Lehrers erregt ; Aristo- 
teles im Eudem mochte sich noch annSherad auf derselben Höhe 
gehalten haben. Beide hatten nur eine kleine aristokratische 
Gemeinde im Auge, iUr die sie schrieben. Auf die grosse 
Hasse der Menschen musste mit andern Mittehi gewirkt werden: 
ihr gegenüber ist von jeher am Platte gewesen eine möglichst 
stark auftragende SchÜdernng aller Uebel des menschlichen fl<)iiUd«nmgen 
Lebens, sodass der Tod wie eine Erlösung erscheint, und ^^^^^ Elends» 
sodann (iie Predigt, dass man sich ins Unvern « idliche ergeben 
müsse, auch wohl die leisere Andeutunc. da^.?, in dem höheren 
göttlichen Plane Allo mir zum besten gereiche. 

Diesen Weg schlugen in ihren Trostschrilien die Späteren, 
Theophrast im Kallisthenes und üegesias im 'Aicoxaptepfov ein. 



MetttoDg der Udbe für das Leben der Griechen zusammen. Die Knaben- 
liebe hatte ibre frühere Geltung verloren. Piaton selber, der sie früher 

so hoch gepriesen, verwirft sie in den Gesetzen günzlich iZcIlcr, IMaton. 
>tnd(l S. 3g); norh Plulan li Qnarstl. Conviv. VII «, 3 p. 743G gab sie 
auch kein Moliv iiu lir fiir iiciu- Komödie ab. 

i; Vgl. noch was ub<'i- A ristoteli*« reot Hn-iO.i'^x; oIxmi >. ib~ bonu-rkl 
worden i.st. Die übrigen btiinlten der Art werden sich wohl aut dem- 
selben Niveau gehalten haben. 

%) Die Gedanken Tbeophrasts im KalUstiienes hat Bnresch a. a. 0. 
S. S4fl ungenügend bezeichnet. Es fehlt die Angabe, woraus Theophrast 
seinen Trost geschöpft hatte: denn der Gedanlce, dass die tö/v) alles 
regiert, Iconnte zunächst nur tmtrOsUicli stimmen. Ein Trost lag aber 
darin, wenn l»ei schärferer RetrHc-litung sich zeigte, dass nicht die tj/t,, 
sondern die tiy.9pviiYq das menschliche Leben liesliniml und dass diei»e 



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348 



III. Der Verfall. 



Daraus, dass der letztere sich nicht bloss im Titel, sondern auch 
im Inhalt seiner Schrift mit einer Komödie Fhilemons berührt*), 
ergiebl sich deutiicli, wie popuUlr eine solche BelrachtUDgs- 

wcitfT mit der ouot; idcnlisdi ist. Das Letztere betont besonders Ale« 
xan^lor Aphrod. de anima S. ^86, 29 <'<!. Mrtuis- fsitvepifiTaTa ftsficppasro; 
rieiy. jjoiv ttjtov ov t6 xaft' cl(i«p(i,evTjv np /.aTa ^uaiv rm KaMtaftevct. 
Nim sagt aber Cicero Tusrul. V 25 Theophrast wenle von allen Seilen 
augufcindet wegen der Meinung, die er in seinem Kallisthencs ausge- 
sprochen, dass der ZufiiU, nicht Weisheit, das Leiten regiere, und vielleicht 
haben wir noch einen letslen Nachklang solcher Älterer Angriffe auf 
Theophrast in Plutarehs Sdirifl itepl tO^i)«. die sich die Bekttmpfiuig 
jener Sentenz zur Anf|-';iln' nwu ht. Mit der obigen Annahme scheint «Ues 
7u streiten, kommt aber in Kinklang, sobald wir uns ein von Theophrast 
i'r/ii!iU«'s fipspräch denken, der darin jene anstössige Behaupltinit nus- 
ircsiM <M heil und hierdunli dom Kallislhpne«j Anlass segebcn hatte, lierade 
auf die hohe rieselzmUssigkeil in allen Vormdrigen des Lebens hinzu- 
wels«i. Warum sollte er nicht den Hauplvortrag halten? Gerade so hicU 
nach meiner Vawttthung (s. oben S. S85, 3} im Eudemos dkttr d<m 
lianptvortrag und bat thatsKcblldi im Phaidon Solcrates die Hauptrolle, 
also gerade die Beiden traten im Dialog am Meisten hervor, auf deren 
Tod sich xonSchst die Trosfschrifl bemir \ u!. ;uich oben S. 347, ?V — 
Scbon Buresch S. ar» hat auf ein Tbeopbrastisclies Cital bei Plutareh 
ConsnI. ad Apollon, p. lO'tn htnsrewiesen, dns aus dem Kallisthones 
genoniinen ist. Aus der;»clhea >i Inift lässl sich, wenn man die \V<irto 
des Alexander von Aphrodisias im Auge hat, auch ableiten, was wir 
bei Plutarch e. a. 0. p. H9F lesen: dXX'tows ^notuyiiiv ov tpatt}; 'Ar«).- 
X<6vi6 «piXTore, (finf^vtf^hp f^v imtsicuitivot 6 ^««viexo;; 'AictfXXaivt Kai poipaic 
(Mo6eai( Madvig) ««( et iUi ftic* Ixs(noo nXctw ^ofalvou «y|&Et}9ijvai factvX- 
X^E^nTtt tÄv ßtov TOÜTo Y^p thni. xaxi ?puofj, t^jV i^(X£T£potv otjXovoti xii tt;v 
ttv^pa»Tt{vt)V, (IXX' oti xata TijV Tcbv SXrov zpovoiav xai xfjV xo3fMX-f|V ötat^v. 
ixEiv»]) hi TijJ (laxapioöivTt oux •J^^ xazä 'fj'Jtv rEpotr^po» tou änv?jjLT^O£v- 
To; auTiT) ypovo-j 7:p6; töv ivddSe ßlov irepipivEtv, dW rjtaxtwc toütov 
ixrXfiaivTi 7:pö; ri]^ elp.apfjLevTj'^ iTtava^Ew ropeia"^ xaXo4«7j« «urrj^, 
'^Tj^iv, TjOTj t:p6; iauTTjV. Auch hier worden «pyai; und eljiapjiivij idcnti- 
fizirt und ftjoW deutet darauf, dass ^ir hier ein Citat haben. 

4) Dass der Mensch, so lange er einen Körper hat, von iler viyi^ 
abhängig Ist, scheint in dem Fragment des "Aiconaptspä^ gesagt zu wer- 
den. .\ndere Komödien desselben Titels verzelcbnet Bnrescb, Consolfttl. 
in I.«'ip7.. Studd. IX S. 5. Bemerkenswerfl» \<\. wie aneh noch die Ans- 
läufer i'<'« I>ialn'j'>* üikI der Knniudir sich ln-riiliren. Ob llegesias etwa 
von fleii Komikern abli niLii: wai'. weiss icii rncht. — rcbriecn-^ sinmnit 
aus dieser Konuidie Phikmoiis vioileicht ilie nicht gerade an^itandigc 
Geschichte, die von Metrokies und Kratcs bei Diog. VI 5t erzählt wird 
und der ßiündung eines Komikers anltt Haar gleicht Allerdings, um Ihrer 
Derbheit willen, mehr der eines Dichten der alten als der neuen KomMle. 



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Zeiigenossen des Aristoteles. Inhalt der Dialoge. 



349 



weise war. Auch im Axioclios iiiiniiit sie den breitesten Raum 
ein und es ist wohl nur dem erborgten Namen IMatons zu 
Ehre gesclxeliea, dass der Verfasser sie durch einen i helorischen 
(p. 370 A (f.) und einen mythologischen (p. 371 A ff.) Excurs 
Qher die Unsterblichkeit ergänzt hat^j. Man kam auch hier 
wieder auf die älteren Sophisten zurück, von denen Prodikos 
sich durch seine Schilderung des irdischen Jammerthals einen 
Namen gemacht, Alkidamas in einem »Lob des Todes« den 
bekannten Vers, dass nicht geboren zu sein für die Menschen 
das Beste sei, lllnstrirt hatte >). 

Auch in euiem der berOhmtesten Werke dieser Gattung, Krantor »m 
in Krantors Schrift »von der Trauer« (Tispl idvdoo«) war derselbe ^' ^**"* 
Ton angeschlagen. Die Unsterblichkeit der Seele hatte er darin 
keineswegs dogmatisch behauptet 3), sondern auch der entgegen- 
(^esetzten Möglichkeit, dass unser Wesen im Tode vernichtet wird 
J^urehch S. 54), Kaum gelassen. Dieses skeptische Altwägen 
beider Möglichkeiten gegen einander erinnert an Sokrates in der 
Apologie: um so mehr erklärt sidi hieraus die Vorliebe, die 
Panailius, dieser (iegner der Unsterbliehkeil, für diese Sclirilt 
gefasst hatte (Cicero Aead. \)r. 4 35); zuizleieii gehört dies aber 
auch mit zum populären Ch:trakler derselben, wonach Krantor 
es vermieden hatte einer bestimmten metaphysischen and psy- 
chologischen üeberzeugung energischen Ausdruck zu ge1)en 
und darum auch nicht genOthigl war wie Flatuu sich in 
subtile nur dem Philosophen verständliche, den gewöhnlichen 
Leser zurilcksdireckende BrDrterungon einsulassen, sondern 
sich mit Scheinbeweisen begnOgen konnte, die der Mythologie 
und der oft nicht minder zweifelhaften geschichtlichen Ueber- 
lieferung entnommen waren Ebenso wenig wurde dieser 

4 Anders tirthoilt hicrlil>fi- ßun'scli, Lcipz. SUuld. IX S. 4 4. Zur 
kynischcn Literatur rechnet den Axiochos DUmmlcr, Akadeiiiika S. 78,i. 
169. 243. ^82. 

i, Auch Antiphon gehört wohl hierher. über alle <Ucsc Burciich, 
U'ipz. .Sludd. IX S. 8 f. 75! fr. 

8) Wie dies Buresch a. a. Ü. S. 54 aiizunehuuMi scheint. 

4) Hierher geliOrt auch die findllktoag von dem Terintter ElysloA 
bei Plotareh in Apoll, p. 4 09 BIT., Burcsch S. M. Derselbe halte eine 
Ersdietaiungy die sich ihm als der Däoioo aeines verütorbenen Sohnes 
ankündigte. Von solchen Vorstellungen aus lag die Konsequenz nahe, 
dass den Tudlcn ein gewisser Cullu» gehUbre. Sollte sie, die sehr im 



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350 



III. Der Verfall. 



popullire Ouirakter dadurch gestVrC^ das« Betrachtungen Ober 
das Maaaahalteii in den Leidenadiaften ein umfangreiches 
Kapitel in dieser Schrift bildeten (Buresch S. 46). Das Gan^c 
war eine rhetorisch gel^irbte Moralpredigt, auch in der äusseren 
Form: denn Krantor schrieb darin an Hippokles. um diesen 
über den Verlust seiner Kinder zu trfisten. Auf einem Ge- 
biete, auf dein bisher der Dialoi: IrfidilidiieU gewesen war, 
hatte also der Brief seine Steile eingt rioiumen. 
Neue Themata. Die Zeichen einer neuen Zeit mehren sich. Nicht bloss 
die alten Themata wurden auf neue Weise bebandelt, sondern 
es luimen auch neue Gegenstände in der Literatur auf, um 
die sich die frühere Zeit entweder gar nicht oder doch sehr 
wenig gekttnunert hatte. Piaton hatte das menaohliehe Leben 
nur im Uchte der Ideen betrachtet; die einzelnen Erschei* 
nungen, daher auch die natOrliehe wie die historisebe Ent^ 
Wicklung hatten für ihn nur ein geringes Interesse. Bei seinen 
Nachfolgern war dasselbe umgekehrt sehr stark und ging bis 
ins Einxehiste. Charakteristisch hierfür ist der jetit mehrfach 
begegnende Sehriftentitel icepi ßtW Man schrieb Uber das 
Alter (::ep'. ';r^pw; 8. o. S. 331, 2), über den Reichthum (^rspt 
rXourou) Uber Trunkenheit {-spl fjiDr,;) über die Dankbarkeit (rspl 
j^apiTo;) die Treue (^tepi TriaTsu):"* die Ehe (zspi ^■äiifyj) über die Ver- 
bannung (TTEpi 9' JYT^;) über das Scbicli^al (7:2p{ Tuyr^;) 2), über das 
Gebet (icepi e.u)(r^i)y über Orakel (irepi '/J^r^QXT^^mv} u. s. w. Nicht 



Sinne der Zeit war, nicht auch Krantor gezogen haben? Wenigstens 
Cicero ad Att. XII 48, 1, wo er von seiner Absicht spricht, seiner Tochter 
ein Heiliglhum xu errichten und sie so tarn Gegenstand heroischer Ver- 

ehriinp zu iDuchcn, heht hervor, dass einige der Autoren, die er peme 
lä«ie, dies billigten und forderten. Dass er aber Krantors S< hrifl nfrig 
las und insbesondfrc nach dem Tode der TuIMm ^»rlcson hattp, isl bekannt. 

1) npo;TOj; ^y^ctoa; oder 4>JYäoE; selion Anstipp iiachDiog. II i>4 u. hü. 

2) Deujetrlos nach Diog. V 81. Allordiiigi* aucb schon Aristipp nach 
Diog. II 85. S. aucb oben S. S(8, 4. Wie zeitgemäß«}» derartige Betrach- 
tungen und Klagen über die rjyr, waren, iehrt ein Biicli auf den indei lu 
Meinelce*9 Comici u. t6^: denn gegenüber der Zahl der Citale aus der 
neuen Komödie, aus Menander und Philenion, Icommen die übrigen gar 
niclit in Betrat til Vgl. noch R mhi .ScalOi Die Studien des I*o!yb. I 
J^. 159 IT. Der Wechsel der sich damals im BcgrifTder Tj/r, vollzog (Frachter 
dp Crbetis tabula S. sn. derauf L. .Srhmidt, Kthik d. Gr. i 5.1 f. verweist;« 
ku.iute :?chnflcu über diesem Thuiua veruQlus:»eD. 



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ZeilgenosseD des Aristo^lefi. Inhalt der Dialoge. 351 

bloss bat Piaton über diese Dinge nicht besondere Schriften 
veilaNsf; man kann si h kaüiü vui stellen, wie er dies hätte 
thuii kunnen. Es scheint, dass utan dies später vermisstc, 
(hiss uian wünschte, auch er möge sieh über diese Mode- 
Fragen geäussert haben, und vielleicht ^^ar dieser Wunsch 
die Ursache, dass ihm später von unbekannten Verfassern der 
sweite Alkibiades ^oder vom Gebet« (vgl. auch Rose Aristot. 
pseud. S. 67) und der Eryxias »oder vom Reichthuni« 
untergeschoben wurden^). Ich meine, aus den Titeln schon 
und den seltenen Fragmenten dieser späteren Schriften ftlhlt 
sich eme mehr monographische Behandlung heraus, ^während 
der Dialog, namentlich unter den Händen Piatons, ein Essay 
war, anregen, aber nicht erschöpfen wollte (s. oben S. S43 ff.). 

Damit ist sugleich der wesentliche Unterschied ausge- 
sprochen, der die klassische Zeit des Dialogs ron der jetzt 
folgenden alexandrinischen Periode trennt, auf die uns die 
letzten Betrachtungen in mehr als einer Beziehung vor- 
bereitet, in die sie uns zun» Theil schon hineiagelührt haben. 
Nur daiaul' mag miu Schluss noch hingewiesen werden, 
dass auch die bildende Kunst des vierten Jahrhunderts BüdondoKansU 
es liebte, Gespräehe darxuütellen Ks (Ümi dies zum Zeichen, 
wie tiei" die Neigung zum Dialoi; im \Vi < n der Zeil l»euründet 
war: nicht umsonst hat man die »sacre conversazioni^ der 
italienischen Kunst vergiicliün ; denn die Zeit, der dieselben 
entstammen, ist ebenfalls in der Literaturgeschichte durch be- 
sondere Fruchtbarkeit auf dem Gebiete des Dialogs bezeichnet. 

^) IJijii y_f»Tj|jLdtrtyv fuiilpt sich unlor iU'u lHaloLTii Siiimii;is Dio;^. II 
i24. riepl TcXo'jTO'j lullten au.s.ser .Aristoleles schon I^peusipi» Üiog. IV 4) 
und Xenokrates ^u. u. 0. H) geschrieben. 

i) Ein Shalicher Gruod wurde oben S. 384, 8 für die Abfosaiuig des 
ersten Atklbiades vermutbeL Zur kyniscben Literatur rechnet den Eryxias 
Dttminler Akademika S. 78, i. 

8) Robert Bild und Lied S. 49. 



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Vf. Ueberresie bei den Alexandrinern. 



StsIaitendM. Das Imibe Jahrhundert, welches die Blülho des Dialogs 
umschliesst. wnr zugleich die Zeit^ in welcher die gesammte 
Bildung der Griechen wie nie snvor nnd nie wieder nachher 
an einem Orte concentrirt war. Es gab zwar auch noch 
andere Sitze der Wissenschaft, wo dieselbe auf eigenthfimliche 
Weise gepflegt wurde: aber was wollten Kyrene, was Abdera, 
was die kleinastatischen Stidte, was Syrakus oder Tarent 
neben Athen besagen? Mit der Zeit änderte sieh dies und 
musste sich ändern. Der Same war von Athen aus fiber die 
ganze Welt getragen worden; nun ging er an den versehie- 
(Icnsloii Orten aul, wuchs zu selbstiindiger Kraft heran und 
ge\Nami unter den Einflüssen des neuen Bodens und Kliuuis 
eine eigenthüm liehe Gestalt. Nicht ganz mit Recht trägt die 
Zeil, in welclier diese Entw irklung sich vullondote . ihren 
Namen nach einem ein7ig<'n dor zalilreiclu^n Bilduu^scentreii. 
welche damals entstanden. Man nennt sie die alexandrinischr. 
und vergisst dabei leiclit, dass neben Alexandria doch auch 
noch die alte Metropole helienischer Kultur, Athen, fortr 
bestand und keineswegs als Auine, sondern den Anforderungen 
der Zeit gemäss sich immer von Neuem verjflngend; dass mit 
der Residenz der Ptolemäer auch Pergamum, Antiochia und 
Rhodns rivalisirten. Mit dieser weiteren Ausdehnung des 
wissenschaftlichen Lebens änderte sich auch die Art des 
wissenschaftlichen Verkehrs : während derselbe froher, als das 
wissenschaftliche Leben noch auf Athen beschränkt war, durch 
Gespräche unterhalten werden konnte, deren Bild in der 
Literatur die Dialoge waren, so ging dies jetzt nicht mehr 
au; das Bidüriiii.s.N des Verkehrs bestand noch fort, es liess 
sicli aber jetzt /.wiNclien den ;«uin!ich oft weit Getrennten 
nur noch durch brielliche Correspondenz befriedigen. 



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Einleitcodos. Der BrioL 



35a 



Daher sehen wir jetzt mehr und iiiühr den Brief die Der Brief. 
Stellt' dos DialoL's einnehmen, för den ohnedies kein rechter 
Platz mehr war in einer Wissenschaft, die sich hauptsächUch 
durch erschöpfende Detailarbeii und einen sammeleifrigen Em- 
pirismus auszeichnete und welche die Einzeldiscipllnen auf 
Kosten der Philosophie erhob. Zwei Dinge dienten noch dazu, 
diesen brieflichen Verkehr su erleichtem und sa IQrdem: dass 
aSmUdi die Bildung damals eine viel gleichartigere war als 
froher, daher auch dieselben Probleme die Menschen in den 
verschiedensten Gegenden interessirteny und dass sich endlich 
Ober die Schranken der einseinen Dialekte eine allen Gebildeten 
gemehnsame Umgangssprache tn zweifelloser Geltung erhoben 
hatte. Es wird uns daher nicht Wunder nehmen und ist 
schon bemerki worden S. 300 ff.), dass man bereits iiinerhalb 
der platonischen Schule begoiiuen hatte, der BritITorm {ge- 
wisse Zugeständnisse zu machen. Die Bedeutung des Briefes 
för den Verkehr drSngte zu \veil<»ren. Diesellte steigerte sich 
immer mehr. Schon in dem Räthsel, das die Sappho des 
Komikers Antiphanes (Meineke IIIS. \\^] aufgibt, »erhebt der 
Brief seine lautschaUende Stimme, dass sie Uber die Wogen 
des Meeres und alles Land hin bis su den Sterblichen dringt, 
au denen er will«. Wie Hess er sie erst ertönen, seit Alexander 
auf seinen ZQgen die angemessenen Rfiume des Ostens eröffnet 
hatte, In den auf- und abwogenden Kriegen setner Nachfolger 
Orient und Oocident von einem Nets gemeinsamer Interessen 
umsponnen wurden und die entgegengesetsten Enden der 
hellenischen Welt geflOgelte Kunde von einander begehrten 
Unter den Diadochen wurde es nülhig, das Briefscbreiben an 
ein besonderes Amt, das des Epistoliagraphen, zu knüpfen. 
Nur ein schwaches, aber doch treues Bild dieser nllgenieiuen 
EntwiciilunL' des Briefes gibt die der epistolographischen Gat- 
tung in der I.iteratur. 

Wenn Rohdes Vermuthung (Gr. Horn. 4 87, 1) richtig ist, 
80 Würde der für sie epochemachende Moment höchst charak- 

\] Der Kuiu;.; Schuiko» sajrtp narh I'lulatcli An smi irspuhl. ^« r. 
Sit. H p.790A: wenii die Lculü wusSk'a, wie iiiuli>-iiu uuih nur tlas 
Schreiben und Lesen so vieler Briefe sei. sie wunleu die Krone nicht 
nehmeii, auch weao sie sa ihren Fussen Itige und sie dieselbe nur aufeu« 
beben brauchten. 



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354 



IV. Ueberreste bei den AlexaDdrinern. 



türistisch dadurch bezeichnet sein, dasb uiaii eine Dar- 
stellung der Alexandersage in Briefen gab. Nur schüch- 
tern zeigt sich die epistolographische Gattung Anfangs Doch 
gingen die Peripaletiker und nächsten Schüler des Aristoteles, 
wie es scheint, bereits weiter im Gebrauch der i^ricllorm als 
der Lehrer. Einen, wie wir vermuthen dürfen, umfangreichen 
und deshalb selbständig herausgegebenen Brief des Dicäarch 
an Aristoxenos kannte Cicero (ad Att. XII 3S); über den Text 
der aristotelischen Physik correspoodirten mit einander Eudem 
und TheophraBi (schoL Aristel p. 404 b 40 (f.). Jener war 
wohl für die Oeffentliohkeit bestunmi in der Wdae, wie die 
Gelehrten der Renaissance einander schrieben (ViUari, Sayona- 
Versffeni- rols I 455)« Dagegen mögen diese Briefe wie eine priyato 

^''^^BHef(^^ Adresse so anch wirklich nur eine private Absicht gehabt 
haben; dass sie trotidem erhalten worden and in Folge dessen 
ein Brachstttck bis auf unsere Zeit kam, seugt wieder nur 
dafür, dass man jetzt derartigen Aeusseningen einen viel 
höheren Werth beilegte als Iriiheri). Daher stehen wir über- 
haupt Brieten hervorraiiender Männer, die aus dieser Zeit 
erwähnt werden, wie z. B. des Parmenion (Athen XIII p. 607 F), 
des Ptolemaios Lagi (I uoian Apol. pro lapsu in saiut. 10), 
oder des lluiuenes ''ebenda S) nicht mehr so skeptisch gegen* 
über, und dürfen im Allgemeinen zunächst die Kchtheit an> 
nehmen, bevor durch besondere Gründe der Beweis des 

fibcbnagok Gegentheils erbracht ist. Eben daromi weil man um sich her 
Alles Briefe schrmben sah, setzte man dasselbe ftlr die Ver- 
gangenheit voraus und übertrug die Gewohnheit der eigenen 
Zeit in diese, indem man Briefe auf berOhmle Namen fUlsdite 
(Wilamowita Antigon. v. Kar. S. H5, 15). 

Alles war des Briefes volL Man besiegelte mit Briefen nicht 
bloss die Freundschaft, sondern bediente sich ihrer auch lur 
Polemik: denn viel mehr als früher war der wisseosohaftKche 
Streit ein persönlicher geworden und wurde mit Nennung des 
Namens der Gegner geführt. Als ein solcher polemischer Brief 
kann wohl, um von mehreren durch -[yö: bezeichneten) Schrifleii 
Chrysipps abzusehen, der Brief des Philochoros an den Grani- 

f> lu!>or <lic Briefe der Peripaletiker eine allgemeine Bemerkttoft 
hei lüller in Sulura Philol. 8auppi« ohlata S. 88. 



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Der Brief. 



355 



matiker Asklepiades angesehen werden Auch der Perieget 
Polemon schrieb eine Reihe vuo Abh a lluocen in Briefen. 
Ueberau dringt die epistolographische Form ein. In der Rhetorik 
hatte sich der Brief schon liing(M' eingenistet, wie mehrere der 
unzweifelhaft nchteii Schrifien des Isokrates zeic'pn. wozu noch 
das Schreiben an Polvkrales kommt, dessen er selbst Rusir. 1 f. 
gedenkt; aber auch da, wo der Dialog ganz eigentlich und 
ursprünglich zu Hause war, wie in der Symposienliteraiuri 
machte er wenigstens einen Versuch diesen zu verdrängen. 
So fasse ich es auf, dass ein Schüler Theophrasts, T.^-nkeus, 
und Hippolodios, der Eine in Athen, der Andere in Makedonien 
lebend, einander Briefe schrieben, in denen sie Gastmähler 
schilderten, an denen sie Theü genommen^. Freilich waren es 
nicht geistreiche oder gelehrte Gespräche, was diesen Gast- 
mählern Beis verlieh, sondern eine barbarische Pracht and 
Ueppigkeit: aber waren nicht auch die Symposien der Phflo- 
sophen in Athen andere geworden seit Piatons Zeit? (Athen. 
XII p. 548 A.). 

Von den Philosophenschulen der Zeit hat sich keine des BpUtw»«. 
Briefes mehr angenommen als die epikureische. Man be- 
greift dies, sobald mau anerkennt, dass sie unabhängiger als 
irgend eine andere von der sokratischen Tradition war. Auf 
das gemeinsame Forschen (a^Cr^TETv) legten freilich auch die 
Epikureer Werth ''j; aber das ist etwas der antiken Wissenschaft 
überhaupt Eigenthümliches und führt nicht nothwendig zum 



I) Schoi. Burip. I IM, S6 Dlnd, vgl. dam Müller fragmin. hist IV 
•48, aber audi Bartbold de sdiolionun in Eurip. veter. fotttib. S. 5. 

S) Athen. III 126D. JY 128A fT.). Vgl. noch Müller fragm. hist. gr. II 
S. 466 Anm. Hierher gehört auch der (wirkliche oder lingirte) Brief des 
Chürcpbon an Kyrebion, don Kalli machos in dfn Pinnkes verzeit^hnel 
hatte, nach Athen VI ä'. i A Brandl Gorpu«?c. poes. ep. (ir. ludih. 1 S. 58, V- 
Ausserdem macht M. >i iiiiii(lt, Didym. .S. 369 f. auch den Melesermos zum 
Verfasser von iKiaxoXai o'j|x;rooiax''jii; der betreffende Artikel des Saidas 
lAMt «Iber die M(igllelikeit offSeo, dass es gewöhnliche euf&noaiaid waren. 

t) Vgl das von Usener, Wienw Stndd. X 5. 201 xusammengesteUte. 

K) Selbst die Mathematiker der plaloniseheo Schule stellten ihre 
Cntennchiuigen gemeinsam an (Proklos in Hucüd. S. 67, 49 ed. Friedlein: 

und Isokrates verfnsste seine Reden, wührond er (gleichzeitig über die 
einzelnen Theiic derselben mit seineu Schülern Rücksprache nahm (Pana- 

2.1 * 



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356 



IV. Ueberreste bei den Alexandrinern. 



Dialog. Die epikureische Schule dagegen hatte in vieler Be- 
ziehung mehr das Wesen einer religiösen Gesellschaft als 
einer Yerbindung su ^ssenschafUichen Zwecken. Wie in 
einer solchen war der Zusammenhang der Mitglieder unter 
einander der engste und das Interesse» das sie beseelte, ging 
nicht so sehr auf ein Finden neuer als auf ein Befestigen 
längst gefundener Wahrheiten. 

Epikur selber sorgte daittr dass die Gemeinden auch in 
der Diaspora die Fühlung nicht verloren. Wie der Apostel an 
die Brttder and Heiligen in Korinth und Achaja, in Galatien, 
in Bom, so Uess anch Epikur seine Sendschreiben ergeben an 
die Freunde in Lampsakos, in MytHene, in Asien und Aegypten, 
an Einzelne und an ganze Gemeinden^!, um sie im Glauben zu 
stärken, vielleicht auch um etwa auftauchende Zwistigkeiten im 
Keim zu unterdrücken '•'). Die Schüler ahintcn das bei.spiel des 
Lehrers nach und so erwuchs eine auseedehnte und mimnig- 
fache Correspondenz , die später gesammelt^) von dem Leben 
und Treiben der Epikureer, dem Verkehr derselben unter ein- 
ander in ähnlicher Weise ein Bild gab, wie es die Dialoge von 
dem sokratischen Kreise getlian hatten^). Und wie die Dialoge 
ursprünglich wohl Aufzeichnungen von Gesprächen zum Privat- 
gebrauch waren, erst hiernach von vornherein für die üeffent- 
lichkeit geschrieben wurden, so scfaliessen sich auch an die 

Iben, 200 ff/. Von den Gelehrten des Aloxandrinischen Museums sagt 
Parthey, AIp\. Mus, S. 59: »Das Lehren war immer no<h Sachr des fie- 
selligen Verki;hrs, des Zwiegesprächs, der freien MilUieilun^ , ehe es in 
gercgelleu Kalhedcrvortrügen festgestellt wurde". 

i) Ilpic To6c h Alp— (u cpO.ou;, r;>. TO'i« *Aol(f rp. T. iv AajA- 
4>eix(p f., icp. T. h MuttX^M^ ^. Usener Epicurea S. 135 f. Im Hinblick 
auf diese ülteren Vorbilder braudito man an der AllKemelnheii der Adresse, 
welche zum Theil die Briefe des Paulus ti airen. k* inen Anstoss zu neh- 
men. Aehnlich lauten auch die Adressen des 7. und 8, platonischen 
Briefes: rOrfrniv Toi; A'ojvo: oixcfotc tc rat eratpoi; vj npsirceiv, 

i) Liiterss. zu Cirorns pliilos. .Sehr. I S. 168. 

3) Usener Epicur. p. LIV f. Wiener Studd. X ^1858; S. iül. vgl. 
noch DUning de Metrodoro S. 871. über Metrodors Briefe a.Bemays Theo- 
phrast S. 1 40 über die des Hermarchos. 

4) Fälscher trieben auch hier ihr Handwerk, wie jener Diotimos 
'Uaener Epicur. s. 135), der in den Briefen, die er unter Epikurft Namen 
herausgab, besonders den erotischen Zug, der tn Jenem Bilde war, starlt 
ül>ertrieben zu haben .seheint. 



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Oer Brief. 



357 



epikurischen Briefe, die os iiu vullon Sinne <!es Wortes waren, 
solche, die nur die Form von Briefen hatten und in Wirk- 
Hchkeit, oi)gl(*icii an eine bestimmte Adresse gerichtet, sich 
doch an ein grösseres Publikum wandten Vm die Aehn- 
lichkeit mit den Dialogen voll zu machen war auch das Yeiv 
bältniss der Briefe zu den hypomnematischen Schriften ein 
Aehnliches, von denen sie sich gerade wie die aristotelischen 
Dialoge durch eine grössere Eleganz der Schreibart^), ins- 
besimdere durch das Meiden des Hiatus unterschieden^). 

Die epikureische Schule steht mit dieser Bevorzugung der 
Briefform ganz einzig da. Von den Stoikern, die sich eben- 8toik*f. 
fiills gelegenttidi dieser Form bedienten, war doch kein ein- 
ziger als Briefschreiber hervorragend und selbst die Briefe 
Zenons, des Stifters der Schule (Wachsmuth de Zenone et 
aeanthe oomm. I S. 6 Diog. L. YII 8) hielt man nicht lür 
Werth, in das Yerzetcbniss seiner Schriften (Diog. L. YII 4) 
aufgenommen zu werden ''). Unter den Kynikern hat sich nur £;uiker. 



i] Für solche Briefe mochte ich im Allgemeinen die halten, \s eiche 
uns mir uadi dem Inhalt eltirt werden, wie itcpl lTr(rr^o£j(jL4hi»v n. a. 
[tlaener Epicar. S. 4 52 ff.). Hierher gehftren wohl au<di die ^EictvcoXrxd 
mpl f^ittSoxXioo«, welche Diog. L. X S5 unter den Schrillen des Her- 

marchos anführt. Es waren dies EpistoUcae qunostiunes, wie sie nament- 
lich in der Rümcrzeit so häufig wurden, und wir haben keinen Grund, 
dieselben (niil Bernays Theophra^t S. 139f.) mif dm von Diog. X 15 
citlrlen ir^rzohn dessolhnn Herinai ( lios zu idonliliziren, um so weniger, 
als die IsicbterwuUnung der letzWren in cmem Sdiriflenvcrzeichniss, das 
nur die «ciXXiaTa ßißXia geben will, nicht weiter liefreoiden kann. 

1} Aus einem Briefe an Idomeneus citirt Theon Progymn. hei Spenge!, 
Rhei Gr. Ii 74, 9 (Dsener fr. 484} sogar ein Beispiel der asiatische Manier 
des Hegeslas. 

. 3} Iseucr Epicur. S. XLIf. vgl. daxo Blass, Att. Bereds. II 4 SO. 4S7,4. 
Rhein. Mus. 30. S. 5Sf fT. 

4) Audi Hriüfe des Kleanthos kenne ich nicht. Dagegen wurden 
dem Cbr\>i|»[)i)s ipmTtvtal dniatoXal beigelegt Diog. L. X 3, vgl. Baguet 
ö. 348), deren licülheit indessen zweifelhaft gewesen zu sein scheiul, und 
avsserdem mögen unter den lahlreichen durch npo; mit einem Eigen« 
namen beselcbneten Schriften (n^c ropfnnrlSijy u. s. w.) solche smn, die 
wir Briefe nennen Iidmiten. In dem Scfarfftenverzeichniss werden Briefe^ 
so Tie! ich sehe, nur bei Sphairos (Diog. VII 478) und hei Ariston (Diog. 
VII 163; angeführt. Die des letzteren waren die einzigen Schriften des 
Stoiiiers, welche Panailios und SosiJirates für echt gelten iiessen, und da 



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358 



IV. Ueberreste bei deo Aleundrinem. 



Krates durch Briefe einen Namen gemacht*) and ausserdem 
Mcnippos, der seinen Briefen GOtter als Yerfesser gab und 
damit in der epistolographischen Gattung denselben Üeber- 
gang vom Historischen ins Mythische YoUsog, den wir aus 

der dialogischen schon kennen^). 



sie überdies sich ausschliesslich an die Adresse des Kleanthes richten, so wird 
wahrscheinlich, dass sie nicht aus cim»r Sammlune wrrklirhcr Briefe 
stamm<*n. sondern von vorn herein für die OeHentiichkeil bestimmt warm 
Es mn:; ülsn iiiil ilinen die t-'lekhf Ucw andtniss haben, die es vermuthiich 
mit den ot>en gleich zu erwaJineuden dvs Krates hatte. 

4) Wirkliche Briefe waren diesschweilicb; denn sonst liätte er icaum 
wie Diogenes IVOS anklebt, sieb darin einer Diktion bedienen kdnaen, 
die der platonischen vergleicbbar war. Vielmehr war die Briefform wobl 
nur gewtthlt , weil sie Ihm lar Darstellung seiner philosophischen Ge- 
danken passend schien. Konnte nicht schon vor Soneca jcmiuid auf den 
Gedanken gekommen sein, in einer Reihe von Briefen einen Cursus der 
Phlinsophie durchzumachen? Bei Dioj^enes cr«5cheiiit 'EriotoWt als der 
Tift'l eifK s einzelnen (itSXov. wn> du« h die Verniutbung nahe legt, dass 
diese Briefe unter sich ein gewisses Ganze bildeleo. S. über die Briefe 
Arislons vor. Anm. 

2] Das Verzeichniss der Schriften Henipps bei Diog. VHOI schliesst mit 
^Eiti«r(^al icc«o|jM|>ett|ilvat dit& to& toiv StAv icpeoifcnot» lep^ Toft« ^eixo&c tuA 
|MSi)ffcQtmui^ xal YpaifA{AaTt«o6{ ml fwäii 'Efcaie6pQO ludtäc lpi)vxcuo|Aiva« &ic* 
«Ot&v cixdoa; xoil (fX).7. Gewöhnlich fasst m;iii die Worte von rooc tO&« 9U01- 
xoj; an als Angaben über neue Schriftenlitel (Wachsmuth Corpusculum 
poesis Gr. lud. II S. 8t, 2, I S. 223 f.;. Doch seheint das nur einmal ge- 
setzte rrro: vielmehr nur auf eine einritn- Si hrift zu deuten. Da nun 
au.s>.tj den» die Üexeiclmung der Briefe lediglich nach dem Verfasser etwas 
kahl erscheint, so cmpQehlt es sieb, das r.^ia x. f. mit dem vorher- 
gehenden Arth totl twv 9. np. eng zu verbinden and Briefe zu verslohen, 
die angeblich von den Gdttem ausgingen und sich gegen die Physiker 
u. s. w. wandten (vgl. Lucian Ei*i>t Saturn. S u. S). Die Gttttor hatten 
gewiss ein Interesse an den lovat 'Firtxo6pou und der Feier der elxdfSec. 
durch welche letztere «^ie si( Ii iit ihren Rechten gekrinkt fühlen konnten. 
S(i knnnf'n wir auch der Vernnitliunp t'^^eners Epicur. >. LXIX cntratbcn. 
Was die Vvi'v. K-txo6pou beüilTl, so hat all'^in Wachsmuth Sillogr.' 
S. 82, t und Corp. poes. ep. Gr. lud. l S. 2ia f. die richtige Erklanmg 
gefunden, der darunter die Kinder Epikurs d. i. die Epikureer versteht. 
Freilich woher diese hocbtralwnde Ausdrucksweise im Titd einer siropelo 
Streitschrift gegen die Epikureer kommt , iSsst sich nicht erklflren. Als 
Adresse eines G<itterbriefes wird sie dagegen ganz versttfndlich: denn die 
GikUer mochten einer gewählten halbpoetischen, nicht der gemeinen 
alltäglichen Sprache sich bedienen nnd daher die Epikureer w T>ztxo6(>o'j 
'fovat anreden j ja wer sagt uns deun^ ob sie nicht echt menippiscb zum 



Die Symposien. 



359 



Der üeixTinacht des Hrietes gegenüber konnte sich vom Die BjmpwiWi 
Dialo£^ Dur Dasjenige halten, was mit dem wirklichen Leben 
durch eigenthOmliohe Fäden verknüpft war und hierdurch 
fester im Boden wurzelte. Das waren die Sympesien, die 
im Verlauf des Alterthoms aus der grossen Masse der Dialoge 
so selbständig hervortraten and In solcher Menge vorhanden 
waren, dass sie lum Bang ehier besonderen Uteraturgattimg 
unter dem Namen »sokratisohe Symposien« aufstiegen Die Qympoiian d«s 
Verhältnisse, weiohe die ersten Symposien hervorgerufen 
hatten, dauerten in verstärktem Maasse fort (s. o. S. 345> 
Aus der Zelt, dn man den ersten 0{aoo( xm Mooow» stiftete, 
waren die ersten Symposien der Literatur hervorgegangen. 
Die Zahl dieser und Ühnlicher f^aaoi oder doch ihnen ver- 
wandter Vereinigungen mehrte sich; das sokratische und 
platonische Vorbild trug weiter dazu bei, dass das Leben der 
athenischen Fhilosophenschulen in solchen Symposien eine 
Art Mittelpunkt fand. Die Fürsten der Diadochenzcit glaubten 
daher ohne Zweifel die WissensrhaO. zu ehren, weun sie für 
Zweckessen dieser Art die nöthigen iMiltel auswarfen i7)iog. L. 
IV 41) oder die Philosophen und Gelehrten zu sich zur Tafel 
luden und sie nöthigten, bei dieser Gelegenheit, wie sie es 



TheU in Versen redeten? Hioroach ist von l'seners (a. a. 0.) und Birts 
zwei politische Satiren 4 26) Aurr<)ssung (vgl. noch Lobock Agiaopb. I 
kST- und Aqtm Dnmosth. g. Meid. 449 tcI( dito^^Toui &sitep ti Tpa^ifiilf 
TOUTO'J ^o'^a: hi'M' abzusehen. 

4) tlcimuijeües in Rh^M. «Ir. od. Spenge! U S. 455, 11 u. 3111. • 

ttvo« dinXiJc |ftf86Soi» wina Tcktuxai. Bloss an das xenophoDtische und 
platonische Symposion kann Uerboi nicht gedacht werden, die fUr sich 
allein k^e besondre Gattung ausmachen konnten. Auch das Beispiel, 

da.H Ilermogenes S. 456, 3 f. cclegentUch der Erörterung des Wesens dieser 
sokratis< hon Symposien dem Symposion des .'iltercn Kyros entnimmt, 
weist dariulf hin. (hiss wir es ini» dt r in Dsokratisch « liegeudeii Bfsfim- 
mung nicht zu ^eniiu nehmen tiuricii. Hin uns jeUt verlorenes Sympo- 
stOD scbcial Plularch im Sinne /.u haben, weun er Praec. rei. puhl. ger. 
Sl p. SttD von einem Symposion spricht, bei dem Alkibiades der Gast- 
gelier war ((ai»va^to(}, Sokrates aber die Hauptrolle spf^. Auf ein 
soldies bezieht sich vielleicht auch Athen. X p. 4S7Ff., denn der grobe 
Verstoss gegen die historische Wahrheit, womit dort ein Aufenthalt 
Xeuophons bei Dionys in Syrakus vorausgesetzt wird, würde sich am 
einfocbiteo aas der Fiktion eines Dialogs erklaren (o. S. 170,4). 



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360 



lY. Ueberrestc bei den Alexandriaern. 



gewohnt waren, ihren Witz zu zeigen'). Aber auch in den 
dauernden Institutionen, die sie nach dem Vorbild der wissen- 
schaftlichen Anstalten Athens schufen, waren ein wesentlicher 
Bestandtheil die gemeinsamen Mahle der Mitglieder, so sicherlich 
in Alexandrien, wahrscheinlich aber auch in Pergamon'^] und 
anderwSrte. Indem sich nun diese gelehrten Anstalten von 
Athen aus tiber die ganze Welt verbreiteten, welcher Stoff, 
welcher Anreiz zu Symposien war damit gegeben! 
Vorbreitong Aber auch hier führte die Verbreitung die Verflaehimg 
y«f&Miiasg. Verrohung mit sich. Nicht mehr in den Regionen einer 
freien und hohen BUdung bewegte sich, wie es scheint, der 
Regel nach die Ünterhsltung, sondern müliselig kroch sie an 
den, sum Theil j&nmerlichen, Problemen der Fadiwissenschaft 
bin oder erstickte wohl gar in sinnloser Schwelgerei: Pedanten 
und Barbaren herrsditen auf dem Boden, wo der hellenische 
Geist der guten Zeit so edle BlUthen getrieben hatte. Ein- 
zelüo Zeitgenossen, die das Unwesen erkannten, vermochten 
ihm doch nicht Kinhalt zu thiin ' . 
SympoBiender Diese Verhältnisse der Wirk lidikoil werfen ihren Schatten 
UteMt«. ^-^^ Literatur. Parodirend schildert uns Malroa aus Pitane 

(c 300 V. Chr.) die fieslandtheile eines oeiirvov Attixöv, in 



4} (Diog. U 4 41. ISO C Leim de Arlstarch. 5. S41 f.*). Schon Dionys 
soll nach Diog. H 7S den Artstipp genotblgt haben, beim Symposion tt 

ix tpiXoootpta; zu fagen. 

?^ Der Vorgang von Alexandrien begründet diese Wahrscheinlichkeit, 
Suidns 11. Mo'jaaio; (xal <s\»toc yj y. X o u ; dazu beruhardy u. in (ler(ir. 
Literaturgesch. I 51 2 f.) scheint dieselbe zu bestätigen. Tiutardii Non 
posse svaviter vivl 48 p. {0951> ftthrt auf Symposk« des Attalos, an 
denen Krates und Diodotoe betheiligt waren. 

3) WlUirend nnter Lykon die Mahle der Peripatetiker einen hoben 
Hnu! \on l'eppigkeit erreicht hatten, arbeitete Menedem auf die mög- 
lichste Einfachheit der Symposien hin (Athen. X «SOEff. Bieg. II (39fT.i. 
Die "Spiele des Witzes, wie sie in alter Zeit üblich waren, httlt Kloarch 
bei Athen. X p. 457 C ff. seiner Zeit al<? Muster vor. wo Essen und Trin- 
ken oder der Geschlechl>li icb tlou 6Ujtt mm (iesprache boten. lu richUgcr 
Einsicht, dass gelehrte oder philosophische Disputationen nicht zum 
vollen Becher geboren, ging Arkedbios den imxuXtxMi i^YT^act; Diog. IV 
4S s. Athen. ISA) ans dem Wen^ und würtle «eine Symposien auf andere 
Weise {Athen. X 480Cfll), und lehnte es schon Isokrates ab^ tnti der 
Ritten .< i Freunde, einen Vortrag ans dem Gebiete der Ehetorik xu 
halten (Lehr& de Arislarch.' S. SOS f.;. 



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Die SyroposioD. 



364 



Versen und Eum Theil in dialogischer Form Die Reihe der 
Pedanten er öffnet Aristoteles, von dessen Symposion schon 
die Bede war (S. 284 f.); an ihn schliesst sich Arisloxenos, der 
in seinen »vennisehten Tischgesprichen« (ao|i(A(xTa oo|i3coTtxd) 
Probleme der mnsikfllischen Theorie erörterte^. Kaum von 
anderer Art werden auch die Tischreden gewesen sein, die 
Hieronymos von Bhodoe nnd Prylanis herausgegeben hatten 3), 
beide aus dem Anfimg des dritten Jahrhonderts und beide der 
peripatettodhen Schule angehOrig. 

1) fr. Ii S. 91 in Corpusc. Poes. Bp. Lud. I ed. Brandt; vgL auch 

Sw S5. Vgl. noch die Briefe des Lynkeus und Hippolochos ohcn S. 355. 

2) Westphal, Thooiio der musisch. Künste I S. 4 8f. , der aber in 
seinen Kt»nil)in;>ti(iTV!i /.u weit geht (s. o. S. 345, 4). Auf ein ;nisccnrhoi- 
tetes Symposion des Arbtoxenoj» kann aus Plutarch, Non posse suav. v. 

p. 1095 E, nicht mit voller Sicherheit geschlosben werden. Doch liegt 
die Vemuthung allerdhigs nahe» dass Theophrast Arfstoxenea und An- 
slophaiies dort nicht bloss lUierhaupt als sachveratKndige Männer citirt 
werden^ deren Vortrügen man bei Jedem Anlass, also auch ImI einem 
Symposion gern zuhören würde, sondern dass dies gcschiebt, WetI sie 
wiriilich einmal bei Symposien sich über diese Dingo (repl oufxcpmvtnv, 
repl |A£ToßoXä»v, repl 'Oaf;po-j' goi1us?;ort liattcn. Aristoxcnos wiirdf dann 
citirt werden wegen Süinor o'ju[j.'.xTa oj^lzotix« und auch für i heophrast 
und Aristophanes wäre die Abfassung ähnlicher Schriften anzunehmen. 
Für Aristophanes hat die Annahme um so 'weniger Schwierigkeit, als 
eu|fc|inRd «i(fcic. des Dldymos vorbanden waren (der Grand weshalb Sdmildt 
Dldym. S. 980 dlesdben dem Grammatiker abspricht, weil, Alhenakw und 
HeroiUan ausgenommen, nur Philosophen und Sophisten Symposien ge- 
schrieben hätten, ist nicfitig) und Herodian sogar ein förmliches Su(jiTc6atov 
verfB«-sl hatte. Man darf auch noch die Frage aufwerfen, ob Plutarch 
wenn t s ihm nicht ppt ade darauf ankam, den Vrrfnssor eines .Symposions, 
sondern tun oinon houierkundigen Mann zu nciüieu, dem Aristorcb nicht 
den Vorzug vor Aristophanes gegeben haben würde. 

S) Plntarcb. Qnaesi oonv. prooem. 81. lieber HIeron. vgl. Hiller 
in Satura phUoL Sanpplo obl. S. 88 über Prytanls lieineke AnaL AI. S. 6. 
Wilre die Vemrathung von M. Scbmidl Dldym. S. 868 richtig, dass nttm- 
lich Hieronymos in seinem Symposion über eine Disputation berichtet 
habe, die heim Schmause dor Halkyonecn in Athr-n zwischen ihm und 
Arkesilas stattg«'fun(U'n tiatto (Hiot:. I.. IV 41), so würde der Pcripaleliker 
Hieronymos dem Heispit-l dua Stifters der Schule, Aristoteles, gofolct 
sein und sich selber redend eingeführt haben. Aber die Veruiuthuag bul 
keinen sicheren Halt, so wenig als eine andere, wonach das Symposion 
bei Prytanls, von dem Hegesander berichtet hatte (Athen. XI p. 447 fi) 
und an dem auch der Dicbter Enphorlon in wenig direnvoller Welse 
betheUigt war, eben da» von Prytanls geschilderte wäre. 



362 



IV. UeberrMte bei den Alexandrineni. 



fleniltidM. Merk würdig ist das Symposion des Tarcntincrs Ucrakiei- 
des, der der alexandrinischen Schule der Empiriker aogehörte 
und ungeföhr imi 1 60 v. Chr. gelebt haben mag (Wellmann im 
Herrn. 23, 5ö7 f.). Unter anderem war darin von den Wir* 
kimgoi der Zwiebeln, Muscheln und Eier auf den mensch- 
lichen Körper die Rede (Athen. 11 p. 64 A.)«* die Frage wurde 
erörtert, ob man nach dem Genuas von Feigen am besten 
warmes oder ialtes Wasser nShme (Athen. III 79 E) und 
weise RathschlSgo gegeben, dasB es sutrSgUcher sei vorm 
Trinken ordentlich su essen und nicht gleich von allem Anfang 
an stark zu trinken (Athen. HI HO Bf). Eine Reminiscenz an 
das platomschc lässt sich juicli in diesem ärztlichen Symposion, 
wie es Welcker (Kl. Sehr. II 22<) gciiannl hut, nicht verkeniion: 
auch bei Plalon spielt ein Arzt, Eryi^imachos, e'me Hauptrolle 
und macht seine Wissenschaft nicht bloss theoretisch in der 
Lobrede auf den Eros, sondern auch pnikiisch durch den 
Aristophanes crtheilten Rath fp. 185 D f vgl. p. 476 B ff.) 
geltend. Aber freilich welcher Unterschied ausserdem, ein 
Unterschied nicht bloss der Personen, sondern auch der Zeiten! 
Die kleinen Sorgen des Lebens, die Piaton, wie es dem nach 
dem Höchsten strebenden Forscher und Künstler siemte, nur 
leichthin und schonend berOlirtey werden von dem beschrSnkten 
Fachmann und Handwerier ernsthaft und pbilistrOs ins Breite 
gezogen ^i. Hiernach ist um dieselbe Zeit sehr wohl ein 
Symposion denkbar, das mit grammatischen Quisquillen an- 
gefüllt war (S. 364, 8). Die Symposien schrumpften mH dw 
Zeit in ähnlicher Weise zusammen wie die Frotreptiken , die 
sich aus Ermalmuagen zur Tugend und Wissenschaft über- 
haupt in solche zu einer besonderen Disciplin und Kunst 
verwände lleo. 

Gerade in den Symposien pflegt sich die Individualität 
ihrer Yerlasser besonders deutlich zu spiegeln. IMicht bloss 



f Nicht unmöglich Ist, dass auch was über die Folgpa des Genusses 
\ on Zwiebeln u. s. w. bemerkt wird {s. o,), nur eine vei^röbernde Fort- 
pflanzung d(*T Tradition ist, welche am Symposion Rpd*»n iihpr den 
erotischen Triob zu fordern schien. Weiteres über den Infiall dieses 
Symposions bei Wellmann, Horm. 23. 3. Moglirh wan- an 
sich, das» der Streit der empirischen und dotjmatbohen Schule der Medizin 
hineingespielt blttle; beweisen Ittiet es sieh aber nicht 



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Die Symposien. 



363 



schreibt der fachmännische Handwerker anders als der 
Philosoph, auch innerhalb der Philosophie treten die An- 
hinger der einseben Richkmgen gerade in Werken dieser 
Art uns besonders charakteristisch entgegen. Am meisten 
erfahren w Uber das Symposion Epikurs. Derselbe Ge- B^ikv. 
gensatSy in dem die Atomistik cur Ideenlehre Platoos, die aus 
jener bervorgehende nüchterne Anflhssnng der Natur su der 
schwirmerisdi phantastischen steht, offenbarte sich auch in 
den Symposien beider Philosophen. Schon die Alten wussten 
das epikurische nicht besser zu charakterisiren, als indem 
sie es mit dem platonischen und dem xenophontischen ver- 
glifhen. Während bei Piaton und Xeno])hon reichhaltige 
Proömien vorausgehen, die uns tiber Zeit iiii ] < )pt des Vor- 
gangs, so wie über die Personen orienttren und so allinählig 
in den Dialog einführen, zeiut sich der inikünsllerische Sinn 
Epikurs eben darin, dass er ohne eine srlrlu Einleitung den 
Leser ohne Weiteres in ein Symposion versetzte, bei dem ein 
Theünehmer, wie das tlblich war, eine Frage (CVjnjjia) aufwarf, 
die dann von einem Andern beantwortet wurde (Usener Epic. 
S. 145, 9 ff.). Es war auch nicht eben nSthig, eine solche 
Einleitung vorauszuschicken: da die Epikureer sich selbst 
genügten und auf den Besirk der Schule sich einsusohrfinken 
liebten, so verstand es sich von selber, dass ein Symposion 
Epikurs im »Gartenc stattfimd und Epikureer, Propheten der 
atomistischen Heilswahrheit (Usener a. a. 0. S. 415, U, 23), 
die einiigen Theilnehmer waren; auch hier teigt sich wieder 
der Cnterschied von Piaton und Xenophon, die gerade durch 
die HannichiUtii^eit der betheiUgten Personen, durdi eine 
bis zu Gegensätzen steigende Verschiedenheit derselben ihre 
Symposien zu beleben Lcsucbt hatten. Und während hier 
das Verhüllniss der (.iiar.iktcre ein L:ef^enseitiizi'S Necken und 
Reiben zur Folge hat, so war nnjcekehrt in dem einfonuigen 
Symposion Epikurs der bekannte missverslandene Frcund- 
schaftacnlt (hr Silmlc aul die Spitze getrieben und erging 
sich in gegenseitigen i.obhudeleien Usener S. II"', Die 
Thematik die zur Erörterung kamen, waren, so viel wir sehen, 
solche, wie sie mehr oder minder stark von der Tradition der 
Symposien gefordert wurden, über die Verdauung, tiber Fieber- Inhalt, 
erscheinungen (Usener S. 445, iS8), ttber die wärmende Kraft 



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364 



iV. Ueberrest« bei den Alexandrinera. 



dos Weines HH.aO fT . (ihrr den lieisrhlaf M 17, 10 1 '>(•> (f. 
H8, 9 ff.); den epikurisclien Beigeschmack erhielten sie da- 
durch, dass das Grunddogma der Atomenlehre stete die letzte 
Erktörong lieferte (S. 116, 8 ff. 448,17). Ebenso wie im 
sonstigen Leben der Schule mussle auch in diesem SymposJon 
die PersSnlicbkeit des Stifters sehr stark hervortreten, sumal 
er darin als ein bereits bejahrter Mann («peopotapo«) mH lauter 
jttngeren Leuten ((Mtpoxia) verkehrte (147, 14). I)a8 Symposion 
war, wie es hiemach scheint, erst in spSterer Zeit verfasst. 
Es war ein Theil seines Testamentes, er wollte darin durch 
Vorhalten eines Musterbildes bestimmen, wie es lu allen 
Zeiten bei den Gedächtnissmahlen der Schule zugehen sollte. 
Darum fehlte auch der Verdauungsspaziergang uspiTraTo;) ^) 
nicht, sondern schloss sich an das Symposion an und wurde 
seinem Zwerk entsprechend durch ernüchternde, die Leiden- 
srhaflen jibkühlende Gespräche gewürzt '117. 15 ff.). Bei 
Xenophon erreicht die sinnliche Lust /uoi Schliiss ihren Gipfel, 
bei Piaton erliegen Alle bis auf Sokrates der Gewalt des 
Dionysos: so dass Epikur bis zuletzt seiner Aufgabe treu 
geblieben ist, ein rechtes Gegenstück zu jenen beiden Sym- 
posien der klassischen Zeit su liefern^). 



4) Das nambalare« (zt^maxtu) wird von Gioero ad Att VII 1,1 
zwar als eine Eigenheit der PbUoeophen schlechthin beielchnet; de aber 
der Adressat AUicus und die Person, am die es sich handelt, Seufejus, 
also twei Epikureer, sind, so sind auch unter den Philosophen sunSchst 

die Epik'iroer zu verstehen. 

2) Bcachtcnswcrth ist an< h die Verbindung: zwrior Arlon des 
Dialogs, die in lipikurs Symposion stattfand. An <^ Symposion schloss 
sich darin ein reolrato; und bei beiden \Nurden <H >pr?i( ho j^ofuhrl. Ein 
Athcnodoros wird uns von Diogenes Laertios öfter als Verfasser von 
rcpir.atoi genannt {Zcller III» 630, 2*); die VermutbUDg liegt nahe, dass 
GesprSche wShrend der ictphcatet oder In denselben su verstehen sind, wie 
ja auch das platonlsdie Gesprttch über die Gesetze und der Anfang des im 
Phaidros mitgetheilteo Gespräches während ehiee SpaslerBanges statt- 
findet, desgleichen der Schlusstheil ^ n Philan hs Erotikos (vgl. bes. 2« 
p. 771 D] und der Anfiuig des Gesprach» de facie in erbe lunae (24 p. Ol^lC 
TtiTarttysavte; tön reolrotTov) und h t(m zcpirA-zm auch das Gespräch 
Non posse suav. v. sec. Epic. i p. <086 Ü iO p. UöO E, in ambulacro 
Gell. N A III 4, 7. Unter der Voraussetzung, dass es solche Werke 
gab, erklurl sich die spätere abgcblasste Bedeutung des Wort^ ncphcaroi, 
wonach es phllosopbiSGhe Erörterungen Überhaupt bezeichnet, um so 



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Die Symposien. 



365 



Sehers uad Ernst zu verbinden boten ihrer Natur nach die 

Symposien mannigfachen Anlass*), den bekanntlich auch die 
heiden vornobmsten Vertreter der Gattung in volleia Maassc be- 
nutzt haben. Hier war dalier der Boden, auf dem der Geist der 
ky nisc h en SchuJe sich entfallen Ivonnte, für die das arro'joo-ji- Kyaiker. 
Xoiov wie weniges charakteristisch ist'''^ : in wie weit dasselbe 
aber in den beiden Symposien, die wir au> diesem Kreise 
kennen, dem des Menipp und dem des Meieager, zum Aus- 
druck kam, da! ii!>er steht uns kein Urtheil mehr zu\V Keinen 
Vertreter mit einer gleich zu erwähnenden Ausnahme hat zui* 
Symposieniiterator die stoische Schule gestellt. Vielleicht Stoiktn 
war die Ursache ein gewisses künstlerisches Unvermögen, das 
Fehlen des kyniscbeo Humors trug das Seinige dazu bei imd 
auch der Umstand könnte ins Gewicht fallen, dass im Leben 
der Schule die Symposien niolit die gleiche Rolle spielten wie 
bei den Epikureern. Kommen bie»u noch Grundsätze, wie 
sie Persaios, Zenons treuster Schiller^ Susserle, dass man bei 
den Symposien swar Ober erotische Dinge reden und sioh 



leichter. Jedenfalls erinnert dieser Sprachgebrauch an die zahllosen 
gelehrten Diskurse, von d«*npn tlio r:;^!r7T';t Atlinis Alexandriens und 
iiborhnnpt dt-r hH!oni«^tischfii Wi-It Zeugen waivii, I irI sollten dieselben 
gar kein Et ho in der LiltTutur 6vb Dialogs gefunden hubon, aus der doch 
sonst von deo verscbiedensken Arten des Gesprächs uns Nachklänge 
eotgogentöoen? 

icpdf(j^aT'/ HermogeneS bei Spengcl, Rhett. Gr. II 455, f. Ebenso 
Joseph Rhacend. synops. rhel. t. III p. 54 4 W. bei I sener Testinionia de 
Piatonis sympos. S I f . Von der T ust des Weines WMirdc Alles ünfrslcrkt : 
jtXoiaarai hiessen nach Ath- n. i\ p. 246 C alle Gä>tc, die sich zu den 
Symposien des Ptoleniuic^ i'hilupalor \ersammclten, und die Symposien 
der Füfstoii und Grossen waren der Ort, an dem die Bevei^nng des 
monUsirenden Philosophen, eretalogns, der Marne für Possenreisser 
.«erden koniMe; so vermischtea stob hier die Rollen. 

Ti Strabo XVI 759. Wachsmath, Poes. ep. Gr. lud. H 8. 66. 

3 f>fiss die Komik darin derb und pnssenhnft Nvar, kmin m;in wohl 
ans Lucian.H ^ilelclinainiger Schrift verniuthen. Dasselbe besUilij^t das 
einzige aus Meleagers Symposion hei Athen. XI 501 C erhaltene Frag- 
ment, da es auf eine unmüsstge Zecherei deutet. Eine Yermuthung, die 
Ich anr versoohswelse gebe, ist dass was Diogenes Leert VI 97 von dein 
Symposion des Lytimachos enihlt, an dem Hipparcbia und der Alhebt 
Theodor ivsammentrafen, aus Henipps Werke stammt. S. v. 



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366 



iV. Leberreste bei den Alexandriuerii. 



hetriiikcn dürle, ernsthafte Unterhaltungen über philosophische 
Prol)Iome aber fernhalten müsse '\ so begreift man, dass die 
Stoiker, der Begründer der Scliule, Zenon, an der Spitze 'Diog. 
L. VII 43. 3*6 , sich zwar gern an den Symposien der Wirk- 
lichkeit hetheiligten, aber keine Lust empfanden dergleichen 
in der Literatur künstlerisch zu gestalten, sondern sich mit 
doctrinären Schriftea Uber diese Dinge begnügten^). 
fnMioi. Kine Ausnahme macht nur Persaios, der »syiDpotiscbe 

Dialoge« (ooincotuol dioXo^ot) schrieb, also aueh kein eigent- 
liches Symposion, sondero wohl in der Art von Plutarchs 
TlschgesprSehen ; dadurch, dass sie sich in die detaillirtesten 
Erörterungen über sinnliche Uebe sowie Essen und Trinken 
verloren, jedes höhere Thema geflissentlich vermieden (Athen. 
IV 462 Bf. vergl. XIll p. 607 Bf.)» seigen sie rechl den Verlhll 
der ganten Gattung und erinnern durch die Genauigkeit, mit 
der bis ins Einselne ehigegangen wird, xwar sehr wenig an 
Piatons Art solche Dinge zu behandeln, desto mehr aber an 
den casuistischen Geist der stoischen Kthik. Und dabei bildete 
Persaios sich vielleicht noch ein, das Vorbild Xenophons nach- 
geahmt zu haben 

Vollends schliinm sah es auf demjenigen Gebiete des 
Dialogs aus, wo dif Wirklichkeit nicht so dringend zur Dar- 
stellung mahnte wie bei den Symposien. Ganz todt war freilich 
auch hier der dialogische Sinn nicht. War man nicht in der 
Lage selber Dialoge zu gestalten, so entnahm man sie der 
• historischen Ueberlieferung und würzte mit derartigen ein- 
gestreuten Gesprächen auch solche Schriften, die im Gänsen 
nicht die dialogisehe sondern rhetorisoha Form hatten» Piaions 
Apologie konnte das Vorbild seln^]. Begreiflieh ist dies be- 



T' Athpn. Xni p. 607 B f. Diese Auffassung der Worte ist mir 
wahrscheinlicher, al8 die andere, zu der Epiktet. diAü. I 9. ü 4 9, 8. 
Gell. I S dn Aolttt gab«i kOaaten. 

t) So schrieb iÜMiithes swar ktfai ou|mi<«ioi«, aber «pl mt^aiMlkn, 
gerade so» wie «r kehMD ipat«^ veitete» wohl aber eine AhlMiidhiBg 
iwpl epoDTo; und eine Ipvtix-^ '^^X'^^i 

3! Unterss. zu Cfceros phil. Sehr. II 4. S. 63 ff. 

4 Von ihr sagt deshalb schon Dionys. Hai. de admir. vi die. in 
Demosth. iS S. I0i6 dass sie sei ein X^fo; o&t' hifoti x6nv* t^r* 
OUT ev &taXö|oi{. 



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Teles. 



367 



sonders bei solchen PhiJosophen, die wie die Kyniker und 
älteren Stoiker einen Ruhm darin suchten, den echt sokratischea 
Geist allein noch zu bewahren. 

Dies gilt insbesondere vonTeles, einem jener modernen lel«g. 
Kyniker, die die alte F.ehre des Antisthenes und Diogenes mit 
kyrenaischen Elementen versetzten und sie dadurch etwas 
weltmännischer mnehten^]. Sein Leiten lallt um Mitte 
des dritten Jahrhunderts (llense a. a. 0. XXI und erscheint 
um der zahlreichen Fragmente willen, die aus seinen Schriften 
erhalten sind, wohl werth der Aufmerksamkeit^ die sieh in 
neuerer Zeit wieder auf ihn gerichtet hat 2), wenn man be- 
denkt^ wie spärlich die Reste der philosophischen Literatur 
aus diesem Zeitramn sind. Er hatte, soviel wir sehen, Reden 
protreptischer Art und Dialoge verfasst. Ueber den Grad von 
Lebendigkeit^ der den letaleren eigen war, steht nns kein 
ürthefl xuy da sie in dem Znstande, in dem sie uns vorliegen, 
erst durdi die Hand eines Epitomators gegangen sind^). Eins 
war den Dialogen mit den Reden gemein, dass sie sieh 
gern mit dtaten aus der Memoirenliterator der Philosophie 
schmflckten: Ifingere und kllrxere Gespriche des Sokrates, 

1 Hftuse Telplis lell. S. XXXIV f. LXV. Dümmler, Akndemika S. 4?if. 
Oeiiionax bei Lucian Deuioti 62 sagt: i^n hi ZovxpdrQv (üv oeptu, den»- 
(MtCoi ('S l^wfisr^s xai ^iXn 'Aplaximov. 

S) Erst duroh Niebuhr, W«lok«r ond vonttgUoh dnroh WilamowHs 
Anlig V. Kar. B, SM ff. Dl« hieidarah gagebenen Anngmigeii halMO ihraa 
AbseUass gefunden in der mustergiltigen Ausgabe von Otto Hense, Telelis 
rellqiiiae Freiburg 1889. Vgl. noch Susemihl. Alex. Liter. I S. 41 f. 

Oh fr daher nnh^MKumtf und nicht wt'il»*r i-harakteiisirte Per- 
^(iiit-n Iii stiiM'ii Dialogen einK<"tn!irt hatte, wie Wilarudw itz a. a. 0. S. 307 ff. 
uuü Schiotlmanu Ars dialogorum compuueuüurum quaü vicissitutUn^ 
•päd Graecoi et Romanos sobierik (Rostock 4S89) S. 81 l annehmen, schemi 
Bir aoch k^iMswegs sosgemadit. So ist naoMatUob da» Pfagintai bei 
Omse 8. 4 t ein wahras QmgM^ in dem die Worte der beiden GespiUa- 
pvionen sich deutUeh aeheiden und das sich mit den GesprUehen, rieb' 
tiger Selbstgesprächen Senecas durchaus nicht auf eine Linie stellen 
\äsf*i SohlotttTumn S. 84). Die Verniuthung liegt daher nahe, dass <1ip 
Persi)ii*}u ursprünglich auch durch besondere Namen von einander unter- 
Miihiedeo waren. Dass diese Namen jetzt tehieu, u>t kein Gegenbeweis 
4mm äe übUm «Mb im deo Bioerpten, die Stobaloa ans plateaisebiB 
Ofriogsn gMvIi MKr Ist etauniA' der Gedanke gekoaunen» dass eine der 
beiden GeepTttohepersonen der Kyreneiber Theodor war und nasb üm 
der DIals« den Ulel GeOwpec trag. Auf dleseia Wege liesae si^ viel* 



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368 



IV. Leberreste bei den Alexaudrinera. 



Diogenes, Krates, Stilpun, oamentlidi Bions^) werden einge- 
schaltet. Die Schriften des Teles waren also ähnlich be- 



leicbt die souderbare l'eberüchrift dieses Excerptes ix xou Beoouipou 
tOv TlXvjtoc imroikf^i repl toS (oxcTv %a\ to5 elvett erklären, die Hensc 
nach Bücheler in i» tijc 0- «tX. geändert hat, während wir doch sonst 
iiber diesen Epitomator Theodoros gar nichts erfahren. Fttr den Kyre- 
naiker Theodoros als Gesprächsperson spricht der Inhalt des Fragments: 
denn die FraR<» nach dem Verhältnis von Schein (6o*€tv und Wrsen 
iiha.1 ist eine, die nach Diog. L. II 99 (utj&sv -("io t^Itojv ^6oet ato/pöv 
eivai Tf|; iz ajTO?; 565r,; aipo\li\r^^) ihn gerade luttn -oirl»- und an deren 
Erörterung er ohne Zweifel öfter betbeiligt war. im Dialog des Teles 
war Theodor natürlich der unterliegende Ihell. Die Aufgabe ihn zurecht' 
auweisen, war vielleicht Stilpon suge&llen, der dies bei Diog. II lOOthut 
und bei Teles uns noch S. 14, .7 Hense und S. 45, 46 begegnet. 

4) Dass alle diese Citate ihre letzte Quelle in Schriften Bions haben 
sollen, in dessen heutzutage so viel missbrauchten Dialriben, davon lialc n 
mich die \n>;füliniiiL'cn Hense's Telet. rell. S. XXXV f|'. niehl ühfrzrimfu 
kuMiKMi Kr selbst hat sich auch genothigt cjcsi'htMi . sie imu Schluss 
CV ll etwas eiozuschränken. Nur ftlr Stiipou halle er schon vorher 
S. XL und CII ehie Auanahine zugegeben und es für wabrscbeiollcb er- 
klärt, dass Teles dessen Dialoge selber gelesen habe. Mir ist dies nicht 
wahrscheinlich, da die Dialoge dieses Philosophen in geringem Ansehen stan- 
den (5. 0. S. 815, tu Wenn daher trotzdem zahlreiche Aeusserungen 
dieses Philosophen im Umlauf waren, so werden Sie aus einer anderen 
Otielle stommen. die man vielleicht in den ^T{)>rtuvr>; arouvT'iovevu'jTa 
erblicken konnte Tnti^r« zu Ciceros philos. Sehr. 11 65. i . Es isl sprach- 
lich wohl möglich, dass ^TiXrujvo; den Gegenstand der drrofxv. und nicht, 
wie ich früher ,a. a. 0.) annahm, den Verfasser bezeichnet. Auch die 
Aeusserungen Bions leitet Hense aus eigenen Schriften desselben her. Da- 
von soll unten noch welter die Rede sein. Mir scheint die Art, wie 
DIog. L. IV 47 die dno^Hf^una xf^M^ icp^Yf^ta mptix**^ hervorhebt 
anzudeuten, dass gerade diese Sammlung von Aussprüchen jenes Philo- 
sophen besonders beliebt war. In ihr sehe ich daher die Qiicllc der 
weitaus meisten Sentenzen, die ihm zugeschrieben werden Der Titel 
deutet an, dass die Samnihiii!.: nicht bloss einfache Ausspruche enthielt. 
Daher stehe ich nichl an, aus dieser .Schrift auch ein Gesprach abzulei- 
ten, von dem sich an verschiedenen Orten noch Fragmente erhalten zu 
haben scheinen, das ausfuhrlichste bei Diog. IV 46 f. Meine IHlhere 
Ansicht (Unters, zu Cic pbil. Sehr. II 60}, der auch Birt, zwei pottt 
Sulircn S. U, < und Hense, Telet. S. Llll und LX.Xll zustimmen, dass 
wir dort das Bruchstück eines Briefes, den Bion an Antigonos richtete, 
vor uns haben, nehme ich jetzt zurück. Eine solche Auffassvms wird 
hier durch «pTjai npbz ijtöv ausgeschlossen und auch das tU itöÖe^ sI; xt).. 
des AntigoQOS sieht kemeswegs wie eine briefliche Aeusserung, soodeni 



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Teles. Dialriben. 



369 



schaffen wie diejenigeii seines Zeitgenossen des Stoikers Persaios, 
von dessen sympolisdien Dialogen die Alten sagten (Athen. 
IV 162B), dass sie aus Stüpons und Zenons Aponmemoneu- 
mata susammengesetst seien. Es kommt hierin der epigonen- 
hafte Charakter der gansen Litentnr dieses Zeitraums som 
Vorschein. An apomnemoneumatisohen Werken war damals 
kein Mangel, nicht bloss, weil man ein höhere» Interesse am 
Individuum und jeder seiner Aeusserungen nahm, soudern 
auch weil, ein rechtes Symptom des gelehrten Zeitalters, jetzt 
die Gitirwuth sich der griechischen Schriftsteller zu bemäcli- 
tigen auliug, der ausser den genannten Schriflen auch die 
sich mehrenden Sammlungen von Apophthegmen, Chrien') 
und Diatriben im Statten kamen. Die Diatriben verdienen Di*trlb«ii. 
uisere besondere Beachtung, da sie Sammlungen skizzirter 
Gespräche über philosophische Gegenstände sind^) and somit 



wie eine muudlich gestellte Krage aus. Uass Diogenes nur eiu Bruch- 
Stück giebt, zeigt der Schlofls: deon die Neanang des Peffsaios und Philo- 
Dides istjetst ganz immokivirt. Dasselhe lehrt Stob. flor. 86,48, der aus 
demieUien GetprHche mit Antigonos noch eine andere Aeuaeeniiig BioDS 

mittbeiit. Aus dem gleichen Gespi^ch lässt sich endlich aadi Teles 
S. 3, (ff. Hense {^lailitoi — öXi^toj 6 i^ev i^€K 8) ableiten, wo auch 
Uense schon ^. LXV der Gedanl^c an Antigonos gekommen ist 

ij teber die Chricn s. o. 1^5, 3. Sie sind eine well^re Eulwick- 
hing des einfachen Apophthfgma (vj:!. muh die dirotfö^YfjLaT« ypctciStj 
z^iym^tiv* mfiijo-^xa Uioos bei Diog. iV 47 , das sich zu ihnen uliulicb 
verfam wie sie selber sum atugebtldeteo Dialog; doch war die Chrie 
rhetorischer, wie sich schon in der Xptta icpi« Atov6«iov des Aristipp 
(Diog, n S4) lu eifcennen giebt. Die Kyniker tmd Stoiker waren In dieser 
Art von Literatur besonders fruchtbar (DUmmler, Antlsthen. S. 70 f. 
Wacfasmuth Corp. poes. Gr. lud. II S. 68 . 

2) Die diiilo'prisolu' Form leugnet Susemih) Afex. I.ttcr. I S. 36, 105 
ohnp K''nn ''enden Grund. Dass die Diatriben nicht mit den (Ihricn vtr- 
wecLst ii v.erLitMi dürfen, ist schon aus dem Schriflenverzeichnis> Ari>tii(p!i 
Idar, Vio (Diog. II 85; AtoTf i^^wv neben Xpciüiv xpta stehen; auch Per- 
nitts, Kleanthes, Ariston (Diog. VII ISS) hatten sowohl Chrien als Dia- 
triben verfsset. Von den Chrien unterschieden sie sich wohl dadurch, 
dsss sie aasgefilhrtere AUiandlangeii über philosophische Gegenstände 
wiren. Auch mit den diM|Avi||Mni«6|Aata waren sie aber nicht identisch, 
weil sie nicht wie diese nurh nus (Itnii Lohen des betreffenden Mannes 
ertahllen, sondern sit h nuf die Mitlheilungen seiner Reden beschränkten, 
weslialh unter den St hriften Zenons, Persaios' und Aristons neben den 
izo^t. auch Diatriben eriicbeiocn; und auch der Titel »Dialoge« kunt 



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370 



IV. tebcrrestc bei den Alexuudrinern. 



ein neaer Beweis fttr das Ermatten des dialogischen Geistes, 

der zwar noch Anläufe zur Darstellung von Gesprächen nimmt, 
darüber hinaus aber bis zu vvaiiriiafl kimi^Ueriächer Gestaltung 
kaum nucii ijelangt. 

Besonders dialektischen Philosophen zuckte es wohl in 
den Gliedern, ihre Gedanken nach aiter Weise in dialogische 
Form zu bringen. Daher erklärt es sich, dass die Leben di£;- 
keit gerühmt wird, mit der einer der am Meisten dialektischen 
CbiyUpp. Philosophen der späteren Zeit, der Stoiker Ghrysipp, die 
Personen Anderer in seinen Schriften redend einftthrte. Ver^ 
muthlich geschah dies in den polemischen Schriften , und die 
der Stoiker reden liess, waren seine Gegner: so dass die 
Quelle dialogartiger Darstellung wieder einmal die Leiden- 
schaft gewesen wSre, die wir schon früher (S. 50 f.) nach 
dieser Richtung wirken sahen. Eigentliche Dialoge waren dies 



ihnen rih lit /u (obgleich die sokratisclicn ri»"<prachc bei IMato Apol. 37 C 
otOTUjial lu'issciO. «Mnmal w(»i! sir, wie die EpikteliscJu'u iJi.ilrihfn k-hren. 
nicht hlosa (icsprathe, suadcrii audi Vorträge eolhifllcn und Uatiu weil dio 
Dialogo zu der Zeil, als die fiatluu;^ der Diatribea in der Literatur antiug 
häuGger xtt werdeo, der strengeren Philosophie xam Tiieil entfremdet 
und mehr helleiristisch geworden waren. Auch von den «x^Xal oder 
längeren wisfjenschafllichen Vortrügen müssen sie «iber getrennt werden 
(Plutan h de exilio 14 p. 605A); vom Stoiker Persaios werden '^0(wd 
o/oXat citirt ;Diog. VH 28 vgl. Cicero ad fam. IX ^2,3], in seinem 
Sdirifteinerzoicluiiss erscheinen 'DioL,*. VH 36) Di.dribcn, Chricn und 
A[K)tnii('inoneuniata. Vielleiciit iialten die Diatribt n iiucli norh einen tnelir 
siliuliniissigen Charakter: Staxpiß-fj bedeutet die ^>(.l)ule xhon in dru» 
Titel tler Schrift Theupomps xatd TfJ; nXdTOBvo; SiaTpißf|4 und bei Diog. X 
4 IL 2 speziell die Tbutigkeit, Vrelchc Einer als Yorätaod eiaer Scbule 
ausübt vgl. Isokr. Ponatb. 969. In dem Verzeichniss der angeblichen 
Sdiriften des Ghiers Ariston bei Diog. Vit 46S sind alle die genannten 
Titel, Dialoge, oxoXaft Chrlen, Diatriben, neben einander vertreten. Vgl. 
noch die von Wilamowilz Anligon. v, Kar. S. 8fS, S3 besprochenen Dia- 
triben des Knidicrs Dikaiokles. Durch die ganze Natur der Diatribea 
wird es überdies wahrscheinlich, dass e< in der Regel Reden und Ge- 
spräche eines Mannes waren, die ein Anderer als dieser iiacii eigenem 
Hören (»di i Mittheilun^; Dritter aufgezeichnet hatte (vgl. Epikt. u. Arrian); 
so erklart sich, dass imcli später von l'orpbyr v. l'lot. c 3 oiaxfii^al 
im Gegensatz zur schriftlichen Mittheilung gebrancht werden konnte. 
Charakteristisch für das wissenschaftliche teben in der epikureischen 
Schule ist eSf dass Ihr alle diese verschiedenen Arten der Memoirentite* 
ratur so gut wie fremd geblieben sind. 



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Stoiker, DlatribenstU. 



371 



jedoch nicht: deren hat Ghrysipp überhaupt nicht verfasst, 
sondern sich begnUgl in seinen Abhandlungen, statt Uber die 
Ansichten der Gegner su referiren, dieselben in direkter Rede 
yorzuflihren Sein Vorgang fand eine ziemlich ausgedehnte 
Niudifolge: bei Stoikern und sloisiFenden Pfailosopben, bei 
Grieeben und Btfmem finden wir als letites TMtanmerstQok 
des alten dramatlscben IMalogs das plOttlioh einen Einwand 
in direkter Bede einftthrende ter sagt« [ffifilf inquit), su dem 
sich als Sdbjekt nur ein Gegner ttberhaupt, nidit eine indi- 
▼iduell bestimmte PersOnlicbkeit denken lüsst % 

Unter den Zudrangen des dialogiscben Geistes, die tu 
keinem rechten Ende kommen, wenigstens unter die Versuche, 
die abstrakte Erörterung mii etwas sinnlichem Leben su er- 

4) Diese Eigenthümlichkelt der chrysippscheu Darstellungsweise 
hat man bisher ttberaehen, well man folgende Worte Fnmtos in der 
Bplstala ad M. Antonia, de eloquentia S. 44Sf. ed. Nah. nicht richtig 
▼erstand: Bvigila et adtende, quid cnpiat ipse Cbrysippus. Num con- 
tenttts est docerc, rem ostendnrc, definire, explanare? non est contentus: 
verum augct in quantum potest, oxoirsrnrnt, pmemniiil. ilcrat. dilTert, 
recurrit. intertofzal, desrribit, dlvitlit, pc r ^ o ii ;i s fiugit, oralionem 
suam alii uccommudat. Man vcrstaiul dies \on Vorschrifleii , die 
Chr)'8ipp io seiner Rhetorik gegeben. Aber der Zusammenhang der Stelle 
weist nicht auf Rhetorea, dto theoretische Vorschrlflen gaben, sondern 
auf Sdiriflsteller, die wie Xenophoo, Anthtothenes, Piaton n. A. durch 
üir Beispiel wirkten. Auch die Worte selber setcten der gewObnlicheo 
AufTassuQg Schwierigkeiten entgegen: Bei ihr, sollte man meinen, musste 
OS lioi>«;cn »mim contentus est p raecc p t a dare quomodo quis tinoeat 
rorri ostendat« etc. So wir dif Worte JotTt laiiton. weissen sip nnl (lliry- 
sipp« eifrene praktische li'huiiy im Sclitiftsti-Ilcrn. Das aadUiuie (|uid 
cupiut ipse Chrysippus« widerspricht dem nicht: denn was er wünscht 
und begehrt, giebt sich eben in dem, was er thut zn erkennen. Aehnlich 
ist ttber die 5. f47 folgenden Worte sn nrtbellen: Igitnr si Ipse Chry- 
sippios bis (sc. oratonim armis) ntendam esse ostendit«. Dass es 
nothwendig sei sich dieser rednerischen Waifen zu bedienen, zeigte er 
nicht in der abstrakten Theorie, sondern concrot durch sein Beispiel. 

Dem allLi riu-inon gricchischfu .'^pr;i< hurhrnuch knnn «Ueses Fehlen 
des Subjekt"? hv\ '^r^z^ nicht cinuoordnet wenion. Die Hille, die 7. B. 
Mfttthiae r,i. (ii. II, § 395 anfuhrt, sind anderer Art (vgl. S. 50, 2 u. 3,. 
Dagegen linden wir dieses t^r^zX bei Marc Aurel und Epiktet (Freuden- 
thal, Helleo. Stud S. S48 Aom.), ebenso inquit liei Seneca (Rossbsch im 
Henn. 47, 887, 8). Ceberhaupt sind die Schriflsteller, den«i die Belege 
Air diese Verwendung von t^X und Inquit entnommen werden, solche, 
denen wir, wie Cicero oder Die Qirysostomus, philosophische Bildung 

«4» 



37^1 



IV, (Jeberresle bei deo AlexandnnerD. 



fenonifioa- nillen, käiiQ man auch die Bilder und PersouiticatioDen recimeu, 
tioaea. ^.|g gj^ gerade bei diesen späten Schriftstellern beliebt werden. 
Piaton hntte Hoiche Bilder (eMvsc) in seinen Dialogen aufge- 
stellt^ im Gorgias, Phaidros und anderwärts. £s entsprach dies 
einer aUgemefnen Neigung der Hellenen, die im Laufe der Zeit 
inuner melir, wie frtkher die sinnlichen EtndrUoke, so apftter die 
abstrakten BegrUTe personificirten, ja vergötterten i). Krantor, 
der akademisdie Philosoph^ ftthrt uns in ein Theater (SexL 
Emp. adv. dogm. V 53 ff.) und Usst dort Yor den Panhellenen 
nach einander den Reichthum, die Lust, die Gesundheit, die 
Tugend auftreten und reden. Die kynische Schule bei ihrer 



und !?pezioll Kenntnis'^ (ler stoischen l.ohro und Literatur zutrauen können. 
Sehr lehrreich sind in dieser Hinsicht die unter Aristoteles' Narnrn er- 
haltenen Schriften; uutcr diesen sind an ßei^pieleo der Art besniMln^ 
reich die Magna Moralia (Bonitz Ind. p. äiO ' Iii) also diejenige Schntl, la 
der man längst die Spureo stoischen, ja cbrysippi^ben Einflusses wahr- 
genommen hat {Zeller, Phil. d. Gr. n 9 S. S49, 8*); ausserdem {»egegnet 
AehoUcbes in der Topik, wo es attcli Bonitt Ind. p. 68«^ 60L ftb eine 
Nach Wirkung de§ Dialogs erklHrt. Bei Plutarch de primo frig. 17 p. 9StB 
(Ntti— '^^i)) und häaOg In Cloeros Briefen, aber auch in dessen und des 
Demosthenes Reden, so wie von Epilitet und den römischen Satirikeni, 
namentlich iloraz und Persius werden solche Einwände sogar ohne ein 
einführendes «pTjatv oder inquit gesetzt. Auch in erzHhIlen Dialopet) ge- 
schieht dasselbe, wofür schon der Komiker Alexis hei Kock ii S. 303 
vs. 9 ff. ein Beispiel giebt, vgl. auch Krates fr. k. Um so weniger 
liegt ein Grand vor, dies mit Rohde Hb. Mos. 41 S. 479, 4 für adanlache 
Manier zu halten. Auch Qnintllian Inst. or. IX S. 4i behandelt Derar- 
tiges nicht als eine Bigenthttmlichkeit der Asianer. Dies Ist noch ein 
Schritt weiter zu dem Punkte, wo der Dialog cum Selhstgesprkoh wird. 
Durch das Angeführte wird es unwahrscheinlich, dass dieses ;pY)slv von 
den Rednern stammt und ursprünf.'lirh den Gepner vor Gericht meinte; 
ols ein >\it)ptom des ermattenden dialoiiischen Gei«!tes haben wir da.«» 
Vorbrinfien \on Kinwanden in (]irekt*T Hede schon früher S 4 72, 3 
kennen gelernt. Charakteristisch hierfür ist die Steigerung l>ei Cicero 
pro Qolnctio 4ftf: erst Selbsteinwttrfe, dann Worte des Gegners mit »in- 
quit« eingeführt, endlich dieser als anwesend gedacht, so dass Ihn der 
Bednar mit »quid igitur pugnas?« anfohren kann. 

4) Auch die alte Dichterin Telesilla soll ehi Gemülde der wkomij^ 
entworfen haben fr. 9 Rer«rk. In (h r bildenden Kunst marhl sich dle- 
M ibe Neigung geltend, /u dem von Weicker Kl. Sehr. II S. 487 ff. bemerkten 
vtzl. noeli Weisshaupt iu Abhd. des nrchltol. und epiprap}! Seminars in 
W ien VI! S i^i und besonders Prächter de Cebetis tabula S. »4 Ü. 0. Ueuse. 
Die Synkrisis im Freiburger Frorektoratsprogr. 4 893. 



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. PeraoniflcatioaeD. Meoippische Satire. 



373 



Noigunc zu drastischer und populärer Ausdrucksweise wie 
sie überhaupt Vergleichungen Hebte (E. Weber Leipz. Studd. 
X 1 73 ü'.], so auch diese letzte Steigerung derselben. AehnUch 
wie Rrantor hatte daher Bion die personifiurte Armuth redend 
eingeftlhrt ^s. u. S. 37i, 5). Aas der kynisdieD Schule konnten 
dies auch die Stoiker mitbringen. Zenon der Stifter flolifldert 
mit plasliMber Ansoiheulichkeit den tugendhaften Jüngling 
(Waobsmatli de Zenene et Gleanthe 1 49^ 6). Ghrysipp besefarieb 
mit ekelerregender Genauigkeit ein fingirtes G^lllde, das die 
Ehe des Zens nnd der Hera darstellte (IMog. L. VII 1 87 f. E. Weber 
Leipz. Stodd. X 147, 1), derselbe sohOderte nach dem Vorgang 
Älterer Maler und Bhetoren (GeU. XtV 4) die strenge Erscheinung 
derlungfranGereohtigkeit; Kleanthes nmlte die Lnst aus, herrlich 
auf einem Throne sitzend und der die Tugenden dienten \iiid 
freiwilh'g ein Bekenntniss der Knechtschaft ablegten füsener 
Epicurea S. LXXI, 1). Wie nahe dieser Personificirungstrieb 
dem dialogischen verwandt ist. zeigen die Verse des zuletzt 
genannten Stoikers, worin unmittelbar dramatisch Vernunft 
{ \f>'(ion6^) und I idenschafi (8u]A<^^) im Gespräche mit einander 
vor uns hin treten 

Die Wissenschaft hatte den Dialog Verstössen und bediente Di« Mntippi- 
sich anderer Formen, die dem dermaligen Stande ihrer Ent- ■*'^"^**"* 
wieklung angemessener waren. Die erwähnten Dialoge des 
Teles bQden hiergegen keinen Einwand, da in ihnen diese 
Form, so weit wir sehen, nicht dazu diente, neue Resultate 
zn gewinnen» sondern nur die alten Sitae der kynischen 
Moral aufs Neue etnsuschSrfen. Sie folgte damit nur einer 
Entwicklung, die wir schon frUher in vollem Gange gesehen 
haben (S. 337] und die schliesslich auf Aristoteles zurllckging, 
der den Dialog bereits in das Gebiet der popularisirenden 
Schriftstellerei verwiesen hatte. Vielleicht hangt es hiermit 
zusammen, dass der Stoiker Sphairos, ein unmittelbarer Schttler 
Zenons, zwar »erotische Gesprfiche« (oiaXoifoi epaitixof Diog. 
Vi! 178) geschrieben hatte, die schwerlich wissenschaftlichen 



I) GftlMi de plac Hipp, et Plat» V 170. MuUaeh fragm. phllos. 

1 ISS. Bei Otto Ludwig in der Heit«retbei führen der Zorn und ein 
Etwas, »das sie Ordnungsliebe nannte« in der Secio des M.ldcbeos ein 
Streitgespräch mit einander (Werke bei Janke 4870 HI S. 21 f.) 



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374 



IV. leberreato b«i den Ale^Landrioeni. 



Inhalts waren, im Uebrigen aber sich der Form des Gespr^lclis 
in seinen Schrillen nicht bedient hat Nirgends tritt diese 
Veränderung im Wesen des Dialogs greller hervor, als in der 
Menippischen Satire. ^) Mehrere Ursachen hai:)en wohl zuaammeD- 
gewirkt, um diese merkwardige literarische firscheinnng her- 
vorzurufen. 

In neuerer Zeit scheint man geneigt &u sein, den Urheber 
dieser gansen Gattung in einem eimigen Mann, dem Borystiie- 
Bion. nitenBion lu erblicken'). Und allerdings, wenn der Mensch 
sich hl schien Schriften spiegelt, so würde dem in allen Farben 
schillernden Wesen dieses geistreichen Mannes^] jenes bunte 
imd nach Form und Inhalt wechselvolle literarische Genre 
wohl entsprechen. Aber dass er wirklich Schriften dieser Art 
verfasst habe, ist noch nicht bewiesen^). Die Bedeutung des 

4 ] Nur Dialribcu hatte er noch vcrfassl. Diog. a. a. 0. 

S) Hierauf bezieht «ich schon Varro Ta<^V] Mcvlmtov fr. V Riese: 
Diogenem lllteras scisse, domusioni quod satls esset, hunc quod etiam 
acroasf bellorum hominum. 

8] Usener Epicurea S. LXIX: Bio Borysthenita sermonibos suis 
(Sioxpi^l nonicn orut] ^cnus cynicum severitate risuque mixtum perfeciL 
Weiler anscrcfiilnl von Wiicli*;niiith, Sillogr. Grapc' S, 73 tf. u. Ilease 
Telelis roll. >. I.WIXIl. V^i. auch Siisomih! Alex, l^iler. l 36, 106. 

4) L'nters. zu Ciceros philo«;. Sehr. 11 60. 

5) lutcr den vlclcu AussprücUcu Bious, die citirt werden ist 
mir ausser dem gleich an erwähnenden Iwlner b^annt, der sich 
nicht ans den drof Di^jx^ta ableiten liesse (S. 368,1) — einer Sammlung, 
die Diog. IV 47 gewiss nicht so hervorheben würde, wenn sie nicht 
besonders beliebt und im Gebrauch gewesen wäre. Die Rede der 
Armuth bei Tcles 3, 4 ed. MetiHe hatte schon Welke r , KI. Sehr. II 495 
das einzige Stück genannt, das uns von Pinns Schriflst( llei i^i izeblicben 
ist Aus dios(^m Fragment ist aber für die Charalvteristik von Bions Dar- 
oleilungsweisc sehr wenig Zugewinnen. Wachsmuth freilich ."^illogr. Gr. 2 
S. 76 (vgl. CorpuöC. poe.s. cp. Cir. ludib. I 223} urtheUt anders. Aber er 
crblickl auch darin cottoquium bcUissimum et concitatum quod inter ho- 
mines et xd HpaY.uaTa velul üc^Cotv «Pj^-^^v ff/pa; alia (ingitur habitum. 
Das ausserste, was man zugeben Icann, ist dass ausser der Armuth auch 
nodi einige andere n^pata sich gegen die Vorwürfe des Menschen ver- 
thcidigten. Nach Henses Herstellung des Textes würde sogar nur die 
Rede der Armuth aus Bion citirt werden und dann liesse sich die Stelle 
ebenfalls den d-'^jzHftt.n-za zuwoison. Von einem »Bionis diningo quodam 
Lucianeo« zu reden (NVaclisinuth a. .^. O.) sieht uns jedenfalls die Teies- 
Stelle nicht das geringste Recht. ^ oii eigeiillicht ii > Dialo^fn " Bions er- 
fahren wir überhaupt nichts. Hura» episl. Ii 2, 60 redet von »Bioneis 



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BioD. 



375 



Mnniios scheint mehr in dem Eindruck 7.u licg(Mi, den seine 
gaaze l'crsönlichkeil, sein ganzes Auftreten und seine luüud- 
lichen üeden raachten und der durch die Sammlungen von 
Anekdoten und Aussprüchen sich auch noch bis auf spätere 
Zeiten fortpflanzte. Darob Geist und Witz in hohem Grade 
ausgeseiclinet hatte er, wie solche Leute in der Regel, eine 
Neigung m P&radoxien und zum Widerspruch gegen Alles, 
was ihm entgegentrat und es ist daher begreiflich, dass er 
gerade der kymschen Philosophie in die Arme lief, die aus 
der theoretischen und pmktfeohen Opposition gegen die sie 
umgebende Welt namentlich seit Diogenes förmlich ein Princip 
gemacht su haben schien. Gans vermochte ihn jedoch auch 
diese nicht su halten. Er schwankte su Theodor und der 
kyrenaiscben Schule hinOber, blieb aber auch hierbei nicht, 
sondern wurde schliesslich noch Peripatetiker und SchOler 
Theophrasts. Den Anfang seiner philosophischen Laufbahn 
machte er in der Akademie und bei Krates. So wird wenigstens 
berichtet Wuiirscheinlicher ist mir, dass er eine ernsthafte 



aemoDibus et sale nigro« d. fa. nicht ▼on Dialogen Biom, sondern von 
«ermoDM, die In Besag auf ihre satirtsche FSrbiuig und Malioe an Bton 
erinnern, nttmlich an den Bion, der den Dichter ans den dhco^dl^iucra 
bekannt war. Dtog. II 77 spricht von »Diatriben« vgl. Hanse Teletis 

rell. S. LXVI. Worin sich diese von Dialogen zu unterscheiden scheinen, 
hal)f \rh S, 389, 2 angedeutet. Wir sind darnach nicht berechtigt 
in ihtirn rtrsprfiche zu erlcenncn, die in künstlerischer Weise niis- 
gefulii l wHron und so den Lucianischen gleichen konnten. Ebenso wenig 
kann icii 2Ugei>ea, dass man diese Diatribon zur <^uelle der als bionisch 
dtirten Sentenzen macht. Denn diese Diatriben, isvie die Arrianischen 
ilber Epiktet zeigen, enthielten nieht die eigenen Gedanken und Aeusse- 
rungen Ihrer Verfosser, sondern referirten ttber Andere (Diog. L. VII S4 
iv Tat« AwTptßaT; rd TrajjaTtXifjoia •^pdffsi sc. ZVjNoiv kann allein nicht das 
Gegentheil Ixnvt isiMi , und es wird daher kein Zufall sein, dass in dem 
einzigen Fragment, das uns aus Bions Diatribcn erhalten ist, nirht etwa 
ein Gedanke Bions, sondern eine Aeusserung Aristipps berichlot wird. 
Es ist wie eine fable convenue, die sich über den Schriftsteller Bion 
neuerdings gebildet hat nnd die in dem Ausspruch i^iptvit, dass er einer 
der hervorragendsten Prosaiker des dritten Jahrhunderts gewesen sei 
(Kiesling zu Hör. epist n S, 60). Massvoller Kussert sich Susemihl Alex, 
liter. I s. 3« IT. 

1) Diog. L. IV 51 f. Chronologische Gründe nothigen uns nicht von 
diesem Bericht abzugehen, wie Zeller, Phil. d. Gr. Ii*, l S. 342, 2 meint. 



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376 



IV. Ceberre»te bei den Alexendrinero. 



phfloBopliisclie Bntwiddiuig fiberbanpt nieht dnrohgemaGlit hat 
sondern seiüebens von den venchiedensien PhiloBophien sich 
berOhren liess, ohne eine einzige bis in ihre loteten Gon- 

Sequenzen zu verfolgen und so eigentlich mit jeder nur sein 
Spiel trieb'). Uoraz mag in dieser Beziehung sein bchüler 



Wenn Krates, als er im Jahre 270 das Scholarchat antrat, etwa 70 Jahre 
alt war, so kann er wohl 40 Jahre früher der Lehrer Bions gewesen sein. 
Zu herücksichtigen ist ausserdem, dass Bion oi'ht mehr ganz jung ge- 
wesen zu sein srheint. hIs er sich der Philohuphie ergab, sniulcrn vorher 
schon bi i fincni Rhelor gewesen war (Diog. IV 46). Ich halle übrigens 
für möglich, dass die zeitliche Folge, in der die verschiedenea Philoso« 
phien, mit denen sidi Bion beschäftigt haben soU, aufjseifllklt werden, 
anf einer späteren Gomblnation beruht und dass die Oeberlief^ng twar 
angab, dass diese verschiedenen Philosophen auf Bion Einfluss geübt 
hatten, nicht aber in welcher Zeitfolge. Wie Hense Teletis rell. S. LIVf. 
will, die Beziehungen Bions zu K rot es überhaupt in Zweifel ziehn. geht 
nicht an. Diogenes erklärt nicht bloss an zwei Stellen ausdrücklich den 
Bion für einen Schüler des Krat«s {IV 23 u. 34), sondern er hat auch 
dem entsprechend ihm seinen Platz in seinem Werke zwischen Arkesilaos 
und takydes gegeben. Derselbe Diogenes liandelt auseerdem ausfllhrlich 
und gesondert vom Akademiker und vom Kyniicer Kretas. Dass er also 
beide gelegoiUich Bions so gröblich sollte verwechselt haben, ist min- 
destens eine sehr unwahrscheinlicfae Annahme. Lassen wir daher den 
Bion hIs vorüberjjrhenden oder partiellen Krateteer celten. so gewinnen 
wir noch einen anderen Vortheil. Dass die bisher an den Worte» des 
Teles S. 2y, if Hense dXXd eU <fy.TOTj;ibv tto^c KpiTT^ta gcmnrhten Ver- 
besserungs- und Erklärungsversuche gescheitert sind (Hense Telelis rell. 
S. XXIV f.) darf ich voraussetzen. Sie geben von der stUlschwdgenden 
Annahme aus, dass wir es mit Worten des Teles selbst sn thun haben. 
Nun hindert aber nichts die Worte mit zu dem vorausgehenden Qtat aus 
Bion zu ziehen und dann geben sie nicht den geringsten AnstOSS, sondern 
sind ein Beleg, wie sich in Bions Schriften und Aeusserungen der Ein- 
fluss des Kratos und der Akademie geltend machte. Früher und später 
in demselben Fragment des Teles ist unter Krates schlechthin allerdings 
der Kyniker zu verstehen; aber das nöthigt nicht ihn auch an unserer 
Stelle zu verstehen, sobald wir aonebmen, dass hier Bion und nicht Teles 
redet. Audi das Imperfektum il^övoro, an dem man Anstoss genommen 
hat, erklärt sich bei derselben Annahme: Bion besieht sich damit auf 
die Zeit, da er selber noch mit Krates verkehrte und die damals schon 
vei^angcn sein mochte. 

1) Dass es ihm nuch mit dem Kynisrous nicht ernst war, scheint 
Diog. IV 51 f. anzudeuten: eU' drovelXeto t-?;v xu>ix^,v dfm-^-^s Xa^cbv rplßcovo 
xoti Trfjp'j«^ y.T' Y7.0 a).).o ?i {xmaxtiasev jtöv Ttpo; dzd^ti'js 'so scheint 
mir jetzt zum Thcil im Auschluss au licuse Teletis rell. S. LIl gelesen 



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Bion. 



377 



gewesen sein und auch Lucian. Er wollte geistreich scheinen 
und blenden: um den Fffekt wnr r s ihm zu thun und niclil 
ura die Wahrheit. weshali> ihn aucii Widersprüche, wie man 
sie jetzt noch in seinen Äeussenmgen aufzuspüren glaubt, 
schwerlich gekümmert hüben werden^). So konnte man den 
Eindruck, den dieses immhige in allen Farben schillernde 
Wesen sowohl beim personlichen Auftreten wie in den Schriften 
machte, wohl in dem Aussprach zusammenfassen, dass er der 
i^hilosophie als der Efsle bunte Kleider angesogen und sie 
hierdurch su einer unstäten pflicht- und treulosen Hetäre 
erniedrigt habe*). Auch begreifen wir, dass, wer selber so 

werden zu müssen vgl. t(vo5 -^ip ojyt bei Ptutarch Noii poss«- snav. v. 
sec. Kpic. < p. lOSfiF. adv. Colot. 27 p. H38B). D. Ii. seine ganze 
Bekehrung zur Apathie und zum Kynismus bestand darin, dass er das 
Kostüm der Schule anlegt«. 

4) 9tatptxo( heiflst er bei Bieg. IV 59, die Bedeatnog dieses Wortes 
faaseQ Wodismiith sUlogr.* S. 7S uod Hense S. LVÜ zu eng. VgL Dion. 
HsL de Tbocyd. Jud. 9 S. 813 Reiske ix^6«gcc tt dforpm&v «al tftv icoX- 

r, llcnsc T('lcti> n'Il. S. LXVm fT. liat (iiTartice Widersprüche nicht 
\\n\f'r den richtigen tiesichtspiinkl tK^hriicht und dcslialh falsche Schlüsse 
aus ihnen ^iczük'cii. So mochte Bion iiunierliiii mit den Kynikern Reich- 
ibum, Adel umi Elire (565ai verachten iHen.so S, LXX) und dann doch, 
wenn es einmal passte, den Ausspruch thun, dass die Ehre die Müller 
Ößt Tugenden sei: denn so d^v dprcfiiv {t tt&s) [Av^Tipa slvai ist 
bei Diog. IV 48 tu lesen; dann kann mit Betlehung hierauf gesagt sein 
bei Philostr. Heroic. S. 488, 18 Kays: dkt^ttn 4)v IxtTvoc ^ifti^ dpir«)« 

8) Ueber diesen Ausspruch s. Welcker Theogn. S. LXXXVIff. Wachs- 
muth Sillogr.- 74 ff. An der Diogenesstelle scheint das Hauptgewicht 
auf dem bunten Wechsel der Ueberzeugunpen zu liegen. Erst so wird 
die Anspielung auf Hetären deutlicher, die in der Fa.si^nnfz jenf^s Urtheiis 
zu liegen scheint [Rohde Gr. Rom. 250 Am», vgl. noch Athen. Xlü ö91 Ff. 
dass Bion selber als Sohn einer Hetttre galt); wie diese kelnrai «rinzelaen 
Mann rieh ergeben, sondern es bald mit diesem bald mit jenem halten, 
so hatte aneh Bion sich mit den Teraebiedensten Philosophien einge- 
lassen. Zn der daraus entspringenden Buntscheckigkeit der Gedankt 
kam auch ein grosser Wechsel in der Form, da Bion bald zu pomphaftem 
Ernste sich erhob (&caTptyo; : Diog. IV 52 ev rtoi hk xoi droXa-iaat tiKpou 
rj'j-td\xtvoz bald in derbe Witze verfiel {Diop. IV 52 xil 7:oXC>« dv tu; -(eXoioB; 
[Hense Teiet. S. LVII] hii^opfflai «popTirois dvfifiaai xatdi t&v rpaffjidTajv 
^piöficvj; 47 xai rXclata? d^fopfid; Sefiraxo); xoic ßo'jXop.ivouc xtx^iTZTtdl^t'S^ai 
fOio9oi^ia;/ und Parodien verfasste (Diog. IV 52j. Darin, dass bei ihm 



378 



IV. Ueberresie bei deo AlexandriDern. 



entfernt von einer posItiYen Ueberzengnng war, auch keine 
Schüler haben konnte (Diog. lY 53). Man sollte ihn gar nicht 
* als Philosophen, sondern als Sophisten beieidmen, wie auch 
schon die Alten gethan haben 

Bioneio Sophistisch ist nicht bloss die Stellung, die er xii den 
SopUit. jjjiiiüsophien, zu jeder positiven Ueberzeugung oinniiiimt, in- 
dem er steh ihnen gegenüber skeptisch verhält, sondern auch 
die Form, io (ior er dies Ihiit. das Haschen nach pointirlem 
Ausdruck und zierlichen Gleichnissen w obei es ihm auf die 
tiefere Begründung und Wahrheit des Gedankens nicht weiter 
ankommt. Man weiss nicht, wo man ihn hinthim soll. Ist 
er Philosoph oder Hhetor? Denn obgleich er nach seinem 
eigenen GestBndntss (bei Diog. lY 46 £) mit einem Theater- 
coup der Rhetorik den Abschied gegeben hatte, um sich in 
Athen ganz der Philosophie su widmen, so blieb er doch 
Zeitlebens auf dem schmalen Grensgebiet swischen beiden, 
welches die eigentliche Heunath der alten und neuen Sophisten 



zur Mannigfaltigkeit der Gedanken noch die der Form kam, unler^fhied 
er sich vielleicht von seinem Lehrer Theodor, der doch auch ein Sophist 
und itSv el(e« Mfw war (Diog. IV 58), nnd so erklärt es sich, dass man 
nicht schon diesem nachsagte, er habe der Philosophie Ininte Kleider 
angezogen. Dieses UrUieil geht auf Tlieophrast sorttck, war aber von 
Bratosthenes, wie Wadismoth Sillogr.^ S. 75 vermuthet, in einer Schrift 
erwähnt worden. Dass es nicht das eif?ene ürtheil des Eratosthenes ist, 
konnte man schon ans Strnbos Worten T 2 p. 15 enliM^hnx-f! 'A-i))t: 
-t ajT«"> (dem KnildsHjeuesj koK'jz iati %ai Bttov, ^t^ji -pöitov dvöivd 
zEpt^aÄetv ;piX«35o-.f '.a M • dXX' ?fim; roXXohttc elreiv av ttva Itt' auTotj toüto 
j»oiT]v 1% ^aximv 6 Bimv«. Mit den letzteren Worten von dXX' 8fjia>; an 
wird olfenbar ein lotiendes Urthell ttber Bion ausgesprochen und dem 
vorliergehenden tcpfttov 4v9cvd «tX., das also einen Tadel enthalte rouss, 
entgegengesetzt Das zweite ünbeil entspricht nun der Ansicht des Brato* 
sthenes, also muss das erste die eines Andern wiedergeben, welchem 
Eratosthenes in selnei- Srhrill widersprochen oder die er doch wenigsten» 
durch eine witzige Wendung corrigiK hatte. Vielleicht ist bei Strabo 
vor tpirjot der Name Thenphrasts ausgefallen. 

4^ Hensc Telct. s. Bion ist wohl auch unt«r den .'^opbisfen 

und Gegnern des Arlcesilaos bei Plut. adv. Colot. 26 p. gemeint, 
vgl. 32 p. 1136 A. 

t) Auch die Personifleatlon abstrakter BegrifTe gehört hierher. Die 
personiflxtrte Armuth («ni«) ist nur ein spSter Nachkömmling der Tugend 
und des Lasters, wie sie bei Prodikos leibhalUg dem Herakles entgegen* 
traten. 



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Bion. N«tte Sophtotik. 



379 



ist. Es ist nberhnupt die Zwittenialur, die ihn so gut als die 
Sophisten charakterisirti), das Proteusartigc im Wesen, wo- 
durch sobon Platon es so schwer wurde eine Definition der- 
selben SQ geben. Das Streben geht bei beiden nach un- 
begrSniter Yielseifagheit; in jeder Art Rede (xara icav elSo^ 
XoYoo] hatte sich Bion nach dem Vorgang seuies Lehrers Theodor 
versucht und auch Protagoras und Crorgias bildeten sich ein^ 
Meister in jeglicher Rede su sein, der kungen wie der kunen, 
der mythischen Erzählung wie der dialektischen BrOrterung. 
Nicht um wirkliche Vielseitigkeit ist es ihnen zu thun, sondern 
nur uai den Glanz dersclltea. Indem sie auf den Rffekt 
arbeiten, ist ihnen jedes Mittel recht: auch das äusser lichste 
der Kleidung wird nicht versehmäht und es macht Hir die 
Sache keinen Unterschied, dass Gorgias und Hippias in Purpur- 
gewanden auftraten, Bion im Bettelkostüm des Kynikers coquet- 
tirte^). Eine einzelne Stadt war ein zu kleines Theater fOr 
diese Kflnste: daher sog Bion sowohl als die Sophisten Yon 
einer Stadt lur andern, um hnmer neuen Beifhll su enten*). 

Bion war zu sanier Zeit nicht der JBinzige der Art^ in wel- VeMBqpfaiftik. 
ehern die alte Sophistik von Neuem aullebte. Es war, als wenn 
der neue Sokrates, Arkesüas, abermals der Sophisten zur 
Folie bedurite. In der gesammten kynischen und kyrenaischen 
Schule regte die Sophistik sich damals und nicht erst damals. 
Den KMiikern sowohl, als den Ksrenaikern la« von ihren 
Stiftern her das sophistische Wesen gewissermaassen itn Blute. 
Je mehr sie ihre positiven Ueber/eugungen aufgaben, so dass 
die Grenzen der lu-itl* n Schulen sii li vcru ischleu, desto an- 
massender trat jenes hervor und getiel sich in schlagfertiger 
Dialektik und tönender Rhetorik, überhaupt in einem schau- 
spielerbaften Wesen. Wie sie ihre Gedanken gern in Gleich- 
nisse, so hüllten sie ihre Personen gern in absonderliche 
Kostüme^). Ein SeitenstUck hierzu, Kinder desselben Geistes, 



4) ZocptotV^c notxOlocbet Diog. IV 49. 

5) BioDS Neigmig tum Koin0dieiuplel«B kommt avch in der Diog. IV 
5S ersäidtaQ Anekdote zum Aitadruck. Doch lat diesettw nicht hin- 

reidiend verbürgt s. Heiise Tclet. S. XLIXf. 

3 DioK. IV 53. Hierzu h it auch Hense ToleL S. LXl die Aehnlich- 
keil Bions mit den i>opl)i^'"n bfiiu rkt. 

4/ lebvr die Gleicbui^:«c bei duD kynikcrn s. E» Weber, Lcipz. 



L.icjui^L.ü cy Google 



SRO Ueberreste b«i den Alexandrinern. 

sind die gleichseitigen Bhetoren der «sianiflchen Schule*) und 

wie deren gliliemde, in Sentensen und leerem Ziermth Mi 

abmähende Beredsamkeit sich verhält zu der gedanken- und 

kraftvollen des Demoathenes, oder um ein modernes Beispiel 

tn brauchen^ wie Börne xn Lessing, so verbSlt sich das 

Meolppea oüd literarische Produkt dieser neuen Sophistik, die Menippische 

Bokntisoher gatire zum sokralisclien Dialoiz. Den echten Vertretern attischen 
inuog* ^ 

Geistes traten <las eine wie das andere Mal Fremde, Asiaten 

gegenüber: denn fuieh die l)eiden Hauptverl rd er der neuen 

Art des Dialogs, Mcnippos und Meleager, stammen beide aus 

Asien, waren Syrer 2). 

Nicht mehr belehren sondern unterhalten wollte diese 

neue Gattung des Dialogs; mit der Philosophie berOhrte sie 

sich dabei gani oberflftohUch» nur so weit als das grosse 

Publikum daran Gefallen findet'), daa gern Ober Dinge witzelt 

Mw^ft oad und witaeln hört^ die es nicht versteht. Sie trat dadurch 

der alten Komödie nfiher und konnte das um so leichter, als 

man längst begonnen hatte, Dramen fttr die LektHre tu 

schreiben; wie die dramatischen Werke schon früherer Phüo- 



Stttdd. X S. 4 73 ff. Dass die Kyniker mit Ihrem ILosittm KomOdie spiel- 
ten, wurde schon angedeutet (S. 379, i\ Hatten sie es doch der druna- 
tlschen Bühne abgesehen! Besonders stark und lächerlich tritt diese 
Noipunp ziinn Srhaiispiolern Mrneilomos hervor, drr um seine Straf- 
predigten eintirhvjli -hfr /n inachen, sich als Erinys vrrkleidele iDiog. IV 
UM. Dio (]hr> ><i>iuuius triip ebenfalls seinen Kyni-nm^ zur Schau, in- 
dem er, mit dem Luwenfeil bekleidet, als neuer Herakles erschien (Pbot. 
bibl. cod. 209 p. 465* 44). 

I) Die BeiiehuDgen der asianlschen ÜhetoreD und der kynisdieii 
Philosophen sind vielleieht nihere als man meinte da die Einen wie die 
Anderen sieh mit der Schule wid Manier des Gorgits heiUhren. Deraiif 
muss man achten, wenn man verstehen will, wie Varro, der »cynicos 
Romanus auch an der asianischen Manier Gefiillen finden konnte (Gioero 
ad Atl. XII fi. V. 

2; Warhsmuth. Sillopr.- S. 78, 1 und 84, 1. vpl. nu h S. 85. 

3) Auf mehr fiihron doch Vnrros Worte nicht bei (jcei o Aead. post. 
8: in Ulis veteribus nostris, quae Meoippum imilali, non interprt^tati 
qnadam hilarllate conspersimus, quo factUus mUinj dooU iDtellef[erent^ 
jncunditate qnadam ad legendiun invttati, muita admixta ex inttma Phi- 
losophie, mnlta dicta dialectioe. Hienu stimmen Gleen» Worte eben- 
da 9: phllosophlam mnltls locis Inchoasti, ad bnpellendiim satis, ad 
edocendnm panim. ^ 



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Miachttog von Prosa und Versea. 



384 



sophen, darunter auch der Kyniker. Diogenes und Krates, 
seigen (S. 338), empfand man damais io diesen Jüreiseo das 
BedOrfiiiss durch solche MiUel auf das Publikum zu wirken. 
Aus dieser AonäheruDg an die Komttdie mag man es auch 
erUireDy dass sie gelegenilich in die metrische Form hinüber- 
schwankte. Doch ist dieser in ihrem Bilde besonders hervor- 
stechende Zug <) nicht hieraus allein, sondern nodi aus andein 
und Oberhaupt mehreren Orsachen absuleiten. 

Eine derselben liegt in der Gitirwuth dieses gelehrt sein WaAtag m 
woUenden Zeitalters : man citirte massenhaft aus Dichtem, be- ^^^^ 
sonders Euripiries und ilumer uiusslen herhalten ') ; die Ge- 
scbmackloäi^keii, wie sie sich in einem solchen Vermischen von 
Poesie und Prosa ankündijzt, konnte leicht, nameutiich über die 
beliebteu Parodien homerischer Verse hinweg, zu dem weiteren 
Schritte führen, dass eigene Verse eiugetlochten wurden "^j. Eine 
Geschmacklosigkeit ist schon die Verbindung verschiedener 
metrischer Formen; aber auch daftir gab es längst Beispiele, 
vollends seit ChMremon, nach Aristoteles' Ausdruck, in einem 
Gedichte sfinuntliohe Metra yereinigt hatte. Gerechtfertigt kann 
dieser Wechsel in den Formen nur in gewissen F811en durch den 
Inhalt werden. Bunt ist das Kleid des Narren und 8passmachers 
und bunte Holle liebt Oberhaupt die Posse und der Humor 



1j Wiicbi>iuuili , £»illogr.^ S. 79 f. Ciceros »varium et elegaiih ouiiii 
fcre Dumero poeniB« Acad. posL 9 trage ich kein Bedenktm auf die 
Meiiippiscdie Satire su hesiehen« Der Ausdrock erinnert zu Mhr an das 
»omnlgeiio carmine« des Probus und poeroa konnte gebraucht sein wie 
in PIsoD. 70 (Ton Pbilodem) poenm bcit ita festivum, ita oonctnnum, ita 
degans etc. auch de opt gen. oratt. 1 (poemalis tragici comicl etc.) be- 
nichnet es eine Dichtart, nicht das oin/elne Gedicht. 

%; Bei dea Kynilverii nainenllicli war diese Tradition Wachsniulh, 
Sillogr."' S. 6y, 8) und erhielt sich bis in spate Zeiten, vs ie d.i«? Auftreten 
des FavoDius bei Plutarch Brut. 34 und des Kyoulkos bei Athen. IV 27üE. 
%1i A. zeigt. Das Irtheil der Späteren über EuiipiUes in dieser Bezie- 
hung spricht am besten Q. Cicero in epiat. ad femil. XVI S, S aus: sin- 
goloe ejus veisus aingula testimonia puto. Es gehörte dies mit aur 
Popuiarisinuig (tat Emp. adv* math. I tSI)» daher findet es sich schon 
bei Kftotor (Sext. Emp. adv. dogm. V 64 fT.] 

3} Heinekes Erörterung fragm. com. 1 S. X f. genügt nicht» da das 
Material nicht genug gesichtet ist. 

4) Bekannt ist, dass die metriselie Form der altattisehen Komödie 
viel bunter ist, als die der Tragödie. Ja es tindet auch hier schon eine 



382 



tV. leberreste bei den Alexandrinei ii. 



Durch den schrulltn Uebergang von einem lihylhraos zum 
anderii wurde in deu lliDkversen ein kumischcir Etfekt er- 
reicht und nicht anders wirkten die iambisclien Trimeter, die 
im Margites nach den iiei nischen iiexametern einsetzten, mögen 
dieselben nun ursprünglich oder später eingefügt sein. Einen 
ähnlichen Contrast und dieselbe Wirkung kann auch Menipp 
beabsichtigt haben, wenn er mit einem Male die Prosa in 
Verse umschlagen liess^). 

Unmerhin lag in dieser Vermischwig verselüedener Formen- 
Gebiete eine Barbarei, auf die das Pnblikum aber von Seiten 
gerade der raffinirten Kunst voil^erdtet war. Gegen den 
Sofaluss ganser Werke oder einielner Abschnitte steigert man 
gern die Wirkung duroh allerlei Mittel. Shakespeare und 
Sohülererreiohten dies unter anderen dadun^ dass sie an die 
Stelle reimloser gereimte Verse treten Uessen^. Je gebun- 
dener die Form ist, je mehr sie sich dadurch der Musik nähert, 
desto üiehr scheint sie Begeisterung und tiefe EmpHndiing 
AiiaüiaQh« zu athmen. Der Vortrag der asianischen Bedner steigerte 
sich zum Schluss, nachdem all«» anderen EtVectmittel der Form 
verbraucht waren bis zum Gesang iCicero ürat. 57 ,. Wir haben 
aber schon einmal (S. 380 crcst'ben, welche Verwandtschaft 
zwischen den Heden dieser Art und der menippischen Satire 
besteht und dass sie sich von der Sophistik herschreibt, die 

gowissp Mi«?rh«np von Ptoh« und Versen st.itt. Oorh ist dip Prosa hier 
der Kin(lrin,i:lin^' und wie di'i V .>rs \i\ der Prosa zunächst ;uif Citale und 
«war vim Formeln und ri kumii n heschrftnkt. Nüch der Meinung von 
Poppelrcuter de com. AU. [mm. s. 4üf. hätten sich gerade in der frühesten 
Zeit der Komedie Dialog-Partieen In Prosa mit cIbd Liedoro aad VerMO 
des Chors verbunden. Es wird mich nldit wondeni, wenn Jemand ein- 
mal diese problematisdie Ansieht benntsen sollle, um rwischen der 
Menlppea lind der Komiidie ein noch engeres Band m knüpfen. 

1) Auch in Giordano Bruno s Werken wird der ernste Gehalt fort- 
während von tmrlesken Einfällen gestört, wie das seinem Ankämpfen gegen 
jede, auch die Schranken der künstlerischen Form pntsprarh nnd in der 
gahrendcn Natur des Neapolitaners lag, und das hunle Anst lien, das sie 
schon hierdurch tragen, wird auch in seinen Dialogen noch verstSritt 
durch zahllos eingestreute Verse aller Art. Die ältere deutsche LIteratnr 
bringt oft Ein- oder Ausgänge prosaischer Werke in dichterischer Form : 
Wackemagei, Deutsch. Leseboch IV I* S. 407, 6. 

i) Reim am Schlüsse der Rode schon in Aesch. PerS. <71 f. wofU 
Touffel-Wecklein noch mehr Beispiele aus den Tragikern beibringt. 



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MiBchuDg von Prosa und Venra. 



383 



wobl niemals ganz ausgestorben war, damals aber mit ver- 
stärkter Gewalt hervorbrach. 

Auch dieses Einmischen von Versen, und zwar selbst Jj* 
verfertiglen, in die Prosa ist sophistisch. Agathon , der uns 
in Piatons Symposion die Manier des Gorgias reprSsentirt, 
1i8lt seine Rede anf den Eros lonfichst in yerfaffltnissm888ig 
einfadier Weise; ab er aber die Schilderung des Gottes 
beendet hat und an diejenige seiner Wirkungen gehen will, 
reisst ihn die Begeistoning fort, so dass er an lo diehten 
fingt (p. 433G), zunächst zwei Hexameter, aber auch was 
folgt, ist so mit Iheatraiischen Figuren, um einen Ausdruck 
des Diunyö von Halikaruass zu gebrauchen, überladen, dass 
es einen musikalisch« n Effekt macht. Und dass durch dieses 
Emniischen von Versen Agalh(ni nicht etwa nur persönlich als 
Dichter charakterisirt werden soll, sondern dies sophistische 
Manier war, lehrt uns ein anderer platonischer Dialog, der 
Pbaidros. Hier schliesst nicht bloss die erste Liebesrede 
• des Sokrates mit einem Verse eigener Fabrik % sondern auch 
in der zweiten* gipfelt die SchAderang des Eros in zwei 
Heixametom, die swar auf Homer turflekgefiUirt werden» 
als deren wahrer Verfasser aber unter dieser durehsichligen 
Ironie flieh derBedner selber tu erkennen gibt ^). WAre die 
sophistische Literatur nicht in so trauriger Weise zerstört 
worden, wir wUrdei» vielleicht an noch frappanteren Beispielen 
erkennen, dass dort bereits die Mischung von Prosa und Versen 
Geltung hatte, die wir jetzt fast nur noch in den Nachalunungen 
der menippischen Satire beobachten^}. 



2/ P. iiii B. Ti-^ o' Jjzot ÖvTjxoi fxev "CpoTa xaXo-iat ror/jvöv, 
'AWvaTOi he nripcaTa StA Ttrepd^poiTOv iid-(xris. 

9) AeusserUch betrachtet zeigt dieselbe Mischung auch der 'A-joCiv 
HMiods QDd Homers, obgleich hier die zahlreich cingestreaten Hexameter 
In besonderer Weise moUvirt sbid; und wabraeheinllch Ist doch nach 
der llntorsuehong von Nietzsche Bh. H. S5» 5Se ff. S8, 914 ff., dass nicht 
bloss einzelDC Notizen , sondern auch diese Form des Ganzen ans dem 
MouocTov des Alkidaroas, also eines trenen Schülers des Sophisten Gor» 
gia«» !<tamtnl. — riiscrc Romantiker kann man insofern vergleichen. nl<i 
auch b*^i ihnrn Kuustlichkeit und Zierlichkeit des Ausdnirks im Linzel- 
oen UanU in Mand ging luit einer Furmiosigkeil iiu Ganzen, ^ie sie sich 



3S4 



IV. CebeiTMte bei den Alexandrinern. 



Ocgensati n Uüd Wie die alte 80 stand auch diese neue Sephistik 
SokntN. ^i^f iq einem gewissen Gegensats su Sokrales» nicht bloss 
insofern als dieser der Ideal-Philosoph war, die asianiscfae 
Rhetorik aber jede philosophisch- wissenschaftliche Schulung 
ebenso verschmihte (Blass Griech. Berods. S. 55 f.) wie die 
neuen Kyniker sich Uber die Philosophen lustig machten und 
darunter auch den Sokrates nicht schonten '], sondern weil 
sie das Ideal, das Sukrutcs bis dahin geboten, durch ein 

DtogflUM-ldeai. anderes, das des Diogenes, zu ersetzen suchten Den ver- 
rückt gewordenen Sokrates hatte Plnton diesen genannt (Aelian 
V. H. M, 33. Diog. L. VI 5i) und mit iiecbt, weil er in den 
üauptzügen seines Lebens und Wesens eine üebertreibung 
des wahren und vernünftigen Sokrates bis zur Carikatur dar- 
stellt. Genau gesprochen besteht vielleicht der Unterschied 
nicht so sehr swischen den beiden Menschen wie sie wirklich 
waren, dem historischen Sokrates und dem historischen INo- 
genes, als swischen der Literatur, die sich an beide ange- 
schlossen hatte und jede auf ihre Weise und nach ihrem 
Geschmack das Bild ihres Heiligen so Tollkommen und rehi 
als möglich su machen suchte. BrsShlten die alten Sokratiker 
von dem pythischen Orakel, das den Sokrates für den weisesten 
der Menschen erklarle uud hierdurch bestimmend wurde filr 
dessen ganze spätere Thätigkeit, so wussten auch die Ver- 
ehrer des neuen Sokrates von einem Spruch desselben (M akels 
zu berieliten, der ihrem Heiligen befahl, Falschmünzerei zu 
treiben und dadurch gleichfalls dessen weiteres Leben und 



UDter andern In der Vermischung der ▼eraeUedensleo Metra (Kaiser Oo- 

tavian in Ueni Durcheinandergehen von Poesie und Prosa zeigte (Hein- 
rich von Ofterdingen). Auf sie haben aber wohl auch Shakespeare nnd 
die indische Dichtung: Eitifluss pcülit, wo dergleichen allerdings einen, 
andern Grund iiiid Siim hat \V. v lluiDbüldt \<'rsch. des mensch. Spr. 
§ 20. S. iM Poll.,. Hand lu Hand daiail ging b«n thucu wie bei den 
griechischen Sophisten das iUiythmisiren der Prosa, s. darüber Aus 
Schleiermacbers Leben III S. 480. Auch an Thümmel kann erinnert 
werden« 

IJ Bion bei Oiog. L.1V 49. 

t) Selbst Epiktet, obgleich er nicht mttde wird Soknfes als das 

Muster eines Philosophen hinzustellen, giebt doch einmal (Dlss. III 21, fS) 
dem Diogenes die Rolle des ßasiXtxö; wo sich Sokrates mit der des iXc^x- 
Ttxi« begnügen muss. Vgl. Si, 57 x6 nf^stpoi to» A(0|Ivqu^ 69. 7i. 6&. 79 ff. 



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Die Menipplidie Satire. 



385 



Wirken entschied i); hatte der wahre Sokrates sich im Kri^e 
und zwar da bewährt, wo Andere den Muth verloren, so 
blieb auch hierin sein jdngeres Ebenbild nicht hinter ihm 
xurQck und imponirte noch auf dem Sdüachtfelde von Chai- 
roneia dorofa sein mulhvolles Anfiieten dem König Philipp 
(IMog. VI 43); Biogenes endlich sollte so gnt wie Sokrates 
(s. 0. S. 193) jede Sorge IQr seine Bestattung abgelehnt) aber, 
wie wenigstens einige Versionen dieser Legende berichteten 
(Diog. VI 79 YgL auch 31), dies in Tiel deiberer Form ge- 
than haben. An diesem Bestreben, den Diogenes neben 
lind ülier Sokrates zu erheben, mag auch ein gewisser Lokal- 
palriutismus der Korinther betheiligt gewesen sein, <iie so 
gut wie die Athener auch einen Ortsheiligen der Philo- 
sophie haben wollten, I)r»s Meiste hat jedenfalls zur Aus- 
malung dieses Heiligenbildes die kynische Literatur, darunter 
die Menippische Satire beigetragen. Dieselbe scheint dadurch 
gleichzeitig in eine mehr oder minder bewusste, schon von 
Antisihenes her tlberlieferte Goncurrens mit Piaton und seinen 
Dialogen getreten su sein. 

Wie Diogenes den Sokrates so tibertrieb die Menippische Die Konipp! 
Satire den platonischen Dialog. Schon dem Piaton ist «{«LSStaea 
ScbriftsteUerei nur ein Spiel, icaiSui, aber ein edles (vtepoXy^ pUtosiMiieii 
Phidr. S76 D) des Geistes; unter den Hfinden der Kyniker 
werden darans Spielereien, iraC^vta* Auch in den platonischen 
Dialogen fehlt das oicooSoYiXoiov nicht (s, o. S. 365, 1 , yg^. 
auch Xenoph. Mem. I 3, 8J die Verbindung von Sehers und 
Emst, der, Bumor ist in reicher Ffllle über sie ausgegossen ; 
doch bat das komische Element hier nur eine formale Be- 
ileutuii|7, selbst da, wo es sich so breit iri;i< Iii wie im 
Euthytlem, und der eigentliche Gehalt ist durchaus ernst 
und wissenschaftlich; bei den Kyiiikem ist das formale 
Element zur Hauptsache geworden, der possenhalle iiumor 
des Diogenes ist an die Stelle der feinen Ironie des Sokrates 
getreten und lässt ernstere Gedanken und gar wissenschaft- 
liche Erörterungen neben seinen Spässen kaum noch auf- 



4} Diog. VI to f. Das« wir hier eine Legende haben, tritt in dem 
apoiegetiiolieii Chankler siemllcb klar hervor. S. jetzt DIels in den Abb. 
Zeller nun SS Jan 4894 gewidmet S. 5 t. 

Hfri«l, DIktof. 25 



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386 



IV. Ueiberreste bei den Alexaodnneni. 



Homerische koiiiiuen An homeriscbcn Anspielungen und Parodien ist 
AnspieloBgen. ^^^^j^ j^^j Platon kein Mangel, mit dem 'AXk(vou air(5XoYo; ver- 
gleiciit er die Erzählung seines Armeniers, die Musen ruft er 
im Euthyd. p. SI75D an nach dem Vorgang alter Dichter, 
selbstverständlioh in erster Linie des Homer, ebenda p. 288 Bt 
macht Sokrates von der Erzählung von Proteus und Menelaos 
Anwendung auf sein VerhftltnisB su den beiden Sophisten, die 
dort verhöhnt werden; es ist gar nicht möglich alles hierher 
gehörige aaftniXhIen und doch darf man sagen, dass es wenig 
scheinen wttrde, wenn man die Ifasse von dergleichen CSitaten 
bei den Kynikem damit vergleichen könnte, die daraus ge- 
wissennassen Profession machten. Auch waren deren Parodien 
ohne Zweifel viel gröber. 

Nicht bloss einzelne Verse, ganze Scenen des alten Dich- 
ters machen sie in dieser Weise Itir ihre Zwecke nutzbar. Die 
Gütterversammlung des Olymp wurde nach homerischem Vor- 
bilde von Menipp geschildert (Birt, Zwei politische Satiren des 
alten Rom S. 23). Homers Darstellung der Unterwelt blickt 
uns aus allen eschntologischen Mythen Platons an. aber auch 
in seiner Schilderung der SophistengesellschaPt im Hause des 
Kallias sind einzelne Situationen aus jener parodirt^i. Was 
aber bei Platon nur Theil oder Anhang eines grösseren Werkes 
war, daraus ist bei Menipp in dessen Nekyia ein selbständiges 
Werk geworden, vermuthUch weil er mehr Raum brauchte 
iür solche persönliche Anspielungen, wie sie Platon nur ver- 
ehiselt gab, i. B. auf Archelaos (Gorg. 5S5 D). 
Anniherang Erinnert man sich der Frösche des Arislophanes, so be- 
uidi«Xoin«dia.^^l^ die Abweichung der Satire vom Dialog auch in diesem 
Falle eine Annäherung an die Komödie'). Noch grösser er- 
scheint dieselbe dadurdi, dass die Hadesfiihrt beim Dichter 
wie beim Ey^niker von einer Mummerei begleitet war: Dio- 
nysos verkleidet sich als Herakles, Menippos als Odysseus 



4) Diog. VI 83 lieisscn Sofiriflen des Monimos iraC^via CitO'jS^ XcXtj- 
ftutff jACjjLiYH-ii'*« i'- 'i^^, 3. Wer weiss, ob nicht schon der SäÖiu^ des 
Antisthenes, indem er einem ernsten Inhalt burleske Form gab, das Weeen 
eines menippischen Dialogs danteilte. 

5) Prolag. p. SI5B u. D. Vgl. noch Dttmtnler, Akademika S. 40. 

3 Auch Tragödien spielten Im Hades nach Aristot. Poet. 4S p. 4 4SS* S. 
Vgl. dazu Oieterich Nekyia 77, 4. 



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Die Menippische Satire. 



387 



um in die Unterwelt zu gelangen^). Noch nach einer andern 
Seite zu geht hier Menipp über Piaton hinaus und tiber- 
treibt ein von diesem goriindencs Motiv bis zu komischer Wir- 
kung: Piaton hatte seinen Sokrates so zu sagen an der Schwelle 
der Unterwelt stehen und von da nur in Ahnujigen der Zu- 
kunft Yon den GesprSchen reden lasseD, die er dort mit den 
Geistern der Vorzeit ebenso führen werde wie atif der Erde 
mit den Mensohen (Apol. p. 44 Äff.); der Kyniker führt sich 
selber und Sjogenes mitteii in das Reich der Schatten hinein 2). 

Ueberau liess der Kyniker seine SUmme ertönen, Überall vieiKoitigkeit 
dringte er Bich ein. Audi Sokrates in den platonlaohen Dia- ^^r^^^ 
logen spricht sich Ober die Terscfaiedensten GegenstSnde ans» 
yersQcht sich und bewfihrt sich in den verschiedensten Lagen 
des Lebens. Der Kyniker that es ihm aber zuvor. Er ver- 

4) KJessling Einleitung tu Hör. Sai U 5. 

3] Dass in einem kynischeo iciqUyviov Diogenes in der Unterwelt ein 
Gespräch mit Herakles liatte, ist auch mir wie Weber I.eipz. Sludd. X 
S. 4 49 fT wabr*irhoinlich; vermuthiich ^ar os eine äatire Meuipps, das 
Vorbild zu Varros AXXo; 0'*noc 'HpaxX. (Woher 152, 2 . Mildem 'Hpax)>^c 
dos Diogenes aber, der unter die Tragödien gereciiuel wird, lässt sich 
dteMi «dftiev nkdit identifisinn. Weber, tfeier Heinmig Ist, vod 
dem auch Dömmler, Akedemlka S. ISS ff. instliiimt, hat stdi offenber 
▼Ott dieaea Tragödien eine gans iUMhe VonteUnng gemacht Die Yeiv 
Wandlung der Vedea durch allegorische Erklärung in die personifizirte 
9P^ot$ kann unmöglich den Inhalt einer Tragödie gebildet haben 
(Weber S. H7), ebenso wenig die Vcrspottiinf; des Oedipus als eines 
Sophisten [Weber 4*3 f.). Juhan or. 6 p. 186C lehrt, dass es in (h:ri 
Tragödien des Diogenes Luchst ernsthaft zuging: denn um die iiehaup- 
tUDg zu bcgrUodeni dass diekynieche Literatur nur Scherze und nichts 
EmslhalleB enthalte, wird bemerkt, dass die dem Diogenes beigelegten 
TngSdlea nicht ihm, soadern dem PhOiskos geboren (die Worte d Aco^ 
fkiVK tt'clcN bei Hertlein S. IS sind zu streichen). Von demselben 
or. 7 p. 24 0D lernen wir, dass in den kynischon Tragödien des Diogenes 
und des Oinomaos das Tragische bis ins llkelhaft." ühertriehen war. Dio- 
penp*4 Laert. VI 80 nennt die Tragödien tpaYH^^^ap"' Vieileirht erklärt 
sieh dieses Deminutiv daher, dass diese Tragödien nu hltlm {gewöhnlichen 
Umfang hatten, sondern lediglich den Höhepunkt der Handlung darstell- 
ten: tSao s. B. den Oedipns in dem Augenblick, wo er volle Klarheit 
Uber alle seine Verbrechen hat, dieselboi noch elmoal mitgllchst grell 
und aofftthriich darstellt und dann doch nach kynischen GrundsStsen 
redllfertigt, oder denThyestes wie er erl^hrt, dass er vom Fleisch seiner 
eigenen Kinder genossen, trotzdem sich aber in derselben Weise zn 
trüslea weise. 



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388 



iV. Ueberreste bei den Alexandrinern. 



höhnte die Hhetoren, deren sYxmjiia') und auYxpiosi; schwälsite 
über Pferde, pries die Vorzüge des Wassers und hicss in dem 
einen Falle ' Imroxuoiv, in dem andern Vopoxuwv ^) ; dürften wir 
überb.iupt ohne Weiteres die Titel Varronischer Satiren ver- 
werthen, so könnten wir aus der Marcopolis Yarros auf ein 
älteres Gegenstück zur Flatonopolis scbliessen. Ais Lehrer 
(KuvooiodtaxaXo;) als Rhetor (Kuvoppr^TCDp) als Zeugen (Koviarcop) 
treffen wir dem Kyniker; in den Symposien Menipps und Me- 
ieagers seigle er sich ohne Zweifel in vollem Gknse') und 
in dem »Testamente« (AiaiHr|Xai) des Ersteren wird er ebenso, 
wie Sokrates seine rahige Heiterkeit, im Angesicht des Todes 
seinen possenhaften Humor bewfihrt haben*]. Seiner Proteus" 
artigen Lust an Verwandlungen genügten die verschiedenen 
Formen menschlichen Daseins nicht einmal. Er nahm die 
Maske der GOtter an und schrieb vom Himmel aus Briefe an 

4} Varro icepl ^Y^wiiloav erioDert an Platons Phaidros und Symposion 

und den Gryllos des Aristoteles. 

a( Hierher gehört Meleagers Xsatöou xal ^axffi od^fxpian Athen. IV 
p. 4 Wachsmuth, Sillogr^ S, 74 u. Corp. poes. ep. gr. lud. i 5. Si4. 
Vgl. Herniügenes Pro^vtnn. 8 (Spengel Rlu ll. <,i. II S. U, 12f.). 

3] In dem Fragment aus Varros 'Töpoxuiuv ist von verschiedenen 
WeioBorten die Bede, wodurch die gegebene ErkUrang des TIteb nnr 
heatatigt wird. Nach Riese in Varronls sat. Man. S. 49» gab es sogar 
einen Plaatocyon. 'AicXok6(bv wurde Antisthenes genannt naehDiog. VI <t, 
ofTcnbar mit demselben Doppelsinn, den unser neinföltig« hut. Denn dass 
'*r).'>x6a)v kein Ehrenname war, erhellt aus der Verbindung, in die es 
Brutus Plut. Brut. 34 mit ^^tul^jx'jmv bringt. Das letztfTf» übrigens 
bedeutet wohl nicht den Pseudo-Kyoii, sondern den Kyon, der Lugen redet. 

4j Kj(u-j pt^topixöf war schon der Beiname des Zoilos nach Aelian. 
V. H. XI 4S. 

5) Ob etwa bei einem dieser beiden Symposien das vorfiel, was 
Diog. VI 95 und 46 erzüblt, ob ttberhanpt gerade Diogenes daran l»etfaei- 
ligt war, llsst sich nicht mehr entscheiden. Eine andere Vermnlhong 

ist S. 365, 3 geäussert worden. Wegen der Beziehung anf Piatons Sym- 
posion ist bemerkcnswcrth, dass Varro einen Agathon geschrieben hatte, 
worunter Riese .S. 95 den beknnntcn Trnniker versteht. 

6) Gab es auch einen kyuiker. d i. Dioijfnes, auf Reisen V \Veiiii:<!t<^n< 
Üiügen. L. VI 57 erzählt, dass er nach der kurischen .Stadl MNndos k.uu; 
tii Müvoov IXBobv taX •»aaäjjLivo; jAC-jfalXa; ?d; rriiXa;, (iixpd^ ii xijv i:oäiv, 
•avopc« Mivowt, ifii, xXsCoftTs tdk inJX««, r.öUi uiaSv i;£>v<^«. HIertu 
fUgt sich das Fragment Menipps bei Athen. I p. S9B: h Kvvixk 
Mivtnno; äXfxoTTOTtv 'djv MuvSov tfr/fli^. Vgl. die RelsetehUderungen des 
Luciltus und Horai (Kiessling zu Hör. sat f 5 Einleltnng). 



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Die Menippische Satire. 



389 



ihre Gegner, die Physiker, Mathematiker, Graminatiker, vor 
Allem die Epikureer (s. o. S. 358,3); ja es ist wohl möglich, 
dass er in das wirre Durcheinander der verschiedensten Wesen 
auch Thiere rodend eingeführt hat'). Vom Himmel durch 
die Welt zur UöUe sollte der Sieg des Kynismus verkündet 
werden. 

Ihren Gipfel scheint diese Literatur in der Darstellung AtoY<«ou« 
des Ereignisses erreicht sn haben, das wie es den Heiligen ^P^^^- 
des neuen Kynismus sch^nbar in seiner tiefsten Erniedrigung, 
so in Wahrheit in sehiem hellsten Ghinie seigte, der Verkauf 
des Diogenes in die SUaverei (Aio^ivouc IlpSaic). Eubulos 
hatte dies behandelt^), sodann Eleomenes, ein SchQler des 
Metrokies 'Diog. VI 95) in seinem Pädagogikos ^1 und schliess- 
lich Menippos. Eubulos und Kleomenes scheinen mehr von 
den Folgen gehandelt zu haben, die dieses Ereigniss für das 
weitere Leben des Diogenes hatte, indem es dessen pädago- 
gisches Talent io das hellste I.icht stellte, während Menipp 
sich darin ppficl ein Bild von Diogenes auf dem Sklavenmarkt 
zu geben, wie er mit kynischem Trotz zunächst dem Herold 
gegentlbertritt und dann verschiedene Vorübergehende heraus- 
fordert) bis schliesslich Xeniades ihn kaufte). Herakles', des 



I) üflener Epicur. S. LXX. S. o. S. SS? ff. 

1) Diog. VI SO: EKßouXoc h Uwf^fv^h^ Äw^frauc npSai« «tX. 
Identisch ist damit vielleicht ib. tO: EdßouXtdjc iv t^repl Atoy^vou;. 

3; Diog. VI 75. Ist dieser Pädagogikos von Clemens Alex, in seiner 
gleichnamigen Schrift mittelb>H- <ul(«r iinmittclhar benutzt worden? Von 
dem Verkauf des Diogenes redet er iii p. iGi Pott, und wohl deoselbea 
Kleomenes citirt er Stromat. I p. 351 Polt. 

4) So ungefähr wird man sich wohl den Inhalt der Menippischen 
Satife AtoriwiK ilpAnc voratellcn dttifen nach Diof;. VI %9 f. Denn hier 
die liberllefwtea Worte M^imtov t» tf Aio^ivou« U^dmt mit Nietiache 
Beitrage S. tS in 'EpiAtmcov iv tip iccpl Aio^vou« icctparatc zu ändern ist 
nicht ntfthig (Howe, Quaeritur quo jure HoraUns In saturis Menippum 
imitatiis esse dicntur S. 8. 8-. Combiniren knnn man mit der an<.'ffiilii trn 
Stelle noch Diog. VI 36. wo für Menipp der dem Xenijides in (f Mund 
L'ek'f-'te Vers asm r-OT'xaojv v.tX. eharakteristisch sein winde, .sudiuin 74 
und üellius N. A. in 8, 9 f., weiter auch Clen». AI. Padag. III p. 261 Polt, 
wenn auda der Inhalt dieiw letitMoi Stelle aus einer Scbrift des Kleo- 
menes (vor. Aninkg.) stammen sollte. Vgl. Arrlan Epictet. diss. IV 4, IIS ff. 
and aadi Luden VHar. auct 8 f. Sowohl durch diese Stelle wie durch 
Grttnde, die In der Sadie liegen, wird wahrscheinlich, dass bei diesem 



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390 



IV. Ueberreste bei den Alexandrinern. 



mythischen Vorbilds der Kynikerj Verkauf in die Sklaverei, 
wie ihn namenth'ch Euripides im Syleus geschildert hatte, ist 
auf die Ausbildung der kynischen Legende gewiss nicht ohne 
lilinfliiss gebliebeo Epochemachend wie dieses Ereigniss für 
Diogenes ;virttr, den es suerst auf seinen eigentlichen Beruf 
hinwies, so mnsste es natürlich auch für seine Anhänger 
Gegenstand fortwShrender erbaulicher Betrachtung und hnmer 
neuer Darstellung werden. Einen besonderen Reis erhielt es 
noch durch den sonderbaren Gontrast, welcher sich dabei 
Oaswttti m zwischen dem Kyniker und sdnem alten Gegner Piaton heraus* 
stellte. Auch dieser war in die Sklaverei gerathen und auch 
bei ihm sollte sich dnran die erste eigentliche BethStigung 
seines Lehrtalents, die Gründung einer Schule in der Akademie 
geschlossen haben. Al)er ausserdem welcher Unterschied! 
Piaton war durch einen Freund losgekauft worden, Diogenes 
hatte ein ähnliches Anerbieten verächtlich zurückgewiesen 
(Diog. VI 75^ und eben hierdurch sich jedem, auch dem 
härtesten äusseren Schicksal Überlegen gezeigt ^j. — Noch 
einmal wiederholt sich hier, was wir überhaupt für diese 
Literatur characteristisch fanden: der Kynismns übertrumpfte 
darin die SokratU^ insbesondere den Piatonismus. 
Bnliamiw. Schon früher haben wir die dem Dialog parallele Ent* 
Wicklung des Mythos verfolgt In dem Maasse als die 
dialogische Kraft abnahm, drängte sich der Mythos vor, bis 
er schliesslich, schon bei Piaton, die Obeiliand gewann. Bei 
Späteren, wie in der Nekyia Mennipps, wuchs er bis zu einem 
selbständigen literarischen Werk heran, in dem nun so wie 
früher der Dialog den Mythos eingeschlossen hatte, so jetzt 
urngekehrt der Mythos den Kähmen für Dialoge abgab. Wozu 
die Entwicklung des Dialogs drängte, das wurde ausserdem 



AdIbss an Diogenes die Frage gerichtet wurde ic6icv iTi} nad er daranf 
die berttlimte Antwort gab: «oofKonoXiti]« (Diog. VI SB). 

4) Namentiicb nach Phüons Bericht voL II p. 464 hemhte auch heim 

Dichter der Reiz der Darstelluag darauf, dass eine Ilcrrscbematur Bich 
auch im Sklavcnkleid verräth und schliesslich die Uir zakommeiide 
Stellung erringt. Hartiinp Eur. rest. I 4ß3. 

2) Seneca in den I]\horlationes hatte Piaton und Diopones zusam- 
mengestellt, >^eil beide in die Sklaverei gerathen waren (Laclant. insi. 
III, ä5, 13 = fr. 23 Haase). 



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Mythos des Bnbemeros. 



391 



doroh die Ndgang dieses sopliistisdien Zeitalters befördert: 
denn Mythen su enfQiIen und su verwenden kennseiclinel 
immer die Sopiiisten in den versdiiedenen Perioden des Alter- 
thnms^). Daher hat dieses Zeitalter der wiederaoflebenden 
Sophistik auch den kolossalsten Mythos des Alterthums her- 
vorgebraehlf »die heilige Urkunde« des Euhemeros. So lN6b«Uig»Ur- 
yiel aueh sebon Ober sie geschrieben worden ist, so scheint 
man mir doch noch nicht zu ihrer fieurtheilung den richtigen 
Standpunkt gefunden zu haben 2). da man sie noch niemals 
meines Wissens mit dem von Plalon im TiiiKiios und Kritias Vergleiohung 
begonnenen, leider nicht \tHeri(l(^ten )iistoiis( hen Mythos ver- J?*^**"*5 

o ' . . rimn.i'-i- QUA 

glichen hat^j. Und doch sind die Uebereinstimmuugen zwischen Kritiai. 
beiden höchst merkwürdig. Auf eine ferne !nse! im Welt- 
meer, reich ausgestattet mit Metallen^), Pilanzen-] undlhieren^) 
aller Art, fuhren uns beide, Piaton nennt sie Atlantis, Euhemeros 
Panchaia. Beide können sich sodann nicht genug thun, uns 
die Pracht des Tempels zu schildern^), der den eigentlichen 
Mittelpunkt der Insel bildet^ bei Euhemeros ein Tempel des 
Zeus, bei Pbton des Poseidon. Sits eines mächtigen Reiches 
war Atlantis sowohl als Panehaia, und seine Könige» die Nadt- 
kommen des Uranos und des Poseidon, herrsehten weidun 
über die Welt^), die Namen Ton Landern und Gegenden sengen 
noob heutigen Tages von ihrem Dasein und Wirken*). Doch 
würden wir weder yon dmi einen noeh von den andern etwas 
erfiihren, wenn nicht alte Inschriften ihr Andenken bewahrt 
hätten. Was uns Piaton aus der Urzeit zu berichten weiss, 
beruht auf Tempolinschriflen (Tim. 23 A), tepot 7pa}j.|xata nennt 
er sie (23 £} ; auch dem Euhemeros dient zu gleichem Zwecke 



1) Intesiint bbalas sagt Cicero In flirar Gharakteristik Orator 65> 
1) lUcbtiger als Andere vrleilt Rihbeck, Gesch. d. rtfm. Dichtung 
I 46 f. 

3' Id «bnlichen Phantasien hatte sich auch Tbeopcinp ergangen 

fr. 76. 

4) EuliPmeros bei Diodor V 46. 4. Platoo Kritias H4E. 

5) Diod. 43, i f. Krit. < 1 4 E. < 1 5 A. 
e) Diod. 48, 9. 45, 4. Krit. 4 H £. 

7} Diod. 4S, 6. 44, 1. 4S, S L Eni IIS D ff. 

S) Diod. V 44, 6. VI S, S. Piaton Um. S5 A i: Krit. H4 C. 

9) Diod. VI S, 40. Krit. 444 A f. 



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392 



IV. Ueberreste bei den Ale&aadrioeni. 



eine Tempelurkunde, die er mit -ihalichem Namea i£pa ava- 
Ypa(piQ^Qeimt und derea Kenntniss er ebenfalls Priestern 
verdankt'). Die alten Könige selber haben durch Aufzeich- 
nungen dafür gesorgt, dass die Erinnerung an sie lebendig 
bleibe 2) und swar sind diese Aufzeichnungen beide Mal anf 
einer SSuIe aus kostbarem Metall*) eingegraben, die aioh in 
Mitten des Haupttempels, das eine Mal des Tempels des Zeus, 
das andere Mal des Poseidon, befindet Aueh was uns 
Euhemeros Uber die politisdie Verfassung der Insel su seiner 
Zeit berichtet, hat seht Vorbild bei Piaton. Nach Buhemeros 
sind die Bewohner der PanchSa nach dreiStlnden gegliedert: 
den ersten und herrschenden bilden die Priester, denen die 
Künstler {rz'/yX-ai) angeschlossen sind, den zweiten die Bauern 
ufui den dritten in Verbiudung mit den Hirten die Krieger *i. 
Das ist mit geringen Abänderungen dieselbe Eintheilung der 
StSnde, die wir aus Piatons Mythos kennen*); und ebenso 
(M-iiHiert an den platonischen Cominunismus das Verbot, dass 
Niemand persönliches Eigenthum erwerben dürfe''). 

Nun besteht allerdings zwischen Piaton und Euhemeros der 
grosse Unterschied, dass Piatons Urmenschen, die AUantiker so- 
wohl als die Athener, von den Göttern abstammen und f^st im 
Laufe der Zeit das Göttliche in ihrer Natur Yom Menschlichen 
verdunkelt und flberwunden wird'), in der bekannten Theorie 
des Euhemeros dagegen umgekehrt das GdtlUohe aWmÜhlig 
aus dem Menschlichen herauswächst. Doch wird auch dieser 
Unterschied wieder durch das beiden Gemeinsame gemildert, 
dass nach Piaton sowohl als Euhemeros die ältesten Menaehen 
von solchen unmittelbar regiert wurden, die die filtere Zeft 



1) Platoa a. a. 0. Diod. V 46, 4. 

2) Diod. V 46, 4. VI «, 7. Krit. H9 C (8, «0 C). 

T: Bfi Euhemeros aus Gold, bei Piaton aus dpclj^oXxo«, der aber an 
Werth dem Golde zunächst steht (Krit. 4 4 4 K).' 
4) Diodor V 45, 3 fT. 

."») Tim. 24 A f. Da es sich hier nicht darum handelt den Euhemeros 
zu einem sklavischen Nachahmer Platons zu machen, so ist es unweseoU 
lieh» dass die drei Stttnde bei Platon sich nicht auf der Atlantis, die sonst 
das Vorbild der PaocbSa ist, finden, sondern in Ur^Alhen. 

6) Tim. Sa E. Krit. 413 C. 4SI A. 

7) Krit. 444» D. Diodor. V 45,5. 



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Mythos des Euhemeros. 



393 



ate Götter vmhrte'), in (taiohia yon Uranos Krono« und 
Zeus, «iif der AttanÜB Yen Poseiden. Ja, dass Kldto neben 
Peeeidon in einem Tempel von besonderer Heilif^eit verehrt 
wird (Krit. 416 C), Kleito, die doch nicht einmal gdttliohen 
Ursprungs ist, sondern von swei Antoefalhonen Buenor und 
Leukippe abstammt (Krit. H3 D], ist ein Stttckchen Enhemeris- 
mns mitten in der reUgiösen Fabeiwelt Piatons, das wohl ftlr 
Euhemeros ein Motiv zu weiterer Ausbikluni^ werden konnte. 

Aber nicht bloss in dem, was sie Wuuderhures berichten HiitoriiolM 
aus fernen Ländern und langst entschwundenen Zeiten, treffen ^*"f* 
beide zusammen, sondern auch in der Art, wie sie unseren 
Glauben daran zu stärken suchen. Ich meinp hier nicht die 
alten Urkunden, auf die sich Beide berufen und von denen 
schon die Hede war, sondern die historische FSrbung die sie 
ihren Mythen gegeben haben. Piaton hat fUr die Schilderung 
seines Kampfes der Urathener mit den Atiantikem Züge aus 
den Perserkriegen entlehnt (lim. 25 Bf). Deutücher spiegelt 
sieh in den Bnahlnngen des Euhemeros das Zeitalter der 
Diadochen, ihre Fallastintiiguen^) und Erobemngsiflge. Wenn 
wir weiter hOren, dass Eronos seine Sdiwester heirathete, 
Zeus drei Frauen hatte (0iod. VI 8, 8 f.), Uranos die Wissen- 
schaften und insbesondere die Astronomie pflegte [Diod. Y 44, 
5 f. YI Sl, 8), so sind dies Züge, durch die wir an den Hof 
der PtolemSer versetzt werden. Auch die Aufzeichnungen, 
avaYpo«pa{, des Zeus ^) haben vieUeicht ihr historisches Gegen- 
bild in den ßotodixal avaYpa<pa{^). Dies — und vielleicht 
liesse sich noch anderes hinzufügen'') — fuhrt, zumal wenn 



4} Krit. 4 09 B f. 4 43 E f. 449 C (xord imrcoKoi td; -oj iloo^ricovo^J. 
S Vgl. be8. Ennius Buhem. fr. Hl ff. ed. Vahl. 
B) Diod. V 46, 4. VI 1, 7. Laetuit. Inst. div. 1 44 sagt von Juppiter: 
g^ta Buk perseripBit ut monimentiiin esset posteris remm saarum. Nicht 

umsonst erinnern diese Worte an die res gestae divi Augosti und für 

die Frage, wir diese letzteren aufzufassen sind — wenn man sie über- 
haupt noch aufwerfpn will — licssc sich aus ihnen vieHeicht noch etwas 
gewinnen. Auch die ot^Oipat ßastXixal des Ktosias bei Diodor. II 82, 4 
können verglichen werden. 
4) Appian Prttf. 40. 

8) Die Entsciieldiing wird auch dadvich erschwert, well wir nicht 
wissen wann Snhemeros seine Schrtfl verfasst bat, ob noch bei Leb' 



394 



iV. Ueberreste bei den Alexaodrineni. 



inaD die fiusserst geringe Zahl der aus Euhemeros' Schritl 
orbiütenen Bruchstücke bedenkt, auf den Gedanken, dass es 
dem Verfasser nicht sowohl um eine Umwandlung der alten 
Sagen in ernsthaft gemeinte Geschichte zu thun war, sondern 
BfttiM. um eine Art Satire in der Form der Ersfthlung. Beslftrki 
wird man in dieser Meinung , namentlich durch das, was 
Euhemeros Ober Kadmos berichtet hatte» der ein Koch des 
Kdnigs von Sidon gewesen und mit dessen FlStenspielerin, der 
Harmonia, durchgegangen sein soll*). Dies scheint nur als 
eine lustige Verhöhnung gefissl werden su kOnnen^). 
T«ndeii«clirift. Die Schrift des Euhemeros. vermuthe ich, war eine Tendenz- 
schrift aus dem Kreise Kassanders heraus^) und gegen (iie 
Ptolemäer gerichtet. Während man in Alexandria ein Behagen 
und ein InteresM' dnrin fand eine religiöse Orthodoxie und Hof- 
theologie zu pflegen, wehte am Hofe Kassanders, des Schülers 
des Aristoteles, des Freundes des Theophrast (Diog. V 37) 
und Speusipp (Diog. VI), eine freiere Lufl<). Im Sinne seines 
Gdnners war es daher gewiss, wenn £uhemero8 darauf hin- 
wies auf wie schwachem Grunde eigentlich jene prunkende 
und dünkelhafte Theologie stand, wenn er bemerkte, dass die 



Zeiten Kassandors, und 'wie lang er selbst gelebt, namentlich üb er noch 
den zi^eiten Ptoleoiäer erlebt bat. 

4} Athen. XIV SSSF. Unwichtig scheint mir, dass Euhemeros sieh 
hierfür auf die Autorität der Sidonler herafen hatte. Doch ist bemeikeDS» 
Werth, dass Euhemeros gerade hier Kwec lieisst und nicht Mcev^me: 
indessen ist bekannt, dass die Angaben üIxt seine Herkunft auch sonst 
variirten. — Ucbrigens setzt auch Euripides Phrixos fr. SI6 voraus dsss 
Kadmos nicht der Sohn des Agenor war. 

2^ Ob er aber damit einen Einzelnen seiner Zeitgenossen und wen 
er <labci im Siuae hatte, lUsst sir h nicht mehr sagen. Der Koch mag 
daran erinnern, dass Ptolcmäos das Auit eines i&laxpo; oder Truchsess 
bei Alexander bekleidete (Atbeo. FV 474 B}; «ad der ganse Vorgang hat 
eine gewisse Aehnllchkeit mit dem, was über Harpelos lieicamt ist (Diodor. 
XVII 408, 4 ff. Schflfer Demosth. lU* SOS f.). 

3) Im Auftrage Kassanders wollte ja Euhemeros seine Heise nach 
der fabelhaften Insel Panchtta gemacht haben (DIod. M 2, 41 

4) Bei Alexander hatte er schon Ansto??s pr»jrrben durch sein Lachen 
über solche, die den Konii; anbeteten Tlut. Alex. 74). Lachares der 
TempelschMnder prfrente seiner Protection {Pausan. I 25,7 59. 16J. 
Aehnbch darbte Antiironu^, , wenigstens was die damals grassircnde Vcr- 
gutterung von Menschen beltillt, nach Plut. de Is. et Osir. 24 p. 360 C . 



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Mythos des Euhemeros. 



395 



angeblichen Götter nichts wdler als Menschen seien und iwar 
Menschen derselben Art wie wir nnd deshalb der Glaube an 

sie gebildeten Männern nicht zugemuthet werden kSnne, son- 
dern höchstens tauge, die Masse des Volkes im Zaume zu 
halten. Damit war schon dem Einwand begegnet, dass die 
Staatsraison eine gewisse Frömmigkeit erheische. Auf Panchäa 
lehen die Menschen äusserst glücklich, auch fromm sind sie'); 
aber die FrBraraigkeit ist rnir auf die unteren Schichten des 
Volkes beschränkt^), die Priester, welche regieren, wissen 
recht wohl, wie es mit den Göttern steht, sorgen aber nichts- 
destoweniger im eigenen und im Staatsinteresse daiür, dass 
Glaube und Gultus erhalten werden 3). Das war das Ideal, ideaUc« 

4 ) Dia c65aKfAOvCa ergibt ^ch aus der ganzen Scfailitonii^ besonders 
liervorgehoben wird sie in Boxug auf die Stadt ilaviipa Diod. V 4S, S. 

Heber die Frömmigkeit v^l. hos. vi s, 4. 

2i Auch di»'-< ergibt der Zusammenhang bei Diodor. Vgl. noch 
5ext. Emp. adv. dogm. III 17; evfte** *ai toi; ttoXXoT? ^voufaftr^s^v OeoL 

3} Dass es ausser den Güttem, deren menschlidio Natur die Frie:»ter 
kannten und £iihemero8 verkündete, noch andere gab, denen der CnK 
nnd die Frsmmigkelt der PancbSer galt, Ist dnrcb nichts zu beweisen. 
SSwar schiebt mua gewtfhnllcb dem Bobemeros die Ansicht an (noch 
Zeller in der neuesten Auflage seiner PbiL d. 6r.)> dass er zwei Arten 
von Göttern unterschieden halM^ ausser den zu Göttern erhobenen Men- 
schen noch himmHsche und unvergänK'i<'fi*' Wesen, wie die Snnne, die 
Gestirne und Winde. Aber Diodor VI ä, 2 f., auf den man sich deshalb 
beruft, besagt dies Iveim swcg«?: jene Unterscheidung, die dort allerdings 
gemacht wird, steht doch ausserhalb des Abschnittes, der auf Euhemcros 
surttekgeftthrt wird. Mit melir Scheia kann man dagegen auf die Worte 
desselbMi Historikers a. a. 0. S binwelaen, wo es von Uranos heisst: 
icpAxov loobxic Tt}fc^oat to6c o6p«e«(ot)c 8te6c* 8iö «al O&pow&v icpooaYOpcu- 
8l}vat. Doch erregt diese Stelle schon durch ihre Vereinzelung Bedenken 
und diese Bedenken werden verstärkt durch Verpleichunf: des Eiinins- 
scben Euhemeros {fr. VII Vahl.), wonach nicht tranos nacli dem Himmel 
sondern umgekehrt der Himmel nach l'ranos genannt worden ist (vi;l. 
auch Diod. V 44, 6). Mir ist deshalb wahrscheinlicher, dass in Diodnrs 
Worten ein Versehen, sei es des Sclireibefs der Handschrift oder audi 
wohl Dfodors selber vorliegt Nur bei dieser Annahme erklärt sich Plu- 
tarch de Is. etOsfr. St p. 8S0A wonadi Euhemeros ic&«av i^ivtftaiuatt- 
oxeMwoet rijc olxou|x£vr,; tou; voixtCofx^vouc Oeoui; rdvToic 6|AaXAc 
Ypdcpeov, fisTaYa^ibv (dies Wort ist wohl hinzufügen} ei; Ävofxa OTpaTTjYcov 
r.n\ viudtcytnv xai '^n^Oh^ri to; ^ roXai fV(0yi6xais. Auch bei Cicero De 
nat. deor. I il9 wird die Theorie des Euhemeros ledit^licfi dndurch 
charakterisirt, dass sie die Götter zu sterblichen Menschen herabwürdigt. 



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396 



IV. L'übcrrcstc bei den Aloxandrinero. 



das dem Euhemem vorschwebte imd aus dem seine Satire 

gegen die Ptolemfier entsprang: ein Reich, beherrscht von 
einer Aristokratie der Gebildeten, der i'hilosophen, bei ihm 
so gut als bei Piaton unter dem Priesternamen verborgen, 
zu deren Privilegien unter andern auch die Freigeisterei ge- 
hörte; kein Konigthum V wie es der erste Ptolouiäer begründet 
hatte — auch hier zeigt sich wieder der Freund Kassanders, 
der aliein unter den DiadochenfUrsten dem Vorgang des 
Ptolemäos nicht gefolgt war und den Königstitel nicht ange* 
nommen hatte, mochten ihn auch Andere damit schmUcken. 
EniwiBAfM im Man hat den Euhemeros schon im Alterthum grOndlich 
AU(«rt)iTim miss verstanden, indem man ihn einfach su den Historikern 

susaTarttaaden 

rechnete und dann natflrlich der gröbsten Lflgen sieh. Eine 
ganz vereinzelte Stimme ist diejenige CSolumellas (IX 8), welche 

von einem Euhemeros poeta redet Schon Eratosthenes 
hat sich jenes Missverständnisses schuldig gemacht. Wir sind 
aber durch dessen Autorität so wenig gebunden als durch 
die des Aristoteles, wenn er uns glauben machen will, dass 
die mythische Einkleidung des platonischen Timaios mit zur 
wissenschaftlichen üeberzeugung des Philosophen gehöre, oder, 
was uns hier noch näher berührt, durch diejenige Krantors, 
der den ganzen Atlantis-Mythos des Kritias für spure historische 
Wahrheit« (ioropfav <|^tXiJv Prokl in Tim. p. S4 A) hielt Die Men- 
schen bleiben sich in dieser Besiehung in alter und neuer 
Zeit gleich: was packt und interessirt, erhält dadurch einen 
Anspruch als wirklich zu gelten 
MluMtiMa Euhemeros, indem er die Mythen auflöste, schrieb doch 
^^^^ selber nur einen Mythos. Nur in den aUgemeinen Umrissen 
desselben dürfen wir daher den Ausdruck einer wissenschaft- 
lichen Ueberxeugung erblicken; alles Einzelne ist poetische 



I) Diod. V 4S, 5. 

8) Ueber die Lesart s. Vahlao zu Ennius Euhem. fr. V. 

3; S. was d'AnCona I pracarsori di Dnnle S. 50 über die Insel des 
heiligen ürandano bemerkt, die auf einer ühnlii hen Fiction wie die Pan- 
chäa und Allanlis Itenihend doch In die geocTaphischen Bucher aufge- 
nommen und Sü^;ai auf Landkarten verzeichnet wurde. Wie die Erzöh- 
lung des i{uhemer(js packte, zeigt ihre Popularität; von der Atlant»» 
bezeugt es Flutarch Non possc suav. v. sec. Epic. 40 p. 409SA. Mit den 
homerischen Gedichten ist es ja nicht anders ergangea. 



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Ilythos des Euhemeros. 



397 



AussdunflekuDg dem Effect sa Liebe, sei es nun, dass er 
durdi die Farbenpracht seiner Schilderung die Phantasie 
des Lesers anfeueni oder dass er durch satirische in das 
historisdie Detail versteckte Beiiehungen auf die Gegenwart 
die Lachlost rdzen wollte. In der einen wie der andern 
Hinsicht cehl er über Piaton hinaus, so sehr er sich im All- g«litftW 
gemeinen ihm unscbliesst. Auch ganz äusserlich betrachtet, 
ist dasselbe der Fall, da sein Mythos umfangreicher ist als 
irgend einer der platonischen. Während sodann bei Piaton 
der Beweis für die Glaubwürdigkeit des Mythos in feinen 
Fäden hängt, die an die Person Solons angekntlpft sind, tritt 
uns Euhemeros ohne Weiteres mit der Versicherung entgegen, 
dass er selber an Ort und Stelle gewesen ist und alle Wunder 
mit eigenen Augen geschaut liat Dieses plumpere Verfahren trinnert »& dit 
erinnert ebenso an die Sophisten wie jenes andere der sokra- BopUMn. 
tischen Ironie verwandt ist Und sophistboh ist auch das 
Yiel stfirkere Hervortreten einer destruetiven Tendens: wollte 
Piaton in seinen Mythen die vnlgSren Vorstellungen Ober die 
Gölter und unser Yerhältniss zu ihnen nur läutern, so wirft 
sie Euhemeros einfach über den liaufen. Nicht umsonst trifft 
er daher mit einem echten Vertreter der sophistischen Be- 
wegung, Kriiias ud« r wer sonst der Verfasser des Sisypiios 
ist, bis aufs Wort zusammen 

So wiederholt sich auf dem Felde des Mythos dasselbe 
Verhältniss, das wir schon zwischen den Dialogen der Zeit 
und ihren sokratischen Vorgängern beobachtet haben: denn 
die Skepsis und Verhöhnung jeder Theorie trat in der Henip- 
pischen Satire an die Stelle der sokratischen Kritik. Und 
wie die Satire, weil oberflSchlicher, eben darum auch popu- 
lärer war als der Dialog, so hat auch idie heflige Urkunde« 
ohne Zweifel mehr Leser gebunden als je einer von Piatons 



i j Die Kiiindunf; der Götter leitete Euhemeros naeli Sext. Kmp. adv. 
dogni. IX n mit den Worten ein 5t t^v dxaxTo; dvi^pcuitojv j^io;. Dieselben 
Worte lesen wir Sisyph. fr. I, 1 N. und auch hier folgt auf sit; wie Wi 
Euhemeros die echt sophistische Theorie, das» die Ciotter eiue Erüuduug 
kliiger Leute sind, die durch dieses SebreeUiild die Menschen lelehter 
regieren m IcOnnen glaubten. Vielleicht sind die Worte bei Euhemeros 
•ein Gitat aus dem Sisypbos: denn würden sie um so mehr beweiseUf 
dass er sich des Anschlusses an jene sophistische Theorie wohlbewusst war. 



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398 



IV. Ueberreste bei den AtoKandrinen. 



Mythen, die keio ßmiiu gewagt haben wMe sehien Lands- 
leaten su verdoUmetachen. 
Bubge Inhaltlich war der Dialog jetit so weit erleichtert, daas 
ift Ymn, Absicht und WhrlLUDg nach von einer blossen Dich- 

tung kaum noch unterschied; auch in der Form hielten die mo- 
dernen Sophisten die Grenze der Prosa niclil melir inne, sondern 
schwankten, wie wir sahen (S. 38 < ff.), zu den Versen hinüber. 
Es war nur ein kleiner Schritt weiter auf demselben Wege, 
wenn man jetzt auch ganze Dinloge in Versen gab Den 
Anfang dazu balle bereits Matron in seinen Parodien gemacht 
(Brandt Corpusc. poes. ep. Gr. lud. I 56 s. o. S. 360). In 
XlftaCbM. Versen hatte der Stoiker Kleanthes ein Gespräch zwischen 
Vernunft (Anr^ia^) und Leidenschaft (8o|Mi^) ausgeführt^ wo- 
von uns noch ein Fragment erhalten ist^). Noch weiter war 
Timon fw hierin in der ersten HlÜfte des dritten Jahrhunderts Timon 
von Phlius gegangen. Zweifelhaft ist, ob sein »Todtenmahl 
des Arfcesilaosff (s. o. S. 345, 5) in Versen abgefasst war, also 
ein versiflsirtes Symposion darstellte (Wachsmnth SiUogr.^ 
S. 30). Aehnlich steht es mit dem »Python«. Den Inhalt 
bildete ein Gi s[»r;icli. das Timon mit seinem Lehrer Syrrhon 
bei einem Zusumüientreffen auf dem Wege nach Delphi zur 
Feier der Pythien geführt hatte und das er nun einem sonst 
unbekannten Python wiedererzählte ^j. Wir haben also die 



V: Aristoteles hatte diese Zeit koiiiincn sehen. Poel. \ p. 1447^9 ff. 
sagt er in bekannten Worten: oiSr* ^ap av l^otixev dvoj^aoai xoiviv toj; 
Sdb'f povot xat E&vdp'/ov» (a((iouc xal touc XoaxpatixoCkc Xö^ouc oulk sX xii otä 
Tpt[j.£Tp(uv iXc^euuv 1^ xräv dXXoov Ttvcuv t6v TOioutav icototto r^v 
(jiY]oiv. Der Sinn Ist: wenn Einer in Versen solche Dioge» wie sie nllm- 
licb in den sokratisolieii Gesprächen stehen, naclibilden wollte. Die an- 
deren Erklärungen der Worte scheinen mir namentlich an dem Optativ 
zoiotTo ZU scheitern: denn dieser setzt voraus, dass Aristoteles von einer 
Dichtungsart spricht, die damals noch nicht vorhanden war. 

f) A. Ti rot' ir: Z ti f^cuXet, ftut;.!, to^to ftoi fp^cni. 

A. BotaiXtxöv tati. ttX-^v oficu; ei-ov iraXi-K, 
ö. 'Uv dv iniD'JiJuu, xa'j»)" ottoi; iftv/jaeiat, 

Galen, de plac. Hipp, et Plat. V 180. Mnllach. fragm. philos. I ISS. 
Z) Der Titel n6laiv wttrde In diesem Falle ein neuer Beleg für meine 
AnITassung von Antiodios' Sosos sein vgl Unteres, zu Giceros phll. Sehr. 
lU S. S7Sf. Ich verweise jetzt noch aaf den pseado-platonisdben Demo- 
dokosy der seinen Namen lediglich daher trttgt, weil Demodokos darin 



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Dialoge in Venen. 



Form der WiedererzäiiiuuL' wie in (ien sukratischeo Gesprächen. 
Oh das Ganzo aber prosaische oder poetische Form lialtc, ist 
mit Sicherheit nicht mehr auszumachen ' . DriLici:» n einen 
Dialog mit Pyrrhon, in dem dieser den Timon in die Geheim- 
nisse der skeptischen Ethik einweihte, hatte er in seinen 
4vdaX}M>l in elegisches Venmaass gebracht^). Durch mehr 
Fragmente noch sind uns sodann seine lOloi bekannt, eine 
SchmfihschriA gegen die degmatisehen Philosophen und in der 
Form einer Nekyia*). Timon steigt in die Unterwelt auf dem 
von Orpheus, Pythagoras und Andern gebahnten Wege und 
wird hier Zeuge einer Geisterschlacht swischen den Philosophen 
der iltesten und jüngsten Vergangenheit. Sein Führer ist der 
geistesverwandte Xenophanes, dem er selber Aber die noch 
lebenden Philosophen der Gegenwart berichten muss^). Alles 
dies wurde in Hexametern vorgetragen, wie auch In der An- 
lage des Ganzen das homerische Vorbild nachgeahmt war. 

Es war dieselbe Zeit, in der der Vorläufer des sokrati- Vmificirtwi 
sehen Gesprächs, der Mimos Sophrons, von Tlieuki it und Heron- g^JeJ'aokratM 
das und der Embryo des Dialogs, die Ghrie, von Machon in and Aapaala,' 
Verse gebracht wurden^). Was Wunder also, wenn auch den 
eigentlichen Dialog dasselbe Schicksal traf und ein unbekannter 
Dichter in holperigen Hexametern den Sokrates ein Gespräch 
erzählen liess, das er einmal mit der Aspasia Uber die Liebe 
geführt hattet). Im Allgemeinen mag er sich dabei an 



der Angeredete ist. und auf Aristipps Schriften rpö; tou; vaua-fouc und 
rp6; TO'j; (pj^cioa; (Diog. II 84), die anderwürls (a. a. 0. 85) voüa-yoi und 
^•j^dSe; genannt werden. Ifotrodon Sehrift np^c Tip-oxpdtnjv heisst auch 
TtHoxp^^t^ (Dflning S. 87). Vgl. auch Uaeoer Eplcurea S. SS. 

i) Das Nähere Uber diese Schrift bei Wachsmuth SilIogr.< S. SS. 

2] Wachsmuth Sillogr.^ S. 2< f. 

3} Auch die Aijfiot des Eupolis künncn vergUcbea werden. 

4) Wachsmuth Sillogr.2 S. 39 (T hos. S. 48. 

5) Vergleichbar sind auch solche Epigrauuue wie I und Xlll des 
Kaiiimachos (cd. Mein.). 

6} Athen. V aisC Wichtig ist es zu erkcunen^ wie Jacobs KI. Sehr. IV 
8. 305 gethan hat» dass Sokrates die beiden Yerae xolf u» oticj; Y^xouoet xtX. 
spricht und also als der BnSbler des ganxen GesprSchs m denken isl. 
Wo der Krateteer Uerodikos diese) Verse und die daxu gehörigen bei 
Athen, a. a. 0. E citirt hatte, kann zweifelhaft sein (Jacobs a. a. 0. 394 . 
Wahrscheinlicher ist mir, dass sie in der Schrift npös töv ^iXoamxfotnjv 



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400 IV. Ueberresle bei den Aiexandriocra. 

Aischines (s. o. S. 437 f.) gehalten haben; doch hatte er nicht 

bloss die Form, sondern auch die Empfindunt^s weise ins Alexan- 
drinische übersetzt und aus der ironischen Krotik des Sokrates 
eine ernsthafte und süssh'che Verliebtheit gemacht'). Welchen 
Reiz diese Aufgabe, ein Gespräch in Versen darzustellen, gerade 
auf Zeiten einer raffinirten Kunst übt, hat niemand besser 
bezeugt als Torquato Tasso, der in seiner Schrift »von der 
Kunst des Dialogst derartige Yersifizirimgen verwirft und doch 
z. B. in seinem i ergrauten Liebhaber« (Amante canuto) der 
Versuchung einer solchen erlegen ist 2). 
Epigramme Man versifisirt« damals nicht bloss Dialoge, sondern man 
u DiAiogfonu ^ 2u sagen, die Verse. Die Weih- und 

Grabinschriften geben dafilr Belege (die Tradition erhielt sich 
hier bis in die Jahrhunderte der Kaiserseit, eiia Beispiel aus 
dem zweiten Jahrhundert n. Chr. gibt Dieterieh Nekpa, S. 407). 
Glaubte man früher den Steinen genug Leben einsuhauehen, 
wenn man sie den V^anderer, den Beschauer anreden, wenn 
man, vne auf der Grabschrift der bei Chaironeia Gefallenen, 
die Todten zum Zeitengotte sprechen liess (Raibel EpUi. 
Gr. 27], so genügte dies nicht mehr in einer Zeit, die auf Ab- 
rundung der Forna drang und einen besonders ausL^ bildeten 
Sinn für das Feine und Ivieine hatte. Beiden Bedürfnissen 
entsprach die dialogische Fassung, die ausser dem Redenden 
auch den Angeredeten zu Worte kommen las st und eine Se- 
cirung der Gedanken bis in ihre kleinsten Theile ermöglicht. 
Nach Simmias (A. P. VII 62) hat sich daher Kalh'machos des 
Dialogs im Epigramm bedient (A. P. VI 354. VII 3<7. 524. 

und Spfitere, wie schon Dioskorides (A. P. VII 37J sind 
ihm hierin gefolgt Namentlich finden wir jetit 5fter eine 

standen: ans dieser Schrift stammt die Bemerkung über Sokrates' Ycr- 
. halten in der Schlacht bei Dolion (Ath. V 2<5Ff.) und doch wohl auch 
die über den Sdiluss von IMalons Symposion (n. a. 0. f 92B . 

<) Hier ist der (iegeustand der Liebe Alliibiades. .Sonst wurde in 
alcxandrinischcr Zeit auch das Verbaltuiüi» zwischen Sokrates und Aspasia 
unter die erotischen gerechnet (^Hermesianax bei Athen. XIII ftSSA o.S.82,4), 
wie man in hyzentioischer Zeit ein eben solchee rwiadieo Anaxagoras 
und der Lais kannte (l^ulus Silentiarius Antb. Pal. VI 7. * Jacobs Venn. 
Sehr. IV 406.]. 

i Von Scratino doli' Aquila finde icb ein »Sonette in dialogo solle 
natura d'amore« citirt. 



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Die Archaiston. 



404 



hastige, die Worte jagende Katechese über die Weihei?al)e 
oder den Todten und seioen Grabstein, die an die Stelle 
der einfaelien nnd wfirdigeren ErUSnmgsweise der alten 
Zeft tritt <). 

Sin selbsttndiges Leben batte der wissenschaftticbe Hialog StoliakiitaB. 
niebt mehr; so weit er nocb bestand, bestand er durch Naoh- 
abmong nnd war eine Pmcht des gelehrten Interesses, das 
man an den Dialogen der klassisehen Zeit nahm. In dieser 

Hmsicht sind zwei Stoiker 2), beide unmittelbare Schiller Ze- 

nons, raerkwtirdig. Herillos und Persaios. Da in der H«rQloi ud 

Stoischen Schule die iorm des Dialogs sonst nicht Lerade 
(iblich war (S. 370 f.), so müssen Herillos und Persaios zu 
ihrer Wahl durch andere Gründe bestimmt worden sein 
und gewisse Spuren führen darauf, dass für Herill ebenso 
das Vorbild Piatons 3' als für Persaios dasjenige Xenophons 
entacheideud war^j. Dass das gelehrte bistoriscbe Interesse 



4) Als Betepid stehe das Epigramm des Kailimachos (A. P. VI 364 

io dem Herakles sich mit einer ihm geweihten Keule untertiilt: 

ß. ö^xe^Tl;; a. Apyivo;. p. lloto;; a. '0 Kot,;, ß. A£yo|;iai. 
2) Dass man auch innerh.^Ib doi' stoisrhen Schule der Form (hs 
Gesprächs oeben der DiaJeiiUk überhaupt noch eine gewisse Bedeuluag 
beilegte , ergibt Sich schon aus der hier gemachten Dntencheidung zwi* 
sehen &taXi|fodai und (taXo^^eVat, von der bereite o. S. 1,4 die Rede war. 

5) €efoer üerills Dialoge vgl. üntene. an Cic philos. Sehr. II 47, 4. 
08. 84. Dass der Name und wohl auch die schärfere AufTassung der 
Ifaieutik eine platonische Erfindung ist, hatte schon Peipers Erkenntniss- 
theorie Piatons S. 234 angedeutet. Die nächste Annahme ist doch dass 
der NofAoftlrri?, M7tE'jTnt'5- , 'AvTicpepcov 'P^iciidn-Phiton Eryx. .195 B), Ae- 
^doxaXoc, dtasxEuäviov, E'jöüvaiv Dialoge waren. l>as» diese) 1m;q durchweg 
appellativisch, wie onter den pseudo- platonischen die 'AvTspaoraC, und 
nldit durdi Eigennamen beaeichnet wurden, spricht nicht gerade für 
^ne lebendige Charalcteristüc der Gesprfiidispersonen. Vgl. anch den 
^AcoMtpTepuv des Hegesias und das dazu S. 316 f. bemerkte; ausserdem 
S. 840 f. Ueber 'Ept^*^; und Mif)oeia s. dte fo^. Anm. 

'•^ Von den <ym])oti«chen Dinlopen" war in dio«;cr Hinsicht schon 
oben >. 3')G die' Rede. Au< li die IloXiTela Aaxoivixr, konnte er im An- 
sohluss an Xenophon verfu»st bubeti. Teber den Titel Hje^ttj;, der bei 
Diog. VII S8 awischen repl doeßelac und Tiepi ip6zm"i erscheint, kann man 
im Zweifd seiiit ob dadarcb eine Behandlaiig der ThyesteBsage als Inhalt 
der Sobrifl angedentet wird (icepl docßitac ktfmite dann der Nebentitel 
sein and der TItet wtfre gewtthlt wie In den psendo^platonlachen Mlnes 
8irt«l, JNalOf. 



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402 



IV. Ueberreste bei deu ^exandrinern. 



dea Penaios rixk bubesondere der GeacMohte des Dialogs tn- 

wandte, ergiebt sich aas der Kritik, die er an den Dialogen 
des Aischines übte .Diog. II Ol. Unterss. zu Cic. phil. Sehr. 
II 77). Auch auf seine Schüler verpilaazte er dasselbe. Einer 
Hennagom. derselben, Hermagoras aus Amphipolis, hatte Dialuge geschrie« 
ben (Suidas u/Er>u..l daninter einen »Hundefeind« (NTiaoxutüv)n, 
der otTenhar ein Gegenstück zum ^Einfaltshimd« und zu den 
Terschiedeneu anderen Arten, in die die Gattung der Uundi»- 
philosophen xerfiel (s. o. S. 388] , sein sollte und ausserdem 
durch seine appeUalivische fiezelchnungsweise ebenso ivie die 
gleichartigen Titel Herillsoher Schriften {S. 404, 3) auf die 
Zeit hinweist^ in der auf einem verwandten Gebiet, dem der 
Komddie, ISngst typische Figuren an die Stelle der alten 
historischen getreten waren. 
FythtgoNiMiie Wenn die allerdings unsichere Yermuthung (Zeller PhiL 

Lulmto ^' ^^^ ^ Eigennamen wie Helothales, 

worunter der VaUi des Komüdiendichters Epicharm gemeint 
ist, und KrotoD (Diog. L. VIII 7), als Titel von Schriften, auf 
die Gesprächsform deuten, so würde damals, schon im dritten 
Jahrhundert, der Dialog ;mch in die pythagoreische Fälscher- 
literatur Eingang gefunden haben. Die pythagorisirenden 
Dialoge Piatons und des Pontikers HeraUeides konnten ihr 
ein Sporn und Muster sein. 
BifttoitkMiM. Dasselbe historische Interesse konnte auch die alezan- 
drinischen Gelehrten wieder dem Dialoge zuitthren. Das 
Symposion, das Aristophanes von Byzans verfasst su haben 
schemt (S. 361, 2) mag zum Theil eine Nebenfrucht der ge- 
lehrten Arbeit sein, die er den platonischen Dialogen zuwandte. 
Auch an Vorbildern in Alexandria selber fehlte es aber nicht 



und Hipparchos o. S. SSO) oder Tbyestes eine d«r Gesprächspersoiwii 
war. Das letolere wttrde durch Vei^lchuog von Heriiis Schi iric n Ep^^c 
und Mf,0£ti empfohlen worden. Heriil und Persaios würden dann der herr- 

9ch("i)den Mode, Alles in inylholotzlsches Koslüin i\\ hüllen, eine Conccssion 
perjiacht haben. Hichtetou der Thyestes sowohl als die Medeia sich viel- 
leicht ge^en die gleichnamigen Stücke des Kynikers Diogenes? l'ebcr 
diese s. Weber Leipz. Sludd. X i 45 f. u. i 47 f., vgl. aber auch oben S. 387, i. 
Von den mythischen Dialogen des Arlslon von Keos, die derselben Zelt 
angehören, war sdion S» 3Sl t die Rede. 

1) Vgl. noch Unterss. su Gc. phil. Sehr. II St» I. 



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Die Archalsten. 



403 



Schon vor der Zeit des Aristophanes hatte dort Hegesias, der 
unter dem zweiten Ptolemäer (283 — 246) lebte, seinen 'Atco- 
xaptspov verfasst (s. o. S. 316 f. 348, i). Hauptsächlich aber 
lumnle fikr Aristophanes der Vorgang seines Lehrers £ra* 
tosthenes (c. S76 — 196) bestimmend sein. Dieser grosse 
Gelehrte, der sigIi anoh als Dichter Tersuehft hat, mochte in 
der dialogisohen Form ein Mittel erblicken — ähnlich wie in 
8]>litdrer Zeit David Strauss nnd Giaoomo Leopardi — das so- 
wohl den Forscher hi ihm als den Poeten befriedigte. Was 
er in Alhen, wo er einen grossen Theil seiner Lehrjahre ver- 
brachte, sab und erlebte, konnte ihn in der Wahl jener Form 
nur beslärken. Unter dea Pliilosopben. die er dort kennen Stellung m 
lernte, traten am Meisten Arkesilaos und, Zeuons abtrüuniger 
Schüler, Ariston von Chios hervor (Strabo I p. 45) und ver- 
dankten ihren Ruhm uicht irgend welchen Schrifton sondern 
der geistreichen und schlagfertigen Rede des persönlichen 
Verkehrs: ihr an Sokrates erinnerndes Bild konnte wohl in 
ähnlicher Weise die literarische Produktion des Dialogs an- 
regen. Ausserdem war Eratosthenes' Stellung zur Philosophie 
nicht der Art, dass er Neigung haben konnte, eine bestimmte 
Ansicht conseqoent dnrchsofÜhren und systematisch anssu* 
gestalten; die Bewunderung fttr Arkesilaos und Ariston Ter^ 
einigte sich hei ihm nicht bloss mit deijenigen für Bion, 
«ondeni auch mit dem Bekenntniss der stoischen Lehre ^). 



i) "Wonifjstens hat Ihn Strabo für einen Stoiker zcnonischen Bokennt- 
nisses f.'ehaiten, du er ihn I p. 4 5 ZT,vttrvo; -r/j KtT'icuc ^vf^jp-ao; nennt: 
in welchen WorttMi •(^(h^moz nur dann einen Sinn hat, wenn es in der 
abgeblassten Bedeutung eines Anhängers überhaupt, nicht gerade eines 
immittelbartti SohfllM» genommen wird. Wüamowits Antigon. v. Kar. 
S. S40,S1, der auf Grand der Strabo^Stelle den Stoiciamus des Emtotbe- 
nes leugnet, bat auf jenen Avsdruck gar nicht Rtidcslcht senommen nnd 
dafür ungebürliches Gewicht auf Strabos jUwi jJtl^pi to^ loxtis gelegt, 
worin doch nicht liegt, dass er üherhaupt nicht zur stoischen Philosophie 
gehörte, sondern nur, dass er dem Stoiker Strahn darin nicht konsequent 
penuji war. Diesen Sloieistnus scheint mir noch weiter zu hestätigen, 
wui> uw> Uber die Psychologie des kiratosthenes von Jamblichus hei Stob, 
ed. I |k M4 berichtet wird (vgl dasa Bembardy, Eratostb. S. 4 94): denn 
stoisch scheint mir dooh sn sehii dass er einen kOrperiosen Znstand der Seele 
leugnete nnd an die Stelle eines Ueberganp der Seele ans diesem in 
Irg^ndweldie KMper den Uebergang aua feineren Ktfrpmi in aolehe 

26* 



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404 



IV. Uebarrefte bei den AlexandriDern. 



Seine Gelehnamkeit hatte Ihn snm Eklektiker gemaehl: wie 

Yon allen Wissenschaften, so hatte er auch von jeder Philo- 
sophie gekostet. Er war daher im eigenen Interesse angewiesen, 
der Vertheidiger Bions zu werden allen denen gegenüber, die 
dessen Philosophiren zu buntscheckig fanden (S. 377, 31 
Scliriftdii. Auch in seinen Schriften möpon die Einflüsse der ver- 

schiedensten Philosophen 2U Tage getreten sein. In der Schrift 
»Uber Guter und Uebel (icepl a-^adily xal xfluuov) so wie in der 
ittber Reichthum und Armuth« (nepl icXo6too xai ^evi'a;)^) mag 
er den kynischen Sloiker oder Arisloneer heransgekehri haben. 
Anderwarta dagegen, wenn er den Dichtem jede Absieht^ be- 
lehren SU wollen, abstreitet und das Ziel ihrer Kiinat ledig- 
lich in der Rührung und Leitung des menaohlichen Henens 
(^uxaYWYta) erblickt (Strabo I 2, 3 p. 45), erscheint er vielmehr 
als Peripatetiker*). Auch Platoniker könnte man ihn deshalb 
nennen ; als solcher wird er uns gleich noch weiter begegnen. 
Diftloge. Wer in dieser Weise nicht auf ein einzelnes Gebiet des 
Wissens sich beschrankt, um dasselbe nach allen Seiten ausEU- 
schreiten, sondern bald hier bald dort weilt und im Vorüber- 
gehen an die verschieilensten Gegenstände und Probleme rührt, 
für den ist, wenn er schritl&teUern will, die Form des Dialogs 
wie geschaffen. Leider ist, was wir Uber die Dialoge des Era- 
tosthenes erfahren, sehr wenig. Ein kleines aus der »Arsinofi« 
erhaltenes Gespräch (Athen. VII S76 A f.) hat au der Meinung 
geflkhrt (Bemhardy Eratosth. 1 97), dass wir auch unter diesem 
Titel einen Dialog su suchen haben, der dann sar Zeit des 
alexandrinischen Dionysosfestes spielen und dessen Hauptperson 
die ägyptische Kdnigin des Namens sein wfirde. Ebenso möglich 
ist aber dass uns hier eine jener zahlreichen Schriften bio- 
graphischer Art vorliegt, die zur Charakteristik ihres Helden 
kleine Ges{>rache einstreuten und hierdurch obendrein die 
Leetüre würzten. Die »Arsinoe« war also derselben Art wie 
der »Ariston« (Athen. YU 281 G. f.] und setzte ebenso dem 

gröberen SlolTes selzto; dio von Hiller Philo!. XXX S. 71 f. angeführte 
Stelle des platonbchon Tim. p. 92 A beweist nur, dass Erato^ihvnes trotz 
äeiues Stoicismus doch aucii diei- uiüung uut Plutoo uicht verliereo wollte. 

4) Bernhardy, Eratostheaica S. 4116 f. Krieche, Die theologisdiea 
LebreD der griecb. Denker S. 44 4. 

5) Vgl. auch Lehn de Aristarch. atnd. Horn.' S. Sit. 



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Die Archaisten. 



405 



alexandriaischen wie dieser dem athenischen^) Aufenthalt des 
Bratosllienes ein Denkmal. Den letzteren Hess Eratoslhenes 
aber auch noch in anderen Sohriflen durchblicken. 

Dies gül yor allen Dingen von dem P 1 a t o n i k o s. Der FUtoallmi. 
niel ist auch nach Hillers Darlegung (Philol. XXX 68) noch nicht 
anfgekUrt: denn eine Schrift, welche der ErUAnmg eines 
platonischen Weites dient, kann danun noch nicht selber 
splatonische Schrift« genannt werden. Was nns geradesu 
ab ans diesw Schrift stammend überliefert wird, ist wenig 
nnd anf iwei Fragmente besdirSnkt. Das wichtigere der- 
selben (Theo Expos, rer. math. S. % ed. Hill.) enShlt nns, 
dass die Deller einst ein Orakel empfingen, sie würden von 
einer unter ihnen wüthenden Pest dann befreit werden, wenn 
sie den Altar verdoppelt halten ; in Verlegenheit, wie sie dies 
anfangen sollten, seien sie zu Piaton gekommen und hätten 
diesen um Rath gefragt; der aber habe sie zurecht gewiesen, 
dass der Gott gar nicht die Vcrdopjieluni; des Altars ver- 
lange, sondern ihnen und den Hellenen überhaupt die Ver- 
nachlSssigung der Mathematik und Geometrie tum Vorwurf 
mache. Mit diesem Bericht schien zu streiten (Bernhardy, 
Eratosth. S. 4 68. Hiller Phüol. XXX 67) der Brief des Era- 
tosthenes an den König Ptolemaios (Bemhardy S. 177). Hier- 
nach schicken die Delier ebenfalls nach Athen, wenden 
sich an die Mitglieder der Akademie; aber nur die Schüler 
Flatons Aichytas, Eudoxos nnd Menaichmos werden genannt, 
nicht er selbst^ nnd diese begeben sich anch sogleich an die 
Arbeit, das Problem der Yerdoppelnng des Kubus xu lOsen. 
Der Widerspruch swisdien dieser Ersihlung und deijenigen 
Theons Ist indessen nur scheinbar. Wer einen solchen be- 
hauptet, Qbersieht den Zusats In dem Briefe, dass die Be- 
mtlhungen der genannten Platoniker erfolglos gewesen seien, 
dass sie wenigstens eine praktische Lösung, wie die Delier 
sie brauchlcij, nicht Lofunden hätten 2). Dies war der .Moment, 
wo der Natur der Dmgc nach iHaton selber eintreten musste, 

I) PolemoD fremch bestritt diesen Aufentiialt vermöge einer mass- 
loeeB Kritik, die en die der modernen Peuaanias-Kritiker erinneri 

Mcva(xiA<>v «al^Tciüta (uox*P^<' 



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406 



rV. Uebemsto bei den Alexandrineni. 



und wie wir aus dem Befichte Theons ersehen, ihei er dies, 
um die Delier su sdielten, weil sie den Sinn des Orakeb 
nidit verstanden hätten. Denn wie eben die Erfolglosigkeit 
der Bemflhungen seiner SofaQler beweise, Terlange dasselbe 
Oberhaupt keine praktische LOsnng des Problems, sondern 
eine rein theoretische, d. h. es fordere zum Studium der 
reinen Mathematik auf. Aber, wird man sagen, vor Allem 
musste Piaton seine Schfller schelten, dass sie auf die For- 
derung der Delier eing« gangen waren! Und dass er dies 
gethan, beweisen andere Fragmente der gleichen Tradition. 
Nach Plutarch (Quaest. Conv. Vlil 2 p. 71 8 f.) tadelte Piaton den 
Eudoxos Archytns und Menaichmos, dass sie eine mechanisohe 
Losung jenes Problems versucht hatten i); der Nutten der 
Geometrie gehe so verloren, wenn sie in die Slnnenwelt 
herabgOBogen werde und sich nicht in der HOhe halte bei den 
ewigen unkOrperUohen Urbildern, in deren NShe allein Gott 
selbst wahrhaft Gott sei**). — In dieser zusammenhangenden 
Tradition ist anstSssig, dass der Pythagoreer Arohytas als 
Schüler Piatons in der Akademie erscheint {Zeller 1 «67, 5 <). 
Auch die Pest auf Delos, die den Anlass zur Befragung des 
Orakels gab, hat man langst als eine poetische Fiction he- 
leichnet (C. Blass de Piatone malh. S. 27, 31). Die Antwort 
aber auf die Frage, wie dergleichen in den Pl;it(»nikos des 
Eratosthenes kam, liegt darin, dass dieser ein Dialog war und 
als solcher nicht streng an die historische Wahrheit ge- 
bunden. — Diese Annahme erklärt uns nun auch den Titel: 
riXoTiDvixo^, n&nlich Xtf^oc, ist ebenso aufsuf^ssen wie 2oxpa- 
Ttxoc X^Y^c und ein Dialog ist gemeint, in dem Flaton die 
Hauptrolle spielte und dessen Scene die Akademie war. — Das 
Motiv für diesen Dialog konnte Eratosthenes theils der histo- 



Von dem Rufe, dessen sich die Fertigkeit des Archytas in der 
Mechanik wenigstens im späteren Altherthum erfreute, zeugt Favorinus 

bei GeUius \ 12, 40, 

Itm^st^Hnt ifftAhi^ Mtn licl td alali]td it«Xtvdpe|MHiei}c «al (fc^ 9tpe)U- 
d[0iKp h 0c^€ 4tl bUi im. Ebenso Plat. Ifaie. 14. 



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Die Archalstra. 



407 



fischen Tradition^), die etwa Hi'p Form einer Chrie hatte, 
entnehiuen, tboils Aeusserungen Hatons über den Nufzf'n der 
Mathematik und die ungebührliche Vernachlässigung derselben, 
namentlich der Stereometrie, von Seiten der hellenischen 
Staaten 2). Eratosthenes trat durch diesen Dialog für Platon 
und insbesondere seine Auffassung der Mathematik ein und 
yieileioht hai dies mit dam beigetragen, ihm den Namen des 
»iweilen oder neaea Flaton« (8«otepo< i) vio« IlXatow Suidas), 
SU verflobaffen. SpSter schein! er allerdings anderer Ansidtt 
geworden sn sein'). 

PQr den phflosophlsohen Standpunkt, den Eratosthenes Faendo-FktoQB 
in Athen einnahm, liaben wir nodi ein Zeugniss in einem der "^^^^ - 
pseudo^platonischen Dialoge, »den Nebenbuhlern« ('AvTEpaoraQ. 
Dass dieser Dialog an Eratosthenes in einer gewissen Beilehung 
stehe, hat man bereits erkannt die Beiiehnng reicht aber 

4) Dass wenigstens der Kern einer solchen vorhnnden war, scheint 
mir Plutarch de genio Socratls c. 7 zu beweisen. Hier wird im Grunde 
von flon n«Mi(Tn und Piaton dieselbe Geschiebte erzählt d. h. die Idee ist 
dieselbe, aber IVeilicb die Ausführung in den einzelnen Umständen ganz 
verschieden , wie z. B. noXcj^ö« xal xoxd an die Stelle der Pest bei Era- 
tosthenes getreten sind. 

5) Eine solche Aeasseruog, auf die Hlller Philol. XXX 8, S7 hinge- 
wesen hat, stellt Rep. Vn SSSAf. An dieser Stelle &nd man später 
eine Hindeiitung auf das Verdienst des Ardiytas. So Ist wohl zn etklä- 
rcn, was wir über diesen Pythaf^oreer. dor von Piaton nirgends mit 
Namen penonnt wird, hp\ Dlnp. L. YIIl 83 l^n: xal 4v ^coiitetp^ icpStOC 

3) Wenigstens in dem Briefe an Plolemaios lässt er sich auf die 
von Platon verpönte mechanische Lösung des Problems ein. Auch wenn 
der Brief echt wttre, wttrde sich dies anf die im Text ungegebene Welse er^ 
klftren lassen. Nach Hlller Bratostb. carm. rell. S.itZ ist auch mir ^ Echt- 
heit tweiÜBlhaft (YgL indessen Jetet 0. v. 'Vmamowltz-Möllendorff Nachr. 
d. Gött. Ges. 1894 S. 1 (T.). Der Verfasser d«s Briefes schehit aber erato- 
sthcnH^he Schriften benutzt ZU hnben. Die Erzählung von den Dcli^rn 
und ihrer iVnfrage in der Akademie (^nfnr»hm er dem FDvaTtuvixö;, die 
Lösung des Problems, welche (Uinn Eriitusthcnos elbt, vielleicht einer 
besonderen Schrift demselben, die sich an den König Ptoleniaios wandte. 
Das letztere aaxunehmen, bin ich auch deshalb geneigt, weil es nahe 
U^t In Ptolemaios deaJailgen zu sehen, dem 2a Liebe Eratosthenes sieh 
iierbelUesa, von der Hshe des platonischen Mathematikers herabzusteigen, 
gerade wie Archlmedes dies dem HieroD zu Gefollen that nach Plutarch 
Mareen. H 

4} Christ, Abhh. der MiUich. Ak. philos. phüol. CK 47, 509. 



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40S 



IV. Ceberreste bei den Alexandiineni. 



weiter als man angenommeQ hat und geht in umgekehrter 
Richtung, so dass der Verfasser des Dialogs den Eratosthenes 
im Auge hatte, nicht dvr Beiname, den man Erat( sthenes gab, 
mit Rücksicht auf den Dialog bestikumt wurde Pentatbios 
hiess Eratostbenes, wegen seiner Vielseitigkeit, weil er zwar 
mit allen Wissensobaften bis su einem gewissen Giade ver^ 
tränt war, mit keiner aber so, dass er es In ibr mit den 
betreffenden Spezialisten aufinebmen konnte; dieselbe Beieicb- 
nimg und aus dem gleicben Grunde wird In dem Dialog auf 
den Philosophen überhaupt angewandt (p. 135Ef. 139D). 
Was aber über den Philosophen überhaupt in dem Dialoge 
gesagt wird, das hat zugleich seine Verwirklichung gefunden 
in der Person des einen der beiden Liebhaber, der als der 
Philosoph (lfm Gymnastiker gegenüber gestellt wird fp. ^33B. 
139 AI Er ist also auch der philosophische Pentathios d. h. 
Eratosthenes^j und zwar repräsentirt er diesen genau auf dem 
Standpunkt, den derselbe in Athen einnahm. Denn nicht bloss 

4) Erleichtert wird diese Annahme durch den von Christ a. a. 0. 
S. 471 gegebenen Nachweis, dass dieser Dialog erst spiiter. nm h Aristo- 
phanes von Byz.inz, der Sammlung der platonischen Schriften f injcfügt 
worden ist. Für die Zeitffenossen WMrea die Beziehnnpen juif hratosthe- 
ncs zu deutlich, uIh iiaan sie ein solches >\'erk. für platonisch hätten 
gelten lasaeo kttanen. 

5) Die Philosophie ist ihm iroXii{Mt1kia (p. 4 33D}. Als Gewfau dieser 
vielseitigeo Bildung wird Im Dialog p. laSD bezeichnet 5o«etv yn^dm- 

icpaTTO(ilvot; ictpl td« iljrvac. Nach Strabos Urtheil I p. 1 5 hat es aber 
auch Eratosthenes in der Philosophie nur bis zum Scheinen tzebr.icht 
(fitdvov JA^XP' "^^'-^ ooxetv 7rpoi6vTo;i. Mit andern Worten, dt r Philosoph 
des Dialogs und Eratosthenes nach Strabos l'rtheil verdieulcu deu Namen 
eines Philosophen nur in so fem, als man unter Pln!oso[)h!e eine gewisse 
allgemeine Bildung verstand. Daher heisst es im Dialo{^, der Fhilo&oph 
werde keine Disdplin wirklich gründlicb betreiben und gleldbnm ihr 
Sklave werden (p. ia6A: Im ^dp dtt^vAc totoutot obc (ouXcöctv 
l&i]tcvl Kp<(Y(MTt yafi* cU xif* dxpißeto'v yafih (tantieoviixlvai ftm Ivk 
t^v TOu £v6c toItou irn^dkttds t&v a).Xaiv dntfvTtw dicoXcXcT^Sw tocip oi 
ti](iiioupYQl dXXd navToiv i&npUac £(|pf^(p8ai) , und auch von Eratosthenes 
sagt Straho n. a. 0., seine ganze Phllnsnpliic habe darin bestanden, dass 
er sich von dem Betriebe der lunzelw issenselKtHen ab- und zu einer 
freieren Tbätigkeit, inelir nur einem Spiel und einer Erholung des Geistes 
gewandt habe (t^ xax ::apaßaow xiva Ta-jTtjv dizh to»v d/J.ouv 'zot'* i-jxuxXiat'^ 



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Die Arcbaifiten. 



409 



fehlt das mathematische Interesse nicht'), sondern er hSit es 
auch unter seiner Würde, irgendwo lhui Handwerk herab- 
zusteieen^). Darum bleibt er auch ohne Namen, da er in 
eineiü <re>präch mit Sukrates unter dem des Eratosthcnes 
nicht einii(Tührt werden konnte und ein fremder Name die 
Beziehung auf Eratosthenes verdunkelt haben würde. Das 
Gespräch ist eine Streitschrift aus den Kreisen der Akademie, 
die gegen den neuen Piaton im Namen des alten sokratischen 
protestine. Glaubte Eratosthenes im Sinne Piatons su han- 
deln, wenn er Ansbreitung des Wissens Ober alle Gebiete 
forderte, sugleioli aber yor einem su tiefen Eindringen in das 
Detail der Einielwissenscfaaiten warnte, so wird vom Verfasser 
eine solehe Vielwisserei, die nirgends su Hanse mid nirgends 
braachbar ist, verworfen und dafür die Philosophie vielmehr 
in eine gewisse Kunst der Lebensitihrung, sei es des Sffent^ 
liehen oder privaten, gesetzt-*]. Das ist aber eine Auflassung 
der Philosophie, die der Richtunc, welche die Akademie seit 
Polemon genommen hatte, vollkommen entspricht 

<) Von den beiden Knaben licissl es p. iai.V: itfu'yi^^;^ ftlvm» rj 

9i]v xtxi i-pc>.(3e(; Tivd; d|xt(AOuvTO toiv xI^9^^^ iittxXbovTC xai [icLX* iairau- 
IvUn. Es tuundelt sich also um roa^eroatiscbe Probleme. An dieser 
BflsehSltigttng, die der gymnastisdie Liebhaber veraditet, bezeigt der 
piiUoflophlsohe p. IStC ein desto grosseres Interesse. 

i) Die /(ipottpffb wird TerpOnt p. 1 85B gerade wie im PlatonÜLos s. o. 
S. 40S, t. 406, 2. 

3^ P. filSC: XII 111% riyfyri dort ßa«iXixi?i, T'j^'i''/vtxTj, TioXitixif), Ifizo-v/.^, 
M/ovoutv.^, o'.xatoauvTj, TJtppoauvT;. In dieser Kunst MyvT) st. i!ttotTjjjir,j 
vnie vielleicht der Anhünger des Arkesüno^; absichtlich .sagt, soll der 
Philosoph nicht mehr die zweite, sondern iniinet die erste Rolle spielen 
p. IIS Dt Von allem WissensquaJni entladen bedarf sie nur der Selbst- 
erlEenntolss p. ISSA, der Kenntnias des menschlichen und insttesondere 
des eigenen Lebens p. iSTCff. EI>en dareaf dringt aber auch Arkesilaos 
hei Plutarch de tranqa. am. 9 Seid. p. 470 A: ol (e icoXXol nwtijMvt, piv, 
nj; De^sv 'Apx«3lX«io?, &XXdT(Ka Mtl Ypa^pdkc dv^pia^^Tct;, oTovTat ?icTv 
dxpißägc xal xata |j.fpo; fxüTrov ^Tnropcüdfievot Rtavotty xal 6^ct ftcco- 
pcTv. T^( > o' ajxÖBv ßCov fyo'^TO iroXXdc oux drepTteü dvaftewp-fjOttc ^cbstv, l^m 
ßiktTcovta« ctti xal öaufxaCovtec dXXotp'.o; 8<i;ac xa« xjyct;, tTisTrcp fjtoiyol rac 
hipari -('j'^alxa.i, auxAv oc xai tdiv l<i(a)v xotra'f povo jvri;. Dass er sich 
gegen das unxeitige Vielwisgen wandte, ist vielleicht auch in den aller- 
dings nicht ganz iilaren Worten des Diog. L. IV 86 ansgesp rochen: fffjhn 



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410 



IV. UeberrMte bei d«ii AJoMndrtneni. 



AtheaiBohe NuT Termatli6ii iSsst sicli, dass auch noch andere Dialoge 
&ito^«^ des Eratosthenes in Athen spielten oder dooh dem Anfenthalt 
des Eratosthenes in jener Stadt ihre Entstehung verdankten. 

Das gleiche gilt von den Briefen: denn auch auf diesem an 
das dialogische angrenzenden Gebiet hatte sich Kratosthenes 

Brief aaBawn. versucht. Besonders sei hier die Schrift a>aa Baten« ("po!; 

Battüva) erwühüL (Diog. VIII 89) : wenigstens liegt es nahe, 
untf^r diesem Baten den komödieüdichter des Namens zu 
Vorst oben, dessen Fragmente noch jetzt verhältnissmässig zahl- 
reiche Anspielungen auf die Philosophen seiner Zeit enthalten 
(Meineke hist. crit. S. 481) und der uns ausserdem als ein 
eifriger Anhänger des Arkesilaos bekannt ist^}. 

Eretofftbenes in Dass Eratosthenes in Alexandria der ganz verSnderten 
Aiexandria. ümg^^yug Zugeständnisse machte, Ist ohne Weiteres anxuneh- 
men (s. auch S. 407, 3). Unter der üppigen Blttthe der Einzel- 
wissensohaften erstiokte dort die Philosophie. Dass er aber 
auch hier die Erinnerungen an Athen nicht aufgegeben und 
namentlich an Flaton festgehalten hat, dalQr bttrgt uns sein 
Schaler Aristophanes von Byzans, der in der platonischen 
Literatur als der Ordner der Dialoge nach Ttilogiea be- 
kannt ist 



4) Plut. de adui. et am. 14 p. 550. Recht überlegt ergibt das Obige 
die angeführte Stelle. Bestätigt wird es durch die Fragmente, ia denea 
man woiil die Kyniker, Stoiker, Epikttfoer iratfaObnt findet, aber keioeo 
Skeptiker. 



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V, Wiederbelebimg des Dialogs. 
1. Anfttoge derselben bei den Gxieohen« 

DiV neuen Sophisten haben wir kennen pelemt. Unsere Eraeaenng 
Erwartung, einem neuen Sokrates zu befregnen, wird i\hcr 
die Maassen erfüllt: statt eines einzigeo treten uns mehrere 
entgegen. Die geistreiche aber oberflächliche Verhöhnung 
aller Philosophie und Tbeorie verwandell sich in eine prin- 
dpielle und durchgeführte Kritik derselben so wie jeder 
▼ermeiDtlibhen QneUe unseres Erkennens. Hierin trifft Pyrrhon 
niH den akademischen Skeptikern xusammen. Aber auch 
Dogmatikeri wie die Stoiker, wollen deck gegenflber einer 
ins Krant geschossenen Gelehrsamkeit Tor Allem wieder auf 
das Einey was Noth tiiut, aof die sittliche Tachtigkeit des 
Menschen, hinweisen und berflhren sich insofem mit ihren 
Gegnern, den Skeptikern. In ihnen Allen regt sich, ihnen 
selbst mehr oder minder bewusst, der Geist des Soltrates: 
durch das Lesen seiner Gespräche war Zenon, der Stifter der 
Stoa, tler Philosophie gewonnen worden, an ihn erinnert noch 
mehr in seinem Wesen und durch seine Lehre Arislon von 
Ghios und Arkesilaos und Rarneades gliiuhtcR t hne Zweifel 
die sokratische Methode in der Akademie wieder zu Ehren 
gebracht m haben. Auch ein Sussorlicher wenn auch nicht 
unwesentlicher Zug im Bilde des alten Sokrates kehrt bei 
diesen Neu-Sokratikem wieder, dass sie sich nämlich jeder 
literarischen Thätigkeit enthalten : vor der Masse Ton Literatur, 
die man damals bequemer als friiher auf den grossen Biblio- 
theken ttberblicken konnte und die in ihren Augen nur ein 
Speidier unntttser Gelehrsamkeit war, mochte sie ein Grauen 
anwandeln und aUe Schrift wie einst dem platonischen Sokrates 



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412 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



80 auch üinea als eine ßeförderin lodten \V^s^p^s gefährlich 
erscheinen. Das Aufzeichnen ihror Gedanken blieb ihren 
Schülern überlassen: so wurde Timon der Verkünder von 
Pyrrhons Lehre, so sammelte man die Gleichnisse An'stons 
und überlieferte der Nachwelt die Reden und Vorträge des 
Arkesilaos uad Karoeades. Auch noch ein Stück weiter köimeii 
wir das Zusammengehen der neuen sokratischen Literatur mit 
der alten verfolgen. Wie lirQher begnflgCe man sich auch 
jetit nicht mit blossen historischen Aufieidmungen und deren 
Sammlung, sondern wo man vor die Lösung eines Problems 
gestellt war, oder sonst irgendwie veranlasst wurde, sich 
Über einen Gegenstand auszusprechen, berief man sidi auf 
das, was der Lehrer bei einer fihnlichen Gelegenheit geSussert 
hatte und kam so unvermerkt dazu, diesem die eigenen Ge- 
danken in den Mund zu legen. In dieser Weise richtete 
Kleitomachos eine Trostschrift an seine Mitbürger, die Karthager, 
nach der Zerstörung ihrer Stadt, indem er ihnen darin er- 
zählte, wie jemand den Satz aufgeslellL, der Weise werde 
durch die Eroberung seiner Vaterstadt in Bekümraemiss 
gerathen, und was dann Kameades alles dagegen gesagt habe 
{Cicero Tusc. III fiil 

TbeoriH dal Freilich von sokratischen Dialogen waren alle solche Auf- 
Diaiogt. Zeichnungen noch weit entfernt. Der gesunkenen Kunst wieder 
aufzuhelfen, bemühte sich auch in diesem Falle die Theorie. 
Die Theorie des Dialogs hat verschiedene Phasen durchgemacht. 
Die erste besteht darin, dass man sich des Werthes und der 

XnaghoB. Bedeutung der Gesprlchs-- Methode bewusst wurde. Dieses 
Bewusstsein finden wir schon bei Xenophon (Mem» lY 5, Ii f. 
6, 1); es mag mehr oder minder allen Sokratikem eigen ge- 

AatiitiiraM. wesen sein und s. B. auch in der Schrift des Antislhenes 
icepl loa StaX^eo0at seinen Ausdruck gefunden haben. So- 
krates selber wird zu seinen Gesprächen mehr durdi ehien 
genialen Instinkt geführt worden sein ') ; erst seine Schüler 
fanden heraus, dass in diesen Gesprächen sich sein Wesen 
am reinsten und vollkommensten offenbart habe. Keiner hat 
PiatoQ. dieser Meinung so unumwunden Aufidruck gegeben wie i'iaton, 



1) Es gilt hier dasselbe, wns Slcinthal Geaeh. der Spndiv. S. 417t 
über die wiMenachaAUche Melliode des Sokratas bemerkt 



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AnfiiDge bei den Griechen. 



in dessen Darstellung alles Heden des Sokrates zum Gespräch 
wird. Plalon ist ausserdem für uns der Erste, der ein Ur- 
theil Ober gescbriebene Dialoge, den Dialog in der Literatur 
anasprieht, wenn er dergleichen ab ein aebOnes Spiel [vttihii) 
des Geistes betetchnet^). 

Hieran knOpfle Aristoteles an. Lag in jenem Orlheil eine Arittstoiaib 
Geringsohatsung der wissenschafUidien Bedeutung des geschrie- 
benen GesprSchs, so ging Aristoteles weiter und übertrug die- 
selbe auch auf das mündliche: etwas Anderes ist das Lebren 
und etwas Aotieres das Führen eines Gesprächs, sagt er ein- 
maP) und tritt damit zu seinem Lehrer, der die Gesprächs- 
methode für die allein zur wahren Belehrung Itihrende aus- 
gegeben hatte , in den denkbar schroffsten Gegensatz. Die 
Theorie des Fragens und Antwortens erscheint bei ihm zuerst 
als ein Kapitel der Rhetorik ^j. Aber in jenem Urtheil Piatons 
liegt neben der Bezeichnung der wissenschaftlichen Bedeutung 
des Dialogs auch ein Hinweis auf den kfinstlerischen Charak- 
ter *), Auch diese Bemerkung seines Lehrers hat sich Aristo- 
teles XU Nutie gemacht und mit noch grSsserer Entschiedenheit 
als er »die sokratischen Reden« unter die nadiahmenden d. i. 
poetischen Darstellungen gereohnet'). Wie Aristoteles nicht 



1 ) Fhaidr. p. 276D Lq. Schaarschmidt, Sammiuug d.plat. Sehr. S. 1 33ff. 
0. S. i 80. 

2) Top. <ö ^. iH^> i: I-Cipov TO öioaaxitv toj onxÄe-jfeadat. 

8) Hhet ni 18 Tgl. Spengel. Bh. H. V (1847) S. BSS. Aaf die Ge* 
■prache und den Verkelir der Henscheo unter einander nimmt auch 
Anazimenes in seiner Bhetorik Rtickalcht, vgL Daener Qoaestt. Anazim. 
3. S4 f. Doch siiid die Rlietoien mit ihren Regehi Aber das Gespräch 
tmtHchst nicht weit gekommen, wie Cicero de <A 1 4 st Idirt: contentlonis 
praeccpta rhctorum sunt, nulla sermonia; qnamquam hand scio an pos^ 
siat haec (luoque e<?sc. 

4/ Dieü hat Schaarschmidt, Sammlung S. 130 ff. richtig erkannt^ aber 
übertrieben. 

5] Nur so lässl bich meiuei» Erachtcu!» dii' bekauute Steile der Poetik 
4 p. i 447 b SIT. Tentebea nnd dieser Auffiusnng fügt sich sudi die andere 
Stelle «IS dem Dialeg über die Dichter hei Athea XI p. 5S5C. Fener 
kommt in Betracht, dasa Aristoteles nach Dtog. L. III S7 das Wesen der 

platoDischen Dialoge oin auf der Grenze von Poesie und Prosa schwe- 
bendes bezeichnete. Tö (i(|at)T(xöv rechnet zu den Eigenthümlicbkeiten 
der sokratischen Gespräche auch Denietr. de cloc. in welcher Schrill 
doch Vieles auf peripatetiscber Tradition beruhen durfte. 



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444 



Y. Wiederbelebung des Di«U>gs. 



leicht einea Gegenstand betrachtete, den er nicht von allen 
Seiten ins Auge fasste, so hat er sich auch hinsichtlich des 
Dialogs nicht mit der logischen und ästhetischen Theorie be- 
lügt, sondern fügte ihr die literarhistorische Betrachtung 
hinzu, indem er Alexamenos von Teos den ersten nuuitey der 
sokratisofae Dialoge verfaast babe^). 
Nachfolger dM Die SpStereik haben diese von Aristoteles gewiesenen 
Wege noch weiter yerfolgt. Die logische Theorie wurde um 
die Wette in den Schulen der Bhetoren und Philosophen 
weiter gebildet^}. Schon firOh achtete man sodann auf das 
viele Unhistorisohe in den Dialogen der Sokratiker, nament- 
lich Piatons '^j, und liess dadurch, wenn dies auch nicht 
die nächste Absicht war, die poetische Natur derselben nur 
desto starker hervortreten. Dass diese Theorie wahrschein- 
lich auch auf die Praxis des Dialogs, wie wir sie keniicn 
gelernt haben, Eiaüuas geUbt hat, kann hier nur angedeutet 
werden. 

piiUoiogüche Immer weiter griff namentlich die literarhistorische Be* 
Kioiituc. ^^achtung um sich und wandte sich audi den einielnen 
Dialogen su. Dadurch schlug sie, wie sich dies namentlich 
m Dikaiarchs Unheil Ober den Phaldros zeigt«), hk die philo- 
logische um, welche letztere erst im alexandrinischen Zeitalter 
in rechten Gang kam. Jetat fing man an den ganzen NacUass 
der Sokratiker, namentlidi Piatons zu mustern, suchte Echtes 

i) Dlog. Laert. lU 48. o. & S. 

3) Vgl. die an ainen Dialog das AiacUiMS aageknflpfte Krttrtening 
Cicaro's de iqv. I 53 IT. Sogar prakttech worden in der Gestaltung von 
Dialogen die Khetorenächüler geübt, wie sieh aus Theoas Progyouiasm. 

bei Spengel Rhett. II «)0, \ IT. ergiebt. 

3) Srhon Thf'(i|>ui(i|i. hei Athen. XI p. S08C. Auch die Anekdotti 
über den pialoiunciieu L\sis (Diop. III $5] gehört hierher. 

4) Diog. L. III 38: Atxoibp-^o; o» -a^i iöv tponov rij; xpa^p^,« o^ov ert- 
{xi^^erat tb; fopti«^. Wie Dtcttafch (vgl. noch Cicero Tose. IV 34, 71} 
den Phaidnw, so halle ein anderer Perifmtatlker, Praxipbanea, der Schüler 
Theophiaata den Timaioa, wenigatena dessen An&ng, kritlairi nach Pro- 
klos p. 5 C : npa;(-f avTj; U, 6 to 0 B£o;ppiotou imtpae, tftakiX IIXaToivt 

TO zlz h'j'j tpeis. Y<ip iociTO Toy dpiftfjLei"» 6 2aBxp<£TT,; X-^n-^tZixh rXf,9o; 

xrix ou O'jfji^paivet toic irpotipr,}i£voi;. äxö/.ojäov fdp T<i> (itv clc Tpcic 
TitTapct, oe TSTapTOi xö Tcpätto; oc-jxcpo; Tpixoc 



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Aattnf« bei den GrieolMn. 



415 



von Dneohteiii la sefaelden und achtet« in diesem Zweok auf 
die stilistifloben und sonstigen ESgenthflmlichkeiten der einaelnen 
Verfasser <), ja der einzelnen Werke ^J, was dann wieder ittr 
die Bestimmung von deren Abfassungszeit wichtig wurde. 
Peisistratos von Ephesos (Diog. II 60), dessen Zeit freilich 
unbestimmt ist, und der Stoiker Persaios ') waren in dieser 
Kichtung thätig; vielleicht auch Euphorien ^i>iug. Iii 37) und 
Aristophanes von Byznm,*) 

Bekannter sind die eindringenden Studien geworden, Pawutiok 
welche im zweiten Jahrhundert v. Chr. der Stoiker Pauaitios 
dem literarischen Nachlass der Sokratiker widmete^). Die 
minutiöse Sorgfalt, mit der er hierbei verfuhr und die ihn 
selbst die grammatischen Formen und die handschriftliche 
Ueberiieferang einzelner Worte nicht vernachlässigen Uess, 
die einschneidende Kritik des Echten und Unechten, die er 
übte, geht in letzter Linie wohl darauf zurück, dass ihm die 
sokratisehen Gespriiche ein Ideal darstellten , dessen einzelne 
Züge er denn audk nach Gebühr herausgehoben haben wird. 
Vieles was im spMeren ÄlterChum an Definitionen des Dia- 
logs, an BemerlLungen über Wesen und Werth desselben 
umlAuft, mOgen antike Leser schon bei ihm gefunden haben, 
so wie solche feinere Distinktionen der Gespräche, wie sie in 



1) Bis ia diese Zeit mögen so feine ßeobachluii;^ea zurückgehen, 
wie sie Über die DarstdhmgBweife des Aristipp, Xenophon, Alsciünee 
imd Plftton sich bei Draietr. de eloc 296 1 finden. 

5) Diog. Ol SS Über Platons Pbaidros, D 61 über den lliltiedes des 

Aischines. 

T rntcrss. 7M Cirf^ros philos. Sehr. II 78, 4. Von Dialogen Pasiphons, 
dem ein Tiieil der aiif^chlirh nisrhineischen nach Porsaios gehörte (Diog. U 
61 o. S. 316), findet sich eine »pur noch hei Phitarch Nie. 4. 

4} Von dem letzteren ist freilich nur die Eintheilung der Dialoge 
nadi Trilogien bekanal (Diog. III 64 f.), was mehr auf eine Sstbetiflche 
Betraehtongswelse deutet (o. S. 958, $). Bs tot «ber wahrscheinlich, dass 
er den Kreit seiner Beobacbtnog weller ausgedehnt und s. B. auch auf 
die Sprache Platons geachtet hat, so gut wie der Ueberiieferang nach 
(Unterss. zu Cioeros phil. Sehr. II 666 f.) auf diejenige Epikurs. & auch 
oben S. 410. 

6) Unterss. zu Ciceros iihilos. >rhv. 11 360 !T. In wie fern Panuitios 
sich bei dieser Gelegenheit uiit Demelrios von Phaleron berührte und 
auseinandersetxte, vgl. jetzt noch Rud. von Scala, Die Studien des Poly- 
bios I IS4 f. 



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416 



V. WiederbelebttBg des Dialogs. 



neuerer Zeit z. B. in Diderots Encyclopädie (u. d. W. conver- 
sation) versucht worden sind. Nicht zufällig scheint es, dass um 
dieselbe Zeit^) auch die Theorie des halbirten Dialoges, des 
Briefes, an Artemon ihren Vertreter fand und dass für den 
Brief ebenso Aristoteles als höchstes Muster aufgestellt wurde 
wie für den Dialog die Sokratiker und Tor Allen Platon. 

Zur Wiederbelebung der dialogfschen Formen haben in- 
dessen diese theoretischen Bemühungen unmittelbar nichts 
beigetragen. Panaitios empfehl woU die sokratischen Dialoge 
als Mustergespräche, aber nur fttr das mttndliche Gespräch, 
weshalb davon auch bei Cicero in der Schrift Ton den Pflichten 
die Rede ist; zur Abfassung ähnlicher Dialoge wollte er da- 
durch nicht auliii untern, wie er denn auch selber, so viel wir 
wissen. I)iah)go nicht geschrieben hat und in seinen Schriften die 
platonischen Dialoge sich nur um ihres reinen und guten (frie- 
chisch willen zuiu Vorl)ild nahm. Es fehlte überdiess auch nicht 
iUu»tonn. an einer Heaktion von Seiten der Rhetoren, denen gegenüber es 
Pl)ilodem nöthig fand, auf die Unentbehrlicbkeit des Dialogs 
hiniuweisen 3). Somit waren andere Ursachen erforderlich, 
um den Dialog von Neuem in die Literatur einsuführen. 

In den abgeschlossenen BAumen aus dem Staub der 
Schulen konnte er nicht wieder erstehen, wenigstens nicht mit 
jugendlicher Lebendigkeit Was sidi hier bilden konnte, 
waren entweder Ifingere Vortröge, in denen der Lehrer auf 
eine Frage des Schillers antwortete, von der Art wie sie 
Timon seinem Lehrer Pyrrhon in den Mund gelegt hatte, oder 
Roden, in denen gegen eine aufgestellte Behauptung ange- 
kämpft wurtle, wie dies durch Karneades in den Schriften 
des Kleilomachos geschah^). Der sokratisciie Geist, so sehr 



Bncoska de oasoae dacem oratt Att S. S8. 
t) Vgl das von Heils, Die verlorenen Schrillen des Ar. S. iSif. 
Angeführte; dazu die tadelnden Aeusserungen bei Demetr. de eloo. SiS über 
Piatons und Thucydidee' Briefe. 

3) Voll, rhetor. S. 241 IT. ed. Sudhaus. 

V; Auch Cicero Acad. pr. <37 muss nicht auf clnon wirklichen Dialog 
bezogeit werden. Kleilomachos scheint uhriueus im \ orliallüi>.s zu Kar- 
neades die KoUe Xeuüphoiis tiespiclt zu habeu. Deno nach (Cicero üralor 
51 urtheiltc Karneades «selber : Clitomachum eadem dicere, Charniadum 
autem eodem etiam modo dicere. 



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Anfiiiige bei den Griechen. 



447 



man sich mit ihm brttstete, war doch nicht völlig wieder 
surQckgekehrt. Am meisten scheinen davon noch Arkesilaos ArimUaM. 
und seine nSchsten Schüler besessen zu haben. Sie haben 
noch etwas von der Lebenslust^ von der Freude am geselligen 
Verkehr und geistreich witsigen Gespr&ch, die den Ahnherrn 
der Akademie aosseichnete. Bei Kameades und Kleitomachos 
ist von dieser echt hellenischen und spesiell athenischen fiber- 
mftthigen Heiterkeit nichts mehr eu spüren. Sie machen den 
EindrudL von ernsten strengen Männern, die mit unennfld- 
lichem Fleisse und seltenem Soharbinn sich an den Über- 
lieferten Problemen der Wissenschaft mühten, die nur mit 
ihresgleichen verkehrten, die es aber nicht verstanden in den 
Alltagsverkehr mit andern Menschen einzutauchen und aus 
den Wellen solcher zunächst unbedeutender Gespräche den 
leichten Schaum des Geistes zu schlagen oder auch wohl 
darin die edlereii Perlen neuer ficdankeii zu gewinnen. Die 
Grazien haben ihnen nicht tnr Seite gestanden: daher werden 
von Karneades nicht mehr wie noch von Arkesilaos geistreiche 
Aussprüche (Cbrien) angeführt. Derselbe mied grundsätzlich 
die Symposiet) (Diog. L. IV 63). wo Geist und Wits der 
Früheren so hell geleuchtet hatte 

Dieselben oder ähnliche Verhältnisse, denen der Dialog Berfihrangder 
in seiner klassischen Zeit das Leben verdankte, mussten sich ^^b^^! 
wiederholen^ wenn er wieder erstarken sollte. Das Schul- 
gesünk schaflt keine Dialoge; in die grosseren Kreise des 
Publicams mussten Probleme allgemeinerer Art getragen und 
ein Gegenstand des tflglichen Gespiüchs werden. Nur so 
kann sich der Dialog, nur so kann sieh eine edlere Prosa ent- 
wickeln, deren Blttthe dem stirkeren Hervortreten des Dialogs 
gleichzeitig su sein pflegt^). Das geschab, als die griechische 

4) Aui h Cicero de fin. H 4, 2 liosliiliL't, djiss Arkesilaos noch wiik- 
liche rn'spriiclie mit seinen Schüh'in liiliitf DioL'. f.. IV 37). diK«* ;\\>vi- 
nach ihtu die in den anderen S<'huitii langst iierrscüende \V»>i*»e auch in 
der Akademie Platz griff und der Schüler irgend einen allgemeinen Salz 
aafstellte, deo der Lehrer in suflammenUtnfsendem Vortrage widerlegte. 

s) W. von Humboldt Versdi. des Okenschl. Sprachb. |^ 80 S. M 
Polt kmmte drahalb umgekehrt sagen, dass der ProM vom Rerabsinken 
des gebildeten ideearetcben Geeprttcbs zu alltSglichem oder conveatio- 
nellem Verfall droht. 

Hirxel, iHalog. 97 



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4f8 Wiederbelebung des Dialogs. 

Philosophie zu den Römern übertragen wurde. Man kann 
sich leicht vorstellen, welche Unzahl von lebendigen niünd- 

PUlosophen- liehen Dialogen die Philosophengesandtschaft des Jahres 155 
V. Chr. in Rom zur Folge hatte, wie man was die Gesandten 
redeten, von Neuem in privaten Girkeln hier und da durch- 
sprach, wie man namentlich hingerissen von der gewaltigen 
Dialektik des Karneades sich in zwei Lager schied, die Kinen 
iür, die Andern wider die Gerechtigkeit stritten und so auf 
ganz anderem Bodon und zu ganz anderer Zeit das dialogische 
Bild wieder in die Wirklichkeit trat, das Platons Meisterhand 
in der Republik gezeichnet hatte. Auch in dieaem Falle wie 
IHlher zur Zeit des peloponneflisdien Krieges in Athen deutet 
die in den Dialogen sich Sussemde GXhrung des Denkens auf 
eine lang anhaltende philosophisdie Bewegung. 

F^higofen« Doch reichen die Einwirkungen griediischer FhOosophie 
auf die ROmer noch weiter lurflck. Schon früh war in 
Rom der Name des Pythagoras bekannt und von einer 
Revolution, wie sie das Auftreten der Pythagoreer in Gross- 
griechenland hervorrief, konnten die Römer nicht unberührt 
bleiben. Mancherlei S]>uren lühren tlaranf. Dasselbe setxt 
auch voraus der (iiibekaiinte Verfasser einer Schrift, in der 
ein Gespräch wiedergegeben war, das in Anwesenheit Pla- 
tons zu Tarent der Pythagoreer Archyias mit <!em Sain- 
niten C. Pontius, dem Vater des Siegers bei Caudium, 
über die Lust (irspl TjoovTj;) geführt hatte*). Ein anderer 
NeArohoft. I'ythagoreer Nearchos soll es dem älteren Cato. als der- 
selbe Ü09 V. Chr. in Tarent weilte und dort mit ihm Freund- 
schaft schloss, wiedererzählt haben, so wie es ihm selber 
durch mündliche Ueherlieferung zugekommen war. Nicht 
unwahrscheinlich ist Niebuhrs Vennuthung'), dass eben jener 
Nearchos einen Dialog geschrieben hatte und diesem Dialog 
entnommen ist was man Ober das angebliehe Gespräch des 
Archytas und der Uehrigen zu wissen glaubte. Dann würde, 
wenn wir, was über das persönliche VerhMltniss des Nearchos 
SU Cato berichtet wird, als historisch gelten lassen, die Ab- 
fassung dieses Dialogs in eine sehr frühe Zeit, noch in die 



4) St tu itilialt hei Cicero <le senei'lule 3y IT. vyl. IMul. (".ulo maj. i. 
HO. III S. i^Q, 37a, dem ächvsegler RO. 1 a(}4, i iHiisUauul. 



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Aof^ge bei den Griecheo. 



449 



erste HSllle des zweiten Jahrhunderte v. Chr. fallen. Doch 

ist auch die Möglichkeit ofl'en zu halten, dass Nearchos selber 
nur eine Person im UialuL: \\ar, iiamliuh iiü einralnficnden 
Gespräch, das zwischen ihm und Cato geführt wunie und 
welches den eigentlichen Kemdiulog in derselben Weise eiii- 
schloss oder doch eröfl'nete, wie wir dies aus tiein Phaidon, 
Eutbydem und andern platonischen Werken kennen >). In 



4 ' Dafür kjprichl. dass sonsl von einer Scliriftstcllen'i des Ncarrhos 
nichts bekanul isl und dass auch Flutarch a. a. O., ob^UMrli t r nicht 
durch Catos MunU spricht und daher auch nicht ^ie Cicero Anlast halle 
jene SchriftstcUerci zu iguorirca, doch IcdiKÜch von einem pcrsünlich- 
miindlidieii Verkehr swisdien ihm und dem Römer berichtet. Ob Dicht 
aneh Cicero, weim ihm eine Sduifl des Nearchos vorlag^ den Cato hstte 
8S(|eii taflsen, dass Nearchos dasselbe Gespräch, das er ihm mündlich 
erzählt, dann auch schriftUeh fixlrt habe and dass di«> T.* ktüre desselben 
seinen, d^s Calo, jungen Freunden nur empfohlen wr i dcMi kunne? Keines- 
falls iSsst sich Niebuhrs Vermuthun? so widerlegen, wie dies Zoller, 
Phii. d. Gr. V* 82 f. u. 1* ai3, 8 versucht hat, dass man nämhch den 
Nearchos in da& Reich der Fabel verweist. Der Vortrag des Arohytas 
ttber die Last soll ans derselben Schrift des Aristoxenos entnommen sein, 
ans der Athen. XII 545 BIT. geschöpft Ist Aber was wird dann aus 
der Anwesenheit Piatons in Tarent Jim das .lahr 349 v. Chr., die gegen 
die geschichtliche Wahrheit verslösst? Ohne Noth werden wir diesen 
Irrthum doni Aristoxenos nicht aufbürden und Cicero hatte nicht den 
gerinfisleii Anlass, etwas der Art zu erfinden, wenn er es nicht schon in 
emer griechischen Quelle vorfiand. Ebenso wenig kann Aristoxenos scliua 
des C Ponttns gedacht* bahai, der erst dord» seinen Sohn ein he« 
lühmter Ifann wurde; aber auch Cicero hatte nidit den gerhigsten 
Grand Ihn zu nennen, wenn er nicht über seine Theilnahme am Gespräch 
etwas überliefert fand. Vollends was konnte Cicero veranlassen, den 
Namen des Nearchos rein zu erfinden? Zwar d* r Cato Major isl ein 
Dialog: al)(;r auch in Dialogen wird do( h ni' ht ins Blaue hiniMn pologcn, 
sondern alle I.ugcn sind gewissermasseu iNolhlugen, dienen einer he- 
stimmten Absicht, der Absicht aber, welche Cicero in der kurzen Kr- 
wihnung jenes Gesprttcfas verfolgen konnte, würde die Anonymittt von 
Gates Tarentiner Gastfreund eben so gut entsprochen haben als ^r 
fingirto Name aNearohos«. Es bleibt noch das Verblütniss von Ciceros 
Bericht zu dem kürzeren Plutarchs zu erwägen. Zeller I* 313, 2 nimmt 
ohne Weiteres an, dass Plutarch nur Ciceros Angabe wiederhole. Wenn 
derselbe aber den Nean hos als Pylhagoreer bezeichnet, so hat er dies 
nicht von Cicero penomuien und dass er sich diese Ue/f i( hnuug erfun- 
den habe, werden wir so lange nicht annehmen, al.s die Möglichkeit 
bleibt, dass er unabhängig von Cicero aus der gleichen Quelle geschöpft 
habe. Uebrigens wird so durch die Stelle Plutarchs insbesondere die 



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420 



V, Wiederbeiebang des Dialogt. 



diesem Falle Hesse sich der Dialog «ach einer spätereo Zeit 
luweisen. Unter alten UmstSndeD kann er als eia frühes und 
bemerkenswerlheB Zeugniss anges^en werden, dass die Be- 
rOlirtuig der g;riechisclien Fliflosopfaie mR den Italikem und 
tnabesondere den Römern es war, die der dialogiscben Literatur 
nicht nnr sondern anch der epistelographiscfaen neues Leben 
einhauchte. 

ArtioohMm Der Samnite P«>ntins oder der alte Gate sind nur die 

AikAki« Vorläufer Luculis und der übrigen Römer, die Antiochos 
voa Askulon, der Reformator der alten Akademie, in seinem 
'»Süsos« redend eingeführt halte 'j und die darin ebensu wie 
jene älteren in Gesellschafl criechischer PhiN sujthen be- 
fanden^). Auch Phüosuphcn dogmatischer llichtung wt-nirn 
durch solche Verhältnisse angeregt, sich der dialogischen Form 
DIni. %u bedienen: an Antiochos schioss sich sein Schüler Di on, der 
doch wohl mit dem Verfasser der Tischgespräche identisch 
ist. *} Den leichten munteren Gang mancher platonischen 
Dialoge dürfen wir freilich in diesen Werken nicht Toraus* 
setsen ; sie hatten vielmehr den schweroi Schritt der aristo- 



j!w«'ile Venmitliun^ lM^<;t,ili^'t . wonnch Ncardios niclil <1(T Srhriflsteller 
wfir, sondern eine <JtM- l'ersonen des einrahmenden (les|)r;trlis: denn 
Flui» ich lU5St ihn mit Caio ein ofTeobar längeres üesprüch Uber die Lust 
rühren. 

i) Die bisher gegen meine in den Unterss. za Cioeros f^hUofl. Sdir. 
III SM IT. auflgefübrte Vermutbttog, dass der Sosos ein Dialog sei, vor* 
gebrachten Grttnde haben mich nicht ttbemugt. 

S) BiDen Dialog und zwar eto Gaapiüch des Luculi und AnUochos 
kann ninn in der Schrift »von den Göttern« (rept &e<üv} vcrmuthcn, deren 
Pliitnrt'h Lucul! üS gedenkt: so erklört sich leicht die Erwähnung der 
Schhicht hei Trigranokertu darin, <lie nls ein providenticlles Ereignis» 
gefeiert werden konnte; ricsprüclie zwischen Antiochos und Luculi in 
Syrien kannte auch Cicero Acad. pr. 61. 

8) So bat schon Zeller, Phil. d. Gr. III«* 609,4 vermutliot. Aus 
diCMD Tischgesprttchen ist wohl entnommen, was Athen, l p. St D unter 
Berufung auf den Akademiker Dlon (Iber die Trunksucht der Aagyptor 
berichtet; in Zusammenhang damit kann auch die bei Stob. flor. I S. SOS 
Mein, üher Dlon eneShlto Anekdote gestanden haben. Hat dieser Dion 
etwas mit dem von Varro de L. L. VMl H (Steinthal, Gesch. d. Sprachw. 
S ri78) eitirlen tn thun? Aufgeworfen ilarf diese Fr;i!'e werden, weil 
VuiTo ilein Antioi hos iliir<"li seine Leine nahe stand unil weii gerade in 
Tischgespriichcn wohl (icr Platz, lur grammatische Erörterungen war. 



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Erstes Hervortreten bei den Römern. 



telisehen, Vortrag stand gegen Vortragt) und um den Gegen- 
stand nech mehr m erschöpfen war das GespriKoh Aber mehrere 
Tage ausgedehnt, denen dann ebenso wie bei Aristoteles die 
Bintheflung in Bfieher sich anbequemte^. Den dogmatisch 

gesinnten Römern musste gerade diese Form des Dialogs be- 
sonders nisagen. 

N(»ch uüuiittelbarer war die Belehrung, die sie durch BrUfe. 
Brie ff empfingen, welche crioi hiscUe Philosophen an sie 
schriclx n, so schon kieit* iii;irlio> an den Dichter Kiiriüus 
und an L. Censorinus^), Panaitios und sein Schüler Hekatou 
an Q. Aelius Tubero, den Neffen des jüngeren Scipio^). 

Nachdem so die griechischen Literaten den Römern ein* 
mal einen Plats in ihren Dialogen und Haibdialogen eingeräumt 
hattem, bedurfte es auf Seite der letiteren nur einer geringen 
Erhöhung des Selbstgefühls und der Bildung um die passive 
Rolle in eine aktive su verwandeln und den Dialog gans su 
sich herObersusiehen. 



2. Der Dialog bei den Bomem. 

a) Erstes Uervortreten. 

Zwar viel unscheinbarer und minder glSnsend auf den En«« 
einzelnen Entwickelungsstufen folgt das Heranwachsen des ^'**^*' 
Dialogs bei den ROmem doch Shnlichen Gesetsen wie bei den Epot. 

Griechen. Auch bei den Römern regt er sich zunächst im £pos: 
freilich wohl noch nicht üi der »Heimchronik« des Nävius, 
sondern ersl in der gräcisirenden Dichtung des Ennius und 
auch hier schwerlich mit der Fülle und Lebendigkeil, die wir 
aus den homerischen Vorbildern kennen. Vielleicht war das 
rümische Epos von Anfang an zu gravitätisch; es hatte nicht 



<) Unters«, zu Ciceros phil. St-hr. III 269. Üass auch in» Ncdrchos- 
DiaJog längere Reden miteinander wechselten, lehrt veterem orationem 
Archytae bei Cloero Cito maj. S9. 

S) S. oben S. SOS. 

S) Unters, zu Cieeros phil. Sehr. III 164, I. 
k] Panaitios. \pl Cicero Tose. IV 4 u. Acad. pr. ISS. HekatoOf 
vgl. Gioero de off. Iii 63. 



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V. Wlederbelebmig den Dialogs. 



die Behaglichkeit des griechischen, die bei der angeborenen 
Redelust des Volkes so leicht zu einem Sichgehenlassen in 
Rede und Gegenrede und damit zum Gespräch führen konnte. 

Dnma. Auch den Römern war sodann die Anlage xu dramatisclier 
Gestaltung eigen und swar in so bedeutendem Maasse, dass 
sie nicht erst der griechischen Schule bedurft hätten, um aaoh 
ün der Geschichte des Dramas mit Bliren dasnstehen. Das 
Drama kann aber auf die Dauer ohne den Dialog nicht be- 
stehen und besonders gilt dies von der Komttdie. FQr die 
letitere waren die Römer in ihnlidier Weise einseitig begabt 
wie ihre Nachkonmien, die ItaUSner. Daher sehen wir schon 

Fiutu, frflh den dramatischen Dialog unter Plautus* Händen einen 
Grad der Vollendung erreichen, von dem man sweifdn kann, 
ob er in den griechischen Originalen seiner Lustspiele tiber- 
trofien wurde. Die sprudelnde Lebendigkeit, die schlatiende 
(iewalt seines Dialogs mochte au l*4>icharm erinnern, der uns 
' früher unter den VorUiulern des griechischen Dialogs begegnet 
ist (s. o. S. 22 f.). Auch das sentcnziöse Element fehlt nicht. 
I*> entlehnte es dem späteren, philosophisch angehauchten 
Drama der Griechen, der Komödie des Menander gerade so 
wie die Tragiker unter seinen Landsleuten es aus der Tra- 
gödie des Euripides nahmen. So hatte das formale Element 
des Dialogs sich literarisch schon ausgebildet — wie auch 
sonst wohl in der Entwicklung der redenden KQnsto die Form 
eher da ist als der dazu gehörende Inhalt — aber auch der 
erforderliche Inhalt hatte sidi hier und da schon mit ihm 
verbunden, doch nur vorObergehend und ohne rechte gegen- 
seitige Durchdringung: wo allgemeinere Gedanken, namentUdi 
also moralisdier Art, im Dialog des Dramas hervortreten, 
klingen sie nur an oder werden nur witsig hin- und herge- 
schoben und gewendet; sie werden nicht von den streitenden 
Parteien des Dialogs bis in ihre kleinsten Theile durchstöbert, 
ja zergliedert, wie das zum Wesen des echten Dialogs gehört. 
Diese streitenden Parteien nehmen im dramatischen Dialog an 
den Gedanken als solchen gar kein unmittelbares Interesse; 
sie sind da um zu handeln un(i daher haben Gedanken und 
Theorien für sie nur einten Werth, in wie fem sie zur dra- 
matischen Handlung etwas beitragen als Factoren oder als 
LQcktiübüisser ; nur diesem Zwecke dient auch ihr Gespräch. 



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Erstes üorvortrclen bei den RtfmeriL 



4S3 



Von der IlandluBg musste der Dialug erst omanzipirt wer- Die Satire, 
den, wenn er sich weiter entwickeln sollte. Hei den Griechen 
war es Sophron, der diesen Schritt that und den Dialog von der 
Handlung loslöste, dafür aber an die üharactersehildcrung 
anlehnte. Bei den Rümem geschah etwas Aehnliches in der 
Satire y einer auch sonst den Mimen des syrakusischen Dichters 
verwandlen Art der Dichtung^). Wie die Griechen in ihren 
Dialogen, so haben sich die Römer in der Satire ein Mittel 
SU essayistischer Behandlung der Terschiedensten GegenBtSnde 
geschaffen. Schilderungen und Erörterungen gingen in buntem 
Wechsel durch einander. Mannlgfoltig wie der Inhalt waren 
die Formen. Kein Wunder, dass uns darunter auch die diar 
logische begegnet Im dcitten Buch seiner Satiren redete BbbIu. 
Ennius selbst su Freunden, im sechsten ein Parasit; auch die 
einfachste und rohste Form des Dialogs (die sidi deshalb am 
Anfang und Ende seiner Entwicklung breit su machen pflegt) 
fehlte nicht, dass nSmllch die streitenden Begriffe selber ohne 
Weiteres als Personen auftreten, so bei Ennius das Leben 
und der Tod. Ob dieses dialogische Klement ein Rest der 
alten draiuatischon Satura ist, die Ennius in die Literatur 
übertragen haben sollte, mag wegen der problenuiLi sehen 
Natur dieser letzteren zweifelhaft sein. Uuwiilküriich nio Iife 
es sich einstellen in einer Dichtung, die, wie man verniutiiet 
haf^) ihren Stoff der geselligen Unterhaltung des damaligen 
Roms entlehnte; und gefördert musste es werden durch die 
Vorbilder, die dem Halbgriechen Ennius die griechische Literatur 
bot, insbesondere die philosophische, die dem philosophisch 
gebildeten Manne nicht fremd geblieben sein konnte* Durch 
seine Personificationen des Todes und des Lebens wurde schon 
Quintilian (IX % 36) an den Streit erinnert den bei ProdüLos 
Tugend und Laster mit einander führten. 

Einem allgemeine Gesetze der dialogischen Entwicklung 
SU Folge, das man schon bei der Vergleichung der sophisti- 
schen Dialoge mit den sokratisohen beobachtet und das auch 
im Uebergange vom Hittelalter lur Neuxeit uns entgegen- 



1} Jahn, l'rolegg. io Pers. S. CV. 

1) Ribbeck, Gesch. d. rorn. Dichtung i 49. 



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W Wiederbelebung de» Oialofis. 



tritt*), gehen die Gespräche personifizirter Abstractionen denen 
wirklicher Personen Yorau«^: ein stärkerer Lebenshauch muss 
jene Begriffe erst erwärmen. Weiler entwickelt erscheint das dia- 
• logische Element bei dem nächsten namhaften Yeitreter dieser 
ImSHu, echtrOmischen Dichtungsart, bei Lucilins. Wie der Dialog, so 
ist anch die Satire, als eine titerarische Planderei, abhängig von 
der Natur der Gesellschaft, aus der sie henrorwächst und 
' deren Geschmack sie amümmt So spiegelte sich, wie es scheint, 
In der Satire des Ennius der Kreis des älteren, in der des 
Lucilius der des jüngeren Scipio. 
VenjohiedeEd Dem entsprach auch die Verschiedenheit der beiden Art^n 
der Satire, die so eross seheinl, dass man bisweilen beide 
gar nicht als Glieder einer und derseil)en Entwicklung 
will gelten lassen. Oer harmlose Humor ist hei Lucilius 
durch Spott und eine scharfe Polemik ersetxt, die sich gegen 
die Gesellschaft im Ganzen wie gegen Einzelne richtet. Erst 
jetzt fängt die Satire an, ihres Namens Im heutigen Sinne 
würdig SU werden. Die Rämer waren damals in eine ähnliche 
Krisis des socialen und des geistigen Lebens Uberhaupt eingetreten 
wie die Athener nach den Perserkriegen. Das trinmphirende 
PreiheitsgefÜhl kannte keine Schranken mehr, an Alles wagte 
sich die Kritik, gestärkt und gereist durch den steigenden 
Einfluss griechischer Bildung, keine Autorität und Tradition 
wurde mehr geschont und in den hierum sicli entspinnenden 
Kämplei^ traten alle Leidenscbaileu des Menschen aus ihrer 
Tiefe hervor. 

So forderte die Zeil zur Satire itirmlich heraus und die 
ho('hij;»'l)ildeten M?!nner. die sich um den jüngeren Scipio 
schaarten, werden es daran tun so weniger haben fehlen 
lassen, als sie der Regel nach die Schule der griechischen 
Philosophen, namentlich der Stoiker und skeptischen Akade- 
miker durchgemacht hatten und hierdurch noch mehr sum 
Widerspruch gegen die sie umgebende Masse der Xenschen 
getrieben wurden. Ein Wortführer dieses Kreises war Lu- 
cilius. Und wie die übrigen Mitglieder desselben, so mochte 
auch er bisweilen wähnen, Uber den Kämpfen der Zeit su 

1j Herford, The litcrary relatiouä of Eo^^land and Gennany in Ihe 
sixtecDlb Century S. 32, 4. 



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Er$te8 Hervortreieo bei den Römern.. 



425 



stehen und doch war er so t^ui als die Anderen nicht nur 
praktisch, sondern auch theoretisch darein verflochten. Die 
Freiheit^ die sich in ihnen das individuelle Uriheil nahm, Ober 
alles abzuspredieD, gehflrie eben auch mit unter die Symp- 
tome der ZeÜ. Es war wieder einmal eine Zeit^ wo der 
eittsebie Mensch »das llaass der Dinge i war und sich als 
solehes Itthlte. Damil hSngt etwas Anderes susammen. Gerade 
wie im periUeisdien Athen die Memoirenlitemtur sich ent- 
wickelte^ so begegnen wir auch damals in Rom den Anfingen 
derselben und aus dem gleichen Grunde, weil in Folge des 
gesteigerten Selbstgefühls und der erhöhten Bedeutung der 
einzelnen Menschen aucL Alles, was diese betraf, ihr ganzes 
Lobon. ein viel grösseres Interesse gewann. Memoiren waren 
ursprünglich die sokratischeii J)ial(»i:(' L-euesen und den Cha- 
rakter von Memoiren trug auch die Satire Lucils. 

Wie auf einer Votivtafel lag nach dem bekannten Worte Itociis Satiren 
des Horaz das Leben des alten Dichters in seinen Werken aus- ^Jadra! 
gebreitet vor den Augen des Lesers und nicht bloss das seinige, 
sondern cum guten llieil wohl aui^ das seines Freundes Scipio. 
Was sie erlebt hatten, daheim und im Felde, wurde wieder 
ersShIt, lustige Scenen aller Art, aber auch Themata der 
Wissensehaft worden wenigstens gestreift^ Grammatik, Syno- 
nymik, ja Philosophie in der Ludlius fllr seine Zeit und sein 
Volk gans aditnngswerthe Kenntnisse besass. 

Lngesucht wie auch sonst in Memoiren stellte sich auch bei Dialogische 
Lucil die tlialoeische Form ein. Der Schüler oder doch Freund 
des Kleitomachos. d^m dieser eine Schrift crr w iflmet hatte, der 
Bewund» rcr drs dialektischen Altmeisters Karncades (t l L. 1 f. 
10 M.), musste die Gelegenheit ergreifen, die dialektischen 
Künste spielen zu lassen. Sokrates und die sokratischen BokntM. 
Dialoge (Socratici charti 640 L. 27, 46 M) waren ihm wohl 
bekannt, er empfindet ein sokratisches Behagen, einen so- 
phisUseben Tmgschluss Iftcherlich su machen (1060 L. f^. ine. 
69 M) und spielt mit den BegrilTen des Wissens und Nicht- 
wissens ihre Namen durch einander schflttelnd (1071 L. fr. 
inc. 72. 74 M.J; er schüttelt den Kopf Ober das serstreute 
rinnlose Treiben der Menschen und empfiehlt ihnen die Tugend 
als das Einsige was Noth thut in einer breiten Definition der 
virtus (1020^ L fr. inc. 1 M.); dabei trat er nicht dünkelhaft 



L.icjui^L.ü cy Google 



426 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



aufy sondern bewahrte allem Änsehein nach sich jene sokra- 
Uache Ironie, wie sie im Kreise Scipios dundi Panaltios scheini 
in Mode gelLoomien su sein^). Wo so viel sokratisch war, 
sollte es da nicht bis su einem gewissen Grade auch die Form 

t^ewesen sein ? Es ist eine ansprechende Vermuthuugj dass 
gerade PanuitioB, der den Guit des Sokrates neu belebte und 
niif f'Iatons Dialoge als ewige Musterwerke hinwies, in einem 
de^prache Lucils eine Hauptrolle gespielt habe RiMicck Gesch. 

JUaipp. d. röm. Dicht. I 236). Docli ]»at Lucil neben dem echt so- 
kratischen Dialog auch die spatere Fortbildung oder viel- 
mehr Entartung nicht unberücksichtigt gelassen: wenigstens 
kann man in der Götterversammlung des ersten Buches das 
Nachwirken eines Menippischen Motivs erblicken^). Die Zeit 
der Menippischen Satare sollte für Rom erst nocli koomien. 
Vor der Hand stehen wir ttberbaupt erst In den Anfingen 
einer Bewegung, deren Endsiel iwar der INalog ist, die uns 
aber noch nichts gezeigt hat, worin sich das Wesen eines 
Dialogs voll darstellte: denn auch die GesprSche Luofls sollten 
nur Unterhaltungslektflre sein und durften deshalb die wissen- 
schaftlichen Probleme nicht gründlich erörtern, sondern konnten 
sie nur nach d<'m Vorgange Epicharms gelegentlich berühren. 
Seine Satire und die römische Satire Oberhaupt hatte Itir die 
Geschichte des Dialogs genug geleistet dadurch, dass sie der 
Form des Dialogs eine gewisse selbständige Geltung in der 
Literatur n crschallle. 

Protnp- Unter die Anfange oder richtiger ersten Anxeichen einer 
auf den Dialog hinsielenden Bewegung kann man auch die 
Pro tr Optiken rechnen, eine Literaturgattimg, die schon bei 
den Griechen unter seinen YorlAufem erscheint und dann seine 
sCSndige Begleiterin gewesen ist und die nun auf einer Shn* 
liehen Entwicklungsstufe der Literatur auch bei den Römern 
wiederkehrt. Einen Protreptiotts hatte schon Ennins verfasst 
und Ühnlicher Art waren wohl auch die PrScepta desselben; 
ob der erstere, wie man vermuthet hat (L. Müller Leben und 
Werke des Lucil. S. \i f.}, nur der Titel einer einzelnen 

4) Cicero Bmtus S99 de oratore U 970. Unterss. xu Giceros phllos. 
Scbr. II 368. 

3 Birt, 7a\v\ politische Satiren S.9Sf. Ribbeck, Gesch. der rOm. 
Dichiaog I S. 337. o. S. B8S. 



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Erstes Hervortreten bei den HOmem. 



427 



Satirc war, ist ftir uns ziemlich gieictigillip:. D'wse »Knnali- 
nungsreden« entsprachen dem innersten Bcdürl'nisse der Zeit, 
in der sie zuerst aufkamen. Man wollte damals, in der Zeit 
der alten grieohiflclimi Sophisten, keine Theorien, die den 
Himmel erfliegen, sondern solche, die im wirklichen Leben 
Boden fassen können; das Handeln und Thon der Menschen 
sollte beeinflossl werden. In den Sltesten Protreptiken ge- 
sdiah dies mehr hn Allgemehien, in sofern als sie Oberhaupt 
>ar Tugend aufforderten. Bald aber genügte das nicht mehr, 
die Tugend individualisirte sich zu dieser oder jener einselnen 
Bisciplin und mil dem Anpreisen derselben — was eigentlich 
die einzige Aufgabe des Protreptikos war — musste sich 
leicht die Anweisung verbinden, wie man sich der geprie- 
senen Sache bemSchtigen könne. So dienten auch die Pro- 
treptiken dem Triebe, alles menschliche Thun zu rationalisiren, 
uud waren darum in Rom in jener Zeil an ilireiii Platze, deren 
Rationalisirungstrieb ans besonders drastisch im Kochbuch 
des Ennius, den liedupiiagetica, ontoegcntritt^). 

Würdiger und in echt römischem (icvvande ersrhotnt er Cato. 
beim alten Cato, der in einem uncyclopädiseh anueleulen \\ ( rko 
seinem Sohno allerlei praktische auf Erfaliruüg benÜK'nde Uath- 
schläge gab über Medizin, Ackerbau, Uedekunst und vielleicht 
noch andere dem Leben dienende Disciplinen. Ein so starrer 
Gegner des Griechenthums Cato war, nach dessen Meinung die 
Philosophen dieses Volkes ebenso die Seelen der Römer wie 
die Aerste die Leiber vergifteten, und so urrömisch in anderer 
Betiehung sein Werk war, so könnte doch für die Form des- 
selben das Vori)ild der griechisohen Protreptiken bestimmend 
gewesen sein. Waren die griechischen Protreptiken eigentlich 
und ursprOngUch Ermahnungen sur Tugend gewesen , so hat 
sich eine Erinnerung an diese Slteste Aufgabe noch bei. Gate 
erhalten in dem refrainartig In verschiedenen Abschnitten 
wiederkehrenden »vir bonus« (bei Jordan 6 und UJ, das mit 



1} Schon der Verfasser des pflendo-pletonischen Kleltophon p. 40SDt 
fordert dies. 

2) Nach L. MttUer, Leben und Werice des Ladl S.4Sf. ebenlUls nar ' 
eine einzelne s^tin*. 

8} 5. jedoch Jordan, Prole^. XCIX ß. 



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428 



V. Wiederbekbimg des Diatogs. 



dem Ziuato Mdioendi peritasc den Redner, mit »eelendi perilusf 
den Landmann definiit*); anch sein Werte gibt aidi Merdareh 
als eine Ermalmimg lor Tugend, dmrehgellllirt in deren einielne 
Arten vnd Betiiäiigungen. Als einen Protreptikoe sdieint es 
atich Plntarcb sa beseidmen^. Man mag fibrigens das Werk 
Catos einer LHeralargattung zureelinen, welcher man will, jeden- 
falls gibt sich darin, dass es an den Sohn des Verfassers 
adressirt ist, ein Bedürfniss kund, die theoretische Mittheilune 
mit bestimmten einzelnen Prrsöiiiichkeiten zu verknüpfen und 
dadurch zu belpben-M — ein Bedürfniss. das nicht minder 
im Gebrauche der dialogischen Form erscheint, ja durch diese 
in viel höherem Maasse befriedigt wird. Auf einen ähnlichen 
Inhalt wurde deshalb schon in der nächsten Zeit die dialogische 
Form angewandt 

BratM. Einer der namhaftesten Juristen der filteren Zeit war 
M. Jnnins Brotus : er wird Ton Pompenius (Dig. I 39) nnfer 
die BegrOnder der Reefatswissenschaft geiShIt und das Werk, 
worauf sein Name in spSterer Zeit namentlich beruhte, han- 
delte in drei Bflchem über das ijus civile«. Diese drei 
Bficher entsprachen drei Dialogen, die nach Zeit und Ort ge- 
sondert waren: der erste spielte auf einer privernatischen, 
der zweite aul einer al hanischen, der dritte auf einer tiburti- 
schen Villa die Personen des Gesprächs blieben die gleichen, 
der Vater und sein gleichnamiger Sohn Marens, der sich später 
dadurch, dass er die vom Vater erworbene Rechtskenntniss 
lediglich zu Anklagen Anderer verwandte, und durch ein ver- 
schwenderisches Leben ^) einen Übeln Namen gemacht hat. 
Die Form des Dialogs war, wie es scheint, die denkbar ein- 

1< Ob daher nicht auch die Definition der divinatio von Cato 
stammt, i1i<' wir Iioi Cornel, Nepos iin Altic. 9, ^ lesen -In ijno (in Aitico) 
si tjuüiiiii rmii |iru<ientem dicam. iiumis rpiam debeam praedicrm. cum 
illf» potiii*» diviliiis fu«»r!l, si divinatio appt llanda osl perpetun 
riiit Iii Ulis bonitas quac nuUis casihus agitur mM|ue mtnuituro? Vgl. 
4. 

i) Vit. Cat. tl : npotp^roiv U t6v ut^ hA rtßxa «tX. Jordan II. 

8] Vgl. hienu auch J. Grimnit lU, Sehr. III S. S75. 

4} Cicero d« orat. II tik. 
*S) Diesem Umstand beben wir übrigens die einzige nähere Kennt- 
nis» zu verdanken, die uns über die Dialoge des ttlteren Brotus Cicero 
a. a. O. uDd pro Clueotio f 4Q f. gewährt. 



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Erstes Uervortretea bei den Römern. 



429 



fachste. >Es traf sich einmal dass wir auf dem l ande in der 
Vill.« zu Privemum waren, ich und mein Sohn Brutusc*) 
lautete der Anfang des ersten Buches und dann folgte ver« 
iDuthlich nach einem kurzen emleitenden Gesprach , in dem 
der Sohn eben nur zu Worte kam, der längere Vortrag des 
Vaters, der darin wohl haupCsächUch eine Beihe von tresponsat 
miltheüte'), die er bei venohledenen Gelegenheiten gegeben 
hatte und die einen gewissen Theil des jus eivile erlSuterten. 
Ebenso war die Anlage der beiden folgenden BQcher. Diese 
Einlaehheit der Anlage erleichterte einem SpSteren das Ge- 
schäft) der su den drei ursprfingltohen noch vier neue Bttoher 
hinzofQgte'). Immerhin, wie roh auch noch die dialogische 
Kunst in diesem Werke ist, verdient dasselbe doch eine 
grössere Aufmerksamkeit, als man ihm bisher geschenkt hat. 

Beachlenswerth ist scIumi, liass darin Vater und Sohn in Vat«r und Sohn 
einen wissenschaftlichen Verkehr traten. Bi i den Höiuern ist '"^ ^"»P*** 
dies nichts Seltenes^}, wie wir denn schon eben ein Beispiel 



4 So pro Cluentio 441: forte eveoit ut ruri in Privernati es<ieinu.s 
reo Ol hnitus filius. Dp or. Ii ii4 wird einfa« h ritirt: forte rvrnit ut 
in Frivcrnati essemus. Achnialie Abweichungen tinden aucli in den 
beiden itndorn Citaten zwischen den zwei cicoronischen Stellen statt. 

i) Cicero de orat. 11 i4i: video enim in Catoois et in Bruti libris 
nomtnatiin fere referri, quid alicui de jure viro ailt muHeri responderint; 
crado, ut putaremus in hominihiUy oon In re oonsiütationia ant dubila- 
tioDis causam aliqnam ftiitae etc. Dagegen ist mir zweilbUiafly ob was 
Gellius XVII 7, S and Dig. 49, 4 angefahrt wird, au» dieser Schria 
des Brutus stammt und ob es überhaupt aus einer Schrift stammt. 

3; Dif?. i, 2, 39. Dass dies schon in vorciceronischer Zt it geschehen, 
folet niis r.irrro rle orsfi II 224 und ist aiu'h rleshnil) \s iifusclicinlicli, 
w»'il spatt-r schwerlich Jeuiaud an diesem alten Werk ein solrln-s liilcn'ssc 
nahm, um es durch eine Fortsetzung den Ansprüchen seiner Zeil gerecht 
zu machen. Dagegen war es noch zu Ciceros Zeit ein vielgele^enes 
Handbuch v^. Cicero pro Cluentio 444: eonun initia ciiin recitarentur, 
es quae vohis oota esse arbitror: forte eveoit etc. 

4} Cicero, Livius, Seneea, Aseonins, QiiintiUaii, der Jarist Paulos, 
Martianus Capclla, Ibcrobius, TIberius Claudius Donatus. Vgl. noch 
CoTBUtas ::epi deüv, von den Römern hat es anpenommen Arlcnjidor 
Onirocr. IV u. V. Synesios im Dion Dio Chrys. cd I>tnf?f II s. lüG. l (5 (T.) 
widmete seine Schriften sogar einem künftigen Snlni. cici ihm noch dem 
Ausspruch des Orakels erst noch geboren werden si»llte. Auch in dem 
aauliquutii Carmen« bei Feslus S. !)3 Sl. gab der Vater dem Sohn Rath- 
Mhlttge die Landwlrtbsdiaft betreAeiid. — Mao darf sich bierlvH wolil 



üiyiiizea by GoOgle 



iSO 



V, Wiederbelebung des Dialogs. 



hieriUr in Gatos Schrift kennen lenkten; bei den Griechen 
dagegen bildet ein solcher Fall eine Aasnahme und unter 
den vielen Gesprächen des Sokrates ist nur ein einsiges, das 
er mit einem Mitglied seiner Familie, mit seinem Sltesten 
Sohne Lamprokles führt <). Wie bei den Griechen der Lehrer 
dem Schaler oder in dem Gespriche des Hippies Nestor 
dem Neoptolemos (o. S. 59 f.), so tritt bei den BOmem der 
Vater dem Sohne gegenCAier. So konnte man schon hier- 
ans vennnthen, wenn man es nicht auch sonst wflsste, 
dass das Leben des Riimers viel strenger an die Familie 
gebunden war als das des Griechen. Die Dialoge der R5mer 
sind im Allgemeinen häuslicher, familiärer, linden zwischen 
einander befreundeten Personen statt, nicht zwischen frem- 
den wie sie der Zufall an beliebigen Orten gerade «usam- 
VÜIendialog. menführt^). — Noch in einer anderen Beziehnn» bewähren 
sich die Dialoge des Brutus als Sittea.spiegel. Wio schon er- 
wähnt, führen uns diesolben in wechselnde iii-L^enden. in die 
Volsker, die Albaner, die Sabiner Berge; aber immer ist es 
ein Landsitz des Brutus, auf dem das Gespräch stattfindet. 
Die Athener fanden schon innerhalb der Stadt Gelegenheit zu 
anstSndigem Mflssiggang, vorzugsweise dienten ihnen die Gym- 
nasien dazu, die auch darum ein Hauptsita des sokratischen 
Gesprächs waren; der BOmer um dem Drange der praktischen 
Geschäfte su entfliehen musste das Land auftochen. Wo die 
Wurzeln der körperlichen Kraft lagen, da stShlte sich auch 
bei beiden YOlkem der Geist zu neuer Arbeit (Varro de re 
rusi II I, 2). Diese Sitte hat sich auch bei den Nachkommen 
der Roiner, den Italijinem, erhalten und so eröffnen die 



erimieni, dass dem rOniscbeD Vater eine viel grossere Gewalt gegeDttl»er 
dem Sohne sostand hIs dem grieeUatdicii (G»ju8 Insttt. I 55} ^ uad darf 

weiter annehmen, dass diese grösseren Rechte in einem gewiaaeiriiafteB 
Volke auch da«? Bf*wn«?st«;(MTi höherer Pflichten weckten. 

Xenü|>li. Mein. II i. Kiiif itndere Art vnii (!ia!ot:ixcii«'iii l^nus ist 
der, wonach der ^oiin, von neuen Ansichten erfüllt, dem V«u>r aufsiutöig 
wird und gegenübertritt Dieaen Typus kennt die «tti»^ KontMle des 
fünften JahrhmiderU und später, wieder der deutsclie und englische 
Dialog des Refomations-Zeitalters s. Herford Tbe literary rdations ol 
Engtand and Germany in the si^iteenlli Century S. 14. 55. 
%} Cicero de or. IMS (s. folg. Anmkg.) 



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Erstes Hervortreten bei den Rl^mem. 434 

Dialoge des Brutus die lange Reihe der Villendialoge*), die 
sich erstre< kt bis in die neueste Zeit , wo uns Bonghi's Ge- 
spräch iil)er die Schöpfimgsihat in Rosmini's Garten am Lago 
Maggiore versetzt^). 

Brutus ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht durch sich Abhängigkeit 
selbst auf den Gedanken gekommen sein j^wi^^isches Wi«sen^°^|JJJjJ|J^^ 
In der Form eines Gesprächs zur Üarst4'llung zu bringen son- 
dem durch grieohisohe Vorbilder zur Wahl dieser Kunstform 
geflihrt worden; es ist daher wohl mOglioh, dass diese Ge- 
sprSehe mit seinem Sohn lediglidi fingirt waren und in Wirk- 
lichkeit^ wenigstens in dieser Form, nie Statt hatten. Untw allen 
Umstfinden jedoch muss dem Bmtus eine grosse Unabhängigkeit 
von den griechisdien Mustern fugestanden werden. Es seigt 
sich dies schon in den angegebenen Punkten, noch mehr 
aber tritt es in der Wahl des Inhalts hervor, den keine der 
Fragen bildet, die bisher die dialogische Literatur zu be- 
handeln pflegte. Gharakteristtoeher als durch 6espril<^e Aber 
das jus civile konnten sich die Körner^ als das Volk des Rechts, 
in die Geschichte des Dialogs nicht einführen. Brutub hatte 

1} AttsnahniBweiae fanden sich solche auch bei den Griechen. So 
gehört dasu ein Dialog des Herakleides (o. S. StS) and einer des Praxi- 

phanes (o. S. 3<0). Ein Symptom der veründerten Zeit ist das cfiXa- 
Ypifjseiv des cpikurisrhen Weisen {Diog. L. XI 20) gegenüber der Freude, die 
Sokrates am slfidtischcn Leben hntto fvjjl. IM.itons Phaidros). Im Allgemeinen 
besteht in ditsser Hinsicht zwischen luuü.s» in n und {iricchischeri Dialugen 
derselbe Unterschied, wie zwischen englischcu uud fruuzOäiscbeu : »wah- 
rend der Franzosen Dialoge im Freien ein städtische Gepräge sogar In 
der Sommerfrische nicht verleugnen» haben diejenigen der Engländer 
einen iSodUcben Caiaraktefi F, v. S, In der Sonntagsbeilage No. SS rar 
Vossischen Zeitung 188:» No. S5S. Sonst ist nocb su bMaerken, dass das 
Local der griechischen Dialoge mannigfaltiger war und mehr durch den 
Zufnil I>estimmt wurde, wie er diese oder jene Mensrhen an diesem oder 
jenem <>rt zusammenfulirt^. Hierauf deulel Crassun liei Cieem de erat. 
II 18: Uninium autem iiiepliarum. quae sual iiiimmerabiles, haud sciam 
an Bulla sIt major quam, ut illi (sc. Graecl) solent, qnocnnque in loco, 
qoosciinqae tater bomlnes Visum est» de rebus ant dUBcUllrais ant non 
necessariis argutissime disputare. — Dass Überhaupt das Local der Dia- 
loge eingebende Beachtung verdient, lehrt Herrord, <Icr in seinen Studiea 
in thc literary relations of Englaad and Gcrmany in thc sixtoenth Century 
S. 30 danniH Gewinn für eine vergteichende Charakteristik von Hatten 
und l^raHUJUs i^e7ogen bat. 
i) Saggi Ii (1855). 



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432 



V, Wiederbelebung des Dialogs. 



eiDen richtigen Griff gethan; das Recht mid die maimlgfachflii 
Eröiterungen desselben, wodurdi das Leben der Rdmer be- 
wegt wurde, waren in der That der Boden, auf dem sich 
eine national römische Art des Dialogs hätte entwidLeln kttnneo. 
Ad Stoff tn Disoussionen fehlte es hier nicht und das wirk- 
liche Leben bot eine Fülle von Situationen, die die Scenerie 
solcher Dialoge zur lebendigsten und uiiiiiüi|;lalLi^slen gemacht 
haben würden. Bald würden wir uns im Hause eines alten 
rechtskundigen liöim i s hrliiiidcri haben, der, betjuem im Lehn- 
stuhl sitzend, den ihn beiragenden Bürgern Bescheid giebl 
(Gcero de legg. I 10. de or. I i99), vielleicht würden wir 
die letzteren schon vorher auf ihrem Gange belauscht und 
ihren Gesprächen unter einander sugehört haben, sodass der 
Gang des Dialogs ähnlich gewesen wäre, wie in Piatons Pro- 
tagoras; bald würden wir Sex. Aelius oder M*. Manilius be- 
gegnen, wie sie Ober das Forum wandeln und dort von Andern 
um Bath angegangen werden (Qcero de erat III 433); Scävola 
im Krabe jtingerer Freunde, die andächtig seinen Hiltheilungen 
und Eraählungen lauschen (Cicero Läl. 4), würde uns wie ein 
jsweiter Sokrates erscheinen ; und wie die Philosophen über 
die Grund[)robleme aller Wissenschaft, so würden wir wohl 
eiiuaal auch die Rechtskundigen unter einander, einen Scävola, 
Manilius und Brutus, sich streiten sehen über schwierige 
Fragen des Rechts (»in respoiuU rido disputationes« Cicero Top. 
56. 72. Puchta Institutt.» I S. 176). 

Nur eine dieser Situationen, die unzählige Male wieder- 
kehrende, dass der Vater den eigenen Sohn zur Rechlskunde 
anleitet, hat Brutus herausgegriffen. Die übrigen sind unbe- 
nutst geblieben, Brutus ist der einsige gewesen, der versucht 
hat, die Masse der juristischen »response < in ähnlicher Weise 
in eine dialogische und damit künstlerische Form xu bringen, 
wie dies frOher mit den alten moralischen oico&^xai durch den 
Sophisten Ilippias geschehen war (o. S. 59). Er hat keinen 
Nachfolger gefunden. Dem Dialog ist es bei den Römern er- 
gangen wie andern Arten der Kunst und Literatur, Die er- 
drückende Macht des griechischen Geistes Hess die nationalen 
Keime nicht aulliommen und an die Stelle original r(iiiiis( her 
Schöpfungen traten mehr oder minder treue Nachbildungen 
griechisuber iMuster. 



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ROmer. Varros ond Qceros Zeit. 



433 



b] Weilere Ausbildung im Zeitalter Varros 

und Giceros. 

Der Dialog, der bei seinem ersten Auftreteo in Griechen- Symptome dtt 
iand Zeuge der leidensciiaftliclisten Kämpfe der Hellenen unter 
einander sowie innerer Zwisligkeiten io den einzelnen Städten 
war, ist auch in Rom nur das friedliche Gegenbild des wilde- 
sten Bllrgerkrieges gewesen, der in StrOmen Blutes sofaliess- 
lidi die Freiheit der Republik ersSufte. Nicht bloss in der 
Politik; Oberau, wo geistiges Leben sich regte, hatten sich die 
GegensStie sum Aeussersten sugespitst: auf dem Gebiete reli> 
giösen Glaubens, wo der Aberglaube und die Freigeisterei, 
und schflchtemer auch die traditionelle PMmmigkelt, im Streite 
mit einander lagen, in der Sitte, die uns gegenflber dem 
üppigsten Luxus und Sussersten Raffinement des Lebens eine 
altrömische oder auch wohl kynisch übertreibende Einlhohheit 
der Lebensweise zeigt, endlicli in der Wissenschaft und Lite- 
nitur, die dmclikreuzt werden von dem liader dvs i'hilosophen- 
Sekten, der Poiemik der Anulügisten und Anomaliäten, den 
wetteifernden Bestreliuneen der Atticisten und Asianer so wie 
den mMTinigfachen Aeusserangen des Kampfes, in dem Alt- 
Hom . >i'\ne Geschichte und Poesie sii }i des übennäclitigen 
Einflusses hellenischer und nnraentlich atexandrinischcr CuUur 
2U erwehren suchten. Den 8toÜ tür Dialoge aller Art hatte 
die Geschichte vorbereitet; es fehlte nur an dem künstlerischen 
Genius, der ihn ergriff und gestaltete und so, wie dies Piaton 
und andern Sokratikem gelungen war, ein verklärtes und 
doch treues Bild eines in sich entsweiten und gfihrenden 
Zeitalters lieferte. Hehreres bewetati wie der Geist der Zeit 
sich den ihm angemessenen Ausdruck verschaOte. 

Wie ehemals in Griechenland, so liegt auch im damaligen Rhetorik und 
Rom auf der Rhetorik und Beredsamkeit ein Wiederschein der BmdMmkait. 
sum Dialog drängenden Bewegung. VonOge in der »altercatioc 
sind es, die den Rednern der Zeit nachgerühmt werden. In 
ihr seichnete sich L. Marcius Philippus (Gonsul 94) aus (Cicero 
Brutus 473), vor Allem aber L. Grassus (a. a. 0. 459], der 
in dieser Beziehung nicht seines Gleichen hatte. Auch das 
Publikum hatte gerade hieran seine besondere Freude und 

iliriAl. Dialog. f9 



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434 



V. WiederbeleboDg des Dialog». 



begleitete das Streitgesprflcli swisdien Grastnu and Domitiiis 
mit lautem BeifallsgeBchrenj. Gcero nahm sidi dies nun 
Muster^). Ancb die Bhetoren der Zeit, wie die dem Herennins 

gewidmete Rhetorik des Cornificius, oder wer sonst ihr Ver- 
fasser ist, lehrt, tbun dem dialogischen Bedürfniss Genüge. 
Vorschriften werden gegeben fiir die »subiectio« d. h. «u 
Erörterungen, die der Redner in der Form von Gesprächen 
entweder mit sich selbst oder mit seinen Gegnern anstellt 
(ad Uereon. IV 33 ff. Cicero de orat. III 9'V , ebenso Vor- 
achriflen für die »sermocinatio« oder die lebendige Erzählung 
von Gesprächen (a. a. 0. 65). Im Sinn und Geschmack der- 
selben Zeit rith Cicero (de partit. orat. 55) dem Redner 
fingirte Personen, ja stumme Wesen redend eintafUireDy was 
ebenlj^ls eine der Dialogislrung verwandte Belebung und 
Ausschmflokung der Rede ist 
Dnu. Derselbe dem Dialoge verwandte Geist belbfitigte gleiob- 
teilig sieh aueh auf dem Gebiet des Dramas dureh die Er- 
neuemng des Himus und der Atellane, die damals erst 
sich einen Platz in der Literatur eroberten und bei dem 
i'ubiikum in besonderer Gunst standen. Ist schon überhaupt 
die Komödie dem Dialoge näher verwandt als die Tragödie, 
^n^^•fern beide der l^eijel nach keine Heroen ^^ndem Men- 
schen der Wirklichkeit uns vorfULrcn . liU dasselbe 
doch insbesondere von den eben genannten Arten des 
Lustspiels, die durch Schärfe der Gharakterzeichnung und — 
wenigstens die Hirnen des Publüius Syrus und Labenos — 
durch Reichthum an Sentenien sieh ausseichneUy also gerade 
das Kennieichen des echten Dramas, wodurch es sich vom 
Dialoge unterscheidet, die Handlung, viel weniger hervortreten 
lassen als etwa die Lustspiele des Plautus und Terent und 
deshalb su den gleichseitigen oder bald nachher entstehenden 
Dialogen in ein ähnliches Verhiltniss treten, wie froher die 



i) Ciceru Brut. 164: nulla est altercatio clamoribus uuiquuiu babiUi 
maioribus. 

t) Von aeiner altercttio mit Clodius gibt er eine Probe in ep. ad. 
Alt I 46, 9 f. DuB die aitercatio schon früher in dieser Weise «iiagebildel 
war, tot mir nicht walindieinlich, so hodt deren Bedeutung für den 
Erfolg der KeJe auch von spttteren Rhetoren wie Qulntilian VI 4 ange- 
adilagen wird. 



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Rtfmer. Varras und Cfceros ZelU 



435 



Mimen Sophrons und die Stttcke der mittleren atCisdieD Ko- 
mödie. Dts Innere des Henadieny seine Gesinnungen nnd 
Meinungen in gefSUiger Form darsustellen und dabei Gedanken 
allgemeinerer Art tu gewinnen — diesem Bedfirfhiss genflgen 

jene Possen sowohl als der IMalog und auch in Shnlicher 

Weise, insofern beide durch den Streit der Menseben unter 
einauder Wesen und Gehalt der letzteren in ein desto helleres 
Licht rücken. 

