Ostwald's
Klassiker der
exakten
Wissenschaf.
no. 46, 1914
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetznnp. vorbehalten.
Copyright by Wilb^lm Engelmann 1914.
' Google
A in«
o SS
Johann Beruoulli
£iiiladaiis snr LKsnng eises Heven ProMems.
Aus den Acta Eruditorum, Leipzig, Juni 1696, S. 269.
Wenn in einer yertiealen Ebene zwei Punkte md
B gegeben sind, seil man dem bewegliehen Punkte M
eine Bahn AMB anweisen» anf weloher er Ton A ans-
gehend yermOge seiner eigenen Sehwere in kürzester
Zeit nach B gelangt.
Damit Liebhaber solcher Dinge Last bekommen sich an
die Lösung dieses Problems zn wagen ^ mdgen sie wissen,
dass es nieht, wie es scheinen könnte, blosse Speculation ist
nnd keinen praktischen Nutzen bat. Vielniphr erweist es sieb
sogar, was man kaum glauben sollte, anch für andere Wissens^
zweige, als die Mechanik, sehr nfltzlieh. Um einem vor-
eiligen Urtheile entgegenzutreten, möge noch bemerkt werden,
dass die gerade Linie AB zwar die kürzeste zwischen A und
B ist, jedoch nicht in kürzester Zeit durchiaufen wird. Wohl
aber ist die Curve AMB eine den Geometern sehr bekannte,
die ich angeben werde, wenn sie nach Verlauf dieses Jahres
kein anderer genannt hat*
2.
Ankftndigang,
herausgegeben GrOningon, Januar 1697.
Die scharfsinnigsten Mathematiker des ganzen Erdkreises
grfisst Johann Bernoulli, öffentlicher Professor der Mathematik.
Da die Erfahrung zeigt, dass edle Geister zur Arbeit
an der Vermehrung des Wissens durch nichts mehr angetrieben
üiguizeü by Google
4
Johann Bernoulll.
werden, als wenn man ihnen schwierige und zugleich ntltzliche
Aufgaben vorlegt, durch deren Lösung sie einen berühmten
Nauien erlangen und sich bei der Nachweit ein ewiges Denk-
mal setzen, so hoffte ich den Dank der mathematischen Weh
zu verdienen, wenn ich nach dem Beispiele von Männern wie
Mersenne. Pascal, Fermat, Viviani und anderen',, welche vor
mir dasselbe thateu . den ausgezeichuetsten Analysten dieser
Zeit eine Aufgabe vorlegte, damit sie daran, wie an einem Prüf-
steine, die Güte ihrer Methoden beurtheilen, ihre Kräfte er-
proben und, wenn sie etwas fänden, mir mittheilen künnton ;
dttuu würde einem jeden öffentlich sein verdientes Lob von
mir zu Theil geworden sein.
Nun habe ich vor einem halben Jahre im Junihefte der
Leipziger Acta Eruditorum eine solche Aufgabe vorgelegt,
deren Ntltzlichkeit und Schönheit alle erkennen werden, die
sich erfolgreich mit ihr beschäftigen. Sechs Monate Frist vom
Tage der Veröffentlichung ab wurde den Geometern gewährt,
und wenn bis dahin keine Lösung eingelaufen wäre, versprach
ich die meinige mitzutheilen. Yerflosseu ist dieser Zeitraum,
und keine Spur einer Lösung ist erschienen. Nur der be~
rühmte, um die höhere Geometrie so verdiente Leibniz tbeilte
mir brieflich mit^°>, dass er den Knoten dieses, wie er sich
ausdrückte, »ehr schönen und bis jetzt unerhörten Problems
glücklich aufgelöst hübe, und bat mich freundlich, die Fiist
bis zum nächsten Osterfeste ausdehnen zu wollen, damit die
Aufgabe inzwischen in Frankreich und Italien veröffentlicht
werden könnte, und Niemand Veranlassung hätte sich über
eiue zu enge Bemessung des Zeitraums zu beklagen. Dieser
ehrenvollen Aufforderung gab ich nach, ja ich beschloss selbst
die Verlängerung zu verkündigen, und will jetzt sehen, wer
diese edle aber schwierige Aufgabe angreifen und, nach so langer
Zeit, endlich sie bemeistem wird. Für die aber, in deren
Hände die Leipziger Acta nicht gelangen, wiederhole icb hier
die Aufgabe.
Mechanisch -geometrisches Prohlem
über die Linie des schnellsten Falles.
Zwei gegebene Punkte, welche verschiedenen Ab-
stand vom Erdboden haben und nicht senkrecht über-
einander liegen, sollen durch eine Curve verbunden
werden, auf welcher ein beweglicher Körper vom
yariations-Rechnnng.
5
oberen Punkte auagehend vermöge seiner eigenen
Schwere in kürzester Zeit zum unteren Punkte ge-
langt.
Der Sinn der Anfgabe ist der : unter den unendlich vielen
Carven, welche die beiden Punkte verbinden, soll diejenige
ausgewählt werden , längs welcher , wenn sie durch eine ent-
sprechend gekrümmte sehr dünne Röhre ersetzt wird, ein
hineingelegtes und freigelassenes KUgelchon seinen Weg von
einem zum anderen Punkte in kürzester Zeit durchmisst.
Um aber jede Zweideutigkeit auszuschliessen , sei aus-
drücklich bemerkt, dass ich hier Galilei 's Hypothese an-
nehme, an dererf Wahrheit, wenn man vom Widerstande ab-
sieht, kein verständiger Geometer mehr zweifelt, dass nämlich
die Geschwindigkeiten, welche ein fallender Körper erlangt,
sich wie die Quadratwurzeln der durchmessenen Höhen ver-
halten. Unser Verfahren für die Lösung ist freilich allgemein
und findet auch für jede andere Hypothese Anwendung.
Da nunmehr keine Unklarheit übrig bleibt, bitten wir
alle Geometer dieser Zeit insgesammt inständig, dass sie sich
fertig machen, dass sie daran gehen, dass sie alles in Be-
wegung setzen, was sie in dem letzten Schlupfwinkel ihrer
Methoden verborgen halten. Wer es vermag, reisse den Preis
an sich, den wir dem Löser bereit gestellt haben. Freilich
ist dieser nicht von Gold oder Silber, denn das reizt nur
niedrige und käufliche Seelen, von denen wir nichts löbliches,
nichts nützliches für die Wissenschaft erwarten. Vielmehr,
da Tugend sich selbst der schönste Lohn ist und Ruhm ein
gewaltiger Stachel, bieten wir als Preis, wie er einem edlen
Manne zukommt, Ehre, Lob und Beifall, durch die wir den
Scharfsinn dieses grossen Apollo öffentlich und privatim, in
Schrift und Wort, preisen, rühmen und feiern werden.
Wenn aber das Osterfest vorübergegangen ist und Nie-
mand unsere Aufgabe gelöst hat, dann werden wir unsere
Lösung der Welt nicht vorenthalten, dann wird der unver-
gleichliche Leibniz seine und unsere Lösung, die wir ihm
schon längst anvertraut haben, sofort, wie ich hofle, ans Licht
gelangen lassen. Wenn die Geometer diese Lösungen, welche
ans tiefliegender Quelle geschöpft sind, studiren werden,
dann werden sie zweifellos erkennen, wie eng die Grenzen
der gewöhnlichen Geometrie sind , und werden unsere Ent-
deckung um so höher schätzen, je weniger Löser unsere aus-
gezeichnete Aufgabe gefunden hat, sogar unter denen, welche
Johann BernouUi. •
sich rühmen durch besondere Methoden , die sie so sehr an-
preisen, in die tiefsten Goheimuisso der Geometrie eingedrung^en
zn sein und deren Gebiet in wunderbarer Weise durch goldene
Theoreme erweitert zu haben, welche, wie sie wähnten. Nie-
mand kannte, die indes» von anderen schon lange vorher ver-
öffentlicht worden waren ^).
3.
Die KrQmniaiig eines Lichtstrahls in ungleichförmigen
Medien und die LUsun;; des Problems, die Brachisto-
chroue zu fludeu, das heisst, die Curve, auf welcher ein
schwerer Puukt von einer fjegebeuen Stelle zu einer
anderen gegebenen Stelle in kürzester Zeit herablänft,
sowie Uber die Construction der Synchrone oder der
Welle der Strahlen.
Aus den Acta Eruditornm, Leipzig. Mai ItiUT. S. 206.
Es sind schon sovielo Methoden über Masima und Minima
erschienen, dass in Betrcfl' die-scs Gegenstandes nichts übrig
zu bleiben scheint, dessen Scbwieiigkeit nicht diejenigen über-
winden zu können glauben, welche sich lUhmen entweder selbst
die Urheber dieser öcharfsiunigen Methoden oder Anhänger
der Urheber zu »ein. Mögen sie nun soviel sie wollen auf
des Lehrers Worte schwören, so werden sie doch, wenn sie
es nur versuchen, sehen, das» unsere Aufgabe ganz und
gar nicht in die engen Grenzen ihrer Methoden sich zwängen
iässt, die sich nur soweit erstrecken, als unter gegebenen
Grössen, deren Anzahl endlich oder unendlich sein kann, da^
Maximum oder Minimum zu bestimmen ist. Wenn aber, wie
bei unserer Aufgabe, die Grössen, aus welchen die gröaste
oder kleinste ausgewählt werden soll, ebenso wenig bestimmt
sind, als das, was man sucht, da werden sie sich vergebens ab-
mühen. Cartesius, Fermat und andere ausgezeichnete Männer' ,
welche einst für die VorzUglichkeit ihrer Methoden so heftig
kämpften, als ob es sich um Herd und Altar handle, oder
jetzt ihre Anhänger an ihrer Stelle, müssen offen eingestehen,
dass, wer nur ihre Methoden kennt, hier ganz und gar stecken
bleibt. Es ist nicht meine Art und auch nicht meine Absicht
Digitized by Google
VariAttons-Beehiiiing.
7
die Erfindaagen anderer adiieekt su machen ; sie haben sieher
viel geleistet nnd das 2iel, welehes de sieh geseist hatten,
trefflich erreieht; denn ebenso wie in ihren Schriften solche
Betrachtnngen Uber Mazima nnd Minima sieh gar nicht finden,
«benso haben sie ihre Methoden nnr ftlr die LOsnng der ge-
wöhnlichen Aufgaben empfohlen.
Ich Terspreehe nicht eine allgemeine Methode an geben,
die man wohl vergebens snchen dttifto, wohl aber besondere
Verfahmngsarton, welche nicht nnr bei dieser, sondern anch
bei anderen Anfgaben znm Ziele fitthren. Mit ihrer Hilfe
habe ich das Problem glllcklich gelM nnd meine LOsnng,
w&hrend andere auf anderen Wegen sieh mtlhten, sofort dem
bertthmten Leibnis nnterbreitet, damit dieser sie mit der
fleinigen ansammen veröffentlichte, wenn er eine fibide. Hieran
zweifelte ich nicht, der ich das Genie dieses scharfdnnigen
Mannes genttgend kenne. In der That erfahre ich, während
ich dies schreibe , ans einem der Briefe, mit denen er mich
hänfig beehrt, dasa ihm mein Problem Uber Erwarten gefallen
hat. Es lockte ihn, sagt er, dnrch seine Schönheit, wie der
Apfel die Eva, nnd er wurde sofort Herr der Lösnng. Was
andere geleietet haben, wird der Ausgang aeigen. Jedenfalls
verdient es das Problem, dass die Geometer seiner Lösung
einige Zelt widmen, wenn ein so beschftftigter Mann es nicht
für unnütz hielt, seine Zeit darauf zu verwenden. Und dies
sei ihnen Qewliin ^enug, dass sie durch die Lösung Zugang
zu verborgenen Wahrheiten erhalten, die sie sonst schwerlich
finden dürften.
Mit Hecht bewundem wir Huygens, weil er zuerst
entdeckte, dass ein schwerer Punkt auf einer gewöhnli^^hen
Oycloide in derselben Zeit herabfällt, an welcher Stelle er
auch die Bewegnng beginnt^}. Aber man wird starr vor Er-
staunen sein, wenn ich sage, dass gerade die Oycloide, die
Tautochrone von Huygens, die gesuchte Brachistochrone ist.
Zu dieser Einsicht gelangte ich auf zwei Wegen, einem in-
direkten nnd einem direkten. Als ich den ersten verfolgte,
entdeckte ich eine wunderbare Übereinstimmung zwischen der
krummen Bahn eines Lichtstrahles in einem stetig sich ändern-
den Medium und unserer Brachistochrone; ich bemerkte auch
noch andere geheimnissvolle Dinge , welche bei dioptrisclien
Untersuchungen von Nutzen sein dürften. Deshalb ist wahr,
was ich behauptete, als ich die Aufgabe stellte, dass sie nicht
blosse Specolation sei, sondern auch für andere Wissensaweige,
üiyiiizea by Google
8
Jobann Bernoulli.
nAmlicli fOr die Dioptrik. sich sehr nützlich erweise. Ilm
aber meine Worte durch die That zu bekräftigen , gebe ich
hier die erste Lösungsweise.
Fermat hat in einem Briefe an De la Chambre [siehe
Epist. Cartesii Lat. Tom. III, p. 147 und Fermatii Opera
Malhem., p. t5G) nachgewiesen, dass ein Lichtstrahl, welcher
ans einem dünneren in ein dichteres Medium übergeht , so
gegen das Loth gebrochen wird, dass der Strahl, welcher der
Annahme nach vom leuchtenden zum beleuchteten Punkte
»tetig fortschreitet, den rücksichtlich der Zeit kürzesten Weg
einschlägt. Mittelst dieses Principes zeigt er, dass der Sinus
des Einfallswinkels und der Sinus des Brechungswinkels sich
umgekehrt verhalten wie die Dichtigkeiten der Medien, also
direkt wie die Geschwindigkeiten, mit denen der Lichtstrahl
die Medien durchdringt. Später haben Leibniz in den Acta
Eruditorum 1GS2, S. 185 und buld darauf Huygons in seiner
Abliandlung über das Licht, 8. 40, dies ausführlicher be-
wiesen und das physische oder besser metaphysische Princip,
welches Fermat, mit seinem geometrischen Beweise znfriedeii
und nllzuleicht sich seines Rechtes begebend, auf Andrängen
von Clerselerius verlassen zu haben scheint, durch die kräftigsten
Beweisgründe sicher gestellt'').
Jetzt wollen wir uns ein Medium denken, welches nicht
gleichmässig dicht ist, sondern von lauter parallelen horizontal
ttbereinandergelagorten Schichten gebildet wird, deren jede aus
durchsichtiger Materie von gewisser Dichtigkeit besteht, welche
nach einem gewissen Gesetze abnimmt oder zunimmt. Dann
ist klar, dass ein Lichtkörperchen nicht in gerader, sondern
in krummer Linie furtgehen wird. Das hat schon Huygens
in der erwähnten Abhandlung über das Licht bemerkt, aber
er bestimmte nicht die Beschaffenheit dieser Curve, auf welcher
das Lichtk<3rperchen in kürzester 2^it von einer Stelle zn eiuer
anderen gelangt. Unterwegs wächst seine Geschwindigkeit oder
nimmt ab gemäss der Dichtigkeit des Mediums und, da be-
kanntlich die Sinns der Brechungswinkel in den einzelnen
Punkten sich umgekehrt wie die Dichtigkeiten des Mediums
oder direkt wie die Geschwindigkeiten des Lichtkörperchen»
vorhalten, so hat die Curve die Eigenschaft, dass die Sinus
ihrer Neigungswinkel gegen die Verticale überall den Ge-
schwindigkeiten proportional sind. Jetzt aber erkennt man
sofort, dass die Brachisfochrone die Curve ist, welche ein
Lichtstrahl auf seinem Wege durch ein Medium bilden würde.
e
yariatiooB-^echnuDg.
9
dessen DinTitIgkeit umgekehrt proportional ist der Geschwin'ÜL:-
keit, welche ein schwerer Korper beim Fallen erlangt. !>( nn
ob der Zuwachs der Geschwindigkeit von der Beschaftenheit
eines mehr oder weniger widerstehenden Mediums abhängt,
oder ob man von dem Medium absieht und annimmt, dass
die Be=5chlenni£rung durch eine andere Ursache, aber nach
derns(5lhen Gesetze, wie bei der Schwerkraft, erzeugt wird:
in beiden Füllt n wird die Curve in kürzester Zeit dnrchlaufen,
nnd nichts verbietet die eine an die Stelle der anderen zu
setzen.
Anf solche Weise kann man bei beliebigem Gesetze der
Beschleunigung ansere Aufgabe lösen, denn sie ist darauf
znrflckgeffihrt, dnss man den Weg eines Lichtstrahles in einem
Medium bestimmt^ dessen Dichtigkeit beliebig variirt. Es
sei also FGD das Medium, welches von der horizontalen
G^eradeni^Cr begrenzt wird, in der sich der leuchtende Punkt -4
befindet. Gegeben sei die Curve AHE mit der vertiealen
Achse AD, deren Ordinateu HC umgekehrt proportional
der Diebtigkeit des Mediums in der Höhe AC oder direkt
proportional der Geschwindigkeit des LdebtkörpercheDS in M
ist. Die krumme Bahn des Liehtstrahls, welche man sncht,
sei AMB, Man setse
AC = x, CH=:t, CM = y
und die Differentiale
Cc s= dx, mn s= dy, Mm == dz^
endlieh sei a eine willkttrliehe Oonstante. Dann ist in M der
Sinns des Breehnngswinkels oder des Neigungswinkels der Cnnre
üiguizeü by Google
10
Johann BernoalU.
gegen die Verticale gleich dy.dz. Nun iat, wie eben gesagt
wurde, das Yerhältoiäa dieses Sinns zu HC constant, also
folgt, und dies giebt umgeformt als allgemeine Differential-
gleichuDg der gesuchten Curve AMB:
tdx
So habe ich mit einem Schlage zwei ausgezeichnete Probleme,
ein optisches und ein mechanisches gelöst und mehr geleistet,
als ich von anderen verlangte: ich zeigte, dass die beideu
Aufgaben, welche ganz verschiedenen Gebieten der Mathematik
entnommen sind, dennoch dieselbe Beschaffenheit besitzen.
Betrachten wir jetzt einen besonderen Fall, nämlich die
gewöhnliche Hypothese, welche zuerst Galilei einführte und
bewies, wonach die Geschwindigkeiten fallender schwerer Körper
sich wie die Quadratwurzeln der durchmessenen Höhen ver-
halten; denn das ist ja eigentlich die Aufgabe. Unter dieser
Voraussetzung ist die gegebene Curve AHE eine Parabel
und daher t = }/ax. Setzt man diesen Werth in die all-
gemeine Gieichong ein, so kommt:
woraus ich schliesse, dass die Brachistochrone die gewöhnliche
Cycloide ist. Wälzt sich nämlich der Kreis GLK \om Durch-
messer a auf A G and beginnt das Wälzen in A, so beschreibt
der Punkt K eine Cycloide, als deren Differentialgleichung,
weuu
dy : t = dz : a,
worana
ady = tdz
und
AC =
X, CM=y
gesetzt wii'd, man gerade
findet.
' Google
Variations-Bechoimg.
11
Man kann dies toh totd herelB aDalytiaoh so zeigen*
Eb ist
^ 1 / X xdx
\ adx— 2 xdx
2 V
ax
x"
2 \ax — x^
E s ist abe r [adx — 2xdx)i2Vax — x* das Differential von
Vax — a?* oder 2^0 und aif;r: 2 Vax — a?* das Differential
Ton dem Bogen OL. Ans der Gleichung
dy » €fa; V—~
folgt also diiroh Integration:
CiH = arc GL'—LO.
Mithin idt
ifC)= CO — arc QL + LO.
Da aber
CO arc (tL/T
00 — aro GL = arc i^iC
ist^ so erhlttt man:
irO = arc LK-^ LO,
nndy indem man anf beiden Seiten LO abzieht:
ML are LK,
was lehrt, das^ die Curve KMA eine Oycloide ist.
Um dem Probleme vollständig zu genügen, bleibt noch zu
zeigen, wie man von einem j^eg-dieneii Punkte als Scheitel
die Ürachistochrone oder Cycloide besehreiben kann, welche
üigiiizeü by
12
Johann Bernoulli.
durch einen zweiten gegebenen Punkt geht. Es geschieht so
am leichtesten. Man verbinde die beiden gegebenen Punkte A.
und B durch eine Gerade AB und beschreibe Aber der hori-
xontalen Linie AL irgend eine Cycloide, welche nnr in A
ihren Anfang haben mass. Schneidet sie die Gerade ABy^Kj
80 verhält sich der Durchmesser des Kreises, welcher die ge-
suchte Cycloide ABL erzengt, zu dem Durchmesser des
Kreises, welcher die Cycloide ARS crznifrt, wie AB \ AlV).
Bevor ich schliesse, muss ich noch einmal der Bewunde-
rung Ausdruck ^!:rhfin, welche ich tlher die unerwartete Idcntitfit
der Huygen s" seilen Tautochrcnie und meiner Pjracliistochrone
empfinde. Für besonders bemerkenswerth halte ich, daR?» diese
Übereinstimmung nur bei der Hypothese Galilei's statlfiiidet,
so dass man sogar hieraus einen Beweis für ihre Richtigkeit
erhält. Denn die Natur ptiegt immer auf die einfachste Art
zu verfahren, und so leistet sie hier durch eine Curve zwei
verschiedene Dienste, während bei jeder anderen TTypotliese
zwei Tiirven, die eine für tautochrone Schwingungen, die andere
für den schnellsten Fall, nöthig wären. Wenn sich z. B. die
Geschwindigkeiten fallender Körper nicht wie die Quadrat-
wurzeln, sondern wie die Kubikwurzeln der Höhe verhielten,
so würde die Brachistochrone algebraisch, die Tautochrone
transcendent sein; verhielten sich aber die Geschwindigkeiten
wie die Höhen, so wären beide algebraisch; jene ein Kreis,
diese eine gerade Linie
Die Geometer werden sich, meine ich, freuen, wenn Ich '
anhangsweise noch die Lösung eines bemerkenswerthen Pro-
blems gebe, welches mir anlässlich des Vorhergehenden beim
Schreiben einfiel. Man sucht in einer verticalen Ebene eine
Curve PBy welche man Synchrone nennen könnte, zu deren
Punkten B ein schwerer Körper, welcher auf den Cycloiden
AB von A aus fällt, in derselben Zeit gelangt. Der
Sinn dieser Aufgabe ist der , dasa man von jeder Cycloide
mit der Basis AG einen Bogen AB abschneiden soll, welchen
der schwere Körper bei seinem Falle von A aus in derselben
Zeit zurücklegt, die er brauchen würde, nm vertical von A
nach einem gegebenen Ponkte P zu fallen. Der Ort dieser
Pnnkte B iit äe getnehte Synchrone PB,
Wenn man anfmerksam flberlegt, was oben ftber den
Lichtstrahl gesagt wurde, so erkennt man dentUeh, dass diese
Curve gerade die ist, welche Hnygens in der Figur anf 8. 44
seiner Abhaiidlnog Uber das Lieht mit BC beaeichnet nnd
üiyiiizea by Google
Yariatioiiä-liäcliiiuug.
13
Welle nennt, uud wie diese alle Strahlen, die von dem
leuchtenden Punkte A ausgehen, senkrecht schneidet, was
schon Huygens richtig bemerkt hat, so muss auch unsere
Curve PB alle Cycloiden mit dem Anfangspunkte A recht-
winklig treffen®). So ist die Aufgabe auf die rein geometrische
zurück^^eführt, man solle die Curve linden, welche alle Cyclo-
iden mit dem Anfangspunkte A senkrecht schneidet. Hätte
ich die Aufgabe in dieser Form gestellt, so würde sie den
Geometerii viel Mühe gemacht haben. BotiacLtet ra;in sie
aber von ihrer mechanischen Seite, so ergiebt sich aufs
leichteste folgende Construction. Die Cycloide ABU werde
von dem Kreise GhK mit dem Durchmesser GK erzeugt.
Dann maelie man den Bogen GL gleich der mittleren Pro-
portionale aus der gegebenen Strecke AP und dem Durch-
messer GK. Zieht man jetzt LB parallel der horizontalen
Geraden AG^ so wird die Cycloide -^i^Ä'im gesuchten Punkte
B geschnitten'^). Wenn jemand seine Methode au anderen Auf-
gaben üben will, so möge er die Curve suchen, welche eine
Schaar von transcendeuten Curven, denn für algebraische wäre
die Sache nicht schwer, z. B. logarithmische Curven mit ge-
meinsamer Axe, welche durch denselben Punkt gehen, recht-
winklig schneidet ^^).
üiguizeü by Google
n.
Jacob BernouUi
LOsDng der Äiifgal)en meines Ernders, dem ich zugleich
dafttr andere vorlege.
Ans den Acta EruditoraiD, Leipzig, Mai l(i97. S. 211.
Die Qeometer haben die Methode der Maxima und Minima
bia jetzt nur auf Aufgaben angewandt, in denen bei einer der
unendlich vielen Functionen einer Curve der grösste oder
kleinste Werth gesucht wird, und sie dachten nicht daran, jene
Methode aut' Probleme anzuwenden, bei welchen unter unend-
lich vielen nicht gegebenen Curven die verlangt wird , der
eine Eigenschaft des Maximums oder Minimums zukommt,
während doch gerade diese Aufgaben den anderen an
Schwierigkeit der LOsung und VorzUglichkeit des Nutzens
nicht nachstehen. Zu ihnen gehört die, welche mein Bruder
im Juni vorlegte und fQr deren Lösung er die Frist bis zum
Ende des verflossenen Jahres stellte, nämlich das Problem, die
Oligochrone zu finden, auf welcher ein schwerer Punkt von
einer gegebenen Stelle zu einer anderen gegebenen Stelle seinen
Fall in kürzester Zeit vollendet. Obwohl mir die Heraas-
forderung meines Bruders gleichgültig war, konnte ich mich
doch der Mühe der Lösung nicht entziehen, als mich der be-
rühmte Leibniz in freundlichster Weise dazu einlud. Denn
nachdem er mir in einem Briefe vom 13. September mitge-
theilt hatte, er habe das Problem gelöst und wünsche, dass auch
audere es versuchten, da griff ich an, was ich sonst unberührt
liegen gelassen hätte, und zwar sofort mit dem besten Er-
folge : bereits am 6. Oktober hatte ich die Lösung und zeigte
sie von da an meinen Freunden. Den Acta theilte ich sie
nicht mit, weil ich erfuhr, dass die Frist zu Qunsten der
' Google
Vnriatlons-Rechnnng.
15
Answärtigen bis auf diese Ostern verschoben sei, nnd mich
deshalb entschlossen hatte , meine Forschungen auf andere
schwierigere Probleme zu richten nnd diese gleichzeitig mit
meiner Lösung vorzulegen. Bevor ich aber zur Lösung der
vorliegenden Aufgabe tibergehe, schicke ich folgendes Lemma
voraus.
Ist ACE DB die verlangte Curve, auf welcher ein
schwerer Paukt in ktlrzester Zeit von A nach B fWlt, und
sind C und D zwei beliebig nahe
Punkte auf ihr, so ist das Curvcn-
sttlck CED unter allen Curven-
stllcken, welche C und D zu End-
punkten haben, das, welches ein
schwerer Punkt, der von A aus fällt,
in kürzester Zeit durchmisst. Wttrde
nämlich ein anderes Cnrvenstilck CFD
in kürzerer Zeit durchmessen werden,
so Wörde der Punkt gegen die Annahme ACFDB in kürzerer
Zeit als ACE DB durchlaufen.
Es sei also in einer beliebig gegen den Horizont ge-
neigten Ebene (denn die Ebene braucht nicht vertical zu sein)
A CB die gesuchte Curve, auf welcher ein schwerer Punkt
von A ans in karzerer Zeit
nach B gelangt, als auf
jeder anderen Curve in
dieser Ebene. Man nehme
auf ihr irgendwo zwei un-
endlich nahe Punkte C und
D an und ziehe die hori-
zontale Gerade All, das
Loth CH, i>i^parallel^Ä,
halbire CF durch E und
vervollständige das Paral-
lelogramm DE durch die
Gerade EI. Auf EI ist dann ein Punkt G von der Be-
schaffenheit zu bestimmen, dass die Zeit des Falles durch CG
vermehrt um die Zeit des Falles durch GD ein Minimum ist.
Ich bezeichne dies mit
tCG + tGD;
dabei ist immer zu beachten, dass der Fall in der Höhe von
A beginnt. Nimmt man jetzt auf der Geraden EI einen
anderen Punkt L so an, dass GL unendlich klein gegen EG
16 Jacob BernouUi.
ist, und zieht CL und Z>X, so lät nach der J^atur des Mini-
moms:
und daher:
Jetzt aehliesse ich so. Es ist nach der Natur des alles
schwerer Ediper:
CE:CG=- iCE: tCG
CE. QL = tCE.iCL,
also
QB : (CG —CL)=^tCE\ (tCG — tCL).
Nimmt man nnn auf CG den Punkt M so an, dass CM^
CL, folglich CG — CL = MG ist» so hat man wegen der
Ähnliehkeit der Dreiecke MLG und CEGi
MG : GL = EG : CG,
mithin :
CEiGL^EG'tCE:CG-(tCG — iCL).
Ebenso ist nach der Natur des Falles schwerer Üörper:
EF. Gl) = fEF: tGD
EFiLD^tEFitLD,
also
EFi (LD ^ GD) « iEFi (iLD —tGD),
Nimmt man anf DL den Punkt N so an, dass /> 6 = BN,
folglich LD — GD=sLN ist, so hat mau wegen der
Ähnlichkeit der Dreiecke LNG und GIB:
LNiLG^GIi GD,
mithin :
EFiLG^ Gl* tEF: GD • {tLD — tGD).
Durch Vergleichuüg erhält man:
EG 'iCE: CG • (tCG^t OL)
s= Gl' tEF: GD'itLD-^tGD)
und hierans dnreh Umstellung:
EG, tCE : Gl' iEF
= CG{tCG'-'iCL):GDitLD — tGD)^CGiGD,
weil ein Minimum stattfinden soll.
üigiiizeü by Google
VariatioQB-RechDung.
17
Nach dem Gesetze der Schwere ist aber:
EG'tCE: GI'tEF=
vnc VH£
und somit endlich:
JEG
Gl
Vnc y iiE
= CG : GD.
Iiier bitten wir beiläuBg den he.rflhmten Herrn Nien-
wentiit sich den Gebrauch zweiter DitTorentiale, die er mit
Unrecht vei-wirft, anzusehen '3). Wir waren nämlich genöthigt
den Theil GL der unendlich kleinen Strecke £G im Ver-
hAltniss dazu unendlich klein anzunehmen, und ich sehe nicht,
wie man sonst zur Liisung des Problems gelangen könnte.
Denn es sind EG
und G I Elemente der
Abscisse AH, CG
und G D Elemente der
Curve, HC und HE
ihre Ordinalen und
CE und £F Ele-
mente der Ordinate,
das Problem lässt sich
also auf das rein geo-
metrische zurückfüh-
ren, man soUedie Curve
bestimmen, deren Li-
uicnelemonte den Ele-
menten der Abäcisson
direkt und den Qua-
dratwurzeln ans den
Ordinaten indirekt proportional sind. Ich finde, dass diese
Eigenschaft der Huyghens'schen Isochrone, welche somit auch
die Oligochrone ist, nälnilich der den Geometern wohlbekannten
Cycloide zukommt. Dies beweise ich so. Es sei A C P die
Hälfte einer Cycloide, CM nnd GN zwei ihrer Tangenten,
RQP der erzeugende Kreis. Dann ist nach der Definition
der Cycloide:
GD .GI = GN. GX = VP:rX = VR: RX
• = VRP.VRX = VRP: VHE.
Oatwald's Kluiiker. 10. %
18
Jacob BernouIU.
Ebenso:
HierattB folgt:
an : CG = VITp • gi • VHä Vhe - eq - VWP
«= Gl HCl EG yHE
was zu bowciäüu war.
Soll m;in jetzt eine Cycloide mit der horizontalen Basi;*
A II bestiiniiHni, welche durch die gegebenen Punkte A uud
B geht, 80 besclircihr man über All irgend eine Cycloide
AT, welche die uütlng:(!ntalls verlängerte Gerade AB in T
Hchneidet. Dann verhält hieb die Strecke A T zur Strecke AB
wie der Durchmesser des erzeugenden Kreises der Cycloide
A T mm Durchmesser des erzeugenden Kreises der gesuchten
Cycloide A B.
Eine anderp nicht weniger plctrant»' Aufgrübe wäre es, wenn
man fragte, auf welcher der iiiiciullich vielen Cycloiden (oder
auch Kreise , Parabeln uud anderen Corven) , die durch A
geben und dieselbe^ Basis AH haben, ein schwerer Punkt
in kürzester Zeit von A nach der senkrechten Geraden ZB
gelangt. Wer die Theorie der Maxima und iMimiiia fördern
will, möge sich an dieser Aufgabe versuchen; uns genügt es
sie vorgelegt zu haben.
So zcijrt eine f 'urvo, welche von so vielen Matbeniatikeni
untersueht ^v<lnl(■Il ist. dass au ihr nichts mehr zu erforschen
tllui;:; t>ehie[i, eine neue Eigenschaft, als ob sie, um künftigen
Jahrhunderten nichts zu schulden, am l^nde des Lreii wärtigeo
den Gipfel der Vollendung erreichen wollte, naclideiu sie an
seinem Anfange ihren Geburtstag ^^efeiert und ihr in seiner
Mitte alle Auf^me^^sungeu nebst anderen schOnen EigenschafteA
zu Theil geworden waren'*).
Es möge übrigens bemerkt werden , dass man auf dem-
selben Wege mit gleicher Ijeichtigkeit die Curve finden kann,
weioho ein beweglicher Funkt in einem Medium von veränder-
üiyiiizea by Google
VariatioBS-Becbniisg.
19
Heller Dichtigkeit durchläuft. Diese ist nach einem Princip,
welches Leibniz im Juni 1682 bewiesen hat, identisch aüt
der Brechungscurve , welche Huyghens auf Seite 44 seiner
Abhandlung- über das Licht betrachtet und deren Überein-
stimiimiiL^ mit der von Leibniz im September 1692 betrachteten,
von mir im Juni 1693 construirten Curve, ich, wie mein
Bruder weiss, schon längst wahrgenommen habe^*).
Indens ge^vi^^t man durch diese Untersuchungen einen
Zugang zur Behandlung anderer schwieriger Aufgaben, wie
die über isoperimetrische Figuren sind. Man fragt zum
Beispiel, welche von all' diesen Figuren den grössten Inhalt
hat (gewöhnlich glaubt man,
es sei der Kreis, das ist
richtig, mnss aber erst be-
wiesen werden)^®) oder bei
welcher der Schwerpunkt
des Inhaltes oder des Um-
fanges von der Basis am
weitesten entfernt ist; mein
Bruder hat bemerkt, dass
es die Eettenlinie ist, aber
sein Ausgangspunkt war ein
anderer^'). Diese und ähn-
liche Aulgaben durch die
Methode der Maxima zu
lösen sc hhigüü wir ihm vor.
Besonders aber möge er,
weoii er Vergeltung üben
will, folgendes allgemeine
Problem zu lösen vcrsucheu. Unter allen isoperimetrischen
Figuren über der gemeinaamen Basis B N soll die Curv e BFN
bestimmt werden , welche zwar nicht selbst den grössten
Flächeninhalt hat, aber bewirkt, dass es eine andere Curve
BZN thut, deren Ordinate PZ irgend einer Potenz oder
Wurzel der Strecke PF oder des Bogens BF proportional
ist. Damit er nielit ablehnen kann, ftlgen wir die andere
Aufgabe in Betreff der nnendlieh vielen C^cloiden hinzu,
welche oben gestellt wurde und die mit der seinigen grössere
Verwandtschaft hat. Und da es nnbÜlig ist, dass jemand
fbr eine Arbeit nicht entschldigt wird, die er an Gunsten
eines anderen mit Aufwand seiner eigenen Zeit und anm
Schaden seiner eigenen Angelegenheiten unternimmt, so will
2*
üigiiiz
20
jACob Bemoalli. Yariations-Recbnung.
ein Mann, für den ich bfirge, meinem Bruder, wenn er
die Aufgaben lösen sollte, ausser dem verdienten Lobe ein
Honorar von fünfzig Dukaten unter der Bedingung zusichern,
daas er binnen drei Monaten nach dieser Veröffentlichung
verspricht es zu versuchen und bis Ende des Jahres die Lö-
sungen mittels Quadraturen, was möglich ist, vorlegt. Giebt
sie Niemand nach Ablauf dieses Jahres, so werde ich die
meinigen vorlegen.
in.
