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Full text of "Jahrbuch der Deutschen ShakespeareGesellschaft"

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JAHRBUCH DER 

DEUTSCHEN 
SHAKESPEARE- 
GESELLSCHAFT 




Iii 

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U4-02.. Z> 



HARVARD COLLEGE 
LIBRARY 




PROM THE BEQUEST OF 

THOMAS WREN WARD 

Treasurer of Harvard College 
183 0-1842 



0 



JAHRBUCH 

DER 

DEUTSCHEN SHAKESPEARE - GESELLSCHAFT 

■ ■ \ — ^ - — » - 

IM AUFTRAGE DES VORSTANDES 

HERAUSGEGEBEN 

DUKCH 

KARL ELZE. 



ELFTER JAHRGANG. 



0 

WEIMAR. 

IN KOMMISSION HEI A. HUSCHKE. 
1876. 



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harvabd coiiyiE uĂĽaAsr 




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Inhaltsverzeichniss. 



Seite 



Shakespeare und Schröder. Einleitender Vortrag zur Jahresversamm- 
lung der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft. Von Gisbert Freih. 

Vinck e t , . t , t , t : * • ♦ t • • • • • • ♦ • • L 

Bericht ĂĽber die Jahresversammlung zu Weimar am 23. April 1875 . . 30 
Shakespeare^ Coriolanns in seinem Verhältniss zum Coriolanns des 

Pin Wh. Vnn N. Pftlin« : - . . 22 

Ueber und zu Mucedorus. Von Wilhelm Wagner 59 

Emendationen und Bemerkungen zu Marlowe. Von Wilhelm Wagner 70 

Ueber Shakespeare'« Clowns. Von J. Thümmel 78 - 

Shakespeare und Giordano Bruno. Von Wilhelm König 97 

Die En t wickelnng der Sage von Romeo und Julia. Von Dr. Karl Paul 

Schulze 140 

Eine Quelle zu Shakespeare's Sommernachtstraum. Von Fritz Kraus« 226 

Polymythie in dramatischen Dichtungen Shakespeare'«. Von C. C. Hense 245 

Noten und Conjecturen zu Shakespeare. Von K. Elze 274 

Statistischer Ucberblick ĂĽber die Shakespeare- AuffĂĽhrungen deutscher 

BĂĽhnen vom 1. Jnli 1874 bis 30. Jnni 1875 301 

Literarische ITeber.sicht 307 

Miscellen 319 

Katalog der Bibliothek der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft .... 323 

Mitglieder-Verzeichniss 358 



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Druck der L. Reiter'schen Buchdruckerei (Otto DornblĂĽth) 
in Beruburg ( Anhalt). 



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Shakespeare und Schröder. 

Einleitender Vortrag znr Jahres-Versammlnng der 
Deutschen Shakespeare-Gesellschaft. 

Von 

Gisbert FVeih. Vinclco. 



Das Gedeihen des Theaters verlangt Dreierlei : tĂĽchtige 
StĂĽcke, tĂĽchtige Darsteller, tĂĽchtige Leitung; und Tage des 
Glanzes erschienen immer dann, wenn ein Mann in allen drei 
Richtungen sich hervorthat. Das beweisen die Namen: Shake- 
speare, Moliere, Garrick, Schröder und Iffland; sie vertreten 
während zweihundert Jahren eine seltene Blüthe des Theaters 
in England, Frankreich, Deutschland. Drei von ihnen sind zu- 
gleich durch ein engeres Band verbunden; Garrick und Schröder, 
die Zeitgenossen, verdanken ihren Ruf und Ruhm nicht zum 
kleinsten Theil dem Beistande Shakespeare's : wenn ihn Garrick 
für die heimische Bühne wiedergewann, musste ihn Schröder für 
die fremde BĂĽhne erst gewinnen. Er ging an's Werk, nachdem 
volle anderthalb Jahrhunderte seit dem Tode des britischen 
Dichters verstrichen waren; und so drängt sich die Frage auf: 
warum wurde nicht frĂĽher schon das deutsche BĂĽrgerrecht fĂĽr 
Shakespeare erworben? — Diese Frage beantwortet die dornen- 
volle Lehrzeit, welche dem Werden und Wachsen des deutschen 
Schauspiels beschieden war, eh' es neben andern Völkern in die 
erste Reihe trat oder gar ihnen voranstand. 

Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts hat Shakespeare 
in England den Zenith seines Ruhmes erreicht; in Frankreich 
wird Pierre Corneille geboren, der sich bald zum grössten tragi- 

Jahrbuch XI. 1 



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sehen Dichter unter den Franzosen aufschwingt; in Spanien glänzt 
der vielbewunderte, unerschöpfliche Lope de Vega, welcher seine 
klingenden Verse schneller aufs Papier warf, als der Abschreiber 
ihm folgen konnte. Alle drei Länder bieten den Poeten zugleich 
Darsteller, welche deren Gestalten meisterhaft zu beleben wissen, 
und hier wie dort leuchtet die Sonne der FĂĽrstengunst ĂĽber der 
Schauspielkunst. — Was kann Deutschland Dem gegenüber auf- 
weisen? Als höchste Bühnenwerke die ungefügen Spiele des 
Hans Sachs; noch fĂĽr eine lange Zukunft vermag es keinen 
Namen zu nennen, der jenen fremden Sternen gleichstände an 
Grösse und Glanz; — seine Darsteller, aus der Zunft oder Schule, 
genĂĽgen den dĂĽrftigen Aufgaben, welche ihnen zugetheilt sind, 
wachsen können sie nicht an ihnen; — und deutsche Fürsten- 
gunst soll sich erst später der Opernpracht zuwenden. 

Das siebzehnte Jahrhundert gehört bei uns den nomadischen 
Wandertruppen, unter Führung des 'Komödianten-Meisters'. Stücke 
und Darstellung bewegen sich im Extrem — des Tragischen wie 
des Komischen: dort wird das Blut ĂĽberreichlich vergossen, hier 
fehlt nie der schablonenhafte Hanswurst, aber ihm fehlt nur zu 
oft die Lebensader, der Witz. 

Um diese Zeit erscheinen auf deutschem Boden die frĂĽhesten 
Spuren Shakespeare's — nicht seines Namens, sondern seiner Werke; 
allein die Spuren sind schwach, fast im Sande verweht. Zuerst 
begegnet uns zeitgemäss das blutigste aller Shakespearestücke, 
der Titas Andronkus, unter dem lockenden Titel: 'Eine sehr 
klägliche Tragedia von Tito Andronico und der hoffertigen Kay- 
serin, darinnen denkwürdige actiones zu befinden' — gedruckt 
1620, schon vorher oft aufgefĂĽhrt. Zu dem Titel stimmt die 
Bearbeitung: in acht Akten wird der Inhalt gekĂĽrzt und ver- 
stĂĽmmelt, dafĂĽr sind alle Greuelscenen mit behaglicher Breite 
ausgemalt. — Um die Mitte des Jahrhunderts folgt dann 'Romio 
und Julieta' — nur der entlaubte Stamm von Shakespeare's 
Trauerspiel, denn sein reicher Blätter- und Blüthenschmuck ist 
abgestreift bis auf kärgliche Reste; zum Ersätze bietet Pickel- 
hering, 'Capolet's Diener', eine Musterkarte seiner Spässe, die an 
Rohheit ihres Gleichen suchen. — Etwa um dieselbe Zeit finden 
wir die Tragödie: 'Der bestrafte Brudermord f oder Prinz Hamlet 
ans Dännemwk. 1 Sie steht auf keiner höheren Stufe als 'Romio 
und Julieta' : im Prologe zeigt sich die Nacht, mit den drei Furien, 



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- 3 — 



der Hanswurst erscheint als Hofnarr Phantasmo, in den die wahn- 
sinnige Ophelia sich verliebt, und Hamlet ist stets so rĂĽcksichts- 
voll, von dem Geist seines Herrn Vaters zu sprechen. — Endlich 
wird 1658 auch ein Shakespearesches Lustspiel dargestellt: l Die 
wunderbare Heurath Petruvio mit der bösen Catharinen 1 ; wir kennen 
davon bloss den Titel, weil kein Manuscript erhalten blieb ; aber 
aus dem Jahre 1672 liegt gedruckt vor: 'Kunst ĂĽber alle KĂĽnste, 
Ein bös Weib gut zu machen' — vielleicht nur eine Umgestaltung 
des vorhergehenden. Die Handlung ist aus Italien nach Deutsch- 
land verlegt, und das derbere englische Original gestattete dem 
Bearbeiter treueren Anschluss. — Bei all diesen Stücken wird 
Shakespeare nicht genannt; ihr Flickwerk entsprach dem Ge- 
schmack der Zuschauer; sie gingen spurlos vorĂĽber. 

Die Wandertruppen erreichen ihren Höhepunkt in der 'be- 
rĂĽhmten Bande' des Magisters Johann Velthen, bei der auch die 
Frauenrollen des Schauspiels zuerst durch Frauen dargestellt 
werden. Velthen wagt die Einführung der Stegreifkomödie; sie 
zerstört den Ernst der Vorbereitung: die Bahn ist offen für 
schrankenlose WillkĂĽr, und das rasche Ausarten der Kunst endet 
allzubald mit völliger Verwilderung. Im ersten Drittel des acht- 
zehnten Jahrhunderts steht es schlimmer um die deutsche Schau- 
spielkunst, als hundert Jahre frĂĽher: die Spielweise hat den Ernst 
zum ungeheuerlichen Zerrbild hinaufgetrieben, sie hat den Scherz 
zur plattesten Gemeinheit herabgedrĂĽckt. 

Unterdess ist der Name 'Shakespeare' allgemach in litera- 
rische Kreise gedrungen, freilich nicht ein Simson, der die Phi- 
lister schlägt, und diessmal nur sein Name — olme seine Werke, 
Als Christian Gottlieb Jöcher, Professor der Geschichte, auch 
Universitätsbibliothekar zu Leipzig, das Gelehrten-Lexikon, wel- 
ches der chursächsische Historiograph Menke begonnen hatte, 
im Jahre 1733 neu herausgab, wiederholte er zwar mit gemĂĽth- 
licher Anerkennung die Notiz: 'Shakespeare, Wilhelm, ein eng- 
lischer Dramaticus, ward schlecht auferzogen und verstund kein 
Latein, jedoch brachte er es in der Poesie sehr hoch. Er hatte 
ein schertzhafftes GemĂĽthe, kunnte aber doch auch sehr ernst- 
haft seyn, und excellirte in Tragödien'; allein der Kollege Johann 
Christoph Gottsched, Professor der Dichtkunst, zugleich unfehl- 
barer Reformator des Geschmacks, behauptete daneben hartnäckig 

seinen höheren Standpunkt: er betrachtete Shakespeare lediglich 

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als den rohen unwissenden Verderber der Poesie, welcher darin 
nur gräuliche Verwirrung angerichtet. 

Ein neuer Geist musste zuvor die Dichtkunst wie die Schau- 
spielkunst beleben, ehe Shakespeare mit Ehren in Deutschland 
auftreten konnte; und dieser neue Geist sollte bald seine Schwingen 
regen. Der Komödiantenstand hatte es dahin gebracht, dass 
sich die bürgerliche Gesellschaft seiner schämte: weiter abwärts 
könnt' es nicht mehr gehen — so musst' es denn naturgemäss 
wieder aufwärts gelin! Und zu rechter Zeit erscheinen jetzt ein- 
zelne Persönlichkeiten, welche während eines halben Jahrhun- 
derts durch Talent und Charakter schöpferisch für die Zukunft 
wirken. Ihre Bilder springen scharfumrissen aus dem Rahmen 
der Geschichte. 

Zuerst Friederike Caroline Weissenborn, verehelichte Neuber, 
geboren 1602. Eine schlanke, edle Gestalt, ein schöner Kopf 
mit reichem blondem Haare, mit geistvollen ZĂĽgen; dazu die 
nicht gewöhnliche Bildung der Advokatentochter. Auf den Bret- 
tern glänzt ihr kecker Humor, auch im Stegreifspiel, und am 
liebsten in Männerrollen; aber als Prinzipalin hält sie strenge 
Zucht, mit dem Wahlspruch: 'Ordnung und Sitte'. Sie ersetzt 
den leichtfertigen Stegreifdialog durch die abgemessene Sprache 
des Dichters — das führt vor der Hand in's entgegengesetzte 
Extrem, zu den französischen Klassikern und ihren Nachahmern; 
aber die lockere Willkür muss doch das Feld räumen vor dem 
steifen Regelzwang: ein fester Boden ist wiedergewonnen fĂĽr die 
Schauspielkunst. In Gemeinschaft mit Gottsched — wird von ihr 
der Hanswurst verbannt, welcher trotzdem noch lange sein Wesen 
trieb; in Feindschaft mit Gottsched — bringt sie auf ihrem 
'Schauplatz' zur ersten AuffĂĽhrung den 'Jungen Gelehrten', das 
erste Lustspiel des Studiosus Gotthold Ephraim Lessing. Die 
Neuberin stirbt hochbetagt, ganz verarmt; als Komödiantin darf 
die fromme Frau nur im Stillen beerdigt werden. 

Sodann Konrad Ernst Ackermann, geboren 1710; ein statt- 
licher Mann mit gewinnendem Wesen, selbstlos und treuherzig, stark 
und gewandt, Meister im Tanzen, Reiten, Fechten, Schlittschuh- 
laufen. Als Wundarzt des russischen Feldmarschalls MĂĽnnich hat 
er auf dem Schlachtfeld seinen Muth erprobt, um dann erst die 
BĂĽhne zu betreten. Sein massvolles Spiel zeigt in komischen 
Rollen die vollendete Wahrheit der Natur; diese begrĂĽndet zu 



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— 5 — 



haben, bleibt sein unvergänglicher Ruhm. Als Wachtmeister Paul 
Werner entscheidet er die gĂĽnstige Aufnahme der Minna von 
Barnhelm in Hamburg. Aber die alte behagliche Wanderlust 
sitzt ihm im Blute — das stört den Haushalt des Prinzipals: so 
stirbt er verschuldet, ein Sechziger. 

Und nun Konrad 3Mof, geboren 1720, klein, hochschultrig, 
eckig gebaut, mit starken ZĂĽgen, gebĂĽcktem Gang, ohne alle 
Anmuth. Der Sohn eines hamburgischen Stadtsoldaten, in engen 
Verhältnissen aufgewachsen, anfangs Schreiber, betritt er die 
Bühne, kaum Zwanzig alt. Die französischen Vorbilder der Lehr- 
zeit werden abgestreift unter Ackermann's Einfluss, er erreicht 
im Tragischen das Höchste durchdachter, lebensvoller Darstellung. 
Dem Zauber seines Auges, seiner Stimme widersteht Keiner: da 
hebt sich die Gestalt, aus der Haltung, aus dem Gange spricht 
königlicher Adel. Und doch war Eckhof im Grunde eine nüch- 
terne Natur, ein guter Hausvater, sparsam, ordnungsliebend, 
pflichttreu, als' Regisseur genau bis zur Peinlichkeit, nicht frei 
von Eigenwillen und Rollensucht, aber begabt mit feinem Urtheil, 
tief durchdrungen von der Würde seiner Kunst. Zu den schön- 
sten Leistungen des Meisters zählte der alte Odoard o Galotti; 
auf dem Weimarschen Liebhabertheater spielte er im 'Westindier' 
mit dem regierenden Herzog, dem Prinzen Constantin und Goethe. 
Er starb zu Gotha als Leiter des Hoftheaters, noch nicht sechzig- 
jährig, in bescheidenen Verhältnissen. Missgünstige nannten ihn 
den 'Schulmeister', Parteilose nennen ihn den 'Vater der deut- 
schen Schauspielkunst.' 

Das waren die drei Vorläufer: Caroline Neuber grundlegend 
und bahnbrechend, Ackermann im Komischen, Eckhof im Tra- 
gischen mustergĂĽltig durch naturtreue Wahrheit. Ihnen folgt als 
Vierter, abschliessend und vollendend: 

Friedrich Ludwig Schröder, geboren 1744, achtundzwanzig 
Jahre jĂĽnger als Garrick. Er war Ackennann's Stiefsohn, das 
echte Komödiantenkind. Die Bretter betrat er im zweiten Lebens- 
jahre zu Petersburg, im dritten sprach er dort zum ersten Male 
auf der BĂĽhne als Darsteller der 'Unschuld' in einem Vorspiel; 
seine Rolle bestand nur aus den Worten: '0 nein, ich Sprech' 
Dich frei!' sie hatte gleichwohl glänzenden Erfolg. Kaiserin 
Elisabeth war freundlich mit dem Kinde, das sie in ihre Loge 
bringen Hess, und seine Mutter, die Verfasserin des Vorspiels, 



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wurde reich beschenkt. Für den Siebenjährigen findet sich schon 
eine Wochengage von 2 Rubeln ausgeworfen, während seine Eltern 
zusammen 12 Rubel bezogen. Aus den Händen der Jesuiten zu 
Warschau, die sich des talentvollen Knaben bemächtigt hatten, 
befreit ihn nur die umsichtige Dreistigkeit des Schauspielers 
Krohn, welchem der Jesuitenpater in aller Ruhe erklärt: 'Hätte 
er die Probe noch ausgehalten, dann war er fĂĽr Euch verloren, 
und seine Seele war gerettet!' — In Königsberg lässt man den 
Elfjährigen, der bereits sechsundzwanzig verschiedene Rollen ge- 
spielt hat, auf der Schule zurĂĽck; aber die Geldsendungen bleiben 
aus, ein Winkelschuster nimmt ihn auf, mit diesem hungert er, 
trinkt Branntwein und macht Kinderschuhe. Da erscheint der 
berühmte Drahttänzer Mr. Stuart mit seiner schönen hochgebil- 
deten Frau zur Rettung aus leiblicher und geistiger Verwilderung. 
Endlich rufen ihn die Eltern zurück. Der Vierzehnjährige fährt 
zur See nach LĂĽbeck und strandet dabei auf Christians-Oe; er 
reist dann weiter als feiner Herr ĂĽber Cassel nach Strassburg; 
doch hier versiegen seine Mittel; elsässische Bauern richten ihn 
übel zu, als er zwar auf den König von Frankreich trinken, 
aber nicht auf den König von Preussen schimpfen will. Die vier- 
wöchentliche Irrfahrt endet in Solothurn, wo Ackermann mit 
seiner Gesellschaft gerade verweilt. Jetzt geht's wieder auf die 
Bretter: in dem Verstrauerspiel 'die Befreiung von Solothurn' 
spielt er, noch nicht fĂĽnfzehn Jahre alt, den Geheimschreiber so 
gelungen, dass ihm die Rathsherren der Stadt eine goldene Schau- 
mĂĽnze verehren. Die allzukĂĽhle Anerkennung der Eltern erzeugt 
ein starkes Selbstgefühl, welches sich äussert in Ueberschätzung 
der eignen, in herber Kritik der fremden Leistungen. Ackermann 
nicht minder als Eckhof mĂĽssen das bald unliebsam empfinden, 
weil Schröder's Scharfblick rasch die wunde Stelle trifft; erklärt 
doch der fertige Meister, dass er seine Ansicht ĂĽber Fehler und 
Vorzüge der Darsteller seit seinem zehnten Jahre nicht geändert 
habe, weil er sie auch später bewährt gefunden. Ackermann, 
der gutmĂĽthige, leichtlebige, begeht den Missgriff, seinen Stief- 
sohn ohne Gage, beim dĂĽrftigsten Taschengeld, unter eiserner 
Zuchtruthe halten zu wollen: das veranlasst die schärfsten häus- 
lichen Conflicte. Schröder sucht sich Nebenverdienst durch 
Taschenspieler- und Balancir- KĂĽnste, auf dem Billard, auf der 
Kegelbalm; als ihn die Noth treibt, macht er eine gewaltsame 



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7 — 



Anleihe bei den Ersparnissen seiner Mutter. Dazwischen fallen 
ernstere Studien in der Musik, im Tanzen, Ringen, Fechten, und 
die Fechterkünste werden demnächst praktisch verwerthet mit- 
telst einiger Duelle. Im achtzehnten Lebensjahre componirt er 
sein erstes Ballet: 'Die Aepfeldiebe' ; nun folgt eine "Wochengage 
von 2 Thalern. Aber erst mit zwanzig Jahren wird er sein 
eigner Herr und bezieht 8 Thaler wöchentlich als — Grotesk- 
tänzer, Sänger, Schauspieler, Ballet- und Theater-Meister. Sieben 
Jahre später lieferte er die erste Bühnenbearbeitung: 'Der Arg- 
listige', nach Congreve, und blieb, als Ackermann starb, der 
Ober-Regisseur seiner Mutter. In Celle, wo Königin Caroline 
Mathilde von Dänemark tiefgebeugt verweilte, hatte der Hof- 
marschall den Befehl, Ihre Majestät zu erheitern. Er wandte 
sich desshalb an Schröder, und dieser erfüllte den Zweck über 
jede Erwartung hinaus durch das Arrangement eines tollen 
Stegreifspieles, ausgefĂĽhrt von ihm selbst, Charlotte Ackermann, 
Brockmann und dem Ehepaar Reinecke. Der Titel lautete: 'Glaub 
nicht Alles, was Du siehst', angeblich nach dem Spanischen des 
Calderon della Barca. Kunstverständigste Kenner erklärten die 
Vorstellung fĂĽr durchweg vollendet, ohne deren Improvisation 
zu ahnen; fremde Gelehrte fragten und forschten nach dem un- 
bekannten Meisterwerke Calderon's. Im 29sten Lebensjahre ver- 
heirathete sich Schröder mit der achtzehnjährigen Anna Christina 
Hart, einem Komödiantenkinde, gleich ihm. Sie war ausge- 
zeichnet auf der BĂĽhne wie im Hause durch bescheidene Wahr- 
heit, welche Alles erreichte, ohne die Absicht, sich geltend zu 
machen: so wurde die kinderlose Ehe eine ĂĽberaus glĂĽckliche. 
Erst fünf Jahre später tanzte er zum letzten Male im Ballet, 
nachdem er inzwischen den Uebergang von komischen Bedienten 
und Chevaliers zu tragischen Rollen vermittelt hatte. Nächste 
Veranlassung dazu gab ein Schauspieler-Gerede: 'Wäre Der im 
Ernsthaften eben so gut als im Lustigen, dann möchte ihm der 
Teufel nachspielen!' — Schröder bedurfte keiner langen Vor- 
bereitung, er kannte seine Kräfte genau und zeigte den Zweif- 
lern, dass sein Können dem Wollen gleichstand: die natürliche 
Begabung war gereift durch Scharfblick in reichster Lebens- 
erfahrung. Nicht umsonst hatte er von frĂĽhester Jugend Acker- 
mann und Eckhof vor Augen gehabt: was sie schöpferisch wagten, 
das erhob er zum Kunstgesetz. So galt ihm als Höchstes — 



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Wahrheit! Wenn KĂĽnstelei und Unnatur beklatscht wurden, sagte 
der Meister: 'Ich begreife endlich, dass das gefällt, aber ich 
begreife nicht, wie ich gefallen konnte.' — Mit gleich feiner 
Characteristik war er in Minna von Barnhelm nacheinander : der 
Wirth — Just — Paul Werner; in Götz von Berlichingen neben 
einander: der Bruder Martin — Lerse — Aeltester des Vehm- 
gerichts. Ein Engländer, der kein Wort Deutsch verstand, 
meinte gelegentlich während der Vorstellung: 'Was der lange 
Mann will, das weiss ich sehr gut; die Uebrigen geben mir 
Räthsel auf.' Welche Anforderungen er dem Schauspieler stellte, 
diess zeigt die sechste stumme Scene im HI. Akt seines Lust- 
spiels: 'Der Fähndrich'; sie lautet so: 

'Baron Harrwitz (allein, geht unmuthig auf und ab , wird 
zerstreut und verliert auf einmal die Erinnerung an den 
Fähndrich. Unter der Bemühung, die verlorene Idee 
wiederzufinden, fällt er von einer auf die andere, bis er 
das Billet an den Fähndrich findet, sich seines Verdrusses 
erinnert und wĂĽthend auf- und abgeht). NB. Ich schreibe 
dem Schauspieler keine Ideenfolge vor; er muss sie selbst 
finden, wenn sie wahr sein soll. Nur hĂĽte er sich, Spass 
machen zu wollen, und suche so ungezwungen von einer 
Sache zur andern ĂĽberzugehen, dass der Zuschauer sehen 
kann, wie er auf jede Idee kommt.' 
Und bei aller massvollen Zurückhaltung blieb Schröder erklärter 
Liebling der Gallerie; da lachten und weinten sie ĂĽber ihn, da 
hiess er nur: 'Unser Schröder!' — Aber dem bescheidenen Manne 
fehlte noch die Probe, ob seine schlichte Kunst auch ausserhalb 
Hamburg's Stand halte? Ein Gastspiel in Berlin, Wien, MĂĽnchen, 
Mannheim gab ihm diese Gewissheit. Er wurde mit seiner Frau 
fĂĽr das Burgtheater gewonnen, Maria Theresia und ihr Sohn 
Joseph II. ehrten ihn hoch. Dennoch mochte es seiner nordischen 
abgeschlossenen Natur schwer werden, mit der sĂĽdlichen Leicht- 
lebigkeit sich abzufinden, und dem Meister, der sie verdunkelte, 
traten die Mitwirkenden hindernd und hemmend entgegen. Schon 
nach vierjährigem Verweilen wurde Wien abermals mit Hamburg 
vertauscht, Kaiser Joseph sagte ihm beim Abschied: 'Wenn Sie 
Hamburg satt werden, dann wenden Sie sich an Niemand als an 
mich.' — Dreizehn Jahre lang hat er die Hamburger Bühne ge- 
leitet auf eigne Gefahr — oft mit schweren Opfern, stets in 

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wĂĽrdigster Weise; Gelderwerb war niemals erster Zweck. Rasch 
und fest von Entschluss gegenĂĽber den Schauspielern wie den 
Zuhörern, verband er mit seltenem Organisationstalent die eigne 
Erfahrung als Tänzer, Sänger, Stegreifspieler, Komiker, Tragiker, 
als Komponist, Autor, Regisseur, Ballet- und Theater -Meister. 
Keine deutsche BĂĽhne ĂĽbertraf damals die Hamburger. Im 51sten 
Lebensjahre lernte er die letzte neue Rolle, etwa die sieben- 
hundertste; fast 50 Jahre umfasste seine gesammte Bühnenthätig- 
keit; 1 ) er komponirte 63 Ballette, bearbeitete mehr denn andert- 
halbhundert StĂĽcke fĂĽr die BĂĽhne und lieferte ihr drei Original- 
schauspiele: 'Der Fähndrich', 'Der Vetter in Lissabon', ,Das 
Porträt der Mutter', auch hier seine Erfahrung bewährend, welche 
den Darstellern Raum gab, ihre Kunst zu entfalten. Heute wäre 
keins dieser StĂĽcke ohne tiefgreifende Aenderungen zu verwen- 
den, weil sie mit praktischem Blick nach Verhältnissen und An- 
schauungen der damaligen Zeit, nach dem BedĂĽrfniss ihres Pu- 
blikums gearbeitet sind. Schröder starb im Holsteinischen Dorfe 
Rellingen, wo er ein kleines Eigenthum besass, 72 Jahre alt, 
bei voller geistiger Kraft. Bestattet ward er auf dem Petri- 
Kirchhof in Hamburg: ein unabsehbares Gefolge gab dem grossen 
Todten die letzte Ehre. Seine Zeitgenossen entwarfen von ihm 
dieses Bild: die Gestalt hoch und schlank; der Kopf edel, mit 
feinstem Profil; das Auge blau, nicht gross, aber höchst bedeu- 
tend, der Blick scharf; die Gesichtsfarbe rein und frisch; das 
Haar blond; Hände und Füsse von schönem Ebenmass; die 
Stimme wohllautend hell, für tiefere Töne künstlich geschult; 
dazu gefälliger Anstand. Er war ein Ehrenmann durch und 
durch, der treueste Freund, der liebenswĂĽrdigste Wirth, gross- 
müthig ohne Misstrauen, aber unversöhnlich gegen Falschheit 
und eigensinnig in Dem, was er fĂĽr recht hielt; allzufeines Ehr- 
gefĂĽhl, leicht erregte Reizbarkeit konnten ihn der Uebereilung 
fähig machen. Im vertrauten Kreise, beim Becher, flössen ihm 
Knittelverse leicht vom Munde. Neben dem Lateinischen ver- 
stand er Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch so weit, 
um sich stets zurechtzufinden. Er war stolz auf die Kunst, weil 
die Kunst stolz auf ihn sein durfte; doch liebte er nicht, gelobt zu 
werden — am wenigsten zum Nachtheil Anderer; unbegründeter 
Tadel liess ihn kalt. Es gibt kein Fach, das er nicht gespielt und 
beherrscht hätte, von der ausgelassensten bis zur ernstesten Rolle, 



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10 — 



darunter sogar die alte Mutter Anne im ländlichen Gemälde 
'Röschen und Colas', 2 ) eine ehrliche, fast kindische Bauerfrau, 
aus der er mit sauberer Feinheit ein niederländisches Kabinets- 
stĂĽck schuf; nur das vornehmleichte Wesen hat man ihm ab- 
sprechen wollen — dem entgegen steht die eingehendste Kritik 
sachverständiger Zeitgenossen. 3 ) Selbst undankbare Rollen über- 
nahm der Meister, wo es das Interesse des Ganzen galt. Auf 
der BĂĽhne nie Pedant, schickte er sich leicht in Ungewohntes. 
Kein Darsteller hat ihm völlig genügt — auch er sich selbst 
nicht; und nur einen vollkommenen Souffleur fand er — der aber 
ruhte nicht, bis er durchfiel als Schauspieler. — Sein künstleri- 
sches Glaubensbekenntniss enthalten die Worte: 'Der Schauspieler 
kann nie mehr leisten, als der Dichter bezweckt; er ist sehr 
gross, wenn er Alles erfĂĽllt, wozu ihm der Dichter Veranlassung 
gab. Es kommt mir nicht darauf an, zu schimmern und hervor- 
zustechen, sondern auszufĂĽllen und zu sein. Ich will jeder Rolle 
geben, was ihr gehört, nicht mehr, nicht weniger: dadurch 
muss jede werden, was keine andere sein kann.' — Man hat ihn 
'den grossen Vertrauten der Natur' genannt; das Wort ist richtig, 
nur nicht erschöpfend: er war bis auf unsere Gegenwart in 
Deutschland der grösste Schauspieler. 

Und dem grossen Vertrauten der Natur blieb es vorbehalten, 
die deutsche Bühne für Shakespeare zu erobern, Träume früher 
Jugendbegeisterung als Mann zu verwirklichen. Seine erste Be- 
kanntschaft mit dem britischen Dichter fällt in die Königsberger 
Zeit, wo Mr. Stuart, ein ebenso gewandter RedekĂĽnstler als 
Drahttänzer, ganze Scenen aus Hamlet, Lear, Othello dem vier- 
zehnjährigen Schröder vortrug. Vier Jahre später erschien Wie- 
land's Uebersetzung; sie brachte nur 22 Stücke, sämmtlich in 
Prosa (mit Ausnahme des 'Sommernachtstraumes , 1 der in gebun- 
dener Rede voraufging), und was sie brachte, war nicht ĂĽberall 
vollständig, nicht überall richtig, das knappe Dichterwort trug 
oft ein schlotterndkahles Kleid, der Clown wurde noch als 'Pickel- 
häring' oder 'Hanswurst' eingeführt. Aber Schröder erkannte 
den Kern: die Uebersetzung diente ihm als Hausbuch. Er stiftete 
in Hamburg den Verein der Theaterfreunde: Shakespeare und 
Sophokles kamen da zur Vorlesung, während ihn Pläne der Dar- 
stellung ihrer Meisterwerke beschäftigten. Gottsched's Bannstrahl 
gegen Shakespeare war längst ohnmächtig; für diesen erhoben 



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— 11 — 

sich Deutschlands beste Männer: vor Wieland schon Johann Elias 
Schlegel, Lessing, Moses Mendelssohn, mit ihm und nach ihm 
Herder, Bürger, Goethe. — In Wien brachte der Schauspieler 
Stephanie der jĂĽngere bereits 1772 einen wunderlichen Macbeth 
auf die BĂĽhne, welcher erst mit dem fĂĽnften Akte des Originals 
begann und doch seine richtigen fünf Akte zählte. Vom Geiste 
Shakespeare's ist wenig zu spüren, dafür erscheint öfter der 
polternde Geist König Duncan's; Macbeth wird von der wahn- 
sinnigen Lady Macbeth erstochen, und ĂĽber ihr stĂĽrzt schliess- 
lich das brennende Schloss zusammen. Anders, fast umgekehrt, 
behandelte der Wiener Schriftsteller Franz Heufeld im folgenden 
Jahre den Hamlet: hier werden vier Akte verwendet fĂĽr die erste 
Hälfte des Shakespeareschen Trauerspiels, und dessen zweite 
Hälfte ist in den fünften Akt zusammengedrängt, wobei dann 
Opheliens Wahnsinn, die Reise nach England, die Kirchhofscene, 
das Fechtspiel, Fortinbras, selbst Laertes ganz ausfallen, wäh- 
rend Hamlet ungefährdet den Thron besteigt. Wieland's Ueber- 
setzung dient als Grundlage. 

Schröder wurde des Bedenkens nicht Herr: ob überhaupt, 
und in welcher Gestalt seinen Hamburgern Shakespeare vorzu- 
stellen wäre? Alle Zweifel entschied der Zufall. Im Jahre 1776 
sah er zu Prag den Heufeldschen Hamlet aufführen: die mächtige 
Wirkung bestimmte ihn sofort, das Gleiche zu wagen, und dem 
Entschluss folgte rasche That. Am 24. August wurde die Arbeit 
begonnen, am 20. September erschien der Dänenprinz zu Ham- 
burg auf den Brettern. Also binnen vier Wochen: Fertigstellen 
des Textes, Ausschreiben aller Rollen, Leseprobe, Einstudiren 
von Seiten der Schauspieler, sämmtliche Theaterproben, endlich 
die Darstellung. Der ursprĂĽngliche Text zeigt die Spuren dieser 
Eile, wohl auch des Zagens. Er stützt sich in der ersten Hälfte 
ganz auf Heufeld, dann aber ist dessen Akteintheilung verbessert, 
Opheliens Wahnsinnsscenen sind aus Wieland eingefĂĽgt. Stets 
erkennt man die Absicht, Handlung und Scenerie möglichst zu 
vereinfachen. Beibehalten werden die Heufeldschen dänisirten 
Namen: Oldenholm, Gustav, Bentfeld, Ellrich; Frenzow — für: 
Polonius, Horatio, Bernardo, Marcellus, Francisco. Ein zweiter 
Text gibt dann sechs Akte, zu bequemerer scenischer Eintheilung, 
bedingt durch Herstellung des Laertes (der freilich unter die 
Dänen-Namen nicht passen will) und der Todtengräberscene; die 



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— 12 — 

Reise nach England wird wenigstens vorbereitet, nur kommt sie 
nicht zur Ausführung; aber Opheliens Begräbniss, das Fechtspiel, 
Fortinbras — sind ein für allemal beseitigt, Hamlet und Laertes 
mĂĽssen ohne Gnade am Leben bleiben. Inzwischen war Eschen- 
burg's Uebersetzung erschienen, welche Wieland's Arbeit verbes- 
sernd und vervollständigend, den ganzen Shakespeare brachte — 
immer noch in Prosa, nur Richard III. ist mit Geschick metrisch 
behandelt. Sie wurde fĂĽr den dritten Hamlet-Text benutzt. Hier 
ist die Todtengräberscene wieder entfernt: ihre Komik zwischen 
dem übrigen tieftragischen Inhalt schien anstössig, auch fehlte 
ihr die eigentliche Begründung durch Opheliens Begräbniss, und 
fĂĽnf Akte werden nun hergestellt. Durch alle drei Texte laufen 
zwei schwer begreifliche Aenderungen: das reuige Gebet des Kö- 
nigs: '0, meine That ist faul', und Hamlet's Rede: 'Jetzt könnt' 
ich's thun', kommen vor der Schauspielscene, durch welche bei 
Shakespeare des Königs Gewissensangst erst ihren Anstoss erhält. 
Sodann bekennt die sterbende Königin unter Donnerrollen ihre 
Mitwissenschaft um den Tod des ersten Gatten. Im Uebrigen 
verdient die Mühe des steten Nachbesserns desto grössere An- 
erkennung, nachdem eine mächtige Wirkung schon bei der ersten 
AuffĂĽhrung erzielt war. Brockmann, bald als Hamlet berĂĽhmt, 
hatte merkwĂĽrdigerweise den Character leichtblĂĽtig aufgefasst; 
die Scenen: 'Schwört auf mein Schwert' und: 'Geh' in ein Kloster' 
wurden von ihm mit Laune gegeben. Das Ueberraschendneue 
des Ganzen liess fĂĽrerst keinen Tadel laut werden: man begriff 
nicht gleich, wie es anders sein könne? Dagegen war Dorothea 
Ackermann, Schröder's Stiefschwester, als Ophelia vollendet; würdig 
ihr zur Seite stand das Ehepaar Reinecke als Herrscherpaar; 
Schröder's königlichschwebender Geisterschritt, der klagenddumpfe 
Klang seiner Stimme weckte das Grausen der Zuschauer. Neben 
dem Geist spielte er zeitweis den Todtengräber mit hinreissendem . 
Humor. Den Hamlet ĂĽbernahm er erst nach Brockmann's Abgang 
und gab dem Character sein volles tragisches Recht zurĂĽck; aber 
er trat auch dreimal als Laertes auf, damit zwei seiner Schau- 
spieler sich in der Hamlet-Rolle versuchen könnten, und dem Pu- 
blikum war die Entscheidung anheimgestellt, wem von den Dreien 
der Dänenprinz verbleiben solle? Die Entscheidung fiel für Schrö- 
der. — Während der ersten drei Monate wurde das Stück in 
Hamburg zwölfmal wiederholt; man sprach dort nur von Hamlet 



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— 13 — 



und Brockmann, ihn brachten die Schaubuden in Kupferstich, aul 
Schaumünzen, in getriebenem Bildwerk. Der vielbeschäftigte Dr. 
Reimarus, berühmt als Arzt, Kosmopolit und Original, hörte bei 
Krankenbesuchen von nichts Anderem reden, er wollte das Wunder 
selber sehen und fuhr zu der Vorstellung, trotz aller Gegenreden 
seines Kutschers, dem diese Laune des Herrn doch allzu seltsam 
däuehte. Als der Vorhang fiel, sagte Reimarus den Freunden, die 
voll Spannung sein Urtheil erwarteten: 'Das ist recht gut, das 
darf Euch gefallen. Aber was sprecht Ihr immer allein von Brock- 
mann? Auf den Geist seht! den Geist bewundert! Der kann 
mehr als die Andern zusammen!' — Schon im folgenden Jahre 
spielte Brockmann den Hamlet zwölfmal in Berlin und brachte die 
Schrödersche Bearbeitung dann nach Wien, wo er beim Burgtheater 
eintrat. Das StĂĽck machte unaufhaltsam seinen Weg durch Deutsch- 
land: von der Hofbühne bis zum elendesten Thespiskarren herab — 
ĂĽberall ward es aufgefĂĽhrt, und der Eindruck war kein geringerer 
bei den Kunstverständigen als bei der rohen Menge. Man hatte 
sogar Tarokkarten mit Figuren aus Hamlet. Goethe's 'Wilhelm 
Meister' erschien — er gab der allgemeinen Stimmung Ausdruck 
und gab ihr neue Nahrung. Im Jahre 1790 schreibt Reichard's 
Theaterkalender: 'Man komme nach Wien zu jeder Jahreszeit, 
man trifft gewiss sechs bis acht Hamlet-Spieler mĂĽssig am Markt.' 
Und schon vor hundert Jahren unternahm eine Frau das Kunst- 
stück, den Dänenprinzen zu spielen — die schöne Felicitas Abt. 
Aber es scheint, dass der verhängnissvolle Name Felicitas sich 
damals für solche Spielerei gleich wenig bewährte, als in unserer 
Gegenwart. Unumstösslich ist die Thatsache: Schröder's Hamlet- 
Bearbeitung — wie viel wir auch heute an ihr vermissen mögen — 
sie gewann doch mit einem Schlage fĂĽr Shakespeare das deutsche 
BĂĽrgerrecht. Auf dem festen Grunde galt es nun fortzubauen. 

Und schon nach zwei Monaten (am 26. und 27. November) 
brachte die Hamburger BĂĽhne den Othello 'mit neuen Kleidungen 
und neuen Theaterverzierungen', wie die AnkĂĽndigung lautete. 
Schröder folgte hier keinem Vorgänger; wenn er das Verständniss 
und den Muth hatte, die tragische Entwicklung ungeschwächt 
beizubehalten, so ist der RĂĽckschluss gestattet, dass Hamlet als 
König über Dänemark für Shakespeare nur den Weg ebnen sollte. 
Aber diessmal hatte der erfahrene BĂĽhnenkenner sich doch geirrt: 
sein Schritt vorwärts war zu kühn gewesen. Welche Wandlung 



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des Gefühls, des Geschmacks bei den Zuhörern! Noch vor hun- 
dert Jahren wurden auf offener Scene Enthauptungen mit täu- 
schender Wahrheit ausgefĂĽhrt; die Geister der Enthaupteten 
erschienen, ihren abgeschlagenen Kopf in der Hand tragend — 
daran fand Niemand Bedenken; und das Trauerspiel Polyeuctus, 
welches der Leipziger Dichter Cormart nach Corneille ĂĽberaus frei 
bearbeitet hatte, gab sogar folgende BĂĽhnenweisung: 

'Zwei persianische Christen werden an Pfählen oder Creutzen 
in einem angelegten Feuer aufgehängt; einer von den dabei 
stehenden Soldaten gehet hin und stösset dem einen Ge- 
kreutzigten die Partisan ins Hertze, dieser quälet sich ein 
wenig und stirbt. Hierbei werden unterschiedliche Christen 
noch umbs Leben gebracht, als einer gesteiniget, der andre 
gespiesset und ins Feuer geworfen.' 
Gegen solche Bühnenvorgänge Hesse sich der Ausgang des Othello 
fast harmlos nennen; allein die Zuschauer waren inmittelst ange- 
kränkelt von der matten Sentimentalität französischer Tragödien, 
und so erschien denn dem gedrängt vollen Hause die Katastrophe — 
Desdemona's Erwürgung — 'zu schauderhaft', sie wurde überdiess 
von Otlfello-Brockmann besonders stark aufgetragen. Die Ham- 
burger Theatergeschichte meldet zur Othello -AuffĂĽhrung: 'Ohn- 
mächten über Ohnmächten erfolgten während der Grausscenen 
dieser ersten Vorstellung des ĂĽbertragischen Trauerspiels. Die 
LogenthĂĽren klappten auf und zu, man ging davon oder ward 
nothfalls davongetragen.' Der Hamburger Senat hatte nunmehr 
das Einsehen, vor der zweiten Wiederholung zu beschliessen, dass 
dem StĂĽcke ein glĂĽckliches Ende untergeschoben werden solle, 4 ) 
und dagegen gab es keinen Widerspruch. Die AuffĂĽhrung wird 
gerĂĽhmt. Brockmann gefiel zwar in der Titelrolle weniger als 
frĂĽher, aber meisterhaft war wieder Dorothea Ackermann als Des- 
demona, ebenso der Jago Schröder's. Solche Bösewichte, denen 
das Böse Selbstzweck ist, spielte er ungern; Hess sich's nicht ver- 
meiden, dann lag ihm daran, jeden kleinen Zug hervorzuheben, 
in welchem noch eine Spur von Menschlichkeit durchblickt. MĂĽsse 
doch sonst der Zuschauer allen handelnden Personen den gesunden 
Verstand absprechen, wenn ein Schurke sie täusche, der das Siegel 
der Verworfenheit stets an der Stirn trage. Wie mag aber dem 
Jago-Schröder zu Muthe gewesen sein, als Othello und Desdemona 
auf Senatsbeschluss in liebevoller Gemüthlichkeit sich versöhnten! 