Sind wir durch solche Anzeichen vorbereitet, auch den Satixisohe 
Dialog in jener Zeit auftreten zu stiu n so berechtigt eine ^JJJJgj,,, 
andere allgemeine Betrachtung zu der Erwartung, dass er 
zunächst das Gewand der Satire tragen wird. Die Zeit^ von 
der liier die Rede ist, gehört zu den revolutionären; solche 
Zeiten aber, ind^n sie das soziale und politische Dasein der 
Menschen von Grund au^rtthlen, bringen es mit sich, dass 
das Unedle und Gemeine viel mehr ans Licht gesogen wird; 
die Menschen sind in solchen Zeilen nicht schlechter, sie 
erscheinen nur schlechter, indem die Winkel ihrer Thor- 
heiten, die Abgrunde ihrer Laster sich plOtslich dem Blick 
m^hliessen. Die Satire emster und lachender Art wird da- 
durch herausiieforderl und wurde es auch iiegen den Ausgang 
tior römischen Republik. Nicht bloss Gatull uud Licinius Calvus 
in ihren Spottgedirhtt^n sind ihre Vertreter, auch einer der 
föhrf nden Geister der Kpoche. Siill;i, soll satirische Komödien 
gedichtet haben') und das Aufblühen des Minius und der 
Atellane hat doch wohl ebenfalls nicht bloss in der immer 
gleichen Lachlust des Menschengeschlechts seinen Grund. 
Lucrez und Sallust, die in ihren Werken ganz andere Ziele 
verfolgten, wurden durch die Beschaffenheit Uires Zeitalters 
unwillkürUch in die grimmigste moralische Satire hineinge- 
di^gt. So fand auch Lucil seine Nachfolger, die die Satire 



4} Nach Athen. VI 264 C. Vielleicht darf man sieb dabei an den 
*Ay4|v erfimeni, der kein eigentliches Setyrspiel, sondern durch seine 
politiseben Anspielungen der Koaiödie verwandt war (Athen. Xili 895 E), 
ttlieihaapt an des spitere Setyrspiel, das* am dem Fobllkum seiner Zeit 
sa gefUlen, sich der Komödie annShem mnsste. Den *Ayif* Dachcoahmen, 
Iconnte Sulla auch dadurch Itestimmt werden, dass als sein Verfasser bei 
Mimrhrn AlexitndiT der <jrn<!s(> paM. Leo im Herrn. 24, SS, 4 hiiit die Sati- 
rischen Komödien Sullas für Satiren. 

SS* 



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436 



V. innedACbeldbDiig des Dialogs. 



alB selbstfltSndige Gattimg der literatur pflegten; und euch 
diesmal war es das tUelitige altrSmiache Wesen, das sich gegen 
die Verkehrtheiten und die Verderbniss der Zeit wandte, lu 
diesem Zweck aber freilich eine ihm ursprfingUch gaax fremde 
und senderlrare Form wfihlte. 

Varros Menippische Satiren. 

Denn was hatte die ErfinduDg des Syrers Menippos mit 
altrömischem Geist und Wesen zu Uiun? Wie kam ein so 
hervorragender Vertreter des letzteren, als M. Terentius 
Varro war, dazu gerade dieser Spielart des alten Dialogs 
den Vorzug zu geben? Die Formlosigkeit des grossen Ge- 
lehrten alhM'n k^nri die Wahl dieser Unlorm nicht erklären. 
Allgemeines und Individuelles wirkte hier zusammen. 

Kin Allgemeines ist der satirische Hang, dem nicht bloss 
Varro, sondern das ganze Zeitalter sich ergeben hatte und 
dem der menippische Dialog noch besser als der alte solua- 
tische entsprach. Weiter wirkte mit die Freude, die man 
damals allgemein an derber Komik empfand ; einem Publikum, 
das den neu auflebenden Mimen mid AteUanen seinen Beifall 
spendete, das keine kunstvoll verschlnngene Handlung forderte, 
sondern an grotesken Sienen und einer bald ernsten bald 
lustigen Verhöhnung der Gebrechen der Zeit sein benliches 
Behagen hatte, musste wohl die spottende, auch der Begeln 
der Kunst spottende, Laune des alten Eynikers susagen. ^) Ein 



i] Mancherlei Einzelnes beweist ausserdem die VerwaiiUlscUafl , Uie 
zwischen Mimen und AteUanen einer- und der Menippischen SaUre Varros 
andererseito bestand. Beldea gemeinsam sind <Ue stellenden Masken : den 
Maociu, Bnoco, Pappos in ihren verschiedenen Lebenslagen entapridit die 
gleidibleibende Persönlk^eit des iCynikers (Ktfvtffmp o. s. w. Riese Var- 
ronis Satt. Mcn. S. <52f.;, namentlirh des Diogenes (s. o. s. 387fT.\ Attf 
Bprühninirrn der Atellane mit dor Philosophie weist der Titel Philoso- 
phiii. den ein Stark dos Pomponius trug. In diesem Stück spielte Dossennns 
eiue Rolle und die (iriibsi litift uuf ihn, die ijentM-a episl, sy, 7 erhallen 
hat (Münk de fab, Alell. .s. aoj, könnte leicht einer ahnlichen Siiuation 
entnommen sein, wie diejenige ist in die uns fr. I Rleie der T«f^ MsvhncoM 
Varros veraelzt. Hit Pidioaopliie, sogar deren einseinen Richtungeo be- 
fiissten sich auch die Mimen des Laberlus: mit der Pyihagoreisdien der 
Cancer^ auch fr. ine XXI Ribb., mit der Kynischen die Compitalla fr. III R. 



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Römer. Varros Menlppiache Sallren. 



437 



Allgemeines, das hier in Betracht komml, ist endlich die 
UeberieUuQg heUenisch-orienlaUscher Gultur, von der das 



sogar mit Demokrii der Restio fr. I R. Zu Mortis et vitae indiciuni, 
dem Titel einer Atellane des Novius vgl. S. 378, 3. 433. Unter den llimeo 
des Laberius kann die Necyomantia mit Ludans MfytrTTo? Tj Pfexuofx. 
NtTKÜchen werden oder auch mit der Nexuia Menipps. Aehnticiie Motive 
\err}ilh«Mi die 300 Juppiteres ohne Kopf, die Varro «inführlc nach Tertull. 
ApoL i4 ad oaiion. MO und die drei hungrigen tlvrkulcssc der Mimen 
elwpda 15 (Ribbeck 8. 810]; das Testament des todten Inppiter Im Mimvs 
(TertnlL ApoL wo aber die Lesart onsidier} und das Testamentum 
Varros oder die AtnAfpm Uenipps. Dravestie von Tragödien oder tragi- 
schen Stoffen: Phönissae des Novius (Münk 88, 415) Jlgamemno Suppo- 
sittis des Pomponius (Münk 50} Autonoö (Weidner zu Jiivcnal VI 71 f.); 
Varros Enmenides, Ajax stramcnticiiis n. a. Riese, Prolegg. S. 28f.); 
nach Münks Coinhination S. 48 bezoi; sich die Mania Medira des Novius 
auf die Sage vot) der Medeia, dasselbe thnt dei- Murcipor Varros fr. IX. 
Von Festen hergenommene Titel sind Quinquatrus, Myslc^ria, 'LxaiopL^T] 
Varroe, Qnlnqnatnu nnd Decama des Fornponlus, Satamalia des Laberius. 
Die Hirnen sowohl als die Henlppiscben Satiren gehören xnr Gattung 
des mot^SorlXetoy : s. ttlwr die Mimen Seneca de tranipi* H, 8. epist 8,8. — 
Zum Inlialt kommt die Form. Nidit bloss, dass man UelMreinstimmang 
in der Anlage vermuthen kann, es war den Atellanen und Mimen viel- 
leii hl aiK-h das iiiisserlichste Characteristicnm der Menippea eigen, die 
Mischung von Vers und Prosa. Teh weiss wohl, dass diese Ansi<'ht -o 
weit sie Miiuos und .\tellane tetrilU, nachdem sie sieh früher schon ein- 
mal schüchtern vorgewagt halte, verworfen worden ist und seitdem als 
beseitigt gilt (Grysar der rOm. Mmns in Wiener philos. iiistor. Sitzungs- 
ber. Xn t88). Wideriegt scheint sie mir aber noch keineswegs. Auch 
linnk de fab. Atoll. S.4S9 vermnthel, dass rar Zeit des Amobins die 
Atellanen wieder improvisirt wurden, und lUr die Mimen des sechsten 
Jahrhunderts n. Chr. kommt er S. 131 zu dem gleichen Schluss. Danach 
liegt tlie Annahme nahe, dass auch in der Blüthezeit dieser beiden dra- 
matischen Gattungen riie Improvisation niemals ganz \prsrti wunden, son- 
dern nur zurückgedrängt war. Die Thaligkeit des I i imi- und Publi- 
lius Syrus wäre hiemach eine ähnliche gewesen, wie iln!jeiuge Gozzi's, 
d. h. sie haben in ihren verschiedenen Stücken der Improvisation der 
Sdiauspieler ehien mehr oder minder grossen Splefaraum gelassen. Ich 
weiss Dicht, was uns hindern kann, aus der modernen commedia dell'arte, 
4te ja Ustorisdi mit der Atellane und den Mimen rasammenhängt, einen 
Rttckschluss auf die Beschaffenheit dieser letzteren zu zielien. Dann aber 
hatten wir uns auch diese beiden als ein Gemisch aus Prosa und Versen 
zu denken: die Verse sind die vom Dichter vorher llxirten, z. B. regel- 
mä.ssig der Pr(>log, wulirend die Prosa der Improvisation uberlassen bleibt; 
nicht als wenn man nicht auch in Versen Improvisirt hatte, al)er natür- 
licher Weise fkllt jede Improvisation von Zeil zu Zeil und auf die Dauer 



438 



V. Wiederbelebang dM Dialog». 



römische Wesen gerade damals auf verschiedenen Punkten 
berührt wurde. Auf diesem Wege kam der Mimos nach 
Rom^ in dem aufzutreten deshalb für einen Rümer wie 
Laberius als schimpflich gall und der sdnen Ursprung 
aus dem hellenisirlen Osten, ausser durch den Namen, 
auch durch die Herkunft einiger sehier Hauptyerlreter seit 
Pttblilius Syrus^) su erkennen gibt In denseU>en Gegenden, 
wo swei alte Gulturen sich vermischt hatten, war auch ein 
geistreiches Wesen zu Hause, dessen echter T^'pus in späterer 
Zeit Lucian war und das eben damals anfing seinen Einfluss 
auch auf die Romer zu äussern. Dorther stammten die her- 
vorragendsten Philosophen der Zeit, Männer die aber ihre 
Bedeutung nieht sowohl durch wissenschafllichcn Tiefsinn und 
Entdeckung neuer Wahrheiten hatten als durch blendende 
und auch den Laien anmuthcnde Darstelluugsgabe, die eben 
deshalb, durch diese glückliche Verbindung von Philosophie 
und Rhetorik, ihre eigene und die griechische Philosophie über- 
haupt den Römern empfahlen. Die Philosophie war nicht 
nu'nder als die damalige Rhetorik in gewissem Sinne asianiach. 
Zu den Philosophen dieser Art gehören Antiochos aus Askalon 
und Poseidonios aus Apameia. 

Vor Allen aber ist zu nennen der Epikureer Philodemos, 
weil er aus Gadara stammte, derselben syrischen Stadt, die audi 
die Heimath des Erneuerers der menipptsdien Satire in jener 



wieder in die bequemere Prosa zurück. So würden Mifno* und Atellane, die 
Zeitgeoosscu der menippischen Satire Varros, auch foimell ein Scitcn<itUck 
zu ihr bilden. Oh etwa iuiprovisirte Komödien schon ein Vorbiid für 
die alte meoippiscbe Satire gewesen sind, konnte vielleicht noch einmal 
aiilmiiclitwwden. ObenS. ISI ff. ist ihr Ursprung mit anderen lOttelo eridirt 
wordeo. Improvisationen sind gewiss in Griechenland und in den helle- 
nisittoii Distrikten Asiens, in denen Mcoipp ZU Hause war, immer und 
nicht bloss in der ültestcn Zeit üblich gewesen. [Aristoteles, der alle 
Di« }.tkiiiist und insbosondt-n' dii' dramatische ans den Impmvisntionen 
ubicilct l*opt. 4 p. 1448^» 144'.i^U,i, würde d\o- kaum üi'lhan hab»m, 
wenn ihm dergieichen nicht aus der eigenen Erfahrung bekannt ge- 
wesen wttre. 

i] Darüber, dass Syrien oder doch der helleDisirte Osten, wo nidit 
die Heimat, so doch eine HauptpflegestStte des spMIeren Mimos war, s. 
Grysar in Wiener Siteungsber. phil« hislor. GL XII (1854) S.STSIT. U% l 
»06. 8S7f. 



Rumer. Yarroa Menip^iische Satiren. 



439 



Zeit, Meleagros, ist. Beide sinci auch in ihrem Wesen Meieagroe ans 
einander verwandter, als man zunächst wenigstens von einem 
Anhänger der epikurischen und einem der kvTiischen Schule 
erwarten sollte. Aber auch sie haben es verstanden, die ftliilo- 
sophische Kluft, die sie trennte, unter Blumen tn verdecken. 
Beide waren geistreiche und willige Männer und eben des- 
halb wie geschaffen, um in der Modepoesie des Epigramms zu 
glänzen. Verleugnet hat Meleager den Fhiiosophen und speziell 
den Kyniker auch in Beinen Gedichten nicht^): doch hat er ihm 
alle SchrofiGheit genommen nnd ihn so zurecht gestutzt und 
gegUttet^ dass er, ohne Anstofls tu geben, das kynische MSn* 
telelMn nur coquett umgehängt, flieh im elegantesten Salon 
der sogenannteii guten GesellMliail bewegen konnte*). Er 
war ni^t eigentlich Pbflosoph, sondern Sophist^ als welchen er 
sich anch selber beieiohnet^, spielte also unter den Kpiiikem 
dieselbe Rolle wie PhÜodem und seinesgleichen unter den 
Epikureern^] and wie schon einmal in früherer Zeit unter 



1) Id dem Epigramm A. P. YII 13 f. rühmt er sich, dass er die 
Museii mit dem Eros, ifie Cbsrtten mit der lofla verbunden habe; vnd 
wenn er ebenda XII 44 7, 5 1 alle auf die oefia gewandle Vtthe dem Eros 
gegenüber gering anschlägt und prei^ben will, so ist dies wohl onr 

ein« poetlache Uyperliel, beweist aber, auch ernsthaft genommen, so viel, 
dass er wenigstens eine Zeit lang sich mit Philosophie hesrhHflipt hat 
ebenso XH 401, 4), Auch die Art, wie er VII 470, 4 den Fhitauioü^ preist, 
er ein Leben geführt habe, das den oo^ ot gesellt war (ootfoTc iTapov], 
kenozetchnet ihn als Philosophen. Zur kyniachen Philosophie hat er sich 
geradexaswar nicht bekannt: doch iwnn man als elneSpor defseiben ansehen 
die kosmopolitische Gstinonng, die sich VII 417, 8 Sosseri; so wie die 
in kynisclrär Welse paradoxe Orabschrift auf den Hasen Vll 207 uod das 
auf Heraklit berügliche Bpignunm VII 79, das allerdings nicht von 
sweifelloser Echtheit ist. 

2) Wenigstens in der Moral ist er l^eioeswegs rigoros, sondern scheint 
sich und Anderen den reichlichsten Genuss des Weines und der Liebe zu 
gestatten. (Streng genommen, aber nicht noth wendig, würde allerdings 
das icpaw eimp. statt itpAtoc in A. P. VII 447, 4 besagen, dass sein 
Kynismos oder doch die literarische ThXtSgkeit In dieser Richtung einer 
frttheren Zeit seines Lebens angehörte). Und dass aach seine wissen* 
schaflliche Bildung sich nicht innerhalb der engen Grenzen des Kynismus 
hielt, Iwweise schon das Beiwort »gOtUich«, das er IV 4, 47 Piaton 
eriheilt. 

3) VII 42«, 7. 

4) ünterss. zu Ciceros pbilos. Sehr. I S. 4 80 IT. Auf historisches In- 



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440 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



den Kynikurn Meiiipp*). Don leUtereii, seinen I.andsmann, 
nahm sich Mclcaeer auch in dor literarischen Form tum 
Vorbild^] und wurde so der einllussreiche Erneuerer*) der 
menippischen Satire, sei es nun, dass er selbst seine Werke 
Stt den R5mem brachte oder dass Philodem dieselben auf 
sie hinwies oder endlich, dasB der allgemeine Strom der Kultur 
sie aus »dem sweiten Athen i^) nach Rom hinfiberflUirle. 

Gelesen wurden sie dort ohne Zweifel von Manchen imd sind 
es vielleicht gewesen, die Yarro veranlassten auf die Menippi* 
sehen Originale sorttcksugreifen und die ihn tur Nachahmung 
reisten. Jedenfalls müssen wir uns sor ErkUrung der That- 
Sache, dass damals der Kynismus überhaupt wieder bervortntt 
und insbesondere bei den Römern Anhänger findet, nach einer 
besonderen Ursache umsehen. Die Wirksamkeit Meieagers 



teres86} welches unter Badem die epikarelflclieD SophislNi charaklerisiri 
(a. a. 0. 4 SS f.), deutet der Titel auch einer Schrill Meieagers bei Diog. L. 
II 9S iccpl So^öiv. 

1} S. o. S. 379 f. Vgl. noch das früher S. 367 bemerklef ttber die Be- 
rührung <!er späteren Kynikor mit dm Kyroniiikrrn. 

2) Diis bekeuiil er selbst in dem Epif^ranim A. P. VII 417 (auch 
4 KS, 6 ist wohl Mevirreloi; für MeXirjTehic zu sehr.). Ausserdem folprt 
CS aus Diog. L. VI 99. Diesem Genre gehürte das Sufintiotov an. worüber 
8. S. 866. Ob auch die Xaprac bei Athen. IV 4S7A, ist zweifelhaft; 
auffallend iat die dreimalige Erwähnung der Xdpmwc in den Epigrammen 
VII 417^19, einmal oder gar xweimal ato Mcvitnuioi X. [is^ Xxf^km 
wird Mcnipp beschworen bei Laden Icaromen. 4), ndMtt den Moseii and 
dem Eros, man möcht« hiernach vermuthen, daM, wenn mit den Mnsnn 
die Gedichte bezeichnet sind. Xacire; »Ipt Gosammttitel für seine Menippi- 
schen Satiren war. Dagegen mag die ebenfalls von Athen, a. a. 0. i;enannte 
XexiOou xai «pax-fjc c6fyLmmi: tu den mjptptostc der Rheloren in demselben 
Verhäitniss gestanden haben, wie die Satire Meuipps zum sukratischen 
Dialog (Wachsmuth, In Gorpusc poes. ep. Gr. ludib. II S. 84 u. I Sw 2i4; 
Demelr. deelocut. 470). Auch diese Hand, wie wir sehen werden, Nadn 
ahmung hei den Römern. Die dialogische Form auch hi Epigrammen 
Meieagers A. P. VII 7S u. 470 s. o. S. 400 f. 

3) ripfirra ouvrpoxaoa« xtX. fS. 439, 2) sagt er selber A. P. VII 447, 4. 

4) A. P. XII '1".. 9 f. verstehe ich die ' Protiitx-f, ) or:a; von der lanx 
satura, was aul Ki mitniss römischer Sprfx he und Zustande deuten würde. 
Aber auch ohnedu s ist es mindestens nicht unwahrscheinlich, dass ein 
geistreicher Literat und der keineswegs an der Scholle klebte, das Cen- 
tmm der damaligen Welt aufsuchte. 

») A. P. VII 41 7, S. 



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Rdinn'. Varros Menipplsche Saliren. 



441 



bir'tet sie uns uud der Nachhall, den sie bei einem Manne 
wie Varro fand. Die Thätigkeit, die derselbo nuf diesem 
Gebiet entfaltete, lässt sich mit der des Nigidius Figulus fllr 
die Neubelebung des Pythagoreismus vergleichen^) und hat 
ihm noch nach Jahrhunderten den Beinamen des römischen 
Kynikers (cynicus Romanus) eingetragen. So einsam stand er 
in dieser Hinsicht unter seinen Landsleuten, dass er der ro- 
mische Kyniker schlechthin genannt werden konnte: keiner 
hat so wie er sein Interesse für diese schon den Griechen 
baibfremde und mit ihren sUats- und tjcscllschaftsfeindlichen 
Tendenzen den Hüiiu rn vollends widerstrebende Philosophie 
durch eine umfangreiche literarische Thiligkeit bekundet. 
Allerdings war niicf» sein Kyuismus kein tief ^cwurzeltrr, der 
ihn durchs Lel»en bcLilrif ele. sondern bezeichnet eine .liigcnd- 
periode, tlber die hinaus er später zu andern mehr systema- 
tischen und dogmatischen Philosophien grifft). Eine übermttthige 
jagendlichem Alter eigene Kritik alles Bestehenden machte 
sich darin Luit Stilistische und rhetorische Neigungen wirkten 
dabei mit: die seltsame barocke Form dieser Satiren, ihre 
doch wohl stark gewflnte Geistreichigkeit mochte ihn aus 
demselben Grunde reizen, aus dem er an der Schwester der 
Menippischen Satire (s. o. S. 380, 1), der asianischen Bbetorik 
und deren Vertretern unter den Historikern, Uegosias und 
Sisenna^), Gefallen fiuad. 

Verschieden wie von dem syrischen Griechen der ehrsame 

i) ICynisiniis niid Pytbagorelsmus hatten Seiten, auf denen sie sieh 
ber&hrten, wie auch das Auftreten des Dlodor von Aspendos lehrt 
(Athen, rv 4 6SEr. Zeller Phil. d. Gr. l* 311, 3). und mögen sich dam»\» 
gegcnsHti« srofördort haben. Bei den Kyntkern und Pythagoreern der 
kaiserzeit tritt dies noch starker hervor. 

2; Was wir über Varros philosophische Ansichten wissen, fribt ans 
kein genügendes Recht zu der Behauptung, dass er zeitlebens zwischen 
den verschiedensten Meianngen geschwankt habe. Vielmehr überwog 
bei Ihm in der ersten Zeit der Kynismns, womit sich leicht und natür- 
lich einiges Stoische und Pythagoreische verband. Erst später Iiat er 
ikh dann in der Philosophie des Antioehos befestigt und auf diese Weise 
eine ganz normale Entwicklung dnrchgeniarht. die nach einer mehr 
kritisch-slteptischen Jui^endperiode ihn SCliUeeslicb in einem derben Dog» 
matismus seine Ruhe (Inden liess. 

3) Weni^st^«ns lusst der Lofiiütoricus, der nach diesem den Namen 
tragt, vermulhen, das» Varro ihn hochschätzte (Blass, Griech. ßer. S. 1 48], 



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442 



V. Wiederbetebung des Dialoge 



Sabiner aus Reato war, so musste wohl, als Varro es unterDahm, 
das menippische Original in seiner Weise umiubliden und mit 
dem Stempel seines Geistes zu versehen, ein sonderbar bunt- 
scheckiges Wesen heranskommen, swiscbeii Prosa und Versen, 
Drama und Dialog, Emst und Sehers, kritischer und dogma- 
tischer Philosophie, Wahrheit und Dichtung, ja swischen Himmel 
und Erde auf und absdiwankend. 
Wechsel von Welchem Gesetze er in der Yertheilung der prosaischen 
^y^"^ uini goi)uiuleDea Rode folgte, wissen wir nicht. Vielleicht 
liess er sich zumeist durch Lust und Laune leiten und erzielte 
gerade durch diese Willkür gewisse komische ^Wirkungen. 
Doch scheint er wenigsleus in den Kingfinson seiner Satiren 
gern auf poetischen Stelzen geschritten zu sein, so dass, von 
dieser Seite betrachtet^ ihre Äehniichkeit mit den damaligen 
Oramatiflchar Dramen vollkommen war Und diese Äehniichkeit bleibt 
hierbei nicht stehen, sondern seigt sich weiter in der äusserst 



i) Die Verse ans der Sstire Gloria fr. I R., die man naeh wahrseheia- 
|i(dier Vermathvng dem Prolog sutheileD kaon (VaUen, In Vammis aett» 
Menipp. coai. S. k), führen uns sogar mitten ins Theater. Im übrigen 
tragen diese eioleitenden Verae sehr verschiedenen Giarakter. Am meialen 

erinnert ans Drama ff r-ules tuam fldem fr. I R., wo Cott Tutanus redet, 
oder Prometheus fr. IIT., wo Prometheus Valilen a. a. O. ißsf. •. oder 
Ovo« X6pa; fr. II, wenn (lieso Versü einem Prologe angohuren , in dem 
der auftretende Musicus sich selbst dem Pahlicuin vorstellt und sagt, 
was er für eine Rolle spielt (Vahlen S. 3f.j. Anderwärts, sind die Proö- 
mien mehr nach der Weise des Epos: im Sesqueolixes fr. XXI! (Valden 
5. ISS) wurde statt der Husen die Echo aDgerofen, in der Jimaiuixia fr. I 
(u. Kiese s. St.) Uindliche Gottheiten. Wie ans einer poelisehen Dedika- 
iionsepistel Iclingt Hodliis fr. I (Riese s. St); nnd die To^ Mtvlinm» 
ging von der in Versen abgefassten Grabschrifl des Kynikers aus fr. I 
(Vahlen U7f.). Bestätigt wird diese Refjel durch späte Nachahmer der 
menipplsohen Satire wie Martianus Capella und Boethius. Der Erstere 
beginnt seine Nuptiae l'hilologiae et Mercurii nicht hioss das i:an7.e Werk 
mit Versen, sondern auch jedes einzelne Buch, ausgenommen ist nur 
das achte und diese Ausnahme gerechtfertigt durch die das siebente 
schliessendeo Verse. Bostiilns ertfflaet ebenfUls seine Consolatio mit 
einem Gedicht, das stille Selbstbetradktungen des Antors entbiüt, in denen 
dieser durch die Brecheinung der Philosophie unterbrochen wird. Vgl. 
auch Kiese S. 30, der noch auf den Juppiter Tragoedus Lucians ver^ 
wiesen hat. Ob Varro in dieser Beziehung sein Vorbild bei Menipp hatte, 
e<t «Mne Fracke, die man auf werfen kann, die Sich aber mit nnsem Mitteln 
acliweriich entscheiden lässk 



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Raomt. Varros Mfinippische Satiren. 



443 



lebendigen Handlung und dem Scencnwechsel (Valilen Conj. 
197. Riese ^i. 28), wie wir sie noch aus den Resten der Lex 
Maenia und namentlich der Eumemden errathen iLönnen. Von 
der Art dieser Darsteliungen im Allgemeinen können uns 
Lucians erhallene Dialoge noch eine anscbauUcfae Yorstellong 
geben. Sogar bia snr Nachahmung elnielner Dramen der 
Tragödie wie der KomSdie aoiheint sich diese Dramatisinmg 
gesteigert sa haben'). Auch die Ptersonificationen abstraliter 
Begriffe, die Varro gelegenflicb einführte, die »Wabrheitf 
(Veritas), der »Ruf« (Existimatio) , auch die Furien^), so- 
dann der »reuige Sinn« (Metamelos) , ein Sohn der »Un- 
beständigkeit« (luconstantia) waren wenigstens im Drama, 
der Tragödie und namentlich der Komödie, insbesondere der 
iiiitlltTen attischen, mehr zu Hause als im eigentÜclion Di ilog; 
und das Gleiche gilt von den Göttercrscbeinungeo, 2. B. des 
Ttttanus^). 

GedSmpft wurde die Lebhaftigkeit des dramatischen Cha- Erx*Wnnj ron 
rakters bisweilen dadurch, dass das Gespr&ch nicht unmittel- 
bar dem Leaer vorgefllhrt, sondern gleiclisam lurttckgeachoben 
wurde mid In der Form einer EnSUung lor Daratellnng kam 
Wie sich die Satire hier mit dem Dialog, speaiell dem sokra- 

bertkhrt, springt in die Augen. Auf dasselbe Gebiet verhiitain« 



tritt aie Uber, indem sie YerhIltoiBse und Personen der Wirk- air^'" 
liebkeit in Ibren Bahmen liabt: denn so wie auf der dra- Wirk]i«hk«it 



1) S. die Titel bH Kirne S. 31 f. Vgl, auch Vahlen iUff. 19I f. Riese 
S. 2«^» ^tatt aber durch die Ao-yojxa^w an die ztrypaiyh und Hcofia'/ti 
Homers erinnert zu wcrdon (Riese 3J , war es wohl ricbtipor an den 
Kampf der beiden kö-^oi in den Wolken dos Aristophancs lu ili nki ii : 
dafür spricht der Name; sodanu das Metruiii, da das einzige aus dem 
Vtrronischea Werk erhaltene Fragment ein auapästiscber Tetrameter 
derMlben Art tot, wie diejenigen, in denen die aristophaniMhe Streit- 
SMne abge fa aet ist; endlich eher anch der Inhalt, denn die hei Varro 
sich streitenden Bpikareer nnd Stoiker (Porphyr, zu Her. serm. II t, I 
I> i r.iese s. 15S) sind offenber nichts weiter als der modemfsirte dtcuos 
und otx'i'.o; Aoi-o;. 

2) isumeaid. fr. 45. 4 8. 19 v^l. 

3) Lex Maenia fr. 4. v-1. auch i'armeno 13. 
Vgl. o. i>. 60 f. a74 II. 442, i. 

5) Riese & i« f. Auch Ta^i^ Mev. fr. 2 u. 7 Uesscn sich vielleicht 
noch anfuhren. Vgl. auch Birl, Zwei politische Sattfen S. S9. 



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«44 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



matiflehen BQhne des Altertbiims dar Mythos, die IMchtang 
hemcht) weim auch nicht ausschliesslich, aber doch vorwie- 
gend, ebenso und in Shnlidiem Maasse hat sich die historische 
WirlLlichkeit> oder doch was sich dafttr ausgibt, der Welt des 
Dialogs bemSchtigt und die INaloge des Alterthums entsprachen 
so, abgesehen von dem, was sie sonst leisteten, auch ehiem 
Bedürfniss, das in neuerer Zeit durch die historischen Tra- 
gödien und Romane befriedigt wird. Die Wirklichkeit Ivann 
oine entferntere oder nähere sein. Irgendwie in die Zeit des 
Sokrates scheint ^ irm im j^Krkenne Dich selbst« (Fvoibi as'Xfi- 
T(5v) zurückt: ei:;nii:t'a /;u sein \}. Auf griechischen, oder doch 
nicht-römischen Boden führte vielleicht das »Beerähniss Me- 
nippsf (TacfTj Msvittttou) 2) und nach derselben Ilichtung könnte 
auch der Name des Gleophantus weisen in »Weit flieht wer 
die Seinen flieht« (Longe fugit qui suos fugit)^), so wie die 
Bömische Namen und Worte in den »Meleagemc (Meleagri] — Weit 
Stoffe. Verwiegend aber tritt uns aus den Fragmenten die Schilderung 
von Yarros eigener Zeit und nSchster römischer Umgebung 
entgegen. fiSnen altrOmischen Namen trSgt «Semnust (oder 
»Ober Magisfratswahlen«) und scheint die echt-rOmisdie Ver- 
gleichung swischen lündlicher Müsse und dem Ton Gesch&ften 
geplagten Leben in der Stadt ansustellen. ROmische Feste 
der Minerva und des Weingottes wurden in »Quinquatrus« und 
»Yinaliac gefeiert; fUr die heimische Religion moefaten eintreten 
und fremden GuU beIcSmpfen »Pseudolus Apollot und »Serapis 
Ein Römer ist es wohl, vieUeicht Varro selber (Vahlen a. a. 0. 



V Dt nn fr. U spricht von ^^okratcs wie von f inrm gleichzeitig 
lebendt ii nunnc homullum scribunt esse grandiluis supcrciliis silonem 
quadraluüi. Aul Sokrates hat die Worte bezogen Ilciuslerhuis (s. Riese z. St.}. 
Man würde ohne Weiteres einen ganzen Dialog ansetzen, der ia Sokrates* 
Zeit spMt, wenn oldit Arat in tt. S sttfrte and die Mosen des PolyUes fr. 5. 

8} Die Voraiusetsiuig ist, dass die Orabachrifi fr. I an Ort and Stelle 
gelesen wurde. 

3) Fr. 2. Hiernach scheint er ein griechischer Stoiker gewesen zn 
sein. Aber freilich gal) es dci< n damnls auch in dor WtMtst-idt Rom genug. 

4 Fr. 4. fi. 7. Das >»id est Tcs^'oc'.r-.o - U\ f l seheiiil nur rerhf vor- 
slanUlicli, wenn die .Szene nach (iriecherdHud verlegt war. Zur Erklärung 
des Titels kann vielleicht mit beilragen, duss nach Diog. L. VI 31 der 
Kyniker Diogenes seine Züglinge , die SObne des XentiMles, auf die Jagd 
führte. 



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Römer. Varros Menippische Satiren. 



445 



110-, der im »Sesqueulixes« nach lanL'pn lit is* d wieder heim- 
kehrt und der im »Sexagessis« als neuer Epimenides in Rom 
erwacht und am £nde mit Andern »nach alter Vätersitte « 
(more maiorum fr. 49) in die Tiber gestürzt wurde. Ein echt 
römisches Thema »von den Provinzen« behandelte die räthsei- 
hafte »FlaxUbala«. Die Satire »Jeder Topf bal sein Maasai (£8t 
modus matalae) kehrt dadurch, dass sie am Trinkgelage auch 
die «uxorcidair (fr. 4) theilnehmen iSast, eine characteristische, 
die römischen Symposien von den griechischen unterscheidende 
Seite heraus <}. Römische Sldaven treten im »Marcipor« und 
»Synephebust auf. Und wie in letsterer Schrift das »sttss- 
duftende Neapel« (t^^uttvou; Neapolis fr. 5), so erinnerte noch 
mehr, schon durch seinen Titel, Bajae« an das Paradies der 
vornehmen Römer und gab aller Wahrscheinlichkeit nach Varro 
das Recht vor alexandrinischen Ui( htern als der Erfinder der 
später s(» beliebten, den älteren Griechen aber noch fremden 
Bäder>Dialoge zu gelten^). So weht uns noch an mehr B&d«r<I)iftloge. 
Stellen, als möglich und nöthig ist anxugeben, italische und 
besonders römische Luft an. 

Mehr noch als hieraus schritt Varro aus der erdichteten 
Welt des Dramas heraus, indem er wie vorm Spiegel schreibend 
sich selber redend eihfIDhrte*), woraus sich weiter leicht die 
Form des Briefs entwickeln konnte, die ebige seiner Satiren BM. 
gehabt SU haben scheinen Konnten ihn hiersu schon grio- Sdhrt » 
chische Yorbflder ermuthigen so ging er doch auf derselben 
Bahn noch weiter, ab sie und fügte cu seinem Ich noch ein 
Alter ego als Gesprächsgenossen. Piaton hatte alles Denken 



Com, Nep. praef. 6. 
2) Plutarch Quaest. conviv. iV 4 Antg. spielt das Gespräch inciaem 
Badeort, Aidepsos auf Euboia. Uns Deutschen räid TOn G«6prSchen der 
Art Leasings G«spiiefae für Freimaurer faekannt» die In Pymont gehalten 
werden. Mehr bei F. v. S. In Sonntagsbeilage No. 4i u* ts mr Vossischen 
Zeltvng I8SS. 

t) Triphall. fr. 2 Sexagessis \ 7. Flaxtab. Ö vgl. Valilcn 11 0 f. 

4) Vgl. hierzu Bücheler Rh. M. U, 422 u. o. S. 300 fT. Auch hierin 
Icoontc er Menipp folgen : Wachsmuth Sillogr^. S. Hi. 357 f. 

51 0. S. ;i« f. Solons 'jrod^xai ei« ea-jTov) inU. 321, 1. 342. 3. 398, 
Auch Antiochus trat in seiueni vor dem Jahr 7y geschriebenen »Sosos« 
Halber redend auf nach uieiuer Vuruiuthung : Unterüi», zu Ciceros phiios. 
Sehr. III SSS. 



L.icjui^L.ü cy Google 



446 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



Ar ein GesprScb des Menschen mil flieh selbst erkliM^] und 
Antisthenes als die Pracht seines Philosophirens es bexeidi- 

net, dass er im Stande sei, mit sich selbst tu verkehren^). 
WcQü der Wiuk, der hierin lag, das Selbstgespräch in die 
Literatur einzufOibren und zwar in dramatisch durchfajebil- 
gebildeter Gestalt, nicht schon längst benutzt worden war, 
so hatte dies seine Ursache wohl in der komischen Wirkung, 
die von solchen Darstel Innigen kaum zu trennen ist und aus 
dem Contrast eines bald einlach bald do|)pelt erscheinenden 
Wesens hervorgeht. Lanzelot Gobbo mag sich so mit sich 
selbst unterhalten oder die Magd der plautinischen Komödie 
(Stich. 274 ff. J. Grimm £1. Sehr. III ^96), die Tragiker haben 
dergleichen möglichst gemieden^) und zu den Tendenzen des 
alten emsthaften Dialogs passte es ebenso wenig^). Um so 
mehr entsprach es dem Geist der Henippisdien Satire, die ja 
gerade den Dialog ins Burleske gesogen hatte. Wir werden 
daher nicht anstehen, den »Bimarous« oder Doppelmarcos nicht 
als das Gresprich zweier Marc! d. i. iweier BOmer su fassen 
(Bibbeck Bh. M. U, 420 f.), sondern als ein Gesprftcb das 
Marens Varro mit sich selber fOhrte^). Yanro hat dem Sejns 
versprochen, Ober die rhetorischen Figuren oder Tropen (Vahlen 
Gonj. 130) zu schreiben und geräth dabei in Zwiespalt mit 
sich selber: während der eine Marcus nicht nmde wird, an 
das Versprechen zu maimen^^J, ist es dem aaderu uumügiich, 



4) Theaitet 1 89Ef. .Soph. S68E. Vgl. auch J.Grimm. Kl. Sehr. IIIS. 277. 

2; Diog. L. VI 6. Dümmler Akademika .S. 6*. Als eine besonders 
wichtige Art des Xofo; ber<*ichnot aucli Isnkiatos '.i. S das Rcdon mit sich 
sdl>st. V«.'!. 1.-. ?r)f5. Auoli ( lassus Ium Ciceru de orat. Iii 23 rechnet das- 
selliti iiiil uutei die Leintuugeu der Redekunst. 

8) Als Eigenheit des Kuripides wird es verspottet von Aristophan^ 
Acb. 450. 48f ff. 

4) Die Extreme berühren sichl Aach das neuste ceallsÜBche DraiM 

1111(1 die Dichter der »freimi Bühne« verpönen das Selbstgespräch. — 
auch J. Grimm, Kl. Sehr. III S. 294 IT. Ersieht .S. 29S ia demMODOlOg 

noch den Gipfel dramatischer Kunst und S. 293 meint "Cr verriete ?:rosse 

Inkundc, wer den Monolog herabsetzen und gar unnaturtkh neuneo 

Wellie«. 0. S. 7 f. 

5} Nach Norden in Fleck. Jahrb. Suppl. Will 8. 28u wäre tiiutarcus 

Vielmehr »Varro Dach iwei Seiten«, nllmUcb all Poet und ProMisl. 

6) Fr. 8: ebrius ea, Marce: Odyssian enim Homeri nuninarl iocipls, 



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Römer. Varros Menlppiscbe Satimn. 



447 



bei der Stange su bleiben , bald föngt er an ganze Stücke 
ans der Odyssee zu recitiren (fr. 3), gcrätb auch wohl selbst 
ins Yenemachen (fr. 19. 23), verläuft sich aus der Rhetorik 
in die Moral (fr. 5) und bleibt, wie es schein^ darin stecken 
mit der Bemerkung, dass einfkche Sitten auch einliidie Sprache 
lieben'). Dieses literarisdie Wagnias, wenn es ittrVarro ein 
solches war und er nidit andi hierin sch<ni seinen Voriger 
an Menipp hatte, hat spSter namentlich noch bedeutende 
Naehwirkungen gehabt >). Wir werden aber sehen, dass es 
auch in seiner Zeit nicht ganz vereincelt stand. 

Indem Varro seine eigene Person so stark hervor- Baattr Inhalt. 



cum Tttoi -rp^Ttrov srripturuni te Sejo reoeperis. Auch fr. 6 li^t es nahe 
Marce statt Mcini zu srhrf'ibf^n. 

1) Fr i4; »vi i't ata vi nostri, cum aüum ac cepo corum verba olerent, 
lameD optome aniniuU erant. 

i) Zu uconen sind die Selbslbetracbtungen des Marc Aurel, zumal 
er ebenfalls der kynischen PbUesophie nahe genug stand, vgl. auch 
S.;446, 9. Seneca Bpist. 40, 4 f. Besonders aber muss hingewiesen 
werden auf die SolUoquia des Ii. Angostin. Dieselben sind es werlh, 
niit Beiiehilllg aaf den Bimarcus gelesen su werden. Der Anfang derselben 
kann uns eine ungefähre Vorstellung von der Situation ^ehen, in die 
die Varronische .Satire den Leser \erselzle: Volveiiti niilii niuita vn'ia 
niecum diu ac per tnultos dies sedulo quaerenti meinet ipsum ac lionuia 
mcum, quidvu mali evituiiduiu esset, aii mihi subito, sive ego ipse 
sive alius quis extrinsecus sive intrinsecus, nescio: nam hoc 
ipsnm est, quod magnopera soire mottor: ait ergo mihi etc. (vgl. auch 
III 44. SS n. Persius sat I 44). Es folgt nun ein gans lebhafter Dialog 
der beiden Ichs mit einander und gerade wie bei Varro wird der Vor- 
aussetzung nach dieser Dialog gleichzeitig, wie er geführt wird, auch zu 
Papier gebracht (I 27, 30. II 1 33). Zeigt sich das eine leh stoi/. und 
übermüthig (bei Aii'_Mi«^tiT» 1 10, 4 7 riilunt es sich seiner Enthaltsamkeit 
vgl. noch H. !*» iiu)ii fu im tanicn mihi persuadebis ut hoc adfcctiune 
etc.; bei Varro f. i seuui poelisehen Fertigkeit), so wird es vom andern 
gelegentlich zurechtgewieheu (bei Äugustin ist der Dialog eine fortschrei- 
toade Demüthigung des ersten Ichs durch das andere vgl. auch I 4, 9 
giavins objurgato; bei Varro vgl. fr. S). Mit einem Gebet an den hacfasten 
Gott beginnt AngusUn» anf «Ina Anntftmg Vnlcans an Anfeng der varro- 
niflchen Satire deutet vielleicht fr. tS. Erwihnt kann noch werden, dass 
auch im Inhalt beide sich berühren, dass auch Augustin, vorübergehend 
wenigstpn?«, auf Poeten und Grammatiker zu reden kommt (II 18. 41». iü. 

vgl. Cicero de invent. 1 ^7 Dii s alles fällt natürlich erst dadurch 
in« Gewicht, dass Augustin auch somi als Leser und Kenner varrouischer 
Schriften bcliauut ist. 



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448 



V. Wiedwbelebttng des Dial<»gft. 



treten liess, näherte er seine Sattren dadurch dem Charakter 
von Memorabüien, dem die dialogische Form von Anfang an 
nicht fremd gewesen war. fieitrfige tu einer Selbstbiographie 
mag namentlidi der Bimarcus gegebem haben, wenn manm 
der muthmaasslidien Nadbbfldung Augnslins sohliessen darf'). 
I>och waren im Allgemeinen die Satiren Varros gewiss nicht 
in dem Grade, wie dies von denjenigen des LudUus güt*)» 
Denkwttrd^keiten aus dem Leben ihres Verfiissers, wenigstens 
nicht aus dem Süssem Leben. Um aber seihe Meinungeii 
Uber die verschiedensten Dinge und Fragen kennen zu lernen, 
waren sie ohne Zweifel eine sehr ergiebige Quelle : denn wie 
es scheint, hat sich Varro lange Zeit hindurch dieser Form 
fast ausschliesslich Im dient, um darin seine Gedanken über 
alles mögliche, wa^ io seinen Gesichtskreis trnl, niederzulegen. 
Schon ein flüchtiger Blick auf die Nebentitel der Satiren zeigt 
den bunten Inhalt derselben, der das Leben Thun und Treiben 
der .Menschen in seiner ganzen Breite umfaisste und im Zu- 
sammenhang hiermit und darttbw hinaus auch auf reUgiöse 
und naturwissenschaftliche Fragen einging Man darf zweifeln, 
ob der Gesichtskreis eines späteren Rynikers so weit reichte; 
jedenfalls waren dem Interesse an detaillirter Erörterung bei 
diesen viel «igere Grenzen gesogen und Varro konnte daher 
kaum bei Menipp oder Meleager das Vorbild für alle seine 
Satiren finden. 

MmV«v- Sein unabhängiger Geist hatte sich von Anfong an su 

baitnisg^n ^i^j^ Griechen in ein freies VerhSllniss gesetit«). Weder 

Meoipp and _ 

MeiMfar. Uess er sich durch die Frechheit ihrer moralischen und po- 
litischen Ansichten von seinem traditionellen solid römischen 
Standpunkte abziehen , noch in engherziger Verfolgung ihres 
Princips abhalten, seinen polyhistorischen und eklektisdien 

Neigungen nachzugeben, sodass schon in diesen Jugendwerken 
die Eigeutliümlichkeiten, die später sein Denken und Schreiben 



1 ) V<_'l. in dessen SoUloquia unter andern die AngabeD, die er 1 10,47 
Uber .HCiu Aller macht. 

■i] Ausserdem ist an Horaz zu crinncro und auf das hiuzuweiseo, 
vrsa Suelon de grammak 6 üher eine Satire des Grammatikers Sevius 
Nicaaor bemerkt. 

3) Riese S. S6f. 

4) Cicero Acad. post 8. 



s. 



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Rtfmer. V«rro8 MoiippiMhe Satireo. 



449 



oharakterisirteo, nicht zu verkeDnen sind. Doch ist KimSchst zu- 
zugebMi, dMS der Zynische und insbesondere der menippisehe 
Eiofluss noch weiter reichte, als schon frtUier bemerkt vfurde 
(8. 387 f.). StduNi dureh den Tllel gibt sieh dies m erkennen 
im »Gfab Meiuiipps« (Tob^^ Mivteoo), weldie Satire der Ver- 
herrliohqiig dieses Kynikers diente und ihn sogar über Dio- 
genes erhobt). Gegen die Aerste, als nntclose Peiniger des 
Mensohengescbleoiits wandte sich das »Qainqoatnisfest« und 
spielte gegen HeroplobSy dei» berllhmten Anatomen unler dem 
ersten Ptdemaier, den Diogenes ans (fr. 6) ^j; und unter dem 
deiben Namen »Ifaulesel reiben ehier den andema (Mutuom 
mnli scabunt) mochte sich eine kynische Predigt über die 
Heilswahrheit verbergen, dass Körper und Seele nicht, wie ge- 
wöhnlich geschiehi, getrennt werden diirten^), dass vielmehr 
beide auf einander angewiesen sind und die Gesundheit des 
einen durch die des andern bedingt ist*). Gastronomen und 
udsironomische Schriften wurden in der Satire »von den 
Sppisen (repi ISsajiaTcov) verhöhnt, das » Schatten gefecht<r {Ima- 
jia^^ia) galt der menschlichen Eitelkeit (irspl to-you) und in der 
»Virguia divina« wurde die Tugend als die einzig wahre 
Wtinschelruthe gepriesen. So gut wie hier wurde auch in 
der Vertheidigung des Selbstmordes (nepl Üidr^wfyi^ ein ky- 
nisches Thema angeschlagen*^). Marcipor und Varro mögen 
ein Shnliches Paar gebildet haben wie Mmea und Dio- 
genes Die »Bundreisec (HspiicXooc) kann uns »Diogenes auf 

1) Fr. 6 8. 0. .S. 374. i. 

i) Vielleicht war die Satire eine kynische Antwort auf den medi- 
zinischen Dialog des Tarentiners Herakleides (<>• S. 862) vgl. fr. 5 ft. 
Der Dialog des HtnkMdes war ein Symposion und auch der Titel Qnln- 
quatnis läBst auf ein Symposion als $cene des Dialogs schUesseo* 

3} riepl x<upiOfAO^ lautet der Nebentitel. Eine andere Auffassung 
desselben gibt EIm«^ dem beitritt Nordeo in Fleck. Jahrb. SappL XVUi 

f. 

4] Das »mens sana in corpore sano« wai* kyuiächer Grundsatz: ZeUer, 
PhiL d. Gr. 11» 276, 6 3 

6) Vielleicht war es eine Nekyia and wurde in der Unterwelt Revue 
über die bertthmteo Selbstmörder abgebalten, wobei diese simmtlleh 
ao^ wie dies fr. I mit Haonibel gesdüehi, nach den Motiveo ihrer That 
gefragt wurden. Menipp. der sich ebenfalls selbst den Tod gegeben hatte, 
eignete sich ganz dazu der Fragende zu soin. 

6) Diog. L. VI S6. Aeiian V. U. 43,28. Vgl. noch fidarcipor. fr. 19. 



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450 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



Reisen« in die Erinnerung rufen (o. S. 388, 6) sowie die »En- 
dymiones« zu einer Vergleichung mit Lucians Ikaromeaippos 
auffordern und vielleicht auf ein gemeinsames griechisches 
Original deuten AllL'cniein kynisch, nicht speziell nienippisch 
waren wohl der »Prometheus llberc^) und die «Coluamae 
Herculist^J. 

BUikttfllniii. Doch klangen in die kyniBoh-menippischen auch noch 
andere, mehr oder minder unharmonische Töne hinein. Die 
gute alte Zeit^ wenigstens die historische, sn preisen war 
schwerlii^ ün Sinne der Kyniker, die höchstens ehien goldenen 



Gesucht iät Büchelers Auffassung des Titels »Marcipor«, die Norden ver- 
tritt in Fleckeis. Jahrb. Suppl. XVIII S. 267 f. 

1 } Vou einer Iluhe sieht Varro fr. i in das Leben und Treiben der 
Stadt, tthnlicb Menipp bei LuoiHi *4 t 45 t 11 vom Monde. Auch die 
Wi6dflrli«nbkiiDft auf die Rfde adieint bei iMidfln auf SlmUGhe Wciae 
vor sich gegangen, venigstens bei beiden liercnr dann betheüigt gewesen 
au sein, vgl. fr. 7 u. 8 mitLucian 84. Zum Titel der Satire »Endymiones« 
passt, dass bei Lucian 1 3 Empedokles, den Menipp auf dem Monde trifft, 
[lä Tov TN?/j[x[a)va schwört. Unter dein Plural Endymiones werden die 
aereac naimae zu verstehen sein, <lie nach Augustin Civ. D. VII 6 Varro 
in die Mondregion versetzte. Vgl. aber auch o. S. 328, i. 

i) Man kuuu auch hier Lucians gleichnamigen Dialog vergleichen. 
Prometheus ist iimächst nodi angeschmiedet Dann wird er von Herakles, 
dem Kynikar der mythiscfaeo Zeit, befreit und bat nmi Gelegenheit xn 
sehen, was ans seinen Blenschen geworden ist. Hat er sich frttber viri- 
leicht seiner Geschöpfe gerühmt (fr. S. 8 ist von der Natur und Ent- 
stehung des Menschen die Rede), sn muss er jetzt selber zugeben, dass 
sie missrathen sind, besonders dir Weiber ffr. 10 — <3 und Lucian S). 
Horakles i?\m — und die Art wie er dies thut charaktf^risirt ihn 

als kyiii!%( heii Dialektiker — dass schon der KOrper des Menschen miss- 
lungen sei, dass nicht einmal das Auge, doch eins der edelsten Glieder 
desselben, etwas tauge (fr. 14). S. o. S. 120, %. 

8} Bs liegt nahe, bei diesem Titel an die spricbwOitUche Wendung 
Pindars Nem. in 10 ff. (vgl auch Isokr. Panath. 950) oder die aristoteUache 
Fassung der Sage (Aalian V. H. 9, 8) zu denken and hiermit n virglai» 
eben die Betrachtoagen über die Geringfügigkeit und Hinfälligkeit alles 
mensrhlif hen Ruhms, welche Cicero anstellt de rep. VI tOff. (vgL dazu 
Us Ti< 1 Rh. M. 28 S. 398 ff.;. Was will doch, war der Gedanke (auf den 
flei iNebentitel -epl ^6^4 führt), der höchste Ruhm, der des Hercules 
besugeu, wie eng begrenzt ist er, da er nicht einmal die nach diesem 
Heros benannten Säulen überschreitet! — Auch der »Hercules Socraticus« 
(a. tt. & 451) mag XU diesen Satiren allgeinafai kyoischen (vielleicht anti- 
ftthmischen}, nicht apeilell menippischen Inhalts gehören. 



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HOoMT. VornM MenipiNSGbe Satiren. 



454 



Umutand tot aller Geschiolite gelton tiesten: niohtodeflo- 
wenig^r bat Varro das Lab jener im »Lehrer der Altenc 
(TspomBtS^bxaXoc) geamigeii. Der Kyniker trank Wasser: das 
sdieint andi Yarro im *TSpoxuov nungeben, trotidem aber 
gestellt er im »Jeder Topf hat sein Maasst (Est modus matulae) 
doch auch dem Bacchus sein Recht zn (bes. IV. 4 and 5). 
Anderwärts ist es die Erinnerung an Sokrates, die von Mo- öakrateg. 
nipp ablenkt, wie in «Erkenne dhh selbst« |^l vwiii asauxov n 
und im »Hercules Socraticus". Ob er etwa gar bis 7ai Aristi|ip 
hinabgh'tt, muss zweifelhaft bleiben^'. P\'thaeon isLlie Kl.inge Pythagorel- 
glauben wir im »Esel als Lautenschliiger« ("Uvoi k^j^cLi) zu ver- 
nehmeo^j und brauchen uns darüber nicht zu wundem, theils 
weil dies mit Varros sonstigen Studien harmonirt, theils weil 
altrömisch und pythagoreisch damals vielfach fUr gleich galt 
und deshalb gerade solche MSnner, in denen altrOmiscbes 
Wesen sieb regte, wie, ausser Varro, Nigidius Figulus und die 
Sextier ^) den Pythagoreem sugefUhrt wurden. Menqipisch 
war in diesen Satiren oft nur die heitere Form, der ernste, ja 
tiefsinnige Inhalt aber andern, nicht-kynischen Philosophien 
entlehnt*). Bs fehlt sogar nicht an Spuren, die auf den tief- 
sinnigsten aller griechischen Philosopheo, auf Piaton deuten Fiatoo. 



1) Vgl. Riese zu fr. H. 

5) Auf Arislipp lüsst sich E/» « (rcpl "c^^tjc) bcxiehen, nicht bloss 
weil auch dieser ««ptT. geschrieben, sondern aurh wegen des Hiiupttilels 
*V''/[o* vielleicht durch Diog. L. II 75 seine tlrkiurung imdei, und wegen 
fr. 4, das mehr nach kyrenaischer als kynischer Moni schmeckt 

9) Die SpbMre&mnsik fr. S. 

4] Vgl. aller diese 0. Jahn in Berr. der sSdisiscb. Gesellscb. d. W. 
phüol. blstor. GL II & t77 £ Der p ytbagorisirende Nama ist der Reprlt- 
sealant des alten Rtfmerthuras in der Tatf^j Mevirrroj fr. 24. 

r>) Varro bei Cicero Acad. post. 8: in illis veterilnis nontris, quae 
Menippum imitati, non interpretnti, fiurHlnm hitaritato conspersinius, — — 
uittiia admixta ex intiuia philü.so{)tiia. tnulla dicta dialectice. 

6) Auf eine Nachahmung des platonischen Symposions im »Agalhon« 
hat schon Riese S. 95 hingedeutet. Fr. 2 erionert an die Ausweisung der 
naCenblilBer tn Symp. p. 176B. Fr. S Ist natttrlicb in einer Schrift des 
Ittels »Agatho« die BrwihonoK des Sekretes von Bedeutoog, und wenn 
man einmal das platonisehe Symporion im Sinne hat, kann man leicht 
in den Worten fr. 8 (haec postquam dixit, cedit citu'eelhi' tolutim) eine 
Umschreibung von ßpev^uexit und danach eine Rcminiscenz oder absicht- 
liche Nachbilduog von p. Sil B erblicken. Die fr. 7 geschilderte Zwitter- 

i9* 



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45S 



V. Wiederbelebang dM Dialogs. 



Fftxipatetito. Anderes weist aof Aristoteles^) und die Peripatetiker^), so 



natur konnte eine Carikatur des Eros und .s«»ines dämonischen Wesens 
sein, wie es Symp p. 203 CfT. näher bestimmt wird; oder es lässt das 
Wort « vespertilio" auch an XatpE^&j rj vjxTspl; (Aristopb. Vogel <564 
vgl. -1:^96; denken. — Um Titel uud Nebeutitel der Satire >Cycnus ::epi 
ta'f^c« in Ztuammenhang zu bringen, Hefeii uns Matons PhaMon p«84E f. 
das Mittel , wo dw Gesang der Schwane ans der freuAgen Brwartaag 
erkMrt wird, die sie haben nai& dnn Tode wieder su dem Gott sn- 
rttdcmkehren, dessen Diener sie sind (5ti («.dXXouot rapd t«v fe&v dmkm, 
ouTtcp zhl \i-:oä-o\-i:;]. Ist fr. 1 (tua templa ad alta fani properans citus 
itere) uicht aus dem Gesang eines sterbenden zur heiligen Wohnun;; des 
Apoll zuruckstrebenrlen Schwanes? Und wie Piaton scheint auch Varro 
hieraus gefolgert zu haben, dass das bessere Tbell des Menschen im Tode 
entweioht nnd, was surttckbleibt, nicht sein wahres Wesen darstellt; 
wenigstens auf den Mennit snsammenhiiiHfieoden Gedanken, dass also 
der todte Leib die Sorgfalt nicht werth ist, die man bei der Bestattnng 
auf ilin zu wenden pflegt, beziehen sich Ar. t und 3. Mit fr. 2 und der 
Frape, ob Begräbniss oder Verbrennung vorzuziehen sei, berührt sich 
Itcsonders Phaidon p. l^nCfT. , w^ihrend der Gedanke von fr. 3 sich im 
Dialoge eines unbekanulea isokralikers fand fo. S. 4 93i, welcher ebenfalls 
den Tod des Sokrates erzählt hatte. — lieber die MarcopoUs, die den 
Gedanken an die IlXoctovöicoXt; (Porphyr, v. PloU IS) wadi vätk, s. o. S. S88 
vgl. aber auch Norden in Fleclc Jahrb. Suppl. XVIII S. S77. 

4) Hit Andabatae fr. 7 Utsst sich vergleichen Ahstoi Rhet I » p. 4t87i> 
451 (Hierüber vgl. jetzt Gcrcke im Herrn. 88, 185 ff.) Von Ursprung und 
Wesen der Poesie handelte der Parmeno nach fr. H — 4 5. Da nun hier- 
bei auch von der Nachahmung und dem Reiz, den sie auf die Menschen 
ausübt, die Hede sein musste, mit solchen Erörterungen aber von Plu- 
tarch zweimal (de puet. aud. c. 3 u. Quaestt. Conv. Vi p. 61 kB} das 
Sprichwort cO ikV o^U^ np6; rt^s flopjjiivovto« uv in Verbindung 
gebracht wird, so glaube ich trots des Widerspruchs von Vehlen 8. $8 
n. Riese S. 188 auf diesen Pannenon des Sprichworts auch den Titel der 
Varronischen Satire besiehen XU dürfui. Dann bewegte sidt aber Varro 
hier auf einem Gebiete, auf dem ihm am Besten Aristoteles vorgearbeitet 
hatte (mit Plutarch a. a. 0. vgl. Aristot. Poet. 4 p. U48^ 4 ff.]. Varro, 
der spfller {de re rust. f! 5. 13) als Leser des Aristoteles bekauut war, 
wird dies nicht erst iu den letzten Jabfeu i>eines Lebens geworden sein. 

2} Eine o6fxpi3i( im Sinne der Peripatetiker und vor AUem des 
Aristoteles scheint die »Rundfiifart« (neplicXou;) swischen letopla und 
Xoeofta angestellt su haben s. o. S. 8<l. u. Arfotot. Poet 8 p. 1451 ^ I IL 
Vgl auch Plutarch de Pyth. orac 84 p. 406 C u. E, wo ievofia und ^iXo* 
eofbt einander gegenübergestellt werden. Den bTopiOYpi905 und Xo^o- 
Ypd'fo; hatte zum n»"i:ct»sland einer solchen ü'j'pirA'JK Ephor*»»' i-*>rn;Kht, 
sie liel zum N orthcil des crsleren natürlich aus (Polyb. M, >. söSM.\ 
1^ liegt in der Natur solcher ou]fXfb«t(, dass sie leicht poleiuiscii 



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Römer. Varnw IfeDippisdie Satiren. 



453 



wie auf die Stoiker <). Ob er auch das Gemisch dieser Ele- Btoiker. 
mente, die eklektische Lehre des Antiocbos in die Form der i M ockM » 
menippischen Satire gebracht habe, ist eine Frage, die man 
bejahen möchte sowohl wegen gewisier mnrrth'';(-ht>r Anaicfaten^} 
als auch auf Grund von Spuren, die auf jene sonderbare, den 
spSteren Yarro oharaoterislrende Ausrechnung aller mSg^chen 
lUksophen-Seklen deuten*). Des Wankeltnulhs in seinen 
phflesophisclien Ueberseugungen braudit man ihn deshalb noch 
nteht tu betiehtigen, da er die Form der menippischen Satire, 
die iÜerariBcfae Lieblingsform seiner Jugend, auch noch in 
das spitere Mannesalter mit hihlibergeDommen lU haben 
scheint^). 



wuidea, wie uns dies in Beseg auf die etryxf (omc dee Mewenleni Aücaios 

Pelyb. XXXII 6, 5 (Suscroibl AI. Lit. II 546, 4A0) sagt. — Auf die f^leicb- 
naraige Schrift des IVripatctikers Aristo von Kcos scheint der «Tithonns« 
hinasuweisen. Vul. jedoch Hense Telelis roll. p. C ann. 

V Im Partneno slinirnl die Definition des »])oeni;i" als lexis euryth- 
mo» (fr. 4 4) mit derjenigen Posidons bei Diog. L. Vli 60 überein. Auch 
der Nebentltel reot cpdopa« ttioiAou, den die Satire Koa|xoTopuvi| Itthrte, 
slelit wenigstens ein gerade In der stoischm Schule besondera belid>tea 
Thema. Die sloiSGlien Paradoxa finden wir in »Longe fugit qui suos ftigit« 
fr. 2. Und wir sind berechtigt, nodi mehr Stoisches auch In dlMen 
früheren Werken Varros voratiszusetzen . da er sich als einen Stolker 
bereits im Curio fr. 1, also einer Schrift vom Jalure 67 v.Chr. ml er- 
kennen gibt. 

•i) [vtüdt oeauTov fr. 1 u. dazu Kiese S. 144, wo in der Weise des 
jlntiocbot swiseheii einem ttieoretischen and praktischen Leben unler- 
sehledea und das ans beiden gemischte fttr das beste erklärt wird. 

I) In itcpl aipiSMM s. lUese S. 191. Dass tr. 1 dieser Satira, wo 
drei Wege zum Glück unterschieden werden, nicht notwendig in Wider- 
spruch steht mit Vnrros späterer Meinung, wonndi deren vier ananneh- 
men sind, bemerkt Vuhlen S, H7. 

4) teber die Ahfassuu^szeit der Satiren vgl. Riese S. 47 f. Trotz des 
• veteribus ooslris« bei Cicero Aead. post. 8 weist doch manches auf 
eine spatere AbfuHnngsaeiL Nach Ribbecks (Geich, der rdmiscfa. Dicht. I 
ist) nitrelbnder Vermathnng (trete Hense Tsletia t«IL p. C ann.) fiillt 
der »THhonns« nach Ciceros Cato Major, nach demselben (a. a. O.) wurde 
in der Satire mpl l^gof-)^; Catos von Utica Tod vorausgesetzt. 'Yh 
T15 «f'/TT ujpov sehpint auf den ICrfahruncen des Alters zu beruhen: Greise 
sind beiiiammen und k!n;.'('n iiber das Alter, sprechen unpn^'wnde Wtinsche 
aus (fr. 2 vgl. Aristot. de sensu p. 443** SO ff Hhet. I 5 p. 4 364 b 86 11, 
daher der Titel), Vairo weist sie deshalb zureohl ^fr. 4 u. 8). 



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454 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



Fmb MaQDiL'larh wie der Inhalt, war die Form. Zu dem, was 

4irlttlzen. g^j^^jj gelegentlich erwähnt wurde, kommt noch die eines 
S)T3iposions , die als eine besonders ausgiebige Varro sogar 
mehrfach scheint angewandt zu haben '\ Nel)eii kürzeren 
Dialogen, die nicht viel über den Umfang von Abhandlungen 
oder Essays hinausgingen , standen solche, die sich über mehrere 
Bttdier erstreekten''^) und so, indem sie ähnlich wie bei Ari- 
stoteles die systematisirende Neifping ihres Verfassers bekun- 
deten, ein Vorspiel seiner späteren SofariiUtellerei galien. So 
bot Varro seinen Landslenten in den menippisolMn Satiren 
eine recht bunte Bfuslerfcarte Ton IMalogen dar. Sehen wir 
SU, ob und wie sie wlhlten, als geniessende Leser und nach- 
bfldende ScbriflstoUer. 
Dm poUtiMhe Vor allen waren es politische Fragen, welche die RSmer 
^^^* einer Zeil bewegten, in der eine der gewaltigsten Revolution«! 
im Staatsleben sich Yollsog, welche die Geschichte kennt, und 
die mächtigste Republik der Erde sich in eine ebenso mäch- 
tige Monarchie verwandelte. Auch damals würde Shaftesbury 
wohl ebenso geklagt haben, wie er es mit Bezug auf seine Zeit 
und seine Landsleule thut, dass die leidige Politik den Inhalt 
aller Gespräche hildeto: um so mehr ist dies anzunehmen, 
als der grösstc Theil dessen, was in iinnerer Zeit durch die 
Tagesblätter absorbirt wird, im damaligen Horn der mündlichen 
Erörterung vorbehalten blieb Auch in die Unterredungen 
der Philosophen schlugen die Weil^ dieser Bewegung, so dass 
Brutus im Beisein des Epikureers Statilius, des Kynikers 
Favonias und des Labeo ruhig die Frage aufwerfen konnte^ ob 
man an der widerrechtlichen Herrschail eines Einielnen rfltteb 



1} In •Quinquatrus«, > Agathe«, »Pa{»iE|Mpae« (Riese S. IS). Auch die 

spätere Spielart der Symposien, das ireplSetnvov (s. o. S. 345 f.), fehlte nicht, 
sondern war durch Tatp^j Mevtrrou (Norden in Fleck Ifihrh. Suppl. XVIII 
S. 306) und Meleagri (fr. U u. Riese S. 166) vertrett n X L'nr die Thoorii> 
des Symposions hatte Varro in »Du sollst den Tag m> \a u.r dem Abon«! 
loben« (Nescis quid vesper serus vebal} entwickelt und dabei unter an- 
dern deo Satx auljgesteUt, dass die ZaU der nMUnehmer nicht uDler 
die Zahl der GrazieD Unab- und nleht tther die der Musen hinansgelMn 
dürfe fvgl üi>. t Theorie des Dialogs o. S. 44S IT.). 

i) Der llepinXovc umfuste swei Httcher, «fpl xmfwH^^ mlodestfliis 
drei (Rifse S. 40\ 

3) Friedi&Qder, Darstellungea aus der Silteng. 1* 405 f. 



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Römer. Yarros uad Giceros Zeit. 



455 



dtlrfe oder nicht, ulme deshalb ihnen irgend etwas von der 
Yerschvvürung gei;en CSsar tn verrathen 

Von der philosophischen Höhe herab hatte auch Varro in 
den memppischen Satiren das politische Treiben betrachtet, auf 
Einsellragen der Tagespolitik sich aber sohwerlich darin ein- 
gelaflsan. Diesem Zwecke diente eine andere seiner Schriften^ 
allerding» verwandter Art^ der «Dreikopf« (Tpix^pavoc)^), der 
60 T. Chr. verfasBl worde und aioli gegen das Triumvirat des 
Cisar Pompejus und Grassus riditete. Sehen Mher ist be- 
merkt worden (S. 54 f.) , dass das Pamphlet sur dialogischen 
Perm neigt» und darum darf angenommen werden, dass die- 
selbe Form noch in manchen der zahlreichen Pamphlete. * 
welche damals die gährende Zeit ans Ijcht trieb, geherrsclil 
haben wird. Die Natur der Sache iührte hierzu auch dann, 
wenn die klassische Literatur der Griechen kein solches Vorbild 
hier ftlr bot, wie vielleicht die Dialoge des Demochares waren 
o.(S. 344). Bekannt ist uns nur ein einziges Beispiel, die in- 
vective Gorios gegen Cäsar. 

G. Scribonius Gurio, bekannt namentlich als Vater Onlob 
seines Sohnes, des Gfisarianers, und durch das ungünstige 
Drtheil, das Goero im Brutus (S10 ff.) Ober ihn als Redner 
iSUt, hatte einen Dialog verfasst, Ober den wir ebenfiills 
durch Cicero (a. a. O. %iB f.) unterrichtet sind. Er hatte 
darin enSUt, wie er sur Zeit von GIsars erstem Gon- 
sulat (59 V. Ghr.) einmal behn Heraustreten aus dem Senat 
in ein Gespräch verwickelt worden sei mit G. Vibfus Pansa und 
mit Curio dem Sohn. Den Anlass gab eine Frage des letzte- 
ren, wie es im Senat zugegangen sei, Würau! dann Curio in 
eine längere Schmährede gegen Gäsar losgebrochen su sein 3) 



1} Plntansb Brut. 41. Oder ist dieter Beiteht Ftataniiis eiiieia lite- 
rariselMD Dialog eatoommen? 

t) Ott griftdiisoba Oiigiiiei des AoaiimeiiM war in der Maiilar 
lliaopenips geschrieben, der wiederom den Kynikem nahestand, und 
mochte deshalb (ttr deo cynicos Bomanns noch eine beaondere Auiebiugs* 
kraft besitzen. 

3) Man konnte ihr das bittere Wort über Cäsar bei Sueton 
Jul. Caes. 5i zuweisen, zumal es an ein ähnliches von Rinn über Alki- 
biades erinnert (Diog. L. iV 49), wenn nicht Sueton ausdrücklich seine 
Quelle mit •qnadam oratione« beteichnete* 



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456 



V. Wiederbelebang des Dialogs. 



und hierdurch eine Erwiderung des Cäsarianers Pansa her- 
vorgerufen zu haben scheint. Schliesslich wird natürlich Curio 
Recht behalten haben. Dies so wie das Einführen von lauter 
bekannten lebenden Personen, — die Abfassnngszeit des Dia- 
logs ist begrenzt durch das Jahr der Scene des Dialogs, 59 v Chr. 
und das Todesjahr Gurios 63*) — darunter des Verfassers 
selber, in das Gespräch erinnert an Aristoteles^], ohne dass 
wir berechtigt w&ren, hierin eine Nachahmimg des letrteren 
SU aehen^. ficht rSmisoh ist es, dass der Vater den Sohn 
mit unter die QesprfttihspersoneQ aufgenommen hat (o. S. 429 f.). 

Cicero macht sich Uber den Dialog Initig und giebt daran 
ein Beispiel von Carlos GedSdilnissw^waciie, weil er erst die 
Scene des Ge^rSdis in das Jahr von Otears Consnlal verlege 
imd dann dwsh EreignisM and Dinge In das GesprSch hin- 
einsiehe, die erst der Zeit von GSsars dtatlhalterschalt ang^ 
hSren. Da aber Dialoge von jeher eine besondere Anilehnng^^ 
kraft für Anachronismen besessen haben, so Ist der hierauf 
begründete besondere Vorwurf gegen Curio ungerecht. Ueber- 
haupt scheint Giceros Urtheil, dnä er im Brutus Uber Curio 
abgibt, durch die spätere Entzweiung mit dem Sohne beein- 
flusst zu sein^). Aber auch vor diesem missgtinstigen Urtheil 



1) Die Abfassungszell Mast steh sopr noch engor, aber freilich 

nicht penatr einschränken: denn, vfm ricorn dorn Cttrio «um Vorwurf 
macht a. a, 0. die*?pr halle in dem Dialog Hnnrlliinrrpn r;i«nr*5 be- 

ruclksichtigt, die in das uuf das Consulat folgende und die nächsten 
Jahre während dessen gallischer Verwaltung fallen. 

S} Ja geht vielleicht über Aristoteles hiuos: denn voo Aristoteles 
wissen wir nur, dsss ersieh selber in seinen Dialogen redend eingeiBhrt 
hatte, es bleibt also die MOgllohkelt^ 4ass diejenigen, mit denen er sprach, 
sur Zeit der Abtassnng des Dialogs iK>roi(s verstorben waren. 

8' Wcnifistens scheinen dies Ciceros Worte zu verbieten, der a. a. 
(). 21 4 den Curio einos ganz unerliorleu Mangels jeglicher Büdung be- 
schuldigt: neminem ex his quidetn, qni aliquo in nomero fucrunt, cog- 
novi in omni gencrc honestaruin artiuni taui indoctum, tarn rudeiii. 
nnllnm iUe poetani noverat, nnllvm legerat oratorem, 
nullam memoriam antqultatis collegerat; non publicum jus, 
non privatum et civito oognoverat 

4) In dem Briefe, den er an den Sohn nach dem Tode des Vaters 
M lii ie!) (ad fam. II ä . hmtot sein I rtheil über den hdzterrn ganz anders. 
Duch hahen \vir hier aiiL'idings firutul an seiner Aufri^bUgkeit ZU SWei» 
lelu. Mehr fallt de orat. U 98 ins Gewicht. 



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Mmer* Cicero. 



457 



bleibt doch Rein^oit, Glanz und Fülle der Sprache bestehen, 
welche guten Eigenschaften wir daher aoeh fttr den Dialog 
yorausaetaen dürfen. Derselbe war kein Kunstwerk i), wellte 
es auch achwerlieh sefai, sondern nur ein rasch hingeworfenes 
Bneogidsa des Tages ^. Gerade als solches aber und als das 
Werk eines ganz ungebfldeten Mannes bt der Dialog merk- 
würdig und legt ein beredtes Zeugnis dafttr ab, dass die dia- 
logische Form damals nicht bloss als ein Fremdling und durch 
dfe Gelehrten eingeführt zu den Römern kam, sondern wie 
von selbst und fast mit iNoihweadigkeit aus den Verhältnissen 
der Wirklichkeit sich ergab. 

II. Tullius Cicero. 

Diese Verhältnisse sind zum Theil auch die Ursache, dass 
M. T u 11 i u s Cicero ein Dialogenschreiber wurde. Keine Gat« 
tnng der Prosa-Literatur bietet so viel Gelegenheit sur Ent- 
lUtung des schriAstellerischen Talentes als der Dialog, der die 
verschiedensten Aufgaben stellt und ein weites Gebiet erSilhet^ 
auf dem alle Art^ der Prosa Platt haben. Daher sehen wir 
auch die grössten Prosaiker der verschiedensten Zeiten und 
Völker sich gern auf diesem Gebiet versuchen'). Unter den 
Römern behauptet diesen Rang, was man auch sage, Cicero, 
der deshalb auch jetzt, wo wie wir eben sahen die Zeit für 
den Dialog reif war, sich unter die Dialogenschreiber einreiht. 
Schon früh hatte er sich an Nachbildungen platonischer nnd 
xenopbontischer Dialoge versucht, die vielleicht mehr waren. 



I) Jedenfalls war zur Verfertigung eines solchen ctn »In slroendo 
dteslpafii*'' Nvio Cirofd den Curio 216 nennt, nicht befähigt. 

i) Dafür sprichtauch der starke Widerspruch, den nach f!frero249 
Curio sich in diesem Dialog zu Schulden konimeu lie-^s, indem er darin 
erklärte, das?« er unter Casars Cousulat den üaiml überhaupt nicht betrete, 
und das in einem Augenblick, wo er der anfänglichen Voraussetzung des 
Gesprtchs nach eben aus dem Senat herausgetreten war. Als Ctoero 
diesen Torwiiif so stark betonte, wnsste er nicht, dass er selber in seinen 
spftteren Diel<^n IhnUciie Flfkchttgkeitsrehler begeben wttrde. 

t) Man lese auch was von der stilbildenden Kraft des Dialogs Her- 
der sagt, zur Religion u. Theol. 10,73 f. (Vom Studium der Theol. 
Brief. (5). Cnter den Römern mögen als Beispiele ansser Cicero nocl| 
iiviiis und Tacitus dienen. Vgl auch o. S. 87 ff. 



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458 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



als blosse UebersetzuDgen ^) . Doch dienten diese nur der 
eigenen Uebung, durch die er sich auf seinen rednerischen 
Beruf vorbereitete, und waren nicht für das Publicum bestimmt. 
Neigung und Ffibigkeit dialogiflelier I>arBtellung wurden dadurch 
R dneriNche m flun geilSrki Die immer wieder emeule Bekanntocbaft 
xhitigkdfc ^1 platonischen Schriften reiste seinen Nachahmnmg»- 
trieb und seine rednerisdie ThStigkeii brachte es, auch von der 
■altercalio« (o. S. 433) abgesehen, mit sich, dass er gelegentBch 
zur Unterhaltung der ZuhUrer kleine Gesprlche ^flodit und 
SAtttiiiobe dramatisch zu wirken suchte Dass ihn aber auch natürliche 
Anlage und Lust zum Dialoge trieb, beweisen seine Briefe, 
in denen Gespräche bald fingirt werden*), bald wirklich ge- 
haltene von neuem lebendig vorgeführt*). Ohne gerade Dichter 
zu sein hatte er doch genug davon an sich, um sich wie andere 
poetische Halbtalente auf dem Gebiete des Dialogs bald wohl 
und heimisch zu fühlen; der redefertige vielseitig gebildete 
und geistreichp Mann, dem Begabung imd Gelegenheit wie 
wenigen su Gebote standen um ein Meister in der mündlichen 
GonTersation lu werden, der im Mittelpunkt der damaligen 

1) Scbenkl, Ber. d. Wiener Ak. 88 (1876) S. 103 f. Genannt werden 
uns nur eine Ueberseizunp; des Protaporas und des Oikonomikos Aber 
schon Heusde, Cicero Philopi. S. 92 bat vermalbet, dass diese nicbi die 
einzigen ihrer Art waren. 

2) Zu den Beispielen bei QuintiL IV 2, 107 ff. vgL noch in Pii»oDem 
7S ff. pro Rah. PMi 4S (und dasa Madvig bei Halm 1d AMiIl d. M. Ak. 
philos. phllolog. CL VD, S S. SS6). BeMmders lebhaft ist aocii das flogtrts 
GesprSch mit PhUippos: pro D^otaro 4S A Aticb die drelsehiit« Philip- 
pica ksDD verglichen werden, wo der Commentar zum Brief des AntonhlS 
von 22 an durch seine Leidenschaftlichkeit den Charakter eines äusserst 
lebendigen Gesprächs annimmt (ähnlich, aber matter, in Verr. III 154 fT.i; 
es ist was LessinR (Werke v. Maltztihn 10, 149) » einen Dialog und keinen 
Dialog« nannte. Zu den Würzen der »narratio« rechnet Cicero de partit. 
orat. 32 auch die conloquiu personarum. 

S) Z. B. ad Att. IX 2% 1. ad fam. VI 6, 9 f. Auch auf die Mitthei- 
long von Gesprttehen von Selten des Atticos ist er gespamit, aaoh ein Sym- 
poiion befindet sich danuiter ad Ali. n U, I. IS, S; siemlich «mfiüos- 
rekdke sch^t Atticns aafgeialftbBet la haben, to dass Ctooro einmal (ad 
Att II 9, 1} sie sogar des Namens »dialogi« würdigen kann. 

4; Ad Alt. X 4, 9 fr. zwischen sich und dem jüngeren Curio. Das 
Gesprach /wi-^chen sich und dem jüngeren Q. Cicero ad Att. XIH 42 
nennt er selbst »dialogusa ad Att. XV 11,1 (. zwischen Sieb, Brutus und 
Cassius. 



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Romer. Cicero de re publica. 



459 



Welt in den erlesensten Cirkeln mit Menschen aller Art ver- 
kehrte, war im Besitz nicht nur eines glänzenden Witzes, 
sondern auch, wie sich von s{'Il)>t vorsteht, aller jener un- 
zahligen ick" inen und leinen Uebergänge und Wendungen der 
Sprache, jener Lückenbüsser des Gedankens, Uberhaupt aller 
der Jiusserlich scheinenden Zuthaten des Gesprächs, die man 
glaubt entbehren zu können und die doch den mündlichen 
wie den schriftlichen Dialog erat recht geschmeidig machen 
nnd vorm Yertroeknen schfllieii. 

Cicero war kein Schriftsleller von Beruf. Die Bterarisdie dt npaUisi. 
Thätigkelt fttllte nur eine ihm au^edrungene Müsse aus und 
auch dann selbst hielt sie, wenigstens in früherer Zeit^ noch die 
Yeriiindung mit der Praxis fest, indem sie diese, dfe rednerisehe 
und staatsmännische, in der Theorie wiederspiegelte. So sinti 
die beiden ersten Werke entstanden, (liirch die er auf das 
I*nbiicum zu wirken suchte, der Dialog über den Redner und 
der über den Staat (de re publica}. Hier beschäftigt uns 
sunächst der letztere. 

Den grössten Theil dieses Werkes, das er im Sommerlbfimufwlt. 
begann, hat er wohl noch im Laufe des Jahres 54 vollendet. 
Von der Sonnenhöhe seines politischen Wirkens war er da- 
mals ISngst h CTU Bletgsitiegen, und doch fiel von daher 
noch em verUSrender Schimmer auf sein Leiben, so dass 
er, aua der Finsternlss einer spSteren Perlode heraus sich 
selbst betrachtend, wohl glauben mochte, er habe damals noch 
das Steuer des Staates geführt (de dlvta. II 3). Die Zeit seines 
(üonsulats war vorüber, auch die seiner Terbannung, die su 
der Glorie des Helden noch die des Märtyrers gefügt zu haben 
schien. Sein weiteres Leben war nur ein Nachiilang dieser 
ruhmvollen Ereignisse, mit deren Erinnerung sich seine Eitel- 
keit gern beschäftigte und auf die er fortan in Wort und 
Schrift bei jeder Gelegenheit hinwies. Ihnen dientf^ er als 
Historiker, wenn er sie in Vers und Prosa verherrlichend der 
Mit- und Nachwelt erzählte, ihnen aber auch als Philosoph in 
der Schrift vom Staat, wenn er darin nicht nur seine Bethei- 
ligung am Staatsleben tiberhaupt zu rechtfertigen sucht (1 4 ff.) 
sondern auch die besondere Art und Weise seines Eingreifens 
vertheldigt, Indem er die Ideale eines Staates, so wie eines 
Staatsmannes aufeteUt und damit die Gnmdsfitie beseichnet, 



460 



V. Wiederbelebung des Dialog». 



die ihn seiher geleitet babeo und die jeden römischen Foli- 
liker leiten solJten. 
Sodaerie dea Aciissere Motive jii()!jrr» entscheidender gewirkt haben, 
Pklogs. gjjjgj. jj^^jj j^j. ßgjjg ^pj. Betrachtung, auf die er sich einmal 

gestellt hatte, entsprach es, dass er den Dialog nicht in der 
Gegenwart spielen Hess, sondern in eine gewisse Vergangen- 
heit verlegte, in der er von den Einzelfragen der Politik 
leichter abstralüren konnte. Es ist eine der drengvoUsten 
Zeiten rttmisclier Geschichte, in welche ims das Gesprtoh tw- 
setit^ eine Zeit^ da die Lefdenscliafken der SenatB- und Yolks- 
partei heftig gegen einander wogten und in diesem Kampfe 
einer der edelsten nnd besten Bürger des damaligen Iknns 
Sdpio Aemilianas sein Leben verior. Das in seinem Gnmde 
ersciiHtterte Staatswesen mosste Gegenstand der Soige nnd 
der Gesprädie aller Wohldenkenden sein; und leielil nahmen 
solche Gesprlche eine philosophische Wendung bei einer Gene- 
ration, die noch unter dem Eindruck der Philosophengesandt- 
schafl stand, deren hervorragendste Staatsmänner jibilosophisch 
gehiUlet waren, ja in welcher, wenn dies aus dem Verhaliaiss 
des C. Blassius zu Tib. Gracchus geschlossen werden darf, die 
Philosophie ganz unmittelbar in dii: politischen K.'iinpfc des 
wirklichen Lebens eingriff. Einen hpsseren Zeitytvinkt Mir sein 
politisches Gespräch hätte Cicero daher üiChi wählen können. — 
Zu längeren Gesprächen allgemeinerer Art bot sich dem be- 
schfiftigten Römer fast nur an festlichen Tagen Gelegenheit*). 
Die Tage des Latinerfestes , die Cicero auch spftter zu einem 
ähnlichen Zwecke in seinem Dialog vom Wesen der Götter 
benotet hat^ hatte Scipio versprochen, in seinen Gärten zuio- 
FnmM. bringen imd seine Freunde ilm dort in besuchen. — AUmShUg 
finden sie sich ein, erst sein Neffe Q. Aelins Tobero, der starre 
and rflcksichtslose Stoiker, dann L. Parins Phüus der gewesene 
Ckmsol, ein Freond der karaeadeischen 0isputirmethode^, und 
mit ihm sugleich F. Rutlllns Rnfiis, der Verehrer des Panai- 
tios, der mehr als durch seine literarisdie Bildung und Schrilt- 

4) »Sed haec amhnlatlonlbiis Gompitalicüs reservemus« sdiretbi 

Cicero ad AU. II 8,8. Vgl. auch o. S. 430. 

2) Nicht hioss trägt er die Gründe des Karncades ccf^pn <lio HiM i oh- 
tigkoit vor, Poiuifni das Für- und Widcrdispiitirpn wird hw}\ 1!1 ?< uls 
»eine Gewotmiicil bezeichnet. Dagegen klingt 1 1 9 an den äioiciäuius an. 



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lUtaner. Cioero «le re poliUca. 



464 



steiler « i (lur h seine sittliche Unbescholtenbeit sich einen glSn- 
»enden Namen gemacht lial; kaum sind diese da, so wird 
auch Lälius angemeldet, der aus seinem Hause in der Nach- 
barschaft kommt und in dessen Gesellschaft Spurius Mummius, 
den er vor Andern schätzte, im Gegensatz eu seinem 
Bruder Lucius ein fdngehilitoter, geistreicher Mann und der 
stoischen Philosophie zugethan, dabei als AristolLral bekBBnt 
(1 46 f.) und ein Feind der Bhetoren (V Ii), und ausserdem 
Mine be^deiL SohwiegeraOliBe, der Historiker G. Fanniiu und 
der Augur Q. Muoiiis Solvok» beide noeh in jugeodlidieiii 
Alter, sieb befimden. Im letiten AngenbUcfc koniml noch der 
Allen befirenndete IT. Menilitts hlntOi wobl der hervorragendste 
Jurist (I 48. III 17) in der GeseUscheft» die nun geschlossen 
ist Wie diese eUmSUich sich lusemmenfindet, wechselt auch 
die 0«rtliefakeit: wir betreten lunOehst die SchlaftiBuner Sd- 
pios, worin er erst den Tnbero und nach diesem Autüius und 
Phflus empföngt; als Lilius angemeldet wird, kleidet er sich 
an und geht ihm bis unter die Säulenhalle entgegen, wo er 
ihn begrüsst und daiiu uocli uiit der ganzen Gesellschaft einige 
Mal aui üud ab^ciit, bis sich schliesslich Alle einen sonnigen 
Platz auf einer kleinen Wiese aussuchen*!. 

Hier wird das Hauptgesprach geführt. Natürlich aber öaog det 
kdnnlc eine so bunte Gesellschnfi nicht gleich den einigenden öespriofc«, 
Miltcl{)imk.t der ünlerlialtung imden. Cicero hat dies naturLH treu 
geschildert. Erst unterhalten sich Scipio und Tubero, durch die 
Erscheinung einer Doppelsonne veranlasst, über astronomische 
und damit zusammenhängende Fragen; durch die Begrüssung 
der neu Ankommenden wird dies Gespräch immer wieder unter« 
brocheO} dann aber energisch von Neuem aufgenommen und 
so lange fortgefllhrt) dass Lälius sich genSthigt sieht, die Bolle 
des Sokrates sn ttbenehmen und es vom Himmel wieder auf 
die Erde berabiurufen (I 3() ff.). Und zwar führt er es gleich 
mitten in die Bewegung des Tages hinein und fordert den 
Sdpio auf, sidi darüber auszusprechen, welche Verfassung 
des Staates er für die beste halte. Da auch die übrigen tu- 



4) Ks wird dies I IS damit begründet quod erat bihfrnutn tompu^ 
anoi. Das Latinerlest tiei bIso <h»malf in d^n Winter, was /.u dt n An- 
gaben bei Marquardt, Rümischc Staat^tverw. 111* iä8 iiichl stimmt. 



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462 



V. WtoderbdeboDg des Dialogs. 



stimmen (I S4), so ISsst sich Scipio herbei dem Wunsche 
ca willfahMn imd hält einen Vortrag, der sieh durch swei 
BQcher hindurch sieht nnd doroh Einwendnngen des LSlios, 
HanflinSy Tubero, ^evfiat aber anch noch Anderer, und daran 
geknöpfte Gespräche fortwährend unteibrochen wird. Hiennit 
ist das Gespräch des ersten Tages sn Ende, aber nicht ohne 
dass durch die Schlussbemerknng des Phflus, welcher die 
Nothwendigkeit betont genauere Erörtenmgen über die Natur 
der Gerechtigkeit anzustellcu, das Thema des folgenden Tages 
bereits angedeutet wird. In der That beginnt die Unterhal- 
tung desselben mit zwei längeren Vorträgen des L.iliiis und 
Philus, die beide auf Wunsch der Uebrigen es iilu rnonimen 
haben, Phüus mit den Wallen des Kameades die Gerechtig- 
keit anzugreifen, Lälius sie zu vertheidigen. Erst hiernach 
fahrt Scipio in seinem Vortrag über den Staat fort, der sich 
abeimals Ober swei Bücher enCreckt. Ein neues Thema wird 
mit dem (tinften Buch angeschlagen, in dem Scipio rom Ideal 
eines Bttrgers und Staatsmannes (de oplimo cIto^) handelt 
Bas neue Thema war einen neuen Tag werth, 'den dritten und 
lefiten des ganzen Bialogs'), der auch das sechste Budi in 
sich begreift, das Ober psychologische Erärterungen sich su 
kosmologischen und eschatologischen Ansbb'cken erhob und 
damit das Ganze aufs Würdigste abschloss. Der dialogische 
Geist bleibt bis zuletzt so lebendig, dass er nicht einni;jl im 
Mythus vom Traume Scipios zur Ruhe kommt, sondern, von 
der Unterbrechung durch Läiius (12) noch ahi-v sehen, sich in 
Gesprächen des jüngeren Scipio mit dem älteren Alricanus, 
einmal auch seinem Vater AemiUus Paulas (44) geltend macht 



i) Ad Q. f. Iii 5. 1. 

i) Dsiss das Gespräch sich über drei Tage iTslrockt«^, ni^hl über vier, 
obgleich duuials das Latincrfcsl so lauge daucrlo (Marquardt III Ļ6, 9; 
vgl. jeiloch Huch Chr. Weraertui De feriis Latinis l^Lcipz. Diss. 4 888] S. S3) 
folgt ansYI 8. Bs waren also je zwei Bücher zu einem Tage zusammeo- 
geCutt und jedem Tag sein besonderes ProOmium vorgeeelit, ihnliefa wie 
die vier enten Bttcher de flnthus. Mit dieser EintheUong iMist sich das 
»ht fingniis Ifhria ntor prooemiis« («d Att. nns,S) durch die Amuhne 
vereinigen, dass Cicero damals, als er an Atticns achrieh, noch dto Ab- 
sicht hatte jedem Buch sein besonderes Proömium zu geben. Hiernach 
ist das \on mir Hermes X 79 bcmerktp zu fiuMlifiziren. VgL auch 0. 
S. ü»», 1. Unterss. z. Ciceros philus. Sehr. III tli f. 



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BttoMr. Gloero de n poMica. 



m 



Auch darin bewährt sich dieses Werk als ein echter V«rgi«ioliaog 
Dialog, dass trotz der grossen Zahl von Anwesenden das Ge- ^ifttoa. 
sprSch schliesslich doch nur auf wenige Hauptpersonen ver- 
tbeilt ist, nämUch auf Scipio, Philus, UUus und ManiUnsi), 
denen Tnbero Rntflins und die beiden 8clkwiegers(0uie des 
LSUns nur gelegentlieh seenndirten (CSoero ad Att. IT 46, S). 
Es entspiieht dies nlohl nur einer allgemeinen ttfSheit (8. S06 ff.) 
erSrterlen Regel des Dialogs, sondeni dentUdi tritt mis hierin 
aueh Giceros Ulerarisciies Vorbild entgegen: denn ebenso ist 
naton in seinem Dialoge Uber den Staat yerihhren. Dass er 
diesen sidi tum Ftlhrer gewählt, liatte Gieero selber offen 
Angestanden^; nnd noch k5nnen wir verfolgen, wie anf den 
grossen Stationen des Weges beide immer zusammentreffen. 
Beiden gibt ein Fest, bei Piaton das Bendis-Fest, den Anlass, 
eine zahlreiche Gesellschaft mehr oder minder hervorragender 
Männer zu versammeln, deren Unterhaltung sich zunächst auf 
gleichgiltige Gegenstände richtet, dann erhebt sie sich zu Er- 
örterungen über das Recht, den Staat und seine J^inrichtungen, 
in den Idealen entschwindet ihr die Wirklichkeit und aus der 
lichten Weit des Tages verliert sie sich schliesslich in die 
phantastische Nacht kosmologischer TrSume Platonisch ist es, 
dass ISngere VortrSge Termieden oder dass sie doch, wie 



1) Sein Platz scheint namentlich im IV. und V. Bocb gewesen so 
sein. Im IV. Buch ist von rechtlichen Verhältnissen und Bezeichnungen 
n fr.) und von Mein und Dein (5) die Rede, letzteres aber genau zu schei- 
den halte Manüius I SO als die eigenttinhe Aufgabe der Rechtskuude be- 
zeichnet und eine genauere Erörterung darüber für später in Aussicht 
gestellt Aus dem V.Bucb vgL • and S. 

1) »De re publica Platoois se oomltem proHtetor« sagt Pllnlus von 
nun. Nat. fÜMt praattl. 

8) Bemerkt mag noeh wwdcn, dass PUhis» als Gegner der Gerech- 
tigkeit, nicht bloss dieselbe Rolle spielt wieGlankon undAdeimantos, sondern 
sie auch in derselben Weise durchführt, vgl. Cicero IIT R mit Plato II 
364 E u. 367 A f.; Cicero HI 27 mit Plato I! SSOEff. X 64 S B ff. ; sodann 
dass auch die aus Piaton bekunnte Kritik der Dichter bei Cicero nicht 
iBhlt (TV 9). Doch ist es hier nicht meine Absicht, eine QueUenunter- 
rachai^ flher die doeraoliclie Sdirilt annulellMi. Sonst wire auch 
Bodi Hl erwidinan geweaeo, daM anf Ciceros DarBteilnag nicht bloia die 
RepiüiHk, sondeni auch andere platonische Schriften wie Pliaidros (vgl. 
TuHc. ! 53 u. de re pubL VI S7 ff.) und Phaidoo (s. o.) too Eiofluss 
gewMon sind. 



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V. WlfldflrbelebiiDg det Dialogft. 



schon angedeutet wurde^ fortwfihrend durch Gespräche unter- 
brochen werden; im Geiste des pletomsohen Sokrates lehnl 
Soipio es euidrflolülicli th den Meister «nd Lehrer dar Uebrigen 
sa spielen (I 70). Oooh ist CSoero kein sUayisdier Nacfatreter 
Platons gewesen. Das seigl gerade der Mythos recht deut- 
lieh, worin er die von Spfttoren an der plalonisehen Dichtung 
geflbte Kritik sieh su Nutie gemacht hat Er hat die pla* 
tonisehen Elemente seinem besonderen Zwecke gemSss modifitirt 
und geordnet; er ist aber nicht bei Piaton stehen geblieben, 
sotideru war gleichzeitig den Einflüssen anderer Philosophen 
offen. 

Eisflon Dass sein Work sich nach Büchern gliederte, deren ein- 

pijjjjj^ seine er mit besonderen Vorreden versah, ist in iVachahuiung 
des Aristoteles geschehen^). Den Gedanken, ein Gespräch 
zwischen hervQrragenden Staatsmännern vorzuführen, mag er 
vom Pontiker Herakleides haben dessen Erfindungen auoh 
der Traum Scipios fthniioh sieht (o. S. 327), sonst haben lum 
Inhalt vielleioht noch Kleitomaches^) und Poseidonios^), sodann 



1) Tier Kpikureer Kolotes hatte sich über die Hadesfahri des Arme- 
niers Er und seine Erzählungen lustig getuacht. Cicero hatte beides 
erwähnt (VI 3 und 6 f.) und Piaton gegen die ungerechte Kritili. in Schutz 
geoommeD (4). Er litttele flfdi aber sa ähnlichen Vorwürfen abermals 
den wenn auch nnscholdigen Anlast zu geben: daher setzte er an die 
Stelle einer Wiederarweckung vom Tode ein einfedies WiedererwadMa 
aus rinoin S( hiare (VI 6), an die Stelle einer unglaublichen Fabel die Ei^ 
Zählung eines Traumes, der, an sich wunderbar genug, durch die be- 
gleitenden liaständo des wachen Lebens fVf 10; sein«- HrH trung auch 
nach dem Urthcil de<; unglüubigstcu Epikureer«; finden mu^stc. 

2) Ad Att. IV 16, i vgl. o. S. 298, i. Auch hier (s. vor. Anmkg,} 
kann eine realistische ängstlich die Bodinguugeu der Wirkliebkeil er- 
wägende Kritik mit im Spiele gewesen sein (o. S. S4I l). 

0} DIog. L V 89 (o. S. SSI, 1} ad a fm 5, 1 de legg. III 14. 

4) Denn woher sollte Cicero sonst eine so eingehende Kenntnlsa von 
der Rede des Karneades gegen die Gerechtigltelt erlangt haben, als der 
Vortrag seines Philus im dritten Buch voraussetzt? vgl. noch o. S. 44 2f. 
PoIyMos und Rutllius, die sonst als Gewährsmänner über dir Philosophen- 
ge<!anilts('hafl citirl wi'rdcn (Geil. VI 44, 8), konnten SO ausführlich darüber 
doch uiciil ht-ri« htet haben. 

5) Corsisea de Posidonio Khudio M. Tulhi Ciceronis in libro I TuscuJ. 
et In somnio Scipionis auctore. Bonner Olsa. 487S. 



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Rflmer. Cloero de re publica. 



465 



Dikaiarchos ^) und das Meiste jedenfalls Polybios beigesleueri^). 
Die historische Grundlage waren venoulhlich Erinneningen an 
"Gespräche zwischen Scipio und seinen Froimden, wie sie 
Ladlius in seinen Satiren (s. o. S. 424 f., vgl. rep. 1 34) und 
wohl auch Hutilius in Beinen Memoiren mitgeiheilt hatten; 
den letsteren nennt Cicero ausdrQeUicb seinen GewShTsmann 
(I 43. 47, vgl. auch Bratus 85), Shnlich wie auch Piaton soldie 
Angaben macht, um dadurch den Schein historischer Treue 
über seihe Dialoge su breiten^). 

Diese verschiedenen hauptsfiohlich griechischen Elemente BsniiohM 
hat Cicero su einem neuen Gänsen vereinigt, dem er ein 
rttmisohes Golorit gab. Nicht bloss durch Besiehungen auf 
rOmlsehe Yortilltnisse und Geschichte hat er dies erreicht, 
noch weniger war es ihm genug, bloss Römer und in 
Rom redend einzuführen, sondern er hat der veränderten 
Scenerio entsprechend auch die Gedanken eigenlhümlich ge- 
staltet uiul disponiit. So sehr Scipio und seine Freunde 
eine sokratische Gemeinde bildeten, vor Allem waren sie 
doch Uomer, stolz auf ihv Vaterlan(i und hingegeben dem 
Wirken fUr den Staat. Was waren ihnen die Träume grie- 

I) UMDer Rh. M. SS, S97, S. Aach an den TptnoXirixi« liesse sich 
dnnken, weno Dlkaiarch schon das Ideal der gemischten Staatsverfiiasong 

aufgestellt hutte (Müller, fragm. histor. Gr. II 94S) und wir den TptroXtr. 
als (ien roXixixö« nach Maassgabe der aus Dreien eemtsrhtfn t.Om er- 
klären dürften, s. jedoch o. S. 3<9, 3. Gegen die VDr-jesohlHgi-ne ürkla- 
rung des Titels 'l'pi-oX. scheint Joseph, gegen Apion i 34 zu isjjrechen. 
Durch Dikaiarch und aeine Polemik gegen iheophrasl (ad Att. II IG, 
kann angeregt sein, was er m Gunsten praktischer Belbeiligung am 
Staataleben I < ff. m 6 bemerkt. Dass Plalon kahi echter Schtllar des 
Sokiates sei, sondern ebenso stark den EiDOttSS des Pythagoras erfohnm 
habe und deshalb in Wesen und Lehre eine eigenthümliche Mischung 
sokratlschcr und pythagoreischer Elemente zeige, luitte Dilcainrch , wi<» 
es scheint (Plutnrch Onno-t Tonviv. VIII i. i p. 7<9Bj, mit hesondcreui 
Nachdruck ausgesprociien , deusoiben Gedanken führt aber auch Scipio 
aus I 16. 

%) Auch Panaittos ist nicht ausgeschlossen nach de legg. III 14 vgl. 
mit rep. I 15 o. 14. 

I) In den Briefen an AtUcas» wo er uns hinter die Coulissen sehen 

lässt, spricht er ganz so, als wenn die Gesdiscbaft des Dialogs ihm nldbi 
dur6h eine Tradition dargeboten sondern von ihm selber für diesen 
Zweck zusammeni.'eliracht worden würe ad All. IV W<. i: de rep. dispu- 
lationen in .Vi !« mi personaui elc. cootuli; adjunxi adulescentis etc.). 

Hirsel, Utiiog. 3Q 



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466 



V. Wiederbetebiing des Dialogs. 



chischer Pkilosophcu V Sie hatten nicht nothig, im Suchen 
des Idealstaates in den Himmel zu greifen ; der Idealstaat war 
ihnen längst auf Erden erschienen und sie rOhmten sich seine 
Borger su sebi. Polybios hatte ihnen nur aus der Seele ge- 
sprochen: mit Becht isl es daher dessen Ansicht, die Cicero 
durch Sdpio sum Ausdniok bringen Usst. Nach dem MaasBe 
des besten Staates ist auch der beste Bürger sugesehnitten; 
es ist nicht der mathematisch und dialektlsöh geschulte 
Phflosoph, sondern der »vir prudensi (II 67. 69. III 4 f.) mit Be* 
redsanüieit und Bechtskenntniss ausgestattet (VI 1 }, zu dessen 
Bilde der ältere Cato gesessen su haben mdieint (II 4). 

Aber nicht bloss die Grundgedanken, auch der Gang der 
Untersuchung ist der römischen Umgebung zu Liebe abgeSn- 
dert worden. Bei Piaton beginnt sie mit der Gerechtigkeit und 
bleibt nominell auch immer daraul gerichtet, nur nebenher 
fallt dabei auch als Frucht die Einsicht in das Wesen des 
Staates ab (o. S. 933 i. ikO), So wollte es der riiornkfer des 
Sokrates, dem es vor Allem um die Bestimmung moralischer 
Begriffe zu thun war, während umgekehrt Scipios und seiner 
Freunde Ftihlen und Denken in erster Linie dem Staate galt: 
weshalb auch hier die Abweichung Qceros von Plalon nur 
gebilligt werden kann, wenn er in die Hauptuntersuchung 
über den Staat Erörterungen Über die Gerechtigkeit erst nach- 
träglich im dritten Buche und etwas gewaltsam einschiebt 
BerBhnuig So Sehr sich das oiceronische Werk über ein nur den Ein- 
o^awiut. '^^^^8®^ Tages dienendes Pamphlet erhebt, so hält es sich 
doch keineswegs rein auf der philosophischen Hähe oder streng 
historisch innerhalb des einmal gewählten Rahmens der Ver- 
gangenheit, sondern l)crQhrt an mehr als einem l'unkte auch 
die Gegenwart. Die erörterten Fragen waren in der cicero- 
nischeo Zeit ebenso brennend als in der der Gracchen und wir 
begreifen, dass Cicero eine Zeit lang den Gedanken hatte die 
Scenerie in seine eigene Zeit zu verlegen. Das Gespenst der 
Monarchie erschien auch damals am Horizont der Bepublik: 
auch in dieser Hinsicht war es also passend die Frage, ob die 
Monarchie die beste Verfassungsform sei» eingehend zu erär- 
tem (I 56 ff.) und insbesondere konnte angebracht erscheipen 
lu betonen, dass die schlechte Monarchie oder Tyrannis Jeden- 
falls das Schlimmste sei, was ehiem Staate begegnen kSnne 



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ftOmer. Cicero dt vt publica. 



467 



(II 47. III 43. 44). Hat doch auch Platoo in seioer Republik 
den TyranDen und die Demokratie nicht etwa deshalb mit so 
lebendigen Farben geschildert, weil sich die Hölle leichter 
malen lässt als der Himmel, sondem weil dies diejenigen 
RegieniDgsfonnen waren, deren Propaganda damals die stärkste 
ond gefSbrlicliste war. Der Grundsatz eines revolntionSren 
Zeitalters, den Phllns fdr seine Zeit ausspricht (II 69), dass 
wer am Staatsleben sich betheiligen wolle, sich nicht an die 
gewöhnlichen gesetslichen und rechtlichen Nonnen binden 
k?(nne, . hatte in den Jahren nach der catilinarischen 
Verschwörung, dem ersten Triumvirat und dem Tribunat des 
Clodius, an einleuchlender Kraft nur gewonnen: eine genaue 
Prüfuny desselben, wie sie angestellt wird, war duher auch 
iui iliublick aiil ilir Gegenwart vollständig gerechtfertigt. Noch 
mehr war Rom sich selix r iintrou geworden, noch nöthiger 
moeble es deshalb erscheinen, ihm den Idanken Spiegel ci iiti n 
Rönierthuuis vorzuhalten (V 2). Noch mehr verdienten Keiiner 
und Rhetoren das verwerfende Urtheil (V U). 

Aus dem Bilde der gracchischen blickt uns die ciceroni- Cio«ro nnter 
sehe Zeit an, wie unter der Maske Scipios Cioero sich verbirgt. ^®^P*** *»^* 
Ihm hat Cicero die Gedanken in den Mund gelegt, die er bei 
yerSnderter Scenerie selber wUrde ausgesprochen haben; er 
verband mit reicher natOrlicher Begabang und der praktischen 
Bildung des römischen Staatsmannes die Fülle griechischer 
Wissenschaft und Philosophie und stellte damit ebenso wie 
LSlius und Philus ein Ideal dar (III 4 ff.), das Cicero ohne 
Zweifel in sich erRklU sab^); seine Bewunderung fUr Piaton 
ist die gleiche- und nachdem er das Höchste für sein Vater- 
land geleistet hatte und sich doch verkannt, ja aufs heftigste 
angefeindet sah, mochte seine Stimmung nicht sehr von der- 
jenigen vtTsciiieden sein, die Ciroros damaliger Lnge ent- 
sprach, die Eitelkeit alles menschlichen Ruhmes drängte sich 
ihm auf ^VI 21 ff., I 26 ff.) und Todesgedanken fuhren wie 
Schatten Uber seine Seele (Vi 4äl)3). 

1) Vgl. da.H Lob, da8 er sich selber durch den Muod des Atticus de 
legg. III I i (Tlheilt. 

2; IV 4. Allerdings wird er hierdurch aucli als Freund des Panailios 
charakterisiri 

S) Den Phaldon scheint Cicero damato gelesen tu haben: pro Scanro 4. 

SO« 



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468 



Y. Wiederbelebung des Dialogs. 



Noch weniger als der dramatische Dichter, kann der Dia- 
logenschreiber, indem er Scenen und Menschen der Vergangen- 
heit uns vorführt, voUkoranien darauf verzichten, in diesem 
Bilde auch seine eigene /eil und Persönlichkeit hervortreten zu 
lassen. Die Goeonwart und das liebe Ich ertrotzen sich in die- 
sem Fall ihr gutes Kecht, auch wenn es ihnpn nicht vom Ver- 
fasser selber mit vollem Bewusstsein gewährt wird. So war es 
fn der sokratigchen Literatur gewesen, wo die Maske des 
Sokrates von den verschiedensten Philosophen getragen wurde, 
die unter derseU>en nicht aufhörten, ihre eigenen Ansichten ans- 
snspreehen. So sind ohne Zweifel auch Herakleides und Andere 
verfahren. Bis lur Garicatur wurde dieses Verfahren in viel s|>ä- 
Ceren Zelten namentUdi von den Englflndem Berkeley, Shaftes- 
bury und Hume gesteigert^ unter deren Alkiphron Dion Philo- 
nouB Philocles Theodes PampbOus Gleanthea und uniShligen 
andern antiken Namen der Art, die mit der gans modern eng- 
lischen Umgebung selfaam oontrasttren, sich die Verftsser und 
Ihre Zeitgenossen, man kann kaum noch sagen, versledten; 
aber auch der Platonlker Scfaleiermaoher ist nicht anders ver- 
fahren, wenn er die Personen seines Dialogs »Uber das An- 
ständige c Sophron und KaUlkles i^ Berlhier Thiergarten spa- 
zieren lässt. In Vergleiohnng mit solchen extremen Beispielen 
hat Cicero das historische Kostüm sehr treu und geschmack- 
voll gewahrt, bis in die Sprache hinein, in der man ein alter- 
thümliches Colorit bemerken will 

Ucberhaupt kann man, nicht bloss vom historisch-anti- 
quarischen Standpunkte aus, vs nur bedauern, dass das cice- 
ronische Werk uns nicht vollständig erhalten ist. Wir würden 
dann ein Zeucniss mohr besitzen, was Cicero auch als Schrift- 
Steiler in der künslierischen Composition su leisten vermochte, 



Daher entnahm er das Motiv, das er sich auch in den BOcheni deomtore 
zn Nutm gemacht hat, die letiten Gespriche hervormgander Mlnner auf- 
zuzeichnen, denen die Nähe des Todes eine eigene Weihe gibt. An den 
l'haidon erinnert noch besonders de re publ. VM2. vielleicht eine Renii- 

niscf'nz ans Phairt. p. 117D. Für Ciciro« »IjimaHge Stimmung sprit-hi 
noch, dass er in den Büchern de oratore sieh unter der Person l 
Crassus verbirgt, aiso wieder eiues Mannes dessen Tod damals luhc 
bevorstand« 

lj Landgraf, De Ciceronis eloctttione S. SO, 1. 



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Römer. Cicero de re publioa. 



469 



wenn er Liebe und Fleiss auf eine Arbeit verwandle. Die 
Schrift de re publica war kein blosses airo^pa^ov, wie 
Cicero gelber einmal seine späteren Dialoge genannt hat >). Die 
Benotonng so lablreicher und verschiedener Quellen, wie wir 
gesehen haben, seist allein schon eine ziemliche SelbBtändig- 
keit der Arbeit vorans. Er wird nicht müde den Gegenstand 
▼OD Neuem durehsadeiiken, den Plan des Gänsen immer von 
Neuem su entwerfen 1* So entstand denn ein Kunstwerk, das 



1} Cicero bebnd sich damals noch in der Periode seiner Schrift- 
stellerei, in der er von sich selber sagen durfte: non est nieum, qui in scri' 
bendn, u\ soles admirari, tantum induslriae ponam, committere ut ne- 
plfe« ns fuisse videar (ad fain. Iii «.». 3 . Dass er sich es mit der Abfassung 
der Bücher de re publ. sauer werden liess, spricht das mit Bezug auf 
dieselhen gesagte »spissum sane opus et operosum« aus ad Q. f. U 12, 1. 
Begonnen wurde das Werk 54 v. Chr., vollendet aber erst knrs vor dem 
Abgang in die Provinz 51 (Dmmann VI S6 t). Aber schon längst scheint 
er wo nicht mit dem Gedanken eines solchen Werkes sich getragen, so 
doch innerlich durch die Lektüre philosophisch-politischer Schriften dnniuf 
vorbereitet zu haben ad Atl. IM. 8. 2, 2 (wo freilich Berpk. Rh. M. 1881 
S. H 3, 2 Dicaearchiae schreiben wollte). S, i u. 3. Alles Briefe aus dem 
Jahre 59, wie denn gerade in dieser Zeit die auch de re inji)li<.'a fr()rlerte 
Frage über den Vorzug des» theoretischen und praktischen Lebent» nach 
dem Vorgänge Theophrasts und Dikaiarchs (o. S. 466, 1 ) ein siebendes Thema 
In seinem Verkehr mit Atticns war (II 7, 4. 9, f. 4S, t). — Die Lebbar- 
Mgkelt) mtt der er seinen Antonios de or. II 4 54 f. fttr die philosophische 
Bildnng des Seipio, UUns und Philos eintreten ISsst» legt ebenfoUs die 
Vermuihuog nahe, dass ihm schon damals ein an diese Personen ge- 
knüpfter philosophischer Dialog vorschNv«'htf» Die Art. wie O. Tubero 
und Scipio de rep. I 44 11. sich gegeniib« r tn lcri . kann zur KrUiulerung 
dessen dienen, was über ihr Verhältniss unter einander und zur Philo- 
sopiüe de or. III 87 gesagt ist. Useners Versuch [Rh. M. 28, 297, 2}, mit 
Bscng auf de re pnbl. II 4, S Cicero Mangel an Soi|;falt in der Verar- 
bdtnng dee von seiner Quelle dargebotenen Stoffes nacbsnweiseni scheint 
mir nicht geinngent denn »nam et tpsa Pelop.« begründet indirekt durch 
die maritime I>age aller griechischen Staaten, dass auch von Ihnen allen 
dasselbe gelte wie von Korinth. 

2) Ad 0. f. III 5, 1 f. Erst sollte das Ge<?prach an (lf*n feriae novem- 
diales spielen, zu deren Ansetzune vitMloicht die Erscheinung der Doppel« 
sonne I 15 den Anlass gab gewoiiniu 1» iieilic h \^aren die Anlässe anderer 
Art: Marquardt, Staatäv. ill' 295, S), dann gar in die Gegenwart verlegt 
werden und Gioero selbst mit seinem Bruder Qtiintus wollte darin redend 
anttreten. Von diesem letsleren Plane Ist wenigstens noch die Widmung 
an QnintQS gd»lieben. Denn, dass er und nicht Atticus der IIS Ange- 



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470 



Y. Wiederbelebung des Dialogs. 



politische Testament Scipios kann man es nennen, nicht ganz 
unwürdig den letzten Worten des sterbenden Sokrates oder 
doch des Empedokles, wie diese letzteren Herakleides aufge- 
zeichnet hatte, (o. S. 323 ff.) an die Seite gestellt zu werden; 
nicht unwürdig auch des tyrrhenischen Meeres, in dessen An- 
blick es t^eschrieben wurde ' t untl von dem es einen beleben- 
den Hauch empfangen haben mag. 

Nicht bloss er selber durfte zufrieden mit sich sein ad 
Q. f. III 5, 2), auch seine Freunde und das Publikum spendeten 
ihm Beifall (ad AU. VI 4, fam. VllI 4,4). Es war aber 
auch etwas ganz Neues, wodurch Cicero in dieaani Werke die 
römische Literatur bereicherte: weder Gurios gani in die 
Tagespolitik versenkter Dialog, nooh die satirisGli verserrto 
Harcopolis (o. S. 451, 6} Yarros, wenn sie aoeh CScero lur 
Abfassung seiner politisdiett Schrift vielleicht Snsseriich ange- 
regt haben, liessen sich doch mit diesem Werke vergleichen, 



redete ist» scheint mir kaum einem Zweifel ni iuileriie0eiL Trolx dts 
lotafenee, das Atticas an dem vollendeten Werke bezeugt (ad Att. VI 
1 , 8. TII 3, i. Brutus 1 9 de legg. I 1 5] uud obgleich es wieder seine 
Bibliothek war die Cirem bei der Ausführung desselben benutzte 'nd Att. 
IV H, V. kann dorh an ihn nicht gedncht werden, dn im Prttomiurn des 
ersten liucLcs ebenso III 6) von solchen, deren Meinung über die Be- 
iheiligung am Staatslebcn mit der des Atticus übereinstimmt {Theophrasi 
und die Epikureer de erat. III 88 f.), in der dritten Pers<m gesprocheii 
wird. Dodi ISaat sich hiermit vergleichen die Art, wie er Im Orüor zu 
Brutus Qber die Attiker spridit (SS f.), zu denen doch auch Brutos ge- 
hörte; und zugegeben muss werden, dass auch Qnintus nicht ganz mit 
seines Bruders energischer Bethcilijrung am Staatsleben zufrieden war 
de orat. III 13). Aber auch das Einzige, wa?« wir bestimmt über den 
Angeredeten erfahren, dass er zur Zeit, als et- uiil Cicero in Smyma war 
und ihnen Rutiiiua das folgende Gesprücb erzählte, »adulescentulus« war 
und swar nur er, aber nldit Cicero (denn In »mlbl tlbiqae qnendem 
adnleicentulo« kann sich edul. nicht aneh auf »mihi« iMtlelien} Ittsst 
sidi damit, dass Atticus vier Jahre älter war als Cicero, nidit ver- 
einigen. Wohl aber passl dies zu dem vier Jahre jüngeren Quintos. 
An ihn werden wir also zu denken haben. Die Vernuithunp wird nur 
waiiischciulicher dadurch dass auch dn<< Gcs|)rach »vom Redner« dem- 
selben dedicirl war: denn ebenso hat Cicero auch in späterer Zeit eine 
ganze Reihe seiner philosophischen Sclirifleu fast gleichzeitig dem Brutus 
gewidmet. 

I] Ad Q. L II i% i Abeken, Cicero In s. Briefen S. 175. 



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Rdmer. Cicero de legibus. 



474 



desben Verfasser einen hiihertn Flug gononmien halte. So 
konnte Cicero wohl aufgemuntert werdea eiue Fortsetsuog xu 
schreiben. 



0ie BIchtung dieser Foraetoung bestimmte PlatoD, der nach dt \agi\n, 
wie vor sein Führer blieb. Wie dieser, so liess daher auch Cicero 
dem Staat die Gesetze (de legibus) folgen mit dem Lnter- 
schiede freilich, dass während das Werk des griechischen 
Philosü|)hrn ein durchaus selbständiges ist, die gleichnamige 
Ciceronische Schrift sich nur als eine Ergänzung der früheren 
Über den Staat gibt*). Wie dort die Umrisse des Staates und Verhältui&s «n 
seiner Verfassung gezeichnet wurden, so wird hier die Gesetz- " F^iio»- 
gebung bis ins Einzelne fortgeführt und dabei ähnlich wie 
früher, nur mit etwas grösserer Freiheit, Alles mtiglichst der 
Form des in Rom geschichtlich Gewordenen und Wirklichen 
angepasst. Auch die Abfassimgssett verbindet beide Schriften 
aufs Engste. Ausser den langst bekannten historischen und 
philosophischen Indiclen^) lehrt dies die dialogische Technik. 
Im dritten Buch wirft er einen spöttischen Seitenblick auf die 
hOlseme Welse der gewöhnlichen Dialoge, in denen das »Ja« 
und »Allerdings so ist es« einer Gesprächsperson nur dazu 
dient, gewisse Abschnitte und Uebergänge im Vortrage der 

A) Cicero Mlher sehelat allerdings diueb ein lÜMverstHndDiss Betons 
Gesetze für eine Brgünzung des Staates gehalten tu heben; Yg]. .da legg» 
III4: qtii (Pleton) prtnceps de re publica conscripsit idcmque scparatotn 
de l^bus ejus. Aus ungenügenden Gründen hat Bake diese Worte 

für intcrpolirt erklärt. Wie Cicero selber das Verhüllniss seiner beiden 
Schriflcn auffassl, ergibt sich, vom allgemeinen Inhalt abgesehen, noch 
aus fol«_'«-nden Aeus«terungen de lege. I 15. 37. II as. Iii 4. lie. 4 3. 32. 87. 38. 

i Die Grenzen, zwischen denen die Abfassungszeit liegt, lassen sich 
liemticb eng stehen, da Pompejus (f 48) nocb am Leben lat (1 S. III SS) 
and Caodins, der SS ermordet wurde, bereits todt (U 4S f.}. Vgl. Bake 
Prolegg. S. XVn ff. Hamecker in Fleckeis. Jahrb. 4SSS & a04, S. Zu« 
nichflt gestatten diese und andere historischen Anspielungen einen Schluss 
nur anf die Zeit der Scene des Dialogs. Dass diese aber von der Zeit • 
der Abfa-^siung nicht verschieden "war, rei!»! I 15 wo Cicero die Voraus- 
setzung des Dialogs vergessend den Atticus sagen liis^t consequens esse 
videtur ut scribas tu »dem do legib;:s. Philosophische Indieien be- 
stätigen dieses Ergebniss insofern, als Gcero in dieser Schrift noch auf dem 
Standpunkt des Antlochos steht d. h. unter dem Hantel dea Platonlkera 
stoiadw Lehren vortrügt (Unterae. xu Ctoeros phllos. Sehr. III 8. 488, 4). 



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472 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



Hauptperson äusserlich bemerkbar au maehen Gieero braucbft 
bei diesen Worten nicht gerade die juristisdien Dialoge des 
Brutus (S. 428 ff.) im Sinne xu haben, die allerdings wohl 
von der bezeichneten Art waren ^ ; auch unter doi platonischen 
finden sich genug — und besonders die Republik, wenigstens 
ihrem grOssten Theile nach, gibt ein solches Beispiel das Cicero 
damals vorschweben konnte — in denen man nur das Geklapper 
der dialogischen Maschine hört. Cicero durfte sich hierüber lustig 
machen, da er ein gutes Gewissen hatte. Sein Gespräch über 
die Gesetze ist ein wirkliches GesprSch, bu weil es die Natur 
des Gegenstandes erlaubt. Atticus und Quintus wünschen 
Ciceros Ansicht über die dem römischen Ideal staat erspriess- 
lichsten Gesetze zu hören. In Folge davon hält er ihnen längere 
VortrSge ; dieselben wirken aber nicht einförmig, da die beiden 
Hörer keineswegs darauf verzichten, auch ihre eigenen philo- 
sophischen und politischen Ansichten wenigstens kund su 
gebend) und jede Gelegenheit benutzen, durch Fragen und 
EinwSnde ihre Aufmerksamkeit xu seigen und den Vortragen- 
den SU weiteren Mittheilungen au ermuntern. Diese Weise, 
Vortrage mit Gesprächen abwechseln lu lassen, findet sich nicht 
mehr in Ciceros späteren Schriften, sie war auch hi der 
griechischen Literatur nicht zu häufig, in welcher Tielleieht 
Piatons Gesetse auch in dieser Hinsicht ein ftlr Cicero maass- 
gebendes Vorbild waren: wohl aber herrscht sie ebenso in 
dem Dialoge vom Staat 

i) III S6: Scis solere, frater, in hujas modi sermone, ut transiri 
alio possU, dici »Adinodum ' nut oProrsus Ha est«. Bake gibt die Worte 
dem Ouintus und hlilt sie iii>si>rdeui für interpolirt. Namentlich das 
Letztere ist mir aber gauz ud wahrscheinlich, da ich mir nicht vorstellen 
kann wie ein Interpolator gerade auf diesen Zusatz htttle verfallen sollen. 

%) Und XU denen sein Werk auch dadurch, dass er daa jus dvUe 
von einem weit«r«i und höheren Standpunkt bebandelte, ehie kritialrende 
Besiehung hatte. 

3} Ais Epikureer wird Atticus charakterisirt I 21. 85. 54. HI 4. 
Politisc he Ansichten <!»'s Quintus, nebenbei ;iU(ii des Atticus. iil>er das 
Volkstribunat und seme Erneuei unK durch Pompejus, über geheime Al>- 
stimmung werden kundgegeben Iii i\) tt. 33 IT. 

t) Wie im Dialog vom Staat selbst der Mythos mit Gesprächen 
durchseist ist (S. 461), so dringt auch in den Gesetien das dialogische 
Element in der Form von Selbsteinwttrfen bis in die längeren Vortrige 
ein III SS f. 



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Homer. Cicero de legibus. 



473 



TrotzHem könnte man an der engen Zusummengehörigkeit 
beider Werke zweifelhaft werden, wenn man ihre dialogische 
Einrichtung von einer nndern Sciir In t lachtet. Beide Dialoge 
sind auch äusserlich in eine Veri)indung gesetzt, aber nicht, 
wie dies anderwärts, bei Plaioü namentlich, geschehen ist, 
so dass das spfitero Gespräch das frühere fortsetzt oder doch 
irgend wie daran anknüpft; vielmehr besteht die Verbindung 
darin, dass in dem spAteren auf das frtthere als eine Schrift 
Giooros hingewiesen wird (S. 471, 1), das Verkfiltniss ist also 
dasselbe wie swisehen den Schriften »von der Weissagongt 
and »Tom Wesen der Götter«, wo ebenfalls Im Gespiüch der 
späteren auf die frObere Sohrifl die Bede konmit und ein ein- 
lelner Abscbnitt derselben eingehender behandelt wird. Hier- 
mit hfingt nun susammen, dass die Seene des iweiten Dialogs 
in eine viel spStere Zeit gesetzt ist als die des ersten: wir 
befinden uns nicht mehr in der Scipionischen, sondern in der 
Ciceronischen Zeit. Scipio hat seine Maske abgeworfen (S. 467) 
und \v3hrend er im Anschluss an seine Darstellung des besten 
Staates auch von dessen Gesetzen hätte handeln müssen, ist 
C.icero nun an seine Stelle getreten. Cicero hat also in den 
Gesetzen mit der Einkleidung des Dialogs die Veränderung 
wirklich vorgenommen, die er eine Zeit lang auch mit der- 
jenigen des Staates beabsichtigt, dann aber endgiltig verworfen 
hatte (S. 469, 3). Man konnte daher meinen, Werke in denen 
sieb eine so versehiedene Ansicht darflber, ob es passender 
sei die Einkleidung des IKalogs der Gegenwart oder der Ver- 
gangenheit SU entnehmen, kund gibt, seien nicht um die 
gleiche Zeit yerfasst, wenn nicht ein bestimmter Grund nach- 
weisbar wSre, aus dem Cicero Ton dem froheren Verfahren 
abging und so in scheinbaren Widerspruch mit sich selber 
gerieth. 

Diesen Grund gab das Vorbild Piatons ab, von dem Cicero 
in den Gesetzen so gut als ira Staat zwar nicht sklavisch ab- 
hing, durch das er sich aber in beiden Schriften nach mehreren 
Richtungen zu bestimmen liess. In der Republik führt uns 
Piaton gewissermaassen in Athens Vergangenheit: wenn auch 
die Scene des Dialogs nicht vor seine Lebenszeit fidlt, so waren 
doch die auftretenden Personen zu der Zeit, da er das Werk 
schrieb, wohl nicht mehr unter den Lebenden, jedenfalls 



474 



Y. Wicdcrbeleboog des Dialogs. 



gehört flor VciiaSäCr nicht zur Geselisch.ift oder ist doch uiiUr 
der Maske des Sokrates \ eri»orgen. Nicht runitTs ist es auch 
in Ciceros der platonischeu entsprechenden Schrift. Id den 
Gesetzen Piatons dagegen webt eine ganz andere Luft: nicht 
bloss versetoen sie uns aus Athen nach Kreta, sondern aus 
der VergangeDheife^ in welcher die Eepublik q>ieU, in die 
nftchste Gegenwart des Schreibenden; wenigstens mnssle es 
Cicero sc ansehen, da er mit Andern in dem Alhener Plalon 
selber wieder erkannte (de legg. I 15), and kennte hierdnrdi 
veranlasst werden, aach in seiner Scene der Gesetse denselben 
Sprung aus einer entfernten in die aUemächste Zeit nacfasu- 
than und ebenso, wie Piaton die Maske des Sokrates abgewor- 
fen hatte, die Maske Sctpios abtnwerfen und in eigener Person 
hervorzutreten. Es war llberhaupt nicht sowohl der Inhalt 
als die Form der platonischen Schriften, die er sich zu Nutze 
madite. Schon der alte Adrianus Turiuluus erkannte, und 
hat diese Ansicht mannhaft vertheidißt. dass der Inhalt, so weil 
er in die Philosophie einschhlgt, den Stoikern eDtnotnint n ist. 
Cicero selber behauptest in dieser Beziehung seine Unabhängig- 
keit von Piaton und will, dass wir in ihm nur sein stilistisches 
Muster sehen <). 

Dass wir aber die Abhängigkeit weiter ausdehnen dfir- 
fen, bat schon das bisher Erwtimte gelehrt und wird durch 
Anderes noch mehr bestitigt^ Wie ui Piatons, so sind es 
auch in Ciceros Gesetsen drei Personen, auf die sich das 
Gesprtcb vertheilt; su CScero kommen noch sein Bruder 
Quintus und Atticus, und in der platonischen wie in der oioe- 
ronischen Schritt ISllt die Hauptrolle dem Yerihsser lu. Die 
Gespräche sind beidemal, wenigstens in der Hauptsache, peri- 
patetisch: die Griechen wandeln durch Cypressenhainc uüler 
schattigen Häumcn und über Wiesen zur Grotte und zum 
Heilipthum des Zeus sich dabei häuhg ausruhend^!; in einem 
Haine bei Arpinum treffen wir Cicero mit seinem Freunde und 



1)147 gpstchl er nur das »nralionis gcnus<* nachahmen zu wollen. 
Wenn er hin/ufuj;t, »Nain sententias iiil4jrprolari perfacile esl; quod 
ciuiiieui ego facereui, nisi pluue esse vellem nieus« so ist das »plane 
meus« nidkt emsthafker tn. ndinien als das »Marte nostro« ia Bezug auf 
de off, III (Untern, zu Ciceros phiios. Sehr. II 7SI f.). 

S) I 6SSB f. SStB III 685 A. IV 7SiG. 



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Römer. Cicero cle legibus. 



475 



seinem Brutler, hier entspinnt sich das GcsprSch. das sie fort- 
setzen, wätirend sie einen schattigen Weg am Ufer des Liris 
gehen, wo der Gesang der Vögel und das rauschende Wasser 
last ihre Stimmen übertönen'), auf einer Insel im Fibrenus 
suchen sie sich ein Ruheplätzchen (II i , 6), das sie spSter mit 
einem am Liris unter Erlen (fir. 4 MttUer) vertansclien^). Echt 
dichterisch leitet Cicero wie Piaton die Eindrucke der äusseren 
Nator snm Einklang mit dem Inhalt des Gesprfichs: die Zeus- 
grotte, wo der älteste Gesetsgeber der Griechen mit dem 
höchsten Gotte Zwiesprach gehalten haben sollte , stimmt 
wohl au einer Gesetzgebung, die, wie die platonische, von 
einem religiösen Hauch durchweht ist; und die Marius-Eiche 
weckt die Erinnerung an die Geschichte Roms und führt somit 
auf eine Hauplquelle hin, aus der dem Cicero die Ideen seines 
Dialogs zuströmten, Inend die Naturschildeningen uns mit 
einer Ansicht befreunden, die in der Alles beherrschenden 
Natur den Ursprung auch des Rechtes sieht (II 2). Bei beiden 
nimmt das Gespräch einen ganzen Tag, aber auch nicht mehr 
als diesen in Anspruch, was von beiden dadurch erklärt wird, 
dass es der längste Tag im Jahr ist 3). Mit einer Anrufung 
Gottes gehen beide ans Werk^). Proömien werden voraus* 



I) I 4. 14. 15. si. 

S) In die Nachbildung derGeaetse raiseheo sich Reminiscenieik ans 
dem Phaidros. Der Liris iit an die Stelle des Uisos getreten (de legg. 

U 6. Pbaidr. p. 230 B). Cicero selber macht uns auf diese Retniniscenzen 
aufmerksam II G> Aus dfiii Phaidrns p. 229 C ff.) dürfen wir daher 
auch die Erwahnurii; des Raubes der Oreilhyia fl 3^ ableiten. Wir I*hai- 
dro« dem ik)kiaU"s p. ii*) C f.) so ist Cicero dem Atticu;« Kt'ßci>>^ber der 
Fremdenführer (I 4 ff. 11 1 ff.). Das Gespräch über bisloriscbe Wtihrheit, 
angeregt durch die Harios-Biche (I 1 ff.), ist augenscheinlich dem über 
die Wahrheit von Mythen im Phaidr. p. SS9 C ff. nachgebildet Auch die 
SfarinS'Eiche (a. a. O,) war doch wohl als Concnrrentin der soltratischen 
Platane (p. SSO B) gedacht — eine Annahme die besondera noch durch 
eine Vcrgleichung von de erat. 1 SS mit de legg. I 1 nahe gelegt wfand. 

?t) Dass das Gespröch CIceros wöhrend eines Tapfs verlfiuft, zeipcn 
schon l 4 3. II 7 und fr. 4 Müll. Dass es ein ."^ornuiertag wie hei JMaton 
Isi. sj>rlcht II G9 aus; auf eine unLM'%vohnIiiiie Liinge des Tages weist 
III 30 und bieruach hatte schon Tui nt-bus vei inulhet, dass der »dies sol- 
stiiialis« gemeint sei. Durch Piaton, Gesa. III 688 C wbil diese Vermuihung 
bestätigt nnd Bäkes Zweifel gegen dieselbe fallen hinweg. 

4) Piaton Gess. IV 7lftD. Cicero U 7. 



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476 



V. Wiederbelebung des Dialog». 



geschickt; di« Bürger sollten zur Befolgung der Gesetze nicht 
durch Gewalt und Drohungen gezwungen, sondern durch Hin- 
weis auf ihre Nützlichkeit dazu überredet werden i]. 
Fehles der Hiemach wird man aaf Nachahmung Piatons auch etwas 
Vorrede, ||eklUhren dürfen, wag man bisher in anderer Weise erkUrt 
hat Man vermisste so dem ciceronisefaen Werke eine Torrede, 
wie er sie andern seiner Schriften verausgesdiickt hat, und sah 
in diesem Pehlen abermals nur ein Zeichen mangelnder Yollen- 
dung^]. DasB es aber Gcero mit denGesetien anders halten 
wollte, als mit der Sdirift Aber den Staat, wo es an solehen 
Vorreden aoch Innerhalb des Werkes nicht fehlt, ergeben die An- 
fänge des zweiten und dritten Buches, durch deren Beschaffen- 
heit Vorreden geradezu aut. geschlossen werden'). Wie hier 
der Zweck einer Vorrede, einen neuen Abschnitt zu markiren, 
durch andere Mittel . wie Wendungen des Gesprächs uud 
Aenderungon (ler Scenerie, erreicht wird, so kann auch eine 
Gesammteinleitung vor dem ersten Buche deshalb entbehrt 
werden, weil die Voraussetzungen des Dialogs echt dramatisch 
während des GesprSchs selber mitgetheilt werden. Um das 
Fehlen einer solchen Vorrede in der Ordnung zu finden, kann 
aber dieser Grund vielleicht deshalb nicht durchschlagend er- 
scheinen, weil Cicero in seine Vorreden auch allerlei absuladen 
pflegt, was mit dem folgenden GesprScfa i^ keinem engeren 
Zusanmienhang steht, nicht su dessen Motivinmg dient. Hier 
tritt nun Piaton sur BrIdSrung ein. Gerade so abrupt wie 
GIceros Gesetie mit den Worten des Attlcus Uber die Harlus- 
Eiche, beginnen die platonischen mit der Frage des Atheners: 
»Ist es ein Gott oder einer der Menschen, Freunde, der bei 
euch als Urheber der Gesetzgebung gilt?«. Und auch hier ist 
dies um so aullallender, als das vorausgehende Werk tlber 
den Staat gerade wie bei Cicero besonders sorgfäUig einge- 
leitet wird. Auch dieses also, dass Cicero das Gespräch über 
den Staat in der Form der ErzHhlung dem Leser aiimähhg 
näher bringt, in dem folgenden über die Gesetze aber den 
dramatischen Charakter desto schroffer hervortreten lässt, kann 



4) Platon IV 7i4 B. 71« B ff. CiMio II 44 ff. 

5) Relffenoheld in Rh. U. 4 7, S7S. 

8) Vgl. auch Sdilottmaon, Art dialogorom componeodorom S. 47. 



Römer. Cicero de legibus. 



477 



leicht eine von ihm beabsichtigte Nachahmung des Verhältnisses 
sein, das zwisohen den beidea politischen Werken Piatons 
bestand *). 

Auch seinen Gesetzen hat Cicero eine besondere Sorgfalt 
lugewandt. Nicht bloss bei Piaton und den Stoikern hat er 
sicÄ Rath geholt; auch PerifHitetiker wie Theophrast und De- 
metrius von Phaleron kommen als Quellenschriftsteller in 
Betracht^. Ein Gtat aus der Epinomis, das sich im GesprSch 
>Yom Rednert findet (III 21), I5sst vermuthen, dass er schon 
damals mit den Vorbereitungen beschAfUgt war*). Die Schrift 
sollte nicht bloss die im Staate begonnenen Erörterungen fort- 
setzen oder eine wissenschaftlichere philosophische Auffassung 
des »jus civile« in Gang bringen; sie sollte auch ein Denkmal 
der Liebe zu seiner engeren Heimath Arpinum und zu seiner 
Familie sein (bes. II 3 IT. , witf auch Piaton solche in seinen 
Dialogen errichtet hat und wie sich übt i haiipt die ursprüng- 
lich meraoirenhafle Natur des Dialogs, ein Schriftsteller mag 
Qbrigens mit seiner Persönlichkeit noch so sehr zurückhalten, 
schliesslich nicht verleugnen lässt. Es ist wie ein gesunder Erd- 
geschmack , den die Schrift dadurch bekommen hat und wo- 
durch sie den Varronischen ähnlich wird. Mit mehr Recht, 
als man vom Phaidros gesagt hat, dass er unter derselben 
Platane, die durch ihn bertUunt geworden ist, geschrieben sei, 
kann man von CSceros Schrift vermuthen, dass sie auf der- 
selben Insel im Fibrenus verfassl tei% die sie uns so anmu- 
thig schOdert (II 6). 

1^ Vgl. auch Bake Prolegg. p XXX. Hiernach dfirf man auch die 
VenuuUiunfi wafjen, dass, wetm Ciceiu sich so nachdrückUch als einen 
Greis schildert (I 10 f.), er der doch damals kuum in der Milte der öOer 
•tuidi dies gleidilUUs eiae vIelInGht mir halb l»ewuMte Nachwirliuiig der 
platonlsdim Gesetze ist, in denen elienfidis wiederholt und gefliBsentllcfa 
das hohe Alter der GesprUohspersonen and nameiitlieh der Haaptperson, 
des Atheners, hervorgehoben wird (Böckh in Fiat. Hin. S. 71). 

2) Nach Heltieostein, Drei Vennath. snr Gescb. d. rttm. Utter., 
tOCb Ant iochos. 

3j Hierauf deutet wohl auch in derselben Srhrift I 190 Ii <42) <h»s 
Versprecbeu des Crassus eine systeniatische UrtinU lluuj,' des jus civile 
geben zu wollea^ denn Crussus ist in diesem wie in andern Fällen nur 
der Wortführer Giceros {Piderit-Hanieclter, Kid. S. 40, SOO. S. Aufl.). 

4) Cicero selber sagt von dieser Insel II 4: illo loeo llbentininie 
soleo oti sive quid mecuro Ipse cogito slve qaid seribo ant lego. 



47S ^- Wiederbelebung des Dialogs. 



Unvoll- "Der Verfasser bietet uns so vielGenuss und so viel Belehrung, 

liaealtöit«!!. ^^^^ kleine üavollkommenheilen daneben leicht wiegen. Was 
Cicero (II 3) dem Atticus von seiner Abstammung und Hei- 
math enählt, wusste dieser natürb'ch längst: dergleichen ist 
also, wie es im Drama so hfiußg geht^ nicht für die Personen 
der Bühne, sondern für das Publikum gesagt und nur eine 
höchst realistische, allermodemste Kritik kann daraus Grund 
sum Tadeln entnehmen. Bbenso wenig stSren den Leser von 
Dialogen die auch hier nicht fehlenden Anachronismen Wahr- 
heit und Dichtung streiten sich eben fortwShrend in den Dia- 
logen: dahin gehOrt auch, dass er einmal, die Dichtung eines 
GesprSchs mit Attieus yergessend, sich von diesem auffordern 
lässt über die Gesetze zu schreiben fl 15), was der Wahr- 
heit allerdings mehr entsprach ; doch ist auch dies ein Fehler, 
der nahe genug liegt und d&n daher auch andere Dialogen- 
schreiber begangen haben 



i) Der einzige Anachronismus, den ich kenne, ist unbedeutend genug 
und Hesse sich noch dazu anzAveifehi. Atticus «icbanU't sicli Miinilicli II 2 
als ob er das erste Mai In Arpinum sei [s. über potissimnn? R tkc z. St.;. Aus 
den Briefen ad Alt. II <6, 4. 17,1 kuo» man aber vcrmulhcn was auch !in 
sich wahrscheinlich ist dass er schon früher, läogst vor der durch die 
historischen Anspielangen bestimmten Zeit des Getprttcbes dort war. 
Hätte Cicero aber diese Voraussetsong streng festgehalten , so wire für 
Atticus kein Anlass su so lebhaften Aeusserongen des EHttflckens Uber 
die Schönheit der Gegend gewesen. Und doch brauchte Cicero diese. 
Er hat sich also wie Piaton in solchen FtlUen seines Kttnstlemchts be- 
dient. 

2^ Cicero mich Im Brutus 18! . Athenaio«?. obgleich er ein (iesprüch 
mit liinokrates üngirt, bezoicluiet einen Abschnitt desselben als f^fte 
il^l^X^i III 127 D. Nach Zelier Plat. Stud. S. 64 hätte dies auch Plato 
Gesa. III 701 A gethan. Derselben Art ist die Begebung auf ftHher Ge- 
sagtes mit einem »oben«; So sagt Sokrates Rep. IV 441 B 5 dEw noo huX 
cTiro|i«v und meint damit Aensserungen des dritten Badies p. S90 D. in 
dieser Hinsicht ist noch öfter und von Anderen gesündigt worden. Wie 
der Grieche dvto, sagte der Lateiner supra. So Tacitu«? im Dial. 8. Ii. 
Auch das »quem supra deformavi « boi r.ircro pro Caeclno 14 kann erst 
!)ei der schriftlichen Rcilacfion tlor H - 1 • liiiv iiiL:ckommen sein. Anloiuus 
(Cicero de oral. 11 303, ix'zieht sicli aui irnluTc iimudliche Aeusserungen 
mit einem »quod supra dixi«. Vgl. auch ille superior »der früher ge* 
nannte« de orat. II 58. Auflallend ist dass bei Piaton der eleatisdie 
Fremdling im Polit. p. S84 B mit den Worten «aftdntp h owptet^ 
icpo«Y)v«7iidoaticv ctvat <v das Gespräch über den Sophisten so 



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Rttnter. Cicero de onitore. 



479 



Die Aehnlichkeit, die Cicero seiaei* Schrift mit der plato- 
nischen geben wollte, hat das Schicksal noch weiter geführt, 
Inden) es die lateinisdie Nachbildang ebenso wenig wie das 
griechische Original zur letzten Vollendung kommen liess^). 
Piaton wurde durch den Tod gehindert sein Werk selber 
herauszugeben, Cicero unterliess es, ans uns unbekannten 
Gründen^, das sefaiigezu finde su ftthren. 



Noch ehe er in allgemeinen Betrachtangen über den Staat de oratore. 

die leitenden Gedanken der eigenen staotsmännischen Praxis 
zur Darstellung gebracht hatte, war Cicero bereits iu der- 
selben Weise mit der HauptthNtigkeit und -Leistung seines 
Lebens verfahren und hatte (iie theori (isi hen Ucberzeugungon 
dargelegt, die für ihn als Redner hestiniraend gewesen waren. 
Im Jahre 55 v. Chr. erschien in drei Büchern sein GesprSch 



cltirt als wenn es ihm hcreits in Buchform vorgelegen biitle, 80 auf- 
fnlleiid dass man geoefgi wird die Worte tt t^Mfi^r^ für ein Gloasem 

zu lialteu. 

i) Narh ReilTcrs. heid Rhein. Mus. 17, %\i ff. hüUen wir auoh 
Giceros Werk erst aus der Hand eines Redactors. 

S) Nach Hand bei Brach, n. Grub. 1 4 7 S. 980 hatte er eingesehen, 
dasa mit solchen Theorien an der Wirklichkeit nichts gebessert werde. 
Nach Reifferseheld a. a. 0. 177 f. waren die Binderungsgrttnde die wach- 
sende Einsicht in die grossen Schwierigkeiten der Aufgabe nnd der Aaf- 
trag den er eriüelt als Proconsul die Provuiz CUicien zu verwallen. 
Bake Prolegg. p. XXIX meint, er habe die Concurrenz mit Servius Sul- 
picins ppfürchtet. Am nächsten liegt die Vermulhunt; do^s es diest lhon 
Gründe waren, die Ciroro schon früher abhielten das ricspriich über den 
Staat in die Gegea^\art zu verlegen ^ad Q. f. III ü, 2] d. h. dass er poli- 
tisch Anatoaa zu geben fürchtete. Qvintns mochte mit den Aensserungen 
nnnfrieden sein, die Ihm III 49 ff. nnd 88 ff. über das Tribunat und die 
lex tabellarlai Uber PomfN»jns nnd den Seaat in den Mund gel^t werden; 
Atticus ausserdem noch mit der dürftigen Rolle die er als Epikureer 
spielt [I 21. 35. II 32. 34), auch das »in hortulis suis jubeamus dicerc« 
1 39 und was folgt ist in Anwesenheit » ines Fpikiireers nicht eben höf- 
lich wesagt. besonders wenn man diesem nicht Raum zur Frwidoruii^ 
la<;st. Darauf dnss Atticus früher keine Lust hatte als Gesprachsperson 
in Ciceros Dialogen zu dienen, deutet die Stelle eines späteren Briefes 
ad Att Xlil t4, 1. S. auch was unten aus Anhuw der Acad. post. be- 
merkt werden wird. 



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480 



V. WiederbeldNiiig Dwioss. 



»vom fiedoert (de oratorc;, worin Cioeio sein rfaetomehes 
Jogendwerk durch ein des reiferen Alters würdigeres ersetzeD 
wollte (de or. I 4. 1^3). An Vorgltagem fehlte es ihm bei 
dieser Arbeit nicht. Aach in diesem Felle waren die mOnd- 
liehen Gespräche den schriftliclien Toransgeeilt. 

Durch die Griechen hatten die R9nier erfthren, dass man 
die Beredsamkeit auch lernen kOnne. Je mehr diese nun an 
Macht im römischen Leben gewann, desto lebhafter mosste 
das Bedflrihiss werden, sich eine soldie Konst ansneignen, 
desto lebhafter aber auch die TheilDahme an dem Jahrhunderte 
alten Streit Ober den Weg, der zu dieser KuDst iuLrio. Auf 
der einen Seite standen die eigentlichen Rhetoren und lockten 
die angehenden Redner an sich, auf der andern die Philo- 
sophen. So war es in der Zeil des Piaton und Isokrates 
gewesen und so war es noch im Ausgang des zweiten Jahr- 
hunderts in Athen, als der Hedner M. Antonius dort Zeuge 
einer Disputation zwischen fiednem und Philosophen wurde 
(de or. 1 Sa ff.)* 

Anfangs waren die Börner nur Zuschauer, aber aUmihlig 
wurden sie mit in den Streit hineingesogen. Der Augur 
ScSvola als Schüler des Panaitios hatte bei einer Anwesen- 
heit in Rhodos die Sache der Philosophie gegen den Rhelor 
Apollonios yerfochten (de or. I 75) , Grassus umgekehrt in 
Athen gegen eine ganxe Schaar von Philosophen, den Char- 
madas an der Spitze, die Rechte der Rhetorflc vertheidigt (de 
or. I 45 ff. 57. 93). Noch strSubte sich die filtere Generation 
gegen ein solches fruchtloses Discutireo rein theoretischer 
Fragen, während die Jüngeren, schon mehr von der grie- 
chischen Luft angesteckt, daran bereits ein ausgesprucheiies 
Gefallen zeigten Durch sie wurde der mündliche Dialog 
über diese Dinge auch auf römiscben Roden hinübergexogeo 
und gedieh weiter. 



i) Crassus muss wie friihpr in Athen Hurrh M. Marcellus (de or. 
I 57; so später in dem von Cic»M'o diir^^estelUcd (i.^sprücb «vom Redner« 
erst durch den Zuspruch Anderer dazu gonoUii^l werden dass er über- 
haupt sich auf solche Erörterungen einlässt. Echt rumiscb lUsst ihn 
Clevre I 47 sagen: verbl conlroversia jum diu torquet Graeculos bomiiMs 
coDtentionis eopidiores quam veritatis. 



Römer. Cicero de oratore. 



Zu den verschiedenen von den Griechen bereits vorbe- 
reiteten Fragen kam hier noch die iUvalitSt der griechischen 
und lateinischen llhetoren und veranlasste neue, ohne Zweifel 
besonders leidenschaftliche Erörterungen. Auch der Kampf 
der Asianer und Atticisten hat vielleicht < r>t in Koni, wo 
beide sich zu gleicher Zeit auf demselben Boden trafen, 
seine volle Sthärfe erhalten. Daneben wurden nach wie 
vor die alten Probleme immer neuen Erörterungen unter- 
worfen. Ist die GeschidhtsohreibuQg eine Disciplin der Rhe- 
torik? durften die Römer wohl fragen (de or. H 54. 55 ff. 
62. 64. Orator 6o f.) in einer Zeit, da sie angefangen hatten 
den Ghronikenstil au&ugeben und eine iebhuAeFe rhetorisi- 
rende DarsteUnngsweise an die Stelle xa setzen. Ihre Dicbt- 
kiinst trug von Haus ans viel mehr eine rhetorische FSrbung 
als die griechische: daher lag f&r sie noch näher die Frage, 
ob es nicht ein und dieselbe Fertigkeit sei, die den IHchter 
und den Bedner mache und thatsichlich scheint diese Frage 
Gegenstand einer eingehenden Unterhaltung swischen dem 
Historiker Sisenna, dem Redner Hortensius und L. Lucullus 
gewesen su sein Wer will endlich sagen, wie viele solcher 



1) rillt firch LucuU. f: Iltpl ojv xi\i <piXoXoYiotC autoO rpi? toT; 
tlp-qjx^vot. /. /, Taüxa hi-^txai' viov fivxa Tcp6; 'Opr/joiov töv ^ixoXöyov xat 
2ta&vväv Tov lotopixöv i% Tiatotöi^ xivo; cU OTOuo-r^v TzpoeX^o(t^T,i öjAoXoi^sat, 

Todiwv« Jllapolxiv ivxcvctv icdXc|Mw. Kol nvK Cotxev tU X^ov *EXXif«t- 
vhs & «Xijpoc niloftai ' SioeifrCcttt ^df» 'EXXt)vtx^ tt« loiopla to5 Map«txo!» 
«oHlMü. Diese Worte scheinen mir einen Dialog der angegebenen Art 
vorauszusetzen. Viellcichl ist aber dieser Dialog in Wirkli( hki it nioiii;ils 
geführt worden sondern hnt iinmor nur in d< r Literatur existirt. Im 
diess einzusehen iiuiss man tsich zunächst doii .^t lilusH (ier plutfirchisehen 
Worte wegdenken, da diese von xai nwt loixe^ au olTeabai uiclit^» als eine 
erst später mit der vorher über das Gespfttcli gegebenen Nachricht in 
Verbladong geaetxte Vermuthuog enfiiaUan. Diese Nadirichl aber fttr 
•ich allein verdiente ee wahrhaftig nicht der Nachweli anfhewahrl zu 
werden, da sie nur in dem Versprechen Luculis gipfelt den marsiscben 
Krieg in beliebiger Sprache und Form zu hohiinileln, ein solches Ver- 
sprechen an sich aber ohne die dnzu treh^irende Leistung dorli nichts so 
Erstaunliches ist {Cicero, üratur 43r,). l iegen wir aUo, wie die iNaehricht 
sich trutzdem erhalten konnte, so liegt die Antwort nahe dass wir in ihr 
das R68am6 eines Dialogs heben. Siaenna und Hortensius mochten sich 
darin um den Voixug der Geschichte und der Beredsamkeit streiten, 



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488 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



1 ra^eu ^in [dem Kreise juncior goistrcicber Römer bebandelt 
wurden, der sich um Valerius dato schloss und echt alexandri- 
nisch an Prol)leinen ((juaestiones: Sueton. Gramm. \ i) abmühte? 
etoriaoiie Auch in der Literatur hatte mein bereits begonnen, diese 

sIwrPm rhetorischen Fragen in dialogischer horrn abzuhandeln. Fast 
scheint Cicero selber auf Lucil als seinen Vorgänger in dieser 
Hinsicht hinzudeuten'); jedenfalls war unter dem mannig- 
faltigeD Inhalt der Satiren dieses Dichters auch die Rhetorik 
Dloht vergessen I so wenig als in den Menippischen Satiren 
Varros, von denen namentlich Bimarcus (s. o. S. 446) und Papia- 
papae diesem Thema gewidmet waren ^]. Auch eine der Pei^ 
sonen des ciceronisehen Dialogs^ Antonius, hatte vielleidit ein 
solches GesprSch Ober Rhetorik einer skinirten Anffkeichnung 
fDr wQrdig gehatten, die er in seine einiige Schrift aufiiahm 
und die Cicero dort gelesen und benutzt lu haben scheint'). 



Luculi aber von einem höheren philosophischen Standpunkt aus sie zu- 
rechtwoisen , da es schliesslirh <Hi» «jldrh»' Nnliire des menschlichen 
(Jeistes sei. aus der wie inis uiner Wurzel nirlit bloss G<^srhichte und 
BeredSMiuketl sondern auch die Dicbikunsl (v^l. de orut. 1 7ü) ealspriinge. 
ja sogar die angeborene Fähigkeit zu sprachlichem Ausdruck sich ebenso 
gut iD einer fremden wie in der Httttersprache zeigen wttrde. So ist es 
der Philosoph Soicrates, der tnm Schluss des platonischen Symposions 
den Tragiker Agathen und den Komiker Arlstophaoes zu flbeneugen swAlf 
das«; etite Tragödie lud eine KomOdie zu dichten, Sache eines und des» 
selliiMi Mannes sei. Si^enna und llortensius, die Miinner der literarischeo 
l'raxis. Hessen sich durch eine blosse, noch dazu puradoxe Theorie na» 
türlich nicht überzeuijen und \ t'rlaiiL'lcn den Beweis durch die Tli.it; 
Luculi erbot sicii auch hierzu so wie es Plutarch erzuhll und hiermit 
iconotef ja musste der Dialog scklieeseo, ttknlieli wie der Pbaidros mii 
der HoiTming sdiüesst, dass das Ideal des philosophisdien Hiietors In 
bokrates verwirkUclit werden nnd so die theoretischen Dariegnagen Ihre 
praktische Bestätigung erhalten würden. Anders iirtheilt liber die Worte 
Plutarchs Wölplin im Hermes 27. 652 IT. 

1) De ond. I 72 u. d;r/u PiderÜ-Harnecker. 

2) Auf den lateinischen Uhefor L. IMotius hat ncuerdinL's ein l'r.is- 
ment aus Papiapapae Fr. Marx bezogen itn lud. Icctt, Kostock 1ssi*/'jü 
S. 40, densellien Plotius gegen den auch Crassus' Worte l>ei Cicero de 
orat III 9S. gemttnst sind. 

S) Dieses Gesprtich war die Dispntation, die wihrend Antonius' An- 
wesenheit in Athen «wischen dortigen Philosophen, wie Mnesarohus nnd 
Charmadas einer' und 1\hetoren, unter denen Menedemus besonders gfr* 
nannt wird, andererseits gehaiten wurde. Die Rhetoren wollten ihrer 



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Mmer. Cicero de oratore. 



483 



Zu den aiigemeinen kamen persönliche Gründe, die Perssnikhe 
Cicero besUmmen konnten, einen Dialog rhetorischen Idt 
Jwlts tu gehreiben. Nicht blosB hatte er selber an zahllosen 
Gesprächen der Art theilgenomnien , sondern ohDe Zweifel 
auch selber Kkon den Stoff su solchen geboten, seit er in 
seiner rednerisdien Entwicklung von der asianischen Manier 
su einer gedfimpfteren Tonart übergegangen war. War dies 
auch sclum Ungar bekaonty so trat doch Gieeros neue oratorische 
Manier deutlicher als bisher su Tage, als er seine Rede fllr 
den Sesllus hielt (59 y. Gtur.) und hier neben dem Atticislen 
Uefnius GsIyus und dem Asianer Hortensius in derselben 
Sache und auf derselben Seite sprach. Drei Gattunj;en des 
rednerischen Stils prSsentirten sich hier wie .luf einer .Muster- 
karte untl die Frage, welche die beste sei, war leichter auf- 
geworfen alvS beantwortet'). Aber wie der römische Dialog 
auch sonst wohl dem Schoosse der Familie entsprang fo. 
S. 1.), so kam auch für Cicero der letzte Anstoss aus dem 
engsten Kreise. Oefter schon hatte er mit seinem Bruder 
Quintus in freundschaftlichem Gespriiche die Frage erOrtert, 
ob der Redner cur Ausübung seinelr Kunst einer Wissenschaft- 



Kunst em besonderes Wissensgebiet abgrenzen, die Philosophen bestritten 
ihnen das Recht hiemi. Das Für und Wider der Argamentey der Gang 
der Disputation wird 1 84 — ^94 so genan mltgetheilt, dass wir, wenn wir nicht 
eine Fietloo Ciceros anoehnien wollen, eine sch{i(Uic]ie Quelle voraussetxen 
inttMen. Die inUndlichcn Mittheilungen von Ciccros Onkel (II i t.) gingen 
schwerlich so ins Einzelne. Und da überdies Antonius selber eine 
Aeussertinp seiner Schrift mit dem Bericht nber die L)isj)iilation in einen 
gewissen Gedankenzusauuncnhiin^ set^^t (94 , so lie^t die VtrmuthunK 
nahe, dass jener Bericht zu Anfang der Schrift stand und dein Antonius 
cum Ausgangspunkt für das lebrige diente. Oass Cicero für das, was 
er den A&toniiw sagen Hess, dessen Schrift benntite, ergibt sich auch 
ttts I tos. 

4) Zwar von dem Streite Gieeros mit den Attidsten ist io de 
oratore iiamn etwas zu merken. Dagegen lassen sich manche stellen 
ppcpn die Asianer deuten, wie III besonders wenn mnn Oral, und 
il verizleicht ; fenier die ganze RichtunL; des DiFilogs, die auf die Forde- 
rung einer umfassenden wissensoliuftlichen Vorbildung für den Redner 
hinauslauft, wahrend die Asianer eine handwerksmüssige Uebuug und 
Ro«tine lUr genügend hielten ; endlich Isl in den Sehhissworten des Oia- 
egs in tSS eine Besiehung der gansen Schrift nur Hortensias unver- 
kennbar. 

81* 



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484 



V. Wiederbdebong dw Dhlofs. 



iicheo Vorbildung hedOrfe oder ItiatoraDlage und Routine ge- 
nflgend sei; die letztere Meinung hatte Quintns, Marcos Cicero 
die andere vertreta (de orat^ I 5). Derselbe Gegeoaati ist es, 
am den sidi der Dialog »Tom Bediier« dreht Trolcdam hat 
Cicero diesen nicht an seinen nnd seines Bruders Namen 
WüMMMi tM geknUpft^ sondern sieh begnügt» durch die Widmnng an Qmn- 
tns an die historische Unleriage der Gespricfae sn etianeni. 
Die Personen entnahm er eineri allerdings nicht sn entfernten 
Vergangenheit. 

Sütorltdw Kurz vor seinem Tode im Jahre 94 v. Chr. soll der be- 
Onadlflca^ rühmte Redner Crassus mit M. Antonius und anderen hervor- 
ragenden und ihm befreundeten Zeitgenossen GesprSche der 
Art geführt haben, wie sie Ciceros Mt iM« rhand uns . rhaiten 
hat. Wenn auch nicht alles Einzelne des wirklichen Gesprächs 
so doch das Wesenliiche des Gedankenganges soll in dem 
Ciceronischen Diaiog wiedergegeben sein. Cicero beruft sich 
hierfür auf das Zeugniss Gotta's, eines der Theilnehmer des 
Gesprächs, der ihm Alles enShlt habe*)^ Trotzdem genügt 
diese Berufung nicht einmal, um einen historischen Kern fest- 
anhalten >). Vielmehr bleibt die Möglichkeit, dass in der 
Tradition nur der Gegensats swischen Crassus und Antonius 
und die Öfter swischen beiden angestellte Vergleichung ge- 
geben war und dass diese Vergleichung erst unter Ciceros 
Händen belebt und so sum Dialoge geworden ist^. 



1) De ont I 4. 26. 29. III 16. 17. 

2 Aehnlich, wie für das de f)i alorc rnitgolljeiltc Gcsprüch auf Cotta, 
beruft er sich de rep. niif dosson Onko! HutiÜus: s. hierüber n S 4fi5. 
Wie Cicero von dem liistdrischcii (iewissen ties üialügoaschreibers dachte, 
ergibl i^ich au» dem Brief an Vnrro, ad ruui. IX 8, 4, und aus de erat. U1 129. 
An der letzteren Siedle bSit er die Möglichkeit ofTen, dass das Gespräch 
des plttoniscfaeD Gorgias niemals in WirklichkeU geführt worden ist Anf 
der anderen Seite weist auf eine hlatorlsche Grandlage des Gesprttdis vom 
Redner ad bra. VI i»S: denn die Aeusserongeo des ILAnioiüni» anf die 
hier Bezug genommen wird, finden sich nicht, wie Manutius und wie es 
sclieint auch spätere Herausgeber meinten, de orat. I 26; wohl aber 
scheint die letztere .'^tclle dieselben Aeusseruogen des historischen M. 
Antonius im Auge zu haben wie der Brief. 

3) Der Fall wUre nicht der erüle seiner Art. Auch sonst haben 
Vecglelchungeo {aufxphui) das Material für Dialoge geliefert (S. 440, i. 
4 SS, S. vgl. Suaemihl Gesch. der griech. Litoralur in d. Alexandrineraeit 



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Römer. Cicero de oretore. 



485 



*" Setaen wir diese Möglichkeit als wirklich, so iSsst sich 
durch VermuthcD die weitere Entstehung des Werkes leicht 
begreiflich machen, wie sie theils durch Gründe, die in der 
Sache selber lagen, theils dnrdi äussere Einflösse herbei- 
geführt wurde. Zum Aufri<diten des dialogischen GerOstes Tmmn» 
waren noch mehr Personen nöthig, die nach römischer Weise 
in der Freundschaft und Verwandtschaft der Hauptpersonen 
gesucht wurden. So traten G. Julius Cüsar hincu und der 
Schwiegervater des Grassus Q. Mucius ScSvolai], der eine 
durch seihen Wils bekannt^ der andere als Jurist ; jeder hatte 
das SU vertreten, worin seine Starke lag und was auch sor 
Ausstattung des Redners gehörte, ohne eine solche persön- 
liche Vertretung aber nicht zu rechter Geltung gekommen 
wäre. An CUsar hing sich wieder dessen Stiefbruder Q. Lu- 
tatius Catulus; der Sache nach deshalb angemessen, weil was 
vom rednerischen Stil zu sagen war, keiner damals besser 
beurtheilen konnte als er. Damit die Vorträge der Aelteren, 
namentlich des Crassus und Antonius, nicht nutzlos verhallen 
und so zwecklos erscheinen, werden den Genannten noch 
zwei jüngere erst werdende Redner S. Sulpicius Rufu.s und 
G. Aurelius Gotta gesellt, von denen jener dem Grassus, dieser 
dem Antonius nacheifert. Mit Cotta erreichte Gicero Tielleicht 
ausserdem den Nebenzweck, dass durch seine EinfUhrung die 
akademische Philosophie eine gewisse Vertretung erhielt, wenn 
sie auch noch nicht, wie es bald darauf in den Bliohero de re 



I 46, H6;. Prodikos lierakles am Scheidewege ist eine Vergleicliunij von 
Tugend und Laster, nur dramatisch gestaltet (Hense, Die Synkrisis, Frei- 
ham. Prorektorataprogr. 489i. S. 44 ff.). Hieran reibt sicii die «öpipiot« 
idio6to» «dl dfsri)« eines unbekaiintm Yofassen bei Stob. flor. XCI 81 

u. XCni 31 ; in dieser Ist Zeuü der Schiedsrichter (vgU 5. 177, 31 Mein.) 

bei Prodi kos Herakles. Aus dor ahstrakten cjYTpf'C zwischen Poesie 
und Geschichte in der aristotelischen Poetik war bei Pnixiphanes tler 
concrete Dialog zwischen Poeten und Historikern geworden (o. S. 311). 
Möglicherweise hatte daher auch die »conparatio«, die nach Macrobius 
(III 4 4, IS) Ciceros Zeitgenosse und Freund der Schauspieler Roscius 
xwlsdben »eloquentta« und »histrioDia« angestellt hatte, dialogisdie Gestalt, 
zumal sie aus einer persönlichen und individuellen Ursadie, dem Wett- 
eifer des Cicero mit Koscius, entsprungen war. 

1] In de re publica erschien LttUus mit seinen Schwiegersöhnen 
{S. O. 5. 464). 



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486 



V. Wiederbelebung der Dialogs. 



piil)li( ii durch Purins Philns gesrhah. ti«'fer in den Gang des 
Gespriichs eingrifV. Heide sind dio ilaupthörer und können 
insofern mit Simuiius und Kebes im Phaidon oder noch besser 
mit AdeimaDlos und Giaukon in der platonischen Republik 
verglichen werden, um so mehr, als der platonische Einfluss 
auch sonst in diesem cioeronischen Dialog nicht su veiv 
kemien ist. 

CompocitioD. Mag der Inhalt auch grossen Theils aus peripateliseheD 
Quellen geschöpft sein>), so wurde die Gompositton doch am 
Mefeten durch Piatons Vorbild bestimmt. Wie Piaton sn So- 
krates stand, ähnlich fasste Cicero sein eigenes Verhiltniss 
SU Grassus und Antonius, namentlich aber xu ersterem auf: 
da sie beide nichts Schriftliches von Belang iünterlassen hatten 
(II 8), so hielt er es ffkt eine Pflicht der Dankbarkeit, ihre 
Beden auftuseichnen und so für ihr dauerndes Andenken lu 
sorgen (III 44, vgl. auch 11 S); er vergleicht seine Thätigkeit 
mit derjenigen Piatons, wie Platons Sokratcs hinter dem 
Original so ist auch sein HiUi des (Irassus hinter der Wirk- 
lichkeit zurückgeblieben (III 15 ; unw illkürlich konnte er so 
Flatooiaohe dazu kommen, kleine Züge des platonischen Sokrntes auf seinen 
uniatioaBwi. Hgi^jß,^ übertragen, wie wenn sich dieser in stiller Samm- 
lung auf seinen Vortrag vorbereitet (III 17, oder sich gegen 
längeres Heden sträubt und sich immer wieder von Neuem 
dazu zwingen lässt-'); wenn er zufrieden ist, protreptiscb zu 
wirken, wenn er anregen und den Weg zeigen will, auf jede 
erschöpfende Belehrung aber verzichtet ^I 203 f.). Der Schüler 
Philons d<>r auch nach seiner Lehrseit ein Leser der plato- 
nischen Dialoge geblieben war, kann sich nicht verleugnen*). 

Selbst das innere Leben seines Werkes ist vom Hauch pla* 
tonischer Kunst bertthrt. Daher breitet er nicht mit ermfidender 
AusiÜhrlichkeit ein System der Bhetorik vor uns aus, sondern 
verkörpert es in der Person des vollkommenen Redners; und 
auch diesen stellt er nicht wie eine Bildsäule vor uns hin, 



i) Der Hauptgedanke, dass alle Beredsamkeit auf einer vmlasseiideii 

philosophischen Bildung ruhen müsse, wird indessen UI 145 deutlich 
fjenug als eine Frucht der Akademie bezeichnet. 

i] l 57. lM)fT 1.3.3. <65, 208. *06. U 48. 8< f. 865. 

3) S. auch \nm. L 



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Römer. Cicero d« oratore. 



487 



sondern lässt ihn wachsori und alluiiihlit; sich seinein liohoii 
Ziele nnhorri'). Es sind dieselben Mittel, die auch Piaton an- 
wandte, um in seinen Entwurf des idealAlaates dramatische 
Bewegung lu bringen '^j. Und wie Piatons Idealstaal nicht 
bloss ein Traum des logischen Verstandes ist, sondern den An- 
sprach auf Verwirklichung erhebt und deshalb ein höheres 
Interesse erweckt^ so deutet auch Cicero an, dass sein Muster 
eines Bedaers noch einmal Leben und Gestalt gewinnen könne, 
ja für den schfirfer blickenden sagt er sogar, dass es sie 
Ifingst gewonnen hat'). Mit solcher Uebe umfassi er seinen 
Gegenstand, so erfttllt ist er von ihm, dass all sein Denken 
und Wissen ein Theil der rhetorischen Theorie wird und die 
Darstellung einer einzelnen Disciplin sich zu einem Compen- 
dium fast der gesarmiiten Lel)ens- und Weltanschauung er- 
weitert. Auch hier folgt er Piaton, der in der Republik eine 
Encyclup.idic der eigenen Piiiiosophie gibt. Selbst ein/eine 
geringfügige und nur Aeusserliches hetreilende Züge hat er 
dem grossen Werke des attischen l^biiosophen abgesehen: 
sein Scävola ist eine Cupie des Kephaios (ad Att. IV 1 6, 3). 
Dieses Werk lag ihm damals im Sinne w eil er sich bereits 
mit seinem eigenen über denselben Gegenstand trug. 

Noch nÜher aber gingen ihn Piatons rhetorische Schriften VorBöbnong 
an. Zwar den Gorgias hat er nur gelegenilich gestreift'), offen- p^^y, 
bar wefl die schroffe Artf mit der dort swischen Philosophie und lad Utiorlk. 
Rhetorik eine Scheidewand gesogen wird, ihm auf seinem da- 
maligen Standpunkt nicht susagte. Was er sudite war eine Ver- 



1} U 41 : iiubis est hic de quo loquimur in fort» atquu uculb civium 
GOBstitueaditt. 85 : ego tibi oratorem sie jam iDsttkaam. Aehalich 1 SS f. III 65. 

8) Zooftchst gilt dies von der Erxiehung der Wttcbter. Rep. III 
p. 4ISDt Dalwr M^lv* Spd|«a V 451 Bf., dem das pivatxtiov folgt. 
Aber auch der Staat -iollisl ist ein werdender, der vom eiafechstcn Natur- 
st.iat Hiis zom kriegeriftcbeo und philosophischen heranwächst vgL B. 
11 373 B tT. 

3) I 79 f. ys. III S\). 

üort las er 11 360 EfT. X 61 2 B, dass, wenn man den Gerechten 
u(td Lugcrechten vergleicbeu und über beide uriheilen Wiillo, man jeden 
in seiner voUlcoromentten Gestalt ndimen müsse. Daher kann der Grund- 
satx stammen, den Crassos UI S4 f. ausspricht. 

5) 1 47. lU 48i. IS«. 



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488 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



sölmung beider, wie sie ihm ohne Zweifel sein Lehrer Philon 
vorgeredet hatte, wie sie seinen eigenen Neigungen entspraeh 
und wie sie ihm der Phaidros bot Der Grundgedanke dieses 
platonischen Dialogs ist die Seele des ciceronischen geworden. 
Der Kanapf der handwerksmässigen gemeinen Rhetorik mit 
der Philosophie erscheint bei Cicero geiniUiert in dem Ver- 
hältniss (Ips Antonius und Crassus und ßndet beidemal seinen 
Al»s('hliis8 in doni Entwurf einer vollkommenen Rhetorik, die 
auf wissenschaftlicher Grundlage ruhend die Philosophie in 
Weiasagang. sich aufgenommen hot^- Auch die Weissaetung über Isokrates, 
die sich bei Piaion hieran schliesst, hat sich Cicero nicht ent- 
gehen lassen : was der platonische Sokrates von Isokrates, das 
erhofft sein Catulus von Hortensius, dass er in seiner Person 
das Ideal eines Redners verwirklichen werde, und Cicero so- 
wohl als Piaton haben diese Form der Propheieiung benatst^ 
um damit rivalisirendeny aber befreundeten Zeitgenossen ein 
Gompliment zu machen'). 
VoThiu dei War Ar die Form des Dialogs Piatons Einfluss hiemadi 
ArUtotoiM. überwiegend, so hat daneben doch auch das Vorbild des 
Aristoteles gewirkt, dem Cicero schon fQr den Inhalt so Tiel 
verdankte. Ihm entnahm er die YorredeOi die er den drei 
Dialogen oder Büchern vorsetste*). CnprOnglich beseichneten 
diese Vorreden in der Geschichte des Dialogs den Verfoll 
desselben^). Cicero hat gezeigt, vsfle auch solche wider- 
spänstige Elemente in den Dienst der Kunst gezwungen werden 



1) Piaton hat sein Ideal cfiX(530<poc genannt p. 27sn. Crassus will 
nicht um Namen streitf-n. wenn nur das Wi sen de>« vollkomii\en»m Manne« 
feststeht, mag iiuui \hu dann philosopbus oder orator nennen. 

2) Wie Cicero die Weissagung über Isokrates auflasäte, ist aus Oralor 
41 f. bekannt. Cicero ttbortrumpft übrigens Ptatoa: bei Platon bal es 
mit der ProphexeihiiDg sein Bewenden, dagegen bei Cicero bebanptei 
GrassuSt den Catulus corrigirend, dass, was dieser erst für die Zukunft 
von Hortensius erwartet hatte, schon in der Gegenwart gelte. Oft» oltni 
wollte Cicero iil)cr die beabsichtigte Hüflichkeit nicht den geringsten Zweifel 
aufkommen Iwsson. Mit den S. '»sn. ,1 nnjrcführten .Stellen vereinigt sich 
(liest AciissiM iiiiL' über Hortensias allerdings nicht ganz; das Complimeol 
w ird dadurch nur um so schmeichelhafter. 

3) Ad Att. IV IS, SL S. O. 5. S98, 1. 
4} 0. S. 896 IT. 



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ROmer. Cicero de oraioTe. 



489 



können. Nicht bloss hat er sie benulEti um die Födcn dar^ 
snlegen, die die Personen des Dialogs^ namentUoh den Grassus, 
mit seiner eigenen Person und Familie verknüpften (II 4 ff.), 
und so den memoitenhaflen Charakter, der den Dialogen von 
Hans aas eignet, au wahren, sondern sie dienen ihm auch 
dasii, den poHtisehen HiDtergmnd, auf dem sich die GesprSche 
abspielen, noch deutlicher und dflsterer xu malen, als dies 
im IKaloge selber geschehen komite. ihre Betrachtongen über 
Menschen und menschliche Schicksale tönen vne die Ghorlieder 
einer allen Tragödie und geben seinen dialogischen Darstel- 
lungen ehie Tiefe, die denen Piatons fehlte i). 

Mehr als Piaton, dem es nur um die Charakteristik su imUiiUiob« 
Aun ist^ nimmt er unser Mitgefühl auch für die Schicksale 
der auftretenden Personen in Anspruch. Ueber ihre AnfSngo 
und ihr Ende, ja über ihren ganzen Lebensgang werden wir, 
wenn auch nur skizzenhaft, unterrichtet. Der Dialog erhält 
80 eine novellistische Färbung, die durch den Wechsel von 
Zeit und Ort das Gehen und Kommen der betheiligten Per- 



4j Ueber die Kunst der l'roömien dieses Dialogs vgl. noch l'iderit- 
Haraecker Binl. 5. 40 1 

s; Bin F«9t muas den Anlaes geben, wie in de re publ. (o. S. 460. 
•tSS). Diesmal sind es die lud! Romani (I S4). Crassus empftiogl die Ihn 
beBaehenden in seiner tuskulanischen Villa. Der Dialog ist also ebenfalls 
eine disputatio Tusrul inn Den ersten Tag erliegen sie noch dem Zwang 
der sie uotgebendeii Verhältnisse: er ist ganz politischen Gesprttrhen ge- 
widmet. Erst am folgenden finden sie die Freiheit des Geistes um auch 
von anderen Dingen zu reden. Das erste Gespräch über die Redekunst 
findet am Vormittag statt, die beiden andern am Morgen und Nachmit- 
tag des dritten Tages, die mitergehende Sonne mahnt den Crassns sieh 
kan zu fassen (III 209). Wie die verschiedenen Zeitabschnitte den ver- 
schiedenen Theilen des Gesprächsthemas entsprechen, hat Piderit-Harncckcr 
Einl. S. 38 f. sinnig, aber ohne recht m üb^ri^eiiLren. misgeführt. Da'^selbe 
gilt auch von dem, was ebenda übor den Wechsel Orts und seine 
Bedeutung gesagt wird. Am ersten Tag lassen sie sich unter einer Pla- 
tane nieder, die natürlich keine andere Ist als die Piaton im Pbaidros 
geweibt hatte Zeugin rhetorlscber GesprScbe zu sein (I Am zweiten 
Tag Morgens finden vir sie in einer mit der l^tKstra verbundenen SKiilen- 
balle, so (lass das Lokal schon an die griechisclien fiymnasien erinnert 
und zu Dialogen, wie sie dort geführt wurden, einlud (II 20); den Nach- 
tnHinfi hegeben sie sicb, um der Hitze zu entgehen, in das nahe Wäld- 
chen ,111 4 8}. 



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490 Wiederbelebung de;» Dialogs. 

Süllen ') noch gesteigert wird 2). Noch mehr zur Novelle um- 
gebildet linden wir den Dialog bei Dion Chrysostomos und 
IMutnrch; ein viel ülteres Vorbild hatte vielleicht schon der 
Pontiker Uerakleides gegeben. 
Virt^'ieichnng Denselben Weg hat Cicero wohl auch im Dialog »vom 
"w« BtoÄt«? eingeschlagen, wie überhaupt den beiden Schrifteo 

Vieles gemeinsam ist, ohne dass sie gerade nach einer 
Schablone gearbeitet wSren. Wie die Schrill avom Staat f, 
so gehört audi die »vom Redner« deijenigen Periode in 
Gioeros Schriflatellerei an, in der man sich noch Uber die 
Sorgfalt wunderte, mit der er arbeitete (ad Att IV 43, 8 ad 
fam. III 9, 3). Der Dialog »vom Redner« besteht in dieser 
Anfban. flinsicht die Probe des sohSrfsten Urtheils. Wahrhaft arohf* 
tektonisch sind die Massen des Gesprächs gegen einander 
abgewiJi:« n und aufgebaut. Im ersten Buch ist di«- I.ast des 
Gesprächs noch gleichmässii; mf Crassus und Antonius ver- 
theilt, im zw i'ilen herrseht Aiilunius ^: , im drillen Crassus, der 
auch sonst selbst vor Aiilortius den Vorrang behauptet und 
darum passend durch seineu Vortrag das (ianze abschliesst 
und krönt. Dazwischen sind die übrigen Personen in mannig- 
^ iacheni Wechsel vertheilt und helfen jede an ihrem Theil das 
Ganze tragen und stützen. Gespräche wechseln mit längeren 
VortrSgen^J; auch hier ist jede Monotonie vermieden und doch 



I) Die PerBoneo wechMln den Anfonterungeii des Gesprtfohs eai- 

sprechciHl (ad Att. IV 46, o. s. 48S}. Scävola gehl nach dem enieo 
Gespriich fort, om folgenden Tag kommen Cüsar und Catulus hinzu und 
zwar wie Catulus erzithlt III 13 auf VeranlassuiiL' Hos Scilvoln, rU»r dem 
Casar hegcgni't war und ihm von den Gesprächen des vorheigcheadeo 
Tages erzählt hatte. 

2; Das Gespräch ist aufs Engste mit der politischen Handlung des 
Hiotergrundes verOochteo: nach den Angriffen des Philippus gegen Drosus 
begibt sich Crassus anfii Land »quasi coUigendi sui causa« (I ik]; hier werden 
die Gespräche über den Redner geTiihrt; wie ueugestärlLt dadurch eilt Cras- 
sus nach Rom zurück und hewührt gleichsam die Theorie in der letzten 
grossen Rede, dem Meisterstück seiner Kunst, das zuf,'leich sein Tod wird. 

3) DhIjct ist wnhl nicht nuthig die Worte »perAntonii personama 
ad fam. \l\ M, i zu streichen. Cäsfus Erörtfrung des iJirherlichfn er- 
gänzte nur den Vortrag des Antoniu^ und konnte desshuib mit dazu ge> 
rechnet werden. So richtig Piderit-Haniecker Einl. S. 3S, 1 95. 

4} Die Oekonomie des Dialogs Ist in dieser Beslehung dieselbe wie 
in den Schrillen »von den Gesetsen« und »vom Staat« o. S. 47S. 



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Römer. Cicero de oralore. 



491 



die Symmetrie gewaliri. Eine genaue Disposition schreibt 
jedem Einzelnen vor, was er zu sagen hat; trotzdem blickt 
das Gerüst nie störend durcb, nirgends sind die Drähte sicht- 
bar, an denen der Schriftsteller seine Personen wie Marionetten 
hier und dorthin lieht» dieselben reden wie lebendige Men- 
schen und der Dialog yerlSuft wie ein echtes GesprSch der 
WirklieUieity vielfach scheinbar nnr durch ZufölUgkeiten 
besUmml und durch neue unerwartete Wendungen ttber- 
rasdiend. 

So sorgfUltig der Dialog gearbeitet ist, der obligate Ana- 
chronismus fehlt doch nicht Im llehrigtMi ist das historischo 
Küfc.tiiin treu gewahrt. Namentlich ist der Dinlog trotz der 
griechischen Vorbilder, die Cicero bei der Arbeit fortwährend 
vor Augen schwebten, ein echt römischer £;eNvorden, wie dies 
in der Hauptsache auch mit der Schrift de re puV>lica der 
Fall gewesen zu sein scheint. Der Grieche, namentlich der TTrit6mh>d 
Athener, kntipfte seine Gespräche mit Jedermann an, wie und •j^^''**'^*" 
wo es sich traf. Sokrates und sein Phaidros lassen sich im 
schwellenden Grase nieder, für die vornehmen MSnner im 
GesprSch »vom Redner c werden erst Polster herbeigeschafii 
(l 89). Die Gesellschaft der griechischen Dialoge ist die 
bunteste^ die gedacht werden kann; Minner aller Parteien, 
Berafsarten und StSnde finden sich meist nur durch Zufall 
Bosammen. Keine Conventionellen Rttcksichten binden sie, die 
Redefireiheit ist fost unbeschr8nkt und selbst in den Dialogen 
des Aristokraten Piaton weht die demokratische Lull seiner 
Zeit und Ileimath so gut wie in (L a Streitscenen der aristo- 
phanischen Komödie. Viel ehrbarer geht es bei den Römern 
zu. Den viel beschäftigten Herren der Welt erschien der 



I) Weolgstaos flcfaefiit •hahait« I H7 sich nur durch Beziehung auf die 
Zeit dee Scfarefbeoden rechtfertieen zu lassen (s. Piderit z. 6L), Dagegen 
einen chronologischen Ventess, wie ihn die Ueberlieferung in »LSUo« I 
265 dem Cicero zumuthet, halte ich, trotzdem liamedier die Ueber. 
liefentng wieder voilhoidi^t hat. nkht für rni»;_'lirh. I.!iHu3 war dasniN 
längst todt. Wollle Ciocri) dies scim- Loser vci-^^cssoii iimchen, so durfU; 
er nicht, wie wicderhoit uieht hlo^i» in de» fulgeiidcn Huchem (II ii. III 
28. 45 , sondern auch im ersten ^215. 255. ausserdem Fidet il lad.) Keschiehl, 
daran erinnern oder als selbstverstftndllch voraussetzen, dass Laltus nicht 
OMhr unter den Lebenden sei. 



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492 



y. Wiederbelebung des Dialogg. 



griechische Leichtsinn verächtlich, dem j ide Geh ^ n heil rerbl 
war um zu reden Ehe sie sich hierzu herbeiliessen, 
mussten besondere Zeiten und Umstände eintreten. Nur in 
gewählter Gesellschaft thaten sie es, wie denn im Gesprädi 
»vom Redner« sowohl als in dem »vom StaaU Alle im Wesent- 
licbea einer Partei und eines Standes, ja zum Theil mit 
einander verwandt sind. Dadureh Sndert sieh auch der Ton 
des GesprSchs: AnslIgjUohkeiten und Grobheiten wie in den 
griechischen Dialogen sind ansgeschlossen, dalQr wird ims 
der gegenseitigen Gomplimente oft nur lu viel; wShrend der 
griechische Dialog melff den Charakter einer Disputation hat 
und deshalb leicht heftig wird, neigt der römische sich der 
Gonveraation in guter Gesellsdiaft lu, die nur eine anstindige 
Art der Zeitausfllllung sein soll und deshalb und aus per- 
sönlichen Rttcksichten nur ein gewisses Maass von Leiden- 
schaft verträgt 2). 

An seinem Werke fand uicht bloss Cicero selbst Behagen 
sondern auch Atticus spendete ihm den höchsten Beifall Mit 
der ganzen Seele, das merken w ir, war Cicero bei der Arbeit. 
Unwillkürlich musste es daher geschehen, zumal in einem 
GesprHch öber einen ihm so am licrzen Ürcondon (Tegenstand, 
dass er der Hauptperson m:in( }u^s von seiin in eigenen \\ Csen 
andichtete. Eine Verletzung der historischen Voraussetzungen 
kann man dies kaum nennen, wenigstens darf man ihm aus 
einer Sache, die zur wahrhaften Belebung des Dialogs fast 
unerlässlich ist, keinen Vorwurf machen. Mag er immerhin 
auch in den anderen Personen des Dialogs, wie z. fi. im Hu- 
moristen Gftsar, uns nur sein eigenes Wesen in immer neuer 
Beleuchtung seigen. Doch scheint dies iÜr die andere HaupC- 

1) II 48: omnium autem ineptiartim, quae sunt imnimcraliles, hand 
srifim an nulla sit major, quam, iit tili solent. qunctimrpic in loro quos- 
cumque intt r hoTnin» < vjsum est, de rebus aut dÜBciUlmis aut non DO- 
cessariis argutissime dispulare. Vgl. o. S. 431, r 

2) Crassus und Antonius sind im bespräche nicht darauf aus den 
'Stroit ihrer Meinungen zu versehflrfen und desto gründliclier aosnifiBcbteii; 
vielmehr suchen sie ihn auf alle Weise zu vorsdileioni und ansiugi^ehon; 
daher beklmpfon sie sioli auch in ihren Vorträgen nicht, sondern orglta- 
zen nur einander. 

8j Ad Att. XIII 9, 4. 
4} Ad Att. iV 4 6, 2. 



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Römer. Cicero: de oratore, de partitione oratoria. 



493 



person, für Antonius'), nicht zu gelten, und die autl illonde 
Erscheinung in der Geschichte des Dialogs, dass wir zwei 2wt>i HAopt- 
Uauptj>ersonen haben, erklärt sich nicht sowohl aus einer 
Halbirung von ('.iceros Wesen, als vi< Inidir daraus, dass auch 
die Ansicht seines Bruders Quintus (o. S. i^^3), dem der 
Dialog gewidmet war, einea bervorragenden Vertreter haben 
sollte 2). 

Wie durch Scipio im Gespräch »vom Staat«' sein politisches Bhetorisobes 
Testament (o. S. 467. 470) so hat Cicero uns durch Crassua' T^^ent. 
Mund sein rhetorisches Testament hinterlassen. Nicht ohne 
Grund griff er damals aweimal lu dem gleioliei^ an Platons 
Phaidon eriDnemdea Hoüv imd liess awei grosse Miimer der 
YergangenheH km vor ihrem Tode sieh Ober das, was ihre 
Seele erfllllfe and Andere von Ümen su hören verlangte , lu 
iltren Freunden ausspreohen. Nnr su bald sollten die trüben 
Abnungen Uber sein eigenes und des Vaterlandes Scbieksal 
sich erHQUen. In die allgemdne Bevolution wurde auch 
CSceros literarisches Schaffen mit hineuigeiogen. 

Bevor wir aber diese neue P^ode in Ooeros Schrilt- putittou 
stellerei betrachten, haben wir noch eines Werkchens zu ge- «»t«!». 
denken, das einer wahrscheinlichen Vennuthung nach in 
dieselbe Zeit wie das Gespräch vom Redner gehurt ^j. Es ist 



1) Piderit-Hameckcr zu II 404 spricht von »Antonius-Cicero«. 

Sy Im Lälius, der dem Atticus gewidmet ist, gibt LuUus die Ansichtea 
des Altieas wieder (5). 

S) SdilottmanOt Ars dialogorum componendonim S. 46, 1. 

4) GowdhnHcb Betst man es spKIer, In das Jahr 46 oder 46 (Tenffel 
R. Lg. § 1 8S, 6). Hiergegen spricht aber das Alter des jungen Cicero, der 
bereits ^9 die toga virilis angelegt hatte und drei oder vier Jahre später 
für einen Elemcnlarkursus der Rhetorik, wie ihn die fragliche Schrift 
giebt, kaum noch einpfUnglich gewesen wUre, Er, der damals bereits 
auf Verwendung des Vaters zum Aediien, wenn auch nur in Arpinum 
gewtfhlt wurde, durfte ausserdem erwarten, dass in einer rhetorischen 
Schrill, die mIb Vater thm damals widmete, wenlgsteos ein Wort gesagt 
ward« Aber daa gerade damals bremiendea Streit der Atlidsten und 
Ihmr Gegner, einen Streit an dem noch dazu sein Vater so lebhaft bc- 
theitigt war. Nichts davon finden wir in dieser Schrift. Dios nöthigt 
uns an eine frühere Ahfnssunpszoit tn denken. Auf das Jahr 64 führt 
folgende Erwägung. Im Anfang der Schrift suk'I Cit orn, ilas*; er damals 
nur selten Müsse zu solchen Gesprächen flnde. Im Jahre ^lü uder 45 hatte 
er daran Ueberfloss. Dagegen in derselben Weise klagt er 84 iu einem 



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494 



Y. Wiederbelebung des Dialogs, 



die Schrill do partitione orntorfa. durch die (liaiugische 
Form und den rhrli rischen Inhalt der grösseren Schrift ver- 
wandt. Die von Brutus (o. S. i28 ff.) auf die Jurisurudenz an- 
Kateohimiu. gewandte Form des Katechismus wird hier von Cicero auf die 
Hhetorik Ubertragen; die Form ist ganz schmucklos, Cicero 
und sein Sohn befinden sich auf einer Villa bei Rom, das 
Gesprfich begianl ohne Umschweifis, der Sohn fragt den Vater 
ab und es entatehl so ein elementarer Abriss der BbeloHk. 
War Cicero auch nicht der SchSpfer dieser Form des Schul- 
gesprScfas, so hat er doch wahrscheinlich ihr durch sein Yor- 
bild die weiteste Verbreitung gegeben und hierdurch erhSIt 
die kleine Schrift, die künstlerisch vollkommen nichtig ist, 
wenigstens literarhistorisdi eine gewisse Bedeutung. 
Seit d«i Die folgende Zeit des Bürgerkrieges swischen GBsar und 

Bttrgwkri^gea pQ^p^jj^j^ ^y^j,! jj^» trübste in Ciceros Leben, seine poli- 
tischen Ideale scheiterten, persönlicher Verdruss aller An so 
wie kui jjerliches Misshebagen kam dazu und fast nur die 
Si hli^chtoD Seiten seines Wesens treten hervor. Es fehlte ihm 
au einer gedeihlichen Wirksamkeit. Erst als er sich Casar 
endlich unterworfen, lanil er dazu wieder Gelegenheit. Frei- 
lich die üerrschafl, die er als Redner auf dem Forum geübt 
hatte, war ilun, wie er einmal (ad fam. IX 18, 1) klagt, ge- 
nommen; aber er tr<}stete sich hierüber nach seiner eigenen 
schonenden Bemerkung mit Dionys und vertauschte wie dieser 
das Scepter mit der Ruthe des Schulmeisters, d. h. er hielt 
Rhetorische rhetorische Uebungen mit jüngeren Freunden ab. Hierbei 

^'iä^nr^^ kam nicht bloss seine rednerische Begabung sur Geltung und 

Briefs an Quintus (HI 3, 1). Um dieselbe Zeit luitte aller aiioh sein Sobn 
rhetoriscben Unterricht hei Ptfonius. Cicero thellt dies seinem Bruder 
mit (ad Q. f. III S, k) und liemerkt dam, dass ihm dieser Unterrfckt nidit 

in allen Stücken genüge, er helfe deshalb, er -werde einmal seinen SoliB 
mit sich aufs Land nehmen und dort auf scineWcise unteiTichlcn können. 
Diese Hoffnung ist in der Situation, welche das Gesprüch di' yiittitionr' 
oraturia voraussetzt, t rfüllt. Auch darin (Mscheint die kleine Schrifl als 
eine (!orre< tur und Hrgünzung zum I titeiricht dos Taunius, d&ss sie. im 
Gegensulz zu dessen oberllächiiciier und handworlisuittssiger Rhetorik, nui 
die Akademie und ihre I<ebren als den tieferen Quell aller wahren Be> 
redsamkeit hinweist {489 f.). Die Art, wie dies gesehieht, erinnert an 
Cottas Aensseningen In der Schrift vom Redner {lU 4 4S), so dass aocli 
hierdurch die Gleicbxeiligkeit der Abfessung besttfligt wird. 



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Rtfmcr. Cicero: Brulos, Orator, Paradoxa« 



495 



wurde wieder angefristlit. sondern es fand sieb auch Anl;\ss 
zu theoretisclten Erörterungen, die sicii auf die damals 
schwebenden Slrcitigkeiten über die beste Art der Kede be- 
zogen und die Ansprüche der zu jener Zeit angestüm vor- 
dringenden Atticisten prüften. Der Meinungsaustausch war 
obne Zweifel sehr lebhaft, da Ciceros Freunde, wie Brutus, 
lum Theil auf Seiten seiner atticistischen Gegner standen 
und CScero nicht geneigt sein konnte, lu allem Uebrigen auch 
noch seinen Ruhm als Redner preiszugeben. 

Zahllose mündliche Dialoge weckten In ihm die alte 
Liebe sur Uterarischen Form des Dialogs und so entstand 
der »Brutus«, nicht die historisch treue Wiedergabe eines Bratos. 
wirklichen Gesprftchs, aber ein Zeugnin über Inhalt und Rich- 
tung der GesprSche, wie sie Cicero damals mit seinen Freun- 
den SU führen pflegte. Das Werk trSgt nach Brutus den Namen, 
weil es ihm gewidmet ist^]: wie Aberhaupt in dieser neuen 
Periode des ciceronischen Dialogs Brutus an die Stelle des 
Quintus tritt. Er und Atticus sind ausser Cicero die Theil- 
nehmer des Gesprächs, das in Ciceros Hause geführt wird, 
in ungezwungener Weise sich aus den umgebenden Verhält- 
nissen entwickelt und in der Geschichte des Dinloejs einzig 
dasteht 2). Cicero hat darin eine historische l>ar>lellung. die 
Geschichte dd r loischeu ßeredsamkeit, diaiogisirt: so schwierig, 
ja unujugiich die Lösung dies(>r Aufgabe scheint, so ist sie 
Cicero doch gelungen, indem er zur rechten Zeit und in der 
rechten Weise seinen eigenen Vortrag durch Zwischen- 
bemerkungen des Atticus und Brutus unterbrochen werden 
lässt und hierdurch nicht bloss die Monotonie vermeidet, 
sondern auch die Charakteristik der Gesprächspersonen i^rdert. 
Piatons Vorbild, insbesondere das seiner Gesetse, mag ihn 
auch hier geleitet haben: auf einer Wiese (in pratulo) neben 
einer Statue des Philosophen lässt er das GesprSch vor sich 
gehen (24). 

Wie der x Brutus« der Dank fiir einen Brief des Brutus 



V; 19 f. 329 ff. .l;ihn Einl. S. VI f.' 

2) In wio \v»'il die fiüliPro I.itr'ratiir Aohnliches bot, wissen wir 
ni'^hl. Noch der jzewöhiilirheii Ansidil Jiiillc AiistoUtli's' Dialoi; ^ uher 
die Dichter« Hne ahiiliclif Form ^ebubt; indessen o. 288, 1. John, 
Einl. i». YU ' bal un Vnrrunischc Schriften erinnert. 



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Y. Wiedcrbelebuog des Dialogs. 



Onitor, (12;, SO ist der«Üralui die Antwort auf Briefe die Brutus 
aus Gallien an Cicero geschrieben hatte (5i. 474). Dem In- 
halt nach ergänzt er die frühere Schrift, indem er, was dort 
im Flusse des historischen Werdens nur angedeutet werden 
konnte, das Ideal des Keilners, plastisch zu einem geschlossenen 
Bilde Kusammenfasst. Auch der Form nach unterscheidet sich 
der Orator nicht wesentlich vom JBrutus: es sind keineswegs 
von Gcero für sicli auBgesponnene Gedanken, die er dann 
nachtrSglich an Brutus adressirt hat, sondern alles, was Cicero 
sagt) sagt er mit Besiehung auf Brutus, den er immer von 
neuem wieder anredet^ dessen Einwurfe er berücksichtigt 
(36. 404. 245) und mit dem er sich su unterhalten scheint^, 
es ist ein Gesprflch mit einem Abwesenden wie dergleichettf 
durch die YerhSltnisse des rtfmischen Reidis bedingt^ damals 
immer hSußger wurden. 
Paradoxa Kann man den » Orator a eine rhetorische Schrift mit philo- 
Btoloonun. sopiiis^-ticr Färbung nennen, so kann umgekehrt die kleine 
Schritt Düberdie paradoxen Meinungen der Stoiker« 
eine philosophische Schrift mit rhetorischer Färbung heissen. 
Sie ist um dieselbe Zeit wie der Brutus, bald nach diesem^) 
verfasst, und verdankt ihre Entstehung den gleichen Um- 
ständen'). Brutus, dem die Schrift ebenfalls gewidmet ist, 
soll dadurch einen Geschmack bekommen von den rhetorischen 
Hebungen, wie sie Cicero damals ansustellen pflegte^) und in 
denen er in breiter Ausführung die bekannten paradoxen 
Sfitie der kynischen und stoischen Ethik su popularisiren 
Form der suchte. Die Form ergab sich hierbei von selbst: es war die 
DiatritM. schon von den griechischen Philosophen auf diese GegenstSnde 
angewandte der Diatribe, nicht streng wissenschaftlich, aber 

1) Als Brief ist die Schrill namentlich auch durch die PrSterila 140 

(viderer — movcham u. s. w.) cbarakterlsirt. 

2) Vgl. auch Inijus instituti sermonis t79. 

3) Die Zeitbtjstimniunf; ist gegeben durch dif Kr\\ iihnuug Calos al< 
eines I.ehenden .praef. 1. 3i und durch »his coutracliuniais noctibus« praet. 
5, v,v unter »migorum vi^iliaruiu tiiuuus« nur der Brutus vcrsUuideD 
werden kann. 

4) Praet 5: ut ex eadem oQicInA exisse adpareat. 

5) Pnief. S: degustabls gouisexerdtationimi eanim, «piibus uti coa- 
suevi, cum ee, quae dicunlor in ach o Iis ^cTtxoc, ad nostmm boc ora> 
torium transfero dicendi genus. 



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Römer. Cicero: Coneolatio. 



497 



auch nichl rein rhetoriseh, so wie wir sie frtther schon bei 
Ghrysipp und Andern kennen gelernt haben Bei ihnen fmA 
Cicero das Master so diesem Sohatlenspiel eines DialogSi in 
dem iwar fortwfihrend Einwürfe gemacht und beantwortet, aber 
nicht an bestimmte Personen geknapft'), sondern nur mit einem 
verblassten »inquit« eingeführt werden. 

Wie diese kleine Schrift die Frucht eines gewissen red- 
nerischen Uebermuths ist» der sich gern an die schwierigsten 
Aufgaben macht» so iiat man llberiiaupt den Eindruck, dass 
Cicero damals wieder auflebte, seit er sich wieder dem Gebiet 
zuwandte, das fttr ihn das vom Natur bestimmte war, und 
theoretisch und praktisch die Redekunst betrieb. Ich fühle 
es, dass es besser mit mir wird, schriel) er damals, l^i hatte 
wieder Freude an dem lieben, das ihn umgab. Der »lirutus« 
giebt das seltene Beispiel eines Dialogs, der so aus der un- 
mittelbaren Gegenwart geschöpft ist, dass die Zeit der Ab- 
fassung und der Scene zusammenzufallen scheinen Um 
so liefer empfand er den Schlag, der ihn durch den Tod 
seiner Tochter traf. Das Leben verlor allen Heiz für ihn, er 
zog sich in die Einsamkeit zurück. Seine literarische Thatig- 
keit setzte deshalb nicht aus, aber sie erhielt den Charakter 
von Monologen^). 



.«5. 369, 2. 370 f. Die Form erinnert an die der Sdiriften dos Telas 
(ü, S. 367 fT. wie diese uns jetzt erhalten sind, tiameiitlich das Einschalten 
kleiner Anekdoten, wie ?.. Ii. 8 die Uber Uias erzählte. 

i) Avisgenoniinon parad. IV 27 ff., wo Cicero, nllordings ohne ihn 
ia unserem jetzitjen Texte zu nennen, sich au Ciodiui« wendet. Diese 
Invacttve Uasl aldk wie dat FragiiMat stis eiuvt Rede. 

S) Das Oespcttch wird <7I kurz vor Bratas Abgang nach -Gallien 
gesetoi. Datier begraifl man um so idehter, wie adiwer es Cicero wurde, 
seine beiden Rollen, die des Schrift^^tellcrs und die der Gesprüchspcrson 
im Dialog, scharf zu trennen und dass ihm <81 ein »quod scribi possit" 
entskihlüpfen konnte wo nur ein «qu. dici p." nm l'latze w ar, s. ührigpns 
o. S. 478, i u, was zum Titnaus-Fragni. bemerkt werden wiid. Aurh die 
Sclirift, iüc er 16 verlieisst und durch die er der Malinuiig des Allicus 
ZU neuer sdirUlstellerischer IMtigkeit (19) genügen will| ist docti wohi 
scUieislIch der Vortrag, den er daoacli IiXIt und der in der Tliat, so wie 
das von jener Scbrift 48 IT gesagt wird, von dem über annalis des Atticua 
lieeinnusst ist. 

V; Nun sollte er «ri sich sell»sl Iicwähren, was er s<>inen Scipio 
sagen lasst de rcp. 1 iS; quis autem nou (putet) magis sulns esse qui in 
Uirzel. OUlog. 



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498 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



ConioUtlo. Diese Tbätigkeit galt zunächst eben seiner Tochter. Am 

Gestade des Meeres in Astura, wo er ein HeiligUnua 
seiner Tullia lu errichten dachte, das ihr Andenken bei der 
Nachwelt erhalten sollte, vollsog er auch ihre schriftUcbe 
Apotheose. Am Morgen sog er sich In das Ihinkel des Waldes 
zurftck, das er nicht yor hereinbrechendem Abend verliess; 
allen Umgang mit Menschen mied er, nur mit Bflchem pflog 
er GesprSch^). So entstand seine Trostrede an sich 
selbst, iwar nicht das erste SelbstgesprSch In der römischen 
Literatur (s. o. S. 445 ff,), wohl aber, wie sich Cicero be- 
wusst war 2;, eine Neuerung auf diesem engeron Gebiet, da 
die Verfasser solcher Trostschriften bisher sich an eine fremde 
und nicht die eigene Adresse gewandt hatten^). Es dauerte 
liiiiijcre Zeil, bis er aus diesi i Welt des eigenen Innern tlen 
\Ve^ wieder in die äussere ihn umgebende fand. Er lebte 
wie in einem Geisterreiche. Nicht bloss die Gestalt seiner 
Tochter .schwebte ihm vor, so dass er sie in der Consolatio 
anredete 4), sondern auch andere alte »liebe Schatten« stiegen 
vor ihm auf und brachton ihm vergangene Zeiten zurück. 
Die Bilder verstorbener Freunde wurden ihm wieder lebendig 



(oro tarbnque quicum colloqal IJbeatnon baheant quam qui nuUo arbitro 
vel secum ipsi loquantur vel quasi doclisstmoram hominum in concitio 
adslnl, cum eonim invenUs scriptisque se oblectant? 

1) In solitudine mihi oinnis sermo est cum littoris: ad Alt 

'i: Ad Att. XII H, S: feci, quod profecto ante mc nemo, ut ipsc me 
|)or lillorn.H consolarcr. Von dti Art. wie Cirero darin siel» selbst an- 
redflc. können vielleicht folKendt- i!»lellen aus dem Epituphium Xi'pütiaiii 
des Hieronymus ein liei>piei peben: Kxriderunlne tibi prac« cpt;» rti« lo- 

rum? Ibi iUud ab infantia ütudium lilterarum? ,Opp. I p. io\l 

Frankfurter Ausg. 4SS4}. In te oeuli omniaai diriguniur, domos tua et 
conversatio, quasi io specula ooastltuta, magl&tra est publicae diseipliaae. 
Quicquid feceris» id sibi onnes facieDdum putant (p. I7D). Ueher die 
Benulzun}2 der ciceroni.schen Consolatio durch Hleronyoitts s. Buresch iu 
Uipz. Sludd. IX 8. .7 (T. <00 IT. 

3) Als Mitlei Zill KrltJtLMiii« des Schmer/»"^ wird das Selbstgcsprüch 
iscnno iniiinus) auch I iis« »il. II 51. 64 empfuliU u. liier/u Tusrul. 

V iü3 u. 417. An der leUteren stelle beii>st es: qui secum loqui polerit, 
sermonein alterius non reqoiret. 

4} Fr. 5 (ed. Baiter et Halm): quod quldem faciam tequeomiiiaiii 
oplimain doctisslmanique adprobantibus bis immortatihus ipala in eomm 
coetu locatam ad opinionem omnium mortalium consecrabo. 



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Rtfmer. Cicero: Hortensius. 



499 



und an den Gultus der Tochter reiht sich der Gultus der 
Freondschafty der sich in den Dialogen der nächsten Zeit seine 
Tempel errichteti die ebenso Lobschriften auf seine verstorbenen 
Freunde sind, wie die Consolatio eine auf seine Tochter war. 
Am liebsten und ISngsten ruhte sein BUck auf Hortensias >), 
den die Erinuerung an die ruhmvollste Periode in Ciceros 
rednerischem Wirken mit besonders hellem Glänze umgeben 
mosste. Natürlicher Weis»' war daher der ihm gewidmet« 
und nach ihm l>enanate Dialog der erste in der nun beginnen- 
den Heibe von Dialogen 

In ein . glänzendes Denkmal der vergangenen Zeit führte Dof HortanilM. 
Cicero den Leser, in Luciills tnsculanisehe Yilla^), deren Pracht 
geschildert wurde (fr. 7). Hier bei Luculi fan<len sich nach 
einer Tags vorher getroffenen Verabredung (fr. 4) Q. LuciÜos 
BalbuSy als Vertreter der stoischen Lehre in der Schrift vom 
Wesen der Götter bekannt, Gatolus, Hortensius und Cicero 
susammen. Die politische Atmosphäre lag schwQl und drUcliend 
auf der Senatsparld, der, wie gewöhnlich die Gesprftcfasper- 
sonen ciceronischer Dialoge, die Genannten angehören^), und, 
wie wir es in andern Dialogen Ciceros sehen, wurde auch 
hier gewiss der Anlass gern ergriffen, das Gesprfich von der 
leidigen Politik ab auf ein anderes Thema zu lenken •'>). 

1; Vgl. den Schluss von de oratorc, sodann den Brulus an violcn 
Stellen; im Cntnius und LacuUns spielte er eiac Rolle, selbst de fato 
erinoert no« Ii an ihn. 

2i Dass Cicero uül seinem üortcu.sius den Ucduer Hortensius, ob- 
gleich dieser darin im Dialug widerlegt wird, ein ehrendes Andenken 
Stiften wollte, folgt aus ad Att. XIII 18, wo er die Moglicbkeli bespricht, 
dass Varro auf Hortensius eifersüchtig werden könne. (Plassberg de M. 
Tallji aceronis Hortensio Dialogo S. 10). 

3) Fr, 5: cum in villam I.uruUi vcntiun essel omni adparalu venu- 
statis ornatam. Dass unter der Villa Luculis schlechthin die tusculanische 
tfeTneint ist, folgt aus Dnimann. Hesch. Roms IV 1fi7. Destiitigt wird 
«'S iluiflv fr. 40: denn liicriuuli bufand sich dort die Hihliothek und, wie 
Cicero de finib. III tO lehrt, war diese in der luseulamschen ; vgl. auch 
fr. 18 die Erwäimuug des Aristoteles mit der Bemerkung de tin. III 10, 
dass in der tuscalanlscben Villa sich die Commentarii des Aristoteles 
befanden. Krische GOtt, Stodd. 1845. 9. S. 1S8 bSlt das NeapoHtannm 
Luculis fUr den Ort des Gesprächs. 

4) Von Balbns liast es sich wenigstens vermuthen. 

5i Fr. 30: quaero enim, non quibus intendam rebus animuni sed 
qaibus relaxeni et remittam. 

3ä* 



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500 



V. Wtederbetotmiig des Dialogs. 



AnkBi) oad Einen solchen bot vielleicht die kurz vorher v. Chr.) von 
labalt Hortensius und Cicero gemeinschaftlich geftihrto Vertheidigung 
des P. Goroeiiu« Sulla % Sicher schein^ das« Hortensius durch 
das Qbermitssige Lob, das er der Redekunst spendete (fr. 37), 
und durch die Verachtung, die er dabei ab echter Aaianer 
für die anderen Disdplinen an den Tag legte, die Anderen 
reixte*). Luculi hielt eine Lobrede auf die Geschichtsschrei- 
bung (fr. 43 — 16), Gatulus trat itlr die Philosophie ein insofern 
sie sif^ als pralLtische LebensUugheit und staatsmfinnische 
Einsicht darstellt'], Lucilius Baibus nahm sich der geschmSht^ 

4) Fr. 49: malle se didiCiitulttS vel unum parvum de officio libellum 

quam longam orationem pro seditioso bomine Comelio. Auch der AnMick 
iler Mt'istorwerke der bildenden Kunst in l.ucuUs Villa und die Bewun- 
derung, die sie t ireoiti^n (fr. 8 . kann eine Vergleiehung der verschiedenen 
Künste hervorgerufen haben. Vgl. auch Plasäi>erg, De M. Tullii Ciceronis 
liortensio Dialogo S. 27 S. 31 f. 

i) Nur 90, wenn wir uim Hortensias «Is den gemeinaameD Gegner AUar 
denkao, gegeo den sich deren Reden richten, begreifen wir, wie er in 
dem Dialoge eine Hauptrolle spielen und diesem den Titel geben konnte, 
tnsbeaondere \\andte sich Hortensias gei^n die Philosophie, gogen die 
Philosophie Uberhaupt, wenn er deren Jugend innerhalb der Geschichte 
der Menschheit lirtonte (fr. 5} — was dann wieder Cicero Aulass geben 
konnte, in seiner Vertheiditnmg der Philosophie von den grossen Perioden 
in der Geschichte der Erde zu reden und von den mannigfachen Revo- 
lutionen der Natur, die das historische Bcwusstsein zerreissen (fr. 26 f. 
vergl. mit de ro publ. VI SS f.) — und gegen die Philosophie insbeson- 
dere des Sokrates und Jede andere, die» so wie diese, auf Einlschheit und 
Massigkeit des Leliens hielt (fr. S5) und das Denken durch Dialektik in 
Zucht nahm (fr. I9 . Er war ja Asianer durch und durch, wie in seiner 
Rede, so auch in der Lebensweise (worauf schliesslich auch fr. H geben 
wird und was sich sonst no<'h unter den Fr;»L'inonten an Aeus'Jrrtinpen 
findet, die auf eine Polemik liogin prakti^^cheii Kpikureisuiu-^ deuten, wie 
z. B. fr. 70). Daher halte er es besonders mit den Stoikern zu thun 
{fr. 86, vielleicht auch fr. 32;. Vgl. auch Usener in GGA 1892 S. 381. Aus 
Gegenbemerkungen, mit denen Hortensius Lucults Lob der Geschichte 
beantwortete, scheint fr. 88 genommen zu sein. 

8) Dass Gatulus im Horlenslus die Philosophie Uber alles Andere 
erhob (philosophiani omnibus rebus praeferens), sagt Lactantius 1. D. VI 
2,14. Die praktische Lebensklugheit (prudentia) und staatsmünni.sche Ein- 
sicht werden ihm Brutus 1 33 und 222 nnrhgerühoit. Er war weder ein 
eigentlicher Redner noch in der Philosophie so fest gecrundet viiid 
selbständig wie sein Vater. Wenn er daiier in dem Dialog eine beslininite 
Rolle hatte, so ist die im Text bezeichnete die passendste und man kann 
sich Inshesondere fr. 88 und 84 von Ihm gesprochen denken. 



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Römer. Cicero; Uortensius, Geplante Dialoge. 504 

stoischen Lehro an') iinci (licero wird schh'f?sslich, in aristo- 
telischer Weise sich den Principal wahrend, den Uauptvortrag 
gehalten haben, worin er die Philosophie über alle anderen 
Thätigkeiten setzte und in vornehmer^ von Baibus und Caiulns 
abweichender Weise (fr, 76) Erkennen und Wissen als den 
einsigen Quell aller wahren Gittckseeligkeit pries. Hieran 
reihten sich Schfldemngen des seeligen Lebens nach dem Tode 
{fr. 93). 

Wie der Hortensius seitlich der Gonsolatio sehr naheVenraadtBohaft 
steht^], so bewegt er sich auch in der gleichen Gedanken- "^^^JZit"" 
und Empfindungswelt , worin alles sinnliche Dasein werth- 
los erscheint, der Mensch sich nur als ein geistiges Wesen findet 
und seine besten Hoflnungen auf den Tod setzt (fr. 41. 76. 
00 fP.K Wenigstens war es diese Lebensanschauuiig, liie Cicero 
im Dialog seinen Freunden predigte^) — filr die Zeit, in der er 
dies nach den Voraussetzungen des Dialogs gethan haben 
wollte, allerdings ein Anachronismus. Di t Heredsamkeit war 
damit Lebewohl gesagt^): flir sie war in dem Dasein nach 



i) Von einem Freund der stoischen Dialektik, aJso nicht von Ci«ero 
sind fr. 47 und 48 gesprochen. Das letztere wendet sich deutlich gegen 
Uortensius, der seine Starke gerade im Eintheilen hatte (Brutus B02 f. 
div. io GSc. 45, pro Qoiotio S5). In fr. S7 (An cum videat me et meos 
oomites, fortitadinem, nagnltudinem animi, patlentiam, oonstantiam, gra- 
vitatem, fidem, ipsa se snhdacat?) redet die persoDiflsirto Tugend (an- 
ders Usener GGA. S. 387); »ipsa« ist die eloquenti:i um! der Ge- 
danke entspricht dann der stoischen Lehre, wir sie z. M. auch de oral. 
I 83 und III 65 .Vusdnuk gpfurKimi hat. Auch der von Hortensius \or- 
tretinirn Theorie der (lemissuchl s. vor. Anmkg.^ war Balhiis vom Sland- 
puriki der üloischen Ethik entgegengetreten nach fr. 76. feiriscljc s Zweifel, ob 
Baibus überhaupt im Hortensius eine Rolle spielte, hat übrigens jetot Plass- 
berg de Bf. Tullil Ciceronis Hortensie Dialogo S. S4, 1 wieder aufgeDommen. 

1) Ad AtlXIlI 18, In Arphium geschrieben, setst ihn als Ittngst ver- 
tet voraus; er wird also wohl noch nach Astura gehören. 

S) Qceros Vortrag war nicht bloss eine ItfAgere Rede fr. 93;, son- 
dern worauf sich fr. 30 (non (|iiod vcrcris nc non rnnvenint nostris aetn- 
libus ista oratio quae spectet ad liorlaiidum ■ hezielien lüsst, specrell eme 
Ermahnungfrede , ein Protreptikos. S. jetzt Plassberp de M. Tullii Cice- 
ronis Hortensio Dialogo 8. 56 il. und Isener G GA. ihi^i 8. 383 fr. 

4) Noch in den Acad. post, S sagt Cioero : cum id studivm 

(die Philosophie ist gemeint} totaque e^ ars longo oeteris et studUs et 
arttbus antacedat 



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508 



V. Wiederbelebung doi Dialogs. 



dem Tode, nil welches dieses T.eben nur vorlwML'iten soll, 
Vorbilder, kein Raum mehr']. In (inlimken und Ilichtung mag das Ge- 
spräch manche Verwandtschaft mit Piatons Phaidros gehabt 
haben y der wie leicht begreiflich unter den platonischen 
Dialogen Giceros Liebling gewesen 7.n sein scheint. Der nächMe 
FOhrer Giceros aber in dem entscheidenden Vortrag, deo er 
selber hielt, war Aristoteles. Der Geist des letiteren war um 
die Redenden, da sie sich wo nicht in LucuUs Bibliothek 
selber, so doch in deren NShe befanden^ und diese auch die 
Schrillen des Aristoteles enthielt In wie weit ihn Cicero 
auch formell, in der Behandlung des Dialogs, sich sum Muster 
nahm, ist nicht mehr zu ersehen. Doch legen einige Fragmente 
die Vermuthung nahe, dass der Dialog nicht ohne Lebendigkeit 
war'') und keineswegs bloss eine Reihe von längereu Vor- 
trägen bot, die in die Luft gehalten wurden. 
ouKXo-jcc Cicero, einmal im Bann des Aristoteles, sollte i)m sobald nicht 

icoXtt(x<<. verlassen. Um sich bei dem Diktator Cäsar in dunst zu setzen, 
tnic; er sich auf Atticus Rath mit dem Gedanken einen Brief 
an jenen id)er die damalige i)olitische Lage Roms, insbesondere 
über den Plan eines Perserfeldzuges zu schreiben. Was Theo- 
pomp tmd namentlich Aristoteles in ihren berathenden Schrillen 
(oo(jißot>X8unxo() dem jungen Alexander gesagt hatten, wurde 
von ihm auf seine Zeit und deren Verhältnisse angewandt 



4 Fr. hi. Hior c;eht das über die eloquentia Gesagte gegen Hor- 
len^itts. Da?5<i wir der fortitudo, justitiu und tompcrantla entltolirpn 
k(mnen, ist mit BoziehunR oufHnIhiis uf^snpf, wiiliroiul die Worte ne pru- 
deolia quidem ej^eromus virllci< hl rlt n Cululus rneinon. 

2] Nach dem Verehrer der unpluiosophischeu üerud^iautkeit und 
Rhetorik, dessm Ansicdit bdilmpft wird, tragen beide Dialoge den Nameo. 

S) Fr. 40: quare Telim dari mihi, Lucolle, jabeaa lodioem tragiooram 
ut suinani si qai forte mihi desunt 

k) Cicero de finib. III 10. Ausdrücklich wird auf sie hingewiesen 
fr. 18: magna ctiam animi conlentio adhibenda est explicando Aristotele. 
si lecrs Violloit ht bezieht sich fr. 50 isla oratio unmltteltiar auf ein 
Exemplar des Prolreptikos s. jedoch aucli <> s, 5(1 1. 3. 

5) Fr. 52. 53. 56. Auch fr »7. 38. 4u kiHineu verglichen werden. 

ß) Um dieselbe Zeil las er auch den Kyros des Anti^ihenos, wohl 
XU demselben Zwedc {ad Att. XII 88, 4}. Ulefoaoii kann man vermulhcn, 
dass die Situation bei Antistbenes eine ShnUche war wie in den Sehrilleo 
des Aristoteles und Tbeopomp: ein junger, ehrgeixiger Prinx, die Seele 



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Rümer. Cicero; Geplante Dialo($e. 



503 



wobei er an die Stelle der Perser nur die Partlior zu setzen 
halte. In der Einsnmkpit zu Astura wurde er rasch mit diesem 
Brief fertie, schickU' \ nb« r schliesslich doch nicht an (iäsar ah. 
öeinc Gedanken inilrssm, oinmal in die angegoln nc Hichtuag 
erbracht, arbpitricn wn'tor und suchten sicli eine andere 
Form. Eine Iraj^e, die ihn besehäfligte, war: wie soll nach 
beendigtem Bürgerkriege die Herrschaft Casars dauernd geregelt 
werden? Aus einer ähnlichen Situation heraus hatte Aristoteles 
seine Schrift verfasst, da er bei Gelegenheit eines olympischen 
Siegesfestes nach beendigtem Feldzuge den jugendlichen 
Alexander Ober seine Herrscherpflichten belehrte^). Aehnliche 
Silaationeii waren nooh öfter wiedergekehrt auf den verschie- 
denen Stnfen, die die B5mer zur WelUierrschaft ftlhrten» keine 
aber war vielleicht der von Aristoteles vorausgesetsten so ver- 
wandt als diejenige, in welcher sich die R9mer um die Mitte des 
Bweiten Jahrhunderts befanden, als es sich nach Besiegung. 
des lotsten makedonischen Kttnigs um eine endgiltige Ordnung 
der griechischen VerhSltm'sse handelte. IHe hierfOlr entschei- 
denden politischen Prinoipien liessen sich so behandeln, dass 
Anspielungen auf Giceros eigene Zeit sich von selber ergaben ; 
und dass Cicero in der That die Absicht hatte, eine solche 
Erörterung anzustollon, folgt daraus, dass er eine Zeit lang 
sich mit dem Gedimkcu eines Dialogs trug, an dem die Mit- 
glieder eben jener Senatskommission belheiligt sein sollten, 
der neben dem Consul Mummius die Regelung der griechischen 



geschwellt durch den Gedanken kriegerischer Lorbeeren und in der HofT- 
vninu' nnf seinon kündigen Uerrdcberberuf, wtrd von einem Andern be- 
ratheo ^ti. o. S. 4 ii. f.). 

i] Wenigstens muss ich den Comblnationen von Vul. Hose Arisl. 
Pseud. S. 94 jetzt eine grossere Wabrscbeinlichkeil zugestdkea ai» früher 
(Hennes X S. 99). Dass die Alexander im «of^ß. gegebenen HaUucblSge 
nicht in eine Zelt gehören, da dieser schon KOntg war, folgt aus eloer su 
diesem Zweck meines Wiasens noch nicht benut/i<>n stelle eines Briefes 
an Atticus XIII 28,2 f.: nam quae sunt ad Alexandrum hontinuni oloquen- 
tium et doctonim suasiones, vides quibus in rebii^ v» rsontur: adulescen- 
tem inccnsuna cupiditate veriHsimne ^loriae, cupiciitfiu <>\h\ nliquid cou- 

silii dari quod ad laudem sempiternuui valerel, cohortaulur ail decus 

quid? tu non vides ipsum Ulum ArlatoteU discipulum aummo ingenio, 
amnma modeatia, posteaquam rex adpellalus ail, superbnm cru- 
detem inmoderatum folaw? 



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504 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



Verhällnissp ühertrngrn \varM. Für die God.mkm dos Dinlogs 
mochte er seinen eigenen Brief an Cäsar, in letzter Ilinsicht 
Aristoteles benutzen, daneben auch Dikäarcb, an den er sich 
hauptsächlich in der Ponn anschloss^). Dieser Plan eines 
Dialogs kam indessen nicht zur AusflUmmg obgleich er ihn 
lange hegte nnd noch su einer Zeit» da er bereits einen Theil 
der Schrift de finibus vollendet hatte (ad Att. XIII 5, (). 
hatte «r^dea f^tther hatte er einen anderen Plan fallen lassen, 

Plan abM po-'Q ebenfalls, wie es scheint , theils Aristoteles 

iitiaohon thdls soino eigene Stelluns im damaligen Staatsleben die 
gegeben. Anregung gegeben hatten. Noch aus Astnra fragt 

er in einem Briefe bei Atttcus an, was eigentlich der Streit- 
punkt zwischen Oropos und Athen gewesen sei, «lessen 
Vorhandlung schliesslich zur Philosophengesandtschafl führte, 
wiiirn sich dies zugetragen habe; ausserdem bittet er ihn 
um genauere Angabe, wer damals ein berühmter Epiku- 
reer in Athen gewesen sei und dem Garton ^ oi i:* st.mdrn 
habe, sodann was für hervorr;»}zende Staatsmänner damals 
in Athen gewesen seien ^j. Das Thema und die Uauptpersonen 



<) Ad Att. XIII 30, 3. 3i, 3. 33,3. V^l. auch 4, \. 5, i. 6, 4. Wie die 
Erinnerung an Hortensias ihn fortwährend begleitet, sehen wir daraus, dass 
Tudilanas, eins der Mitglieder jener Gommisston, der Urgrossrater des 
Hortensias war (6, 4) und dass er für seine Nachrichten iU»er Ibn sich 
auf das Zeugniss des lettteren beruft (81, 3. 8S, S). Die GeseUschaft, die 
sich in seinem Dialog tusHnimcngcfundcn haben würde, nennt Cicero 
io den Briefen an Atticiis aiXXoYoc oder auXXoYo; ttoXitix'Sc. 

2; Ad Att. XIII M, 3. ?. Hiornach wollte er ^i. h wohl ho-sonders 
den TptTToXiTixö; Dicäarchs zum Muster nebm«M» V^:). ;uirh 1». s. :n y, 

3) Ad Att. XII 23, 2: et ut scias me ita dulere, ul n«)n jaceam: 
quibus consulibus Cameades et ea legatio Romam venerit, scriptum est 
in iuo annali; baec nunc quaero qnae causa foerli? de Oropo, opinor, 
sed certum nescio, et, si ita est» quae coniroverslae? praelere«, qui eo 
tempore nobllls Epicureus fuerit Athenisque praeAieill hortls? quI eliam 
Athenis -oXttiXol fücrint illustres? quae etiarn e\ ApoUodort puto poSSe 
invcniri. Dass es sich hierbei nicht um miissipe Fmcon handelte, sondern 
Cicero (Wo Antworten «larauf fiir schrfft«lell«risc'lu' Zwecke brauchlo. 
scheint sich mir nus den Anfangsworten "Ut scia.s me ila ilolere ut non 
Jnccamn zu ergeben. Die Erwähnung Tuscul. lY 5 ist nur ganz kurz 
und gelegentlich; ebenso Acad. pr. 487. Doch lehren beide Stellen, ^mi» 
leicht sidi mit der Brinnemng an diese Gesandtschaft Gedanken über das 
YerhaUnlss von Philosophie und Politik verknüpften. Die zweite Stelle 



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Römer. Cicero; Geplaato Diiloge, Academica priora. 505 

des in Aussicht gfiioniinenen Dialogs sind hiomacli deutli h: 
(\pn Vorstand ilor epikureischen Schule, der allein von den 
Vorständen der athenischen Philosophenschulen in Athen 
geblieben war und sich nicht an der Gesandtschaft nach 
Born hetheiligt hatte, setzen athenische StaatamSnner deshalb 
xur Rede ') und es fliesst hieraus ungezwungen ein GesprSch 
nicht bloss Uber die damalige Lage Griechenlands Bom gegen- 
über, sondern auch Uber die Frage, In wie weit der Einseino 
insbesondere der Philosoph ein Interesse nnd die Pflicht habe, 
In das Staatsleben seiner Heimat elnsngreifen. Wie sehr ein 
solcher Dialog Gioeros damaliger Situation entsprach, da er selbst 
GSsar gegenüber sich als Philosophen fühlen mochte und dass 
dieser Dialog in der gleichen Gedankensphäre sich bewegte wie 
die Mahnreden des Aristoteles an Alexander und Themison, 
die Cicero beide damals genau gelesen li.itte, springt in die 
Augen '^). Hat Cicero Irotrdeni diesen Dialog so wenig als den 
vorher erwähnten vollendet, so ist dies wohl nur der Abnei- 
gung gegen alles Politische zuzuschreiben , mit der ihn die 
Zeitlage ertüilte. Je weiter er sich von dieser entfernte, desto 
wohler war ihm; daher kehrte er gern in die höheren Re- 
gionen zurück, in die er sich mit der Trostschrift und dem 
Hortensius die Bahn gebrochen hatte. 

Der Hortensius war ursprOnglich wohl m'cht bestimmt 
eine grössere Reihe philosophisoher Schriften su erOffiien. Der 
Beifall aber, den 0cero damit fand, ermunterte Ihn allerdings 



legt ausserdem die HitgKcbkeit nahe, dass Cicero die Scene des Dialogs 
nicht, wie Im Text ODgenommen ist, nach Athen, sondern naeh Rom ver- 
legen wollte: denn für den Albinus, der dort auf dem Kapllol mit 
Kaneades in ehi GesprSch gerttth, scheint Cicero sich auch ad Ati XIII 

tO, S. 32, 3 zu interessiren. 

r Was roX'.Tixril etwa einem doctrinart'i» rhi!oso]ilien vnrluilton 
konulen , zeigt auch ad Alt. XII 5 f. 2: tempora quibus parore ouincs 
roXrnxol praecipiunt, Ciceros eigenci» Verhalten gegen Cü»ar konnte hier- 
durch gerechtlertigt werden und eine indirekte Beziehung des Dialogs 
auf die Gegenwart ist ja ohnedies wahrscheinlich. 

i) Wenigstens wenn fr. 70 bei Rose Ar. Pseud, wo das VerhAltniss 
der PhlloMphie rar praktiflchen Politik sur Sprache kommt, wirklich 
der Schrift ncpl ßototX. entnommen ist. lieber den Protreptikos vgl. 
Hermes X •€ ff. 



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506 V. Wiedorbalabaiig des Dialogs. 

in dieser Art von Schriftstolierei fortaufahreii ') und Shniich, 
wie Aristoteles im Eudemos und schon Piaton im TheSlel 
gethain hatten, in Lobsehriften auf verstorbene Freunde nnd 
Angehörige seine Landsleute mit der griechischen Philosophie 
beluomt su machen. Auf die Schrift, welche im Allgemeinen 
sum Philosophiren ermunterte, musste naturgemSss eine an- 
dere folgen, die die Richtung des Philosophirens genauer be- 
zeichnete und unter den Tielen mit einander streitenden 
Systemen eines zu eingehender ücscliäfligiing empfahl. 

Ao«demioa Diese Aufgabe lösten die Academica^). Andeuinngen Ober 
seine eigene jüngste Bekehrung zur skeptischen Ak.uU iiiie hatte 
er schon in seineu rhelonschen Schriften, im Brutus und ürator, 
zuletzt noch im Hortcnsius gegeben-*); was noch fehlte , die 
wissenschailliche Begründung dieses neu gewonnenen Stand- 
punktes, wurde in der genannten Schrift nachgeholt. 
Zasammenliang Der inhaltliche Zusammenhang beider Werke war auch 

j^^^^^ äusserlich in der Scenerie der Dialoge angedeutet. Es entsprach 
dies einer Gewohnheit Gioeros, gewisse Dialoge durch das Auf- 
treten oder auch nur die Erwilhnung der gleichen Personen unter 
einander zu rerknOpfen: so leitet ein chronologischer Faden 
vom Gespräch Aber den Steat su dem über den Redner, da 
Scävola, der in jenem ein reifer Mann ist, in diesem als ein 
abgelebter Greis erscheint ; während wiederum die Erwähnung 
des Hortensius zum Schluss des Gesprächs vom Redner den 
Üebergiuit4 macht zu dem nai'h ihm beuanaten Dialog; und man 
befindet sich eine Reihe von Dialogen hindurch bis in das 
Gespräch i>\om Wesen der Götter« hinein zwar in vorschie- 

1^ De finib. I ?: Q\\\ libcr Hortensius) cum et tibi probatus vidr- 
retur vi eis. quos egn pns^o judicare arbiträrer, plura suscepi veritus ne 
movere homimim stuüia vidorer, retinere non posse. 

2; Leber die Abfassuni^Hzuit der Acadcmica s. Kriscbe in (lOll. Studd. 
1S45. 3.5. 1S6 ff. Dass wenigstens die erste Bearbeitung vor der Schrift 
de finibufl fertig war, ergibt sich unzweideutig aus ad Att XIII SS, S. 

S] Nach dem Citat bei Aognstln c Acad. III 44, Mi oerte in Hör- 
tensio legistis »Sl i|^tur nec certi est quicquam nee opinari sapientis 
est, nihil unquam sapiens adprobabit". Obgleich Krische Gött. Studd. 
1845. 2. S. 154,1 auf die«5e«^ Fragment hingewiesen hatte, so ist es docli 
auch in der letzten Orollisrhon Ausgabe iiherganpen. Aus dem Horten- 
sias leitet krisclie 13i, 4 auch August, c. Acad. 1 3, 7 ah, wo sich eben- 
falls eine skeptische Acusscruug Ciccros findet. 



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ROmer. Cicero: Acndemica priora. 



507 



denen Zeiten, im Grunde aber doch in ({«Tsclben unter sich 
▼erwandlen und befreundeten Geseilsohaft. Es erinnert dies 
an den sokratiachen Kreis, in dem sich sum Theil die Dialoge 
Piatons und seiner Schulgenossen bewegten. Wie aber Piaton 
swischen Theaitet nnd Sophist das Xossere Band der Scenerie 
besonders straff ansog, um dadurch nachträglich beide als 
auch dem Inhalt nach susammengehörig zu beieichnen, so 
hat auch Cicero mit denselben Mitteln ein solches engeres 
VerhSltniss swischen dem Ilortensius und den Academica her^ 
gestellt. 

Wieder treten uns dieselben Personen entgegen, die PonoM». 
uns schon aus dtMu ilnrtensius bekannt sind ; der einrigo 
Lucilius Hnlbus fr}ilt. dem oine Hanp(rol!o in «'inem spätcrea 
Ges]>riiche zugedacht war. Aber wahrend diese Personen im 
Uortensius noch darüber streiten, ob die Beschäftigung mit 
der Philosophie sich überhaupt lohne, so scheinen sie in den 
Academica hierüber einig zu sein und w ir finden sie bereits 
mit philosophischen Problemen der schwierigsten Art be» 
scbSftigt. Bömische Staatsmänner und Militärs in Gesprächen 
aber Philosophie vonultthren, erschien damals als eine un- 
erhörte Neuerang*); Cicero selber hatte sie in seinen iHiheren iramag. 
Dialogen vom Staat und vom Bedner Uber gans andere, ihnen 
angemessene Dinge reden lassen und Yarros menippische 
Satiren so wenig als diejenigen des Lucil kSnnen dafür ein 
Vorbild iieyeben haben. Cicero ist auch weiter mit diesem 
Wagniss allein geblieben, und er würde sicli uuf dasselbe 
überhaupt kaum haben einlassen können, wenn nicht das 
Philosophiren der Gesprächspersonen in den Academica in 
dem darin vorausgesetzten Oesprüch des Hortensius eine ge- 
wisse psychologische Erklärung gefunden hätte. Im Wesent- 
lichen bleiben freilich Geistesart und Charakter der auftreten- 
den Personen die gleichen. Hortensius ist nicht auf ein Mal 
aus einem leidenschaftlichen Redner ein eifriger Philosoph 
geworden^. Was er gegen die Skepsis vorbringt, sind auf 



4; Afnri. pr. 5 f. 

Krische CiöU. Sludd. 1.H4r>. 2. S. <5.3 meint »llpHintrs, Hortensius 
sei tlui< h Cicero» Vortrag uiugcstimml worden. Mit <ler Noniusstellc 
(p. 253 s= (r. 56 Or.] kann dies nicht bewiesen werden, da wir nicht einmal 



508 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



der Oberfläche liegende EinwSnde, die auch der gesunde 
Menschenverstand finden kann*]. Ebenso wenig zeigt sich 
Gatulus als geschulten und selbstfindigen Philosophen, sondern 
theilt nur Aeusserungen seines Vaters mii^. Lucullus bleibt 

der Historiker, der er war, und berichtet nur, was er mehr 
als oin Mal von Anliochus gehört und in seinem guten Ge- 
däcbtniss leslgehalten hat 3). 

Zelt aud Ort Niehl bloss die Menschen, auch die Zeit dos Gesprächs 
weist auf den Hortensius zurück; ihr«.' f i krimliarcn (irenzen 
sind der Triumph Luculls (63 v. Chr.j und der Tod des 
Catulus (59). Auch der Ort ist wieder eine Villa und der 
Wechsel besteht nur darin, dass wir von den Latiner Bergen 
an das tyrrhenische Meer, zuerst in Gatulus* Villa bei Cumä<) 
und dann in die benachbarte des Hortensius bei Bauli (Acad. 
pr. 9), versetst werden. 

Uhait «1 An swei auf einander folgenden Tagen finden hier swel 
l«ad<u. Qesprfiche statte deren jedes den Inhalt eines besonderen Werkes 
ausmacht und daher auch mit einem besonderen Titel Tersehen 
Tital. ist*). Diese Titel, von Personen genommen, deuten an, dass CSoero 



wissen nl) deren Worte von Horlciiü(iuä gesprochen worden. Aber auch 
Acad. pr. 64 sagt Luculi zu Cicero nur: tunc, cum UuUis laudibus philüso- 
phiam cxtulcris Hürtensiumque nostrum disscntientem commovcris etc. 
So sagt auch Cicero a. a.0. 64: me, GatiUe, oratio LaculU de ipsa re 
ita movit, ut docii hominis et copiosi et parati et oihil praetereuntis 
eoram, quae pro illa causa diel possent, noa tarnen at ei raspondere 
posse diffiderem. Dass er umgestimmt und zur Ansicht LocnUs bekehrt 
worden ist, will er damit keines wpp«; ssv^-cn. 

1) Acad. pr. 10: Equidem, inquit Hortensius, feci plus quam vellcm; 
U»tam enim rem Lucullo inlegram servatam opurtuit. Et tarnen fortasse 
servata vi>i; a me enim ea, quae in pruinptu crant, di( ta sunt, a 
Lucullo autcm reconditiora desidero. cf. 79: sed desine, quaoso, com- 
munibus locis; domi nobis ista noscuntur. 

S] Acad. pr. IS: et illa dixit Antiochns, <iQae heri Cataiaa com* 
memoravlt a patre suo dicia PiiUonL Daher auch US: ad patris revolvor 
scntentiam. Revolvor — weil auch auf ihn der Vortrag des Lacnilas 
einen Eindruck gemacht hat (68), der nun aber durch Giceros ßotgegnuag 
wieder ausgelöscht worden ist. 

8) Acad. pr. <0. <2. 49 fAntiochus — dicebat). 6«. 

4) VgL Krische a. a. O. 4 42. 

5) »Catulus« und »Lucullus«: vgl. Cicero ad Att. XIll 32, 3. Plutarch 
LaculL 4S. 



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Römer. Cicero: Academlca prior«. 



in der in der Gonsolatio und im Uortensius begonnenen Weise 
fortfuhr und seine Schriften su Ehrendenkmalen für Ver- 
storbene einrichtete, gerade wie auch nach Galileis Absicht 
in seinen Dialogen »dei massimi sistemi« seine Freunde Sa- 
gredo und SalYiati fortleben sollten und in der That fortleben. 
Diesmal waren Gceros alte politische Kampfgenossen Galaliis 
und LttCttU die AuserwShlton^): sie bildeten den Miltolponkit 
jeder eines Dialogs; aber als wenn es hieran nicht genog 
wäre, so verkündeten ihr Lob noch nachtrSglich eigens tu 
diesem Zweck hinsug^fUgte Proömien (ad Att. XIII 32, 3). 
Bs waren also twei selbstfindige Werke'), die aber doch auch ^^«^ 
wieder ein Ganses bildeten und deshalb unter einem Namen ^ ^ 
als Academica vereinigt werden konnten. Was sie verbindet, 
ist einmal dasselbe, wodurch auch die verschiedenen in der 
Schrift de finibus vereinigten Dialoge lusammengehalten 
werden: der gleiche Inhalt, da beide sich auf dasselbe Pro- 
blem l)eziehen und auf verschiedene Weise eine Auseinander- 
setzung /Asis-ciitii dem damals modischen Ootiuuaismus und 
der Skepsis herbeilüLueü wollen*], und die Uülle, die in 
beiden Cicero als derjenige spielt, der das entscheidende 
Scblusswort sprach^). Doch sind es mehr als mur zwei parallele 



4) Acad. pr. S: ac vereor tnterdum ne talium pcrsoDarum, cum 
amplificare vpüm, mtnuairi etinm elorinm. Als Lobschriflen waren 
•Catulus- utul »Lucullu^ auch weiter keim'iii Anderen, wio plv,n (icm Unitus, 
gewidmet. Die Natur der Sache verbot dies hier ebenso wie l>ciu) Hor- 
(onsius und der Gonsolatio. 

t) Aach inhaltUeb aagesehea: dwa die Ertfrlerong d«s Problems 
kommt in beiden bis xu einem gewissen Abschloss. 

5) Fmgt man warum nur der «kademisclie, nicht auch der stoische 
D(^matismu8 berücksichtigt ist, so ist zunUchsl zu antworten, dass hier, 
wo das Verhältniss zur Skepsis in Frage kommt, zwischen Antiochus 
und den Stoikern kein wesentlicher rnlersrhiP«! stattfand. Sodnnn kommt 
In Betracht, dass eben namentlich Antiochos und seine Anhunger es da- 
mals waren, die im Namen des gesammlen Dogmatismus den Kampf 
gegen lUnieades und Plülon führten. Und endlich kann man es als eine 
Rechtfertigung Ciceros vor sich selbst und vor dem Publikum ansehen, 
dass er hier die beiden Richtungen mit dnander kämpfen lless, swischen 
denen er selbst wUhrend seines Leben«« frc<?chwankt hatte. 

4) Acnd. pr. 64 ff., wo wir ps noch mit Augen sehen. Fui- <I< ti Ciiluhis 
können wir »;s wenigstens vermutlii'n. Catulus' eigener ^urlrnj.; kann 
kaum mehr als eine, ullcrdings detailirle, Geschichte der Skepsis gewesen 



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5<0 



V. Wiederbelebaag des Dialogs. 



Darstellungen. Vielmehr stehen beide in einem organischen 
0«s«iiMts. Zusammenhang. Dies zeigt sich theils in dem Gegensatz, der 
bei aller Aehnlichkeit doch in der Gomposition beider Dialoge 
hervortritt, insofern in dem einen der skeptische Vortrag, in 
dem andern der dogmatische das Haupte und Mittelstfick 
bildet, theils darin, dass der erste Dialog die Frage mehr 
vom populSren Standpunkt aus erörtert, der zweite die Be- 
weisführung der Dogmatiker sowohl als der Skeptiker wissen- 
schaftlich vertieft <). 

# 

sein und das knnntp auch zur Widerlegung der philoniHchrn Paradoxion 
conücciul scheinen; dfiiii nur unter dieser Annalnne, tlass nur i'iw 
hisUjiiache Üarslelhing der Skepsis gegeben würde, erklärt es sich wie 
Cicero eine Zeit lang den Gedanken hegen konnte den Stoiker Cato an 
die Stelle des Gatnlns treten zu lassen (ad Att. XIII 4S,4). Was dte 
positive BeS^i^^^d^i^ ^ SiEepsfai hetriflt, so. weist nichts darauf hin, dass 
sie von einem Anderen als Cicero gegeben wurde. Wenigstens scheint 
Liicull 42 anzudeuten, duss diese Begründung sich darauf beschränkt 
hatte die ZuverlJissigkcit dor Sinne tax hcsUviU^n, Cict*ro soll)«! aber er- 
kliirl dies ««ehr nusfiilirlich getlKiii zu Iiahcii (79: ronti';i slmisu*? Hn\ 
uiuiiu dixeranij, also wird er wohl dies Thema erschöpft hüben. Üie 
angifOlurlen Worte in ihrer voiistlndlgeii Fassung (heii aon ae- 
cessarlo loco contra etc.} sind geeignet noch mn weiteres Licht auf 
den verlorenen Dialog su werfen. »Ceberflttssig« konnte die Auseinander- 
Setzung Ciceros nur sein, wenn der Vertreter des Dogmatismus, Horlen- 
sius, durch dlf Darlegungen dos Catulus Ixncits WKicrlcLt \var. kiinn 
also aiiiii Hnrtensius, nachdem Catulus gesprochen, nifhl noch ein M.il. 
wenigstens nicht zu einer nusfuhrlichen Entgegnung das Wurt ei-gritTeu 
haben. W^onu Cicero sprach, so konnte dies damit motivirt werden, dass 
der mehr historische Vortrag des Catulus eine the<Hretische ErgSniung 
wünschenswerth mache. Bin Hauplgraad war ausserdem wohl der, dass 
Cicero Uberhaupt tu Wort kommen sollte. Und endlich wirkte wohl 
auch die Absicht mit zwischen beiden DlalogeUi dem Catulus und Lucullus, 
eine gewisse äussere Symmetrie herziistpllon: damit der I.u( ullns nj« hl 
zu sehr anschwelle nnhni er Bemerkungen, die eigentlich hier iils Hr- 
widerung auf Lutulls Vortrag am Platze waren, schon im ersten Theil 
der Academica vorweg, wie er hinterher entschuldigend sagt um dadurch 
der Polemik des Antioch<is und Luculi voncnbeugen (79). — Oebrigens 
vgl. über Inhalt und Gang des Dialogs im Catulus ausser Kriscfae's grttnd- 
liehen Forschungen noch mtine Unterss. su Cioeros philos. Sehr. Iii 

S. 46<», 1. Ä79, 1. 

1 ) Oer Vertreter dr< D*>t:malisinus im Catulus war Horteinius. tiber 
den s. o. 508, i \ Über die Art wie ebenda die Skepsis begruiulet wurde 



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Römer. Ctoero: Academie« prf on. 



DerSchluss des Ganzen hat etwas beruhigendes: nach vor- 
flbergehenden Schwankungen bleibl Alles beim Alton, jeder 
kehrt XU seiner Ansicht surQokO; ilHe sind von dem Gesprfich 
befriedigt und verspreohen noch Öfter su glddhem Zweck xu- 
sammentukommen; nach der Spannung des Geietos tritt die 
Süssere Natur und Umgebung wieder in ihre Rechte, ein 
sanfter Westwind hat sich erhoben und die Phantasie antiker 
und modemer Leser begleitet gern Cicero und Lncullus auf 
der sohOnen Fahrt, die sie Ober die See, den einen nach 
seiner pompejanischen, den andern nach seiner neapotitaner 
Besitzung zurttckftihrt. 

Für die Gouriiiands fehlt auch der Hautgout des Dialogs AaaioliMBiam«i. 
nicliL: denn so kann mau die Anachronismen bezeichnen. Ein 
Anachrunisiuus aber ist es, dass Cicero jai der Zeit, in der 
dieses Gespräch spielt, bereits als ein energischer Vertreter 
der akadeiiiischen Skepsis erscheint^). Doch ist Cicero Ober 
diesen Anachronismus hier wie anderwärts hinweutn L ÜtttMi 
und nimmt regelmässig in seinen Dialogen, sie mösrn in eine 
Zeit versetzt sein, in welche sie wollen, als Gesprächsperson 



1) Ueber Gaiuiiu o. S. 508, a. Hortensios hatte mit Bewunderang 
dem Vortrag LocuUs nigehört uad seine ZusUmmuDg lebhaft sa erken^ 

nen gegeben 63. Wenn er trotzdem zum Schluss von Cicero um seine 
Ansicht befragt »tollendumn nntwortet, so soll dies nicht das ßektMinl- 
niss der Skepsis sein, was Cicero allerdings scherzend daraus entnimmt. 
Vielmehr ist es doppelsh»iii}7 und Horlensius will sugen:ich enthalte mich 
J*>der bestimmten Meiuuii};;. Kr bleibl also schliesslich doch der Philoso- 
phie gegenüber ein Fremder, der zwar die einzelnen philosophieehen An- 
sichten mit popnlilren Argumenten helUtmpfen mag, zu einer festen Ueber- 
zeugnng es aber nioht bringen kann. Vgl ancb Krische GOtt. Stodd. 
48(5. 3. S. U9 f. 

2) llnlerss. z. Ciceros philos. Sehr. III 488, \. Das dort bemerkte 
lässl sich im Kinzeliien noch vielfach ergänzen. So luai; j/enido hier 
bemerkt werden, da^s er scliun früher einmal auf dem hkeplischeu Stand- 
punkt gestanden hat wie dies in seiner Jugendschrifl de invcntione 11 1 0 
ziemlidb dentlich dan:bbU<dtt: quare nos'quidem sine uUa adflrmatione 
timml quaenrntes dnbitanter unom <^ldque dioemus, ne dnm parvulnro 
hoe conaequamor nt satis haee con^mode persorip^isse videamur, itlud 
amtttamus, qnod maximam est, ut\ne cui rei temere'atque adroganter 
adsenserimns. verum hoc qui<iem nos el in \\6c tempore et in omni 
vita studio«!«», (|Uoad facultes fcret, < ioi<pqiiciiiur elc 1 iiter (iem KinHuss 
des Antiochos hatte er diesen ätaiulpunkl aber spater wieder verlassen. 



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512 



V. Wicderl>clebung des Dialogs. 



genau denselbeii Standpunkt ein, den er inr Zelt des Schreibens 

inne hat: es wäre auch zu viel verlangt gewesen vom Dla- 
logenschreiber, wollte man verlangen, dass er sich selber 
nicht bloss objektiv, sondern auch hu^torisch ol)jektiv be- 
IrachU n sulite. Viel ängstlicher warCiceru loit der historischen 
Historliche Treue in einer andern Beziehung. Schon als er die Vorrede 
***** zum Lucullus schrieh, war er von anderer Seite aufmerksam 
gemacht worden, dass Catulus und Lucullus ihren Rollen 
nicht gewachflen seien , dass sie ein so hohes Maass von 
philosophisch Kenntniss und Einsicht^ wie der Dialog ihnen 
zutraue, in WirkUchkeit nicht besessen hätten (Acad. pr. 7). 
Anfangs hatte er diese Bedenken mit einem kurzen Wort 
niedersuflcfalagen versudit^ dann, vielleicht von Atticus unter- 
statzt, hatten sie doch Gewalt ttber ihn bekommen und er 
wurde geneigt, an Stelle des Gatullus und Lueullus zwei 
andere MSnner aus seinem Freundeskreise lu setien. 

Unter den Lebenden machte Brutus seine Hechte mit 



1) Es ist nidit ohne Interttse dm Wandel in Cfceros Ürtheü lo 
verfolgeo. In der Vorrede zam Lttcull 7 erklärt er, dass die, welche 
das passende der Wahl des Gatulns und Lvcnllos zu GesprSchspersoneD 
zn bezweifeln wagen, »videntur non solum vlvls sed etiam mortnia in* 
videre«. Ad AU. XIII 12, 3 hat er den Bedenken schoD Raum gegeben: 
homlne«. nohilos illi (jiiidom, sed' nulle modo philologi, niinis ncuto lo- 
(|uuiitur. Er luit <ieshnlb beschlossen dem CotuUu^ und Lucullus ihre 
Rollen im Dialog zu nchmün, aber er empßndet es doch noch als eine 
Art Unrecht, das ihnen damit geschieht: Catulo et Lucullo atibi repone- 
nms. Entschiedener lautet sein Urthefl ad Att Xltl 46, 4 - primo fuii 
|8C. 'Axa^fAt»-^ eiSvnt^) Catnll Luctitll Uorlensi; delnde quia icopd H 
icplicov vldebatur, qnod erst homintbus nota non lila quldam dmuftcooi« 
sed in eis rebus irpt^j^a etc. Am schroffsten spricht er sich ad Att. XIII 49, 5 
aus: haec Academica, ut sris. cum Catulo Lucullo Hortenslo Contuleram: 
sane in personas non cadebant; erarU enim X^Yt^Arepi quam nt illi de 
eis somnias««^ um(|uniii vidcrentur. Man sollte nicht cinubon. 
dass der Verfasser dieses Briefes dersclbo ist, der die Vorrede zum Lu- 
cullus schrieb. Sein Zeugniss in dieser Hinsicht kann daher nicht zu 
schwer wiegen. Um so mehr flOlt Plutarchs viel günstigeres Urthell über 
Lucnlls wiMenscbaftliche und speciell phlloeophlsche Bildung Ina Gewicbl 
(LucoU c. 4). Beruht ea auf einem Slleren Zeugntes, geht es aaf einen 
Dialog zurück ta.o. S. 484, 4) dessen Verfasser — was Cicero nur in 
Aussieht genommen, aber nicht ausgeführt hat — wenigstens das an 
Luculi begangene Unrecht wieder gut machen wollte? 



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Römer. Gioero: de fiiübns boooniin ei malorum. 



643 



eifersüchtiger Freundschaft geltend ^) und schien der geeignetste 
Ersatz ftlr LucuÜ zu sein (ad Att. XIII 25, 3); zu ihm aber 
gesellte sich leicht, durch Verwandtschaft und Gesinaiing ver- 
knüpft^ Gato, wie denn Cüoero schon einmal, in den paradoxa Otto. 
Stoicorum, beide zum Gegenstand desselben ehrenden An- 
denkens gemacht hatte 2). Seitdem war Gates Bild durch 
seikien Tod noch mehr verUSrt worden, woiu Cicero durch 
seine Lobschrift auf ihn das Seinige beigetragen hatte*). Aber 
auch die Gegner rUhrten sich in Schmihschriften. Sollte 
Cicero noch einmal in diesen Streit der Catone und Anticatone 
eintreten? Br that es, allerdings nicht^ wie er eine Zeitlang 
vor hatte, innerhalb des Bahmens der Academica, wohl aber 
in der andern fast gleichseitig ausgearbeiteten Schrift «aber 
das höchste Gut und das grösste UebeU; und auch hier sind 
Onkel und Neffe vereinigt, wShrend Gate eine der Hauptrollen 
im IHaloge spielt, ist dem Brutus das ganze Werk gewidmet. 

Der Schluss des Lucullus scheint auf die Schrift »de 4« iaSbn 
tinihustf als eine bevorstehende hinzudeuten^]. Die Form des 

niuovMi« 

Dialogs ist in dieser neuen Schrift im Wesentlichen dieselbe, 
wie in der eben besprochenen. Sie bestellt aus einer Reihe 
von einzelnen Dialogen, die ein jeder selbständig fflr sich 
existiren konnten und doch durch äussere uiul innere Be- 
ziehungen^) unter einander zu einem höheren Ganzen ver- 



1) Aü AU. Xni 18, 4. 48. 

2) Ad Att. XIII 4 6, 1 . Hiernach sollte der Inhalt des alteo Dialogs 
VCD Gatalos LucuUus und Horlensios auf Cato und Brntos ühertragen 
werden. Else dritte Person, «Ue mit den beiden letsleren ins GesprSoh 

treten sollte, wird vkhi genannt; Hortensius sollte also wahrscheinlich 
ülierhaupt nicht ersetzt, sondern gänzlich eliminirt ■werden. Inwiefern es 
möglich wnr. den Stoiker riMto an die Stelle des SiceptllLera Catuius treten 
zu lassen, s. eine Vornuiltmn^' o. S. 50ö, 4. 

3j Ware nur der Gewalirsinann (schol. Juvcnal. p. 3i8j ein liessercr, 
SO wMe imn gern glauhen, dast rnioh dJese Schrift , durchaus oder 
BinMtungswelM, ein Dialog war. 

4) Aead. pr. i 47: poelhae — cum haee quaeremus (Cicero ist es, der 
spricht), pottus de dissensionibus tantte aummoram virorum disseranras, 
— de errore tot philosnphorum, qui de honis contrariisque 

rebus tanto np^n' <!i«icrep:int etc. 

5) Die lU'iieiiutigen innerer Art l)esU}hcn dann, dass die verschie- 
denen Dialoge der systematischen Erörterung eines Problems als einzelne 
Glieder eingeordnet sind. Aensserlicb werden sie durch KhnUdie Ver« 

Blr««l, DiBl«r. 3S 



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514 V. Wiederbelebung des Dielop. 

knapft werden 1). Dodi fehlen auch Vertohiedenheiteii niehi. 
Im Gatttlus und LucuUns sind die redenden Personen die 
gleichen und das Gespräch des iweüen Theils ist eine ForU 
setsung des im ersten Tags vorher geführten; in der Sdirift 
de finibus, wo dieses einigende Band fehlt'), ist an dessen 
Stelle die gemeinsame immer von Neuem ausgesprochene 



Weisungen mit <'in;in(h'r verlmnilerj wie dicjenipe, wodurch die Aead. pr. 
s. vor. Amakg., auf die Sehrift de liuil)U^ vorbereiten. So hatte im Calu- 
lus LucuU bereits den Vortrui,; vut-»|irouheo (Acad. pr. 4 0) deu er dann 
im Lucolhu wiitcUcb hllt. Am Schluss von de fiiüb. II stellt Triarius 
eine stoische Erörterung über des htfcbsie Gut in Aussidit; gewisser^ 
maassen an seiner Stelle gibt ehie solche Gato Im dritten Buch. Als einer 
abcrniHligen Erörterung bedürftig wird die besprochene TV 80 hingestellt 
und ebenda 78 auf IL Piso als den TrSger der Hauptrolle im folgeodeo 
Gespräch hingewiesen. 

Vi S. o. S. 462, 2. Da nun Cicero sowohl von den Acadeinica h!s 
von der Schrift de linibus ad Alt. XIII <6. <2, 3, und nur von diCAiii 
beiden das Wort oävta^tc braucht, so könnte es scheinen, als ob der 
Ausdruck gerade die erwähnte BIgenthttmlicbkeit der Form beieiebne. 
Doch weisen die von Blrt Enchw. S. S5 f. boigebracbten Beispiele auf 
eine allgemeinere Bedeutung. Nimmt man ausserdem die Worte des 
einen Brieles »illam *A«aoT)(xtxTjV ojvTa^tv totain ad Varroncni traduxtmus« 
genau, so i-ehen sie gar nicht auf die Form, son(!ern auf den Inhalt und 
bezeichnen die Zn-^arntnenstellung von Material, die sich dann, wie das 
die nngefiihrten Wdi te sorau<!'*etz<'n, aus einer Forni in die andere über- 
tragen liesh. Will man iu dem Worte oüv-a^i; noch mehr tiudeu, so ba- 
deutet es vielleidit die erschöpfende Erörterung eines grOsserni phlloso- 
pbischen Problems; Cicero selbst nat. deor. 1 9 sagt mit Benig wohl auf 
die Acad. und de flnibus: totae quaestiones scribendo explicantor, vgl. 
de fin. H2. ad Alt. Xlll <9, 3. — Was das verwandte Wort ouvTaTpia be- 
trifft (worüber Birt a. a. 0, 29. 35 f.;, so scheint es mehr das bereits 
ferlit'c Uuch 7n lif :'<>irhnen, dem also auch eine bestininitc Form aufpc- 
|)ra^l i^l. euer«) halte also a. a. Ü. nicht sagen koauen: A%alr^]x'.7.fjt 
oüvxa-jjxa lulum ad Varroncm traduximus. Dagegen würde «duo magua 
euvtdlYIMTa« ad Att. XII 45, \ ^vgl. Xlll Si, 3) auf Catulus und LucuUus 
passen (wie ouytatrMt ad Att XVI 8,1 auf de gloria geht], wo es Madvig 
de finib. praef. p. LVII, 1 auf die Academica und de finibus, Kriscfae GtftL 
Studd. 1845. S. S. 427, 1 auf Uortenslus und Academica besiebL ~ Die 
Compositionsweise der Schrift de finibus, welche Dialoge verschiedener 
l'ersonen zu einem Ganzen vereinigt, hat sieh von Späteren Giordann 
Bruno zum Musler Kenommcn, bes. in der Schrift degl' beroici furori. 

2) Von den einzelnen Gesprücben ist keins die Fortsotxuug eines 
früheren, zum Theil gehören sie auch ganz verschiedenen Zeiteu an. 
Unter den Personen ist es nur Cicero, <ler tiberall wiedeilnitft. 



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Btfmer. Cleero: de flnibns bononim et meloruin. 545 

Widmung aller Dialoge an Brutus getreten, während wiederum 
in den Academica von einer solchen Widmung keine Spur 
ist (s. 0. S. 509, 4). Ob Cicero diese Form eines grösseren 
dialogischen Ganzen, dessen Tbeile zu einer selbständigen 
Existenz berechtigt sind, xuerst in die Literatur eingeführt hat, 
mnss unentschieden bleiben^); dafiir, dass er auch hier grie- 
chische Vorbilder vor Augen hatte, kann man geltend machen, 
dass Varro in seinen GesprSohen fiber die Landwirtlisebaft sieb 
der gleichen Form bedient hat>), wenn man nicht etwa Varro 
hierin la emem Naditreter Gioeros madien will. 

Aach Zeit und Ort sind in den Dialogen dieser neuen &it aaa Ort. 
Schrift im Weaendiehen dieselben wie in den froheren. In 
die Gegend von GumA versetst uns der erste, Buch V und 
VI umfessende Dialog, wie der Gatulus, diesmal aber ist es 
ehie Villa Giceros, die wir betreten; aus dem Hortensius ist 
uns die tuseulanisohe Vflla Luculis bekannt, die den Schau- 
plais des «weiten Dialogs bfldete und an der Cicero £r- 
innemngen aller Art festhielten'). Die Zeit des ersten Ge- 
sprilchs ist das Jahr 50 v. Ghr.^]; die des zweiten ungefähr 
zwei Jahre friilier*). 

Ebenso wenig hat sich die scbrinstellerische Absic-ht Sohnftstelle- 
verändert: neben dem Gedanken, durch seine Schrift die '*"*«A*"*ol»< 



1) E« wnr dies einer der Versiu he si(-h wieder der Natur des wirk- 
lichen Gesprächs auzuuaheni, von der Piaton durch Ausspinneu eiues 
Gesprtfchft xa dem UmCang, wie ihn die Republik zeigt, ahgcwichen war 
(8. o. S. M9). 

t) Ueber Gloero de fialbas g^ht er sogar noch hiDaas, weil auch 
die WidmaDgeo verschieden sind and sidi nicht an die gleiche Person 

wenden. 

t Plutorch LucuU 41 t Sie spokt schon in einer gelegentlichen 
Erwaljnung II 107 vor. 

4, Dies ergibt sich aus II 74, wo Tur(|uatus als praetor deiiignatus 
erscbeint (Madvig' S. 5J. 

S) Nach dem Tode des Crassut (III 75), also nach 5t und vor dem 
Auabmdi des Bttrgerkriegea im Jahr 49. 61 und 5S war Cicero xunSchst 
in Ctlicien und auch dann in Rom das Verh&Itnisa zu Cato nicht der 
Art um FMti freundschaftlirlic< nespriic Ji mmlassen. srhoint also 
Zeit der Scimi»! nur Endo 54 tider Anfang ahri^^ zu lilcihi-n : uinl dieser 
Ansatz wird durch IV 1 hestüli^t, wo »hac nova Icj^e« auf das litsctz des 
Fompcjus vom Jahr 5i hhiwei»t. Das allgemeine »ludis commissis« III 8 
scheint eine genauere Bestimmung nicht zu ermöglichen. 

88» 



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Ö16 



V. Wiederbelebung des Dialog». 



Leser über griechisolie Philoaophie lu belehren, erfUlt Om 
noch immer der andere, verstorbenen Freunden darin ein 
ehrendes Andenken su stiften. Schon der Name »Torqua- 
tast, den Cicero (ad Att. XIII 5, 4. 3S, 3) den beiden ersten 
Büchern gibt, erinnert an die gleichartigen »Gatnlos« und 
)»Liicullu8a und sagt uns, dass L. Manlius Torquatus, der 
Suhl! von Ciceros Jugendfreund und selbst mit Cicero aufs 
engste verbunden, der Held des ersten, die e|>ikureische Lekre 
behandelnden Theils ist. Er huU' im liiirgerkriege den 
Tod gefunden. Wchniülhig klingt der iNachruf, den Cicero 
ihm im Brutus 1. widmet, ihm und dem C. Valerius 

Triarius, der neben ihm im Dialog ebenfalls eine, aber frei- 
lich viel geringere, Rolle spielt'). Dass Cicero diesem leU- 
teren Vertreter der Stoa, nachdem er Um einmal auf die 
dialogische Bühne gebracht hatte, m'cht auch den stoischen 
Haupt Vortrag im dritten Buch Ubertrug, kann Wunder nehmen: 
es hfitte sich dadurch leicht eine GontinuiUlt der Dialoge her- 
stellen lassen. Aber Cicero li^te es, mit den Personen sanier 
Dialoge »Staat su machen Und hiersu gab sich firmlich 
Cato Uticensis besser her. So ist das dritte und vierte Buch 
ein Nachtrag su der froheren Lobsdirift auf ihn (o. 543, 3} ge* 
worden: war dort mehr auf sein Handehi hingewiesen worden, 
wodurch er das Ideal des stoischen Weisen verwirklicht hatte, 
so war hier Gelegenheit geboten, auch seine vollkommene 
Herrschaft über die stoische Theorie darzulegen 3). 
QriechiMhe So gibt sieh in der üauplsache die neue Schrift als eine 
TorUU«r. jju erkennen, die in einem Zuge mit der früheren, aus der- 
selben Stimmung heraus in der gleichen geistigen Atmosphäre 

1) Auch iliiii sollte liiei durch ein Aiidpnken gesichert wcrticn n^I. 
ad All. \1I i6, 6 : anio iiluui (»c. Triurium} mortuuiu, iulur suui hbens, 
totam dkimttiii dlllgo. Vgl. bienu ttbar Uioull de flo. 111 S. 

S) Mit Besug auf den nicht zur AvsfUbrnng gflkommeiMii «6X>«toc 
(0. S. SOS f.) acbreibt er ad Att XIII st, S: videbis igitar, si poteris, ceteros, 
Ut possimus nofjinejsott xat toIc rpoac^Troi;. 

3] III 7 Ondct ihn Cicero in LucuUs Bibliothek ganz vergraben unter 
Ktoischen Büchern; seine Lcsewulh wird dnnn geschildert. Nachträglich 
liiill es Cicero IV 74 noch für nöthig, sich wegen seines Spottes über 
Calu III der Rede pro Murena zu entschuldigen. Dass Cicero das Be- 
dürfnis» hatte, die Lobschrifl auf Calo noch durch eine dialogische Yer- 
herrlicIniDg zu ergSozeUi wurcte sdion o. &. SIS bMMriLti 



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Römer. Cicero: de finibus bononim el malorum. 517 

geschriebeo ist. Und doch erhält sie dadurch ein eigcnthüm- 
liebes Gepräge, dasfl sie in gewisser Hinsicht sich enger an 
die griechischen und namentlich die platonischen Vorbilder 
hält'). Aus der Herrschaft des Aristoteles (o. S. 502 f.) rang 
Geero sich aUmShlig los. Er erwärmte bei der dialogiscben 
Arbeit ood das wiederbolte Lesen platonischer Dialoge mochte 
weiter IMenid dam wirken^ dass jetit stellenweise wie ein 
solcratisoher Hauch in seinen Sehnften su spOren ist. Aus 
den Mberen Schriften kennen wir in dieser Hinsicht auf den 
Sdiloss des Lucolfais hinweisen, der nicht dorch Erschöpfung 
der Gedanhen, sondern in Folge Süsserer UmstRnde hsi ge- 
waltsam herbeigeführt wird (Acad. pr. 147); das Gespräch 
erscheint hierdurch wie viele der platonischen als unvoU- 
stiindig und erhält einen essayartigen Charakter o. S. 243 ff.). 
Im Uebrigen aber — und das gilt von sMmmtlicbon früheren 
"Dialogen Cioeros, de oratore und de re publica mit einge- 
schlössen — bleibt das Gespräch in den früln ren Schrilten, 
es mag noch so lebhaft werden, immer in den (irenzen einer 
Ck)nversation und erhebt sich niemals bis zu dem bei Piaton 
regelmässigen dialektischen Redekampf, der Schlag auf Schlag 
fortschreitet und die Argumente nicht bloss neben einander 
stellt^ sondern wirklich eins ins andere eingreifen Ifisst. 

Jettt dagegen ist dies auf ein Mal anders geworden. Das SokratiscbM 
sokratische GesprSch gilt Ittr das Normale und es scheint einer 
besonderen Entschuldigung zu bedOrfen, wenn Jemand einen 
lingeren Vortrag halten will^. Auch firQher strSubten sich 
Grassus (s. o. S. 486, 2), ja Gcero selber im Hortensius {ft. 50 
o. 504 , 3) vor dem Halten Ungerer Vorträge : aber wenn dies 
auch in das Bild des ersteren einen sokratischen Zug brachte, 
so sollte dadurch doch mehr im Allgemeinen jedes schul- 
meisterliche Ansehtu gemieden werden; während jetzt viel- 
mehr die aus dem Phaidros bckaiiimten Vorschriften des 
platoniscii( u Sokrates das Entscheidende siüd^J. Das Bestreben, 



i] Dem v.id€rspricht nicht , dass er in einem h<»sondercn Punkte 
ausdrücklich bekennt (ad All. 4 9, 4 ». o. S. 293, 3/ t^ith un das Vor- 
bild Aristoteles gehalten ni haben. 

2) Vgl. was Torqoatus I S9 wod Cicero II 47 aagen. 

S) Dem PhaidroB eotBpriciit die Onlenclieidiuig, die II 47 xwischen 
rbetorischer und diaielLtiBclier BrOrlemng gemacht wird. 



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518 



V. WiederbelebuDg des Dialogs. 



diesen Voraehrifkeii lu genttgen, ist durcbaus nohtbar: den 
längeren Vorträgen in der Schrift de finibns gehen voraus 
oder folgen nach dialektische Gesprtche*). Und das» diese 
keinen grösseren Umfang haben und am Ende doch die ISn- 
geren Vorträge Oberwiegen 2) , erklfirt sich theüs daher, weil 
es Cicero scfaliessüch nnbeqnem wurde, dasjenige, was ihm 
aus der griechischen Quelle In snsammenhängender Darstel» 
lung zufloss, in seine Gedankenglieder erst aufzulösen und 
dann von Neuem zum Gespräch zu gestalten, theils aber aucb 
daher, weil er fürchten mochte, dass, wenn man ihm schon 
<lie philosophireniieü liouier übel naliiii , man noch weniger 
ilwn die sokratisirendon wfirde gelten lassen. Im Uebrigen 
ist er von der Vortretllichkeit der sokratischen GesprSchs- 
methode überzeugt und zeigt in einer Zeit, wo dieselbe selbst 
in der Akademie einem argen Missverständniss unterlag, eine 
auffallend richtige Einsicht in ihr Wesen'). Wie sie daher 
hauptsftchlich jüngeren Leuten gegenQber ihre Anwendung 
fand, so sind es auch soidie, denen die Gesprfiche de finibus 
gelten <]. Immer näher werden wir an die sokratisdie Welt 

4) 1 U IT. btis. 26 fr. II 6 IT. III 4 0 IT. V 76 IT. Dies mag zum Tbeil 
Reminisccnz aus Piatons Symposion p. 199 0(1. sein: denn wie Sokrnte!« 
dort, che er seinen Vortrag.' ühcr die Liebe halt, zuvor in einem Ge- 
spräch mit Agathon dessen Uedc Is^ritisirl, ganz ebenso verfuhrl mit Bezug 
auf den Vortrag des Torquatus Cicero zu Anfang des zweiten Buches. 

%) Doch werden auch diese durch die httiiflg wiederkehrenden Fik- 
tionen von Einwflnden (wie II tS. 48. SS n. tf.) also durdi die Form der 
Diatribe dem Dialoge angentthert (o. S, 49S). 

3) II 1 fr. 

5' Ton|uatiis, Tri.uiu?;. Cato sind alle jünger als Cicero. Wie schöne 
.lunt;liiipr iü den sokralisrhcn Dialo* ri ist L.Cicero, der ohiicdic? zu 
Cicero im Verhültniss des Schulers stund, der belel)cnde .Mittelpunkt im 
üesprücb des fünften Buclies. In seinem Interesse wird die Frage, ob 
die phüoaopbiBche Rlehiung des Kanieades oder Antiochos deo Vorzug 
verdieoe, verliandeU 6; auf ihn neiunen die Redenden auch fernerhin 
Jede Klicksicht, wenden sich an ihn, suchen ihn fttr ilire Ansichten so 
gewinnen (8. 4 5. S7. 7^ 7S. 7$. 86. 95). Vielleicht würde im dritten and 
vierten Buch der junge Luculi eine ähnliche Rolle g^pi^i haben, wenn 
er nicht damals noch unter den Lebenden gewesen wärt»: so wird er 
\venig«ilens mittelbar ermahnt, dass er es dem Vater nachtbun und sich 
melir mit den Wissenschaften beschäftigen solle (III 8 f.). und so Itoweist 
auch seine Ermahnung, dass Cicero damals insbesondei'<e auf Erziehung 
und Belehrung der römischen lugend abgesehen hatte, was er spSler (de 



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Röin«r. Clcaro: de Hnibos bonorom ei raatorom. 



519 



herangeführt, iramer mehr streiteu die RÜiiier ihre eigoathüm- 
h'chcn Sitttni ab uud werden zu philosnphircndrn Griechen, 
bis Cicero schliesslich den kütinen Sprung wagt und uns mit 
einem Mal vom Meeresstrand bei Cumä und von den Bergen 
Tusculums in die alte Heimath der dialektischeo Philosophie 
nach Athen, in die Akademie versetzt. Denn hier findet im 
Jahr 79 daa Gespräch des fünfken Buches statt, an dem ausser 
Cicero und seinem Bruder noch M. Pupius Piso, der den 
Hauptvortrag über die peripatetische oder vielmehr die Phiio- 
flophie des Antioclios hSlt^ so wie AtHcus und L. Cicero be- 
tbefUgl sind. 

In diesem letaten Bndi schwelgt Cicero noch einmal in EfiaMniig«t 
den Erinnerungen der Vergangenheit Die anmuthige Bin- y^^^^''^^^.^ 
leilung schildert uns, wie die Freunde, nachdem sie am Morgen 
den Vortrag des Antiochos gehört» am Nachmittag mit einander 
hinaus zur Akademie spasteren, wie ihnen auf Schritt und 
Tritt die Spuren einer grossen Vergangenheit entgegen leuchten, 
die Gestalten des Perüdes, Demosthenes, Sophokles, des Kar- 
neades, Epikur, vor Allen des naton vor ihnen sich erheben. 
Die sonnigen Tage der eigenen aufstrebenden Jugend werden 
ihui wieder lebendig; die liebenswürdige Gestalt des L. Cicero, 
die in den Mittelpunkt des Bildes gerückt ist, uiusste iim an 
eine der ruhmreichsten Zeiten seiner rednerischen Thätigkcit, 
die Anklage des Verres, erinnern. Aber wahrend er so weit 
ab von der Gegenwart entrückt scheißt, macht diese schon 
wieder ihre Rechte geltend und nöthigt ihn aus der Traum- 
welt herabzusteigen'). Hierbei denke ich nicht l)ioss an den 
üblichen Anachronismus, wonach der Cicero des Dialogs, in Aoaoluoai«ian». 
diesem Falle der Jugendliche Cicero, bereits auf dem skep- 
tisohen Standpunkt des alternden Alannes steht, sondern mehr 



div. n 4) aosdrilGklich als das Ziel seiner schrUlstellerischen Thtttigkeit 
iMMtidmete. 

1 ) Diese Ttvamwelt darf man idoht mit demselben Maassstabe wie die 

wirküche messen. In der letzteren wäre es wenigstens kaum denkbar, 
dass Xfitnner. die nocli am selben Vormittag einen Philosophen pehört 
haben, wie liier den Antiochos (16. 7ä. 81), noch nin selben Tii^e sich 
über dessen Ansichten ciurcii einen Dritten belehren lies^eu ; in der 
wirklicheii Well wire mao In einem solohea Fall wohl an die erste 
Quelle gegangen. 



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Ö20 



V. Wiederbelobung des Dialogs. 



noch an die Einl'ührimg zweier damals uoch lebendeu Personen 
in den Diaioc. des Q. Cicero und des Atticus. 
Ciceroi Solirift- In der That, die Periode der Monologe war vorüber. Die 
Jj^'^'*"^ Schriften Ciceros sind nicht mehr die Rptrachlungen eines 
Gegenwart in. Einsamen , der ans seinem Geiste die Bilder besserer Tage 
hcraufhoU and an sich vorüberziehen ISsst. Sie sollen nicht 
sowohl den Verfasser über öffentliches und häusliches Unglück 
trösten und seinen Schmerz durch Arbeit betäuben; mehr 
und mehr geht ihre Absicht auf die philosophisohd fiiidnng 
der Römer*). Sie wenden sich wieder der Gegenwart und 
ihren Aufgaben so. In dem Maasse als der SchrUlsleUer eine 
Wirkung auf leitgenösaische Leser ertiofft^ drSngen diese selber 
sich auch als Personen in seine Dialoge^. Unser Emp6nden 



1) In den Vorreden in de flnibns und zu den Toecnlanen ist von dem 

ursp Iii unlieben Anlass zu Ctceros pfailosophiscber Scbriftstellerei, den wir 

iius (kii Briefen an Atticus kennen, kaum BOCfei etwas zu spüren (Tusc. Vft] 
In tler Vorrede zu nat. (!oor. I 9 wird er 7\vnr orwiihnl, aber doi Ii nur 
als ein Nebengrund (hortata et iam est, ut ine ad huc conferrcm, aniini ae- 
griludo). Auch die Consolatio erscheint ihm jetjtt in einem neuen Lichte 
als ein Werk das nicht bloss seiueoi eigeuen, sondern auch dem Interesse 
Anderer, dient (de divin. II 8). 

S) Audk in Piatons Dialogen sind die Personen wohl zum Theil, 
wenn auch seltener, solche die zur Zeit der Ahfiissung noch lebten (s. 
S. 86 f.), wie S. B. Gorgias im gleichnamigen Dialog (s. S. 245). Ursprüng- 
lich war Ciceros Absicht, keine Ichemleu PerscMicn in seine Dialoge ein- 
zufulu-en: aus diesem Grunde lehnte er nncli Anfangs den Vorschlag des 
Atticus ab, Varro die Rolle in einem Gcspiacb zu geben ad All. XJll 19,3). 
Auch Audcro scheinen dies für unpassend gehalten zuhaben: wenigstens 
war Cicero nicht einmal der Zustimmung des Atticus sicher, als er auch 
diesen in seinen Dialog aufgenommen hatte (ad Att Xltl it, i). Woran 
man sich hierb^ stiess, war im Wesentlichen das Gleiche, was Cicero 
im Brutus (244. 45f } veranlasste^ lebende Redner so viel als möglich von 
seiner Darstellung Tern zu halten. Offenbar hat Cicero die gleiche Ansicht 
über die Bonulzunt: lebender Personen im Dialoj; schon früher f:ehei;t: 
wenitfstcns liegt es nahe, hiermit die Thatsache in Verliinduag zu bringen, 
daüs Cicero den Dialog de legibus — ein Gespräch an dem nur solche, 
die zur Zeit der Abfassung noch IebU>n, betheiligt sind — niemals ver- 
tflfentlicht hat (o. S. 479, 2]. Schwankend wie er sich bei diesen lUlerett 
Werken zeigt, so scheint Cicero überhaupt in der DurchfOhnu^ jenes Grund- 
satzes nicht consequent gewesen xu sein. Doch lassen sich die Ausnahmen 
entschuldigen, im Brutus spielen Brutus und Atticus neben Ciowo doch 
nur Nebenrollen [al)cr selbst diese Nebenrolle scheint Atticus noch 
zu viel gewesea zu Anin, wenn man ad AtU 2üU äi, 4 das »primtuu« 



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Römer. Cicero; Academica po&teriora. 



stösst sich allerdiDgs hieran, noch Lehnnde, überliaupL ho- 
stimmte, bekannte Personen der Wirk Iii hkeit in Dialogen 
auftreten zu lassen; wir \ ( rsf ecken sie deshall>, w^nn es doch 
geschehe II soll, unter fremden Namen. Das Altoi tluiin kannte 
diese Scheu nicht im gleichen Maasse und brauchte sie auch 
nicht zu kennen, da es in Betreff der historischen Wahrheit 
weniger ängstlich war und jedes Werk der Literatur KUJoäcbst 
nor ein »Mantiscript für Freunde « zu sein pflegte. 

Besonders erleichtert wurde dieses Verfahren dann, wenn 
etwa von dem betreffenden Individuum ftir den Dialog nnr 
der Name in Betracht kam, der als Etikette dem Vortrag eines 
gjrieohischen Philosophen aufgeklebt war. Und dies ist der Fall 
in der zweiten Bearbeitung der Aeademica, mit der Gioero diese Aoademica 
nene Periode seiner dialogischen SchrÜtstelierei erOflhete. Die p***^"^ 
Hauptrolle war darin Varro sugetheilt, in seiner Villa bei 
Gumi findet der Dialog statt, in dem einleitenden GesprSöb 
wird seiner schriftstellerischen ThStlgkelt das hSchste Lob 
gespendet, der Dialog erscheuit hierdurch als ihm gewidmet i). 
Wenn es nach Attions Wunsch ging, der auch hier Oceros VertheUnng 
IHerariseher Beralher war, so würde gegen Varro, der die 
Lehre des Anfiochos vertrat, Cotta die Vertheidigung der 
Skepsis übernommen haben (ad Att. XIII 1 9, 3). Aber Cicero 
hatte keine Lust, auf jeden AntheÜ am Gespräch zu ver- 



betont; vMleicht-war ihm die Bturtbeilui^ Cäsars nicht recht, die ihm 
W tt. ngeschobeo wird) und dasselbe gilt von Q. Cicero «od Atticos 
neben PIso und L. Cicero im fanden Buch de finibue. — Man kann ttbri» 

geoB bei Cicero in dieser Beziehung einen allmtihligcn Fortschritt beobach- 
ten. Von Personen einer entfenitoion Vergangenheit wie in de re publica 
und de oratore ficht er in» C ititlti^. LueuUiis und Horten^ins zu Zcll- 
gcnosscu über, tiic nhor verstorben sind; und erst hiernach thut er den 
letzten weiteren Sctaiii. 

1} Ein besonderes ProOmlnm, das die Widmung in Form ebies 
BrieÜBS anssprlcht, war hier ansi^schloBsen, ebenso wie im Bmtns. 
Den IMef, worni Gioero dem Varro die Widmnng anseigi, behea wir . 
aodi, vgl. noch o. S. 509, 1 . Die Form der Widmung ist in diesem Falle 
die passendste, die <\rh denken lassl : denn e«; snlllc dem Varro dadurch 
nicht ein ^rcistif^e«: hi^^unthuntsrccht an dem gewidmeten Werlte zuge- 
schrieben, suaderu , wie Cicero selbst sagt (ad fam. IX B. i). nur die 
Gemeinsamlceit ihrer wissenscliafllichen Interessen und tlu-er t reundsoliufl 
aosgesprodien werden* Wie PiatiMi die Widmong seiner Dialoge aus- 
8pracii| 8* o. S. 948. 



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522 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



sichten oder auch nur sich mit einer Statistenrolle zu begnügen: 
er wollte selber sich mit Varro im Hodekampfe messen und 
obgleich er das 'j.uva richtige GefUhl davon }i;itle, dass in 
einem Varro gewidiueleii Dialog dieser nach nlleü lU?geln der 
Höflichkeit den Sieg behalten müsse so scheint er schliess- 
lich doch auch in diesem Dialog wie in andern sich selber 
den aristotelischen wPrincipat < (ad Alt. XIII 19, 4) gesichert 
zu haben "^j. Der dritte Thcilnihmer am Gespräch war Atticus^l, 
der indessen nur wenig zu Worte kam^]. Alle drei sind noch 
lebende Personen, dies deutet auf ein Gespräch aus der Gegen- 
wart und zwar ist es eins nns der allemächsten wie im Brutus 
(o. S. 497, 3)y Bo dass die Zeit der Scene von der Zeit der 
Abfassung kaum getrennt werden kann. 
Verhaitniss In allen diesen StflclLen nnteracheidet sicii die sweite Be- 
^^^^S^^ arbeitung wesentlich von der ersten. In anderer Beziehung griff 
aiMtvg. der Unterschied nicht eben tief, so dass er bisweilen nur im 
Wechsel der Personennamen bestand*). Die Gliederung des 



I) Ad Alt. Xm 49,5: ttaque, ut legi toas <ie Yarrone, tarnquam 
IpIMuov arripui': aptius esae nihil potait ad id pblkiiopbiae gemna^ qno 
ille maxime mihi delectari videtur, easque parlU, utnon sim con- 

sccutus ut superior mea causa videatur; sunt enim vehementer 
rtflava Antiocliia. ijwnc dilipoiiter a me expressa iMMitiv-n habcnt Antiochi 
rlc. Der ahm der herausgehobenen Worte . an denen nichts tu ändern 
iäl, kann doch nur der sein: uDie Sache des Antiochos wird so ausgezeich- 
net geführt, dass die skeptischen Argumente dagegen nichts ausrichten«^ 
»Eben daram, meint Cicero weiter, würde sieh Varro flir efne solche 
Rolle fldiicken: denn meine Absldit Ist ihm eine Ehre tu erwelaeD nod 
Ehre hat er doch daTOOi wenn er als Sieger ans einer Dispiilatlon her- 
vorgeht <>. 