Leonhard Euler
Methode Curven zu findeiii
denen eine Eigenschaft im höchsten oder geringsten
Grade nnkommt
oder
LOsnng des isopermetrisehen PreUemSi
wenn es im weitesten Sinne des Wortes anfge&sst wird.
Laasanne und Genf 1744.
1.
Wie wendet mau die Methode der Maxima and Minima
zur Anffindnng Yon Carven an?
ErkUrang L t. Die Methode der Maxima und
Minima anf Onrven angewandt bedeutet eine Methode
Cnrren anfaufinden, denen eine vorgeschriebene EigenschafI
im höchsten oder geringsten Grade sakommt
Folgerung I. 2. Dnrch diese Methode findet man also
Gurren, flur welche «ne vorgelegte Grosse den grOssten oder
kleinsten Werth annimmt.
Folgerung II. 3. Da aber eine and dieselbe Oorve
aaf anendlich viele Arten sich ahnlich gemacht werden kann,
BO würde das Problem « wenn nicht eine Einsohränkiuig bin-
zaklme, anbestimmt and sogar sinnlos sein. Denn wenn man
irgend eine Carve vorlegte and behauptete, dass eine
Eigenschaft im höchsten oder geringsten Grade besitse, so
konnte man immer eine andere ibr ähnliche oder nnahnliehe
angeben, welche jene Eigenschiifk in höherem oder geringerem
Grade anfweist.
üigiiizeü
22
Leonhard Euler.
Folgerung III. 4. Weil also eine genaue Kenntniss
der Curven erfordert, das3 sie auf eine der Lage nach ge-
gebene Axe und deren Abschnitte, welche Abscissen heissen,
bezogen werden, so wird die erste und wichtigste Beschränkung'
aus der Grösse der Abscissen herzunehmen sein.
Folgerung IV. 5. Daher müssen Aufgaben, auf welche
diese Metbode anwendbar sein soll, so vorgelegt werden, dass
man Curven sucht, welche auf eine der Lage nach gegebene
Axe bezogen sind und welche unter allen Curven, die zu dem-
selben Abschnitte der Axe gehören, eine Eigenschaft im höchsten
oder geringsten Grade besitzen.
Anmerkung, ß. Mithin ist diese Methode der Mnxima
und Minima völlig vorschieden von der, welche wir an anderer
Stelle auseinandergesetzt haben. Denn dort ermittelten wir
für eine gegebene und bestimmte Curve die Stelle, an der
eine gegebene, auf die Curve bezügliche, veränderliche Grösse
am grössten oder kleinsten wird. Hier aber sucht man gerade
die Cni*ve, in welcher eine gegebene Grösse am grössten oder
kleinsten wird. Bereits im vorigen Jahrhundert begannen,
kurz nach Erfindung der Infinitesimalrechnung, die berühmten
Brüder ßeruoulli diese Methode auszubilden, welche seit-
dem grosso Fortschritte gemacht hat. Das erste Problem
dieser Gattung"*) war ein mechanisches, man suchte die Curve,
auf welcher ein schwerer Punkt am schnellsten horabgleitet ;
diese Curve nannte man Brachistochrone oder Curve
des schnellsten Falles. Schon bei diesem Probleme kann
offenbar ohne Hinzufdgung einer Bedingung von einer Auf-
gabe nicht die liede sein, denn je kürzer und je näher der
verticalen Lage die Curve gewählt wird , um so kürzer ist
selbstverständlich die Zeit des Herabfallens. Man darf daher
nicht kurzweg nach der Curve fragen, auf welcher ein schwerer
Punkt am schnellsten oder in kürzester Zeit herabgleitet, son-
dern man mnss gleichzeitig den Abschnitt der Axe bestimmen,
zu welchem die gesuchte Curve gehören soll, sodass unter
allen Curven, welche zu demselben Abschnitte einer der Lage
nach gegebenen Axe gehören, die gesucht wird, auf welcher
ein schwerer Körper am raschesten herabgleitet. Aber bei
diesem Probleme genügte diese Bedingung noch nicht, um es
zu einem bestimmton zu machen , sondern man musste noch
die Bedingung hinzufügen , dass die gesuchte Curve durch
zwei gegebene Punkte hindurchgehen soll. Und so musste
das Problem den genannten Bedingungen unterworfen werden,
yariAtions-Bechnung.
um zu einem bestimmten zn werden, nämlich zn dem, man
solle unter allen Curven, welche durch zwei gegebene Punkte
gehen, die ermitteln, auf welcher ein Körper den Bogen, der
zu dem gegebenen Axenabsohnitte gehört, in ktlrzester Zeit
durchläuft.
Frnilirh ist hier zu bemerken, dass die Bedingung des
Hindurchgehens dnrch zwei Punkte nicht unliedinst nnth-
wendig ist, sondern durch die Ijösnng ?p\hst liiueinkommt.
Bei der Lösung des Problems gelangt rn;in nämlich sofort zu .
einer Difl'erentialgleichnng zweiter Ordnung, deren zweimalige
Integration zwei willkürliche Constanteu liefert. Zn ihrer
Bestimmung braucht man zwei Punkte, durch welche die
Curve hindurchgehen soll, oder andere ähnliche Eigenschaften.
Dieselbe Bedingung tritt wie von selbst zu anderen Problemen
dieser Art hin/.u , deren Lösung Sofort auf eine DiflTerential-
gleichuug zweitör Ordnung führt. Bei den l*r<>bleinen aber,
welche durch eine Difterentialgleichung vierter und höherer
Ordnung gelöst werden , genügen zur Bestimmung der Curve
nicht einmal zwei Punkte, sondern man braucht soviel Punkte,
als die Ordnung der Differentiale beträgt. Wenn dagegen die
]^osuTig sogleich zu einer al;^^ebraischen Gleichung föhrt, so
ist das Problem, wenn nur die Länge der Abscisse augegeben
wird, auch ohne eine solche Bedingung vollständig bestimmt.
Das alles aber wird nnm deutlicher erkennen, wenn wir erst
zur Lösung der Probleme gelangen, und dann werden wir
diese Begriffe ausführlicher erläutern. Iiier im Anfange schien
es mir gut sie zu erwähnen, um falsche Anschauungen über
die Bestimmtheit solcher Probleme hinwegzuräumen.
Ei kl iirung 11. 7. Die absol ute Metho de der Max. im a
nnd Minima lehrt, unter der Gesamratheit aller Curven, welche
ÄU demselben Axenabschnitte gehören, die zu bestimmen, in
welcher eine vorgelegte veränderliche Grösse den grössten oder
kleinsten Werth erhält.
Folgerung. 8. Daher ist bei Problemen, auf welche
man diese Methode anwenden kann, eine Axe der Lage nach
gegeben, und unter allen Curven. welche man auf diese Axe
und einmi beatimmten Absehnitt derselben beziehen kann, wird
die gesucht, In welcher eine veränderiielie GrOase am grössten
^er kleinsten wird.
Anmerkung. 9. Eine andere Bedingung far die Be--
stimmnng eines Maximnms oder Minimums als die in Betreff
der Länge der Abscisse fügen wir nicht hinzn, denn es giebt
üiyiiizea by Google
Leonhard Eiiler.
Probleme, welche hierdurch vollständig bestimpit sind, wie
unten deutlicher erhellen wird. Denn obwohl auch Probleme
auftreten, bei denen man, damit sie bestimmte werden, nocb
zwei oder mehr Punkte vorschreiben muss, durch welche die
gesuchte Curve gehen soll, so erkennt man dies doch erst
aus der Lösung eines jeden Problems. Denn wenn man zu
einer Gleichung für die gesuchte Curve gelangt, in welche
durch Integration neue constanto Grössen eingetreten sind,
die in der Aufgabe selbst nicht vorkamen , dann muss die
Lösung als eine unbestimmte angesehen werden, weil sie un-
zählig viele Curven in sich entbült, die entstehen, wenn man
jenen willkürlichen Constanten bestimmte Werlhe beilegt. In
diesen Fällen muss man also scliliessen, dass das Problem an
sich nicht vollständig bestimmt ist, und dass man, um es ganz
bestimmt zu machen, ausser der Länge der Abscisse soviel
neue Bedingungen hinzufügen muss, dass jene willkürlichen
Coustanten bestimmte Werthe annehmen. Als solche Be-
dingungen wählt man am besten Punkte, durch welche die
gesuchte Curve hindurchgehen soll ; eben so viele Punkte als
willkürliche Coustanten in der gefundenen Gleichung sind,
machen die Gleichung selbst zu einer bestimmten. Um die
Curve vollständig zu bestimmen . kann man an Stelle der
Punkte auch eben so viele Tangeutun nehmen, welche die Curve
berühren sollen, und wenn die Berührung in einem gegebenen
Punkte der Tangente stattfinden soll, ist diese Bedingung mit
zwei Punkten gleichbedeutend. An Stelle der Punkte können
auch irgend welche andere Bedingungen gesetzt werden, wenn
sie nur so beschaffen sind, dass die willkürlichen Constanten
in der gefundenen Gleichung dadurch vollständig bestimmt
werden.
Man braucht aber nicht die Lösung der Aufgabe vollendet
zu haben, ehe man an diese Entscheidung geht, vielmehr
werden später Kennzeichen gegeben werden, mittelst deren
man sofort aus der Natur der veränderlichen Grösse, die ein
Maximum oder Minimum sein soll . entscheiden kann , welche
neuen, in der Aufgabe nicht enthaltenen Constanten in die
Curvengleichung eintreten. Die Anzahl dieser willkürlichen
Constanten häugt aber von der Ordnung der Differentiale ab,
bis zu welcher die Gleichung der gesuchten Curve aufsteigt.
Denn soviel die Ordnung der Differentialgleichung für die ge-
suchte Curve beträgt, soviel willkürliche Coustanten sind in ihr
potentiell enthalten, und eben so viele Bedingungen sind nüthig,
Variations-RecbnuDg.
25
um die Curve zu bestimmen. Derselbe Umstand erweist sich bei
der Lösung aller Probleme als nützlich, bei denen man eine
Differentialgleichung erster oder höherer Ordnung findet, ao-
dsLSA hieraus für die beabsichtigte Untersuchung keine besondere
Schwierigkeit entsteht.
Erklärung III. 10. Die relative Methode der
M&xima und Minima lehrt nicht unter der Gesammtheit
aller Curven . welche zu demselben Axenabschnitte gehören,
sondern nur unter denen, welche eine vorgeschriebene gemein-
schaftliche Eigenschaft haben, diejenige zu bestimmen, welche
eine Eigenschaft im höchsten oder geringsten Gerade besitzt.
Folgerung I. 11. Um solche Probleme zu lösen, muss
man zuerst aus der Gesammtheit der Curven, welche zn dem-
selben Axenabschnitte gehören, die aussondern, denen die vor-
geschriebene Eigenschaft zukommt, und dann unter ihnen die
gesuchte bestimmen.
Folgerung II. 12. Obwohl durch diese Bedingung die
Anzahl aller Curven, welche zu demselben Axenabschnitte
gehören, ausserordentlich beschränkt wird, so bleibt sie doch
unendlich gross, und das gilt sogar auch, wenn nicht eine,
sondern mehrere Eigenschaften vorgeschrieben sind, welche
alle Curven besitzen sollen, unter denen die gesuchte zu be-
stimmen ist.
Folgerung III. 13. Je mehr Eigenschaften vorgelegt
werden, welche den Curven gemeinsam sein sollen, unter denen
die gesuchte zu bestimmen ist, um so mehr wird also die
Anzahl der Curvca beschränkt, unter denen die Auswahl ge-
schehen soll. Aber sie bleibt immer unendlich gross.
Anmerkung 1. 14. Von Problemen, wie sie die rela-
tive Methode der Maxima und Minima behandelt, ist das erste
das am Anfange dieses Jahrhunderts von Jacob BernouUi
vorgelegte isoperimetrische Problem'^). Man suchte dabei
die Curve, welche eine Eigenschaft im höchsten oder ge-
ringsten Grade besitzt, nicht unter allen Curven, die zu
demselben Axenabschnitte gehören, sondern nur unter denen,
welche dieselbe Länge haben; in Folge dieses Umstandes
wurden eben die Curven, unter denen man die gesuchte
herausfinden sollte, isoperimetrische genannt. Zum Bei-
spiel kann man unter allen Curven derselben Bogenlänge, die
zu demselben Axenabschnitte gehören, diejenige suchen, welche
mit Abscisse und Ordinalen den grössten Raum einschliesst.
Man findet dann, dass die Kreislinie der Aufgabe genügt, was
26
Leonhard Euler.
freilich die Geotneter lange vor Erfindno^ dieser Methode
erkannt nnd bewiesen hatten.
Aber auch in dieHem Falle kommen aus der Natnr dar
Probleme nene Bedingungen hinzu, wie bei denen, welche sich
anf die absolute Methode der Maxima nnd Minima beziehen,
nnd zwar hängen sie von den willkflrlichen Constanten ab.
welche die Lösung mit sich bringt. So ergeben sich bei der
Lösung des Problemes. wo die Curve gesucht wird, die unter
allen Curven derselben Bogenlänge mit der Abscisse den grössten
Flächenraum einschliesst. zwei neue Constanten. Um das Pro-
blem zu einem bestimmten zu machen, muss man es daher so
vorlegen, da-a unter allen Curven derselben Bogenlänge, welche
nicht nur zu demselben Axenabscbnitte gehören, sondern auch
durch zwei gegebene Punkte gehen, die gesucht wird, welche mit
der gegebenen Abscisse den grössten Flächenranm einschliesst.
In ähnlicher Weise kann es vorkommen, dass man vier Punkte
and bisweilen noch mehr willkürlich annehmen muss, damit
das Problem ein bestimmtes wird: die Entscheidung hierüber
ist ans der Natur des Problems selbst zu entnehmen.
Wie aber beim isoperimetrischen Probleme vorausgesetzt
wird , dass alle Curven , unter denen die gesuchte bestimmt
werden soll, dieselbe Bogenlänge besitzen, ebenso kann an
Stelle dieser Kigenschaft eine andere vorgelegt werden, welche
allen gemeinsam sein soll. Zum Beispiel hat man schon Curven
mit der Eigenschaft eines Maximums oder Minimums nur unter
allen zu demselben Axenabscbnitte gehörigen Curven gesucht,
die nm die Abscissenaxe gedreht gleiche Oberflächen erzeugen,
nnd in ähnlicher Weise könnten beliebige andere Eigenschaften
vorgelegt werden. Ferner aber kann man nicht eine, sondern
mehrere solche Eigenschaften vorschreiben, welche allen Curven
gemeinsam sein sollen, unter denen diejenige zu bestimmen ist,
welche ein Maximum oder Minimum in sich schliesst. Zum
Beispiel könnte man nach der Curve fragen , welche eine
Eigenschaft im höchsten oder geringsten Grade besitzt unter
allen Curven. die zu demselben Axenabscbnitte gehören, wenn
die Curven sowohl gleiche Bogenlänge haben, ald auch gleiche
Flächenränme einschliessen sollen.
Anmerkung II. 15. Wegen dieses Unterschiedes zwischen
der absoluten nnd relativen Methode der Maxima nnd Minima
wird unser Werk aus zwei Theilen bestehen. Im ersten
werden wir eine Methode angeben, nnter der Gesammtheit
aller zn demselben Axenabscbnitte geliörendeu Cnrven die zu
Variations-Rechnung.
bestimmen, welcher eine Eigenschaft im höchsten oder ge-
ringsten Grade zukommt. Dann aber werden wir zu Pro-
blemen fortschreiten , bei denen eine Curve verlangt wird,
welche eine Eigenschaft im höchsten oder geringsten Gerade
unter allen denen besitzt, die eine oder mehrere Eigenschaften
gemeinsam haben, und aus der Anzahl dieser Eigenschaften
wird eine weitere Theilung hervorgehen. Es wird aber nicht
nöthig sein mit dieser Theilung weiterzugehen, da bald eine
Methode gefunden werden wird, das Problem leicht zu lösen,
wieviele Eigenschaften auch vorgelegt sind. Denn die Lösungen
von Problemen, welche beim ersten Anblicke sehr verwickelt
erscheinen, werden gegen Erwarten sehr leicht und lassen
sich ohne grosse Rechnung erledigen.
Annahme I. IG. Im Folgenden werden wir die
Abscisse, auf welche alle Curvon bezogen werden,
immer mit x, die Ordinate aber mit y bezeichnen.
Dann soll, wenn die Elemente der Abscissenaxe gleich
gross angenommen werden, immer:
dij = pdx, dp = qdx, dq = rdx, dr = sdz,
sein.
Folgerung I. 17. Durch Einsetzen dieser Werthe werden
alle Differentiale jeder Ordnung von y ans den Ansdrticken
fortgeschafft, und es bleiben ausser dem Differentiale dx keine
anderen Differentiale übrig. Freilich werden so alle Diffe-
rentiale ausser dx nur scheinbar, nicht wirklich fortgeschafft,
aber für unser gegenwärtiges Vorhaben erweisen sich diese
Substitutionen als ausserordentlich nützlich.
Folgerung II. 18. Durch diese Substitutionen wird
sogar die Annahme eines constanten Differentials ganz aus
der Rechnung fortgeschafft, und wenn irgend ein anderes
Differential als constant angenommen wird , muss immer bei
ihnen dieselbe Formel zum Vorschein kommen. Indess er-
fordert die unten anzuwendende Methode . dass das Diffe-
rential dx immer als constant angenommen wird.
Folgerung III. 19. Damit man leicht übersieht, wie
durch jene Substitutionen die Differentiale jeder Ordnung %'on
y fortgehen, möge folgende Tabelle hinzugefügt werden:
dy —pdx, d*y = dpdx = qdx*, d'y = dqdx* = rdx",
Folgerung IV. 20. Auch wenn der Bogen der Curve,
der zur Abscisse x gehört, mit seinen Differentialen jeder
Ordnung auftritt, lassen sich alle diese Grössen so ausdrücken,
28
Leonbftrcl Euler.
dnss k( in Differential ausser dz vorkommt. Setzt mau den
Bo^^ea gleich w, so ist:
w
js^^ Prd^ t
Folgerung^ Y. 21. In ihnlieher Weise lässt sicli fttr
jede Stelle der Erttminiiiigsradina doreli scheinbar endliche
Grössen ansdrtlcken. Denn wenn dx constant itt, wird seine
Länge :
dw* _ (1 H- JP*) *
dxd^ q
Folgerung VI. 22. Ebenso werden Snbtangente, Snb-
nomude, Tangente and Normale beziehnngsweise gleich:
und in entsprechender Weise lassen sich alle endlichen auf
die Curve be/,ri£:Iichen Grossen, es sei denn dass sie Inteo:rale
enthalten, durcii die eudlichen Grossen //,/?,... so ausdrücken,
daäs iii ihnen scheinbar Iveiue Diflferentiale mehr vorkommea.
Erklärung IV. 23. Für jedes Problem möge Formel
des Maximums oder Miniiiiums die Grösse heissen, welche
in der gesuchten Carve einen grdssten oder kieiiiäten Werth
annehmen soll.
Folgerung I. 24. Da bei allen Problemen, auf welche
sich diese Methode anwenden lässt, die Curve gesucht wird,
welche entweder unter allen oder doch unter unzählig vielen
in gewisser Weise bestimmten Cnrven eine Eigenschaft im
h(3( listen oder geringsten Grade besitzt, so ist die Eigenschaft,
v»eicho bei der gesuchten L'urv^e am ^lössten oder kleinsten
sein soll, eine Grösse, welche durch die Formel ausgedrückt
wird, die wir eben hier Formel des Maximums oder Minimums
nennen.
Folgerung II. 25. Weil aber die Eigenschaft, welche
im höchsten oder geringsten Grade vorhanden sein soll, so
üiyiiizea by Google
YariatiooB-Beoliiittng.
29
vorgelegt werden muss , da?? «le zu einer bestiramten ge-
gebenen Abscisse gehört, so muss ancli die l'ormel des Maxi-
mums oder Minimuma auf jenen abgegrenzten Axenabschnitt
bOÄOgen werden.
Folgerung III. 26. Es ist daher die Formel des Maxi-
inuma oder Minimnms eine veränderliche Grösse, welche von
der Länge der Abscisse abhängt, zu welcher sie gehört, und
bei jedem Probleme wird die Curve gesucht, für welche in
Beziio: auf jene abgegrenzte Abscisse die Formel des Maxi-
ni n ms oder Minimums den grössten oder kleinsten Werth an-
nimmt.
Folgerung IV. 27. Die Formel des Maximums oder
Minimunis darf aber nicht bloss von der Abscisse abhängen,
sonst würde sie nämlich für alle zu derselben Abscisse ge-
böieuden Curven denselben Werth annehmen, und sie würden
somit alle in gleicher Weise der Aufgabe genügen.
Folgerung V. 2S. Deshalb muss die Formel des Maxi-
mums oder Minimums ausser von der Abscisse, die allen be-
trachteten Curven gemeinsam ist, von jeder Curve in beson-
derer Weise abhängen, sodass es eine giebt, für welche sie
den grössten oder kleinsten Werth annehmen kann.
Anmerkung I. 29. Damit man dies deutlicher ver-
steht und das Wesen der im Folgenden zu behandelnden
Fragen besser begi*eift, wollen wir einmal annehmen, dass
man entweder unter der Gesaramtheit aller Curven, welche
zu derselben Abicisse A'Z ge-
hören, oder nur unter unzäh-
lig vielen mit einer gemein-
samen Eigenschaft diejenige
bestimmen soll, für welche die
Formel W den grössten oder
kleinsten Werth hat. Wir
wollen annehmen, dass die
Curve amz dieser Aufgabe
genügt, sodass der Werth der
Formel W fttr jede andere rar
Abscisse AZ gehörende Ganre j ^
entweder kleiner wird, als fttr
diese, oder iprösser, da ja in der
Cnire, welehe Genüge leistet, W ein Maximnm oder Minimnm
sein rnnss. Bei dieser sehr allgemeinen Aufgabe haben wir also
erstens die Abscisse von bestimmter Länge AZ^ zweitens ist
üiguizeü by Google
30 Leoabard i^uler.
eine Cnrve zu suchen entweder unter der Ge?ammtluit aller
Curven, die zu die&er Ahscissf^ c^pi^ören oder unter den un-
zählig vielen, die eine oder mehrere Eigenschalten gemeinsam
haben , je nachdem es sich um ein absolutes oder relatives
Maximum oder Minimum handelt, drittens haben wir eine
Grösse deren Werth in der gesuchten Curve ein Maximum
oder Minimum bein soll, und es ist also W die oben definirte
Formel des Maximums oder Minimums. Jetzt erkennt man
sofort, dass die Foniiei W so beschaft'en sein mnss, dass sie
allen denkbaren Curven angepasst werden kann. Sie wird
daher zunächst von der abgegrenzten Abscisse A Z abliäugeu
und sich ändern, wenn AZ geändert wird. Daun muss sie
von der Katur jeder besonderen Curve, welche man sich
denken kann, in besonderer Weise abhängen, denn sonst hätte
sie für alle Curven denselben Werth , und man hätte keine
Aufgabe. Deshalb muss die Grösse W ausser der Abscisse
noch Grössen in sich enthalten, welche sich auf die Curve
selbst beziehen , und da jede Curve durch eine Beziehung
zwischen Abscisse und Ordinate bestimmt wird, so muss die
Grösse W ans der Abscisse, der Ordinate und davon ab-
hängigen Grössen gebildet sein. Wenn also die unbestimmte
Abscisse mit x, die entsprechende unbestimmte Ordinate mit
y bezeichnet wird, so aiubs IF eine Function der beiden
Veiäiiderlichen x und y sein. Befrachtet muii jetzt eine be-
stimmte Curve und setzt die aus ihrer iNatur folgende Be-
ziehung zwischen x und y in die Formel TV ein , so erhält
W einen bestimmten Werth, welcher zu jener gegebeneu
Curve und der abgegrenzten Abscisse gehört. Da nun die
Formel W für andere und andere Curven verschiedene Werthe
annimmt, auch wenn man bei allen dieselbe Abscisse nimmt,
80 muss es unter den unzählig vielen Oorven eine geben, fttr
welche der Werth der Formel W der grOsste oder kidnste
wird^o). Die hier anseinanderzosetsendo Metbode soll nnn bei
jeder bestimmten Aufgabe zur Emuttelung dieser Cnrve dienen.
Folgerung VI. SO. £a ist also die Formel des Maxi-
mnms oder Minimums W eine gewisse Fnnction der beiden
Veränderlichen x nnd von denen z die AbscisBC, y die
Ordinate bezdcbnet. In W können nun nicht bloss x nnd y
vorkommen, sondern auch alle Grössen, die von ihnen alH
hängen, wie r, deren Bedentnng wir oben an-
gegeben haben. Sogar ans diesen Grössen gebildete Integral-
formeln können, Ja mflssen in W vorkommen, wenigstens
üiyiiizea by Google
YaiiatioDB-Beehiiang.
31
wenn die Aufgabe eine beBtimmte sein soll, wie wir bald
zeigen werdeo.
Folge rang YU. 31. Ist daher eine solche Formel W
oder eine Function von x und y vorgelegt, nnd betrifit die
Aufgabe die absolute Methode der Maxima nnd Minima, so
▼erlaugt man eine solche Gleichung zwischen x nnd y, dass^
wenn in IV der Werth von y, ausgedrückt durch a?, eingesetzt
wird, der Werth von grösser oder kleiner ausfällt , als
wenn man irgend eine andere Qleiohang zwischen x und y
angenommen hätte.
Folgerung VIII. 32. So lassen sich Aufgaben der
Curvenlehre auf die reine Analysis zurückführen und umge-
kehrt lässt sich jede vorp^legte analytische Aufgabe dieser
Art als eine aus der Curvenlehre ansehen und kann bo ge-
Idst werden.
Anmerkung II. 33. Wenn sich auch die Aufgaben
dieser Art auf die reine Analysis zurückführen lassen, so ist
es (loch vortheilhaft, sie mit der Lehre von den Curven in
Vcrbinduug zu bringen. Denn wenn man von den Curven
abstrahirt und nur reine Grössen betrachtet, so werden ein-
mal die Aufgaben schwerverständlich und unelegant, auch
fällt ihr Nutzen und Werth weniger in die Augen, dann aber
würde die Methode diese Aufgaben zu lü-i n sohwerverständ-
lieh und mühsam sein, weim sie bloss bei abstiacteu Grössen
auseinandergesetzt werden würde, während sie durch den
Anblick der Figuren und die Darstellung der Grössen durch
Strecken ausserordentlich unterstützt und dem Verständnisse
näher gebracht wird. Aus diesem Grunde werden wir die
Aufgaben dieser Art, obwohl sie sich ebensogut auf abstracte
wie auf concreto Grössen beziehen können, immer auf Curven
zurückführen und so lösen. Wenn nämlich eine Gleichung
zwischen x und y gesucht wird von der Beschaüeuheit, dass
eine gegebene , aus x und y gebildete Formel ein Maximum
oder Minimum wird, wenn der Werth von y aus der gesuchten
Gleichung entnoimnen und dem x ein bestimmter Werth er-
theilt wird: dann werden wir immer die AufL:iibe in die ver-
wandeln, eine Curvo zu linden, deieu xVbscisÄe deren Ordi-
nate y ist unil liir die jene Formel TV, wenn man eine gegebene
Abscisse X nimmt, einen i^Mössteii oder kleinsten Werth hat.
N:ich diesen Bemerk lui^en wird man die Natur der
Fragen, um welche es sich handelt, deutlich genug er-
kennen, höchstens könnte noch die zweideutige Redeweise
üiguizeü by GoOglc
Leonhard Euler«
Bedenken erregen, das3 gleichzeitig von Maximum und Mini-
mum gesprochen wird. Aber in Wahrheit ist hier keine
Zweideuiii^keit , denn wenn auch die Methode gleichmässig
Maxima und Minima zei?t. so wird es doch in jedem einzelnen
Falle leicht sein zu entscheiden, ob die Lösunir ein Maximum
oder Minimum liefert. Häufig ereignet sich aber auch , dass
bei einer Aufgabe sowohl ein Maximum als ein Minimum statt-
findet, und in solchen Fallen ist die Lösunsr eine doppelte, die
eine gi*»ht ein Maximum, die andere ein Minimum. Meistens
aber pHegt eins von beiden . entweder ein Maximum oder ein
Minimum, unmriglieli /.u :iein. Dies geschieht, wenn die Formel
des Mfiximums oder Miuimiirns ins Unendliche wachsen oder
abnehmen kann, denn in diesen Kiilleu giebt e> kein Maximum
oder Minimum. Es kann auch vorkommen, dass die FomieWF
sowohl ins Unendliche wachsen als auch abnehmen kann, und
dann existirt gar keine Lösung. Alle diese Unterscheidungen
wird aber die Rechnung nach der Lösung zeigen '^^).
Lehrsatz L 'M. Damit durch eine Formel des
Maximums oder Minimums TV eine Curve amz be-
stimmtwird, welche vor allen tlbrigen Gentige leistet,
mu88 die Formel W ein nicht bestimmbares Integral
sein, welches also nur integrirt werden kann, wenn
eine Gleichung zwischen und y angenommen wird^'-^).
Beweis. Nehmen wir an, die Formel W enthalte keine
nicht bestimmbaren Integrale. Sie ist dann eine Function
von X, y und den davon abhängigen Grössen^, q, r, 5, . .
und zwar entweder eine algebraische oder eine solche tran-
scendcnte, dass sie ohne Annahme einer Beziehung zwischen
X und y ermittelt werden kann; dies tritt ein, wenn entweder
Lugarithmen dieser Grössen oder Kreisbogen oder andere solche
trauscendente Grössen vorkommen, welche alere braischen gleich-
werthig zu erachten sind. Wird nun gleich einer solchen
Function von x und y allein gesetzt, so ist klar, dass der
Werth der Formel WT-fttr eine gegebene Curve, welche zu
einer gegebenen Abscisse gehört, nur von der letzten Ordi-
nate Zz abhängt und fdr alle Carven, welche in Z dieselbe
Ordinate Zz haben, derselbe Ist. Durch eine solche Formel 17^
wird also nicht die Besehaffeiihelt der ganzen Oitrre» sondern
nur die Lage ihres Endpunktes z bestimmt. Wenn aber In
W ausser x und y auch die Grdsse p vorkommt, so wird
ausser der Länge der Ordinate Zz noch die Stellung der
Ourventaagente in z oder des letsten Elementes der Curve in
üiyiiizea by Google
Vanationft-Bechnang.
83
z bestimmt. Wenn ferner q vorkommt, so ist die Lage zweier
aufeinanderfolgender Curvenelemente in c b e ti mmt ii.8.w» Folg-
lich wird durch eine bestimmte Function W von y, <l-,
r, . . . nnr ein unendlich kleines Stück der Curve in der
Umgebung des Endpunktes z bestimmt, und für alle Oarren,
"welche in derselben Weise enden, ist auch der Werth von
W derselbe. Um die ganze Curve, welche der ganzen Ab-
scisse entspricht, zu definiren, muss daher die Formel
so beschaffen sein, dass bei der Bestimmung der Curve amz
ihr Werth von der Lage der einzelnen Curvenelemente zwischen
a und z abhängt. Das aber kann nnr dann eintreten, wenn
die Formel W ein nicht bestimmbares Integral ist, welches
eben ohne Annahme einer Gleichung zwischen x und y keine
Integration zulässt. Was zu beweisen war.
Folgerung I. 35. Wenn also die Formel des Maxi-
mums oder Minimums kein nichtbestimmbares Integral ist,
so wird die Curve, in welcher der Werth von W am grössten
oder kleinsten ist, gar nicht bestimmt, und die Aufgabe, die
Curve zu finden, in welcher W ein Maximum oder Minimum
ist, sinnlos.
Folgerung II. 36. Damit sich also eine Curve an-
geben lässt, in welcher ^ gegenüber den anderen, der Werth
von W ein Maximum oder Minimum ist» muss die Formel W
die Gestalt:
J^Zdx
haben, wo Z so beschaffen sein muss, dass das Differential
Zdx nicht inteofrirt werden kann, es sei denn, dass eine
Gleichung zwischen x und y icölgesetzt wird,
Anmerkung. 37. Da die Formel des Maximums oder
Minimums das Integral einer nicht bestimmbaren Differential-
formel ersten Graucii sein muss — ersten Grades, damit das
Integral endlich ist ■ — , so lässt sich die Diffcrentialformel
immer aut tiie Gestalt Zdx zurückiuliren, mit Hilfe der Buch-
staben p, q, r. . . . Deshalb werden wir im Folgenden die
Formel des Maximums oder Minimums stets mit
¥
Jzdx
bezeichnen. Es ist aber Z eine Function nicht nur von x
und y., sondern auch von p , g, r , , , , , Wenn zum
Osiwald's Klassiker. 46. 3
üigiiizeü by Google
34 * Leonhard Euler.
Beispiel die Area AazZ ein Maximam oder Minimum sein
soll, so gebt die Formel W in
Ober; wenn die Oberfläche des Rotationskörpers, der durch
Drehung der Cnrve amz um die Axo AZ erzeugt wird, ein
Maximum oder Minimum sein soll, ist:
W= Jydx V 1 + />*,
und so hat jede Formel, welche fflr die gesuchte Cnrve ein
Maximum oder Minimum sein soll, immer die Form
nämlich eines Integrales aus dem Product einer endlichen
Grösse Z und dem Differential dx.
Z muss nun eine solche Grösse sein, dass das Integral
X einen bestimmten Werth erhält, wenn eine Gleichung
zwischen x und y festgesetzt wird, und daher ist Z ent-
weder eine algebraische oder doch bestimmte Function der
Grössen x, y, p, q, r, . . . oder enthält noch ausserdem nicht-
bestimmbare Integral formein in sich. Dieser Unterschied ist
sorgfältig zu beachten. Ist zum Beispiel die Formel W des
Maximums oder Minimums /ydx oäev J'ydx V l p*, so ist
die Grösse Z algebraisch, ist aber
W— j'yxdx J*ydx,
so ist Z — yxfydx, also Z selbst nicht bestimmbar, und
sein Werth lässt sich nur angeben, wenn die Beziehung zwischen
X und y gegeben wird. Es kann sogar vorkommen, dass Z
nicht durch eine solche Formol ausgedrückt werden kann,
sondern erst aus einer Differentialgleichung ermittelt werden
muss. Ist zum Beispiel
dZ = ydx 4- Z^dx,
80 lässt sich aus dieser Gleichung der Werth von Z durch x
und y nicht ausdrücken.
Hieraus ergeben sich drei Arten von Formeln, welche in
den gesuchten Curven ein Maximum oder Minimum werden
sollen. Die erst« Art umfasst die Formeln, in denen Z eine
' Google
VariatioDS-Rechnung.
35
algebraische oder doch bestimmte Function von x, y, p, q,
r, . . . ist. Zur zweiten Art gehören die Formeln, in denen
Z ausserdem Integi-ale aufweist. Die dritte Art enthält die
Formeln, in welchen der Werth von Z durch eine Differential-
gleichung bestimmt wird, deren Integration nicht bekannt ist.
Lehrsatz II. 38. Ist amz eine Curve, in welcher
der Werth der Formel J Zdx ein Maximum oder Mini-
mum ist, und Z eine algebraische oder doch be-
stimmte Function von x, y, p, q, r, . . ., dann hat
auch joder Theil mn dieser Curvc die ausgezeichnete
Eigenschaft, dass, wenn er auf die Abscisse J/iV be-
zogen wird, der Werth von y^^rfx gleichfalls ein Maxi-
mum oder Minimum ist.