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War es diese trĂĽbe Erfahrung, welche seinem Eifer fĂĽr den 
britischen Dichter einen Hemmschuh anlegte? Fast scheint es so, 
denn erst nach zwölf Monaten (24. November 1777) wird das dritte 
ShakespearestĂĽck aufgefĂĽhrt, und zwar diessmal eine minder be- 
denkliche Komödie: Der Kaufmann von Venedig, 'mit neuer De- 
koration eines perspectivischen Kolonadenganges.' Dorothea Acker- 
mann war Porzia, Frau Schröder — Nerissa, Schröder — Shylock. 
Die Theatergeschichte bemerkt von ihm: 4 Eine treffliche Nach- 
ahmung jĂĽdischer Sitte und Benehmens, mit dem feinsten Beob- 
achtungsgeiste der Natur abgelauscht. Sprachton, Händeschlagung 
und Geberdung im Handel und Wandel hatte er sich eigen zu 
machen und zu veredeln gewusst' Schröder' s Biograph fugt hinzu: 
'Der Jude stand da, den Shakespeare sah. Mir ist kein Schau- 
spieler vorgekommen, der sich ihm genähert hätte, als der Eng- 
länder MackUn, und doch hab' ich Kemble gern gehabt.' 

Schon nach drei Wochen folgte wiederum eine Komödie: 
Mass fĂĽr Mass (15., 16. und 18. December). Hier ist die Ex- 
position geändert: der Herzog erscheint gleich als Mönch, er zog 
bereits seit vier Wochen in der Residenz unerkannt umher, er- 
mittelte Angelo's früheres Verlöbniss mit Mariana und erklärt jetzt 
erst seinem mönchischen Begleiter den Zweck seiner Verkleidung. 
Das Lied zu Anfang des IV. Aktes ist mit ĂĽberaus schwachen 
Versen vertauscht. Die sonstigen Abweichungen beschränken sich 
im Wesentlichen auf Scenen-Umstellung und Zusammenlegung: von 
den vier ersten Akten hat jeder nur eine Verwandlung, der reich- 
gruppirte Schlussakt bleibt fast unverändert. Schröder gab den 
Herzog, Dorothea Ackermann die Isabella, Frau Schröder die 
Mariana. So fand das Stück eine günstige Aufnahme und öftere 
Wiederholung. 

Das Jahr 1778 brachte drei Shakespeare -Dramen, zunächst 
(am 17. Juli) den König Lear, mit Musik von Stegmann. Schröder 
ändert, neben praktikabler Zusammenlegung einzelner Scenen, 
nicht bloss den Anfang, sondern auch das Ende. Die ganze erste 
Scene, mit der Theilung des Reiches und Kordelia's Verstossung, 
ist in gedrängte Erzählung umgewandelt; Kent berichtet diese 
Vorgänge dem Grafen Gloster. Hier entschied die Besorgniss, 
dass des Zuschauers Theilnahme für Lear beeinträchtigt werde, 
wenn er den thörichten Zorn des Königs als Augenzeuge miterlebt 
habe; zugleich sollte der scharfe Abfall zwischen väterlicher Frei- 



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gebigkeit und töchterlicher Hartherzigkeit eine Ausgleichung fin- 
den, wenn Beides nicht fast unmittelbar sich folgte. Der Schluss 
wählt einen Mittelweg, vielleicht noch im Gedanken an Othello's 
Schicksal: Lear stirbt, als er die ohnmächtige Kordelia für todt 
hält, aber diese bleibt am Leben. 

Dorothea Ackermann hatte wenige Wochen vor der AuffĂĽh- 
rung die BĂĽhne verlassen, im 26sten Lebensjahre, um sich mit 
dem Professor Unzer zu verherathen. Eine grosse KĂĽnstlerin, 
im Besitze aller innern und äussern Mittel — sobald sie auf der 
BĂĽhne stand, allein stets blieb es ihr peinlich, die Bretter zu 
betreten. Schröder beurtheilte Keinen strenger als die eigenen 
Angehörigen: auf sein Lob durften sie stolz sein; — er stellte 
Dorothea ĂĽber ihre Schwester Charlotte, und diese, welche im 
18ten Lebensjahre starb, hatte unter anderthalbhundert Rollen 
auch die Adelheid von Walldorf so glänzend gespielt, dass der 
Bruder die Leistung für das Vollkommenste erklärte, was er je 
auf irgend einer BĂĽhne gesehen. Dorotheens Shakespeare-Rollen: 
Ophelia, Porzia, Isabelle, übernahm nun Frau Schröder, und sie 
stand nicht zurück hinter ihrer grossen Vorgängerin. Als Ophelia 
sang sie die Balladenstrophen der Wahnsinnsscene nach selbst- 
erfundener Melodie in dumpfem, verstimmtem Tone; dazu das 
todtenblasse Antlitz, die starren Blicke, der zum Lächeln verzogene 
Mund, indess alle ĂĽbrigen Theile des Gesichtes von Wahnsinn 
gespannt sind — ein Gesammtbild fürchterlichster Wahrheit. 

Frau Schröder war auch jetzt Kordelia, während Schröders 
Lear aller Orten Begeisterung erweckte. Iffland wurde gefragt: 
ob er wirklich in dieser Rolle so gross gewesen sei? und erwiderte: 
4 Ja, ja! Das lässt sich gar nicht beschreiben; sehen, fühlen musste 
man es. Sein Blick entschied; wohin er den wandte, da erblindete 
man. Die Nebenspieler wagten oft kaum zu sprechen. , Als Schröder 
den Lear zum Beginn seines ersten Wiener Gastspiels wählte, 
verdross diess die Freunde Brockmann's, welcher die Rolle bis 
dahin erfolgreich gegeben hatte: ihre Stimme regte die Menge 
auf, immer lauter hetzte man gegen den anmassenden Fremden; 
es hiess, er habe das Urtheil der Wiener für nichtssagend erklärt. 
Der missgĂĽnstige Schauspieler Stephanie der jĂĽngere schĂĽrte im 
Stillen, während er offen die wärmste Freundschaft für den Gast 
zeigte. Schröder wurde von dem Fürsten Kaunitz gewarnt. 'Ich 
weiss,' sagte dieser, 'welche Gewährsmänner Ihnen zur Seite stehen, 



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ich weiss auch, dass ich denen beitreten werde; aber wer kann 
gegen das Vorurtheil aufkommen? Und hier werden Sie mit Ihren 
eigenen Waffen bekämpft: Brockmann ist Dir Schüler.' — 'Durch- 
laucht,' erwiderte Schröder verbindlich, 'etwas darf sich der Mei- 
ster immer noch vorbehalten.' — So kam die Vorstellung heran. 
Kaiser Joseph erschien, dadurch ward Anstand und Sitte gewahrt — 
aber Stille sollte bleiben, das war die Losung der zahlreichen 
Gegner. Bei dem Fluch ĂĽber Goneril applaudirte der Kaiser mit 
seiner Begleitung, die Mehrheit murrte; im II. Akt, wo Lear den 
beiden Töchtern gegenübersteht, gelang es nochmals, die steigende 
Theilnahme zu unterdrĂĽcken; aber der Sturm auf der Haide ent- 
fesselte auch den lange verhaltenen Beifallssturm, der dann Scene 
fĂĽr Scene donnernd losbrach, Freund und Feind mit sich fort- 
reissend. Dem einstimmigen Hervorruf durfte Schröder nicht folgen, ' 
weil ein kaiserlicher Befehl diesen Missbrauch abgestellt hatte. 
FĂĽrst Kaunitz sagte ihm andern Tages: 'Wer denkt an Alles? Sie 
hätten statt der Bühne meine Loge betreten können, um sich von 
dort noch einmal dem Publikum zu zeigen. Das ist nicht im Gesetz 
verboten.' — Ganz Wien feierte den gewaltigen Schauspieler. Maria 
Theresia, die Kaiserin -Königin, empfing ihn in Gegenwart ihres 
Hofstaates mit den Worten: 'Meine Gesundheit verbot mir, das 
Theater zu besuchen; aber das lass' ich mir nicht nehmen, den 
Mann kennen zu lernen, von dem meine Kinder und meine guten 
Wiener nicht genug zu erzählen wissen, und ihm Dank zu sagen.' 
Kaiser Joseph sprach ihn eine Stunde lang. — Die Darstellerin 
der Goneril war so tief erschĂĽttert, dass sie sich entschieden wei- 
gerte, den Fluch Schröder- Lear's noch einmal über sich ergehen 
zu lassen. Bei einer spätem Aufführung in Hamburg machte 
Schröder vor diesem Fluch eine lange Pause, als ob er sich erst 
sammeln mĂĽsse, um die Worte zu finden. Das Publikum war hin- 
gerissen, die Freunde rĂĽhmten diese neue tiefe Wahrheit seines 
Spiels. Lächelnd erwiderte er: 'Wenn der Schauspieler durch das 
Ganze seiner Eolle wirkt, ist der Zuschauer leicht geneigt, ihm 
auch jede Einzelheit als Verdienst auszulegen. Diessmal war nur 
Geistesgegenwart die Ursache der Pause. Ich sah die Kulisse von 
einer Kerze entzĂĽndet, und der Theatermeister stand ruhig darunter, 
er bemerkte nichts. In der Pause rief ich ihm zu: 'Esel, siehst 
Du denn nicht die umgefallene Kerze?' — Auf dem Burgtheater 
ist der Schrödersche mildere Schluss des Trauerspiels seitdem bei- 

Jahrbuch XI. • 2 



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— 18 



behalten worden, und Heinrich Laube, der alte BĂĽhnenkenner, tritt 
fĂĽr denselben ein, weil das Opfern der ehrlichen, liebenswĂĽrdigen 
Cordelia bei der Darstellung stets als Misston wirke. 

Vier Monate nach dem Lear (am 17. und 20. November) wurde 
König Richard II. aufgeführt. Schröder war Richard: er hatte 
eine alte Vorliebe fĂĽr das StĂĽck und die Rolle; seine Frau gab 
die Königin, welcher verschiedene Reden der Constanze im König 
Johann zugelegt waren, so beispielsweise die Worte aus Akt ETI, 
Scene 1, welche bei Schlegel lauten: 

'Ich will mein Leiden lehren stolz zu sein; 
Denn Gram ist stolz, er beugt den Eigner tief. 
Um mich und meines grossen Grames Staat 
Lasst Kön'ge sich versammeln; denn so gross 
Ist er, dass nur die weite, feste Erde 
Ihn stĂĽtzen kann; dm Tliron will ich besteigen, 
Ich und mein Leid; hier lasst sich Kön'ge neigen.' 
Damals waren solche Entlehnungen ein beliebtes Mittel, um die 
Wirkung zu steigern, von dem auch Dalberg in Mannheim Gebrauch 
machte. Der an sich schon bedenkliche Kunstgriff wurde aber 
noch bedenklicher, wenn das beraubte StĂĽck ebenfalls an die Reihe 
kam und dem EigenthĂĽmer die Zwangsanleihe zu erstatten blieb. 
— Dem Spiel des Schrüderschen Ehepaars spendete das Publikum 
wiederum vollen Beifall, allein die Tragödie wollte nicht gefallen. 

Schon vierzehn Tage später (2. December) folgte König Hein- 
rich IV., beide Theile zusammengezogen. Theil I bildet die vier 
ersten Akte, vielfach gekĂĽrzt und umgestellt, daneben mit Verwen- 
dung einzelner Scenen aus Theil II; die Krankheit des Königs 
wird schon hier hervorgehoben; der fĂĽnfte Akt ist dann ganz aus 
Theil II zusammengefĂĽgt, Am Schluss wendet sich der Lord Ober- 
richter zu Falstaff und seinen Gesellen mit den Worten: 

'Der grossmüthige junge König hat befohlen, Euch mit 
Allem, was Ihr braucht, zu versehen. Sieben Meilen ver- 
bannt er Euch aber so lange, bis man bessere Sitten an 
Euch sieht.' 

Falstaff und die Uebrigen blicken sich lange an, endlich sagt Fal- 
staff: 'Gute Nacht, Bauch!' und der Vorhang fällt. — Schröder 
war der biedere wohlbeleibte Ritter Hans ; eine raschgezogene rothe 
Schneckenlinie auf jeder Backe genĂĽgte, das Vollmondsgesicht zu 
schaffen, seiner Rede wusste er 'eine lallende, den Sekttrinker 



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19 — 



verrathende Feinstimmigkeit' zu geben. Die Freunde Shakespeare's 
begrĂĽssten ihn mit Jubel, von der Zuschauermenge wurde das 
Schauspiel kalt aufgenommen. Nach dem Schlüsse trat Schröder 
heraus, um die nächste Vorstellung anzukündigen, und sagte: 'In 
der Hoffnung, dass dieses Meisterwerk Shakespeare's, welches 
Sitten schildert, die von den unsrigen abweichen, immer besser 
wird verstanden werden, wird es morgen wiederholt.' Nun folgte 
wirklich eine dreimalige Wiederholung, und das StĂĽck blieb auf 
dem Repertoire, aber die Masse konnte ihm keinen Geschmack 
abgewinnen. Nur in Berlin durfte Schröder beim Gastspiel den 
Falstaff an vier auf einander folgenden Abenden geben. In Wien 
dagegen wurde das Stück — trotz seinem Falstaff — nach einer 
AuffĂĽhrung beseitigt. 

Wir wissen nicht, ob der doppelte Misserfolg — mit Richard II. 
und Heinrich IV. — die Veranlassung war, dass Schröder den 
Shakespeare eine Weile ruhen Hess. Es bleibt dabei auch zu 
erwägen, dass er ein neues Shakespeare-Drama niemals im ersten 
oder im letzten Quartal des Theaterjahrs auf die BĂĽhne brachte, 
ohne Zweifel geleitet vom Interesse sicheren, nachhaltigen Zu- 
sammenspiels. Immerhin mochte es der Ueberlegung Werth scheinen: 
welches StĂĽck jetzt folgen solle? Die entschiedenste weitgreifende 
Wirkung hatten bis dahin zwei von den fünf grossen Tragödien 
erzielt: Hamlet und Lear, beide in der Schlusskatastrophe gemil- 
dert; die dritte, Othello, war an dem grellen Ausgang gescheitert. 
Das gleiche Bedenken fĂĽr ein Publikum jener Tage zeigt Romeo 
und Julie. Der Schluss Hess sich poetisch nicht ändern, höchstens 
wieder polizeilich; und für Schröder fehlte darin die eigentlich 
tragische Rolle, er hätte wohl nur den Mercutio oder den Bruder 
Lorenzo übernehmen können. Endlich befand sich der Stoff unter 
dem nämlichen Titel schon zweimal auf dem Repertoire: zuerst als 
Trauerspiel von Christian Felix Weisse, eine selbständige Arbeit 
mit Shakespcareschen Anklängen, aber nur 8 handelnden Personen, 
dann als Singspiel von Georg Benda. So blieb noch die fĂĽnfte 
grosse Tragödie, der Macbeth, welcher, sentimentalen Bedenken 
gegenĂĽber, den Vortheil bietet, dass keine Hauptperson auf offner 
Scene stirbt, und dass der Untergang des Herrscherpaars auch ein 
zartes GemĂĽth schwerlich verletzen kann. 

Vielleicht waren solche GrĂĽnde mitbestimmend, dass nunmehr 
Macbeth auf der Hamburger BĂĽhne erschien, sieben Monate nach 

2* 



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Heinrich IV. (21. Juni 1779). Die Hexenscenen, von Eschenburg 
so geschickt ĂĽbertragen, dass Schiller in seiner Bearbeitung sie 
ohne Weiteres beibehielt, wurden gleichwohl aus BĂĽrger's Ueber- 
setzung genommen, wo dieselben, nach BĂĽrger's Art, stark-niedriger, 
vielleicht hexenmässiger gefärbt sind, und dem Brauch der eng- 
lischen Bühne entsprechend wurden sie gesungen: eine gefällige 
fliessende Komposition hatte Stegmann geliefert. Neue, gelungene 
Dekorationen erhöhten die glänzende Ausstattung. Schröder war 
Macbeth, er Hess auch hier die menschlichen Seiten des Oharacters 
zur vollen Geltung kommen, ohne dessen Kraft zu schädigen, und 
das war dem Ganzen nur förderlich. Engländer stellten ihn dem 
berühmten John Kemble nicht nach, der als Macbeth seine grössten 
Triumphe feierte. Uns erscheint das natĂĽrlich, denn, nach Ludwig 
Tieck's Urthei], stand bei Kemble die Deklamation immer im Vorder- 
grunde. Schröder's Frau gab die ganze Lad}' Macbeth — als 
Gattin, Hausfrau, Königin, wachend und schlafwandelnd, während 
ihre grosse Nebenbuhlerin in England, Kemble' s Schwester: Mrs. 
Siddons, nicht stets vergessen liess, dass man ein Schauspiel sah. 

So hatte Schröder in kaum 3 Jahren (20. September 1776 bis 
21. Juni 1779) 8 Shakespeare-Dramen auf die BĂĽhne gebracht: 
Tragödien, Komödien, Historien, aber keines der Römerdramen. 
Sein LieblingsstĂĽck, Julius Osar, wurde nur desshalb nicht vor- 
genommen, weil ihm eine vollkommene Besetzung unmöglich schien. 
Gegen den Timon erklärte er sich mit den Worten: 'Ich bin fest 
ĂĽberzeugt, dass der Character des Timon in Hamburg kein GlĂĽck 
machen wĂĽrde, und die Bearbeitung hat viele Schwierigkeiten.' 

Nach dem Macbeth liess der Bearbeiter eine dreizehnjährige 
Shakespeare -Pause folgen. Den leichtsinnig bewegten Tagen der 
Jugend waren die sorgenvoll bewegten Tage des Mannes gcgenĂĽber- 
getreten. Das Hamburger Theater wird von Schröder's Mutter 
verpachtet, er macht seine Gastspielfahrt, bleibt vier Jahre am 
Burgtheater und gibt hier auch den Cymbelin in einer Bearbeitung 
unter dem Titel: 'Imogen', welche seinem Biographen Meyer zu- 
geschrieben wird. Dann sammelt er selbst eine Gesellschaft fĂĽr 
Hamburg und beginnt dort seine Bühnenleitung 1786. Im nächsten 
Jahre lautet ein Brief: 'Meine Lage ist glĂĽcklich. Ich habe das 
beste Theater in Deutschland, bin gesund, man schätzt und liebt 
mich, ich besuche die ersten Gesellschaften. Auch kann ich Gutes 
thun und thue es redlich.' Fünfzehn Monate später heisst es: 



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'Mein Werk ist zu gross für Hamburg. Hätt' ich keine Frau, ich 
Hesse den ganzen Teufel auffliegen, so sehr hab' ich es satt.' In 
dieser Weise wechseln Fluth und Ebbe — aussen und innen. Bald 
erschwert Naclilass des Gedächtuisses dem 48jährigen Manne das 
Lernen neuer Rollen. Eine Reise wird unternommen, sie fĂĽhrt ihn 
auch nach Weimar, er verkehrt hier mit den Koryphäen der deut- 
schen Literatur, die Herzogin Anna Amalia zieht ihn in ihren Kreis. 
Dann stirbt seine hochbetagte Mutter, die Wittwe Ackermann's, 
seit 25 Jahren auf der Bühne nicht mehr thätig. Sie war die 
Freundin Wieland's und PfefFeFs; in tragischen wie in komischen 
Rollen bedeutend, Verfasserin vieler Gelegeuheitsspiele und Theater- 
reden; sie verbesserte die StĂĽcke, studirte alle Rollen ein, verstand 
jede Handarbeit, ihr Fleiss gränzte an's Unglaubliche. Welch eine 
Künstlerfamilie! Ackermann und seine Frau, die Töchter Dorothea 
und Charlotte, der Sohn Schröder und dessen Frau — alle auf den 
höchsten Stufen ihrer Kunst. Der Kreis steht einzig da, er hat 
niemals seines Gleichen gesehen! — 

Im Jahre 1792 (26. October) erschien auf der Hamburger 
Bühne Schröders letzte Shakespeare-Bearbeitung: Viel Lärmen um 
Nichts, Schauspiel in 5 AufzĂĽgen. Die Handlung war diessmal, 
um lebendigere Wirkung zu erzielen, in die Gegenwart verlegt, 
wie Schröder das liebte; und sein Personen- Verzeichuiss wird sich 
folgendennassen stellen: 6 ) 

General von Heerenberg (Don Pedro, Prinz von Arragonien). 

Hauptmann Baron von Breitenau (Benedict). 

Baron Diemen (Claudio). 

Baron Grottau (Don Juan). 

Graf Hedwig (Leonato, Statthalter von Messina). 

Gabriele, seine Tochter (Hero). 

Albertine, seine Nichte (Beatrice). 

Spach, Kammerdiener des Barons Grottau (Borach io). 

Der Dorfschulz (Holzapfel). 

Kohl, Dorfwächter (Schleewein). 
Die Zuneigung, welche Breitenau -Benedict und Albertine -Beatrice 
fĂĽr einander empfinden, wiewohl sie sich mit Spott und Witz rastlos 
bekämpfen, wird gleich zu Anfang bestimmt hervorgehoben. Bei 
der Intrigue, welche jedem Theil die Gewissheit geben soll, dass 
der andere ihn liebt, geht aber Albertine nicht in die Schlinge; 
und von der Kritik wurde diese Aenderung als besonders wirkungsvoll 



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22 — 



hervorgehoben, weil das Fräulein dadurch ein ungemeines Ueber- 
gewicht über den leichtgläubigen Breitenau erhalte, während das 
Komische ihres Characters und der Situation nur verstärkt werde. 
Breiter ausgeführt ist das Gespräch, in welchem Grottau-Don Juan 
bei Diemen-Claudio die Eifersucht stufenweise zu wecken versteht. 
Zuerst Lob der geliebten Gabriele, aber von sarkastischem Lächeln 
begleitet; dann flĂĽchtige Anspielungen auf das reizbare Tempera- 
ment der Dame; hiernächst allgemeine Bemerkungen über die 
Unzuverlässigkeit der Weiber, mit entfernter Anwendung auf die 
Person; ein bedeutendes Schweigen zur rechten Zeit — und endlich 
die sichtbare Ueberzeugung für den Betrogenen. Schröder war mit 
glĂĽcklichster Laune Breitenau -Benedict (auch Garrick's Lieblings- 
rolle); von Frau Schröder als Albertine-Beatrice wird berichtet: es 
scheine, dass sie sich zu der Rolle eine eigene Physiognomie an- 
geschafft habe, und mit Leib und Seele sei sie so völlig im Geiste 
der Aufgabe gewesen, als ob sie das Stück geschrieben hätte. Uebri- 
gens urtheilte die Kritik: Diemen- Claudio's und Gabriele -Hero's 
ernsthafte Liebesgeschichte, zwar vortrefflich ausgefĂĽhrt und mit der 
Handlung verwebt, zeige sich doch fĂĽr das Ganze nicht vortheilhaft; 
der Zuschauer werde durch Albertine und Breitenau vorwiegend 
beschäftigt, sej^e Empfänglichkeit für den ernsten Theil des Stückes 
aber werde zudem beeinträchtigt durch die glänzenden komischen 
Scenen mit dem Schulzen und seiner Wache, denn immer sei der 
Uebergang schwierig von grossem Gelächter zu grosser Rührung. 
Die Vorstellung fand jubelnden Beifall, sie wurde gleich in den 
nächsten Wochen fünfmal wiederholt. 

Schröder hat mithin überhaupt 10 Dramen Shakespeares in 
9 Stücken bearbeitet: 4 Tragödien — Hamlet, Othello, Lear, Mac- 
beth; 3 Komödien — Der Kaufmann von Venedig, Mass für Mass, 
Viel Lärmen um Nichts; 3 Historien — Richard IL, Heinrich IV., 
Ister und 2ter Theil, beide zusammengezogen. Von diesen Arbeiten 
waren nur 4 gedruckt zu ermitteln: Hamlet, Lear, Mass fĂĽr Mass, 
Heinrich IV.; 6 ) es ist wahrscheinlich, dass die ĂĽbrigen Manuscript 
blieben, sie scheinen verloren. Er ĂĽbersetzte nicht eigentlich selbst: 
Wieland oder Eschenburg wurden zu Grunde gelegt, aber er war 
des Englischen mächtig genug, um sie bühnengerecht zu verbessern. 
Die Sprache erhält durch ihn den dramatischen Ausdruck, so dass 
sie dem Schauspieler leicht vom Munde geht, dem Zuschauer leicht 
in's Ohr fällt. Den Monolog Hamlet's 'Sein oder Nichtsein' gibt 



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Wieland in breitester Nüchternheit, Eschenburg nähert sich dem 

knappen Schwung des Originals, Schröder erstrebt daneben die 

Klarheit des Vortrags durch folgende Fassung: 

'Sein oder Nichtsein, das ist also die Frage. Ist edler die 
Seele dessen, der Wurf und Pfeil des angreifenden Schick- 
sals duldet? oder dessen, der sich wider alle die Heere 
des Elends rüstet, und widerstrebend es endigt? — Sterben 
— Schlafen; weiter nichts, und mit diesem Schlaf den 
Gram unserer Seele, die unzählbaren Leiden der Natur 
endigen, die hier unser Erbtheil sind, — ist eine Vollen- 
dung, die wir mit Andacht wünschen sollten. — Sterben, 
schlafen. — Schlafen? Vielleicht auch träumen. Da, da 
liegt's! Denn was uns in diesem Todesschlafe für Träume 
kommen möchten, wenn wir nur dem Geräusch hier ent- 
ronnen sind, das verdient Erwägung. Diess ist die Rück- 
sicht, warum wir uns den Leiden des Lebens unterwerfen. 
Denn wer ertrĂĽge seine Geissein, seine Schmach, die Bos- 
heit des UnterdrĂĽckers, die Verachtung des Stolzen, die 
(Qualen verworfner Liebe, die zögernde Gerechtigkeit, den 
Uebermuth der Grossen, die Verhöhnung des leidenden Ver- 
dienstes von UnwĂĽrdigen; wenn er sich mit einem kleinen 
Messerchen in Freiheit setzen könnte; wer würde unter 
der Last eines so unheilvollen Lebens schwitzen und jam- 
mern? Aber die Ahndung von etwas nach dem Tode ver- 
wirrt die Seele, und bringt uns dahin, dass wir lieber 
die Uebel leiden, die wir kennen, als zu andern fliehen, 
die wir nicht kennen. So macht uns das Gewissen zu 
Memmen; so entnervt ein blosser Gedanke die Stärke des 
natĂĽrlichen Abscheus vor Schmerz und Elend, und die 
grossesten Unternehmungen, die wichtigsten EntwĂĽrfe, wer- 
den durch diese einzige Betrachtung in ihrem Laufe ge- 
hemmt, und von der Ausführung zurückgeschreckt.' — 

Fortgelassen ist hier, bei der Schlussredaction, die Stelle: 
'Das unentdeckte Land, von dess Bezirk 
'Kein Wandrer wiederkehrt.' 

offenbar w r egen des öfter hervorgehobenen Bedenkens: wie Hamlet 

diess aussprechen könne, nachdem er erst kurz vorher mit dem 

Geiste seines Vaters geredet? — 

Aber die gedruckten Bearbeitungen Schröders sind weder, 



. *r 



— 24 — 

was sie bei den ersten Vorstellungen waren, noch was sie bei den 
letzten wurden: fast jede Wiederholung gab dem Dichter mehr 
zurĂĽck. Die praktische Absicht der Aenderungen tritt beinah 
immer klar hervor; wo wir dieselben nicht billigen können, da 
werden wir doch erwägen, dass seiner tiefen Verehrung Shake- 
speares die Kenntniss der veränderten Büline, des veränderten 
Geschmacks gegenĂĽberstand. 

Schröder zog diesen Geschmack zu Rathe, ohne sein Sklave 
zu werden, vielmehr lag ihm an dessen Veredelung: das beweist, 
neben der EinbĂĽrgerung Shakespeares , auch die Behandlung der 
KostĂĽmfrage, welche bis dahin kaum angeregt war. Es genĂĽgte 
den Schauspielern wie den Zuschauem, wenn nur Herrscher und 
Diener, Vornehme und Geringe sich unterscheiden Hessen. Garrick 
spielte die Shakespeare-Gestalten grauer Zeit noch lange im Ge- 
sellschaftsanzug seiner Tage, dem Habit habille: dasselbe war fĂĽr 
Hamlet schwarz; für König Lear mit Pelz verbrämt, dazu ein 
Ueberwurf mit reicher Hermelineinfassung; fĂĽr Macbeth hatten Rock 
und Weste breiten Tressenbesatz, der Haarbeutel fehlte nicht, und 
neben ihm stand seine Lady, die Dolche darbietend — in unge- 
heurem aufgebauschtem Reifrock. Garrick's Zeitgenosse, der Schau- 
spieler Macklin war es, welcher hier die alte schottische Tracht 
zuerst einführte. Auch Eckhof spielte den König Canut (von 
Schlegel) im französischen Staatskleid, mit Knotenperrücke, Stern 
und Band, nebst goldbesetztem Federhut, den KrĂĽckstock ĂĽber die 
rechte Hand gehängt; und Fleck trug als Othello noch rothe 
Generals-Uniform, dazu einen dreieckigen Hut mit weissen Federn. 
Schröder gehörte zu den Ersten in Deutschland, welche Werth 
legten auf ein geschichtlich bestimmtes KostĂĽm, weil ihm die Tracht 
seiner Zeit, wo nicht gegenwärtige Zustände sie erforderten, für 
die Bühne nachtheilig erschien; allein Geschmack stand ihm höher 
dabei als peinliche Treue: seine Kleidung war stets angemessen, 
nie ĂĽberladen. FĂĽr den Lear erachtete er weder eine fabelhafte 
altbritanische, noch die spanische Tracht geeignet und wählte dess- 
halb als Ueberwurf ĂĽber dem Wamms einen echten chinesischen 
Schlafrock von schwarzer Grundfarbe, auf dieser grosse, in einander 
verwickelte Drachen. Aehnlich half er sich beim Macbeth. Und 
noch lange nach seinem Tode bewahrte die Hamburger Garderobe 
diese KostĂĽmstĂĽcke als historische DenkwĂĽrdigkeiten. *) 

Bis zum SchlĂĽsse des vorigen Jahrhunderts wurden in Deutsch- 



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— 25 — 

land, ausser den Schröder'schen Bearbeitungen, ferner folgende 
Dramen Shakespeare's aufgeführt: Julius Caesar, Coriolan, Timon — 
Die Irrungen, Der Sturm, Die bezähmte Widerspänstige, Die lustigen 
Weiber von Windsor — König Johann, König Richard III.; ein- 
zelne davon allerdings verballhornt bis zur Unkenntlichkeit. So 
hatten denn in den 25 Jahren seit der ersten Schröder'schen Hamlet- 
Aufführung bereits mehr als die Hälfte aller Shakespearestücke 
ihren Weg auf die deutsche BĂĽhne gefunden. 

Es war nicht Zufall, es war Nothwendigkeit, dass Garrick 
und Schröder, die grössten Schauspieler, für Shakespeare, den 
grössten dramatischen Dichter, in die Schranken traten; aber der 
Zufall brachte die drei Namen durch drei Jahrhunderte in eigne 
Zahlenverbindung: — 1616 starb Shakespeare — 1716 ward Gar- 
rick geboren — 1816 starb Schröder. 



Anmerkungen. 

•) Nachdem Schröder 13 Jahre lang auf eigner Scholle gewirthschaftet 
hatte, tibernahm der Siebenundsechzigjährige noch einmal die Leitung der 
Hamburger Bühne am 1. April 1811 — um schon nach Jahresfrist wieder 
zurückzutreten. Diese letzte öffentliche Thätigkeit wurde ihm verleidet theils 
durch Ungunst der Zeitverhältnisse (von den französischen Machthabern und 
ihrer Censur begegnete ihm ruhe WillkĂĽr), theils durch Ungunst des Publi- 
kums, welche nicht ohne Grund war (Schröder verschmähte es, dem Zeit- 
geschmack zu huldigen, er glaubte ihn reformiren zu können mittelst einer 
starken Anzahl von ihm selbst bearbeiteter StĂĽcke, allein sie brachten nur 
leere Häuser). So ergab der Jahresschlnss einen Schaden von etwa 60,000 Mark 
/fĂĽr den Unternehmer. (Vergl. DenkwĂĽrdigkeiten des Schauspielers, Schauspiel 
dichters und Schauspieldirectors Fr. Lud. Schmidt. Zusammengestellt und 
herausgegeben von Hermann Uhde. II, S. 1—42.) 

2 ) Singspiel in 1 Aufzug, das Original französisch von H. Sedaine, über- 
setzt von H. Faber. FĂĽr die Hamburger BĂĽhne hatte Eschenburg einige Arien 
geändert. 

*) Eduard Devrient sagt von Schröder:») 'Die komischen und bürgerlichen 
Charactere blieben seine vorzüglichsten, die Würde seiner ernsteren und höheren 



«) Geschichte der deutschen Schauspielkunst m, 191. 



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26 



Gestalten war eine mehr innerliche, denn Vornehmheit und tceltmännischer Schliß 
war seine schwächste Seite. Die Rolle des Grafen KlingsbergV z. B., die er mit 
Vorliebe, durch zwei StĂĽcke hindurch, fĂĽr sich zugerichtet hatte, die er sogar 
wählte, um vom Theater abzutreten, gehörte keineswegs zu seinen gelungensten. 
Devrient urtheilt nicht als Augenzeuge: er wurde 1801 geboren, während Schrö- 
der 1798 (30. März) zum letzten Male die Bühne betreten hatte. Insofern er- 
scheint gewichtiger eine Mittheilung des 'alten Schmidt 1 c > ans dem Munde des 
siebzigjährigen, aber überaus geistesfrisch gebliebenen Bürgermeisters Heise» 
der Schröders Jugendfreund gewesen war und ein geistvoller Mann genannt 
wird. Ich habe' — erzählte dieser — 'Schröder aufwachsen sehen. Unbedingt 
bestätige ich alles Lob, welches ihm in komischen Rollen, wie der Geizige 
u. a. m. von jeher gespendet worden ist. Nur hat er sich den vornehmen 
Anstand nie aneignen können. 1 'Das Nämliche bestätigte auch Iifland 1 — setzt 
Schmidt hinzu und bemerkt weiter: 'Auffallend — fuhr der Bürgermeister 
fort — sei in Rollen, welche solchen Anstand erforderten, die Verlegenheit 
seiner Hände gewesen; er (Heise) habe ihm daher die Uebernahme des Mari- 
nelli widerratheu, den er denn auch schnell wieder abgegeben habe. Keine 
Spur von dem abgeschliffenen Höfling sei in der Darstellung gewesen, wie- 
wohl Schröder die Rolle mit unendlichem Verstände gesprochen habe. 1 

Nun erscheint es seltsam genug, dass Schröder, der schon in seinem 19ten 
Lebensjahre mit den jungen reichen Offizieren zu Hannover auf vertrautestem 
Fusse stand, d > der von Jugend auf das glänzendste Talent der Beobachtung 
und Aneignung besass, gleichwohl nicht vermocht haben sollte, die Manieren 
vornehmen Anstands zu gewinnen. Und in der That wird das Gegentheil be- 
hauptet von zwei ebenso feinsinnigen als sachverständigen Augenzeugen ; diese 
sind: der Dramaturg Joh. Fr. Schinck und der Professor F. L. W. Meyer, 
Schröder's Biograph, welcher für dessen Schwächen keineswegs blind ist. 
Schinck beurtheilt das Lustspiel: 'Die unglĂĽckliche Ehe durch Delikatesse 1 in 
eingehendster Weise und sagt dann über Schröders) 'Graf Klingsberg, wie 
ihn Herr Schröder, als Dichter und Schauspieler, gibt, steht unter den Welt- 
leuten dieses StĂĽckes obenan. So gewandt, geschmeidig und abgeschliffen, so 
sich jedes Menschen, der ihm aufstösst, durch Auffindung seiner schwachen 
Seite sicher und unfehlbar bemächtigend; so schnell beobachtend und das Be- 
obachtete anwendend; so besonnen sich aus jeder begangenen Unbesonnenheit 
herauswickelnd; so leicht sich in jede Gattung der Konversation schmiegend; 
so gleichmĂĽthig Spott und Neckerei hinnehmend und sie auf der Stelle er- 
widernd; so kaltblütig höflich Beleidigungen ahndend; so Allen Alles, mit 
einem Worte, so in jeder Situation des Lebens zu Hause, wie Klingsberg, ist 



b ) In dem StĂĽcke: 'Der Ring, oder die unglĂĽckliche Ehe durch Delikatesse. 
Ein Lustspiel in 4 AufzĂĽgen. 1 Eine Fortsetzung des Lustspiels: Der Ring. 
Nach Farquhar's: 'Sir Harry Wildair. 1 Von Schröder. (Schröder's dramatische 
Werke, herausgegeben von E. v. BĂĽlow, IV, 169.) 

c) DenkwĂĽrdigkeiten von Fr. Ludw. Schmidt. Herausgegeben von Hermann 
Uhde, I, 249. 

<*) Fr. Ludw. Schröder. Beitrag zur Kunde des Menschen und des Künst- 
lers, von F. L. W. Meyer. I, 122. 

•) Dramaturgische Monate. Schwerin, 1790. IH, 762. 



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— 27 — 

der Menschen Keiner, die der Dichter um ihn her gruppirt hat. Er ist 

immer der Mann vun Erziehung, von feiner Bildung in Sprach' und Betragen — 
der Kavalier, der abgeschliffene Weltmann. — — Am hervorragendsten aber 
entfaltet er sich als in der Schule der Welt gebildeten Virtuosen während 
seines Abentheuers mit der Unbekannten.' Meyer bestätigt diess f > mit den 
Worten: 'Schröder als sein (iraf Klingsberg, Madame Schröder als Majorin 
Selting, Zuccarini als Major — können schwerlich übertroffen werden.' Noch 
bestimmter wird das Urtheil, wie Schröder mit vornehmem Wesen vertraut 
gewesen, von Jleyer ausgesprochen durch die Schilderung des Schröderschen 
Spiels als Lord Ogleby,«) welcher grade als vornehmer Manu dem reichen 
Emporkömmling gegenübergestellt ist. Es heisst hier:'») 'Schröder's Lord Ogleby 
erstieg, meiner Meinung nach, die höchste Stufe seiner feinkomischen Kunst. 
Ich habe ihn mit Meistern, mit dem gebĂĽhrend bewunderten King, vergleichen 
können, und bin nicht davon zurückgekommen. Es ist eine der letzten Rollen, 
die Ackermann sich entschloss zu lernen; er gab ihn mit meisterhafter Wahr- 
heit und Laune; wer nur ihn gesehn, konnte uichts vermissen. Dennoch ist 
es der einzige Character, von dem sich Schröder selbst nicht verbergen konnte, 
dass er diesen ihm über Alles werthen Vorgänger übertroffeu, und der Vor- 
gänger selbst würde für ihn entschieden haben. Denu Alles vereinigte sich, 
um in ihm das Bild eines liebenswürdigen und lächerlichen, geistreichen, ge- 
bildeten und eitlen Mannes vom Staude, vollendet hervortreten zu lassen. 
Wer aus dieser Darstellung keine Menschenkenntniss zurĂĽckbrachte, dem wĂĽrde 
sie keine Lehrstunde der Schule, keine Erfahrung der Wirklichkeit verliehen 
haben.' — Als Bestätigung sagt Schinck:0 'Schröder's Lord Ogleby ist ein 
'wahrer Triumph der Darstellung, da geht auch nicht der kleinste Zug verloren. 
Glänzender kann der Schauspieler nicht mit dem Dichter um die Palme ringen.' 

Ueber Schröder's Marinelli berichtet 31eyer Folgendes : k > 'Er hatte sich den 
Angelo zugetheilt, alle Schauspieler und näheren Schauspielfreuude riefen ihn 
zum Marineiii aus. Er gab nach und gefiel anfangs. Nur eine Tonangcberin 
erlaubte sich das Urtheil: 'Marinelli ist Schröders Sache nicht!' und fand Nach- 
beter. Schröder erfuhr es. Emilia tialotti war am 15. May (1772) zuerst ge- 
geben, am 19. und 25. bei nicht vollem Hause, am 16. Junius bei leerem wieder- 
holt. Das hielt der bescheidene Mann, zu Bodens 1 ) und anderer Kenner grossem 
Aerger, für einen deutlichen Wink, übernahm Möller's Angelo und gab diesem 
den Marinelli. Möller ging ungern daran, bot seine ganze Kraft auf, nutzte 
Schröder's Unterricht und gefiel am 18. August dennoch nicht. Schröder's 
Angelo desto mehr. Als nach beträchtlicher Zeit Berlin, Wien, München, 



^ F. L. Schröder. IT a, 39. 

In dem StĂĽcke: 'Die heimliche lleirath. Ein Lustspiel in 5 AufzĂĽgen. 
Nach Colman's und (iarrick's: CJandcstiuc Marriagc. Von Schröder.' (Schröder's 
Dram. Werke, herausg. von E. v. BĂĽlow. I, 1.) 

b) F. L. Schröder. I, 2H5. 

j> Dramaturgische Monate. II, 467. 

fc) F. L. Schröder. I, 230. 234. 

D Johann Joachim Christoph Bode, geb. 1730, der bekannte Literat und 
Uebersetzer, mit Lessing befreundet, starb als Darmstädtischer Geheimer Rath 
in Weimar 1793. 