9' Ad AU. XIII 25, 8 redet offenbar sein bösps Gewissen, wcxm er 
fürchtet, Varro werde sich beschweren, weil Ciceros Ansicht im Dialog 
bosser verthcidigt werde als seine eigene. 

8) Ad Att. Xni 9. 19, 3. 22, 1. ad (am. IX 8, 4. 

4) Er mochte bei der Darstellong der griechischen PhUoMphie die 
richtige Wahl des lateinischen Aoadmcks überwachen (ad AtL XII st, 8 
de fin. V 96 Krischc Gölt. Studd. 1845. 2. S. 175) ttnd konnte die häufige 
Erwähnung Fpikurs und seiner Lehre, wie wir sie den Stellen Acnd pr. 
19. 79.. 80. 82. 101. lOß cidspreehend aitrh für die zweite Retirl>i itüng 
der Academien vornti'?*;et/.('n dürfen, zum Kint:reil"en ins (ies|)riieh benutzen. 

5} l>ies deutet an ad Alt. XIII 14, 2, wo Cicero mit Bezug wul die 
bereits forlige swefte Bearbeitung schreibt: Opinor igUar coDBldereii»ts: 
etat nomine jam lacta sunt; sed vel inducl vel mularl posaunt Seihat die 



Römer. Cicero: Academica, XusculaneD. 



523 



Stoffes war in der Hauptsache dieselbe : aucli in der zweiten Be- 
arbeitung fand wohl nur einmal eine AenderuAg der Scenerie 
statt und scheinen hiernach ähnlich wie in der Schrift de 
finibus je iwei Bftcher zu grösseren Abtheilungen vereinigt 
worden lu sein, woYon die erste inhaltlich dem Catulus, die 
andere dem Lucullus entsprach. Mit der Schrift de finibus 
i»t der iweiten Bearbeitung aber noch etwas Anderes gemein^ 
die systematische Behandlung ihres Gegenstandes^). Es be- 
dingt dies abermals einen Unterschied von der ersten Be- 
arbeitung, dessen Beobachtung nicht unwichtig ist Auch 



dUrftigün Fragmente Her z\veiten Acndemica gebon für dio^o^ Vorfahren 
noch ein Beispiel. Fr. id Halm lautet: latent isla ouuiia, Vai ru, niagnis 
oiwcorata et dreuinftiBa tenebris. Die entsprechenden Worte Im LncuUu« 
sind 4 SS: latent lata omnla, LucuKle, crasaie occaltata et drenmAisa 
tenebris. 

i] Ein Wechsel der Scenerie scheint im dritten Buch stattgefunden 
zu luibon. da diesi^s <*-\n besondprcs Proömium hatte f;u1 Atl. XII 6, 4). 
Eine Dcdication enlliielt dieses Proumiurn tvicht o. S. äil. es kann 
nur eins von der indifferenten Art gewesen sein, wie wir es vor dem 
rweiten Btioh de divüiatione finden. Bedeutend war der Wechsel der 
Scenerie schweriich: im ersten Bach fttbren sie In Varros Villa sitzend 
(14) das Oesprtteh, im dritten war davon die Rede, dasa sie am Lncriner 
See sitxen und die springenden Fische beobachten (fr. 13H.}. Immerhin 
mns<« ihm oin Ahsobnitl auch in der Disposition des Inhalts entsprochen 
haben. Nun ergibt, was uns aus den Inideii ersten Büchern erhalten 
Ist. jedenfalls so viel, das« darin einmal von der (ieüH;hiehte der Akademie 
die Hede war und ausserdem die Theorie der Skepsis so weit besprochen 
wurde, als sie mit den Thatsaefaen der sinnlichen Waliniebmang in Kon- 
flilLt kam, also eine populflre Seite hatte. Genau diea aber Ist es, was 
anch den Inhalt des Catolus ausmachte (o. S. 508). Die beiden folgen- 
den Bücher dagegen bedeuten wie der Lucullus eine wissenschaftliche 
Vertiefung der Erörterung und reprSsentiren den Kampf der l>eldMi Aka- 
demien gegen einander :o. S. 5101 

i) Ad Att. Xlil 13, 1 : grandiures sunt (die vier Bücher der zweiten 
Bearbeitung) omnino quam erant ilU, sed tarnen multa detracta. Hiermit 
stehen nicht In Wldefspmch die ebenda bald folgenden Worte: multo 
tarnen haec (die xwelte Bearbeitung) emnt splendldlora, breviora, 
mellora. Gefeiltere und systematischere Darstellungen sind umfangreicher, 
nnmontlirb gohalt voller; der sprarhlirhe Ausdruck im Einzelnen pflegt 
ditgetion in ihnen kürzer und knapper zu sein. Sobald man nur dir Worte 
nicht p^es^l, was al)erliuupt ungehörig ist, besonders aber im Briefstil, 
so geben sie zu Aenderungen, wie sie Birt Buchwesen S. 354, i vorträgt, 
kehlen Anlass. 



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V. Wiederbelebttng des Dialogs.. 



Cicero, sehen wir Ueran, nimmt mit seiner dialogisch«! Sohiift- 
stellerei eine ühnliche Bichtung wie Platon: nachdem or den 
Dialog anfangs mehr su essayartigen Erfirternngen benutst 
hat^ gelangt er mehr und mehr daiu ihn auch fOr erschSpfende 
und susammenfossende DarsteUungea su yerwenden, die Ober 
ein bestimmtes Gebiet der Wissenschaft unterrichten wollen. 
Historiiebe So nahe die Academica in der sweiten Bearbeitung der 
Grundlage der Qg j^^g^j des Verfassers stehen, auf den Boden der Wirk- 

clcero 01 sehen ~ 

Dialoge, lichkcil sind sie darum doch nicht getreten. Auftdrücktich 
gesteht Cicero an Varro, dass Gespräche, wie er sie da halten 
lasse, in Wirklii'bkeit zwischen ihnen niemnls Statt gefunden 
hätten, und beruft sich zu seiner EntsclniMiiiuiiß aut die Ge- 
wohnheit der Dialogo'). Gegen diese Ri.-d. die für Brutus 
Hortensias, die Academica in beiden Bearbeitungen und die 
Schrift de finibus ohne Zweifel gilt, verstösst aber schon der 
TttoaUaaiu nächste Dialog Gceros, die Tusculanischen Disputationen, 
die, wenn sie auch selbstverständlich nicht wirklich gehal- 
tene Disputationen genau wiedergeben, doch auf dem Boden 
der WirUi<dikeit gewachsen shid>). Schon frOher hatte er, 
um sich Ober den Verlust einer rednerischen Wirksamkeit su 
entschSdigen, rhetorische Uebnngen mit Jungen Arennden ab- 
gehalten'), in Rom und wo es sich gerade traf, unter andern 
audi auf seiner tusculanischen Villa Diese Uebungen wur- 
den nun auf philosophische Themata fibertragoi. Er hatte 
hierbei das Vorbild seines Lehrers Philon vor Augen, dem er 
auch darin folgte, dass er die rhetorischen Uebungen auf den 
Vormittag, die philosophischen Disputationen auf den Machmittiig 
verlegte^). Von diesen philosophischen Disputationen sollen 
die als Uusculanische Disputationen« verötleatiichteu eine Vor- 
stellung geben 



i) Ad fuD. IX 8, 1. 

S) o. & 476 ff. 465. 495. 

8) o. S. 495. Drumano VI 955. 

4) Ad fam. IX 16, 7. 

"i 1 uscul. Ii 9 !ll 7. Aristoteles war umgekehrt verfahtrn, well 
für itiii diü Philosophie in erster Linie kam; die Hhetorik in xweii«r, 
nicht wie für den Romer in erster, 

6} I 7. V Weuo auch an wörtlich genaue Wiedergabc nicht 
gedadit werden kann (trotz des »eisdem fere verbis* U 9 und des »« 



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Rifmer. Cieero: ToseulaDen. 



525 



Sie haben die dramatische, nicht die erzählende Form, Dramatische 
wovon diesmal Bequemlichkeit (1 8) ähnlich wie bei Platon 
(Theaitet. p. 4 43 Bf.) und später bei Cervantes (Schluss der 
novela del casamiento enganoso) die Ursache ia(*). Dass diese 
Dispatationen eigentlich nur ein Anhang za rhetorischen 
Udtimgen aind, verrilth sieh in dem starken rhefioriBoben Bei- Bbetoriacber 
gesdunaek, der Ihnen nnter allen philosophiaolien Schriften 
Ciceroa am meisten eigen isl^. Die »x^Xal der griechischen 



lali quodam diidiis exordio«, was vielmehr an platonische Weadungen 
wie Synnp. 474 A. < 78 A.C. erinnert) so zeigt doch die genauere Zeil- 
bestiniumng an der ersten Stelle fttuini post discessum) dass wir es hier 
nicht bloss inil einer Ficlum /u lluui haben. BestUligt wird es durch 
das was wir aus den Briefen über Ciceros rhetorische lebungen wissen. 
Doch schelaea die philosophischea Dlspataüoaea erst spSter hinsagekont' 
raeo sa sein; wenigstens kamt Hlrtlus dergleidien nur aus der LectUre 
der Tiiscolaaen (de fSto 4) und Birtius hatte doch an den rhetorischen 
Uebungen der früheren Zeit Theil genommen o 1^4. u. 4 ; nur etwas 
Aehnüfhes. nicht dasselbe waren die rhetorisch-philusüpluÄciicn Erürle- 
ruiiL'i'ii, <lie den PHrii(i'i\a Sfoieonun 7ii Hrundp liegen (o. S. 'i96). Das 
»tuuni posi diACcssuaia f^crude auf Brutus Abgang in die Froviuz Galiieu 
zu beziehen (so schon Drumann Vi 848. Heine Etnl. V} ist nicht noth» 
waldig; es kann au^ nur eine fintlemiing von Tusculnm Überhaupt 
gemehit sehi. Da nun Brutus auch 45 v. Gur. mit Cioero dort susammeo 
war (ad Att XIII. 4. 5 .7. 23, 1, Drumann IV t? f.}, so hindert nichts die 
Disputationen in dieses Jahr zu verlegen, so dass sie der schriftlichen 
Aufzeichnung kurz vorhergegangen wnrcn. JedenfaH« sollen wir nach 
Cicero uns die Sache so vorstellen, da ei im (iespräch selber (V 8i) das 
vierte Buch der Schrift de finibus ciliren iassl. 

I) o. S. Amters ki der Schrill de legibus o. 8. 476 t; dodi 
wirkte auch hier das Yorbild Piatons. VgL noch u. ttbw Cato major 
und LiHns. 

2} Einen solchen erhalten sie nicht bloss durch die wortreiche glttn- 
zende lebhafte Weise des Ausdruiks sondern auch dun h Acns<ienin}»en 
Ciceros, die sich perad»' hier tinden und in denen iMiil(iso|ihie und itbe- 
torik einander hesonders nahe gerückt werden. I G licissl die l*hilo- 
sophie die Quelle der Beredsamkeit. I 7 schwebt Aristoteles, weil dieser 
Bow<^ Rhetorik als Philosophie lehrte, dem Verfasser als Moster vor, 
und nur diejenige Ptulosoplila soll die vollkommene sein »quae de maximis 
quaestloDibus copiose posset omateqne dicere«. Von dem lelsteren sollen, 
wie es weiter heissl, die Tusculanen ein Beispiel geben, gewissermaassen 
eine praktische Widerlegung der attlcistisehen Redner, tiefen die theo- 
retisch II 3 piotestirt wird. Der »rhelorum epilogus« l Hi liat liieniai h 
nichts Auffälliges. Endlich wird das Dispulalionsverfahren der Pcripa- 
tetlker und Akademiker, das auch Cicero iu dieser Schrift ehihiüt, von 



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V. Wiederbelebung des Uialogü. 



Philosoplien^) wurden durch sie tarn ersten Mal in die römi- 
sche Literatur eingef&hrt. 

Das nächste Miisier boten die Schrillen der neuen Aka- 
Abhäogigkeit demie, namentlich des schon genannten Philon^). Die Abhängig- 
m FhtloB. j^^.jj^ ^jjjj jj^jj^ betrifll den Inhalt 3) wie die Form. Wie \seit sie 
reicht, zeigt sich namentb'ch in der skl ivi^rhen Art. in der iacero 
ein Mal sein eigenes Iriiher ausi4es{»rucheries rrtheil demjenigen 
Philons zu Liebe aufopfert. In der Schrill de linibus hatte er 
noch gegen eine falsche Auffassung der sokratischeu Methode 
geeifert, wonach diesell^e identisch sei mit einem Bestreiten 
aufgestellter Thesen in längeren Vorträgen. Besonders den 
Akademikern hatte er einen Vorwurf daraus gemacht, dass sie, 
die Nachfolger des SolLrates, dieses MissverstSndniss theilten^). 
Jetit theUt er selber nicht bloss dieses Missversttindniss^) son- 
dern gibt ihm sogar praktische Folge, Indem er das sokratisch 
sein sollende, von Ihm aber frtther als sophistisch verpönte 
Verfahren sur Anwendung bringt*^). 

Deutlicher können sich die Ffiden kaum au erkennen 
geben, die ihn, als er die Tusculanen schrieb, an die neue 



ihm II • auch deshalb gertthmt »qiUMl esset ea maxuma diceodi exer- 

cilaUo«. 

1) 1 7 f. 11.^. III 81. s. o. S. 36'J, 2. Der, Tnlcrschied von ^tatpißa 
und ayoXat bewahrt üich auch iu den ciceronischen Schriften. Von den 
otctTp. geben ein Beispiel die Piuadoxa (o. S. 496. vgl. auch 518. jj: dort 
wird die Rede fortwälirend durch Einwürfe, die widerlegt werden, untcr- 
brodien, in deB Tttscolanen fliesst der Strom gleicbmMssiger. 

S) II 9.S6. üeber derartige Scbrifteii des Kleitomachos o. S. 416. Um 
den akademischen Charakter voll zu machen» floden die DispatatioDea 
in der Akademie statt, freilich nicht in der echten wie de ttn. Y 4, son- 
dern in dl r Nachbildung auf Ciceros Landgut vgl. II 9. III 7. Cicero 
sagt II 9: in Aeadcrniam descendinuis III 7: in h. nostram deseendimus 
(vgl. atu'h IV 7 und die Erwähnung des karneade»^ V M . Kr hraiu fit da- 
mit vuu sich einen Ausdruck, der, wie es scheint, iii Üe^ug aui ivarueades 
Stehend iwar und den Cicero als solchen wohl in den Schriften der neuem 
Akademie vorgefunden halte: wenigstens benutsi er de lato 49 als Bei- 
spiel den Satt »descendit in Academiam Caneades«. 

8) Unterss. su Ciceros philo«. Schriften ID S7Sff. 

4; De fin. II 2, 

5) Tusc. I 8. VII. 

6) Speziell nennt er de tin. Ii 4 Gorgias aU duOf der sich dieae» 
Yerfabreus l>edieote. 



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Rflmer. Cicero: TuBcahnMD« de foto» de nslura deoroin. 527 

Akademie knüpften und die er nicht zu zerreissen wagte ^J. 
Aach ihm selber konnte dieser Widerspruch kaum entp 
gehen und im BewuMtsein desselben hat er sich wohl eine 
Hinterthür sur Rechtfertigung oifen gelassen. Er hat n&m- Enge 
lieh den längeren VortrSgen, die er akademis«hen Schriften ^^^^^^ 
entnahm, kürzere dialektische GesprSehe, offenbar eigener 
Mache, Torgesetit^. Durch sie schien der sokratische Cha- 
rakter gewahrt su sein'). Es ist dies dasselbe Yerfahren, 
das wir schon aus der Schrift de finibus kennen (o* 51 8, 1 ). 
Mit dieser Schrift stehen die Tusculanen auch dem Inhalt nach 
in der engsten Besiehung, da sie die dort mehr wissenschaft- 
liche und principieU gehaltene Erörterung ethischer Fragen 
pupuISr verbreiten und rhetorisch flirben^}. Auch das Yer- 
hältniss Ciceros zu seinen Mitunterrednern ist in beiden 
Schriften das gleiche: die sokratische Weise bricht (lariu durch, 
dass es jiiiit^ere Leute sind, ia der St hriU de hüibuä bestimmte 
historische Persönlichkeiten, in den Tusculanen mehr die Ju- 
gend in abstracto -^}, das Residuum der concreten PersönUch- 



4) tnterss. zu Cic. ph. Sehr. III 379, 4. 

fl) I 9 01 ina ff. lU 7 ff. V <S ff. Dass es Cicero hierbei nur auf die 
Snssore Form ankam, zeigt das fttr den Inhalt ganz gleichgilUge Gesprttch 
IV S ff. Vgl noch Unterss. zu Gtc ph. Sehr. III (57, S. Selten und un- 
bedeutend sind Unterbrechungen der Vortrige durdi GesprS«^ wie 1 
7Sff. IV as. 46. V 73. 82. 

5) f><1cr sollten hier AristoteIl8<;he Dialoge <ins Vorbild gewestii sein? 
Bei Boellnus Con** j>hil. I G S. 20 f. l'eip.) fra^l die Philosophi»« ob sie 
erst in einem liurzi-u Gespräch den GeistesiuütHnd des B. piulen solle. 
Modi in den erhalteaen Schrillen des Aristoteles sieheo bekanotUeh am 
Bittgang der Cntersaehong dialektische Brtfrteningea. 

4) Auf die Schrift de Snlb. nimmt Besiehung Tose. IV SS, nocb 
deutiichrr V 32. Auf die Tusculanen, besonders das ffinfte Bndi scheint 
hlnmdeuten de fin. V 77 fscd ({iiaiita Sit, aliasV 

5) M. ist Cicero selber d. i. Marcus, wie sit h aucii Varro in st inon 
Dialogen als Marcus einführte ^Riese satt. Men. praef. S. 29) vgl. i. U. I 
109. U U (V 77). 61. lU S8. IV 52. V 22. Diese persönlich individuellen 
Beaidiungen verUelea an einen abstraden »Magister« au denken. Dass 
unter A. Attieus ra verstehen sei, wie froher auch Zeller Plul. d. Gr. 
III» 519, 3' meinte, wird ausser durch andere Grunde auch durch die 
väterliche Ermahnung widerlegt, die Cicero diesem A. II 6S f. 66 zu Theil 
werden lässt. Vif^lMH-lir ist, worauf auch die histuriscbe Grundlage der 
Tusculanen führt, ein junger mit Cicero befreundeter Mann gemeint, dt sscn 
optima sludia er zum Scliluss von Buch II lobt. Er i^t der ReprusciilHtit 



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528 



V. Wiederbeiebuag des Dialogs. 



keiten mit denen Ciceru die wirklichen Gespräche getuhri 
hatte 

dd £itot Als Cicero später noch einmal in seinen Schriften auf diese 

Form der oxoXal zurückgriff und in der Schrift nvom Schick- 
sal« eine nachträgliche »disputatio Tusculana« lieferte^), hat 
er es vorgexogen, statt eines Ungenaiinlen den A. Hirtius ein- 
suführen, den Anhänger Casars, der uns audi sonsl als Theil* 
nehmer an Gicenis rheioriscfaen Uebungen bekannt fst^. Zwi- 
schen dieser Schrift imd den Tüsculanen liegen aber der ZeH 
nach noch andere, in denen Cicero wiedw anderen Formen 
des Dialogs den Voriug gab. 

d« Uta» Ftsi altmodisch muss nach den letoten Bemerkungen der 

'*™^ Dialog sftber das Wesen der GOtter« erscheinen* Denn 
weit ab von der Gegenwart führt er uns in die Jugendteit 
Gioeros snrOck, nahesn in dieselbe Zeit) in welcher der dritte 
Dialog de finibus spielt^), und die auftretenden Personen, die 
uns aus älteren Dialogen Ciceros, sogar der ersten dialogischen 
Periode, bek.inul aiud, bilden ein Band, wodurch, wie wir 
schon liiiiiiiil gesehen haben (o. S. 50G), Cicero auch sonst 
spätere üud frühere Dialoge mit einander verknüpft hat. 

Personen. Als einen eifrigen Epikureer hat uns bereits Crassus im 



aller derer, dir hu Cicoros rhetorisch-philosopbischen Uebungcn in Tu»- 
culum tlii-iliiiiiiiiHMi Au «MiK> iodividuello Persönlichkeit zu denken nOtbigt 
auch 11 i6 niciil, da iti Athen damals sehr viele junge Römer studirt 
hatten und Uisbesondere dk» tob ftUeo gelten mochte, die damal» bei 
Cicero in Tascaluni xusammea ktunen. Also neiuMii wir Iba Adelesoea» 
wie Cicero salber thei II W, an der «insisen Stelle so viel ich weiss, ea 
der er ihn Uberhaupt anredok So wird also auch A. aoCmlöseil sein (und 
nicht durch Auditor), sei es nun, dass diese Bezeichnung von Cicero selber 
oder von einem Späteren herrührt, der jene einzige Stelle im Aupe hatte. 

Etwas Aeusserliches beiden Schriften Geiueinsames ist noch, dass 
in den mitgctbeilten Dialogen die Thetlnehmer während des Gesprächs 
bald Sitten bald spaslaraii (de flu. I 440. lU V I. 9f; Tuse. 1 7. U 9 
vn). Es scltelnl mir nidit amgescfalossen, dass dieser Wedisel von 
Cicero beabsichtigt ist. Spiter ist dies besonders in Plttlarcbs Gesprichea 
die Regel. 

2) De fatt) 4. Das Gespräch findet aUenUngs niclit in Tudcalam, 
sondern in l'iileoli statt (a. a. 0. 2), 

3} Weiteres über diese i?i!hritt s. u. 

4) Leber diesen s. o. S. Die Sceno von nat. dcor. iuus:> zwischen 
78 und 7S and kann bald nach 75 angesetii weiden (SchOmann Ebd. S. a«*Jii 



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Ruwer. Ciceru: de oaturu Ucorum. 



Ö29 



Geaprlcfa »vom fiednert (III 78) seinen Frewid G. VeUeJtts vor^ 
gestelil, ebenda hSnm vrtr aucli Yom Stoiker Q. Lucilius Bai- 
bus, der DOS ausserdem auch schon als eine Gespräch sperson 

des Hortensius (o. S. 501, 1) begegnet ist; endlich C. Cotta, 
der schon im Gespräch »\uiii Ueduerce eine nicht unbedeutende 
Rolle spielte, hat mittlerweile den Entschluss, den er dort als 
junger Mann kund gab, die akatlemische Philosophie eingehen- 
der zu Studiren (III 145), zur Ausführung gebracht und ist 
nun als reiler Mann der würdigste Vertreter der Skepsis ge- 
worden'). Das Gespräch findet !»ei Cotta statt in einer Exedra^): Sceneri« and 
die Gelegenheit — denn noch bedurfte es einer solchen und ^^■P®''****'*« 
war die Zeit noch nicht, da die politischen GeschSfle in der 
Hand eines Einzigen ruhten — boten, wiederum ähnlich wie 
in den älteren Dialogen »vom Staat« und »vom Redner«, die 
Tage des Latinerfestes und es ist wahrscheinlich, dass ebenso 
wie in den genannten Dialogen, auch hier auf die einzelnen 
Tage des Festes die einzelnen Theile des Gesprächs, vertheilt 
waten'). Cicero selber ist beim eigentUohen Dialog ttber^ 



Hier findet also wirklich eine Entwirklmip von Dialog zu Dialog 
statt. Der Fall ist schlageuder und überzeugender als der den Krische 
vermutbete (o. S. 507, S). 

a) Dass es gerade eine Villa war {Scbömann zu 1 1 5), ist nicht ge* 
sagt. Auch da re publica findet in den Gürten des Scipio, aber doch 
lücbl auf dem Lande statt o. 8. 460; das gleiche gill vom Brutus (40). 

8} Jetzt läuft der Dialog allerdings in einem Zuge fort; die Bflober^ 
einscbnitle sind ganz äusserlich und nicht einmal durch besondere Pro- 
omien gerechtfertigt. Dass aber ursprünglich es Cicero anders im Plane 
hatte, verrathen noch zwei Spuren. Im zweiten Buch citirl Baibus 78) 
deu Vortrag des Vellejus und bezeichnet ihn gleichzeitig als einen Tags 
vorher (besteroa die) gehaltenen. Dass Cicero hier In seiner Fittcbtigkelt 
Buch und Tag verwechselt und, was In das vorhergehende Buch febdrt, 
auf den vorausgehenden Tag verlegt habe, Ist gewiss recht unwahrscbeln- 
lieb, mag es »uch sonst gerade in dieser Schrift an FlUchtigkeitsproben 
nicht fehlen. Wer vielmehr bedenkt, das« Cicero auch andere seiner 
(lesprilchc über verschiedene Tage erstreckt, und wt-itor sich criniiorl, 
wie oft er bei der Ausarbeitung düu Plan üciuer Wurku änderte, der wird 
es wahrscheiDÜcher flndcn, dass er auch mit der Schrift de natura deorum 
ebenso verfshren sei- und dass Jenes Citat In Brtnnemng an einen frttheren 
Plan gegeben ist« nach dem der epikureische Vortrag und die sich an- 
schliessende Kritik einen Tag für sich ausfüllen sollten. Diese Vermu- 
tbung wird noch dnioh Iii 18 bestätigt. Hier sagt Cotta mit Beaog auf 



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530 



V. Wiederbeleb uug des Dialogs. 



f1ÜR<iig: er kommt zu Cotta als die Andern bereits initU'ii in 
der philosophischen Erörterung sind uad spricht im Ganzen nur 
ein paar Worte. Von (iein Ctesichtspunkt der dialocis- hen 
Kunst IHsst sic-li seine Anw «'sniheit nur rechtierti|:en nls rincs 
der Mittel, deren die Diaiogenschreiber sich gern bedienten 
um sich vor den LoBem dartil)er auszuweisen, dass sie in 
der Lage waren von dem erzählten Gespräche KeDiitiiiBS la 
haben lo. S. 215. 465, 3. 484, 1). Ausserdem mochte Cicero 
aach den Wuoach haben, irgendwie auch semer eigenen Ansicht 
über die verhandelte wichtige Frage Ausdmek m geben. Aber 
hier Mgt man, ob er dies nicht ebenso leicht und beaser auf 
anderem Wege Ultte erreichen kennen, wenn er das GesprSch 
mehr in die Gegenwart herabgerüekt bitte: dann wäre auch 
La«ns. die Möglichkeit gewonnen worden, den Lucrei ins Geaprflch 
einiulfthren, der nach der Ansicht Neuerer den Standpunkt 
Epikurs besser vertreten haben wOrde als Vdlejus. Ob Cicero 

den Voilrag de:» Uulbus üogar nullius tertius. Dieser Tiiatstx tx' gegen- 
über htill die Hypothese, dass nur eine einfache Yerwechseiuut; vou Uueh 
«ad Tag stattgefündeik habe, olchl Staad: denn Balbos Vortrag fhUt das 
gweile Bocb, erforderte nach dieser Hypotheae also vom Slandpankt des 
dritleo Boches aus eio »heetemo die«. Mit eiiier AbBodemog des Plans 
erklärt sich das Versehen aber leicht: denn die Worte des Balbu», auf 
die siel) Cotta bezieht, gehören einem hesondern ersten Theile des stoi- 
schen Vnrtnicn> . der zur Auffzabe hat, di»^ FvistenE der Götter zu 
beweisen ( — »5,; es ist daher sehr glnublich dass Cicero urKprünglich 
die Absicht hatte, diesen ersten Theil vua Bulbus Vortrag mit zum Ge- 
sprach des ersten Tag^ zu ziehen, so dass, wenn wir uns noch einen 
besonderen Tag für die Besprediung der stoiscbeo Theorie reservirt 
denken, ein »nudius terlius« Im Munde Cottas dann woU hatte am 
Platze sein können; um so mehr wird dies glaubllcb, als BtlbttS jettt 
noch (II 8) keinesw^s von vornherein geneigt ist, den ganzen Vorin^ 
in einem Athem zu halten, sondern viel lieher den aweiten Iheii für 
eine spatere /cit aufsparen möchte. 

1) kns( Tie. Theol. Lehren S.2<. Munro zu Lucrez II S. 4 I. Sonder- 
bar ist die Meinung des letzteren, Cicero wurde den Lucrez wohl au 
Stelle des Torquatos und Vellejus eingeführt hahen, wenn Lucrez zu der 
Zelt als Cicero die Schriften de fln. und de nat. door. veilasste^ noch am 
Leben gewesen wäre! Aber waren denn Torquatus und Veik{|iis damals 
noch am Lehen? Die Neuem haben eine begreifliche Neigung Lucrea 
zum Vertreter der Weltanschauung Epikurs zu wühlen: als solchen hat 
ihn Voltaire in Gesprächen mit Posidonins auf die dialogische BUhne 
gebracht. 



Rtfmer. Cloero: de natura deoram. 



534 



eine solche Gel« v^cnhcit, den Lucre/ in einem Dialoge auftreten 
zu lassen, benutzt haben würde, ist mir zweifelhaft Sicher 
181, dass er diese Gelegenheit nicht gesucht hat; und er hatte 
gaten Grund dazu, denselben der ihn schon früher bestimmt 
hatte die GesprSche »Ober den Staat« lieber in der Vergangen- 
* heit spielen zu lassen (o. S. 479, S). 

Aucli die Religion war im Sinne der ROmer eine poll- Beiigion 
tische Angelegenheit, aufs Engste mit den Institutionen des 
Staates verflochten; Polybios (VI 56, 6 ff.) halt sie, selbst 
in ihren aberglSubischen Formen, fOr ein wesentliches Binde* 
•mittel desselben. An dieser Sfiule des Staates wirklich 
:su rOtteln, war bisher keinem ROmer eingefallen. Varro 
und Lticrez*) hatten schliesslich nur die Auswüchse der 
Religion bekämpft, ja Varro hatte in einer Zeil, wo auch 
diese Stütze des Staates ins Wanken kam, sie durch den 
Rationalismus seiner Satiren, noch mehr aber der ))Antiqui- 
tates divinae«, die er eben deshalb aurh rlcin P lUilex Casar 
widmete, aufs Neue zo befeslii:» !! ljcsik h( und war hierin mit 
Nigidius Figulus zusammengelroflen, der dasselbe vom Stand- 
punkt des Mysticismus aus unternommen hatte. Cicero selber 
hatte in seinen früheren Schriften »vom Staat u und «von den 
Gesetzen« durchaus das Glnnhenabekenntniss, wenn nicht 
dines Orthodoxen, so doch eines Gonservativen abgelegt. Nun 
aber wagte er es in seiner Jflngslen philosophischen Schrift, 
den Gnmd aller Religion, den Glauben an die Götter, su 
untergraben: zwar sprieht der Stoiker su Gunsten der Re- 
Ugion, aber der Akademiker behfilt mit sehien Zweifeln das 
lallte Wort>). 

4) Unsere Scbaisung desLucFez ist eine anderei als diejenige Cioeros 
war. Uod Uber Vellejns geringschätzig zu urtheilen, als wenn er ein 
minder würdiger Vertreter des Epiknreismus gewesen wäre, haben wir 
gar keinen Grund. In einer Beziehung halte er allem Anschein nach den 
Vorsprung vor Lncrez, dass er nnmlifh mit Cicero befrPimdot war, und 
d;f> i«t gerade der L'rnstand, der hei der Entscheidung der Frage, ob 
Jeui.uhi sich zur (iespraclisiierson in einem riceronischen Dialoge eignet, 
vor allem in Betracht kommt [o. S. 506 f.}. 

9) Die Polemik des Lncrez entnimmt ihre Beispiele firemden Gottes- 
diensten, nicht den ^nheimischen, und dasselbe gilt, so viel Ich mich 
erinnere, auch von der varronischen. 

5) Man sieht hisfnach, wie es mit der Ansicht steht» die in Qceros 

84« 



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532 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



OottM knd Konnte Cicero dies nun auch kaum vermeiden, nachdem er 
PiMTOMiw einmal angefangen hatte die wichtigsten Fragen der Philosophie 
zu erörtern, zu denen damals auch die nach dem Wesen der 
Götter gehörte, und hierbei die akademische Auffassung nach- 
drücklich zur (icUnng zu bringen, so hat er wenigstens Alles 
gethnn, um sii h möglichsl gegen Vorwürfe zu sichern. Er Hess 
Andere für si< h reden. Den Cotta hatte ihm Atticus schon 
einmal als Vertreter der Skepsis für die zweite Bearbeitung 
der Academica in Vorschlag gebracht (o. S. 521); als Ponti- 
fex ^) eignete er sich in einem Gespräch tlber das Wesen der 
Götter besonders zu dieser Rolle, da er als solcher Yon dem 
Privileg der Theologen Gebrauoh machen konnte, denen man 
Manches hingehen ISsst was einem Laien als Blasphemie aus- 
gelegt wird. Auch trflgt er seine Ansicht in der mildesten 
Perm vor, er wttnscht sogar widerlegt su werden (HI 95). 
Aber nicht einmal fttr diese gemilderte Skepsis wollte CSoero 
die Yerantwortong Obernehmen. Man sollte bestimmt wissen, 
dass seine Ansieht nicht diejenige Cottas sei: deshalb erklirt 
er ausdrücklich zum Schluss des Dialogs, dass ihm die stoische 
von Baibus vorgetragene Meinung wahrbcheiniicher vorge- 
kommen sei^). 

So gegen etwaige Vurvs urfe gepanzert konnte Cicero 
wohi sein Werk ins Publikum gelangen lassen. Dadurch, 
dass Ciceros Person darin zurücktritt, fast stumm ist, nimmt 
es unter den systematischen Werken der späteren Zeit — 
denn von Cato und Läiius darf ich absehen — eine eigen- 



Schrift eine Ahwokr der von Lncrei g^eo die Heilgion gerichteten An* 
griffe siebt. Auch sonst ruht die Ansiebt auf schwachem Grande. Daw 
das Gedicht des Lucrez auf die damaligen Römer überhaupt und dass 

es insbesondere auf Cicero einen so starken Eindruck hervorfrebrachi 
hal)e, der eine Erwideninu; nOthig machte, ist bis jetzt nicht erwiesen. 
I ntorss. zu Ciceros plulos. Sehr. I S. 9 ff. In der dort begründeten An- 
sicht bin ich durch Munro zu Lucr. II 6. 4 f. u. Anmki^. zu II 1 092 picht 
umgestimmt worden. Vgl. noch Woll|er Lncret. philoB. 8. 7, 4. 

4} N. d. n i. 468. III 5, 94. I9t es ganz snttlllg, dasa bei Cloero 
ein Pontlfex die stoische Theologie beatreitet, also Gedanken und Lehren, 
die denen ähnlich waren die Varro In seinen Antiquilatcs divinae nieder* 
gelegt und die er dort einem anderen Pontifex, dem Cäsar, gewidmet 
und empfohlen heiti ? S. Merkel ad Ovid. Fast. p. GXf. ^ 

S) Vgl. auch 1 14. 



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Mmnt, Gioeroi di natan deomm. 



533 



tbttmliolie Stellung ein, die bei Giceros Alter und bei dem 
Anseheii, das er damals als Philosoph bei seinen Landsleuten 
geniessen mochte, snnSohst auffiOlt^ durch das vorher Be- 
merkte aber ihre BiUArang gefunden hat. Gioero hat ttber- 
dies, was seiner BoUe im IMalog an Umfang abgeht, durch 
die Gewichtigkeit der Worte, welche er spricht, ersetst Mit 
der Erkllrung, die Ansicht des Baibus sei ihm wahrscheüi- 
licher vorgekommen, beseiehnet er seine eigene Ansieht in 
einer positiven Weise, die gegen die Zurflckhaltung der 
früheren Dialoge sehr absticht. Offenbar erfüllt er damit 
einen Wunsch seiner Leser, dessen er in der Vorrede an 
Brutus gedenkt') und den er dort als unberechtigt ablehnt. 

Er sah, dass mit der karneadeischen Skepsis römischen Didmktliche 
Lesern gegenüber nicht durchzukommen sei. Den Aerger Über 
die verfehlten Versuche, die er in dieser Hijisicht in den vor- 
ausgegangenen Schriften eemacht hatte, spricht er gerade zu 
Anfang dieser Schrill deuthch aus (I 5 und 11 f.l Während 
er daher früher wohl den Gedankt n hatte, der akademischen 
Skepsis neue Anhänger zu gewinnen, so Lnl er das Bekehren 
jetzt aufgegeben und seine Absicht geht aufs Belebren, d. i. 
er will seine Landsleute mit den wichtigsten der griechischen 
Philosophen bekannt machen. Durch diese Absicht ist schon 
der Plan der Schrift de ßnibus bestimmt, indem mit der 
epikureischen Philosophie als der am leichtesten verständlichen 
begonnen (de fin. 1 13), danach eine Darstellung der entgegen- 
geseCsten stoischen gegeben und mit der beide voraussetzenden 
Akademie geschlossen wird. Dieselben didaktischen Rück- 
sichten haben wohl auch die Folge der philosophischen Yor^ 
trOge in der Schrift »irom Wesen der G9tter< bestimmt. Auch 
der lu diesem lehrhaften Charakter passende positive Abschluss 
fehlt in der Schrift de 6nibus nicht gans, da dort am Ende 
(V 95) Cicero sich geneigt zeigt^ den GrOnden Pisos GehOr su 
geben Binen entschiedeneren Ausdruck fand er freilich erst 
in der Schrift »yom Wesen der Gittert, einmal aus dem 
sobon angegebenen Grunde und dann, weil Cicero mittlerweile» 



4) I 10: Qui autem requirunt, quid quaque de tt ipfli sentiainus, 

cariosius id faciunt rpiam necesse est. 

i] Vgl. Uoterss. zu Cic. phil. Sehr. U 635. 



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534 



V. WlederbelebaDg öm Dl^ogt. 



Staatsmftniier 

als philoso- 
phirende 



Dm «c 



indem er in den Tusculanen (Y 33) nicht in das Enthalten 
von jeder bestimmten Meinung, sondern in das Aendem der- 
selben das Wesen der Skepsis setste, das akademisehe Ee- 
sept gefunden hatte, um den thatsSchliefaen Deberseagungs* 
Wechsel su verhtUlen*). Cicero lenkte nach einer Periode 
der akademischen Skepsis wieder in die Bahnen einer positiven 
Philosophie ein, derea Höhepunkt ftir uns die ganz dogmatisch- 
stoische Darstellung »von den Ptlichlea« bezeichnet 2). 

Das akaderaisch-sükralische Mäntelchen hat er deshalb in 
der Schrift »von dem Wesen der Götter« noch nicht abgelegt 
und kokettirt mit der Nachahmung des sokratischen Dialogs, 
die aber wie in der Schrift de finibus Uber die Einleitung 
zu längeren Vorträgen nicht hinausgeht *;. Und wie in jener 
Schriil dies in Zusammenhang damit stand, dass die römischen 
Staatsmänner unter Ciceros Händen mehr und mehr sich in 
philo sophirende Griechen verwandeln, so findet dieselbe Me> 
tamorphose auch in der Schrift »vom Wesen der Göttert 
statt, ja sie wird hier eigentlich vollendet, da die drei Haupt- 
personen des Dialogs, Cotta, Lucilius und Yellejus, uns yon 
Anüing an nur naeh den versduedenen Philosophensdiulen, 
denen sie angehören, charakterisirt werden (145 f.). 

Mit einem deus ex machina (»es s^ Abend geworden, 
darum müsse man das Gespräch abbreohent III 94)*), den sich 
auGli SpStere, wie i. B. Tadtus und Giordano Bruno ^) za Nulie 



4) Der Anachronismes, wonach Cicero dicMm modifisirtaii Skepti- 
zismus bereits im iehr 78 gehuldigt haben würde, gibt aatUrlich weiter 
keinen Anstow o. S. 514 f. — Vgl noch de naU deor. 147, alier eneh 

Orator 237 

Hierdurch ist dn«; o. S. 511,i bemerkte 7i] ergänzen. Zugleich 
mag hier hingewiesen werden auf den kurzen KuckfaH in die Skepsis, 
den de div. und de fato bekunden, der aber dort durch besondere Gründe 
motivirt war. 

5) IH 4 ff. vgl. auch I 4 ff. 

4) Dieser Schluss kann so beceicimet werden, wie im Text ge- 
schehen ist, weil er durch keine frühere Bomerirang über die Tageszeit 

vorbereitet Ist. Anders verhliil es sich rnit de oratore und de legibus. 
Besonders fein und eigonthüiulieh ist der Sehl uss begründet Acad. pr. 147. 
Auch platonische l)iiilo^:e lassen übrij^ens in dieser Hinsicht zu wünseheii 
übrig und klingen nicht alle so voll aus wie das Sympoütou oder der 
Pbaidros. 

5) Aucb Scfaelling's Bruno achllesst mit den Worten: »Jedoch, o 



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Ettmer. Gioero: da dlvinattone. 



535 



gemacht haben, sohUeBBt das GoBprSch^ das auch Bonst Sorg- 
fiül der Ausarbeittmg TenDiBBen IfiBSt und darin zum Theii 
weDigBtenB die Spuren einer Zeit trSgt^ die der FortsetBung 
von GiceioB phiioBophiBoher SehnÜBteUerei nicht gtüistig war. 

IXe In das Gebiet der antiken Theologie einBoUagenden 
Fragen waren in der Sdirift vom WeBen der Götter swar alle 
gefltrelft, aber doch keineswegB alle bo genau erOrtert worden, 
daBB nicht die eine oder die andere eine eingehendere Be* 
handlung su erfordern Boliien. Cicero lieBB daher einige 
NachtrSge folgen. Der widitigBte war die Schrift »von der 
Weissagung « <). Da Bie ein Anhang lur Schrift von den d* difimtiou. 
Göttern iBt^ Bellte man erwarten , daBS sie wie dleae Brutus 
gewidmet wöre. DaBB es trotzdem nicht geschehen ist, ist 
nur ein Zeichen ^ehr der AbfaBBung nach Gfisars Ermordung ^J, 



Freunde, schon mahnt ans die slakende Nacht and das Licht einsam 

funkelnder Sterne. Lasset uns also von hinnen gehen «. Ebenso Lucianos 
Anacharsis (-6 U v'jv lyov dzUujjLCN itd ToAtotCi 4o«<pa -IJSij), wo aller 
nicht an Nachahmung zu tk-nken ist. 

4] Ais Ergänzung der Schrift de nat. deor. wird sie de div. II 3 
and schon nat. deor. HI 40 hezeichnei. 

B) in nenester Zelt haben Uanrer (Jahri». f. PhiloL 4B9. IB84. S. t8$} 
und ihm ^ch anschliessend Schwenke Bore. Jahreab. 4886. B. S. 898 mit 
Entschiedenheit die Ansicht ausgesprochen, dass das erste Buch de div. 
* vor der Ermordting Cüsars abgoTassl sei. da*; zueile nach deiselhen. Sie 
schllessen dies aus dem Froumiuni des zweiten Buches, in dessen Worten 
§. 6 f. Cicero ein neues sehrlflstelleiisches Programm auislelie; dieses 
Programni ist durch die nach Casars Tod eingetretene Aendcrung der 
polltlscben Lage venmadit worden; wBre also bereite das erste Bueh 
nnter diesen nenen VerbHltnissen verfssst worden, so hatte das Programm 
In das Protfmium schon dieses Baclies und nicht erst des folgenden ge> 
hört. Der Schiuss ist nicht zwingend. Die Prograuuuänderung greift 
nicht so tief in das Wesen der rirt ronischen Schriftstellerei ein, dass 
Cicero schon vor dem ersten Buclw ne Lei»er damit hHHe bekannt 
machen müssen; und für das Proumiuui des ersten liuclies hatte er. 
schon einen andern Inlialt bestimmt, der dorthin viel besser passte, als 
in ein ProOmlnm des sweiten. Ausserdem lisst sich aber die Annalmie 
der lieiden Gelehrten, wie mir scheint, mit Giceros Arbeitsweise nicht 
verslnigsn: Cicero pflegte seine Proöniien erst nachtrigUcb den Schriften 
vorzusetzen, v-'w uocU heutzutage mit den Vorreden geschieht; dann ge- 
stattet aber die Ahfassungszeil dei I'ruümien keinen genauen Schiuss auf 
die Abfassung auch der übrigen Schrift und folgt also daraus, dass das 
Proöuiium zu div. II nach Cai>ars Tod abgefasst ist, noch nicht einmal 



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636 



V. WiedArbelebnng des Dialogs. 



einer Zeit, in der Brutus Anderes zu thun hatte und Niemand 
mehr bei ihm auf Bethätigung seines Interesses für philo- 

PmoM sophische Schriften rodmeii konnte. Brutus' Stelle wird yod 
Quiatus Cicero eingenommen der hierdurch wieder in seine 
alten Rechte eintrat^. Schon im dritten Dialog de finibiis 
hatte er eine Rolle gespielt, der vollste UterariBohe Ausdruck 
der AttflsOhnimg der beiden Brader ist aber erst diese Schrift^ 
da in ihr die PersSnliehkeit des Quintus viel mehr hervortritt 
und nicht in eine fem liegende Vergangenheit versetst ist: 

Mt. denn anoh dieser Dialog gehört sn denen (o. S. die in 



(lass das zweite Buch in dieselbe Zeit gehört Aber Schwenke fiiiUel e» 
auffallend, dass durch das Proümium des zweiten Buches der eine Dialog 
unntfthiger Weise lerrissen werde; dieser auffollende Umstand veriange 
eloe besondere ErkMrangi wie sie durch die Annahme gegeben sei, dass 
mitten in die Abüusung der Schrift Qlsars Tod geblleo sei, dn Ereigniss 
von solchw Bedeutung, dass Cicero es nicht ohne ein Paar Worte hin- 
gehen Inssen kf)niile. Nun ist ridUitj, dass Cicorn sonst eine solche 
Kritik, wie er sie hier div. II am Vortrag seines Bruders übt, entweder 
wie nat. deur. 1 mit dem krilisirten Vortrage in einem Buche veroiingt 
oder, wcuu er sie in ein anderes Buch verlegt, wie in de ün., die Dar- 
stellung dieses Bnebes dann nicht nocb'doroh ein frolfoolaiii von dar des 
vorhergehenden trennt Trotsdem nOthigt uns das ebweicfaende Veriah- 
ren Cieeros in der Schiifl de div. nicht ta der von Sehwenl» vntge- 
SCblagenen ErklSrnni- zu greifen. Denn von den angeführten Belspleleil 
unterscheidet sich der \t)rliegendp Fall dadurch, dass in diesem atwar, 
aber nicht in jenen, ein Wtn hsel der Scenerle siaUlindet, Cicero und sein 
Bruder das (lesiirac h . das sie bis tlabio Im Freien spazierend geführt 
haben, dann iu der Bibliothek sitzend fortsetzen j einen Scenenwechsel 
pflegt aber Cicero an benulsen, nm ein FroOmlumy für das es Ihm nie- 
mals an Stoff und an Worten fUille, einauschalteo. In dieser richttgen Weise 
hat die Sache schon Birt Antiltes Buchw. S. 475 erUirt — Dass übri- 
gens de div. nach Cäsars Tod abgefnsst ist, ergibt sich meines Erachtens 
für das zweite Buch sicher aus II 7HtT.; für das erste mit Wahrschein- 
lichkfit 111-^ 1 27 (vgl. auch 2*), doch erregt I 4< (hoc tempore, com Sit 
nihil aiiu(i (juod lubuuter agere possim) wieder Zweifel. 

i) Die Widmung ist hier dadurch ausgesprochen, dass Quintui 
ausser Harens die elnsige GespMcbsperson ist In den Vorreden wird 
er allerdings nicht angeredet, so wenig als Varro in den Acad. poal. nnd 
Brutus im gleichnamigen Dialog (o. 8. 495. 5S1, 4): es mochte tinpasNend 
scheinen. Jemandem ein Gespräch zu erzählen, das ihm durch seine TImU- 
nehme daran hinreichend bekannt war. 

9 Schon de oratore und de re publica waren ihm gewidmet s. o. 

S. 46y, i. 



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Rdmer. Cioero: de dlvfaiatkm& 



537 



der nSohsten Gegenwart spielen, in denen daher Abfessungs- 
leit und Zeit der Seene nicht getrennt werden kann. Anf Ort. 
dem Tnacniannm sind die beiden Brttder insammen, aber 
dieemal nicht in der Akademie, aondem in dem andern Gym^ 
naainm, das CSoero dort angelegt hatte, dem Lycenm*); hier 
erst im Spalieren, dann sitiend — anch diese Abwechselang, 
die sieh ebenso de finibas und iii den Tusculanen findet, ist 
woU beabsichtigt (o. & 528, 4} — werden die Gespräche geführt 

GesprSche kann man sie kanm nennen; es sind nur iwel bhalt na 
Vorträge, selbst die sokratische Verbrfimung fehlt, die wir noch ^"^"^ 
in der Schrift »vom Wesen der Götter« fanden fo. S. 534, 3 . Zu- 
erst spricht Quintus, der eine maassvolle Orthodoxie repräsen- 
tirt und eklektisch ^) Alles zusammenfasst, was von verschie- 
denen Seiten her und namentlich von den verschiedenen 
Philosüphenschulen zu Gunsten einer solchen vorgebracht war. 
Ihm antwortet Marcus Sein Standpunkt ist nicht bloss der 
des Akademikers, sundern auch der des Auguren. Nicht um- 
sonst wird ihm letzleres von seinmi Bruder ebenso vorge- 
halten fl 105) wie dem Cotta sein Fontificat in der Schrill 
»vom Wesen der Götter« (II iG8 o. S. ö32). Beide erschienen 
eben hierdurch besonders geeignet fUr die Hollen ^j, die sie zu 



i) Also einer NacbbOdong derlenigen LooalitSt, die eis der SItt des 
>in utmnqae paiiem digpatere« bezeichnet werden kann. Nicht ohne 

Absicht map daher Cieero gerade das Lyceum zum Schauplatz eines 
Dialogs gemacht haben, in dem gerndo diese Methode herrscht vgl. auch 
de fato 4), so wie er andererseits akademische Uisputationen in der Aka- 
deuiie ahhalteo liess (o. S. 526, 2}. 

S) TrotideiD, dess QuiDtos bauptsSohUeh die itelaclM Aneldit ver- 
tritt und sein Vortreg tum guten |Tbel1 aus steieelieo QaeUen geeebtfpft 
l§t» so wollte er doOh kdneswegs St<rfker lelo. Vor dieser Annalune 
mflesen uns schon die Worte warnen, mit denen er de fin. V 96 (Q. 
Cleoronis rell. rec. Fr, Büeheler S. 28} die perlpntetische Plülosophie preist, 
Hi i mit stimmt in seinem Vortrag liberein die Berufung auf den Peri- 
patetiJcer Kratippos uuU den Ausschlag gibt das offene Eingeständniss 
(II 10S), dass er es lieher mit den Peripatetikem als mit den allxu aber- 
glävbiselieD StoHtem halte. Seine philosophische Bildung war wohl über- 
haupt nicht tief: wenigstens de fin. Y S an einer bezeichneiiden Stdle, 
wo die verschiedene Geistesrichtung der auftretenden Personen chardL- 
terisirt wird, scheint er sich nur für die Poeten zu interessiren. 

8) Cicero, kann mnn hinzufügen, überdies noch als Verfasser einer 
Schrill de auguriis. Wenigstens ist es nicht wahrscheinlich, dass diese 



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538 



V. WioderbelebvDg des Diabigfl. 



spielen hatten, nicht bloss als oompetente Beurtheiler der 
einsehUgenden Fragen, sondern aueh, weil so der Kritik, die 
sie üben sollten, etwas von ihrer ScliSrfe genommen wurde 

(o. S. 53ft). ' 

Der Akademiker behAlt in beiden Schriften das ietite 
Wort; aber dieses lotste Wort lillt in der Scluift »von der 
Weissagung« stSrker Ins Gewicht, well es sn^ch die An- 
sicht des Verfassers ansdrfickt. Cicero ist hier wieder aka- 
demischer Skeptiker geworden, nachdem er in der Schrift 
»vom Wesen der GöUer« sich auf die Seite der Stoa ge- 
stellt hatte. Die scheinbare Inconsequenz lässt sich recht- 
iVrtigcn, weil es sich in der Schrift »von der Weissagung« 
um einen besonderen Theil der Theologie handelte, in dem 
der crasseste und dunkelste Aberglaube sich eingenistet und 
bei Giceros Land- und Zeitgenossen weit verbreitet hatte*). 



Schrift erst nach de dlv. verbsst ist, wie Dmmann VI 85S wollte. Da» 
sie im Veneichniss de dlv. II Anl^ nicht erwlhnt wlfd, hat natartich 
darin lelDen Grand, da» sie nicht phüoiophltohen, aondem tedmitdiMi 
Inhaltas war (etwa wie die i^^^*^^^^ Kleidaau» und Anderer, KOhler 

Herrn. 26, 45, ^\ worauf auch der andere Titel augurales libri, unter dem 
sie bei Servius erscheint , deutet. L'nnolhigor Weise werden wir aber 
eine Schrift niclit in eine Zeit setzen, die ohnedieü schon mit literarischen 
Arbeiten und nicht bloss mit solchen überfüllt ist; zuniul uns auch die 
Briefe CiceroB ttl>er seine HteraHsche Thätigkeit in dieser Zeit so genauen 
Aufeehloia geben. Dagegen liegt es nahe ate sich abgefuat ni denlcen, 
bald nachdem Cicero Angor geworden war; ad fun. ni 8 aobefait fut 
auf sie hinzudeuten. 

i) Auch in der Literatur war er %ielfach hervorgetreten und einer 
der gelehrt<»slen und tüchtigsten Männer der Zeit, Nigidius FiguUis, hatte 
sich zum Fiilin 1 der Bevsegung ausgeworfen. Man kann es weniKStens 
nls inüfjlicii hm^leilen. duss die Schrift de divinutioue auf diesen bewiihr- 
ten Freund Ciceros irgend welche Beziehung hatte; sein Bild, das des 
Icttnüch Ventorbenea, stand damals lebhaft vor atiner Seelen wie wir 
noch an aber andern Spur ericennen wenlea, und er war durch Theorie 
und Praxis der berfthmteste Vertreter der divfaiatio in Jener Zeit. Sollte 
jemand fragen, weshalb Cicero ihn nicht an die Stelle von Quintus gehiacht 
hat, so ist die Antwort, dass Cicero eben das alte literarische Verhält- 
niss zu seinem Bruder erneuern wollte und dass or für Nigldius sich 
schon damals ein nnderes Ehrendeiikmai ausgesonnen halte. Dass Cicero 
de divinalioue ohne jede Kücksicht auf Nigidius verfasstc, ist ebenso 
schwer denkbar, wie dass er bei de natura deor. nicht den Varro im Sinn 
gehabt haben sollte (a. o, S. M%, 4). 



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Rtfmer. Cioeio: d« fito. 539 

Kegen waren schärfere Waffen am Platze und Cicero bringt 
diese, die die Polemik des Rameades ihm darbot, mit einer 
Baergie zur Anwendung, dm man am Ende Dicht weiM, was 
anf dem Gebiet der divioatio von den geprieaenea »inatitata 
maiontm« Doeh übrig bleibt ausser leerem Fonngepringe 
mid Prieaterlrug*). Im Oebrigen stimmt die Schrift BTon der 
Weissagongff, wie sie sich im Inhalt mit der Schrift »vom 
Wesen der GSttert berOhrt» auch in der Tendens mit dieser 
fiberein, da sie keineswegs die Heiigion untergraben, sondern 
nur den Aberglauben ausretten will'}. 

Bei so viel Gemeinsamem wlre daher wohl die Frage be- Sunuimhttg 
redbtigt, warum acero swischen beiden Schriften den dialogi» ""^^ji^^^"^'^ 
seilen Faden gans lerscfanitten hat, wenn das Letttere nur der 
Fall wfre. Freilieh ist das dialogische Band nicht so eng wie 
das, welches den LucuUus und Gatulus zusammenhielt. Aber 
es fehlt doch auch nicht ganz: es ist dasselbe, wodurch der 
Dialog »von den Gesetzen« mit dem »vom Staate« verkriiipft 
wird, mögen übrigens beide zeitlich und räumlich und in 
Anbetracht der Gesprächspersonen noch so weit auseinander 
liegen ; uiid dieses Band besteht darin, dass der frtlhere Dialog 
zwar nicht als lo)>ondig»'S Gespräch, aber als Werk der Lite- 
ratur den Aülass zum Gespräch des folgenden giebt; so weist 
Atticus im Gespräch »von den Gesetzen« auf Ciceros Schrift 
»vom Staat« hin und findet es hiernach consequent, dass er 
auch über die Gesetze seine Meinung sage (o. S. 47i, i) und 
ebenso geht Quintus su Anfang des Gesprächs »von der Weis- 
sagungt (I 8) davon aus, dass er das dritte Buch »vom Wesen 
dsr Gotter durchgelesen habe^). 

Ehie Ergänzung sa den Gesprftohen »über das Wesen der tk iMo. 
Götter« sollte neben der Sdirift »von der Weissagung« auch 



i) De div. Ii U8 (f. scheint sich Cicero in der Lage des 2^iiber- 
lebrilngt zu befiodeo: er kaDn die akedembcben Geister des Zweifels» 
nadMleni er sie einmal gerufen hat, trotz aller Anstrengangen und Wen* 
dangen, die er macht, nidit wieder loa werden. 

i) So sagt Cicero selber de div. II US, indem er hier ond ander- 
wärts scharf zwischen religio und <upers(itio scheidet, nicht l»eide in eins 
ZUMmmenwirfl wie Lucrez; s. übrigens o. S. 5*^1 ä. 

$) Aebniiche Beziehungen finden noch zw isi hen Tusc. V IS and de 
finibos, so wie zwischen de fato 4 und den Tusculanen statt. 



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540 



Y. WiÄderbelebtiag des Dialoga. 



die Schrift avom Schicksal« bilden (o. S. 535). Von dieser 
Schrift war flchon froher die Rede (o. 8. 528), weil die Form 
des Dialogs im WesentUcheB dieselbe ist^j, wie die der 
Tusoalanen. Der Firage des Lesers, waram diese Schrift nicht 
dieselbe dialogisdie Form erhalten hat, wie die beiden, mit 
denen sie dem Inhalt nach ein Ganses bildet, warum an die 
Stelle der peripatetischen Erörterung »in ntramque partem«, 
wie sie in den Schriften »von dem Wesen der GOttert und 
»von der Weissagung« gehandhabt wird, eine Disputation in 
der Manier des Karneades getreten ist, kommt Cicero selbst 
mit einer Entschuldigung zuvor (de fato. I f.), aus der wir 



Dem Hirtiu herauslesen , dass dies mit Rücksicht auf Hirtius geschehen 



ist, dem der Dialog gewidmet ist^) und der gerade seinen 
Wunsch nach einer «disputatio Tusculanau zu erkennen ge- 



auch formell die Schrift »vom Schicksal« aufs Engste mit der 
»von der Weissagung« su verkntipfen, davon hat sich vielleicht 
noch ein Anseichen an einer Stelle der letzteren Schrift (I 427) 
erhalten, an weldier Quintus einen Beweis ftir die Allmacht 
des Schiduals vorlfiufig ablehnt und ihn fOt eine andere Ge- 
legenheit in Aussicht stellt. Die ErklSrer sind darüber einig 
dies Versprechen auf die Schrift avom Sdiicksait in be- 
beziehen. In dieser Schrift findet sich aber ein solcher Beweis 
nicht nur nicht, sondern kann sich auch nach dem gansen 
Plane der Sdirift nicht finden, da In ihr jene stoische Auf- 
fassung nicht bewiesen, sondern nur bekämpft wird. Sehr 
cinliich erklärt sich nun dieser Widerspruch durch die An- 
naluue, dass ursprünglich die Schrill »über das Schicksal« 
dieselbe dialogische Form wie die »von der Weissagung« 
haben und Quintus in beiden sachlich so eng zusammen- 
hängenden Dialogen als Vertreter der positiven Seite die gleiche 
Rolle spielen sollte^}. Erst die Bitten des Hirtius durch- 



i) Nur die Verzierung der Vorlriige mtt kleinen sokratischen Dialogen 
hül Cicero hier so gut wie in de divin. fallen lassen 'S. 587). 

S) Es gilt hier wieder, was o. S. 536, i bemerkt ist. 

8) Vielleicht war er auch zu einer grösseren Rolle in einem andern 
Dialog durch seine philosophische Bildung nicht hiareiclieiid hellüiigt 

4) Die Worte habeo viele Sehwferigkeil genachk Hanche efkürten 




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Römer. Cicero: Timaeasfragmeiil. 

kreuzton diesea Plan und haben zu der jetzigen Gestalt des 
Dialogs »vom Schicksal« geführt. 

Nach antiker Auffassima aehören schon die drei zuletzt TimMu. 
besproclionen Schriften in 'den Bereich der Naturphilosophie ^igj^tnr- 
oder Physik. Trotzdem hatte Cicero wenigstens zeitweilig pkilowphi«. 
den Plan dieser noch eine besondere Schrift su widmen, 
woTon uns noch der sogenannte »Timaeus« Zeugniss giebt. . 
Dass dieses Bruchstück, bestehend in einem kurzen Prooemium 
und der Uebersetzung eines Tbeüs des platonischen Dialogs, 
nidil lu einer Uebersetsrang des gamen Dialogs gehdii, die 
GioerOy sei es va seiner eigenen Uebong gemacht bitte, oder 
wodurch er den fiOmem das Yerstfndniss des platonischen 
Welkes erleichtern wollte, kann für Niemand sweifelhaft sein, 
der K. Fr. Hermanns Abhandlung wirklich gelesen hat']. 

sie für eine Interpolation. Kayser meinte, es lüge ein Verselien Ciceros 
vor, der die dialogische Voraussetzung einen Augenblicic verges'^rn und 
seine, des Schreibenden, Ab«ijcbl dem Spreclier Quintu.s in den Mund 
gelegt habe. Dass Cicero solche Verseben begegnen, haben wir S. 497, 3 
(YgL 471, 1 u. 478, Sj geMiMii. Doch genügt tee Anntfanie hiar nidtl^ 
um jeden AnstoM sa bcaeitigmi. Es muss vMmebr noch die weitere 
hlDnikoiDnMii, dass Cloero siMIter, als er de foto wiikUob schrieb, das de 
divin. gegebene Verspreeiieii vergessen Iiabe einzulösen. Dieser doppelten 
Hypothese gegenüber empfiehlt sich die im Text vorgetragene durch 
ihre Einfachheit. 

4) C. Fr. Hermann, De interpretatione Timaei Platonis tiialogi a 
Cicerone relicla dispuUttio Göttingen 4 842. Die Abhandlung ist alt genug. 
Trotsdem lUirt man noch immer fort, das Tlmaas-FM^ent mit der 
ProtagoraB-Oebenetiang Ciceros auf eine Stul^ su steUen, und das Er- 
gehniss jener Ahhandlong wird in einer Beriiner Dissertation von 1S8S 
(Paul Rawaclc de Piatonis Timaeo quaestt. critt. $.3,4} einfach ignorirt. Nur 
die<5pm eintrewurzelten Vorurtbci! i<t es wohl zu danken, än'« ni;m bisher 
eine stelle lies ciceronisohen Timaus nicht weiter beanstandet bat. C. XI 
I^n wir nüniiicb j>quaui ut profiteri nos sc r ib e re audeamus«. Zu diesem 
»sorlbere« findet sich bei Ptaton nichts Entspret^endes; aastoaslg ist es, 
sobald wir bedenlcen, dass die Worte einem mündlichen Vortrage sage- 
hSren. Entweder also ist auch hier das gleiohe Versehen Cloeroe ansoneb- 
men, wovon wir sdion anders Beispiele kennen gelernt haben (vgl. vor. 
Aomkg.), oder, was mir auch aus andern Gründen wahrscheinlich ist, statt 
scribere ist scire zu schreiben. Ohrigens be^oj^net uns am gleichen Ort 
bei Cicero noch eine weitere Abweiciiung vom platonischen Original : denn 
»veteribus et priscis, ut ajunt, viris« ist Ciceros eigene Zuthat; das »ut 
ahmt« soheüit auf eine sprichwSrtliche Wendung an deuten and diese 
Vermatirang wifd bestätigt dnrcb Dio Ghrysost. or. lt p. S84 R 



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542 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



Vielmehr haben wir hier die Vorarbeiten zu einem Dialog, 
för dessen Inhalt Cicero Plutons Timaios ausnutzen \M*llte, 
und nicht bloss in diesem einen Falle wird ilir HtMiiitzung 
einer griechischen Quelle bei Cicero einer Uebersetzung gleich 
gewesen sein, obgleich wir allerdings nur in diesem einen 
Falle sein Ver&luren noch controb'ren können. 
BoMulei In Ephesos — das ist die Scenerie des Dialogs — ttiffl * 
Geero im Jahre 54, wie er als Precensui nach Cilicien geht, mit 
Nigidius Pigulos susammen, der gerade auf der Rfickkehr nach 
Rom war; von Mytilene war, um Gioero lu begrttisen, Eratlppos 
herttbergekoomieii, ein namhafter Peripatetiker. MerkwOnUg ist» 
und steh! in der erhaltenen Literatur der rSmisdien Dialoge 
wohl einzig da, dass hier ein griechischer Philosoph im Ge- 
spräch mit R0mem vorgeltihrt werden sollte *). Cicero glaubte 
Yielleicht damit dem Lehrer seines Sohnes — ob er es nun 
damals schon war oder ob er erst als solcher in Aussicht 
stand — eiüe Artigkeit zu erweisen, wenn er den Moment 
seiner ersten Bekauutschalt lüit ihm verewigte*-'). Das hat ihn 
indessen nicht abgehalten , mit echt römischem National- und 
ciceronischem Privat-Dunkel, ihn zu einer Nebenperson herab- 
zudrücken nnd die Hauptrollen sich selber und Nigidius 
Figulus vorzubehalten 
Nu i n« Diesem letzteren galt vor Allem das Werk, dessen Ab- 
figaias. fj|3g||||g0sett mau uicht ohne Wahrscheinlichkeit nach den 
TnscuUnen und vor die Schrill »?om Wesen der GOttert setien 



(S. 221, 14 Dindt), wo in einem gani tthnUchen Zusammenhange touc 
KptaßuTiitwc ««l «oXoioTtfcoiic gttbrauchl wird (vgl. Geel lam Olymp. 
S. SS}. 

1) So oft Sieb dies in <tor Wirklichkeit sugetragen hatte, in 4er 
Literatur vermied man, mit richtigem Takte, es nachzubilden. Von Vor- 
Iftofern unter den griechischen Dialopcn ist o. S. 417 ff. die Rede pewesen. 

2) Auf fiif» erste Bekanntschaft deutet das »ooen»n i Cratippum« Tim 1. 
Dass Cicero damals hetnühl war, sich das Woiilwullen des Grieehrn zu 
sichern, lehrt auch die Schrift de diviuatione, worin er von beiden Brü- 
dern Cicero mit dem höchsten LoIm bedecht und seine Schriften wacker 
ausgeschrieben werden. 

t) Des sagt das Prodmlum deutlich genug: multa sunt aooMs 

et saepe cum P. Nigldio Figulo GanuMdeo more et modo disputatn. ifier> 
mit ist der Hauptinhalt des Dialogs angegeben, ohne dass des Cratipp« 
mit einer SUbe gedacht wird« 



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RUmer. Cicero: Ni|(idius Figuius. 



543 



kann Die Nachricht vom Tode des Nigidius, die Cicero um 
diese Zeit erhielt, mag in ihm den Gedanken erT\'eckt haben, 
auch diesem treuen Freund und Heiter wie Anderen ein Df nk- 
mal in seinen Dialogen zu errichten. Aber auch ohne dies 
musste die neupylhagoreische Bewesnng, deren Uauptvertreter 
unter Ciceros Zeitgenossen Nigidius war, seine Aufmerksamkeit 
auf üok ziehdii^): so mächtig drängle sie sich damals schon 



i) Tuscul. y 10 hat bereits Hdne mit dem Timäus in eine ge- 
wisse Verbindung? ;-'phrBrhf, fi*^n er dort als eine Vorstudie zu dem 
von Cicero verlieisscnen SVeike ulicr Pythagoras bezeichnet. Nach der 
Schrift »von den Göttern« und den ihr angebttngten »von der Weis- 
sagung« und »vom Schicksal« aber den Timäos su setzen empfiehlt sich 
ans mehrerta Grttnden Dicht» Dean es Ist nicht wahrsdieinllch, dass 
CiosffOt wsmi er in den genanalen Sduriflen das Kapitel von den Gittern 
voHkommen erschöpft sa hiban glaubte (de div. II S), in dem Timiiis- 
Fragment noch einmal darauf zu roden kam. Ferner werden im Pro- 
ömium (\os Timaus die Acadeniirü nls die einzige Schrift bezeichnet, in 
der Cicero sonst noch »contra physicos» disputirt habe. .\ls wenn dies 
nicht auch in den drei genannten theologischen Schriften geschehen wäre. 
Audi das dsotal dso aal etna Abfusong vor diesen Sdirlllan. Ja, wenn 
er de nat deor. I IS dla stoisctM, peripatetlsdie and epikareiadia Phi- 
losophie als die dnsigMi beselchnelj »quae la honore sant« und deshalb eine 
Vertretung In seinen Schriften beanspruGhen können, so scheint er dien 
dadurch die pythn'jorf^ische ausfschliessen und sieh entschuldigen zu 
wollen, weshalb er ihr im ht auch pine eingehendere Darstellung hat zu 
Thcil werden, vielmehr den getassien Plan einer solchen wieder hat 
foUen lassen. Da^s im Allgemeinen das Timäus-Fragment derselben dia- 
logisdwo Ragfon wie dia drei tbeologisdien Sdu-Iften angahört, wird 
durch etwas Aensserlichea besUtigt» Es sind das nämlich diejenigen 
Dialoge, deren Gespräche nur als Beispiele aus elaer ganxen Keihe ähn- 
licher Gespräche oder Betrachtungen, wie sie öfter gehalten wurden, be- 
teiehnet werden. Man vergleiche Tim. 1 : et saepe cum P. Nigidio 
Carneadeo niure tl modo disputata. na» de(>r l 15: Quod cum saepe 
alias tum maxime animadverti, cum upuü Cüttuia ulc. divin. I 8: Qui- 
bus de rebus et alias saepe et paullo aocuratius ouper, cum essem 
cum Quinta fratre etc. da feto t: idque et saepe alias et quodam 
iiberiore quam solebat et magis vacuo ab Interventoribus die, cum ad 
ma nie vanisaet etc. Diese Wendung, um den Gebergang von allgemeinen 
Bemerkungen zum einzelnen Dialog zu machen , war also damals bei 
Cicero zur Manier geworden, in andem Dialogen ist sie mir nicht auf- 
gefallen. 

2] Tuscul. V 40. Damit hängt zusammen, dass an zahlreichen Stellen 
der dceronlacben Schriften des Py thagoras und seiner Lehre so wie seiner 
Bedehungen schon cum alten Rom gedacht wird. 



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344 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



im Leben und der Literatur hervor, dass, wer wie Gcero 
seine Landsleute io die griechische Philosophie einführen 
wollte, es wohl für nölhig hallen koimle, sie auch mit dieser 
lUchtung derselben näher bekannt zu machen. Weshalb er 
dann doch von seinem Plane wieder abgestanden ist, wissen 
wir nicht. Denken lässt sich, dass er aUiu abstruse Er- 
örterungen voraussah und deshalb vorzog, was er aus der 
Naturphilosophie seinen Landsleuten für nolhig und nützlich 
zu wissen hielt, bei Gelegenheit der Theologie mit zur Sprache 
zu bringen. 

Giceros philosophische Hauptsohriftea sollten nach dem 
Plan, wie er ihm während der Arbeit erwuchs, ein System 
bilden, das den BOmem einen Ueberblick über die Ergebnisse 
der grieohisehen Pbfloflophie gewährte. Nicht in den Rahmen 
dieses Systems passen^ swdi kleinere SohiiAen, die Gioero 
Catomaior neben jenen grosseren ausarbeitete. iDer Ütere Gatof 
udLUiBi. »Lfiliust sind die einzigen Schriften von denen 

wir wissen, die er seinem langifihrigen vertranlen Fk^nnde 
Atticus gewidmet hat; der Lällus wurde auf dessen beson- 
deren Wunsch verfesst. Der Gate ist kurs vor der Selirift 
»von der Weissagung«^) geschrieben; bald nachher wird der 
LfiUns fallen*). Beides sind in der Hauptsache lAngere Yor- 
tr§ge, eine Lobrede auf das Alter, welche Cafo hSlt und eine 
auf die Freundschaft, die dem Lälius in den Mund gelegt ist. 
Das Dialogische ist auf die Einleitungen beschränkt und ziem- 
lich schmucklos, Catu linden wir im gleichnaiiiigeri DialüL; im 
Gespräch mit Scipio und Lälius, die damals — das Gespräch 
ist in das Jahr 150 gesetzt — noch als junge Männer zu 
denken .sind, im Lälius ist es dieser, der uiit srineii beiden 
Schwiegersöhnen C. Fannins und dem Augur O. Mucius Scävola 
sich unterredet. Die Form des Dialogs ist die rein dramatische, 



i) 8. noch 0. & 541, i. 

i] Daher »in tcrj ectus' est etiam nuper über is qnwn 'ad aostnim 

Atticum de senectute misimiisa de div. II 3. 

8) Genauer hat die .\bfassung<!zeit des Cato zu hestimnien versucht. 
Maurer Jahrb. 1. PLUul. ii'j (isä4) 6. SS6 ff. i>. aber dazu Schwenke in 
Burs. Jahrvsb. 1886 S. 298. 

4) Denn ot Ist gani nach danellteii Sdiabloae gearbeitet.- De dIv. O 
Anfg. wird er noch nicht erwühnt ; wohl aber de off. II ii. 



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Römer. Cicero: Cato maior und Laelius. 

die im Cato ohne Weiteres angewandt, im Läüus dagegen 
einer besonderen Motivirung für bedürftig erachtet wird ') und 
das hier deshalb, weil die MiUheilung des Gesprächs auf 
eine finählung des Scävola an den jungen Cicero zurück- 
geHUirt wird 2). Auf diesen historischen Schein hielt Cicero 
audi sonst^ wenn er die Gespräche In eine ferne Vergangen- 
heit verlegte (o. S. 484, 4). 

Aber nicht bloss in dieser Betiehong greift er in den iuMm«]ihu»9 
beiden kleinen Gelegenheitsschriften seiner lotsten Zeit auf '°J^^^J'^^''J^'5 
seine frühesten Dialoge surQck. Bei dem Bestreben, das er 
mehrfach verrSth seine Schriften unter sich zu einem grösseren 
Ganzen zu verbinden''*!, sucht er auch dem Cato maior und 
Lälius, da sie in dem System der philosophischen Lebr- 
scbriiü;n keinen Platz hatten, wenigstens zu einem dialogi- 
schen Zusammenhang zu verhclt) n. Die auftretenden l't i\sonen 
müssen vermitteln. Seipio, ebenso Lälius mit seinen iieiden 
Schwiegersühnen sind uns aus der Schrift »vom Staat« be- 
kannt, Scävola ausserdem aus dem Gespräch »vom Bedner«, 
Den Gate, in dem Seipio und Lälius noch junge Männer 
sind, mag man ein Vorspiel sum Dialog svom Staat« nennen, 
wShrend andererseits der Ullas sich als das Nachspiel dazu 
giebt, da seine Seena bald nach Scipios Tod angesetst wird 
und Lälius darin der kurs vorher gefDhrlen, im INalog svom 
Staat« ersählten Gespräche gedenkt (Lfil. 14). 

Noch enger ist das Band, das die beiden kleinen Dialoge VtrUAdu^ 
unter sich verknüpft. Nicht bloss hat Cicero in der Vorrede 
zum Lälius den Cato als dessen Vorläufer bezeichnet, sondern ÄA» 
auch innerhalb des Gespräches selber gehen Beziehungen von 



1) LAl. 8. Die Nachahmung des platoaiscben Thcätet ist unver- 
kennbar s. 0. S. SIS. Vgl. auch S. 525, 1. 

t) Auf deo historischen Scheio, mit dem hierdiirob der Lälius um- 
kleidet wird und der noch neuere Hnraoageber irre geführt bat, venicfatei 
Cicero Im Cato von vorn herein lo fast verbtüffender Welse, vreno er, 
slalt dea Inhalt von Cafos Vortrag von einer historischen Tradition ab- 
zaieiirn, frei bekennt, ihn aus einer Scbri'l <lr>^ Ariston entnommen zu 
haben, so dass er, was dort dem Tithonos in den Mund gelcl war, auf 
Calo übertrug. Nur in Bezu.i auf die ghecbisc le Bildun«, die aus Cato» 
Vortrag spricht, sucht sich Cicero mit der Geschichte ein |,crmaa.«i«icn ab- 
zufinden (Cato 8]. 

s) Vgl. o. A, ssft f. m 

Hifs*l« l>bl«ff. 85 



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546 



V. WiedMrbddNiiig des IHilogs, 



dem späteren auf das frühere ziiriirk: das Lob Catos, seines 
Alters und seiner Weisheit, das zum HaupLiuhalt der ersten 
Schrift gehört, wird der Ausgangspunkt für das Gespräch des 
Lälius. und Liilius und Scipio, die im Cato Nebenrollen halten, 
sind nun im l.äh'us die Hauptpersonen geworden, Si ipio in Folge 
wenigstens der Verherrlichung, die ihm aus Läüus' Munde zu 
Theil wird. Hierzu kommen Aebnlichkeiten in der Gomposition 
und bedingen ebenfalls ein näheres Yerhältaiss zwischen 
beiden Schriften. Die wichtigste Uebereinstimmaiig besteht 
dariSy dass die Gedanken des IKalogs in den Hauptpersonen 
zugleich veranschaulicht werden, das gesegnete Alter in Gate 
und die Freundschaft in Lülius und Scipio. Beide Schriften 
stellen uns hierdurch eine eigenthttmliche Gattung des IKalogs 
dar, die aber Cicero nicht erfünden, sondern nach seiner 
eigenen Angabe (Gato 3) dem Peripatetiker Ariston abgesehen 
hat, der seine Gedanken Uber das Alter dem filtesten der 
Menschen, dem Tithouos, in den Mund gelej^t hatte o. S. 331 ff. 
342). Neuerdings hat luan aber statt auf das Üeberein- 
slimmende mit Ariston vielmehr auf den Unterschied Gewicht 
gelegt, dass an die Stelle einer rein mythischen bei Cicero 
eine berühmte Persönlichkeit der Geschichte getreten ist, und 
da nun solche in die Dialoge einzuführen gelegentlich von 
Cicero selber als eine Eigenthümlichkeit gerade des Pontikers 
Herakleides bezeichnet wird (ad Att. XIII 19, 4), so glaubte 
man im Gato und Läiius Dialoge in der Manier des Heraideides 
zu haben*), um so mehr als, wie wir aus Giceros Briefen 
wissen, er damals allerdings den Gedanken hatte etwas in 
jener Manier zu schreiben. Wie steht es nun hiermit? 

Sicher scheint, dass der phantastische Platoniker damals 
bis zu einem gewissen Grade in Mode kam. Die pythagoreische 
Strömung mag hierauf von Einfluss gewesen sein, sodann aber 
Vanos wirkte in derselben Richtung namentlich V a rro , indem er in 
^^fi^"*^* seinen «logistoriciff eine eigenthtini liehe daUung herakli- 
discher Dialoge nachlnUlj^te (s. o. S. 329 ff ). Nichts hindert 
uns, so viel ich sehe, anzunehmen, dass die ersten der- 
selben in jener Zeit geschrieben wurden; und eine neue 
Phase varronischer SchhflsteUerei musste immer Auisehen 



^) RiMe Varronis satt Heu. 8. 14. 



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Kdmor. Gcero: *Hpa«Mteov. 



547 



madieiiy besonders wenn sie, wie es bei dieser der Fall ist, 
der literarischen Gomplimentirsuobt, die damals unter den 
ROmem fast bis zum Fieber gesteigert war, sich so leicht an- 
bequemte. Wie AttioQS, Tubero, Nepos den Tilel für solche 
Schriften abgegeben hatten, so wolllen natürlich anch Andere 
in derselben Weise Anflieil an der durch Yarro garantirCen 
Unsterblichkeit haben; es wird dem Yarro mit seuien logistorici 
ebenso ergangen sein, wie Cicero mit seinen Dialogen, der 
sich aodi vor solchen, die irgendwie darin erwBhnt oder be- 
raduichtigt zu werden wünschten, nicht retten konnte. 

Bei dem persönlichen nnd literarischen Yerkehr, wie ihn 'HpbxXsI- 
gerade Qoero mit Yarro nnterhielt, ist es begreiflich, dass auch ' 
er sich am Ende ein solches ' HpdxXB^Ssiov, wie er es nennt, 
ertrotzte. Welche Freude äutssert er über den endlichen 
Empfang!]! Müssiges Geniessen lag aber nicht in seiner 
überiU hinaus strebenden, alles ergreifenden Natur und da- 
her bedurfte es von Seiten des Atticus und Pttlu iius^) nur 
eines geringen Zuredens, damit auch er aut diesem neuen 
Gebiet im Wetteifer mit Varro sich versuchte. Dass Cicero 
die Absicht halte ein solches ' HpaxXstöe'.ov oder richtiger einen 
iogistoricus in Varros Manier zu schreiben, dass ihm auch 
schon ein besonderer Gedanke für eine einzelne derartige 
Schrift gekommen war, unterliegt keinem Zweifel. Aber diese 
Schrift war weder der Gato noch der Lälius, sondern ist aller 
Wahrscheinlichkeit nach unvollendet geblieben'). Nur so viel 



4} Ad Att. XV 4 3, 3. XVI 4 4. 3. XVI 42. Die Vermuthung Riese s 
Yarr. satt. Hea. S. 84, 4, dass der Titel der Sdirift MCicofo de elognoittac 
war, qiriclkt sehr aa. 

S) Ad Att XT U, S. 

3} Der Gato kann unter dem 'HpaxXe(kiov nicht gemeint sein : denn 
er hiK Aofang Mai schon fertig vor (V Idus Maias: ad Att. XIV 24, 3, 
vgl. auch XVI H, während Cicero nach sptttercti Briefen von Ende Mai 
{XV 4, 3), Anfang Juli 'XV 27, ■i XVi 2, 6,, ja sogar von linde Oktober 
(XV 48, 8} über den bioikien Geduniien des'HpaxXelSeto^ nocti nicht iiinuus- 
gekottunMi ist Aber auch, dass der LäUus mit dem 'Up. identisch sei, 
wird dMhalh nnwabncheinlidi, weQ das *Hp. nach eUMn kaum anders 
zu dentenden Ausdruck (»qaod latent in tkesauris Inis« ad Att XV 
i7, S) nur für Atticus, dtf Lälius dagegen, wenn schon dem Atticus ge- 
widmet, doch für das grosse Publikum bestimmt war (Läl. 4: feci non 
invUus ui prodessem muUis rogatu lue). Es lässt sich überdies der 

85 ♦ 



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548 



Y. Wiederbelebung des Dialogs. 



kann man sugeben, dass die genannten Schriften und ebenso 
schon der Bnitas (Jahn Einl. S. VI) zn den iogistorici eine 

gewisse Verwandtschaft haben , insofern darin in den den 
II uipttitel hergebenden Person h'chkeiten die allgemeinen Ge- 
(i<itikcn der Abiiandiung sich t-uucret darstellen und be- 
thätigen. 

Noch war Cicero voller schriftslellerischer Pläne (de div. 
II i). Aber die Zeit war deren Ausführung nicht günstig, sie 
riss ihn wieder in das öffentliche Leben hinaus und gestattete 
ihm nur noch Nebenstunden für seine literarische Wirksamkeit 
(de div. n 7), Und auch» was er so noch hervorbrachte, 
dient gewissermaassen dem Staate, indem es ethische Probleme 
behandelt Das Hauptwerk dieser lotsten Epoche iat das 
deoiiidis 9 von den Pflichten t [de offidis), in altrOmischer Weise vom 
yater dem Sohne gewidmet (o. S. 487. 429 f. 494), dem man 
d«gl«rift noch die beiden Schriften »Ober den Ruhm« (de gloria) and 

defirtBttbn ȟber die Tugenden t (de virtutibus) anreihen kann>). Die 
Ffiden, die ihn damals wieder mit dem Staatslcben verknüpften, 
glauben wir auch hier wahi zuiR hiiieii, wie er denn über deu 
Ruhm wiederholt sich deshalb ausliess. weil er ihn bei einer 
aufs Grosse ^gerichteten Thätigkeit — und hierunter ist 1< h 
Wühl vorzüglich die staatsmc^nnische zu verstehen — fiir sehr 
erspriesslich hielt (de off. 11 31). 
Poiitischü Dia- Schon das Jahr zuvor hatte er einmal den Gedanken ge- 

löge geplant, f^^^ einen in das Politische wenigstens hineinspielenden Dialog 
seinem Schwiegersohne Dolabella lu widmen^). Doch war er 
jetst im besten Zuge, noch mehr su thun, in seinen Scliriften mit 
den philippischen Beden gleichen Schritt xu halten und in Gurions 
Weise (o. S. 45Ö ff.) die Politik des Tages zu einem Dialog tu 

Inhalt des *Hp>, wie wir sehen werden, ooch in einer positiven Weise 
bestimmen, die uns weil abrührt von den genannten beiden Schrifteo. 

1) Dass (ii(>s(> beiden dinlogi-^rlio Fnrfii hiitton, ist niclit zu beweinten. 
Für die Schritt üe virtutibus ist di uu h nie behauptet worden ; dagegen 
sah in tlc gloria Fr. Schneider in /.umiKTinmin'? Zeitschr. f. d. Aterth. 183'J 
Nu. 28 S. iii f. einuii Dialog, in dt;iit Culo als GesprächspersoQ auftrat, 
uod Osann Beiirttge II 8. 80 ff. bezog auf diese Schrift die Andeuinogeii, 
die Cicero in seinen Briefen ttber den o6XXo|o« icoXitix6c gibt Ueber diese 
letoleren s. o. S. 509 IT. 

i\ So lassen sich wraigstens die beiden Briefetellen sd Ati. XIII 
40, S tt. S mit Wahrscheinlicfaiceit deuteo. 



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Rtfmer. Ooaro: 'HpaxXxtSstov. 549 

gpstaUcn. Der gn'jsste Stnutsmann dor Zeit, Cäsar, sollte auch 
das Thema dieses neuen politischen Dialogs werden. Bald nach 
der Emordung des Dictators ergriff ihn der Gedanke, darüber 
etwas tu schreiben und zwar in dialogischer Form, die Befreiung 
Borns ganz anders und unmittelbarer darzustellen als Plutarch 
die Befreiung Thebens in seinem IHaiog ttber das Daimonlon 
des Sokrates dargestellt hat; er überlegte hin und her^ Atlicus 
rietb ihm, seine Meinungen in einer fingjrten Bede des Brutus 
aussusprechen, schliesslich behielt der Dialog die Oberhand 
und sollte in der Manier des Herakleides abgeft»st werden. 
Das also ist jenes Herakleideion »Caesar de tyrannorom interitu« 
oder wie der Titel gelautet haben wOrde^) — mit dessen 



4) Dass daB*Hpa«Xt(i»ov wirklich diesen Inhalt haben sollte, scheint 
mir hei genauer Erwl^pong der Worte ad Alt. XV 4, S gar kehiem Zwei* 
fei zu unteriiegen. Cicero schreibt: de oratlone Bruti prorsus contendis, 
cum iterum tarn multls verbis agis. eiionc ut eam causam, (juuni is 
scripsit? ego scribam non rogatus ah co? nulla rape^yeiCT.st; fieri potest 
cnntiiinrliosior. »at« ln(|Uts' i'Hp77.).etoEiov nliquid«. non recuso id qvidcin 
j-ed <'t (oinponcndum argumentum et «'f Rcrihonrü oxspcctandum tenipus 
matunu!«. Die Verbiadung, in die liier das Hp. mil der RoUc des Bru- 
tus gesetzt wird, hat «hieh nur dann dnen Sinn, wenn das 'Hp. den 
gleichen Gedanken wie die Rede, nur in anderer Form, aussprach. Aber 
anch was weiter in der Form der Begründung mit enim hinzugefügt 
wird, beweist, dass das *Hp. politischen Inhalts sein und irgendwie zu 
Cäsars Tod in Beziehung stehen sollte: licet enim de me, ut Übet, exi- 
stimes (velim quidem quam optime , si haec ita manent, nt videntur 
(feres quod dicam), me Idus Martiae non dcinctant. llle enim etc. Ind 
dass Cicero über des Märzen Idus und ihre Folgen allerlei zu schreiben 
beabsichtigte, nur nicht gerade in Form einer dem Brutus untergesdio- 
beoen Bede, das kündigt dem Atticus schon der vorhergehende Brief 
(XV S) mit folgenden Worten §. S an: Bruturo omni re, qua possum, cupio 
Juvare, cujus de oratiuncula idem te, quod roe, sentire "^ideo; sed pamm 
intellego (|uld me volis scrihere quasi a Bruto habita oratione, cum üle 
ediderit. qui tnndom convenit? an sie ut in tyrannum jure optinio caesum? 
multa dict'iiliir. multa srrihentur a nohis. sed alio iimdo et tem- 
pore. Üiese Worte sind Eiule Mai geschrieben. Nur zwei Tage später 
ist ein Brief des Trcbonius, eines der Mitverscbworencn gegen CUsar 
datirt, worin derselbe an Cicero schreibt (ad ISum. XII 46, 4): tu, slcut 
mihi poUieitus es, adjunges me quam primum ad tuos sermones; namque 
Ulnd non dubito, quin, si quid de interitu Caesaris scribas, non patiaris 
me minimam parlem et rei et amoris tui fcrre. Hiernach sehen wir, Trc- 
bonius. dpf dios ati< Atlmn «srhroiht. wii'^ste dort Ivoicit*. dass Ciccrn tnit 
eioein Dialog Uber CUsars Tod beschäftigt war: Cicero muss daher darauf 



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550 



V. Wiederbelebung des Dialogs. 



Ausarbeitung er so lange zögerte*) uüd das er sich zu ver- 
öffentlichen scheute 2). Wie wir sahen, hatte es bei dem un- 
fertigen Entwürfe sein Bewenden. 
Poütiioh« \un nun an geht Giceros Leben in der politischen J hiüig- 
Ihitlgbit. j^^j^ findet hier bald ein jfihes Ende. Um so bezeich- 

nender ist dieses letzte Aufleuchten der dialogischen Neigung 
bei Cicero, es zeigt ihn uns ganz herausgerissen aus der Ein* 
samkeit philosophircnder Monologe, wieder völlig hingegeben 
dm politischen Geschäilen des Tages und wiril so noch eiomai 
ein grelles Licht auf das Wesen der dialogischen literaHur 
Oberhaupt, die von ibrem Ursprnng an mit den Memoiren 
und Apologien in der engsten Gemeinsehalt stand. 
BiAiog« ein BIs in die neueste Zelt hinein bewahrt sie diese Eigen- 
^^u^Ja* tbündicfakelt, wie man namenlUch an Giordano Bnmo's and 
an Berkeiey's Dialogen beobachten kann, und so kann man 
aacb von CSceros Dialogen sagen, dass sie der Spiegel seines 
Lebras und Wirkens shid. Wir sehen ihn werden darin, 
hören von den Einflössen seiner Jugend, seiner frühesten 
Bildung, folgen ihm dann in seiner weiteren rednerischen 
lüitwickiung; über seine Beschäftigung mit der Philosophie, 
wie sie nach Art und Absicht in den verschiedenen Zeiten seines 
Lebens wechselt, werden wir unterrichtet, so wie über seine 

bezügliche Arnsserungen ziemlich früh schon gethan habfn. oh dioso Tr«'- 
boniiLS nun sciher gehört hatle oder ob sie ihm durch de ujungeu Cicoro, 
den er in Athen gesprochen halte, zu Ohnsa gekommen waren. Aber so 
lange Gioero aach den Gedanken dieses Weiket hei sieh hegte , weder 
Ober die Form noch ttbar den Inhalt Itonnle er gans mit tädL ins Beine 
konuBMo (XY 8, S n. 4,1). Daher Ist gans begreUUch, was er noch im 
Oktober an Atticus achfeiht (XT 4 3, 3): jam probo 'HpoxXct^iov , prae- 
aertim cum tu tanto operc (Iclfcten-, seil quäle velis veltm scirc. 
— War etwa auch der »Urulus " des Eiupylos (Plutarrh Brut. c. 2 , der 
von der Ermordung Casars fiandclto, ein Dialog und trägt er !>eiuea 
Namen, winl Brulu!» eine der (iesprachspersoncn war? Sonst muss man 
den Titel davon ablöten, dass die Schrift an Bmlua adzessirt war («. 
S. 898» 8). 

i) Was jetzt) nachdem wir den Inhalt kennen, gans begreiflich wird, 
sonst aber sehr gegen Ciceros Gewohnheit verstoast. 

i) So erklären sich jetzt die sonst ganz unverstandlichen Worte ad 
AU. XV i7, i: evcudam aliquid 'HpoxXct5tiov <iuod lateal in the- 
sauris tuis? Anrh wenn Cicero Schriften dem Atticus widmete, so be- 
stimmte er sie deshalb nicht nur für de^n Bibliothek (Udius 4). 



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Römer. Charakteristik der ciceroniscbcd Dialoge. 



551 



politische Wirksaiüktit Wir lernen seine Lehrer kennen, 
seine Familie und nächsten Angehürigen; ältt're und jüngere 
Freunde aller Art aus der Jugend und dem Aller gleiten 
bald schattenhaft in fluchtiger Erwähnung an uns vorüber, 
bald treten sie uns in voller Gestalt als Personen seiner Ge> 
spräche entgegen. Die mannigfaltigen Stimmungen seiner Seele 
Uingen wieder, wie sie persönliche Schicksale und die Ge- 
sehiolite seiner Zeit und seines Volkes hervorrief. Was dem 
LttcÜ naeb dem Worte des Dichters seine Satiren, das waren 
wenigstens in der letiten Zeit itlr Gcero neben den Briefen 
die Dialoge, die vertrauten Freunde, denen er mittheilte, was 
seine Seele bewegte und seinen Gebt erfüllte. Auch der 
Süssere Schauplatz seines Daseins fehlt nicht ganz: die Lieb- 
lingsplätze seiner letzten Jahre, die Villen am tyrrhenischen 
Meer, das Tusculanuii» uiiL Lyceuni und Academie, wie er sie 
sich nach athenischem Muster eingerichtet hatte, werden uns 
genannt und in anschaulichster Schilderung liegt seine Hei- 
math Arpinnin vor uns. 

Aber nicht bloss individuell ciceronisches Leben regt &kh National 
in den Dialogen, sondern auch national römisches. Mag er 
immerhin in der Form Piaton eifrig nachstreben, in den 
Bahnen des Aristoteles wandeln oder nach der Schablone der 
neuen Akademie arbeiten, gelegentlich auch wohl zu Hera- 
kleides und Dtkaiarcbos abbiegen, mag er ohne viel UmstSnde 
das Material aus griechischen Schriften herQbemehmen, so 
hat sich doch gelegentlich sein rOmisches Naturell gegen den 
griechischen Einfluss gestemmt und ist seiner Herr geworden. 
Kaum oder doch nur sehr selten ist dies in den Dialogen 
der letzten Zeil geschehen, wo wir im (iegentheil eine Knt- 
Wickelung vorschreiten sahen, die fast zur völligen Umwand- 
lung der am Gespräch betheiligten Römer in disjuitirende 
griechische Philosophen fllhrte. Ein desto glänzenderes Bei- 
spiel hiervon aber giebt sein Meisterwerk, der Dialog »vom 
Redner ((. Auf römischem Boden spielt er, Römer reden darin 
und reden so, wie Römer reden sollen, sagen nicht bloss 
auswendig her, was sie bei einem griechischen Philosophen 
oder Rhetor gelernt haben. Mit diesem Werk hatte der Dialog 
aucb auf römischem Boden das volle Bflrgerrecht erlangt 
National römische Dialoge waren auch die juristischen des 



rvmiacher 



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552 



V. WiederbeiebuDK des Dialogs. 



alten Brutus un(1 der politische Curios. Sie waren es aber 
mehr durch den Gegenstand, als durch die Kunst der Be- 
handluDg. Der eiDsige Bivale, den Cicero geiimden hal, war 
Varro, dessen dialogische SchrÜkatellerei sich hier wieder 
einmal mit der dceronischen berOhrt. 



Varro de re rustica. 

Yarros Dialoge »Uber die Landwirthschaft« sind das wür- 
dige SeitensUlck zu Giceros Gesprlchen »vom Redners. Sie 
sind ein Werk seines höchsten, aber immer noch kräftigen 

Alters. Als junger Mann hatte er in den menippischen Sa- 
tiren mit tler Philosophie und Wissenschaft mehr nur ein 
neckendes Spiel getrieben; ernster, wie es dem reiferen Alter 
zitunt, waren wohl si Ikmi die logisUü ischen Abhandhmtien ee- 
halton, doch kamen auch sie über eine essri\ i^[is(:ll<' Hcai- 
beitung der Philosophie nicht hinaus. Nun mahnte das Ende 
des Lebens auch ihn, mit den wissenschaftlichen üeberzeu- 
gungen einmal abzuschliessen. Aus dem dialektischen Spring- 
insfeld, dem Verfasser populärer Aufsätze wurde ein dog- 
matischer Systematiker; an die Stelle der Kyniker und des 
Herakleides traten bei ihm Aristoteles und namentlich 
AntiochoSi in dessen Ansichten er sich mehr und mehr 
befestigte. Diese Umwandlung trat insbesondere in seiner 
Schrift »Ober die Philosophie v [de philosophia) , in seiner 
Encyclopädie der Wissensehaften und Rfinste (dlldplinarum 
libri IXl^ und in den schon genannten Dialogen »von der 
Landwirt h-scha Ii hervor. 
Compositioa Trotz der dialogischen Form dieser letzteren giebt doch 
das ihr cigonflich widerstrebende Princip der Systematisirung 
bei der (lunipositiun des Ganzen den Aussehlag. Auf drei Bücher 
vertheilt treffen wir hier drei verschiedene Gespräche, die zum 
Theil von verschiedenen Personen und su verschiedenen Zeiten 



I Dass er den Aristoteles damals eifrig las, erfahren wir aus de re 

rusl. ii 5. 

2j l.andwirthschafi uiici IMiüosophie fehlen unter diesen, weil ihre 
Dari>lelluQg besoadercu Werken vorbehalten wurde. 



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Varro de re ruslica. 553 

gehalten werden Ob zwischen dicseu Gespröchen vom Ver- 
fasser ahüichtlicb ein, freilich nur dünner, chronologischer Faden 
geknüpft ist'^), bleibt iweifeihaft. Jedenfalls ist er nur solir lose 
um sie herumgeschliingeD, so dass die sp&teren Gespräche sich 
niemals auf Aeussenmgen der Mheren surllck beliehen, und 
was dieselben zusanmienhSU ist lediglieh der Inhalt^ vermöge 
dessen sie jedes ein Fach im System der Landwirthsehatl System d«t 
ausItlUeny das erste vom Ackerbau, das sweite von der ^^tllu^ 
Vieh- und das dritte von der Vogel- und Fischsucht handelt. 

Ueber die Composition des Ganzen hinaus erstreckt sich 
dieser systematisironde, dem Antiochos verwandte und von 
ihm abhaagigc, Geist bis ins Einzelne^). Eine logische Dis- Logisoho 

DlipMltiOAi 

\) Nimmt man Varro beim Wort — (lnl>pi solUr iiiiin sich nllcr- 
dini:^ immer die Frage stellen, ob mait tlies bei einem Dialogenschreilicr 
wirklich darf — so lasüt sich die Zeit des dritten GesprUchs bis auf Jahr 
und Tag besUniineD, wie dies Schleiohw Mektti. Varron. S. 10 getttaa 
hat. Es fitUt danach a. d. VI. oder V. Id. Quiot. des Jalires 54 v. Chr.» 
aof denselben Tag an dem die Aedilen-Wabl stattfindet. Die Zeit der 
beiden ersten Gesprttche lässt sich nicht so genau bestimmen: über das 
erste Gesprilch erfehren wir nur. dass es an den fcriae sementivno <itatt- 
findct ; über das zweite; nicht einmal so viel, denn dass es an den Palilia 
gehalten wird, ist aar eine, allerdings wahrscheinliche, Vermuihung 
(Schleicher S. 2 f.). 

2| S. vor. Anmkg. Schleieher S. iO setzt voraus, dass alle drei Ge- 
sprücbc in das gleiche Jahr gehören. Dann würde das Gespräch des 
ersten Buches auch der Zeit nach das erste sein, da die ferlae semen' 
tivae, an denen es stattfand, in den Ausgang des Winters falten; hieran 
würde sich ebenüills in chronologischer Folge das Gesprttch des zweiten 
Buches reihen, da die Palilien im April gefeiert worden, während da.« 
Gespräch aus dem Anfang des Juli als dri(t(<>^ pn'i'iond abschliesst. 

3) So schwelgt er in Kintheiloncrn 1 c. .'i. i f. c. 9. !. f r. \l. l i. 
III 8, 1 fl. Nii'K'eiuis iIh t tritt ihM- I rheber jener berUchlipteii Rechnung', 
welche 288 uLs die desammlzahl aller philosophischen Sekten heraus- 
bringt {womit übrigens auch die Berechnung der Stammwörter einer 
Sprache auf 1000 und die der hieraus durch Abwandelung entstandenen 
auf 900 000 SU vergleichen ist de Ungua Lat. VI 10), deutlicher zu Tage 
als II 4, S IT. (bes. SS), wonach die Viehsocht In S4 verschiedene Thelle 
serflült. Mag dieses §^eichmSssige Durchrohreo gewisser Zahlen und das 
ängstliche Festhalten daran iII 1. ?" f. 28} auch pythagoreische Spielerei 
sein viil. Sfi'inth.'il nesdi. der .Sprn. liwiss. S S37 .1:^8, t), so ist doch das 
Eintheik'M zuin Zweck d<'r SyslematisiniiiL! lmiiz in der Wpisp de«; \ntinrhns 
(Cicero dr* (in. V 16 ff.\ In der Weise <^^"^Kf>H»<•n IMiilosophcn ist auch <lie 
Frage i 2, 12: agri cultura quaiu suinniaiu liabeal, uliiitatemne an volup- 



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554 



V. Wiederbclebuog des Dialogs. 



positi' )fi /oichnel den Weg vor, den die Erörtwung nehmen 
Süll und den sie auch wirklich nimmt nicht ohne ausdrücklich 
und wiederholt auf die gegcl)oiie Disposition hinzuweisen M. 
Auf das also geordnete Gebiet worden die verfügbaren Per- 
sonen vertheilt, jede erhält ihr Feld, das sie bearbeitet^), eine 
ergänzt die andere, nirgends ist Streit, sondern Überall ein- 
trSchtiges Zusammenwirken; dafür fehll auch alles drama- 
tische Leben und kann durch der Bühne entlehnte Ausdrucke 
wie t Rollet (partes II 5, S. 40, 4) ftlr den AnCheil der Sin- 
seinen am GesprAche und »Akte«*) niohi ersettt werden. 
Weder bei Plalon findet sich etwas AehnÜdies, noch in 
Giceros Dialogen ivom Staat« und »vom Redner«, obgleidi 
auch dies systematische Darstellungen sind; aber sie werden 
hervorgerufen und gcRirdert durch den Kampf der Mei- 
nungen, aus den Dissonanzen entwickelt sich die Harmonie. 

Surrei Bei Yarro haben wir statt dessen ein starres Fachwerk von 

f adiweik. 

tatem an nlninique; und fest noch mehr die Antwort 4, 1 : hinc profecH 
agricolae ad dnas metas dirlgere debent, ad ntiUtatem et volnptatem. 

1) Z. B. II 9, 4 reUnqnittir, f 0, 4 relicnm. 

ä) II 2, I : sed quontani nos noslruin pcnsum absolvimus etc. 

3) I 26. II 5, 2. 8, <. r III J^. 4. 1 i. 1. n, 4. Hier werden durch 
»actus» lediglich gewisse bestimmt iil)iL:ei:ri(nzte Theile des Inhalts, ru- 
<«ammengehOrigc Gcdankonmassen, bczt i« hnet ohno dns*; auf eine drama* 
tische oder der dramatischen analuge Bewegung im Dialog irgend eme, 
auch Dor die geringste Nehenrttcksicht genommen wird. Man kann sich 
lilerbel daran erinnern, das» Varro, ancb wenn er Akte des rtfmisdien 
Dramas unterschied, die Grensen derselben nach Maassgabe des InhalU 
bestimmte (Ittts«^ Op. 8, 457 f.}. Dodh genügt dies nicht um jenen «igen- 
tbttmlichen Gebrauch des Wortes zu erklären, der gerade von der dra- 
matischen Bedeutung ganz absieht. 1-^s ist also woht nn/nnehmen, dass 
V^TFT" ;(cfus in der Bedeutung eines Ai kiMinaa'^'ie-: n ifnn !'!in n. h. ls d 
lind es von U« aul" den Thell eines literariscii- ;i W t rkes iiiu'rtrii'^. Ines 
Verfahren ist nicht unerhört, sondern hat seine l'arallele, ausser iu »versus«, 
auch in dem Gebrauche von »actus« insofern es den Theil eines Dramas 
betelchnet: denn auch in diesem Falle scheint es der Tmnlnologie der 
Agrimensoren entlehnt m sein (KiessUng lu Hör. A. P. 489) und kann 
nicht als Uebersetsung des griechisdien IpS^ gelten. Besonders erieidi- 
tert wird die Annahme einer solchen lebertragongi well es sich hier um 
eine Sclurift de re rustica handelt, das WoK also gewissermassen in seinw 
früheren Sphäre bleibt, und weil es finnx in Varros W'-i^'- ist. wie wir 
noch an mehreren Beispielen S(!lieii werden, dass der liauplL'eL'eiistaDd 
des Dialogs sich ;ni( h in geringfügigen Nebendingen, Namen und andern 
Aeusserlichkeitcn, s|iiegelt. 



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Römer. Varro de re rusUca. 



555 



Dogmen uod Rezepten, in das die Gespräche eingezwängt 
sind. Die Einheit beruht ganx auf dem Inhalt; Cicero hat 
doch in der Schrift »de finibos»! die in ihrer Gomposition der 
Vanoiiiflcheii »de re rusticaa verwandt ist, die drei Dialoge 
durch eine bei aUen wiederholte Widmung an Bmtiis anch 
der Form nach susanunengehaltoni bei Varro, der seine Dialoge 
Verschiedenen gewidmet hat, fiOlt selbst dieses ftttssere Binde- 
mittel weg^). 



4) Die gewOhnliclie Aosiclii ist allerdings, daM er Anikogs die Ab- 
sicht hatte, alle drei Bacher seiner Gattin Fundaoia la widmen, spttter 

aber hiervon abkam und das «weite Buch dem Turranius Niger, das 
dritte dem Q. Pinnius widmete, und dass von dieser früheren Absicht 
auch in dem fertigen Werke noch eine Spur zuni^^kMipli in den an Fan- 
dania gerichteten WorttMi I <, 4: quocirca scribam tibi Ires libros In- 
Aicen, ad rpios revcrt u i <>tc. (A. Schieichcr Melelt. Varr. 8. 3 f.\ Es frügt 
sich aber, ob auch uur ciue solche ursprüngliche und spater uufgegebeoo 
Abaicht lugestanden werden kann. IKki Annahme, wenn idi sto redit 
verstehe , Ist doch dass Yarro die Vorrede des ersten Budies noch In 
dem Gedanken schrieb, das ganze Werk seiner Praa au widmen. Bbier 
soldien Annahme würde aber schon der Anlhng der Varrede widei^ 
sprechen, wo als Grund der Widmung angegeben wird, dass Fundania 
ein Grundstück erworben habe und deshalb an der ricliliizen Bebauung 
desselben ein lnlen»sse habe. Diese Worte fuhren lediglich auf eine Schrift 
de agri cultura, nicht auch auf eine de re pecuaria oder de villaticis 
pastionibus. Ebenso wenig steht die Anrufung der Guller gleich darauf 
(i ff.) in irgend einer BeatUihnng snr ViehniGht, soodam beschritolkt sich 
in ihrer Auswahl auf solche Gotthelten, deren Schute und Pllego der 
Landbau unterliegt. Zum Schluas der Vorrede Ist dann aUerdIngs auch 
von den Gegenstanden der beiden andern Bttcher die Rede und von 
der Absicht Varros auch sie zu behandeln (11); aber diese Behandlung 
v,\r(\ eben für spüter aufj:cschob('n und kein Wort diiriilxT !iesiif;t, dass 
und warum auch sie zunächst für die Fund.mia hesiirnmt vpi. Aber, kann 
niiui einwenden, die ^anze ubrij^c Vorrede ist eben schon vom spöteren 
ÖUodpunkt aus geschrieben und eine ^pur der früheren Absicht blieb nur 
an jener einzigen Stelle stehen. Nicht einmal dieser Einwand ist zutreffend^ 
wie eben die fragliche Stelle zu Ende gelesen und im Znsammenhang erwogen 
lehrt: quocirca scribam tibi tres Ubros Indicea, ad quos revertare, si 
qua In re quaeres quem ad modum quuk|ue te in colendo oporteat faceve. 
Bei ain colendo« kann man nur an die agri cultura denken. Also worüber 
er der Fundania schreiben will, ist auch hier nur der Ackerbau. Aber 
freilich spricht er von drei Buchern (tres libros). Will man daher nicht 
eine neue Hypothese aufstellen, dass nach einem früheren Plane die 
Schrift de agri cultura in drei Abschnitte zerfallen sollte, so wird nichts 
übrig bietbt;n, als die Stelle für verderbt zu erklären. Zu ihrer Heilung 



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556 



V. Wtederbelebong des Diftlogs. 



Je weniger der Dialog als Ganzes den Fordeningen 
gontlgt, die an eine künsüerische CompositioD gestellt werden^ 
desto mehr hat Varro, wie er überhaupt ein Mann dos De- 
tails war, versucht durch AusschmaekuDg des Einseineu 
seinem Werke Reiie und Vonflge su geben, durch die es 
sich von den cieeronischen unterscheidet und sie sum Tbefl 
Homer und Übertrifft In erster Linie stehen hier Humor und Wits. 
^^^* Beide sind fiberreichlioh Über die platonischen Dialoge aus- 
gegossen. Und auch Cicero fehlte es dasu weder an Neigung 
noch an Begabung; wenn trotsdem dies in seinen Dialogen 
so wenig zum Vorschein konunt, eigentlich nur durch Casars 
Mund im Gespräch «vom Rodner« ein für alle Mal «»ich zu 
entladen scheint, so erklärt sich das aus der trüben Slim- 
munc. in der er seine IIi.iIhli schrieb. Unter soh hcn Ver- 
hältnissen konnte ihm auch nicht einmal der Gedanke kommen, 
im Wetteifer mit Varro etwas den menippischen Satiren 
Aehniiches zu schafTen. Aber auch hiervon abgesehen war 
seiner Natur wohl der possenbaae Humor fremd, zu dem 
Varro sich gerade hingesogen fühlte. Spuren desselben IrSgt 
auch der Dialog Jivon der Landwirthschaft«. 

Wihrend wir uns bei Cicero im Salon bewegen» webt uns 
bei Varro schon in der Sprache die hrSftigere Landluft an. 
Sprichwörter braucht er gern (H , 1 . 2, 2. III, 3J wie Sophron 
und Aristoteles, liebt metaphorischen Ausdruck und ftihrt ihn 
fast bis zum Gleichniss aus (1 96. 56. II 7, 1 ]. Wie lebhaft klingt 
das dreimal wiederholte »sexauinla« 'III ?, 15)! Das ist keine 
durch irgend welche Rcp;eln und lUicksichten eingezw^änglc 
öpraohe des oder beschnittene Spraclie, sondern di(» wirkliche Sprache 
^•^IJJJ^*' des gewöhnlichen Lehens. Selbst die Regeln der Höflich- 
keit gelten hier nicht mehr, die von Cicero so ängstlich 
beobachtet werden. Atticus hat seinen Vortrag über die 
Schafzu<-bt beendigt: Du hast genug geblökt« sagt CiOS- 
siniuSi «ich will Dir «eigen, wie man es kurz machen 



würde vielleicht genügen »trcs libros" al«: Glossem zu »indioes« sa stroi- 

rhen. Sonst Hess sich auch denkeo, dass zu sdirotben sei »tibi et res 
et librns indirr«: f. Die lihri indices« wimleo dann die Quellenschriften 
sein, t-r Sil. \ cizciihni't ; von \hnvu >ai:t er 8 »hi sunt qtms tu h«- 
berc in consilio poUiis cuni quid c<uisulcjf voles« perado wir von den 
libri indices »ad quo.s rcvorlurc« clc. Wegen »res vgl. y vca!»deni res* eic 



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Römer. Varro de re rosttca. 



557 



kann« 'IT 3. 1)*). Axius und Varro kommf^n zum Appius 
Claudius, der gerade in der villa j)ublica sitzt und aut den 
Augenblick wartet, wo er als Augur die Vogelschau beginnen 
BoU: »Dttifen wir Dich in Deinem Vogelhaus besuchen?« sagt 
Axius zu ihm; »gewiss«, antwortet er, «besonders Du, denn 
an den VQgein, die Du mir neulich vorgesetzt hast, habe ich 
noch immer su rOlpsen« (III 2, % f.). Diese Worte leiten ein 
Gesprtch Ober YogeUucht ein. So ist Varro auch sonst be- 
müht, AeuBseres und Inneres, Form und Inhalt in Einklang 
SU setsen, swischen beiden oft weit hergeholte Besiehungen 
SU entdecken und sie in dberraschender Welse herrorsu- 
kehren. Eben hierauf beruhen zum guten Thefl seine Witse. 

Nirgends zeigt sich dies so deutlich, ala in der Wahl der WiU äse 
Personen, die in seinem Dialoge das Wort führen. Diese ^*"^**"* 
Personen sind sämmtlich historische Personen, zum grösseren 
Theil uns sonst bekannt. Sie sind mit Varro befreundet, 
auch verwandt wie Firccilius und Varros Schw ieiiervater 
Fuuiiauius -^j ; ausserdem durch Kenntnisse oder durch die 
Verhältnisse, in denen sie leben. fi\r ihre Rollen beßihigt. wie 
namentlich Cn. Troinellius Scrola, einer der vorzüglichsten 
kcnner der Landwirthschafl und Verfasser einer Schrill hier- 
über, der einzige ausser Varro, der an mehr als einem Ge- 
spräche hetheihgt ist-*). Insoweit unterscheidet sich Varros Ver- 
fahren in nichts von dem ciceronischen. Eigen thümlich aber ist Tarros 
Varro die Deutung, welche er den Namen seiner Personen gibt, ^^JJ^J* 
so dass in ihnen schon die Rolle bezeichnet zu sein scheint, 
die die Personen im Gespräch su spielen haben. Im Gespräch 
des dritten Buches, das sich namentlich mit der Vogelzucht 
bescbSiligt, treffen wir gleich su Anfong eine Gesellschaft^ 
bestehend aus Merula Pavo Pica und Passer; später kommt 
noch Parra hinsu. Es ist wichtig, dass diese MSnner gerade 
bei ihrem Vogelnamen genannt werden <); ebenso wie Appius 



4) Balatrones redet Locienos bei seinem ersten Auftreten die üebrigen 
an II 5, 4« 

i) Schleicher, lielett. Varr. S. 4S q. 5. 

31 Schleicher S. 6. 

4) Schleicher S. 4 2, tler aber übertreibt wenn er nun rihonill da, 
wo cIIp Hand<!chriftpn den weniger !>pd(nul<»n(len Namen bieben, (Uesen 
streicbcn und durch den andern ersetzen will. 



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558 



V. Wiederbelebuug des Dialogs. 



so und nicht Claudius heisst, weil er über Bienen (apes) zu 
reden hat (III 16.2 ff)'). Vacciiis zeigt durch seinen Namen 
an. dn^s er eine Rolle im zweiten Buch spielt und über 
Rinderzucht sprechen soll {U 5, ^. Schleicher S. 0^; ja sogar 
ein dem Gespräch selbst ganz fem stehender Mann, bei dem 
Varro und Scrofa eingeladen sind und dessen Einladung sie 
nach dem Gespräche Folge leisten, muss doch zu dem Inhalt 
des letzteren in Beziehung gesetst werden und heisst deshalb 
»Vitulus« (IM 4, 48). Im ersten Buch hinwiederum, das es 
mit der Bebauung eines Landguts (fundns) su thun hat^ sind 
natürlich Männer des Namens Agrios (deoh vf^. auch PUn. 
nat bist XI 49)» Agrasins and gar Pundanias oder Pundilius 
vrie prSdestinirt tum GesprSoh, aber andi TremeUIus Scrofa 
(Schleicher 7) und Uoihins Stolo (Schleicher 6) haben um 
ihrer Beinamen Witten ein Recht dain^. 

ititnadOxt. Ausser den Namen sind auch Zeit und Ort der Dialoge 
von Varro benutzt worden, um auf den Gegenstand der Ge- 
spräche anzuspielen. Der erste Dialog ist auf diese Weise 

Tompeldiftloge. einer der frühesten Kirchen- oder Tempeldialoge geworden'). 

Im Tempel der Tellus finden sich die Theilnehroer des Ge- 
sprächs zusammen; also im Tempel derjenigen Göttin, unter 
deren Obhut der Ackerbau stand, findet das Gespräch i\hor 
diesen statt, und zwar am Saatfeste (feriae sementiTaeJ. Heber 

i] Wie Appitis nur seinem Namen zu Liebe über Bienen reden 
muss, so scheint C. Melissus ebeut'tiU» in sciuem Naiuen den .\ulaäi> ge- 
funden zu haben, über aia zu schreiben Scrv. Aea. 7, 66 (Tcuffel R. L.G. 
§244,2). In diesem ZuaammeiitreffeD nur Zufiill zu sehen ist um fo weniger 
gestaiteti als Helfssos wahncheinllch der jttoeere ZeUgenosae Varros, der 
Poet des aognstelschen Kreises Ist. 

2) Selbst die Namen der Personen, denen die Bücher gewidmet 
sind, lassen sich in dieser "Weise deuten. Das erste Buch, das vom fumlu« 
handelt, Ist der Fundanin prwidmet, das dritte üIut Federvieh einem 
Pinnius. Beim zweit»'!) !Hich hal Varro wie scheint in riun.Nten seiner 
Freundschaft mit Turranius Niger eine Ausnahme gemacht. .S. ^hletcher 

s.af. 

8) F. V. & Sonntagsbeilage No. St Sur Vofltischea Zeitung U8t. Voi^ 
gänger Vanros sind uns nicht bekannt: weder Xenophon*« OlkeiMimikoa 
kann wegen 7, 1 dafür angesehen werden noch dw Eryxias; audi der 
xweite Alkibiadcs war nur auf dem Wege ein Tempeldialog zu werden, 
wenn Sokrntes den Mkibiades nicht Torber abgefangen bitte. S. u. Uber 
die huniictiächcu Schriftcu. 



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Rtfmer. Varro de re raiUca. 



559 



den zweiten Dialog ist uns nur eine Vermuthung gestattet 
(Schleicher S. 2 f.), dass diese Unterredung über die Vieh- 
zucht beim Tempel der Pales und am Feste dieser Hirten- 
ffiUiü abgehalten wurde, während der dritte Dialog vermöge 
eines echt varronischen Wortwitaes in der «villa publica« 
spielt, die an die »YÜlatieae pastiones«, den Gegenstand des 
GespriehSi nur durch ihren Namen erinnert, der Sache nach 
aber wenigstens su Varros Zeit g^r nichts damit zu thun 
hatte >}• 

Es zeigt den Verfall einer Kunst an , wenn sie auffingt, T«ildl 
dem Nebenwerk eine grössere Bedeutung beizulegen als ihm 

zukommt. So versteckt sich das Sinken des Dramas unter 
dem erhöhten Glanz der Bekoratiunen und Kostüme. Gilt 
dieselbe Regel ftir den Dialog, bal)en wir deshalb auch die 
eben besprochenen Eigenthümlichkeiten des Varronischen 
Dialogs fiir Symptome des Verfalls zu halten? Wenn man an 
Dialoge der Neuzeit denkt, an Berkeley's Uyias und Philonous, 
an Leibnizens Th^ophile und Phllal^tbe, an Schleiermachers 
Sophron oder auch an den Simplicio Galtlei's, so wird man 
geneigt sein, diese F^ge lu bejahen. Und man wird in 
dieser Ansicht noch weiter durch die Beobachtung bestürkt 
werden, dass auch bei Flaton dergleichen ursprflnglich wenig- 
stens sich Dicht findet, sondern erst durch neuplatonische Aus- 
legekuast hineingetragen worden Ist^. 

Günstiger stellt sieh Tarros Sache, sobald man seinen Euossü». 
Dialog mit der Komödie vergleicht. Hier haben wir aller- 
dings zahlreiche Beispiele von Euelpides und Peithetairos 
an bis auf Pyrgopolinices und Artotrogus. in denen der 
Name schon die Bolle seines Trägers auls deutlichste ver- 



4) m i, 4. MommMii Slaatsr. II* S. Ift9 f. 

5) Piaton sowohl als Cicero haheo das Ncbeowerk discret bohan- 
delt; sie sthnmeo swar gelegeiitlfeb das Nebeowerk tarn Hauptinhalt 

(o. S. 197 f. 475 f.), confandiren aber beides nicht mit einander. Dagegen 
Ist es affectirt, wenn Malebranche in den Entretions luötaphysique«! das 
Gespräch, das in die reine Welt des Gfi-^t*"; sich erhoben soll, im Ounkeln 
stattfinden, wenn er deshalb die TheilnclujJür, Theodore und Arisl»\ erst 
aus der freien schönen Natur sich in das Slndirzinimer zur uckziehuii 
und auch dort durch Vorhänge sorgfältig gegen dus Lichl scttuUen lässt, 
Bor damit sie nksbt darch die Bindrttcke der Siane gestört wenleD. 



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560 



V. WiedcrbolebuDg de^ Dialogs. 



kündet. Als Komödie im Dialog werden wir tiaher Vurros 
Verfallron bezeichnen und sind damit auf den richtigen Weg 
zur Dem mm auch noch anderer Eigenthüralichkeiten seines 
Dialogs von der Landwirthschafta gewiesen. Denn Kuiii iilie 
im Dial(>!z hatte schon Menipp gespielt und ihn nachahmend 
Menippiiche Yarro in den menippischen Satiren. Der Dialog »von der 
Satire. Landwirthschaft« zeigt uns also nur, dass Varro trotz aller 
Wandelungen, die er auch als Dialogenschreiber durcii- 
gemacht hat, in gewisser Hinsicht doch der alte geblieben 
ist. So nüchtern der Inhalt des Dialogs ist and so sehr er 
auf die Praxis absweokt, mit der Form schaltet Varro wie 
ein Dichter^). Wie ein solcher die Musen so ruft er daher 
beim Beginne des Werkes seine 65tter, die GOlter der Land- 
wirtbschaft an (I I, 5 f.), fihnliche Anrofimgen sind uns aus 
den menippischen Satiren erhalten^). Auf die menippische 
Satire Usst sich noch Anderes surÜckfUhren, so der bunt- 
scheckige Inhalt'), die eingestreuten grieehischen Verse (II 
1, 4. 5, 4. 40. III 46, 4), die auffallend schroffen, durdi 
plötzlich wirkende üussere Ursachen lierbeigelührten Ueber- 
gänge des» Gesprächä^J. Eine gewisse Unruhe spüren wir 



4) Der Gedanke un eine historische Grundlage seiner GesprScbe 
mtif^ bei ihm noch ferner gehalten werden als bei Cicero. Das eingibt 
i,i<;!i ans detn was über dio Personennamen und die Behandlung der 
S<x"uerie lieiucrkt wurde. Was er duher I 4, 7. II prooni. 6. III 4, iO sagt 
um diu Dialüge als wirklich gehaltene erscheinen zu lassen, ist in der 
bei Dlalogeusdirelbeni ttbUehen Weise auf die lllusloo der Le0«r be- 
recbDOl. 

5) o. S. 44S, I. Wt den plafontacbeD und cloeronlscben (o. 8, 47S, 4) 
kann man sie nicht msammenstollen. Vgl. aber Livius I prnef. 13. 

3) Denn neben dem landwirthHchafllichen Inhalt fehlt es doch auch 
nlf ht .m historischen und grammatisclien Nehenbf morlningeo und Kx- 
curseu wie II 4, * ff. 9 f. 5, 3 ff. 11. 5. ii. Jo if. III li, 6. 

4) itt S, 4 8 wird Pavo plützUcü abgerufen. Dies scheint Axius eine 
gute Oelegenheit um Merula zu einem Vortrag Uber die >pavooes« aii^ 
nifordem, den dieser auch sofort hSit Uoterbrochen wird Memla darin» 
weil Apploa die Villa verittast und Tauben in dieselbe binelnlllegen: ohne 
weiteres springt er daher su einem Vortrag über Tauben über. Audi 
hier soll der leichte Gang des solcratischen Gesprächs, dem man die 
schwere Riisluti.: drs I,(iL:ikor*; nichl anmerkt, nnchäreahmt oder viel- 
rn<^hr. wie di«^*« /iitn Wistn d< i ii onippisckeu Satire gehurt ^o. ä. 3S5 ff.), 
ins Burleske übtTtnebea werden. 



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Römer. Varro de re rueliea. 



561 



auch durch das Ganze, die an die SteiJe des tieferen dialo- 
gischen Lebens getreten ist. Die Zahl der Personen Uber- Zahl dar 
sebreitet das dialogische Maass (o. S. 206 ff.), sie belfiuft sich ^«"^"o"' 
auf seohs nnd sieben i), und diese Personeil bleiben nicht von 
Anfang bis xu Ende ruhig bei einander, sondern kommen 
und gehend). Viel weniger als bei Cicero werden lang- 
alhmige Vortrllge gehalten*), vielmehr wechselt das GesprSch 
hftnfig iwisehen den verschiedenen Theilnehmem nnd erUUt 
so ein siemlich buntes Aussehen. 

Unsere Aufmerksamkeit wird auch nidit bloss vom Dia- 
log in Anspruch genommen, sondern auch von Handlungen, 
die ihn begleiten und gelegentlich durchbrechen*). Ausser 

i) Im dritleQ Bneh liommt ttbrigeo» noch Peatnlejos Ferra hioza, 
aber nur um liber einen Vorgang euf dem Forum so berichten und 
ohne irgendwie am GesprMcfa Anth<nl xu nehmen. Ursprünglich hatte im 
zweiten Buch vielleicht auch Meoates ein paar Worte gesprochen, vgl 

II 4, 1 3 10. 8. I. 11, <2. 

i; Scrofa uad Stolo l ^10 f. Lticienus uod Murrius II 5, i u. 18. 
Pavo III 5,^8. 17.1. Appnis III 7,1. 12,1. 17,1. Merula III 17.4. 
Daä6eii>e ündct ^icU in den AnGUigen schon bei Cicero, ja bei Piatou 
(o. S. 487» 490, i;. 

S) Uan bat dies oder wenigstens die FShigkeit dei^leielken ansu- 
htfren fttr eobt romisdi erklftrt (F. v. S. Sonntagsbeilage nir Voeslschen 
Zeitung 1880 No. 473j. Dies ist aber aUzu rasch aus den splitcren cioe- 
ronischen Dialoyon L^'foltKM t , wo es einen anderen Grund bat. Varros 
Dialog kann dazu dicaiMi jüue:^ Irtheil zu niodiflciren. 

4] Das Gespräch des ersten Buches lindet statt wuUrend die Be- 
tbeiliglen, die einer Einladung des »aeditumus« FundiUus gefolgt sind, im 
Tempel auf ihn warten ; da kommt dessen Fr^elassener mit der Nach' 
rieht dass Hin Herr ermordet worden sei, und der Dialog hat ein jähes 
Ende. Im zweiten Buch wird >!hs Gesprach geführt, während Menates 
die Zurüstungen txxm Opfer tritll fII1,1j; wie alles fertig ist, kuimnt 
der Freigelassene dle.i in inehien (8, 1) und die Geseilschnft I)ec!!t ^\>'h 
<!;i-> iiiLefantrene Gespriicii zu Ende 7ii bringen '11.4. Ii . Eine .N^^Im h- 
haudJuu^ 111 demselben Buch i^l weiter, m der Lucienuft den Murnuä 
abholt (5, 1) und nach deren Beendigung beide spater (6, i) surttdüiehren. 
Das dritte Gespräch hat snm Hintergrund die Aedilenwahl. Varro und 
Azios haben ihre Stimmen schon abgegeben und woUra, Iiis <He Stimmen 
ge^iihlt .sind, die heisse Tageeseit im Schatten der villa publica zubringen. 
Hier treffen sie ausser Anderen den Appius, der als .\ugur dort jeden 
Augenblick gewörtig sein muss von den Consuln befohlen zu werden. 
Das begüunenc Gespräch hat nun zuniiclist .seiuea ruhigen Fortgang al:* 
plOtzlicli vom WaiUplatz her Geschrei ertünl und gleichzeitig uui die 
flirsal, Di»l»r. 3G 



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V. Wiederbelebuug des Üialt^s. 



Menipp M kann hier auch der l'unuker lit^rakleiiies Varros 
Muster geweseu seiü ^o. Ö. 4H9 t ). 
Vorbilder. So sleüt sich <ler Dialog als oiii (lemisch verschiedener 

Zeiiea dar: auf den jugendlichen Varru weisen die Spuren 
Menipps, während der Schüler des Antiochos, der Leser de« 
Aristoteles sich in dem systematischen Aufbau des Gänsen, 
der Einführung der eigenen Person in den Dialog 2) sn erkennen 
gibl. In wie weit auch Giceros Vorgang von Einfluss gewesen 
ist, muss dahin gestellt bleiben Ausserdem trfigt der Dialog 

Lrsaclie zu nioldon Paria »Mseheiul (5, tS). Dies ist der Aiil.i>< dass zu- 
narh-?! P«v»> .iiil>lelit uinl !oiti-'«*ht rileich darauf kotniiit aber auch »'in 
Diener und meldet dem Apptus iui Auftrafie de*; r.diiMiU dn«s die Auauren 
verlangt wurden (6, Daher veriU:$ät auch Appiu» die Vilk, koiuinl 
indessen spttler wieder zurück, woranf man sieh i^gMiseitig luitthefll, 
von der einen Seite was mittlerweile gesprochen worden Ist, von der 
anderen was auf dem Marsfeld sich sugetragen hat (It, 1). Schliesslich 
erscheint auch l'avo wieder: die Wahler^ehoisse würden verkündet. 
Appius steht eiligst auT und geht fort und Merula schliesst sich ihm an 
mit dem Versprechen den Rest dessen, was er zu sfi{:en hat. spüler 
nachzubringen '<7, 1 Jetzt wird auch Varro ungeduldig, lassl sich aber 
durcli A\ius teslhalU-n und beide bleiben noch iniGesprttch; da plulzltcli 
abermaliger L^irui und Varrus Caudidal betritt als gewühlt und designirter 
Aedil die Vilhi, den sie nun unter Glückwünschen aufs Capitol geleiten. 

1) Darüber dass Spielereien mit den Namen, wie die o. S. SS7 f. 
erwähnten, kynisch sind, vgl. Norden in Fleckeis. Jahrb. Supl. XVIll 
S, 280, 4. 

2) Auf den Principat hat Varro allerdings dabei verzichtet. — Be- 
n»erkensw'orh ist dass Varro einen C. Airriu»^ ocraticus unter den 
Personen seuies Dialogs aufführen konnte ohne ihn irgendwie, am nlUi- 
w eiligsten in seiner Eigenschaft als Sokratiker, uuiia hervurtrt Ita lu 
lassen. In dieser Beziehung ist Cicero, wie namentiich de republica 
zeigt, ganx anders verfisüiren. Man sieht eben, dass Varro gar nicht hn 
Sinne hatte einen sokratischen Dialog oder etwas dem Aefanllcbes zu 
schreiben. Piatons Einlluss Ist denn auch der denkbar geringste. In 
l i.ii kann »cena conu ss.i < in dem dortigen Zusammenbang vielleicbt 
eine Reniiniscenz aus dem AnfanL: des (iorgias sein. 

3 So wenig sich hczwoitVlu liisst, dass beide lilerari>*h einander 
l>einflusst haben, so bli.iM doch im (Einzelnen fast Alles ilunkrl. \ oti 
dem lIpax/.eioEtov , das Cicero wahrscheinlich nach Varros Vorgang 
schreiben wollte, war früher die Rede (S. 547). Auf der anderen Seite ver- 
mutbete Krische Gtftt. Stud. 4845. i. 5. 174 dass Varros Schrift de philo- 
sopbla ein Seltenstück su de finibus V sein sollte. Die Satire Columoae 
HercuUs ircpi o^t)« (lUrae S. 113) kann man mitCiceros Schrift de gloria 



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Römer. Vorro de re rustica. 



563 



eiQ echt \arruDisches d. i. römisches Gepräge. Kr spioU nicht, OrigUMiitil. 
wie die ciceronischen der Kegel nach, ausserhalb Roms, son- 
dern führt uns mitten in das Leben der ewigen Stadt, wird 
daher auch von demselben unmittelbar berührt und ergriffen. 
Noch einmal wird die Scene in die Zeiten der Republik ver- 
legt: historische Personen aus den letiCen Zeiten derselben 
treten uns entgegen; Appius Claudius Pulcher und Atticus, 
dessen damals noch frische Adoption durch Q. Gäcilius mit 
einem Anflug von Spott berührt wird (II 2, S), führen uns in 
den Ciceronischen Kreis, eben dahin deuten gelegentliche Er- 
wähnungen des Hortensius und Lucullus. Ein Familien- und 
Freundschaftsgeiniildo aus der gleichen Zeit steht vor uns, 
aber mit dem kräftigeren Pinsel des Varro und treuer nach 
dem Leben Gemalt; die eiceronische GesellscbaO crscheinl 
gräcisirt. wahrt nd l)ei Varro gerade die Opposition gegen die 
»semigraeci" zum Worte kommt'). Zu diesem römisch- var- 
ronischen Charakter stimmt der Mangel an Formvollendung 
und Glätte der Darstellung, der nur zum Theil auf Rechnung 
der schlechten Ueberlieferung gesetst werden kann^). 



zusanimenstellen, während der Titlionu^ sich VOD selbst als Parallele zum 
Cato innjor darbiulet und, wonn RihhcrkH VeriiniHjuni; einpr spateivti 
Abfassung richtif; ist. vielleicikl imt Beziehung dioauf geschrieben war 
(hiergegen Nüril''n in Flp''k*^is. Juhrb. Snpy»!. X \ III >. 323), 

1) 11 1,2. 6, 1. 111 40, 1. Es ist nicht niussig uu die Veihuhuuug 
des semigraecus Albadus durch Sdivola su eriniierD, wie sie Lucillas 
iD Minen Satiren gescbUdert hatte (Cicero de fin. I 8 f.]. 

9) 5. o. S. 555, 1. Dafür dass Im Anfang des zweiten Buches eine 
Lücie Ist, lässt sich manches geltend machen Schleictier S. 2. 7). Doch 
hatte man auch den abgerissenen Anfang des platonischen Titoaios ver- 
gleichon sollen. Ein M;lIi^'eI iiictil der Leberliffcrtm^ i<t rs sondern 
srhciiit aiil dus Ftfhien einer lel/lfii ^l.iUenden Ui'di^i tifiti diin h Varro zu 
deuten da<s nr Fundanius 1 2, 1 als soi .Turu uioiiin " l)L'Zeichuet. On 
diese Worte einer Zuschrift an Funduuia ungehüren, sollte man »patrem 
tuum« erwarten. Wahrscheinlich also hat Varro zunlichst den Dialog 
geschrieben, noch ehe er wusste wem er ihn dediciren würde, and dann 
erst das Prooemium an seine Gattin verfasst. . — Dagegen scheint ein 
Zeichen echt varronischer Formlosigkeit zu sein, dass er tl I, 27 sein« 
eigenen Bemerltungcn in indirecter Rede zwischen die rlin-> tnn Reden 
der anderen einschield. Ik'i ri •♦m o wird man etwas der Art kaum 
tinden ;m(fi uU-hi Imm l'hitdti. Ktwas ähnliches ist das haiiÜKe Kehlen 
von iiMjiiit. ui((iiHin, was naniontlii h dann, \^euu auch der Nauic der 
redeudc« i'cison lehlt (v^ic z. Ii. III 2, 18 zu den Worten Ego vcro der 



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56» 



V. Wiederbelebtinfi dem Dialogs. 



Kömsstlieä I'in Werk, von romischeiii Gepräge tu schaffen wurde 

Gepräge. Ya|.,.y .^^J(.^^ durch d(»n Stoff erleichtert. Ueber Landwirth- 
schaft kuiinte auch der Römer mitreden, der sich rail 
Stoiz als Angehörigen eines Bauernvolkes fühlte; hier konnte 
er ebenbürtig den Griechen zur Seite treten, ja sich 
ihnen tiherlegen dQnkeD. Varro hatte Dicht oOthig, wie Cicero 
fingsüioh auf seine griechischen Vorbilder zn blicken. Ihm 
sprangen ebenso gute Quellen In der HeimaUi, in der eigenen 
Erfahrung oder doch in der seiner Landsleute. flOehstens 
auf den Gedanken, diesen Inhalt in die dialogische Form su 
giessen, kannten ihn die Griechen gebracht haben: denn im 
Uehrigen haben Xenophons Oikonomikos und Varros Bttcher 
»ttber die Landwirthschafl« so gut wie nichts mit einander 
SU thun'). 

goUvu- Hit einem Werke echt römischen Geistes hatte die dia« 

bMBwkuf. logische Literatur der Republik, begonnen, mit einem eben 

Name des A.vius , nictit gerade der Dttrchsichtigkeil des Dialog«; dient. 
Bei r.ircro ist dies viel srltmer iind. was man noeli nicht htMr[iii-i ru 
haben scheint, es tindet si<-|i voiv.(ii:li(li in den späteren weniger sorg- 
ftiltis gearheite!*'!! DialoLMu', freilicJi auch einige Male in de re publica; 
während in de oralore, also gerade der vollendetsten Schrift, mir nur 
2W6i Falle der Art (Ii 49. III 47} aufgestossen sind. Cicero thut hier 
eher des Guten zu viel, wie denn das dreimal wiederholte ioquit IMS 
PIderlt XU einer ergötzlichen Bemerkung veranlasst hat. Auch bei Piaton 
lindet sich Aehnliches, so viel ich mich erinnere, mehr in der RepuMik 
als in anderen DialoLcn. Alles dies verdiente eine nMhore rnter«!uchung. 
wobei sich auch »MiijMn-ii I» l)»»*;tfitii:en würde was a priini ;iiiL:tMiiimmen 
werden darf dass die Dialribenfurni aus einer nachlacsigen Behandlung 
des kunslmassigen Dialogs entstanden ist (o. S. 37 t, 2}. — Wie wenig Varro 
in seiner Formlosigkeit Insbesondere die dialogische Form und Ihre Ge- 
setze beachtete, lehren die vielen Citete, die Varro wOrUlch genau aus 
Schriften des Casslus [t. B. 1 16, 8} des Cato (II 4, Ii) u. A. geben ttssL 
Da nicht anzunehmen ist, dass die Vorlrnt'fMulen die betreffenden Schriften 
auswcntlip wiissten. so hütten die (iesetzc <ii;iln';ii;oher Wiihrscheinli* h- 
kcil \ tM laiiLTt, fliw<? fHf» Schriften seiher irpiciiilw hoi lwigeschalTl \nid <iie 
strllfn daraus veili^en wurden. \l»er soiihe foiiuale Iluck.sichten küm- 
merten Varro nicht, dessen Sinn vor Allem auf die Sache gerichtet wir 
und der die Form dazu nur skizzirte. 

i] Unter seinen Vorgängern nennt Varro sdbst den Xenophon II,S. 
Eine Reminlscenz aus Xenophons Sympos. S, 8 sab Viclorius in Scrola's 
Worten IH. 2 sed h;\(^c ita a nohis accipietls etc.; ob mit Recht, Ist eher 
mehr als zweifelhaft, auch o. S. 56i, %. 



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Römer. Varro de re ruslica. 



solchen schliesst sie. Zwischen Brutus' Dialogen Ober das 
Recht und denen Yarros Ober die Landwirthschaft liegt eine 
lange Zeit, und die Vergleichung dessen, was wir Uber jene 
wissen, mit dem Varrontschen Werk lehrt dass sie von den 
Römern aar dialogischen Schulung benutst wurde. Varros 
Werk eröflbet zugleich eine Aussicht in die folgende Zeit. 
Gerade die Schriftsteller der Kaiseraeit wShlen sich vielfach 
die Landwirthschafl zum literarischen Gegenstand: was sie 
aber darüber veröffentlichen, trägt philosophische Bildung und 
woltniitniiische Politur zur Schau, sie halU'n »-in grösseres 
Publikum im Auge; während Varro mit aUrömi>ihom Egois- 
mus zunächst liir den Gebraut h seiner Familie und Freuode 
arbeitete und sich deshalb auch weniger zu scheuen brauchte 
ungeschniegelt und im schlichten Hauskleid einherzugehen. 
Mit diesem alten Römerthun), dessen vollendetster Repräsentant 
in der Literatur Cato, dessen letzter Varro war, hatte es nun 
ein £nde. Welche Stellung nahm in der neuen Zeit des 
Augustus und seiner Nachfolger der Dialog ein? 



I»rack TOD Braiikopf k HfarUl in Leifiif. 



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DER DIALOG 



EIN LlTEllAlilll^ToUlSCHER VERSUCH 

VON 

RUDOLrF HIRZBI. 



ZW£1T£H THfilL 



LEIPZIG 

VEKLAÜ VON S. UIKZEL 
1&95. 



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Das Recht der Uebersetzung isl vorbefaaltea. 



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YL Der Dialog in der Kaiserzeit. 



i. BömiBOlie Dialoge unter Augostot und teiii«!! 
näoliftteii Vaohfolgem. 

In Zeiten einer steigenden und sich vcricinernden Bildung, 
die nicht mehr dem gcsamniten Volke angehören kann, pflegt 
Bich das lilerarische Leben in einselnen Gesellschaftskreisen 
zu oonceDtriren und von dort wie von seinen Brennpunkten 
neue Anregungen su empfangen. So geschah es sehtHi in den 
letiten Zeiten der rOmischen Republik. Der Scipionische Kreis 
war ein solcher, der für die Entwicklung der römischen 
Literatur von Bedeutung wurde; hieran kamen im lotsten 
Jahrhundert vor Chr. die Mlnner, die sich um Valerius Cato 
schaarten und denen die alexandrinisirende Dichtung der 
Römer die mächtigste Förderung verdankt, während gleich- 
feitig aus der ciceronischen Freiindschalt heraus das goldene 
Zeil^TiUer der lateinischen Prosa erwuchs. Wie die poh'tischen 
Parteien, so verschlang die Monarchie auch diese einzelnen 
literarischen kreise. 

Von nun an gibt es nur einen solchen Kreis, in dem 
oder doch im Anschluss an welchen sich die literarische 
Bewegung vollzieht, und dessen Mittelpunkt ist Augustus. Aagortoa. 
In schwficherer Nachbildung erneuerten sich die Verhält- 
oisse des PtolemSerhofes. Von der Prosa gilt dies nicht minder 
als von der Poesie. Ohne Despot su sein flbte Augustus 
doch auch hier eine unwiderstehliche Gewalt aus, der sich 
seine nShere und fernere Umgebung beugte. Charakter, 
Neigungen und Urtheile des neuen Herrschers geben in 
den einzelnen Fällen mehr oder mfnder scharf der Prosa 
das Gepräge. Mit Betrachtungen die Leitlenschalt zu kühlen 

Hirie). Dialog. II. 4 



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VI. Der Pialog in der Kaiserzeit. 



lag in der Nalur des Augustus und entsprach damals nach 
den revolutionären Stürmen der letzten Vergangeuheit seiueru 
und dem liileresse des Staates. Daher hat er es selbst nicht 
verschmäht, als Moralprediger vor seine Landsleute zu treten. 
Es war nichts Neues, sondern geschah nur im Anschloss an 
»Ennahnrin^ die bereits bestehende Tradition der Literatur, wenn er Er- 

ruioNfU««. '°^'"^™8^i^ Philosophie! schrieb*). Natttriich nicht £r- 
mahnungen rar stoischen Philosophie, die sn revolationir 
scheinen konnte, auch nicht lur epikureischen, was sich fDr 
den ersten Würdenträger des Staates, der auf Wohlanstand 
hielt, nicht geschickt haben würde, sondern wenn überhaupt 
tu einer bestimmten, dann su einer eklektischen, wie er sie 
durch seinen Lehrer Areios Didymos kennen gelernt hatte; 
denn mit der die Gegensätze ausgleicbondiMi Tendenz der 
neuen Muüarchie vertrug sich ebenso weniiz. wie der politische 
Partei- der philosophische St kicngeist. Wahrte hoinlicher aber ist, 
dass er nur, wie das die Weise der I*rotreptiiven mit sich brachte, 
zur Philosophie im Allgemeinen ermahnte und hierbei besonders 
die moralische Disciplin hervorhob. So musste er auf Sokrates als 
das Haupt aller Philosophie geführt werden, in dem die 
schroffsten Gegner, 'rigorose Moralisten, wie die Stoiker, und 
Hedoniker, sich susammenfanden, die einen durch Antisthenes, 
die andern durch Aristipp mit ihm verbunden. 

Auch die Stelle, die man ihm in der^Geschichte der Bered- 
samkeit suweist, verrflth den Sokratiker. Atticist war er als 
Erbe seines Adoptivvaters'), nahm aber auch hier einen ge- 
mSssigCen Standpunkt zwischen den extremen Parteien ein. Der 
Charakter seiner Heden, wie ilin Suelon und Andere schildern, 
scheint eine Art Jisermou gewesen zu sein, aiinlicb dem, wel- 
cher nach Cicero (de orat. I 255} das Wesen der Reden des 

1} Hoitatlones ad philosophiani: Sueton. Aug. 85. Diels Doxogr. SS 
vermuthet ia dieser Schrili eine Nachahmung des cioeronischen Hortea- 
sius. Der Plural im Titel erinnert vielmehr an die ripoTpcTmxol des 
Antisthenes (Dio}?. L. VI 1 vgl. auch Hermes 40, 72,4) Persaios fDiog. 
VH 36' und Posidon (Diog. VII 94 u. 4 29 nnch l'nlerss. zu Cicero* 

philos S. Iir. III 349, 4 auch Uohdc Rh. M. 36, >. ö.'il \i\m.\ Ausserdem 
hat sciiun Weadiaad Quaest. Musoa. S. d Aam. Seneca s bixhortatiooes 
verglichen. 

2j Vgl. auch Gellius N. A. X 84, S: Augustus >-> — munditianttn 
petris sui In üermonibus sectator. 



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Unter Aagosius. 



3 



Scipio und Lälius ausmachte und konnte sein Vorbild in den 
Schriften der Sokratiker ^) , namentlich Xenophons^), finden. 
Mehr noch als in der Scipionlschen Zeit war gerade damals 
dieser Sokratiker am Platse durch seine Verherrlichung der 
Monarchie, durch seine populire Philosophie und die fast 
sentimentale Freude am Landleben >). Und um die Aehnlich- 
kelt mit Scipio und seinen Zeitgenossen voU su machen, scheint 
auch damals wieder Panaitios eine Vermittlerrolle swischen 
den sokratischen ScbrifteD und ihren römischen Lesern ge* 
spielt zu haben*). 

1) Zu den »Attici RomaDorum* rechnet beide QwDtiliaD X fS,89. — 
Eine ühnlictie Richtung verfolgte MessaUa (TeuSel- Schwabe §. SSS, t), 

der doch nach Horaz c. III 21, 9 Sokratiker war. In wenig späterer 
Zeit vprlanpt Patron v. 5, dass der künfti^o Redner er>t die Schule de?i 
Sokrntes ^aii/ in ^^i h aufgenommen habe (socratico plenm gregc) bevor 
er au den Deiim^LlitiiLS j^ehe, 

2) Schon in Cicoros Zeit gab es Redner, die sich Xcnophons »scrmo« 
zum Muster nahmen. Cicero tadelt dies (Orator 82), weil derselbe »a fo- 
rensi strepito remotissumus«. Dieser Grund hatte Ittr die Zeit des Au- 
gnstus nicht mehr die glelehe Bedeutung, am wenigsten für Augustus 
selber. 

S) Vgl. Xenoph. Oecon. *, 1 ff. 16 ff. 5, 1 IT. 7, 42 (im fimpfo^ ver- 
wirklicht sich das Ideal der xnkoxd-ja'dia). Wie hierdurch die Anschau- 
ungen und Ideale der Kaiserzeit bedingt wurden, versteht man noch 
besser, wenn man damit Musonius' Aeusserungen vergleicht bei Stob, 
flor. Ii i5. 337 f. Mein. Nach Kiessling zur AP 309 f. hatte Horaz dort, 
WO er auf die sokratischeu Dialoge überhaupt hinweist, besonders die 
llemorabUien Xenophons im Sinn. — Wäre wirldich der ßlo« Kaloofoc 
des Nilcolaos von Damascus» wie man früher gemeint hat, eine Nachbil- 
dung der Cyropttdie, dann h&tte dadurch der Xenophon-Cultus eine fast 
offixieUe Sanction von Augustus erhalten, wenn man weiter die Ver- 
muthung gelten lässt, dass die Schrift im Auftrage des Augustus vcrfasst 
worden i^^t. Aber jene Annahme Egger's Ittsst Sich nicht durch binrei- 
cbend deutliche Spuren besliiti^en. 

4) Wenigstens halt^i nach Horaz c. I 19, U kcius in seiner Biblio- 
thek die Schrifteu des I'anailiu» neben denen der Sokratiker. Um die 
Parallele zwischen Augustus und Scipio noch mehr an befestigen, sei 
auch darauf hfaigewiesen, dass beide In der Grammatik Analoglsten waren. 
Im AUgemelnen Usst sich dies schon, wenigst«is bei Augustus, aus seiner 
Stellung zur Rhetorik vermuthen: 80 gut wie bei Cüsar wird Sich auch 
bei ihm der Analogismus mit dem Atticismus verbunden haben. Amaer- 
deiii fol'^t es nus Sueton Au«!. 87, wonach er simus für sumus sagte 
(KiiVner bat dr. I S. 547, 4); für äciplo ergibt es sich aus Festus p. 273 
mit MuUcr's Aomkg. 

4* 



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4 



VI. Der Diaiog io der Kaiserxeii 



Sokratiacber Wir treten wie in einen sokralischen Kreis ein , der an 
• Augustus seinen Mittelpunkt halte, wenn uns auch nur wenige 
Mitglieder desselben mit Namen genannt werden, Messalla 
Gorvinus, »der von sokratischen Reden trieft «i), Iccius, der 
Besitier eioer sokratiachen Bibliolhek^) imd HoraSi nach dessen 
Urthei] aller Weisheit und damit auch aller Diditung Anfimg 
in den sokralischen Dialogen su suchen ist']. Mit Sokrates 
wird auch Pilistus^) verglichen, weil er in den Gesprächen 
die Rolle des Alles verneinenden Geistes spielte (Yita Yergilü 
bei Reifferscheid Saeton. rell. S. 67). Freilich war der Heilige 
dieses Hundes nicht der himmelstürmende Sokrates Plalons. 
Man wollte nicht bis zu den ersten Quellen des Wissens auf- 
steigen, nicht im Innersten aufgerüttelt und durch den Ernst 
der Forschung beunruhigt werden; vielmehr sollte « in.' [m- 
puläre Philosophie die behagliche Friedensstimmnng nocii mehr 
befestigen. Aus diesem Grunde itlhite man sich zu Xenophon 
und seinem Sokrates mehr hingezogen. Man erörterte nicht 
mit leidenschaftlichem Ernste in scharfer tief eindringender 
Dialektik die Probleme; lieber plauderte man unter Schonen 
ttber bekannte Lehren der praktischen Moral, Shnlich wie 
Horas dies auf dem Lande inmitten der Seinigen that^). 
Schere und Emst wechseln lu lassen, schien edit sokratisch; 
nicht umsonst hatte aber wohl auch für diese Zeit Nysios, 
der Schüler des Panaitios, das Ideal seines 9irou$aio}^apt«i; 
aufgestellt ß). 

Di« Fabel. Diesen Verhältnissen der Wirklichkeil entsprechen die 
literarischen i ormen. Aus ihnen erklärt sich der Gebrauch 
der Fabel, die in lustiger Weise belehren will. Ihre Ver- 
wandtschaft mit dem sokralischen Diaiog hatte sich schon 
im ersten Entstehen des letzteren geieigt (l S. 339), wie sie 



i) Socraticls madet scrruunibuä Hör. c. III 21, 0. 

%) s. o. 5. a» t. 

5) A. P. 809 f: scrtbendi recte sapere est et prlocipimn et fons. Item 
tibi Soeraticae potenint oatendere chartae etc. 

4; Was es indessen mit dieseiii Filisiiis auf sidi bat, wissen wir 
nicht: TeufTel-Schwube ü. Lg. $. tS4,6. 

5} Sat. II 6, 71 fT. 

6) Dnss der aTTouoaioyapUtc ein Weisen-ideai darätelilf bemerkt 
G. Wachsnmlh billogr. Gr. 2 s. 66, i. 



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Unter Aaguslos. 



5 



auch iü 8päU:ren Zeiten (man denke nur an Lessing!) dem 
Dialog gern zar Seite geht; jetzt bringen sie Phädras, der 
aus seiner Verehrung für Sokrates kein Hehl macht [III 9), 
und schoD früher Horas wieder cur Geltung, dessen bekannte 
Fabel Yon der Stadt- und Feldmaus in der nfichsten Nacbbar- 
scbaft sokratisirender »sermones« auftritt (sat. II 6, 77 ff.). 

In Folge der Ulndlicben Scenerie und des leisen Zusaties 
Yon Humor, der sich hieraus wie von selber ergiebt, stehen - 
KU der Fabel in naher Beziehung die bucolischen Dich- BaooUioha 
tungeo. Auch iu ihnen waltete ein sokratisches pneinent [wie 
denn auch Sophrons Minien in gewisser Hinsicht die Vorläufer 
des sokratischen Dialogs sowohl als der bucolischen Dichtung 
Theokrils und seiner Nachahmer gewesen sindi und eiht, 
wenn auch nicht den einzigen, so doch einen weiteren Grund 
ab, der ihr Entstehen gerade damals erklärt. Ebenso hatten 
im yorigen Jahrhundert Gessner's Idyllen die sokratisirende 
Bewegung der Zeit sum Hintergrund. Und wie diese damals 
den »Socrate rustiqne« geschaffen hat, so bildete nun auch 
Horas in seinem Ofellus das Ideal eines ISndlichen Sokrates, 
das viel früher schon Xenophon in seinem Ischomachos ent* 
werfen hatte Die nächste Gonsequens hieraus su sieben 
und sokratische Gespridie auf dem Lande ftthren tu lassen, 
war den Römern um so leichler als ihre Dialoge schon früher 
zuiu grösseren Theil ländliche Dialoge gewesen waren. Diesen 
älteren Dialogen stehen Virgils Burolica auch durmn nahe, 
weil sich unter den Namen und der Verkleidung sicilischer 
Hirten Römer, ja MSnner aus des Dichters Umizebung ver- 
bergen; wie die philosophischen scheiden sich auch diese 
Hirtendialoge in dramatische und erzählende und berühren 
sich einmal, in der 6. Ekloge, wo ein Kapitel aus der Natur- 
philosophie behandelt wird, sogar im Inhalt mit ihnen. Mit 
Virgil wetteiferte auf demselben Gebiet Messalla, den wir als 
Sokratiker schon kennen gelernt haben, und bringt so in seiner 
Person die Zusammengehörigkeit von Sokratik und Bukolik 
besonders greifbar sum Ausdruck. 



4) Auch dem Varro scheint etwas der Art vorgeschwebt zu haben, 
als er einem Agrius Socratit \is (über den Namen i S. 558) eine AoUo im 
ersteD Doch de re rust. gab, vgl. indeäsen auch I S. 56S,S. 



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5 VT. Der Dialog in der Kaiserselt. 

Auch an eigentlidien »dialogi« fehlte es nicht Wir hOren^ 
dass August sidi Dialoge vorlesen liess^). Unter ihren Yer^ 

ÜMoniMf. fasaem ragt Maecenas hervor 2), oicht bloss durch die Be- 
deutung, die ohnedies seiner Persönlichkeit zukommt, sondern 
auch durch die characteristische Art, in der er die dialogische 
Form bebandelt hat. Wer wie Mäcenas kein Freuiul der 
Philosophen war 'Cassius Dio 52, 63), wer in der iiterarischen 
Froduktion zwischen Versen und Prosa hin und herschwankte 
and auf beiden Gebieten einer verschnörkelten tkbermSssig 
gezierten Ausdrucksweisc sich bediente, für den war inner- 
halb des Dialogs die Menippea der gewiesene Plats, deren 
Spott von Anfang an sich gegen die Philosophen kehrte, deren 
Form eine baroi^e Hisehung von Poesie nod Prosa darstellte 
und die uns schon froher als Zeitgenossin und Geistesverwandte 
der asianbchen Beredsamkeit erschienen ist (I S. 379 f.). Wo 
wir Hfioenas auf dem Gebiete des Dialogs suchen mflssten, 
finden wir ihn: denn der Titel einer seiner Schriften >» Pro- 
metheus « weist auf eine Menippische Satire ^j. Verlief er sich 

Ti Sueton. Aueiisl. 89 s. auch I S. 48 f. 

t] Cliarihius G. L. 1 4 46 cilirt: Maecenas in diaiogo II. 

3) Seneea epist. 49, 9: Veto tibi hoc loco refone dfctam MaeoenaUs: 
Vera in ipso ecnleo docuit: «ipsa enbn altitodo attonat siunma«. 8iqoae< 
ris in qao libro dixerit: in eo qui Prcmelheus ioscriMtitr. hoc volait 
dioere »attonita habet summa«. Die Worte selber und der Zusammen- 
hang, In dem sie stehen, scbliessen den Gedanken an eine Tragödie des 
Namens aus. Dagegen erinnert man sich an den »Prometheus« Lucians 
und die Monippoa > Pronieihcus Uber« von Varro. Oh vut h das Citnl 
bei Seneca cpis. iH, ö aus einer Menippea stammt? linli^^ Mi iii-liorl der 
Titel »Maecenas de cultu .suo«, duixh den der ^Zusammenhang der Worte 
Senecn*s lerrissen wird, wohl einem Interpolntor. Verlolmt es sich dann 
überhanpt noch, Vermuthnnfsen üher ihn anzastdien, so wttrde idi voiw 
schlagen »de cnttn sui«: »ttlier die Pflege seiner selbsi* d* h. wie viel 
man auf die Pflege, namentlich des eigenen KOrpers wenden solL (Vgl. 
zum Inhalt Quinlil. XI 3, 4 37 0".) Von Varro cilirt Casaubonus zu Athen. 
IV 163I-" . in corporis cultn aliud est honiiiii, aliud humanitati satisfacere. 
Ith habe ul)er das Citat nicht \rriticiren kunnen und weiss daher auch 
nicht, ob man die Schrift Varros kennt aus der es stammt. Vgl. noch 
la einer an Mdcenas gerichteten Epistet des Horaz I 1, 94 fl*: si curatu^ 
inaequali etc. Soll »de cultu suo* festgehalten werden, so wurde die 
Schrill dem Tltei nach noch ein Seiteostttdc haben in der des Antonius 
»de sna dirietate« (Plin. nat. hisi 14, 148 v|^. Gardthausen Augvstns 0 
1 S. 179, 8), 



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Mucccaus. 



7 



dann auch gelegentlich einmal auf das Gebiet des sokratischen 
Dialogs, so blieb er doch iu der iNaiic und verlieüs wenigstens 
nicht den weiten Bereich des oicooSoy^Xoiov . dem auch die 
Fabel und bucoliscbc Dichtung angehören und das dem Ge- 
schmack der Zeit und des s [» sund» rs zusagte. So er- 
klärt sich, dass er gerade ein aS m|)os i u m « verfasste'). 
Welchen Hinblick in den geselligen Verkehr des augustischen 
Kreises muss es gewäiirt haben! in einer Weise, die an 
Piaton ennnert, waren die erlesensten Männer der Zeit darin 
beim Becher versammelt, Virgil , Horaz und Messalla^), der 
in dem einzigen sicheren Fragmenl den Wein preist, welcher 

4j Daas den Symposien ttberhaupl der Charakter des oicou(o|iXoto<4 
auliseprsgl ivar, & I S. 165, 1. Ueber das Symposium des Mäoenas 
baben wir nur ^e Notiz bei Servius sa Verg. Atn. VIII Slo I [bcUesque 
ocolos fert omnia circum] physici dicunl e\ vino raoblliores Odilos Oeri: 
Plautus faciles oculos habet, id est mobiles vino. hoc etiam Maecenas in 
Symposio. iibi Vergilius et Horatius interfnprunt, cum ex persona Mes- 
salae de vi vini loijneretur, ita: ut idcni utiior niinistrat faciles oculo«!. 
pulchriora reddil uauiia et duleis juventae reducit bona. Im Hh. M. 4a, 
SIS, I habe ich die Vermuthuug geäussert, dass was wir bei Saidas 
lesen (a AeUan ed. Herdier n 10} aus dem Symposium des MKoenas 
stammt. Dieselbe Yermuthung hatte ttbrigens schon Llon Maeoenatiana 
S. 47 ausgesprochen. Ist sie riditig — und so entschieden, wie Härder 
über die Fragm. des Mücona.s S. 5 thut, braucht sie jedenfalls nicht ab- 
gewiesen zu \V('t(kp t\(u h ist allerdings brrirhtiL'rnd nachzutragen, dass 
0'jv^E!7tvov tu Ink il r Bedeutung sich auch hri l'osüidouiojj tindet 'Athen. 
V itoF) — duun könnte man 'HpTto; mit dem Spassmacher Philippus 
bei Xenophoo vergleichen und es würde so eine Aehnlichkeit zwischen 
dessen Symposion und dem des llHcenas sieb herausstellen. Zu der, man 
mtfdile sagen, xenophontisehen Bewegung der Zelt würde dies gut passen. 
Im Bb. M. a.a.O. habe Ich die Yermuthung zu begründen versucht, dass 
das Symposium des Mticenas nach dem Vorbild des Epikurischen gear* 
heitet war, wtlhrend Rihbeck. Oesch. d. rom. D. II 128 vielmehr an eine 
Nachahmung des platmiisi Ih-ii lirakt. Ganz aus}j;eschlosseu scheint nur 
die Nachbildung eines kyni^ch-nienippischcn Symposiums. 

2} Nach den Worten des Servius ist nicht ausgeschlossen, dass etwa 
nur die drei Genannten an dem Symposium theOnahmen. Wenn man Ge- 
wicht darauf legte, dass Ifiloenas »ex persona Hessaliae« sprach, so könnte 
nidit einmal der Verfesser als Gast oder Wirth dabei gewes«i sein: es 
würde dies dann ein Zug mehr in der Nachahmung Piatons oder Xeno- 
phonssein. Ob Aiigustu«? theiinidun. ist zweifelhaft, da Sueton 89 berichtet: 
componi aliquid de se nisi et serio et w p^aest;lllti^sifni^ (tfrendcbatur. 
S. indessen den Brief des Auguslus an Horaz, welcher aulan^l »Irasci 
uic tibi scito« bei Sueton, vita Uorut. 



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8 



VI. Der Dialog iu der Kaiserzeit. 



vor unseren Augen Alles schöner erscheineo lässl und die 
Freuden hohler .Uigend '/urQckbrinjzt. 

rvebcD den eit^eiillichen Diaiogen gedieh damals auch die 
in der Regel mit ihnen gleichen Schritt haltende Form des 
Briefe. Halbdialogs, wie sie sich in Briefen darstellt (I S. 353 fT.). 
Zum Theil liegt dies an den Yerhältaisseo einer späteren Zeit, 
von denen schon früher die Bede war, zum Theii ist es aber 
auch im Wesen der Römer begrOndeti die fttr den Brief ebenso 
das klassische Volk geworden sind wie die Griechen ifir den 
Dialog. Froh haben sie deshalb die Kunstform des Briefs in 
Poesie und Prosa aufgenommen und mit Torilebe gepflegt, 
aber auch die wirkh'che Correspondenz des Lebens hat schon 
seit deiij zweiton Jahrbuudei t v. Chr. in ihrer Literatur eine 
Bedeutung erlanL't, wie niemals bei den Griechen. Plalon 
hatte seinen Laudtileuten aus der Seele geschrieben, wenn er 
das Schreiben nur für ein Surrogat der mündlichen Hi de er- 
klärte. Bei den Römern umgekehrt scheint schon Iriih das 
geschriebene Wort mehr gegolten zu haben, als das ge- 
sprochene; und durch August können sie in dieser Neigung 
nur bestSrkt worden sein» da dieser nicht bloss Reden ablasj 
sondern sogar seine GesprSche mit der Livia, so weit dies anging, 
vorher schriftlich condpirte. In die epistolographische Literatur 
hat er Überdies unmittelbar eingegriffen. Die Briefe, die von 
ihm veröffentlicht wurden, tragen den Charakter der NatQr- 
lichkeit und sind mit der Klarheit geschrieben, die Augustus 
auch an Andern besonders schätzte. Dabei glaubt man eine 
gewisse Zierlichkeit im Ausdiuck zu beobachteü, wodurch .njc 
sich von der klassischen Einfachheit der ciceronischen unter- 
scheiden. Es ist möglich, dass sich hier nur dasselbe Ver- 
hältniss wiederholt, das auch zwischen den Dialogen der beiden 
Aignstoa. Zeiten bestand. Auch unter den Briefen des Augustus linden 
wir solche von einem gewissen didaktischen Gehalt, in denen 
er Fragen der Rhetorik berOhrt und an der affektirten Manier 
des Antonius und Mäcenas eine scharfe Kritik ttbt so wie 
seiner Enkelin Agrippina stilistische Vorschriften gibt*]. 
Uänner seiner Umgebung, wie Messalia Corvinus und Yalgios 



<j Aehnlich wie in verlorenen Briefen Cicero, dessen Vorbild bier 
auf ihn gewirkt bähen mag, äuiaetn Sohn (Quintil. I 7, 34]. 



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Horaz. 



9 



Rufus, fuhren fort, wie Varro und Andere schon vor ihnen 
gethan hntton. sich des Briefes als einer Kunstforni für wissen- 
schaftliche Erörterungen zu bedienen und Ovid bildete nur Ovid. 
den Abschluss dieser Entwicklung, indem er in seinen He- 
roYden auch das fingirte Band, das den Brief noch mit der 
Wirklichkeit 7usnmmeiüiielt, xerriss und ihn gans mythischen 
Personen und Zeiten an|>asste*). Auch hier, wo der Dialog 
Ungst heimisch war, hatte ihn jetst der Brief eingeholt. 

lioraz. 

Ein ungewöhnliches BedOrlhiss der MitUieihing und des 
Verkehrs lag in der Zeit und sprach sich ebenso in der Pflege 
der dialogischen wie der epistolographischen Form ans. Nie- 
mand aber hat Yon dem Ineinandergrdfen dieser beiden 

literarischen Gattungen ein so klares Zeugniss abgelegt als 
durch sein dichterisches Schaffen lioraz. In seinen Satiren 
finden sich neben Dialogen auch Briefe und unter den eigent- 
lich sogenannten Episteln sind einige im dialogisirenden Stil 
verfassf-^). Nicht bloss die allgemeine Natur des Hriefes als 
eines Holbdialogs driino'te zu einer solchen Vereinigung, wie 
sie <I('nn auch liei i.ueilius unter dem gemeinsamen Namen 
der Satiren stattgefunden hat ^vgl. auch I S. 357 f. i i'i, 4), son- 
dern auch der besondere Ton, den Horaz in den Briefen und 
Satiren der einen wie der andern Art angeschlagen hat. Ueberail 
haben wir den Eindruck des zwanglosen improvisirten Ge- 
sprSchs, dessen Gang sich nach Gelegenheit und augenblick- 
licher Eingebung richtet'); auch wo Horas der Situation nach 
allein erscheint, predigt er doch nicht oder grObelt, sondern 
redet, als wenn er sich mit einem Anderen unterhielte und 
wenn es auch nur dessen Schatten ist, den er sich zu diesem 



Was Diltbey übüervatt. in epist. hcrold. Ovid. tOull. 4bH4)S. 3ff. 
an grieehiscben Vorgängern Ovids aufgespürt hat, ist UDdentHch und 
dttrftig. 

9) Wie äi»B Kiessllog insbesondere mit Bezug auf epist. I 16 be- 
merkt hat. Doch gilt AehnHches noch von anderen, z. B. i nnd 7 ; auch 
II 1 (39 ff. 206) und A. P. 9 f. ebenso scheinen mir S68 f. ein fingirter 
Einwurf z\x ^'oin, auf den 265 antwortet). 

dj iizi^ dv 6 Xo-}0( «bsitep kvcü^ fip^g xmtr^ i'iov Platou Rep. lU 394 D. 



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VI. Der Dialog iu d«r kaiMnelL 



Zweck citirt hat, damit er ihm Rede und Antwort stehe. 
Kurzweg und tretl'end konnte man deshalb Satiieo und Epist» In 
als »Plaudereien« bezeichnen und übersetzte damit nur den 
Namen »sermones« den Uoraz selbst ihnen gegeben hatte 
So siDd auch in Balzao's •£Dtrellens« Gespräolie und Briefe 
zusammengefasst 

Ueber die Natur der liorasischen Sermonen isl weit 
weniger Streit ab Über den Weg, auf dem er zu dergleichen 
Dichtungen gekommen ist. GlQoUicher Weise hat ihn Horas 
nna selber gewiesen. Von frOh auf hatte ihn sein Vater ge- 
wQhnt) sich nicht in abstrakte Theorien su versenken, sondern 
im Guten wie im BOsen concreto Beispiele vor Augen zu halten 
{sat. 1 4, 4 05 ff.). Laster und Tugenden schwebten daher in 
lebendigen Gestalten verkörpert vor seiner Seele: an ihnen 
maass er in einsamer Selbstbelrachtunti den eigenen sittlicheD 
Werth (a. a. 0. \ X] fT.) und trat durch diese ^ < i -h ichung 
mit ihnen in eine Art von Verkehr, der wohl der Keim zu 
mehr oder minder ausgebildeten Dialogen werden konnte. 
Lebhafte Darstellung einzelner Charaktere ist gar nicht mög- 
lich, ohne dass man sie handeln und reden lüsst: daher nehmen 
die typischen Charakterschilderungen Theophrasts, Lykons und 
antiker Rhetoren ganz Sbnliche Anläufe zum Dialog und lesen 
sich fast wie Skizzen horasischer Satiren'). Nur in kleineren 
Verhältnissen waltet hier dasselbe Naturgesets , nach dem man 
aus dem Andringen mächtigerer Gestalten an leidenschaft- 
licher und tiefer erregte Seelen das Entstehen der Tragödien 



r Toher die Br<lfnitnn'j drs Namens v"! Varro do L. I,. VI 64: 
sermo nun pntest in uiio hoiniiK^ osse solo scd uhi uratio cum altera 
conjuncta. Dense! bt'u Name» hatte »chon Lucil seinen Satiren siegebcn 
(9S4L: ludo ac sermonibu' aostris): ein wescntUcher Lnt«rschicd x>^i!»cheo 
ihm und Horas Ittsst sieb also hlenaf atdit begründen, wie doch Heiose 
de Horatio Bionis imitaiore S. 6 xa meinen scheint. 

t) Theopbr. Cbar. f. S. 3. 7. 8. 15. tS. Lyco bei Hutil. Lop. n 7. 
Übet, ad Herenn. 4, 63 ff. Charakterismen waren damals bei Philosophen 
aller Richtungen verbreitet und beliebt: vgl. Sauppe xu Philod. de vitiis 
S. 7 fT. nusserdrm über den Akademiker Eiidorns Stol). ccl II S. <6, 30 
Mein. Dci ^li'ichen Schilderungen bieten vielleicht nicht bloss eine Ana- 
lof^i«' zu Hur;!/.' Satiren, somlfm h;ihfn .uif das Entstoben derselbou mög- 
licher Weise eiuen gewissen i:.iiitlu.s.s ;:;eui)t. den iiuni Irolz aller QucUco- 
spurerei bisher uoch gar nicht in Rechnung gezogen hat. 



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Horas. 



Shakespeare's und Goethe's erklären wollte. Während aber 
im Drama die Persönlichkeit des Dichters von den Gestalten 
seiner Phantasie Überwältigt wird, behauptet sie bei Horas 
ihre Selbstiindigkeil und bleibt im Vorderf^runde stehen, so 
dass seine Sermonen so gut wie die Luoii's eine Art von 
Selbstbiographie bieten >). 

Was in seine Kreise tritt^ muss sich der Regel nach ciiarakt«r d« 
mit Ihm, sei es verweilend in längerem Gespriich oder ^^'V*^ 
vorübergehend In flfiohtigem Wortwedisel, auselnanderseteen. 
Diese Gestalten treten biswellen kaum aus dem dunkeln 
Hhitergrund seiner Seele hervor, um nach einer nur eben 
hingeworfenen Bemerkung wieder darin su verschwinden; 
bald nehmen sie deutlichere Umrisse an und erscheinen in 
den T)'pen einzelner Stände oder Charaktere, des Soldaten, 
des Geizhalses, des Schwätzers (sat. 1 ^J, sgl. Theophr. Char. 7). 
Ott auch werden sie zu bestimmten Individuen ausgeprägt, 
die theils durch literarische Reminiscenzen heraufbeschworen 
werden wie Tiresias und Ulixes durch die Lektüre Homers, 
oder meinetweeen Menipps, theils in der wirklichen, den 
Dichter umgebenden Welt wurzeln wie DaMis , Damasipptis, 
Trebatius, Ofellus. Diese Schatten lassen einander keine Ruhe, 
es ist wie ein Kampf ums Dasein, den sie führen: eben war 
der Dichter noch mit Mäcenas im Gesprflch (sat. I 6, 4), da 
drängt sich ihm Tillius auf (24), dann wieder Mäcenas (47) 
ond 'abermals Tillius (107), daswiscfaen werden wir sogar 
einmal auf das Forum versetst und bQren dem heftigen Wort- 
wechsel Ungenannter su (38 ff.); in einer und derselben Satire 
(1 I) reden Crispin, ein oder mehrere Ungenannte, sodann 
der Vater des Dichters'). Wie In einem Wirbel werden wir 
von einem Gesprftch ins andere gerissen, nur selten reift eins 
derselben völlig aus. 

Man spfirt etwas von der Natur der Gonversation, wie Ooafiintioii 
sie früher bestimmt wurde (I S. 4 f.). Jedenfalls unter- 



4) Vgl. auch v^as I S. 447 t über Varro o. S. 549 f. Uber acaro 
bemerict warde. 

5) Dieselbe Unruhe, wie im Wechsel der Personeni gibt sich auch 
im CmspriDgeo von einem Lokal zum andern kund. Oeshalb Hutten 
KteftsUog und Hciiize de Horatio Bionis imitai. S. 25 an sat. II 2, 46 
keinen besonderen Anstoss nehmen sollen. 



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42 



Vi. Der Dialog ia der Kaiaerzeit. 



Dateraohied scheidet diese grössere Beweglichkeit die horazischeii Ser- 
eigenüiohei '"""^'^ eigentlichen Dialogen^). Man hat sie des- 

Oiakgtn. halb, da sie nun einmal nach griechischen Mustern gearbeitet 
INiMImb* sein sollten, als Diatriben bezeichnet. Und eine gewisse 
Aehnltchkeit mit derartigen Schriften ist allerdings nieht ab- 
sulengnen, soweit wir darOber nach den erhaltenen Diatriben 
Epiktets noch im Allgemeinen urtheilen kennen. Auch hier 
findet ein Ähnliches Schattenspiel des Dialogs statt; doch besteht 
der Unterschied, dass die Personen Bpiktets noch verbUsster 
sind, die GesprSdie noch mehr dialektisch eindringend und 
zerh;ickt. Dass sie die Skizzen wirklicher Gespräche sind, gibt 
ihnen ohnedies einen anderen Charakter als die horazischen 
Satiren tragen. 

Cluy»ipp uBd Nicht viel anders wird über das Verhältniss der horazi- 
sehen Sermonen zu Schriften des Ghrysipp^) und Teles (I 
S. 367 flf.) zu urtheilen sein. Die Schriften Ghrysipps waren trotz 
ihrer lebhaften Prosopopöien doch ohne Zweifel zu dialektisch 
dOrr und nilchtem, um als Vorbild lebensvoller Dichtungen 
gelten su können, wShrend andererseits Teles eine dialogische 
Würde und Haltung bewahrt^ gegen welche die unruhige fest 
fieberhaft« Redseligkeit des Horas sehr absticht Was Horas mit 
den Genannten gemeinsam ist, das brauchte er sich nicht erst, 
bei ihnen su holen. Das Fingiren bald dieser bald jener 
GesprSchsperson ist etwas, das als ein Trümmerstttck wohl 
des alten Dialogs in die verschiedensten Literaturiiallungen 
(I S. 371, 2), auch in ganz unpiiUosuphische Reden und Briefe 
übergegangen war und hier vielleicht bei den Humern an 
seinem Theüe durch fortwShrendes Unter)) rechen des Rede- 
flusses mit dazu beigetragen hat, die längeren Sätze der 
älteren Autoren in die zerrissene Ausdrucksweise der üLaiser- 

1) Ganz fern sollte die allrümische Salura gehalten werden, obwohl 
sie Immer noch hin und wieder ^akt Mit dieeer prohlematlflcben Gat- 
tung der Poesie hat das dialoglscbe Element in den honslscben Sermo* 
nen gar nUAU gemein. 

%) I S. 370 f. Von Chryaipp und den Stoikern gilt was Cioero 
Parad. Stoic. prooen). 2 sagt: miotitis interrogatiunculis qunsi punctis 
quod proposuit efflcit. Seine eigene Manier, und damit auch die horazisehe, 
uniersrhfidet er eben hiervon. Die clccronische Stelle ist daher von 
Kies^liug Einleitung zu episl. I 4fi 'S. 40^) falsch verwerthct worden. 
Sonst hätte am Ende doch lloraz »Crispini scrinia lippi« geplündert? 



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Horts. 



13 



seit ObenoilUiren t). Immerhin mag dem Horaz dergleichen 
aus seiner pliilosepbischen LektOre besonders geläufig gewesen 
sein, wie wir ja Aehnliches schon in Giceros Behandlung der 
stoischen Paradoxa beobachtet haben^. Nur auf eine straffere QmUm. 
ÄbhüngiglLeit des Dichters von diesem oder jenem Autor oder 
gar einem einseinen Werke desselben kann hieraus nicht 
geschlossen werden'). 



i) Schon dem Lucrez ist dergleichen nicht fremd: 1 6i9 f. ^unro 803, 
8S7. VI 678. Docb bttngt es hier tom Th«il mit der Briefform nuammen 
(inqois) nnd mag Nachahmung des Empedokles saiii, wie deno Lucrez 
wieder audi in dieser Hinsicht einen Nadiabmer in Manilius gefunden 

hat (vgl. IV 387. 869 ff.}. Bemerkenswerlh ist, dass auch Lucrez schon 
solche EinNviirf(> ohne ein einführendes M^Ofi wie »inquil« vorbringt (1 649. 
Vi 673) y^l i 6. 371, 

2! I S iigr» f. Ciceru wechselt uicLl l)lus.s ui ahniicher Wel^r wie 
Iloraz mit den Personen, sondern scheint wenigstens in einem Falle auch 
eine Mstoriseb concrete PersOnBohltait^ den Clodiua, redend eingeführt zu 
balwn (I S. 497, S), gerade wie Horaz den Trebatius und Andere. 

8) In neuerer Zeit hat ein vortrefflicher Gelehrter, Rieh. Heinxe, De 
Horatio Bionis imitatore (Bonn. Diss. 18S9) den Beweis an liefern versucht, 
dass Satiren des Horaz in bewussler Ankhtuinp; nn einzelne Schriften Bions 
gedichtet sind. Der Beweis ist lueiiii ^ I j achtens nicht gelungen. Dass die 
»serraones Bionei« nicht sind, was mc si-in sollen und daher auch nicht 
beweisen können was sie beweisen sollen, wurde schon früher beiiierlil 
(I $. S74, 2). Ebenso wenig beweist fUr den Bionisdien Ursprung speciell 
von sat. II S der Umstand, dass dort vs. 400 dasselbe Apophthegma Ari- 
atipps erztthlt wird, das auch in den sogenannten Diatriben Möns zu 
lesen war. Denn sollte wiritÜch dieser Ausspruch des lcyrenai>chen Phi- 
losophen nur an dieser einen Stelle in der gesammten vor-horazischen 
Literatur übeHi*'f»'rf L'<Mv<';^en sein? Tnd wenn aiuii. hcrechliL'l dann 
eine solche ein/.elin^ Heniiniscenz uns der umfaswnden Lektüre des Dicli- 
ters zu dem Scbluss, dass er nun auch alles Icbrigc der gleichen Schrift 
entnommen habe? Damit follen fttr mich die iMiden Haupturgumente 
der Ansidit Heinzes hinweg. Was er sonst vorbringt, iLann ich noch 
weniger für beweiskrttftig halten, da es auf eine Uebereinstimmung in 
allgemeinen Sentenzen und sprichwörtlichen Wendungen hinausläuft. Was 
soll man zu einer Auffassung der dichterischen Thiitigkeit des Horaz sagen, 
die zu dem Ergebniss kommt, das*; die er^^te seiner Satiren (Ileinze S. 21 f.) 
aus zwei verschiedenen Schriften des leidigen Bion contaminirt sei und 
die dann, einmal im Zuge, die gleiche Contaminationshypothese auch auf 
die zweite Satire des zweiten Buches anwendet (Heioze S. 28) ? Durch 
seine vorgefasate Meinung verführt, ist Heinze hier in ein HissverstSnd- 
nisa der Horazlscben Gedanken hineiagerathen und so der grossen Kunst 
des Dichters nicht gerecht geworden, die Sbnlicb wie in Heinrich Heines 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



ire!ne fertigen Iloraz hat sich uns eben in der Betrachtung seiner Ser- 
üeauiute. mQ^gQ guter Fuhrer bewährt. Folgen wir ihm daher 

weiter. « Was mir in solcher Weise, sagt er in stiller Ein- 
samkeit durch die Seele gegangen ist, das werfe ich in einer 
mttssigen Stunde aufs Papier*. Nicht die fertigen Resultate 
seines Nachdenkens legt er dem Publikum vor, wohlbereclmet 
für den Geschmack und cur Oeberredung desselben, sondern 
in das unruhige Hin- und Heijagen seiner Gedanken lisst er 
uns einen Blick thuo» er schildert uns ein Stück seines geistigen 
Lebens dramatisch, als wenn es an uns yorOberflOsse. Hier- 
durch haben seine Sermonen den tagebuchartig abgerissenen 
Oiarakter erhalten, im Binselnen wie als Game : unyermitCett 
folgen die Einfalle, die Erscheinungen auf einander, aber 
ebenso unvermittelt — ein vollendetes Beispiel der Regel in 
medias res« zu gehen — setzt ein ganzer Sermo auf ein Mol 
ein und hört plötzlich wieder auf. Sie erinnern in der einen 
LesBini^. wie der andern Beziehung an Lessings bchi iften, nur dass die 
Energie des Denkens bei diesem unverglei« liHch grösser ist. 
Wie diese kann man sie als Essay's bezeichnen, deren jeder 
für sich ein Fragment d<ir8tellt und erst im Hinblick auf das 
gesammte Geistesleben des Autors seinen Abschluss findet^). 
Diese Eigenthümlichkeit von Schriilwerkeni die scheinbar isoiirt 
sind und doch auf einen tieferen Zusanunenhang weisen, tritt 
piatoB. nirgends deutlicher hervor als in den plafonisohen Dialogen. 



Lyrik bei aller Absichtlichkeit und Riiffi lii Un it sich inil (\cw Schein der 
grbsslen Natiirlirhkeit und Naivotiit unikkidel. Mail giaube doch nicht, 
dasä auf die Iiorazi>ehen öatircu und Episteln sich dieselbe Schablone der 
QaellenfonGhung anwendeii lasse, wie auf die {diilosophlscbeD ScbrMlen 
GIceros. Sind wir aber elninal auf die Annahme von mehr oder minder 
deutlichen Reminlsoenxen ans der Lektttre des Dichters angewiesen um 
die l'cbcreiDstimtnung mit diesem oder jenem Philosophen zu erklären, 
dann bin ich noch immer geneigt, dergleichen an«? Demokrits berühmter 
und vielgclesencr Schrifl in viel grösserem Maussc nbznioitrn nls lleinzc 
nnd Afidcre mir zugeben woHen. Anrh H«Mnzes nacl 'rfL'lichc Hemer- 
kuu^ou Uhein. Mus. 45 S. 497 IT.} haben mich in diet>cr liiuäichl keines 
Bessern belehrt. 

1} Sat. I t, 48B: haec ego mecum Compressls agito labris: nbi quid 
datnr otl, Iniudo cbartis. 

3) Wundervoll ist dies in Bezug auf Lesaing ausgeführt worden 
von Fr. Schlegel In Characterist. u. Kril. I 198 f. 159 V. 



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Horas. 4 5 

Es benibt darauf die Lüsnng der platonischen Frage durch 
SehleieroMieher und Schlegel. Auch die Dialoge des atlisdieu 
niflosophen sind su Anfang und Ende oft gans abgerissen; 
die yerschiedenen Gesichtsponkte, unter denen ein und die- 
selbe Sache betrachtet wird, wediseln wie beim römischen 
Diditer, nur dass an die Stelle der bei Horai blitsartig vor- 
ttbereilenden Einftlle Itngere Gedankenketten treten ; das Ganse 
ist kein in sich abgerundetes, sondern stellt nur einen Aus- 
schnitt aus dem Denkerleben Piatons dar. 

Diese Aebnlichkeit der Horazischen Sermonen mit sokra- PhiloM^Ui« 
tischen Dialogen braucht raan keineswegs bloss für zufällig 
auszugeben; vielmehr kann sie ganz wohl, wenigstens zum 
Theil, in einem gewissen Farailienzusammenhang begründet 
sein. Hören wir auch hier wieder Iloraz selber. Mit einem 
gewissen Uebermuth schüttelt or einmal den Druck der phi- 
losophischen Systeme von sich ab und behauptet auf keines 
Meisters Worte zu schwören; er rühmt sich der gobleru n 
Freiheit, die ihm gestattet, wie ihn gerade Lust und Laune 
treiben, bald als stoischen TugendwSchter steh aufzuspielen, 
bald sein I^ben nach Aristipps Vorschrift sn regeln (epist. 
1 4, 43 ff.). 

Trotsdem ist er nicht so unabhängig als er scheint. 
Nicht viel anders spricht sich Cicero aus, der nicht bloss den 
blinden Glauben an die Autorität eines Lelirers yerwirft (naL 
deor. HO £), sondern auch durch keine Nothwendigkeit sich 
für gebunden erklfirt, eine bestimmte Ansicht in der Fliiio- 
sophie KU verfechten^), vielmehr das Recht HQr sich in An- 
spruch nimmt, in den Tag hineinsnleben, wie es sich trifil 
bald dieser bald einer andern Meinung folgend^), das eine 
Mal der strengeren stoischen, dann wieder einer laxeren Auf- 
fassung der MoraL Bei ihm aber ist dies nicht eine Absage 



1} Nat. deor. I <7: tum ecn: »quid didicerimiis . Cotta videril, tu 
auteiu nolo evistiiiu'S nie iuljiilorem hulc vcnissc sed auditoifm <*i q«i- 
dam ac(}Hi]rn Iühmu judiciu, nulla ejus modi adstrictum necessitutc, ut 
mihi veliiu nuinu sit ccrta quaedaui tuenda Hententia. 

i) Taflc V SS: Tu quidem iabellis ohsignatis agis mecum et testl- 
flcaris quid dlserim aliquando aut scrtpaerim: cum allis Isto modo qui 
legibus Inpositis dlsptttaot, nos In dient vivlmm; quodciunque nosiros 
animos probabllitate percussit, id didmus; itaque soll smnus liberi. 



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16 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



an sämmtliche Philosophien ^j, sondern nur an die dogmatischen, 
denen gcgonüber er sich die Freiheit des akademischen Skep- 
tikers wahren will 2). Warum sollen wir die gleichlautende 
Erklärung über sein Verh8Uniss zur Philosophie, wenn sie 
aus dem Munde des Horaz kommt, anders auslegen? warum 
Skeptische Sie nicht ebenso als ein Bekenntaiss zur akademischen Skepsis 
Ak»denüb. fasg^up zumal da Horaz selber uns sagt, dass er als Student 
der Philosophie in Athen sich cor skeptischen Akademie ge- 
halten habe'). 

Aach was uns senst Über seine philosophischen An- 
sichten und Neigungen bekannt wird, widersprldit dem nicht, 
sondern ordnet sich ihm leicht unter, indem in der Ver- 
spottung des StertiniuSy Grispintts und ihres Anhangs sich 

nur auf eine Art, die dem Dichter ansteht, die leidenschaft- 
liche Polemik des Karneades gegen die Stoiker wiederholt 
und ebenso der Epikureismus des Dichters — das »Epicuri 



4) Wie es allerdings nat. deor. M7 scheinen könnte, wo er sopar 
Cotta ifofrcniibcr die Vcrs( hi«Hk'nlieil >-*'in<"N eitronfn Standpunktes geltend 
niac'lit. Indcss hundclt es sich liier imi litn eine Modiükatiun des Skppti- 
risnni«;. weil er schon damals die AI -^i iit hat, wie er zum ScUluss wirk- 
lich Ihul (III 95), der destruktiven kiitik Cottas gegenüber sich auf die 
Seite der Stoiker zu stellen. 

%) Vgl. nodi ad Att. XIV SS, 8: (aaehdem er verlier bekannt hat, 
dass er sich nlebt eatscbUessen kSnne und noch Imnier hio uod her- 
schwanke ob er Varro oder Bratas die eine Hauptrolle io den Academica 
zutheilen solle) o Academtam votaticain et sni simUein, modo huc modo 
illuc! 

3) Epist, II ^, 43: adiecere bonae paullo j^lus yrtis Athenae, scilicet 
ut Vellern curvo dit;nosrere rectum atque inter Silvas Acadenii <n!;«prcre 
verum. Nur zuni dSik ht>ii der Wahrheit« wird er angeregt. Das konnte 
aber nur in der skeptischen Akademie geschehen, da die andern Philo- 
sophieo nicbt so beacheiden waren, sondern die Wahrheit selber feil bieltao. 
Auf die skepUsdie Akademie weist anch dasLocal «inter Silvas Acadami^ 
Der Vertreter der alten dogmatlscben Akademie Antiocbos lehrte im 
Ptolomäum (Qcero de fin. V 1], wahrend gletchieltig doch auch die Aka« 
demie nicht unbenutit (wie sieb iadir^t aus Cicero a. a. 0. quod is locus 
ab omni turba idtemporis vacmis esset ergibt) und ahficsehen von Piaton 
und den Aeltercn durch das Andenken des Skeptikers Karneades geweiht 
war (Cicero a. n. 0. i u. < Vgl. noch W.ichsnmth Die Stadt Athen I 
S. 634, 3. Auch Cicero gerade in der Akademie sich durch Errich- 
tung von Propyläen ein Denkmal stiften wollte (51 v. Chr. vgl. ad Att. 
VI 6, S tt. 4, SS), spricht dafür, dass dort noch immer viel Verkehr war. 



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Horas. 



47 



de grege porcus < ist freilich kaum ernsthaft zu nehmen — 
an Aeusserungen des Skeptikers zu Gunsten einer hedonistischen 
MoraP) einen Anhalt hat. Ausserdom hatte er nicht den ge- 
ringsten Grund, später, als er in die Umgebung des Augnstus 
eintrat, der alten Hinneigung lur siuptisohen Aludemie su 
entsagen, da auch der Kaiser selber unter dem Einflnss eines 
Philosophen dieser Richtung stand ^. 

In der Natur der Sache liegt es aber und die Geschichte Akadamiiok« 
lehrt es, dass eine dialektische Skepsis, wie die akademische ^^^aMiigt den 
war, die Ausbildung des Dialogs begünstigt. Dass insbeson- iMikf. 
dere die Satirendichtung dadurch befruchtet werden konnte, 
macht verglichen mit Horaz das Beispiel des Lucilins wahr- 
scheinlich, wo wir gleichfalls einen Freund der Akadomie 
die in (Um- Wissenschaft geübte Kritik auf das Leben und 
seine Erscheinungen übertragen sehen'*). Nun war aber die 
akademische Skepsis nichts weiter, oder wollte wenigstens 
nichts weiter sein, als eine Erneuerung der Sokratik; es be- 
stand also thatsfichlich ein Zusammenhang zwischen dem sokra- 
tlschen Dialog und der Satire. Noch unmittelbarer erscheint 
derselbe bei Horas, wenn man bedenkt^ dass die Akademie auf 
Sokrates wie auf ihren anerkannten Heister blickte^), dass da- 
her ihre Mitglieder das Studium der sokratisehen Schriften lu 
einer Hauptaufgabe machen mussten. Schon von Atben musste 
deshalb Horas die'Kenntniss der sokratisehen Dialoge mitbringen. 
Von deren Geiste angeweht trat er in den Augustischen Kreis 
und athmete hier abenuaLs die sokratische Luft. So hegreift 
man , dass ihm noch späterhin die sokratisehen Dialoge als 
der inbegriü aller Weisheit gelten, deren jeder Schriftsteller 



i , Inlerss. zu Ciceros philos. Sehr. III 4 94 Aum. 

Sj Dass Areios Didymos nicht die alte Akademie des Antiochos, 
sondern die skeptische Philoos fortsetxte, habe ich Unterss. su Ciceros 
phll. Sdir. Iii 110 IT. XU selgen gesucht 

S) Dis VerfailltDiis des Lucil stir Akademie erhellt thells darens, 
dass Kleitoroachos Ihm eine Schrift widmete (Cicero Acad. pr. 102) thells 
ras der Bewunderung für Kameades, die sich vs. 1 4 t>. ausspricht. 

4 l'nterss, zu Ciceros philos. Sehr. HI S. 33 fT. 188. 301 f. V^rl rMifh 
I 416 f. Auch darin, dass sie ihre philosophisrheii lehcrzeuguagfu 
nicht in Sibriften lüoderiegten, scheinen Aikesilaus und karneades sich 
den Sokrates zum Muster genommen zu haben i 4H f.). 
Hirs«l. Diftlog. II. 2 



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VI. Dar Dialog io der KaiMneit 



und ingbesondere der Dichter fttr seine Arbeil bedarf*). 
Natur und Sludium mOgen susammengewirkt habea, dass 
sein Wesen sdüiesslieb einen Znsato Yen der sokratisdum Art 

empfing. 

Vergleiohnng Der venusiüische Poet und der athenische Philosoph waren 
ßokratl 'und "t^chteme nach Klarheit in Allem streb« ndo Naturen, die 
florw. dcshaih im Wissen den Grund alles Rechtthuns erblickten*), 
in bescheidener Würdigung ihrer Fähigkeiten, aber auch in 
richtiger Schätzung dessen, was am Meisten Noth thut, zogen 
sie ihrer Thätigkeit enge Grensen und widmelen sich fast 
ganz der Beobachtung des menschlichen Lebens und seiner 
moralischen Geselle; dabei bringen WohlwoUen und Ober- 
legene Kritik in beiden jene feine Ironie hervor, die deshalb 
so liebenswOrdig ist, weil sie vor allen das eigene Selbst 
nidil sohont^ beide geben deshalb ihr eigenes Aeussere, ihre 
Gestalt dem Spotte Anderer Preis; was für Sokrales die So- 
phisten, das sind die Crispine und Steriinios für Horas; hohler 
Tugend- und WeisheitsdUnkel ist beiden zuwider, doch maassen 
sie sich selber keiner besonderen Vorzüge au, Sokrates will 
kein Weiser, iloraz kein Poet sein; immerhin, obgleich sie 
si< Ii oicht einbilden, selber etwas Sonderliches leisten zu 
können, so legen sie sich doch wenigstens die Kunst bei. 
Andere zum Bessermaoben anzuregen und anzuleiten'), und 
bringen sie Jüngeren gegenüber <^em zur Anwendung; was 
sie etwa werth sind, Horaz in Folge seiner Menschenbeobach- 
tung und moralischen Reflexion, Sokrales in Folge seiner 
Maieutik, davon schreibt der Eine das Verdienst seinem Vater, 
der Andere der Mutter su. Alles in Allem genommen, ihnden 
beide ihre schönste Aufgabe darin, für ihre Rreunde und mit 

1) A. P. 309 vgl. 0. S. hf 8. Hiernach Wttrde auch Horaz, der Mode 
folgend, namentlich den xenophontischen Sokrates im Auge gehabt 
haben. Dass sni. II 3, M (stipare Platona Menandro) mit dem Philosophen 
Plaloii nichts zu tliim hat , sondern den Komiker gleichen Namens an- 
geht, ist langst liemerkt worden. Auch IT 4, 3 kann natürlich nicht mehr 
als iäaa ganz oberflächliche Kenntniss Platons beweisen. 

S) Scrihendi rede sapere e»t et principiam et fons. Das ^saperet 
charaklerlsirt die Sokratiker auch bei Gloero de orat III S<. 

8} A. P. 804: ergo fiingar vice cotis, acatam reddere quae ferram 
valet, exaors ipsa secandi etc. 



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Horai. 



49 



ihnen zu leben, und waren insofern zur diaio^ohen Form 
prädestinirt. 

In den verschiedensten Weisen hat Horaz dieselbe durch- VenoUeden- 
geprobt. Ein gebildeter Geist wie der seinige steht unter der 
stillen und fast tmbewussten Einwirkung einer ansgedelmteD F^. 
und Sussersl mannigftidien Literatur. Yarro aus Atax und 
Lucil hat er uns selbst als seine Vorbilder genannt; Kopien 
des letiteren sind noeh deutUoh an erkennen. Dass er die 
griechischen Komiker las, haben wir ebenfeUs aus seinem 
Munde'; und in den rapiden, fast athemlosen SchlussgesprUehen 
sat. II 3, 324 ff. uml 7, 116 ff. wird man an die wirkungs- 
volle Art erinnert, mit der Sophokles seinen Dialog sich bis 
lu avTiActj^at steigern iiess. Seine Di'htuneen bieten eine 
wahre Musterkarte der verschiedenen Arten des Dialr>gs, wie 
sie im Laufe der Jahrhunderte hervorgetreten waren. Nicht 
bloss dass zu den Dialogen die Briefe als Halbdialoge kommen, 
so scheiden sich jene wieder in solche mit historischen und 
in andere mit mythischen Figuren (sat. II 5), in erzählende 
(wie sat. I 9) und rein dramatische (wie sat II 4); ja sogar 
an einem Symposion (sat II 8) und einer Ghrie (sat I 7) fehit 
es nicht; daneben laufen nodi Seibstgesprtche (wie sat II 6) 
und ErSrterongen im DiatribenstiL In diesem bunten Allerlei 
beobachten wir doch, bei sdieinbarem Schwanken zwischen 
den verschiedenen Arten, wenigstens ein gewisses Gesetz der 
Entwicklung, wir meinen zu sehen, wie der Dichter erst all- 
mählig Muth und Geschick in der Handhabung der schwierigen 
Form gewinnt: daher hat es zunächst aur bei Auläufen zum 
Dialog sein Bewenden, während erst im zweiten Buch der 
Satiren das Ge'^präch den Kähmen der Erzählung abwirtl und 
vollkommen dramatisch heraustritt i). Auf dieser Höhe hat 
sich indessen Horaz nicht lange erhalten: in den Episteln ist 
das dramatische Leben wieder erstorben. 



1) Bei Heiase de Höratio Bionis imitalore a S wird die gleiche 

Tfaatsache zu einem andern Schlüsse benotet: das zweite Buch ist mehr 
menippisch , das erste bionlsch. Umgekehrt hatte Birt zwei poliU Satt. 

S. 26, 3 behauptet: pernde das zweito Buch sei mehr tiinnisch, dagegen 
das erste getreu lu« ilisch. Ich bin leider zu wenig in Bions Schriflea 
zu Hause um hier mitsprechen zu kunneo. 



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20 



YI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



Unter den verschiedensten Formen waltet dasselbe Gleich" 
maass der Stimmung, das eine glückliciic Mitte zwischen Ernst 
und Scherz hält und iiim erlaubt, »mit lachendem Kunde die 
Wahrheit zu sagen« (sat. I 24). Doch möchte ich darum 
nicht seine Dichtungen ganz auf dieselbe Linie mit den ky- 
nischen aTrouooY^Xoia stellen, die doch wohl in derber Komik 
das horazische Maass weit überschritten. Eher könnte man die 
Stimmung vergleichen, aus der Plalon einen Theil seiner Dia- 
loge schrieb und die ihm diese als ein blosses Spiel des 
Geistes (irai§ta) erscheinen liess, oder noch besser jene über- 
legene Heiterkeit mit der Demokrit Uber die Heiterkeit selber 
(vepl eodo|i£i}() geschrieben la haben scheint und wodurch er 
sich den Namen des lachenden Philosophen mag sngeicgen 
haben. Jedenihlls sind wir mehr berechtig^ die feine Ironie 
des römischen Dichters bei den beiden grossen griechisehen 
Philosophen wieder su finden als bd dem tbealralisoh auf- 
geblasenen Bion« Die spidende Form der Plauderei konnte 
Horas nur deshalb so glQcUich treffen, wefl er mit den Din- 
gen selber spielte: weder im Sehen noch im Emst liess er 
die Leidenschaft aufkommen; er vertiefte sich nicht grObelnd 
in den Sinn der Welt, aber er war! sie auch nicht mit possen- 
haftem üumor über den Haufen ; alles Schroffe und Verletzende 
wurde vermieden. So gelang es ihm mehr als Anderen, in- 
dem er seine goldene Mitteistrasse ging, in seinen dialogartigen 
Dichtungen den Gesprächston der geistreichen und lebens- 
frohen Gesellschaft anzuschlagen , die ihr Uaupt in Augustus 
verehrte. In ihrem Namen spendete ihm der Kaiser das 
höchste Lob, da er den Wunsch zu eifcennen gab, selber 
unter die Personen dieser Gesprftohe aufgenommen zu werden >). 
Wie die Stellung des Augustus swischen den Parteien der 
damaligen Rhetorik (o. S. %) etwa deijenigen des Horas su 
den seitgenOssisohen Ansichten Über Dichtung und Dichter 
entspricht, so dttrfen wir yermuthen, dass die poetischen ser- 
mones des letstoren ein stilistisches SeitonstQek su dem 
rednerischen sermo des Kaisers bildeten. 



0 Sneton. v. Hör. & 19S Heiff. ed. m. Dt«s will um so mehr bangen, 

ato derselbe Sueton im Aug. 89 vom Kaiser sagt: oonponi tarnen «Ikfiiid 
de se, Disi ei serio el a praestantiasimis, offeodebatur. 



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Livlns. 



21 



Der Phflosopli boU salonfthig und die Wissensohaft po- Dialog ei» 
pullr se&i! Diesen beiden Porderongen Buchte 
in Rom naoliEakommen. Die Sermonen des Horas Bind nur 
ein Zeichen anter mehreren, dass man namentUch in der Form 

des Dialogs ein Mittel zur Popularisirung wissenschaftlicher, • 
insbesondere moralischer Lehren erblickte. Nicht mehr als 
Werkzeug der wissenschaftlichen Forschung gilt der Dialog 
sondern als ein hübsches Kleid, durch das man deren Er- 
gebnisse einem grosseren Publikum zu empfehlen suchte. Die 
Schriltstelleroi des Aristoteles hatte schon einmal, bei ihrem 
ersten Hervortreten, in dieser Richtung gewirkt (I 307 f. 343); 
jetzt hatte die Wiederentdeckung seines literarischen Nachlasses 
abermals die gleichen Folgen. Cicero (de fin. V 12) und offen- 
bar auch Strabo (XIII p. 608) rechnen die Dialoge des Aristoteles 
unter dessen populAre Schriften, denen es an wissenschaftlicher 
Strenge gebricht In den Rhetorenschulen, in denen die dta- 
logiache Form lediglich als ein ReismÜtel der Darstellang 
angepriesen wurde, ist jene Vorstellungsweise noch mehr 
gefordert worden. Sie ist daher auch auf die Uterarische 
Thitigkeit emes der hervorragendsten Mitglieder des Augusti* 
sehen Kreises nicht ohne Einfluss geblieben, dea Historikers 
Livius. 

Man kann eine Charakteristik dieses Mannes nicht geben, Uviw. 
ohne sein Yerhältniss zu Cicero in Betracht zu ziehen. Er ist 

aus ihm, man kann sagen, herausgewachsteu. Nicht bloss als 
rednerisches Ideal empfahl er ihn seinem Sohn, sondern wie 
Cicero (iberhaupt mehr, als bis jetzt schon recht gewürdigt 
ist, durch seine Bemerkungen über Historiographie auf die 
Praxis und Theorie der folgenden Zeit einen Einfluss geübt 
hat, so ist auch Livius als Historiker in der Wahl seines Gegen- 
standes wie in der Art, ihn zu behanclcln, nur den Weg ge- 
gangen, den jener vorgeschrieben hatte Es ist daher ganz 
begreiflich, dass er ihm auch auf das philosophische und 
dialogische Gebiet folgte. 

Welches Verhfiitniss die Dialoge zu seinem grossen Ge- VerhAitnins 
scfaichtswerk hatten, ist nicht mehr leicht su sagen. Waren ^^j^^^^^ 
es etwa nachtrSglidie AnhSngsel deaselben so wie die Dialoge MUMvnk, 



4) De legg. I 5. S f. de erat, n 51 ff. 



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VI. Der Dialog in der iiui!»erzeiU 



des Sulpicius Severus aus dessen Leben des heiligen Martin 
gleichsam berausgesponnen sind? Lhius konnte sich wohl 
veranlasst hnden, sich über diese oder jene von ihm ge- 
äusserte Ansicht, über seine Behandlung und Darstellung 
der Geschichte im Allgemeinen zu rechtfertigen. Auch Ranke 
hat einmal zwischen seinen historischen Arbeiten ein »poli- 
lisches Gesprftch« ausgehen lassen » welches dieselben inso- 
fern ergSnst, als er darin die Summe seiner politisch- 
historischen Ansdiaunngen sieht. Bedenken wir mdessen, wie 
Livius je linger er schrieb, desto mehr das grosse Werk als 
eine Last empfand, unter der er ftst tu erliegen ftrehlefei), 
so werden wir uns vor der Annalune hüten, dass er während 
derselben Zeit sich noch andere schriftstellerische Arbeiten 
aufgebürdet habe. Es ist daher wahrscheinlicher, ilass seine 
Dialoge dem historischen Werk vorausgingen, Jugendrn heiteo 
waren. Es bereitete sich in ihnen der Historikrr vor, wie in 
den Essay's Hume s und noch mehr in denen Macaulay's und 
Treitschke's. Sie würden hiernach wohl vor das Jahr 27 
V. Chr. fallen und so den letzten Dialogen Giceros seitlich 
ziemlich nahe kommen. 

Zum Muster seheinen sie sich indessen dieselben nicht 
genommen zu haben, da sie nidit tex professo« phflosopbisch 
waren Vielmehr bemerkt Seneca^), dass man sie ebenso gut 
zur Historie wie zur Mlosophie habe rechnen können. Viel- 
leicht hatte sich also Livius darin Giceros filtere Dialoge Ober den 
Staat und die Gesetze zum Vorbild genommen^), die ebenfeUs 
von ihrem Verfasser von den eigentlich philosophischen Schrif- 



V Vgl. bes. XXXI 4. Auch fr 57 Weiss. (= Pün. n. h. praef. 
§. 16; bewoisl, ilasä er k<*itie Ruhe hattCj wenn er nicht an seinem grossen 
Werke arbeiten konnte. 

S) Seneca epist. 400,S: scripsit (Livius) etdialogos, quos noomagls 
philoBophtae adnmnerar« poflslB quam historiae, et ex prafMflo philoM»- 
phiam continentes libros. 

S) S. vor. Anm. 

4) An das Problem des Idealstantes rührt Livius auch in seiner 
Gpsrhirhtr XXVI 22, U. Die einleitenden Bemerkungen in Cicero«? Ge- 
setzen k<inntcn ihn zu einem Dialop uher römische Geschichtssohrei hu na 
angeregt haben, aus dem tiann die an Sallusl geübte misspünslige kritik 
stammen würde (Seneca rhet. controv. Vlli 24 Bu. exe. ( ontr. IX p. 433,19} 
die man jetzt gewöhnlich unter die rhetorischen Fragmente setzt. 



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Livius. 



23 



ten unterschieden wurden ^). Noch andere Möglichkeikm lassen 
sich denken. Die Geschmacklosigkeit dialogisirter Geschichte, 
wie sie in italifinisohen Ricordanien') vorliegt , isl freilich durch 
die Zwittemalor der liviasischen INaloge aoflgescUosBen. Eher 
wlirde derselben ein GeaprSoh wie Platarchs Uber daa Un- 
monion des Sokratoa entaprechen. Warum konnte endlioh 
nieht schon Livioa, wie später Monlesqfuieu in seinem »Dialogue 
de SyDa et d* Enorate« that, hervorragende MSnner der Ge- 
sohiohte dnroh ein Gespr&ch oharaeteriflirt haben, das er sie 
in einem epochemachenden Augenblick ihres Lebens tUhren 
Ues83)? 

Merkwürdig ist , dass in dem Geschichtswerk der ehe- in dem Ge- 
malige Dialogenschreiber ganz verschwunden ist: die j^^^^J^),^ 
Ilgen Verhandlungen streitender Parteien, die uns erzählt und 
zum Theil sehr lebendig und eingehend geschildert wer icu 
(besonders iU, m ff. . ha}>en alle einea rhetorischen Zuschnitt; 
nirgends hat der Historiker wie seine Vorgänger Ihukydides 



i] De div. II 8. Vgl. auch A. V. S, in der CooAervat. Monatoschrift 
46 {<889; S. 1 084. 

2j Freilich keoue ich dieselben nur aus der Bemerkung vou Ger- 
viniis, Orandiflge der Historik 5. VI. In dea »Ulslorischen Schriften« 
(4SS8) S. Sf 8 bamerkt Gerviniu, dass die Memoiren d«8 Lapo di Gasti- 
gttonchio »ia der etgeoen Form von BeleluniiigBbriefDn an aeinen Sohn 
vieles über Familien- und Stadt^'cschichte enthalten«. 

3) Varro'9 Logistorici hiil schon Hertz de vita ac scriptis Livii (vor 
s. Ausg.) S. VII 24 vergliclicri. Eher iicich darf an den Ponliker Hera- 
kletdes erinnert werden, der ja auch Ciceros VorliUd ist, wo dieser her- 
vorragende Männer der Vei^angenbeit in seinen Dialogen redend einführt. 
Za der Vermuthnng von Roaabach, dasa die LlvianiM^en Dialoge in der 
Form denen SnMca's ähnlich geweaen seien, die Stelle Indivldaell charak- 
toriairter Pertonen das abstrakte Sobjekt ta Ingait und dergleichen Worten 
vertreten habe (Hermes f7. 3), liegt kein ^enUpendar Grund vor. — 
Dip (Tj-ptptfft; .\lo\nndcrs und der Römer hätte ihrer Natur naeh sich wohl 
zum Thema eines Diah)gs ^eeii;nel il 48 ^, 3). Aber Livius {H^hl IX 4 7 
nur zoeernd an diese Erörterung, weil sie den Gang dpr Krzählunti unter- 
bricht; hatte er sie schon friilier in einem Dialoge ausführlicher ange- 
atellt, 80 wtirde er 8|»ftter dnfwAi darauf verwleaen haben. — r.Wie die 
Hypolhesls eUies Dialoga lieat aich XXXm 2S, 7 ff. vgl. auch I S. 608 1 
Audi die Skiiie dea Gesprüdia iwiachen Hannibal and Sciplo XXXY 
4 4, 5 ff. llaaa alch leicht ta einem Dialog erweitern. Vgl. noch XLV 7 f. 
die Begegnung swiachen Peraeua imd AemUius Paulus. 



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VI. Der Diulog io der kaiserzeiU 



und Herodot die Gelegenheit benutst, ein efgenlUoheB Gespriteli 

allgemeineren Inhaltes einsuflechten. 
Briefe. Noch ein Mal hat er sich spdter wenigstens der Form 
des HaÜKÜaio^s in einem Briefe an seinen Sohn bedient'). Er 
behandelte darin Fragen der Rhetorik, blieb also auch hier 
sich und seiner Zeit treu, indem er die strenge Philosophie 
von dialoeischeu und verwandten Schritten auSSchloSS und fÜT 
besondere Werke anderer Art autsparte. 

In dieser Hinsicht blieb es auch in der nächsten Zeit 
beim Alten. Der Kaiser Tiberiuft, der auch seinem literarischen 
ABeiiins Geschmack nach ein SoDderling war, schenkte dem Asel Ii us 
Sabinas, gabinus SOOOÖO Sestenen »pro dialogo, in quo boieki el 
fieedulae el ostreae et turdi certamen induserat« (Saeton. 
Tiber. 4S). Wahracheinfieh war es doch ein Wetlatreil der 
genannten Leokerbissen vor einem als Schiedsrichter thronen- 
den Goarmand gefttbrt^). Ueber Meleagers iHiher (I S. 440, 8) 
besprodieae oo^xpioK ging dieser Dialog noch hinaus, nidit 
bloss durch die grössere Zahl der Goncurrenten und Theö- 
nehmer des GesprSchs, sondern auch durch das, wie wohl 
angenommen werden darf, gänzliche Fehlen von Philosophie, 
für welche dort ioi Linsengericht (901x7;) als Repräsentanten 
kynischer Einfachheit ein Plätzchen reservirt sein konnte^). 
Bei Asellius Sabinas war allem Anschein nach von dem 
oiTouöaioYeÄolov nur das -^eXolov Übrig geblieben. 



L. Annaeus Seneca. 

Aobnüchkeit In den vorgeschriebenen Bahnen bewegte sich der Dialog 
mitHo7u< n^rjj £„|^ weiter. Namentlich in Seneca hat man einen 



1) Möglich ist freilich, dass der Brit'f hier mehr als hlosse litera- 
rische Form und tictiuii iai und wirklich von Liviiis an seinen, vielleicht 
in Athen sludirenden, Sohn geschrieben war. Die Verbindung, tu die 
der Vater bei seinen Ratbschlägen griechische und lateinische Antoron 
namenUIcii DemostheneB und Cicero, sotste, venrteht stob dann nodi 
beuer. Auch hier darf noch einmal Qcero cum Vwglelch beiheigeaogen 
werden in dem was er an seinen Sohn in Athen de eff. I I ff. schreibt 

i; Ein Schiedsrichter gebort tu solchen oupiptoEi; s. I S. (84, 3. 

3i Da«!S die cpaxfj hei Afelenger den Sieg d^Non trug, ergibt sich 
aus Athen. iV ^57B, besonders den Worten ooüj y^'- V "ip 
xfj; ^axf^i xif* oxswtjv, wie hier noch nachtraglich bemerkt werden mag. 



SenooL 



25 



DoppelgSnger dei Horas erkennen wollen Dies bedarf aber 
einer sebr starken EinsohrSnkung. Gemeinsam ist ihnen der 
senno, der Ton der swanglosen Unterhaitang der in Beider 
Schriften herrscht^ eine gesuchte NatOrlidikeit des Ausdrucks, 
die sich darin geftUt nur auf den Inhalt der Rede su achten 
und jede ängstliche Sorge um die sprachliche Form als affec- 
lirle Manier verwirft^). Stil und Redeweise der Dialoge 
ahmen Beide nach. Verschieden sind sie dagegen in der Art, 
wie sie deren künstlerische Form iuisjiräsen. 

Freilich knnn man die philosophischen Schriften Senecas in 
Dialoge und Briefe eintbeilen, und insofern würde sich aber- 
mals eine Aehnlichkeit mit den Uorasischen Sermonen ergeben. 
Aber diese Aehnlichkeit ist doch nur eine oberflächliche. Sehen Brtof*. 
wir genauer zu, so hat die Form des Halbdialoges oder 
Briefes bei Seneca eine Qberwiegende Bedeutung und Aus- 



4) Leo im Herrn. 24, 84. 

t) Gegen die gesudite Donkelhait des mcaoas (epU^IU, 4), gegen 
MeubUdttugaD und tu kttboe Metaphero (a. a. 0. 4 0) tifert Senaoa ebeoM wie 
gegen deo Cebraucb alterthttmlicher Worte (a. a. 0. 4S); die Gewohniieit 
in der Sprache ist Ihm das Maaasgdwnde (a. a. 0. 7. 9 f.)» er iat €in Feind 
aller Affektation im Ausdruck (ep. 400, 5). Ist hier adion die goldene von 
Horaz empfohlene Milteistrasse nicht zu verkennen, so klingt auch die 
Forderung »rem tene verba sequentur« und das »snperc Pst et principium 
et fons« In epist. H4, 22, Nach Spnocas Ansicht kommt <'s auf das was 
zu Grunde licRt. auf Sinn und Ge(iauken, auf den gaiizen Menschen an, 
damit der Stii ^ul sei (ep. 114, 1). Alte Erklärer bemerken schon hier 
die Vebareinstimmung des römischen Fbilomplien mit Piaton (wenn dies 
nicbt etwa eine Verwecbaelnng mit Anaxiro. Bhelor. 36 tm Spenge! RheL 
Gr. I S.ai8,40 ist). Vollends tritt dieselbe hervor ep. 400, 4 a 10: es 
ist des Phfloioplua imwttrdig sich um Worte so kttaunem (s. I S. 246 f.). 
Nicht minder ist platonisch, was er gegen die langen Reden (die ^m^ft^ü^ 
{xevot X'JfOt des Phfiidros' vorbringt (ep. 40. i IT.;; in der Konsequenz 
frejürh, die er hieraus zieht, eine Empfehlung der tardiloquentia, weicht 
er :tii dieser Stelle von Plalonah, anderwörts (ep. 38, 1) geht er auch darin 
not h mit ihm zusammen. Wie Seneca so berührte sich aber auch Horaz 
mit den Sokratikeru. Endlich bezeichnen auch Beide das praktisctie 
Ende ihrer Theorie mit dem AaBdmdt »sermo«. Seneca sohreilyt eplsi 
75, I : MQnns tibi accnratas a me epistolas mltti quereris, quis enim 
nocnmte loqnitnr, nisl qui vult putlde loqui? qnalia sermo mens esset 
sl una sederemns ant ambnlaremus, Inlaboratns et fooOis, tales esse 
epistolas meas volo quae nihil liabeant aeeersltom nee fictom. etc. (vgl. 
ep. SS, I), 



üiyiiizea by GoOgle 



S6 



V]. Der Dialog io der kaiserzeit. 



dehnuQg gewonnen. Man könnte sSmEitliche erhaltene Prosa- 
Schriften Senecas , auch die sogenannten Ilialoge, «ils Briefe 
bezeichnen: denn die Anrede an den Adressaten ist nicht 
bloss auf die Proomien beschränkt, wo sie die Widmung eines 
beliebigen Werkes bedeuten könnte, sondern wiederholt sich 
auch in den folgenden Theilen der Schrift. In dem Maasse 
als Seneoa das Herrschaflsgebiet des Briefes erweiterte^ hat 
er auch die Form desselben kunstvoller ansgebfldet. Seine 
Briefe an Ludllus bilden keineswegs eine nur naeh finsaeren 
Bflcksichten der Zeitfolge geordnete Sammlung, in der die 
einielnen gleickgiltig neben einander stünden : vielmehr stellen 
sie ein planmissiges Ganse dar, welehes in populärer Form 
das ganze System der Moralphilosophie vor uns entwickelt^]. 
In neuerer Zeit ist diese Form der Darstellung mehr gepflegt 
worden und hat nicht bloss didaktischen Zwecken gedient, 
sondern sich auch zu Rornaüen heri:( })en müssen. Doch war 
sie, wie es scheint, schon dem früheren Alterthum nicht ganz 
fremd. So schloss sich wohl die Gorrespondens des Hippo- 
lochos und Lynkeus ttber berühmte Gastmahle zu einem ein- 
heitlichen Werke zusammen (Athen. IV 128 A. 1 S. 355). 
Fttr eine Beihe von Briefen, deren Entstehung man in die 
Ptolemäer-Zeit seteen darf, gab die Geschichte Alexanders 
den verbindenden Faden her (Bohde Gr. Born. S. 487, 1. Vgl. 
I S. 353 f.). Am n&ohsten vrflrden den Briefen Seneoas die phi* 
losophisehen Briefe des Kynikers Krates kommen, wenn nur 
ihre systematische Ordnung sicher stOnde'). Jedenfalls sind 
Senecas Briefe an Lucilius das erste sichere Beispiel einer 
Literaturgattung, die sich unter uns Deutschen in neuerer Zeit 
durch Scliillers ästhetische und durch Liebigs chemische Briefe 
classischen Hang und Namen erworben hat. Für Seneca selber 
mag Giceros Vorgang bestimmend gewesen sein; die abge- 



I) Hferttber 8. die scharfilmilee Abhandliuig von Beiarich Hilgen« 
feld In. Aenaei Senecae Epistulae Moralos in Fleckeis. Jahrb. Suppl. VII. 
S) IHog. L. VI 98: fiprcoi oe toO Kp<iTr)Toc ßißXiov 'ErtsroXoii, h at; 

dfptoTi tptXoaofEt, r?|v Xi^iv f^rtv Zxt ripariXTiOio; FlXatojvt. Dies lässl auf 
eine sorirfiilf ige Ausarbeitung der Briefe schliessen, was .nif tin!?irte Briefe 
und dann iiaturljch auf eine sacbgeniässf' Folge derselben fuhren würde. 
Ausserdem verfuhrt schon die Bezeichnuitj< pt[^Xiov zu der Annahme, da&s 
man es da mit einer ia sich einbeithchen Composition zu thuu hatte. 



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SeiMGB. 



87 



schlosaene Sammlung der Briefe aa Atticiis steUie ihm eine 
Art Ganzes dar, das er Id seinen Briefen an Lncilias thefls 
dnreh noch grossere Abrondung, in'4em er die wi^ieh ab- 
geschickten Briefe dnreh fingirte erglnite, sn übertreiTen 
sodite, thefls aber anch dadordi, dass er aÜen geiinglttgigen 
klehiliehen Inhalt daraus entfernte und sich mionterbrochen 
auf der philosophisehen Höhe hielt i). 

In Folge seiner Vorliebe fttr den Brief » Hess er es dem ▼trkmnac 
Dialog an der rechten Pflege fehlen. Was uns unter diesem ^ W^^V« 
Namen in seinen Scbriften geboten wird sind verkümuicrte 



4) Seine Bewunderung der ciceronisoheil Briefe an Atticus spricht 
aus ejMst. 9.4: uomen Attici perire Ciceronis episttilae non sinunt: nihil 
Uli profuisset gener Agrippa et Tiberius proL'onpr ol Drusus fliu'^fir jm-o- 
nepos: inter tarn magna inunin;! tHr*iretur, nisi Ciroro illum adplicuisscfc. 
Ihren oft geringfilglgen lahait tadula die Worte epist. 418, 4 : nec faciam 
qmoil, Cicero, rir ^sortissimes, facere Atticom jobet, ut etiamsi rem 
Bullun ludMliit, qnod in hnocam veoerit acribat«. Nomqnaro potest 
deesse, quo dscribam, ut omnia illaf quae CIceroDla Inpleat epiatulaa, 
tranaeam: »quis condidatua hLboret. quis alienis, quis sola nirflma jmgnet 
qata consnlatum fiducia CaesariS, quis Pompeji, quis arcae petat. quam 
dnrus sit fenorator Caecüius. n qno minoris rontcsimis propinqni num- 
mam movere non pos«inl". Sn;i satius est mala quam atiena tractarc, 
ge exctttere et videro, quam multarum rcrum condidatus sit, et non 
sudragari. 

5) Unter die Dialoge Alka an lüileii, waa Seneca an phUoaopblachen 
Sdirinen verftiaat hatte, auagenommen die Mefe, daran that Roaabach 
(Herrn. 47, SSSff. Brealauer pbilol Abhh. H S S. S, 4) ganz recht Bin 

Widerspruch, wie der von Tenffisl-Schwabe Gesch. d. rdm. Liter. § 289, k* 
hiergegen crLohene, sündi;.'t pepen das drille der »Zi'hnpebote für das- 
sische Philologen": Du Sdllst nicht vor Handschriften niederfallen. Die 
Sache fordert es dass, wenn wir die Schriften de ira, de vita heata und 
die übrigen der heiligen ZwOlf Dialoge gelten lassen, wir auch de 
beneflclo, die natt qnaeatt. n. a. w. nicht von dieaer Benennung aus- 
aehlleaaen, auf die aie ein ebenao gntea Hecht haben. In allen iat daa 
«Uatoc^todie Element auf daaadbe, allerdinga aehr heacheidene Maaaa reda- 
alrt, dass eine sonst nicht weiter charakterisirte Hesprächsperson vor- 
geführt wird, lediglich als Träger gewisser Einwürfe, die den Fortgang 
der Erörterung fördern sollen. Dasselbe gilt von den verlorenen Schriften. 
Für de amicitia ist in dieser Hinsicht fr. 93 II. das ' ([uaeritis.. hezeich- 
nend; aus dem gleichen Grunde bemerken wir in de reiucdiis forluilorum 
fr. I i daa «loqois«, ja in dieaer Schrift könnte die Natur des Dialogs 
aogar atürker avsgepiügt eracfaeinen als io den übrigen, wenn diese 
EigenthUmUchkeit nicht anf die Rechnung des Excerptora kftme (Haaae 



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88 



Vi. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



GewScbse, die sich weder mit den dceronischen oder auch 

nur den Horazischen aul' eine Linie stellen lassen. Während 
in den letzteren die Gesprächspersonen doch bisweilen zu 
wirklit h lebendigen und individuell charakterisirten Persön- 
Hr)ik(iton ausreifen. M<'il)en sie bei Seneca unsichtbar nnd 
machen sich nur ais Iräger von noch dazu recht sparsam 
vertheiltea Eiuwtirfen geltend Geflissentlich scheint er den 



praef. S. XVI lt.). Dieselbe Form hatte auch de superstitioae wie idch 

aus fr* Bi (dicet aliquis) und fr. 33 (der Antwort darauf) ergibt. Augustin 
der uns diese Fragnaeote erhallt>n hat de civil, doi VI c. (0 , bemerkt 
ausdrücklich, dass Seneca dnrin Fragen an sieh selber richte (oppnnit 
sibi quaestioncm) und büanlworle (et ad hoc res|)ondensi. Von einem 
formUchen Lnaiog mit lebendigen Perüuniichkeiten kann daher hier gar 
keine Rede seia. Um so wichtiger ist es für uns aus fr. 44 zu erfiabrea, 
dass schon der Grammatiker DIomedes (des vierten Jahrhunderts) diese 
Sduift einen Dialog nannte {In dialogo de superstitione), obgleich sie eben' 
falls nicht ni den aaserwShlten Zwdlf gehtfrte. Ja die Wabrscfaeuilicli- 
keit spricht dafür, dass er damit, wo nicht nach Senecas Voi^ang, so 
doch in seinem Sinne handelte. Schon Quintilian begreift unter dem 
N;h!io!i ».Dialoge« sänunttiche philosophische Schriften Senecas die Briefe 
nnspenommen (X i, 4291. Man hnt dort allerdinifs das »dialogi« auf uns 
Jetzt verlorene Schriften bezogen. Dann w urden aber in der Aufzahlung 
Seneca scher Schriften von Quintilian die unü erhaltenen philosophischen 
gllnzllch libergangen sein, und das Ist nech dem Znsammenhang dn 
Stelle, in der gerade v<mi Seneca's Philosophie die Rede ist, gans undenk« 
bar. Sonach hütten wir eine Autorität so gnt wie die eines Zeitgenossen 
Senecas für uns um den Namen von Dialogen den philosophischen Schrif- 
ten Senecas und zwar sammlHchen Schriften der Art beizulegen. Vgl. 
auch was Qnintilinn V 4 4, 27 an den Reden tadelt aN ein Hinüberschvs anken 
In die Arf Ae^ Hinlogs und dass nach IX 2, 31 Manche »sermones ho- 
iiuivuin a(isunulalos«, wie sich deren die Redner hin und wieder für 
ihre Zwecke bedienten, schon als otct>.o7ot bezeichneten. Wer immer 
zuerst diesen Namen gegeben bat, er konnte sieb dabei auf Senecas Worte 
berafDO, de benef. V 19, g: sed ut dlelogorum allercatlone seposita tam- 
quam jurlsconsultns respondeam elc. Was hier etwas pomphaft dialo- 
gorom altercatlo heiast ist eins der verstümmelt«! und fingirten Gespifche 
mit Ungenannten, wie sich deren in allen philosophischen Schriften 
Seneca's finden: alle diese Schriften konnten daher im Sinne ihres Ver- 
fassers Dialotje t/enannt werden. 

4 .\eiiss( t lieh betrachtet hat noch am Meisten das Ansehen cine^ 
wirklichen Dialogs die Schrift dt 1 laiujuillitate. Serenus. an den sich 
die Schrift wendet, ist nicht al^ Adressat eines Briefes gedacht, sundern 
als gegenwärtig: er ertfflteet das GespFkcb mit etaier Bede, auf welche 
dann Seneca von c i an ebenlslls in einer Rede die Antwort gibt. Bier 



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Seneca. 



«9 



Dialog von sich fern zn halten, selbst da, wo derselbe ihm 
fast aufdringlich wird : so berichtet er dem Lucilius bisweilen 
yoD philosophiflcben Gesprächen, an denen er Theil genommen % 
auch ein Symposion ist darunter (epist. 64, i) ; die Mittbailong 
aber wird ihm nicht ta oinar Enähiung und Sohiiderung der 
Unterhaltimg, Ihres Ganges, der daran beChefliglen Personen, 
sondern schrumpft su einer summarischen Angabe Ober Gegen- 
stand und Inhalt der Unterredung zusammen. 

Man erweist Seneca In einer Beiiehung su viel Ehre, wenn Oiigiudittt 
man Ihn, was die Form seiner Schriften betrifft, su einem 
Nachahmer des Teles macht (Leo im Hermes 24, 84); in 
anderer Beziehung drückt man ihn dadurch zu tief herab, 
da man ihm seine schriflsieUerische Selbständigkeit nimmt. 
Das letztere zu Gunsten des Teles zu thun, eines Autors 
dessen Seneca in seinen Schnflen auch nicht mit eiiKr Silbe 
gedenkt, haben wir jedenfalls nicht den geringsten Anlass^). 



ist also weDigsiMis eiemal der Verweh Bemacht die Briefform fUlen la 
laaMn. (Nech Marttia Les morailslee sous rempire S.S8 wire frellicb 
SGium die Rede des Serenus ein Brief an Seneca, auf den dieser eben- 
falls mit einem Briefe antwortete). Rein durchgeführt hat ihn aber 
Seneca nicht: denn wenn wir 9. n inqiiii* !e*sen. so werden wir an die 
Art erinnert, wie Seneca in den linet'en und epistolographiM hen Sclinflen 
die Liawürfe seiner Adressaten anticipirt, eine Art dit dort in der Ord- 
nung, hier aber einem Anwe:»euden gegenüb^jr, der seine Einwürfe selber 
▼ortragen konnte, ntcbt am Platte ist Uebrigeni verdient bemerkt zu 
werden, daas Senecas Schrift und Plutard» ictpl <5Aof&(«c, wie sie im 
Inhalt sieh tbeilweise berttlirett, so ancli in der Form sld» «hnelo: in 
dem dnen Falle ist es Paccius, in d«n andern Serenus, die beide eine 
Erörterung über die Seelenruhe wünschen und twar l>eide aus einem 
praktischen Bcdürfniss. weil sie sich in ihrem Innern noch nirht siitlii h 
(jefo«,tiyt cenug fühlen; der Unterschied ist, dass IMutarch, der Bripfforiu 
enUpn c }iend , derartige Wünsche und liedurfnissü bei l'accius voraus- 
setzt, Seneca sie durch Serenus selber aussprechen lässt. Ob und in 
wie weit Seneca und Plutarch in der Form ihrer Schriften einen Vor- 
gänger an Panaitioa halten, steht dabin; wenn die Schrift des Panaitioe 
«ipl iMufftie«, wie Powler Panaetii et Hecatonis Ihigm. S. S4 IT. voraus- 
•etat, identisch ist mit der de dolore patleodo, dann wiren Serenus mid 
Paocins nur an die Stelle des Q. Tnbero getreten. 

4) Hilgenfeld Fleck. Jahrb. Suppl. VII S. «(6, 4. 

2] Vgl. auch I S. 367, \. Obgleich Bion und Teles in den Kfipfcn 
mancher hetitigen Philologen Wandnachbarn sind, so steht dorh k;nins zu 
befurchten, dabt» man jenen auch bemühen wird um durch Form und lidialt 



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30 



VI. Der Dialog io der Kaiserzeit, 



ZfiDXelul gill es den tiient üdk dailiieteiideD und natoriiclien 
Weg efnnischlageD und die WaU der sehriftsCellerisehen Porm 

aus dem Wesen und der Eigenthüralichkeit des Autors lu 
t rklaren. Seneca war vor Allem zum RedQer ausgebildet 
wurden. Sein Vater war ein Verächter der Philosophie und 
etwas hat dieses übermässige Selbstgefühl des Rhetors auch 
auf den Sohn noch nachgewirkt, so dass er wenigstens in 
seinen früheren Schriften uns die Philosophie in rein rheto- 
rifloher Form darbietet Auch die diaiogiachen Anafttee ge» 

scinfT Sr hrifif'n aurh ?iuf Seneca zu wirken, ^^'^nigslens sollte von eiaero 
so ut*ereiiten Voiri Im mi <i' r l nistaod abhaHcii, (ht--'; satirische Element 
in Scaecas bchriften dazu weder ausgebreitet nocii ha rl genug ist. Doch 
will ich darauf hinweisen, dass die Aussprüche Bions, die dtirt werden, 
sttmintiich io der Sammlong seiner ApophthegmaU Plati gefooden haben 
können; ja für dio widersprechendm Aensserangna, die ihm beoeH Vn 
7, 1 vorgerttokt weiden, ist diese Aaaahme aogar weitaus wahrsdieia'' 
lieber, da man leichter in gelegMitttcb hingeworfene Aensserongen als 
in wohl überlegten längeren Erörterungen sieh widerspricht und ein ab« 
sichtliches Widersprechen . etwa in der dialektischen Weise und Absicht 
des Karueades, doch nicht anzunehmen ist. ich mdchte sopnr (!ie Frage 
aufwerfen, oh etwa die zu Sentenzen zugespitzte und zerrissene Rede- 
weise Senecas nicht zum Theü aus der starken Benutzung der damaligen 
Apopbtbegmen- und Ghrienliteratiir sich erUiirt oder doch ein Symptom 
desselben Zeitgeschmaclu fstt der die Verbreitung jener Uteratnr tnr 
Folge hatte. Auch UsenerBpieur. praef. S. LYI kommt sa dem Schlosse 
dass Seneca nicht die Schriften Uetrodors» sondern eine Senlemensamm* 
lang benutxt bat. Indessen scheint mir dieser Schiuss aus epist. 99. ?5 
nicht sicher. Dass ein eleganter Schriftsteller wie Seneca das Citat in 
dicMer Form, wie c« jetzt im Texte steht, hineingesetzt habe, ist mir un- 
denkbar. Wahrscheinlicher ist mir, dass erst ein Herausgeber zu <!en 
Worten Melrodors. die Seneca allein gegeben hatte, noch die Herkunft 
des Citates fügte: Mt^po^tupou iuiOToXwv d 7:poc •djv äocX^^v. Andereufalls 
wie erklärt sich epist. 97, 4 und 444, S? Soll man annehmen, dassaoch 
von Ctceros Briefen an Atticus nnd gar von MKoenas* Schriften Seneca 
nur ein Florilegiam bennlite? ^ Aach mit den dbSpimt irp^eoiica des b. 
Basilios epist. 467 haben die dialogiacben Personen Senecas nichts sn 
thun: denn Basilios versteht darunter Personen, wie den Kreter Kleinias, 
den Lacedäinor)icr .Megillos und den athenischen Fremdling in Piatons 
«lesetzen und diese stündigen Personen eines L'lfif hmassig verlaiifcndeo 
Dialogs sind doch himmelweit verschi<'den von den sprungweise plötzlich 
auftauchenden Trauern verschiedener Einwürfe, welche Träger weder unter 
sich identisch zu sein brauchen noch irgendwie durch einen Namen oder 
sonst welche Beieicbnang i^er bestimmt sliid. Dies bemerke leb gegen 
Rossbacb im Hermes 47, ses. 



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Seaeca. 



81 



hören hier nicht zum inverUar der Fhilnsophie. sondern sind 
nur eines der vielen Mittel, welche die Khetorik empfahl um 
die Lebendigkeit der liarstellung zu erhöhen: sie g( iien daher 
auch nicht über das Maass dessen hinaus, was an Hypoty- 
posen , Prosopopöien und dergleichen sich die Redner seiner 
Zeit erlaubten i), ja was sich Cicero in vielen seiner Reden 
erlaubte (I S. 468, 2) oder vielmehr sie erreichen dieses Haass 
n<Kili nicht; es Bdieini, als wenn die Fiktion des Briefes 
die Lobendifkeii der rhetorischen Darstellung gedbnpft hfitte 
und wir sind berechtigt uns die eigentlichen Beden Senecas 
dialogischer Torsustellen als seine sogenannten Dialoge. 

Seneca bleibt BheCor auch da wo er der Anwalt des Bh«toriMhtr 
Dialogs SU sein scheint. Wenn er den »sermot gegenüber ^^^^i^*« 
der Rede (ooncio) rOhmt^), so geschieht es nicht deshalb weil 
dieser auch den Andern su Worte komm«i Usst und so viel 
besser Gelegenheit hat, sich dessen Sinnen und Denken anzu- 
passen, sondern weil der sermo sich unter vier Augen abspielt 
und daher geradezu und uhne andere Rücksicht als auf die 
Wahrheit sich Süssem kann. Von der dialektischen Kralt des 
Gesprächs, die durch Hin- und Widerreden, durch Fragen 
und Antworten zu einer Klarung der Begriffe führt, hat er 
keine Ahnung; der sermo familiaris ist ihm nichts als f'ine 
Predigt, die sich von der gevt^öhnUchen nur dadurch unter- 
scheidet» dass sie nicht wie diese vor einem grösseren Publi- 
kum, sondern vor einem Einzelnen gehalten wird. Die enthy- 
mematische Darsteilnngsweise Senecas, so sehr sie den Schein 
der dialogisehen trügt'), ist doch das wahre Gegentheil der- 



4) Vgl. bes. QoiDtil. lost. Dr. IX t, K%, der Doch daiu ans den God- 
troreraiea des ilteim Seaeca dtfrt, und dunit Seaeca Mlhst de 

2) EpiskSS: plnrinram proficit sermo, quia ininutatiiu Inrepit animo: 

disputationes pracparatae et cfTusue .uKlionte populo plushabent strepitus, 
minus fatiiiliariiatis. Phitosophia bonuni consilium est: consiJiinn iifrao 
clare dat. üli(|uando utendiim est et illis, ut ita dii-aiu, coiirionilHis, ubi 
qui duLitat iDpeileodus est: ubi vero non hoc ageadum est ut velit dis- 
cere sed ut discat, ad haeo siibmisskin verba veoiendum est. fodUas 
intnot et haereat: nec eaim multls opos est sed eflßcactbna etc. 

5) QnintUian Inst or. V S7t constare totem (sc. oratlonem) ant 
certe confertam esse adgrcssionum et enthymematum stipatione miaime 
vcllm. dhil()gi!>enini et dialecticis disputationibus erit similior qnam aostri 
operis actionihus, quae quidem inter se plurimnin differant. 



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32 



Vi. Der Dialog In der Kaiseneit. 



selben; wAhrend die Gedanken in jener gekOrzI und sngespiUt 
auftreten, werden sie in der andern gerade auseinander ge- 
serrt; dieses letstere Verfahren, das sokratisob-plaConisehe, 
erschien Seneca ohne Zweifel su pedantisch und umstSndlieb, 

er musste fUrchten seine Leser damit zu langweilen, schwer- 
lich hat er dcirüber anders geurLlieilt als der h. Basilios (epist. 
ii)!) und manche Neuere'}. Sein Ideal ist auch nicht der 
Dialog, sondern der Monolog (epist. 1 0) und auch dieser aber- 
mals nicht in dem Sinne einer Zergliederung nnd Prüfung (]er 
eigenen Gedanken wie Piaton das Denken ein Selbstgespräch 
der Seele nanntCi sondern — der Rhetor ilUlt auch hier nicht 
aus der Rolle — einer sittlichen Ermahnung des Einzelnen 
an sii^ selber^). So hatte Cicero seine Gonsolatio geschrieben 
und so wQrde Seneca vielleicht alle seine Schriften geschrieben 
haben, wenn diese Form auf die Dauer nicht su reiilos und 
absohredLend fllr Andere wSre. Daher mag er sich eüies 
Surrogats 3}, nfimlich der Form des Halbdialogs oder Gesprlchs 
mit Abwesenden d. i. des Briefes bedient haben, tu deren 
Gebrauch ihn ohnedies schon die Wirklichkeit des Lebens 
drängte. Diese Form erlaubte es ihm, in die Darstellung die 
nöthige Abwechselung zu bringen, indem er sie nach der Natur 
der Adressaten und deren wechseliHlen Situationen modijizirte, 
sie kam zugleich dem römischen und dem Modegeschinnrk ent- 
gegen und gestattete ihm, wenn er nur mit einigen durch 
»inquis« eingeführten Zwischenbemerkungen (wie sich solche 
besonders häufig in den Briefen an Lucilius finden) die FUl- 
tion ebier Korrespondens aufreohthielt^ sich im tibrigen mono- 
logisch fi'ei su ergehen. 
An mit n Nur ausnahmsweise weicht Seneca von dieser regelmSssigen 
tm^lts. Haltung ab und nähert sich m den Briefen an LucOios dem 
Dialog hl so weit, dass er, bald mit wiederholtem »inquis« 
bald mit Unterdrückung dieses Wortes, immer neue EhiwQrfe, 



4) Z.B. Lewes, Gesch. der alten Philos. (Deutsche Uebers. Berlio 

4 871) i>. 334 f. 

9} Vgl. die Probea von Seibetgesprächen de vita beata S, 8 f. epist 
88, ff. (vgl. 6 baec mecam — loqaor) S6, 8 ff. S7, i f. 4S, 9, SS, S ff. 

8) Cioero ad Att. VIII I4,S: ego tecom tarnquam meciiro loqaor. 
Vgl. Seneca epist. SS, 7: haec meeom loqaor, sed toenm qnoque me looi' 
tum pula. So messen Brief und SelbstgesprSch In einander über. 



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Seneca. 



33 



zum Theii in längerer Rede, einer und derselben Person ein- 
fttliri und die letztere überdies als Vertreter einer bestimm- 
ten pbflosophischen Richtung cbarakterisirti). Es geschielit 
dies aber nicht erst in den späteren Briefen wo er gewisse 
Theile der Moralphflosophie mehr systematisch erSrCem wollte 
und hierdurch gendthigt war sich naher an die griechischen 
Qriginalschriften sn halten. Die Yennuthong Ist daher gerecht- 
fertigt, dass er aus diesen auch den Ansalt su dialogischer 
Gestaltung nahm. Insbesondere kommt Posfdon In Betracht, 
der gerade in diesem Theile der Briefe mehrfai h genannt wird 
und zwar so, dass wir in ihm den QuellenschriUi>teller Senecas 
erkennen müssen. RestStigt wird die Vermuthung einmal da- 
durch, dass was uns Seneca bietet zwar keine eigentlichen 
Dialoge sind, aber gerade so viel von dialogischer Form auf- 
weist als wir einem Stoiker zutrauen können (1 S. 370 f.). Hier- 
zu kommt, dass Seneca ein Shnliches Verfahren auch in der 
Schrift »de beneficiisu und in den »Quaestiones naturales« ein- 
geschlagen hat. Auch dieses sind Schriften späterer Zeit; sie 
enthalten ebenfalls mehr systematische Erörterungen, die der 
Essayist Seneca nicht »proprio Harte« darchsultthren wagte 
und ftr die er sich deshalb auf die Werke Chr^sipps, vor- 
züglich aber Hekatons und Fosidons stfitste^. 

Somit entsprach auch hier die dialogische Form nicht 
Senecas eigenem inneren Bedürfnisse. So wenig als mit dem 
Drama, das unter seinen HMnden zu einer bühnengerechten 
Rhetorik herabsank, ist es ihm auch mit dem Dialoge jemals 
Ernst gewesen, wenigstens niclit mit dem philosophischen. Das 
einzige Mal, wo er wirklich euien Dialog verfasst hat, war es 
ein Pamphlet auf den todten Kaiser Claudius in der burlesken 
Form der Menippea^). Es ist sehr zu belüagen, dass wir hier- 

1; So lu epiüt. S5 als Peripatetiker; io ep. 94 ist Ariston oder einer 
seiner Anhänger zu verstehen. 

9) Von epiat SS an. Den Uebergang macht ep. 78. 

S) So verytattet ans Seneca einen RttdLSclihus anf die Form in den 
Schriften dieser sptLteo Stoiker. Von Chrytipp war achon 1 S. S70 1 die 
Rede. Dass sich Hekaton ihm auch hierin anschloss, kann nach dem 
Onterss. zu Ciceros philos. Sehr. II S. (>0 7 (T Bemerkten nicht auffallen. 

4) Zum Pamphlet hatte die satura houulzt auch Ij'!\;trus. der Froi- 
gelasseno des Poinpeius i^Sueton gramm. 45j. Vgl. auchBiri, Zwei poli- 
tische Satiren S. 3ü, u. i S. &I f. 

Hirs«l, Dialog. U. 3 



Digrtizeü Ly <jOOgIe 



34 



VI. Der Dialog in d«r Kaiseneit. 



luil nicht das niemab ausgeflihrte * HpaxA«(Seiov GioeroB, den 
Dialog Ober die Ennordung GSsars (I S. 549, 4), vergleidieii 
können: die beiden Veriaflaer und ihre Zeiten würden dadurch 
In ein interessantes Licht treten <). 

SoibitgetpriiL Die rückläufige Bewegung des ernsten philosophischen 
Dialogs zu[ii Selbstgespräch Hess sieh nicht mehr aufhalten. 
Sie bedeutet im Allgemeinen eine Verinnerlichung des mensch- 
lichen Geschlechts. Je in si( h i^ekehrter ein einzelnes Indi- 
viduum ist, sei es in Folge seines stündigen Charakters oder 
unter dem Druck vorübergehender äusserer Umstände, desto 
stärker wird in ihm die Neigung zum Selbstgespräch sein. 
Seoeca wusste dasselbe su schStsen, bei Horaz bildet es die 
Grundlage seiner Sermonen. Einen schärferen Ausdruck findet 
es wieder bei Persius, nachdem schon Cicero (l S. 498) und 
Varro (I S. 445 ff.) ein Uterarisches Experiment damit ge- 
macht hatten. 

Phaiw. Per Sias war ehi Zeitgenosse des Seneca, auch die 
stoische Philosophie und das dichterische Halbtalent hätten 

ihn dem Philosophen nahe rüi^ken sollen. Trotz persön- 
licher Berühriing entwickelte sich aber zwischen beiden 
kein engeres Verhaltniss. An der leichten glänzenden und 
witzelnden Geistes- und Darstellungsart des Spaniers fand, 
wie es scheint, die trübe schwere Natur des Etruskers kein 
Verhftitnias n Getalten. Was Beiden in der Form der Schriften gemeinsam 
8«a«Gft. beschränkt sich auf die fingirten Kinwürre ungenannter 

und wechselnder Personen: womit Beide nicht sowohl der 
stoisch«! Tradition als der rhetorischen Bildung und Gewohn- 
heit üirer Zeit folgten^). Mehr Berührungspunkte als mit 



4) Uebrigena mag noch bemeriit werdeo, dasa Sanecas Schrift das 

ülleste uns noch zugängliche Beispiel der sogenannten »Uimmelspforten- 
Literatur» bietet, die dann im Zeiluller der Reformation so stark anschwoll 
(vgl. Herford tlie literary relations of England and Gennany in the aix- 
teeuth Century S. 27. 

21 Darauf fulirt schon i'a.ssow, Aulus Persius Flaccus S. JOä. Die 
altrömiscbe Saluru darf zur Erklärung dieser Art von Dialug Jahn S. 7< 
hier ebenso wenig herbeigezogen werden wie bei Horaa (s. o. S. 1ä, 4]. 
Sogar in die alltSglicbe Rede des Volks war diese dialogiaireDde Manier 
damals ttbergegangen, wie Petron c. S7 S. 37, S7 Büch, zeigt Die Römer 
brachten für dieselbe offenbar ein viel feineres und leichteres Ventlod- 
ntsa mit als wir, denen die L^tttre dadurch meialens eraehwert wird. 



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35 



Seneca InUe Persius durch die Poim seiner Dicbtongen mit 
seinen beiden Vorgingem Lucilius und Horas und fordert Udi und 
deshalb su einer Vergleichung mit dem letsCeren heraus. Wie 
die Horatischen, so haben auch seine Satiren sum Theil die 
Briefform 1). Auch die Zwanglosigkeit der Form sucht er 
naehsubilden: der Anfang seiner Satiren ist ebenso abrupt^ , 
er reisst den Leser sogleich in medias res (Jahn S. 14t); 
seine Gedanken springen ebenso und erschweren es dadurch 
dem Erklärer, den Inhalt an einen verbindenden Faden zu 
reihen. Er bemüht sich eh nlalfs, die schwere Rüstung der 
Systematik abzulegen; er wiJl populär sein, auch dadurch, 
dass er ebenso wie Hornz vorzugsweise an der Hand von 
Beisjiielt'n st;ine moralischen Doktrinen vortrügt. Und doch 
welcher Unterschied zwischen beiden! Wie zwischen Irlu n 
und Schatten ! Persius war ott'enbar eine viel zu schwerfallif.'e 
Natur, dazu viel zu sehr im fanatischen Dogmatismus der 
Stoischen Schule befangen, um den leichten Plauderton der 
Horazischen Sermonen treffen zu können: sein Ausdruck ist 
geschraubt und dunkel. 

So lebhaft hin und wieder seine Schilderungen sind, 
so treffend er mit wenigen Zügen oft zu charakterisiren 
weiss I seine Beispiele haben nicht das volle concreto Leben 
wie die Horazischen. in beiden Hinsichten hat sein Wesen 
etwas Studirtes. WShrend die horasischen Satiren das Leben 
unmittelbar wiederspiegeln, daher vor Allem die Person 
des Dichters und ihre Erlebnisse offen darlegen, ist Per- 
sius in letzterer Beziehung äusserst sparsam*). Seine Sati- 
ren sind nicht mehr wie die des lloraz und Lucil und 



Daher erkUrt Bich aoch die dialogische Fassung des »vale: et tu« auf Grab- 
schrlflen (Mommsen Herrn. XIII Dasselbe gilt übrigens aucb von 

den Griechen u. dem yitpe xai aü und Uhnl. auf deren Grabschriflen 
'Fninz Eiern. Epigr. Gr. S. 340), dem Srhwalbendialog auf einer Vase u. 
dgl. (Bockh zn CJG 7842). Vgl. I S. ^oo. 

i] Sat. 11 iui Macriaus. sat. VI an Cä^iu;« Baä.sus. 

%} Bes. vgl. sat. III: nenipe hacc assiduu mit dem wahren Anfang 
von Hör. sat. I 40: nempe Incomposlto. 

S) Dahio gehört was in sat. V über Persius' persönliches VerbSlt- 
nisB zu Comatas bemerkt wird und was sich in sat. VI auf seinen Aufent- 
halt in Lona besieht. 

8« 



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36 



YL Der Dialog io der Kaieerzeit. 



wie die Dialoge der alten Zeit Bniehstfloke einer Seibat- 
biographie. Nirgenda treten iina bestimmte Personen der 
historisehen Wirklichkeit entgegen oder doch nicht als solche 

charakterisirt: der Gornuluh und Socrates, die wir in dialo- 
gischen Fetzen redend finden sind wenig mehr als Nanien -^ . 
Weder die Lektüre platonischer Dialoge 3), noch die Kenntniss 
der attischen Kfmiürlic^) hat hier den Mangel an Talent und 
wohl auch an Lust zu dialogischer Gestaltung ergänzen können. 
Ja die Träger der Einwürfe in den eioielnen Satiren gehen 
nirgend zu einer einheitlichen Person zusammen^), wie wir 
dies doch selbst bei Seneca üBuden (o. S. 32 f.) > darum 
auch nicht wie menschliehe Naturen, sondern wie aUegorische 
Wesen ansnsehent *), 

Der Dichter spricht lediglich seine Gedanken aus Uber 
eine Reihe meistens ethischer ftegen, wie es ihn die stoische 
Phflosophie gelehrt hatte, nnd deckt bei diesem Anlass die 
Thorheit und Schwäche der Menschen auf. Viel mehr als 
protrtptiBoh. die liorazisclien sind deshalb seine Satiren proU eptisch. Der 
Dichter ist ganz in die Sache versenkt, die Rei/.e der Form 
kümnien^ iliii iiicht. Alles ist mehr oder minder abstrakt: 
hat somit die Form des Gedankens, wie er im Geiste des 
Menschen sich regt, nicht der concreten äusseren Wirklich- 
keit; nirgends kommt der Dichter recht aus seinem Innern 
heraus. Auch keine andere Persönlichkeit duldet er neben 
sich: selbst der schwache Schein einer solchen, der sonst 
durch die fingirten EinwQrfe eines ungenannten Gegners oder 
HOrers erregt au werden pflegt , wird von ihm durch das 



i ) Cormitus in sat. V 6 ff. Socrates in sat IV 1 ff. 
2] Daruber , dass Sokrates und Alkibladoa ins ROmiadie tthersetii 
sind, 8. Jahn S. i6G; vgl. bes. Ouirites vs. 8. 

3' Keiiiinisceiizen an flfn Mrib. I \v»m<( .l^hn sat. IV nach. In 
sat. Y uriimcrt der L-uistanu. dass (]ormllu^ .srluui ifdot, l)evor wir aus 
der Anrede vs. 23 seineu Namen erfahren, an die .\rl wie in Platon:? 
Symposion das Gespräch mit einem Lugenannteu beginnt, der dann 
p. uaC Glaukon angeredet wird. 

4) Vgl. sat. I 420 ff. Aus einer KomOdie Menanders slanunt die 
Soene V 4S4 ff. vgl. Jahn x. St. 

5; Jahn zu sai I 44. 

5) Passow S. SOS. 



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PelroDlu9. 



37 



liSclist charakteristische »Quisquis es, o modo quem ex ad- 
verso dicere fecic (sat. I 44) zerstört'). Damit war thatsich- 
lieh für ihn selber und für das Publikum der Dialog in ein 
SelbstgespTfeh verwandelt* 

Immer höher stieg der Werth dee SelbstgesprSohs in den Mtot* 
Augen der Menschen; nur in ihm schien die Thäügheit des 
Geistes rein und lief sich su entfalten. Dass gleichseitig 
MSnner der verschiedensten Richtung Sokrates als das Ideal 
eines Thilosophen verehrten, war allerdings ein Widerspruch; 
über man wusste sich zu helfen, indem man auch dieses 
Ideal der herrschenden Neigung anbe(|uemte und den Genius 
(los Dialogs in einon einsamen Denker unischuf, der den un- 
ruhigen Verkehr mit andern xMenschen meidet und am liebsten 
nur mit der Weisheit Zwiespraoh hKit. Dieses verzerrte Bild 
des attischen Philosophen hat uns ein Zeitgenosse des Persius, 
Petronius, entworfen 2), der aber nicht bloss aus diesem Grunde 
in der Geschichte des Dialogs einen Plati Terdient. 

Im eigenen Hause hatte der Dialog seinen schlimmsten 
- Feind an der Ifenippea» die iwar den Schein des Dialoges 
trägt, in Wahrheit aber dessen eigentliehes Wesen serstört 
Nichts Anderes aber als eine Menippea im grossen, ja grOssten 
Stil war der satirische Roman des Petronius *). Dass der- Petronim. 
selbe eine satirische Tendenz verfolgt, ist zunächst noch ein 
sehr allgemeines Merkmal, das ihn nicht bloss mit der Me- MftaippMand 
nippea verbindet. Näher rückt er ihr schon durch den phi- 
losophischen Geist , aus dem seine satirische Betrachtung 



1) Ob er den Zwischenredner so als eine Schtfpfiuig Mines eigenen 

Geistes oder als oalter ego« bezeichDcte, verschlug am Ende nicht viel. 
Vgl. Ober die ganz ahnliche Bczeichnungswetse in den Soliloquia des b. 
Augustin I S. U7, 2. Danini h^tte er auch, worüber die Erklärer klagen, 
Jahn S. 71 fT. Passow S. 237 fl.j es nicht so nöthig, zwischen den eigenen 
Aeussenincen und denen der Zwischenredner zu unh'r«("heiden. 

2j C. 440 \ij.107, 34 Buch.); Socrates, deorum homummque.., gloriari 
solebat, quod ounquam neque in tabemam conspexerat nec ullius iorbae 
firequentioris consUio oculos saos CfedJderat. adeo nlbU est commodias 
quam Semper com sapieotia loqui. Inwiefern ta dieser Entstellong der 
bislorlecfae Sokrates schon einen Anhalt bot, fireilieh keinen genügenden, 

S. I S. 71. 7, 

3) Durch Bürger im Hermes 17, S4ft B, bin ich Ton dieser Ansicht 
nicht abgebrecht worden. 



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38 



VI. Der Dialog io der Kaiserzeit. 



entspringt. Wenn scharfe Verse den Luxus der Küuier und 
ihre sittliche Entartung mit catonischer Strenge geissein (c. 
oder die Eitelkeit des Ruhms verlachen so küiKÜgt sich 
uns schon hierin der Kyniker an, dem an einer anderen 
Stelle (c. I i S. 12, 26 B) unverhtilltes Lob gespendet wird*). 
Dagegen hat, was Uber die Zuverlässigkeit der Sinne -^j, über 
Trfiume (fr. XXX} und über den Ursprung der Religioii^) be- 
merkt wird, einen stark epikurischen Beigeschmack; woza es 
gal stimmt, dass Epikur selbst als »Yater der Wahrheit« an- 
gerafen wird, um die Aafiforderung lu similiobem iiebesgwiass 
durch seine Autoritlt su statien (c. 138 S. 99, 34&). Man 
wird diesen Widerspruch kaum dadurch schlichten dOrfen, 
dass man in den streitenden Äensserungen ein Mittel snr 
Charakteristik der verschiedenen Personen des Romans erblickt 
Viel wabrsoheinliclier ist^ dass der Yerfiuser einen Widerspruch 
hier gar nicht anerkannte, sondern Hedonismus und Eynis* 
mus zu einer neuen weitherzigen Lebensanschauung ebenso 
Verknüpfte, wie die späteren Kyniker vom Schlage Menipps"*!. 
Wie Sil' imisste er (ieslialb alier Schulphilosophie gram sein 
und es unterliegt wulil keinem Zweifel, dass Trimalchios Ver- 
achtung derselben, wie sie seine Grabschrift in den bekannten 
Worten »nec unquam philosophum audivit" 'c. 7< S. 48, il B) 
ausspricht, Petrons eigne Meinung und Gesinnung wiedergibt. 
Natürlich fehlte es trotzdem auch bei ihm nicht an sokratischen 
Reminiscenzen ^) , dergleichen uns jetst noch h&ufig in den 
Fragmenten der Menippischen Satiren Vnrros begegnen. 

Selbst der Unterschied zwischen Satire und Roman ver- 
fingt auf die Dauer nicht, den man für durchgreifend halten 

I) fr. XX Y Büch. Das Fragnieot gehört zu den onslchenL 

8) Allerdings werden sie zuDUebst getadelt in den Venen: 
ipsi qui Cynira tmdurimt trrnpnrR pera, 
non nunquain nummis \<'iid<'n' vom solent. 
Aber dieser Tadel verwaudcit sich in Lob, da was Anlass zu ihm gibt 
als Ausnahme bezeichnet wird. 

3) fr. XXVÜI. Lucrai. IV 594 f. iL 680 JT. 

i) fr. XXVII. Gehört ehenfblls ni den vnsichem Fragmenten. 

5) l S. 367. 374 ff. 439 1 Vgl. auch ttber Varro I S. 451, 5. — Wie 
Peiron den Epikur »paicr vcri", so nennt ihn der Kyniker Kynulkoe 
T.i:(«oupov t6v ^^iXaX-rjdiatatov bei Athen. VIII 354 B. 

6, C. f ib S. 9«, I B. c. 440 S. 407, 34 B. (S. o. S. 87, i,. 



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Petrooltu. 



3»- 



k<hiiile, dasB nfimiich der Rom«B auf dem feslen Boden der 
Wirklielikeit und des Lebens ruht, die Satire viel&ch in eine 
phantastisclie, besonders mythologische Welt ftbergreift: denn 
so realistisch der Roman ist) so wird doch Ober Personen und 
Ereignbse, die er schildert, gern der mythologische Schleier ge- Mythoiogi* 
werfen, nicht bloss Ober Einzelnes, wie t. B. Odysseus in meh- 
reren Situationen erscheint, unter (kui Widder auf der Flucht 
vor dem k\k.lopen {c. 97) und als Polyänos der Circe gegenüber 
(c. i27), sondern auch über das Ganze, das so zu einer Art 
Odyssee wird, m der Priapus an die Stelle Poseidons und 
Encolpius an die des Heiden von Ithaka getreten ist^. Bei 
den Kynikem wurde diese freie Verwendung der Uberlie- 
ferten Mythen befördert durch die allegorisch willkürh'che 
Auslegung derselben, wodurch sie ein Vehikel für jeden be- 
liebigen Inhalt wurden, und Hand in Hand damit ging die 
etymologische Spielerei mit Namen: von beiden haben sich 8|ial«nlMit 
Sparen auch bei Pelronius erhalten^. Uenippea und Roman 
berühren sich sodann auch darin, dass neben dem Element 
der Erörterung und Reflexion die Handlung einen Tiel K*htlisdi«a; 
grSsseren Raum einnimmt als im eigentlichen Dialog, obgleich 
in der novellistischen bis in die Zeiten der Sokratiker zurück- 
reichenden Furui des letzteren scbun längst eine solche Ent- 
wicklung angebahnt war Allen dreien gemeinscbaltJich ist 
sodann die Art der Erzählung, so dass nirht der Schriftsteller An der Er- 
sieh an ein Lesepublikum wendet, sondern Uörero und zwar '*1*1'**Ä* 
meistens von einem der an der Handlung Betheiligten, bei 
Petron dem Encolpius, Selbsterlebtes berichtet wird Es ist Mtotcrlebtat. 
dies der Rest des einrahmenden Gesprächs, den spätere Ro- 
mane in der Regel ginzlich abgestreift haben, der aber bei 

i) c. 4 39 Vgl. noch Odysseus c. <05 (S. 72, 28 Büch.) c. 132 {S. 99, 24). 
c, f04 (S. 69, <0 (T.) c. 98 fS. 67. 42). c. 48 'S, 33. 2': Hio ."^ironen c. 427 
(S. 94, 3i); Achilles und Anderes c 429 fS. 9ß. r,i. c. 140 S 107, 3ö\ c. 138 
(S.405,24) c. 80 (S. 54, iS). Im Allgemeinen vgl. K. Klebs im l'hilol. N. F. 
I S. 623 ff. 

t) Bint Amdeatiuig des Promettinwiiytiios in «inem «Utrdiiigs 
Qtcfat stcheren Fragment (fr. XXV B) und Euscios (fr. Vin?) als Name für 
den »umbraticiui doctor« (c. S S. 7,11) so wie BamolpuB für den Poeten 
(Tgl. I S. 557 L 56S, 1 ; attob & 586, i ttber den Sdllaiv). 

3) Mnn vzi. PiRtons und nodi mehr Xenophons SymposlOD; eosser- 
dem 1 S. 44i f. 489 (. 561, 4. 



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40 



VI. Der Dialog in dor Kaiserxeil. 



Petron noch wie die Eierschale an den Ursprang erimierl. 
Dasjenige Merkmal endlich, welches änsserlich am Meisten den 
Zusammenhang swisehen Menippea und Roman Tor Augen 
steUty ist in der Darstellung der Wechsel swisehen Prosa und 
Yersen. 

Uafttg. Nnr der Umfang bedingt einen Unterschied. Niehl einer 

einzelnen Satire entspricht der Roman, sondern ist gewisser- 
maassen aus mehreren zusammengesetzt, befasst wenigstens 
die Motive dazu mehr oder minder ausgeführt in sich: Motive 
zu einer Menippea enthalten beispielsweise die Bemerkungen 
über die Gleichgiltigkeit der Bestattungsweise \\ über die Rhe- 
toren (zu Anfang; und die Poeten (c, 4 4 8); ferner die 0^7x01- 
asi?, wie sie c. 55 f. angestellt werden ^V, Trimalchios Testament 
(c. 74) mag an Menipps AiaÖyjxat und Varros Testamentum er- 
innern; in Encoipius' Fahrten und Reisen klingen vielleicht, 
wenn auch nur Yon ferne, Satiren wie Varros fltpCicXooc*) 
Cens Tiimai- ond »Diogcncs suf Rcisen« (i S. 449 f.) nach; vor Allen aber 
ohionu. ^ Menippisehes Symposion der köstlich- 

sten Art, in einer Breite und Ausbildung, dass es jeden 
Augenblick selbstSndig aus dem Rahmen des Romans heraus- 
treten könnte, die Gena THmalchionis dar. 

Fragen wir, was Petron bewogen hat, die Menippea 
in solchem Maasse Uber ihre früheren Grensen ansiudeh« 
nen, so kann man das Naturell des BOmers geltend machen, 
das sich hier in der Kunst ebenso geäussert haben würde, 
wie durch encyclopädische Zusammenfassung in der Wissen- 
schaft. Aehnlich hatte, wie wir früher sahen \S. 25 f.), Seneca 
die Kunstform des einzelnen Briefes umgebildet und zu 
Briefeursen erweitert. Wahrsctiieinlicher ist, dass wir es hier 
mit demselben Naturgesetze zu thun haben, nach welchem 
aus Heldenliedern sich Epen, aus Novellen Romane bildeten, 
nach welchem auch die Dialoge bei Piaton zu Trilogien heran- 
wuchsen (1 S. 253 f.), bei Aristoteles und den Späteren sich 
Uber mehrere Bücher ausdehnten. Für die Menippea hatte 
in dieser Hinsicht schon Varro vorgearbeitet (1 S. 454, 2). 

1 c. H5. IS. 451, f5 Vgl. auch i S. 385. 
4; I S. 440, i. 45i, i. 

3) Oder der voo Vablea Rh. M. 18, 14S vermatliete BoilMBitieos, das 
poeUsche Wandere und Reisobuch. 



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Pelronitti». Von N«ro bis Trajao. 



41 



Unsere Zeit, die so reich an Romanen, so arm an echten Bonun und 
Dialogen ist, die nach jenen ein fieberhaftes Verlangen, vor 
diesen eher eine krankhafte Abneigung hat, wird sich schwer 
in den dargelegten Zusammenhang zwischen diesen beiden 
nach ihrem Urtbeü so weit aus einander stehenden Kunst- 
gattungen finden 'kdnnen. Ond man wird ihr Hecht geben 
müssen, so lange man im Roman nichts als eine Reihe Ton Liebes- 
abenteuern sieht Sieht man aber darin vielmehr einen Spiegel 
des geistigen Ltibm einer Zeit und verlangt man, dass darin 
in dem Kampfe verschiedener Ansichten and Restrebungen 
eine eigenthttmliche Lebens- und Weltansdiaaung hervortritt, 
so begreift man, wie unentbehrlich fQr eine solche Darstellung 
Gespräche sind, die deshalb Schleiennacher einmjü (Aus Schi. 's 
Leben lY S. o40) aus Anlass von Schlegels Lucinde für ein 
wesentliches Element des Romans erkliirt^). Ja, Schelling, 
der dieselbe hohe AulTassnnE! von der Aufgabe des Romans 
hatte, konnte darum auf (Kn firdiiaken kommen, Gespr.1che 
Uber den Zusammenhang von Natur und Geisterwelt zu eiin m 
dialogischen Roman auszuspinnen , dessen Ausführung leider 
in dem Fragment » Clara« stecken geblieben ist^). Roman 
und Dialog gehören im Sinne unserer Romantiker aufs Engste 
zusammen. Wer mit ihren Augen die Reihe der sokratischen 
Dialoge Hatons betrachtete, könnte darin wohl die zerstreuten 
Fragmente eines Romans erblicken, dessen Held Sokrates und 
dessen Absicht die Schilderung der athenischen Gesellschaft 
im Auagang des flinften Jahrhunderts ist Andererseits konnte 
man mit demselben Redite Romane wie die des Petronius die 
sokratischen Dialoge ihrer Zeit nennen, in deren Uberale Form 
damals die Lebensweisheit sich vor der SchulphOosopliie 
ilflchtete'). 

4) Bis zum Uebennaass war dieser Wunsch bekanntlich schon längst 
In eioem klaasisoben Werk der spanisclien Literatur, »la Gelestina», er- 
füllt wordeo. 

2 Vgl. Clarn Stuttgart 4 86r, s, 139 f. 

i) Fr. Schlegel bei Hayni HoniHot. Schule S. 252 f. — In ähnlicher 
Weise, wie es hier fUr den Roman angenommen wurde, Ist in der Re- 
formattonsidt ans den Dialogen das »dramaof debata« berausgewachsaii, 
deaseo Gespridhe sich gelegeotitdi über den Zeitraum eines Jahres hinaus 
ausdehnen (Herford, The literary lelations of England and Qennany In 
the sixteenth Century S. SS f.). 



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48 



VI. Der Dialog in der Kaiseraeil. 



Noch aber war die Zeit nicht angebrochen, in der der 
Roman eine erdrückende Herrschaft ttber die anderen Litera- 
turgattungen ausüben sollte. Vielmehr erlangte in Folge theils 
von gelehrten' Studien und Neigungen theils von wirklichen 
BedOrfioissen des geistigen Lebens der Dialog schon innerhalb 
des Alterthums noch einmal eine literarische Bedeutung. 

2. DialogiBche Begungen in der Zeit von Koro 

bis Trajan. 

Wie man zur Zeit Neros in den tonangebenden Kreisen 
der gebildeten und vornehmen Welt Roms Ober die Philoso- 
phen^ und ihre Streitigkeiten dachte, kann man aus dem Ur- 
theO des »arbiter elegantiarum« (o. S. 38) schliessen. Nicht 
minder kommt es in dem Verhalten des Kaisers selber zum 
Vorschein, tlas auch hier ^au/, anders war, als iiiaii zunächst 
von dem Schüler Senecas erwarten sollte. Für die Philoso- 
Hero. phfMi hatte Nero nur die Zeit nach den M;tlilzt'ileu übrig, wo 
es ihm Vergnügen machte ihren Stroitereien zuzuhören; und 
wirklich, fügt Tacitus (Annal. XIV 4 6) hinzu, gab es solche, 
die sich mit ernstem Gesicht dazu hergaben, ein Spielzeug 
der kaiserlichen Laune zu sein. £ine derartige Disputation 
war nichts weiter als die Menippea aus der Literatur in das 
Leben und die Wirklichkeit übersetzt'). StSrker konnte sich 
die GeringschStsung jeder emsthaften philosophischen Erörte- 
rung und damit auch ihres literarischen Abbildes, des Dialoge, 
nicht äussern. 

])iip«ta«i«Mi. Unwillkürlich ver^eicht man hier die Zeiten. Wie emst- 
haft rüstete man sich in der Reformationszeit zu einer Dis- 
putation , wie viel inachte man damals vom Ausgang einer 
solchen il li ineig: als Luther und Eck mit einander dispu- 
tirten, uuhui der anwesende Herzog von Sachsen leiden- 



I) Auch aa deo SympoBien Aleundert det Grossen mag die per- 
sonliche Rancune der Literaten bisweilen zu Scenen geführt hab«i, durch 

die das Ansehen (irr Philosophie und Uberhaupt der Wissenschaft nicht 
eben tMholit wurde Phil. A!rx. .T? . Au dr-n Hofen der Diadoehcn. nampnt- 
lich der (Molemaer, setzte sich dies fort und deren Erbschaft treten auch 
in dieser Beziehung die Alleinherrscher Roms an. 



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Von Nero bis Tn^an. 



43 



schaftlich Partei und wurde Uber den Gang des Gespräches 
Prolokoll geführt. Nicht anders war es in Athen zur Zeit des 
Sokntes, wenn dieser seine Sache etwa im Haiue des Kallias 
mit den Sophisten ansfocht: die voraebmeD Herren Athens, 
die dabei suhOrten, sahen hierin nidit die BelasUgiing einer 
massigen Stunde, sondern ehie höchst emsthafte und natiUehe 
BeschSfligung; ProtokoUftthrer waren Flaton und die flbrigen 
Sokratiker. Die Folge dieser dem Dispntiren gflnstigen Stim- 
mung war in beiden Zeiten eine ungewöhnliche Fruchtbarkeit 
des literarischen Dialogs. In Rom war diese Stimmung weder 
in Neros noch in der Zeit seiner nächsten Nachfolger vorhan- 
den, wenigstens nicht in weiteren oder doch den für die Lite- 
ratur maassgebenden Kreisen. Ausserdem Hessen die Ver- Denk- and 
bannungsdekrete, von denen die Philosophen unter Vespasian ■^■^"•»•' 
und wieder anter Domitian betroffen wurden, nicht diejenige 
Freiheit des Denkens und Redens aufkommen, ohne die nun 
einmal der echte Dialog, dessen höchste Biüthe nicht umsonst 
im demokratischen Athen sich entfaltet hat» noch weniger ge- 
deihen kann als die Komödie. Inswischen IHstete er wenig- Bhetoren- 
stens sein Dasein als ein Invenlarstttok der Bbetorenschulen, ^i^^ 
belebt nebenher wohl auch durch ein Interesse wie es Ge- l a twe w a. 
lehrte an den klassischen Dialogen der alten Zeit nahmen und 
durch Nachahmung des einen oder andern derselben noch mehr 
bethätigten. 

In den griechischen Rhetorenschnlen regte es sich damals Neao Sophiatik 
allenthalben von dem neuen Leben, das die wiedererwachende 
Sophistik entzündet hatte. Ob deren erste Vertrotor wirklich 
mit Bt unisstsein ihre alten Vorgänger nachalimten und daher 
auch den Gegensatz zur Sokratik und deren Lieblingsform, 
dem Dialog, in sich neu belebten, lässt sich aus dem Urtheil 
ilires Geschichtsschreibers Philostratos nicht mit Sicherheit 
erschliessen. Gesetst aber auch, sie nahmen es mit dem £o- 
piren der alten Sophisten streng, so hindert dies nicht, dass 
sie nicht gelegentlich ebenso wie diese auf das dialogische 



1 1 Vit. Sopb. I S. S lUys : T^v dpxalov aof lonx^ijv ^i}Top(«yjv %tla9ott ^pv) 
fast YfpibtfxftVf xcüna 6 itoXatöt oof tont)« db« fÜ<b( Xi^ct xxL 



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44 



VI. Der Dialog io der Kai:>erzeit. 



Gebiet abschweiften*). Die beiden Philoslrate zeigeo durch 
ihr eigenes Beispiel, dass sie es thaten. 

Eine tiefere Anregung konnte die neue Sophistik dem 
Dialoge schon darum nicht geben, weil <it' des dialektischen 
Elements ihrer Vorgängerin, der alten Sophistik, entbehrte. 
Theorie de-t Die griechische Rhetorik freilich hatte eine Theorie des Dialogs 
D»iog8. g^iioQ längst ausgebildet (1 S. 442 ff.), aber die entsprechen- 
den Vorschriften ertheilte sie zu verschiedenen Zeiten, wie 
gerade Neigung und Bedt&rlhiss wechselten, mit veraobiedenem 
Nachdruck. Damals that es ihr in dieser Hinsicht ihre latei- 
nische Schwester suvor. Quintilian weiss dem Hedner, damit 
er in Fragen und Antworten geschickt werde, keine besseren 
Cuitu ci«MrM. Muster als Platen und die Sokratiker su empfehlen (Y 7, 28). 

Mehr als solche theoretische Mahnungen mussto das praktische 
Vorbild wirken, das Roms grösster Redner gegeben hatte, zu- 
mal gerade jetzt im Gegensatz zu Seneca uud seinen An- 
hängern der Cultus Ciceros einen neuen Aufschwung nahm. 
Wenig will hier eine Aeüs>erung des altori n Plinius saiion 
fn h prüf. 12), der »sermonesir nur als Heizmittel in andern 
Darstellungen eingestreut zu kennen scheint^). Dagegen ist 
wichtig, dass zwei Männer, die ihre Studien beide, wenn auch 
in verschiedener Weise, auf Cicero richteton, diesem auch auf 
das Gebiet des Dialogs gefolgt sind. 
AmmdIw. Asconius Pedianus wird von uns als Erklfirer dce- 
ronischer Reden geschfitst. Dass er auch ein Symposion 
verfasst habe, ist eine wenigstens wahrscheinliche Vermuthung^, 
die durch einen Blick auf die ZeitverhSltnisse nur begünstigt 
wird. 

SjmpoBlan der Die Symposien der Literatur, so weit sie nicht gleicb- 
WUdlohk^t Vehikel für den verschiedenartigsten Inhalt waren, sind 



I) Frelllcb ihre (loXi^tc Iiaben hekanntUch mit Dialogen olcbto ge- 
mein als etwa Namen und Inhalt: vgl. Philostr. ed. Kayser (Tcubn.j II 
präf. S. VII f. Rohde Gr. R. 322. R. Förster Rhein. Mus. 49, 48<. Sie 
hnlten eine ganz andere Form als die of/z^t:».; von donen I S. 57 f. <05, 4. 
<07, 1 die Rede war. Auf ßtaXe^ei; der allen >o|)hist< n deutet Arist. Wölk. 317. 

2l Vgl. hiermit Cicero de or.it. U 3i8; Scd et festivilateut habet 
tiai i alio Uiätuicta persoiuä et intürpuucta sermoalbus. PUntus Kplst V 8,4; 
homfoeB qoi sennunculls etiam ftMUsque duceater. 

S} Rhein. Hub. 4S S. $44 ff. 



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Afloonius. 



von ihren Verfassern der Regel nach benutzt worden, Uieils 
um ZustAnde der WirUichkeil in spiegeln, theils um sie 7ai 
reformiren* Zu den letiteren m«g man Piaton redmen. Aufih 
die römischen Verhältnisse riefen damals nach einer Reform. 
Mit der alten Einfiichheit war es längst yoraber, seit grieohisoh- 
asiatiaoher Luxus >) und ihm bald folgend alezandrinische Pe- 
danterei auch auf diesem Gebiete ihren Einzug gehalten hatten >]. 
In wie weit diese ZustSnde schon von Varro su einem Gegen- 
stand seiner Satiren gemacht wurden, hOnnen wir nicht mehr 
deutlich erkennen'); jedenfalls hat eres der Mühe für werth 
gehalten in einer derselben Nescis quid vesper serus vehal: 
Riese 4 75) eine ausfühi-Jiche Thturie des Master-Symposions Theorie de« 
aufzustellen. Späterhin zerbrachen sich den Kopf darüber, gyj[j2jjg 
welches das beste Symposion sei, Facundus Priscus und Mar- 
tial, beide schon Zeitgenossen des Asconins. und Martiai kam 
dabei zu einem ähnlichen Ergebniss wie die Soi^ratiker: - das- 
jenige Symposion«, antwortete er, 51 wobei keine Musik gemacht 
wird«^). Nimmt man hierzu noch, dass die Literatur der 

Livius XXXIV 6, 8. 

2 Wie gewöhnlich wurde die It lztere von den Römern noch über- 
trieben, indem sie das Vorlesen iilerarischer Werke bei den Symposien 
einftthrteD. Ein Freund von dieser Art Unterhaltung war besouder^ Atti< 
ctts (Nepos c. U}, dem deshalb Cicero xu Gefollen Ist (ad Att XVI % 6). 
Vgl. auch Varro bei Gell. XIII Ii, 5 and Marquardt Privaa d R.ss.«87f. 
Bei den Griechen bin ich nicht im Stande etwas Aehnliclies nachzuweisen 
(vgl. Lehrs Aristarch* S. 208). Piatons Ansichten w iderspricht es ganz 
und gar, dem hei Symposion schon das* rspl rrot-f^^Ecjc SiaXi-fcodai zu 
wenig ?<'istij:c Sclbüttludigkeil zeigt und der verlangt, dass gebildete 
Männer im .Stande sein sollen oid tt^; eavTüiv «pojv^; xai tän H^oj-^ xmv 
iatttnv sich za Unterhalten Xi^ovTdc xe xal dxoOoNTo; in y^ipa iauxwv xos- 
jaIcdc {Protag. p. 847 G f.). Allerdings würden wir bis In seine Zeit die 
Anfilnge zur späteren »lectio« der Römer zurllckverfolgen können, wenn 
wirklich Isokrates Panath. 18 sich auf Unterhaltungen bei Symposien 
bezöge. Aber obgleich dies die Meinung von l'sener (Philol. u. Geschichts- 
wiss. S. 27, 1} zu sein .scheint, mn<^< It h (>s doch bei genauer Erwägung 
des Zusammenhangs der Worte botn iton 

3; leber Spuren varronischer bymposien s. l S. 446. 454 6. Riese 
satt. Men. S. 28. 

4) Martiai IX 77 vgl. I S. 154, 1 u. S. Verzeichnet mag hier noch eiue 
Aeuasemng Senecas (epist. 84, i) werden, über die Art der Gespräche 
bei Symposien, obgleich sie kaum auch nur als das Bruchstück einer 
zusammenhängenden Theorie Uber Symposien gelten kann. 



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46 



VI. Der Dialog in der Kaiseneit. 



rdnuscben Symposien auch nach Vairo noch durch Mftoenaa (o* 
S. 7) Horas (o. S. 19} und Pelron (o. S. 40) yermehrt worden 
war, so begreift man leicht, dass eb gebildeter Mann wie 
Asconius, der allen diesen Anregungen offen stand, auch seiner- 
seits lur Abfassung eines solchen veranlasst werden konnte. 

Anuhlut M Freilich sdieint er sich dabei keinen der Genannten inm 
* Muster genommen zu haben, sondern auf die ersten und besten 
Quellen, die Griechen, zurückgegangen zu sein, indem er sich 
selbst bis auf Einzelheiten an Piatons SyminKion anschloss'). 
Soeae. Die Scene war das Haus do reichen Schweigers Apicius. 
Unter den Geladenen befanden sich vornehme Herren, sogar 
der Consul Junius Blaesus, ausserdem aber auch ein griechi- 
scher Athlet Isidoros, der durch sein Alter, seine Leistungen 
und sein frühes Abtreten Anlass und Raum für die Lobreden 
auf die palästrische Kunst geben muss. Dieselben sind hier 
an die Stelle der Lobreden auf die Liebe bei Platen und 
Xenophon und der auf die Schönheit in Pseudo-Ludans Ghari- 
dem getreten. Echt rSmisch mag man es nennen, dass gerade 
der Consul die fiauptrede lu halten hat. In seiner Umgebung 
befhnd sich der Schriftsteller, Asconius, selber >): so wurde 

niuioii diMs auf ähnliche Weise, wie bei Piaton, die Ulusioo eines hislo- 
yJJJJJ^ rischen Vorgangs erregt, durch die wir uns freilich hier noch 
weniger werden l)lenden lassen, da das Aufzeichnen wirUicher 
(iespräcbe in der römischen Literatur bis dahin unerhört ist^). 



ii Naher ausgeführt habe ich dies im Rh. M. 44, 316 f. Heber die 
Frage, ob auch Mttcenas und Varro an Piaton angeknüpft haben, s. o. 
S. 7 a. I S. 4S4, 6. 