Beweis. Der Werth der Formel fZdx für die Abscisse
A7j ist die Summe der Wertho dieser F'ormel, welche den
einzelnen Theilen der Abscisse entsprechen. Nimmt man
also an, dass die Abscisse AZ in beliebig viele Theile zerlegt
wird, von denen einer MN ist, und berechnet den Werth der
Foi-mel JZdx für die einzelnen Theile, so ergiebt die Summe
aller dieser Werthe den Werth der Formel JZdx, welcher der
ganzen Abscisse^ Z zukommt und der ein grösster oder kleinster
ist. Da aber Z als algebraische Function von x, y, p, q, r, . . .
angenommen ist, so hängt der Werth der Formel y Zdx, welcher
3fiV entspricht, nur von der Beschaffenheit des entsprechenden
Cnrvenstückes mn ab und bleibt derselbe, wie auch die übrigen
Stücke am und m variirt werden, denn die Wertho von x,
y, p, q, . . worden ausschliesslich durch das Curvenstück mn
bestimmt. Werden also die Werthe von J^Zdx, welche den
Abscissentheilon AM, MN und NZ zukommen, mit P, Q
und R bezeichnet, so sind die Grössen P, Q und R von
einander unabhängig. Wenn also ihre Summe P -\- Q -\- R
ein Maximum oder Minimum ist, so muss auch jede einzelne
Grösse diese Eigenschaft besitzen. Wenn daher die Formel
fZdx für die Cnrve amz den grössten oder kleinsten Werth
hat, und die Grösse Z eine algebraische Function von x, y,
p, y, . . ist, dann hat dieselbe Formel JZdx auch für jeden
Theil jener Curve die Eigenschaft eines Maximums oder Mini-
mums. Was zu beweisen war.
8»
36
Leonhard Euler.
Folgerung I. 39. Wenn man daher eine Curve arhz
gefunden bat, welche fdr eine gegebene Abscisae AZ den
g^össten oder kleinäten Werth von JZdx liefert, während Z
eine algebraische oder doch bestimmte Function ist, dann
kommt auch jedem Theilo dieser Curve beztiglich der ent-
sprechenden Absciäse die Eigenschaft des Maximums oder
Minimums zu.
Folgerung II. 40. Bei Problemen, wo ein solches
Maximum oder Minimum gesucht wird, braucht man also die
Grösse der Abscisso, zu welcher das Maximum oder Minimum
gehören soll, nicht zu bestimmen; ist vielmehr J Zdx für irgend
eine Abscisse ein Maximum oder Minimum, so erfreut es sich
such für jede andere Abscisse dieser Eigenschaft.
Folgerung III. 41. Man löst solche Probleme, indem
man die einzelnen Theilc der gesuchten Curve so bestimmt,
dass für sie der Werth der Formel JZdx am grössten oder
kleinsten wird. Denn alsdann hat auch die ganze Curve und
jedes Stück davon ebenfalls die Eigenschaft eines Maximums
oder Minimums.
Anmerkung. 42. Diese Eigenschaft der Curven, in
denen JZdx ein Maximum oder Minimum ist, wo Z, eine alge-
braische oder doch bestimmte Function von y, q, . . .
bezeichnet, hat grosse Bedeutung, denn auf ihr beruht die
ganze Methode Probleme dieser Art zu lösen. Besonders des-
halb aber erschien es nöthig diesen Lehrsatz schon jetzt zu
bringen, damit man nicht glaubt, dass die Eigenschaft, welche
nur den Formeln Zdx zukommt, wo Z eine algebraische oder
doch bestimmte Function ist, der Gesammtheit aller möglichen
Formeln gemeinsam sei ; denn wir werden im folgenden Lehr-
satze beweisen, dass diese Eigenschaft nicht mehr statt bat,
wenn in Z Intcgralformelu vorkommen; hieraus erkennt man
zugleich deutlicher die Natur dieser Aufgaben. Der Bow^eis
des gegenwärtigen Lehrsatzes aber beruht darauf, dass, so-
bald Z eine algebraische oder doch bestimmte Function von
sr, y, p, g, r, . . ist, der Werth der Formel JZdx, welcher
zu dem Abscissentheile M.N gehört, nur von dem entsprechen-
den Curv'enstück n\n abhängt und von der übrigen Curve, weder
durch den vorhergehenden Theil am noch durch den folgenden
Mz, nicht beeinflusst wird.
Google
Variations-Rechnnng.
37
Diese Schlnssweise aber versagt, wenn in Z nichtbe-
atimmbare Integrale vorkommen. Denn die Warthe der Grössen
y t P 1 9 1 • • • ^ör den Cnrvenbogen mn hängen nur von
der Lage dieses Bogens mn nnd von benachbaiien Elementen
ab. welche keinen Bogen endlicher Länge bilden. Daher wird
jede ans jenen Buchstaben gebildete Grösse allein durch die
Natur des Bogens mn bestimmt, es sei denn, dass Integrale
vorkommen, wie Jydx, welches die ganze vorhergehende
Area AamM einführen würde, oder Jdx \\ -\- p*, was den
ganzen vorhergehenden Curvenbogen mn mit sich brächte.
Hieraus erkennt man genauer, was wir mit piner be-
stimmten Function von x, y, p, q, . . bezeichnen wollen ; eine
bestimmte Function ist nämlich so beschaffen, dass sie »n
jeder Stelle nur von den gegenwärtigen Werthen der Grössen
X, y, p, q, . . . abhängt und ihre vorhergehenden Werths
nicht in sich enthält. Eine unbestimmte Function aber ist
eine solche, deren Werth an jeder Stelle nicht einzig aus den
Werthen bestimmt werden kann, welche x, y. p, q, . . . an dieser
Stelle haben, sondern zu seiner Bestimmung noch alle Werthe
erfordert, welche diese Grössen an allen vorhergehenden Stellen
angenommen haben. Zum Beispiel ist klar, dass alle alge-
braischen Functionen zugleich bestimmte sind; ausserdem sind
aber auch alle transcendenten Functionen, welche nicht von
der Beziehung zwischen x und y abhängen, bestimmte, wie
' p y
l \ x* -\- y*, ePy, arcsin — denn es lassen sich ihre Werthe
an jeder Stelle vermöge der Werthe angeben, welche x, y, p,
q, . . . allein an der betreffenden Stelle annehmen. Wenn aber
in der Function nichtbestimmbare Integrale vorkommen , die
von der gegenseitigen Beziehung zwischen x und y abhängen,
dann lässt sich ihr Werth für eine gegebene Stelle nicht ans
den Werthen erkennen, welche jene Buchstaben dafür haben,
sondern man muss auch alle Werthe an den früheren Stellen
kennen, also die allgemeine Beziehung zwischen den Coordi-
naten x und y. Solche Functionen nennen wir unbestimmte,
weil sie ganz nnd gar von denen verschieden sind, welche
wir als bestimmte bezeichneten.
Lehrsatz III. 43. Wird für eine Curve amz,
welche zur Abscisse AZ %Q\\'6r\ , J'Zdx ein Maximum
oder Minimum, während Z unbestimmte Integral-
38
Leonhard Buler. ^
formeln enthält, dann gilt die Bigenschaft eines
mnms oder Minimums nicht fttr jedes beliebige OuTTen-
stfleky sondern ist nur derOnrve eigenthflmlich, welche
snr Abseisse AZ gehört.
Beweis. Man denke sich die ganze Curve amz, fflr
welche JZdx ein Maximum oder Minimum ist, irgendwie
durch eine Ordinate Mm in zwei Theile getbeilt; der Werth
der Formel JZdx^ welcher za dem Btflcice am gehOrt, heisse P,
der Werth deraelben Formel für das andere Stfiek mz heisse Q.
Dann ist der Werth von f Zdx für die ganze Curve £:leicli
P-f-Q- Wir nehmen an, da«a P+ Q ein Maximum oder Mini-
mum ist. Um aber alle Zweideutigkeit zu vermeiden und die
Sache deutlicher auseinanderzusetzen, wollen wir annehmen
es sei ein Maximum. Wenn jetzt Q von P unabhängig
wäre, so könnte die Summe P -j- Q nur dann ein Maximum
sein, wenn es beide, P und Q, für sich wären. Aber in
unserem Falle, wo die Grösse Z nichtbestimmbare Integrale
in sich enthält, hängt Q lüclit nur von dem Curvenstücke mz
ab, auf welches es sich bezieht, sondern gleichzeitig von der
ganzen vorhergehenden Curve a7n und daher auch von P selbst.
Jetzt behaupten wir, dass P nicht ein Maximum zu
sein braucht, wenn es P-|- Q sein soll. Kehmeu wix näm-
lich an, das Curvenstück am habe die Beschaffenheit, dass
dafür P ein Maximum ist, und lassen wir das Curvenstück am
sich ein wenig ändern, so dass der Werth von J Zdx kleiner,
etwa P — pt wird, so kann doch in Folge dieser Änderung
der Werth von Q etwa am q wachsen, sodass, nachdem das
Onryenstflek am ein wenig geändert und JZdx dafftr kein
Maximum mehr ist, der Werth von JZdx für die ganze Carve
amz gleich P — |? 4- -H 5^ ist. Da es nun geschehen
kann, dass q grdsser als p ausfällt, so erkennt man, wie JZdx
für die ganze Ourre ein Maximum sein kann, ohne dass es
fOr das Sttlck am am grössten ist. Was zn beweisen war.
Folgerung I. 44. Hat man also eine Onrve gefanden,
die fSr eine gegebene Abscisse Ä Z den grössten oder kleinsten
Werth von JZdx ergiebt, und ist Z eine unbestimmte Function,
so folgt daraus nicht, dass jedes Stück der gefundcneu Curve
auch die Eigenschaft eines Maximums oder Minimums besitzt.
üiyiiizea by Google
Vftriationft-Becliiivng.
39
Folgerung II. 45. Daher muss man bei der Lösung
solcher Probleme, bei denen die Curve gesucht wird, welche
für eine gegebene Abscisse AZ fZdx zu einem Maximum
oder Minimum hat, stets die Grösse der ganzen gegebenen
Abscisse berücksiclitif^cn , und das Maximum oder Minimum
darf man nur für diese, nicht filr einen beliebigen Theil davoD,
2a erreichen suchen.
Folgerung III. 4 6 . Hieraus erhellt d er gewaltige Unter-
eebied zwiaehen den Formeln, in denen die Function Z be-
stimmt oder unbestimmt ist, nnd sogleieh erkennt mnn die
Verschiedenheit der Methoden, welche man gebrauchen muss,
um Aufgaben zu lösen, bei denen die Maximal* oder Uinimal-
werthe solcher Formeln verlangt werden.
Anmerkung. 47. Ans dem Bewdse dieses Lekrsatses
folgt nicht nothwendig, dass die einzelnen Theile einer Curve,
welche Ittr eine gegebene Abscisse AZ ein Maximum oder Mini-
mum der Formel fZdx ergiebt, sich ebenfalls dieses Vorzuges
erfreuen, aber mixn erkeuiit leicht, dass dicä eintritt, wenn
jene Eigenschaft den einzelnen Theileu zukommt. Nichts-
destoweniger ist es durchaus nothwendi^^, (iie Lösung stets dor
ganzen gegebcueu Abscisse auzupasseu. Freilicli kann es bei
Problemen der relativen Methode vorkommeu, dass man Formeln
JZdx. in denen Z eine unbestimmte Function ist, so bt^liandeln
darf, als wäre Z eine bestimmte. Dies tritt nämlich ein, wenn
nur unter .-illnn f'nrven, bei denen die in Z vorkommenden
nichtbeätimmbaren Integrale dieselben Werthe haben, diejenige
gesucht wird, fttr welche JZdx ein Maximum oder Minimum
ist; denn in diesem Falle darf man die nichtbestimmbaren Inte-
grale als bestimmbare ansehen. Wenn zum Beispiel unter allen
Curven derselben Länge die zu bestimmen ist, in welcher fZdx^m
Maximum oder Minimum ist, und wenn in Z ausser bestimmten
Grössen der Curvenbogen y cte V 1 + jt>* vorkommt, dann daif
man ihn wie eine bestimmte Function behandeln, da er ja
fflr alle Curven, unter denen man die gesuchte finden soll,
denselben Werth erhält. Das alles wird aber im Folgenden
noch deutlicher auseinandergesetzt werden.
Annahme II. 48. Wenn die Abscisse ^Zder Curve
in unendlich viele, einander gleiche Elemente /JT,
KL, LM, . . . getheilt, und irgend ein Stttck AM
üigiiizeü by
40
Leonhard Euler.
X genannt wird, dem eine veränderliche Function F
entspricht, so wollen wir die Werthe der Function
für die folgenden Punkte der Abscisse iV, O , . . .
mit F'y F"y F'", . . ., für die vorhergehenden Punkte
X, K, , , . mit F,, F„, F,„, . . . bezeichnen. So
wird ohne weitläufige Schreibung von Differentialen
der Werth, welchen eine veränderliche Function in
irgend welchen Punkten der Abscisse annimmt, be-
quem angezeigt.
Folgerung I. 49. Da der Werth einer Function au
irgend einer Stelle gleich dem Werthe an der vorhergehenden
ist vermehrt um dessen Differential, so haben wir
F'=F-{-dF, F" = F' + dF', F'" = F" -{-dF",
F =F,'h dF„ F, = F„ + dF,., F„ = F,., -j- dF„.,
Folgerung II. 50. Wenn in den einzelnen Theilpunkten
der Abscisse Ordinalen gezogen und die der Abscisse AM= x
entsprechende Ordinate Mm mit y bezeichnet wird, so sollen
's 7 k L M N OP £ A
die folgenden Ordinaten iV», Oo, Pp^... mit y', y", y'",
die vorhergehenden L/, Kk^ Ii,... mit y,, y,,, be-
zeichnet werden.
Folgerung III. 51. Ferner ist
dy Nn — Mm y' — y
^ dx dx dx *
sodass man für die folgenden und vorhergehenden Werthe von
p erhält:
Variations-Rechnung.
41
■ dx ' dz ' ^" dx
Folgerung IV. 52. Weiter ist
_ dp _ p —p _ y"—2y' + y
2 = ^\,=
dx""
y'"-
dx*
-2y"'4-y"
dx*
dx dx dx
sodass man fUr die folgenden und vorhergebenden Wertho
von q erhält:
_ y"-2y'+y _ y'-2y'+y
9— ./«i ' dx* '
„ _ y'— 2y4-y,
^' dx*
^ dx* ' ^" dx*
Folgerung V. 53. In ähnlicher Weise lassen sich
vermöge jener Zeichen fttr die Ordinalen die Werthe der
Grössen r, t, . . bestimmen und aus der Figur entnehmen.
Es wird nämlich:
y-'-3y"4-3y'-y __ y"--4y"--f6y"-4y'+y
rf^ • dx^
woraus man die vorhergehenden und folgenden Werthe dieser
Grössen bilden kann.
Folgerung VI. 54. Bezieht man die Formel fZdx auf
die Abscisse AM = Xf so ist der Werth, welcher dem folgenden
Elemente MN— dx entspricht, gleich Zdx. Mithin wird
man in ähnlicher Weise die den Abscissenelementen MN,
NO, OP, PQ,... entsprechenden Werthe von JZdx mit
Zdx, Z'dx, Z"dx, Z"'dx,..., die den Elementen MN,
LM, KL, IK,... entsprechenden mit Zdx, Z,dx, Z„dx,
Z„,dx, . . . bezeichnen.
Folgerung VII. 55. Bezieht sich der Aasdruck JZdx
auf die Abscisse ^ ilf = z, so ist der zu der gegebenen Ab-
scisse AZ gehörige Werth gleich
42
Leonhard Euler.
Zdx + Zdx + Z'dx + Z"dx + • • • io inf.
bis man zum letzten Punkte Z gelangt.
Folgerung Vlll. 56. Wenn also die Curve gefunden
werden soll, welche far die gegebene Abscisse den grOasten
unbestimmte Abseisse AM gleich x gesetzt, an bevirken,
dass der Ausdruck
bis zum Punkte Z summirt ein Maximum oder Miaimum wird.
Anmerkung. 57. Obgleich die Annahme in gewisser
Weise wiUktiilich ist, so sind doch jene Zeichen sehr nütz-
lich fflr eine rasche Losung der Aufgaben, welche sich auf
diese Methode der ^laxima und Minima beziehen. Denn gar
viel vermag bei solciiuu (Jeschäften die bequeme Wahl der
Zeichen, mittels deren die Kechnung nicht bloas abgekürzt,
sondern auch leichter und übersichtlicher gemacht werden kaun.
Die eingeführte Bezeichnungsart ist aber der üblichen bei weitem
vorzuziehen, bei welcher man die aufeinanderfolgenden Werthe
der Functionen durch Differentiale zu bezeichnen pßegt, weil
bei unserer Lösnngsmethode eine andere Art von Differentialen
auftritt, welche mit den natürlichen Differentialen veränder-
lieber Grossen leicht verwechselt werden konnte, wenn nicht
Tcrmügc der hier angenommenen Bezeichnnngsart die natttr-
lichen Differentiale weggeschafft wurden.
Lehrsatz 58. Wenn die Formel JZdx einen
grössten oder kleinsten Werth für die auf die ge-
liefert, so hat man, die
• ■ «
gebene Abscisse AZ be-
zogene Curve amnoz er-
langt, und mau eine an-
dere Curve amvoz an-
nimmt, welche von jener
nur unendlich wenig ab-
weicht, so ist der Werth
der Formel J Zdx für beide
Gnrven derselbe.
Beweis. Wenn in der
Analysis irgend ein veränder-
licher Ausdruck ein Maximum
üiyiiizea by Google
Yariations-Bechnung.
43
wird, so nähert er sich zunächst beständig wachsend dem
Maximal werthe , sobald er ihn aber eiroicht hat, entfernt er
sich abnehmend von ihm. Dieses Aulsteigen zum Maxiraal-
werthe und Herabsteigen davon geschieht so , dass Abnahme
nnd Zunahme der Grosse momentan verschwinden, wenn diese
dem grösaten Werthe am nächsten ist, dasselbe gilt vom
Minimum. Es giebt freilich Maxima und Minima, in deren
Nähe Abnahme und Zunahme unendlich gross ist, aber solche
Maxima und Minima kommen bei der gegenwärtigen Unter-
suchung selten vor, und wenn sie vorkommen, kann man sie
leicht bestimmen. Es genügt daher zu bemerken, dass es in
4er Kähe vom Maximum und Minimnm keine endlichen Ände*
rungen giebt.
Hat daher der Ausdruck JZdx fflr die Curve amnoz
4en grössten oder kleinsten Werth, so wird der Werth des
Ausdruckes für eine andere Curve sich umsomehr vom Maxi-
mum oder Minimum entfernen, je mehr die andere Onrve von
jener abweicht. Wenn aber die andere Curve von der, welche
Genüge leistet, nur unendlich wenig abweicht, dann erhält die
Fonnel fZdx fflr beide denselben Werth* Eine solche sehr
wenig abweiehende Curve erhalten wir, wenn wir annehmen,
'dnss nur der nnendUeh kleine Bogen mno nnendlieh wenig
variirt und an seine Stelle der Bogen mvo gesetzt wird.
Deshalb wollen wir vns denken, dass ans der Omnre az^ für
welche fZda^ ein Mazimom oder Minimnm ist, ein nnendlieh
kleiner Theil mno ansgeschnitten und an seine Stelle ein
anderer, unendlich wenig daTon abweichender, mvo eingesetzt
werde. Dann ist der Werth von JZdx, welcher der Cnrve
awnoz zukommt, gleich dem, welcher der Curve am«' o;? zu-
kommt, was zu beweisen war.
Fol^ening- I. 59. Da die Änderung möglichst klein
sein muss, geniii^t es nicht den Bogen ynno. welcher geändert
werden soll, als unendlich klein anzunehmen, sondern es muss
auch die Abweichung nv im YerhäUniss zu der Länge des
Bogens mno unendlich klein sein.
Folgerung II. 60. Bei einer solchen Änderung der
Curve ändert sich auch der Werth der Formel J Zdx, welche
doch dem Beweise zufolge nnverftndert bleiben soll. Auf
diese Weise ergiebt die angenommene Ändemng eine Glelehnng»
welche die Natnr der gesnchien Cnrye anzeigt.
üigiiizeü by
44
Leonhard Enler.
Anmerkung. 61. Im vorhergehenden Lehrsatze ist die
ganze Methode enthalten, Probleme za lösen, bei denen die
Curve verlangt wird, ftlr welche der Werth einer unbestimmten
Formel wie fZdx ein Maximum oder Minimum ist. Immer
nämlich stellt man sich vor, dass ein unendlich kleiner Theil
der Curve, wie mno^ variirt werde in mvo^ und fragt dann
nach dem Unterschiede der Werthe, welche die Formel JZdx
für die wahre Curve amnoz und für die angenommene amvoz
besitzt. Der Unterschied gleich Null gesetzt ergiebt die Natur
der gesuchten Curve.
Die Änderung muss an einer unbestimmten Stelle ge-
schehen, damit sie sich auf die ganze Curve bezieht und
sich auf jede einzelne Stelle erstreckt. Sie kann aber sonst
ganz beliebig gemacht werden , wenn sie nur unendlich klein
ist, und kann sich auch auf zwei oder mehrere Elemente der
Curve erstrecken. Immer muss jedoch dieselbe Endgleichung
herauskommen. Indess erfordert die Bequemlichkeit der Rech-
nung, dass die Änderung nur bei so wenigen Elementen vor-
genommen wird, als zur Lösung hinreichen. Wenn zum Bei-
spiel unter der Gesammtheit aller Curven, welche zu derselben
Abscisse gehören, die bestimmt werden soll, in der JZdx ein
Maximum oder Miniraum ist, so genügt es bloss zwei Curven-
elemente zu ändern. Wenn aber nicht unter allen Curven,
sondern bloss unter denen, welche eine oder mehrere Eigen-
schaften gemeinsam haben, die bestimmt werden soll, in welcher
irgend eine Grösse ein Maximum oder Minimum wird, dann
darf man nicht eine beliebige Änderung mvo vornehmen,
sondern muss es so einrichten , dass alle jene den Curven
gemeinsamen Eigenschaften erhalten bleiben, und in diesen
Fällen genügen nicht zwei Elemente, sondern man muss mehr
nehmen, d<imit man allen Bedingungen genügen kann.
Erklärung V. 62. Der zu einer Formel des Maxi-
mums oder Minimums gehörige Differentialwerth ist
der Unterschied der Werthe, welche diese Formel in
der gesuchten Curve und in einer Curve annimmt,
welche daraus durch eine unendlich kleine Änderung
entsteht.
Folgerung I. 63. In einer Curve also, für welche die
gegebene Formel JZdx ein Maximum oder Minimum sein soll,
muss der zu der Formel gehörige Differentialwerth ver-
Variations-BechniiDg. 45
schwinden. Setzt man also den Differentialwerth gleich Kuli,
80 erhält man eine Gleichnngi velohe die Natar der Gurre
aasdiückt.
Folgerung II. 64. Kennt man also den Differential-
Werth, welcher zu der vorgelegten Formel des Maximums oder
Minimums gehört, so hat mau sofort eine Gleichung, welche
die Natur der Curve ausdrückt, iu der jeue vorgelegte Formel
den gi'össten oder kleinsten Werth annimmt.
Folgerung III, G5. Die ganze Arbeit beim Aufsuchen
von Curveu, welche eine Eigenschaft im höchsten oder ge-
ringsten Grade besitzen, ist hiermit darauf zurückgefflhrt. dass
für jede Formel des Maximums oder Minimums der ihr zu-
kommeude Differentialwertli ermittelt wird.
Anmerkung. G6. Nach dieser allgemeinen Darlegung
der Natur der Aufgaben, hei denen Curven mit der Kigen-
achaft eines Maximums oder Minimums gesucht werden, und
der Methode, deren mau sicli zu ihrer Lösung bedienen muss,
gehen wir zur eigentliclien Untt rsucliunä' liber, und zwar werden
wir zuerst die absolute Metiiode darlegen, bei welcher Curven
gesucht werden, die unter der Gesammtheit aller auf dieselbe
Abscisse bezogenen Curven eine gewisse Eigenschaft des Maxi-
mums oder Minimums besitzen, und dann werden wir zur
relativen Methode der Maxima und Minima übergehen , auf
welche sich die Aufsraben beziehen, bei denen nicht unter
allen einer gegebeucii Abscisse entsprechenden Curven, son-
dern nur unter denen, welche sich einer oder mehrerer ge-
meinsamer Eigenschaften erfreuen, die bestimmt werden soll,
welcher der Vorzug eines Maximums oder Minimums zukommt.
In diese Untersuchungen bringt aber die Natur der Formel
JZdx^ weiche ein Maximum oder Minimum sein soll, einen
gewaltigen Unterschied hinein, je nachdem Z eine bestimmte
oder unbestimmte Fanotion ist, wie wir dies sehen bemerkt
haben.
2.
Wie wendet man die absolute Methode der Maxima und
Minima zur Aufflndiuig toh Caryen an?
Auf^-abe 1. 1. Wenn in einer Curve ainz irgend
eine Ordinate A';i. um ein uiiendlicli kleine,-; .Stück nv
vermehrt wird, soll mau die Änderung fiudeu, welche
üiguizeü by Google
46
Leonhftrd Eoler.
in Folge dessen die einzelnen bestimmten, snf die
Curve beztlglichen Grössen erleiden.
Lösung. Bestimmte anf die Carve bezügliche Grössen
sind ausser der Abscisse x, welche unverändert bleibt, y, p,
q, r, 8, . . . . mit ihren abgeleiteten Werthen, welche sie an
den nachfolgenden nnd vorhergehenden Stellen annehmen.
Setzen wir nun AM = x und Mm = y, so ist Nn = y',
nnd sein Werth wird dnrch die Verschiebung des Punktes n
nach V um das Stflckchcn nv vermehrt, während die übrigen
folgenden Ordinaten y", y"\ . . und die vorhergehenden y,,
Vnt Vnn ' • ' unverändert bleiben. Da also nur die Ordinate
S I K L il A-
R S
luisbnÄ ooi^
Nn um das Stückchen n v wächst, schlie.S3t man ans §§ 5 1 flg.
des vorhergehenden Kapitels, welche Änderung die übrigen
Grössen in Folge der Veränderung von y' allein erfahren.
Es erleiden nämlich eine Änderung alle Grössen, deren Werth
von y' abhängt, die Übrigen aber, welche von y' nicht ab-
_ y — y
dx
häogen, bleiben unverändert. Zum Beispiel wächst /» =
y" - y
nv
um das Stückchen und
dx
P =
dx
nimmt nm das
Stückchen
nv
dx
ab. Auf ähnliche Weise findet man die Zu-
nahme oder Abnahme der übrigen Grössen, indem man in
ihren oben angegebenen Werthen alle Wertho von y ausser
i/ wegstreicht nnd dafOr nv schreibt, und erhält anf diese
Weise folgende Tabelle aller bestimmten Grössen, soweit sie
eine Änderung erleiden -
Google
YariAtionB-Rechnang.
47
Grösse
Äuderung
Grösse
Äuderuiig
nv,
P >
p' ; q, ,
9 '
9 »
nv
n v nv
~ Tx' '^Jx*' ~
2nv
dx-'
r., ,
r, , r ,
r'
1 • • •
nv
3nv , 3«v
dx^' ' dx^'
nv
1 • • •
Es wäre leicht diese Tabelle fortzusetzen. Was zu finden
war.
Folgerung I. 2. Kennt man also die Änderungen dieser
auf die Curve beztlglichen ürgrössen , so kann man für alle
aus ibnen zusammengesetzten Grössen, wenn man die Art ihrer
Zusammensetzung beachtet, die Änderungen bestimmen, welche
die Vermehrung der Ordinate y' verursacht.
Folgerung II. 3. Die eben angegebenen Änderungen
dieser Grössen kann man gcwissermaassen als ihre Dlflerentliile
ansehen, und wenn eine aus ihnen zusammengesetzte Grösse vor-
gelegt ist, so findet man die Änderung, welche durch die Ver-
schiebung des Punktes « nach v verursacht wird, indem man
die betreffende Grösse differontiirt und an Stelle der Diffe-
rentiale der einzelnen Grössen die Änderungen schreibt, welche
unter ihnen vermerkt wurden.
Folgerung III. 4. Hat man zum Beispiel die Änderung
der Function y'Vl-\-p* zu bestimmen, welche durch die
Verschiebung des Punktes n nach v verursacht wird, so diffc-
rentiire man zuerst diese Function, wodurch man
erbillt, und schreibe dann an Stelle von dy' und dp die Ände-
nv
rungen der Grössen y' und p, nftmlich -|- nv und -|- Man
findet so als Zuwachs der vorgelegten Function:
Folgerung IV. 5. Leicht kann man also durch Diffe-
rentiation einer beliebigen Function die Änderung ermitteln,
welchö aus dem Zuwachs nv der Ordinate y' hervorgeht, was
aus dem Anblicke der Figur nur schwierig nnd allgemein Über-
haupt nicht geschehen kann.
48
Leonhard Euier.
AnDierkung. 6. Es ist wohl zn heachteii , dass diese
Methode die Änderung von Functionen oder Grössrn m finden,
welclie aus y, p, q, . , und den daraus abgeleiteten ?/,
y'\ p' , p ", . . . zusammengesetzt sind, nur bei bestimmten
Functionen zum Ziele führt, sich aber nicht auf unbcj^tiinnite
ausdehnen lässt. Denn ist die vortnlmtc Function eine un-
bestimmte oder eine nicht bestimmbare Integralformel, die
weder algebraisch noch trauscendent integrirt werden kann,
dann kommt man durch Dift'erentiation nicht zum Zit l , wenn
man ihre Änderung finden will. Sobald wir im Folgenden
solche Formeln des Maximums oder Minimums JZdx betrachten
werden, in denen 2^ eine unbestimmte Function ist, werden
wir die Änderungen derartiger Functionen ermitteln. Ist aber
Z eine bestimmte Function, so genügt die Lösung des vor-
liegenden Problems, um die L(^8ung aller hierher gehörenden
Probleme zu bewerkstelligen.
Aufgabe H. 7. Man soll» wenn Z eine bestimmte
Function von x und y allein ist, die Cnrve az finden,
in welcher der Werth der Formel JZdx am grössten
oder kleinsten ist.
Ldsung. Man denke sich die Absei sse AZ^ sn welcher
das Maadmnm oder Minimum der Formel JZdx gehören soll,
in unzählig viele gleiche Elemente getheilt, die alle mit dz
bezeichnet werden mögen. Setzt man die unbestimmte Ab-
scisse AM s= die Ordinate Mm t= y, so liefert das Ele-
ment Mi^^ Zill- Formel f Zdx den Beitraor Zdx und nach
unserer Bezeichuungsweise ergeben die folgenden Elemente
NO, OP, PQ, . . , die Werthe Z'dx, Z"dx, Z"'dx, . .
die vorhergehenden X 3f, KL, IK&hev Z,dXy Z„dXy Z„,dx,
Ist dalier die Curve az die gesuchte, so muss Zdx -f- Z'dx
-|- Z' dx -\- ■ ■ ' vermehrt um Z,dz 4- Z„dx Z„,dx 4- • • .
ein Maximum oder Minimum sein.
Wird jetzt die Ordinate Nn = y' um das Stückchen nv
vermehrt, so muss jener Ausdruck denselben Werth behalten
und sogar der DifferentialwertiL von JZdx oder von der
Summe der Glieder Zdx -|- Z'dx + Z^dx + • • • vermehrt
um Z,dx + Z„dx + Z„fdx • • • . verschwinden. Man muss
also die DifferentialwerChe der einzelnen Glieder ermitteln,
welche aus der Verschiebung des Punktes n nach ff entstehen.
üiguizea by
ywriationa-ßeclmimg.
49
Ihre Summe ist der Differentialwertii der Formel JZdx^ weleber
gleich Noll gesetst die Gleiehung fdr die gesachte Oorre er-
giebt.
D» Hirn Z «1b bestimmte Fanction you x nsd y ange-
nommen ist, so hat das Differential Z die Form Mdx 4< Ndy^
sodass
dZ=i MdX'\' Ndy
ist. Die Differentiale der abgeleiteten Wertiie von Z sind
also :
<f JZr = JTife + dZ" =:M"dx + N"df, . . . ,
dZ, «=s M,d9 -i- N,dy,y dZ„ ^ M„dx -j- N„dy„^ . . . •
Da aber die Diflferentialwerthe der Glieder Zdx, Z' dx. Z"dx,,..
lind Zfdx , Zf.dx, . . . gefnnden werden, wenn man diese
Glieder dificrentiirt und nr an Stelle von dy\ Null an Stelle
aller anderen Diiferentiale schreibt, so besitzt allein das Glied
Z' dx einen Differentialwerth, da nur in seinem Differentiale
dy vorkommt. Schreibt man also nv statt dy\ so ist der
Differentialwerth des Gliedes Z' dx gleich N*dxnv, nnd das
ist zugleich der Differential Werth der ganzen Formel Zdx,
weil die übrigen Glieder ausser Z'dx keine Änderung er-
leiden. An Stelle von N' dürfen wir aber N setzen , weil
^ N + d N ist. lind f/ Y gegen N verschwindet.
Ifan erhält daher ftlr die gesnchte Cnrve, in welcher
fZdx ein Hazimnm oder Minimum sein soll, die Gleichung:
Ndxwif = 0 oder
wenn dZsss Mdx + Ndy ist. Was an finden war.
Folgerung I. 8. Wenn also die Curve bestimmt werden
soll, in welcher fZdx ein Maximum oder Minimum ist, und
wenn Z eine bestimmte Function von :r und ?/ allein ist, so
muss man die Grdsse Z differentiircn. Man erhält dann dZ
in de'r Form Mdx + Ndy und bildet hieraus die Gleichung
für die gesuchte Curve, nämlich aV= 0.
Folgerung II. 9. Da somit N eine bestimmte Function
von X und y selbst ist, kommt in der Curvcnirleichung iS^= 0
keine eonstante GrOsse vor» welche nicht in der Formel des
Maximums oder Minimums fZdx anftet, und deshalb ist die
08twald'8 Klassiker. 46. 4
üiguizeü by Google
50
Leonhard Euler.
gefinidene Onrve einzig in ilirer Art und vollkommen be-
fitimmt.
Folgerung III. 10. Bei Aufgaben, welche unter diesem
Probleme begriffen sind, wird also die Oarve, die Geniige
leistet^ einzig aus der Formel des Maximums oder Minimums
bestimmt, und man darf nicht noch Punkte Torschreibeiii durch
welche die gesuchte Onrve hindurchgehen soll.
Folgerung ly. 11. Ui Z eine Function Ton z alleiii,
sodass y darin nicht Torkommt, so ist Zdx auch eine he*
stimmte Function von x allein, und alle Curven, welche zu
derselben Abscisse gehören, genttgen in gleicher Weise. Das-
selbe xeigt aber audh die Beehnung, denn in diesem Fall, wo
y in Z nicht enthalten ist, wird JV= 0, und man erhält gar
keine Gleichung itlr die gesuchte Gurve.
Folgerung V. 12. Man kann auch sofort erkennen,
ob es eine Curve giebt. in welcher eine solche Formel
fZdx ein Maximum oder Minimum ist, denn wenn man auä
der Differentiation von Z einen solchen Werth für iV findet,
dass durch die Gleichung iV= 0 keine Curve dargestellt wird,
dann giebt es auch keine Curve, in welcher die vorgelegte
Formel J Zdx ein Maximum oder Minimum ist.
Folgerung VI. 13. £ndlich erkennt man auch, dass
die Eigenschaft des Maximums oder Minimums nicht auf eine
bestimmte Abscisse beschrftnkt ist; wenn vielmehr eine Curve
die Formel JZdx eine Abscisse zu einem Maximum oder
Minimum macht, so hat sie auch fflr Jede andere Abscisse
gleichfalls den gritasten oder kleinsten Werth.
Anmerkung L 14« Wir haben sonut eine leichte Me-
thode erlangt, unter allen derselben Abscisse entsprechenden
Curven die zu bestimmen, in welcher die Formel f Zdx einen
grösstcn oder kleinsten Werth besitzt, wenn nur Z eine be-
stimmte Function von x und ij allein ist. Zugleich ist auch
klar, (iass die Curvo, welche genügt, immer algebraisch ist,
wenn Z eine algebraische Function von x und y ist. ^ Die
so gefundene Curve hat die Eig:enschaft, dass, wenn irgend
eine andere Curve für dieselbe Abscisse angenommen wird, für
die Formel JZdx ein kleinerer oder grösserer Werth hervor-
geht als fflr die gefundene. £s bleibt aber noch zweifelhaft,
ob in der gefundenen Oorve der Werth der Formel J Zdx ein
üiyiiizea by Googl
Variations-Rechonng.
61
Mnxiinnni oder Minimam ist, was sich in jedem einzelnen Falle
leicht entscheiden lässt, ohne dass es allgemein möglich wäre.