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— 28 — 



Mannheim und das übrige Deutschland Schröder für einen tragischen Schau- 
spieler erklärt und in Hamburg Glauben gefunden hatten, drang eben diese 
Tonangeberin dem KĂĽnstler ihre Bewunderung auf. 'Gleichwohl', erwiderte 
dieser, 'wĂĽrde ich jetzt den Marinelli um kein Haar breit anders spielen als 
vor zehn Jahren. Auch der, den es Ihnen damals beliebte, so hoch ĂĽber, jetzt 
so tief unter mir zu erblicken, ist noch der er war. Nicht wir haben unsere 
Fertigkeit, Sie haben Ihre Ansicht verändert. 1 — — Schröder'n begünstigte 
seine Gestalt, seine vollendete Declamation, die Gewalt über jede seiner Be» 
wegungen, mit Bedeutung aufzutreten ohne anspruchsvoll, mit körperlicher 
Ausbildung ohne geziert zu erscheinen, und Sicherheit und Gewandtheit des 
Benehmens zu verbinden. Er schmĂĽckte Marinelli's Verworfenheit nicht, aber 

er war weit entfernt sie zu ĂĽbertreiben. Ein doppelter geschmackvoller 

und reicher Anzug vollendete die Erscheinung.' — 

Was Iffland's angebliches Urtheil über Schröder betrifft, so darf nicht un- 
erwogen bleiben, dass das Vcrhältniss zwischen Beiden ein eigenthümliches 
war: äusserlich durchaus freundschaftlich; dabei aber hatte Iffland, dem grös- 
â– ern Meister gegenĂĽber, ein GefĂĽhl, welches sich aus Scheu und Neid zusammen- 
setzte ; Schröder hingegen sah bei jenem die Anfänge des Virtuosenthums, ge- 
fördert durch rastloses Gastspiel, er erkannte, wie die wahre schlichte Kunst 
bereits von geistvoller KĂĽnstelei untergraben wurde, und diese Erkenntniss 
entlockte ihm das Wort: 1 ") 'Ich begreife endlich, dass so etwas gefällt; aber 
ich begreife nicht mehr, wie ich habe gefallen können.' — So war der Beweg- 
grund zur Verstimmung bei Schröder mehr ein sachlicher, allgemeiner, bei 
Iffland mehr ein persönlicher, egoistischer. Wenn übrigens dieser an jenem 
wirklich den vornehmen Anstand vermisst hat, so verhielt sich das umgekehrt 
ganz ebenso. Schröder schreibt an Karl August Böttiger (Hamburg d. 11. Mai 
1796): 'Haben Sie im Grafen Wodmar den Mann, der in Wien Minister sein 
konnte, gefunden? Gewiss nicht. Wäre der Graf ein braver Schneidermeister, 
Iffland würde ihn um kein Haar anders repräsentirt haben.' n ) Die Ifflandsche 
Competenz zur Beurtheilung der Schröderschen Vornehmheit erscheint min- 
destens nicht zweifellos. 

Devrient schildert Schröder's Aeusseres also : °) 'Die nicht grade edlen Züge, 
das mehr als unbedeutende Auge verriethen wenig von dem Geiste, der darin 
wohnte.' — Schmidt sagt aus eigner Anschauung :p) 'Seine Kleidung glich der 

eines Landmanns eine höchst edle Gestalt bewegte sich in dieser Tracht. 

Schröder's Grösse war die eines vollkommenen Mannes, seine Gesichtszüge in 
schönstem Verhältniss; die Augen blau, etwas klein, aber höchst bedeutend; 
der Blick scharf.' — Uebereinstimmend bemerkt Meyer Sein Kopf war edel 
geformt, und das Gesicht hatte einen unverkennbaren Ausdruck von Ruhe, 
Scharfsinn und Wohlwollen. Ein feineres Profil ist mir selten vorgekommen.' 



») F. L. Schröder, von Mover, n a, 167. 

n) Fr. L. Schröder in seinen Briefen an K. A. Böttiger (1794—1816) von 
Herrn. Wide. (Fr. v. Raumer's Histor. Taschenbuch. Neue Folge von HĂĽhl. 
Jahrg. 1875.) 

°) Gesch. d. deutschen Schauspielk. HJ, 190. 

p) DenkwĂĽrdigkeiten, I, 164. 
F. L. Schröder, U a, 349. 



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— 29 — 



Diese ausfĂĽhrlicheren Angaben schienen mir nothwendig, weil Eduard De- 
vrient's Buch weit verbreitet ist, während die Quellenschriften nicht so allge- 
mein zugänglich sind. 

4 ) So berichtet Ludw. Brünier: Fr. Ludw. Schröder. Ein Künstler- u. 
Lebensbild. S. 211. 

5 ) Nach den Andeutungen der gleichzeitigen Theaterkritik. 

6 ) lieber die Shakespeare -Bearbeitungen Schröders, welche gedruckt zu 
ermitteln waren, folgenden Nachweis: 

1. Hamlet — a, in ß Aufzügen — s. Schröders dramatische Werke, her- 

ansg. von E. v. BĂĽlow. IV, S. 279. Auch Einzeldrucke 
finden sich. 

b, in 5 Aufzügen — s. Hamburgisciies Theater, 4 Bde. Ham- 
burg 1776-1781, m, S. 1. 

2. Mass für Mass — s. Sammlung von Schauspielen für's Haraburgische 

Theater. Herausgegeben von Schröder. 4 Bde. Schwerin 
und Wismar 1790—1794. I, S. 1. 

3. König Lear — s. Hamburgisches Theater, wie vor (1 b ). IV. S. 1. 

(Auch Einzeldrucke.) 

4. Heinrich IV. Ein Schauspiel in fĂĽnf AufzĂĽgen. Nach Shakespeare fĂĽr's 

deutsche Theater eingerichtet, von Schröder. Aufgeführt, im 
k. k. National -Hof- Theater. Wien, bei Joseph Edler von 
Kurzbeck. 1782. 

So berichtet August Lewald. (Ein Menschenleben, V, S. 245, 249, 255.) 



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Bericht 



ĂĽber die Jahresversammlung zu Weimar 

am 23. April 1875. 



In Abwesenheit des Herrn Präsidenten Professor Dr. Ulrici 
wurde die elfte Jahresversammlung der Deutschen Shakespeare- 
Gesellschaft vom Herrn Vice-Präsidenten Geheimen Commerzienrath 
Oechelhäuser eröffnet und geleitet. Aus den einleitenden Mitthei- 
lungen desselben ergab sich, dass sowohl die Mitgliederzahl als 
auch der Absatz des Jahrbuches nicht unerheblich gestiegen, und 
der Stand der Gesellschafts-Angelegenheiten ĂĽberhaupt ein befrie- 
digender ist. Der darauf folgende Festvortrag des Herrn Prei- 
herm Vincke über 'Shakespeare und Schröder' fand den allgemeinen 
Beifall der zahlreich versammelten Zuhörerschaft. Nachdem sodann 
der Rechnungs - Abschluss fĂĽr das abgelaufene Jahr in Statuten- 
massiger Weise vorgelegt und erledigt worden war, schritt die 
Versammlung zur Ergänzung und Constituirnng des Vorstandes. 
Die Herren Professor Dr. Ulrici und Oberhofmarschall Freiherr 
von Friesen, Exe, hatten nämlich andauernder Kränklichkeit halber 
ihr Ausscheiden aus dem Vorstande erklärt und eine eventuelle 
Wiederwahl im Voraus abgelehnt. Um den GefĂĽhlen dankbarer 
Hochschätzung gegen diese beiden hochverdienten Vorstands-Mit- 
glieder Ausdruck zu geben, wurde daher den Vorschlägen des Vor- 
standes entsprechend der erstere zum Ehrenpräsidenten, der zweite 
zum Ehrenmitgliede des Vorstandes erwählt, während die entstan- 
dene Lücke durch die Wahl des Herrn Universitätsrichters Dr. 
Thümmel in Halle ausgefüllt wurde. Zum zweiten Vicepräsidenten 



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— 31 — 

wurde Herr Generalintendant Freiherr von Loen ernannt, und den 
beiden Herren Vicepräsidenten bis zur eventuellen Wahl eines neuen 
Präsidenten die Geschäftsführung übertragen. Schliesslich wurde 
beschlossen, dass die nächste Jahresversammlung in Weimar ab- 
gehalten werden soll, und der zehnte Band des Jahrbuches wurde 
den anwesenden Mitgliedern ausgehändigt. 



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Sbakespeare's Coriolanus in seinem Verhältniss 
zum Coriolanus des Plutarch. 

Von 

IV- Delius. 



Das Studium der sogenannten 'Quellen des Shakespeare', lange 
Zeit auf die engern Kreise der Fachgenossen beschränkt, hat all- 
mählig die Aufmerksamkeit des grössern Publicums auf sich ge- 
zogen, seitdem auch die weniger zunftgemässe, exoterische Kritik 
häufiger und systematischer, als fi'üher der Fall war, auf diese 
Seite der Shakespeare-Forschung hingewiesen hat. Ein populäres 
Interesse durfte in der That dieser Gegenstand um so eher in An- 
spruch nehmen, als es sich ja dabei nicht um eine bloss ästhetische 
oder literarhistorische Frage handelte, sondern zugleich um eine 
Rechtsfrage, um die Frage des Eigenthumsrechtes nämlich, das 
unserm Dichter an seinen eignen Werken verbleibt, wenn wir das 
von ihm anderswoher Entlehnte den nachgewiesenen ursprĂĽnglichen 
und rechtmässigen Besitzern zurückerstatten oder in Anrechnung 
bringen müssen. An die Erörterung dieser ersten materiellen juri- 
stischen Frage wĂĽrde sich dann die fĂĽr eine unparteiische WĂĽrdi- 
gung Shakespeare's tiefer eingreifende ideelle Erwägung anschliessen, 
wie viel oder wie wenig von seinem Dichterruhm er an die Vor- 
gänger, d. h. an die Verfasser seiner 'Quellen', abzutreten oder mit 
ihnen zu theilen hätte. Da will es uns denn bedünken, als ob eine 
zu einseitig gehandhabte Erörterung jener ersten materiellen Rechts- 
frage, gestĂĽtzt auf die BemĂĽhung, das Mein und Dein zwischen 
Shakespeare und seinen Vorgängern festzustellen, nicht selten zu 
einer Verdunkelung jener nicht minder wichtigen zweiten Frage 
gefĂĽhrt habe und noch fĂĽhre. Je eifriger man die Quellen des 



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— 33 — 



Shakespeare studirt und jede fĂĽr sich betrachtet in ihren Ent- 
wĂĽrfen wie in ihren Einzelnheiten mit den entsprechenden Ent- 
wĂĽrfen und Einzelnheiten der Shakespeareschen Dramen zusammen- 
stellte, desto bedenklicher schien da, den gehäuften Resultaten 
dieser Parallelen gegenüber, unseres Dichters Originalität in ihrem 
traditionellen Ansehen gefährdet, desto häufiger seine Erfindung, 
seine Charakteristik, ja am Ende seine ganze dramatische Kunst 
nicht mehr ausschliesslich ihm selber angehörig, sondern zu gutem 
Theil ein fremdes Verdienst zu sein. 

Dass eine solche, durch den blendenden Anschein augenfäl- 
liger Aehnlichkeiten irregeleitete, an der Oberfläche des Stoffes 
haftende Auffassung dem Genius Shakespeare's in keiner Weise 
gerecht zu werden vermochte, das habe ich bereits an einem ecla- 
tanten Beispiel nachzuweisen gesucht in meiner Abhandlung ĂĽber 
Lodgc's Rosalynde and Shakespeare's As You IAke It (Jahrbuch 
VI, S. 226—249). Wenn in irgend einem Falle von einer weit- 
gehenden Benutzung seiner Quelle durch Shakespeare die Rede sein 
konnte, so war es in diesem Falle der damals so berĂĽhmten und 
beliebten Novelle von Thomas Lodge, die mit allen ihren Personen 
und Begebenheiten in das Shakespearesche Drama hinĂĽbergenommen 
zu sein schien. Einem oberflächlichen Blicke mochten die einzelnen 
Scenen des Drama's in ihrem Fortgange als eben so viele drama- 
tisirte Capitel der Novelle in entsprechender Reihenfolge erscheinen, 
und es mochte demgemäss für Shakespeare an diesem Werke wie 
ein verhältnissmässig geringerer Antheil schöpferischer Arbeit, so 
auch ein geringeres Mass poetischen Verdienstes sich ergeben. 
Und doch hat eine tiefer eindringende vergleichende Analyse der 
Novelle und des Drama's in ĂĽberzeugender Weise den Beweis ge- 
liefert, dass As You Lilie It in demselben eminenten Sinne Shake- 
speare's ureigenstes, ihm ausschliesslich angehörendes Werk ist wie 
irgend ein anderes seiner Dramen, bei dem sich materielle Entleh- 
nungen entweder gar nicht oder doch nur in geringerem Umfange 
nachweisen Hessen. 

Der in jener Abhandlung gemachte Versuch, das Verhältniss 
Shakespeare's zu seinen Quellen in das rechte Licht zu stellen, 
soll nunmehr an einem andern Drama wiederholt werden, bei welchem 
ebenfalls der Schein einer massenhaften Entlehnung eines unserm 
Dichter vorliegenden Stoffes ähnliche Fehlschlüsse des Urtheils über 
seine eigne geistige Productivität und Originalität veranlassen könnte. 

Jahrbuch XI. 3 



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- 34 - 

Es ist bekannt, dass Shakespearee sich bei der Dichtung seiner 
drei Römerdramen auf die einzige Quelle der Biographieen des Plu- 
tarch in Thomas North's englischer Uebersetzung angewiesen sah. 
Die Art und Weise, wie er sich im Ganzen und Grossen an sein 
historisches Original gehalten hat und demselben auch in dessen 
Einzelnheiten, sogar mit wörtlicher Benutzung, vielfach gefolgt ist, 
könnte auch hier bei dem Leser, der in den grössern Ausgaben 
der Werke Shakespeare's die einzelnen Scenen der Römerdramen 
mit so vielen entsprechenden Parallelstellen aus dem Plutarch be- 
gleitet sieht, leicht die Meinung erwecken, dass wir in diesen Schau- 
spielen wesentlich jene Biographieen dramatisirt, aus Plutarchischer 
Prosa in Shakespearesche Verse ĂĽbertragen, vor uns haben. Solcher 
irrigen Auffassung gegenüber erscheint es angemessen* zunächst an 
einem dieser Römerdramen, an Coriolanus, die Probe einer ähnlichen 
vergleichenden Analyse wie frĂĽher an As You Like It anzustellen 
und daraus das Resultat zu gewinnen, dass Shakespeare auch hier 
bei der scheinbar reichlichsten Ausbeutung seines Originals in der 
That, um ein wirkliches Drama zu gestalten, Alles neu zu schaffen 
hatte: das Scenarium, die CJiarakteristik und die Sprache. 

Von diesen drei Punkten, welche unsere Betrachtung in's Auge 
zu fassen hat, untersuchen wir zunächst den ersten, indem wir zur 
Vergleichung mit dem Shakespeareschen Scenarium des Coriolanus 
das entsprechende Scenarium Plutarch's, d. i. eine kurzgefasste In- 
haltsübersicht seiner Biographie geben. Zur Erleichterung späterer 
Bezugnahme auf dieselbe, bezeichnen wir, da in der North'schen 
Uebersetzung jede Capiteleintheilung fehlt, die einzelnen Daten, wie 
sie sich uns aus einer cursorischen LeetĂĽre ergeben, mit Nummern. 

1) Abstammung und Geschlecht des Marcius ; seine Erziehung 
und Charakterentwicklung; seine ersten Waffenthaten im Kriege 
gegen Tarquinius Superbus; seine Hingebung an seine Mutter. 

2) Aufruhr in Rom wegen des Wuchers und der Schuldgesetze; 
Auszug der Plebejer auf den Möns Sacer; Menenius Agrippa als 
Fabelerzähler; Einsetzung der Volkstribunen. 

3) Kampf um Corioli; Besiegung der Volsker; Vertheilung der 
Beute; Marcius erhält den Beinamen Coriolanus. 

4) Aufruhr in Rom wegen der Hungersnoth ; Marcius als Volks- 
feind; sein Einfall in das Gebiet von Antium; seine RĂĽckkehr mit 
reicher Beute. 

5) Marcius' Bewerbung um das Consulat; Wankelmuth der 



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— 35 — 

Plebejer, die seiner Wahl erst zustimmen und nachher abhold sind; 
Marcius' Ansehen bei den jungen Patri eiern, die sich um ihn 
schaaren. 

6) Verhandlungen wegen der Kornvertheilung; Coriolanus gegen 
dieselbe und für die Abschaffung der Tribunen; sein thätlicher 
Widerstand gegen die Aedilen; Coriolanus erst zum Tode verurtheilt, 
dann vor Gericht gestellt, endlich verbannt; Jubel des Volkes bei 
Coriolan's Verbannung. 

7) Coriolanus in Antium bei Tullus Aufidius; Zwiespalt in 

Rom; Vertreibung der ansässigen Volsker aus Rom; Kriegsrüstung f- f 
der Volsker gegen Rom unter Aufidius und Coriolanus. • 

8) Coriolanus verwüstet das Römische Gebiet, belagert und 
erobert die Städte der Provinz; die Plebejer in Rom für die Zurück- 
berufung des Coriolanus, der Senat dagegen. 

9) Coriolanus vor Rom ; Gesandtschaft an ihn, der er Friedens- 
bedingungen macht mit dreissigtägiger Frist; mittlerweile räumt 
er das Römische Gebiet und geräth bei den Volskern in den Ver- • 
dacht des Hochverraths. ^ -u***«m 

10) Coriolanus nach Ablauf der Frist mit den Volskern aber- 
mals vor Rom; zweite vergebliche Gesandtschaft an ihn; steigende 
Noth und Bedrängniss in der Stadt. 

11) Valeria, Publicola's Schwester, von Römischen Matronen 
begleitet, beredet Coriolan's Mutter und Gattin, mit ihnen vereint 
in's Volskische Lager zu gehen; Anrede der Volumnia an ihren 
Sohn; Coriolanus erhört sie und zieht mit dem Heere fort von Rom; 
Freudenbezeugungen in der Stadt. t ; 

12) Tullus Aufidius, neidisch auf Coriolan's Ansehn, stiftet in » . 
Antium eine Verschwörung gegen ihn an. Als Coriolan sich in der 

dortigen Volksversammlung rechtfertigen will, fallen die Verschwo- r i \ 
renen über ihn her und tödten ihn. Seine ehrenvolle Bestattung; M 
Trauer der Volsker und der Römer um seinen Tod. 

In diesem Inhaltsverzeichniss sind, als dem Plane der Bio- 
graphie fremd, sowohl die moralischen Nutzanwendungen ĂĽbergangen, 
in denen Plutarch's lehrhafte Manier sich gefällt, als auch diejenigen 
antiquarischen Excurse, die der Autor gelegentlich einzufĂĽgen liebt, 
wie z. B. über die Anwendung der Beinamen bei den Römern, über 
Traumdeutungen und Prodigien u. s. w. Shakespeare konnte selbst- 
verständlich von solchen Horsd'ceuvres keinen Gebrauch machen, 
am so weniger, als er fĂĽr seinen dramatischen Zweck von dem 

3* 



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biographischen Ballast, mit welchem Plutarch sein Werk ĂĽberladen, 
ohnehin genug ĂĽber Bord zu werfen hatte. Sehen wir denn nach 
Massgabe der oben rubricirten und numerirten Inhaltsanzeige zu, 
welche von diesen Nummern unser Dichter fĂĽr sein Scenarium ĂĽber- 
haupt verwerthen konnte und in welcher Reihenfolge er sie ver- 
werthet hat. 

Die unter 1) zusammengestellten Notizen hat Shakespeare nicht 
in der ziemlich willkĂĽrlichen Fassung, wie Plutarch sie ihm darbot, 
an einer und derselben Stelle seines Schauspiels wiederholt, sondern 
die Einzelnheiten an verschiedene Personen in verschiedenen Scenen 
vertheilt und sie erst so dem lebendigen Organismus seines Dramas 
u^pak einverleibt. Die Notizen von dem patricischen Trotz und Stolz des 
Marcius den Plebejern gegenĂĽber werden ebenso wie die von seiner 
kriegerischen TĂĽchtigkeit den beiden BĂĽrgern in den Mund gelegt, 
welche als die WortfĂĽhrer des Aufstandes unser Drama in der 
ersten Scene eröffnen. Ebendaselbst ist auch von der Hingebung 
des Marcius an seine Mutter die Rede, und damit wird ein Motiv 
gewonnen, uns die Volumnia (A. 1, Sc. 3) in ihrer einfach republi- 
canischen Häuslichkeit zu zeigen. Was Plutarch im Eingang der 
Biographie von den ersten Waffenthaten des Marcius berichtet, 
das stellt bei Shakespeare Volumnia's Mutterstolz als das Ergebniss 
ihrer consequenten Erziehungskunst hin. Auf das weitere Detail 

* (J "V .* . \ 

dieser Notizen geht dann (A. 2, Sc. 2) Cominius in seiner Lobrede 
auf den Coriolan ein. Was Plutarch endlich von dem Adel des 
Geschlechtes der Marcier und von berĂĽhmten Mitgliedern dieses 
patricischen Hauses erzählt, das wird von dem Dichter dem Tri- 
bunen Brutus (A. 2, Sc. 3) in den Mund gelegt,, zur Rechtfertigung 
einer Ernennung des Coriolan zum Consul. 

In Plutarch's Darstellung ist 3), d. h. der Kampf um Corioli, 
eingeschoben zwischen 2) und 4), d. h. zwischen zwei verschiedene 
Aufstände der Plebejer in Rom: einen wegen der drückenden Schuld- 
gesetze, an den sich der Auszug auf den Möns Sacer anschliesst, 
und einen zweiten Aufruhr wegen der Hungersnoth, in welchem 
Marcius als Bekämpfer der plebejischen Forderungen auftritt. Un- 
mittelbar an diesen letztern innern Conftict reiht sich dann ein 
zweiter Feldzug gegen die Volsker, ein Einfall der Römer unter 
Marcius' FĂĽhrung in das Gebiet von Antium. Shakespeare hat 
nun im Interesse der dramatischen Einheit und Klarheit beide Auf- 
stände in einen einzigen zusammengezogen ; er hat ferner den Auszug 



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der Plebejer und den zweiten Feldzug unterdrückt, und demgemäss 
den Menenius Agrippa als Beschwiebtiger des Volks, aus 2), in 
unmittelbare gegensätzliche Verbindung mit Marcius, aus 4), als 
Bekämpfer der populären Forderungen gebracht. Die Einsetzung 
der Volkstribunen, welche Plutarch als eine Folge der Verhand- 
lungen des Menenius mit den ausgewanderten Plebejern darstellt, 
fasst Shakespeare als ein gleichzeitiges, aber davon unabhängiges 
Factum auf, von welchem, als ausserhalb der Coriolanischen Tra- 
gödie liegend, nur berichtet wird, und zwar, characteristisch genug, 
durch den Mund des Coriolanus selbst an den Menenius Agrippa. — 
Shakespeare's A. 1, Sc. 1 ist also aus Plutarch's 1), 2) und 4) 
combinirt, wie Shakespeare's A. 2, Sc. 4—10 dem 3) bei Plutarch 
entspricht. Nichts Entsprechendes im Plutarch fand dagegen unser 
Dichter für A. 1, Sc. 2 und A. 1, Sc. 3. Er lässt hier schon Per- 
sonen auftreten, die als bedeutend in den ferneren Gang der 
Handlung eingreifend, dem Zuschauer zeitig vorgefĂĽhrt werden 
müssen, während Plutarch in Ermangelung eines dramatischen Cal- 
cüls oder Interesses dieselben Figuren dem Leser erst viel später 
vorfĂĽhrt. Nach Shakespeare's wohlbedachtem Plan soll der Anta- 
gonismus des Coriolan und des Aufidius sich durch das ganze 
Drama hindurchziehen und zur Anschauung gebracht werden. Er 
lässt deshalb den letztern als Anführer der Volsker schon A. 1, 
Sc. 2 in voller kriegerischer Thätigkeit erscheinen und an den 
Kämpfen um Corioli sich persönlich, sogar im wiederholten Zwei- 
kampf mit Coriolanus, betheiligen. Plutarch dagegen erwähnt den 
Aufidius als einen angesehenen Mann in Antium erst in 7), als 
Coriolanus in der Verbannung ihn aufsucht, und spricht beiläufig 
erst bei dieser Gelegenheit von den wiederholten feindlichen Be- 
gegnungen, welche früher zwischen Beiden stattgefunden hätten. — 
Ebenso anticipirt in A. 1, Sc. 3 unser Dichter das Auftreten der 
Valeria, der Schwester des Publicola, die bei Plutarch erst in 11) 
erscheint, wo sie Coriolan's Mutter und Gattin beredet, mit ihr 
in das Lager der Volsker zu ziehen. Indem Shakespeare im dra- 
matischen Interesse bei diesem letztern Vorgange der Valeria nur 
eine secundäre Rolle, der Volumnia aber die der Mutter seines Helden 
uaturgemäss gebührende Hauptrolle zuertheilte, mochte er sich um 
so eher veranlasst sehen, möglichst bald auf eine zwischen den 
beiden Römischen Matronen bestehende Freundschaft, die Plutarch 
nicht kennt, hinzuweisen. 



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Eine noch bedeutsamere Anticipation von Seiten des Dichters 
ist in Betreff der beiden Tribunen und ihrer Stellung gegen den 
Coriolan zu constatiren. Ihre Ernennung wird freilich bei Plutarch 
bereits in 2) erwähnt, aber von ihrer Beeinflussung der Plebejer, 
um Coriolan's Consulatswahl wieder rückgängig zu machen, finden 
wir bei dem Biographen keine Spur. Wenn die Plebejer dem Co- 
riolan ihre Stimmen zuerst geben und nachher wieder entziehen, 
so erscheint das bei Plutarch lediglich als plebejischer Wankelmuth 
ohne alle Einwirkun'g von Seiten der Tribunen, die erst da thätig 
eingreifen, wo Coriolan unmittelbar ihre eigne Autorität zu gefähr- 
den sich anschickt. Shakespeare, indem er schon am SchlĂĽsse von 
A. 2, Sc. 1 die Tribunen die ihnen von jener Seite her drohende 
Gefahr in's Auge fassen und am SchlĂĽsse von A. 2, Sc. 3 ihre vor- 
beugenden Massregeln dagegen ergreifen Hess, brachte in sein 
Drama einen pragmatischen Causalnexus, zu dem ihm Plutarch 
keinerlei Handhabe bot. 

Zwischen Coriolan's fehlgeschlagene Consulatsbewerbung und 
seine Verbannung schiebt Plutarch in 6) ein neues Moment ein, 
welches Shakespeare als lästige Wiederholung einer schon früher 
verhandelten Frage und als eine ungeschickte Störung seines dra- 
matischen Planes wohlweislich beseitigt hat. Die Ankunft grosser 
Kornvorräthe in Rom, die gerade zu der Zeit erfolgt, giebt die 
Veranlassung zu neuen Senatsverhandlungen ĂĽber Getreideverthei- 
lung, an denen Coriolan sich denn abermals im volksfeindlichen 
Sinne betheiligt. Aus der Rede, welche laut Plutarch's Erzählung 
Coriolan bei dieser Gelegenheit im Senate hielt, hat unser Dichter 
Manches als charakteristisch für seinen Helden gebrauchen können 
und theilweise wörtlich aus Plutarch's wörtlicher Mittheilung ent- 
lehnt; aber Shakespeare lässt seinen Coriolan die betreffenden Worte 
nur in retrospectivem Sinne sprechen, zur Vertheidigung seines 
frĂĽheren Verhaltens in dieser Angelegenheit gegen die erst jetzt 
desshalb vorgebrachten Anklagen der Tribunen. Wir sehen auch 
hier wieder, wie Shakespeare in den Verlauf der Ereignisse einen 
Zusammenhang bringt, der bei Plutarch gänzlich vermisst wird: 
Coriolan soll in der Meinung seiner patricischen Standesgenossen 
fĂĽr seine Heldenthaten im Volskerkriege mit dem Consulat belohnt 
werden. Li derselben Meinung stimmen die Plebejer bei und wider- 
rufen ihre Beistimmung erst in Folge der Einwände und Vorstel- 
lungen ihrer Tribunen, die von einem solchen Consul die Vernichtung 



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oder doch die VerkĂĽmmerung ihres tribunicischen Ansehens be- 
sorgen. Coriolan, durch die erlittene Kränkung gereizt, kehrt den 
angeborenen, bisher mĂĽhsam zurĂĽckgehaltenen Stolz und Trotz 
wieder heraus, lässt seiner Leidenschaft im Hasse und in der Ver- 
achtung seiner Gegner in masslosen Reden den ZĂĽgel schiessen 
und bietet damit den Tribunen den willkommensten Anlass, die 
Verwerfung seiner Consulatswahl zu rechtfertigen und ihn selber 
förmlich in Anklagestand zu versetzen. Da haben wir also eine 
festgeschlossene Reihe von Verbindungsgliedern, welche Shakespeare 
erst in die zusammenhangslose Berichterstattung des Plutarch 
hineinzutragen hatte. 

Wenn wir die ĂĽber Coriolan hereinbrechende Katastrophe seiner 
Verbannung in den parallel laufenden Darstellungen bei Plutarch 
in 6) und bei Shakespeare (A. 3, Sc. 3) vergleichen, so finden wir 
bei Letzterem zwei Punkte nur angedeutet, die in der Plutarchi- 
schen Erzählung ihr volles Licht erhalten. Der Tribun Sicinius 
fragt zu Anfang der genannten Scene den Aedilen, ob er die 
dem Coriolan ungĂĽnstigen Stimmen der Plebejer nach Tribus ge- 
sammelt habe. Weiche Bewandtniss es mit dieser Abstimmung 
nach Tribus im Gegensatz zu der Abstimmung nach Centurien hatte, 
und aus welchem Grunde der Tribun die erstere vorzog, das hat 
Shakespeare für sein Publikum unerklärt gelassen, obwohl er die 
Sache selbst bei Plutarch ausführlich besprochen fand. — Ebenso 
figurirt unter den Anklagen, die gegen Coriolan vorgebracht werden 
sollen, die Nichtvertheilung der den Antiaten abgenommenen Beute 
— eine Hindeutung auf jenen Einfall in's Antiatische Gebiet, von 
dem Plutarch unter 4) berichtet, von dem Shakespeare aber nichts 
weiss. Wir sehen auch hier wieder die völlige Freiheit und Un- 
befangenheit, welche unser Dichter seiner Quelle gegenĂĽber sich 
bewahrt: nämlich gelegentlich da, wo es seinem höhern dramatischen 
Zwecke passt, in flĂĽchtiger Hindeutung Plutarchische Thatsachen 
anzustreifen, welche in ausfĂĽhrlicher Auseinandersetzung seinem 
Schauspiel einzuverleiben, ohne eine lästige Hemmung des rasch- 
fortschreitenden Ganges seiner einheitlichen Handlung ihm kaum 
thunlich erscheinen mochte. 

Plutarch lässt 7) unmittelbar auf 6), d. h. Coriolan's Erschei- 
nung in Antium auf seine Verbannung aus Rom folgen. Bei Shake- 
speare aber liegen zwischen dieser (A. 3, Sc. 3) und jener (A. 4, 
Sc. 4) drei theils rückblickende und ergänzende, theils vorbereitende 



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Scenen (A. 4, Sc. 1 — 3). Die erste dieser drei Scenen begreift in 
sich Coriolan's Abschied von den Seinen, von seinen Freunden 
und Parteigenossen und ist deshalb merkwĂĽrdig, weil sie, 
ganz gegen Shakespeare's sonstige BĂĽhnenpraxis, keinerlei An- 
deutung enthält von dem, was kommen soll, also in diesem Falle 
von dem Plane Coriolan's, nach Antium zu gehen, die Zuschauer 
Nichts ahnen lässt. Diese exceptionelle Zurückhaltung von Seiten 
des Dichters ist hinlänglich motivirt durch die Erwägung, dass 
Coriolan den in Rom zurĂĽckbleibenden Freunden seine gegen sie 
selber mitgerichteten Rachegedanken unmöglich verrathen durfte. 
Andererseits aber musste dem Dichter daran gelegen sein, den 
bevorstehenden Krieg der Volsker gegen Rom noch vor der Mit- 
wirkung Coriolan's als bereits in der Vorbereitung begriffen dar- 
zustellen, so dass Coriolan's Ankunft in Antium den schon be- 
schlossenen Aufbruch des Heeres nur zu beschleunigen brauchte. 
Diesem Zwecke dient die Zwischenscene (A. 4, Sc. 3), wo der 
Römische Ueberläufer Nicanor seinem Volskischen Bekannten 
Adrian von der in Rom seit Coriolan's Verbannung obwaltenden 
Gährung, und dieser seinerseits ihm von den kriegerischen Rü- 
stungen der Volsker berichtet. So durfte denn Shakespeare in 
den beiden folgenden Scenen (A. 4, Sc. 4 und 5) in rascher För- 
derung die sich drängenden Ereignisse zusammenfassen und zum 
Abschluss bringen, was bei Plutarch in mancherlei Zwischenfällen 
zerstreut und zerrissen daliegt. Deshalb z. B. trifft bei Shake- 
speare Coriolan den Aufidius bei einem Gastmahl, das derselbe 
den vornehmen Antiaten giebt. Da wird in der ersten Freude 
ĂĽber den unerwarteten U ebertritt und Beistand des bisher ge- 
fĂĽrchteten Coriolanus der Beginn des schon vorbereiteten Krieges 
gegen Rom alsbald beschlossen und in's Werk gesetzt, während 
bei Plutarch in 7) erst eine Vertreibung der in Rom ansässigen 
Volsker aus Rom den Anlass zu gegenseitigen KriegsrĂĽstungen 
und zu längera vorhergehenden Unterhandlungen bieten muss. 
Erst wenn diese letztern sich zerschlagen, wird Coriolan durch 
seinen nunmehrigen Gastfreund Aufidius den Senatoren von Antium 
als sein WĂĽnschenswerther Theilhaber im Oberbefehl des Krieges 
gegen Rom vorgestellt und empfohlen. Man erkennt leicht, wie 
guten Grund der Dichter auch hier hatte im Interesse seines 
Drama's von der weitläufigeren Erzählung Plutarch's abzuweichen. 
Der Schluss des vierten Actes (Sc. 6 und 7) entspricht dem, 



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was Plutarcb in 8) und 9) erzählt, und zwar abermals mit den- 
jenigen Modifikationen, welche die Oekonomie des Schauspiels zu 
erfordern schien. Shakespeare konnte den Zuschauern freilich 
seinen Helden nicht augenscheinlich vorführen, wie er eine Rö- 
mische Provinzialstadt nach der andern erobert und wie er zuerst 
da das Misstrauen der Volskischen Regierung erregt, als er sich 
in eigenmächtige Friedensverhandlungen mit Rom einlässt und 
auf eine dreissigtägige Frist das eroberte Römische Gebiet wieder 
räumt. Eben so wenig konnte der Dichter im Widerspruch mit 
allem Vorhergegangenen die auffällige Notiz bei Plutarch berück- 
sichtigen, dass bei der Nachricht von Coriolan's feindlichem An- 
zĂĽge die Plebejer seine ZurĂĽckberufung aus der Verbannung ver- 
langen, die Patrizier aber sich diesem Gesuche widersetzen. Statt 
dieser störenden Einzelnheiten schildert uns lieber der Dichter 
in A. 4, Sc. 6 die verschiedenen EindrĂĽcke der wachsenden Be- 
sorgniss und Verzweiflung, welche in rascher Aufeinanderfolge die 
einlaufenden Botschaften von Coriolan's fortschreitender Annähe- 
rung in Rom verbreiten. Und in der Schlussscene des vierten 
Actes, in den vertraulichen Aeusserungen des Aufidius gegen 
seinen Lieutenant erkennen wir anderseits die Gefahr, welche dem 
siegreichen Coriolan von Seiten des eifersĂĽchtigen Volskischen 
Feldherrn von fern, aber sicher bedroht. Die erste Frage des Au- 
fidius in dieser Scene: Do they still fty to thc Roman? deutet 
wiederum auf eine von Plutarch berichtete, von Shakespeare ĂĽber- 
gangene Thatsache hin: dass nämlich die zum Schutz ihres Lan- 
des als Besatzung zurĂĽckgelassenen Volsker auf die Nachricht 
von Coriolan's beutereichen Siegen und Eroberungen alle in sein 
Lager laufen und keinen Feldherrn als ihn allein anerkennen 
wollen. 

Nach Ablauf der dreissigtägigen Frist, deren Bewilligung 
nach Plutarch's Darstellung den Coriolan bei den Volskern in den 
Verdacht des Hochverraths gebracht hatte, erscheint Coriolan 
wieder vor den Thoren Rom's, wohin Shakespeare ihn ohne solche 
unmotivirte Unterbrechungen alsbald rücken lässt. Plutarch be- 
richtet sodann von einer abermaligen Römischen Gesandtschaft, 
aus Priestern und Auguren bestehend, welche bei ihrem feindlichen 
Landsmann weniger ausrichtet, wie die frĂĽhere, die doch einen 
zeitweiligen Abzug des Coriolan erwirkt hatte. Shakespeare 
hat an die Stelle dieser beiden Gesandtschaften, deren erste doch 



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von bedingtem Erfolge gekrönt war, zwei andere gleich erfolglose 
treten lassen: die eine des Cominius, von der den Zuschauern nur 
berichtet wird, die andere des Menenius, die dem Publikum lebendig 
und charakteristisch genug vor Augen gestellt wird. Wie der 
Dichter auch hier ein persönliches Moment, das bei Plutarch 
fehlt, in's Spiel bringt, so lässt er gleichfalls den Aufidius, dessen 
Anwesenheit im Volskerlager bei Plutarch nicht erhellt, an der 
Seite seines Verbündeten als Zeugen dieser Vorgänge erscheinen ; 
ja, er lässt ihn auch in der grossen Scene der Wiederbegegnung' 
Coriolan's mit seiner Familie in dessen Feldherrnzelte mit zugegen 
sein. In welcher Weise und zu welchem Zwecke unser Dichter 
in der Bearbeitung dieser grossen Scene von seiner Quelle ab- 
gewichen ist, das ist theilweise schon vorher angedeutet worden, 
als von dem Besuche der Valeria bei der Mutter und Gattin des 
Mar eins die Rede war. Jener Besuch war, wie wir sahen, eine 
Vorwegnahme desjenigen Besuches, den Plutarch erst an dieser 
Stelle in 11) beschreibt, indem er ausführlich und wörtlich die 
Anrede der Valeria an die Volumnia und die Antwort der letztern 
mittheilt. Shakespeare strich wohlweislich diese ganze Plutarehi- 
sche Scene, sowohl weil eine solche hervorragende Rolle der Va- 
leria der spätem Rolle der Volumnia Abbruch thun musste, als auch 
weil die zwischen diesen Römischen Frauen gewechselten Reden 
grossen Theils denselben Inhalt wie die folgenden Wechselreden 
im Volskischen Lager darbieten und unfehlbar die dramatische 
Wirkung jener entscheidenden Verhandlungen abschwächen wür- 
den. Unser Dichter begnĂĽgt sich daher mit einer leisen Andeu- 
tung in den Worten des Cominius (A. 5, Sc. 2, am Schluss), dass 
Coriolan's Mutter und Gattin einen letzten Versuch beabsichtigten, 
den Coriolan um Gnade für Rom anzuflehen. — Die Scene, in 
welcher dieser Vorsatz nun ausgefĂĽhrt wird, bei Plutarch (in 11) 
und bei Shakespeare (A. 5, Sc. 3) scheinbar identisch, kann hier 
füglich übergangen werden, da sie einer nähern Betrachtung doch 
weiterhin, wo das Verhältniss der Sprache Shakespeare's zu der 
Sprache Plutarch's erörtert wird, unterliegen muss. Nur die 
Worte in Coriolan's letzter Rede: Ladies, you deserve to Jiave a 
temple built you, mögen hier citirt werden als eine weitere Probe 
jener Shakespeareschen Weise, flĂĽchtig auf Thatsachen hinzudeuten, 
die Plutarch ausfĂĽhrlicher berichtet, die aber in dem ohnehin 
stofflich ausgefĂĽllten Drama keinen passenden Platz finden konnten. 



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I 



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Es handelt sich hier nämlich um die Erbauung eines Tempels 
der Fortuna Muliebris zum Ehrengedächtniss der Römischen Ma- 
tronen und ihres Erfolges bei Coriolan, also um eine antiquarische 
Notiz, die den Römischen Lesern des Plutarch interessanter sein 
mochte, als dem Shakespeareschen Theaterpublikum. 

Die letzte Scene der Biographie, 12), und des Drama's (A. 5, 
Sc. 5) schildert die Katastrophe in gleichem Verlauf. Nur dass 
Aufidius den von ihm selber geplanten und durchgefĂĽhrten Tod 
des Coriolan alsbald bereut und persönlich das Leichenbegängniss 
seines gefallenen Nebenbuhlers anordnet, ist ein von unserm 
Dichter im Sinne eines versöhnenden Abschlusses erfundener, dem 
Plutarch fremder Zug. Plutarch erzählt nur, dass Aufidius später 
in einem neuen Kampfe mit den Römern gefallen sei. 