S) Die Rolle des dfxXtyroe, die bei Platon Aristodem, bei Xenophon 
Philippos und bei Asconius dieser selber spielte, wird in einem schein- 
bar historischen Symposion des Brutus und Ca<;5.ius dem Favonlos xu> 
gethcilt fPlularch Brutus 34 . .'^ieht man in dem ax?.T]To; nur ein lilera- 
riM hf>s Miiliv, so mn<< j'-ms Symposion des Brntus und Cassius, dem 
klutarch nai*hruliint xai Tracvta-^ ö rroTic sr/tv oux dy't'^A^ oyo' auiÄosou ov, 
i'inp ausführliche Daj strlluni; in der Lilcrfltur gefuiulon bal>ca. Aurh 
Lucian Conviv. <2 wiederholt das gleii:he .Violiv. Nach Demselben »m 
Demonax 6S icheint jedoch ungeladen ram Mahle zu kommen, kynische 
Sitte gewesen zu sein. Das Gleiche sagte man den Bewohnern der Insel 
Myltonos nach (Suidas s. v. Muiutivioc Y^hotv). 

S; Vgl. auch I S. 465. 484. 495. 534. 560,1. Ascontus hatte gewiss 
aucb das »nosli morem dialogorum« aus Ciceros Brief an Varro (ad lam. 
IX 8, 4} im Sinne. 



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Tftcitufl' Dialogus. 



47 



Wie hei Piaton lag das Flauptgewichl in den Reden: es war 
kein Zechgelage, sondern ein »convivium« so wie Cicero es 
verstand und wünschte'); und diejenigen, die sprachen, prunkr 
ten nicht mit unnöthiger Gelehrsamkeit, sondern, wie um Varros 
Vorschrift^} durch ihr Beispiel zu bekräftigen, trugen sie vor 
was dem Leben und der Gesundheit diente. 

Auf dem melancholischen Hintergrund, von dem die cioe- 
ronischen Dialoge sich abheben, konnte ein Symposion sich 
nicht gestalten. Vielleicht durfte das des Asconius als eine 
Art Brsats gelten, wenn es, wie wahrscheinlich ist, in Giceros 
Geiste geschrieben war. Deutlicher liegen die su Cicero hin- 
überleitenden FSden in dem Werke des Hannes vor, auf den 
schon vorhin hingewiesen wurde und der hier neben Asconius 
genannt zu werden verdient. Ich meine Tacitus und sein 
frühestes Werk den Dialogus. 



Tacitus* Dialogus. 

Um die Mitte der Rciiierungszeit Vespasians treflen sich ßoflneund 
im Hause des Redners und Dichters üuriatius Maternus die ^•'••■•"^ 
beiden berühmtesten Redner der Zeit M. Aper und Julius Se- 
cundus, die Lehrer oder doch Vorbilder des jungen Tacitus, 



1) Ad. fiun. IX 24, 3: nec id ad volupiatcm refero sed ad oonunu- 

nitatem vitae atque victus reniissionemque animorum, quae maxime ser- 
mone efficitur familiari, qui est in conviviis dulcissimus, ut sapientias 
nostri quam Gracci: Uli o'jfXT:<5ata aiit Tjv^Efrvj. id est conpotationcs aul 
conconotioüüs , nos »convivia«, quod tum uiaxiiue siinuJ vivitur. Das- 
selbe und noch mehr Cato maior 45 f. Besoaders diese letztere Stelle 
ktfonte AsGoniiu vorgaschwebt haban, da hier von daa Symposien des 
Aitavs dta Rade ist. 

S) GalUus XIII 14, 4: Sermones igitur Id temporis habendos censet 
(Varro non super rebus anxiis aut lortuosis, sed jucnodos atque invita- 
biles et mm qttadnni inlecebra et voluptatc utiles, ex quibus ingeniuni 
nostruni \('niisth!s (i,it H amoenius. »Quod<, inqnit. «vpntpt si i<l 
genus rebus ad «o m mu nc in v ttu«: usum pcrtinentibus coutabukiiiur. 
de quibus in foro atque in ncgotiis ageudi nun est otium«. Dass schon 
Id Giceros Zait daa Unwesen der CiQtr^tAaTa auch an dan rOmischan Sym- 
posien blühte, 2eigt dar Brief an Pätns {ad fam. IX S6), wo auch das 
Bdspial eines aolchen gegeben wird »nnum caelttm esset an innnmara- 
bilia«. Zugleich erhallt hieraus, dass Giceros Urtheil Uber diesen Dnltag 
mit dem Varros vollkommen übereinstimmte. 



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48 



VI. Der Dialog In der Kaisanelt. 



der in ihrer GeseUsduift xu denken ist Bin Streit entspinnt 
sich zwischen Aper nnd Maternus, ob das Leben des Redners 
oder des Dichters den Yorzug verdiene. Dieser ist kaum been- 
det, als Vipstanus Messalla hereintritt. In Folge davon wendet 
sich das Gespräch der Frage su, ob und aus welchen Ursachen 
es in der früheren Zeit Roms, namentlich der Zeit der Repu- 
blik, grössere Redner gegeben habe, als damals. Das Gespräch 
ist der Zeil nach genau fixirs ; lauter historische (bis aul Aper 
auch sonst bekannte) Persom n sind daran betheiUgt; ein Histo- 
riker, der es selbst mit angehört hat, eriählt es dem ihm 
befreundeten Justus Fabius. Trotzdem kann es nicht als 
historisch gelten ; wodurch es so erscheint, ist nichts als eine 
vom Schriftsteller beabsichtigte Illusion, die noch in unserer 
Zeit ihre Wirkung gethan hat^). Es spricht dagegen ausser 
der Tradition des rOmischen Dialogs (o. S. 46, 3) die nach vor* 
schiedenen Richtungen zu hervortretende Absichtlichkeit der 
Komposition. 

ImoUm» w Tacitus wollte auch seinerseits dem Cicerocultus Ausdruck 
CiMM« gelten, wie ihn Plinius Quintillan und Andere pflegten. Dies 
konnte er thun, indem er sich begnügte, einselne Wendungen 
und Gedanken ciceronischen Schriften su entlehnen^ den Haupt* 
inhalt der YortrSge aber so wie die Gesammtanlage des Dia* 
logs aus der Geschichte nahm. Es scheint aber, dass der 
historische Kern seines Dialogs nicht einmal so weit reicht*). 

Den äusseren Rahmen des Gesprächs gibt gewissermaassen 
Maternus' Arbeit am Gato ab: die Freunde (Inden ihn dabei be- 
schäftigt, es ( iitspinnt sich ein Gesprach, dessen Aus«;ang eine 
Rechtfertigung der poetischen Thätigkeit genannt werden und 
somit nur dazu dienen kann, den Maternus in der Wiederauf- 
nahme und Fortführung seiner Arbeit zu bestärken. Ganz ähn- 
lich ist aber auch der äussere Rahmen von Giceros Schrift de 
oratore: auch hier kommen befreundete Männer sum Crassus, 
den sie gerade dabei linden, sich nach der Aufregung der lettten 

1 Kckstcin Prolegg. S. 76. S. liicrgegen aas neuster Zeit Sclilott- 

mann, Ars dialoporum coniponcndorum S. 48 f. 

i' Vsl hierzu Eckstein Prolegg. S. 76 f WeinkaufT De Tacilo Dinlopi 
auctore .S. ö f. i 4 f. Neue Auml' Jansen De Tacito dialogi acloi i' > f. 
Peter Einleitung S. 2 f. Philipp, Dialogi Tacitinl qui fertwr de omlut ibu^ 
(|uae geauina füeril forma S. 4 AT. Wulflliu in Bursian» Jahrrsb. 48, tS8 



Diqitizcd by CloOgle 



Tacitus' Dialogus. 



49 



Senatssitzung wieder zu sammeln, offenbar doch zu einer Rede 
im Senat; die Gespräche nhai den Hedner schliessen sich an 
und legen gleichsam das Fundament, auf dem sich dann Cras- 
sus 7Ai seiner letzten meisterlichsten Kede im S( nai erhebt (I 
S. 4ü0, ^2). An dem GesprSch über die Beredsamkeit, das diese 
Umrahmung einschliesst, betheiligen sich bei Tacitus sowohl 
wie bei Qcero die beiden bedeutendsten Redner der Zeit, die 
zugleich unter sich wesentlich verschieden sind und zu denen 
beidemal der Schriftsteller im Verhältiuss des Schttlers steht« 
Za ümen geseUen sich noch Andere, die durdi die Verschie- 
denheit ihrer CSiaraktere nnd Bestrebungen dem Dialog eine 
grossere Mannichfaliigkeit geben; noch mehr dramatis^ßhe Be* 
wegung kommt dadurch hmein, dass die Personen nidht von 
Anfang an alle auf der Bahne sind, und so das Ganse nur 
den Eindruck einer einzelnen Scene macht, sondern dass sie 
tum Theii erst spätei' hinzukommen wie Catulu.s uüd Güsar 
bei Cicero, Messalla bei Tacitus'), wudurch der Dialog dem 
Drama äusserlich näher rückt. Wie bei Cicero so haben auch 
bei Tacitus die Einzrlnin nicht volle Freiheit zu sagen, was 
sie wollen, sondern erhalten ihre Rollen zugetheilt') : einer 
ergänzt in dem was er sagt den andern, jeder ist ein StQck 
vom Autor selber 3). Daher geht auch der Streit nicht sehr tief, 
sondern ftihrt rasch zu einer Ausgleichung und namentlich zu 
einem alle Theilnehmer befriedigonden Schluss. Der Wirth, 
in dessen Hause das Gespräch stattfindet, hat beide Mal, 
Maternus sowohl wie Grassus, das letste entscheidende Wort. 
Auch mit der Zeit gehen Tacitus und Cicero wie Dichter um: 
sie bestimmen sie so wie es ihren Zwecken dient Selbst 



4) Aehnlich war es hei Yarro, 8. überhaupt l S. SSI, S. 
t) Mit Cicero de orat. 1 106. S64. II 16. 411. 146. S66. in 11 v«!. 
Tadt. Dial. c. 4, 6 ff. (e. 5, l ff.) c. 46, S ff. c l«, 4 4 ff. c 17, 6 ff. c sa,4 ff. 

3) Wenigstens scheint Tacitus in einer, kritisch aUerdiags nicht 
ganz sicheren, Stelle c. 4, 4 8 alle Ansichten für »probahiles« zu erklären, 
di»' Apens allein ausgenommen 'c. 1,24 ff.); Doch kommt es auf Aper 
nicht viel an, da es ihm ja mit seinen Aeusseruuf-'cn nicht Erusl sein 
!»oU c. 4 5, 11. c. 46. 44. c. S4, 4ä f.}. Vgl. auch 1 S. 4yO. 492, 2. Auf das 
Aeusserste war diese dem Wesen des Dialogs eigentlich fremde Systema- 
tialmng bei Vam» getriebea s. t S. 651 f. 

4) So ist es c 41, 1 auf ein Hai Ahand gewofdeo, oime dass Yor- 
her eine Andeutung ttber die Tagesieit gegeben war. Der Dialog-Dichter 

Hirs«t, ]H«l«ff. n. 4 



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50 



TL Der Dialog in der Kaisenett. 



die ihm doch durch die Geschichte gegebenen Personen und 
deren Charaktere passt Tadtus dem ciceroniscfaen Muster an 
und iwingt dem Aper und Messalla Aehniidikeiten mit An- 
tonius und Grassus auf, die den historischen Mgem jener 
Namen, schwerlich eigen waren*)* Die Versicherung des Ta- 
citus, dass er selbst Zeuge des Gesprächs gewesen seP), ist 
also nur eine der beim Ersihlen von Dialogen flbliohen 
Fictionen, noch dasu ebenftlls Cicero nachgebildet'). Hieran 
wird auch nichts geSndert durch die Annahme, dass die Per- 
sonen des Dialogs zur Zeit seiner Abfassung nuch am Leben 
waren; denn auch zu erdichteten Gesprächen dieser Art hatte 
Cicero schon das Vorbild gegeben • 
HirtoriMl» Trotzdem dürfen wir den Dialog nicht für eine blosse 
OiuHag». Phantasie halten, die von aller historischen Wirklichkeit los- 
gelöst wäre, wahrend Cicero in seinen rhetorischen Schriften 
vorwärts dem Ideal des Hedners nachstrebte und sich diesem 
Gipfel schon gaz nahe wähnte, stellt Taoitos vielmehr rück- 
wärts gewandt die trübe Betrachtung an, welche Ursachen den 
VerfoU der Beredsamkeit herbeigeitUirt haben. Damit berOhrt 

bedurfte eben einer Lrsache um das Gospriich abzubreelicn. AeLDlich 
Ist Ci( ero verfahren, freilich nicht in »de oratore«, aber anderwärts (s. i 
S. 534 f.). 

1) Hieriwr gditfrt Heutflas Zd^m Im Vortrag foitzuftibren, so dass 
er von NMiem durch Ifotemas dazu ao^iemonlNi wwden mus» (aSM^l^*)» 
vgl I S. 48S, a. Auch dass es dem Aper mit seliwr Verhentichong der 

modomen Redner nicht Emst gewesen sei (o. S. 49, 2; , lässt sich nach 
der leidenschaftlichen Art wie er seine Sache verficht und namcnlli<i» 
zum Schluss noch eininid «<'ine Ansicht kund gibt, kaum annehmen. 
Wird es ihm trotzdem aachgesagt, so ist dies wohl nur ein Zug der von 
Antonius (de orat. 1 263. II 40) auf ihn übertragen worden ist. — Wenn 
übrigens nach Philipp a. a. 0. S. 5 Matemus die Stelle des Crassus, Mes- 
8»Ua die des Aotonius vertreten soll, so geschieht dies onter dem ab- 
strakten GesIchlsiHmlct, dass Matemvs und Grassna beide die erste, 
Messalla und Antonius ebenso die xweite Rolle spfelea* Hiennit verCiigt 
OS sich vollkommen, wenn untMr einem andern GesiditSiNiakt vidmebr 
Messalla mit Crassus und Aper mit Antonius zusammengestellt werden. 
Denn dass was die Ansichten betrifft mulatis niutandi<? Aper mit Antonius 
und Messalla mit Grassus übereinstimmt, darüber kann kein Zweifel sein. 

2) C. 4 , 4 7 tr. c. a, 4 (iutravimus). 
S} I & 484 vgl. auch o. S. 46, t. 

4) Vgl. bes. die swelte Besrbeltong der Academlca nnd die darauf 
ImttgUche AeuBserung ad fam. IX B, I. 



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Taciius' Dialogus. 



51 



er aber ein Thema, das, wie uns nameotlich QuinUlian und 
Seneca ^) lehren, in seiner Zeit unzählige Mal besprochen worden 
ist'). Wir dürfen daher den Dialog für eins jener typischen 
Gespriche halten, wie sie auch der dramatische Dichter wohl 
gestaltet^); und Xacitus selbst gibt uns Andeutungen, dass dem 
so Ist»). 



4 ) In der Schrift de cauAis corniptae cloquentiae : I. 0. 6 prooetn. 3. 
Beilelit stell auf dieselbe Schrift auch i, 4, 42, so hatte sich Qiilattllaa 
dario mit Tacit. Dial. c. 34, 8 herttbrt; vielleidit auch mit c. 96» 4 (cala- 
mistros Maeoeoalis), wenn der gleidien Schrift angehört das S, 8, 58 Uber 
das «au^Cq^ Gesagte, dessen Vertreter nach SuetoaAug. 86 eben lU- 
oenas war. 

21 Seneca Epist i l i IF: Quare qnibiiSilnTn t*'inporibus proyrrimt 
CLiiiiipti peneris oratio quacris elc. Auch .Soiifca \\dlilt sicU Muceuas 
zuai Biispiol, an (Ilmii er seine Theorie klar in.K lil s. vur. Aumkg.:. Mit 
Tacitui» IrifTl suiiann Seneca auch darin zusanimeii, da»s beide die Ver- 
andernng lo der Natur der Rede und dm Stils abhängig maclnnk vom 
Wecbsel der Zeilen und Sitten; insofern aber geben lieide wieder ans^ 
einander, bÜb Seneca sidi jene Abhängigkeit als eine unmittelbare denlit, 
die unwillkürlich und unbewusst wie durch eine Art von Ansteckung 
erfolgt, wahrend Tacitus die Veränderung in der Rede zunächst auf die 
Aondfninp in der Art \irul Woiso des l ntorrichts und erst diese unmitfo!- 
bar auf den Wechsel der Zeit< n zuruckl'ührt 'c. 28 fT.'. Mir scheint dies 
U l/lt TL- ein Beitra;^ zur G«jst.htclitt>philo«ophie der Allen, der nu'hr Bp- 
aciituog verdient hatte, ab er bisher gefunden hat. Vgi. auch des altereu 
Senecs Conlroven. S. 48, 16 IT. Burs. 

>} Vgl. noch Weinkanff, De Taclto Dialogi qoi de oratoribus inscri- 
bitur auctore (Köln 4884) S. LXXXV B. 

4) O. Ludwig, Shakespeare-Studien S. 238 riilinit es von Shakespeare, 
dass er, was in der Natur in vielen Gesprächen wird, in eines oder wenige 
stilisirie, plastiitch-prägnanle zusammengedrängt hal^v »Der Dialog, sagt 
derselbe S. 4f2, «lull vom Geiste wiedergeborenes und geschwängertes 
Gespracii der Wirklichkeit sem». 

5] C 4, 8 Ct. bezeichnet er den Streit zwischen Maternus und Aper, 
ob die Poesie oder die Bedekunst den Vonrag verdi<«e, als einen der 
«Oer wiederkehre und deshalb beiden schon sur Gewohnheit geworden 
sei. Auch was den andern Hauptgegenstand des Dialogs betrifft, die 
vergleichende Werthscbilsung der alten und modernen Redner, so erklärt 
Aper c. 45,8, dass er Messalla schon oft darüber habe reden hören. Solche 
Andeutungen über dm typisrlicti Charakter der Gciiiriirhe zu geben, 
konnte iibrippTi*? Tacitus durch Cicero veranlasst worden (de divin. 1 8. 
Af-ad. pr. 9. Tuscul. IV 7 vgl. I S. 543, 4'. Bei Platoii tiiidet sich der- 
gleichen meines Wissens nicht: seine Dialoge sollen als die Wiedergabe 
ganz bestimmter einzeloor Gespräche erscheineB. 

4* 



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52 



VI. Der Dialog in der Kaiserxeit. 



Frag« atr B«- Zu den Fragen, die damals an der Tagesordnung waren, 
MfswahliBtan jjg^ die nach der Wahl des Berufs. Im alten Rom wÄre 

der Tn?fls- ~ 

Ordnung, eine solche Frage wenigstens innerhalb der t;ebildeten Gesell- 
schaft, wie sie die ilauptträgerin des Dialogs ist, fast unsUitt- 
hafl gewesen, weil damals kaum ein Zweifel bestand, dass 
der erste und ein/Ii: c Beruf eines lUimers aus guter Familie 
das Wirken für den Staat, die politische Thiitigkeit, war. Wollte 
Einer nebenher Verse raachen, so that er dies als Dilettant. 
In Giceros Gesprich »vom Redner t sind es daher im Grunde 
lauter Staatsmänner, die sprechen. Doch konunt schon in 
Giceros Zeit diese Regel ins Schwanken. Lucres, beeinflusst 
freilich durch die epikureische Lehre, klagt Ober die Unselig- 
keit eines dem Ehrgeiz gewidmeten Lebens (Y 4120 ff.); er 
selbst begehrt nichts als die Gunst der Musen (I 924 ff.) und 
sieht seine höchste Aufgabe in der Erforschung der Natur 
(IV 969 f.). Aehnliche TOne klingen dann bei den augusteischen 
Dichtem an. Sie werden stärker und breiten sich weiter aus, je 
Uel'er wir in die kuiserzeiL hineinkommen: je mehr man sich ia 
der Gewühüheit befestigte, dass die Geschicke des Staates \on 
einer Hand gelenkt wurden, desto mehr musste dem politischen 
Beruf die Beschäfliguiig mit den Künsten und Wissenschaften 
ebenbürtig zur Seite treten. QuietisUsche Neigungen wurden 
in der friedensseligen Zeit iouner starker. Doch liessen sich 
nicht Alle von dieser Str5mung fortreissen. Immer noch gab 
es aktive Naturen, denen die Betheiligung am öffentUcheu 
Leben als die höchste und lockendste Aufgabe des Mannes 
erschien* Sie fanden com Theil eine Bundesgenossin in der 
stoisdien Philosophie, ebenso wie ihre Gegner in der epiku« 
reisdien« 

TjfMbM Die sahllose Menge einzelner Gesprflche nun, die dieser 

grosse Gegensatz der Zeit hervorrief, hat Tacitus in dem 
d«r Poesie uad seinen Dialog eröffnenden Streit zwischen Maternus und Aper 
teBidakoist. jj^j^^j. ^jjg Vorzüge der Poesie und der Redekunst zusaminen- 
gefasst und uns typisch vor Augen gestellt. Dass er gerade 
die Poesie, und nicht eine andere geistige Thätigkeit, im 
Kampfe mit der Hedekunst vorführt, dazu hat ausser einer 
nachher zu erwähnenden Absicht wohl die Tradition mitge» 
wirkt, die es liebte corade die Dichtkunst durch Vergleichung 
mit andern menschlichen Xhätigkeiten In ein helleres, bald 



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Taciiofl' Dialogiu. 



53 



günstiges bald ungOiistiges Licht zu Selsen^); dann aber auch 
gewiss die Absieht mdgVehst treu die historisdie Wirklichkeit 
seiner Zeit absubüden, in welcher Dichter und Bednar beide ihre 
Grenzen tiberschritten, einer in das Gebiet des andern hinüber- 
griff und so leicht mit einander in Streit gerathen konnten Als 
Piaton Bu einer anderen Zeit ShnlicheyerhSltnisse In seinem Gor- 
gias dialogisch erörterte, war es der damaligen Zeit gemfiss nicht 
die Poesie, die er mit der Rhetorik streiten liess, sondern die 
Philosophie. Für Tacitus und seine Zeit ist jedenfalls be- 
zeichnond, dass sein rhetorischer Dialog ebenso ans Gesprächen 
Über die Poesie herauswachst wie derjenige Ciceros, der ihm 
doch sonst als Muster vorschwebte, aus Gesprächen tlber die 
Politik. 

Die andere Frage, die /nr Zrft des Tacitus wie in allen Frage äu 
umwälzenden Zeiten eine hrennenile war, ist die des Unter- ^^'^jj^ 
richts und der Bildung. Tacitus hat sie mit der Berufsfrage BlUnaf. 
ähnlich verknüpft wie Piaton im Phaidros. Diese Frage nach 
der Bildung wurde bei den Römern in einem beschränkteren 
Sinne gestellt, nis bei den Griechen und bei uns, da die 
Bildung im Wesentlichen nur eine rhetorische war. Daher 
konnte die Frage nicht sehi, wie man überhaupt den Mann 
am besten Ars Leben vorbereite, sondern wie man ihn am 
besten für seinen rednerischen Beruf ausrüste* In dieser Be- 
schränkung hat xoerst Cicero die Frage im Dialog »vom 
Redner« behandelt und danach wieder Tacitus, beide so, dass 
jeder dem Bedflrfiiisse seiner Zeit sich anbequemte. Daher 
wird bei Cicero noch der alte Streit swischen Theorie und 



i] I S. 3 1 1 Bei Plutarch de gloria Ath. c. 6 f. wird die Poesie so- 
gar mit der Kuiisi des Fcldherrn vorglichen. 

2j Mit Bezug auf seine Zeit sagt Aper c. SO, SS: exlgitur jam ab 
oratore etiam poeticus decor. Und Mateniiis redinet c 4, M die Dlcht- 
kniiBt mit zur eloquentia. Aehnllcbes findet sich auch schon bei FHihereii. 
Hat doch schon Platon die Poesie unter rhetorischen Gesichtspunkten 
betrachtet! Das in der Theorie und Praxis wechselnde Verhältniss von 
Poesie und Rhetorik NcHohnt«' wohl einmal eine besondere Betrachtung. 
J)',iss in (inr K nser^eil die Rhetüieii mit den Poeten rivalisirten, zeigt 
.•^ehiimi Atlicismus I S. 39 ff. In Zwilcn cpideiktischcr Beredsamkeit 
wird sich dies immer bis zu einem gewissen Grade wiederholen, obgleich 
iD Serag aof Isokrates Bruno Kett Anali. Isocrat. S. S It dies stark über- 
trieben hat. 



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54 



VI. Der IKalog in der Ksiserzeil. 



Praxis gefllhrt: denn er sebrieb xq einer Zeit, da die Rhetoren 
k»nm angefangen hatten festen Fuss in Rom so fassen. Nach 
der Zeit, in der das GesprSch »vom Redner« yerfasst ist^ 
modifisirte sich dieser Streit in den des Atticismus nnd Asianis- 
mus — eine Modiftcation, die aber einen eigentlich dialogisdien 
Ausdruck nicht gefunden zu haben scheint, sondern sich 
literarisch mit der epistolographischen Form begnügen musste*). 
Streit d«8 In der Kaiserzeit trat sodann m (Ue Stelle des Atticismus 
OlMsldimu Classicismus , der nur den vom Atticismus besonnenen 

mit dem ' " 

A«Uaiimat. Streit mit dera Asiauismus weiterrührle. Diese Modification 
des Streites hat uns Tacitus in den Personen Messallas und 
Apers vor Augen gestellt^). Bis in Eio/.eInes hat Tacilus die 
seitgemässe Modification durchgeführt. Besonders bemerkens- 
werth ist in dieser Hinsicht, dass die epikureischen Schriflen, 
die bei Cicero noch vom Kreise der rednerischen Bildung 



4) CIceros uBrulus« ist fmlirh ei» Dialog in dem der Slrcit der 
AtticislcD und Asianer berührt wird; als dialogischer Ausdruck dieses 
Streites kann er aber nicht gelten , da die Asianer unter den Personen 
des Gesprächs lieine Vertretung gefunden haben. Der Streit wurde 
mttodlich und in Briefen geföhrt. Bas letslere erfahren wir aus Tacitus 
Dia). 18. Vgl. noch 0. Jahn, Einl. zn Ciooros Orator S. 18f. HameckeTt 
Fleclceis. Jahrb. 8. 604 f. 610, 35. ebenda 1884 S. 47, 9. 

2; Aper ist der Vertreler dfr novi rhetnres. Be<<timniter fettot nn« 
dass er dem Nirctcs den Vorzug vor Aeschines uml IJiMuo'stltrin's cilil; 
dt'iui dies ist natli dem Zusammenhang aus Messallu.s Worlea c. t;». 17 
KU schlic&äen. Als Asianer charakterisirt ihn, dass er die »schohtsticae 
controverslae« liebt, das Deklamlreu Ober tingirle FSlle c. 14, 25 ^\gi. 
c. 35, 15 dass er den »fioeticus decor« vom Bedner fordert (c S9, Sf], 
den »nitor et coltus descriptionum « {c. SO, S). Wie die Asianer erklärt 
er aller Theorie den Krieg, den RIk (nrr^n wie Hermagoras und A|»oUo- 
dor, nicht minder [c. 19, 16} wie den Philosophen (c. 19, 47 f. c. i\, 27. 
vj;l. aucli c. :i, ,HS (i;is l^rtheil ntter Hfl vidiiis Priscus^ Auf sein ritl\cil 
ulirr <lit' IMiil(>«i(>j»hcii Itisst >i< h ausserdem auch aus dem entgegengesetzten 
des Mrs^ .lla s< hlicssea c. 3ü, 1 4 IT. 31, 30 IT. .12, 30 IT.. so wie dessen 
Sehilderuag der modcrnca Redner, deren Auwalt Aper ist, uns dieselbe 
deutlich als Asianer erkennen ISast c. 86, 4 ff. Die Kritik endlich, die 
Aper an andern Rednern ttbt, ist so wie wir sie von einem Asianer er- 
warten därfen: sie richtet sich gegen Atlicisten theils gegen Einzehie, 
wie Calvus c. 81, S, Cüsar cSI, 8S, Brutus e. 81, 87, theils allgeuieio 
0.88,15; bezeichnend Tür ihn selber mehr als für Cicero ist, was er von 
diesem c. i2, 14 sagt: tarde commovetur, rnro tncalescit; pauci SOBSOS 
aptc cadunt et cum quodam luminc lermtnautur. 



üigiiizea by GoOglc 



Tacitus' Dialogas. 



55 



ausgeschlossen werden, bei Tacitus darin «nifgenommen sind*); 
es entspricht dies einem allgemeinen Zuge der Zeit, dem 
folgend der Epikureismus damals auch da sich eindrängte, 
wo er früher kninen Zutritt hatte 2). 

Aber es sind nicht bloss Gespräche der Zeit, die der Selbst- 
Dialog des Tacilus wiedergibt, sondern, wie man vermuthen ^••JJJ^II, 
darf, auch Selbstgespräche des Autors: der Dialog hat nicht 
bloss historisches, sondern auch persönliches Leben. Auch 
bei Piaton liegen Selbstgespräche zu Grunde, da er alles 
Denken ftlr ein Selbstgespräch der Seele erklärte (1 S. 446, 4); 
aber im Einiebien sind wir nicht melir im Stande sie nach- 
luweisen, aiuaer etwa, wo er von Homer und den grossen 
Dichtem aeinea Volkes spridii (Bep. X 606 E ff.) und wir nodi 
jetxt last wie am Zitlam der Worte den Kampf seines Innern 
nachsuftthlen glauben. Günstiger liegt die Sache schon bei 
Cicero, der ans sagt, dass derselbe Gegensats wie swischen 
Crassus und Antonius auch zwischen ihm und sehiem Bruder 
Quintus bestand (de or. I 4 f.) und uns so die Wursdn des 
Dialogs wenigstens bis in seine Familie verfolgen Ifisst Weiter 
kommen wir durch Vermuthen bei Tacitus. Tacitus erscheint 
als Bewunderer der alten Zeit, er verkennt aber auch deren 
Schwächen nicht, so wenig als die Vorzüge der Gegenwart **) : 
in seiner Seele muchten sich daher die Ansprüche beider 
streiten, wie jetzt iui Dialog Mcssalla und Genossen einer- 
und Aper anderseits, und schliesslich ebenso geschlichtet 

I) Vgl Cicero de orai VI 6S t mit TaciL Dial. c. 84, SS. 

9) Darauf hat schon Osener hingedeutet. Die Sache liesse sich eher 
noch weiter verfolgen. Für uns kommt hier nur noch in Betracht, d«M 
Tacitus selber sich treu bleibt, wenn er Aoaal. Vi SS die Epikureer mit 

unter die »sapientissinit vrterum« rechnet, 

3^ l'ebcr Taritus Vciclining der alten Zeil s. TeufTcl-Schwabe Röni. 
LG. §. aaa, 7. vgl. Agricola 4. Hisi. l i 1. in:»oweit scheint er auf Mes- 
aallas Standpunkt xu stehen; und ebenso in dem Ortheil» das er Annal. 
XIII S über Seneca abgibt, hiaofem dasselbe einen indirekten Tadel der 
Ansicht Apers enthalt (s. Nipperdey z. St.), dass der Werth einet Redners 
sich nach dem Beifall dos j«>\\oi1i;;( n Publikums beslimmc (Dial. c. 13, 7). 
Andererseits erinnert aber der Tadel, den er über seine Zeit ausspricht, 
wenn er sie Agr. ! ^inruriosa suoriim notnS ' nonnl vel. mich Anna!. II 
88), an die Worte Hie A|)or 'r. 2.S, a den Verehrern des Alterthiirns zu- 
ruft: illustrate sae« ul\ini uoüliuui; und noch mehr der Kreislauf der Dmge 
Annal. Ul 53 an Apers Auffassung der Geschichte c. 4 8, 9 ff. 



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56 



VL Der Dialog in dtr Kaiserzeit 



werden, wie das jetzt der Dialoe zeict Tacitus war aber 
ausserdem auch einer (i<T IxTiilitntt'sten Hedner der Zeit und 
doch hat er dauernden Huhm sich auf einem ganz anderen 
Gebiete erworben, auf einem Gebiete, das nach der Anschau- 
img der Zeit der Poesie eng benachbart war 2): auch hier 
aihiieD wir daher einen inneren Conflikt über die Frage, ob 
er mehr seiner rednerischen Begabung, dem giänseoden Er- 
folge des AugenbUcks, oder den poetisch historischen Nei- 
gungen und ehier aus der Ferne winkenden Unsterblichkeit 
folgen solle; und auch hier ist der Ausgang des Konflikts in 
der Brost des Autors derselbe gewesen wie im Dialog, die 
Poesie hat den Sieg Über die Redekunst davon getragen'). 

1 ) Der Bewunderer der alten ZAi Uessalla übertreibt das Lob der- 
selben M weit, dass er, was in Ciceros GespiUch »vom Redner« nur 
Forderung an die rednerische Ausbildung Ist, ohne Weiteies als edttUt 
setit; so wie Grassus verlangt, dass der Redner gebildet werden soll, 
80 wurde er nach Messalla wirklich gebildet. Mit derscllien NaiveUit 
glaubt jeder Romantiker, dass die Ideale der von ihm geürbton und ge- 
prieseuen Vergangenheit in ihr auch voll und ganz realisirt gewesen seien. 
Messallas Vortrag wird scheinbar von Secundus fortgesetzt, in Wahrheit 
aber corrigirt wenigstens in so fern, als sich zeigt, dass die Redner der 
Vergangcnlieit zwar unerreichbar gross, die Zelten aber om so schlechter 
waren. Das letztere entspricht Tacitus eigener Ansichti die dieser wo 
möglich noch schroffer Annal. III t7 t auagesprochen hat. Dass sie im 
Dialog durch Secundus vertreten wird und ihm c. 36 fT. gehören, ist mir 
trotz der Zweifel, die dagegen in neuerer Zeit wieder Philipp (Dialogt 
Tacitini <|ui fertur de oiatoribus quae gcnuina fueril forma S. 33 f.) vor- 
gebracht hiit, unzweifelhaft. Von Messalla wird r. .^3, 7 ff. nur eine Ab- 
solvirung der rednerischen Bildung erwartet; schon c. 32, 36 halle er 
aufliflren wollen. Andererseits ist c. IS, 9 eine Ergänzung von HeasaUas 
Vortrag durch Secundus gans bestimmt in Aussicht gestellt, c ss, 5 ff. 
zeigen den halben Poeten oder doch den Freund der Dichter (c. 5, 8 ff.), 
dem es in der freien Luft am wohlsten ist (c. 42, 4 ff.). 

i Die Abweichung von der Ansicht des Aristoteles ist bemerkens- 
werth. Quintilian XI, 31: etenim proxima poetis et cjuodanimodn 
Ciirnien solutum est sc. historial Vgl. dazu Scneca Quaest. nat. iV a, ♦ 
u. i lutarch, Bellono an pacc clariores f. A. c. 3 p. 347 A. .Secundus, der 
Freund der Poeten, der auf Seiten des Maternus steht» wird gelobt wegen 
eines historischen Werks, der vita des Julius Afncanus (oder A^laticns 
nach den Handscbr.) c. 44, S8, wobei man nnwülkürlich an Tacitus* Agri« 
cola denkt. Vgl. auch Juvenal 7, 98 ff. u. dazu Weidner. 

8) Maternus hat nicht bloss das Schluss* sondern auch das ent- 
scheidende Work (im dies einzusehen, mag ein Isurzer Blick auf den 



Tacitos' Dialogus. 57 

Wieder einmal trifTl der Dialog mit doui Ih nn i /usammen: Aehniiobkeit 
denn so wie Tacitus unter verschiedenen Personen seines ^ 



Gang des Dialogs geworfen werden. Aper im Gegensatz zu Maternus 
betont den Werth der Redekunst. Durch das Auftreten Messallas wird 
seine Ansicht noch verschärft: denn was bisher nur in Apers Worten 
implteite enttialleii war (iDSofera er doch den praktiflchen Redner ver- 
herrüchif also den Redner der Gegenwarl}, das wird nun klar ausge- 
sprochen, dass nämlich Aper die modernen Redner weit über die alten 
erhebt Der so gesteigerten Ansicht Apers tritt die ebenso extreme Mes- 
sallas gegenüber, d» r t s nicht bei einem Lobe der allen Redner bewen- 
den lasst, sondern dieses l oh ;iuf die alte Zeil überhaupt ausdehnt \u<-h 
dieses Lob wird korrigirt durch Secundus (o. S. 56, 4), naeh tie.sseii 
Vortrag nur die Beredsamkeit der Alten, keineswegs aber die Zeilen, 
nnter denen sie aUefo möglich war, lobenswerth sind. Dies greift Ha^ 
terntts avf, der von den schlechten Zeiten her, die eine Bedingung der 
Beredsamkeit sind, einen Makel auf diese selber wirft; vor Allem aber, 
da die Zeiten jetzt ganz andere sind, einen Anlass daher nimmt, dl^enige 
Beschaftipunp zu emprehlen, die den veiäM<lerten Zeilen ani:enics«?en 
ist, also, wie man zum Anfrint; zunirki:reifend sa^ion muss, die Poesie 
und was ihr verwandt ist (die GeschicUte s. 0. S. 56, Ä). Die Ansicht des 
Mäl«rüus ist also schliesslich doch siegreich durchgedrungen, allerdings 
modifl<drt d. h. erwdtert: denn die allgemein gehalt«Dea Schlosswofte 
des Maternus (c 41, SS CT.: nunc, quoniam nemo eodem tempore asseqni 
potest magnam fomam et magnam quietem, bono saeculi sui qnisque 
citra obtrectationem alterius utatur) dürfen wir so, wie geschehen ist, 
atislrpcn ; es entspricht dies auch der gewöhnlichen Meinung, die in Ma- 
ternus den Wortführer von Tacitus' eigner Ansicht erblickt. Die Erwei- 
lerung eines ursprünglich eut-'er l)cgrenzleu Themas ist echt dialogisch. 
So erweitert sich in Plalons Phaidros der Slreil zwischen Reden dos 
Lysias und Sokrates zu einem Streit zwischen Rhetorik und Pbiiosophie 
überhaupt und in der Republik wäcAist die Gerechtigkeit, die Anfangs 
allein auf dem Plan erschien, im Laufe des GesprSchs sur Tugend und 
swar nicht bloss des einzelnen Menschen, sondern des ganzen Staates 
heran. Piatons Republik gibt noch z\i einer weiteren Vergleichung Anlass, 
die ebenf alls auf die Gefsetze dialogischer Komposition ein Licht wirft: nomi- 
nell will l'laton nur von der Gerechtigkeit handeln, wie das der Natur 
des Sokrates und den Tendenzen seiner Zeit entsprach, uouünell liat Taci- 
tus laut seinem eigenen Vorwort sich zur Angabe gemacht de causls 
corruptae eloquenUae zu reden und kam damit dem Interesse gewiss 
nicht bloss des Justus Fablus, sondern vieler damaliger Leser entgegen; 
thaisächlich aber läuft es bei ihm auf vid mehr, auf eine Anweisung zur 
Lcbcnsfülmii^ und Bcnibwahl hinaus, gerade so wie bei Piaton während 
des Surhons nach der GererhtiL'keil pHinzend und den sresammten übrigen 
Inhalt überslrableod da5 Bild dta» Idealstaats hervortritt (1 S. SS8 f.). -~ 



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58 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



Dialogs versteckt ist, so hat Goethe sein Wesen nuf Tasso 
und Antonio vertheilt und lässt sie den Kampf seines eigenen 
lüoeru auf der Bühne ausfechten '). 

Schon laügst ist man von verschiedenen Seiton her da- 
rüber einig geworden, dass der Dialog sich nü lit bloss auf 
gewisse Zeifströmunpen sondern auch, wie cl)en dargelegt 
wurde, auf den Reflex derselben in Tacilus' eigener Seele 
bezieht. Weshalb er es für nöthig hielt, dergleichen Be- 
wegungen seines Innern dem Publikum vor Augen zu führen, 
darauf hat man ebenfalls schon Ubigst geantwortet , indem man 
den Dialog Itir ein Programm der gesammten literarischen ThSUg« 
keit des Taoitus erklärte. Wenn man freilich die Abfassung des 
Dialogs noch unter Titus' Regierung settt, so mfissten das 
Programm und seine AusflUirung durefa einen weiten Zeit- 
abstand getrennt gewesen sein'). Aber es hindert Ja nichts 
an der Annahme, dass Tacitus von den literarischen Absichten, 
die er schon IHÜier ehimal hegte, später zunächst wieder ab- 
gelenkt wurde, sei es, dass ihn der Strom des äussern Lebens 
fortriss oder dass er die folgenden Zeiten Domitians sur 
Verwirklichung seiner literarischen Pläne nicht für geeignet 
Programm hielt. Und ausserdem in einer Beziehung bewahrt der Dialog 
gliftrat^* Umständen seinen [irogramniartigcn Charakter, 

nämlich in Beziehung auf sieh si^lbst iriMJlern Tacitus darin durch 
Messaiias Mund den Gebrauch der dialogischen Form rocht- 



Freilich hat man, was noch nachiutragen iat, hestritten, dass die SchlofB- 
rede Matermu gehürl (Weiokaaff de Tadto dtalogi, qui de ontoribos 
inscribilur, auctore S, LXXX. LXXXIV. CXXVll Anm.). Aber der Wider- 
sprach, mit dem man dies begründet hat, dass dann Matcmns der 
Bewunderer Catos (und des Dotnitiiis c. 3. ü) sich pUitzlii h in rinen 
Lobredner der Monarchie urnl der (iegcriwart umwandeln wurde, ist nicht 
durchscliiagend. Der Widerspruch bleibt bestehpn, die letzten Worte 
mag übrigens sprechen wer will, Maternus oder ein Anderer: denn der 
Bewunderer Catos d. i. der Anhtfager der konservativen Hc publik sprichi 
anch aus c 40^ 8 (cem se plorimi disertorum eta) vgl. c 4e, 14 und 49. 

4) Doch ist ein solches Zerfasern des eigenen Innern wohl mehr 
dialogisch als, wenigstens Im htfclisien Sinne, dramatisch: drnn IMufl 
Gefahr personifizirte Abetractioneii su schaffen, statt lebendiger iionlLreler 
Menschen. 

? Wir lan^( Tiu itus ledigUcb als Redner Ibälig war, s. Moinmsea 

im Hermes a, 5-. 106 1. 



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tacitas* DialogQS. 59 

fertigt*)* wie Platon im niaidro« durch den Dialog 

selber den Dialog verlierrlichi hat. 

Der Dialog des Tadtns leistet aber noch mehr als ein blosses 
Programm: er deutet nicht bloss theoretisch auf die Thfitigkeit, 

die Tacilus später als Historiker übte, sondern gibt uns auch 

schon praktisch einon Vorst hmack derselben, stand also zu ihr 

vielleicht in einem ^ihniichen Vcrhältniss wie Livius' verlorene 

Di.doiic zu dessen Geschichtswerke (o. S. 21 f.)- Schon in diesem Schon in dieMm 

Jugcndvverke verrathen sich die Neigung und der Blick ^^es 

Historikers Tacitus. Die Neigung führt ihn zur Betrachtung des HiitozikM. 

Wechsels der Zeiten, des alten und des neuen Roms, und 

iSssl ihn so schon damals den Ton anschlagen , der dann fast 

wie der Grundton durch die späteren historischen Werke 

klingt; der historische Blick aber weist ihm überall Werden 

und FlusSi nirgends ein starres Sein, keine Uber die Zelt 

erhabenen Ideale» wie sie die Philosophen trHumen, weder 

im politischen Leben ^ noch In dem der Einsetnen und deren 

Beschäftigungen 

Ebenso wenig als im Inhalt ist er auch in der Form 
ganz ein anderer und vom späteren Tacitus verschiedener; 

1) Me vero, sagt MassallB c. 14, U, et sermo iste infioila voloptale 
affecisset, atque id ipsum delectat quod vos , viri optimi ei tcmponim 
nostrorum summi oratores, non forensibus tantum negotiis et declama- 
torio studio ingenia vcslra exorrplis, sed eiusmodi püain disptitationes 
assumitis qxuc rt ingenium .iliml et iTiiditionis ac litteraruiii jucundis- 
simuni ohie< l.uiu utuiii cum \obia <|ui bta dispulatii<( afTenint, tum etiam 
Iis ad quoruiu aures perveucrint. Die Aitspivluiig auf die lilerariscbe 
VerüHnitlfchung mündlicher Gespräche läMt sich Id den letsten Worten 
ebenso wenig verkennen als In Piatons Phaidr. p. S76 Gf. S78 A. Und 
wie dort Sokrates sieh entgegeoseixt den Sophisten und Rhetoren, die 
nichts kdnoen als lange Redoi halten, so Messalla hier den Rbetoren 
seiner Zeit, der zweiten Sophistik und ihren Deklamationen. Tacilus hat 
also di<^ diaincisc'hc Frtriii mit voller AltsiVht gewählt. Daber xeigl anoh 
C. 27, H ein klarr'^ llowusstspin ihrei* (if^srlzo. 

2) Die >>St( ii Diurn civiUiLeai« uiucht«) icti nidit aus der allcrdiugB 
wohl nicht ganz, richtig überlieferten Steile c. äl, 36 entfernen, zumal sie 
bis zu einem gewissen Grade durch c. 41,9 gescbtitzt wird. 'H ieoX6 
9au[iLa^o|ji£vT] leoJUTck helssl sie bei Tacitus' Zeltgenossen Plutarcb de Aleit. 
fort. I 6; dies mag erklären, waram sie und nicbt Piatons Idealstaat er- 
wähnt wild. 

3) Wiederholt wird eingeschärft, dass sie nur relativen Worth haben 
in Bezug auf die wechselnden Zeiten. 



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60 



VI, Der Otalos in der KelteneiL 



vielmehr erkennt man selbst durch die weiten Palten des 
cicenmischen Mantels sehen den kräftigen Gliederitan des 
selbstSndigen Stilisten and Künstlers. Einselheiten der Sprache 
haben dies sehen Iflngst dargethan. IKe dtalogisdie Com- 
Position lehrt dasselbe, da in ihr schon die dem reifen 
Tacitus eigene Knappheit und Pointirung des Ausdrucks her- 
vortritt: so ist der Srhluss fast in der Weise einer Menippea 
zugespitzt und dass Tacitus selber bei dem Gespr.iche an- 
wesend ist, mag sirh der Leser aus dem »intravimus« r. 3, 1 
entnehmen ; dies letzlere ausdrücklich zu bemerieen hat Tacitus 
ebenso verschmäht, wie jedes Eingehen in das Detail der 
Scenerie ^. 

Ursprünglich wohl archaistischen Tendensen entsprangen, 
Gdst d«r senen athmet der Dialog doch den Geist der neuen Epoche. Wir 
Bfwh; ifQiQn ^3 Gesellschaft der Kaiserseit: drei Gallier stehen 
im Gesprfiche gegen den einen AltrOmer Messalla'). Auch 
der grosse Kampf des Jahrhunderts swischen dem alten und 
neuen Rom wogt durch diese BlStter: Tacitus meint nidit, 
ihn damit geschlichtet zu haben; sein Dialog tritt als echter 
Essay mit in die Reihe der Kämpfenden ein; »dies ist meine 
Ansicht (f, ruft er zum Schluss den Lesern zu, »seht nun selber, 
welches die eurige ist«^). £s herrscht eine kampflreudigei 



1) Ac simul assiirpcns :sr. Maternus' et Apnim romplcxus »ego, 
inq'iit fe f^oetis, M(s«»alla autcm antiquarii'^ rriminabimur«. »At ego 
vos rlietonbus et s( liolasticis« inquit. Cum nh isissent, discessimus. Vgl. 
namentlich Lucians Dialoge, aber auch das i >. 561, k über Varro de r. r. 
Bemerkte. Die Aehnlichkeit, die Peter, Einl. S. 2 zwischen jenen Worten 
und dem Schluss von Cioero de oratore I und aat. daor. III findet, ist 
doch nur eine sehr eatüDnite; mit etwas mehr Kecht könnte man den 
ScUuBS von de fin. II vergleichen. 

I) Cicero gibt hierin viel mehr. Bei diesem Anlass darf bemerl^t 
werden . dnss es eine grobe Ungerechtigkeit ist — wie eich Cicero frei- 
lich dergleichen heulzntnce viele pefnilen I;)«i«;eti nniss — wenn Andrcsen 
sowohl Acta soe, Lips. 1 S. 1,14 wie in Berlin ZeitM:hr. f. Gymnas. 1871 
S. M9 r.iecros (iespräch »vom Redner« was die dialogische Kunst bc- 
trilTl unlci- den Dialog des Tacitus herabdriicken will. Als wenn es bei 
Cicero an lebendiger Charakteristik mangeltet Als wenn bei ihm das 
Gespräch nur eine bedeutungslose Form wäre! 

S) Vgl. auch Isidor bei Asconius o. S. 4S. 

4) Mesnlls sagt »erant qaibus contradicerem, eranl de qaibns plnra 
diel vollem nisi jam dies esset ezactua«. »Fiel, bemerkt htergegeo 



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Die Zell Tn^jans, Jovensl. 



61 



echt dialogische Stlninuing im Ganzen, die sich sum Theil in 
scharfer Polemik Luft macht: so dass der Verfasser ps nöthig 
gefunden bat^ dieee Verletiimg der rdmischen Höflichkeit mit 
den Gesetzen des Dialogs lu entsehuldigai <). 

Der Dialog des Taoitus ist das erste und lotste Denkmal, 
das der heftig geffOlirte, mannigfach venwelgte Kampf 
zwischen Alt- und Neu-Rom auf dialogischem Gebiet hinter^ impf 
lassen hat. Eine neue Zeit brach an, als mit TVajan der erste ^^^.^ 
AnslSnder den römischen Kaiserthron bestieg, eine neue Zeit 
auch für den Dialog. Ihre Morgenrüthe ieui hlt t schon im 
Werke des Taoitus, der wieder ein Bewusstsein von der Be- 
deutung der dialogischen Form verräth (o. S. 59. 1): aber 
freilich ganz anders, als mau hiernach erwarten könnte, sollte 
es schliesslich tagen, da die neue Zeit neue Geisteskämpfe 
mit sich brachte und dem Dialog gans andere Aufgaben 
stellte. 



8. Sratarken des philosophischen Dialoga unter Tn^an 

und Hadrian. 

a) Die Zeit Trajans. 

Freiheit ist die Lebenslnft des Dialogs; geistige Stürme 
tragen ihn am höchsten empor. Unter dem Druck, der unter 
Neros und daun wieder Domitians ilegimeiiL aul" den Geistern 
Instetr. kuuuLe er seine Schwingen nicht entfalten. Jetzt, nach- 
derii »las Joch abgeschfUtelt war iiud mit Xcrva und Trajan 
ein neues goldenes Zeitalter der Denk- und Hedefreiheit an- 
tubrechen schien, erhob auch er wiederum sein üaupt. Doch 



Matemas, poste« arbitratu tuu, et siqua tibi obscura in hoc meo sermone 
Visa sanij de äs rursus conferemus«. Daiuit i!>t der Stachel in die Seele 
des Lesen gesenkt, der so wellerem Nadideiiken treüben soll. Umgekehrt 
sdiliesst Gtceroft Gespräch >Tom Redner« geaz systematisdi eh. »Bdldi 
qnae potoi, sagt Grassos, noa at volai sed nt me temporfs angnstiae 
ooi^eronttw Hferanf Gatuliis: »To vero coilegistl omnia, quantum ego 
poesum judicare«. Die theoretische Erörterung ist erscbtfpft. 

1) C. 27, i 8 ff. Die Gesetze des griechischen Dialüf,'s sind pcmcint; 
denn !n dm rOmischea Dialogen war mehr Gemesseiihoit und Würde 



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62 



VI. Der Dialog in der kdiseraeil. 



hielt er sein Gesicht zunächst noch der Vergangenheit zuge- 
kehrt, deren tiefer Eindruck sich nicht uiit einem Male ver- 
wischen liess, sondern langer in der Literatur nachzitterle. 
Der lang zurückgehaltene Stroni moraiischer Entrüstung brach 
sich Bahn. Bei Tacitus ergoss er sich über historische Dar- 
JttYflul* steUimgen; Juvenal fasste denselben in grimmige Satiren 
und leitete ihn damit auf ein dem Dialoge angreniendes Ge- 
biet Die Tradition forderte hier bis su einem gewissen Gmde 
die Form des Gesprächs. Daher begegnen uns auch bei 
Jnyenal wieder die aus Horas und Persius belunnten Zwischen- 
reden, die bald mit »inquit«, bald ohne ein solches einführen- 
des Wort den gleichmlssigen Fluss des Vortrags unterbrechen; 
auch er belebt die als Beispiele eitirten Personen so, dass 
sie reden , auch wohl ihm oder einem Andern bis zu ein^ 
GespracliL Rede stehen; ja einmal ist auch bei ihm ein solches 
Gespräch, das mit Nävolus, zum ümfang einer ganzen Satire 
(der neunten) herangewachsen, wie die Gespräche des Itoraz 
mit Trebalius oder Davus, und wie diese tritt es uns in frrier 
dramatischer Haltung ohne den Rahmen der Erzählung ent- 
gegen. Der Tradition der Satire entspricht auch die Form 
des Briefes, zu der wir daher Juvenal ebenfalls greifen sehen 
und swar ebenfalls wie Horas wohl erst spSter, vielleicht weä 
die durch diese Form geforderte ruhigere Art der Behandlung 
mehr dem Bedttrfbiss des Alters entgegenkam i). Insoweit 
steht also Juvenal auf dem Boden der Tradition. In anderer 
Bestehung verUisst er ihn : die Zwischenreden smd bei ihm 
viel seltener, jagen sich nicht so wie bei Horas; noch sellener 
treffen wir Gespräche und dann von viel geringerem Umfange. 
uLer kummt dieser Umschlag ? 

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir an die ver- 
Eoras nad schiedenen Ausgaugf>punkte denken, von denen iioraz und Juve- 
Javenal. ^^jj. gatirendichtung geftlhrt wurden. Horaz ging von der 

Beobachtimg des Lebens in seiner Breite aus, sein Verkehr mit 
den Menschen bildete den Inhalt seiner Satiren, die deshalb von 
selber in den dialogischen Plauderton fielen. Bei Juvenal, wie 



4} Dieses cpisUilographischc Moment tiiide icli in iieu Lrurteruu^en, 
die Uber den verscbiedeoen Ton der eimwlneo Satiren und seine Gründe 
«ogestelll werden, nicht berttcicsicbtigt. 



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Jovenal. Flonis. 



63 



er uns selber sagt, »facit indignatio versum«; sein Blick uiufassie 
nicht das gesammie Leben, sondern heftete sich nur an die dun- 
kelsten Stellen, die grössten Laster und Entartungen; mit diesem 
grimmigen Zorn im Herzen, der keine Widerrede duldete'), 
konnte er nicht die Unparteflichkeit üben, die mehr oder 
minder die VoraiUMlning aller dialogisehen Darstellung iai: 
der naturgemSsse Ton war für ihn der des toatiachen und 
dogmatiachen Predigers, dem die dialogiadie Form nur gani 
loae und in dttrftigen Fetaen anhing. Er erinnert in dieser 
HInaicht an Persiua. Aber wflhrend auf dessen dlalogisehe 
Darstellung, wie auf die des Horas die philosophische Bildung, 
insbesondere die Kenntniss der philosophischen IMaloge einen 
gewissen Einflnss llben konnte, hatte JuTenal keine Ader vom 
Philosophen in sich und wollte auch gar nicht Philosoph sein^). 
Sein Verhültniss /u Iloraz war wohl ähnlich wie das des 
Tacitus zu Livius. Wie aus den Geschichtswerken des Tacitus, 
so spricht aus den Satiren Juvenals der ehemalige Rhetor zu 
uns: rhetorisch ist der Ton, der nicht der des gewöhnlichen 
Gesprächs ist; rhetorisch die Disposition des Ganzen, das nicht 
den zwanglosen sprint^enden Gang einer Unterredung des 
täglichen Lebens nachahmt wie bei Horas und selbst noch bei 
Persius, sondern nach einem festen Schema übersichtlich ge- 
gliedert sich aufbaut; rhetorisch endlich und an die Decla- 
mationen der Schule erinnernd das Streiten mit den Schatten 
der Vergangenheit, die Entfernung von der Gegenwart und 
ihren lebendigen Menschen'). 

Was bei Juvenal Yom Dialoge noch Qbrig ist, macht den 
Eindruck einer yerfallenden Antiquität Erfreulicher tritt er 



1) Soost kann die LAideoicliall den Dialeg befittrdeni (I 8. B4 f.). An- 
ders liegt die Sache bei Juvenal, der es mit Graden menschlicher Schlech- 
tigkeit zu thun hatte über die eine Diskussion eigentlich unmüglich wnr. 

2) Für di»'s« Annahme sind meines Krachtens entscheidend sat. XIII 
4 SO IT , \\ o er sich -msdrücklich jede philosophische Bildung, die kyoi&ch- 
sloisf he wie die epikureische, abspricht. Bestütigl wird dieses Gestttnd- 
iiiss durcti vs. i 84 f. Denn wer so wie hier geschieht Chrysipp Thaies 
und SokrateenflamiDeiisteUtf der seigt, dass er sie eben nur als populäre 
Typen der Weialielt, des Sehsrftimis nad der Tagend kannte. 

S) Daher liefm die Satiren Javeaals so gut wie keine Beitrüge rur 
Biographie des Dichters, an denen die Dialoge und Horas and Lucils 
Satiren so reich waren (Ul»er Persius s. o. S. 85). 



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64 



Tl. Der Dialog in dar Kaiserzeil. 



uns in einem gleichzeitigen Werke entgegen, für dessen Ver- 
Pkm. fasser man den üistonker Florus hält. »Ist Virgil Redner 
oder Di<dLler?c lautete die Frage, die dieser Dialog erörterte, 
von dem uns nur ein Bruchstück, die Einleitung, erhalten 
ist Man kann dieBen Dialog eine Fortaetoung des TaciteisGlien 
?or*«ctrnrr ^08 nennen. Die von Tadtus erQrterte Frage nacli dem VerfaSIt- 
^'njdagh" niss yon Dichtkunst und Beredsamkeit, die oo'pipioic der 
beiden Künste, mochte noch immer das Thema unsShliger 
Gesprüche sein. Hierdurch konnte sich Floms veranlasst finden, 
sie auf seine Weise noch einmal dialogisch su behandeln. 
Und auch bei ihm verbindet sich hiermit die Gegenttber» 
Stellung eines beschaulichen, dem Dienste der Musen gewid- 
meten und eines mehr praktischen, auf äussere Erfuige 

4) Zuerst verOlTenttlcfat von Rit«^ in Rhein. Mos. N. F. I (48M)-i 
Opaic. S, 1%9 ff. Die Bedeaken, die derselbe gegea den ttherileferten Titel 

•Yirgilius orator an poeta« erhebt (Opuftc S. 740), verstehe ich nicht 
rocht. Er scheint daran Anstoss zu nehmen, dass ein Gespräch, in dem 
der Verfasser selber redend auftritt, im Titel den Namen einer andern 
Person, hier des Virgil, führt. AImt dasselbe geschieht doch auch in 
cicerunischen Dialogen, im HoileiiMus. Catulus und Lucullus. Freilich 
gibt Ritsehl selber zu, der uberlieferte Titel liabe iu dem Zusammen- 
hange eines grosseren 6anzeD| in dem das Bmchatflek stand, sdne Recht» 
fertigiing finden kOnnen; aber efo solcher Zusammenhang, bemeritt er 
gerade, lasse sich gar nicht ahnen. Vielleicht erledigt sieh dies Beden- 
ken durch sptttere Bemerkungen. Dann wird ninn auch der aus ver- 
schiedenen Gründen sehr gewagten, obgleich von Rilschl S. 7i0 f. em- 
pfohlenen, Vermuthung Schopens entbehren können, dass da> Uruchstück 
einer prosais(hen Vorrede zur Gedichtsammlung des Florus angehöre. 
Eine Moditicutiua dieser Vermuthung stellt wohl die Meinung Uaims dar, 
der iu der praefatio seiner Ausgabe S. XIX das Bruchstück als eloe 
apraefotio dedamatoria« beseichnet. — Da vom Titel die Rede war, so 
sei gleich noch bemerkt, dass wemi in der dentschen Ueberseinmg von 
Comparettis Virgilio nee medio evo S. SB dieser Titel lautet »ob Virgil 
mehr Redner als Dichter« dies nicht genau dem Wortlaut entspricht 
Die Versuchung, die Worte so wiedeizugeben, ist schon nus sachlichen 
Gründen sehr }:ross und für dieselbe Fassung: scheint auch Macrobius 
Saturn. V 4 Anfg. zu spreclien, wo behauptet wird »N er^iliuni non mi- 
nus oratorcmj quam poi^tam habendum« (vgl Aristot. Toet. i p. 1U7t> 19: 
5tA tiv pi« icoitjrjjv Uxatov «aX<Iv, hä fuetoX^^ov {jiSXXev 1^ i:ot7;'r^>«]. 
Ohne Weiteres braucht man sie deshalb nicht aninnebmen: denn in 
einem Dialog konnten sich die Ansichten leicht suspitien, so dass der 
gewOimllefaen Meinung, Virgil sei ein Dichter, die Behauptung gagen* 
ttbertrat, er sei vielmehr ein Redner. 



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Flora». 



65 



gerichteten Lebens. Ja diese Gegenüberstellung wird bei 
ihm noch dadurch verschärft, dass der Otgeosatz zwischen 
der Provinzial- um] der Weltstadt, zwischen Tarraco und 
Rom, hinzutritt^). Niehl minder ist eine Steigerung auch 
in der Lösung des Streites zwischen den beiden Schwester- 
künsten zu beobachten. Während bei Xacitus der Vorzug 
der Dichtkunst Ober die Redekunst nur fQr eine Zeit 
gilt, im Ganzen der Geschichte dagegen betrachtet beide 
als gleichberechtigt neben einander erscheinen, waren bei 
Florus die Dichtkunst nnd ihr vornehmster Repräsentant, 
Virgil, allem Anschein nadi auf dem besten Wege die Rede^ 
kunst SU absorbiren. INe INchtkunst bat sich auf einen Gipfel 
erhoben oder strebte ihm doch xu, wie ihn die Redekunst in 
Gceros'), die Philosophie in Piatons Augen einnahm; sie soll 
die universale Kunst sein, die alle andern in sich befasst. 
Der Austrag des Streites ist ein ihnlicher wie im Phaidros: 
wie dort der ideale Philosof^ Sokrates cum idealen Bhetor 
wird und auf diese Weise den Sieg der Philosophie Uber die 
Rhetorik verkündet, so darf man vennuthen, dass in Florus* 
Dialog der Dichter Virgil zur Palrae des Rcduers griff — 
derselbe Virgil, der bei Tacitus noch als der rechte Typus 
eines Dichters den Rednern gegenübergestellt wurde. 



4) Wie Ritsehl und Httbner nachgewiefleik haben, ist es Tarraco wo 
Flonts xur Zeit des Gespräches lebt und mit dem RKUlier nuammeatriffl, 

welcher letztere vi tiichtlich von der »provincialis latebra« spricht aod 
statt dessen ihm die Herrlichkeit des kai»erlicbeo Roms anpreist. 

5) Ihm seblossen sich hierin noch Tacitus und QuintUian an. 

3) c. i 2, 88. c. 4 3, 3 ff. Das Gesagte beruht auf Schlüssen, die aus dem 
Titel dos Diiilo^H in Verbindung mit einem Blick auf die Schicksale Virgils 
im Alterthum j^czogrn sind. Dir Aoltcren, wie Sonera der Vater (Controv. III 
S. 631 Bu. und Mclissus Siu-ton i ed. Ueiffersclieid S. 58) wu^slcn noch, 
dass Virgil zwar ein grosser Dicht*?r. aber ein schlechter Redner gewesen 
sei, und fimden dies ganz begreiflich, da ein Mann nicht alles zugleich sein 
könne. Auch von Tacitus wird, wie im Text erwähnt, der Dichter 
Virf^ als soldier von den Rednern streng geschieden. Doch ist bei ihm 
das Blättchen bereits im Wenden. Denn in demselben Dinlogus c. iS,iS 
wird doch auch dt r Nutzen betont, den der Rfdner aus der Lektüre von 
Dichtern, wif Virgil ziehen könne. Die letztere Meinung ist auch di»* 
Ouintilians Ja wenn wir sehen, wie dieser den Homer nicht bloss als 
Dichter, sondern auch als Kvduer in den Hiiniutd erhebt (XI, 46 ff. vgl. 
Hirs«!, Diitiof. II. S 



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66 



VI. Der Dialog lo der Kaiseneit. 



BoMMiie* Anfang und Scenerie des Dialogs haben ebenlalla ihr 
EigentkOmliches. Die griechischen Dialoge hatten Ifingst die 
Mauern Athens, die Cremen Attikas verlassen , schon unter 

PlatoQ waren sie bis nach Kreta gewandert; auch die latei- 
nischen hatten sieb nicht lange auf die Umgebung der Sieben- 
hügelstadt eingeschränkt. Giceros unvollendeter nalurpljiio- 
sophischer Dialog führt uns wieder nach dem hellenischen 
Osten, nach Ephesos, zurück. Mit Florus aber dringt der 
Dialog zum ersten Mal in den fernen Westen des römischen 
Reiches vor, in Gegenden, deren Gultur und Geistesart gerade 
damals auch auf das italische Wesen mächtig einwirkte. 
Erfüllt der Dialog nicht auch hier seine Aufgabe und spiegelt 
die Zeiten? Denn auch dort im Westen werden unsere 
Gedanken auf Rom snrttckgelenkt als die einxlge alles be- 
herrschende Stadt (S. 406, 4 ed. Halm. 406^24 u. «.). Wir 
befinden uns in der spanischen Stadt Tarraco, in den an- 
F«fioMii. muthigen Anlagen eines Tempels*). Florus geht darin tu 
seiner Erholung spazieren, als er auf einige Fremde trtflH, 
die auf der Heimfahrt von Rom nach Hispania Baetica durch 
einen ungünstigen Wmd an jene Küste verjschlageü worden. 
Einer von diesen kummt auf ihn zu und erneuert eine alte 



lurh Cicero Brutus 40), und dänii weiter bemerken, dass nach seiner 
Ansicht keiner unter allen Dichtern, lateinischen Tiiui griecliiscben, dem 
Homer so nahe steht, als Virgil (VI, 8r> f.*. so nhm'ii wir hier schon cin^ 
Anffn<i<!ung des Dichters, wie sie Ti. Claudius Donatus \ ort ritt, dt>«s>Mi 
Cumiuentar zur Aeueis, nach seiner eigeaeu Ei kUi ung im Vorwort, dazu 
anleiten soll, im Dichter Yii^U den »rhetor äummus<i zu erkennen. Im 
Wesentlicheo die gleiche Auffassung kehrt dano bei Macrobius wieder. 
Der Zug der Zeiten ging also schon seit Tadtus dahin den Virgil zam 
Redner tu. stempeln; und svar folgen ihm hierin gerade die Verehrer 
des Dichters. Wenn daher Florus in seinem Dialog an die Frage rührte, 
ob Virgil ein Redner sei, so wird er sie bejahend beantwortet haben. 
Man müfsstp Ilm (?r«nn für nine - Verpiürtmastix« halten Dazu dürften 
sich aber die k uifii fnlsi hliesscii, die ihn mit dem Historiker identifirt- 
ren, dessen Werk tiuij^st beobachtete Reminiscenzen an den Dichter enl- 
hiill. Auch im Dialog hat solche Anklünge an Virgil Eussener, Blatter f. 
bayr. Gymnas. 24, 80 gefunden; dessen Abhandlung ist mir aber hier 
nicht zugttnglich, da der betreffende Band der Zeitschrift auf der hiesigen 
DniversitStsbibliothek natttriicb fehlt 

4) Das früheste Beispiel eines Tempetdialogs hatte Varro gegeben 
I. S. S58. 



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Flora«. 



67 



Bekanntschaft. Ausser dass er ein sehr gelehrter Mann (lit- 
leria perenidittts) heisst, erfahren wir sonst nidits über ihn, 
nioht einmal seinen Namen. Seine Persönlichkeit bleibt in 
ihniidbem Bankel wie die des eleatischen Fremdlings in 
Piatons Sophist nnd Politikos. Und auch die Rolle, die ihm 
im Dialog angewiesen war, scheint eine Ähnliche gewesen su 
sein. Wie jener den Begriff des Sophisten nnd Staatsmanns 
definirt, so mag Florus' Ungenannter das Wesen des Dichters 
und ivedners definirt haben. Jedenfalls wini m;ui kaaui uiu- 
hin können, ihm die Hauptrolle im Dialog zu geben: denn 
was sollte sonst das i»vir, ut postea adparuit, litteris pere- 
niditiisrf des Eingangs, das doch ebenso wie das [li^t zO/j- 
aocpo; zu Anfang des platonischen Sophistes das später zur 
Geltung kommende geistige Uebergewicht ankündigt? Und 
swar vertrat aller Wahrscheinlichkeit nach der Ungenannte die 
Meinung, dass Virgil ein Redner sei, wfihrend andererseits 
Floms in seiner Eigenschaft als Dichter gani natflrlich ihn 
für die Poeten in Anspruch nahm'). 

Aber wie kam das GesprSeh Oberhaupt auf Virgil ? inh&it ud 
An der Beantwortung dieser Frage braucht man weder lu ^^^iftfoga. 
Tersweifeln^) noch sind gewagte Sprünge nOthig, um su 
ihr zu gelangen. Nachdem die erste Begrüssung zwischen 
dem Ungenannten und Florus vorül)er ist. kommt die Rede 
auf des letzteren dcruialige Bescliiifiigunt;. Kr erzählt, dass 
er Knaben Unterricht ertheile, sich hierdurch tranz befriedigt 
fühle, und ist eben dabei dies näher auszuführen 3) als 



1) Der Ungenannte hatte din Hauptrolle. Die Hauptperson eines 
Dialogs pflegt aber die zu sein , deren Ansicht schliesslich der Haupt- 
gedanke des Ganzen wird. Der Hauptgcdanlce war aber in diesem Fall 
(o. S. 65;, dass Wv^W ein Kediu r m i So wird ihn also wohl der L ngenannte 
ausgesprochen und vertreten hüben. Dies wird dadurch noch mehr 
wahncheinlicb, weil das Hervorhebeo des Dichters in Virgil naturgemifls 
einem Dichter nfiei, also Floraa der sur Zeit des Gesprficbs sich aar 
als Dicbter einen Namen gemacht hatte (5. 406, SS Halm). 

t) Wie RitSCbl Opasc. Hl 740, der »Virgillos« als Titel des Dialogs 
oar für den Fall ^lelteD lassen will, dass »nnser Bruchstück in einem 
gar nicht za ahnenden Zusammenhange eines grosseren Ganzen gestan- 
den habe«. 

3 S. 109 Halm: qiiap«5n enim. propius mtuere ulruni praeclarius 
Sil Sttgulatis au praetexlalis tuperarcr etc. elc, 

6* 



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68 



VI. Dftr Dialog in der Kaiseneit. 



imser Fragment abbricht Nun stand aber Virgil im Mittel 

punkt des römischen Jugendunterrichts jener Zeit. Wer 
daher über diesen sprach, und vollends, wenn es ein 
Dichter wiu Florus war, musste fast mit >ioth\\ eadi^keil zur 
Erwähnung des Dichters geführt werden. Und zwar kunute 
dies nach der Art wie Floriis einmal zu reden begonnen, 
von ihm kaum in anderer VV^eise geschehen, als dass er seine 
Freude äusserte , so in aller Hube und Müsse gerade diesen 
Dichter den Knaben erklären zu können. Hiermit war der 
Keim des Widerspruchs und damit der dialogischen Ver- und 
EntWickelung gelegt. Denn dass man im ersten Jugendunter- 
richt nicht bis sum vollen und wahren Verständnis Virgils 
durcbcudringen vermOge, spricht schon Quintilian aus (I 8, 5) 
and stand mit dieser Meinimg in seiner Zelt gewiss nidit 
allein. Wir dürfen die gleiche Ansicht audi dem Ungenannten 
sutrauen und das um so mehr, als sie der Rolle entspricht, 
die dieser bereils in dem erhaltenen Bruchstack lu spielen 
begonnen hat. Wfihrend Florus von seiner gegenwärtigen 
Thfitigkeit äusserst befriedigt ist, spricht sidi der Ungenannte 
entrostet darüber aus. rem indignissimama ruft er (S. 408» 
49 H) net quam aequo fers istud animo, sedere in scholis et 
puoris praecipereVa Dem entspricht es nun vollkommen, 
dass ihm auch die Yirgilerklär uag, wie sie bei dieser Art des 
Unterrichts geübt wird, nicht genügt: »gerade in diesem 
Punkte, auf den Du besonderen Werth legst ', mag er gesagt 
haben, )>zeigt sich erst recht das Unwürdige der ganzen Sache: 
denn eine VirgilerklSrung für Knaben kann nicht anders als 
höchst oberflächlich ausfallen«. »Wie so«, frug Florus. »Weil 
nur der den Virgil vollkommen versteht, der in ihm den 
grossen Redner zu sehen und zu schätzen vermag«^). Das 
war eine Antwort, wie sie den Dialog über die Frage »Vir- 
giiius orator an poetai in Fluss bringen konnte. 

Bei dieser Ansicht Ober Inhalt und Gang des Dialogs 

1) Mit deraelben Verachtung wie der Üngenaniite sich tlber die 
»professio littiTaruiii« «uSSpriidit, ttussert sich über die Grammatiker 

Claudius Donatus im Vorwort seinen rhetorischen Vir^'il-Komnienlars : 
'niliii njagi>lros discipulo confcrit' <|UuJ >apint" S. afi.'iA Basel 1575] 
und u Vergiiium nou grammaticos .sed uralores praecipuos iradere de- 
buisse« (S. 366 C). 



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FloruB. 



69 



bleibt nur ein Bedenken: dafls nSmlich der Yerfaflser desFiomaii 
Dialogs selber ein Dichter iat und gerade die dichterisclie 
Anfftsanng VirgOs im Gesprfieh sn kurs kommen würde. 
Indessen, wer sagt nns denn, dass Floras, der allerdings zar 
Zeit des ersAblten Gespricbs ein Dichter and nur als solcher 
bekannt war, dies aach zeitlebens so geblieben ist Florus 
war, wie wir ihm nadirechnen können, damals noch ein sehr 
jnnger Hann'). Warum soll er nicht seinen Beruf noch ein- 
mal gewechselt haben? Dann war er zur Zeit^ da er (^cn 
Dialog schrieb, nicht mehr oder doch nicht mehr ausschliess- 
lich Dichter, sondern Rhetor und konnte, so wie es der Fremde 
wünschte, den Virgil rhetorisch erklären. Schon einmal ist 
die Vermuthung geäussert worden^), dass Florus im Verfolg 
des Gesprächs mit dem Bätiker von s( incr Abneigung gegen 
Rom allmShlig 7 n nick gekommen und durch geschmeichelten 
Ehrgeiz wie durch den neuen Glanz des Reiches unter Tra- 
jans Scepter zu dem Entschluss gelockt sein könnte, seine 
provinziale Abgeschiedenheit aufzugeben und in die ewige 
Stadt zurückzukehren^). So gut wie in diesem kann Florus 
auch in dem anderen Stücke dem BStiker nachgegeben und, 
statt wie bisher Knaben zu lehren, von nun an rhetorischen 
UnteiTicht an junge Leute reiferen Alters ertheflt haben. 
Nehmen wir weiter an, was keine Schwierigkeit hat, am 
wenigsten bei einem Dichter wie Florus, dass er seinen rhe* 
torischen YortrSgen und Uebungen den Virgil zu Grunde legte % 
so ISsst sich der Dialog als eine Art Programm dieser neuen 
Wirksamkeit fassen. 



4) Als er von Rom fortgiog, war er noch »puer« (S. 106, u H.). 
In dw Bnlfhlnng seiner Relseii (S. 407, 4S ff.) ist nirgends ein Ort be- 
zeichnet) an dem er sich linger au^ehalten Utle: sie icttnneii daher 
btfdittens rwei bis drei Jahre in Ansprach genommen haben. Hierzu 

kommen die Tiinf .Tahm (S. 408, 24), die er schon in Tarrat 0 ziitrohracht 
hat. Dass der Fronide mit einem jungen Mann zu thun zu hohen glaubt, 
scheint auch dio Vm^o nn^ndt^uten (S. 108, 46): »unde subvenit redltus? 
an pater ab Africa subministrat?« 

5) Von Ritsehl Opusc. III S. 739. 

S) Die Sehnsncht zog ihn noch immer gewaltig dorthin, wie S. 407,1 ff. 
zeigt Durch Zureden von anderer Seite Itonnte darans leicht ein fester 
Bnlsebhass werden. 

t) Clandins Donatas in dem Vorwort seines rhetorischen Kommen- 



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70 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



•la Hiitoriker. Dtirfte^n wir nlino Weit n > diu Identität des Historikers 
Florus mit dem DialogenscLrciber voraussetzen'), so wären 
wir alles Yermuthens überhoben. So unverkdimbar prägt 
sich in der £pitoma der Bhetor aus. Und swar gjU dies 
nicht nur vom einseinen Ausdruck, sondern, was uns hier 
noch mehr angeht, von der Behandlung des Ganzen: als 
wenn er es an Virgil gelernt hltte, so hat er den Er- 
sfihlungsstoff der riSmischen Geschichte so einer Lobrede 
auf Born geformt^) gerade wie rhetorische ErkUrer der 
Aeneide aus dieser eine Vertheidigungsrede für Aeneas con- 
struirten ( Ti. Claudius Donatus). Dass aber ein Historiker mit 
Dialogen vor dem Lesepublikiim debulirt, haben wir sclion 
früher bei Livius (S. 24 f.) und racitus (S. 58 f.! Vu uli;h lit,-t. 
Sttmamig der Lieht und Glanz strahlte noch einmal über das römische 
Beich aus, der alte Riese regte seine Glieder wie in zweiter 
.1 Ulkend. Das ist das Thema, das den Historiker wie den 
Dialogenschreiber Florus erfüllt, das ihnen mit Tacitus gemein 
ist und das auch bei Juvenal durchblickt. Ihnen allen waren 
nach den dOstom Domitian'schen Zeiten die Augen wie ge- 
blendet. Enthusiastisch gaben sie ihrer Freude Ausdruck. 
Und doch geh&rten sie mit ihrem Glauben an die Herrlichkeit 
und E^^ igkeit des rSmischen Volkes, mit ihrer kraftvollen, aber 
einseitig rhetorischen Manier, nur der Vergangenheit an. Sie 
hörten das Sausen des Windes wohl, aber sie merkton nidit, 

tars zur Aeneis sagt xu seinem Sohn: idem (Virgil) tibi artem pienissi- 

mam dicendi domon^traliit. 

4) Ich weiss nicht, ob es eine neue Henn rkung ist, durch welche die 
Lösung der vif'lvf rhandeUcn FrnL'«" cfffinicrt wcrdon k;Min, dass der «For- 
tuna", die lo der Epitotna ciue so grosse Rollo >piflt, auch im Dialoi; 
eine mehr al« gewöhnliche Bedeutung zuerkannt zu werden x hciiit 
5. 107,5 fruenlur diu quibus Fortuna pcrmitUt uud S. 408, 36 si ergo 
non Caesar sed Fortaoa hoc genus slationis iniooili — Ist Üemer tkshi 
auch beim Historiker eine gewisse Neigung zu landsdiafilicher Scbilde- 
mng XU bemerkea (1 16, a f. 48, S f. II S, 84. 46, 4. 48, 4 IV t, 7«), di« 
bei dem vielgereisten Dialogenschreiber ganz iMgreiflicb ist? 

2) Der ebronologische Faden oder der pragmatische Zusammenbang 
pcniif^on ihm nicht: vielmehr brinul er Alles nHijjlichsl unter rhetorische 
Srhemrita; hierhin peliorl die Disposition nach den Lebensaltern l prooptn. 
18. ii. Ii i,4.t9, ti. III 12.1. die Scheidung der Kneife pro liborlate 
u. s. w. I 9, 6. 11, 5. ü 1. i. in bella mpia und pia 11 ly, 5. die Auf- 
Zählung der vcrscbiedcnen causae discordiarum I 23, 1. S4, 1. iö. i6, 1. 



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Trajan. Griechen- und Rttroeriham iqi Kampt 



71 



woher er kam, noch wohin er ging. Die neue Zeil brach 
anders an, als sie ahnten und wünschten, und gerade der, 
den sie priesen, Trajan, half mit dieselbe herauflühren. Aber Weitbärger- 
weder brachte er ihnen ein verjOngtes ROmerthum, noch kam ^'^•ur 
er ihren anliphilosophischen Neigungen entgegen. In dem 
weltbürgerlichen Sinne, in dem er aU erster Ausländer ver- 
wandtsofaaflltehen Ansprachen sum Trots auf den Thron der 
Casaren berufen worden war (Gassius Die 68, 4, 1), regierte 
er nun auch. Husste er schon hierdurch, da jedes Welt- 
bUrgerthum, es mag heucheln wie es will, einen nationalen 
Anstrich hat, das damalige also natürlich griechische Farbe 
trug, sich zu den Griechen hingezogen lühlen'), so wurde 
diese Anziehungskraft dadurch noch verstärkt, dass er auch 
sein politisches lüt .il der griechischen Geschichte entnahm Alaud«r- 
und sich durch Alexanders des Grossen Vorbild leiten liess, 
ein Vorbild, das ihn bis nach Asien tunein und so schliess- 
lich in den Tod lockte 2). 

Mit dem Kaiser zugleich lenkten sich die Blicke Un- BSmar und 
lähUger denselben Zielen lu und stfirker als bisher strömten 
in Folge davon die griechischen Elemente ein, alle Schichten 
der Bevölkerung durchdringend. Rom bt eine griechische 
Stadt) klagte ingrimmig der AltrOmer Juvenal. Er so wenig 
als andere Gleichdenkende waren gemeint, den Fremden 
ohne Weiteres Plati su machen. Nicht umsonst hatte nament- 
lich Cicero den Rdmerstolz seiner Landsleut« genährt. Hatte 
dieser früher, wie beim alten Cato, sich laeijr in der Ab- 
wehr des Fremden gezeigt, so trat an deren Stelle nun 
das Gefühl der lleberlegenheit. l'ulitiNch fühlten sie sich zur 
Weltherrschaft geboren, zur Herrscbai't auch über die Griechen 
und sprachen dies uugescheut aus^), während die Zeitr- 



4 ) Insofern wer es ominös, dass die Kribe, die von der Spitze des 
Kapitels herab den Romeni das Kommen einer neuen glttcklichen Regie- 
rong verkttndete, dies, wie ausdrü<^ch hervorgehoben wird (Victor 
Epit. 13}, gerade mit griechischeo Worten (Atticis sermonibns) that: 
«oXrä; h-'ii. — (I>i>i>.XT]v zu sein wird für eine Pflicht derKaiaer erklSrt 
vom Rhetor Ai i^Udes or. 9. p. 6f .lebb. 

i) NacJi ('\r>'ro Hrutu<? 2hi w.no schon der junge P. Crassus durch 
Alexanders Bild ms Vcrdcrbeu j^elückl worden. 

äj Cicero Phil. Vi i9. vgl. auch YUI 12: maiores quidem noütri, 



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72 



VI. Der Dialog ia der Kaiaenelt. 



genossen des Flamininiui eine Ehre darein gesellt hatten, als 
deren Befireier su gelten. Anch geistig dttnkten sie sieh Ihnen 
Oberlegen: an Talent Übertrafen sie nach der Meinang ihres 

Wortfllhrers alle anderen Menschen ') ; entweder , sagt der- 
selbe'-'), sind wir von vorn herein im Erfinden viel klQger 
gewesen als die Griechen oder, wenn wir etwas von ihnen 
übernommen hatten, so haben wir es doch noch verbessert; 
Lucrez, wenn er das Latein mit dem r.rit chischen verglich, 
halte noch ül)er die Armuth seiner Muttersprache geklagt. 
Cicero preist umgekehrt den Heichlhum derselben, durch den 
sie das Griechische tlbertrifil^). So fehlte es keineswegs an 
r5mischem Hochmuth, der mit dem neu erwachenden grie> 
chischen DOnkel der Trajan'achen Zeit in die Schranken treten 
konnte. Wieder erhob sich das Volk der Literaten und KOnstler 
an Alezanders des Grossen Gestalt, man mSchte sagen, sogar 
SU polltischen Mtensionen (J. Burckhardt N. Schweiz. Mus. I 
S. 14$, H. Haapt im Philot. 43 , 397 f.), heller strahlte das 
Bild des HeldeiyflngUngs , als su der Zelt, da In dem Wett- 
kampf, den der Historiker der Republik auflFÜhrte (Livius IX \ 7), 
es vor riuaisclier liiirgertugend und KraJl in Scliatten ge- 
drängt wurde Wieder stritt man über die Vorzüge der 



nnn modo ut liberi essent, sed etiam ut imperarent, armn capiebaat. Wie 
hoch der Dünkel sti»^^'. Ifbren Pliniu«? Worte nal. Iiist. .16. 4(8). wo das 
rötnisrhe Volk heilst »deoruin quaedani iriimortalium gen»'ri htimant^ 
porlio«. Vpl dons. 37, 804. Die Rollen waren vertauscht: Aristoteles 
hatte geglaubt, daü.H die Griechen von Natur berufen seien ul>er die 
Barbaren lu herrschen. 

I) Cicero de erat. I IS. 

t) Cicero Taacnl. I I. IV 6. 

.S) De flo. I 10. Taac II 86 de orat. m 95. 

4) Wihrend dio Römer nach Plutarch (de fort. Rom.) geworden sind 
was sie geworden sind im Bunde mit dem Schicksal (vgl. H. Valestus 
Emendatt. 77'. li;it Alexander narh demselben (de fort. Alex. bes. 11 10 
p. 34» K st iae Erfolge lediglich der Tugend zu danken, die das ihm meist 
widerwärtige Schicksal erst überwinden mus.sle. Wem nach Plutarch 
der Vorzug gebührte, kann hiernach kein Zweifel sein. Am deutlichi>tea 
spricht aber Plutarch wohl Kum Scblusa der Bömenede, wo er den 
atarketen Beweis der dinem Volke su Theil gewordenea Gunst des Glücks 
darin sieht, daas Aleiander durch ftüheo Tod gebindert wurde es su be- 
kriegen. Man sieht hieraus, dass Plutarch für sich die Frage, wer in diesen 
Kampfe Sieger gehliebea wttre, anders entschieden hatte als Uvius. Ihm 



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Tn^jan. Griechen- und ntfniflrihufii Im Kampf. 



73 



Sprache <); aber jetzt muss selbst ein Römer wie Geliius der 
griechisohea den Vorrang sngestehen Auch kriegerische 
üebungen werden unter Leitung griechischer Lehrer (Graeculus 
magister PUn. Paneg. c. 4 3) angestellt. Ueberall wogt der Kampf: 
sogftr bis in die TrSume hinein >). 

Ton grieohisoher Seite fttbrten ihn wohl am erfolg* IM« FUlo- 
reichsten die Philosophen. M il der Mirtyreikrone geschmUckt, 
betraten sie um so siegesgewisser den Kampf)|>lats, und Omen 
gegenttber seigte sieh vollends die Leutseligkeit und Müde 
des neuen Kaisers. Mii Dien, der su den unter Domitian Yer^ 
bannten gehörte, unterhielt er den Tertrautesten Verkehr^). 
Und Dion wird nicht der Einzige gewesen sein: Trajan hatte 
eine Verehrung für die gri«H?hischo Philosophie und Wissen- 
schaft^], die gerade durch das Mangelhafte seiner Bildung") 



gilt Aleiander als der grOsBte Muin, dar je gelebt hat [de fort Alex. 11 s 
p. MUF); da hat die Soone nicht geschienen, wo er nicht hingekommen 
ist (de fort. AI. I 8 p. :^30K\ (Auch Plutarcbs Bruder Timon macht de 
<?cra nnm. vind 12 p. ST^l B n\K ■seiner Vorliebe für Aloxnndor kein Hohl). 
Schouto man ptwns Phantasio und Lüge nicht, so war die weitere Kon- 
sequenz was wir bei Pseudo-Callistbenes I 28 lenen. da<?s auch die Römer 
sich Alexanders Herrschaft unterworfen und ibit als ihren und der ganzen 
Erde KOnlg anerkamit hätten (▼gl. Milller Scriptt rar. Alex. Introd. 
p. XXV b). 

1) Fronte und Favorlnna bei Gellins II 99. Dies darf aus der 
Hadrianscben Zeit antidplrt und snr Charakteristik der Epoche Trojans 
benutzt werden. 

2) Gellius XII ! fin. 

3' Ich denke hierbei an den Traum und s<!inc Auslccnnp hei Ar- 
temidor Onirocr. IV c. 33 (S. 223, <4 Herch.): Ictoctv Uipö; Xe^^tv -vA 

4) Gerade Tngans Zeit in einem besonderen Gesohlchtswerk zn be- 
handeln, konnte der Historiker Cassius Dio doch bestiniint werden durch 
die Rücksicht auf dio Freundschaft, die zwischen seinem Vorfahren Dion 

Chrysostomnf? und dem Kaiser bestand. Doch hnt es nach H. Haupt im 
Philol. 43 S. s, 395 ff. mehr Wahrscheinlichkeit für sich, dass eben Dion 
Chrysostomos und nicht sein Nachkomme der Verfasser der Biographie 
Trajans war. 

9) AtiidUtl; Tf|V 'j^tt-zipm (er redet die griechischen Götter an) Ifjvm 
9iXo«e(p(«M nennt Trtjan steh selber bei Julian Caesar, p. SSBB. VgL 
Piin. Paneg c. 48. 

•) Castius Dio <8, 7, 4: imMk ^ -(df dhtpt^eS«, <ei) Ufottt ^ 



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74 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



— man denkt an Peter den Grossen — nur gesteigert vverdeü 
konnte. Die Philosophen versaunUen es nichti den Wind, der 
ihnen so günstig wehte, zu benutzen. 
Tnjaauid Der erste Ausländer auf dem Throne der CSsaren mochte 
AliiiBder. ^-^^ wohl mit dem Makedonier Alexander vergleichen, der 
die Führung der Griechen übernommen hatte. Wie dieser, 
so hat auch er auf den Kriegsfeldem des Nordens seine ersten 
Lorbeern gepflückt. Der Krieg gegen die Parther ^ der Zug 
in den Orient, Bellte der Abschluss sein und das Bild des 
neuen Alexanders voUeoden^J. Alexander war für ihn, was 
fttr den makedonischen KOnig Achill. Dem Besnche und 
Opfer in Ilion trat sur Seite der Aufenthalt Trajans in Babylon 
und das Opfer, das er dort Alexander In dessen Sterbesinuner 
brachte (Gassios Dio 68, 30, 1). Wie aus andern GrOnden 
Alexander den Achill (Plutarch Leben AI. c 45], so pries 
Trajan nicht ohne Neid Alexander glücklich, dessen Jugend 
ihm vergönnt hatte bis nach Indien zu kommen 2). Sein Ehr- 
geiz war. es Alexander nicht bloss gleich zu thun, sondern 
\M> iiiüglich iiiii noch zu übertreüen. In einem Schreiben an 
den Senat rühmte er sich dessen sogar , dass er weiter vor- 
gedrungen sei als Alexander (Gassius Dio 68, 29, l)') und 
drückte damit gewissermaassen der Alexander-Politik das 
nfficieiie Siegel auf ' . Während Römer wie Pünius den Kaiser 
auf die leuchtenden Grössen Aitroms, GamiUus Fabridus die 



{UTio^cv, TOf£ (xijV ?p"]fOv aurf^i xat f^riorato xai izoiex. Hiuria liegl es, 
dass er an Schönrednerei und Rhetorik nicht die Frettde hatte wie Badiian 
sondern bei seinen Pfailoaophen mehr den moralischen Gewinn sacht«. 

1) Cassins Dio 6S,I7, 4 sagt ausdrttcUicb, dass nidit gerade poU- 
tisehe Motive ihn in diesen Krieg leiteten, sondern imdu^ia, 

3] Cassins Diu 68, ^9, 1. Vgl. Julian Caesar, p. 887 BL 

Atirli hii'ibci durfte er sich auf AlexandtTS eigenes Beispi<'I be- 
rufen, der auch nicht gewillt \v;>r seinoin Ideal bloss sehnsüchtig: nach- 
zublicken, sondern danach strebte es zu ubcrlreffen. Weuigstcu.s war 
dies die Meinung der Zeitgenossen iiujaus, wie man aus Dio Chrys. or. 
n S. «, 4S ff. Dindf. sieht 

i) Dies iiann daran erinnern, dass schon Aognstos mit dem Bilde 
Alexanders an siegeln pflegte (Plin. nat liist. 37, 40 vgl auch Plntarah 
Praec. pol. IS}. Unter Tiberius scheint dies anders geworden zu sein, 
W(>nn man aus den ungünstigen Lirlheilen über Alexander hei Valerias 
Maiimus (iX 8 iüLt. 4 S Ext. 1) schUessen darL 



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Tnuan. Alexander-Ideal. 



75 



Scipiuuen , himviesen , so haben dagocen die Griechischen 
Literaten ihn wenn nicht auf das Alexander-Ideal geftthiiy so 
doch das ihrige gethan, um ihn dabei festzuhalten. 

Am deutlichsten zeigt sich dies bei Dion Ghrysostomos. DionChry. 
Yoo dem kynischeo Standpunkte ans, auf dem dieser philo- '"^^^^ 
sophirende Bhetor stand'] und den er zeitweilig sogar ko- 
m4(dianten]iaft als nener Herakles mit dem Löwenfell (Phok 
bibl. ood. 209 p. 165 A 44) bot Schau trug» konnte er nicht 
geneigt sein, Alexander su idealisiren; vielmehr braehto es 
die UelMrlieferung seiner Schule mit sich, dass er die Flecken 
in dem Bilde des grossen Kdnigs suchte'). In der ersten 



4) WaiK !.', c. iU. 55. 56. .">7. Nirgends» im Panegyricus wird Alexan- 
ders auch nur mit einem Worte gedacht 

9] S. Weber Leipz. Stud. X S. 7S. ff. F. Dilmmler PUIoK SO, 295, 8. 

3) Eine eiogehende firtfrteriing der ürtheile, welche die griecbiscliea 
PhiloBophen, oameDtliQli die Kyniker, ttber Alexander geMt habeo, fehlt 
meiiMS Wissens noch. Sie \\ ürclc nicht nnr zur Geschldito des Kyni»' 
mus einen nützlichen Beitrag liefern, soiK^Tfi iVAch iMm-i» weiteren Ein- 
blick in die Quellen gewähren, aus denen der Alcxaiuim-Homan geflossen 
ist (vgl. auch o. S. 72, 4), der zum Theil wie im Wetlluuf mit der Diogenes- 
Legende herangewachsen zu sein scheint. Den lirgegensatz bilden Dio- 
genes und Alezander. Wie stark man dies im AlterUkwn empfand, lehrt 
die synduronisttsclie ZasammensteUung des Demetrios (Diog. L. VI 79), 
der zu Folge an demselben Tage Aleiander in BaliyloD und Diogenes in 
Korinth gestorhon sein sollten. Begründet war der Gegensatt doreli die 
langst bestehende Rivalität zwischen Königthum und Philosophie, welche 
beide Ix^anspnicht^n , da«; Leben der Menschen zu regieren, und durch 
den I mstand, dass diese Miichtü des Lebens gerade in den beiden Ge- 
uamilen besonders vollendete und charakteristische Vertreter gefunden 
hatten. Diesen von Nutur gegebenen Gegensatz auch äusserlich darzu- 
stellen und sichtlwr ra machen, mocble den ersten Anliss das hIstorlsOhe 
Zusammentreffen beider MMnoer in korinth bieten. Ilm noch m^ zu- 
zuspllsen, diente das anch sonst sichtbare (I 5. 8S4 t) Beslrd>en, 
Gestalt und Leben des Diogenes möglichst nahe an Sokratcs heran, 
ja über ihn hinauszuheben. So sollte nun das VerhiÜtniss zwischen 
Diogenes und Alexander ein Gegenstück werH^n zu dem Nerhallniss, wie 
es sei es nun zwischen Sokr;Ues und Alkibiudes '\^\. Dio Chrys. or. IV; 
oder zwischen Jenem und Archelaos bestand. Besonders das letztere 
mochte die Kyniker anregen, da dar Stifter der Sehlde es Umaa durch 
seinen bekanaten Dialog (I S. 4SS ff.) nahe gebradit hatte. Alesander 
enKdiafnt nun als ein Mensoh, der über seüie Tugenden und Erfolge 
verblendet ist, durch ungemessene Leidenschaft fortgeriasMi wird und 
so au finde sich und Andere ins Unglück sittrzt, kurzum, als die 



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76 



VI. Der Dialog in der KatoeneiL 



seiner Reden findet er sie denn auch^ aber doeh nur, van mit 
einem raschen Bliek darüber hinwegzugleiten (S. 8, 6 ff. INndf.). 
Desto liebw nnd länger verweilt er bei den Tagenden. In 

der vierten Rede erscheinen diese durch die Zurechtweisung, 

die Alexander hier durch Diogenes erhält, noch wie verhüllt, 
aber nur um so liebenswürdiger. Desto glänzender brechen 
sie in der zweiten Rede hervor, in welcher während eines 
Gesprächs mit Philipp Alexander angeregt wird, seine voU- 
koinnion ausgereifte Herrschematur darzulegen, die nur der 
Gelegenheit wartete, um sich auch durch Thaten zu bewähren. 
Wir begreifen hiemach, dass, wer so urtheiite, ein eigenes 
Werk in acht Büchern aOber die Tugenden Alexanders« 



wahre Personifikation des tO^oc; ihm gegenüber steht Dtogenes als das 
Mu*;tpr p?n»*^ arjt^po; . in *1fni ollf's das wirklich ist was an Alexan- 
der nur scheint, der eben dadurch nicht nur für sich selbst des höchsten 
Giückeü geniesst, sondern auch der Wohlthäter Anderer wird. Dass dies 
die oyyxpiaii war, die dem Geist der Kyiüker vorschwebte, zeigen ge- 
legentUehe Aeuaflemngea In den Anekdoten bei IMog. L. YI 41 f. SO. 79, 
in Epilctetes Diatriben und bei Marc Aurel (IX t9). Sie liegt audi dem 
Uftheil eines so besonnenen Anlüngets der kynisch-stoisdien Biehtnng 
zu Grande, wie Arrian war; denn schliesslich weiss er an Alexander 
doch nnr zu rülinien, di<ss er bisweilen das Rcchlo erkannte, wie si< Ii 
dies; namentlich in seiner Bewunderung des Diogenes gezeigt habe; die 
Handlungen aber, fügt er hinzu, entsprachen nicht den Worten. IrM^^z 
Ytip oetvdn ^TcpaxciTO (Anal). Vll i, 4 f.). Vollends zur Caricatur wurde 
das Bild Aleianders, wenn mit dem kyniaeben Mnkel Ml ancb nodi 
rOmiscber Hochmntli verband om die ZOge su venerren. Die Indioes 
SU Senecas Schriften ergeben eine Fluth von Scbimpfworten, die sich 
hier über doi makedonischen König ergiesst «verrttckt, rasend, aufgeblähte 
Bestie« (tumidissimum animal] u. derpl.; ganz vereinzelt und sehr ein- 
geschränkt ist das Lob, das ein Mal seinem Mulhe zu Theil wird di' ir,i 
II 23, 2, Der NefTe ist auch hier das cetrene Echo seines Onkels: vgl. 
PharsaJ. X 20 IT. u. bes. proles vesana l'tiilippi mit vesanus bei Seneca 
de benef. I 13, 3. II 46, 4. Epist 94, 47 vgl. aocb J. Borekbanlt 
Scbwels. Uns* I S. 445. UebriKens batle Aleaiander auch unter dem 
Streit der Schalen su leiden, wie gerade Seneca lehrt: denn mit welcher 
Ironie sagt dieser de ira III 4 7, 4 »Haec Imrbails regibus feritas in ira 
fuit: quos nulla eruditio, nullus literanim cultus inbuerat: dabo tibi ex 
\ rist nteli <; sinn regem Alexandrum, q^i « liiuni carissimum .«»ibi el 
una educatum inier epula«? tran<;fodit manu quideni sua, parum adulnn- 
tem et pigre ex. Macedone ac libero in Persicam servitutem transeun- 
tem«. 



Tngan. Alexander-Ideal. 77 

(Suidas u. li. W.) vt-rt;i.ssle '). Von der geraden Bahn des 
Kynismus wich er damit Ireiiich ab und gibt dies selber iü 
der zweiten Hede nicht undeutlich dadurch zu verstehen, 
dass er Aristoteles das grösste Verdienst um die Ausbil- 
dung Alexanders zuschreibt^). Er that dies nicht als der 
Ente. Vielmehr hatte er hierin seinen Vorgänger schon 
an einem unmittelbaren Schüler des Diogenes und Zeitge- 
nosMQ Alexanders, an Onesikritoa, der nicht bioM nach 
dem Muster der KyropSdie eine AlexandropAdie verfasste, 
eine Lobsobrift auf den makedonischen EOnig wie jene auf 
den persischen, sondern auch sonst in der Dnrdifllhrung der 
kyniscbeo Lehre keineswegs consequent war>). Wie in Onesi- 
krilos der Kyniker dem Hofmann Plate machte, so haben auch 
spSfere Vertreter rigoroser Philosophien, dergleichen Persaios 
und Panaitios waren, im Umgange mit den Mächtigen ihrer 
Zeit die scharfen Kanten der strengen Theorie etwas abge- 
schliffen. Sollte es nicht auch mit Dion eine ähnliche Be- 
wandtniss gehabt haben, der olioedies als halber Rlietor nicht 
in demselben Maasse an ein bestimmtes philosophisches Be- 
kenntniss gebunden war**)? Das Verhalten seiner Zeitgenossen, 
die in gleichen Sphären lebten, mag uns die Antwort geben. 

Vor All* II kommt Plutarch in Betracht, dessen ausführliche piakwroli. 
Heden über Alexander, sein Glück und seine Tugenden, uns 



1 1 Nach H. Haupt im PbiloL 48 & 397 eio ÖeiteastUck zu Mioer 
Biographie Trajau^. 

2) S. 28, 25. 38, 4 4 Uiodf. Natürlich ist dies auch ein Hiawei^ aul 
die peripatetische Quelle, aua der er hier gehüpfte, üeberhaopt ist das Ver- 
liSltotas der tweitea sur vierten Rede gar nicht xu verstehen ohne die An- 
nahme, dasa beidemal venohiedene Quellen henutst worden: denn nur so 
erklärt sich der Widerspruch, der zw lachen beiden besteht, da, wer bereits 
als junger Prinz bei Lebzeiten seines Vaters so fertig und klar über sich 
selbst und seiof* IMlifhlen ist wU^ Alexander in der zweiten Rede, nicht 
später alä» sulhsiandiKer Henschei einer Zurechtweisung bedarf, wie sie 
ihm in der vierten durch Diogenes zu Theil wird. 

3) Vgl. was Arrian Anab. VI 2, 3 von seiner Eitelkeit erzählt: 'OnjoU 
«pKOc, ft« iv T]Q ^u^f paf 1^ /,vTtva bffitp 'AXc^^Bpoi» Itni^P'^^'^ xvQn» k^sü' 
«sm, vafiopxow ionviv clvat fpd^f xaß«pwf)ii)v tfvro. Er stak also noch 
sehr tief in dem von den Kynikern so ai|[ verpönten tS^c und war weiter 
als selbst gewöhnliche Menschen davon entfernt ein drufo; zu sein. 

4] Schon Casaubonus Diatr. S. 4&0 f. (bei fteiske) scheint das Richtige 
geahnt zu haben. 



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78 



VI. Der Dialog in der Kaiseneii. 



noch erhalten sind. Sie sind die Antwort auf die kynisch- 
stoischen Angriffe. So viel auch Dion schon zu Gunsten 
Alezanders eingeräumt hatte, dem Plntarch genügt es bei 
weitem nicht. Jede Spur eines Gegensaties swischen Alexander 
und der Philosophie soll verschwinden. IKe Phflosophie ist 
es vielmehr, die Alexander. fUr seuien Zug gegen die Perser 
ausgerttstet hat (de Alex, fort I 4 p. 327 F), als Philosoph 
bewShrt er sich während desselben (a. a. O. 41 p. 332 Ef.) 
and selgt als solcher tiefere Einsicht als Kyniker und Stoiker 
(a. a. 0. 8 p. 330 A) oder selbst sein Lehrer Aristoteles (6 f. 
p. 329 B ff.). Für die Verbreitung der Philosophie hat er 
mehr und besser gewirkt als Sokrales und Piaton (5 p. MHh f.). 
Weit Uberragt er vollends Kyniker und Stoiker; denn wovon 
diese nur trfiumen, das bat er verwirklicht. Den Idealstaat 
ganz zu realisiren hat ihn nur das Geschick verhindert, das 
ihn vor der Zeit vom Schauplatz seiner Thaten abrief (6 p. 329 A f. 
8 p. 330 D ; dagegen stellt er in seiner Person das kynisch- 
stoische Ideal des Weisen dar (1 1 p. 332 G f.) und erscheint 
als ein iweiter Herakles, der den Kampf der Tugend mit dem 
widrigsten Schicksal siegreich besteht (11 40 p. 344 E) 



Ohne geradewt'gs t^ciion Kyniker und ^ ik r zu polcmisiren lässl 
doch Plutarch seine polemische Absicht nach dioser Richtung zu deut- 
lich durchblicken. Nach Seneca verdauiki Alexander seine Erfolge ledig- 
lich der fBUs temeritaa (de benef. I IS, 8. vn 3,1), nach Plntarch sind 
dieselben nur durch die höchste Tagend einem widrigen Schicksal ab- 
gerungen. Daher wird er hier mit Herakies auf eine Stufe gestallt^ 
während Seneca (de benef. I 4 3) von seinem Standpunkt aus gerade die 
Statthaftiglt^t dner solchen Yergleichung besUeitek Mag mnn daiun 
denken, da**« er für die Philosophi«- Propaganda machte oder daran, 
dass er die Verwirklichung dt's IdoiilstiiiUes befordorlc. in dieser und m 
anderer Hinsicht erscheint er bei Plutiin l» ;ils einer der tzrüssleii W'obl- 
thäter der Menschen, derselbe den Lucun X 26 f. für eine Pest des 
uienschlicheD Geschlechts erklärt, namentUch um des schlechten Beispiels 
willen, das er andern gegeben hat. Macht ihm Seneca (epist. SS, 49 u. 
SS vgl. auch Julian Caesar, p. SSOB f.) ebrietas sum Vorwurf so hat er 
nach Plutarch (I 14 p. SSI C) im Gegentheil Alles vi)<po«Tt )Mp9fJf 
vollbracht und man thut sehr Unrecht ihm Trunksucht vorzuwerftn 
(II 5 p. 337 F|. . Dabei hHlt sich Plutarch in seiner Polemik keineswegs 
bloss auf der Defensive, sondern i:eh? auch zur OfTonsive pepen das ky- 
nisch-stoische hieid. Diogenes, vor, den 1 ! (i p. .jHiB; unter diedwn- 
nusophisten herabsetzt, ja sog^r mit ullcuetu Hohn uberschüttet fO 



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Tr«j«n. Alexand«r-ld6aL 



79 



Dass der nach Geistesart und Bestrebungen Dion und raTorinaa. 
Plutarch verwandte Khetor und Philosoph Favorinus auch in 
das Lob-Goncert der beiden auf Alexander eingestimmt hat, ist 
swar nicht streng su erweisen, nach Lage der Sachen aber und 
nach dem, was er in seinen »Vermischten Geschichten« über 
Alezanders gOttlicdien Ursprung und die Unterweisung des- 
selben in allen Wissenschaften berichtet Itatte, durchaus wahr- 
scheinlich >). 

Diese Lobpreisung Alexanders hat ihren Gmnd nicht 
bloss in griecliischer National -Eitelkeit. Gerade da, wo 
das Lob am reidiiichsten fliesst, bei Plutarch, leitet es uns 
durch seine BesohafTenheit auf eine andere Quelle. Unter 
anderen rflhmt an seinem Helden PluCaroh, dass er sich durch 
seine Erfolge nicht zum Uebermuth fortreissen Hess : wfihrend 
daher Andere auf Grund viel geringerer Leistungen der Eine 
als Poseidon, der Andere als Zeus, ein Dritter als Sühn Apol- 
lüiis verehrt sein wollten, sei Alexander jeder derartigen 
Ueberhebuug fern geblieben (U 5 p. 337 F ff.). Dass Alexander 



p. iiiC vgl. Diüg. L. VI 20; und d**s<;( ii Zusammenlrefrcn mit Alexander 
er durchaus zuiu Vurtbeil des letzLereu verwcrthot (1 10 p. 331 F f. vgl. 
audi ad princ. inenid. 5 |). 78SAf. vit. Alex. 14). In wie weit diese 
Polemilc eine persönliche Spitze gegen Dion kehrt^ lasse ich dahingestdlt. 
Es verdiente das noch einmal eine genauere Erörterung) nachdem Weber 
es in L^ps. Stnd. X S. 8i nur gestreift hat. Nach dem Lamprias-Katalog 
gnb PH hf'kanntiich Heden Plutnrchs, die sich gegen DiOD wandten (VoUc- 
mann, Plutarch» Lelu-n ScIniftLii u. s, w. I HO). 

1) Jul. Zacher, Psi udo-Kallislhenes S, 90 f. Da sdioii voiliiii >. 75, 3] 
das VerhüUniss der Lob- und Tadelschrifteu uuf Alexander zum suge- 
nannten AlexandM^BonMn flOohtig berttbrt wurde ^ so mag hier noch 
darauf hingewiesen werden» dass, wihrend Seneca den Alexander ein- 
seitig XU einem Gliicksiünde macht und Plutarch ebenso einseitig ihn 
lediglich der Tugend vindizirt, Pseudo-KallistliPnes dagegen sich gewisser* 
maassen iihii licidc t'rhel>t, in<iem er Tugend und göttliche Vorsehung 
in pleicluM \Vei><- zu seinen Erfolgen hritm^pn Ifi^st (I 1, S]. Vennuth- 
lich wiudf liirr ;iiif Alr\;mtt('r dieselbe iliftori^rhr Schablone aiii/cwiindt, 
deren man Hieb auch in Uiziehung aul Ruui und steine Kriulge bediente, 
was bei der Vergleich ung, die man zwischen Rom und Alexander anzu- 
steUen liebte, doppelt begreiflich ist. Auch Uber Rom wurde gestritten, 
ob seine Griiase der 7^ oder 'Apc<H) xu verdanken sei (Plutarch de 
fort. Rom. Anfg.) und Bewunderer wieFlonis (Bpit. I 4,S} verfielen euch 
hier auf den Ausglei(;h, dass beide ausnabmsw«MSf> XUSammengewirkt 
litttten um etwas so Ausserordentiiches hervorxuhringen. 



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80 



VI. Der Dialog io der Kaüerz«it. 



bei Vielen al> Sühn deb Auiujon galt, gibt ihm selber und 
seioem Lobredner nur Anlass zum Spott i). Aeusserungen 
Alexanders, die dem widersprechen könnten, werden als un- 
wahr und dichterische Erfindungen verworfen (I 9 p. 331 A). 

— £twa8 anders stellt diese Seite in Alexanders Wesen IMon 
dar wie das seinem eigenthOmlichen Standpunkt entsprach, 
alao ntöht so unbedingt anerkennend. Hiemacb ist es zwar 
ebenlklls nicht Alezander, der das Gerede von dessen gStt> 
lieber Abkunft in Umlauf gesetst hat, sondern dessen Mutler 
Olympias; aber Alezander scheint dodi nicht abgeneigt ihr 
Glauben su schenken und empfängt deshalb Yon Diogenes 
eine derbe Zurechtweisung, dass man als Zeus' Sohn sich 
nur durch seine Thaten bewähren könne ^ur. IV S. 67, 5 ff. 
Dindf.l Die Absicht Dions war aber hierbei nicht so- 
wohl, Alexander herabzusetzen, als vielmehr, das Venbonsl 
an dessen auch von ihm zugestandener Tugend der B»'st hei- 
denheit dem belehrenden Umgang mit dem Kyniker Diogenes 
su vindiciren — Ganz anders aber als im Spiegel der Lob- 
reden Plutarchs und Dions erscheint in dieser Hinsicht Alexan- 
der im Lichte der Geschichte: hier lehnt er die GöttUchkeii 
nicht bloss nicht ab, ISsst das Gerede davon auch nicht nur 
leidend Über sich ergehen, sondern erhebt allen Ernstes An- 
sprudi darauf, dass er wo nicht ab einer der olympischea 
Götter so doch als Sohn eines solchen anerkannt werde'). 

— Die Rflcksicht, die Plutarch und Dion bewog hier von der 
geschichtlichen Ueberlieferung abzugehen, liegt besonders bei 
dem Letzteren klar lu Tatze, dessen Rede zu den für Trajan 
bestimmten gehört. Denn Trajan lehnte von seiner Person 
jeden vergötternden Cultus ab (PUn. Faneg. W. 52. 80; vgl. 



1} II 9 p. 144 B (auch hei Seneca epist. ft4,lt wird diese Aeosse- 
rung Alexanders als Zaidiea einer mnsterhaflan Beschddanheit angeflUirt). 
44 p. 344 F. 

S) A. a. 0. 9: 6 ouv Aio^ivi]« «atapiaödiv aikov -:ctap«f|«ivov, ißouX'^li) 
{ACtaßaXetv auToü r^v «j/u/^v, cuoTtep ol -aioe; tou; inpa-jiKwi. 

3) Dies ergibt sich aus Athen. XU p. 537Eflr. Curlius VlII 17 ff. 

Arriiui IV s. 10, f) n. VII 29. 3 f. Besondor> schwer wieüt Arrians Zcuj:- 
niSb, der liin ^e^en dea Vorwurf einer solchen L'eberhrbuaK wi ilieidi^ou 
möchte, die Thalsachc selbst aber doch ulcht zu leugueu wagt. Vgl. 
auch noch JuUau Caesar, p. 330 D. 



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Tnjaa. Atoxander-IdAsl. 



81 



aber ain li Hertzborg, Griechenland unter der Herrschalt der 
Römer Ii S. 151, 59), eine Darstellung also, die dasselbe von 
Alexander behauptete, mosste ihm genehm sein, einmal weil 
sie einen Flecken aus dem Bilde seines Ideals entfernte und 
sodann weil sie die Aehnlichkeit iwtedien ihm und dem 
Makedonen-König noch um einen Zug vennehrte. 

Diese Aefanlichkeit möglichst hervortreten sn lassen, Alezander im 
Alexander im Sinne Trajans su schildem scheint nun auch 
sonst das Bestreben dieser griechischen Literaten, namentlich 
Plutarchs gewesen zu sein, auf dessen persönliche Besiehungen 
SU jenem Kaiser dadurch ein neues Licht fallen wttrde. Je 
weniger zugänglich Trajan directer Schmeichelei war, desto 
willkommener musste ihnen der Ausweg sein in Alexander 
seinen römischen Bewunderer zu ehren. Alexander war, so 
meint Plutarch, ein Philosoph, wenn auch üicht den Worten so 
doch den Thaten nach, die auch hier schwerer wiegen ^) ; das- 
selbe hebt an Trajan Plinius') und um dessen mangelhafte 
Bildung zu entschuldigen nnnh Cassius Dio^] hervor. Plutarch 
rilhmt an Alexander dass er es unter seiner Fürstmwurde hielt 
in irgend einer der schönen Künste sich 7inn Meister auszu- 
bilden oder gar vor einem zuschauenden Publikum nach der 
Weise von Schauspielern und Athleten mit Anderen in Wett- 
streit zu treten; dass er dagegen eine Kunst bis zur Voll- 
kommenheit trieb, die des Wafifenhandwerks Vernehmen 
wir hier nicht den Gegensati zwischen Trajan und Nero, wie 
ihn ninius schildert? »Es genOgt fttr den Herrscher dass 



1} Was sonst darttber bis jetst bekannt war, Ist problematischer 
Natur, s. VolkmBiui Leben, Schriften u. s. w. des Ptatarch I S. 94. Fried- 
linder Sitten^esrh. I* 220. 9. 

21 Plutarch de fort. AI. I p. 337 F f. 32SB. 6 p. 329 B 10 p. 33t F. 

3) Paneg. c. 18: praestiil <}u;u' snpicntf"; praocipiuiit. Der Eintluss 
des Kaisers mag dazu beigetragen h;<lM>n, dass dies dainal'i Mode-Philo- 
üophie wurde. Wenigstens sagt riiiuus epi^it. I 10 von einem damals 
bellehten Philosophen, sefaMm Freund Eupbrates: affirmat etiam, esse 
hnnc philosopbiae, eignidem pnlcberrimam partem, agere negoUmn pu-» 
bllcam, oognoBoere, Jndicare, promere et exercere jnstttiam, «{uaeque 
Ipel doceant, In nsn habere. 

4) 68, 7, 4. 

5) I p S31 B. I! 2 p 334 D. 

<i) Pancg. I-. i: Et popdluü quideai Homuaus düectum priocipem 
Hirzel, Dwlog. IL 6 



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S i VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 

er „weise MSoner** liebt und gern ndt ibnen verl^ehit; dar 
durch beweist er das fttr einen Ffirsten ausreichende Maass 

von Philosophie ff so mochten griechische Literaten im Hinblick 
auf sich selber und ihr Verhältniss zu Trajan zu diesem sprechen 
und so ^| rieht PUitarch über Alexander (I 4 0 p. .331 El — 
Trajaiis gaii/rs Wesen weist auf Herakles als seinen Lieblings- 
heros. Niehl umsonst wird er deslialb gerade mit diesem 
vergiicheo, selbst von Plinius (Paneg. c. ii), so sehr dieser 
sonst griechische Bexiehuogen geflissentlich za meiden scheint. 
Daher fiel es gewiss auf guten Boden, wenn auch Dien tu 
seinen für Trajan bestimmten Reden öfters dieses Zeussohns 
gedenkt und insbesondere wenn er einmal hervorhebt (or. I 
S. 43, 20 Dindf.) dass auch Herakles* Bildung keine sophbtisch 
ralBnirte, sondern nur eben sehlecht und rechte also gerade 
wie die Trajans, gewesen sei; und noch mehr Dank musste 
Plutarch erndten, wenn er die beiden Ideale des Kaisers 
mischte und Alexander als den zweiten Herakles feierte (I! 
10 p. 341 El — Wie in Trajan so verbanden sich auch in 
Alexander freundliche Milde und furchterregende Tapferkeil, 
bürgerliche uud kriegerische Tugend, um das Muster eines 
Herrschers her\ orzubringen '). — Aller Nationalität und \>r- 
wand!sch;«lt zum Trutz war Trajan seiner inneren Töchligktil 
wegen durch Nerva zu dessen Nachfolger designirt worden 
(GassittS Dio 68, 4) und mochte es deshalb nur fUr consequent 
halten, wenn er selbst seine Freundschaft und Liebe zu den 
Henaehen nur von deren wahrem Werth abhängig machte (Gas- 
sius Dio 68y 5, 3). Dieses Verhalten Nervas und Trajans wurde 
nun nachtrSglich von Plutarch gewissermaassen sanctionirl 
durch den Hinweis auf Alexander, der, nodk dazu seinem 
Lehrer Aristoleles zum Trotz, den Unterschied von Hellenen 
und Barbaren nicht als einen der Natur und Geburt, sondern 
nur des moralischen Werthes auffasste (I 6 p. 329 D ; ähnlich 
schon Isokrates Paneg. 50) und sich durch Verwandtschaft 
lediglich mit den Guten unter den Menschen verbunden, 

aervat: quaotoqne paulo ante conoenta forinoflum aliiun, huoc forliasi- 
mnm personai: qoibusque aliquando damoribna gestum alterivs el vo- 
cem, faujoa pietatem, abstlnentiam, maosuetudinem laudat 

4} Ueber Triyan a. Cassius Dio S8, 5, S. S, 4. 7« Sf. JuHan Caesar, 
p. sasB. Ueber Alexander s. Plotarcb I 41 p. S»C f. II 4 p. $37 8. 



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Tr^an. Renalgbance des Dialogs. 83 

den Andern gegenüber aber fremd Itthlte (1 6 p. 3S9C). Aach 
die Schwfii^en ihrer Helden lu bemfinteln, fiel den Lobrednem 
nicht schwer: spraeh Trajan dem Wein etwas sa reicfaUch su 
(Julian Gisar. p. 327 G. Lipsios ad Plin. Paneg. c. 49 s 8. 9S9 
ed. Amtien), sc hatte dasselbe schon Alezander gelhan und 
bei beiden will es nicht viel sagen , da sie deshalb niemals 
den günstigen Augenblick versäumten, sondern, wenn es zu 
handeln galt, stets die nüchternsten aller Menschen und im 
vollen Besitz ihrer Geisteskraft waren*). 

An diesem Beispiel mat; man sehen, wie die griechischen Eflckiicht auf 
Literaten es verstanden sieb das Ohr des Kaisers zu gewinnen Jj^jJJf^^ 
und wie die Rticksicht auf ihn den Inhalt ihrer Schriften und Form der 
bestimmte. Aber nicht bloss den Inhalt. Die LeutseliglLeit 
Trajans (Gassius Dio 68^ 7, 3), die Redefreiheit, die er jedem 
gestattete (Dio CSirys. er. III S. 39, 7 Dind.], ja su der er im 
Verkehr fortwährend anregte') brachten Lust und Leben in 
die Gesellschaft, sumal in die Symposien. Wieder glSnsten BtbpoiIm. 
an diesen wie vor Alters die Philosophen und spielten m'cht 
mehr wie lu Neros Zeit die Rolle der un^^retwilligen Spass- 
macher. Natürlich wirkte dieses Vorbild des Hofes weiter 
auf die vornehmen Kreise Roms überhaupt. Hier steigerten 
sich die vertrauten Beziehungen zu den l'hilosophen so- 
gar bis zu Ver\s;ujdtschaUsserh§Unissen, wie deren eines 
zwischen Euphrates und Pompejus Julianus stattfand''). 
Alles athmete auf in freiem gehaltvollen Gespr.^ch*}. Und 
wie es immer gegangen ist, ging es auch damals wieder : die 
Freude y die man im Leben am Dialog hatte, Uber trug sich 
auch auf die entsprechenden Erscheinungen der Literatur. 
Flutarch sammelte Tischgespr&che seinem Gönner Sossiüs 
Seneeio tu Liebe (Quaest. Gonv. I prooem.) und würde nicht 
so viele seiner römischen Freunde in seinen Dialogen redend 



4) Mit GMflias Dio 08, 7, 4 vgl. Flutarch II S p. 897 F. 

9) Flin. Faneg. 49: Noa es coDvicto nofltro mutua voluptos? non 
provocas reddisqoe sermooes? oon ipaum tempus epularum tuarumf 
cum tragalitas contrabat^ extendit humanitas? 

3) Fifa, cpist. 110. Auch Artemidor war der Schwiegersoho des 
Mttsonius nach Ptinius epist. III U. 

V »Socraticis tantuni sernionibus abnndf^tt verlaogt PUnius epist. 
Iii il von einer Mahlzeit, zu der er geladen ist. 

6» 



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84 



VI. Der Dialog in der K«iMneit 



eüigefilhrt haben, weim diese nicht demaie ein besonders ge- 
B«iiaiMuiMdMaeh(eter Zweig der Uteradir gewesen wSren. Der Dialog 
^^'^^ erlebte eine ftnnliehe RenaisBance: wie uns derselbe nnlarch 
sagti j, las man die platontflchen Dialoge nicht nnr, sondern 

ahmte sie nach, ja etwas ganz Neues und Unerhörtes ver* 

suchte man damals zuerst — was dann die spiitcre eigentlich 
sogenannte Renaissaiict v\iederholl hat — , maa brachte diese 
Oialoge, wenigstens die dramatischen unter ihnen zur Auf- 
führung'. Vielleicht hat auch in dieser letzteren Beziehung 
Trajan das Beispiel gegeben']. Wenigstens ist seine Vorliebe 
fUr die dialogische Form nicht wohl zu bezweifeln, da sich 
Dion sonst ihrer kaum gerade in den ftir den Kaiser be- 
stimmten Reden (or. I S. 4 4 , 4 3 ff. Dind. or. IL or. Jll S. 43, 4 4 ff. 
or. IV) bedient haben wttrde. 

Dion Ghrysostomos. 

Huhte wirklich, wie wir annehmen dürfen, der Blick des 
Kaisers wohlwollend auf dem Dialog, so konnte das diesem 
nur förderlich sein zu neuer Kraft und weiterer Ausbreitung. 
Doch wurde wenigstens Dion Ghrysostomos nicht durch 
diese Ursache allein bestimmt, sich gerade der dialogischen 
Form SU bedienen. Auf einen vielseitigen und beweglichen 
Geist, wie der seinige war, wirkten Terschiedene Ursachen. 
So einfach, wie jetst von manchen Seiten geschieht, darf man 
sich weder sein Wesen noch seine Entwickelung vorsteUea. 
Erst soll er Sophist gewesen sein, dann sich ausschliesslich 
der Philosophie und speciell der kynischen mit solcher Strenge 
zugewandt haben, dasb seine Schrillen zum Iheii nur Ab- 

4) Avf Nachahmungea d«s platoniachm Phaidros deutet Amat I 
p. 749 A. Pliniiis epist I 40 rilhmt an Euphrates: Dispatat sabtUitcr 
graviter omate: freqventer etiam PlatoDlcam illam subUmltateni et bti- 

tiidhiein effingit. 

2) PItitarrh Qunest. Conv. VII 8, < f. 

3) Au!>Urucklich !4«gt Plutarch a. a. 0., das«; an dieser neuen Art der 
l'ntvrhultung ol -aj^rrool xi\ yaplrvTe; eine ganz ausserordeiiiliolie Freude 
gehabt, dass dagegen ol dvavSpoi xal otaTCÖpufxaevoi xd cb-ra sie verworfeii 
htttten. Vgl. was über Trajans Reform der Symposiea Plin. Paoeg. e.49 
bemerkt, Iwsonders: Neqoe enim aut peregrlnae saperstitlonls mysteria 
aut ohscena petulantla meesis prlnclpis olierrat, sed benigna invitatio et 
liberales joct et studiorum honor. 



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Dion ChrysMlomos. 



85 



schritten aus den kanonischen Werken der äifern Kyniker zu 
sein scheinen Man glaubt die Bekehrung Pauli vor sich zu 
haben^). In Wirklichkeit, wie eine genauere Betrachtung des 
noch vorliegenden Materials lehn, ist der Uebergang von 
einem Extrem zum andern keineswegs so plOtsUch und sprung- 
weise erfolgt. Vielmehr kündigt sich schon im Sophisten der Dw B«|Utk. 
spfttere Philosoph an'). Unterschiede der Form bestanden 



4} So sagt s. B. F. Dttnunler Antisthenica S. 7S: DIo cam omnino 
ffemairam Cynicam m praestety tarn qnatuor Ulis oraUonlbns qnaaDio- 
genis aomeo pra» ae fenoi aocoratissimam plilloiopbiae Diogeoeae oom- 

pondium praebet. 

i) S. bes. H. Haupt im Philo!. 4.1 S. 

3) Als Kenn7<»if h(ui der neuen philosophischen P<3node in Dions 
Leb«n pflegt man die ethisch-pädagogische Tendenz geltend zu machen. 
So Araim im Hannos i6, 379, der sich biefin aa Syaesios p. 45R aa> 
schUesat. Vergleichi man aber die eiaiige Bede, die wir mit voller 
Stcherbelt aocb jetit vor den Wandepunkt in Dions Leben verlegen 
können, or. 46, so gibt sich hier doch eine ethische Tendenz dadarch 
zu erkennen, dass er seinen Mitl)ür}.'orn vorfi;iIt p. 81 3 R, dass was ge- 
wöhnlich für fufchthnr prlto. Steine Feuer und dergl. in Wahrheit e*; 
nicht sei und dass die St;irke eines «ieuieinwesens nicht auf snl(h»>n 
Gewaltmitteln, sondern in vernünftigem Wesen und gerechtem hauüoin 
(iv t(}) otucppoveiv xal rd Stxan icotclv) beruhe. Man sehe sodann in der- 
selben Rede p. SI7 f. R, wie er seinen lUtbilrgeni den Text liest, und 
man wird auch die pKdagogiflohe Tendenz nicht vermigaen, wenigstens 
nach Dions Anffassung derselben, der die Aufgabe des Philosophen zum 
Unterschied vom Sophisten im Ermahnen 'vo jOerslv) d. i. im Schelten (>.ot- 
iopetvj erbliekle vi'! l>e< .>r 3.1 p. 3 f. R. p. 8 R. aber auch Isokral. 
4, 130). f>er ■ileichen Tendenz fol|:te er aber auch, als er, wie er sich 
wiederholt rühmt (ur. 45 p. 20f f. R. u. ur. 50 p. siöH Rj, es wagte den Zorn 
Domitians tierausznfordem und dem Tyraonen furchfios seine Sünden 
vorhielt. Schon damals mag er sich in der Rolle des Sokrates gefühlt 
haben, dessen Auftraten gegen die Gewalthaber seiner lEeit und seines 
Landes er uns or. 43 p. 194 f. R schildert. Sokratisch uik! daher über- 
haupt philosophisch ist ferner die Art, wie er sein Handeln auf Ein- 
wirlcnng pfne«? ^i-jtuovmv zurückführt [or. 32 p. 659R); nur im Vertrauen 
auf die (iotthoit helüiuptet er aber auch den Muth tum Wider*itand gegen 
Domiliau gefunden zu tiaben (or. 45 p. 202 R). auch die Zeitgenossen 

schon früher in Dion den Philosophen sahen, würde folgen, wenn Dions 
Anawaisung aus Rom mit der allgemeinen Verbannung der Philosophen 
in Irgend welcher Verbindung gestanden hätte. Aber obgleich Philostrat 
Vit. Soph. S. 7, 29 Kays, eine solche Verbindang annimmt, so ist dies doch 
durch Emperius Opusc. S. <04 genügend widerleg;!, der bloss irrt init den 
Worten »ceterum Dio tunc ne adnumerari quidem pbiloaoptiis poterat«. 



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86 



VI. Der Dialog ia dor Kaiserzeii. 



alltrduiiis 7Avischen den Erzeugnissen der früheren und der 
späteren Periode. Das müssen wir Synesios (p. 16 f. R] glauben, 
und ebenso, dass sich diese Unterschiede hauptsSchlich von 
der Verschiedeuheit der behandelten Gegenstände ableiteten. 
Lobreden auf Mücken und Papageien , echt aophistisc he Vir- 
tuosen stücke , mag er später nicht mehr verfasst haben 
Gans durchschneiden dürfen wir jedoch auch hier nicht 
zwischen beiden Zeiten: denn mit dem Memnon^ der früheren 
Periode lassen steh die mythologische Themata behandelnden 
Reden der späteren Zeit vergleidien und die Neigung su 
Schilderungen, wie er sie früher vom Tempethal gegeben 
hatte, verrlth sich auch noch im Euboikos (tu Anfeng und 
p. 225 ViP). 

Auch die Art und Weise der Behandlung war früher 
und spliter nicht wesentlich verschieden, sofern wir aus 
der erhaltenen Lobrede auf das Haar urtheilen dürfen: 
denn das Spielen mit Homercitaten . wodurch dieselbe be- 
sonders characterisirt wird, ist nicht anders, als wie wir es 
auch in den späteren Beden finden*). Abermals dürfen wir 

<} Ohgleich die Art wie die eine dieser Hoden von Synesios p. 4 
die »ndere von Philosiratos Vit. Sopb. S. 7, 4 6 erwähnt wird, keineswegü» zu 
dein Scbluss Düthigt, dass beide wirklich Dions frühester Zeit augehoren. 

S) Eft tot so bemerken, dau der Memnon voo Synesios p. 19 R (io 
DlndorCi Dion S. SS4, ii) sa den itoXI^u gerecbnet wird, llit deo De* 
finittoaenf die von dieser Art rhetMischer Werke gegeben werden (Wester- 
mann Gricdt. Rereds. § lOS, I. Bmperius Opusc. S. 24. Schmid Atticism.1 
S. 88 f. Trieber im Hermes 27, 226 vgl. o. S. 44, 4 j, lässt sich dies kaum 
vereinigen. Die Bf doutung des Namens war wohl allgcnieinpr und beim 
Gebranrh desselben weniger der Inhalt als Form und Umfang der Rt^de 
entscIiL idend. Synesios scheint oii),?^!; insbesondere von Xd^o; tu unter- 
scheiden (S. 324, i'^i, so dass luan es etwa mit »Ansprache« in dem jel2t 
in VolkftversunmluDgen und Vereinen beliebten Sinne wiedergeben könnte. 
Gelegentlich ersdieint es l>ei den SpSterm auch in der Bedeutmig von 
(lAo^ec, wie bei Julian Epiat. ad Themist. p. MSB. 

8) Der ja auch von PfaUostr. Vit Soph. & 7, 1 6 Kays, unter die sopliisti* 
sehen Werke gestthlt und mit der Papageien-Rede auf eine Stufe gestellt 
wird, allerdingf« unter höchster Missbilligung des Synesios p. 4 5R. 

4) Mit HnriHT ein mehr oder minder geistreiches Spiel zu treiben, 
war ja alierduigs altsophistischer Brauch. Daher mag auch der Totoixo; 
Dioos als sophistisch gelten. Nachdem dies schon Casaubonus bei Reiske 
$» 4tS ausgesprochen hatte, scheint diese Ansicht neuerdings wieder An- 
klang xtt finden mit der weiteren Folgerung, dass diese Rede (or. XI) der 



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Olon Glirysostomos. 



87 



uns durch Synesios leiten lassen, der betont, dass allen 
Werken Dions ein eigenthOmlicher Stempel aufgedrückt sei 
und auch in den sophistischen Produkten sich nicht ver- 
kennen lasse 1). Etwas Gemeinsames ging durch sie hindurch 
und die Yersohiedenheiten, die doch blieben, waren im All- 
gemeinen nlöht grosser, als wie sie der Wechsel von Jugend 
und Aller bei jedem Schriftsteller bedingt >). Die Farben 
wurden matter, die Formen knapper, die Freude am Aeussem, 
verlor sich') und sog sich auf den innem Gehalt surttck, 
seltener tununelten sich die Gedanken in lustigen SprQngen 
redits und Unks wflhrend der Regel nach die Vernunft ehr- 
bar und ernsthaft den höchsten Lebenssielen luwanderte. 



Mihmea Zelt der dionischen Sduriftstdlefei angehOr«. Voo einem Wider- 
spmoh befreit men indesoeii mit dieser letxteren Vermutbimg den DIon 
nicht: denn, wie wenigstens die Lobrede auf das Haar srngt» bat DIon 
auch firÜher gelegentlich den Homer <il>; Autorität, benutzt. Man kann 

sagRn : dieses Spielen mit dem Inhalt , dem es auf einen Widerspruch 
nicht ankommt, sei vhau nur für den Sophisten Dioi» charakteristisch 
Ja wenn nur damit der spatere Dion von allen W'iderüpruchen befreit 
wurde uud uichl noch andere übrig blieben. 

1] p. 48 t H Unter andern demonstrirt er dies an der Lobrede auf die 
Mttcke. Aadb Dions eigenes Zeugniss (or. 47 p. iSO R), er sei niemals im 
Stande gewesen np^ igMf* tiv« ^ «rf>Ao« ij eof za redeOi adi^l mir 
nicht zu verwerfen und hierher Stt gdiOrm. Man wird hiernach den Unter' 
schied zwisffipn Dions früheren tmd spSteren Werken nicht auf den des 
Asianismus und Atticismus zurückfuhren dürfen 

2) Dieser Wechsel hat auch seine verscluedeue Stelluni; zur Philo- 
sophie beeinflusst. Obgleich er sich später selber zu den Philosophen 
rechnet, so l^n er es doch ni<dit lassen, ihnen gelegentlich am Zeuge 
zu fttcken. Für gewöhnlich sind es freilich nur die sogenannten Philo- 
sophen (i. B. or. 49 p. 252 R), die sogenannten Kyniker (s. B. or. 82 
p. 65711); aber einmal trifft doch auch den weisen Sokrates ein leiser 
Tadel for. 47 p. 223 R = S. U4, i9fT. Dind. Ebenso wendet sieh or. 64 
p. 336 H gegen Üiogenps; doch ist davon hier abzusehen, weil der dio- 
nische l'rsprung cUm- Rede zweifelhaft ist). Während sich hier in den 
Schriften der spateren Zeit die Polemik innerhalb gewisser Grenzen hielt, 
die die reifere Einsicht gezogen hatte, äusserte sie sich dagegen unge- 
mmaen und mit dem Uebermuth der Jugend, wie es scheint, In den firtt- 
liereD Reden »gegen die Philosophen« und »an Husoiüns« (irp&c Moo^ 
««ftfiov) vgl. Synes. p. U R. p. 1 5 R » S. 322, 6 (T. Dindf.). 

3) Isokrales. der auch sonst niehr Aehnlichkeit mit Dion darhietet 
man zu glauben scheint, kann hier verglichen werden in dem Be- 

kenntniss über sich selbst Philipp. 27 f. 



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88 



VI. D«r Dialog in der Kaiserzeit. 



Otz FliiloMph. Hass diese allgi meinen Erscheinungen bei Dion noch 
stärlLer tiervortraten, brachte sein besonderes Schicksal, die 
Verbannang, mit sich. Er selbst hat uns erzählt, wie in Foko 
lüervoD sich eine Wandelung in ihm vollzog. Dieser Bericht 
ist zwar nicht g^ns fingirt, aber doch ironisdh gelBrbt und 
der Sbnltchen EnShlung des Sekretes naohgebfldet. Was wir 
daraus entnehmen kttnnen, ist nur so viel, dass er von dem 
angegebenen Zeitpunkt an das Philosophiren als Beruf cur 
Schau trug und in Folge davon auch stfliker als bisher be- 

Bohuspieierei. trieb >). Die fttr den Sophisten so eharakteristisehe Sdiau- 
Spielerei') gab er auch jetzt nicht auf*); nur wählte er 
natürlich die Rollen dem neuen Lebensberuf entsprechend. 
Bald erscheint er mit dem Löwenfell bekleidet wie Herakles^), 

4) Die incTaßoXi^ toü ßlo'j or. 49 p. 485 R geht jedoch wohl mehr 
auf eine Aeoderung der äuaseren VerhSltaim. VgL or. 48 p. 4M CK. 

9) Üeber das Orakel des Sokratea vgl. I S. 75 ff. Dioa mag deo Beridit 
davon allerdingB so verstanden haben, als wenn das Philosophiren des 
Sokrates erst mit dem Orakel begonnen hMtte, und dem entsprechend hat 
er dann seine eigene Erzählung (or. i 3 p. 421 f. R] eingericbiet. Das 
Orakel hattp ihn peheissen in dorn fortzufahren, was er heponiipn h^tte. 
In Folge davon öirifT er ahermals zum Wanderstabe, nachdem er vorher 
schlechte Kleider angelegt und sich alle«« Ueberflüssigen entledigt hatte. 
Wer ihn so sah, hielten ihn die Einen für einen BeUier oder Land« 
Streicher, die Andern für einen Philosophen. So kam es, dass ihm mit 
dem Namen allmVhlig anch die Thutigkelt eines Philosophen anljienothigt 
wurde. Sollte der Anfang seines Philosophirens Ihm wiritlidi so gans 
von aussen gekommm sein? In dem Berichte ist missUch, daas er die 
ärmliche Tracht, deretwegon man ihn einen Philosophen nannte, d. h. 
doch offenbar die Philosophentracht schon früher genommen hatte, noch 
ehe man ihm den Namprt •-•ah l'nd dies würde er doch kaum gethan 
haben, wenn er ninht sdion eine gewisse Neigung zur Philosophie ver- 
spürt hätte. In itun selber lag also schon der Anlaug zur Philosophie 
der dann durch die äusseren Umstände nur befördert wurde. Wenn er 
in der Erzählung dies aniters darstellt , so geschieht dies nur in dem 
auch sonst wahmehmbarai Bestreben; mit dem er sich seinen Zeilgenossea 
gern als den nmneat Sokrates vorlUbren möchte. 

5) Rohde Gr. Rom. S. 307 f. Schmid Atticism. I S. SS ff. 

4) Hieran wird auch dadurch nichts geändert, dass er gelegentlich 
die \rt der Tracht als etwas dem Philosophen unw^ >;«>ntliches oder doch 
als etwas bezeichnet, woraus allem man ihn nicht • (kennen könne: or. .^5 
p. 6i R. 63 U, 66 R. f>7. R. or. 72 p. 388 R. or. Vj p. i51 H >olcho 
Aeuäserungen zeigen nur, dass er sich bewusst ^ar ein Kostüm zu tragen. 

5) Saidas n. Abiv. Photios hIbL cod. M9 S. 464« 40 ff. Bekk. 



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Dion Chrysostomo». 



89 



in den Lumpen des Diogenes tritt er vor die Soldaten Do- 
mitians und predigt ihnen Gehorsam gegen die Gesetze am 
mefsten aber gefiel er sich in der Rolle des Sokrate«» den 
er sich selber wie einen Schauspieler vorstellte, von der 
Bfibne herab die Menschen snr Tugend ermahnend^. Eigent^ 

Pbilostr. Vit. Soph. 1 S. 8, 3 ff. Kays. Sind die Kyniker überhaupt 
nach einem vielgebrauchten Vergleiche die Kapuziner des Altortbutns, 
SO twbeo V|r hier deo Kapuziner aus WaHenateins l^ger vor una. Das 
Kostttm ttbiigais, das DIon bei dieser Gelegenheit trug, war nach dea 
Aensserangen seiner Rede sein gewöhnliches. Zu den o. S. 88» 4 ange- 
fllbrten Stellen vgl. noch or. 12 Schi. er. 19 p. 485 R. or. SS p. 664 R. 

2) Zunächst allerdings Äa^cp dnh jA7)yav^c ötö« or. 13 p. 4»; R, aber 
das Bild ist dorh von der Bühiio und don Srhnusyiirlcrn entlehnt. Bis 
inn» Einzelne bildet or sein Leben und Thun dein >ukiatcs nach. Vor 
allem fehlt die Ironie nicht. Er legt das Bekenutaiss des Nichtwissens 
ab (or. 1 2 p. 87S f. R. p. 874 R. p. S77 R.j, ja er übertrifft den Sokrales noch 
iadmn er nicht dnmal auf den Namen ^iX^o^e; einen Anspruch erhebt 
(or. 48 p. 418 R vgl. Piaton Pbaidr. p. 888 D; die Vergleicfaung der Stellen 
ist interessant fUr den Wechsel der Bedeutung von fi^ioo<po;]; ebenso 
lehnt er e«? ab ein Redner oder Schriftsteller (ktv6; ouY7prf?pciv) zu sein 
for. 12 p. 377 R or. 19 p. 487 R or. 35 Anfp. or. 42 Anfg.l Ahor wenn or 
aurh selbst nichts vermag, so kennt er weoigätens die Leute, die si( h 
durch Weisheit und Beredsamkeit auszeichnen, die Sophisten, und kann 
Andere auf sie hinweisen (or. 12 p. 376 f. R) gerade wie Sokrates (Piaton 
Theaitei p. 454 B. Theages 487 B f.). Audi der GMchnisse bedient er sich 
wohl nur deshalb so gern und häufig, weil Sokrates und dessen Lebrer 
Homer hierin Meister waren (or.88 p.888 R). Dass er sich nun delphischen 
Orakel und zum l<u\i6^ios in ein tihnliches Verhältniss wie Sokrates 
sptTite, wurde schon früher o. S. 85. 3. S. S8, 2 bemerkt, und ebenso dass 
die Art, wie er sich Domitian gegenüber in die Brnst warf, den Eindruck 
einer etwas schauspielerhaften dem Sokrates nachgebildeten Positur macht. 
Als er in seiner Heimat vor Gericht stand, Hess er sich selbstverständ- 
lich die Gelegenheit nicht entgehen eine Apologie in sokratischer Manier 
zu halten (or. 44 p. 191 f. R), was noch deutlicher hervortreten würde, 
wenn von der betreffenden Rede uns mehr als ein Bracfastttck erhatten 
wftre. Ja er macht sogar deu Anlauf, seine Stellung zum lesenden Pu- 
blikum der des Sokrates anzugleichen: nicht bloss spricht or sich jede 
schriftsteneri»;che Fähigkeit ab 'or. 12 p. 377 R) sondern er er/tdilt auch 
das Schick.sHl seiner tniindlichen Reden in einer Weise, dass man an das der 
ZeoTtpatixol }.6-(oi erinnert wird, wie sie von den verschiedensten Menschen 
begierig aufgenommen, Uerfain and dorthin getragen und dabei aus verseht»» 
denen Gründen auf mannichladie Art verändert wurden (or. 48 p.487 R). 
Wie weit Obrlgens diese Aeusserung Olons Uber seine Reden und deren 
Verbrettung benutzt werden konnte um den gegenwärtigen Zustand seines 
literarischen Nachlaases zu erklären, lasse ich hier natürlich dahingestellt. 



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90 



VL Der Dwlog ia der Kaiserzeit. 



Ijiik«r. lieh war nur die Maske des Kynikers, die er so auf drei- 
fache Art variirte*). 

Die Proteus -Natur des Sophisten, die Piatoo beim De- 
finiron 80 viel SO schafloii macille, verleugnet sich aoeb 
in Dioa nicht, desfen Wesen auf versdiiedeiien Seiten be- 
trachtet stets neu und anders erscheihk Er war ein 
Diogenes, der sich suweflen wie Piaton ansdrOekte. Dieses 
mü BouMM Wort Toltaires über Roosseaa Iflsst sich gesteigert auf Dion 
Obertragen, in dessen Schriften die Bemlntscensen an pla- 
tonische Dialoge zahllos und deshalb aacfa dnrdi die neueste 
sorgfältige Arbeit Ober diesen Gegenstand^) keineswegs er- 
schöpft sind. Wie sein französischer Geistesverwandter, den 
er ebenso an Charakter, wie dieser ihn an Tiefe und Talent 
Ubertraf, war er ein vielguwandter Mann und zeigte die so- 

1) Auch sein Sokrates bat kynbche Färbung. Mit Bezu(^ auf die 
Busspredigt or. IS p. 4S5 R Ist dies iSogst beneiltt worta (Hennet IS 
S, 70 ff.) und hieran wird aacfa dadnndi aidits gdbidert, dais Dioa nllwr 
dieie SchUdemog des Sokrates nuSehst dem pseodo^platoniicbeii Klei- 
tophoD entDommen hat (I S. IS4, i). Nach or. 43 p. 194 R hatt« er die 
«tbeoifldieo Tyrannen geschmäht, was ihn gleichfalls als K^niker er- 
scheinen lösst fo. S. sj, 3. Hierzu konunl. (las> wenigstens in Dion das 
Bekenntniss des Nif htwissen*^ sich bis zu dem der Sündhaflit'kd'it steiport 
for. 3 i p. r)S f. R ; womit theils Apollodor in Plalon< SympoHiun AnÜg. 
Iheils Anlisthcues bei Diog. L. Vi H zu vergleichtu iti. 

S) P. Hagens Quaesttooes Dioneae. Dieser Platooismiis noohte sich vor 
Dions Augen inSokralismuB verwandeln, nicht Uott well Piatoo ein Schüler 
des Sokrates war, sondern weil Dion nach einer Stelle (or. 55 p. 286 R] den 
Sokrates geradesu lür den Urheber der platonischen Dialoge m halten achaint. 
Für ihren Verfasser kann er ihn allerdings nicht gehalten haben (wie die 
L'nterss. zu Cir. philos. Sehr. II S. 295 f. Anm. S. 366 Angeführten, zu denen 
noch Piaton H|>i.st II p.3UC (Julian or. VI p. 1 89 A fl kommt und Athen. XUi 
(5f! D f.. so wit* .\ristides or. 46 p. 288. 7 11. Jehl», aber auch i'^S. 43 ver- 
glii hrn Nvetdcd kann s. i .s. 129, 4; denselben Iii lhum hinsichtlich Epiktets 
beging Augustin De ctvit. Dei IX 5 und erregte dadurch in Schweighaouser 
Epict. Diaserti in S. 4 SS Anm. den Gedanken an eine verlorene Schrift 
des Philosophen, ebenso Damascius bei Soldes u. 'Eidxt.) : denn in der> 
selben Rede p. t84 R hebt er ausdrücklich hervor, dass Sokrates nichts 
Schriftliches hinterlassen habe. Es bleibt also nur Übrig anzunehmen, 
dass nach Dions Meinung Piaton den Inhalt seiner Dialoge der münd" 
lichon Erzählung des .'^okrates verdanktf PIjUmh und sokratps konnten 
dann für ilin in Hlmlicher Weise zusamiuenlallcn , wie wir dits noch in 
Lucians Vttaium ;iuctio §. i:> 11 sehen. Den Anfang eiuer solchen Con- 
fusion bat bekuuutUch schon Aristotclea gemacht. 



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Dlon Oiryaostomos. 



pliisUsche Versatilität auch darin, dass er den Strom der 
Beredsamkeit auf die verschiedensten Ofln'fMe leitete, als 
Volks- und Gerichtsredner, als Prediger auttrat^ Briefe, Dialoge, 
Novellen und historische Werke schrieb, auch wohl dem 
Grammatiker oder Kritiker sufailende Erörterungen anstellte 
(or* 64). Durdi die That bewShrte er si<^ so als Sophist, 
mag er 1tt»rigens gegen die alten und jungen TrSger dieses 
Namens sich noch so heftig ereifern >]. Der Inhalt sehier 
Werke erweist ihn als Sophisten ebenso gu( als die Form. 

Dion war fiklektiker^), weder als Ryniker noch als Stoiker EkUkttk«. 
oder Flatoniker conseqfuent. Mit weitheniger Terebning um» 
fesst er alle drei Sekten, den Sokrates und Xenophon noch 
dazu, ohne sich doch einer einzigen zu widmen. Seine Welt- 
und Lebensansciiauung setzt sich dehlialb aus den verschie- 
densten Elementen zusammen und verhält sich spröde nur 
gegen fipikur^). Den guten Willen hatte er wohl hin Kyniker 

i) Für die Zeitgenoesea Dioiis uoter den Sophisteo bedarf es keiner 
Belege. Was die filteren hotrifTl, so sagt er or. 54 p. 280 K über Hippias, 

Gorgias , Polos «nd Prodikos Folgendos: f).£fov Ii noX-Xou; fxiv X(5yo'j;, 
voüv oe oü* Ij^ovra; o\>hk ßpayjv. Nlniinl man hierzu noch was er in der- 
selben Rede bemerkt p. 281 H, dass die Heden dfr j^enaunton Sophisten 
jetzt einer wohlverdienten Vei^esseuheit anbeim gefallen seien [a/Chä otj 

Mpam pAw» lern), so wird mui es ungleobUoh flndeo, dass Dion die 
Sohrillm jener lUnner noch unmittelhBr fttr seine eigenen Reden benutst 

babe. Um es trotzdem anzunehmen, hätte es jedenfalls stärkerer Gründe 
bedurft als F. Düminler Akadeni. S. il'A f. für or. 1'\ und 7fi \ ortjelu iu-ht 
hat. Viel wahrscheinlicher ist eine Benutzung Chrybipps nach dem was 
Ha^t'n Quaestt. Dion. 8. 34. 4 zusammengestellt hat. — Da i( h einmal bei 
Dions Verhaltniss zu den 2>opbisten bin, so werfe ich nur die Frage auf, 
oh sie unter den Vertretern der I(jk7;etpitx gemeint sind, die or. 94 p.519R 
mit dem belcannten, Piatons Euthydem (p. 805 G) entlehnten, Ausdruck des 
Prodikos als lAcOöpca x&rt ^iXoe^fm «al tftv iroXmxA« beseichnet werden; 
wenigstens definiert Polos im Gorgias p. 448 C die tr/vri als l(A7:eip{« 
(vgl. dazu Stcillb.'. Vielleicht ist auch an asianiüche Redner zu denken, 
die wie in vielpn andern Stücken vel I S. 3S0, (, 382 f.) so mit der gor- 
gianischen Schule auch darin ubcremslimnilen, dass sie in der Rbetorik 
der ip.z6ipta vor der ^ iXoaof la den Vorzug gaben (ijjkiietpia und ^tXoso^la 
entgegengesetct audi von boltrates 2, 35j. 

S) So artheilt schon Casanbonus inDionem diatriba S. 447 (bei Reiske). 

8} Or. 48 p. 880 f. R wo die Beziehung auf die Epikureer, und nicht 
die Kyrenaiker, namentlich deutlich wird durch die elien dort berührte 
Ansicht von der ausserweltlicheo Existenz der GOtter. 



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VI. Der Dialog in der Kaiserzeil. 



I^ainuif. zu gelten') wie er ja auch das kleid der »SrhuU» Iruc, Irotx- 
dcm sieht er sich genöthigt namentlich in der Naturphilosophie 
Bfe0ik«r. bei den benachbarten Stoikern zu borgen'). Bei aller Ver- 
ehrung iür die Schriften des Anliathenes und den Charakter 



1) Spuren seines Kynismus begegneo wir auf Schritt und TrUI| so- 
dass CS kaum nöthig ist, wenigsions hier nuhl, solche einzeln zu ver- 
zeichnen. Als Kyniker schilt er auf die Lasier und Thorhrilen der Men- 
schen, sich selbst nicht ausgenommen ,'dass dieses Bewusstsein der eigenen 
Schuld und Sünde schon Antisthencs eignet, ergibt sieb wie bereits 
S. 90, I angedeutet wurde, aus dem von Diog. L. VI 21 Berichteten;, ver- 
gleich! er den Beruf des Philosophen mit dem des Arztes, siebt seine 
HaupUufgalie darin, durch Beispiel und Lehre zur Tugend zu ermahnen« 
und kKmpfl gegen nichts so sehr als den xv^oc. Kyniscb ist endlich 
auch die Kleinlichkeit der Moralpredigt, wie sie sich namentlich or. Sf 
p. 14 fr. R zeigt Die Forderung, Gott im Geist und in der Wahrheit an- 
ztibeten, ihn nieht mit äusseren Opfern zu verehren (or. 3« p. 373 R 
knnn ehrnso f^ut stoisch ids kynisch sein, ist aber mö^licherw^eise auch 
keins vuu beiden, uherhiiiipl nicht speciell phiio>oj»liisch, wenigstens 
fmden wir sie in ahuiu her Fassung auch bei Isokrates ad Nicod. 20. 

S) Or. 86 p. 97 f. R or. 40 p. 176 R. or. 48 p. SI8 R. Die Lehre vom 
Synkretismus der Götter berahrt er wenigstens or. 81 p. S7« R. Die 
Identlflcation der M^Seta mit der 9p6vi|«c (or. 18 p. (6S R) kann elienso 
wohl stoisch als kynisch sein; dass sie kynisch sei, hat E. Weber ^^Leipi. 
Stud. X S. 14) nieht bewiesen. Was er or 36 p. 82 R über das Definiren 
sagt, zeigt zunächst, dass er hier nicht auf dem kynischen Standpunkt 
steht; dass er den stoischen einnimmt, iehrt die Auflassung der Weit 
p. K3 f. R und Anderes in dieser Rede. Zu dem Letzteren gehört die 
Laterscheidung, die zwischen -JJScaftot, yaiput und tspiKsdat p. 4Ö0 R ge- 
macht wird (Unterss. zu Ciceros philos. Sehr. 11 S. 78 Anm). Ebenda 
p. 98 R scheint die Annahme, dass die Welt in der kat&^nn tiaea 
grosseren Raum einnimmt, Insbesondere auf Posidon zu deuten (Cuterss. 
zu Ciceros philos. Sehr. I 8. 898 f. die ▼ulgüre Meinung der Stoiker hei 
Pltttarch de commun. notit. c. 35 p.1077B}. An denselben Stoiker erin- 
nert das Absehen von der Schul-Terminologie or. 4 2 p. 891 R ((irroXT;^!; 
für rröXTj.J/i;; und die H\perhel or t r> p. 461 R '^Ayi vt) vpl. Cicero 

Tusc. V 5 u. dazu Heine . V<;1. nt»ch Hagen Quaestt. Dioii. >. 39. Als 
dx^t^toxipa «piXooo^ta scheint or. 86 p. 56 R die stoische Lehre über die 
platonische gestellt zu werden. Doch lassen sich die Worte auch anders 
verstehen. Dagegen erscheinen die Stoiker als f«X6oo^t scblecliUiia in 
derselben Rede p. 98 R (4 x&v ^ iXood^pa« X^^oe) und als «o^l or. 48 
p. 477 R (if) (iiv fiäf Xr]fOf«lvi) impd toIc «ofoU Inutpdrqotc at%lpoc}> Endlich 
fällt doch auch Synesios' Zeugniss (p. 44 f. R) ins Gewicht, der gleichfalls 
in Dions moralischer Strenge ein Kennzeichen seines stoicismus erblickt 
und den Kynismus gfinz ausser Recbnuog Ittsst. YgL ooch Kagen QuaestL 
Dion. ^. 37. 39. 53. 68 f. 



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Dlon Cbry«oslOA0S. 



93 



des Diogenes kann er doch nicht umhiny in Piaton den helle- iktm. 
nisduten aller Philosophen su sehen, in den er mit wenigen 
Andern wie yerliebt Ist, mit dessen Schriften er, wo er kann, 
sich besdAftigti); und dann ist es wieder Xenophon, bei dem ZMsfh«. 
sich der, weicher politisidi d. i. auf grossere Kreise bfldend 
und erziehend wirken will, am besten BaChs erholt, ja mit 
dessen LektOre man tu diesem Zweck auch wohl allein aus- 
kommen kann 2). Nicht einmal innerhalb des Rynismns hSlt Sohwanksa 
er iiiimcr denselben Standpunkt inne: bald steht er auf der ^^^j ^^^ * 
rechten Seite, die in Homer den Schau aller Weisheit er- 
blickte und scheinbare Widersprüche und Fehler durch rich- 
tige Auslegung beseitigte, und dann wieder auf der linken, 
wo man den gross tcn Dichter der Hellenen zum Gegenstand 
einer schmälisüchtigeii JLritik machte und ins Lächerliche zog 



I) Or. S6 p. 8SR. Nach Philoitiwi Vit. Sopk S. 8, i Kays, war der Phai» 
don sein lieblingsdialog und Remioiscensen aus dessen Lektflre finden 
steh jelst noeh fn Dions Schrlflen. 

8} Or. 18 p. 484 R Auch die Anerkennung, die indem or. 40 p. 24S r.R 
über Aristoteles und Pythngoras Gesagten für diese beiden Phtiosopben^ 
liegtj verräth keineswegs d(Mi rirth<Kloxen K^ niker. 

3) Man kann bei den Kv '^^' n eine Hechle uud ein«' linke unter- 
scheiden wie in der Hegelschca i'iiiloüopliie; den Maassstal) i^ibt in beiden 
Ftflleo das Veriiltttnifls, in dem die Einzelnen zn den heiligen UrirandMi 
der Volicsreligion stellen. Die Regel ist bei Dion, dass er anf Sdteo der 
Rechten steht and Homer nidit bloss dichterische sondern auch philo- 
sophische Autorität zugesteht; zahllose Stellen der erhaltenen Schriften 
beweisen dies, ausserdem hath' er nach Suidas in einer Schrifl von vier 
Büchern Homer gegen Piaions Angrille verlheidigt. Den l^ebcrgani: zur 
andern Seite macht or. p. *'0 f. R damit, dass hier Huaier und über- 
haupt den Dichtern nur ein halbes Wissen um die Wahrheit zugestanden 
wird. Gans auf dw Linken befindet er ^eh nur in or. 41 , wo Homer Un- 
sichtlicfa dessen» was er Über den trojanischen Krieg berichtet, jede Glaub' 
wttrd^elt abgesprochen wird. Casanbonus S. 448 bd Reiske wollte des- 
halb die Rede noch der sophistischen Periode zuweisen. Mit Recht hat aber 
Hac;cn Qnaestt. Dlon. S. 64 f. widersprochen. Vgl. auch o. S. 86, 4. Dass Dion 
auch noch in spaterer Zeit, wenn die Gelegenheit es gab, bereit war 
Homer zurüekzu.setzen, zeigt or. 33, wo p. 5 R ii\ Folge der Vergleichung 
mit Arcbilochos ein minder günstiges Licht auf ilin fallt. Auch or. 80 
p. 4t9 R klingt daü toS «a^* &{jLä; (so Emperius für r^p-ä^j oo^ ojTdTOu doch 
sehr reserrirk — Was die beiden Partelen unter den Kynlkem betrifft, so 
gehört der Stifter der Schule, Antisthenes, an den Orthodoxen (Dttmmler 
Antlsthenica S. 8t tt,) Zur Gegenpartei würde nach E. Weber Leips. St. X 



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94 



Vt. Der Dialog in dar Kaiseneii 



Noch öfter dagegen taumelt er bei diesem Schwanken Uber 
die Grenzen des Kynismus hinaus <), and wer schArfer snsieht 



S. 45S Diogenes gehören; das grOsste Renommee halte aber hier Zoüos, 
den Lehre de Arlsi S. Anm. den Kynlliero iiiweist. Nenerdiogs bat 
Wilaniowitx GüU. Progr. 1889 S. H dieser Art von Kynikem auch den 
Daphnites zugesellt und zugleich in diesem den Gewährsmann Dions für 

Hessen troischf Rede zu erlcenncn geglaubt. Weder das Eine noch dn-^ 
Andere kann ich zugeben DaphniU's" Schrift war nicht die yntlle für 
Dion; denn nach Suidas >t:iit'iiii ui jener Schrift hauptsächlich van lier 
BelhcUiguiig der Aliiener am Zuge gegen iliun die Rede gewesen und 
im HinUiek hieranf das Lügen Homers bewiesen worden zu sein ; bei 
Dion aber wird gerade hiervon liein Wort gesagt; es ist auch nicht 
walirscheinlidi, da Dion bekennt p. 81 • £ R dundi Elirfiirohi vor den Got* 
lern zu seiner Homerkritik liestimmt worden tu sein, das» l»ei der Durch- 
fuhrung derseilNin sein Gewährsmann ein anerluuuiter Gotteslästerer war. 
Aber Daplmites war überhaupt nicht Kyniker: wenigstens Suidas nennt 
ihn nur (iriiinniatilver und (ier l mstand dass er Ilonier der Luge zieh, 
au<(<ierdeni ein LKistertnaul wtir. das nicht einmal die Götter schonte, 
gibt uns allein noch kein IKecLl ihn zum Kyniker zu stempeln. Was 
Hägen Quaestt. Dion. ä. 48 S. über Diuns 14. Rede bemerkt, behält noch 
immer seinen Werth; vielleicht kommt aber auch diese Dntersnchong 
nur deshalb tn keinem sicheren Ergebniss, weil eine eigentliche Quelle, 
aus der Dion im Zusammenhang den Stoff seiner Hede schöpfte, über> 
haupt nicht existirle. 

4) So wenn er sich or. 18 hcrbeilässt rhetorische Vorschriften zu 
geben, or. 25 l<lsst er den Menschen in der Wahl des Berufs doch wohl 
mehr Freiheit als ein strenü;cr Kyniker gelhan iial>en würde. «Icpeu 
k\nis< lien Brauch verstösst die Lobrede, die er or. 4 4 aut seine Lunds- 
leule lialt, besonders p. 199 R; und er ist sieb dessen vollkommen bc- 
wusst, denn or. 5o p. 258 R, wo er es als seinen Gmodsata hinstellt 
aoch lobende Wahrheiten ro sagen, tadelt er »ugleich die Meinung derer 
welche es fttr die alleinige Au^abe des Philosophen halten das Schlechte 
aufzudecken (vgl. Rhein. Mus. 47, 875 f.). Gegen die ^j^vYoi^i? der Aleian- 
driner bezeigt er sich or. 32 p. 654 R duldsamer als einem Kyniker zu- 
stand. Während er selbst or. fiR p "^47 f H sich r^!« corrckter Kyniker 
überHussere Ehrenzeichen und da.s hieraul li n liiete >tretten lustig macht, 
findet er or. 75 p. 408 II darin etwas Nutzlicijcs und (lute«! und weicht 
somit abermals von der Nonn der Schule ab. Auch die or. 30 p. 354 R 
mit Vorliebe bebandelte Yorsteliung, dass der Tod i^e^'^ if^^ovf^ sei, 
weiss ich im kynischen Gedankensyslem nicht untennbringen. Nicht in 
Betracht kommt der Tadel des Diogenes or. SA p. 886 R, der sogar dato 
fortgeht diesen fdeaNKyniker p. 887 R der kynischen Hauptsttnde, des 
tO^«, tu bezichtigen; denn die Echtheit dieser Rede wird angezweifelt 
Erinnern wir uns dagegen an das Lob, das Theopomp dem Antistheoes 
ertheilt (Diog. Laert. Vi 44) 5etvov sUm %9A ht' h^xXii^ iy^k^^i ünd- 



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Dion ChrysostomoB. 



95 



uDd die Worte wSgi, wird YieUeicht nicht viel weniger bei 
ihm entdecken was vom kyniachen Katechismus abweicht als 
was damit übereinstimmt. Sogar in CSardinalfragen gibt er die 
kynische Bigorositlt preis und hlH sieh an die vulgäre Moral Td^Vani. 

Woher nmi dieses bmite Allerlei verschiedener Mei- Biakeitd« 
nuDgen, die nicht einmal alle als philosophische beseichnet pnirtiBoheii 
werden kdnnen, wenn sie anch philosophische Fragen beant- 
worten ? Von eüaem eigenthflmlichen Gedankensystem, in dem 
jeder Theü wohl bedacht und alle auf einander bezogen wären 
kann bei Dion niclil die Rede sein'^]. Die Verschiedenartigkeil 
seiner Ueberzeugungen zusammenzufassen, reicht weder der 
Name eines idealen Kynismus aus obgleich Dion so gut wie 

fto%ai Taft 6vTivoyN, so komtripn wir 4iuf «Jeu (icdaiikiMi, dass Dion diesen 
Philosophen direkt oüer indirekt im Auge hat, wenn er sich or. 71 p. 377H 
gegen solche wendet oT fsot (tiv itivrot iy tOm thvi ictpirciv «in» 
oofov «al 6|itX^oat dvVpdicou ^mI UVt sbm (ct^i^taTov «tX. 

4] Or. ts p. 535 R werden edle Abkunfl und Schoaheil id einer 
Linie mit den Tugenden unter die höchsten Güter gerechnet und auch 
die ifinsai unter die Eti'inciitc dfi- (^lü( ksoIit:kfMl, jedenfall«; unter die 
rühmenswerthen Diitgi; ^^cziihll. Voi uiideiit (iiitcni wird der Schönheil 
der Preis gegeben ur. 29 p. 53ä K. Arnim im üenaes 26, bemerkt 
zwar, dass die beiden Reden, denen diese Schätzung äusserw Güter an* 
gehört, sophistischen Charakter an sich tragen, den Schliiss aber, dass 
sie deshalb In die SEeft vor Dions Verbannung gebören, wagt er doch 
nicht zu sieben. In diesem Falle würde auch nichts damit gewonnen 
sein. Uass Dion trotz seines zur Schau getragenen Kynismus bisweihni aus der 
Rolle fiel und wie einer aus dem Volke moralisirte, zei''t <tr i 7 p. 462 f. R: 
denn die Art, wie hier die Unzulünglichkeit des Wissens zur i uppiid be- 
tont wird, ist weder kyniscb noch stoisch, Ubtrhaupl nicht sokralLsch; 
auch was p. 410 R über den Kutzeu des Heicbtbuins gesagt wird, em- 
pflebli sieh zwar vor dem gesnnden Menschenverstand, stimmt aber nicht 
zur kynisdien Askese. Und welche Versündigung an dem Heiligen des 
Kynismus, an Herakles, dass er diesem (or. 3t p. 578 f. R) zutraut er 
habe seine Thaten, durch die er der grOsste Wuhlthäter der Menseben 
wurde, lediglich um eitlen Ruhmes willen verrichtet! 

2} Von einer »Dionis proprio pbilosophandi rntion.mit Hagen Quaestt. 
Dion. S. ki zu sprechen, sind wir nnht berechtigt. In dem Bestreben 
Diooä Selbständigkeit zu retten, ist Uagen hier wohl zu sehr in das 
andere Extrem getrieben worden. 

<) So sehr der Kynismus damals die Tendenz hatte und den An- 
spruch erhob, die Philosophie lute ^^uyif* zu sein, und zu diesem Zwedc 
eine Art Universalphilosophie wurde, die das Gute und Brauchbare aus 
verschiedenen Systemen sich aneignete. 



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96 Vi. Der Dialog in der Kaiflerteit. 

Epiktet einem solchen huldigte und sich dadurch von den ge- 
meinen K)Tiikern seiner Zeit eutfemto, noch auch der noch 
dehnbarere des Sokratlsmus. Was sie vielmehr vor dem Aus- 
einanderfallen bewahrt und Dion vor dem Vorwurf rettet, ein 
gedankenloser YleUeser gewesen su sein, ist iediglioh die Ein- 
heit der praktischen Tandens, der alle dienen oder der sie 
doch nicht vridersprechen dfirfon. Wihrend Andere mit ihren 
Bekehnings^ und fielehrungsversuchen sich an den Euuelnen 
wandten, suchte IKon in dem gleichen Streben nach Besserung 
der Menschen üi der Breite auf guuze Massen xu wiriien. In 
dieser Betiehung blieb er froher und später derselbe. Was 
er wollte war eine Verbindung von Ethik und Bhetorik^), 
pidigogliah« eine pädagogische Rhetorik, ungefähr in der Art wie wir sie 
an Isükrates kennen^]. Der ganzen Stadt, no^t;, wollte er 

i) Vgl nAcfa Allem, was eror. %% über den Untttsohied vooPfallo- 

sophen und Rednern za Gunsten der crstcrcn bemerkt hat, danSdilliM: 
X£Y<n oi e4 <^|«gn» ^ijToptx-jjv ouie p'^Topac tou; d^a^ouc dXXd toOc «pouXou; xat 
Too; Ttpooroio'jiA^vw; t6 TTpä-yfAct. Hieraus ist ersichtlich, dass ihm als Ziel 
eine ideale Khclorik vorschwebte, wobei er sich der Betrachtungen seine-» 
Platon im Phaidros erinnern inocbte. Wie er dieselben verstaiul oder 
wie er sich mit ihnen auseinandersetzte, wissen wir freilich nicht Jeden- 
falls wich er dadurch Yon Platon ab, dass er nicht wie dieser im Gespräch, 
Modem umgekelirt in langen Keden das Hauptraitlel der Belehrong sah 
(or. Sl p. 6B9 R; dass bierin ein Unterschied zwischen seiner imd des 
Sokrates Lehrmethode liege, deutet eradbst an or. 48 p.4S2R = S. «30,3 IT 
Dind ' und in der That ist es dies ja auch, wenn man nirht auf Einzelne, 
soiuiern auf f-';in7'* Versammlungen wirken will. Insofern ist (gerade die>^' 
Aeusseruiig für Dion. seine Ahnichten und Ziele besonders charaklerisKSt Ii 
2j Doch uberwog bei isokrates ebenso das Epideiktische wie bei 
Dion das ProtreptiBche. Der letitere lehnt die iid^tgi; von aidk ah or. tt 
p. 1 86 IL Vielleicht adiwebte ihm noch mehr als daa des Isokralea dae Vor- 
bild des Demoathenes vor Augen. Wie Demosthenes den Athenern, so wollte 
er seinen Landsleuten, aber auch den Bürgern anderer Städte ins Oe- 
wisscn reden. An Demosthenes lehnt er sich namentlich or. 31 p. 635 ff. R 
an, und zwar an die Leptinea; nach Philostr. Vit. Soph. S. s ^ \\ u- vielmehr 
die Gosandt«chaflsredf 'hier 6 x'j-a r^c rpcaHeti; {«'enaniil; neben Platon^ 
Phatdon seine Liebliii^^älcktute. Womit er sich hauptsächlich zu schatTen 
machte^ waren nach seinem eigenen Gcstandniss die rpom^xontio, wonmter 
er dasselbe verstand, was die Stoiker nnter xa9i)x«vTa (or. II p.8ID R 
und or. 13 p. 483 vgl daxu Unterss. su Ciceros philos. Sehr. II S. 48S, 
wo indessen Dion noch nicht berttcksiditlgt Ist). Zar Wahl gerade dieses 
Wortes mag ihn der hiiuflge Gebrauch desselben bei den Rednern, bei 
tsukrates und Demosthenes, beslimroi haben. 



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Dion ChrysottomoB. 



97 



sich dadurch nOtzlioh erweisen (vgl. Isokraies icspl dvTtdoa. 85] 
und würde sich deshalb, so sehr er sich Anfangs gegen den 
Namen ^1X090^ strfiublei die Beseichnung als iroXitixo«, die 
ihm nadi Synesios gebohrt gern haben gefallen lassen 
Diesem politischen Interesse , wenn man es so nennen darf, 
mnsste sich das philosophische .unterordnen^] und die Theorie 
der einmal gewählten l^xis zu Liebe gestaltet werden. Hier- 
durch wurde von vornherein sein Philosophiren auf die Llhik 
eingeschränkt'*), hatte aber auf diesem engen Gebiet nur um 
so mehr Freiheit und konnte mit jeder Theorie oder auch 
allen / usaininen ansk^inmen , nur nicht mit solchen, der 
epikureischen, (iie der Politik und Rhetorik abgesagt halten. 
Sodaoßy da seine Absicht war auf weitere Kreise des Volkes 



1) p. 44 R ro>aT'./.(T); peTe/etplaoiTO. ji. 16 U wo die roXirixol liizo^iotii 
von den ^offtatrAai unU'ischieden werden, p. <8K ebenso der f^f,-fnp d^^f> 
in Dioa von dem jToXtttxo;. p. 40 R wo die Schriften Dioos geradewegs 
gegenüber philosophisobsn als ffoXiti«^ 7p<i|A{&«t« bexeichiiet werden. 

S) Nennt er sieh selber doch einmal (or. Sl p. 5SR} (vjiMrfo}^^«. 
Dien hatte ein Vaterland» das er Hebte; er war weder Kosmopolit wie 
Diogenes noch BUrger einer ertrSumten Republik wie Piaton. Daher sein 
Onindsatz, den man ans or. 34 p. 50 R herausliest, dass Niemand die 
Politii^ i/. roipff-Y'^'^ tn ihon snile. und or. U p. fasst er die dem 

Philosophen bei seiueui Wirken gesteckten Ziele in den Worten zusam- 
men: xat ^Tjuo'j Tra??*£(«x v.i\ TT^Xtcii; TjÄo; 'itXfiao^ov xat iratixi^. Auch 
da:» Bild »eines Lebeui!>ide4ils, des Sokrates, vorschiebt sich ilun nach 
dieser Seite hin: YgL was er über dessen Wirl^saml(eit or. 43 p. 49iR 
(in den Worten dkXä «al to6« icpceßuT^pouc «tX.) sagt und or. 8 p. H4R 
wo er besonders hervorbebt, derselbe liabe auch dp^vm« durch seine 
Reden gebessert. 

•) Dies gilt auch fttr seine Praxis, nicht bloss für die Theorie, 
or. 47 p. 234 R hebt er hervor, (Inns ihm die Beschäfli^unR mit den An- 
gelet:"nhi'iten der Gemeinde keine Zeil mehr l;*sse sich der l*hilosn[)hie 
zu widmen. In der Zeit ^seiner \>rhnnnunii war dies naturlich anders: 
da Irul der i'hilosuph in ihm mehr hervor. 

4) Wenn gclegentlieh die Natnrphitosophle mit in eine Darstellung 
hereingezogen wird (s. o. S. S), geschieht dies doch im Dienste der 
Ethik. Auch hier ist wichtig lUr uns Synesios' Angabe (p. UR), der 
mehr als wir von Dion gelesen hatte: h ('o(iv Mm^ fotxc 9c»p^(Mei \tht 
xr^vixolc iv ^iKoso^i^ p,Vj TCpoaTaXa(icei(r))oai y-rili itpooivaa^^elv tpuat- 
•xoT; ^j^-fitin^i 'i-i ^j'^k ToO xnyyj f/.tTarct^eiUiVo;. Diese Angabc kann 
naturlich durc h den blo!<sen von Suidas angeführten Titel der Schrift 
Li ffUipTo; h %(>9(Ao; nicht widerlegt werden. 

Hlrt«l. Oi^og. U. 7 



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98 



VI. Der Dialog iD der Kaiaeriell. 



XU wirken und eine Bedingung. der rednerischen Wirkung isl, 
dass der Redner sich den Anschauungen seiner Hörer anbe- 
quemt, so genügte es fttr Dion nichl, dass er die Lehren der 
verschiedenen Sekten gegen einander abschliff, sondern er 
musste auch wohl geradesu auf den Standpunkt der vulglren 
Moral hintibertreten. 
Aehnllohkelt Es war im Grunde dieselbe Lehre, dieSelbe Gesinnung, die 
S^^ifbni immer gleich er Iii Ute und beseelte, die er aber nach den 
UmstJindeii bald in dieser bald in anderer Beleuchtung und 
Verkleidung zeigte. Mit dem moralischen Endzweck war es 
ihm Ernst; im Uebrigen, so weit es sich mit jenem vertrug, 
erlaubte er sich zu spielen, vollends, wenn es sich um Adia- 
phora wie die Beurtheilung Homers handelte, wechselte er 
nach Zeiten und Menschen mit der Ansicht und scheute selbai 
einen Widerspruch nicht. Er ist hierbei nicht anders verfahren 
als spfiter Maximus von Tyros und Aristides und als schon 
vor ihm die alten Sophisten Protagoras» Gorgias u. A. *). Er 
glich diesen alten und neuen Sophisten auch darin , dass es 
ihm wie an Gonseqneni» so auch an philosophischer Tiefe fehlte. 
Nicht was er in redlicher mtthsamer Arbeit und eigner For- 
schung in der Tiefe seines Geistes gefunden hatte, als Antwort 
auf die Grundfragen des Daseins und Denkens, brachte er in 
seinen Hedeu und Schriften zu Muikte mul stulzle. es für den 
Absatz, für die Praxis ein wenig zurecht oder putzte es aus, 
so wie einige Stoiker gethan hatten . sondern die besondere 
Art rednerischer Praxis, die er sich zu seinem Beruf gewShll 
hatte, war für ihn das Erste, hiernach suchte er sich bei den 
Philosophen zusammen was er diesem Zweck entsprechend bei 
ihnen fertig vorliegend fand^}. Die von Anderen gegrabenen 
Metalle goss er nur in neue Formen. 

1j .1. Burrkhardt N. .srh%veiz. Mus, IV S. 98 geht indessen zu weit, 
wenn er sagt; »Eral in zweiler Linie, als Substrat des Styles, scheint 
ihm der Inhalt su geltes. Man wird daher nicht zu sehr ersteuneii, 
weon eeine Raisoonemeots tn deo verscbiedeoea Stttcken sich bisweileD 
auf das stärkste wideraprecheD, je nachdem ihn die Rnndang seine« 
Gegenstandes auf diesen oder einen anderen Abechluas hinllihffte«. Er 
unterscheidet xu wenig das worin Dion wechselt und worin er alcfa 
gleich bleibt. 

2^ D»s Selbstbekenntniss . das er in dit^ser Beziehung in einem 
Falle ablegt, or. 13 p. 424 R, dürfen wir erweitern. 



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Dion ChrysostorooB. 



9d 



Sein Utterarisches Verdienst hi hiernach ein formales. Literarisohw 
Dadurch wird es weder unier^ noch geringgeschätzt Bion ^"■^^«»^ 
rnuss sich dieses Urtheil mit den alten grossen Sophisten, 
einem Protagoras mid Gorgias, gefallen lassen, die zu HerahÜt 
und den Eleaten dieselbe Stellung hatten wie Dion zu den 
Philosophen seiner Zeit. Trotzdem wird Niemand diesen Selb- 
ständigkeit üiKi Originalität des Denkens überhaupt absprechen, 
so wenig als einem Voltaire, der doch in einem ganz ähnlichen 
Verhfiltniss zur engUschen Philosophie stand. Vielmehr ist 
formales Verdienst in jenem Urtheil so zu verstehen, dass der 
ßegrifl' der Form weiter ausgedehnt wird. Es gehört daxu 
Alles was Aber den moralischen Grundgedanken, den Rem 
der Erörterung, hinaosliegt, eine Fülle geistreicher Gleichnisse 
namentlich, die wir nicht befugt sind sammt und sonders als 
Plagiate ansusehen, und dichterische Erfindungen wie die, der 
wir das eubOische Idyll verdanken. Es gehören dasu aber 
auch kleine Modifikationen, die Dion sich mit der ttberlieferten 
Theorie erlaubte. An die Stelle der dreifachen stoischen TtttM« 
Theologie setzte er eine vierfache, indem er zu denen der ^^^** 
FMosophen StaatsmBnner und Dichter noch die der bildenden 
Künstler hinzufügte 'J ; und sein Urtheil über die Dichter (or. 



4) or. 4 2 p. 391 IT. R. Hagen a. a. O s 3 ist der Meinung dass diese 
vierfache Gliederung im Grunde schon von Strabo 1 p. 4 9 f. gegeben sei. 
Im Gegentheil hissen iiljer Strabos Worte höchstens die gewöiintiche 
Dreilheiluog, genau genouiuien sogar nur eine zweifache Theologie zu, 
di< mythische nad die philosophiicfae, so dass von jeoer die Dichter 
sowohl als die StaatomSimer abhäogig sind (to2»( |*69<mi« dictft^Eavro o6x <»1 
mnjTttl |a4vov dXXA wl «1 vSUn mdA icp6tcpov %ak ol vo|io9ixftt toö ^pi)- 
o{|MO ydpt'i Sferaho a. a. 0.). Die Werlte der bildenden Kun.st erscheinen 
nur als ein AnhMngsel der Dichtungen, und Bildbauer und Maler haben 
keinen höheren Beruf als was die P<M«len geschaffen zu illustriren: dies 
beweisen mir die Worte ^ \i, Ala Cf,ü*ot Yf^atföc ^ i^ova uXaafjiaTa toi- 
ouTTp» Ti-^d TTepirireiiv ?>7:oaT|jji»x(vovTa fiuftcG^ (worin ich xoiau'Ojv nur auf 
die vorher erwähnten dv^pa^ai^r^aTa ia den Erzählungen der Dichter zu 
becieheo vermag) und die hiermit ttbereinsUmmende Angabe VIII p. S84 
dasa Phldias das Vorbild seines Zens In den bekannten Versen Homers 
gefmulea habe. Auch anderwärts wo der verschiedenen Arten von Theo- 
logie gedacht wird, kommt es nicht über die gewöhnlichen drei hinaus, 
SO bei Plutarch Erotik. 48 p. 763 C, beim Pontifex Scävola und bei Varro, 
über die beide Augustin de civ. Dei IV 27 und VI "> hcrirhtet. Dass 
die letzteren beiden die bildende ikuost nicht als eine lje>uuüere Art der 

1* 



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400 



VL Der Dialog in der Kaiseraett. 



36 p. B9 ff. B)y msbesondm ihr YerhSltniM lur Wahrheit^ leigl 



Gottesdarstellting aaflRihren, liegt nicht daran dass sie dieselbe ttberhaupi 
ignorlrea tondera dass sie sie aoderswo unterbringen, in der politischen 
Theologie (ttber Varro a. Angustin a. a. 0. Vi 7, dasu IV Sl S. 4 «4, 17 ff. 
Domb., ttber Scttvola ebenda IV 87 S. 158, 4ft Domb.) wohin sie deshalb 

Ctt gehtfren schien weil ihre Werke Gegenstand des Cultos Sind. Httber 
als von den Genannten wird die bildende Kunst offenbar von Dion pe- 
srliatzt. Sic ist eine besondere Manifestation des allen Menschet) tremein- 
^a!ueIl !£|ji'^uTo; 67r<5X7)'|;t; p. 395 R) Gottenhewusstseins und steht in dieser 
Hinsicht auf einer Linie mit der Dichtkuuht und Staatsreligion, von denen 
sie trotz mancher Uebereinstimmung doch auch wieder in anderen Punk- 
ten abweicht (p. 196 R). Wie kam Dion zn dieser eigenthttraUcbeo Anf- 
fessong der bildenden Kunst? Vergleicht man seine Aensserungen ttber 
dieselbe und namentlich, was er p. 403 f. R vorbringt um ihre Darsldlung 
roenschenihnlicher Gtftter tu rechtfertigen, mit Cicero de nat. deor. I 77, 
wo sich in einer Kritik der epikureischen Lehre ganz l'ebereinstimmendes 
findet, so wird man zunach'.t imf de?) n^dituken einer gemeinsamen Quelle 
geführt, zumal Dion auch son-l in dieser Rede fs. o. S. 9<, 3) gegen Kjnkur 
poleinisirt i^Postdon könnte freilich diese Quelle nicht gewesen sein trotz 
Hagen S. 4: denn die Stoiker standen erstens der anthropomorphen Dar- 
Stellung der Götter viel schroffer und abweisender gegenüber, wie Balbos' 
Worte bei Cicero n. d. II 4A xeigen und sich aus Varros Urtlieil bei 
Augvsttn de civ. Del IV Sl S. 46S, ai f. Domb. 8. 164, 46 ff. VI 7 S. il8,6 1 
scliüessen llisst, und sodann habe ich Unterss. zu Cic. philos. Sehr. I 
S. 82 ff. nachgewiesen dass Ciccros akademische Kritik der epikur. Lehre 
gerade nicht auf eine Sehrifl Posidons ziiriirkgcht\ Man könnte dann 
Dions höhere Schäti^ung der itildenden Kunst als ein Zugestäudni^^«) auf- 
fassen, das er bei aller übrigen Polemik und gerade deswegen Epikur 
machen an müssen glaubte. Doch genügt diese Erklärung nicht, denn 
eine Goordinirung der bildenden Kunst und der Poesie folgt hieraus noch 
nicht. Sie folgt alwr daraus dass Dion in der bildenden Kunst mehr 
sah als ein Handwerk (tö ytipwvm%iv p. 440 Rkann ironisch gemeint 
sein), nicht eine Thatigkeit die nach Ideen Anderer sondern die nach 
eigenen arbeitel 'diess erijibt sich ihih der von lla^jen S. 71 angestellten 
Vergleichung von Didu p. 410 f. K mit Cicero Orat, jl) und insofern 
sdiopferisch verfährt, wie denn Dioa auch zwischen dem göttlichen Welt- 
bildner nnd dem menschlichen ^lAioup^^; eine Parallele zieht |p. 416 R) 
und hierdurch dem letateren die höchste Künstlerweibe ertheüt. An- 
lehnung an Piaton ist hier wobl bemericbar, aber weder war Ptaton in 
der SohAtiung der kttnstleriscfaen ThHtigkelt des Bildhauers so weit ge- 
gangen nooh entsprach dies ttberhaupt der Anschauung des lirttheren 
Alterthums. Inwieweit die Perganiener hier Dion etwa vorgearbeitet 
haben Haiien S. 69 ff.), will ich nicht entscheiden. Er selbst folgte hier 
dem Zuge der Zeit : das j^rosse Bedürfniss nach Werken der bildenden 
Kunst, das in ihr sich geltend machte, musste uaturgcmSss auch xu einer 



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Dion Chrysostomo». 



404 



ihn ebenso entfernt \on kyiiisch-stoischer Ueber- wie von 
platonischer Unterschätzuog 



htfheren Würdi^unp jener führen. Resüiidcrs war Hpr Zpus des Phidias 
in Olyinpi.i iiuch für das allgemeine KuiistiirtheÜ niaassgebeud. Als 
Aemilius P.iullus voll Bewunderung vnt demselben »land (Polyb. 30,10, 6H 
Livius 45, ib;, wusste er seinem Dcoken und Empfinden keinen besseren 
Aosdnidt su geben als darob Cttlren der bekaiuiten Hememne (Plntareh 
Aem. PiiqI. %%). Er sah also in Phidias noch den Illostrator Homers — 
eine Ansieht deren anch Dion or. 42 p. SS8 R BrwHbnnng thui Cieero 
dagegen (a. n. 0. gedenkt dieser Verse nicht, er weiss nur von einem 
Idealbild, das dem Künstler die Hand leitete. Und ebenso nrthrilt Dion. 
der ausserdem noch in fast Lpssin«-'s<her Weise die vpisi hie<ienen Be- 
dingungen hervorbebt unter denen der bildende Kün!>tier und unter denen 
der Dichter arbeitet (I S. 38 1 und hierbei geneigt ist den Werken des 
Enteren den Vonng zu geben (vgl, p. 41t f. iMsooders die Scfaiide- 
rang des Zens). So wurde die Unfl swiscben dichterischer Tbitiglcelt 
und bildender Kunst noch erweitert In dieser flmgebong ist ein Urtbei 
wie das von Dions Zcitcenossen Quintilian ganz begreiflich, der XII <0, 9 
von demselben Zeus des Phidias rühmt: niju«; puloluitudo iidjecisse ali- 
qaid etiam receptae religioni videtur; adeo niajestas opei is deuni aequavit, 
Und dieses ürtheii ist dann nur die nächste Vorstufe, von der wir leicht 
ZU Dions Auffassung der bildenden Kunst als einer liesonderen Art der 
Theologie gelangen. Sie mit, wie ich wiederhole, nicht mit der stoischen 
susammen, nKmlich auch deshalb nicht weil filr die Stoilter die physische 
und philosophische Theologie eins waren (dies ist aus Varro bei Augustin 
VI 5 zu schliesscn; anders allerdings ScUvola bei Augustin IV 97, der 
aber wohl nur deshalb die philosophische Theologie nicht als die 
natürliche bezeichnet, weil er dadurch das Recht voiioreu hütte die 
Staalsreligiua über die philosophische stellen; , nach Dions Ansicht 
aber (der hier im Wesentlichen mit Plutarcb a. a. 0. zusammenstimmt) 
die natürliche ThefHogle die Grundlage aller ttbiigen zu sein scheint. 
Endlich sei hler^noch einmal an Strabo erinnert Die Art wie dieser 
die bildenden Künste der Dichtkunst unterordnet und wie er weiter 
Phidias nach Maassgabe der liomerverse arbeiten lösst zeigt, verglichen 
mit dem Umstand dass Dion die liomerverse ignorirt und gleichzeitig 
die bildende Kunst selbständig neben die Dichtkunst .stellt, recht deut- 
lich dass in der That ein solcher Zusammenhang, wie wir augenuntuien 
haben, zwischen Dions cigenthiünlicher Eintheilung der Theologie und 
seiner Ansicht ttlier Wesen und Bedingungen der künstlerischen Thätig« 
kelt besteht 

i) Was dsgegen die Dlimonologie bctrifTt, so bestreite ich dass er 

hier etwas geneucrt habe. Ilagen S. 39 behauptet dies zwar und man 
kann den von ihm angeführten Stellen noch or. 45 p. iOI R. die Be- 
zeichnung Domitians als eines ^iiifAcnv, hinzufügen. Dagegen sprechen 
aber isokrates 4,151 und Piaton Lysis p. 2i3A. 



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102 



VI. Der Dialog io der KaiseneH. 



Abhünfigkeit Wir haben die Gegend kennen gelernt, in der sich Dions 
VwUMm^ Üeberaeugungen bewegten, die Richtung, die seine Gedanken, 
ohne eine gerade Linie einsnbalten, im AUgememen nahmen, 
das Verhfiltniss endlich in dem er sa den alteren Phiioeophen 
stand. Damit ist sngleich die Frage bis su einem gewissen 
Grade beantwortet, in wie weit seine Sebriften von Alteren 
Yorbadem abhSngig waren. Die Schablone will, dass er wo- 
möglich jüJer einxelnen Rede oder Abhandlung ein besonderes 
Literaturwerk der Slteren Zeit zu Omnde gelegt habe. Das 
bisherige lässt dagegen die Möglichkeit offen, dass die Ge- 
danken der Aelteren bisweilen nur den kurzen Text zu seinen 
langen Reden bildeten, das Motiv waren, das ihn zu eigenen 
Gedanken vM iLer tührte, oder dass sie auch nur wie ein Motto 
über der Arbeit schwel)ten, durch sie hindurchklangen. Wie 
Goethe sich einmal geäussert hat und sich jetzt wohl noch 
schärfer äussern würde (Werke 22, 233), die Menschen achten 
nur auf das Was und Woher einer etwas hat, nicht auf das 
Wie. Gerade bei einem Formkünstler, wie Dion, ist aber 
diese letstere Frage wichtiger als die andere. Man darf sdn 
VerhUltniss su den Slteren Philosophen nicht etwa mit dem- 
jenigen Giceros vergleichen: die Absicht seiner Darstellungen 
war eine gans andere und auch als Landsmann stand er Ihnen, 
der Grieche den Griechen, viel freier gegenttber. Immerhin 
mussten ehien belesenen Mann, wie Dion war, Reminiscenien aus 
Piaton, Xenophon, Antisthenes ^] und den übrigen Sokratikem'J 



1) Durch das Urtheil des Diogenes or. S p. 175 R spricht er wohl 
sein eigenes ans. Damit würde es gut gtimmen, wenn wir in derselben 
n^dp p. 286 mit Bücheler (Rh. Mus. 27, 451 auch Hagen S. 41) eine 

Keiinniscenz atis einer Schrift des Antislhenes anerkennen. 

2) Ganz allgemein empflehlt er ihre Lektüre or. 18 p. 480 I\. Auf 
andere als platonische und xenophontische Dialoge weist or. 5ö Sehl: o6 

Miwvt Ik Tip 8tTTaXcp nepl IpaoTwv xaX lpm\iihm^. Vgl. dazu K. Fr. Her» 
mann de Aeschine S, <7 u. <9. Auf die Aspasia des Aeschines mögen 
hiernnch Lysikles und I.ykon *i'ir}\ l^eziehen. Auch die nespriiche mit 
Anylos und Menon stammen nicht uus dem platoni^^chen Di-jlnc Menon; 
denn die Gespräche, wie sie Dion voraussetzt, sind andere als wie sie 
dort geführt werden.JDass Änytos'ais izhojoioi ex {i'jp3i56<J;ix^; von Sokrates 



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Dion Cbrysostomos. 



geradezu verfolgen nntj auch das kunnto nicht nusbleiben, 
dass er hei der .\i)han(lhing gewisser Malerien die ArbeiteD 
üeiner Vorgänger berücksichtigte uod benutzte^). 



verspottet wurde, erwähnt der Piaton-Scboliast bei Bekker S. 330. Vgl. 
auch tpist. S()<^rat. Ii. t. 

1] Zuiual da er sich nicht I)egnugte zu lesen sondern, wie sich aus 
der Vonchrifl or.18 p. 484 R ergibt, besonders schöne Stellen derKlassi- 
slker, namentlich Xenophons and der Sokratiker, answendig lernte. 

S) Ohne deshalb freilich in sklavische Abhängigkeit zu geratben. 
Auch das veoiorl in or. 33 p. 4SR (ot Hsmvd |a€v rd ^ixt} iccpit)fA|Uvot xxL 
die Makedonier sind gemeint] kann dies nicht beweisen, grossen An* 
?to?5 Ca?nubonus an dem Worte nah in. Es ist ja richtig, zur Zeil des 
Diogenes liess ^ieh eher von den Makedr>n)<M n <«appn , <;ie seien noc h 
jüngst in Lumpen gehüllt und nur als ein llirien\ulk Ijekaiiiit f:(*\vesen. 
Indessen rhetorische Icberlreibuug gehürtc doch auch schon dumal» da- 
zu um sich so auszudrücken ued grosse Dehnbarkeit der Bedeu- 
tung von vcwotl muss auch in diesem Fall vorausgesetzt werden. Gesteht 
man aber jene auch Dion zu, wer will ihr dann und wer will der Dehn- 
barkeit der Bedeutung Grenzen ziehen? — Doch ist auch diese Regel nicht 
ohne Ausnahme. In or. IT) scheint aus einem »Iteren Originale Manches 
unverarbeitet stehen geblieben 7« sein, das in Dioiis Zeit und T'mpebung 
nicht passte. S() wird p. 435 H von der Befreiung .Messeniens durch die 
Thebaner wie von ein^m Ereigniss gesprochen, dns der jüngsten Ver- 
gangenheit angehört. Au Hallend ist ferner p. 450 f. R die Wahl der histo- 
rischen Beispiele und noch mehr die Art wie des Atheners Kallias als 
einer ganz beknnntMi Pnrsönlichkelt gedadit wird. Am meisten aber 
muss Anstoss geben, dass das Kynosarges noch immer als das Gymna- 
sium der vdlei gilt (p. 445 R) was es doch schon zur Zeit des Demoslhe- 
nes längst aufgehört hntte zn sein (Bernays Lucinn und die Kyniker S.9I 
woz\i für die ältere Zeit nocli Athen. VI i."}; E verglichen werden 
mag; für die spatere Zeil aber auch noch Piutarch Amator. 4 p, 750 F 
u. die Bemerkung von Rose Ari»tot. Pseudepijir. S. 106 [zu fr. 82]). Dass 
es aber Dions Absicht gewesen sei uns in diu vordemosthenische Zeit zu 
versetzen und das Angeführte zum historischen Kostüm des Dialugs ge* 
bOri habe, kann abgesehen davon, dass die Gewalt^ die nach p. 4SI R 
rieot« T^p ote olefttt «tX.) in gewissen Staaten den Vätern Uber ihre 
Kindor eingeräumt wird, uns auf romische Verhältnisse hinweist, auch 
deshalb nicht angenommen werden, weil p. 4&8 R doch auch wieder der 
Schlacht bei Chäronea gedacht wird und weil der schlichte Anfani: iDA 
jrJjf» tfajyipi rapeYcviJfjiTjv y.-> . keinen andern Schlus.s gestalte! . als dass 
Dion seihst der Erzähler ist und da« Gespräch als eins pil)t das er mit 
angehört hat. Es wird also wohl nur die Annahme übrig bleiben, dass 
Dion bei der Ausarbeitung seines Dialogs sich von einer älteren Schrift, 
die er beautile, nicht so frei gemacht hat als er sollte und vielMohtau^ 



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i04 



VI. Der Dialog iu der kaiserzeit. 



Diese ciligeineineTi Veruiuthuiigen haben glücklicher WtJise 
einen ilalt an ''jn/elnen Fällen, in denen wir sein Verfahren 
noch etwas genauer beobachten können. So theiit er uns ein- 
mal ein Gespräch zwischen Sokrates und dem Sophisten üippias 

«plMn. mit (or. 3 p. 1 09 f. R) das wir noch im Original bei Xenophon 
lesen (Memor. IV 4, 5 ff.) und hieraus sehen, dass Dien die 
Worte gefindertf Einseines welter ausgeführt und ausserdem 
sich nur den Anfang des ursprflngUohea Gänsen su Nutse 

-PUtou gemacht hat i). Ein ander Mal folgt er dem psendo-platoni- 
sehen (fÜrlMon natttrlioh platonischen) Kleitophon (p. 407 Äff«) 
und bildet die Busspredigt des Sokrates nach (or. 13 p. 425 ff. R) 
erst wörtlicher, dann immer freier bis er sich schliesslich gani 
dem Zuge der eigenen Gedanken Uberlässt-]. In einer andern 



wollte. Dass diese Schrift freilich eine des Anlistbenes war, folgt weder 
aus dem AngeftUhrteD noch daraus, dass in der That eine Schrift dieses 
Philosophen iccpl iXcvftcpioc k«1 WXcI«c existirte, also den gleichen Gegea- 
stand behanddte wie Dions Rede. Die Binkleidang des Dialogs vveisl 
übrigens auf die pscudo-platonischcn 'AvrepasTrii als Vorbild: wie dort 
Snkt-'tt«'>^ so koinnit hier Dion dazu wio zwei ÜOgeoaiUlle io Mitten einer 
grosücrcii Gesellbchaft mit einander slreiteu. 

1; in dem Werke eines Zeitgenossen würde Sükiates nicht das 
Perserreich bis Uber Makedonien ausgedehnt haben (p.llSR ts* S. 45, 20 
Dindf.). Defgleichen stammt aus der spateren Rhetorik: vgl. s. B. Ari> 
stot» or. 4S p. 858 Jebb, der indessen trols seiner Uebertitibungen keinea 
historischen Irrthum begeht. 

2 Er selbst macht kein Hehl daraus, dass er hier einem Alteren 
Muster folgt (p. 424 R;. £^t) rt; bemerkt er noch einmal besonders za 
Worten, die or dem Kleitophon cntnonnmen, und meint mit diesem rt: 
wobl l'lalon, den er auch sonst in derselben Weise ohne ihn zu nennen 
cilirt, ja dem er diese unbestimmte das Persönliche verwischende 
Weise des Citirens mag abgesehen haben. Dass im weiteren Verlaufe 
die Rede des Sokrales bei Dlon in Worten und Inhalt mehr und mehr 
▼on der im Kleitophon abweicht» gibt keinen geni^enden Grund ab, um 
daraus auf eine andere Quelle Dions zu sdiliessen. Namentlich sind wir 
nicht berechtigt den Archelaos des Antisthenes dafUr zu halten (s. I 
S. 4SI, 4), am Allerwenigsten auf die blosse Nennung dieses makedonischeo 
Königs hin p. 4 31 f. R, der in Moralbetrachtnngcn seit den Zeiten der 
Sokrntiker i'in beliebter Typus war. Man woHe doch Dions eigenen 
Winken folgen, mit denen er v(»n vornherein dein \ ui wnrf ungenauen 
Citirenb die Spitze abbricht p. ^i* h. f^^iouv, äv apa {xi, ojviujAai änojAVT,- 
IMiveOsttt dbiptpoic ditdCvcov tAv ^TifjidiTcuv pi7]^c ^Xvjc r^c Stavola;, 0Xk lAlov 
^ IXoTTov et«» 11, 9UYTVfu|Ar^v fxcM. Den Bfaiwuri; den Staalemiinner und 



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Dion Oiryaoitomoi. 



405 



bchrilt Dioris or. ^(V} wird die BonuUung Hos älteren Werkt^s, 

des pseudo-plalonischen Stsyphos, zu einem, nicht gerade Pgendo-Platons 

glücklichen, Wettstreit mit demselben: nicht bloss beschälXigen S^yphoe. 

sich beide mit demselben Gegenstand (Wesen und Bedingimg 

des ßouAftUMdai), auch die GedaaJLen sind zum Theil dieselben, 

nur in anderer Gruppirung, zum Xheii freilich auch abge- 

Andert in Folge selbständiger Erwägungen Dions^). Aehnlieh 



Ithelonn p. 4M R g«geii Sokrates «Afibeii, hrauobt Dkm nicht einem 

älter CD Dialoge entnommen, sondern kann ihn sammt den \ oraiisgebenden 
Worten des Sokrates selber ftogirt haben. Dos ifv,, mit dem die letzteren 
noch besonder«? hör voreoliobcn werden, darf uns In dieser Meinung nit ht 
irrp machen. hea gehört zu den Mitteln den erdichteten Dialog 

mit dem Schein der Oescbiehtlichkeit zu umkleiden, und Dion kannte den 
»mos dialogorum«, wie ausser aus seiner eigenen Praxis auf diesem Felde 
auch danms hervorgeht, {dass er einmal toh Reden tpfioht, die dem 
Diogenes angedichtet wurden (or. 7S p» ISS R td «al dCXX«»v otrfMvttw). 
— Wenn Dion so die Busspredigt des Sokrates im Kleitophon zum Aus- 
gangspunkt benutzte um eine Predigt eigener Mache anzuschliessen, so 
ist er nicht anders verfahren als Epiktet Disserit. III i'i. ^ß. Au* h Plii- 
tarch <lc liberor. cduc. p. 4E mag noch verglichen weiden, damit noch 
an dem Beispiel auch dieses Zeitgenossen erhelle, wie beltebl bei den 
damaligen Moralpredigern gerade der KJeitophoutext war. Zur Cbarakte- 
risimng der diouschen Paraphrase diene endlich noch dass die hilufige 
Wiederholung der sokratlscben Predigt, die im Kleitophon lediglich ein- 
mal mit dem Imperfektum p. 407 A and sodann durdi p. 407 E 
bezeichnet wird, bei Dion ihren Ausdruck in der folgenden Wortfiille 
gefnn(len hat 'p. 424 R : sc. X^^ov dpyaTov) ouJi^KOT« ixclvoc dTta6oaTO 

TtaXaiTrpat; xai Ttp Auxeii^j xai dnl xäiv oixaSTrjpiojv xoiii xax' «Yopav. Offen- 
bar übersetzt Dion in diesem letzten Fall in die Praxis diejenige Theorie, 
die QuIntUianXS, 14 so ausspricht: illud virtutls Indiclumest fundere 
quae natura oontracta sunt, augere parva, varletatem simiUbus» 
voloptatem expositis dare et bene dicere multa de paucis. 

i) Weder ist dieses Verhültniss der alteren und jüngeren Schrift 
unter einander bemerk! worden noch illioihanpt die dialogische Form 
der letzteren. Der obige Hinweis geniij-'t nm licides in das rechte Licht 
zu setzen. Auch für die Textkritik iäs^l er sich verwctlhen. Denn die 
von Emperius und Dindorf verworfenen Worte p. 524 R (apa ojn jAifj toi- 
6^ Tt j pouXc6cotei — — olxbc o&toi«) erscheinen jetzt als Nachbil- 
dung von Sisypb. p. 88SC, in welcher XaptxXf]« und Xapi^« an die Stelle 
des dort genannten KaXXIfltpctroc getreten sind; gans abgesehen davon, 
dass die bei Dion folgenden Worte keineswegs, wie Emperltts behauptet^ 
den Gedanken der vnrati.sgehendcn bloss wiederholen, SOUdem Slch XU 
ihnen verhalten wie das Allgemeine zum Besondera. 



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106 



VI. Der Dialog in der Kaiserzoit. 



wie zu Piaton und Xenophon ist sein Yerhältniss zu He- 
rodot'). Alles üeberlieferte gill ihm nur als Stoff, dem er 
dem Zwecke der jeweiligen Darstellung entsprechend die 
Form gibt 2). 

üebaagea der Für dieses Verfuhren hatte er einen Anhalt ebonfalls an 
seinen geliebten »Alten« (ap'/atoi), die er sich im Besitz aller 
Schönheit und Weisheit dachte und die, namentlich Xenophon 
und Piaton, sich nicht gescheut hatten, fremdes Gut in sehr 
verschiedenen Graden der Ueberarbeitung in ihre eigenen 
DAroteDungen einzufügen. Noch mehr jedoch musste er hierin 
von irOher Zeit her durch die Uebungen der Rhetoren und 
Sophisten bestfirkt werden. Um die redneriache oder sdiriftp 
Stellerische Fertigkeit aussobUden galt von jeher als das beste 
Mitlei, dass man mit den Klassikern der Beredsamkeit und 
Uberhaupt der Literatur in einen Wettstreit eintrat, sei es, 
dass man sie llbersetite oder sonst den von ihnen behandelten 
Stoif in der Form variirte. So lehrt, fm Ansdiluss an Cicero, 
Quin^lian'), so war man schon 18ngst in der rhetorischen 
Praxis, so waren namentlich die Römer verfahren, denen beide 
Wege offen standen, der der Ueberselzung und der des Wett- 
streits in derselben Sprache, während die Griechen theils (iurcb 
den wirklichen Werth des von Griechen Geleistelen, theils durch 
Nationaleitelkeit auf den zweiten beschr iiikt wurden. Auch 
Dion kannte und billigte derartige Uebungen. Darum rälh 
er sie nicht bloss Anderen an'*), sondern gab auch das Bei- 
spiel durch die eigene Praxis. Weniger Cicero, aber desto 
mehr Dions Zeitgenosse Qnintilian (X 5, 4 f.) liatte den Rednern 
empfohlen die Verse der Dichter in Prosa zu paraphrasiren: 
das Beispiel einer solchen Uebung giebt Dion in seiner 



1) Wie Hagen zeigt S. 8» ff. S. 47 f. 

2^ Vgl. Hueh o. S. 93, 8. Auch die Freiheit, die er sich mit der 
Ueberlieferung über berühmte Orakel nahm, scheint hierher lu ge- 
hören: Hagen S. SS f. 

S) iDSi Or. I 9, S. X S, S ff. vgl. mit Cicero de orei. I 154 f. (aaeh 
PliDiiis Bpist. VII 9,tff.). 

4) Or. 4 8 p. 488 R: xal YP<^fMV ou taura ot d^tm rd ayuhxi nkdn- 
|jiaTa 6}X, tlr.tp dpo, ttva t&v Xö^wv, ol« av V^^l^ ivn>Y)fo(vfDV, fidXtat« 
Tötv Sevocpoivitiogv» ^ dytiXi^ovia xoU tifi]|ji>(Ot( ^ Td Ircpov tpöxo^ 



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DioD OirysoAtoiDos. 



107 



Pnraptirase d(>s euripideischen Philoktet (or. 59). Derselbe Quin- FknpbfMn. 
tilian (X 4, 7 u. 9) hält es ferner Ar ntttsUdi, nicht bloss mit 
Andern y sondern mit sieh selber in wetteifern , indem man 
denselben Stoff wie bildsames Wachs bald in diese bald in 
eine andere Form bringt; wie man diese Theorie in der Praxis 
befolgte, lehrt abermals Dion, wenn er in seinen beiden nach 
Meiankomas benannten Schriften (or. 28 u. S9) den gleichen iMfhnaM. 
Gegenstand das eine Mal dialogisch das andere Mal oratorisch 
behandelt^). Von solclicu spielenden Uebungen aus konnten 
Rhetorenschliler in spSieren Jahren leiclit zu einem ern^t- 
hafteren Wettstreit geführt werden, in welchem es sich nun 
nicht mehr darum handelte, berühmte Muster des Alterthums 
nur zu erreichen , sondern wo die Absicht war sie zu tlber- 
treffen : die ängstliche Nachahmung erwuchs und erstarkte 
xur freien Nachschöplong. So ist Cicero von der Ueber^ 
Setzung des Protagoras und Oikonomikos snr Gomponirung 
eigener Dialoge fortgeschritten, in denen er gleichwohl noch, 
nur in freierer WefsOi griechischen Yorbildem nachging, und 
nicht anders sehen wir Dion, den gereiften Redner von Namen, 
selbständiger sich an und mit den Alten messen. 

In wie weit Dion in seinen historischen Schriften sich an iijftei 
Xenophon und Herodot, an den ersteren auch im Oikonomikos 
angeschlossen habe, lässt sich nicht mehr erkennen, nur im 
Allgemeinen vermuthen, dass er es gethan hat. Auch als 
Mytheneruähler, Märchen- und Fabeldichter, trat er mit beiden 
in die Schranken. Wie bei Herodot und Xenophon gehört 
dies auch bei ihm mit zum Charakter der a9^X£ta^), der 
NaivetMt die er als Si hriftstoUer erstrebt und der er in Form 
und Gedanken auch sonst Ausdruck gegeben hat^). Auch 

1} Ein ähnliches Verhältniss, nnr mit verschiedener Nvinn inuig, 
lüsst sich auch noch zwischen andern Schriften Dions beobachlen, wie 
z. B. zwischen or. i 4 und 1 5, zwischen or. 56 wozu als Fortsetzung 
or. 57 gehört und or. 6S. — R. BeioM (Phlld. SO, 8. 458, 4) stobt In der 
zwettan der MelankoiiMS-SeliriltoD (or. SS) das Werk eines Scbttlers DIone; 
aacb dem Gesagten ersdielnt mir diese Annahme nidit nOthig, 

2) Ueher Xenophon vgl. u. A. Spcngel IUiet.6r. II S. 44 8, 10 (T. l'eber 
Uerodot Emesti, Lex. techn. Graec. rhet. u. dcpeXirj;. Auch hei Nikoslrntos 
äusserte sirh die d'fiXcia im Erzählen von Fabeln, Spengel II S. 420, 16L 
Ao Dion 1) rnrikt dasselbe Photios bibl. p. 465*» 48 ff. 

8) Was dei) Gcdankeq betrifft, so zeigt sich dtfiMtoi im Borystbe- 



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408 



VI. Der Dialog in der Katoeneit. 



hier steht Dion auf dem Grunde der Rlietorik. Im .lugend- 
unterrichte der Zeit wurde Werth gelegt auf gutes mtiodUches 

AeBopUohe oder BcbriitUches Wiedererzählen äsopischer Fabeln in ein- 
Fabeln. ff^Qj;^^^^ ^er Sache angemessener Sprache (Qaintil. 19, 2]; 
und fQr Ssopisi^h oder doch den Ssepisohen verwandt, will 
auch Dion seine Mythen angesehen wissen ^). Neben den 8so- 
piseben schStito man auch die anderen Arten der Mythen und 
empfahl sie dem Redner sur Ausbildung, darunter die soge- 
nannten libyschen 2), und auch hier sehen wir, wie abbingig 
Dion von der damaligen Rhetorik war, an dem erhaltenen 
Libyaolier libyscben Mythos^). Den Philosophen Dion musste dann der 

Antlethenes. Antisthenes so wie ül)erhaupt kynisch- stoischer 

Pkton. Philosophen und vor Allen Platons noch besonders stark zur 
Nachfolge auf dieses Gebiet reizen. 

Salbatindli^ Man hat seine scliriHsleUerische ÖeibsiändiRkeil und sein 
• " ■ " I 

nitikos und noch mehr im Enboikos insofeni hier Bauern und ttherhaiqit 
von mffinlrler Cultiir unberührte Menschen redend eingeführt werden: 
vgl. Spenge! Rhet. Gr. II S. 5t, 15 ff. SftS, fl*. Zur i^iliw der Form 

gchürt ef>, dass Anfang und Ende mancher Sc lu iflcn Dions ganz abrupt 
sind. Mit Unrecht hat dies einen Voidaclit <iv'^vn die l eherlieferung be- 
gründet, wie Schmid Atticism. I 1 ',»() lehrt. Detselbe hatte auch noch 
auf Dions Vorbild, Xenophon, verweisen kunuen, das vielleiclit auch hier 
eingewirkt bat: denn wenn auch diejenigen, die sich auf der schwin- 
delnden HMie der heutigen Xenophon-Foraohnng befinden, wiaseo, data 
die abrupten Aottnge mancher xenophontischer Schriften nicht dem Ver^ 
fMser, sondern einem Redaktor xur Last fiülan, so berührt uns dies 
doch hier nicht, da Dion die Schriften in derselben Gestalt las, in der 
wir sie besitzen. Vgl. auch den abrupten Anfang von Plutarch De sera 
num. vind. : Tota'jr'x iilv & 'FiTtixoupsto; tinoi'^ xtX. und dazu Wyttenb. ; 
nusserdem Schniid Atticism. II S. 30t über dX).<i zu Anfang zweier R*^flon 
des Aristides Aristid. Rhelor. HI 6 S. 534, 13 IT. Speng.). Der Chai akler 
des Essay, der gleich üi mediafi res geht, wird damit nur auf die Spitze 
getrieben. Auch etwas Angewöhnung mag dabei sein: denn »prineipln 
abrupte« forderten manche Rhetoren Hir die Gattung der ermahnendeit 
Reden (suasoriae Tgl. Quintil. histit. erat UI 8, 58 1 88) und gerade in 
dieser Gattung war Dion besonders zu Hause. Vgl. auch I S. MS, 4. 

1; Or. 32 p. 685 ff. R. or. 7? p. 386 f. R. Wobei natürlich auch eine 
Erinnerung an Pluton Pbaidon p. 60 C mit unterlaufen niuchte. 

3) Spengel Rhet. Gr. Ii S. a, to. S. 73, 2 IT. III .52. t2. 

8) AißuTtoc {xüdoc = or. 5. Erwähnt wird ein AtjJyx<#; {xi^tic*« aucb 
or. 4 p. 168 R. Zu BD gewagten Vermuthungen, wie sie in neuerer Zeit 
über die ursprUngUcbe Gestalt dieser Schrill aa%esteUi wordea siiid, i$i 



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Dlon ChrysMlomot. 



ErfindimgsyennSgen gerade bier $ehr gering asgeeehlagen 
Doch rnnsfl uns die bisherige ErOftening gegen ein solohes Ur- 
fheil misstranisch machen, um eomehr als gerade Tom Ifythenr 
ersühler das AlCerthnm forderte, dass er Neues bringe % und 
wenigstens in einem Falle Dien sellier auf diesem Gebiete 
Anerkennung des von ümi Geleisteten beansprucht'). In der 
Thal macht die Betrachtung der einzelnen Mythen es nur wahr- 
scheinlich, dass sie nicht aus älteren Schriften entlehnt, son- 
dern von Dion sellist liit seinen Zweck erdichtet sind. 

Dabei schlug er freilich verschiedene Wege ein. Wir 
durften annehmen, dass er als Knabe sich im \\ icdererzählen 
Ssopi^cher Fabeln geübt hatte ; jetzt sehen wir, wie er als Mann 
andere dergleichen erfindet und unter freier Benutzung einer 
platonischen Schablone gestaltet Diesen Mythos kann man a tiniogiBcher 



dies aber kein genügender Grund. Entweder überlioss es Dion dem numd- 
lichea Vortrag den i^üdo; dort einzuschalten, etwa abolich wie er mit 
den Bridini io or. 44 Sdil. u. or. 47 p. 2i7 R oder mit der Rede an den 
Kaiser or. S7 (vgl p. 300 R) verfehran ist, oder endlich, da der »libyscbe 
Mytlioa« eine Lesern und Hdrem bekannte Art von Mythen war, gentigla 
es ihm, mit dem blossen Namen die allgemeine Vorstellong desselben 
fBWeckt zu haben. 

r ,1 üurckhardt im N. Schweiz. Mus. IV S. fOS sagt geradezu: 
■ Zum ntuen Ersinnen von Mythen war Dions Phanlusie viel zu dürftig«. 
Und die moderne Quellenforschung bemüht sich nach Kräften ihm durch 
ihre Praxis Recht zu geben. 

9) Strabo I p. IS G reebnet die mtrMXoYl« siim Wesen des Mythos. 

S) In der Binleitnng su or. 5 weist das Axitovctv p. ISS R darauf 
bin, dass die rednerische AnsarbeitUDg dieses Mytbos Dion für sich in 
Anspruch nahm und die Art wie er p. 498 R von demselben Mythos 
spricht macht es ferner wahrscheinlich, dass er auch zuerst ihm die 
eigenthiirn1ir}M> Auslegung gegeben liat reberlieferte Elemente (Hagen 
S. 7) fi hl« ri aber auch in Platous Mythen nicht, die mau trotzdem mit 
einem ganz undurn Maasse misst. 

k] Dies gilt von dem Mythos, den er or. 32 p. 684 f. R den Alexan- 
drinern etsllhlt Da derselbe auf den Charakter der damaligen Alexan« 
driner sngespilst ist, so kann ihm nicht wohl ein Slteres Original an 
Grunde liegen. Jedenfolls Ist nnwahrscheinlieh, dass dieses Original die 
Schrift eines Kyolkers war, da den Kj. / i unter den Kitharöden (Dion 
unterscheidet sie freilich p. 684 R von den Philosophen gleichen Namens; 
dadurch wird aber die Vorstellung, die er mit dem Wort verbindet imd 
die ihm ein ^ivoi dsutii xrti itefilcp^^v bedeutet, nicht ehrenvoller^ ubel 
mitgespielt wird p. 685 R. Außerdem schneidet aber Dion selber durch 



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140 



VI. Der Dialog iq der Kaiaerteit. 



einen aetiologischen nennen, erfunden um auf die Muaikliebe 
der Alexandriner den Schein einer Erklärung zu werfen , der 
rechten Fabel in sofern ähnlich als er lediglich einem Schluss- 
Borystheniti- gedankeu dienl, in sich selber aber nur Spiel ist Anders 
scbe Bede. ^ ^ Mythos, der in der Borysthenitiaohen fiede 

(or. 36) die stoische Kosmologie krttni (p. 92 if. B): Dions 
eigener Yorsolirift entopreoliend (or. 5 p. 489R) sind hier neue, 
und swar stoische Gedanken in eine altüberlieferte mythiadie 
Form, diesmal des Zoroaster, gegossen worden; aber andi 
darin ist ein allgemeines Gesetz der Mythenbildung gewahrt, 
dass Dion die mythische Form nicht einfach übernimmt, son- 
dern sie neu gestaltet'), wiederunt mit Hilfe platonischer 
Reminiscenzen, uamentiich aus dem Phaidros^). 



die Art, wie er seiocn üewabiäinaQD eiiifuhrl, jede VerinuUiuiig ub, ilass 
wirklidi ein aokdier existirt habe. Er mnuit ihn eimm Phrjger, eloM 
Verwandten Aeeof»! mit dem er ^mal io Alexandria zuMmmeogetroffen 
aei (p. «81 R). Jedea Wort am zu beweiaen, daaa diea eine FicUoA aei, iat 

i&berllttasig ; vielmehr denttich, dass Dion damit nur seine eigene Dieb» 
tung als im Geiste Aesops erfunden charakterisiren will. Die platonische 
Schablone, nach der er sie geformt hat, findet sich im Phaidr. p. 259 H f. 
Bei Piaton bewirkt die leidenschaftliche Freude an Gesang und Musik, 
dass Menschen in Thier*», Ihm Dion da««* Thiere in Menschen verwandelt 
werdeu ; bei Platou gibt den äusseren Aolass Geburl und Auftreten der 
Gottheiten des Gesanges, dar Moaen, bei Dion der Tod dea Süngeta 
Qrpheua. Die Sdiablone iat die gleicbe, nur wngeMrt Daas Dion, als 
er dleaan H ythoa dichtete, voller Brlnnerang ao den Pliaidroa war, selgt 
noch anderes Uebereinstimmende: Kalliope aptelt bei Piaton und Dion 
eine Hauptrolle (Phaidr. p. 859 D. Dion p. 685 R); wie im Phaidros aa& 
der Prüexistenz die Nachwirkung sich bis in dieses Lehen nls Ahnen und 
Erinnern erstreckt, so wird auch hei Dion dort h den Klang der Citiier 
in den Alexandi inern der Gedanke an Orpheus und damit an ihr früheres 
thicrisches Leben geweckt p. 685 R, selbst der heilige Schauder, den eine 
Bolche Erinnerung mil Mi brli^, fehlt bei keinem der beiden und wird 
von Ihnen mit demaalben Worte ptmtv) beaeiehoet {Pliaidr. p. tSI A f. 
Dion p. 685 R). 

4) 0. S. 109. 2. Die Tradition vermittelten ihm Herodot VII 10 u. 
Xenophon Cyrop. VIII 3,12. Was er Eigenthümliches bietet, hat er nicht 
aus einer andern Quelle geschöpft. Mit Recht ignorirt daher '^|>ip?el 
Avestn II S. CXVIIi Dions Version und hält sich an den abweichendeu 
Bericht Plutarchä de Iside 46. 

5) Hagen S. 21 ff. Auch dass er sich einen Mager zum Gewttbrs* 
mann nimmt, bat aein Vorbild im A&iodi. p. 871 A. Den Zoroaater nennl 



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Dion Cbrysoslomot. 



441 



Dies musB uns geneigter maehen, Dion eine grossere Selb- OhftiU«M 
stSndigkeit im Gestalten von Mythen aacb da lusogeBtelien, wo 
sie bisher mit am Hebten bestritten worden ist, in den beiden 
allegorischen Mythen des Gharidemos. Wie diese ganse Schrift 
ein splter and etwas entarteter Nachkömmling des platonischen 
Phaidon ist % so scheinen auch die beiden Mythen nichts weiter 
als die bis tnr Länge einer Predigt ausgesponnene Variirung 
eines dort angeschlagenen Themas zu sein. Man mag das Ver- 
hältniss dos Menschen eu den Göttern so oder so fassen, das 
Leben pessimistisch oder optimistisch ansehen, niemals wird 
man einen Grund finden, sicli ühw den Tod guter Menschen 
zu betridieu '^). Das ist in aller Kürze der Gedanke, der in zwei 
grossen Allegorien zum Ausdruck kommt, deren eine uns die 
Menschen während ihres Lebens wie in einem Gefängniss ein- 
geschlossen, die andere wie bei einem Gastmahl sich gütlich 
thuendi schildert, und die nicht anders lur Auswahl neben 
einander gestellt sind wie die beiden Bilder (eixovsc) im Gor- 
gias (p. 493 A ff.). Zum Ausmalen hat Dion platonische'] und 
kynische^), vielleicht auch noch Elemente aus anderen Phüo- 



cb^'Tjfalls schon Pliiton AI« ilj. l p. 188 A. Irgend einen Stoik»^r, dessen Schrift 
Dioii einen so rteten Mythos schoD fertig btttle eatlehnen können, 
kennen wir nicht. 

i\ Neben dem l'ebereiuätiuuuendett ist auch das Unterscheidende 
bemericeoswertb. Sokrates sowohl als aiaridem benulsen die letslen 
Aagenblicke um ihre Freunde zu trOslen; aber wlUirMid Sekretes lu 
diesem Zweck ein Gesprich mit thneo führt, diotiri ChaHdem Miaem 
Diener eine Rede. Gemeinsam Ist eilSMrdem dem Phaidon und Charidem, 
dass der Hauptlnlielt der Sclirift von einem eiarahmeaden Gesprticb om- 
aciilo8^^en ist. 

2) Der Phaidon-Text sieht p. f>i B. Dass die Menschen in einem Ge- 
föngniss («ppoupä} sind, entspricht dem crstein Mythos Dions (vgl. bes. 
p. 550 R); dass sie unter der Obhut und Fürsorge der Götter stehen, 
dem sweiten (vgl. p. 55S R und 6t dtaftoC t« «xX. und weiteriiin Totk ftfo6c 
adtoöc tc iin|MXi)«»(ilvoue wo das letzte Wort uos an das platonische 
to6€ iici(ftAeti|ilveuc erinnert). 

8) An Piatons Politikos p. 272 E CT. erinnert es daSS avch die Götter 
Dions eine Weile die Menschen regieren, sie dann aber sich seU»si über- 
lassen p. 556 f. R. 

4) Kyoisch und speciell antisthenisrh scheint . wie schon Hagen 
S. 21, S sah, besonders die Bedeutung die iui ersten Mythos dem Xö^o« 
zugesprochen wird. 



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412 



VI. Der Dialog in d«r KAiseneii. 



Sophien benutzt*), namentlich aber auch in den Farbentopf 
der eigenen Phantasie und des eigenen Nachdenkens gegriffen^), 
sodass ein Ganses herausgekommen ist, das ihm selber ge- 
hört »). 



t] Auf Pythagoretsch<»s hatte schon Lobeck Agiaoph. I a66 0. hin- 
gewiesen. — Dagegen ist die \ ergleichung d»*s meoschliehen LeLc■ü^ mil 
einem Gastmahl zu verbreitet (Heinze do Horalio Bioiiis iiiiilatore S. 21, 1), 
als dau sich daraus allein schon ein SchlusSf sei es ««f Epikur oder aof 
Bion, ergebe als den von Dion benntiten Autor. 

9) Blerhin gehört vor Allem die Verehrung des Landlebens. Der- 
selben dient der zweite Mythos. Er erscheint ganz eigentlich als eine 
Empfehlung des Lnrullchciis . sobald man durch die durclisiclilii:*' Alle- 
gorie hindurchblickl : vu'l. p.:j.")SH =S. 339,4 < fr. Dind,: p. .-i.Vj R = i>. 339,44 ff. 
Bind. S. 3U1. 4 n.; p, 36ü H = S. 340. 45 fr. Dind. Dion^^ Verehrung rUr 
das Landltihcii spricht »ich auch darin uns. dass er den) •■ewährsmaon 
des zweiten Mythos, den er einen Landniuun ^•^i.mpyji] nennt, den Vorzug 
gibt vor dem ersten. Dass der Syrer Menipp ein solcher Verehrer bin- 
rischer, lediglich von der Natur lebender Existenzen gewesen sei, werde 
ich nicht glauben, bis es mh* bewiesen Ist. Ich kann daher auch nicht 
(wie F. DUmmler Akademlka S. 94, i] in menlppischen Satiren den Ur- 
sprung solcher Lebensanschauungen erkennen; man müsste denn annehmen 
wollen, d;>s'^ Dion sie nicht unmittelbar, sondern hindurchgt^L' insen durch 
das Medium Varronischer Denkweise empfangen habe. AN Di >nlsch da- 
gegen sind uns diese Ansichten auch sonst, namentlich du roh den Eu- 
boikos bekannt, vgl. ausserdem or. 1 p. 60 R (ss S. t1 1. 23 f. Dind.^ Das 
von B. Weber Leipz. Stnd. X S. 4i8f. Uber Hnsonius Beroerkle zeigt nur 
dass Stolcismus oder Kynismus für steh allein nicht genttgen um die 
Freude am Landleben zu erzeugen. 

3} Man darf die beiden Allegorien nicht auseinander reissen und die 
eine dieser, die andere jener Quelle zuweisen. Beide sind vielmehr für 
einander hestinunt und auf einander berechnet: dem verdriesslichen von 
l njzluck lit iingesu( hten Gewahrsmann der eisten tritt der des zweiten 
gegenüber, ein mit seinem Loos zufriedener lebensfroher Landmann; dem 
Leben im engen GefUngniss das in weilen heiteren Räumen; sie ent- 
sprechen Sich Uai antistrophisch, wenn man die Rolle des H^^oz p. 18811 
mit der des ^oü« p. 888 f. R und die Schilderung, die vom Verhalten der 
Gottheit den Würdigen gegentlber p. 888 K gegeben wird, mit der p. 8881t 
vergleicht. Dümnüer, der die zweite Allegorie aus einer menippisdien 
Satire ableitete (s. vor. Anm.), hat in der ersten eine dem Antisthenes 
entlehnte Darstellung ^'e<ehen (hiergegen 8. auch Rieh. Heinze Xenukrate« 
137. i. Der Hauptgrund, der ihn hierzu bestimnite, erscheint mir 
aber nicht «stichhaltig. Auf dpn Stifter der kynischen Schule soll näm- 
lich unter Vermitteluug von Platun Soph. p. iai U iö^tp.ccd:^c) die Be- 
zeichnung dessen, dem Dkm nach p. 888 R jenen Mythos verdankt, als 



Diou Chrysostomos. 443 

Wir dürfen erwarten, dass noch mehr Motive aus Pia- IktoiliolM 
tons i'iiaidon Ixm Dion wiederklingen , da dies einer be- 
stimmten Nachricht zu Folj^e sein Liebh'ngsdialog war. Wenn 
uns daher fiirr) (or. 35 p. 70 ff. R) das reine seelige, aber 
doch immer noch an die Sinnlichkeit gebundene Leben der 
Inder schildert, dos sich in den Brahmanen auf eine noch 
höhere Stufe der Vollkommenlieit erhebt, so sucht man gern 
und iindet leicht hierzu das Vorbild im Phaidon (p. MOB 11.). 
Der Unterschied ist aber, dass die ertrSumte Ober-Erde und 
das Jenseits des alten Philosophen sich in bekannte Gegenden 
dieser Erde und dem entsprechend auch seine Philosophen 
sich in Brahmanen Terwandeli haben; d. h. Dions Mythen- 
Wandelnng folgte hier dem Strome einer späteren Zeit^ die, 
audi wenn sie dichtete, nttchtem und gelehrt war, deshalb 
von der Unsterbliohkelt und allem metaphysischen Zubehör 
gern absah und sich lieber auf dieser Erde einrichtete in 



itjfi icmScIas diXi]9otic jo8i])iivo« deuteo. Indessen stünde es schlimm nnn 
AnUsthenes, wenn wir dlme Bezeicfanungsweise überall, wo sie sich flo<fot, 

auf ihn beziehen müssten: denn sie ist keineswegs ehrenvoll; wie sie 
verstanden werden muss, lehrt der Gegensatz zoiSo|Aa^; (= qui in sua 
qui'lfUi»' arte optimc facit O^until. I fO, 9 vfrl. Meinfln fratrm f^fun. III 
r>i6 und l)esUili!.'t Isokriilos tue. !!•'). i. Die Angaben üimi^ uhi i >*»ini; 
Gewahrsmünuer dürfen um nichl tuuschen, als wenn darunler ^ueliea« 
Schriftsteller sa denken wären: vieiuichr gehen diese Angaben nur so 
weit dass aus den Perstfnlicbkelten der GewShrsmSnner sich der Cha- 
rakter der ihnen sugeschriebenen Darstellangen erklärt, nnd legen daher 
die Vermnthung nahe, dass sie von Dion zu diesem Zweck erdichtet 
sind; die pessimistische Lebensauffassung ist so wie sie sich für einen 
ßüOopcoTOC itt),., die entgegengesetzte wie sie sich für einen ytmp-f6z, wenig- 
stens nach Dions Ansicht desselben, ziemt; der und ftmpfhi 
spielen also dieselbe Rolle, wie der xt« jjiu8oXoy«uv %o\i'^b<; dvifjp , la»; 
SixeXö; Tt( ^i^hoLKiwi in Piatons Gorg. p. 493A (vgl. Commcntatt. in honor. 
Momms. S. 4 4 f.), aueh darin, dass sie sich das gliche Hissverstandniss 
wie dieser haben müssen gefall<m lassen. Dass Dion wirklich so ver- 
fahren Ist, wird weiter darum wahrscheinlich, weil er auch sonst den 
Charakter der Redenden dem Inhalt ihrer Reden anpasst: SO finden wir 
da, wo von der Chryseis die Rede ist (or. 61) den überhaupt sehr 8c!t^»ncn 
und bei Dion g;ui7 vort'inzolteti F:i!!. dnss» ein Weib sirli nni rie«])r;Hii 
betheiligt; der drund ist oireiiI);ir. weil »"S sich hier um eine weibliche 
Angelegenheit handelt oder doch um eine, für welche Weibereiu besonderes 
Interesse nnd Verständniss mitbrachten. 

Hlritl, Diftlor. IL 8 



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444 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



Mitton der Erfahruitg und ihres namenllich durcL Alexanders 
Züge erweiterten Reiches. 

PitJo^he Wir sind nun genugsam vorbereitet, um auch Dions 
dfalogischo Schriflstellerei unter den rechten Orsicblspuukl 
zu bringen. Der Jugendunterricht der Zeit brachte es mit 
sich, dass der Knabe sich nicht bloss^ wie wir gesehen, im 
Wiedererzählen Ssopischer Fabeln, sondern auch im Abfassen 

Dialoge im voii DialogeQ ttbte^). Dialoge als Element des Jagendunter- 
richts begegnen uns schon in der Zeit des Isokrates (Panath. S6), 
aber mit dem Unterschiedei dass es damals mOndlicbe Strei- 
tigkelten waren die sur Klärung der Begriffe dienten. Indem 
an deren Stelle spSter schriftliehe GomposiClonen traten, wurde 
diese Uebung im Dialog gleichseitig aus der philosophischen 
Sphire, der sie ursprünglich angehOrle, in die der Rhetorik 
hinübergehoben und diente fortan der Gewandtheit im sprach* 
liehen Ausdruck^). So sind Dions Dialoge nicht der Abdruck 



1 Der Kaisor Marc Aurol ist aU Knabe im Schrcihfn von Dialogen 
geübt worden (Ad se ips. I fi). Allerdings bezeichnet er als seinen Lehr- 
meister hierin den .Stuiker Dio^net; aber er rechnet e« docb aucli unter 
die Bestandtheile der 'VJSK^j^t%i^ d^tuYY^ und es ist auch nicht einzusehen, 
warum eia Stoiker genide hlerfttr eine besondere Vorliebe sollte gehabt 
haben. Geborte es aber Kam allgemeinen Unterrlehtf dann wird aocb 
Dion darin geübt worden sein. Eine gewisse Beststigong hierfiir liegt 
auch In der Art, wie er or. 18 p. 480 R u. 483 R einem jungen Haan 
rUDi a\s Unterlage eigener Ucbungen die Schriften der Sokraiiker, nament- 
lieh Xenophons 7ii benutzen. Bestimmter saj-'t Quinlilian X 5, <5: qiia- 
|)rojiler historiae non numquam uberlas in aliqua exercendi stili parte 
ponenda et dialo^oriini übertäte gestiendum. Vgl. I S. 4< 4, S. Num« nt- 
licb die AlLioistcn ubleti sich in dieser Weise: was dabei herausi^am, 
kann ans die Carlkatur in Lncians Lexipbanes % ff. lehren. 

ft) Der Dialog ist eine lediglieh formale and darum verhälliiiSB* 
mttssig leichte Leistung: dieses Urtheil wendet Qointilian sogar auf die 
sokratisehen Dialoge an, wenn er XII 1,10 sagt: scd ne more Socralico- 
rum nobismet ipsi rosponsum nnxissc videamar. (In diesen Worten mag 
siel» zugleich ein Aerj^er des Rhetors darüber aussprechen, dass die Rhe- 
torik in Piatons (jorpias eine un}2cnüge[i(ie Vertheidigung t^efunden hat. 
liüuilich nur so viel, als Piaton für fiul befunden hat ihr zu gewahren, 
vgl. Aristides or 45 p. 4 Kai jafi äv tir^ hti^6s xiX.j. Nur .so erl^iart sich 
wie sich diese Uebaog als ein Bestaodtbeil des Unterrichts bto in dtf 
moderne Italien erhalten konnte, das ja noch anf mehr als einer Strecke 
durch eine xusammenhttngende Tradition lelMndig mit dem Altertbam 
verbunden Ist. Zu den » sollt! generi dt composisione«, die man der 



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Dion Uirysostoroos. 



445 



einer innenMi oder iiussercn Wirklicbkert, die nülhwendiee 
lümiale Erscheinung zu einer ujiicbtig mi( 1* r Phantasi<^ dra- 
matisch oder mit dem Denken dialektiscli ;irl)eittMiden Seele; 
sie sind vielmelir Formen, die er sicii aus der rhetorischen 
Vorrathskammer zusammengesucht und dann mit einem nur 
gerade nicht widerstrebenden Inhalt erfüllt hat. Durch den 
erwachsenen Mann und gereiften Schriftsteller hindurch glauben 
wir noch den SchUler zu sehen ^ dem gewisse Aufgaben ge- 
stellt werden. Aengstlich arbeitet er nach der Schablone: 
Anfang und Ende seiner Dialege sind abrupt (s. o. S. 407, 3): 
es soll dies der Forderung der Natttrlichkeit entsprechen, die 
man an den Dialog stellte ; unter Piatons originaler KQnstler- 
hand thut es dies auch, aber bei Dion ist die Natur zur fiber- 
treibenden Manier geworden und konnte deshalb den Verdacht 
einer Yerderbniss der Ueberlieferung begrOnden. Wir könnten 
uns denken, dass eine iunodr]///)« Gheirons das Thema war, 
das zu einem Gespräch des weisen Gentauren mit Achill er- 
weitert ist (or. 58}; wShrend man vermuthen darf, dass die 
Diogenes- Reden und -Gespräche aus Chrien dieses Philo- 
sophen herausgewachsen sind 'j. In diesen beiden Fällen mag 

Jugend als Aufgabe stellte, werden ausser «»descrizioni, favole« u. s. w. 
auch "<li;iloghi" gereohnnt von De Sanctis im Frammento nutobiogr. 
publicalo da Pasqu. Villari ä07. Noch anschaulicher tritt uns dii s l)ei 
De Amii'is im Romanzo d'uit Maestro entgegen: Dialoge bilden die Jugeud- 
Icktiire, werden auswendig gelernt, vorgetragen [S. 57. 67. 449} gerade 
wie dies Dion seinem jungen Freunde rtttb; besonders interessant ist 
9. iS7, wo als Aubatz<Tben)a erscheint die Senlenx »Impara Tarte e 
mettila da parte« und die Wahl gelassen wird, es in die Form einer Br- 
xKhlung oder eines Dialogs zu bringen, wiedwnm genau wie Dion den 
Melankomas als Thema sowohl einer Rede -als eines Dialogs ahpehandelt 
halte (o. S. iOl, i}. Auf di»' Nutnr ^n!fh«r l ebungen ist der na< ]i Zeit und 
Ort wechselnde Geschmack d* ^ l'iihhWutns \ on Einfluss: als man im vorigen 
Jahrhundert in Charakter-ScLilderuiigen schwelgte, wurde der Sinn dafür 
schon durdi praktisdie Hebungen auf der Schule geweckt (Hildebrand 
Zeltschr. f. d. deutsch. Unterr. VI S. «SS ff. Goethe-Jahrbuch 45, 4 4t f.). 

4) Vgl. hierzu was S. 414, 8 aus De Amlds citirt ist über die Auf- 
gabe eine Sentenz zu einem Dialoge ausxuarbelten. Dion hatte selber 
eine Sammlung von Xr,t''x\ veranstaltet. — Derselbe Ursprung au? einer 
Chrie Itfsst sich für das (iespräch zwischen Alexander uml Philipp an- 
nehmen 'or. 2'. Auch or. ß? mat lit tlas Gespräch itwischeu Diu» und 
eiueni tugcuannleu den Eindruck lediglich uui der beiden geistreichen 
Verglelchungen willen da zu sein, die wir p. 864 f. R v. \u 365 H lesen; 

8* 



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446 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



zugleich sein Bestreben gewesen sein, Dialoge kynischer 
Färbung zu liefern*). 
Kutarkarte Kr hat aber Hie Mu.sUrk.ni* des Dialogs noch weiter 
dM DUlogs. jurcjjgt».,r^,t,itet^ Gegen den Schluss eines Gesprächs darüber, 
dass der Weise glücklich sei (or. 23 516 R^, erklärt Dioa, 
dass, was er gesagt habe, zum grössten Theil nichi seine 
eigeDtiiohe Ueberzeugung darstelle, sondeni nur die Meinung 
der Menschen, deren Zustimmung er auf diese Weise 
leichter in gewinnen hoCTe: hier sehwebte ihm doch wohl 
der aristotellflcbe INalog als Vorbild vor, dessen dialektisch- 
esoterische Methode im Unterschiede von den pragmatischen 
Schriften nicht mit aus der Sache selber geschSpften GrOnden 
operirte, sondern mit den allgemeüien Begriffen und Vor- 
stellungen der Menschen Ober die Sache. — Bine Nachbil* 
dung des pseudo-platonisehen Sisyphos lernten wir bereits 
kennen^). — Die novellistische Form des Dialogs in der 
euböischen or. 7) und der boryslhcniüschen (or. 36) Rede mag 
au den Pontiker Ilerakleides \ S. 321 ff. 489 f. 561 f. 11 S.39) 
erinnern. — Auch im H;; llxlialoK oder Brief (or.18^ hat Dion eine 
Probe seiner soj)hisiischeii \ it lseiiigkeit gegeben, zu der ihn 
der Unterricht der Uheloren angeleitet hatte. — Am Meisten 
sagte ihm die Modeform der Diatribe zu, die er deshalb durch 
alle Stufen vom blossen Selb&teinwurf^) durch das Selbst- 
ais Gesprach ist es tiurcliaus nicht iihiiosclilüsseii. .Vach or. 70 erscbciol 
mir der (irundtitHiaiikt' so durfliti, dass it nur den knappen l'mfang 
einer Clirie vertrug; durch die Zerdelinuiig zu einem Gespräch ist er 
verwSflMrt worden. — Vgl noch I & 47Q. 

t] HIeriier gehört audi der Dialog Dions mit einem Oogeourntai In 
or. SO. Die mythologisdie Aporie weist hier auf die Kyniker» obgleich 
das ganze Verfahren p. S4S R nur im Allgemeinen als sol^raUsch bezeich- 
net wird. Was übrigens nach Dion der kynische Sokrates zu tbun pflegte, 
das bil!jf;t<» der plntonisrhc keineswegs: Piatons PIkm^v p. 2i9 E v j! 
TTpoaßipä xotta t6 elxö; niil Dion S. 494, 28 Dlnd. U. S. 15)3, ■iO e/.xovTi; x. 
rXarr.) bietet in dieser Hinsicht zu einer interessanten Yergleichung An- 
lass, die iiieiues Wissens noch nicht angeslelll ist. 

S) S. iH f. vgl. noch das S. 414 Uber den Cbaridem und sein Ver> 
bSltniss lum Pliaidon Bemerkte. 

9] Besonders auflatlend or. 74 p. lOS R. p. 4 OS R. p. 405 R. Weniger 
wichtig ist, dass in der Ueberschrift von or. 87 (laxptß^ steht; ehcf 
kommt in Betracht, dass der Autor seine Erörterunfz or. IS p. SS4 R als 
f tXöoof 0« ftcoTpißif) bezeichnet (vgl p. 899 R. 401 R. 40S R). 



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DioD Chrysottomo«. 



417 



gesprSch^) bis sum förmlichen Dialog mit onbenaDDten Per- 
sonen^) verfolgte. Nichts in der Form kdnnte uns hindern, 
sie als A(covo« dtatpißal susammensufassen: ihr Unterschied Diatribui. 
von andern der Art liegt nur in der Entstehung; denn wäh- 
rend sonst die IHatriben auf wirklich gehaltene Reden und 
Gespräche zurückgehen, die ein Anderer aufgezeichnet hat und 
die deshalb durch den Vorzug historischer Wahrheil ersetzen, 
was ihnen von kunstvoller Gestaltung der Dialnt^i^ nhpcht, 
so haben dagegen diu ücsi)racht' der Di(»n sehen Diatril)eii 
niemals mehr als literarisches Dasein gehabt und verdanken 
ihren Ursprung wohl nur Dions Wunsche sich auch einmal 
auf diesem Gebiete als Darsteller zu versuchen. Je mehr es 
der Tradition widersprach, seine eigenen Diatriben zu schrei- 
ben (I S. 369,2) um so deutlicher würde hierin das formal 
rhetorische Interesse hervortreten, das Dien am Dialoge nahm. 

Wie in den Manieren des Dialogs, so wechselt Dien auch F^tM 
in den Formen und Methoden. Wir finden dramatische und er- Jt^M« 
zShlende Dialoge; belehrende, ermahnende. Es fehlen charakte- 
ristischer Welse mateutische tmd elenktische; der einzige 
Streii*Dialog (or. 45), den er der athenischen Luft und Um- 
gebung concedirt zu haben scheint, wird nicht im Emst ge- 
führt /p. 453 R). Die Dialektik ist nicht Dions Sa< he. Daher 
gelit ihm der dialogische Allicm rasch aus: so lant^ seine 
Reden sind, so kurz sind seine Gespräche oder iiiiindcn doch 
in längere Yorlriicc aus, wovon selbst Ah'xandcr 8«'iiiem 
Vater Philipp gegenüber or. keine Ausnahme machen darf; 
auch das in indirekter ilede Kingeschallete (or. io p. 4Ö3B 
455 f. R or. 4 p. HU I. R) nimmt bei ihm einen viel 

grösseren Raum ein als in ähnlichen Fällen bei Piaton (z. B. 

\ < \h r,(>spriH;h mit einer linpirlf»n Person oder als Solh«*tpcsprach 
InI (!< r Dialug in or. H p. 441 IT. K zu fassen. Als ScIhslRosprach allein 
uikI or. 20 frcpi äva/a»pT,a£U);) vorsUuKllich , obgleich hier in den Aus- 
gab«» die dialogische Gliederung so wenig bemerkt ist eis iu or. 86. 

8] Obgleich in dleseoGesprScheo Dlooden »prlncipaitu« bat, so kdnneo 
si« doch nicht als Beispiele der aristotelischen Gattung des Dialogs an- 
gesehen werden, einmal weil wir nicht berechtigt sind ansunebmen, dass 
Aristoteles seinen »princlpatus« Ungenannten gegenüber behauptete and 
sodann weil diese Dialoge Dions in der Regel rasch von Frage zu Ant- 
wort und weiter fortschreiten, nicht aber wie die aristotelischen getlian 
haben sollen im Wechsel längerer Kedeo verlauien. 



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HS 



VI. Der Dialog in der Kalsenett. 



Protag. p. 320 C. 337 C). Es wird dafilr gesorgt, dass dem 
rhetorischen Bedürfniss Genüge geschieht: ist die Einrahmimg 
dialogisch wie oft bei Piaton, so ist der Kern nicht auch dia-* 
logisch wie bei diesem, sondern besteht aus einem Ifingeren 
Vortrag (or. 30) ; umgekehrt sind Dialoge in Reden eingekleidet. 
Wo es irgend angeht, verwischt Dion die Grenslinien swischen 
Dialog und Rede. So gut er die sokratische Regel kannte, 
den Dialog frei und lebendig aus der Situation berausspringen 
zu lassen und ihn nicht auf vorher bestimmtem Wege müde 
fort/uti nibeii lor. 00 p. 312 R), so wenig übt er sie. Dass er 
es alU'iilalls geküiiot hätte, zeigt der Melankumas-Dialog (or. 28). 
Aber es fehlte ihm die Lust: daher stellt er selbst das Thema, 
über das verhandelt werden soll (or. 23), ja einmal (or. ^f>' 
bringt er nach seinem eigenen Geständniss ') den Dialog schon 
fertig im Geiste mit und wartet nur auf die Fragen des An- 
dern, um ihn zu rcproduciren. Wie als Redner auf seine 
Reden, nicht anders bereitet er sich auf den Dialog vor. 
Denselben Eindruck sophistischer Buntheit erhalten wir, 

SMMri«. wenn wir die Scenerie seiner Dialoge betrachten. Einmal sind 
wir in der alten Heimath des Dialogs, in Athen (or. 45), dann 
siedeln wir nach Euboia Uber, folgen dem Verfasser auf seiner 
Reise ins Skythenland und befinden uns im Melankomas-Dia- 
log (or. 28] auf italischem Boden, in Neapel* Nicht minder 
wechselnd wie das Lokal, ist die Gesellschafl , in die wir 

PMMnen. versetzt werden. Von wirklichen oder bngirlen Personen 
aus Dions Zeil und Umgebung geht es immer weiter hinab 
zu Persuiiea einer historischen Vergangenheit. Philipp Alexan- 
der Diogenes Sokrates; sodann in die dämmernde Ferne der 
iM\ ihologie ; bis in das Heich der Schatten, wo Ungenannte 
unter sich (or. i 5) oder mit Dion reden, unter denen es aber 
auch nicht an jeder Nüancirung fehlt, wie wir denn einmal, wo 
das weibliche Interesse in Frage kommt (or. 6i) die Züge einer 
Dame erkennen (o. S. 4 1 2, 3), die ein entferntes, sehr verblasstes 
Nachbild der Heroinen des Dialogs, einer Asp«^ DIotima 
u. a. (I S. 3 t 6,1) sein mag. Das Personal der platonischen 
und oiceronischen Dialoge ist in vieler Besiehung mannich- 



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Dton Cbrysostomos. Favorlntu. 



119 



faltiger, die Einzelnen sind mit kräftigeren Farben ge- 
schildert ; und doch herrscht im Ganzen kein so unruhiger 
Wechsel, weil die Gesellschaft geschlossener ist, ebenso 
wie das Local begränzter. Es fehU freilicli auch an dem 
ruhigen Mittelpunkt der platonischen Dialoge: so wenig sich 
DIon bei der Wahl seiner Gesprichspersonen an Zeit und 
Ort bindet, so ist doch nur selten Sokrates unter ihnen 8obmtM. 
dessen Erscheinen man vor allen erwartet, wo eine dialogische 
Bahne mit so reichhaltigem Bepertohre aufgeschlagen wird. 
Wie erUArt sich dies? 

Man schStste und las die »sokratischen Beden ihre 
Verfasser galten als Glassiker. Aber die Maske des So- 
krates war aus der Mode gekommen'*). Sie vertrug sich 
auch mit der rhetorisch spielenden Manier des Dialogs we- 
niger gut ais die des Diogenes. Rhetorisch ist aber die Manier 
Dions: daran kann auch der lose umgehängte Philosophen- 
mantel nichts ändern. 



Dions Schüler war Fa\ orinus von Arelatc. Aber so FMorinixB, 
hoch er seinen Lehrer verehrte, so heilic er sein Andenken 
hielt, noch bis über den Tod (h^sselben liinans. so wenig 
glich er ihm doch. Das sagt uns antike üeberlierennig und 
das könntm wir noch durch eigene Beol)achtnnt; i)estatigen. 
Sehen wir jedoch schärfer zu, so ist er nicht sov^ohl von 
seinem Lehrer abgefallen als vielmehr auf dem von diesem 
eingeschlagenen Wege viel weiter gegangen. Es muthet uns 
wie der Uebergang aus der Trajanschen in die Zeit Hadrians 

4) Or. 3. Dass es mehr Sokratcs-Keden gab, spccicll Dialoge in 
denen Sokrates redete, hat Arnim im Hermes 26 S. 874 f. nicht bewiesen. 

2i Or. 5< ]> ^«1 H. 

3] Daher kmin Dien in einer zu .\then gcbaUencri lUuie (or. 13 
p. 424 R] von tiv&; Zmx^xo'Ji sprechen, wozu weder Ti; avOpcono; 
6i^P«ie 'En«|Utvdivft«ic (or. 48 p. I89R) noch das Ms(ii|«.(oi# tivi« bei Plutarch 
Cato Hin. ». S eine Parallelle bietet (wohl aber &i{6tivo( Havaittou schol. 
io Aristot ed. Brand, p. 30^ 9). Auch der ttbrlgcn Gesellschaft sokralischer 
Dialoge, eines Kyros iiml Alkihiades, war umn überdrüssig or. 21 p. 505 R). 
Hierdurch wird «'s iiun'HlltMid und zu'j^lnich befjsreiflirh. weshalb in or. 26 
trotz der Konkurrenz mit (iein Ä«isyphos (o. S. 405) der Sokrateä des 
ttlterea Dialogs ganz aus dem Spiele bleibt. 



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VI. Der Dialog in der KaiseneiU 



ao. Audi Dion halle Zeitlebens von der Rhctorilt nicht ge* 
lassen: aber unter Favorins Händen wird ihr in Slil und Vortrag 
ABianiftoh« asianischer FlUter angehängt» so sehr, dass selbst der von Dion 
BlietefUb verpönte Schlussgesang nicht fehlt und Shnlich verwandelt 
sich der maass- und geschmackvolle Atticismns in einen Aber- 
triebenen und gezierten. Dem dian seiner Natur folgend schiesst 
der Gallier Über das Ziel hinaus. In der Philosophie hatte 
Dion an den Zeitgenossen unter den Kynikem eine gewisse 
Kritiie geübt, indem er sie an einem Idealbild der Sekte maass 
bei Favorin wird hieraus eine regelrechte Fehde 



1) Dion. or. 32 p. 686 R. — lieber Favorin s. Phiioslr. Vit. Soph. 

I 8 Schi. (Opp. cd. Kays. II H . 7 f 

2i S. o, S. 95 f Dass diu Kymkor auch ihrerseits anlworteteu, stehen 
wir an einer Spur bei Epiktet Diss. III 23, wo er den Dion cioeo 
Sophisten nennt. 

Z) Deo Epiktet hatte er in eioer eigenen Schrift angegrilTent wie ans 
Galen 1 S. 41 K unter Vergleiclmng von XIX S. 44 erlieltt. Unter dieeea 
Umständen wird wolil aach die hMulige Erwähnung des Demetrius ia 
Favorins Schriften (Philoslrat. Opp, ed. Kays. I S. H\, V eher polemischer 
Art gewesen sein; der Ausdruck. Philostrats loux oy^wö»^ iTTEfxvTjuÖTj 
schlif'*'*<< dicsf .\urf;tssnnL' nifht nur nicht aus, sondern rath sogar an 
eine i'tilfiuik /n il«Mikcn, wrlclie das Gute am fircner nicht anerkannte. 
Es wurde daher der Tatlel, der in der 64 ^Uu Hede, die unter dem 
Namen des Dion Chrysostomos geht, über Diogenes ausgesprochen wird 
p. 88S R), auf Favorin als Verfasser rübreUf wenn man liedenlit, welchen 
Ansprach er hat als der Verfasser auch der 87 8ten (Itorinthischen) Rede 
XU gelten und wie auch sonst Inhalt und Form der Rede mit dieser Ver- 
muthuni: tibereinstimmen. Auch in der SchriTl iccpl '0|ATjpo'j <fi).o3o> 
ifUii (Suidas u. Oaß.} konnteer sich mit den Kynikem zu schaffen machen; 
vgl. zu dem, w«« sonst in dieser Hinsicht tihcr sie bekannt ist, noch 
die Schrift de> k\niker.s Oinomaos Uber di nscllM-n Gegenstand (Suid ii 
Uivo(A,). S. auch was o. S. 79 iibor Favorinifc* Beurtheilung Alcx.iiuiei > <ii > 
Grossen bemerkt worden ist. Die Kynikcr haben es an derben Erwide* 
rangen nicht fehlen lassen (Luden Demon. 4 t f. Eunodi. 7}. Bs heisst 
den Zusammenhang und Ursprung solcher Aeusserungen verkennen, wenn 
man sie als historische Quelle benutst. Daher ist auch die Schilderung 
welche Wilamowits In den Phtlol. Unlerss. III 5. 44S von Favorin gibt, 
( itM- K<trik;itur geworden. Er beruft sich auf das Zeugniss Polemons, 
den das Alterthum als den grimmigsten Feind Favorins kannte, und 
wüssten wir dies iii< Id. die Worte würden e«; bezeugen — wenip-lens v\.>iirt 
man sie vollsttindig bei Hose Anecd. 1 S. 71 liest — dass Pok uM-u uns 
kein getreues Bild des gallischen Rhetors, sondern ein durcli Hu.hs und 
Leidenschaft entstelHes hinterlassen bat. Ein viel besserer Zeu^e und 



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Favorinns. 



421 



Auch auf dem Felde der Sokratik ist er viel weiter vor- 8oki«tlk. 
gedrungen als Dion. Nicht bloss auf die EthilL beschrSnkte er 
sich, 50 sehr er an sokratischer Stfirke ond Tugend sich erbaute 
und so viel er sie im Munde führte; er warf sich, — vielleicht um 
eine Schwfiche seiner eigenen Natur xu bemänteln sogar 
zum Anwalt der sokratischen Erotik auf und, was das Wich- 
tigste ist, er üble das am Meisten für Sokrales r4harak- 
teristische, dessen dialeklisclic Methode. Hier war der Ueber- 
gang zu dem Skepticismus . zu dem er sich eklektisch bald 
als Pyrrhoneer bald als Akailemiker bekannte und mit dem 
er wohl auch seine Vorliebe ftir Aristoteles und dessen Weise, • 
jedes Dins: von zwei Seiten zu betrachten und zu erörtern, 
zu vereinigen wussto. In den elastischen liegrill der Sokratik 
liessen sieh am Kndo aueli die T>eclamfitionen über paradoxe 
Themata^) einordnen, nicht bloss insotern hierdurch von rhe- 
torischer Seite her die Skepsis unterstützt wurde, sondern 
auch im Hinblick auf den platonischen Sokrates und dessen 
Reden im Phaidros^). 

der vor Allen gehört werden muss, wenn es sich »im nine gerechte Wür- 
digung Favorins handelt, ist rteUins na<Js er kv\u Minder Nrichrer 
Favorins war, hat Nietzsche ge^t'i^l Hln-iu. Mus. ^3, .s. ö4H l, Ind es 
verdient hier bemefki zu werden, dass auch Gellius, wo er an Favorin 
etwas XU tadeln findet, auf kynischem Grunde steht (N. A. XIV S). So zeigt 
sieb nodi einmal recht deutlich, wie schlecht sich der Kynismus mit 
Favorin vertrug und wie er alle, selbst seine Freunde, zur Polemik gegen 
ihn aufregte. 

I) N;« !i Suidns sdiriph er r-v Üwy.r.'y-»-r-j; -/t'. ttj; xn'i'JTli Ifioirt- 
xf(C ri/vT)?. Vgl, hierniil Fhiloslr. Vii. So|>li 1 s »"i. n. .m Kjivs: ftcpjjoc oUtw 
ttc Tjv td ipoiTixö xtX. Vielleicht war sjieciell hiti |;»'j:t'n (itileiis ^chrift 
gerichtet npo; t^v <I>ctßcDpIvov xvxA ^coxpcETou; (Opp. od. Kuhn XIX S. 45). 

t) Wozu auch die von Phrynichos eitirte Schrift rtcpi Ar^jjia^uc 
Mi^pMuvt]« gebort »wie mit Recht schon Kayser (Heidelb. Ausg.} S. 4 SS 
an^deatal hat. Insofern erscheint es nicht nöthig diesen Titel zu ändern. 

Doch ist auch möglich, dass sich in ihm ehie Entwickelung v<in 
der Rhetorik zu iihf*r\vieconder Philo<opln»» un»1 Sk*'p';is voll/ot; nnd dif 
Deklamationen uIkt ();uii<l<)\(^ Tliemata ciiiri fnilirim l'eriodr juci lnu t«'ri. 
Auf eine soUhe Entw jcklunj^ luhrt IMulan hs ScJuift de piiiiKi trifiiilo. 
Favorin, dem sie gewidmet i.sl, wird hier zun» Sihluss ausdrücklich zu 
skeptischer Vorsicht im l-rtbeil ermahnt. Einem fertigen Skeptiker gegen* 
über war dies kaum nOthig oder angebracht; desto mehr aber einem 
jungen Mann gegenüber» der sich seinen Weg erst suchte, und als solchen 
hal>en wir uns Favorhi Im Jahr 406 zu denken, in dem oder dodt bald 



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Vi. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



MtinHiichp Sein ganzes Leben und Treiben, wie es uns Geilius 

(jegprache. schildert, halle ( men sokratischen Anflug. An den ver- 
schiedenslen Orlen tinden wir ihn, auf öffenUichen PläUen 
und im Innern der Häuser; auch ihn begleitea seine 
Schüler <); Uberall knUpfl er seine Ges|>r8che an, aber er 
bringt sie nicht vorbereite! mit sich (o. S. 148) sondern ISsst 
sie sich durch einen äussern Anlass aulbOthigen und sein Ver- 
dienst ist nur das aitsokratische, dass er es versteht^ von dem 
einseinen Fall aus die Gedanken auf Fragen höherer and 
allgemeinerer Art eu lenken (Gell. IV I, bes. 19). Unwill- 
kürlich musste sich diese Art zu leben audi in seiner lüera* 
Tischen Thätigkoil spiegeln; wem Jeder Tag neue Uebung in 
der Schwierigen Kunst des Dialogs brachte, der wird die so 
gewonnene Fertigkeit auch als Schriftsteller ausgenutzt haben. 
Siasif«! Dialog. Wir wissen freilich nur von einem Dialog, den er verfassl 
hat '^}, und auch von dem nur so viel, dass darin Epiktet und 



nachher die Sciu ift IMuUirchs verfasst ist [vgl. 12 p. 989 E u. Volkmann 
Lehen und Srhi iftcii des Pttitarch I S. 79;. In Griechenland war damals 
Kavorin schon gewesen, IG [k "Jäi L) lasst an einen gemeinschatilidieo 
Aufcnlhalt mit Plutarch in Delphi denken; auf einen späteren Aufenthalt 
bezieht sich Quaest. Conviv. Vlll 10, i, 1 wo Favorin einer Mahnung 
tVLt Skepsis nicht mehr bedurfte. 

i) Besonders die Art wie sie ihm ans Bett der Wöchnerin folgen 
Xil i erinnert an die Art wie sie bei Xenoph. Mem. III I dem So- 
krates zur Theodotc folgen. 

2; Wira unter dem 'AXxißidoT^i bei Galen 1 S. 41 K. der berühmte 
Alkiltiiidps gemeint, so könnte die nach ihm benannte S. brift Favorins 
kftuni t twiis anderes als ein sokratischer Dialog gewesen sein und Favo- 
rinus wurde dadurch gegen die Regel seines Lehrers Dion (o. S. Jiy, 3) 
Verstössen haben. Werden wir nun schon dies letztere nicht ohne Noth an- 
nehmen, so spricht gegen diese Vermuthung auch der Umstand, dass In einem 
Dialog, an dem der ttitore AUiibiades betbeillgt war, doch nicht wohl von der 
Zweifelstheorie moderner Aliademiicer die Bede sein konnte. Es wird 
daher der »Alkibiades« wohl auf einen Späteren des Namens gehen, viel- 
leicht den gebildeton Prötorianer, dem Phlegon sein historisches Werk 
gewidmet hatte (Photios bibl. cod. 97 . Auch dann bleibt die Mopli«'hkeit 
dass dieser spätere AlkibiaMcs eine Figur des ni;il<>i;s w.w, ;d)tM- au« h 
die andere ist nicht ausgeschlossen, dass der iitoi nur die Widmung 
bedeutet (luterss. zu Ciceros philos. Schriften III S. 373, wozu sich jetxt 
noch mehr Beispiele fügen liessen). Als Widmung an Ploterch hat den 
Titel einer andern Schrill, des nXoArapxos «c^l ti)« *Aiiai«)fMu«iJ« iiaSiocoKi 
verstanden Vaass in Phliol. Unterss. von Kiessling o. Wilam. III S. 1 S5, 



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Favorinus. 



423 



Onesimos ein Sklave Plutarchs mit einander im Gesprich 
waren (Galen I 44 K), and ausserdem, dass die Tendens des 
Dialogs gegen Epiktei ging^); vermutkungsweise iSssl sich 
noch hiosafQgen, dass auch Favorin selber zugegen war') 
und die Rolle elwa des Schiedsrichters spielte^). So gewinnen 
wir das Bild eines Dialogs der eklektischen Art: der echt 
sokralischen Manier entspricht sowohl dass die Personen be- 
nannt und der historischen Gegenwart entnommen sind, als 
auch, dass wissenschaftliche Streitfragen lur Verbainihmg 
kommen; aristotelisch ist das Auftreten des Schriftstellers selber 
unter den Redenden; aber auch die kynische Würze fehlt 
nicht, da Sklaven oder doch solche, die wie Kpiktel ehemals 
diesem Stande angehört haben, am Gespräche bctheiligt sind. 
Da nach der Tendenz des Dialogs zu schliessen, £piktet ge- 
genüber dem Sklaven Plutarchs den Kttrseren zog, so wird 
das Gante wohl eine Huldigung der Freundschaft iür Flu* 
tarch gewesen sein^). 

147; ebenso gut kann ja aber Plutarch auch eine Person des Dialogs 

gewesen sein. Worauf der Irrlham Zellers herulit der den llXoutapyoc 
für idf-ntisch hält mit dem Dialog in welchem Epiktei und Onesimos sich 
unl«'ri(Mlrt«'rt MIT % S. 67, t'), weiss ii h ni( hl. — lelmgcns liegt koin 
Grund vor bei üaUü» a. a. U. mit Mar(|ii;ii(ll ;iu( Ii /M tou; «>Xo'j; EU 
streichen. Es ist zu schreiben t.ai [xirToi xäv x«|i p-feTd taüxa -(poi^ivTt ßi- 
p.iut T41 ' Alxi^idfij^ %a\ Touc ikXwi ^AitaSv)(&«titouc IffM'f f KtX. Denn auch 
vorher hat es Galen für aOtbig gehalten zu bemerken,* dass Favorin mit 
seiner Skepsis nicht allein stand, sondern darin auch mit den übrigen 
Akademikern sich in Uebereinstimmung befand. 

I) Ein philosophisch gebildeler ^lave Plutarchs auch bei Gellius 
i S6, 5. 

2 Dies folgt zum Mindesten mit Wahrsclieiulichkeil daraus, dass 
Galen (XIX 4 4 K) jußl x^i d^iavTfi ^toaoxaXiot ÜRip 'Enixxf|Tou npo< <Pa- 
^(oplvov schrieb. 

1} Denn Dialoge aus zweiler, dritter Hand waren selten und nur 
unter besonderen Zurilstungen möglich, wie namentlich Platons Sympo- 
sion zeigt, Favorin wird also wohl den Dialog als ebien erzählt haben, 
von dem er selbst Zeuge war. 

V .\ehnlicli wie zwischen dem Peripatetiker und Stoiker bei GelUus 
XVIII 1. nie streitenden P;trtcien vor einem Schiedsrichter agircn zu 
In-AfD. entspricht übcriinupl einer Weix- iU'< spüteren Dialogs, zu der 
iioii Tiu itus neigt Dial. 4 f.; uiul von der wir Beispiele namentlichbci 
Plutarch linden. Vergl. o. S. 24, i. 

5) Maass a. a. 0. S. IBS Anm» schelat auf Grund der SuMas- Worte 



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124 



VI. Der Dialog lo der Kaiseneit. 



So verflicht sich der IHalog wieder mit der lebendigen 
Wirklichkeit und Uingebttng seines Verrassers, mehr, so weit 
wir noch urtbeilen können, als bei Dion. Freilich die Wurzeln 
dieser Form lagen bei Favorin so gat wie bei seinem Lehrer 
in dem Beiden gemeinsamen Kreise rhetorischer Stadion nnd 
Interessen. Aber wShrend sie bei Dion ohne Weiteres in die 
Literatur fibergriffen und nur papierene Dialoge lur Folge 
hatten, nahmen sie bei Favorin den Dmweg durchs wirkliche 
Leben, schufen sunSchst echte mündliche Dialoge und wirkten 
von hier aus erfrischend auch auf ihre Nachbilder in der 
Literatur. 

Flutarch. 

A< linlif-h wie Favorin stand in dieser Beziehung zum 
Dialog Plutarch. 

Bei diesem Schriftsteller der Versöhnung und Milde treten 
die beiden Perioden, die rhetorisirende und die philosophische, 
noch weniger schroff aus einander als bei Dion. Zunächst 
freilich erscheint er Überhaupt nicht als Rhetori sondern ist 
bekannt als ein Philosoph, der sich namentlich ffir die LSsung 
moralischer und theologischer Fragen interesslrt und auch 
Andere iHr dieses Interesse zu gewinnen sucht. Wir kfinnen 
seine philosophische Entwickelung noch einigermaassen ver- 
folgen. Anfänglich mit Leidenschaft den Pythagoreem und 
deren mathematischen Studien ergeben, war er durch Ain- 
iiioiiios in die Reihen der skeptischen Akademiker gezogen 
worden Um so weniger konnte es ihm au der üblichen 



£'f tAonixeiTO X7i CtjÄov tlyt xx} . anzunehmen, ciass die«;«' Ki »Mindschafl durch 
Rivalität getrübt wurde. Mir s( h»»inen aber diese \\ n[ i. nichts weiter 
zu bedeuten als wie man aucii von Cbrysipp sagen konale, er habe mit 
Epikur im Vielschretbcn gewetleifert. 

0 Mir Bezug auf die Zeit, da das In de Ei Delphioo mitgetheill« 
Gespräch spielt (wKhrend Neros Aufenthait in Griecheoland 66^S n. Chr. 
i p. 3S3 B), Iconnte er von sich sagen (7 p. S87 F) rqvtmt'iT« itpooc- 
•«({jLTjV Totc |A«9^|&«0tv iji-r /Or,: nbu'loic h er damals bereits sich in der 
Gesellschan des Ammonios befand. Was er hinzufügt, ^ i&iXXwv 
€(; ri'ix'x Tif>T;ic'v TÖ MT)5ev äfi^i, h* 'Axa^jr^ut» ft i6txtvoz . «selien wir in 
ErfalluiiL: ^-Mi^angen Quaestt. Conv. III I, l f. Denn liier cr*-' hpint er 
unter den ;>chülern des Ammonios bereits als derjenige, der sich aai 
ilesten auf die Weibe des Lein er:» vei ätehl, dem daraa lag die Schüler 



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Platarch. 



4 $15 



rhetorischen Bildung fehlen, da gerade hei Vertretern dieser Bhetorik. 
Philosophie, wie nicht am wenigsten Philons Beispiel zeigt, 
Philosophie und tthetorik sich zu verbinden püegten >]. Er 
soheiot eiiunai Freude m der Rhetorik als eine Jugendsünde 
zu bezeichnen*): also wird er sie wohl auch selber begangen 
haben. Die Profession der Rhetorik lehnt er freilich ab und 
erklArt sich nicht für oompetent ttber Fragen, die in diese 
Kunst einschlagen, su urtheilen*). Unverhohlen ist sogar seine 
Verachtong für die hohlen RedefcOnstier, die Sophisten, und 
ihre YortrSge (oxoVaO^)* ^nxih er den Bhetor, selbst 

in späterer Zeit, nicht gans abgestreift^). Hfingen geblieben ist 
ihm eine gewisse Vorliebe ittr den strengeren Atticismus lysiani- 
scher F8rbung<), dessen Geschmack sich gut sur Stimmung der 



zum eigenen Denken und Forschen anzuspornen. Es ist die Weise der 
skeptischen Akademie, deren Stempel Ammonios allen seinen Vorträgen 
zum Schluss aufdrückte, indem er mit einem Cilol aus Xenophones den 
Inhalt derselben nur als wahrscheinlich zu bozeiclineii ptlegte (Quaestl. 
Conv. iX 44)7,4}. Bei Plutarch iül nur von der Akademie schlechthin^ 
nldit Yon dersk^tischan, die Rede. Di«B beweist um so mehr, dess damalii 
die philoiÜBche Rlditong in der Altademie die herrsdieDde war und Antio- 
cbos und Mine AnhHnger Ittr die Eoiwidtiuns dieser Philosophie nicht 
mehr als eine rasch vortthergebende Episode l>edeQt«n (Unterss. xu Giceroa 
pbUos. Sehr. Ii S. 237 ff.). 

4) Cicero sagt de fato 3 mit Bezug auf die Akademie: cum hoc 
genere phüosophiae quod nos sequiinur niagnaiu hahet oiatur sucieluleni. 
Alü duuiiua rerum galt bei den Akademikeru die Bercds^iunkcit nach Cicero 
de nat, deor. II 448. VgL dazu Qaiatn. XII t. SS. Aus de audiendo 9 
p:4tDf. inu89 man sehliessen, dass eine Verbindung von Pliilosopbie 
und Rlietorilt auch in Plutarcbs Sinne war. 

%) De soll. anim. 4 p, 954 B f. 

3) V. Cat. maj. c. 7, Auch dass er in der o-jYxpiai; des Cicero und 
Demostbenes (c. 4) eine Vergleichting der Beredsamkeit Beider alil^hnt, 
gehört hierher. Der Commentor zum flori^ias, aus dem rhetorische Ir- 
theile erhalten sind, wird mit Grund dem spateren Neuplatoniker gegeben. 

4) Vit. Nie. 4. PrUc. rei puhl. gcr. 15 p. 848A 4 7. p. 844 C. 

6) Im All^^elnen vgl. Gr^ard La morale de Plutarque S. 84 ff, 
8. 884 r. Ilohl Piutarcb. Stadien S. 84 f. 

8) De audiendo 9 p. 48 D f. icet8ä> xai yd^^i wird an Lysias auch 
de garrul. c, 6 gerühmt. Hiergegen sticht ab die Beurtheilung des De- 
mostbenes: fv. Dem. c. 9 (T.\ die im l.ohc diircliaus nicht so hyperbolisch 
Ist. wie z. B. bei Hermotieries, und dej» Taillein ziemlieh weiten Spielraum 
iasst. Plutarcbs Stellung zur Rhetorik bedarf noch einer genaueren 



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426 



VI. Der Dialüg in der Kaiserzeit. 



skeptischen Akademie seliiekte, wenn auch keineswegs regel- 
mässig damit verknüplt war. Ebenso Ivuiüligl den Bhetor an 
was wir ii!»er sein äusseres Auftreten erfahren und Anderes, 
was uns seine erlialteneu Schriften zeigen. Er führte /um 
Theil ein Wanderleben, wir trell'en ilin an verschieiienen 
Punkten der alten Well, in Horn selbstverständlich und Alben, 
in Alexandrien. Sparta, Sardes ; und wenigstens liir Koui. 
Surdes, Athen lässt sich noch nachweisen, dass er dort auch 
Vorträge hielt Zeigt sich schon bierin eine Aebnlichkeit 
mit den Sophisten, so wird dieselbe noeh weiter bestätigt 
durch einige der erhaltenen Schriften. Auch wo dieselben 
sich nicht unsweideutig als Vortrfige und Reden tu erkennen 
geben'), sagt es uns doch der rhetorische Charakter'), der 



Untersachung. Bs frligt $lcb, ob nicht auch seine nnchlässigere Behand- 
lung des Hintus (v^l. LahincyiT De lihclli Plularchei qui de mtlignitate 

HtTodoli in«;cribitur t*t aucloritat«^ rt auctorc S, 8."i (T. Srliollens de hialu 
in Hiutarchi Moralib. Boiukm-. l)is<. ISfi^i S. h. Muhl IMulan li. siud. S. 9i 
ihren Grund in d<»r nttiiMstisclirn Thi^orie hal, von Ufr Cii^'ro ()n»tor 77 
spricht. So \^ urüo sich erklären, weshalb er später im Meiden de?» [llatu>» 
sorgfältiger gew^n SU sein scheint, so sorgiUUig^ dass er es selbst aaf 
das Gebiet des Dialogs übertrug, wo es eigentlidi nicht am Platte ist 
(Cicero Orat 461): der Jugendliche Fanatismus fttr den lyslantsdien AtU- 
cismus und gegen die isokratische Künstelei hatte sich gelegt und er 
machte nun einfac h die Mode mit. 

i) Rom: vgl. tlc mirios. 15 p. ."^«E. Volkmann IS. 66. Sanits: ani- 
minc an corporis anVction. c 4 p. iiül K. Volkmnnn S. 63. Nach Athen ge- 
hört lipüone an pacf claridros fuer. Athen, thells wc^t'n dt's Inhalts theil« 
wej4üu /| TXftfAi tjoe i p. 34li F. Nuch Buolien geboren die Reden de e»u 
carn. s. f. Aomkg. 

I] Die Reden De esu carn. gehören einem Gunus an. Wie die 
sweite su Anfang an die erste anknüpft, so verweist diese c. 7 p. 99< A 
auf frühere Vorträge, ahnlich wie Teles bei Hense S. t4, 7 (icpi^i]<«}. Und 
«war sind diese Voi ti iiL-o in Böolien gehalten nach 6 p. 995 E. — De 
vitando aere alieno durch oieaöi 6 p. 829 E als Vortrag charakterisirt. — 
Virtutum doceri possc < p. 439 A u. 2 p. 489 C (oi fvftpojrrovl — De uniii« 
in re put)l. dorn, Anff?. ; auch hier die Forlsetzung eines früheren Vor- 
trags, die (ti'ii'sx'iKia zur TipoTpontj i p. 826 B. — de Alex. fort. vgl. bes, 
or. II I p. 8S8 D. 

S) Den man deshalb nicht ohne Weiteres, wie Volkmann I S. I ailT. 
thut, als Indicium der Unechtheii benutxen darf. — In Betracht kommen 
De superstitione. De fortuna. Aquane an ignis sit ulil. De vitioso pu* 
dgn». De curlos. De fortuna Rom. An vitios. ad infelic. sufT. 



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Plutarch. 



427 



sich nicht bloss in der Form zeigt*], sondern auch auf den 
Inhalt erstreckt'^). 

Unter das Spielzeug, wenn auch nicht unter das Handwerks- 
zeug, der damaligen Rhetoren gehörte aber auch der Dialog. ^JjfliMg 
Daher 6nden wir die Ansätze zu dialogischer Gestaltung BchoD 
in den rhelerischen Schriften Plutarchs. Bedeutungslos ist, dass 
er seine Vortrfige alsStaAilsic fiisst'); bemerkenswerth dagegen, 
dass die Einwurfe ihm leicht su Personen werden, dass er ver- 
gleichende Ziisammenstellungen (ou^xp^oeu) Uebt<) und dieselben 
sich bis lum Streit {iywfv) steigern ISsst»). Als Zeichen des 

1) Den Eindruck im Allgemeinen hat Jeder. Eine genauere Zusammeu- 
sl»"lluim des Einzelnen, wie sio S( hmid Atticisni. für andere Srhriflsleller 
^'OKebea liat, würde sieh verloliuen. Alu S^n^ularitHt liehe icli das dir' 
dXÄYj? <ipX'i5? hervor, das wir de vitioso pud. 4 2 p. r>;U A u. ebenso Aquane 
an ignis 10 p. 958 A lesen (vkI- Cicero de divinalione II 101). 

i) Derselbe seheint nicht immer eine feste in sich geschlossene 
Ueberceugaiig des Redoers tu refirSsentireii sondern bisweilen den Je- 
weiligen Umstünden sich anzuschmiegen. S. das o. S. 7Sff. über die 
Alexander-Reden Bemerkte. In den Reden de esu cam. Ifisst er seine 
Meinung über die Palingencsic im Vnklaren: or. I c. 7 p. 996 B f. scheini 
er an sie zu glauben, or. 1 cv n ]i ''S«' ff sie eher zu verwerfen, je 
naehfh'ni die jeweilige Argumei iatK n i . im stärkere oder sehwiiehere 
Ri luiiuiiji UiescÄ Beweisstückes hiiileitet. I nter diesem rhetorj!»eheii Ge- 
.sicbtäpunkt ist daher a priori vollends nichts dagegen einzuwenden, wenn 
die Qaellenaatersnchung dieser Schriften auf verschiedenartige PbllO' 
sophen und insbesondere auf solche ftihren sollte, die wie die Kyniker 
Fiotarch spKter and, nach seiner wissenscbaftUchen Ueberzengung, vtel- 
Mcht überhaupt verpönt. Auch die Schrift de malignitate Herodoti lüsst 
sich so als echt vertheidigen, wenn wir sie für ein rhetorisches Werk, 
namentlich aus Plutarchs Jugend halten, und ist deshalb s. hon xon l.nh- 
meyer -S. 89 mit Dions Troisclier Hede so wie mit Favorin s Kunnlbiscber 
verglichen worden (vgl. noch Muht IMut. Stud. S. 45 f.}. 

3; De uuius in re publ. dorn. 4 p. 8i6 B. de curios. 4 5 p. 523 B. 
Ueber den Namen I S. 5S, 1. Ii S. S6, %, 

4) Die eine HSlfte seines literarischen Lebenswerkes bestand in 
solchen. In vergleichende GegenUbersteilnngen Ittst sich aber anch ein 
Tbell seiner philosophischen Erörterungen auf: so die Ahhandlnng Aquane 
utilior Sit an ignis, De superstitione (ifteo; und ßctai^aipicuv Tiwisehen 
denen der t^n^ifi nicht zn seinem Rechte kommt), Quomodo adulalor ah 
amico intern. 

6) 'Apcrf, u. Tj/tj stehen sich so gej«enüber de fort, Horn. (bes. 3 
p. 84 7 c). *l>t>.0 30'ii'i u. Tu'iTf in den Alexander-Reden :l»es. vgl. or. I Anfg.}. 
Vgl. noch tuxr« u. <p6aic v. Demosth. c. $. Ueber die Verwandtschaft der 
mit den Dialogen I S. 484, S II S. S4. 84. 



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428 VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 

Anhebens oder Nachlassens dialogischer Bewogimg, bei einzelnen 
SchriftsteUern oder in ganzen Zeiten, ist uns dergleichen längst 
bekannt. Die Kunst des Rhctors erweckt die Menschen der Vor- 
welt zu Leben und Hede (de esu cara. I 2 p. 993 C) ') ; sie gibt 
sogar den Thieren Sprache (ebenda i p. 994 E). Und so wird 
es wohl schliesslich der Zauberstab des Hhetors Plutarch und 
nicht der der Kirke gewesen sein, der dem Gry lies die 
Gabe der Rede verlieh und ihn so in Stand setzte, das nadk 
ihm benannte') Gesprfich mit Odysseus zu führen. 
Giylloi. Neuerdinga ist das Interesse für diesen Dialog durch 
Usener wieder geweckt worden^). Usener sieht darin eine 
Keine 8»tii« Satire auf die Lehre Epikurs, die den Menschen, nach der 
*° Ep^k^'* Behauptung der Stoiker namentlich, sum Thiere enüedrigt: 
Gryllos selber sei ein verkappter Epikureer und die Sache 
der Thiere, die er su führen vorgibt, in Wahrheit die seiner 
Schule. Richtig ist hieran, dass Gryllos bisweilen wie ein 
Epikureer spricht*), aber eben nur bisweilen; und ebenso 
gewiss ist, dass er andere Male nicht wie ein Epikureer, 
sondern vielmehr wie ein Kynikcr^J und wie ein Peripate- 

1) Ueber den Ausdruck «pcuv^^v Xaßelv vgl. de rep. Stoic. 34 p. 1048 F. 
Diog. L. VI 9. ausserdem Tdetis rell. S. S f. u. deza Henae. 

i) Ueber diesen Titel slaU des firiUier ubUcfaeD llc^ toü dOLor« 
^^Tf Xf^^^ Vseoer Epicurea praef. S« LXX. leb habe ihn der Kttne 

und jetzigen Gewohnheit halber heibehalleo. Für richtig halle ich ihn 
nicht. Dil' folgenden Bclrachtun^on über Zweck und Inhalt des Dinloes 
werden der Usener sehen Aendorung ihren Boden entziehen und auüser- 
don) spricht gegen sie und für die überlieferte Form des Titel« der l m- 
slund dass Fiutarch sonst seine Dialoge nicht wie Plalon iu der Hegel 
MCh den Personen sondern, wie Cicero und überhaupt die Späteren 
meistens, nach dem Inhalt benennt. 