Das freilich ist gewiss, dass, wenn man nur eine einzige
Gleichung erhält, nur entweder ein Maximum oder ein Mini-
mum staUfinden kann; liefert also die gefundene Curve ein
Maximum, so giebt es kein Minimum, vielmehr kann der
Werth der Formel fZdx unbeschränkt vermindert werden,
und ebenso kann, wenn man nur eine einzige Curve gefunden
hat, welche für die Formel fZdx ein Minimum liefert, der
Werth von fZdx unbeschränkt vermehrt werden. Giebt aber
die Lösung gar keine Curve, welche Genüge leistet, so ist das
ein Anzeichen dafür, dass der Werth der Formel fZdx für
jede Abscisse ins Unendliche wachsen und abnehmen kann.
Anmerkung II. 15. Mittelst derselben Lösung kann
man auch jene anderen oben erwähnten Curven finden, welche
die Eigenschaft eines Maximums oder Minimums besitzen und
zu denen man nicht durch verschwindende , sondern durch
unendlich grosse Diflerentialwerthe gelangt; diese Art dea
Maximums und Minimums ist von joner gar sehr verschieden.
Man findet diese Cui-ven, wenn man den Diflferentialwerth
Ndx ' nv nicht gleich Null , sondern gleich unendlich setzt.
So oft also die Gleichung iV= oo eine Curve liefert, so oft
erhält auch in ihr die Formel fZdx den grössten oder kleinsten
Werth; dies tritt ein, wenn iV ein Bruch ist, dessen Nenner
gleich Null gesetzt die Gleichung für eine Curve ergiebt.
Auf diese Art findet man möglicherweise mehrere Curven,
welche gleichzeitig der Aufgabe genügen, und die einen liefern
ein Maximum, die anderen ein Minimum. Man kann auch mehr
als zwei Curven finden, welche der Aufgabe genügen, obwolil
man nur die beiden Gleichungen jV = 0 und N = oo hat,
denn wenn die Grösse N aus Factoren zusammengesetzt ist,
so giebt jeder Factor, gleich 0 oder oo gesetzt, die Gleichung
einer Curve, welche Genüge leistet; denn es ist bekannt,
dass oft mehrere Maxima und mehrere Minima statthaben
können. Dies alles aber wird klarer werden bei den folgenden
zu diesem Probleme gehörigen Beispielen.
Beispiel I. lü. Die Curve zu finden, welche unter
allen derselben Abscisse entsprechenden Curven das grösste
oder kleinste
X Ydx
52
Leonhard £uler.
hat, wo X eine Function von x allein und Y von y allein
bezeichnet.
[Lösung: X--J- = 0].
ax
Beispiel IL 17. Die Carve zu finden, welche unter
allen derselben Abscisse entsprechenden Curven den grössten
oder kleinsten Werth der Formel
f — y') y dx
besitzt.
[Lösung: ax — 3 = 0].
Beispiel IIL 18. Die Curve zu finden, in welcher
nnter allen auf dieselbe Abscisse bezogenen Curven der Werth
der Formel
1 5 a* .r* y — 1 5 ary 5 y' — 3 y*) dx
am grössten oder kleinsten ist.
[Lösung: [ax — y*) [ax -f- y* — a*) = 0].
Beispiel IV. 19. Unter allen derselben Abscisse ent-
sprechenden Curven die zu bestimmen, in welcher die Formel
^3 ax — 3 a;* — y'j {ax — x^ — \xy -|- y') dx
den grössten oder kleinsten Werth hat.
[Lösung: (y — ^) (y* — = 0].
Anmerkung. 20. Diese Probleme können auch durch
die gewöhnliche Methode der Maxima und Minima gelöst
werden. Denn wenn die Curve gesucht wird, in welcher für
eine beliebige Abscisse der Werth von JZdx ein Maximum
oder Minimum ist, so kann offenbar, sobald Z eine bestimmte
Function von x und y x^i, JZdx kein Maximum oder Mini-
mum sein, wenn es nicht das Element Z^dx, mithin auch Z
selbst ist. Man genügt daher der Aufgabe, wenn man Z, bei
constantem x differentiirt, und das Differential gleich Null
«»etzt. Denn alsdann hat Z immer den grössten oder kleinsten
YuiAtioiui-Jßeobnung.
53
Werth , also auch Zdx and f Zdx> Differentürt man aber
die Function Z bei consfantem so ergiebt sich Ndy^ da
wir ja allgemeiii das Differential dZ gleich Mdx -4- Ndy
gesetzt haben. Man genügt also dnrch i\r= 0, nnd dies
ist dieselbe LOsnng, welche die vorher dargelegt Methode
eigab.
Hiemach kannte es seheinen, als ob solche Anfgabta
tLberhanpt in ihnlicher Art gelM werden können, wie bei
der gewöhnlichen Methode der Maxtma nnd Minima. Dleis
findet aber nnr statt, wenn Z eine Function von m und y
allein ist, denn sobald in Z ansserdem die dnrch Differentiation
entstandenen GiOssen p, r» . . . Torkommen^ dann kann
die gewöhnliche Methode nichts mehr nütaen. W^nn man
nimliidL die Function Z bei constantem x differentiirte» so
wurden in das Differential die Differentiale dp^ dq, dr, . . .
eintreten, deren Beziehung an dy man nicht kennt, nnd hier-
ans Iftast sich keine Gleichnng herleiten, welche zur 6e3tim->
mang des Maximums oder Minimnms geeignet ist. In diesen
FAUen also erkennt man die Ntttzliehkeit nnd Nothweiidigkeit
unserer Methode.
Aufgabe III. 21. Wenn Z eine bestimmte Fasetioa
von X, ff und p ist, sodass man
dZ s Mdx 4- Ndy + Pdp
hat, soll man unter allen zu derselben Abscisse ge*«
hörenden Cnrven die linden, in welcher fZdx ein
Maximum oder Minimum ist.
Lösung. Genügt die Carve amz, so denke man sich
die Ordinate iVb » um das Stitckchen fw yermehrt. Dann
muss der Differentialwerth der Formel fZdx oder, was das»
selbe ist, yon Zdx + Z'dx + Z^dx + . . . Tcrmehrt um
Z,dx 4- Z„dx + . . . gleich Knil sein. Man erhält nun den
Differentialwerth der ganzen Grösse fZdx^ welcher von der
Yerschiebang des Punktes n nach v herrührt, wenn man die
Diflbrentialwerthe der einzelnen Glieder, soweit sie durch diese
Yerschiebung geändert werden, sucht und in eine Summe ver-
einigt. In Folge der Verschiebung des Punktes n nach v
erieiden aber nur die Glieder dne Yerinderung, welche die
Grössen ^, p und p' enthalten, also nur die Glieder Zdx
und Zdx^ denn ebenso wie Z ausser T<m x auch von y und
üiguizeü
54
Leonhard Euler.
Warthe: -\- nv, -\-
nv
und r-
ax
schreiben. Aber ebenso
p abhängt, ebenao ist Z' eine Function von y' und p' . Des»
halb mu88 man diese Glieder difTcTentiiren, und in ihren Diffe-
rentialen an Stelle von dy', dp und dp' die oben augegebenon
nv
dx
wie dZ = Mdx -f Ndy -\- Pdp ist, bo ist dZ' = M'dx
-\- N' dy' -\- P' dp' . Daher ist der DiflFerenfialwerÜJ von
nv nv
Z gleich P-j-, der von Z' gleich N'nv — P -j-, und der
ax dx
von Zdx 4- Z' dx, also auch von der ganzen Formel /Zdx,
gleich : nv (P ->r N'dx — P'). Es ist aber P' — P = dP,
und an Stelle von A" darf man iV' achreiben, woraus sich als
Differential Werth orgiebt: nv [Ndx — dP). Da nun der
Differentialwerth der Formel fZdx gleich Null gesetzt die
Gleichung für die gesuchte Curve ergicbt, so erhält mau
0 = Ndx — dP oder
N j— = 0,
dx
und durch diese Gleichung wird die Natur dor gesuchten
Carve ausgedrückt. Was zu finden war.
Folgerung I. 22. Ist also Z eine Function von x nnd
y und von ihren Differentialen dx uud dy oder an Stelle
dieser Differentiale von p selbst, wobei dy = pdx ist, so hat
das Differential von Z die Form
dZ = Mdx + Ndy + Pdp,
und hieraus findet man die Curve, in welcher fZdx ein Maxi-
mum oder Minimum ist, wenn man die Gleichung bildet
iV — = 0 oder Ndx = dP.
dx
Folgerung II. 23. Diese Gleichung ist immer eine
Differentialgleichung zweiter Ordnung, ausser wenn p iü P
gar nicht vorkommt. Deun wenn P die Grösse p cnt-
d V
hält, kommt dp in dP vor, was wegen p = Differentiale
zweiter Ordnung mit sich biingt.
Folgerung III. 24. Wenn also P in dem Differentiale
dz = Mdx H- Ndy Pdp die Grösse p in sich fasst,
so ist die Differentialgleichung fflr die gesuchte Curve zweiter
Google
Yariatious-XiechDUQg.
55
Ordnung, und es treten zwei neue Constanten durch die Inte-
j^iation ein. Znr Bestimmung der Constanten darf man zwei
Oarvenpuukte vorsolireiben, denn sonst würde man moht eine,
sondern nuzählig viele Curven erhalten.
Folgerung IV, 25. Damit also Probleme der lietrach-
teten Art in bestimmter Weise vorgelegt werden, mus3 man
sie so aussprechen, dass durch zwei gegebene Punkte eine
Curve gezogen werden soll, welche unter allen jiu h reu durch
die beiden Punkte gezogenen Curven für dieselbe Abscisse x
den Werth J Zdx zu einem Maximum oder Minimum maclit.
Folgerung V. 20. In P kommt die Grösse p nicht
vor, wenn Z eine Function von x und y allein ist mnltipli-
oirt mit p oder -|- w, wo n eine Constante bedeutet. Ist
nämlich V eine Function von x und y allein, sodass man
dV ^ Mdx -H I^dy hat, und Z=:V[n+ p), so ist
(» 4-/?) Mdx 4- (» Ndy 4- Vdp.
Hieraas erhält mau als Gleichung für die gesuchte Gurre
oder In -f- p) Ndx = dV= Mdx 4- Ndy,
Folgerung VI. 27, In den Fällen also, wo Z gleich
V [71 + p) und V eine Function von x und y aliein ist, er-
hält man keine Differentialgleichung zweiter Ordnung, weil
dp in ihr nicht vorkommt. Aber man kommt nicht einmal
zu einer Differentialgleichung erster Ordnung, sondern zu
einer algebraischen Gleichung. Denn da j)dx = dy ist, so
ist in 4 p] -Sdx = nNdx 4 Ndy, und setzt man dies gleich
Mdx 4 ^dyy so erhält man eine durch dx iheiibare Gleichung,
nämlich n N ^ M, welche sogar algebraisch ist, wenn Feine
algebraische Function wai'.
Folgerung YU. 28. So oft dies eintritt, hat die
Fonnei des lUzimnins oder Mimmnme fZdx die Gedtatt
^f{Vhdx+Vdy) oder, weim maa » = 0 setzt, fVdy, Solche
Formela des MaxianmiB oder MlBimiima ftlhreD also «ach zu
einer bestimmten Gleiehnng für die geBncKte Gnrve, sodass
man niebt einen oder mehrere Punkte Torschreiben darf» dnrob
welebe die Gorre Mndurebgehea soll.
Folgernng VIII. 29. Wenn also V eine Funefion von
X und y ift, so Uast aioh die Formel des Maximums oder
Misimnms fVdy in derselben Weise wie fVdx bebandeln.
üiyiiizea by Google
56
Loonlurd Euler.
Denn setzt mu dV^ Mdz Ndy, so eBtsprioht der
Fonnel fVdx die Currengleichung iV = 0, der formtl J'Vcly
die QleichoQg M = 0. Hieraus ersieht man, dass die Co-
ordinaten x und y mit einander rertanscht werden dOrfen.
Anmerkung I. 30. So erhellt, dasa man bei der Lö-
sung solcher Probleme, in denen eine Cnrve mit einem Maxi-
mal- oder Minimal Werth der Formel JZdx gesucht wird,
während Z eine Function von x, y und p ist, zn einer Diffe-
rentialgleichuDg zweiter Ordnung gelangt, ausser wenn in Z
die Grösse p nur in erster Dimensioa vorkommt. Oft aber
lisst diese Differentialgleichung zweiter Ordnung eine Inte-
gration zu, was man bei den einzelnen Fftllen nntersnchen
muBS.
Allgemein möge bemerkt werden, dass die Integration
gelingt, wenn x in der Function Z nicht vorkommt, wenn
also in dem Differentiale
dZ = Mdx 4- Ndy 4- Pdp
der Werth M verschwindet, sodass dZ gleich Ndy -\- Pdp
wird. Denn die Gleichung fflr die gesuchte Curve lautet
dP
N -j— = 0. Multiplicirt man sie mit dy, so geht sie
wegen dy = pdx über in die Gleichung Ndy — pdP= 0,
welche mit
Ndy 4- Pdp = Pdp pdP = dZ
gleichbedeutend ist, und hieraus folgt durch Integration die
Differentialgleichung erster Ordnung :
Z-\- C=Pp.
Sucht man also unter allen zu derselben Absoisse gehörenden
Curven die, in welcher der Werth der Formel JZdx am
grOssten oder kleinsten ist, nnd ist Z nur eine Function von
y und p, sodass sich dZ = Ndy + Pdp ergiebt, dann kann
man ftlr die gesuchte Cnrve sogleich die Differentialgleichung
erster Ordnung Z -\- C = Pp angeben.
Ist femer Z eine Fnnotion von x und p allein, und
dZ = Mdx -\- Pdp, während das Glied Ndy verschwindet,
so ergiebt sich ebenfalls fttr die Cnrve eine Differential-
gleichung erster Ordnung. Denn ans dP = 0 folgt P = C,
was fdr die gesuchte Carve nur eine Differentuügleiehuüg
litized by GooqI
Yj^riationA-Bechnuxig.
57
erster Ordnung ergiebt. Wenn ansserdem noch M ver-
schwindet nnd Z eine Fnnction von p allein, also äZ=Pdp
ist, lässt sich die gefundene Gleicluing P~ C nmwandeln
in Pdp = Cdp = dz, woraus duicli abermalige Integration
Z -\- D = Cp folgt. In diesem Falle aber ergiebt jede der
beiden Gleichungen P = C und Z D — Cp, weil Z und
P Functionen von p allein sind, für p einen constauteu Worth
und also eine Gleichung dy = ndx, welciie anzeigt, daas
dem Probleme beliebig gezogene gerade Linien genügen.
Denn da O in der Gleichung P =s C eine willkürliche Con-
stante ist, fallt auch der Werth von p nicht bloss constant,
sondern sogar wiilktlrlich ans, sodass sich jede beliebige
Gerade ergiebt. Wenn man daher durch zwei gegebene
Punkte eine Curve ziehen soll, für welche j'Zdx ein Maxi-
mum oder Minimum ist, während Z bloss von /; abhängt, so
genügt die durch die beiden Punkte gezogene gerade Linie.
Anmerkung II. 31. Schon oben sahen wir, da^s man
bei Problemen dieser Art die Coordinaten x und y miteinander
vertauschen darf und, wenn es bequem erscheint, die Ordi-
nate y als Abscisse bebandelt werden kann. Dasselbe lässt
sich aber auch in diesem Falle bekräftigen. Es sei also die
Curve zu ermitteln, !n welcher J Zdy ein Maximum oder Mini-
mum sein soll, während Z eine Function von y und p und
dZ =^ Mdsü + Ndy + Pdp
ist. Diese Formel Usst sich auf unaerü alte zurückfuhreu
und wird dann fZpdx\ dabei ist
d(Zp) s Mpdx + Npdy + + Pp)dp.
Daher ist der Differentialwerth der vorgelegten Formel
(Npdx ^dZ— Pdp —pdPjnp
oder
{— Mdx — 2 Pdp — pdP) nv,
und die Gleiehiiog fbr die gesnehte Gnrve iit
0 = — Mdx — 2 Pdp — pdp
oder
0 = — Mdy — d[Pp\
Setien wir nun, um die ÄhnUehkeit la leiges, weil wir hier
y als Abäciäse betrachten, dx =^ 7t dy^ so ist p ^ — ,
üiguizeü by Google
58
r Leonhard Euler.
C? 7t
dp= 1- = — p^dity und, wenn man 11= — Pp' setzt,
tu
dZ = Mdx -h Ndy — Pp^dn = Mdx + Ndy + Udn,
sodass die Ähnlichkeit der Glieder erhalten bleibt. Deshalb
ist die Curvengleichung
0 = — Mdy 4- dU-,
eine Gleichung, welche auch hervorgegangen wäre, wenn man
in der Formel fZdy die Ordinate y in die Abscisse und
umgekehrt die Abscisse in die Ordinate verwandelt hätte.
Ist also irgend eine unbestimmte Formel vorgelegt, welche aus
X, y und deren Differentialen zusammengesetzt ist, und soll
diese ein Maximum oder Minimum sein, so darf man jede der
beiden Coordinaten x und y nach Belieben als Abscisse an-
sehen und ihr das Maximum oder Minimum anpassen.
Beispiel I. 32. Unter allen auf dieselbe Abscisse
bezogenen Curven soll man die bestimmen, in welcher
ßzdx+[Z]dy)
ein Maximum oder Minimum ist, während Z und [Z]
Functionen von x und y bedeuten, so dass
dZ = Mdx + Ndy, d[Z] = [M] dx + [N] dy
wird.
Um diese Formel
J [Zdx + [Z]dy)
auf die angenommene Form zn bringen, setze mau dy = pdx.
Man erhält dann die Formel
f[Z^p[Z]]dx,
welche zu einem Maximum oder Minimum gemacht werden
soll. Differentiirt man also Z -\- [Z]p, so wird das Differential:
Mdx + Ndy + [M]pdx + [N]pdy + [Z]dp.
Nach der gefundenen Regel geht hieraus für die ge-
suchte Curve die Gleichung hervor;
0 = (iV^4-
= +
N]p] dx — d\Z\
N]p) dx — [M] dx — [N]dy,
Yvistiona-BechnuDg.
59
und diese ergiebt wegen [N]pdx = [N]dy nach Division mit
dz für die gesuchte Curve die algebraische oder doch endliche
Gleichung:
bestimmbar oder das Diflerential Zdz -\- [Z]di/ so beschaffen
gewesen wäre, dass es die Integration zalässt, so würde der
Aufgabe keine Linie genügt haben oder besser : alle hatten es
in gleicher Weise gethan. Denn wenn Zdx -\- [Z]äy inte-
grabel ist, so hat man ron selbst N=[31], wie wir an
anderer Stelle für die bestimmbaren Differentialformeln von
zwei Veränderlichen bewiesen haben, und daher geht in diesen
Fällen die identische Gleichung 0 = 0 hervor. Hieraus er-
kennt man deutlich, dass, wie wir schon oben bemerkten,
die Formel des Maximums oder Minimums nichtbestimmbar
sein mnss, denn sonst würden alle Curven in gleicher Weise
genügen.
Beispiel II. 33. Unter allen auf dieselbe Ab-
scisse bezogenen Cnrven die zu bestimmen, deren
Länge am kleinsten ist, oder in welcher
ein Minimum ist.
Zunächst ist klar, dass es bei dieser Aufgabe kein Maxi-
mum giebt, da man bei festgehaltener Abscisse die Länge der
Linien ins Unendliche vermehren kann. Daher hat nur ein
Minimum statt, was aus der elementaren Geometrie bekannt
ist, in welcher bewiesen wird, dass die gerade Linie gegen-
über allen anderen Linien mit denselben Endpunkten am
kürzesten ist. Es schien aber gut dieses Beispiel beizu-
bringen, damit man die Übereinstimmung unserer Methodr^
mit einer bekannten Wahrheit siebt, und auch, damit mau
die Einführung der beiden Punkte, welche man Aufgaben
dieser Art hinzufügen muss, besser vorsteht. Es wird also,
wenn man die Formel J'dx Vi -|- />* mit der allgemeinen
«der N = [3f]
N— [M] = 0
Wenn also die vorgelegte Formel
JZdx vergleicht, j
60
Leonhard Eoler»
und
wonuis
if= 0, N= 0, P= -^4=
folgt Ds film lUgemeifi f&r die gesuchte CnrTe
N T— = 0
ist, 80 wird in diesem Fmlie dP^ 0 uid daher
P Ä — ^ = const.«
iroraiB
p s eonst. SB II
oder
entsteht, und hiemus eigiebi sidi doreh abmalige Inlegimtion:
y =s a +
Bs ist also nicht nur Uar, dass die gesachte Linie eine gerade
ist, sondern aach wegen der beiden willkfirlichen Constanten,
dasa es eine beliebig gezogene Gerade ist. Wenn man daher
durch swei gegebene Punkte die kürzeste Linie ziehen soll,
so ist ea die gerade. Anf ihnliehe Art aber erkennt man,
dasSy wenn die Cinrre gefunden werden soll, in welcher fZdx
ein Maxirnnm oder ICnimnm sein soll« wo Z «ne Fanetion
▼on p allein ist, dasa dann mar die gerade Linie genflgt, wie
wir schon oben bemerkten.
Beispiel m. 34. Unter allen anf dieselbe Ab-
scisse beaogenen Curven die an bestimmen , in weleber
ein Mazimnm oder Minimum ist.
Diese Formel sntstehtt wenn man bei der Annahme einer
l^hftrmigen Gravitation nach der Linie des schndtetwa Fallm
üiyiiizea by Google
Variations-Rechnaog. 81
fragt und dabei die Absoissenaxe verücal annimmt^'). Es
ist also
Z = ^^
Vx
und
2 xVx Vx [\ -!-/>•)
mithin wird:
M N=0. P =
2xyx Vx{l + p*)
Da nun die gesuchte Carve durch die Gleichung
N r- = 0
dx
ausgedrtickt wird, so ist
dP=0,
und also
P _ i
Yx (1 H- />«) Vä'
wo a eine Constante bedeutet. Hieraus ergiebt sich
a/>' — x -\- p*x
and
oder
Diese Gleichung zeigt an, dass die gesuchte Curve eine Cy-
cloide mit horizontaler Basis ist, deren Spitze im oberen Theile
der Axc liegt; eine solche Curve lässt sich stets durch zwei
beliebig gegebene Punkte legen.
Beispiel IV. 35. Unter allen auf dieselbe Ab-
scisse bezogenen Curven die zu bestimmen, in welcher
ein Maximum oder Minimum ist.
ß
G2 Leonhard Euler.
Ist diese Formel vorgelegt, so ist
y^p dp
2/>
und
dZ = ny*»-' dy Vi 4- -|-
V\-\-p*
sodass
M =0, N= ny"^-^ dy V I -f- o*, P =
Vi
wird.
Da also M=0 ist, erhält man sogleich nach § 30 die
bereits einmal integrirte Gleichung;
Z+C=Pp,
welche in unserem Falle:
yn VI + ^;ian ^ y P _
wird. Setzt man die Constante a = 0, so geht \ p^ = p^
oder p = 00 hervor, und es genügt eine zur Axe senkrechte
Gerade. Allgemein aber findet man die Curven, welche Ge-
nüge leisten, aus der Gleichung:
oder
Hieraus folgt
un(^
y"^ -\- md^W = 0
^ dx ma^
C ma^^dy
die Curve lässt sich daher durch zwei gegebene Punkte legen
Ist 7J = — ^, sodass
ein Maximum oder Minimum sein muss, so muss gleichfalls
die auf eine horizontale Axe bezogene Brachistochrone hervor-
gehen, und es ist für sie
yariatioj^s-EeelmuDg.
eine Gleichung, die mit der vorhergehenden identisch wird,
wenn die Coordinaten x und y unter sich vertansclit werden.
Es i^^t f\ho wie vorher die Curve, welche genügt, eine Cy-
cloide, weiche dnrch Wälznng auf einer horizontalen B.i>is
entstanden ist, und eine solche kann man durch zwei beliebig
gegebene Punlcte ziehen.
Beispiel V. 36. Unter allen zu derselben Abscisae
gehörenden Oarven die za bestimmen, in welcher
ein Maximum oder Minimum ist^^).
Mittels der Substitution dy=pdx geht diese Formel
in die gewohnte Gestalt:
Aber. Man findet sie bei der Frage nach dem Rotations-
körper, welcher in der Richtung seiner Aze in einer Fitissig-
keit bewegt den geringsten Widerstand erleidet, denn in diesem
Falle nimmt man den Widerstand als proportional J-^ ^
CVP^dx
oaeYjY^, — ; an. £s ist also:
und
2; ^ yp'
p'^^y _^ ydp (3;?* +
sodass
Wird. Da also M = 0 ist, gelingt allgemein eine Integraiioni
und die Gleichung für die gesuchte Ourve ist:
üiguizeü by
$4 Leonhard Ealer.
oder:
y/»' , ,_ />'y(34-;>')
woraua mao
a(l = 2;>'y
findet. Die Entwickelang dieser Gleichung lässt sich nicht
so anatellen, dass man p eliminirt, vielmehr ist es zweck-
mässig, die Cuurdinaten x und y beide durch dieselbe Ver-
änderliche p auszudrücken. Zunächst ist
(1 -f-/>V
^ 2p^ '
dann bat man wegen dy = pdx umgekehrt dx = und
j p p *^ p
Wird nun an Stelle von y der gefundene Werth gesetzt, so
geht hervor:
^ _ a(l +p^Y ^ ^ JdpW
2 p* ' J 2p^
aus diesen Gleichungen kann man mit Hilfe von Logarithmen
die Curve construiren.
Beispiel VI. 37. Die Curve zu finden, in welcher
die Formel:
Jyz dxVl -\-p*
ein Maximum oder Minimum ist.
[ICs ergiebt sich die Differentialgleichung:
yxdp
xdx — ydy =
welche sich nicht in geschlossener Form integriren lässt.]
Beispiel VII. 38. Die Curve zu finden, in welcher
ß
ein Maximum oder Minimum ist.
Google
Variations-Rechnung.
6S
[Lösung: | = ^,(A.arc.,^) = r,
Anmerkung III. 39. Wenn man also unter allen zu
derselben Abscisse gehörenden Curven die finden soll , in
welcher fZdx ein Maximum oder Minimum ist, während Z
von 2, y und p abhängt und
dZ = Mdx + Ndy + Pdp
ist, 80 erhalt man für die gesuchte Cnrve die Gleichung
N -r- = Q.
dx
Nun bemerkten wir bei der vorhergehenden Aufgabe, wo
Z eine Function von x und y allein war, daaa man die
Lösung mittelst der gewöhnlichen Methode der Maxima und
Minima erhalten könne, denn damit fZdx ein Maximum oder
Minimum ist, muss es auch Zdx und daher auch Z selbst in
Beziehnng auf x sein, und deshalb ergiebt sich die Gleichung
der Curve, wenn man das UifTerential von Z bei constantem
X gleich Null setzt. Eine äbnlicho Methode würde bei dem
gegenwärtigen Probleme zum Ziele führen, wenn nur in dem
bei constantem x genommenen Differentiale von Z, nämlich
Ndy -\- Pdp, die Beziehung zwischen dy und dp bekannt
wäre, sodass man durch dy dividiren und den endlichen Werth
ermitteln könnte, welcher gleich Null zu setzen ist. Während
man nun jene Beziehung zwischen dy und dp, ohne welche
sich die gewöhnliche Methode der Maxima und Minima nicht
anwenden lässt, a priori nicht bestimmen kann, läast sie sich
doch a posteriori angeben; weil nämlich für die gesuchte Curve
die Gleichung:
N T- S= 0
dx
gefunden wurde, erkennt man, duss sie aus der Gleichung
dp
Ndy -f- Pdp oder N -jr P gleich Null horvorgegangon
vftre, wenn man:
Ostwmld'i KUfilk«r. 4«.
dp /'dp
dx dl/
55 Leonhard E^ler.
oder wegen dy = pdx :
P
festgesetzt hätte.
Jene Beziehung zwischen den Differentialen dy und dp
ist daher so beschaffen, dass sie durch die Gleichung
pdP + Pdp = 0
ausgedrückt wird, welche besagt, dass Pp als constant be-
trachtet werden soll. Hieraus ergiebt sich folgende Regel
zur Lösung von Problemen, bei welchen man nach der Curve
mit einem Maximum oder Minimum von fZdx fragt, wo
dZ = Mdx + Ndy + Pdp
ist: man differentiire Z, setze in dem Differentiale Mdx
•■\-Ndy-\-Pdp an Stelle von Mdx Null, lasse Ndy unverändert
und schreibe — pdP statt Pdp ; was herauskommt setze man
gleich Null. Denn auf diese Weise erhält man
Ndy —pdP= 0,
eine Gleichung, welche wegen dy=pdx genau in die ge-
fundene
N = ^
ax
übergeht. Man vermisst daher noch eine Methode, welche
unabhängig ist von der geometrischen Lösung und erkennen
lässt, dass bei einer solchen Ermittelung eines Maximums
oder Minimums an Stelle von Pdp geschrieben werden darf
Aufgabe IV. 40. Wenn Z eine Function von x,
p und q ist, sodass man
dZ = Mdx -f- Ndy + Pdp -f- Qdq
hat, soll man unter allen zu derselben Abscisse ge-
hörenden Curven die finden, in welcher fZdx ein
Maximum oder Minimum ist.
Lösung. Der Werth der Integral formel^/Zf/a: lässt sich
in die beiden Reihen Zdx -\- Z' dx -\- Z' dx •\- . . . und Z,dx
-|- Z„dx 4- Z,„dx -\- . . . entwickeln, deren Summe ein Maxi-
mum oder Minimum ist, wenn die Differential werthe der ein-
zelnen Glieder, die von der Vermehrung der Ordinate y um
Yariatioits-BechnaDg.
67
das Stückchen nv herrühren, gesammelt und gleich Null ge-
setzt werden. Durch einen solchen Zuwachs der Ordinate y'
erleiden aber mir die Buchstaben y'\ p, p\ q,, q, q eine
Änderung und daher auch nur die Glieder, in welchen diese
Buchstaben vorkommen, nämlich Z,dx, Zdx nrui Z'dx. Um
die Änderungen dieser Glieder, welche aus der Verschiebuno-
des Punktes 71 nach v hervorgehen, zu finden, hat man sie
2a differentiiren und erhält:
d(Zdx) = dz [Mdx + irdt/'\' Pdp'-^- ffrfj'),
d{Zdx) s= dx (Mdx -h Ndy + Pdp + Q^)j
d{Z,dx) s= dx {M,dx + N,dy,+ P,dp,+ Q,dq,).
Nun ist, weil die Abscisse x durch jene Verscliiebuug nicht
geändert wird, überall dx = 0 zu setzen. Für die übrigen
Differentialwerthe aber erhält mau nach der ersten Aufgabe
dieses Kapitels:
dy^ + nv dp^^-j- dq'^-^
dx ^ dx
dy,= 0 dp,^ 0 dq,= +-^.
Setzt man diese Werthe der durch nv ausgedrückten Diffe-
reniiaie ein, so geht folgender Differentialwerth hervor:
nv * dx
-»'■*(*-^+^r).
weil d*Q^ ^d^Q ist. Deshalb erhält man (tir die gesuchte
Onm die Qleichniig:
dP d^Q
dx dx*
^^m^ WMF
Was zn finden war.
Folgerang I. 41. Wenn also in der Formel des Maxi-
mums oder ICinImnms aneh noeh Differentiale zweiter OrdfiiiDg
vorkommen, oder was dasselbe ist, wenn Z eine Function tou
X, y, p und q ist, sodass man
5»
üigiiizeü by
08
Leonhard Euler.
dZ= Mdx + Ndy + Pdp Qdq
hat, 80 ist die Gleichung fttr die gesuchte Curve;
man kann sie leicht aus dem DüTercntiale von Z bilden.
Folgerung II. 12. Wenn oder das zweite Differential
von y, in Q vorkommt, dann enthält * Q Differentiale vierter
Ordnung, und von dieser Art ist die Gleichung, welche man
fttr die Curve findet. Die Curve kann daher durch vier ge-
gebene Punkte gezogen werden.
Folgerung III. 43. Wenn also Q die Grösse q ent-
halt, ist das Problem, damit es ein bestimmtes wird, so vor-
zulegen, dass unter allen durch vier gegebene Punkte ge-
zogenen Curveu diejenige ermittelt werden soll, fttr welche
JZdx ein Maximum oder Minimum ist.
Anmerkung I. 44. Nehmen wir an, dass 7 in Q nicht
enthalten sei. und untersuchen wir, von welcher Ordnung die
resnUirende Differentialgleichung ist. Dies tritt ein, wenn die
vorgelegte Formol des Maximums oder Minimums yZ5(/2: ist,
wo Z eine Function von Xy y und p allein bedeutet, sodass
dZ = Mdx -\- ^dy -f- Pdp wird. Hieraus folgt:
d{Zq) = Mqdx -h Nqdy -h Pqdp -f- Zdq,
woraus sich fflr die gesuchte Curve die Gleichung ergiebt:
oder
oder
dMdx -h dNdy + üPdp + Nd*y -f- Pd*p
dx^
0 = 2 Ndp + dM -h pdN\
eine Gleichung, welche gleichbedeutend ist mit einer Diffe-
rentlalgleichung zweiter Ordnung, weil dp = darin vor-
kommt.
Variationa-Rechnung. 69
Wenn man also eine Carve wünscht, in welcher f Z g dx
ein Maximum oder Minimum sein soll, während Z eine Functioa
von X, y und p und dZ = Mdx + Ndy -f- Pdp ist, so
erhält man für die gesuchte Cnrve die Gleichung:
0 = dM + 2 Ndp -f- pdN.
Folgerung IV. 45. Um zu der gefundenen Gleichung
zurückzukehren, so wird sie offenbar allgemein int«grabel,
wenn iV= 0 ist, wenn also y in Z nicht vorkommt, denn
durch Integration geht hervor:
dz
Ist ausserdem P = 0 , so gelingt eine zweite Integratiou,
durch welche
+ Z> — Q = 0
hervorgeht.
Folgerung V. 46. Ist iJf = 0, ao gelingt gleichfalls
allgemein eine Integration. Es ist nämlich ^
dZ = Ndy + Pdp + Q(^q-
Multiplicirt man nun die Gleichung
dP d*Q
mit dy oder pdx, wodurch man
d*Q
Ndy—pdP + p-^ = 0
erhält, und addirt dazu
dZ — Ndy — Pdp — Qdq = 0,
so entsteht:
dZ—pdP — Pdp-{-p,^—Qdq = 0, \
wovon
Z^Pp+p^-Qq=C
das Integral ist.
r
70
Leonhard Euler.
Folgerung VI. 47. Ist M = 0 uöd N=0, bo ist
Enniichst wegen N = 0 wie oben:
c-p + ^° = o.
ax
Nun ist dZ=Pdp-{- Qdq. Multiplicirt man daber jene
Gleichung mit dp oder qdx^ wodurch man
Cdp — Pdp -{-(jdQ = 0
erhält, und addirt Pdp -{-Qdq — dZ = 0, so geht hervor:
Cdp + Qdq + qdQ — dZ=0,
wovon
das Integral ist.
Anmerkung II. 48. Wenn man den Zusammenhang
der Gleichung für die gesachte Curve, für welche fZdx den
grössten oder kleinsten Werth hat, mit dem Differentiale von
Z ins Auge fasst, so kann man eine Beziehung zwischen den
Ditferentialen dy, dp und dq bestimmen , vermöge deren daa
Differential von Z gleich Null gesetzt gerade die Gleichung
für die gesuchte Curve ergiebt. Es ist n&mlich
dZ = Mdx -f Ndy -f- Pdp + Qdq.
Vergleicht man hiermit die Curvengleichung:
dP . rf«Q
^-^ + -^ = «'
oder besser diese Gleichung multiplicirt mit dy = pdx:
Ndy —pdP-\- p^ = Q,
so erhellt, dass man in dem Differentiale von Z an Stelle von
M dx Null schreiben , das Glied 2^dy unverändert lassen,
• — pdP statt P<//> schreiben, und an Stelle von Qdq endlich
d^Q
p setzen muss. Aber da dies a priori nicht klar ist,
dürfte es vorzuziehen sein, die Form der gefundenen Gleichung
beizubehalten, die man ja leicht im Gedächtniss behalten kann.
Übrigens ist zu bemerken, dass die hierher gehörenden Auf-
gaben völlig neu und noch nicht von denen behandelt sind,
welche sonst Aber diesen Gegenstand geschrieben haben.