In dem vorstehenden Theile dieser Abhandlung haben wir 
versucht, die vermeintlichen Verpflichtungen Shakespeare's gegen 
Plutarch, so weit sie die Anlage, das Scenarium seines Drama's 
betreffen, auf ihr wirkliches bescheidenes Maass zurĂĽckzufĂĽhren. 
Wir gehen nunmehr zu unserer nächsten Aufgabe über und prüfen, 
wie viel oder wie wenig der Biograph dem Dichter in der Oia- 
rakteristik der auftretenden Personen vorgearbeitet haben möchte. 
Freilich kann bei Plutarch streng genommen nur von einer Cha- 
rakterzeichnung seines Helden die Rede sein, und auch diese be- 
steht bei ihm mehr in einer Aneinanderreihung und Zusammen- 
stellung der verschiedensten, theilweise widersprechendsten Eigen- 
schaften, die er dem Marcius beilegt, als dass der Biograph sich 
bemüht und es verstanden hätte, dieselben in einen psychologischen 
Zusammenhang und unter einen einheitlichen Gesichtspunkt zu 
bringen. Und wo er einen Anlauf zu solchen Combinationen 
nimmt, da schlägt er in der Regel einen Weg ein, den Shake- 
speare kaum weiter verfolgen konnte. Plutarch legt zum Beispiel 
ein grosses Gewicht darauf, dass Marcius frĂĽh seinen Vater ver- 
loren habe und dann lediglich von seiner Mutter erzogen oder 
vielmehr nicht erzogen sei. Aus diesem Mangel an Erziehung 
leitet Plutarch den Mangel an Selbstbeherrschung her, der den 
Marcius im Verkehr charakterisirte, während er andererseits Co- 
riolan's Wahrheitsliebe, Festigkeit und Tapferkeit, seine Hingebung 
fĂĽr sein Vaterland, seine UneigennĂĽtzigkeit als einen Ausfluss seiner 



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— 44 — 



ureigensten, angebornen Natur auffasst. Bei Sliakespeare ist von 
dem Vater Coriolan's so wenig wie von dem aus dessen frĂĽhem 
Tode herrĂĽhrenden Mangel an Erziehung bei dem liinterlassenen 
Sohne eine Spur zu finden. Vielmehr erscheint bei ihm die Mutter 
vollkommen geeignet, diese Erziehung zu ĂĽbernehmen und so 
energisch in ihrem männlich kräftigen Sinne durchzuführen, dass 
Coriolan's Charakter ganz das Gepräge des mütterlichen Geistes 
und Charakters trägt. Bei Plutarch geht der eben dem Knaben- 
alter entwachsene Marcius aus eigenem Antriebe in den Krieg 
gegen Tarquinius; bei Shakespeare entsendet ihn seine Mutter 
dahin und frohlockt, wie ĂĽber ihr eignes AVerk, wenn der junge 
Held mit dem Eichenkranze geehrt heimkehrt. Diesen so hervor- 
stechenden mĂĽtterlichen Einfluss auf alles Thun und Lassen des 
Sohnes, von dem schon zu Anfang des Drama's 'der erste BĂĽrger' 
spricht, betont der Dichter durch den Verlauf des ganzen StĂĽckes, 
im wiederholten Auftreten der Volumnia, während Plutarch des- 
selben nur zu Anfang der Biographie gedenkt, wo er u. A. erwähnt, 
Coriolan habe den Gehorsam gegen seine Mutter auch in der 
Wahl seiner Gattin bewiesen und sei nach wie vor im Hause 
der Mutter geblieben. Diese Mutter lässt Plutarch dann erst bei 
Gelegenheit der Katastrophe wieder auftreten. Dass Coriolan ledig- 
lich als gehorsamer Sohn nach mütterlicher Weisung sich vermählt 
habe, das mochte fĂĽr Shakespeare's Auffassung weder zu dem 
durchaus selbständigen Charakter seines Helden, noch zu dem 
innigen Verhältnisse, in welchem derselbe, nach des Dichters Dar- 
stellung, zu seiner Gattin Virgilia steht, zu passen scheinen und 
ist deshalb füglich im Drama unerwähnt geblieben. Aber nicht 
nur in seinem Verhältniss als Sohn und als Gatte hatte unser 
Dichter auf eigne Hand seinen Helden zu zeichnen, um ihm die 
rein menschliche Theilnahme der Zuschauer zuzuwenden; auch als 
Vater musste er ihn schildern. Plutarch erzählt nur, dass Co- 
riolan zwei Kinder gehabt, die mit ihm und seiner Gattin in dem 
Hause seiner Mutter gewohnt haben und die nachher nur Einmal 
als stumme Personen wieder vorkommen, da wo sie mit den Rö- 
mischen Matronen in's Volskerlager ziehen. Shakespeare hat aus 
den beiden Kindern den einen jungen Marcius gemacht, der schon 
im ersten Akt von den Frauen in seiner knabenhaften Unbändig- 
keit und Lust zu kriegerischem Spiel als das wahre Abbild seines 
Vaters charakterisirt wird. Wie theuer dieser Solin dem Herzen 



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des Vaters gewesen, das erhellt in der Lagerscene aus den schonen 
Worten, in welchen Coriolan dem jungen Marcius seine kĂĽnftige 
ruhmvolle Laufbahn, gleichsam sein eignes idealisirtes Vorbild, 
als Muster vorzeichnet und hinstellt. 

Wie in der Zeichnung dieser verwandtschaftlichen Verhält- 
nisse seines Helden der Dichter weit ĂĽber die dĂĽrftigen Andeu- 
tungen des Biographen hinausging, so hatte er in andern Bezie- 
hungen, die den Coriolan als Menschen uns näher bringen sollten, 
Alles nachzuholen, was seine Quelle verschwieg oder was in der 
Ueberlieferung, wie wir sie bei Plutarch finden, kaum vorhanden 
sein konnte. Plutarch sagt u. A. vom Marcius: for lack of edu- 
cation he was so cholerick and impatient, HĂĽtt he would yield to 
no living creature: tvhich made htm churlish, uncivĂĽ, and altogethcr 
unfit for any man'* convermtion. — Einen solchen unliebenswür- 
digen und unbeliebten, fĂĽr Niemandes Umgang geeigneten Gesellen 
konnte Shakespeare freilich nicht zum Mittelpunkte seines Drama's, 
zum Träger seiner Handlung machen, da es doch zur Erre- 
gung einer gemĂĽthlichen Theilnahme bei den Zuschauern mit 
der blossen Darlegung kriegerischer Tapferkeit allein nicht gethan 
war. So lässt unser Dichter jenes abfällige Urtheil des Plutarch 
nur in dem Munde der plebejischen Widersacher Coriolan's be- 
stehen und eben da nur begreiflich erscheinen. Er selber aber 
stellt ihn dar als den jĂĽngern, fast angebeteten Freund des alten 
Menenius und als den treu anhänglichen, durchaus nicht wider- 
haarigen Kameraden des Feldherrn und Consuls Cominius während 
des Krieges wie nachher — er stellt ihn also dar in solchen 
Verhältnissen, wie wir sie dem Plutarchischen Coriolan schlechter- 
dings nicht zutrauen könnten. — Menenius erscheint bei Plutarch 
lediglich Einmal und zwar als der volksbeliebte Abgesandte des 
Senats, der mit seiner Fabel vom Streite des Bauches mit den 
übrigen Körpertheilen die ausgewanderten Plebejer beschwichtigt 
und zur RĂĽckkehr nach Rom ĂĽberredet. Daraus schuf Shake- 
speare denn die prächtige Rolle des lebenslustigen Greises und 
humoristischen Patriciers, der seinen Humor nicht bloss zur Ein- 
maligen Beschwichtigung der Einmal aufgeregten Plebejer, sondern 
zur steten Beschwichtigung seines stets aufgeregten hitzköpfigen 
Lieblings Coriolan, sowie zur steten Vermittelung zwischen ihm 
und den streitenden Parteien zu verwenden hat. Um so herz- 
zerreissender ist denn auch seine Enttäuschung, wenn er als 



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— 46 — 



Römischer Abgesandter im Volskerlager bei dem umgewandelten 
ehemaligen Freunde so wenig ausrichtet, wie der ehedem von 
Coriolan so hochverehrte und so respektvoll behandelte Kriegs- 
gefährte Cominius schon vorher bei ihm ausrichten konnte. — Zu 
den begeisterten Freunden Coriolan's ist auch sein Waffengenosse 
Titus Lartius zu zählen, der seine Bewunderung für dessen Helden- 
grösse neidlos im Lager vor Corioli ausspricht. Er erklärt den 
jungen tapfern Kameraden, den er schon fĂĽr verloren hielt, fĂĽr 
das Ideal eines Kriegers, wie Cato von Utica solchen gewünscht — 
ein Anachronismus, den unser Dichter beging, als er, was Plutarch 
selbst von Coriolan ausgesagt hatte, dem Lartius in den Mund legte. 

Von den Freunden, in deren Mitte Shakespeare seinen Coriolan 
gestellt hat, wenden wir uns nun zu den Feinden, mit denen eine 
so urkräftige, leidenschaftliche und auf sich selbst beruhende 
Natur, wie die Coriolan's, in vielfachen Conflict gerathen musste. 
In der Analyse des Scenariums ist bereits hervorgehoben, wie 
unser Dichter den Tullus Aufidius weit früher auftreten lässt, als 
Plutarch das gethan hat. Die beiderseits so eifrig gepflegte 
Gegnerschaft zwischen dem Römischen Kriegsmann und dem 
Volskischen zieht sich wie ein rother Faden durch das ganze 
Drama, bis dass sie in die für beide Betheiligte so verhängnissvolle 
Bundesgenossenschaft zwischen dem Verbannten und seinem in 
Antium aufgesuchten neugewonnenen Gastfreunde ausschlägt. Eben 
deshalb musste der Charakter des Mannes, den Shakespeare so 
viel bedeutsamer in den Vordergrund rĂĽckt, voller und tiefer ge- 
fasst werden, als Plutarch ihn gezeichnet, der wenig mehr von 
ihm aussagt, als dass Aufidius einer der reichsten und angesehen- 
sten Männer in Antium gewesen sei und mit Coriolan sich öfter 
im Kampfe gemessen habe. Shakespeare schildert ihn nicht nur 
als solchen Krieger, sondern als einen erprobten Staatsmann, 
dessen Rath schon frĂĽher (A. 1, Sc. 2) im Senate von Corioli den 
Ausschlag gegeben hat. Da er, ganz im Gegensatz zu Coriolan's 
gerade und rĂĽcksichtslos auf sein Ziel losgehendem offenem Wesen, 
ein politisch verschlagner Charakter ist, äussert sich sein Hass 
gegen seinen grossen Gegner auch in anderer, sogar hinterhaltiger 
und meuchlerischer Weise, und die Selbstbekenntnisse, welche er 
in dieser Beziehung nach dem unglĂĽcklichen Ausgange des Kam- 
pfes um Corioli zum SchlĂĽsse des ersten Aktes macht, sollen im 
Sinne des Dichters die Zuschauer schon zeitig vorbereiten auf die 



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Verschwornenrolle, die er zuletzt in tĂĽckisch hinterlistigem Ver- 
fahren zur Vernichtung des nach Antium zurĂĽckgekehrten, aufs 
Neue und bitterer als vorher gehassten Nebenbuhlers spielt. Wie 
sehr ein persönlicher Neid gegen den siegreich vor Rom lagernden 
Mitfeldherrn und eine staatsmännisch kluge Erwägung der kom- 
menden Ereignisse bei Aufidius zusammenwirken und seine heim- 
lichen Anschläge für eine spätere Ausführung veranlassen, das 
erhellt auch aus der zur Orientirung fĂĽr die Zuschauer eingescho- 
benen Scene (A. 4, Sc. 3) zwischen Aufidius und seinem Lieutenant. 
Wir sehen daraus, dass im Plane des Aufidius Coriolan's Unter- 
gang feststand, auch wenn Letzterer Rom erobert hätte, statt 
sich durch die Bitten der Mutter und der Gattin erweichen und 
unverrichteter Sache sich zum RĂĽckzĂĽge bewegen zu lassen. Es 
war eben die Nemesis, die in der Gestalt des Aufidius den Rö- 
mischen Vaterlandsfeind unter allen Umständen treffen musste — 
ein Gedanke, den Shakespeare aus sich selber schöpfte und bei 
Plutarch nicht vorfand. 

Zu Coriolan's Feinden gehören ferner die Tribunen Sicinius 
und Brutus, deren Rolle, wie wir oben sahen, bei Shakespeare 
ebenfalls eine viel tiefer angelegte und noch weiter greifende ist, 
als bei Plutarch. Sie bedurften deshalb von Seiten des Drama- 
tikers auch einer schärfern Charakteristik, als der Biograph ihnen 
hat angedeihen lassen, wenn er sie ĂĽberhaupt weiter charakteri- 
sirt hat, als dass er gelegentlich den Sicinius the cruellest and 
stoutest of tlw Tribunes nennt. Der Hass der Tribunen gegen den 
Coriolan entspringt natĂĽrlich einer andern Quelle als der Hass 
des Aufidius und ist demgemäss auch anders geartet. In der 
Bekämpfung des Coriolan, in der Vereitlung seines Consulats und 
in seiner Verbannung aus Rom vertreten die Tribunen ebensosehr 
ihre tribunicischen Rechte wie die Interessen der Plebejer, die 
sie in gleicher Weise durch Coriolan's steigende Autorität in Rom 
gefährdet sehen. Coriolan ist wie im Felde so auch daheim der 
Mann der strammsten Disciplin, die nach seiner rĂĽckhaltlos ĂĽberall 
ausgesprochenen Ueberzeugung nur durch die völlige Unterord- 
nung der Plebejer unter die Oberhoheit des Senats aufrecht er- 
halten werden kann. Jede Concession, welche von Seiten der 
Patricier dem Volke gemacht ist, erscheint ihm als eine verderb- 
liche Lockerung dieser Disciplin, der er dann mit aller rauhen 
Energie seines nur fĂĽr den Krieg, nicht fĂĽr das Staatswesen im 



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Frieden geschulten Charakters in maassloser Redeweise entgegen- 
tritt. Was die Tribunen hindert, eben so offen und leidenschaftlich 
ihren prinzipiellen Gegner zu bekämpfen, und was sie zwingt, 
theilweise krumme Wege einzuschlagen und scheinbar mit ihm 
zu pactiren, das ist die Wahrnehmung, wie Coriolan trotz seiner 
unverhohlenen Volksverach tung, gleichsam wider seinen Willen, 
sich die Anhänglichkeit und Bewunderung der Plebejer erzwingt. 
Nicht ohne guten Grund hat Shakespeare deshalb dem Tribunen 
Brutus und nachher dem Boten (A. 2, Sc. 1) eine hyperbolisch 
glänzende Schilderung von dem allseitig umjubelten Triumphzuge 
Coriolan's durch die Strassen Rom's in den Mund gelegt. Was 
die bescheidenen Verhältnisse der Englischen Bühne jener Zeit 
nicht in scenischer Ausstattung sichtlich den Zuschauern vorzu- 
fĂĽhren gestatteten, das sollte, nach des Dichters Ansicht, doch 
in nüancirter Ausmalung der Phantasie des Publikums näher 
gebracht werden: das so mächtig aufflackernde Feuer allgemeiner 
B egeisterung für den siegreichen jungen Helden. — Das war ein 
Factor, mit welchem immerhin die Tribunen zu rechnen hatten, 
wenn sie die ihnen so gefährliche Bewerbung Coriolan's um das 
Consulat vereiteln wollten. 

Wenn unser Dichter fĂĽr diese eben betrachteten Scenen bei 
Plutarch keinerlei brauchbares Material vorfand, so durfte und 
musste er doch den traditionellen Hergang der Consulatsbewer- 
bung, wie Plutarch ihn berichtet, aus seiner Quelle entlehnen, 
nur dass er auch hier das Beste aus seiner eignen schöpferischen 
Kraft hinzuzuthun hatte: die anschaulich detaillirte Darstellung 
des seiner unwürdigen Supplikantenrolle sich schämenden Coriolan 
den harmlosen BĂĽrgern gegenĂĽber, welche von der ingrimmigen 
Ironie, mit der er sich ihre Stimmen erbettelt, keine Ahnung haben, 
sondern ihm höchst bereitwillig dieselben ertheilen. Derlei Volks- 
scenen, in scharfer individueller Ausprägung vorgeführt, bilden 
ein notwendiges Element für ein Römerdrama, das die Conflicte 
des Einzelnen mit einer Mehrheit behandelt. Der Dichter hat 
es deshalb nicht verschmäht, die 'vielköpfige Menge' durch sein 
ganzes Schauspiel hindurch mithandeln und mitreden zu lassen. 
Aber zu dieser Charakteristik der Plebejer, vielleicht der grössten 
Meisterschaft seines Meisterwerkes, hat ihm Plutarch keinen an- 
dern Fingerzeig und Beitrag geliefert, als dass er gelegentlich 
moralisirend auf den Wankelmut!» des gemeinen Volkes hinweist. — 



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Diesen Volksscenen reihen sich in zweiter Linie einige andere 
subalterne Scenen an, zu denen Plutarch nicht einmal eine schwache 
Handhabe bot: zunächst das Gespräch zweier Capitolsoffizianten 
(A. 2, Sc. 2), welches, an eine Charakteristik Coriolan's anknĂĽpfend, 
in schlichter Form eine hausbackene politische Beobachtungsgabe, 
wie sie solchen biedern Beamten entspricht, an den Tag legt; ferner 
(A. 4, Sc. 5) das Hausgesinde des Aufidius in ihrem bedientenhaften 
DĂĽnkel wie in dem guten Humor, mit dem sie sich so naiv auf 
den frischen, freien, fröhlichen Krieg freuen, der gegen Rom in 
Aussicht steht. 



Der dritte und letzte Theil unserer Untersuchung hat sich mit 
der Sprache des Shakespeare'schen Coriolanus in ihrem Verhältnis« 
zur Sprache des Plutarchischen Coriolanus zu befassen. Von vorn- 
herein ist es klar, dass die Redeweise eines Shakespeare'schen 
Drama's aus des Dichters reifster und spätester Zeit, als sein Styl 
sich zur höchsten Eigenartigkeit entwickelt hatte, Nichts gemein 
haben konnte mit der schlichten Prosa eines biographischen Werkes, 
welche die ursprüngliche Färbung des griechischen Originals bereits 
durch Amyot's französische Uebersetzung verwischt hatte, ehe sie 
aus dieser in Thomas North's tĂĽchtiges, aber sehr wenig individuell 
nĂĽancirtes Englisch ĂĽberging. Andererseits aber konnten die von 
den Herausgebern Shakespeare's so zahlreich aus dem Plutarch 
beigebrachten Parallelstellen, theilweise in wörtlicher Ueberein- 
stimmung, den Verdacht erregen, als ob der Dichter bei einer so 
fleissigen Benutzung seiner Quelle gelegentlich seinen eignen Styl 
durch den Styl Plutarch's hätte beeinflussen lassen oder doch stellen- 
weise durch Entlehnungen aus der Biographie ein fremdes Element 
unvermittelt in sein Werk aufgenommen hätte. Gegen den letztern 
Verdacht spricht schon die vollkommen unverfälschte Einheit des 
Tones, welche durch das ganze Drama geht. Diese einheitliche 
Färbung würde es uns unmöglich machen, in sprachlicher Hinsicht 
wirkliche oder vermeintliche Plutarchische Entlehnungen im Shake- 
speare'schen Drama zu entdecken und mit Bestimmtheit als solche 
nachzuweisen, wenn zufällig uns etwa der North'sche Plutarch un- 
zugänglich wäre. Da aber Shakespeare's Quelle auch uns vorliegt, 
so scheint es der MĂĽhe werth, auch in dieser Beziehung beide 
Werke zu vergleichen und etwaige sprachliche Spuren des Vor- 

Jahrbuch XL 4 



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— 50 — 



gängers in dem Nachfolger zugleich aufzusuchen und zu erklären. 
Es wird sich dabei ergeben, dass Shakespeare nur in seltenen 
Fällen dem Plutarch eine einzelne Phrase, Metapher oder Antithese 
abgeborgt hat, die ihm besonders prägnant und glücklich gewählt 
erscheinen mochte. Im Ganzen bot ihm Plutarch's zahmer und 
planer Styl in der North'schen Bearbeitung keine grosse Ausbeute 
nach dieser Seite hin. Häufiger allerdings hat der Dichter längere 
Stellen aus Plutarch verwerthet, und zwar im dramatischen Interesse 
gerade solche, in denen der griechische Biograph seine Personen 
redend einfĂĽhrt; aber ebenfalls im dramatischen Interesse hat Shake- 
speare diese Stellen zu seinem Eigenthum gemacht und ihnen den 
Stempel seines Geistes aufgedrĂĽckt durch Zuthaten, durch Aus- 
lassungen und durch Umbildungen der verschiedensten Art, die 
doch sämmtlich denselben Zweck erstreben und erzielen: die betref- 
fenden Reden dem Charakter der redenden Personen und der jedes- 
maligen Situation ausdrucksvoller anzupassen, als sie bei dem ur- 
sprĂĽnglichen Referenten erscheinen. 

A. 1, Sc. 1. Der erste Theil der Rede des Menenius zur Be- 
schwichtigung der aufständischen Plebejer gehört durchweg unserm 
Dichter an. Plutarch spricht nur ganz kurz von den many good 
persnasions and gentle requests, made to the peuple, on behalf of 
the Senate, die Menenius vorgebracht und fĂĽhrt ihn erst da redend 
ein, wo er die von Shakespeare ebenfalls benutzte Fabel erzählt. 
Der Unterschied der beiderseitigen Erzählungen betrifft zwei Punkte, 
die hier sogleich als charakteristisch für weitere analoge Fälle hervor- 
gehoben werden mögen. Einerseits verräth der Shakespeare'sche 
Menenius schon in seinem Fabelbericht, im Gegensatze zu dem 
trocken lehrhaften Fabelberichte des Plutarch, die humoristische 
Ader, mit der ihn der Dichter auch fernerhin so treffend indivi- 
dualisirt hat. Kein Wunder da, dass seine Vortragsweise die 
naiven plebejischen Zuhörer lebhaft anregt und sie zu manchen 
Unterbrechungen, neugierigen Fragen und dreisten EinwĂĽrfen ver- 
anlasst, denen Menenius dann in seiner originellen und ĂĽberlegenen 
Weise begegnet. Bei Plutarch folgt auf die nĂĽchterne Nutzanwen- 
dung, die sein Menenius von der erzählten Fabel macht, die dürftige 
Notiz: These pretensions paeified the people etc. — Zweitens hat 
unser Dichter in die plane Redeweise, die er in der Plutarchischen 
Fabel fand, eine ganze Reihe prägnanter Wendungen verwoben und 
sie damit erst recht belebt und nüancirt. Wir können nur einige 



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der hervorragendsten Proben hier beispielsweise citiren: still cup~ 
boarding the viand, heisst es vom faulen Bauche. Und wo Plu- 
tarch von den andern Organen sagt: tvhere all other park diel la- 
hour painfully and tvere very careful to satisfy tlie appetites and 
desires of the body, da speeificirt Shakespeare in anschaulichster 
Weise: 

tvhere th 1 other Instruments 
Did see and liear, devise, instruet, walk, feel, 
And mutually partieipate did minister 
Unto the appetite and affection common 
Of the whole body. *) 
Der Dichter fand im Plutarch, dass der Bauch gelacht habe: And 
so the belly , all this notwithstanding , laughed at their folly, and 
said — und er erweiterte diese Naivität zu einer schalkhaften 
Wendung seines Menenius: 

Tlie belly answer'd With a kind of smile 

Wliich ne'er came from the lungs, hat even thus, 
For look you, I may make the belly smile, 
As well as speak, it tauntinyly replied 
To the discontented members, the mutinous parts 
Thai envied hĂĽ receipt. 
Die Worte: even thus — muss Menenius mit einer Pantomime 
begleitet haben, in der er solch ein Lächeln des Bauches nach- 
ahmte, gewiss zur grossen Ergötzung seiner Zuhörerschaft. 

Wir mĂĽssen es uns aus RĂĽcksicht auf den Raum versagen, 



0 Nach Malone's Vermnthung hat unser Dichter an dieser Stelle nicht den 
Plutarchischen Fabelbericht, sondern einen andern in Camden's Reniains (1605) 
vor Augen gehabt, in welchem allerdings die einzelnen Sinnesorgane, wie bei 
Shakespeare, in ihren resp. Functionen charaktcrisirt werden. Indess mochte 
der Dichter leicht von selbst auf diese ihm gemässe anschaulichere Darstellung 
gerathen, um so eher, als im Uebrigen die Fabel bei Camden vielfach von 
Shakespeare's und Plutarch's gemeinsamer Erzählung abweicht, • So redet Cam- 
den nicht vom Bauche, sondern vom Magen, gegen den sich die ĂĽbrigen Organe 
thatsächlich zur Einstellung ihrer Funktionen verschwören. Nachdem sie dann 
an sich selber die Ăśbeln Folgen ihres Strike verspĂĽrt haben, legen sie ihre 
Streitsache nicht dem Magen, sondern dem Herzen vor, und die dort thronende 
Vernunft äussert sich ungefähr so, wie bei Plutarch und Shakespeare sich der 
Bauch zu seiner Rechtfertigung äussert. — Die spätem Herausgeber unseres 
Dichters haben denn [auch mit gutem Grunde auf Malone's angebliche Ent- 
deckung wenig Gewicht gelegt. 

4* 



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aus dem Verfolg des Fabelberichtes alle die bezeichnenden Details 
der Redeweise hervorzuheben, welche Shakespeare zum Plutarch 
hinzugefugt hat, und wir fahren fort, uns nach weiteren sprach- 
lichen BerĂĽhrungspunkten zwischen Beiden umzusehen. 

A. 1, Sc. 4. Diese Scene bietet nur zwei fast wörtliche Ent- 
lehnungen. Wenn Marcius die Krieger auffordert, mit ihm in die 
offenen Thore von Corioli einzudringen und wenn er ihnen zuruft: 

'Tis for the followers fortune widens them, 

Not for the fliers, 
so fand er bei Plutarch : he did meourage his fellows with words 
and deeds, erging out to them that Fortune had opened the gates 
of the city more for the followers than the flgers. — Die zweite 
Stelle, auf die bereits in einer vorhergehenden Abtheilung dieses 
Aufsatzes hingewiesen wurde, enthält Worte des Lartius zu Ehren 
des Coriolan: 

Thon wast a soldier 
Even to Cato's wish, not fieree and terrible 
Only in Strohes, but with thy grim looks, and 
The thunder-like 2wn<&<«*ow of thg sounds 
Tliou mad'st thine enemies shake, as if the world 
Was feverous and did tremble. 
Sie sind gegrĂĽndet auf das, was Plutarch von Marcius bei Ge- 
legenheit seines tapfern Angriffs gegen die Coriolaner sagt: For 
he was even such another, as Cato would have a soldier and a captain 
to be, not only terrible and fierre to lag about htm, but to make 
the enemy afraid with the sound of his voice. — Wie sehr auch 
hier der Shakespeare'sche Ausdruck sein Vorbild an Energie und 
Prägnanz überbietet, das ergiebt schon eine einfache Zusammen- 
stellung beider. 

A. 1, Sc. 6. Die einzigen theilweise wörtlichen Uebereinstim- 
mungen in dieser Scene betreffen Marcius' Frage nach der Schlacht- 
aufstellung des Feindes und Cominius' Antwort. Dass aber bei 
dieser Gelegenheit Cominius den Aufidius nennt und damit der 
Kampflust Coriolan's einen neuen Antrieb und eine veränderte 
Richtung giebt, das ist, wie schön oben angedeutet wurde, ein von 
dem Dichter frei erfundener Zug. 

A. 1, Sc. 9. Here is the steed, we the caparison — sagt Lartius 
bildlich von Coriolan. Plutarch erzählt ohne Bild, Cominius habe 
dem Coriolan, weil er vor allen Andern sich hervorgethan, geschenkt: 



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a goodly horse with a caparison. — Die Anekdote zum Schluss 
dieser Scene, dass Coriolan einen kriegsgefangenen Gastfreund 
losbittet, entlehnte der Dichter aus Plutarch. Der Biograph spricht 
aber nicht von einem armen Mann in Corioli, bei dem Coriolan 
einmal im Quartier gelegen, sondern von einem reichen Volsker, 
einem alten Freunde und Gastfreund des Coriolan, der, nun ver- 
armt und gefangen, in die Gefahr geräth, in die Sklaverei verkauft 
zu werden. Dass der Gastfreund bei der ErstĂĽrmung Corioli's den 
Beistand des Marcius angerufen, dieser aber gerade den Aufidius 
erblickt und darĂĽber den Nothschrei seines ehemaligen Wirthes 
unbeachtet gelassen habe, dass er endlich, da Cominius seine FĂĽr- 
bitte gewährt, den Namen seines Schützlings vergessen hat — das 
Alles sind ZĂĽge, welche Shakespeare erst hinzugefĂĽgt hat, um die 
Plutarchische Anekdote dem Charakter seines Helden mehr anzu- 
passen und diesen Charakter gleichsam dadurch zu illustriren. 

A. 2, Sc. 2. Die ersten Waffenthaten des Marcius, von denen 
Cominius in seiner Lobrede spricht, erwähnt Plutarch im Eingange 
seiner Biographie. Aber nur sehr Weniges hat Shakespeare wört- 
lich davon beibehalten und manchen Zug hat er hinzugefĂĽgt, den 
er nicht vorfand; so z. B. den, dass Marcius sich mit Tarquinius 
selber im Kampfe gemessen. Von der Emphase des zweiten Theils 
dieser Rede, der die Thaten des Marcius vor und in Corioli schil- 
dert, gehört ohnehin Alles der Erfindung unsers Dichters an. 

A. 2, Sc. 3. Shakespeare fand, wie schon vorher erwähnt 
worden, die Einzelnheiten von dem 'edlen Hause der Marcier', 
welche er dem Tribunen Brutus in den Mund legt, zu Anfang der 
Plutarchischen Biographie berichtet. Er hat seine Quelle hier so 
getreu benutzt, dass sich aus ihr ein zufällig im Shakespeare'schen 
Texte ausgefallener Vers, den Censorinus betreffend, fast wörtlich, 
wenigstens dem Sinne nach genau, ergänzen lässt. Freilich übersah 
der Dichter dabei, dass wohl Plutarch, nicht aber der Tribun, 
von Censorinus, von Publius und Quintus Marcius, die das beste 
Wasser nach Rom gebracht, sprechen konnte, so wenig wie an 
einer schon berĂĽhrten Stelle Lartius den Coriolan fĂĽr einen Krieger 
nach Cato's Wunsch erklären durfte. 

A. 3, Sc. 1. Wenn der Tribun Brutus sagt, Coriolan habe 
die BegĂĽnstiger der Kornvertheilung genannt: Time-pleasers , flat- 
terers, foes to noblcncss, so hatte der Plutarchische Coriolan sie 
betitelt: People-pleasers, and traitors to the nobility. — Aehnlichen 



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Anlehnungen begegnen wir in den folgenden Strafreden, welche 
der Dichter seinen Helden an die 'höchst unweisen Patricier' halten 
lässt. Aber selbst da, wo er theilweise wörtlich aus Plutarch 
entlehnt, fügt er zur Erläuterung oder zur Verstärkung des ent- 
lehnten Ausdrucks immer Etwas aus seinem eignen Wortschatz 
ein. So z. B., wenn Plutarch sagt: Moreover, he said, they nou- 
rished agabist themselves the naughty seed and cockle of insolency 
and sedition which had been sowed and scattered abroad amongst 
the pcople — so macht Shakespeare daraus: 

I sag again, 
In soothing tliem we nourish 'gainst our senate 
The cockle of rebellion, insolence, sedition, 
Which we ourselves have plough'd for, sow'd and scatter'd &c. 
Wenn Shakespeare den Römischen Senat nennt: 

a graver bendi 
Than ever frown'd in Oreece — 
so gerieth er auf diese Wendung, weil Plutarch weiterhin in der- 
selben Rede von den vormals in Griechenland ĂĽblichen Kornver- 
theilungen redet — eine Hinweisung, die der Dichter ebenfalls 
daher entlehnt hat. Die Stelle lautet bei Plutarch : they (hat gave 
counsel and persuaded that the com should be given out to tlie 
common people gratis, as they used to do in the cities of Oreece, 
where the people had more absolute power, did but only nourish 
their disobedience, which would break out in the end, to the utter 
ruin and overthrow of the whole state. — Dafür sagt Shakespeare : 
Wlwever gave that counsel, to give forth 
The com o' the store-house gratis, as 'twas us'd 
Sometime in Greece 

Though there the people had more absolute poiver, 

I sag, they nourish' d disobedience, fad 

The ruin of the state. 
FĂĽr alles Andere in diesen Strafreden hat der Dichter wohl den 
Gedankengang aus Plutarch entnommen, obgleich auch dann mit 
mancher Modification, aber wörtliche Uebereinstimmungen sind 
ausser den eben citirten nicht nachzuweisen. 

A. 3, Sc. 3. Die Beschuldigung, dass Coriolan nach der 
Tyrannis gestrebt habe, fand der Dichter fast mit denselben 
Worten ausgedrĂĽckt im Plutarch: that all his actions tended to 
usurp a tyrannical poiver over Rome. — Ob Shakespeare aber 



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damit denselben bestimmten antiken Begriff verbunden hat, wie 
Plutarch, das erhellt nicht aus seiner zweifachen Anwendung des 
betreffenden Wortes: 

tJiat he affects 

Tyrannical power — 

und ferner: 

and to wind 
Yourself into a power tyrannical 
A. 4, Sc. 5. Mehr wörtliche Uebereinstimmungen als in irgend 
einer frĂĽhern Partie dieses Drama's finden wir hier. In der That 
ist die erste Rede, in welcher Coriolan sich dem Aufidius zu er- 
kennen giebt, wenig mehr als eine Shakespeare'sche Versification 
der Prosa des Plutarch. Nur einzelne eingeflochtene Kraftaus- 
drücke gehören unserm Dichter an, so: 

And suffer* d me by the voice of slaves to be 
Whoop'd out of JRome — 
wo Plutarch viel zahmer sagt: And let me be banish'd by the 
peopk. — Auch das Folgende: 

and stop those maims 
Of shame seen through thy country — 
ist ein Shakespeare'scher Zusatz. Endlich der Schluss der Rede: 

and present my throat to thee It be to do thee Service — 

lässt in seiner energischen Steigerung den matten Abfall derselben 
Rede bei Plutarch kaum wiedererkennen: And it were no wisdom 
in thee to save the life of him ivho hath been heretofore thy mortal 
enemy, and tvhose service now nothing can help nor pleasure thee. — 
FĂĽr den weitem Verfolg des Dialogs, die Antwort des Aufidius, 
sah sich der Dichter dagegen gänzlich auf sich selber angewiesen, 
denn Plutarch bot ihm da nur folgende Replik: Stand up, oh 
Marcius, and be of good cheer; for in proffering thyself unto us 
thou doest us great honour, and by this means thou mayst hope 
also of greater things at all the Volsces' hands. — Dafür musste 
Shakespeare der Antwort des Aufidius Alles einverleiben, was 
Plutarch, wie schon oben nachgewiesen wurde, erst der spätem 
Erzählung vorbehält: die augenblickliche Kriegsbereitschaft der 
Volsker und die Aufforderung an Coriolan, den Oberbefehl mit 
Aufidius zu theilen. 

A. 5, Sc. 3. Die Rede der Volumnia bei Shakespeare steht 
in ähnlichem Verhältniss zu der bei Plutarch, wie Coriolan's Rede 



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in der zuletzt betrachteten Scene. Bei vielfacher wörtlicher Ent- 
lehnung hat auch hier der Dichter den matteren Plutarchischen 
Ausdruck mit seinem energischeren vertauscht. So setzt er : 

Making the mother, wife and child to see 

The son, the husband, and the father tearing 

His country* s bowels out — 
wo Plutarch sagt: making myself to see my son, and my daughter 
hcre, lwr husband, besieging the tualls of hü native country. — So 
sagt Shakespeare ferner: 

for either thou 

Must, as a foreign recreant, be led 

With manacles through our streets, or eise 

Trmmphantly tread on thy country's ruin 

And bear the palm for having bravely shed 

Thy wife and children's blood — 
wo Plutarch sagt: And I may not defer to see the day, either tliat 
my son may be led in triumph by his natural country -men, or 
that he himself do triumph of them and of his natural country. — 
Die Worte, welche Virgilia und ihr junger Sohn der ersten Rede 
der Volumnia hinzufĂĽgen, haben nichts Entsprechendes bei Plu- 
tarch. — Auch für den ersten Theil der zweiten Rede der Vo- 
lumnia, die bei Plutarch mit ihrer ersten Rede ein Ganzes bildet, 
konnte der Dichter den Gedankengang und theilweise den Aus- 
druck seiner Quelle entnehmen, obgleich letzterer auch hier viel- 1 
fach von ihm gesteigert und erweitert scheint. Man vergleiche 

•den Shakespeare'schen Passus: The end of war is uncertain 

To the ensuing age abhorr'd — mit dem entsprechenden Plutarchi- 
schen Original: So, though the end of war be uncertain, yet this 
noUvitJistanding is most certain, that if it be thy chance to conquer, 
this benefit shalt thoxi reap of thy goodly conquest to be chronicled 
thc plague and destroyer of thy country. And if Fortune over- 
throw theo, then the ivorld will say that through desire to revenge 
thy private injuries, thou hast for ever undone thy good friends, 
who did most lovingly and courteously receive tliee. — Von solcher 
Alternative, welche Volumnia hier aufstellt, berĂĽcksichtigt Shake- 
speare mit gutem Grunde nur den ersten Satz und ĂĽbergeht den 
ungeschickt angebrachten Gegensatz. — Bei Plutarch macht Vo- 
lumnia nach den citirten Worten eine Pause, indem sie die Ant- 
wort ihres Sohnes abwartet, und fährt dann fort: My son, why 



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— 57 — 



dost thou not answcr me? — entsprechend dem Shakespeare'schen: 
Speak to me, son! — Auch im Folgenden findet sich manche wört- 
liche Uebereinstimmung, wie z. B. Plutarch's Worte: dost thou 
taJce it honorable for a noble man, to remember tfie wrongs and 
injuries done him — und seine Worte : besides, thou hast not hitherto 
showed thy poor mother any eourtesy — fast unverändert in den 
Text des Drama's mit hinübergenommen sind. Daneben enthält 
aber diese Schlussrede der Volumnia ganze Partieen, welche der 
Dichter aus sich selbst und nicht aus dem Plutarch geschöpft hat. 
So z. B. die Verse: Thou hast affected the fine strains ofhonour — 
Thai slimild but rive an oak — und ebenso die Verse: WJienshe 

(poor hen) Loaden with honour. — Was auf den zuletzt 

citirten Passus folgt bis zum SchlĂĽsse der Rede: die Hinweisung 
auf den Beinamen Coriolanus, die Vermuthung, dass Coriolan ein 
Volsker sei, sein Weib in Corioli lebe und sein Knabe ihm nur 
zufällig ähnele — alle diese prägnanten Züge, welche erst die 
Wirkung der mĂĽtterlichen Rede auf Coriolan begreiflich machen, 
fehlen gänzlich bei Plutarch. — Coriolan's Antwort ist theilweise 
aus Plutarch entlehnt, bei dem sie lautet: Oh mother, what have 
you done to nie? Oh mother, you have won a happy victory for 
your country, but mortal and unhappy for your son: for I see 
myself vanquished by you ahme. — In Shakespeare's Bearbeitung 
dieser Vorlage iĂźt die Hindeutung auf Coriolan's unvermeidliches 
Verderben viel bedeutsamer hervorgehoben und an's Ende gerĂĽckt: 

Most dangerously you have with him prevaiVd, 

If not most mortal to him. Bat let it comc. — 
Eingeschoben hat unser Dichter die Worte: a 

Behold, the heavens do ope, 

The gods lock down, and this unnatural scene 

They laugh at — 
von denen sich bei Plutarch keine Spur findet. — Dass Coriolan 
sodann an die Empfindungen des Aufidius appellirt und erklärt, 
mit ihm nach Antium zurĂĽckgehen zu wollen, musste ebenfalls 
bei Plutarch fehlen, der, wie wir schon vorher sahen, den Aufidius 
bei diesem Auftritt überhaupt nicht zugegen sein lässt. 

Die folgenden Schlussscenen des Drama's sind in ihrem Ver- 
hältniss zu den entsprechenden Partieen bei Plutarch in Bezug 
auf das Scenarium und auf die Charakteristik bereits oben ge- 
wĂĽrdigt worden. In Bezug auf die Sprache bieten sie, so wenig 



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— 58 — 



wie alle ĂĽbrigen, in diesem dritten Theil unserer Abhandlung des- 
halb ĂĽbergangenen Scenen, zu weiterer Notiznahme keinen Anlass, 
weil sie eben keine sprachlichen Reminiscenzen aus Plutarch ent- 
halten. Wir können also hiemit unsere Untersuchung über den 
Coriolanus abschliessen und das Ergebniss derselben dahin zu- 
sammenfassen, dass Shakespeare fĂĽr sein Drama der Plutarchi- 
schen Biographie quantitativ wie qualitativ weit weniger zu ver- 
danken hat, als man gemeiniglich anzunehmen geneigt ist. Den- 
selben Nachweis für die beiden anderen Römerdramen unseres 
Dichters zu liefern, muss einer spätem Gelegenheit vorbehalten 
bleiben. 



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Uebor und zu Mueedorus. 



Von 

Wilhelm Wagner. 



Dass der 'wunderliche Mueedorus' nicht von Shakespeare her- 
rĂĽhren kann, darĂĽber muss natĂĽrlich Alles einig sein, und so 
leicht wird sich keine Stimme mehr fĂĽr die Tieck'sche Hypothese 
erheben. Deshalb wäre es aber doch unvernünftig, dies allerdings 
höchst barocke Machwerk fortan unberücksichtigt zu lassen; jetzt, 
wo uns in dem zweiten Bande von N. Delius' 'Pseudo-Shakspere- 
schen Dramen' ein Abdruck dieses seit langer Zeit nicht wieder 
aufgelegten Drama's zugänglich ist, mag es vielmehr gestattet 
sein, einige Punkte, welche sich noch zur Aufhellung darbieten 
und die von dem letzten Herausgeber mit Stillschweigen ĂĽber- 
gangen worden sind, einer Erörterung zu unterziehen. 

Das StĂĽck wird, wie Delius S. VII anfĂĽhrt, in dem satyrischen 
Drama Fletcher's: 'TheKnight of the Bnrning Pestle' (ziemlich zu 
Anfang) erwähnt, wo (p. 451 von Bd. 2 der Londoner Ausgabe von 
1811 in 4°) zur Empfehlung von Ralph's mimischer Kunst gesagt 
wird: Nay, gentlemen, he hath play'd before, my husband says, Mu~ 
sidorus, before the Wardens of our comjmiy. In der Anmerkung 
zu dieser Stelle sagt G. Colman, dass Mueedorus zuerst im Jahre 
1598 gedruckt und 1610, 1615, 1629 und 1668 neu aufgelegt wor- 
den sei. Hiezu kommen nach Delius a. a. 0. noch Ausgaben von 
1606 und 1621. Die letztere ist deshalb bemerkenswerth, weil sie 
auf dem Titel speziell besagt, dass das StĂĽck before the King's Ma- 
jesty at WJätchall on Shrove-sunday night by Iiis Highness' Servants 



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— 60 — 



usnally playing ot tJie Globe aufgefĂĽhrt worden sei, also von der 
Truppe, welcher Shakespeare selbst einst angehörte. Hier ist wohl 
die einzige Quelle jener wahnschaffenen Ansicht, dass der grosse 
Dichter mit dem Mucedorus ĂĽberhaupt etwas zu thun gehabt habe. 
Die New Additions, welche auch auf dem Titel der Ausgabe von 
1621 erwähnt werden, sind, wie Delius richtig bemerkt, in dem 
Prolog und den beiden Dialogen zwischen Envy und Comedy zu 
Anfang und Ende des Stückes zu suchen. Es wäre indessen 
interessant gewesen, durch eine Vergleichung mit frĂĽheren Aus- 
gaben den Umfang dieser Additions genau zu constatiren, und das 
hat Delius leider nicht gethan. Delius hat sich nämlich darauf 
beschränkt, die letzte und offenbar corrupteste, jedenfalls am mei- 
sten ĂĽberarbeitete Ausgabe des StĂĽckes, von 1668, abdrucken zu 
lassen; nur in der Vorrede gibt er Nachträge aus einer ihm von 
K. Elze zur VerfĂĽgung gestellten Abschrift der Ausgabe von 1621. 

Ralph hatte aber jedenfalls den Mucedorus in einer andern 
Fassung gespielt. Die erste Ausgabe von Fletcher's Knight of the 
Buming Pestle erschien 1613, und da wir es dort mit einfachen 
BĂĽrgern von London zu thun haben, so ist wohl klar, dass Ralph 
sich mehr nach der 1606 erschienenen Ausgabe gerichtet haben 
wird, deren Titelblatt den Vermerk trägt: Newly set foorth, as it 
Jiaih hin sundry times playde in the honorahle Cittie of London; 
denn das ist offenbar als eine AuffĂĽhrung von London Citizens zu 
verstehen. 