S) Usener Epicur. praef. p. LXX. Daia Norden Fleckeia. lahrii. 
.suppl. XVIII 8$S, ä. F. DOmmler Prolegomena zn Piatons Staat S. SS, t. 
B. Weber l.eipz. Studd X 4 Ar,, f Uich. Heinze Xenokr. 4 5S, i. 

4; N.indi* h oinmal c. 6 p. 989 B wo er in der Eintheilung di r Be- 
gierden Kpikurs Vorpaniro folpt fr. i'd VsoncV und fi'rnrr r 4 y< '.*Sn H 
Indem er liMi^^iut dus.s den Meiihcluii von Nalur M^hon Tapt ik it !>«-i- 
wobue (Isener zu S. 3i7, 8). Jene Liülhcilung der Begierden tmdon wir 
auch de genio Socrat. 15 p. 584 D f., wo Niemand deshalb den Epamei- 
nondas des Bpiicureismus verdttcbtigen wird. 

5) Dieser Sdiole entstammt die Voraussetnng, die den Worten gl4. 
p. 987 F. fr. zu Grande liegt, dass von NaUir männliches und weibliches 
Geschlecht hinsichtlich der Tagenden sich gleich stehen: Diog.L VI ii; 



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Plularch: Grylios. 



tiker*) redet. Ja, was besagt denn überhaupt jene Vergleichung 
der Epikureer mit Thieren, die nach L sencrs Meinuiii< iiu Grylios 
nur bis zur vollen Metamorphose gesteigert wäre? Entweder 
dass die Thiere nur im Genuss, nicht in höheren Aul^aben 
ihr Giück finden ^1 oder dass sie als völlig gedankenlos sich 
auch über die dütti r keine Gedanken machen ihhI dcsh-ilb 
der Seelenruhe [axa^i^ia], des epikureischen Lebensideals, im 
höchsten Maasse theilhaft werden 3). Weder das Eine noch 
das Andere wird aber von Grylios als ein Vorzug des Thieres 
vorm Menschen hervorgehoben \). Was insbesondere das Fehlen 
jeder VorstelluDg von den Göttern betriflft, so wird es nichl 
benutzt, um daraus auf Erfüllung des epikureischen Lebens- 
ideals bei den Thieren zu schliessen, sondern gilt als Beweis 
von deren IntelUgens. Epikureisch ist dies keineswegs, da 
die Epikureer ja die Existens der Gatter nichl leugneten und 
daher das Fehlen jeder YorsCellung von ihnen unmöglich für 
ein Zeichen besonderer Klugheit halten konnten; wohl aber 
entspricht es der Ansicht filterer Sophisten, auf die noch dasu 
GryUos ausdrücklich hinzuweisen scheint^). 

vgL noch Masoiiitts bei Stob. Flor. iV S. i4S ff. Mein^ der, gerade unter 
Hinweis auf die Thiere und ihre BeiuDdluDis, auch fUr Jungen und llüd- 

Chen dieselbe Erziehung; fordert. 

i) Den Ö'j(xö; nennt er 4 p. 988 D dv^pcia; fiifti ti; xai aTÖfAiöfxa. 
Dies erinnert an Aeusserungen des Aristoteles (fr. 94 ü. Akad. Ausg.] und 
der Peripatetilcer (Cicero Tuscul. IV 48 mit Erklttrr.), streitet aber mit 
der Ansicht nicht bloaa der Stoiker sondern auch der Epikureer (Zeller 
lU 45S, 8). 

S) Usener zu Epicur. S. i74, iS. 

3] Plutnrch Non posae auav. 8 p. 1092A f. 

4) Hö< h-t<Mis könnte man den ersterwähnten Gednnken angedeutet 
finden 6 p. üSyE: d'/Xa vüv oitiTj)."/ '/"ffilvo; äxclvojv töjv y.e.djv §o^u>v aoX 

&nE(>^i(v(o, Tat; oe aoti« /fXoiiai xoi xdntjai ouSev dv p.d Ab f^Btov 7^ ßaftet 
«d (laXdaxü) TiTfX^» }ji£9TÖc ipmtaxXtftciijv dvfti:au6|Mvo(. Hier ivird aber 
viel mehr die ElnfiM^eli, die Genügsamkeit betont, nicht der Genuss 
als solcher; die Worte tauten daher dier kynisch als epikureisch. 

5) Der Dialog bricht nümlich jetzt mit folgenden Worten des Odys- 
seus und Grvllos ab. 'OZj'z-:. \\}}A Coa, l'ojXXe, af. ?»6tvov xal Öiaiov 

5) ^Olm'svj, ooo^iv oStw« ivxa vcal iTEpirriiv, ix toü 2ioj(j.oy -ftio-^hai, Offen- 
bar spricht mit diesen Worten Grylios sein Erstaunen darüber aus data 
Odyaseua, der doch von Sisyphoa stammt| nicht auch die Ansicht seines 
Hlrz«1, ntolof. D. 9 



430 



VI. Der Dialog in der kaiserzeit. 



8opUillMh-i1i«' Die iMiilosonhie unseres Gryllos erscheint daher wie nu- 
' sammengeflickt aus den Lappen versdiiedener Systeme und 
macht einen hunleii, keineswegs so einheitlichen Eindruck, wie 
es der Fall sein müsste , wenn sie selbst ein AlxiirucL der 
epikureischen Lebensanschauung wiire. Wir ba!»en also auch 
keine in philosophischem Sinne verfassle Satire auf die 
Epikureer vor uns*), sondern ein sophistisch -rhetorisches 
Werk, das als solches in verschiedenen Farben schillern 
konnte ond dessen Aufgabe war die Paradoxie, dass die 
Thiere den Menschen auch geistig Oberlegen sind, dialo- 
gisch durchiniühren^). Die Anlehnung an den Mythos passl 
hienu und ebenso erklärt sich daher die oberflSchliche 3) 



Vaten tli«Ut und wie dieier die Bxistenx der Gdtter leugnet. Diese 
Ansicht äusserte Sfsyphot in dem gleichnamigen Stücke des Krittos, das 
von Pltttardi in den Moralin auch sonst benutst worden Ist und von Ihm 
dem Euripides zugeschrieben wird. Aus ihr folgerte in weiteren jetat 

verlorenen Worten Gryllos, dass also Odysseus der Sohn des Gottes- 
leugners Slsyphos am wenigsten ein Recht Inf '- ih^n Thioren de^h.ilb 
Vernunft abzusprechen weil ihnen die Vorst. Ikn L \ m in Guttern frh!«-. 

i) Auch die an verschiedenen l'unkleti durchbreohende l'ülenuk 
gegen die Stoiker beweist dies natürlich nicht. Gegen sie richten sich 
nicht nur die Bemerkungen ttber die r^xve» der Thiere 9 p. 991 D ff. (bes. 
p. 999 C wo sie Sophislea gescholten werden) sondern auf sie und die 
Kyniker Ist auch der Hohn gemttnst der ttber Odysseus als den angeb- 
lich weisesten der Menschen ausgegossen wird (2 p. 9S6Cf. S p. 987 C 
vgl. auch was 5 p. 988 F über die schon von Xenophon Mem. I 3, 7 ge- 
rühmte amrpoos^vt; und lixpimt des Odysseus gesagt wird: «urh «las 
PaotXej xi'^af '/ fri. i p. 986 E genügt nicht bloss der tiikelte s i J. ni 
steht zum >pottc da]. Den Sluiküiu wird aber so arg luitgcspieil weil 
io ihrer Theorie die Thiere am schlechtesten wegkamen. 

9) Wss wttre des auch für eine Satire auf die Epikureer, in welcher 
deren Ebenbild von sich bekennt dass es vor der Verwandlung ins Wer 
d. h. (nach Useners Auffassung) Vbr der Bekehrung sum Bpikureismus 
nur tiusseren Prunk und Rcichthum, nicht aber Vernunft und Tugend tu 
schätzen vermocht habe (6 p. 989 E] ! 

3) Viel priindlirher und ernsthafter t«;t rli»^ Rt^fuHullunt- drsseUipn 
Gegenständen de soHert. anim. So wird hier inil Recht mclir Wrrtb ;tuf 
die Intelligoiiz gelegt die sich schon von Natur in den Thieren zeigt, ab 
auf die scheinbare die erst bei der Dressur hervortritt: vgl. de soUert. 
atilm. <9 p. 968 B L 49 p. 979 A mit GryU. 9 p. 999 A f. Heber das Lehren 
und Lernen der Thiere unter einander vgl. de sollert. 49 p. 979A 1 nait 
Oryll. 9 p. 999 B. ttber deren selbstgewonnene MeisterBchaft in venchle^ 
denen Kttnsten und WIssenscballMi vgl. de sollert 90 p. 974 A ff. mit 



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I 



Plutardi: Gryllos. 



434 



und gelegentlich ins Burleske iaileude Behaudiimg des 
Themas. 

Natürlich schickt sich ein solches Werk besser für den AbfHiugsmit. 
jugendlichen Piutarch; und in die Jugend des Schriftstellers 
weisen auch die radicalen Ansichten über das Fleischessen und 
die Tödtung der Thiere^). Vielleicht hat er damit einmal die 
Neckereien heimsahlen wollen^), deren Zielsefaeibe er und 
Bein Bmder Lamprias aU Böoter in Athen waren ^]: darum 
ist es das bOolisidie Wappentliiery die BouiiT(a o<^) , die Mi 
hier dem Uttgaten imd gefeiertaten aller ioniachen Helden 
an Veratand wie an Togend Überlegen seigt. 

Auch ohne aolchen Anlaas Ifiaat sich aber denken, daas es Asi»kiaog an 
ihm eine Freude war, das Werk eüiea älteren Sophisten, dem ^"L^buten.^^ 

Gry II. 9 p. 991 E f . De soUert 48 p. 971 Bt werden sogar religiöse Ge- 
fühle bei den Thieren nachgewiesen; im Gryllos wurde dies, wii- mnn 
trotz des verstümmelten Schlusses sagen kann, ignorirt ebenso freilich 
Non posse suaviter vivi 8 p. 1092 Bf.,. Die Vergleichunu fallt durchweg 
zu Gunsten von de sollert. an. aus, wo die Behandlung sich auf mehr 
Beispiele stützt und mehr wissenschaftlichen Sinn oder doch aMhr wisMOr 
scliattliche Absicht verrttlh. 

I) Hierher gehört wea 4 p. 988 B 5 p. 989 A. tiher die Penelope 
und p. 987 F über die Tapferkeit der Krommyonischen Sau u. s. w. ge- 
sagt wird. Mit dem Spott Uber die epikureische Lebensansicht hat dies 
nicht das Geringste zu thun. Ueber chronologische und historische Mög- 
lichkeiten setzt sicli die Komödie, die in einer ^Velt der Wunder lebt, 
natürlich hinweg: daher die Bemerkung über das 'A/i/Xeüc KaÄö; im 
Heiligthum des Ptoischen Apoll 7 p. 990 E, die schon Reiflke aufge- 
lUlen war. 

9) 9 p. 991 C ff. Hiermtl stimmt Uberein de eso cam. I c. i f. II S 
p. 997 B ff., also eine Schrift die man ebenfalls der früheren Zeit Pluiarcba 
zuzuweisen pflegt* Ruhiger und maassvolkr spricht er sioli über die- 
selbe Frage aus de soUert. anim. 7 p. 964 D u. F. de tuenda sanit. 46 

p. i 3 J F f. 

3; Bekannt ist dass auch dem Lieblingsdichter Plutardis, Pindar, 
deshalb einmal die Galle übergelaufen war. 

4) Quaestt. Gonviv. II S, 4. IV 8, 4, 4 f. IX 9, 8,4. Hiermit vgl. de 
eso eara. I c, 6 p. 998 B. 

8) Bs Ist wirklich eio bOotlsches Schwein: wenigstens zeigt es sich 
mit böotischen Angelegenheiten sehr vertraut 4 p. 987 F fT. 7 p. 9f0ü f. 
p. 99< A. s. jednoh auch folg. Anm. — Durch die Belehrung, die dem 
ndy<;scus durch das .Schwein zu Theil wird, wurde der Sinn des Sprich- 
wortes rj ij; T?)v 'AÄT/väv, au das Piutarch anderwärts (v. Deinoslh. 41] 
erinnert, gewissermaassen umgekehrt. 

9* 



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132 



\L Oer Dialog io der KaiserzeU. 



er den Inhalt entnahm^), dialogisch zurecht zu machen. Es 
war dies echt rhetorisch: die Thiere sollten ihre Sache selbst 
fuhren; gerade wie die alte Hhetorik, was liii Faiamedes zu 
sagen war, diesem selbst in den Mond legte. Dies formale 
Verdienst braucht man Plutorch nicht zu verkttmmem und 
etwa eine Menippea im Hintergrande zu wittern; Motive der 
llsopisclien Fabel und der altattischen KomOdie kdnnen darum 
im Allgemeinen doch auf Ihn gewirkt haben. Eigentlidie 
Vorgänger hat er nicht gehabt >); wohl aber Nachfolger, die 
beflissen waren, das von ihm, wie es scheint^ snerst gebrauchte 
Motiv in der Ausflihrung noch mehr tu erweitern'). 
Oaitatua« So viel und so wenig als der Gryllos hat noch ein an- 
^•^^^ derer IMalog Plutarcbs mit der Philosophie zu thun, das 
Gastmahl der Sieben Weisen'). Wie dort die Schrill 
eines unbekannten Sophisten zu einem Gespräch war gestaltet 

1) Was Oiiysseus vermuthet (5 p. 988 E) wird von Gryllos besUillgtf 
dnss er als Mensch Sophist war (6 p. 989 B) und bei Sophi«?ten Unter- 
richt halte (9 p. 992 C). Als Hindeutnng auf eine historische Persttnfirh- 
keit, der Plutarch für den Inli.ilt seiner Schrift zu Danke verpflichtet 
war, würde man dies vielleichl nicht fassen, wenn nicht Gr\llo*? ausser- 
dem Kreta als seine Heimath bezeichnete (6 p. 989 £.]• tnd für die±»e 
BeseichDnng weiss ich keioeo genttgenden Grund, wenn m nicht wirk- 
lich einen kretisdiea Sophisten geb deaaeii Aosiclit dertityllos Flaterchs 
darstellt : denn die allerdings ebenfalls berüchtigte Trägheit nnd Stnmpr- 
heil der Kreter lässt sich in diesen Zusammenhang nicht hereinziehen. 

s Wenn auch redende Tbiere in der dialogischen Uteratur nichts 
Neues waren, s. I S. H38 ff. 

3) So zuerst (jclli in La Circe, sodann La Fontaine, s. in l.e> ^'rands 
Ecrivains de la France (Oeuvres de La Font.) III S. 178 ff. in dic>er er- 
weiterten Form war es eine Zeit lang sehr in Mode, wie die Acerra 
Philolcgica (von Heldekker, Zürich 4708) S. S«9 ff. und bes. S. STI seigt. 
Plutarch selber hat sich auf das Gesprfteh iwiscben Odysseus und GryUoe 
beschrlinkt. Das können wir sagen obgleich sein Werk nicht voUstlbidig 
erhalten ist [5 p. 986 B). Ausser dnss der Srhluss fehlt, ist eine Lttcke 
vielleichl noch vor c. 9 p. i»91 1); der Anlani: ist zwnr nhrupt, aber nicht 
mehr als sich mit der Observanz des Diaiogs und nameotlich des r)M to- 
rischen Üiah)i;s verträgt (s. o. S. 4 07. 3 . 

4) Die früher angezweifelte Echlheil des Dialogs hat In neuerer Zeil 
wled«r Vertheidiger gefunden, den gründlichsten bis jetzt in Georg Herr- 
mann Qnaesttw criti de Platarchi Horalib. Hall. Diss. 4«7S. Vgl datu 
Wilamowitc Herrn. iS, S. 496 ff. Muhl Plut Studd. S. S7 ff. Vielleicht 
dient auch die oben folgende Erörterung daitt den Glanben an die Echt- 
heit zu unterstüteen oder doch Hindemisse desselben zu beseitigen. 



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Plutarcb: Gastmabl der Sieben WeiMit 



433 



worden, so sollte hier der Roman der Sichen Weisen in ornen 
Symposion-Dialog zusammengepressi werden. Mit der Bchand- 
luag dieser Sage greift Plutarch in einen lang und breit 
fliessenden Strom der Ueberlieferung ein. Immer und immer 
wieder im Laufe der Jahrhunderte erscheinen die Gestalten 
der Sieben Weisen, Griechisches und Römisches verknüpft 
sich in ihrer Legende mit Orientalischem, Heidnisches mit 
Christlichem; in mehr oder minder abgeschmackter Form wird 
dieselbe den letsten Zeiten des Alterthums, darüber hinaus 
auch dem Mittelalter erzihlt. Aber kaum erkennt man in 
diesen blassen Schemen Gebilde wieder, die dep Jugend des 
hellenischen Volkes entstaoiinen und deren historisches Leben 
einstmals im Glanz der Dichtung erstrahlte und verschwand. 

Von früh auf bat das griechische Volk nach i ypi-n der King- Die Sag« fon 
heil gesucht, in denen der beste Theil seines eigenen Wesens ^''Jriil«!" 
sich verkörperte; und Pittakos . Solon, Thaies und Andere 
sind in historischer Zeit zu solchen erhoben worden, wo nicht 
unter Anleitung, so doch mit Bestätigung des delphischen Ora- 
kels'), das auch hier sieh in feiner Fühlung mit dem Denken 
und Empfinden des Volkes gehalten zu haben scheint. Ein 
festes Maass musste natürlich dem Anwachsen dieser Weisen- 
Schaar gesetst werden. Ein solches war aber auch Ifingst 
gegeben in der Siebenzahl der Helios-S5bne, die in der Vor- 
stellung eines alten Mythos ebenfalls als die Weisesten ihrer 
Zeit hafteten >): nichts anderes als die neuen Helios-SOhne einer 
jüngeren Zeit sind die sogenannten Si^n Weisen, nicht die 
natürlichen, aber die Adoptivkinder des pythischen Gottes, 
dessen Wesen mehr und mehr mit dem des Sonnengottes 
sich ausglich. Diese beschränkte Zahl^J Steilen im hohen Käthe 

I) Am frQheBten bezeugt ist ein solches Orakel für Myson flv MX- 
Xov ivcTiccv dvftp&v eofpevitftBtov tcrfvtwv. Der Vers gehürt nacb DIog. L. 
I 107 dem Hipponax (a PLG* fr. 45j. Ihn trotzdem mit ten Brink PbiloL 

6, MB dem Kallimachos zuiusprechen haben wir keinen uenii^^onden Grund. 
»Varia illius fnbulae exornatioHippoDactis aetate est posterior« wie ten Brink 
sagt, mag rirlilif; sein, trilTl ahrr hii r nicht zu, da der angeführte V^rs eine 
Ausschmückung der Fabel von den sieben Weisen noch gar nicht voraus- 
setzt sondern lediglich ApoUons Erklilrung über Mysons otocfpoovvTj enthält. 
S) PIndar OL Vit 74 : Ma rtvtk xixtv (Helios) ^Enri «of 

3) Die Zahl stellt fest. Es war ein Ifissverstttodnlss Grote's, wenn 



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434 



VI. Der Dialog In der KaiawMit. 



griechischer Weisheit forderte den Wettbewerb der Stämme 
und Stftdte heraus^ deren jede so gut es ging würdig darin 
vertreten xu sein wUnschte^). Die schon begonnene Arbeit 
des Mythos wurde hierdurch weiter gefördert. Jeder Hellene 
suchte und fond In den Sieben sein Ideal der Weisheit wieder. 

Wie die Gdtter erschienen sie verschieden nach Menschen 
und Zeiten. Zunächst natUrlloh sind sie Repräsentanten der 
Weisheit des Volkes und verwalten dessen Spricbw5rterschata, 
verkünden daneben aber auch als edelsten Kern desselben 
die Weisheit des delphischen Gottes. Als im fünften Jnhr- 
SophiBtik. huiuieri die Sophistik Griechenland überfluthet, müssen auch 
sie der neuen Weisheit dienen ebenso wie sie bald nachher 



er Hist. of Gr. iV itl (4. Ausg. London 4 854) sagt« »neilher the number 
Qor the nameS} are giveo by all authora ahke». Wenn blswelleo mefar 
als Bieben aogaführt werden, so hat dies nur den SImi dass sie aur Aus* 
wähl atehen. Auch die Zahl der sieben Helden vor Theben steht fest, 

die Namen nicht so ganz : s. Bethe Thebanische Heldenlieder S. S4 (T. 

1} 0. Bernhardt, Die sieben Weisen Griechenlands (Soraa 4864} S. 8. 

2^ Zu Sophisten macht sie freilich nur Sokrate'; b»>i Piaton Protag. 
p. 343 A. Aber er will docii eben damit die Weise der Sophisten, nament- 
lich des i'rotatioras p. 346 D f. persiffliren. Hippias selbst im Hipp. Maj. 
p. 282 C f. fühlt sich zwar einem Pittakos Bias Thaies überlegen, erkeimt 
sie aber doch als Seinesgleichen an; auch sie sind Sophisten, nnr ist er 
ein grösserer. Gegen Hippies mag sich aneh in Mrates' Rede im Protag. 
p. S4SC die Stelle Hebten » in der von dem Veiinbr der Lakedimonier 
mit Sophisten die Rede ist; denn dass er auf seinen Reisen am häufig- 
sten nach Lakeditmon gekommen ist, sagt er selber Hipp. Maj. p. 284 B 
{vgl. p. 283 B fT. . In 'Jt^im m Sinne mag es daher noch besonders 
sein, wenn in derselben Hede Sophisten und Lakedämonier '^'•^istit: 
einander genähert werden und es ist nicht nuthig eine den Umstanden 
nach entferntere Beziehung auf Autisthenes anzunehmen (F. Duntmter 
Akademlka S. 51, <)• Nicht minder entspricht es seinem Sinne dass Über- 
haupt nach der allen Weisheit der Hellenen geforscht wird (p. 84t A IT.): 
denn er befllss sich der gesammten i/pix^tmiKorf^ (Hipp. Maj. p. SBSD). 
Da nun ausdriirklich eine Nachricht über Thaies auf ihn zurückgeführt 
wird (Diog. L. I 24}, so wird es nicht unwahrscheinlich dass die Sieben 
Weisen «^inoti ftecenstand schon seiner Studien bildeten und von ihm zn 
Sophisten aiisstafTirt wurden. Ja im Hippias Maj. p. 282 A, seh<^int sogar 
ein be«^ltnimtes Zeugniss für diese Thätigkeit vorzuliegen. (\onn aus- 
drücklich sagt hier Hippias, dass er von Pittakos Blas Thaies und ibres' 
gleichen Öfter und immer lobend rede. — Bei Plntarch Themist. t findet 
sich ebenfalls die Ansidit dass von 4len Sieben bis su den Sophisten 



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Plularch: Gaslmahl der Sieben Weisen. 



135 



ein Hauöh sokratischer Weisheit bertthri und sie aos Weisen 

in solohey die nur nach Weisheit streben, aus ao^ol in ^1X000901 

verwandelt^). Bäsch vollsog sich nun die weitere Meta- 

morphose, die sie ans Münnem des öffentlichen Lebens und 

der Praxis in lichtscheue Gelehrte und Theoretiker umschuf. 

IMese Melamorphose , die sich schon im Hippias Major Hippiaa Major. 

ankündigt'), blieb aber uicht ohne Rückschlag. Während 



sich eine oiaoo^^tj hinzieht, ^dies^e nur mit einer Modilicatiou die Thalig- 
keit jeoer forttetmi. Vei^l. n. S. 4 SS, I. 

I) WenlgsSens scheiot mir dies der Grundgedanke der ErsOblttog 
vom DrelAiflft und ihrer Varianten su adn piog. L. I S7 ff. Bohren De 
Septem sapientibus S. 48 (T.). Nach einer Fassung derselben wurde durdi 
das pythische Orakel der Dreifuss als Preis der Weisheit ausgesetzt: 
Thaies lehnte ihn von sich ab, ebenso die l ebrigen, bis ihn endlich Solon 
dem delphischen Gotte weiht. Bezeichnender Weise muss es gerade ein 
Athener sein, der die Einsicht hat dass Weisheit nicht hei den Menschen 
sondern nur bei den Göttern ist. Die Gesciüchle erinnert hierdurch noch 
mehr an das was von Sokrates eratfblt wfard: audi hier lehnt deijenige, 
der in Folge eines deI|ihlseheo Orakeispmchs zunSchst fUr den Weisesten 
geltalten wird, der Athener Soluates, es ab als solcher zu gelten und 
versucht es mit Anderen, denen er mehr Weisheit zutraut Plalon Apol. 
p. S1 A CT.), aber sie bestehen die Probe nicht und das Ende ist auch 
hier die Erkenntniss dass die ao'x>'? den Göttern vorbehalten ist, für die 
Menschen nur die ^iXoootpio übrig bleibt {Piaton Phaidr. p. 278 D f.'. Nur 
in einer Variante der Dreifussgeschicbte ist dieser Gedanke wenn auch 
Dicht ausgelöscht, so doch stark verdunkelt: hiernach (Diog. L. I 28 f.] 
ist es nicht ein Dreifoss der wandert sondern eine Sehale, diese gelangt 
xuerst an Thaies und macht hierauf die Runde bis sie zu ihm zurück« 
kehrt, worauf er sie allerdings efaenfidls dem ApoUon stiftet, aber nicht 
als Zeiclien von dessen aller menschlichen überlegenen Weisheit sondern 
triumphirend mit der pra]deris<-hen Aufschrift dass er, Thaies, zweimal 
den Preis der Weisheit empfangen Dir AViwri hunii dieser Variante von 
der andern erscheint charakte^istl^cll. ■^ul ald vs ir i)edenken dass ihr nam- 
ha(lest4;r Vertreter in der Literatur ivaliimachos war; sie spiegelt so be« 
trachtet, wenigstens in dem vomciimstea der Sieben, in Thaies, el)enso 
den alesandrinischen Gelehrtendttnkd wie die andere die sokratische Be> 
scfaeidenheft. Die Üescbeidenheit der Sieben fuid in der Dreifussgeschicbte 
schon Melanchthon ausgedrückt fOpp. ed. Breischn. XI S. SSS) und der- 
selbe verglich sie schon mit dem Wissensdünkel nicht bloss seiner SOU" 
dem aucl» der alexandriniscli-rüinischen Zeit iMartial VIII 18, <0). 

4) p. t%\ C. Für Thaies %\ar auch schon im Theaitct p. 174 A vor- 
gearbeitet. Wenn übrigens im liippias Major nel>en Bias Pittakos und 
Thaies auch Anaxagoras genannt wird, so darf dies nicht ohne Weiteres 
als ein Ausweichen in die Naturphilosophie gelksst werden: vielmehr 



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436 



VI. Der Dialog in der Keiseneil. 



ThvopiMst. noch Theophrast, wie es scheint, sich dieselbe tu l^utoe machte, 
um bei der Grfindung des peripatetischen Museion auf die 
Sieben Weisen als Vorbilder eines der Theorie gewidmeten 
Lebens hlnsuwefsen und ihren Thiasos als das Muster des 
seinigen hlnsustellen>)» nahm umgekehrt sein Mitschüler Di- 

Siktltrab. lularch sie für das von ihm verlretene ideal eines praktischen 
Lebens ht Anspruch, indem er durch die Nebel des Mythos 
hindurch auf ihr ursprüngliches historisches Wesen hinwies 

muss man sicli daran eriDnern, daas auch nach Hermippos bei Diog. L. 
I 44 (Bohren De aeptem lapp. S. SS) Anaxagoras von Ifonchen unter die 
Stehen gesflbli wurde. — Myson als Misanthrop, der ans dem Leben in 
die Einsamkeit flieht, gehört auch hierher (Aristoxenos bei Diog. L. 1 
iOl. Mahne S. 94). Viollricht wnr diese Auffassung eine Folge s< Ihuv der 
Strömung, durcl» (!i«'Tifiion und Monotropos mit ihren Geistesverwandten 
ia der Zeit des pulopoiinosischen Krieges emporgetragen wurden. 

1 ) Wenigstens hat Thcophrast sie sich als einen Thiasos vorgestellt: 
das ist die einbcittte Deutung der bei Athen. XI p. 468 C aus seinflr 
Scbrift izs.pl |ji£dt]« (fr.4as W) eltirten Worte, die ihnen schon Bemiiaidy 
Gr. Lg. I S. M gegeben hat. (Aueb Plutarch Gonviv. VII Sap. i p. I4S A 
kennt wiederholte Symposien der Sieben'. Hiemrit stimmen die Vor- 
stellungen anderer Peripatctiker überein. Wenn Demelrlos von Phaleron, 
der Schüler Theophrasts, die Proklamirunp ihrer Weisheit in einem und 
demselben Jahr, dem des Arclion Damasias lüiels Abh. d. Berl. Ak. 4 885 
S. U ff.), erfolgen lässt (Diog. L. I 22;, so liegt dieser sonderbaren Angabe 
kaum ein anderer Gedanke zu Grunde, als dass der Thiasos auch sein 
Sttftungsjahr gehabt haben mttaae. üm die Wahl dieaes Jahres lu er- 
klSren» dient daas Solon damals, als er der Versuchung widerstand tich 
aum Tyrannen auaiurnfen (Diela a. a. 0. S. IS), die htfäiste Probe der 
WeislK if LPL' hori hatte {IMutarch Gouv. VII Sap. 2 p. 447C), dass Thales 
zu derst lheri Zeil die l)et uhmte .Sonnenfinsierniss voraussagte (Diels a. a. 
0. S. H . 2) und dass fler s-t'^t^Arr^^ if^^ in I)e|[)hi erneuert wurde, mit 
einem solchen Anlass aber die feierliche Verkündigung der Sieben aK 
der Weisesten leicht verbunden gedacht werden konnte. — Aber nieht 
bloaa in der Art des Zusammenseins, sondern auch in den Wirkungen 
stellte man alch ihre Verbindung nach dem Bilde einer Pliiiosophensdiide 
vor. Nachfolger und Schiller sollten sich an sie aogeachlosaeo, eine Sta- 
(ox^ bestanden haben, aus welcher uns Mnealphiloa, der Berather des 
Themistokles Plutarch Them. 2 Convlv. VII Sapp. U p. <54C. Clem. 
Alex, stromat. I c. H p. 354 P.' fienannl wird: so erklärt sich, dass der 
Peripatetiker Antisthenes (Zeller Her. d. Ber! Ak. <883 S. <073. Phil. d. 
(;r. II 8 S. 933. 2») eine die Sieben angehende Notiz ^Diog. L. I 40) in den 
At»oo/at geben konnte. — Solche Voraussetzungen bilden endlich auch den 
Grund der Fabeln Lobons über ihre literarische Thtttigkeit. — Die all- 
gemeinen Ursachen, die daxu führen konnten die Sieben Welsen sn einem 



Plutarcb: Gastmahl der Sieben Weisen. 



137 



und Bie den Zeitgenossen als lebenskluge Hfinner, namentlich 
als Politiker anpries*). 

Mit der VoUendimg dieses Kreislaufes ist die Ent- 
Wicklung der Legende sunächst abgeschlossen, wenigstens 
für die Wissenschaft nnd Literatur des Alterthums. Als wenn 
sie ein Gefühl davon gehabt hätten , dass ihre Philosophie 
den Brach mit dem althellenischen Lebensideal bedeute, 
haben weder die Stoiker noch die Epikurer Gebrauch von ihr 
gemacht : sie fanden die Ideale der Weisheit, suvvcit sie solche 
gelten Hessen, im eigenen Hause Erst eine spätere Zeit, 
die von den Idealen der iilteren lehrte, hat wieder auf die Sieben 
zurückgegriffen und einer ihrer Wortführer, Plutarch, predigt 
durch ihren Mund was ihm am Ucrzen liegt, Einfachheit des 
Lebens und skeptische Behutsamkeit des Urtheils '^K 

Aber nicht bloss hierdurch macht sein Gastmahl der Neaernngin 
Sieben Weisen Epoche, sondern auch als eine Neuerung in 
der Symposien -Literatur. Zu einer Zeit^ da dieser Literatur- 



Collegiurn zu vorf>iii(I«-n , sind gut bemerkt VOD RöpeU Philol. 3 (1S4S) 
S. 88. Boriihardt, Di«» siol»'iJ Weisen S, 9, 

<j Diog. L. 1 4«. Cicero df niat. HI U7 (Christ. Prolepg, ad Iliad. 
S. 4 7, 4). Es wird doch wohl kein Zufall sein, dass diese Auffassung mit 
Dlktfarehs Ldiensldwl mfammeiitrifft, um m wenigtr als wir dasselbe 
Zosammentreffon auch bd Theoplirast beobachten. In der Btanta contro- 
venia«, die Uber das Lebensideal zwischen beiden Philosophen eDtbraont 
war (Cicero od Alt. II 4S, S), werden die Sieben Weisen noch besonden 
den StoiT zu einer controversen Erörterung geliefert haben. 

2] Vgl. Unterss. za Ciceros philos. Sehr. II 4 S. 286 f. Nur die 
Pyrrhoncer machten vielleicht damals einen Versuch sich für die NacJi- 
fulger der Sieben auszugeben und deuteten zu diesem Zweck deren 
Sprüche in eine skeptische L^bensaosicht um (Diog. L. IX 74). Spätere 
Kyniker, um auch sich einen Plati im Kalh der Weisen m sichern, schoben 
vielleicht den Anacharsis ein (R. Heinse PhUol. 60, 46S f.). Auf der andern 
Seite scheiot darin, dass gleichzeitig Kallimachos ihre Legende in Choli- 
amben erz&hlte, eine Verhöhnung derselben zu liegen, wie richtig ten 
Brink Philol. VI s bemerkt; den Anfang das Wesen Her .^iolxTi ins 
Komische zu ziehen macht schon die Anekdote bei Platon Tbeailet p. )74A 
(Diog. L. I 34). 

8) QuintiUan V 41, 39 sagt: jam lila Septem praecepta sapientium 
nenne qnasdem vitae leges eslstimamiis*? 

4) Vgl. Soions Rede c. IS. 

5) Vgl. PIttakos' Auslegong des ^ifiht dF|f«v c. 10 p. ISS D, womit 
Flutarchs Anflusung des Spruchs de El Delpb, 7 p. IST F und weiterhhi 



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138 



VL Der Dialog In der Kaiserzeli. 



zweig bei den ROmero anfing Früchte zu tragen i), war er bei 
den Griechen verdorrt ^j. Plutarch ist der Erste, der Um wieder 
ins Leben gerufen hat Und auch hier sind wir so wenig als 
beim Gryllos genUthigt ihm alle Selbständigkeit der Gompo- 
sition absusprechen. Freilioh der Gedanke eines Symposions 
der Sieben spukte schon ifingst in den Köpfen der Griechen. 
Die Sage folgt nur dem Triebe der Selbsterhaltung, wenn sie 
ihre Gebflde um dnselne bedeutende Mittelpunkte gruppirt, 
«ei es dasB diese Mittelpunkte in grossen Ereignissen liegen 
oder localer und persönlicher Natur sind. So führte sie die 
Sieben Weisen zusammen an glänzenden Fürstenhöfen der Zeit, 
des Kroisos oder Peiiander, wie sie die Helden des Mittel- 
alters um Karl und Artus schaarte; sie versammelte sie um 
die HeiligthUmer Apolls, svie später die Ritter um den Gral. 
Durch die Vergleichung mit den Sophisten, vollends seit der 
Gonstituirung zur Tafelrunde, zum Thiasos, war auch die Vor- 
stellung nicht bloss eines, sondern wiederholter Symposien 
gegeben^). Dionysos sollte Richter Uber ihre Weisheit sein 
(Fiat. Sympos. p. 175E}. Trotzdem ha hon wir keinen sicheren 
Anltalt, dass irgend Jemand vor Plutarch diese vage Vor- 
Stellung in einem Literaturwerke fixirt hStte^). 

auch rlif Ania. 2 erwähnte der Pyrrhoueer übereinsiiinint. Leb^r nr^i'* 
S-^a^ als Parole der Skeptiker s. jetzt Simon Sepp, Pyrrhoneische äiu- 
dleo (Erlang. Dtss«rt iS9t) S. 49 f. 

4) o. S. 7. 49. 40. 44 iT. 

5) Das müssen wir doch daraus enlnehmea, dass Platarch io der 
Einlettung zu seinen Quaestt. Conv. es für nöthig httlt, das ganie Unter- 
nehmen zu entschuldigen, tind als jüngsten seiner Vorgänger den Akade- 
miker Dion nennt. In wie weit die Sufxirootaxd des Didymo.s (Schmidt 
s. 368 ff. vgl. I S. 361. 2 dialogisch t!e<staHet waren, ob auch nur so weit 
als Plutarchs Quaustt. Cunv., htcht dahin; und ebenso was von Meineke's 
Vermuthung (Anal. Alex. S. 378 f.) zu halten ist, dass die Aiti^ot des 
jüngeren Henidides Ponticos ein Symposion in Versen danilelllen. 
Ueber ANfaetlmos a. u. Anm. 4. 

t) Vgl. noch Lahrs de Aristarehl stad. üom.' S. t09, It9. 

4) Trotz deskConvivium Gioeronis« und der Abhängigkeit desselben 
von Demetrios von Phaleron kann man diesem doch eine solche Erfin» 
dung mit einiger Wahrscheinlichkf^it nicht zuHchreihen Traube im Rhein. 
Mus. 47 S. 564 f.), da sein Werk mehr historistlior At l gewesen 

zu sein scheint. Ebenso hatte Didymos in seinen Symposioka die Sprüche 
der Sieben wohl nur als eine der Materien für Symposion-Gespräche 
erwähnt (Schmidt S. B7S t). Am ersten kAnnte noch Archetimo« von 



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Ptntaroh'. Gastmahl dar Steben WelaeiL 



439 



Was bewog Platareh daxu es su thim? Eine auf die Beform Tondent »af 
des Lebens flberfaaapt oder speciell der Symposien der Wirklich- 
keit hünsielende Tendens, wie wir sie an andern literarisclien 
Symposien beobachten (o. S. 45), war es nicht: sie fehlt swar 
auch bei ihm nicht aber sie tritt nicht als Hauptgedanke 

Syrakus als \ orgünger Plutarchs gelten: denn da er fingirte, einer der Theil- 
nehmer des Symposions gewesen zu sein {Diog. L. I 40), muss er von 
diesem eine sehr dctaillirte Schilderung gegeben haben. loabesoadere 
d« auch Platareh für d«n BnUUiIer seines Symposions, für IHokles, sich 
der sMehan Ftktion badlant, bat schon ROpar (Philoi. 1,88) hleraos ga- 
schlosaan, dasa beide Werke gleichartig waren. Ueber die Priorittt ist 
damit freilich noch nicht entschieden, und die Möglichkeit wenigstens 
scheint mir nicht ausgeschlossen, dass Arclietimos nach Plutarch schrieb. 

<) Die L'nflaligkeit kynischer Svmposiea niusste iluii ebenso zu- 
wider sein wie die Pedanterie philosoptiischer und grammaiischur : mög- 
lich ist, dass er gegen beide auch hier protestiren wollte, wie er dies 
anderwlirta gathan hat (s. a.) und wie dies auob Epik tat Diatr. I 
16, 8 thnt vgl, auch o. S. 44 ff. Das Dispntireo ttbar dialektische Splts- 
fiodigkelteii scheint basondera der Stoiker Antipatar lo saiiiam Thiasos 
(Athen. V p. 186 A) gepflegt zu haben (Athen o. n. 0. C). — Ermahnmi^ 
Sur Einfachheit haben wir sclion oben S. 137, 4 pefundcn. In Bezug auf 
die Einrichtung des ^cTtcvov %vird sie auch 4 p. 150 Cf. durch das Beispiel 
Perianders empfoiden, der sich pegen seine sonstige Gewoiinheit dazu 
bequemt iial mit Rücksicht auf die »guten und wei:§en Manner« die^eine 
GSate waren. Von allem Aofluig an gibt Thaies eine Probe seiner Oa- 
Bttgaamkait, Indem er die allan Gästen von Pariander dargebotene Fahr- 
gelegenheit verschmiiht vxtd aa voniaht mit seinen beiden Baglelteni den 
Weg von Korinth nacli Lechäura m Foss xcrllcksulagen (3 p. USD). 
Zum '^f^hluss wird den Musen und zwei Wasserpottheiten, Poseidon und 
Arnpiiitiite. die Sprnde gebracht, doch wohl niclit Poseidon als dem 
Herrscher s IpUhhus und seiner Meere, sondern um daran zu erinnern, 
dass die Facloren des Aluster-^ymposions pe))ildele Unterhaltung und 
MSsalgkelt sind (über die Musen vgl. noch i a p. i sS O}. Dionyaos soll des- 
halb auch nicht mehr der 6ott des Weines und der Trunkenheit, sondern 
der r(Xofpos6vi] u. s. w. sein c. 4 8 p. 186 C ~ Eine andere Art Reform hat 
Plularch vielleicht dadurch berorecfct, dass er auch Krauen an seinem 
Symposion theilnehmen lässt, die Frau des Periander Melissa und Kleol)ulo8' 
Tochter Funietis 4 p. 150 B 5 p. <50 D. Nichts iicrcchtlpt zu der Annahme, 
dass damit ein Vorwurf pepen die beiden crhoi)cn worden solle. Dann 
müssen wir aber hierin einen Verstoss gegen die aitgriechische Sitte 
Überhaupt und nicht bloss gegen die attische erblicken. GomaUns Nepos* 
Worte {Prtil g 7) lauten !n dieser Hinsicht su bestimmt und sind auch 
durch Wytienbach lu p. U8B nicht lungestcaaen worden (vgl. auch 
Hermann-Blünmcr Privatalterth. S. 73. 3\ Diese Abweichung von der 
alteu Sitte stand aber nicht bloss auf dem Papiere, sondern hatte s« 



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uo 



VI. Oer Dialog ia der KaiaenEelt, 



hervor. Ebenso wenig erhebt sich sein Symposion zu den 
Höhen philosophischer Speculation wie das platonische oder 
verliert sich in das Detail der Einxelwissenschaflen wie die 
medicinisoben und grammatischen. Was vielmehr jeden Leser 
Sprach- als der eigentliche Kern des Ganxen fesseln muss» sind Samm- 
^^^8- iiingen von kurzen Sprüchen der Sieben sowie Naehriditen 
über ihr Leben und solche MSnner die zu ihnen in Beiieliung 
standen*). 



Plntarchs Zeit mindestens in Chaironela Geltung (Quaettk Conviv. VII 
8, 4 p. 71t P). Vielleicht war es eine Folge römischen Einflusses. Diese 

Neuerung (im Symposion übrigens bis zu einem gewissen Grade motlvilt} 
weil das Symposion sich an ein Fest der Aphrodite anschliosst und in 
diesem ein Trnum der Melissa den Anlas«« gegeben hatte 2 p. <46 D) nun 
mochte Plutart h sanctionircu wollen, indem er sie anachronistisch in sein 
Idealbild ailf^rieehischen Lebens übertrug. An einen Anachronismus, der 
ihm unabsichtlich entschlüpft wUrc, ist nicht zu denken: denn die«»e Ab- 
weichung namentlidi von Platoos und Xenophons Symposion musste 
ihm aufbllen, da sonst sehi Werk voller Erinnerung gerade an diese 
beiden ist. INe rsformirende Tendens tritt auch darin hervor, dass dar 
Wohlanstand aufs Peinlichste gewahrt wird: Melissa hat Ihren Plate neben 
dem Gntten und Eumetis i»ls Mädchen darf überhaupt nicht liegen, son- 
dern nuiss sitzen "i p. 4 50 B : vielleicht ist statt rapoi t6 ocittvcIv zu sehr. 
TT. T. hilnyo^, so dass sie gar nicht unter den Cfftf^ien gesessen hätte; nach 
Xenoph. Sympos. I 8, den Wyttenbach z. St. unführt, könnte man auch 
ir. t6v TtaTlpa oder etwas ähnliches vermuthen) ; und beide gehen hinaus 
als der Anfang zu stMrkerem Trinken gemacht wird (i 3 p. 1 55 E) vgi auch 
Uber Eumetis 10 p. 4S4 B. 

I) Diese acute dicta sind fiber das Ganse verstreut Bisweilen traten 
sie in ganzen Reihen auf angeschlossen an eine gestellte Frage, so über 
die Tüchtigkeit des Herrschers 7, über die beste Verfassung 4 4 , über die 
Oiknnomia 42. Nicht immer aber werden sie von ihren I rhehiM-n au«i j^e- 
gebeaein Anlass improvisirt, sondern bisweilen werden LckanDlc Spruche 
des Einen vom Andern citirt, des Pitlakos von Thaies 2 p. 4 47 B u. C, des 
SoIoD von Anacharsis 4 2, des Chilou von Pittakos 20 Sehl., des Thalos 
v(Ni Anacharsis ftl Anfg. — Zu den Nachrichten Aber das Leben der 
Sieben gehört die Hfaidentung auf den| Becher des Bathykles 4S p. 1S5B. 
auf die Geaetae des Pittakos 18 p. 15SF das Mahlen desselben 1 4 p. I57D f. 
auf Solons Aufenthalt bei Kroisos 4S p. 4 55 B auf den Aufenthalt desselben 
so wie des Thaies in Aegypten 2 p. U6 E. — Unter die Personen, die 
in eine Beziehnnj 711 (ien Sieben gesetzt wurden, kann Aesop gerechnet 
werden, der Theilneliiner des Sympo-^ions und seiner Gespräche ist und 
an dessen bevorstehenden Tod in Delphi 4 p. lüO A gemahnt. Epimenidos 
wird dafür, dass er hier weder unter die Sieben noch unter die Gaste 
aulSgenommen Ist, entsehttdigt durdi die Brwihnung, die seiner c 44 



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Plotarch: Gastmahl der Sieben Weisen. 



444 



Diesen Inhalt, den er, soweit er seinem Gedächtniss k fcstUriBolio 
nicht gegenwärtig war, Fundgruben wie Demetrios, Hermip- ^«ä*^^»"?' 
pos und Didymos^) entnnhin, suchte Plutarch ktlBstlerisch so 
gestalten, indem er die Thatsachen und Peinonen der Ueber- 
liefening durch solche eigener Erfindung vennehrte und das 
Ueberiieferte ausserdem durch genauere MotiYirung belebte: 
so gesellte sich su den aus der Tradition bekannten Personen Uhah, 
Nefloxenos^), so verwandelten sich die Sprüche der Sieben zu 
Antworten auf TrpoßXi^jjiata und su diesen wieder gab den 
Anlass ein fingirter Brief des KOnigs Ämasis an Blas [6 p. 151 
8 p. 1 52 E). Eine episodenreiche Einleitung wurde voraus- 
geschickt. Periander bringt in Lechaion der Aphrodite ein 
Opfer, es ist ein warmer Sommertag, die Strasse von Korinth 
zum Meere mit Menschen uiul Wagen bedeckt voller Staub 
und Getümmel; während die übrigen Geladenen fabreo, gehen 
Thaies und der Erzähler Diukles zu Fuss, unterw^egs eeselU 
sich ihnen Neiloxenos, unter wechselnden Gesprächen konunen 
sie zum Hause Penanders auf dessen prächtige Anlagen, na- 
mentlich den Garten am Meere hingewiesen wird, in der Halle 
treflen sie ein junges Mädchen das dem Skythen Anacharsis 
die Haare ordnet, es ist Eumetis, die Tochter des Kleobulos, 
die wie sie Thaies erblickt auf ihn suspringt und ihn kttsst; 
wie sie nach einigen gewechselten Worten weiter gehen, stOrmt 
ihnen Alexidemos vorOber der Sohn des milesischen Tyrannen 
Thrasybul, er ist beleidigt, dass man ihm beim Symposion nicht 
einen fihrenplats angewiesen; nun kommt ein Diener Perianders, 
der sie auf Befehl seines Herrn in ein besonderes Gemach 
fuhrt, hierhin bringt ein Hirte eine Missgeburt halb Thier halb 
Mensch, Diukles als Wahrsager und Thaies sollen darüber ihr 
Gutachten abgeben, beide thun es und zerstreuen jeder auf 
seine Art die religiösen Bedenken Perianders, der endlich 



geschieht und in der auch seines Verbültoisses zu Selon nicht ver- 
gessen isl. 

\] Scbniidt S. 378 f. Da die Sieben und ihre Sprüche I»if'r })t'i»'it«i 
üb Gegeii^tflnd einer Symposion-Unterhaltung erschienen , so hedurtle es 
nur noch einer Art von rhetorischer Proüupopöia um ein wiriiliches Sym- 
posion daraus zu gestalten. 

t) Dass dies eine von Plutarch finglrte Person sei, vennathete aus 
dem Namen schoD Wytteobach cum Anfg. 8. 914. 



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VI. Der Dialog ia der kaiserzeit. 



herauh^etrctca ist un(i sie zum Symposion geleitet. Im Ver- 
hältnis» zu dieser novellistischen Einleitung erscheint der fol- 
gende llauptiti( il (ii(l;ik.tisch. Erst das Ende belebt sich wieder 
für die Phaniiisu (iurch Arions wunderbare Rettung, wovon 
Perianders Bruder Gorgias die frische Kunde bringt und hier- 
durch ähnliche Geschichten in die Erinnerung ruft bis die 
sinkende Nacht dem Ganzen ein Ende macht. 
Das Werk ist Je leichter 68 sich Plutarch mit dem Inhalt' gemacht hat^ 
iarh6(oriaoiieB.^^,l^ mehr Mühe hat er auf die Form verwandt. Man hat den 
Eindruck, dass es ihm hauptsächlich darauf ankam eine Ghrien- 
Sammlung in die Form eines Symposions su bringen (vgl. o. 
S. 115, l)und dann mit allen Farben der Rhetorik ausiumalen. 
Das Werk ist ein rhetorisches. Oass der Gegenstand den Bhetoren 
nicht fremd war, mögen Favorin') und Ausonius' Versuch 
einer dramatischen Gestaltung desselben Stoffes^) so wie die, 
»versus duodecim sapientium .i^} und das »Convivium Cice- 
rouis« ') lehren. Die Ausführung verräth nicht blos den ßhetor 
sondern auch die Schule: die technischen für diese Literatur- 
gattung geiteuden Vorschriften werden genau befolgt^} und 



1] (Dio Cbrys. or. 37J p. lOif.R (S.S9Sr. Diod.). 

S) Ludiis VII Sepp, {bei Peiper S. 189 ft,). 

S) Vgl. dazu Teuffel-Schwabe ROm. Lg. § 481, 8. 

4) 0.8.138,4. ^ 

5) o. S. 44 ff. So sucht er gleich durch die ausruhrlicbe Einleitung 
dem Tadel zu entgehen, der» Athen. V p. 186 E IS. 406 Kaib.; gegen Epi- 
kur erhebt weil er Zeit und Ort seines Symposions nicht bestimmt habe. 
Zu den allgemeinen Regeln i^ehörte. dass die Unterhaltung nicht pedan- 
tisch sein, d. h. nicht aul die Speeialilälen einer Wissenschaft sich ein- 
schrtoken, dass sie aber auch der Philosophie nicht ganz fera bleiben, 
(Quaesti Coav. 1 4, 4, 4 t 5, 4 ff. de taeada sanit 4S p. f SS B ff. o. 8. ISS, 4) 
und daas sie nützliche Lehren fUrt Leben geben sollte. Die BrfUUiiDg 
dieser Regeln war schon mit der Wahl der Sieben zu Hauptpersonen 
fast nothwendig gegelien. Nicht minder ist die Mannigfaltigkeit in den 
Personen gewahrt: sie sind tö {liv xotOiXoj aifAr^v«; t^; dperf,; dsreyß- 
|jievo(, tltti Ii ota'^öpot; 6öoTc o)pur,7.(>T£; ir^' o('JTfj•^ \s ie es Athen. IV 187 B 
verlangt. Auch dafür, dass der ("liarnkler des Sv ni]io>ions als srouoo- 
Y^Xoiov (I S. 865; hervortrete, war durch die Einführung Aesops gesorgt. 
Die de tuende sanit, 48 p. 4M E empfohlenen mMTjrnial iT^d^atii aiad 
vertreten dureh die Deutung der homerischen Vene S4 p. 4MBf.; die 
fttinil^ett« Aoicoi ««l iMitteXofiai (det. s. 18 p. 4S8 B) dorcb die Erzth- 
long von Arion und die sich an sie anschliessenden. Dm die feinere 



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Platarch: Gagtmahl der Sieboi Weisen. 



443 



ebenso tüenen Platüns und Xenophrrns classisrhe Symposien 
als Normen, aber nur für das Aeusseriicbste der Form*). 



Motiviriinf: der einzelnen rpo^X-ZjuaT';: hat sich Plutarch ersichtliche Mühe 
gegeben. vseDii or auch das homerische Ideal bei Athen. V 4'jOA niciit 
erreicht. Besonders gerühmt wird uu Thaies, dass or beiui Eintritt in 
Perianders Haus sich alles hübsch anschaut 3 p. 1 48 B : man wird nicht 
fehl gehen, wenn man hierin eine Erfüllong der Vorschrift bei Athen. V 
p. I78F (S. 4H Kaib.) findet: UX Ik w\ icpArov elc dXXorptov olx(av 
lpX^6|MV0v ird (etirvov y.-^ faoxpw^yutnn tOft^C ilcl ouiattögiov yto^X^ dXXa 
Ti ^ouvai itpötepov Ttp (piXotteapiovt xai xaxavofjOat t^n olxlav. Mit solcheo 
Regeln httngt endlich wohl auch das i p. i47Ef. über die Vorbereitung 
zu Symposien beuierlite zusamuieti. — Hiernach muss fast Wunder nt hiueu, 
dass der stereotype dxXtjto; (o. S. 46,2) vergessen scheint: er scheint aber 
nur vergessen; in Wahriielt hat Plutarch damit gegen die Gewohnheit 
der Uterarlschm und wirklichen Symposien protestlren wollen, deren 
Mlsshilllgttng Indirekt in Chllons Ansidit attsgesprodien ist, dass ein 
rechtes Symposion nicht aus beliebigen Gästen bestehen dUrfe, sondern 
nur aus solchen, die zu einander passten (2 p. 1 48 A). — Die erwähnten 
Regeln bezichen sich zwar zum Thcil mehr auf die Symposien der Wirk- 
iichlieit; lassen sich aber von den für die literarischen ni( lit wohl trennen 
und sind deshalb auch von den Alten nicht genau geschieden worden 
wie Atbenalos lebrL 

4) Die FlOtensplelerin die bei Piaton p.l76S hinansgowleten wird, 
yerschwindet aneh bei Plutarch nach der «icovUj B p. 450D. Solon Ist 
der erste Redner (7 p. 484 B) wie Pbaidros bei Piaton (p. 1 77 D) thells well 
er den ersten Platz hat, theils weil noch andere Gründe diese Bevor- 
zugung unterstützen. Dionysos Richter der Weisheit hei Plalon p. iT.'iE; 
qualilizirt dafür scheint er auch bei Plutarch 4 p. 4 50B. Was die Ein- 
zelnen sagen, erscheint als su^ißoX-?; bei Piaton an Phaidros (p. 177 0 4 850), 
bei Plutarch an Diokles 12 p. 155C. Schon Tags zuvor hatte ein Sym- 
posion stottgefonden (Piaton p. 474 A. Plutarch a p. 448 A). Beide Sym« 
posien werfim su guter Letit nodi eine Frage auf die wenigstens vor 
dem Lenr nicht welter sor Srarterung kommt, das plutarchische Uber 
die Bedeutung der Frösche auf der Pslflse des Kypselos (24 p. 4 64 A f.) 
das platonische ül>er das Verhältniss von Tragödie und Komödie. In der 
Wahl der Personen herrscht das platonische l'rincip möglichster Maunig- 
faltiglieit oucl» bei Plutarch (o. S. 4 42. 6): der Arzt Kleodemos trat vielleicht 
an die Stelle des Eryxiuiachus, obgleich dies bei der hervorragenden 
RoUe, die ttberiiaupt die Aerzte In Flatardis Schriften spielen (vgl. jetst 
Simon Sepp, Pyrrhoneische Studien S. 446) unsicher bleibt; unverkeon- 
b«r Ist dagegen und wohl nicht zuOltig «berelnstlmmend die Ironie, mit 
der bei Piaton wie Plutarch der Gastgeber, dort Agathon hier Periander 
gezeichnet wird Zu diesen Beziehungen, die sich noch vcrnadiren Hessen 
(vgl. Georg licrrniann Quaestt. critt. de Plutarchi Moralibus S. 5i f.) 
kommen andere, in denen eine leise Polemik angedeutet ist: Sokrates 



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144 



VI. Der Dialog in dei Kaiserzcit. 



A«]uiii«Uwii Unter den ZOgen, auf denen die Aelmlfehkeil swischeD 
SjiapMior Watons imd Plutarohs Symposien beruht, ist bisher einer un- 
beachtet geblieben, der eine besondere Beachtung verdient bfitte. 
Wie Piatons Symposion in die Form einer Wiedererzählung an 
Glaukon gekleidet ist, so Plutarchs Symposion in die Form 
einer Wiedererzählung an Xikarchos. Der Glaukon Platons 
darf als bekannt gelten; mehreres triflTl zusanimi n um in ihm 
den Bruder Platons erkennen zu lassen; indem ApoUodoros 
diesem das Symposion erzählt, begreifen wir wie IMaton selber 
Kenntniss von dem Vorgang haben konnte. Derselben künst- 
lerischen Fiction um den Gang der Tradition sichtbar lu 
Vlkuobot. machen hat sich nun auch PlutarcU bedient. Nikarchos war in 
seiner Familie kein fremder Name (M. Heinze, Die Familie des 
Plutarch S. III). Daher fingirte er einen Urahnen des Namens, 
der Zeitgenosse der Sieben war und von dem aus eine Tra- 
dition durch lange Zeit hindurch sich erhalten konnte in einer 
Familie die auch sonst säh im Festhalten alter Traditionen 
war. Vielleicht ist es kein Zufall, dass denselben Namen der 



kommt ausnahmsweise gebadet zum Mahle (p.174AV Thaies lehot es ab 
sich vorher su baden (S p. 446 B u. data Wytteob.); von dem dbük.t)toc war 
schon die Rede o. S. Uä, 5 ebenso von derBetheiUgong der Frauen o. S. 1 30, 1; 
das platonische Symposion scbliesst mit einem Gelage das Ims zutii frühen 
Morgen dauert, das plütarchis< hr yeht nüchtern vor Einbruch der Nacht 
au.Heioüuder nach einer den Musen und Was>äergottheiton ditr^fbru blon 
Spende. Ausser diesen Beziehungen auf das Symposion Platons kann iii 
dem XaxorvlCstv Ghilons 4 p. ISOB eine auf das ßoinridiCetv des Simmiss 
im Phaidon p. StA geAmden werden. — Mit Xenophon ist Ptotarch ge- 
mein der Wechsel des Gesprilchsstolii, wodurch der Dialog xur Konver- 
sation wird (bisweilen hört die allgemeine Unleriudtang ganx auf und 
zersplittert sich in G^pröche Einzelner unter einander, sodass es crul 
wieder eines besonderen l'mstandes bedarf um die AufmerksjnnkcU auf 
einen Mittelpunkt zu lenken: iTrta-r^oavTo; toü X'5yf)j tö ouftzösiov H 
p. 1 57 D) und die mehr nioralische Behandlung. Bei beiden machen ithn- 
liebe Wendungen im t'eberguug von einem Theil zum andern einen hol- 
lernen Eindruck : tiXo« U «al to&tou to9 lAfw 4 S p. 4 54 F. iml (I w\ oSro« 
£9]^«v i X^oc tIXo$ 48 p. 456 B. ^nqHm n^l T|»OflS« 4S p. 4S#C 

vgl. mit Xenoph. Gonviv. 4, 64: %a\ oßrr) |»iv ^ -^iKplatoc «tX. 6, 4 t dkl) 
\ih ofj fj rotpotvta 9, 4 outo; (lev ^ 6 Xo^o;. Plutartfas Symposion ScUiessl 
mit den Worten: tout* laytv, iL Ni/ar/e, Kipa« x6rs ouvouab, X^nophons: 
aStt) Toj x6x€ oufAffooiou xauiXuoii i^iviro. VgL aasserdem Uernuaon a. a. 

0. S. 54. 



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Piutarcb: Gastmahl der Sieben Weisen. 



445 



Urgrossvater Plutarchs trug, der uns von diesem einmal als 
zeitgenössischer Gewährsmann einer Nachricht aus der Zeit 
der Schiacht bei Actium genanot wird: er mochte daher in 
seiner Familie als Typus eines Trägers alter Traditionen gelten 
ond eignete sich aus diesem Grunde wehl eine Tradition auch 
aus viel früherer Zeit mit seinem Namim su decken so wie 
Johannes MttUer der Historiker den Namen hergab für ideu 
glaubeaswerthen Maun« des Wilhelm Teil. 

Sonst unbekannt ist uns deijoiige, der bei Plutaroh an die 
Stelle Aristodems getreten Ist und einer der Theilnehmer des 
Gastmahls der Sieben wie jener des Gastmahls des Agathon war. 
Doch genfigt es für uns su wissen dass er Wahrsager (}iavTic) 
war, wfihrend Arfotodem swar nicht aus Piaton, aber aus Xeno» 
phon als UnglSubiger und speoiell als Yerftchter der Mantik 
(Hemer.' I 4, 2) bekannt Ist. Wenn nun Plutareh einmal bei 
der Wahl der Personen ftir das einrahmende Gespräch sich 
durch Piatons Vorbild bestiomion Hess, so > wird man auch 
hier eine solche Beziehung annehmen dürfen. Die Frömmig- 
koil des Verfassers suchte auch hierin einen Ausdruck. 
Piutarch stand offenbar auf Seite derjenigen, die ?m Epikurs 
Symposion das Fehlen jedes religiösen Elementes tadelten 
(Atlu n V 179 D). Auch Piaton hatte sich damit etwas rasch 
abgefunden. Bei Piutarch hat es nicht bloss mit einer Spende 
an die Gtftter sein Bewenden (5 p. 1 50 D) sondern auch zum 
Schluss wird dieselbe wiederholt und ausserdem ist sein 
ganies Symposif>n an das Fest der Aphrodite geknüpft. Die 
Hauptsache bleibt aber dass unter den Gästen auch ein Wahr- 
sager erscheint und nicht als stumme Person, ja dass Ihm die 
wichtige Bolle des WiederenShlers sugewiesen ist und end- 
llchy dass er auch eine Probe seiner Kunst ablegt (3 p. U9G IT.) 
Die Art wie diese Letstere vor sich geht ISsst uns nicht bloss 
die Frömmi^eit des Verfassers, sondern insbesondere den 
religiösen Standpunkt Plutarchs erkennen*). 



4) Der Werth des propbetiflcbeD Zeichens wird hier In ähnlicher 

Weise von zwei Seiten betrachtet wie dies vit. Pcricl. c. 6 der Fall ist; 
nur dass dort Anaxagoras und Lainpon als Vertreter des Wissenschaft- 
Hchcn und dos priesteriichen Standpuniits an die Steile von Thaies und 

DioklpH getreten sind. 

Uiriel, OUlog. IL 40 



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U6 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



ü«b«wiii- Ausser hierdurch kündigt der spätere Plutarch, um von 

ittBBugBit KlelniGrkeiten abzusehen'), sich auch in der delphischen Philo- 
a«n apätaren 

Miriftaa. sopiiie*) und Fericijcse ^) («n üeberhaupl werdeiK was die 
Ansichten and Lehren angeht, sich wesentliche Abweichungen 
die ser S(!iritl von deo spätem kaum nachweisen lassen*). 

1) Wie z. B. 2 j>. 4 47 A tf. svhon das Tiiema der Schrift Maxime 
cam principibiis viris pbiL esse diss. ertfrlert wird, nur In der kunen 
abgerisseiien Weise, die tarn Stil dieses Sympostoos gehdri. 

%) S. o. 8. 4 87, 4 II. ft. Verlreter derselben sind eben die Sieben Weisen. 

8) si p. 1 64 A f. 

4) Nur die Beurtheilung Perianders und Kleobuls scheint de Ei apud 
Delph. S p. 385 C eine andere als in» Symposion: denn hier stehen Beide 
ntii den liebrigen in freund«:chafllichem Verkehr, klcubul gehört sogar 
zu ihnen ah einer der heiligen Sieben; dort dagegen sagen sich die Fünf 
vüu ihnen los weil es ihnen an Tugend und Weisheit fehlt und sie auf 
unredliche Welse, mit Lisi nnd Gewalt« sieh einen Plats unter den Sieben 
erobert beben. Dieser unlengbare Widerspruch ist indessen keiner Pla- 
tarchs mit sich selber, da die fragliche Aeussemng de Ei apud D. nicht 
von ihm , sondern von seinem Bruder Lamprias gethan wird (vgl. auch 
Schultz im Philol. 24,195). Für dessen üebermuth Oimostt. Conv. VIII 
6, 5 Anfg ninp sie rbarakteristisch sein, wenipsttMjs so weil sie Kleobul 
betrifft. LJerselbe scheint auch über Epimeiiides amlors und weniger 
günstig zu urtheilen, als Pluiarch (dcf. orac. t p. 409 F wo er und nicht 
Plutarch der Ersiihler ist]. Nur über Periander spricht sich auch Plutarch 
schärfer aus de superstit. c. 4 Anfg., wo er neben Polykraies als <poßsp^ 
TÖpawo« genannt wird; de sera num. vind. 7 p. 589 B ist nur von setner 
BestraAing die Rede, Zweifbi an der Identitttt, wie schon Wyttesbacb 
bemerkt bat, sind nicht l)erechtigt. Diese Urtheile stehen aber im Gründe 
mit der Charakteristik, die von Periander im Symposion gegeben wird, 
nicht im Widerspruch. Zu den Sieben wird er rmrh hier nicht gerech- 
net und auch hier wird zugegeben, dass er in Folge der ereri)ten Tyran- 
nis wie ao einer Krankheit leide (2 p. 147 C im; Iv voorjjiiaTt ^taTo 'm rr 
Tupawiit xaTeiXTj|A{jLlvoc} : aber, wird hinzugefügt, der Verkelir mit den 
Weisen bewirkt, dass er auf dem Wege der Besserung ist; deshalb lehnt 
er den bdsen Rath des Thrasyhul ab und ebenso ist die ehtfeehe Zu- 
richtung seines Gastmahls ein Zngeständniss das er seinen Giston macht 
(4 p. 480 C). Diese Vertheidigung ist ebenso den Umstanden und dem 
Zusammenhang angepasst wie das verwerfende Urtheil de superstit. Man 
wird in beiden Urtheih^n nicht den Ausdruck einer ernsthaften Veberzeu« 
gung suchen: vielmehr sind sie rhetorisch gefärbt so gut wie die hypcr~ 
bolische Apukugie F'avorins [Dio Chrys. or. 37) p. 4 04 ff. R. Perianders 
Persünlichkeit eignete sich wie wenige als Streittbema (Ur übende Rhe- 
toren. ^ Die Abweichungen In der Form, mit denen das Diktum des 
Thaies, das Wunderbarste von Allem, was er gesehen, sel^n nllgnwoi^ 
dener Tyrann, hier i p. i 47 B f. und de genlo Soerat. 8 p. 878 D iiericfatet 



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Pltttarch: Gasimahl der Sieben Welsen. 



4*7 



Noch auffallender tritt die Uebereinstimmuog in der Form 

und zwar in einer bestimmten Manier des Dialogs hervor. Manier in 

Plutarch liebt einen ruhigen Verlauf des Gesprfichs; leiden- 

schafUiche Wortgefechte sind so wenig nach seinem wie 

naoh föoeros Sinne (I S. 491 f.). Daher wird, bevor der 

Dialog beginnt, die Bühne regelmässig von den St0ren- 

firieden gereinigt Kyniiter und Epikureer werden auf gute 

Art entfernt und aus demselben Grunde rouss Alexidemus, 

der leidenschaftliche und hochfahrende Sohn des tnilesischen 

Tyrannen Thrasybul, noch vor Anfang drs Symposions das 

Haus Perianders verlassen (c. 3 p. 148 E ff.). 

Man könnte diese Uebereinstimmung benutzen wollen um AbfassangtMit, 
das Symposion den spSteren Schriften Plutan bs aucli zeitlich 
nSher zu rücken unil in dieser Meinung sich durch Plutarchs 
eigene Worte bestärken lassen, der in der Einleitung xu den 
Quaestt. Gonv. die dort gegebenen Darstellungen für seine ersten 
der Art erklärt. Trotzdem würde dies ein Irrthum sein. Der 
Charakter der Jugendlichkeit, der sich in einer stSrkeren Aus- 
prägung der sophistisch-rhetorischen Form leigt, ist nicht su ver- 
kennen. Ausser dem schon Semerkten verdient in dieser Hinsiebt 
noch beachtet zu werden die bis sum Glauben an Wunder ge- 
steigerte Vorliebe ftir die Thiere <] und die Uebertreibung der 
Askese^. Zu beiden Stttcken bietet abermals der Gryllos 
Aehnliches. Echt sophistisch ist es endlich, dass Plutarch 
niclit sich mll dem Anachronismus hei^nügt, sondern ihn para- 
doxer Weise zu etwas Historischem stempeln will: der Cult 
der Musen so wie das Aufgeben von irfiO^Xr^iiaTa während 
des S\ inprtsions war natürlich etwas, flas Plutarch aus den 
Gewohnheiten seiner Zeit, die er uns namentlich im Sclllus^- 
Symposion der Quaestiones schildert, in die frühere übertrug; 
das hindert ihn nicht, wenigstens das zweite umgekehrt als 



wird, sind unbedeutend. Bemerkenswertber ist die fast burleske und 
eben deswegen zum rbetoriechen Charakter des Ganzen passende Art, 

mit der Thaies s'u-h wegen jenes Ausspruchs herausredet, da er im Be- 
griff steht von dor Gastfreundschaft eines Tyrannen Gebrauch zu machon. 

4; Man vgl. Conviv \<> p. 162 R ff tnil dt- sollert. an ^i', p. ys'« Ulf. 

2) C. 16. Selbst Oriihous' Askeso t^ciuiL'l nicht, SdiidtTU wird als 
o6<fl9\t■'J^ behandell p. I fiüC. Die l'araduxie schciul auf eine Lüsuni; mit 
den Mitlein platonischer Philosophie hinzuweisen. 

40» 



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148 



VL Der Dialog ia dor JUiseneit. 



einen uralt hellenischen Brauch zu bezeichnen'). Der Vor- 
Stellung, die wir so von dem Symposion gewinnen'^), muss 
sich die Auffassung der die Quaestt. Gonv. einleitenden Worte 
tÜgeo: dieselben bedeuten nicht dass das Symposion erst 
spSter von Plularch verfassl wurde, sie brauchen auch nicht 
dahin gedeutet su werden dass Hutarch gar nicht der Ver- 
fasser desselben ist; was sie besagen ist einiig und allein 
dass das Gastmahl der Sieben Weisen anderer Art ist als die 
Symposien von denen in den Qaeastt GonV. berichtet wird^ die 
letsteren aber sind historisoher Art und beruhen auf Auf- 
Zeichnungen Aber wirkliche Symposien. Sonach hStlen wir 
es aus Plutarchs eigenem Munde bestätigt, dass sein Gastmahl 
der Sieben Weisen als ein rbeloriscfa-sophistisches Kunstwerk 
oder vielmehr KunststüciL angesehen werden soll. 



da» Den Uebergang zu Plutarchs späteren Schriften macht 

die dialogisirte Novelle von der Helieiune Thebens, die sich 
in ihrem theoretischen Theil mit dem Dämonien des So- 
krates beschäftigt und daher den Namen trägt. Die mit 
diesem Titel aufgeworfene Frage war für Plutarch nicht bloss 
eine historische, sondern hatte für ilm bei der Verehrung^ die 
ihn an Sokrates als Lehrer Piatons, als das Haupt wie man 
wohl sagen darf der akademischen Schule, knOpftOi eine fast 
personliche Bedeutung; vor Allem war es bei dem graasiren- 
den DSmonenglauben, dessen Anhängern daran liegen mussle 
gerade einen so nüchtern und klar denkenden Philosophen 
wie Sokrates in ihre dunkeln Kreise su sieben, eine Tages- 
frage, die deshalb auch bald darauf noch tweimal, durch 
Maximus Tyrius und durch Appulejus. bearbeitet wurde. 
Aber während bei diesen von Kunst ausser der plattesten 
Rhetorik nichts zu spüren ist. bat Plutarch sich für seine 
Composition durch Piatons Pliaidon inspiriren lassen. Die 
Grundzüge des älteren Werkes luääen sich auch unter den 



i] CiO p. 4SSC. Genau so flnden die Sophisten Piatons (Prutag. 
p. Sie D) ihr eigenes Wesen und Treiben in der heUeDiacheD Uneit wieder. 

S} Vgl. ttlMf deaeen rhelorlsch*sophistischen Charakter nodi Volk- 
mann, Leben q. SchrlfteD des Plnt. I 498 f. 



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Ptalarch: Deber dai DSmonioii des Sokrtle». 449 

späteren Schnörkeln und bunten Farben und troU der Ver^ 
änderungen des Inhalts nicht verkennen. 

Simmias tritt bereite bei Piaton in den Vordergrund, er VtrgieiohoBK 
schildert ihn mit offenbarer Vorliebe als echten Sokratiker; ^}y. 

' aem PIiAidoQ. 

bei Plutaroh spielt er nun eine Hauptrolle*), den Rath, den 
der sterbende Sekretes gegeben (Phaidon p. 78 A) der For- 
schung lu Liebe auch weite Reisen bis su den Barbaren nicht 
lu scheuen, hatte er inswiscfaen befolgt und Ist jetit heim- 

gekehrt voller Kenntnisse und Erfahrungen, ein zweiter So- 
krates, dessen Reden nicht bloss seine Freunde, sondern auch 
femer stehende gern vernehmen. Wie den attischen Sokrales 
die Freunde im Gefangniss. so suchen die Thebaner den Sim- 
mias auf, da er durch ein*' Verletzung dos Schenkels ans 
Hans aefesselt isl^]. So finden sie sich auch am Ta£;e des 
Dialogs bei ihm ein. Es ist ein Warten, Kommen und Gehen 
wie im Phaidon, nur unruhiger und mannigfaltiger^). Nach 
mancherlei Reden fixirt sich das Gespriich , hei Plutarch frei- 
lich, um wieder abgebrochen (12 p. 582 C) und erst später 
noch einmal aufgenommen (80 p. 588 B) su werden, während 
es bei Piaton stStig bis su Ende verlSuft 

Auch der Gegenstand des Gesprächs ist verwandt und wird 
bei beiden durch die Situation hervorgerufen: »ist die Seele 
unsterblich, ist es insbesondere idie des SokrateSf welches ist 
die Natur der Seele ?<r wird bei Piaton gefragt, zu dieser Er- 
örterung bietet die über das Dämonion des Sokrales nur ein 
Supplement, zu dem Platon selbst den Fingerzeig gegeben hatte 
(p. 1 07 D 0 kxaorou Saiptiv} ; aber — höchst bezeichnend — was 



1) Auch seines Freundes Kebes ist wenigstens nicht vergessen 10 

p. 580 E. H p M O A. 

a) 2 p. 57fi Bf. 5 p. S78 A. 7 p. 578 E. 

3] 8 p, 576 B, und zwar im eigentlichsten Sinne des Wortes wie 47 
p. 586 A (ö (jiev taitpoc TipoocXlAv MptiXtiM xoO 2t(A|A(ot> xlini iict^Q|AOv) lehrt, 
WO er aos seiMo Fesseln geldst wird wie Sokrates Im Phaidon p. 50 E t 
•OB £ 

4) Pheldolaos helsst* Im Auftrage des Slmmlas die diesen besuchen- 
den Freunde erst noch ein wenig warten 4 p. 577 D, ebenso der Pförtner 
im Phaid. p. 59 E die Freunde des Sukrato?;. Wie sie hineinkommen, trefTen 
<fio Freunde des Simmias ihn ir.i tf,; xXivt;; y.^öeC'^'ACvov 6 p. 578C; 
5okra(o^ empfangt die Freunde auch auf der xXivt^ zunächst liegend (SO Ay, 
dann aber so wie er mit Urnen allein ist ä^axa^iCexai ^60 B;. 



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I 



450 ^1« Dialog ia der EaiserzeU. 

hei Piaton nus dem Mittelpunkt der Situaliou herauswächst, Ge- 
spräche ülier die Unstcrhiichkcit , hervoreernfon durch das 
Sterben des Sokrates, das springt bei Piutarch bUtzarlig her- 
vor und SU der ganzen Dämonologie gibt eine gelegentliche 
AeuBserung pythagoreischen Dämonenglaubens (8 p. 579 F) den 
Änlass. Der attische wie der böotisclie Sokrates krönen ihre 
Reden mit einem Ifythos und liehen der wIssenschailUchen 
Geltung desselben woU nicht sufSUig die gleichen Gramen <). 
Damit treten wir bei Piaton wie bei Piutarch ans der sekiar 
tischen in die pythagoreische Region, auf die auch sonst im 
Phaidon der Rli<Ä öfter Wii, die uns aber freflich Plutaroh 
in viel grösserem Umfange eröflnet und die er fn ein viel 
blendenderes Licht gesetzt hat*). Einzelheiten sind es, dass 
merkwürdige Träume bei Beiden StuÜ zur Betrachtung gehen*), 
dass der Gott bei Beiden die Miisenkunsl treiben heissl*). 

Auch in der Fonii des Ganzen stimmen Beide iiherein, Niehl 
bloss ist der Kern-Dialog bei Beiden in einen tindern einge- 
1h ti( i , dessen Gestaltung nbermals im genauem Ausmalen 
und Motiviren die £igenthümiichkeit des späteren SchrilUtellers 
ieigt^)y sondern auch weiter der Kem^'Diaiog selber leigt eine 



f] De geo. Soor, ü p. SS9F. Phaid. p> f. 

1) Nach dem Pbahlon haben Siomiias and KelMa den Philolaos ge- 
hört, aii:<S^[>va der Pythagoreer werden erwtthnt, ihre Ansichten kommen 
xuf Sprnclie; der Kerndialog wird einem Pylliagoreer, dem EchduatWt 

wirdrrfrzftlilt. \W\ fMutiich ist nicht bloss von den Pythagoreern dio 
Ut ile, von Lyhis und seiner Freundschaft mit Pi»lvinni> und Epamoinon- 
das, ihrer Geschichte, ihren Sitten und Ansichten . >on(ioni ein Vertreter 
der Sekte, Tbeanor, erscheint in uthcieller Mission, durch den feierlichen 
Pomp der Sprache mid seines Auftretens von den Cebrigen eharaklo- 
risttscb unterschieden, und wird als oompetenteste Autorität in das Ge- 
BprSch über das Dttmonion bineingezogen. 

3) Ph.iidon p. SO B ff, de gen. Socr. IS p. 588 B 47 p. 587 A. 

4 i Bei Phüon a. a. 0. wendet er sich »peciell an Sokrates, bei Pia* 
tarch an di»- H<llenen insgesamml 7 p. 578 FIT.; der letztere spielt hier 
den Comnieniatdr seines Vorgängers, indem er uns sa^t whs unter der 
Miisenkun-st zu verstehen sei; Piaton halle dies im Phaidnn unbeülimiiit 
gelassen, aber unter Berufung aul desselben IMaluns bei einem andern 
AnlasB gettussertes Urlbeil sagt uns Piutarch dass es vorzüglich die Geo- 
metrie ist. 

8} Der Kern-Dialog wird beidemal an einem andtren Orte, als 
an dem er sieb xogetiagen, wieder erzSblt» bei Piaton In Phlius, bei 



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< 



Plntarcb: Oeber das DimoDioA des Sokrates. 



151 



auffallende üebereiDsiimmiuig der Form. Er sollte nach der 
Absicht Beider kein einfacher Dialog, sondern in einem he« 
sonderen Siime dramatisch sein, Beide sprechen sich darüber 
mit vollem Bewusstsein aus*); darum fügen Beide zur ge* 
haltreichen Rede die ergreifende Handiung^), der Sokratiker 
Piaton den Tod seines Lehrers, der BOoter Plutarck die Be- 
fireiong Thebens. IKe geringere oder Qberlreibende Kunsl 
Pltttarohs leigt sich auch hier wieder darin, dass Handlung 
und GesprSch nicht in dem organischen Zusanunenhang stehen 
wie bei Piaton'). Möglicher Weise ist dies aber nicht sowohl 
individuell als das Symptom eines Einflusses, der von anderer 
Seite her auf ihn geübt wurde. 



Plntardi ia AtlwD. Die Ztilitfrer, Ecbeicrates bei Phtton, Archidtmos bei 
Plotareb, siad biride schon im AllgemeineD Über den Vorgang natar^ 
richtat und wünschen nur Näheres zu wissen (Phaid. p. 57 A f. de genlo 

I p. 575 B f.). Piaton sagt nicht woher Ecbekrates das Interesse hat 
Näheres über den Tod dvs Sokrates zu hürcn wir kcmnen es nur vcr- 
muthen wenn wir in ihm den bekannten Pythagorecr sehen ; dagegen 
unlerläsüt Plutarch uicht zu bemerken dass Archidamos ein Böoterfreund 
war (ßoioDTiCsi i p. 575 Cj. Oass sein Erzähler, Phaidon, gerade Müsse 
(sxoX^) hat, gibt auch Platon an (p. BSD), Platarch aasaardam wobar 
diaaa Musae seinem ErtiUilari dem Kapheiaiaa, gakomman ist (1 p. 67B D). 
Ausser Echekrates sind auch bei Piaton noch Andere die die Erzählung 
Phaidons mit anhören (p. 58 A. D. 102 A), Piaton hält aber nicht für 
nüth)^' <^io. zu nennen; Plutarch dagegen sucht auch hier einen kleinen 
EfTekt mehr, indem er diese stummen Statisten seines Dialogs nns mit 
hochkitngenden Namen vorführt als Lysitheides den Neffen Thrasybuls, 
als Timotheos den Sohn Könens und als die Söhne des Arcbinos 
(1 p. 67SEf.}. 

4) Der Biodruck, den Phaidon p. 59 A von den loteten Augenblioken 

des Sokrates empfing, die seltsame Mischung von Lust und Schmen, 
entspricht der Definition der tragischen Wirkung im Phileb. p. 48 A. 
Auch hier spricht Piaton nicht das letzte Wort , wohl aber Plutarch 
wenn er geradfzti den erzählten Vorgang mW ciuem Drama und seine 
einzelnen Thvile mit Epeisodicn desselben vurgleicht (30 p. 596 D vgL 
Aristides or. 43 p. 172 Jebb wo dieselbe Yerglcichung auf denselben Vor» 
gang angewandt wird; vgl. auch Plutarch Amator. 4 p. 749 A). 

5) <|M icpd^tft xal Ufwn verheiast Kaphaisiaa i p. 575 B. Ti ^ xd 
Xcxtivw Mu np«x#ivw wünachl Bchakrataa sa wiasan p. 58 G. 

B) 0. S. 449 f. Doch kann man hinzufügen dass auch die (rq^tla 
txiX (XT/re'jfAaTa, welche Spartas Unglück verkünden, und was damit in 
Verbindung gesetzt wird (4 p. 577 D ff.), das Gespräch Uber das Dämonton 
passend vorbereiten. 



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452 



VL Der Dialog in der KaiMrzeii. 



EIbUbu dei DeDQ Aelmlichcs mag sich auch bciiu Pontikor Uerakleides 
^JJjJJJjJJ^ g<'fiinden haben, wie dergleichen Oherhanpt ein Zeichen sinken- 
der Kunsl ist Mit ihm tritlt Plutarch noch in anderen ein- 
zelnen Zügen zusammen, vor aliem aber darin, dass er die 
Welt der Wunder und Ahnungen in die Wlrkiichkeat der 
Geschichte hineinragen lässt^). 
AMi«a|u«lti Dem reiferen Geschmacke Plutarchs sagte dies nicht 
mehr an*), wohl aber dem Verfasser des Oryllos and 
des Gastmahls; und da sieh mit diesen beiden Schriften die 

4) So lockcrlp strh allmählich das Hpfiipr des Dramas: die Prologe 
und der Schhiss d(nis e\ marhina) sonderten sich vom vibrigen Korper, 
ebenso die Lieder des Chor!>. Inwiefern auch äu( dialogischem Gebiet 
die An- aad Einfügung der Protimien einen ähnlichen Verfall bekundet, 
Ist I S. ass ff. erSrtert worden. Das I S. SflS ff. Uber die logiBtortodMo 
ScbfiAm des HeraUeides Bemerkte widerspricht dem nicht. Plntarcik 
selber kann seine Schrift nicht für einen »loglstoricus« gehalten liaiben: 
denn nach 4 p. 575 C ist Gegenstand der isropl« nicht bloss das izpä^ikt 
sondern auch dessen vorauseehend»' IV^i-u hon, d Ii. die Xo^oi; Xo-f); «^tehl 
also für seine damalige Auffas^uag in kcmem Gejicnsalz zur bTopii; viel- 
mehr Ist die letztere das Weitere, X<5you; und rpa^eic Imlassende 

2) Durch ein Gerücht liess Herakleides (I S. 8S6 f.) die künde von 
der Eroberung Roms nach Griechenland dringen und swar in so eigen- 
thttmiloher Form, dass sie wohl als etwas Wunderbares erseheltten solttn; 
auf wunderbare Weise dringt aber nach die Kunde vom Ableben des 
Lysis zu den Pythagoreern in Italien (IS p, 583 B. 16 p. 585 E f. vgl. 
Cicero de nat. deor. II 6). Kine Reminif?cenz an Herakleides ist hier nicht 
bloss deshalb walu ';* Ix irdrch , weil Plutarch dessen betreffende Schrifl 
(rcpi '!i''r/fii) kannte, sondt rn auch weil dieselbe einen der Schrift de cenio 
Socr. nahe verwandten Slolf behandelte. Das Auftreten des Theanor, der 
sich mit prieeterlicher Würde umgibt, der die Seele des Lysis citirt und 
befragt, darf an den Mager des Herakleides erinnern (1 S. Sil). Besondeis 
die Schritt itepl tIJc dtittfoo (1 S. SSS ff.) mag Flutardi voigeschwd)! haben: 
die Trennung der Seele vom Leibe Ist dort sogut wie bei PlntartA 
(U p. 583 B. f6 p. 585 Ff eine Tbatsacbe historischer Erfahrung, nicht 
bloss des Mythos wie bei Plalon; das Dämonion wird atirb dort ni( ht sicht- 
bar, sondern lässt sieb niir dun'ti die Stimnie vernehmen, gerade \\ie l>ei 
Plutarch ^a. a. 0. ; Pythaguia> und Eiupedukles kamen in beiden Schriflen 
vor ^de genio 9 p. 580 C;, Herakleides hatte Py thagoras als den ersten ^tXöso^; 
bezeichnet (I S. 3S9, 3} dasselbe setzt aber auch Plutarch (a. a. 0.) voraus, 
wenn er den Sokrates die Philosophie von Pythagoras empfongen lisst. 

8) Dies beweisen folgende Worte (vit. Camill. M): Oöx H»- 

Tf;c diXtCieco; irtxoiATtaaai tou;' Vircpßopiou; xal t^,v [icf ftXijv MXaTt«i>. Durch 
die Praxis seiner spateren Dialoge wird es bestätigt. 



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Platerch: lieber das OtfmoBloD des Sokrates. 



153 



über das Dämonion auch sonst in einigen Punkten berührt*), 

so dürfen wir sie ihnen auch wohl zeitlich näher rücken. 

Auch diese Schrift hat noch rhetorischen Charakter: sie seigt ri eher 

ihn nicht bloss in der besonderen Pürbong einselner Thefle^, Charakter. 

sondern auch darin, dass hier ebenfells (o. S, f 31 f. 440 t] ein 

bereits In anderer Form gegebener Stoff in die neue Form 

des Dialogs geswängt wurde. 

Wie im Symposion so scblSgt aach hier der Dialog in die Vordle. 
Novelle nm. Plufarch ist nicht der Erste, bei dem uns dies be- 
gegnet (o. S. 146), aber der Erste, bei dem die Novelle ein so 
stark historisches Gepräge erhalten hat, dass moderne Historiker 
glaubten, sie ohne Weiteres als Geschichtsquelle benutzen zu 
dürfen. Trotzdem ist auch hier nur Wahrheit uud Dichtung^). 

4) ElnÜMdMt des Lebens wird auch hier gepredigt {(3 p. 3ä3B nr.', 
der Pytbagoreismus ist dem Vegetarlanismos verwandt. Die Binlheihing 
der Hegierdeo ist dieselbe wie Im Gryllos (o. S, 4 SS, 4). Ueber das DIk- 
tarn des Thaies o. s. U6, 4. Brlefverkehr mit Aegypten unter den Mo- 

ilven des Gesprächs de genio 5 p, 577 F. 7 p. 578 E f. Conviv. 2 p. 146 E f. 
6 p. 4 5f A rr. Ein gewisser Konflikl zwischen Theolopir und Pliilosophip. 
(o. S. <45, 1) auch de tn-u. Socr. 9 p. 579 F ff. Das allgemeine Gesprach 
zerstreut sich in Einzelunterhaltungea z. B. 20 p. 588 B f., dasselbe setzt 
Conv. 14 p. 1 57 D (iicton^oavto; xoO Xi^wt tö auixiroatov) voraus. 

%) iüerhlD gehört die Rede Theanors ^4 3 p. MS E ff.} im pythagori- 
sireaden Stil, der an den Vortrag des Timaios im gleichnamigen platonischen 
Dialog echmert. AoHnge und Entwicklang dieses Priesterstils von Heraklit 
an durch die Protreptiken u. s. w. zu verfolgen (vgl. auch Aristot. fr. 40 
Akarl Aii'.p wiirde eine nül/li' Aihcil sein (über Rhetorik bei den 
PythaKort f'i n piotj. I, VIII 37 Di- is An hiv f GrsHi. d. I'h. III 3 S. 454, <0). 
Von den platonischen Nachbildungen versr-hiedtMier Stilarten unterscheidet 
sich die plutarchische dadurch, dass ihr <he Ironie fohlt. — Selbst die 
Worte des Epameinondas sind nicht frei von rketorischem Flitter U 
p. 58t B: dXX* dTtd^^eXXe toU h*l 7Vii»p(|iO(c Zn «dXXter« (ib «ötol idlo^ 
XP*VT«(i mXAc wAq. xpa|»^0ttc «M6t ffXou« Ix^um* t^cl^i Auett«$ 
■^jiiv Tpo(pd; xal Titpd; ajto; uTiep aOroO A'iotc dnihiort. 

31 Eine nueli nur oberflaiiilidie A'ercleicbung des Dialo^-s niil den 
betreffenden Steilen der Pelopidas-Vita eifiibt dies sofort. Der Dialog 
ergänzt zum Th<'il <Uireh n.dicre Ausführung das im Pelopidas nur An- 
gedeutete: vgl. Pelop. 8 iuber Hipposlhenidas) mit 17 p. 5S6 A ff. 18 
p. 587 D ff. Pel. 8 Schi. (u. Comel. Nep. 4, l] mit 98 p. 854 A ff. 8 p. 876 Dfll 
Fei. 9 mit 56 p. 894 D ff. Hier ist flberall die Entiblung durch kleine 
Zfige und durch Reden bereichert. Aber auch Abweichungen kommen 
vor: nach Pel. 10 sagt Charon nicht Alten die Wahrheit, anders im 
Dialog 59 p. 898 Fei. ii kalg. nur Pelopidas u. DamoUeides genannt. 



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454 VI. Der Dialog in der iUiserxeit. 

Die einleitpnfien Worte, die eine historische Oar.steiluüg ver- 
heissen, sind nicht anders zu beurthetlen als ähnliche Ver- 
sicherungen der Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit in plato- 
nischen Dialogen oder rhetorischen Werken. Im Gegentbeil 
nöihigt uns die Ansicht Ober GeachichtachrettNUig, welche sie 
auflsprecheD, die SehriH vom Dimonion nidii aof eine Slufe 
▼•rbiitaiM mit den Biographien cu stellen i]. Diese Schrift steht darum 

za den 
BlogrMhiMu 

im Dialog 10 p. 5SSD auch Kephisodoros der im Pel. erst 41 Sehl 
erwShDi wird ; nach Pel. 1 1 tragen jUie Weiberkleidang, nach Dialog SO 

p. 596 D nur Einige. Die Tödtung im Dialog 31 p. 597 B f. viel ausführ- 
licher L'psrhildort als Tel. Knhirichos in Pol nhorhaupl nicht genannt, 
die Art s.'in'T Todlung erinnert an Horn. Od. 22, 310 ff.); auch der Tod 
des Leuutidas im Dialog viel mehr ausgemalt 3f p. 598 E f. als in Pel. 4 1. 
Die Befreiung des Amphitheo:» im Dialog 33 p. 597 A f. fehlt in Pel. (v^ 
Qocii 4 p. 577 D)| wie die gani» Sdiildening dir Geftngplmceoe. Epe- 
meinoiidaa' Hilfe ausführlicher im Dialog S4 p. ftSS C t als Pol. IS, aacb 
hier malt der Dialog viel breiter x. B. die nun HeraklesliBst gekommeara 
Trompeter: nur sum Schlass von Pel. 11 hat das Auftreten in der Volks- 
versammlung Züge, die im Dialog fehlen. Kaum bei einem oder dem 
andorn dieser Reispielo ^vir<^ dit* Ausrede tielten, dass das Leben des 
Epameinondas von Plul üi cii, wenn es erhalten wäre, eine griissere Teber- 
cinstimmung mit dem Diidog zeigen würde. — In den Reden, die Plu- 
tarch seinen Personen iu den Mund legt, halte er voUend:» die Freiheit 
nicht bloss des Dialogs , sondern audi der antik«» Ges<^lchtsseiirsaMiiig 
für sich: wir dürÜDn uns daher nicht wundem» dass Epaaooinoodas die 
Eintheilung der Begierden nach Bpikur gibt (o. S. ISS, 4) und dass Iheanor 
Posidons DSmonenlehre vortrügt {bes. t4 p. 5SS D IT.}. — Ein anderer 
Verstoss gegen die Geschichte begegnet 21 p. 590 A. Hiernach »tarb 
Lampn»kles. d(M- Ijekaiuile Sohn des Sokrates, vor seinem Vater. Die 
fiesrhiehtü kennt nur drei Sohne des Sokrates, die alle drei den Vater 
überlebten (Piaton Apol. 34 D. Phaid. H6A). Was aber Plularchenahlt, 
hat auch sonst einen romanhaften Anflug: der junge für Philosophie be- 
geisterte Timarchos aus Chairoaeia, ein eifriger Anhänger des Sokratea, 
ist mit dessen Sohne Lamprokles durch Prenndachalt und Alter nnfs 
Engste verbunden; Lamprokles stirbt, wenige Tage nach Ihm Timarchos 
nachdem er noch gegen Sokratos den Wonach geäussert hat — nicht wie 
man erwarten kannte in seiner Ileiiunth sondern — neben Lamprokles 
bestattet zu werden. Plutarch lial ilies schwei lieh selber für seinen Dia- 
log eigens erfunden. Aber auch wenn er nur <\m von Andern erfundeoe 
aufnahm, genügt dies um unser Urtbcil über den hii>torbchen Werth des 
Dialogs zu bestimmen. 

4 } Nach Archidamos, der zu Anfang der Schrift vom Dimonion das 
Wort hat, knüpft sich das grdssle Interesse etaier historischen Dsntel* 
hing nicht an deren schliesslicbes Hauptresultati sondern an dasi 



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Pitttarcht leber das Dttmonion des Sokrates. 

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iiii hl .tlh in da. Vielmehr trciTen wir (Ueselbe Ansicht in einpr 
rhetorischen Jugendschrift Phitnn hs 

In der Meinung, die wir uns hiemach bilden, dass die 
Schrift über das Dämonion zu den früheren des Plutarch 
gehört, kann uns endlich eine Erwägung über das zeitliche 
VerhSltDiM, in dem dieselbe su den Bio£;rapbien des Pelopidas 
und Epameinondas stand, nur bestSrken. Das Natflrliehe 
schein! sa sein, dass das mehr poetische Werfc^) auf das 
historische folgte, wie wir dies an Rreytags Ahnen und den 
Bildem aus der deutschen Vergangenheit^ noch deutlicher 
aber an Schillers Wallenstein und der Geschichte des dreissig- 
jährigen Krieges sehen -^j ; das Natürliche aber doch nur dann, 



fache Einzelne, was ilmi vorausgegangen ist und es h»\ lierbetfuliren 
helfen, den Willen die Leidenschaften die Gedanken der betbeiligtea 
Manschen i p. 575 B ff. In den Biographien dagegen lehnt Plntardi es ab 
altes Binxelne In die Darstellung aubunebmen und sieht es vor nur das- 
jenige herauszuheben, worin sich der Charakter eines Menschen am deut- 
lichsten offenbart und besonders seine Tugend am glKnzendsten erscheint 
(l«ben Alex. 1. Cimon 2}. Trotzdem ist auch in der Schrift vom Dümo^ 
nion sein Streben das gleiche, die Tugenden der Menschen zur Darslel- 
Inne zu bringen, dio dpcr^j und nicht bloss dio tu/t;, und nur die Ansicht 
Uber den Weg, den er einzuschlagen hat um das Ziel zu erreichen, ist 
eine andere. S. noch die folg. Aniukg. 

1) Bellone an paoe Athenae S p. Ii7 A: tAv lecopntAv «pdtiere« h 
tn^^ecw Aeicep Tpatfi^v wiftcei «al npwhiwi tKeiXoicetfjeoe. h yo9v 

6äti«iitCfin|)C dtl rib Xi^V ^* ravr^ dffciXXdtet tfjv ivdpYCMV tXw (nttijy 
fcedjeat xiv dxpoar^iv xal td ^tv^ftcv« irept tou; iptuvra« ixicXtpiTtud «ol 
TafMtRttxd KfllÖT] Toi; divaYivutiTxouatv ^vepfdaaadat Xt](viu6}j.CNo;. Auch spöter 
ist er ein Bewunderer des Thukydides geblieben und um derselben Vor- 
züge Willen die er hier ;in ibui rühmt Leben des Nikias t); docb mischt 
sich auch ein leiseer Tadel ein [a.a.O. Scbl.: ou r?)v oyotj^iov äi^po-^mv 
ioToplav xtX.) und er deutet an, dass er auf Nachahmung des alten Histo- 
rikers nicht bloss im Gefühl seines Unvermögens, sondern auch deshalb 
venichtet hat, well er der Geschichtsschreibung andere und höhere Ziele 
steckte. Vielleicht darf man in der Schrift vom DSmonion den lieber- 
gang zum spateren Standponkt «rblicken: durch den TrMisu lebendiger 
ins Einzelne gehender Darstellung bricht doch schon hier die Freude an 
der Tugend, die im Kampfe mit dem Schicksal erscheint, deutlich hervor, 
während in di-r Rede Hellon'' nn |)ace ausschliesslich das rhetorische In- 
teresse an ellektvoller farbenreicher Darstellung herrscht. 

2) 0. S. <54, 1. 

8} Schiller, Geschichte d. dreiss. Kr. Buch 4 (S. 868 Ausg. 1862): 
•Noch hat aich das Ookumeat nicht gefanden, das uns die geheimen 



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156 



VI. Der Dialog in der Kai&erzeit. 



wenn das poetische Werk sich tu dem historischen wie drssen 
Illuslralion verhSit, die Umriss^c desselben jmsftilll, die An- 
deutungen gestaltet: ein snl hrs VorhSltniss bestellt nbor 
zwischen dem Dialoge Plutarchs und den einschlagendon 
Biographien keineswegs, die letateren sind vielmehr so lebendig 
in der Schilderung des gemeinsamen Gegenstandes M , dass 
sie einer Illustration durch eine andere Schrift nicht bedurften; 
Im Gegentheii entsteht daher die Frage, ob es wahrscheinlich 
ist, dass derselbe Autor auf eine historische, durch ihre 
Lebendigkeit und Ausfahrlichkeit befriedigende Darstellung ' 
eine mehr romanhafte desselben Vorganges wird folgen lassen 
und diese Frage wird man verneinen müssen, wihrend das 
umgekehrte Verfahren, den romanhaften Bericht spSter durch 
einen historisch -glaubwOrdigen lu ersetzen, einer Erfcllrung 
und Rechtfertigung nicht bedarf 2). Unsere Sehriii ist hiemach 
zeitlich vor die betreffenden Biographien und daiaiL wohl 
vor die Biographien überhaupt zu setzen *). 
Dämonologie. Aul der anderen Seile dürfen uir sie aber auch nicht 
zu hoch binaulrücken. Die Schrift gehört, wie gesagt, einer 



Triebfedern seines (Walleosteins) Handelns mit historischer Zaverttssigkeit 
aufdeckte, und aoter seinen öffentlichen, allKeroein beglaubigten Thaten 
Ist keine, die nicht endlich aus einer unschnldigea. Quelle könnte ge- 
flossen sein«. Was der Historiker nur andeuten durfte, bat der Dichter 

InSfhillor iiu^;;efulirt und ppstaltet. Die Worte crinnorn an den Eingang 
der pliitarchischen S< hi lft: was dort pesapt wird, konnte dnher als Ruck- 
bezieliung auf die KpamoinomiHs- und Pelopidas-Biographien gefas&t 
iverden, wenn nicht das oben Bemerkte im Wege stünde. 

4) 0. S. 458,3. Im Einielnen ist Ja die Schilderung des Dialogs 
eingehender als die der Pelopldas-Biographie ; trotsdent hlelht das obeo 
Gesagte bestehen. Wir wissen übrigens nicht, oh nicbl ein und das An* 
dere was wir jetsi in der Pelopidas-Blograpbie vermissen, in der dm 
Epameinondas zu lesen war. 

2) Will m;«n «Ion öfter crwähnlen Eingangsworten der Schrift vom 
Üairioiiion eine Beziplmti^: iuit" oiix* historische DarsteMunn der Literatur 
peben. so kann man Xenopiion Hellen. V 4, * IT. verweisen, dessen »\\z%x 
abstrakte Erzählung das Bedürfniss einer concreterea erregen konnte. Vgl. 
auch Diodor. XV i5. Da uns Ephoros fehlt, ist die Sache nichi tu ent- 
scheiden. Vgl. auch Sievers, Geschichte Griechenlands vom Ende des 
pel. Kr. S. 174, SO. 

8} Wenigstens wenn man den Ausföhruogen Muhls folgt PlQtarcb.Stadd. 
S. 4« f. 



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PItttarch: Oeber das OämoDion de« Sokrates. 



457 



Uebergangsseit an. Das lehrt insbesondere noch ') die darin 
vorgetragene DSmonologie. Der Dämonenglaobe I^ittp in 
Bdolien seit Alten tiefe Wuraelsiy hier ist er tuerst Uterariscli 
bervorgetreten ; jetst wurde er fiberdiess ven einer Zeitströmung 
getragen: se halfen die Tradition der Heimath wie die For- 
derung der Gegenwart beide dasu ihn in den lOttelpunkt von 
Plutarehs Welt- und Lebensanschauung su rOcken. In seinen 
frOhesten Schriften treten swar schon DSmonen neben die 
Götter aber von dem KemsaUs der DSmonenlehre, dass 
jene die eintigen Verooittler des Verkehrs swischen Göttern 
und Mensehen sind, ist noch keine Spur bemerkllch'). Dieser 
Gedanke begegnet uns zum ersten Male in der Schrift vom 
D3monion, aber freilich Doch in sehr unvollkoinmiiiei Gestalt 
uud eigentlich nur angedeutet^;. Piularch sclieiut noch mit 

4) 8. auch 0. S. 455, 4, 

8] De esu carn. I 7 p. 096 C (ou dclov dXXi 5ai|Myvt]i6v}. de snperstit. 
45 p, 4 7< C (fx^Tc Ttvd ftewv [iiyrt Saifiövrav). 

S; Die in der vor. Anmkg. angerührten Stellen nur (lic AafUnge 
einer I nterscheidung zwischen Oottem und Dainonei) , ilie zum Theil 
wicht einmal über die Oberfläche einer sprachUchea Formel hinausgehen 
mag. Wie wenig diese Untei^hcidung durchgefüiirt war, lehrt die gesammte 
Sclwift de supmtit., lo weldier (ciot(ai|Aov(o fortwährend die Fufdkt vor den 
Gttifcem sowohl als vor den Dämonen bedeutet Von Platarchs späterem 
Standpunkt aus bütte diese Schrift entweder gar nicht geschrieben werden 
können oder h&tte doch ganz anders geschrieben werden müssen: denn von 
diesem Standpunkt auswar die Seiaiootp.ov{a als Furcht vor den Dämonen 
nicht so ohne Weiteres zu verwerfen, da es hose Dämonen geben sollte, 
und jedenfalls küimte sie nicht als eine Sünde wider die Reinheit und Güte des 
göttlichen Wesens erscheinen, wenn Gotter und Dämonen streng geschieden 
wurden. Die Schrift trägt übrigens, indem sie dem dWto« vor dem 56t«i(ai|*atv 
den Tonng gibt, einen kynischen Ghardtter und mag in Anlehnung an 
kynisirende Schrillen verfasst 8ein(Bion? 8. Hense, Teletls reU. S. XLVU f. 
XLIX Anmkg.;. Noch bestimmter stellt sich zu der vorliegenden Frage 
Anacharsi«) in Conviv. VII Sap. «1 p. 163 K ff. ; iiloich in den ersten Worten 
'WX'^» ^pi-^avi-jv Ti^i aäjaa, 9£0j o£ 'J'-»//; wird Iiier eine Venuittelung der 
göttlichen Einwirkung auf den Menschen durch dämonische Mächte ein- 
fach ausgeschlossen (doch vgl. de Pyth. orac H p. 404 B u. de soll. anim. 
n p. 975 B wonach die weissagenden VOgel ein <pT«vov sind, dessen sich 
die Gottheit, h Itöc, bedient). Einen Widerspruch in Plutarcfas Ansichten, 
den Dämonenglanben betreffend, l^onstatirt auch Volkmann Ii 307, aber 
ohne ihn historisch durch eine Entwicklung dersell>en zu erklären. 

4j An «iamonischen Einwirkungen ist kein Mangel, und aijoh theo- 
retisch wird ik p. 593 D es ausgesprochen, dass der itegel nach die 



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VI. Der Dialog in der KalMfzdt. 



sich selber zu kämpfen. Freilich die radicaie Periode hat er 
Überwunden: Galaxidoros, der sie in übertreibender Weise tu 
reprflsentiren scheint >), wird sureohlgewiesen. Aber auch die 
Ansieht der siegenden Partei, wie sie durch Theokritos und 
energischer durch Simmias und Theanor yertreten ist, trium- 
phirt keineswegs voUstilndig, sondern leidet an innerer Ün* 
sieherheit und an Widersprüchen^), sodass man recht merkt: 



(jolU'r imt iliii MeiiHclieii nicht untuilU'lb»r verkehren, sondern dies den 
Dimonen Überlassen. Aber dann wird doch auch wieder so p. 389 B L 
die Grenxe iwisdieD Götilichem und Dimonischem keineswegs scharf ge- 
sogen (die ftcterlpa ^yii ist die der taifMNc«tt. s. w.); ja nach i4 p. 5Sf A t 
haben die Götter ihre oriiorenen Lieblinge unter den Menschen, die sie 
vor Andern ilirer beiiondern Fürsorge und Erziehung würdigen. Bei dieser 
laxen Pr;ixis ist es ganz begreiflich, drts«? aurh di<» Theorie noch nicht 
die «spatere strongo ist. sciiuKmii. wenn aucli nur ausnahmsweise, einen 
direklea Verkt lir <lci- (lütu i mit cin/elneM besonders bevorzugten Sterb- 
lichen ({laxdptot re xat «ictoi 24 p. 593 /ulaäSt. 

I) Er steht auf dem Standpunkt, den Plntarch In der Schrift de 
superstit. einnimmt. Die Bct9t9ai|i0v(a fssst er gans allgemein als die 
Furcht vor den GOttem und verwirft sie seblechthin» ebenso wie den 

Glauben an jede Art der Wahrsagung (9 p. 579 F ff.}. Die (eiot^KiAovta gilt 
ihm als mit der ^iXo^O'fia unvcrtrüglicli. Hieraus folgt, dass er selbst 
sieh unter die Philosophen rechnet. Tnil zwar müssen wir ihn dann für 
einen Gesinnungsgenossen der Kyniker erkliiren: das ist nicht bloss durvJi 
das o!)en Erwflhnte begründet, sondern liegt uuch in der Art wie er dem 
TÜ^o; den Krieg macht (p. 579 F. 580 Bj und wie er den Sokrales preist, 
seine icatMs ««IXÖyo; ;p. 580 B}, sein einÜBiehes ungeziertes wahrhaft freies 
nnd wahrheitliebendes Wesen (p. 5SS B}; auch die Anroftang des fleiligcn 
der Kyniker, des Herakles, fehlt nicht ip, 579 F). Wenn er übrigens die 
Bedeutung des sokratischen Dümonions auf ein so geringes Maass herab- 
zudrücken sucht p. 580 Ff. so erinnert dies an den Zweifel welchen 
ebendemselben Antisthenes ontfjefionpcsetzl bei Xenoph. Conviv. S. 5 
Krisclie, Forschungen S, 231). Trotzdem kann man ihn nicht ccradezu als 
Kyniker bezeichnen, da er sonst nicht zu Simmias sagen kunitle ^oixpaTijs 
& ufjiiTepoc sondern sagen müsste 6 iiit-ti. 

t) Darauf hatte schon Schdmann hingewiesen Opusc. I 37S; stKrker 
sind sie hervorgehoben und verwerthet von Rieh. Helnse Xenoknites 
S. 104 f., der mir aber dodi nodi nicht Alles In das volle und rechte 
Licht gerUckt xa haben scheint. Am grellsten treten die Widersprüclie 
in Theanor«? Rede c. 24 hervor. Man kann in derselben drei verschie- 
dene Tlieile unterscheiden; 1 y ''.93 A — C 'xa8(3Tavrat' T p. "9*^ C — D 
fc'jviorrj'xc) 3) p. 593 D ff. Die erstm lieiden Theile liaben das n^it- in mder 
gemein, dass sie von dem Verkehr der dotter nnt den Mensciien wie 
von dnem unmittelbaren, ohne Dazwischentreten der Dtimonen, sprechen. 



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PhiUrch: Ueber das Dttmonioo des Sokrates. 



459 



PluUrch war selber über diesen Punkt mit sich noch nicht 
im Reinen und hatte sein UebJingsdogma nucli k.eine8vvegs 



Aber nach dem ersten gehl dieser Verkehr vor mit Hilfe von Zeichen 
OTiicTo. ijufißoXa) und nur wenige AusenR'ühlto ufitoi- den Menschen sind 
es die tluse vcrsUiheii; nach dem zweiten sind iiu- /eichen für alie Men- 
schen da und der Vorzug der Auserwiihlten beslelil gerade darin, dass 
die Götter mit ihnen ohne solche äussere Zeichen verkehren. Offenbar 
tot der erste Theil einer Daratellung enlaommeii, welche das DimoBion 
als eto gtfttlloiies 9i\\uXw fuste (^pwv^, xXi)5<frv, irtap|A<«, und 
den Sokrates mit den («dmtc Oberhaupt auf eine Stufe stellte (s.B. AntI* 
pater bei Cicero de divin. I 421 IT.). Dagegen scheint der zweite auf eine 
Darstellung zuführen, in welcher im Sinne der Stoiker, vielleicht insbe» 
sondere Posidons (Corssen <le Posidonio Rhoflio. thes. das artificii>surn 
und naturale divinandt geiius gescliM Ii n wunicn: wenifistens hefreieu 
wir ihn auf diese Weise von dem scheudtaren W iderspruch, duss Anfangs 
die |A<cyTeic in zwei Klassen der Enthusiasten und Zeichendeuter gclheilt 
werden und dann doch der Name der lAovrtx^ der Zeidiendeutung vor- 
behalten bleibt; yuvmmii Ist eben als |ib. xixvij lu nehmen, in welchem 
Staine sie allerdings nicht auf die enthusiastische Wahrsagung ausgedehnt 
werden und in welchem Sinne sie ausserdem als etwas allen Menschen 
Zugängliches d. i. Erlernbares l)ezeirhnel werden konnte. In dieser Dar- 
stellung' worde das Dämonion zum naturale ßenus gerechnet und damit 
gegen die Auffassung desselben als einer Zeiehendeutung, also gegen die 
Auffassung gerade des ersten Ttieils, pruteslirt. — Was endlich den dritten 
Theil l)etrifrt, so scheint ihm eine Darstellung zu Grunde zu liegen, welche 
die besondere Fürsorge der Ootter nicht in der Brtheilung mantlsdier 
Kraft, sondern in der Fardenmg des sltUlchen Lebens erblickte, das 
8«i|«^ev also ihnllch wie Neuere (vieilelcbt schon Demosth. de felsa leget. 
239 ot Otol xal xh BaijA^vtov} der Bedeutung des Gewissens annäherte. 
Dieselbe Darstellung unterscheidet sich von den bei(UMi andern überdies 
noch dadurch, dass -^ie den direkten Verkehr der Götter und Menschen 
der Regel nach ausschliesst und als Vernnttler die Dämonen eiiduhrt. 
Doch lässt sie ausnahmsweise auch den direkleu Verkehr zu. Der Zu- 
samuieiihang führt darauf Sokrates unter denen zu suchen, welche unter 
der Obhut der Dämonen stehen. Wer sind nun die, welche Ihn an Tu- 
gend noch ttberragen und in denen sich deshalb die GOtler in eigener 
Person herablassen? Dieoes Rllthsel Itfst die stoische Lehre. Nach ihr ist 
Sokrates nicht schon der Ideal-Welse, sondern gehört nur zu den rpo- 
x^icTOvTtc (Unterss. zu Ciceros philos. Sehr. II 1 8.28:1; das Ideal der 
Weisheit und Tup<*nd sl''IH sieh iiiOdvsseus und Herakles dar und diese 
sollten allerdings in unmitteli)arem Verkehr mit den Göttern gestanden 
haben (vgl. auch p. 580 C. Cicero Nat. Deor. II <66 f., welche Stelle 
freilich in anderer Bezieliung von der unsrigen abweicht). — Die Rede 
dM Tbeanor ist aber nicht bloss in sich ein ungefüges Ganse, dessen 
Beslandthelle ursprünglich einander Üremd sind, sondern steht auch in 



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460 



Vi. Der Piaiog iu der kaiscrzeit. 



bis zu dem Grade systemaliscb ausgeführt und durchgebildet, 
wie es spätere Schrilten zeigen. 



Widerspruch mit <U'r Rode des Siminias 20 p. SSS C ff.;; und zwar in 
ihreu beiden ersten Thoilc« insofern als Simmias eine Mnntik vernnttelsl 
Zeichen (»t^ucT«) überhaupt nicht anerkennt (v^l. ho<. 289 C, wo die 
a6^oXa s üri\uli wie auch 24 p. 593 C voraussetzt, u. ii p. 5d2 C; 
Übrigens streitet Simmias damit auch gegoo Platoo Rep. IV p. 496 C), aber 
auch ihrem driitea Theile ntdi indem hier ein EinwiriceD der INbnoiieii 
auf alle Henschen ohne Ausnahme gerade geteognet wird (m C ft94A), nach 
Simmias Rede dagegen die Mahnungen der Dimonen an alle Henadien 
ergehen und nur in Folge mangelhafter Disposition von den Meisten nicht 
verstanden werden hes. 20 p 589 D , wozu noch kommt, dnss nach Sim- 
niias der Diinion jerlem einzelnen Menschen individuell zugehört (22 p. 591 E f.), 
nach Theanor ilin» nur verwandt ist 24 ji. 594 und mit andern ge- 
meinsam seia kannst 6 p. 585 F. 686 A). Die Rede Ttieanors weist mehr 
stoische Elemente auf, die des Simmias peripa tetische: zu den letzteren 
gdiOrt was über die Bertthrong des lienschengeistes mit dem göttlidieii 
gesagt wird (io p. 589 B vgL 588 C; hlttten wir hier stoische Theorie 
vor uns, so würde von icXinflf pulsus {Cicero nai deor. II 81 t] die 
Hede sein) womit aufs Engste zusammenhangt die scharfe Unterscheidung 
der geistigon un<l materiellen Natur 20 p. 589 B fl. . sodann das Ablehnen 
riff Zeichendeutunfi und das einseitige Anerkennen der enthusiastischen 
Wahrsagung, auch das Wort düpaÖiv 20 j>. 589 B erinnert in dortigen 
Zusamtnetihang an aristotelische Stellen. Man kann sugur bestimmter in 
Dikäarch Simmias' Gewtthramann vermuthen: die Seele Ist auch nndi 
Simmias aub Engste mit dem Ktfrper vwfloditen (to p. 588 F) und stellt 
sich wie ebie Harmonie desselben dar (to p.589D}; wie nach Simmlas 
die Seele sich mit dem GttttUchen berührt, so sollte sie auch nach IN« 
kUarch an demselben Theil haben (Zeller 11^8.891, i*: dc(o'j zubi 
auTr;v sagte Dikäarch von der Seele und zwar ebenfalls um die Möglich- 
keit der enthusiastischen Woissagung zu erklüreu; und von der ^xatotsic 
konnte Dikinirch im mythischen Ausdruck wohl ebenso gesprochen haben, 
wie 2i p. 592 C f. geschieht (die eigenthUmlicho Kritik der ursprünglichen 
Sage von Hermodor oder Hennotimos touto |uv oiiv dXi]{llc i«nv «tX. 
Ist sehr bemericenswerth da sie die Thatsaciie der bioiaeic mit der An- 
nahme des nnaufUislichen Zusammenhangs von KOrper und Seele in ver- 
einigen sucht); um dies begreilUch xu finden mnss man sich auch daran 
erinnern, wie Aristoteles dergleichen In den Dialogen darstellte (fr. sa Akad. 
Ausg. cum animus Eudenü e corpore exccsserit) und dass nach peripa- 
tetischer Ansicht SukTatcs unter die p.cXct"f/oXtxot, d, i. die ixaxaTixoi 
gehört (Aristot. Piobl. 30, l p. 953» 27 vgl. Flutarch Lysand. c. 2 Cicero 
de divin. I8tj; ferner, da der Mythos, den Simmias erzählt, iu LeLwideitt 
lokalisirt ist und an das Orakel des Trophonios anknüpft, kommt in Be- 
tracht, dass auch DikMarch diesem Orakel sein besonderes Interesse sa- 
gewandt hatte (I S. 880). — Diese Verschiedenheiten in den Heden 



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Plutarch: Ueber das Dttmonioa des Sokrates. 



464 



Die iiaiiioiH'nlehro spielt bei Plutarch eine ähnliche 
Rolle wie bei PlatüD die Ideenlehre. Wie die Ideeniebre im 
Pbaldrus so ist die Dämonenlehre in der Schrift vom Dämonien 
skitiirt*). Wie man deshalb von Piatons Dialog gesagt hat, 
dass er das Programm eines neaen Lebens, einer neuen TbXUg- Die Schrift eia 
keil sei, so kann man eine ftbnitdie yennuthung andi an 
Platarehs Schrift knüpfen, in weldier überdies der spStere 
Plntarch sich nicht bloss von dieser oder jener Seite, nicht 
bloss nadi diesem oder jenem Theile sondern im vollen Um- 
fange seines Wesens ankündigt. Wir sehen seine Thflosophie 
in ihren beiden Haaptschattirungen, der pythagoreisdien und 



des Simmias und Theanor sind nun nirht otwa von Phitnrch ab- 
sichtlich festgehalten, um lieidt« Männer jcilon in seiner Weise zu clia- 
raklciisiren. sondern sind trotz aller Flick- und relx-i kleisl<'runKsarbeil 
gegen Plularciis Absicht sichlbar geblieben. FlularctiH Absicht ging 
vielmelir dahin mit hefloaderer Beilehung auf das IHiiiioiiion des Sokrates 
eine DHmonologie zu geben, wozu er ebenso sehr der AutorilSt eines 
Sokmtlkera wie Siramlas als derjenigen eines avf diesem dunkeln Gebiet 
erlifarenen Mannes wie Theanor bedurfte. Beide aoHlen einander zu einer 
Gesammtdnrstellung crgSmen (SS p. Ö93r iS p. 593 A'; das ^«{i^viov des 
Lysis trat darin gewissermHnHfwn neljcn das des Sokrates (4 3 |> ^83 B\ 
der Fythagoreismus neben die »Sukr.itik. Eine solche Darst^lluiiu \ün 
sich aus zu geben ftibUe sich Plutarch noch zu unsiilier. Er i>l daher 
eklektisch vertalireu, indem er die verschiedensten Darslelluni^en über 
den Gegenstand (ausser anderen wird auch die megarische und kyniadw 
Aolfosaung tierttcksichllgt; auf Ariatoxenos, wenn man dessen sonstige 
Nactartchten Uber Sokrates liedenkt, mtichte man die Anekdote 10 p. SSOD fll 
lurttckfUhren, die ganz geeignet Ist das DSmonlon Ins LSdierliche zu 
ziehen, welche Vermuthung durch die Berufung auf Spintharos 23 p. 592 F 
verglichen mit Aristox. fr. 28 Müller nocli wahr-;cheinlirher wird; dun !i- 
mustertc und auszog. Ueber das Ganze hat er dann eine gewisse Zeit- 
farbe Rorogen: während das Dümonion vsie die DUmonen ursprünglich 
vorwiegend eine negative, behütende und warnende, Macht übte (so noch 
bei Cicero du div iu. H22 ff. nach Antipater), so erscheint es liei Plutardi 
ebenso wohl (ttrdemd und antreibend als behütend und warnend (wenig* 
stena In der Theorie, wenn auch nicht in den Beispielen) gerade wie l»ei 
anderen Spiteren, zn welcher Aufbsaung indessen schon von Aelteren 
wie Xenophon und wohl auch von d< tu j rügen, der dem Pluturch das 
Orakel 20 p. 589 E erzählt hatte, der Grund gelegt worden war. 

i) Auch in der Composition besteht eine AehnH'hkt'it heider Dia- 
loge: wie das Gesprach über das Dumonion so li iti au( Ii die Darstelluns? 
der Idecnlchrc und Psychologie in (ier zweiten Liebesrede des Sokrates 
selbstündi^ aus dem Gesainnitinhail hervor. 

HirKHl, Dialog. II. 41 



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462 Dialog In der Kaiserzeii. 

der im weiteren Sinne sokraliscben sehen den Moralisten im 
Bunde mit dem Mathematiker 2) und Theologen, gewahren aber 
auch wie wenig ihm die blosse Theorie gilt neben der prakti- 
schen, insbesondere der politischen ThStigkeit für das Vaterland^). 

Was wir von Simmias hören dass er nach der Rück- 
kehr von weiten Reisen mm seinen Landsleuten ^ namentlich 
den jflngeren unter ihneiii aus dem Schatze der gewoniiMien 
Eindrücke und Ertahnmgen mittheilt klingt als wem ei 
von Plutarch selber erzfihlt wOrde. £s scheint dass er aloh 
Bsotischer wieder seiner Heimat freute dass er mit Sloli sieh als BOoler 
»fttriftteiiii. Bmm feiert er die ruhrnwllrdige Befreiong BSoliens 

vom spartanischen Jeche, dämm weist er aber gtetdiieitig 
aach wie tritamphirend auf das geistige Leben hin aus dem 
dieser Süssere Erfolg hervorgestiegen war und das geeigpiet 
ist den so oft gegen seine Landsieole geschleuderten Vorwurf 
der f&tooXoYC« su entkrSften^). Dass ihm das letstere geHnge, 
liegt ihm besonders am Herzen. 



4) In den Personen des Simmias und Epameinondas nanauUich 
führi er uns vor Augeu üaäs Sokrates iiiciil iMiwohl die von PytUagaras 
ttbemommese PUlotophi« erattchtert und venDenseldleht habe (S p. SSSC. 
la p. 5SS D) als dafls sich die von ihm aiugeheode Biehtang» die SoknUk, 
sehr wohl mit eloeu gateo Thell pythagorelidier Mystik vertruse« 

2} 7 p, S78F ff. Hier enoheint die Malhemalik, nameDtUch die Geo- 
metrie, sogar als die vornehmste aller Musenkünste. 

3) Damm muss der Philosoph SiinmiHS entschuldigt werden, dass 
er nicht thätig an der Befreiung Thebens belbeiligt war: er krankte an 
einer Yerlelziuig seines Beines. Es erinnert dies an das TlXator« 0' oipAt 
i^Qdivct, womit Piaton im Phaidon es entschuldigl weshalb er wikreod 
der lelsteo AogeobUekA des Sokratas Dicht in dessea Umgebang war. 
Vor AUem galt et Epamebumdas gegen den Vorwurf ta verlheldigeD alt 
wenn er mit seiner Theibiahme am Anbtande sa lange geKIgert hiile 
(8 p. r>76D fr.}: denn im Udirigen erschien er als der Üefete Denker (tS 
p. F) nicht nur sondern nuch als der im rechten Moment eingreifeode 
Staatsmann (3* p. liUS C f.), als der fiffa; dv^jp schlechthin (16 p. 585 D , 
der das plularchisrlie Ideal einer Vereiniünn'-' voft Philosophie utiti PoUlik 
in seiner Person erfüllt hatte, kuuiu zufällig kunu e> in diesem Zusaiumen- 
bange heisaen, daas das Hans eines Philosophen, des Stoiniiw, dar Herd 
und Mittelpunkt auch der politischen Bewegung ist. 

4) t p. 576 a 

5) Dass Wort ihWoXo^fta 4 p. 575 B. Dass Wort und Sache sich auch 
in Piatons Phaidon p. 89 C f. finden und besprochen werden, dttrfte nach 
dem 0. S. 4 48 ff. Bemerkten nicht gana lufidlig sein. 



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Pluiarch: Ueber das Dimoiiioii, ttber die Gesmidhettslehre. 463 

Ausser anderen bedient er sich dabei auch einee Grundes, 
der bei den Athenern vonllf[Uoh verfongen muflste: er weist 
darauf liin dass gerade die am meisten den Xo^oc pflegende und 
lugleioh am meisten attisehe Philoaephie, die des Sekretes, in 
der Seele mehr als eines BOeters Wunel gesefalagen hatte ^. Be- 
denken wir nmi ausserdem dass jenen Verwarf die BSoter gerade 
▼en den Athenern alter und neuerer Zeit lu hSren bekamen, so 
empfangen wir den Eindruuk dass Flatarch sieh seine Leser 
▼ortOgUeh fai Attika daehte. Unter diesen Umstünden wird es 
bedeutungsvoll dass der einrahmende Dialog sich an athenische 
Hörer, vor allen an den Booterfreund Archidanios wendet. 
Konnte sich hierunter nicht ebenso eine Dedication verbergen 
wie in dem ein ruhmenden Gespräch des Phaidon^), eine Dedi- DedioaUaB «a 
cation an Pluinrchs athenische Freunde? Denn der Dialog ist "^^Jf* 
nicht bloss eine t Inseitige Verherrlichung Bootieus sondern 
ebenso gut ein Denkmal der Freundschaft des attischen und 
böotischen Stammes: von Athen ging das ruhmwürdige Werk 
der Befreiung Thebens aus, in derselben Stadt lagen die starken 
Wurseln auch der geistigen, insbesondere philosophischen 
Blüthe BOotiens; der grösste Böoter Epameinondas war als 
SokraÜker vom attischen Wesen berOhrt und eben hierdurch 
f&r seine gesoliiohtliehe Bolle beffthigt worden 4). 



Die bisherigen Dialoge Plutarchs hatten es alle mit der 'Ano(jivr^(Ao- 
Yergangenheit zu thun: aus mythischer Ferne rückten sie ^t"^^* 
durch die Dämmerung bis in das helle Licht der Geschichte, 

blieben jedoch auch dann noch um Jahrhunderte hinter der 
Zeit des Schriftstellers zurück. In die letztere vernetzen uns 

4} & vor. Anndcg. Hierher gshflrt auch die SchUderang des Bpa- 
meinondaa als des gcosseii Denkers «od Schweigers (SS p. SM F), die 
davor wurneo kann mit dem Vorwurf der i^tooXerb nicht zu rasch 

Stt sein. 

2) Polytnnis mit seinen Söhnfn Kaphoisins und Epameinondas, Sim- 
nii i'^ und Kfbes. fmlaxidoro«?; sogur Theoiirit, Imri kein Freund der 
Plulusoptiiti (3 576 b), luitte doch persönliche Beziehungen zu Sokrales 
und spricht mit Achtung vun ihm. 

S) Bine Schabtone der Dedication «ab es natürlich nicht. Es wider- 
spricht daher nicht, wenn I S. SIS l Phaidon, der BrzShler» als deijenige 
angeaehen wnrdei dem Piaton den Dialog dedicirt hatte. 

4) 4S p. 58SD. vgl. dazu ii p. 5S1 C. IS p. SS9B. 

II* 



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VI. Der Oiaiog in der Kaiaerzeil. 



dagegen die nun folgenden: sie lesen sich zum Theil wie 
Fragmente aus den äTTojj.vT^|xov£auaTa Plutarchs und geben 
säuiiutlich direkt oder indirekt Beiträge zu seiner Lebens* 
geschichte. Freilich mit seiner eigenen Persönlichkeit hält 
Plutarch nach platonischem Vorbild zurück: in den meisten 
seiner Dialoge erscheint er gar nicht oder nur im Hintergründe; 
erst in solchen Bialogen, die man mit grosserer oder geringerer 
Wahrscheinlichkeit seiner spflteren Zeit luwelsen kium*), er- 
laubt ihm ein gesteigertes SelbstgefUhl und das Bewusstsein 
der Autorität, dem Beispiel des Aristoteles folgend sich selber 
redend einzufllhren und dann auch wohl das entsdieidando 
Wort sprechen lu lassen >). Dagegen kommt aus den Bildern 
seiner Freunde sein eigenes Wesen in mannigfacher Spiegelung 
zurück. 

FlBtanh all Plutarch den Mediziner liisst der Verkehr mit medi- 
MadisiMr. zinischcn Freunden erkennen^). Doch würden die in dieses 
Fach einschlagenden Aeusseruneen seiner Tischgespräche^) 
auf nicht mehr als riii» tlilettantisciie Besch ii Iii l hil; mit dieser 
Wissenschaft führen, wenn wir nicht ausserdem den Dialog 
üeberdieöe- »Ueber die Gesun d hei tsl ehre« (Tyisivoi 7tapa77£Ä{Aata) 
mndheitalehre. jj^jgjigs^ju jq diesem wird die Medizin als ein ebenso wesent- 
liches Stück der philosophischen Bildung bezeichnet als Geo- 
metrie Dialektik und die Musenkunst^), ja es wird sogar auf 
ihre UnerUsslichkeit derselbe homerische Vers«) angewandt, 
mit dem Sokrates und seine Anhinger ansudeuten pflegten 
wie nah ,uns die Ethik angeht. Diese Medisin ist ihrem Wesen 
nach DOItetiky sie gibt Vorschriften sur Erhaltung der Gesund- 
heit und iwar insbesondere für solche die demselben Lebens* 
ideal huldigen wie Plutarch, «piXo^o^ot xal noXimol sind^). 
Plutarch war nicht der Erste, der Medisin und Phflosophie tu 

.1; üu Ki apud Dclph. De sen mm vind. Adv. Colot Non posi^ 
Simv. vivi. Quaesll. Coiiv. 

2) V>;l. aurh I S. 292 f. 

3) Tryphoii guiicsti. Cniv. V 8, <. PIjUod VI i, 4. kleoweiie!» VI 
1. Zeuun u. Kraluu IV 4, <i p. 669 C. 

♦j Wie VI 2 u. ö. 
5} 1 p. 

6) 6 99S : Snt toi h y^dfovai «mi6v x* dfvMv n thmtvu l'eber 
die Verwendung tks Verses bei den Sokratikera WyttMib. xu p. m D. 

7) 15 p. 130 A. 18 p. 13SF. 439 E. SS p. 4S50.F. t5 p. 437 C. 



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Platareh: Ueber die OeBandheitelehre. 165 

verbinden suchte; die Pythagoreer waren ihm längst voran- 
gegangen, Aristoteles hatte seinem grossen Zögh'ng dasselbe 
9iX(0T|M;tv eingepflanst I) welches Plutnrch vom Philosophen ver- 
langt^), am nScbsten stand ihm vielleicht Demokrit'). Plutarch 
war indessen hier weniger der SchOler eines bestimmten 
Pliilesophen — am meisten entfernt er sich dnrch den fingst- 
liehen etwas philiströsen Geist, von dem Seide diStetischen 
Vorschriften eingegeben sind, von dem kühnen Idealismus, 
mit dem Piaton Aber die Diflietik seines Zeitgenossen Hero- 
dikos hinwegging — als der Sohn seiner Zeit, die, hnmer be- 
sorgt das liebe, auch das leibliche Ich zu pflegen, den Aerzten 
und Kurpfuscheni eine hervorragende Rolle zugetheilt und 
medizinische Halbbildung in die weitesten Kreise getragen 
hatte. iNiemand konnte sich dieser Slrönuinc; entziehen, sell>sl 
die christliche Kirche nicht: und Plutarch niusste von ihr um 
so eher ergriffen werden da in Böolien, einer alten Ileimath 
der Gymnastik, die aus der Gvumasfik hervorgegangene Diä- 
tetik natürlicher Weise einen gimstigen Boden fand. 

In Böotien, speciell in Ghaironeia haben wir auch das, übri- Ekenerie und 
gens nicht näher bezeichnete, Local des Plutarchischen Gesprächs C«np«^*^»' 
ra suchen und dürfen in diesem Dialog einen Repräsentanten 
sablloser Gespräche sehen wie sie Plutarch mit seinen Freunden 
aber solche Gegenstände xa itthren liebte (o. S. 54 ). Nicht immer 
mochte es dab^i friedlich sugehen. Die Art und Weise, wie 
diese philosophische Diätetik es darauf anlegte die Aerste 
Oberflflssig SU machen (24 p. I36E E), rief begreiflicher Weise 
deren Widerspruch hervor, der Methodiker wie der Empiriker, 
und daher mag auch das leidenschaftliche Auftreten des 
Glaukos seine historische Berechtigung haben. Dieser aus- 
gezeichnete Arzt — dieses Lob gesteht ihm auch sein Gegner 
zu (1 p. — kam zufallig dazu, als in Plutarchs Kreise 

über die gesunde Lebensweise (oiaita uYiEivr^i verhandelt 
wurde, und ling schon von ferne an seinem Aergcr über solche 
iai* nhaften Erörterungen Luft zu machen, indem er verächtlich 
all dergleichen der Pädagogik zuwies^]. FUr Plutarch ist es 

0 Plüi Alex. c. S. 
S) 4 p.4StD. 

S] Auf den er sich 43 p. 4tSA bemft 

4) 5 p. 4S4D. In der Tbat finden sich solcfae Vorschriften aach im 



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466 



VI. Der Dialog in der Kalsendi 



beieichaend dus er diesen eigeiitlichen Haaptdtalog nns nur 
wie im Hintergründe seigt: seinem versShnUdien Temperament 
wer ftUes GesSnk luwider im Leben wie in der lüerator 

(o. S. 4 47). Piaton umgekehrt würde gerade diesen Haupt- 
dialog auch in den Vordergrund der Composition gezogen 
haben: bei ihm würde der von Glaukus liingeworfene Gedanke 
)rcopl; ra tpiAoao^mv xal {atpuiv optafiara {4 p. 422 C) das Feuer 
des Dialogs entzündet und eine (icr im Dialog mit Recht so 
beliebten (rrenzstreitigkeiten hervorgeruien b<iben, dem be- 
sonders häufig behandelten Streit über die Grenzen der Philo- 
sophie imd Rhetorik würde dann der Streit über die Grenien 
der Medizin und Philosophie zur Seite getreten sein* Plnlaroli, 
dem es nicht um genaue Begriffsbestimmung, noch wenif^ 
um dialektischen Kampf su thun war, bat sich begnügt das, 
woran ihm am meisten gelegen war, den positiven Gehali das 
GesprSdIis, die diltetischen Vorsohrülen, berausroheben und 
b die Form eines susammenhängenden Vortrags su bringen. 
FnwBMi. Der Vortragende ist ein ungenannter iralpo;, unter dem 
aus Bescheidenheit (vgl. de se ipso laud. Anfg.) Plutarch selber 
sich verbirgt. Derselbe spricht nicht direkt zu uns, sondern 
W.1S er gesagt hat erzählt Zeuxippos, der sonst als Freund 
Plutarcbs bekannt ist'). Wir lernen ihn unter anderen aus der 
Schrift »Non pnss<^ suaviter vivi« kennen, einer Schritt die sicher 
Plutarchs Alter angehört; an dieselbe Schrift .erinnert unsere 
auch durch die autoritative Stellung, die Plutarch in seinem 
lü'eise einnimmt (vgl. Non posse suaviter bes. c. 2 Anfg.), wir 
dürfen sie deshalb nicht in eine au frühe Zeit setsen'). Die 
Wahl Zeuxipps sur GesprSchsperson und insbesondere sum 
StelWertreter Plutarchs mag nicht suftllig sein: als Laee- 
dämonier (Amator. S p. 749 G) musste er an der DiSteCik aus 

Raf^/ilfmftxo; des Clemens Alcxandrinus. IVhcr rincn iillcren n^iiaycoY* 
s. 1 S. 389 f. Dass Pädagogik und Diätetik des Loihrs sirli schon früher 
verbunden hatten, foltjt aus dem Gebrauch, den von den Worten raioa- 
Y<o-fla und 7iatöaYU)]fixY) Euripidcs Orcst.äH3 und Piaton Rep.IU 406 A machen. 

4) Zeuxipp scheint Schüler Plutarcbs in sein, wie er denn auch 
Atnator. I S p.7SS D sich cur sokratischen Richtung der Philosophie IwkenDl. 

5) Niger Ist bereits todt (U p. A), der Qnaestt. Godv. VI 7 noch 
unter den Lebenden eracheint. Das Fleischessen wird nicht mehr 
pönt, da rs durdi Gewttlunuig zor anderen Natar geworden; anders o. 

S. 181, i. 447, S. 



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Plntarch : Ueber 4. OMuniUieltslelu«, d. BMohwtoliti^iig d. Zorns. 1 67 

demselben Grunde ein beflonderes Interesse nehmen wie die 
Bdoter und vielleicht war er es deshalb gewesen der dmi 
nntarch zur Abfassung dieser Schrill bewogen hatte. 

Ebenso wea^g wird es loftllig sein dass Zeuxippos was er WUang. 
tu berU&ten bat gerade dem Moachion beriohtety der im Freun- 
deakrolae Plntarcfas als SnHiöhe Autorität oitirt wurde (Qoaestt. 
Gonv. III 40, S p. 658 A). Von mediainisGlier Seite kam er, 
hieiin ein YorlSufer Galena, der Forderung Plntarcha entgegen 
und verlangte wie dieser Vereinigung Ton Piiilosophie und 
Mediiin (1 . p. 4S2D}; unter seiner Autorität konnte sieh Plutarch 
bergen wollen. Ausserdem ISsst das Lob, das ihm gespendet 
wird (a. a. 0.), das Interesse, das er von vornherein dem Be- 
richte Zeu\ipj)S entgegenbringt (1 p. 122 D), ihn als den 
nächsten Adressaten der Schrill, erscheinen, als denjenigen 
dem Plutarch seinen Dialog gewidmet wissen wollte. 

Die Diätetik des Leibes lorderte Ergänzung durch eine üeber die Be- 
Diäteük der Seele Eine solche giebt der Dialog von der*'^^°^^« 
Beschwichtigung dps Zorns (-nrspi 700- -rjai'a;), der mehr 
leistet als der Titel verspricht: denn dir Bf i'reiung von diesem 
einen Leiden der Seele betreit zugleich von vielen andern 
und ausserdem weisen gelegentliche Winke darauf hin dass 
allen gegenüber ein analoges Heilverfahren gilt>). Dem ln-8«it#n?fficy?nm 
halt nach ist dieser Dialog ein SeitenstUck zu dem vorher- ^^'j^j^'^^'^^'^ 
besprochenen und durch hinüber- und herttbergehende Fäden lihn. 
mit ihm verknttpft^. Auoh die Form ist insofern Shnlich als 



4 ) Der %u\uii ist r.aftwv iiav<nccp(i(a 15 p. 462 F f. Gegen Unmässig- 
keii im Wein oder in der Liebe 16 p. 464 B. gegen ^'cuSoXo-^ta a. a. O. 
iwXun^YIMHriWy] 1 6 p. 4SS P f. dXXa ttdUh) 'j^u^r^c xal wo^|*ata 14 p. 46S F. 
f ) VoD der laTpcCa snclile die Schrift ttber Graundheltslebre den 
tur ^iXoMqpf«; umgekehrt vird hier von der f iXoMf (a der Weg 
sar iaxpeia gesucht, indem die (ptXo3o«p(a zwar als dir Quelle erscheint 
aus drr alle Heilung der Leidenschaft hcrfliesst '2 p. 434 A), die Heilung 
selber aber wiederholt als eine ärztliche, iaxpcia, l)czei(:hnel wird (I 
p. 453 C. 6 p. 455 E. 1« p. 461 C. 16 p, 463 F). Aber au( h im Einzelnen 
zeigen bei der Beächreibiuig der kurmethode beide ^cbriflcn Aeiinlich- 
kelteo unter rinander: so wenn sie alle Gewidlnüttd wie (fapfAana ver- 
werfB» and an deren Stelle die Ditft setzen (de sanii tuende SO p.4S4D 
de Gohib. iia S p. 451 D f.); wenn sie fordern, dass man die Leiden seiner 
Freunde beobachten soll (san. tuend. 14 p. cohib. ira 1 p. 4SSA 

S p. 455 fi f.). Wie überhaupt das ILtfiperlidie zun Gleidiniss des Gei- 



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VI. Der Dialog In der Kaiserseil. 



das Gespräch Dur der Einleitung dient und den Haupttheü 
die in KOsammeiihAiigender Rede gegebenen Vorschriften zur 
Beflcfawiclitigung des Zornes bilden INeselben sind hier be- 
sonders wirksam da derjenige, welcher sie ertheil^ sie an sich 
selbst erprobt hat und um so mehr fttr sie eintreten kann. 
Dieser — es ist Fundaniis') — wird uns durch den Anfang 
derSdii'ift von der Seelenrohe (itepl &udu}x{o(c) als Einer bekannt, 
den Plutarch schStite. Was dort über seinen Charakter gesagt 
ist, erniöglicht eine relative Zeilhesliinnning unserer Schrift'), 
die wir uns danach als Quuh der Schrill van der Seelenruhe 
verfasst denken müssen. 

Auch das Local dieses Dialogs i^t in derselben Weise 
bestimmt oder, wenn man will, unbestimmt wie das des 
Dialogs Uber die Gesundheitslehre: unmittelbar wird es nicht 
bexeichnet, aber wie dort der Zusammenhang nach Ghairo- 
neta so führt er hier weit von BOotien weg nach Italien^). 

i»ligeii dient, so müssen Vorgiingc bei Krankheiten des Leibes die Natur 
von Seelenleideo ertSutern: die dp^ wird mit dem nupcri^ (7 p. 456 DJ, 
mit einer «atappo'i«^ &ttf9sai« (13 p. 461 B f.) verglichen. Ja die Schrift 
vom Zorn greift wohl geradem In die Domino der andern hlnttber, In- 
dem Sic Vorschriften über Körper-Diät gibt (<8 p. 461 G i&trr^ov ouv ii 
eS|ji3 xtX.); ^as aber nur die Antwort daranf bt, dass auch in der Ge- 
sundheitslchrt' V(M''«'hriRen segeb«n werden, die in die Soelon-Diat ein- 
schlaRen. \vii> i:' j ]?■ 1» ims Piatons Munde. Werden dort, im mcdici- 
nisohen Berei( Ii, Plaluii Ih inokrit und Uberhaupt Philnsophen als Autoritäten 
angerufcni so hier mitten aus der Philosophie heraus Hippokrates 6 
p. 455 E). Vollende ist es natttrlich, dass auf das Gebiet, wo Körper und 
Geist sich zu ezhtfhter Wirkung begegnen, auf das Gebiet der Symposien 
beide Dialoge Ihre Vorschriften erstrecken [de san. toend. 4S p.lS6Gir. 
de cohib. ira i% 461 D). 

1! Inhalt und Form dieses Dialogs lassen sich mit Senecas Schrift 
de tranquiilitate vergleichen, ( eber die Form der letztern S. noch bes. 
0. Hensc im Freiburger Gefi ui tiins-Prngramm isy:^ S. 4 (T. 

3> Man halt ihn für identisch mit dem Miaucius Fundanus, an den 
Briefe des Plinius adressirt sind. 

3) Das irita^uvciv, welches dort (t p. 464 F; zu seiner Charakte- 
ristik dient, ist In unserer Schrift IS p. 461 B ein Merkmal des Zornigen; 
In unserer aber erscheint l'nndanus als Einer, der diese Leidenschaft schon 
seit längerer Zett in sich bemeistert hat. Die Worte I p; 466 B «al 
^X4v iffiiv ou icttpentiii^ «tvt (i*^XtKbv t6 6u|M<t6i« o66i «6tO|«tftwc ^bcop«' 
patM^luvov xtX. setsen ausserdem voraus, dass Fundaans damals bereits 
ein älterer Mann wnr 

4) Aus dem Anfang kann man die Meinung gewinnen, dass insbe- 



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Plotwch: Ueber die BeschwidiUgitng des Zorns. 469 

Wir alhmen römische Lufl. Fimdanus, wenn er auch im 
Wesentlichen Plutarchs Ansicht vertritt, thut dids doch nur 
mit Modificalionen, die ihn individuell und als R(^ioer oha- 
rakterisiren'); und Sulla, mit dem er das Gespräch ftthrt^ 
ist swar von Geburt kein Römer, stammt aber aus Kar- 
thago d. h. aus einer damals gans r5mischen Stadt >). Von 

sondero Rom der Schauplatz des Dialogs sein soll. Denn dort sagt Sulla 
< p. 453 A zum Fundonus : fY<»T* ^viaurtji (liv dcpivii^vo; il^Tdinr^u 
Se'jT^pq), O'jvdjv o£ ooi {jifjva xojxovi t:I(j.iitov. Wie vereiniL i sich aber hier- 
mit, dass nach 4 p. 453 C eine Reise (iSoiTtopta) dem Fuiulaiius dio nolhigt»! 
Mu!>sc> (gewährt sich über das gestellte Thema auszusprechen? Doch nur 
80, dasa wh* annehmen, diese Reise habe sich nicht über die Umgegend 
Roma, d. h. über Italien hinana eralreckt. Fundanas mochte eine Reise 
durch Italien machen und Sulla hierbei seinen Gönner begleiten, wie 
Plutarch den Mestrius Florus (Leben Othos c. 14). So erklärt sich in 
den angerührten Worten das ouvtov hi ooi jxfjva toutov( it£(*ircov. Auf den 
Anfang der Bekanntschaft kann es nicht bezoprn werden; denn diese 
schrieb sich, wie 1 p. 4 R f. zeigt, schon von längerer Zeil her uud reicht 
über den römisrhon Aufenthalt zurück. 

4) Dass Fuiulanus seine Eigcnlbümlichkeit nicht cingcbüsst hat, 
leigt die Parteinabme für die Stoa: die xptoci; werden vom Standpunkte 
dieser Philosophie aus S p. 457 D fttr die McOp« ^x'^^ erklärt, was der 
Memung Plntacchs dorcbaos nicht entspricht (devirtute mor. »p. 449 Et 
Zeller III<> S. 485, 4*] ; von demselben Standpunkte aus wird in der gleichen 
Frage gegen die Pcripaleliker polemisirt 8 p. 457 C, gegen einen einzel- 
nen Pcripatotiker, den Hit-rnnymus, wendet sich 4 p. 454 F. Ja die EiKPi>- 
thiinilichkoit Fnndans wird einmal so stark hervorgehoben, dass sie mit 
der übertragenen Roüe, tnu h weli her der Nutzen der Philosophie für die 
Heilung der Leidenschaften zu betonen war i2 p. 4ä4 A), in Widerspruch 
gerüth: denn 8 p. 487 B IMsst er sich verleiten die Philosophen als die- 
jenigen ra beieidmen etk fist ojx e^stv et volh IxovTe«. Hier 
kommt etwas vom alten ROmertbum aam Vorschein: und als Rdmer, 
nebenlier auch als Stoiker, bewährt er sich auch darin, dass er 4 3 
p. 461 Ff. Seneca citirt und gleich r.xi Anfnn.c sich als einen Verehrer des 
Musonius vorstellt p. '«5^! D). iiiil (les>t'ii Worten er ^ntinr das Thema 
seines Vnrtraps anschlägt; Plutarch Unit weder das liinc noch das Andere 
fVulkmüim I 43; so olt er in seinen Scluiflen da/u Gelegenheit gehabt 
hatte, nur einmal, im Leben Galbas c. 20 Anfg., erwähnt er Seneca kurz 
und dort nur als historische Person (dies spricht auch gegen die VermU' 
tbung Henses Rh. Hos. 45, 558 dass eine Schrill Müsens die Quelle des 
Dialogs von der Gcaundheitslehre war. Vgl. noch Gr^ard De la morale 
de Plutaniue S. 846, 4. 374). 

2} Mit Fug und Recht bringt er sich deshalb de facie in orbe lunae 
27 p. 842 D denn eirtv 6 X-jXXic ist zu lesen in Gegensatz zu den Hel- 
lenen mit den Worten; ou icdvta hi takAi U^cxai nap "EX^ijoiv. 



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170 



VI. Der Dialog in der Kaiaeraeli 



Natur hitte daher der Dialog in lateinisdier Sprache gefOhri 
werden sollen. Wenn es trotzdem nicht geschehen ist, so liegt 

dies nicht bloss daran, dass Platarch zu einer solchen Leistung 
nicht im Stande war, sondern erklärt sich auch aus der idealen 
H5hc des Dialogs wie der Tragödie, von der aus die Unter- 
schiede dor einzelnen Dialekte und Sprachen verschwanden*). 

Die Beiden, denen auf diese Weise zugemuthet wurde in 
fremder Zunge zu reden, werden es wohl zufrieden gewesen 
sein, da sie so dazu kamen ein vortreffliches Griechisch 
zu sprechen. Die Rficksicht aber auf Fundanus und Sulla, 
wie wir annehmen dfirfen, hat Pintaroh bei und wohl aooh 
an der Abfassung des Dialogs bestimmt Dass der Dialog ein 
Bhmdentaul Ehrendenimal fOr Fundanus ist, Hegt offen da. Daneben 
für Fandftiiiii. ^jß^^i^^ f^ig^ ^ef auch eine Widmung an Sulla verbergen, den 

Plutaroh auch sonst als Gewährsmann in rfimisefaen Dingen 
schStste (vit. Romul. c. 45) und der Ihm von der Wandelung 

im Charakter des Fundanus mochte Kunde gegeben habend). 

Zwischen Fundanus und Sulla spielt sich der Diaioc rcia 
dramatisch ab; Plutarch selbst hat keinen PiaU dariu getunden, 
er erscheint auch nicht einmal im Hintergrund. Trotzdem ist 
der Dialog auch für die Kenntniss seines Lebens nicht be- 
deutungslos. Denn er eröffnet die Perspective auf den mannig- 



4) Die Sprache der platonischen wie der plutarcbischen DialofB 

entfornl sie Ii jede auf ihre Weise von der Sprach*' Hos wirklichen Lebens 
(I S. i47 f. die der plul archischen Dialoge iosbesondere dadurch, dass 
sie den lliat meidet und damit sich einem Gesetze der oi.ti. irischen 
Prosa beugt, dem Piaton noch »eine Anerkennung versagl hall« 
(I S. S47, 5}. 

%) In weldier Form dies gcKlwheD sei, iuiin natürlich ent recht 
Gegeikstand nur einer Vermuthiuig sein. Vielleicht hatte Salin dnmit die 
Bemerinmg über den Chankter des Fundanos, die der Anfang von de 
tranquillitale enthält (o. S. 168, V, berichtigen wollen. Es ist aber auch 

möglich, dass den Anlass zu Plularrhs Sclirift eine il>m von Sulla einge- 
sandte Schilderung der Reise? bot, die flie^rr trcineinsaui mit Fundan 
cremachl hatte und welche die Scenc fui l'luUichs Dialog lici>;ibl : Sulla 
konnU) darin über dicAenderung berichtet baben, die er wahrend dieser 
Zeit Im Wesen Fnndans beobachtet hatte, and die Antwort hiemaf uiid 
der Dank Platarchs ist die breitere Aosfühning dieser Ghamktersiusie 
und ihre künstlerisdie Gestaltong xum Dialog. Vielleicht darf noch an 
das 6it4t^vf)[Mi erinnert werden, das Qcero dem Posidon einsandte (nd 
Att U 4, 4). 



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Pltttarcb: Ob die Land- oder Wasserthiere klttger sind. 474 

fachen Verkehr mit Römern aller Ari, den Pluto rrb in seiner 
Heimath und in Italien angelmfipft hatte und den er sein 
gansee Leben hindurch pflegte. In dem Namen Mestrins 
PlntarehuB*) trug er es sur Sohau dass er der Yermitleler 
beider Nationen sein wollte. Dasselbe lehren seine Dialoge, 
in denen Griechen und Rffmer in bunter Gesellschaft sich durch 
einander bewegen: was früher Anstoss gegeben hatte und 
nicht über schfichteme Anfänge gediehen war {I S. 542, 1), 
das erschien jetzt natürlich und \vur<ie durch die Verhältnisse 
des wirklichen Lebens last gebieterisch gefordert. Plutarch, 
indem er sich dvm fügte, ist doch nur in diesem einen Dialoge 
so weit gegangen dass er den Fremden die Bühne de» grie- 
chischen Dialogs ganz überliess. 



Mit dem nSchsten Dialog, der hier tur Besprechung icommt, i^aiog 
sind wir wieder in Plutardis Heimath und unter Griechen. ^^^J^', 

»Oh ni« Lind- 

Die Frage nach der ZuISssigkeii des Fleischgeousses 'hatte oder wasMr- 
Plutarch von jeher beschäftigt; in eigens darauf gerichteten J^**"* 
Reden und im Gry Hos hatte er sie behandelt (o. S. 134, 2) 
bald mehr rhetorisch spielend bald .ils Schüler der Pytha- 
goreer mit einem Anflug religiöser Wärme. Nebenher halte 
er dabei auch die verrufene aoTj^aYta seiner speciellen Lands- 
Icute im Auge (de esu carn. 16 p. 995 £j. In einem andern 
Zusammenhang musste dieselbe Frage wieder auftauchen zu 
einer Zeit, da er wie in den eben besprochenen Schriften 
eingehend die Diätetik des Leibes und der Seele erörterte, Ansiohua tbw 
und auch da wie sie pflegt sich su der allgemeineren nach^"^''^*'^°^ 

^ • » i 'ö' Thier oad 

dem Yerhutniss von Thier und Mensch flberliaupl erweitem. Kmoh. 
Die Stoiker hatten auf diese Flrage, als echte Nachfolger der 
Kyniker, rücksichtslos und schroff wie diese geantwortet, in- 
dem sie für die Ethik nicht bloss, den einseinen Menschen 

von seinesgleichen, sondern auch die Gattung von anderen 

Gattungen lebender Wesen isolirten; während die Peripatetiker 
mit vornehmer Kälte die Geisteswürde des Menschen betonten 
und ihn vermittelst derselben so hoch über das Thier erhoben 
dass ( in Hechtsverhaitniss zwischen beiden vor ihren Augen 
nicht bestehen konnte. 



4) S. darüber jetzt DiUcabcrgcr zu inscr. Gr. SopU I No. 3422. 



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472 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



Fjtiugonif- Gegenüber solchen Ansichten, wodurch jedes sittliche 
und i^eumthliche Band zwischen Thier- und Menschen v\ i' Ii 
zerrissen wurde, zog es PluUirch \«ir die alten Wege des 
Pythagoreismus weiter zu wandeln. Verschiedenes konnte 
ihn hierzu bestimmen. Als Bewohner einer Landstadl hatte 
er zu den Thiereu von Uaus aus ein treundlicheres Ver- 
bfiltniss; ausserdem suchte sein milder Charakter überall zu 
versöhnen im Leben und der Natur, in Theorie wie Praxis'); 
vor Allem aber war er der Sohn seiner Zeit. Dieselbe führte 
ihm nicht bloss graosame Thierhetsen vor sondern madite ihn 
auch zum Zeugen einer erstaunlichen Gelehrigkeit derThiere^ 
und nährte so durch Hitleid vrit durch Bewunderung seine 
Thierfreundschaft; eben dieselbe konnte ihn aber auch mit 
einer sentimentalen Liebe sur Natur erfttUen, die im Streben 
nach Wiedervereinigung mit dem Gegenstand ihrer Sehnsucht 
vorab auch den Thieren wieder gewisse Rechte den Menschen 
gegenüber einräumen musste^ . Dass Plutarch in einem Zeit- 
alter der Humanilätssucht in der Verschwendung der Menschen- 
rechte auch an die Thiere nicht zu weit ging, davon hat ihn 
wohl nur zurückgehalten die Rücksicht auf die .lagd, an der 
sich in Böotien eine rüstige Jugend freute und in der auch 
Piaton eine Körper und Geist heilsame Uebung erblickte^). 
Vorans- Diese Ansicht, ein modificirter Pythagordsmus "^j, war im 

"ftflgSüh^** Wesentlichen diejenige auch seiner älteren und jüngeren 
Freunde, mit denen er verkehrte. Gans ohne Widerspruch 
und iwar heftigen schein! sie sich indessen nicht behauptet 



i} Greurd De ia moralc de IMutarquc S. 118. 146 (T. 
S) Priedländer Dsratell. n* S. 87» ft, 

8} Die SentlmentalltKt ruft einen Zustand surüdc, der nicht bloss 
als fabelhafter im goldenen Zeitalter e&istirt, soDdern wiriüidi einmal 
vorhanden war. Dass man noch in historischer Zeil ein reehtliclies Ver- 
hültnlss zwischen Thier und Mensch anericannte, beweist Piaton Gess. IX 

S73 E. indpin or hfslimmt, dass auch ppgen Thiero (Jic Kl^f^o il.^«; \!'»rdes 
crhobfti und ein gerichtliches Verfahren wider sif crolTiiel werde: ich 
haltt: It immer Hie alte Ansieht für richtig, dass diese Bestimmung 
nicht vom Ptiilosojdien erfunden, sondern bestehenden Institutionen Athean 
entlehnt ist. 

4] Gess. Vli 818 B ff. bes. 8S4 A. Vgl dasQ de sollert. «nlm. 7 
p. 984 D. 9 p. 968 F. 

5} Vgl. auch o. S. mtyi. 



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Pmtarch: Ob dto Land- oder Wosserthlera klüger aind. |73 



SU haben. Nach seiner Weise aber hat ihn Plutarch uns nur 
wie von fern geseigt*). Für ihn beginnt das Behagen am 
Dialog erst da wo der Bodeo einer Versündigung vorhanden 
ist und ersi von diesem pflegen deshalb seine literarischen 
Dialoge ausragehen. So hören wir von einer Lobrede^ die Lobrede a«f 
Pltttarch auf die Jagd gehalten und in der er jung mit der ^ 
Jagend werdend wieder in seine alte rhetorlsehe Manier ver- 
fallen^). Die Bede that eine grosse Wirkung. Alter und 



4 J Er ist engedeatei in den Worten Antobuls 7 p. 664 D: üUn — — > 
DXdbowoc &^ou|aIvo» icbnvoN o6(a&s vUk» A SiteXopt, sie ^ ^l- 
poCf ToU H"*^ <piXo|ui](cfy, liufftoi xal |MtvMvtiv ßovXoialwetc. Dass der 

ungenannte iralpo« Plutarch ist, werden wir aogleldi sehen. Ueber Plutarcfas 
Weise, hcfligon stütrndcn Stirit von seinen Dialopon fem zu tiüllon, s. o. 
S. 165 f. In Plutarfhs Kn'isc {zing keineswegs inini«ir friedlich zu: diiH 
zeigt auch in dem Dialog uIht die (lesuitdluMlsielire der Arzt Tilaukos, 
der sich zu dem dortigen uugenauuten «.taipo;, li. i. N^iedtiiuiii l'lulurcti, 
ebenfalls als ^ tXo|Mix&v verhttlt (i p. Itt G f,}. 

S] 1 p. 959 G %ak <|dp ixctvoc Oo^ |mi t6 ^T]Topt»ftv l^lpoc Ml jfi6^ 
vou, x^P^C^i**^^ *^ euwf apiCoiv toTc |»et|>ax(otc. Der VerCtaier des irpudt- 
[MOV wird nur mit dem unbestimmten ixetvoc bezeichnet. Trotsdem haben 
schon Andere darunter Plutarch erkannt und in Folji^o davon auf eine 
vcrl(»n'ue Schrift Plutarchs geschlusseii , deien GcKensland das Lob der 
Jugd war. Dieser Schluss ihl imu nicht so ganz iiicher, da die Schrift und 
ihre Vorlesung auch tingirt sein könnten um den folgenden Dialog daran zu 
linttptiBn. Dann aber, daaa der Ungenannte Plntareh vorstellti wird ÜMt- 
Sttbalten sein. EbenfiUlB als ungenannten itoitpoc haben wir diesen schon 
im Dialog Ober die Gesnndheltalehre gefünden (o. 8. 469) vgl. voriStiflg 
noch de Pyth. orac. S9 p. 4S0C Die Ansicht, die der Lobredner der 
Jagd über die Gtadtatorcn geiiussert haben soll (1 p. 959), lauft aiil die- 
sellte Missbilligun^ dieser Schauspiele hinaus, die sich in den Worten des 
v\)] klirln i! Plutarch Nun possc suaviter vivi 47 p. 4099 B anspricht. 
Mu üciu Lubreduer dUrfen wir aber auch den Piatoniker 7 p. 964 D ideo- 
tifisiren, der gleichfidls ohne Namen nur als iratpot des Soklaras und 
Saibn Atttobuls erscheint: denn der Platonismvs besteht in diesem be- 
sonderen Falle in der Anerkennung des Nntsens, den die Jagd bringt (o. 
S. 471, 4); und wie der Solm Autobuls in seinem Kreise als Lehrter wirkt 
— sonst konnte Autobul nicht das Streiten mit ihm missbilligen und 
vielmehr zur Nachfoice und zum Lernen auffordern — so muss auch der 
Lohrvdiier eine ähnliche Stellung in demselben hii'ise einpenommen 
iiaben, da sich nur so die allgemeine und grosse VVirkuug erklärt die 
sdn Vortrag hervorbrüogt. Dieser andere Ungeuanotc trügt aber als Pia- 
toniker und als Freund des Soklaros noch swei Züge mehr des histo- 
rischen Plutarch an sich. In wie fem Autobul ein Recht hat als der 
Vater Plutarchs zu gellen, soll nachher erörtert werden. Vgl noch Muht 



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VI. Der Dialog in der KAisenelt. 



Jugend wurde davon ergriffen; in den Einen erwachte die 
frohere Leidenschati von Neuem, die Anderen fBhlten sich noch 
mehr mr Jagdlust entflammt; bei Alien litterfe der Bindruck 

des Vortrags, wie es natürlich ist und wie wir es öfter nament- 
lich bei Plutarcli beobachten, in einer lleihe von Gesprächen 
nach, die besonders aut die in der Rede gerühmte List und 
Klugheit der Thiere sich bezogen (2 p. 960 A\ Hit-r schit den 
sich die Freunde der Jagd in zwei Parleitii, je nachdeui sie 
die Jagd auf Land- oder Wasserthiere betrieben; die Einen 
nahmen alles Lob der Klugheit für die Land-, die Andern iHr 
die Wasserthiere in Anspruch. Man erhitzte sich gegen einander 
und ruhte mit solchen halb emsir halb scherzhaften Gesprichen 
auch wShrend des folgenden Symposions nicht 

fhmrif. 2u der Zeit, da die BQhne unseres Dialogs sich aufthut, liegt 
dieses unruhige gShrende Getriebe bereits um eÜDien Tag lurficL 
Noch befinden wir uns in Ghaironeia>), die an den froheren Ge- 
sprächen Betheiligten erscheinen wieder und wollen der Verab- 
redung gemlss den Streit fortftihren: aber die Leidenschaften 
sind verraucht und Alles nimmt einen durchaus ruhigen ordenl- 

pMim». liehen Verlauf, Zuerst treten zwei ältere Männer auf^', Auto- 
bulos und Soklaros. und recapituliren in ruhigem Gesprätti 
die Vorgänge und Keden des gestrigen Tages. Sie stellen 

Plnt. Studd. S. U. Data der Verfasser der Lobrade, also Platarch, tvieder 

JVDg wird mit der Jugend, wie es heisst, und in seine frühere Rhetorik 
zurückfällt, gibt einen Wink mehr über die vorausgesetzte Zeit der Scene. 
Plularch ist ein reifer Maurr seine athenische Studienzeil lii^et hinter 
ihm; was Aristolim sngl 13 p. yey E 5 ol ttct^oe; iu.ärv i-^^toza'* aitot 
o)^oX(i!;ovT£c 'Aft^vtjotv xtX., goht nat virlich auf ciu personliches Erlebnis« 
Plularchs zurück; es ist dies eine Bestätigung mehr für unsere Vermu- 
thung, dais ttoter dem Ungenannten sidi Plntorcii selber vertleckl, denn 
wenn Aristotim ein HiCglled des Kreises ist^ der tu nntardi als Lebrer 
anfbUckte, so stand er xn diesem in einem Alters varbiltnias, dnss sein 
Vater redit wobl ein Studiengenosse Plutarchs gewesen sein konnte. 

1) 9 p. 960 B. 33 p. 975 C. Dieses Symposion vollendet das Bild 
ei Des (.beschlossenen Kreises, eines Thiesoe der sieb um Plularcb versem- 
mell liaile. 

t] Dm ergibt der Zusammenhang, uaim nili« h dit' Personen; au««- 
gesprochen ist es so wenig als in detu Dialug über die Gesundheitsiehr«. 

t) Naeh Antobuls Anrede & f Am I p. 959 B k<biirte man oseinra, 
dass er ausser Soklaros nodk Andere vor sich riebk Ans ft p. Mt C 
(find ae&) und 7 p. 964 C (jk ffU) ergibt sieb Indessen das GegentbeiL 
Es ist deshalb aueb an erster Stelle fCXot in f(Xs n indem. 



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Platarch: Ob die Land- od«r Wassertliier« klttger flind. 475 



damit zugleich das Programm des heutigen auf und bereiten 
für deü zu erwartenden Streit der Freunde der Land- und der 
der Wasserihiere den KampfplaU vor, indem sie nach der 
Lobrede noch übrige Bedenken gegen die Jagd beseitigen 
und den allgemeinen Bodoi der folgenden Discussion, die 
VemQnfligkeit der Thiere, gegen prinoipielie EinwQrfe der 
Sloilcer iuidPer]petetiker>) befestigen. SokUros ist der Freund 
AiUobnlos der Taler Platardw, dem die PletSt des Sohnes die 
HauptreUe in dem vorbereitenden Gesprflehe sugewiesen hat 
Dos Kid des Letsteren ist dasselbe, das wir uns von ihm ans 
andern Nadiriohten machen: er fk^ut sich an der ThStigkeit 
und den Erfolgen seines Sohnes^), ohne Philosoph zu seiu^) 
nimmt er doch am Lebüu der Schule Theii^), giebt bald An- 
dern das Beispiel des Lernens und Forschens ^) bald gebärdet 

I] Aalobul gibl auf aeioe S p. 9S9 F geäusserte Bedoiken selbst die 
Antwort 7 p. 965 A t 

1) % p. 96« B. 6 p. 96t F. 

5) Doch muas er bedeutend «Iter gewesen sein, da Ihn Autobnlos 

8 p. 965 C als iihxiimfi bewtchnet. 

4) Es ärgprt ihn, wenn Antlrn- sf'iiu'iu Sohne widersprechen und 
uicbt gleich bereit sind vun iliiu zu lernen. Das liegt in den Worten: 
Sttxvuoiv o'jp.6; ulo; — — toTc ji-'^) tpiXo|Aayc?v, fTtaftai Tt^i uav3d[ve!v 
(io;jÄO{i^vot( ^7 |). 964 D]. Er selbst ist QuaeüU. Con\. 1 i p. 616 A ^eni 
bereit mit seinen SOhnea zu lernen, aamentUcb wenn es sich wie auch 
In UMfem Dialog um platonlache Lehren handali 

8} Vgl. vor. Amnkg. Was er In mtserem Dialog gegen die Stoiker 
vorbringt^ selgt im Allgemeinen keine tiefSore philosophische BUdung, son- 
dern ist eine Polemik mdir vom Standpunkt des gesunden Menschen' 
Verstandes nxis. 

6) Bei dem Symposion, das nach der Reile auf die Jagd stattfand, 
hatte auch er nicht gefehlt (2 p. 960 A u. B). Zu deni<%elben Zwecke int 
er mit Plularch und dessen Schülern auch Qoacstt. Conv. VII 8 f. ^vgl. 
bes. 8, t p. 655 F) vereinigt; die Gesellsctiaft wird in seinem Hause ab- 
gehalten, da er das Opfer darbringt. JedenfeUs gehört der ganse Vorgang 
nach Caudronela, und nicht nach Athen wie Herttherg, Grieehenl. unter d. 
R. II 46i, 6*, anranehmen scheint. Derselbe Ist au seinem Irrthnm wohl 
veranlasst worden durch Missverstfindniss theils der Anfengsworte 
CAWjvTjoi) theils des Ausdrucks toi; «ptXooo^ov^i pietpaxtot; |i.c8' :fj|iä»v, 
worunter er Studiengenossen in unserem Sinne \ erstand wöhreicl iiuch 
antiker Anschauungsweise auch die Schüler i'hitarchs so heissen kumtien. 

7) Vgl, o. Anm. 4. Er fügt sich keineswegs bitnd der Autorität 
und hat deshalb auch gegen die Lobrede auf die Jagd seine Bedenken, 
die «r erst In Folge einer genaueren Erörterung beseitigt (0. Anm. 1). 



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176 



VI. Der Dialog io der Kaiserzeit. 



er sieb wie der Leiter oder doch der I-Mlmn des Vereins, der 
die Probleine stellt an denen die Uebrigen sich versuchen 
sollen '\ Durch s( ine Persönlichkeit und ihre Stellung legi 
er ein klares Zt uLuiss ab über eine der eigenthOmlichsten 
Seiten der plutarchischen Gesellschaft, dass nämlich darin die 
Schule aad Schule ffewissermaassen in die Familie aufgeaommen wurde 
oder doch das Leben der einen mit dem der andern auf eine 
kaum jemals vor oder nachher wieder erhörle Weise sich 
durchdrangt). 

Gang dM Der folgende Dialog lebrt uns die Schule noch weüer 
iMaios>< kennen. In twei Ghdre geordnet treten jfingere MÜgUeder 
derselben auf, sum Theil aus andern plutarehisohen SchrilWn 
bekannte Namen, und sind gerOstet die Einen die Sache 
der Land-, die Andern die der Wasserthiere lu fahren^ 
Trotsdem entsteht kein tmualtuarisoiier Streit sondern Alles 
wird zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren eingeleitet^) 
(8 p. 965 Kj. Erst naclideiu die Uichler bestimmt sind^) und 



1) So Quaestt. Conv. III 7, i p. 655 F (7tpoüß<j).£ C^retv Xi^ov). 8, 1 
|) f 'f; (]. Darauf dass er es war, der das Problem Kcstellt hat, gehl auch 
in unserem Üiulog 2 p. 960 A v.apiayitity — — £|j.t>J.av. — Einen Zug 
von Familieiiutiniiclikcit zwischen dem Autobui des Dialogs und Plutardi 
b^rttndet auch der Widerwille des Erstereo gegen das ^ tXovraif« «pic 
^-^Osiov 5 p. 96S F. 7 p. 9S4 D. Im fJebrigeB vgl. Muhl Plut. Stodd. 
& SS C. 80 f., mit dem to dieser HiDSicht ilberelnstimml Graf CoromentetL 
Hibb. S. 68. ^Vi in m I tn^st ( ingesehen hat, kann an den ^eichnamigeD 
Sotjn Plutarclis nicht l:('<1ii( ht wndcri: denn Aristotioi war imtor Vt^ps- 
siaii in Rom (19 p. 97i A und Arislotim wird im Dialog den Jungen bei- 
Ktzüüll, f>o dass die Scenc des Dialogs nicht zu lan^e nach Vespasiau 
angesetzt werden darf. 

i) Vgl. auch I S. 548 über die römische Weise seine Schrift ikm 
Sohn SU widmen. Was sonst der Art noch vorkommt, PlatoDs Brodcr 
io der Republik und Speusipp sein NelTe als Erbe seiner philosophlsdieo 
Lehre und Stellung und Anderes der Art, ist vereinzelt geblieben. 

3) 8 p. 965 C f. Man wird an die PhilosophenchOre in Ptaton« 
Prota^. p. 315 B. D. erinnert; auch die VerbrUnung mit Homerversm 
ist. in beiden Fallen ähnlich. 

4 8 ]). 9ß5 R. vgl. auch rp<5x).T,at; u. ouvf,YO|>oc 9 p. 960 A u. B. Dies«! 
Eiuklctiluu^ dos Dialogs bot sich von selber dar: datier wir sie besou« 
ders in den prooessualischen Allegorien des Mittelallers finden, ttber welche 
vgl. Bäcblold Gesch. der deutschen Literatur in der Schweiz S. Sit. 

5) Autobttlos und Soklaros cooptiren sich in dieser Hinsicht ihre« 
Aliersgcnossen OplatU!» 8 p. S6S D f. 



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Platarch: Ob die tand' od«r WasMrthiere klüger sind. 477 

Alle sich gesetzt haben, beginnt das Redeturnier: erst hat 
Aristotimos das Wort um den sich die FreuDde der Landthiere 
schaaren; sodann spricht Phaidimos zu Gunsten der Wasser- 
thiere, den vorher der auf seiner Seite stehende Heiakleon 
noch einmal durch einige kurse Worte hieriu ermuntert hat 
(c. 23 p. 975 G). Im Namen des Rit^teroollegiums thut So* 
klares den Spruch und schliesst das Ganse. Eine steife 
Symmetrie der Anlage drängt sich der Betrachtung auf: die 
Allen bilden die Bichter, die Jungen streiten; auf Seiten der 
Wasserthiere stehen wie es scheint lauter Insel- und Küsten- 
bewohner, umgekehrt auf der andern die Biniienläuder ; auch 
in den beiden Reden herrscht dieselbe Schablone Der 
rhetorische Churaktor^] wird durch die Wahl des Themas, 
eiuer au-j^-pt"'.;^;; nuch verstärkt. 

In dieser üuigebung mulhet die Unterwerfung der Parteien Sclii«dnioht»r. 
unter einen schiedsrichterlichen Spruch uns weniger treoidartig 
an. Mit dem Wesen des echten Dialogs, der es den Theil- 
nehmern gerade erleichtem sollte, selbständig und unbeeinflusst 
durch äussere Auturität sich eine eigene üeberseugung zu bil' 
den, wäre dergleichen unvereinbar gewesen. Trotsdem triflt 
Hutarch kein Vorwurf, dass er sich dieses deus ex machina*) imn » 
bedient hat: den urwQchsigen Dialog hatten längst schulmässige 
Disputationen in den Hintergrund gedrängt; man war gewohnt 
die Jugend vor ihren Lehrern, griechische Philosophen vor den 
Fürsten der Dtadoohenseit, vor rOmischen Grossmi und vor den 
Raisem disputiren su sehen; derEinfluss der ältesten Bhetoren- 
schulen ist auch hier wirksam gewesen und der Dialog hatte 
damit eine Buhn eingeschlagen, die er in Vers und Prosa bis in 



1y Hierher gehurt auch, Uuss sowohl die Hede des Aristotiuius wie 
die des Phaidimos in einer Art voo {a09o; ihren Abachluss findet (SS 
p. 975 G II. M p. 9S5 A ff. bes. G). 

S) 98 p. 975 C: 06 miStd 'A XP^I*^ Xirfm fifvts^ dXk* i^niutm 
d-^an xal ^ijTOficfa «tY^Xtomv imhio'jia xai ßV]p.aTo; sagt lleraklei)ii, nach- 
dem Aristotim gesprachon. Das ^YxaXXoiitisaoftai der jUDgen Leute halte 
schon Autobul 5 p. 963 C voruusgesa^'t. 

3) Das Wort auf die vorliegende Yergieicbuog angewandt findet %ich 
4» p. 973 A. Vgl. auch o. S. <27, 4. 

4} Einen anderen deus ex machina bemerkten wir I S.534 T. iui Dialog, 
der also auch hier auf seine Weise die Eetwiclilung des Dramas durch- 
macht. 

Hfrt«l, DUtog. O. 1) 



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478 



VI. Der Dialog in der Kaiseraeit. 



die Streitgeilichte des Mittelalters hinein verfolgen sollte^). In 
so weit erscheint das Auftreten von Schiedsrichtern natürlich und 
berechtigt, sumal in PJularchs eigenem Kreise es nicht anders 
wird zugegangen sein. 

Biiiw»htMinf. Aaftallend ist nur die Entscheidung, die sie filUen. Die 
Frage war: sind die Land- oder Wasserthiere klOger? Das 
Urtfaeil lautet: die Lobredner der einen wie der andern haben 
Recht^ die Wahrheit kommt heraus wenn man beide Meinungen 
verbindet, oder mit anderen Worten, sowohl die Land- wie 
die Wasserthiere leichnen sich durch Klugheit aus^. Dieses 
Urtheil wOrde Mutarch vielleicht durch den Hinweis auf 
schiedsrichterliche Erkenntnisse, die jeder Partei ein gewisses 
Maass von Uechl zugestehen, oder auf Dialoge, in denen keiner 
der Streitenden ganz irrt, sondern jeder ein Körnchen Wahr- 
heit sagt, vertheidigt haben. Ein solcher Hinweis würde ;d»er 
nur dann am Platze sein, wenn die Frage gestellt gewesen 
wäre, ol) die Wasser- oder die Landtbiere Vernunft halien. 
In diesem Falle konnte die Entscheidung lauten: sie haben 
beide welche. Nun ist aber die Frage vielmehr: wer von 
beiden hat mehr Vernunft* Und diese Frage wird in der 
VcrhüitnisB m gegebenen Entscheidung ganz umgangen. Auch liat Plutarch 

d«a QaeUon. ^jiesen Fehler nicht gans freiwillig begangen sondern ist daiu 
durch die BeschafiTeDheit seiner Quellen genöthigt worden. 



1) Vgl. O.S.476, 4. Ansätse luna man schoa l>ei PI«lon finden: Protag. 

$37 E. Sympos. 1 75 E. Den »bODOrariU!^ arbiter« im Streit der Philo- 
so|)hensf huloti cr>\ühnt Cicero Tuscul. V 120 u. de fato 39. Bei Tacilus 
Dialog. (-. 4 f. wird Secundus zum judex vorgeschiagen , iehnt aber ab. 
Ein wcik'iw BeispiH finh Favoriii O. S. 4 23, 4. Vtrl. noch I S. 484, 8. II 
S. 24, 2. Mein lijidcu sicli bei Plutardi; yuae^tl. Couv. I 2,2 p. 616E, 
IX 45, 4 p. 747 B. Non posae snavltar 4S p. 1096 F. Amator. I p. 7Se A. 
Die Namen dea Richten aind verschieden: xpirr);, (ntaatiljcp Statnjtil^c, 
ßpaßcutif)«. Vgl. noch de genio Socr. 18 p. ftSSA und das (tMOtl^tov n 
Anfang von De unius in rep. doniin. Ausserdem a. Hamadc Teste u. 
Unterss, VIII 4 S. 47 f. Aus dem Mittelaller kommen die sogenannten 
•»T.iebeshöfe" in Betracht. Ein Streilgedicht zwischen Ro<ie und Veilchffo, 
tl;is mit dem Litlieil des Richters schliesst, theill Adolf Tobler mit: Ar- 
chiv 1. d. Sludiuui d, neueren SpraciL. 90, S. 4 54 fT. u. s. w. 

Tootl Y^^P ^ T^p^i dXXifjXouc clp'/jxoit auvöivxtc tl^ Taurov djjL^öxe- 
pet wtk&i dYwvuTots «otv^ npö; to6c td C^p« X^you ««d «wlai«« dxooit* 
po^vrac afnd die Worte» mit denen Soiüaros die Verhandinng und den 
Dialog schliesst. 



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Pliitarch: Ob die Land- oder WaMerfhiere UQger sind. 



47d 



Einen in anderer Form gegebenen Stoff wollte er lu etnem 
Dialoge gestalten. Aber dieser Stoff war fttr den Zweck eu 
sprOde, d. h. hing su sehr In sich sosammen, und konnte 
daher mit aller Gewalt nur vorllbergehend xa einem Dialog 
aus einander gerissen werden i), so dass sich Plutarch 



i; Auf die Quellen unserer Schrift luit man in neuerer Zeit Üfler 
hingewiesen: Chrysipp (Th, Birt De Halieutieis S. 69 ff 83 (T. DIels Berr. 
der Berl. Ak. IX [4893j S. 113, 1} Thcophrast (Joachim De Theophrasll 
librte ntpX Ctpwv S.I0..4S) Xenoknites (Rieh. Heinze) Xenokr. S. 1 52). Ein« 
andere Quelle bat uns aber Plutarch selbst 17 p. 97t B In Juba genannt: 
vgl. hlersu Wellmann Im Herrn. i6, 484. 684 ff. S7, 889. 895 ff., nach dessen 
Meinung Plutarch den Juba nicht direct sondern durch Vermittelung de^ 
Alexander von Myiiilii^ hiMinlzt haben würde. Eine BenutziiiiL: Jnb^s in 
noch gröäi^reni Muassistabe voruii^/.uselzen ii^t man wohl nur durch die 
Meinung verhindert worden, die Aut^alien Juhas seien seinem Werk über 
Libyen eutuomuien. Nun bemerkt aber Wellmann selbst (Herrn. 27, S. d98j 
dasa die Elepbantengescdiiditen nach den geistigen Ftthlgicelten des 
Thieres geordnet waren. Dies Itthrt nicht In eine gewöhnliche Land- 
oder Naturbescbrelbang sondern setzt eine Schrift von ähnlicher Tendeni 
voraus wie Aelians Thiergeschichte. Eine solche, den Pythagoreern ver- 
wandte, Tendenz dürfen wir aber Juba wohl zutrauen, der dir Si hi iflen des 
Pythagoras sammelte (Zcller Phil. d. Gr. V '97; und auch in seiner l^olyhislorie 
den Pythogoreer verröth (roXop-adir^ dem Pylhagoras schon von Heraklit 
t)r*4SByw. vorgeworfen; ausserdem denkt man au Alexander Polyhistor, 
NIgidins Fignltts, Varro, Hyginus). Diese Schrill Juhas oder auch) wenn 
Wellmann Recht hat, diejenige Alexanders von Myndos würde ich fttr 
Plutarchs einzige Hauptquelle halten, wenn nicht die Disposition der 
beiden Reden im Wege stünde. Neben der Eintheilung nach den Thier- 
arten geht nämlich, wie man leicht bemerkt, noch eine andere her n«rh 
den Tugenden der Tliiere. Dieselbe durchkreuzt die .mdere l'oi tw idnenii, 
so dass bald eine einzeine Tbierurt Anlas» gibt von ilcu Nerschiedenen 
Tugenden zu reden, dorcb die sie sich auszeichnet, bald eine Tugeud cur 
Kategorie wird, unter der verschiedene Tbieie, in denen sie cur Ersehet- 
nong kommt, untergebracht werden. Die Eintheilung nach den Thier- 
arten geht auf Juba oder Alexander zurück (Wellmann im Herm. 26, 587}. 
Die andere künnte man für diejenige halten, welche Plutarch selber seiner 
Darstellung: ^'ah, in die er jedix b d;is aus seiner Quelle geschupfte Materiid 
nicl>t So \ er<n heilete dass au demselben nicht ein Rest der früheren Ein- 
theilung haften geblieben Wäre. Diese Annahme setzt Jedoch voraus dass 
die von Plutarch gewählte Eintheilung dem Zwedt seiner Darstellung 
entspricht. Das Ist aber keineswegs der Fall. Mit der e6Y«ptotc der Land- 
und Wasserthiere hat eine solche Eintheilung nach dm Tugenden nichts 
zu tbun. Welchem Zwecke sie dient, sagt uns Arfstotim zu Anfang seines 
Vortrags 49 p. 966 B ff. Wir sehen daraus dass eine Polemik gegen die 



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480 



YL Der Dialog ia der KaiMRelt. 



schliesslich su dem Bekenntniss genöthigt sab, es sei eigenU 
lieh zu dem gansen Streit gar kein AdUss gewesen. 
AilMitnraiM. Wir kennen diese Arbeitsweise Plutarcbs schon aus 
froheren Schriften (o. S. 431 f., 4 40 f., 453). Damals galt sie 
uns unter andern ids ein Kennteichen des rhetorlsdien Cha- 
rakters und als solches werden wir sie auch jetst ansehen 
AUiuiavgiMit. ohne doch den gleichen Schluss auf die Abfassungszeit daraus 
zu ziehen Mit mehr Grund weisen wir die Schrift derselben 
Periode zu wie die beiden vorher besprochenen. Ptutarch 
wird im Dialog zwar nicht genannt, ist aber doch im Hinter* 
gründe sichtbar und erscheint als der anerkannte Mittelpunkt 
eines aus Verwaiidu n und Schülern bestehenden, durch 
Freundschaft und Wissenstrieb beseelten Kreises. Ueberal! 
blicken die Beziehungen auf die grosse Hauptstadt der Wcllj 
auf Horn, durch mit der Plutarch längst durch engere per- 
Stoiker, welche den Thieren die Vemanli absprachen, sich passend in 
dieser Weite gliedern lies«. Polemik gegen die Stoiker ist es, weldie 
die Reden des Aristotimos und Pbaidimos nach sonst durchsieht (It 
p. 969 B. 19 p. 97S A. S4 p. 982 D. 36 p. 984 D) ohne von deren Thems 
L>i)j;cntlieh gefordert zu sein. Hiernach wird eine zweite Quellenschrift 
Plutorchs anzunehmen sein, die ganz » iftMi^ t^'t-cn <h>' Stoiker loszog und 
nm der inrin sich auch die allgenu iiu'u S uii»emerkungen Aiilohuls enl- 
noniinen üL-nkeu kann. Neben den Uterarischen Quellen hat auch Flu» 
tarcbs eigene Erfahrung Material heigcsteaert: denn was die Personen 
des Dialogs aus ihrer Erfohrung berichten, stammt natürlich aus der 
Erfahrung des Autors. Ausser dw Vermischung dieses dreifiichen Mate- 
rials l>os>tand Plutarchs Arbeit an den Reden des Aristotim und PhaldinuM 
noch im HinsufUgen von gegenseiUgen Invectlvcn, von der einen Seite 
gegen die Wn«sHer- von der andern gegen die Landlhicrc 9 p. 966 A. 
U p. 970 B. tk p. Ü77 B. 978 E f. 25 p. 977 D. 28 (• '»T- \ l A^J p. u79 D. 
34 p. 984 B). Dergleichen konnte Plutarch in den \ urausgt sci/ten Quellen- 
schriften nicht fluden. Darum sind ala^r auch diese Invectiven, die von 
Rechtswegen das Ifeisie xur Entscheidung der c6Yx{>t9u hätten beitragen 
müssen, so leer und windig geworden, dass sie das Urtheil des Richters 
unmöglich, weder fUr die eine noch fttr die andere Partei, bestimmen 
konnten. 

1) Noch Friedländer Darstellungen II' S. 380, 2 setzt die Abfassung 
unter Vespa^iun. Dies ist eine Vorwechseiung der Zeil der Abfassung 
mit der ilt i S< enerie, s. o. 8. 176, 1. 

t) ri xaKii FtOfATj sagt 5 p. Uti^ C Autobul. Das Lpilheiun darf man 
Indessen nicht su ernst nehmen, obgleich es Öfter, namentlich in Piatons 
Phnidros, missverstanden worden ist. Es wird bttufig ironisch gebraucht; 
noch dfler aber ist es ebenso wie seine Synonyma zu einer Art von 



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Piutarcb: Ob d. Lao(i-od.Was»erlbiere u.s.w., uh.d. Mondgesicht. 

söaliche Fäden verbunden war. Dies ist «lor gleiche Boden, 
auf dem sich die Dialoge von der Gesundheitslehre und von 
der Beschwichügung der Leidenschaften bewegen. Mit dem 
erstercn derselben zeigt sieh der Plufcarch unserer Schrift auch 
noch einverstanden hinsicbtlicb des modißcirten Pytbagoreistnus, 
dem er huldigt (o. S. 1 72, 5). Der rhetorische Charakter kann 
daher niehi als ein Zeichen der Jugendlichkeit des Verfassers 
gelten, sondern verrSth höchstens dessen Absicht sich wieder 
SU veijflngen und so dem Geschmack und den Neigungen der 
ihn umgebenden Jugend entgegensukommen 



Mit den Jahren tritt auch bei Plutarch die Naturphilosophie Matar- 
neben der Ethik stärker hervor. Mehr und mehr fühlt er P^^'^PW«. 
sich zur unsichtbaren Welt hingezogen: Fragen nach dem 
Wesen der Seele und ihrer Unsterblichkeit beschäftigen ihn 
und unermüdlich ist er die Fruchtbarkeit seiner Däuionen- 
lebre dnrziithun, die er uns immer wieder von neuen Seiten 
zeigt und in deren Aus- und Umbildung er sich nicht scheint 
genug thun zu können. Seine Pliilosophie begiebt sich in den 
Dienst der Religion, sie wird zur Theologie, insbesondere ist 
dem delphischen Heiligthum sein Donken und Thun gewidmet: 
schon Ammonios hatte dasselbe xum Gegenstand von Ge- 
Sprüchen gemacht^, die er an Ort und Stelle mit seinen 
Schillern führte'), wie ja seit Sokrates Piaton und Kameades 
die Akademiker sich rOhmen durften die AuserwShlten des 
Gottes su sein; dieser Neigung noch mehr Nachdruck su geben 
kam bei Plutarch hinxu die Nachbarschaft und seine amtliche 
Stellung cum Orakel. So ist er einer der lotsten delphischoi 
Theologen geworden, deren lange Reihe mehr geahnt als im 
Einzelnen deutlich erkennbar das Alterthuui durchzielil. 

H<flUchkeiC8-Epitbelon herabgesanken^ das meistens Personen, nicht selten 
aber auch Sachen gegeben wird. Athenalos and andere spKtere ScbrifU 
steiler bieten dafür unzühlige Beispiele. 

1) Was t>oklaro8 ( p. 9St) C ouweapiCetv xcU (Aeipaxioi; uenot. 
O.S. «78. 3. 

2) Auf den Philosophen im Gotl wies er »eine Schüler hin (de Ei 
t p. S86B): «oraas weiter die AufgalM) folgte diese Philosophie su 
finden* 

S) Aach der Philosoph Taurus ging tur Zeit der Pythien mit seinen 
Schalem nach Delphi: Gellius XII 5, 1. 



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182 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



U«b«r du Von den Dialogen scheint der früheste, der uns Plutarch 
von dieser Seite zeigt, der »über das Mondgesicht« zu 
sein'}. Der Titel entspricht nicht genau dem Inhalt: %vie os 
denn auch sonst nicht immer leicht ist den Inhalt eines Dia- 
logs in einem knrxen Titel znsamnien/Aifassen, da die meisten 
Dialoge etwas vom schweifenden Charakter der eigentlichen 
ConversatioD an sich zu tragen pflegen. In unserem Falle 
bildet die Frage nach den Ursachen der Erscheinung, die wir 
das Mondgesicht nennen, zwar den Ausgangspunkt des Ge- 
sprSchs; dasselbe verlierl sich dann aber weiter in, sum guten 
Theil polemische, Erörterungen Aber die Natur des Mondes 
überhaupt und über seine Bewohner und stellt damit fast 



4) Weshalb er vor den anderen pythiadten Dialogen verfasst zu sein 
Bcheint) wird später noch zur Spradie kommeD. Eineo äiisseren Anhalls- 
ponkt für di« BesUmmung der Abfassungszeit gibt die Erwähnung der 
Sonnenfinsterni»» (19 p. SS4 D). Sonnenfinsternisse fonden zu Plutarcbs 

Zeil in den Jahren 80, 83, 98, H3 und H8 slatl rV'olKmann 1 S. 79 Anm.). 
Zu früh dürfen wir aber die Schrift nicht iin«5ftzpn, da L-miprias darin 
bereits so weit ^»ereift erscheint dass er siiii ;iiirnaa«»<ien dnrf das fte- 
sprüch zu Icilt'u (4 p. 92< F. 7 p. 923 F.) und auf den Unlerrit ht hfl Am- 
monios wie auf eiueu vergangenen zurückblickt (25 p. 940 Cj. Auch seine 
Art den Lucius in der Disputation zu unterstütacn (7 p. 9SS F) ist nicht 
die eines ganz jungen Mannes; sie erinnert vielmehr an Sokrates' Ver- 
halten jüngeren Freunden gegenüber im Entbydem p. tll D. Nicht so 
tief mit dem Ansatz herabzngehen muss uns aber tbeils die Frische ond 
Lebendijikeit des Dialogs warnen theils eine Vermuthung wenn sie richiif 
ist. An einer Stelle wo von den hosen Dämonen die Rede \>[ l»>>.»'n wir 
jetzt p. 943 B): Ttrjoi oe v,a.\ 'i'jfmvt; ? t-: Ae/'fou; %a7iz/yn xil ajv- 
TCtpä^ac xö ^^pTjOTTjpiov u^pci xoLi jiia Tutptöv ixetvcuv dpa töjv il/'^-^öiv 
^oov xtX. Dass hier Tti^pthv nadi Torausgebendem Tuf&vc« nicht das 
Kichtige ist, scheint mir zweifellos. üü%w henastellen liegt den Zügen 
der Schrift nach su weit ab nnd würde sich auch mit dem Inhalt der 
Worte oimapil^« to ypT^onf^ptov kaum vereinigen lassen. Blnfscher und 
wahrscheinlicher ist, dass Tufdn sn streichen sei. Dann kann aber 
0 Ac) ';o j; v-aTaayojv xat auvt. r. yp. kaum ein rmder»'r als Nero sein lirrt/- 
berg (iriech. unter d. Rom. U S. H0\ ih'r iils liosrr Daiiioii nut demsellxm 
Recht bezeichnet weiden konnte wie Diun Clu \ s. oi . 4 5 p. 401 R «ien Domitian 
oaifAova rovTjpiv nennt. Hieraus würde uicht nur folgen, (la.sj» der Dialof; 
in die Zeit nach Delphis Verwüstung füllt, sondern anch wahracbeinlicb 
werden, dass er noch vor der Restitution des Orakels (vgl. jedoch anch 
Hertcberg Griech. unter d. Röro. II tei« Ii) geschrieben ist: denn damit 
hielten doch die puten Damotu n wieder ihren Einzug, unter den Slten 
derselben^ ao p. 944 D f., fehlt aber Delphi wtihrend Lebadeia genannt wird. 



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Plutarch: l'eber das» Mondgesicht. 



483 



eine Kosmologie dar. Insofern nehmen un.^ Ucniiniscenzen an Bennaiaceaten 
den Tiiuaios nicht Wunder'). Hierher gehört auch, dass das 
Tosilive der Ansichten schliesslich in einem Mythos zusammen- 
gefasst wird. Doch liegt auf der andern Seite auch wieder 
ein Unterschied vor, indem es Plutarch mit seiner Kosmologie 
noch mehr Ernst zu sein scheint^} und er sie deshalb nicht 
bloss in der Form eines mythischen Vortrags dargestellt, son- 
dern ausserdem zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Dis- 
putation erhoben hat. Daher verdient Plutarch nicht sowohl 
der Nachfolger Piatons als der Vorgfinger Galileis genannt lu Vorgänger 
werden y namentlich wenn man das mathematische Element Q*hidi. 
in Betracht ileht; denn es hat nicht an Plutarch gelegen, dass 
nicht auch sein Dialog wie die des grossen Pisaners mit 
geometrischen Figuren illustrirt wurde'). Ein secundfires 
Interesse gewShrt der Inhalt noch durch die Anregungen, die 
Plutarch damit, direkt oder indirekt , einem andern grossen 
ItaliSner gegeben hat. Denn mag uns Dante die Stellung 
Lucifcrs im MiUelpuukt der Welt schildern {Inf. 3i, 76 ff. 89 f.), 
die Beatrice ihren Dichter über die Mondtlecken belehren lassen 
(Parad. 2., 50 if.) oder mögen ihm die Sterne wie Augen 
seeliger Geister leuchten (Parad. 2, 4 43 f.}, immer findet er 
bei Plutarch sein Vorbild^]. 

4) S4 p. 9S7 D f. i5 p. 08S E. iiel ^oic dxpovt^c heisst Sulla tk 
p. 987 E und ebenso wird Im Timatos-jeder zu einem Vortrug verptlich- 
tel. Wie sich dort Griechen aus den verschiedcnslen Theilen der Iielle« 
nischen Welt im r,psprächc /nnfimmenlinden, so hier Griechen und Romer 
verschiedener H<Mkunn, dpn u si( h noch, dnrch seinen Namen als asia- 
ll«e!ior Barbiir.' fiekt-mizt u huct. Pharuakcs geüelll. Auch die Disposilon 
isi in beiden Dialogen uhnlicli: in beiden werden zunächst frühere Erör- 
terangan recapitollrt, erst dann folgen die neaen lUttheilongen dort des 
Timaios hier Sullas* 

S} DalMT wird die abergltfubische oder poetische ErlcMrong, wonach 
das Mondgesicht die Sibylle darstellt (de Pyth. or. 9 p. 898 D. de sera 
nnm. vind. 22 p. 566 D), hier ignorirt. Diese Erklärung stammt aus 
Serapions Gedicht, wie Clemens Alex. Strom. I 858 Fott. lehrt (s. u. zu 
de Pyth. or. 

3;. 17 p. 930 E; tvtot xal httv^jo'joi YP^^povrec Sri roX).« tcüv (^cutoiv 
-f- iizi -fTiV dftT^ot Xtttd ^(^a[l^^:^^•i wo rJ^x xexAijAtvTjV + iWyltenbach ver- 
muthet oAy^v itotd x^h xcxXaoi^ivr^v) bicotei#c{oi)c. extooptl- 

4} Zur LttdfefSohilderong vgl. 7 p. 9S4 C. die Sterne mit Augen 
vei|$liidi0n 45 p^ 9S8 B. 



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184 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeii. 



Mehr als der Inhalt kümmert uns die Fom» s Dialogs. 
Öoene. Die Scenc ist wie in den eben besprochenen Dialogen un- 
luittelhar nicht bestimmt; doch können Zeil un<i Ort dos Go- 
sprHchs leicht erschlossen werden; es Hillf in di»* Zeit von 
Plutarchs Lehrlhäligl^eit und iindet wohl zu Chaironeia statt'). 
Nach seiner uns bereits bekannten Manier, die ein Compromiss 
Bwischen Plalons vollst&ndigeni Zurücktreten und Aristoteles' 
Hervordrängen der eigenen Persönlichkeit ist, bleibt Plutarch 
auch hier im Hintergründe und bt am IMalog nur in so weit 
betheiligt als er durch eine in der Schule angestellte Er5rte- 
rung den Anlass zu den GesprSchen des Dialogs gegeben hat^): 
so dass wieder einmal , was die Dialoge der spSteren Zeit 
gegenOber den sokratischen charakterisirt| der Zusammenhang 
mit der Schule bloss liegt. 

PerBonen. Vertreten wird Plutarchs Ansicht im Dialog durch alle die, 
welche im Kampfe gegen die Stoa und zum Theil gegen die 



4) AhfaHSunKSZeit und Zeil der Sccue decken sich hier (1 S. 497, 3. 
5Si. 586 f.}- lieber die erstere s. o. 8. ISS, 4. Die Redenden sind durch 
Gemeinschaft der Schule verbunden (IS p. SS9 B £ iznp'j^öyi r^ |xe9u(iöjv 
IfLsBov) diese Schule ist die Ptutarchische, wenn er unter dem finge* 
nannten iratpoc zu verstehen isl s. fdlg. Anm.) und der Ort des Gesprächs 
sonach wahrscheinlich Chaironeia, da die 16 p. 929 B er>vähnle oiarpeßr^ 
kurz vorher stnllj^efunden haben wird. B» i fr* t<'>v ^tS^cnx 2^ p f>^7 C 
an die Stuliii <le*5 delphischen Tempels zw dfiiken, wie Muhl Plul. Studd. 
S. 38 Ihul, gehl uii hl an wegen 30 p. 94i> B o t£ Ae).?poü< xt) . Auch in 
Nun posse suav. v. sec. Ep. iO p. 1100 E nach bcendiglcni rzt^iitaxQi scUen 
sie sich iicl xSn ßoidpwv, wo doch der Zusammenhang mit adv. Golol. 
an die NShe des Schullolcals und daher viel ober an Chaironeia als an 
Delphi denken iSsst» 

5) Plutarch als ungenanter Italpoc o. S. 166. 178, S. Hier wird 

er als solcher in p 029 B bezeichnet: 6 (Uv o5v inipoc h rj) tiotptP^ 

TojTo o^j TO Ava^aY'^P^'ov ditooeuvu^ — — — Y]ucox(pii]ecv 17 p. 929 F: 

" iT/ypixnxö'* ioTt tojv dvriTCiTtTOVTPiv, Tt<5TCpov tvjyi Ttvo; 7Tapa{x-jd((i( f| 
r.'ipilf^^ts f,{j.<öv riv eratpov; 5 p V . oiy ourtuc hi iTaipo^ tjjAü». Auf 
seine Erorlerunf; in der Schule wird noch dfler n*currirl: k p 9fl C u 
npwTOv iXij^ftrj. 7 p. 923 F avg(Ai|AVT^axo|Ji£v(p 17 p. 930 A xott tojto tpprjJfr^ 

to p. 98S G (Frage des Lucius und Antwort des l4imprias] 20 p. 98i D: 
6i{||jivv)aac — (uXir«) — i|A}itXiT. p. 98t C: iXi^^* >t p. 987 C: Td 
Xt)[%lvra. Auch dass 19 p. 981 D das Qiov des Lucius so besonders rüh- 

mend hervorgehol)en wird, deulet darauf, dass das L'ebrige nicht sein 
Eigenthum, sondern Recapilulation des von Plutarch Getemten war. 



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Plntarch: Ueber das Mondgesicht. 



185 



Mathematiker einig sind, also durch Lucius, Theon und Sulla, 
vor Allen aber durch seinen Bruder Lamprias, der als Leiter LaapilM. 
(o. S. 182, \) und sodann als Erzähler des Dialogs unstreitig 
die Hauptrolle spielt. Er ist so vollständig an Plutarchs Stelle 
getreten, dass man ihn für den Verfasser halten könnte und 
in gewissem Sinne auch halten soll. Denn es findet hier jene WMmvag. 
antike Weise der Dedication Statt, die ilir GeschSft viel grflnd- 
lieber besorgt als wir pflegen und su Gunsten des Adressaten 
nicht bloss auf das Eigentiiums- sondern audi auf das Autor- 
recht vensichtet*). Trotedem haben wir in ihm nicht nur 
eben verkappten Plutarch. Vielmehr fehlt es auch ihm nicht 
an individueller Charakteristik: so scheint auf sebie Be- 
liehungen zu Lebadeia, welcher Ort fttr ihn bedeutete was 
fDr Plutarch Delphi, 30 p. 944 E tu deuten und auch die 
akadeiiiisrlu' Skepsis hier energischer, als wir es sonst bei 
Plutarch gewohnt sind, deshalb zum Ausdruck zu kommen, 
weil dies dem angeborenen llebormuthe des Lamprias ent- 
sprach. Den Zeitgenossen, Ix'sonflcrs aus Plutarchs Kreise, 
waren solche charakteristische Zü^e soglei« h klar. So werden 
sie ohne Weiteros in I.Ui^ius den etrnskisclien Pythagoreer 
erkannt''), nnd werden i^ewnsst haben weshalb der phan- 
tastische in ferne Regionen der Erde und des Himmels uns 
versetzende Mythos gerade dem Karthager Sulla in den Mund 
gelegt ist<J. Fttr uns sind namentlich die Uebrigen nur den 

V I S, ilH. l>«'cJir!i(ioneii Iwi IMiit;irch o. S IG.i. ff)7 17». Auf ni«'hfs 
Aiuleies \\ci>l aiK Ii «Im? A^abasi^ des ThiMni!>tojnt.'iHs hin: I S. i60,4. 

Leber die Thcodektische Rhetorik des Aristoteles s. Valer. Max. VItl ih 
Ext. S. — Für solche, die nicht sehen vollen, ist übrigens noch einmal 
die Dedication in den Scblussworten ansgeBprocbenj in denen 9uUa alles 
Gesagte zu beliehipor Benutzung an I.amprias Übergibt: b^v* Aa|iL> 
icpt«, /pfjaftat Ti]» XÖTf<p jrdpcartv ßojXcaOe. 

2; Delphi kommt daneben 30 p. 945 R seblerht w^'l*. s.o. S. isa. {. 

3 Quae««»» Ctinv. VIII 7, i p. 727 B. Auch tUn l l»efindet er si< Ii 
wie hier in der Oe»>cll.s<:han des Sulla un<l Tlieon !8, 2 p. 728 Vj und ist 
wie hier dem Skeplicisraus zugewandt >$, 2 p. 728 Fj. Auf der andern 
Seite ist auch hier wieder sein Pythagoreismus angedeutet, wenn er zwar 
als Freund der Geometrie sich bekennt (i7 p. 980 D], den zttnfligen Mathe» 
matikern aber selbständig gegenUbertritt (<7 p. 930 A 21 p. 1)33 F f . . 

4; Dass Sulla Platoniker war. ist niö^licb, folfit aber nicht, wie 
Muhl Plut. studd. S. S6 meint, ^liou daraus, dass Plutarch ihn einmal 6 
eiaipoft uenut. 



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486 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



Disciplinen nach unterschieden: Aristoteles ist der I*t rip.Uelikt r, 
der vielleicht nicht ohne Beziehung hierauf seinpn \araen 
trägt; Apollüiiides 'I und Menelaos repräsenliren die M-ilhi inntik; 
greifbarer stellt sich schon Theon dar, er ist die grammalische 
Autorität des Kreises — Lamprias bezeichnet ihn als seinen 
und Anderer von den Anwesenden Lebrer (25 p. 910 A) — 
und wird uns als Mitglied insbesondere der alexandriniscben 
Schule, als Anhänger Aristarchs und VerSohter des Krates, 
besehrieben'). So kommt auch er von seinem Standpunkt 
aus so gut wie die Andern von den ihrigen daiu ein Gegner 
der Stoa su sein'), deren einzigem Vertreter, beteicfanender 
Weise einem Barbaren^), es so Dbel ergeht dass Ihm kaum 
ein putschen gelassen ist und auch, wo er einmal su Worte 
kommt, der Inhalt des Gesagten nur in indirekter Rede mit- 
getheilt wird (21 p. 933 F vgl. auch 25 p. 940 A). 
Gang dea Die Gesellschaft, die sich so zusammengefunden hat, ist bunt 

Owpifobi. genug. Auch ihrem Gespräche fehlt es nicht an Abwechselung. 

Die verschiedenen anwesenden Personen losen einander ab, 
der Scherz verbindet sich mit dem Ernst''); das Ganze \trläuft 
in zwangloser Ordnung, nachdem es gleich vom Beginn an 
durch einen plötzliehen Sprung in medias res in guten Gang 
gekommen ist^), den Anfang macht die Becapitulation firttherer 



1} Ob er mit dem Taktiker Qunestt. Com . III 4, 1 p. 630 F Ideotisch 
ist, ist mir 7wcif«lhaftj obgleich derselbe dort ebentells im GesprSch mit 
SuUa erscIuMiit. 

S) rs p. y.ls D. Vgl. über ihn Muhl Pliil. Studd. S. 42 ff., aber auch 
Schmertosch De Plutarchi seotenliaruin quae ad divinal. spectant origioe 
S. 24, 2. 

8) Als solchen bewährt er sich auch QtMesit. Gonv. I Sil p. S17 E. 
VIII S, S p. 7S9 B. iDdivtduell würde sein, wenn er wiiUich la der 
Athena eine Mondgtfttin gesehen und sie so an die SteDe der Artemis (SB 
p. 938 F] gebracht hätte; doch folgt atts seinen Worten (S4 p. 918 B>eber 

das Gegentheil. 

4) 0. S. <8S, ^. Kr ift \V(»h! <mh ''Vicnifiliger Sklave, ein Srhieksals- 
und ne^innungsgenossü Kpiktett», ». Marquardt Privatlehea d. Rom. 
S. 20, ö u. 6^ 

5) Dahin gchüren Wendungen wie TcapaßaXou t6 Ouplov tou X670U 26 
p. 940 F, sodann dass Apollonides icpic vlnr^i rrfi SeX^vr^c den Lamprias 
besdiwört 29 p. 9950, endlich der gesammte Vortrag Tbeons 94 p. 997 Dff. 

6) Bs liegt kein genügender Grand vor anxonehmen, dass das Werk 
lu Anfang verstümmelt Ist Vgl. 0. 5.197,9. Ebenso wenig iSsst iiH 



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Piutarch: Ueber das Moodgesicht. 



487 



ErÖrterunpon mVht ohne dass neue eipene Gedanken einge- 
floehten o. S. isi, 2; und Streitgespräche mit dem Stoiker 
und dem Mathematiker improvisirt werden; auch flir Deco- 
rationswechsel ist gesorgt, wie öfters bei Plutarch ßndet das 
Gesprilch sunäcbsi im Auf- und Abgehen Statt (rEpiirato;) und ncplican«. 
erst später setzen sie sich hin*) dadurcii gleichieitig doea 
bedeutenden Wendepunkt des GesprSchs anEeigend. 

Hier ist derselbe der Uebergang su Tbeons EnShlang^); Theons 
mit der es eine eigene Bewandtniss hat. Sie bildet den Scfaluss S^«v> 
des Gänsen und seheinI sonach wie die platonischen Mythen nur 
ein ÄnhSngsel zum Dialog su sein. Doch giebt ihr schon der 
Inhalt, der zum Theil in Andeutungen über die Dfimonenlehre 
besteht^ in Plutarchs Augen ein grosseres Gewicht Sie ist 
auch nicht sowohl wie die platonischen Mythen eine Ergänzung 
als eine Bestätigung des im Dialoi^ Gesagten und erscheint 
nach einigen Spuren als das Hauptstück, auf das von Anfang 
an die Erwartung gespannt wird 3). In dieser Weise scheint 
von den Früheren namentlich llerakleides dem Mythos zum 
Siege über den Dialog verholfen zu haben (über Piaton vgl. 
I S. 266 f.): seine Coiupositionsweise kannte daher bis zu einem 
gewissen Grade das Muster für Plutarch gewesen sein mag 



T&v ßaÄpwv 24 p. 937 C fo,Sj84, 1) eine nähere Bestimmung* vermissen. Da- 
gegen scheint nllcr^lings im weiteren Verlauf eine Lücke zu sein: wenig- 
stens vermisse ich eine ErfüHung des ü4 p. 94< A mit <ifrt Worten zpo- 
Tcpov oe auTOÜ cppaao» t6v ::otT;TiP;v ujjitv gegebenen Versprechens, obgleich 
doch die ErTüllang desselben p. 941 C durch £^ vorausgesetzt wird; 
roao darf also nicht aaf das tlber den ^f«oc 26 p. 94S B f. Bemerkt« 
verweisen« 

4) S4 p. 937 C. s. o. 5. 184, 4. Muhl Plutarch. Studd. S. SS Aum. 
Deber -neplr.noi in Dialogen vgl. auch l S. 364, 2. 

2) MOt^o; heisst sie i p. 9S0 B. ^.fjr,-'.; p. 937 C; ooäHi «6 
p. 940 F in <l<'ii\ Sinnf* wohl, ülior dfii \gl. Kolule Gr. Horn. S. 354 bei 
Arisiiiies t)r. 45 p. 11* Jebb. 2Xoj xoü opajtaro; durch die ganze Odyssee 
hindurch], zugleich Im Hinblick anf die In oxtjvl; und öiroxpir/;; ausge- 
sprochenen vttd vielleicht nierst vorsehwebenden Voistellangen. S. o. 
S. 454, 4. 

B) Er ist ofTenbar schon in den ersten Worten xtp t*^(A<p («Mt|i 
npotr/jitet Cf^nu int. Vgl. noch 24 p. 937 C f. 

4} lloiakleidcs als Vorbild Plittan lH o. S 45t f. Wns <\ ?5 von den 
Mondbewohnern pcsnpi winl, erimieil daran, dass aiK Ii <l( i l'ontiker 
diese Frage berührt halte S. 328, 1j; bei den iieatjjjiata dvopüv 24 



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488 



Yl. Der Dialog in der Kaiserabeit. 



(las zu bearhoitcndo Material immerhin aus Schriften des 
Xcnokrates und Antloror stammen'). 

Im Verlaufe des Mythos, der das eben besprochene Ge- 
spräch ahschliessty war Sulla darauf zu sprechen gekommen 
wie die Dämonen von der Mondsphäre aus die Erde und ihre 
Bewohner überwachen, dass sie es insbesondere sind, welche 
die Orakel verwalten, und in Folge davon, so bemerkt er, 
bestehen oftmals die Heiligthttmer , die Süssem Ehren und 
Namen weiter, die göttliche Kraft aber Ist erloschen weil die 
Dimonen mittlerweile in andere Sphären za einem reineren 
geistigen Dasein entrQckt sind<). Damit war eine Frage be- 
rührt^ die das spätere Alterthum äfter beschäftigt hat die 
Frage wie erklärt es sieh dass von den ehemals hoehberflhmten 
Orakeln die meisten eingegangen, nur ganz wenige, Plutarch 



p. 987 F mag speciell an seine Piction eines vom Hönde gefallenen Manne» 
gedacht sein. Vgl. noch Schmertosch De Plut senlenti. qnae ad divinaU 

spcclanl originc S. 4 4 f. 

1) S. (larühpr Richard lleinze in seinem vorlrefflichen Buche über 
Xenokrates, dem ich jedoch h'k hl in Allem zttstitnnion kann. Heinde ßndet 
mehrrach Widersprüche, wo k Ii keim' auerk' nnc und datier auch den 
hieraus gezogenen Schluss auf BcnuUting verschiedener Quellen nicht 
billige. So ist c. SS p. 948 D. doch vorgeaeheoi dass manche Mondseelen 
sich tOT Erde neigen, dahin gehören TItyos u. s. w. c. 80 p. 945 B. Dies 
gegen Heimse S. It5. Dass der Mythos von Demeter und Kore In Besag 
auf deren Vereinigung Vnrichtigcs enlhttlt, wird aasdrttcklich 27 p. 941 E 
bemerkt; hiermit slvhl also nicht in Widerspruch 29 p. 944 A wie doch 
Hniizc S tiniiit. Hie angeblich streitenden Vorstellungen, wovon 

die ein«? na< h Heinde 4 34 IT. Posidon, die andere dem Xenokrates gehört, 
ttnden sich in Plalons Phaidon in einem und demselben Dialog vereinigt. 
8. meine Schrift über das Rhetorische bei Plato 5. 44 IT. Wir haben aucb 
kein Recht Plutarch nachUlssiges Ausschreiben seiner Quelle Schuld tu 
geben, wie Helnze S. 418 will, weil er die Gltate ans Xenokrates und 
Piaton 89 p. 948 F den Dämonen in den Mund legt Denn es kann dies 
eine Zwischenbemerkung des ^£voc sein; dass derselbe nur wörtlicJi 
wiedpilinll hfthe. wa*» ihm die Dämonen verkündol hatten, liegt in 
c. ao |i. fi I' TH' hr Dasselbe gilt gegen Heinzes nomcrkun'r: S. 127,2 
über (la> Ii» i .iklitiiaginenf 28 p. 943E. Dass der dem Berichte der 

Dämonen Eigenes einmi^clit, folgt auch aus der Beziehung von ö tc £uK- 
9o5; xaTQioxcbv %t\. 80 p. 945 B. auf Nero (oben S. 488, 1). 

i) 80 p. 944 E. ^ Up^ w\ ttfMil «al Rf<o;rjop{at ^«|Ai«QO0tv, al Ik 
ttMd|M(c Man dico^tiEwety cU Itcpev tÖKOV t4)cdp(eT«)«iQffXXa<f1H^^v^vt«»v 

8) Cicero de divin. X. 88. Lucan Phars. Y. 69 IT. 



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Platarcb: Ueber das AnfhOren der Orakel 



489 



sagt eins oder zwei ;de def. orac 5 p. 44 4 £), in Thätigkeii 
geblieben sind. Diese Frage musste namentlich auf einer Zeit 
lasten, die wie diejenige Plutarchs einen fieberhaften Drang em- 
pfand mit GOltem und Dimonen au verkehren sie musste eine 
brennende besonders in dem alten Lande der Orakel werden, 
welches sugleich die Heimatili Platarchs und des um ihn ver- 
sammelten Kreises war. 

Eine Probe soleher Br5rtemngen, wie sie ohne Zweifel 
mehr als ein Mal zwischen ihm und seinen Freunden geführt 
wurden, giebt uns der Dialog Ueber das A ufbüreu 
der Orakel« (Ttepl xaiv ixA.sÄoizoT(uv j(prj(7rrj(>(ü>v). Die 
Scenerie ist die würdigste, dem Gegenstand angemessenste 
die sich denken lässt; wir bi linden uns in Delphi in der 
Umgebung des pythiscben Ueiiigthums'-); die Pythien stehen 
bevor und es ist alle Aussicht, dass sie diesmal unter der 
Leitung des Rallistratos besonders glänzend gefeiert werden-*). 
Zahlreiche Fremde hatten sich eingefunden, von den Enden 
der Welt kamen sie, von den britannisohen Inseln der Gram- 
matiker Demetrios auf der Heimfahrt nach Tarsos begrilfen, 
aus dem fernen Osten der Lacedamonier Kleombrotos. »Heilige 
Männer« (oivSpa« Upo{ 2 p. 440 A) heissen beide — wohl 
nicht ohne Ironie im Munde des Lamprias — Demetrios als 



üelwr dat 

Aafhfiren d«r 
OnkeL 



Scenerlo. 



4) BbMi tbrum belebten sich damals die Orakel vod Neuem, s.Bu- 
reflch Klaros S. SSL 

a) Das Local wird al» eia für den Dialog besooders paseendes 
l>ezeichnet 8 p. 44 iD. S p. 44S B vergL auch S p. 441 F. 7 p. 44S G. D. 
über frühere Tcmpehlialogc s. o. S. 66, 1. 

8} Die Pvthion stehen bevor 2 p. A10A. 8 p. AT. C. \:\ p. 418.\. 
woniit sich 6 p. 8e(u|jLivtuv tcij; 6.\)}.r^-äi \ crtfiij:! , dazu Mnnii?is(Mi 

Di'lpliika S. Sil. Knllistiiitos als K[Mmfl('l a p. A., vgl. Quai-sll. (.oijv. 
Y1151 p. 704 C. u. Moiiuuiieii a. a. O. S. 167. Zur Kenntniss voo Kallistratos' 
Peradnliehkeit a. Doch Qaaestt. Conv. IV. 4,1 p. 667 D. (üertiberg Orledieii- 
land unter den ROm. II SSO). Quasi-Anhaltspunkte tur ZeiUsestimrauflg 
geben die Erwähnung dea Erdbebens 44 p, 4t4C. und die des Todes der 
Pythias ni p. 438 A. Das Gespräch unter Hadi^ so setzen wird durch 48 
p.449E. empfohlen: denn bei dem ßiatXeu; 18 p. 449E. denkt man zunächst 
an ihn. I.ampria«! ehrt zwar das licilu rf Alter der Anwesenden 47 p. <35E , 
kann aber doch auch nicht melir ^auz juuf: sein wie die hervorragende 
Hülle, die er im (lesprttoh spielt, und die pnesterlicheu Funktionen, die 
er in Lebudeia ausübt 38 p. 431 Cf., beweisen. In diesem Falle müsste 
aflerdbigs dn AMehroafMBus angenommen werdmi. 



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490 



YI. Der Dialog fn der Kaisenelt. 



Anhänger der stoischen Orthodoxie') und Klcombrotos der so 
recht nach dem Sinne des damaligen Plutarch alle wissen- 
schaftliche Forschung, die Ergebnisse seiner Reisen, in den 
Dienst der Tlieologie stellte 2). So kaadigt sich bereits in den 
beiden ersten Personen des Dialogs dessen religiSse Tendens 
an. Vom Heiligthum weg begeben sie sich in Gesellschaft 
des Philosophen Ammonios und Plutarehs Bruder Lamprias inr 
Lösche der Knidier'), wo sie von Herakleon*) nnd Andern*) 
erwartet werden (6 p. 412 DJ. Ueber das Thema dner Er- 
örterung haben sie sich schon unterwegs geeinigt — auch dieser 
mpCicorto«. Dialog beginnt mit einem mpdctttoc, dessen Ende sugleidi dnen 
Einschnitt in der Disposition bedeutet (o. S. U1 f. 487, 1) — 
sie setzen sich und das Haaptges|)räch kann begünstigt durch 
die Stille und Kinsamkeil des Ortes (6 p. 412 1)^ beginnen, 
wenn nur nicht, nach Plutarehs Maxime (o. S. ^OJi), erst der 
Störenfried beseitig werden mUsste, als welcher der anwesende 
Kyniker Didymos Fiauetiades erscheint, eine in Plutarehs Dia- 

i) <i p. HS F. M p. 416 F. gegen die Epikunor 45 p *34 D F. 
Er ist CS, der das Thenm des Gei«pr»ehs r^-/ hn'i'j\)n Ttuv yf>r,3TTr.;iuv 
<i}xa6p(usiv; gestcllthali» p. kii E. und es auch spiitcr iiiiiuei wieder darauf 
zurucklenkt 88 p. 428 C. 38 p. 431 XL Aus Tairsus 1 p. 410 A. 41 p. 
49SB. 48 p. 4S4G. Deber Tarsoa als Helnuiih stolMher Philosopheo 
Strabo XIV p. $74. 

S) a p. 4ioAf. Seine WeltaaschanaDg ist mystlscfay platonisch 
und pythagoreisch. 

3; Dass dies Lokol s«mI Alters m Gp^prarhen aller Art vtai Tt 
onou^aK^Tepa — Ycti 2oa (xudo>drj diente, sagt Pausaui«*- X 5^," 1. 

4j Schon im Dialog ,.0b die Land- oder Wassel UniMv klüger 
Mttd« oben S. 477. Hier (46 p. 418 F.) wie dort noch jugeuülich zu 
denken. Er ist platonisirender Pblloso|>h, grammatische QuisqnUlen sind 
ihm IMcheriich (6 p. 41 S E.}. Im Oebrigen s. Unbl S. «• IT. 

5/ Woxu auch der Historiker (3^77901^6«. 45 p. 44a A) Pblttppos 
gehört. Einer stoischen Ansieht, die !il»er anch ausserhalb der Schule 
verbreitet war. linMii.'l er 4ß p. 434 F. ; dagegen zeigt er 81 p. 4i6 K. 
skepti« he B('hiif>.,tiiiktMt, Kr \\:\\ .Schüler des Epltherses. licr ihn in 
der (•iaiutu.ilik ualei 1 ictilet hatte nach 17jp. 419B. Hieraus wsc aus 
p.419E. (Aif&tXtavoü Tou -yipovTo; ixr^xo^xaii folgt zugleich dass Philippos 
älter als die meisten der Anwesenden war. Br ]nenn4 den Bpithersea 
4fi4c iroXin)« 47 p. 4I9B.; Plularch setzt also bei seinen Lesern voraos, 
dm» sie wiftsen wo PhiHppos ni Hause war (vgl Meineke bist. criL com. 
s. 15. Kann er nirht indenlisch sein mit dem Stoiker Philippe«, der 
Quue.stt. Conv. Vit 7,4 6 npot>9u&c hcUst? 



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Plntarch: Uebar das Aoflitfren der OnilteL 



494 



logen eintige Erscheinung i). Lamprias gelingt es ihn auf gute 
Art tum Schweigen lu bringen und hierdurch mittelbar sein 
Fortgehen lu veranlassen 

Negativ trigt auch dieses leichte WortgepUtaikel etwas surlnF(gMpii«h. 
LSsung der Hauptfirage bei'). Indem es sich derselben su- 
wendet, behält das Gespräch seinen dialogisch freien Gang, 
es verliert sich bald in Erörterungen Über die Wdten, ihre 
Zahl und Einrichtung und kehrt erst allmählich wieder zum 
eigentlichen Thema zurück. In mehr oder mimler langen Ueden 
geben die Anwesenden jeder seinen Reilrag dazu. Anunonios 
gelallt sich in der Rolle des .soki\iti>clu n Lehrers, durch Aporien 
auch wohl durch direkte Eriualiniiiii^cii i t Ll or immer wieder 
zu neuem Nachdenken, zu neuen Mittbeilungen an, während 
Demetrios dafür sorgt, dass die von ihm aufgeworfene Frage 
auch wirklich behandelt wird, und deshalb nach allen Ab* 
Schweifungen die Rede darauf zurücklenkt. 

Beide secundiren durch das was sie sagen dem Kleotn- Eieombrotos 
brotos nnd Lamprias, denen unstreiag die Hauptrollen m- "'"^ '^p'^'^ 
gefallen sind. Sie bilden in ähnlicher Weise ein Paar wie 

4} Lamprias, aucli hierin von den Brüdern verschiedeD, stand 
sich mit dem Kyniker gut 7 p. 4f3 C cryeUv ir'i'vrajv a'jT«Ti svvTjftiTfaTo; 
&/ und verstand ihn zu l)Lh<uideln. Dii's isl für ileii, tier uns Quaeitlt. 
Cuiix. VIII 6,5 p. 726 D. als» üjlptOTV'^c &n xat ^tXö^cXo»^ (p(>9et geschildert 
wird (IX 5,1 p. 740 Af. , gewin diuakteristisch. 

S) Das Bebagcn, sich in gleichgestimmter Gesellscliail tu be- 
finden, spricht Herakleon aus 46 p. 44S 

t)' Man hat die Worte des Kyi^liers nicht richtig verstanden. 
Bernays (Lucian und die Cyniker S. 30 IT. sowohl als Zoller (Phil. d. Gr. 
III'» 770,8') stellen iho dcri-nlialljor mit Oinomaos zusammen (vgl, auch 
S<hnit'Ho>.ch De INutarchi sententt, qnae ad divimit. speotant origine 
S. . Der mchi unwesentliche l'ntnsclued z^M^ciaii bcidiMi ist al»or 
das* Oiuomaos den Gott und seine üiakcl scll>cr, Didyuios dagegen deren 
verkehrte Benutzung von Seiten der MeosciieQ angreift: Oinomaos nennt 
deshalb den Gott selber einen Sophisten (hei Mullach fragm philos. II 
S. tS|i>;, Didymos tadelt es vielmehr dass man mit ihm wie mit einem 
Sopliisten du eo^tstol^ 7 p. (ISB umgehe. Er ironisirt auch nicht etwa 
bloss die Volksreliglon, wenn er das Aufhören der Orakel von tier 
Schlechtigkeit der Menschen ableitet. Dass es ihm mit <ii«'>M i Mf itninL' 
Ernst ist, l>eweist Lomprias' Widi'ilcgung derselbcu. Senn' Ansn lit 
erinnert einiger Maasst ii i\n die dci> i'i'ri»'^'i'lt ii Pausanias (VIII i,4; und 
mag uns von Neuem daran mahnen 'Rhein. Mus. 4S S. 865,1) dass man 
kein Recht hat, alle Kynlker ttber einen Kamm xu scheeren. 



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492 



VI. Der Dialog in der Kaiseneit. 



Theanor und Simmias im (iospr?i(li iiber das Dämonion des 
Sokratos. Der zwischen ihnen bestehende Get<ensalz kouiml 
schon in den ersten Worten, die sie mit einander wechseln 
(9 p. 444 CiL), zum Ausdruck, die theologische Befangenheit des 
Pythagoreers auf der einen, die kritische Freiheit des Sokra- 
tikers auf der andern Seite; was der Eine mit Hilfe der 
Dämonenlelire erklärt, leitet der Andere auf physischem Wege 
ab. Doch wird dieser Gegensata nicht ongesehlichtet dem 
Nachdenken des Lesers Oberlassen wie etwa Piaton gethan 
haben würde, sondern Plntareh Usst seinen Lamprias selber 
den Versuch einer Goncordans (4 p. 435 B ff.) machen, der 
allerdings nur nothdttrfUg und fiusserllch gelungen ist. Es 
Ist dasselbe Verfahren, das wir schon froher bei Plutarch be- 
obachtet haben (o. S. 479 f.): was der Theorie nach lusammen* 
gehört, wird fQr dialogische Zwecke auf versdiiedene Per- 
sonen aus einander gele^l. Weder Eleorabrotos noch Lamprias 
jeder für sich allein sondern erst beide zusanimeu repräsen- 
tiren uns den ganzen Fiutarch*). Deutlich genug wird dies 



4 ; Nach Muhl Plut. Sludd. S. 69 Anna, wäre Lamprias ailein der Vertreter 
von Plutarchs Ansicht. Als Vertreter der Gesamintansicbt Ptalardis kaoo 
er indesseD nur insofern gelten als er das von Kleomhrotoft Gelernte sieh su 
Nutzen macht und kritisch bearbeitet — Diese Bearbeitung ist ttbrigenSi 
wie schon angedeutet, eine sehr oberflttchlicbe, die den ursprünglichen 
(■egensatz der beiden Ansichten nur desto mehr hervortreten lässt. 
Derselbe führt uns durnuf, <lass der Inhalt dess»»n. was dem Kleombroto* 
und was dem Laniprias in «Jen Mund goltiil uns xcrsrhicdenen 
Quellen geschupft ist. Wie Kich. Heinze Xenokrat»'« .S. S4 11. im Anschlus< 
an Schmortosch de Plutarchi sententt. quae ad diviu. spectant orig. 
S. 3 ff. aasfuhrti mag was Kleombrotos sagt tum TbeU aus einer Schrift 
des Xenokrates stammen. Beigesteuert hat nach SB p. 4SS Df. auch der 
PeripatetUcer Pliainias, der iiber die Itosmische Theorie des Petron ans 
Himera berichtet halte ninl /war unfi-r Berufung auf Ilippys von Rhegion 
'den wir nicht Ihtci IiÜl;! sind mit Wilamowilz Hfrin. 49. U4f. in 
zu verwaudehi weil i'etrons eigene .Sclirifl ihm m< ht \ oii.ii: ^i.H y. iii K. 
ouToO i/MWj j^i[j>.totov xrX', vielleicht wenn Petruu Ihaisuieer \\«r 
eine solche Schrift überhaupt niemaLs existirt liatte. Schon früher 
■1 S. 894, 4; sind wir durch Kleombrotos' Worte noch an einen andern 
Peripatetiker, an lUearchos, erinnert worden. (Wenn übrigens Kleombrotos* 
Barbar im dorischen Dialeltt redet, so ist dies eine vorliufige Hiodk^utonfE 
d;iranf dos?i er die Ansicht des Dorers Petron wiedergibt . Ain h V'*m der 
Betrachtutii! xnn l.rimprias' Vortrag lassen uns di«' Pliilnsoiihrn .liescr 
Schule nicht los. Was derselbe aber dat» WeligelMude »a^t, stutzt skü 



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Plataffch: Deber das AafhareD der Onkel. 



493 



dem Leser dadaroh gesagt, dass Lamprias^ Schluflsvorlrag 
offenbar die Zustimmung aller Anwesenden findet Der Autor 



ODler Beoutxttng der Bxegeee des llieodor von Soloi (c 8S) «uf Aeoaaerangen 
Pletons. Anderen Ursprungs scheint die Orakelllieorie, sobald wir dieselbe 

von dem Goncordan/vcrsiK h (c. 47 p. 435 Eff.) rein ballen; dies deutet 
Lnmprins selber 37 p. 430 Ff. an. Man hat liier an Posidon gedacht 
H. Hcinze Xcnokr. S. <03 . Doch ist diese Annahnie schon deshalb misslicb, 
weil die ganze .Schrift durciiz{»j;en ist von Poleuül\ tjegen die Stoiker; 
ausserdem laüst sich mit ihr Lauiprias' Theorie nicht vereinigen, insofern 
sie mr BiUlrnng der Inspiration und Wahrsagung gans absiebt von GMIera 
und Dttmonen und beides auf aufsteigende Dünste mrüelcftthrt; nicht 
einmal den Cktncordanzversucb kann man dem Stoiker susdirelben, da 
auch bierin die Dämonen ein viel zu üusserliches Yorhällniss '/u den die 
Wahrsajmnfi bcwirkendefi Vorgängen hüben 47 p. 43fir. , und wird in 
demselben vielmehr 1 Mutarchs eigene M m he erkennen, wenn man seine 
»ndern Versuche zwischen Naturwissenschaft und Wahri»agungsglauben 
zu vermitteU) (o. S. U5, 4) vergleicht. Nach einer andern Richtung weist 
uns die DeberelnsUmroung mit den aiistoteltaclieD Sduiflen „Uber Sdilaf 
und Wachen'^ „Uber die TrSume" und „Uber die Wahrsagung Im Schlaf/* 
Zu der dva4b(Aiaaie findet man leicht das EntspredMude p. 4S6i» SIT. dass 
die (xeXaYyoXtxol auch cj&'jr>vetpoi sagt Plutarch 50 p. 437 F. u. Aristoteles 
p. 464'' 27 ff. Das vom Werfen hergenommene CIcirhniss lindet .sich bei 
Beiden: Plutarch 5ü p. 438 A. Aristot. p. 463'My tf. Wir l)ehnden uns 
somit auf peripatetiseheni Hoilen wie überdies durch das Citat ol Ticpl 
'A{>ia-oTE>.rjV 44 p. 434 B l>ustaligt wird. Die Quellen der Wahrsagung smd 
Enthusiasmus und Trimme, was jedenfolis mit bekannten AnsiditMi 
speclell DIkaiarclis susammentrifft Auf densellien Peripatetiker führt die 
AufüMSUDg der Seele und ihrer wechsebden Zustande als einer m^äim oder 
dp(ftovfa des Körpers 60 p. 437D. f. vgl. 48 p. 436F. f. An Seine berüchtigte 
Leugnung der Unsterblichkeit erinnert Lamprias' Aeu.sserung 9 p. 41 4 D. f. 
dass nichts unsterblich ist als die Gottheit. Wir w isscn endlich, dass er 
das Vorherwissen der Zukunft für schiidlicli erklärte, diese Metiiung stand 
ohne Zweifel in Zusammenhang Uauiil dass er in der Wahrsagung lediglich 
einen natürlichen und nothwendigcn Vorgang, keinesw^s al>er eioen 
besondem Beweiss güttUcher Fttrsoige erblidite. (In gewissem Sinne für 
gOttlidton Ursprungs konnte sie deshalb doch gelten» o. S» 4 SO Anm. Zu der 
dort auf DIkaiaroh zurückgeführten Ansicht vgl. noch in Lamprias' Vortrag 
die nöpot ^avraoTtxoi die in Folge der dva8upL(aai; sich öffnen und so das 
Vorherwissen der Zukunft möglich machen 40 p. 432E.,'. Es ist daher 
von Wichtigkeit dass den gleichen Sinn Ammonios auch in Lumprias' 
Theorie wittert 46 p. 435D. f. Wir werden Dikaiarch noch weiter als 
Gewährsmann Pluturchs gerade iu seinen pythischen Dialogen kennen 
lernen. WsHoi zulMlIg mag sein, dass die peripatetisdie Quelle gerade 

für den Vortrag des Lamprias l>enutzt Ist; denn AofMcplf toft x^icot* 

xuBa{v«vTt tftv lupimnov «ei xi A6xstev lesen wir Quaestt. Conv. II t,l 
Hirtel, Dlttof. n. 



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VI. Oer Dialog in der Kalserseik. 



hatte also nicht nSthig sieb selbst, auoh nur im Hintergründe, 
erscheinen su lassen; so nahe dies sonst gelegen bStte, da 
an den Pythien des KalUstratos auch Piutarcb, wie sich noch 
nachweisen ISsst^), nicht in Delphi fehlte. 
W«)ir1iilt «ad Hierbei erhebt sich die Frage in wie weit wir es hier mit 
IKshtiuig. einem Iiistori schon Vorgang, in wie weit mit einer blossen Dich- 
tung zu tliuii haben. Darin, dass die beiden Hauptpersonen, 
Laniprias und Kleuuibrotos, so ta einander passen um gemein- 
saoj die Ansicht Plutarchs wiedergeben zu können, zeigt sich 
jedenfalls eine künstliche Zurichtung. Nicht roind(>r wird dfr 
historische Charakter durch die eindringenden Mytiien gelriji>t: 
was Keombrotos 24 p. 420 F ff. von seinem Barbaren berichtet, 
konnte in Gesprfichen der Wirklichkeit nicht ernsthaft ver- 
treten werden; dasselbe gilt von Demetrios' Erzählung über 
die britischen Inseln und den dort schlafenden Kronos |c.48). 
Das Gesprüdi ist, wie einer der Betheiligten sagt^ ein Kessel 
in dem Wahrheit und Dichtung gemischt sind^. Obgleich dies 
nun von den meisten spSteren Dialogen gilt, so lassen sich 
doch nicht immer die Elemente der Mischung so leicht son- 
dern. So kann man den nadigewiesenen mythischen Bestand- 
theileo gegenüber Lamprias' Vortrag in Lebadeia und was 



p. SSSB. 0888 Plnlarch gerade damals eine Sclirifk Dikaiarchs anter 
deo HSndeo hatte, bestätigt vielleicht der Anfang von De Ei (4 p. 384 D. 

ett^idoic TiVN ttiotyiw n^dnn* A Anuiiafx<>C -~ olmi «tX.) weoo 

diese Schrift ungelübr in dieselbe Zelt wie die unserige, nur etwas 
spüler lUUt 

4 ; Dies ergibt sicb sus den Stellea der Qaaestt Codv., die o. S. 48S, 9 

angeführt sind. 

2) 21 p. 421 A. Unter den eingestreuten Mythen findet sich auch 
das jüngst wieder von Roschor Fleckcis J;>}ii l). 4 892 S. 465 ff. behandelte 
Miirchuii vum Tode des grossen Piui, - ^nliiin si< Ii juif diesen mythischen 
Charakter, der eine kritische iMutun«^ nicht vorträgt, nicht auoh die 
Worte zu Anfang hcziehen (p. 409 K}: ixetvov (aev ouv elxÖTi»^ i» dsö; -^jaC»- 
iMtTo |jiu^t» iittXqiio» «aMicep C(OYP^?''^(AaTo; d^iQ dTioTTCiptibiarMv. Sie gd^teo 
zunadist dem Epioienides, der lo seiaein Vorwitz die Waiiffaeit der Sage 
hatte untenucben wollen, dass xwei Adier oder Scbwüne durch Uir Zq- 
sammeDtrelfen in Delphi den Mittotpunkt der Erdo Ixstiinmt hMttea. Mit 
dem ZusammentrctTen der heiden Vogel aher wird das des Demetrios 
un<! Kloombnttos verglichen und dieses wiederum bildet den Ausgangs" 
punkt für den folgenden Dialog. 



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Plntarch: 0«ber das Aulhtfren der Orakel. 495 

darüber c. 38 p. 431 G f. bemerkt wird, als histomcb bye* 
seich n(>n 

Diese Annahme bringt uns den weiteren Vertheil dass WMmu«. 
wir mit ilirer Hilfe die Widmung des Dialogs erklSren 
können. Worüber sich Lamprias in Lebadeia, durch ler- 
sCreuende GeschSfte gehindert, nur ungenügend hatte aus* 
sprechen können, das gelangt jetst xu reiferem und yoU- 
kommenerem Ausdruck. Diese breitere AusfUhrung gehört 
natürlich Plutarch. Er bekennt sich aber seinem Bruder ver- 
pflichtet für die Anregung die dieser ihm dazu i^egehen, in- 
dem er ihm den ganzen Dialog dcdicirt. Die Widmung hat 
die uns bereits bekannte Form: Lamprias ist der ilr/iililri des 
Gesprächs. Freih'rh von dem Gesprllcli ül>er diis Mundge.sicht 
unterscheidet sie sich in so fern als dort Lauiprias zum Leser 
überhaupt zu sprechen scheint, hier dagegen einen Bestimmten, 
den Terentius Priscus, anredet Hierdurch entsteht der Schein, 
als wenn wir es hier mit einem Schreiben des Lamprias an 
den genannten Römer zu thun hätten. Da sich aber mit dieser 
Annahme Plutarchs Autorschaft nicht vertragen wfirde^), so 



1J Desgleichen mag der historische Laniprias wirklidi (Mniiial An- 
sichten izciiiisst rl hnbrn , wir die welche er selbst 34 p. hiSli nU seine 
eiifotn' ln'Zficlincl im (iogeasatz zu der des Theodortts. So erklärt sich 
auch die MeiiiuiigMverschiedcnhcit, die zwischcu Lampitas' Auu:>surungeii 
hier und Plutarch» de Ei 4 5 p. 891 B ff. besteht. 

S) Denn es ist undeokliar, dass Plntarch unter dem Namen seines 
Bruders ein Schreiben an Terentius Priscus habe ausgehen lassen. Bis 
picht trifUgere Grttnde vorgebracht sind, um die Schrift Plutarch abzu- 
sprechen» wird man sich woht mit der obigen Ei klüniriL' zufrieden ^eben 
müssen. Auch die neuerdings von Schmertosch De Plutarchi sententt. 
qiüH' i»«i iliviii. spectant origine S. 1 f. hervorjiehobenen Widersprüche 
zwisi lifii uiisori'f Schrift un»! der ulu r die pythischon Orakel lassen sieh 
nicht zu jenem Zwecke verwenden und zwar aus dem einfaciien Grunde 
nicht, weil sie gar nicht vorhanden siud. Denn was in unserer Schrift 
9 p. 4M E geleugnet wird, ist nur dass der Gott in die Priesterin eingehe 
und von hier durch deren Sprachorgane rede, nicht aber eine Wirkung 
des Gottes aus der Feme wie sie de Pyth. orac. 84 p. 404 E schildert. 
Wollte man trotzdem den Widerspruch festhalten, so milSSte man ihn auch 
innerhalb einer und derselben Schrift zugelien, da derselbe Laniprias, der 
vorljer feleiiLiitl haben soll, dass (iott sich der l»nestenn jenials als 
Organ bedienen würde, dies 9 p. 437 D oiSs Trupi/^iv iij^v xtjj öetp p^j 
navt^Tcaai xadajMxv auons, wotiep CpfOL'iO'i i^pr^pEvov x^l £ut]';^c(} unserer 



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196 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeii. 



bleibt nur die andere übrig dass wir nacii Plutarchs Absicht 
uns ein einrahmendes GesprSch, ähnlich denjeoigeu platoniscber 
Dialoge, denken sollen dessen Personen Terentius Priscus und 
Lainprias sind. 

Vergieichnng Iii0r erscheint Lamprias als deijenige dem 

LnpriH- ^ Mitlheilung eines plutarchlschen Dialogs yerdanken. 
iHi^g^ Und es ist dies nicht der einsige Umstand» der diesen Dialog 
dem vorher besprochenen »Uber das Mondgesicht« n8her 
bringt Ausserdem ist den beiden Lamprias-Dialogen gemein 
das starke Hervortreten des mythischen Elements; insbe- 
sondere tritt uns in beiden derselbe ßap^apo; ^vo; enl^ 
^egen um wunderbare Runde aus der Geisterwelt tu bringen, 
nur dass er das eine Mal im fernen Osten auftaucht, das 
andere Mal aus dem Westen koiiiml. Es erinnert dies au 
die Dialoge des Uerakleidos und der älteren Peripatetiker, 
und aut sie mag auch zurückgehen dass in beiden Dialogen 
ein TTsptra-o: den Anfang macht. Zu den formalen Ucber- 
einstimmungen beider Dialoge gehört noch, dass beide zum 
Theil auf der Recapitulation eines früheren Gesprächs oder 
Vortrags beruhen, welches vermuthlich ihren eigentlich histo- 
rischen Gehalt ausmacht* Schliesslich wird in beiden, nur von 
verschiedenen Ausgangspunkten aud, dasselbe Thema behandelt: 
die Dfimonenlehre und Kosmologie erscheint in beiden, nur von 
verschiedenen Seiten und in verschiedener DeUuchtung, beide 
protestiren gegen die naturalistische Theologie der Stoiker 

. So gehören beide Dialoge zusammen und iwar ist 
der »Ober das Aufhören der Orakelt die Fortsetaung des 
andern: er nimmt eine hier nur gestreifte Frage su ausführ- 
licherer Behandlung wieder auf (o. S. 188 f.) und kann seiner- 
seits Ober die Kronos-Episode rasch hinweggehen (c. 48) weil 
sie den Lesern schun aus deui fi iiliereu Dialog bekannt war. 
Unter dem 1. iiidruck, in der unniitJelbaren Nähe des delphi- 
schen Heiliglhums, bat sich der spätere Dialog von dem 

Si lii ifl austh urklicli bohauptet. Dans Ät^»; u»lH;st liailol lior l iitt'i-st lu i- 
dun}; zwUchen Göttern und Dümuuea iu einem wcilcreii Siaue auch von 
den tt'lzicren gebraocbt werden kdnnCf lehrt de Ei i1 p. SM A: irir^ui 
Ttvl 9etp, {AöXXov St Sa(|A«vu Vgl. aacli o. S. IS7, S. 

i) Vgl. noch Uber die dvaX»y(a de dcf. orte. 4S p. 411 Df. mit de 
fHcic 18 p. 931 C r. 29 p. 94S P. 



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Plnterch: lieber das Avlhdreii der Orakel, das Et in Delphi. I97 



allgemein religiösen Interesse, welches schon der frühere 
bekundei| spedell dem pythischen Gott und seinem Orakel 
Bugewandi und gibt dieses spedellere Interesse nicht am 
Wenigsten in der Kritik der delphischen Theologen zu er- 
kennen*). Eine solche Kritik musste aber am Meisten nach 
dem Henen des Laroprias sein (Quaestt. Gonv. IX 14, 3J» in 
dem sie durch eine leicht denkbare Rivalilät des Orakels in 
Lebadeia mit dem delphischen befördert werden konnte 3). Auf Eknadmkmi 
ihn ilUirt somit die Betrachtung des Dialogs immer wieder ^ 
suTÜck. Seine Interessen, seine Persönlichkeit stehen im 
Vordergrunde: so lebendig und gewinnend wie er ist keiner der 
Andern eharnkterisirl^); er ist es der das letzte entscheidende 
Wort hehiilt. Bedenken wir nun, da.ss er wahrscheinlieh eines 
frühen Todes, früher als Plutareh, gestorben ist •), so darf man 
wohl vermuthen dass die Widmung an Lauiprias in dies* lu 
Falle eine Schrift bedeutete durch die der Bruder sein An- 
denken ehren wollte-'). 

Zwei Fragen waren in dem Dialog nicht zur Erledigung 
gekommen, die eine wurde als minder wichtig hei Seite ge- 
schoben , die andere auf spätere Zeit verspart *^}. in diese 
Lücken greift der Dialog »Uber das Ei in Delphi« er-D»b«aMi£i 
gflnsend ein, indem er mit der Frage, nach der er den Namen ^ ^fU* 

4j 15 p. 417 F. ti p. kH C. 46 p. 4Hä A IT. 48 p. 436 D. 

i) lieber dea Gegensatz von Delphi und Lebadeia s. Ulrichs Reisen 
u. Foracli. I S. 470. Lebadeia hatte ein Traamorakel, in Delphi aber 
hatte Apollo die IVaumorakel gerade abgescbaflfl s. Welcker GL. II 14, 8. 

3) Ein unermüdli« her Forschungsdrang zeichnet ihn aus, Plutarch 
hat ihn in dieser Hinsicht ähnlich charakterisirt wie Piaion seine Brü- 
der: vcl die S( hlns<5worte des Dialogs und ausserdem bes. 37 p. 430 F. 
Die letztere Stelle zeigt ihn unabhängig von Plalon wie von Ammonios. 
Seine Bescheidenheit 47 p. 435 E. tcbcr sein Verhallen dem kyniker 
gegenüber s. o. S. 4SI. 

4) Gr^rd La morele de Plutarque S. 45, 4. Heinse , Die Familie 
des PlQlarch S. IV. 

5) Vgl. auch I. S. 885, 2. 

6) TU im Toü dptOfjioy to6to'j rpo; tö rX-^do; X<5yo;, r^Siov av (xoi oo- 
•/5> {xt^eTv ri rffi ivriüft-x rn'} VA ■An^itrxh'SE.aii T'f.v vavo'itv ?a?t Philippos 
dcf. or, 34 p. 426 F. Derselbe bekennt sich nach 46 p. 434 F zu der vul- 
garen Meinung ojy ixepov elvai tov WiioWto-^n fte^v . oKka tip f,XI«p -ov 
aäxdv. Hierauf bezieht sich Lamprias (vgl. auch 43 p. 433 E] zurück mit 
den SchliiSBWorten des ganien Dlaloga (bvn «al toSto &iccpxcis6n ml A 



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498 



VI. Der Dialog io der Kafserzeit. 



trSgt^ die andere nach der IdentitSi ApoUs und der Sonne 
verbindet (Sl p. 393 0 ff.) und so denselben Zusammenhang 
zwischen beiden Fragen hersteiit den der frühere Dialog da- 
durch andeutet dass er beide von derselben Person, Philippos, 
gestellt werden ISsst. 
T«mpeldiÄlog. Abermals haben wir es mit einem Tempeldialog zu thun, 
der uns zum (i< Iphischen iieiligthum l'ührl und auch diesmal 
ist, (IcT lImgol)unt; entsprechend, der Inhalt ein theologisch- 
delphisi h« r nicht ohne Kritik der delphischen Orthodoxie. 
In der Form wiederholt sich die gleiche Schablone: auf den 
icep{icaxo(; folgt das llauptgespräch im Sitzen^) und das ProÖ- 
mium ist an ein Cilat aogeknUpU wie dort einer Tempellegende 
80 hier eines euripideischen Verses. Weiter wird der Zusammen- 
hang zwischen beiden Dialogen durch die Personen vermiltell^ 
Ptmomn. Auf der dialogischen Bühne bleiben Lamprlas und AmmonioSy 
beide auch auf gleiche Weise charakterisirt^], dagegen der Pro- 
phet Nlkander, der frQher nur erwähnt worden war (deC. or. 51 
p. 438 B), ist jetzt zu einer Person des Dialogs selber herausge- 
wachsen. Doch ffillt dIeScene des Dialogs nichts wie man faiemach 
erwarten könnte, In dieselbe, sondern in eine viel firUhere Zeit^ 
die durch Neros Anwesenheit in Griechenland bestimmt wird^). 
Darum erscheint Lamprias, der lu dem irüiicreu Dialog bereiu» 



1) Diosmnl tiiuli-l das HaiipJppspriich so;;ar .iiif den blufen des Tem- 
pels slaU s. l luchs linsiMi und l »»ischmii:» ii in driecheol. I S 85. i. 

i) Die Gespräche des reptzaTot sind tiier allerdings bis auf Andeu- 
tungen zusamroengescbmropfl: i p. S85 A. 

S) Zur Cbarakterislik des Lamprias s. o. 1. Diese Gharakleri- 
slik ist festgehalten in dem was Ammonios 4 p.SS6A ihm suiraat: itX^- 
teodat lQTOp(av xal <ixoi)j^ it^piuv Trpo; t6 dvjreuduvov. Ammonios macht 
auch hier wieder (s. o. S. 494) sich al> ! Iircr geltend, nur diesmal nicht 
so, dass er anregt snnclcrn so. d;»ss n krafl seiner Autoritül leitet und 
enischeiilej Tfuon wnidct sii h an ihn und bilh l ums Wort R p, 387 F; 
Ammoniu.s i-^l <*>, der mit iilMTlegener Mieur (>in trtheil ahgiht uIkt »las 
von seinen Schülern Lamprias und Plularch Bemerkte 4 p. 386 A. 47 
p. S9I E; vor allem behauptet er den »principatus« durch den Schluss- 
vortrag 47 p. 891 E fX, Ausserdem soll doch wohl auch xu seiner Charak- 
teristik dienen, dass er 18 p. 892 B f. HeraklHs Ansicht bililgt — dieselbe 
Ansicht, die Plutarch de sera num. vind. 46 p. 559 A ff. wo er sich selber 
redend einfuhrt, verwirft. 

^ 1 p. a85B. UerUberg, Griechenland unter den ROmero UI IM. 

410. 14 8. 



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Ptataich: Ueber das Ei in D«lpiiL 



499 



ein Altpr hatte um die Hauptrolle stu spielen (o. S. 189, 3), 
hier noch ganz schülerhaft und von seinem Lehrer abhängig. 
Dasselbe gilt von Plutarch, der hier zum ersten Male aus dem 
dialogischen Hintergrund hervortritt um an dem Gespräche 
Thell lo neluDen« Er befindet sich noch auf der frtthesten 
Stufe der philosophischen Entwickelung und kennt in der 
Begeisterung für Pythagoras und dessen MathematilL keine 
Grenien (7 p. 387 F). Von diesem Standpunkt aus hält er 
seine Lobrede auf die Zahl PllDf [8 p. 387 F ff.). Dieselbe soll 
nur den jugendlichen Plutarch charakterisiren ; dass der 
Leser oder Hörer ihr nicht etwa ein grösseres Gewicht bei- 
lege uiul im Vcrtrautui auf die Auioi it.it müi Philarchs Namen 
sich durch sie in seiner Ij( Im ry.t iigung 1 finden lasse, dafür ist 
durch Amraonios' Worte (17 p, :?91 E f.) gesorgt. 

Diese Art. die eigene i'erson Ini l)ialnn(> < inznfllhren, ist Flotwclu &oU* 
zwar nicht die aristotelische — denn Plutarch verzichtet gerade Q«V*«h. 
auf den Principat — wohl aber erinnert sie an Sokrates und 
besonders an die Art, wie dieser selbst Uber seine Zurecht- 
weisung durch IMotima berichtet. Um das vollkommen tu wür- 
digen muss man die Stellung bedenken, die Plutarch zu der 
Zeit inne hatte da er den Dialog aus der Erinnerung wieder^ 
enfihlte. Er war Vater erwachsener Söhne, also schon in höherem 
Alter, das Haupt einer Schule und befand sich ia amtlicher 
Stellung am Orakel']. Aus allen diesen Grflnden musste seine 

4) Das Charakteristische merkt man besonders, wenn man sie mit 
Lamprias* Vortrage ttbnlichen Inhalts det orac« S5 p. 489 B ff. vergleicht. 

Lamprias' Thema ist freilich enger begrenzt, da er nur von der Fünfzahl 
der WrU»Mi, niclil \ im der Fünfzahl schlerhtliin zu handeln hnt. Trolzdcm 
srheint es mir nichl liierchiifh allein erklait wcnicn zu koniHMi, wenn 
Plutarch über die Bedmituni: der Fünfzahl nielir vorhritijil, vielmehr da- 
rin eine Hindeutung zu lief;en, daiis Plutarch, nicht auch Lampria.s, che 
er zur akademischen Skepsis gelangte, den Durchgang durch den Pylha- 
goreismns genommen hatte. Am stürksten tritt die Verschiedenheit 
swischeo def. or. S4 p. 4SB C IT. and de Ei 4S p. SSI B ff. hervor: denn 
dort wird nur auf den platonischen Sophisten^ hier auch auf den Philebos 
Rücksicht genommen; hier wird :ds Rild [eiy.mv) um die Eintheilung des 
Sophisten zu erläutern, die Eintheilung des Philebos brnutzt. dor\ dlenon 
demselben Zweck nh }it^r]]ii xa\ :to«iXov) die ftinf EhMnentc, l niuckcln l 
fnlut hieraus aiii h, dass Lamprias in dem früheren Dialog nicht einfach 
der NVorlfuhrer PluLaichs ist o. S. <95, 4). 

i; 1 p. 3S5 A WO die <ix^^ Söhn» erwähnt sind die 



200 



VI. Der IHalog i& der Kaiseneit. 



Meinimg ins Gewicht fallen und ihr nachgefragt werden be- 
sonders in solchen Dingen die das Orakel betrafen. 
Iikalt. Trottdem gibt er Qber die hier einsohlagende Frage nach 
dem detphischen E( in der Schule ttberhanpt keine Antwort 
und auBserlialb derselben, als er einmal durch die Rücksicht 
auf gerade anwesende Fremde') geswungen wird dies lu thun, 
nur in so weit dass er die Ansichten Anderer mitlheüt (unter 
denen freilich auch er selber sich befindet^ aber doch nur der 
er als junger Mann war und jetzt nicht mehr ist). Die beiden 
ersten Versuche die Aporie zu lösen werden nicht ernst ge- 
nommen! der eine ist der ßnuniuiitisch-historische, wie mau 
ihn nennen könnte, den l ampi ias vertritt (3 p. 385 D ff.) der 
«mdere soll von einem Chaidaer herrühren, wie ein Unge- 
nannter von don Anwesenden bemerkt (3 p. 381 A). Es 
folgt die orthodoxe Auslegung, die im Namen der übrigen 
delphischen Priester Nikander abgiebt (5 p.386C ff.). Im Namen 
der Pythagoreer spricht unter Zustimmung von Eustrophos 
Flutarch (7 p. 3S7 E ff.). Obgleich auch er die stoisch-hera- 
klitisohe Naturphilosophie su Hilfe nimmt (9 p. 388 P ff.) so 
wird doch die etgentlioii stoische Inteipretation durdi den 
Dialektiker Theon*) gegeben. Alle diese Versuche werden 

znplf'ich ;il< ^nwc Si hiilfr pr*M-hrincii. Iti itLiciid einer Mflluiii; am Orakel 
inui>!j es seinen Giuiul hidu;«, dass er tlea anwesenden Freunden al?« 
besonders compelenl galt um über das Kl Auskunft zu geben. Auf dieselbe 
Stellung \veisen auch die Worte 46 p. 391 E oüxoüv, l^rp» ifm (xctöidiaa^ 

welche doch wohl als ^oe Art vaticlniam ex eventa su fassen sind. 

4) Imneriiln gilt auch hier das o. S. 1 74. 1 S4 Bemerkte, dasi Plntaiths 
Dialoge zwar an BrOrterangen der «x^^^ anlmtipfBO, aber ausserhalb der> 
seihen stattßnden. 

2' So gnindet sich niirh de def. orac. zum Thcil auf ein Gespn&cfa 
das Lainprias niil FrcinHen peluhrt halle, s. o. S. ty4f. 

3) Mit dein Granini;>tiker des Dialogs »über das Mondgesicht« darl 
er nicht verwechselt werden (o. S.486, 8). Der Grammatiker ist gerade ein 
Gegner der st<Mien Richtung des Krates. Dagegen erweist sich der 
Thenn unseres Dialogs nicht bloss in der DialciktOL als Stoiker, sondern 
ancb durch seine Allegoruimng der Heraklesfabel (6 p. SS7 D}. Daraus, 
dass er (S p. S67 D) das «o(u^ Boitivrto; von Herakles im tadelnden Siooe 
braucht, ergibt sich über seine Persönlichkeit weiter, dass er selbst kein 
Böoter war; aii»; der Art wie er 6 p. 386 K den Ammonios er*;! nms Wort 
bittet, darf miiii lerner s< hliessen, dass er nnrh ein junger Manu, alio 
etwa gleichen Alters mit Lamprias und IMutarch war. 



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Platarch: leber das El in Delphi. 



204 



von Ammonios mit einer gewissen Geringschätiiing zurück- 
gewiesen (17 p. 391 E. f. vgl. i p. 386 A) und durch eine neue 
Deiitune ersetzt, die aus dem gehcimniss vollen Wort das 
Wesen der Gotlheit herausliest. Diese letzte und durch den 
längsten Vortrag unterstützte Doutung verhält sich zu d«n 
früheren ähnlich wie Sokrates' Rede in PIntons Sy mposion su 
ihren VorgängerinneD: sie übertrifft sie an Einfachheit, Tiefe 
und Würde. 

Wem daher der Prindpat inlSUt kann kein Zweifel Midjat das 
sein; man möchte sogar in dem gansen Dialog eine Ver* AumIm. 
herrlichung des Anunenios sehen, dessen Vortrflge den Dialog 
nicht bloss sohliessen sondern auch einleiten (2 p. 385 B ff.). 

In Ammonios Ist das Ideal erflSlU, das Plutarch damals er- 
strebte: blasser war es schon in Kleombrotos erschienen als 
Vereinigung von Philosophie und Theologie (o. S. 190, 2), jetzt 
hat es concretere Gestalt ansenommen und tritt uns als Ver- 
bindung der deli>liischen Theologie mit der akademischen Philo- 
sophie entgegen. Ammonios ist es, der auf den Philosophen 
im Gotte weist wie er sich ausser in den Beinamen namentlich 
in den Problemen ankündigt, durch die er die Forschungslust 
der Menschen reizt; er ist es, der mit den Mitteln der aka- 
demischen Philosophie eine würdigere Ldsung des rfithselhaften 
Ei findet als die concurrirenden Pythagoreer und Stoiker. 

Diese Verherrlichung des Ammonios ist eine Apologie lu-IIvfttxolXdYot. 
gleich seines Schülers Plutarch, in dessen Gesprächen, sogar 
den Erdrterungen der Schule *), die lIuBixot Xo^oi damals aahl- 
reich waren. Als eine Probe derselben kann schon der Dialog 
»Uber das Aufhören der Orakel« gellen^), Der Dialog l über 
das El« grcifl das Thema viel energischer an^) und vrnvirfl 
zugleich das Programm dieser ganzen Art von Schriflsleilcrci. 



4) Nach 4 p. 385 A war dem Plutarch das Problem des Et schon 
Öfter t* T(j «x^X^ gestellt worden. 

2) Andere mögliche Themata gibt Ammonios an 2 p. 385 C f. Dass 
iiber dio Sprüche -jvoiDt orijrov ond aT,0£v d'^a^ schon viol ccrcdet und 
geschrieben war, wird auch de Pyih. or;M p. ^OH K h«MinMkl. 

V Daher betreten erst jetzt die diiphociicn l.ok.dtlicDlni^rn selber 
die Buhne, die früher nur erwähnt wurden. Nikander i.st itir >prr( her 
(5 p. 386 C); dass ihrer mehrere sind, zeigt oamentlicb touc d^' Upoij 
xiv^M« i P* 888 B. 



202 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



Man nrass annehmen, class die Nadiriolii yon dieser neuen 
Wendung in Plutarolis Pbilosophiren durch seine Sdhne nach 
Athen gekommen war*) und in Folge davon einer seiner 
dortigen Freunde, Serapion, uiii nähere Mittbeilungen gebeten 
hatte. Die Antwort hieraul ist unser Dialog, dessen Kern- 
gespräch in eine mündliehe Wiederer^ahlung au die Fit imlen 
und diese wiederum in einen schriftlichen Bericht an Serapi 
eingel* iil ist — eine Einschachtelung die hei Piaton, nanuni 
lieh im Symposion ihr xMuster hat. Weshalb unter den pythi- 
schcn Dialogen gerade dieser ausgewählt wurde um Serapion 
gewidmet zu werden ist klar: der Plutarch befreundete Poet 
konnte sich hieraus eines Bessern belehren, da er nach de 
Pyth. orac. 18 p. 400 A. D. ebenfalls in dem verbreiteten Irr- 
thum befangen war und Apoll mit der Sonne für identiseh 
hielt ^. Aus dem, was über die Entstehung des Dialogs 
bemerkt wurde, folgt dass derselbe einen historischen Kern 
birgt'). Durch die Worte, welche Plularoh an Serapion 
richtet, blicken wir in eine kleine Welt whrklicher Dialoge, 
von denen wir nicht wissen in wie weit sie der, überdies 
lertrttmmerte , Spiegel der Literatur jemals aufgefangen hat. 

1) Diese Annahme beruht auf den Worten i p. '^sr» A ürtö täv utwv 
£Xi?)<p8T^v ;£vot; Tiol o'jjitftXoTifio'jjACV): vtX. Dif Ki waluiung der Sdhnf* tmd 
insbesondere die Benicrkung, dass er von ilnion im «ip'-praeh nill de» Frem- 
den angelroffcn wurde, ist durch nichts im Kuigtiulen begriindel. Sie 
erklärt sich bei der Annahme, da^s Serapion, als er Plutarch um Mittliai- 
long der nuBncol Xö^ot anging , sich auf dessen Söhne berufen halte, als 
diejenigen die ihm davon Kenntniss g^eben. — Uebrigens ist die Sitnatioo 
dieselbe wie Quaestt. Conviv. VII S, 1 : das eine Mal die Freunde Platardis 
das andere Mal seine Sotme benutzen eine besondere Gdegenhcit um Iba 
zu einer \ntwort auf Fragen tn ntfthigen, auf die er sie bb dahin \tr* 
weigert hatte. 

2 O.S.t97f. Atifh was PIntflrch l» p. 388 E (T. \nibringl und wo- 
gegen sich spät^ri Aiiimonios Nvciuict ti p. 3^6 l) iL, mag der Meinung 
Serapions entsprechen. Zumal unter den dtoX^To«, die in Versen redel^n 
(9 p. S88 10, kann er mit gemeint sein: denn nach de Pyth. orac 5 p. SSdF 
18 p. 408 F hatte Serapion philosophische Lehrgedichte vertat, 

Ii) Historiseti sind natürlich auch die Charakteristiken, die Plutarrh 
von sich st'lher und seinem Bruder gibt (o. S. 199,4). Hierzu erinnere ieh 
noch daran, «lass I jimprias nur Hitif Weise noerkennl, Plutarch selber mi 
(jastniahl aber es hei der ct w olmliclicn J>ieben gelassen hatte o. S. 146,3 . 
Dagegen können Wendungen wie d»c |jlI|jivij(mli (4 6 p. Syt E; an .sich noch 
nichts beweisen. 



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Plutarcb: Dass die Pythia Uure Orakel u. s. w. 



S03 



Hat Serapion die Bitte seines Freundes crflillt und die pythi- 
sclieri [iiRlogo mit fntheniüchen vergolten? .fedpiifalls ist PIiit«Trch 
nicht bei dem einen lIuiKxo; Xoyo«; stehen geblieben') sondern 
h»i Shnlicb wie Cicero (I S. 53ö, 1) seinen iheologiflchen Heber» 
zdugiingeii in einer Reihe mehr oder minder eng zusammen» 
hängender Dialoge Ausdruck gegeben. 

Zu diesen Dialogen gehört auch derjenige der davon Buiog darub« 
handelt »dass die Pythia ihre OralLel nicht in Versen p^t^^« 
ertheilti (icepl tou ^P^^ IftfAerpa vov iigv Ilof^jav). Auf Oraksiaiakt 
diese Thatsache hatten Gegner des Orakels hingewiesen und ^ tj^eX/'^ 
darin, dass die Priesterin nicht mehr vermöge in Versen lu 
reden, ein Zeichen für die Abnahme auch der mantischen 
IsLraft erblickt 2). Dem gegenüber wird der Dialog zu einer 
Schutzschrift des Orakels, welche die gravirende Thatsache 
zu Gunsten desselben wendet und triiiiii|ilurend damit schliesst 
dass in dieser Zeit der Prosn-Sprüeli» ijclphi sich zu neuer 
bis dahin unerhörter BiUthe und l'racht erhoben habe. So VerhältniBs zn 
steht, den Inhalt angesehen, dieser Dialog in der engsten Ver- ^"'^i^j^^'** 
bindung mit dem »Uber das Aufhören der Orakel«, an den 
er auch durch den der Uaupterörterung vorausgehenden, nur 
diesmal viel längeren und fttr die Periegese von Delphi viel 
ergiebigeren Peripatos^ erinnert Nicht minder weisen auf 



I) HJesse es i p. 884E to&« llu^ixaft« X^ou«, so ktfonle dieser 
Pliual auch allein von unserem Dialog verstanden werden: vgl. 18 
p. 881 B von einem eluelnen Tkell desselben. Nun heisst es aber tSn 
IliiSntmv Xo^mv ivtiMK und liUeselbeD werden nur als dicop^al bezeichnet; 
daraus folßi, dass entweder mehrere schon existirten oder es doch in Plu- 
tarchs Absicht lag, sie tu vorf!i'J<<'n. 

2* 47 p. <02 M. iS |). U)ä E. Auch früher hat riiiiii wdlil schnn so 
gpurnu'ilt, \Nornus sicli <ler Kifer Thoopomps Regen tiiejeuigen erklärt, 
die da.<i VurtiaiidcDScin metrischer Orulieläprüche leugneten (19 p. 403 E f.) 
Aehnlldi sieht es mit Gicero de divin. 11 417 (vgl. I 38) wo das »isto 
modo« doch wohl auf Orakelsprilcbe in Versen sa besiehen ist. — üebri- 
gens seheint man trots Plutarchs Vertheidigung der Prosa-Oraltel gelegent> 
lieb zu Versen mrüdcgi^dirt zu sein, wie eine neu gefundene Inschrift 
aus Hadri.'inschcr Zeit lehrt (Mitlh. des deTitHch. Arch. InsliL 48, 488 ff.) 

8) \V. (.iirliU, lieber Pausanias S. 442 IT. 

4; Der Tonipcl des Gottes soll keine ootpiaroD otaxptß'^j sein fPyili "r 
p. 408 C. 29 p. 40S Dl, man soll den Gott nicht wie einen Sophisten 
t>ehandeln (def. or. 7 p. 413 B). Eine liinweisung nuf die det or. vor- 
getragene Inspiratioustheorie küimte in 81 p. 404 B liegen. 



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204 



VI. Der Dialog in der Kaiseraeit. 



das GesprSch über das Ei (üe r« ionnireiitlen lenden/pn zurück: 
einn lielere und rcinero AuflassiiDg der (»ottheit wird gefordert 
wie dort die detphisclieD Priester, so sind es hier die Periegeten 
die mit einer gewissen Geringschätzung bei Seite geschoben 
werden^). Kino weitere Verbindung zwischen beiden Dialogen 
wird durch die Persönlichkeit Serapions hergestellt, der dort 
der Adressat des Schreibens ist^ hier im Hialoge selber eine 
hervorragende Rolle spielt 
AbflHiivgmit. Dieser letetere Umstand ist geeignet sugleich ein Licht 
auf die Abfessungsseit su werfen: »IKe pythischen Beden« 
(üofttxol Xo^oi) erschienen in jenem Schreiben als etwas dem 
Serapion Neues, ihm Unbekanntes; dies konnte aber nicht von 
ihnen gelten, wenn damals schon unser Dialog ezistirte, der 
bei der Art, wie hier Serapion ins Gespräch gezogen ist, 
diesem bald mitgetheüt werden musstc sei es nun von 
Plutarch selber oder von Andern^). Dieses Kesuilat stimmt 



1) Diogenianos gibt seiner Entrüstung beim Anblicic des Obelisken 
der Hliüdopis Ausdruck H p. <00 F. Der hierin liegende Gedanke, dass 
es iinwiudig sei den riolt iuil solclio Woiso ehren zu wollen, wird von 
Serapion und Theon auft^egrillen und \\«mUt ausgefuJut 44 p. 404 A ü. ibSl. 

2] 2 p. 395 A. 4 3 p. 404 D f. An dem Obelisken der Rhodopis (s. vor. 
Anm.) haben sie keinen Anstoss genommen. Diiss es ihrer zwei sind, 
leigt 4S p. 40i E. Diogenian Ist nicht bloss fiXp9ta|MM und ^^oo{, 
sondern was mehr sagen will tfikSKwf^ and ^tXoiMiMj« (4 p. t94 F): darnm 
eben können ihn die Periegeten nicht befriedig(^n. Eine bessere RoUe 
scfieint der Perieget Praxiteles an den Isthmien zu spielen Quaestk Gonv. 

V 3, 4. VIII 4, 3 f. 

3! Dagegen ist es ganz bPcrtMflich. dass, wenn Soi apion erst an dm pv- 
thischcn Reden Geschmack gciundeu hültc, er weiterhin den Wunisch 
äusserte auch selber in einen solcbea Dialog verflochten zo werden. Das 
»induwlere in dialogns« beehrten andi Gioeros Freunde von Ihm (ad Alt 
XIU 49, S). Die Stellang, die Serapion Im Dialoge Annimmt, erscheint 
als eine dorohaas ehrenvolle, besonders wenn man bedenkt, wie seUeeht 
sonst die stoische Philosophie bei Pldtarch wegkommt. Seine Dichtung 
wird ;:»'loh(. iiidil Mo<s ihres ernsten moralischen Gehaltes (48 p. 40* F 
■sondern hucIi ilirtir gutfo Verse wegen (5 p. 396 Aus dieser I>irli- 
iuui: in Hexametern stanuut was Serapion 9 p. 39S C t. vorbringt; es inus* 
nur C.V oi; y{iivT,a«v auTfp für iauxf^v geschrieben werden, wie die au&- 
riihrlichere Mitlheilong ans demselben Gedicht bei Giern. Alex. Strom. I 
p. 854 PoU. (t S. 50, 45 ff. Klotz) ergibt Dass der Diali>g auch mit anf 
ihn gemünzt war, zeigen die Beriohtignngen die seine Ansichten erfthren: 
was er vorbringt, um den Gott zu eatschuldigen, dass er nicht in so 



Mtttarch: Das« die Pytbia ihre Orakel u. «. w. 



mit dem längst auf anderem Wege gewonnenen Oberein, dass 
der Dial(»f; in Piutarcbs spätere Lebensxeit gehört^). 

Der dialogische Charakter ist derselbe wie in den übrigen ]»«io^Mii«r 
Dialogen derselben Zeit Da haben wir platonische Beminis- 
censen, wohin vor Allem die Form des von einem andern 

{ilutten Versen spricht wie nionsrfiliclu" Dichtfir, kann neben der dureli 
Thcon v«Ttn*fcniMi inspirationstheurie Flularchs nicht mifreelil erhalten 
werden (6 p. H90 F IT.i und In der Consequenz von Thfonn Meinung; über 
den WccIum;! prosaischer und poetischer Zeiten in der Ueschichle liext 
ea, das» auch Serapions poetische Thtftiglieit daxunuU nicht recht xeit- 
geinäss war. Diese Ansichten waren übrigens xu beracksichtigen, eh« 
man dem Plutarch ein philosophiwshes Lehrgedicht zutraute. 

I; Es beruht dies auf der Ueutung^ die man den Worten 19 p. 409 C 
TÖv y'iftT^j^ctx^va Ta<«Ti); tij? roXitela; gegeben hat. Schnierlosch a. a. 0. 
S. 24, 2, ebensio Gurlllt, l'eber Pausanias S. 4ß1 hnhcn sie auf Hadrian be- 
ziiüiMi. In diesen« Falle sollte man wenigstens ifjY^jAÖva erwarten, was 
liucli eine Analogi«« an dem Gebrauche von i^^efiovixcac (z. B. Anfang des 
Perikles) haben v>urde. Aber auch dies würde nicht genügen: denn mit 
dem Zusatz tourr^; Tf^; zoXiTeb; wUrde die Bezeichnung dach gar zu 
verkleinernd sein fttr den damaligen Herrn der Welt Zu demsdben will 
audk nidit passen, dass seine FUnorge für das Orakel alseine »mensdi- 
liehe« gegenüber der göttlichen herabgesetzt wird. Dagegen (Uhrt dieser 
Ausdruck, Ol' dvttpwrivr^; iTTi^AcXeia;, auf den i;tt(acXtjTj||; und somit 
auf Plutarch. So hat die Worte richtig Muhl S. 46 und auch Hertzberg, 
Grieche nland unter d. R. II 4 66, <7 gefasst. Die Art, «ii' h Plutarch 
daiii» im Hinterprunde des Dialogs hallen würde, oline Ii zu nennen, 
entsprictit der Weise, die wir scbuu un ihui keuuen ^eleral haben (u. 
S. 466. 173, 2. 4 99 f.j. Die Schrift aber nun in die früheste Zeit der Plu- 
tarchischen Schriflstellerei zu setzen, wie Hertzberg auf Grund von c 9 
wdlte, wo der Zerstörung der campanischen Stidte durdi den Vesuv- 
ansbruch des Jahres 79 n. Chr. Erwflhnung geschiehtf siad wir nicht 
gezwungen, da AusdrückCi wie rd irpoo'faxa -ml via rd^, relativ gefasst 
werden können. Ebenso wenig lässt sich in diesem Sinne die Aeusse- 
rung über Boethos 5 |). 39ß D verwenden: oioö« ^dp tov dvSpa [ktTtTo-- 
Tiifuvov f^lt] zpo; xov Entxo'jpov. In den Tischgesprächen erscheint ov 
allerding.H als ein vollendeter Epikureei- und nicht erst im Uel>ergaug m 
dieser Sekte begriffen Muhl S. 67). Indessen wissen wir doch auch nicht 
wann dieser Uebergang stattgefunden hat^ und in unserem Dialog ist er 
Jedenialls schon so weit im Bpikureismos vorgeschritten, dass er Prophet 
Bpiknni genannt -werden kann (Muhl S. 68): man kommt deshalb auf den 
Gedanken, ob die Worte nicht anders zu verstehen sind, als man ge- 
wöhnlich meint, und nicht den einmaligen definitiven L'ebertritt bezeich- 
nen , sonilern das bei je<!or pPL'ehenen Gelegenheit sich von Neuem 
wiederholende iiiuül>ertreteii auf die Seile der Epikureer (»der sich jetzt 
bei ausbrechendem Streite aut die Seite der Epik, stellt«}. 



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206 



VI. Der Dialog io der Kaiserzeii. 



Gespräch umrahmten Dialogs gehört*). Aber auch das mag an 
PInton erinuerü, dass die umgebendeOertlichkeilauf dns Gespräch 
Inhalt aud einwirkt; Inhalt und Gang desselben wird diircli sie lu stiumil, 
oll^SLol^ sie ist hier so wenig als im Phaidros ein blosser Hintergrund 

Während sie durch die Denkmäler von Delphi spazieren, wird 
immer das Schauen zum Denken Übergeleitet so wie es der 
Natur und Neigung des jungen Diogenian entspricht (4 p. 394 F) 
der den Mittelpunkt der kleinen Gesellschaft bildet. Ihm oder 
seinem Vater'} su Ehren ist der Dialog in ähnlicher Weise 
geschrieben wie der platonische Theaitet seinem Titelhelden. 
Er ist der Vater des Dialogs (raTr^p toü Xo^ou), er dringt darauf 
dass das Gespräch nach mannigfachem Hin- und Herreden, 
wie es durch die wechselnde Umgebung bedingt war, 
schliesslich auf eine Hau})tfrage sich fixirt (17 p. 402 B). So 
kann der Pcripatos zur Ruhe kommen. Zu der Mimnigrallig- 
keit der Iii siiraehf während desselben hatte wesentlich auch 
der Gegensatz beigetragen, der zwischen dem Stoiker Serapion 
und dem Epikureer Bogthos hervortrat natürlich nicht feind- 
lich sondern in plutarchischer Weise für den Boden seines 
Dialogs freundschaftlich ausgeglichen und geebnet Jetit 
vollends, nachdem sie sich gesetzt haben, kommt der Süssem 
Ruhe die innere entgegen, alle Differensen schweigen und 
nach dem Vorbilde peripatetischer Dialoge wird der Principat 



1) Skizzirt ist dieselbe Form in de VA (o. S. 202) und de def. or. (o. 
1 95, . Eine platonische Reminiscenz darf diese Form heissen, da sie nur 
in (It'ni Fanatismus Plntons für den Dialog, der seinerseits wiedi'r jmi »UMn 
\erlalire» des historischen Sokrates einen gcwissitn Anhalt iiaitc. ihre 
Lrklürung lindet: denn diivsein Fanatismus ent>|iia< h es den Dialujz bis 
zum Aeuaserslen durchzululireu uud dcui zu Folge den Monolog auch 
«US den ProOmien sa vei jugcn , wo er soost n hemeheD pflegte. Bin 
nicht unwesentUcber Unteradued hosteht aUerdiogs xwiscfaeo Plutarcb 
und Maton. Bei Plutarch spielt das eiaralimende Gesprttdi auf demaelbea 
Boden und nun kann sagen in dersellien Zeit wie der Kemdinlog; bei 
Piatoo pflegen beide durch einen längeren Zeitraum getrennt m sein 
und das mit gutem Grunde da nur auf diese Weise der Gang der 
Tradition vom Ereicniss \m zum Schriftsteller einiger Maasseii sichtbar 
werden kann. Die von Piaton mit Bedacht gewälilte Form ist also unter 
Flutarch« HUndcn zur Schablone geworden. 

Uesunders deutlich ist die Beiuiiiiscenz 17 p. 40SC f. 

8; 1 p, 89SA. vgl. Muhl & 51. 



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Plutarch: Dass die Pytbia ihi« Orakel u. s. w. 



S07 



an einen Binxelnen abgetreten, der mit einem Uingeren su- 
sammenhSngenden Vortrage das Game abaoUieast 

Aiieh diesmal ist es niebt Plutarch, der Schrlftateller, selber, 
der in dieser Weise seine Autorität Andern gegenüber geltend 
macht sondern ein Anderer wird vorgeschickt der ihm nahe steht 

Ii 

und darum geeignet scheint ihii zu repräsentiren, wie früher Am- 
monios und Lamprias, so jetzt der Grammatiker Thenn Man Theou* 
hat gemeint dass Piutarchs ei^icne U< berzeugung in diesem Dia- ^""'P**» 
log ihren reinsten Ausdruck gelunden^j. Warum aber Theon ein 
besserer Vertreter der Ueberxeugungen Piutarchs als Ammonios 
oder Lamprias gewesen sein soll, ist nicht einzusehen. Die 
Wahrheit ist dass Piutarchs gleich bleibende Meinung in den 

i) Dass dieser überhaupt keine historische sondern eine von Flularcli 
Angifte Person sei, tat eine ttberellte Verarathung von Schmertosch a. a. 
O. S. 14, S. Sie wird dadarch wiederlegt dass diese angeblich fingirte 
Person in oollegialer Verbindung mit lauter historischen PersOnllcbkeiten 
erscheint ts p. 409 C (vgl. dazu linhl S. 4S); ausserdem war auch noch 
zu hewds», dass Plutarch überhaupt in diese spSteren Dialoge fingirte 
Personen zugelassen hat. Auf i'iiie Ijckiuinte Person des Plutarchischen 
Kn'is.'s ^»«inc erste Einfuhrung mit ^> Bituv 2 p. 395 C. seliliessen. 

Mit (li'm Diiilekliker und Stctiker aus i\o VA o. S. 800, 3; kann vv freilich 
nicht identisch sein: denn iiiretMids ersclniiit er durch «itnuinschafl 
positiver philosophischer Ueberzeuguug uät dem Stoiker Siiupiuu vcr- 
bonden. Vielmehr führen seine Neigung Aporien su lOsen i3 p. 395 F. 
17 p. 4 ose.] und die Art wie er sie unter Bemftiog auf Aristoteles lüst 
(vgl daxn Quaestt Convlv. 1 9, S), der Hauptvoitrag den er Uber Geschichte 
der Oraicel, über Entstehung von Diditong und Prosa, deren historische 
Folge hält, die Dichtercitate die er hierbei verwerthet (Pindar u. Homer 
22 p. 405 A f. Pindar 23 p. 405 F. 24 p. 406 C. Sophokl. s 25 p. 406 F) — 
alles dies führt darauf in ihm den alcxnndrinisrhen (liamuiatiker, den 
Gegner der Stoa wiederzucikeancn, der uns sclKin im Dialog „über das 
Mondgesicht" vorgekomnu-n ist fo. S. <86, äu.äj. Nichts widerspricht dem. 
So wie in den Worten 22 p. 405 D ein Glaube an die Wahrsagung aus 
dem Flug und den Stimmen der VOgel ausgesprochen ist, konnte sich 
auch ein Peripatetiker daxn bekennen (Aristotdes fr. S44 Akad. Ausg. vgl. 
die iff^ikw p. 45iSi» S4. den i^l»!^ p. «SM» 40 *^ 4ftSI^ S); auch die 
«p6vota 24 p. 406 B muss keinosw^s stoisch sein, wie z. B. Zeller Phil, 
d. C,v. IP' 791,23 (W-sar.-a) 790, 6 (di:t{jifXeta twv dvftpmrtvoiv brJj Oeojv) 
388, 2 (i^Eiai thifxi) lehrt; vgl. noch die r.d^j ejt£).eT; «ifv9poi7:ot Aristot. 
465»> 4 5 mit 22 p. 405 C. und was über die peripalet ische Ouelle des Vortrags 
bemerkt werden wird. Mfui darf im (icgentheil beliaiipten. ein Stoiker 
würde die Wahrheit der V ogel>Di\tniiliou und das Wirken der gottlicheo 
Vorsehung viel stärker betont haben. 