' by Google
VariaUonA-BechBiing;
71
Sonst pflegten nämlich die Scbriftsteller nur solche Formeln
des Maximums oder Minimums zu betracliten. in welchen
höchstens die ersten Differentiale der Coordinaten enthalten
waren. Deshalb wird es sich verlohnen, die Beschaffenheit
dieser Probieme genau zu erforschen und besonders zu zeigen,
wie die Curven, welche Genüge leisten, zu ihrer Bestimmung
vier Punkte zulassen. Zu diesem Zweck schien es gut, die
folgenden Beispiele hinzuzufügen und bei den einzelnen anza-
geben, was zur Erläuterung beitragen kann.
Beispiel L 49, Die Carve zu findeUi iu welcher
ein Maximum oder Minimum ist.
Lösung nach § 44 führt auf die Differentialgleichung
zweiter Ordnung:
0 = m (»I + 1) y'^dy — 2 innxypdy 4* » — 1) X^p*^dy
4- mxy^dp -|- nx^ypdp.\
Anmerkung III. 50, Hier kann der Grand angegeben
werden, waram HAsAm Angaben, bei denen
Jzqdx
ein Maximum oder Minimum sein soll, nur auf Differential<*
gleichungen zweiter Ordnung fähren und daher besser den
Aufgaben des vorhergehenden Problems zuzurechnen sind,
wenn Z eine Function von y und p ist. Durch Reduetion
der Integrale läaai tieh Dämlich die WomAfZqdx oder
Zd'y
dx
anf die Form bringen:
Y+ Jvdx,
wo Y und V Functionen von x, y und p allein sind, welche
q nicht mehr enthalten. Da nun Y eine absolute Grösse ist
und daher bei der Aufsuchung des Maximums oder Minimums
gleichgültig bleibt, wird die Formel fZqdx ein Maximum oder
Mioimnm, wenn es fVdse wird, sodaBs solehe FotmeünfZqdx
72
Leonhard Euler.
sich auf das vorhergehende Problem zurückführen lassen ; da-
her ist es nicht wunderbar, dass man für die Curven, welche
Genüge leisten, nur eine Differentialgleichung zweiter Ordnung
findet. Damit man aber die erwähnte Keduction der Formel
J'Zqdx oder fZdp auf Y -f- fVdx besser versteht, nehmeo
wir an, es sei Y eine Function von x, y und p und
dY = Q dx -\- a dy -\- t dp = (()-{- a p) dx -\- tdp.
Dann ist in Folge der Gleichheit von fZdp und Y fVdx:
Zdp = -|- ap) dx r dp + Vdx,
woraus man schliesst, dass: - )
X SS Z, V = — Q — ap
sein muss. Daher wird diese Reduction folgendermaassen
vorgenommen. Man integrire die Formel Zdp bei constantem
X und y : das Integral ist eine Function von x , y und p,
welche Y heisse. Hierauf dilTerentiire man diese Function Y
bei constantem p. Dann giebt dies Differential negativ ge-
nommen Vdx, und V ist eine Function von x, y und p, welche
q nicht enthält. So oft also eine solche YorvacX fZdp zu
einem Maximum oder Minimum gemacht werden soll, und Z
eine Function von x, y und p allein ist, so oft lässt sich die
Aufgabe, obwohl sie zu dem gegenwärtig behandelten Pro-
bleme zu gehören scheint, doch sofort auf das vorhergehende
Problem zurückführen. —
Beispiel II. 51. Die Curve ^/n zu finden, welche
mit ihrer Evolute Alt und dem Krümmungsradius mR
an jeder Stelle den kleinsten Raum ARm einschliesst.
Setzt man die Abscisse AM = x, die Ordinate Mm = y,
so ist der Krümmungsradius
9
die Area ARm aber gleich
ß mR ■ dx y l -t- />• ,
sodass die Formel:
j(i +prd^
Google
VariatioQS-BechnUDg.
ein Minimnm sein mass. £s ist daher
73
und
9
9 ff*
wird. Da nnn 3/= 0 und iV = 0 ist, so hat man, nach
Foigernng VI, als Gleichung fOr die geanchte CiUTe:
oder
daa heiaat
9 ff
t4 Leonhard Ealer.
Da ferner dp = qdx oder q =~ ist, so erhalt man
1 + P*i* ^
wovon das Integral ist:
a-{- bp dp
Indem man die Constanten geeignet verändert, bat man also
X = ^ + b arctg;>.
Weil ferner dy = pdx ist, wird
= Jpdx = — Jzdp
ap-\-bp^+cp' ra+bp-\-cp'^ f
= 1 4-^« + ^^Z' —7 — r+ ^ dp — bjdp arc tg;>
_ a;> -f- Ä/)* + r/j* /^{a + r/>'j dp
" 1 4- />« J '
da
J Jp arc tg /) = Ä/) arc tg /> — bj ^^^^
ist. Hieraus folgt:
^ , ap + bp* + cp*
y=f + i + — o) arc tgp — cp
f -\- {a — c) p {b /} p* , , . ^
= 1+7^^ arc tgp.
Hiermit sind die Werthe von x und y ausgedrückt dnrcb p
gefunden, and es kann somit die gesuchte Curve durch vier
gegebono Punkte gezogen und construirt werden. Um aber
die Beschaffenheit der Curve zu erkennen, eliminire man arctg p.
Es ist:
^ Google
VariatioDs-RechniiDg. 76
<iTOtgp=J _5_=__ j—; ,
und daher:
- ac— a«— 6/-h2i:c— a)o4-(c»— öc— J«— Ä/iö*
(c—a)x-hi/= ^
Da sich aber die Carve nicht ändert, wenn die Coordinaten
um eine coDstante Grösse vermehrt oder yermindert werden,
so ist
f. b*^(c-aY + 2b{c-a)p
[c — a)x-by^ __ ,
und wenn noch a an Stelle von c — a gesetzt wird :
b* — -\- 2 abp
ax-by = .
Zieht man jetzt die Ck>nstante ab, so ist
— a* -I- 2 abp — «»
«^-^y —
und daher
^rl bp — a
Vby — az = — ^ .
Setzt man den Curvenbogen gleich to, so ist
dw = dxy\-\- />»,
wodurch die Gleichung
- bdy — adx
dw — —-
yby — az
zum Vorschein kommt. Folglich ist
w = 2 Vby — ax.
Da nun by — ax das Vielfache einer Abscisse auf einer
anderen festen Axe ist, welcher immer noch das Quadrat
des Bogens entspricht, so erkennt man, dass die gesuchte
Curve eine Cycloide ist, welche durch vier gegebene Punkte
bestimmt wird und unt«r allen durch die vier Punkte gc
zogenen Curven mit ihrer Evolute den kleinsten Raum ein-
schliesst. Dieser Schluss wurde deshalb so schwierig, weil
76
Leonhard Euler.
die Cycloide der Aufgabe genügt . wenn man irgend eine
Gerade als Axe annimmt, während die Gleichung ftlr eine
beliebige Axe ziemlich verwickelt ist. Hätten wir aber a oder
b gleich Null gesetzt, wodurch die Allgemeinheit der Lösung
nicht beschränkt worden wäre , so wttrde die Gleichung ftlr
die Cycloide sofort hervorgegangen sein 2"].
Beispiel III. 52. Die Curve zu finden, in welcher
ein Maximum oder Minimum ist, wobei q den Rräm-
mungsradius und to das Bogonelement der Curve be-
zeichnet.
[LOauug nach § 47:
{/ (i -hp^r^-'^-^
Beispiel IV. 53. Die Curve zu finden, in welcher
der Werth der Formel:
/y dy dz*
am kleinsten ist.
[Lösung nach § 46:
adp _ dy^ _ "^ydq
p- q q*
eine Differentialgleichung, die sich in geschlossener Form nicht
integriren lägst. J
Beispiel V. 54. Die Curve zu finden, in welcher
der Werth der Formel
q'^dz
oder
dz'"-*
am kleinsten oder grössten ist.
f.
^ Google
VariatioDS-Rechnunj^.
77
[Lösung:
y = {aX -\- ß] (2»-l):("-«) ^yx-\-d.]
Beispiel VI. 55. Die Curye zu finden, in welcher
/X pdz
t/9
am grössten oder kleinsten ist.
[Losung; eine Differentialgleichung vierter Ordnung; das
Beispiel soll zeigen, dass die in § 44 — 47 auseinandergesetzten
Zurück ftlhrungen auf Differentialgleichungen niedrigerer Ord-
nung nicht immer möglich sind.]
Aufgabe V. 56. Die Curve zu finden, in welcher
der Werth von fZdx am grössten oder kleinsten ist,
wenn Z eine Function ist, die Differentiale belie-
biger Ordnung in sich schliesst, sodass man bat:
dZ=Mdx H- Ndy + Pdp -\- Qdq •\- Rdr-\-Sds-\- Tdt + . . .
Lösung. Da die Verschiebung des Punktes n nach v
die vorhergehenden Elemente mehr als die folgenden beein-
flnsst, — denn nur das eine folgende Element wird dadurch
beeinflusst, während ihre Wirkung auf die vorliergebendeu
sich um so weiter erstreckt, je höher die Ordnung der vor-
handenen Differentiale ist — deshalb ist es vortheilbaft, eine
vorhergehende Ordinate, etwa llh, als erste anzuuebmen, so-
dass die Änderung, welche von der Hinzufdgung des Sttlck-
chens nv zvl der Ordinate Nn herrührt, sich nicht über Hh
hinaus bemerkbar macht ; das geschieht, v;cnn die Differentiale
in Z nicht Uber die sechste Ordnung aufsteigen. Es genügt
78
Leonhard Etiler.
aber den Werth von dZ bis zum Oliede Tdt zu erstrecken,
weil ans der Löanng fOr diesen Fall leicht erschlossen wird,
wie sie sich bei der Anwesenheit von beliebig vielen Gliedern
gestaltet. Da fibrigens die vorliegende Aufgabe alle vorher-
gehenden in sich enthält, so wird man immer dieselbe Lösung
erhalten, welche Ordinate man auch um ein unendlich kleines
Stückchen«»' vermehrt. Es sei &hQAH = x nni Hh — y.
Den einzelnen Punkten der Abscisse I, K, L, 3/, N, O,. . .
entsprechen dann folgende Werthe der Buchstaben p,q,r,s,t,... :
IT
y .
y' .
p >
9 -
?' .
s ,
t
I
p' .
s' .
t'
K
y" ,
p\
it
H '
»
r ,
tt
s ,
t"
L
y'".
p"\
ni
9 '
in
s ,
i"
M
y'^
: y^
y^
r".
N
9^
r^
Diese einzelnen Werthe erleiden in Folge der Verschiebung
von n nach v folgende Änderungen, wie sich aus dem ersten
Lehrsätze bei geeigneter Veränderung der Zeichen ergiebt:
dy
dp
dq
dr
ds
dt
dy"
dp"'
dq"
dr"'
ds"
dr
0
0
0
0
= 0
= -1-
= 0
= 0
= 4-
71 V
nv
3 n V
6 n V
~dx*~
lOnv
dy
dp'
dg'
dr'
ds'
dt'
dy'^'
dp"-.
dq"-.
dr"":
ds" :
dl'"
= 0
= 0
= 0
= 0
= +
nv
hnv
0
= +
nv
dx
2nv
1^
3nv
4 nv
"dz*"
hnv
1^
dy' = -\- nv
1 V "V
= —di
nv
~d^
nv
dq'= +
dr''= —
nv
Ix*
nv
d^
Diqi^izod by Google
YAriations-BechnuDg.
79
Da ferner zur AbäCüäü AH ein Werth der Formel
gehört, welcher durch die Yersciuebang des Punktes n nach
V nicht geAodert wird, so entsprechen den folgenden Elementen
der Absciflse die Werthe der Formel fZdsCy welche diese Ta«>
belle angiebt:
Element : HI, IK, KL, LM, MX, NO.
entsprechender Werth: ZdXy Z'dx, Z"dx, Z"'dx, Z'^'dx, Z'dx.
Um die Änderungen zu linden, welche aus der Verschiobung
des Punktes n nach v hcrvorg-ehen, muss man die einzelnen
Werthe differentiiren und an Stelle der Differentiale dy. dp,
dq^ dr, dSj dt und der daraus hergeleiteten die oben ange-
gebenen Ausdrücke mit nv eiuBetzen. M&n erhält dsLUu, wie
folgt;
d{Zdx)=sn9f'dX'
Da allein die genannten Elemente von der Yerschiebnng des
Punktes n nach p beelnflnsst werden^ glebt die Summe dieser
inderungen den ganzen Differentlalwertii, welcher zu der anf
die ganze Abseisse AZ erstreckten Formel gehOrt. Er ist
also:
j y Google
So Leonhard Eulor.
fiv-dxy
dx
Q' - 2 Q"^ + Q "'
_ ig- — 3 jg^" + 3 R'" — If
dx*
S^— 4 6 S"' — 4 ^9" 4- S'
dx'
5 T'/»' 4- 10 T'" — 10 r" + 5 r' —
dx^
Die eiDzclneo Glieder lassen sich aber bequem und kurz durch
Difforentiale ausdrücken, denn ea ist:
0'"+ Q"' = d*Q"',
Ä' — 3 11"'+ 3 ir — ir = rf'ir,
S'- — 4 .V"" + 6 S'" —AS"+S' = d*S\
2'> _ 5 4- 10 2""— 10 r' + 5 r — r = d^r,
Deshalb wird der Differentialwerth der Formel fZdx, welcher
von dem Stückchen tiv herrührt, gleich:
, /^.^ , cPQ" . d*S' d^T\
,,.^^|A — + ^1
Hier aber können, weil alle Glieder gleichartig sind, die In-
dices woggelassen werden, denn der Unterschied zwischen
und N, dP'^ und d P a. s. w. verschwindet. Deshalb erhalt
man für die Formel fZdx den Differentialwerth;
/ dP d*Q d'R d*S d'T\
[ dx dx* dx' dx* dx^ f '
woraus man zugleich für den Fall, dass in Z höhere Diffe-
entiale vorkommen, die Form des zugehörigen Differential-
werthes erschlicssen kann. Wenn man daher die Curve sucht,
welche das grösste oder kleinste fZdx für eine gegebene
Abscisse hat, uud wenn sich
dZ=Mdx H- Ndy + Pdp + Qdq-\-Rdr + Sds+Tdt-Sr..,
ergiebt, so ist der Diffcrenlialwerth der Formel fZdx gleich
nv-dx\
Variationa-Beohnung. 81
und hieraus entstellt fui die gesuchte Curve die Gleichung:
dP d'Q d'R d'S d'T
Waö zu finden war.
Folgerung I. 57. In der Formel J'Zdx, wie wir sie
Ivdliandelt haben, enthält die Grösse Z Differentiale fünfter
Ordnung, wenn nur in dem Differential von Z:
dZ= Mdx + Ndy + Pdp + Qdq Mdr Sd8 Tdt
das Glied Tdi das letzte ist. Da also in Tnoob Diffeientiale
fnnfter Ordnimg Tarkommeii, leuchtet ein, dass die Differential«
gleiohmig für die gesnehte CnrFe yon der zehnten Ordnung' ist.
Folgerung Ii. 58. Hieraus erkennt man, dass die Ord-
nung der Differentialgleichung für die Curve immer das Doppelte
der Ordnung ist, welche die Formel des Maximnms oder Mini«
innms hat. Wir setzen nämlich voraus, dass in dem Gliede Tdt
die Grösse T noch i in sich enthalt, denn sonst vflrde die
Gleichung nm swei Stufen hemntergedrttdLt werden, wie man
aus § 50 schliessen kann.
Folgerung III. 59. Wenn also Z Differentiale n-ter
Ordnung enthftlt, dann ist die Differentialgleichung fflr die
Onrre von der Ordnung nnd deshalb enlbält sie potentiell
obensoTiele neue Constanten in sieh.
Folgerung IV. 60. Damit das Problem zu einem be-
stimmten wird, musB man ebensoviele Punkte vorschreiben, als
willkttrliehe Constanten Torhänden sind, sodass das Problem,
wenn es ein bestimmtes sein soll, so au sges prochen werden
muss : Unter allen Gurken, welche durch 2 n gegebene Punkte
gehen, soll man die bestimmen, in welcher yZc/o; ein Maxi-
mum oder Minimum ist; wenn nämlich die Grösse Z Diffe-
rentiale n-ter Ordnung in sich enthält.
Folgerung V. 61. Da n eine ganze Zahl ist, so ist
die Anziäl der Punkte, durch welche das Problem zu einem
bestimmten gemacht wird, immer eine gerade. Es werden
also 0, 2, 4, 6, 8,... Punkte zur Bestimmung des Problems
erfordert.
Anmerkung I. Nach der Ordnung der Differential!-
tftty bis zu welcher die gefundene Gleichung aufsteigt, oder
Oitwald*« Klanilier. 46. 6
j y Google
83
Leonhard Euler.
nach der Anzahl der Punkte, durch welche die Curve hin-
durchgehen soll, lassen sich die Probleme dieser Art bequem
in Klassen eintheilen. Zur ersten Klasse gehören also die
Probleme, bei denen ohne weiteres nach der Curve gefragt
wird , welche für eine gegebene Abscisüe den grössten oder
kleinsten Werth \qh fZdx hat; solche Probleme giebt die
zweite Aufc^abe, aber auch die dritte liefert sie in den Fällen,
welche wir §§ 2ti und 'M auseinandergesetzt haben; in ihnen
giebt nämlich die Lösung eine bestimmte Curve , welche der
Aufgabe Gcnltge leistet. Die zweite Klasse umfasst die Pro-
bleme, deren Lösung zu einer Differentialgleichung zweiter
Ordnung führt; sie erfordern zwei Punkte zu ihrer Bestimmt-
heit und müssen so vorgelegt werden, dass unter allen Cnrveo,
welche durch zwei gegebene Punkte gehen, die bestimmt werden
soll, in welcher ,/ /^(/x am grössten oder kleinsten ist; die
Lösung dieser Probleme haben wir in der dritten Aufgabo
gegeben. Weiter rechnen zur dritten Klasse die Probleme,
welche in der vierten Aufgabe behandelt wurden ; bei ihnen
soll unter allen Curven, weiche durch vier gegebene Punkte
gehen, die bestimmt werden, welche das grösate oder kleinste
f Zdx hat. In ähnlicher Weise erfordert die vierte Klasse
zn ihrer Bestimmtheit sechs Punkte, die fünfte acht u. a. w.;
alle diese Klassen haben wir in der gegenwärtigen Aufgabe
umfasst. Obgleich aber die gefundene Gleichung bis zu einer
30 grossen Ordnung der Differentiale aufsteigt, so lässt sie
doch oft allgemein eine oder mehrere Integrationen zu; einige
Fälle dieser Art haben wir schon bei den vorhergehenden
Aufgaben auseinandergesetzt. Deshalb wollen wir zusehen,
in welchen Fällen unsere allgemeine Gleichung eine oder
mehrere Integrationen gestattet, damit man bei vorkommenden
Bei^ipielen sofort erkennen kann, ob sie in diesen Fällen ent-
halten sind oder nicht. Solche Fälle sind aber hauptsächlich
die beiden, in denen entweder N = 0 oder = 0 ist, und
von ihnen hängen noch andere Fälle ab, welebe wir hier ent-
wickeln wollen.
Fall I. 63. In der Formel des Maximums oder Mini-
mums fZdz sei das Glied N gleich 0, sodasa
dZ = Mdr + Pdp -f Qdq + Rdr -f- Sds -\- . . . ,
ist. Die Gleichung für die Curve ist also:
Yariations-Recbnung. g3
_ dP d*Q d^R d*S
dx dx'' dx' dx* '
Maltiplicirt man sie mit dx, so wird sie integrab«!. und es
gellt hervor:
--^---^-tlf-^f-
Fall II. 64. Es sei N= 0 und P = 0, sodass
dZ = Mdx + Qdq + Rdr + Sds ->(-.. .
ist. Da N verschwindet, gelingt bereifs eine Integration,
und man hat fllr die gesuchte Cnrve die eben gefundene
Gleichnng, welche für P = 0 lautet:
. ,dQ d*R d'S
^-'^'^'d^~~d^*'^~d^~
Multiplicirt man sie mit dx , so lässt sie sich abermals inte>
giiren, und es ist:
j » . dR d*S d*T ,
0 = Ax-B + Q--^-+^—^^-, +
Fall III. 65. Ist N=0, P=0, Q = 0, sodass man
dZ = Mdx 4- Rdr + Sds + Tdt -{-...
hat, so folgt aus dem Verschwinden von N und P die zwei-
mal integrirte Gleichung:
D . dR , d*S d'T ,
Wird in ihr Q = 0 gesetzt, so crgiebt sich nach Multiplicatioa
mit dx die dreimal integrirte Gleichnng:
dS d*T
0 = iA.'-B. + C-R + ^-^+
Es ist klar, dass, wenn auch noch R verschwindet, eine vierte
Integration statt hat a. s. w.
Fall IV. 66. Es sei M= 0, sodass
dZ = Ndy + Pdp + Qrfy + Rdr Sds . . .
ist. Als Gleichung für die gesuchte Curve ging frflher hervor:
dP d*Q d'R , d*S
^-'^"dx^'d^ dx'^dx*"
84 Leoobard £iüer.
MaltipUcirt maii sie mit ifyssspdx und addirt
dZ— Ndy ^ Pdp-^ Qdq-^Rdr — Sds-- ,
80 kommt die Gleichung:
— Prfjp — Qif^ — Rdr — Sds — . . . ,
deieu lutegral man angebea kano, es ist nämlich:
— Är 4- r ~5 . • • •
— 6'« + . . .
oder:
0-^^ . ^ p . P^Q-Qdp pcr-B-dpdRJrRd'p
^ dx
. pd^S—dpd*S-hdSd*-p—Sd^p
wie es weiter geht» wenn in dZ auch die folgenden Difie-
rentiale Tdf, Vdu, . . . vorkommen, ist von selbst klar.
Fall V. 67. Ea sei if » 0 und iV= 0, sodass
dZ = Pdp + Qdq 4- Ärfr + Sda + . . .
Ist. Weil = 0 ist, lässt sich eiue lategration nach Fall I
ausfahren, und ea ist:
^ - ^ dx dx'^ dx' • • ' •
HuUiplicirt man diese Gleichung mit dp qdx and addirt
tXL ilff
0 = — c?Z -I- Pdp + Q^f^ + -i- Sds . .
so geht die integrable Gleichung:
0::==Adp — dZ + qdQ^q-^^q-^'^..,
+ Qdq + Mdr + Sds^..,
Google
VariatioDB-RecbnuDg.
hervor, deren Integral ist:
az
oder:
4-
qdR— Rdq
dx
g d'^S—dgdS+Sd^g
dx*
Fall VI. 68. Es sei M = 0, N = 0, P = 0, sodass
dZ = Qdq -\- Rdr -\- Sds Tdt + . . . .
ist. Wegen iV = 0 und P = 0 haben nach Fall II zwei Inte-
grationen statt, and die Gleichung für die gesuchte Carve ist:
Multiplicirt man sie mit dq = rdx und addirt
0 = dZ— Qdq — Rdr — Sdt — Tdt — ,
eo erhält man die von neuem integrable Gleichung;
d*S
d'T ,
dx ' dx
Sds— Tdt
0 = Axdq — Bdq + dZ — rdR + r
— Rdr-
deren Integral ist:
d St d* T
0 = Axq — Bq + C + Z — Rr-\-r — — r-^-{- ....
dT
— Tt + ...
oder:
0 = A{xq—p) — Bq + C-\- Z — i:r-\-
rd^T — drdT— Td*r
dx*
rdS—Sdr
dx
(|| . Leonluird Euler.
Fall\TI. 69. E8 8eiJ/ = 0, A'=0, P=0, Q = 0,
sodass
dZ = Rdr Sd9 + Tdt -\- . . .
ist. Wegen N=Q und Q = 0 liefert Fall III die dreimal
integrirte Gleichung;
0 ^ \ Ax* — Bx + C — It -\- ~ — ^
' ax ax*
Wird sie mit dr = sdx maltiplicirt, und
0 = — dZ-\~ Rdr -f- Sds + Tdt + .
addirt, so geht die Gleichung hervor:
Q=^Ax^dr—Bxdr-irCdr—dZ-\-sdS—8 ^ + • • •
ax
+ Sds+ Tdt 4-
Diese ergiebt integrirt:
dT
(i = {Ax^r — Bxr-ifCr~D—Z-irS$—s-^-{-
— Äxq +Bq ...
-{-Ap
oder:
0 = ^A{x*r — 2xq-^2p) — D{xr — q]+Cr — D
V ^ sdT-Tds
_ / + _ +
Anmerkung II. 70. Mittels dieser Fälle, deren Zahl
man noch weiter vermehren könnte, wenn es bequem er-
scheinen sollte, la^äeu sich manche Anfgaben ziemlieh rasch
erledigen. Denn wenn ein Problem in einem der Fälle ent-
halten ist, welche an und für sich eine oder mehrere Inte-
grationen gestatten, so kann man sofort eine Gleichung fdr
die Curve bilden , welche schon ein- oder mehrmal integrirt
ist und die sich deshalb leichter behandeln lässt. Damit dies
deutlicher erhelle und damit zugleich die Anwendung der
letzten Aufgabe, bei der in der Formel des Maximums oder
Minimums Differentiale von höherer als der zweiten Ordnung
vorkommen, erklärt werde, soll ein Beispiel beigebracht werden.
Beispiel. 71. Unter allen derselben Abscisso ent-
sprechenden Curvon die zu bestimmen, deren Evolute mit
Ihrer Evolute zwischen den Krümmungsradien der Evolute den
gröästeu oder kleinsten Raum einschliesst.
Yariations-ReehnQDg.
87
[LSsnng: Bei derselben Bezeichnnng wie in § 51 ist die
Formel des Maximums oder Minimums:
der Fall V Bndet statt, sodass die Differentialgleichung sechster
Ordnung auf eine ausserordentlich complicirte der vierten Ord-
nung zurUckgefahrt werden kann.]
8.
Wie findet mau unter allen Cunren mit einer pjemeln-
«ameu Eigenschaft diejenige, welche eine Eigenschaft
im höchsten oder geringsten Grade hesitzt?
Erklärung I. I. Eine gemeinsame Eigenschaft ist eine
Integralformel oder ein unbeatimmter Ausdruck, welcher allen
Carven, unter denen man die gesuchte bestimmen soll, in
gleicher Weise zukommt.
Anmerkung I. 2. Bis jetzt haben wir die absolute
Methode der Maxima und Minima auseinandergesetzt, bei
welcher immer unter der Gesammtheit aller zu einer und der-
selben Abscisse gehörenden Gurren die gesucht wurde, welcher
eine Eigenschaft im höchsten oder geringsten Qrade zukommt.
Jetzt aber gehen wir weiter zur relativen Metbode und lehren,
wie man eine Carve mit einer Maximal- oder Minimaleigen-
schaft bestimmt, nicht aus der Gesammtheit aller Ciirven, die
zu derselben Abscisse gehören, sondern nur aus den immer
noch unzählig vielen Curven, welchen eine oder mehrere vor-
gelegte Eigenschaften gemeinsam sind.
Zuerst werden wir in diesem Kapitel die zahllosen, der-
selben Abscisse entsprechenden Curven betrachten, welche eine
gewisse Eigenschaft gemeinsam haben, und unter ihnen die-
jenige ermitteln, in welcher ein beliebiger unbestimmter Aus-
druck den grössten oder kleinsten Werth annimmt. Von
Aufgaben dieser Art ist besonders das isoperimetrische
Problem berühmt, welches am Anfange des Jahrhunderts vor-
gelegt wurde und bei dem man unter allen Curven derselben
Länge, die zu derselben Abscisse gehören, diejenige bestimmen
sollte, welche eine Eigenschaft im höchsten oder geringsten
Grade in sich schliesst. Später wurde die Aufgabe in dem
weiteren Sinne aufgefasst, das^ die Bestimmung nicht bloss
88
Loonlurd Euler.
unter allen Cnrven derselben Länge gescliehen sollte, sondern
unter allen Curven , die tlberbaupt irgend eine gemeinsame
Eigenschaft besitzen, und gerade solche Aufgaben haben wir
in diesem Kapitel zu behandeln unternommen.
Da nun die Curve nicht ans der Gesamtntheit aller Curven
ansgewählt werden soll, welche derselben Abscisse entsprechen,
sondern nur ans denen, immer noch unendlich vielen, welchen
eine vorgelegte Eigenschaft in gleicher Weise zukommt, so
mtlssen wir vor allem die Eigenschaft selbst betrachten, welche
wir hier mit dem Namen einer gemeinsamen Eigenschaft be-
zeichnen. Die gemeinsame Eigenschaft also, zum Beispiel
die Gleichheit der Bogenl&nge, muss auch allen Zwischen-
punkten zukommen und ist daher eine unbestimmte Function,
welche nicht durch ein Cnrvenelement, sondern durch diu
ganze Gestalt der Curve bestimmt wird. Deshalb ist diese
gemeinsame Eigenschaft entweder eine einfache, nichtbe-
stimmbare Integralformel oder ein Ausdruck, welcher mehrere
solche Formeln umfasst; sie ist also ganz und gar ebenso be-
schaffen, wie die Formel oder der Ausdruck des Maximums
oder Minimums selbst. Dieselben Verschiedenheiten und Ein-
theilungen also, welche wir vorher bezüglich der Formel des
Maximums oder Minimums gemacht und behandelt haben, gelten
auch in gleicher Weise für die gemeinsame Eigenschaft.
Folgerung I. 3. Ist als» eine gemeinsame Eigenschaft B
vorgelegt, so hat man alle Cnrven zu betrachten, zu welchen,
für dieselbe gegebene Abscisse, derselbe Werth B gehört,
und unter diesen miiss man diejenige bestimmen , welche ein
Maximum oder Minimum liefert.
Folgerung II. 4. Bei den hierher gehörenden Problemen
mUssen also zwei Dinge gegeben sein : die gemeinsame Eigen-
schaft B nnd der Ausdruck des Maximums oder Minimums A.
Sind sie gegeben, so muss unter allen Curven, zu denen für
dieselbe Abscisse derselbe Werth B gehört, diejenige be-
stimmt werden, welche ein Maximum oder Minimum liefert.
Folgerung III. 5. Es giebt aber nicht nur unendlich
viele Curven , welche für eine gegebene Abscisse dieselbe
gemeinsame Eigenschaft haben, sondern dies ist auch auf
unendlich viele Arten möglich. Zu einer beliebig ange-
nommenen Curve gehört nämlich ein bestimmter Werth der
vorgelegten gemeinsamen Eigenschaft, ausser ihr aber giebt
es noch unzählig viele andere Curven, welche fttr dieselbe Ab-
scisse denselben Werth der gemeinsamen Eigenschaft ergeben.
YttlatioiUHBeeliiiiiiig.
89
Folgerung IV. 6. Ist «Iso irgend ein nichtbestimm-
luurer Anadmek vorgelegt, so giebt es nn^ählig viele Arten
Ton nDzfthlig fielen Onrven, sodass jede Art die unendlich
vielen Cumn in sldi &8st, welehe für dieselbe Absdsse den-
selben Werth des Ansdniokes ergeben.
Folgerung V. 7. Da es also unendlich viele Arten
giebt, von denen jede einsebe unzählig viele Carven umfasst,
wdeben ein als gemeinsame Eigenschaft vorgelegter Ausdruck
in gleicher Weise zukommt, so giebt es in jeder Art eine
Curve, welche gegentther den anderen Cnrven der Art ein
Maximum oder ein Minimum für den zweiten Ausdruck liefert.
Folgerung VI. 8. Da man also in jeder Art eine
Curve findet, welche die Eigenschaft des Maximums oder
Minimums besitzt, so findet man im ganzen unendlich viele
Gurven, welche Oenlige leisten, und jede einzelne von ihnen
besitzt unter allen, die sieh derselben gemeinsamen £igen^
Schaft erfreuen, die Eigenschaft des Maximums oder Minimums.
Anmerkung II. 9. Das alles wird deutlicher werden
wenn wir die geraeinsame EigenscLafr, über die wir bisher
nnr im allgemeinen sprachen, in bestimmter Weise annehmen.
Es sei also die gemeinsame Eigenschaft die Formel, welche
die Länge des Curvenbogens ausdrückt^ der Ausdruck des
Maximums oder Minimums aber sei,/Zc/a;, sodass unter allen
Curveu , bei deuen zu derselben Abscisse die gleiche Bogen-
länge gehört, die bestimmt werden soll, in welcher für die-
selbe Ahs>chsefZdx ein Maximum oder Minimum wird. Es
ist aber klar, dass es nicht nur unendlich viele Curven giebt,
welche für dieselbe Abscisse gleiche Bogenlänge haben, son-
dern dass dies auch auf unzählig viele Arten geschehen kann.
Ist nämlich die .s^emeinsame Abscisse gleich a und wird die
Bogenlänge c grosser als a angenommen, so kann man un-
zählig viele Linien, gerade und krumme, angeben, deren Länge
immer gleich ist, und unter diesen kann man die eine be-
stimmen, in welcher yZ^/;r nm grössten oder kleinsten ist.
An Stelle von r aber können uuzälilisr viele Grössen ange-
nommen werden, welche nur der Bedingung unterworfen sind,
dass c gi'össer als a ist, und jeder dem c beigelegte Werth
giebt eine Curve mit der Eigenschaft des M.iximums oder
Minimums. Ftir die unendlich vielen Werthe von c findet
man nho unendlich viele Curven, welche der Aufgabe ge-
nügen. Aber deshalb ist die Aufgabe nicht als eine unbe-
Leooh&rd Euler.
stimmte anzusehen, denn die Lösnng, die unzählig viele Curven
giebt, welche Genflge leisten, ist so aufzufassen, dass eine
jede der gefundenen Curven unter allen gleich langen den
gröästen oder kleinsten Werth vonfZdx ergiebt.
Es leuchtet ein , dass , was hier Ober gleiche Cnrven-
bogen gesagt wurde , auch ftlr alle anderen Formeln oder
nichtbestimmbaren Ausdrücke gelten mnaa. Wenn zum Bei-
spiel unter allen Curven, die für eine gegebene Abscisse
X =: a denselben Werth der Formel fYJx ergeben, die ge-
sucht wird, in welcher fZdz ein Maximum oder Minimum ist,
dann findet man zwar unendlich viele Curven, welche Gentige
leisten . aber dieäe unterscheiden sich so von einander , dass
eine jede unter allen anderen möglichen Curven, welche einen
gemeinsamen Werth von fYdx haben, den grössten oder
kleinsten Werth der Formel fZdx ergiebt.
Lehrsatz. 10. Wenn eine Curve unter der Ge-
sammtheit aller zu derselben Abscisse gehörenden
Curven eine vorgelegte Eigenschaft im höchsten oder
geringsten Grade besitzt, so hat sie zugleich diese
Eigenschaft im höchsten oder geringsten Grade unter
allen Curven, welche mit ihr irgend eine Eigenschaft
gemeinsam haben.
Beweis. Der Ausdruck des Maximums oder Minimums
sei A, die gemeinsame Eigenschaft B\ A und B sind dann
nichtbestimmbnre Integralformeln oder zusammengesetzt aus
mehreren solchen Formeln. Nehmen wir nnn an, die Curvo
sei gefunden, welche unter der Gesammtheit aller zu derselben
Abscisse gehörenden Curven den gröästen oder kleinsten Aus-
druck A liefert, so ergiebt sie auch einen gewissen Werth
des Ausdruckes B, nnd ausser ihr giebt es unzählig viele
andere Curven, welchen derselbe Werth des Ausdruckes B
zukommt. Da nun alle diese unzähligen Curven unter der
Gesammtheit aller Curven enthalten sind, aus denen man die-
jenige, für welche der Ausdruck A am grössten oder kleinsten
ist, herausgefunden hat, so besitzt sie auch unter jenen un-
zähligen Curven, welche die Eigenschaft B gemeinsam haben,
den grössten oder kleinsten Werth des Ausdruckes A. Was
zu beweisen war.
Folgerung I. 11. Die absolute Methode ist also auch
bei der Lösung von Problemen der relativen Methode von
VaritttioM-Reebnimg.
91
Katsen, denn sie liefert immer eine Carre, welehe Oenflge
leistet. Aber sie giebt nicht die vdtsttndige Lösung.
Folgernng IL 12. Die Corve also» welche nnter allen
den grOssten oder kleinsten Ansdmck A hat, ist eine der nn-
sfthlig vielen Cnrven, welche nnter allen mit der gemeiosamen
Eigenschaft B ffta denselben Ausdruck A den grOssten oder
kleinsten Werth ergeben.