Die grösste Zugkraft bei diesem' Stücke werden gewiss die 
komischen Stellen besessen haben, und gewiss wurden vor einer 
Versammlung Londoner BĂĽrger noch ganz andere Witze gerissen, 
als vor dem Hofe. So ist wohl klar, dass bei Hofe die Bemerkung 
des Clown S. 25: Have not we Lords enoiigh on ns in the Court? 
anders aufgefasst wurde als in der Stadt; die darauf folgenden 
Worte: why, shepherds are men, and längs are no more, möchten 
speciell auf den König gemünzt sein, der sich als einen notfirjv 
Xawv auffassen mochte. Oder sollte man an die AuffĂĽhrung von 
Pastorais bei Hofe denken? Das scheint kaum wahrscheinlich. 

Ich sollte meinen, dass die Stelle S. 50, wo der thörichte 
Clown von dem König zum Dank für seine gute Nachricht zum 
Ritter geschlagen werden soll, in der Stadt gewiss Gelegenheit zu 
Witzen auf die etwas zu häufige Verleihung der Ritterwürde durch 
Jacob I. gegeben haben wird. Namentlich sollte man meinen, dass 



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— 61 — 



das Adjectiv lean sogleich Gedanken erregt haben mĂĽsse an die 
ausgehungerten bettlerhaften Schotten, welche Jacob I. zu Rittern 
machte. 

Der Dichter — oder die Dichter — des Mucedorus haben auch 
einige Gelehrsamkeit — sie ist freilich nicht weit her — in ihrem 
Machwerk anzubringen gesucht. So enthält, um nur dies anzuführen, 
die Rede des Mucedorus S. 41 Anklänge an Horaz Sat. I 3, 99 fgg., 
und die einzige Scene, in welcher sich ein edler Styl bemerklich 
macht und wo die Sprache einen höhern Schwung zu nehmen 
scheint, S. 34—36, gemahnt in mehr als einem Punkte an Shake- 
speare'sche AusdrĂĽcke und Gedanken. Dies ist auch, wenn ich 
recht beobachtet habe, die einzige Scene, welche in echt Shakespeare- 
scher Weise mit einem Reimpaare schliesst. 

Eine Anspielung ist aber vor allen Dingen zu beachten, da 
dieselbe, wie mir scheint, fĂĽr die Feststellung der Tendenz der uns 
vorliegenden Bearbeitung des Mucedorus von Bedeutung sein kann. 
Ich glaube nämlich kaum, dass Mucedorus. ein ernst gemeintes 
StĂĽck ist. Wir sollten dasselbe als eine Burleske betrachten, bloss 
auf das Amüsement der Zuhörer, gewiss auf keine Katharsis be- 
rechnet. Dass der tragische Theil des StĂĽckes nur ganz flĂĽchtig 
skizzirt ist und sich gerade nur in den dĂĽrftigsten Redensarten 
dieser Gattung bewegt, steht hiemit in Einklang; dass auch Scherze 
und Witze mit einlaufen, versteht sich von selbst. S. 13 fragt 
Segasto den Clown: how sJipuld I know thee? worauf dieser erwi- 
dert: why then, you knoiv nobody, and (d. h. an) you know not 
me; I teil you, Sir, I am goodman Rat's son of the next parish 
over the kill. Dies ist eine offenbare Anspielung auf Thomas Hey- 
wood's sehr populäres Stück If you know not me, you know no- 
bodie, zuerst 1606 und 1608 gedruckt. Die Stelle, worauf ganz 
besonders angespielt wird, hat auch K. Elze neuerdings bei Gelegen- 
heit von S. Rowley's Historie: When you see me, you know me 
(Dessau 1874) S. VI angezogen; sie lautet: Knowest thou not me, 
Queen? Then thou knowest nobody. Bones a me, Queen, I am 
Hobson, old Hobson; By the Stocks, I am sure, you know me. 

Delius hat es in seiner Einleitung abgelehnt, etwas fĂĽr die 
Emendation des schwer verderbten Textes des Mucedorus zu thun. 
Ich kann ihm darin, offen gestanden, nicht Recht geben und erlaube 
mir hier, eine Reihe von Vorschlägen im Anschluss an seine Aus- 
gabe vorzubringen, welche vielleicht bei einem spätem Heraus- 



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— 62 — 



geber des Stückes Berücksichtigung finden mögen. 1 ) Ich kann 
nicht glauben, dass der Verfasser des Mucedorus keinen regelrechten 
Blankvers zu bauen verstand (Delius S. XI), wohl aber glaube 
ich, dass der Mensch, welcher die cuiing copy einer umherziehenden 
Schauspielergesellschaft zum Druck beförderte, darin ziemlich un- 
erfahren war. Wenigstens lässt sich in einer ziemlichen Anzahl 
von Stellen noch der Vers leicht erkennen und herstellen, ohne 
dass man zu sehr gewaltsamen kritischen Operationen seine Zuflucht 
zu nehmen braucht; ja an manchen Stellen ist die Emendation 
schon deshalb nicht abzuweisen, weil durch sie erst Sinn in das 
Ganze gebracht wird. Ich will also, ohne den Verdiensten des 
von uns allen hochgeehrten Delius zu nahe zu treten, meine kriti- 
schen Vorschläge vorbringen; es wird, wie dies ja auch bei Kon- 
jekturen zu altklassischen Autoren zu gehen pflegt, gewiss manches 
Verfehlte darunter sein, doch bin ich ĂĽberzeugt, dass auch Man- 
ches ein bleibender Beitrag zur Kritik des StĂĽckes sein wird, und 
jedenfalls will ich meine Zweifel immer ehrlich bekennen. In Be- 
treff der 'Auslassungen oder Einschiebsel entsprechender Wörter 
und Wörtchen' (Delius a. a. 0.) möchte ich aber doch noch auf 
den ganz analogen Fall der Plautinischen Kritik verweisen, bei 
der man auch ohne dies Hilfsmittel nicht auskommen wird. 

Dass der uns vorliegende Text nichts weiter als eine acting 
copy ist, zeigt schon das Personenverzeichniss , welches sich mit 
seiner Bemerkung: ten persans may easily play it, ganz an eine 
itinerante Truppe zu wenden scheint, 'deren Kräfte beschränkt sein 
mĂĽssen. Auf die frappante Aehnlichkeit einer solchen Rollenver- 
theilung, wobei ein Schauspieler je nach BedĂĽrfniss mehrere Rollen 
ĂĽbernehmen muss, mit der aus den PersonenĂĽberschriften des codex 
Bembinus fĂĽr die StĂĽcke des Terenz zu erschliessenden Vertheilung 
sei nur ganz nebenbei hingewiesen. 

Uebrigens dürfte hier gleich bemerkt werden, dass der König 
Adrästus heisst (S. 15), und dass Romelio S. 42 (die einzige Stelle, 
wo er auftritt) Rumbelo genannt wird. Es fehlen in dem Personen- 
verzeichniss Roderigo und Lord Barachius, vgl. S. 34; letzterer 
heisst ĂĽbrigens S. 53 Brachius. 



') Die englische New Shahtpere Society beabsichtigt eine neue Ausgabe des 
Mucedorus. Hoffentlich wird man ja dabei alle existirenden Ausgaben des 
Stückes vergleichen und die verschiedenen Lesarten vollständig mittheilenu 



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- 63 — 

S. 3, V. 4 entschieden with statt wich, was wohl blosser Druck- 
fehler ist. Dabei sei bemerkt, dass Delius' Ausgabe leider an dieser 
unangenehmen Beigabe keinen Mangel hat. — V. 6 und 1 5 scheint 
mir Bellona (an zweiter Stelle sogar swcet B., wo das Adjectiv 
doch ganz unpassend ist) keinen rechten Verstand zu haben ; doch 
weiss ich nicht zu helfen. — V. 15 würde ich still vorziehen. Zwei 
Zeilen weiter muss es statt name wohl heissen fame, und goddess 
ist natĂĽrlich als Genitiv zu fassen. To disturb somebody's name 
scheint mir kein Englisch zu sein, wenn man nicht wenigstens 
good hinzusetzt; vgl. Othello's he (hat from me filehes my good name. 

S. 4, V. 1 vielleicht appall statt appale. V. 2 ist wohl nach 
shiver die Präposition in ausgefallen; die Nymphen werden erschreckt 
und zittern in ihren Reigen. Freilich warum sie gerade nach dä- 
nischen Höhlen fliehen müssen, wie es im dritten Verse heisst, be- 
kenne ich nicht zu verstehen. In der vierten Zeile erfordert nicht 
bloss der Vers, sondern auch die Grammatik die Einschiebung des 
Artikels a vor noise; dem Vers allein zu Liebe lesen wir zu An- 
fang heark, hea/rken. (Nach noise muss man natĂĽrlich Auslassung 
des Relativpronomens annehmen.) V. 7 ist breath reiner Unsinn; 
man lese reach. Ebenso ist zwei Zeilen weiter chival eine vox 
nihili; man lese rival: die Invidia ist die Rivalin des Kriegsgottes, 
und gerade darin, dass er selbst den Kranz ihr herabreicht, ist die 
Anerkennung ihres Verdienstes zu suchen. — V. 19 muss es statt 
delighting entschieden delights heissen; die drei Verben seeks — 
delights — bringeth stehen auf gleicher Stufe, während das Particip 
mixt zu mirth gehört. Der Gegensatz zu delights ist dann V. 23 
delightst (wie dort zu lesen). Uebrigens darf nach V. 21 kein 
Doppelpunkt, sondern höchstens ein Komma gesetzt werden; denn 
delightst V. 23 ist das zu thoii 21 gehörende Verbum. — V. 28 
soll wohl heissen: give me but leave. 

S. 5, V. 10 verstehe ich methods nicht, ebenso wĂĽnschte ich 
ein anderes Wort V. 18 statt prove. (Im vorhergehenden Verse 
soll es doch wohl with thy tr. fumes heissen?) 

S. 6, V. 8 ist in zwei Verse zu theilen und so zu schreiben: 
But my Anselmo, loth I am to say f 
I must estrange my friendship. 
Der Prinz sagt: ich muss meine Freundschaft entfremden — nicht 
von Dir, sondern von dem Reiche (indem ich in die Fremde gehe). 
Nach V. 10 ist ein Punkt zu setzen. V. 13 sind die Worte Had 



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as einfach sinnlos; mindestens verstehen liesse sich Such as. V. 16 
lies lest statt less. 

S. 7, V. 4 trivial ist vielleicht nicht das richtige Wort. V. 19 
möchte ich once am Ende zufügen. 

S. 9, V. 10 ist Majesty nicht richtig; denn Mncedorus hat 
noch gar nicht gehört, dass Amadine eines Königs Tochter ist. 
Ich glaube, dass der Vers ursprĂĽnglich einfach lautete: tvith Wil- 
ling heart I yield it to yottr hands. V. 20 verbessere man den 
Druckfehler bur in hut; V. 25 ist gewiss zu Anfang And ausge- 
fallen, was um so leichter geschehen konnte, als auch der vorher- 
gehende Vers mit And begann. Im folgenden Verse ist vielleicht 
zu Ende ein einsilbiges Wort wie hcre verloren gegangen; in V. 27 
aber fehlt entschieden his vor father's. 

S. 10, V. 2 ist die kürzere Form speciälly anzunehmen. 

S. 11, V. 12 verbessere man den Druckfehler in 'proof. — 
V. 19 muss wohl als Ausruf selbständig gefasst werden: Accursed 
I f in ling'ring life thus long! Dann V. 20 Komma nach thus. 

S. 12, V. 3 ist der Punkt nach live — statt des von dem 
Sinne geforderten Kommas — wohl bloss Druckfehler. Ebenso sind 
weiter unten V. 19 te und V. 21 ujmn Druckfehler fĂĽr to und upon. 
Auf der nächsten Seite, Z. 22, lies know statt knew. S. 14, Z. 6 
v. u. sorroivful. Z. 2 v. u. tvith. 

S. 15, V. 1 halte ich die von Delius S. XIII mitgetheilte Con- 
jectur K. Elze's — are foil'd — für das überlieferte the foil für 
unmethodisch; ich möchte to foil vermuthen. Vgl. weiter unten 
S. 31, V. 3 what a foil Jmdst thon. Die beiden folgenden Zeilen 
sind offenbar als richtige Verse so zu fassen (was gewiss die ein- 
fachste aller metrischen Correctnren ist): 

It us behoves to use such clemency 
In yeace as valour in the wars; 
und diesem Paar genau entsprechend die nächstfolgenden: 
'Tis as great honour to be bountiful 
At home as conquerors in the field. 
V. 11 ist durch eine leichte Umstellung zu verbessern: 
And reign hereafter as tofore I have done. 
V. 19 wird dadurch correct, dass man Tremelio als extra versum 
stehend auffasst — was bei Eigennamen öfter der Fall ist. 
V. 20 muss am Ende natĂĽrlich kein Punkt, sondern ein Komma 
stehen. 



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— 65 — 

S. 16, V. 5 ist zunächst der Druckfehler (bounties) zu ver- 
bessern, dann aber V. 7 des Metrums halber to vor dem Infinitiv 
auszulassen; vgl. Abbott, Shakesp. Gr. § 349, wo p. 249 aus Ben 
Jonson's Sejanus III, 1 citirt wird if tke Senate still command me 
serve. Ein Beispiel wie dieses beweist klar die Zulässigkeit me- 
trischer Oorrecturen, da hier offenbar nur die Unkenntniss der 
älteren Sprache die Verderbniss des Textes veranlasst hat. (Zwei 
Zeilen weiter ist der Druckfehler you zu verbessern.) 

[S. 17 der Druckfehler sqeak fĂĽr speak zu verbessern.] 
S. 18 muss Segasto's erste Rede wohl so gelesen werden: 
Well, Sir, aivay. Tremelio, this is it: 
Thou Icnow'st the valour of Segasto spi'ead 
Thorouyh all the kingdom of Aragon; 
And stich as have founä trhimph and favours 
5 Never daunted me at any Urne: lut notv 
A shepherd is admir'd in court for worĂĽiiness, 
And all Segasto's honour laid aside. 
My will therefore is this, that thou dost find 
Some means to work the shepherd's death: I know 
10 Thy strength safficient to perform — thy love 
No other than to wreak my injuries. 
V. 3 ist zwar etwas holperig, indessen der älteren Versification, 
in der wir uns den Mucedorus ursprĂĽnglich geschrieben denken 
sollten, doch nicht widerstrebend. Die alte Form der Präposition, 
die auch Shakespeare noch kennt, ist ohne Zweifel von dem spä- 
teren und mehr geläufigen through verdrängt worden. V. 4 erscheint 
mir durchaus nicht sicher. Es ist wohl möglich found in zwei 
Silben zu zerdehnen, doch ist bei dem sonst stumpfen Schluss der 
Verszeilen favours verdächtig. Vielleicht hiess die Zeile ursprüng- 
lich: And such as triumph have and favours found, wobei dann 
die von dem Gewöhnlichen abweichende Wortstellung die Veran- 
lassung zur Aenderung wurde. V. 5 erhält durch die von mir 
vorgenommene Einschiebung von me erst Sinn. V. 6 habe ich is 
eingeschoben, welches Delhis' Ausgabe an anderer Stelle bietet, 
freilich gegen das Original, und noch dazu zum Verderb des Vers- 
masses. Da der Vers ein Sechsfüssler ist, so lässt sich vielleicht — 
aber keineswegs mit Sicherheit — vermuthen, dass statt ivorthincss 
das einfache und gleich gute toorth herzustellen sei. V. 7 scheint 
kaum etwas Besseres möglich, als die Zufügung des dem Sinne 

Jahrbuch XI. 5 



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und Metrum genügenden aU. V. 8— 11 stehen bei Delius als Prosa 
und sind doch klärlich Verse. Ich hatte weiter nichts zu thun, 
als V. 10 das Glossem my desire nach per form auszulassen, auch 
war noch and vor thy love hinzugefĂĽgt worden, und inV. 11 ivise 
nach other zu streichen, sowie für das geläufige revenge das ältere, 
seltenere wreak einzusetzen. 

Auch die folgende Rede Tremelio's ist leicht zu verbessern: 
'Tis not a shepherd's frowns Tremelio fears: 
Count it accomplisht what I tdke in hand. 
Man frage sich doch auch ehrlich, ob durch solche Ausscheidung 
prosaischer Wörtchen nicht die Rede selbst an Kraft gewinnt, und 
ob nicht schliesslich die Wiederherstellung der ursprĂĽnglichen me- 
trischen Fassung, auf welche Delius freiwillig verzichtet, erst eine 
richtige Beurtheilung des Stückes ermöglicht. 

In der Antwort des Segasto wĂĽrde ich in der zweiten Zeile 
what I do promise lesen; in der Erwiderung des Tremelio in der 
zweiten Zeile stand you by a white. Die dritte Zeile ist überzählig, 
ich enthalte mich aber zu sagen, was ich davon halte. Die letzte 
Zeile der Seite aber lautete sicher in ihrer ursprĂĽnglichen Fassung: 
Accursed villain, what is't thon hast done? 

S. 19 ist die Rede des Segasto 'hopelessly corrupt' ; hier liesse 
sich ein Versuch der Herstellung wohl erst nach Vergleichung der 
ältesten Ausgabe wagen. Die Rede des Mucedorus zu Anfang von 
S. 20 ist — wenigstens wie sie jetzt dasteht — reine Prosa, wenn 
ich auch mir wohl eingebildet habe, darin die Spuren solcher Lang- 
zeilen zu entdecken, wie sie das älteste englische Drama kennt. 
Auch hier wäre es wünschenswerth zu wissen, wie die älteste Aus- 
gabe liest. Sollte aber in der Rede des Bremo, Z. 6, nicht aimless 
statt cndless zu lesen sein? Wenigstens ist mir endless in der Be- 
deutung von aimless nicht bekannt, und 'endlos' hat an dieser Stelle 
keinen Sinn. In der vorletzten Zeile dieser Seite ist Not me ein 
einfältiger Zusatz, der den Vers verdirbt und den gewiss jeder 
verständige Schauspieler von selbst auslassen würde. Ebenso 
möchte ich rathen, zu Anfang von S. 21 entweder with me auszu- 
lassen, oder combat with me zu schreiben. In der drittletzten Zeile 
von Bremo's Rede fehlt nach suffweth eine Silbe, und da lässt sich 
allerdings gar Vieles denken ; ich möchte vorschlagen : one pat snf- 
ficeth straight to work my will. In der Rede des Mucedorus möchte 
ich lesen: ThĂĽ" 1 not of any malice; in der Antwort des Segasto 



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gewinnt der Vers an Correctheit , die Rede an Kraft, wenn man 
mit Auslassung des mĂĽssigen and liest: I seek for justice; justice 
craves his death. In der drittletzten Zeile dieser Seite ist der 
Druckfehler (yon fĂĽr you) zu berichtigen. 

S. 22 ist die Rede Amadine's leicht in Verse zu fassen: 

Dread Sovereign and tuell-beloved Sire, 

On bended knee I crave the life of this 

Condemned shepherd, which tofore preserv'd 

The life of thy sometime distressed daughter. 
In des Königs Antwort braucht wohl sometime nicht wiederholt zu 
werden; es genĂĽgt: 

Preserv'd the life of my distressed daughter? 
In der dritten Zeile dieser Rede möchte ich herstellen: 

Wherein thou wast distress'd, nor kneiv the day. 
In Amadine's Antwort darf zu Ende der ersten Zeile kein Punkt, 
sondern nur ein Komma stehen; in der dritten Zeile ist adoum 
statt des gewöhnlicheren dmvn zu lesen; zu Ende wohl: I do refer 
it to Segasto's credit. In der hierauf folgenden Rede Amadine's, 
Z. 5 v. u., darf nach dread kein Semikolon stehen, sondern nur 
Komma, dagegen Semikolon nach Amadine Z. 4 v. u. 

S. 23, V. 2 Komma nach you, nicht Punkt! V. 10 ist in 
zwei Verse aufzulösen: 

Come hither, bog; lo, here it is, 

Which I present unto your Majesty. 
In dem zweiten Theile war do ebenso auszulassen, wie wir es 
vorher zugesetzt haben. V. 13 wohl often statt oftmtimcs. V. 22 
umzustellen: Segasto, cease the shepherd to accuse. V. 24 sollte 
shepherd als extra versum betrachtet werden. 

S. 24, V. 12 verbessere man den Druckfehler knaverie (statt 
knaveric). In den fĂĽnf Versen, welche Mucedorus allein spricht, 
scheint doch der Sinn zu der Annahme zu drängen, dass nach der 
dritten Zeile ein Vers zum Mindesten ausgefallen sei. 

S. 25, Z. 7 v. u. natĂĽrlich hear statt bear, ob das nun Druck- 
fehler bei Delius sein mag oder nicht. In der darauf folgenden 
Zeile ist in pain f wenn correct, jedenfalls sehr ungewöhnlich; man 
sagt sonst on pain. Zu Ende der drittletzten Zeile der Seite ist 
ein Fragezeichen zu setzen. 

S. 26, V. 4 lese man and ye siveet-smelling savours. 

S. 27, V. 12 sollte ich denken, dass es heissen mĂĽsse: Idare 

5 * 



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not promise, what I may n't per form. Gleich darauf ist der Druck- 
fehler wliar (statt what) zu verbessern. In der Antwort des Mu- 
cedorus, V. 4, möchte ich let htm dem nur bei sehr nachlässiger 
Redeweise erklärlichen let them vorziehen. 

S. 28, V. 2 as he ist zum nächsten Verse zu ziehen, welcher 
dadurch erst vollzählig wird: 

As he, eelipse thy credit through the Court. 
Die folgende Zeile wird durch Ausscheidung überflüssiger Wört- 
chen metrisch: 

No, ply, Segasto: let it not bc said. 

S. 29, V. 3 cannot (Druckfehler!); Z. 5 forgotten (Druckfehler!). 
Z. 19 erfordert der Sinn: I thought 't would he seven years. Z. 8 
v. u. frustrate (Druckfehler!). 

S. 31, V. 6 wĂĽrde ich nicht zaudern wantst statt des im Ori- 
ginalabdrucke stehenden ivants zu schreiben; man bemerke, dass 
strength folgt, mit st im Anlaut. Vergleiche auch oben S. 4 de- 
lights fĂĽr delightst (Delius p. XII). 

S. 32, Z. 7 v. u. verlangt die Sprache go look f or your pot. 

S. 33, Z. 1 ist der Schlussbuchstabe in but abgesprungen. 

S. 34, Z. 10 u. 11 sollten nicht als Verse gedruckt sein; es 
ist simple Prosa. In der darauf folgenden Rede des Clown muss 
nach Z. 4 donc ein Komma, kein Punkt gesetzt werden; dann 
muss zu Anfang der nächsten Zeile be vor not zugefugt werden; 
es konnte — wenn es wirklich im Originaldruck fehlt — nach he 
leicht ausfallen. 

S. 37, Z. 3 u. 4 ist offenbar Prosa; weshalb steht es also wie 
Verse gedruckt? Z. 12 v. u. twenty (Druckfehler!). 

S. 39, Z. 3 lese man My Bremo? als verwunderte, unwillige 
Frage. Z. 3 v. u. Blackbirds (Druckfehler!). 

S. 40, Z. 2 freely (Druckfehler!). Z. 16 kenne ich wenigstens 
mucigolds nicht; haben wir es mit einem Druckfehler fĂĽr marigolds 
zu thun? Z. 5 v. u. Hesse sich vermuthen: Say,' sirrafi, wilt thou 
fight, or doest thou die?, jedenfalls ist aber zu Ende der Zeile ein 
Fragezeichen zu setzen! Die dritte Zeile v. u. ist überzählig, 
während die vorhergehende nicht genug Silben hat. Wie wäre 
es, wenn die eine der andern etwas von ihrem Ueberfluss abgäbe, 
etwa in folgender Weise: 

Mu. I want a weapon; hoiv then can I fight? 

Bre. Thou want* st a weapon: uhy, thou yield'st to die! 



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Hierdurch scheint mir wiederum die Rede an Kraft und Ausdruck 
zu gewinnen. 

S. 41, Z. 2 v. u. muss wegen des Verses such ausgelassen 
werden. 

S. 43, Z. 8 liest sich walked sonderbar; ist es beabsichtigt 
oder falsche Lesart? Dagegen in der dritten Zeile v. u. muss 
sicher stielt a gelesen, sowie nach sits zu Ende der Seite ein Komma 
statt des unpassenden Punktes gesetzt werden. 

S. 44, V. 2 schiebe man and nach come ein. Sollte nicht 
Z. 3 v. u. vielmehr defer als refer gemeint sein? 

S. 45 in Bremo's erster Rede trenne man was't statt der 
zweiten Person wast. Z. 6 v. u. ist me nach teil einzuschieben. 

S. 46 schreibe man: 

Then have at thine. So lie there, and die — 
A death (no doubt) according to desert. 
Z. 8 v. u. streiche man die ĂĽberflĂĽssigen Buchstaben lo vor long. 

S. 48, V. 5 weUl statt weel. V. 7 doch wohl pugnando statt 
pugsnando, da mit der sonst anzunehmenden Verketzerung des latei- 
nischen Wortes, so weit ich sehen kann, kein Witz verbunden 
sein könnte. In den bald darauf folgenden Worten des Mucedorus 
ist nach der Grammatik zu lesen, und dabei gewinnt wieder der 
Vers: 

And, Amadine, why wilt thou none bitt me? 
S. 49, V. 3 Aragonian (Druckfehler!), dann V. 4 Komma nach 
hing, nicht Punkt! Z. 8 v. u. erhält man einen richtigen Vers 
durch Annahme der gleichbedeutenden Form gladden statt glad, 
und ebenso Z. 2 v. u. durch Einsetzung von but statt des zu 
langen except. 

S. 53, letzte Zeile v. u. lese man turned down thy blocke, 
mit Auslassung von upside. 

S. 54, Mitte, ist das wohl vereinzelt dastehende sancted recht 
auffallend; sollte es nicht sainted heissen mĂĽssen? 

S. 55 Ende der ersten Rede der Envy erfordert der Sinn your 
statt our. 

S. 56, V. 4 we'll statt weel. 



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Emendationen und Bemerkungen zu Marlowe. 

Von 

AViLhelm Wagner. 



1. In dem Jew of Malta, Akt 1, Sc. 2 erscheinen 'Bassoes', 
um mit dem Gouverneur von Malta zu unterhandeln. Auf die 
Frage desselben: 

Now, Bassoes, what deniand you at our hands? 
erfolgt die Antwort: 

Know, knights of Malta, that we come from Bhodes, 

From Cyprus, Candy, and those other isles 

That lie betxvixt tlie Mediterranean seas. 
Hierauf der Gouverneur: 

What's Cyprus, Candy, and those other isles . 

To ns or Malta? What at our hands demand ye? 
So steht die zuletzt angefĂĽhrte Zeile bei Dyce (Ausg. von 1865) 
und Cunningham, ohne Angabe einer verschiedenen Lesart. Es 
ist aber wunderbar, dass man sich bei dem unsinnigen or so lange 
beruhigt hat. Dass dem Gouverneur wenig oder nichts an Cypern, 
Candia und den ĂĽbrigen Inseln liegt, begreift sich leicht. An 
Malta aber muss ihm etwas liegen, da diese Insel sein eigenes 
Land ist, welches er gegen die TĂĽrken vertheidigen soll. Sinn 
entsteht unseres Erachtens erst durch die leichte Aenderung: 
Wliat' s Cyprus, Candy, and those other isles 
To us of Malta? 
Was ihr in Cypern und Candia gethan habt, kann uns in Malta 
ziemlich gleichgiltig sein ; denn das Schicksal jener Inseln bestimmt 
noch nicht das unsere. We of Malta ist durchaus nicht unge- 



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wohnliches Englisch im Sinne von we Maltese. Vgl. they of Paris 
in dem Massacre of Paris bei Dyce p. 248 b. 

2. In demselben StĂĽcke Akt 2, Sc. 2 (p. 96 b bei Cunningham) 
heisst es: 

My lord, remember that, to Europe's shame, 

The Christian isle of EJwdcs, from tvhence yon come, 

Was lately lost, and you were stated liere 

To be at deadly enmity with TĂĽrks. 
Cunningham bemerkt nicht das Geringste zur Rechtfertigung des 
immerhin auffallenden stated; Dyce dagegen fĂĽgt hinzu, es be- 
deute (wie man übrigens hätte rathen können) estated, established, 
stationed. Offenbar wĂĽrden nur die beiden letzten AusdrĂĽcke dem 
heutigen Gebrauche entsprechen. DasVerbum to state ist in an- 
derer Bedeutung eines der gewöhnlichsten Wörter der Sprache, 
nämlich in dem Sinne to fix, to settle, indkate; man vergleiche 
einen Satz wie: allow tne to state all the particulars of the case. 
Webster fĂĽhrt ein Beispiel von Withers fĂĽr die Bedeutung to esta- 
blisJi an, welches anscheinend zur Vertheidigung der uns vorlie- 
genden Stelle benutzt werden könnte: 

I myself, though meanest stated, 
And in court now almost hated. 
Aber hier lässt sich auch ohne Weiteres das Substantiv state zur 
Erklärung herbeiziehen: though my state is but vcry mean, d. h. 
state in der bei Webster unter 3 angegebenen Bedeutung, condition 
of prosperity or grandeur . . . dignity. Die zweite von Webster 
aus Pope angeführte Stelle sollte der gewöhnlichen Bedeutung 
'festsetzen' zugetheilt werden: ivho calls the Council, states the day. 
In demselben Sinne redet man von stated hours of business (s. 
Webster) = regulär, d. h. fixed hours. Es ist aber klar, dass 
in der angezogenen Stelle von Marlowe diese Bedeutungen nicht 
passen wollen; dort heisst you were stated here entschieden so 
viel wie: you were stationed here, oder, um es mit dem geläu- 
figsten Ausdruck zu bezeichnen, you were settle d. Dass aber to 
state = to settle sein könne, muss ich stark bezweifeln; jedenfalls 
ist dieses die einzige Stelle, an welcher mir das Wort in dieser 
Bedeutung vorgekommen ist. Zwar ist es unmöglich, daraufhin 
mit Entschiedenheit ein Urtheil zu begründen; es wäre eine grosse 
Anmassung, ĂĽber das unendliche Gebiet englischer Wortbildung 
nach der eigenen Lektüre, die immerhin eine beschränkte sein 



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mnss, urtheilen zu wollen. Hier haben wir einen Fall, wo das 
Fehlen eines historischen, mit vollen Belegen versehenen Wörter- 
buchs sehr zu beklagen ist. Indessen zweifeln darf man an der 
Zulässigkeit dieses auffallenden Gebrauchs; er geht zunächst wohl 
jedem, der Englisch versteht, gegen sein SprachgefĂĽhl, und dazu 
kommt, dass Johnson denselben in seinem sehr ausfuhrlichen Ar- 
tikel über to State gar nicht kennt. Es Hesse sich zunächst sagen, 
dass wie to date = to jrrovide with a date, so mĂĽsste auch to state 
= to provide with a state sein. In dem aus Withers angefĂĽhrten 
Beispiele passt diese Erklärung vollständig; für den gewöhnlichen 
Gebrauch des Wortes haben wir das analoge französische constater. 
Man wird nun aber doch kaum in gezwungener Weise erklären 
wollen: you were provided with a state at Malta, man richtete euch 
in Malta einen Staat ein! In diesem Sinne ist to estate veraltet, 
und es Hesse sich ja allenfalls, so wie stablish fĂĽr establwh vor- 
kommt, to state auch so erklären. Aber doch nur aUenfaUs, und 
ĂĽberzeugend erst dann, wenn man weitere Beispiele aufweisen 
kann. Obgleich ich mich nun nach solchen umgethan und die mir 
zugängliche Literatur durchgesehen habe, so habe ich doch keines 
entdecken können und verbleibe daher vor der Hand bei der Con- 
jectur, welche ich mir schon längst an den Rand meines Marlowe 
notirt habe: seated. So heisst es in der von Johnson aus Ra- 
leigh citirten Stelle: Should one famĂĽy or one thoasand hold pos- 
session of all the Bouffiern undiscovered continent, because they 
had seated themselves in Nova Guiana? Dazu kommt aus Shake- 
speare, Henry V., I, 2, 62: 

Charles the Great 
Subdued the Saxons, and did seat the French 
Beyond the river Sala; 
kurz vorher 46 fg. heisst es von derselben Sache: where Charles 
the Great, huving subdued the Saxons, Tliere left behind and settled 
certain French. (Andere Stellen, in denen das Verb to seat bei 
Shakespeare vorkommt, soUen hier nicht angefĂĽhrt werden.) Es 
wird also wohl nicht zu viel gesagt sein, wenn wir behaupten, 
dass Marlowe an der vorliegenden Stelle auf aüe Fälle seated sehr 
gut brauchen konnte; nach unserer Ansicht hat er auch wirkHch 
so geschrieben. Wer nicht mit uns ĂĽbereinstimmt, hat weitere 
Belege für to state — to settle beizubringen. 

3. Auf eine andere Vermuthung in demselben StĂĽcke (p. 97 b 



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bei Cimn.) legen wir nicht denselben Werth, wie auf die beiden 
vorhergehenden, da sich dieselbe nicht ebenso zwingend erweisen 
lasst. Doch mag sie hier vorgetragen werden, weil durch die 
Aufnahme unserer Emendation immerhin die betreffende Stelle ge- 
hoben, also im Ausdruck gebessert zu werden scheint. Barabas 
sagt: 

Good sir, 

Your father Jias deserved it at my hands, 
W)io, of mere charity and Christian truth, 
To bring nie to religious purity, 
And as it were in catechising sort, 
To make me mindful of my mortal SltlS, 
Against my will, and whethvr I would or no, 
Seized all I had, and thrust me mit o' doors, 
And made my house a place for nuns most chaste. 
Genau genommen versteht man nicht recht, wie all' diese Hand- 
lungen — in dem ironischen Sinne des Juden — aus Christian 
truth hervorgegangen sein sollen; wenn man nicht etwa schon in 
etwas weiterem Sinne die 'christliche Wahrheit' als eine treue 
Befolgung der christlichen Lehre auffassen will. Das mag thun, 
wer ein so weites Gewissen in der Worterklärung besitzt; wir 
können nicht umhin, ein Synonymum von charity zu erwarten: aus 
Barmherzigkeit und christlicher Liebe hat der Gouverneur 
Barabas all' seiner GĂĽter beraubt! Wir lesen also: of mere cha- 
rity and Cliristian ruth. Das Wort ruth ist hochpoetisch und 
gleichbedeutend mit jnty, tmderness. 

Ein paar Zeilen weiter (p. 98 a) ist wohl der Vers durch 
Auslassung von holy vor friars zu verbessern: 

And yet I Itnow, the prayers of those nuns 
And friars, having money for thcir pains, 
u. s. w. Man dĂĽrfte auch fragen, warum holy nicht schon bei 
nuns stehe — wenn es überhaupt nöthig wäre. 

4. Diesen auf einzelne Stellen des Jew of Malta bezĂĽglichen 
Bemerkungen mag sich nun eine Vermuthung von weiterer Be- 
deutung anschliessen. Man hat in Bezug auf Marlowe's Faustus 
schon oft erörtert, dass diese Tragödie in ihrer heutigen Ver- 
fassung nicht ohne Weiteres Marlowe zugeschrieben werden darf; 
man weiss ja aus des alten Philip Henslowe's Tagebuch, dass 
Dekker, Rowley u. a. ( additions f zu neuen AuffĂĽhrungen lieferten, 



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und man kann auch Anspielungen und AusdrĂĽcke aus dem StĂĽcke 
vorbringen, welche entschieden nicht von Marlowe herrĂĽhren, weil 
sie eben sich auf Ereignisse, die erst nach seinem Tode ein- 
getreten sind, beziehen. Man hat noch nicht genĂĽgend betont, 
dass unter den dramatischen Arbeiten Marlowe's ĂĽberhaupt bloss 
Edward II. uns in der ursprĂĽnglichen Verfassung des Textes ĂĽber- 
liefert zu sein scheint. Dklo, Queen of Carthage, war mit Nash 
gemeinschaftlich geschrieben — wir wollen noch weiter unten ein 
Wort über dieses Werk sagen — und darf also nicht als der reine 
Ausdruck von Marlowe's Kunst angesehen werden. Die beiden 
Theile von Tamburlaine aber wurden, wie dies der erste Heraus- 
geber in seiner Vorrede to the Oentletnen Headers and Others Uiat 
take pleasure in reading Historie* ausdrĂĽcklich bezeugt, auf der 
Bühne schon willkürlich entstellt: s. Cunn. p. 309, und es lässt 
sich wohl bezweifeln, dass Alles, was uns ĂĽberliefert ist, auch 
ohne Weiteres Marlowe zugeschrieben werden darf. Jedenfalls 
steht fest, dass Marlowe an der schon 1590, also noch bei seinen 
Lebzeiten, erfolgten Publikation seines StĂĽckes keinen Antheil 
hatte; sonst wĂĽrde der Text schwerlich so verderbt sein, wie er 
es notorisch an vielen Stellen ist. Das Massacre of Paris ist ein 
ganz nachlässig hingeworfenes Stück, an dem Marlowe gewiss sehr 
wenig Theil gehabt hat; es handelte sich eben nur darum, die 
Pariser Bluthochzeit fĂĽr den BĂĽhnengebrauch, so gut oder so 
schlecht wie es gehen mochte, zu dramatisiren. Dazu kommt, dass 
das StĂĽck in sehr verstĂĽmmelter Gestalt aus einem flĂĽchtig ge- 
schriebenen BĂĽhnenexemplar auf uns gekommen ist, wofĂĽr man die 
Beweise bei Dyce p. 239 findet. Der Jetv of Malta — ein Stück, 
das von Shakespeare ileissig studirt und benutzt worden ist, wie 
dies vor Anderen Karl Elze ausgeführt hat — ist, wie aus der 
Widmung hervorgeht, von Thomas Heywood herausgegeben wor- 
den, und man mĂĽsste die Sitte der damaligen Zeit schlecht kennen, 
wenn sich nicht die Vermuthung aufdrängte, dass Heywood (der 
von sich sagt: 'I ushered it into Court and presented it to the Cock- 
pit*) sich wohl manche Veränderung an dem Texte, manche Zuthat 
erlaubt haben wird. Es ist sicher, dass der Prolog und Epilog, 
bei der AuffĂĽhrung am Hofe, sowie der Prolog bei der AuffĂĽhrung 
in der Stadt von Heywood herrĂĽhren. Auch an manchen Stellen 
des StĂĽckes selbst glaube ich Heywood's Hand zu erkennen, nir- 
gends sicherer als in der vierten Scene des vierten Aktes, wo das 



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ganze Colorit nicht Marlowisch ist, und schon die Prosa eine andere 
Hand zu verrathen scheint. Jedenfalls steht als Resultat fest, dass 
bloss Edward II. ohne Weiteres verwerthet werden darf, um Mar- 
lowe's Styl zu kennzeichnen; in allen anderen StĂĽcken sind erst 
kritische Untersuchungen der eingehendsten und oft gefährlichsten 
Art erforderlich, um die Frage zu beantworten, wie weit dieselben 
Marlowe's eigene Arbeit noch darstellen, und in welchem Umfange 
sie schon überarbeitet und verändert uns vorliegen. Man darf 
eben nie vergessen, dass Marlowe's Werke sich lange auf der 
BĂĽhne und in der Gunst des Publikums behaupteten und bei jeder 
neuen AuffĂĽhrung durch Zuthaten und wohl auch Streichung des 
Ursprünglichen verändert wurden. 

5. 'Dido, Queen of Curthage' ist ein von unseren Kritikern 
viel zu wenig beachtetes, vermuthlich zu wenig gelesenes StĂĽck. 
Es ist eine sehr durchdachte und sorgfältig ausgeführte Arbeit, 
in der Marlowe offenbar seinen jĂĽngern Genossen, Nash, Alles aus- 
fuhren Hess, was zur bloss äusserlichen Fortführung der Handlung 
gehörte, während er selbst den Gesammtplan und die grossen, 
pathetischen Scenen lieferte. Hervorzuheben ist die Kraft und 
dabei doch Maasshaltung, mit welcher die Liebe der Dido zu 
Aeneas geschildert wird; man lese vor allen andern die erste Scene 
des dritten Aktes; dort herrscht ein so innig- wahrer und echt- 
poetischer Ausdruck, wie ihn Marlowe sonst nicht wieder seinen 
weiblichen Charakteren hat leihen können. In dieser Beziehung 
ist dies Drama geradezu als ein bedeutender Fortschritt in Mar- 
lowe's Kunst zu bezeichnen; weder Zenocrate im Tamerlan, noch 
die schattenhafte Isabella in Edward H. darf man hiermit ver- 
gleichen, und Barabas' Tochter Abigail — die wie Shakespeare's 
Juliet 1 ) ein wahres Kind an Jahren ist, starte fourteen years of 
age, wie es in dem Stücke selbst heisst, p. 95 a bei Cunn. — ist 
echter Liebe gar nicht fabig. Dido ist eine Gestalt, welche schon 
nahe herankommt an die liebliche Hero in dem leider nicht von 
Marlowe vollendeten Epyllion, der vollkommensten Schöpfung der 



') Man vergleiche auch aus dem Jew of Malta p. 95 b Cunn. die Verse: 
But stay, wliat star shines yonder in the east? 
The loadstar of my life, if Abigail — 
mit Shakespeare's Worten, Romeo and Juliet U, 2, 2: 

But soft, what light through yonder window breaks? 
Jt is the east, and Juliet is the mn. 



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Marlowe'schen Muse, welche viel mehr eine epische, als eine drama- 
tische war. Das ist zwar ein hohes Lob, wir glauben aber, man 
wird es bei näherem Studium des Charakters der Dido gerecht- 
fertigt finden. Allerdings ist auch nicht zu tibersehen, dass Virgil 
dem englischen Dichter schon bedeutend vorgearbeitet hatte. 