9) Schmertosch a. a. 0. S. 37. 



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208 



VI. Der Dialog in der Kalsercelt 



verschiedenen Dialogen je nach dem Vertreter, den sie gefundeD 
hat, in verschiedener NuaociroDf; hervortritt. Wenigstens an 
Lamprias haben wir gesehen, dass er keineswegs bloss das 
Sprachrohr seines Bruders ist» sondern nach Wesen nnd 
Meinung individuell charakterisirt erscheini'). Dasselbe haben 
' wir daher auch von Theon aninnehmen. Vertreter Plutarchs 
ist er nur so weit, als seine eigene Individualität dadurch 
nicht gesdiidigt virird: die DSmonenlehre dürfen virir daher 
in seinem Vortrag nicht erwarten was sollte der Gramma- 
tiker und Philolog in die iiiystisthen Tieleii steigen, in die 
dieses trügerische Licht führt, zumal weder sein Publicum es 
verlaugte 3) noch das Thema dazu driingte. Was er j^eben 
konnte hat er SJesebcn n!<;]it uhne eine Anleihe bei seiii»*u 
Peripatetikern zu machen und sich dadurc h ims<'rii Dank \ er- 
dient: denn was er vorbringt um das AuiliommeQ der Prusa- 
Orakel zu erklären, rel< ht viel weiter und macht uns mit einer 
der geistvollsten Beobachtungen bekannt, die uns aus dem 
Alterthume Ober eine Frage der Gulturgeschichte erhalten ist*). 

o. S. 495, <. <97, 3. 198, 3. 199, 1. 202, 3. 
2) Und noch weniger dürfen wir aus t1» ni Fehlen derselhen folgem 
fSrhinertosch a. a. O.). dass es Plutarch iiul dieser Lehre nicht Emst 
WIM. Es gemisile djiss Theons Vortrnij nur der Dünionenlehre nichl 
widersprach und 2>ie uuäschloss, soudera gewisser Maa&sen Pitts für Sie 
liess. Die Concordanz liess sich dann In derselhen Welse herstellen wie 
de def. or. In Lnmpriiis' Vortrag (o. & 49S Anm). Hit Sl p. 404 B. ff. vgl. 
o. S. 495, S. 

8) Kein zUnlUger Philoeoph ist damnter. Serapion und Boelhos 
heissen der eine ein Dichter 5 p. 396 D) der andere ( in Geonieter (a. a. ü. 

wenn sie (l;inel»en auch htoistlu'ii umi ('itikuroist-hen I.ehrt'n luildijivn 
IMiiliuoä und Diogenian habea im Wosenllichon die gleichen luk;rcssen 
wie Theon. 

4} Posidun, der sich dem Verinuthcn jcUi t^uwuhnhoh luersl dar* 
bietet, kann sie nic^t zugeschrieben werden. Nach Posidon nnd den 
übrigen Stoikern Ist auch die Poesie lehrhaft, seihereine Art von Phikisophk. 
unterscheidet sidi also von der Prosa lediglich durch die metrische Pocw. 
(Neumann im Hermes t4, ISS ff.}; in Theons Vortrag dagegen wird da:. 
Aunioniinen der Pro-^n crrknupfl an den erwachenden Sinn für Wahrheit 
und die Al)sii hl zu belehren i24 p. 406 E.) während die Poesie erschüll*TD 
\sill (^xz>.T,rrnv p. '.OCE.) aus Leidenschaft rAHi -»S p 405E. 406CO und 
IMianta«io («paiJiaaitxö'* 23 p, 405 E. ^avroiaioi p VH6I)) hervoreehU 
Auch dass das cpavTaorixov hier (23 p. 4 OSE.) als ein l>esunderes Vtiuiugen 
der Ļele hingestellt winl, enlsprichl zwar kaum der stoisclaen Psycbo- 



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Plutarcb: Ueber die, welche er»! Sfiit von der Gottheit u. s. w. S09 



Di« bisher in den »Pythischen Reden a erörterten Fragen 
wareOy wenn man sie an das Wesen der Gottheit selbst hielte 



logie, selbst nicht der des Posldonios, umioniehr aber weist es uns 
ebenso wie die vorher erwühnte Ansicht auf die Peripatetiicer. Bs Ist 

auch nur natürlich dass Thcoo, da er die Rolle des Peripatetiker im 
Dialoge spielen sollte (o. S. 407 J-, tnll Hilfe peripaletischcr Schriften und 
Lehren von Plutarch ausm'staltct wurde (o. iy2,4 üt^cr Lauipiias; . Von 
hier kuimnen wir nun sogleich weiter. An einen Peripaletiker . »lor 
sonst wohl in Frage Icumu, l^unu tiier deshalb nicht gedacht wurden, w eil 
]$egen ihn polennblrt wird. Das ist TbeophrasL Gegen ihn wendet sich 
SS p. 4SSF. f. swar ohne Ihn m nennen, aber aus Quaestt. Cmiv. I S, S 
p. ftl 7 erliyirea wir dass er den Ursprung der Dichtung in der Liebe 
ifym^ suchte, und das ist eben die Meinung welche hier bekSrapft wird. 
So werd«! wir natoiseroSss auf einen der Gegner Tbeophrasts geftkhrt 
und als solcher ist uns scluMl frtther Dikaiarch bekannt geworden (o. S. 1 38 f.). 
Aus diesem und anderen noch iinzufUhrcndon Gründen vercüent er 
den Vor7up \or Istms, der l'J p. 4o:^K genannt wird, zunuil wir gar 
nicl)t \Nissen in vsie weit denneu Schrift sicli in Krorterungen allgemeiner 
Art eingelassen hat. Dass Dikaiarch in der Lage war sich über die 
in unserem Dialoge verbandelte Frage aussusprechen, folgt aus der von 
Cicero de divin. 1M4S berichteten Thataache dass bereits lur Zeit des 
Könip Pyrrhos Apollo aiil)j|ehtfrt hatte in Versen au sprechen. Mehr 
als einmal begegnen wir den Sparen gerade dieses Peripatetlker« in 
Plutarchs Schriften. Auf ihn stützt sich die Schrift An seni sit res pubL 
ger. (36 p. 796D}; in einer besonderen Schrift hatte Plularch die Frage 
behandelt ul> das Vorherwissen des Künftigen nützlich sei {d töiv 
pLeXX(ivTo)v rnÖYvcuai; ct»^£Xt{jio; fr. XV ed. Dübner) und dlcKt« Schrifl war 
gewiss nicht bloss ihrem Inhalt nach v»«rwandl sondern stand auch sonst 
tu Zut»amnienhang mit dem „magnus über" IMkaiarchs, des.sen Ciceru de 
divin. II 405 gedenkt und worin ausgeführt war, dass es besser sei, das 
Kttnaige nicht an wissen, als au wissen. Auf Dikaiarch hat uns schon 
die Qaellenuntersnchung von M orac geführt (o. 5.191, 4). Frische Lek- 
Ittre seilt der Anfang von de Et (I p. SS4 D) vonus und es ist nicht 
unmöglicli, dass die eben dort erwähnten »pythischcn Reden« ein Nach- 
klang der «korinthischen« und »h'sWschen« des Peripaletikers (Cicero 
Tusc. I n 77; sind. Auch der Inlialt \ on Theons Vortrag im Einzelnen 
bewahrt die Eigenthümlichkeit der Lehre Üikaiarchs. Nicht bloss erklart 
sich nun das Kehlen der Dünionen lehre so gut wie in dem cbeidalls auf 
ihn /uruckgefuhrten Theil vom Lumpnus' Vortrag, sondern auch die be- 
rttchtlgte Psychologie Dikaiarchs, die In der Seele nichts als eine Stim- 
mung oder Mischung (xfäst;) der Ktfrpereleniente sah (o. S. 198,1) kehrt 
hier abermals wieder wie die folgenden Worte lehrmi (tl p. 408 B): 
9«6itpOv Ik «al Ottfuirw fjyrpx «pdoitc «al ^octc 6 XP^*^^ ixctvoc, tjpouv 
Tt xal tfopiv ix,o6ea; fcpöc TtoiTjotv, «tc cM6c iatYit^ovTo iTpo)^up.(at xat 6p- 
|Mii xnl Tcapaoxct>a(, «|'*'X^ itoii&dnjtn netoCeai |U»pac l&nttcv d(^i)« xal 
Hlrs«l. Diatog. U. 14 



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210 



VI. Der Dialog in der Kaiierfeit. 



mehr ezoterischer Natur. lo dem Augenblick wo itie Er- 
iSrlening liefer drang und mit ihren Aporien an Gottes Person 



Was nun die Hauptfrage betriCI, die Frage nach dem lelttlclieo Verhalt* 
nisa von Poesie und Proaa, ao wurde dieaelbe im Alterttiam öfter be- 
bandelt und verachleden beantwortet. Während die Pbiloaophcn und 
Dichter die poetische Ausdniclssweise für die dem Menschen natüHichf 
erklärten und deshalb pcnotpt waren ihr «Im- PrioriUit vor der Prosa zu- 
zugestehen (Strabo 1 p. 18. Theo|*hrast b« i Tu ro de oral. III 184 f. vgl. 
dazu Ueruiiys Tiieophrnst S. 46. Piaton <- II 653CIT. Gll l) ff. Der 
Dichter Maternus bei Tacitus Uial. c. 4 i„ drelilen die Khetoreu die Sache 
um und ätcUten an die Spitze der Bntwidclang die Prosa, ans der sich 
erst spater auf kilnsUiohem Wege die Poesie entwickelt habe (am schroff- 
sten Aristldes or. 8 p. 49 wo Jebb. auch den Widerspruch mit Strabo be- 
merkt hat; aber auch QubitUiaD XII 40, 4t, Tlelleicht auch Cicero Orator 
485 f; auf dle§elbe Ansicht führt auch Lucres V 4 451 Mun.l. Von bei- 
den unterscheidet sich Plutarch insofern als er weder der Poesie noch 
tief Pro-;;i die Priorität gibt, weder die eine noch die andere für die dpm 
•Mensclien ii.itiirlirhen< ««rklärt, soadern behauptet, dass sie holde iler 
Natur des Mensclien enlsprechea wie dieselbe zu verschiedenen Z^Mlen 
und unter wecliselnden Umstünden sich verschieden darstellt lik p. 406 B; 
tum Uebcrfluss bemerke ich, dass rp&xov und icdnpov 88 p. 405 B mH 
der Zeitfolge nichts zu thnn hat). Plutarchs Ansicht ist also eine nachr 
historische. Noch aus einem andern Orunde verdient sie vorragsweise 
so SU heissea. Wahrend die Andern die Frage lediglich von der sprach- 
lichen Seite betrachteten, hat Plutarch darüber hinaus parallele Erschei- 
nungen des gesamniten l.ehen? ins Aiic:e (.'efnsst -ik p. 406 D izd Ii toj 
ßiou (i^fißoXTjV aui TT!; TÜyat; X7t Tau y63£5i /.afx^otvovTo; xr'f und 
bis dahin bloss i hetorisches» Interesse am (li'genstiinde in ein oulturhisio- 
rischcs verwandelt. Besonders auf die EutsleUuiig der attischen Prosa 
Mcheint er zu zielen, wenn er die grössere Einfachheit des Lebens, das 
Streben nach Wahrheit und Klarheit in der Wissenschaft, die Absieht an 
belehren in Parallele setxt au dem Uehergang von der Poesie inr Prasa; 
wenigstens werden wir au bekannte Bemerkungen des Thukydldes 
(I 8} und des Pontikers Herakleides Athen. XII p. ßlS C) erinneft 
fvgl. auch Aristot. Polit. 9 6 p. 1344» 28 if.), die spcciell im Athen 
des fünften .Jahrhunderts einen solchen rnisehwunf: In den Sitteo vor» 
Wei<lilichkeit und I.nxus zu Harte und Kinfachheil beobachten, und 
auch (bis über die \ erandiTuni; im Lehen der Wissenscluifl Anpedeulete 
tritVl nur in Attika recht zu, als dort die itukralische Bewegung eiasetxte 
(über die Sokratiker vgl. auch 83 p. 406 A. Dikaiarchs Verehrung fikr 
Sokrates Plutarch An seni sit r. p. g. 86 p. 786 D). Diese vortreffUctoi 
Bemerkungen — die eine viel breitere Ausfllhmng und weitere Anwen- 
dung vertrügen und auch modernen Darstellungen der Ptom und ihm 
Geschichte natsUch werden kannten (vgl. Immisch Ith. U, 49, S. 580 i 



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PiQtarcli: lieber die, welche ersi sptti toh der Gottheit u. s.w. 



und RegieruDg rttttelte, hielt Plutarch es für geboten aas seiner 
Reserve heranssutreton und fortan als Vortragender selber 
die Verantwortung für das Gesagte sn fibemelinien. 

Das gesohah in dem Dialog »Uber die welche erst »üeber dia 
spSt von der Gottheit bestraft werden« (nspl twv wo ^'l'^,V(u! 
Too8«(ou ßpotdifti^ ti[i{opou|iivu)v). Der Titel ist su eng, er umfasst Ooitltlt t«- 
nicht diejenigen die fOr ihre eigene Person der Strafe entgehn 
und dieselbe auf ihre unschuldigen Nachkommen vererben, an 
denen die Sünden der VSter heinigesuclit werden, lud doch 
hat deren Schicksal, wie es einem alten tief im Volke wur- 
zelnden Glauben entsprach, auch Plutarch nicht übergangen; 
es vielmehr zum Hauptgegenstnnd seiner Erörterung gemacht 
(c. 12 — 22). Dass die Schuld der Ahnen als ein Fluch auf 
ganzen Geschlechtern lastet, hatte die Tragödie erst verkündet, 
dann aber auch, durch Euripides, bestritten^]. Derselbe 
Dichter, der den Adel der Geburt leugnete, konnte conse- 
quenter Weise auch keine Schuld von Geburt, keine Erb- 
sUnde, anerkennen und gab damit nur dem bekannton Grundsats 



5S4) — sind schwerlich in Plutarchs Garten gewachsen; das diirf man 
sa^<"n ohne ihn zu untorschülzen. Dagegen scheinen sie mir keines so 
würdig als dos Verfassers d<»s Rto; 'FXHco;. Ol» sie min frcrado «ImImt 
slamroen, ist eine undore I ra}^»'. Die niüralischc Kniik, welclie am iU-i- 
phischcn Heiliglhuin 15 p. 401 CS. geübt wird, berührt $iich, bcsoadeis 
weon man H p. 400 Ff. das über dm ObeHsk der Rhodopis Gesagte 
Mnsunimmt, mit Worten DikaiarchB hei Athen. XIII 594 E f. (fr. 7S Mttller] 
wo wiederum besondm die Pythioalke su beachten ist. Diese Worte 
stammen aber aus der EU Tpofavte» «otctpaat;. Eben da war von dem 
in Criochonland herrschenden Luxus die Rede (fr. 73 vgl. Cicero do rep, 
II 51 ; fr. 71 = AtlitMi. XIV p. 6U E f. auf die Schwelperetcn iler Priester 
des Orakels eiiiziisrhriinken . wie Osann HeiLr. zur griecli. u. roni. Lite- 
raturyesch. II S. 109 f. wcdlte. sind wir nicht gonüthigt;; wozu sich Plu- 
tarch ih p. 406 C f. Ncrglctchen iässt. Dass Plutarch gerade diese Schrift 
Dikeiarclw damals eingeselien hatte, wird aa<^ deslialb wahrscheinlich 
weil Lamprias' Vortrag in de def. orac. ursprün^idi in Lebadeia gehalten 
war (o. S, 495, 4} also doch wohl unter densellwn VerhSltnissen und Um- 
gehnngen, auf die sich auch jene Schrift bezog. 

1) De sera num. vlnd. 48 p. 5S6 E fr. 970 N . Welchen Sinn fr. 88 
Nauck desselben Dichters halle, Ist nicht mehr zu sehen. Beleihe für die 
Verbreitung der voliisthumiichen Ansi( lit L'eljt n \V\ Itenbach zu Flut, de 
«ern n. v. (Leyden 1772; .S, 63. Loheck A^iaoph I 635 IT. Sauppe Epist. 
cril. S. 74. Kuhde Psyche 1 S.241 Anm. Vgl. auch Plalon Gcss. IX p. 856 D. 
Valer. Mas. I 4 Ext S Schi. 

44* 



ijiyilizea by GoOgle 



Vf. Der Dialog in der kaiserzeit. 



seiner Zeil neuen Ausdruck dass der indivuluelle Mensch 
das Maass aller I)ine:e sei. Wie er dachten auch andere seiner 
Zeitgenüssen. Aus den Kreisen der Sophisten und Kyuiker 
heraus erscholl der iiul nach Abschallung des Adels, und 
gleichen oder ähnlichen Kreisen entstammte Bion, der die Sünde 
der Väter m den Kindern und Enkeln zu strafen fQr ebenso 
lächerlich erklürfn als der Versuch eines Arztes sein würde 
die Krankheit des Grossvaters im Enkel xu curiren (19 p. 564 C). 
Anders als diese radicalen Philosophen, die keine Scheu vor 
der Tradition kannten, vernahmen die Peripatetiker aueh hier 
in der Stimme des Volkes die Stimme der Natar, in deren 
Dienst sie Ihr eigenes DenlLen stellten. Der echte wie der 
unechte Aristoteles >) leiteten die Berechtigung des Adels aus 
der Natur des Mensehen ab, und besonders die Worte des 
letzteren versetzen uns in eine Gedanbensphäre in welcher auch 
Plutarchs Theorie von der durch ganze Geschlechter sich fort- 
p Hau /.enden Slrafwürdigkeit ein bequemes Unterkommen findet ^J. 



i] Der Vt'rfa5;spr d»»s Dialogs izcpi evY^ve(a«, dossrti tilitlK'il iihn- 

geiis in nf'Wf'icr Zoit von Imniisrh Comnientalk Kibb. S. 78 f. wieder 
vcrliieidigl worden ist S. i7ü, i. 292, 1;. 

i) Fr. 85 (Akad. Ausg.) p. U91> 2: ou|Aßa(<Mt Ik t6 toioQtov (mx 

Hierniit vgl. in Plutarchs Schrift 46 p. 559 D: Ivti ^tcou xal ^ivoc 
Ti(}|kf»ov ^PX'^^ i'-^^i <!)6vafft(>f Ttva xal xotvasvlav hiaiti^wotltn ^rt^- 
(pepotJuTjc xtX. Wie IMulardi so wendet sich auch der Verfasser der 
Sclirifl »vom Adel« gegen Huripides fp, ^490* 39). Die xöX'i^t; als iiTpeia 
zu fassen, wie IMutarch thut c Ii) IT, vgl. 4 p. 550 A), ist ebenfalls ari- 
slulelisi:h (Ind. Arisl. u. xÜKnaiij. EadUch hat Pluiurch selber schon seine 
Ansicht von der Schuld oder doch der Strafwürdigkeit in PftrtUelc ge- 
sellt zu dor TtpiaipiivT] txifiivi» (c <l bes. p. 558C]. Sonadi ersehdiil 
Plularch auch hier von den Peripatetlkem Inspirirt. Ob freilich ROCh 
hier «rie in den andern pythischen Reden Dikaiardi sein Ftthrer gewesen 
Ist, muss zweifelhaft bleiben. Zunächst scheint für diesen Peripatetiker 
7.M sprectljcii die Auffassung ylxo; als eines einzigen Cüx»') 'fas dun 1 
die deneralionnn hindurch \\oit( i lebt und diese so zu einer hohti^u 
Kinln'it v«'t l>iudet (15 |). 551* A : so hahen wir ihn« schon einmal zu- 
^t'liHul dass er die verschiedenen üeslrebungen eines Volkes aL» den 
Ausfluss eines und desselben Geistes zu einem einheitlichen Galliir> 
Keniülde susammenfasste (o. S. SOS, 4) und ebenso dachte er «idi 
nach einer neueren Auslegung seines B(ec 'KXXd^ das helieniache Laad 
und Volk als ein grosws langlebiges individuum, dessen Biographie tu 



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PIntareh: tfeber die, welche erat spKt von der Gottheit u.8.w. 213 

Indem Plutarob sieh so die Gedankenarbeit der Früheren 
Bu Nolce maehte, unterstOtile er gleichseitig die von diesen 
▼erfolgten Absichten. Die grossartigsle Theodicee des Aller- 
thnms, Piatons Republik, hatte doch eine Lücke. Sie winl piatons 
ausgorülil durch die eben erwähnte Ilauplerörlerung der '•P*^^' 
Plutarchisrhen Schrift. Auch darin lohnt sich Plularch an 
Plalon dass wie PlaUni don Einzelnen mit all soincMi Lei<i('u 
und seinen Freuden in die Gemeinschaft des Staates verüicht, 
die Nebeneinanderlebenden durch ein organisches Band ver- 
knüpft, Plutarch dasselbe mit Vor- und Nachfahren thut und 
auch die in der Zeit auf einander Folgenden su Gliedern 
eines höheren lebendigen Gänsen erhebt. Nicht minder sind 
In der Gomposition der plutarchiscfaen Schrift die Umrisse des 
platonischen Werkes noch in leisen Gonturen sichtbar Die 
Eigenthflmlichkeit des platom*schen Dialogs Ober den Staat 
beruht unter anderm auch darauf dass Sokrates dort den 
grössten Theil des Gesprächs hindurch es nicht mit wirklichen 
sondern mil Schein-Gegnern zu Uiua hat, mit solchen di n n 
eigene Meinung mit derjenij^en des Sokrates vollkommen iiher- 
einstimmt und die nur deshalb den Standpunkt der Gegner 



scbretben er ontemahm (F. Dttminler Verhh. der hi, [Wiener} Philologeo- 
vers. 8. 65). Gegen Dikalarch al»er spricht wieder der Zwecke dem zu 
Liobe diese Theorie von Plularch vorgetragen wird und der lieio anderer 

ist als eine fromme erbauliche Gesinnung zu starken und besonders die 
Krgebenheit in flottes unerforscfdichen Rathschluss zu heftründen. Hier- 
mit stimmt besser was uns über TIiiMiphrasl t»ek;Mmt ist (vc!. bes. Ber- 
nays Theophra^t S. 37) und ouf dctiNrlhcii IM>ilt>so|)lien fiilnt Miss- 
achtung des praklisi lien Lebens gegenui»er der deoipb, in iU-v allein die 
Seelo walirhafl geläutert und zu einem höheren Daselo befähigt wird 
(89 p. 565 D). In der letzteren Ansicht eine Nachwirkung von Plutarchs 
Quelle za erblicken sind wir deshalb berechtigt, weil er seihst bekannt- 
lich in der Schrift An seni sit res publ. g. die entgegengeselzte Hetnung 
verlicht and damit dort auf die Seite Dikaiarchs tritt. Posidon oder 
iil)erhaupt einen Stoiker für Plularchs rievsährsmann ZU hnHon i^i schon 
deshalb ni< Iit liitMich, weil, w'w sirli iiu< Cic, Nnt. r>eor. III :»0 f. crLiiltl, 
die Stoiker flic Heimsuchung einer Mis-^rtliiil ;hi Kind' rn und Enkeln ganz 
naiv für ihre \ orsehune«theorie verv»* ! thetcii und ki im swcirs auch nur 
den Versuch gemacht hatten ein so auffallendes StralxerfaJiren physisch 
oder moralisch zu rechtfertigen. 

I] Vgl. o. S. U8 ff. ttber das Verbttitniss der Schrift de genio Soor, 
zu Piatons Phaidon. 



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VI. Der Dialog in d«r iCaiaeneik 



weiter vertreten, damit die Saclie noch grtindlicher ernrii ri 
werde. Mit denselben Mitteln hat Plutarch den Anlass zu 
leidenschaAlich gereiztem Gozanit beseitigt und den Boden 
fOr eine ruhige sachgemässe Discussioii geschaffen. Die Rolle, 
die Platon Beioen Brttdern Adeimantos und Glaukon sugewiesen 
hat, spielen bei ihm ebenfalls nahestehende MSnner wie sein 
College im Delphisehen Rath Olympiehos (3 p. ft49 B) und sein 
Schwiegersohn Patrokleas (2 p. 548 G), denen sich als Dritter 
Timon sein Bruder gesellt; die Entfernung des epikureischen 
StArenfriedes entspricht zwar einer allgemeinen Maxime Plu- 
tarchs (o. S. 490), dürfte aber hier ausserdem in Piatons Be- 
handlung des Thrasyiuachos ein gewisses Vorbild haben. Wie 
die Dialoge so gleichen sich auch die ihnen an^t h niglen Mythen 
— denn man darf die pl Uta rchi sehen Mythen so wenig als die 
platonischen (1 S. 2Ö9 ff. 264 ff.) über einen Leisten schlagen') 

4) Am meisten miier platoniflchem Elnflass sieht die DeOeitioo des 
Mythos Bellone an pace Athenae 4 p. S48A (X^yo« ^fw^/i iociubc dXi^ 
9tvi{i, X^You tbt^ «al el^XevK Dieselbe liegt doch aach der AoffTassaiig 

de genio Socr. H p. 589 F (eoxiv otttj tj^aiti Ttj; dXTjOeia; xai tö fijddgi&E;. 
o. S. !50, 1) und den Andeutungen de def. or. p. 424 C. E ^\ p 42« F 
zu Grunde, tu iinsrrpm Dialoge dagegen ist «Um wi^N. tisi haflliche Werth 
des Mythos ticlor gesunken; denn PlutarclLs skepli.sclier Standpunkt 
brachte es niil sich, dass das Wahrscticinliche, als Resultat, der Erurte- 
mag des DiaJugs vorbehalten blieb. So erklärt sich die Scheidung des 
cixi« vom (fc!»9oc in folgenden Worten (18 p. 561 B;: i/m (aIv tcv« vA M^ov 
ciitsTv fv^YX^C dxv)«oi&€, 6tsA H |«Lv8oe ^jpX-v' (t6v<p odv XP^t<^" 

T(j) eixdtt (dagegen ist in den bald darauf folgenden Worten inoteÜnMi |w 
T»p Xo^c») zh E(y.o;" usxepov oe tüv (xyftov xtX. das eixo; entweder geraden 
in oi*£tov TU jindrrn oder doch in demselben Sinne wie dieses zu ver- 
stehen). Auch der Schlusstiu tlids in rM;»(<m<; Roptihlik aber steht wls^rn- 
schaftlich angesehen niilil auf dcixMbi it Hohf wie der des Phaidon oderK**« 
dcsTimaios. hidcni Piaton die \ ei gleichung mit AXxivoj droXo^oj^X p. 61 4 B} 
ironiacfa abweist, fordert er uns gerade auf, den Mythos aof dassethe 
Niveau der Glaubwürdiglceit wie die Nekyia der Odyssee xn stellen. Nur 
ironisch ist auch Plotarchs et ^ iortv {iS p. MI B! XQ ver> 

stehen. Das Ironische solcher Aeusserungen, die sich ihnlich auch bei 
Platon finden, scheint mir auch Dielerich Nckyia S. HS. 119 nicht ganz 
pewurdi^t /ii iKthcn IflMTlnuipt wird in <len zahlrei<hen neucrrn \h 
liiii)flliMii:iMi uixi M\thi'n il<'r \ frsrliirdnii' Ch.u.ikltT drr c"in7»'liiin M\ltu*n 
(oh SU- iiu'hr rlK'luri.sch - poftis» Ii (kIii |)iHlo^njtlii-«rh - rfli^ii'> >nn\ au'hl 
genug beachtet. Man glaubt, wie Dirlri it ii a. a. i>. IT., alle gU'u h- 

mttssig benutxen xu ktfnnen um ein Gosammthlld pintonischer Bschato- 
logie herzustellen. 



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Plntafcb: lieber (Ue, welche erst späl vod der Gottheit ii.e.w. 845 

— und Flutari ti hat überdies durch eingestreute einzelne 
Züge seine Abhängigkeit von Piaton nicht minder als seine 
Selbetäiidigkeit im Verwerthen des von diesem Gebolenen 
doonmeDtirt'). 

Plutarobs Eigenthflmllchkeil verleugnet sich auch in Fintanh hat 
diesem Bialoge keineswegs. Ja in gewissem Sinne tritt seine ^ ^^^^'«^ 
Persönlichkeit hier stfirker hervor als in andern Dialogen. 
Nicht bloss hat er sich selber redend eingeflihrt und sich 

den Principat im Gespräche zugewiesen — die Andern sind 

nur da um Aporion aulzuworfen, die or endgültig und 
ohne Widerspruch zu finden löst — sondern aiu h den Andern 
j^cbeint eine geringere oder bedeutendere lioiio nur zugetheiit 

i) l>f'r Mylho.s Plutarchs ist iu der Hnuplsache eine neue Auflage 
den Mythos der Republik. Die Aebnlichkeil des Schlusses hat sciiou 
Wyttenhach bemerkt. An die Stelle des platonlscheD Ardiaios sodann 
(p. 645 C u. B) Ist Nero getreten, aber mit einer wesentlichen Modlfication 
des Schicksals (SS p. 567 F). Den Namen *Aptfaro( hat sich aber Platarch, 
wie es scheint, ebenfalls nicht entgehen lassen sondern ihn für den Ge- 
wöhrsmann seines Mythos benutzt, wenn nämlich so 22 p. 564 C statt 'Api- 
oato; mit Wytlenbach 7.n schreihon ist. Andere inodificirtc Aehnlichkciten 
sind in dn- delphischen Sibylle p. 5öfi |) mit der Sirene Piatons (617 R), 
der apollinischen (? vgl. Weicker (iotterl. II <9; nach Dictcrich Nekyia 
4%B ist die Adrasteia eine orphische Göttin) Adrasteia (564 C) mit der 
Ananke (647 B, deren Tochter die Adrasteia bei Plutarch heisst; die 
Adrasteia auch bei Piaton Rep. V 454 A. Phaidr. i48C). Diese Abwei^ 
chungen von Piaton werden einigermaassen gerechtfertigt and zwar als 
solche, die nach dem Sinne der delphischen Thcolopie sind, durch Quaestl. 
Conv. IX 14, t ff. (vgl. auch Dieterich Nekyia S. 147. Anders de genio 
Socr. ii p. 591 B, vgl. auch de facie in nrho Innac .10 p. 945 C. Auch 
die Gewahrsmänner heider Mythen fordern zur Vorgleichung auf. Eine 
hi»itori2>chc Person ist weder der Armenier Er noch der Küikier Aridaios 
(resp. Ardiaios). Nur eine weitere FicUon im Sinne der Zeit ist die Um- 
nennung des letsteren in Thespesios (vgl. Aristides-Tlkeodoros bei Aristid. 
or. 96 p. 888 ff. Jebb. der Mager Mithrobarzenes, den Menipp in der Unter- 
weit trifft, wird ftteicloto« Hx^^ genannt l»ei Lucian Necyom. 6. 
8&cnuo(a>v das Haupt der OKnniofen bei Philostr. v. Apoll. VI 40 p. 109). 
T>ass Plntarrh seinen Fretind. (Icn Grammatiker Protocenes rus Tarsos, 
als Gewahrsmann des MnIIios nennt (22 p. 563 C ,, kann nur im Scherz 
gemeint sein; aus de ¥.i 4 p. 386 A 'vcl. 3 fT, 385 1>. K| sieht mau dass 
das Eriiudcn von GcwUhrsmänncru damals ein Brauch war, mit dem man 
nicht i>lo88 EnMhlwigeii venlerte. Die Neocrungen Plntarchs im Mythos, 
soweit sie nicht etwa einer delphischen Tendenz dienen, sind nach o. 
S. 408 ff. zn benrtheilen. 



216 



VI. Der Diülog in der Kaiserzeit 



SU sein je nach der nShereii oder entfernteren Beziehung in 
der sie zu ihm stehen. Wenigstens scheint sich hieraus eine 
gewisse Bevorzugung iiuions vor Olympichos dem Gollegen 
und Fatrokleas dem Schwiegersohn zu erklären — desselben 
DMog »Ton Timon, dem Plutarch anderwärts, im Dialog »von der Soelei, 
in SmI»«'- ^fiirfii Ueherlassung des vollen Principats ein literarisches 
Denkmal gesetzt hatte *) ähnlicher Art wie in den vorher be- 
sprochenen Dialogen (o. S. 1 85. \ 95. \ 97) dem Lamprias. Die 
Rücksicht auf den Bruder tritt nicht bloss darin hervor dass 
dieaem die schwierigste und sugleich fhichtbarate Aporie i& den 
Mund gelegl ist^) die die längste und inhalte^ichste Beant- 
wortung durch Plutarch veranlasst^ sondern seigt sieh vielleicht 
auch in der Wahl des Quintos sur Person des einrahmenden 
GesprSohs*), da dieser mit Timon besonders befireundet gewesen 
SU sein scheint«). Neben den familiären Betiehungen sind 
aber auch die offictellen Plutarohs nfeht vemachlSssigt Ja 
sie sind in dem Bilde dieses Dialogs sogar ungewöhnlich stark 
aufgetragen. Denn die Person ra des Gesprächs sind s nnnit- 
lich Mitglieder des delphischen Consistoriums : um so mehr 
llilit ins Gewicht was theils im Anschluss an die delphische 
Lehre theils zu ihrer Berichtigung bemerkt wird "^). 
Bomnl«. Wie die übrigen »pytbischen Reden« ist der Dialog in 

Delphi iocalisirt: nachdrücklich wird auf die Nähe des del- 
phischen Heiligthums hingewiesen (7 p. 552 F), mit naiYer 
Frömmigkeit fühlen sich die Bedenden als Angehörige vor 

1) Zu homtTkcn ist dass auch in diesem Dialog Patrokieas mit Tiaioii 
im Gespräch erscheint. 

S] 4S p. SSSEff. vgl. 4 p. 549 E. 

a] Denn ein einrahmendes Gesprttcb mit Quintos ist auch hier en- 
xuerlLennen. Sonst itommt man Über die von WyttenlMeb bespradienen 
Bedenken nicht hinaus, die nur so lange gelten als man Qninius (lir den 

Adrrss.itciY einer Schrift hält, linier der Annahme, dass er die Person 
eines Dialogs ist, gihl der nliruptc AnfaiiL; nicht den perin£;<5tcn Anst«><s. 
Es hat niso mit Oninttis hier dieselbe Bowandtniss Wie mit Torentiua 
Priscus in de ilef nr. o. S. 19."» f. 

4) Vgl. d(* Irutcruo ainoro 4 6 p. 487 E. Diei^e >clinil ist an Nignnu> 
und Quintus gerichtet {i p. 478 B). 

5} Anschluss an delphische Vorslellungen s. o. S. SIS, I. fine 
Kritik delphischer Lehre, wie dieselbe sieb nnler dem BlnOuss der Orphifcer 
gestaltet hatte, gibt 98 p. «65 C vgl. A. Mommsen Delph* S. ITtJ. W 
(gegen die Orpbiker richtet sich auch 4S p. 557B vgl. mit It p. M7D:. 



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Plntafeh: Ueber die, welche erat spilt voo der Gotihdt 11.8. w. 817 

Allen dos gegenwärtigen Gottes (17 p. 560 C). Wie anderuarts 
(o. S.489,3) in £rwartiuig der Pythien so stehen sie hier noch 
linier dem EindrudL des Tbecxenienfestes (43 p. 557 F)* Des 
Gesprfteh wird auch hier wShrend eines Peripatos geführt 
(1 p. 548 B) der aber diesmal nicht nach der üblichen Scha- 
blone auf die Etnleitong beschrinkt ist, sondern bis inm 
Schlüsse andauert Von allen pythisehen Reden am nflohsten 
steht unserm Dialog der zuletzt besprochene Über die Orakel 
der Pythia Wie dieser mag er dem Alter des SchrilXstollorsAbfaMungiMit. 
angehören, der sich sonach erst spät entschlossen hat seine 
eigene Person auf der dialogischen Bühne mit einer AutoritHt 
zu umkleiden, der die Mitunterredner ohne Weiteres huldigen, 
jedenfalls nicht eher als bis ihm diese hervorragende Stellung 
innerhalb seiner Umgebung im Leben und in der Wirklichkeit 
nicht mehr bestritten werden konnte* Raum hat einer der leohwlrknas« 
plutarchischen Dialoge eine so lang anlialtende Nachwirkung 
geObt: wShrend der Mythos mehr als irgend ein anderer die 
Phantasie Dantes befruchtete, wurde durch die dialogisdie 
Erörterung der scholastische Verstand des Grafen Joseph 
de Maistre so sehr angeregt dass er es unternahm den vor* 
meintlich verstümmelten Anfang des Werks (0. Sw246, 3) mit 
einem Pröomium eigener Mache zu versehen. 

Die pylbischen Dialoge linden ihren natürlichen Abschluss Brioi über Ui« 
In einem Halhdialog, in einem Brief den der I>riester Plutarch 
au die IH'iesterin Klea^), doch wohl nach Athen aus Delphi 

4) Die Sibylle sagt den Untergang von Dikeiarcheia voraus de Pytb. 
er. 9 p. SSS B de Sera n. v. iS p. 566 E. Aesops Tod de P. 0.1 4 p. 400 F. 
de s. n. y. IS p. 556 F. lieber die icp4vota de s. n. v. der ganze Dialog 
Q. bes. i p. B4S C» über de P. 0. 8. 0. S. 307, 1. Plularch mit CoUegen 
aus dem O'jvttpiov de P. u. 29 p. 409 C iPoIxkrates Petruios Thcon s. o. 

205, 1 de s. n. V. U p. 558 B (Olympirhos, TImon, Patrokicas? vgl. 
Quaestt. Con%. VII i, i p. 700 E wo nur tiithydcm ouviepeu; heisst . Auf 
PUitarrhs Rrforriien in Drlphi beziehl »ich tie P. o. 29 p. 409 C de s. n. 
V. 13 p. a58 B (Volkaiaim I S. 53 denkt an eine Slcphanephorie in Chai" 
roneia;, vielleicht auch 557 F f. wegen apyaiCouaTj; vgl. QuaestU Con. V 
8, S. Die Freude über den Eintritt besserer Zeiten spricht sich in lielden 
Dialogen ans: dentlidier und ausdrüdLlich de P. o. 90 p. 409 A, alier 
nicbt tu verkennen scbeint sie auch hier in der milderen, ja gttnstigen 
Bcurtheilung Neros 99 p. 567 F (o. S. 488, i vgl. auch de Ei 4 p. 885 B 
Volkinann I S. 50). 

9) lieber ilue Persönlichlieit s. Mahl S. 86 f. Maass, Orpheus S. 4, 9. 



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248 



VI. Der Dialog io dar Kaiaenelt. 



sehreibl^). Auch in dieser Schrift seines Alters, die ilirett 
Titel nach Isis und Osiris trägt, ist Plutarch im Wesentlichen 

seiner bisherigen Theologie treu geblieben: nach dem Vor- 
gänge der akademischen Skeptiker hat er sich zwischen dem 
Aberglauben des Volkes uml dem Unglauben mancher Philn- 
sopheo den Mittelweg einer reineren und tieteren (jott<">- 
erkennlniss und -Verehrung gesucht und mag auch hierbei 
sich des Zusammentreti'ens mit seinem Landsmann Pindar ge- 
freut haben, dessen Dichtung und Reh'gion wie wenige seinen 
Schriften ihre Spuren aufgedrückt haben. Die physikalische 
Mythendeutiing der Stoiker wird auch hier verworfen. Um se 
mehr hStte man sich bedenken sollen ehe man ihn nach dieser 
Richtung hin eines Widerspruchs beschuldigte^). Deijenige da- 
her, der in dem Fragment »Aber die Daidala in Plataiai« 
(TTspl TÖv h nXaTatoic AaiSaXoyy) sich so energisch jener stoi- 
schen Deutungsmethode annimmt''), kann nicht Plutarch son- 
dern muss ein Anderer sein. Wir werden so zu der Annahme 
gedrant^t, dass das Fragment einem Dialog enluoiomen ist. Wie 
die Feste in Mphi (o. S.189,3. 216f.), in Lebadeia (o. S. 49t f.), 
so konnte aucli das der »grossen Daidala« in Plataiai (Paus. IX 3. \) 
Anlass zu theologischen Gesprächen geben. Im Groben kann 
man sich hiemach die Umrisse eines Dialogs nach dem Muster 
der pythischen Reden construiren. Fremde kommen nach Plataiai 
und lassen sich herumf&hren. Die ErsShlungen der Perie- 
geten (Pausen. IX 8, 5. 3, 4 ff.), Aeusseningen der Local- 
theologen reisen xur Kritik. Ein Stoiker trSgt seine abwei- 
chende Ansicht vor. Aus dessen Vortrag stammt das grössere 
der beiden erhaltenen Fragmente^). Vielleicht noch Andere 

<) Als Thyiado ^(«Imrt sie nach Athoti, s. die Stellen bei \. Mnium-cn 
Dclph. S. 364 f. der aber aiulere Cornbinationen daran aiigeknuptt h.<l. 
Mir scheint auch der Umstand dass Plutarch an sie schrieb, dafür zu 
Sprechen da» sie nicht in Delphi zu Hause war: wenigstens wenn man mit 
Pufiiey S. 1 17 der Meinung ist dass die Schrift in Delphi verlasst wurde. 

t) Zeller Phil. d. Gr. III s* S. 199 Anm. Etwas anderes ist ein 
Widersprach zwischen dem alten nnd dem jungen Plutarch: ein solcher 
lässt sich historisch aus einer Entwickelung der Ansichten erklären. 
Hierhin gehört virliciclit die vorschiedcnc BeurtJioihmi:, welche die ägyp- 
tische Religion de iiialii;n. Herod. 13 p. 857 C f. und de Is. et Osir. tiiKiot. 

H) Vgl. bes. c. 4 : ol oe <p'joiXtt»( |iäXXov %a\ irpcnövmc uicoXa)i^' 

4) Dass derselbe in dialogischen Zusammenhang gehört, lüsst sich 



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Plutarch: Die g^ea Epikur gerichteten Dialoge. 



919 



äusserten sich. Diesen mag dann Plutarch oder sonst Jemand, 
den er duroh diese Wahl sum SteUvertreier ehren wollte, 
die wahre Auffassung entgegcngesetii haben. 



Pliilarchs Philosopbiren ist ia der reifen Zeit seines Lebens 
wesentlich durch den (iegensatz gegen die stuische und gegen 
die epikureische Lehre bestimmt. Beide pnlfni ihüi ;ds irreli- 
giös, beide forderten durch ihr( ii Doeniatismus die Kritik eines 
Akademikers besonders stark heraus. Daher hat er sich noch 
in seiner letzten Zeit zu einer umfassenden Bestreitung beider 
aufgerafft^ die wenigstens zum Theil dialogische Form annahm 
und annehmen musate: denn auch im Leben traf er mit Ange- 
hSrigen beider Philosophien susammen, er hatte sogar Freunde 
unter ihnen als welche wir den Sloiker Serapion und den Epi- 
kureer BoSthos schon kennen gelernt haben (o.S.802f.l204.S05), 
und an einem Gastmahl, das dieser letztere gab, in Athen, 
finden wir ihn einmal unter lauter Epikureern [h cIXXot(>(«> ^op^ 
Quaestt. Conv. VI, 9 p. 673 D, auch 1 p. 673 C). Es konnte hier- 
bei nicht fehlen dass es gelegentlich auch über die Principien 
der Lehre zu eindringenden seliarfen Erörteruncon kam. die 
dann ihr Spiei^ciliild in der i.iteratnr Inrderten. Die Zänkereien 
freilich hat Plutarch auch hier, sriner Regel getreu, dem Auge 
des Lesers verborgen (o. S. 190. !2Ü6). So entstanden die beiden 
Dialoge »gegen Kolotes« (icpo< KoXi»n]v) und über den Satz 
tdass nicht einmal angenehm zu leben mdglich sei Die gegen 
den Lehren Epikurs entsprechendt (oxi w8i C^v i«lv ^p^*'^"'^^^^^ 
ifiivK xat 'Emxoopov). Nicht mit Epikureern selber wird hier 
über deren Lehre gestritten sondern Plutarch mit gleichge- 
sinnten Freunden bespricht sich darüber. Der Störenfried, 
der Epikureer Herakleides, wird beseitig^ nicht ohne dass 
Ihm bitter spottende Worte nachgerufen werden '). Beide 

vielleicht auch durch den Anfang von c. 2 hestStigen : Otov, fxtj iiatgSn 
tmv iveoTTjXOTcuv y/j^ta^i j?a?iC"3fxev, o'j voat^ouciv xtX. Diese Worte klingen 
wie Worir Hincs, dtM' sich in IrluMulii^iMii Conlakl mit Hürern fühlt und 
der deshall) furclitcl, er nuichlc vuii ilinrn semahnt werden, sidi nicht 
zu weit von dem angeschlagenen Thuina zu rntfernen. Auch der Aus- 
druck £ve9Ti]x6Tcc y.ifQi deutet nicht so wohl auf ein Thema, das der 
fichriflsleller sieb nach Ueberlegung wählt, als. auf ein Gesprach io das 
die Redenden durch Zufall geratben sind 

4) Noo posse snav. i p. 4086 E. 408S F f. 



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920 



VI. Der Dialog in der Kaiserseit 



Dialoge gehören zasammen, doch ist der Zusammeiihang erst 
nachtrSglich hergestelU worden wie swisdieii Theaitei und 
Sophist >). An den historischen Bericht schliesst sich die Dich- 
tung eines Dialogs^). 
Oeg«n Kal«t68* Der an Satumbius adressirte Bericht lübrt uns mitten in 
Plutarchs platonische Schule, in weicher eine Schrift des Kolotes 



r I S^'jS i. Dies cr.Liihl der Anfun;,' Non Nnn pnssr snavH'-r vi\i 
Ko/.ojTTji 6 l'.Tttxo'jpo'j O'jvTjDt^; ßißX'-ov £;eO(uxcv driYpoi'lia; "ött xatd xd 

cliceiv npöc aüiov jnep xdiv ^iXooÖ5f<uv xtX. Vgl. hiermit den Afilauj; von 
adv. €olot.: KoXdbnjc 9v 'Eictxoupos cUbSci KoXeoTiipttv 6i60xopLCeo9tti ««1 
KoXflvviipiov, Sercopvlvc, ßißXiof» l^^^onttv, ir.if^d^ai Tiepl toO Srt xtX. 
Wären die heiden Dialoge in einem Zöge geschriebent so wttrde der An- 
fang von Non pone suaviter etwa gelautet baben, unter Woglassuag der 
ersten Worte, da« toIvuv imt^ iTt^XOtv eiiztXs rpi? rrjv KoXojTtjv &nip x&v 
^tXoo^^ov, Toootrca. inii he xal t^? tr/oXfjc xtX. Die Erinnerung des 
Lesers an den Titel der S( lnifl «Iuk h Wiederliolnni.' des letzleren nofh 
einmal aufzufrischen, warvi diinn nii hf nothii: ;:<'\vesen. Kist aus (h r 
niicidrüglirhen Hinzufügung des zwi ilcii Di.ilo^s erkliirl su h aiu Ii dif 
Erwähnung des Epikureers llcrakleides in Nan po^sc suaviter 2 p. iQii& K. 
Dieselbe setit voraus, dasa dieser adioa der friltwren Verhandlung in 
ad Golot beiwobnte. Ich meine aber, die Lektilre von adv. Colot. 1 
p. IIS? F ff. aeigt, dass au der Zeit, als PIntarch diesen Abachniti achrieb, 
er weder die Anwesenheit des HerakleideSf noch irgend eines eifrigen 
Epikureers voraosaelzte. 

2; Wenn man hier graduelle ljnlcrs('hif*dr marhen will , auch 80- 
phistes und Politikos sind in einem höheren Grade erdichtet als d<»r 
Thraitet. Pass die Dichtung an der Abfassung der beiden Dialo{:<- Plu- 
tan:hs uiil belheiUgl ist, ergibt sich aus der in der vorigen Anmerkung: 
hervorgehobenen Discrcpanz. Für historisch können wir hiernach die beiden 
Dialoge xugleicb nicht halten. Den ersten Dialog aber für eine Dichtung 
SU halten, sind wir zunächst nicht berechtigt. Das einfachste scheint die 
Annahme, dass Plutarch xuerst die Schrift adversua Colot. herausgab und 
awar auf Grund eines wirklichen Oesprichs, spttter aber das Bedürfnlss 
rnipfnnd, das über Epikur Gesagte zu vervollständigen und deshalb eine 
Forlsetzung des ersten GesprHchs dichtete ein historisches Element mag 
die Rccapilulalion von Plutarchs früherem Vortrac sein, s.u. 8.22i.3). Diesen 
crdi< litot<»n Dialog \t'rfasste er dann nach riiu i ihm gplaufigen Schahlone. 
indem er den Sttnenliied des Dialogs Anfangs Hn\ve.si.>iid sein, dann aber 
beseitigt werden lici»s. Jedenfalls müssen wir uns hüten, über die histo- 
rische Grundlage der plutarchiadien Dialogo ein für alle Mal abauur- 
thellen, sei es nun, dass wir die Frage nach einer solchen schlankweg 
bejahen (Rhode de Julil Pollucis fontibus S. SS Anm.) oder sie verneinen 
{Wllaroowits Gtftt. Progr. 18SS 5. 



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Plulareb: Die gegen Bpikur gerichteten Dtaloge. 224 

vorgelesen worden war und nun Plutarch von dem leiden- 
sohaftiiohen Akademiker Aristodem aus Aigion veranlasst wird 
sidi darflber, resp. dagegen aassusprechen. Er thut diess in 
der schulmfissigen Form einer Diatribe*). Der Ansdüuss an 
eine Lekifire gehörte zu den Gepflogenheiten der Schule und 
mag nur luflllliger Weise ein gewisses klassisches Vorbild im 
Pannenides haben; mehr Vorbilder der Art dürfen wir in 
peripateli^.chLii Dialogen vermuthen, obgleich auch dem Kreise 
des Sukrates dergleichen nicht fremd war (I S. 7i. V. Solche 
Erörterungen der Schule werden in den Dialogen uns gewöhn- 
lich vorenthalten 2). Erst (ier der Hegel nach folgende Peripatos 
(man möchte sagen die frische Luft} bringt auch hier das 
Gespräch zu freierer Entfaltung. 

Die Darstellung desselben ist der Gegenstand der sweiten DasB nicht ein- 
Schrift. Erst aus dieser erfahren wir Genaueres über die 

n leben mig- 

anwesenden Personen, von denen uns bisher nur Plutarch lieh Bei den 
und Aristodem») bekannt waren. Ihnen gesellt sich Theon, ^^^^f* 
nicht lu verwechseln weder mit dem stoischen Dialektiker 
(o. S. 200, 3) noch mit dem alexandrinischen Grammatiker 
(o. S. <86, % u. 3) sondern ein Jüngerer^), und Zeuxippos 
(o. S. <6C f.). Die Ilauptrollen*) fallen Theon und Arislodem 
zu, d«'n längen'n Vurtrag hält Theon, der auch das Schluss- 
wort spricht, während Arisludem nur eine Reihe von Bemer- 
kungen über den Glauben an eine göttliche Vorsehung ein- 

V Vgl. z. B. 11 p. 1112 D. F. 18 p. 4117 D. 25 p. 1121 C. 
2) 0. S. 165 f. 173 f. 

S) Die Worte, mit denea Plutarch dleseo leidaiachaitUchen Plaloni« 
ker schildert adv. Colot. S p. 1407 F» erionem wohl nicht lufillUg an die- 
jenigen, deren sich Piaton bei einer Charakteristik dea ebenso leiden* 

schartlicben Sokrutikcrs Apollodor bedient (Phüdon p. 5S A: otafta fi^ 
iroo Tov avopa xai tov tpörov autoü). 

4} Die andern Bei<!en siru! Plutarrh gleichaltrig, « her elwns Hiter tu 
denken; «l'-r Thenn unsen-i I^ialo-^s diiL'cgen wird \ on Piutfu-ch st-lhfr 
im Gespracli als vlo? beztMcliiu t i^ |i. MO^ A, wuraus (ioch wühl lolgt, 
das» er erheblich jünger als iMuliinh war. Vielleicht warerein Sohn des 
Grammatikers , dessen Sühne Quaestl. Conv. VIII 6, 1 p. 716 A erwähnt 
werden, einer derselben hiess nach 4, 5 p. 724 D Kaphiaos. 

5} ^TCfMivlav 6|aTv ttapaS(ftai|fct aagt Plutarch 9 p. 4087 C zu 
Theon und Ariatodem. Diea ist wohl daa einsige Mal, daas sich daa 
Ciceroa principatua entsprechende Wort In der griechischen Literatur 
Badet (I S. S98, 8). 



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222 



VI. Der Dialog ia der Kaiserzeit. 



schaltet (20 p. HOO E — 24 p. H03 E). Die beiden Allen. 
Plutarch und Zouxipp, gefallen sich in der Rolle von Richtern 
(xpLTat)'). Jede Schilderung der Scenerie fehlt: dass dasLocal in 
Ghaironeia ist kann man nach den ümsUindcn \ crraulheij, weii 
dort Plutarchs Schule sich l)efiin(i -); der Schablone zu Liebe wird 
an bedeutender Stelle der Peripatos abgebrochen (20 p. 4iOOE 
vgl. 0. S. <H7) und der Rest sitzend verhandelt. Der Dialog 
kOndigt sich durchaus als ein Werk von Plutarchs Alter an ^. 
Das GesprSch ist langathmiger geworden ; auch die Darstellung, 
weldie an die Stelle der froheren Mjrtlien getreten Ist (o. 24 
p. 4104 A — Schi.), hat nicht die lebhaften Farben wie diese. 
Von den aiici Plutarohs Alter gehört auch der Dialog an, in dem er 
SMMi^men Stoikom auseiuandersetit und diesen vem aka- 

7«ntailuffnu demischen Standpunkte den Yorwurf surQokgiebt dass ihre 



^) <5 p. 40S6 F. Doch kümmen sie kaum dam ifiros Amtes z« 
walten, da oinc ernsthafte Differenz nicht vorliegt. Worauf sie sich l>e- 
schrünken, ist dafür zu sorm ii. dass das Thema auch durchgeführt werde. 
Ueber Schiedsrichter s. o. b. — Nach Muhl Plut. Sludd. R 4g wnr.!.- 

allerdings ein längeres Stück des \ urlra{^s, von 4 p. 1088 E an, Fluten ii 
zufallen. Diese Meinung wird scheinbar unterstützt durch die von Wy tten- 
bacb, Dttbner und Bernardakis fettgebaltene Lesart der fraglichen Stelle. 
Aher abgesehen davon, dass dies mit Plutarcbs KoUe streitet, wonach der^ 
selbe stets bemüht ist, die Last der Unterhaltung auf Jttngere Scballern 
abKttVfilzen, so stimmt anch die nächst« Umgebung der Stelle selber nicht 
dazu. Ziuxipp unterbricht Theons Vortrag mit Worten, die sic h «linkl 
an ihn wenden- tiTot ou xoXwc ooroO'jf oot rotEtv o? av^pec xtX. (4 p. 4ii!jSi);. 
Und nun soll nielit Theon, sondern Plutarch aiilworleui' Es» ist Nielmohr 
zu schreiben v-rj dta, I(^tj Hiwv (So l'atzig) oder einfach v. A., £ft] statt v. 

S) Ueher M. t&v ^äi^poiv SO p. MOO B. & o. S. IS4,f. 

8) Es ist unbegreiflicli, wie dies von Mahl a SO n. Ol und ve« Hertf- 
berg, Griechenland unter d. R. n lOS, 49, bat verkannt werden können. 
Das Richteramt Tällt naturgcmUss dem Alter zu, so hier und de soiiertia 

nnini. 's. o. S. 176, 5 . Ausdrücklich stellt sich sodann Pltiliireh dem vrrc 
HIaiv L'etieniilK'r o. S. 231.4;. Die Worte lauten 44 p. 4104 ■i'^ 'i --ioi 
irzi %a\ O'j hihu (jiVj Xt^Ht]C tWjva% uröff^jj toi; viot;. Ihn - II er 4ruckl 
hiernach schon die Vergessiiclikoil des Alters. Deshalb khm er es sugar 
ab, seinen eigenen früheren Vortrag über platonische und epikurische 
Psychologie zu recapituliren, und UberlSsst auch dies lieber seinem jiingem 
Schttler. BeilSuflg, diese Recapltulation eines frttheren Vortrags mag andi 
hier ein historisches Element in Mitten des erdichteten Dialogs sein. 
0. S. 406. 



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PIntarch: Von den allen MeDsdieo gemeinsamen Yorstellnngmi. 2^3 

Theorien mit dem Denken und Vontollen des gesunden natar- 
licfaen Menschen nicht im Einklang stehen (rept ttav xo(v«av 
ivvoidv). Der sprachliche Ausdruck ist schwerflIiKg. Da- 
neben seigt sich die Ermüdung des Alters auch in dem Mangel 
an Charakteristik, wie hei IMaton und in der allgemeinuJi lie- 
sciiichte des Dialogs (I S. :}40 f.) : denn mit dem Akademiker 
Diadumenos unterreclet sich ein Ungenannter^). Der Weise 
Plutarcüs (0. 8.219) entspricht es dass jeder Anlass zu leiden- 
schalUicher Disoussion entfernt ist und deshalb die Stoiker 



4^ (Icwolinlirli Iriitit or den N.Hncn Laaiptius. Aber schon Wytlen- 
bacli zweifelt, üi> die» aui handschriflUcher Ucberliefcrung und nichl viel- 
mehr blow auf der Vermntliung Späterer beruht. Ist dm Letalere der , 
Fall, ao miiaa die Verrouthiing für anrichtig erklSrt werden. Lamprias 
war, als Philosoph, Akademiker mit peripatetlacher FMrbong (o. S. IM, 4 
Sehl.). Der hier Redende dagegen ist mit den StoOcem, gegen die Lam- 
prias in anderen Dialogen Ptutarcbs Iiofli^ polcmisirt, eng bcfreundul 
(1 p. <059 A), ihr etaipo; (2 p. <059 C. Graf in Commenll. Ribb. S. 68). 
Derselbe ist eine unftodeutende Persönlichkeit. Entweder weiss er selber 
nicht was it will i d r seine Charakteristik ist durch die Schuld des 
Autors i'iae »chwaukcnde: bald hHlt er sich zu den Sloikorn und scheint 
nur ihre heftige Polemik gegen die Akademiker uiciil zu billigen {1 p. 1059A} 
ist auch Uber ihre Lehre ganz gut unterrichtet ^26 p. 4071 B. i7 p. 407SDfl), 
dann aber ist er doch auch wieder sehr rasch ttbertevgt, dass sie im 
Irrthum sind (I p. 1060 A), ja zum Theil sind ihre Lebren in seinen Augen 
hingst widerlegt (8 p, 4 OSO B), den Diadumenos fordert er auf, in seiner 
Bestreitung der stoischen Sätze fortzuführen (16 p. 1066 I) f. 22 p. 1068 F) 
und weiss nicht was dio Stoiker auf dio Einwürfe der Ak.'idciniker erwi- 
dern '38 p. 1079 BI Mir ist wahrscheinlicher, dass die Charakteristik 
durch den Autor verfehlt ist und zwar in Folge der Anonymität: hatte 
dem Autor eine lebendige concrete Person vor Augen gestanden, so würde 
ihn dies vor den gerügten Widersprüchen bewahrt haben. Jedenfalls 
passt die SdiUderung in k^ner Welse auf Lamprias, so wie wir diesen 
ans Pintarehs übrigen Dialogen kennen: derselbe war eine durchaus 
selbstllndige, auch von seinnn Lehrer Ammonios unabhängige Perstfn- 
lidikelt, Manns genug es mit den Stoikern allein aufzunelmuMi und brauchte 
keinem Diadumenos seine Noth zu klagen. Sollten die Handschriften for^ 
dem. \v;i^ noch Bernardakis' Angabe nicht der Fall zu sein scheint, dass 
an Laniprias festgehalten werde, s*> bliebe nichts übrit;, als den Dialot; 
IMutarch abzusprechen. Die von S ulkmann I itü hervorgerufenen Zwcifel- 
grunde trüUn dann wieder in ihr Recht ein, obgleich sie zunttcbsl von 
Giesen De Plutarchi contra Stoicos disputatt. 8. 4 widerlegt schienen, und 
man konnte ihnen noch die absurde Handhabung der Malentilc S7 p. 10751 B 
hiniufiigen, die idi vor der Hand noch als eine Ungeschicklichkeit von 
Plttlarcbs Alter erklnren mochte. 



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VI. Der Üiaiog in der Kaiserzeii. 



luit ihrer lieftigeu Pulemik. nur wie von Ferne i^e/tMct werden 
{\ p. 1059 A f.), während auf der dialogischen Bühne selber 
das Gespräch zwischeü solch* ii vor sich geht die von vorn 
herein ein verstanden sind oder es doch zu werden wünschen. 



In der Reihe der bisher besproehenen Dialoge iSsst sich 
eine gewisse Entwicklung beobachten, wenn man ihr Verhllt- 
niss Eur WirlLlichkeit in Betracht sieht Verglichen mit der 
EntwiciLlung des sokralischen Dialogs geht diese Entwicklung 
in umgekehrter Richtung (vgl. aber auch I S. 4S3 f.). Aus der 
Ferne der Dichtung führt sie zu den Grenzen des hisloriselier» 
Bereichs und so immer tiefer hinein bis in die Gegend, wo 
die Wirkh'chkeit sich am meisten aufdrjingl. in die näihste 
Umgebuug des Autors. Doch erschien diesell>e auch hier 
meist nur im allgemeinen Spiegelbilde. Die individuellen 
ZOge waren von dichtender Hand nachgetragen und nur hin 
und wieder, nur in Fragmenten, traten uns die Gespräche 
der Wirklichkeit selber entgegen ^ Fester und breiter ist 
Die Tisoh- die historische Unterlage in den »Tischgesprächen« (I^o)»- 
gMprttoiM. ^oi^xa lIpoßXigjiaTa}. Das kann man mit Fug nur dann be- 
streiten, wenn man der Mehiung ist dass es im Wesen des 
Dialogs liegt unhistorisch su sein^). Der Absicht nach sind 
die TischgesprSche historisch Daher fehlt sum Beispiel der 

i] 0. S. 195. 1. 202. 220, 2. 

i] Wiiatnowitz Conirnontnriol. prnmmat. III (Ind.SCbol. tiotting. 
S. 24. Vgl. auch Muhl Plul. Studd. 8. 44 

3) Das ergibt 8ich aus dem Prouniiuin des tTäleu Buches. Auf 
Cicero ad fam. IX 8 darf man sich nicht berufen um dos Gcgcutbeil xa 
beweisen. Daraus ergibt ^eh vielmehr, das» wenn die Alten aneh Dia- 
loKe finglrloD, sie doch in dem Dedicatlonssdireiben diriich genug waren 
das SU sagen. Ausserdem hat das Fingiren noch der Dialoge selber seine 
bestimmten Grenzen: ninn fingirt zu kÜnsilerisc lion Zwecken; wo es aber 
Plularch lediglich auf den Inhalt ankam wie iu diesen Skizzen von Dia- 
logen, wo er küiisIliM'ist Ik' Zwecke ^'nr nicht viTfoI^rtf. wMre es absurd 
gt'>\('s(Mi Peisf»!!!'!!. I.oc.ililitfcn, iilit'i liiuipt eine besliimiilf Stonerie d«»r 
Dialoge zu i rtiiideii. wenn iitm dicsclb«; iu der Erinnerung nicht niii d(*ni 
Inhalt zugleich dargeboten wurde. Dafür, dass den Quaosti. Coov. wirk* 
liehe Gespriicho xtt Grunde liegen, tritt sehr entschieden ein Graf In 
Comroentt. Ribbeck S. 59. Dasselbe wird man hiernach auch lUr die 
literarischen VorlHufer der PluUrchiscfaen llpeßX. 2»|Mt. annehmen dttrfen» 
für die £u)A(Atxtd Sut&itvnxd des Arlstoxenos, die nach dem FragmMt bfi 



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Plutarch: Tiscbgespräche. 



22& 



Schmuck der Mythen. Eine andere Frage ist •!> Phiiarch 
diese Absicht immer erreicht bat. Und dies iiiuss was dns 
Detail der Ausführung betriffl geleugnet werden, wenn man 
auf den Umfang mancher dieser Gespräche blickt und bedenkt 
dass sie aus zum Ibeil später Erinnerung niedergeschrieben 
wurden Es mag mit ihnen dieselbe Bewandtniss haben wie 
mit XenophoDS MemorabUien Was ihm einfiel, schrieb er 
nieder ohne sonderliche Ordnung (II prooem. p. 6S9 B vgl. aueh 
I S. 446, 1), Dialoge sehr ungleicher Art bald mit Nennung 
und Gharakleristik der Personen, mit Sehüderung der Scenerie, 
bald farblose Gespräche mit Ungenannten'). Wie Xenophon 
erwannt er unter dem Schreiben so dass die Dialoge gegen 



Athen. XIV 63* B zu schliesseii dialogische Foriu hallen ^vgl. I S. 345, 4), 
und für die Tico[iivT^fjiLaTa des Stoiker» Persaios (über die s. Uolem. 
Ktt Ctceros philos. Sehr. II S. 66 Anm., aueh S. 63; ausserdem vgl. I 
S. 866). Ob die SufAitootaxd des Didymos (M. Schmidt S. 866 ff. vgl. auch 
1 S. 864, 2 II S. 488, 8) dialogiscbe Form hatten, ist aus den Frag- 
menten nicht zu ersehen; noth wendig war sie auf diesem Gebiet der 
I itt cMhir tttcbt, sonst würde Flutarch nicht seine ursprünglichen Dialoge 
/t rnssi'n und sie gewaltsam in das Fachwerk der TIoo^)T>fiaT'x «'intrefüc^t 
huhen. — Diesen historischen Charakter der plutarcinsciien .Schrid kuiiu 
man auch dadurch nicht umstosscn, dass man auf die in ihr sichtbaren 
Spuren einer BenutiEung Uterarischer Quellen hinweist (M. Schmidt, 
Didym. S. 870 u. Wilwnowitz, Antigon. v. Karyst. Sw 815): denn Keminls- 
cenzen aus der Lektttre konnten natürlich in mttndlidien Gesprächen der 
Wirklichkeit ebenso Wehl ihren Platz linden, wie in erfundeneo scbrift- 
Uclien. l'ebrigens vgl. noch die folg. Anm. 

1) II prooem. Mehr Gewahr historischer Treue aiu li im Delail boten 
natürlich solche Dialoge, deren Gesprtiche, wie dies für die Diatribeu 
kipiktets nach Arrian.s Vurworl und für einen Theii der sokratischen Dia- 
loge nach dem Eingang des llieaitet anzunehmen tot, bald nachher auf- 
geseichnet wurden. Auch für einen Theil der plutardiischen Tischge- 
spräche schefait man Sltere &iEO(ftv^{MiTa als Unterlage voraussetsen zu 
müssen (Graf Commentt. Ribb. 60). Wie erklärt sich sonst, dass in einer 
Schrift, die Sossius Senecio gewidmet ist, von diesem in «lrilt*?r Person 
gesprochen wird? Wenn dfns im ersten Bu' h 'geschieht (I 5, 4j so konttle 
di«'s (iahiT ruhreu, dass er erst spater aiit dm dcdanken kam, dies** durch 
Sossius veranlasste Schrift demselben auch zu widmen II prooem. p. Qi^E]. 
Nun aber flnden wir es auch noch sputer IV :i, 4 p. 666 Dj, so dass 
kaum ebie andere als die gegebene Brklftrung übrig bleibt. 

8) Mem. I 8, i. Vgl. I S. 446, 8. 

8) VI 4. VIII 6. Vgl. Xenoph. Mem. III 48 f. (I S. 145,4). Hier ist 
dieselbe Welse der Au&»ichnung wie in den Diatriben Bpiktets. 
Hirt«!, iHitof. n. 45 



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226 



VI. Der Dialog la der Kaiserzeik 



das Ende anwachsen, ja das GaoKe in ein grosses Symposion 
ausläuft, eine Verherrlichuni^ wie es scheint seines alten 
Lehrers Anmionios In Folge davon wurde dort wie hier 
der erste Aniass des Schreibens nicht immer fest im Auge 
halten, vielmehr die Anfiuigs gewShlte Form des Werks so erwen 
tert dass sie nahe daran war gesprengt xu werden (GC prooem.). 

üMMiabUlMu Wie die Apologie (I S. 444) so verwandeile sich die 
Problemensammlong^) in Memorabilien. Das Kid, das die 
Plutarchiscfaen Erinnerungen gewihren, ist flreüioli ein viel 
bunteres, schon deshalb weil sie sich nicht bloss auf die 
leiste liObenszeit beuchen sondern von der Jagend bis tum 
Alter sich erstrecken, bis ein Jahr vor der Abfassung der 
Schrift^). Es ist auch nicht bloss das ewige eine Athen, 
iü dem der Meuscheaprüler seinem Gewerbe nachginL', sun- 
dern hier und da finden wir den redseligen Plularch, den 
Allerwelt slrt' und, in Rom, Athen, Korinlh, Paträ; in den Badern 

Bider-DUloge. von AiMepsos — womit die späteren BJider-Dialoge inaugurirt 
werden^) — am häufigsten in seiner engeren Heimat Bßotien 
und dessen Nachbarschaft Wie das Local so weciiseln auch 
die Menschen: Griechen und RSmer, MSnner der verschie- 
densten Bernfsarten, Gesinnungsgenossen und Gegner, Freunde 



1) Damals wohl bereit« verstorben. Daher vielleicht IX IS, i 
p. 748 D irapd *AjAfMiv(i|^ T^ifai^^ Der enShlte Vorgang galiOrt «bfi* 
gens IHiitardis Jagend an, wie unter andern % S p. 7SS A lebrt 

i) Solehe SammlUDgen von Problemen für Tischgespräche waren 
in spüttMUT Zi'it ebenso ein praktisches Bedürfuiss wie in früherer die 
Skoliftisaimniungoii. fin (iio Erörterung von Problemen bei df'n Symposion 
/um Theil das Absingen von Liedern verdrängt hallti. Uiu it i luit IMu- 
tarch etwas gewaltsam seine Gespräche in diese beliebte uiui uut/lKb 
scheineude Form eingezwängt. Hätte er übrigens Dialoge frei dichte« 
wollen, so würde er sie wohl von vom herein mehr dem einmal gewibh 
ten Rahmen angepasst haben. 

8] VIII prooem. lo die Jugend des Autors Icaon man die Schrifl 
nicht setzen (Volkmann 1 33. ilH]. IMutarch ist bereits Mitglied de« 
pylhiscben ouvloptov (V 2, 4 p. 674 F. o. S. 84 6 , hat SOhne und Schwie- 
t-'«'ts(ihnt\ (lio Hf>rhzeit des einen Sohnes wird so<::ir gefcierl. Auf eine 
spiiiete Zeil der Abfassung fiihrt auch daj> 4i1,3 üLer Favuriuus und 
S. 205, I über Boethu.s l)enHTkte, 

4J Leasing, Kiugsloy u. A. s. F. v. S. In den Sonntagslieilagen No. t4 
u. 43 der Vossischen Zeitung von 48SS. Die erste Spur eines solchen 
schon bei Varro: s. I 9. 44S. 



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Plntarch: Tiachgosprllche. Familie. 



827 



und Verwandte, fafll die ganse Familie wird uns TorgefQhrt 
vom Groflsvater und Vater bis au den Söhnen und Schwieger- 
aSfanen. Auch die Anlfiase der Symposien sind yerschieden, 
heiliger und profoner Natur, Offenilicher und privater Art. 

So schauen wir von einer Seite her — denn es sind su- 
nSchst nur TischgesprScbe, die berichtet werden — in ein reiches 
dialogisches Leben, wie es uns seit den Zeiten der Sokratiker 
uicht vorgekouiinen ist und dessen Bedeutung sich am Meisten 
darin zeit^t dass es die Krall besass, den historischen Dialog 
wieder in die Literatur einzuführen, den Diaiug der nicht aus 
dichterii^( her Phantasie geboren oder mit rhetorisclu n Mitteln 
und ni rhetorischen Zwecken zurechtgestutzt ist. FUitanli 
selber tritt in den verschiedenen Gesprächen mehr oder minder 
hervor, wie das schon durch die grossen Abstände der Zeiten, 
welchen die einseinen angehören, bedingt war^). Immerhin 
erscheint er ftir uns als der Mittelpunkt des neuen dialogischen 
Lebens, hierin Sokrates vergleichbar, und in der That mag natarcb nod 
er wie sein grosser atiischer VorgSnger das gehaltvolle Ge- 
sprich unter seinen Landsleuten gefördert haben, mochte das- 
selbe die Feste verschönen oder die Müsse mit edlem Spiel 
des Geistes ausfüllen, mochte es sich an Erlebnissen und Er« 
fahrungen gleichgiltiger Art hinaufiranken oder die strengen 
Erörterungen und Uebungen der Schule zur Erholung der 
Geister im Freien austönen lassen. Freilich um aber- 

mals dieselbe nachhaltige Wirkung zu üben dazu Irhite es dem 
neuen Sokrntcs an der y.a'.voTOjxi'a des alten: er eninnete nicht 
neue B ilni» n ili i i j kcnnlniss , er revolutionirte nicht die 
Geister, suuderu wies ihnen nur die liini^st betretenen Wege 
und orientirte sie im weiten lleiche des bereits gewonnenen 
Wissens und der Bildung, Es war ein Wellenspiel an der 
Oberfläche, das er erregte, das aber doch seinen Urheber 
überdauert zu haben scheint. 

Plutarch selber scheint nur den Anregungen seines Vaters Salm FkaUlt. 
gefolgt SU sein und die von diesem gelegten Keime eines 

<j Pnr momoipentHifTo Charakter, der den Üialo'jien überhaupt eigen 
und so aiH Ii den |)liit;irchischen , tritt doch in <lcii Tis( |iL;»spr;u hrn 
aui Meisten hervor, üass die Nachrii-Iili'ii über Plutiuclis Leben in seii)»'ii 
Schriftcu zerslreul sich liiidcu, hemeikU; schon Eunapios Vitt. Soph. 

PfOOni. Sr 

15* 



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228 



VI. Der Dialog in der Kaiscrzeit. 



geistigen Lebens zur vollen Entwicklung gebracht sa haben 
Ja man kann die ersten Anianue bis auf den Grossvater 
zurück verfolgen 2). Brüder und Freunde unterstützten diu 
das Begonnene fortziifUliren, so dass sich eine Art von kleiner 
Universität in Chaironeia bildete, eine Filiale der Akademie 
io Athen mit der sie auch freundschaftliche Beziehungen 
unterhielt. Der philosophische Trieb vererbte sich auf die 
Söhne Plutarchs: sie sind es deren Wissensdurst dem Vater 
keine Ruhe iäflst, die ihn fiberallhio auch Uber die Räume der 
Schule hinaus mit ihren Fragen verfolgen (de Ei i p. 386 A) 
lind sie sind es auf deren Wunsch er seine hier und da ver- 
streuten Bemerkungen Uber Piatons Psychologie sammelt und 
niederschreibt (de an. proer. 4 p. 4042 B); an der L8sung von 
Problemen finden wir sie stark betheiligt, besonders Autobulos 
(Quaeslt. Conv. 1\, 10) und dersell)e nimml sich sogar einmal 
heraus anderer Ansicht zu sein als sein Vater (a. a. 0. IX 2, 3). 
Der gleiche Geist waltet auch in den Nebenlinien der plu- 
tarchischen VcrwaiuilschafX: Sextns, der Neflfe Plutarchs-'), ist 
als Lehrer Marc Aurels bekannt. Auch in den späteren 
Generationen erlosch er nicht sogleich. Auf einer Inschrift 
erscheint ein L. Mestrius Autobulus^ der dort i piatonischer 
Philosoph« (<ptXooo^< nXatvDvixo«) genannt wird und in dem 
man schon längst einen Nachkommen Plutarchs vermutbet 
hat*); desgleichen ein Sextus Claudius Autobulus aus der 



Daher ist er auch noch später an dem philosophischen Lehen inle- 
ressirt, das sich unler Plutarchs Lciluiiii ciitfailolo, und stellt selbst die 
Probleme, au denen die SchHl<'r seines Sohnes sich versuchen sollea: 
Quaestt. Conv. III 7, 4. V^l. nb. r ihn o. S. 4 75 f. 

2J Quaeslt. Conv. 1 5, 4 k. 6ii K heisst er iv tiji Tiivetv süpetixortaToc 
a6T^ eawToG xat Xoifufrcwtoc Weiter vgl. zu seiner Charakteristik IV 4, 4 
p. SS9 G und lieMnderB V ft, 2 p. 67S C ff. 6 p. 680 A wo er iiei dem 
Symposion, das OneBikrates zn Ehren des aus Aleiandria heimgekehrten 
Plotareh gab, eine Hauptrolle spielt. Die Enkel berufen sich gern auf 
Ihn, so Plutarch IX, 2, S p 7:^8 A und Lamprias IV 4, 4 p. OOS C. Als 
Grammatiker zeigt er sich V 8, 3 p. 684 A, naturkundig 9 p. 684 C. 

3) Nefife, nicht Enkel, ^ie er immer noch gelegentlich heis-t: denn 
das zweideutige »nepos« wird durch äoe)'it?>oD; nHher beslinui t, das, 
da wir von einer .viivsester Ph!t^^^ctis suiisl nichts wissen, als BruUer- 
sohu, aufzufassen ist (Vollkmunu I 93;. 

4j .s. jetit Dittenberger zu I. Gr. Sept. I S4SS. 



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Plntaiehr Dialog von der Uebe. 



229 



ersten Hfilfte des dritten Jakrhimderts i). Wenn der letstere 
•sechster nach Plutarcht (Sxtoc «ho nXoorapxH heisst, so 
kann damit, schon aus chronologischen Gründen, kaum die 
Generationsstufe sondern nur die Stelle in der Reihe der 

Schulvorsteher bezeichnet sein ^) . So aufgefasst sind die Worte 
ein Beleg dafür dass die Schule l'Uiiarchs als solche förmlich 
organisirt war. Unter allen Umständen aber beweist die Da- 
liriing nach Plutarrh ^) wie hoch auch noch in späterer Zeit 
sein Ansehen in der llcimath war und indirect wie weit auch 
damals noch sein EinOuss reichte. Man wird daher nicht ohne 
Noth von der durch ihn vorgeseichneten platonischen Ricbtimg 
des Philosophirens abgewichen sein *). Dass man vielmehr in 
seinem Sinne weiter arbeitete*), scheinen zum Thefl die unter 
seinem Namen erhaltenen Schriften an seigen und insbesondere 
zeigen sie dass man nach seinem Vorbilde auch die von ihm 
gepflegte Form des IKalogs nicht vemachllssfgte. 

<j Dillenbcrpcr a. n. O. r.u ;U25. 

±! Er würde freilich iiiich der Ergänzung UitU-nbergcrs dariiiils erst 
24 .lahre alt ^ewcst ii srin. fiir die Wiirdi» yines Schulvorslandes ein etwas 
jugendliches Aller. Doch wird dies dudiirch wieder ausgeglichen, dass 
er aaeh der Brgiliurang <k»selben Gelehrten ivrtX^;; ^tXöaotpoc heisst und 
weiter dadurch, dass die Worte (|/Y)(p(o{AaTi ßouX^; %t)(iou auf Verdienste 
schliessen lassen, die er sich um das öffentliche Leben Ghaironeias er- 
werben hat 

S) Vgl. hierzu auch die von Volkmann I S. SS f. besprochene Stelle 

des Hlmerius ed. VII 4. 

4) Insbesondere ist noch auf die IlXatcovty.'/t sjvaviY'^t&cei; Jiinzii- 
weiseti die PUitarch gemeinsam mit seinen Schillern bctrioh nacli Quaeslt. 
Conv. Vll 2, 4 p. 700 C: denn die Worte tat; FIX. ouv, bind mit Wytten- 
bach ao den Anfang des zweiten Problems zu setzen. Einen Nachkommon 
Plotarchs, L. Mestriui Autoholus, haben wir als 91X^^0; nXctcatvcx^ 
(8. tlS) schon kennen gelernt. Aus diesem Grunde ist daher auch 
BOckhs Bi^nzung der Insebrift i% tfjc oroft« 9. (s. Anm» 1) zurUcksnwei- 
sen; und aus demselben Grunde wird unwahrscheinlich, dass Sextus der 
i<ebrer Marc Aurels .'^^toikt r war, wofür ihn Capitol., v. Anton, philos. S, 
zn !i;illon sclieint, jedcnfalU bedürfte es einer besseren Autoritül um uns 
dies glauben zu maciien, und auch der y.<3pT£pixo; 2£$toc unter den Vor- 
fahren des jimpen RuHnus (Himer, or. XXII i\. Volkmann I S4) genügt 
hierzu nicht (vgl. hiergej;en auch S. .Sepp I'yrrhonischc ^^tudien S. 86 f.). 

5) Die Homerforschung Plutarchs wurde vielleicht fortgeführt durch 
Sexlos,- wenn der Name desselben In den Homerscholien (zu AI55 » Por- 
phyr Quaestt. Horn. ed. Schräder S. ISS, 18) auf den Neffen Plutardis 
tu besiehea ist (Schräder a. a. 0. S. 849). 



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230 



VI. Dw Dialog in der Kaisemii 



Der Dialog 01088 tritt ZQ Tage in der aU plutarchiBch überliefeiieB 
Liebesrede fEpoyrixoc) oder dem was mit vefänderter Form 
an die Stelle der fHlher sogenannten Liebesreden getreten 
bhalt» ist*). £8 ist ein Gespräch, dessen WiederersSUung dem Auto^ 
biliös in den Hund gelegt ist Er enfihlt von alten Zeiten, 
da seine Ellern noch jung verhcirathct waren. Damals hatte 
nach cinoni i^lücklich beigelegten Familienzwist die Mutter 
dem ein Opfer gelabt. Zur lu fülliing des Gelübdes be- 

nutzen sie die Wiederkehr des I'>os- Festes, das gerade da- 
mals in Thcspiä gefeiert werden sollte. Mit Freunden ziehen 
sie sum Ort der Feier, wo sie wieder mit andern ßekannten 
zusammentreffen; einige Tage verweilen sie dort; als ihnen 
aber des LSnnens und Treibens im Städtchen zu viel wird, 
maehen sich die Meisten aof nnd begeben sich sum Helikon 
um an dessen waldigen Abhingen beim Heüigthnm der Musen 
der Ruhe zu gemessen. Hier werden sie schon am firllhen 
Morgen von Anthemlon und Peisias aufgesucht, zwei Siteren 
Freunden des jungen und schönen Bacchon, den ihrerseits 
auch die reiche Witlwe (suienodora mit ihrer Liebe verfolgt. 
Damit ist die l*>\})Ositiun des folgenden Gesprächs gegeben: 
in demselben wird der Conllict der erotischen Männerfreund- 
schall un<l der Liebe zum andern Geschlecht von den Per- 
sonen und der Wirklichkeit in die Reden und den Dialog 
Ubertragen und findet schliesslich in der Rede von Autobuls 
Vater einen versöhnenden Abschluss indem zwar weder die 
eine noch die andere Gemeinschaft gänzlich verworfen, viel- 
mehr von beiden nur Yergeistigung des sinnlichen Verhält- 
nisses gefordert^ dabei aber doch am Ende der ehelichen 
Verbindung sehr entschieden der Vorzug vor jeder anderen 
gegeben wird. 

Umstände und Personen^) sind ganz danach eingerichlel, 

um ein solches Gespriicli bervor/Ainifen und iiu (lang zu 
erhalten; man denke besonders (iaran, dass das despriich, 
welches zur Verherrlichung der Ehe führt, bald nach der 
Hochzeit des jungen Paares stattfindet und der Gatte der 

1) Vielleiclit läratsich der oralorisdie Titel des Dialogs soerklftren. 
Eine Mdere Erklttmng habe Ich früher vereacht Hermes X & 85 f. 
i) Alle Anwedenden befsseo ta p. 788 B iiitoy opot xt^ dto^ (sc '£p«i- 



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Pltttardi: Dialog von der liebe. 



231 



Lobredner ist. Im Uebngen ist es der alte GoniUct^ in dessen 
Darstellung der Dialog wieder einmal mit der tragischen 
Bflhne concurrirt) aof die Ihn bereits Enripides im Ghrysippos 
(von Plutareh dUrt 3 p. 750 B) verpaanit hatte: die fort^ 
danemden ZustSnde Böotiens, namentlich in den Palfistren, 
musstcn ihn dem Verfasser fast tSglich vor Äugen ftihren M . 

So eigenlbÜnilich der Dialog durch seinen Inhalt, so inaimig- Pintaroliiwhe 
faltig er (iurch den Wechsel namentlich der Personen ist. die 
piutarchische Schablone ist doch auch hier nicht zu verkennen. 
Was hei Platon eine Ausnahme, hei Plutareh aber die Hegel 
ist, eine festliche Gelegenheit gibt den Anlass zum Dialog, der 
sich so nicht wie die sokratischen als ein tägliches Geschäft 
sondern eher nach Art der römischen als ein edleres Mittel 
sur Ausfüllung mtlssiger Standen darstellt. Auch die bekannte 
piutarchische Friedfertigkeit finden wir wieder. Die leiden- 
schaiUichslen Parteigänger auf beiden Seiten und eventuellen 
StOrenfinede werden reditieitig beseitigt: nachdem sich Peisias 
und Protogenes schon vorher entfernt haben (11 p. 755 G. 42 
p. 756 A) folgt ihnen auch Anthemion nach (13 p. 756 A). 
Schiedsrichter werden gewählt (3 p. TüO A). Eriuuert schon 
dies an den Dialog über die Frage »ob die Land- oder die 
Wasserthiere klüger sind < 'o. S. 177 f.), so noch mehr die 
endliche Entscheidung in der Rede d<'S ITauplschiedsrichters 
Plutareh, der in gewissem Sinne beiden Parteien Recht gibt. 
Auch die längere Rede zum Schluss entspricht durchaus 
Plularchs dialogischen Gewohnheiten, wobei die lose ange- 
hängte ErsShlung (25 p.770D ff.) die Stelle ehies ÜTthos vertritt. 

Sollen einzelne Dialoge Plutarchs genannt werden, mit Aehaiiohkait 
denen unser Dialog durch ein engeres Band der Aehnlichkeit ^U^^*" 
verknüpft ist, so konunen das Symposion der Sieben Weisen Platuebi« 
und noch mehr der Dialog » über das Dflmonion des Sokratest 
in Betracht. Geraeinsam ist unserem Dialog mit diesen beiden 

Coiuposition des Ganzen, die ein Gemisch von Dialog und 
Handlung darstellt und so das Werk in die Gattung des 
novellistischen Dialogs einreiht^]. Die Liebesgeschichte zwischen 

i) Auch in den anler Lucians Namen gcheoden Amores wird er 
verhandelt^ kommt aber hier xnm entgegengesetslen AlMchlvaa. 

t) O. & 454, 1. 453. Gegenüber den vorher erwähnten Schildenmgen 
der iiraiCDtol wird 4 p. 749 A dss Dramatische des ganxen Hergangs 



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232 



yi. Der IMilog in der KefseReil. 



Ismenodora und Bacchoo, die lu dem Liebesdialog den Anlass 
gab, hat mit dem letzteren einen parallelen Verlauf; die Kunde 

davon durchbricht den Dialog in der Mitte (10 p. 7H4 E ff. 13 
p. 756 A) und das Knde des Gesprächs wird gekrönt durch 
die Nnchricht über den glücklichen Ausgang auch des Liebes- 
abenteuers. Geschichte unci Dialog sind also hier cngrT auf 
einander bezogen, in der Geschichte xsird die Theorie des 
Gesprächs gewissermaassen in die Praxis übersetzt: was 
im Dialog »über das Däinoniom (o. S. 151, i) nicht der Fall 
war und faat wie eine Kritik durch die Tliat aussieht, 
jedenfiiills eine Verbesserung Ist. 
PUtoBiMdi» Mit den beiden erwSbnten novellistischeD Dialogen und 
nicht bloss mit diesen ist unserem Erolikos auch die Form des 
einrahmenden Gesprüchs gemein, das hier iwischen Autobulos 
und Plavianus in Gegenwart noch anderer Ungenannter geführt 
wird. Doch könnte dies auch eine direkt«' Anlehnung an Piaton 
sein An piaionischen Uf uiiniscenzen lehlt es, abermals nach 
plutarchischer Sitte, auch sonst nicht im Dialoge^). Dieselben 

hervorgehoben: eüOüc rpö«paat«, -^c wpfiTjftTjoav ol Xo-yot, yo[v'>'' "^itei xtj) 
TtaÄE! -iLii oxTjvfjC ÖEiTai, Tol T£ oXXa SpetfiaTO« oOoe-v iXXci;uu Mit X^^P^"* 
vgl. ii p. 768 B Touc ÄfAO^öpou; toü Oeov xal dtvacbia^. 

4} An das EiDgangsgesprttch des Theaitet erinnert besonders der An- 
fang 1 p. 748 F o9« cTre '(p'x<^^jewii ctts xaT«|«.N'rt|M»vs6a«i$ itoXXoExtc dica- 
vcp j^a«! t&v «wclp« xtX. vgl. Theaitet. p. HZ A. Dass Autobulos die 
Hittheilungen des Vaters gerade nicht niederschreibt, sondern sieb auf 
sein Oedacbtniss verlädst und deshalb bei der Wiedorcrzahlung die Mutter 
der Musen anruft (t p. 739 R:, konnte eine absichtliche Modifikation des 
Theaitet. ;ilsn gleichfalls im Hinblick «uf diesen Dialog erfunden sein. 

2) Aut den Phaidros deuten t6 p. 75S D u'/vt-x) und 759 E (Psy- 
< ln»lopio\ t7 p. 765 .\ (äXr^Öcb; re5iov vgl. riwniir. ä4s U, Dieterich Ne- 
kyia 113 Aj, 13 p. 737 B [gegen den Rationalismus und für die rtori; 
ndtptec bertthrt sich mit Phaidr. p.aS9 G ff.) 10 p. 765 C t (Anklänge an 
die Schilderung der Liebe im Ph.}. Der Scfaluss 96 p. 771 E dXX' Inpcv — 
f<i»|iev, dasselbe ist das letatte Wort des Phaidros; die Aufforderung tum 
Gebet icp(KK'J^otB|ftCv vgl. mit Phaidr. p. 279 Bf.}. Unter den fTcpoi 18 
p. 763 F Ist Piaton gemeint wie er sich im Phaidros, aber auch wie er 
sich im Symposion ausst il. Auf das letztere führen noch 13 p. 756 F 
(die*5p|ben P;untr-nidfs- und lli\siodversc citirl wie Svmp. 17s IV: 17 
p. 762 B (=S\mp. 179 C f. kurz vorher von Alkestis die Kede wi< irq). 
179 B fr.) 17 p. 762 B (dasselbe Euripidescilal \sie Svmp. 196 A) ^ |.. 7 )0 A 
(Nachahmung von Syrop. 177 E}. Den Commuuisjiuus der ll/.axw'vix^ 
iciXu erwttbnt si p. 767 D. 



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Plutareh: Dialog von der Liebe. 



233 



▼ertragen sich mil der Benutiung anderer PhQosophen^). Sie 
geben gleichsam das Ck>Iorit, sie gehen aber auch tiefer und 
ergreifen den Kern sodass hier wie anderwSrts der ganze Dialog 
des Epigonen erst durch die Beziehung auf ein bestimmtes Werk 
des Altmeisters der Dialogenschroiber voUkonmien verstanden 
und gewürdigt werden kann '/. Wir dio angorührlon Stellen zei- 
geU; ist dieses Werk hier der l^haidros, mjheuhei das Symposion. 

Der Vi i l isscr Im i^üügt sieh aber nicht Piaton zu er- Kritik PlKtons. 
gSnzen, ihn /.ii moditiziren ■'), sondern er schreitet bis zu einer 
Kritik seint^r Ansichten fort. Diese Kritik setzt zunächst leise 
ein mit einer Missbilligung platonisirender fihetoren, die in 
ewiger Wiederholung der Naturschilderungen des Phaidros 
des Guten zu viel thun (1 p. 749 A) ; dann aber schreitet sie 
stSrker aus, indem sie den Wahnsinn ((xav^a) aus dem Wesen 
der Liebe entfernt (49 p. 765 G) und dafür die Begeisterung 
(ivBooota9|io$) einsetzt (19 p. 765 D), weiter die Liebe für 
gSttUch, nicht dämonisch im engeren Sinn ausgtebt^), bis sie 

<] So ist aus peripatetlschen Schriften allerlei mit eingeflossen. Auf 
dergleichen hat schon Heylbut De Thcophrasti libris tiept cp iXiac S. 8 (vgl. 
DIog. L. III 84) hingewieseo. Gbrysipp wird oltirt 49 p. 7S7 B; sloisch tot 
auch die Dreitbeiliiog der GOtter 48 p. 768 C f. Die an daa Kynosargea 
angeknüpfte Vengleldnmg 1 p. 7M F weist auf eine Verwendung dieses 
Gymnasiums, die zu Plutarchs Zeit hingst nicht mehr Statt hatte (o. 
S. 103, 2\ die Verglcichung icann nlsc» nicht vom Verfasser selbst erfunden 
sondern muss von einem Apltmrt» entlehnt sein. Dieses und Anderes 
Icönnen blosse Lesefrüchte sein, deretwegcn man den Verfasser ni<ht 
gleich wie das jetzt üblich ist einen Abschreiber nennen darf. Etwas 
Anderes ist es, wenn in der Rede Plntandis die eroiiscite Männerfreund- 
BchaiV dnrcb sabtreiche Beispiele belegt und verherrlicht wird (vgl. bes, 
17 p. 764 A. 49 765 C f.} In «ner Welse «fie su einer Rede, deren Absiebt 
Ist vielmehr die Ehe zu empfehlen, nicht wohl passt. Diw erklArt sich 
allerdings aoi einfachsten durch die Annahme, dass dem Verfasser ältere 
T^paiTty.o^ tinmittelhar rur Hand waren und er in Folge davon in eine 
grössere Abluinj^ifikcit i^crieth. als rrhiuht 

2) Welchen Einlluss Phitons IMiaidon auf den Dialog ȟber das 
Dämonion« übte, ist o. 8. Hb IT. erörtert worden; das Vcrbältniss der 
Republik zu de sera n. v. s. o. S. S48 1 

S) In dem VerliKItniss xwischen Admet und Alkestis ist es keines* 
wegs bloss die letztere, welche Im eigentlichen Sinne des Wortes liebt 
(ipqi), vielmehr soll fymi auf beiden Seiten sein 47 p. 764 E. Vgl. Unterss. 
tu Ciceros philos. Sehr. Tl 399. 3, 

V Wns doch wohl mit der eigenihtimlichen Dttmonenlehre Piutarchs > 
zusammeohängen wird. 



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234 



VI. Der Dialog ia der Kaiserzeit. 



schliesslich auch die Wriher- sogut wio (h*r Kna}»riiliehe einer 
Vergeistiguug und Veredelung fiihig erkliirt :il p. 766 F , 
dabei aber der Ehe den Vorzug vor der erotisoheo Männer- 
freuDdschaft gibt [c. 23 f.) und so der platonischen Ansicht 
geradezu ins Gesicht schlügt. An der Schörfe dieser Kritik 
wird dadurch nicht viel geändert dass Pkloii als Gegner nicht 
genannt ist. 

Ut FlfttMvb Bie Frage entsteht ob Plutarch selber ein solches die Kritik 
tfrVaffiMm?^^ Platon bis cur Polemik gegen ihn steigerndes Verfahren 
zuiutrauen ist; dass Nachahmer und Nacheiferer hienu im 

Stande waren, die wenn sie im Sinne eines Andern schreiben 
oder reden möchten, das diesem Angemessene gern über- 
treiben, wird man ohne Weit<Tes zugeben. Die Bedenken, 
ob wirkh'ch Plutarch der Verfasser des Dialogs sein könne, 
mehren sich, wenn wir den chronologischen Irrthum') zum 
Schluss berücksichtigen und einen Blick auf das einrahmende 
Gespräch werfen. In dem letzteren tritt am Meisten Autobulos 
hervor, der Sohn Plutarchs, der das Gespräch, in dem sein 
Vater die Hauptrolle spielt^), dem Flavianus wieder ersählt; 
dass Plutarch aber seine eigenen Gespräche durch einen Än- 
dern — und wäre es auch sein Sohn — habe wiederersählen 
lassen ist eine Absurdität die man ihm kaum zutrauen kann. 
Ebensowenig lässt steh der chronologische Irrthum als einer der 
Auachfünismeu bemänteln, wie sie zur Ausrüslung des kia^si- 

1} Langst nachgowiesen, vgl. Graf Commenti Ribbeck S. 69. 
i] »Der Vater« (6 nad)p) des Kemgespriehs ist durch die Ansichten 
welche er vertritt, so wie durdi die lliiigebiing in der er erscheint, als 

Plutarch genügend charakterisirt. 'Ev AeX^pou -^(tW iS p. 774 C ver- 
einigt sich damit ganz gut. Auf Volkmanns Bemeikunt^en, weshalb Au- 
tohul nicht der Sohn Plutarchs sein könne (1 S. 34 IT.) hat sehon Tn-ar a. 
a. 0. S. fi8 f. geantwortet. Gewiss, wir wissen nichts von einem Sohn 
Plutarchs, der Flavianus hiess. .Vber Flavianus soll auch gar nicht der 
Bruder Autobuls sein. Folgert man dies aus dem 6 naTi^;p und i]\iäi 
Autobuls (1 p. 749 B], so gilt dieselbe Folgerung nicht bloss für Flavian 
sondern flir alle Andern die tuhOren (intvtcc ol icp6c tf^v dbtpdaotv f^xovTcc 
I p. 748 F); xudem wäre eine Mittheilung Ober das thespische Erosfest^ 
wie sie I p. 748 F Autobul macht, dem Bruder gegenttfaer mehr als Üher- 
flttBsig gewesen und Hesse sich in diesem Falle auch nicht mit dem Ge- 
brauche dos Dramas entschuldigen, in dem die auftretenden Personen 
sich Manches sagen, was sie sich, stn'nn penommon , nicht tu *^ageQ 
brauchen und was der Dichter uur aul die Zuschauer b«rechu6t liat. 



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Platarch: Dialog von der Liebe. 



235 



sehen Dialogs gehöreu'): denn solche AnachronisiDeii worden 
nur dadurch erIrSglich dass man sie nicht breit ausführte wie 

dies hier geschehen sein wttrde']. Dagegen konnte ein 
Späterer diesen Irrlhum kirlit begehen, und dem Blick aus 
der Ferno die Zeit von Plutarclis Hochzeit und das Endo der 
Flavienhnastip in Eins iUsammenschwindfMi um so leichter 
als man »»Imedies nicht gewohnt war in Dialogen der Chrono- 
logie eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Auch das 
verwerfende ürtheii über diese Dynastie und über Vespasian 
insbesondere, das hier fallt wird (25 p. 771 G), mochte in 
spAterer Zeit so fest stehen dass wer damals schrieb es nicht 
einmal anpassend fand dieses Urtheil aussprechen au lassen 
in Gegenwart eines FlavianuSi der also schon durch den Namen 
seine Besiehung su jener Herrscherfamilie kund that. Plutarchs 
Urtheil Aber Vespasian lautete gans anders*). Ein Angehöriger 

i] Zur Natur des Dialogs ttherhaupt rechnet diese schon Aristides 

or. 46 p. 288 Jcbb. 

2) Man kttnntc auf don Gedanken kommen die den störenden Ana- 
chronismus rntlialtcndr Partie einfach wrpzus< hTn iden: sie hängt in der 
Thal nur locker inil dein Vorhergehenden zusiumium j der Schnitt müsstc 
vor ßo6Xo(Aat o' 2v rt tüjv xal> rjfjtä; xiX. 24 p. 770 i> gemacht werden. Der 
Einwand würde nichl gelten, dass ja dann der Dialog keinen rechten 
Abschluss hSIte, sondern sich im Sande verlaufen würde : denn derglei- 
chen gehört xor Gewohoheit^ fest kann man sagen, xnr Art des rechten 
Dialogs. Wohl eher müssen noch mehr Gründe gefordert werden, ehe 
man ein so gewaltsames Verfahren zugeben kann. Graf a. a. 0. 8. 70 
findet auch sonst Verwirrnnt; in diesem Schlussabscboitt. Aber was er 
vorbringt, dass es 26 p. 77 i I) heissl ö T.az^iP gleieh darauf 

Tov TraT^pa cirav »als ob uiciit mehr Autobulos Sprüche, sondern ein 
Dritter dessen Acnsserungcn bericliletC", hat nicht viel zu sagen: t6v 
zaxipn statt iiuxi^i ist gesetzt der Deutlichkeit halber wegen des voraus- 
gehenden TOV Ze6^ti:::ov. Einen anderen Anstoss geben die Worte eviaiiia 
|Aiv, 6 iiari^ tiv ncpt ""Eporro; aöroU tiX^iTiicat X<5yov x9n ^eniftv 
o39i SS p. i77 D: sie setzen voraus, dass sie auf den Rückweg nach 
Thespitt begriffen sind; davon ist aber im Vorhergehenden nichts 
gesagt worden, 48 p. 786 A heisst es nur von Antbemion dvaerde i^^Ccv, 
die Uebrigen bleiben also sitzen und daran hat sich seidem nichts geän- 
dert, soviel wir wenigstens ei fiduen. Aber dass wir nichts erfahren, hat 
seine ! -rsarlie vielleicht in einer Lücke des Textes, in welcher eine dahin 
zielende Renierkunc; verloren gegangen i'-f Kine solche Liirkc ist zu 
Anfang r. 21 und in einer solcJien mögen ;iu(|» die Xö-yoi verschwunden 
sein oji Zeii^it^Tio; dpTtoj; otijXöcv 21 p. 767 C 

3j Vgl. iolX^ de sera nnm vind. SS p. 866 E. Hier mag auch 



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236 



Vi. Der Dialog in der Kaisemit 



der plutarchischen Schale mag daher den Dialog geschHeben 
haben nnd die Vennuthnng ist gans ansprechend dass es 
Plutarchs gleichnamiger Sohn war^). Derselbe nahm sich den 
Vater auch darin snm Muster dass er, wie dieser» Vater und 
Bruder redend einf&hrte und dem Bruder Autobulos den Dialog 
widmete indem er ihm die Wicdercrzählimg Übertrug, ähnlich 
wie Her HItore Pliilarrh deui Lainprias. 
Von der Koslk. l^iü anderes Docuinenl, dns uns Kuiidü gibt von dem auch 
nach Phitarch uoch in dessen Kreisen fortglimmenden dia- 
logisch-philosophischen Lehen ist vielleicht der Dialog » voo 
der Musik« (rspl aooar/.Y;;). Doch ist er ungleich eröber 
gearbeitet und kann deshalb nicht wohl als ein Werk eben- 
falls des jüngeren Plutarch gelten^). Die Composition leidet 
an steifer Regelmässigkeit. Qnesikrates, dessen Verherrlichung 
das Ganse dient^ hat das Anfangs- und Schlusswort; dazwischen 
eingeschoben sind die beiden den Hauptinhalt bildenden Vor- 
träge des Lysias und Soterichos Über Geschichte und Nutien 
der Musik. Wir athmen die Luft der Schulstube: der Ver- 
fasser scheint keine höhere Empfindung zu kennen ate die 
des SchQlers fttr den Lehrer^); Bildung heilt nach seiner 
Meinung alle Leiden der Welt (I p. H31 C), als Kosmo]>olit 
liihlt er sich über nationale Schranken erhaben (a.a.O.). An 
Plutarch erinnert Manches. So »cheinen das Motiv Plutarchs 
Tischgespräche gegeben zu haben (Ouaestt. Conv. V ">) : wie 
dort so ist es auch hier ein ünesikrates der das Mahl gibt 
zu dem er nur wenige, aber auserlesene Gaste gi^beten hat 
(Quaestt. Ckmv. a. a. O. p. 678 D) und auch diesoial befindet 



gleich erwKhnt werden, dass über die IdentiUtt des "llXto; und "^Kowc, 
die nach 4 9 p. 764 D ägyptischer rcbcrzewgung entsprechen soll, in der 
plutarchischen Schrift <\o Is. v\ Hsi, nichts steht 's. Pari'n'N in scinrr 
AiisR. [S, i54} wo wir doch crwarteu musiiteu dei|;ieicheii wieder su 
linden. 

1) (irat a. ». 0. 

3) Wesiphai Einl. 8. Avgg. S. Si. Volkmann Leben and Scbrifirn 
I .s. I7S f. Den Brotikos bewundert als Kanskwerii Gr^ard, L« monile 
de Plutarque S. 9S4. 

8) Der Dankbarkeit für den eigenen Lebrrr Onesikrale» IpUiI das 

Proömium Worte; dersel) f ris>t fj /a).ö; ? p !U« C, angeredel wini «r 
(T.yiHe '(). 8 p. H31 F. 4 p. nai D. il p. H iii K, «uch Sotencbo» sagt 
zu seinem Lehrer di oiodoicaXc 4i p. IU6 C. 



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PlQtarch: Von der Musik. 



S37 



sich darunter eio Alexandriner, wie dort der aus Alexandrien 
heimgekehrte Plutarch. Plutarchisch ist femer die platonisch- 
pythagoreische Tendens so wie der Kampf gegen masikalische 
Neuerungen 1). Mit dem Dialog »von der Liebe« triflt dagegen 
unser Dialog susammen in der versteckten Polemik gegen 
Platon^), da er nicht wie dieser die Musik von den Symposien 
wegweist, sondern im Gegentheil nach dem Vorbild der Alten 
sie dort erst recht einbfirgem will'). Plutarch iSsst sich auch 
diesmal eine solche Polemik kaum zutrauen^). Da die Scene 
des Dialogs an das Satnmalienfest und somit wohl noch Horn 
versetzt ist 5), könnte man an ein dorthin versprengtes .Mitglied 
der plutarchischcn Schule denken, vielleicht war der Verfasser 
frar kein Grieche soiidi i n ein Römer®). Ob er ausser dem Dialog 
über die Musik« ii ) 1) andere durch Inhalt und Form damit 
verbundene wie z. B. *)über die Grammatik« geschrieben hatte, 
die uns jeist verloren sind, muss daiiin gestellt bleiben^). 



i ) Westphal in 8. Ausg. S. si . Doob mag der Vertoer hier aach darcfa 
Aristoxeaos (Athen. XIV p. 633 A f.) beelnnuflst sein (^'estphal a,a.O. S.M). 

i) 0. S. 23S f. Etwas Einzeloes tei es, dass die Mouvtxfj; diaoturat 
i p. 44 31 K »nklingon an die h\J,ynr>')f. tov» 'Fomtoc rit Hwawrat o. S. 230, 2. 

3' 43 p H 46 F. Dio in Frage koainionden platttiiisi hen Stollen sind 
Synip. MiiM l'rotiit^. 347 C ff. (anders Xenoph. Synip. U 4 ^wozu vgl. 
Athen. XI p. 504 Ii f.i. Vgl. I 4 53 ff. 

4j Vgl. auch o. S. 441,4. Wohl aber mag unserem Verbaam* in dieser 
P4>lemik schon Aristoxeaos vorangegangen aeln» den er 4S p. 4446 F dtirt. 

6) Allerdings wurden zu GelUua' Zeit die Satoraalien auch in Athen 
gefeiert (N. A. XVIII 2, 4. 43, 4), aber, wie es wenigstens an der ersten 
der beiden angeführten Siellea (S) ansdrttcJtllcli heisst, nur von Aomern 
die in riHechonland lebten. 

f) n;)>is der Stil ht plutnrchisch sei, war schuti Aiuyot aufgefal- 
len (Voilvmuiui 1 4 70;. Bemerkt werde noch der plumpe Gebrauch der 
complimentirenden Epitheta: ot ipiorot -i^a,^^xvMX t p. 44S4 D, i «dkAc 
'(»{jLTjpo; 40 p. I44S E. -48 p. 4446 E TgL o. S. tS6,t. Bs erinnert dies an 
Athenaios (o. S. 480,8) und gehSrt der römischen Sitte an, die In Shnii<dier 
Weise clarus iiinstris und dergl. verwendet (v^. Uber lectissimus alque 
omatisslmus als keineswegs ernst und wörtlich gemeinte Epitheta Halm 
zu Cicero div. in Cticil. 29". Bei IMutanh liiulet es sich, soweit meine 
ReMbacbtung reielit, selten und dann wie bei Pliiton, wo es hüuliger ist, 
kaum ohne ciuea Anflug von Ironie. So auch bei NeuplatonÜLcrn : Eu- 
seb. pracp. ev, X 8, 9 TnepeloTjv xöv xaXöv. 

7) DafUr spriclit das Vorwort, das allgemein von der icqk&cI« han- 
delt Dasselbe steht auch insofern mit dem folgenden Dialog in keinem 



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238 



VI. Der Dialog in der KaiMrxeil. 



HusoDius UDd Epiktet. 

In den plutarchischen Dialogen lierrsclit eine Feststimmung. 
Sie geben Zeugiiiss von dem heitero und noch immer geist- 
vollen hellenischen Leihen, das auch die Römer anlockte und 
bei dem man auch in der Erinnerung noch gern verweilte. 
So erwuchsen sie auf dem Hintergründe einer reizenden 
Landschaft, die tausend Erinnerungen einer alten ruhmvollen 
Geschichte, einer ehrwürdigen Religion belebten. Aus der 
Seele ihres Urhebers lagen Friede und Harmonie darüber 
ausgebreitet. Ein anderes Bild seigt sich, wenn wir unsem 
Blick in das tnnliehe Gemach Epiktets in Rom oder auf die 
Ode Pelseninsel Gyaros lenken, auf der Husonius in der Ver- 
bannung lebte. Auch hier treffen wir Dialoge, aber Dialoge 
ganz anderer Art wie es die verschiedene Umgebung und die 
verschiedenen Menschen mit sich brachten. Nicht mehr der 
Füststimmuugj dem Geiuiss einer edleren Müsse ciicuL hier der 
Dialog sondern an der harten geistigen Arbeit sehen wir ihn 
betheiligt und zwar an der härtesten, niemals rastenden, der 
Arbeit des Menschen an slt-h selber, 

Oer Dialog Plutarciis sowie Dions und Favorins war aus 
der Rhetorik erwachsen; der Dialog dagegen Müsens und 
F^piktets -gehörte von vom herein einer Opposition gegen die- 
selbe an. Diese Opposition steht nicht allein sondern ist nur 
eine Weile in der lülgemeinen Strömung, die dem steigenden 
Luxus und der sich mehr und mehr verfeiDeraden Gultnr der 
antiken Welt immer wachsend sur Seite ging und jener 
Aeusserlicbkeit und Uebercultur gegenüber desto stSrker auf 
das Innerliche und Natürliche gerichtet war. Innerhalb der 
Rhetorik griff man in Folge dessen, die Einen wieder auf die 



rechten ZuBammenhang als derselbe S p. 4481 G mit einem t]q foü« 
Iteutipf «1^. einseixt, worin du ^oGv durch das VoriMfgdMide fai keiMr 
Weise erklKrt werden kann. Da nun S 44t4 D von Gespfichen des 
ersten Tages der Saturnalien r.tpi Ypa|X|i.aTtx1^ die Rede bt, so Ue^t die 
Vermuthung nahe, dass durch diese die Lücke ursprünglich ausgefüllt wurde, 
auf wolche jetzt der Mangel nn Zusammenhang zwischen Pt otimium und 
DialDt; deutet, nnd w«»ilcr kann die Hcrvorhelum^' der ntodu viWrhani'^t 
zu der Anitahiiic fuliicn, dass ein Com|)en(liiini deiselhen in tliaio^i^ciivi 
Form beabsichtigt war, ausser Grammalik und Musik daher in andern 
Gesprächen auch noch die Übrigen DiscIpUnen behandelt wurden. 



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MuMDins. 



S39 



altrümischeD und attischeu Muster zurück; Andere vvundten 
sich ganz von ihr ab und warfen sich der Philosophie in die 
Arme. Es begann eine WeltÜucbt, die bis zum Suchen des 
Todes, sum Greifen nach der Mllrtyrerkrone ausartete^), »Con- 
vitium secoU« (SeDeoa Gontroy. II prttt S. 445, 40 Sa.) wurde 
die Parole. Der filtere Sextius giÄ) das erste Beispiel eines 
rdmlschen Asketen. Wie er auf Süssere Ehren und Würden 
im Staate versichtete, so gaben seine Anhfinger L. Grassitius 
und Fabianus Papirius der Eine die Grammatik der Andere 
die Rhetorik dahin , alles für die Philosophie. Insbesondere 
war es die stoische Philosophie, die wieder einmal In einer 
Reihe von Vertretern ihren altüberlieferten Hang lur Oppo- 
sition, ja Hevülutiuii bewährte. 

In einer solclien Umgehung nach solchen Vorgüngem wird MbsobIu. 
uns das Auftreten des i-iiinisclien Sokrates vtM-siiirullich. Denn 
so dürfen wir weh! drn Musonius Hufus nennen. Geuabrt 
mit (lern Geiste der Stoa , war er durh von dogmatischer Be- 
schränktheit und Starrheit ebenso entfernt wie sein athenischer 
Geistesverwandter''^). Auch hatte die Philosophie nicht ver- 
mocht sein römisches Empfinden und Denken zu unterdrücken ^) 
so wenig als sie im Stande war den athenischen Bürger 
Sokrates in ehien Kosmopoliten su verwandeln. Daher ver- 
sohmShte er auch nicht gelegentlich ein Amt im Staate zu 
beideiden^) und erinnert hierdurch abermals an Sokrates. 
Wie dieser fand er jedoch seinen eigentlichen Beruf darin 

1) E)iH> tT*fT(>iide Bemerkung hierttber bei Philostr. v. Apoll. Vit 
4 6 (S. 271, 20 Kayüer). 

3"! Sophisten nennt er die, welche sich mit der Menge ihrer Dug- 
men aufblähen Stob. tlor. 56, 4ä (=11 339, 6 Mein.). So erklärl sich 
aacb, dais » Versdiiedeoen gegonOber «ad zu VMflddedeoen Zeiten nicbt 
immer sieh auf gleiche Welse äusserte: so vgl hiasichtlich des Selbst- 
mordes was er dem Thrasea nach Epiktet DIssertt I 1, 18 f. und was er 
nach Tacit. Annal. XIV S9 dem Plautns rleth. 

3) Sein Römerthum zeigt sich, wenn er catonlsche Sentenzen In«? 
Griechische nliertrftjrt flellius XVI 4 , wenn er, vielleicht ebenfalls nach 
Catos Vor^ranL', für die Ehe (;>tob. llor. 67, iO = HI S. 3 ff. Mein.) und 
für tlits l.aiiüiehen Stob. 56, 48 s= II S. 386 ff. Mein. s. I S. .nö*. II S. 3) 
eintrilt. Von iluu gill nicht minder als vuu Suxlius das Wurt, dass er 
ia griechischer Sprache, ab«r auf rOmisifte Art phllosophlri habe. Vgl. 
noch 0. 5. 418» S. 

4) Julian bei Suidas o. Mwotfrvt««. Vgl. dazu Scaliger ad Buseb. p. aoi. 



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240 



VI. Der Diulog in der Kaiserzeit. 



Henschen tu prüfeu und sn bilden, Menschen jeder Art und 

jedes Standes 2). Diese concurrirende Thätigkeit musste ihn 
ebenso wie Sokiates in Conflict bringen mit den Sophisten 
seiner Zeit, den rhetorischen wie den philosophischen^). Dabei 
verschraähto er es nicht, so wenig als Sokrates, von ihnen /.u 
lernen und liess geiegenllich den Khelor im Philosophen hervor- 
treten*), namentlich wenn er seine protreptischen Reden hielt >}. 
Leber rni f Der Dialog meidet das Geräusch der Weltstadt» den An- 
0;aro«». j^^^ grosser Massen; vor Allem aber passte er nicht in 
die römische Umgebung; dass das damalige Rom kein gOnatiger 
Platiy wenigstens für die sokratiscbe Art des Dialogs war, 
sagt Epiktet (Dissertt. II 48, 47 u. 25). Obgleich daher auch 
schon wShrend seines eisten römischen Aufenthalta Muson in 
der Stille mit Vertrauten Erörterungen in dialogischer Form 
pflegte*^), so bot ihm doch hierzu erst reichlichere Gelegenheit 
das Vcrl>annungsdekret Neros das ihm seinen Wohnsilz aul 
der Insel Gyaros anwies'). Ihm selbst erschien dieser Schicksals- 
schlag als ein Glücksfall^): was er zu andern Zeiten vom 

<) Vgl. *Poyrfo; T.tiodCms jic l>ei Epiktcl OiS-SerU. 1 9, t\K 
%) L'm zu bezeicliiKMi Nvic wfii da^ Wirken Musons reichte, sieht 
dem syrischen Könige {Slub. llur. -18, 67 s= II 6. 271, 4 5 Mein.) der Sklave 
Epiktet (DiuertL I 9, 29] gegeaUber. 

8) Deo philosophischen gilt Stob. flor. 66, 48 («II S. 889, 8 ff.M.}» 
den rhelorischeo a. a. 0. 48, 67 II S. 874, 8 ff. H.)« Die Tpavönjt« 
icspl \6fw>^ «al ^tvdTr)T(i xtva itsptTdjv icann Mnson auch an lUlnnem 
nicht loben (Stob. flor. Exc. Flor. II 123 = S. 216, 3 (T. Mein.]. 

4) So mag man ihn sich denken, da er die Soldaten des Antonius Primus 
zum Frieden ermahnt (Tacit. Hisl. III «> uImm Dinn S x'» oder da 
er als Ankliiger des P. Celer dem Kyniker Deiuelrius };cgcuuberstund 
Tacit. lUst. IV 10. 40). lubianus Papirius setzte sogar als Philosoph 
noch seine DeclainirUbuogen fort (Seneca Controv. Ii prüf. S. 116, 16 ff. 
84 f. Bu.). 

5) Hier putzt er sogar seine Rede mit dem gewtfbnllohsten rlietori> 
sehen FUtter: Stob. flor. 88, 78 (» II S. 1 8 ff. IL vgl. bes. \ 4,81 ff. S. 18,90 ff. 
an letzterer Stelle ist der Wechsel von ::poo^p/e90a( und Tiapaiivcsi^at, 
von ivjzoK und ^tv bcmerkenswerthj. Auch Catos Diktum bei Geilius 

XVI 1 hat er in eine pointirlf Form gchraf hlj. 
6i Hpictct dissort!. I 7. 3i fulirt »i iraul. 

7) Aehnlich hatte auf Ci irina der Jurist Aquilius Gallus Schuler 
um sich: PompuiHus tu Dig. 1 t, t, 43 u. dazu Jurs Rüm. Rechtswissenscb. 
z. Z. d. R. 1 S, 237, 2. 

8) Stob. flor. 40 8 U S. 78 ff. Hein.}. 



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MoBoniu«. 



241 



Landlehen erhofft '), gewährte ihm jetzt das Exil, die Möglich- 
keit sich nur der Philosophie zu widmen in nna!)I. issigem 
Verkehr bei Tag und NaohL mit vertraüf^^n Freunden -). Die 
einsame Feiseninsel wurde durch ihn iür einige Jahre ein 
Geiltrum dialogischen Lebens. Von allen Seiten kam man 
um ihn zu sehen (Philostr« v. Apoll. VII 16): die alten Freunde 
blieben nicht surUok^), von gleichem Schicksal BetrolTene 
Uessen sidi von ihm trOsten^), auch einen syrischen König 
treffen wir unter denen die sich bei ihm Batfas erholen 
(o. S. SiO, 2). Noch in spfiter Zeit lag ein legendarischer 
Glans auf der Insel und die Quelle Ifusons, die man dort 
seigte, genoss keines geringeren Ruhms als die heilige Quelle 
der Musen am Helikon (Philostr. v. ApolL Yll 46). 

Die mehrjUhrige Wirksamkeit auf der Insel mag schien wiikMak*it 
Ruf befestigt und verbreitet haben. Jedenfalls war er, nachdem 
er während Galbas Regierung naeh Horn zurückgekehrt war, 
dort ein gefeierter Mann. Jetzt strüml«? ihm auch die Jugend 
zu'') und er durfte sie mahnen Vater und Mutter zii verlassen 
um der Philosophie Willen, weil Gottesdienst vor Meiisi ht n- 
dieuäl gehe. Durch Reden Diatriben^) und eiudriugliche 

I) Stob. flor. 56, IS (=> II S. 339, 46 ff. Mein.]. Vgl. o. S. tl9, 8. 
8} Stob. Oor. 4», 9 (a- II S. 70, 47 ff. Ueio. S. 71, 19 ff.}. 
8) S. vor. AnmlLg. 

4} Stob. flor. 40, 0 (ss II ^. 70 Mein. . 

5; A.a einen veavt^o; wendet sich Stob. flor. 67, 20 {= III .S. 7,7 Mein.); 
an ein»m vcivfi; 8v 6 rir?|p t^iXoioccTv ^o'jy^nevov ^/.aiXuev .Stob. Ilor. 79, .II 
(=111 S, öü,i3 M.). Ich halte es für scIhstviTstiiiullii Ii , dass derartige 
Gesprücbe mit jungen Leuten nicht nach Gyaros HoaUcra nach Rom zu 
verlegen sind. 

6) Ein iiapop{A7pt«6c eU dEoxijar» bei Stob. flor. 60, 78 [=s n S. 1$, 5 
Mein.), UberdeooeD rhetorische FSrfouog 8. o. S. 840,5; ein mpaiMiftijnxftc 
a. «. 0. 40 H n S. 70, 8 Mein.). 

Ti Die Dialribenforni zeigt sich z. B. Slob. flor. 48, 67 (= II S. 247,4 5 
Mein. . der König spri« fit nur zu linde ein paar Worte fS, 276, 42 f.l, der 
ÜiiiloM S, ii7.'>, 48 ff. i76, 4 tl. \s\ ilnr Srhoindialog der Üiali ilic <ler nur 
<!iu)ii auffnllend ist wenn er % or riiuMu Kiii/i-lnen aufgeführt v^ird und f>o- 
niil die üeiegeuheit geboten wure dm diaiogii^che KedUrfoiss auf reellere 
Webe dvrdi «hien wirkttehen Dialog zq befriedigen. Aoch die Anek- 
doteo, wie sie Stob. Oor. 10, 46 I S. 804, 11 u. 17) ttber Sokrates und 
Pboklon erztthlt werden, keonseichneo den echten DiatrittenstiL Sieb 
selbst Easst er mit seinen Zuhörern als solche zusammen, die an der <piX/>- 
eofo« ftiaxptßrj theiigenommen haben bei Stob. flor. S0,78 (all S. 1 5*1 3 Mein.}. 
Hirisl, Diml«g. II. 45 



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242 VI. Der Dialog in der Kaifleneit. 

Gespräehe *) suchte er auf sie su wirken. Obgleich auch diese 
Reden an indiyiduelle Yerhlltnisse anknfipflen, so bewegten 

sie sich doch mehr in ein und demselben Kreise der her- 
gebrachten jMoral und waren deshalb nicht entfernt so mannig- 
faltiE: als die des alten Sokrates, verfolgten auch weniger eine 
autklürende als <:\ne erbauliche Absicht, indem sie das mora- 
lische Bewusstsein nicht sowohl zu reinigen als zu befestigen 
suchten^). Was ihnen eine internatioDale Bedeutung gab, war 
Ol braaoh der der Gebrauch der griechischen Sprache % mag dies nun Mu- 
^^^i/äk^ senilis als dem HeriLommen der alten strengen, nicht rhetori- 
schen und dilettantischen, Philosophie entsprechend angesehen 
oder mag ihn wie andere ROmer vor ihm, wie loletst noch 
den filteren Sextins, der griechische Himmel gridsirt haben. 
KMm 8dbift> In diese unmittelbar persönliche Wirksamkeit legte sich 
**'*^* Muson mit der gansen Kraft seines Wesens; nichts davon wurde 
in eine schriftstellerische Thätigkeit abgeleitet^). Motive konnte 

4; Slüb. (lor. 79, 51 — III S. 90 Mein.] ist wenigstens su Anfang ©in 
l'icspriicli !)is t'lwii S. 91,10; liier liiuft es in eine Kcd«* :ius, die aber 
S. 9;i. 8 wieder «Iure Ii t im- Antwort dos veaviac unterbiuclieu zu werden 
scheint. Ein förnilicber Dijdoi: tn den E\c. Flor. I. 46 (= IV 4 64, 23 
Mein.). Als Meister des müiidlulien Dialogs^ wird Muson vorausgesetzt 
von Phlloatr. v. sopb. II 9 p. 556 (S. 64, 25 ff. Kays. Teobn. Ausg.), wenn 
der dort Tyrier genannle nnaer Muaoiiitts ist (6. o. S. S45, 1). 

S) Musonius »lehrte« (l^plaTo Sitrfawiv Exc. flor. IIIS« IV SSO, 24 
Mein.); er leml nicht im G«sprtfch mit Anderen sondern theilt diesen mit 
was er sich seilest Ittogst und wiedertiolt gesagt hat (Stob. flor. tS, S 

II 74, S9 Mein.). 

3^ Dil »;«>ine Vortrage wie es scheint nur f^rioihisdi nufjrozi'iclinf^t 
wurden , müssen wir wohl annehmen, da.ss er sie in der Hauptsache 
(denn bei Gell. XVIII 2, 4 deutet das Wortspiel zwischen »reniillere« 
und •amillere« auf einen Vortrag in lateinischer Sprache) griechisch ge- 
halten hat. Am nKchsten liegen die Analogien des Seitins (Sen. epial. 
59,7) und Favorinus (Mommsen R. G. V 401. Pbilostr. T. S. I 9 [8. 9, 3 
Kays.]); auch ein Schiller Favorins Geilius findel dass philosophische, 
insbesondere dialeictische Erörterungen sich anf Griechisch viel httbscher 
ausnahmen als auf Lateinisch (N. .V. XVIII 4 3, 5 . Ein Zeichen von Musons 
Intcrn.itionaliliit iil ausserdem dass er einen Epiktol /um .♦^chtilor und 
eitKf» Arleiiiidor zum Schwiegersohn hatte. Das Irt/icrc ist aus Plin. ej». 

III 44 wcuigsleus öusserst wnhrscluMnlicli : wns IMinius dem .Arlemidor 
nachrühmt (mitto qua palicntiu rot poris eh .] musste diesen in den Augen 
gerade unseres Musonius besonders auszeichnen. 

4) Neuerdings hat uns allerdings P. Wendland Quaestt. Mosonianae 
mit Resten einer solchen ThKtIgkeit bekannt machen wollen. Soweit 



Musonius. 



^43 



er hierbei verschiedene haben: er mochte in jeder literari- 
schen Thätigkeit ein Zeichen eitler lUrimisucht sehen (Cicero 
pro Archia poela das Vorbild des Sokrates ' Pythagoras 

und anderer älterer Philosophon konnte ihm vorsclixsi l n-n ; 
endlich spielte vielleicht der Gegensatz gegen die llhetoren 
mii biaeiQy wenn er sich mit richtigem Urtheil sagte, dass schon 
die erste schriftliche Abfassung eines Gedankeos den Anfang 
einer rhetorischen d. i. künstlichen Darstellung enthält. Das 
Hauptmotiv hat er uns selbst verrathen: nach setner Meinung 
bedarf die Philosophie nicht vieler Reden 2); es genügte daher, 

der Beweis dafür aus Clemens Alcxandrinus ^'csrhupft ist, beruht dor- 
seÜM' auf ^anz unsicheren Voraussetzungen. ("n>:en die Evislcnz von 
Schriften spricht abgesehen von (h'm im Texte Bemerkten auch der Lni- 
stand, dass Fragmeple uns nur aus den niUndlichcn Reden des l^tiilo- 
sophen citirt werden. Suldas* Angabe, «Ipovrat a&to*» )v6r(m lid^opot 
(ptXooo«p(ac i'i^iiusM «al iieiOToXat, bat auf keinen Fall einen Werth: ent- 
weder liegt hier dasselbe MissverstSndniss xu Oninde wie seiner Notiz 
Uber Bpilitet, wonach dieser ein fmcbtbarerer Schriftsteller gewesen sein 
würde» oder der Meinung derjeni^^en die Sokrates zum Verfasser seiner 
eigenen Dialoge machten !s. o. S. 90, 2i; oder aber es sind gar keine von 
Mu«5on pi'schriebenen X^yn geiiM'inl 'Sondern die Worte !)ori«*hen sirh auf 
dif Anderen aufgezeichneten Ht-den Xo-j-o' licisscn sie hei Sloh. Ilor. 
49, 43 =^ I 285, ^9 Mein., desaleichcn bei Arislidcs or. 2S der mit Stobüus 
auch in der Wendung X<ip'j; ou^tlvai zusammenlrilVl; Xopi nennt Arrian 
Im Vorwort »neb die DIatriben Bpiktets). Damit flllK aodi des Zeagniss 
des Ennapios hin (v. aoph. p. 6 Com. p. 3 Hoiss, bei Wendland a. a. O. 
S. SS) der ausserdem noch durch die Zusammenstellung mit Demelrlos 
und Menippos nnd der Pointe zu Uelie verleitet werden konnte auch 
dem MuMonius seine ■^^Ai^iia-a zu geben. 

t) 0. S. 90, 2. Drss Musonius den dort bemerkten Irrthum Innsicht- 
Hch der !i(» r;iris("lien Thätigkeit des Sokrates theiHo. ist kaum glanldirh. 
Epiktel üisy>. II. 1, 3i scheint darauf zu fuhren, wlier mir ist jetzt wahr- 
scheinlicher dass Sokrates hier eine Collectiv-Bezeichnung für die Sokra- 
tiker ist. Dass man übrigens schon in der früheren Kaiserzeit Sokrates 
sidi als einsamen Denker vorsteUtOi s. o. S. S7, 8. 

f) Die Worte sind (Stob. Hör. 5e,18 ^ Ii S. 839, 3 Mein.): noXX&v 

tAv 9tmpri\t(lt9H dv<xXv)irriov irdlvTwc toTc ^^otc if' 9 ^ttvm^kwif, to^i 

oocptara; ipöiaev. Hiermit vergleiche man Marc Aurel I 7. Unter die 
Dinge, die er seinem Lehrer Rustieus verdankt, rcclim t hier der Kaiser 
TO iii^ ^y.Tpair^vai zii C'^^ov oocpt3Tixo > ur^t (yrc^po/j^z'.-/ rcpi töjv Oem- 
pTjuiaTouv xr).. Man sieht dass wir berechtigt waren zu folgern vie wir 
im Text ^MHhan haben. Der Vorgang des Musonius hatte seine Frucht 
getragen: denn Rustieus war ein Auhiinger von Musons Schüler Epiktet. 

t6* 



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244 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



das Wenige was zu sagen war mündlich einzuprägen; wozu 
die unzähligen Schriften über diese OiiiLie durch neue ver- 
mehren? Mit diesem Motiv hatMusonius Schule gemacht: Epiktet 
and Rusticus befolglen denselben Grundsatz. £|M]Uet war 
auch insofern conseqfuent als er selbst die Erinnerungen an 
seinen Lehrer nur sum Gegenstand mündlicher MittbeOongen 
machte. 

Anfzeichnang Andere dagegen leichneten auf was dieser selbst der 
Aufkeiehnung nicht fOr werih gehalten hatte. So hat das 
Auftreten eines sokratischen Mannes sur Folge dass auch 

die Geschichte der Sokratik sich im Kleinen wiederholt. Die 

Aufzeichnungen waren auch hier keine blossen Stenogramme 
sondern mehr oder minder künstlerisch gestaltet'), dabei 
individuell gefärbt nach der Verschiedenheit ihrer Urheber 

Das ou^^pä'fetv über PhUosopbie lehul auch Arrian (prooiu. Epictet. diss.) 
voD sich ab: das AufzeichneD der Epiklet^dien Reden sei kein Oi^f^- 
fctv im eigentlichen Sinne. Wie diese Ansicht über den Werth des 
Scbrelbens damals in der Luft lag, kann auch Plutareb lehren de fort. 
Alex. or. I 4 p. StSA: die Philosophie sei nicht X^o« sondern fpryo» und 
ol oox([jituTizTot TÖN f tXoo^Yciv, Pytluiigoras Sokrates Arkesilaos Kameades, 
hätten nichts geschrieben. 

4) Man zeichnete mil Auswalil auf, ebenso wie die Boden des 
Sokrates, uitiulich solche Krdcu die etwas Besonderes uiul Neues ge- 
brachl iiatlen, nicht im L:«'svotuilichen (ult ise verlaufen waren: Stob. flor. 
19, U (= I 285,19 Aieiu. u. 187, 26;. Durch Wendungen wie TOioiaoi 
«tot X6futi ypuipevo; (Stob. floT. i9, 78 <b U IS, 6 Mein.) wird Torgebeiigt 
dass man nicht eine wörtliche Niederschrill vor sich su haben glauble. 
DIrecte und Indirecte Heden wechseln. Der hin und wieder bemerkhare 
rhetorische Schmuck (o. S. i40, 5) wird wohl auch nicht unmittelbar 
dem Musonius entlehnt sondern mehr in seiner Manier gearbeitet sein. 

2) 'ATT0fj.v7]fjL0ve*j(jLaTi Mouamvtou tov <piXoo<590u hatte ein Polio ver- 
fasst (Suidas u. «1. W ). Eine andere Sanindung der Reden Muson?; war 
die von Lucius veranstaltete, wuimk in (ien K\c. Flor. I 4(1 [— \\ 
162, 21 Mein.; ein Frat;menl milgfilieiit isl. Ob was uns von Slül>ai»)> 
erhalten ist, einem von diesen beiden Werken oder einem dritten an- 
gehört, steht dahin. Auffallend ist Jedenfalls dass uns gerade das unter 
dem Namen des Lucius gehende Fragment einen formlichen Dialog dar- 
stellt: denn von demselben Lucius heisst es bei Philostrat (o. 8. 941, 1 ) 
dass er den schlagfertigen Dialog im Verkehr mit Muson gelernt hal>e. 
Sein Interesse für den Dialog könnte es daher mit sich gebracht haben, 
dass er gerade die Oialntre Musons sich zur Aufzeichnung au.sw^hlte. 
wahrend Andere wieder ein grosseres Interesse an den Reden und deren 
Erhaltung durch die Schrift uebiueu kouuleu. 



BpULtei 



845 



endlich haben sich auch Dichtung und Legeade des PliUo* 
sophen mit sammt seinen Heden bemSchtigt >). 

In der Schule Musons ragt Epiktet hervor; nach der Epiktot. 
Schäteuiig von Mir und Nachwelt ttberragt er sogar seinen 
Leiirer» Schwerer hatte das Leben anf dem phrygischen 
SUaven gehütet, unter gans andern strengeren Proben 
hatte er die gleichen Grondsfttse bewihrt: nun leachtete 
auch noch heller um ihn der Glans der Heiligkeit Ein- 
dringlicher erging schon darum seine Rede an alle die, die 
mit ihm in BerOhning kamen, erst in Rom dann in Nikopolis. 
Die extreme Richtung siegte auch hier über die gemSssigto: 
denn der heimatlose Sklave hatte keinen Grund mit der be- 
stehenden Gesellschuii und ihren iraditiunen zu pakLiren, der 



^) Hierfür gibt einen Beleg der unter Lucians Schriflea erimltene 
Nero des Philostratos. Der Legende gehdri hier an dass Ma«oa von 
Nero bei den Arbelteo sor Durchstochnng des Isthmus verwandt worden 
sei. Ohne Weiteree ist üBrner klar, dass der kleine Dialog ein kvnst- 
reiclies Gebilde ist. Noch mebr erliellt dies aus der Vergleicbtmg 
mit Philostr. v. Apoll, V 1> (8. 478, SO ff. Teubn. Ausg.). An dieser 
letzteren Stelle liegt kpinrswcps eine einfache RUekbeziehunp nitf jenen 
ninlng vor. Denn itn l.clx-ii des Apollonios ist os Demetrius der 
mit Müsen spricht, im Nero dagegen Menekratcs; auch die Situalinn 
ist heidemal nicht ganz dieselbe, denn im Nero blickt Menekrates auf 
die Durchstechung als auf etwas Vergangenes zurück, im Lelwii des 
Apollonios ist Mason eben dabei bescbSfllgt. Das Gemeinsame ist 
Mosott als GesprSchsperson, die Erwähnung seiner Isthmos- Arbeit und 
eine gewisse Verbindung, In die hiermit Neros Kunstdilettantismus ge- 
bracht wird. Nicht viel mehr wird die historische Unterlage gewesen sein, 
die dann von Verschiodenen verscliifdcn nnsgostaltet und umgedicrhtet 
w iirdf« Vcliiilirho'^ in den sokralischen I>ial()j:iMi (1 8. 189 ff . . Die l eber- 
lieferunt; bot oino uii<.;i niiniile (iesprttchspcrson , wie die Fragmente bei 
Stob, lehren wsuuin man von den Namen absah, können Stellen wie 
Aristid. or. 46 p. 298, 10 IT. Jebb erklären): in der einen Bearbeitung 
wurde dafür Menekrates, in der anderen Demetrios eingesetzt. — Zu der 
Dichtung, die sich an Musonius ansetzte, ledme idi auch dass man ihm 
eine orientalische Heimat andichtetr. T\ ros (Philostr. v. soph. II 9 p. 556 
= S. 64, 25 Kays. Teubn. Ausg.? odf r Babylon (Philostr. v. \p. IV 3r> = 
S, f5^. "^I Ka\ s. Ti nlin. Aiihc. \ Der eine oder der andere Irrthum halle 
sich durch Conjeclur beseitigen lassen (Tuppr^vo; für Tupio;, fWiXotvto; 
f. Riß jXiwio«, s. Zeller III 1' S. 691 Anm. 730 Anm.) ; mit beiclen gleich- 
zeitig darf man nicht so verfahren. Vielmehr haben diese Nachrichten 
ihr SeitenstUük in «bnlichen über Pytbagoras und sind wohl aus dem 
gleichen Bedttrfniss hervorgegangen (Zeller 1* S. 971,0- 



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VI. Der Dialog in der Kaiserxeii. 



Philosoph iaoher SloicistBus Musons erhielt daher durch ihn eine alarke Färbung 
Suadpiuikt. jjjg Kynischc'). Aber auch von den Kynikcrn untersdiied er 
sich und wiederom auf eine Weise, die die Ansiehong, welche 
er auf die Menschen übte, nur verstSrken konnte: das Wesen 
der Kyniker hat leicht ehnen burlesken Anstrich, ein tiefer 
Emst liegt auf den Thaten und Reden Epiktets; schiiessen 
jene sich in ihrem Tugendstols eher gegen Andere ab die 
Ihnen höchstens gut genug sind ihre Strafreden anzuhören, 
so zeigt Epiktet viel mehr das Bestreben sie zu sich heranzu- 
ziehen, sie zu bessern und zu belehren. 
Art seiner Und wie verstand er sie zu fesseln! Freib'ch nicht dnrc h 
Vortrage, j^q^q bahnbrechende Gedanken: er selbst l)ezeichnct als seine 
Vorbilder Diogenes, Sokrates und Zenon und in diesen drei 
Richtungen wird man alle seine Gedanken finden können wenn 

Ti Kfiikt*'! war urspninflicli Kynike und wurde «rst di'.rrh Muson für 
den Sioicisfiius ^cw (innen , smc nia» aus der vorlauten Antwort, die er 
diesem diss. 1 7, 6i j^iebl, und der verdienten Zurechlwcisuog, die er 
dafür cmpfüngt, schiiessen mdchte. Diogenes war sein Ideal« Die An- 
forderungen, welche Muson (bei Slob. llor. I S4 » I S. 88, 9 ff. Mein.) an 
difc Einfachheit einer menschlichen Wohnung stellt, gingen ihm daher 
schwerlich weit genug; und noch weniger war er gewiss mit der Be- 
hauptung einverstanden, das.s man mit Geld das Wold des Einzelnen oder 
der ricmcinde fordern könne (a. a. 0. S, 38, H ff. Diogenes rätli seinem 
Haufer in Lurinn'< Vitt, aui f. 0 was rr an Cleld habe ins M«"er zu werfen,. 
Auf eine verrnitlfhidc Uichlnni: Mii^nns scheint aiu Ii hinzu weisen, was 
derselbe Uber das Frauen>ludiuni seiner Zeil benuMkt: die philosophiren- 
den Blaustrümpfe sind ihm ein Greuel, das Weib soll seineu Beruf im 
Haus und in der Familie finden; auf der andern Seite Icugncl er aber, 
dass die Philosophie sich mit diesem Berufe nicht vertrage (Eic. Flor. 
11 116 a$. SSO, 88 Mein. bes. S. 889, 84 ff.). Je mehr wir in diesen 
Worten des römischen Ritters eine BUcksicbt auf die Stellung der mater 
familias wahrzunehmen ghiuben, desto weniger können wir annehmen, 
dass sie im Sinne Kpiktets waren. In einem andern Falle kennen wir 
au«'<erd<'m mit Sicherheit nat hweisen. dass Kpiktrt viel nifhr als Muson 
geneigt war, eine nuss<:litiessiiche, durcii keine Ruekskhli ii bedingte Hin- 
gabe an dii" Philosophie zu fordern. Beide haben sich die Frage vor- 
gelegt, ob der IMiilosoph eine Ehe eingehen dürfe und haben diese Frage 
t>eide in der Theorie verschieden beantwortet, Muson bejahend (Stob. flor. 
67, 80 » III 5. 8, 96 ff. Mein.] und Epiktet verneinend (Diss, III 9i, 67 ff.). 
Pass Epiktet in dieser Ansicht nicht constant gewesen sei, ist nur ein 
Schein, der sich III 7, 19 ff. erkittrt weil hier >on der grossoi Masse der 
Menschen die Rt^e ist und I 23 weil die betreffende Aeusserung einer 
Polemik gegen Epiknr angehört. Vgl, über Muson noch o. S. 889, 8. 



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Epiklet «47 

man sie sucheD wiU. Woduroh er wirkte, das war die Art des 
Vortrags in einer Sprache, die seine Muttersprache war und 
deshalb gellufig, wenn avob barbarisirt (III 40,U), tiber seine 
Lippen flosSi und in der Form des Dialogs der hier wieder 
einmal seine alte die Geister aafrQttebide Gewalt bewährte'). 
Auf natOrliehem Boden wie bei Sokrates ist er allerdings nicht 
gewachsen : Epiktet Übernahm den IMalog ans der Schule des 
Musonius und hat deshalb von dem Nutzen dieser Methode ein 
ganz bestimmtos deutliches Bewusstsein'). In der Art wie er sie 
handhabt merkt man eine gewisse Treibbai ishitze. Man glaubt, 
wenn man die Aulzeiehnungen seiner Heden best, dass er 
beständig im dialogischen Fieber begt. Seine Dialoge sind 
voller Affekt, asyndetisch drängen sich die Fragen, werden 
Worte und Wendungen auf einander gehäuft, es ist ein ewiges 
Beben und Zittern polternder Leidenschaft von dem die 
sokratischen Dialoge bei aller geistigen Lebendigkeit ganz frei 
sind: natürlich; denn Sokrates wollte vermittelst seiner G»- 
spräche auf die Erkenntniss wirken , Epiktet auf den Willen. 

Schon firOher, in Rom, hatte er es mit der dialogischen 
Methode versucht und nach dem Vorbild der sokratischen 
Menschenprttfung Emst damit gemachU Aber Ohle Er^ 
fahrungen lehrten ihm dass das kaiserliche Rom nicht Athen 
war^). Einen günstigeren Boden fand er erst spSter wie es 
scheint in NikopoUs. Wenigstens Hess er dort seinen dia- 
logischen Gelüsten alle Zügel schiessen. »Ce Socrate sans 
grace«^ i^anute kein Maass: dem Princip zu Liebe musstc 
Alles dialogisirt werden. Nur der kleinere Thcii der Aut- 
zeichnungen sind wirkliche Gespräche hervorgegangen in» ist QeipiftdM. 
aus zuföiUgem Anlass und mit Personen, die nur vorüber- 
gehend SU ihm in Beziehung traten; bisweilen schiiessen sie 

1] Von einem Abgeordneten zum deutschen Reichstag konnte man 
ISS4 in ein«' hekannten Zeltung lesen: »er gcslaltel gern seine Bede dia> 
logiMdi und so wich die Stille Im Hause einer lebendigen Auseinander- 
setaong, Beifall llnlis, Protest auf der Rechten«. 

i) Diss. II 49. Vgl. auch II 4 f. 

3) Diss. II 1^, f7 u. 25 o. S. 2*0. Eine Aufzeichnung aus der rö- 
mischen Zeit ist II 16, wie sich ans 30 f. ergibt; al>< r nwr ninn Diatriho, 
kein eigentliches (je>[)ra( h. Dem Groll gegen diu unpbilosophi&choa 
Rumer macht er noch III S, 7 Luft. 

4) Martha, Les muralistcs S. 4 61. 



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248 ^ Dialog in der Kaiseneil. 

sich wie die plntarchischeD an die YortrSge der Sdiiile an, 
die in ihnen gewiflsennaassen ausklingen (II I f). Der 
Regel nach sind es diese YortrSge der Schule selber, die uns 

mitgclheilt werden und deren Form gerade so merIcwOrdig 
DUtrib«. ist. Die Eigenlhüiul ichkeil der Didtribe, den ruhigen Verlauf 
der Gedanken mit Dialogen zu durchsetzen, wird hier weil über 
das aus Teles und Muson l)eknnnte Maass hinüiisLit führt. Kaum 
sind wir einmal in der Lage ruhig der Entwicklung seiner 
Gedanken zu folgen: sehr bald str^rt er uns durch Fragen 
taoMo. und Antworten auf. Personen als Träger derselben su finden 
(ftUt ihm nicht schwer: er entnimmt sie der eigenen Er- 
fahrung, der Geschichte, der Mythologie (Achill und Aga- 
memnon), der Lektttre alterer (platonischer und xenophonti- 
seher) Dialoge, und wo diese Quellen Tersagen, citirl er sich 
einen Ungenannten zur Unterhaltung, ISsst auch wohl solche 
ungenannte und ganz allgemein charakterisirte Personen (Vater 
und Sohn I 26, 5) nut einander reden; befreundete Philosophon 
und Gegner, Sokrales und Diogenes, Chrysipp und Ii Aka- 
demiker mlissen sich persönlich vor ihm n eranUvorlen odrr 
sich doch wie Kpikur und Theopomp von ihm apostrophircn 
lassen. Blosse Allgemeinheiten ball er fUr unfruchtbar, jed(> 
Lehre kann nur dann ^^ irken wenn sie auf den einzelnen Fall 
angewandt wird (1 22): darum weilt er nicht lange In ab- 
strakten Regionen sondern versetzt uns alsbald auf den 
Protrepttwba coucretou Bodou des Dialogs. Er wählt in seinen protrepti- 
sehen Reden diejenige Methode, fttr die Diogenes das Vor- 
bild war, derselbe dem er vor Andern, auch vor Sokrates, eine 
»königliche« Stelle zuweist (III 24, 19). Ihm oder doch den 
8elb«tgüBpr»cb. K)nikern (I S. 445 ff.) entnahm er auch das SelbstgcsprSch, mit 
dem al)er Epiktet viel mehr Krnsl macht als einer der Früheren. 
Das j)l\ede mit Dir selbst« (XoAet aauTt[i VI 4, 26) tritt bei ihm 
an die Stelle des »Erkenne Dich selbst« ^j. Auch Sokrates 
hatte sich, wie Epiktet meint, des Selbstgesprächs bedient 
(II 1, 32], aber nur als eines Surrogats wenn ihm die Gelegen' 
heit fehlte mit Andern Gespräche zu fuhren. Ganz anders 

1) IlpoTpcirctTT&v 6|fctXtnv lautet der Titel seiner Diatribcu ia eiaer 
Handsehrift, s. Schenkl, Herr, der Wiener Ak. IIS S. 44S. 

S) Menipp bei Lucian DiaL Bfortoor. S, S besteht noch anf dem 



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Bpikiet. 249 

Epiktet, der gerade, wo er mit Andern schon im Gespräch 
ist, plötzlich in das Selbstgespräch umspringt, jenen dadurch 
das Muster eines solchen vor Augen stellt (I 7 ff. III 8j. 
So bohrte sich der Dialog imiTier tielVr in das Innere des 
Menschen ein und es war am Ende nur ein weiterer Schritt o 
auf demselben Wega, wenn auch die Gottheit mit in diesen 
Verkehr hineingezogen ^^'urde und «?elbst das Gebet jetai einen 
dialegischen Anflug erhielt (1, 40. 111 95 ff.). 

Es ist ein Beweis fftr den tiefen Eindruck, den die Reden Aafz i i n ung 
Epiktets auf seine HSrer machten, dass nicht mehrere dei^**^ ^""^ 
selben auf den Gedanken kamen sie aufiraseichnen. Aber 
das Reden galt j.i dem Lehrer nichts, noch weniger das 
Schreiben; nur durch Handlungen sollte sich der Philosoph 
bevviiiiren. Das Aufzeichnen hatte in diesem Falle auch seine 
besondere Schwierigkeit, die aus der lunnalen Zusammen- 
haugslüsigkeit der Reden entspringt. Inmitten einer und der- 
selben Erörterung springt Kpiktet ohne Weiteres von eini in 
Dialug tum andern Uber, überhaupt nirgends ist ein Bestroben 
sichtbar Uehergänge zu machen, das Yerhältniss der einielnen 
Gedankenglieder durch Partikeln zu verdeutlichen. Dieses 
Geflimmer einzelner SStte und Gedanken Uterarisch su fixiren 
war keine verlockende Aufgabe. Wir begreifen daher dass 
allein Arrian sich bereit fand sie su lOsen. Wenigstens iRita. 
hören wir nichts von Aufseichnungen eines Andern; was uns 
sonst an Aeusserungen Epiktets bekannt wird, z. R. durch 
Gellius, kann, so weit es nicht aus eben jenem Werke Arrians 
stammt, auf niüudliciier Ucherliereruii^ beruiien. 

Es ist nicht ohne Interesse dieMemorabilien des neuen Xeno- Vergleiohang 
phon mit denen des nlten zu vergleichen. Was dort die l^^gel ^^^J^SSf 
ist dass die aurtretenden Personen benannt sind, ist hier eine 
Ausnahme Die Aufzeiehner der Epiktetisehen und Musonischon 
Reden kannten eben ihr Publicum. Dieses Pubh'cum war das 
Publicum eines Weltreichs; die Namen der Gespräcbspersonen 
wären für dasselbe meist nur ein leerer Schall gewesen, mit 



i i In wie fern ilics für Muson später nachpeholl wurde, s. o. S. 445,1. 
l'm für Epikttit nvir etwns entfernt Aehnliches zu finden, muss man 
schon EU der Altercalio lladtiuüi et Kpietcti greifen (abgedruckt bei 
Fahricius Biiil. Gr. vol. XUI S. T),'?. Hamburg n46), die aber wohl jea- 
seib der Gruuzcn des Allcrlhuuib liegt. 



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250 D«r l>iaIog io der Kaisercelt. 

dem sieh keine weitere Yoratellaiig und daher auch kein 
weiteres Interesse verknüpfte, dem vergleiohbar, welches in 
dem athenischen Poblicom des vierten Jahrhunderts die Namen 
der Personen des sokratlschen Dialogs erregten. Aber die 

• Epititetischen Reden fordern auch gar nicht eine nihere Be* 
kannLschall mit den auftretenden Gesprächspersonen: sie sind 
nicht wie die sokratischen aus deren eigenthOmlichen iNalur 
hcrausgesponiien, sondern, so sehr sie immer aut das Goncrele 
und Einzelne dringen, ist es am Ende doch nur das Indivi- 
duum in abstracto das sie behandeln und unter den ver- 
schiedenen Gesichtspunkten der Stoisch-Kynischen Moral be- 
leuchten. Aus diesem Grunde, der künstlerisch betrachtet 
einen Nachtheil der Epiktetiachen Reden l)edeutet, haben die- 
selben doch eine universellere, rftumlioh und seitlich aus* 
gedehntere Wirkung gehabt als die sokratischen und, fügen 
wir hinstt, auch als die plutarehischen Dialoge. 

Bandbacb d«r Es war eüi seltsamer Irrthum dass man Epiktet sum 
Schriftsteller machen wollte, und vollends sellsam, dass man 
ihn für den Veriasser des aus den Diatriben excerpiiton 
»Handbuchs« der Moral hielt'). Epiktet und diejenigen, die 

Verachtuag \or iliui und uach ihm wie er dachten, glaubten ihre Ver- 
ftUtt Shttorlk. .jchtung aller Form uad aller Rhetorik nicht deutlicher an 
den Tag 2u legen als dadurch, dass sie sich aller schrifl- 

Gegensata «n licluMi Darstellung c?>thi(^lLon Der Gegensatz zu Dion, 

uuTllvtevA. Plutarch, den wir schon mehrfach beubachict 

f ) Martha, Lea momlfste» S. 16S f. Vgl. aach o. S. 94S,S, Bin solche» 
Handbuch «bKuTaasen, muBSte Arrian um so mehr das BedttrlMss «»• 
pfinden als die Ordoimg der Materien in den Diatriben dvrehaas nicht 

die sachgcmässc war. In den Aufzeichnungen über Mu^n scheint man 
die GfsprMrhe und Diatriben narh sachlichen KatoL'orien vertheilt 7x1 
liahcn (auf spätere Redaktion \vt i>t hier he«, die Farenlhe««' ti/v -^i^. 
£Tt TOTC is X'Jpt'T PiatXet; 'IVunaunv ur:fjxoot Stob. (lor. 48. 67 = II 
f^, 281, 4 6 Mein.;. Bei Arrian dagegen bilden die einzelnen GesprSobe 
und Diatriben der Regel »ach Je ein Kajiftel fttr sich und folgnu einen» 
der ohne sichtbaren Zwang. Man empfiliigt den Eindruck, dass sie m> 
nach einander hingeschrieben sind, ohne vorherige IMspeeltioo» vietteirbi 
im Anschluss, wenigstens zum Theil, an die Folge In der sie von l'ipikin 
selber waren gesprochen worden. Der Fall wiirdo dann ein ähn- 
licher sein, wie hei ihn Selbslbrlrjuhtnnfjrn M.ir< Aun'N and, um au* 
»paterer Zeit ein Beispiel zu geb€Q| hei den Peo&oo» I'at>aUä. 
ij 0. i42,4. 



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, Spiktei. 



851 



liaben^), erhielt bierdiurch neue Nahrung. Die DogmaCiker 
standen gegen die Skeptiker, die Steuer, kann man in ge* 
wiasem Sinne sagen, gegen die Akademiker. Im Linne dieses 
Kampfes ist es nur ein einzelner Ruf, der sieb von Epikteta 
Seite her gegan die AbCusong und besonders gegen die kunst- 
volle Gestaltung von schriftlichen Dialogen erhebt (diss. II 1, 
33 f.jj deren Tradition nur in den direkt sokratischen Schulen, 
der kynischen und besonders der akademischen, festgehalten 
wurde, während die stoische sich in der liauptsache an Dia- 
triben genügen Hess 2). Es ist aber nicht bloss ein Kampf 
philosophischer Parteien , der sich hier abspielt; auch nicht 
bloss ein Kampf der Halben und der Ganzen, derer, die mit 
den Mittein der Rhetorik der Philosophie dienen, und der 
Andern, die der Rhetorik ganz entsagt haben. Es ist ein 
Kampf zweier Zeiten. Für die alte Zeit treten Plutarch und 
seine Freunde ein: von der Höhe der bisherigen hellenischen 
Bildung schauen sie als Glieder einer aristokratischen Ge- 
meinde mit Verachtung auf den Sklaven herab'), der allen 
Menschen ohne Unterschied sein Evangeh'um predigte; 91X0009(0 
und fiXoXoY^a fallen fllr sie lusammen. Gegen diese Bildungs* 
Philosophen^) lehnte sich Epiktet auf, der keine andere Philo- 
sophie gelten liess als diejenige welche sieh durch Theten 
(spYou) und nicht in Worten und Kenntnissen (Xoyoi^] offenbart. 

Der Streit mag immer noch nur harmlos erscheinen. 
Der weitere Verlan! zeigt, dass er einer tieferen Bewegung 
entsprang : denn sonst hätte es nicht geschehen k(»iiiieji, was 
doch schon Plutarch und Favorin erleben mussten, dass 

4) O. S. 87, 2. 120, 2 U. 3. 122 f. 469, 4. 

2; Von den frülK^stcn Stoikern svhc \i h hier ;ib. weil es mit dfn(>u 
eine besondrn* Brwiindtniss hat. lieincrkciiswciUi ist da ji^egen, dass zwei 
Stoiker wiu raauiiios und Poscidonios, die beide auf Schönheit der Form 
Werth legten und von denen der enrtere überdies eiogebeDde Studien 
über die Literatur des Dialop gemacht hatte» nie bis xur Gompoeition 
von Dialogen fortgeschritleii sind (1 S. 445 f.), wohl eher Antiochos und 
Dion {I S. 420 f.j die sich somit auch hierin als Aicadcmiker bewühren. 

3) Man vgl. die Art v/ig Epiktet in Favorios Dialog behandelt wurde 
o. S. 122 f. Nur ein Sklave Plutarclis wurde für wiirdic; poltaltcn mit 
ihm 2u disputirrn. Zwischen Nikopolis und Chaironoia bestand kein 
geistiger Vorkoiw. 

4) Ein moderner Kynikcr sa^i »Bildunj^bphiliäter«. 



858 



VI. Der Dialog in der KaiseneU. 



Mfinner der umfaBsendsten Büdung und der feinsten Gnltur 
dem VerSditer der Bfldimg und Goltnr hnldigten und Be- 
wunderer Epiktets wurden*). Vollends In das reohte Lidil 
wird dieser Streit gerackft durdi das Eintreten der Christen 
In denselben, die sich auf die Seite des Fbllosophen von 
NikopoUs stellten und dessen Diatriben den Vorzug seihst 
vor den platonischen Dialogen gaben 2). So erkennen wir 
deullich, dass es die Anlange eines wcltgeschicblUchen Kam[)fes 
sind, dessen Wirkungen sich auch auf dem Gebiete des Dia- 
logs bemerkbar machen. 



Nicht geringere geschichtliche Bedeutung als diese Sym- 
ptome einer T^nnung der antiken Lebens- und Welt- 
anschauungen haben diejenigen welche auf eine Anniherung 
eben derselben unter einander deuten, da sich in ihnen die 

spätere Vereinigiing aller lebenskräftigen Elemente der allen 
Philosophie zum Kainple gegen das Christeutljimi ankündigt. 
Die römische Luft ist solchen Vereinigungen von jeher günstig 
gewesen; neben der Reichsreligion bildete sich auch eine 
Rclchsphilnsophie heraus, von der dh' Einzelnen mehr oder 
minder angehaucht sind. Als einer ihrer Vertreter auf dem 
twaau, Gebiete des Dialogs mag auch Juncus gelten. So ganz in 
der Lull über aller Chronologie, wie man gewöhnlich aniu- 
nohmen scheint, schwebt seine Person nicht; wir kdnnen sie 
ungelUhr bis in diese Zeit verfolgen, allerdings nur durch 
schwache Spuren geleitet Zu firOh wird man diesen grie- 
chisch schreibenden Römer') nicht ansetsen wollen: dagegen 

1) Man wird an die Hnid^migsa erinnert, die die aristoknftiscli« 

Gesellschaft des Ancicn Rf^gime Benjamin Franklin darbrachte. Denn auch 
diese waren rin Symptom der unwiderstehlich hereinbrechenden neuen Zeil, 
4) So Oiiprnes c. Geis. VI c. S, der dort auch sagt, dass Epiktel 
in aller Händen sei, Plalon dagegen nur iv ^xouvrcan^ th^t 

8)' Sein ROinerUiuni folgt daraus, dass or von 'EXXr^Nixf^ Itcq(>(« spricht 
(Stob. Hör. 417, 9 s IV S. 98, 48 Mola.); bestätigt wird M dnrcb ac|U9ioxXt« 

'AAtyvatov (ebenda S. 94, 80). Aach SnofAv h f04wfc (a. «. 0. 
96 » IV S. 7*, 18 M.) scheint auf einen römischen Diletlaoteo in <W 
PhiloHOpbie zu deuten. Die ndXi; {a. a. 0. 416,49«» IV ?»?>. i M i>t 
daher Rom und ei; t6v dlptBiiöv Töbv ^uXctäv h rf t'xr)T'5»«s U\ :\ O 1I6. 
49 BsiV 8. b5, ö M.) au( die comitia liibala zu hexiehcu ^b. u. S. t^3, i.. 



Jnnctu. Kebes. 



85B 



passt er vortrefflich in die Gesellschaft des SexUus, Muson 
und Favorin (o. S. 24^ 3); mit den beiden letateren iai ihm 
auch das Thema seiner Schrift »vom Alter« gemeint i). JedeiH 
falb dürfen wir in der Zeit auch nioht su weit herabgehen, 
da die Beiheiligimg an VolkayerBammlungen und iwar an 
aolchen, die auf dem Markte stattfinden und nach Stimmen 
geordnet sind, in Juncns' Schrift noch als etwas Begelmlssiges 
im Leben eines Hannes erscheint, worein nur das Alter störend 
eingreift^). Eine bestimmte Person vermögen wir unter dem 
Namen nicht mehr zu erkennen^). 

Philoso]) [lisch scheint er durch einen überschwSngHchen 
Platonisimis cbarakterisirt zu sein, der auch die sokratische 
Männerliebe nicht verschmäht^): doch guckt, wo er von den 
wechselnden Perioden der WeU ?pri( ht, die deren Auflösung in 
Wasser und Feuer herbeiführen ' , der stoische Plerdefuss 
hervor: man wird daher wohl in ihm einen Nachzügler Posi- 
dons erblicken dürfen. Deingemäss geht auch sein dialogischer Haohsflgier 
Aufschwung nicht hoch: Rede steht gegen Rede, der kurzen ^^^^^ 
Anklage des Alters antwortet die Ittngere Lobpreisung des^ 
selben, es ist kein intimes GesprSch unter vier Augen sondern 

4) Favoriu ncf/t Y'np<»<- Musoo xL öftioxov 'Y^p«i( i^&tov; (Sloh. Flor. 
44 7, 8 = IV S. 87, 24 Mein.l 

ä) Stob. flor. 4 4 6, 4y «IV S. 83, 34 fif. M: ette oe ^appi^oci zpocX- 
dcTvtU ti^v dfopd'*, Y^ttTa Uipftot itapamtetKiCei« pXiRwv t( od« dxpifie; 
«al fiodffvm o6x dhcpocbpLeNO«, mA itctp(6{Jievoc imrArt timofAlCnv «enaniirnpv 

ttxX. Schon die i-fo^d. als Platz der Ekklesie spricht dagegen, dass hier Athen 
gemeint ist, s. Hcrlzb^Mt;. Grierhenl. iinl. d. Rüni. I 809, 48. Uchor die 
Gliedrniiii; iiiu Ii PlnlcMi s. fallet, Zeitsübr. f. Numisni. III 387 f.Dauach sind 
vicluK'lir coiiulia Iriliuta »nzuerkennon. über die s. Mommson, Staatsr. 
lU 4, S. 397, 3. 4()4, i über ihre Dauer ubvnda S. 345 Ii. Marquardt, Staats« 
verw. 12 & Ul fr. 

8) Verschiedene TrSger desselben venseichnet Nipperdey Opusc. 
& 449. Herte zu Gell. V. Ii, 6. 

4) Stob. nor. HS, IS es IV S. 7S, S4 Bfeio. Indeuen vcrrUih die 
Unideutung derselben in eine vUterlicbe (npooiü^vra xa^ofrcep ulöv daTrascTat) 
vielleicht den Römer und muUiroaasBUclieii Zeitgenossen Plutarchs 
(o. S. SSO f. . 

B) stob. llor. 424, 35 = IV S. 4 4 9. 24 ff. Mein. Platonisch isl nur 
wieder, dass dieser Wechsel nicht zu Folge einer Naluruotbwendigkeit 
tOAdnn wtä pt^jAT^v tot» mnijearvtoc deoO gescktelMB soll* 



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254 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



ein Reden vor oiner znhörendon Versammlung') und <iie Per- 
sonen sind nur so weil < Ii u ikt« i i>irt «als für die ihnen zu- 
getheilten Rollen eriorderlicb ist, der Gegner des Alters ist 
ein junger, sein Anwalt ein alter Mann''^). 

Den fleissigen Leser Piatons merken wir in Juncus auch 
an der Methode^ indem er die Vergieichung von Jugend und 
Alter kurzer Hand durch GegenaberBtellimg von Bildern Beider 
abmaeht*). Solche Bilder waren damals ein beliebter Schmuck 
mit dem die Philosophen nicht minder als die Rhetoren ihre 
OtBiM« Sdiriilen sierten*). Zu einem selbstSndigen Werke heraus- 
iKtlMi. gearbeitet tritt er uns entgegen in dem »Gemfilde« des an- 
&!eblichen Kebes. Diese Allegorie des Lebens, des tugend* 
und des lasterhaften, wird gegeben in Form der Erklärung 
eines vor dem krunoj>teiupel aufgestellten Bildes; der Er- 
kliirer ist ein aller Mann, tiie Hörer sind das Heiligthum be- 
suchende Fremde, einer von diesen erzählt das Gespräch. 

1) Stoh. ßor. H5,86ss S. 74, S3 Mein. 417, 9 s aSS, 4 M. vgl. 
Hense Teletis r«U. S. LXXIII Anm. 

2) Eioe gewisse AehnlichkeU «In- Cotiipnsition mil Ciceros Calo ist 
nicht sn verkennen. Dazu komriit die Hfi-urung auf den eivi^p cftXoao<poc 
otoaaxouv -r];iä; fsfob. flor. 9 = S. <ji, r, M.\ iVw mil Catos Hin>weiH 
auf Nearchus als st iiit n GewUhrsmann (Cato maj, VI) vcrpiIichiHi werden 
kann. Im Liebiii^on mhen die beiden Sohnn<»n so weil au.scinandpr, dass 
die eine nicht für di<- Quelle der andern gelten kann: Schlullmumi, Ars 
dialogor. compooend. qua» vteissllad. apud Graecos et RomaD. sublerlt 
S. 44, 4. Hense Teletis rell. 8. LXXIII Anm. Rieb. Heinxe, Rh. Mus. 44,54S 
Anro. Das« ein Römer die Schrift seines berühmten Landsmanns Uber 
denselben Gegenstand kannte und gelesen hatte, versteht sich von selber. 

9) Stob. flor. H7, 9 = IV S. »4,<2 IT. Mein. Trotzdem .Tuncus von 
eUovec spricht, wir Platoii im Goi^. p. 493 A IT., lehnler .sich doch mehr 
on dio Rcp H 'AGO I). ü, da dort die Bilder {dslpid>ncz] des CiititJ)- 
len und l iim'n'rhtori ebenfalls behufs einer V«'ii.'U'ii buniz aiifcrdt i ht;! 
wiTili-n, In ilicsfin Zusammenhang ist mir daher nicht \va!ii>.«_lit'iuli<'h, 
dass auch hier Prudikü» bekannte AHe^^orie das Vorbild gewesen sei. 
Es kommt dasu, dass die letztere nidit sowohl ein Mld als eine BraSblung 
gibt. Sonst könnte diese Ansicht sich darauf berufen, dass kun voriier 
luncos selber bewundernd auf Prodi kos, wenn auch ohne ihn sn nennen, 
hingewiesen hatte (S. 90, S9 IT.). Auf der aodera Seite fiilft aber wieder 
ins Gewicht, dass Juncus' Meinung, die Methode mit Bildern zu operiren 
sei eine abkürzende (suvTofxoc xai vj^tta iAin S. 91, Ii}, durchaus der 
platonischen entspricht Phiiidr. p. AV 

4) I S 374 ff. Pröchter Gebet, tab. 83 tf. Norden Fleckei». Jahrb. 
Suppl. Will S. 344 f. 



GemHlde des KebM. 



In diesen kleinen Behälter münden die verschiedanslen PhiiMophiaciie 
Philosophien, wie langst nachgewiesen tat»). Wichtiger war feal- S«'»'^«' 
zasteUen dass es dem Verfasser hauplaächlidi darum xu thun 
ist swei StrQmimgen sichtbar su machen, eine parmenideisch- 
pythagoreische und eine kynisch-sokratische. Die letitere ist 
in der Gesanamtheit der ethischen Anschauungeo nidit su ver- 
kennen Die erstere vermögen wir hiervon nidit dentüch 
XU unterscheiden; dass sie vorhanden Ist, verl^Üigt uns die 
Gestalt dessen, der als letster GewShrsmann der Mittheilungen 
im Hintergrande des Dialogs steht ^j. Der Charakter des Ohn^ktw in 
historischen Kebes, der von Philolaos zu Sokrates übergegangen 
war, der uucii in der bukiatischen Um^cbuii^ deu P^lliu^oreer 

1) Das Nähere findet man natürlich iiei PrSchter, Gebelis tabula 
quanam actale consfripta <>ssp vidcatur. 

2; All si( h kixiiilf nian dieselben freilich auch für stoiwh baiton. Da 
aber die Diuii kUk zur *Kiyoo7iaiBcla gezählt wird (c. 13), so geht dies nicht 
au, trotz Prächter ä. 56 ff. Ein Stoicinntus ohne Dialektik ist nicht der rechte 
alte, sondern der spätere kynisirende, wenn nicht geradezu Kynismus. 

S) *Avj^p f [A^pco^ «al Zstshi r.tfi ac^ ta^, \6n» xs «at Ip^ t\u9ayi[iu6;v 
Ttva xal netp|MNi(eMv ^-rjkmM ßlov c. S. Gegen den Pythagoreismus darf 
man nicht geltend machen, dass c. 48 zur VeuSonaitcia gerade solche 
Discipliuen gerechnet werden, welche die älteren Pylhagoreer eifrig 
pflegten, Musik Mathematik u. dergl. (lemoint Isf t'l»en der spätere 
Pythagoreismus eines St'xHus nnd ähnlieli ÜcnkLtuiir. V^'l. auch vor. 
Anm. Eine parmenideischc- Spur hat nian in c. 29 gifutulen und, obgicaii 
Priichler S. ä7 f. sie für irreleitend liail, gewiss mit Recht: denn zuge- 
geben, dass auch von andern Philosophen intorf||Ai) und so schroff 
von einander geschieden wurden, so ist es doch nach dem Generalhekennt- 
nlsse, das in den aus c. % angeführten Worten liegt, ganz richtig diese 
Scheidung hier auf Parmenidcs zurückzufUhnMi. Parmenides erscheint 
übrigens hier nicht sowohl als Eleate, wie als Pythagoreer — eine Auf- 
fassung, die wie es scheint zuerst von Kallimachos nufi£e!»rncht wurde, 
dann von Solion festgehalten, und die uns aucli bei Slrabon und schliess- 
lich den Neuplatonikern wieder begegnet (die Belege bei Zeller I' 508,1;. 
Der Richtung der späteren Philosophie entsprechend sollte wohl auch 
der alte Naturphilosoph zu einem ethischen Philosophen gestempelt wer- 
den. Was ihn als solchen charakterisirte, war nach Diog. L. IX Sl (So* 
tion? die ^ouxta (vgl. hiemit die Schilderung des Parmenides bei Piaton 
Theaitet p. 183E; da die Skeptiker sich mit den Eleatcn berührten, 
maj? au« Ii deren i^öu/lt] in Tinions Versen bei Sext. Enip. ndv. doüm, V4 
verglichon werden). Nim hat Prüchtcr S. 39 gezeigt, dass auch Kcbe«;' 
sittliches Ideal die Seekuruhe war. Wenn er aber daraus auf dessen 
Stoicismus schliefst, so kann man jetzt hit rin vielmehr eine Bestätigung 
dafür sdien, dass er der parmenideisch-pythagorelschen Richtung folgte. 



256 



VI. Der Dialog in der Katsenett. 



nicht verleugnet, schien dieses pythagoreisch -sokralische 
Zwitterwesen su fordern >}. Daher verleugnet sich dasselbe 
auch in der Sussem Form nicht. Die dialogische Darsteliungs* 

weise bringt den sokratischen Charakter zum Ausdruck, dem 

zu Liebe auch einige Flicken aus platonischen Dialogen auf- 
j^eselzt sind"-^). Auf die Allegorie erheben in gleicher Weise 
Pjthagoras, Parmenides und die Kyniker Anspruch^). An 



4) Auch der Titel oinor anderen der bei Diog. Lacrt. II und 
Suidas dem Kebes h«'iK(?k'f:ton Schriften/ EßSopttj, scheint auf pythngtiroische 
Zahleuinyslik zu deuten. Dass unser ri{v7^ etwa einer andern sküriflen- 
reihe nngehorl, als die durl ^enaiuite Schritt desselben Namens, braucht 
man um der bei Suidas hinzugefügten Worte willen, loTt hi t«üv h ^ho'j 
fAt^(T^si<i, niehl amuDehmeD. So falsch die ErUSrttiig ist, so ist ihr Bot« 
stehen doch einigermaassen begreiflich , da c. 9 und 80 von denen die 
Rede ist, die noch vor dem Thor des Lebens stehen, sich also dermalen 
noch im Hades befinden, und auf diese sich xnnttchst das Auge der Be^ 
trachter wendet (c. <). 

2) Hierher gehören auel) die Reminiseenzen aus dem Eryxias (C. C. 
Müller Philol. Rundschau IV. S. UiS). Susemihls »jedenfalls« AI. 

I,. I tC, Anni. ist aber etwas zu ^uvers^iohlUeh. Vgl, auch IVm hier S. 44. 
Zugegelien aber dass wirklich dieser pseutUi-plalunischc Dialog nach- 
geahmt ist, so folgt daraus bellfiulig, dass unser «GemSlde« nicht schon 
der früheren Alexandrinerzeit angehört (an der auch Susemihl AI. Litt, it 
S. 687 t noch festhHlt), in der der Eryxias kaum schon genügendes An« 
sehen hatte um Nachahmer ansulocken, sondern einer späteren Periode 
wie das erste Jahrhundert n. Chr. sein würde. 

3) Von den PythaKt)reern stammt die I ntersrlieidung der beiden 
Wi'L'e, dessen auf dem wir dureh die Tugen<i zur (llückseM^keit se- 
laiiLiiMi und dos hiervon abweichender), und 3?um Theil den-n naher*' Be- 
schreilmng: s. d. Stellen bei 0. Jahn zu l'crsius S. 155f. ; auch Praehler 
S. S6 f. 90. Gegen des letzteren Bemerkung, dass dieselbe tnlerschei- 
dung sich auch sonst oft genug und nicht bloss bei Pyihagoreern findet 
gilt wieder was o. S. 188,8 hinsicfatlidi einer parmenideischen Spur gesagt 
ist. Aber auch das glinicnde Eingangsthor des parmenideischen Gedichts 
hat in seiner Äat{i.<uv, in den 'IlXtdoc; xoOpat, die dem Philosophen beim 
Aufsteigen zur Atxt) und 'AX^fteia geleiten, Elemente die man noch indem 
Mosaik unseres Cemüldes wiederzuerkennen glaubt. Endli( h srheitit an 
kynischen Mustern dem Verfasser der (ledanke gekommen zu sein, dass 
er nicht hluss eine Allegorie dnrsieüen, sondern iliesdhe nis bereits auf 
einem Bilde dargestellt llnginni viulltc. lie.st;hreii)uiigeu von Gemälden 
gab es genug, ebenso wenig fehlte es an allegorischen Darstellungen, sel- 
tener war wie es scheint die Vereinigung beider, obgleich die Kttastler 
selber dazu längst die Anregung gegeben hatten (Priichter S. 84 IT.). Mir 
ist in dieser Hinsicht ein SeitenstOck zu unserem »Gemilde« nur aus 



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GemUde des Kebes. 



857 



die Denk- und Anschaaongsweise der beiden enteren soll 
uns wohl auch die Scenerie mahnen, wenn sie uns vor ein 
Heiligtham des Kronos fOhrl*). Dttrften wir in diesem Gotte 
ohne Weiteres den rQmisehen Saturn sehen — und bei der . 

geringen VerbrtMtung die der Cult des griechischen Kronos 
hatte ist dies nicht unwahrscheinlich — so wüitK dies ein 
weiterer Fingerzeig für die Abfussuntiszeit unseres Dialogs sein 2), 
dessen wir indessen naol» dfin Hisherii^en nicht bedürfen^). 

Der Dialog entsprang inhaltlich und formell einer Yer- Sokrattk ond 
binduDg kyniftirender Sokratik mit dem Pythagoreismiis. Nur ^P^^^^^' 
grob und äusserlich scheint eine solche schon früher ' ehi- 
mal durch Diodor von Aspendos herbeigeführt worden lu 
sein (IS. 441, 1). Hftufiger wird sie erst in der Römerseit, 
wo Varro ihr namhaftester Vertreter ist^). Doch erseheint 

Varros Saturae Menippeac bekannt (Sesqiieultxes fr. I. II. Riese). In viel 
späterer Zeit haben wir in dem spanischen Dialog über die Malerei, den 
Justi, Velasquez I. s h- n. vihcrs<Hzt hat, otwns Aehnlichcs. 

1) Was der Tempel gerade dieses (jolles hier soll, diese Kraj^e liul 
man sich, soviel ich sehe, gar nicht vorgelegt; sie wird viiii so drin^en- 
dei* als nicht bloss der Dialog vor diesem Tempel spielt, sondern auch 
das Gemfllde demselben Gotte gewidmet ist. Die Darstellung desselben 
muss also ii^endwelehe Besiehung su diesem Gotte haben, wie' das Bild 
Italiens com Tempel der Tellus bei Varro de re rust I t, 1. Diese Be- 
sldiang kann darin bestanden haben, dass das Gemälde den Weg sur 
Glückseligkeit zeigt, Kronos aber der Herrscher eines glttckseligen gol- 
denen Zri»;i!iirs ist. Als solchcr wurde er namentlich in orphisch-pytha- 
goreisehen kreisen gefeiert, wie die Schilderung Pindars lehrt. Fin vH)s»'rii 
Zweck ist noch bemerkensw crH». dass ;mch der elenlisi li«- Fremdlmj^ bei 
l'ialoii Pulit. j). 269 A IT, ihn in licix llH ii Kiirensriiaft \fi \\t iidel hat. Nun 
klart es sich auf, weshalb der parnieiiideisch-py Ihagureischc W eise uuseres 
»Genyüdes« nicbt Uoss das Gemälde dimi Gotte gewidmet, simdem auch 
dessen Tempel Oberhaupt erst gegründet haben soll. Ueber Beslehungen der 
Kynlker su Kronos s. F. Dttmmler, Akademika S. 84S f. Seine Vorliebe 
IHr die Philosophen gibt Kronos su eriiennenbei Julian, Cäsares p.817B. 
Marc Aurel hiilt sich an ihn ebenda S85 D. 

2) Man denke auch an das Hervorholen und die Umbildung; (le> KronoS' 
Mythos bei Plutarch de facie 26 p. 940 F ff. def. or. <8 p. Hü E 1. kronos 
ist der üott der Armen und der Sklaven , wie namentlich Lucians auf 
ihn i>eziigUche .•Schriften lehren, und dies ktmnte ihn damals iu der Lite- 
Tdlur wie in der i'hiio Sophie wulii zu Eliren bringen. 

8) Susemihls Bemerkungen (A. L. II 657 f.) gegen Prächter sind 
ohne Bedeutung. V^. noch o. S. S86, t. 

4} Aus späterer Zeit mag noch auf den Kyniker hingewiesen werden, 
Birstl. Oialflg. II. 47 



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258 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



der Pythagoroismus bei diesem wie bei Nigidiiis Figulus, 
Alexander Polyhistor und Andern noch mit ultpuhaguieischer 
Polyhistorie belastet. Diesen Ballast hat er bei Sextius und 
seinen Nachfolgern abgeworfen, dt iit n sich daher ganz passend 
unser Pseudo-Kebes anreiht. Wie einer der Typen der Zeit, 
)iionios Apollonios von Tyana, der neue Pythagoras, wenn der Dar- 
Stellung des Philostratos KU trauen ist, sich gern dialogisch 
mittheiltey so hat auch Kebes Tersucht pythagorebehe Heilig- 
keit und Würde mit der LebendiglLeii des sokratischen Ge- 
sprSchs zu verbinden. Man mag ihn sieh daher als einen 
Zeitgenossen etwa des Musonius denken, bei dem man auch 
Kynismus und Pythagoreismus verbunden gefunden bat (Zeller 
Phil. d. Gr. Hla' S. 735) wie er denn auch, allerdings ftlr einen 
besondcrn Fall, Pjlhagoras, Sokrales und Kralos als gleich- 
werthige Philosophenideale Eusammenstellt mit demselben 
Musonius stimmt er auch in der Schätzung des Werthes 
überein, den Reichthum und dergleichen ft\r die menschliche 
Glückseligkeit haben d. h. er zeigt sich hier maassvoller als 
die echten urwüchsigen Kyniker^). So würde ein Unbekannter 
das Andenken des Kebes ungefShr zur gleichen Zeit erneut 
haben, da Plutarch dessen Freund Sinunias ebenfalls durch 
einen Dialog verherrlichte (o. S. 4 i9 ff.). 

Was er damit geleistet hat, ist wenig. Der Dialog 
gehört in die Kategorie der Tempeldialoge (I S. 558, 3. II 
S. 198). Die Personen sind ohne Charakteristik. Mit der 
dialogischen Form wird es scheinbar sehr ernst genommen, 
SU dass auch der luslhische Theil des Ganzen, die Darlegung 
der Allegorie, derselben unterliegt und nur durch Frage und 
Autworl vorwärts schreitet. Indf^s.^ ii ist dies doch nur ein 
Ausfragen des Alten durch den Fremden. Im zweiten Theil 
(von c. 36 an) wird dann allerdings der Spiess umgekehrt und 
der Alte beginnt mit dem Fremden über ein sokratisches 

Thema eine soiLratische Ikatechese. Aber auch hier ist nichts 
■ • 

der sich bei Athen. IV 457 D za den GrondsSIxen der Pythagoreer 
bekennt. 

4) Stob. Hör. 67, SO » III S. S,SSMoin. 

2 Nainenllieli c. 39 Schi. Dazu die Erörterung von Frachter S. 50 f. 
Leher Muson o. S. 245,<. Da Pseudo-Kehes die Lehre des Prudikos von 
der H)>hilivilat der Guter zu Hilfe nimuit, so mag noch Juncus verglichen 
werden o. S. 



Die Zelt Hadrians. GelUua. 



als die gute Abftidit zu loben. Der Verfasser vermag weder 
pythagoreisch zu schwärmen noch soluratisch lu denken: sein 
Werk ist ein Erseugniss der plattesten Popolarpliflosophie 
ohne Geist nnd ohne Empfindung weder gesunde noch kranke. 
Han moss sich wundem» dass es schon bei Lneian sich eines 
gewissen Ansehens erfreute*]. In dessen Zeit mag es uns daher 
hinl&berleiten. 



b) Die Zeit Hadrians und seiner nächsten 

Nachfolger. 

Wie anders waren die Zeiten geworden! Die Hfloner, Umiohwvg. 
die mit ihren Namen oder mit ihren Personen zur Zeit der 
Julier und Flavier in der Opposition gegen das kaiserliche 
Regiment gestanden hatten, Gate und Brutus, Thrasea Pätus 
und Helvidius Priscus, wurden jetit die Ideale, zu denen 
sich auch die Begierenden bekannten^. Und ebenso gewannen 
in Kunst und Wissenschaft jetzt grösseren Einfluss diejeui^^eD, 
die bis dahin zürnend und scheltend bei Seite gestanden 
hatten, und eine kynische Ströiruing mehr und mehr an- 
schwellend verbreitete sich weil über ihre ursprüngh'cben 
Ufer. Auch entlegene Gebiete wurden von ihr ergriffen. Alle 
Bhetorik halte im Sirmo der kyniker Epiktet von sich ab- 
gelehnt: jetzt wurde er selbst von einem der glänzendsten 
Vertreter der damaligen Rhetorik der grösste aller Stoiker ge- 
nannt^). Derselbe war mit den Kynikem ein Feind gram- 
matiscfeer Quisquilien und hohler Vielwisserei : jetzt findet 
sich auch ein Grammatiker und Polyhistor^), noch dazu ein 
SdiQler von Epiktets altem Gegner Favorin, Gellius der GtUiu. 

<) De merc. conti. 4a. Rliet. pracc. 6 f. 

S) Marc Aurel I U. Der gtfttUche Julius wird seiner Würde ent- 
setxt und philoeopiiische Heilige treten an seine Stelle (Marc Aurel VlU 3). 
Dass dies durch kaiserlichen Mund geschehen konnte, bneichnet deutlich, 
wie nichts sonst, den Bruch mit der Tradition. Das Dlogeues-Ideal hatte 

über das Alexander-Ideal definitiv gesiegt (u. S. 75 ff.}. Dies ist allmühlig 

geschehen. Bei fliuhian s. \\., scheinen sich \sie bei seinem Günstling 
Arrian beide nocli die Wul-c uehalten /u hnhen [vgl. auch NiSSen, ilh. M. 
43, 245; vgl. noch Lueian Diai. .Muri. 13 ibes. nach 
3) Von llcrudos Atticus bei Gellius I 2, 6. 

4} Ceber Gellius' Stellung zur Polyhistorie vgl. auch Nietsche, Rh. 
Mus. 93 S. 643 f. 



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260 



VI. Der Dialog in der Kaiserzcit. 



bereit ist dem Weisen von Nikojiolis zu huldigen. Und wie 
um zu zeigen, dass diese Huldigung nicht bloss der bedeu* 
teudeu i^ersüniichkeit Epilitets galt, hat derselbe Geüius auch 
einen Kyniker viel geringeren Schlags den von Lucian ver- 
höhnten Peregrinus Froteus häufiger Besuche in seiner Hütte 
ausserhalb der Mauern Athens für werth erachtet (NA XII M 
vgl. YIII 3). Epiktets Diatriben von Arrian sind ihm zur 
Hand, er citirt Aeasserongen Musons: man kann sich des Ge- 
Attisob0 dankens kaum erwehren dass seine »AUisohen Nächtec 
Hiobte. ^1,^^ Pracht desselben Zweiges der Literatur sind. 

Neben den Lesefirflditen eines Polyhistors enthSIt dieses 
Werk Gespräche und diese Gesprilche sind die denkbar buntasten 
ob man auf die Personen, den Ort oder den Inhalt und die 
Metliüdü sieht. Behandelt werden gruminatisehe riietorische 
philosophische Fragen ; im Mittelpunkt der Unterhaltung stehen 
nanihnfUe Männer wie Herodes Atlicus. Fronte, T. Castricius, 
ApuUiuaris, Valerius Probus, Taurus, Favorin u. A., bisweilen 
sind die Personen nur allgemein bezeichnet [seuiores huinines et 
eruditiXVi. Gellius und quispiam Latinae linguae litteratorXYIü 
u. ö.]; bald befinden wir uns in Athen bald in Rom, in den 
Bibliotheken, in Bucbläden, im Krankenzimmer, auf dem Markt, 
vorm Kaiserpalast, dann wieder auf dem Lande, in attischen 
oder italischen Villen, am Meeresstrand bei Ostia, auf der 
Reise nach Delphi in Lebadeia, nächtlicher Weile auf dem 
Schilf bei Sternenschein, den Anlass geben ausserdem die 
Uebungen der Schule, Festläge, Symposien u. dergl.; einmal 
wird ausdrücklich angegeben dass das Gespräch nach sokra- 
tiscLer Art LicliUjit wurde {IV 1). Nur durch diese Mannich- 
faltigkeil unterscheiden sieh diese Aufzeichnungen von denen 
über Musun und Epiktet so wie durch die stärker hervor- 
tretende Beziehung auf die Person ihres Verfassers, die ihnen 
den Charakter von autobioij;raphischen Fragmenten gibt. Im 
Uebrigen mfissen sie als Diatriben gelten und Gellius ist fftr 
uns der erste, vielleicht der einsige unter seinen Landsleuten, 
der es gewagt hat diesen Literatursweig auf rOmischen Boden 
zu verpflanzen. Dies verleiht nicht bloss ihm selber eine 
gewisse Bedeutung auch in der Literaturgeschichte, die man 
ihm gfinzlich hat versagen wollen sondern auch die Gewalt 

1) Lacour üayel, Anloiiiu le Tiüux et sou l«uips> 0.318. 



Oinomaos. Eadrian. 



861 



der kynisch-stoischen Sirömung tritt darin vor Augen dass sie 
vermochte sich diesoB neue Bett su graben. Sie war durch 
nichts mehr anfituhalten. 

Die Götter zu verhöhnen war durch die Ueberlieferung 
der Schule gegeben; aber so frech als in dem Pamphlet des 
0 i n 0 m a 0 s von Gadara ist dies kaum jemals geschehen. Man oibodmi. 
muss nur bedenken wie man damals daran arbeitete den Gott 
zu Delphi zu neuem Ansehen zu bringen : Plutarch hatte sich 
in seinen Dienst gestellt, auch die Kaiser wie Hadrian und die 
Äntoüine wirkten in derselben Hichtung. Und nun set^t dieser 
Orientale den in mancher Hinsicht vornehmsten Gott der Hel- 
lenen auf die Anklagebank: in seiner »Entlarvung der 
Gaukler'« TotJtov/ '^(upa: 'j behandelt er ihn als den obersten 
aller Betrüger 2) und hält ihm Schritt ftlr Schritt auf Grund der 
einzelnen Orakel seine Sünden nicht anders vor als Cicero dem 
Antonius auf Grund von dessen Schreiben an Hirtius und Cäsar 
(l S. 458, 2). Es ist eine Anklagerede, keine Predigt: das dia- 
logische Element d«r Diatribe ist durch die polemische Leiden^ 
schalt nur noch mehr hervorgetrieben worden, so dass man 
das Ganze ein stetes und lebhaftes ZwiegesprSch mit dem 
wahrsagenden Gotte genannt hat'). Die Form erinnert, durch 
die hastigen, sich drängenden, fast ttbersttlrsenden Fragen, an 
EpikCet^ indessen die Gesinnung ist eine andere, mehr gehflssig 
und bitter; aber auch mit der llenippea Ifisst sich die Schrift 
nicht vergleichen weil die Komik fehlt Sie trägt eben einen 
Charakter für sich, wie man sich überhaupt daran gewöhnen 
muss dem Kynisiims unter immer neuen Formen zu beget^nen. 

Es wäre wunderbar wetiu von dieser in der Luft liegenden 
Denkweise nicht auch der jedem Eindruck zugängliche Geist 
Hadrians berührt worden wäre. Die Nachricht, dass er in HadrlMu 
engster Freundschaft mit Epiktet gelebt, ist freilich nicht ganz 
glaubwürdig^); sie gänsUch bei Seite zu lassen haben wir aber 

1) J. Bennys Luclan and die Kyniker S. SS t Bnresch Kleros 
S. 43 f. Sl ff. 76 f. 

Sj Vgl. hierzu eine Bemerkung o. S. 49<,3. Nur nebenher werden 
auch die stoischen Apologeten drr Orthodoxie abfiofcrti l» \!iillach fragin. 
philos. II S. 380 ff.j. Vgl. hierzu 1. Bruns Rh. Mus, 44 (iböy, ö. 374 ff. 

3) J. Bernays a. a. 0. 

4) Dies scheint mir I. Bruns a. a. O. S. 38b uberseliuu aiu haben. 

5) Spartian, Hadrian 16. ZeUer III 4* 738,8. 



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262 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



doch auch kein Recht Manches in seinem Wesen erinnert 
an den Kyni^imus, wenn auch nichl immer an die verklärte Art 
desselben, die Epiktet vertrat: so wenn er auf Mässigkeit und 
Zucht im öffentlichen Lelion drang, wenn er sich der Sklaven 
annahm, war er auf seine Weise ein Protreptikcr der zur 
Tugend ermahnte; indem er eine arcliaisirende Richtung in 
Kunst und Wissenschafl förderte, befand er sich so gut wie 
Varro mit dem Kynismus im Einklang, der Yen der überfeinen 
Gttltur der Gegenwart ein Zurückgehen anf die einfacheren 
natürlicheren ZustSnde einer früheren Zeil forderte; seinen 
KOrper unterwarf Hadrian einer Abhfirtung, an der kein Kyniker 
etwas aussetsen konnte; auch das Kostüm der Schule ver- 
schmühte er nicht, wie seine Neuerung hinsichtlich des Bart^ 
tragens zeigt, vollends in der Tadelsucht und der boshaften 
Zunge nahm er es mit jedem Miigliede der Zunlt auf, be- 
sonders wenn es sich darum handelte die Philosophen und 
Gelehrten zu ärgern. Dabei war er eine dialnr^isrbp Natur, 
die mit jedem, auch dem Geringsten, gern im Gespräche an- 
band^); in wie weit dies etwa seine »sermones« noch wieder- 
spiegelten, wissen wir nicht Es wöre auch nicht das erste 
Mal dass mit dem Kyniker in einer und derselben Person sich 
der Sophist vereinigte der denn in Hadrians Wesen viel 
st&rker hervortritt und darum den BlidLen sich von jeher 
dargeboten hat. Sehl Kynismus hat auf diese Weise ein 
grundverschiedenes Ansehen bekommen von dem tiefem und 
reinem Marc Aurels. 
Mwo Aarel. Hinter allem Bemühen Hadrians alles Wissen, die ge- 
sammte Ciiltur der Zeit, ihr geistiges Leben in sich aufzu- 
nehmen merkt man doch an der Art, wie er mit den (je- 
lehrten und Philosoplicn seiner Zeit umsprang, ein Gefühl für 
die Werthiosigkeit aller blossen Vielwisserei, man merkt an 



i) Zu erinnern isti dass Arrian der Schüler Epiklals, der VeHlusev 
der Diatribeo, liei Hadrian in iioher Gunst stand (Nissen Rh. M. 43, tSS) 

9} Spartian 30. Erinnerungen hieran, freilich sehr vager Art und erst 
spftt fix.irt, liegen vielleicht noch den Nachrichten über seine Verhandlungen 

mit SecunHns zu Grunde Lei Mullacli frofim. philos. II S. XXVIT. 

3; r.h;iri<. II p. i09, M Ü. Dem lateinischen »sermones« würde 
6jxi/.b( enUprtM hi-ti. w.i« ein Titel auch der fipiktetischen Diatriben war. 

4) I S. 378 ff. 43» f. 



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Marc AureL 



S63 



der UnrulK^, die ihn hiorhfn und dorthin treibt, d«i8S die Viol- 
geschäftigkeit ihn nicht bofriodigt. Diese Stimmung ist zum 
Durchbrach gekommen bei Marc Aurel» der in Folge davon 
als der rechte Gegensatz zu Hadrian erscheint. Aus manchen Vergicicfaoss 
seiner Aeussenmgen glaubt man schliessen sa dürfen, dass 
er sich dieses Gegensatses bewnsst war: wenn Hadrian den 
Magiern und Theurgen in die HSnde fiel, so dankt Marc Aurel 
seinem Lehrer Diognetos, der ihn hiervor bewahrt habe (I 6); 
Jener duldete keinen Widerspruch, Marc Aurel freut sich, 
dass er gelernt habe fireimlithige Aeusserungen lu ertragen 
(a. a. O.). Dem GefaUen, das Hadrian an sierlichem und 
pointirtem Ausdruck findet, steht das Gebot gegenüber die 
Gedanken nicht zu verzieren und hübsch zu machen (III 5). 
Was für den Einen vor Allen charakteristisch ist, die icspiEp^i'«» 
ist dem Andern verhasst (HI i). Einer der Ileih'gen Marc 
Aurels ist IlerakUt, den er mit Diogenes und Sokrates in 
einer Reihe nennt Der Grund hierfür war schwerlich 
bloss die Predigt über die Vergänglichkeit alles Irdischen, die so 
mächtig aus der Schrift des ephesischen Philosophen hervor- 
drangt), sondern mehr und vor Allem das Warnen vor eitler 
Viel wisserei*]: nur in einer Erkenntniss beruht das Heil und 
diese vermag der Mensch nur aus sidi selber su schöpfen 

Damit war für Maro Aurel der Weg gewiesen; nur dass 
er nicht wie HeraUit bloss bei sich selbst in die Schale 
ging sondern auch sich selbst sum alleinigen oder Haupt- 
gegenstand der Forschung machte. Wie die ganze Zeit, von 
einem sentimentalen Drange erlÜUt, in Kunst Wissenschaft 
und Loben wieder der Natur zustrebte, so verachtete er den 
äussern Schein um in des Wesens Tiefe zu trachten^): beide 

4) VUI 6. VI 47. 

%) HervkHt kann ato Vorhlld der Predigt des Alterthams gelten auch 
blnsiehtUch des Stil«: s. o. S. i. 

3) Fr. 1 6 u. 4 7 By w. 

4) Fr. 80. Dazu Schusters Erlaulorimg S. fi2. 1. 

5^ Nirh( Alexander ^^o!!te er sein sooderu Dio.i-M'ne«;: VIII S. Der 
schein ist liun scigar hei .Sokrales verdächtig: VII tlG. welche Stelle ich 
anders verstehe als C. Fr. Ucrmano De Acschiiui Sooiat, rull. S. 26. 
(AehoUch das Urtheil Uber Sokrates bei Lucian DIaL Hort. 34, 2.) VgL 
hientn wie er I 7 verpönt das ^vtaotQicX<^tQi« da«i)tix^ tj cöcp- 



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264 



VI. Der Dialog tn der Kaiseneil. 



Triebe gehörten xasammen wie die Brechungen desselben 
Lichtotrahls. So waren sie auch im achtaehnten Jahrhunderl 
vereinigt» sogar in einfeinen Individuen deren poetischer Typus 
Faust ist, und wie damals in der Literatur neben der Natur- 
Mbitffeipriok, Schwärmerei und der Naturforscfaung auch das Selbstgespräch 
einen hervorragenden Platz einnimmt >), so hat dasselbe schon 
im zweiten Jahrhundert in dem Werke Marc Aurels ein 
bleibendes Denkmal erhalten. Unterschiode der Zeiten, aber 
auch der Völker und Länder verkntipfen sich mit dem Selbst- 
gespräch und der Selhslbetrachtung. doelhe, als er in Rom 
In Formen und iarbeo schwelgt, gedenket der Zeiten da ihn 
»ein graulicher Tag hinten im Norden umfing u und er »Uber 
sein Ich, des unbefriedigten Geistes düstere Wege tu spfthn, 
still in Betrachtung versank« 2). Umgekehrt l^önnen wir ge- 
rade bei den Rdmem des Alterthums bedeutende AnfSnge des 
Selbstgesprichs schon vor Marc Aurel nachweisen^. Die 



1) Für Andere ma^; hier Herder das Wort luhren: »Aua Beispielen 
ist bekannt, dass eine starke Einbildungskraft das Bild seiner selbst 
glelcbsam tm deh heraiuxawwfen, und sieh sichtbar zu maehea ver- 
müge; daher die Entthlungeo von Henscheii, die sich selbst zu sehen 
glaubten, daher die Gespräche mit sich selbst als mit einem 
guten oder bCsen Genius, und bei zarten Gemüthern am lieb- 
sten das Gesprach mit einem edleren Ich, einem leitenden 
lieboiiden Schutz gel st« (Werke heraiisp. von Müller, Zur schonen Lit. 
u. Kunst 3, 265). Vgl. auch Goelhe in pinem Hrief von 177^ 'Werke 60,22R): 
»Denn hier > in der Contemplation seiuer seilisl) fliessen die heiligen Quellen 
bildender Empfindung lauter aus vom Throne der Natur«. 

2} Besonders greifbar ist dies noch in dem Gedicht »Ilmenau«. 

S) 1 S. 445 ff. 498. In de erat III SS geht Crassns so weit dass er 
das Reden mit sich selbst (secum loqui) in die Rhetorik hineinxiehen will 
(I S. 446, 8). Vgl. noch Cicero ad fem. II 7, % tecum loqiiere. Üeber Horas 
s. o. S. 10. Seneca S. S9. Persios S. $6 11 Ein Selbstgesprichvon Richtern 
fingirt Valer. Max. VIII 1 khmh 1 1 . Ab^'cschmackt ist die Selbstnnrede 
des Kaisers Claudius auf der Lyoner Tafel: tempus est jam, Ti. Caesar 
Germonice, dctcgerc le patribus conscriptis, quo tendat oratio tua (v^I. 
Biieheler Symb. philo). Bonn. S. 79). Piin. Episl. 1 9 mecura tantuiii et 
cum libellis Inrnioi. Gollius ganzes Werk ist eine Art von Selbslsrhnu, 
die Sclbslschau eines Polyhistors und Viellesers^ als Selbstgespräch kouiint 
besonders XI 8 in Betracht, lieber das Zunehmen der Selbstbetnehtung 
besonders in der Kaiserxeit s. im Allgemeinen noch Martha Les moralistes 
sons l'empire S. 479. In Lucians Scytha 6, da Anacbarsis und Toxaris 
mit Selon susammentreffen, ist dieser tel ouTiolac, XoXftv ivn^ 



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Marc Aurel. 



265 



Griechen, scheint es, sind hier nieht so weil gegangen Hatte 
die Natur sie ftlr den Dialog gesehaffen, so dass sie firoh das 
LSdierliche des Selbstgesprächs empfanden (I S. 446, 3) und 
es auch spSter nicht sehr hoch stellten? Wenigstens finden 

wir auch sonst dass dialogische Schriflsteller, Meister auf 
diesem Gebiete, auf die Verfasser von Selbstgesprächen und 
ihre Werke mit Geringschh'tzung und Ironie herabblicken '\ 
Von seinen eii:* iien Zeitgenossen unter den (irifi hon konnte 
es Marc Aurel hören dass sich selbst anzureden widersinnig 
und gegen die Natur sei^). Wenn er es trotzdem that, so 
anlialtend that, dass er zum Klassiker des Selbstgesprächs 



1 } I S. 445 f. sich täglich la prüfen und Rechenachaft vor steh ab- 
solflged forderten auch die Pythagoreer. Den Ibhnoogen sum Selbst- 
geiprach stehen aber bei den Griechen anch Warnungen vor demselben 

zur Seite. So ORKhlt Seneca epist. <S, i : Grates — cum vidisset adules- 
cenlulum secrcto ambulantem, interrogavit, »quid illic solus facerel?« 
»Mer urTv inquit, nloquor«. cui Crates: »rave « inquil «mi'o, et dülpenfcr 
adteiidc ac cum horaine mala ioquaris«. Dem entsprechend wird auch 
bei DiofT. VII i74 zu interpunpiren sein: rp'i; oc tov |jL&vf,ryTj vcal ianf^ 
}.'I)^(J~J•^-1 , ■■>'yj «f'ji'j^j tcp/j (namlicli KleautheS; «'ivUpiunt;) /.a/.£i;;« d. h. 
als Frage, nicht als Aussage. Denn offenbar ist es die gleiche Aneltdote 
die dort von Kretas hier von Kleanibes eniihlt wird. Bemericenswerth 
ist dass diese Warnungen von Philosophen derselben Art, kynlsdi-sloischeo, 
ausgehen, die sonst gerade sum Selbstgisprttch ermahnen. — Oinomaos 
war kein Grieche und konnte nu^serdem unter römischem Ehifluss 
stehen: übrigens ist sehr fraglicli und keineswegs so selbslverslündlich 
wie Ernst Weber Leipz. Stud. X 116,4 .mznn^'lMn^'n ^' ficint , dass der 
Titel seiner Schrift toü xuvö; aüro«^a>via (Julian or. \ il p. ioo Hj auf ein 
Selbstgespräch deutet; die Vergleichung von Lucian Gallus ± ilojSojvt) 
auTÖ«paj^o(j macht mir wahrscheinlicher, dass darin dem Hunde mensch- 
liche Rede verlieheii war (s. I S. tSS L). Die Ataicoptat Eplkors (Oaener 
Bpic S. 97) hatten nur die Form von Problemen, obgleich Plutarch adv. 
Colot. 34 p. MS7D sie als Gespriche des Philosophen mit sich selbst be- 
handelt. 

2} S. Berlieley Works FI S. 198 IT. über Shaflesbury'S Soliloquy. 
Balzac Entretiens 1 : les Dialogues des Solitaires avecque TEdio sont des 
entretiens tr(>s-impaiTaits. 

3) Apollonios Dyskolos sat;l Hies do constr. 3,25 (S. 2i4, 1 7 Bekk.) 
allerdings zunächst in einer grauiuirtliscluMi Erörterung, aber doch ganz 
allgemein: a>; o'>% £3Ttv iTitvofjaott ea'jt<iv xi-^a ixpoaxaXoüfACvo'^ oid th ^'iß*' 



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S66 



V]. Der Dialog in der Kateeneit. 



wurde, so mochte auch hier wie anderwfirto das römische 
Naturell in ihm sich regen i). Die isolirende Stellung des 
Monarchen kam dazu. 
iBMUon ai So war der Boden bereitet, auf dem die Anregungen 
^^^^ Epiktets fruchten konnten. Nooh spSter dankt er dem EusHcus 
dass er ihn mit diesem Philosophen bekannt gemacht (I 7). An 
ihn schliesst er sich in seinem Werke an. Welt- und Lebens- 
anschauung ist bei Beiden die gleiche, modifizirt bei dem Einen 
durch die Nachwirkungen seiner Sklaven schafl, bei dem 
Andern durch das Nationalbewusstsein des iiömers und das 
Gefühl der Kaiserwtirde; auch der sprachliche Ausdruck slitniisl 
überein. er ist namentlich bei dem späteren Nachahmt t \oa 
einer fast coquetten Einfachheit [i'silzia l 7). Vor Allem 
aber hatte Epiktet nachdrücklich das Selbstgespräch gefordert 
(O.S.SI48} und swar im Sinne einer Ermahnung an sich selbst ^1; 
so fassi es nun auch Marc Aurel wie man wohl schon durch 
den Titel seiner Aufseichnungen andeuten wollte'). Wie 
Epiktet nimmt er es sehr ernst mit dem Selbstgespräch , so 
dass Dialoge su schreiben ihm daneben nur eine BescbÜtigung 
fllr Knaben scheint^. So lahlt er es den Dialogenschreibem 
heim, wenn diese ihrerseits mit GeringschXtsung auf die Mono> 
löge sahen (o. S. 265, 'i\ 

Wer in dieser Weise urtheilte, hatte schon eine längere 



il Vgl. II 8. 

S) Das Mit sich selber reden (^(«Xrxd^vat eauTqi, im Slime vo« 
Sich lusprechen, ffich ermahnen aach hei Aristid. or. 51 p. 4S8, 5 Jehik 

S) TA sie iouT^. Renan, Marc Anrate & iSS übenetst dies mit 
»an snjet de Ini-m^me«, wie mir scheint nicht richtig obgleich echoe 
Sltere Gelehrte den Titel tfhnlich gedeutet hatten (Hataker Adnotalt. in 
THulum'. Vergleichen kann man das solonischc Gedicht uno8f,Ti' it; 
eauT<5v (I S. 58'. Auch ein anderer Titel des Werkes iwj ^ivj mfmyr^ 
hei Suidas u. Mapxo« gibt im Wesentlicbeo derselben Auffassung Auf- 
druck. 

4) Dem Diognctos verdankt er 1 6 «ol ^pi'^t fiioUfou; xntUi 
merkwärdigerwelse dem Stoiker und nicht den Piatonikern Sextns 1 f' 
und Alexander ',^%), cum deutlichen Beweise dass das Schrdben vmi 
Dialogen wie er selbst angibt (1 6} ein Bestandtheil überhaupt der K> - 
Xtjvtxi?^ d'joi-(^ geworden wiir. .S o. S. 4U,r Das h raiSt ist zu be- 
arhtent vielleicht wollte Marc Aurel dadurch andeuten dass «uch nach 
IMr<lnn dris Dialoirsfhrrihrn nur eine riioed war, die auch Ari»lo*e*e« 
>ich nur in jüngeren Jahrcu erlaubt hatte. 



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Marc Aurel. 



S67 



Uebung Im Selbstgespräch hinter sich >). Warum hat er so spät Astoich- 
erst dergleichen niedergeschrieben? ]>enn das Meiste seiner ^^^(P^ 

tagebuchartigen Aufzeichnungen gehört der letzten Zeit seines 
LebcDs an 2). Epiktot stand nicht im Wege, da or das Auf- 
zeichnen von Selbstgesprächen auch dem Sokrates zutraut: denn 
die sokratiscben Dialoge hielt er für SelbstcesprHche, die dieser 
zu seiner Uebung verfassl hnbe^]. Vielmehr ist Marc Aurel 
hier von demselben Naturgeselz überwältigt worden, das auch 
die Dichter Im riobrauch der Monologe leitet. Im Angesicht 
einer grossen That, eines mächtigen Ereignisses erOrtem die 
dramatischen Helden noch einmal die Motiye ihres Thons, 
ihres Verhaltens» legen sieh dieselben dar zu eigener KUmng 
und Festigung ehe sie den letiten entscheidenden Schritt 
thun^]. Auch die Selbstgespräche Marc Aurels sind keine 
Meditationen, die Aber einem Problem brüten das reif ge- 
worden seine Darstellung in einem Dialog finden kann^). Sie 
sind geschrieben inmitten grosser Ereignisse, im Vorgeltihl 
des nahen Todes: zu diesem U t/ten entscheidenden Schritt 
will er sich stürken imd ruft sieh darum noch einmal die 
Grundsätze in die Erinnerung die ihm hierbei Muth ein- 



I] IV S. Reaaß a. «. 0. S. S5S folgert hieraus dass er auch schon 
früh mU scfariftlidier Pixlruag begonnen. 

9) Hartha Lea morallstes sous rempiro 8. SOS f. 

8) Epiktet. dias. II 1, 33. Ob er Sokrates an Stelle der Sokratiker 

oeDnt (o. S. 243,1) verschlägt in diesem Fall nicht 

V Otln l.udwig Shakespcarrstudien S. lOG wpisl hostHidors auf das 
V Tl!;ilLniss von Dialog uud Monolog im Shakespeare schrn Drama hin: 
Ihre Selbstgespräche (die der Shakespeare" sehen Helden; sind weit 
mannichfaltiger, lebendiger und (Iramutischer als ihr Gespräch mit Anderen, 
das sie dann, wenn sie allein, erst verarbeiten. — So wie sie allein sind, 
bricht 6g loa was man in den Gesprttdien mit den AnderaB lüeht so 
deatlicfa siebt. — Alle grosse Leidenschaft isolirt. Sie verbirgt sich der 
Ihngebung und sacht die Eiotamkeit, mit sieb selbst su streiten, sich 
an bedauern, sich aniufeuero, mit sieb zu berathen, sich schlecht su 
machen, sich zn trösten, sich auszutoben«. 

5) »Man mnss einer Sache v^lUig Meister sein um sie dialogisch zu 
behandeln « sagt K, Fisciier und hegrundet danut Tiosrh. d. n. Fhilos. I* 4 
S. 875 f.i weshalb Des Cartes posthumer Dialog »rerherehe de la v^rit^ 
par les lumieres naturelles " ihm später geschrieben erscheint als die Medi- 
tationen. Daa Verhältniss zwischen Monolog und Dialog ist also hier 
dss umgekehrte als im Drama. 



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S68 



VI. Der Dialog in der KaiserzeiL 



flössen*), und wie die dramatischen Helden unter solchen 
Umstanden wird auch er hierdurch lu einem Rfickblick auf 
sein bisheriges Leben geführt, der seine Schrift einleitet 

Otr fnUMpa- Bdde Theile derselben, der protreptische wie der historisch- 
Mb« ThiU. genetische, sind von unschitsbarem Werthe. Bis in die Zeit 
unserer VSter hinein hat sich der protreptische als Erbauungs- 
buch Ijessahi l - . nicht bloss durch seine milde reine Moral sondern 
gewiss auch in Folge der gewählten Form der SelbsUmn (ic : 
»mit dem Ich« sagt Jakob Grimm (Kl. Sehr. III ?09\ redet 

Der hutoriRrh- der Versland- mit dem Du Herz und Emplindung«. Nicht 
senetiacbe. ggrjjigere Bedeutung besitzt der erste historiische Xheil, in dem 
Marc Aurel dankbar derer gedenkt, durch die er in seinem 
Leben nach dieser oder jener Seite lu gefordert worden ist, 
imd so gewlssermaassen vor unsem Augen eine Analyse 
seines geistigen Wesens gibt Dieser Theil schliesst sich an 
die Selbstbiographien eines August und Hadrian an, bedeutet 
aber eine Yertiefung dieser wie aller Selbstbiographien des 
spAteren, namentlich des römischen Alterthams. Ihm fsi nach- 
gesungen das »Vom Vater hab ich die Natur«, ohne ihn hätten 
wir Wahrheit und Dichtung nicht, und eine ganze Flulh der 
Confessionen- und Memoireiiiiteratur von Augustin bis zu 
Rons^pnu über Montaigne, Cardanus und Pascal, weiter zu 
SchhMermacliers Monologen und Zschokkes Selbstschan bis in 
unsere Tage hat sich aus dieser Quelle ergossen. Auch der 
historischen Charakteristik wurden nun neue und höhere Ziele 
gesteckt; sie trat vor das Geheimniss der menschlichen Per- 
sönlichkeit, die dem Selbstbewusstsein als einheitlich, em- 
pirisch betrachtet aber als das E^ebniss der verschiedensten 
Einflüsse erscheint. 

Ein einzelnes Individuum nimmt tn Marc Aurels Schrift 
unser Interesse für sich in Anspruch. Denken wir an die Zeit, 

^) »Ein Selbstf^espräch scheint mir nur darin hoslohen zu k^innen, 
dass man sich nach der Beziohuiiv; der (irundsatzc nuf das Kinzolnr 
fra<:t, und sich der Aoscbauun^ des Kiiizeiueu nach den drundsaUvu 
bcvMisst wird« Scbleiermachcr an ünnkuiaDo (Aus Schleieriaacbers Lebca 
IV S. 67;. 

S} La llvre de Marc-Aurele, n'ayaDt aucune haae dogmatique, con- 
servera «^temeUemeDt sa fratdieiur. Al>er diese BebaaptuDg Eeaaos Sw SS8 
dass es der Schrift Marc Aurels an einer dogmatiacheii Basis fehle, ist 
doch nur in beschrinktem Maasae richtig. 



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Marc Anrel. Lucira. 



869 



(]a der Dialog entstand, so handelte es sieb auch damals um 
Individuen, der einzelne Mensch sollto das Maass aller Dinge 
seiii. Aber man betrachtete die £mtelneii in ihrem Verhfilt- 
nies snr Auwenwelt und Umgebung; Indem er Besiehungen 
dieser Art pflegte, durch unermüdliches GesprSch mit Andenii 
suchte Schrates sur Selbsterhenntniss lu gelangen. In einer 
solchen Zeit konnte auf wundervolle Weise die CSiaralUeristik 
im Drama sich entwidLeln, insoweit sie auf einer Unterscheid 
dung und Gegenüberstellung gewisser Typen beruht. Aus 
solchen Umständen heraus konnte auch die Blüthe des Dialogs 
sich entfalten, dessen Vater der Streit ist und dessen uner- 
li.sslichc Voraussetzung die geistige Bertihrung und Ueihnn;^ 
der Menschen unter einander. Die Einsamkeit ist uaturgemäss 
sein Tod. Mit der Forderung der damaligen Kyniker, in sich 
selbst hineinzuschauen M und so dcui »Erkenne dich selbst« 
zu genUgen, mit der Isuiiruug des Menschen, wie sie im Wesen 
dieser Schule begründet ist, konnte eine solche Blüthe nicht 
bestehen. 

Lud an. 

Und so schien der Dialog in den stillen Tiefen der mensch- 
lichen Brust begraben zu sein. Da reizten ihn noch einmal 
zum Leben seine alten Feinde, Bhetorik und dogmatische 
Philosophie; mit doppelter Front voll Muih, ja Uebermuth 

betrat er den Kampfplatz, geleitet von Lucian. Lucian hat BegUadar 
uns selbst gesagt, wie er dazu kam bi.iluge zu schreiben^), fl^^lj^jy^ 
Jahre hindurch hatte er der Hhetorik obgelegen, an ihrer Hand 
war der Barbar des Ostens tiellenisirt worden ; da packt»? 
den liciiiis irrrciffen Mann ein Kkel an dem damaligen Be- 
triebt- (lieser Kunst und er ging in das Lager des alten Feindes 
derselben, des Dialogs, über, vielleicht, wie wir hiuzulilgen 
dürfen, weil er mittlerweile von attischer Luft angeweht worden 
war. Dies war mehr als ein £reigniss bloss der literarischen 
Form. Wenigstens nach der gewöhnlichen Meinung war (s 
dies. Nach dieser hatte der Dialog nodi immer seine Heimath 
in der Philosophie, so lange Zeit er auch schon im Hausrath 

4} Das ist die (rjvatadTjOi; xol dvTt).Tjditi :fj{jiü>v auTöiv, vou der üino- 
iituus redet bei Luüeij. praep. 6, 7, 1ü [Mullach fragm. philus. II 381 j. Vgl. 
dazu J. Bemays Lociaa und die Kyniker S. SS. 

2; Bis accus. 80 f. 



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270 



Vi. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



AiaXo-jo; alu der Rhetorik seinen Platz gefunden hatte ^): AiaXo^o; — so 
liiBf* iieisst in athenischen Epigrammen aus römischer Zeitf, ein 
junger Mann sei es nun weil er sich der Philosophie ge- 
widmet hatte oder weil er für diesen Beruf schon von früh 
auf bestimmt war; und in den DeliniLioneü des Dialogs wird 
philosopluiscber Inhalt gefordert als wenn das so zum Wesen 
desselben gehörte^). Auch Lucian selber soheint dies nicht 
anders ansusehen: im »Doppelt Verklagten c wo er den Bialoig 
in Person auf die Bühne bringt^ gibt er ihm das Philosophen* 
hosUim» Bart und Mantel (Bis accus. 88 f.), sagt uns dass er 
als Sohn der Phibsophie gelte (a. a. 0.) und wandelt mit ihm 
in der Akademie und im Lykeion (32). Daher entnehmen 
Neuere ein Recht den Beginn der dialogischen Schriftstellerei 



4) 0. & 1U f. Von W. Schmid PbUol. 50 S. iU f. ist dies nicht 
genug anerkanot worden. Auch der Pseudosophista unter Ludaas 
Sciiriflen gehürt hierher: ich lunn darin nur einen Katechismus des 
Alticismus sehen, dessen Langeweile wie in fibnüchen Produclen der 
ueuercn Literatur durch die diatogisdie Form nur noch unertrSgiicher 
geworden ist. 

ij Kaibel. Fpitrr. Gr. 4 04. Dieterich Nekyia S 197. 

3; Vgl. (lif iK'tiriitioiicn des Albinos und Dioj^ene» Lacrlios: I S. G, 4. 
Dort ist auch schon auf <iii' Krklarun^ Frtnideuthals hingewiesen wurden, 
weshalb in diesen Deliuitiouen neben der i^hiiosopbie die Politik als 
Inhalt von Dlalogm beselchnet wird. Freudenthsl sah darin nur andero 
Namen für Tlieorie und Praxis. Aber abgesehen davon dass es Freuden- 
Iba! meines Eracbtens nidit geiungen ist die Richtigkeit dieser Aus- 
leguDg zu beweisen, würde eine Widerlegung derselben schon darin 
liegen dass eine su weile Beslimniung nichtssagend wSre. Die Sache 
wird sich wohl so verhalten, weil Tür die späteren Platoniker die Politik 
aus dem Bereich der Philosophie verschwunden war. hielten sie es von 
ihrem Standpunkt für nöthi^ sie ausdrücklich neben der I'hilc)soj)hie zu 
nennen, wenn die DeOiiilion, was «hu h ihr Hauptzwt t k v\ar, auf die 
plaluiiisclieu Dialoge puüseii sollte. Auch ein Hhetor der damaligen Zeit, 
wie Hemiogcnes it. |Ac&4ftou Stiv. 36 S. 456, 6 Sp., machte dieser Auf- 
fassung, wonach zum Wesen des Dialogs pbilosophisch-wissenschalUicher 
Inhalt gehört, das Zugestandniss dass er als den einen und zwar den 
Hauptlheii des Dialogs die X^oi Ct)T«)Tt-Kol bezeichnete. Auf dassellM 
wttfde es hinauslaufen, wenn »dialogista«, von Avid. Gass. III 5 als Spott- 
name des Marc Aun l i,'ehi-au(-]it, den »Philosophen« bedeutete (W. Schmid 
Philol. 50, 299.1. Aber »dial. « ^eht hier auf den Verfasser der .Selbst- 
gespräche und ist nach Maassgabe vun iii/.ofi^i9%an bei Divii. l.. Vi! 48 
nnd fnny'yc.zu'r, Ijei Ernesli Lex. lechn. Gr. rhet. zu erklaren, vgl. auch 
über »diaio($i« als litel .'^eneca' scher Schriften o. 3, sV, t. 



Lucian. 



271 



Luaans in die Zeit seines Uebertiitts zur Philosephie lu setzen, üebertritt m 
Aber zu derselben Zeit, in der er anfing; Dialoge xa schreiben, ^^««>pJ^«* 
im Alter von vienig Jahren (Bis acc. 32), gibt er sich als 
einen heftigen Gegner der Philosophie (Hermotim. 13) der ihr 
einen AnhSnger abspenstig macht 

Da er überdies die Gründe seines Uebertritls an yer- Uctoffik 
schiedenen Orten yerschleden darstellt t) so können sie nicht 
sehr tief in seinem Geist gehaftet haben und hierdurcii wird 
wahrsebeinlicli dass auch die ThaCsaehe selber niemals emsthaft 
gemeint war^. Hag er daher durch die Göttin Wahrheit in 
Person sich zum Philosophenprüfer weihen lassen fPiscator 
46. ö2)5), wir werden durch diese Maske eines ueuen SokraLes 
nicht getäuscht: auch unter ihr blickt der alte Rhetor hervor 



^) Im Piscator 30 erwartete er iu der Philosophie eiueu Hafeu zu 
Anden, bi dem er nedh Starni und I^i^ den liest seines Lebens In Robe 
verbringen konnte. Nacb dem >NH$rinos« dag^en wurde der Umschwung 
in Lncians Seele ledid^ick dnrdi eine Rede, dieses Philosophen herbd- 
geführt, wdehe das Leben in Rom verlHsterte und das in Athen desto 
hoher pries. Dagegen dass der »Nigrinos« sich nicht auf eine frühere 
vorühori-Thonde Bekehrung (Hermotim. 24) bezieht, vgl. jetzt W. Schmid 
Pliilol. 50, 308, H. Die Darstellung des Nigrinos wird ausserdem ver- 
duchtig durch die übcrschwUngliche rulirseUge Art, mit der die Wirkung 
von Nigrins Rede geschildert wird; Ursache und Wirkung stehen in einem 
so schlechten Verhaltniss, dass man es denen nicht verdenken kann, die 
hier eine Persilflage witterten. 2tt den beiden varUrenden Darstellungen 
des Uebertritto im Piieator und Nigrinos kfime nach der gewöhnlichen 
Anfbssnng norli die des Bis accusatus: denn hiernach, wie wir sehen 
werden, würe die Ursache des Uebcrtritts nicht in dem Eindruck einer 
Rede, nicht in einem Bedürfniss nach Ruhe nnd Seelenfrieden, sondern 
in einer beslimuiti ii Richtung' des rhetoriscliea Geschmacks zu suchen. 

2) Er selbst niuuul iu dieser Hinsicht den .Mund nicht voll, wenn 
er von sich selber sagt de saltat. S: ::atoei(jf ouvtpo^o; xal ^tXooo^lcf xd 
p.^Tpta db|AtXT]x<6c. Da mufteio die Rhetorik bedeotet, so beseicbnet 
Luden selber sich als einen in der Pldlosoj^e dilellirenden Rhetor. 
Geradezu spricht dies sdn Diogenes Im Piscator S8 aus, wo er von ihm 
sagt: ^i^Twp TU, &c (f?)3tv , {&v, dnoXindiv td tuuurt^pia %m -zäi ixtisoa 

Ttäv Itp' "/jfjLä; ouaxeuaod(i.evo; oy -aurrat p-ev d-pprimv xaxwc 7'5t]t'jc xat 
dratecjva? d7roxa)d)v, tä TcX^ftij Ik dbanctdoiv %%zait}.ör* ij)püv xai xaTaf po- 
vsiv u>i; TO prjSev ovroiv. 

8] Vgl. hiermit den Sekretes der neptepj^tTai SuX^yx«'' ÄTiavta; Ne- 
cyom. 48. 



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27S VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 

80 gut wie unter dem Löwenfell des Herakles und den 
Lumpen des Diogenes bei 0ion Ghrysostomos (o. S. 88 t 
vgl. auch S. ^40, 4). Eben weil es nur eine Maske war, 
konnte er auf seine alten Tage um so leichter sie wieder 
abwerfen*). In der Thal trfigt denn auch ein grosser Theil 
der Lucianschen Dialoge den rheterisch-sophistischen C3iarakler 
gant offenkundig cur Schau: die Götter^, die See-, die HeOrenge- 
sprlche stellen sich den Briefen Alkiphrons, den Bauembriefen 
Aelians lur Seite ; mit der Philosophie haben sie nichts lu thun ^. 

Andererseits tritt uns der Dialog mehr oder minder ausge- 
bildet schon in sulchen Werken Lucians entgegen, die man ab 
Docuniente seiner rhetorischen Periode anzusehen pilegl. Werke 

Skythe, Hämo- dieser Art sind der «Skylliefi, i^Hurmünides« und der ) Traum«. 

ttMa^Traui« ^^^^^ tTsU n heideu wird von Gesprächen d;is eine Mal 
ZNvisclien Timotheos und Harmonides. das andre Mal zwischen 
Toxaris Anacbarsis und Soion ausgegangen, sie bieten siieuilich 
breit ausgeführte Beispiele aus denen Lucian zum Schluss 
eine Nutzanwendung auf seine eigenen Verhältnisse nuM^t; 
im dritten steht im Mittelpunkt derErsfihiung das StreitgespiUcb 
swischen der Bildhauerei und Redekunst'). In allen drei 

i) Im Bacch. 5 scheint er selbst zu einer Aenderung nur tlt r i*he- 
torisdion Manit r und Darslelluntisweise herabzudrückeu was er früher 
zu ciiit'iii (■('äiuuuagswechscl aufgebauscht hatte. 

Sj üeber die GöttcrgesprSohe vgl. K. Fr. Hemaon Ges. AhUi.S.SIS 
Martha Les moraUsles S. SBS IT. Mit den MlmeD Sophrons hatte die GM- 
ter- und HetSren-Gesprllche schon Helte Les mimes de Sophr. $. 4t n. 
76 vergliGhen. Da Ludan im Bis accus, selbst den Dialog mit der Phi- 
loeophie verkettet, so könnte man vermuthen, er hahe jene desprüche 
gar nicht als otoDo^oi bezeichnet. Angesichts der LelM»rliefer«n?: Kl e«* 
aber richtiger anzunehmen, d^s« diis Wort StdXofo» ''^"^ 
engeren, dann aber wieder im ursprungliehen weiteren ^*iniH* Luauvbu*. 
— Rhetorisch-supluältsches Gepräge tragen unter den Dialugea auch di« 
jetzt wieder für echt erklärten, von denen weiter nnteo die Hede seia 
wirdf Amores, Imagines und Pro Imaginibos s. W. Schnid PUloL Sf, 
so» f. Vgl. auch K. Fr. Hermann Ges. Abbh. S. »04 f. 

8} Ueber diese Synkrisis, die sa der sahlrelcheo Nacbkommensckefl 
des Prodiceischen Herakles gehört, vgl. jetit noch 0. Hense. Die S^Tikri- 
vi- Kn ihurger Prorektoratsrede <893) S. 4 6 IT. Unter andern wini das 
dialu^isclie Element hier no<'h verstiirkt diirrli ein f;e>prf4<*h. das sich *T 
7.\\is(lien dein Hetiner und einem der liorer entspinnt. Waren die Kin- 
\surfe des Lelzl»Men mit 'f7,3{ einKefuhrt, »t> kunuU'U sie in derge^ohn- 
liclien Weise als lingirle aufgcfassl und dem (ianzcn der Rede eiog^füiet 



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Lncian als Rhetor. 



273 



FSUeD ist der Dialog ein rhetorischer Zierrath. Man steht, 
Lttcian brauchte ihn sich nicht erst von den Philosophen su 
holen. 

Und (lucli kam die Zeil, wo er auch das thal. Von 
dieser Zeit ist im »Doppeltverklaytcn t die Rede. Es £;eschah 
das ul)er ktMneswegs au> philosophischem sondern aus rlietori- 
schem Interesse. Seine eigenen Worte lassen darüber keinen 
Zweifel. Mit der Rhetorik halte er in lauger glücklicher Khe 
gelebt; da sie ihm aber die demosthenische Strenge und 
Keuschheit nicht bewahrte sondern sich mit liederlichen Leuten 
einliess, die ihm unter Lfirmen und Toben fast das Haus 
stQrmten, wandte er sich von ihr ab und ging su den stilleren 
Wohnungen des Dialogs (Bis accus. 34 f.). Seinen Atticismus Atudmu. 
— das ist der offenbare Sinn — da er ihn der herrschendeD 
Mode gegenüber in den eigentlichen Reden nicht mit Erfolg 
bewShren konnte, so verpflanite er ihn auf den Boden des 
Dialogs und erhoflle hier mehr Frucht und Genuss von ihm. 
Zu diesem Zweck slu Im Ic er vor allem die platonischen 
Dialoge, unter denen seiner d-imaligen Lage der Fhaidros am 
meisten entsprach in dem fi;is \ ( rh.iluiiss von Dinlog und 
Rede zur Sprache kommt und gegenüber einer irrenden Rhe- 
torik der Weg zur wahren gewiesen wird^). Piaton wurde Piaton uud 
nun noch mehr sein Ideal, aber nicht um den Demosthenes 
itt verdrftngen sondern um neben ihm lu stehen^). Bis ins 
Innere der platom'schen Lehre Uess er sich durch den gött- 
lichen Philosophen nicht ftlbren; die Rhetorik blieb nach wie 



wcHen. Statt dessen hcissl es iihor l-^ f^. so dass wir nicht rci ht wissen 
ob ^ir (iie Kede selbst oder ein Ueferal durubt-r \or uns haben. Auch 
hier kauu ihu ein altes rhetorisches Vorbild geleitet hahco, daa Isokrales 
in seiDer Antidosis und seinem Panatbenaikos gegeb«i hatte (I S. 343 f }. 

1) Noch Lexiph. 98 bildet das Studiuni des Thokydides und Piaton 
die bdchste Slufe des atticistischen Cursus, der das Lesen der Dicbttr 
und Redner vorausgeht. — Die *Attiiii}) Xi^u gehört nach den Theoreti- 
kern zum Wesen des Dialog» (Albinos Introd. in Plat. dial. c. i). 

2) Citate aus dem Phaidros im Bis accus. 33. IMsralur 3.2. Rhet. 
praec. 26. Ans Bis accus. 33 ii. 34 ergibt sich dass unter dtii platoni- 
schen Ditlo-'iM) neben dent l'h iidros damals am meist«Q der Gorgias, 
Timaios umi Ptiaidon hervurlratea. 

3) Rhetor. praec. U. t7. 
Birz*l, liiülog. IL 



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274 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



vor seine angetraute Ftau*). Noch aus spSterer Zeit^) leigt 
eine Schrift »Der Professor der BhetoriliL« (Tr^Topcov Si8i9x«Xo{) 
das9 er bei Andern fortwährend als erfahrener Rhetor galt 

uiul auch sein Ideal einer gesunden attiscLcu Beredsamkeit 
keineswegs aufgegeben hatte. Als Rhetor suchte er auch 
durch seine Dialoge zu vs irken. die auf ein hörendes Publicuui 
berechnet waren und an denen sich sogar eine besondere 
Kunst des Vortrags zeigen konnte ; das stille Nachdenken des 
Lesers anzuregen waren sie weder bestimmt noch geeignet» 
Nach dem Sinne der echten Platoniker war ehi solches Ver- 
fahren natOrlich nicht; sie mochten Ludan ebenso von sieb 
ablehnen wie dfejeu'gen, denen Taurns (bei Gell. I 9, 40) den 
Vorwurf macht dass sie Piatons Schriften sur Verii)e8serung 
nicht der Moral sondern des Stils benutiten^]. Noch mehr 

K»urong. freilich musste er ihren Groll erregen durch die Neuerung, 
die er mit dem Dialoge vornahm. In ihr kommt eine weitere 
Ursache seiner dialogischen Schriftstellerei zum Vorschein. 
AluttiMhe Von jeher hatten dem Atticisnius neben Piaton die Dichter 

K«n5ii«i altattischen Komödie als diejenigen gegolten , in deren 

Werken das Gold der echt attischen Sprache zu linden war. 
Lucian verfuhr daher nur als consequenter Atticist, wenn er 
neben Piaton auch einen Eupolis und Aristophanes als Muster 
sprachlichen Ausdruclu hinstellte imd sich an ihren Komödien 
nicht minder bildete als an den Dialogen des Sokratikers. 

4) Dies ist nach detu Bis accus, zu betonen, denn damit wird aus* 
gesprochen, dass I-uctan nach wie vor in der Rhetorik seinen eigent- 
lichen Beruf sah auch zu der Zeil, da er unter die Dialogenschreiber 
t^egnngen war. In demselben Dialog ist auch aus der Rede der Rhetorik 
zu bemerken, dass sie zwar zugibt von iiederlichen Leuleu besturoil zu 
werden, dass sie aber leugnet sie jemals erhttrt zu baheo (S9). Das will 
doch sagen, dass Lucian auch damals Bodi eine wahre Rhetorik, der er 
sich nach wie vor verbunden fühlte, von der falfldien modischen unter» 
st^ied. 

i; K. Fr. Hermann Ges. Abhh. S. S09, SS. 

K. 1 r. Hermann Ges. Abhh. S. SSI. Rohde Gr. Rom. S. 305 Aom. 
Hierzu vgl. noch Bis accus. *8 wo die mit dem Vortrag von Dialogen 
erreichbaren Wirkungen geschildert und zugleich als t.iicianH Endzweck 
bei der Abfassung der Dialoge (cotoiiTcDV fipao^) bezeichnet werden. Vgl. 
auch 1 43, 4. 

4) Pritsche, Luctau Ii 2 prolegg. (). XXV. W. Scbmid Phiiol. 50, 
811, 18. 



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LucUn: Altatliflche Komddie. Ifenfpp. 



275 



Und auch hier war seine Art nicht die kleinliche der von ihm 
yerspotteten Attidaten, die ihre ganxe Aufgabe darin sahen 
aus den beliebten Unstern einzelne auffallende Worte and 
Wendungen heraussupflttcken, sondern er ging gleich aufe 
Ganze und bildete die Komödien selber nach. Dieselben 
waren längst eiue literarische Antiquität geworden un<l be- 
durften der Erneuerung ebenso wie der Dialog. Lucian liess 
sie beiden durch einander tu Theil werden, indem er beide 
zu einer neuen Mischgestalt vereinigte. Die Philosophen 
mochten sich darüber empören , dass auf diese Weise der 
iJialug in engste (iemeinschaft mit der alten Gegnerin der 
Philosophie kam und in demselben Maasse an philosophischem 
Gehalt einbüsste: Lucian kümmerte dies nicht; ihm lag nur 
daran die Langeweile, die sich im Dialoge eingenistet hatte, 
wieder daraus zu vertreiben und so dem altersschwach und 
steif gewordenen zu neuem Leben, sich selber aber damit zu 
neuem Ansehen beim Publicum zu verhelfen^). 

Es war jedoch nicht der Atticismus allem, durch den 
Lucian auf das Gebiet des Dialogs geführt wurde. Der witzige 
Syrer suchte eine Form, in der er sein eigenstes Talent der 
Komik und des beissenden Spottes nach allen Seiten konnte 
sprühen lassen. Die Sokratiker und die Komiker boten ihm 
auch hierfür die dialogisch-dramatische Form dar, an den« n 
sich deshalb auch sein Vorij.inger Horaz ijcnährt hatte. Wenn 
derselbe ausserdem den Blick auf Menipp wandte, so betlurlb; Mvalpp. 
es für Lucian nicht er>i dieses Vorfzanges. Zu seinem Lands- 
mann Menipp musste iim der nntiirli( he Instinkt leiten, zumal 
derselbe schon auf das gleiche Ziel ausgecaniien war das 
auch ihm vorschwebte, eine Vereinigung des Dialogs mit der 
Komödie 2]. Es war daher nicht zufällig, wenn er gerade 
diesen alten Satyriker wieder »ausgrub«^). Vielmehr mochte 



i) Eis aoctts. 84. Vgl. Pfscator SS r. 

t) Sttoutatoe U ti nannte den Lucian im Hinblick auf 

seine Nachahmung Menipps schon Eunapios Vitt. Soph. prooem. a f. (da- 
zu Wyttenbacb;. 

3) 'Avopü?a; sagt er selber mit Beziobtmir auf seine Emcueruns: der 
Menippea Bis accus. 33. Ueber die Bedeutung des Wortes vgl. Kbetor. 
pra»T. 10. Im strengsten Sinne von der Tbätigkeil dessen, der etwas voll- 
kuiiinien Verborgenei» wieder ans Tageslicht zieht, ist es kaum zu ver- 

18» 



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S76 



VI. Der Dialog in der Kaiseneit 



er einen gewissen Stolz darein setzen, diese barbamche 
Gattung in der hellenischen iiCeratur wieder zu Ehren zu 
bringen 1). So isi er der Restaurator nicht blos des Dialog» 
und der Komödie sondern auch der Menippea geworden, in 
allen drei F&Uen nicht sklavisch nachahmend sondern selb- 
stfindÜg oachschaffend. 
Clizoii»i(^«dOT Der chronologische Faden, an dem es sich verlohnen 
^jM^uJ^!"" würde die Lucianschen Dialoge lu betrachten, Ist xerrissen. 

Nur an einzelne Punkte und für einzelne Schriften lässl er 
sich wieder anknü])ien; alle ucitergehenden Versuche, zu 
(U'uen in neuerer Zeit das Interess«' der Sache verlockt hat, 
sind uiisslungen. K. Fr. Henuannj der Verfasser des Werkes 
über »Geschichte und System der platonischen Philosuphicr, 
verleugnete sich auch hier nicht: voraussetzend, dass es Lucian 
mit der Philosophie heiliger Ernst war, liess er denselben 
einen ähnlichen Wechsel der Ueberxeugung und aus der 
gleichen Ursache, in Folge der Berfihrung mit fremden 
Systemen,, an sich erleben^, wie er ihn später mit besserem 
Erfolge für Piaton nachgewiesen hat; auf Lucian angewandt 
bedarf diese Ansicht kaum noch der Widerlegung. Auch sonst 
seigt sich die Luciansche Frage als eine Wiederholung der 
Platonischen im kleineren Maassstabe: auch hier hat man ein 
erlrüunites Idealbild des reifen Schriftstellers benutzt um da- 
nach in Bausch und Boi^eu über die Echtheit einer Anzahl 
von Werken abzusprechen^). Was aber schon bei Platon 

stehen. Sonst mttsste maa anoehmen, dass Marc Aureto Bekanntachafl 
mit Menipp (VI 41) erst durch Luciaos SchrUlstellefel vermittelt wordeo 
sei. leberdies heiaat Meaipp auch achoa hei Gelttus IHSJ phiioaophaa 
clarus. Die richtige Meinung ist wohl die, dass Menipp nur ein eiozeN 
iier Kyniker war, der durch die gesammte dieser Schule damals günstige 
Strömung mit in die Hohe getri«<hrn wurde. Dasseihe gilt von seinem 
Cieistcsverwandten Monimos: Marc Aurel II <5 (s, I 386, 4j. 

1 Dnss man diese lilcrarischf Form als eine barbarische empfand 
und dcui Lucian zum YursMut machte, zeigt Bis accus. 34. Ais Syrer 
fühlt sich Lucian Scytha 9. Auf den Aegyptcr PoUux blickt er mit Ver> 
acbtung Rbet. praec. S4. Den Barbaren des Nordens gegenüber scheint 
er Im Anacharsls und Toxarls sich der hellenischen Gesittung ansuneb- 
men: W. Scbmid Atticism. I SIS f. Philol. 50, SOO, t (anders freilich 
K. Fr. HcrmanD Gess. Abhb. S. 925). 

t) Gess. Abhb. S. ü08 f. 

3) Thimroe Quaestt. Lucian. ö. 55; vgl. W. Scbmid PhiloL 50, i99. 



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Lucian: Oironologie seiner Scbrifleo. 



277 



nicht zulässig w-av . <lns gehl noch weniger bei diesem selt- 
sam hin und her springenden Geiste an, der sich weder in 
eine begrSnztc Zahl von Literaturfonnen einschnüren Üsst 
noch geneigt scheint einen geraden Weg der Entwicklung za 
gehen mit ))e8Ümmten Stationen wie man sie ihm vorschreibt 
Niehl einmal y<m seinem »UebertriU von der rhetorischen lur 
phflosophischen Schrillstellereiti) wird man reden dOrfen. Wie 
wenig Lucians eigene Angaben su dieser Annahme ausreichen, 
haben wir schon gesehen (o. S. 271). Ueberhaupt hat es mit 
diesen Angaben seine eigene Bewandtniss. Wir sind keines- 
wegs in Folge derselben so viel besser daran als bei PUton 
und zu dem triumphirenden Ausruf iquo fit ut omnis votiva 
pateat veluti descripta tabella vita senis« geben sie keinen 
berechtigten Anlass man uiiiss nur bedenken dass in ihnen 
ofTcnlMre Dichtung sich mit der Wahrheit mischt und ilass 
Lucian, indem er sie nicht eigentlich über sich selber sondern 
iil»er einen )'Syrerff, über »Freimund« (nappTjaidt^T;:) auch 
iil)er Lykinos macht, er sich durch diese Pseudonyme wie 
durch eine Hinterthür jeder Verantwortung zu entziehen scheint. 

Auf andere und »M L-f nlhümliche Weise ist letzthin der Versuch 
gemacht worden die Abfassungszeit der Lucianschen Schriften 
lu bestimmen: man ging von der Intolerani Marc Aurels als 
Voraussetsung aus und glaubte hiemach alle diejenigen 
Schriften, welche Angriffe gegen die StaaCsreligion und gegen 
die kaiserliche Philosophie, den Stoicismus, enthielten» vor oder 
nach dessen Regierung setsen su dürfen. So schien sich ein 
neuer und sicherer Weg sur Bestimmaog, namentlich der 
menippischen Satiren und des Hermotlmos su er5flben*). Aber 
Marc Aurel intolerant? er der, wie wir nach den Riagen über 
die Streitsucht der Philosophen (bei Galen XIV 660 K) schliessen 
luiissen, es duldete dass sie ihm ins Gesicht \n idersprnchen. 
Und Marc Aurel ein Tan.itischer Stoiker? um von Andc ri in 
abzusehen I er der den Gegner der Stoiker, Galen, iiir den 



Dass I. Bekker, der seine Platon-Auspabe dem »»restitulor Platonis« ge- 
widmet halle, gerade über die unter Lucians Naiiien enthaltenen Schriften 
ein so ndloataB VerdammungsurtheU ttUle, wird nicht tafiilUg sein. 

I) Scbmld, Philol. »0, SOS. 

S) Schmid a. a. 0. S. 806 a. 80S. Vgl auch S. 



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278 VI. Der DiaJ(»g In der Kaiserseii. 

einzigen Philosophen (|iovov «ptXooo^ov) erUfirte (a. a. O.). Vollends 
wegen der Satiren, die er in der Weise und nach dem Vorbild 
Menipps verfasste, brauchte Luoian von diesem Kaiser nichts 
zu besorgen, der in seinen Selbstgesprächen den Menipp in 
einer Reihe mit Heraklit, Pythagoras, Sokrates, Hipparch, 
Eudoxos und ArcWinedes nennt (VI 47) und hierdurch schon 
zur Gmü^c seine gute Meinung über ihn aiuh atet Ganz 
allgcmriu stellt Marc Aurel es als seinen Grundsatz auf fn. a. O.) 
mit Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit sein Leben hin'/jihringen, 
milde auch gegen Lügner und solche die Unrecht Ihuii^); und 
dass er gegen diese Theorie durch die Praxis gestlndigt habe, 
ist meines Wissens bis jetzt nicht bewiesen werden'), 

Fehlen uns sonach die Mittel das Biid des werdenden 
Lucian wieder zu zeichnen und die Dialoge an ihrem Piatie 
einzuflügen, so kOnnen wir doch zum Ersatz die EinflUsse 
ttberblicken, die auf ihn wirksam waren und ihn nicht bloss 
zur dialogischen Schriftsfellerei führten sondern auch weiter- 
hin deren Art und EigenthChnlichkeit bestimmten, wir künnen 
auf die Ausbreitung dieser Einfltlsse, ihre Sphären und gegen- 
seitige Berührung hinweisen. 

Die umfassendste dieser Sphären ist in gewissem Sinne 
die rhetorische. Auf Schrillen, die ihr angehören und in denen 
der Dialog als rhetorischer Zierrath dient, wurde schon hin- 
gewiesen (S. ilij. Im Gentrum der dialogisch-rhetorischen 
Sphäre befinden wir uns mit der Schrift über »^die Bilder« 
(Etxov£;) und der Schutzschrift »für die Bilder« (oicsp twv 
Eixovu>v) so wie mit dem Dialog ttber »die Liebe und ihre 
Arten« CK^mz^). 

iHeBlUar. In seinen »Bildern« hatte Lucian ein Thema heraus- 
gegriffen, das in der späteren Rhetorik beliebt war nicht bloss 
weü es Gelegenheit bot Redepracht und -PQlle breit zu ent- 



1] Dasselbe ergibt auch der Zusammenhang der Stelle: man tröstet 
die McnschtMi iiher die Vcrgöngliflikcit ihres Daseins, über den Tod, 
durch den ! Im weis darauf, dass au Ii H'ssere, ja die Besten diesem ge- 
meinen SLiiicksal nicht entgangen suiü (Uorat. carm. IV 7, <5 u. Lucret. 
ili 1025 mit den Lrkiarürn . 

S) *Ei difte icoXXol) ä^iov , Tb (UT* dXijftcia« «rI IwquooAvi^c e0|uvij xotc 

S) Vgl. auch Marths, Lea moraUstes 5. S4f. SS4. 



Ludaa: Bild6rdial<»ge. 



279 



ialten sondern auck weil es dem Kunstdilf'ttnntisiT^ns zusagte, 
der sich mehr und mehr in die allgemeine Bildung eindrftngte. 
Als geistreicher Mann und einer sophistischen Maxime ent* 
sprechend musste Lacian den gewohnten Stoff in neuer Form 
bieten; so wfihlte er für seine Schilderang die hier unge- 
wöhnliche Form des Dialogs (etwas Aehnliches bot das 6e- 
milde des Kebes) und schilderte auch nicht wie das dbli«^ 
war eine gemalte oder gemeisselte sondern eine lebendige 
Schönheit, die SmjTnäerin Pantlieia, die Gelieble des Kaisers 
Verus, uütiurch er uns nebenbei eine Datirung der Schrift 
rnii; glicht hat. Das Kunstbedürfniss befriedigte er, indem er 
nach der Analogie von Zeuxis' Schünheitsideal auch die Schön- 
heit der Paütheia als ein Mosaik fasste zusammengesetzt aus 
den höchsten Schönheiten die das Auge des Malers, des Bild- 
hauers oder auch wohl eines Dichters wie Homer erschaut 
hatte; und da er nun ausser der körperlichen auch die geistige 
Schönheit dieser Dame auf dieselbe Weise als einen Verein 
der verschiedensten Trefflichkeiten darstellte, die er aus be- 
rOhmten Beispielen der Geschichte und Sage zusammentrug, 
so ergab sich eine mit dem Üblichen Prunk sophistischer 
Gelehrsamkeit ausgestattete Gesammtdarstellung, der das dia- 
logische Mäntelchenj ein Gespräch zwischen dem Verfasser und 
Polystralos, von denen jener die körperliche dieser die geistige 
Schönheit preist, nur ganz lose urahing']. 

Eine Reclitfertigung dieser Schrift, da die Gefeierte selber Ftu die Bilder, 
einige Bedenken gegen das übermässige Lob hatte laut werden 
lassen, und im Zusammenhang hiermit eine Ergänzung, durch 
welche einige Tugenden wie die Frömmigkeit und die Bescheiden' 
heit in ein noch helleres Licht gesetil werden, ist die Schuts- 
schrift »fttr die Bilder«, abermals ein Gesprich und swischen den 
gleichen Personen. An sich würde es nicht gegen den Charakter 
eines sophistisch- rhetorischen Werkes Verstössen, wenn der 
vorgebliche Anlass desselben nur fingirt wäre weil der Schrift- 
steller sich eine Gelegenheit schaffen wollte um zu der firOheren 



4) Was Lneian und Polystratos sagen, Uesse sUdi eheoM gut zu dem 
nisammenidfngeDdea Vortrage einer einslgen Person vereinigen. Die Sache 
Ist hier ahnlich wie In Plntarchs Dialog «Ob die Land- oder Wassartbiere 
UOger sind« s. o. S. f 78 ff. 



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880 



\L Oer Dialog in der Kaiaeneit 



Lobschrifl einen Nachtrag zu geben. Aber hier widerspricht 
einer solchen Annahme theils die PersSnlichkeit^ um die es 
sich handelt, und sodann die Art, wie von ihr gesprochen wird^). 
Nur darf man sich hierdurch nicht verleiten lassen die histo- 
rische Grandlage dieser beiden Dialoge lu weit ausiudehnen 
und auch der Angabe am Schluss des ersten Dialogs tu trauen, 
wonach derselbe auf ain wirkliches Gespräch zurückgehen 
wUrde an dessen Aufzeichnung Liician und Polystratos in 
gleichem Maasse betheiligt waren -;. In dt«'s<Mn Falle würde 
allerdings der Dialog seinen sophislisch-rheluri.schen Charakter, 
der, zum Unterschiede vom sokralischen ursprünglich histori- 
schen Dialog, wesentlich mit in der Erdichtung beruht, zum 
guten Theil einbttssen. Aber Lucian hat selber in der Schutz- 
schrift daflir gesorgt, dass wir dieses MissverstSndniss nicht 
begehen'); indem er hier die Verantwortung für Aeusserungen 
trSgt die im Irttheren Gesprich vielmehr Polystratos gethan 
hat und indem er diesen seine Kenntniss des Gesprilchs erst 
ans seiner, Lucians^ Schrift schöpfen Usst^), gibt er deutlich 



4) Schon die detaillirten Angaben aber ihre Ablehnung dea Lobes 7 
Idingen hisloriacb, ebenso 8 das gant beatimmte ^axvf^ni oe toiavca 
ix^Xfgdtv. Vollends eine Bescbeldenbeil, wie sie sich 40 ttuaaert, würde 
fingiri einer fieleldlgang gleichkommen, und ebenso wenig durfte der 
Schrirtsteller 19 von sich aus, ohne durch wirkliche Aeuüserungen der 
Pantheia crmächtigl zu sein, orkinren, dass er mit seinen Vergleichnngen 
ihrer Schönheit zu hoch gegriffen habe. Dies hat 1. Bruns Hb. Mus. 48. 
103 nicht genug beachtet. 

2^ Hierzu bietet ein Seitenstück der rhetorische Dialog zwischen 
Karl dem Grossen und Albinus (Halm, Rhett. Latt. S. 525 IT.j : wenigsten:» 
nacb den einleitenden Versen ist er von Karl und Albinus gemeinscbaft- 
licb niedergeschrieben worden. 

9) Die gleicbe FIction in Saturn. 9, wo eine bistoriscbe Grundlage 
ausgeschlossen ist. 

4) Denn was, noch dazu durch den Mund des Polystratos, Pantheia 
Pro imagg. 7 dpin Lucian zum Vorwurf macht er sie mit Heroinen 

wie Penelo|H' Arete und Theano verglichen, t;itli lii' Mt I.iirian. sondern 
i'Wn den, dor der nächste Ueberbringer des Vurwurb ist, aber kein Wort 
über seine Schuld verliert, den Pol>hlralos (vgl. Imagg. 4 9 f. j. Derselbe 
geht so weit, dass er sich ohne Weiteres auf die Seite der Pantheia 
stellt und im Ansohluss an deren Aeusserungen seinerseits anlangt den 
Lucian lu tadeln (Pro imagg. IS f.J. Dass er selber die gleichen Fehler 
begangen, davon sagt er nichts. Davon weiss er offenbar nichts; denn 
sonst hätte er sich, etwa mit einer Cebereiluog im Eifer des mündlichen 



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tucian: Oeber die Liebe und ihre Arten. 



881 



genug zu verstehen dass jene Angabe über den Ursprung des 
Dialogs eine der vielen Fictionen ist, mit denen Dialogen- 
sohreiber oft nur spielend ihren Werken den Schein wirklicher 
Gespräche verleihen. 

So sind die IKaloge Ober die Bilder zwar Dichtungen, 
aber darum keine Erzeugnisse bloss der künstlerischen Laune 

Lucians, sondern straff genug hängen sie durch Pantheia, ihre 
Persönlichkeit uiui ihre Aeiisserungeu , mit der Wirklichkeit 
zusammen. Das Gleiche gilt auch von dem Dinloi^^ über udie üeberdie 
Liebe und ihre Arten«. Der Dialog verbindet na h j latoni- ^j^^jjj 
schem Vorbild die dramatische mit der erzählenden (jattung. 
In dem einrahmenden Gespräch unterhalten sich Lucian und 
Theomnestos. Der Letztere erscheint als ein Mensch von 
einer unilathlgen Sinnlichkeit, dem jede Art der Liebe recht 
ist Er hat am Tage des Heraklesfestes den Lucian bereits 
vom frühen Morgen an mit Liebesgeschichten unterhalten. 
Jetst vergilt es ihm dieser ebenfalls mit einer Enfihlung» wie 
er auf der Fahrt nach Italien in Rhodos mit swel Freunden 
dem Korinther Gharikles und dem Athener KaUikratidas au- 
sammentriflfty mit beiden weiter nach Knidos fSbrty wo sie den 
Tempel der Aphrodite besuchen , wie Angesichts der Statue 
des Praxiteles der Gegensats der beiden Genannten zum Aus- 
bruch kommt, von denen der eine ein ebenso fanatisdier Ver- 
treter der Weiber-, wie der andere der Knabentiebe ist, und 
schliessh'ch zu dem Hauptstück des Ganzen einem Streite der 
beiden liihrt worin jeder seine Sache in längerer Rede ver- 
theidigt und Lucian seines Amtes als Schiedsrichter waltet. 
Das Thema des Dialogs ist ein altes. Dass es aber auch zeit- VerUltaiM «a 
gemäss war. liri der LieiM-,diaIüg aus der plutarchischen p^^jj^s 
Schule, von dem schon die Hede war [o. S. i'-^O ff/ ; ja es Iii«))Ndi«l9g. 
besteht die Möglichkeit bei dem Gegensatz, der auch sonst 
zwischen Lucian und Plutarch ersichtlich ist, dass auch zwischen 



fiesprachs, entschuldigen uiusscn. Wesluiü) er sich aber ciilschuldipt. dns 
ist nur, dass er die Fehlor Lucians nicht sogleich, srhon hv'\u\ (M<>lcn 
Lesen der Schrift, gemerkt habe, sondern erst durch Panlheia darauf 
habe mÜBsen aaftnerksam gemacht werden: (Uv ^if icpfi-rov ditoiov 

xol odric ^PX^jMi xd 8(Mia fiYvdsxttv i»pl «utAv «tX. (Pro Imegg 1t). 



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282 



VI. Der Dialog in der Kaiaeneit. 



diesen beiden Werken engere polemuche Besiehungen statl- 
fanden 

Bedenken BGt Gnind Sind gegen die Echtheit der LueianscheD 
^dt^eit! Schrift Bedenken erhoben worden, die sich indessen wenn 
nicht beseitigen so doch abschwichen lassen durch den Hin- 
weis auf die Aehnlichkeit die swischen ihr und den Bilder- 
A«hBii<hk«it Dialogen besteht^). Auch in den • Bildern« (1) erscheint Lndan 
gjy'jjjj^^ als Verehrer der männlichen Schönheit, andererseits nehmen 
SchiUleruiitien, die dort das Thema bilden, auch in dem Dialog 
Uber die Liebe einen breiten Raum ein und geschieht auch 
hier durch Hemorkimgen über die knidische Aphrodite dorn 
iMudischen kunsldilettantismus ein Genüge. Der rhetorische 
Charakter sehimmert an den verschiedenen Stellen durch, in 
dem Dialog über die Liebe noch besonders in der Gonstitui- 
rung der Synkrisis zum Schiedsgericht (o. S. 476 ff.), aber 
nicht minder als in den Bilder-Dialogen auch in dar enkomi- 
astischenTendens'Jy dieselbe in dem weiteren Sinne genommen 
in dem die antiken Bhetoren unter Enkomion als Gattungs- 
namen auch die Tadelrede befassten^). Die Enkomlen der 
Form des Dialogs einzufügen, nachdem es firOher schon die 
Philosophen, Piaton voran, besonders in ihren Symposien 
und Todtenmahlen (^spiSeirva) versucht hatten, war jetzt ein 
Bestreben der Rhetoren geworden, wie die unter Lucians 
Namen erhaltene Lobschrift auf Demosthenes zeigt Der 
Verfasser derselben war ein atticistischer ühetor der Art, die 



4) Auf engere Besiehangen schelol die Aeimliolikeit der Anlage zu 
deuten. In beiden Werken finden wir die Form des elorahmenden Dia* 
löge, den noveUisttscben Cbarekter (S, 3S1 t\, Schlldeningen der Soenerte, 
wobei das Heillgttiuni der Aphrodite dem der Musen entspricht, mehr» 

fartie Anlehnung an den platonischen Pbaidros und an das Symposion 

(S. 232,2 . Der dialofjischo Slrt if ]<\ derselbe, führt aber zu einem ver- 
«srluodfiion Endo und wird von IMut;ir< h als Scbiedsrichter zu Oiinfiten 
dt t Khe s. i3l), von Luciao in derselben Eigeoschafl zu Gunsten der 
Knabenliebe entschieden. 

2J W. Schmid, Fhilol. 50, 302 f. 

3) Ueber die Bilder -Oialoge s. Ivo Brnos Rh. litis. 4S, S. 404 fL 
(dam o. S. SSO, 1). Schmid, Philol. SO, 801. 

4) Denn in den Reden über die Liebe wird von den beiden Rednern 
nicht so wohl die eigene Liebe gdobt als die des Gegners getadelt. 

5) I. Brnos Rh. Mus. 4S S. lOt, 4. 



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Luciaa. lieber die Liebe, Ober den Tsm, Anecbarsis. 283 

Lucian im Lcxiphanes verspoUet*). Und wie es in den 
Werken dieser Atticisten von Remintscenzen ihrer platonischen 
Lektüre strotzt, so finden sich solche, nur mit Maass und mehr 
Geschmack angebracht, auch in den Lucianschen Dialogen, 
¥on denen hier die Rede Ist. Das M^te hat der von den 
Rhetoren naturgemSss bevorsugte Phaidros beigesteuert, wenig- 
stens fOr den Dialog Ober die Liebe'), wo es ausserdem die 
Materie mit sidi brachte; aber auch in den Bilderdialogen 
fehlt es daran nicht']. Auch sur Philosophie haben alle drei 
das gleiche YerhSltniss. Der Yeri^ser scheint nach der Vor^ 
Schrift des ciceronischen Grassus von ihr sich so viel ange- 
eignet zu habon, dass er sie jeden Augenblick für seine 
Zwecke nützen kann der Schalk und Kyniker blickt hervor*) 
und daneben erhält die Verehrung für Piaton einen sehr ent- 
schiedenen Ausdruck®). 

Als ein rhetorisch-sophistisches Werk haben den Dialof^ UeberdM 
• über den Tanz« iirept op^irjaeu);) diejenigen bezeichnet, die 
ihn als echt für Lucian in Ans])ruch nahmen. Lucian fuhrt 
auch hier, wie gewöhnlich unter dem Namen Lykinos, das 
Wort und nimmt als Freund der Tanzkunst, insbesondere des 
Pantomimus, sie gegen die Angriffe des Kynikers Kraton in 
Schute, wobei er zum Lobe derselben audh auf ihre Anfönge 



1) Das von Lucian Lexiph. i4 verworfene 4j l*U steht in Demostb. 
enc. wiedeiholt gleich su Anfeng, noch tffter freilich (s. u.) im Lucian* 
sehen Philopseudes. 

2) Ich verweise nur auf 48. 49. 94. 84. 48 f. (Verse am Scbluss der 

Rede) 49. 

3) Pro iniagg. 16 Cwzzz^j atirri^ ^xeivrj; rapojSTj?. So wird nuch der 
j>chuue Knabe bei der Rede des Sokrates anwesend gedacht. Nach der 
Fiction 4 6. 28 soll Polystratoä Luciano Woiie mündlich der PanUieia 
ttberbriogen; so verabreden sidi ramScbluw desPhaidros Sokratesund 
Phaidros, von dem was sie gesprochen haben Isokrates und Lysias Kunde 
zu geben. 

4) Vgl. bes. Imagg. It. 46. 47. 48.90. Amor. 84. 

5} Pro imagg. 47 Diogenes cltirt. Ebenda 4 4 wird hervorgehoben, 
dn*;«; dem Spötter Lucian das Loben ungewohnt sei. Die AmoreS werden 
5 und 4 2 unter die Kategorie der azouSoY^Xoia gebracht. 

6) '0 ipiTToc Tä»v <p!Xo3o?po>v heis?<t er Pro iniagg. 28, 6 U&öc aWjp 
Amor. 34. 'ü Icpö; wird Plutou auch von der (PiXoaofia genannt, durch 
deren Hund Lucfan spricht Fugit. 48. '0 Uph<i nXdcwv bei den Neuplatoni« 
kern, wie bei Buseb. praep. ev. X 8,4S. 



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284 



VI. Der Dialog io der Kaiserzeit. 



und Geschichte eingeht. Der Dialog gehört einer besonderen 
Art der Dialoge an, die es mit der Empfehlung und Dar- 
stellung einzelner Künste und Disciplinen zu thun hatten. Die 
enkomiastische Tendenz vereinigt sich hier mit der historischen, 
wie ja auch das £nkomion nicht bloss den Keim des Epos 
enthielt, sondern auch in seiner Prosaform bei den Griechen 
der Geschichte, insbesondere der Biographie sehr nahe sland. 
Ein Beispiel bot uns schon der Pseudo-plutarchische Dialog 
über die Musik, mü dem vielleicht noch andere gleicher Art 
in Verbindung standen (o. S. 236 f.). Die Anlage der 
Gattung sind bei den Peripatetikem zu suchen und das erste 
Yorbild mag Aristoteles mit seinen Dialogen (I S. 278. 
288, 1) gegeben hiiben. Peripatetiseh-aristotelisch ist daher 
auch der lange Vortrag, der nach dem kurzen Vorgespräch 
den Hauptinhalt der Sehnft bildet, und der Principal, den 
Luciau sich schon hierdurch sieliert, noeh mehr aber, weil ef* 
ihm gelingt den Gegner dadurch ganz und gar umzustimmen 
und auf seine Seite zu ziehen. Rührt die Schrill wirklich 
von Lucian her, was gerade in neuerer Zeit wieder bezweifelt 
worden ist, so belegt sie uns dessen Worte (Bis. accus. 32] 
wonach er mit seinem lieben Dialogos nicht bloss in der 
Akademie sondern auch im Lykeion zu wandeln pflegte. 
Anacbaraia Ztt dcm Dialog über den Tanz bildet eine Art Gegenstück 
der Anacharsis oder «Uber die Gymnasient wenigstens 
nach hellenischer Auffassung, die in der Orehestik einen Theil 
der musischen Kunst und Bildung sah und diese letztere der 
gs innustischen gegenüberstellte. Wie sich beide Dialoge in 
den Gegenstanden berühren, so ist auch die Bebaiullung die 
gleiche, rhetorische, resp. peripatetische : in längerer Rede wird 
das üauptthema abgehandelt. Doch ist im Anacharsis durch 
die FictioOy dass die Rede vorm Areopag gehalten wird '), es 
möglich geworden dem dialogischen Element grösseren Spiel- 
raum zu verschaffen. Auf den Hhetor deutet wohl auch die 
Reminiscenz gerade aus Piatons rhetorischem Dialog Phaidros, 
die sich in der Schilderung der Scenerie kund gibt 2); und 
ebenso mag man unter die rhetorische Schablone die 



1 19. 21. 

16 u. 18. Vgl. 0. S. 283, i u. 3. 



Lucian: Anachanis. 



gekünstelte Natürlichkeit des AnrangB bringen Die Tendenz 
ist dem Anacharsis mit dem Dialog vom Tanze gemein: beide 
Mal gilt es die freie Biaihe und Kraft des Lebens lu ver- 
theidigen gegen die überspannten Forderungen einer pedantischen 
Moral und beide Mal ist der Gegner mit dem gelLfimpft wird 
ein Kyoiker, der in dem einen Dialog olTen und durch den 
Namen Kraton charaluterisirt hervortritt, in dem andern sich 
hinter der Person des Anacharsis verbirgt 2). Dieses Eintreten 
fttr die brQchig gewordenen Formen und Ideale des Hellenen- 
thums ist ganz im Geiste der späteren Rheloren und Sophisten ^) 
die nicht .»uj ufiiigsteii hierdurch eine culturgeschichtliche 
Bedeutung erlangt haben; Lucian der hellenisirto Bnrbnr geht 
auf diesem Wege rücksichtsloser und consequt ntcr vor als 
selbst Plutarch^), weil er eben nicht so wie dieser durch 
philosophische Bildung aniiekrSnkelt war. Aul' nichts war seit 
Alters der Hellene so stolz als auf seine Gymnastik, ihr vor- 
nehmlich galten die grossen Nationalspiele, durch sie schied 
er sich von den Barbaren. Alter und Bedeutung dieses 
Streites um die Gymnastik konnte Lucian nicht besser klar 
machen, als indem er ihn an die Namen des Selon und Ana- 
charsis knüpfte. Zu Grunde legte er eine Ghrie, auch hierin als 
Rhetor verfahrend (0. S. 445, 4), und band sich damit selbst 
die Hfinde, dass er nicht den gewünschten Ausgang herbeiftihren 
and den Hellenen über den Barbaren siegen lassen konnte*). 

4) To&ca ( k &|fcTv «tX. o. S. i 07, S. Deber dm fthnllch abrupten SchloM 

8. I S. 334 f. II S. 49, 4. 

i] Die«? hat nachgewiesen R. Heinzc, Philol. 50. 4 58 ff, 

8) Heinzc a. a. 0. 4 58. 1. Vgl. auch Schmid Alticism. I 219. 

4) Bei PUitarch de uudientl. poet. <3 p. 3'« D wird das ipry^ixoTTtTv 
dem x'jße-jetv, xairTjXejciv u. s. w. gleicbgesteUt und eines edclgobu reuen 
Hellenen lUr unwürdig erldllit, wtthrend Lvcian Anach 37 es aiudrttclc* 
lieh in Schutz nimmt und seinen Nutzen fttr die Charakterbildung aus- 
einandersetzt. Dagegen missbUllgt auch Lucian a. a. 0. — oder wenigstens 
liegt oine solche Missbilligung in (h'v Conscqucnz seiner Worte — so gut 
v, \e PlutaK h (Iir> blutigen Kampfe der Gladiatoren, weil diese eben nicht 
einer althellenischen In«ititution entsprachen. 

5) Hierauf und auf den Ursprung des Luciun^chen Dialogs hat mit 
Recht hingewiesen Heinzc a. a. 0. Durch die Vcrgleichung mit dem 
Dialog Uber den Tanz tritt der Zwang noch mehr hervor, den im 
Anacharsis die historische Tradition Lucian auferlegte: denn dort wird 
durch den Vortrag des Lykinos der Kyniker in geradezu verblttfTeoder 



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286 



VL Der Dialog in der Kaiseneit. 



Ind«m er so den Gegensats des klagen feinen Hellenen 
und des etwas eihfSltigen Skythen weiter ansarbeitete, fand 
er nicht bloss Gelegenheit se&ie satirische Laune su seigen^) 
sondern kam auch einer ZeitstrOmung entgegen, die nach 
der Natur surückdringte und deshalb solchen Naturburschen, 
die wie Anacharsis fKsob aus der Hand der grossen Güttin 
gekommen zu sein schienen, einen guten Empfang sicherte. 
Darum hat den Anacharsis auch Plutarch von dieser Seite her 
gezeigt als er ihn in sein Gastmahl der Weisen aufnahm und 
lässt ihn gleich voa Anfang an gegen seine hellenisch civili- 
sirte Umgebung abstechen {3 p. 148 G). Die Schilderung sky- 
thischer Personen und Zustände kam in die Mode, wofür 
DiODS Borysthenitische Rede ein weiteres Beispiel gibt. Man 
empfand ein Behagen an den Gontrasten von Natur und Gultur^ 
die SO hervortraten, man arbeitete aber auch an der Ueber- 
windung dieser GegensStse. Das letstere aeigt sich deatUch 
an einem anderen der skythischen Dialoge Lucians, dem 
» Skythen t (o, S.272): in diesem wird das Verhlltniss swischen 
Anacharsis und Seien als Vorbild herbeigezogen, an das sich 
weitere Freundschaften zwischen Hellenen und Barbaren an- 
schliessen sollen. Lucian redet dort (9) als syrischer Barbar 
im eigenen Interesse. Weniger stark zeigt sich dasselbe Be- 
streben im Anacharsis, wohl weil es hier durch den besondem 
Zweck des Dialogs beeinträchtigt wird Am stärksten ist es 
im Toxariü ausgeprägt. 

Welse umgestimmt. — llebrigcus hat Relnze, obgleich er die Frtfe 
nach Lttciaoft Quellensclirift aufwirft and erörtert, Luciana eigene Nach- 
richt (Scytha S) dass er solche Angaben der Schrift eines Theoxenos ent- 

nommen habe, so viel ich sehe gar nicht berücksichtigt. 

1) Die komische Naivetüt des Anacharsis zeigt sich beinahe \i{»er.i!l 
wo er sich mit Fragen oder Einwänden an Solon wendt't. / B mus> 
er geradezu eingestehen, das-; er m einfhUig sei Soloiis Worte zu 
st«hen. Ein pos«ienhaflerWit/ -t« klin3y. Aikü hursi» i^piell einigcriudasseu 
die Rolle de> dummschlaueii üaucrn. Solon ist als Hellene, insbesondere 
aber als Athener charakterishrt: dämm ttberiftsst er es den SpatUneni 
Ihre eigenthUmlichen Institationen selber tu rechtfertigen (S9]. Wem er 
sagt, die waclLem MKnner, davch welche die Athener sur Sittlichkeit er- 
zogen wurden, hiessen Sophisten und Philosophen (SS), so Ist dies »>tTen- 
bar ein Annc-hronismus, ebenso olTenbar aber dass er ihn beizi'heu 
mussle um der l.ucianschen Ironie willen die in dieser nemerkunc Ufwt 

i! Doch darf nicht Uberselien werden, dass der Anaebarsi:^ vor *Wm 



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LnciaD: Tosarls. 287 

Der Grieche Maesippos und der Skythe Toxaris rittimea TmtiB, 
ia diesem Gespräche jeder dem andern gegenOber seine Lands- 
lealCy weü sie Treue in der Freundschaft tu haiton vermögen, 
und enShlen sidi cum Beweise dessen die verabredete Zahl 
von je ftlnf Geschichton. Die vorliegende Synkrlsis schliessi 
wie andere durchaus friedlich'): die beiden Parteien verlragen 
sich und der Grieche und der Skythe reicheu sit h über die 
nationalen Schranken hinweg die Hand zur Freuodschatl. 
ist nicht blos der Name des Toxaris , der diesen Dialog an 
den «Skythen« Lucians knüpft '\ Beide verhRlten sich wie 
Gegenstücke zu einander: von einem Cult hellenischer lleruea, 
des Orestes und Pylades, im Skythenlande geht der »Toxaris« 
aus, von dem Gült des skythischen Heros Toxaris in Athen 
der »Skythe«; im »Toxaris« läuft es darauf hinaus dass der 
Grieche dem SlLythen die Freundschaft anbietet, im » Skythen 
dass der Barbar, Luclan, die Freundschaft der Griechen sucht. 
Beides sind rhetorische Werke. Lucian spricht sich darOber, 
was den »Toxaris« betriflt, liemlich unverblfimt aus. Die bei 
den Griechen tlblichen »Reden von der Freundschaft t (too^ 
«tpl tfOdobz verachtot der Skythe (9) und will statt 

dessen Thaten sehen. Nicht eine der uniähligen Erörterungen, 
wie sie die Philosophen seit Theophrast und schon vor ihm 
über diesen Gegenstand anzustellen pflegten, soll geboten 
werden sondern eine lieihe \on Beispielen und Geschichten, 
in denen sich die Freundschalt wirklich bethätigt hat. 

Skythen abgefasst sa sein scheint. Mir scheint dies daraus iiervoRU- 
gehen, dass im Anacharsis (4S) der Mann dieses Namens durch den Ruf 

(«orrd xMo;) Solons nach Athen gelockt wird, im Skythen dagegen (5) 
erst Toxaris es ist, der ihn in Athen auf Selon aufmerksam macht und 
dann gleich die Bekanntschiift vurniittelt. 

4) Und stwar, was ausdrücklich hervorgehoben wird, ohne dass ein 
ot>taarr|C xoü Xö-cou eingesetzt war (62), o. S. 282. 

5) Damit soll nicht gesagt sein, dass er einrach dem »Skythen« 
entnommen und für diesen von Lucian erdichtet sei. Das letctere ist 
die Ansidit von L« von Sybel Herm. XX S. 46 und SO, dessen Skepsis 
mir zu weil geht. Wenigstens wenn wir den »Toxaris« für ein Werk 
Lucians halten, müssen wir annehmen dass dieser Name vom Schriri- 
Hteller als ein damals bekannter skythischer gewählt wurde. Auch der 
Heros Toxaris wird seinen Halt in der rpherlieferung gehabt haben so 
gut wie Anncharsis und nur die Vermittlerrolle zwischen diesem und 
äolon ist ihm von Lucian angedichtet. 



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S88 



VI. Der Dialog io der K«i§eneU. 



Dadurch dass sie Beispielsammlungen an die Stelle von 
Gedaokenketten seUten, hatten schon die Peripatoliker ihren 
Schriften einen eigenthtbnlichen Charakter tum Unterschiede 
namentlich von den platonischen gegeben; Lacian geht aber noch 
weiter, indem er alte Beispiele verpönt und nur solche aus der 
Gegenwart gelten iSsst (10); damit war gesagt dass seine Schrift 
HoTelliitischer nicht einen historischen Charakter wie die peripaletischen son- 
dern einen novellistischen tragen sollte. Der Ankündigung 
entspricht die Auslührung. ScIumi duss so viel geschworen 
wird um die Wahrheit des Erzählten zu bok r.i tilgen '\ niuss 
uns argwöhnisch machen, noch mehr als bei Plalon wenn be- 
sondere Anstalten getroffen werden um uns die Glaubwürdig» 
keil einer Mittheilung einiureden. Im Einielnen können wir 
noch den Dichter entlarven^, der sich namentlich auch als 
Satiriker seigt^) und so dem Gänsen erst die Lucianscbe 
Farbe gibt. Dieses Ganse ist sonach eine Sammlung von No* 
Vellen; der Dialog dient nur als Entkleidung und hat kaum 
eine grössere Bedeutung als die einleitenden GesprSche des 
Decamerone und als das Dialogische im Dialogus Miraculorum 
des Cäsarius von Ueisterbach oder in den Canterbury Tales. 

In den besprochenen Schritten forderte das Wesentliche 
des Inhalts, mochte derselbe nun in Schilderungen, in Er- 
zählungen oder in einer Lobpreisung besteben, die Vorm der 

1) ii. 4y. 3fs. V;;|. auch 60. 

2) Momniscu Himi. Gesell. V 293, i. Die Worte des Abauchas (61) 
sind eine Nachbildung dessen was die Frau des Intaphrenes bei Ucrod. 

sagt. 

S) Die Schilderung der Skythen und ihrer VerhSItaiwe hllt sich 
durchaoB wie Im »Anacharsts« auf der Unie swlscbea Achtung und 
Spott Gelegentlich hat es Lucian sich nicht versagen können durch 
(Jebertrelben des Erhabenen und Heroischen den Schritt ins Lächerliche 
zu thun: so 4! wo er auch den andern I reuiui ohne olle NoÜi sicli 
blenden itisst und 42 wo er hocii^^t ernsthuft crzUhlt dass den beiden 
Freunden gegenüber auch der Lowe seii» ordentliches Grab erhalten. In 
einen komisrlien ('ontrast mit fretudcr liiigebung wird die skyihische 
Sitle 45 gebracht, die vom König seinen Gästen zum Spenden darge- 
botene Schale Wein trinkt ArtakoBies auf einen Zag aua, wie dies so 
Skythenbraucb sei. Würe es Ihm nicht auf eine komische Wirkung an- 
gekommen, so liMtte Lucian diese fUr den Zusammenhang ganz gleich- 
giltlge Thatsache gar nicht zu erwifihnen braueben. 



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LuciBD: Ceber den Parasiten, HarmoUrnos. ihii 

nuammenhSngenden Rede; der Dialog war nur wie eine Zu- 
gabe, ein äusserlicb anhängendes Ornament. Anders ist es 

in solchen Fällen, in denen es sich darum bandelt einem 
Andersdenkenden und dessen Einwänden gegenüber Schritt 
für Schritt entweder die eigene Ueberzeugung zu begründen 
oder die fremde zu widerlegen. Beispiele dieser Art hat uns 
Lucian im »Parasiten« und »Ueruiotimosa gegeben. Hier ent- 
springt die Form des Dialogs uus dem Inhalt and der Dialog 
tritt in seine alt«n Rechte ein, wie sie ihm namentlich die 
Philosophie gewfthrt hatte. 

Kann man insofern diese Dialoge als philosophische in üeber den 
einem besonderen Sinne besdchnen, so ist damit doch nicht ^™^^* 
gesagt dass es in ihnen Lucian mit der Philosophie wirklich 
Emst gewesen sei. Im Gegentheil gibt sieb die Schrift »Uber 
den Parasiten« ohne Weiteres als eine Parodie auf den solcra- Vteodi» taf 
tischen Dialog zu eritennen'): die ehrwürdige Form «'^»«©^t'en ^"j^'^'J^^ 
ist hier auf einen aiiidngen Gegenstand au|^cvvaudt. und nach 
derselben Methode, die sonst dazu diente Werth und Wesen 
der Dialektik, Rhetorik und ährdicher Disciplinen unti Künste 
zu erörtern, wird hier ilie Kunst des Schmarozcrs besprochen. 
Ein Parasit selber, Namens Simon, ist es, der hierüber neue 
Wahrheiten vorträgt und den Xychiades, unter dem man an- 
nöthiger Weise Lucian selber gesucht hat, zu seinen Ansichten 
f a bekeliren sucht und auch wirklich bekehrt. Neben der 
Parasitenkunsi kommen auch diejenigen, die sonst als die 
höchsten gelten, Philosophie und Rhetorik, nicht in Betracht 
(26). Dieselben existiren überhaupt nicht, wie vom Stand- 
punkt und mit den Mitteln der Skeptiker daraus geschlossen 
wird dass Über ihr Wesen die verschiedensten Definitionen 
umgehen (27 ff.V Dagegen die Parasilcnkuii.sl entspricht allen 
Anforderungen dev Stoiker an eine Kunst im vollen Sinne des 
Wortes (4). Und der Parasit stellt das wahre Menschenideai 
dar, nicht der Philosoph oder Hhetor; er ist frei von den 
Fehlern und Lastern, au denen diese leiden. So springt auch EAfakmion. 
aus diesem Dialog am £nde ein Enkomion heraus und zwar 
eins von der paradoxen Art, wie sie schon die alten Sophisten 
liebten. Hierin haben wir offenbar die Hauptabsicht au suchen, 



I) Vgl. bes. Gl. 

Birt«l, niftl«f. II. 19 



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290 



VI. Der Dialog in der Kaiserfeit 



die Lucian hol der Abfassung dieser ziemlich harmlosen Schrift 
leitete, und brauchen uns durin nicht durch gelegentliche 
Hiebe gegen die Rhetoren nicht minder als gegen die Philosophen 
irre matten lu lassen. Das Thema konnte dnieh die mittlere 
und neue Komödie gestellt werden, die audi in der Aus- 
arbeitung schon ein gutes Stück yorangegangen war.^) Um 
das Enkomion noch mehr als Garikatur erscheinen xu lassen, 
waren wohl noch einige verxerrte Züge aus Phaldros* und 
Pausanias' Lobreden auf den Eros in Piatons Symposion ein- 
^eliigl worden zunächst luochle dies gegen die Flaloniker 
und deren anwesenden Vertreter Tychiades M] gerichtet sein. 

Der Skeptiker, der schon im Parasitns £ielecenlich durcli- 
biickte und die Existenz einer Philosophie leugnete, herrscht 
Hermotimoa. duTch den ganzen Dialog im Hermutimos. Den Uermotimos, 
einen bejahrten Anhänger der stoischen Philosophie, der nicht 
müde wird darin weiter zu studieren und sich su ttben, macht 
Lykinos auf das Vergebliche seines Bemtthens anilnerksam; 
denn weder vermögen wir Im Theoretischen su erkennen, weiches 
die wahre Philosophie ist, noch sind wir im Praktischen im 
Stande die von ihr gesteckten Ziele su erreichen. Der Grund 
aller Philosophie, nicht bloss der stoischen, ja aller Wissen- 
sdiaft, auch der Mathematik wird abgegraben ; die Mittel sind 
die gewöhnlichen, die Lucian der Küstkammer der Skeptiker 
entnahm. Nirgends zeigt sich l.uciau so als Philosoph als 
in diesem Dialog, in dem or aller Philosophie absagt d. h. 
uirgeads geht er ihr so ernsthaft und mit Gründen zu 



1; Schon »Iii- Noii .lacobi im Iudex an^^i'fiihrton Stcllpn 2t'i_-iMi ' iite 
jiuffallpiuff rclx itiinsliinmung mit Lucians .SrhriU, »uwuhl was di»» Hifjeu- 
scliiiliL'u de?, i'arasilcn wie das Aller seiner Kuost betrilTl. — ^iab w 
eine Schrift Aristipps Über die Parasiten? xoof&fjooit SS ISstt dies vermoUiea 

2} Alter der Parvsitenkunst (Sympos. p. 478B}. Patrokiot alcbl 
der Freund de» Achill sondern sein Parasit 47 (1?9Bf.V ArislofwiliMi 
der Parasit des Harmodios 48 (I8SC). TapfBikeit des Parasiten '.o tr. 
{178 E f.) auch im Frieden übertrifU er alle Andern 5i ff. 178E. Der 
Parasit ist l)ereit alle Gefahr mi( seinem Ufirii ixi bestehen, unlor l m- 
sliindeii au«:!i 7U 'Sterben wenn er erst mit ilim gegessen hm 'j^. 
«hirf wohl alt >vni{i 179 \ ff. erinnern Im l ehnten \erkeua« uh nii Ii>, 
liass die Aehnliehkeil .iiich daraui lit-ruhcu l^uun da>s beide h'ukotuicu 
di4* riietorlschen VonM-hrifltm über solche Reden b^obaobt«len. 



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Ludan: Vom Tanz, Nigrinos. 



891 



Leibe Htfohsteas su Anfang, in der Schiiderang des Her- 
motimos, xeigt sieh eine gewisse Ironie, sonst erlsennt man 
l»am den Satiriker wieder; die Besiehimg sa einer Menippea 
ist daher fem su halten^). Den Rhetor kann er auch hier 
nicht verleugnen; derselbe verrSth sich in der Verschwendung, 
die mit Bildern und Gleichnissen getrieben wird'). 

Dem Hermotimos ist mit dem Dialog Über den Parasiten 
noch gemein, dass in Beiden die Bekehrung zu einer andern 
Ueberzeui^ sich überraschend schnell und gründlich voll- 
zieht. HeriuütiiiiüS nach einem langen ausschliesslich der 
Philosophifi gewidmeten Leben, der /u Aiilinig des Dialogs 
noch ihr begeisterter Verehrer ist, hat sich am Schluss in ihren 
erklärten Feind verwandelt, ebenso wie der Platoniker 1 ychiades 
durch Simon bestimmt wird den Beruf eines Parasiten zu er- 
greifen. Es ist daher ganz in der Weise Lucians dass auch im 
Dialog ^ vom Tans« (o. f.) Kraton nicht bei seiner kynischen Von Ttoi. 
Starrheit bleibt sondern nach Lykinos' Vortrag nicht einmal 
einen Versuch der Entgegnung macht, vielmehr er, der Anfongs 
StraQiredigten gegen den Pantomimus und seine Zuschauer 
hielt, sich zum Sdiluss ohne Weiteres einen Plats im Theater 
bestellt. Man könnte denken dass Lucian hiermit die Ober- 
01chliohkeit philosophischer Ueberseugungen habe andeuten 
wollen. Wahrscheinlicher ist dass er nur seiner eigenen Er- 
fahrung und Auffassung folgte, die ihm dergleichen als ganz 
natürlich erscheinen iiess. Daher lässt er auch tien um- 
gekehrten Uebertritt von einer andern Lebensart und -An- 
schauung her lur Plnhjso{)hie an sich und Andern mit derselben 
verblüilejidt II Leichtigkeit und Geschwindigkeit vor sich gehen, 
wie uns das die Schilderung im «Nigrinosflf vor Augen führt. 