Folgernng III. 13. Die Lösung des Problems, unter
allen Gurven mit der gemeinsamen Eigenschaft B die an finden^
in welcher A ein Ifazimnm oder lOnimnm ist, erstreckt sich
also weiter, als wenn man absolut nnter allen Curven die-
jenige sucht, in welcher A ein Maximum oder Minimum ist,
und jene Lösung enthält diese als besonderen Fall in sich.
Aufgabe I. 14. Man soll in ihren Hauptztlgen
die Methode der Lösung Ton Problemen schildern,
bei denen nnter allen OurTcn mit einer gemeinsamen
Eigenschaft diejenige gesucht wird, welcher eine
vorgelegte Eigenschaft im höchsten oder geringsten
Grade ankommt.
Lösung. Jedes Maximum oder Minimum ist so be-
schaffen, dass sein Werth bei einer unendlich kleinen Ände-
rung unverändert bleibt. Wenn daher die Cnrve az unter
allen zu derselben Abscisse gehörigen Curven, welche die ge-
meinsame Ei^rcnschaft B besitzen, den grossten oder kleinsten
Werth des Ausdruckes A liefert^ so beh< sie denselben
Werth bei einer unendlich kleineu Änderung, welche die ge-
meinsame Eigenschaft B nicht stört. Hierzu genügt es aber
nicht wie vorher, eine einzige Ordinate, etwa iVw, um eiu
. j . > y Google
92
Leonhard Euler.
unendlich kleines Stück nv zn vermebren, denn da eine solche
Änderung durch eine einzige Bedingung bestimmt wird, kann
man durch sie nicht bewirken, dass sowohl die gemeinsame
Eigenschaft B, als auch der Aasdruck A des Maximums oder
Minimums gleichmässig der ursprünglichen und der geänderten
Curve zukommt. Man muss deshalb eine Änderung anwenden,
welche durch zwei Bedingungen bestimmt ist, und das erreicht
man, indem die beiden Ordinaten Nn und Oo um die un-
endlich kleinen Stücke nv und ooj vermehrt werden.
Denkt man sich die Curve auf diese Weise geändert,
so muss man zuerst bewirken , dass die gemeinsame Eigen-
schaft der ursprünglichen und der geänderten Curve in gleichem
Maasse zukommt, und dann mnss der Ausdruck des Maximums
oder Minimums für jede von beiden Curven denselben Werth
annehmen. Das erste leistet man, indem man den Differential-
werth des Ausdruckes ermittelt, dnrch welchen die gemein-
same Eigenschaft dargestellt wird , sofern dieser durch die
Verschiebung von 7i und o nach v und lo entsteht, und ihn
gleich Null setzt. Der zweiten Bedingung aber genügt man,
indem man ebenso den Differentialwerth des Ausdruckes sucht,
welcher ein Maximum oder Minimum werden soll, sofeni dieser
dnrch die Verschiebung von n und o nach v und lo entsteht,
und ihn gleich Null setzt. Anf diese Weise erhält man zwei
Gleichungen, die eine vermöge der gemeinsamen Eigenschaft,
die andere mittels des Ausdruckes des Maximums oder Mini-
mums. Beide haben die Form
S-nv -|- T-ow = 0;
und T sind auf die Curve bezügliche Grössen. Eliminirt
man aus den beiden Gleichungen nv und ou, so erhält mau
eine Gleichung für die gesuchte Curve, welche gegenüber allen
anderen Curven mit der gemeinsamen Eigenschaft B den
grOssten oder kleinsten Werth des Ausdruckes A besitzt.
Was zu finden war.
Folgerung I. 15. Die Lösung der Probleme kommt
also auch auf die Ermittelung von Differentialwerthen zurück;
die jetzigen Differentialwerthe unterscheiden sich aber von
den früher gegebenen dadurch, dass sie durch die Verschie-
bung zweier Curvenpunkte zu bestimmen sind.
Folgerung II. 16. Bei jedem Probleme muss man also
zwei solche Differentialwerthe ermitteln, welche ans den beiden
Stückchen nv und oia entstehen, den einen für die gemeinsame
VariatioiM-Beehiittog.
93
Eigenscliafl, den anderen fflr den Ansdraek dei Mazimanii
oder Minimums.
Folgerung III. 17 • Hat man aber die beiden Diffe-
rential werthe gefanden, so sind beide bei jedem Probleme
gleich Noll zn setzen. Hieraus entstehen zwei Gleichungen,
und die Elimioation von nv und ota liefert dann eine Glei-
chung, weiohe die Besohaffenheit der gesnehten Gurre aoS"
drttekt.
Folgerung IV. 18. Wenü mithin unter allen derselben
Abscisse entsprechenden Carmen mit der gemeinsamen Eigen-
schaft B diejenige gesucht wird, in welcher der Ausdruck A
am grösslen oder kleinsten ist, dann hat man die Differcntial-
werthe der beiden Ausdrücke A und B, welche durch die
beiden Stückeben nv und oiü entstehen, zu ermitteln und
gleich Null zu setzen. Ellminirt man aus den beiden Glei-
chungen nv und oio, so kommt eine Gleichung für die ge-
suchte Curve zum Vorschein.
Folgerung V. 19. Bei dem angegebenen Veifahren
werden die beiden Ausdrücke A und B ganz gleich massig
behandelt, und es kommt nicht in Betracht, welcher von beiden
die gemeinsame Eigenschaft oder das Maximum oder Mini-
mum bezeichnet. Hieraus erhellt, dass dieselbe Lösung hervor-
gehen muss, wenn die Ausdrücke A und B unter einander
vertauscht werden.
Folgerung- VI. 20. Dieselbe Lösung also hat statt,
wenn unter allen Curven mit der gemeinsinnt n IJgenschaft B
diejenige gebucht wird, in welcher A ein Maximum oder Mini-
mum ist, oder wenn umgekehrt unter allen Curven mit der
gemeinsamen Eigenschaft A diejenige gesucht wird, in welcher
B ein Maximum oder Minimum ist.
Anmerkung. 21. Dass die beiden Ansdrtlcke A nnd
B, wenn sie auch für sich betrachtet ganz Yersehiedene Dinge
bezeichnen, unter einander Tertansehbar sind, erhellt anch
Ton selbst ans der Beschaffenheit der Lösung. Betrachten
wir nämlich die beiden Sttlckchen nt^ und ooi, nm welche
die Ordinaten Nn nnd Oo Termehrt weiden, so mllssen sie
zuerst so beschaffen sein, dass die gemeiDsame Eigenschaft B
in der ursprünglichen wie in der geänderten Gar7e denselben
Werth hat, die gemeinsame Bigenschaft B mnss eben gieich-
mässig den Onrren amnopz nnd amvmpz zukommen. Ebenso
mnss man dann durch dieselben Stttckchen nv nnd oo> be-
wirken, dass der Ansdraek welcher ein Maximum oder
94
Leoohard Eul«r.
Minirnnm sein soll, fUr die Curve amnopz wie für die Carve
amviopz denselben Werth erhält. Die gemeinsame Eigen-
schaft wie die Natur des Maximama oder Minimums führen
also genau dieselbe Bedingung in die Rechnung ein; ea ist
daher klar, dass die beiden gegebenen Ausdrücke, von denen
der eine die gemeinsame Eigenschaft, der andere die Natur
des Maximums oder Minimums darstellt, unter sich vertauscht
werden können, unbeschadet der Lösung. Deshalb genügt es
bei der Lösung solcher Probleme jene beiden Ausdrücke zu
kennen, und um die Lösungen durchzuführen braucht man
nicht zu wissen, welcher von beiden die gemeinsame Eigen-
schaft oder das Maximum oder Minimum bezeichnet.
Sucht man zum Beispiel unter allen Curven gleicher
Länge die, welche die grösste Area umfasst, so findet man
dieselbe Curve, welche hervorgeht, wenn unter allen Curveu
mit gleicher Area die kürzeste oder die von der kleinsten
Bogenlänge gesucht wird.
So verhält es sich, wenn die Natur des gesuchten Maxi-
mums oder Minimums so beschaffen ist, dass sein Differential-
werth Null ist. Wir bemerkten aber schon oben, dass es
Maxima und Minima von zwei verschiedenen Arten giebt, je
nachdem der Differentialwerth Null oder Unendlich ist. Hier
aber betrachten wir nur die Maxima und Minima der ersten
Art, denn bei der relativen Methode kann die zweite Art gar
nicht statt haben. Wenn nämlich der Differentialwerth, welcher
dem Ausdrucke des Maximums oder Minimums zukommt, un-
endlich gross gesetzt wird, so findet man aus ihm allein eine
Gleichung für die Curve, und deshalb tritt die gemeinsame
Eigenschaft gar nicht in die Rechnung ein. Wenn also ein
Maximum oder Minimum dieser Art bei der absoluten Methode
statt bat, so erfreut sich dieselbe Curve bei der relativen
Methode derselben Eigenschaft, welche gemeinsame Eigenschaft
auch hinzugenommen wird.
Da mitbin bei der Lösung solcher Probleme alles auf die
Ermittelung der Differentialwerthe ankommt, welche aus den
beiden Stücken 71 v und ou entstehen, wollen wir nunmehr
eine Methode auseinandersetzen, solche Differentialwerthe fUr
beliebige unbestimmte Ausdrücke durch ein ähnliches Ver-
fahren zu finden , wie wir es oben benutzten , um die Diffe-
rentialwerthe zu finden, welche aus einem einzigen Stücke nv
entstehen.
^3
Y^tions-rBechnaiig: 95
Aufgabe II. 22. Ist irgeDd ein unbestiromter Ans-
drnck vorgelegt, welcher sich auf die Abscisse AZ
bezieht, so soll man seinen Differeutialwerth finden,
welcher aus der VerschiebaDg der beiden Cnrven-
pankte n und o nach v und m hervorgeht.
Lösang. Setzen wir die Abscisse AI=x^ die Ordi-
nate Iis=zy, so ist:
= y', Ll^f, Mm =: y"', Nn y^^
' Oo^y"", Pp «y", ...
Ton diesen Ordinalen erleiden nnr zwei, nämlich y*^ und y ^,
eine Veränderung, da ihnen die ätftckchen nv und oio hinzu-
gefügt werden. £s ist also der DifferentiaLwerth der Ordi«
nate y'^ gleich nv^ der Ordinate gleich ow, der übrigen
Ordinaten gleich Null. Hieraus erhält man die Differential-
werthe der übrigen auf die Curve beztlorliclien Grössen
r, s, soweit sie von den beiden Ordinaten y^^ und y^
abhängen. Da snm Beispiel p s=s ist, so ist der
Differentiaiwerth von p gleich Null; ebenso yor p* und p".
.... y"-v"'
Aber da » = - — -j—^ — ist, so ist der Differentialwerth von
ax
V l V
gleich und da jg^^'= ^ ~J ist, so ist der Diffc-
rentialwerth von p'^ gleich — ferner ist der von
0(ti p' p
/»"gleich—-^. Da weiter ^ =: ■ ist, so ist der
Differentialwerth von f gleich von q"' gleich
Ähnlich kann man bei den folgenden Grössen r, s, , und
den daraus abgeleiteten verfahren , und so entsteht folgende
Tabelle, weiche die Differentialwerthe der einzelnen Grössen
angiebt :
j y Google
93
LeonbArd £iüer.
+ ."■'■=-^+^
dix * , dar* d*'
Man erkeBnt aus dieser Tabelle, daas in den Differential-
werthen ebenaoviele mit oo» wie mit nv mnltipUcirte Glieder
vorkommen, und fflr beide die Coäfficienten ttbereinstimmen.
Der Unterschied besteht darin, dass jedes mit oo) mnltipUcirte
Glied zu einer Grösse gehört, welche unmittelbar auf diejenige
folgt, zu welcher das ahnliche mit nv mnltipUcirte GUed ge-
hdrt« So findet man in dem Differentialwerthe von q"* daa
GUed: — und in dem Differentialwerthe der folgenden
Grösse das GUed; ^ Differeutialwerthen
treten alBo zwei yerschiedeoe Arten tod Gliedern auf, von
denen die einen nv, die anderen oto enthalten, nnd es hat
der Differentialwerth einea jeden anbestimmten Anadmcket
die Form:
Es ist üun klar, dass das erste Glied nv - 1 der Diffe-
rentialwerth desselben Ausdruckes ist, welcUer entsteht, wenn
man nur das Stückchen nv betiachtet, und es ist daher ?iv-I
gerade der Diflfereiitialwertli , den wir bereite lur Jeden be-
liebigen Ausdruck besiimmen lehrten, sodass nach den oben
gegebenen Vorschriften dieses GUed für jeden unbestimmten
Ausdruck angegeben werden kann. Was das zweite Glied
ocj'K betrifft, so gehören die einzelnen Glieder, in denen
0 01 Torkommt, zn Grössen, welche denen folgen, zn denen
die ihnUchen Glieder mit nv gehören, und daher ist klar,
dass K der Werth ist, welchen / an der unmittelbar vorher*
gehenden Steile annimmt, nnd dass man also I, hat.
Da man nun das Glied nv*I vermöge der oben gegebenen
Vorschriften ermitteln kann, so ist ans ihm auch das andere
Glied 001« JiTss octr*/, bekannt, Ist also V irgend ein
ij , i.y
Google
Vsriations-Recb nung.
97
unbestimmter Ausdruck, und soll der aus den beiden Stflcken nv
und oto hervorgehende Differentialwertb bestimmt werden, so
setze man den Differentialwerth, welcher aus nv allein hervor-
geht, gleich nv-I, dann ist der Differentialwerth, welcher
aas den beiden Stücken nv und oio entsteht, gleich nv-I
+ o oi • /, und lässt sich daher mit Hilfe der oben gegebenen
Regeln leicht ermitteln'^).
Folgerung I. 23. Von allen Ausdrflcken, deren Diffe-
rentialwerthe wir finden lehrten, wenn sie ans einem Stückchen
nv entstehen, kdnnen wir also jetzt auch die DitTerentialwerthc
angeben, welche ans zwei Stockeben und oio hervorgehen.
Folgerang II. 24. Diese Methode gilt also ebenso für
die Ermittelung der Differentialwerthe von Ausdrücken, die
QDabhängig sind von der Grösse der Abscisae AZ, wie auch
für solche, welche von der L&nge dieser Abscisse abhängen.
Folge rang III. 25. Sogar, wenn der vorgelegte Aus-
druck, welcher entweder die gemeinsame Eigenschaft darstellt
oder ein Maximum oder Minimum sein soll, eine Function von
zwei oder mehr Integralformeln ist, so lässt sich der Diffe-
rentialwerth, welcher aus zwei Stückchen nv und oio entsteht,
darch dasselbe Verfahren bestimmen.
Anmerkung. 26. Wir sahen früher, dass der aus einem
Stöckchen nv entstehende Differentialwerth irgend eines Aus-
dmckes immer die Form nv -dx • T oder nv • Tdx hat, wo T
eine endliche Grösse bezeichnet; deshalb ist der aus den beiden
Stückchen nv und ow entstehende Differentialwerth desselben
Ausdruckes gleich nv • Tdx -\- ota • T,dx , wie wir in der
Lösung zeigten. Diese Gestalt lässt sich aber auch leicht so
ei-scbliessen. Setzt man 0(o = 0, so muss der aus demeinen
Stückchen nv entstehende Differentialwerth herauskommen,
den zu finden wir oben lehrten; er wird nv • Tdx sein. Setzt
man aber iiv=0 und betrachtet bloss das Stückchen ooi, so
findet man in ähnlicher Art wie oben den Differentialwertb,
er ist aber nicht gleich oto • Tdx; weil man nämlich das Stück-
chen 0 10 erst an der folgenden Stelle annimmt, muss man
statt T den vorhergehenden Werth nehmen, sodass der Diffe-
rentialwertb Oll) • T,dx wird. Werden nun beide Stückchen nv
und oui zusammen betrachtet, so wird der Differentialwerth
gleich
nv Tdx •\- ovj ■ T,dx , ,
sein, denn bei der Rechnung beeinflussen sich die Stückchen nv
Ostwald's KUssiker. 40. 7
98
Leonhard Enler.
und 0 {X) nicht, jedes von beiden kann vielmehr immer für sich
behandelt werden.
Um aber diese Bezeichnungs weise der frflher angenommenen
anzupassen, wollen wir annehmen^ V sei irgend ein unbe-
stimmter Ausdruck, weleber für die beatimmte Abseisse A.Z^a
den Werth A aBBlmmt, nad sein «ns dfim Mekeheii nur ent-
stehender Differentialwerth sei nv*dA^ wo dA dasselbe be-
aeiehnet, was Torber Tdse. Auf die Mber gezeigte Art kann
man ans dem Ansdrneke V dem Werth dA ioden. Hat man
ihn geltenden, so ist der Bifforentialwerth , welcher ans den
beiden StUehen nnd om entsteht, gleieh
nV'dA-{- ocj'dA, ,
wo dA, dasselbe bezeichnet wie vorher T^dx»
Obwohl es also fttr unseren Zweek durchaus nothwendig
ist, die Differentialwerthe aufzusuchen, welche nns zwei Stück-
ehen entstehen, so lAsst sich doch die Lösung der hierher-
gehörenden Probleme darauf zurückführen, dass sie allein mit
Hilfe der oben gefundenen Differentialwerthe erledigt wird,
welche aus einem Stückchen nv hervorgehen, me bei der
folgenden Aufgabe bald erhellen wird.
Aufgabe III. 27. Man 90U anter allen auf die^
selbe Abscisse AZ belogenen Carven, welchen der-
selbe Werth des unbestimmten Ausdruckes W zu-
kommt, die bestimmen, in welcher der Ausdrnek V
ein Maximum oder Minimum ist.
Lösung. Nehmen wir an, die Curve az genüge der
Forderung, nnd der Ausdruck W nehme in ihr den be-
stimmten Werth B an, dann ist die Curve az gegenXAer allen
anderen auf dieselbe Abscisse AZ bezogenen Curven, in welchen
der Ausdruck W denselben Werth erhält, so beschaffen, dass
in ihr der Ausdruck V den grössten oder kleinsten Werth
annimmt, welcher mit A bezeichnet werde. Um diese Cnrve
an finden, sei also die unbestimmte Abseisse AI = Xj die
entsprechende Ordinate Ii = y^ und man denke sich die
beiden Ordiuaten Nn und Oo um die unendlich kleinen
Stücke nv und ou} vermehrt. Dann müssen die Differential-
werthe von W und K, welche aus der Hinziifügung dieser
beiden Stückchen nv nnd oio entstehen, gleich Nall gesetat
werden, wie wir in Aufgabe I zeigten.
Es sei der Differentialwerth des Ausdruckes F, welclier
ditfek das eine Stttokchen nv entsteht, nv*dA und der ent-
YariatioDS-BecbnaDg. $9
sprechende Differentialwerth des anderen Ausdruckes W gleich
nV'dB; diese Differentialwerthe wird man mittelst der früher
gegebenen Vorschriften finden können. Betrachtet man jetzt
zwei Stückchen nv und ow, so ist der Differentialwerth von
V gleich
und der Differentialwertb des anderen Amdniekes W:
nv'dB 4- 0 0) 'dB^,^
Um die gesnchte Cnrre m. finden^ mnss naii also
IW • dA -r- 00}' dA, = 0
und
nv'dB 4- 00) 'dB, = 0
setzen. Man multipliciro beide Gleichangen mit beliebigen
Grössen, sodass man erhält:
nv'ßdB + om • ßdB, — 0.
Um die Sttlckchen nv und oio zu eliminiien, bestimme man
a und ^ so, dass sie den beiden Gleichungen:
adA + ßdB = 0,
ginKIgeD. Da aber ixdA + ss 0 ist, so ist auch
und vergleieht man dies mit
adA, + /'^'Si ^ 0,
so findet man, dass
sein mossn). Daher müssen die QrOssen a und ß Constanten
sein, und zwar willkürliche Constanten. Nimmt man also für
a und ß wilikttrliche Gonstanten» so ist die CQ^ehnng der
Cnrre
adA + ßdB ^ 0.
Dieselbe Gleichung geht hervor, wenn man nach der
gewdhnHehen Methode nv und oto eliminirt. Denn es ist;
tkv dA, dB,
TÄ'~' 'dB*
7*
100
Loonbard Euler.
also
und daher «ach
dA,
dB,
dA
~ dB '
dA'
dB'
dA
dB '
dA' =^dA + d^A, dB* ^dB d^B^\
mithin koaumt
dKA _ d^B
dA dB'
Würaus durch Integration folgt:
UA-^ldB^lC
oder
dA » CdB,
was in die vorher gefundene Gleichung
QLdA-^- ^dB^^
übergeht « wenn man C =^ ^ setst. .
Um das Problem zu lösen, muss man also die Differential-
wertbe ermitteln für den Ausdruck W, welcher die gemein-
same Eigenschaft darstellt, und für den Ausdruck V, welcher
ein Maximum odur Minimum seiu 60IL sie mit willkürlicliün
Constanteü multipliciereii, uud die Surame gleich Null setzen.
Dann erhält man eine Gleichung, welche die Natur der ge-
buchten Curve ausdrückt.
Folgerung I. 2S. Es genügt also zur Losung der vor-
liegenden Aufgabe die Differentialwerthe zn kennen, welche
aus einem einzigen Stückchen nv entstehen, und wir haben
oben gezeigt, wie man diese leicht finden kann.
Folgerung II. 29. [Hierzu muss man die Vorschriften
benutzen, welche in Abschnitt 2, § 5t> gegeben worden^^j.]
Folgerung III. 30. Ist also eine gemeinsame Eigen-
schaft W und ein Ausdruck des Maximums oder Minimums V
vorgelegt, so muss man nach diesen Vorschriften den Diffe-
rentialwerth jedes der beiden Ansdrticke ermitteln. Nachdem
man aie gefunden hat, mtütipUcire man sie mit viiikttrliohen
ij , i.y
Google
Yarifttiona- Reohmitig.
101
Constanten and setze ihre Summe gleich Null. Auf dieBe
Weise erhftlt msn eine Gleichung fülr die gesnehto Com.
Folgernng IV. 3t. Wird unter der Oesammtheit aller
derselben Abscisse AZ entsprechenden Cnnren diejenige ge-
sucht, in welcher ein Ausdruck V den grössten oder kleinsten
Werth erlililt, ?o ergiebt sich dafür die Gleichnng äA — 0,
wenn dA den Differentialwerih des Ansdmekes V beseiehnet.
Folgerung Y. 32. Wenn aber nnter allen deiselben
Abscisse A Z entsprechenden Curven, weleben der Ausdmek. W
in gleicher Weise zukommt, di^enige gesucht wird, fflr welehe*
der Ansdrnck V den grdssten oder kleinstem Werth hat, so
findet man dafür die Gleichnng:
Folgerung VI. 33. Ss ist also klar, dass die Cnrve,
welehe nnter der Oesammtheit aller Cnrven das grdsste oder
kleinste V hat nnd deren Gleichnng dA = 0 ist, hi der
Gldchnng
adA-^* ßdB^^
enthalten ist, die eine Curve ausdrückt, welche unter allen
Ourven mit der gemeinsamen Eigenschaft W das grösste oder
kleinste F hat.
Folgerunc^ VIT. 34. In der Gleichung Cf -4 -|-/Jf?R = 0,
welche die Lösun;; liefert, ist eine willkürliche Constante ent-
halten, sie muäs aber dadurch bestimmt werden, dass der Ans-
druck W einen gegebenen Werth erhält.
Folgerung VIII. 35. So kann also das Problem ge-
löst werden, unter allen zu derselben Abscisse AZ gehörenden
Curven , in welchen der Augdruck W denselben gegebenen
Werth annimmt, diejenige zu bestimmen, in welcher der Werth
von V am grössten oder kleinsten ist.
Folgerung IX. 36. Hieraus erkennt man endlich, dass
die Lösüng des vorgelegten Problems übereinstimmt mit der
Lösung des Problems, man solle unter allen derselben Ab-
scisse AZ entsprechenden Curve diejenige finden, welche das
grösste oder kleinste a V hat. Obgleich diese Auf-
gabe zur absoluten Methode gehört, giebt sie doch gerade die
Gleichung
adA -\- ßdB = 0,
welehe wir vorher fanden.
102
Leonhard Euler.
Anmerkung I. 37. Hieraus entnimmt man also nicht
nur eine leichte und bequeme Methode, alle hierher gehörigen
Aufgaben zu lösen, sondern man dringt auch tiefer in die
ErkenntnisB der Beschaffenheit dieser Probleme ein. Denn
zuerst wird klar, was wir schon oben bewiesen, dass die
Lösung dieselbe ist, sei es, dass man unter allen Curven mit
der gemeinsamen Eigenschaft W diejenige sucht, welche das
grösste oder kleinste V hat, sei es, dass man umgekehrt
unter allen Curven mit der gemeinsamen Eigenschaft V die-
jenige verlangt, in welcher Tf" ein Maximum oder Minimum ist.
Ferner sieht man ein, dass die Aufgabe so vorgelegt
werden kann, dass sie sich mittelst der absoluten Methode
der Maxima oder Minima lösen lässt, denn das vorgelegte
Problem stimmt mit dem überein, unter der Gesammtheit aller
auf dieselbe Abscisse bezogenen Curven diejenige zu finden,
in welcher der Ausdruck aV-\-ß W ein Maximum oder
Minimum ist, und diese Umformung des Problems ist der Grund,
warum man seine Lösung durch Differentialwerthe bewerk-
stelligen kann, die aus einem Stückchen nv entstehen, und
warum man nicht weiter zwei solche Stückchen braucht, wie
es beim ersten Anblicke die Natur der Frage zu erfordern
schien. Diese Übereinstimmung werden wir aber späterhin
direkt und ohne jene Methode, bei welcher zwei Stückchen
betrachtet werden, beweisen, wodurch die eben erkannte,
überaus wichtige Wahrheit noch mehr bekräftigt werden wird.
Um Aufgaben der betrachteten Art zu lösen , muss man
übrigens die früher gegebenen Vorschriften vor Augen haben,
mit deren Hülfe man bei jeder gegebenen Aufgabe den Diffe-
rentialwerth des Ausdruckes des Maximums oder Minimums
und der gemeinsamen Eigenschaft ermitteln kann. Hat man
aber beide gefunden, so kann man die Gleichung für die
Curve sofort bilden, wozu nur nöthig ist, dass man die Summe
beliebiger Vielfachen der beiden Differentialwerthe gleich Null
setzt.
Anmerkung U. 38. Wir haben schon bemerkt, dass
die Gleichung
welche durch die Lösung unmittelbar gegeben wird, eine
constante Grösse enthält, die aber nicht willkürlich ist,
sondern aus der vorgelegten Bedingung bestimmt wird. Da
nämlich allen Curven, unter denen die gesuchte zu bestimmen
YaiUitloss-Beeliiiiiiig;
103
ist, dmelbe Werth tob TV zukommeB, oder dieser Ansdtuek
in allen Cnrven denselben Werth, etwa B, anaebmen soll,
80 liest sich die GrOsse B als gegeben ansehen, nnd da sie
selbst in die Beclmung nieht eintritt, so sind die Constanten
a nnd ß w zu bestimmen, dass der Werth des Ansdruckes
wetoher za der Abscisse AZ = a gehört, gleich B wird.
Hierdurch wird die sonst nnbestimmte Aafgabe an einer
beatliiimten gemacht, wenigstens dann, w^n man die darch
die spätere Integration eintretenden neuen Oonstanten durch
eben so viele Punkte bestimmt. Genau wie früher können
nftmlich so viele Punkte vorgeschrieben werden, durch welche
die gesuchte Curve hindurchgehen soll, als neue Constanten
durch Integrationen eintreten. Die Zahl derselben wird aber
bekannt durch die höchste Ordnung der Differentiale, welche
in der Gleichung vorkommen. Da sich aber die ganze Auf-
gabe anf die absolute Methode zurückführen l^sst, so ist die
Zahl dieser Constanten beständig gerade, oder die resoltireude
GieichoDg
ist entweder endlieh oder eine Differentialgleichnng aweiter
Ordnung oder eine der vierten, sechsten, achten Ordnnng n. s. w.
Ist die Gleichung
ctdA + ßdB^ii
endlich, dann ist die Curve vollständig bestimmt, sobald das
Verhältniss von a und ß so angenommen wird, dass der Aus-
druck W in der gefundenen Curve den gegebenen Werth B
annimmt, was sieh immer durchfahren lässt.
Findet man eine Differentialgleichung zweiter Ordnung,
so ist die gefundene Curve durch zwei Punkte bestimmt; es
ist aber tiblich die Endpunkte a und z der Curve vorzu-
schreiben, und iü diesen Fällen wird das Problem zu einem
bestimmten, wenn man die Bedingung hinzufügt, daS3 die ge-
suchte Curve sich von a bis z erstreckt.
Geht eine Difierentialgleichung vierter Ordnung hervor,
so wird die Curve, welche Genüge leistet, durch vier beliebig
angenommene Punkte bestimmt, und es wird passend sein sie
so zu definiren, dass ausser den Endpunkten a und z auch
die Lage der Tangenten in den Endpunkten vorgeschrieben
wird.
Gelangt man zu einer Differentialgleichung sechsten Grades,
60 wird die Gurre durch sechs beliebige Punkte bestimmt; an
. j . > y Google
Leonhard Kuler.
ihrer Stelle könnea aber auch vorgeschrieben werden die beiden
Endpunkte a und r, die Lage der Tangenten in diesen End-
punkten und die Kl lim mang an diesen Stellen oder die Grösse
des Kl tlmmungsradiuö.
Nach diesen Bemerkungen erkennt man aus der Lösuns:
selbst, welche Bedingungen man beim Stellen der Aufgabe
hinznfögeti miiss, daniit sie vollständig bestimmt wird, und
diese Erinnerung gilt nicht bloss hier, sondern auch überhaupt
bei der absoluten und der relativen Methode.
Beispiel I. 40. Unter allen auf die Abscisse AZ
bezogenen CurveUi bei denen die Formel
J* yzdx
denselben Werth annimmt, die zu finden, in welcher
der Werth der Formel
Jy^dx
am kleinsten ist.
[Losung: a^' -f- 2 = 0 ]
Beispiel II. 41. Unter allen Gnrven derselben
Länge, welche die Punkte a und z verbinden, die zu
finden, welche die grösste oder kleinste Area aAZz
umfasst.
Da die gemeinsame £igenschaft die Bogenlänge
f dxVT+p
ist, so ist deren Differentialwerth:
— nv ' d — .
Ferner ist die Formel des Maximums oder Minimums:
Jydx
und ihr Differentialwerth
Daher hat man fttr die gesuchte Onrve die Gleiehung:
dx^bd — — ,
j y Google
Yftriations-Beohnttng,
105
X -i- C = — —
oder
Legt man
folgt. Hier Atta wird, indem man inte^rirt:
das ist die allgemeiue Gleiehmig eines Kreises,
daher dnreh die Punkte a nnd z irgend einen Kreisbogen, so
seliliesst er unier allen anderen Curven gleiclier Länge die
grdsste oder kleinste Area aAZz ein. Anf doppelte Art
aber lassen sicli die Pankte a und z dareh einen Kreisbogen
gegebener Länge verbinden, da er der Axe AZ sowohl
die eoneaye wie die convexe Seite zukehren kann. Es ist
klar, dass die Area im ersten Falle ein Maximum, im zweiten
ein Minimum ist. Wenn daher die Endpunkte a und 2 und
die Länge der Gurre zwiaehen ihnen gegeben werden, welch'
letztere grösser sein muss als die Verbinduogsstrecke der
beiden Punkte, so ist die Lösung vollständig bestimmt, denn
es kann nur ein einziger Kreisbogen dieser Länge durch die
beiden Punkte gelegt werden, der, je nachdem er die concave
oder die convexe Seite der Axe AZ zukehrt, die grösste
oder kleinste Area bildet.
Folgerung. 42. Hieraus erhellt, dass der Kreisbogen
(/ z zwischen a und z nicht
nur die grösste Area aAZz
unter allen anderen Linien
derselben Länge liefert,
sondern, dass auch, wenn
man irgend eine Linie
aCEDz giebt , welche
von a nach z gezogen ißt,
der Kreisbogen az mit
ihr die grösste Area ein-
schliesst. Denn ist die
Area aAZz die grösste,
so ist es auch die Area
aAZz^aAC'-zZD+ OED,
106
Leonhard Euler.
weil die Flächen a AC, zZDy CED constant äiüd, welclid
Verbindungslinie zwischen a und z man auch nimmt.
Beispiel III. 43. Unter allen (Jurven derselben
Läng-e, welche die Punkte A und M verbinden, die
zu ermitteln, weiche mit den nach einen festen Punkt
C gezogenen Geraden A(' und MC die grösste oder
kleinste Area ACM einschliessen.
[Lösung: Die Curve ist ein Kreisbogen, was schon aus
§ 42 folgt.]
Beispiel IV. 44. Unter allen Curven, welche a
und verbinden und , ura die Axe ^4 Z gedreht, Körper
derselben Oberfläche liefern, soll man die bestimmen,
für welche gleichzeitig dieser BotatioBskÖrper das
grösste Volumen hat.
Die Oberfläche des so erzeugten Körpers ist proportional
der Integralformel:
jy dx \ 1
deren Difiterentialwerth
iät, das Volumen des so erzeugten Küipors aber ist pro-
portional dem Ausdrucke
dessen Diüerentialwerth
nv * dx ' 2y
ist. Daher ergiebt sich die Gleiehang:
tydx^hdxVT^^^hd :^J^=^^
Mhltipllcirt maD sie mit so geht herror:
lydy rir^ldy VY^\^^hpd--M£=:
Fl H-j>«
yp^p yp
wovon das Integral ist:
YMiatioDB-Rechnung.
107
Kl +p*
= * + bc,
Vi +P'
also ist
und
folglich :
Jy = (y«_ftc))/l4-^t
^ VA« y* — {y* — bc,* _dy
y' — bc dz*
dx= iy*—^c)dy
yj« yt_ (yt__ftp,l
Über dies« Gleichung ist zuerst zu bemerken, dass für c = 0
erhalten wird:
dx = -y^,
daher ist die Curve ein Kreis, dessen Mittelpunkt auf der
Axe AZ liegt. Beschreibt man also einen Kreisbogen, dessen
Mittelpunkt auf der Axe AZ liegt und welcher durch die
Punkte a und 2 hindurchgeht, so genügt man der Aufgabe;
es giebt aber nur einen solchen Kreis, und er liefert einen
Körper von bestimmter Oberfläche. Weiiu man daher unter
allen Curven , welche Körper einer anderen , davon verschie-
denen Oberfläche erzeugen, diejenige sucht, welche das grösste
Volumen hervorbringt, ist sie kein Kreis, sondern eine andere
Curve, welche der Gleichung:
dx = fy*— bc) dy ^
^ VÄ« y»^ (y*^ Äc)'"
genUgt. Denn man kann vermöge der beiden Constanten b
und c nicht nur bewirken , dass die Curve durch die vor-
geschriebenen Punkte a und z hindurchgeht, sondern auch,
dass die Oberfläche des Körpers eine vorgeschriebene Grösse
hat. übrigens wird die Länge der Curve wegen
gleich
108 Leonhard Euler.
bydy
dieses Integral hängt von der Quadratur des Kreises ah und ist
6(2c + Ä) — 2y*
= ^ 6 arc cos — ^ h const.
Setzt man 6 = oo, so entsteht ein eigenthümlicher Fall, denn
es geht die Gleichung hervor:
cdy
dx = —
welche eine Kettenlinie darstellt, die ihre convexe Seite der
Axe AZ zukehrt 3^).
Beispiel V. 45. Unter allen Curven, welche die
gleiche Area aAZz umfassen, soll man die finden,
welche bei der Rotation um die Axe AZ den Körper
kleinster Oberfläche ergiebt.
Da die gemeinsame Eigenschaft die Area
ydx
ist, so ist deren Differentialwerth
nv • dx.
Ferner ist die Formel, welche ein Maximum sein soll:
fydx Vi 4- /)*
und ihr Differentialwcrth:
nv ' \dx Vi — d — ^-1 ,
woraus ftir die gesuchte Curve die Gleichung:
yp
ndx = dx Vi -\-p- — d
Vi+P'
entsteht. Multiplicirt man sie mit p und integrirt, so er-
hält man:
ny b =
Vi-^P'
.y Google
Varlatlona-Rechnun^.