6. Eine kritische Bemerkung, die indessen uns wieder einen 
Einblick verstatten wird in die nachlässige Ueberlieferung des 
Marlowe'schen Textes, möge den Beschluss dieses Aufsatzes machen. 
Freilich kann man auch hier, wie bei einer frĂĽheren Gelegenheit, 
die Verwunderung nicht unterdrĂĽcken, dass eine Reihe von Her- 
ausgebern — Dyce unter ihnen — eine so seltsame Unzuträglich- 
keit, wie wir sie gleich auseinandersetzen wollen, so ruhig haben 
passiren lassen können. Dem Gang der Virgü'schen Erzählung 
folgend, hat Marlowe seinem Aeneas, der an der KĂĽste von Afrika 
umherirrt, dessen Mutter Venus in der Kleidung einer Jägerin 
erscheinen lassen; diese giebt ihm (p. 175 b Cunn.) folgende Aus- 
kunft: 

Bnt for flie land whereof thou dost inquire, 
It is the Punic kingdom, rieh and strong, 
Adjoining an Agenor's stately town, 
The kingly seat of southern Libya, 
Whereas Sidoniari Dido rules as quem. 
In der ganzen Scene, in weicher diese Worte vorkommen, findet 
sich nirgends der Name Cartliage, und man muss sich also sehr 
wundern, wie zu Anfange des zweiten Aktes Aeneas, Achates und 
Ascanius sich inmitten der prächtig ersteigenden und mit Bild- 
werken aus der trojanischen Geschichte geschmĂĽckten Stadt be- 
finden, deren Name — Cartliage — ihnen noch ganz unbekannt 
ist (nur dass Dido da herrscht, wissen sie) und Aeneas ausruft: 

Where am I now? these should be Carthage walls! 
Es muss natĂĽrlich heissen: these should be Trojan walls! In 
seiner Verwunderung (amazed, V. 2) ruft Aeneas aus: Das sieht 
aus, als wären es die Mauern von Troja! Wenige Zeilen weiter 
heisst es: Methinks, that town there should be Troy. Erst nachher 
theilt Ilioneus seinem FĂĽrsten mit (p. 177 b): Lovely Aeneas, 
these are Carthage walls, und aus diesem Verse hat ein vor- 
witziger Copist oder Corrector auch den Anfangsvers der Scene 
verschlimmbessert. 

Es mag noch bemerkt werden, dass bei Virgil Venus sogleich 



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ihrem Sohne den Namen der Stadt mittheilt: ubi cernes — $ur- 
gmtem novae Karthaginis arcem (Aen. I, 366). Die kleine Ab- 
weichung, welche hier Marlowe und Nash sich von ihrem Vorbilde 
erlaubt haben, möchte ich als einen glücklichen, recht dramatischen 
Griff betrachten, und rathe entschieden ab, etwa anzunehmen, 
dass p. 176 a nach der zweiten Zeile etwas ausgefallen sei, worin 
der Name Carthage gestanden habe. 



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Ueber Shakespeares Clowns. 



Von 

.T. ThĂĽmmel. 



Der Lustigmacher der alten Mysterien und Moral-Plays, der 
Vice, der sich als allegorischer Hanswurst besonders in der Rolle 
eines erbitterten und stets siegreichen Gegners des höllischen Erz- 
feindes der höchsten Popularität zu erfreuen hatte, verschwand 
gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts fast gänzlich von der 
englischen SchaubĂĽhne. Das Typische seiner Erscheinung, das 
Traditionelle seines Witzes und Gebahrens scheint dem Geschmack 
des damaligen Theaterpublikums nicht mehr zugesagt zu haben — 
wenigstens lässt sich von Heywood ab das Bestreben der drama- 
tischen Dichter wahrnehmen, dieser fĂĽr die BĂĽhnenspiele und die 
Unterhaltung der Zuschauer so ĂĽberaus wichtigen komischen Figur 
durch Individualisirung Wahrheit und Leben zu verleihen. — Der 
grosse reformatorische Zug, der das sechzehnte Jahrhundert kenn- 
zeichnet, der im staatlichen, kirchlichen und bĂĽrgerlichen Leben 
alle Verhältnisse durchdringend, der hergebrachten Formel den 
Krieg erklärt und der Selbsttätigkeit des Gedankens und der 
Eigenartigkeit Recht und Geltung zu verschaffen sucht, macht 
sich auch in der Literatur bis in die kleinsten Details fĂĽhlbar. 
Selbst der Hanswurst muss sich der Reform unterwerfen, denn 
der Sport der englischen Theaterbesucher jener Periode verlangt 
seinen Antheil an der Zeitströmung. 

An Stelle des bisher allegorischen Possenreissers tritt zunächst 
die aus dem wirklichen Leben gegriffene Figur des komischen 
Hausbedienten, des Domestic Fool, allerdings noch mit Beibehal- 
tung typischer Färbung — gleichzeitig bürgert sich jedoch in 
beide Gattungen des Drama's, in die Komödie wie Tragödie ein 



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komischer Gesell von eigenartiger Naturwahrheit ein, bald neben 
dem Gewerbsnarren, seinem Stammverwandten herlaufend, bald 
die Komik des StĂĽckes beherrschend, immerhin jeder dramatischen 
Produktion unentbehrlich, der Clown. 

Beide Schösslinge aus der Wurzel des Vice finden wir in 
Shakespeare's Dramen bis zur höchsten Blüthe entwickelt, den 
Fool durchgeistigt, veredelt, zum Vertreter des Gnomischen er- 
hoben, 1 ) den Clown mit einer solchen FĂĽlle charaktervoller Komik 
ausgestattet, dass es sich wohl der MĂĽhe verlohnen dĂĽrfte, auch 
diese Figur einer nähern Betrachtung zu unterziehen. 8 ) 

Ueber die Entstehung des Wortes 'Clown* sind die englischen 
Etymologen verschiedener Meinung. Wedgwood 3 ) bringt Clown 
wie auch die Nebenform Cown mit Clod, Clot in Zusammenhang, 
so dass die Begriffsentwickelung ungefähr dem neuhochdeutschen 
'Klotz' einigermassen entsprechen dürfte, während Skinner und 
Trench der gewöhnlichen Ableitung des Clown von Colon (latei- 
nisch colonus) mit der Bedeutung des deutschen: 'Landmann, 
Bauer, Tölpel' den Vorzug geben. 4 ) Ueberlassen wir es den Fach- 
männern, über die Wurzel zu befinden — für die Begriffsbestim- 
mung dürfte es genügen, dass beide Ableitungen ungefähr auf 
dasselbe hinauslaufen: auf das Klotzige, Tölpische des Clown, der 
sich auch etymologisch von seinem Stammesgenossen, dem Fool, 
insofern scheidet, als die Bezeichnung des Letztern, offenbar aus 
dem Romanischen nach England herĂĽbergenommen, mit dem La- 
teinischen follis 5 ) oder doch wenigstens mit dem Französischen 
follet zusammenhängt und auf die Windbeutelei, das Irrlichteriren 
des buntscheckigen Gewerbsnarren hinfuhrt, also das Gegenteilige 
von dem die Unbeweglichkeit darstellenden Clown auszudrĂĽcken 
scheint. — 

Demgemäss würde schon sprachlich als wesentliches Merkmal 
des Clown das Tölpelhafte der Erscheinung, das Naturwüchsige 
des Wesens zu konstatiren sein, und zwar im Gegensatze zu dem 



l ) Jahrbuch Band IX, S. 87 ff. J. Thtlmmel, Ăśber Shakespeare's Narren. 
a ) Cf. ĂĽbrigens Delius, Vortrag ĂĽber die Figur des Narren in Shakespeare's 
Dramen vom 3. Februar 1860, abgedruckt in der Kölnischen Zeitung. 
') Dict. of Engl. Etymol. I, 356. 

*) Eduard Müller, Etymol. Wörterbuch der englischen Sprache. 1865. 1, 216. 
*) Diez, Wörterbuch der romanischen Sprachen. 1853, S. 148. 



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Gewandten, reflektirt KĂĽnstlichen des Gewerbsnarren, des Fool 
artificial. — Sofern aber die Natur vielgestaltig zur Erscheinung 
kommt, bedingt auch ihre Darstellung im Bilde' eine entsprechende 
Mannichfaltigkeit der Charakteristik. Das Bild des Naturburschen 
kann nur wirken durch seine Eigenartigkeit und ergiebt sich 
hieraus von selbst als ferneres Kennzeichen des Clown das Indi- 
vidualisirte seiner Persönlichkeit zum Unterschied von dem Ty- 
pischen, dem Maskenartigen in der Figur seines Zwillingsbruders, 
des Fool. *) Soll nun der Naturbursch als solcher komisch wirken, 
so muss gerade diese Eigenartigkeit die Veranlassung dazu ab- 
geben, seine Handlungen mit seiner Lage oder mit seiner Absicht 
in Widerspruch zu bringen, d. h. nach Jean Paul den sinnlich 
angeschauten Unverstand, das Lächerliche produziren. Die bäue- 
rische Naivität des Gesellen, sein täppisches Wesen, meist durch 
eine Zuthat urwĂĽchsigen Mutterwitzes gehoben, mĂĽssen ihn, so- 
bald er mit andern, seiner Anschauungsweise ferner liegenden 
Lebenskreisen in Berührung geräth, zum Gegenstand der Belusti- 
gung machen. 

Im Shakespeare'schen Clown finden sich die hervorgehobenen 
Merkmale ziemlich durchweg scharf ausgeprägt: das Tölpische, 
RĂĽpelhafte in der Erscheinung, das Naive im Wesen, das Man- 
nichfaltige in der Gestaltung, das Zweckwidrige seines Handelns 
im Kontakte mit ausserhalb seiner Sphäre liegenden Verhältnissen. 
Allerdings tritt bei den verschiedenen Charakteren bald das eine, 
bald das andere Moment mehr zu Tage und hat der Dichter 
sogar einigen seiner Clowns eine so starke Dosis witziger Bega- 
bung beigemischt, dass man sich veranlasst finden könnte, die 
betreffenden Figuren an die Bedeutsamkeit und Rangstufe der 
Shakespeare'schen Hausnarren heranzurücken — wenn nicht durch 
all den Witz und Humor immer wieder die bäurische Einfalt des 
Naturburschen durchleuchtete. 

So durchläuft der Shakespeare'sche Clown die verschieden- 
artigsten Stadien des Intellekts vom Stumpfsinn bis zur Pfiffigkeit. 
Seine äussere Lebensstellung kömmt dabei nicht in Frage; mag 
er Kärrner, Bauer, Handwerker, Bediensteter vom Küfer bis zum 
Friedensrichter, oder gelegentlich Landjunker 2 ) sein, wenn seine 

*) Francis Douce, Illustrations of Shakespeare (London 1839) S. 498: 'The 
clown was certainly a character of much greater variety.' 
*) Francis Douce: 'One of the above persouages. 1 



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— 81 — 

â–  

Tölpelhaftigkeit nur belustigt. Selbst an das Geschlecht darf 
man sich nicht binden — in der Amme (Romeo und Julie) und 
in Frau Hurtig (Heinrich IV.) hat der Dichter ein Paar weibliche 
Clowns geschaffen, die es in jeglicher Beziehung und nach allen 
Richtungen hin mit ihren männlichen Kollegen aufnehmen. 1 ) 

Bald treten die Clowns in Shakespeare's Dramen einzeln 
auf, bald zu mehreren, zuweilen sogar truppweise, so zu sagen 
in ganzen Nestern, wie in Heinrich IV. und im Sommernachts- 
traum; bald fordern sie die Haupthandlung und sind fĂĽr die Ent- 
wicklung des Pragmatischen unbedingt nothwendig, wie die Kon- 
stab el Holzapfel und Schleewein in Viel Lärmen um Nichts und 
die beiden Dromio's in den Irrungen, bald verhalten sie sich rein 
episodisch. — In dieser letztern Beziehung flicht sie der Dichter 
hin und wieder in seine Tragödien ein, den ernsten Gang der 
Handlung mit den Spässen des komischen Gesellen unterbrechend. 
Diese Mischung der heterogenen Elemente, des Tragischen mit 
dem Komischen, ist von den Aesthetikern vielfach getadelt und 
als unkĂĽnstlerisch verworfen worden. Goethe voran in seinem 
Essay: 'Shakespeare und kein Ende' 5 ) hebt beispielsweise hervor, 
dass der tragische Gehalt von Romeo und Julie durch die zwei 
komischen Intermezzisten, die Amme und Mercutio, geradezu in 
Frage gestellt werde, und bezeichnet den Eindruck, den diese 
Komik auf den Zuschauer mache, als einen unerträglichen. Barm- 
herziger verfährt er schon mit Schill er's Turandot, 8 ) obwohl er 
auch hierbei nicht verhehlt, dass StĂĽcke von rein gesonderten 
Gattungen mehr nach seinem Geschmacke wären, überhaupt der 
deutsche Ernst diese Sonderung verlange. Goethe's Eifer gegen 
die Mischung des Komischen mit dem Ernsten dĂĽrfte wohl wesent- 
lich auf Rechnung seiner klassisch-antiken Neigungen zu schreiben 
sein, welchen ein unvermitteltes, schroffes Nebeneinander der 
Gegensätze als eine Inkorrektheit im Styl erscheinen musste. Das 
deutsche Wesen möchte wohl hiermit auch nicht das Geringste 
zu schaffen haben. Wenn es wahr ist — was schon Plato im 
Symposion aufstellt — dass die Komik aus derselben Tiefe des 



') Nach Fr. Douce hat das Instige Alt -England sogar weibliche Fools 
gekannt. 

*) Band 4B, S. 54. 
») Band 45, S. 14. 

Jahrbuch XI. • *> 



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— 82 — 



Geistes entspringt, wie die Tragik, so dĂĽrfte es gerade der deut- 
schen Natur gegeben sein, dem Dichter ĂĽberall hin, selbst durch 
die Gegensätze zu folgen, ohne an einem Stimmungswechsel An- 
stoss zu nehmen. — Ueber alle diese Bedenken ist auch die Styl- 
richtung des Drama's, welche ja nach Shakespeare's Vorgange 
die Kontraste faktisch zugelassen hat — mit der Zeit hinweg- 
gegangen, und hat sich Goethe selbst dem Gewicht dieser That- 
sache nicht zu entziehen vermocht; sein Schneider Jetter im Egmont 
ist genau genommen eben nichts Anderes, als ein moderner Clown, 
der im Trauerspiele und trotz des Ernstes der Haupthandlung seine 
Witze reisst, auch recht belustigend mit sich spassen lässt. 

Bei Shakespeare ist dieser Kontrast von Ernst und Scherz 
allerdings in aller Schärfe vorhanden, denn wo immer der Clown 
auftritt, wirkt er entschieden drastisch. Freilich verdankt der 
täppische Bursch diesen unzweifelhaften, nie versagenden Effekt 
einer gewissen UeberfĂĽlle seiner Charakteristik, der Holzschnitt- 
manier, in der er gezeichnet ist, dem Plastisch -Grotesken seiner 
Erscheinung; mit Einem Wort: er wirkt eben als Karikatur. — 
Aehnlich wie bei Aristophanes , der nach dieser Richtung hin auf 
dem politischen Gebiete Kolossales leistet, tritt uns bei Shakespeare, 
nur in der Kleinwelt der bürgerlichen Sphäre, dasselbe Uebermass, 
dieselbe Anspannung bis zum kecksten Uebermuthe entgegen. — 
Rosenkranz findet deshalb auch die Karikirung des Shakespeare- 
schen Clowns bis in's äusserste Extrem, in's Fratzenhafte gestei- 
gert, allerdings mit der ausdrĂĽcklichen Reserve, dass uns diese 
Fratzen bei alledem herzlich lachen machen. 1 ) Und um dieser 
Reserve willen darf auch Rosenkranz's Aeusserung kaum als ein 
Tadel aufgefasst werden, denn das herzliche Belachen ist es gerade, 
was dem Bizarren, der Karikatur, ĂĽberhaupt dem Niedrigen seine 
Position innerhalb der Kunst sichert. Dem Dichter, der uns be- 
lustigen will, lässt Schiller 2 ) allerlei Extravaganzen hingehen, wo- 
fern er nur nicht Unwillen oder Ekel erregt. Der Zärtlichkeit 
des Geschmacks räumt er hierbei gar keine Berechtigung ein und 
pointirt ausdrücklich, dass allein die Stärke des Eindrucks ent- 
scheide. — 

Für die Stärke des Eindrucks ist aber lediglich die Stärke 



') Rosenkranz, Aesthetik des Hässlichen, S. 403. 
8 ) Band XII. S. 320. 



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— 83 — 

der Handlung selbst, innerhalb welcher der Clown belustigend auf- 
treten soll, massgebend — nur das Pragmatische regulirt hier die 
Grenzen des Erlaubten, und versteht es sich von selbst, dass die- 
selben für die Tragödie anders zu bestimmen sind, als für die 
Komödie. — Je schärfer und beängstigender der pragmatische 
Verlauf im Trauerspiel sich zuspitzt, um so unabweislicher stellt 
sich beim Zuschauer das BedĂĽrfniss nach Milderung der peinlichen 
Situation ein. Diese Milderung kann immerhin und wird am 
sichersten durch eine episodische Scene komischer Färbung herbei- 
geführt werden, nur darf dieselbe nicht willkürlich und völlig zu- 
sammenhangslos in die Handlung hineingeworfen sein, muss viel- 
mehr an das Thatsächliche anknüpfen oder fiir die Stimmung und 
Situation des Helden eine humoristische Parallele aufstellen — 
unter allen Umständen aber wird sie sich nicht weiter ausdehnen 
dürfen, als eben hinreicht, der Handlung das Beängstigende zu 
benehmen. — Hier tritt die drastische Komik des Clowns hemmend 
auf in rückschreitender Bewegung. — Diese Mission erfüllt bei- 
spielsweise der Clown im Macbeth, der Pförtner. Am Schlüsse 
der grauenvollen Scene, *) in welcher Macbeth den Königsmord be- 
geht und von den Furien des Gewissens gepeitscht in die Halle 
zurückstürzt, lässt sich am Südthor des Schlosses Inverness ein 
wiederholtes Klopfen vernehmen, dessen mahnender Ton das Grauen 
und Entsetzen des Mörders zur Raserei steigert. — Da erscheint 
der Clown 2 ) und verhilft dem Zuschauer zu der so notwendigen 
Abschwächung des durch die grelle Mordscene hervorgerufenen 
peinlichen Eindrucks, indem er jenes ängstigende Pochen witzig 
persiflirt und dabei seine bizarre Nachtwächter -Philosophie aus- 
kramt. — Aehnlich verhält es sich mit der drolligen Leichen- 
Metaphysik der beiden Todtengräber im Hamlet, 3 ) deren Galgen- 
humor ĂĽbrigens mit dem sarkastischen Zuge im Charakter des 
Helden der Tragödie in wunderbarem Einklänge steht. — In 
Romeo und Julie ist die episodische Einflechtung der beiden Clowns, 
des weiblichen (der Amme) und des männlichen (des Aufwärters 
Peter) weniger darauf angelegt, einer besonders beängstigenden 
Situation die Schärfe zu nehmen, als vielmehr die Schwüle der 



') Akt II, Scene L 
*) Akt II, Scene 2. 
») Akt V, Scene 1. 

6* 



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— 84 - 



Atmosphäre, die sich nach und nach über die ganze Handlung 
legt, dem Zuschauer erträglicher zu machen. — Darin werden die 
beiden Clowns durch den Humoristen Mercutio — den Goethe mit 
der Amme in gleiche Kategorie wirft — auf das Lebhafteste 
unterstützt. — 

Anders verhält es sich mit den Clowns der Komödie. Diesen 
kommt es nicht darauf an, zu neutralisiren, abzuschwächen — im 
Gegentheil, ihnen fällt die Aufgabe zu, das Komische der Situation 
so viel als möglich zu heben, zu verstärken. Hire drastische Er- 
scheinung tritt fordernd auf und treibt in fortschreitender Bewe- 
gung das Spiel kecker Laune bis zum Aeussersten. — Dem ent- 
sprechend ist denn auch der Eindruck der Lustspiel -Clowns ein 
unwiderstehlicher. — Wer sich über die Konstabel Holzapfel und 
Schleewein in Viel Lärmen um Nichts, die Junker Christoph und 
Tobias in Was ihr wollt, vor Allem ĂĽber die Sommernachtstraum- 
RĂĽpel vor Lachen nicht auszuschĂĽtten vermag, dem geht in der 
That das ab, was Kant ausser der Hoffnung und dem Schlaf als 
das hauptsächlichste Gegengewicht gegen die Misere des Alltags- 
lebens preist, der Humor. 

Kurz, der Eindruck ist da — es fragt sich nur, wie sich 
derselbe seiner Entstehung nach erklären lässt. 

Zunächst ist der Shakespeare'sche Clown allerdings jeder Zoll 
ein Engländer; die Küfer, die Kärrner, die Konstabel, insbesondere 
die komischen Landjunker haben ganz das Gepräge nationaler 
Absonderlichkeit. — Ja, sie können sogar die Abstammung vom 
lustigen Alt-England nicht verleugnen — ganz im Geschmacke 
der Elisabethischen Periode gehalten, sprechen und handeln sie 
genau aus den Anschauungen und Sitten jenes Zeitalters heraus. 
Die natĂĽrliche Folge hiervon ist, dass uns insonderheit die Aus- 
drucksweise des Shakespeare'schen Clowns -Witzes mehrfach be- 
fremdet, dass uns auch stellenweis das Gebahren des komischen 
Gesellen nicht recht zu Sinne will. — Indessen was uns hierbei 
fremdartig berĂĽhrt, ist und bleibt die Form, gewissermassen die 
äussere Tracht des lustigen Alt-Englands — der Kern stellt sich 
dem unbefangenen Auge als durchaus international volksthĂĽmlich, 
als vollgültig für alle Zeiten und Völker dar. Durch seine Natur- 
wahrheit und sein urwüchsiges Wesen repräsentirt der Shakespeare- 
sche Clown den Volkshumor, dessen gesunde Frische in den 
wirksamsten Kontrast mit dem Angekränkelten und Gemachten des 



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— 85 — 



feinem Kulturlebens tritt. Es ist die Macht der Naivität, die hier 
durchschlägt, wie Kant es erklärt: 'der Ausbruch der der Mensch- 
heit ursprĂĽnglich natĂĽrlichen Aufrichtigkeit wider die zur andern 
Natur gewordene Verstellungskunst, dem das kindliche GemĂĽth des 
Volks jede unschuldige Verletzung kĂĽnstlicher Formen und der so- 
genannten Anstandsgesetze gern zu Gute hält.' — Um dieser Un- 
schuld willen wird sich auch der vorurtheilsfreie Zuschauer des 
neunzehnten Jahrhunderts von den zuweilen derben Verstössen des 
Clowns gegen die gute Sitte wenig oder gar nicht irritiren lassen — 
er nimmt sie mit in den Kauf, weil sie naiv gemeint sind und des- 
halb auch naiv empfunden werden. Man merkt es dem täppischen 
Burschen nur zu gut an, dass er sich an den Zweideutigkeiten und 
Obscönitäten, die er hin und wieder loslässt, nicht selbst ergötzt 
oder sich etwas darauf zu Gute thut. — Ekel und Unwillen können 
nĂĽr die Zoten eines Rabelais erregen, weil sie eben zotig gemeint 
sind — selbst Heinrich Heine's verhülltere Pointen dürften viel 
eher dazu angethan sein, den schönen Leserinnen das Blut in die 
Wangen zu treiben, eben weil sie mit Bewusstsein und Raffinirtheit 
geboten werden, als die lockern Spässe unseres bäurischen Gesellen. 

Denn in der That tritt uns aus seinem ehrlichen Gesicht ein 
idealer Zug entgegen, dem sich selbst die prĂĽdeste Seele nicht zu 
verschliessen vermag, ich meine die liebenswĂĽrdige Gutherzigkeit 
des braven Burschen. Vergegenwärtigen wir uns die Charaktere 
der Shakespeare'schen Clowns der Reihe nach vom Idioten Trinculo 
bis zu dem durchtriebenen Zwillingspaar der Dromio's, so werden 
wir an ihnen auch nicht ein Atom von Bosheit, TĂĽcke oder von 
dem herben Wesen entdecken, das uns zuweilen in den komischen 
Figuren des Aristophanes weniger angenehm berührt. — Shake- 
speares Clowns sind eben absolut komisch, humoristisch vertieft. — 
Ihre Narrheit wird nicht durch die Intrigue bestimmt, wie bei den 
schematischen Figuren Moliere's — umgekehrt, Rede und Handlung 
sind Produkt ihrer Eigenartigkeit, ihres bäurisch -gemüthlichen 
Wesens, welches sogar Falstaffs Strolche nicht vermissen lassen. 
Drum ist ihr Humor so wohlthuend und gestaltet sich um so be- 
haglicher, als der Clown von seinem Verstände und von der Zweck- 
mässigkeit seines Handelns auf das Lebhafteste durchdrungen ist, 
ohne dies durch eine widerwärtige Ueberhebung zur Anschauung 
zu bringen. — Die Selbstgenügsamkeit, mit der Peter Squenz und 
seine Spiessgesellen das Festspiel zu Theseus' Hochzeit in's Werk 



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— Be- 



setzen, die Ueberzeugung der Konstabel Holzapfel und Schleewein 
von der Unfehlbarkeit ihrer Inquisitionsmaxime, die hohe Meinung, 
die die Junker Bleichenwang und Schmächtig von ihrer Unwider- 
stehlichkeit ihren Angebeteten gegenüber durchblicken lassen — 
und dabei ihre völlige Ahnungslosigkeit, wie unendlich lächerlich 
ihre Thorheit sich darstellt, ist geradezu entzĂĽckend. 

Wenn hiernach schon die Charakterzeichnung des volkstĂĽm- 
lich -humoristischen, naiv -liebenswĂĽrdigen Clowns das karikirte 
Wesen desselben als eindrucksvoll im Sinne Schiller's zur Erschei- 
nung bringt, so entspricht die Situation, in welche sich der Clown 
durch seine Narrheit bringt, dem Eindrucke seiner Persönlichkeit 
vollkommen. — Hier ist es der Kontakt des aus seinen einfachen 
ländlichen Verhältnissen herausgerissenen und in verfeinerte Lebens- 
kreise versetzten Gesellen mit einer andern, ihm fremdartigen Sphäre, 
welcher ihn bald zum Gegenstande des Gelächters macht, bald 
seinen Mutterwitz provocirt, ihn bald Scheibe bald SchĂĽtz sein 
lässt. — Nach beiden Richtungen hin ist sein Handeln stets irra- 
tional, zweckwidrig; in der Eegel erzielt er das Gegentheil von 
dem, was er beabsichtigt. — Die Handwerker im Sommernachts- 
traum wollen zu Theseus' Hochzeitsfeste den 'höchst grausamen 
Tod des Pyramus und der Thisbe' tragiren, ein StĂĽck, 'das einige 
Thränen kosten wird bei einer wahrhaftigen Vorstellung', und 
bringen eine Posse zur Naht — Holzapfel und Schleewein vertrö- 
deln die Zeit mit ungeschickten Verhören, die sie mit den Helfers- 
helfern des Intriguanten Juan abhalten, anstatt einfach das Schelmen- 
stück der Malefikanten zur Kenntniss der Betheiligten zu bringen — 
die beiden Dromio's gerathen mit ihren Bestellungen stets an den 
unrechten Antipholus — die Junker Bleichenwang und Schmächtig 
machen sich durch die Art ihrer Werbung um die Gunst ihrer An- 
gebeteten diesen nur unausstehlicher. Und wo die Dromio's, die 
Bedienten Lanz, Flink (in den Veronesen) und Grumio (in der 
Widerspenstigen Zähmung) ihren Mutterwitz leuchten lassen, wer- 
den sie stellenweis von ihren Herren mit einer Tracht PrĂĽgel dafĂĽr 
regalirt. — Kurz, die Berührung des Clown mit dem feinern Leben 
schlägt in der Regel zu seinen Ungunsten um und bringt ihn in 
Lagen, die seinen Bestrebungen schnurstraks zuwiderlaufen. — Ja 
noch mehr, sobald die närrischen Burschen vereint auftreten, richtet 
sich die Zweckwidrigkeit ihres Handelns, ohne dass sie es beab- 
sichtigen, gegen einander; jeder der Clowns leidet durch die Ver- 



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kehrtheit des andern — die Narrheit des Einen findet in der des 
Andern ihre Ironie. — Die Clowns im Sturm Trinculo und Stephano, 
die Handwerker -Komödianten im Sommernachtstraum, die Junker 
Christoph und Tobias in Was ihr wollt, selbst die Strolche in 
Heinrich IV. und V. wenden sich in ihrer Thorheit gegen einander, 
wo sie eine gemeinsame Aktion intendiren. — Ihr Handeln stellt 
sich als eine sich selbst aufhebende Bewegung dar, die, indem sie 
zum Ziele strebt, davon abfuhrt. 

Die Wirkung, die dieses Gebahren der Clowns auf den Zu- 
schauer macht, besteht wesentlich in dem WohlgefĂĽhl des Letztern, 
alle diese Dinge als Thorheiten empfinden zu können — in dem 
GenĂĽsse der Ueberlegenheit. Man fĂĽhlt sich, so zu sagen, gegen 
das "Narrenthum des Clown in der Vorhand; man dĂĽnkt sich ĂĽber 
dessen Verkehrtheiten zu stehen und sie deshalb belachen zu dĂĽrfen. 
Darum sind wir auch geneigt, uns der 'Zärtlichkeit des Geschmacks' 
zu entschlagen und uns mit dem Tröste abzufinden: der Clown ist 
zwar stark aufgetragen, aber er ergötzt! 

Bei aller Mannichfaltigkeit der Shakespeare'schen Clown-Cha- 
raktere lassen sich dieselben in verschiedene Gruppen eintheilen, 
fĂĽr welche der Grad des Intellekts den passendsten Bestimmungs- 
modus abgeben dĂĽrfte. 

Den Reigen eröffnet die Gruppe der Idioten, von denen ich 
William in 'Wie es Euch gefällt' zuerst nenne, weil er für den 
bereits früher — Jahrbuch IX, S. 87 u. ff. — aufgestellten und 
hier festgehaltenen Unterschied zwischen dem Clown und Fool den 
schlagendsten Beweis liefert. 1 ) Im Uebrigen ist William ein alberner 
Tolpatsch, der nichts weiter leistet, als dass er sich fĂĽr den In- 
haber eines 'ganz hübschen Verstandes' hält und sich bei alledem 
durch eine Hand voll Redensarten seines Nebenbuhlers, des Ge- 
werbsnarren, aus seinen Heirathsgedanken herausschrecken lässt. — 
Ungefähr von demselben Kaliber sind die beiden Schäfer im Winter- 
mährchen, nur für die Handlung des Stücks von grösserer Bedeu- 
tung, als der völlig episodische William. Ihre Albernheit, die der 
Gauner Autolykus in dem Idyll des vierten Akts recht ergötzlich 
ausbeutet, erreicht ihren Gipfel, als die Tölpel schliesslich a ) zu 
'geborenen' Sicilianischen Freiherren erhoben werden. 

l ) Touchstone, der Fool artificial, sagt ausdrĂĽcklich von und zu ihm : It is 
meat and drink to me to see a clotvn — und : Therefore, you down, abandon — 
the society of this female. As You Like It V, 1. *) Akt V, Scene 2. 



88 — 



In dem Jester Trinculo 1 ) und dem KĂĽfer Stephano im Sturm 
begegnen wir einem Paar degenerirter Bursche, die zwar von Haus 
aus von der Nato nicht ganz so stiefmĂĽtterlich behandelt zu sein 
scheinen, wie ihre vorher genannten Kollegen, deren Fassungs- 
vermögen jedoch der Sekt auf einen winzigen Rest beschränkt hat. 
Ihr Attentat auf Prospero und auf die Herrschaft der Insel, na- 
mentlich die Art, wie sie sich von dem Saufungeheuer Caliban 
beeinflussen lassen, weist ihnen unzweideutig ihren Platz unter 
den Idioten an, obwohl die Weinlaune, in der sie sich konstant 
bewegen, aus ihrem ausgebrannten Hirn noch einen Vorrath von * 
Witzfunken herausschlägt, der nicht allein hinreicht, ihre Erschei- 
nung mehr belustigend als widerwärtig wirken zu lassen, sondern 
sogar noch hie und da einen humoristischen Lichtstreifen auf den 
Spiessgesellen Caliban abwirft. 2 ) 

Die zweite Rangstufe nehmen die Rüpel ein, die Tölpel von 
Geblüt, welche sich, ohne es zu wollen, dem Gelächter preisgeben, 
lediglich als Zielscheibe fĂĽr den Witz Anderer. In den Figuren 
dieser Kategorie zeigt sich der Clown unvermischt, in seiner ganzen 
liebenswürdigen, drolligen Narrheit. — Der vornehmste Platz ge- 
bührt hier entschieden der schon mehrfach erwähnten Genossen- 
schaft der Sommernachtstraum -RĂĽpel, einem wahrhaften Ratten- 
könig von Musterclowns, die in ihrer hausbackenen Naivität nicht 
die leiseste Ahnung davon haben, wie tölpisch sich ihre dilettanti- 
schen Leistungen ausnehmen, wie absichtslos sie durch ihre possen- 
hafte Darstellung des 'traurigen Geschicks von Pyramus und Thisbe' 
das tragische Pathos der Liebe parodiren. In dem Helden dieser 
Handwerkerbande, 'hart von Faust und widerspenstigen Gedächt- 
nisses', in Zettel dem Weber vereinigt sich in der That Alles, um 
ihn zum Prototyp der RĂĽpelgruppe zu stempeln. Als 
den ungesalzensten von den Gesellen 
Den Pyramus berufen darzustellen 



0 Hinsichtlich der Eubricirnng des Fool natural, des Jester Trinculo unter 
die Clowns vergl. Jahrbuch IX, S. 89 ff. 

2 ) Caliban, obwohl durch seine ingrimmige Bosheit meist komisch wirkend, 
kann als Clown nicht aufgefasst werden. Ihm fehlt das naiv Unschuldige. 
Ausserdem verkörpert e r, wie Rosenkranz treffend bemerkt, eine grosse ge- 
schichtliche Wahrheit: die Unterdrückung und Bewältigung des wilden rohen 
Naturelements durch das Kulturleben Prospero; er geht also in dieser Bedeu- 
tung, als Repräsentant einer Idee, weit Uber den Clown hinaus. 



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- 89 — 



bezeichnet ihn Puck, Oberon's lustiger Rath, während die übrigen 
Handwerkerkomödianten von den Talenten ihres 'Sappermentszettel' 
die allergtinstigste Meinung haben. In seiner Naivität theilt Zettel 
natürlich die Ansicht seiner Kollegen. Mit selbstgefälligem Eifer 
will er sich aller Rollen des Stücks bemächtigen, den Löwen auch 
spielen, und ist schliesslich nur im Zweifel, welche Bartfarbe 
seinem süssen Gesicht wohl am besten anstehen möchte, damit er 
ja auch auf die Damen den nöthigen Eindruck mache. Absichtslos 
in die Feenwelt hineingestossen, wird seine Narrheit mit dem 
Eselskopfe beschenkt — sein Tragödiespielen trägt ihm das unaus- 
löschliche Gelächter der Zuschauer ein. — Kurz, unserm Bottom 
the weaver fehlt auch nicht der kleinste Zug zum Bilde des 
Clown an sich. — Von jeher ist Zettel ein Liebling des Publikums 
und der darstellenden KĂĽnstler gewesen. Gervinus (I, S. 251) 
erzählt uns, dass im Jahre 1631 ein Schauspieler, welcher im 
Hause des Bischofs von Lincoln an einem Sonntage den Zettel 
gespielt hatte, das Martyrium seiner Kunst bestand, indem er von 
einem puritanischen Richter wegen Sabbathschändung verurtheilt 
wurde, zwölf Stunden in der Portierstube des bischöflichen Palais 
mit dem Attribute seiner Rolle, dem Eselskopfe, zu sitzen. — Trotz 
des WĂĽthens der Independenten und Puritaner gegen die drama- 
tische Kunst rettete sich vor Allen Zettel in die CromwelTsche 
Periode hinüber. — Robert Cox, ein Schauspieler, der sich mit 
seinen Darstellungen der Drolls durchzuschlagen wusste, gab dem 
zur Zeit der BĂĽrgerkriege humorbedĂĽrftigen England die Zettel- 
Episode zum Besten (the merry conceited humours of Bottom the 
weaver), welche, durch englische Banden nach Deutschland ver- 
pflanzt, zuerst von Daniel Schwenter fĂĽr die deutsche BĂĽhne ver- 
werthet und dann von Gryphius, Bredow und Christian Weise 
bearbeitet wurde. 1 ) Nachdem Schlegel's Uebersetzung und Men- 
delssohn's Musik den Sommernachtstraum als RepertoirstĂĽck bei 
uns eingebĂĽrgert, hat besonders . die traditionell gewordene Zettel- 
darstellung des Berliner Komikers Gern viel dazu beigetragen, 
unserm Clown zu seiner Popularität auf der deutschen Bühne zu 
verhelfen. 

Den RĂĽpeln des Sommernachtstraums steht Schaedel in Liebes- 



l ) Freih. Vincke, Wunderbare Schicksale des Sommernachtstraums, Jahr- 
buch V, S. 359. 



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Leid und Lust insofern am nächsten, als auch er — natürlich 
völlig unbewusst — parodirend sich verhält und die Junggesellen- 
marotte des Königs von Navarra und seiner Hofherren durch seine 
naive Grundehrlichkeit ironisirt. 

Bei den Kärrnern in Heinrich IV. ersten Theils tritt aller- 
dings nur ein grobkörniger Cynismus zu Tage, während FalstafFs 
Rekruten Schimmelig und Consorten (zweiten Theils) durch ihre 
äussere Erscheinung und ihr Gebahren bei der Aushebung zu des 
Ritters Kompagnie dem fetten Cyniker eine willkommene Gelegen- 
heit bieten, seinen Humor auf die traurigen Gestalten loszulassen. 
Sie sind eben nur Scheibe fĂĽr FalstafTs Witzgeschosse, in gleicher 
Weise wie Frau Hurtig, die Wirthin zum wilden Schweinskopfe 
zu Eastcheap, letztere freilich mit der Modifikation, dass sie ausser- 
dem von dem wĂĽsten Gesellen um Zeche und Geld geprellt wird. 

Wenn ich ferner die Amme in Romeo und Julie den RĂĽpeln 
beigeselle, so glaube ich hierzu durch das Massive ihres Wesens, 
die Naivität und das ungemein Lächerliche ihrer Erscheinung, der 
selbst nicht einmal die GutmĂĽthigkeit fehlt, einigermassen berech- 
tigt zu sein. Dass sie Anfangs die Gelegenheitsmacherin fĂĽr das 
Liebesverhältniss Julie's mit Romeo abgiebt und dann, als sich 
ihrer Meinung nach der Montague für die Capulet unmöglich ge- 
macht hat, umspringt und bei Julien für den Grafen Paris plädirt 
— was Gervinus in sittlicher Entrüstung als Treubruch brand- 
markt — kann sie unmöglich um unsere Sympathie bringen. Als 
Hausinventarium der Familie Capulet, als Nährerin und Erzieherin 
ihrer Julie hat sie nur Eins im Auge: ihren Pflegling unter die 
Haube zu bringen, welches GlĂĽck sie sich nach ihrer eigenen 
groben Empfindungsweise und nach ihrer schwachen Urtheilskraft 
konstruirt. Ihre Inkonsequenz — meinetwegen Treulosigkeit — 
gegen das Liebesverhältniss entspringt aus einer freilich missver- 
standenen persönlichen Treue gegen den einen ihrem Herzen immer- 
hin nahe stehenden Theil des Liebespaares; ihr Treubruch ist der 
Ausfluss ihrer ungebildeten dienstfertigen Gutherzigkeit. Hiernach 
sind wir gar nicht einmal in der Lage, an die Handlungsweise 
der Amme einen ernsten, ethischen Massstab anzulegen — wie dies 
Gervinus und Ulrici 1 ) thun — wir erfreuen uns einfach an der 
Narrheit unseres weiblichen Clowns und lassen ihr um dieser 



l ) Shakespeare's dramatische Kunst II, S. 19. 



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willen gewiss gern gegen den verurteilenden Wahrspruch der 
Sittenrichter mildernde Umstände zu statten kommen, um so mehr, 
als das Selbstbewusstsein, die wichtige Meinung, die Frau Angelica, 
die Amme, von ihrer Position in der Welt hat, und die Art, wie 
sie dies namentlich bei ihrer Begegnung mit Mercutio zur Schau 
trägt, 1 ) wesentlich darauf hinwirken, dem dunkeln Gemälde der 
Tragödie einige hellere Töne aufzusetzen. Dazu trägt auch das 
Seinige redlich bei: der andere Clown, Peter, der Fächerträger 
und Adjutant der Amme und ihr GegenstĂĽck, l a pestilent knave', 
der nicht allein die abziehenden Hochzeitsmusikanten foppt, sondern 
sich auch über seine Patroness selbst lustig macht, eine köstliche 
Figur, zwar nur mit wenigen Strichen ä la Hendschel gezeichnet, 
aber um so drastischer hingestellt, — übrigens trotz ihrer Unbe- 
deutendheit eine Lieblingsrolle Geras. — Peter ist allerdings mehr 
Schütz als Scheibe und gehört deshalb eigentlich der dritten Gruppe 
an; hier hat er lediglich als Zubehör der Amme seine Erwähnung 
gefunden. 

Doch wir kehren zu unserer zweiten Serie zurĂĽck, zu welcher 
Polizei und Gericht ein ziemlich starkes Kontingent stellen. — Von 
jeher haben es die Lustspieldichter gebebt, Sarkasmen auf diese 
unliebsamen Institute einzuflechten , und kann es uns in der That 
nicht Wunder nehmen, dergleichen verspottenden Ausfällen auch bei 
unserm Dichter zu begegnen, der ja in seiner Jugend mit den 
Sicherheitsbehörden in unangenehme Kollision gerathen sein soll, 
dessen Schauspiel-Direktorium im Uebrigen oft genug zu heikein 
BerĂĽhrungen mit der Obrigkeit der City Veranlassung gegeben 
haben mag. — Die Gerichtsdiener Klaue und Schlinge (Heinrich IV., 
zweiten Theils), die Konstabel Dumm (Liebesleid und Lust) und 
Elbogen (Mass für Mass), die schon mehrfach erwähnten Holzapfel 
und Schleewein, vor Allem aber der von dem Dichter mit beson- 
derer Sorgfalt gezeichnete Friedensrichter Schaal (Heinrich IV., 
zweiten Theils und lustige Weiber von Windsor) sowie sein Vetter 
und Kollege Stille (Heinrich IV., zweiten Theils) legen Zeugniss 
dafĂĽr ab , dass Shakespeare's ' Witz sich mit Vorliebe mit jener 
unbequemen Beamtenklasse beschäftigte und dieselbe mit Behagen 
dem Gelächter Preis gab. — Die Dummheit stellt sich als Grundzug 
dieser Biedermänner dar, ihre Aufgeblasenheit als eine natürliche 
Folge ihrer Beschränktheit und ihre Verkehrtheit als Konsequenz 

») Akt II, Scene 4. 



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beider Eigenschaften — nur dass die Frohndiener Klaue und Schlinge 
mit einer Portion Feigheit, Dumm und Elbogen mit einem guten 
Theil Brutalität, Holzapfel und Schleewein dagegen mit einer Zu- 
gabe spiessb Ă„rgerlicher Bonhomie ausgestattet sind, die sich 
an den zuletzt genannten alten Burschen ganz besonders liebens- 
wĂĽrdig ausnimmt. Uebrigens findet bei den subalternen JĂĽngern 
der Themis die Narrheit darin ihren spezifischen Ausdruck, dass 
dieselben gern mit missverstandenen Fremdwörtern um sich werfen 
und zuweilen die einfachsten Begriffe verwechseln; der biedere Holz- 
apfel ist hierin besonders stark. Es ist nicht unwahrscheinlich, 
dass diese Redeweise eine besondere satyrische Beziehung gehabt 
haben mag — unter allen Umständen wird dadurch der komische 
Effekt erzielt, dass die Holzapfel und Consorten in dem Bestreben, 
gebildeter erscheinen zu wollen, als sie sind, und durch das Her- 
austreten aus ihrer Sphäre sich selbst und ihr Amt kompromittiren 
und ihren Amtsverrichtungen den Stempel burlesker Harlekinaden 
aufdrĂĽcken. 