Lucian triüi hier mit einem ungenannten Freund zu- Hifrinos. 
sammen. Derselbe spricht ihm sein Erstaunen aus dass er 

1) Ja er scheiat sogar den Namen eines ^tX^oo^o« für sich in An- 
spruch KU nehmen nach 76: iX(ifot$ V9c* icdlyu Mtxwt 6i:^dv(p£(ac tviK- 
pwat Xiyciv Stt i^ntftijvTett «al Toi^c dIXXoue diBorrpiicetv xSn icttpoi- 
|&£v(MIC. cl Ä*o5v'tWi TOlOüTw ivTU/ot;, i;ftXaXTHY t. /AUt töv toioOtov -mA 
^pY]9T^ xat (ixctiov xai, sl ßouX«^ ftXöoo^ov' oü y^P ^ f^ov^aaipii to^rtp 
|a4v(^ -o'j äv6(i.aTo;. 

2 Krilzsche, Prolegg. Ii 9 S. XXVU f. Riese, Varroiii» «all. iä^ix. S. 25. 
Üagegeu W. Schund Phil. 50 S, 3ü8. 

8) FrUzscüe, Prolegg. Ii 4 S. XJV f. 

49* 



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298 



VI. Der Dialog in der Kaiaertelt. 



ein anderer Mensoh geworden und seine bisherigen Genossen 
verachte. Ladan ersShlt ihm, dass er eines Augenleidens 
wegen in Rom gewesen, dort den Piatoniher Nigrinos besucht 
habe und durc^ ihn cur Philosophie bekehrt worden sei. 
Auf Wunsch seines Plreundes muss er ihm den Vortrag Nigrins 
iniltheilen, der diese erstaunlicbe Sinnesänderung bewirkt hat, 
und die Folge ist dass auch der Fit und beschliesst fortan 
der Philosophie zu leben. Dem Dialog ist ein Sehreiben 
Luciaos an Nii^rin vorgesetzt, der das Ganze als ein Zeichen 
nicht seiner Beredsamkeit sondern nur seiner Gesinnung 
betrachten noiöge. Dieses Schreiben widerlegt die Meinung 
dass Nigrinos ein Pseudon]|D sei unter dem sich der bekannte 
Platcmiker Albinos verberge. Bs bestätigt uns weiter den 
historischen Charakter der Schrift. Wir mOssen dieselbe als 
ein airo(»vi}(aov8u|&a ansehen, und als solches giebt sie sich auch 
durch die von Lucian selbst eingestandene Unordnung (aTofittaK 
ouvt(p(ftv 8) SU erkennen, welche die rhetorische Forderung 
an Schriften der Art erfDlit (I S. U6, 1) und sich daher 
ebenso in der gleichartigen über Demonax wiederfindet 2). 
SlitoriMhe Diese historischf Grundlage giebt dem » Nigrinos* unter den 

^''"^•••* iJi.ilocen Lueians eine ganz einzige Stellung^). Zu einem voll- 
giitigeu Documenl über Lucians philosophische F'ntwickelung 
wird er indessen dadurch noch nicht, in dieser Hinsicht hat man 
mit der Schrift oft Missbrauch getrieben. Historisch ist darin 
nur der wesentliche Inhalt von Nigrins Vortrag ; das Uebrige, 
die Wirkung auf Lucian und indirekt auf seinen Freund sind 
freie Zuthat des Verfassers. Man begreift gar nicht wie 
Nigrins Worte, die die Unseligkeit des rSmischen Lebens und 
Treibens schüdem, einen Nicht-RDmer wie Lucian daher nicht 
weiter persönlich berOhrten, doch auf diesen einen so Aber- 
wfiltigenden Eindruck hervorbringen konnten; und vollends 
ist es fabelhaft dass diese Worte auch iu ihrer indirekten 
Form die gleiche Wirkung auf Lucians Freund Qben. Lucian 

4) FritKSCbe, Luden II S S. 51. 

t) Um das Wesen eines dzo^sr^^l.6'^vJ^t,a voU su machen werden 
nicht bloss Hlttheiluogen gemacht über die Reden Nigrins sondern svch 
über sein Leben und Handeln S 1 4S. SS. 

3) Kaum ist damit tu veiKlelehen was man etwa eis bislorisebe 
Grundlage des »Bunocbos« anerkennen iiann. 



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Lucian: Nigrinos, ffettrengespiilcbe. 293 



schildert uns dies mit einer UeberAchwäiiglichkeik) die wir sonst 
nicht gewohnt sind bei ihm ernst zu nehmeD; er trägt einen 
philosopluscbeo Hocbmutb lar Schau, der sonst gerade die 
Zielscheibe seines Spottes ist Wir werden noch argwöhnischer, 
da wenigstens in einem Falle die historiscbe Wahrheit sich 
unter den Uebertreibongen nicht hat ersticlten lassen: denn 
Niemand wird es Ludan glauben dass er in Folge seiner 
Bekehrung tum Piatonismus auch seines Augenleidens gSnslich 
vergessen habe, ') um dessentwillen er doch allein die Reise 
nach Italien unternommen hatte. Vollends wird man der 
ganzen k( hningsgeschichte den Gluulien versagen, wenn 
>i( h her iusslrlll dass sie nur die Kopie eines iiltereii Originals, 
der Bekehrung Apoiiudors bei Piaton ist^). Luciuns Piatonismus 
und Lucians Philosophie bewähren sich der eine in erborgten 
Worten und Wendungen^), die andere in einem kunstvoll 
durchgeftihrten Gleichnis*), also beide lediglich rhetorisch. 
Man wird daher annehmen mfiasen, dass Lucian als er dem 
befreundeten Nigrih noch einmal seinen Dank flir dessen 
Vortrag ausspredien wollte, er die Wirkungen desselben in 

1) 4 &rK oi^f -A wttdtaxw, to^ i^p9aX|««!* |Aiv xal tfic ictpl dvti^ 

(iijv • D eXr^Berv f-xo ximi aür?;'v TOflpXöbrrousav ircpt^ipwv. Die historische 
Wahrheit ist hier der rhetorischen Antithese geopfert. 

i Sympos. p. 472 C ff. .4po!lodor und Nigrin ersoh< ini n ihrer Um- 
gebuug als Ka:»eüde (fjtaiv&ijLcvo! . Beidr hiicktMi ihrerseit.>< vorn dipfel des 
neueo, durch die Philosophie Kewoticienen Glücli!» mit Verachtung auf 
die Aadem herab, iuBbesondere euf Belchthum und alle sogenamiteii 
Gttter der Welt, Beide finden einen Genuss darin sid» die Reden Ihrer 
Lehrer immer von Neuem zu wiederholen und dadarch besser einiu- 
prSgen, vgl. bes. Nigr.l n. S. Dass Laelen Piatons Symposion vorsdiwebte, 
zeigt auch Nigr. 95, wo der Eindruck des NIgrio euf Lucian mit ähn- 
lichen Farben pe^^childert wird wie im Symposion p. 2t 5 C ff. der des 
Sokrate.s auf Alkihiades; die IdeXoSouXxCa Nigr. 23 stammt ebenfalls aus 
Sympos. 1 84 C. Zwar nicht bloss, aber doch auch an das Symposion 
erinnert die Form des einrahnu-nden fiesprachs. in dem wie dort Apollo" 
dor 80 hier Lucian sich mit einem ungenanulen KTaipog unterredet. — 
Anf die Aehnlichlfeit von Nigrin 4 u. 4-7 mit Komtfdien-Stellen weist 
überdies hin Tb. Kock, Rh. M. 4S, 4S. 

3) S. vor. Anm. Auf dee cu npdtreiv im Briefe an Nigrin bette 
scAion J. Bernays Ludan und die Kynilcer S. 4 a. S. SS hingewiesen. 

4) Ausdrttciclich werden hierauf die cpiXtSso^ot Xd^ot (35) beschränkt, 
die Lucian von sich aus dem von Nigrin Gesagten 86 1 hinsulülgt. 



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294 



VI. Der Dialog in der Kaiseneit 



seiner Höflichkeit ironisch übertrieb. Nigrin, der Lucian 
kannte, konnte dadurch nicht getäuscht werden, und Niemand 
sollte Überhaupt getäuscht werden der die echt Heinc'sche 
Schliuspoinle liest, in der Lociaiis scbwSmender auch den 
Freund ansteckender Enthasiasmus mit dem Bis« eines tollen 
Hundes yerglichen wird'). 

Einer poesiearmen Zeit bot die Rhetorik allerlei Surrogate 
und pflegte die Prosadichtungy der sie sich entgegen dem 
strengeren Stilgefühl des höheren Alterthoms schon lingst 
sagewandt hatte, jetst mit ungewöhnlicher Fnichtbarlrait 
Diesem Zuge der Zeit folgte auch Lucian, audi er natflrlieh 
in dem engeren Gleise das ihm gerade seine besondere Neigung 
und Begabung vorsclirieben. weder zerschmolz er in Lyrik 
noch blähte er sich zur Tragö(ii*' ;Hif, wohl aber lachte und 
spottete er mit der Komödie uiul deren Verwandten in der 
Literatur. Die Stücke der mittel- und neuattischen Meisler 
reizten ihn zu den »H etärengesp rächen <^ die ja freilich 
nur einzelne Scenen darstellen, aber doch gerade so viel als 
dem Publicum der Zeit bei mtkndiiohem Vortrag auch von den 
alten Komödien geboten zu werden pflegte, und Aigen wir 
hinsu, auch von den alten Tragödien geboten wurde sodass 
sein Verfahren in dieser Hinsicht dem des Dion Chrysostomos 
gleicht der eine einielne Scene des euripideischen Phüoktet 
paraphrasirte (o. S. 4 06 f.). Die Herkunft von der Böhne verrflth 
sich deutlich in der Art wie die am GesprScfa betheüigteD 
Personen auf- und abtreten.*) Einfache schulmfissige üelber- 

i] 38: oi^tta i^p Zxt %n\ ol zpö; t&v xuvüv täv Xyrrtovroiv iij^^Wvrt« 
o'jx ajTol fjLovot X'jTttt>3tv xtX. Den Sinn, den l.ucian mit diesen Wort«« 
vorbindet, hegreift man erst völlig, wenn man den Schluss des Hermo- 
tinos. vergleicht: zO.oi^^to oe ^; tö ).oizöv xöiv axov ttots 6^«) ßiol'»-. 
ivTjytu, ojTtu; txTpar^-sofjiat xoi repiarfjSoiiai Aarep r'i'j; ).'jr:rövTi; rGj-» 
-/.jv&v. Als Anspielung auf diese Worte gefasst wird die Bemerkung 
im »Nigrinos« noch witziger (dieselbe Vergteichung auch Philopseiid. 41 
und im Philopatris i7 wo es Nachahmung Luciautt ist) und w«iiigsl«ii» 
die nenerdings versuchte chronologiscbe Ansetiuog des Hermotinos bt 
kein Hindeniss eine solche Anspielung ansunehmen (o. S. 177 

2' 9. 4 bezielil sich das auch im Drama gebräuchliche (iotlvst auf 
ein Verlassen der Bühne, ebenda '.\ f. das Hinzutreten neuer Personen 
! i gelst^^ <in'^ fort und kommt 2]no]i durauf wieder lUrürk, i*, 
verlassen Hymnis und üramuus die Buhne. 



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Lucian: See- o. Güttergesprüche, Prometheus, Göttervcraammlung. 295 



(jK>tt«r- 



tragimgen in Prosa waren darum die kleinen GonverBations- 
stacke gewiss nieht, aucli In den abhfingigsten wird sich eine 
geistreiche Lucian elgenChflmliche Wendung gefunden haben, 
die ihnen ein Recht der Existens sicherte und durch die sich 
ihr Verfosser Ober den blossen Nachahmer tum Rivalen erhob. 

Derselben Art sind seine »)See-« and seine »Götter- Se»- und 
gespräche , keine Satiren') wie man längst eingesehen hat 
sondern humorvolle Darstellung wie wir sie schon aus Homer 
kennen : kleine Scenen aus der Masse der überlieferten Mythen 
ausgewählt und dialogisch gestaltet oder auch Schilderungen 
von »Bildern« in ihrer Lebendigkeit fortgeführt bis zum Ge- 
spräch, an das auch Philostrat bisweilen streift. ^) So anmuthig 
sich in diesen kleinen Werken Lucians Talent zeigt auch 
den engsten Rahmen mit Wits und Leben ausxufttllen, den 
Anspruch auf Originalität hat er ihretwegen nicht erhoben; 
eher scheint es dass er mit ihrer Hilfe sich die Sicherheit und 
Leichtigkeit des dialogischen Stils aneignete die ihm dann fQr 
die eigentlich originalen Werke dieser Gattung zu Gute kam. 
Die Anfönge zu diesen gewahren wir schon innerhalb der 
Göttergespräche. 

«Das rrtheil des Paris« (xpiat; DefTrv = 20 Uber- Daa Urtheil 

Irirtl die andern nicht l)loss an Umfans. Aus den Scenen, die ^ 

" ' Fromethm 

dort dargestellt sind, ist hier ein Akt geworden und darin nnd Gfitt-r- 
liegt es dass auch ein gewisses Maass von Handlung sichtbar ^«'«<^">°>^*>°£' 
sein muss, das hier sogar eine Verlegung des Schauplatzes 
vom Olymp auf den Ida mit sich bringt. Derselben Klasse 
des Uebergangs gehören der • Prometheus« und die »GOtter** 
versammlungt (&eo*v ixx^oCa] an: auch in ihnen hat die 
Satire noch nicht die ScbSrfe und Unmittelbarkeit die man aus 
andern Dialogen Ludans kennt, soweit sie Oberhaupt vorhanden 
ist wird sie in einer gewissen Perne gehalten; aber auch hier 
ist eine Handlung bereits der Hauptgegenstand der Darstellung 
und der Dialog nur ihr Begleiter. 

f) Durch nichts begründet ist die VerrouUiung von C. Wadbsmuth 
Sillogr. s. 83, dass Menipps G<>tterbriefe das Vorbild der GOtter- 

gespräch«^ 1-urians waren. 

2) Auch hier fiattf das Lelion der I.itiTalur Mirpearheilel : homorisrhe 
Scen«n pflegtet» langst durch die iloirü i i>teü j^es<uuiert zur dramiilischen 
Darstellung gehni' ht zu werden: s. I riedlöuder zu Petrou S. i81, 

9^ Philostr. maj. Imugg. I 4, i. il 2, 5. II 81. 



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896 



VI. Der Dialog in der Kaiseneik 



Dodi sind auch die Unterschiede zwischen den drei 
nahe verwandlen Dialogen bemerkeDSwerth. Dem »Urtheil 
des Paris« so wie überhaupt den GdUergesprächen sieht 
der Prometheos näher, weil er ebenfalls nur einen über- 
lieferten Mythos neu gestaltet >), noch dasu einen Mythos 
aus dem nur ein anderer Ausschnitt auch in jenen behandelt 
ist (Deor. Dial. I ) ; und zwar dient diese Gestaltung hier noch 
besonders einem rhetorischen Zweck, da die Verhandlung 
aus Anlass der Fesselung des Prometheus zwischen diesem, 
Hermes und Hepbaistos kuikstvoU so geleitet wird dass 
der klügste der Titanpn fPrometheus es in v. I) Gelegen- 
heit bekommt eine lange Vertheidigungsrede streng nach 
rhetorischem Schema zu halten. In der »Götterversammlunga 
ist Lucian nicht so wohl Rhetor als Dichter: er erßndet sich 
seinen Stoff, eine Götter Versammlung in der Momos sich ttber 
die dermalige UeberflUlung des Olymp mit neuen und bar- 
barischen GÖttem beschwert') und zur Abhilfe dieser UebeU 
stfinde ein Psephisma der Himmlischen beantragt. Und es 
ist die eigene Zeit Lucians, in der diese Dichtung spielt^ ihre 
Religion und ihre Philosophie (13. 47) der sein noch ziemlich 
harmloser Spott gilt, wfihrend die G6tlergespr8che und der 
Prometheus uns in eine mythische Vergangenheit Tersetzen, 
aus der nur der letztere bisweilen mit plötzlichem Anachronis- 
mus zu komischer Wirkung eiucü Sprung in historische Zeiten 
thut.^) So treffen wir hier Lucian zum ersten Mal auf demselben 
Boden (icr (TemMiwart, auf diMii \uv ihm die jainhi-^chen Dichter 
der attischen Komödie gestanden hatten, wir sehen ihn wie 
ein Kratin und seine Genossen die Neuerungen in der Beligion 
bekämpfen ob diese von den Philosophen ausgingen oder in 
der Einführung barbarischer Gülte der Kotytto oder des 



1) Speciell mit dem Prometheus des Aischylos oder mit der kynisch- 
sophistiscben Figur des Namens hat er aicbts oder so gut wie nichts zu 
thuD. Bbeoso wenig bitte man die Luciansdie SdbriA um des bloseeii 
Titels Willen mit der Vaironisehen Satnm zusammenbringen sollen (Riese 
Satt. Menipp. S. S5). 

2) Aehnliohe Gedanicen bat Seneca In der Apecolocyni 9 dem Jaons 
in den Mund gelegt. 

v Mit den Citalen aus Homer und Uesiod s f. und der Erwähnung 
der otTQau t* ^cputavcitp 4. 



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Lucian: Pseudo-Sophist, Lex.iphancs, Timon. 



297 



Niilirag ihren Gnmcl hatten Noch eine Reihe anderer, gerade 

der eigenthümlichsten Schöpfiiogen Lucians zeigt uns, dass 
er sich bewusst war das Erbe der altattiscben kumiker 
aügtf roten zu haben. 

^icht bloss dorn AluT^Iiiubcu und der Freigeisteroi geht 
er mit ihren Mitteln zu Leibe sondern auch interne Fragen 
der Rhetorik glaubt er jetzt rascher auf diesem Wege lösen 
zu können. Die dialogische Form war diesem Zwecke auch 
im iPseado-Sophisiest dienstbar gemacht, der in er- Peeado- 
mOdender Weise Fehler der Rede tusammenstellt und hieran ^p^^^ 
einige Lehren Ober den reehten Ausdruck ftlgt Nur notdOrftig 
ist in die Einförmigkeit dieses yon seholmeisterlicher Salbung 
triefenden Werkes durch die WiederersShlung derGesprflche 
mit Sokrates (5 ff.) einige Abwechslung gekommen (o. S. 270, \). 
Ganz anderes Leben spricht aus der übermüthigen Polemik 
des »Lexiphanes «. Wenn hier der Lltra-Atticist und Wort- L»iphaaoB. 
jäger, der don dnrchsichUgen Namen Lexiphanes triigt, einen 
Dialog eigener Mache vorliest, in dem seine Manier zihd 
Aeussersten carikirt ist, so kann dies einiger Maassen an 
Piatons Theaitet und Phaidros erinnern und auch die Art wie 
derselbe sich schon im gewttbnlichen GesprSch durch t&bel 
angebrachte Atticismen von vornherein lächerlich machen muss, 
hat eine gewisse Aehnlichkeit mit der Art, wie Piaton uns 
seinen Polos im Gormas und seinen Prodikos im Protagoras 
redend vorfUurt. Doch sind die Skiisen bei Lucian breiter aus- 
geführt und die Farben stirker aufgetragen. Beides kommt 
der RomOdie zu, wie in der That noch in einem aristophanischen 
Fragment eine der beiden Gesprächspersonen einen manicrirten 
den Rednern der Zeit angepassten Jargon redet Vollends das 
Verfalirnn, das im Mittelslflck dos (ian/en Lykinos und der 
hinzugekommene Arzt Sopolis einschlagffi den Lexiphanes zur 
Vernunft zu bringen, nämlich nicht durch Argumente sondern 
durch ein VomitiV| gehört urspranglich nicht in den Dialog 



1) Vgl. aber über solche GCttervenammlniigeo auch t S. 3S«. Ettlg, 
Acberaat L. St. XIII S. S3S, k. 

t) Arlfltoph. fr. ISS K. Frtther hatte bei efnem Fragment Philemons 
(fr. LI* bei Meineke C. Gr.) Lobeck El. II 7S sich unteres Lexiphanes 
erinnert 



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298 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeii. 



sondern auf die Bühne der altattischcn Kouiodio mit doron 
Parabnsen man dann auch diu durchaus ernsten ermahnenden 
Schlusswortti {'ii ttV: des Dichters selber vergleichen mag. 

Hier handelt es sich doch wenigstens noeh um einen 
Kampf von Theorien, wenn er auch nicht theoretisch sondern 
mit sehr drastischen Mitteln geführt wird. Nicht einmal dieses 
nmfto« Zugeständnis macht dem Wesen des Dialogs der Timon. 
Es ist umnSglich hier auch nur die Spur eines Streites all- 
gemeiner Gedanken su entdecken. Armuth und Reichthum 
betreten xwar in Person die BUhne, aber zu einem Streit 
zwischen beiden, wer von ihnen das Meiste zum menschlichen 
Glück beitr ii^ij wie in Arislophanes' Plutos, kuuimt es nicht. 
Die CüDllikte sind durchweg an Personen geknüpft und werden 
hervorgerufen durch die Grobheit mit der der Misanthrop alle 
behandelt die ihm nahe kommen, Götter nicht minder als 
Menschen, Uermes und Plutos zunächst und schiiessiich der 
Reihe nach den Schmeichler und Schmarotzer Gnathonides, 
den falschen Freund Philiades, den Redner Demeas und den 
Philosophen Thrasykles. So entsteht eine Mannigfaltigkeit von 
Situationen erhttht noch durch den Wechsel des Lokals, der 
uns bald in den Himmel bald wieder herab zur Erde ftthrt» 
und bringt auch ihrerseits den Efaidruck dramatischen, nicht 
den dialogischen Lebens hervor^). 
Macbdümuag Da nun Unter den Komödien des Antiphanes sich ein »Timom 
^"i*'*5?*'° 'j^^fiodet, so war mau iu neuerer Zeit rasch bei der Hand in ihr 
das Original der Lucianischen Prosa dichturiL' ni sehen. Weder 
der Titel noch das einzige aus fler Komödie des Antiphanes 
erhaltene Fragment berechtigen zu diesem Schluss. Im übrigen 
aber trägt die Dichtung Lucians das Gepräge der altatüschen, 
speciell der aristophanischen, nicht der mittleren oder gar 
neuen Komödie. Zu diesem Gepräge gehört das Ueretnragen 
der Götter- in die Henschenwelt» wofür ein Beispiel schon unter 



4) In dte Wirklichkeit wird hier Übertragen wag Hermot. SS (m« 
cli^s %i\ iU^i9at «tX.) nur ein Wonach und eine rhetorische Voraus- 
Setzung ist» vgl. Cliaron 7. Dasselbe in einer Menippea bei Martianus 
Capella II 135 f. 

i; In wie fein der »Timon" vom echten unrl reifon Drama siih 
itnmer nocli wesenUich genug unterscheidet, ist I S. ioi f. erörtert 
wurde u. . 



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Lttcian: Tfmon. 



299 



den Gdttergesprächen das «Urtheil des Paris» giebt*). Die 
Art, wie wir zunScbst auf Erden Timons Monolog hören, sodann 
im Himmel an den Gonferenxen des Zens mit Hermes und 

riutüs tlieilnehmen um schliesslich mit den letzteren beiden 
wieder tur Erdp und nach Attika 7m oWpti wo sich der Rest 
des Stückes abspielt, hat eine genaue I'arallele an dem Wechsel 
des Lokals im aristophanischen Frieden. Mit aristophanischem 
üebermnth \ S. 182 f.^ setzt Lucian sich auch über Zeit- 
bestimmungen hinweg, wenn er den Zeus erst erklären lässt 
er habe lange nicht auf Attika gesehen (9) und gleich darauf 
(40) er habe neulich den Blito auf Anaxagoras geschleudert'). 
Zumal die Schlussscene gehOrt zu den stereotypen der alt- 
attisohen Komödie, die uns gern einen vom frischen Glück 
berauschten Menschen scbflderti wie er in seinem Egoismus 
alles Gute für sich allein gemessen will und die sich Zu- 
drSngenden und seine Freundschalt Suchenden, vorsttgUch die 
Unwürdigen unter ihnen derb abweist: Dikaiopolis in den 
Achamem, Peithetairos in den Vögeln, die Wilden des Phere- 
krates und wohl noch Andere, die wir nicht kennen, waren 
die Vorbilder des Lucian scheu Timon. In die Zeit der alt- 
attischen Komödie weisen uns die historischen Anspielungen, 
die Hindeutungen auf den peloponnesischen Krieg {50 . die 
Erwähnung des Perikles 10 des Megakles 22) des Kallias 
und Hipponikos '^i' des Kleon und Hyperholos (30)-«). 

Damit soll nur ujigefiihr die künstlerische Sphäre bezeichnet SeUistsndig- 
werden, in d«M Lucian arbeitete. Enger ihn einzuschränken 'jj^jj^^^^* 
auf ein einzelnes Drama, etwa des Komikers IMaton, dessen lUltoBf. 
Kopie in Prosa der »Timon« w8re, dasu giebt uns dieser 
unruhige und erfindungsreiche Geist kein Recht, der seine 
Selbständigkeit der Arbeit sur GenOge bewiesen hat. Er 
kopierte nicht sondern gestaltete um. So entnahm er 
die Göttennaschinerie, den olympischen Apparat der alten 

Ij Bei der Sduldei uiij; , die vom Herahkotiiuien der riuttcr zur 
Erde gegeben zu werden pflegt, wirkten wohl honieriscbe Rcminisccuzcn 
mit, wie Oberhaupt fttr die kunstvolle Verfleditung einer doppelten 
Handlung im Himmel und auf Erden (Nitzsch^ Sagenpoesie S. lOSt). 

8} In anderem Zusammenhange hat diesen Widerspruch besprochen 
Mure Critical history of Ihe language and litcrat. of ant. Greece I 545. 

3; Das Diasionfest. das im Ikarom. 24 ausser Brauch gekommen ist. 
wird hier auch gefeiert 1,: A. Mommscn iieortol. £>. 384, 4. 



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300 Der Dialog io der KaiserzelL 

Komödie; aber so ausftthrliche Dialoge, namentUcli des Vaters 
der GStter und Menschen mit seinen Neben- und Untergöttem 
fand er dort schwerlieh schon vor<): hier glaubt man den 
Verfasser der »GOttergesprftche« zu merken, dem die breite 
Schilderung solcher Scenen sur Gewohnheit geworden war. 

Ebenso selbständig verhält er sich zur überlieferten Timon- 
Pabel, wie schon Hemsterhuis angemerki hat. Nach derselben 
verarmt der reiche Timon und seine Freunde verlassen ihn^ 
das macht ihn zum Menschenhasser. Lucian hat mm i inen 
abermaligon Umschlag des Glückes hinzugeiügt, indem er 
Timon durch Finden eines Schatzes wieder reich werden, dies- 
mal aber von seinem Reichtbum einen andern Gebrauch machen 
lasst. Man kann nicht sagen, einen bessern: denn wenn er 
froher ein Vmchwender war, so wird er jetst zum Geizhals, 
der sein bold f&r sich behält. Er illustriert das »Incidit in 
Scyllamt. Und nicht genug. Er, der noch eben den Reich- 
thum zu hassen vorgab, findet beim Anblick des Goldes kaum 
Worte überschwSnglich genug um seinem EntzOcken Ausdruck 
zu geben (41 f.). Durch ihre Plötzlichkeit, die wiederum ganz 
nach der Weise der aUatlischen Komödie isl^), wirkt diese 
Sinnesänderung doppelt lächerlich. Diese Abänderung der 
Timon-Fabel ist so sehr im Sinne Lucians dnss wir sie wohl 
auf ihn zurückführen dürfen. Sie benimmt der Persönlichkeit 
Timons den Rest von Emsthafligkeit, der ihr in der Ueber- 
Ueferung geblieben war und der Keim zu Shakespeares 
Tragik werden sollte, und erweist seine Misanthropie als 
blossen Schein unter dem sich gemeiner Geiz verbirgt'). 



1) So scblioim die KomOdie dem höchsten der Götter mitgespielt hat 
(Cottat^ AHstopbane & 186 fll), so scheint sie ihn dodi aor äusserst selten auf 
die Bühne gebracht su haben. 1>er Ze6« mxe6fUvo« Piatons gibt wahr- 
schetnlich kein Beispiel dafttr; das einzige mir bekannte ist der Amphi- 
truo erst des Archippos, dann des Plautus. Vgl. auch in Plautus' 
Amphitr. 86 IT., wo namentlich 93 (praeterca cerlo prodit in tragoedia) das 
Auftreten des Juppiter in der Kunuldie als eine Ausnahme bezeichnet wird. 

2) Sie zeigt an ihr«Mn Dioilc wie die attische Komödie keine Gesetze 
ausser denen ihrer Kunst kennt, ist aber wo sie beobachtet wurde meist 
missbraucht und nicbt tut Charakteristik der Kunstgattttog, sondern sur 
Aufspürung von Gontaminationen in den einselnen Stttcken des Arlsto- 
phanes benuttt worden. 

8) Dass Misanthropie aus einem kindischen Irrthum bervoi^ebe 



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Lucian: Der Doppeltverklagte. 



• 

304 



Ein Satirenschreiber kommt leicht in die Lage sich selbst 
vertheidigen zu müssen. Es scheint dass Lueians Dialogen 
zunächst mehr Tadel als Lob zu Theil wurde. Wenigstens 
haben wir Grund die Schrift, in der von dein Beifall die 
Rede ist der ihm für seine dialogischen Neuerungen gespendet 
wurde, io eine spätere Zeit zu setzen als die Apologien, in 
denen er sich über seine Behandlung des Dialogs, sein Yer- 
hSltnis itir Rhetorik imd seine LAsterang der Philosophie 
rechtfertigt'). Unter ihnen gebUhrt dem »Doppelt-Ver- Der Doppelt- 
klagient (AU xaxijYopouiifvoc) die erste Stelle s). Wieder 
wie im Timon bewegt sich Lucian in den Bahnen der altattischen 
KomOdiCy aber auch in diesem Dialog mit der Freiheit die 
seinem Talente entspricht. Zeus klagt Ober UeberhSufung 
mit Gesciiailen und beschliesst mit einigen alten Gerichtshändela, 



hfttte Ladan m gut wie wfn Zeitgenosse Minucins FeUi (Octav. 14,6 
vgl. Vahlen BerL Progr. 4894 S. SSi io Piatons Phaldon p. 89 D (vgL Gess. 
VUl p. 794 D) getosen. Dass sie seiner stlmmong nicht zusagte und y/'w 
alles ernsthafte Wesen seine satirische Neigung reizte, liegt auf der Hand. 
Union selbst lässt er es sagen (44) dass MtodvftpwTTo; ein blosser Name 
ist, wahrend im Grunde sein Herz nur am Guide huni:t (41 IT.). 

i) Promelheus es in verbis. Die Art, wie Lucian hier das über- 
ma&sige Lob eines Bewunderers seiner Dialoge zurückweist, stUl i-iu 
reiferes ürtheil voraus {i ff.}. Mit der blossen Neuerung (t6 «atvoup^tiv, 
Muwoicoiclv 3), auf die er sich Im Bis accus, so viel su Gute thut, 
ist es nach dieser Schrift nicht gethan. Vielmehr hat er Bedenken, ob 
swel so alte Gegner wie Komödie und Dialog su einem Ganzen su- 
sammengehen (5 f.) und, oI}gleich er zum Schluss den festen Vorsats 
ausspricht bei der gewühlten Form der Schrif!stolkM«'i zu lileiben, so 
scheint er <\ov\\ keineswegs sicher zu sein, dass «m- diunil aucii tias Rieh« 
lige getrüllt'u bal. Von s(jlch«Mi Bedenken Ist im Bis accus, keine Rede; 
hier spricht er im Gc^'entUeil von dem Verdienst, das er sich durch 
seine literarische Tbütigkeit erworben hat, im Tone des überm Uthigsteu 
SelbstvertFBuens. 

8) Doch ist von Beifall, den seine Dialoge fanden, auch Im Plscator6 
die Bede. 

3] Er ist die früheste unter diesen Schriften. Da der Dialogos sich 
nicht darüber beschwert, dass er, dm Sohn der Philosophie (28), als 
Mittel benutzt wordo. seine Mutter zu verlästern, s«» folgt, dass die Vi- 
tarum audio noch nicht geschrieben war: denn \u den fruheicn Schrif- 
ten Lueians waren Philosophie und Piiilosophen nur nebenher angegrilTen 
worden. Im Piscalor, der eben nuc li der Vitnrum nuctio geselirieben 
wurde, ist daher auch jener Besch werdepunlct nicht vergessen (86). 



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302 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeil. 



deren Krlediguug iiiui obliegt, endlich aurzurüumen. Uerines 
und Dike werden zu dem Zweck auf die Erde gesandt und 
nachdem sie unterwegs noch mit Pan zusammengetreffen sind^ 
beginnen die Verhandlungen auf dem Areopag, zuerst zwischen 
der Trunkenheit (Mcdrj) und der Akademie die beide auf 
Polemon Ansprach erhoben, der Stoa und der Sinnenlust — ihre 
Sache wird von Eptkur geführt — die sich um Dionysios, der 
Ueppigkeit (Tpu^r^J und der Tugend die sich um Aristipp 
streiten; das Wechsel geschüft in Person hat eine Klage gegen 
Diui;enes wegen Davonlaulens, die Malerei gegen Pyrron wegen 
Fahnenfluclil. Diese Prozesse werden rasch erledigt und 
bereiten nur vor auf die Hauptverhandlungen, die beide 
dieselben Persunen betretten. Der Syrer ist angeklagt von 
seiner Frau, der Hhetorik, wegen schlechter Behandlung 
(xax(ju3£u);) und von seinem Geliebten, dem Dialogos, wegen 
Injurien (ußps«o;). Aus beiden Prozessen geht er siegreich 
hervor. 

MikM. In den ersten Verhandlungen ^ worin abstrakte Wesen 
sich um die Seele eines Menschen streiten, blickt das Vorbild 
des prodikeischen Herakles durch, das sich Lucian schon 
in der Synkrisis seines »Träumest zu Nutze gemacht hatte 
AiiitopliinM. (o. S. 272, 3). Doch iSsst sich auch denken dass ihm die 
Wolkenscene und der Streit der Gerechten und der üngereuhlen 
Rede um Pheidippides \orschweble. Jedentalls der letzte 
und Haupttheil des Dialogs modernisirt nur und übertrügt auf 
I nciinsPersun ihm! \ erhaltnisse ein Motiv, dos dieser der ' Flasche« 

KnUnoi. Kratins entnonntieu hatte Dort ist es die Komödie in Person 
die den Dichter zur Rechenschaft zieht weil er ihr untreu 
gew orden sei und einem geliebten Knaben nachgelau£Ni, dem 
Wein 3), an dessen Steile bei Lucian der Dialoges getreten ist; 

1) Meier-Schümann Alt. Proc. S. 394, 562?. 

2; S. jetzt auch Ltpsiu^ zu Meier-Schöm. A. Pr. >. 3oi, 428. 

3} Man vgl. fr. 4 83 K. "öv V l^i lli^ Me^ooiov i/^m-ti' cipxicj; oivia- 
xov, litetat «dxoXaudtl xal H^ti, mi dna>.6; x«) Xcuvic* ap' obct 
rpt«; diese SchildemDg de» Weins als eines schtfoeo Jungen KDahen ver- 
bundeD mit der Rolle, die dem Diatogos hei Lucian lugewieseo ist, ver- 
anlasst nich voo der gewöhnlichen Anffassung abzugehen, die io der 
M4ftt) die Rivalin der KwffciftSl« sieht, sicli aber nur auf die auch eine 
andere Deutung zulassenden (r/oXdCot hk |&iflD für Mi%if^) Worte des 
schol. Arist. Hitt. 400 berufen iEann. 



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Lttcian: Doppeltverklagler, LebensvergtelgeronK* 30«^ 

und wie Lucian so bringt es auch der Dichter durch seine 
Redegewalt zu einem glücklichen Ausgange. Noch Ein und 
das Andere steht bei Lucian, zu dem sich ähnliche Gedanken 
gewiss schon bei Kratinos fanden: fast von seiher ergiebt 
es sich dass auch dieser ebenso wie Lucian seiner Frau den 
Torwurf der Untreue surttokgab und sie deshalb verlassen 
SU haben behauptete weil sie sich mit schlechteren MÜnnern 
eingelassen hatte, wobei Kratinos natürlich an Aristophanes 
und andere Rivalen von der Kunst dachte. 

Das Gesagte genügt um die Aebniicbkeit zu zeigen, die 
/wischen unserm Dialot: und dem Timon in Ht'/ug auf das 
^>itfi/,e der Coiiipusil Ihm besieht; wie dort geht Lucion von den 
ihm geläubgen Gott^ii^ ( Sprächen aus und bringt scbb'esslich 
Alles in einen der aitattiächen Komödie enllebuteu Uahmen. Wie 
die letztere insgemein so übt auch diese Lucianschp Satire eine 
souveräne Gewalt aus über Alles was ihren künstlerischen 
Zwecken dient: das Todte, Abstrakte wird beseelt, die Ge- 
rechtigkeit die Rhetorik der Dialog Akademie und Stoa treten 
uns als lebendige Personen entgegen; die Schranken der Zeit 
fallen, £pikur und Diogenes sind da weil man ihrer bedarf 
und brauchen nicht erst von den Todten aufzuerstehen. 

Schon in den GerichtshSndeln dieses Dialogs war die 
Frage zum Theil berührt worden, wie man seiu Leben ein- 
richten Sülle und naeb den Hegeln welcher Philosophie, der 
Stoa insbesondere oder des Epikureisnuis. Derselbe Gedanke 
wird weiter durchgeführt und in eine neue Form gekleidet 
in der »Lebensversteigerung« (Bi'tov rpaai;). Im Ver- L«bona- 
kaufslokale des Zeus geht die Handlung vor sich. Zeus selber 
ist anwesend, Hermes fungirt als Auktionator. Die Philosophen 
oder vielmehr Lebensweisen') werden versteigert vom Leben 



4) Dies hat mau sich weder in alter noch in neuer Zeit peniii.'iMui 
klar gemacht. Sonst hütten sich die m den Handschriften ulierlieiei len 
PtoraoneDbezeiciinungen Aristipp, Demokrit, Heraklit, Damentlich aber 
Diogenes, Sokrates uod Ghrysipp nicht unbeaDBtandet l»is auf unsere Zeit 
erhalten ktfnnen. Dieselben enlslammen lediglich alter Conjektnr so gut 
wie diejenigen einer Ansah! vom Dichter nicht benannter Rollen in der 
Tragödie und Komüdie. Lucian selber nennt sie nirgends mit diesen 
Namon. I nd jene Conjeklur ist falsch: denn wie es ausdrücklich heiast 
.4 u. ii), werden nicht die Philosophen selber, sondern ihre ßtot ver- 



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304 



VI. Der Dialog In der KalBemlC. 



eioes Pythagoreers bis lu dem eines Skeptikers und finden 
auch sämmtlich Abnehmer, der Stoiker sogar mehrere (25). 
Ein einziger der Käufer, der des sokratiscb-plaionischen Lebens, 
wird uns mit Namen genannt, Dion von Syrakus, und trigt 
mit daiu bei den gansen Vorgang Aber Baum und Zeit hinaua- 
Vtrbiu. luheben. Auch hier wird Komödie gespielt'}. Nach einem Vor- 
bild aus älterer Zeit sucht man fireilioh vergeblich. Auch die 
Wahl der Lebenslose im Mythos der platonischen Bepublik trSgt 
nur eine gani entfernte Aehnlichkeit. Möglicherweise genfigten 
historische Nachrichten wie ttber den Verkauf des Pbton*) und 



kauft. Wo daher Lucian seihst die Rollen benennt, wählt or solche Be- 
zeichnungen die zu ß(o; pa!>sen, wie riyÖi-fof-'ty.o? 'srFrtxojptto; (ly ritpi- 
7caTt)t(xö; (26j !Sx£irr(«ö; [il); auch der Sklavenuttuie Iluppia;, den er 
diewin liieren gibt, soll die BesMiiuig su [liippwv andeuten, nicht deeeeo 
Namen geradezu ersetxen. Hielt man dann ibat, daas Sokratea in Person 
vedend anftfete, so kam man aus der Verwlmu^ nidit heraus, weil 
neben dem Sokralischen ihm auch rein Platonisches in den Mund gelegt 
ist. Da!? früher S. 243, 1 über dorartifj«' Irrthümer Bemerkt»» genügt 
hier nicht zur Krktirung uiul i\\v Theiluii^ dei' Holle in zwei, in Sokrates 
und Piaton, die schon in einer liaiidschrifl sich liiidet und von Fritzsche 
wieder hervorgeholt wurde , ist doch nur ein Nothbehelf. Der Anstoss 
schwindet, sobald nicht Sokrates oder Piaton in Person gemeint sind, 
sondern ein sokratisch-platonisches Leben, dem beide Philosophen als 
Muster vorschwebten und das daher beiden elgenthümliche Zttge in sich 
vereinigen mochte. Aehnlich steht es mit Chrysipp. Redete er selbst, so 
wur«' es ein unertrüglichcr Irrthuni, wenn er, wie doch 23 geschieht, das 
liuchslc (Uli in xöi ::püiTa xatä «f.aoi'» .sachte : auch hier ist nur überhaupt 
ein stoischeit Lei>ea gemeint (liulcrss. zu Ciceros iHiilos. Sehr. II 1 S. 248j. 
Auf die folgende SchriR, den a Fischer«, darf man sich nicht berufen, als 
wenn dieselbe die Üblichen Pwaonenbetelphnungen besttttigte. Im Gegen- 
tbeil, wenn Lucian sich hier herausredet, er halie nicht die alten Philo- 
sophen, sondern diejenigen seiner Zeit gemeint, so konnte er dies nicht, 
wenn er Sokrates, Diogenes u. s. w. in Person redend ein^reführt Iiatte. 
J. Bieter, Leber die Echtheit des I.ucianischen Dialogs Cynicus S. 4 setzt 
sich über diesen Widerspruch ruhi|j; hinweg, wie ul)er eine Thatsaciie. 
Wir werden noch ein weiteres Beispiel talscher Fersonenbezeichuun^ in 
den Lttciaaschen Dialogen kennen lernen. 

4) Dass «die LelMnsversteigerung« im Shuw Ludans ato Komtfdie 
aubufassen ist, folgt aus Piseator 44. 

2; Steinhart, Leben Platona S. ISS. 315. Bemerkenswerth ist die 
Version, wonach Dion sich zur Zahlung des Lösegeldes erboten hatte; sie 
kann von l.ucian Nerwcrthut sein, indem er Dion aus i>yraku9 das so- 
kratiscti- platonische Leben erstehen \lis^L 



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LttQfan: Lebensvttrsteigerang, Fischer 305 

des Diogenes ^) um die PhADla&ie Ludans lu einer selbBtfindigen 
DioMttQg SU befruchten. 

Dieser Dialog beieichnete nacli einer Biofatung einen Schritt 
weiter in der Entwicklung der Lucianschen Satire. Die Philo- 
sophen waren darin bisher mehr im Allgemeinen mitgenommen 
ohne dass Einzelne namhaft gemacht wurden, so in. der 
»Gl^tterversammlunga so im »Timonc^). Sch&rfer wird die Satire 
imtDoppeltverUagtent^} und hier werden auch schon einxelne 
Selsten mit Namen herbeigezogen. Aber ein GesammtgeHcht 
Ober sie hielt doch erst «die Lebensversteigerung k ab. Damm 
erregte sie auch einen solchen Sturm der EntrOsttmg dass 
Lucian es für nöthig fand ihm in einer besonderen Schrift, 
(lern »Fischer , /u begegnen. Wie die Dichter der altatlischen 
Komödie sehen wir ihn fortwährend sich seiner Haul wehren, 
nu't den aligemeinen Angelegenheiten die pursüniichen ver- 
mischen. 

Eine st iller mächtigsten Wirktuis^en hatte Eupolis erzielt, 
als er die grossen Slaatsn»iinner der athenisdien Vergangenheit 
aus der Unterwelt rief und sie wieder zu ihren Mitbürgern 
reden iiess; er deckte damit die Angriffe, die er um so heftiger 
gegen die Staatslenker seiner Zeit richtete. Nicht anders ist 
Lucian im »Fischer» verfahren^). Die grossen Philosophen »D«r nioh««. 
der alten Zeit, Soiurates Piaton und Andere müssen herbei 
damit er, von ihrer Autorität igesohtttzt, um so ungestörter in 
seinen Angriffen auf die entarteten Philosophen der Gegenwart 
sei. Ausdrfiddich sagen sie, dass sie su diesem Zweck fttr 



1} Diog. L. VI 39 f. Von der Daratellung Lucians differirt das Ein- 
zelne» wie es in einer Menippea (s. 1 5, S89) ansgeftthrt war, dermaassen 

dass eine solche nicht, wie Fritcache II S. 4S meint, für das Original der 

Lucianschen Suliie gellen kann. 

(it'radf wie in der Komödie Iritl besonders die doi^sta an den 
l^luloM'plien hervur: Tinion 7. Deor. Coue. 13, 

'6; Ueaehlenswcrth scheint die Steigerung: es gibt auch yp^^az<^\ 
unter ihnen, sagt wohlwollend Zeus 7; aber auch p-ox^.oot, betont Her- 
mes 8; viel uogttnstiger urtbeilt Pan 14 In dem, was er sagt und in 
dem was er verschweigt. 

4) Dasselbe Motiv arbeitet in ihm auch im Hermotimos, kommt aber 
hier (19 ff.) nur bis zum Setzen des I nlls. dass Piaton, l'ythagnrns, Ari- 
slotelps und die Lebrigen wieder auflcblen und ihn, den Lykino>. wt'iieii 
Injurien (jiilpero;} vor Tierichl zogen, dann würden sie so sprt'<;lien u. s. w, 

Hirtel, Dialog. II. SO 



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306 



VI. Der Dialog in der Kaiseneii. 



einen Tag ins Leben zurückgekehrt slmi n. Zunächst freilich 
treten sie keineswegs als seine Freumle aul. Mit Steinen be- 
waffnet stürmen sie unter Drohungen herein, Sokrales voran, 
und treiben den geängsligten Liician in die Enge. Die Scene 
ist genau den Aebamern nachgebildet. Der Chor setzt sich 
an beiden Orten nus benannten und unbenannten Personen 
zusammen -1. Und beidemal repräsentirt der von ihnen Verfolgte 
den Dichter, Dikaiopolis den Aristophanes, resp. Kallistratos, 
Parrhesiadefl den Lucian^}. Beidemal wird dem Verfoigteo 



4) 14. Daher der Nebentitd ^A^a^touvccc Auch Einzelnes stiminte 
vielleiehl mü Eopolia^ &j)|iot ttborein: mit fr. M K S ti ncp xc^dXxum «tX. 
IttSBt »ich vergleichen Plac. 44 itt^«u((ioii tin ri«(h)|iQ{tm, Kock bat 
Philops. 6 vergUchen. 

2? Ungenannte sprecbPii im Piscalor 2. Benannt ist in den Achar- 
nern vielleiciil schon Lnkratt idcs jedenfalls Drakyllos (oder Aü- 

Ihrakyllos) Euphundus» und Pnuidt's ffiii]. 

3) Fälschlich steht in dem eri>lcii Theil ties Dialugä als Fersoneu- 
bezeiehnong Ao»xtaN6c. Dieselbe bembt auf dem gleicheD Irrtbiun, der 
o. & SIS, i bemerkt wurde. Lucian nennt sidi selber nirgends so. Dagegen 
stellt er sich 48 als na^^t)«tdSi)c vor. Statt dessen Ao'jkiovö« ebizusetaen 
ist ebenso verkehrt, als wenn man zu A< h. ^96 ff., wo es am meisten 
otfenbar ist, dass iuis Dikaiopolis nur der Dichter redet. ^t/.ai'üzoXi; in 
'Ap'T:o^4vr]; oder K'x).).i3T&aroi; andern wollte, I nri ui NcrNirj^t sich in 
setueu Dialogen immer unter fremden Namen. Im IVi^y accus. { 4 i>u^nügt er 
sich mit dei; Bezeichnung 6 [>T]Tn>p 6 auf Nennung des Namens 

wifd bier aasdrUcklich verziebtet. Ob Tuxt^^T]; {Parasit Pbilops.) ein 
solches Pseudonym sei (W. Scbmid Pbilol. so, S44), Ist mir zweifelball. 
Dagegen ist der weitaus häufigste Name der Art Auxl'ves. Mit Lucians 
Atticismus hat die Wahl dieses Namens nichts zu Ihun. Das wird nicht 
bloss durch de hist. conscr. c. 24 widerletit. wo I.iician selber si< h iibcr 
solche Umnennungen lustig macht, sondern au( h dadurch, dass or in Ver. 
bist. II 28, Alcxand. 5S de mortc l^eregr. Anfg. und besonders im Nigrinos 
seinen eigentlichen Namen Aouxtavö; beibehält. Der Nigrinos ist geeignet, 
aucb eine andere Vermvtbung (Scbmid a. a. 0.) zu widerlegen, daaa nttm- 
Heb AuxTvoc der Philosophenname Lndans sei. (Aucb Bunapioe Vit Sopb, 
prooem. 9 nennt ihn Aouxtav^t). Es wird also wohl dabei bleiben, dasS 
die Pscudonymität zu den di alogischen Gewohnheiten Lucians gehört ; 
weshalb der Nisirino? fine Ausnahme macht, ist kinr du dies der einzige 
Dialog ist, der auf liislorixlnT (irundlage ruht in dieser Weise mit 
seinem Namen zuruckzubalteu , kunnte Lucian durch IMatons, aber auch 
durch das Vorbild der alten Komödie bestimmt werden: um v<m Dikaio- 
polis abzusehen, so Ittsst sich mit dem Syrer des Bis accos. der Paphla* 
gonier der Ritter vergleicben» 



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Lodan: Der Flfioher, die AnsreiMer. 



307 



6fl]eg«iiheit geboten sich' tu vertheldigeiiy beidemal oimiDl er 
seitae Zuflucht lu Euripides*) und redet in Worten dieaes 
iMchtera^ beidemal gelingt es seiner Beredsamkeit den CSior 
umsttstimmen. Und auch die Ausgänge der Komödie und der 
Satire gleichen einander insofern, als in beiden die Folgen 
des glllcklich beigelegten Agon geschildert werden, tu deren 
Ausnutsung sieh Dikaiopolis und Parrhesiades jeder mit seinem 
CShor verb&iden und die sie insbesondere tu einem Triumph Uber 
die wahren, ihnen und dem Chor gemeinsamen Gegner gestalten, 
DLkaicpolis über die athenische Kriegspartei und ihren Vertreter 
Lamachos, Parrhesiades über die Fseudu-t'hilusuphen seiner 
Zeit. Diese von der Kuinödie ausgehenden Anregungen^] 
hat dami Lucian so wie es seiner Natur und seinen Zwecken 
entsprach fortgeführt und in etwas ganz Neues, Eigenes um- 
geschaffen. Der von Aristophanes nur skizzirte Agon ist unter 
den Händen des Rheturs wieder einmnl eine förmliche Gerichts- 
verhandlung geworden, in der Hede und Gegenrede sich 
gegenüber stehen und der die Philosophie mit einem ganzen 
Schweif ähnlicher Abstraktionen präsidirt; und die Erfindung 
des Philosophen-Fischfangs auf der Akropolis durfte sich wohl 
der Verfasser eines Lesedramas, aber nicht ein alter Komiker 
gestatten, der, wie frei auch sonst, doch immer mit den Be- 
dingungen der scenischen Aufführung rechnen musste. 

Der eben besprochene Dialog schloss sich an die «Lebens- 
versteigerung« an, insofern dieselbe eine Schrift Ludans ist; 
wegen der Angriffe darin, die sie auf sich belogen, sind die 
alten Philosophen aus der Unterwelt gekommen um den 
Satirenschreiber sur Bede su setsen'). Mehr dramatisch- 



1} Pfacator. 4: Inl tiv Eipmt^N ^ot xatatptintt^ov* toL/a fäp 
ixetvoc «i6octl )»c* 

Ach. 89S: £pa Wiv «Kpa (aoi xaprepdv «V^x^ Xa^ttv^ 
xa( [101 ßi'itrri' ^otiv cb; KupiTrCSijv. 
2) Aiic!i die neue Komödie hat heigesteuert, ihr scheint der per^oni- 
tizirte F^/.s-f /o; zu gehören: vgl. Pseudolog. 4 wonach bei Menandei A/.T,tleia 
und nap^T,3ta dem "KXe-fXoc ebenso gesellt waren wie im Fiscator il. 

S) Das dnoxTjp-jTTctv, das Id der »LeboDSventaigerung« Hernes be- 
sorgt, wird lm<BFfacbar« 15 auf Lucian ttbertragen, als den V«rfass«r 
and Vorleser des Dialogs [h xomitv^ Ikdipip a. a. 0. mebit Ludans Andi- 
toiittm); dieselbe Weise der Beiiebung noch 23. 27. (8. Der gli^che 
Zusammenhang bestand zwischen ciceroniscbea Schriften : I s. 339. 

so* 



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308 



VI. Der Dialog in der KaiseneiU 



dialogisch ist (l*>r Zusammenhang, ' den man zwischen dem 
Bis » Fischer a und den «Ausreissern« (Apanerai) wahrnehmen 
ireimia. Zuuftchst allerdings knüpft letzterer Dialog an das 

an was in der Schrift »Uber das Ende des Peregrinus« erzählt 
wird: ÄpoUon hat etwas Ober die Verbrennung dieses Kynihers 
gehört und wttnscfat von Zeus Nfiheres su erfahren, durch 
das Erscheinen der Philosophia werden sie in diesem Gesprich 
unterbrochen, spSter aber konuntZeus wieder darauf surack (7)*). 
Doch geschidit dies nur nebenbei und unsere Aufimerksamkeit 
richtet sich vor Allem auf die Klage der Philosophia, die sich 
von den Menschen schlecht behandelt glaubt und deshalb die 
Erde verlassen hat. Man denkt an den «Fischert surack, wo 
es nodi nicht soweit mit ihr gekommen war. Zwar zeigt sie 
sieh auch dort schon mit denen unzufrieden, die sieh wider- 
rechtlich ihren Namen anmaassen. Da aber zum Schluss des 
Dialogs oine genaue Prülung und Scheidung der wahreu aud 
falschen Philosophen und zwar speciell für Athen verheissen 
wird, so eröffnen sich wenigstens was diesen Üuuplsitz der 
Philusuphie angeht die besten Aussichten. 

Und in der That hat sich in dem neuen Dialog die Philosophia 
über ihre Leute, über die Philosophen, nicht tu beschweren (4), 
speciell mit den Athenern scheint sie jetzt ganz zufrieden (24\ 
Die ihr das Leben schwer machen sind in der Dreihügelstadt 
am Hebros zu üause, in Philippopolis, belästigen aber von 
dort aus auch das übrige Uellas und haben durch zahlreiches 
Erscheinen insbraondere an der olympischen Feier die Philo- 
sophia abgehalten sich ebenfalls dorthin zu begeben (7); sie 
sind auch keine Philosophen sondern ein Mittelding swisehen 
Philosophen und Laien (4) so schlimm dass gegen sie auch 
»die Prüfung« (lAs^xo«) des «Fisohersv nichts hilft Es sind 
Kyniker, aber platonisirende'); dies und Anderes wie das 

4 j DdH!> dies eine Anspieiung nicht bloss auf das Ereigniss ist, son- 
deru speciell auf Lucians EraShlnng desselbco, zeigt 8 wo Zeus die Mlt- 
Iheilung der lettteo W<Hrte des Peregriniu unterdrüdcl, Bcheinbar well 
er durch die Philosophia nnlerbrocheD wird, In WsJuheit, wsil darUber 
schon de morte Peregr. 32 beri( Ltel war. 

2j Fug. 7. 15: dp'/V Y*P ^'■'^^ '^^'^ iktfyo^i o£^ovTat. 

3) 18. Allerdings war der Missbraucb der mit der platonischen 
Republik <^et rieben wurde, in der damaligen Zeit ein allgemeiner; Epiktet 
tr. 5.i ed. üubn. 



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Ladan: Die Aasreisser. 



309 



Ansammoln von Koichthümern, der Namenswpchsf^l. vorciii^rrn 

die Beziehung immer mehr, sodass wir .im Ende nii ht «t- 

staunt sind ein einzelnes Individuum, iNamens Kantharos, als 

üauptobject der Lucianschen Satire zu entdecken (Fritzscho, 

Kucian II 2 S. 238 f.). Und es kann wohl kein Zweifel darüber 

bestehen dass dieser sich Lucians Zorn durch irgendwelche 

Aeusserungen über dessen Peregrinas-Schrifl zugezogen hatte 

und dass somit die Phflosophia nicht sowohl ihre eigene als 

die Sache Lodans ver6cht Der neue Dialog scheint anch^ sammenhang 

hierdurch die im alten geschaffene Situation voranssusetsen ''uuftnb 

insofern, als im »Fischerc die Philosophia, die yon vom herein 

ein gewisses Wohlwollen für Lucian hat, durch dessen Ver- 

theidiguDgsrede vollends f&r ihn gewonnen wird^). 

Zu diesem dialogjsch*dramatischen Zusammenhang kommen 
noch andere Fäden, die unseiti Dialog mit den frUher besproche- 
nen Terknüpfen und theiis vom Inhalt theils von der Form aus- 
gehen. Sehen wir auf den Inhalt, so werden zum Unterschied 
von anderen Dialof^en, in denen mehr im Allgemeinen über 
die Philosophen abgeurtheilt wird, iu dieser Gruppe von Dia- 
logen die Philosophen viel schärfer ins Auge gefasst und einer 
genaueren Prüfung unterworfen. Mit einer solchen Prüfung 
wird im »Fischer« (46) Lucian selber hetrant, dem der Prllfungs- 
gott f EXsyxo;) in eigener Person zur Seite steht, in den »'Aus- 
reissern« f?2) erhält einen dahin gehenden Aultrag Hermes. 
Die Philosophen werden auf Echtheit und ünechtheit angesehen, 
die verschiedenen Stufen philosophischer Bildung unterschieden 
(Bis acc. 9), vor allem eine vergleichende Betrachtung der 
einzelnen Sekten tmd ihres Werthes wird in verschiedenen 
Formen angestellt und als Krdnung dieser historisch-kritischen 
Studien erscheint in den »Ausreissemi aus dem Mnnde der 
Philosophia selber ein knrser Beridit Aber ihre Erdenlaufhahn 
d. h. ein Abriss der Geschichte der Philosophie (6 ff.). Je 
tiefer vor dieser Betrachtung die modernen Philosophen und 

4) Für eine Abhasung der »Ausreisser« nach dem aOoppeltver* 

klagten« spricht, dass die Kynikcr, die dort noch als Philosophen gelten, 
hier wir schon bemerkt wurde als ein Mittelding zwischen Philosophen 
und Laien erscheinen. Dass diesplhon gemeint sind, ergibt die Verglei- 
chung von Bis accus, ß mit Fugit. <i f. <7 f, und Bis acc. 4 t mit Fugil. 
4 8 (der Aposiope^ie dort entspricht hier dai> atwnav a^io^]. 



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310 



VI. Der Dialog ia der iüüseneit. 



am meisten die modernen Kyniker sinken, desto höher steigen 
die alten echten Philosophen und besonders die alten Yertretor 
des Kynisraus, keinem aber wird eine solche Anerkennung zu 
Xmiffoi. Theil als Meiiippos: im »Doppeltverklagteii« (33 f.) wird er 
vom Syrer zur Reform des platonischen Dialogs bennlit) im 
» Fischer « ist er der Eüisige unter den Slteien PhAosopheD, 
der nicht als Ankläger Freimunds auftritt (86) and in den 
«Ausreissem« erklArt die Philosophie in Vertretung des Satirikers 
ihn für den letiten dem sn Liebe sie es noch einige Zeit auf 
der Erde ausgehalten bat(H). 

In der Form erinnern »die Ausreisser« an den »Doppelte 
verklagten«. Die Schablone ist die gleiche: erst die flblichen 
GöttergesprSche ; wie Hermes dort mit der Dike so wird er hier 
mit der Philosophie zu den Menschen gesandt, eine Scene auf 
AaUhBiiag an Erden beschliesst das Ganze deren Anlehnung an die Komödie 
*• sich hier zwar nicht beweisen, aber docli vermuthen iSsst 

FUtoM Daneben blicken uns Uemlnisconzen an die Lektüre des Euthy- 
Bnlkjdm* jgjjj jjjj. t^t^greiiiich genug nicht i^loss weil dieser 

Dialog der am meisten komödienhafle unter den piatonischen 
ist sondern auch weil Platoo darin ebenfalls die Absicht ver- 
folgt solche Afterweise an den Pranger tu stellen, die zur 
Philosophie ohne nlle Vorbereitung gekommen sind, bis dahin 
aber gans andere Kflnste getrieben haben'). 

1) Die Wlrthshaus- and BatlarvungssoeDo Tühri auf die KooKMlie 
und es ist wohl mrtplirh. dass insbesondere in den Ir.ir.izai des Eupoiis 
odor ih'u Aoarktr^c; dos Kralinos sich etwas ähnliches fand. Auch das 
episodonhallc KtfjLireifcn des Orpheus 29i ist in der Weise der Komodif. 

2, Euthydein uud Üionysodor waron his dahin Fechtmeister gewesen, 
lieber die Leichtigkeit, mit der man sich ihre jetzigen Klopffediteffctkngte 
aneignen kOnne» spricht Sokrates p. SOS E f. Vgl damit Fnglt. 4 t IT wie 
leicht es sei, ein Philosoph nach der Mode su sein. Doas durch lolcke 
AflcrktUlSle die P}ii1o>ophie in Misskredit gekommen, klagt sie selber bei 
Lucian und lesen wir Euthyd. p. 304 E. Die Geschichte der Philosophie in 
Fupit. 40 fr rr!::;iht tiherdies, dass nach Lucians Auffassung die alten Soph!>*l<»n 
zur Philoso|)hii> im Wesentlichen dasselbe VerhliltnirJs hatten, wie die neuen 
Kyniker. Daher mag noch auf Cassius Dio 66, 45 verwiesen werden, der 
Kyniker der Zeit Vespasiftus als oo^tot«! xitvnot beielchnel (vgl. auch Fritwdie, 
Lttcian II t S. 1S9). Als Gegner der Sophisten encbeint Hertkles i« 
Ettthyd. p. 997 C, bei Luden wird er mit Hermes gegen die Kyniker db> 
geschickt. Die Schilderung der allen SophUlen, die Luden gibt 40. «dielnl 
sidi die üopliisten des Eutbydem tum Muster genommen in haben, wenn 




Lttcian: Der Kyoiker, Symposioo. 



3U 



Die letzten Betrachtungen haben i.ucians eigenes Zeugniss 
bestätigt, dass er in die Furm des Dialogs den Kupolis und 
Aristopbanes, die Dichter der altattischen Komödie »eingepfercht« 
habe^). Sehen wir in wie fern sich dieses Zeugniss weiter 
bestätigt dass er den genannten Beiden scMiessb'ch noch den 
Menippofl gesellt habe. In gewisser Weise hat es sich schon 
besiStigt, da zu den die zuletzt besprochenen Dialoge ver- 
knüpfenden Fäden auch die sich diirdi sie hindurchziehende 
HochsohatBung dieses alten Eynikers gehörte (o. S. 340), und 
bestätigt sich noch weiter insofern als die in den Timon und 
> Fischer t eingestreuten Verse ^ an die Mischform derMenippea 
erinnern. Doch wird diesen kynisdi-menippisöhen Elementen 
die Waage gehalten durch die einen breiten Raum einnehmende 
Polemik gegen die modernen Vertreter der kynischen Schule. 
Eine solche Polemik fehlt dagegen in einer Reihe anderer 
Dialoge, in denen Lucian als Vertreter k3fni8cher Ansichten 
entweder sich ausdrücklich bekennt oder thatsächlich gerirt 
und die deshalb den kynischen Charakter reiner ausprägen. 

An der Spitze dieser Reihe von Schriften steht \ erdienter 
Maassen der viel angezweifelte »Kyniker« (Kuvixo;), der, Der Kyaikor. 
wenn <'r von Lucian herrührt*'), in dessen frühere Zeit gesetzt 
werden muss und cint' Huldi^Ming an den K^nisraus darstellt 
etwa so wie der luNigrinos^i eine an den Platonismus war. 
Weder knüpft der ttKynikerf, wie es die Sache mit sich gebracht 

als für sie charakteristisch die Fertigkeit im Fragen und Antworten her- 
vorgehoben wird: denn diese sonst bei Piaton nicht gerade den Sophi- 
sten, soDdern 8(dn«teB effsem Kunst tritt doch im BOde der Dionysodor 
und Euthydem als dtarakterbtisch hervor. Sogar ein einzelnes Wort 
XaßuptvMeic 10 (vgl. Ikaroraen. SS) erinawt hier an Euthyd. p. S94B: 
&tsTtp ei; XaßupcvBov lana^vTsz und vielleicht auch dit|)69|Aa^oc ebenda an 
Euthyd. p. 271 1) t ; noch mehr das wiederholte h ^trnyu.'v^ t") , zt tjA- 
XcMv -/.al T(l>v c.i).030^0'jvt«i»v 4 und (liatp diXaCovEii; xal cpt/.osocpta; itÄa- 
CoijLcvov 10 an Euthyd. p. S04 C; ou( 1^ üp6öixo( (jiedöpta cftXoaötfou ts 
oivöpo; xui TioXiTixoö. 

1 ) Xupia&stp^ Bis accna. 8$ vgL Pisc. 15. 
9) Timon 88. M. Piacator t f. 89. 48. 

8) Und ich gestehe, dass auch die von Bieler, Ueber die Editheit 

des Lucianschcn Dialogs Cynicus (Ilildesheim 1S91} beigebrach t«n sprach- 
lichen Gründe mir zu der Annahme der L'nechlheit noch nicht zu nOthi- 
gen scheinen. Die nndcm dem Inhalt entnommenen Griinde glaube ich 
durch die Darstellung im Texte erledigt zu haben. 



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342 



VI. Der Dialog in der KuMrxeit. 



hMlte, an Luciaas Satiren üb^r die Kyniker an Doch verrälh 
sich im Lykinos des Dialogs irgendwie der spätere SpdUer 
LuciaD.^) Ruhig Ifisst er vielmehr Ober sich ergehen w9B der 
Kyniker ihm in der Form des Dialogs wie der Rede sur 
Rechtfertignog seiner Sekte und besonders ihres KostOms tu 
sagen hat. Seine Persönlichkeit tritt noch mehr surflck als 
im »Nigrinost: als Philosophen giebt Lucian sich im GesprSche 
unter Lykinos* Namen preis und sucht seine Ehre nur als 
rhetorischer Schriftsteller su retten, der seine Fertigkeit in 
der Nachbildung des sokratischen Dialogs (2 ff.) und der 
kynischen Predigt zur Schau stellt^) so wie durch eine Ansahl 
treffender Gleichnisse glfost'). 

Das Gelübde des Kynismus, wenn es Lucian in diesem 
Sympotion. Dialog abgelegt hat, bewährt er durch die That im Symposion, 
dessen .Nebentitel «die Lapilhen ihm von vornherein das 
Gepräge giebt. Den Inhalt bildet ein ilochzeitsmabl , wovon 
Lykinos dem Phiiun erzählt und bei dem es wüst genug zuging, 
namentlich in Folge des Benehmens der zahlreich anwesenden 
und die verschiedensten Sekten, sl jisi lu' » [»ikureische platonische 
peripntetische und kynische, vertretenden Philosophen. Ein 
Vorgang der Wirklichkeit liegt ihm kaum zu Grunde. In der 
Art, wie (las Kinzelne zn komisehen Wirkungen zusammen- 
trifft, verriith sieb die berechnende Dichtung. Und zwar ist 
es eine Dichtung im Geiste der Kyniker^). Dieselben hatten 
ein scharfes Auge auf den Streit der Philosophen sowohl 
untereinander wie jedes Einzelnen mit sich selbst in Theorie 
und Praxis. Und wie die Sokratiker sich der Symposien be- 
dient hatten um die Person des Sokrates noch weiter su 



1; Dipjeoigen, die den Dialog »Uber den Pnrasilen « noch als echt 
gelten Ia8«!«»n, mtipon den Tychiades desselben tuit dem de< l'hilopseudes 
vergleichen und sie werden denselben l ntcrs* hicd zwiscfn u I rakern des 
gleichen Namens linden, der gegen die lücauiai de:» Lykmob im »kyni- 
ker« mit dem im Hermotimos zu sprechen schien (Bieler a. u. 0. S. 9). 

Ij Mit Rol ^iptaftc; 18 vgl. P|«to Kleltoph. p. 407 A (I S. 1 18,<}. DIm« 
Worte IC. ^. & MpmvMi aach in den hermetischen Sdiiriften Poimudr. 

vni Aufg. 

3 Vgl. bes. 6 fr, u. 4 8. Auch liieria besteht eine Aehoiiclikeit mit 

dem »Nigrinosn s. o s ^9S, 4. 

() I S. 365,3. i ritziicbe, Luciau 11 2 S. 87 f. Riese, Varronis sali. 
Mea, S. 25. 



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Luchui: SympoAlon» Lttgenllretiiid. 



313 



verklären, 80 konnte dieselbe Form der Literatur unter den Händen 
der Kyniker dasu dieoen um die Schwächen moderner Philo- 
sophen in ein recht grelles Licht 20 setsen. Aach im 
Hermotimos (44) hat Lucian so die Form des Symposions ver-^ 
wandt y aber nur episodisch. Hier dagegen wird dies nun 
viel breiter ausgeflihrt, wie wenig das Leben eines Philosophen 
mit dessen Lehren in Einklang steht, und dabd an crassen 
Beispielen die rohe UnvertrigUehkeit und ZSnkerei der Philo- 
sophen vor Angen gestellt. Die Moral dieser burlesken Dar- 
stellung sprechen die Worte aus, dass Vielwissen nichts taugt 
wenn es nicht das Leben bessert und dass die Laien sieh 
anständiger betragen als die Philosophen (34 f.). Das ist der 
Emst lur Komik und das Gante hierdurdi ein • Eknstkomisdies« 
(oxooSoY^oiov) so wie es die Eyniker liebten. Audi das Auf- 
treten des Alkidamas spricht nicht gegen die Annahme einer 
kynischen Tendenz : rüpelhaft und unfläthig wie ersieh benimrat, 
benimmt er sich doch wie ein echter Kyniker und ich zweifle 
sehr ob in den Symposien der Kyniker selber die Vertreter 
dieser Schule sich durch grössere Feinheit und Anständigkeit 
des Betragens auszeichneten. Mit dem platonischen hat ein 
solches Symposion sehr wenig 'in ihun; was auch bei Luciau 
daran erinnert, scheint nur bestimmt den Abstand beider doppelt 
SU machen. 1) 

Wie unsere Sozialisten die »Arbeit« so hatten die Kyniker 
des Alterthums die »Wahrheit« gepachtet. Zu ihrem Anwalt 
hat sich Lucian in der Schrift tüeber Geschichtsschreibung« 
und in der »Wahren Geschichtet gemacht. Der Lügenhaftigkeit 
der übrigen Philosophen gilt vornehmlich der »LUgenfreund« LCfnÜNiad* 
(<l»iXo<;feuSiJ().2) Tychiades ist im GesprAch mit Philokles und 



I) So die Bemerkung ühpr den dtx>.T;To; 1 i (vgl. LexipLan. 9; o,S. <*i,31. 
Der Aril, Diomios iO euUpricbt detu Kryxiinachos (vgl. über Kleodemos 
h«i Plntareh o. S. 443,1 1. Anadradüich w^t auf das platonische Sympo* 
sion hin der PlatonilLer Ion S7 (vgl. 89). 

S) Doch wird auf die Philoflophea auch schon Ver. hist. I 4 hin- 
gewiesen und gerade wie im Philops. 2 fT. wird es auch in don Ver. hist. 
! 3 f. als etwas SchlirnmfTes l)ezeichiiel , dass nicht mehr l)loss Histori- 
ker wie Ktesias oder Dichter wie Honiei, suudern auch die Ptütosophen 
sich aufs Lügen gelegt haben Philopseudes erseheint so als die Fort- 
setzung der Yer. hist. (vgl. aber auch W. Schmid i'hilol. SO, S13j. Uebri- 



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314 



VI. Der Dialog in der KaiMTMH. 



sucht diesen davon zu überzeugen dass auf die Menschen 
schon das Lügen an sich ohne welchen daraus entspringenden 
Vortheil einen Heiz ausübe. Als Hauptbeweis beruft er sioh 
schliesslich auf einen Besuch, den er soeben beim kranlLen 
Bukrates gemacht und wobei er mit verschiedenen Philosophen» 
stoisdier peripatetischer platonischer und pythagote^cher 
Richtung suAanunengetroffen sei. Er erslSilt eine Heihe von 
fabelhaften Geschichten, die er da tu hOren bekommeUi darunter 
das Original va. Goethes Zauberlehrling, und in deren Mittheflnng 
jene Philosophen durch das Misstrauen, das er ihnen entgegen- 
gesetit^ nur noch mehr bestSrkt wurden. 

Der Spötter Tychlades ist ein viel würdigerer Reprisentant 
Luoians als der Lykinos des Symposions. Sonst aber bestehen 
zwischen beiden Dialogen sehr nahe Beziehungen. Derjenige, 
dem dort L\kinos hier Tychiades berichtet, trägt beidemal den 
gleichen .Namen mit einer j^eriugen Veränderung, die für griechi- 
sche Auflassung kautn bestand, das eine Mal mit der volleren 
Form Philokles, das andere Mal mit der kürzeren Philou '). Auch 
in den Iverndialogen kehren die gleichen Personen wieder, der 
Peripatetiker Kleodemos und d(>r Platoniker Ion. Beiden Werken 
ist die Form des einrahmenden Gesprächs gemeinsam, beiden 
die kynische Tendenz. Endlich scheinen beide von Lucians 
rhetorisohen Bestrebungen zu saugen. Wie Rhetoren sich 

gens wird duinil im Philops. nur drastisch-kynisch dasselbe Thema aa$- 
geführi. (las lienifs rier Hermotimos (73) gestellt hatte, mit W(lrh«?m 
Dialog dem IMnlopa. aueli das tiificinuss von den tollen Hundrn Phildi'N 40 ; 
o. S. 294, I) und die Erwülinun^' des Eukrates (Hermol. H, getueui iil. 
Was den Eukrates betrifTl, so folgt die Identiltti der gemetnlen PttrsSa- 
lidikeit daraus, dass er im Hermotimos sowohl als im PhUops. iSi i 
ndw heisst; und dass der Im Bermotim Gananote kein Anderer ist ab 
der im »Hahn« (8 f. , scheint dadurch ai^^edentei zu verdeD, dass er 
beidemal dif Hochzeit seiner Tochter feiert. 

i, Vielleicht ist der Name nicht zufsillii:. FÜnrrti Philon ist »wh 
die Sohrfft de con»Jrrih. hisl. gewidmet und aucli «lern wird dort ai« 
Wübibtit Uisondcrs aus Herz gelegt 6lj. Doch ist aucb llap.f1/.t/; zu 
vergleichen, der im Kunucbos ebenfalls mit Lykinos sich unterredet; and 
^(X»v(^<, dem Menippos in der Nekyomanteia Uber seine Fahrt la d» 
Unterwelt berichtet: es wSre daher nicht undenkbar, dass diese an ^ftvc 
erinnernden Namen nur die fingirte Bezeichnung eines Freundes nd 
Genossen Überhaupt sein soltteD und die Stelle des ungenannten ' Krcri^ 
vertreten. 




^ J 



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Lacian: EimuchM, Schiff, Todtenorakel. S|5 

damals mit dem Abfassen von Symposien h(!schäftigien (Lexiph. 
t2 tt.), so konnte der »LUgenfreund« neben der philosophischen 
auch einer rhetorischen Absicht dienen und Lucian Gelegenheit 
geben sollen an einer Reihe von Geschichten sein Talent im 
Erc8hlen 711 bewähren, so wie er es auf ähnliche Weise im 
Tozaris (0 S. 288) und in der »Wahren Geschichte« bewährt 
hat. Die Uebereinatimmiing swischen beiden in dieser Hinsicht 
geht sogar bis sa einer einxelnen Finesse des Ansdnicks^. 

Vermnthlich einer spiteren Zeit gehQrt der, ÜbrigeBS nach 
Fenn und Inhalt verwandte» Eunnehos an'). Ein Streit der Sumkoi. 
Philosophea bildet auch hier den Hauptinhidt^ der ^ederum 
von Lykinos einem Andern eriShlt wird. Und swar ist es 
diesmal ein Streit swisohen Anhängern derselben Sekte: 
Diokles and der Eunnch Bagoas bewerben sich beide um den 
erledigten Lehrstuhl der peripatetischen Philosophie und tragen 
ihre Ansprüche einem hierzu bestellten Hichtercollegium vor. 
Ein Ereigniss der Wirklichkeit wie es scheint ist von Lucian 
zu i'iucr k\nischen Satire umtiobUdet worden: wie die Kvniker 
den Eunuchen Favorin angegriffen hatten (7), so verfolgt 
Lucian den Bagnas mit seinem giftigsten Spotte; auch hier 
koniuii das »Emslkomische« in seinen beiden Elementen zum 
Ausdruck^). 

Nicht immer hat Lucian die Zielscheibe seines Spottes so 
eingeengt wie in den bisher besprochenen Dialogen, in denen 
die Pfeile zameist einzelne Personen oder Berufsarten trafen. 
Die Komödie des menschlichen Lebens überhaupt zog er in 
den Bereich seiner Satire. Nach den thörichten WOnschen 



1) Ueber deren Zusammenhaiig mit demaLügeaftvand« o. S. SIS, 8. 

2) Das hyperaltische o'5;, das der Lexiphancs (H) verpönt ;s. o. 
S. 282. r>;. lincUt ^\eh im Sympos. 9 u. 37, viel häufiger Im Phiiops. 7. iO. 
13. 18 ^i riiJil . f.». 20. 24 ^4 iiüil . 37. 29. 30 (2 mal) 31. 32(2 mal! 14. 36. 
38. Im Phiiups. Ib liitdctsich auch das im Le.xiphancs obenfails vei wurfcne 
(Müv. Wie beliebt o'£; bei späteren Ällicisten war, zeigt auch das Vor- 
kommen im Dialog Xenedemos hol Gramer Anecd. O&on. III S. M4 ff. 
und im PhilopaMt ii; auch Demoftth. enoom. 4. So findet eich auch 
IM&v wiederholt lo deniselben PbUopatrls' 

8) lieber die Abfassungszeit s. jetzt W. Schmid im Philol. 50, 307. 

4] Das YcXoTov wird 3 u. f 1 horvorpchobi n ; tüe mit der des Sym- 
posion (o. s ^^r übereinstimmende Moral ist in dun Worten deti Fam- 
pbilütf ä enthalten. 



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346 



VI. Der ütalüg in der kaiüerzeit. 



OMfloUf. der Meoschen trigt »das Schiff oder die Wünsche« 

(nXoTov r^ Eu/ai) seinen Namen. Lykinos mit mehreren atheni- 
schen Freunden, Timolaos, Samippos und Adeimantos hat 

im Piräus ein aus Aegypten eingetroffenes Schiff besichtigt. 
Dies ^iebt Anlass dass sie auf dem Heiunveg nach Athen jeder 
nach seinem Geschmack Luftschlösser aufbauen, der Eine 
sich in der Fülle des Reicbthums, der Andere im Glänze des 
Ruhms und der Dritte in Besitz und (iewalt der Erde träumt. 
Nur Lykinos lehnt es ab sich ebenfalls solchen Phantasien zu 
überlassen, nachdem er schon vorher mit Witr und Spott den 
Träumern dazwischen gefahren war. Zum Schluss fehlt zur 
Komik auch die Moral nicht, in der das Thörichte dieses 
Treibens namentlich an solchen, die wie die Genannten der 
Philosophie beflissen sind, venirtheilt wird Rhetorische Kunst 
und Absicht zeigt sich, wie im »LOgenfireund«, in der Erzählung 
unwahrer Geschichten, die nur diesmal nicht in die Ver- 
gangenheit verlegt sind sondern von der Zukunft erwartet 
und gewünscht werden ; und beidemai begleitet die Erzählung 
eine spottende Kritik, die dort von Tychiades hier von LyUnos 
ausgeht. 

Hier war Lykinos noch der Vertareter Luoians. Da die 
Thorheiten aber der Menschen su allen Zeiten die gleichen sind, 
80 konnte er sich bei ihrer Beurtheilung um so leichter durch 
einen Siteren Kyniker, wie Henippos, vertreten lassen. Die 
Unterwelt musste ihm als Spiegel dienen, wie dem epischen 
Singer, nur dass ihm darin nicht wie diesem der Sonnen- 
HenippoB glans ^os Irdischen Daseins sondern dessen widrige HSsslich- 
oder das erschien. Menippos oder das Todtenorakel (Nexoo- 
IxavTst«) ist unter den Dialogen dieser A.rt, in denen 
Menippos selber redend auftritt, vielleicht der frühste^. 

4) Auf etwas Aehnlich«« ging wobl auch die Virgula divioa unter 

den Menippcae Varros (I S. 440^ 

2) Dies kann man aus dem Hatipttit«! ■ Menippos a schHcs^^m der 
spiSter, nnehdem die TodtenaeHprüche und nüiiientlich der Ikaromcnippos 
erschienen wuien, kaum am l'latze gewesen wäre. Mit dem unterschei* 
denden Nebenlitel Nexuo^jicivTeici yi\rd es aber wohl dieselbe Bewandtoiss 
InbeDt wie mit den unterBcbeideadeo ZusKtzen des sopkekleiscIieB Oldl- 
pus und Alas: er wird von eiaeai aptterea Herausgeber herrtthren, da- 
nin ist er so unpassend, Luden würde dafür N£xwta gesetzt haben (vgL 
auch Rotbatein Quaestt. Lucian. S. 5, 1). Als dea erslea Versuch Luciaiia 



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Lndao: Todtenorakel, IkaitHaenippos. 



Menippos, der aus der lloterwelt zurückkommt, trißt mit 
Philoaides zusammen und erzählt diesem seine Erlebnisse. 
Schon früh war er auf die Widersprüche der menBcUichen 
Moral aufmerksam geweseil} der Streit der Philosophen hatte 
ihn nur noch mehr verwirrt: da beschliesst er den Teiresias 
zu fragen, welches die beste Art des Lebens sei. Unter 
FOhruog des Ghaldfiers Mithrobananas macht er auf den 
Weg. Die Wandenmg durch das Reich der Todten lehrt Ihn 
dass Schönheit Reichthum und Macht nur ein Spiel des ZaftUs 
sind, dem Menschen keinen Gewinn bringen, vielmehr der 
Reichthum in Folge des lotsten Beschlusses der Todten- 
versanunlung nur Schaden. Schliesslich flflstert ihm Teiresias 
ins Ohr, das beste Leben sei das« eines Laien und Privatmanns 
(Iduvnjc). Hierdurch befHedIgt steigt er in Lobadeia wieder 
tur Oberwelt. Dies mag auch der historische M^pp fingirt 
haben als er seine Nekyia schrieb (I S. 386 da er in 
Theben su Hause war; and aus demselben Grunde stand ihm 
der Gedanke wohl an gerade den Thebaner Teiresias zu con- 
sultiren. Ein stehendes Thema war hei ihm der Streit der 
Philosophen und wie es scheint kaum minder characteristiscb 
für ihn, als in der Form das (ictnisch von Vers und Prosa. 
Indem beides auch bei Lucian \\ icderkehrt, giebt sich dessen 
Abhängigkeit von seinem alten Landsmanne noch weiter zu 
erkennen 

Der Gegensatz der über- und unterirdischen Regionen 
schuf zum Menipj) in der Unterwelt als natürliches Gegenstück 
den Menipp im Himmel oder Ikarom enippos. Es ist dersebe ikAnawslppoii 
Gegensatz, der auch die Composition eines rhetorischen Werks, 
der »Wahren Geschichte«, bedingt; die Ausflüge, die dort 
Lucian selber zu den entgegengesetzten Enden der Welt unter- 
nimmt, sind hier auf den Kyoiker übertragen. Die Lächer- 
lichkeit des Lebens und Treibens der Menschen erscheint in 
diesem Dialog aus der Vogelperspektive (15 ff. 25). Wiederum 
ist es Menippos, der einem Freunde von seiner wunderbaren 



in der menippiscben Art fiisst den Dialog nuch W. Scbnild, Philol. 50, 
S. 3ü4. 5. Die Gründe, die Fritzsche, Lucian III 2 S. LVI IT.. rti seiner Be- 
siimmung der Abfassungszeit benutzt, scheinen mir nicht z\vingend. 

i) C. Wacbsmuthf Sillogr.'' S. 40 u. 8<. Eltig Acheruotica in Leipz. 
Studd. XUl S. .134 tr. 



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318 



VI. Der Dialog in der Kaiserzeit. 



Fahrt enSblt, und auch hier wird diese historische Yoraus- 
setBiing im Wesentlichen festgehalten*). Diesmal sind es die 
Widersprüche des Kosmos » die Ifenipp zu denken geben; 
wiedemm geht er die Philosophen um Rath an und wiederum 

mit «leniselben schlechten Erfolge. Da beschliesst er an die 
rechte Quelle zu gehen. Aul" Ikarosflügelu schwinj^t er sich 
aul und kommt bis zum Vater Zeus, der ihn mit demselben 
Bescheid entiässt wie Teiresias dass es besser sei über diese 
Dinge nicht zu grübeln (KoÄu-paYi-Lovsiv H). 

Homerische Heminiscensten haben direkt oder indirekt auf 
beide Darstellungen eingewirkt, dort dieiladesfahrtdesOdysseus. 
hier die Versammlung der olympischen Götter^). Beide Dar- 
stellungen scheinen sonach auf einander berechnet zu sein. Ja 
wenn wir Ikaromenipp hören dass ihm die Lächerlichkeit des 
gewöhnlichen Treibens der Mensch* n längst klar gewesen sei 
und er aus diesem Grunde sich der ernsthaften Beschäfligung 
mit den himmlischen Dingen habe hingeben wollen (4), so klingt 
das wie ein Hinweis auf die »jNekyomanteiai, zu der das Fol- 
gende die Ergflnaung, gewissennaassen eine menippische Physik 
aar menippischen Ethik, geben soll'). Beide Werke tragen 
ausserdem den Stempel menippischen Geistes und menippi- 
scher Form. Dass aber schon menippische Originale in dieser 
Weise correspondirt hStten, ist nicht wahrscheinlich; vielmehr 
scheint es dass Luden lunächst nur die Nekyia des atten 
Kynikers nachgebildet hatte und erst hiemach auf den Ge- 
danken kam von sich aus ein Gegenstflck dazu eu dichten^). 

<r>. 24. S«ln AufenthaltsiH t ist diesmal Athen (6. f1. 3^), was 
niil der Angabe Dial. Morl, 1 im i-.mkhini: stchl. Die von Wasnmnn?- 
dorll, Luciani scripta ea, quae ad .Menippum !»pectant, luter couipa- 
rairtor et diiofUcaiitar S. tS «ogenunttea Verstttne gegen die liistMiseke 
Wakrheii würden daan, mmentlicb der swelte, als Anaduronismen su 
entsdiuldieen sdo, wie sie fosi xur Traditloa des Dialogs geboren. 

1) S. 886, vgl. auch u. S. 295 f. 

8] Ettig Achcr. L. St. Xlil ^. 

4^ BcsondiM-s die breite l'oleinik ^ei^en Nalurpliilosophie ' ' H. iO f.) 
criauerl daran, dass nach Diog. L. VI 101 die Schriften Meaippi> sich zum 
Tbeii rpöi xou<; ^usixouc richteten. 

5) Erwlhnt kaon werden, dass Liician andi die Kyniker nicht mit 
• seinem Spott veradioni (48 Uber HeropbUos S1 ttber die gemdnea Ky- 
niker, die ohne genannt zn sein, doch deutlicb genug in denen geseichnel 
sind, die barfuss und scbroutzig einbergehen, ihren Mitmenschen ddits 



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Ludan: Todtengesprlifihe. 



319 



Endlich kam auch der Hadesfahrer und UiDimelsstürmer 
Menipp zu sterben und auch auf diesem Wege hat ihn LaoiaiU 
IMdiiung begleitet. Wie die erste Nekyia der Odyssee zur 
iweiten, so verhalten sich die »Todtengesprächet zur Nekyo- Todten- 
manteia. WSbrend es dort Lebende sind, die mil den Todton s^'P^^ 
sprechen, so reden hier diese letstoren untor einander. BerOhmte 
Personen der Geschichte und Sage treten uns entgegen in 
verschiedenen Situationen. Das war der Boden anf dem die 
rhetorischen Synkriseis dramatisch realisirt werden konnten: 
Hannibal und Alexander werden hier nicht verglichen sondern 
streiten selber vor Minos imi den Yorrang (12) wie in den 
FrOsehen Aischylos and Euripides Ein andres Mal wird an 
Homer angeknüpft und ehi Gesprioh der ersten Nekyia in der 
Manier der zweiten fortgesetzt so dass an das Gespräch zwischen 
Achill und Odysseus sich eine Unterredung zweier Verstorbener, 
des Achill und Antilochos anschlicsst (15;. In diese rheturischen 
Leistungen kommt ein kynischer Geist erst dadurch, dass die 
mcisteu von ihnen die Fredigt von der Vergänglichkeit und 
Nichtigkeit des irdischen Daseins unterstützen. Nur Wenige 
bestehen hier die Probe, Sokrates nicht f^O. 21-!) und nicht 
Alexander welcher von Philipp zurechtgewiesen wird (Ii). 
Dagegen triuiuphiren die Kyniker Antisthenes Diogenes Krates, 
und Diogenes ist es der von allem Anfang herein den Menippos 
citirt, damit er, wenn er sich auf Erden ausgelacht habe, 

uützen, desto mehr aber uhw sie s( himpfen;: doch fällt tlit s darum nicht 
sehr ins Oe\vicht weil ahnüclie AeuHserungen Nekyomaiti. 4 begegnen 
und weil auch Menipp kein Kyniker reiner Farbe gewesen zu sein scheint. 
Vgl. auch das anerkennende ürtheil ttber Aristipp das In Nekyom. 48 liegt 
(Ver. hist. II 48), ausserdem I S.887. Wichtiger Ist, dam Ueoipp schon zum 
SchlUM der Neltyomanteia 81 sidi über die Thorheit auch des }i,sTsapo* 
Kvjfcfv voUlcommen klar ist. es zu diesem Zweck also nach Lucians dama- 
liger Meinung Tintl Abskht nicht erst noch einer besonderen Himmelfahrt 
bedurfte (vgl. hiermit Ikaromen. 5 ^j^iouv (UTSTOooXI'jyTj; ^i'.atsy.Eiöat). Dass 
einzelne .Motive menippischen Originalen nachgeljildel waren, wird da- 
durch oatttrilch nicht ausgeschlossen: I S. 449 f. 

4] Die KomOdienscene wird Lucian vorgeschwebt haben: wenigstens 
ist die Aehnlichkeit so weil getrieben, das» selbst die Rolle des besehet* 
denen Sophokles nicht vergessen und an seine .stelle .Scipio getreten ist. 
Dies mag davor warnen, die Figur <tes Scipio für ein firemdes Einschiebsel 
zu erklären 'Nissen Rh. Mit«;. 

ij Dies ist echt kynisch o. 263, 5. 



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380 



VI. I>er Dialog in der KaiMmit. 



dasselbe io der Unterwelt fortsetzo. Schon im zweiten (bespräche 
bat er dieser Ladung Folge geleistet und spielt von nun an 
die Hauptrolle. Seine Herabkunft wird geschildert (10); in 
der Begei ist er ein Neuangekommener, der eben daber Anlasfl 
2U Fragen nimmt. Ein Anscbluss an die Dialoge seines Lebens 
findet aber nirgends Statt; eher vermiasi man bisweilen eine 
solche Beziehung >). 

Trotzdem ist die Nekyomanteia mit den Todtengesprächen 
durch lahlreiGhe Uebereinstlmmungen verbunden, die man 
lingst beobachtet hat: was dort in ersShlender Form 
schwebt, das wird hier in dramatische Gegenwart gerflckt>). 
wahrend aber Lucian dort sich Henippa eigene Schriften 
sum Vorbild nelimen konnte, ist dies hier kaom anzonehmen: 
Menipp Itoimte swar eine Hadesfahrt nach alteren Mustern 
fingiren, aber — trots der • Briefe eines Verstortienen« 
— sich nicht wohl selber als Verstorbenen redend einführen. 
Nicht an eine Menippea knllpft Luoian in den Todtengesprächen 
an soweit Menipp an ihnen betheiligt ist, sondern eher an eine 
Biographie des Eynikers, die er dichtend bis in das Leben nach 
dem Tode fortführte^': wie dieses letztere Leben nach dem 
alten Glauben und \\ ansehe der Völker eine Fortsetzung des 
früheren ist, wie der mythische Orion der Jäger bleibt der er 
auf der Oberwelt gewesen war, Sokrates der Menschenprüfer *), 
so sollte nun auch der Hundephilosopli mit seinem Gebelfer 
und Gelächter die Unterwelt erfüllen, mit dem er schon auf 

1} In dem GflsprSch mit Teiresias (SB) wird dos früheren Zusammeo- 
traffens in der Nekyomantei« nicht gedacht In dem Geaprttcb mit Am- 

philocbos und Trophooios (S) scheint er vergessen zuhaben, dass er dem 
Schluss der Nekyomanteia zu Folge in Lebadeia wieder ans Tageslicht 

gestiegen war. 

ii Im Hades sind auch Theisites und Nireus nichl verschieden, be- 
richtet Menipp Nckyoiu. 1^, iu uiuem Ge^»p^uche zwi^tchoii beiden, au 
dem audi Menipp betheiligt ist, wird dies Dial. Hort i5 ausgeführt. Der 
todte Maosoloa bat von seinem rnttchtigeii Grabmal mir Beschwerde, er- 
zahlt Menipp Nekyom. il; in Dial. MorL S4 mnss er selbst dies im 
Gespräch mit Diogenes zugeben. 

3; Daher perade in den Dial. Mort. Beilrlipe zur Kenntnis seiner 
Persönlicbkt'it und seines Lebens: Aufenthaltsorte seine Verspottung 
der Pbilosupheu 1,2 Aeusseres 10,41 gibt sich selbst dea Tod 10, IS 
Hunde und Raben verzehren seine Leiche vgl. I S. 385. 

4} Dial. Morl, ttt, 6 Nekyom. U Ver. Hist. 1117. I S. S87. 



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Liician: Wlderi^ung dos Zeas, Niederfthrt 381 

dieser Erde seine MitmensoheD geneokt and geärgert hatte und in 
das nadi seioer Metoung alles rechte Philosophiren ausmflnden 

musste. 

Dass die Todtengesprfiche iLeine menlppiscben Satiren 
Biadf bestStigt auch die sprachliche Ponn, welche nicht} wie 
dann xu erwarten wSre, ein Gemisch von Vers nnd Prosa 
sondern nur Prosa aufweist« Mit demselben Grunde und in 
demselben Sinne lässl sich behaupten, dass auch die »Nieder- 
fahrt oder der Tyrann« und »die Wideilegung des Zeuse 
keinen menippischen Einfluss seigen. Das Gleiche bestitigt 
der Inhalt. Wie bekannte Worte Julians (er. 41 p. 487 G.) 
lehren hatte der Kynismus yerschiedene Schattirungen. An- 
deutungen derselben auch in Lucians Schriften, insbesondere 
seinen Dialogen zu suchen, sind wir nach seinen eigenen 
Worten berechtigt, in denen zwischen einem von Menipp 
ausgehenden Einfluss und dem, was er Kynismus schlechthin 
nennt, ausdrücklich unterschieden wird' . In der »Wider- Wid«rla(OBf 
legung des Zeus« (Zsu; £Ä£;/oaEvo;) nun tritt uns ein 
Kyuiker Namens Kyniskos entgegeo, der weder ein menippi- 
scher Spötter noch ein diogenischer Rüpel ist. Er ist mit Vater 
Zeus im GesprSch und während dieser die Lehre von der 
Allmacht des Schicksals, der auch die Gütler unterworfen 
sind, vei tritt, sucht der Kyniker ihn von der Absurdität der- 
selben zu überzeugen. IJie Lehre vom Schicksal wird ernsthaft 
bestritten nicht bloss als unvereinbar mit dem vulgären Götter- 
glauben sondern als schlechthin verwerf lieh 3). Unser Kyniskos 
gleicht somit dem Oinomaos (o. S. 261) und wie dessen Polemik 
so wird auch die seinige auf der Anerkennung und Forderung 
der Willensfreiheit beruhen. Auf einem andern Standpunkt 
stand Menippos, der sich an dem Walten der Tyche ergötzte 
(Nekyom. 4 6). Trotzdem hat Lucian äusserlich wenigstens die 



4) Bis accus. 88. Vgl. F. Dttmmler, Akademika S. 848, 4. 

5) Daraiir fährt DamentUeh iinn Schluss (19) das über die Moiren 
Gtsagte, aber auch das vorher (4 Bemerkte, wonach mit der Annahme 

eines allgewaltigen Schicksals die nioraltsche Verantwortung der Men* 
sehen aufgehoben würde (Dial. Muit. 19 u. 30). Die Hauplpolemik geht 
gegen Slniker. Doch bekointiien aiieh die Epikureer Ihr Theil, deren 
Begrünüuuy des Gütlercultii (Zellei III" i von Zeus benutzt, von 
Kyniskos lurttckgewieaen wird (7;. 

Blviel. DMo«. n. Sl 



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3i2 Dialog in der kaiserzeil. 

»Widerlegung des Zeast an den Ikaromenippos angesoMossen. 
Wir vermissen jetzt Angaben Ober die Soenerie des Dialogs. 

Hat auch Kynislios wie Ikaromenippos sich zum Himmel auf- 
geschwungen und führt nun dort das Gespräch mit dem 
höchsten Her Gütter? Die Antwort hieraal j^iebL der Anfang 
des Dialugs. »Ich aber, sagt Kyniskos, will Dich nicht so 
belästigen wie die Andern und Dich um Keichthuiu GuUi und 
Königsherrschaft bitten.« Dieses »aber« 7,u Anfang Itrauchen 

hier nirht mit einer Gewohnlieit des dialogischen Stils zu 
entschuldigen ^o. S. 107, 3); die Andern, zu denen sich Kyniskos 
damit in Gepensatf, bringt, waren im Ikaromenippos (25) erwähnt 
worden und die dort aeschaö'ene Situation wird in diesem 
neuen Dialog festgehalten sodass Kyniskos auf Erden und von 
hier aus mit Zeus im Gebete redend zu denken ist'). 

Auch diesen dreisten Gegner aller Schicksalsgewait liat 
schliesslich die unerbittliche Parze dahin gerafil taub gegen seine 
Wünsche, nicht iHiher und nicht später als bis sein Lebensfaden 
zu Ende war. Das sagt ihm Klotho selber, da sie ihn zum 
Naehen CSharoos geleitet, und bald danach muss ihm auch vor 
der Wirklichkeit der Zweifel schwinden, den er so übennfliliig 
gegen die Unterwelt und eine Vergeltung des Guten und BOaen 
hingeworfen hatte (47). In dieser Situation*) zeigt uns den 
viadwfiikrt. Kyniskos »die Niederfabrt oder der Tyrann« (KaratrAouc 
^ 1 upavvo;). Dieser Kyniskos-Dialog hat also zu dem andern, 
der »Widerlegung des Zeustr, dasselbe VeririUtnfss wie die 
Nekyomanteia zum Ikaromenippos. Zusammenhänge, vielleicht 
von Lucian beabsichtigte, beider Dialoge wurden schon an^^ 
gedeutet. Am meisten werden beide Dialoge durcb die Person 
des Kyniskos zusammengehalten, der seine aus der Oberwelt 
bekannte Eigenthümlichkeit auch in der Unterwelt bewährt 3) 

1) Ebenso wohl auch der Priester der Saturaali« in dem GespiUcb 

mit Kronos. 

2) Vgl. bes. Catapl. 7. 

3) Eine Inronsequenz des Charakh rs siheint darin tu liegen, dass 
Kyniskos im Jupp. Cunf. 17 f. sich sehr lebenslustig zci(i;t, nach dorn 
Catapl. 7 aber den Tod gesucht hat Doeh mag das Letztere eine Accom- 
modation an Di<^eaes (Diel. Mort. tl, S) und Henipp eein. Jedenftlls 
beweist diese scheinbare Inconseqnens nicht gegen die Identität der Per^ 
sod: denn sie flndet sich ebenso bei Menipp, der trots seines Gnindsettes 
•ci itap^ %io%ai (Ikarom. 91) sicti den Tod gab. 



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Lucian: Niederfahrt, Charon. 



323 



und, wie er dorl der SdiicksalsgewaU sidi entgegenstemmte, 
so hier als Gegner der Tyrannen auftritt. Yen Hermes und 
Klotbo wird er zugleicli mit anderen Tedten, darunter dem 

Tyrannen Megapenthes und dem Schuster Mikkylos, unter allerlei 
Zögerungen zum Nachen Charons geleitet; nach der Ueherfahrt 
übergit'bt >ie Hermes der Tisiphone und diese bringt sie zum 
Hhadamaiithys, vor dem Kyniskos als Klager gegen Megapenthes 
auftritt und bewirkt dass dieser zu ewiger Gefangenschaft 
im Tartaros verdammt wird w^ihrend er sel])st und Mikkylos 
zu den Wohnungeu dor Seelifien eingehen. Menippos und 
Kyniskos Ideiben auch unter den Todtf»n sich und ihrem Berufe 
treu, jener mit seiner aristippisch geiarhten Moral die allein 
das eigene Wohl bedenkt und für das Unglück Anderer nur 
Spott und Lachen hat i), dieser als ein Arzt und Aufseher der 
Uebrigen-^, der Eine in seinem Gegensatz gegen alle Philo- 
sophie 3), der Andere als Philosophen sich bekennend und be- 
wahrend 4). Die Gorrespondenx der beiden Dialogenpaare tritt 
Susserli^ auch darin hervor dass die beiden Menippos-Dialoge 
durch den Dialog eingerahmte Erzählungen, die Kyniskos- 
Dialoge rein dramatisch sind>). 

In die ernsteren T0ne, die in diesen beiden Dialogen an- 
geschlagen werden, stimmen der »Charon c und der Bllahnc ein. 
Beide scheinen aus Motiven der »Niederfahrlt hervoi^ewachsen. 
Zunächst der »Charon«. Wie die Unterwelt dem Auge der OImwi 
Sterblichen erscheint, war zur Genüge geschildert worden j 



1 T6 Tiapo* £^ OlsOcii wollte Menipp (Ikarorn 81;, tö Ttpoojtcoov eij 
rnfx':{\hz^\m war der Grund.sutz Aristipps Diojx. L. II 6ß vgl. o. S. 3<8,5. 
Auch in der llndesfahrt der Dial. .Muri, lü, 10 crächeiitt für Menipp vor- 
/.u^licli charaktciistisch dus xtüv dXXojv '(cLi^. 

i) "Rvopoi; xal iarpö« töiv dvdpooTtivoiv äfxap.TT,pxt«iV Gatapl. 7. 

S) So in der Nekyom. und im Ikarom. Beseicbnend isi, dass Me- 
nipp in Dial. Mort. 10, 7 ff. erst von da an redet, wo es sidi um den 
Philosophen handelt, und nur so viel als diesen angeht (Aber den Rhetor 
10 spricht er nicht niit\ 

4; Als Philosophen lu wulirt or sieh im Jupp. Conf. durch die auf 
positiver llpberzeugung von <lt>r Willrnsfreiheit benihende Polemik gegen 
den tat^i^mus. Als eben solchen bekennt er :>ich im Catapl. il. 

i) Als Reminlscenz aus der alteren Literalnr des Dialogs mag hier 
naebgetragen werden, dass bei der Prüfimg des Kyniskos durch Rbada- 
manthys der Zopyroü Phaidons (I S. 415) vorgeschwebt zu haben seheint. 



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324 



VI. Der Dialog in d«r Kaiflemit. 



hier sollte einmal geseigt werden wie Einem der Unterweltliehen 
diese Erde sicli darstellt Wiederum ist der Todtenschiffer 
mit Hermes im Gesprftch. Es gelingt ihm diesen su bewegen 
dass er ihn auf die Oberwelt begleitet Von aufgethttrmten 
Bergen besehauen sie das Treiben der Hensdien. Und die 
Tyrannen und Mächtigen, die schon in der Unterwelt ihre 
Aufmerksamkeit am meisten an sich zogen, treten ihnen auch 
in diesem Bilde vorzüglieli entgegen. Kroisos ist gewisser 
Maassen an die Stelle des Mega])enthes getreten. Sie iM laiischen 
seine Unterredung mit Solon. die hier als Dialog in dvn Dialog 
eingeschaltet wird (10 ff.). Darin vertritt Solon die K\niker*): 
denn die historischen Voraussetzungen werden streng fest- 
gehalten und die Kyniker selbst sind nur vermittel'^t eines, 
noch dazu durch Anonymität verschleierten, Anai hronismus 
zugelassen (21]. Aber Gharon schlägt an ihrer Stelle das 
menippische Lachen auP), das indessen bald in die ernsteren 
Töne einer kynischen Bergpredigt ausklingt ^j, die sich neben 
die Predigt des vKynikers" ^o. S. 348, 2) steUt. Menippisch ist 
noch die Einmischung von üomerversen, besonders der Horner- 
Gento (22); allgemein kynisch sind die BemerlLungen Über die 
BestattungsgebrSuche der Menschen*}. 

Wie im Gharon die schon in der «Niederfahrt« eingeschSrite 
Unseeligiceit der Tyrannen noch einmal gepredigt ward, so 
lUa. wird im «Hahn« der dort bereits den Tyrannen als Ideal 
gegenübergestellte und als solcher sogar über die Kyniker von 
Profession erhobene (84 f.) MiklLylos einer besonderen DarsteQung 
gewürdigt In ihm tritt der kym'sche Schnster dem Sokratüier 
Simon zur Seite '^). Im »Hahn« sehen wir ihn zu dem werden, 
was ihn cum Mpster eines Menschen in den Augen der Kyniker 
machte. Wieder einmal reden nach alter Weise*) dieThiere 
in den IHalog herein; schon in der • Niederfahrt» waren sogar 
BettnndLampe redefähig geworden (27), in den Todtengesprächen 



S} 6. 4S. 14. 16. 17. 

8) SS : <{j (Aoraioti ti iaRMftdbwc« nspl taüitt; ffa6oao9c lu^vovnc xiX. 

4) Sl. Das Wort XnninttK erinnerl an Cataptus S. Ebendahin weist 
viellelcbl die Erwähnung der Klotho (43. 14) und der Ifoiren (4S). 

5) DUmmler, Akad. S. i4S, 4. 
e) 1 388 ff. 



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Lacian: Habn, Kronos-Schriflen, tragischer Zeus. 325 

|pr Ki'rl>er<»s, in den Seegesprnchen (8)derl>i'lj)hiD. Diesmal 
ist es der Haiishahn des Mfkkylu>, der hierzu besonders quali- 
fi/irt ist dn in ihui die Seele eines Monschcn, des i'ythagora!*, 
Krates und Anderer lebt. Seinen imzulri« druon Herrn ermahnt 
er zur Genügsamkeit und deraonstrirt ihm schliesslich seine 
Theorie ad oculos, indem er ihn als unbemerkten Zuschauer 
nächtlicher Weile in das Innere der Häuser versetzt. Mikkylos 
wird bekehrt. Darüber ist kein Zweifel ; kein Zweifel auch dass 
der Mikkylos des »Hahns« identisch ist mit dem der » Nie d er- 
fahrt wie zu allem Andern auch die nahe Bekanotschafl 
beider mit dem Wucherer Gniphon *) verrfith. Und doch ist 
er der Lebensanaofaauung nach ein Anderer. In die Unterwelt 
kommt er als ein bis dahin Unglflcklicher: froh dem Leben 
mid seinen Leiden entronnen su sein hofft er nun im Tode 
EntscbSdignng daflir su finden (Gatapl. 15); wie er des Gniphon 
ansichtig wird und ihn jammern sieht, hat er nur Sehaden- 
freude (17). Das ist nicht der Mikkylos des »Hahns« der sich 
schliesslich als glücklichsten der Menschen fühlt und seinen 
wucherischen Nachbar nur bedauern kann 31 ). Offenbar war 
seit der »Niederfislirt« swar nicht Bßkkylos, wohl aber Luciao 
zu dieser höheren Lebensanschauung bekehrt worden und 
vielleicht durch denselben Hahn d. h. durch den Kyniker 
Krates, der aus ihm redel : wcnii^stens würde der Praxis 
gerade dieses Kynikers, der sein väterliches Vermögen weg- 
geworfen hatte, eine Predigt über das ÜnglUck des Heichthums 
(2< ff.) vollkommen entsprechen •^j. 

Insofern der Kynismus die Philosophir d r Annen und 
Unterdrückten war, können unter ilic Docuraente von Lucians 
Kynismus auch die K ronos-Schriltcn gezählt werden. In Kroiu»- 
allen dreien ist die dialogische Form mehr oder minder stark 
ausgeprägt, zunächst rein dramatisch in dem GesprSch zwischen 
Kronos und dem Priester, dann als Er/nhlung in der Einleitung 
zu den Gesetsen und endlich in einer brieflichen Gorrespondenz. 
Zu Gunsten der Armen sind sie alle geschrieben» wenn auch 



<) Catnpl. 17. (iailus 30. 

i) Ist es ein Zufuli, dn^n aus dem üahn heraus kruteh luit Mikkylos 
redet und ein Mikkylos, nach Dütumler Akad. 343, 1 derBeU)e, in den 
Sllten d<ft Kynikers Krates erwfthnt wurde? 



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326 



VI. Der Dialog in der Kaiserxeit. 



nicht gegen die Heichcu, um deren Gunst gorade Lucian, wie 
es scheint, durch diese Schriften werben wollte. Es sind 
literarische Galu ii zum Feste des krunos, der angefangen hatte 
in der griechischen Literatur eine Rolle zu spielen (o. S. 'SST) 
Vergleichen kann man in dieser Hinsiebt Seneea.«. Apocolo- 
cyntosis und Julians C;if sares, um so mehr als beide Nach- 
hildungon der Menippen sind und hierdurch ebenfalls Beziehung 
zum Kynismus zeigen, 
tragische Die Form des kynisirenden Dialogs istauchiui »tragischen 
^'^'* Zeus« (Zsu? TpaYti»öo;) festgehalten. Der Anfang ist ein 
Gespräch der Götter in Versen^) und auch später werden 
solche bei sich bietender Gelegenheit eingemischt sodass der 
Charakter der Menippea in die Augen springt 3 . Zeus ist 
bekümmert: der Streit zwischen dem Epikureer Damis und 
dem Stoiker Timokles, in dem jener die fixist«» und Yorsehung 
der Götter leugnet» geht ihm su Herzen. Die Götter werden 
SU einer Berathung berufen. Dies rOhrt Motive der »Götter- 
versammlungt und des Ikaromenippos wieder auf. Bis in*s 
Einselne gehl die üebereinstimmung, wenn Hermes die 
lärmenden Götter beschwiehtigt, wenn Momos ab Sprecher 
auftritt und ihnen die Wahrheit sagt Während sie streiten 
und SU kahlem Entschluss kommen» bringt Hermagoras die 
Nachricht dass die Disputation wieder begonnen hat. Hier 
thut sich vor dem Auge des Lesers eine DoppelbOhne auf^ 
die, kunstvoller als im Tlmon (o. S. 299] und als im Gharon 
(9 IT.), benutzt ist um das Gezänk der Philosophen durch com« 
mentirende Göttergespräche begleiten zu lassen. Der Verlauf 
der Disputation gestattet keinen Zweifel, wem der Sieg bleiben 
wird. Scheinbar trügt ihn Tiniokles davon, in Wahrheit Damis. 
)»Wie wahr ist doch«, luil diesen Worten schliessl Zeus den 
Dialog, nwas Darcios über Zopyros sagt: sodass auch ich lieber 
wollte, ich hätte einen solchen Bundesgenossen wie Damis 
als unzählige Babylons«. Der Dialog ist dem Inhalt nach 
eine Ergänzung zur ^Widerlegung des Zeus«: wie dort eine 
emphndiiche Stelle des vulgären Götterglaubens mit konischen 

n Vgl. anck Jailim or. fV p.157C. 

S] D«r biennit nuammeolKiligende Name rpafuiooc ist nach Maasa- 
gabe von Nekyom. Anfang m^oai TOttT<ptov su eritUtreD. 

•] lasbasoDdera eriniiaii der Anfang aa den der Nekyom. 



Luciaa: Oer iragiscbe Zeus. 



327 



Argumenten angegnflen wurde',, so wird demselben hiermit 
den Wairen der Epikureer zu Leibe gefjanpen'^) und (lern 
Heiligen der kyniker, Herakles ist es vorbehalten Kyniskos 
Einwände geeen den SchfcksalsLi.miten zu resumiren Mj. 
Wie sicti zeigt waren die Belürchtungen vor den Epikureern 
und ihrer Kritik des Götterglaubens, wie sie sich im »Doppelt 
Verklagten«, stärker zum Schluss des Ikaromenippos äusserten, 
vollkommen begründet. Der Dialog ist einer der kunstvollsten 
und nkannigfiiltiggien Lucians. Und am wenigsten in einem 
solchen kann man Alles aus einer Quelle, von einem Vorbild 
ableiten: neben der Menippea mag wieder die Komödie ein- 
gewirkt haben» an die man sich durch die attischen Localitäten 
erinnert fUhlt, lunichst f^reOieh an Lucians eigene Werke, den 
Timon, den »Doppelt Verklagten« und den • Fischer t^). Die 
Polemik geht auch nicht pedantisch in emer Bichtung sondern 
nebenher ihUen auch Hiebe auf die Redner der Zeit^). So 
kann uns gerade dieser Dialog noch einmal das bunte Bild 
ins GedXchtDiss rufen, das auf ihre Formen und Elemente 
angesehen die dialogische Schriftstellerei Lucians gewahrt. 



Wir suchen einen Faden, der durch diese Verwirrunir nnirt- 
hindurchleitet. Da Lucian selber im Dialog ein Organ der Cbwakurirt 
Philosophie sah so könnte man deshalb die Varietäten seines 
Dialogs fUr ebenso viel Documente der verschiedenen Phasen 
seines Philosophirens halten. Diese Annahme scheitert ein* 
fach daran dass eine Reihe seiner Dialoge mit der Philosophie 
gar nichts su thun hat. Sie ist im strengen Sinne aufgefasst 
auch deshalb misslich, weil Form und Inhalt sich nicht decken, 
also s. R. der »tragische Zeus« in menippischer Form epiku- 



4) Bin epikureisches Ai^ment, dMsen sich Zeus iMdiente, warde 
von Kyniskos zurückgewiesen: o. 8. 324, S. 

2) Der Epikareismu» wird dabei nicht carikirt zum Zeichen wie 
£ni8t es Lucian mit ihm iBi; Dami>< Uissi gewis&e Opfer bestehen 44. 

V Mit d( III Orakel 81 kann man die der •lUtteri', »Vögel« uud des 
• Friedens« vergleichen. 

4) i 4. Hermes, der Gott der Rhetoren, ist Atticist : er empfiehlt dem 
Zeus sich an Denoslheaes sa halten und nicht mit Vwsen sa beginnen. 
Zeus befolgt den Rath nur so sehr. 

Sj Prometh. es In verb. S Piscalor SS. Bis a<xus. S8 ff. 



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3S8 



VI. Der Dialog Id der KaiseraeiU 



reische Gesinaung bekundet. Und darf man überhaupt von 
Phasen eines Lucianschen Philosophirens sprechen? dner 
kynischen, platonischen, skeptischen, epikureischen? Ich 
meine, die Zahl dieser Phasen widerlegt schon eine solche 
Annahme; und hieran wird auch dadurch nichts geändert 
dass man statt von Phasen von »Anwandlungenc spricht Im 
»Fischer« bekennt er sich freilich als einen Verehrer aller 
alten Philosophen; ein so weites Gewissen seigt aber nur am 
so deutlicher dass es ihm mit keiner dieser Philosophien 
recht Emst ist^). Wie er sich denn auch niemals zu einer 
von Omen unumwunden und ganx bekannt, niemals seiner 
Ueberseugung von der Ideenlehre oder der Atomistik Aua* 
druck gegeben hat. Wo er auf dem Boden einer oder der 
anderen dieser Philosophien su stehen seheint, geschieht es 
aus bestimmtem Anlass und su bestimmtem Zweck. Um das 
Fundament aller Philosophie abzugraben nimmt er im Her- 
motimos den Skepticismus zu Hilfe, gegen die göttliche Welt- 
regiening kämpft er im »tragischen Zeus' mit epikureischen 
Argumenten, mit kyaiscken in der '»Widerlegung des Zeus« 
gegen den Fatalismus. Je nach dem Publikum, das er vor 
sich hat, scheint er ein anderes Gesicht zu zeigen, bald das 
des Religionsveräcbters bald das eines Menschen, der ruhig 
im Glauben der Väter beharrt^). 
Sophist and wandelt sich nicht ein Philosoph sondern ein Sophist und 

Bhetor. Hhetor, dessen höchste Güttin die Gelegenheit ist und dessen 
lleberzeugungen im Dienste der Sache stehen, die er gerade 
vertritt. Wie Voltaire und Ueinrich Heine behandelte Lucian 
die Philosophie belletristisch. Daher hat er selbst sich zwar nie 
als Philosoph — oder doch nur in einem sehr eingeschränkten 
Sinne (o. S. 291 , i ) — wohl aber wiederholt als Bhetor bezeichnet 
(o. S. 271 1T.|. Die » Bildung t (naiosta) worunter er die Rhetorik 
verstand, führte ihn zu Sokrates nicht minder als su Demosthenes 



1) Die Art, wie er ihre Vertreter gleich tu Aafki« des fNalogs 

hereinstürmen lässt, erinnert« uns schon o. S. SOS f. an die Komödie: So- 
krates, Piaton. ArislotcI«^> und di«' IVbrigen eracheineo lüerdarch ▼ün 
vorn herein als halb iachertiche Figuren. 

2) Pro Iraagg. <7. 23. Harmon. K. Hercul. 8 Biucli. n Auch der 
• parcus deorum cultor et iofrcquens« trägt an zahlreichen Ölelleo seiner 
Oden eine olDeiette FMminiglnlt sur Schau. 



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Lttcian: Gesanuntcharakteiistik. 



329 



(Somn. 12). bcihsl deu Dialog zog er zu sieb herül)er und 
/war in derselben Schrift in der er ihn den Sohn der Philo- 
sophie nennt. Die Rhetorik hauchte demselben das Wesen 
ein und die Hhetorik gab ihm das Kleid. Das Wesen wurde 
bestimmt durch das Ziel, das Lucian dem Dialoge steckte: er 
sollte nicht mehr belehren, die Erkenntniss fördern, den wissen- 
schaAUchen Geist*) trieb ihm Lucian mit sammt der alten Langen- 
weile und Steifigkeit aus, hinfort war die Aufgabe des Dialogs das 
Publikum lu unterhalten und lu belustigen. Zu diesem Zweck 
erscbien derselbe geschmllekt, in angemessenem» wenn auch 
barbarischem Gewand. Beides nimmt Lucian als sein eigenthttm- 
liches Verdienst in Anspruch und rOhmt sich, hierdurdi dem 
greisenhaften Dialog sn frischem Leben verhelfen lu haben 
(Bis accus. 34). Sein Publikum hat es ihm gedankt und sah darin 
eine Neuerung^). Dieses Verdienst sollten auch wir ihm un- 
geschmSlert lassen. Er hat nioht »abgeschrieben nicht von 
Menipp ^) und nicht von den Komikem, so nahe er beiden 
in vielen seiner Dialoge gekommen ist, am allerwenigsten von 
Bion'*) sondern er hat nur, wie es das Recht der Kunst zu 
aller Zeit gewesen ist, das Recht der uütikpn Kunst und des 
rhetorischen Handwerks allerdings in besoiulers hohem Mausse 
war, die von Aelteren übernommenen Motive für seine Zwecke 



1 Naturpbil().>()|)hiscl»e Diaioge wie den Phaidou und Timaios Hess 
er nicht gelten, aber auch den Gorgias nicht (Bis accus. 34) und in 
diesem letzteren Urtbell giebt sieb abermalB der Rhetor zu erkennen, den 
die Herabsetimig aetner Kunst ttfgerte, 

2} Vgl. z. B. Prometh. es in verb. 3. 7. Was Riese Varron. Satt. 
Men. S. 24, 1 benierlit, Lucian habe damals den Menipp noch nicht ge- 
kannt oder dies absiclitlirh verschwiegen, wird niemnnd wahi'sicheinlich 
finden. Sf»ine Nachahmung der Komödie muss eben eine andere gewesen 
sein als die schon früher von Menipp versuchle; sonst würde er auch 
nicht, wie er Bis acc. 33. thut, in der Analyse des Dialogs das Komödien* 
Blemoit von dem menippischen trennen. 

8} Wenigstens der bdtannten Charekterlstik, die Cicero Acad. posL 8 
von den Varronischen Satiren giebt (Riese s. n n* i , entsprechen die 
Lucianschen Dialoge nicht genau : rs raag wohl sein dass auch die Dialoge 
des alten Menipp mehr wissenschaftlichen und besonders philosophischen 
Baliast mit sich führten. 

V .Schon Fritzschc II 2 6. XLIV hat beiuerkt, dasü Lucian den Bion 
niemals erwähnt. Vgl. I S. 374, 5. 



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330 



VI. Der Dialog io der Kiiseneit. 



verwertbei und Klemenio verschiedenen Ursprungs zu einem 
neuen Ganzen verbunden. 

Lucian wnr kein zünftiger Philosoph. Ohne Philosophie 
war er deshalb nicht so wenig als Isokrates. Das firuch- 
stück einer Kunstphilosophie stellen seine Bemerkungen Über 
den Dialog dar, die der bei den Philosophen seiner Zeit gelten- 
den Theorie entgegengeseiit sind (o. S. 270, 3). Ein ähnliches 
Nachdenken wie seiner Kunst wandte er aber auch dem Leben 
und Handebi su und so entsprang eine Lebensphilosophie, die 
seiner Kunstphilosophie nahe verwandt ist. Hier rief er den 
Dialog aus den überirdischen Regionen Piatons surlick und 
liess ihn wieder menschlich reden, erklärte als Atlicist allem 
rednerischen Schwulst, besonders der Asianer den Krieg (Bis 
accus. 34 ff.); dort forderte er Wahrhaftigkeit und ging in 
der Verachtung alles Scheins so weit, dass jedes nur münd- 
liche Bekenntniss lu irgend welcher Moraltheorie schon seinen 

PhUoMpUe kritischen Argwohn erregte 2). Worauf er hinaus wollte, war 
^SeSJchen-" Philosophie des gesunden Menschenverstandes, die keiner 

?«nUadM. Gelehrsamkeit und keiner Dialektik bedarf, eine Philosophie 
der Thüt, die ihre Lehren nicht sowohl bekennt als bewährt. 
In einem wie dem andern Stücke berühren sich seine Be- 
strehungen mit denen der Kyiiiker^). In der Kunst wie im 
Leben ist es der echt kyniscbe Kampf get:» ri die Aufgeblasen- 
heil 'ru'fo;) den er flihrt. So weit sie selber hiervon nicht 
frei waren, wurden auch die Kyniker nicht von ihm geschont^ 



4) Die OtXooofb als solche und in Person wird namentlich in den 
» Ansreissem « durchaus mit Ehren behandelt: Zeus hat sie den MenscIieD 

zur Aufklarung und Besserung gosiuidl. Mun möchte sagen, zum Dank 
dafür nimmt ihn im »Fischer« 39 die Philosophie für sich als einen der 
ihrigen in Anspruch (-6 Xoiröv ladt :^(jl£tepo; ujv). 

8] Z. B. im Herraotim. s. o. S. 291, 1. Das Leben eines (oi«[ittj; gilt 
ihm als das Beste z. B. Nekyom. 21 Sympos. 85. Mikkylos steht in 
Luclans Schätzung noch über Kyniskos, der nubtY^c über dem ^^oofoc 
(Catopl. U t). 

3 ] Gewissermaassen in einem Moment zusammengefasst und in das 
grelle Licht der Anekdote gerückt erscheinen beide in d<*r bekannten 
Erzfthlunp dass der Kyniker Diocenes die Mor-r^rikor, welche die Bowegung 
leugneten, durch Auf- und Abgehen widerlefite Diog. L. VI 39. Zeller 
Nach diesem Muster wird der Skeptiker widerlegt Vitor. 

auct. %1 Sehl 



Digiii^cü Ly ^^oogle 



. Lociam Gosammtcluirakterifttik. 



die mit dem Kostüm der Schule prunkten und durch Lastern 
Anderer ihrer eigenen Tugend gewiss zu werden L:l;iuhten^\ 
Mm zwischen den k\nikern zu unterscheiden mochte ihm schon 
Menipp den Weg gewiesen haben, sicher fand er zu diesem 
Ziele einen Führer in seinem auch von ihm bewunderten 
Zeitgenossen Epiktet^). Die Verehrung für diesen war ein 
Band, das seine Freundschaft mit Arrian befestigte, und dam 
sich mit dieser Yerehriuig eine rhetorische Sorgrnlt des sprach- 
licheD Ausdrucks vertrug, wie wir sie bei Lucian finden, lehrt 
am besten das Beispiel eben des neuen Xenophon^). So ver- 
tritt Ludan wieder einmal die Speeles des »rhetorischen 
Hundes«^); und wenn er als solcher besonders die sünf- 
tigen Philosophen der Universitfit Athen anbellte, so geschah 
auch dies in Uebereihsfimmung mit Epiktel dessen Wirken 
und Lehren in NikopoUs einen gewissen Gegensati gegen 
den Betrieb der Philoflophie an den UniversitSten bekundet^). 

Lucians Polemik liort da auf wo die iMutarchs anfügt: Vergieiokaag 



denn gegen keine Philosophenschule hat sich der milde Plu- 
tarch so ablehnend verhalten als gegen die Kyniker und auch 
über Epiktet hat er kaum anders geurtheilt als Dion und 



I] Ikftromea. Sl. 

S) 9an>tMioto( ^ipov heisst er adv. iiuL IS. 

8) lieber Epiktet in dieser Hinsicht s. o. S. S47, 1. 251. Nur sehr 
ungern sah der Rhetor Fronte Epiktets Diatriben in den Händen seines 
kaiserlichen Züglini;«; : Fronto Kpist. p. 17:^ »•'! Hom Fritxsohe Lucian 
II 2 S. i'H. — Da.s.N mit dt-i Vcii'hr imu dos hpiklcl und überhaupt mit 
dem kyiiismus auch die Bewunderung Alexanders des Grossen nicht 
streitet, lehrt ebenMs Arrian. Wir baboi daher nfeht nölhig das 
4 t. TodtengesprSGh (o. S. 349) mit Nissen (Rh. Mus. 4S S. S4ft) als eine 
Satire auf den grossen Uakedonier su fassen^ iveoigstens in keinem 
anderen Sinne als auch die FrOsche des Aristuphanes «ine Satire auf 
Aischylos sind. Vgl. noch u. S. 76 f. Uber Dion und Onesikrilos. 

4) xjTOv ÖTjtopixö« I S. 388, 4. Diese Ansicht muss wunderbar 
scheinen, wenn mnn an Jrtkob Bernnys denkt d(^r in I.ncian mir 
den (iegnor di-r Kyniker nah. Aber gegen Bernavs hut in dii-ser 
Richtung bereits Vahlen iu der ihm eigenen feinen und grundlichen 
Weise das erste und entscheidende Wort gesprochen (Ind. lectt 
BeroL 

5) Gegen einen sünfllgen Stoiker spielte den Epiktet aus Herodes 
Atticus nach der Brsäblmng bei GelUus N. A. I 2. 




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332 



VI. Der Dialog In der Kal«enelt. 



Favorinus'); seine Schrill über Krates wird daher nicht so- 
wohl dem Ryniker als dem Thebaner und Patrioten gegolten 
haben. So kommt auch hier der (Gegensatz zum Vorschein, 
der die beiden letiten namhaften Vertreter des antiken Dia- 
logs von einander trennt. Eine friedliche Stimmung breitet 
sich über die plutarchischen Dialoge aus. Von Akademikern 
und Peripatetikem hatte er gelernt alle Philosophien su Worte 
kommen xu lassen. Römer und Griechen vereinigen sich su 
freundschaftlichem GesprSob. Plutareh selber und seine An- 
gehörigen treten auf, lauter Persönlichkeiten die der Geschichte 
entnommen sind. Wir haben das Gefühl auf historischem 
Boden su stehen. Bei Lucian dagegen werden wir wie in 
eine Wunderwelt versettt, er selber tritt niemals auf, nicht 
einmal in den einrahmenden Dialogen unter eigenem Namen. 
Und doch stellt sich hi diesen Diditungen die Wirklichkeit 
gegenwartiger dar als in den Dialogen Plutarchs, die sie 
bereits in einer gewissen Vergangenheit zeigen und eben 
darum historischer sind. Die Dialoge Lucian s sind keine histo- 
i'tmpiiiete. rischen Werke es sind Pamphlete; kein Spiegel der jüngsteu 
Vergangenheit sondern Waffen mit denen ihr Verfasser die 
Kämpfe seiner Zeit besteht. Eine Schrift ruft die andere 
hervor, wir schauen verschiedene Stadien desselben Kampfes; 
in der Hitze dieses Kamjjies ist er nicht ängstlich bemUhl 
seine Ansichten mit anderwärts ^if'inisserten in systematischer 
Uebereinstiminunc! /ii erhalten, wie ein Journalist unserer Tage 
hat er zunächst nur einen Moment, nur die (legenwart im 
Auge der er mit seiner Arbeit dient. Könnten wir die (in- 
girten Namen ^) dieser Streil^Dialoge entrSthsein, wir würden 



i) 0. K liO, .1. 190 f. :*än f. 

S) Für Geschichte hat Lucian keinen Sinn trotz der Abhandlung 
de histor. cooscrib. Die Ver. hisi. ruht auf Ceberzeugungen und Ur- 
theilm, wie sie Seneca Qneestt Nat. IV 8,1. VII 46,1 f. lU praef. 5-7. 
Apocol. 1. fregm. XV Hase (die verilas rühmt er an der Geschldil^ 

Schreibung seines Vaters und Epiktel Diss. 1M9, 5 (T. 21, tO aussprechen. 
Am h liier treten wir also in den Kreis der kynisch 'Stoischen Anschau- 
ungen. 

Ä Auch soldi«' Naiiirn wie sich Luciau sellM-r Iteilf'it, [\t.hhTvAlTc 
'AXtjfttoBvoc to'j tAt^ctx/io'jc Piscalnr 11»;, sind nach kyuischen Vorbildern 
erAindea. Man denke an Ailu{xo; nXavYjTid^T]« bei Plutareh de det orte. 



tucian. AaslKufer des antiken Dialop. 



333 



darin das Heer seiner Feinde erbUdcen wShrend die Plutardi- 
sdien uns in den Freundeskreis des Terfessers ftthren. Plutarch 
geb Menander den Yorsug, dessen Dichtung das Leben spie- 
gelte ; Lnctan benntste für eine seitgemSsse Umgestaltung des 
Dialog» -vielmehr Aristephanes and die Dichter der altattischen 
KomGdie, indem er sich wohlweislich hütete ihnen auch auf 
das Gebiet der Politik xu folgen'). Wie sie hier sich beide 
auf den Vorgang Piatons berufen konnten, der in seinen Dia- 
logen sowohl dem Hass als der Liebe Denkmale errichtet hat, 
so thcilten sie sich in die Erbbcliatl des {^iöi>sluii Dialogen- 
schreibers auch insofern als Plutarch sich an den Inhalt der- 
selben, Lucian an ihre attische Sprache hielt-). Ihr Gegensatz 
tritt um so schärfer hervor als beide im Grunde derselben 
Richtung loUhn. Sie erkannten die Schäden der Zeit, die 
inneren Wi<iersprUchc in Philosophie und Religion, und suchten 
deren Heilung, Plutarch indem er bemüht war sie zu ver- 
decken und auszugleichen, Lucian indem er sie zu hellem 
Kampfe aufrief und darin einen durch den anderen ver- 
nichtete. Darin waren beide einig dass die Stoiker, die bis 
dahin am meisten von allen Philosophen geneigt gewesen 
waren der Praxis mit der Theorie xu Hilfe su kommen, dem 
fiedflrlhiss dieser Zeit nicht mehr genfigten: weder konnten 
dem Mysticismus derselben Dialektik und Battonalismus noch 
dem Verlangen nach einer Sitdichkeit der That die auf Er- 
kenntniss gebaute Ethik jener Schule susagen. 

Beide stellten in ihren Dialogen die lotsten geistigen 
KJImpfe dar, die sich im Alterthum auf rein heidnischem 
Boden abspielten. Dem aufstrebenden Ghristenthum haben 
sie darin noch keinen Plats gegOnnt. Und doch gehttrte 
diesem die Zukunft auch des Dialogs. Was das Heidenthum 
von jetzt uu uuch aui' diesem Gebiete der Literatur leistet, 



und an Pcreprimis Proteus Phönix (Bernays Lucian S. sowie an deo 
Kyoulkos des Atheiiaios der flV i60D) eigenUirfi Theodoros hiess. 

^) Politisch ist die Menippea wie es scbetjil nur unter römischen 
Händen geworden, so» namentlich bei Varro and Seneca, vgl. auch 
I S. 454 ff. 549,4. II S. 8> f. 

S) Wenn LncUoi davor warnt dem platoniachea Dialog auf seinem 
Himmelsflug zu fol^pn (Bis accus. 33 r.), so könnte dies wohl seine SpHxe 
gegen Dialoge ia der Weise und aus der Schule Plutarchs richten. 



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334 



VI. Der Dialog ia der Kaiaerceit. 



erhebt «ich nicht Über den Werth einer AntiquitSt, die man 
noch rhetorisch aosBlaffiren und mit Gelehrsamheit vollstopfen 
konnte, die man aber nicht mehr im Stande war mit wahrem 
Leben xu erfüllen. 

4. Die Andftnfer dos antiken IMalos». 

Ais Zeugen der fortdauernden Uebiine; des Dialogs in den 
lliietorenächulen sind uns zwei Schrillen erhalten, die unter 
Lucians ^Ve^ke wohl nur deshalb gcrathen sind weil in ihnen 
die gleiche Scheinehe zwischen Fhiiosophie und Hhetorik be- 
steht. Ausgeklügelt und gekünstelt wie sie im Einzelnen sind, 
fehlt es ihnen dagegen gänzlich nicht bloss an der sprachlichen 
Anmuth und Durchsichtigkeit sondern auch an dem Wits des 
Samosateners. Beide gehören zu den bei den Sophisten und 
Rhetoren beliebten Enkomien, einer Gattung in der wir auch 
Luclan und swar ebenfalls in dialogischer Form sich haben 
versuchen sehm. 

pNnd«-LttoiiBe Der Gharidemos hat sum Gegenstand das Lob der 
OhvidtBuii. geh9nheit In ein Gespräch zwischen Hennippos und Ghari- 
demos ist Gharidems Ersfihlnng von einem Symposion ein- 
gefügt, das SU Ehren eines rhetorischen Sieges stattfand. Den 
Hauptgegenstand bildet die Hittheilung der Reden, die dabei 
sum Lobe der Schönheit ausser von dem &sllhler noch von 
swei andern Gästen gehalten wurden und die einander su 
einer einsigen ergänzen (22). Die Nachahmungen Platons, 
Xenophüns, auch des Isokrates sind mit Händen zu greifen; 
doch (sind sie zum Theil von der concurrirenden Art. die schon 
besprochen wurde ^u. S. 400 f. ^94 f.)^]. Einmai meint man 

4 f In Plntnns S\nipo«iion theilt ^«»rfidp der Erzähler Aristodem seine 
eigene Rede nicht mit. In Erinnerung an diesen Vorgänger sträubt sich 
wohl auch Charidem zunächst (24 )< am Ende aber iasst er sich doch 
umstimmen, lehrigens ist nicht undenkhar dass Gharidemos an Aristo- 
demos auch durch den Namen erinnern sollte; die x^pt; seines Namens 
verdankt derselbe wohl eben der xd^it <li« «r ^\ßm Hennippos» wie S f. 
tt. SS hervorgehoben wird, durch die Erslihiung erweist; zu einer soldien 
unter anderen Verhftltnissen gesuchten, hier aber erlaubten Deutung gibt 
sich auch <}ev Name Hennipps her (li's«^cn. der *;i<!t sdii Anfang an 
für die Hermes-Feier und was sich dabei zugetragen bat, iuteres.sirt utid 



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Die Ausläufer des antiken Dialogs. 



335 



eine Luciansche Schablone wahrzunehmen^;. Dass der Dialog 
uiciil \uü Lucian herrührt, stehl fest; in die Zeit nach Luciaa 
weist ihn vielleicht die Feier der Diasien, die Lucian ver- 
misüte und die hier wieder im Gange ist (o. S. 299, 3). 

Eine affektirte [.ebendfgkeit, die sich im iilotzlii lu^n Ab- 
brechen (Irr liegonnenin Htde zeigt*) Uüd die mir wenigstens 
aus dem * rhlen I.ucian nicht bekannt ist. ist ihm dagegen mit 
einem andern der pseudo-lucianschen Dialoge gemein, dem »Lo b Pseudo-LadauB 
des Demosthenes«^). Der Verfasser dieses Werkes scheint 
es auf die Ueberraschung des Lesers abgesehen zu haben. 
0er ungenannte Erzähler trifft mit dem Poeten ThersagoraB 
zusammen an dem Tage, der die Ehre hatte als der Geburtstag 
des Homer und des DemosHienes su gelten^). Dem Vater 
der Dichtung gegenflber bat sich der Poet bereits seiner 
Pflicht entledigt; dagegen ist der Ersihler, den wir uns offen- 
bar als Rbetor denken sollen, in Verlegenheit wie er seinen 
Heister wflrdig loben k9nne. Der Poet mnss ihm aus der 
Notb helfen: er stellt eine Synkrisis i wischen Homer und 
Demosthenes an, die su unserer Ueberraschung da wir 
aus dem Hunde des Dichters das Umgekehrte erwarteten — 
in eine Verherrlichung des Demosthenes auslSuft. Abermals 
SU unserer Ueberraschung — denn man sollte meinen, der 
Stoff einer Lobrede auf Demosthenes sei nun vollends er- 
schöpli fallt dem Poeten ein, dass er zu Hanse ein kost- 
bares Manuscript verwahrt, das dem Zwecke des Tages dienen 
könnte. Aber es ist eine Schrift des Antipater, also eines 
Gegners des Demosthenes. Wie soll sie der Verherrlichung 
des Redners dienen ? Doch wir werden abermals enttSuscht: 



den Bericht darüber veronlaBSt. — Gleich der Eingang führt auf Platon 
und den Phatdros: doch ist die Freude in der fireieD Natur eine gant 
andere, modiflcirt für den GrosMtSdter der spSleren Zeit, der sich aus 
dem Qualm und der Hnge der Städte nacb der friscben Luft und dem 
Anblick des ofToncn Landes sehnt. 

<) Der Schlussgcdanke ist dersulhe, den Lucian anderwiu ts (o.S.i94,1) 
darcb die Vergleichnii-: mit dem Uiss toller Hunde ilhrstrirl. 

8) < 5 ; 0'jxa> ae|j.vöt'iTCiv xai ötiötaTOv tüiv ovTuiv ioxiv, wäre . . . W 
See 8iol «oXovc Tr:t[jL-/)xot9i, roipoXibtoi. 

8} 46. SO. so. 40. 

4) S. darüber Bergk im Herrn. 16, 540 SL 



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336 



VI. Oer Dialog in der Ketseneit. 



denn in der Schrift des Aotipater, einem dramatischen Dialog 
(28), zwischen diesem und Arohias eit5ni das Lob des Demos- 
Ibenea nur desto heller aus dem Munde seiner Gegner , der 
beiden Genannton und sodann des Philipp und Aristotoles 
deren Reden ebenfalls in direkter Form mitgetheilt werden. 
Was die Absicht des Verfassers war — wenn er mit dem 
ErsSUer identisch ist — etwas ganz Neues, von der bisherigen 
Art der Lobreden Abweichendes zu geben (xatvoxotuitv 23)^ 
das ist ihm wie durch Zufall geglückt: seine Rede ist weder 
eine Lobrede Im eigentlichen Sinn noch ein Lobdialog sondern 
vereinigt Beides*), sie ist auch nicht Freunden und Yerehrem 
in den Mund gelegt sondern erst ist es ein Poet der zu Worte 
kommt und sodann seine politischen Gegner. Das ist mit 
sophistisch- rbelorisüheni Raninement ausgesonneü. Nichts- 
destoweniger ist der Verlasser kein blosser Khetor, sondern 
verräth philosophische Neigungen viel mehr als Lucian : denn 
er stellt nicht bloss hinsichtlich der sprachlichen Form De- 
mosthenes mit den grossen Diilosophen •/ii>;itiiui('n sondern 
bt iniibt sich ihn zu oineni Schüler derselben zu steiJi|K'ln, 
indem er ihn in der Theorie sich zum ünsterblichkcitselaubt n 
des Piaton und Xenokrates bekennen '47) und in der politi- 
schen i'raxis die Grundsätze der Philosophie bewähren lässt 
wie ihm selbst Aristotoles bezeugen muss (40 flf.j^). Seinen 
Atticismus platonischer FSrbung bekundet der Verfasser noch 
im Einzelnen durch Entlehnungen aus platonischen Dialogen 
Nur erwähnt werden mag in dieser Beihe noch der 
p^eado-LtidaQi Philopatris. Nicht ganz ohne Grund ist er, wenn auch erst 
fhiiofAtri«. ^f^p ^^1^^ Lucians gerathen. Zwar die Anläufe 

zum Atticismus sind schwach^], aber der bewussto Anschluss 
an Lucian in der Polemik gegen die alton Götter sowie an 
die Vorbilder Lucians, an Piaton und die alto Komödie, ist 



1j In den beiden Melankomas des Dion sind die beiden Arten des 
BokoinioD getrennt (o. 5. 407). 

i) AvsdrttcUicb wird IS bemerkt daas DemostfaenM bei Platon 
Ariflt<Mele9 Xeookrates und Theophrast studirte. 

8) Die lelzlea Worte des Demosthenes i49) sind denen des Sokrates 
im Phaidon nai hgebildet. Auf die Vurstellungen des Pbaidros- Mythos 
fuhren drintTj und izno6z ti; la'nkoi-i 50. lieber o' 05 s. o. S. 313,4. 

4) Iber l' S4 8. vor. Anui. 



Diqitized hy GoOgle 



Dia Ausläufer dc< •nfiken INalogB. 



33*/ 



nidit XU Terkenneni). Im Uebrigfln gelittrt der Dialog, der 
eine ausgesproeben ohristUdie Tendeoi verfolgt^ nicht in den 
Beraidi dieser Betraditung, wenn seine Zeit tttch nicht so tief, 
wie man In neuerer Zeit wohl gemeint liat, herabsnrflcken ist^). 



Vom Strome der Zeit getragen wird der Dialog mit sammt 
der Rhetorik religiösen Zwecken dienstbar. In Pseudo^Lucians 
Gharidemos (3) werden EnJu>mien auf Herakles und auf die 
J>ioakuien erwShat, das eine in Folge eines Traumes das 
andere lum Dank für wunderbare Rettung verfasst. Keinem 
war aber in dieser mystischen Sphfire 90 wohl als dem Rhetor 
Aelitts Artstides, der fast seine ganse ThStigkeit auf Aeiioa 
göttliche Inspkation und Traumgesichte tarQckltthrte. Zu den AiiitidM, 
Wirkungen der letiteren s8hlt er auch Dialoge (fttaXo^ooc nvac 
or. %i p. 898, 18 Jebb). Diese Angabe su verdSohtigen und 
flu* eine leere Fiction lu halten liegt kein genügender Grund 
vor. Dialoge su componiren lag keineswegs ausserhalb der 
Neigungen und FShigkeiten dieses Rhetors: wir sehen es noch, 
wie ihn die Leidenschaft der Polemik gegen Piaton nicht bloss 
SU Apostrophen an diesen (or. 46 p. 436, 11 Jebb.}» sondern 
bis lu förmlichen Dialogen mit ihm (or. 45 p. 35 Jebb) fort- 
reisst^) ; während anderwärts (or. 46 p. S88 Jebb) ein gewisses 
Nachdenken über die Natur des Dialogs, eine Beschäftigung 
mit der Theorie desselben hervortritt. 

Zu den namhaftesten Rhetoren und Sophisten der späteren 
Zeit gehören die Phil oü träte. In dieser Familie scheint du FUlMtnu. 

I) Audi die tollen Hunde Lndans kehren wieder (0. & tS4, 4). 
Attf den PhaidroB lassen sich die Platanen sowie die TepotTt&Sr) (3) be- 
ziehen, vielleicht auch das §ai(i.6v(ov (22). In dem «I> xaXe Kpi-ii (4) 
scheint v-cnieslens eine sokratische Rominisc'^n? zu liegen wie schon 
Gessncr b« merkt hat. Von aristophanisdu n Komödien sind nameDtlich 
die Spureil der Wolken und der Vögel sichtbar. 

S) Wie man diesen Dialog zu einem Werk des lehnten Jahrhunderte 
hat madien können ist mir ebenso anbegreiflich als dsss man darin 
eine YerUfhamig des Cbrlstenlhums geaehen hat Das Richiign hiergegen 
s. jetzt bei Crampe, Philopatris. Ein hcitini« ho^ Conventlkel des sieben- 
ten Jahrhundert zti Constantioopel (Halle. 1S*i4 . 

3) Die oben beirtprkte Verdächtigung gehört zu den Uehauptuiigeu, 
in denen Baumgarts Buch über Aelius Aristides (S. 131 f. 184} über das 
Ziel hinauAScbiesat. 
Hirial, Ualot. II. 



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338 



VI. Der Dialog id der kaiserzeil. 



dureh drei GfiDerationeo die Uebnng des Dtalogs, und auch hier 
verbimdeii mit einer gewissen reb'giösen Tendens» erbUdi ge- 
wesen zu sein. An der Spitze steht wie billig der Aelteste, der 
Dtr Ditlog Verfasser des Nero. Dieser Dialüg ist ein kleines Drama, das sich 
ohne vermitteln de Erzähl iinsj vor unsem Augen abspielt. Die 
Scene stellt die Insel Gyaros dar, auf der der Philosoph Musunius 
in der Verbannung lebt. Derselbe ist der Mittelpunkt eines 
kleinen Kreises, in dessen Namen, ganz ebenso wie wir das 
auch in plntoiiisf hen Dialogen linden, ein Einziger das Wort 
führt, hier Menekrates. Den Anlass zum Gespräch giebt die 
Durchstechung des Isthmus von Korinth, bei der Musonius 
halte Sträflingsarbeit verrichten müssen. So ungtlnstig das 
Vorurtheil ist, das hierdurch gleich zu Anfang gegen den 
Kaiser erweckt wird, so wird es doch zurückgedrängt durch 
die gemeinnQtzigen Absichten , die jenem Unternehmen zu 
Grande zu liegen scheinen. Hierüber enttäuscht nun Musonius 
in seinem ersten Vortrage die HOrer gründlich: nicht das 
gemeine Wohl hat Nero geleitet, nur die liebe Eitelkeit; er 
hat für nichts als seine Musik Sinn. Aber yielleicht ist er 
doch hierin ein Meister? In ehiem zweiten Vortrag ze^t 
Musonius, dass es dem Kaiser an aller Begabang fehlt und 
nur die Forcht das Publicum abhSlt ihn auszulachen. Blickt 
uns schon hieraus euie schlimmere Eigenschaft des Kaisers, 
seine Grausamkeit, an, so tritt derselbe vollends In das firgste 
Licht durch den dritten Bericht des Philosophen, der die 
Ermordung des TragQden erzShIt und anhangsweise Nero als 
Mttttermörder und Heiligthumssch&ider brandmarkt Auf drei 
durch Zwischenreden des Menekrates bezeichneten Stufen hat 
sich Nero in der Schilderung des Musonius bis zu einer 
tragischen Höhe der Furchtbarkeit erhoben. Der Schuld, die 
ihren Gipfel erreicht hat, folgt der jähe Absturz auf dem Tusse. 
Auch dieser ist nicht ohne Kunst vorbereitet. Bereits vorher 
war der Aufsland des Vindex erwähnt worden und dass auch 
in Rom es anfinge zu wanken (ö). Jetzt wird plütaslich ein 
Schiff sichtbar tum Zeichen froher Botschaft bekränzt und, wie 
es sich dem Ufer nähert, erschallt der .lubelruf dass Nero 
todt sei *). Fast wie die Mahnung eines antiken Chors Idingen 



1) Ich glaube einmal irgendwo gelewn eu haben als wenn m steh 



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Die AnslinfBr dM antiken Dtalogs. 



339 



die ScUussworte des MusoniuSy daas Utttes Frolilo<dien doli 
niohl sleme beim Tode aiu^ eines FeindeB^). 

Wie den Inhall eine Schilderung des Kaisen bildet, so trigt 
das SehriHchen nadli ihm den Titel iNero« und weicht hierdurob 
von der alten Gewohnheit der Dialoge ab, wonach Personen- 
namen als Titel nor dienen, wenn die Personen Theilnehmer 
des Gesprächs sind, erinnert dagegen an die pseudo-platonischen 
Minos und Hipparch (I. S. 330 f.). Auch in diesen letzteren 
ist der Inhalt eigentlich nicht dialogisch sondern wird es erst 
durch die Zuthat allgemeiner Erürkruui;ün. Im Nero« fehlen 
auch diese. Statt dessen ist aber der Inhalt so kunstvoll ge- 
gliedert, dass dadurch im Leser eine Art von dramatischer 
Spannung erzeugt wird, ähnlich wiein manchen Dialogen Platous. 
Aber während diese der Regel nach im Snnde verlaulen, so 
wird man hier bis zuletzt in Athem gehalten, j » durch eine Art 
Thealercoup wird der Aft'ekt zum Schlüsse sogar aufs Höchste 
gesteigert: womit ich aus älteren Dialogen nur die Ausgänge 
der varronischen Blicher »von der Landwirthschatla, besonders 
des ersten derselben, zu vergleichen wüsste (I. S. 561,4). Auch 
hier darf man diese Abweichung Ton der platonischen Regel 
auf einen Einfluss der Menippea zurückführen^). 

Einen solchen anzunehmen sind wir im üinblick auch E lAh? ^er 
noch auf Anderes berechtigt. Zwar schwebt um den »Nerot ^^'"ff^'^* 
der Schatten des Schrates^), bestimmter jedoch werden wir 
durch die Hochschfitiung des Musonins, also eines Stoikers 
kynischer Flrbung, in die kynische Bichtung gelenkt. Von Xjiiiokt 
hier aus begreifen wir leicht die weitere literarische Thfltigkett ^^ff« 

am Schluss des Dinloi^s nur uiu ti«'ii Sturz dos K;iisers, nicht um seinen 
Tod bandele. Deshalh weise ich au^^drucküch auf ot/eadoti bin, iiaa nur 
den Tod bedeuten kann, so wie auf ditl ^^p to?« xet(Ui«oic, woraus, wenn 
man es ausser mit Aristopb. Wölk. 54t t. noch mit Vitt Soph. II S1 
(S. 4SS, %k Kays.) Lobeck zu Soph. Aj. 989 und Ardiiloch. fir. S4 Bergk 
vergleicht, sich das Gleiche er^^ibt. 
1) Wohl nach Odyss. 22, 442. 

1) 1.6. 442 f. 561 f. Nachgeahmt hat den Nero wlfdoriun der einen 
^ni abDlichen Schluss bietende Philopatris (o. der auch durch seine 

Kaiserfreundlidikeit ein Gegenstück zu dem Dialog des Phiiostratos bildet. 

8) Das db]U« olkoi <p(>ovTi3rf,ptov, wie Husooios gleich zu Anfong die 
Insel Gynros neunl, eiinaert an die Wolken des Aristophanes (v. Apoll. 
VI 6 p. 108 TO T&v Fjijlvüjv -ipovTKJT^ptov), welchcs Stttck auch SU der 
Schlusswendung eine Peraliete bot S. SS8, l }. 



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340 



VI. Der Dialog in dftr KtiMniit 



des älteren Philostratos, wie sie sich aus dem Suidas-Artikel 
construiren ISsst. j» Proteus u und Kutuv y) lorfirrr^^ laateteo die 
Titel zweier Schriften, die vielleicht ebenfalls Dialoge waren 
und jedenfalls auf irgend welche Beiiebung zum Kynismua 
deuten'). Auaserdem werden ihm noch Tra|{ödien und 
Komfidlen beigelegt was ihn gleicbfiills mehr als Kyniher denn 
als Sophisten charakterisirt^. Da er trotsdem ausdrUeklich 
»Sophistc Ton Saidas genannt wird, so wird sich beides ui 
ihm wohl ebenso yerlragen haben wie in Dien. 

Man hat in neuerer Zeit den Verfasser des aNero« bis in die 
Zeit dieses Kaisers hinaufirttcken wollen. Dann wfirde der Dialog 
ein Pamphlet sein bald nach dem Tode des Kaisen geschrieben, 
dem des Seneca auf Claudius vergleichbar (o. S. 33 f.). Doch 
1888t sich diese Datirung nicht aufrecht erhalten^}. Und auch 
in einer späteren Zeit war lu einer Schrift wie der »Nero« 
genügender Anlass. Es ist ein Enkomion in dem weitereu 



1; Dies«« Titel mil Bcrgk Fiinf Alihh. S. 18^.4 zw einom »»inzipen zu 
vereinifien gibt uns d<is vom HlH-ior MeDonilcr S. 346 Sp. erwähnte 
e-ptdiixtgv npcoTitu^ TQj xuvo; kein Recht. Der Titel müsste daan mic- 
dettens mit Einfügung des Artikels [lpoat«&c h K6av ^ oocptor^^c laotaa imd 
bliebe auch so noch sonderbar genug. Dagegen der nparct6c für 
sidi allein mit j«Mn ifudbiAiov idenUscb sein: Philostratos hatte sich dann 
nach Sophistenaii dieses paradoxe Thema ausgesucht, dessen Behandlung 
eine scheinbare Widerle-.'uiit: der Lucianschen Schmahsfhrift (iarstellcn 
konnte. Ernsthaft kann das Lob jenes Proteus im Munde Fhilostrat^ 
kaum gemeint gewesen sein , das zeigt schon die Art wie über diesen 
Kyniker bei Philostrat. V. Soph. S. 71, 41 ff. Kays, gesprochen wird. 
Uebrigens kann der Titd II^cuc auch die mythische Figur des Namens 
bedeuten, sumal der Stiller der kynlscben Schule ncpl Ilparclaic (DIog. L. 
VI 17; •:eschrioben hatte. So gut wie in des jttngerSO Philostratos v. 
Apoll V 19 eine Anspielung auf den »Neron, könnte man ebenda I 4 eine 
auf den »Proteus« finden, ich mochte indessen Beides nicht vertreten 

(O. Äi. 245, 1), 

Als 1 1 agodmndicbter unter dco Sophisten nennt Welcker Gr. Tr. 
S. 48ia Skopeliaa und Niketes. Aber die Stelle bei Philostr. V. Soph. 
I t1, 5, auf die er sich beruft» vermag ich trot« dem, was nachher Über 
die rcyvyTta oder TiircNiotMixift gesagt wird, nur vom Vortrag, nicht vom 
Dichten der Tragödien zu verstehen. 

3) Die ganze Chrnnolopie der Philostrate geräth dadurch ins 
Schwanken. Das -ysY^viij; im N^pcovo; des Saidas kommt hiercPL'rn nicht 
in Betracht; es beruht wohl auf dem faUchen Schluss, dass der Ver- 
fasser des »Nero« zur Zeit dieses Kaisers gelebt haben müsse. 



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Die AuslinliBr des aollkeii Dielogp. 



344 



SioDe) der auch die T^delrede begreift, und Grund lu einer 
solchen konntm die Versuche einer »Rettung« jenes Kaisers 
geben, wovon uns Spuren schon bei Plutarch begegnet sind 
Der Dialog beansprucht als historisch su getten; wie er su 
seiner Kenntniss gelangt ist, hat Philostratos in echter Dialogen- 
manier dadurch angedeutet dass er den Menekrates von der- 
selben Insel LmioB stammen Ifisst (6), die auch seine, des 
Philostratos, Heimat war. 

Mit dem Werke des Vaters hat »das Leben des Apol- OMLebea 
loniosK, das den jüngeren Philostratos tnm Verfasser hat, eine <i"«ApolbBH 
entschiedene Verwaadlschaft. VAna ethisch-religiöse Tendenz 
so wie eine romanhafte Anlage, die sich beide auch im »»Nero« 
wahrnehmen lassen, sind hier nur viel mehr ausgebildet und 
an die Oberfläche getreten. Beide Schriften sind eine rbctorische 
Deberarbeitung von Memoiren^); beide fuhren den Leser an- 
nShrend in dieselbe Zeit; mit Domitian contrastirt ApoUonios 
ebenso wie mit Nero Musonius. Dabei ist in deiu Werke 
des Sohnes der Pythagoreismus keineswegs so überwiegend, 
dass nicht auch der Kynismus des Vaters darin noch zu einem 
gewissen Rechte käme ^\ Vor Allem macht sich ein starkes 
sokratisches Element geltend^) und führt nicht bloss dazu 
dass ApoUonios gern seine Lagen und Handlungen mit denen 
des Sokrates vergleicht sondern ist auch die Ursache gewesen 
dass sahllose GesprSche die ganse ErsShlung durehtiehen, 
darunter auch solche der sokratischen AzC^]. 



4) 0. S. 217, 1. Bcrgk Fünf Ahhh sieht in dem Dialog eine 

Nachahmung Luciaiu». Mit der satirischen Tendenz lässt sich dies aber oicbt 
begrilDdeo, da eine solche hl unserem Dialog nicht wahnnnehnieD ist. 
Dagegen orelfiBri sieh Lucian gern über die Tyrannen; das Eiag die 
Ufsaehe geworden sein dass man den heirqnlosen Dialog ihm suachrieb. 

4) 0. S. 245, i. Zeller VJ* S. 450, 3. Rohde Gr. R 4:?f), 2. 

3) Icber Erwähnungen des Musonius o, S. 246, 1. Der Kyniker 
Demeirios ist ein Schüler und Ven lirer des ApoHonios IV 25 p. 74. Vgl, 
noch über die alhiopisdien üymneten Zeller V S S. 4 53 Anin. 

4} $eU)St der im Ceotrum der Welt- und Lebeusanschauung des 
ApoÜonios stellende SoanencuH (Zelier a. a. 0. S. 154 f. Rohde a. a. 0. 
S. 489) bat neben anderen Orsachen doch ein Vorbild auch in dem Gleich- 
niss der pialooisehen HepobUlc und In dem Gebet» das im Symposion 
Solcrates an die aufgehende Sonne richtet. Vgl. auch o. S. 258. 

5J Z. B. U c Si. £tnen Unterschied zwischen den Geaprächen des 



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312 



VI. Der i>ialog in d«r Kaiseneift. 



Im Leben des Apollonios wird erzählt (IV 11 p, 148 — 
S. 431, 5 ff. Kays.) dass er «voll der Kunde des AHerthums« 
in der Troas die Gräber der gefallenen Achfter aufsuchte und 
nächtlicher Weile mit Auhill in Verkehr trat. Aus solchen 
Hamikolt jBnählungen und Vorstellungen erwuchs der Heroikos des 
dritten Phflislratos, ein ländliches Idyll wie der Eoboikos des 
Dion, nur nicht wie dieses mit moralischer 8<mdem mit religiöser 
Stimmung und Lehre durchtränkt. Ein phoinikischer Kaufinann, 
der auf der thrakischen Ghersonnes gelandet isl^ triflt auf offenem 
Lande in der Umgegend von Elaiua mH einem dortigen Winter 
lusammen. Die Scenerie wird wiederholt and breit geschildert 
mh Farben, die snm Theil dem Liebling der Bhetoren, Platons 
Phaidros entlebni sind. Das Grabmal des ProCesilaos ist sichtbar 
der nach dem Tode ein hflireicher Heros der Menschen ist, 
ihnen ersdiieint und mit ihnen redet So wendet sich ihm 
das Gesprftcb sn ond der Winser muss berichten was er von 
ihm gehört hat, Uber die Natur der Heroen, insbesondere Uber 
das Aeussere der vor Troja kämpfenden Helden. In diesen 
Schilderungen, die den llaupttheil des Dialogs bilden, verräth 
sich der Verfasser der >> Bilder«. Der Dialog schiiesst Schablonen- . 
hall imd mechanisch weil es Abend wird (o, S. 49, 4] ; die Hoff- 
nungen auf Mittheilungen über die Unterwelt, die zum bchluss 
erweckt werden, gehören zu den trügllchen, mit denen häufig 
am Ende der Dialoge, schon der plalunisr hen, das Gefühl des 
Endes im Leser altpeschwächt werdpTi suJI. Sehr png hangt 
die literarische Thiitiijkeit der drei Püilostrate zusammen. Der 
Heroikos des dritten weist nicht bloss auf das Leben des 
Apollonios zurUcjL sondern ist auch mit dem ) Xero des Gross- 
vaters verbunden: denn der Lemnier Menekrates, der dort 
redet, ist doch offenbar mit dem Menekrates identisch^ der 
anch im Heroikos (p. 289 = S. 139, 13 Kays.) in Beziehung 
tu Lemnos gesetzt ist. Auch die Philosophie blickt bei ihm 
durch: der Winser hat sie in der Stadt studirt und treibt sie 
noch weiter unter Mithilfe des philosophischen Heros ProtesilaoS) 
SU dem er in Shnlichem YerhSltniss steht wie Aristides su 
seinem Asklepios^). 

Apollonios uatl denen des» Sokiale.s (»ozcichnet PhiloMnitos IV 2 Aofg.; 
eingebender und bestimmter, aber ohne :»ukrat6H zu ueuueu, i tü. 

I) P. Wk = 4S4»« 16 K. p. SS8 « 5. 4SS, SS ff. p. SB? wm S. 416, IS f. 



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Die Auslaufer des antiken Dialogs. 343 

So weit der ElnfinBS der Bhetorik reicht, so weit erstreckt Dialog« M im 
sich auch das Gebiet des von ihr gepflegten Dialogs. Daher ^'"^"''^ 
finden wir ihn auch jetit wieder bei den Eistorikem, bei 

denen er uns schon früher begegnet ist*). Bei Gassius Die Oanlu IN», 
treten uns zwei grössere Dialoge entgegen, der consolatorische 
»wischen Cicero und Philiskos (38, iSff.) und ein anderer, 
der zwischen Augustus und Livia (55, Uff.), In wie weit 
Gassius hier selbständig gearbeitet, in wie weit er es aus 
älteren Quellen geschöpft hat; oh seine Dialoge historisch oder 
nur heisch sind, ist nicht mehr mit Sicherhf^it auszumachen. 
Iin AUgemeinon mag Gassius auch hier das Vorbild des 
Thukydides vorgeschwebt haben ^} neben den rhetorischen 
Vorschriften. Nur diesen ietxteren und einem Bestreben einer 
sonst zu langweih'gen Darstellung durch inasere Beise etwas 
anftohelfen scheint aber Vopiscus gefolgt in sein, wenn er V«plini» 
seinen Kais^iograpliieo als Einleitung ein Gespräch voraas- 
schickte» das er »am 35sten März 304 während einer Festfeier 
mit dem SCadlprlfekten Jnnins Xiberianiia in dessen KnIsehe 
geführt hal<i).« 



Neben dem rhetorisirenden Dialog ging bei Lndan der Du Bad« to 

menippeische einher. Auch in dieser Richtung hat die Folgezeit ••"^W** 

noch weiter gearbeitet, aber immer schwächer werdend und 
so dass die Form schliesslich zu einer äus»ercii Dekoration 
herabsank. Es ist ein eigenthUmliches Zusammeatrefleu dass 
die Menippea, die so oft den Gegnern des alten Glaubens als 
Waffe gedient hatte, zwei Jahrhunderte nach Lucian in die 
Literatur wieder eingeführt wurde durch dcuseibeo i^aiser 
Julian, der als Erneuerer der antiken Beligion und ihres JuMan. 
Cultus eine der tragischsten Gestalten In der Weltgeschichte 
ißt. Zu dialogischen Versuchen konnte er von rhetorischer 



1) D. h. bei den griechischon : über Herodot und Thukydides 8. I 
5. 88 fr. Dagegen über Uvias 8. Ii & S3 f.; aad dasselbe was voo diesem 
gilt auch von Tacitus. 

Vou deu Philosophen (Albinos latrod. c. 2) wurde Ihukydides als 
Vorbild für Dialoge verpönt. 

•) Th. MbnunMQ, Herrn. SS, S57. Aach den 'lotopiu dm Theo- 
phrlaktos Simekattes gebt ein Dialog swischea GMChiehfee and Philo- 
sopbie voraas. 



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344 



VI. Der DMog in der Katseneli. 



Seite her geftthrt werden^). Die menippische Pirbung kam 
tbefls von seinen satirisohen Naturell tbells von der Hinneigang 
lu einem reineren Kynismns, die sich mit der Veraehtimg des 
gefSlscfaten seiner Zeitgenossen bei ihm ebenso verband wie 
bei Luden']. Kynisohe Stimmung und Laune mdgen ihm den 
dialogisirten Mythos der siebenten Rede^}, die Invective des 
liisopogoD mit ihrem lebhaften IMatribenstil und den Selbst- 
gesprächen, mit ihren Homeroitaten^), vielleicht auch die ver* 
lorenen Krooia^) ehigegeben haben. 
Cinm. Am hellsten leuchten sie in den erhaltenen GSsares 
auf. Der Götterbote hat Julian erzählt, wie es bei der Satur- 
nalienfeicr im Himmel zugegangen ist: auch «lin Herrscher, 
die Könige und Kaiser der Vergangenheit, finden sich ein 
erhalten aber nur theil weise Zutritt und unter den Zu- 
gelassenen findet nach dem Mahle auf Befehl des Zeus Preis- 
bewer])UDg statt. Der eine wie der andere Vorgang führt 
zu einer Revue über die Erdengrösseo, die in äusserst 
charakteristischer Weise ihre Sarli*^ selber führen und m 
boshaften Bemerkungen nameidlirh Sil ms Anlass geben. 
Dem letzteren, den schon Frühere zum Träger höherer Weis- 
heit erhoben hatten*^, hat seine Aehnlichkeit mit Sokrates 
(p. 3liD) zur Rolle des MensohenprOfers verholfen, wobei 

4) Wäre Libanlos Epist ad Aphem. 1 S4 (Westennann Giiach. Bends. 
B4i} echt, so kttmte man an das Vorhild insheaoDdare diesas Bhetors 
deidten, der jenem Brief zu Folge einen Dialog in Nachabmang des pla- 
tonischen GorRias geschrieben hatte. Indoss der Brief ist unecht, w ie nnich 
Rieh. Förster, Francesco Zambeccari und die Briefe des I.tbanios S. i 53 belehrt. 

4) Or, VI u. VII. Mit diesem Ksnismus, was man nieht 711 bearhten 
pflegt, war es ihm Ernst, dass er auch seine Frommi^^kuit und Ver« 
ehrung der alten Bdigioe damit In BlnUang zu letien soohte: Sngittkdi 
bemüht er sich nachnweiaen (or. VU p. l4iA ff. tlSA ff.) dam die alten 
achten Kyniker, wie Krates and Diogenes, kehie GotteaverMohtar waren. 

3) p.327Cfir. Beiläufig,ausdefSalbenRedep. 284 D scheint zu folgen dass 
unrh der Kyniker Herakleins einen mythischen Dialog, Gespräche zwischen 
Zeus und Pan verfasst und dabei, echt kynisch fl S. 4?1 unter der mytholo- 
gischen Hülle Personen der Wirklichkeit, üich selber und Julian gemeint hatte. 

4) So dass er selbst sie als ein Gemisch von Vers und Prosa, iayM 
ntCf itficQivi){Aivov, beseiehnen ksnn p. SS8 A. 

8) Or. 4 p. 187 C andi o. 8. 888 f. 

6} Gibbon History IV ch. 24 8.417,3 (Leipzig 4 821 hat schon auf 
Virgil Ecl. VI verwiesen Auch an Aristotelaa konnte erinnert werden 
(Ar. 40 Akad. Ans«, p. 4484 i>8j. 



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Die Aiulinli»r dM uitfkeD Dltlogs. 



345 



er weder das sokratische Gesprich noch die BokratiBche Ironie 
▼ergittt^ die er aber in der Hauptsadie naeb dem Vorbilde 
der Laeiaiiadieii Kyniker, namentlich Menippa darehfUhrt^). 
Anoh die alle SyiÄriaia iwlschen Alexander und Diogenes 
ersoheinl hier von Neuem , nur in leichler Yerhtlllimg, und 
wird auf kym'sche Weise enischieden: nicht Alezander, nicht 
CBsar erhalten bei der Bewerbung um den Buhm des besten 
Herrsdiers den Preis sondern der Phflosophenkaiser Maro 
Aurel Damit war zugleich ein Begierungsprogramm aus- 
gesprochen, dessen Absicht auch zum Sehluss in der grimmigen 
Verhöhnung Jesu und in dem offnen Bekenntniss zur Mithras- 
religion durchschimmert und das um so schworer wiegt nis 
es nicht wie in Senccas Apoculocyntosis aus dem Munde des 
ersten Ministers sondern des jugendlichen Regenten selber 
kommt. Wie in Senecas Schrift ist auch in den »Cäsares« 
Julians die Menippea auf das politische Gebiet verpflanzt 
(o. S. 333, <). Da hierzu norh, ftir den Ni iiplatoniker Julian 
characteristisch, der platonisi }ie Anstrich kommt '' , so fehlt es 
aufh diesem Dialog nicht an dem persönlich individuellen 
Leben, das sich auch bei Lucian unter aüegorisch-mythologisober 
Verkleidung so krSftig regte 

Während bei Julian neben den lebendig charaoterisirten 
historischen Gestalten die allegorischen Schattenwesen der 
Göttinnen des Rechts Dike) und des GlQcks (Tyche), die 
Personificationen der Ueppigkeit (Tr^phe) und der Schwelgerei 
(Asotia) im Hintergrunde bleiben^)» sind sie dagegen in einer 
nur wenig spfiteren Menippea desto melirbervorgesogen worden 
so dass sie die g^nse Scene fttUen. Dies ist in der »Hochieit 



1) Vgl. auch or. VI p. 187 A. Im WeseDtliclMD das Richtige schoa 

bei Spanheim zur französ. Uebera. S. XXIX. 

2 Derselbe wir«! also hier nach der pleirhen Norm beurtheilt, nach 
der auch er Diogenes über Alexander und Casar gestellt hatte S. ?59,1\ 

3j Beziehungen zum Symposion und zum Protagoras bat schon 
Spanhetm angemeAk Aach das Liebespaar Seilenos und Dionysos 
{p. $18 C) gehtfrt daUo. Der Vorgang Plalons muss es entschaldigea 
daifl er Oborhanpt einao Mythos entShU (p. ISSC). 

4) Insofern hat Gibhon Recht wenn er a. a. O. S. M6, 2 gegen 
Spanhf'im bemerkt; But the Caesars nf Julian nre of such nn original casi, 
that ihe cntic i< pprplexH to which class he should ascribe them. 

5j p. d43B. 3i9A. 330 A. »86 A. 



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346 



VI. Dw Dialog ftt dflr KtiSMMit 



Hoohiait der de r Phfl ol og i e und d e 8 Mercur« von Mar tianus Gapella 
'Jjjj^jjgj^ geschehen. Auch hier ist der Inhalt wie bei Julian ein 
voa Kartiann« MäTcheii (fiittloc, ftbeUa) und iwar ein solches das iiiobt einmal 
CftptU«> fiugfrt ein hisloriacher Vorgang in sein; Julian enihtl es einem 
ungenannten Freunde, Hartlanua — eeht rOmiadi (I. S. iM, 4) 
— aeinem Sohne; der GewShranann deB Einen ist Heimes, der 
Andere hat was er wieder enIhH von dar personifitirteii 
Satora Temommen. Audi hier eine Gdttervenammlung und 
auch hier ist wieder Silen der Spassmaehar, bei Martianus 
fireflich ein unflreiwilh'ger <). Endliofa wird auch diese GQtler- 
versammlang wie die luUansdie und aufib die Lneianielie vor 
die Frage gestellt wie es mit der Aufiiahme neuer QBtter 
gehalten werden soll (I § 94). in allem diesem dürfen wir 
Menippeisches Gemeingut erkennen, wosu auch die zwischen 
Vers und Prosa schwankende Form gehört 2), Eigcnthümlich 
ist Martianus nur der ungeheuere Umfang, zu dem die 
Menippea unter seinen Händen angeschwollen ist Sie verhält 
sich in Folge dessen zur gewöhnlichen Menippea wie der 
Riesenbau der platonischen RepuhlLk /w dem normalen so- 
kratischen Dialog; beidemal muss eine Ii ichte, fast spielende 
Form der Literatur sich einem gewichtigen systematischen 
Inhalt bequemen. Nur mit dem Unterschiede das'^ wns dort 
in der Consequenz einer philosophischen Entwicklung lag, hier 
die Folge eines immer weiter drängenden Nachahmungstriebes 
war, der den gelehrten Systematiker Yarro mit Varro dem 
Verfasser der Menippeen in einem Werk vereinigen wollte*). 

1} VlU Aufg. und §. b05. 

%) Wenn die Pbilologia II 4)8 L erat vennlltetet «Ines Brechmittels 
die Literatur ausspeien mnss bevor sie io den HImmd eingehen kann, 
80 erinnert dUes ebenfüls an Lncian (o. S. 198, 4). 

3) Nur nebenbei mag eine Kleinigkeit bemerkt werden, die auf eine 
Nachahmung Ciccros auch in der Form deuten könnte. Mit »nuper" be- 
zieht sirh die Rhetorica V ^75 auf den Vortrag der Dialectica im IV. Buch. 
All s>icU ist dieser Gebrauch des Zeil-Adverbiums gewiss nicht berechtigt. 
Einen ähnlichen Gebrauch von Zcitadverbieo, wo es sieb nicht um einen 
Unterschied der Zelten, sondern der Bflcher eines Werkes lumdelt, haben 
wir aber auch bei Cicero iMobaehtet (1. 8. 5i»,i). Marllans Naehalimaag 
wäre in diesem Falle allerdings eine gedankenlose : denn bei Cicero hatte 
die Sache ihren guten Grund, der mit der Entstehung seiner Schrift de 
natura deorum xusammenhinp. Anf diese Srhrift bezieht sich iibrigoos 
ausdrücklich Martian in dem gleichen fünften Buche 5t i. 



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Die Aiuliiifer dei tnttken Dfalogp. 347 

Sogar VartiaDiis hat noch Nacliaiimer gefiuideD, danmier 
den Christen Fulgentins, dessen »Mythologiae« wie die PalgMttu. 
tTirgUlana Gontinentiat dialogische Form seigen. In dem 
letiteren Werk erscheint Virgil dem Yerfksser um Ihn auf 
seinen Wunsch das tiefere YerstSndniss sehier IMehtung zu 
erGflhen. Aber wflhrend hier die Menippea sich nur in dem 
Wechsel von Prosa und Versen kundgiebt, ist sie in dem 
andern grösseren Werk noch durch das Auftreten der Satira an- 
gedeutet. Diese so wie die kailiope mit i'liilosophia und Urania 
erscheinen dem Verfasser. Der Dialog ist aber nur auf den An- 
fang beschränkt: er zerrinnt dem Verfasser unter den iiiin den '). 

Dieses klägliche Machwerk, ist doch merkwürdig dadurch, 
dass die Menipin a in ihm anfangt ein ernsthafles Gesicht zu 
macht n. Insofern kann es uns als Liebergang dienen zu des 
Boelhius »»Trost der Philosophie^. Hier ist nun vollends BoethiM 
in eine ursprünglich komischer Wirkung dienende Form ^2pio|W»«. 
heiliger Emst eingebogen. Wie bei Lacian, wie bei Martian 
(I 96) und noch eben bei Fulgentius erscheint auch hier die 
Philosophia 2), aber ihr erstes GeschSfl ist dass sie die Musen 
der Dichtung verjagt. Witz und Satire sind verpönt, wenn 
auch die buntscheckige Form der Menippea geblieben ist 
Die alntima philosophia« (I. S. 454, 5) nimmt dalOr desto mehr 
Raum ehi<) und führt noch einmal Piroben und Anlfiufe des 



1) Die It-t/tf Spur ist in den Worten I S: (CalUope spricht} Itaqu« 
•juid >;ibi de hoc Philnsophia sentiat, audianras. Tum illa: Saturmu etc. 
Vgl. Eberl, Lilerattir des Mittelalters I 

?■ *5ie würde hiernach mit zu den Resten der Menippea gehttren. 
Isener Gull. Gel. Anz. ia^i S. 387 scheint sie ausCiceros Hurtensius ableiten 
SU woUea. Das Rortensiosfragmeal aber, wenn es nicht doch auf die 
geDerelle Tagend geht, wttrde besser als auf die Philosophia auf die 5a- 
piealla besogen werden (penonifistri bei Cicero Philipp. XII! t). Tgl. 
'Eztan^fAT) mit den Tugenden in Kebes »Gemälde« 20. Die Philosophia 
wird überdies redend einj^efiihrt auch von Epiktet l>iss. t in, '.. — Die 
Fortuna spricht !! 2. Allej.'oris("h<' l'ersoneo auch in Krantors Consolatio. 

3) Dass bdi thius die .Sattreuform , speciell wie er sie hei Martian 
fand, nachahmen wollte, bemerkt ausdrücklich die Yitu bei Peiper 
S. XXXI n. XXXDL Vgl. auch I. 5. ««S, I. 

4) Platoo, Aristoteles, die Stoiker macfaen sieli geltend: Tgl. anch 
Uerta f. S. t Deneben werden euch Themata erSrtert, die tleblings- 
gegenstände gerade kynisirender Philosophen und Schriftsteller waren: wie 
man der Fortuna begegnen soU, was von der ongerecbten Weliregiemng 



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348 



VI. Der Dialog io der Kaisemit. 



sokratiBcheD Dialogs herbei, in denen die Philosophie seiher 
es ist welche die Katechese mit BoiHhius anstellt*). — Ausserdem 
bat sieb BoSthius noch in zwei Dialogen versacbt, die sieh er- 
ktereod und kritisirend an Viotorinns* Uebersetsungvon Porpby* 
rios' Isagoge ansebUessen (s. u.) ; als dialogiscbe Studien darl 
man vielleicbt seine Uebersetiongen piatonisdier DiSloge be- 
seiobnen (Zeller V 8. 859, 5. Vgl. nocb I S. 458. U S. 407). 



Dialog» in Schon firOher ist uns in Zeiten des Verfalls neben der 

VciMt. \tenippea der Dialog in Versen begegnet (1. S. 398 ff.) : in den 

späteren Jahrhunderten der Kaiserzoit ist diese spielende Art 
Sie Ai&txa des Dialogs durch das orphische « Steingedicht « (Aii)txa) re- 
lnihplMM. prSsentirt, dessen wesentlicher Inhalt in ein Gespräch des Ver- 
fassers mit Theiodamas gebracht ist; daneben wohl auch durch 
die Unterhaltungen zwischen Euripidcs und Menander. zwischen 
Sokrates unH Kpiknr , in denen eine an die alte horaödie 
erinnnrndf^ und srhon von Hif^rnnymus gerUgte GleicbgUtigkeil 
gegen alle Chronologie hervortritt 2). 



Enger ist die Verwandtschaft, welche ursprttnglicb wenig- 
stens die Men^pea mit dem Symposion verknflpft insofern 
als beide dem ernst-komischen Genre der Literatur angehören 
sollen (I. S. 365, 1). Kaum ist die Tradition einer andern dia- 
logischen Form so sähe festgehalten worden und stellt eine 



ta halten bt, wie neben dem nothwendigen Schicksal ein freier Wille 
beatdiea kano. 

I) I e. lU a. 9. 40. II. It. IV 4. 7. VI, 

S) Hieronymus Epist. 52 (ad Nepotianum) 8 : M. Tnlltos — — io 
oratione pro Q. Gallio, quid de favore vulgt et de imperitis contionato- 
ribus loquntur, iiltcndf, ne Iiis fraudibus ludaris. Loquor enim qiiae 
sum ipse uuper cxpcrtus llnus quidani pneta nominatus, homo perlt- 
teratus, c^jus sunt iiia colioquia poetarum ac philosopborum, cum fiacii 
Baripidem et Menandrum ioter m et alio loco Socratem atque Epicorana 
diMereniea, quomm aetalea noa aonla aed aaecolia acimus eaae di^unc- 
tas, qaantos is ptaasiis et Glamorea movet! Moitoa ealm oondiadpaloa 
habet in theatro, qui simul literas non didicorunt. Mir scheint hier 
kein Cltat aus Cicero vor7iiliegcn, das vinmüplich mit "lo»iuor enim« ein- 
geführt werden konnte, irotzdem war dies die Meinung von Härtung 
Eurip. rest. il 576 und von Meineke Men. et. Phüem. S. XXXIU, i, la 
der auch Orelli (ragmm. Cic ed. II zu aeigen scheint. 



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Die AusUnfer dM antiken Dialogs. 



349 



80 Gontianirliclie Reihe dar als diejenige der Symposien)]. Bjmgitdn, 
Nidit bloss weil diese Form eine der beqoemslen war und 
flieh am lelehteslen varüren liess^ sondern anoh well die fort- 
danemdoi halbgelehrten Symposien der WirkliddLetI immer wie- 
der einen neuen Ausdraok in der Uleratnr forderten. Nach dem 
Uassisohen Vorgang der alten PhiloBophen hatten sieh anf diesem 
GeMete namentUeh die Grammatiker und Rhetoren eingenistet. 
An Plutarch und Lucian reihen sich Apulejus and Herodian. 

Apulejus hat zwar Piatons Phaidon Übersetzt, ist aber ApolejM. 
lU eigenen Dialogen wohl nicht als Platoniker sondern als 
ein mit den verschiedensten Formen i>pielender Hhelor ge- 
kommen Er selbst gedenkt im Allgemeinen seiner Dialoge 
(flor. 9, 37), insbesondere eines einleitenden griechisch -latei- 
nischen, der einem ebenfalls zwiesprachigen Ai si ul;i|i-nvmnus 
vorgesetzt war«), lieber seine Quaestiones Con vi vaies wissen 
wir nichts l^älieres^j. 

I) Doch Icommt dabei in Betracbt, das» leilweiae in der Fortftth* 
mng dieses LHeratURweiges die ROmer für die Criechen eingetreten sind: 
S. I. S. 488. 

1) Ernsmus Colloiju. I unterscheidet eonviviuin profanutn foü^io'jnm 
und poeticuni. Für alle drei Arten und ftir noch mehr bietet die antike 
Literatur Beispiele. 

S) GbaralLteristlsch ist Mine eigene Aenueniag Her. SO, SS: Canii 
Bmpedoelea carmina, Plato dialogos, Socratea hymnoa, Epicharmus modos 
(comoediaa?), Xeoophon hiateilaa, Xenopbanea (fllr Xenocratea] wtiias: 
Apulejus vester hneo omnia pari atndlo ooUt, nujore acilioei volunlate 
quam facultate. 

4) fl. 18, 94. Als Gegprachspersonca bezeichnet Snl)idiii«! Severus und 
Julius Persius, beide in Cartbago angesehen und mit dem S erki»i»t>r befreundet. 
Nach einer Schilderung beider Qihrt Apulejoa fort: Eorum ego sermonem 
ratns et vofaia anditn gntiwimnm et mihi compositu oongmentem et 
dedicattt nligloiQm; In prindpio Hhri fusio qnendam ex hie qnJ mihi 
Atlienis condidicere, percontari a Persio GraecOi qnae pridie in templo 
Aesculapii inssenierim; paulatimque illis Severum adlungo. Cui interim 
Romanae linguac partes dech; ordi et Persius, quamvis c\ ipso optimeLatine 
possit, tarnen hodie nobis ac vobis atticissabit. Von \|)ulejus war also 
wenigstens die Rede Im Dialog, wenn er auch selber durm nicht zu Worte kam. 
Biniig steht der Dialog in der belcannten Dialog-Uteratur da wegen Miner 
ZwIeaprachiglMit, mltder dlegrieehiacbon Broeicen in den Varronlschen nnd 
Lneiiachen Setiren oder bei Boetliiiii nidit su vergleicfaen sind. Die Aelteren 
liabca so etwas, auch wo ein Anlass war, nicht gewagt fs. I, S. 542 U S. 4 74). 

5} Bosscha de scriptis Apuleji S. 548 f. Brandt Borr. d. Wien. Atiad. 
pbiloä. bistor. Cl. 4S5, 410. 



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350 



VI. Dw Dialog in der iUüenfit. 



Etwas mehr lässt sich über dasS)TnposiondesGrainmatikers 
Hnodiui Herodian ^agen. Die kleinen Streitigkeiten der Grammatiker 
waren schon früher an don Symposien ausgotngen oder viel- 
mehr im Gang erhalten worden^), uad zwar so ofl dass da- 
durch der CSbarakter der Wissenschaft nicht zu deren VortheÜ 
beslimiDt wurde Daneben hatten die Kämpfe der Schulen 
wohl auch in Dialogen anderer Art ihren Aosdruch gefunden: 
Zenodot von Halloa hatte einen Dialog verfaast) in dem er 
selber redend anllFat und die durdi Naukrates vertretenen 
Aristarcheer widerlegte >). Fragen der Granunatik im weiteaten 
Sinne dieses Wortes sind immer und immer wieder dialogisdi, 
ja sogar dramatisch behandelt worden, von Kallias und Platon 
bis su Planudes* und Klopstocks grammatischen GesprSchen und 
sum »Papierreisenden« von David Friedrich Strausa*). Um so 
mehr vrar auf dialogische Gompositionen su hoffen, wo die 
Grammatik so im philosophischen Geiste und mit dialektischer 
Schfirfe behandelt wurde wie von Apollonios Dyskolos. 
Die dialogische Materie ist denn auch in seinen Schriften 
iüjerall angehäuft; nur der künstlerische Gottesfunken hat 
gefehlt; sie .sind ein Gewirr von Ijauürleii unii Anlw orten, 
die alle Unbequemlichkeiten des l)i:i!ogs an sich tragen ohne 
den Keiz^). Der Legende nach wure sein Sohn Herodian mit 



4; Vgl. hierzu 1 s ki(\. 3. 438, 1 u. 2. iik, 3. 

2} Dies hat gut ln'merkt Steintbai (je*ch. der Sprachwiss. S. 7ü: 
aBci den Untvrballuo^en der Gelehrten des alexandrinischuu Museums 
wihread der TalU oder auf SpaziergUagen kam «t darauf an, dundi Ge- 
lehmamkrtt und Sobarfuim zu giflnseo, Indem man sowohl Fragen, C^jr^- 
IMtxa, aufwarf t als auch die Ltfsungcn, X^sei;, gab. Hieribai konnte 
gelegentlich Beachtenswertbes zu Tage gefordert werden; meist aber 
wandelte sich die Gelehrsamkeit in Thorheil, der Scharfsinn in Spitz- 

fin'üu'keit. Man unterschied wohl im Allgemeinen zwischen Scherz 

uQü ii^rost; oft aber mischte sich beides ununterscheidbar, und der Scherz 
war Ernst«. Der den Symposien eigene Charakter dea omotoiiXaiev 
druckte sich eben In der mit Vorlieba an ihnen behaadalteo Wineoschaft 
ab. Vgl. noch ebenda S.744 Anm. 

a) Ed. miler Quaestt. Herod. S. SS. SusemihI Alex. Lit. II S. U,SI. 

4} Vgl. auch Egger, Apollon. Dysc. S. 56 f., der firllii h ik-r Meinung 
ist, dass die dinlogische Form sich für die Behandlung w issenschaftlicher 
Gegenstand» und insbesondere solcher aus dem Bereiche der Grammatik 
nictil eigne. 

ft) Egger, Apollon. Dysc S. ISt. Beispi^ zu geben ist unnöthig; 



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Die Ausläufer des antiken Dialogs. 



354 



ihm in häuslklitim Zwisl gewesen, und auch in der Wissea- 
scliaft waren beide keineswegs eiuer Meinung. Dass es aber 
darüber zu so scharfen Auseinandersetzungen gekomuien wäre 
wie uns spätere Berichte wollen glauben machen und dass 
diese Äuseinandersetzungeü gnr von ilerodian dialogisch ge- 
staltet und fixirt worden scitn, dagegen spricht Alles; es 
werden solche Dialoge wie die, aus denen uns Ft ai^minte 
mitgetheilt werden, sich wohl nur in den Köpfen byzantini- 
scher Grammatiker abgespielt habendi. Doch war auch 
Herodian von seiner Seite her zum Dialogiker dispojiirt. Vom 
Vater hatte er den philosophischen Zug, wenn er auch damit 
nicht prunkte^): daa Pttr und Wider in wiasenschaftlichen 
Fragen erSrterte er so sorgiBltig, dass dieses akademisoh- 
peripatetisdie 9 in utramqae partem dlspntaret die späteren 
Bxcerptoren Öfter in die Irre gefllhit bat'). Wenn femer die 
dialogische Darstellung der Ansdruok für einen gewissen Trieb 
nach ainnlioher YergegenwSrtigang ist, se fehlt auch dieser 
bei Herodian nicht, insofern sieh derselbe in der Neigung snm 
Gebrauch von Gleichnissen verrlth, die unserem Grammatiker 
mit den grossen IMalogikem der alten Zeit, mit Sokrates und 
Piaton, gemeinsam ist*). Endlich so dttrftig seine Fragmente 
sind wenn man sie nicht bloss auf ihren Inhalt sondern auch 
auf die Form ansieht, so vernehmen wir doch noch aus 
einigen den Ton lebendiger Rede, als wenn er sich an einen 
gegenwärtigen üürer wendete oder mit dem Leser Zwiesprache 
hielte*). 

So war Herodian vom Vater her und durch seine Sjapwloa. 
eigene Natur auf dem Wege zum Dialog und ist diesen Weg 
EU £nde gegangen im Symposion'). Von anderen Dialogen 



sie hieten sich jedem Leser ohae Weiteres dar. Nur De Gonlimct. 
S. 479,3 Bekk. mag angeftthrt iverdaa, weil hMrnoch die Au&dichniingeQdes 
AponoDfoB sich als aüi Niederschlag mOndlicher Dlscattlonea dafsteUeo; 

to«? ouvcy^orepov -rjjxiv iv rate oyoXixalc ouflP(*''°'<'^*^ «uvidvTo; o'ix liHtftf. 

4) Lent7 prüf s. viu q. (gegen Bgger) HiUer a. e. O.&SSL 

2) Lontz S. CXXVl. 

3) Lentz ». XXIU. LXlll. LXIV. CXXVll. 
4j Lentz S. CXXVL 

5) Lentx & GXXn. 

6) Die Fragmeotfl hei LentK II S S. S04 f. 



35S 



VI. Der Dial<»g in der Kafieneii 



erfiüiren wir nichts und auch über das Symposion Utost sich 
nicht einmal sagen ob die ErQrtening sieh aaf Gegenstände 
der Symposten und deren Namen einsehrankte oder ob sie 
weiter aiisgrlff'). Unbekannt sind uns anoh die Personen'); 
Ittr die Bestimmung der Soene glaubte man einen Anhalt su 
haben, wonach man sie in Puteoli suchen mttssCe'}, aber der 
Anhalt ist unsicher und die Notis, die ihn lu geben schien, 
besieht sich sunSchst — und es ist kein genfigender Grand 
von dieser Aofifiissung absugehen^) — auf den Ort an dem 
das Symposion geschrieben ist Auf die eine oder andere 
Weise stand sonach dieser Dialog in Beiiehung zu jenen 

VtIl«lü■l•f^}egenden, in denen von Alters her zahlreiche ViUendialoge 
entstanden sind (1 S. 430 f), und wir können zu des Verfassers 
Ehre nur wünschen das» auch dieses Werk einer anscheinend 
so trockenen Disciplin einen belebenden Anhauch jener glück- 
lichen Natur empfangen habe. 

Den Sinn der Römer för Kolossal itSt, den Trieb der 

AUmbaIos. Kaiserzeit zum Grossen und Ungeheuren stellt uns Athen aios 
in seinem Gastmahl dar, der in dieser Hinsicht olle seine Vor- 
gänger in der Symposien - Literatur übertrifft ^). Nach den 
Zeiten des Gommodus'') tindet sich bei dem reichen und vor- 
nehmen Römer Larensis^j, einem Nachkommen Varros, eine sehr 
bunte Gesellschaft susammen, Griechen und Börner, Menschen 



1) Ueber den linterschied von 9u|i,roTtxa u. oupnosiaxd s. Plularcb 
Quaestt» Conv. II prooem. 6S9G ff. Daas gerade Didymos' Syropotlake des 
VorbOd wareo, llssi sich nicht beweiseo. 

S} Dagegen, dase Apollonlos und Herodian darin mit ebander redeten, 

wie Egger vermuthet hatte, 8. HUIer e. e. 0. 8. SS t 

3} HUler a. a. 0. S. 58, 

4) S. auch Lentz S. VIII f. 

5) Vgl. was 346 über Martianus Capeüa bemerkl wurde. 

6; Die genauere ZeitbesUmmuDg , die auf der Verwedudung des 
GFammetiker» ülpian mit dem berttlunten Jnristen beruht, aoUte endlieh 
au%egeben werden: Kndolph im Philol. Sappl. VI I (4 SM) S. 444 ff. Nach 
der Zeit des Commodos wegen Xn 537 F. 

7) Ueber dessen Persünlichkeit s. Dessau Herrn. 25. 15G R. Damit ist 
der Vermuthung Hndnlphs {a. a. 0. H4. Commentl. Fleckeis. 3<3ff.), 
Larensis sei ein fiiigirtcr Name und darunter der berühmte Uerodes 
Atticu£ versteckt, der boden entzogen. 



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Die Auslöiifer des aatiken Dialogs. 



353 



sehr verschiedeneo Ikrui^ Piiilosuphen Gramuiatiker Rhetoren 
Juristen Aerzte Dichter Musiker, überhaupt die kuDdig&ten 
Vertreter jeder Art von Bildung'], nach denen das ganze 
Werk den litel »bie Tischgelehrten « i AsiTrvoao^Larai') -) erhalten 
konnte. Ein ganzes Heer von Gästen ist beisammen'*); auch 
hierin übertritFt Athenaios alles bisher Dagewesene, das*? wäh- 
rend die von ihm selbst erwähnte Vorschrift *) nur tünl Theil- 
nehmer des Symposions duldete und Piatons angebliches Vor- 
bild nicht Über achtundzwansig hinausging er dagegen eine 
Menge zusammenltthiie so zahlreich wie der Sand am Meere 
Die gleiche Steigerung ins Ungeheuere nnd Unerhörte bemer- 
ken wir anch darin dass er an einem einzigen Gastmahl nicht 
genug hat sondern die Gfiste aicb wiederholt bei Larenais ver- 
sanuneln IXsst^), wobei fQr die Ersfihlung eine solche Aus- 
wahl getroffen wird dass die Berichte einander erglnsen und 
die Gesammtdarstellung eines Muster-Gastmahls ergeben^); ja 
um auch diese Darstellung noch su erweitem schaltet Athe- 
naios noch swei andere Symposien ein, er selber ersShlt von 

i) Ol «atd icfltfav itatScia'« i|*iC6ip4tatoi I p. 1 A. 

t) Der damals aQ%ekoiiiinene Name (I 9 A) faenidmet doöh wohl 

diejenigen, welche Ihre Weisheit heim Mahle leuchten lassen. In der 
Wortbildung kann man {aTooir, :<--r ; i= (arpoT^yvir]; Aristoph. Wölk. 331 1 
vergleichen. Im l'ebrigen ^lnuhe ich noch immer, dass co'ftati^j; der 
Name für den ist, der ein Melir von Kunst und Wissen zur Schau trägt 
und dass sich hieraus die verschiedenen Bedeutungen des Wortes im 
Guten vad Bosen ableiten lassen, anch in meiner Auffassung der epiku- 
reischen Sophisten bin Ich unverbesserlich. Jedenfalls haben die neustoi 
Erörterungen Brandstätters Leipz. Studd. XV $.481 ff. (bes. S. 21 (, 4) 
mich nicht bekehrt. — Zu der Verbreitung der Sophistik, des Namens 
und des Wesens, über die ver^ii liiedensten r.ehiete bietet die des Kynis- 
mus eine Parallele und ein Gegt iistut k s. i 6. 388 f.). 

3) So versteht Schweigh. richtig den xazakofo^ otpaxtwxaö^ 1 p. 1 F. 

4) I 4E u. dazu Schweigh. 

5) A a. 0. Auch mit Vairoe Symposien -Theorie ateht dies ni^t 
im Einklang: I S. 4ft. 

6) Ta(t(Aax6«t6( XV 674 A vgl. Varro Satt. Men. fr. Inc. X Bttch. 

7} Nur eins dieser Gastmahle scheint am ParUienfiest stattgeftanden 

zu haben: VIII .^fii E f. 

8) XV 665 A. Vgl. aiicJi was Casaubonus bei Schweish. XIII S. \ 
über die Dreitheilung des Ganzen bemerkt. — Es sind die alten Quae- 
stfonea Convivales, nur diesmal in eine mehr abgerundete und in sich 
abgeschlossene Form gebracht. 

EiT««l, Dialog. □. ^3 



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3&4 



VI. Der Dialog in der Kaiseneit. 



sii'h aus das Symposion des Hippulochos (IV p. l28Afl". und 
emer der bei Larensiä AnwedeodeD, Kynulkos, muss über 
das des Parmeniskos berichteü VI 156 A ff.). Als derselbe 
sseigt sich Athenaios auch in der Einrahmung seines Gast- 
mahls, die nach platonischem Muster abermals ein Gespräch 
ist und zwar xwiscben Athenaios und Timokrates ^) : denn auch 
hier genOgt es ihm nicht aa Einem Gesprfich Bondem wieder- 
holt wird es abgebrochen und dann vim neuem aufgenommen 
und zieht sich so ebenfalls durch mehrere Tage hindurch^). 
5^ hiiiert in den Alle Einfachheit ist ihm zuwider. Daher schillert sein Gast' 
''"^^^"^^"mahl in den verschiedensten Farben. In zaUreichen Spuren 
tritt uns die Nachahmung Platons «utgegen'). Grell stidit 
hiervon Anderes ab, worin sich der Einfluss Menipps und der 
Kyniker zeigt Dann macht er wieder seinem Groll gegen 



O Denn ps ein G*»spräch mit Timokrate«; ist und nicht eine Zu- 
schrift an (ÜL'scn, zeigt ganz deutlich III 4 48 E. W^nn er Irotzdcnj, 
während er im Gespräch mit Timokrates zu neia \ ergibt, seine Reden 
als Bflcher (^(ß>.o« III 4S7 DJ und Schriften {-■Ji^^iin>.mi' VUI SSS B) 
beseichnet, so ist dies dieselbe ConAisioo, die wir schon früher lo an- 
dern Dialogen beobachtet haben {I S. 478, Z vgl. auch den Dialog eines 
Unbekannten Hermippus sive de astrologla wo S. ( n. S. 9 ed. Bloch das 
Versprecluii Hermipps ein Buch üImt Astrologie zu verf;<»^'-»'n durch den 
folgenden Vortrag desselben ilei mipp als erfüllt angesehen wird und erst 
am Sebluss S. 62 dab .sacLgeuiasse steht;, aar ins Kolossale und fast Un- 
glaubliche verzerrt: vgl. noch u3Tef.ov ra^>adT]90{iiai VI 235 E (ebenso 330 C) 
was doch streng genommen nor von sdirlftUcher Hittheilnng verstanden 
w^en kann; icp^xcttac Ti (ji«pT6piov XIII 591 D; nnd Schweigh. zu XIII 
57B F. Vgl, noch u. S. 359, 6. Ein besonders starkes Beispiel der Art 
hat übrigens auch Leibniz geliefert, der Nouveaux Essais II t\ §. 69 seinen 
Th^'ophiU' rniliere Aeusserungen aus »§. il ven ia fin et §.47 aossi vers 
la UU" cihii'n lasst. 

•ij VII 3JÖ C. IX 4äU Ii. Vgl. auch Xll ä<ü Ö: dXÄ inti ndvj Uxza- 
p&( wtX. 

8) Mit Redit spricht deshalb der Epitomator von einem CijXec IlXa* 
Tokyut&c I I F. Vgl. auch Kaibel prflf. S. XXUl f. 

4) Hierbin gehören die Verse, mit denen er in den einzelnen Bttchem 

die Erzählung an Tininkrates lieginnt oder scbliesst; hierhin die Spuren 
possenhaften derben IIhukus, die über das ganze Werk ausgestreut sind 
und zu dessen gelehrtem Charakter nicht stimmen; hierhin vor Vllcin 
das Auftreten von Kynikcro und die hervorragende Roll« die sie spielen, 
wobei es wiederum für Athenaios' übertreibende Manier charakleristisch 
ist, dass er an einem Kynlker nicht genug hatte, sondern Kynolkos deeaen 



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Die Atwittuier des anttkeo Dialogs. 



355 



Hie Philosophen Luit' und kehrt den Grammatiker heraus'). 
Und bedeokea wir ferner, dass er nicht sowohl ein Symposion 
schilderte wie Platon und Xenophon gethan hatten als viel- 
mehr ein Gastmahl i§sT:rvov} d. h. deiyenigea Theil des Festes, 
deo jene fast mit Stillschweigen übergangen hatten, so dUrfen 
wir unter seine Vorbilder auch jene poetischen Producte rech- 
nen, in denen schon vor Alters der Versuch gemacht worden 
war in den Versmaassen der Lyrik oder des £pos gerade 
diesen von den Philosophen veraöhteten und vemachlSssigCen 
Gegenstand su bewflltigen. So scheint die ganze Kunst des 
Athenaios nur im Zusanunenlesen und Uebertreibea fremder 
Motive tu bestehen; wie im Inhalt so gibt sich auch in der 
Form der Vielleser und Polyhistor lu erkennen. 

Tirotsdem ist auch sein Werk nicht so gans ein bloss ge* loMmmeoiuMg 
lehrtes und nur aus der literarischen Tradition hervorgewacfasen 
sondern bfingt durch gewisse Fäden inuner noch mit der Wirk- 



Namen zu Ehren mit finein gaiizeu Schwanz von Gesinnungsgenossen 
hinterdrein einfuhrt. Eine kyniscbe Einzelbtiil ist (S. 353, 6] der Gebrauch 
von 4/i(A[ii'ix^eMt. Das oMcbste Vorbild des Atheosios to dieser Besiebung 
war vielleicht das SymposioD des Parmentskos, aus dem er selbst IV 
156 D ff. e\n Bruchstilck mittheilt. Diese Schrift des Parmenisitos für 
eine blosse Fiction zu halten (s. Kaibel z. St.) sind wir nicht berechtigt; 
ebenso gut konnte man jedes andere prosaische oder poeti^cla' CitHl des 
Polyhistors fui fingirt crkhireti Lebrigens darf man sich bei dem kyni- 
ker KarDeiüü, der bei l'aruauiskos eine Rolle spielte, au den kYoiker 
Ksraeades eriooeni) dessen Eanapios v. soph. prooem. 6 gedenkt; wife 
nnr dieser Gewährsmann nicht so unsoverlisslK, dass man Ihm eine Ver- 
wechselang mit dem berühmten Akademilier des Namens zutrauen dürfte. 

1j Invektive gegen Platon XI 504 C IT. Speciell gegen die PhilOSOphttl 
seiner Zeil uiul ihre Sytiipü^icn scheint sieh X i20 E zu richten. 

ij Als soleher verlanjji er. dass bei den Symposien ^t,- / -i'!—» behon- 
(lell werden und ruhtiil desshaib V 488 D f. [490 A eben.su den Monier 
der dieser Fui deruag (^enut^t, >^ ie er indirekt Platon und Xenopboa tadelt, 
die dies unterlassen haben. Nirgends tritt vielleicht die Umwandlung 
des philosophischen In ein grammatisch-gelehrtes Symposion so deutlich 
hervor als VII 277 B in den Worten: icdvrcc ^dp avvKisiq^«putv cl« a6To6e 
-rdi; ix '■^i'p.uo; 9'j[x,^o>.d;. Denn dieselben erinnern an Piatons Sympos. 
n? C; aber der Beitrag, der dort in eigenen Gedanken und Reden gefor- 
dert wird, wild hier in Cilaten und IJuchern sieleistet. l'nd da halte 
Einer noch den Athenaios lür einen Stoiker oder Neuplatouiktr ^huUolph, 
Philol. Suppl. VI i S. 419) und oicbl fttr einen Grammatiiier, wie ihn 
Suldas gans richtig nennt. 

«8* 



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356 



VI. Oer Dialog in der Kftiseraell. 



l|chkeil uod dem Leben iiuammen. Larensis der Wirth ist eine 
hisloriscbe Person (o. S. 352, 7) und Galen der bertthmte Ani; 
von einem und dem anderen der fibrigen Gäste wird das Gleiche 
gelten ohne dass wir noch im Stande sind es nacbsuweisen 
Freilich die von Athenaios ersAhlten Gastmahle für historisch cu 
halten sind wir nicht berechtigt; dasu sind sie nicht Indivi- 
duell genug geselchnei'). Aber ihre Urbilder In der Wirklich- 
keit hatten sie allerdings immer noch: solche Gastmahle hatte 
Herodes Atticus geliebt, dessen Aehnlicbkeit mit Larensis fest- 
steht 3), und nicht minder liebte sie der Kaiser Alexander 
Severus^]. 

Im Anscbluss an Athenaios und im Gegensatz zu ihm 
MMTobias' sind Macrobius' Saturnalia entstandoü. Auch hier ist das 
BttUMlift. Gespräch, wie wenigstens zum Theil auch bei Athenaios, an 
ein römisches Fest geknüpft und auch hier dehnt es sich über 
mehrere Tage aus^j; auch hier finden sich Männer verschie- 
dener Art und verschiedenen Strebeus zu einer Gesellschafl 



1) Jedenfalls darf man uicht alle ohne Weiteres für lingirt crklüren, 
wie Kaib<)l praef. S. V f. tbut; vorsichtiger hat sich hierüber Schweig- 
haeuser geäussert. Mau muss um so vorsichtiger sein mit der Auaabme, 
dsBf lediglich die ErtoDernng an herühmte IMiuier der Geschichte dureii 
ihre Namen habe geweckt werden soUeo, als in der Zeit des Athensios 
und ttberhanpt der spateren Zell des gelehrten Alterthoms et tlblieb war 
mit berühmten Namen der Vergangenheit nicht bloss die erdichteten 
Gestalten der I.iteraliir. sondern auch die lebendigen Menschen der Wirk- 
lichkeit zu schtmicken. Weder führt Masurins notbwendig auf Masurium 
6abinu!> noch hat IHutarchos etvvus mit dem Chäronenser zu tbun und 
dass Ulpian der Grammatilier nicht lllpian den Juristen bedeuten iuinn, 
hat cur Genflge Rudolph Pbilol. Suppl. VI 4 {489») S. 4Ut dargetban. 
Anachronismen gebaren zwar sur Regel des Dialogs; sie aber ohne Noth 
in den Athenaios hineinzutragen, wie dies mit der Beziehung namentlich 
d(<s Masurius auf Masurius Sabinus der Fall sein würde, müssen wir uns 
bedenken, da gerade Anachronismen unter andern es sind die Athenaios 
dein Plalon zum Vorwurf macht (XI p. noö Ff '. 

2) Für historisch hielt den Bericht des Alheoaios Casaubonus, der 
dies iiubesondere durch IV 174 B bestätigen sn k<innen glaubte: $. die 
Gegenbemerkungen von Sdiweigb. vol. VII S. SSO f. 

S) Denn so viel ergibt sidi au» der o. & SSt, 7 citirten AUwnd- 
lang von Rudolph. 

4) Lampridius c. 34. Schweigh. I c. i S. 20 f. 
ö) I 4, 4 (. Vgl. dazu Jan Prolegg. S. XV ff. 



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Die AosUtiifBr des ant&ea Dialogs. 



357 



'zusammen, aus der Symmachus und der Grammatiker Servius 
am meisten hervortreten; eine Fülle antiquarischer Gelehr* 
samkeit ist auch hier zusammengetragen und wenigstens ein 
Theil derselben geradezu aus Athenaios* Schrift geschöpft 
Ein Unterschied liegt natürlich im römischen Wesen: Fragen RSmlsriiw 
der römischen Philologie und des römischen Alterthuras worden 
behandelt, der immer wieder hervortn^tende llauptgegenstand 
ist die Vertheidigung und Verherrlichung Virgils 2; und das 
Thema insofern eine Erweiterung des schon von Florus in 
seinem Dialog erörterten (o. S. 6i fl. ; ein römischer Zug ist 
die Widmung an den Sohn (o. S. 3i6). Zu diesem nationalen 
fast selbstverständlichen Unterschied kommt noch ein anderer, 
der aus der Verschiedenheit der geistigen Interessen ent- 
springt: dem Grammatiker Ätheuaios steht der Philosoph PhilMopli, 
Macrobius gegenüber, der seiner Wissenschaft nicht bloss in 
Vettius Prätextatus, in Horus, in Eusthatius und Nicomachus 
Flavianus eine ehrenvolle Vertretung geschaffen nnd ihren Er- 
drterungen einen breiten Raum gelassen hat sondern auch bei 
jeder gegebenen Gelegeoheit seine Achtung vor ihr bekundet >J. 
Ueber den Satumalia liegt in Folge dessen eine viel ernstere 
Stimmung: aus der Menippea, mit der sich Athenaios berOhrte, 
sind nur der Kyniker Horus, der aber eine viel ernstere Figur 
macht und eine viel geringere Rolle spielt als Kynulkos, und 
der ihm geistesverwandte Bnangelus ^) geblieben. Der Neu- 
platoniker Macrobius führt uns wo er kann an die Schwelle 
des platonischen Heiligthums, insbesondere seines Symposions : 
an die Stelle der einander ergänzenden Lobreden auf den 



1] Gegen Wissuwa, De Macrob. Satt, fontt. S. 49 ff. s. jetzt kaibel 
pracf. S. XXXI ff. 

t) Comparetti, Virgil im Büttelalter, ttben. v. DtttscUte S. 59 f. 

8) Ueber die Philosophie des Macrobius s. jeixt Wlssowa a. a. 0. 
S. 85 B, Die »reverentia Socrattcae roajestatis« bleibt II 4, 4 unter allen 
OmStttoden bestehen; die Worte 5 »qul sub illoruni supercllio« etc. sind 
von Kaibcl praef. in Ath. ?. XXXII ganz falsch bezogen worden, da vor 
der Beziehung auf Sokratcs Worte desselben Avieous 3 »nec in moribas 
Socrate minor« hallen warnen sollen. 

4j Man lese seine Charakteristik I 7, 2: erat enim amarulenta dica- 
cHate et lingua proterve mordaci procex ao seeuras ofTensaram, qoas 
sine delecttt cari vel non amid in se pasBlm varbls odia serentlbus pro- 
vocabat. — Vgl. hiencu auch Kaibel a. a. 0. 5* XXXIII f. 



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358 



VI. Der Dialog Id der KaiMneit. 



Eros sind die Vorträge über Virgil getreten; die Form der 
Wiederersählung wird mit pedantischer Aengstlichkeit gewahrt 
sodass den platooischeo Glaukon Decius, den Apollodor Postu- 
mianus darstellt und zu beiden als der eigentUche Gewährs- 
mann und Erzähler wie dort Aristodem so hier Eusebius 
kommt (I, 1, 7 ff.); selbst die platonischen AnachronismaD nadb- 
sobilden hat Macrobius fttr seine Pflicht gehalta (I, I, 5 f.). 
In diesem letsteren Punkte wird die Nachfolge Piatons in 
Polemik gegen einer Polemik gegen Athenaios (o. S. 356, 4); eine solche still- 
Atii»iMi(M. gchweigende Polemik darf man dann weiter auch in der Be- 
schrSnknng der Zahl der Gäste und in deren Motivirang 
erblicken*); vollends ist sie, sobald man Oberhaupt eine Be- 
ziehung des Macrobius auf Athenaios zugibt , kaum zu ver- 
kennen in dem Tadel von dem das Reden über Essen und 
Trinken getroffen wird^) und in dem Terzicht auf aUe nur 
die Sinne kitzelnden Unterhaltungsmittcl So wiederholt sich 
in viel späterer Zeit und auf dem gleichen Gebiete der Lite- 
ratur die Hivalitäl des xenophontischen und platoniächeo Sym- 
posions. 

PhUoMphen. Von den Philosophen der Zeit ist auf diesem Gebiet nicht 
viel zu erwarten. Die Platoniker, obgleich sie Piatons Vorbild 
fortwährend vor Augen sahen, gingen doch in der gelehrten 
ßesehlifligung mit seinen Dialogen auf und kamen ähnlich wie 
früher Pauaitios (l S. 415 f) von der Theorie nicht bis zur 
Praxis. Nur wo das Philosophiren etwas selbst.lndiger wurde 
und sich der Keim wie zu etwas Neuem zu regen anting, 
treffen wir wieder Spuren des Dialogs, wie beim Py-thagoreer 
HuMiM. und Platoniker Numenios, der nach dem Vorgange des 



i) l 7,42: es soll die Zahl der Grazien addiri zu der Zahl der 
MuMii Mitt. Vgl. btermit o. & ass. 

1] Eusebius sagt I S, 4S: narraho autem iihi oon clhum aut potum« 
tametai ea quoque ubertim casteque adfoerint Ohgldch nun diese llaterie 

auch hei Mncrobius nicht ganz vermiedan ist, 80 Ist doch das darüber 
Bemerkte verschwindend im l tu fang, wenn man es mit den lietreffenden 
Partien des AtluMiaios vergleicht. 

3) l'eixir liaj» Aultreton von -^thm'toTioirii, äxpoafjtatci u. dergl. bei 
AUieuaios vgl. XI 464 E. XIY 6i3 D. 620 D. 6i3 D. 633 E. Hiergegen 
wendet sich, Platon nachahmend, Macrobius II 4, 1 ff. bes. 7-1 0. 



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Die AnsIttnüBr des antiken Dielogs. 



359 



PlatoD, des Heraldeides und Anderer den alten und der Natur 
der Sache nach sich leicht darbietenden Gedanken wieder 
aufgriff einen iFremden« (isvo;) als Theilnebmer und Anreger 
des GesprSchs einzuführen'). Von Numenios leiten manche 
PSden zu den >hermeii8chen Schriften«. Auch die Form Di« i omioti- 
des Dialogs l^ehrt hier wieder, nur auf eigenthttmUche Weise 
und dem Inhalt angepasst Die griechischrSgyptisehe EeUgions- 
Philosophie, die sie verkUnden, wird swischen griechisofa- 
IgypCischen Gottiieitaa oder doch vergötterten Menschen ver- 
handelt: Hermes, Tat, Askleplos, Isis, Horos treten redend 
auf, auch der »Geist« (Noo^) und der mystische Poimandros. 
Die Unterredung findet das eine Mal wenigstens in dem Allere 
heiligsten eines Tempels statt Die Mittheilung geht von den Tm^täHaki* 
Eltern, von Vater oder Mutter an die Kinder-^), da sie nicht 
SU einer Untersuchung anregen will sondern als Offenbarung 
der höchsten Autorität bedarf. Die Anfänge dieser eigenthüm- 
liehen Form des Dialogs sind iluükel. Wir wissen nicht, ob 
bereits die älteren Hennesbücher sich ihrer bedienten. Den 
Anlauf zu einem acyptisehen Götterdialog hatte bereits PUilun 
geuoiiiiiicn , was für die Beurtheilung dieser auch sonst plato- 
nisireiiden Schriften*) nicht ausser Aeht /u lassen ist. Jeden- 
falls ist die alte Form modemisirt worden. Ausser anderen ^) 

i) 0. S.498. Fr. Thedinga, de Numenio philosopho Platonico (Boaner 
Diss. 1 S75; S. 7 f. Die VennuthungThediDgas aber, dass die andere GesprSchs- 

person Sokrales gewesen sei, versteht» ich nicht. Zwar, dass dieser ge- 
legenllich aurh noch in die Dialoge dieser späteren Zpit eingeführt wtirdp, 
zeigt der von Ryssel im Rhein. Mus. 48 1893 >. IT:» fT veröfTontlichto 
syrische Dialog; hier aber kann an ihn wegen lier Hrwahnung anderer 
Philosophea} zunichat schon Piatons, nicht gedacht werden. Dagegen 
hat die andere Vermnthang Thedingas, Namenios selber werde am Ge- 
spiUch betheiligt gewesen sein, eine gewisse WabrschehilichlLeit fttr sieb. 
J. Bemays Ges. AMih. I 3S8. Deber Tempeldlaloge s. I 5. 5S8. 

Ii S. 66. 189 

8) Au( h »Ii r NoOc wo er zum Hermes spricht, rodet diesen mit 
d) t£xvo«< an (Poiuander reo. Parihey U, 2); die Isis herii lit''i ih^ni Sohne in 
K6pri %6o[KO'j (Stob. ecl. phys. 41, 44 f.]. Dass dies inuerliaib des Dialogs 
ursprünglich und vorsügnch rtfmische Weise Ist s. e. S. S57. 

4} Phaidr. S74 C ff. wo ein GesprKch «wischen Thamus-Ammoa 
und Theath ersdhit wird. Theutfa ist identisch mit dem Tat d«r herme- 
tischen Schrifloii: Pietschmann, Hormes Trismegistns S. S4 f. 

5) Auf Aiisdiluss an den Politikos weist Bernays a. a. 0. 386 hin. 

6} Vertheilaog des tieepracbs auf mehrere Tage: Pömander rec. 



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360 



VI. Der Diaiog In der KaUerzeit. 



xeigt sich dies darin, dass sogar in diese heilige Dfimmerwelt 
die Menippcn ihren Weg gefunden hat: wiederholt finden wir 
die aus Liu ian hokannlen Götterversainrnlungen , Moraos tritt 
auch hier als iiedner auf und, mit einer an Martianus Gapella 
eriooernden Keckheit der Personification, sogar die Elemente 

Die Mit Maorobius waren wir bereits in die Sphäre des Neu- 

HMpUtosito. piatonismus getreten, eine \V(>!t in der die Gedanken nicht 
sowohl anaiysirt und geprüft als eoiwickelt und gesteigert 
werden, in der nicht das BedQrfniss gegenseitiger AufklSniDg 
sondern der Versenkung in sich selbst herrschte, in der die 
mit religiöser Weihe umkleidete AutoritSt der Schul-Häupter 
der freien Bewegung des Denkens und Redens nur wenig 
Spielraum lies«. Sokrates mit . seinen unablSssigen Zweifeln 
und Fragen w8re in diesen Rfinmen ein sehr unwillkommener 
Gast gewesen; die dialogische Form, die wenn auch mehr 
oder minder doch in gewissem Grade immer dem autoc it^a 
widerstrebte, war fllr den Inhalt, der hier geboten wurde, 
die am wenigsten geeignete Form. Wenn sich ja einmal im 
Kreise Plottns ein Widerspruch regte, der xu einer Disputa- 
tion hätte rühren können, so veranlasste er statt dessen eine 
schriftliche Polonük über den Fall und unterdrückte so ge- 
flissentlich (ii'u Keim einer dialogischen Erörterung die einen 
Nachhall auch in der Literatur hätte finden können (Porphyr 
V. Plot. c. {■') und 1S)-1 Man hatte sich deshalb von den schein- 
baren Spuren sokraliscben Dialogs ui i'lulin^ Schriften nicht 
sollen täuschen lassen; Selbsleinwürfe und ihre Bcantwortunjj 
gehörten längst zum Inventar der Hhetorik und fehltt n in der 
Zeit, um die es hier sich handelt, kaum in einer nur einiger 



Parihey ii, 1. 10, 1. V^L I S.S97 ß. 11 S. 40. 333 f. Charakteristischer die 
Verwechaelimg von Schrift und Dialog (o. S. 854, 1}: so sa Aafoog des latei* 
Aischeo Askleplus-DMogs, wo Trismegistus sum ASklepius sagt: Iraotatoin 
hnoc autem tue adscrtbam nominl; uod so isl wohl auch das Citat iv 
^) ot; <fdp tnpl to6t«bv clpf^xaiicv POmander rec Parthey 4S, < su vw- 
stehen. 

i] Dies altes in der Kö(>T( xoifjiou sinh. od. phys. 4 1,44 f.i, die niu-h 
sonst ihr Eigenlhümliches hat (Zelter Phil. d. Gr V 2 S. iZi, 4 u. b*t. 

tj Vgl. auch was Eunaplos v. Jambl. p. SS Uber die Unlerredaiig 
swlscban Jamblichos und dem Dialektiker Alyplos berichtet 



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Die Auälöufer des anttküu Diulog.s. 



361 



Maassen lebhaft geflirbteo Iterstollung. Auch die Selieu vor 

dem Schreibeo, der wir in neoplstonischen Kreisen mehrfach 
begegnen 'j, ist in diesem Falle kein äokratiscber Zug: sie ent- 
springt nicht dem Mangel an Dogmen sondern der A^^si \or 
der entweihenden Veröffentiichung des Heiligen; sie kann also 
höchstens mit dem Verhalten der ersten Pythagoreer verglichen 
worden. Aber auch dafür schien gesorgt dass der Dialog 
nicht etwa von aussen als ein fremdes Element in den 
Organismus dieser Schule hineingetragen wurde: sah man in 
ihm, wozu seine letzte Vergangenheit ein Hecht gab. ein 
Mittel zum Schmuck schrifllicher Darstellung, so war rhetorischer 
Putz als unphilosophisch verpönt^); sah man in ihm aber eine 
durch Piatons Vorgang empfohlene Form, so erschien dieselbe 
in Folge der allegorisirenden Auslegung, mit der die Neu- 
platoniker auch die Scenerie der platonischen Dialoge nicht 
verschonten als das Werk einer so ausgesuchten Kunst dass 
an ein Nachahmen kaum su denken war. 

Trotsdem hat der Dialog auch in diese ihm firemde Um- 
gebung seinen Weg gefunden und swar durch Vermittlung der- 
jenigen, die auch sonst gegen die Orthodoxen der Schule durdi 
ketserisohe Neigungen abstechen. Der eine ist Porphyrios. FhjIjtIsi. 
Noch bezeugen uns swet Fragmente, dass er sich gelegentlich in 
seinen Schriften der dialogischen Form bediente. In seinen tver- 
mischten Untersuchungen«^) hatte er ein Gespräch erzihlt, 
das Longin mit Medios geführt und in dem dieser die stoische 
Psychologie vertreten, jener sie hi striiten hatte. Von ganz andern 
Dingen ist die Rede an dem Gastmahl, das Longin zur Piaton feier 
in Athen gab und zu dem er zahlreiche Vertreter der Wissen- 



i) Porphyr v. Plot. c. S. SO. Arnim im Rhein. Mus. 48 (4887) 
S. 376 f. ISS f. Ptotin wurde Bcbliesslich durch seine SChttler Amelios 
und Porphyr zam AufBcbrelben seiner Jahre hindurch in der Sdrale vor- 
getragenen Lehren genöthigt: Porphyr a. a. 0. c. 5. 

2j Porphyr a. a. 0. c. 20 und ii (Zeller V 2 S. 632, 3*. 

3) Proklos in Parmea. p. 48 if. Gous. Uermias in Phaidr. Vgl. auch 
Zeller V i S 822. 4 ». 

4} iljjjijjiixxd 7tp'j^Äifj|jia-a bei Proklos in Plat. Hcmp. S. 44 5 u. Die- 
selbe Sdirift bei Siddas unter dem Titel Sufjifj.. Ct]rf)KaT7 , ebenso bei 
Nemeslus de oat. hom.c. S. Vgl. hienu Arnim im Rhein. Mus. 4S (4887) 
S. t78 ff. 



368 



VI. Der Dialog in der Kaiierselt. 



Schaft, nicht bloss Philosophen, geladen hatte. Die Erörterung 
geht von £phoro8 aus und hat die Plugiate der alten Schrifl- 
steller zum Gegenstand, also ein philologisches Thema; daher 
hatte Porphyr die Erzfthlung dieses Dialogs seiner »philo- 
logischen Unterweisung« (tptXoXoYoc axpoaotc) eingefügt*). 

Imglm. Wie Porphyrs Lehrer Longinos in beiden GesprSchen eine 
Hauptrolle spielt^ so wird er auch durch seine »Philologen- 
gesprSche« (^1X0X0^01 ojitXfm}^) das literarisehe Vorbild flir 
die zweite Schrift gegeben haben. Das sweite der Porphyrios- 
Fragmente muthet ans an wie ein Stück aus Plutarchs Tisch- 
gesprächen, die ja auch der Neupiatonlker Macrobius ftlr seine 
Zwecke genütit hat'}. Mit Plottn hat dergleichen nichts su 
thun, der verSchtlich auf die Philologen herabsah, jedenfells 
sie streng von den Philosophen schied*). Dagegen scheint es 
dass der streitlustige ^) Longin den in Athen niemals ganz er- 
loschenen Funken dialogischen Le!)ens wieder zu etwas heUerer 
FlaiLiiiie antrieb und hierdiircli iiuch mehr als durch seinen 
literarischen Vorgang liit: Dialoge seines Schülers hervorrief. 
Von den Letzteren ist nur noch »die Erkl.irtmg der 
Aristotelischen Kategorien in Frage und Antwort« 
{zii Ta; 'Apt3-OTiXo'j? xntTT|- 'jp.t'a; izr^-^r^oi^ xara Tceuaiv xa? oiroxpioiv) 
bekannt, in der aber der Dialog xur Form des katechismus 
zusammengeschrumpft i<;t. 

Doch haben genule Porphyrs Bemühungen um diesen Theil 
der Logik, die Selbständigkeit mit der er hier Plotin gegenüber- 
trat, noch weitere Folgen in der dialogischen Literatur gehabt. 
Auf seine Einleitung ftha';w;r^: in die aristotelischen Kategö- 

Dnlppoi* rien stützt sich der Dialog des Dexippos und sucht die Be- 
denken Plotins gegen diese aristotelische Schrift zu heben in 
der Form eines GesprSchSj das der Verfasser mit seinem Schüler 
Seleukos führt <>)) das auch Anfangs durch das Hereinsiehen 

i 'i Eusebius praep. ev. X 3. 

i; Ueber den Titel s. Rketl. Gr. VII 9es ed. Walz 11. Rubnken de 
vfta et scriptis Longlai %, 10. Der kttnere Titel of «ptX^Xo]foi ist ebeofalls 
der Deutung auf Gespräche zwischen Philologen gänatlg. 

3- Wissowa de Macrobii Salurnal. fontt. S. H, 2. 

4) Vgl. seinen Ausspruch über Longin hei Porphyr, v. Plol. c. 14. 

5) 'EXeYXTixc'jTaT';; s. Runhken a, a. O. tj it. 

G] Herausgego bt^n von L. Spenjjcl in Monum. Söcul der Bayr. Ak. 
d. Wiss. 1859. i. Vgl. dazu Busse im licrm. 23, 406 fT. 



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Die AQtUtufer des antiken Dialogs. 



363 



persönlicher Verfaftltnisae einen Hauch individuellen Löbens 
empftngl, hald aber ebenfalls unrettbar dem Tode des Kate- 
chismus verfSllt*). Das gleiche Thema — wenn ich hier wieder 
einmal in bysantinische Zeiten hineingreifen darf — behandelt, 
nur polemisirend gegen Porphyrtos, der IHalog swischen Xene- imtämmm, 
dem OS und Husaios'), der uns nicht umsonst nach Athen ver- 
setit und in der That den guten Willen seigt, das Golorit und 
die Sprache der attischen Dialoge nachsubilden. 

Die gleiche Schrift des Porpbynos hat auch im Lateini- 
schen einen Nachklang gehabt Zwar nicht unmittelbar durch 
sie, aber doch durch die lateinische Bearbeitung des Victorinus 
sind die beiden Dialoge des BoSthius hervorgerufen worden'). BoMblw' 
Seinem Vorbild Cicero folgt Borlhius auch darin dass er — ^^'jjjl,^ 
echt römisch (I S. 430) — zur Zeit der Dialoge die Müsse von 
Geschäften und tum Ort eine Villa auf den Bergen von Aurelia 
wählt; neu ist dagejjen dass die Gespriiche nicht bei Tage 
sondern bei Nacht geführt werden und deshalb nicht wie 
sonst wohl die unter<;eiiende ''o. S. 49, i sondern die auf- 
gehende Sonne ihnen ein Ende macht. Im Gesprach mit 
Bo?thius ist sein Freund Fabius, der sieh aber zu ihm durrh- 
aus als Schuler verhält, sodass auch diese Dialoge die Form 
des iCatechismus annehmen mussten^). 



i) Bes. S. I5ir. 

i) Der Nebentitel Owval erinnert an den Nebentitel der Porphyr- 
Kchen u Einleitung« repl -zSipi ntr» t^söis. Der Dialog wurde vonCrtmer 

AntM fl Gr. Oxon. III S. 204 ff. veröffentlicht, als Werk eines Anon\nuis: 
jeUt giht ihn Kniml.nchor Byz, Lii. .S. ;<6R nnrli l.a l'ottf du Tkeil, 
Notices et Extiuits Mll 2, iJ6, wie s( hcint. dem i'rodromos. 
3; 0. S. 348. Opera, Basel 157u, S. i 11. 

i] Hier, wo wir von den philosophischen Dialogen det» Alterthums 
Abschied nehmen, mag der Vollständigkeit halber anf den syrischen 
Dialog über die Seele hin^wiesen werden, den Ryssel im Rhein. Mos. 

48 1893) S. 175 ff. veröffentlicht hat. Ich gestehe über denselben voll- 

kotnmcn im l nklaren zu sein, und war deshalb avn Ii nusser Stande, ihn 
irgendwd im /.u>,iiiiin«^nhange der historisrhL'ii |);usicllun.'; untfr^iiluini-vn. 
Eigenthunilich ist, riasi hier auf eiumal wieder Sokrales ak-, IciUiicle 
Gespiüchsperson erschmnt; derjenige, mit dem er sieh unterredet, ist 
Herostropbos oder, wie Ryssel S. 176, 4 vermutbet, Aristippo«. 



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364 



VL Der Dialog in der Kalaerxett. 



KatMhiBmen Das Ueberhandoebmen dieser Kutechisineo ist be- 

jtijt rt rii i' '^'^^^J^co^^ allniählige Eintrocknen des Dialogs, ür- 

sprODgUch wohlrGmisch ^) und aus den ftesponsionen der Juristen 
hervorgegangen, vorbereitet indessen schon durch die Ent- 
wicklung des griechischen Dialogs vom dialektischen Zweifeln 
zum positiven Lehren, wurde diese Form schon von Cicero 
auf die Rhetorik Übertragen^) und had weiter ihren Weg 
auch SU andern Disciplinen. Unter den Medisinem (I S. 362) 
hatte noch Galen rechte Dialoge geschrieben, mit polemischer 
Tendens wie es scheint') und jedenfalls nicht ausschÜesslich 
medisinischen sondern halbphflosophischen Inhalts. Gaelius 
Aurelianus begnügte sich einen Abriss der Meditin inF^ge 
und Antwort ßnterrogationum ae respoosionum libri) tu geben 
und in den einleitenden Worten an Lucrez diese Form kurz 
zu motiviren •). Dasselbe leisteten Chirius Fortuualianu s 
fÖr die Rhetorik ^iialm Rbett. lat. inin. S 79 und mit noch 
abschreckenderer Dürftigkeit Baecheios tm die Musik* . 

Eine Nebenart der Katechismen sind die Schulgespräche, 
Gespräche in beiden Sprachen zur Erlernung der Conversalion, 
jedoch darin ihnen gleich dass auch hier iic dialuLM^^fhe Form 
m einem Mittel bloss gedäohtoissmässigeu Lernens herab- 
gesunken ist^). 

Man hat zwei Hauptgatlungen des Dialogs unterschieden, 
die eine welche das Yerhältniss von Lehrer und Schüler, die 
andere welche das von Sats und Gegensatz darstelle^). Es 
konunt darauf an, wie man das YerhAltniss des Lehrers sum 



1) Bei der UebartragttDg der Pseado-Galenschen <poi ist erst io der 
lateinisCben Bearheitttog die Form von Frage und Antwort himnigekom- 
meD: Rose, Anecd. Graeca et Graecolat. II S. 470. 

2) I S. 494. V<:;l. auch über Lucians Pscudosophieta o s. i70. {. 

3; Der Titel in Ilepi täv (Sioav ßißX. c. H (Opp. 19, S. 44 Ki otä/.o^ot 
::pöc sptX'lgo'ifov iZlmz ■vr)'j toI? xotvdc ^vvoloft ist verderbt und seine 
Herstelluog auch Iw. Müller nicht gelungen. 

4) Bei Rose e. a. O. S. ISS. 

5) Westphal, Fragmm. der gr. Bhythm. S. 66 ff. Vgl noch Schlott- 
mann» Ars dialog. eomiKmeDd. quas vieiieitt. apud Graecoe et Rom. sublerlt 

(Rostock. Diss. 1889) S. 47 f. 

f5; Ucbcr die Schulgesprttcbe vgl. 0 Jahn ßilderchrooiken S. 87. 
Haupt Opusc. II 441 fT G Gfltz Ind. schoü. Jeaens. 489i. 

1) Th. Vischel, Acsthetik III 4 470. 



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Die Autlttttfer des anliken Dialo)^ 



365 



Sohflier fasst. FasBi man es nicht als ein Anleiten sum Ei^ 
kennen sondern als ein einfaches Uebermitteln des fertigen 
Wissens, so war es richtiger beide Gattungen volÜLommen von 
einander sn trennen, die dialogische Lehrart als die welche 
sich an die Ternunft, die katechetische als die welche sich 
an das GedAchtniss wendet Die dialogische Form, die, bei 
ihrem ersten Hervortreten in der Geschichte, der Kritik der 
Meinungen und der Befreiung des Geistes gedient hatte, war 
in den Katechismen das GefSss des rohesten Dogmatismus 
geworden. Daher besiegeil die Kateciiismenliteratur das Ende 
des anliken Dialogs. 

1) So Kant, Werke (Hartenstein Vli s. a90 Vlll s. 143, der also 
wenigstens in der Theorie die Emanzipation des Dialogs vom Katechismus 
vollzieht, die 0. Ludwig Shakespearestudien wiederholt (z. B. S. 479. 483} 
Rlr die Praxis gefordert hatte. Vgl. auch Herder, Gott. Eiaige Gesprttche 
tiber Spinons System, füoftos Gesprttch Zur Philol. n. Geaoh* VIII) 
S. SS5: »Bei mancben setner Nachtbeile hat e^ (das GesprSch) doch das 
Gute, dass es uns vor dem Auswendiglerneo bewabrti und wahre PhllO'- 
aopbie muss nie auswendig gelernt werden«. 



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Vn. Der Dialog in der altcLrlätlichen Literatur. 



Wiederum wie frOher ging vod einem kleinen Kreise eine 
mächtige Bewegung aus, die bald die gesammte antike Well 
ergriff, noch unscheinbarer diesmal in ihren Anfängen, aber 
dafür desto weiter und liefer greifend. Damals war es die 
SokzAtM oAd Persönlichkeit des Sokrates, die im Mittelpunkte stand, jetzt 
Jmu. Jesus von Nazaretb. Das dauerhafteste und reinste Ideal 

des Alterthums hat manche Züge mit dem neu erstehenden 
des Christenthums geiuein 'V Hier wie dort tritt uns ein 
guter und weiser Mann entgegeu, dessen wellgeschichlliche 
Bedeutung zumeist darin beruht, dass er von dem Bann der 
IJehprlieferniig frei den ehrlichen Willen hat die Welt und 
• vor Allem das menschliche i.eben xu sehen wie sie wirklich 
sind und Andere hierüber aufzuklären, dessen £inf]u8S auf 
seine nächste Umgebung aber dadurch bedingt war dass er 
das eigenthümliche Volkslhum, dem er angehörte, in sich zu 
reinem Ausdruck brachte. Die neue Lehre, die er verkUndet, 
lockt Freunde und Gegner gicichmässig an. Die einen schaaren 
sich um ihn um durch täglichen unablfissigen Verkehr noch 
mehr in der Wahrheil befestigt su werden; die andern werden 
nicht made wo sie können gegen das ihnen widerwirlige Neue 
anxukimpfen. Endlich gelingt es diesen den Menschen %a 
tödten, nur damit seine Gedanken ein desto freieres unsterbliches 
Leben gewinnen. Nun ersteht verklärt im Geiste seiner Anhänger 
das Bild des Geschiedenen, die Erinnerung belebt sich mit 
unsähligen Reden und Gesprächen, die er lehrend und streitend 
in Erfüllung eines heiligen Berufes geführt hat, und gani 



\ , Wie auch die Christea üir ueues ideal an das alte vergleichend 
ankoüpflen, zeigen Uaener ReligioDSgesch. Ünteraa. I $.411 ond Hwwidt 
Dogmengesch. I* S. 4Sa ff. Vgl. auch I S. 7S, 3. 



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Orspruog. Ariston. Justia. 



367 



natttrlich erwächst aus solohea Unaohen su TersobiedeDea 
Zeiten und an gans getrennten Orlen bei Qiristeo wie bei 
Sokratlkem die Literatur der •DenkwQrdlglLeiteni (dTTopvTj- 
jxovsujiaTa) i). Weiterbin aber nimmt diese Literatur bei beiden 
bald rineu verscbiedenen Verlauf. Nur darin gleidien sich 
beide noch dass sie den historisch gegebenen Dialogen die 
künstlerisch mehr oder minder frei geschaffenen fülLjon lassen; 
dagegen haben die Christen niemals dem Stifter ihrer Keiigion 
in diesen Dialogen eine Rolle zugetheili, die derjenigen Sbnlich 
wäre die Sokrates in denen seiner Schüler spielt; sie haben 
ihn in diesen seih ständigen Dialogen, wie es scheint, überhaupt 
nicht auftreten lassen -). 

Hier kommt der tiefgreifende Unterschied zwischen Reli- Eeligion ond 
gion und Philosophie zum Vorschein. Während die Wahr- ^^••"P'^' 
heilen der Aeligion aus einer Offenbarung geschöpft sind, 
werden die der Philosophie durch eine bestimmte Methode 
gewonnen, die mit ihnen sich aufs Engste verbindet und 
innerhalb des sokratlschen PhUosophirens sogar wichtiger ist 
als der Inhalt selber: our die letzteren waren daher einer 
unendlichen Variation tShig. Vor jedem neuen Problem durfte 
man die Frage aufwerfen, wie würde es Soirates behandelt 
liaben, und durfte dieselbe durch einen fingirten Dialog be- 
antworten, in dem man Sokrates im besten Falle reden iiess 
wie er unter den gegebenen Yoraussetsungen geredet haben 
könnte, wie er aber in Wirklichkeit niemals geredet hatte. 
Blit dem Stifter ihrer Religion in derselben Weise su verfiihren 
musste die ersten Christen überdies die wachsende Heiligkeit 
abliallen, in der sich dessen Person mehr und mehr der 
Gottheit näherte: in dem Maasse als es hierdurch unwürdig 
erschien sie in das Spiel erdichteter Dialuge hiaeiuzuziehen, 
in demselben Maasse wurde sie i^'eeigneter den Gegenstand 
solcher zu Ijilden. Hierzu bedurfle es aber noch eines Weiteren. 
Jede Religion i . ruht ursprunglich in Gefühlen, der Austausch 
oder Streit der Gefühle hat aber noch nie Dialoge hervor- 

4) So Duuut iuaa auch die Evaugcliea: L^euei' Religion^esch. Uaterss. 
I S. 96 1 Vgl. aucli Harnack Dogmengesch. I' S. 306. 

%] Vereinzelte Ansnahmen wie die ütvan 2of (« und die fingirten 
Briefe Jesa (Harnack Dogmengeach. U S. 4 St Anm.) icffnnen die Regel nur 
bestStlgen. 



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368 



VII. hw Dialog in. der aitchristlicben Literafar. 



gebracht: das Ghrislenttiam mossle daher ersi lom Dogma 
werden, bevor es in den dialogischen Kampf eintraf es mnsste 
erst selbst eine Philosophie ausbilden^) die sodann sich mit 
den jttdischen und heidnischen Philosophien und Lehren messen 
konnte; wie umgekehrt die griechiscb-rOmisohen Philosophen 
das Ghristenthum swar gelegentlich verhöhnt, es aber nie als 
ebenbflrtigen Gegner in ihre Dialoge sugelasseo haben, weil 
sie es eben nicht als Philosophie anerkannten >]. 

Der früheste christliche Dialog, vun dem wir Runde haben, 
Ariatons ist wie es Scheint das Streitgespräch zwischen denj Christen 

^«chon^awn "'^^^^ JudcD Papiskos über die Person Christi ( l'iaovo; 

und Fapiikoa. x«! PiaTrioxotj avTtXoYi'a Kspt Xpia-oo), dessen Abfassung nach 
dem Ablauf des Barkochba-Krieges tyllt und dessen Verfasser 
Ariston von Pella ist 3). Celsus hat dieses Werkes bereits 
iiedacht. Da es auf die spätere Literatur nicht ohne Einfluss 
gebliehen zu sein scheint, so konnte man in neuester Zeil 
versuchen es zu reconstruiren^). Nicht bloss mag hieraus der 
dialogisirende Ton in die tertullianscho Streitschrift gegen die 
Juden übergegangen sein sondern auch das klassische Werk 

Jastini Dialog der Art'') Justins Dialog mit dem Juden Tryphon hatte 

nut liyphoib vielleicht dort sein Vorbild. Bemerkenswerth ist wie dieser 
Dialog trots seines religiOs-cbristlichen Inhalts das philosophische 
Rostfim SU wahren sucht: Justin fühlt sich als Philosophen 
und auch Tryphon will ein solcher sein; der Letztere hat 
cum Berather einen verspAteten Sokratiker, wührend Justin sich 
durch Form und Gedanken seiner Worte als einen Kenner und 
und Lehrer platonischer Schriften verrfith; nur allmShlich 
werden er und sein Mitunterredner aus allgemein philo- 
sophiscfaen Erörterungen auf die Gardinalfrage des damaligen 



1} Daher sehen wir, das» geroiie die ersten christlichen Dialogen- 
ichreiber Justinus Martyr und MinuciUK FeHx d(-n falschen heidnischen 
Philosophien das Christenthum die alleio wahre gegeQüberstelleiii; 
Haroack Dogniengesfh. l- S. 4ä7. y.i:,, 1. 

2) Vgl. auch Ari^lides or. 46 |>. 34 0, 7 u. dazu Jebb. 

S) Hamack G«9ch. der alUshrlsU. Literatur I S. 9S f. 

4) Haroack in Texte vu Untersa. Herauag. vod Gebbanit u. Harn, I S 
(4SSa). Gorsaen Die Altercatio SimoniB Judaei et Theophili Christiani auf 
ihre Quellen geprüft (Jever 4 890). 

.S Vgl hierzu die Bemerk iinpen von Herford Ihr ütprary relaUoos 
of Eoglaad aad Germaay ia the sixteeaU» Century S, i'i f. 



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Minuciiis Felix. Polemik gegen SektMi. MaBken-Dialoge. 369 



GbibteiithaiDS geftthrt Die Einileidnng des Gänsen in eine 
Erifihlitng an Marcos Pompejus geht in letoter Hinsicht auf die 
Sokratiker «irttck; su Anfang und so Ende lassen sich entfernte 
Nachahmungen insbesondere des Phaldros kaum verkennen, 
während der Verfasser, indem er sich iSngere Reden im 
Gespräch und zugleich den iFrindpat« ertheilt, sich hierbei 
kaum noch des Vorgangs des Aristoteles bewusst ist^). 

Heftiger hatte derselbe lustin gegen heidnische Philosophen, 
insbesondere gegen den K^niker Grescens gestritten. Hierin 
war ihm schon der Apostel Paulus vorangegangen. Wie einen 
aiicleiii Sukiales schildert uns diesen die Apostelgeschichte, 
da er auf der alten Stätte dialogischen Ruhms, in Athen, aut 
dem Markte sich mit Jedermann ins Gespräch einliess und 
hierbei niit den Sophisten der damaligen Zeit, mit Epikureern 
und Stulkcin. in Streit gerieth. Der älteste literarische Dialog 
der Art ist der üctav ius des Minucius Felix, zugleich OcUTiai dw 
•las älteste Werk iihorhaupt der christlich-lateinischen Literatur, ^^'"*'*^*^' 
sodass die Neigung und Fähigkeit des Dialogs eine ganze 
Literatur zu erölTnen auch hier wieder einmal sich bewährt 
(i S. 87 ff.). Auch hier giebt sich der Streit der religiösen 
Ansichten nicht in einem Gezänk polternder Fanatiker kund 
sondern ist wie hei Justinus. d(>r Tradition des Dialogs ent- 
sprechend, zu einer philosophischen Erörterung veredelt worden, 
wobei ebenso wie dort das Vorbild Piatons so liier und noch 
mehr dasjenige Giceros mitgewirkt hat*'). 

Auch die Sokratiker hatten zunächst gegen die Feinde Polemik ^«gm 
von Aussen zu kämpfen, gegen den Widerstand den ihnen 
theils die Anhänger des DeberÜeferten thells die Philosophen 
der Zeit entgegensetzten. Bald aber dienten die Dialoge auch 
dazu die Innern Streitigkeiten der Sdiule zum Ausdruck zu 
bringen. Nicht anders war es mit den Dialogen der altchristlichen 
Literatur, in denen allenfalls schon frQh der Hader der Sekten 
sich zu spiegeln beginnt Solcher Art waren die Dialoge des 



1) Die Frage, ob der Dialog auf ein wirklieb gebaltenos Gespricb 
zurttckgehe, erörtert Semiscb, Justin I S. 400 f. 

S) Auaserdem Platoniacbes auch h«i lUnucios Felix weist Vabien 
nach: Berl. Progr. 1894 s. f. — Ueber die Abfiissungflseit »iletzt M. Schanx 
im RbeiD. Mus. 50 1S95j ff. 

Kirsel. l)i»log. Ii. %^ 



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370 



VII. Der Dialog in der aitclirUUichcn Literatur. 



Bardesanes 'i, des Hieronyiuiis gegen die Pelagianer, Pseudo- 
AugustiDS gegen die Donatisten, ferner des Theodoretus, des 
Maxenttu.H. Dialoge für die es zum Theil schon cbarakteristisch 
Ist dass die eine der beiden GespräehsjK r.^onen als Orlhodoxus 
oder Gatliolicus bezeichnet wird. In dieselh«' Kln'^se gehören 
der Dialoy (h's Cajus gegen den Montanisten Pioklos (Harnack 
Altchrlstl Ii (er. ! S. 600) und der unter den Schriften des 
Origenes erhaltene iiher den rechten Glauben«^), in dem der 
orthodoxe Adamantios und der Markionit Megethios sich gegen- 
überstehen und ihre Sache vor dem heidnischen PhilosopheD 
Eutropios als Schiedsrichter tum Austrag bringen, während 
die echten Ketzerdialogo dieses {{rossen Kirchenlehrers verloren 
sind Harnack a. a. 0. 377 f.). 
Maaken- Auch Masken-Dialoge, in denen Personen der Yergangen- 
Diaioge. ^^^^ Tfigem seilgenössischor Bestrebungen werden, haben 
so gut wie in die sokratische auch in die altchristliche Literatur 
Dio oiementiDi- Eingang gefunden. Besonders die clementinischen Homilien 
"^""n^r^^*^ und Recognitionen iLönnen hierftir Beispiele geben: der Abstand, 
BMogaitioiMii. der den Fischer vom galilfiischen Meere von dem gewandten 
Dhilektiker Petrus^) trennt, ist noch grCsser als der welcher 
swischen dem historischen und dem platonischen Sokrates 
besteht; auch der Grammatiker Apion, der sich übrigens auch 
zu einem fingirten Briefwechsel mit Clemens hergeben musste, 
und Simon Magus vertreten keineswegs nur sich selber, wie 
sich besonders deutlich an dem Zweiten zeigt, der sein 
Wesen mit den Zeilen wechseltt uiid erst den Paulus, dann 
die Guostiker bedeutele. Dasselbe Schicksal wie Apion halle 
dessen alter Gegner Philon. den ein unbekannter Verfasser 
in einem Dialog mit dem ApusteischUler Mnason zusammea- 



1] Euseb. Uat ecd. IV 80. Hamaek Altcbrtstl. Liter. 1 S. 145. 
2) Harnack Altchristl. Literat, l S. 470 L 47S f. 

3 In ri-fTf.o j xat 'AT:(nj ;o; ota/.o70( bei Eusebios Hist ecci. III 3S, 8 
(indet Harnack AUchri>;t. ritcr. T S. i?! dm Tito! ciä/o-j-ot passender als 
ft'iO'"''. Dies kann jedoch nur fui den spiitnii und insbesondere den 
Chi iiiliiehen Gebraut ii de^ letr.teren Wurtes gelten, aber nicht für den 
Ultcrn und ursprünglichen: vgl. I S. 66,4. 

4] Vgl. hierzu Hilgenfeld, Die clementinlechen Recognitl. u. Homi- 
lien S. 170: ■auch scheint In d«r Schildemng des Petrao das Ideal eines 
antiken Philosophen durch«. 



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HistoriBciie Grundlage. Probleme der atitikeo Philosophie. 37 1 

brachte and darin die Gottheit Christi erörtern liess^). End- 

Höh ist üi den »Pistis Sophia« betitelten Gesprächen des nsUi 8opU«. 

auferstandenen Jesus mit seiner Mutter und den Jflngern 

sogar der Stifter der Religion ausersehen worden Valenthiia- 

ntsche Ketsereien xu verfcttnden und mit seiner Autorität xu 

decken (o. S. 367, 8). 

Was irgend in das Leben des jungen GSiristenthunis tiefer 
eingriff — es brauchten nicht gerade dogmatische Streitig- 
keiten SU sein — , jedes bedeutende Neue, das besproehen 
und leidenschaftlich hin und her erSrtert wurde, bot sich 
eben hierdurch su dialogischer Behandlung dar. Es war 
daher ganz natürlich dass eine Erscheinung wie das M0nch- 
thum und die Aiiachorcsis der Gegenstund von Dialogen wurde, 
wie sie in den CoUotiones des Cassianus zuia Zwecke apolo- Gaeai&aaB 
getiscber Verherrlichunt^ und praktischer Anweisung erzählt ^^^^i****^*»«"' 
werden. Zahllosen lüundlichen Gesprächen hinkte auch hier 
der literarische Dialog nur nach^). 

Als das Christenlhum das Erbe des klassischen Alter- 
thums antrat , übernahm es auch die Probleme der antiken 
Philosophie . indem es sie nur seinen ßedürlnissen gemäss 
modilicirte und zum Iheii neue Lösungen versuchte. Mit dem 
Inhalt verband sich aber leicht und vererbte sich die Form. 
Hierin liegt abermals der Ursprung einer Reihe von christ- 
lichen Dialogen. Die Frage nach der Unsterblichkeit ist bis 
in unsere Tage der Regel nach in einem gewissen Anscbluss 
an Platens Phaidon behandelt worden. Christliche Platoniker 
wie Gregor von Nyssa und Aineias von Gssa haben dies Gregor von 
ebenfalls gethan, dabei nur das alte Problem umgestaltet zur ^^^^^^^^ 
Frage nach der Auferstehung. Besonders deutlich tritt der Om». 
Anscfalttss an Piaton bei Gregor hervor; derselbe verfolgt 
wie Piaton mit der philosophischen Erörterung sugleich einen 
eonsolatorischen Zweck sich über den Tod seines Bruders 
Basileios bei seiner Schwester Makrina Trost su holen ^) und 



4} Hamack Altcbristl. Liter. I 774. 

i) Aebnlich wie Catslanus bei den Anachoreten herumzog, durch- 
wandwte BagUeioe der Oroaae Aegypten utid beeuchte ttherall die MöDcbe- 

gesellschaften. 

3; Vgl zu dt'r Kiai^e. in wie weil der Dialog historisch ist, Creuzer 
Zur Gesch. d. gnech. u. iotj)iscii. Literat, ii. 476. 

24* 



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372 



VII. Der Dialog fn der altchrbiUcheo Literatur. 



stellt sich selber wie Piaton dorn Siuimias und Kebes (in der 
Republik auch dem Adeimantoü und ülaukoo) die Aufgabe 
im Gespräch eine Sache zu vertreten, die er im Grunde nicht 
billigt (S. 8 cd. Krabinger) ' . Aber auch bei Aineias erinnern, 
um von Einzelheiten der Sprache abzusehen, nicht bloss das 
Gebet am Ende und das letzte Wort [icuixev] an den Phaidros, son- 
dern auch darin dass der grosse Philosoph Theophrast durch 
die Gründe der Christen überzeugt der Akademie den Ab- 
schied gibt'^ sull doch wohl eine, wenn auch eine polemische^ 
Beziehung auf Plalon liegen — Während hier als Gegner der 
Lehre von der Auferstehung des Fleisches ein Heide auftritt» 

Keihodioa. durfte in früherer Zeit Methodios in seinem Dialog »von der 
Auferstehung« noch denselben Widerspruch einem Christen 
in den Mund legen: in origineller und lebendiger Neugestal- 
tung der Scene wShlte er dasu einen christlichen Arst» den 
AglaophoUy und verlegte die Disputation , die er selber mit 
diesem abhielt, in dessen Klinik^). — Einen Abschnitt aus der 
Naturphilosophie behandelt vom christlichen Standpunkt der 

HwnippM. anonyme Verfasser des Dialogs »Hermippos oder (Iber die 
Astrologie«: derselbe hat sehr wohl das Geftlhl sich damit 
auf ein dem Christenthum eigentlich fremdes Gebiet zu b»> 
geben; um so bemerkenswerther ist das Gitat das er aus 
Piatons naturphilosophischem Dialog, dem Timaios, einfliessen 
lässt — Die demselben Gebiet der Philosophie angehörende, 
von Platou und noch mehr durch Arislülcles in Gang ge- 
brachte Frage nach der Ewigkeil der Welt erörtert der »Am- 
ZA(»h«Uu von moniüs « ili\s Zach.irius vuu Mitylcne. Den Kern bildet eine 

Xitylne, Disputation des Verfassers, merkwürdigerweise eines philo- 
sophisch gebildeten Juristen mit (ioni späteren Neuplatuniivcr 
Amuiouios^'j, die dieser ganz regelrecht vom Katheder herab 

4) Der Charakter der historischen Ilakrina ist ausserdem « wie 
Creuzer a. a. 0. 5. 477 bemerkt. Dach dem Vorbild der platonischen 

Diollma gemodelt worden. 

3 Vgl. noch Creuzer, Zur Gesch. der griecb. u. rüuibch. Literatur 
S. 472 f. 

h) S, Uaroack in Texte u. Unterss. Vlll 4 & 48. 
ft] S. 3 ed. Bloch: »70*1)4) y^p o6(cU icspl o6(cif&; i-ntvrmi ^Mvoc «tX. 
6) Heber ihn s. Creuxer, Zur Gesch. d. s^l^^ch. u. römisch. Uterat. 
S. 473. 



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Rbetorlsdie Dialoge. Symposien. 373 

führt Das einrahmende GesprSch mahnt auch hier an den 
Phatdroa, lu Anfang durch die SchiLdenmg des Loeals und 
sum Schluss durch das Gebet <). Eine der brennendsten 
Fragen der spSteren heidnischen und chrisdicfaen Philosophie, 
nicht am wenigsten geschürt von den Kynikem, war diejenige, 
welche sich auf das YerhSltniss von Nothwendiglieit und Frei- 
heit im Weltlanf und im lieben des Menschen bezog. In den 
Dialogen Lucians war sie gestreift worden, erörtert schon 
früher m derselben Form »lurch Cicero. Dessen Dialog nahm 
sich offenlj.-ir der zum Vorbild, der in Ergänzung des Oct.i- 
vius von Minucius Felix einen Dialog «de fato« hinzufügte de fato de» sog. 

Zu christlicher Erbanims ist dann dassel})e Thema in einem '^'l** 

ond desFiendo- 

syrischen noch erhaltenen Dialoge bebandelt worden, der, BaidtwiiN. 
wenn auch nicht von Bardesanes tierrUhrt, sich doch an ihn 
anzulehnen scheint'). 

Wie schon (his bisher Henierkte lehren kann, haben die 
christlichen Schriftsteller, einmal auf das Gebiet des Dialogs 
geflihrt, dasselbe nach den verschiedensten Richtungen zu 
durchstreift. Den in den Protreptiken keimenden Dialog hat 
wieder eingeführt Clemens aus Alexandrien den im Diatrihen- Olemess am 
Stil ermatteten reprüsentirt glänzend .Johannes Glirysostomos ^^jj^"* 
und zwar mit der charakteristischen Modification daas an die 
Stelle eines Bion, Erates und Diogenes die Apostel, nament- 
lich Paulus, auch die Propheten treten*). Wie hier so be- 
gegnen wir dem rhetorischen Dialog auch an andern Punkten. 

1) Wozu nnrh fnr den, dor sich hierdurch nicht will uhcrzeiigen 
lassen, die Ver^leichiing der Seele mit Flügelrössen kommt S. 233 f. ed. 
Barth ;Leipzig 1653). 

3) Dem VerfasBer dieses Dialogs schwebte offenbar zweieriel vor, 
einmal dass der Oclaviiis eine Nachbildung von de natura deomm war 
und dass auch Cicero diese Schrift oder doch die eng damit zusammen'- 
hängende de divinatione II 3 de fato 1) einer Ergänzung darch den Dialog 
»de fato« für hcnöthict pchatfcn hatte. Al< Vcrfiisspr diese«? späten Dia- 
logs »de falo'< ^ralt im Aiterthum Minticiu-i Felix; die Zweifel des Hiero- 
nymus gegen dies«; Meinung sind beiiannt (de vir. ill. iS upist. 70, 5). 

3) S. über diesen Dialog ausser den Bemerkungen von Ntfideke in 
Zeitschr. der deutsch. moigenlSnd. Ges. 89, 334 jetzt Hantackf AltcArisU. 
Literatur I S,mt 

4) Wendland, Quaestt Huaon. S. 9 Anm. 

r>' Z. B. de virginitate c. 26. «3. 45 ff. In homil. III ad popul. Antloch, 
S. 374, 4 8 ff. unterhau er sich mit dem Propheten Jonas. 



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374 



VII. Der Dialog io der «ItehriltKcheii Literatur. 



Bolpiolm 



Als ein KenazeicheD desselben galt uns früher die Einführung 
BoUidiriolitMr. von Schiedsrichtern (o. S. 177 f.): wir finden sie wieder bei 
MinuciuB Felix, hier mttgiicher Weise unter Anlehnung an 
Giceroa Vorbild (de nat. deor. 1 47), und bei Pfteudo-Origenes 
(o. 9. 370) dem dabei die Einrichtung wirUieher Disputationen 
seiner Zeit vorgeschwebt haben mag'). Auch die Neigung xu 
6oidU«nii8«a. Schilderungen Ifisst sich hierher liehen, lumal wenn dieselben 
wie bei Minucius Felix und Zacharias von Hitylene in keinen 

m 

engeren Zusammenhang mit dem Inhalt des Gesprächs gesetst 
sind. In anderen PSllen scheint das Wesen des rhetorischen 
Dialogs in der Absicht durch: um die Langeweile su ver- 
meiden bedient sich seiner Sulpicius Severus im Leben des 
heiligen Martin^), das er epistolographisch begonnen hat und 
dialoj^isch fortsetzt; seine Foriiigewandtheit zeigte der iilngere 
Apollinaris. Apollinaris aus Laodicea, da er als würdiger Soim seines 
Vaters die Evangelien und die Lehren der Apostel /.u plntoni- 
srhen Dinloiien umgestaltete * : endlich soll in den Dialogt^n 
tiregors des (»rossen das Gespräch nur der Faden bein, an 
dem die Legenden angereiht werden*). 

Auch die ohnedies schon mannigfaltige Symposienliteratur 
wurde jetzt durch eine neue christliche Variante bereicher! : 
zwar das Symposium des Lactantius kann man hterfiOr nicht als 
Beispiel anführen, da er es noch als junger Mensch und vor 
seiner Bekehrung zum Ghristenthum verfosste; dagegen darl 
man es der grammatischen Art surecfanen, wenn es nimlich 
in die gleiche Zeit fftllt wie der nGrammaticus« desselben 
Autors'); wohin die Bestrebungen der Christen auf diesem 
Gebiete gingen, zeigen die sympotischen Vorschriften des 



Qregor 
der QroM«. 

BynpoilMii 
LaotMititta. 



1) Vgl. z. B. Ilamack in Texte u. Daterss. VIII 4 S. 47 ff. über die 
Dlspulailon Mani's mit dem katholischeii Bfsebof Archelaua. 

2) Eberl, Literatur des Mittelalt. I S. 320. 

3 Socrates Hist. ecci. III 16. Sozom. H. eccl. V U. Als ctirisUicher 
Sophi'^t vor<;ti< hte er sich in aUen Formeo. Vgl. noch bes. o. 414 ff. 
das über Dion Remerkte 

4; Eberl, Literalur des Mittelalters I 520 f. Vgl. auch o. 288. 

5) Teulfel-SchwRbe Gesch. d. r. L. §. S97, S. Ebert, Uteralar de» 
Mittelalt. l S. 70. Die RttthseNSammluiig des SymphosluS} die «benidls 
die Frucht eines Symposiums su sein vorgibt, gewShrt doch aof den 
Inhalt des Werkes des Lactantitts nur einen gani unsicheren ScUuss- 
TeulTeUSchwabe a. a. 0. 9. 440,1. 



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Vorbilder. Verbreltuag der dialogischen Form. 



375 



GlemeDS von Alexandrien!}, ErflUlung brachte erst »das 
Gastmahl der sehn Jungfrauen«, in denen Methodios das Xitindi«!. 
Meisterwerk Piatons ins Christliche Obertrug und entweihte. 

Für die Griechen war das klassische Vorbild Piaton, für cia<>sigoiie 
die Lateiner Cicero; Hieronymus, indem er in seinen Dialogen 
gegen die Pelagianer Gritobulus und Ätticus auftreten ISsst» 
fasst platonische und oiceronische Reminiscenzen in einem 
Dialog zusammen. Mit Aristoteles stimmen die meisten Dialoge 
insofern ttberein als die Verfasser selber darin reden und den 
Principatu behaupten: doch ist dies nicht sowohl eine Nach- 
ahmung als es dem dogmatisch - religiösen Charakter dieser 
Schriften entspricht, der auch die fast regelmassige Bekeh- 
rung des Gegners mit sich brachte. Zum besten Zeichen, dass 
der I)iah)g wieder Fühlunj^ mit dem Leben hatte, sind es fast 
immer historische Pn sukui weh-he reden oder doch solche die 
an historische erinnern sulleii -i. 

Oer Schein des Historischen wurdo wenigstens gewahrt : Sohein des 
dass sich nichtsdestoweniger darunter die Dichtung \ erbarg, ^toriso^«*« 
müssen wir annehmen theils um der Theorie willen die man 
sich über die platonischen Dialoge gebildet hatte (AeÜus 
Aristid. or. 46 p. 288 Jebb. Athenaios 505 F f.) theils um des 
Selbstbekenntnisses willen das Cicero ablegt . Nur gans aus- 
nahmsweise erscheint auch der mythische Dialog^). 

So wenig wir von den christlichen Dialogen wissen — 



4, Paedfifrop. II §. H'i p. I9i Pott. NVeiullünd «Juaeslt. Muson. S. 37. 

ij Dies gilt iubbesondeie von dem Tiieophrastos, der deu Titel zum 
Dialog des Aineiw hergegeben hat (o. S. 37S} und hiorichtillch dessen ich 
durchaus Christ Gr. LG.* 5. 749,1 zaatimme. Vgl. auch o. & 36S,1. Die 
aDdem beiden Pwsonen des Dialogs sind dagegen, wie Creuzer, Zur Gesch. 
d. griech. Q. rtimiscb. Literat. 8. 473 nachweist, historische Personen im 
vollen Sinne des Wortes, — Nur selten erscheint ein Ungenannter wie 
in Kyrills Dialog (U- trinitate, dessen Hauptperson freilich Hermeias ist. 

3 Brief an Vurro voi den Acad. «». S. 46,3. Vgl. auch o. 6. aOÖ, 4. 

kj die dialogisute liegende, die ich aus l'seuer Religionsgesch. 
Unterss. I 83 ff. kenne. War der Oupivtoc ((ä)wo^o; ein Dialog ^Origenes 
c. Geb. VIII 45 Harnacic, AltchrisU. Uter. I 904), der im Himmel spielte? 
In diesem falle wttre er ein christliches GegensUlck la den Oötter- 
gesprüchen Luclana gewesen. Ein Luciansches Versteckenspielen S<Aelnt 
der Name Kdv-ajf^o; zu bekunden, mit dem Methodios in einem seiner 
Dialoge hei PhoUos bibl. c. tu, deu Origenes bezeichnet hatte. 



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376 



VII. Der Dialog in der altchrisUichen Literalur. 



manches nur durch Zufall >) — so genügt es doch am tu er- 
kennen, wie stark damals diese literarische Strömoog war. 
Polemik ff«gea Die Polemik !^ell)st gegen Bücher nahm gern diese Form an: 

K7ri£* SO entstanden die Dialoge Kyriüs gegen den Kaiser Julian, 
Attgasttns gegen Faustns gegen den Pelagianer Jallan nnd 

Bwileloi. gegen Petflianus, des Basileios gegen Eunomios^. Der letsto 
Fall ist um so bemerkenswerther, als Basileios (episL 167) 
eher su den Gegnern der dialogischen Form gerechnet werden 
muBs: die Strömung hat ihn mit fortgerissen. Am tiefsten 
waren, soweit ich darüber su urtheilen vermag, von ihr er- 

Mitiiodiw. griffen unter den Griechen Methodios, der nicht bloss mehrere 
Dialoge yerfasste^) sondern dem diese Form auch, hierin fast 
einem sweiten Piaton, der treue und nothwendige Ausdruck 
seines Denkens war<}, und unter den Lateinern Augustin. 

Aagutta. Augustins Natur war so reich an Leben, dass es auch 
auf den Dialog Uberstrtfmen musste: insbesondere Leidenschaft 
und Dialektik, beides Quellen des Dialogs, regten sich mScbtig 
auch in seiner Seele. Seine Dialoge tragen den Stempel des 
Persönlichen und Erlcbtün, Angeregt durch den »Hortensias«, 
ein Leser der Ciceronischen und Varronischen Schriften, ahmt 
er dieselben keineswegs nur nach':. Seine Dialoge sind dia- 
lektischer. Das Personal und die Scenerie gehören ihm: die 

1} Dass auch Diodor von Antiochien Dialoge schrieb, erfahren wir 
durch Basilr-io^ cpist. f67. — Der ganz tinpenügende VtrKM< h einer 7m- 
sammenstillung der christlichen Dialoge ist schon <688 in emer Witlen- 
berger Dissertation von Martin Müller gemacht worden ; dissertatio histo- 
rica de dlftlogis doctomm veteris ecciesiae. 

i) Etwas Aehnlichfls sind die polemischen Dialoge, welche Cicero 
mit den Briefen des Timarchides und Antonias abhält {I S. 4SS, S. Vgl. 
noch II S. i6<). 

ErwJihnt Nvurden schon das rinstiiinh! der Jungfrauen U>. S. 37.") 
und der Dialog von der Auferstehung: n > 37* . iiingewiesen st i iuk h 
auf die Auszüge die Photios c. 235 und iae aus zept icsr^zön und repi 
et'jtc^ouaCo'j gibt. Seines Tbeibas wegen ist beinerkenswerth ein Dialog 
lupt X^rp««. Im Uebrlgen vgl. HarDack, Altchristl. Liter. I S. 498 f. 

4) S. die Bemerkungen von Gottfried Pritschel, Methodius von Olym- 
pus (Leipz. Diss. 1879] S. » f. 

5; Von einer Narliiihumnj,' Vnrros wnr I S. 4i7. i. Rede. Wit? 
Cicero I S. .106 f-^ so hiU auch Augustin seuie Acadeuiica mit dem llor- 
tensius dui « h ein Band verknüpft, das die zweite Schrift als die Voraus- 
setzung jenui erschelDen lässt: c. Acad. 1 ; praesertltn cum Horteuäius 
Uber Cioeronis jam eos ex magna parte concUlasse pbOosophlae videretur). 



Augcutio. 



377 



Personen sind seine Freunde, seine Familie, darunter was fQr 
ihn vor Andern charakteristisch ist seine Mutter ; die Scenerie 
wird eingehend geschildert und bietet theils den Anlass xum 
GesprSoh') theils stimmt sie su dessen Gegenstände^. Die 
Dialoge sind, wenn auch nicht geradem historisch wie man 
gemeint hat'}, so doch typisch (1 S. 543, 1. II S. 51) und fassen VypiMht Cto- 
eine Reihe wirklicher GesprSche, wie er sie namentlich in Gas- ipiiaht. 
steiaeum geführt hatte, su einigen Gesammtbildem susammen. 
Diese Dialoge sind ihrem Inhalt nach verschieden: » gegen die 
Akademiker«, »vom glückseligen Leben c, »von der Ordnung« 
(de ordlne), tSelhstgesprSche« (soliloquia; , »Aber die GrSsse 
der Seele« (de quantitate animae), »vom freien Willen c (de 
libero arbitrio), «vom Lehrer« de magistro^; Darstellungen 
einzelner Wissenschaften und Künste disciplinarura libri)^), 
von denen ans die der Musik erhalten ist; über verschiedene 
Fragen« dt «iiversis quaestionibtis' d. i. dogiuatische Excerpte 
aus wirklich gehalteneu Gesprächen^). 

4) Vgl. bes. de onliii»^ I 6. 

i C. Acad. II 10: t't foi tt' die? itn semniH effulsernt nt nulli pror- 
sus rei magis quam .screuuiulb auiniis nustrii« congruere vidurelur. 

3) Ebert, Literatur des MitUilalt. I 231. Biudemann Augustio I 294. 
Es beruht di«6 auf Augustins eigener Aeemerueg c. Acad. I 4 dau ein 
«notaries« zum AufxeicbneD des Gesprocheneo angestellt worden sei. 
Aber kann dies nicht Fiction sein? Dieselbe Fiction in der Pistis Sophia 
S. 23, 8 Schwartze. S. 47 fT. Man wurde mit der Zeil iniiner üngstli( li» r 
im Niichweist'n der TradUioii. di«« von dem wirklichen Gp'^prHch bis /.um 
Verfaaj>er dt^s Dialogs Liofuliri lialicii snIUo (witzelnd heissl es ini Ucr- 
ruippus s. i8 I. ed. Blocli: xai i-^oifs, jAvtjjiooi ^e^.tot« (fpsvöiv xaW ^yip«- 
^0|i«i. Vgl. aber ancb S. 68 ScbL «asserdein Fseudo-Lucians Gharidem 9). 
Eatnommen ist die Fiction der Gewohnlieit, die bei den ffentlicbeD Dls« 
putationen herrscbte. Wosn dies bier diente, ist klar and wird noch 
besonders durch Po.ssidius vit. August, c. 17 angedeutet; derselbe bemerkt 
aber such. d?»ss private Di.spulationcn >isin<» ulla scriptnra« ahsehniten 
wurden \^\. aiidi I .*«.J<.'5.r Nirht fiufdif i:leichzeili^e Atif/cii linunu durch 
einen •notarius-' brauchen sich de ordine II 54 die Worte »has iiteras« 
SO besiehea, sondern küunen die Folge der bei den Spttteren nicht seltenen 
Confüslon von Reden und Schreiben sein (o. S. 854, 1 }. Dag^en Ist es 
natur- and sacbgemtfss in den Soliloqnia (I 17. S9 f.) Reden and Scbretben 
als Eins zu denken. — Für dit- Di;doi;e »von der Grösse der Seele« und 
»vom freien Willen' gibt auch Bindemann August. II S. 9 u. i8 zu, dass 
sie nicht historigoh seien. 

4) Retractt. I 6. 
5. Retractt. I 26. 



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378 ^'H. Der Dialog in der aitchrisUtchen Literatur. 

So N erschieden der Inhalt ist, so haben sie doch In 
der Hauptsache das mit einander gemein dass sie traditio- 
nelle Themata der alten Philosophie, nar vom christlichen 

Abfuiugmlt. StandpunlLt aus» behandein. Der Hauptsache nach gehören 
sie auch der gleichen Zeit an und sind die meisten vor, 
andere nicht lange nach der Taufe Augustins verfasst. Sie 
fallen somit in eine Zeit, in der er sich aus der Philosophie 
xum Glauben emporrang und keineswegs schon vollkommen 
mit sich abgeschlossen hatte. Diese inneren Kfimpfe finden 
ihren angemessenen Ausdruck io der Form des Dialogs, mit 
der es daher Augustin wie mit Allem was er angriff sehr 
ernst genommen bat. Sie ist ihm nicht bloss ein Ueber- 
bleibsel seiner rhetorischen Periode*), eine leere Form, sondern 
ein Mittel die Wahrheit su erkennen (Solil. II 7, 1 4). Darum 

Selbstgespräch, legt er auch dem Selbstgesprfich eine solche Bedeutuog bei 
(a. a. O.) : denn nur in den Gesprächen mit der eigenen Ver- 
nuntl sind die Menschen vollkommen ehrlich, in den Unter- 
redungen mit Audern besteht die Gefahr dass sie rcchthaberiscli 
\M'rden'''i. Noch bis in spfitero Schril'tcu hinein wirkt dieser 
di;d(>t;is( lio Trifl). wio (li( Ikkenntnisse« lehren : der wunder- 
volle Bericht über die letzten (iesj)r;iche mit seiner Mutler 
IX 1f> ff. und über deren Endo ist in mehr als einer Be- 
/.irliiint' dem Phaidon vergleichbar. Al)er die dialogische Kraft, 
ein Zeichen jugendlicher Zeiten und jugendlicher Menschen, 

V> Nur c. A<:iui. Iii iö bezeichnet er das Dialogiäiren als eine Er- 
holung von rhetorischen Uebungeii. 

2) Das Selbstgespräch gilt ihm als die Blüthe des Dialogs. Diderot 
sah umgekehrt darin die beste Vorberettung für den Dialog (de la po^ie 

dramatiquc =s Oeuvres IV l»arjs 1818 S. 688: Vous savez quf je suis 
habitiK' de longnc rn«hi ii i Hrt du soliloque. Si je quitte la socielt* eto. 
S, 63'4: Kcnutt r lc<< hutniiies et s'entretonir souveiit avec soi: voila les 
rnoNeiis de se lurait i au diologue). Vgl. Huch o. S. 263. Von Marc AureK 
.Meditationen unterscheiden sicti die Selbstgespräche Augustins dadurch, 
da8s sie nicht wie jene protreptlscb (o. S. SS7 f.), sondern dialektisch sind. 
Der Eigenthttmlicbkelt seiner Leistung war sich Augiiattn wohl bewusst: 
deshalb erfand er den neuen Namen »Soliloquia« für sie Sohl. II 7, H). 
Doch trifft er auch hier ohne daran gedacht zu liahen mit Piaton zu- 
sammen, der alles Dpnkrn ein Selhstgespräch der Seele nannte I U5 \. . 
Eine h*ere Nachahmung nur ia der äussern Form, die einem ganz fremden 
Inhalt angepa.sst ist, waren die »Synonymen« Isidors, die bisweilen den 
gleichen Titel »Soliloquia« erbleiten. 



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Aagastin. 



379 



erlahmte auch in ihm mit den Jahren. Schon unter den ge- 
nannten Dialogen ist der nüber die Musik t ein Katechismus- 
Gesprftch xwiscfaen Lehrer (Magister) und Schiller (Discipulus). 

In der lotsten Zeit seines Lebens erhob er sich su dialo- Abnahme der 
gischer Thitigkeit nur noch in den Disputationen mit KeCxem, '^'^J,'^^;'^^^ 
die ihm die Wirklichkeit des Lebens abnöthigte, und in der 
Polemik gegen deren Bücher (o. S. 376); beide haben in der 
schriftlichen Aufseichnimg das mit einander gemein, dass sie 
lediglich das Für und Wider su Protokoll nehmen und auch 
nicht den entferntesten Versuch einer künstlerischen GestaU 
iiiuK machen. Welch ein Abstand von hier bis zu dem öber- 
raUthigen Jüngling, den d'w begeisterte Freude an drania- 
lischer Darstellung ins Tli»»ater trieb und in dem sich auf 
ähnb'che Weise wie bei Thiton der Vt-rfasser lebensvoller 
Dialoge ankündigte! Durch sein I,»'ben noch mehr als durch 
das l eben l'l iluns geht ein tiefer Hi.'^s, Je mehr das Christen- 
Ihum sich iner Seele lieraäcbtigte, desto rnelir unterdrückle 
er darin jeden reberrest der Vergangenheit. bis besondere 
richtete sich dieser Fanatismus gegen die philosophisch -dia- 
logischen Schriften. Der Anlauf, den er einmal in der Schrift 
gegen die Akademiker (II 7) zu einem platonischen Mythus 
genommen hat, erscheint ihm jetzt abgeschmackt (Retract. M, 3) 
ebenso wie er seine frühere Verehrung Platons und Giceros 
nun verwerflich findet (Retr. 1 2,4). In den Streitigkeiten und 
den Dialogen — er nennt sie ausdrücklich — der Pliilosophen 
sieht er von diesem spütem Standpunkt aus nur iündereien, 
die Niemandem Nutsen bringen, und bedauert durch seine 
eigene Thfitigkeit dergleichen gefördert xu haben*). Demuth 
und immer wieder Demuth ist das Einsige was er fordert, 
die Vernunft soll unter die Autoritit Christi und die Olfen« 
barung gebeugt werden'). Damit war der freien Bewegung 
des Dialogs das Todesurtheil gesprochen: denn so viel hatte 
schon Cicero erkannt (de nat. deor 1 4 0) dass dem AutorititS'* 
glauben und seinem auto; S^a nicht wirksamer begegnet 
werden konnte als durch die dialogische Darstellung. Mit 
einem grossen dogmatisch ^systematiÄshen Werk »Uber den 



I) Episl. a«l Diosi orum; H8, 2. 3. 9. 11. 
A. a. Ü. bes. <l ff. 



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380 VII, Der Dialog in der altohrisUioliMi Uteretur. 

Gottesstaat u bat Augustia im WeseolUchen seioe Uterarisohe 
Thätigkeit abgesclilosseii. 

Und was von Augustin, das gilt auch von der Kircbe, die 
er wie kein Anderer zierte. Auoli hier ging die lirische Zeit 
des Kampfes Yorflber und eine andere folgte, in der die 
Geister unter dem Druek der Hierarchie nur noch an der 
Befestigung des gewonnenen Dogmas und dessen systemati* 
scher Ausgestaltung arbeiteten. Wiederum versank der Dialog 
in einen Schlummer, an dem nur hin und wieder Antiquare 
und Redekttnstler vergeblich rüttelten. Er wartete des Tages 
und der Tag sollte kommen, da neue Gei'stesstürme ihn zu 
Deueuj Leben erweckten. 



Vlll« Der 0ial<^ im Mittelalter und den raereE Zeiten. 



im engen Ausohlius an das griechiflebe Alteribum, an die Mitwuinr. 
Disputationen der Philosophen- und Rhetorenschulen und an 
die literarischen Leistungen , erhSU sich der Dialog bei den 
B y sau ti n er n. Es ist nur ein Nachleben, kein ursprOngliches; Byiaatiaa. 
das wir hier finden. Einiges der Art isl uns schon vorge- 
kommen (o. S. 336.363). Alle andern Vorbilder Oberragt {.ucian, Vtultbaug 
den^inan In Vers und Prosa nachbildet, aus dessen Dialogen die 
den Horalititen verwandten AUegorienspiele des Michael Plo- 
cbeiros und Prodromos, des Tietzes und Philos nicht minder als 
die Hadesfahrten <) sich entwickelt haben. Nicht umsonst war 
der '»Philopatris ' iinlor seine Werke gerathen o. S. 336). Es war 
weniger die satirische Laune, die zu ihiu liiazog — obgleich auch 
sie gelegenUich in diesen byzantinischen Kopien derb hervor- 
brichl^) — als das Schattenspiel der Allegorien und Personi- 
ficationen, wie es auch ohne direkte Abhän^^igkeil von Lucian 
iuj Gedichte des Philippus Solitarius das Gespnich /wischen 
Seele und Körper zeit^t. Die Kfitechisinenliteratur setzt Planudes Kat«olii»iiwB- 

III j^Ij^P 

in seinem Dialoö von der Grauuniatik« fort. Nur selten nahm 
die Nachahmung einen höheren Schwim» und griff bis auf 
Piaton zurück, so vielleicht schon in einem früheren Produkt Haohainnnng 
der byzantinischen Literatur, dem von Photios citirten Üialog ^l**«»«« 
ffspl itoXitixf,; und dann wieder in den Dialogen d<>s Nike> 
phoros Gregoras^), in dessen Wesen man aber auch sonst 
bereits das Wehen einer neuen Zeit zu spflren meint. 



<) Eltig Leipz. Studd. XUl S. 344 f. Kiumbachcr tiyz. Lit. Js. 407 f. 
1) Im Timai'ioü uud in der 'EziSTjfjita MdC«?» ^AiSou. 

3) Phot. cod. 37. Franz Schmidt de UcracUd. Pont, et Dica^arch. tfeaa. 
diall. S. S7, 4. Kruinb«cli«r 8. 48» S. 

4) Krttmbachw S. 95, S. Die Soene des <PXa»plvR(K ist f n Athen* ao 



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382 VUl. Der Dialog Im Mlitelaltn* und den neueren Zeiten. 



0«riiianen und In seioer voUen EigenthUmlichkeit tritt uns das Mittelalter 
Aoma&Mi. j^^p i^gj deutschen und romanischen Völkern entgegen, durch 
das germanische Element erst erhSlt es sein GeprSge. MSditig 
regt sich in diesen jugendfrischen Völkern, die noch am An- 
fang ihres historischen Weges stehen, der Trieb zu dialogi- 
scher Gestalttmg und greift in die verschiedensten Gebiete 
der Poesie ein, in das Epos wie in die Lyrik i). Aus ihm 
8tieitg«dlahto. entsprangen die Streitgedichte, die Tensonen und F^age- und 
Antwort-Sonette einer späteren Zeit; die AnfBnge des Dramas 
hat er entwickelt. Manches erinnert hier an die dialogischen 
Bildungen des Alterthums. die Streitgedicht« insbesondere an 
die a'j-j /.pbs'.; ; das älteste uii?. bekannte Beispiel eines solchen 
steht ausserdena unter dem Einfluss der r^kloge^'. 
NaoluüuAuig Noch greifbarer wird die Nachahmung dos Antiken, seit der 
4m AntikMi. Dialog Prosa hinübertritt. Wiederum glebt er seine Forin 

her um uns den alten ewigen Kampf des Mens( lu i mit dem 
Tode vorzuführen, der eine ergreifende Darstiliung in dem 
»Ackermann aus Böhmen« findet, einem Slreitgesi)räch zwischen 
dem Mann, der seine Frau verloren, und dem Tode S. . 
Piaton, Aristoteles, die Akademie und Athen werden erwähnt. 
Der Verfasser ist also ein Gelehrter, dem das Alterthum nicht 
fremd war, und so mag es denn auch nicht zufölUg sein dass 
er in der Weise der Dialoge des späteren Alterthums sein Ge> 
sprach der Form eines Proiesses angenfihert hat, in dem Gott 
Vater am Ende das entscheidende Urthefl spricht — einer Form 
die allerdings auch sonst in der Literatur des MItteialters, und 
nicht bloss im Belial, lahlreidie Seitenstacke hat'). ^ Auch die 
KfttMhtonm. KatechismusUteratur erhSit sich, als deren namhaftester Ver> 



die alte Herrlichkeit und Blacbt der Stadt werden wir erinnert, ein Kri- 
tübulos tritt auf: die Formen der Worte, die Wendungen sind plalonische 
Brocken, auch da, wo sie heidnis« iu- Yorslellungen mit «sich bringen. 
Doch verhüllen »Ich unter deai antiken Gewände die Kampte der 
Gegenwart 

1) W. Wttckcraagel, Klein. Sehr. II 72 IT. ten Brink, Gesch. d. eo|d, 
LH. 1 f. Gaspary, lial. Liter, t S. 48S. 