109
oder:
Daher ist
Vy'— («y ^ ^
^ ny •\- h dx
und
(»y -t- rfy
V(l — n*} y»— 2 6»y —
Hieraus erhellt, dass fflr i = 0 die Curve in die Gerade
übergeht, welche die Punkte a und z verbindet. Ist ferner
» = 0, 80 hat man
ä. M=
und erhält eine Kettenlinie, welche der Axo A'A ihre cou-
vexe Seite zukehrt. Ist aber n = — 1 , so ist
\2by — 6«
woraus durch Integration entsteht:
2b — y
>
X = f H -T-^ V2Äy — 6« .
o 0
Das ist eine algebraische Curve, deren Gleichung in rationaler
Form lantet:
94 [x — c)' = {2Ä — y,» (2y — Ä);
sie ist also eine Curve dritter Ordnung und gehürt zur Art 6S
von Newton'^).
Beispiel VI. 46. Unter allen Curvcn az derselben
Länge diejenige zn bestimmen, welche bei der Drehung
um die Axc AZ das grösste Volumen erzeugt.
Man sucht also unter allen Cnrven mit der gemeinsamen
Eigenschaft
f dx Vi +/»«
diejenige, in welcher
/
y* dx
110
Leonhard Jb^uler*
ein Maximum ist. Da mm der Diä^erentialwerth der Formel
fdz Vi gleieh
— nv ' d
der Differenüalwertli der Fovmeljy^dx aber gleich
2np>ydx
ist, 80 bat man für die gesocbte Carve die Qleicbimg:
Multiplicirt man sie mit p und integrirt, so kommt:
oder:
und bieraas:
-U Je = -i_ —
sodaifl
J V6* — + Äc)«
wird. Diese Cnrve bat die Eigenadisft, dass flur
radial» welebar «Ugomein gleieh
ist, glaicb ist, d.h, umgekebri j^oportional dos Abscisse,
woranB eibettt, dass die geraehte Cnrve die elasliMlie^) ist.
Maa kaan aber laittelal 4er willkarlielieo CoDsteBton b oad e
aieht nnr bewirken, daas die Carre darch die gegelMBeB Bad-
paakte a and £ bindarebgeht, aoadern aaeb» dass der Bogen
awiscben den Endpunkten gegebene GrOese bat. Wird ^ s o,
so entsteht die reebtwinküge elasüsebe Cnrre. Übrigwa Uset
sich die Constmction niemals doieb die Qaadratnr des Kreises
oder der Hyperbel erledigen, ausser wenn h and e naendlidi
ij , i.y
Google
Itt
sind in diAMv Fiüle kl die Lta&e gmde oder
wem 6 SS c ifli. Benn in diesem Falle ist
^ fj y^ 4- dij
Jy V- (26* -y«)'
oder webn negativ genommen wird:
X
und irenn man die IntegmHon dnreli Logarithmen ansfObrt,
wird: _____
Die Länge der Corve aller, welcl^ allgemein gleich
dy
ist, wird dann gleich:
Beispiel VII. 47. Die Curve zu finden, welche
Hüter allen anderen derselben Länge um die Axe AZ
gedreht einen Körper mit ^ruaster oder kleinster
Oberüäclie erzeugt.
Da die gemeinsame Eigenschaft
Jdx VT+^
ist» dessea Diilfeieatialwecth
Ist, 4^ DitTerentialwerth der Formel des Maiimnms oder
fydxVT+p
aber ^leieh
112
L«onhard Ealer.
ist, BO bat man fOr die gesuchte Cnrve die Gleichung:
Tvelobe mit p maltiplicirt and int^^rt
b y
oder
ergiebt. IlierauB wird ;
i 4- y
und
sodass
V(^4-y)'-c' _ dy
^ c äx
cdy
ist. Daa ist
vorausgesetzt ,
V(*4-y)' —
die allgemeine Gleichung einer Kettenlinie,
dass die Axe zu der aufgehängten Kette eine
horizontale Lage hat. Es kann nun geschehen, dass die
Curve der Axe AZ entweder die convexe oder die concave
Seite zukehrt, und im ersten Falle ist die Oberd&che des
Körpers am kleinsten, im zweiten am grOssten*^).
Beispiel VIII, 48. Unter allen Curven, welche
durch diePunkte^ und
Cgehen und die gleiche
Area ABC einschlies-
een, diejenige zu finden,
welcheineinerFltissig-
keit in der Richtung
bewegt den geringsten
Widerstand erleidet.
[Lösung die algebra-
ische Cnrve:
deren Gestalt die umstehende Figur 16 (S. 113] zeigt.]
Variations Rechnang.
113
Beispiel IX. 49. Unter allen Carven^3/, welche
die gleiche Area ^ P J/ einschliesscn, diejenige zu fin-
den, welche so beschaffen ist, dass, wenn immer vom
Mittelpunkte O des
Schmiegungskreises
auf die Verlängerung
.der Ordinate MP das
Loth OiV'gefälltwird,
dievon den Punkten N
gebildete Curve die
kleinste Area APN
einschliesst.
Setzt mau die Ab-
scisse AP — X, die Or-
dinate PM=y, 80 ist
die Area AP 3/ gleich
das ist die gemeinsame
Eigenschaft, und ihr
Differentialwerth iät
nv • dx.
Da femer der Krüm-
mungsradius M O
gleich
ist, so wird
und
Daher wird die Area APN gleich
— Jy dx —
Sie soll ein Maximum sein. Da ihr Differeatialwerth gleich
OatwkU't KlAMlker. 46. 8
1)4 Leonhard Eulcr.
ist, 80 entsteht die Gleichung:
q
welche intcgriit:
nxdx^^dx -^d l±ül + bdx
q
ergiebt. Maltiplicirt man aber dieselbe Gleichung mit p, so
kommt:
ndxdy^dyd^-^ pd* i-t^ ,
wovon das Integral ist:
ny dx = c d
Dnrch Verbindung der beiden Gleichungen entsteht:
— dy-\- -
? 9
2 c/x» 4- 2 f/.v'
ny dx = c dx r P d ~—
2p 2
nzdy — ny dx — b dy — cdx -\ dy -\ dx
= b dy — cdx -\-
dp
Setzt man
nx — i = »<, ny — c = nu,
so ist dy = du, dx = dt, und es wird
ndp =: —— — = n —j— ,
tdu — udt dt
2dt^ + 2 dt du'* = ntdud*u — nudtd*u,
wenn als constant angenommen wird. Es sei
u = st,
dann ist:
</« = sdt + /</«,
rf«M = id*s -f- 2rf«(/5.
Durch Substitution dieser Grössen entsteht die Gleichung:
2(1 +«*) dt'-{-48tdl*ds-^2{l—H. t*dtds*^nt'dsd*s.
Setzt man jetzt:
80 ist
and
also
Yulatimii-Beoliiiang; 115
dt = e ' rds
dH=0=^e ^''^^ (rdU + drds + r»<^««).
d^s =s drda — rd«*.
r
Mithin kommt schlioflBlich die GleicbuDg zum Yorsebeiii:
2(1+ *«) r^ds + Asr*ds + 2(1 — n)rds — ^nrds
oder
r
Es sd
4- (2 — n)rds + Ur^ds -f- 2r*ü^Ä -h 2rU*d6 = 0.
1
© ;
r
dann ist:
<lr + r*dp =
2(1 + »«) •
IHese OleieliuDg aber li^st sieh tnfegrireB, venu
w = 2t (t— 1)
ist, wobei f eiae gaue Zahl beadehnet. Ist z« B. » = 4,
so ist
voraas sich rückwärts die Constrnction erledigen lässt.
Beispiel X. 60. Unter allen Onr^en, in veleben
Tdx
den^^nlbcn Werth erhält, soU man diejenige finden,
in velcher
JyTd»
116
Leonhard Euler.
ein Maximum oder Minimum ist, wobei Teine Function
von p allein bezeichnet, sodass dT =■ Pdp ist.
Beispiel XI. 51. Die Corve zu bestimmen, welche
pegenOber allen anderen Curven zwischen denselben
Endpunkten, zu denen derselbe Werth von
Jxdx Vi -hp«
gehiirt, das grösste oder kleinste
jydx Vi
besitzt.
4.
Wie flndet mau unter allen Curven mit mehreren ge-
meinsamen Eigenschaften diejenige, welche eine Eigen-
Hcbaft im httchsten oder geringsten Grade besitzt?
Lehrsatz I. l. Die Curve, ftlr welche der Aus-
druck
anter der Gesammtheit aller Curven ein Maximum oder
Minimum hat, ist zugleich so beschaffen, dass sie unter
allen Curven, welche dieselbe Eigenschaft^ besitzen,
den grössten oder kleinsten Werth der Formel B liefert.
Beweis. Nehmen wir an, es sei die Curve gefunden,
in welcher, gegenüber allen anderen derselben Abscisse ent-
sprechenden Curven , der Ausdruck a A -\- ß B am grdssten
ist; denn was man vom Maximum beweist, gilt auch bei ge-
eigneter Veränderung vom Minimum. Es bezeichnen aber die
Buchstaben A und B hier solche unbestimmte Formeln oder
Ausdrücke, wie sie bei Aufgaben Qber Maxima und Minima
auftreten können, und a und ß sind willkürliche Constanten.
Bezeichnen wir nun die Curve, in welcher aA-\-ßB am
grössten ist, mit Q, um sie leicht und ohne mühevolle Be-
schreibung mit Worten angeben zu können, und denken uns
irgend eine andere derselben Abscisse entsprechende Curve R,
in welcher A denselben Werth wie in Q annimmt, so hat
in der Curve R der Ausdruck aA-\-ßB einen kleineren
Werth als in Q, weil er in Q seinen grössten Werth erlangt.
Da also der Ausdruck A in den Curven Q und .ß denselben
Variations-Bechimiig'.
117
Werth annimmt, und in Q der Ausdruck aA + ßB grösser
ist, als in JR^ so folgt» dasB der Werth des Ausdruckes B in
der Cnrve Q grösser sein mnss, als in der Cnrve B, Da
nmi B irgend eine Oorre bezeichnet, zu welcher derselbe
Werth von A wie zu Q gebOrft, so ist klar, dass die Cnrve
Q unter allen Gurren B den grIJasten Werth der Formel B
ergiebt.
Somit mnss die Oarve, welche nnter der Gesammtheit
aller Curven den grössten Werth des Ansdmckes aA-\-ßB
liefert, zugleich so beschnffen sein, dass sie gegenüber allen
anderen Cnrven, wolelie mit ihr die Eigenschaft A gemeinsam
haben, den grössten oder kleinsten Werth des Ansdruckes B
besitzt; denn obgleich dieser Beweis sicli nur aiits Maximum
bezog, so lässt er sich doch, bei Vertanschung der Worte,
sofort aufs Minimum flbertragen. Was zu beweisen war.
Folgerung T. 2. Umgekehrt sieht man ein, dass, wenn
die Cnrve ermittelt werden soll, die unter allen Cui*ven mit
der gemeinsamen Eigenschaft A ein Maximum oder Minimum
des Ausdiockes B besitzt, der Aufgabe gentigt wird, wenn
man absolut unter allen Cnrven diejenige aufsucht, in welcher
a-4 + ßB ein Maximum oder Minimum ist
Folgerung II. 3. Bei der Lösung solcher Probleme
treten also zwei neue willkürliche Constanten a und ß auf,
welche in den Ausdrücken A und B selbst nicht voi kamen;
sie sind aber nur einer Constanten gleich werthig , weil Mosa
ihr Verhältniss in Rechnung kommt.
Folgerung III. 4. Wenn man also unter allen Curven
mit der gemeinsamen Eigenschaft A diejenige bestimmen soll,
in welcher B ein Maximum oder Minimum ist, so muss man
von beiden Ausdrücken A und B die Differentialwertbe
nehmen, jeden ftlr sich mit einer willkürlichen Constante
multipliciren und die Summe gleich Null setzen. So erhält
man eine Gleichung für die gesuchte Ourve.
Folgerung IV. 5. Zugleich lenehtet ein, dess man anf
dieselbe W^se zn verfahren bat, sei es, dass nnter allen
Cnrren mit der gemeinsamen Eigenschaft A diejenige gesneht
wird, ftr welche B ein Maximum oder Minimum ist, sei es,
dass nnter allen Cnrven mit der gemehisamen Eigenschaft B
diejenige gesneht wird, fllr welehe A ein Maximum oder
Minimum ist.
Anmerkung. 6. Was wir in dem Lehrsätze und den
' beigefügten Folgerungen zdgten, ist aus dem Torhergehenden
. j . > y Google
118
Leonhard Ealer.
Kapitel wohlbekannt, denn es ist die üinkehi uug der Methode,
Probleme zu io^ea, bei denen mau unter allen Curven mit
einer gemeinsamen Eigenschaft diejenige siucht. welche ein
Maximum oder Minimum besitzt. Man darf aber nicht glauben,
diiää wir nur dieselben Gedanken wiederholt haben, denn was
wir dort ziemlich umständlich erschlossen hatten, haben wir
hier einfach und kurz bewiesen, und wegen ihrer gegenseitigen
Übereinstimmung bekräftigt die eine Bevveismethode die andere.
Auch wenn vielleicht die erste Methode wegen des häufigen
Gebrauches unendlich kleiner Grössen nicht durchsichtig genug
nnd etwas bedenklich erscheinen sollte, so wird doch die
hier gegebene Methode jeden Anstoss benehmen. Wenn aber
jemand nn der Umkehrun^- des gegenwärtigen Lehrsatzes, wie
sie in Folgerung I gemacht wird, zweifeln sollte, so wird
diesem die frühere Methode völlig Gentige thun.
Indess kann die Berechtigung dieser Umkehr ung ans sich
selbst sichergestellt werden. Denn da die Gnrve Q, in welcher
aA'\- ßB anter der Gesammtheit aller Gurren ein Huiinnm
hat, ao beschaffen ist, dass sie unter allen Gar?en mit der
gemeiBsamen Bigensohaft A ein Hanmam oder Miiüaiiini fUlr
B ergiebt, welche Werthe auch den Gonetanten or nnd ß er-
theilt werden, so mnas anch die Umkehrnng gültig sein, wenn
man die GodfBeienten a und ß so aUgemein wie möglich an-
nimmt.
Es schien gnt dies an erwähnen und die Bflndigfceit der
Schlnssweise an erklären, damit bei ihren späteren Anwen-
dungen kein Zweifel ftbrig bleibt. Denn obgleich dieser Lehr-
sats eigentlich zum Torhergehendea Kapitel gehOrt, haben wir
ihn doch hierher gestellt > nm den eigentlichen Gegenstand
dieses Kapitels leichter nadi derselben Methode an behsndeln ;
die Anwendung der anderen Methode würde nämlich sehr
nmständliche Rechnungen und die TcrdriessUche Einfährung
von Diffmntialen aller Ordnungen erfordern. Indess werden
wir so dentlich wie möglich zeigen, dass alles, was wir hier
auseinandersetzen, auch vermöge der frOheien Methode be*
stätigt nnd sogar ermittelt werden kann.
LeliYsatä II. 7. Die Gurre, fär welche unter der
Gesammtheit aller zn derselben Absclsse gehörigen
Gnrren der Ausdruck
aA-\-ßB-\-'yC
am grössten oder kleinsten ist, ist zugleich so be*
. j . > y Google
Yariatioas-EechouDg.
119
schaffen, dass sie unter allen Ciirven, welche den
Ausdruck A und den Ausdruck B gemeinsam haben,
der! g-rösston oder kleiosten Werth des Ausdruckes C
besitzt.
Beweis. Die Bachstaben B und C mdgen irgend
welche IntegraLformeln oder unbestimmte Ausdrücke bezeichnen^
welche eines Maximums oder Minimums fähig sind, die Buch-
staben of, ß und / dagegen willkürliche Oonstanten. Jetzt
sei Q die Curve, welche unter der Gesammtheit aller Curven
den grössten oder kleinsten Werth von aA-\-ßB'\-'yC
ergiebt. Denkt man sich nun eine andere Curve 7i*, in welcher
die Ausdrücke A und B denselben Werth haben, wie in der
Curve Q, so hat der zusammengesetzte Ausdruck aA-{- ßB
in den beiden Curven Q und H denselben Werth , und der
ganze Ausdruck aA-\-ßB-^yC erlangt daher in der
Curve R einen kleineren Werth als in der Curve Q , wenn
aA-\-ßB-\-yC\ii der Curve Q ein Maximum ist, dage^^en
einen grösseren, wenn aA-^ßB-\~yC in der Curve Q ein
Minimum ist. Da nun der Theil u A -f- ßB jenes Aufdruckes
den beiden Curven Q und Ii gemeinsam ist, so muss der
übrige Theil y C und daher auch C selbst im Falle des Maxi-
mums in Q grösser sein als in i?, im Falle des Minimums
aber ist der Ausdruck C in der Curve Q kleiner als in der
Curve JR. Hieraus folgt, dass, wenn die Curve Q unter der
Gesammtheit aller Curven den grössten oder kleinsten Werth
des Ausdruckes a A -\- ß B -\~ y G hat, alsdann die Curve
Q zugleich unter allen Curven Ii mit demselben Werthe des
Ausdruckes A und des Ausdruckes B den grössten oder kleinsten
Werth des Ausdruckes C liefert. Was zu beweisen war.
Folgerung I. 8. Da die Ausdrücke A^ B und C be-
liebig unter sich vertauscht werden können, so ist die Ourve^
in welcher
aA-\-ßB + yC
«in Unzimum oder Minimam h%, sogleich diejenige, in welcher
unter allen Curven mit den gemeinsamen Eigenschaften A und
B ein Maximum oder Minimum für C vorhanden ist, oder
diejenige, welche das grOsste oder kleinste B hat unter allen
Curven mit den gemeinsamen Eigenschaften A und C, oder
endlieh diejenige, welche das grOaste oder kleinste A hat
unter allen Cnrven, denen die heiden Eigenschaften B und
C gleichmisslg ankommen.
. j . > y Google
120
Leonhard Euler.
Folgerung II. 9. Die Curve also, welche unter allen
mit den gemeinaainen Eigenschaften A und B das grösste
oder kleinste C besitzt, hat auch unter allen Cnrven mit den
gemeinsamen Eigenschaften A und C oder B und C das
grösste beziehungsweise kleinste B oder A.
Folgerung III. 10. Sucht man also die Curve, welche
unter allen, denen die beiden Eigenschaften A und B gleich-
mässig zukommen, den grössten oder kleinsten Ausdruck C
hat, so genügt man der Aufgabe, Indem man die Curve sucht,
welche absolut unter allen Curven das Maximum oder Mini-
mum des Aoädruckes aA-^ßB-\-yC besitzt.
Folgerung IV. 11. Da a, ß und •/ willkürliche Con-
stanten sind , so treten in die Lösung solcher Probleme drei
neue willkQrliche Grössen ein, welche in den vorgelegten
Formeln A, B und C nicht vorkamen; die drei Constanten
o, ß und y sind aber nur gleichwerthig mit zweien.
Folgerung V. 12. Dieselben Constanten kamen schon
in der Gleichung der j.uerst gefundenen Curve vor; ausser
ihnen treten durch die Integrationen so viele neue Constanten
ein, als man Integrationen braucht, bevor man zur endlichen
Gleichung gelangt.
Folgerung VI. 13. In ähnlicher Art, wie wir diesen
und den vorhergehenden Lehrsatz bewiesen haben, lässt sich
auch zeigen, dass die Curve, welche absolut unter allen Curven
den grössten oder kleinsten Werth des Ausdruckes
aA + ßB + yC-\-dD
besitzt, zugleich unter allen Curven mit den drei gemeinsamen
Eigenschaften A, B und C ein Maximum oder Minimum fUr
den vierten D ergicbt.
Anmerkung. 14. Aus diesem Lehrsatze entnimmt man
eine Methode, solche Probleme der relativen Methode zu lösen,
bei denen man nach der Curve fragt, welche unter allen zu
derselben Abscisse gehörenden Curven, die sich zweier oder
mehrerer gemeinsamer Eigenschaften erfreuen, den grössten
oder kleinsten Werth irgend eines Ausdruckes besitzt. Die
Aufgabe lässt sich nämlich immer auf die absolute Methode
zurückfuhren, sodass man unter der Gcsammtheit aller Curven
diejenige suchen muss, welche ein Maximum oder Minimum
eines gewissen Ausdruckes ergiebt.
Durch diese Zarttckftlhrung erlangen wir den Vortheil,
dass wir alle diese Probleme mit Hilfe der Differentialwertbe
VkriAtioDB-Rechnung.
121
lösen können, welche wir oben en ermitteln lehrten. Die
Lö»Qng aber gestaltet sich so, dass man die gemeinsamen
Eigenschaften und ebenso den Ausdruck des Maximums oder
Minimums entwickelt, sie mit willktlrlichen Constnntcn multi-
plicirt und die Prodnete zu einer Summe vereinigt. Darauf
mass man absolut nnter allen Gurren diejenige suchen, in
welcher jene Summe am grßssten oder kleinsten ist. Das
geschieht aber, indem man den Differentialwertb der Summe
ermittelt und gleich Null setzt.
Das ganze Verfahren kann man mithin daruuf zurtlck-
ftihren, dass man nach den oben gegebenen Kegeln ftlr die
einzelnen Ausdrtlcke, welche die gemeinsamen Eigenschaften
darstellen, und fUr den Ansdnitk des Maximums oder Mini-
mums die Differentialwerthe bildet, jeden ftlr sich mit einer
willktlrlichcn Constante mnitiplicirt, und die Summe aller
dieser Producte gleich Null setzt, denn so erhält man die
Gleichung ftlr die gesuchte Curve. Diese eine Vorschrift
wtlrde zur Lösung aller Aufgaben dieser Art genügen, aber
beror wir ihre Anwendung auseinandersetzen . ist es zweck-
mässig die Richtigkeit der Methode auf dem vorher ange-
wandten Wege zu bestÄtigen.
Aufgabe. 15. Unter allen anf dieselbe Abscisse
bezogenen Cnrven mit zwei gemeinsamen Eigenschaften
A und B diejenige zu finden, in welcher der Werth
des Ausdruckes C am grössten oder kleinsten ist.
Lösung. Aus dem Vorhergehenden erkennt man, dass
das Problem gelöst wird, wenn man absolut unter allen Curven
diejenige sucht, in «welcher
tt A -\- fill + yC
ein Maximum oder Minimam ist. Dazu muss man aber die
Differentialwerthe der Ausdrücke A, B nnd C kennen. Sind
sie für A gleich nv ■ dx P, für B gleich nv-dxQ, für C
gleich nv-dxRy so erh< man für die gewünschte Cnrve
die Gleichang:
aP + ßQ + yR= 0.
Damit aber die Richtigkeit dieser Lösung besser ein-
leuchtet, wollen wir das Problem mittelst der Methode an-
greifen, welche wir oben im vorhergehenden Kapitel ange-
wandt haben. Zunächst ei kennt man, dass zur Lösung dea
122
Leonhard Euler.
Problems drei Ordiüaten um imeudlicb kleine Btttcke ver-
mehrt werden müssen, damit man drei vorgeschriebenen Be-
dingungen genügen kann. Die drei hinzugefügten Stücke,
mittelst (lerer die C nii£::e leistende Curve in eine sehr wenig
davon abweichende übeigeführt wird, müssen erstens so be-
schaffen sein 5 dass der Ausdruck A, welcher die eino f^e-
meiusame Eigenschaft ausdrückt, beiden Curven in gleicher
Weise zukommt, dann muss auch die zweite gemeinsame Eigen-
schaft B in beiden Curven denselben Werth annehmen , und
drittens muss auch, wegen der Natur des Maximums und
Minimums, der Ausdruck C in der veränderten Curve d n-
selben Werth wie in der ursprünglichen erlangen; den drei
Bedingungen kann mau aber nicht gentigen, wenn man weniger
als drei Stückchen den Ordinaten hinziifü;^t. Deshalb mass
mau ausser den beiden Oidiuaten IS'u und Oo, welche in
der früheren Figur um die Stückchen ?ir und ou vermehrt
wurden, noch der folgenden Oidinate das Sttlckcheu pit
hinzufügen.
Zuerst suchen wir die Ändcniug, welche der Ausdruck
A in Folge dessen erleidet. Sie ist:
nv • Pdx -jr out • F,dx pit • F^dxn
Denn das Stflekehen nv vernnacht die Änderung nv • Pdx^
welche mit dem Differentislwerthe ttbereinatimmt, den der
Ansdmck A In Folge von nv nllein erleidet. Ans dem folgen-
den Stflekehen ota aber ergiebt sich die Änderung ota*P,dx,
denn venn ota der feigenden Ordinate binzogefflgt wird, so
sind alle Grössen, welche durch om beeinflusst werden, die
vorhergehenden derer, welche nv beeinflusst, und aus dem
gleidien Grunde geht aus dem Stflekehen pn die Änderung
p7t • P„ dx hervor ; alles dies wird ganz klar und einleuchtend,
wenn man die Bechnung in derselben Weise durchführt, wie
es in § 22 des vorhergehenden Kapitels geschah 3^).
Auf dieselbe Weise erhält ferner der Ausdruck B, dessen
aus nv hervorgehenden Differentialwerth wir gleich nV'Qdx
gesetzt haben, in Folge der drei Stückchen nv^ aa» und pjv
den Zuwachs:
tiv ' Qdx ooi • Q,dx '\' pft • Q„ dx,
und endlich vermehrt sich in Folge der drei Stückchen der
Ausdruck C um
nv * Rdz '\- aia - R,dx pf$ " B„ dx.
. j . : y Google
VariatioDS-Beohnang. 123
Daher entstehen nach Division mit dx folgende drei
Oleichangen :
0 = • P + ow ♦ P, 4- p7t • P„^
0 s= MI/ • Q 4- Oft» • Q, + p7t ' Qfff
0 Ä • Ä 4- ofti • -ß, -]- p7t • M„.
Elimmirt man jetzt die Stückchen nv, oo) und pft, welche nur
hebnfs Durchführung der Lösung zu Hilfe genommen wurden,
so erhält man eine Gleichung zwischen den Grössen, die sich
auf die Curve beziehen, und welche die ^atur der Curve
ausdrücken.
Um die Stückchen zu eliminiren, multiplicire man die
Gleichnngen jede für sich mit nenen Unbekannten a, ß nnd
sodass man hat:
0 = nv ' ß Q ^ ota ' ß Q, -\- p7t ' ß Q„,
0 sss nv ' y Ii + ofo * y M, + prt • y B„f
und bilde hieraas die Gleichungen:
O^aP ^ßQ +yB ,
0 = aP, -{-ßQ,+yIi,,
0^aP„'^-ßQ„ + yM„,
Hieraus erhellt sofort, dass die dritte Gleichung die beiden
tisten in sich enthält» wenn mau für die Grössen a, ß und
y Constanten auuimmt. Denn ist
0^aP„ + ßQ„-^yM„,
so ist auch
0^adP„ + ßdQ„ + ydB„
nnd
0 = ad*P„^ ßd* Q^-i-yd* E„.
Nun ist:
P,^P„^dP„, Q,^Q„'\'dQ„ M,=^E„ + dB„
nnd
P ^ P,, + 2dP„'^d^P^, Q= Q„-^2dQ„-^ d^Q„,
R=:R„-ir 2dBt, + d*R„^
also «ach;
0 s= aP 0 +yÄ •
124
Leonhard Euler,
Beabalb bat man zur LGsung des Problems die GleiebuBg
O^aP,,-^ ßQ„ + y2i„
oder ancb die gleichbedeutende
zu bilden , und schreibt man in ihr an Stelle von a, ß nnd
y willkürliche Constanten, so druckt sie die Natur der ge-
Süchten Cm*ve ans. Diese Gleichung aber stimmt vollständig
mit derjenigen tiberein , welche wir bei der anderen Methode
erhielten, nnd so bestätigen beide Methoden sich gegenseitig.
Was zu finden war.
Folgerung I. 16. Alle Probleme der betrachteten Art
lassen Bich also mit Hilfe der Did'erenlialwerthe lösen, welche
ans der Ändernng einer Ordinate entstehen, nnd welche au
finden wir oben ausführlich gelehrt haben.
Folgerung II. 17. Wenn man also die Curve finden
soll, welche unter allen anderen auf dieselbe Abscisse be-
zogenen Curven, die sich derselben Eigenschaften A und B
erfreuen , den grössten oder kleinsten Werth des Ausdruckes
O ergiebt , so ist einleuchtend, dass die Aufgabe auf das
Problem der absoluten Mettiodc zunickkommt, man solle unter
der Gesammtlipit aller auf dieselbe Ahscisse bezogenen Curven
diejenige besiimmen, in welcher der Ausdruck
ein Maximum oder Ifinimnm ist.
Folgerung m. 18. Man eikennt bierans angleieb die
Meäiode Probleme zu lösen, bei denen man nnter allen Gtnren,
welebe in mebr als awei nnd sogar in beliebig vielen Eigen-
scbaflen übereinstimmen, dl^enige Teriangtidrd, welebe sieb
einer Eigensehaft des Maximums oder Minimums erfreut.
Folgerung IV* 19. Denn wenn man nnter allen
Gurren, in weleben die Ausdrfleke B, Z> gleicbe
Wertbe baben, diejenige ermitteln soll, in weleber der Ans^
druck E ein Maximum oder Ifinimnm ist, so genttgt man der
Aufgabe, indem man nnter der Gesammtbeit aller Ourren
diejenige aufsncbt, in weleber
ein Maximum oder Minimum ist, wobei die Buebstaben ß,
yt 6 und s willkfiiliebe Constanten bezeiebnen.
. j . > y Google
VariaÜoDB-Rech&aiiff. 125
Folgarnng Y» 20. Je melir Elgenaishftfleii also vor*
gelegt irnden, welehe den Oar?eii gemelnaeluifllich Bein sollen»
unter denen man die geanehte mit der Eigensehaft des Maxi-
mom» oder Minimums erforsohen soll, nm so mehr wUlkflr-
liohe Constanten traten in die Gieiehnng der Onrve ein nnd
um so mehr Gnrren fasst sie in sieh.
Anmerkung I. 21. Waram um so mehr Gonstanten in
die LOsnng eintreten, je mehr gemeinsame Eigensohaften vor-
gelegt werden, kann man aus dem Vorhergehenden leicht er-
scfaliessen. Nehmen wir nimlieh an, dass man unter allen
Ourven mit der gemeinsamen Eigenschaft A diejenige er^
mittein soll, in welcher B ein Maximum oder Minimum istj
so steht znnAehst fest, dass der Aufgabe die Ourve genllgt,
welche unter der Gesammtheit aller Ourven das grdsste oder
kleinste B hat, denn sie hat auch unter allen, welche sich
der gemeinsamen Eigenschaft A erfreuen, ein Maximum oder
Minimum. Dann aber kann man sich unendlich viele Arten
von Ourven denken, sodass zu jeder Art derselbe Werth von
A gehört, und in jeder Art ist dann eine Ourve, welche
gegenüber den anderen den giössten oder kleinsten Werth
von B liefert. Die Ourven, welche Genüge leisten, müssen
aber nothwendig alle in der allgemeinen Lösung enthalten
sein. Da also die Anzabl der Curvcn, die Genüge leisten,
unendlich gross wird, wenn eine gemeinsame Eigenschaft
vorgeschrieben ist , so wird sie in noch stärkerem Grade
vermehrt, wenn mehrere gemeinsame Eigenschaften vorge-
legt sind.
Wenn jedoch die Wcrthe, welche die gemeinsamen Eigen-
schaften in den Ourven besitzen , unter denen mau die ge-
suchte ermitteln soll, wirklich bestimmt werden, dann giebt
die Lösung immer eine einzige Curve, welche Genüge leistet.
Dt'ini jene Constanten können dazu dienen die Werthe, welche
die gemeinsamen Eigenschaften in der gefundenen Ourve an-
nehmen, nach Belieben zu bestimmen. So kann mau zum
Beispiel im Falle, dass zwei Eigenschaften A und B gegeben
sind, die Ourve angeben, zu welcher gegebene Werthe von
A und B gehören und welche überdies so beschaffen ist,
dass sie gegenüber den unendlich vielen anderen, zu denen
dieselben Werthe von A und B gehören, den grössten oder
kleinsten Werth irgend eines Ausdruckes C besitzt. Und
dieselbe Erinnerung gilt, wenn mehrere gemeinsame Eigen-
schaften vorgeschrieben sind. Hiernach ist wohl hinreichend
j y Google
126
Leonhard Euler.
klar, was man mit den Constnnten machen muss, welche in
die Lösung eintreten, und wie man sie zu benutzen hat.
Beispiel I. 22. Unter allen anf dieselbe Ab-
Bcisse AC bezogenen Curven,
Flg. 18.
dinate PM— y und dy — pdx,
gelegten gemeinsamen Eigenschaften
welche unter einander
dieselbe Länge be-
sitzen und eine gl eich-
grosse Area D.^ Dein -
schliessen, soll man
diejenige bestimmen,
welche bei der Dreh-
ung um die Axe AC
einen Körper von
grösstem oder klein-
stemVolumen erzeugt.
Setzt man die Ab-
scisse AP=x, die Or-
80 sind die beiden vor-
nnd
dz
f'
dxV\
nnd die Formel des Maximums oder Minimums ist:
/ y'dx.
Jetzt hat man die Diffbrentialwerthe der drei Formeln zu
suchen. Zuerst hat die FoTme\J'ydx den Differentialwerth:
nv • dx,
dann ist der Differentialwerth von fdxVl + />* gleich ;
— nv ■ d
und drittens ist der üifforentialwerth der Formel fy*dx gleich:
2nv • ydx.
Aus den drei Differentialwerthen erhält man fttr die gesuchte
Curve die Gleichung:
Yiriations-Rechnang.
127
oder:
== adx — ß d ——^ -\-2yydx
hdx -\- 2ydx — d —=£z
c*dp
Moltipiicirt man diese Gleichang mit p and integrirt, so hat
man.
wo man c' nnd y nach Belieben positiv oder negativ an-
nehmen darf. Hieraus wird weiter:
(/'-hÄy-f-y')« (i +p*) = c*
und
_ Vc* — (r+by + y\'' _ dy
^ /* + 4y + y'
mithin ist:
(/•4-*y dy
dx =
das ist die Gleichnng der elastischen Ourve. Darch die
noch tibrige Integration tritt eine neno willkürliche Constante
ein, und mittelst der vier Constanten kann man zunächst
bewirken, dass die Curve durch zwei gegebene Punkte geht.
Dann bleiben noch zwei Constanten übrig, welche man so
wählen kann , dass für z = a die Länge und die Area der
Curvo die gegebene Grösse haben. Überdies wird wegen der
Zweideutigkeit des Vorzeichens in der Quadratwurzel das
eine Vorzeichen die Curve mit dem Maximum, das andere die
Curve mit dem Minimum geben.
Da aber in der Gleichung die gegebene Grösse a der
Abscisse nicht vorkommt, so folgt, dass ein Stück der ge-
fundenen Curve, welches zu irgend einer Abscisse gehört,
auch die Eigenschaft besitzt, dass es gegenüber allen anderen
Curven, welche derselben Abscisse enttiprechen und durch
dieselben zwei Punkte gehen, und welche dieselbe Länge und
dieselbe Area wie jene Curve besitzen, dass dies Stück, sage
128
Leonhard Euler.
ich, bei der Rotation um die Abscissonaxe einen Körper mit
dem grüästen oder lileinsten Volumen erzeugt. Zwei Punkte
nämlich, durch welche die gesuclite Curve hindurchgehen soll,
sind hier deshalb in Betracht zu ziehen, weil die Rechnung
eine Differeutialgleichung zweiter Ordnung ergiebt, welche eine
doppelte Bestimmung erfordert. Es können aber auch die
beiden übrigen Constanten, welche sofort in der Gleichung
vorkamen , durch Punkte bestimmt werden , und hierdui-ch
kommt eine Lüsung zum Vorschein, welche lehrt durch vier
gegebene Punkte eine Curve zu beschreiben , welche unter
allen anderen durch die vier Punkte gezogenen gleicher
Länge und gleicher Area bei der Drehung um die Axe den
gröästen oder kleinsten Körper erzeugt.
Immer wird die Zahl der willkfirlichen Constanten, welche
in der gefundenen Gleichung actuell oder potentiell vor-
kommen, anzeigen, wieviel Bestimmungen nöthig sind, damit
man eine bestimmte Cnrve erhält, welche dann gegenüber
allen uuderen Curveu mit denselben Bestimmongsstücken der
Aufgabe Genüge leistet.