Das unvergleichliche Friedensrichterpaar Schaal und Stille, 
welches natürlich einige Nummern feiner ausfällt, als das Grobzeug 
der Konstabel — sie sind ja Esquires und gehören zur Gentry — 
kann man nicht treffender charakterisiren, als sie Paul Konewka 
in seinen Falstaff- Silhouetten gezeichnet und Hermann Kurz be- 
schrieben hat. Beide Clowns sind ein Paar englische Krautjunker 
vom reinsten Wasser, Coloni durch und durch, deren Ideenkreis 
sich wesentlich um den Preis des Rindviehs und um die Schafzucht 
dreht — als Friedensrichter natürlich nur Hampelmänner, die fünf 
gerade sein lassen — beziehungsweise thöricht genug, sich mit Sir 
John Falstaff auf Geldgeschäfte einzulassen — Herr Stille ein altes 
tranquilles Männchen von dünnen Beinen und schwacher pia mater, 
ein hartnäckiger Schweiger, der, wenn er einmal über den Strang 
schlägt und sich zu tief in die Flasche versenkt, mit seinen Lieder- 
Reminiscenzen nicht zu bändigen ist, so dass schliesslich Nichts 
ĂĽbrigbleibt, als ihn zu Bett zubringen; Herr Schaal sein direktes 
Gegentheil, geschwätzig wie eine -Elster, fahrig wie ein Kreisel, 
renommirend mit seinen Streichen, mit welchen er als Oxforder 
Student die Welt in Staunen gesetzt haben will, dabei unsäglich 
albern in Worten und Werken. — Doch, kein Geringerer als Sir 
John Falstaff selbst mag sein Portrait vervollständigen: 1 ) 

») Heinrich IV., Theil II, Akt in, Sc. 2. 



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'Dieser schmächtige Friedensrichter hat mir in Einem fort von 
der Wildheit seiner Jugend vorgeschwatzt und von den Thaten, 
die er in Turnbullstreet ausgefĂĽhrt hat; und um's dritte Wort 
eine Lüge, dem Zuhörer richtiger ausgezahlt, als der Tribut dem 
GrosstĂĽrken. Ich erinnere mich seiner in Clements -Hof, da war 
er wie ein Männchen, nach dem Essen aus einer Käserinde ver- 
fertigt; wenn er nackt war, sah er natĂĽrlich aus wie ein gespal- 
tener Rettig, an dem man ein lächerliches Gesicht mit dem Messer 
geschnitzt hat; er war so schmächtig, dass ein stumpfes Gesicht 
gar keine Breite und Dicke an ihm wahrnehmen konnte — der 
wahre Genius des Hungers, dabei so geil wie ein Affe, und die 
Huren nannten ihn Alräunchen. Er war immer im Nachtrabe 
der Mode und sang schmierigen Weibsbildern die Melodieen vor, 
die er von Fuhrleuten hatte pfeifen hören und schwor darauf, es 
wären seine eigenen Einfälle oder Stückchen. Und nun ist diese 
Narrenpritsche (this Vice's dagger) ein Gutsbesitzer geworden und 
spricht so vertraulich von Johann von Gaunt, als wenn er sein 
Dutzbruder gewesen wäre, und ich will d'rauf schwören, er hat 
ihn nur ein einziges Mal gesehen auf dem Turnierplatz: und da 
schlug er ihm ein Loch in den Kopf, weil er sich zwischen des 
Marschalls Leute drängte. Ich sah es und sagte zu Johann von 
Gaunt: sein Stock prügele einen andern. Denn man hätte ihn 
und seine ganze Bescheerung in eine Aalhaut packen können; ein 
Hoboenfutteral war eine Behausung fĂĽr ihn, ein Hof! und nun 
hat er Vieh und Ländereien!' 

Dieser ebenso drastischen als erschöpfenden Charakteristik 
ist in der That Nichts hinzuzufĂĽgen. 

Den beiden friedensrichterlichen Clowns stellt sich wĂĽrdig 
an die Seite die Garnitur der Landjunker: Schaum (in Mass fĂĽr 
Mass) ein Troddel von kaum ein Dutzend Worten, Schmächtig 
(in den lustigen Weibern) ein Narr von Schaars Verwandtschaft, 
vor Allen aber die Krone der Einfaltspinsel Christoph Bleichen- 
wang, der Flachskopf, dessen Hauptverdienst in dem Besitz seiner 
trefflich gebauten, in einem geflammten Strumpfe sich besonders 
gut ausnehmenden Wade besteht, der Rindfleischesser, der 'man- 
nichmal nicht mehr Witz hat, als ein Christensohn und ein ganz 
gewöhnlicher Mensch', der Fuchsprell er, der thöricht genug ist, 
sich von seinem versoffenen Kumpan und Mitclown, dem Junker 
Tobias Rülp prellen, hänseln und ausbalgen zu lassen, ein Feig- 



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- 94 - 

ling, der sich auf seine FechterkĂĽnste nicht wenig einbildet und 
vor jeder Klinge Reissaus nimmt, ein Bursch von der entzĂĽckendsten 
Stupidität, ein kapitales pceiis camin, in der That der Würdigste, 
um die Gallerie der Dummköpfe zu schliessen. l ) 

Die dritte und höchste Rangstufe des Shakespeare'schen 
Clownthums behaupten die Mischlinge von Einfalt und Witz oder 
jenachdem — von Witz und Einfalt, in welcher letzteren Com- 
position sie den Uebergang zu den eben so reich wie ideal aus- 
gestatteten Figuren der Gewerbsnarren unseres Dichters bilden. 
FĂĽr diese Charaktere finden sich allerdings Analogieen bei den 
Dichtern der romanischen Nationen, besonders bei den Spaniern 
(die Clarin's und Chato's des Calderon), nur mit dem Unterschiede, 
dass die romanischen Poeten den Schwerpunkt in die Intrigue, 
auf die Komik der Fabel legen und ihre Komiker als stehende 
Masken behandeln, während Shakespeare den komischen Charakter 
als solchen vor uns treten lässt, in That und Wort sein Inneres 
vor uns aufdeckt und durch die Perspektive in die WidersprĂĽche 
seines Bewusstseins und in seine unendliche Naivität unser Wohl- 
behagen hervorzaubert. Freilich stehen die Clowns dieser, der 
dritten Gattung, fast durchweg — die beiden Dromio's ausge- 
nommen — mit der Haupthandlung der Stücke, in welchen sie 
auftreten, in keinem nothwendigen Zusammenhange; sie könnten 
auch — bis auf die genannten Dromio's — fehlen, ohne dass dem 
pragmatischen Verlaufe der Fabel ein wesentlicher Eintrag ge- 
schähe, so gut wie die Gewerbsnarren — und doch möchten wir 
sie eben so wenig missen, wie diese. Ihr Witz ist zwar meist 
nur der akustische und bewegt sich wesentlich in Wortspielen, 
welchen man eine besondere Gedankentiefe nicht nachrĂĽhmen kann; 
und wo die guten Burschen Metaphysik treiben, läuft dieselbe 
immer auf ziemlich hausbackene Anschauungen hinaus — doch 
gestaltet sich dies Alles in ihrem Munde und aus ihrer natĂĽrlichen 
Narrheit heraus so drollig und theilweis so ĂĽberraschend, dass ihre 
GedankensprĂĽnge und Kapriolen nie ihren Eindruck verfehlen. 

Die bereits erwähnten Todtengräber im Hamlet sowie der 
Pförtner im Macbeth, der Kerkermeister, der Pförtner und der 



') Der dritte Comicus in Was ihr wollt, der Hausmeister Malvolio, hat 
Nichts vom Tölpel — im Gegentheil rühmt Olivia seine verständige Höflichkeit. 
Obwohl im Uebrigen Narr, ist er doch darum kein Clown. 



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— 95 - 

Knecht in Heinrich VIII. sowie Peter in Romeo und Julie (blosse 
Intermezzisten), der KĂĽfer Pompejus in Mass fĂĽr Mass, die Be- 
dienten Lanz und Flink in den beiden Veronesen, Lanzelot Gobbo 
im Kaufmann von Venedig, Grumio und Biondello in der Wider- 
spenstigen Zähmung, vor Allen das Zwillingspaar der Dromio in 
den Irrungen — mit mehr oder weniger Betheiligung an der 
Handlung — stellen diese Gruppe der Mischlinge von Tölpel und 
Witzbold dar; nur lasst sich bei Flink, Biondello und dem Syra- 
kuser Dromio ein höherer Grad witziger Begabung und ein ab- 
geschleifteres Wesen wahrnehmen, als bei den Uebrigen, bei wel- 
chen das Naturwüchsige prävalirt. Was sie jedoch samt und 
sonders vor den Clowns der beiden vorhergehenden Klassen aus- 
zeichnet, ist, dass sie sich nicht blos durch ihre Einfalt, bezĂĽglich 
ihre Tölpelhaftigkeit als Objekte der Belustigung dem Gelächter 
Preis geben, sondern auch, und zwar die Einzelnen mit mehr oder 
weniger Bewusstsein, den Spiess umkehrend, sich zum Subjekt 
der Verlachung aufschwingen und nicht selten mit dem glĂĽcklich- 
sten Erfolge ihre Umgebung ironisiren. 

Am deutlichsten tritt dieser Dualismus passiver und aktiver 
Komik in FalstaflPs Spiessgesellen hervor (Heinrich IV., V. und 
Lustige Weiber von Windsor). Auf allen den wĂĽsten Burschen 
von Eastcheap trommelt der Witz des lustigen Ritters recht un- 
barmherzig herum — dafür muss es aber auch Sir John ruhig 
hinnehmen, wenn sich die Gehänselten gelegentlich durch einen 
Ausfall auf seinen fetten Bauch revanchiren. Der Unverschämteste 
und Verlumpteste aus der Gesellschaft, Pistol, geht hierin natĂĽr- 
lich am weitesten; wo sich die Strolche nicht an den Meister 
selbst heranwagen, richten sie ihren Witz gegen KĂĽfer, Haus- 
knechte, Rekruten und andere Dümmlinge. — Im Uebrigen haben 
wir in der Bande von Eastcheap eine wahre Musterkarte katilina- 
rischer Existenzen vor uns, die sich samt und sonders in dem 
Brennpunkte Falstaflf sammeln, um von diesem in einzelnen Ra- 
dien wieder ausgestrahlt zu werden, die Trabanten des Urbildes 
des Humors, langfingerige Schufte, doch so lustig wie die Heim- 
chen, Kavaliere vom Schatten, Schoosskinder des Mondes. Man 
sehe sich nur die Galgenphysiognomieen eines Gadshill und Peto 
an, wie der Eine die Räubereien der Bande ausspürt, der Andere 
die lustigen Schwänke veranschlagt — diesen Nym, den stets 
malkontenten mit seinen schlotterigen, blasirten GesichtszĂĽgen und 



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— 96 — 

dem gläsernen Blick, die Nachteule, die stets vom Humor krächzt 
und dabei das arme Wort nur zu Tode hetzt — Bardolf, den 
kapitalen Sekttrinker mit dem unauslöschlichen Freudenfeuer im 
Gesicht, das FalstafFs Witz beständig im Weissgltihen erhält — 
vor Allen Pistol, den aufgestelzten / komödiantischen Bramarbas, 
diese Karikatur der bizarrsten Sorte mit dem satyrischen Beige- 
schmack auf das hohle Pathos der damaligen Dramatiker — und 
man wird keinen Augenblick anstehen, unter den Clowns der letzten 
und höchsten Rangstufe den Gesellen FalstafFs die Palme zuzu- 
erkennen. 

Zum Schluss sei eines Ausspruchs gedacht, welcher, in der 
Vincke'schen Bearbeitung von Calderons Tochter der Luft dem 
Clown Chato geltend, vielleicht mit grösserem Rechte auf die 
Shakespeare'schen Naturburschen anzuwenden sein dĂĽrfte: 
'Der Klotz bleibt immer Klotz! Und doch, es lässt sich 
Was aus .ihm schnitzen von geschickter Hand.' 



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Shakespeare und Giordano Bruno. 

Von 

Willielm König:. 



Die Shakespeare- Kritik ist gewöhnlieh dann am meisten in 
Gefahr, auf allerlei Abwege zu gerathen, wenn sie ihren Dichter 
und seine Werke mit der Philosophie in nahe BerĂĽhrung bringt. 
Indess wird man, so wenig gewiss er selbst sich fĂĽr einen Philo- 
sophen angesehen hat, doch in Anbetracht seiner tiefen Erkennt- 
niss der menschlichen Natur, insbesondere des Zusammen- und 
Entgegenwirkens der Seelenkräfte, ihn immerhin als einen Jünger 
wie Förderer derjenigen Wissenschaft erachten müssen, die es 
vorzugsweise mit der Erkenntniss des menschlichen Geistes und 
ihrer Beziehung auf das Weltganze zu thun hat. 1 ) Freilich ist, 
wenn diese Wissenschaft nur in der Fortbildung des sogenannten 
philosophischen Systems verfolgt wird, weder nachzuweisen, dass 
Shakespeare sich zu einem bestimmten System bekannt hat, noch 
dass er auf Ausbildung eines solchen direkten Einfluss gehabt hat. 
Gleichwohl dĂĽrften manche JĂĽnger der Philosophie, sowohl von 
denen, welche sich dafür ausgeben, als auch solche, die thatsächlich 
durch ihr Streben nach Erkenntniss in deren Reihen treten, aus 

') Eine umfassende Kenntniss der Philosophie wird Shakespeare z. B. von 
G. MarggrafF zugeschrieben in dem Werk: W. Shakespeare als Lehrer der 
Menschheit (Leipzig 1864), wo es heisst: 'Zu Compositionen, wie Shakespeare 
sie lieferte, bringt es jedenfalls auch ein englischer blos autodidactisch und 
durch Leetüre gebildeter Naturdichter nicht. Poesie von solcher Höhe und von 
solchem Umfange, wie sie bei Shakespeare erscheint, erfordert unbedingt die 
gründlichste Kenntniss und das tiefste Studium der vorhergegangenen grössten 
poetischen Schöpfungen aller Zeiten. Die bis dahin bekannt gewordenen phi- 
losophischen Systeme muss Shakespeare ebenfalls aus dem Grunde gekannt 
haben; denn er steht auf der Höhe der Philosophie seiner Zeit. 1 

Jahrbuch XI. 7 



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den Dichtungen Shakespeare's mein* fĂĽr ihre philosophische Er- 
kenntniss und Fortbildung gewonnen haben, als aus den Schriften 
mancher Philosophen von Fach. Inwieweit nun Shakespeare selbst 
seine umfassende Erkenntniss menschlicher Dinge auch philosophi- 
schen Studien verdankt, ist eine Frage, deren Beantwortung mit 
der Anschauung zusammenhängt, welche sich der Einzelne von 
dem früher noch mehr als jetzt streitigen Verhältniss bildet, in 
welchem natĂĽrliche Intuition und praktische Erfahrung einerseits 
und Schulbildung und Studium andrerseits beim Hervorbringen 
seiner Schöpfungen gewirkt haben. Es sind darüber auch nach 
den verschiedensten Richtungen hin die genauesten Untersuchungen 
vorgenommen und bis in das kleinste Detail verfolgt worden, in 
Anbetracht der philosophischen Bildung des Dichters dĂĽrfen wir 
sie noch nicht als abgeschlossen ansehen und gerade hier sind sie 
wichtiger, als bei Feststellung dessen, was Shakespeare von ein- 
zelnen concreten Wissenschaften, der Medizin, Rechtswissenschaft 
u. a. gelernt und verstanden hat. Bei dem weiten, eigentlich 
unbegrenzten Umfang der philosophischen Wissenschaft in An- 
sehung ihres Gegenstandes, bei der Möglichkeit, Alles in den- 
selben hineinzuziehen und alle Erkentniss auf sie zurĂĽckzufĂĽhren, 
ist solcher Untersuchung freilich ein weites und schwieriges Feld 
gegeben, wenn die Spuren philosophischen Studiums aus den zahl- 
reichen Werken des Dichters im Grossen wie im Einzelnen nach- 
gewiesen werden sollen, und das gewonnene Resultat und die 
BeweisfĂĽhrung im Einzelnen werden allerlei Anfechtungen unter- 
liegen. Doch sei es hier immerhin versucht, da wir eine solche 
Untersuchung an sich als förderlich für die Erkenntniss des Dich- 
ters erachten, einen Beitrag zu derselben dadurch zu liefern, dass 
wir die Beziehungen der Dichtung Shakespeare's zu dem zeit- 
genössischen Philosophen Giordano Bruno zu ermitteln suchen. 
Bisher sind dieselben von den Commentatoren Shakespeare's wenig 
beachtet worden, und erst Tschischwitz hat mit einem solchen, 
aber wesentlich auf Hamlet beschränkten Nachweis einen dankens- 
werthen Anfang gemacht. 1 ) 

l ) B. Tschischwitz, Shakspeare-Forschungen, Bd. 1, Hamlet. Halle 1868. 
Derselbe, Shakspeare's Hamlet. Englischer Text, berichtigt und erklärt. Halle 
1869. Wir werden im Einzelnen nicht immer wiederholen, welche Nachweise 
schon Tschischwitz gegeben hat. Im Ganzen sind von ihm die meisten der 
aus Hamlet hier angeführten Stellen in demselben Sinne wie hier erörtert. 



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99 



Dass ĂĽberhaupt philosophische Studien Shakespeare nicht 
fremd waren, ist zunächst dadurch unwiderleglich erwiesen, dass 
er Montaigne's Essays nicht nur besessen, sondern auch in seiner 
Dichtung benutzt hat. 1 ) Dabei ist freilich die Frage noch voll- 
ständig offen gelassen, ob er Philosophie wissenschaftlich getrieben 
und ob er ĂĽberhaupt viel Werth auf dieselbe gelegt hat. Man 
hat sogar darauf hingewiesen und es ist z. B. von Hebler in einer 
Zusammenstellung vieler darauf bezĂĽglicher Stellen plausibel ge- 
macht worden, 2 ) dass Shakespeare von der Philosophie nicht viel 
gehalten habe, da er allenthalben nicht die Stärke, sondern 
schwache Seiten derselben hervorgehoben habe, auch zu sehr 
Dichter gewesen sei, um Philosoph zu sein. Das Letztere können 
wir nur insoweit nachgeben, dass er zu sehr Dichter war, um 
Philosophie auf Kosten seiner Dichtung zu treiben, dass aber 
philosophische Studien fördernd auf sein poetisches Schaffen ge- 
wirkt haben und dass er der Philosophie als Wissenschaft im 
Allgemeinen den ihr zukömmlichen Werth beilegte. Die Stellen, 
aus denen das Gegentheil hervorgeht, können hier nicht einzeln 
nach diesem Gesichtspunkt erörtert werden, auch Hebler misst 
ja den einzelnen Stellen keinen Beweis ĂĽber seine Aufstellung 
bei, wir erlauben uns nur einige allgemeine Bemerkungen und 
glauben, dass unter deren BerĂĽcksichtigung sich ein anderes Re- 
sultat herausstellt, als das von Hebler gefundene. 

Schon in einigen der frĂĽheren Dramen Shakespeare's, in der 
Zähmung der Widerspenstigen und Verlorener Liebesmühe sind 
junge Männer, die sich dem Studium der Philosophie hingeben 
wollen, in einer Weise dargestellt, dass wir solches Studium als 
dem Dichter sympathisch ansehen mĂĽssen. Dass im weitern Ver- 
lauf der StĂĽcke von solchem Studium nicht weiter die Rede ist, 
lag schon im Stoff der Dichtung, der ĂĽberhaupt nicht leicht phi- 
losophisches oder anderes Studiren zum Gegenstande haben wird. 
Dann war es in der Anschauung des Dichters tief begrĂĽndet, dass 
er zugleich in verschiedenen Formen und Graden der Darstellung 
sich gegen ein ĂĽbertriebenes und einseitiges philosophisches Stu- 
dium erklärte, so in der Zähmung der Widerspenstigen durch die 



») Sturm n, 1, 145. Jahrbuch B. VIT, S. 33. B. IX, S. 198. 
2 ) C. Hehler, Aufsätze über Shakespeare. 2. Ausgabe. Bern 1874. S. 279 ff. : 
Shakespeare und die Philosophie. 

7* 



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Scherze des Dieners des jungen Studiosen Lucentio, in der Ver- 
lorenen LiebesmĂĽhe durch die poetischen Declamationen Biron's 
und den Verlauf der Handlung. Zwar ist später im Hamlet noch 
nachdrĂĽcklicher die philosophische Speculation in ihrer Kehrseite 
und als die Willenskraft lähmend dargestellt, doch hat der Dichter 
augenscheinlich den Helden als einen geistig sehr hoch stehenden 
Mann vorfĂĽhren wollen, und wenn er ihn dabei als philosophisch 
geschult erscheinen lässt, so ist unverkennbar, dass er das philo- 
sophische Studium als eng damit zusammenhängend voraussetzt. 

In einer Reihe von Stellen, worin von der Philosophie in ab- 
wendiger oder geringschätziger Art gesprochen wird, geschieht 
dies aus einer sehr leidenschaftlichen Stimmung heraus, so bei 
Romeo, Constanze, Leonato (in Viel Lärm um Nichts), und es 
beweist eben nichts, wenn in solcher Aufregung die Betreffenden 
für die Tröstungen der Philosophie sich unzugänglich erweisen. 
Andrerseits sind philosophische TrostgrĂĽnde bei Claudio (Maass 
fĂĽr Maass HE, 1) von Wirkung, und wenn dieselbe auch nicht 
lange vorhält, so beweist doch alles dies nichts für eine gering- 
schätzige Anschauung des Dichters über die Philosophie überhaupt. 
Man könnte sogar eine Vorliebe für philosophisches Raisonnement 
daraus folgern, dass hier wie an anderen Stellen die TrostgrĂĽnde 
von der Philosophie und nicht von der christlichen Religion ent- 
nommen sind. 

Wenn an anderen Stellen die Philosophie in den Bereich des 
Scherzes gezogen, ja sogar eine Art Spott darĂĽber ergossen wird, 
so ist zu berĂĽcksichtigen, dass Shakespeare in denjenigen Scenen, 
welche der Tummelplatz seiner Narren sind, alle möglichen Gegen- 
stände hereinzieht, um Wortspiele und Scherze daran üben zu 
lassen, während in den ernsteren Theilen der Dramen, wo mehr 
die Leidenschaft als die Reflexion zu sprechen hat, sich viel 
weniger Raum dafĂĽr findet, ĂĽber ernste Dinge ernsthaft zu spre- 
chen. Daher kommt es, dass vieles, was im Gewände des Scherzes 
recht gut poetisch zu verwerthen ist, keinen Boden fĂĽr ernst- 
hafte Behandlung im Drama hat. Dann ist aber auch der Spott, 
der bei Shakespeare gelegentlich gegen Philosophen und die Philo- 
sophie gerichtet wird, nicht auf die Wissenschaft als solche, son- 
dern auf gewisse Abwege in der Art, wie sie behandelt wird, zu 
beziehen. Derartige Ausfälle macht namentlich Probstein in 
Wie es Euch gefallt (111,2), wenn er den Schäfer frägt, ob er 



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- 101 — 



Philosophie verstehe, und auf dessen Antwort, die etwa darauf 
hinausgeht, dass er weiss, der Regen mache nass und das Feuer 
brenne, erwidert: 'so einer ist ein Natur-Philosoph' (natural philo- 
svpher, zugleich ursprĂĽnglicher, ungeschulter und Narr-Philosoph. 
Andere Wortspiele, wo 'natural* als Narr gebraucht ist, finden 
sich in A. I, Sc. 2 desselben Lustspiels). Probstein beweist sodann 
durch eine Kette von Schlüssen dem Schäfer, dass er verdammt 
sei, weil er nicht am Hof gewesen ist. Ob nun hier der Spott 
des Dichters nach den Worten seines Jacques wie eine wilde 
Gans (unclaim'd of antj mm) ohne bestimmtes Ziel umherfliegt, 
oder ob er hier gewisse Philosophen im Auge gehabt hat, wird 
kaum nachzuweisen sein. Fast sieht es so aus, als wäre der 
natural philosopher auf den grossen Baco von Verulam selbst ge- 
mĂĽnzt gewesen. Damals waren zwar von diesem nur einige der 
Essays erschienen (1597), — die übrigen Schriften wurden erst 
nach Shakespeare's Tode gedruckt — doch sind die Hauptwerke 
Baco's schon viel frĂĽher vollendet worden (das Advancement of 
Learning 1605) und die philosophischen Ansichten Baco's werden 
schon viel frĂĽher im Allgemeinen und vielleicht gerade so unvoll- 
ständig bekannt gewesen sein, dass Shakespeare zur Zeit, als er 
jenes Lustspiel dichtete (wahrscheinlich 1599), zu jenem Ausfall 
sich veranlasst fühlen konnte, wie denn auch die grosse Autorität 
Baco's als Philosoph erst viel später und zuerst im Ausland her- 
vortrat. Man hat zwar eine grosse Geistesverwandtschaft zwischen 
Baco und Shakespeare behauptet, von dem Versuch zu geschweigen, 
beide vollständig zu identifiziren, l ) doch finden sich unter den 
vielen Parallelstellen, die man aus Shakespeare's und Baco's Essays 
zusammengestellt hat, nur äusserst wenige, die auch nur eine 
Aehnlichkeit, viel weniger eine Benutzung verriethen. Wenn 
Shakespeare auch in einigen Anschauungen mit Baco ĂĽberein- 
kommt, z. B. dass der Mensch fĂĽr Andere leben mĂĽsse, in der 
Abneigung gegen die Extreme, so ist dies doch nichts besonders 
EigentĂĽmliches, und die fĂĽr die Philosophie gemachte Anwen- 
dung, wonach Baco zum Massstab derselben die GemeinnĂĽtzigkeit 
aufstellt, 2 ) scheint Shakespeare gerade nicht adoptirt, der könig- 



>) W. H. Smith: Was Lord Bacon the Author of Shakespeare's Plays? 
London 1856. Derselbe, Bacon and Shakespeare. London 1857. 

3 ) Erdmann, Geschichte der Philosophie. 2. Aufl. B. 1, S. 561. 562. 



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liclien Wissenschaft vielmehr einen abstracteren Werth beigemessen 
zu haben, wie schon die bisher erwähnten Aeusserungen andeuten. 
Vielleicht ist sogar obige Probsteinsche Erörterung gerade dazu 
bestimmt, jene beabsichtigte GemeinnĂĽtzigkeit der Philosophie 
lächerlich zu machen. *) Auch ist es gewiss der Anschauung des 
Dichters gemäss gewesen, dass man von der Philosophie nicht zu 
viel verlangen und sich bescheiden mĂĽsse, dass so manches auch 
der tiefsten philosophischen Forschung unzugänglich bleibe (Hamlet 
I, 5, 166; II, 2, 383; Ende gut, alles gut II, 3, 1). 

Von den zeitgenössischen Philosophen ist es also nicht Baco, 
der später berühmteste derselben, gewesen, an welchen sich Shake- 
speare angelehnt, dagegen hat von denselben Giordano Bruno einen 
Einfluss auf ihn geĂĽbt, wie gewiss kein anderer der bis dahin 
bekannten Philosophen, abgesehen von der allgemeinen Einwirkung, 
welche damals die aristotelische Philosophie in der literarischen 
Welt noch hatte, ohne dass ein specielles Studium der Schriften 
ihres Urhebers dabei vorausgesetzt werden darf. Um jenen Ein- 
fluss nachzuweisen, muss zunächst über die Person Bruno's, seine 
Schriften und seine Lehre etwas vorausgeschickt werden. 

Giordano Bruno oder Bruni war im Jahr 1548 in Nola bei 
Neapel geboren, trat jung in den Dominicaner-Orden ein, kam 
aber vermöge seiner lebhaften, ja glühenden Phantasie, seiner Be- 
geisterung fĂĽr die Natur und fĂĽr die Entdeckungen des Copernikus 
sehr bald in Conflicte mit seinen geistlichen Oberen, welchen er 
sich demnächst durch die Flucht entzog. Er führte nun ein 
unstätes Leben, indem er an verschiedenen Orten Frankreichs, 
Deutschlands, der Schweiz in akademischen und Privatvorlesungen 
sowie in verschiedenen Schriften seine Ansichten geltend machte. 
Gegen Ende des Jahres 1583 kam er nach London, mit Empfeh- 

') Dass Baco als Mensch und ĂĽberhaupt Shakespeare nicht sympathisch 
gewesen sein kann, dĂĽrfte aus seinem wenig achtungswertheu moralischen Cha- 
rakter und der feindlichen Stellung, welche Baco gegen Essex, den Freund 
Soutbampton's und ebenfalls Gönner Shakespeare's, einnahm, zu entnehmen sein. 
Vgl. Macaulay, Lord Bacon, in den Essays (Tauchnitz Edition Vol. 3, S. 1-147. 45). 
Baco selbst erwähnt Shakespeare, der nur drei Jahr jünger war, als er, und 
den er um zehn Jahr ĂĽberlebte, mit keiner Silbe, obgleich er wiederholt auf das 
Theater seiner Zeit zu sprechen kommt. Dass sich beide, vielleicht auch persön- 
lich gekannt haben, ist nach ihrer beiderseitigen Stellung und den Beziehungen 
Beiger zu Southampton, vorauszusetzen. C. Karpf, Erklärung der Sonette (To 
ri ijv eivai), s. 13. 



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— 103 — 



lungen des Königs Heinrich HL von Frankreich an seinen Ge- 
sandten Mauvissier, wnrde von diesem gut aufgenommen und ver- 
lebte in dessen Hause die glĂĽcklichsten und ruhigsten Zeiten seines 
bewegten Lebens. Er blieb daselbst, mit Ausnahme einiger Mo- 
nate, die er in Oxford, mit Vorlesungen und Disputationen be- 
schäftigt, zubrachte, bis gegen Ende 1585, zu welcher Zeit der 
Gesandte wieder abberufen wurde. Er begleitete diesen dann nach 
Paris, ging später nach Maiburg und darauf nach Wittenberg, wo 
er vom August 1586 bis April 1588 öffentliche Vorlesungen über 
Philosophie, Mathematik und Physik hielt. Von der guten und 
liberalen Aufnahme, die er in Wittenberg, welches er das deutsche 
Athen nannte, bei den akademischen Lehrern fand, hat er wieder- 
holt dankbare Erwähnung gethan, und es darf dies hier hervor- 
gehoben werden, da die Erwähnung von Wittenberg im Hamlet 
vielleicht auf Giordano Bruno zurĂĽckzufĂĽhren ist. 1 ) An anderen 
Orten hat Bruno dagegen um so mehr Verfolgungen wegen seiner 
Lehre erfahren mĂĽssen; von Marburg wurde er auf Veranlassung 
der dortigen Professoren vertrieben und endlich in Venedig, wohin 
ihn ein SchĂĽler, Mocenigo, eingeladen hatte, auf dessen Denun- 
ciation und in dessen Hause verhaftet und der Inquisition ĂĽber- 
liefert (1592). Sieben Jahr widerstand er im Kerker allen Foltern 
und allen Zumuthungen des Widerrufs seiner Lehre und erlitt 
endlich in Koni, wohin er ausgeliefert worden war, mit dem grössten 
Muth und ohne einen Schrei des Schmerzes den Feuertod, nachdem 
er bei VerkĂĽndung des Urtheils die denkwĂĽrdigen Worte zu seinen 
Richtern gesprochen hatte: Mehr Furcht beweist Ihr durch Euer 
Urtheil als ich, indem ich es anhöre. 2 ) 

Von dem Leben Bruno's ist fĂĽr die Kenntniss Shakespeare's 
und der englischen Zustände zu jener Zeit besonders sein Aufent- 
halt in London und was er von demselben erzählt von Interesse. 
Wie schon seine Aufnahme in das Haus des Gesandten und die Gunst, 
in welcher er bei demselben stand, ergiebt, kam er mit vielen 
hochgestellten und berĂĽhmten Personen Englands in BerĂĽhrung. 
Auch der Königin wurde er vorgestellt und scheint mit Mauvissier 
und auch ohne diesen öfter bei Hofe gewesen zu sein. Den Re- 



*) Vgl. Tschischwitz, Shakespeare-Forschungen, B. 1, Hamlet, S. 53. Do- 
menico Berti, vita di Giordano Bruno. Florenz, Turin, Mailand 1868, S. 207 ff. 
8 ) Berti a. a. 0. S. 263. 



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gententngenden und der hohen Bildung Elisabeth's zollt er an 
mehreren Stellen seiner Schriften ein ĂĽberschwengliches Lob, nennt 
sie die grosse Amphitrite, Diana, die Göttin auf Erden, eine Sonne 
unter den Sternen, mit denen er die anderen Frauen und Damen 
Englands vergleicht, fĂĽr welche er ĂĽbrigens ebenfalls grosse Be- 
wunderung an den Tag legt. 1 ) Nicht minder weiss er viel zum 
Lobe der englischen Grossen und Cavaliere zu sagen und preist 
die hohe Bildung und LiebenswĂĽrdigkeit derselben ĂĽberhaupt und 
mehrerer einzelner insbesondere, z. B. von Leicester, Walsingham, 
Phil. Sidney. 2 ) Nach dem neuesten und sehr sorgfältigen Bio- 
graphen Bruno's, Berti, der zuerst ein vollständiges Licht über 
sein Leben verbreitet hat, da ihm die Acten des von der Inqui- 
sition gegen ihn gefĂĽhrten Prozesses in den Archiven von Venedig 
zn Gebote standen, ist er auch mit Spenser und Harvey bekannt 
gewesen, dagegen bezeugt Berti ausdrĂĽcklich, dass es ungewiss sei, 
ob er Baco von Verulam und Shakespeare gekannt habe. 3 ) Das 
letztere würden wir voraussetzen können, wenn nicht Bruno's An- 
wesenheit in London vor und in die erste Zeit von Shakespeare's 
Wirksamkeit und wahrscheinlich vor die Bekanntschaft mit South- 
ampton fiele, der beim Weggange Bruno's erst zwölf Jahr alt war. 

In der Schattenseite von Bruno's Gunst stehen die Fach- 
gelehrten, namentlich die Professoren von Oxford und das niedere 
Volk. Erstere schildert er als Pedanten und von bäurischen 
Sitten 4 ) und von der Rohheit des gemeinen Volkes spricht er mit 
einem gelinden Entsetzen. Im Eingang der cena Helle ceneri erzählt 
er eine Wanderung durch London, wobei verschiedene unliebsame 
BerĂĽhrungen mit dem Volk der Strasse, Schiffern u. dgl. und der 
mangelhafte Zustand der Strassen, der Koth u. s. w. in ergötz- 
licher Weise geschildert werden. Dabei interessirt uns der Name 
eines Begleiters, Florio, der offenbar derselbe italienische Sprach- 
meister und Uebersetzer des Montaigne ist, welchen Shakespeare 
im Holofernes in der Verlorenen LiebesmĂĽhe portraitirt haben soll. 
Das letztere behaupten wenigstens einige der frĂĽheren Commen- 



') Das Sonett nach der Widmung zn den eroici furori. Bruno, Opere, Ausg. 
von Ad. Wagner, Vol. II, S. 312. Vol. I, S. 144. 230. 

3 ) Opere, Vol. I, S. 145. 

») Berti, Giordano Bruno, S. 192. 

4 ) Opere, Vol. I, S. 179. 



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— 105 — 



tatoren, Warburton, Farmer, Steevens, und N. Drake ist ihrer 
Ansicht beigetreten. *) Malone war entgegengesetzter Meinung und 
fĂĽhrte dafĂĽr den Umstand an, dass Florio ein SchĂĽtzling South- 
ampton's gewesen sei und Shakespeare daher eine derartige Ver- 
spottung sich nicht erlaubt haben würde. Wir können diesen 
Grund nicht fĂĽr stichhaltig erachten, wenn er auch bei der Zeit- 
bestimmung Malone's, der das StĂĽck in das Jahr 1594 setzt, zu- 
treffender erscheint, als wenn dasselbe, wie es wol richtiger ist, 
in die ersten Jahre von Shakespeare's BĂĽhnenwirksamkeit in London 
gesetzt wird. FĂĽr die Beziehung des Holofernes auf Florio fĂĽhrt 
man namentlich die Ausfälle an, welche derselbe gegen dramatische 
Dichter ĂĽberhaupt und dann insbesondere in einer Vorrede wegen 
einer erlittenen Verspottung gemacht hat, wobei auch eines Sonettes 
Erwähnung geschah, das man mit dem Gedichte des Holofernes 
(V. L. M. II, 2, 57) in Verbindung brachte. Die erwähnte Deu- 
tung ist hiernach ziemlich unsicher, jedenfalls hat es nicht den 
Anschein, als wenn der Dichter ein vollständiges und leicht erkenn- 
bares Bild des Italieners hätte geben wollen, sonst würde er unter 
die vielen fremden Sprachbrocken des Holofernes wol noch mehr 
aus der Muttersprache Florio's aufgenommen haben, als den kleinen 
Keim zum Preise Venedigs, der allerdings (nach Delius, Shakespeare- 
Ausgabe) aus einem Buch Florio's entnommen sein soll. Es wĂĽrde 
also bei der Seltenheit der Fälle, in denen sich bei Shakespeare 
ein Spott auf bestimmte Personen erkennen lässt, immerhin wichtig 
sein, wenn aus Bruno's Erwähnung jenes Florio etwas zur Auf- 
klärung der Frage gewonnen werden könnte. Doch ist dies nur 
in geringem Maasse der Fall. Florio erwartet Bruno, wie dieser 
erzählt, mit noch einem Andern, nachdem er ihn lange gesucht 
hatte, vor seiner Wohnung, um ihn zu der Abendmahlzeit (von 
welcher der Titel der Schrift cena delle ceneri, Mahl am Ascher- 
mittwoch, hergenommen ist) bei Folco Grivello (Greville) abzuholen. 
Bei der Fahrt auf der Themse stimmt Florio, 'als wenn er sich 
seiner Liebschaften erinnerte', ein Liebeslied an (Dove vai senza 
me, doke mia vita?) 2 ) Als sie endlich am Ort ihrer Bestimmung, 
vermöge des schlechten und schlechtgewählten Weges verspätet, 
ankommen, finden sie die andern Gäste bereits bei Tafel und dabei 

') N. Drake, Shakespeare and his Times. Paris 1838, S. 217. Shakespeare's 
Plays and Poems. London 1821 (Variorum Edition), Vol. IV, S. 479 ff. 
2 ) Opere, Vol. I, S. 138. 139. 



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wird von einem der (drei) Ankömmlinge ein hübscher Scherz er- 
zählt. 1 ) Derselbe wird auf den noch offenen untersten Platz der 
Tafel gewiesen, hält solchen aber für den obersten, dem Vornehm- 
sten gebĂĽhrenden, und macht nun mit dem, der diesen Platz ein- 
nahm, allerlei Complimente, um ihn aus vermeintlicher Bescheiden- 
heit auf den geringsten Platz zu nöthigen. Offenbar war Florio 
der Held dieses Scherzes, wenn er auch als solcher nicht genannt 
ist, denn gleich darauf sitzt er, wie erzählt wird, gegenüber von 
jenem Cavalier, der den obersten Platz einnahm, links von ihm 
der Erzähler (Teofilo), offenbar jener 'niaestro Guin', der dritte 
Begleiter bei dem gefährlichen Marsche durch London. Im weitern 
Verlaufe der Erzählung kommt Florio nicht mehr vor, wenn er 
nicht etwa unter der Maske des Pedanten von Bruno irgendwo 
versteckt worden ist, doch widerspricht dem auch wieder jenes 
Liebeslied, da der Pedant Bruno's als Weiberfeind geschildert ist. 
So wenig wir hiernach aus dieser Erwähnung Florio's entnehmen 
können, so würde doch dadurch bestätigt werden, dass der italieni- 
sche Sprachmeister eine lächerliche Figur vorstellte, und es würde 
sich auch jene hochmĂĽthige Bescheidenheit verrathen, die ein 
Hauptzug in der ergötzlichen Figur des Holofernes ist, welche 
wir noch weiter unten mit den Werken Bruno's werden in Ver- 
bindung bringen müssen. In jener Erzählung lässt sich Bruno 
auch ausfĂĽhrlich und mit grossem Widerwillen ĂĽber die Sitte des 
starken Trinkens und die dabei vorkommenden, ihm lächerlichen 
und unappetitlichen Gebräuche (z. B. das Reihetrinken aus dem- 
selben Becher) aus. 2 ) Auch in einer andern Schrift zieht Bruno 
über das übermässige Trinken und dessen Methode in Deutschland 
her, wobei er schliesst: 3 ) 'videbitur pvrcus yorcorum in gloriam 
Ciacchi (des Ferkels).' Ist es nicht, als hätte solche Auslassung 
Veranlassung zu den Versen im Hamlet gegeben (I, 4): 

Doch meines DĂĽnkens ist's ein Gebrauch, 

Wovon der Bruch mehr ehrt als die Befolgung. 
Dies schwindelköpfge Zechen macht verrufen 
Bei andern Völkern uns in Ost und West; 
Man heisst uns Säufer, hängt an unsre Namen 
Ein schmutzig Beiwort. — 

') Opere Vol. I, S. 150. 
8 ) Opere Vol. I, S. 150. 

*) In der Bestia triomfante. Opere Vol. ĂĽ, S. 247. 