8) Der ConlUctus veris et hiemis: s. Ebert, Uteratur des BÜttel- 
fllters II 68. Ohne den der Elcloge entlehnten Kähmen erscheint daü etwas 
ÄpÖlere Certanicn Hosae Liliiquer a. a. 0. IS7. Vjll. aucb uö. 17S,I. 

3. Vgl. noch 0.9.176,4. 



Mittelalter: Allegorieii o. PersoDificalloiieD. 



383 



treter AIcuiu erwäJiDt werden mag ') und der im weiteren 
Sinne auch die Dialoge des Anselm von Ganterbury angehören ^j; 
während Gaesarius von Helsterbach und Chaucer in einer Vehikel fte 
ebenfalls aus dem Alterthum tiberliefertcMi Weise (o. S. 374, 4) ^«»W"««»' 
den Dialog Lediglich als Vehikel fUr eine Reihe von ErEShluDgen 
benutseo. — Zahlreich waren insbesendere die NachaharangeD, 
welohe die Dialoge der christlichen Schriftsteller hervorriefen^); 
ihnen mag, an Augustlns Soliloquia erinnernd, auch der Dialog 
der b. Katharina von Siena angereiht werden, ein Gesprfich Kttharia» 
ihrer Seele mit Gott. 

Aus IMQiesten Zeiten des antiken Dialogs würde sich da- Ulegori» vaä 
gegen Adelard von Bath sein Vorbild geholt haben, wenn ihm ^«"'"i^«»- 
wirklich bei seiner Darstellung des Streites der Philokosmia * 
und Philosophia um die Seele eines JOnglings der Herakles des 
Prodikos vorscbwebte was indessen bei dem unabsehbaren 
Nachwuchs, den jene Erfindiina; des alten Sophisten halte, 
schwer zu entscheiden ist. Kauiii hat sich eine Zeit so frucht- 
bar an Allegorien und Personificationen erwiesen als das 
Mittelalter, wovon keineswegs bloss die Moralitäten Zeugniss 
ablegen, und gewiss ist dass dies zum Theil unter dem 
Einfluss des Lucian im Osten, des lio« thius u. A. im Westen 
geschehen ist Gleichzeitig kommt jedoch hier auch eine 
Eigenthümlichkeit (ies germanischen Geistes ZAim Vorschein, 
die ihn von dem Altertbum nicht minder als den Byzantinern 
unterscheidet. Während die Personificationen der letzteren sich 
auf abstrakte Begritlo beschränken und daher von Anfang an 
todt bleiben, schafil GemÜth und Phantasie der Deutschen 
auch Naturwesen lu lebendigen, empfindenden und redenden, 
Personen um. In einem Licde Herzog Heüirichs IV. von 
Breslau werden nacheinander der Mai, die Sommerwonne, die 
Haide, der Klee, der Wald, die Sonne als Personen angeredet 

{] Gegen Eberl Lit. des Mitt. II 46, das» Aldhelm diese Form uuf- 
gebrachi habe, s. J. Httroer, Zeitschr. f. d. Ost Gymnas. 81 ;1 S80) S. 85S. 

9) Ob auch der Dlalogus super auctores siv« dfdascalon des Con- 
radus Hirsaugiensis (erttmals bereusg. von Schepss Wttrahurg 4889) 
hierher gehört, vermag ich ans tncincn Notizen nicht ^enau EU ersehen. 

3] Herford , The literery relations of England and Gerroany in the 
Sixteenth Century S 23 f. 

4^ Jonnlfiiii KfclierHi»ts nur l «^e H 1 oriL'iiie di"- traduclions Lalines 
d Aristote ^. i6 und d»zu Welcker, K.1. Sehr, ü 4 91 I. 



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384 Vlll. Der Dialog im Mittelalter und dea neueren Zeiten. 

und antworten auf die Aureden Rose und Lilie, Sommer 
und Winter streiten mit einander. Wer denkt hier nicht an 
Goethes lilüiult'in Wunderschön. Die Literatur des Alterthums 
bietet nichts was sich damit vergleichen liesse^); und es ist 
in diesem Zusammenhange bezeichnend das IHanudes zwar 
eine oij'f/.y.:}'.;. aber keinen o- itn^. y^aijituvo: iapo; geschrieben 
hatte. Mehr von seinem Wesen, als man beim ersten Anbh'ck 
vermuthet^ legt der Germane des Mittelalters in diese dialogischen 
Schfipfungen, auch seinen gewaltigen Kampfesmuth. DerWafTea- 
streit erscheint ihm als eine Disputation'), aber auch das 
Disputiren wird zu einen Kampf bei dem es um Leib und 
Leben gebt^). Er fasst den Dialog als den Streit zweier 
feindlicher Gegensfitie und der Etymologe des Mittelalters 
bestStigt ihm dies, indem er Dialog als «Zwiegespräch« d. h. 
Dyalogus erklärt^). 

Die Freude am Dialog fehlte somit auch dem Mittelalter 
nicht und das Wort Wiclifs kann weiter xurQckdatin werden : 
locutio ad personam muUis plus complacet quam locutio 
generalis*). Auch das Talent zu dialogischer Darstellung wird 
nicht abgestritten werden können, wenigstens VorQbungen su 
einer solchen wurden angestellt. Trotxdem hat es das Mittel- 
alter SU keinem rechten Dialoge gebracht'). Im besten Falle 
sind es nur menschliche Typen, die mit einander reden, Dives 
und Pauper, Glericus und Miles"" ; es fehlt jede individuelle 

i) W. Wackemagel, Poetik S. 397. 

2 Im den Streit des Sommcrü und Winters zu l>elegen war J. Grimm 
D. M. 741* nur einen einzigen Beleg beizubringen im Stande aus einer 
äsopischen Fabel, worin /et[i(ibv und lap unter einander hadern. — Vgl. 
auch Burckhardt Cullur d R. S. 233. 

3] W. Wackeroagel i'oetik S. 403. Daher singt noch Ruckert von 
Btücber, der »auf dem Feld der Schlacht gewaltig disputiret«. In der 
That pflegt ja im Epos, und nicht bloss im germanischen, dem Kampf 
mit der Waffe das Wortgefecht vorauszugehen. « 

4, S. über Odbins Streit mit dem Riesen ten Brink, Gesch. d. engl. 
Ut. M 12. VlI. aber auch 1 S. 4S, S u. 4. 

5 I S. 2, 1. 

6, Herford a. a. 0. S. S4. 

7] Wie auch Herford S. %% fT. bemerkt, der üt>erbaupl hier vor- 
trefflich, wenn aach nur im Allgemeinen ttber die Dialoge des llittet- 
allers handelt 

8 Herford S. 94, t. Dasselbe gilt auch von AbKlards vislooKrem 



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Uittelftlter. Renaissance. 



385 



Gharakteristik: denn Karl der Grosse der in Alouins KateoUs- 
miis-Dialogen redend auftritt, ist ab dieses Indiyidanm fllr 
den Dialog ganz gleichgiltig und könnte ebenso gut duroh 
einen Ungenannten ersetst werden. Das macht dass man den 
Dialog als ein gehaltvolles auf die LOsung tieferer Fragen 
gerichtetes Gesprich lebendiger Menschen nicht kannte ; geitihrt 
wurden dergleichen Gespr8ehe auch damals wie sie zu allen 
Zeiten geführt worden sind, aber sie waren selten und kamen 
nicht unter die Leute, darum konnten sie auch keine Literatur 
schaffen in der sie einen typischen Ausdruck landen. Die 
geschlossene Weltanschauung des Mittelalters inusste gebrochen 
werden damit auch in weiteren Kreisen des Volkes dns iieden 
und Denken der Kinzeinen sich wieder frei besiegen lernte, 
eine edlere höhert n Inte^es^^(M^ dienende Geselligkeit nuisste 
sich bilden, wenn der Boden da sein sollte ;inf dem allein 
der Dialog gedeihen konnte. Diese neue Zeit brach mit der 
Aenaissance an, die den Dialog wieder aus dem Poetenhimmel 
auf die Erde, aus der Rüstkammer der Ahetorik an die irische 
Luft des Lebens brachte. 

Es kann mir nicht beikommen diese wundervolle Zeit zu StuiaMaM« 
sohildero, nachdem sie so oft und so meisterhaft geschildert 
worden ist. In den neuem Darstellungen wird mit Recht 
betont, dass der Name • Renaissance«, soll er irgend wie die Sache 
bezeichnen, umgedeutet werden muss aus einer Wiedergeburt 
des Alterthums in eine Wiedergeburt des gesammten Lebens 
ttberliaupt, die allerdings zum Theil sich an das Aiterthum 
anlehnte und, obgleich aus tieferen Quellen entsprungen, in 
den Formen der Antike sieb bewegte. Die allgemeine Hegel, 
nach der alle Erscheinungen der Zeit bemessen werden mOssen, 
gilt auch für den Dialog. Man darf nicht sagen dass er eine 
bloss dem Aiterthum entldmte literarische Form war*) die 
einem neuen Inhalt ganz andern Ursprungs nur Susserlich 
angehfingt wurde. Selbst in den Werken früherer Humanisten, 
eines Petrarca und LorenzoValla, scheinen die Nachahmungen des Itallimr. 
Cicero und Boelhius nur etwas Secundäres zu sein: Petrarcas 

DialoguB iatar Phllosophom, ladaeum et ChrlsÜBnunif in dem der Hefaus- 
gelMr Rheinwald prooem. p. X eine Nachnhmung Ptatons erkenoeD wollte. 

V Bun kliiu-fil, Cultur d. H. Ö. 488 f, 
fliriel, Di»l4ig. Ii. ^5 



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386 VtIL Der Dialog im MHtelalier und den neu«reii Zeiten. 

Pstnuoa. Dialoge «de contemptu mundi« sind der Ausdruck von 8eelen- 
kämpfen, also einer Stimmung die, wenn nicht zum Dialog 
fahren mu8Ste\^, so doch leicht diese Form wählen konnte; 

LwaBMValla. und Lorenzo Valla, der durch sein dialektisches und sogleich 
leidenschaftliches Naturell zum Dialogenschreiber wie prfi- 
destinirt erecbeini, wird sich derselben in seinen Abhandlungen 
»de Yolnptate« nicht bloss Cicero su Liebe bedient haben — 
Abhandlungen in denen er seine Unabbfingtgkeit docnmenlirt 
durch die unerhörte Keckheit mit der er der olfidellen Moral 
ins Gesicht schlfigt^), in denen er sich tUberdies durch seine 
Polemik gegen BoSthius frei seigt von blinder Bewunderung 
des Alterthums und die ihm von Leibnis' Seite das Lob ein- 
trugen ein ebenso tachtiger Philosoph wie Humanist su sein 
So wenig scheint man es in diesen Dialogen Vallas mit einer 
lediglich Überlieferten und daher in gewissem Sinne sufSUigen 
Form KU thun su haben, dass man längst vermuthet hat*) es 
lügen ihnen Gespräche der Wirklichkeit su Grunde. Und sieher 
ist so viel, dass solche Gespräche der Wirklichkeit einen her- 
vorstechenden Zug im Charakter der Renaissance bilden. 

ÖÄBöiiigkeit. Von den Schranken, die die traditionellen Lehren und 
Meinungen gezogen hatten, mehr und mehr sich befreiend 
fingen die einzelnen Menschen an sich ihre eigenen Gedanken 
zu machen, und welchen Stofr boten ihnen hierzu Uinwälzuntren 
und Entdeckungen üihr Art, in deren Gelbige fortwährend 
neue Fragen auftauchten. Um sich Raths zu erholen suchte 
man andere Menschen auf oder auch nur um der inneren 
Erregung Luit zu machen. Und da nun überdies die Standes- 
vorurtheile schwanden, so konnte auf geistige Interessen 
gegründet eine edlere Art von Geselligkeit entstehen als die 
vergangon« n Jahrhunderte kannten. Besonders in den eigent- 
lichen Trägem der Wissenschaft, den Gelehrten, war dieser 
Trieb des Zusammenseins mächtig und führte zur Gründung 
einer Reihe neuer Verbfinde, namentlich in Florens ^) das sich 

4 Gaspary, Ital. Liter. I S. 441 t 

2 G. Voigt, WiederbelebQiig P S. 468 ff. Vgl. aber auch Gaspary 

a. a. 0. Ii s. 656. 

3 Opp. pbiloss. tid. Erdmaoo 11 S. 6i0. 476. 
4; Voigt a. a. 0. S. 468. 

Sj Gaspary a. a. 0. II S. 47S f. 



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Bttnaissanoe: ItaHüiifir. 



387 



auch bierin als das Athen des damaligen Italiens bewährt. 
In einer Zeit, wo Bücher noch selten waren, war das Bedttrfbiss 
nur um so stärker nach gegenseitiger AulklArung im mflndlich- 
persADlicfaen Verkehr , als dessen Surrogat für Abwesende 
eine unendliche Gorrespondenx in Briefen sich entwickelte. 
Sokratisohe Naturen wie Niccolo Niccoli traten auf» der gans 
wie der attische Weise durch seine Gespr8che auf die Jugend 
SU wirken suchte >). Dass Kunst und Literatur auch diese 
Seite des Lebens wiederspiegeln wOrden war ^on yomherein 
tu erwarten >). 

Diesen literarischen Aufteichnungen der Dialoge kam ein 
anderer Zug der Zeit fftrdemd entgegen, der ttberall darauf 
drang die Natur wieder in ihre Rechte einsuaelien; denn 

der natürlichen Rede entspricht am Meisten die Prosa und 
innerhalb der Prosa das Gespräch 3). So schrieb man An- 
fangs, der historischen Wirklichkeit folgend, lateiiiLsche Ge- 
spräche, bald ti.itiach, der Natur noch näher kommend, auch 
solche in der Muttersprache. Mit Hilfe derseii)en schauen 
wir in die verschitHlcnen geselligen Kreise hinein, wie sie 
damals hier und dort in Italien gleichsam dialogische Centren 
bildeten. Den frühesten Bericht der Art haben wir in dem 
>'Paradiso degli Alberti«, das uns Kunde gibt von der Gesellig- Paradiw dtfU 
keit die in der Villa Paradiso und den Gärten des Antonio 
degli Alberti herrschte, darunter auch von den Gesprächen 
und Disputationen die dort über philosophische und histo- 
rische Gegenstände stattfanden. Leon Battista Alberti hatte Uoa Batugt» 
hiervon durch seinen Vater gehört und so konnte in ihm 
schon in früher Jugend der Trieb zu dialogischer Gestaltung 
geweckt werden, den dann seine Eesiehungen sur platoni- Platonische 
sehen Akademie noch weiter nAhren mochten. Ueber diese 
Akademie, die wie man gesagt hat eine Benaissance inner- 
halb der Renaissance begründete, haben wir die historischen 
Beridite des Bandini und Ficino. Kunstvoller gestaltet, aber 



I) Bin Beleg bei Burckhardt S. IS7 f. V«L auch A. v. S. tn GonMr- 
vative Honatsschr. 46 (1889) S. 1085. 

2; Was (Vw Kunst betriffl. vpl. die Bemerkungen von Liliencron in 
Deutsche Hundschau 18S5 s. 390. der insbesondere auf Raphaels Dispute 
und die nacre conversazioni verweist. S. hierzu I S. 354. 

8, Burckhardt S. A 88 f. Vgl. auch I S. 87 ff. 

«5» 



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:)88 Vlll. Der Dialog im Mitt«liilter uud den Heileren Zeiten. 



Christoforo 
Landiso. 



Bambo. 
OafHglii 



ffittorliolw 



Loolass 
ToiUld. 
Piaton. 

XaQophon. 

Flntudi« 



doch auch ans diesem Kreise hervorgoiiangen sind die Dispu- 
lationes Canialduleuses des Christoforo Laodinu, der sich schon 
vorher in Dialogen de anima versucht hatte, in die Um- 
gebung der Gatarina Gomaro ttlhren Bembos Asolani >) ; doch 
Iiing auch er durch seinen Vater mit der Akademie zusam- 
men. Den ilof voD Urbino lernen wir kennen aU8 Castigliones 
Goiiegiano, der BliUhe aller Renaissance-Dialoge. Die Kehr- 
seite dieses reichen und feinen Lebens stellen die Hagiona- 
menti des Pietro Aretioo dar 2), eine freie und freche Nach- 
bildung xugleich der Lucianscben HetSrengesprScbe ") so wie 
der Gortegiano die edelste Frucht ist welche Ciceros GesprSch 
• vom Redner« getragen hat 

Es ist hier weder möglich noch nSthig dieses gShrende 
um sich greifende dialogische Leben in allen seinen einielnen 
Aeusserongen su verfolgen. Nicht immer bringt es gleich YoU- 
kommnes hervor; auch Zwittergeburten treten ans Licht, Dia:- 
lege die wie ehedem die Uimen Sophrons auf dem Wege zum 
Drama stecken geblieben sind. Eins ist den weitaus meisten Dia- 
logen dieser Zeit gemein und gibt ihnen in der Gesammtheit das 
GeprSge gegenüber den Leistungen des Mitlelailers, dass sie 
iiiiiulich individuelle Personen der historischen Gegenwart 
redend einführen und sich hierdurch als Kinder des Lebens und 
der Wirklichkeit zu erkennen geben. Daneben mnchen sich die 
verschiedensten Ein(l(isse gelt4»nd. Die Invoctive und Satire der 
Humanisten lie.ss sich gern von !.uci;ins Vorbild leiten* plato- 
nische Gedanken leiten bei lienii)o, Sperone Speroni u. A. fort; 
nur vereinzelt scheint auch Xenojthon und Plutarch durch, wie 
bei L. B. Aiberti oder Agnolo FandoUini im Trattato del governo 
della famiglia) und GelH -*). Der eigentliche Glassiker des Dia- 
logs , den später auch die Theorie ausdrücklich als solchen 



i j Hierzu eine Bemerkung hei Uurckhardt, liultur d. R. >. ;iu7. 

ii Vgl. auch Burckhardt, Cultur d. R. S. 31 7. 

I) Bio HeiSren^Dialog gaoz anderer Art war daoD wieder der pla- 
tonisirende »über die Uneadliebkeit der Liebe« (deir inSnitä d'amora). Er 
ging aus den Conversationen im Hause der Tatlia d'Arü^ona hervor, die 
n)»n die Aspasia der Renaissance genannt hat. tiiid sie selber so wie 
Varchi traten darin redend nvif: Mtinrh AMy i s.'i Beilage No. 195 S. 6. 
Üaiipai-y II S ^09 ff. V};!. Burckhardt, Cultur s>. 3t 6. 

4, ßun kliHidl S. ISS, 1. 

5 Vgl. auch Burcichardt a. a. 0. Aosserdem s. o. &1S1,S. 



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RenaiManoe: ttaliäner, Spanier, Portugiesen. 



389 



und zwar auf Kosten Piatons prociamirte war aber Cicero: Cic^n. 
ihn hatte z. B. auch Machiavelli vor Augen, da er seine Dia- iiMhiaTAUi. 
löge »von der Kriegskunst« schrieb^]. Nicht minder verschie- 
den war der Inhalt aller dieser Dialoge unter einander, wie 
sieh ans dem Gesagten schon ergibt nicht bloss moralisch- 
oder speculativ-philosophirend sondern ausgedehnt Uber die 
ganze Breite des Lebens. Aas der Politik schöpfte ihn Gnio- Molafdiai. 
ciardini in seinem Dialog Del Reggimento di Firenxe, wäh- 
rend er bei Savonarola und seinen AnhSngem') so wie bei Bawaamit. 
Bemardino Ochino bereits beginnt Zengniss abzulegen auch Benardiiio 
von der religiösen Bewegung der Zeit 

Wie aber der lebenmge Dialog schliesslich fast mit Noth- 
wendigkeit auf den Gebrauch der Muttersprac^ fuhrt (l S.87ff.), 
so konnte es auch für ihn ka um ein gee igneteres Thema geben 
als die Er6rte^ng der sie betreltenden Fragen — der Fragen, Ertrtenmg«» 
welche Recjite sie selber gegenüber der lateinischen Welt- ^g^^^ 
spräche habo, und sodann, in welchem Verhältniss die Dialekte 
zur Schriftsprache stehen. Fast gleichzeitig sind (iaht r mehrere 
hervorragondr MHnnpr dnrnnl verfallen den gleichen Gegen- 
stand in itaüioischen Dialogen zu behandeln. Machiavelli 'in 
seinem Dialogo sulla lingiia'. Bembo (in seinen Prose) und 
Castiglione im Corlegianoj, denen sich bald noch Andere zu- 
gesellten ebenfalls mit. Abhandlungen in dialogischer Form*). 

Die letzten Ausläufer dieser Bewegung finden sich auf Spanier ond 
der pyrenäischen Halbinsel. Durch Castiglione wurden an- l*ortttgiea«n. 
geregt nicht bloss zur Wahl der gleichen Form sondern auch 



1] SIgoniuB in seiner Schrill über den Dialog (Opp. Mailand 47t7) 
S. 4Sf. 467 f. 

2 Womit natürlich die Meinung nicht streitet, dass auch diese 
Dialoge hprvor'^'»^L'!(nL'»Mi ».ind iius OpsprHrhen Hrr WirklirhkHt und ins- 
besondere den ZusammenkunfU'n . di<> in den Orli Oriceilahi stattfanden 
und bei denen Machiavelli selber die Rolle eines Sokrates oder Plalon 
spielte (Villari, Machiavelli Dl S. 4t ff. bes. 61 ]. Vgl. auch Bnrckbardt, Gultttr 
d. R. S. SOS» 1. 

S) Heber Domenico Bunivieni, der tthrigens auch zu den Platonikem 

gehörte, vgl. Villari, Savon. I S Auch die Predigten Savonarolas hatten 
llioilwrisc dialogische Form [Villari I s. ;ns. 4*2. Vir!, auch 1 S. 5<). 
Seine Dialoge stecket) aber nn< h in der inittelalterlichea äcbablODe, da 
sie an allegorische Personen angeknüpft sind. 
k] Gaspary II S. ftS6 ff. 



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390 Vni. Oer Dialog im Mittelaitor und deo neueren Zeilen. 

zur Behandlung eines ähnlichen Themas unter den Spaniern 
Pere/ de Oliva *] und Juan Taldös wenn er der Verfasser des 
Di^ogü (1o las lenguns ist — derselbe Veldes der durch einen 
andern Dialog Uber die Eroberung Roms und die Gefangen- 
schaft des Pabstes eine heilige Erwiderung Gastigliones hervor- 
rief — unter den Portugiesen Eodrigues Lobo (mit seinem 
Corte na Aldea e Nettes de invemo))). Nachdem die Bahn 
gebrochen war, fehlte es auch hier nicht an solchen, die sie 
weiter gingen'), sodass im Laufe des 16. Jahrhunderts auch 
in Spanien der Dialog sich einer gewissen PopularitSt er- 
freute Indessen auch wenn wir die grosse Zahl halb- 
wüchsiger Dialoge hinsunehmen die die spanisch-portugiesische 
Dichtung aufweist, so bekundet dies swar eine gewisse Neigung 
SU dialogischer Gestaltung, reicht aber entfernt nicht an die 
Leistungen der ItaliSner. Offenbar fehlte es in diesen Ländern 
an demjenigen Haass von Freiheit und Beweglichkeit des 
Geistes, ohne das es nun einm.il eine Fruchtbarkeit auf dia- 
logischem Gebiet nicht gieht. Man empfaiigt den Eindruck als 
wenn der Dialog liorl nicht ursprünglich auf eigenem Boden 
gewachsen sondern von Italien her importirt worden sei^J. 

Ein neues Bild entrollt vor unseren Augen die Geschichte 
des Dialogs erst mit der Reformation und auf deutschem 
Boden. Die religiösen Tendensen und Streitigkeiten, die in 
der Benaissanee nur nebenher Hefen, treten hier in den Mittel- 
punkt und geben der Masse dieser Dialoge das eigenthümliche 
Gepräge. Damit ist aber zugleich gesagt dass, wie die Religion 
selber aus den unteren Schichten des Volkes bervorwachsend 

1} Ticknor, üietory of Spanish Uteratare II' & »f. 

S) I. S. 88 f. 

3i Spanier vcrzeichnel Tickiior a. a. 0. S. 40 ff. Von Portueiesen 
mag hier Magalhäeos der Freund des Dichters Cam5cns genanut \Nerden 
wegea seines dialogo .... em defensaon da lingoa Portuguesa (Cainoens' 
Gedd. übers, von Storck III S77) und Oaroia d'Orta, der Dialoge medioi- 
Alflcheo iDludts vertoste (a. a. 0. S49. Storck Caaioeo»* Lebeo SSS. S44). 

4) Ticknor a. a. 0. S.H,sr 

5 Hieran braucht man auch nicht irre zu werden durch die »Ac^- 
demia" die im Hause He« Fernandi) Cortes sich versammeftc und dorl 
dialogische Dij^cussioncn pllcgte, welche Pedro deNavarm (lann verolfent- 
iichte. vl'ici^'iui' ^- ^- 0* > Denn dergleicheu kauu ualuriich eb«a- 

falls Nachahmung itaUKniacber Silte seiD. 



Die Reformation. 



391 



das gesammte Leben der Nation ergreiJt, auch eine ihr dieneodc 
Literatur sich weder nach ihrem Ursprung noch uach ihren 
Wirkungen auf den engeren Kreis einer Aristokratie der Bil- 
dung und des Geistes beschranken kann. Zunächst freilich ZasMamenhaiig 
war auch hier der Dialog eine Sache der Gelehrten und st heint 
an Fäden geknüpft zu sein, die aus Italien herüberreichten. 
Weniestons muss dies wohl angenommen worden fHr den 
bergmännischen Dialog des Georg Agricola (den "Bormannus 
sive de re metallicauj dessen Scene nach Joachimsthal verlegt 
ist. Ein Bewunderer dieses Dialogs war Erasmus und auch üMtnu. 
für ihn wird dasselbe gelten, obgleich seine dialogische Schrift- 
8t«llerei, insbesondere die Golloquia familiaria, erst in eine 
spStere Zeit fHllt, als die dialogische Bewegung bereits in 
vollem Gange war: das Enoomium Moriae, welches seine 
satörischen Schrifleo einleitet, entstand wie das Vorwort an* 
gibt nacb der Bflckkehr aus Italien und wird mit dem Vorgang 
der Alten, insbesondere des Ludan gerechtfertigt*). 

während hier die ernstere Tendern durch die Leichtigkeit 
und Anmuth der Gonversation fast verdeckt wird, bricht jene um 
so unverhttUter in Huttens Dialogen hervor. Wenn ein ^nseber Haitn. 
den Streitdialog der deutschen Reformation begrOndet hat^ so 
ist es Hutten gewesen. In Italien hatte er den Lucian kennen 
gelernt und eignete sich alsobald dessen dialogische Form an, 
indem er die poetisch -rhetorische Danteil ungs weise in der 
Hauptsache fallen Hess und so als Schriftsteller einen ähn- 
lichen Wechsel an sich erlebte wie sein griechischer Vor- 
gänger 3). Aber ein sklavischer Nachtreter war er nicht: nur 
die äussersten Utnrisse der Form entlehnte er dem geistreichen 
Orientalen; das lodernde Feuer einer mächtigen Leidenschaft, 
der izrosso aiit tüe vaterländischen Dinge gerichtete Sinn ge- 
hören iliui ;ilif"in. Durch sie ist er einer der Stimmführer 
der Reformation geworden, besonders seit er sich entschloss 
die lateinische Rede mit der deutschen zu vertauschen und 
so abermals in der Geschichte des Dialogs Epoche machte. Auf 
dem neu eröffiieten Wege folgten ihm Hans Sachs, CSarlstadt 

1} S. dessen VorworL 

t) Brasmus ab DialogeiischTefber namentlich Hutten gegenüber mit 
wenigen StricheOi aber vortrefflich charalclerisirt von Herforde. a.O. S.S4f. 
S) Hierauf hat Strauas Einl mr Cebers. S. S hiogewIeseQ. 



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39S VIII. Der Diaiog im Mittelalter und den neueren Zeilen. 



!'>vün (lern abgöttischen Missbrauch des Sacraraents«\ die Ver- 
fasser der beiden Karsthnns. des »Dialogus von Franz Sickingen 
vor des Himmels Pforten ««, der «drei lustigen Gespräche «f 
gegen Herzog Heinrich von Braunschweig. Niklas Manuel. Utz 
Eckstein u. A. Wie die Namen zeigen, ist es hier vollends 
unmöglich Drama und Dialog iraroer ponau zu scheiden > . beide 
erfreutm sich niner Tingeheuren Popularität, Diak)i:(^ wurden 
in Dramen umgewandelt, die Tendenz auf T ehre, Satire und 
Sittensohilderung — jene dreifache Tendenz schon des antiken 
Dialogs — durchdringt Alles, auch die Fastnachtsspiele. Es 
ist die Zeit der Flugschriften. 
Popol&riut Wie eine Sturmfluth braust es namentlich von protestanti- 
Lm IHtlogt. g^jjjgp ggj^^ Deutschland : in alle Kreise wirkt es, wie 

an der Abfassung dieser Gespräche Menschen aller Stände und 
. Arten betheiligt sind, nicht bloss die Gelehrten sondern auch 
I Laien; lum grossen Theil kennt man die Verfasser dieser Dia- 
loge gar nicht, wie der Volltsgesang Sltester Zeiten strOmt es 
hervor. Eine solche Bewegung konnte natürlich nicht kflnstlich 
gemacht werden, am wenigsten von Einem allein ; sie bt nur der 
papieme Abdruck dessen was in der Wirkliehkeii vorging. 
Schuster und Weiber, klagt ein Gegner der Beformalion^), 
understunden sich nicht nur mit den Priestern und Mönchen 
sondern auch mit den akademischen Theologen von der Religion 
SU disputiren. Zu den ungeregelten Gesprichen kamen die 
officiellen Disputationen. Die ganse Reformation, konnte ihr be- 
rufenster Geschichtschreiber sagen, ist Ein grosses Gesprfich*). 

Aufgezeichnet unmittelbar wurde hiervon nur Weniges, 
nur das Tiefste und Gehaltvollste was sich in dieser Weise her- 
vorgelhan halte, Luthers Tischreden. Das Uebrige w urde bei 
semeui Uebergang in die Literatur zum Typus verallgemeinert; 
diese Typen unterscheiden sich aber von den immer noch 
bleibenden Resten des mittelalterlichen Dialogs durch ihre 



41 Vgl. die verschiedenen Kategorien bei Herford S. 27 ff. Auch bei 
Lucian ist, wie wir sahrn V}h ff.), Vieles NachahnnmL' rlcr Komödie und 
man weiss niclil immer, bat man ein Dranm oder cim ii Diaiog vor sich. 

2 Cochlaus io eioem Citat bei Lhluud, Zur Ge»ch. d. DichUiog u. 
Sage i, 480. 

t) Ranke, Deatache OesolL U SS. 

4} Herford Sl, 4. 



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Nachzügler der Reformation und ReDUlMence. 



393 



den Ursprung verralJiende indiyidneUe FSrbnng^}, bisweileo 
verwandeln sie sieh auch geradezu in bestimmte Individuen wie 
Sidüngen, Luther, Mumer. Niemals ist der Dialog so populär 
gewesen; und diese PopularitSt wurde nicht am Wenigsten 
dadurdi unterstützt dass er seiner sehen bemerltten (o. S. 389) 
eigensten Natur folgend sich zum Anwalt der Muttersprache 
aufwirft und wie in einem Athem Lehre und Beispiel zugleich 
gibt 2). 

Im Anschluss an die deutsche Literatur hat auch das EngUud. 
R.nglai]d der damaligen Zeit eine Reihe von Dialogen produ- 
cirt, aber weder so ursprünglich noch so raiissenhaft •''). Man 
möchte sagon, dass auch hierin der geda?ii|)it(' Charakter der 
englischen Heformatioo zum Ausdruck kommt. 



In wenige stfirmische Jahre drängt sich die leidenschafl- VMhrtgiwdm 
liehe Bewegung der Geister zusammen. In einen ruhigeren ^*^*^ 
Gang gekommen wirft sie doch immer noch von Zeit zu Zeit 
Dialoge auf, die zum Theil an den von der Keformation ge- 
stellten Fragen weiter arbeiten, wie diejenigen des Franzosen 
Bodiü über die verschiedenen Religionen und Confessionen 
und des Holländers Coornhert tiber den Gewissenszwang^); 
auch des Larabertus iJanaeu.s Dialog de veneticis wird hierher 
rechnen, wer sich an Luthers und seiner Zeitgenossen leufel'- 
und Hexenglauben erinnert''). 

Nicht bloss die Reformation sondern auch die Renaissance MMli*ügl«xd»r 
setzte sich auf dem Gebiete des Dialogs fort. Man schrieb ^"^'•'"*'* 
Dialoge in Nachahmung des Alterthums, so vor Allem die 
Philologen, welche jetzt an die Stelle der Humanisten treten 
und bei allem Streben nach wissenschaftlicher Erforschung 
des Aiterthums doch auch die künstlerische Reproduktion des- 
selben nicht ganz aufgeben wollen. In dieser Weise ver- 

1 Herford 2h. 

Friedr. Klut;e, Von Luther bis Lessing S, <7 f. 
3; Herford 33 f. 

4} Dilthey, Archiv f. Gesch. d. Phil. V 504. VIJ 63. 

S) Dilthey Archiv f. G«8ch d. PhiL V 4S7 f. Vgl 1 S. 89,t. Zu Gunsten 
der Amloianer ersdiien in Hollaad ein Dialog For Praedestinatus, den ich 
aber nur ans Leibniz, Thöodicde. Essais sur la boat6 D 4S7 kenne. 

6; Preytag, Werke 49 IBilder aus der d. V. II 8} S. SSS ff. 



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394 vm. Der Dialog im Mittelalter und den neueren Zeilen. 

fassten Dialoge Hieronymus Wolf^) und Justus Lipsius, der 
letatere' indem er nicht bloss populär -phflosepMsche Erßrie- 
ningen in dieser Form anstellte wie de eonstantia und den 
verlorenen iThrasea Paetus«') sondern auch seine anli- 
quarisohe Gelehrsamkeit in gar nicht unlebend%e Gespräche 
brachte wie im Poliorcettcus und der Schrift de mHitia Romana. 
Tino. Unter diese Nachsügler der Renaissance gehört auoh Tor^ 
quato Tasso. Tassos Auftreten ffiUt in eine Zeit^ in der man anfing 
des Prosa-Dialogs OberdrQssig su werden und nur noch Dialoge 
in Versen wollte gelten lassen ^J. Tasso, obgleich er selbst Dia- 
loge in Versen gedichtet (I S. 400), nahm sich doch auch des pro- 
saischen Dialogs an in einer Abhandlung, die viel Verständiges 
enthält und insbesondere in ganz neuer Weise auf Reinheit 
dieser Form d. i. auf Scheidung des Dialogs von der Dichtung 
und namentlich der am nächsten verwandten dramatischen 
Dichtung dringt^!. Wie hierin so tritt er der Meinung seiner 
Lands leute und Zeitgenossen auch darin entgegen, dass ihm 
das Ideal des Dialogs nicht in Cicero sondern in Piaton er- 
schienen war'), den er auch über Xenophon und Lucian stellt; 
er zeigt sich hierin als ein 1 ortsetzer der von Ficin begrün- 
deten Renaissance, wie er denn auch dem Stifter der platoni- 
schen Akademie einen seiner Dialoge, den »Ficino o vero de 
Tarte« gewidmet hat. Entsprechend seiner Theorie, welche 
dem Dialogenscbreiber eine mittlere Stellung swischen dem 
Dialektiker und dem Poeten anweist, hat er selber mit der 

1} S. dcssca Selbstbiographic bei Rciske Orat. <ir. V ^. 7d5. 

S) S. StortE (u Dio CaM. Si Anm. 104. 

S) Dies ergibt sich aus Tasso Dell' arte del Dialoge 5. 666. 

4) Daher wird nicht bloss die Scheidung einer tragisdieo uod ko- 
misohen Gattung des Dialogs verworfeUt sondern auch die wiederholt 
gemachten Versuche, »lie [ilatotiischen Dialoce nuf die Bühne zu bringen, 
werden uiisshtlligl a. .t. 0. S (ißfi nun ha hisoi^no di palio e quaatunque 
vi fosse recitato qualcli»' »liahif^o di rialoJit' etc. 

5j Besonders ist Sigouius o. S. 389, i ; zu verglüiclien. Tasso unter- 
scheidet swischen den griediiichea und den lateinischen Dialogen (a. a. 
0. 8. 668): in den griechischen stelle der Lehrende, in den lateinischen 
der Lernende die Hauptfrage. Das Lelitere tadelt er als ein gar zu be- 
quemes Verfahren. Wenn er im Vorwort zur Cavaletta (Diaioghi ed. 
Guasti III; S. 65 dem Dialog die Aufgabe stellt, das Nachdenken des Lesers 
nn/u retten. s(i fuhrt auch die« mehr auf das plaioaiscbe als das cicero- 
uische ideal zurück. 



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Nadutttgler der RenaiManoe: Tasso. Giordano Bnmo. 395 



Praxis des Dialog-Schreibens gewartet bis auf eine Zeit, da 
seine poetische Kraft erlahmt und er in dialektisches Grübeln 
versunken war. Was er in dieser letzten trüben Zeit seines 
Lebens noch auf dialogischem Gebiet leistete, ist durchaus 
nach der aufgestellten Regel; seine zablreichen Dialoge kommen 
in der That den platonischen nahe, nur lu nahe da fttr den 
platokimdigea Leser die fortwährenden auf Piaton deutenden 
BeminiMenzen, Gitate und Nachbildungen nur störend sind. 
Frisohe und Lebendigkeii kommt in sie darob die historischen 
moisi der eigenen Zeit des Dichters angehDrigen Personen, an 
die sie angeknflpft sind; es ist Tassos eigene Welt und Um- 
gebung in die sie uns ftthren; auch dies Ist ein Zug der 
ihnen mit den platonischen Dialogen gemeinsam ist und der 
weiter lu der Meinung berechtigt dass wir m ihnen nicht 
bloss den Ausdruck Innerer Seelen- und GeisteskXmpfe ihres 
Verfassers sondern auch ein entferntes Nachbild wirklicher 
Gespräche erblicken dürfen Tlrali Tieler Schönheiten, an 
denen es auch in diesen Dialogen wahrlich nicht fehlt, muss 
aber doch Uber sie Shnlich geurtheilt werden wie Aber die 
Dichtungen Tassos, dass das künstlerische Schaffen durch ein 
Zuviel von Theorie und bewusster Regel gehemmt worden ist. 

Ganz (ins (irgeniheil gilt von dem nur um Weniges OlotdMo 
jüngeren Giordano Bruno. Es fallt auf, dass ein und dieselbe 
Landschaft Rinder so verschiedener Art hervorbringen konnte. 
Zwar das Gemisch von Philosophie und Dichtung ist in beiden 
dasselbe, nur in anderem Maasse, so dass in dem Einen der 
Dichter durch den Philosophen in dem Andern der Philosoph 
durch den Dichter gestört wird. Aber darin unterscheiden 
sie sich dass während in dem Einen ein akademisch geschulter 
Verstand Qber die Beobachtung von Gesetz und Regel wacht, 
den Andern Leidenschaft und Phantasie ins Schranken- und 
Formlose fortreissen. Wie er in der Natiuphilosophie Uber 
alle Grenzen der Welt hinausstUrmte, so sollte auch die Poetik 
kein Recht haben die einzelnen Gattungen gegen einander ab- 
sugrensen'): kein Wunder daher dass seine Dialoge in die 
Komödie und seine KomOdie In den philosophischen Dialog 



i I Ausgeführt von Cecchi, 1 urq. Taüso e la vita lUitana \Fireiize 1 880). 
%) Opera ed. Lagard« & 6i4 f. 



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396 Vlll. Der Dialog im Mittelalter und den neueren Zeiten. 

Uinliberschwankt 'j. So unabhängig er aber in steinern ganzen 
Wrsen zu sein scheint, so sehr er dio bisher herrschende 
hiimanistisrh-philologisclie Bildung verachtet, so geht doch 
auch er als Schriftsteller nur in den Bahnen der Renaissance. 
Er arbeitel nach antiken Vorbildern und zwar nach Lucian; 
denn der Aehnlicbketten sind zu viele als dass sich dies ab- 
leugnen liesse^): doch ist bei dem Neapolitaner Alles viel 
wilder und üppiger, aber auch unendlich viel tiefer. Die Seele 
seines Wirkens und so auch seiner Dialoge ist aber der Kampf 
gegen die geltende Weltanschauung und deren Hauptvertreter 
Aristoteles; damit aber wiederum nichts Anderes als was sum 
Wesen auch der Renaissance gehört die denselben Kampf 
schon begonnen hatte, den er nur grimmiger und leiden- 
schaftlicher fortführte. Seine Dialoge stellen niemals ein ge- 
meinschaftliches Forschen und Denken dar'), keine »amidievole 
contesa« wie sie Tasso gefordert hatte (Opere HI 65], sind auch 
kein Abdruck wirklicher Gespräche soviel Selbsterlebtes ein- 
gemischt ist*) sondern ein Organ der leidenschaftlichsten und 
gehSsstgsten Polemik und swar nicht bloss polemischer Ge- 
danken, sondern auch polemischer Stimmungen. 
aaUiei and Als Mittel polemischer Darstellung dient der Dialog auch 
unter den Münden Galileis, dem er mitsammt der Mathematik 
und Musik als Erbe seines Vaters gekommen war. und Beri- 
gards (Circulus Pisanus erschien \ 643) Objekt der Polemik 



4) Gaspary II S. 598 f. 

5) Die Hiaclrang von Vers und Prosa. Das Schwanken an der 
Grewe von Drama und Dialog. Das Verflechten des MytbologischeD und 
Allegorix^lifii mit dem Historisihcn Da;« Hinpinriphen der eicenen p^r- 
st^nlichen Angelegenheiten, wobei Hi^lbiit il Noiano an 6 i6oo; erinntTn Ivann 
Foiemilc und Satire, wobei der Kampf gegen die Humanisten und Hhilo- 
logen in Parallele steht zu dem Kampf Lucians gegen die Rhetoren. Auch 
die PrSlenston ein Pbilosoidk von keiner Sdiule zu sein (Aehadenioo di 
nula Acbademta IKsst er sieh & 47 nennen). 

3 V'A. auch Lagarde in seiner Ausg. S. 79S. 

4) Was durch ihre ganze BeschafTenheit ausgeschlossen scheint, 
l'nter andorr-m sind die Namen fingirt, nirht ht<;tnrr<?rh wie bei Tasso; es 
ist nur noch nirlir hnrork und recht in Hrnnos Welse, dasss or neben 
einem Theophilu Prudciitio Frulla und Acbniichen auch Raum für einen 
Smltho hat (Cena de Ceneri}. 

5) Also ein Jahr nacb Galileis Tod, Ii Jahre nach srtnen Oialoghl. 



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Galilei. Bi^rigard. I^eiboiz. 



397 



sind bei Galilei Ptolemäus und Aristoteles, bei Börigerd nur ^ 
der Letztere, dem Alles veraohworen scheint den Garaus xu 
machen. Der Dialog ist beidemal durchaus auf eine H6he 
der Abstractionen und Gedanken erhoben, auf der man von 
dem ieidenschaftlichea GetOee, wie es in Brunos IHalogen 
herrscht, nichts mehr vernimmt Auch die Methode ist die 
gleiche, dass nämlich die beiden Gegner sich gegenseitig ver- 
nichten; bei Berigard Aristoteles und die älteren Philosophen 
der Griechen; bei Galilei die neue Weltanschauung und die 
von der Kirche geweihte des Ptolemäus und Aristoteles, denn 
während die erster« mit ihren Gründen durchaus die Ober- 
hand hat wird dem Vertreter der orthodoxen Ansicht doch 
zum Schliiss mit einer allerdings von Anfang an zum Schaden 
des Verfassers nur zu durchsichtigen Ironie das Gompliment 
gemacht als wenn er allein im Besitz der wahren und rechten 
Lehre sich befönde. So glaubten beide der Verantwortung 
aus dem Wege xn gehen wie sehr Galilei sich damit irrte, 
ist weltbckonnt ♦). 

Unter die Vortheile des Dialogs wird von Berigard auch 
gerechnet dass er in der Darstellung oontroverser Meinungen 
eüie grossere Uebersiohtlichkeit undKUrze ermöglicht^}. Ledig- 
lich aus diesem Grunde hal sich der dialogischen Form auch 
spAter nodiL Leibnis bedient in den Schriften gegen Locke Ldbali. 
(Nonveaux Essais) und gegen Malebranche (Examen des prin- 
cipes de M.), nachdem er als junger Mann schon firOher einmal 
den Versuch damit gemacht, damals vielleicht durch Yallas 
bewundertes Vorbild veranlasst^]. Er warnt davor, dass man 



i) Berigard spricht es im i'roomium auüiirucklich aus, duss nein 
Dialog kdne »dlaiiiosa contentio«, sondern »amlca voluDtaium coosensio 
ad veritatem indagandam« sein soll S. 66 versichert er rein sachlich 
sein sa wollen und dass er »vanos dialogoram sermoneB« weggeschnitten 

(amputare habe. 

2 : Im Proöm. S. 2 erklärt Berigard in einer kurzen Theorie von Nutzen 
ood Gebrauch der dialogisehen Forui diesolho für «tutior«. Vpl. Tacit. Di il \ 

3 lel)er Galileis Dialoge ü. noch Bcxuerkungeu bei iiume Pbilos. 
Works II 3S9 f. 

4) ProOm. S, i. 

5} Uefoer diesen dann verlorenen Jvgenddialog s. Tb«odic6e. Pr6feoe 
S. 476i> ed. Erdm. Ueher den Grund der 4bn spKter bestimmte die gleiche 
Form wieder xu wfthlen s. Nouveaux Ess. bei Erdm. 5. 194. 



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398 Vni. Der Dialog im lOttelalter «nd den neueren Zeiten. 

ia seinen Dialogen nicht die Reiie suche deren diese Dar- 
stellungsart IShig sei: er venichtet daher, wie fibrigens schon 
Galilei und Birigard Tor ihm, auf jede Ansschmfleknng der 
Seene sowie auf die noch von Tasso ab wesentlioli ftr den 
Dialog geforderte Charakteristik der redenden Penmien;' denn 
diese ietiteren sind bestimmt nur durch die Ansichten, welche 
sie vertreten, und durch die ihnen gegebenen bedeutungs- 
vollen Namen'], deren Gebrauch in dieser Gattung der Literatur 
geschmackloser Weise von jetzt an naehr und mehr stehend 
wird. So geringe Mühe Leibniz hiernach dem Dialog zugewandt 
hat, so s( lieint es doch dass ein i^rosser Mann ait fi(s berühren 
kann ohne ihm irgendwie den btHinjiel seiner Figenthümlichkeit 
aufzudrücken: denn der Dialog, der noch zuletzt dem Streite 
gedient hatte, dazu gedient hatte den Gegensatz der Ansichten 
in ein desto helleres Licht su setsen, ist vor seinem weit und hoch 
blickenden Geiste geworden was er in diesem Maasse wohl noch 
nie gewesen war, ein Mittel der Versöhnung und der Ausgiei- 
chung. 

AohtoobutM \\ älirend noch die letzten Symptome auf eine Beruhigung 
lakikudtrt. dialogischen Lebens zu deuten scheinen, war bereits 
Englud. anderw iirls , in lingiand, in Folge einer Umwälzung der 
öEfentÜLlit Ii Verhältnisse der Anstoss zu einer neuen dia- 
logischen Entwicklung gegeben worden. Im Mittelalter und 
während der Reformation war die Entwicklung des Dialogs 
dort der deutschen parallel gegangen '^). Im Zeitalter Elisabeths 
wurde sie von der des Dramas absorbirt, das sich zu einer 
Hohe erhob auf der es alle andern Völker weit hinter sich 
liess. Doch stellen die shakespeareschen Dramen, die so gern 
an die tiefsten Probleme rOhren, die eine Meisterschaft in der 
Handhabung des dramatischen Dialogs seigen, das gOnstigste 
Prognostikon flir die Zukunft auch des englischen Dialogs. 
Bei den Zeitgenossen des Dichters freilich wagt er sich nodi 
nicht recht hervor: siemlich isolirt stehen Bacon mft seinem 
unvollendeten politisch-religiOsen (de hello sacro, geschrieben 

1; Tbeopbile, Philaidtbe (Nouveaax Essais S. i06), Th^ore, Arüte, 

Philarpte. 

i, Herford a. u. O. S. 3i 11. o. S. 38a. 393. lo Chauccrs Canterbury 
Teleg ist ausser der Einkleidung auch noch The Tale oT MeUbeus cto 
langer didaktischer Dialog. 



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Acbtzebnles Jahrhundert: England. 



399 



und Walther Raleigh mit seinem politischen Dialog 
(Prerogative of parliament) denen sich bald Dryden mit 
einem Dialog üsthetiscber Art anschloss (Essay of Dramatic 
Poetry). Im .lalire ^653 erschien »der vollkommene Angler 
oder eines beschaulichen Mannes Erholung c von Isaak Walton: 
es ist recht eigentlich das Lebenswerk seines Verfassers und 
diesem, einem fein gebildeten Mann aus dem Volke, auf den 
Leib zugeschnitten, weshalb es auch trotz einer gewissen alt- 
fränkischen Steitigkcit und RegelmSssigkeit -) sich bis auf den 
heutigen Tag einer unverwüstlichen Popularität erfreut. Damit 
war wenigstens in einem einseinen Fall der Dialog bereits 
volksthUmlich geworden. 

Das Zeitalter der Revolution brach für England früher Zeitalter der 
an als flir das übrige Europa und rüttelte den Yolksgeist J^'^i"^^- 
in allen Tiefen und Breiten auf. Eine Flutb von Pamphleten 
in dialogischer Form ergoss sich insbesondere seit der Thron- 
besteigung des Oraniers Aber das Land, iOmlioh wie Ober 
Deutschland sur Zeit der Reformation; nur dass sie diesmal 
ebenso Uberwiegend politischen wie damals relig^en In- 
halts waren. Und m<sb jetit standen solche Dialoge keines- 
wegs bloss auf dem Papier: sie waren nur das Echo dessen 
was mttndlich in den Clubs, in den Kaffeehfiusem') uniShlige 
Mal verhandelt wurde. Anfangs waren es namentlich politische 
Fragen, die in dieser Weise zu allgemeiner und leidenschaftlicher 
Discussion standen. Da aber der politische Kampf zugleich 
ein religiöser war, so konnten auch Erörterungen dieser letzteren 
Art nicht fehlen, Gespräche über Literatur Wissenschaft und 
Kunst, das gesammte übrige Leben kamen hinzu; Shaftesburys 

4, liuitie, Htälury of England VIII (Note S. 375. Hobbes' Dialogus 
Physicus de Natura Aüns und die Problemata Physica, in denen Herr A 
und Herr B sich mit rinander vnteilialten, kommen kaum in Betracht 

S) Herr Piscator, Herr Auceps» und Herr Venator führen ein Ge- 
spräch worin Jeder die ihm besonders werthe Erholung veriierriicht. Das 
Thema erinnert an Plutarclis Dialog »Ob die Land- oder Wasserthiere 
klüger sind" 'o. S. 4 71 fT. Orr Dialog ist übrip;ens von seinem Verfasser 
für die neuen Auflagen %viederholt verändert und erweitert worden. Vgl. 
auch A. V. S. Conservative Monatssclir. 46 (1889) S. 4 087 f. 

8} Berkeley Works II 4 1 . In den Kaffee-Häusern sind die Männer, 
die vom Staat und der menschlichen GesellBchafl mehr verstehen als 
Plato und Cicero: a. a. 0. S. 6S. 



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400 VIII. Der Dialog im Mittelaller ttnd den neueren Zeiten. 



Klage, dass die Unterredung sich einzig um die Politik, drehe 
war schon zu der Zeit, da sie erhoben wurde, nicht mehr 
recht am Platze. Ebenso wenig als die andere Klage, dass 
die Conversation durch übertriebene Hücksicht auf die Frauen 
Inhalt und Kraft verloren habe'^j: gerade in den Clubs und 
Kaffeehäusern waren der Regel nach Frauen nicht anwesend 
und Johnson erhebt die Männer-Gespräche » die er dort mit 
Feinen Freunden hatte, weit Uber diejenigen, welche in Frank* 
reich in Gegenwart von Damen geführt wurden-'). 

Die Macht und Bedeutung, welche Gespräche für die Zeit 
besessen, leigt sich nicht am Wenigsten in dem Hervortreten 
von Dialog-lfenschen, in denen sie sich gewisser Maassen con- 
löhmoB. centriren: ein solcher war Johnson, den die Einsamkeit krank 
machte^), der im Gespräch das einiige Mittel sah um tiefer 
auf die Menschen einsuwirken und der endlich, auch darin ein 
Bweiter Schrates in Boswell seinen Xenophon fand, durch 
dessen Aufzeichnungen, und nicht durch das Wenige was er 
selber geschrieben hat<^), er unsterblich geworden ist. Wer 
vermag auch nur zu ahnen wie viel geistiger Saame in solchen 
Gesprächen ausgestreut wurde, welche Frttchte im Guten und 
BSsen er getragen hat fUr den Einzelnen, fttr die Gesellschaft,illr 
Kirche und Staat! Die eine Thatsache muss hier genügen dass 
das philosophische Hauptwerk der Epoche Lockes »Versuch 
den menschlichen Verstand betreffend« laut dem ausdrücklichen 
Zeugniss des Verfassers aus derartigen Gesprächen hervor- 
gegangen ist'). 

i) The Moralisto l s. m {[. Aebnlicb Addison zu Anfang seines 
Gesprächs vom Nutzen der alten Münzen. 

2 A. n. O. 1 86 f. DIo Spitze kehrt sich wohl auch nicht so sehr gegen 
die eugliicüen Theccirkei und ihro Convorssition Rlue-Stocking Clubs: 
Schlosser Gesch. des achtzehnten Jdls. 3, i s. 5S< II., als gegen die fian- 
xosische Gesellschaft der Salons. 

8) Boswell, Life of Johnson S. 453 {ed. by Morris). 

i] Vgl. dam das I S. 71 über Sokrates Bemerkte. 

5 Es gehört nicht hierher die Parallele zwischen Johnson und So- 
kr:)trs wcittT 7M ziehen und sie z. B. auch auf ihre conservativen An* 
sichte n in Heligion und Politik auszudehnen. 

6 Worunter sein lehrhafter Uoman Rasselas erwähnt werden mag, 
da in diesem die Gesprflche über die Erztthlung in ähnlicher W^se über- 
wiegen wie in der Kyropttdie. 

7) Epistle to the reader S. 2 f. Auf denselben Ursprung deutet 



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Achtaehntes Jahrhundert: EngUuid. 



404 



Aus diesen dialogischen Gewohnheiten und Neigungen 
der damaUgen Menschen erUSri sieh auch der ungeheuere 
Erfolg der neuen Literatur der ZeitschrifteD , deren Reihe MtMMftoB. 
vom Tatler und Spectator erOflhet wird: werden hier auch 
nicht immer f5rmlicfae Dialoge geboten ^ so plaudert doch 
immer der Schriftsteller oder eine der von ihm herauf- 
Ueschworeneo Personen mit dem Leser und die Darstellung 
hat (ieü zwanglosen Gang eines Gesprächs. Ja der Meister 
auf diesem Gebiet der Literatur hatte noch, ehe er eine Thätigkeit 
begann der er seinen grössten Rulim verdani^^t, einen selb- 
ständigen Dialog verfasst der freilich erst später nach des 
Autors Tode verötfentÜchl wurde. 

Der Meister war Addison und sein DialdG das Gespräcli Addwon. 
»vom Nutzen der alten Münzen \ das der Bischol iliird mit unter 
die drei besten englischen Dialoge rechnet Geschrieben ist es 
unmittelbar nach der italienischen Reise des Verfassers, an die 
w ir auf Schritt und Tritt erinnert werden, und kann dem Inhalt 
nach als eine einzelne Kampfscene aus dem grossen damals 
wogenden Streite der Antiken und Modernen beseichnet werden, 
während es steh in der Form — worauf uns der Anfang des 
sweiten Theils aufmerksam macht — an Giceros Schrift ttber den 
Redner anlehnt ^j. Bei der Verwandtschaft, die iwischen Essay 
und Dialog besteht'), ist es gewiss bemerkenswerth dass «der 
erste aller Versuch-Schreiber t, wie Addison von Herder ge* 
nennt wird, sugleidi der erste Verlasser jener neuen Art eng- 
lischer Dialoge ist, denen es nicht so sehr auf Disputation 
oder Polemik als auf Untersuchung und Aufhellung gewisser 
Probleme ankommt ^j. Aber der Bahnbrecher und Wegweiser 
nach dieser Richtung zu war er doch nicht 

vielleicbt noch die Eriilllnug Hin (1 eh. ii $.17), daas er nicht lehrra, 
ftondem antenuchea wolle (I pretend not to tMch, bat to enqiaire). 

1) Essay on the Genios and Writings of Pope. 

2 Hiernach muss Macaulays Behiuiptimc Aiispcw. Scluiftcn, übers 
V. Steger V U5j, Addisons klassische liihlung s<m auf die Keuotniss der 
römischen Dichter beschränkt gewesen, corrigirt werden. 

3j I S. 243 fr. Shaftesbury wollte freilich den Essay durch den Dialog 
ersetst wissen: er meint aber nicht sowohl jene Form an sich als einen 
Missbiauch darselben. 

4) Locke, der gegen alles bloss rechthaberische Disputiren den 
grOssten Widerwillen hatte and ihm wo er konnte aus dem Wege ging, 
Hirsf], IMalog. II. 2« 



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402 VIII. Der Dialog im Mittelalter und den neaereD Zeiten. 

BhftftMimrj. Als wenn Platoos Scbatten bei der AufTrischung des Dialogs 
nicht fehlen dürfte, blieb dieselbe auch diesmal einem Manne 
platonischen Geistes, dem Grafen Shaftesbury, irorl)ehalten. 
Philosophische Gespräche hatte schon der Grossvater geführt, 
jetai erscheint der Enkel auf dem Gebiete des Dialoge ils schaf- 
fender KQnstler nicht nur sondern andi als lehrreicher Theo- 
retiker nnd Kritiker. Seine dialogische Neigung macht sich theOs 
gelegentlich In kleineren Gespriicfaen Luft, die er in den sosam* 
menhängenden Vortrag einflicht theils und vor Allem hat sie in 
tden Moralisten« Ansdrock gefunden , die ausgeseichnet shid 
durch die ec^t dialogische YerknOpfung der höchsten Fragen 
nach den Principien der Religion und der Sfttlidikeit nnd 
nach dem Wesen der Philosophie, durch den zwanglosen Gang 
des Gesprächs, endlich durch die .Mannichlaltigkeit und Herr- 
lichkeit der Scenerie, die uns über Berg und Thal führt, uns 
das Meer in der Ferne zeigt und die, wo Unterredungen Ober 
diis Wesen der Goltheit würdig eingeleitet \s erden suileo, die 
Pracht des nächtlichen Sterneuhimuiels heraufrührl. Die W ir- 
kung dieses künstlerischen Vorbildes auf die Späti ren wurde 
noch unterstützt durch die einleitenden und begleitenden Be- 
merkungen über das Wesen und die Geschichte des Dialogs. 
Wie das Selbstgespräch die Gedanken des Autors sichten und 
klären, ihn auf sein Geschäft vorbereiten soll, so ist der Dia- 
log die einzig rechte Form der Darstellung, allein geeignet 
in dem Leser das gleiche Nachdenken sa erregen: denn in 
ihr verschwindet der Yerftsser mit seiner Person and keine 
bestechende Rhetorik, nur die Sache kommt anm Wort Aher 
diese ideale Form au reaUsiren ist eine der schwierigsten 
Aufgaben. Sie muss, soll sie ästhetischen Genoss gewihren, 
die Wirklichkeit des Lebens spiegeln, den Etnsefaien wie die 
Nation <); su dieser Spiegelung eignete steh nun wohl das 
griechische, aber nicht das moderne Leben der Wirklichkeit 
Bei dieser Resignation ist Shaftesbury stehen geblieben in der 
Theorie wie in der Praxis. Er hat swar nicht darauf Ter» 



erscheiot auch hier als der Vorilufer der neoen Bewegung. Gegen das 
gemefne Dispntiren erkllrt sich anch Locke« Zeltgniiotte LeUmii nnd 
wUns< ht CS einer Reform zu unterwerfen Opera pliitos cd. Hi-dmann S. 365), 
4] Mirrour-Working nennt Shaftesbury aü» dialoguche SdirilUlellerei 
Cliaracter. 1 (Advice to an Auihor- 



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AcbU«bniM Jahrhundert: Eoglaiid. 



403 



lichtet Dialoge au schreiben, aber das moderne Lehen nut 
seinen durch Titel und GompUmente entstellten Verkehrs- 
formen hat er sich doch auch nicht enlschliessen können 
wiederzugeben und lässt deshalb die Personen seines sonst 
so naturgetreuen Gesprächs in der Verhüllung antikisirender aatikitinnd« 
Namen, als Polemon, Philocles und Tbeodes auftreten. Sie 
nehmen sich aus — und sind es wohl auch zum Theü, wenig- 
stens finden wir sie nicht bloss bei Shaftesbury — wie ein 
Tiibttl an das Zeitalter des Barock- und Rococostils und wollen 
kaum anden beurlheilt sein als die griechisch-römische Ge- 
wandung modener MenscIieD, über die sich dooli Shaftesbury 
selber*) und schon Addison 2) lustig maehen. 

Mil ihren Fehlem und mit ihren Tugenden kehrt die Eigen- Ma$f* 
thttmlichkeit von SbaAesburys Dialog bei dessen Gegner Berke- 
ley wieder. Tory und Whig, der Ire mit dem Britten rivalisiren 
auch auf dem Gebiete des Dialogs. Sein Lebelang hat sieh 
Berkeley der Form des Dialogs bedient^ suerst in den drei Ge- 
sprfiehen iwisohen Hylas und Philonous'), die gegen Skeptiker 
und Atheisten gerichtet sind, und sodann iwansig Jahre spSter 
in den sieben unter dem Namen Aldphron vereinigten, in denoB 
er die Freidenker bekämpft. Man kann Berkeley Lob und 
Tadel in derselben Weise spenden wie Shaftesbury. Doch 
sind Licht und Schatten bei ihm stärker aufgetragen. Der 
Gebrauch antikisirender Namen wird hier durch Masse uüd 
Art vollends zur Caiikatur und stellt uns unter andern einen 
Vicar Namens Lache» vor, während Shaftesburv selbst unter 
Cratylus verborgen bleibt Daiür dringt aber auch die Unter- 



M r.huract. I S. ä04 f. Vgl. auch was derselbe über die Philotbe»«« und 
FhilalluHis. Fhilautus und Fhilalcthes maucher Dialoge bemerkt Fhiloi^. 
Werke über», {iltili Ul Ü. 37L Eine verächtliche Aeusseruut; über der- 
artige Personeo mil antikislrendeii Namoi auch bei Wytteebach epist. ad 
Hfluad. (vor Heusde SpecimeD crit. in Plat.) S. XXXIX f. Vgl. auch o> 
S. S9S, 4 a I S. 468. Bft9. 

S) Gfisprttche von dem Nutzen und den Vontt^n der alleo Mttiani 
(übers, von Pölzinger 1740; S. 62 f. Gf» f 

3^ H\Ujs vertritt die Existenz der .Materie; Philonous bestreitet sie. 
Beide Icbteu wieder auf in Mcndebäuhns Betrachtung über die Unkorper- 
licbkeit der Seele (Schriften 11 S. 2H B.). 

4) Ananahmeii von dieser AntikisiruDi; sind gaoc vecelnieli vrle c. B. 
eine xu üngnaaten von Hobbes gemacht wird. 

U* 



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I 



404 VIII. Der Dialog im Miltelaller uod den neueren Zeilen. 



suchun^ viel tiefer ein und löst bejahend (iie Frage ob auch 
die Probleme moderner Philosophie und Metaphysik dialogische 
Behandlung vertragen. Die Darstellung, von unvergleichlicher 
Lebendigkeit und Anscliauiiehkeit, hebt sich bis zu dichte- 
rischer Höhe. Mit Grund hat man den Aleiphroo insbesondere 
ein «pastoral poem« genannt';. Die englische Freude am Land- 
leben spricht aus ihm. Meeresluft umweht uns. wir spOren 
wie in dem Verfasser die Erinnerung an Rhode Island nach- 
zittert wo er unter PeUen im Angesicht des Weltmeeres philo- 
sophischen Gedanken oachfaing. Es ist der Boden der Wirk- 
lichkeit, auf dem wir stehen und sogar die Fäden der einselnen 
Dialoge lassen sich noch bis dahin verfolgen 2). Shaftesburys 
GesetK wird erf&llt Die sahlreichen Reminiscensen ans dem 
Alterthum') andern daran nichts. Berkeley flihlt sich als ein 
neuer Sokrates, der gegen die Sophisten seiner Zeit d. L die 
Freidenker kSmpft deren Einen er Gorgias einen Andern Pro- 
dicus genannt hat. Shaftesburys Gesetz bewährt sich aber 
auch. Man hat Berkeley den grOssten philosophischen Schrift- 
steller Englands genannt und in der That ist er der einzige 
Moderne, der emsthaft mit Piaton verglichen werden kann; 
und wie dieser der BlUthe des griechischen Dramas so folgt 
Berkeley, der Meister des i)lulosophischen Dialogs, auf den 
Meister des dramatischen Dialogs, auf Shakespeare, freilich 
durch einen längeren Zeitraum getrennt. Wie Pluton war 
Berkeley nicht l»luss ein schaffender sondern auch ein denken- 
der Künstler und hatte insbesondere über den Zweck der- 
jenigen Darstelhinssform nachgedacht, die ihm nun einmal 
durch die Verhältnisse der Wirklichkeil war nahe gel»raclil 
worden: dabei ist zu beachten, dass ihm der Nutzen (le^; 
Dialogs wieder von einer etwas anderen Seite erscheint als 
Shaftesbury ; denn er sieht darin vorzugsweise ein Mittel 
der Polemik und Popularisirung ^] , wie denn auch wirklich 



1) Works, by Fräser, III 4. Lifr nud Letters S. «67. 
2 Life and Leiters S. 58 tf. 61 f. 169. 

8j Auf Cicero geht der Nebeniitel des Alciphron or Ibe Minute 
Pbilosopber zarück (de fiafb. I 18. de seD. S6. diviii. I 

4) Vgl. auf dem Titel der Hylas^Dlaloge den den Zweck beieichneoden 
Zusatz: in Opposition to Sceptica and Atheists, also to open a roethod" 



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Achlsehntw Jahriiuodert : BnglaDd. 



405 



seine dialoglBcben Sohriflen mehr Leser fanden aU die 
anderen 

Wie hoch man damals die dialogische Kunst schStete, leigt Hmm. 
unter Anderen Home, der den Dialog fUr eine der schwierig- 
sten Aufgaben, unter den Dialogen aber den philosophischen 
für denjenigen erklfirte, welcher den höchsten Grad von Genie, 
Geschmack und Urth^ erfordert*). Die Philosophen fUhren 
fort sich des Dialogs zu bedienen. Hume, der schon im Harn«. 
Dialril)enstil der Essays einen Anlaut zu dieser Art von Dar- 
stellung nimmt''), hat sich zweitaai au lürmhche und selb- 
ständige Dialoge gewagt, deren einer von den Priucipien der 
Moral, der andere von der natürlichen Religion handelt: und 
es ist begreif licii dass, wer study and society» für die zwei 
höchsten Freuden des Daseins erklärte^) tjerade von dieser 
literarischen Form besonders angezogen wurde '']. Doch ist 
der erste Enthusiasmus für den Dialog schon verrauscht: 
wenigstens ist Hume keineswegs wie Tasso der Meinung, dass 
man jedes Thema im Dialog behandein könne, sondern will die 
Waiil dieser Form an bestimmte, von ihm in der Theorie näher 
bexeiehnete und in der i^xis befolgte, Bedingungen Imfipfen 

WAhrend Hume in den antikisirenden Namen seiner 
Personen den Nachfolger Berkeleys und Shaftesburys ver- 
rith, gingen Hurd^ und Lyttelton andere Wege; Hurd lud. 
8<^dert wie Addison und der Schotte Dr. Arbuthnot, denen 
sich noch Digby gesellt, sich auf einem Ausflug nach Warwiok 
und Kenilworth Uber die Politik der Königin Elisabeth unter* 
halten*), er flihrt also historische Personen und unter ihren 



for reodering tbc sciences raore easy, useful und conipendiouä. Vgl. auclt 
Pliilos. WorkB J S. U9, 

4) Works I S. «44. 

5) ftequires Ihe perfectioa of geniiis, taste and judgemeni: Home, 
Elements of Criticism II s. 15« t. Tgl/aacb III S. SS4 f. 

3) Vgl. Essays I S. 2<5. 

4] Philosoph. Works II S. 378. 

5) Hume i>elbst schätzte gerade den einen seiner beiden Dialoge sehr 
hoch : Essays I S. 5S f. 

6) Philosoph. Works II S. S77 f. 

7) Moral and Politlcal Dialogues erschien«! I78S. Dialogues on 
Foreign Travel 4764. 

8) Vgl. F. V. S. in Conservai. Monatsitclir. 46 [im) S. 1088. 



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406 Vlll. Der Dialog im Mitlelaller und den oeveieii Zeim. 



L^ttelton. eigenen Nauieu redend ein; Lyttelton dagegen in ^-cinoa Todten- 
gcspräehen Dialogues oi the Dead 1764) toigte dem Vorgang 
weiterhin Lucians, zunächst aber Fenelons und Font» nelles 
Nur nebenbei sei noch verwiesen auf das dialogische Element 
inwieiern es sich in den Romanen der Zeit, namentlich Fiel- 
dings^^ breit machte oder in dem Katechismus für Freimaurer ') 
XU Tage tritt. Das Gesagte hat uns schon daran erinnert dass 
inzwischen auch in Frankreich ein Schauplatz dialogischen 
Lebens und dialogischer Literatur sich aufgethan hatte. 

TnaMth. »Denhent, hatte Berkeley gesagt^), »ist das grosse Ver- 
langen der gegenwärtigen Zeitt und damit war die dialogische 
Form als die zeitgemSsse gegeben, io der ursprQngUch nicht 
sowohl ein fertiges Wissen als das noch im Fiuss begriffene 



4) Er sellüt fa^le in späterer Zeit einen Nachfolger in Lander, 
dessen ImnL'inary onnversatinn«? of Greeks and Romans 4 8i4 erschienen 
Sein Vorjiuniicr war King mit seinen in den streit um die Phalaris-Brieff 
eingreifenden und gegen Bentley gerichteten Dialogues of the Dead: Muak 
Life of Bentley I S. S64. Den Plan zu einem solchen Todtengcspräch hat 
auch Gibbon einmal gefiust. Er aagt» atu Anlass der franzOsiscben BevolH' 
tion and indem er Burkes Helming mstimmt, in den Memoirs (Miacell. 
Works 1) S. 193: I bave sometimes thought of writing a dialogue of the dead, 
in which Lucian, Krasmiis and Voltflire shoiild inulually acknowledgc the 
danper of exposing an old supcrstilion to the conteropt of the blind und 
fanatic mullitude. Es hat immer ein unterhaltendes Spiel geschienen, 
hervorragende Mttnner der Geschichte, die in weit auseinander liegenden 
Zeilen lebten und tich la vieler Hinaicht Sbnllcb odw aueh wohl ent- 
gegengesetct waren, unter sich nicht nur zu veigicichen, sondern diese 
Vergleirhuni: dramatisii^nd bis zum pen^öniichen Verkehr zu Steigem. 
Friedrich dt'r firosse. der. dunli iihnlii lu- r)iid()f:e Voltaires anperept, 
solche DinlnijvH"' d« s Morls geschrieben liatte, spricht sich darulwr in 
Briefen an deu l'nnzeii Heinrich aus (Oeuvres XXVI S. 350 : c'(^taient des 
esprits ä peu prbs de la trempe etc. mit Bezug auf deu Vorschlag, den 
er billigt, Alberoni und Ghoiseul in einem solchen Todtendialcg zusammen* 
«abringen. A. a. 0. S. SSO, 3 pour m*amuser j'ai fait an Diatofue etc. den 
Dialog zwischen Struensee Choiseul und Sokrates . Leicht konnte aich 
aber hieraus auch eine .Satire der r^'^cnwart und ernstere Gedanken er- 
geben o. S :H9 f. l ober Todtengesjirachr vi-l. jetzt noch die reichhaltigen 
Sammiuageu und ErOrterungea von Job. Uunlsch, Lucianstudieo (Progr. von 
Plauen I f*95). 

5) Z. B. The History of a FoundUng lU 8. IV 4. 

S) Den ich nnr aus Bettner, Literatorgetdi. dea achtfelintea Jdta. 
I S. 218 ff. kenne. 

4) Works US. aas ; Thinkiog ia tbe great dealderatioa of tbe pratcot age. 



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Achtzehnte!» Jahrbimdert : Frankreich. 407 

Denken seinen Ausdruck finden sollte. Den hoben Werth des 
Denkens lu lont und dem Donken die freie BewegUD}^ zunick- 
gegeben zu haben wird aber immer ein Verdienst Des Carlas" 
bleiben: vor unsern Augen muss er daher als derjenige er- 
scheinen, durch den Frankreich — man möchte sagen — von 
innen her fttr den Dialog vorbereitet wurde. Die äussere 
Form kam auch hier aus dem Mittelalter: in den Poesien der 
Troubadours, den poetischen Discussionen und Sueitgedichten Li«bMli6&. 
der Liebeshöfe war sie gepflegt worden, die hier ihre rechte 
Heimath halten. Eine Fortsetzung der Liebeshöfe wurden 
unter italiänischem Einfluss im 17. Jahrhundert die pariser 
Salons der Marquise de Rambouillet und ihrer NachfolgerinneD. SUmu. 
FrauoD thronten Ober den Unterhallungen der Männer und 
gaben den Ton an; sie besessen in hohem Grade das Talent 
der Gonversation, welches nach einer Definition La Bruyäres 
Bich weniger darin ofifenbart dass man selber Geist zeigt als 
dass man Andere anregt Geist zu zeigen, sie spielen also 
für ihre Zeit und Umgebung die Rolle des Sokrates oder wenn 
man will der Aspasia und haben wie es scheint durch die 
RQcfcsidbt, die sie beanspruchten, das Ihrige dasu beigetragen 
den liransOsischen Dialogen einen eigenthttmlichen Gharahter 
su verleihen, der dieselben im Guten wie Im Schlechten von 
denen anderer Völker unterscheidet. 

Im Laufe der Zelt linderte sieh das Wesen dieser Salons : die 
GegeostSnde der Unterhaltung wurden ernsthafter, die Inter- 
essen erweiterten und die GesprXche vertieften sich, ausser der 
Kunst und Literatnr wurden Politik und Philosophie in die 
Erörterung hineingezogen , and alles dies wurde mit einer 
Leidenschaft verhandelt, die in demselben Maasse wuchs als die 
Opposition dieser Kreise gegen den Hof und die herrschenden 
Ansichten. Eiü unendliches Leben strömte von hier aus in die 
flultiir lind Literatur Frankreichs: krystallisirl erscheint es in 
den I Charakteren ( La Bruycres und den «Maximen ^ La Roche- 
foucaulds. Auf eine dialogische Literatur, die sich hieraus 
entwickeln kunnte, weisen die ProLokuUe, die man gelegentlich 
von solchen P>örterungen nahm und aulbewahrte. Sie zei(?en Bedeatnng des 
die Bedeutung, welche man wieder einmal dem gesprochenen ^Yt^m"^ 



1) VgL auch Taine L'aacien Regime S. S6S ä. ^40 tdit.;. 



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40H VJIJ. Oer Uiatof; im Mittelalter uud den neueren Zeiten. 



Worte beilegte. Km Symptom der gleichen Art ist die jeirt 
hervortretende und sich rasch vermehrende Literatur der so- 
genannten Ana, der Scaligenma Thiiana Menaeinna u. a., 
deren Verfasser sich den Aufzeichnern der snk ratischen Rodon 
einem Xenophon und Piaton, gleich liirikt niV Von ver- 
schiedenen Seiten her drSngte das Lelx n iniii die Wirklichkeit 
zum Dialog: seiner kunst\ ollen Gestaltung wurde auch diesmal 
durch das Drama vorgearbeitet. 
Agrippa An der Spitze der Dialogenschreiber mag hier Theodor 

dAubigni. ^g^jppg d'j^üjjign^ stehco, dcueo personificirter Kampf zwi- 
schen Schein und Wesen oder dem Besitzer der Herrschaft 
Feneste ' f ^ tvsaÖai) und dem Herrn Enay leivai)^), wie altmodisch 
er sich übrigens ausnimmt, immerhin als ein Vorspiel der Kämpfe 
Des Cartes ood der ncucn Zeit gelten kann. Es folgen Des Gartes'] und Baliac') 
BaiMo. ^.^ ersten Classiker der neuen fransAsisdien Prosa (I S. 89. 94) die 
mehr als eine andere ihre Äusbildimg der mfindlichen Gonver- 
sation dankt und daher mit Fug und Recht Ihre ersten Proben in 
Dialogen ablegt In einer Zeit, die Lust am Gesprlcb hat, ist 
man popullr wenn man Dialoge schreibt. In dieser Absicht hatte 

FmtoB«!!«^ Baisse seine Dialoge verfasst, ebenso thaten dann Fontenelle 
F^iidoB. und F^nelon, jener indem er vorzüglich Des Gartet* Gedanken 
dem Publicum su empfehlen sucHte^), dieser indem er auf 
solche Weise seine milde Moral besser eintuschfirfen hoflie*). 



4) Vgl. die Vorrede su den Henagiine, wo die sokntlBchen Oieloge 

als Socratifina bezeichnet werden. 

2; Vgl. Hitzig in der. Anmerkung zu Charaisso's Werken fi. Hs 
.31 Der DIalnp rechorrhe de la v^rite par les luraidres naturelles) 
svuide erst aus dem Nachlass publicirt: er \<ii pin G«»<tpräch. in dem Eudo- 
x\x& die Sache der philosophischen Kikenntiusi», Episleuiou das Interesse 
des Polyhistors vertritt. Ueber die AbfiueuDgszeit s. K. Fischer» Gesch. 
d. n. Pk I S. t84. 

4) Freilich die Entretieos beben nur den Ittel «od die Utssige Welse 
der Darstellung mit Dialogen gemein; Senecas Dialog! mögen hier die 
Vorbild gewesen sein, wie man es denn auch sonst daronil«: mit dem 
Namen Entretiens nicht zu «*lr(^ns; nahm o. .S. io;. Dialogischer ist <;cbou Le 
sophiste chicaneur, förmliche Dialoge sind sodaoo der Aristippe, den Balzac 
selbst für sein bestes Werk hielt, «od der Socrato Clirestien. Unter den 
entiken Namen sind Personen der Wirklichkeit verborgen. 

5) In den Gesprächen sur la plundite des mondee. 

6) Hierbei denke ich namentlich an den T^Mmaque. Den Dialog sur 



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Acbteehntes Jahrhundert: Fraakreich. 



409 



Beide, aach Baliac, hallen sich gleichteitig an antike Gebilde, 
aa Seneea, an die Sokratiker Lacian-) und Platarch'}. Den 
Cicero pries aU höchstes Mnster dialogischer Darstellung der 

P. Lamy in seinen »Unlerhaltmigen über die Wissenschaften« Luaj, 
(Entretiens sur les sciences) einer Lieblingslecture Rousseaus 
Und wie der Römer zwischen den verschiedenen philosophi- 
schen Theorien hin und her schwankte, so wird auch der 
Franzose von einer gewissen Ünnihe getrieben indem er sich 
bemüht zwischen den Aiisiinichen iJt;. neuen Denkens, des 
aus der Vergangenheit (Um rlielerten Wissens und des kirchen- 
glaubens einen AusültMt h zu trefTen. Es ist dieselbe Unruhe, 
die auch Des ('-artes und Malebranehe. an die Laray sich an- lUlalvaiitlia» 
schloss, mcbt überwunden haben und die auch bei diesen 
einen Ausweg durch den Dialog suchte. Wenn hierbei Male* 
branche einen christlichen und einen chinesischen Philosophen 
in einem Gesprioh über Existenz und Natur der Gottheit 
redend einführte, so spiegelt sich darin seine Zeit und das 
Vordringen christlicher Missionen hi den fernen Osten ebenso 
wie früher die Einführung von Orientalen in die griechischen 
Dialoge ein Sympton der Alexandersüge und ihrer Wirkungen 
gewesen war*). 

Kräftiger hatten sieh die oppositionellen Tendenien schon 
in den Dialogen Baliacs geregt gegenüber herrschenden Strö- 
mungen der Literatur. Jetst griff der Dialog als altbewShrtes 

fdloquence kenne ich nur aus der Erwähnung in Diderote Bncyclopedie. 

Vgl auch F. V. S. in Const rvat MonatSSchr. 46 (ISSlf) S. 1086 f. 

1) Ausser F(^neloiis 'l>l(*maque kommt hier Balzacs Socrate Cliroslien 
in Betrarht, <lt's<t'n V«-! fit^sfr sich S. 154 Atnstprdnrx i als neuer 
Piaton [ulilt. I nti mi wuch st^iu Sokriites iiarh dem Mustfr des plato- 
oischen gezeichnet: su sagt er S. 28 von ihm »Et avec cetlc belle manidro 
qui ostoit tout air de Pedaateiie k rautorite de Meistre« und eiienda Usst 
er Ihn flelDeu Abscheu attsdrttcken gegen ein Uebemiaass von Lektüre 
»Ges Montagoea d'Escritures aoceblent les testes et n'edlfient potnt les 
esprits». 

i F(intiMi<>Ilt> und Fimh^Ioii in di-n Di;do};ue8 des Morls. Vgl, besonders 
des Ersleren Briof an l.uciaii voi d(Mi lOtitengesprächen. 
8^ F«'r>elon im I h sse et Uryllus o. .S. 132, 3), 
4,1 Lnoh ni4;. 

5} Confnsiona I S 5. S74. 

S) Vgl. 1 S. SS4 ff. Eine Bemerkung Uber Mslebraucbes DteloKe s. l 
S. 559, i. 



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440 VUI. Der Dialog im Mittelalter und den oeuerea Zeiten. 



dio Jesuiten. 



Salat- 



Mittel der Polemik auch in die beiden ^'rossen Cootroversen 
ein, ilber die man in der zweiten Hälfte des siebzehnten 
Jahrhunderts auseinander ging. Die eine ist der Streit zwi- 
Port Sojrfti tiad sehen Port Royal und den Jesuiten. Hier dürfen wohl die 
»Lettres Ii un Provincialt genannt werden, nicht bleu weil in 
der modernen Zeit der Brief dem Dialog noch enger geselit 
ist als im Alterthum sondern auch weil hin und wieder die 
Darstellung durch eingestreute Dialoge belebt wird; schon 
Gondoroel in seinem Eloge fand hier den Stil der Dialoge. 
Auf Pascals Seite und ebenfalls mit der Waife des Dialogs 
kSmpfte Saint ^Evremond, nur allerdings in seiner Satire^} 
den Koftodiendiohter verrathend der also in ihm wieder einmal 
wie in Machiavelli, Giordano Bruno u. A. die so berechtigte 
Personalunion mit dem Dialogenschreiber eingegangen war. 
Aber auch die Geener rührten sich. Eine Antwori auf die 
D»aiel. u Lettres« in dialogischer Form gab der P. Daniel mit seinen 
»Rntretiens de Cl^andre et d'Eudoxe sur les Lettres au 
Provincial« und von derselben Seite und durch das gleiche 
Boiüiou». ürgao liess sich der P. Boubours vernehmen, r ^cine dia- 
logische Schule in den Cirkcln des FrSulein von Scudery und 
der Marquise de Sably durchgemacht hatte. Freilich direkte 
Polemik enthalten gerade seine dialogischen Schriften nicht; 
aber auch sie dienten, wie Alles was er that, der Ehre der 
Gesellschaft Jesu, die ihn als den KlassilLer französischer Prosa, 
als den HauptlLeoner der Sprache gegen die Jansenisten aus- 
spielte'). Nebenbei mochte die dialogische Pom noch wie 
ebedem bei Cicero seiner Neigung »nichts su entscheiden» 
(ä rien d^cider) besonders bequem sein^. 



V> Conversalion du tnarächal d'Hoquiacourt avec le P^re Caoaye. 
Der in Fraakreich bis dahin beliebte Masken-Dialog (o. S. 370) ist hier, 
wie PS füp Leidenschaft und wohl auch das dramatisch«' R'^-itrebcn mi\ 
sich brachte, Mhk'oworfen und das Gespräch auf historischen oder doch 
historisch schiincuden Boden versetzt. 

2j Leber B. s. den Aulsatz von Morf in der Nation 4889 No. 17 US 
8) Vgl. auch im Avertiflsraieat Tor La maniöre de hiea penaer die 
Worte: Gomine le Dlelogne est propre k dcliiiolr lee queeilone lee plus 
obecaresi et qoe hw geos qvl y perieot penveot alsAiiMiit dlie le poor et 
le contre sur toales sortes de sujets, on a jug^ ä propos de traller la 
metl^re dee pensees en Diologues. Aehnliche Ansichtee s. o. S. 897, 4 u. jk 




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AcbtMhnties JtlirbuDdert: Fraokraich. 4U 

Die iweito Gontrovene, wie sie hlstorisoh tiefer be- str^tdir 
grIlDdet war, führte aach eioeD Ungeren Streit herbei. Sdion ^^^^^^ 
längst glimmte die Frage, ob die Ant&en oder Modemen in den 
Künsten und Wissensdiaften hoher stttnden; brennend wurde 
sie erat durch Perraults Gedicht, noch mehr durch die ihm Fnimit. 
folgende »Vergleichung der Antiken und Modemen« (ParallMe 
des anciens^ et des modernes), also wieder einmal eine oo-pcpiat? 
in Form von Gesprächen, die während eines Ausflugs nach Ver- 
sailles und beim Durchwatulerii des durli^un Parks von einem 
Präsidenten, einem Abb^ und einem Chevalier geführt werden 
(vgl. auch o. S. iOi). 

Wie Her Dialog hier an der Spitze einer geistigen Be- SkeptU. 
Yvegung steht, so ist er der ikihnhrechcr auch für den Gang der 
frnnzösischpn Skepsis geworden. Vorherpilot durch Andere 
und eine natürliche Folge des neu erwachten Geistes der 
I^fuDg und des Zweifels ist sie doch erst recht ver- 
breitet worden durch die Dialoge von Frankels de la Mothe de MAtii«> 
Vayer, der als ein in den Alten bewanderter Mann ihnen mit 
dem Pyrrhonismus auch die dialogische Form entnahm '). 
Sein grosserer Nachfolger Pierre Bayle hat sie dann wieder Bail«. 
fallen lassen sei es dasa die Hast seines Arbeitens ihm keine 
Zeit SU kttnsüerischer Gestaltung liess oder dass es ihm an 
Begabung hieran fehlte: nqr in den posthumen »Entretiens de 
Maxime et de Themistet hat er sich ihrer bedient und swar 
ihnlioh wie sein Zeitgenosse Leibnis lur Kritik gegnerischer 

i) Cin([ dialogues faits ä l'itnitation des anrirns par Horalius Tubero 
<67.3. Anf rnrlrre als j'hil(js(i|)hische Fragen ist die dialogischi- Fortu an- 
gewandt IUI iiexatneron rusti(jue ou les six joum^es pass(^es ii la cam- 
pagne entre des personnes studieuses, anooym erschienen 4 674. Als 
«iMn Nachahmer der Alteo leigt w rieh tndi hkr. Et preist Gioeros 
>4iviiu dlalogues* und gibt seinen Personen antiiie oder antiUslrende 
NaniMi, llaniUoSi Raoeniins, H6naiqne, Tobertns Ocella; die Scene fk«i- 
Heb ist die Umgegend von Paris, aber er bedauert dass er sie nie hl habo 
nach flnodicnland vorlegen kiinnpn, was ihm indessen mit Rücltsiclil auf 
den damaligen, wüsten und harbarischen. Zustand dieses Laode<^ unmug- 
Ilch gewe>«en ?ei. Z«r Skp|)sis bekennt er sich auch hipr, wenigstens 
Tubertu^ Ocella unter dem aber wübl der Verfasser selber verborgen 
ft. Von fkepUsohoro Geiste eingegeben Ist aach selOf lUchellen gewid- 
meter, Discoars de l'Ustoire, den ein Gespriich mit einem Freunde ein- 
leitel, und die an Favorin sich anlehnende Lobschrift aul die Esel, ein 
Dialog zwischen PaUlologns und Phtlonoos. 



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442 VUI. Oer Diatof; im Slitleteller and den neueren Zeiten. 

Schriften, wobri es ihm uohl um Urhersichtlichko it der Argu- 
mente und um den Schein der Unparteilichkeit zu thun war'.. 

AufUAnBg. Inhalt und Festigkeit gewann das unsicher gewordene 
Denken erst wieder durch die Aufklärung, die von England 
herüber leuchtete. In ihrem Gefolge stellte sioh auch der 
Dialog em, su dem insbesondere Shaflesburys Schriften 
ermantern miussten. Daher finden wir ihn in den Uänden 

VdiilN. derer, die die neue Lehre ihren Landsleuten predigten. Voltaire 
geht hier billiger Weise Allen voran. Auch auf diesem Gebiet 
ist er gans er selbst) der fruchtbare und vielseitige Schrift- 
steller» sprudelnd von Wite und Laune, überall an die tieftten 
Fragen rfihrend und doch nirgends tiefer eindringend, kein 
Nachahmer Lucians, aber doch ein Geistesverwandter. Welches 
bunte Bild gewfihren seine -bald in die ErzShlung oder Ab- 
handlung eingestreuten bald selbständigen Dialoge, mag man 
nun auf ihren Inhalt oder auf die auftretenden Personen sehen, 
die aus Menschen aller Art verschiedenen Standes und Ge- 
schlechtes, von allen Enden der Welt, von den Hohen abstrakter 
Begriffe und aus der historischen Wirklichkeit, aus Vergangenheit 
und Gegenwart, ja aus dem Thierreich susammengeholt werden 
und sieh mit Vorliebe «war Aber die Religion, daneben aber 
auch über philosophische, politische und andere Fragen unter- 
halten. Am Meisten hat er wohl was er auch auf diesem 
Gebiete vermochte in dem umfangreichsten und am sorgfältigsten 
ausgearl)eitetcn seiner Dialoge gezeigt, dem »Mittagsmahl des 
Grafen Houlains illiers" 

In <Mneni engeren Kreise bewegte sich der Abb^ de 
Mably. Mablv, ind<Mi) er politisch-moralische Fragen in dialogischer 
Form behandelte. Seine - Dialogues de Phocion waren 
ein damals überall vielgelesenes und in Frankreich mäch- 
tig wirkendes Buch; die Fiktion eines antiken wieder anf- 
gefundenen Dialogs wird hier sehr umständlich durchgeführt, 



4, Bayle tritt nicht mimiUelbar mit ^finen flepnprn >trfitond ;nif: 
vielmehr sind es Maxime mut Tlu'n»i*;le. du; sich über Bayies ^ti . it mit 
Ja(|ut>lnt und I.p Clerc unterhaiteii. Hierbei mag erwähnt werden, da^s 
auch Le Clerc «Entretlon:» sur diverses matteres de th^ologie« geschrieben 
hatte, die mir aber nicht m Gesicht gekommen sind. 

9} Von Strauw ftberselt t ale erste Beilage s^es Voltaire. 

i) Von allen Seilen besprochen von i. Bemeys Phokion S. 1 6 ff. 



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Achtoehnteft Jahrhundert: Frankreich. 413 

wtthrend er in seinen beiden andern Dialogen') uns in die 
Gegenwart versetst die nur in dem einen nnter der bekannten 
Maske antakisirender Namen leiebt verhttUt ist; GesprSche der 
Gegenwart und des Verfassers selber beben aber auch den 
Phokion-Bialogen ihren Inhalt gegeben. Als einer der Wort- 
führer der damaligen Zeit muss auch Montesquieu erwihnt XwtMiilrai 
werden: reicht sein » Sulla auch nicht entfernt an die 
Bedeutung seiner fibn'gen Werke, so ist er doch nicht ohne 
Interesse weil er ebenfalls den Yerfhsser auf dem ihm eigenen 
Felde politisch-historischer Betrachtung zeigt. Wie unersättlich 
damals der Trieb dialogischer Gestaltung war, lehrt auf eigene 
Weise der Baron Grimm, der in seiner literarischen (;(irr('- Orimm. 
spondenz wahrlich über genug Gespräche der Wirklichkeit 
zu berichten hatte, nichtsdestowenicrer aber, wie hierdurch 
noch nicht befriedigt, jum h solciie eiuener Mache hinzufügte-'). 
Nur Rousseau vermissen wir unter den Dialogikern der Zeit; BoniaeÄU. 
denn das kurze die Heloise einleitende GesprHch wird Niemand 
als einen genügenden Tribut an die Mode ansehen. Aber wie 
hätte auch der Misanthrop, der Einsiedler, der sich in keiner 
Gesellschaft und am wenigsten in den Salons von Paris su 
benehmen wusste, Lust und Geschick gerade zu dieser Form 
der Literatur finden sollen? Daher gab er der Form des 
Briefs den Vonug, in der überdies auch seine Bhetofik sich 
besser ergehen konnte. 

Er lehrt nur wieder aufs Neue dass der papierene Dia- 
log den lebendigen der Gesellschaft cur Voraussetsung hat. 
Voltaires Dialoge sind nur ein schwacher Nachklang seiner 
hinreissenden QbermUthigen Geist und Wits sprühenden Con- 
versation. Auch Montesquieu wird ims als einer jener 
Dialog^Mensehen geschildert^ die nur im Gesprlch mit Andern 

1) Priocipw de Morale ond De la Legislation ou Principes des Loix. 
Dort ist die Scene der Garten des Palais Luxemburg und der Verfasser 
im Gespräch mit Aristo, Theante und Eugene, hier unterbttlt er sich mit 
einem Schweden und einem RngiHnder. 

2) Der Gc;^enstand des Gesprächs ist SuUas Rücktritt von der Ke- 
gieruug und Sulla selber unterredet sich darüber mit einem Philosophen 
Namens Bocrate, der aber seine Existent lediglich der Flctlon Monte»- 
quieus dankt. Vgl auch o. S. f S. 

8) Wie das Gesprilch xwUchen einem Philosophen und einem Poeten 
Corresp. Iitt«r. I 4 S. 15 ff. 



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4U VHL D«r Dialog im Wltalaltor and den neueren Zeiten. 



ihr Bestes geben, den ganten Beiehthom ihres Wesens 
offenbaren 1). Und welche Bewnndening erregten die Ge- 

fl^lUii» spräche des Neapolitaners Galiani, den seine Rvunde bald 
mit Machiavell bald mit Flaton verglichen; tränen wir der 
Sehilderoag eines Zeitgenossen'), so sind auch seine berühmten 
gegen Tnrgot and die Pfaysiokraten gerichteten »Dialogues sur 
le commerce des blto« mit sammt seinen paar italiSnischen 
Gesprilchen nur der dflriVige Rest eines geistigen Gänsen, das 
vielmichtiger sich den mtlebenden im persönlichen mOndliehen 
Verkehr entrollte*). 

DMiNt iUle Uberragt doch Diderot Derselbe verrSth auch in 
Binselheiten der dialogischen Form den Einfloss der Eng- 
länder. Im Anschlnss an Shaftesbury begann er seine revo- 
lutionäre Schriftstellerei und an Shaftesbury erinnern auch 
noch in dem frühesten seiner Dialoge adem Spaziergarii; fies 
Skeptikers« (la Promenade du Scepiique) die antikisirenden 
Namen* , darunter der Alciphron als Vertreter des subjectiven 
Idealismus ausserdem an den Alciphron Berkeleys. Etwas 
altfränkisch freilich nehmen sich in demselben Dialoge die 
Allegorien aus Aber von Shaftesbury hatte er auch schon 
gelernt welchen WCl: df^r Dialogenschreiber gehen müsse, es 
war derselbe Weg <leii vr selbst auch als Dramatiker ging, 
jtur Natur und Wirklichkeit zurück. Daher treten in seinen 
späteren Dialogen historische oder doch historisch scheinende 
Personen auf, sogar Personen seiner nächsten Umgebung wie 
seine Freunde, sein Vater und seine Geschwister, daher erhalten 
femer Personen der Gegenwart den Vonng vor solchen der Ver- 



1 ) Shepherd, Thoinaü Carlyle I ^ f. 

<ir!mni Corrcsp. litt^r. I 4 S. ü51 Qucl (loaiinage, sagt er im 
Hinblick Huf (ialianis Gespräche, que Uni d idee» rares, föcondes. origi- 
nales nc üoieol conli^es qu' ä un pelit nombre de philosophet», ou s'öva- 
porenl av^c les entratlens d'uo oercle frivole. 

S) Heber den Zusammenhang von Gallanls Schriften, spedeli des 
Trattato della Moneta, mit Conversatioaen vgl. auch C. Justi, Winckel> 
manu II 419. Bei dieser Gelegenheit darf ich vielleicht einschalten, dass 
auch Crescimbenis Dialo^ihi über die Poesia Volfiarc hprvor£repanf.'cn sind 
aus den Inlerhaltunprn der Arkadier: Goethe, Werke in 60 B.| ät» S. iii. 

4; Mit Shafte^ibury s^iimmt er auch darin übereiu, das» er das 
Selbstgespräch fttr eine Vortthuog warn Dialoge büi: vgl. o. S. S7S> S 



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AcbtMhDtos Jahrliiimiarl: Fkvnkreieb. 



415 



gangenbeit*), endlicli die GonYenation in ihrem wechselnden, 
BcheiniwrabiiTenden uod doch geBetimSMigeii Gange hat der atiUe 
Beobaiditer der Hensehen und ihrer GesprSehe^ nur der 
Natur abgelauscht >)y ja bisweilen wiederholt er einfach einsefaie 
Gesprftehe der WirkÜchkeit nicht bloss in den Briefen an die 
Voland sondern auch als selbstlndige Dialoge wie in dem 
»Entretien d'un Philosophe ayec la mar^ohale de BrogUe«. 
Vor allem aber liess der Panatllter der Natur seine eigene 
Natur walten. »Ich componire nicht, ich bin kein Schriftsteller. 
Ich lese oder plaiideru, ich frage oder antworte« sagt er selber 
und so sind denn auch seine Hauptschriftco sciramtlich euUveder 
als Briefwechsel oder als Dialog abgefasst*). Der Dialog 
ersoheint bei ihm unter den verschiedensten Umständen, bald 
selbständig bald wie bei Voltiiirp als Intermezzo, bald kleidet 
er die philosophische Discussiun oia bald die Satire bald wie 
in Rameaus Neffen die Charakterschilderung; auch seine 
Erzählungen wie Les Bijoux Indiscrets und Jacques le Fataliste 
werden ihm zu einer Kette von Gesprächen^ in dem letzteren 
dessen Kunst von Neueren Goethe ausgenommen nicht genug 
gewürdigt worden ist lässt er im tollsten Uebermuth seinem 
dialogischen Hang die Zügel schiessen und treibt bis zur 
Verwirrung der Leser die platonische Weise auf die Spitze 
immer wieder neue GesprSche eins ins andere eüischaltend 
(19. S46); so sind seine Briefe von Dialogen durchzogen und 
seinen Dramen ist dieses Uebermaass von Dialogisinmg sogar 

4) So sollt<^ fi*'r Inhalt des berühmten (Icsprüchs mit d Alembert 
arsprüDglich an Mippukrates, üemukrit und Leukipp geknüpft werden. 
Diderot schwankte hier ähnlieh wie wir es an Cicero kennen. Weshalb 
er den nrsprttoglichen Plan aufgab, fUbrt er selber aus Oeuvres (Brief au 
die Voland) 49, SSI. 

5) S. den Anteng yon Rameans Neffen. 

8) Vgl. Mine Worte Oeuvre« 4S, SIS f : Cett nne ehose slngnli^re 

que (h conversation , surtout lorsque ta coropagnie est un peu noni- 
breuse. Voyez tcs circiitts quo nous avons faits; !es r<^ves d'un malade 
en (iolirc ne sont pas plus hetöroclites. Cepi'iKlant. ( (»inme il n'y a rion 
de decousu ni daos la t6te d'unhomme qui reve, ni duus celle d'uu luu, 
tout «• tfeat stuni den« In convosation; mais H serait queique fois bieu 
dilTcfle de retrouver lea chalnona imperceptibles qui ont atUrö taot d'i« 
d4ea dlsparates etc. Hiermit verbinde man die Schilderung vom Gange 
einer Unterhaltung bei Goethe. Werke fAusg. in 60 6.) 36, 311. 

4) Kd. Engel Psychologie der rranzdsiacheo Literatar S. Sil f. 



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416 VIU. Der Dialog im Mitielalter und dm neueren Zeiten. 

Vergleicb^Qg zum Schaden ausgeschlagen^). Alles zwingt er unter das 
mit SokiatOT. jügjogigcjje Gesetz seiner Natur. Und nicht bloss hierdurch 
erinnert er an Sokrates, der ihm wohl nicht zuflllig bei 
seinen mündlichen Unterredungen als Vorbild vorschwebte'^}. 
Wie Sokrates war er Improvisator; die Gelegenheit^ der Augen- 
blick gaben seinem Denken und Reden die Richtung und wie 
Sokrates war ihm dann auch das Niedrigste und Gemeinste 
nicht IQ gering um die tiefsten Gedanken und GesprSche 
daran tu knüpfen Zur Abrundung eines Systems haben 
es Beide nicht gebracht, sie wollten nur »Versuche« geben, 
nur anregen; das am platonischen Sokrates von Aristoteles ge- 
rühmte xaivotofuTv (I S. 246} war auch Diderots Sache und er hat 
es wohl nirgends so meisterhaft gettbt als in seinem Gesprftch 
mit d*Alembert. Beide verstanden es aber auch ihrer Dialektik 
Grausen su sieben: wo der platonische Sokrates einen Mythos 
vorträgt, ersShlt Diderot den »Traum« des mathematischen 
Philosophen und sieht darin die letaten und höchsten Gon'se- 
quensen des vorausgegangenen GesprSchs, die sich Ober jede 
Möglichkeit eines Beweises hinausschwingen. Wir haben soviel 
an Diderot dem Schriftsteller zu bewundern: welche Krafl der 
AnregUDir in ihm liegt, hat uds Goethe einmal anschaulich 
gemacht^) der unter den Neueren wohl sein grösster Bewunderer 



1j Dean auch bei Diderot sind Draiua und Dialog zweierlei. Ander!» 
uriheill hierüber freilich Du Bois-Reymond, Deutsche Rundschau 1S84 
S. 348 '.»Besonders mächtig Je geradexu Shakespeare und HoU^re vergleich- 
her ist Diderot im Dialog. Mao ktfimte sich keinen höheren dramatischen 
G«nass denken, als »Rann mus NefTcnn unmittelbar auf die Bühne gebracht, 
und man wundert sich, das.s nnch kein Thcatfi »iarr^uf kam 
ihn dem Puhlikum zu bieten.« Kichtiger hatte über solche Auf- 
führungen von Dialogen schon Tasso geurtbcilt (o. S. 394, 4;. 

S) S. die Stelle aus einem Briefe an die Voland btä Hettnor FrsniOs. 
Literat. Im achtzehnten Jahrhundert S. f.* Zeitweilig hat er wie Ad- 
dison sich mit dem Gedanken eines Dramas getragen, das den Tod des 
Sokrates zum Gegenstand haben sollte, und auch schon den Plan 
dazu entworfen: de !a poi sif di aniiitiiiur S. Ml (. 516 ff. Vi:I IS. 202 f. 
Was Addison und Diderot planten, hatte llutlniauswaldiiti iiu^^eführt. 

3 Ein auffallendes Beispiel in Les Bijoux lodiscrets ch. i3 f. (Me* 
taphysiquc de Mirzoza) wo in burlesker Form der tiefste Inhalt nieder- 
gelegt ist, 8. die Anmerkung des neusten Herausgeliera S, S50. 

4, Werke fin 60 B.) 86, 819 f. In Erinnerung an die Dialoge der 



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Achtzehntes Jahrhundert: Frankreich. Deutschland. 447 



war. Und doch müssen wir uns von einem Zeitgenossen sagen 
lassen: Qui n'a coqüu Diderot t^ue daus s<ds ecrits, ae Ta 
point connu ']. 

Diderot und seine Genossen haben das Ihnge beigetragen 
zu der gewaltigen Bewegung, die das alte Fraiikrt ich ver- 
schlang. Der Dialüg war der Vorbote der Revohiiiuii. Als 
diese nun gesiegt und die Herrschaft erlangt hatte, trat 
er seinem Charakter treu in die Reihen der Opposition zurück. 
Mit deni Plarse gegen die Tendenzen der Hevolution einen Dialog 
zu schreiben hatte sich schon Gibbon getragen (o. S. 406, \ ). 
In anderer Weise nahm diesen Gedanken wieder auf und 
brachte ihn zur Ausführung der Piemonlese Joseph de Maistre Jotsph 
in seinen • Soirees de Saint-Petersbourg ou Entreliens sur le 
gouvernement temporel de la Providence«, einem Werke das 
eine moderne Tbeegesellscbaft an die Stelle der antiken Sym- 
posien zu setzen sucht, einem Werke überdies dem land- 
scbaftliche Schilderungen Reiz und Weihe geben (I S. 197 f.), 
das auf einer durchgebildeten Theorie des Dialogs beruht^], 
trotzdem aber mehr rhetorisch als dialogisch ist^) und deshalb 
schliesslich siemlich monoton verläuft. — Für die Gedanken und l»polMm. 
Bestrebungen der Revolution trat dagegen ebenfalls in einem 
Dialog ein Jugendlicher Artillerie-Officier ein, dessen »Souper 
de Beaucaire« (gedruckt 4793) gani aus dem Leben heraus 
gegriffen ist: wir werden auf den Sehauplats der empOrCen 
sQdlicfaen Provinten geführt , die redenden Personen sind ein 
MarseOler, einer aus Nimes und ein Militfir. Der leUtere stellt 
den Verfasser selber vor, der kein Geringerer ist als der 
spSCere Kaiser Napoleon, der als solcher freilich Grund hatte 
seine Autorschaft absuleugnen. 



Todten nennt er sein Gespriich mit Diderot eines das auf der Grenie 
zwischen dem Reiche der Todten und Lebendigen geführt wird. 

4) M(?iuolres de Marmoutel S. 34 5. 

f DetinitionciM womit vgl. das I S. 5.1 Bomerkti.' noii Conventation, 
EutrcLien, Dialot^ue il S. 92 f. (Ausg. Lyon et ^Hri» lb54 disputer und 
discaler II S. t49. SSS, Nutien der Ctmversation I S. 31 f. Das Denken 
ein SelhetgesprtKA der Seele 1 S. ill, I . Forderung lebendig cbarakterlstrter 

Personen (gegen Ciceros Tuscul.) II S. 93 f. 

3; Vgl. Julian Schmidt Französ. Literat. {187; II S. 84; aber auch 
was zu seiner Rocht fcrtitiung der Vcrfas-'st'r lictnorkt I S. 443: Mais je ne 
sais pourquoi, müiiüioui le Chevalier, c est toujours moi etc. 



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4 1 8 VUI. Der Dialog im Miltelalter and den neueren Zeiten. 



BaajuBia Abfleits TO» der allgemeinen Bewegung stehen Beiyamin 
FranldiD, dem der Dialog ein brauchbares Mittel der Pepnlari- 
siruQg schien, der Inciansche, der sokratische und der der 
Fnns Hdaurter- moralisirendeii Romane der Engländer i), und Frans Beroster- 

huys, der als Sohn des Philologen es unlemabm antike Dialoge 
in correkter Foriu zu schreiben. 
Peotiolüand. Die grosse Bewegung, die in Frankreich und England 
den Dialog im Gefolge hatte, schlug auch nach Deutschland 
hinüber. Hier übte zum rnheil der ohnedies schwerfällisen 
Deutschen die \\ oitlsche Philosophie einen Geistesdes{)olismus, 
der eine andere als die schul^erechte und systematische Dar- 
Stellung der Gedanken nicht gelten liess und eine freiere 
Behandlung der Probleme, wie sie für den Dialog gefordert 
wird, nach Kräften unterdrückte. Wie stark der Zwang dieser 
sogenannten » Gründlichkeit c war, lehrt am besten Kant der 
wie kein Anderer den dogmatischen Inhalt der Wolflscben 
Phtiosepbie bekämpft hat, an Form und Darstellungs-Methode 
derselben aber kaum su rtthren wagte. »Unser Denken» klagte 
noch Seiger^ »ist seiner Natur nadi abgesonderter weil es 
systematischer ist«. Intwischen tummelte sich doch der 
Dialog, seit Engel und Moses Mendelssohn ihm wieder Eingang 
verschafft hatten, gans munter in den Aussenwerken der 
XMt. Philosophie herum. Missmuthig sah der alte Kant auf das au^ 
klärende und geniaUsche Treiben, in das Innere sollte der 
Dialog nicht dringen ; die Burg der Philosophie schien nur unter 
Schloss und Riegel einer scholastischen Systematik recht verwahrt 
EU werden : hierin waren mit Kant auch solche einverstandeOf 
die nicht unmittelbar als seine Schüler tiolten können und 
überdies als Verfasser von Dialogen eher ein Interesse hatten 
deren Herrschaftsgebiet zu erweitern wie Wieland ^) Herder^) 



1, Gespriich mit dem Podagra. Vgl. ausserdem Leben übers, von 
Kapp 5. 146. 315. 

2) Envin I S, Herl in 1S14. 

.*i N tM^ncii iiht-r Xfiiopbuns Gastmahl : Piatun halx? für den gros.-Ua 
TtiuiU niuU|)iiysi!»cüeii oder transccudciitiileii luiiall seiner Werke ^b^er- 
lieh eine imbequemere Art des Unterrichts als durcb Fragen wd Ant* 
Worten wählen kennen. 

4} Z. schon. Liter, n. Kunst 1 S. 40S f: leb fttble es docb bei semeo 
Mendelssohns) philosophischen Schriften mancbmsl. was er selbst fttblte: 



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Achtcehotes Jahrhuadert: Deutschland. 



419 



und Bouterwek zu dfiieu man noch Meiners und Garve^) 
fügen kann. Aber die Bewegung war zu mächtig als dass 
selbst die Autorität des grössti n l'liilt^^ophen der Zeit sie hätte 
hemmen können. Der Wolliia;ii^,iuus in der schönen Literatur, 
wie ihn Gottsched darstellte, der fnlsche Hegelzwang wurde 
von den Schweizern und ihren deutschen Anhängern durch- 
brochen. 

Unter dem Einfluss des Auslands verbreitet sich eine Ofthrans: der 
Gährung, die sich von der Literatur und Runsi auf das ^eu. 
sociale and poUtiacbe Leben ausdehnt. Wieder einmal ist 
eine Zeit gekommen, in der die Lüge und der Schein Uber- 
lieferter Formen durchschaut und vernichtet werden und Wahr- 
heit und Natur in ihre «iten Rechte zurücktreten. Und wie 
immer in Zeiten der Erregung treibt es den Menschen auch 
diesmal heraus aus der Einsamkeit hin zu Seinesgleichen; 
mehr als sonst herrscht das Bedürfniss gegenseitiger Mitthei- 
lungy das sich in Briefen und Gesprfichen Luft macht , deren 
Gegenstand das Eine alle beseelende grosse Interesse bfldet 
in untShllge kleinere Fragen zersplittert und fortgeführt Ein 
merkwürdiges Symptom für die Tiefe und Aasdehnung der 
Bewegung ist, dass auch die Frauen hineingeiogen werden. 
Das Denken, das vordem eine stille Angelegenheit des Ein-BaaDenkea«!» 
seinen war, ist ein lautes und gemeinsames Gesohflft Vieler 
geworden, das nur in der Gesellschaft und durch das Zu- 
sammenwirken Hehrerer recht zu gedeihen scheint. • Nach- 
denken findet nicht statt ohne Mittheiluiig« tOnt es aus den 
Kreisen der Romantiker*) herüber und der junge Goethe 
pflegte wenigstens durch Fiction eines Gesprfichs mit Anderen 
sich auch das einsame Denken in gesellige Unterhaitung zu 
verwandeln^). Virtuosen des GesprScbs thateu sich hervor 
wie Georg Porster einer war<). Auch die Einselwissenschaflen 

• ich bekenne es, Hass sU-h zu bin«;«; «^peculativen rntersurhungeo koio 
Vortrag besser >«'hiekt tils der streii;^e systematische« u. 8. w. 

i \ Vorr. zu den Dialogen Js. VII. 

S) Venn, philos. Sehr. 1 S. 49. 

S) Versuche Über veracb. Gegensittnde der tforai u. Utk III. S. 50 f. 
k; S( i)i(>H rmaeher, Vertraute Briefe über die Ludnde S. SS (l. Avag.). 

5 Werke (in 60 B. 26, 20P 

6; Auch seine Schriften waren iieshulb allp. wie sie Fr. Schlegel 
nennt Charactist. u. kril. I ttij, gescbnebene Gespräche. 

«7* 



Üigiiizeü by i^üOgle 



420 VIII. Der Dialog im Mittelaller und den neueren Zelten. 



werden hierdurch beeioflusst: Winckelmanus Schriften sind 
KUin Theil eine Frucht seiner Gespräche. 

So bietet sich uns auf deutscherü Boden dasselbe Bild dar, 
das w'iv schon aus England und Frankreich kennen, nur ins 
KUMnc L:t /OLM-n, wie dies der Armseligkeit und Enge der deut- 
schen Zustande entsprach, und minder glänzend in Folge einer 
Unbeholfenheit der Sprache und der Menschen die sich beide 
weniger zu einer brillanten rait blitzenden Bonmots gezierten 
Conversation hergaben '). Die Welt hat darum auch viel weniger 
Bedeutende Yon diesen Gesprächen vernommen. Cnd doch wMre ihr damit 
ÖMprtohe. gg^jjgnt gewesen mehr zu ^^ issen. Leasings Gespräche lebten in 
der Erinnerung seiner Freunde : wie viel Gommentare hat nicht 
Jaeobis Aufzeichnung derselben hervorgerufen. Unschätzbar 
für UDS sind die Winke die (iber Herders und Schillers Art 
im Gesprttch Wilhelm von Humboldt gegeben bat: während 
Herdtf auch im Gespräch den Rhetor nicht verleugnete^), 
BoUUw. waren Schiliers Gespräche rechte Dialoge, mit den wQrdigaten 
Gegenständen beschäftigt immer vorwärts schreitend, aber 
jeden Einwand berftcksichtigend und nie ermüdend, daher 
CtattU. auch Überaus fruchtbar. Von Goethes Gesprächen ist uns ver> 
hAltaiBsmSssig viel, grösatentheils vielleicht gerade das Unbe- 
deutendste erhalten. Nichts dagegen kommt der einen Skiue 
seines Gesprfichs mit Schilter gleich, das er in dem »genialen 
Momente der Geschichte« fUhrle der die beiden lu Freunden 
machte : wie hier im Gesprilche fiber eine etnselne Frage, die 
Metamorphose der Pflancen, sunSchst eine Verschiedenheit der 
Ansichten zwischen den beiden einander absCossenden MXnnern 
hervortrat, wie in dieser Verschiedenheit sieh sodann der 



4) Dl« Bemerkungen der Freu von Stiel (de l'Allemagne S. SS ff. 
Pttris 486S) gewiss einer < ompotontcn Beurthcilerin sind ganz zutreffend. 

V^'bs sie von dem sächsischen Profossor frzfihlt. dor fast ein Jahrhunderl 
ii;u-h I.<'il»tuz diesen nie anders als Baron von Leii^niz cilirte und ;inrh 
im grossten Eifer des Vurtrags nie davon abging, stimmt in dem Zu- 
SBininenhang, In dem es gesagt wird, mit Shaftesburys Bemerkung ttber- 
eia, wonach eins der Hindernisse, die den modernen Dialog nicht sur 
Hobe und Vollkommenheit der antiken gelangen lassen» das Ünweeen der 
Tltnlaturcn ist (o. S. 402 f.}- 

2 Wie sich dersellie dagegen auf die Katechese verstand, rühmt 
(ioethe im Gespräch mit von Hagen bei Waitz' Rückhtick eines evange« 
lischen Predigers u. s. w. (Schäfer, Goethes Leben 11 376, 3S]. 



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Achliehnles Jahrhundert: Deatodiland. 



424 



tiefere Gegensato der beiden Naturen enthüllte — das tu 
schildern, historisoli dichtend, und mit leisen Strichen unter 
dem Schein eines unausgeglichenen Streites die künftige LOsung, 
den keimenden Geisterbund bemerkbar su machen wSre eine 
Aufgabe gewesen würdig eines Piaton, würdig jedenfalls des 
grOssten Dialog-Künstlers. 

Wer solche Gespräche erlebte und wiederholt erlebte, HShtn 
der konnte leicht su einer höheren SchStsung von Wesen ^^^j^"^^" 
und Werth auch des literarischen Gesprfichs gelangen als • 
die in den Eantischen Kreisen übliche war. Der Dialog — 
das seigte sich — war keineswegs nur eine deeorative 
Form der Popularphilosophfe wie man dort meinte; recht 
gehandhabt und den Spuren wirklicher Gespräche folgend 
erschien er als der Ausdruck gemeinsamen Denkens und einer 
Methode der Forschung, die auch vor den höchsten Problemen 
nicht zurUckzuscheuen brauchte. Die Romantiker waren es, Dia 
die dieser neuen Auffassung des Dialogs zum Durchbruch 
verhalfen, indem sie I'Iatuü gegen Kant ausspielten. Als echter 
Kantianer hatte Tennemann angenonniien , Piaton habe sich 
zuerst ein Svstem der Philosophie gt liildet und dieses danach 
aus hestiniiiiton Gründen in die übrigens recht unbequeme 
und der Sache wenig angemessene Form von Dialogen ein- 
gekleidet: von der anderen Seite erklärt Friedrich Schlegel Friedrioh 
Piaton habe zwar eine Philosophie aber kein System gehabt, 8«WegeL . 
und die Einheit dieser Philosophie fand er nicht in einem 
fertigen Satze und Resultate sondern lediglich in dem be- 
stimmten planmissigen Fortschreiten der philosophischen Unter- 
suchungen; und ähnlich liess auch Scbleiermacher den grie- 8oUtt«f 
chischen Philosophen wie alle genialen Denker nur Ton einer 
dunkeln Gesammtanscbauung, einer Ähnaog des Gänsen seiner 
philosophischen Ueberaeugungen ausgehen, die er dann leh- 
rend und schreibend vor Anderen, aber auch für sich selber 
allmihlich entwickelte und verdeudid&te; für eine solche nie- 
mals fertige, sondern wachsende und werdende Philosophie 
war aber der rechte Aasdruck nicht die starre Form des 
Systems mit ihren GedankeofMchem sondern die bewegUche 
dem wechselnden Gange der Untersuchung sich anschmiegend^ 



ww. suppi. s. 



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4SS Vlll. Der Dialog im Mittelaller und den neaereo Zelten. 



des Dialogs. Durch diesen Wi(l»^rsprnch wurde Kant eigent- 
lich nur (Ibertnimpn : Kaiil hatte nur den Dogmatismus der 
früheren Philosophie, namentlich WolH's bekämpft, die beiden 
platonischen Freunde hekiiinpfen jeden Dogmatismus, der sich 
dem lebendigen Denken in den Weg stellt, und als das ge- 
eignetste Mittel das Denken immer in diesem Fluss zu er- 
halten erschien ihnen der Dialog. So hoch hatte der Dialog 
wohl noch nie in der Achtung der Menscbeti gestanden, jeden- 
• falls nicht wieder seit Piaton. 
Die cene Diesc Auffassuog des Dialogs entsprang nicht bloss Schieier- 
fem dlfiiu ifl i^ machers Individualität, so sehr sie derselben angepasstist; auch 
Den Bodeu der nicht allein der Begeisterung der Romantiker flir den Eünstler- 
Philosophen; vielmehr dQrfen wir ihre letiten Wurseln in den 
sUzzirten ZeilverhSltnissen suchen» die an Beispielen der Wirk- 
lichkeit lehrten, welches tiefen Gehalts der Dialog flUiig sei und 
dass man auch im GesprSch die strengste Gedankenarbeit ver- 
richten könne. Zum besten Beweise, dass die neue Theorie 
nicht aas einem eng begrSnxten Kreise hervorging sondern auf 
UttHag, dem allgemeinen Boden der Zeit gewachsen ist, dient Lessing, 
auf den die Bomantiker sich so ^ern beriefen und der ihnen 
in diesem Falle in der That vorgearbeitet hat, Wie hebt 
sich sein Schrates ab von dem blassen Tugend-Ideal der 
gemeinen Aufklfimng, seine Auflassung der sokratlschen 
Methode von der flachen eines Wieland der an ihr nichts 
weitdr als »Leichtigkeit und Anmuth« su rtthmen weiss: ihm 
ist Schrates der strenge Forscher, der definfrend auf das 
Wesen der Dinge dringt, und die Methode des Fragens imd 
Antwortens erscheint Ihm bei rechter Handhabung noch immer 
geeignet »die tiefsinnigsten Wahrheiten« heraussubringen 
Auch er war kein Mann der Systeme, wenn er auch von 
einer philosophischen Grundanschauung geleitet wurde; nicht 
der Besitz der Wahrheit war ihm werthvoll, aus dem immer 
regen Trieb danach floss die Seligkeit seines Daseins, das 
unablässige Forschen als solches genügte ihm als Bedingung 
menschlicher Vollkommenheit -), Diesen Grundsätzen treu 
wurde er nicht uiüde zu iorscheu und in sokratiscber Weise 



1 Literalu rbr 1 1 'WW. voo Maituhn 6, S4 f.; 
i DupUk: WW. 10, 58. 



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AcbUehnl«» Jahrhunderi: Deutschland. 



ZU forschen, dialogisirend und definirend; und einer der 
gründlichsten Kenner Lessiugs'^ hatte ganz Recht dessen ge- 
saininle Lehensar})eil mit der platonischen zu vergleichen so 
wie diese sicli Schleiennachers Auge dargestellt halle. 

Während so die Theorie den Gosprfichen des wirklichen 
Lebens als ihr Schallen folgte, hallen jene doch auch ihr 
Spiegelbild in der [Jteratur. Ich muss mich hier auf Andeu- 
tungen beschranken. Eingeführt, wie schon bemerkt (o. S. 4^8), 
wurde der Dialog durch Mendelssohn und Engel. Doch trat er MendeiAsohu. 
ungefähr gleichzeitig auch aus dem Kreise Bodmers hervor, 
wirkliche Gespräche in die Literatur verpflanzend; und wie 
es einmal seine Art ist sich an den laufenden Streitigkeiten 
zu betheiligen, so greift er hier unter andern auch in den 
Streit der Schweizer mit Gottsched ein ^ . So verschiedene Fragen 
er behandelt) der Literatur, der Moral, aber auch derMelaphysik| 
immer dient er doch der Klärung und Verständlichkeit. Aus 
dem gleichen Grunde mussle er Justus Möser und dem grossen Justus M@ 
Könige') zusagen, nach dem man seit Kant das Zeitalter su 
benennen pflegt Aber nicht bloss in den HAnden kfihler 
Yerstandesmenschen finden wir ihn ; leldenschaftlidie Stflrmer 
und DrSnger bemScfatigen sich seiner, die Freude an Gegensfitsen 
haben, und geben ihm eine mehr dramatische Haltung; so 
Schubart und KUnger, Insbesondere Dialoge des letiteren lesen 
sich wie Scenen aus dem Don Garlos. 

Die namhaftesten Schriflsteller, alle unsere Glasslker treffen 
wir bei der dialogischen Arbeit. Natürlich fehlt darunter der 
liebenswtirdige Lucian der Deutschen nicht, der sein griechi- 
sches Vorbild nicht nur flbersetste sondern in der »Lustreise ins 
Elysium«, im •Peregrinus Proteusf, in »den GOttergcsprSchenc 
für seine Zeit dichtend fortsetste ähnlich wie Hendelssohn den 



Flitdrioh der 



VttlMd. 



4j Danzel in Üanzpl-niihraucr. l.o<5in|2 fl ' 3 7i i 
t Vgl. iÜHT alles du'S L. Hir/.cl. Wiflaml innl Kuiizl» i>. 73 ff. Bei 
dem üeMpracb S. 4ü 11. über klopslock^che Oden kuiin man sich an Piatons 
Protagoras und öw Gesprlfch Über das Gedicht des SimonideB erinaern. 

3) Denn ausser den früher (S. 406,4) erwähnten TodtengespFttchen hat 
Friedrich der Grosse auch Gesprttchc ».sur rinnocence des erreurs de 
resprit« Oeuvres VIIl 83 ff. und »sur Ics libelles« l\ 52 fr.) verfassl, dazu 
den Embryo *'\ue< Dialogs »Dlalogue de Morale«, gegliedert in Demaade 
el Roponse \IX 4 01 ff.j. 



Üigiiizeü by <jüOgle 



424 VUL Der Diftlog im Mittelalter und deo neneren Zeiten. 

Phaidon modernisirt halte. Sein frühester Versuch in der dialopt- 
schen Kunst, wie er selbst sagt, war das Gespräch vom Jahr t754 
»Ueber scheinbare und* wahre Schönheit t, nach der athenischen 
Dame, die darin nüt Sekretes redete, aTimocleae genannt Se 
trieb er im sokratischen Fabrwassw weiter, die Augen yor» 
züglicb aufXenopben gericbteC^ bald selbstindige Dialege ver- 
fassend ^) bald ErsShlungen dialogisirend oder mit Dtalogen 
untermischend. Mit den Jahren, bemerkt er selbst, wurde 
dieser Weg mehr und mehr gebahnt, man lernte Dialoge 
schreiben. So warf er die antike Krflcke und Maske weg 
schon in seinen »Unterredungen mit einem Pfarrer«, und, als die 
StQrme der fransöstschen Revolution ihn berOluten, in den 
»Gesprfiehai unter vier Augen« über politische Fragen der 
Zeit. Nur aus dem Zuge der Zeit ist es su erkllren dass 

Klojwtook. auch der Lyriker Klopstock sich unter die Dialogenschreiber 
verlor, ohne freilich aul diesem Gebiete neue Lorbeern zu 
pllücken: das dialogische Element sjsukt bei ihm schon in der 
Gelehrten-Republik, selbständig gestaltet erscheint es in den 
moralischen und den grammatischen Gesprächen, voü »ieaen 
die ersteren schablonenhaft imd matt sind, die letzteren durch 
die grillenhafte Einkleidung -j im erslni Gesprach i. B. sind 
die (irammatik, das Urtheil , die Einbildungskraft und die 
Empfindung die redenden Personen) verdorben werden. 

Nach der Art seines mündlichen Gesprächs, nach seiner 
poetisch-philosophischen Anlage und nach der Ansicht, die er 

SoUliw« sich vom Nutzen des Dialogs gebildet hatte wäre Schiller wohl 
der Manu gewesen unserer Literatur einen klassischen Dialog zu 
schenken. Schon früh hat er sich auch um den Dialog bemQht, 
lunächst freilich um den Dialog eines Andern, den seines Freundes 
Scharffenstein, den er ftlr das Wttrtembergische Repertorium be- 



f Hier sei nur noch bemerkt, dass die Ficlion eines wiederenl- 
deckten antiken Werks, deren er sich im «Nachlass des Diogenes« be- 
dient, an die Phoition-Dialoge Mablys erinnert {o. S. 411). 

S) A. W. Schlegel hat dies wltsig dadorch ülMfftrainpft, dass er in 
seinem Gespräch (Iber Klopstocks GesprSche unter Andern die Griüe 
selber redend einführt. 

8) Briefw. mit W v Humboldt S. 382: 7ti AufTö^UDg von Zwtifeln 
ist der Dialog fast un» üU fulich; eine VierteUtunde wurde uns wahr- 
scheinlich im Gespräch vcrsiuudigen. 



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Acbtaehntet Jahrhundert: Deutschland. 



485 



arbeitete: später ging aus wirklichen Unterredungen dns philo- 
sophische Gespräch des Geistersehers hervor • . Damit hat aber 
auch seine dialogische Tbfitigkeit ein Ende. Das GesprSch Über 
das Schöne, mit dem er sich eine Zeit lang trog, ist nie aus- 
geführt worden und wir mflssen daher wohl um uns in trOsten 
sn der ktthnen Vergleichung greifen, die in neuerer Zeit 
f wisohen seinen philosophischen Briefen und den platonisehen 
Dialogen angestellt worden ist^. 

Auch bei Goethe ist ein Theil des dialogischen Dranges, wie öotth«. 
er selbst bekennt*], in Briefen aufgegangen, ein Theil den Boma- 
nen zu Gute gekommen »den sokratischen Dialogen unserer Zeit« 
wie Fr. Schlegel sie nannte Was von Dialogen seuier Hand 
bekannt ist, sind die Dialoge der Propyläen, die uns einen 
Einblick in die GesprSche der Weimarschen Kunstfreunde ver- 
statten*), und die Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten, in 
denen der Dialog steh wieder einmal sum Vehikel von EnSh- 
lungen hergeben muss (o. S. 888. 374). Beide gehOren erst der 
Spüleren Zeit des Dichters an. Üm so mehr Beachtung ver- 
dienen die beiden kleinen GesprSehe im Werther"), das an- 
muthig humoristische Uber die schlechte Laune und das tragisch 
leidenschaftliche Aber den Selbstmord: sie lassen ahnen wie 
etwa der junge Goethe dergleichen moralisirende Themata im 
Geschmacke der Zeit erörterte, da er unter seinen Strassburger 
Gesellen als schlagfertiger Dialogiker dem unbeholfenen Jung- 
SUlling iiT) Gespräche beisprang 

Nirgends beobachlcn wir das Wachsen der tiialogischen Be- Htriir. 
wegung so deutlich als in der Art wie Herder sich in ver- 
schiedenen Zeiten seines Lebens auch zu dieser Form verschieden 
gestellt hat. In den Fragmenten bereits steht sein frühester 



V, C. V. Wolxegen, Laben Scbillars I 16S. ISS. 

Sj Von Cuno Fisoher, Schiller als Pbttoaoph 8. 78 t 

3 WW. in 60 B. U, J09 f. 

4 Haym, Die roiniintische Schule S 2<2. Hierzu stimmt SrhelMng, 
Clara S. 339: »oh ich gleich einige mit Itccht geschätzte Humane kenne, 
die wenn sie etwa moralische Gespräche überschrieben wären, den Titel 
Dicht durch den Inhalt beschimen wttrden«. Vgl. o. $.44. 

5} WW. (In 60 B.) S8, S. « t 
6 WW. 16, 44 IT. 64 (T. 
7j & flberdiM 1 & 89, 4. 



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426 Vlll. Der Dialog im MiitelalUr und den neuereii Zeiten. 

Dialog "Gespräch /wischen einem Rabbi und einem Christen 
Ober Klopstocks M^^^^sias«. Was dagegen philosophische Er- 
örterungen betrifft, so war er damals noch der KAnüschen 
Meinung dass für solche die dialogische Fonn minder passend 
sei (o. S. 44 8, i). So widerstand er auch noch spüter dem 
dialogischen Kit/el, einmal als er ihn nach dem Lesen tod 
llendeissohns Phädon Uberkam *) und ein zweites Mal da er 
die »Slteste Urkunde« schrieb^). Man wflrde daher auch noch 
in den Gesprächen Ober die Seelenwandening, die 1781 er- 
schienen, diese Form mit dem Vorgang Schlossers entschuldigen, 
gegen dessen Dialog er polemisirte, brfichte nur nicht das 
folgende Jahr abermals einen Dialog, die Abhandlong Qber 
den Geist der hebrSischen Poesie, and in der Vorrede eine 
aQsdrttcldiche Empfehlung dieser Form'). Man wird daher viel- 
mehr eine Wandelung in Herders Deurtheilung der dialogischen 
Form anzuerkennen haben, die sich wo möglich noch deutlicher in 
den Briefen das Studium derTheologie betreffend« vom Jahr 1786 
ausspricht^! un l durch die Praxis der folgenden Jahre vollauf 
bestätigt wird, dni v h die Spinoza-Gespräche und was er weiter 
an kleineren Dialogen übersetzend nachl)ilden(l '; oder frei 
schaffend in die Adrastea eingerürkt hat Auch für Herder 
ist der Dialog mehr als eine blosse Kuostfonn und beruht 
zum Theil auf persönlichen Erlebnissen, auf wirklichen Ge- 
sprächen mit seiner Frau und seinen Freunden die von ihm 
mehr oder minder geschickt umgestaltet sind^) im Uinblick 

4; Uaym 1 SüS. 

S) Zur Theol. 7 Von*. S. VII. Haytn I 565, 1. 

S^^ Vorrede xum ersten Theil 8. Xl. Im zweiten Theile hat er diei» 
Form freilich wieder fallen lassen, eher aus Gründen die wie die Vor- 
rede angibt in der Natur des li**sonderen Oegenslande'« liegen. Vgl. hierzu 
Hayin II 4 76 f., von (les!»eD Meinung ich hier aUerdin|$s etwa« abweiche. 
Vgl, auch I .'J. 307. 

4 Z. Rei. u. Theol. 40, 73 f. Die hier ausgesprochene IMirang, das 
die dialogisofae Form daxu diene, den Vortrag sanfter und ebener to 
machen, dass sie den anmaaasUchen Qgotsinus des Monologs v«mieidr. 
suchte er in dem »GespFitch nach dem Tode des Kaiser Joeeph II« m 
bewähren flayni IT il»3 V. 

5) i>o\hsl die lif'rtiipti'irhf I.itoriUur ist ihm tiierfiir nirht zu <?erinf : 
♦iespfiich zwischen Hi mn'- uml IVtinunder Phil. u. Ge»€ii. y. *iö ü. 

6 Unter Theophron und ihean(» der Spinoza-Gespräche veraleckeu 



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Achtzehntes Jahrhundert: Deutfchland. 



427 



namentlich auf seine Lieblinge Berkeley und Shaflesbun, 
hinter welchen Meistern freilich der Deutsche weil surUck 
bleibt. 

WShrend Herder in Folge äusserer Umstände zum Dia- IiMiiaf« 
logiker wurde, brachte Lessing dazu die allerstSrkste Natur- 
anläge mit. Er war ein DialektilLer von Gntfos Gnaden, 
dessen Sache das Unterscheiden war und der sich deshalb 
am liebsten in der Region der Widersprüche und Zweifel 
aufhielt 1)* Schon früh war ihm Wesen und Werth der so- 
kratischen Methode klar geworden (o. S. 428, 1). Doch mussle 
die LeidenschafUlchkeit seiner theologischen Hündel hinxu- 
kommen um den Dialektiker In ihm mit dem Dramatiker su 
verbinden und so den Dialog hervorxurufen, der Änfhngs sich 
nur in der Form der Diatribe äussert dann innerhalb des 
Rahmens der Abhandlung noch tum GesprSch heranwichst'] 
und schliesslich frei heraustritt in die Literatur als selbständiges 
Werk. Zu Letiterem ist es freilich nur sweimal gekommen, 
im »Testament Johannist und in den »Preimaurergesprilchent«). 
Beides sind anerkannte Heisterslücke. Hier mag nur darauf 
hingewiesen werden, dass Lessing in ihnen, so wie er es von 
der sokralischen Methode rühmt, auf das Wesen der Dinge 
dringt, auf das Wesen des Ghrislenthums und auf das Wesen 
der Freimaurerei, und eben dadurch su den »allertiefsinnigsten 
Wahrhelten« leitet. Platonische Dialoge, die den Neueren bei 



Bich Herder und Karoilne, \vührend in den GespracheD Über die Seelen- 
wanderunp dem Tlirrifjes-Hcrder in Charikles eine Person ge£rpntiher«!teht, 
in der vj, 1, /iil:<> s. lilo-^spr«; und Müllers zu mischen scheinen. Näher 
ausgeführt von Haym ii HS. 297 f. 

4) Nach Goethes Ausdruck bei Eckermann 1 S49. 

t) Jeaa Paul WW. 49, 8U (4, 17S) nannte dergleicbeo »philo- 
sophische Selbstgespräche t welchen dasu nichts als die blosse Einsdial- 
tung mitsprechender Namen abgeht». 

3 Üer Art sind die Gespräche mit dem Niirlihar lAVW. 10, «5 (Tj 
und mit dem Leser 74 ff. so wi<' der » kiuizeldiaiog». ««mii Dialog und 
kein Dialog« ^le ihn Lessing eharakterisirt S. 149 ff. . Auf die letztere 
Erfindung tbul er sich was zu gute and liat deshalb nodi ein zweites 
SIttck nach der gleichen Schablone ausgearbeitet (WW. I|t> 8,H9tL^ 
Vgl. anch 1 S. 458, S. 

4 Das r,i>»prttch ttber die Soldaten und Mtfndie« ist Fragment 
(WW. 44b S.1Ö«,;. 



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428 VlU. Der Dialog im Miltelalter und den neuerea Zeiten. 

jeder Gelegenheit einlallen. -^Ind es tmlich nicht. Dazu fehlt 
es ihnen an Scenerie und an dt r bc jueuien Brttile und Lässigkeit 
der Hede, die uns ein Ausruhen von der dialektischen An- 
strengung möglich macht. Auch Lessing sucht den Ton der 
natürlichen HpHp in trefl*en, die Volks- und Umgangsprache 
nachzubilden, aber von einer andern Seite her, mehr in der 
Wahl der Worte und Wendungen. Im Uebrigen ist seine 
Ausdrucksweise bis ins Einzelne hinein ktinstlicb und zugespitzt, 
80 wie es niemals in der Natur des wirklichen Gesprächs liegt 
und auch nicht in der Natur des Lessingschen GespricbB 
gelegen haben kann^\ 

Lessing war kein Improvisator wie Diderot, dessen un- 
ordentliche Schreibweise er im Gegentbeil tadelt Die Logik 
bändigte in ihm durchaus die Leidenschaft und unterwarf 
Alles der strengsten Oekonomie. Wenige knappe Striche 
müssen uns fllr die Seenerie genOgen und mit Worten und 
Gedanken geitt er wie noch niemals ein so reicher Mann ge- 
geist hat, nur das Allemathigste und Wesentlichsie gOnni er 
uns, das Uebrige mag der Leser selber finden; es ist ein 
athemloses Jagen und DrSngen, eine Ungeduld in den redenden 
Personen, die einander nicht einmal aussprechen lassen^). 
Hiervon kann ein Theil auf Rechnung der Zeit gesetxt werden : 
das unnöthige Beiwerk der Dialoge missbilligte auch Herder 
(o. S. il8, %)f auch die Unterbrechungen finden wir bei ihm, 
freilich viel seltener, wie ebenso bei Klinger und bei de 
Maistre'). Anderes mag sich ans Lessings Individualitfit ab- 
leiten. Ober dessen mit den Jahren sunehmenden Lakonismus 
schon Goethe klagte und dem wie Andern seiner Art wie 
einem Sokrates und Johnson der Sinn Iftr die Landschaft 
abging, von dem man daher auch keine Natursehllderungen 
erwarten wird wie sie Shaftesbury und Berkeley (und ge- 
legentlich sie nachahmend Herder) in ihren Dialogen gegeben 



1 Oefter bemerkt, unter Andern auch von Viktor Hehn, Beilage 
No. i42 zur Münch. Allg. Zeit 4 892 S. 4. 

S) Diesen UnterbreebuDgeD im Dialog hat Lessliig ausdrttdtlfcb da» 
Wort geredet: WW. 41« S. 10 1. 

S) Die SteSlf Allemagne S. 69 (Paris 1866', rechnet dei^dchea (le 
plaisic d'intcrromprc' unter die EigenthttmUchkeiten der fraofOsiacheii 
CoQvers&tioD, die der deutscheo abgeho. 



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Achtsehntes Jahrhundert: Deutschlaiul. 429 

hatten. Die Hauptsaehe aber, aus der die EigenthOmliobkeiten 
des Lessiogaoben Dialogs sieb insgesammt erkUren lassen, 
bleibt die Verwecbselimg mil dem Drama. Für das Drama 
genügt eine Andeaiimg der Seenerie, die dann auf der Bllbne 
weiter ausgeflibrt werden kann; im Drama darf mit Worten 
und Gedanken gespart werden, da es bier vor Allem auf 
Handlungen ankommt; im Drama endlieb darf der Affekt der 
Redenden sieb in der Weise vordrängen, wie dies durcb die 
Unterbrechung im Dialog gescbiebt^]. Mebr dramatbcb, als 
echt dialogisch, sind auch die Schlusswendungen Lessingscher 
Dialüge, die in einer sehr scharfen epigrammatischen Pointe 
besteben: im Altertbum hatte dergleichen Lucian, aber nicht 
Plalon (o. S.29i vgl. auch o. S.339,2). So verlangen Lessings Dia- 
loge nach einer Ergänzung, wie sie da^ Drama in der Autlührung 
hat, und da sie eine solche als Dialoge nicht (itulen, so bleiben 
sie als Dialoge zwar meisterhafte Skizzen, aber nur Skizzen'-^). 

Nicht sen>stSndiff war der deutsche Dialoe seinen Weg Fi«md« £ia- 
gegangen. Schon das älteste Werk der Art, Mendelssohns 
Briefe und Ges]>räche über Empfindungen (aus dem Jahr 1755) 
sind einer bekannten Anekdote zu Folge die Frucht einer Lek- 
türe Shaftesburys, zu der Lessing seinem Freunde verholfen 
hatte Engländer und Franzosen haben dann weiter ihr > 
Redlicbes gethan, die Bewegung im Gang zu erhalten. Ihnen 
gesellten sich die Alten, namentlicb Lucian und die Sokratiker. 
Wer hütte damals nicht aus dem sokratiscbeu Becher Liebe 
und Weisheit getrunken! Doch war es nicht Piaton, der diesen 
Öfter recbt dOnnen Trank kredenste» wenigstens der Regel 
nacb nicbt, sondern Xenopbou. 



1; So fasst es Lessing selber auf a. a. 0.: »Wer fragt nach der 
Wohlanstiindigkeit, wenn der AfTekt der Personen «B erfordert, dass sie 
unterbrechen, oder sich untcHirechcn hi!>sen?<» 

tj Hiur iuag noch der Dialog des Proselytenmachers erwähnt wer- 
den vWW. ii^ S. 99 f.), den i. Beruays ^Ges. Abb. ü 2i5) eins der 
grössteo Meisterstücke Lessings nannte. Auf den Namen eines Dialogs 
im engeren Sinne hat aber auch er Iceinen Ansprach, da desaen Ueber* 
rednngskanst schliesslich nicht auf das Denken, sondern auf das Handeln 
eines Menschen zu wirken sucht und er aus diesem Grunde im Ztisammen« 
hange einer Erzähl unji oder eines Dramas seinen rechten Platz haben würde. 

3 Anderwärts linden wir, wie schon früher bemerkt wurde, Mendels- 
»ol»n aul den »puren Berkeleys ^o. S. 403, 3;. 



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430 VIIL Der Dialog im Mittelalter und den neaeren Zeiten. 



Flatoa. Mit der Zeit ändert sich dies, ja kehrt sicli um. Dazu 

luusste selbst die Opposition eines Wieland beitragen , der 
zu Gonsteo seines lieben Xenophon und Aristipp ewig an 
dein grossen attischen Philosophen henuDDörgelt. Auch die 
Philülou:<'n wandton sich Platou wieder zu. Allen voran auch 
hier die Wege zeigend Fr. A. Wolf; an Piaton begeisterte sich 
Winckelmann. Platonisirende Neigungen treten bei Mendels- 
Joh. Georg sohn, bei Herder 1), bei Goethe hervor. Bei Job. Georg Schlosser 
fuhren sie in einem GesprSch ttber die Seelenwanderang, 
auf das Herder antwortete, und sum Xenokrates (oder Aber 
die Abgaben) der die Physiokraten auf deutschem Boden 
ebenso bekfimpfte, wie Galiani in seinem Dialoge die franiOai- 
schen bekSmpft hatte (o.S. 4U). Und wenigstens ein starkos 
Ingrediens ist der Piatonismus in der irOben aus den yer- 
schiedensten Elementen . susammengeflossenen Fluth, die dch 

HdiiNto durch Heinses dialogisirte and dialogische Schriften wSltt, 
den Ardinghello, die musikalischen Dialoge, die Dialoge über 
das sinnliche Vergnügen zwischen Epikur und Leonliam -;. 
Durch das Lesen der Alten und besonders der platonischen 

B«hberg. Dialoge angeregt, schrieb A. W. Rehberg um mit dem - Phai- 
donc zu welteifern seinen iiCatfxr 1780) *;. Als die wahre 
fr. fl. Jacobi. Philosophie galt der Platouismus einem Friedr. Heinr. .laco'lii. 

und hat denn hinsichtlich ihrer Annäherung an die plato- 
nischen Dialoge die zum Dialoge strebende Schrill «von den 
göttlichen Dingen« bereits ein Zeitgenosse geprüft^); aber auch 
Itlr das Gespräch über »Idealismus und Realismus" gilt das 
Gleiche insofern als darin der Dialog den Muth zeigt weitab 
von der flachen Popularität die tiefsten Fragen einer Philoso- 

1 Hierher fichorl auch, dnss er Z. schön. Lit. u. K. I 106 den Ari- 
stoteles nennt .Socralis »l fhilonis pcjor proprnics«' Als litemr- 
historische Cunositiit niai: in unserer Zeil, die sich viel mit 'it a arislu- 
telischen Diulogea beschuüigl, angeführt werden, dass Herder zu wissen 
glaubte, weshalb Aristoteles keiae Dialoge gesdiriebeD habe Z. scfatfa. 
L. u. K. I 168). 

1) Die letzteren mir aur aus Arnolds Vorr. xu des musik. UalL 
bekannt. 

3 Wenige Jalire danacli 1785; gab er » Philo-ojiliiM.lu r.. sji riebe 
\ü\*^r das VergniiiiiMif heraus, bei denen ihm aber niclit inrlu antike, 
sondern franzüsi>« he Muster vorschwebten: Säiuoitl. Schriften i 19 ff. 

4, B. G. Niebuhr Leben2>uachr. 1 50i>. 



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Achteehntes JahrhuDdert: Deutschland. 



431 



phie xa erörtern f). Doch dies fQbrt uns noch einmal zu den 
Romantikem. 

Ihre namhaften Leistungen für die Theorie des Dialogs 
sind schon besprochen worden (o. S. 4SI f.). Die kfinsderische 
Praxis hinkt da freilich etwas hinterdrein. Schleiermacher, SaUil«^ 
dessen Lieblingskunst die Kunst des Dialogs war^), hat sie, 
wenn auch in Zwischenräumen, sein Leben lang geübt. Die 
Schärfe und Beweglichkeit seines Geistes, die sich jeder Nu- 
ance des Gedankens leicht anschmiegende Gewandtheit seiner 
Rede befähigte ihn dazu wie Wenige. Noch in späten Jahren 
benutzte er die dialogische Form um auf die kirchlichen 
Streitigkeiten der Zeit einzuwirken in dem »^Gesprfich zweier 
Selbst überlec« iider evaneelisrher ('liristen fihcr die Schrift 
, Luther in Bezug auf die rieue pieussische Atmende'«. Schon 
in der Jugend hatte er sieh in Gesprächen über (iie Freiheit 
versucht Vollends im Feuer der platonischen Arbeit wurde 
er zur Nacheiferung angetrieben und fasste den Plan zu einer 
Reihe von Dialogen. Was uns davon vorliegt ist das Gespräch 
über das Anständige, das zwischen Sophron und Kallikies im 
Thiergarten geführt wird und welches trotz der Berliner Luft voller 
platonischer Reminiscenzen ist, und die Weihnachtsfeier, wohl 
eine der anmuthigsten und eigenthUmlichsten Nach- und Umbil- 
dungen des platonischen Symposions; ihnen reihen sich an 
die ganz dialogisch gehaltenen »Vertrauten Briefe Über die 
Lucinde« und als Selbstgespräche die »Monologen c 

Während Schleiermacher, fihnlich wie Lessiag^ ein ge- Friedrich 
borener Dialogiker war'), würde Friedrich Schlegel ohne seine ^«i^* 



4) Nicht unwichtig Ist übrigens auch bei Jacobl su bemerken, dass 
sein ganzes Wiricen undPhilosophiren auf einen geselligenKreis vonPreunden 

bezogen war; dass er Gesprtche mit Lessing aufzeichnete, wurde schon 
früher S. 420; erwähnt: so spüren wir auch hier einen festen Boden der 
Wirklichkeit, den der literanschc Dialog unter sich hatte. 

%) Am Schleiermarhf'i s l.t'lifn III 322. 

i) Ü. 6. 44 ö, 4. Vgl. noch aus den »Monologen« S. 37 (I846j; «es 
troclmen mir in der Binsamlteit die Sülle des Gemüths, es stocket der 
Gedanken Lauf; ich muss hinaus in mancherlei Gemeinschaft mit den 
andern Geistern, nicht nur tu schauen, wie viel es menschliches gibt, 

was lange ja wohl immer mir fremde bleibt, und was hingegen mein 
eigen werden kann, nein nuc Ii iniincr fester durch Geben und Empfangen 
das eigene Weaeu 2u bestioiuieu». ü. 38: »Drum mag ich alles gern in 



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432 VIH. Der Dialog im Hiltelalter and den iieii«r*n Zeiten. 

literarhistorischen Arbeiten schwerlich auf dieses Kuustgebiet 
gerathen sein, das er denn auch in seiner Lucinde und in 
dem Gespräch libor die Malerei kümmerlich genug bebaut 
AugMtWll- hat'). Sein Bruder August Wilhelm erscheint auch hier mit 
elmSoUeKol. gein^Qj Weltstreit der Sprachen«, jenem Gespräch über Klop- 
stocks Gespräche (o. S. 424, ä), und mit den »Gemälden«, 
einer kunsihistorlschen Betrachtung in Mitten von Dresdens 
Sammlungen, als der ungleich formgewandtere. Unter denen, 
die der neu erwachte Geist Piatons auf die Bahn des Dialogs 
Mg«, lockte, sind noch Solger (Erw^'n, Gespräche über das Schöne 
DtlMMki und die Kunst) und Ferdinand Delbrück (Ein Gastmahl, Reden 
und Gespräche über die Dichtkunst) su nennen, beide In 
der Kunstfonn der Philosophie, wie man liebte und wie es 
so natttrlicb war, die Philosophie der Kunst erftrterud. Was 
ihn sur Wahl der dialogischen Form bestimmte, darüber hat 
sUAk Solger in dem einleitenden Dialog, den er auf filmliehe 
Weise, wie Piaton im Theaitet dem Hauptdialog vorausschickt, 
so ausgesprochen: »Das beste Phüophisiren ist und bleibt doch 
immer das gesellige. Bs ist das eigentlich wirkliche, es lebt 
unmittelbar; es kommt aus dem Hersen und geht suHersen. 
Und wenn alle Phüosopliie wirkliches Leben werden soll, wie 
die Weisen sagen, so Ist es eine solche schon. Denn jeder, 
der an solchem GesprSche radit innig und olTen Theil nimmt, 
ist selbst nur eine besondere Gestaltung der8ell>en«'). 

Das war damals, wenn auch alte Kantianer wie Bouter- 
wek noch immer die frühere Ansicht verfochten^), eine 

Gemelnsrfinfi treiben: beim iniiern Denken, beim Anscliaun, l)«Mm Aneig- 
nen des Frenidfii ht-darf ich irgend «-ine*» geliebten ^Veseu^> üej^enwart, 
dass gleich an die innere Tbal !»icb reilie die Millheilung, und durch die 
Bttflie uad leichte Gabe der Ptwodaehaft Ich mich leicht abfinde mit der 
Welt«. Vgl. dato o. S. 400. 419. 

4) GesprSche Uber die Charaklere im Meister fordert er WW. 10, US. 

2} S. darüber die RemerkuDgen von Jean Paul 44, 172 ft. = 19,812 fr.) 

3 Schlies*>Iich fü^t er, nachdem er auch die Schwit-rk-keiten der 
dialogischen Konn zugegei)cn iml, noch hitizu: »Die \ nrzugüchslco Grunde 
für das Uuternehmen waren mir aber, dass mir ersleus diese Gesprächs- 
weise nicht angedichtet Ist, und zweitens, was noeh wichtiger scheiiit, 
die Natur der Sache. Denn ich kann nichts besseres Anden, um den 
innem Mittelpunkt und die äussere Erscheinung einer Idee tugleich, und 
als Eins und dasselbe auszudrücken als das GesprSch«. 

4^ In der Vorrede xu den Dialogen S. VII rühmt er swar die 



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Achtsehntes Jahrhundert: Deutsdiland. 



433 



verbreitete, in gewissen Kreisen die herrschende Anscbauunp 
der sich zeitweilig wenigstens selbst der starre Rhetor Fichte Plehte. 
bequemte. Die Zeit der dialogischen Mode traf bei ihm zusam- 
men mit der Periode, da er sich anschickte seine PiiUosophie zu 
popularisiren: daher dachte er sich einen LeBer aus dem Publi- 
kum, mit dem er sich sowohl Uber »eine neue Darstellung der 
Wissenschaftsiehre c (1797) als (»in dem sonnenklaren Bericht«) 
»Ober das eigentliche Wesen der neuesten Philosophie« (1801) 
ins Gespräch setzte. Es ist diesdbe Zeit, in der Fichte die 
Selbstbeinnung als den Schlflssel zu seiner Philosophie em- 
pfahl und die Forderung stellte die Aussagen des Selbst- 
beschauens in Begriffe und Worte su bringen; es ist ferner 
die gleiche Zeit, in der auch Andere den Zwiespalt im eigenen 
Innern des Menschen, den Kampf von Freiheit und Nothwen- 
digkeil nicht bloss empfanden und bedachten, sondern auch 
klinstierisch cum Ausdruck su bringen suchten : daher erschie- 
nen nicht luiSllig in demselben Jahre (4800) Schlelermaehers 
«Monologen«') und Fiehtes Selbstgespräche ttber »die Bestim- 
mung des Menschen«. In leidenschaftliche Seelenqualen ver- 
strickt zeigt uns hier Fichte den Zweifel, fast dramatisch fuhrt 
er ihn uns vor Augen, aber wie ein schlechter Dramatiker 
weiss er keine andere Lösung des Coallikts als durch einen 
deus ex machina , indem er wie in Erinnerung an die Scene den» ex ma- 

dialogische Form der Darstelluii;^ uls dicjeuigc udic das üsthetisctie Interesse 
am natflrlichsten mit dem Interesse der Wahrheft vereinigt", hebt aber 
gleichzeitig hervor, dass tranacendentale und pbilosophlach höhere Unter- 
suchungeo durch dialogische Behandlung gewöhnlich nur verdunkelt und 

erschwert würden. Desgleichen hält er an dem rriterschiud von esoterlBcb 
uiifl fxotorisch fest. Eine Concession mii dir Romantiker war es wohl 
wenn er in der Aestiietik von» J. 1815 Bi iim i kunt-cii über die Kiinstprosa 
überhaupt bin/ufügt, die in der vom .1. 1806 noch teiticn, darunter eiuo 
auch Uber den platonischen Dialog (S. tsi) dem er ganz wie Schleier- 
macher die Kraft nacbrtthmt zum Selbstdenken anzuregen. In dem Auf- 
satz üher «die Wiederherstelihng der Moral« (KL Sehr. I 418} sieht er hi 
Piaton lediglieh den Metaphysiker undSystematiker, genau wie Tennemann. 

1' Ati die>i' dt't Besprechung von Fi« liles .Schrift zu erinnern 
scheint mir nutzlicher als wie Krinn Fischer thut Tri'sch. d. n. I*h. V" 
652j an De.s Cartes Meditaiiuiien. Wt-uige Jahre duruuf (1803) eri>chien 
im Neuen Museum der Philol. u. Literatur eine ähnlich componirlc 
Schrift von Bonterwek »Der Philosoph. Ein SelbstgesprSch« {wieder ab- 
gedruckt Kl. Schriften I). 



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434 Vm, Der Dialog im Mittelalter und den neueren Zeiten. 

des Faust den Geist der Mitternacht citirt und ihn diirrji 
Katechese aus dem Ich das neue trostbringende Evangelium 
hervorlocken lässt. Auch dieser deus ex macbina blieb nicht 
SoUeier- unbestraft: Schleieimacher hat ihn in seiner berühmten He- 
"^piilk^^'ee c^nsion persifflirt und darin den Selbstgesprächen von Autoren 
BMflBNBtoii. das Selbstgespräch eines Recensenten zur Seite gestellt*); 

Immer kühner war der Dialog in seinem Popularisiren der 
Philosophie geworden nnd hatte sich nicht an die von Kant 
gesogenen Schranken gekehrt: vorher bei Jacobi nnd eben 
wieder bei Fichte erschien er als das geeignete Organ, am 
weitere Kreise cum Nachdenken auch fiber die lotsten und 
höchsten Probleme ansuregen.' Wie ScUeiermachers Platon 
eine esoterische Lehre im eigentlichen Sinne nicht kennt son- 
dern sich mit seinen Schriften an Jedermann wendet der Krall 
und Lust sum Denken hat, so sehen auch die nenen Pinto- 
niker eher die BestStigung einer Wahrheit darin, dass dieselbe 
auch in weiteren Kreisen Eingang findet, und wollen keine 
8di«lliiig. Schulphilosophie. Nicht anders urtheilte Schelling^), der sich 
der dialogischen Form zunächst in der an Dialogen Iruchtbareu 
Zeit (1 802) im «> Bruno oder über das göttliche und natürliche 
Princip der Dinge t und in dem gegen Reinhold polemisirenden 
»Gespräch /.wischoD dem Verfasser und einem Freund über 
das a})Süiute Identitäts-System nnd sein Verhältniss zu dem 
neuesten Dualismus f und sodann noch einmal in Claras oder 
über den »Zusammenhang der Natur mit der (ici'-ti^rv.f^lt. 
bedient hat. »Immer tiefer in den Kern der Sache dringt 
gemeinsamer Rede Wetteifer, die leise beginnend, langsam 
fortschreitend, zuletzt tief anschwilil, die Theilnehmer fortrei>st, 
alle mit Lust erfüllter sagt Alexander im Bruno (S. 4 der erst 
Ausg.} und so führen uns auch hier Dialoge in das Innere 
einer Philosophie sa deren princtpiellen Fragen. Schölling war 

ij Saniiiiti. Werke, S. Abth., Bil. 4, S. 530 ff. 

1) S. die Aeiisserung im Bruno 8. tl (Berlin 4S0i): »Und die Philo- 
sophie Ist noth wendig ihrer Nalnr nach «aoteriscfa, ood bnivcht nicht 
geheim gehalten 2a werden« sondern Ist es vielmehr durch sich aelhst«. 

In diesem Sinno lässt eine esoterische Philosophie auch Schleiermacher 
gellen: IM itoii-^ Worke I i S. 16*. Hiermit v^l. Clara S. U3 2 Aull. 1*65;: 
>>.\urli i( h se he den Pfiilosophen lieher mit dem gesellig:» n Kranz im 
Haare ai> iiat der \^i.s?,t'uschaftlichen Dornenkrone, wo er sich als eiü 
Führer ahjieuiarlerler Ecte hoiuo dem Volke vorstellU. 



— Digtfeed by-Goegle 



Acblnluites Jabrbimdert: Deuttcbtafid. 



i35 



Platoniker und swar bis ins Einxeln«, sodass man sich auch 
in seinen Dialogen wie in denen Tassos an platonischen Re- 
miniscenxen oft mehr stösst als f^eut. Und wie Schleier^ 
machers Piaton Philosoph und Kttnstler in einer Person nicht 
nur, sondern — man kann sagen — in einem Athem ist, so 
wollte auch Schölling in seinen Dialogen sich als Poet und 
Philosoph sugleich zeigen, so wie es das romantische Ideal 
forderte und er selbst es noch ein anderes Mal für ein grosses 
naturphilosophisches Gedicht geplant hatte. Die Personen 
seines Bruno reden wie Künstler, die an der Arbeit sind: 
f>so sch eint sich mir, sagt Anselme (S. 1851. das Gebäude 
unseres Gesprächs am vollkommensten zu wölben, 
wenn wir zeigen, wie die eine Idee, welche wir gelehrt wor- 
den sind in der Philosophie vor allen vorauszusetzen und zu 
sucheil. allen Formen und den noch so verschiedenen Aeusse- 
rungen der sich in Philosophie gestaltenden Vernunft zu Grunde 
gelegen habe«. Schellings dialogische Kunst hob sich mit den 
.lahren; wenigstens gegenüber dem dramatischen » Bruno o, den 
Friedrich Schh l: 1 inen ganz schwachen ersten rohen Versuch 
nannte';, bekundet der erzählende Dialog »Clara» einen ent- 
schiedenen Fortschritt: herrlich ist hier insbesondere die an 
die grossen englischen Musler erinnernde Art. wie die Schil- 
derung der Scenerie harmonisch zum Inhalt (\ov Gespräche 
gestimmt wird — eine Art die auch Jean Pauls strenger Forde- 
rung an dialogische Gompositionen^] genügen mUsste. Schelling 
hatte damals eine vortrefTliche Theorie des Dialogs im Kopfe 
Nur Schade, dass er nicht noch mehrere Dialoge geschrieben 
und darin dieses Ideal verwirlLlicht hat: so ist auch der Dialog 



V Au«; Sfhieiermachers Leben Iii ^ii. 

2, Summlt. \VW. 44 (=49, i74: »Aber auch in den t>eslen philo- 
sophiflchen Geaprtcheii findet man nur ähnllGbe« lose Anknüpfungen an 
die WiiUichkoil, so dasa man die nttmliche Sprecbtrnppe ihre Urtbelle 
könnte eben so gal ala in einem Speisezimmer, abspielen lauen in einem 
Taozsaale, oder in einer Kirche, oder auf einem Marktplatze, mit wenigen 
Veränderunpen«. 

3) S. die Bemerkungen »Clarn" S. 135 lt. Sie stiuitiien tum Theil 
mit Sbaflesbury vibcrcin und mit einer Bemerkung Friedrieb Schlugeb 
(Aus Sehls Leb. III SS9], die dieser allerdings damals ein Recht hatte 
gegen Sebellings eigenen Bmno au kehren. 

SS* 



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436 VIII. Der Dialog im Mittelalter und den neneren Zeiten. 



»darauf nur ein Fragment geblieben. Dass Scbellings dialo- 
gische Schrillstellcroi, an die seiDO romantischen Genossen 
grosse Hoffnungen kirüi flen ^] , so rasch zum Stillstand kam, 
erklärt sich aus dem Gange seiner Philosophie, die allmShlieli 
in einen esoterischen von mystischen Nebeln nmwallteD Dog- 
matismus auslief. 

Nicht bloss auf den Höhen der Literatur unter den gttn- 
senden Namen der Schriftstellerwelt wandelte der Dialog ver- 
schiedenen Zwecken und Absichten dienend hin und her: 
auch in den niederen Hütten bei obscuren Scribenten kehrt 
er ein und beweist eben hierdurch Ihnlich wie lur Zeit der 
Reformation seine PopularitSt. Zur Zeit des siebenjährigen 
Krieges, »da man von nichts als Krieg und Kriegsgescbrey 
in der Nfihe und in der Feme hörte und sähet, suchte er 
wShrend der langen Winterabende in Göttingen den allen 

HoUmana. Prorector Hollinann in seiner Einsnuikcit aul' und veranlasste 
den wackern .Mann /.u seinem Trost und zu seiner Beruhi- 
gung ein »Lob des Krieges« in einigen Gesprächen zu ent- 
wickeln^], ünti an dem \\ eltiiesehielitliehen Streite der Schulen 
des Krnesfi und Crusius belbeiliglc er sich durch das Ge- 

Craaius und spräcli eines ungenannten iieistliehen D. Crusius und D. iiniesti« 
CrsMü. . 'Hresden <78^\ wnrin Her Baron Hast und Eusebius der Dorf- 
pastor sich über Crusius und Ernesti, ihre Verdienste und 
abweichenden Meinungen unterreden und schliesslich auf die 
Frage, wem die Gapellanstelle gegeben werden solle, einem 
Crusianer oder einem Ernestianer, die pathetische Antwort 
im Geiste Lessings und der Ringfabel erfolgt: adem WQr- 
digen!«»} 



I i Fr. .Sohlo^cl a. a. 0. 

2; » lliorzu sehien ihm di r SVcii oino«« nnziist<'!london Gcspnu !v- >]rr 
srhickliohsli' zu spyn, wnl dariiin l't'r<i*iifii kniincii aufjjeruliret VHenlfn. 
d«MHMi man alles «las m d«»n Mund l«?geii kunnU*, was von allen SmU-q 
hit'zu am ächickllclislon zu seyn scheinen und lu einigen oiuüicbeQ 
BetraehtUDgcn Gch genbelt geben konnte«. So sagt der Verbsaer wlber 
bei A. Schtfae, Die Universität Göttingen im siebeqjShrigen Kriege S. 41. 

S) Hier können auch die anonym erschienenen Dialoge über >die 
.\ufersl««hun|.'st;('s(i»ichtf Jesu Christi" erwähnt werden, durch die ibr 
Yrrfossor. der Wolfenhüttcler .^^uperiiiti niitMit Joli.uii) llrlnri- h Res?i. In 
dot» l.essiii^:s< hen Tra^mentensUeil eui^nlT. h knuie Me nur aus 
Ii. SchmiUls Lessing II 409. In der Neuen Ve§U heraujsg. von BouUTwei 



AcblMhote» Jahrhunderi : OeutscblaiuL 



437 



\achdnm sie ein halbes Jalirliundert unter den Di'iitschen Symptome dei 
gedauert hatte, verlief sich uligemach die dialogische Fluth 
wieder, Wilhelm von Humboldt und Jean Faul deuten beide Wilhelm Ton 
auf diese Thatsnche hin und suchen sie zu beschönigen. Hum- 
boldt bemerkt, dass die neueren Schriftsteller zu sehr von 
ihrem Stoff erfüllt seien und deshalb mehr Monologe mit sich 
als GeSprüche mit dem Publikum halten; es sei dies zwar 
unnatürlich, beweise aber doch »eine gute Tendenz der Ge- 
mUther auf wichtige und gehaltvolle Fülle der Ideen»'). Jean jMnFkiü. 
Paul dagegen ist der Meinung, dass »dieses Verstecken oder 
EntferDen des Resultats r, wie es zum Wesen des Dialogs ge- 
höre, »der deutschen Treue, Stoß- und WahrheitUebe und 
Unbehülflichkeit« suwider sei und «»dass uns daher solche 
GesprSche, sowie der ähnliche Skeptiker, seltener sufallen 
als z. B. den leichten Griechen t, die wir «die Wahrheit vom 
festen Glasspiegel eines Systems gezeigt erblicken wollen, 
nicht von dem bewegliehen Wasserspiegel des Drama, welcher 
durch sein Zittern und Wogen die ruhigen Blumen und Bftume 
des Ufers reizend schwanken lässtc']. Schölling aber klagte Beh«iu»g. 
Uber die Menge der Sophisten und rief nach einem neuen 
Sekretes, dessen Auftreten allein auch die Form des Dialogs 
wieder beleben konnte'). 

II HS (T. 1803 steht ein glcichfnüs anonymes GesprSch »der Spiegel 

der Eitrlkt'U . »Ix-rid;) VIT 1 ff. »der neue Salorno". !^ogar einen «Heb- 
ammenunlen ichl in < it SprücKen « veröffentlichte Stark (4801). 

ii Briefwechsel mit Schiller S. 389. 

S) SSmmtl. Werke 44, 173, (= 4it, 313 . 

S; Clara S. 185: »Zu pbUosophjschen Gesprttchen, wenn sie nicht 
unlebendig wyn sollen, werden bestimmte Persönlichkeiten erfordert. 

Daran mangelt es un.«* zwar nicht; e» fehlt »n i ht an aufgeklärteni von 
ganz Deut^ liland hocheearhtfttMi Mimnern , dit- cdl«^ Ziitmuen 

auf sich ^t t/.fti. Hri< i'\n^{ dir So|»lii-.liii Griechenlands, auch nicht an 
trotzigen, ja oft sogar fa.st patzigen Hednern, die ein schlauer Sokrates wohl 
beschämen könnte; es fehlt nos leider nichts als eben der So- 
k rat es, eine so anerkannte and doch so bestimmte Persönlichkeit. Daxu 
kommtf dass unsere Philosophen gewöhnlich nnr durch das langwierige 
weith'iutige Gespräch mittelst des Drucks sich unterreden, welches fast 
so i«t. als wenn zwei, der •in»' von Kuropa. der andere von Amerika 
aus mit «'infinder Schach spieltcu, und wobei schwerlich ein dramatisches 
Leben möglich ist". 



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Humboldt, Jean Paul and Schelling wiesen nur auf ver- 
schiedene Züge in dem Bilde einer und derselben neuen Zeit. 
Ungleich ihrer Vorgängerin fühlte sich dieselbe nicht mehr 
durch die Erörterung der Grundprohleme und durch die Be- 
arbeitung allgemeiner Boprille befriedifjt sondern empfand einen 
Drang nach festen Result iten. den sie thoils durch die Ent- 
wickelung gewisser Ansichten in ihre Conscquenzen theils 
durch die Pflege der einzelnen Fachwissenschaften stillte; die 
Gründlichkeit und Genauigkeit, die jetzt zur Arbeit erfordert 
warde, zog sich naturgemäss in Stille und Einsamkeit zurück; 
nur 80 iiess sich eine Fülle und Masse des Materials bewäl- 
tigen, die man in den leichten Gang des sokratischen Ge- 
sprächs, des mttndlichen oder des schriAlichen , nicht mit 
hinttbemehmen konnte. Der Geist des Aristoteles hatte wieder 
einmal Aber den des Piaton gesiegt. 
Der Dialog Auf demselben Wege, auf dem der Dialog su so hoher 
'ojhi^^iuder'^^^^^^S in der Wissenschaft emporgestiegen war, sank er 

WbMBiehtft schrittweise wieder cur Bedeutungslosigkeit herab Auch 
StnoM vDd solche die wie Schopenhauer und noch mehr David Strauss 

8ehop«a&M0r. ^^^^ GesprSchsform mit bewusster Meisterschaft bedienten, 
schränkten doch ihren Gebrauch auf sehr enge Grensen ein 
und schlössen den Dialog der Eine von der strengen Wissen- 
schaft^), der Andere von der Philosophie gSnslich aus. 

1 Auch die wachsende Leichtigkeit sich Belehrung und Lnt«rh»)- 
tung durch Erzeugnisse der Druckkunst zu verschaffen, hat das Ihrige 
beigetragen. Dje>* betont F. v. S. in ')<•! Conservativfn Mr nat'^schr. k$ 
(4889: S. 1090. Angedeutet wird es schuu \uii »clieUiiig o. >. i n. 3. 

2) Parerga und Paralipom. U* S. 7 f. Schou Schleierniacher inu&$te 
bemerken (Aus Scblelermadiers Lebea IV SOS) es sei bi aDserai Zelleo 
nicht mehr erlaubt im GesprSch Uber wichtige Gegenstlade su soknlMrco. 

3) Streitschriften II S. I9U. 



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In der Gegeowark 



439 



Derselben Ansicht stimmt auch Friedrich Vischer zu Daher Vkohw. 
eilt n. ihm Schopenhauer das Recht seinen wissenschaftlichen 
Erörterungen einen Dialog anzuhängen -) in derselben Weise 
wie PJaton umgekehrt seine Dialoge mit einem Mythos ge- 
schlossen l»alte. Und ernsthaften Männern erweckte von nun 
an ein Buch in (lesprächsform über einen ernsten Gegen- 
stand das Vorurtheil einer lockeren leichten Behandlung»^). 
Noch weiter ging L. Büchner, der, wenn irgend Jemand, auf Büdia«. 
Popularität aus war und eben deshalb Anfangs seinen Mate- 
rialismus in Gespräche zweier Freunde über «Natur und Geiste 
gekleidet hatte : später dagegen bekannte er sich zu der Ein- 
sicht, daBg die dialogische Darstellungsweise für das grosse 
PubUkum nicht geeignet sei. Aebnliche ürtheüe begegnen 
auch ausserhalb Deutschlands*). 

So schien der Dialog mich aus dem letzten Winkel verjagt, 
den man ihm sonst wohl gelassen hatte. Aber eine Pflanie, die 
80 gewuchert hat, kann nicht auf ein Mal ausgerodet werden: 
ihr Same ist weithin verstreut und geht Überall auf wo er auf 
gfinstiges Erdreich fSUt. Fruchtbarer Boden für den Dialog 
sind natttrliofa wieder die KSmpfe die Zeit. In den Kampf Ktmpfe d<r 
swischen Staat und Kirche (Qhren uns des Generals von Bado- 
wits »Gespriche aus der Gegenwart Aber Staat und Kirche»^), 
in denselben greifen ein die von clericaler Seite kommenden 
oWinterabendunterhaltungen am warmen Ofen«^. Die alten 
Todlengesprftche leben wieder auf in der Form von »Fegfeuer" 
gesprochene (Freiburg 1872). Dem demokratischen Ansturm 
gegen die bestehende Regierung dienten die Dialoge, die der 
Schwabe Friedrich List in seinen »Y'*iir<ifreund« einrttckto^J. 



4) Aestbetik UI U70. 

i] Vgl. die Anmerkung Fraucn«Uidts ZU Parerga und Parall II' S. 94. 

3) N. Schweizer Mus. IV S. 55. 

4) Ejjgpr, Apollon. Dysc, S. 56: cette lorint' du (iialogur pni piopro 
en U(ifinitive, et mulgrö d' immortcb excnipies, a i e^pusiliun de vcrites 
sdentffiques. Vgl. o. S. 8S, 4. 

s; Zwei Sammlungen 1846 und 4854. Vgl. Treitidike, Deutsche 
Gesch. V 23. 

6) Treitschke, Deutsche Gesch. IV 692. 

7) Gespräche zwischen Minister, Gros«vr7ier und Gerichtsrath Frech- 
stim: Treitschke, Deutsche Gesch. Ul 63. Dazu vom J. tS18 No. i6J 



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440 



IX. Rückblick. 



Die hurschenschaftlichc Bewegung scheint durch in Gesprächen 
Uber die Burschenschafl Auch das FQr und Wider der 
Socialdemokratie verkörpe rt sich in Dialogen '-'). An die Tages- 
fragen knOpfl an, erhebt sich aber unter meisterhafter FUh« 
rung weit aber dieselben su leidenschaftsloser geistvoller Be- 
trachtung ta>er das Wesen des Staats L. Bankes » Politisches 
GesprSch« vom Jahre 1836 (WW. 49/50. S. 344 IT.), gewiss 
nur der konstvoU gestaltete Typus wirklicher Unterredungen 
die der Historiker mit leitenden StaatsmSnnem geflUut hatte. 
Der denkende liilitfir'), der missvergnOgte Theologe^), Ver- 
treter der Philosophie^), aber auch der Einselwissenschaften*), 
kurz eine recht bunte Gesellschaft findet sich noch immer 
auf dem Gebiete des Dialogs susammen und seugt ftlr das 
Weiterleben dieser literarischen Form^. 

das OrgaDisatioM-Bum«!, das der Zeitgeist in Persoa mit PrioiaSt Dlti* 
mus u. s. w. aUiillt 

1 Kaumer, Gesch. d. Pädagogik IV 96 ff. 

2 Lo Cati^rhisme du Peuple: p-< werden darin Fragen gestellt, die 
sich auf (üf Ail>eitcr und deren Sklaverei bezieiieii, und auf den .\nl- 
worteu ruht daim das eulspreeheiide ScbwerjjCwicJht und der Nachdruck. 
Den ODtgegengesetzten Standpunkt vertritt »Der Volksstaat oder Was 
wollen die Solzialdemokraten? Ein Kirchweibgesprsch 'zwischen Bens 
und Kunz;«. 

3; Krnft. Pr\m lu Huhenlohe>Iogelflngen , GesprSehe ttber Reiterei 

(vgl. Preuss. .liilii l). 1887 S. 606 f.) 

4j Kugel, Advenlsgospritch in der Chri^toterpe (F. v. S. in CoQ:>er- 
valive Monalsschr. 46 [1S89] .S. 1090;. 

5; Michelet hat philosophische Gespräche geschrieben wie : «Die Epi> 
phaiiie der ewigen Persönllchiceit des Geistes«: s. «Wahrheit aus meinem 
.Leben« (WW.J) S. IS9. ^Desgleieheo Fries (Julius und Enagoras. Von 
Italittnom habe ich mir notirt De Bleis, Terenso Uamianl, Bonghl, Leo- 
pardi. Auch Renan soll philosophische Dialoge geschrieben haben. Zur 
Darstellung der Methode Piatons hnt die Form verwandt Hmmannel 
rOlivier. I.a M«nhode de Platnn explwiiie«" p<ir lui-m*^me , Paris 1883 t 
es ist dies ein tingirtes (ie>i>r.i< Ii. in den» Platuü .••pnchl. 

6, In Cox' »Handbuch der Mythologie« wird die gesammte griechische 
und römische M) tbologie in der Form von Frage nnd Antwort enShIt, In 
die philologische Cnlersucbnng dringt der Dialog ein bei A. Ludwich 
Aristarch II B74 iT. Ob Cesarls Dlalogbi sulla Dlviaa Commedto hierher 
gehi^ren, weiss ich nicht. 

7) Aus «ler englischen Literatur führe ich hier norh an Southey«. 
Gcsiprache ülu^r die r,e<pl!«5rhaft . wni iii der Dicht' i di'U tieist Thomas 
.Mores citirt darüber .\iacaulay, >chnllen uJbers. von Meger IVS. lUff. . 



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IndlvldueD und NaUonen. 



444 



Es sind nicht bloss die KHmpfe der Zeit, die sich (hin'n IndiTÜneni 
spiegeln, sondern fast ebenso sehr BegabuDg und Neigung der 
schreibenden Individuen. Was David Strauss an Hutten, Ludan 
und Piaton demonstrirt '), was er am Ende auch von sich selber 
bekannt hat'-*), das lässt sich ebenso gut nnf Tasso, Giordano 
Bruno, Leopardi, auf Diderot, Lessing, ScheUing u. A. übertragen : 
iD ihnen allen isl eniweder dem Rhetor oder philosophischen 
Denker etwas vom Poeten beigemischt oder hat umgeliehrt 
der Poet sich mit einem der beiden Anderen vertragen mQssen 
und für diesen Gompromiss der Natur ist der angemessenste 
Ausdruck die Knnstform des Dialogs, der, wie die Geschichte 
genugsam lehrt^ vermöge seines Zwitterwesens auf den Grenzen 
von Philosophie, Bhetorik und Poesie hin- und herschwankt. 

Aber nicht bloss die Individualltit sondern auch die Natio- Vittoimi. 
nalitSt macht sich in den Dialogen bemerkbar und geltend, und 
zwar nicht bloss durch die Sittengemälde, die sich darin finden, 
sondern auch durch das verschiedene Geschick in der Hand- 
habung dieser Form, das die einzelnen Völker zeigen. Die 
Franzosen sind and l)leiben das Volk der Conversation, wunder- 
voll ist seit Jahrhunderten tür diesen Zweck ihre Sprache zu 
Klarheit und Schärfe gebildet worden, (K r Schlagferligkeil des 
Geistes fehlt nie der treffende Ausdruck; eine kindliche Freude 
am Reden zeichm't den Italiäner ans, Mittheilungslust und 
MittheiluncrSErahi <irid ihm in gleichem Maasse eiL'en : die 
Oeüentliühkeit dv> Irlwiis bei beiden Völkern kommt hinzu 
um diese Vorzüge in ein noch helleres Lieht zu setzen — 
eine Öffentlichkeit die ihnen auHser mit den antiken Völkern. 
Insbesondere den (iriechen, auch mit den Engländern gemein 
isl. Dagegen verläuft den Deutschen das Leben nur zu sehr 
in abgesonderter stiller Arbeit und wir bringen daher in die 
GeseUschafl leicht eine Unbeholfenbeit des Geistes mit, die 
sich auch unserer Sprache aufgedrückt hat. Und doch sollte 
mit diesem Werkzeug gerade der schwierigste Stoff bewältigt 
werden. Schroffer als bei Franzosen und Italiänem, schroffer 
auch als bei unseren Nachbarn jenseits des Ganais stehen sich 
bei uns Deutschen Wissenschaft und Leben, der Gelehrte und 



Hutten {1S58} 1 S. 477. EiDlettung zu Huttens Gesprüchen S.S f. 
Literar Denkwardlgkeiten S. 40. 



L.iyui^L.ü cy Google 



442 



IX. Rtt€kblick. 



der Gebildete gegenüber. Der fachmännische Betrieb der 
IMlettiatiiiiuii. Wissenschaft herrscht bei uns vor, dort dagegen der dilettan* 
tische, dieses Wort Im besten Sinne genommen, und die Ge* 
lehrten scheiden sich nicht dünkelhaft wie bei uns von den 
übrigen Menschen, von vornherein verrichten sie ihre wissen- 
schaftliche Arbeit viel mehr mit Rücksicht auf das grosse 
Publikum und ttberLassen es nicht Anderen die Ergebnisse 
ihrer Forschungen zu popularisiren. In Folge davon ist dort 
nicht nur die Gabe edel popnifirer Darstellung viel verbreiteter 
als bei uns sondern die Resultate wissenschafticher Forschung 
werden auch viel leichter Gegenstand allgemeiaer Unterhal- 
tung. Es ist eben dort die Regel, was bei uns nur ausnahms- 
weise stattfand als geniale Dilettanten wie Lessing, Jacobi, 
Schleiermaeher u. A. geistige Bewegungen hervorriefen und 
der Schulpbilosophie wie jeder pedantischen Wissenschaft den 
Krieg machten. 

Cbtpfieb«to Im Allgemeinen darf man daher wohl sagen, dass die 
wiikiiflbkait. OoDversation des Volkes der Denker keineswegs auf der 
Höbe seiner Gedanken steht Die Hervorbringung der er- 
habensten Gedanken ist bei den NordlSndem eine einsame*). 

Die Bedeutung und den Gehalt römischer Conversationen da- 
gegen, wie sie vom siebzehnten Jahrhundert bis in unsere 
Tage gepflogen wurden, hat uns Winckelraanns Biograph noch 
in neiu-rer Zeil in seiner Weise meisterhaft geschildert und 
in seine liründe entwickelt-). Es war nicht bloss der Geist 
der Weltgeschichte der durch die ewige Stadt schreitet und 
den Gesprächen auch nur leidlich gestimmter Menschen einen 
höheren Schwung gibt, kleinitehes Gek Int sehe zurück scheucht. 
Was Winckelmann in die Kreise «it i dortigen Gelehrten zog, 
war dass er bei ihnen Wissensi li ililichkeil ohne Pedant*?nc 
fand. Wie lebte er in der I tif i i haltung mit ihnen auf, 
so dass er und sein Freund Mengs noch nach .lahren Innge 
nach ihrem Tode (1795), Personen eines italienischen Dia- 
logs werrlcn konnten*). Aber auch die französische Gonver- 
sation der Salons war bis in unser Jahrhundert hinein eine 

4) J. Burckbardt CuHur d. Ren. S. SOt. 
1) C. Jttftti Winckelm. U Ul t 

3} Nicola Passer! »GegprSche Uber die llr-^nclien des Verfalls der 
Malerei und deren Studimn« (JusU Wiockelm, II SS). 



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Nationen. Vergl^cbung der Zeiten. 



443 



Macht, die sogar der erste I^apoleoa nicht ^ubte ignorireu 
SU dürfen'). 

So sind gedanken- und lebensvolle Gespräche der Wirklich* 
keil der ewig sprudelnde Quell, an dem die dialogische Pro- 
duction der genannten Völker sich immer wieder erquicken kann. 
Aus der fransösischen Gonversation ist noch in diesem Jahr- 
hundert ein 80 reizendes und vollendetes Werk wie P. L. Cou- 
riers »Gonvorsation chez la comtesse d'Älbany« (datirt freiUch 
aus Neapel 2. März 1812 und dorthin verlegt) hervorgegangen 1. 
Vollends werden die Italiener nicht durch die Angst gesttfrt 
dass sie durch das Schreiben von Dialogen sich als Dilettanten 
compromittiren konnten; eigens hierauf gerichtete Uebungen 
der Schule') kommen ihnen Überdies lu Hilfe und sc erhilt 
sich bei ihnen eine Gewohnheit und Gelfiufigkeit dieser Form, 
die es Settembrini ermöglichte selbst in dem Elend seiner 
Gefangenschaft einen Dialog (Le Donne) su verihssen^). Hit 
classischen Werken hat sich deshalb zwar die italiänische, 
franidsisehe und englische Gonversation in die Geschichte der 
Literatur eingeseichnet, während wir Deutschen nichts haben 
das wir einem «Gortegianoa oder den Dialogen Diderots und 
Berkeleys, vollends denen Piatons an die Seite sctien könnten. 

Trotsdem ist doch auch die dem Dialog eher wider- 
strebende als entgegenkommende Natur der Deutschen in 
stttrmischen Zeiten, wie wir sahen, su einer siemlich starken 
Production auf diesem Gebiete fortgerissen worden. Und so 
ist wohl Überhaupt unter den verschiedenen Bedingungen, an 
die das Hervortreten des Dialogs in der Literatur gebunden 
ist, der eigenthOnilicho Charakter gewisser Zeiten die am Chwakter der 
Meisten entscheidende. Massenhaft ist der Dialog wohl nur 
drei Mal erschienen, alle drei Mal in revolutionären Teriuden 
der Weltgeschichte ais ein Zeichen und Mittel ihrer geistigen 
Kämple. Das erste Mal war seine Jugend, die das sophi- 
stische Zeitalter und <lie nächsten Jahrzehnte umfasst: dann 
kam er wieder und lieherrsclde die Literatur, als die lUv 
naissauce und die Heformution hereinbrachen; und endlich ist 

i) AbrantoSf Die Salons von Paris I S. 74. 

S) Vgl. Salnle-Benve Nouveeux Lnndis V 43f f. 

3 O. S. H V i. 

4^ Ricordanse 1 f98. 



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444 



IX. Rückblick. 



er nucb ein Mal, bis jetzt dns h tzte Mal in ganzen Scbaaren 
aufgeflogen, da er mithalf au der Aiifklärnng Friedrichs des 
Grossen, dem Sturm und Drang und der Romantik unserer 
Literatur so wie an der englischen und Iranzßsischen Revolution. 

Es sind drei weit aus einander liegende Zeiten, die er vor 
andern die seinigen nennen kann, drei aus einanderliegende 
und doch nah verwandte Zeiten. Dag Letztere hat man 
öfter übersehen, jedenfalls noch nie so wie es verdiente 
gewürdigt; gPNMjlmHdi hescliränkte man sieb darauf das 
SopbiBton, persönliche Auftreten der Sophisten mit dem der Humanisten 

flninaaiatan, ^j^j. Aufkläret ZU vergleichen, dessen AehnÜchkoit aliei^ 
Avlkiinr« 

dings in die Augen sticht Die Aehnlichkeit hat v'invn tieferen 
Grund. Um ihn zu erfassen genügt es nicht die Aufgabe der 
Sophistik in die Zerstörung der alten Naturphilosophie in eine 
alles unten^'Uhlende Skepsis und eine daraus fliessende Pro- 
paganda der UnsHtlichkeit und des Unglaubens tu setsen; 
ebenso wenig darf man der AnfUSrung nur den Kampf gegen 
Aberglauben und Orthodoxie, nebenbei die populSre Predigt 
einer flachen Moral lassen; oder gar in der Renaissance nichts 
weiter als die Wiedergeburt der Antike, in der Reformation 
die Ifutter der evangeUschen Confessionen sehen. Wenigstens 
eine solche Auffassung der Renaissance darf sich jetxt nicht 
mehr hören lassen; sie ist als oberflfichlich allgemein erkannt 
und lur Genüge venirtheilt worden. Man weiss jetct dass die 
Wiedergeburt der Antike nur das Mittel su einem höheren Zweck 
war; es galt den Zwang des Mittelalters abxuwerfen, dessen 
politische und kirchliche Institutionen das Leben, dessen 
Scholastik den Geist einengte, und als Führer hatte man 
Onitut im Sich die Alten ersehen, an deren Hand man zur Natur surOck- 
K»tir. kehrte. Dieselben Alten sind es aber auch, denen sich das 
achtsehnte Jahriiundert anvertraut und zu demselben Ziele: 
abermals herrscht der Cultus der grossen Göttin, die von 
Knechtschaft aller Art beflreit, und tausende von Stimmen 
predigen, jede auf ihre Weise, dass kein Heil des Menschen 
sei als die .Natur zu erkennen und ibr ül>erall nachzuleben. 

Und war es denn im Zeitalter der Sophisten anders? -^uji^ 
oder votjLo; lautete das Feldgeschrei der Getrner die sich auf 
den verschiedensten Gebieten trafen, auf dem der Politik und 
Gesetzgebung — und auch damals führte wie später der 



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Ve^elchung dar Zeiten. 



445 



Streit zu dem Ausgleich in einer historischen Schule — der 
Moral, der Sprache Uber deren geheimnissvollen Ursprung 
man damals in derselben Weise wie im acfatsehnten Jahr- 
hundert grQbelte. FQr die ^uoi^ traten die Sophisten ein, Sociale and 
wie später ihre Nachkommen die Humanisten und Aufklirer. ^^^^^^2 
Kraft derselben forderten sie Aufhebung des Adels und der 
Sklaverei und kamen so den demokratischen Tendensen der 
Zeit entgegen; in dieser Durchführung der natOrlichen Gleichheit 
der Mensohen ging man schon damals bisturFrauenemancipation 
fort, der freilich ein namhafter Sophist wie Gorgias, hierin mit 
Rousseau übereinstimmend *), widersprach und swar eben im 
Namen der gleichen Natur, die den Unterschied der Geschlechter 
verordnet hatte. Aach die Theorie des Gommunismus, die 
Gleüihheit des Besitzes als Gonsequenz der Gleichheit der . 
Natur, erbebt ihr 11 uupt bereits in jener Zeit. Demselben Zuge 
folgt die Kunst die bildende wie die dramatische, [»oelisrhe Die iiuaat. 
und prosai?»che Rede; und recht eigentlich zur .Sihaii (rügt 
man ihn in der Abänderung der Tracht und Lebensweise 
von Luxus und Verweichlichunu; zu Finfnchheit und Al)liiirlune, 
der Krobylos der alten Athener fiel einer neuen Zeit ebenso 
zum Opfer wie Perriicke und Zopf. Indem man solche For- Idealisimiig 
derungen und Wünsche sich bei fremden Völkern mehr als ^^^^^^^ 
im eigenen Lande realisirt träumte, j^erielh man in eine 
Idealisirung der Naturvölker hinein: was für das sophistische 
Zeilalter die Perser und ihr erster König, zum Theil auch schon 
die Völker des Nordens, das waren für das nehlzehnte Jahr- 
hundert entweder dieselben Perser oder die Chinesen, Inder 
und Huronen , für Machinvell noch Schweizer und Deutsche. 
Auch die Wissenschaft ging denselben Gang: Reformatoren der 
Medisin w ie Hi})polErate8 und Paracelsus forderten an der Stelle 
todter Ueberlieferungen in Theorie und Praxis ein lebendiges 
Erfassen der Natur ^ des Mikrokosmus wie des Makrokosmus. 

Nur eine andere Erscheinung desselben Triebes ist die Ver^ 
achtung alles leeren Scheins und damit verbunden der neu- 
erwachte Sinn fOr das solid Wirkliche. Dieses Bedttrfniss nach 
fiealität^ das man so characteristisch findet für die Renaissance 
und ihre Führer ^t, wird zu einem wahren Durst nach Erlebniss 

1) Lettre ii d'Alembert in Oeuvip*; \I S. 123. 

i; Villari, Maciiiav. 1 iSä f: Questo LisogDo del reale, questa reden- 



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446 



IX. Mckbllck. 



X«t]i«41k. und Erfahrung. In der Methodik äussert sich dies als ein Pochen 
auf Empirie und InduotioD, wodurch in allen drei Zeiten die 

OvMliicht«. Philosophie in neun Wege geleitet wurde. FQr die Geschichte 
bedeutete es die Wendung von der Vergangenheit lur Gegen- 
wart: Lessing hatte das kühne Wort gesprochen, dass der 
Historiker die Geschichte seiner Zeit schreiben solle, und damit 
eine Forderong gestellt, der in seiner Zeit der grosse Prenssen- 
könig, fHlber Machiavell und Guicciardini und schon Torllngst 
Thukydides genOgt hattMi. Nidits erlebt der Menscb so stark 
als woran er selber leidend oder handelnd betheiUgt ist, Uber 
nichts steht ihm eine so reiche Erlhhrong su Gebote: daher 
genügte es nicht, - dass schon die genannten Historiker ihre 
eigenen Erlebnisse und Thaten in die Brsfihlungen verflechten; 

HrnndMag die Memoiren mussten zu einem selbstSndigen Literaturzweig 
werden, der in allen drei Zeitaltem blühte, dessen Anfinge 
aber bei Ion von Ghios und Kritias liegen. 

Es sdiien als wenn Natur und Wirklichkeit, wohin docb 
Alles strebte, vor Allem im einzelnen Mensehen sich concen- 
trirten. Nachdem sie Jahrhunderte hindurch im grosseren 
Ganzen des Staates oder der Kirche wie. verschwunden war, 
Btattttongd«! wurde die Herrlichkeit des Individuums plötzlich wieder ent^ 

indiTid«» ^^1^1 Stande grüsster Gebundenheit erhob es sich 

nun zu unbeschrSnkter Machtvollkommenheit. Der Mensch ver- 
mag Alles und auf den Menschen bezieht sich Alles — das war 
das Programra welches die Sophisten nicht minder als die Huma- 
nisten und als die Aufklärer mit ihrem Gefolge zur Ausführung 
brachten; und das Wort des Protagoras »der .Mensch ist das 
Maass aller Dinge ^( könnte ebensogut das .Motto der Renaissance 
oder des achtzehnten Jahrhunderts sein, wie es als das der 
Sophistenzeit längst anerkannt ist. 

Der MeoBob Der Mensch vermag Alles. Sah man auf geniale Menschen 
T«mtf AllM. ^^-^ Leon Batli^l;» Alberti oder Lionardo da Vinci, auf voll- 
kommene Bösewichler wie Cesare Borgia, so ergab sich dieser 
Satz aus der Erfahrung; und es bestätigte ihn auch das 
Treiben der kleinen Vieigeschältigeu und Yielwissenden, eines 

xione dei sensi e della natura fonnano lo spirito nuovo che «niina tutio 
U libro (Valtas Schrift de votuptate et vero booo), costitQiscono l'iodole 
propria dcgii scritti dell Yalla: t> in sostaasa lo apirito slesso del Riaa' 
scimento che vlene con iui alla luce. 



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VerglelchQDg der Zeiten. 



447 



loa von Ghios und Hipptas von Elis. Der Mensch vermochte 
Alles, weil ihm Alles erlaubt war. Die Tugend stellte kein Togni* 
moralisches Ideal dar sondern ein Ideal der Kraft und TQchtig- 
keit') und das Genie durfte sich frei seiner Shinlichkeit und 
Leidenschaft Überlassen ohne durch eine Schranke der Sittlich- 
keit oder überhaupt durch eine andere Schranke gehemmt su 
werden als die es sich selber aus eigenem Interesse sog. Es ist 
gewiss bemerkenswerlb, dass auch die Moral des Sokrates 
über einen wühlverstandenen Ki^oisnius nicht hinaiiskum 2;. Der 
Mensch vermochte aber auch <leshalb Alles, weil in ihm eine 
unendliche Fähigkeit des Schaffens und \ Oilbringens lag. Der 
Mensch kann Alles, was er will, hioss es in der Renaissance, 
und im Namen seiner Zeit rief Miraljeau ans: »Im})u.>.sil»le« ne 
me dites jamais et* in'^te de mot. Nichts Anderes aber als die 
Allmacht des Menschen decretirte wer wie Sokrates und (iie 
Sophisten, wie übrigens auch das achtzehnte Jahrhundert alles 
menschliche Handeln, jedes Thun und Wirken, auch das künst- 
lerische einem Wissen, jede Praxis ihrer Theorie unterwarf^*); Theorie nnd 
da doch dieses Wissen, diese Theorie von Jedermann konnte ^'"i»« 
erworben werden^). Nicht einmal an der nattirlichen Anlage 

4; 'Apcrrj. virtu. Vgl. Spring«!r, Berr. d. süchs. GeseUsch. i«b4 jS. 268. 
Villaii, MacblavelU 1 109 f. Sbenso, um einen Beleg auch aus dem 48. Jahr- 
hundert zu geben, wird die Tugend geiust von Diderot im Brief an die 
Voiand vom 84. Juli 47SS (Oeuvres 49, 87). Btwas Aehaiichea ist es mit 
dem Begriff des honndte homme Uber den Taine spricht, Ancien Mgime 
8. S84 fr. 

2) Wif (tif s(ii.'ciiaimte »Tugend« des Mi-nschcn so wtirdi'u auch die 
heiden ihr dieueuduii kuastc, die Politik Maciiiuvells und die Rbetorili. 
des Protagoras, auf otgeDC Fiisso gestellt: weuigstcus in der Theorie 
beider sollte gezeigt werden was sie ohne eine Rttcksicbt auf die Moral 
vermöchten. Ja man kann sagen, dass auch die Politik Macblavells be- 
reits in der pscudo-xenophoniiscfaen Schrift ovom Staate der Athener« 
und in dem Dialog der Melier und Athener bei Thukydides enthalten ist: 
man braucht nur den of,iAo; an di»* SMh^ d<*«: {»rinoiiJO zu sel7f»n. 

3i Auch der Krieg wird ciiit' Kunst im<l der 'ilK-diii- unlnw orten: 
für die Renaissaace denke man an Mnchiaveii und vgl. \ ilturi i 16 f; aus 
dem 48. Jahriiundert kommen Friedrich der Grosse (bei de Gatt S, 945} 
und Scharnhorst (M. Lehmann in Syhels histor. Zeitschr. 1888 S. S94 ff.) 
in Betracht; tär das Zeilalter der Sophisten vgl. die Schildemngi welche 
Piaton Euthyd. 27.3 C von Euthydem und Dionysodor gibt, Protagoras 
hatte wenigstens nepl räXT,; g<'schrieben. 

4} Wie viel man der Spannkraft des mensühlichen Geistes zutraute. 



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448 



IX. Rückblick. 



sollte das menschliche Können hinfort seine Schranke haben: in 
der Ansicbt des Sokrates und der Sophisten lag schon als Con- 
sequenz was verwegener erst Lessing und seine Zeitgenossen 
aussprachen, dass durch Erziehung und Unterricht Alles aus 
einem Menschen gemacht, dass auch das Genie ihm anersogen 
werden könne \ . 

Dieses Gefühl des eigenen Werthes, das so in erlese^ 
nen Geistern einen besonders trotsigen Ausdruck fand, ist, 
nur in geringeren Graden, Oberallhin verbreitet: der ge- 
QMuderMen- suttde Menschenverstand 2) bflumt sich auf gegen ein abstruses 
MiitftfwitMid. Siggen, das der ausschliessliche Besits weniger Privilegtrter 
sein soll. Was man xunächst von der Reformation gesagt hat, 
dass der Glaube an ein allgemeines Priesterihnm sich der 
gesammten Laienwelt bemächtigte, das gilt recht verstanden 
auch von den übrigen Zeiten, die wir hier vergleichen. Ein 
DraagiMli ungeheuerer Drang nach Bildung erwachte in den weitesten 
B^*^' Kreisen. Man sammelte BOcher, man ging auf Beisen. Die 
Dichtung wurde diesem Triebe dienstbar im didaktischen Boman 
und in der Fabel. Vor Allem aber die Sophisten, die Huma- 
nisten und die Männer der AufUärungs-Periode machten sich 
ein Geschäft daraus diesen Drang nach Bildung zu befriedigen 

liof?t auch tlnrin. tia«« mnn Miiiiner der Kunst iint! <\cr Wissenschafl 
ohn« WciUre?» in «It h |»j aklisehen Dienst berief : da<> Leiicii des Sophokles 
und Euripidc^i, der Aslrunuin Moloii {I'lut. Nie. c. 13 Aeliaii V. 11.13, ii)^ 
Goethe und Klopstock so wie die HuroanUten gcbea dafür Beispiele; 
Leo X dachte einmal daran RalTaei tum Cardinal zu erheben (Villari 
Mach. III S(]. 

4j Lessiiig, l eher die Kabel S. 457 Malt/ühn. Vgl. auch (loethe WW. 
;in 60 !).■ ^'», HO D^i^^^t lhe besagt Cnb!tni> Mciiiunn, dass zwisrhon ilem 
Genie uiiii ikiii ^cw oiuilichen Mensichett Ml^ kuid kein l'nter^clucU sei. 
Vcrwaudi ist üiderols Gedanke ;Suite de l'Hutretien S. <89j der sich ver- 
maaas neue Arten von Wesen zu schaffen oder vielmdir durch allmXhliche 
Erziehung heranzubilden. Kant WW. 8, 4SS Hartenstein »Der Mensch 
kann nur Mensch werden durch Erziehung;. Er ist nichts als was die 
Erziehung aus iliiu ntachto. \u (iedanken ili« -m i Arl streift aber auch 
der S huler des Sokrates und der äophii»tea kriUaä fr. 6 Pouitow: ix 

±1 U saoo xxao della ragione forderte schon Vylla bei Villari .Much. 
I 1 96. Als Vertreter desselben geriren sich zum Thell die Sophlstm und 
Ihre Schüler. Fttr das 4S. Jahrhundert Ist die Sache zu notorisch um 
irgend eines Beispiels zu bedürfen. 



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Vergleichung der Zeiten. 449 

lind die WisseoBcbaft lu popolarisiren^); nicht ein todtes 
Wissen tu verbraten, Gelehrte in eniehen war dabei ilir 
Sinn sondern fürs Leben sollte gelernt und der Mensch sum 
Mensehen gebildet werden, wie denn auch die «Hnmaniora« 

des sechszehnten und achtzehnten Jahrhunderts sich mit dem, 

worin die Sophisten unterichteten, Grammatik Rhetorik. Politik 

im Wesentlichen deckten. Die Pädagogik erlangte auf ein Mal Pädagogik. 

ein«' neue Bedeutung, ein weites Feld erüUnete sich iiir 

und die höchsten Ziele winkten. So erliul) sie sich in allen 

drei Zeiten zu neuen Methud<'n. Auch hier fehlt es nicht an 

Üebereinstiminung : was Goethe den Freiheits- und Aaliirgeist 

des ;irht/r liiitin Jahrhunderts sagen lässt^], »der jedem sehr 

sciuueichierisch in die Ohren raunte, man habe, ohoe viel 

äussere Uilfsmitlel , Stoff und Gehalt genuy in sich selbst, 

alles komme nur darauf an, dass man ihn eehörig entfalte« 

das ist im Grunde doch auch die Voraussetzung der sokratischen 

Uaieutik. 

Indem man so in der Praxis dem Menschen und seinen 
Zwecken diente, war es natürlich dass man auch in der 
Theorie den Blick nicht von ihm wandte. Alles bezieht sich AII08 bezieht 
auf den Menschen, Alles dreht sich um ihn^j. Die Philoso- "^JJ^^*" 
pbie macht üim im Zeitalter der Sophisten das Zugeständ- 
niss einer neuen Disciplin, der fitÜik; derselben Disciplin stUL 
die auch durch die geistige Bewegung des achtzehnten Jahr- 
hunderts eine Umbildung erfahrt. Sie verlangt dass die im 
Schwange gehende Selbstbeobachtung zur Selbsterkenntniss Belbiterk»Bat- 
gesteigert werde und erhebt diese zum Princip. Aber auch ^ 
sonst zeigt ihre Betrachtungsweise diesen Zug aum Persönlichen : m» UmI» 
die GedanlLen Ober die Weisheit verdichten sich zum Ideal- ^«r^f^^fn^«' 
weisen und die FUrstenkunst stellt sich im »Principe« dar, 
nicht Uber das Wesen der Gelehrsamkeit schreibt Fichte 
sondern über die Bestimmung des Gelehrten; ja als wenn 



4 ) la allen drei Zeiten stand dies ebenso wie heutzutage mit demo- 
kratischen Tendenim im Zasammenbaog : vgl. auch Scfaelliog, Methode des 
akwL Stud. lUoHe Vorlesung (•» WW. I 5 S. S5»). 

2) rioXiTixi^j natürlich im antiken Sinne genommen. 

8) WW. (in 60 B.; e'V -»r^i. 

4) Der Mensch dor H<'iiaiss;iii< i- uatitn per centro dell' univurso il 
suo partii olate nach dem Ausdrviclc von De Sanctis Lei ViUari, Macb. U 266. 
Hirtel, Dul«g. IL f9 



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450 



IX. Uia-kbliek. 



dies nicht genügte so mtlSBen sogar historisdie Personen so 
diesem Zwecke herhalten (was dann freilich nicht abgeht ohne 
von ihrem wirklichen Wesen etwas zu opfern}, so der Duca 
Valentino und Castruccio Castracam dem Machiavell * und 
Kyros und Herakles dem Xenophon und Anderen. Besomlt r s 
die Geschiebte wird durch den Geist der neuen Zeit vullkuiiiuie/i 
umgewandelt: nicht mehr dem Finger Gottes spürt ^ie itu 
DMlndifiduum Gang der KreiguLssü nach sondern dem Wirken einzelner 

flMnIiiiSift ^i^*^'^'^^'^*^'^« '^'iit^ ^^6^ Abstand Machiavells und Guicciardinis 
von ihren Vorgängern ist in dieser Hinsicht kein anderer als 
der welcher Thukydides selbst noch von Herodot trennt. Dass 
in Zeiten, in denen das Wohl und Wehe des Individuums 
Eiufiuaa der Alles galt, auch der Einduss der Aerzte wuchs, versteht sich 
Aeme. eigentlich von selber : für das achtzehnte Jahrhundert hat dies 
Goethe ausdrücklich bemerkt 2) und lür die sophistische Zeit 
liegt uns dasselbe noch in dem von Piaton geschilderten Yer- 
hältniss des Phaidros an Eryximachos and Akumenos vor Augen. 
Sogar in ganx neue Bahnen wurde die Medisin durch diese 
Allmacht des Individuums gedrüngt, da sie dessen Erhaltung 
und nichts weiter ins Auge fasste: so entstand in sophistischer 
Zeit von Herodes begründet jene Diaitetik des Leibes, die das 
kostbare Einselleben unter allen UmstBnden conserviren wollte 
ohne Rücksicht darauf,* ob es der Gesammiheit noch etwas 
nfitze und zu irgend welchem Wirken ffthig sei, und die des- 
halb schon frUhe den Spott Piatons, später den Schlciermachers 
herausrorderte. 

Damit war das einzelne Individuum In gewissem Sinne 
Herr über Leben und Totl geworden. Jedenfalls stand es auf 
eignen Füssen. Von hier aus verloren sich die Einen, den 

MiMatliropi«. Individualismus zum Aeussersten treibend, misantbropiseli in 
die Kinsauikeit'*). Andere. Gesündere, salien sieh nach einer 

idMiitMteo. neuen Gemeinscbail um: sie träumten von Idealstaaten ; oder 



1) VUlari III SS ir. bes. 75. 

2) WW. (in 60 B.) 25, 99. 

3) Tiiiu)ii < ir» Tyinis für Viele seiner Zeit. Demokril. Man seho nuch 
«lie Schilderuiif^ des der Welt entfretnii» t. ti einsam forschenden l'hiloso- 
pben bei Plalon Theuitet p. 41^ C (T, Kuusseau. Petrarcas Schrift De vita 
solitaria und Zinunermanns Uuch über die Einsamkeit sind wichtig schon 
durcb die blosse Thataaohe, dass sie geschriebeo wurdeo. 




Vergleichung der Zeiten. 



454 



sie erhüben sich, den encpn Municipalisiuus ab^'chütteliul, 
zum riefühl nationaler Zusammengehörigkeit';; die noch höher Ko«mopolitia- 
stiegen. schauten als Weltbürger stolz auf die TTebrigen herab 
Auf reellere Weise wurde der Gesellißkeilstrieb befriedigt in Gewlligkeite- 
den unzähligen Gesellschaften, Verbindungen, Clubs aller Art, 
die wir in diesen drei Zeiten sich bilden sehen. Stoff tu 
gehaltvollen Gesprächen boten hier die geistigen Kämpfe OebaitToUe 
der Zeit; dena die geschilderte Bewegung verläuft nirgends öMprAche. 
einfach, Strömung und Gegenströmung sind Uberall bemerkbar. 
Das Auftreten von Dialog-Menschen wie Sokrates, Johnson, 
Diderot, die Erotik schdner Knaben und Frauen gaben dann 
diesen Unterredungen noch stärkeren Reis und beflügelten 
Wort und Gedanken. Man empfand die Macht des gesprochenen 
Wortes, sumal der gemeinsamen Rede die xugleich ein gemein- 
schaftliches Denken war, und diese Macht musste sich wohl 
schliesslich einen Ausdruck auch in der Literatur erxwingen. 
Nehmen wir nun hierxu noch die neu erwachte Lust an der 
Muttersprache'), die Freude an natürlicher f wangloser Rede, FMatu 
die jenen Zeiten allen so wesentlich und nur ein Symptom '"'^^||°|'*' 
mehr des allgemeinen Hinstrebens sur Natur sind, so haben 
wir die allgemeinen Ursachen angegeben, die, ganz abgesehen 
von den mehr luffilUg scheinenden besonderen AnlSssen, 
sow ohl in der Sophistenzeit und den ihr folgenden Jahrzehnten 
fds in der Renaissance und Ueformalion und im achtzehnten 
Jalirhunderl dem Dialoge der Literatur ein so kräftiges Leben 
verliehen^). 



1; i'luluii fühllo sicli llt'llfiit' . Pcttiirra nicht Fl(>r»»nlin«'r. 
sfiiidcrn ftaliäncr Villari, Ma*li. I Its I ;; (iios im ;i«lit/.t'lmlfn Jahr- 
huniltu't iias (leuts<;hc Nationalfterühl im bteigüit war, isl hckutinl. 

ij Zu diesem Koümopoliti.smus konnten besonders die Sophisten und 
Humanisten bei iiirem Wanderleben Anlass finden; er ist aber beltaont' 
lieh in allen drei Zeiten eine sehr häufige Erscheinung. 

8) Die Vulgttrspraehen dringen in die Liu^ratur, insbesondere in die 
Prosa ein: das Attische setzt sich an die Stelle des Ionischen, das Italia- 
nisrhf' an die des Lateinischen u. w. Hiermit fi.lnpt un h dif Diiilt^kt- 
fuischunjs ziisniinm««n , die im Zeitalter de> Sokiales und der SujJÜisten 
beginnt. Kur das achtzehnte Jahrhundert vgl. Fr. Kluge, Entstehung uns. 
Schriftsprache S. is, lieber die Henaissance a. o. S. S89 f. 

4} Die Vergleichnng sollte hier nur umrissen werden. Bei breiterer 
Ausführung und weiterer Ausdehnung könnte auch ilas Eindringen der 

89* 



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452 



IX. Rückblick. 



Mag daher der Dialog für den heutigen Geschmack eine 

Antiquität sein, für die historische Betrachtung steht er 

da eiü DcDkmal kamp lesfroher und ücliüpierischer, echt 
jugendlicher Zeiten der Weltgeschichte. 



ionischen Cultur und Phttosophie in Athen mit dem der franzdsisdk- 
engltsdien Bildung und Aufklärung in Deutschlnid verglichen werden; 

selbst die Anlehnung an das klassische AUerthum würde dann seine 
Parallt'le finden auch in der Sophistenzeit, die ebenfalls pern in alte Zeiten 
ziirücl^liin^' und von dort die Vorbilder der (le^enwart linlte Mehr betonl 
mlisste dann auch werden, dass uberall wiihrend de«« achtzehnten Jyhr- 
liuudertä uns dm Bild üeü Sokrales anschaut, seiu Nuuie (jeuaunt ^ird 
wie zur Mahnung, das« die neue Perlode der Weltgeschichte der alten 
8okra(iach-8ophi8ti8chen verwandt war. 




1 S, 66, 3 ist auf S. I SU verweisen. 

»S. 85,1 Die weitgehenden Folgerangen, weldie GilttMuer, Die drei 
Systeme der griechischen Tachygrapbie, an die gans unsuverllissige 
Notix des Diogenes Laertins r^rkiuipfl hat, werden mit Recht zurück- 

pewiesen von W. WatttMiliadi. Anlfifunp 7iir pri»Mii. Paliiopr. S. 52 f.* 
1» S. 106,1 Mit dem M£v£;£vr>; Cilaukuns wollte l eberweg Vvhfv die Echt- 
heit u. Zeitf. d. pl. Sehr. S. 143 ff. den unter Platons Namen gehen- 
den identificireu. 

• S. H4 Anm. Vgl. noch das Fragment Phaidons bei Julian ep. 59 

p. 445 A. 

• S. M8. i Schi. 'AXXa auch zu Anfan« von fr. H dos Tsiiaios, das 

weni^stons nncli Kor^k l.C. II 256 einu voUstttndige Eiegie ist. Vgl. 
au. h Bergii in PLG' zu fr. 10 8. 399. 
» S. i07 f. Nach Goethe WW. (in 60 B.i 45 S. 52 fordert der Dialog 
ein »Gcspräcli in geschlossener Gesellschaft, wo die Menge allenfalls 
ztthtfren mag«. 

• 5. t85 Dass der Begriff der zweiten Auflage dem Alterthum nicht firemd 

ist, s. Jörs Römische Rcchtswissensch. rar Zeit der Rcp. I $. 9, 8. 
1 S. 938 Zur Person ificntion des Demos vgl. noch E. Curtius Stadt- 
gcschirhtp von Athen S. 21 2. 

• S. 382 l ebfM- die Stcigeninp dt r Drklanialiun zum Gesang vgl. noch 

Goethe WW. iin 60 B.; ii .s. 167. 

» S. 408, 1 Für Sptttere waren diese Beciehuogen auf Eratostbenes ver^ 
dunkelt und sie konnten deshalb, wie Tbrasyll bei Diog. L. IX 87, 
den Pentathlos und Pbilosopbos auf Demokrit deuten. Dass dies 
jedoch nur eine spätere Vermuthung war, scheint die hinzugefügte 
Bedingung. ^T^£p W /rzriirril nX'irmv^; £?a'., zu beweisen. 

» S. 427 f. Heber Catos Schrift vgl. Jörs Röm. Rechtsw. z. Z. d. R. l 
S. Ü80 f. 

n S. 4fl8 1 Anders scheint sich die Form von Brutus' Dialogen Jörs vor* 

rasteUen: lUJm. Rechtswiss. z. Z. d. R. I S. 184, 4. 
S. 488 Zu den Disputationen der Juristen kann nodi verglichen werden 

.Ttii s a. a. 0. S, 85. 232 IT. 236. 254 f. 293. 

• S. 543, 1 ist am SciUuss durch Nachtrag von Acad. pr. 9 und TuscuK IV 7 

zu berichtigen. 



454 



Nachtrage. 



H S. 34. !2 ist nuch auf bii. Loch in K(>!»bchrifl XU L. Frledläoden SOjihr. 
Doctorjubil. S. 478 f. zu verweisen. 

•» 58 Auch Srh|pierniarhpr«i theologische EifzenUiumlii hkeit ist in vier 
Fersünlichkeit4?n seuier »Weihnachtsfeier« auseinander gelebt und ver- 
körpert: D. Fr. Strauss, Charakteristlkea und Kritfkeo S. (8. 

• 5. 90, « Wie man im Mittelalter Uber Schriften des Sokrates dachte, 

i^ ergtftxlich su lesen bei Gaspary Ital. Liter. I S. 1 88 f. 

• 5. 44t, t Den Philosophen wird das Landleben empfohlen von Tbe- 

mislios or. 20 p. aSR d ff 
« £». Ibi, 4 Zu dem über iNero und Domitian Beiuerkteu kann noch 
Tbemist. or. 7 p. üO c u. d verglichen werden. 

• S. 407 lieber Charakter und Vr-sprung der franztfslachen Salons vgL 

noch Barbiera II Salotto della Contessa Maffei S. M f. 



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Verzeiohniss der behandelten Stellen, 



Antislhenes fr. II W 1 127, 4. 

Aristoteles fr. XL Ak. Ausg I 285, 4. 

Pot't. 1 p. jUIi» SfL 1 398, i. iU. 5. 

Cicero Epistl. ad Att. IV 1^ i 1 298,1. 

„ „ XIII 11, 1 I 528, L 

., ,. fara. 19^23 1 276^ i u. L 

Dio dorus Sic. VI 2^ 2 f. 1 395. 3. 

Diogenes Laerl. II m I 2. 

„ IV 46 f. 1 368, L 

„ VII m II 265, L 

VIII aa 1 339i a. 

Galenos l p. Ü K II 4 22. 2. 

.lulianus or. ß p. IM C ;S. 24j_i L5 Hertl.) . . . 1 387, i. 

Piaton Politik, p. 2&A B 1 478. 2: 

Plutarchus v. Luculli i I ^81. 4. 1. 

„ Conv. VII Sapp. 4 p. L50 B II 1. 

„ de facic in erbe lunae M p. 945 B . . II 182. L 

Non posse suavitcr v, s. E. 4 p. 1088 E II 222, L 

Telcs Reil. ed. Hense p. J sq 1 367, L 

Varro de re rustica M, 4 1 553, L 



Druckfehler. 



I S. 5^ 1 Z. i V. 0. lies Entrelicn für Eiitretion 

» S. im Text Z. S v. u. ist nach »hätte« ein Punkt zu setzen. 

•> S. 46; 2 Z. 2 V. o. L Euphemos f. Euphonos 

» S. M im Text Z. 2 v. u. L Kax(a f. Kaxk 

f S, la im Text Z. ß v. o. L Protagoras f. Protogoras. 

" S. au im Text Z. 21 v. u. ist der Punkt nach »Schriflstcller« zu tilgen. 

>> S. m Anm. Z. 1 v. o. L clr^vro; st. ciÜtcötoc 

>' S. m Anm. Z. 2 v. o. L fx^Yiord st. [Li-^fsixa. 

» S. H2J Z. 3 V. o. L ^T"» « f- 

» S. JiTi i Z. a V. o. L hatte f. hätte. 

» S. Iii am Rande L Symposien f. Symposie. 

S. IM Z. 9 V. u. L ?1 f. ») 
w S. <9<, 2 Z. 4 V. u. L das Daimonion 
» S. iÄi Z. lü V. u. L * f. ^ 
<> S. 2A2 am Rande L Kunstsprache 

S. 2fil im Text Z. 5 v. u. L äsopischen 
» S. 289, 1 Z. J V. o. L verständlich 
«> S. 304, J Z. 2 V. o. L streift an die Briefform 

» s. 304^ 1 z. a V. o. L m f. m 

S. 343, J Z. 3 V. u. L .Straten f. Stabon 
.. S. aA£ Anm. Z. 8 v. o. L Dielerich f. Dietrich 
» .S. 355, J Z. 2 V. o. L Bartholdt f. Barthold 
« S. 357^ j Z. 2 V. o. L nach dem Inhalt 

S. afii Z. 2 V. o. L eröffnet f. er öffnet 
-> S. 361. 2 Z. 5 V. 0. L Aristoxenos 

S. afiü Z. 2 V. o. L »! f. ^ 
«. .S. a&fi im Text Z. 4 v . u. L « f. ') 

" .S, 367, J gehört als Anmerkung V zur vorhergehenden Seite. 
» 381^ 2 Z. 1 V. o. L dies f. diese 

» S. 3M im Text Z. 2 v. u. ist der Punkt nach •> befahl » zu tilgen. 
» S. aM Anm. Z. & v. o. ist das Komma nach »einen« zu tilgen. 
" S. iiS im Text Z. U v. u. L hierfür f. hier für. 
" S. 455 im Text Z. 14 v. u. L Blossins f. Blassius 

S. 488^ 4 Z. 2 v. u. L Dialogs. 
" S. 526^ 1 Z. i V. o. L ^itaxpißat 

" ^ am Rande L Zusammenhang mit de natura deoruni 

II S. an im Text Z. 3 v. u. L ganz f. gaz. 
•' S. 64j 1 Z. ü V. u. L nel f. nec. 

» S. lÄ Anm. Z. 2 v. o. L Epiktets f. Epiktetes 

> S. 162, 5 Z. 1 V. o. L Das Wort f. Dass W 

" S. 2<5, 1 Z. 9 V. o. L die der delphischen .*!ib. f. in d. d. S. 

n .S. 246, 1 Z. 1 V. o. L Kyniker f. Kynlke 

1 S. 412 im Text Z. 9 v. u. L Philosophiren f. Phllophisiren 

n iia Z. lö v. o. L .•Selbstbesinnung f. Selbstbeinnung 



Register, 



A. 

Abalard II 384. S. 

Abbrechen, affecUrles der Rede 11 

Achtzehntes Jahrhundert 1 2 H . 11 
SM IT. 

Ackermann aus Rohmen 1 11 38:2. 
Actus 1 554, 

Addison 1 Üi. II *oe,<. 4M. 403. i. 

Adelard von Rath II a&IL 

Aelius Aristljes II 337. 

fltYÄvsc Lil f. 49, 2. SIL 61. U <i7. S. 

307. 384. 
Agricola, Georg II a3< 
Aineias von Gaza II all f. 375. 8. 
Aischines I 119 ff. Ui, i. II 4 0i. i. 
Aiscbines der Redner 1 344. 2, 
Aischylos 1 49,1. 

Akademie, platonische in Florenz 

II a&2 f. 
Akademiker II «St. 2. 
ixlf^Oi II 46, lAl, 5. 3<3. L 
Alberti, Leon Ratlista II aM. -IM. i Ifi. 
Alberli. Paradiso degli II a&I. 
Albinos 1 6, L II 270,1. 
Albinus im Gespräch mit Karl dem 

Grossen II 280, 2. 
AIcuin II m m 
Aldhelm II 383. 1. 
'A).^&£ia I Lta Anni. 
Alexamenos 1 IM f. 
Alexander-Ideal II U IT. 259,2. 263.5. 

849. 331, 2. 345, 
Alexander-Roman H 75, 3. 



Al«\anderzüge und ihre Wirkungen 

I 33* ff. II üia. 
Alexinos 1 3<fi- 
Alkibiades 1 i3£, 

Alkibiades. Gastgeber im Symposion 

eines Ungenannten 1 359. < . 
Alkibiades II. pseudo-platunischer 

Dialog 1 309,2. SÄl. 558. 
Alkidamas 1 63J (vgl. 66. 3 . 
Ana, Literatur der II 408. 
Anachronismen 1 Läl ff. 478.t. 49t. t. 

■'»Ol. ML liL 534, L II Iii f. 

niH. t. 356. <■ 358. 
ävivcfi'.at; 1 IS f- 
Anaximones 1 4 t 3, 
Andokides 1 iL 

Anselm von Canlerhury II 383. 
Anterastai pseudo-platonischer Dia- 
log I aiL kSH ff. II 103.2. iM. 
ivOpcDTTo; 1 80, L 

Antiochos 1 398, 3{8osos . 420.445,5. 

II 251.2. 
Antiphon 1 50^ 

Antisthenes l n6, 2 ip'jaiOYvinfxovi- 

%6i) iia ff. 26r, a. ml 2. 386, l 

il± 446, 502,fi. II t02.l. m.4. 

H2, 3. <58, L 
Antonius, der Redner l 482. L. 
Anytos, Gespräche des Sokrales mit 

II 102. 2. 
i'filtia II 101 f. 
Apion II 370. 
Apollinaris II 374. 
Apoilonios Dyskolos II 265. L SM f. 
ApoUonios von Tyana II 258. 34<. 



458 



Rcgi>ler. 



(i7io[i.vTj(jiove'j(i.ato l liJ (T. 368, L 

369, i II 244,2. ÜS f. 298,2. ML 
Apulejus II aAÄ. 
Archetimos II 138, L 
Aretino, Pielro II aSÄ. 
Arisllppos I <08 IT. 336.2. 350,4 U. 

II 290.4. 
Aristokreon I 345, 5, 
.\rislon von Chios L 357. 4^ 
Ariston von Keos I aai ff. M± 345.2. 

401. 4. 452.2. 545, 2. äAfi. 
Arislon, Verfasser des Gesprächs 

zwischen Jason und Papiskos II 

Aristophancs 1 45. 56^ L ßlL II m 
MS ff. aiL 3g7. 3. 337. «. 339. 3. 
Aristophancs von Byzanz I 361. 2. 

Aristoteles I ill ff . il3 f. 456. 2. 
527. 3, II il. 2Mx 37^ 430,1. 4M. 
453. 

Schriften : 

— vom Adel l 279, 1. 292, 1. II 
212. L 

— von der Bildung I SM f. 
von den Dichtern I ÄÄÄ. 

— Erotikos 1 2S3. 

— Eudemos 1 285 f • MI. H "L 

— über die Gerechtigkeit l 287.299. 

— Gniios i 313^ 

— über die Kolonien 1 305. 

— vom Königthum l 287.305.503.1, 
505, 2, 

— Nerinthos I 281 f. 241. 

— von der Philosophie 1 999^ 

— über den Reichlhum I 351, 1. 

— Protrcplikos 1 tM. SM. 505. 4. 

— Symposion 1 Mi f. 346, 1. 
Aristoteles i Müfto; I 131,1. 
Aristoxenos I aM f. 345, 4, 361_, 2, 

II Lfil Anm. 224^ 3, 237, L 
Arkesilaos 1 360, L 409,3. 411 f. 411, 
Arminianer II 393, iL 
Arrian II 243, 2. 249. 250, <■ 262. 1. 

Artemon I aoiL iJJL 

Aerzte, Einfluss der II 165. 450. 



Asconius Pedianus II 4i ff. 60, a. 

Asellius Sabinus II iL. 

Asiauische Beredsamkeit I 3 80, L 

aM> ÜL II ai^l^LiiL AÄSL 
Aspasia 1 ai. 73 ff. ÜL 2 u. L m f. 

399 f. 
Athen 1 IS ff. 
Athenaios II am ff. f, 
Atticismus I 92 ff. II HL IM f. 

315. 2. 327, 4. aaiL aiiL 
Atticisten unter den Römern II I f. 

ia f. 

Attischer Dialekt gilt als Requisit 
des sokratischen Dialogs I 
II 273, 1. 

Aubign^, Agrippa d' II 408. 

Aufführungen, dramatische von Dia- 
logen II 394, L 416, 1. 

Aufhebung des Adels II 445. 

Aufklärer II 444 ff. 

Aufklärung II 411. 

Augustin 1 447,2. II 268. 11^ II« ff- 
383. 

Augustin, sogenannter s.Pseudo-Aug. 
Augustus I 393, a* IH ff. Lli ^ ^ 
268. 

Autobulos, Vater Plularchs II Hü f. 

228, L 

A\ iochos pscudo-platonischer Dia- 
log 1 309j 2, SM. 337. 

B. 

Bacon II aM^ 

Bäder-Dialoge 1 441, H üfi- 

Bakcheios II aM. 

Balzac II liL 260- f- 

Bandini II -iKl. 

Bardcsanes II aio, 

Bardcsanes, sogenannter s. Pscudo- 

Bardesanes. 
Barockstil II 4M. 
Basilcios II am 
Baton 1 410. 
Bayle II 411 f. 
Belial II a^ 
Bembo II 3M. 3M. 



Regisler. 



459 



Benivieni, Domenlco 11 389. i 
B^rigard II aM f. 

Berkeley 1 kM. 5M. 5M^ II i65,i. 

4M ff. 4<4. iü 4i9, 3. 4A3, 
Bildungsdrang II li» f. 
Blon 1 368^ L aii Iii ff. II 13, 

19, L IS, 329, 4. 
Bodmer II 413. 

Bocihius 1 527, II all f. afia. afia, 

385 f. 

Boethos, Epikureer II 203, 1. 
Bonghi l kM II 440. IL 
Borgia, Cesare II LLfL 
Bouhours II 440. 

Boulerwek I 4, i II 4i5L 152 f. 

433. L 436, 3, 
Brief 1 aHJl it 353 ff. II 24. 25 f. 

äiaiLML 410,4±LLliLi3if. 
Bruno, Giordono I 382. i. 514. L 

534. 5Ä1L II aaä f. IIJL ILL 
Brutus Jurist 1 llfi ff . II 4^3, 
Qrutus Titel einer Schrift des Em- 

pylos 1 ^ L 
Bücher, Eintheilung in I 2Ü f. 

297 f. 529.3. 352 f. II 4iL 

359. fi. 
Büchner II 439. 

Bucolische Dichtung II 382, L 
Burschenschaff 11 4 40. 
Byzantiner II 38 1 . 

C. 

Cahanis II 44», L 
Caelius Aurelianus II 3fi4. 
Casarius von Heislerbach II 288. 
383. 

Cajus Gegen den Montanisten Pro- 

klos II ailL 
Carlstadt II aal f. 
Cassianus II 371. 
Cassius Dio II aiX 
Castiglionc 1 II 3M. äÄiL MSL 

443. 

cato I III f. um. 

Certamcn Rosae Liliique 11 382. L. 
ML 



' Cervantes I 522L 
i Ccsari II 440, fi, 
Chamaileon l 345^ i. aiL 

Charakterisinen II 10, 2. t±. 

( — ' — 

j Charidemos Pseudo-Lucians Ii aal f. 
. Charniadas l 416. 4^ 
I Chaucer II 2M. a&i 398, 
' Chelidon pseudo- platonischer Dia- 
log I 339, L 

Chirius Fortunatianus II 364. 

Chrien I 4 45^3. m 1 u i. II IJ 5^1 . 

Christenthum II aaa. aM ff. 

Chrysippos 1 1- aiii f. am 
II ü 33, a. 

, Cicero 1 276, 2 u. a. aM. 434, 457 ff. 
! 559, i. 563. II 41 31, 60, 2, 

147. 307. 3. afia. 311, 385 f ■ EM, 

409 lüL 415,L lÄl. 
Wechsel seiner philosophischen 

Ansichten 1 SIT, i. m f. älS. 
I II II. f. IM. 128, 2. 

Schriften: 

■ — .\cademica posteriora I äU ff. 

— Ac«demica priora l 5Üfi ff. &22 f. 

— Brutus I iJ^ II 54, L 

; — Cato major I 331,2. 1L44 ff. 561^ 2* 
I II 254j 2. 

. — Consolalio I lüS f . 520, L 
j — de auguriis 1 537, a. 

— de divinatione I IM ff. 

— de fato 1 SüL ^ f. II 222. 

— de finihus 1 513 ff . 534. 555^ 

— de gloria l 545, 562, 3. 

— de legibus I 411 ff. M9, 

I — de natura deorum 1 !12Ä ff. 
II 346, 

— de officlis I 548, 

— de oralere 1 4ia ff. 511, 551. 
563.2. II 60, 2 U. L 4Ä ff. a&Ä. IM. 

— de partitionc oratoria 1 413 f. 

— de rc publica 1 452 ff. 539. 

— de virtutibus I 548. 

— Hortensius I 4ÄS ff. JÜL II 347^ 2, 

— Laelius 1 54i ff. 

— Lobschrifl auf Cato l 513. üA. 



460 



Register. 



Cicero Schriften . 

— Orator l 4M. 

— Paradoxa Sloicorum 1 4M. 584,6. 
526, L II Ii 

— Geplante politische Dialoge 1 

ans ff, all ff . 

— Reden 1 458^ 2. 

— Timäus-Fragment 1 544 ff. 

— Tusculanen 1 524 ff. aaa. 

— l'ebersetzungen platonischer und 
xenophontischer Dialoge 1 4ill f. 

Cicero, Quintus 1 537, 2. 
Classicismus II 

Claudius, der Kaiser II 264, 3. 
Clemens Alexandrinus I 389, i II 

879. »74 f. 
Communismus II 445. 
Conflictus verispt hiemisU382,2. ML. ! 
Conradus Hirsaugiunsis II 383, 2, 
Conversation I 4 f . fi. IjSJf. II 4 4. 

4 43, 1. 

Convivium Ciceronis Ii 4 38, L 142,4, 
Coornhert 1 89, 3, II 393. 
Cornaro, Catarina II 388. 
Courier 1 ai. II 44a> 
Cox II 440^ iL 
Crescimbeni II 414. 
Crusius II 436 

Culturgeschichte, antike Bemerkung 

zur II 208, L 
Curio 1 4fi5 ff. 

D. 

Dämon l 66, 3 (vgl. 63, K 
Dämonenlehre II 404^ 1. il6 ff . 495, j 

L 208^ 2. 233, L 4M. j 
Danaeus, Lambertus II 393. 1 
Daniel, P. II klSL 
Dante II iM. 2JJL 
Daphnites II 93, 3. 
OEirvoao'f i(rca{ II 353, 2. 
Delbrück, Ferdinand II 4M. ' 
Demetrios von Phaleron 1 344, 2. j 

aiSx 337^ 2. 845, L U. 2. 850, 2. I 
Demochares I 344. 
Demodokos pseudo - platonischer 

Dialog 1 Ui f. .m ^ I 



Demokrit l fiS. 34 4^ L U 43, 2iL 
450. 

Demosthenes i aiL 

Des Cartes l 94, II 267^ 1 4Mi 443. 

deus ex machina 1 ÄM. 11 49, 4, 

ITL a42. 4M. 
Deutschland s. Germanen II ff. 

415 ff . 441 ff. 
Dexippos II a£2f. 
Diaitetik II Lfii f. 451L 
AiaXi^et; l 41 f. 405, 1. 407, L II 

44, L 86, 2. 427, a. 
Dialog. Begriff 1 2 ff . II MS. Antike 
Definition I Si Etymologien 1 2 ff. 
II 384. Auffassung des Dialogs bei 
den Germanen II «Rt Ursprung 
I 2 ff. II 4a. fil. 2fi2. aM. IM. 
423. 427, 4M. im Orient L 8 ff 
Bei den Griechen l 11 ff. Mund- 
liche Dialoge Vorläufer der schrift- 
lichen 1 M (s. auch u. Gespräch». 
Arten des Dialogs II S£4 f. Mittel 
der Belehrung I 42 f. populärer 
Darstellung I MI f. 241. II 11. 
247. 1. 4Mx 411. 42fi. 433 f. 441. 
lebendiger Erkonntniss II 865. L 
Religiösen Zwecken dienstbar 11 
2M(s. auch u. Religion und Dialog . 
lieber rhetorische Dialogo s. u. 
Rhetorik. Dialog dient zur Em- 
pfehlung und Darstellung einzel- 
ner Künste und Disciplinen II 
284. 289. 389. 394. 399. als Ve- 
hikel von Erzablungen II 
ä2a. ai4. aM. Icber Masken-Dia- 
loge s, u. d. W. Dialoge in Versen 
1 3M ff. II ML Dialoge als Spiegel 
ihrer Zeit L 314 ff. 4M. II äl. 
aai. aM. 4M f. 443, Darstellungs 
form der attischen Philosophie I 
M f. Dialogi.sche Schriflstellerei 
abhängig von individueller Be- 
gabung II 440 f. vom Charakter 
der Nationen 441 ff. von den 
Zeiten 441 ff. Dialog als Dichtun«; 

I ilO ff. als Essay i HA ff. 514, 

II 404. (s. auch u. Essay;. D. und 



Register. 



461 



Mythos I i£i tL >. auch u. Mythen . 
D. und Brief l 305 ff. ^ auch u. 
Briefi. D. und Drama J m ff. 
Mi ff. aM, U IMj L all f . IM, 

294, iMff. 3M. äS5 f. aaa. 

411 f. 416, 1^ 413. 41L 4ilL Titel 
der Dialoge II 339. Scenerie I 
197 f. 252 f. 310 IT. i^Ä f. 460^ L 
II 488 Einführung noch leben- 
der Personen L älfl f. Zeit der 
Abfassung und der Scene fallen 
zusammen i i 97, 3. 522. &afi f. 
II 184, L Vertheilung eines Ge- 
sprtichs auf mehrere Tage s. u. 
Bucher, EIntheilung in. Schluss 
der Dialoge L SM f. Ii 49^ L 235, 1, 
iäi. ail. iia. Beziehung 

eines Dialogs auf den andern 1 
ÜM, II Ml f. Mä. m f. 330* 1l 
376. 5 (8. auch u. Trilogien und 
Tetralogien), l nterbrcchungen im 
Dialog s. u. d. W. Vortrag L 43, i. 
II 274^ a. Popularität des Dialogs II 
aSi 486. Hindernisse des moder- 
nen Dialogs II 4M f. 420. I. Theorie 
des Dialogs s. u. Theorie. Stilbil- 
dende Kraft 1 457, a< Bedeutung 
für die (iesamiutliteralur I 87 ff. 

Dialoge in Versen I afiÄ ff. II M&. 

dialogisla II 270, a. 

Dialog-Menschen 1 IL II 3JSi iM. 
411 f. iia. 41L 451. 

Diälogo de las lenguas s. Valdc^s. 

AtdAo7o; als Personen-Name II 870. 

DialoguR von Franz Sickingen II 

Diasien II 299, a. 

Dlatriben l 369, 37i, 5, 4M f. 

5<8, 2. 526, L 563^ 2. II 116 f. 

241. 24Ä. aii 4M. 427. 
Diderot I 4^ a. ai. 21i2 f . IM. IM. 

II 414 ff. 4i!L lAL ÜL 448, L 
Didymos I 364^ L II ns^ 2, a. 

352, L 

DikaiarchoB l SU, 2. ai8 f . all. 341, 
klL 485, 1. 501. 1, II llfi f. liL 2. 
208. L 212, 1, 

Dikaios. Memoiren des L 38. 3. 



Diieltantihnius II 442. 

Diodor von Antiochien II 876, L 

Diogenes I ai£. «84. 332 ff. 34^ 1- 

384 ff. II 75, 259, 1. 
— Tragödien 1 387. 1. 
Dion, Verfas.ser von Tischgespriichen 

l 42(L II |5i_, 2. 
Dion Chr^Süstomos I 490. II 73. 4. 

TAiX. &SL H ff. äiSL M6, L 
Dionysodor II 447. 
Dioskorides Dichter l 400. 
Disputationen II 41 f. 374, L 312. 3. 

379. 384. 39i. 4iLL 
Domitian II £82, L ML 4M. 
j Doppelbühne II läJL lilL 
! Drama l 12. m ff. 41i f. II 52 f. 

1 52, L 3Ä1. aal. aaa f. aas. 4M. 

, 4M. 41L 415 f. 429. 
Drei lustige Gespräche gegen Herzog 
Heinrich von Braunschweig II 892. 
Dryden II aüÄ. 

Eckslein, Ltz II aal. 
Egger II 439, 4. 

EfX(ufAtOM AT,[jioa8i'<oy; von Pseudo- 
Lucian 1 345, 5, II 282. 315, L 
f. 

Empylos 1 549, L 
Engel II 41 iL 413. 
Engländer I iÄ3 f. 431^ L II 393, 

398 ff. 440, fi u. 1. 441 ff. 
Enkomion, besondere .\rt des II 336. 
Enkomion, VerhUltniss zur (le- 

schichte II 2M. 
Ennius 1 413. 

Erastae pseudo-platonischer Dialog 
1 341. 

Entretien L 5, L II IIL 408, L 
Epicharm J 21 f. 

'ET:»OT|(A(a Mä;<zpi iv"Ai?oy II 881, 1, 
Epigramm I 400. 

Epiktet II U. 144. 14i ff. IM, 

331. 832. 2, 
Epikur I 3M f. II MJL L 
Epikureer l 355 ff. 



462 



Register. 



Epimenides pseudo - platonischer 

Dialog 1 aiL 
Epos 1 11 ff. II m 38ii 4. 
Erasmus II 349^ iL afil. 
Eratosthenes I IM ff. 
Eristik 1 2iL 
Ernesti II k2&. 
Eros s. u. Liebe. 

Erotikos 1 äL 60,3. 410.4. 344,rde8 
Pseudo-Demosthenes]. 34j. 346. 
Erotikos Pseudo-Piutarchs II ff. 

Eryxias pseudo-platonischer Dialog 

I 309, L äM. 558, L II 256, 2. 
Essay liA5tT. II lLU.6SH0r,^ksa. 
Ethik II 

Eubulos 1 
Eudoxos I -iM f. 
Euhemcros I IM ff. 
Eukleides I UÜ f. m, 1. 
Euphantos L 345. ;L 
Euphorion l 415. 
Eupolis II f. 

Euripides I 97, 2 u. L iM. L iM. 

II aiÄ. 447, L 
Euthydem II 447. a. 

F. 

Kabeln I iM. ißi. SM. II i f. lüfi. L4&. 
Fachwissenschaft I ili II 41i f. 
Favorinus II ÜL ilü ff. 142, L IfiUlL 

Fegfeuergesprache II 439. 
FCnelon II iM. kM f. 
Fichte II 4M f. 445. 
Ficino II aÄi 

Ficlion des (iesprUchs vergessen 1 
478. 497, 540, L ML 1- " 
354. L 359, fi- 377, L 

Fielding II 40fi. 

Filistus II 4. 

Fingirte Namen bei den Kynikern 

ü 332, 3. 
Florenz II a&fi f. 
Florus II £4 ff . Sil, 
F.iiilj'nellr (I 4M. 41iL 



i Forster, Georg II 4t9, 6. 
Franklin, Benjamin II 252. JL 418. 
Franzosen 1 aa. iü, L iM ff. 440, 5. 
4Ai ff. 

Frauen am Gespräch betheiligt I 
IS ff. liL 137 f. 4ii. II H2, 
122, 1. 139, L «43, L 4iUL 
Frauen-Emancipatioo ISA f. II 4^5. 
Freytag, Gustav II ÜüL 
Friedrich der Grosse II iM, L 41i. 
1 4AA. 44fi. Ali IL 
Fries II 440, i 
Fulgentius II 347. 

Galen II 3M. 

Galiani II 4LL 4M. 

Galilei I im. 55^ II 1^ SM f. 

Garve Ii 4_l_a. 

Geiii II 132, a, aa&. 

Gellius II m f. 264. 3. 
Gemälde des Kebes s. u. Kebes. 
Genie kann anerzogen werden 11 

4 48, L 
Germanen II i&L a&a f. 
Ge.schichte, Urtheile über I 21L II 

11. 33Ii 2- 

Geschichtsphilosophie II 51. 2. 

(Jespräch: Gespräche der Wirklich- 
keit die Grundlage der Dialoge I 
ilL ia. ff. 41li 4M f. 4ÄL 2. 
494. 515, 1. 514. ML L II 44.4Ä. 
194. 225, 1. 245, 1. 141. IM. 121 f. 

aü. aÄ5 f. 36^ 1- an. sil 3. 

374. 1. aiÄ. aifi. 877, 8. aM. 395.1. 
iOj ^0^ 413. 4l4,3.415.4l9ft. 

4i5. 41iL 431j 1. 4M. lü f. 4M. 
I Ciesprhche, cinralimcnde i Iii ff. LI 
i aa. 206. L 216. a. 282, 1. Mi. 3AA- 
I aii 411. 

j Gessner, Idylleudichter II a. 

Gibbon 11 406, L AU. 
j Glaukon 1 lüi f. II 4M. 

Goethe I 5, 1. ÜL SS. 4. m. II iÄ. 
I 264. 268. 384. UT». 416 419. tllL 
; üiL 411L iü. i. iiü. L 44*L Llll. 



Rcffister. 



463 



Gorgias 1 ai. 93^ L ÜLL 11 klA. 
Gottsched II il^ 421. 
Grabschriften, Dialoge auf I ÜUL 
II 84^ 

Grammatiker II aiA IT. 355, 2. UA. 

Gregor der Grosse II 374. 

Gregor von Nyssa II ili f. 

Griechen, Unterschied von den Rö- 
mern 1 4ia f. m 4iU f. II 394,5. 
Griechen und Römer im Gespräch 
mit einander l il2 ff. äü, H HL 
Beurtbeilung des Selbstgesprüchs 
II 265i 1. 

Grimm, Baron Ii k 

Guicciardini II 4M. 

IL 

Hadesfahrten der Byzantiner II 3S<. 

Hadrian II i49, L 2&1 f. iM. 

Halkyon. pseudo-platonischer Dialog 
1 aüL 

Haller 1 91, 1. 

Hebräer l ä. 

Hegesias 1 aiü f. 141 f. 

Heinrich IV. Herzog von Breslau II 
m f. 

Heinsc II kl^L 

Hekaton | 411. II 33, 2. 

Helothaies Titel eines pythago- 
reischen Dialogs I 4iLL 

Hemsterhuys, Franz l 102, !L II iiJL 

Herakleides der Pontiker 1 341 ff. 

335, 3, 336i L Mi 1- ilL 1- 

464, L 490. 54 fi. Jifii. II 23,1. 
IM, lÄi 
Herakleides, der Tarentlner i 362. 
449, L 

Herakleides, Verfasser der Alo^^at II 

138, JL 
'HpoxXctSetov 1 ä43 ff. 
Herakleios Kyniker II 344. 1. 
Herakles des Antisthcnes I 120, 2^ 
Heraklit II 153, MiL 
Herder II L 418. 4. 411L 415 f. 



j Herillos 1 '±M^ 
Hermagoras Schüler des Stoikers 

Persaios 1 40i. 
Hermetische Schrifien II 8H, lüaf. 

426. iL 

Hermippus sivp de astrologia II 
I aA4. L m. 377, 1^ 

Hermogenes II 270. 1. 

Herodian Grammatiker II IM ff. 
j Herodikos I 3M. & 

Herodot I 38 ff- " 4M. 

Herondas 1 lü*L 

Hesiod 1 Jl f. 58 f. 

Hiatus I 2Ä1L II 115, IL 170, 1^ 

Hieronymus Klrcbenscbriflsteller II 
ailL aUL 

Hieronymus Peripatetiker 1 345, L 
S61, 1. 

« Himmelspforlen-Lileratur II Ii, L 
Hipparchos , pseudo - platonischer 

Dialog l IM. 141. II na. 
Hippias von Elis I fk^ 93^ L 411L 

11 134,2. 44i 
Hippokrates II 445. 
Hippolochos I 315, II ÜL 
Historiker 1 IS ff. II 2i M. 

«43 aiÄ. 4Äi 406,L 445. 450. 
Historische Grundlage der Dialoge 

s. Gesprtich. 
Hobbes II 399, L 
Honmannswaidau II 416, 2. 
Hohenlohe -Iiigeinngen, Prinz zu 

II 440.1. 
Holländer II IM. IM. IM. 41«. 
Hollniann II 436, 
Honiv II kSl^ 
Homer l Ii ff. II 118 f. 
Homeristen II 295, 2. 
*OfxiXiai l fiüf. II 370. 3. 
Homilien, clementinlsche II 370. 
Horaz I 448.1. II 1, äff. 25^ üf. 

S2f. 328, 
Humaniora II 449. 
Humanisten II 444 ff. 
Humboldt, Wilhelm von II iTL 
Hume I 4£fi. II 4M. 
Hurd II 4iLL iM. 



464 



Register. 



Hutten II 3M. 
J)T:oftf(Xai 1 5fi f. 

L 

Jacobi, Friedr. Heinr. II 430 f. 4Ai 

Iccius II i. 

Idealstaateii II 450. 

Idealweise, der II 

Jean Paul II iliL 4M.. 

Jesus Person in Dialogen II 3fi7. 

Inder L 41^ j 

inquit, inquaui fehlen I 3 74 .i. 563, 2. 

Johannes Chrysostomos II ;i73. 

Johnson II 4M. üL 

Ion vonChios 13611. 156,11 446, 44L 

lonier in Athen I äi (T. II 454^ L < 

Ionisch als Umgangssprache 1 34, L. 

Isaios 1 344. 

Isidor II 378, 

Isokrates 1 343 f. 353, 355^ L 360j a. 

II 87^3, 94^1, 96^4. 272.2. 330. 
Italiener I kM. U aMfl". 394 IT. 41L 

440, 5 u. fi. ili IT. 
Juba II 479, L 

Jugendunterricht, Dialoge im II HL 
Julian II aifi. 343 fr. 
Juncus 11 iiiin. 

Juristische Dialoge I 41fi ff. 4ü 

vgl. II aii. 4M. 
Justinus Martyr II M&. 
Juvenal II fii f . 

K. 

Kallias l IUI J äiL 

Kallimachos I ^^99. kSiSL 401. 4. 

KaXö; II 180^ 2^ 287^ L 

Kant 1 m ff. II 441, 411. 412. ilfi. 

432. 448. 4. 
Kauzeldialüg II 427, 
Karl der Grosse, Gespröch mit Al- 

binus II 280^2. 885. 
Kameades I 4Ji f. 416, 4iL 
Kameios Kyniker II 354, i> 
Katechismen 1 AM. II m ff. aiÄ. 

aiLL IMf iM. I 



Katbarina von Sieua II vgl. 
249. 

Kobes I lOlif. 2ÄAff. II m. 
King II 406, L 
Kingsley II 226, 4. 
Kirchendialogc s. Tempeldialoge. 
Kleanthes 1 366^2. 313, 398. 
Klearchos l 309, 3. aiA. 345, ä. 
Kleisthcnes 1 äfi. 

KleitomachüS 1 Lli. 41^ 44 L 4iL 
464. L 526,2. 

Kleitophon, pseudo-platonischer Dia- 
log l J48iL 124,1. 27i,L II 90, 
2. iOAiÄ^ 342, 

Kleomenes I 389. 

Klingor 11 423. 

Klopstock II aM. 414. 447, L 
Koegel II 440, L 

Komödie I 49^ 346. 2. 348, 4. 386 

Äüa. II 214 f. lai ff. aMf. yo. 

Kosmopolitismus II 451 . 
Krantor 1 349 f. a22. ML 
Krates, Komiker 1 60^ 1. 
Krat€s Kyniker 1 357 f. II ÜL 325^ 2. 
Kratinos II Ml f. 

Kritias I 64 ff. SÄ f. II 44fi. 448, 4. 

Kritobulos, Kritons Sohn I 4 37. 

Krilon I IM. 

Krobylos I äl. II 4 45. 

Kronos II 257^ 1 u. 2. Sifi, 344, 5, 

Kroton, Titel eines pythagoreischen 
Dialogs 1 4ili. 

Ktesias I IM. 

Kunst, bildende 1 354. 

Kunstsprache der platonischen Dia- 
loge 1 2M. 

Kyniker verschiedene Arten l 367, 2. 
ai4 ff. 4ia f. II 38j iL 24fi. aJS^ JL 
an. 33L 344, 2. rechte und linke 
Partei II 93,a. Kyniker in Plu- 
larchs Schriften II ISli f. Dia- 
logische Schriftstellerei II 251 . 
Fingirte Namen II 332, ä. 

Kynosarges II 103,2. j3a. i. 

Kyrillos II 371, älfi. 

Kyros l 122 f. tül f . 

Kyrsas I S6. ?. 



Register. 



465 



L. 

Lactaiilius II älL 

La Fonteine II 4 3ä, 

La Mothe-Vayer II LLL 

Lamprias II mf. IS^ IM IT. jäilT. 

IM f. iüÄ. ää3. L 
Lamy II 4M. 

Landino, Cristoforo II 388. 
Landleben, Freude am II 2. 2. 

4M. 4M. 
Landor II 406. L 
Le Giere Ii Ui, L 
Leibniz 1 559. II 35'. J. SM. 397 f. 411. 
Leopardi I 4M. II 440^ iL 4AJ. 
Lesedrama II 307. 
Lessing I U5. i. 458, 2. II LL 2^6,4- 

41IL 422f. 427f. 441. 44i 44fi. i4Ä. 
Libanios II 344, L 
Liebe als Förderin des Dialogs I äi ß. 

II 454. Plutarch über die Liebe 

II äiaf. Juncus ÄÄäx 
Liebeshöfe I 33^ II 4M. 
Liebig II 2fi. 
Lipsius, Justus II 39<. 
List, Friedr. II 4M. 
At&ixdl 8. u. Orpheus. 
Livius II il ff. sa. lü. 11, 
Livius Andronicus I 94, i . 
Lobo, Rodriguez II 390. 
Local der Dialoge I 4311 f. 537, IM. 

II 4 4,8. fifL iSSi aifi. 375^ L 
Locke II 400. 404, 4. 
Logistorici I 2i£ IT. M£ f. 
Longinos II a£i. 
Lucan II 75, 2. 78^ L 
Lucian i V50, 1 u. 2. 534^ IL II 269 ff. 

344, L 373. 375, 4. 3S4. 383. aSS. 

394. 892. L 396^ iL 409, 2. 41iL 

42a. 441. 

Schriften: 

— Ausreisser II aM ff. 

— Anacharsis II 2Ä4 ff. 288^ a. 

— Bilder II 272^1. ilÄf. 

— Für die Bilder II 272, 2. 279 f. 

— Charon 11 3131. aüL 
Uirr.«l, Dialog. 11. 



Lucian Schriften: 

— Doppcllverklagtor II iiaf. Sül f. 
305, aMf. aiL 

— Eunuchos II 292, a. aUL 

— Fischer II 304a a. aM ff. Sil. 

— Göltergespräche II 221, iSS, 
375, L 

— Götterversammlung II 29iL f. äM. 
SM. 

— Hahn II 824 f. 

— Harmonides II 272. 

— Hermotimos II IM f. all, Mi.. 

— Hetärengespräche II iliäM. IM. 

— Ikaromenippos II äilf. 3i2.ai£r. 

— Kronos-Schriflen II aiSf. 

— Der Kyniker II Mi f. 

— Lebensversteigerung II aM ff. 

— Lexiphanes II 283,4. i97. 34 5, 2. 

— Ueber die Liebe und ihre Arten 
II 272. 2. lai. 

— Lügenfreund II 34 8 ff. 34 3.2. am 

— Menippos II 34 6 f. a±L 3^6,2 u. 2. 

— Niederfahrt II all f. aSÄ. 

— Nigrinos II 274. 4. 294 ff. 342.3. 
335, L 337, L 

— Ueber den Parasiten II lÄS f. 
294. 842, 1. 

— Prometheus II SiM f. 

— Prometheus es in verbis II 30f . t. 

— Pseudo-Sophistes II 297. 

— Schiff II aiiL 

— Seegespräche II III. 2iii 

— Skythe Ii 121. ISfi f . 

— Symposion II 342 f. 34 5, 2 u. L 

— Ueber den Tanz II l&a f. 28JL JL 

— Tlmon II 2Mff. aM. aM. aifi. 

— Todlcngespräche II 319 f. 406. 

— Toxarls II ää3 f . ai!L 

— Tragischer Zeus II aifi f. 

— Traum II 121. Ml. 

— Wahre Geschichte II 313, 2. 3iiL 

— WiderlegungdesZeusll 324f.3l£^ 
Lucilius I 411 ff. 482, \. II ü ai. 
Lucrez i Hai) f. 539, 2. II J L_L '^OS.». 
Ludwich, A. II 440. £. 

a5 



1 



466 



Register. 



Aouxwvo; II 306, 
Luther II äü2 f . 

Ajxino; II rLL 306j 3. a<2, <. 3U. 
Lynkeus 1 Mi II 21L 
Lyrik 1 12 f. laf. 
Lyttellon II 4Üfi. 



M. 

Mably II 412 f. L 

Macaulay I ÜA. II 22. 

Machiavelll 1 fiA f. &iL II. MS. 41iL 
iüL IM. 447^2. 447, a. MAL ÜÜL 

Machon 1 MS. 

Macrobius II äüfi IT. 

Maecenas II gif. 

Magulhäens II 390, 

Magikos pseudo-aristotelischer Dia- 
log 1 MiL aM. 

Maieutik l 2Äf. II iASL 

de Maisire, Joseph I m f. II gl7 
41L 

Malebranche I 559^2. II 4im. 

Mamtani, Terenzo II 440, r». 

Manilius 11 43^ 

Manuel, Niklas II iSl. 

Marc Aurel I 447, 2. II 248, Ifii fT. 

213 f. 378, 2. 
Martianus Capclta II 2«)8, L 34fi. 

347, 352, iL afilL 
Masken -Dialoge 1 iülf. II M2 f . 

344, .1 allL L 381, L 408, L 

410, 1. 4iG, iL 

Matron l MiL 89S. 



Maxcntius II 370. 
Medicincr l afiü II ML 'i2± 390^ 
Meiners II 412^ 
tie Meis II 440. !L 
Meleager Kyniker I 3fi.«>. 38S, 2 u. 
413 f. 

Melesermos I 355, L 
Melissas, C. I 558^ L 
Memoiren II 446. 

Menandcr, (iesprüch mit Guripidos 
II 

.Mendelssohn I 2Sfi- II 403. 3. HS. 
ÜiL ÜÜf. 416, IM. 



Menippische Satire s. u. Meuipp; 

ausserdem II fi. 2^3711. 4i 215 ff. 

298, L 333^ L 33S f . 245 ff . aii 
Menippos 1 aSfi. SfiÄ. Iii f. ff. 

486, <. 442, L 451, 6. 5fiiL 5fi2. 

II 275^2. 295, i. MSL ML Ufiff. 

329, 2. 329^ 311. SM f. 
Menschenverstand, gesunder II US. 
Messalla Corvlnus II 4,&. 
Methodios II aiÄ. üliL 375,4. äl^ 
Meton II 447, 4. 
Michelet II 44ü. iL 
Minos pseudo- platonischer Dialog 

1 3M. UL II. m 
Minucius Felix II 142. aiL 
Minucius Felix sogenannter II TLL 
Mirabeau II 447. 
Misanthropie II 450. 
.Mischung von Prosa und Versen 

I 341 r. 44JL II 33, 4. 4iL Mfi. 
354, 4. 396, iL 453. 

Mnasons Dialog mit Philon II 32ü f. 

Moser, Justus II 422. 

Monimos l 345j 2. 386^1 I! 375. iL 

Monolog 1 1. II 2fi£ ff. 

Montaigne I II 2fifi. 

.Montesquieu II 23, ijäf. 

Musik, von der =» Dialog Pseudo- 

Piutarchs II i2£f. 2&4. 
Musonius U 1 28, 5. 4 69, «. 239 ff. 

246, L 250, L 253. L ÄüiL 341, 
Muttersprache in Dialogen I )<I ff. 

II asa. 390j3, 393,2. 4il. 
Mythen des Antisthenes I 128, J des 

Aischines 4M bei Plalon 228 f. 
238 f. 25fi ff. bei Aristoteles 211 f. 
Euhenicros aM ff. Dion Chry- 
sostonios II Iftl ff. Plutarch ili f. 
Augustin aiS. Diderot 414. 
Mythische Dialoge I £2 f. f . 
II 2S5f. 375, L 396.2. 

N. 

Nachschrift wirklicher tiesprache 

1 8.-. 4. II 377. 3. 4M. 
Namen, antikisirt^nde Ii 403. 4JL1- 

413, 41L 




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Register. 



467 



Napoleon II 4 1 7 . 
ffationalgefUlil II ÜLL 
Naturvölker, Idcalisirung der 11 jt45. 
Navarra, Pedro de II 390^ 5. 
Nearchos I 418 f. 421, L 
Nero II 4i. 182, J. 217^1. aMff. 414. 
Neuplatoniker II a4iL ff. 
Niccolo Niccoli II 3S7. 
Niebuhr 1 äi. 

Nigidius Figulus 1 538i L Ä41 f. 

II no, L 
Nikophoros Oregoras II 384. 
v6(j.o; II 444 f. 

Novellistische Dialoge I 4fii> f. IIJ J fL 

1Ä3 f. äiL 282i 
Numenios II liAÜ f. 
Nysios Schüler des Panaitios II L 

0. 

Ochino, Bernardino II aM. 
Oinomaos 1 387, 2. II lö^j i£L 

265, L !*69. L an. 
Oliva, Perez de II MiL 
rOIivier, Emmanuel II UP, iL 
Onesikritos 1 ML II TL 
Orakel, delphisches über Sokrates 

I IS ff. 

Orient, Dialog im I ä ff. Einlluss 
auf den griechischen Dialog M4 ff- 

Origines, sogenannter s. u. Pseudo- 
Origines. 

Orpheus 11 

Orta, Garcia d' II 390^ L 
Ovid II 

• 

P. 

Pädagogik II 449. 
rottoixoi )Afot 1 ai f. 
Pamphlet 1 ^ f. 455. II äiL a^ MS. 
Panaitios i äS f . 109,4. H0,4. < 39, 4. 
279, L 413 f. 411- 'lÜL 465, 2. 

II 28, 1- 231^ 2. aM. 
Pandolfini II 388, 
Paracolsus II 443. 

Paradiso degli Albcrti s. u. Alberti. 
Parmenides 1 2fil f. 235^ 2. 256, L.' 
Parmeniskos 11 354, L 



Parodie auf den sokratischen Dialog 
II f. 

Pascal II 2fiiL kiSL 

Pasiphon 1 100, 2. iH, 2. 309, L 
I aifi. 415, a. 

Passeri, Nicola II 442. a. 

Paulus der Apostel II Mä. ai^ 

Peisistratos von Ephe.sos I 41 5. 

rUplSciitvov I 345iJL 434, 1. ü 

Perikles 1 M f . äfi. 97^ L 

riepfTTaTot der Literatur I 364, i 
II 484. 4. 487. 4 90. 4 96. LÄÄ. 2M. 
' 21L 222- 

llepl noXiTixT); byzantinischer Dialog 
II 384. 

Perrault II iJ_L 

Perrückc II iü. 

Persaios 1 m 40L 411 II 224, i 
Perser I 
Persius II a4 ff . 

Personennamen, bedeutungsvolle 

1 476, L fiÄÄ. II 898. 439, L 
Personenzahl I iftfi IT. afiJL II 455. 
Personificationen abstracler Begriffe 

1 33S, ai2 f. II aAi afiiL aai. 

f. iü^ /■■"S. 
Petrarca II afi5 f. 450. 3. 454, L 
Petronius II ai ff. 
Petrus der Apostel Ii 370 
Phäaken pseudo-platonischer Dialog 
I a3L 

Pbaedrus Fabeldichter II 

Phaidon von Elis I in ff. 264, L 
323, 5. II khl. 

!f7)oi fehlt l 374, L 563i ^ s. auch 
u. inquit. 

Philemon Komödiendichter 1 848,4. 

Philippos Historiker II 490, 3. 

Philippus Solitarius Ii 384. 

Philodemos 1 446. 

tttXo/.OYla und 'ftXoaocpta fallen zu- 
sammen II 251. 

Philon der Akademiker aus Larisa 
I 52fi. 

Philon der Megariker 1 ai3 f. 
Philons Dialog mit Mnason LI 'ilSi f. 
Philopatris II 345, 2. aüfi f. 339, 2. 



Register. 



468 

Philos 11 ML 

PhtlosopbeD, Gegensatz gegen die 
Rhetoren II iüL 250^ i. 

Philosopbengesandtschaft 1 U 8. 

Philostratos II 845. i. m ff. 

Phoinix Sokratiker J HO, 1. 

9jai( II UA f. 

Pistis Sophia II HL 

Planudes II 350. a&l. ML 

Plalon J 174 ff. gegen eine Termino- 
logie 92^ 2^ Atticist Piaton und 
Antisthenes ilfi f. Anachronis- 
men l£i ff. Methode 
2&i ff. II 411 f. mit Kant ver- 
glichen 1 ff. mündliche Lehr- 
Ihätigkeit fll f. Prooimien seiner 
Dialoge tlA f. Verhältniss zu Ari- 
stoteles m ff- iM ff. f. äiifi f. 

aAd f. zu Sokrates a8<- zu Speu- 
sipp 34.'». Unbenannte Gesprttcbs- 
personen 34<, L Theorie des Dia- 
logs Ü2 f. Selbstgespräch ül f. 
(s. auch u. d. W.), 

Ausserdem vgl. I 559. Ii ü f . 
LL iL H8,8. i06, L 369, i. 
.^75. .V71L aiL 3»8. 4M. ilL iÜ f. 
ill f. ii^ iM. 43|j L 4M f. 4M. 
441. 4JilL iSL L 

Schriften : 

— Apologie 1 ä57. 

— Euthydem 1 iüÄ f. ül f . 145 f. 
iM. II ÜIO, 2. 

— Euthyphron 1 4 96, <. ä57. 

— Gesetze H 86 f. 21a, Ül. am f. SM. 

— Gorgias 1 114 ff. 176,1. LSä f. 
IIJL 211, 2- ilfi- tlL 245, 260. 
2fi4, Ifil f. 343, L Ii i73, 1. 
329. L 344. 4. 

— Hippias major II \ 

— Kratylos l 876, L II MIL 

— Kritias 1 IM. im ilÄ. 

— Kriton I 251, 

— Menexenos l 126. 

— Menon 1 211. im I78_. 

— Parmenides 1 £86^ i 290^ 

— Phaidon ! Läü II. MJ ff. 206 i. 



Piaton Schriften: 

21£ f. 225 ff. 234.2. iM ff. t&2 fr 
afilL 2fi3 f. 21i IMf. liL IJ 93,4. 
Ui f . 14S ff . 278. 2. 800. L 329.4. 

an f. am m. i iiiL 

— Phaidros l iliL 213 ff. 243^ 
264 f. rUL iVL 281. IM, II 56, 8. 
5iL IM. 282. 2. 278, 2. 282, 4. 

iSlLiaiL 334,4. 837.4. 859.4. 
869. 37j. aii 

— Pbilebos l 278, 

— Politikos l iÜL 2Si. 359, 

— Protagoras 1 1S4 f. 2J4,1. 
221L iÜL 183 f. aai. 11 423. 

— Sophist 1 iüJL IM. iM. 507. 

— Staat I 5fK L ML iM ff- 246. 
256. 260. M2 f. 2fi5. 268. 4. 275. 
287. 288. 472. 473. 487. 54 5, 4. 
563, 2. 11 56, 8, 213 ff. 308, ^ 

— Symposion I iM. ISÄ. 211L 221. 
iil. IM. Mi. II 232.2. 281, 4. 
290. j93. ä94, L 34 8, 4. 33 4, (. 
m f. m f. 372, L 434.. 

— Thcaitet I llJL iiü aM. ifli 
11 232, L iSL 411. 

— Timaios I IM- 2Ä1L 2M f. 22JL 
II ISi 273, 2. 329, L 321. 

Platoniker der Kaiserzeit. II 858. 
Pluutus I 412. 
Plinius der ältere II 44. 
Plocbeiros, Michael II 384. 
Plotin II MSL 

Plutarch 1 445. 2. 4.5.'). \. 490. 528.1. 
II 12 f. la ff. 114 ff. 250 f. 251,3. 
285. 331 ff * aM. 409, h 

l 

Schriften : 

— 'Epa»Tt*o; s. u. 'Epu)Tix<J;. 

— Dass die Pythia ihre Orakel nicht 
in Versen ertheilt II 2M ff. HL 

— Dass nicht einmal angenehm zu 
leben möglich sei den Lebren 
Epikurs entsprechend II iil f. 

— Gastmahl der Sieben Weisen II 
Ui ff. 

— Gegen kolotes II Hi ff. 

— Gryllos i 340,3. I1 1 28ff. 141. III. 



Register. 



469 



Plutarch Schriften: 

— philosophisches Lehrgedicht (?) 
II a04, 3. 

— Lobrede auf die Jagd II <7a 

— Ob die Land- oder Wasserthiero 
klüger sind II Iii fT. IM. 279, <. 

— Tischgespräche II 21A IT. iM f. 

— lieber das Aufhören der Orakel 
II IM IT. ilLL iHi 208j 4 Schi. 

— lieber die Beschwichtigung des 
Zorns II i6in. 

— Ucber die Bosheit Herodots II 

— üober die Daidala in Plataiai 
II lü 

— lieber das Dämonion des Sokrates 
II IM IT. i3i f. üfi, 

— Ueber das VA in Delphi II m ff. 

20f, 3. 

— leber die Gesundheitsichre II 
IM ff. 

— Ueber Isis und Osiris II 113 f. 

— Ueber das Mondgesicht II m ff . 

— Ueber Seelenruhe II 18^ 1 . I fiÄ. 

— Ueber die welche erst spät von 
der Gottheit bestraft werden II 
aii ff. 

— Von der Musik s. u. Von der 
Musik. 

— Von der Seele II HA. 

— Von den allen Menschen ge- 
meinsamen Vorstellungen II ili ff. 

Plutarchs Schule II IZfi. läA.i2äf. 

Poesie verglichen mit anderen Thä- 
tigkeiten Ii • 

Polemik gegen Bücher in Dialog- 
form II am aia. 

Politische Dialoge I äü. iM ff. 
MI ff. SAjI ff . U 338, L aA4 f . 
m 4AiL 

Polyainos 1 iOO^ 2. £08, L 

Polykrates Rhetor l J42ff. 

Popularität des Dialogs II f. 436. 

Porphyrios II äfii f. 

Port Royal U yjL 

Portugiesen l II 390. 

Poseidooios II 38,3. 1 38,2. isi^ä. 283. 



Praxiphanes l aiü f. 4U, h. 43<. 1. 

Priesterstil 11 ISJ, ± ißä, 

Problemsammlungen der peripatc- 
tischen Schule I 21i f. 

Prodikos 1 fifl f . 93J. 4<t, 3. 258, 1. 
484. II 254, 2. M± JM. 

Prodromos il 3G3, i. 38<. 

Prometheus 1 <2<, <. 

Prooimien I ilü f. iüiL 398, L 4M f. 

Prosa, Ansichten über ihre Ent- 
stehung II 208^ L 

Prosa, Bedeutung des Dialogs für 
die Entwicklung der 1 M ff. 
II 3ÄL 

Protagoras I 56^ 98, 1. l±a Anm. 

II 447^ 2 u. 2. 
npoxpcimxot 1 1 18. 1. 2&a. ML lAi 

426 f. II 2^ L iifi. aii 
Process als Form des Dialogs II 

178,4. m 
Prytanis 1 34A. ^ ML ^ 
Pseudo-Aupustin gegen die Dona- 

tistcn II lliL 
Pseudo-Bardesanes II 373. 
Pseudo-Origines Ueber den rechten 

Glauben II nSL 
Pythagoreer 1 Mi 4fli 418. i4a- 

II 179^1. 

nu8ixol U^o^ II Ml ff. 208j 4. Mfi. 

von Radowitz II 439. 
Raffael II 447, L 
Raleigh, Waltber II 3M. 
Ranke 1 5.L II ÜL 44iL 
Recognitionen, clementinische II 37t). 
Redner I 50. 343 f. 
Reformation II 310 ff. 444 ff. 
Rehberg II 4M. 

Religion und Dialog II lai. 8fiL 

aM. IM ff. 4M. 436j 3^ 

Renaissance Ii ff. iiJl ff, 
Renan II 440, ^ 
Ress II 436. ax 

Revolutionszcitalter II M^4iL4i3r. 
Rhetoren, Ansicht derselben über 



470 



Ref;i.stcr. 



da.H Verhältniss von Prosa und 
Poesie II äos. L Verfasser von \ 
Symposien Iii f. \ 
Rhetorik 1 mL iSi 295, 3. 300 f. 
äüA. 3V}_, 3. ^ 1. aSl. 413, L 
m, i. iM f . 4Ä1 f . m ff. 
älA f. II 4i 4A. IM f. 115 f. iMi ^ 

äfiaff. aiaf. aM. ai^f. 378, l 

ROCOCO II 403. 

Römer, Unterschied von den Griechen 

I 4Äa f. m tai f. 561, 3. 11 fii. 
253, L 

Roman II 32 ff. iM. iüL 
Romantiker 1 sm. ULL IMx 3B3, 3. 

II 419, L 411 f . 432i ^ iAA. 
Roscius, Schauspieler I 48t. 3^ 
Rousseau II iM. UiL 44JL 450^ L 
Rückert II 384. 1. 
Rusticus II 243^2. ÜA. 

S. 

Sachs, Hans II SSL 
Sängerstreil l Uff. 
Saint-Evremond II 4< 0. 
Salons I 22 f. 11 Ml t. kA± kÄL 
Sappho 1 

Savonarola 1 äl. II äM. 
Scharffenstein II 425. 
Scharnhorst II 447, L 
Schelling 1 534, L. II tL 434 ff. 

Schiedsrichter 1 484, 3. II 24. m, L 

m f. 282^ L am 

Schiller 1 ^70. 2. II MiL JJil. 4aiL 
414 f. 

Schlegel, A. W. II 424,1. 4J11- 
Schlegel, Friedrich 1 48. i. U 41L 
4M f. 

Schleiermacher I 48, i. 4ß>S. .i.'i'J. 

II IfiÄ. 41Äf. 413. 431. 433. 414. 

4M. 441- 4M. 4Ä4. 
Schlosser, Joh. Georg II 4M. 
Oy oXai 1 869, 2. 515 f. SIL 
Schopenhauer II 4M f. 
Schrift vom Staate der Athener 

1 303, 1. II 447, 1. 



Schubart II 413. 
j Schulgespröcho II 364. 
I Schweizer, ihr Streit mit Gottsched 
II 41^ 4M. 
Sccundus Gespräche mit Hadrian 

II 262, L 
Selbstbiographic II LL 35 f. 63. 3. 
268. 

Selbstgespräche I 415 ff. iM. II liL 
ai. 34. ai. 5IL H7, lÜL Äüi IF. 
344. 377, 3. 32iL HL 4. 427, 2. 
411. 411. 434. 
Seneca II 14 ff. 75,3, 78, L 
29f).a. aifi. 332. i. aiiL MJL 408. L 
Serapion II 183,4, Ml f. Mi. 
sermones II ÜL 
Setterobrini II 441. 
Shaftesbury I 4AA. 4M. U 399 f. 
4Ä1 f. 41LL 414. 420^ L 411. 41i 
4ia. 485, 8. 
Shakespeare II 54, 4 MiL SM. iflüL 
Sicilien I Ifl ff . 

Sigonius 1 6, L II 389. 4. 394. 5. 
Simmlas Sokratiker i IM f. 331. \. 
Simmias Dichter 1 400. 
Simon I 82. 5. lÄl ff. Dialog Phai- 

dons 104. 4. iil f. 
Simonides von Keos 1 1^ 
.Sisyphos pseudo-platonischer Dialog 

I SU. i- 841.3. 11 m H9.1. 
Skepsis II ü 411. 
Sklaverei, Aufhebung der II 445. 
Xxu8txoi U^oi 1 2. 
Socialdemokratie II 440. 
Sukrates erkennt didaktischen Werth 

der dialogischen .Methode 1 41. 
Sein Wirken geschildert 68 ff. 

II IIa. Sophist l 63. Rbetor 70, L 
erörtert logische, metaphysische 
und naturphilosophische Probleme 
74,3. Das delphische Orakel 15 ff. 
sokratischc Legende 326, i . gegen 
die schriftliche Form der Mit- 
theilung &3. seine Gespräche auf- 
gezeichnet SS f. Ii i44, 1. Patriot 
l ÜJL Atticist 98, 1. Ausgangs- 
punkt seiner Gesprttche 274, 1. 



Register. 



Charakter derselben iUL II 34<, 1. 
erzühlt Mythen 1 Sinn fUr die 
Land»chaa fehlt II 42fi. Moral ül. 
Entwicklung seinesWesens H 78, 1 . 
bei Potidaia und Delion j f. 
letzte Tage iM <T. In der Literatur 
nach den verschiedenen Zeiten 
verschieden dai^estellt 1 aM. 
Sokrates des Antisthenes läS des 
Aischines 124 f. bei Dion Chry- 
sostonios II H9. bei Lessing und 
WiclandiSi, — Gespräch mit Lam- 
prokles I kM mit Epikur II 34«-— 
Sokrates und Horaz II 18 S. und 
Plutarch Ü2 S. und Jesus 3M f . 
S. und Johnson iM S. und Diderot 

Sokrates als einsamer Denker vor- 
gestellt II 37^i. ä43, L 

Sokrates, landlicher II !L 

Sokrates, Schriften des l läQ. L 
II 90,2. 248, L 243, L WL Vfjl. 
auch Gaspary Hai. Literatur L 
l&fif. 

Sokratik und Pylhagoreismus 1441,1. 
II tn f. 

Sokratiker atlicislische Tendenzen 

I 21 f. Dialoge 67, 4. aiff. Hi- 
storisch 8L 134. 281. Abfassung 
nach dem Tode des Sokrates 
134, 2. Streitigkeilen unter ein- 
ander II 369. 

Sokratische Methode. Falsche Auf- 
fassung derselben I 518. f. 

Solger II iJJL iMx 

Soliloquia II 378,» 3M. 

Solon I 1^ üfi, afix II 324, L 

Sophisten 1 &a IT. 62 f. 66,3, 67,1. 
aaiT. 2A4. 878 ff. 3^3 f. SSL H 43 f. 
91, 1. 98 f. IM f. 240, 310,2. 34(L 
353, i. 374, iL 444 IT. 

Sophokles ] 42, II 447^ L 

Sophron I 8, 1. L lAff. 134^1. L5iL 

II 388i 
.Southey II 440. L 

Spanier i itiL jo4. I. II a&S f . 
Spectator II 401. 



Sperone Speroni II SM- 

Speusipp l 309^ 1. aia ff. 341, 3. 

845, 4 u. !L 3.51, 1. 
Sphairos 1 373 f. 

(nrou5o7£Xoiov I 365,2. II aiS. 348. 

350, 
Stark II 436, 

Stilpon 1 809, L aUL 334. 
Stoiker II iM^ 266, L 
Straton I äia. 

Strauss, David Friedrich I 403. 
II SM. iM. LLL 

Streit der Antiken und Modernen 
II 4M. 406ji. 41L 

Streitgedichte des Mittelalters MS. 
II 178, L aSi ML 407. 

Sturm und Drang II 41^ 411. 

Sulpicius Severus II Ii f. 374. 

au-ptploet; 1 388, 2. 440, 2. 452, 2. 
481, L. 484. L 1123,3. 24. 41L 
52 f. fi4. 75, a. 79, L 112. iTL 
272, L 302, 3Ai ISi. EM. 406, L 

y_L 

oüXXoYOC TToXiTtxo; l ÜÄi ff. 548, L 

oujiTTOOtaxdl II 352, 1. 

Symposien des Lebens I ül ff. 345. 

aSS f. II JÜ taSx 142^ 5. 3.n5f. 
Symposien der Literatur I 44iff. 

Mi aMff. 440, 2. 454, L II 2 f. 

ü 44, 41 ff. aa f. m ff. 214 ff. 
2afi. an f. auL aia ff . ai4 f. 4ul 

oufjiroTixd II 352, 1. 
otJviciTrvov II 7, 1^ 
ouvTa-ffta l 4, 1 . 
oW^i; l {Ü4, 1. 
Syrakus 1 11 f. 12 f. 
Syrischer Dialog über die Seele 
II 359, L 863,4, 



Tacitus l iai, II 47 ff. 64. 70, 123, 4, 

843, L 4M, 
Tasso, Bernardo 1 305 f. 
Tasso, Torquato I a45 f. 44iL II a44 f. 

396, 444, 4aiL 4A1, 
Tatler II 40L 



472 



Register. 



Telauges 1 132, L 115 ff. 
Teles l afil ff. IM2. ÜiL 
Tcmpeldialoge I II IM. 

IM. im asa. 

Tennemunn II 421. 

Ten/onen l lü f. II 

Tetralogien 1 253^ 3, 

Theages pseudo-platonischer Dialog 

I 309, L 831. 2- 
Theodoretus II äÜL 
Theognis I 5iL 
Theokrit 1 aSÄ- II iL 
Theologen, delphische II HL 
Theologie, vierfache II M f. 
Theon Grammatiker 11 186^ 207. L 

Theon der jüngere II 221 , L 

Theon Stoiker II 200, IL 

Theophrasl l m, ± aiL 342, 2 u. L 
345,1^2,3,4. 347,2.361.2. II 
10, 2. IM. 208, L 211, ^ 

Theophylaktos Simokattes II 343, 2. 

Theorie des Dialogs 1 ili ff. II ü 
59, L. aSa f . 273, L 327, 329. 

ajüL ML 843, ± aiÄ. aÄS f. aai. 
aajL aafi. 397, < u. tei. üll üis. 
410. a. 4rL 2. 411 f. 4io, l iii f . 
424, üs, 435, 2 u. UG. 2, 

Theorie der Symposien II iüf. j42, 
349. 353, JL 358, L 311 f. 

Theoxenos II 285, £L 

Thiene als (lesprüchspersonen I 
aM ff. II m. 

Thukydides l U ff • " 343. 2. lÜL 
447, 2. 4M. 

Timarion II 381, 2. 

Timon von Phlius 1 345, iL aM f. Ü<L 

Timon Plutarchs Bruder II 72, L 2J fi. 

Tlmonfabel l 20J ff . II ff. ^ a. 

Todtengesprüche II aifi f. ai9 f. 4M. 
409, 2. 416, L 43a. 

Tradition des Dialogs sichtbar ge- 
macht s. u. Wiedercrzühlung und 

II 377, a. 

Tragödie 1 4^ s. auch u. Drama. 
Trnjan II Ii ff. 
Treitschke II tL 



Trilogien I 853, 2. II 4iL 
Troslschriften 1 äl? ff. 4M f. II 

347 f. aiL 
Tugend, Ideal der II 41L 
Tullia d'Aragona II 988, a. 
Tychiades II ÄfiS. 306i ^ älli SIL 
Typische Gespräche 1 543, L II iL 

aii aM. 392. 44iL 
Tzetzes II aÄL 

Ungenannte als Gespröcbspersonen 
1 äSL II 293, 2. MAi^L 375. 2. 
399, L 

Unterbrechungen im Dialog II 425 f. 
Unterhaltungen zwischen Euripides 

und Meuander, Sokrates und Epi- 

kur II a4Ä. 
O'jpdiNto; otdXo-jo; II 875. L 
Urbino, Hof von II aM. 



T. 

Valdös, Juan II 390. 

Valerius Cato II L 

Valla, Lorenzo II aAü f. 

Varro I a2a ff. 380, L 381i L 387, 2. 
388, 1. 436 ff. 4M. iL! ükfi f. iSUL 
II 5,L6,a.23,a. 4iL45. m, L 
296. L 316, L 329. r^. ailL 353, 5. 

Vater und Sohn im Gesprüch 1 42S f. 
4.<2. 483. 494. II Ufi. 2M. JAiL 
357. 859. a. 

Villendialoge 1 iM. II [Iii. 363. 

Vinci, Liouardo da II 446. ' 

Virgil II 5. 

Vischer, Friedrich II 439. 

Volkssprache, attische wird in die 
Literatur eingeführt I M ff. Die 
Forschung wendet sich Ihr zu 98, i 
umgebildet in den platonischen 
Dialogen 241 ff. 

Voltaire II 99. 412. 4iL 

Vopiscus II äia. 



Reg 

W. 

Wahrheit und Dichtung in Dialogen 

II <94. s, »1. Gespräch. 
Walton II 899. 

Wcimarsche Kunstfreunde II 44iL 

Weise, Sieben I US^ II m ff. 

Wiclif I 1. II aÄl. 

Widmungen 1 21 5. aUi f. 5H, ^. 
536, I. ÜM. II IM. lliL 176.2. 
IM. LSIL 

Wiedererzählung der sokratischen 
Gespräche I El f. iil. 521. 545, 1, 
Vgl. vJCh II M. Mi. äiL IM. 

Wieland II üfi. kll, 4M f. 4M. 

Winckelmann II 4M. iSfi. 442, 

Wirklichkeit, Gespräche der, als 
Grundlage der Dialoge s. u. Ge- 
spräch. 

Wolf, Fr. A. 1 48, 2. II 4M. 
Wolf, Hieronymus II MA. 
Wolffsche Philosophie II ilü. 

X. 

Xcnedemos II 315, 2. MÄ. 
Xonokrates 1 aü 345^ 3. 35f, L 
Xenophon 1 Ufi ff. 

Schriften: Mcmorabilien lAl ff. 
II 22^ 22fL 2ÜL Oikonomlkos 



ister. 473 

I 112 ff. 558, .1^ Mii Sympo- 
sion iM ff. Anabasis IM ff. 
Kyropadie J fi2 ff. Hieron 1 6S ff. 
Hellenika ili. Vom Staate der 
Lacedämonier 112. Von den Ein- 
künften m. Hipparchikos m. 
Vom Reiten m. Kynegetiko8<73. 

Personenzahl seiner Dialoge 
207 f. Briefform m. 304^ L Theo- 
rie des Dialogs üi Abrupte An- 
fänge mancher Schriften II 407, 3^ 
4M. 

Ausserdem vgl. II 38h. 42-«. 
423. 4M. 
Xenophon-Cultus II L 4 8, L 



Z. 

Zacharias von Mitylene II ai2 f. 374. 
Zenodot von Mallos II äM. 
Zenon der Eleate I 
Zenon Stifter der stoischen Schule 

I Ml. aM. aiÄ. 

Zeus in der Komödie II 300. L 
Zimmermann, über die Einsamkeit 

II 450, a. 
Zopf II ÜLä. 

Zopyros l 1H, i. 114 ff. 
Zschokke II 2M. 



Hnck Ton Braitkopf Jt Hirt«! io L«|ai«. 




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Indiana Plant 
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