Beispiel II. 23. Unter allen derselben Abscisse
entsprechenden Curven, welche zuerst gleiche Area
einschliessea und dann um die Axe gedreht gleiche
Volumina
erzeugen, diejenige zu bestimmen, deren Schwerpunkt
am höchsten oder niedrigsten liegt, oder in welcher
ein Maximum oder Minimum ist.
[Lösung: die gerade Linie].
Beispiel III. 24. Unter allen Ourven derselben
Länge DAD, welche die gegebenen Punkte D, D ver-
binden, diejenige zu finden, welche so beschaffen ist,
dass, wenn zwischen den verticalen Goraden DB, DB
J'ij X dz
fydx
Variationa-RecbDung.
129
durch die horizontale A'iV eine Area NDADN ge-
gebener Grösse abgeschnitten wird, der Schwerpunkt
von NDADN die tiefste Lage hat.
Die LOsnng dieser Aufgabe ist fflr die Hydrostatik sehr
ntltzlich, denn mit ihrer Hilfe löst man das Problem, die Ge-
stalt zu bestimmen, welche ein Tuch DAD, das in deo
Punkten /) /) an dem Gefässe BD DB befestigt ist. an-
nimmt, wenn in das Gefäss eine gegebene Menge Wasser
hineingegossen wird. Denn da das Tuch sich nicht ausdehnt,
ist erstens die Länge der Curve DAD gegeben. Ferner ist
der Raum NDADN gegeben, der durch die Menge des
eingegossenen Wassers gemessen wird. Drittens mnss, nach
den allgemeinen Gesetzen der Hydrostatik und der Schwere, die
Figur DAD so beschaffen sein, dass der Schwerpunkt des
Raumes NDADN so tief wie möglich liegt.
Um das Problem zu lösen, setze man DC = CD = a.
Zieht man noch irgend eine horizontale Gerade AI P M , so
sei MF=PM=x und AP = y. Dann ist der Bogen
MA M gleich
2 Jdx Vi + p\
viQ dy = pdx gesetzt ist. Wird noch die Länge der Curve
DAD gleich 2b gesetzt, so muss die Gleichung zwischen x
und y so beschaffen sein, dass die Integralformel dx \ 1 -\-p*
für X = a gleich b wird. Weiter ist die Area MAM gleich:
2 y* xdy = 2 Jxpdx \
Oitwkld'« Klawiker. 40.
130 Leonhard £uler.
wird a gesetzt, so sei sie gleich 2f^, sodass also dann
fxpdx =f* ist. Diese Area ist nieht gegeben, sie musa
aber mit der Area NDDN einen gegebenen Raum erzeugeDr
welcher gleich 2 c* sei. Setzt man also DN = z, so ist
und daher fOr = a:
Endlich hat der Schwerpunkt des ganzen Raumes NDADN
Yom Funkte A den Abstand:
wo nach der Integration x = a %n setzen ist. Der S<Awer-
pnnkt liegt also unterhalb C um die Strecke:
die ein Maximum sein mnss. Da über
« — ^ (c* — J^xj) dx)
ist, so muss
AG'Jxpdx — ^'^'^J^^P^^ — i^(y**^^^) — J^ypdx
ein Maximum sein.
Das Problem kommt also darauf zurück, dass unter allen
Cnrven gegebener Länge , welche zur Abscisse x ~ a ge-
hören, diejenige gesucht wird, in welcher der Ausdruck:
h Jxpdx -f- ^ Jxpdx — |y* zpds^ — zypdx .
ein Maximum ist, wenn nämlich für x ^ a y gleich h ist.
Nunmehr ist die Länge der Curve:
fdxYi H-/>*,
und ihr Differentialwerth gleich
ij , i.y
Google
Vfiriations-RechnuDg.
131
-d .
Weiter ist der Differentialwerth der Formel
xpdx
gleich
— dx,
and der Differentialwertb der Formel
jrypdx
gleich
xpdx — d [xy] — — ydz.
Hieraus ergiebt sich als Difl'crentialwerth des ganzen Aas-
drackies, welcher ein Maximum sein soll:
f* /*
— hdx dx 4- — dx + vdx.
a a ' y >
und da h nnd f* unbestimmte Conatanten sind, geht er in
kdx -}- ydx
über, wo k eine willkürliche Constante bedeutet.
Man erhalt daher far die gesuchte Curve die Oleichung:
kdx + ydx = — g* d ■ -f .
MnUiplicirt man sie mit p und integrirt, so ergiebt sie:
„ + 2iy + y = :j^.
Das ist die bekannte Gleichung der elastischen Gnrve ; sie
bleibt dieselbe, welchen Werth auch die Grösse c* annimmt.
Man genügt daher der vorgelegten Aufgabe, indem mau durch
die Punkte D nnd Z> die elastische Curve zieht, deren Aze
oder orthogonaler Durchmesser die verticale Gerade A C ist
nnd von der das Stück DAD die gegebene Länge 2 5 hat.
Auf diese Weise ist die Lösung vollständig bestimmt, nnd es
ergiebt sich eine einzige Cnrve, welche Genüge leistet.
Man hätte leicht vorhersehen können, dass die Grösse
des Raumes ND ADN = 2c*, um dessen Schwerpunkt es
9»
132
Leonhard £uler. Yanations-Hechnun^.
slcli handelt, ganz ans der Rechnung heransfUllt, nnd dann
wäre die Lösung viel leichter gewesen. Absichtlich aber
haben wir diese Bedingung, welche freilicli überflüssig ist,
hinzugefügt, damit man sieht, wie andere Aufg'aben dieser
Art zu lösen sind, bei denen eine solche Yereiutachung nicht
statt t i Ilde t^"^).
Anmerkung II. 25. Somit ist also die unbestimmte
Methode der Maxima und Minima, bei der es sich darum
handelt Carven zu finden, welche eine Eigenschaft im liochsten
oder geringsten Grade besitzen, vollständig auseinandergesetzt
worden, und zwar wurde sie zurückgeführt auf die Ermitte-
lung der Differentialwerthc , welche aus dem Zuwachse einer
einzigen Ordinate hervorgehen.
Verlangt nämlich die Aufgabe unter der Gesammtheit
aller auf dieselbe Abscisse bezogenen Curven diejenige, in
welclier irgend ein unbustimmter Ausdruck den grössten oder
kleinsten Werth erhält, so muss man seinen Differentialwerth
suchen, der gleich Noll gesetzt eine Gleichung für die ge-
suchte Curve ergiebt. Soll man aber unter allen Curven,
welche eine oder mehrere Eigenschaften gemeinsam haben,
di^enige bestimmen, in welcher der Werth eines vorgelegten
Awdraekes am grössten oder kleinsten ist, dann mnss man
die Differentialwerfhe sowohl der einzelnen gemeinsamen Eigen-
schaften als aneh des Ansdrnckes des Maximnms oder Mini-
mums snehen nnd diese einzeln mit willkttrliolien Ckmstanten
mnltipliciren. Die Summe der Prodncte gleieh Nnll gesetzt
ergiebt dann eine Oleiehnng fttr die gesuchte Curve. Wie
man aber den Differentialirertb irgend eines niebtbestimmbaren
Ausdruekes findet, dafür haben wir in den TOiigen Kapiteln
ausreiebende und siemüdi leicht anwendbare Vorsehriften ge-
geben sodass bei diesem Gegenstande niebts llbrig ge-
blieben sein ditafkei was nocb binzuzufflgen wäre.
Anmerkungen.
In diesem und dem folgenden Bändeben sollen einige ältere
Abhandlungen berausgegeben werden, welche fttr die Variations-
Kechnung von besonderer Wichtigkeit sind.
Wenn auch yeiiioii bereits lObG die Aufgabe des Ro-
tationskörpers kleinsten Widerstandes gestellt und auf
eine Differentialgleichung zurtlckgefuhrt hatte, so begann doch
die Eutwickelung der Variations- Rechnung erst, als Johann
BernouUi im Juni 1696 den Mathematikern das Problem der
Brachistochrone vorlegte. Die Reihe der hier mitgetheilteu
Abhandlungen eröffnen daher die betreffenden Arbeiten von
Joh. BernouUi: Problema novum ad cuius solntioucm
Diathematici invitantur, Acta Eruditorum, Juni 1696,
Programma, editum Groningae anno 1697 und Curva-
tura radii in diapbanis non uniformibus aolutioque
problematis de invenienda linea brachystochrona, id
est, in qna grave a dato puncto ad datum punctum
brevissimo tempore dccurrit; et de curva synchrona,
seu radiorum unda, construenda, Acta Eruditorum, Mai
1697. Sie sind wieder abgedruckt in den Opera omnia,
Lausannae et Genevae, 1742, t. I, S. 161, 166 — 169.
187—193.
Aber auch die Lösung von Johanns Bmder Jakoh durfte
nicht fehlen, denn dieser benutzt ein Princip, welches bei einer
grossen Klasse von Aufgaben anwendbar ist, dass nämlich die
Eigenschaft des Maximums oder Minimums nur dann einer
ganzen Curve zukommen kann, wenn sie jedem ihrer Theile
zukommt, und ewcitert das Gebiet der Variations-Rechnung,
indem er seinem Bmder das isoperimetrische Problem
vorlegt, das zu lösen ihm auf einem freilich recht mühsamen
Wege gelungen war. Jak. Bernoidlis Abhandlung: Solutio
problematum fraternorum una cum propositione
]34
Anmerkuageii.
reciproca alioriim ersciiien in den Acta Eiuditorum, Mai 1697,
sie ist wieder abgedruckt im zweiten Bande der Opera, Ge-
iievae 1714, S. 7(58 — 775.
Leonhard Eulcr hiit das Verdienst, die Eiüzcluuttirsucbuugen
der Brüder Bernoulli zusammeugcfaijijt uud die Variations-Uech-
nung als besonderen Zweig der Analysis begründet zu haben.
In seiner ersten Arbeit fiber diesen Gegenstand (Commeiit.
Acad. imp. t. VI ad annos 1732/33, Petersburg 1739J formulirt
er das isoperimetrische Problem in grosser AJlgemeinheit und
giebt vermöge Beines Mnltiplicaton eine einfftehe Lösung. Ver-
anlaBBt dnieh das Problem der BracliiBtoelirone im wider-
stehenden Hittel geht er dann weiter nnd betrachtet Anf-
gaben^ bei denen als Nebenbedingung eine Differentialgleichnng
hinzutritt; seine Lösnng ist jedoch nnrichtig, da er anch hier
das Frincip ron Jak, Berwn/äU anwendet (Oomment t YII
ad annos 1734/35, Petersburg 1740, Mechanica sive motns
seientia, Bd. II, Petersbug 1736). Bald daranf erkennt er,
dass Jenes Princip nicht allgemeingültig ist, findet aber keinen
Ersatss dalOr (Gomment. t VIII ad annnm 1736, Petersburg
1741). Erst 1744 Uberwindet er ^ese Schwieiigkdt, nnd nun
erseheint sein Hauptwerk: Hethodns inveniendi lineas
carvas maximi minimiye proprietate gandentes sive
solntio problematis isoperimetrici latissimo sensa
accepti, Lansannae et Genevae 1744. Jetzt löst Eukr das
Problem in seiner ganzen AUgemeuiheii Er Iftsst an, dass
der Ansdmck unter dem Integralzeichen Ableitungen beliebig
hoher Ordnung enthalt, und erledigt den Fall, dass darin
noch weitere Integrale oder sogar Grössen vorkommen, welche
durch Differentialgleichungen definirt werden. Ganz besonders
werthyoU ist das Werk durch die zahlreichen, schönen Bei-
spiele, denen die folgenden 150 Jahre wenig neue hinzugefQgt
haben.
In der Methodus inveniendi liaben so die Forscliungen
der ersten Periode der Variations-Bechnung ihre dassisehe Dar-
stellung gefunden.
Eul&r selbst hatte es ausgesprorln n, dass er sein AVerk
nicht für vollendet ansehe. Seine Methode ist nämlich eine
wesentlich geometrische. Dies hat den Yortheil, dass die Be-
handlung der einfacheren Probleme überaus klar und durch-
sichtig wird, sodass die Methodus noch heute als Einführung
in die Variations-Rechnung treflfliche Dienste leisten wird.
Sobald aber das .ßemou^i sehe Princip seine Geltung verliert.
Anmerkungen
135
werden die Rechnongen flberaus lang und verwickelt, and bei
aller Bewunderung für die Geschicklichkeit, mit welcher EuJer
die Hindernisse überwindet and schlicBslich einfache and ele-
gante Keaultate erlangt, kann mau seine llerlettungen doch
nicht befriedigend finden.
Was EuUr vermisst hatte, and noch mehr, leistete die
grosse Entdeckang, welche ihm 1755 der junge Lagratige
mittbeilte. Mit ihr beginnt eine neue Epoche der Variations-
Kechnung, an der auch Euler grossen Antheil hat; in einer
Reihe werthroller Abhandlungen hat er den neuen Aufbau der
Variations-Rechnnng genauer zu begründen und weiterzuführen
versacht. Eine Zusammenstellnng der betreffenden Veröffent-
lichuogen Eulers findet man bei G. Ene^tröm^ Yerzeichniss der
Schriften Leonhard Eulers, Leipzig 1 9 1 3, B. 303. Eine historisch-
kritische Besprechung der gesammten Leistungen Eulers für die
Variations- Rechnung hat A. Kneser gegeben (Abb. zur Geschichte
der math. Wissenschaften, Heft 25, Leipzig 1907, 8. 21—60);
dabei wird die Methodus iuveniendi als Eulers Hauptwerk ein-
gehend gewürdigt.
Hiermit sind zugleich die Gründe entwickelt, welche uns
bewogen haben, von Eulers Arbeiten gerade die Methodus
inveniendi, jedoch mit Auswahl, herauszugeben. Da sich
herausstellte, dass die Kapitel I, H, V und VI, in welchen
die Aufgaben der einfacheren Ali behandelt sind, ein wohl-
zusammenhängendes Ganzes bilden, haben wir uns auf sie be-
schränken zu sollen geglaubt und diese Kapitel in textgetreuor
Übersetzung vriedergegeben. Nur bei einigen Beispielen, welche
den Charakter von Übungsaufgaben haben, ist die Ausrechnung
fortgelassen, aber das Resultat in eckigen Klammern angegeben
worden. Für die Beispiele zu Kapitel V, § 35, 38 und 52 sei
auf die inhaltreiche Abhandlung von Ossian Bonnet, Propriöt^s
gcom6triquos et möcaniqucs de quelques courbes remarquables,
Journal de math^matiques, 8^r. I, t. 9. 1844, 8. 97 — 112 ver-
wiesen. Einige kleine Versehen Eulers wurden verbessert; die
Begründung findet man in den folgenden Anmerkungen.
Nicht aufgenommen sind die Kapitel HI und IV, welche die
oben genannten verwickeiteren Aufgaben betreffen; dies konnte
um so eher geschehen, als durch die im folgenden Btlndchen
befindlichen Abhandlungen von Lagrange die Lücke ausgefüllt
wird. Ebenso fehlen die beiden Anhänge: De curvis elasticis
und: De motu projectorum iu modio resistente, welche
keine unmittelbare Beziehung zur Variations-Rechnung haben.
136
AnmerkuDgen.
Der erste Anhang ist in lieft 175 dlcsrr SammluTi^: Abhand-
luDgen über das Gleichgewiclit und die Schwingungen der ebenen
eUstischen Curven von H. Linsenbarth herausgegeben worden.
1) Zu aS, 4. Mersenne stellte 1646 die Aufgabe des
Schwingungsmittelpunktes. Pascals berühmtes Preisausschreiben
von 1658 bezog sich auf die Cycloide. Fcnnat legte 1657 den
Englischen Geometern verschiedene zahlcntheoretische Probleme
vor. Von Viviard rührt die ^iFlorentiner« Aufgabe her (Acta
Erud. \f}91). Von anderen ist Lcibniz zu nennen, der IG87.
das Frobleiii der Isochrone nnd Jak, BernauUif der 1690 das
Problem der Kettenlinie stellte.
2) Zu S. 4, Der bereits 1745 vcröiTentlichte Briefwechsel
zwischen Leibniz und Joh. Bctiioulli ist von Gerhardt im dritten
Bande von Lcihnixrns mathematischen Schriften, Halle
1856, neu herausgegeben worden. Der angeführte Brief findet
sich dort S. 288,
3) Zu S. ü. Diese Bi iuerkung richtet sich g:<'iren Nettio)ij
der seine Methode der i iuxionen mit einem gewissen Geheimnisa
umgab, während Ldhiiixem erste Veröffentlichung schon 1684
geschehen war, und ist ein Vorspiel zu dem Prioritätsstieit,
der 17ü8 zum Ausbruch kam.
4) Zu S. 6. Über den fetreit zwischen Desmrtcs und Fermat
vgl. Monfnelaj Histoire des Math^matiques, 2. 6d., t II
(Paris au VII), S. 139.
5) Zu S. 7. Die Entdeckung von Iluygens findet man in
seiner Schrift über die Pendeluhr: Horologium oscilla-
torinm, Paris 1673.
Wenn ein Kreis vom iiadius / auf einer horizontalen
Geraden rollt ohne zu gleiten, so beschreibt jeder Punkt des
Umfanges eine Cycloide, zu deren Darstellung man mit Vor^
theil die beiden Gleichungen:
=3 r — sin g)), y = r (1 — cos 9)
benntst Kehrt man eine solche Cycloide nm, sodiis ihre
Spitsen nach oben zeigen, so ist sie ebe Tantoehrone, das
heisst die Zeit, welche ein sehwerer PoiÜLt gebranchtf um von
irgend einer Stelle der Cycloide bis in ihrem tiefsten Ponlcte
zu gelangen, ist stets dieselbe.
6] 2» 8, 8, Fermat hatte das Jetst naoh SneUius be*
nannte Breohnngsgesetz angegriffen, ▼elohes Desoartes 1637
in seiner G^om^trie aufgestellt hatte, weil er im Gegensatz
. j . > y Google
Anmerkaugen.
137
zu diesem amiahm, die Lichtgeschwindigkeit im optisch diinnei L m
Medium sei grösser als im optisch dichteren. Auf Vciaiil/isHU]]-
des Cartesianers Clerselier nahm er 1662 seine Untersuchungen
wieder auf und entdeckte zu seiner grossen Überrnschung, dass
gerade bei seiner Annahme über die Llchtgescliwindio'keit aus
dem Princip der schnellsten Ankunft das Brecbuugsgesetz von
Descaries folge.
Femtats Hi ipf an De la Ghambre findet sich in der Kditio
secunda der Epiatolae Betiati Cariesii von 1692 in t. III,
8. 128, der an Ckrsüiei' S. 15!; beide sind 1662 geschrieben.
Die citirte Stelle der Varia opera mathematica Petri de
Fcrmat (Tolosae 1779) enthält einen Brief an einen Unbe-
kannten, in dem Fermat die Geschichte seiner optischen Unter-
snchnngen erzählt. Der Traite de la Inmi^re von JiKijfjois^
verfasst 1678, war 1690 m Leyden erschienen; wiederberans-
gegeben ist es in Nr. 20 dieser Sammlung.
7) Zu S. 12. Die Constrnction beruht darauf, dass alle
Cycloiden einander ähnlich sind.
8) Zu S. 12. Dass die Natur stets auf die einfuchste Art
verfahre, war ein Lieltüngsgedniikc des IS. .lalu ]jiind<'its, vgl.
Mach. Die Mechanik in ihrer Entwickelung historiöch-
kritibcli dLirgestellt, Leipzig 1SS3 (4. AuH. 1901).
Die Behauptungen BermulUs über die Brachistochronen
für t — ax und t — a\ x sind richtig und leicht zu beweisen.
Wird die Geschwindigkeit der n-ten Potenz der Fallhrdic pro-
portional angenommen, so hat man als Taatochione die Curve;
y^J y«*»-* — ;i* dx
(X bedeutet eine CkmstaDlej, denn das Integral;
welches die Zeit des Falles von der Höhe « A bit znr Höhe
jr = 0 aiudTftekty isfty wie die Snbstitatkm x=shu leigt, nn-
abbliig% Ton h. Da dieses Integral nnr dann eben SHmi hMtf
w«Ba n swiieheii 0 und 1 Hegt, itt Benamüm Annahme i = ox
tiiwoHm%, dagefen fldiit die Am^Vm* t ss af^x whididi
anf «ne InoueendcBle G«m, BiittBeh waf eb elliptiidies Iih
ttgnl flr y.
13S
ÄnmerkaDgen.
9) Zu S. 13. Die Figur findet sich S. 45 der in 6) er-
wähnten Ausgabe.
10) Zu S. 13. Der Beweis lässt sich im Stile Joh.
BemouUis etwa so führen. Der schwere Punkt sei während
derselben Zeit auf der Cycloide von A bis zum Punkte B mit
den Coordiiiaten y gekommen, auf der verticalen Geraden
von A bis P, wo AP gleich ^ sei. Im n&chsten Zeitelemente
fällt er auf der Geraden am eine Strecke, welche proportional
:V^, auf der Cycloide um eine Strecke, welche proportional
dz :Vx ist. Mithin hat man :
was zu beweisen war.
11) Zu S. 13. Huygena Lichttheorie hatte Joh. BerttouUi
schon 1693 auf das allgemeine Problem der orthogonalen Tra-
Jectorien geführt. Leibnix hielt es fUr so schwierig, dass er
es in seinem Streite mit Newton den Engländeru als Aufgabe
vorlegte (Acta Enid. Mai 1715), Netvtoti gab jedoch sofort
eine Lösung; vgl. C. I. Oerhardt, Geschichte der Mathematik
in Deutschland, Manchen 1877, 8. 165 — 167, Das besondere
Problem für logarithmische Curven löste Jak. BernouUi (Acta
Erud. Mai 16Ü7).
12) Zu S. 14. Die zu einer Abscisse gehörigen Stücke
einer Curvc, wie Ordinate, Tangente, Subtangente, Krümmungs-
radius, hatte Leibniz (Acta Erud. Api-il 1G92) als Functionen
der Abscisse bezeichnet. Erst Joh. BernouUi machte sich
von dieser geometrischen Auffassung frei und definirte (17 IS)
fonction als «qnantit«^ composce de quelque mani^re
que ce soit d'une grandeur variable et de constantea«
(Opera omnia, t. II. S. 241).
13) Zu S. 17. Die Einwendungen des Holländers Nieu-
tcentiit entbehrten nicht jeder Berechtigung, denn Lcibnixcm
oder:
l^'Jl =1/ ^ dx + dx
2 ^ « — « Vax — X*
das heisst das Differential von Va^ ist gleich der Summe der
Differentiale von CM und LO (Fig. 1), folglich
VC?Ä'^P= CM+LO = arc ÖL,
^3
AnmerkimgeB.
139
Antwort (Acta Erud. 1694} zeigte, dass er zwar die geo-
metrische und mechanische Bedeutuog der nnendlich kleinen
Grössen zweiter Ordnung richtig erkannte, dass aber seine
analytische Auffassang unziilänglicii war.
14) Zu S. 18. Eine ansführliche Geschichte der Cycloide
findet man in Montudas schon angeführtem Werke, t. II.
S. 52 — 73. Hier sei nur erwähnt, dass Galilei 1599 die Gestalt
der Cycloide richtig erkannte und auch versuchte, ihre Area
2U bestimmen. Die strenge Lösung dieser Aufgabe gelang erst
Roberval fl637; und Torrioelli (1638). Kurz darauf gaben
l)cscartes und Viviani die Tangen tenconstruction. Pascal (1658)
muH Huyg&m sind schon in 1) und 5j ei willmt woi den.
15) Zu 8.19. Angeregt durch von Traitö de la lumiere
(1690) Yon Huygms h&tte LeibniXj Acta Erud. Sept. 1692, auf
die Wichtigkeit der optischen Curven hingewiesen. Hierdurch
wurde Jak. BernouUi veranlasst, den durch Reflexion entstehen-
den, kaustischen Curven, welche Tschimhausm (Acta Erud.
Not. 1682) eingeführt hatte, die durch Brechung entstehenden,
diakAnstiBohen Carren an die Seite in stellen (Acta £nid.
Mai 1694).
16) Zu 8. 19, Ein Beweis des Satsee, dass tob allen
Figuren gleichen Umfanges der Ereis den grössten Inhalt hat,
ist bereits von Zmodoroa yersncht nnd tms dnrch Pappos er-
halten worden, ygl. Contor, Gesehiehte der Mathematik,
Bd. L 3. Anfl. 8. 356.
11) Zu 8, 19, Dass bei der Eettenlinie der Sdiwerpunkt
des Umfanges am weitesten von der Basis entfernt ist, er-
seheint bei Joh. BemauUi (Opera omnia, t. III. 8. 497) erst
am Schinss als Folgerung ans einem allgemeinen Satse tlber
das Gleichgewicht schwerer KOrper.
18) Zu 8, 22, Das erste Problem der VariationBrechnnng
hat Newton 1686 gestellt, es ist das Ton Eukr weiter unten
(8. 63) behandelte Problem des Rotationskörpers kleinsten
Widerstandes.
19) Zu 8. 25, Ehdera Angabe ist ungenau, Jak, BemouUi
legte das isoperimetrische Problem schon 1697 vor, nnd
seine Lösung erschien Acta Erud. Juni 1700.
' 20) Zu S. 30. Diese Deduction beweist nur, dass die
Werthe der Integralformel eine obere und eine untere Grenze
haben, aber nicht, dass immer eine Gurve ezistirt, in welcher
ein solcher Grenz worth wirklich angenommen wird. Anderer-
seits können unter Umstünden mehrere Cnrren ein Maximum
140
AnmerkaDgen.
oder Minimum liefern, denn dazu gehört nur, dass sie gegen-
über den benachbarten Curven grössere oder kleinere Werthe
der Integralformel ergeben.
21) ZiiS. 32. Während es d^u Mutliematikern des 18. Jahr-
hunderts geläufig war, dass die bekannte Bedingung für das
Maximum oder Miuimum einer Ordinate anch Wendepunkte
einer Curve liefere, hat in der Variiitions- Rechnung bis ins
l'i. Jahrhundert hinein eine grosse VerwirruDg: im (Gebrauche
der Worte 'Maximum« und > Minimum < geherrscht, üudasü Jacobi
1837 tadelnd bemerkte: »man sagt, ein xVusdruck sei ein
Maximum oder Minimum, wenn man blos sagen will,
dass seine Variation verschwindet, selbst wenn auch
weder ein Maximum noch ein Minimam stattfindet
Man sagt eine Grösse sei ein Maximum, wenn man
nar sagen will, dass sie kein Minimum sei«. Dies gilt
aueh von Eukir und darf im folg^den nicht ausser Aeht ge-
lassen werden.
22) Zu 8. 32. Quantitas integralis indefinita ist
mit: niehtbestimmbare Integralformel übersetzt worden,
weil der Aosdrnek: unbestimmtes Int^ral gegenwärtig ein In-
tegral mit unbestimmter Grenze bedeutet und wdl nachher
funetio indeterminata am besten durch: unbestimmte
Function wiedergegeben wird.
2^) Zu 8, 6L Die Formel im Text ergiebt sich so. Es
sei i die Zeit, g die Constante der Schwere, ds das Bogen-
dement der Oydoide, dann ist nach dem Satze von der leben-
digen Kraft:
vorausgesetzt, dass die Bewegung im Anfangspunkte der Co-
ordinaten beginnt. Hieraus folgt:
24) Zu S. 63. Beispiel V ist das erste Problem der
Variations-Rechnung. £s findet sich in Newtons classischem
Werke: Fhilosophiae naturalis princlpia mathematica.
London 1686, lib. II, Sect. VII, Prep. 34, Scholium. Newton
nimmt an, dass jedes Oberfiächenelement eines Rotationskörpers,
welcher in einer Fiflssigkeit mit gleichförmiger Geschwindigkeit
Google
AnmerkangeiL
141
parall«! seiner Axe, die «Is a;-Axe gewählt werde, bevegt
wird, einen Druck cHrfährt, der stets senkreekt anf der FlAehe
steht, und dem Quadrate der Gesehwindigkeit in der Biehtnng
der Fliehennormale proportional ist. Wird der Winkel awisehen
Flftohennormale und a;*Aze mit X besdchnet, so ist dieser
Dmek proportional eo8*A. Da der Rotationskörper ab starr
Toransgesetct wird, l^ommt vom Dmek nnr die Oomponente naeh
der os-Axe sur Qeltong, sodass der Oesanuntdmeki welchen
der EOrper erfthrt, proportional dem Integral über eosUmal
dem OberflAchenelemente zn setien ist. Zerlegt man die Rotations^
fliehe dorch Ebenen senkrecht snr x-Axe in Z onen,- so erhftit
man als Oberflftehenelement ^ny Vdx* + dy*, woraus in Yer-
bindinig mit der Gleichung cos^ =^ dy : \ dx' -f- dy* die
Formel des Textes folgt.
Newton gab in den Principia ohne jede Begründung die
Differentialgleichung der erzengenden Gture in geometrischer
Einkleidung; aus seinem Kaehlass ist in dem Oatalogne of the
Portsmouth Collection, Cambridge 1888, 8. XXl— XXIII ein
Brief, Termuthlieh aus dem Jahre 1694 und an Danfid Gregory,
yerdffentUeht worden, der einen ausführlicfien Beweis enthftlt
(vgl. O.BobM^ Bibliotheea mathematica, 3. Folge, Bd. 13, 1913,
8« 146—149). Auf NewUms Losung lenkte 1699 J^s^ de
DwUHer die Aufmerksamkeit in einer Flngsehrift, deren Zweck
war, Neiffion als eigentliehen EIrfinder der Infinitesimalrechnung,
iMbm» höchstens als aweiten Erfinder hinzustellen. Jetzt be-*
sehäftigten sieh De VHospUal und Ich, ^mouUi mit dem Pro-
bleme nnd integrirten die Differentialglmchnng (Acta Erud. Aug.
u. Not. 1699). Weiteres Uber die Geschichte dieses Problems
findet man in Anm. 15) des folgenden BSndchens Nr. 47.
25) Zu 8* 66, Die Methode, welche WuJer yermisste,
gefimden au haben ist das grosse Verdienst Ton Lagrange^
dessen grundlegende Abhandlungen im folgenden BSndchea
nachzusehen sind.
26) Zu 8, 76. Eine einfachere Herieitong der Gldchung
w = Vby — ax hat Scliellbach gegeben (Jouinal für Mathe-
matik, Bd. 41, 1851}.
27) Zu S. 97. Im Original heisst diese iSteUe: palam est
qnantitatem A' Iure valorem, quam quantitas / in proximo se-
quente loco indiiit, atqne idcirco esse K= I'. Die Tabelle S. 96
oben lässt aber erkeunen, daas vielmehr K = 7, zu setzen ist.
Dies Versehen ist sogleich im Text verbessert worden.
142
AnmerknngeD.
28) Zu S. 99. Zunilchst folgt nur, d&SB a, = Aa,
.i^ = ist, da aber die Differenzen a, — a, ß, — ß un-
endlich klein sind, muss A = 1 sein.
29) 7ai S. 100. Diese Dednction ~kann nicht alfl streng
gelten, denn es ist nicht bewiesen worden, dass man mit den
Differentialwerthen dA und dB ebenso wie mit gewöhnlichen
DifTerentialen rechnen darf. Euler scheint diesen Einwarf
vorausgesehen zu haben, denn er giebt 8. 116 eine andere
Herleitung, bei welcher der Gebrauch von Differentialwerthen
vermieden wird. Aber auch diese ist nicht stichhaltig, denn
sie zeigt nur, dass man Curven der verlangten Art erhält,
wenn man aV-\- ^i^Trnach der absoluten Methode behandelt,
aber es bleibt fraglich, ob man auf diese Weise alle Curven
erhält. Eine strengere Herleitung findet man bei Bertrand, Liou-
ville's Journal, sör. I, t. VII, 1842.
3ü) Zu S. 100. Der Satz in eckigen Klammern ersetzt
einen hier fortgelassenen Hinweis des Originals auf Kap. IV.
31) Zu S. 108. Eine Zusammenstellung der Literatur Uber
dieses viel behandelte, jedoch noch keineswegs vollständig er-
ledigte Problem, welches mit Plateaus schönen Untersuchungen
über die Gestalt von Flltssigkeitslamellen eng zusammenhängt,
findet man in der Dissertation von JV. Jlowe, Berlin 1887.
32) Zu S. 109. Euler bezieht sich tLuf Xeivtons Enume-
ratio linearum tertii ordinis, London 1704, worin die
Curven dritter Ordnung in 72 Arten getheilt werden. Nach
Netoton lassen sich alle diese Curven durch Projection auf die
filnf divergirenden Parabeln zurückführen, deren gemein-
same Gleichung:
y« = aas' + bx* +cx-{-d
ist. Die im Text betrachtete Curve ist eine divergirende Parabel,
und zwar eine solche mit Doppelpunkt.
33) Zu S. 110. Elastische Curve heisst die Curve,
welche die Gestalt einer an zwei Punkten aufgelegten Feder
angiebt. Sie hat die Eigenschaft, den Ausdruck:
zu einem Minimum zu machen. Exiier hat sie im ersten der
beiden Anhänge zur Methodus eingehend un^rsucht; vgl.
Heft 175 dieser Sammlung.
AlunerkiiDgen.
14a
34) Zu S. III. Im Original ist bei der Integration der
Factor 2 vor übersehen worden, wodorch eine kleine Änderung
notbwendig wurde.
35) Zu 8. 112. DaBS das Problem auf Kettenlinie
Athrt, folgt ohne Jede Beehnung aqs der G^msehen Begel,
wonach die Mantelflftche eines BotationskOrpers proportional ist
dem Prodncte ans der Lftnge des rotirenden Bogens nnd dem
Abstände seines Schwerpunktes Ton der Axe. Ist also die
Bogenlänge gegeben, so erhält man ein Extremnm der Ober»
flftche, wenn der Abstand des Schwerpunktes ein solches ist.
36) Zu 8, 1S2, Hier machte ein Versehen Eukrs^ auf
welches schon in 27) anfinerksam gemacht wnrde, einige kleine
Änderungen gegen den Urtext nOthig.
37) Zu 8, 132. Biese Aufgabe rührt ron Joh. BemtmUi
hcTi ygl. Opera omnia, t III, S. 512, und steht in engem Zu-
sammenhatte mit dem von Jak. BemouUi gestellten Problemi
die Gestalt eines vom Winde aufgeblähten Segels zu bestimmen.
38) Zu 8. 132. Im Original folgt nooh ein Hinweis auf
das hier weggelassene Kapitel IV.
Heidelberg^ Dezember 1913.
P. StäekeL
Inhalt.
I. Johann Bernoulli (1667—1748) BeiU
1] Einladung znr Lüsung eines neuen Pro-
blems ;Juni 16%; 3
2 Ankündigung, herausgegeben Grüningen Januar
16"J7 3
3) Die Krümmung eines Lichtstrahls in un-
gleicbfürmigen Medien und die LUsung des
Problems die Brachistochrone zu finden,
das heisst die Curve, auf welcher ein
BchwererPunktvoD einer gegebenen Stelle
zu einer anderen gegebenen Stelle in kür-
zester Zeit herabläuft, sowie Uber die Con-
struction der Synchrone oder der Welle
der Strahlen (Mai 16tf7) 6
II. Jakob Bernoulli (1654—1705)
Lösung der Aufgabe meines Bruders, dem
ich sagleichdafUr andere vorlege (Mai 1697) 14
III. Leonhard Euler (1707—1783)
Methode Curven zu finden, denen eine
Eigenschaft im hUchaten oder geringsten
Grade zukommt, oder Lösung des isoperi-
metrischen Problems, wenn es im weitesten
Sinne des Wortes aufgefasst wird (1741):
Kapitel L Ij Wie wendet man die Methode der Maxi-
ma und Minima zur Auffindung von
Curven an? 2t
Kapitel IL 2) Wie wendet man die absolute Methode
der Maxima und Minima zur Auffindung
von Curven an? 45
Kapitel V. 3) Wie findet man unter allen Curven mit
einer gemeinsamen Eigenschaft dii'Jonige,
welche eine Eigenschaft im höchsten oder
geringsten Grade besitzt? 87
Kapitel VI. 4; Wie findet man unter allen Curven mit
mehreren gemeinsamen Eigenschaften
diejenige, welche eine Eigenschaft im
höchsten oder geringsten Grade besitzt? 116
Unick von Brtitkopf * U&rt«l in Lglpiig.