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— 107 — 



Von den Schriften Bruno's fallen die verhältnissmässig meisten 
in die Zeit seines Londoner Aufenthaltes, darunter auch die drei 
bedeutendsten, welche seine philosophische Lehre hauptsächlich 
entfalten: la cena Helle ceneri, deren äussern Eahmen wir soeben 
erwähnt haben, de la causa, principio et uno; de Vinfinito, universo 
e mondi. Alle drei sind in Gesprächsform und dem Kanzler Mau- 
vissier gewidmet. Ferner sind in jener Zeit erschienen: Spaccio 
della bestia trionfante, cabala del cavallo Pegaseo, welche beide mehr 
in das Gebiet der Satire als der Philosophie gehören und daher 
von Hallam unter der Unterhaltungsliteratur aufgefĂĽhrt werden, l ) 
endlich die eroici furori, ein Werk, in welchem Philosophie und 
Dichtung in eigenthĂĽmlicher Weise gemischt sind. Das letztere 
und das erste dieser drei sind Philipp Sidney gewidmet. Alle ge- 
nannten sechs Werke sind zwar dem Titel nach in Paris oder 
Venedig gedruckt, sie sind aber, wie Inhalt und Jahreszahl ergiebt, 
offenbar in London verfasst und wahrscheinlich auch dort gedruckt 
und bald verbreitet worden. In welchem Maasse letzteres geschah, 
ist kaum festzustellen, jedenfalls sind sie Shakespeare bekannt ge- 
worden, wie im Nachstehenden gezeigt werden soll. Daraus, dass 
alle sechs Werke in italienischer Sprache verfasst sind, lässt sich 
wieder ein Schluss auf die damalige Verbreitung dieser Sprache 
unter dem Adel und den Gebildeten des damaligen England ziehen, 
fĂĽr welche diese Schriften offenbar in erster Reihe berechnet 
waren. Die ĂĽbrigen philosophischen Schriften Bruno's sind in 
lateinischer Sprache verfasst. Von allen seinen Werken sind die 
Einzelausgaben von jeher sehr selten gewesen, erst im Jahr 1830 
erschien die hier citirte (jetzt ebenfalls vergriffene) Sammlung der 
italienischen Schriften von A. Wagner in 2 Bänden. Die lateini- 
schen Schriften sind noch gar nicht gesammelt. 2 ) Auch ĂĽber das 
Leben Bruno's sind erst sichere und zusammenhängende Nachrichten 
vorhanden, seit Berti die Acten der Inquisition in dem gegen Bruno 
anhängigen Prozesse in Venedig kennen lernte und sein Buch: 
Vita di Giordano Bruno 1868 herausgab. Hieraus erklärt sich 
auch, dass die älteren Commentatoren von einer Beziehung des 

') Hallam, Introduction to the Literature of Europe etc. Paris 1839, Vol. II, 
S. 249. 

J ) Die von Gfrörer begonnene Sammlung derselben, Stnttg., Lond., Paris 
1834, ist ins Stocken gerathen und die wichtigsten Schriften fehlen darin. 
Erdmann, Gesch. der Philosophie, B. I, S. 544. 



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— 108 — 



Dichters zu Giordano Bruno und dessen Schriften nirgends etwas 
erwähnen. 

Ehe wir nun diese Beziehungen näher zu erörtern versuchen, 
wollen wir von der Lehre Bruno's einige Hauptpunkte, und grade 
solche, die sich von Shakespeare beachtet finden, hervorheben. 

Das philosophische System Bruno's basirt hauptsächlich auf der 
von einigen alten Philosophen der eleatischen Schule aufgestellten, 
später von Spinoza und Leibnitz weiter ausgebildeten Lehre, dass 
die ganze Welt und alle darin vorkommenden Körper aus Atomen 
bestehen, welche, an sich unverändert, wechselnde Verbindungen 
eingehen. Danach werden alle Erscheinungen in der Welt, Men- 
schen, Thiere, Sachen durch die Art der Verbindung solcher Atome 
bedingt, und es findet bei keinem Körper eine Aenderung der Be- 
standtheile oder ein Untergang, sondern nur eine veränderte Form 
der Verbindung, keine Aenderung der Existenz, sondern nur der 
Art und Weise des Daseins statt. Dies gilt sowohl von den rein 
körperlichen, wie von den geistigen Existenzen und so werden die 
verschiedenen Eigenschaften von Körper und Geist, die verschie- 
dene Individualität des Menschen überhaupt durch die verschiedene 
unendlich mannichfache Verbindung des unendlich theilbaren Stoffes 
hergestellt, der nicht seiner Substanz, sondern nur seiner Verbin- 
dung nach sich ändert. So heisst es im fünften Dialog des Werkes 
de la causa, principio et uno von einem der Zuhörer: Wer also 
Poliinnio als Poliinnio nimmt, ergreift damit nicht eine besondere 
Substanz, sondern Substanz in einem besondern Verhältnisse und 
in den Unterschieden, welche dieselbe betreffen, so dass es dahin 
kommt, dass dieser Mensch in der Zahl und Menge eine Art aus- 
macht. l ) 

Bei Shakespeare finden wir die Atomenlehre Bruno's in kurzer 
Zusammenfassung in den Worten des Herzogs in Mass fĂĽr Mass 
an Claudio (HI, 1, 19), da er ihn im Kerker tröstet: 

thou art not thyself, 
For thou exist'st on many a thousand grains, 
That issue out of dust. 

Wir unsererseits ĂĽbersetzen mit einer kurzen, aber allerdings er- 
heblichen Aenderung von Schlegel's Uebertragung: 



>) Opere Vol. I, S. 288. 



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- 109 — 

Du bist nicht du selbst, 
Denn du bestehst aus tausenden von Körnern, 
Vom Staub entsprossen. 
Es ist uns freilich nur Eine Uebersetzung bekannt, in der die 
Stelle in diesem Sinn aufgefasst ist, die von Heinrich Döring in 
der bei Reclam in Leipzig erschienenen deutschen Ausgabe Shake- 
speares. Die bekanntesten Uebersetzer, Schlegel, Bodenstedt und 
Andere übersetzen: Du bestehst durch tausend Körner u. s. w., 
worunter also offenbar die durch Vegetabilien, Getreide gewährte 
x Nahrung verstanden werden soll. Dies giebt einen ziemlich tri- 
vialen Sinn, der den Vordersatz: 'Du bist nicht du selbst' in keiner 
Weise begründen würde. Auch die Erklärung von Delius: 'Du 
hast kein eigenes, bestimmtes, dir selbst angehöriges Wesen, son- 
dern hängst von tausend Kleinigkeiten ab', befriedigt offenbar 
nicht. Fassen wir dagegen den Satz als mit der Bruno'schen 
Atomenlehre in Beziehung stehend auf, so giebt er einen guten 
und dem Zusammenhang sich fugenden Sinn, denn jene Lehre 
fĂĽhrt consequenter Weise zu der Behauptung, dass der Mensch 
keine bestimmte Individualität, kein eigenes Selbst besitzt, sondern 
nur ein zufälliges, auf Zeit beschränktes Conglomerat fremder 
Körperchen ist. Unserer Erklärung dürften nur einige gramma- 
tische und sprachliche Bedenken entgegenstehen, welche sich aber 
einigermassen auch bei der gewöhnlichen Auffassung geltend ma- 
chen, dass nämlich on für gewöhnlich weder 'durch' oder 'von', noch 
'aus' in den bei obigen Uebersetzungen gebrauchten Bedeutungen 
heisst, wenn man auch allerdings 'to feed on* in einem mit der gang- 
baren Uebersetzung ĂĽbereinstimmenden Sinn gebraucht. Doch 
wird, wie auch Delius im Shakespeare-Lexikon bezeugt, on öfter 
fĂĽr of und umgekehrt bei Shakespeare gesetzt, und in einem ganz 
gleichen Sinne, wie er hier gedeutet wird, kommt on in einer 
Stelle im Sturm (IV, 1, 156) vor: 

We are such stuff 
As dreams arc made on — 
in welcher der Sinn völlig klar und dem oben nachgewiesenen 
nahe verwandt ist. Ob exist in der Bedeutung von 'bestehen aus' 
gebraucht werden darf, hat allerdings seine Bedenken, doch lässt 
sich der Satz immerhin auf die Atomenlehre beziehen, wenn man 
auch übersetzt: 'du lebst durch, bestehst vermöge der tausend 
Atome, aus denen du zusammengesetzt bist'. Dass yrain in der 



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- 110 - 

Bedeutung von kleinster Theil, Atom, bei Shakespeare gebraucht 
wird, bezeugt auch A. Schmidt in seinem Shakespeare-Lexikon, 
und ergeben dies auch klar die von ihm dort angefĂĽhrten Stellen. 
Uebrigens kommt auch das Wort Atom, atomy, bei Shakespeare 
einige Mal in der uns geläufigen Bedeutung vor. Wie es Euch 
gefällt m, 2, 245. m, 5, 13. Eomeo und Julie I, 4, 57. 

Auf jene Atomenlehre Bruno's in ihren GrundzĂĽgen finden wir 
ferner ganz deutliche und bestimmte Anspielungen in folgenden 
schon von Tschischwitz hervorgehobenen Stellen aus Hamlet. In 
der Kirchhofsscene (V, 1, 223) sagt Hamlet: 'Warum könnte die 
Einbildungskraft nicht dem edlen Staube Alexander's nachspĂĽren, 
bis sie ihn findet, wie er ein Spundloch verstopft?' und auf den 
Einwurf des Horatio: 'die Dinge so betrachten, hiesse sie allzu 
genau betrachten' fährt er fort: 'Wahrhaftig, nicht im geringsten, 
es heisst ihm nur mit hinlänglicher Zurückhaltung und Wahrschein- 
lichkeit, die den Weg zeigt, dorthin folgen, wie z. B. so : Alexander 
starb, Alexander ward begraben, Alexander ward wieder zu Staub, 1 ) 
Staub ist Erde; aus Erde machen wir Lehm, und warum könnte 
man mit dem Lehm, in den er verwandelt wurde, nicht ein Bier- 
fass verstopfen?' 

In gleicher Weise behandelt Hamlet diese Stoffwanderung in 
Akt IV (3, 21), wo er auf die Frage des Königs nach des Polonius 
Leichnam antwortet, dass die Würmer sich über ihn gemacht hätten. 
'So ein Wurm,' fährt er fort, 'ist Euch der einzige Kaiser, was 
die Tafel betrifft, wir mästen alle sonstigen Creaturen, um uns zu 

mästen, und uns selbst mästen wir für Maden. Ein Mann 

könnte mit dem Wurme fischen, der von einem Könige gegessen 
hat, und von dem Fische essen, der sich von dem Wurm genährt.' — 
Auf die Frage, was er damit meine, ist die Antwort: 'Nichts, als 
Euch zeigen, wie ein König seinen Triumphzug durch den Darm 
eines Bettlers halten kann.' 

Auch Bruno verfolgt den Gedanken der Stoffwanderung mit 
ähnlicher Genauigkeit in einer Stelle seiner Schrift della canm, 
prhwijrio et uno: 'Sehet Ihr nicht, dass das, was Samen war, zu 
Gras, und was Gras war, zur Aehre, was Aehre war, zu Brod, 
was Brod war, zu Milchsaft, was Milchsaft war, zu Blut wird? 

l ) Hierbei mag indess bemerkt werden, dass Alexander in Atome zerstreut 
aucb ein Gegenstand von Marc Aurel's Selbstbetracbtungen ist. Vgl. Carriere, 
Die Kunst im Znsammenbange etc., B. II, S. 603. 



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- 111 - 

dass aus diesem der Same, aus diesem der Embryo, aus diesem 
der Mensch, aus dem wieder der Leichnam, aus diesem die Erde, 
aus dieser Stein oder sonst etwas wird, und dass sie auf diesem 
Wege weiter zu allen natĂĽrlichen Formen gelangen?' Bei dieser 
Anschauung konnte Bruno den Körpern kein Aufhören, keinen Tod, 
sondern nur ein verändertes Dasein beimessen, worüber er sich 
deutlich in folgender Stelle der cena delle ceneri ausspricht, welche 
daher ebenfalls zur Erklärung jener Aussprüche Hamlet's dient: 

'Da aber jener gesammten Materie, aus welcher unser Erdball 
besteht, das Sterben und die Auflösung nicht zukommt, auch die 
Annihilation der ganzen Natur nicht möglich ist, so kommt sie 
dazu, von Zeit zu Zeit nach einer bestimmten Ordnung sich zu 
erneuern und alle ihre Theile zu ändern, zu wechseln und umzu- 
setzen, was nach einer bestimmten Reihenfolge stattfinden muss, 
nach welcher ein jedes Ding den Platz aller andern einnimmt/ 
Noch deutlicher wird diese Erklärung durch den sonst von Bruno 
aufgestellten Satz, dass in der Welt und Natur ĂĽberall und zu 
jeder Zeit eine gewisse Bewegung stattfindet. 

Aus solchen Vorstellungen, die sich nach des Dichters Dar- 
stellung eben auch Hamlet angeeignet hat, womit vielleicht auch 
der Umstand im Zusammenhang gedacht ist, dass Hamlet in Witten- 
berg seine Studien gemacht hat, wo Bruno einst einen Wirkungs- 
kreis von etwas längerer Dauer hatte, als an andern Orten, erklärt 
sich einigermassen auch die GleichgĂĽltigkeit, welche Hamlet sowohl 
beim Tode Anderer (Polonius, GĂĽldenstern), als auch bei dem Ge- 
danken an seinen eigenen verräth. Seine auf letzteren bezüglichen 
Worte (V, 2, 230): 'geschieht es nicht jetzt, so geschieht es doch 
einmal in Zukunft, geschieht es nicht in Zukunft, so wird es jetzt 
geschehen, und geschieht es jetzt nicht, so geschieht es doch einmal 
in Zukunft. Bereit sein ist Alles! Da kein Mensch weiss, was 
er verlässt, was kommt es darauf an, bei Zeiten zu verlassen,' 
haben im Einzelnen Aehnlichkeit mit folgenden auch sonst an 
Shakespeare erinnernden Worten Bruno's aus der Dedication zum 
Candelajo: 1 ) 'Mit dieser Philosophie erhebt sich mein Geist, er- 
weitert sich mein Denkvermögen. Aber welches auch die bestimmte 
Zeit jenes Abends, den ich erwarte, sein mag, wenn die Umwand- 
lung Thatsache wird, so erwarte ich, der ich in Nacht bin, den 



•) Opere Vol. I, S. 5. 



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- 112 - 

Tag, und jene, die im Tage sind, erwarten die Nacht. Alles das, 
was ist, ist entweder hier oder da, nah oder fern, jetzt oder später, 
gleich oder hernach.' 

Bei Betrachtung der obigen Aeusserungen Hamlet's wird man 
leicht zu der Ansicht gefĂĽhrt, dass dieselben und die ganze Lehre 
Bruno's mit dem berĂĽlimten Monolog Hamlet's 'Sein oder nicht sein', 
sowie der Erscheinung des Geistes nicht ganz im Einklang stehen. 
Wir möchten hierbei weniger mit Tschischwitz annehmen, dass Hamlet 
im Monolog sich skeptisch gegen die mehr gleichgĂĽltige Anschauung 
vom Tode auflehnt, als dass jene GleichgĂĽltigkeit ĂĽberhaupt mehr 
gegen das Ende des StĂĽcks zugleich mit einer gewissen Stumpf- 
heit im ganzen Auftreten Platz greift, während Hamlet in den 
ersten drei Akten häufiger von leidenschaftlichen Aufregungen heim- 
gesucht wird. Andererseits dürfen wir die Erklärung vielleicht 
darin finden, dass der Monolog, worauf wir schon im Jahrbuch 
(VI, S. 297) aufmerksam machten, aus einer frĂĽhern Zeit herrĂĽhrt, 
und um der BĂĽhnenwirkung willen beibehalten worden ist. Bei 
der Erscheinung des Geistes ist Shakespeare ganz anderen Vor- 
stellungen aus der Sphäre des damaligen Volksglaubens gefolgt, 
hat sich dabei von rein dramatischen RĂĽcksichten leiten lassen und 
sich nicht veranlasst gefĂĽhlt, dieses Motiv mit den von Hamlet 
geäusserten philosophischen Ansichten in Uebereinstimmung zu 
bringen. 

Ueberhaupt dĂĽrfen wir nicht entfernt annehmen, dass Shake- 
speare seine poetischen Schöpfungen oder auch nur einzelne Cha- 
raktere, wie Hamlet, ganz conform mit dem philosophischen System 
Giordano Bruno's habe gestalten wollen, dazu war er zu sehr 
Menschenkenner und auf die dramatische Wirkung bedacht. 

Man könnte hiernach uns füglich einwerfen, dass wir mit der 
gegenwärtigen Erörterung etwas sehr Gleichgültiges unternommen 
hätten, indem mit dem Nachweis, dass Shakespeare Giordano Bruno 
gekannt und gelegentlich seine Lehren verschiedenen Personen in 
den Mund gelegt habe, fĂĽr die Erkenntniss des Shakespeare'schen 
Geistes nicht das Mindeste gewonnen sei, oder höchstens ein wei- 
terer Beweis für den früher so häufig angezweifelten höhern Grad 
von Bildung des Dichters. Indess ist die Lehre Bruno's doch 
augenscheinlich auf die Denkweise und Ausbildung des Dichters 
von Einfluss gewesen, und das namentlich auf einem Felde, auf 
dem Shakespeare seine grösste Stärke entwickelt hat, auf dein der 



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— 113 — 

Charakterschilderung und der Darstellung von Charakterbildung. 
Wir begegnen auf diesem Gebiete bei beiden Männern so überein- 
stimmenden Ansichten ĂĽber einzelne tiefere psychologische Erschei- 
nungen, dass es unter allen Umständen von Interesse erscheint, 
den Erörterungen Bruno's über Wahrnehmungen nachzugehen, die 
Shakespeare mehr oder weniger deutlich erwähnt und berührt, 
ohne sie näher zu erklären, wozu er als Dichter ja auch keine 
Veranlassung hatte. 

Zunächst tritt an verschiedenen Stellen der Dichtungen Shake- 
speare's die oben erwähnte Anschauung Bruno's, die er auch bei 
geistigen Existenzen zur Geltung bringt, deutlich hervor, und finden 
sich solche Stellen namentlich wieder im Hamlet und in StĂĽcken 
aus derselben Zeit, lieber der Leiche des Brutus sagt Antonius 
(Julius Caesar, Schluss) : 'Die Elemente waren in ihm so gemischt, 
dass die Natur selbst ihn als Muster eines Mannes bezeichnet 
hätte.' Ferner Hamlet, da er von Horatio's Charakter spricht: 
'gesegnet, wess Blut und Urtheil sich so gut vermischt' u. s. w. 
Auch bei sich selbst sieht Hamlet, wie er sich seine Fehler vor- 
wirft, den Grund davon in einer fehlerhaften Zusammensetzung: 
'mir fehlt's an Galle, die bitter macht den Druck,' doch verräth 
sicli in den letzteren Stellen neben der Bruno'schen Lehre auch die 
zu jener Zeit häufige Anschauung,- wonach gewisse Leidenschaften, 
Seelenkräfte ihren Sitz in einzelnen bestimmten Körpertheilen haben 
sollten. Ferner spricht Hamlet bei Vergleichung der beiden Könige 
(TI, 4, 60) von einer 'Form' und 'Combination' und da er sich den 
Tod wĂĽnscht, von einem Zergehen seines Fleisches in einen Thau 
(I, 2, 130), also nicht von einem Untergange, sondern einer andern 
Zusammensetzung, die aber allerdings dem Aufhören eines festen 
Körpers und dem völligen Untergange, der ihm ja eben wünschens- 
werth scheint, am ähnlichsten ist. 1 ) Edmund im Lear (I, 2, 11) 
äussert seine Zufriedenheit mit seinem Aeussern in den Worten, 
dass er 'more comjwsition' und 'fierce qualitij erhalten habe, als 
eheliche Söhne, und der König in Ende gut, alles gut, da er sich 
beifällig über Bertram's Erscheinung aussprechen will, sagt (I, 2, 20): 



l ) Auch der König in Hamlet sieht den Tod nur als einen Formwechsel 
an (I, 2, 72): 

Thon knotest, Vis common, all fhat lives must die, 
Passing through natnre to eterntiy. 

Jahrbuch XI. 8 



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— 114 — 

Frank naturc, rather curious than in haste, 
Has well compos'd thee — 
Auch die Worte der Lady Macbeth, da sie sich zu Entschluss und 
Ausführung des Mordes fähig machen will, bewegen sich in der- 
selben Anschauungsweise (I, 4, 41 — 50), namentlich der Schluss: 

Cotne to my Momarts breasts, 
And take my milk for galt, you murdering ministers, 
Wherever in your sightless sabstances 
You wait on nature's mischief! 
Endlich finden wir in den Sonetten vielfache AusdrĂĽcke, in denen 
die Individualität, sowohl körperlich wie geistig, auf einer Zu- 
sammensetzung beruhend, ganz im Sinne Bruno's, gedacht er- 
scheint, z. B.: 

Son. 45. life's composition — 

Son. 53. what is your substance, ivhereof are you made — 
Son. 59. this composed wonder of your frame — 
Son. 71. when I perhaps compounded am with clay — 
Son. 81. although in me each pari will be forgotten — 
Son. 89. to set a form upon desired diange — 
Aus der Atomenlehre Bruno's ergiebt sich von selbst die Behaup- 
tung, die er auch ausdrĂĽcklich aufgestellt hat, dass alles Vor- 
handene schon längst da war, dass nichts ganz verschwindet, son- 
dern nur den Baum und die Verbindung wechselt, und anderen 
Körpern Platz macht, dass nichts überhaupt in demselben Zustand 
beharrt. Dies finden wir in folgenden Stellen der Sonette wie in 
anderen zum Theil weiter unten zu erwähnenden wieder: 
Son. 59. If there be nothing new — 
Son. 60. Each changing place with that which goes before 

In sequent toil all forwards do contend. 
Bei der erwähnten, etwas mechanischen Anschauung von der 
Bildung des Charakters werden von Shakespeare die fehlerhaften 
Eigenschaften besonders auf ein Ueberwiegen einzelner Elemente, 
auf eine Uebertreibung an sich unschädlicher Eigenschaften zurück- 
gefĂĽhrt, so Hamlet I, 4, 27 : 'overgrowth of some complexion.' Hier 
und an vielen anderen Stellen ist mehr oder weniger deutlich ge- 
sagt, wie ein solcher Fehler dann auch die ĂĽbrigen Eigenschaften 
und die Tugenden gleichsam ansteckt und verdirbt. Besonders 
zeigt sich dies aber allenthalben in der Darstellung der Charaktere 
bei Shakespeare. Wo er Ideale darstellen will, ist es vorzugs- 



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115 - 



weise die harmonische Gleichgewogenheit der Eigenschaften, die 
massvolle Bescheidung und ZurĂĽckhaltung, wodurch er seine Lieb- 
linge auszeichnet, wie wir dies an Heinrich V./Portia u. A. sehen. 
Ebenso wird sich nach der fehlerhaften Seite hin das Prinzip 
allenthalben bei Shakespeare's Charakteren erkennen lassen, und 
hier sogar noch mehr, da der Dichter von der Unvollkommenheit 
der menschlichen Natur zu sehr durchdrungen war, um ĂĽberhaupt 
vollkommene Ideale von Menschen gelten zu lassen. 

Zu den in den Werken Shakespeare's sich in einer Art wieder- 
holenden Anschauungen, dass wir sie mit der Person des Dichters 
im nothwendigen Zusammenhange denken müssen, gehört jene 
eigenthĂĽmliche Doppelseitigkeit, jenes wahrhaft philosophische Be- 
mĂĽhen, jedes Ding von zwei Seiten zu betrachten, in dem Guten 
das Böse, in dem Bösen das Gute zu erkennen. Gerade hierbei 
verräth er eine nahe Geistesverwandtschaft mit Bruno, die sich 
allerdings, ihren verschiedenen Aufgaben gemäss, bei beiden auch 
wieder verschieden äussert. Während Bruno manchmal in etwas 
sophistischer Art von manchen Dingen gerade das GegentheĂĽ ihrer 
EigentĂĽmlichkeit zu beweisen sucht, bleibt Shakespeare mehr in 
den Grenzen der Erfahrung, wenn auch er mitunter bei Behand- 
lung dieses Themas etwas dunkel wird. Wie Bruno darauf hin- 
weist, dass die Kreislinie, wenn sie die grösste Ausdehnung hat, 
der geraden wieder am ähnlichsten wird, so zeigt Shakespeare, 
bald in kurzen Erwähnungen, bald in mehr nachdrücklicher und 
ausgefĂĽhrter Darstellung, dass moralische und intellektuelle Eigen- 
schaften, wenn sie ĂĽbertrieben werden, in ihr GegentheĂĽ um- 
schlagen. Von Bruno wird jene Doppelseitigkeit in einer längern 
Auslassung in der Schrift de la causa, principio etc. (Opere Vol. I, 
S. 286 ff.) erörtert, welche wir theils wörtlich, theils im Excerpt 
hier aufnehmen, damit Shakespeare's Anschauung darin wieder- 
gefunden und ihr Zusammenhang mit der Lehre Bruno's erkannt 
werden kann: 

'Der Intellekt, die menschliche Einsicht, indem sie sich von 
der Einbildungskraft befreien will, suche die Menge und Verschie- 
denheit der Erscheinungen aus einer gemeinschaftlichen Wurzel 
herzuleiten. So habe Pythagoras Alles auf die Zahl, Plato auf 
den Punkt zurĂĽckgefĂĽhrt, jenes Methode sei vorzuziehen, weil sie 
auch auf den Punkt und ĂĽberhaupt auf alle Erscheinungen anzu- 
wenden sei. Bei ErgrĂĽndung einer Sache sei es die Aufgabe des 

8* 



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- 116 - 

Intellekts, sie so viel als möglich zu vereinfachen, von der Zu- 
sammensetzung und Menge zu abstrahiren und weniger auf die 
zufälligen und wechselnden Eigenschaften, die Dimensionen und 
äusseren Verhältnisse, als auf das, was denselben zu Grunde liegt, 
RĂĽcksicht zu nehmen. Wollen wir zum Prinzip und der eigent- 
lichen Substanz der Dinge gelangen, so mĂĽssen wir gegen die 
Untheilbarkeit derselben vorschreiten, zum Urstoff und der allge- 
meinen Substanz gelangen wir erst, wenn wir zu der einen untheil- 
baren Substanz kommen, in welcher Alles enthalten ist. 

Die Substanz und das Sein sind von der Quantität getrennt, 
das Mass und die Zahl sind nicht Substanz selbst, sondern beziehen 
sich nur auf die Substanz, sind nicht Existenzen, sondern GrĂĽnde 
der Existenz. Die Substanz ist also im Wesentlichen ohne Zahl 
und Mass, und daher ein und dieselbe in allen besondern Dingen, 
welche ihre EigentĂĽmlichkeit eben von der Zahl, als von etwas 
ausserhalb der Substanz liegendem, erhalten. Daher sei ein be- 
stimmter Mensch nicht eine besondere Substanz, sondern Substanz 
in einer besondern Beziehung und durch Unterschiede, welche 
ausserhalb der Substanz liegen, vermöge Zahl und Menge sei er 
unter eine bestimmte Gattung gestellt. Gewisse äussere Ereignisse 
bewirken eine Vervielfältigung der Substanz, die im Grunde ge- 
nommen bei allen Sachen eine und dieselbe sei, so wie sich jede 
Zahl auf die Einheit zurĂĽckfĂĽhren lasse, welche in der Wieder- 
holung bei dem begrenzten eine Zahl ergebe, bei dem unbegrenzten 
die Zahl negire.' 

Bruno weist nun an verschiednen geometrischen Figuren nach, 
dass beim Grössten und Kleinsten die Gegensätze wegfallen, und 
fährt fort: 

'Das Prinzip der Wärme ist etwas Untheilbares und daher 
von jeder einzelnen Wärme Verschiedenes, weil das Prinzip etwas 
Anderes ist als der Gegenstand, worauf es angewendet wird. 
Wenn es sich so verhält, wer steht noch an zu behaupten, dass 
das Prinzip weder kalt noch warm, sondern den gleichen Antheil 
an Kälte und Wärme hat? Daher kommt es, dass ein Gegensatz 
der Anfang des andern ist, und dass die Veränderungen nicht 
kreisförmig vor sich gehen, sondern nur in der Art, dass ein 
Gegenstand, ein Prinzip, ein Endziel und eine Fortsetzung im 
Zusammentreffen des einen wie des andern stattfindet; die geringste 
Wärme und die geringste Kälte sind ganz ein und dasselbe; vom 



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— 117 — 



Endziel der grössten Wärme fängt die Bewegung nach der Kälte 
zu an. Dalier ist es klar, dass nicht nur so oft die beiden äus- 
serten Grade im Widerstande und die beiden geringsten in der 
Uebereinstimmung sich berühren, sondern auch das Grösste und 
Kleinste im Wechsel der Veränderung; weshalb die Aerzte bei der 
besten KörperbeschafFenheit nicht ohne Grund Befürchtungen haben, 
die Vorsichtigen beim höchsten Grade des Glückes am besorgtesten 
sind. Wer sieht nicht ein, dass das Prinzip der Verderbniss und 
der Erzeugung ein und dasselbe ist? Ist nicht das Ende des Ver- 
dorbenen der Anfang des Geschaffenen? Sagen wir nicht zugleich, 
jenes wird genommen, dieses hingestellt, jenes war, dieses ist? 
Gewiss, wenn wir den richtigen Massstab anlegen, so sehen wir, 
dass die Verderbniss nichts Anderes als eine Erzeugung ist, und 
die Erzeugung nichts Anderes, als eine Verderbniss: die Liebe ist 
ein Hass, und der Hass am Ende eine Liebe. Der Hass des Gegen- 
theils ist Liebe bezĂĽglich des Zusagenden; die Liebe zu diesem 
ist der Hass gegen jenes. Dem Wesen und Ursprung nach ist also 
Liebe und Hass, Freundschaft und Streit ein und dasselbe Ding. 
Wovon sucht der Arzt am zweckmässigsten das Gegengift, als 
vom Gift selbst? Woher erhalten wir bessern Theriak, als von 
der Viper? In den stärksten Giften sind die besten Heilmittel 
enthalten. Kommt nicht eine Kraft von zwei entgegengesetzten 
Gegenständen? Wovon soll dies herrühren als davon, dass in 
dieser Art das Prinzip des Daseins ein und dasselbe ist, wie das 
Prinzip einen oder den andern Gegenstand aufzufassen ein und 
dasselbe ist, und dass in dieser Art die Gegensätze sich um einen 
Gegenstand so bewegen, wie sie von ein und derselben Wahrneh- 
mung aufgenommen sind? Ich behaupte, dass die Kugelform auf 
der Ebene beruht, das Hohle auf dem Convexen, der Zornige sich 
mit dem Geduldigen vereinigt, dem sehr Stolzen am meisten der 
Bescheidene zusagt, dem Geizigen der Freigebige. Das Resultat 
ist, dass, wer die grössten Geheimnisse der Natur ergründen will, 
solche in den Gegensätzen bei den grössten und kleinsten Dingen 
aufsuchen und betrachten muss! Ein tiefer Zauber liegt in dem 
Aufstellen des Gegensatzes, wenn mau zuvor den Punkt der Ver- 
einigung gefunden hat.' 1 ) 



l ) Aehnlich lässt sich Bruno im Spaccio de la bestia trionfante aus. Dial. I, 
Opere Vol. 2, S. 132. 



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— 118 — 



Muss es nicht, wenn wir diese Erörterung Bruno's lesen, den 
Eindruck machen, als wäre Shakespeare's Bruder Lorenzo als ein 
Anhänger seiner Philosophie', vielleicht gar als der wandernde 
Philosoph noch im Mönchsgewande gedacht worden, wenn ihm die 
Worte in den Mund gelegt sind (Romeo und Julia II, 3, 8): 

Pflanzen gift'ger Art und diensam zum Genesen. 

Die Mutter der Natur, die Erd', ist auch ihr Grab, 

Und was ihr Schooss gebar, sinkt todt in ihn hinab. 

0 grosse Kräfte sind's, weiss man sie recht zu pflegen, 
Die Pflanzen, Kräuter, Stein' in ihrem Innern hegen. 
Was nur auf Erden lebt, da ist auch nichts so schlecht, 
Dass es der Erde nicht besondern Nutzen brächt'! 
Doch ist auch nichts so gut, das, diesem Ziel entwendet, 
Abtrünnig seiner Art, sich nicht durch Missbrauch schändet; 
In Laster wandelt sich selbst Tugend, falsch geĂĽbt, 
Wie AusfĂĽhrung auch wohl dem Laster WĂĽrde giebt. 
Die kleine Blume hier beherbergt gift'ge Säfte 
In ihrer zarten Hüll' und milde Heilungskräfte! 
Sie labet den Geruch, und dadurch jeden Sinn; 
Gekostet, dringt sie gleich zum Herzen tödtend hin. 

Auch Romeo selbst scheint bei Bruno in die Schule gegangen zu 
sein, wenn wir die Verbindung der Gegensätze in seiner Decla- 
mation in Betracht ziehen (I, 1, 182): 

Liebreicher Hass! streitsĂĽcht'ge Liebe, 

Du Alles, aus dem Nichts zuerst erschaffen, 

Schwermüth'ger Leichtsinn, ernste Tändelei 

Stets wacher Schlaf! dein eignes Widerspiel 

Aus den zahlreichen andern Stellen, in denen die erwähnten An- 
schauungen Bruno's sich mit mehr oder weniger Deutlichkeit wie- 
derholen, mögen nur folgende hervorgehoben werden: 

Vor der Genesung einer heft'gen Krankheit, 
Im Augenblick der Kraft und Bess'rung ist 
Am heftigsten der Anfall, jedes Uebel, 
Das Abschied nimmt, erscheint am ĂĽbelsten. 

Pandulpho in König Johann (m, 4, 112). 

Ist man ganz elend, 
Das niedrigste vom Glück geschmähte Wesen, 
Lebt man in Hoflhung nur und nicht in Furcht, 



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— 119 — 



Beweinenswerther Wechsel trifft nur Bestes, 
Das Schlimmste kehrt zum Lachen. 

Edgar in König Lear (IV, 1, 2). 

Süss ist die Frucht der Widerwärtigkeit, 
Die, gleich der Kröte, hässlich und voll Gift, 
Ein köstliches Juwel im Haupte trägt. 

Wie es Euch gefällt (II, 1, 12). 

Es ist ein Geist des Guten in dem Uebel, 

Zog' ihn der Mensch nur achtsam da heraus, 

So können wir vom Unkraut Honig lesen, 
Und machen selbst den Teufel zur Moral. 

König in Heinrich V. (IV, 1, 4). 

Am meisten Unkraut trägt der fett'ste Boden 

König in 2 Heinrich IV. (IV, 4, 56). 

Es wächst die Erdbeer' unter Nesseln auf! 

Ely in Heinrich V. (I, 1, 60). 

Wie UeberfĂĽllung strenge Fasten zeugt, 
So wird die Freiheit, ohne Mass gebraucht, 
In Zwang verkehrt. 

Claudio in Mass fĂĽr Mass (I, 3, 130). 

Wir ĂĽberrennen 
Durch jähe Eil' das Ziel, nach dem wir rennen, 
Und gehn's verlustig. Denkt nur, wie die Flamme, 
Wenn sie den Trank geschwellt zum Ueberschäumen, 
Ihn, scheinbar mehrend, nur zerstäubt. 

Norfolk in Heinrich VIII. (I, 1, 144). 

ErfĂĽllte Freude 
Durch Zeitumschwung ermattet, wandelt sich 
In's Gegentheil. 

Antonius in A. und Cleopatra (I, 2, 129). 

Laut klagt das Leid, wo laut die Freude schwärmt, 
Leid freut sich leicht, wenn Freude leicht sich härmt. 

König i. S. in Hamlet (HI, 2, 208). 

Nichts beharrt in gleicher GĂĽte stets, 
Denn GĂĽte, die vollblĂĽtig wird, erstirbt 
In eignem Allzuviel. 

König in Hamlet (IV, 7, 116). 



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— 120 — 

Die Liebe böser Feinde wird zur Furcht, 
Die Furcht zum Hass. 

König in Richard IL (4, 2). 
Ich seh\ wenn süsse Liebe lässt von Art, 
Wird sie zum tödtlichsten und herbsten Hass. 

König in Richard II. (HI, 2, 135). 
In vorstehenden Stellen sind, besonders gegen das Ende zu, 
allenthalben auch die moralischen Eigenschaften und die Charakter- 
bildung behandelt. Eine besonders interessante Uebereinstimmung 
zwischen Bruno und Shakespeare findet aber statt, wenn beide auf das 
plötzliche Umschlagen des Charakters vom Guten zum Schlimmen 
zu sprechen kommen. Bekanntlich ist es ein besonderer Vorzug 
Shakespeares, wie wir ihn in gleichem Grade keinem andern 
Dichter beimessen, dass wir die Charaktere, die er darstellt, auch 
in ihrer Veränderung und Entwicklung beobachten und verstehen 
können. Der Regel nach werden solche Veränderungen, wie auch 
im Leben selbst, allmälich und unscheinbar sich darstellen, und 
die Beispiele, in denen plötzlich ein radikaler Umschwung im Cha- 
rakter und in der Sinnesart des Menschen vorkommt, sind auch 
bei Shakespeare und auf dem Boden gewaltiger Ereignisse, wie 
sie die Tragödie bietet, verhältnissmässig selten. Wir werden als 
solche bei ihm vielleicht nur Timon von Athen und Angelo in Mass 
fĂĽr Mass, sowie die noch etwas unreife Bildung des Proteus in 
den beiden Veronesern anführen können. In geringerem Grade 
und mehr nach einzelnen Richtungen zeigen sich Wandlungen bei 
Hamlet, Bertram in Ende gut, Alles gut, auch bei Lear, Macbeth 
und Lady Macbeth, und dann in einem geringeren Grade bei den 
andern Gestalten des Dichters, bis allerdings bei den rfnbedeuten- 
deren von einer sichtbaren Entwickelung des Charakters ĂĽberhaupt 
nicht mehr die Rede sein kann. Als besonders interessant und - 
wieder auf Bruno hinweisend fĂĽhren wir einige einzelne Stelleu 
an, die wir freilich am besten im Zusammenhange mit der sceni- 
schen Darstellung solcher Charakterwandlungen (bei andern Per- 
sonen) in Erwägung ziehen, da sich dann erst vollständig ergiebt, 
mit wie tiefem Verständniss der Dichter solche Aussprüche that. 
In Heinrich VIII. spricht der König von einer ziemlich unter- 
geordneten Person (Buckingham), auf welche die Anwendung nicht 
einmal richtig- ist und nur in der irregeleiteten Meinung des Kö- 
nigs beruht (I, 2, 114): 



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— 121 — 



Er ist gelehrt, ein trefflich seltner Redner, 
Naturbegünstigt, an Erziehung fähig, 
Den grössten Meistern Lehr und Rath zu geben, 
Nie HĂĽlfe suchend ausser sich, und dennoch, 
Wo also edle Gabe schlecht vertheilt 
Erfunden wird, wenn erst der Geist verderbt ist — , 
Verkehrt sie sich zum Laster, zehnfach wĂĽster, 
Als schön zuvor. 
Ferner heisst es in Sonett 94: 

Doch wenn die Blum', ein gift'ger Thau befällt, 
War' ihr das ärmste Unkraut vorzuziehn; 
In Sauerstes kehrt Süssestes sein Wesen, — 
Dahin gehören ferner ausser einigen schon oben citirten (Romeo 
und Julia n, 3, 19, 2 Heinrich IV, IV, 4, 54, Richard II, IH, 2, 
135) noch mehrere Stellen, wo der Dichter die an sich guten 
Gaben und Eigenschaften, wenn sie ĂĽbel angewendet werden, als 
Verräther bezeichnet (Ende gut, Alles gut I, 1, 45 — 52, Wie es 
Euch gefällt H, 3, 10). 

Wir haben an andern Orten l ) darauf hingewiesen, dass in ge- 
dachten Stellen das alte Axiom corruptio optimi pessima wieder- 
holt wird und haben zu dessen Erläuterung noch einige Stellen 
aus Dante (Purg. 30 v. 109. 118 ff. Parad. 8 v. 93. v. 159. 
Inf. 31 v. 55) und Plato (Staat, Buch 6) dort aufgenommen. Am 
deutlichsten und mit der grössten Uebereinstimmung findet sicli 
das, was Shakespeare in obigen AussprĂĽchen ĂĽber den Gegenstand 
gesagt, bei Giordano Bruno im ersten Dialog der Schrift de la 
causa, prinripio et nno (Ausgabe von Wagner, Vol. I, S. 222) 
wieder. Nachdem dort Filoteo den Vorwurf widerlegt hat, er 
habe (in der cena dette cenert) in verletzender Art das englische 
Volk dargestellt, beruft er sich darauf, dass in den gesegnetsten 
Ländern gerade neben den besten Sitten auch recht schlechte vor- 
kämen, dass z. B. in Italien, wo Tugend, Wissenschaft und gute 
Sitte vor Allem genährt und gepflegt würden, andrerseits auch 
Laster, Betrug, Geiz und Grausamkeit den höchsten Grad er- 
reichten. Darauf sagt Elitorio, was dann Filoteo bestätigt, leider 
ohne eine weitere Erklärung anzuknüpfen: 



*) Mein Buch : Shakespeare als Dichter etc. S. 229 ff. Auch im Jahrbuch 
Bd. VH, S. 174 ff. sind die einschlägigen Stelleu angeführt. 



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— 122 — 



'Das ist nach den Grundsätzen Eurer Philosophie ganz richtig, 
vermöge deren die Gegensätze im Prinzip zusammentreffen, wes- 
halb dieselben Geister, welche am geschicktesten fĂĽr erhabne, 
tugendhafte und edle Thaten sind, wenn sie einmal verderbt sind, 
in die entgegengesetzten Fehler verfallen. Ausserdem finden wir 
gewöhnlich da die seltensten und ausgezeichnetsten Geister, wo 
die allerunwissendsten und albernsten gewöhnlich sind, und wo 
die Menschen im Allgemeinen weniger gebildet und von guten 
Sitten sind, begegnen uns einzelne von der grössten Feinheit und 
Bildung, so dass es den Anschein hat, als wenn vielen Generationen 
in verschiedener Art doch dasselbe Mass von Vollkommenheit und 
Unvollkommenheit gegeben worden sei.' 

Ans den bisher erörterten Anschauungen und Aussprüchen 
Bruno's wie Shakespeare's folgt schon von selbst der Satz und ist 
auch in den citirten Stellen hier und da deutlich genug angedeutet 
(z. B. Romeo und Julia II, 3, 8), dass nichts an sich gut oder 
böse sei, und Shakespeare hat dies auch an andern bekannten 
Stellen kurz und bĂĽndig ausgesprochen, z. B. Hamlet II, 2, 255, 
Kaufmann von Venedig (V, 1, 99). Mit ähnlicher Bestimmtheit 
lässt sich Bruno darüber aus: 'Absolut genommen ist nichts un- 
vollkommen oder ein Uebel; nur in Bezug auf ein Anderes er- 
scheint es so, und was dem Einen ein Uebel, das ist dem Andern 
gut,' ferner: 'Kein Ding ist so schlimm, dass es nicht zum Nutzen 
und Vortheil der Guten ausschlĂĽge, und kein Ding so gut und 
werthvoll, dass es den Bösen nicht Ursache und Stoff zu Aerger- 
niss werden könnte.' Hier ist also dasselbe in Prosa gesagt, was 
Shakespeare in einigen oben citirten Stellen (Heinrich V, IV, 1, 
Wie es Euch gelallt H, 1, 12) in die poetische Form gebracht 
hat. Da wir hier bei dem relativen Begriffe des Guten etc. sind, 
so verdient auch erwähnt zu werden, dass Shakespeare einmal 
von dem Ding an sich spricht. Lear sagt zu dem als Bettler 
verkleideten oder vielmehr sehr wenig bekleideten Edgar: 'Drei 
von uns sind in Sophisterei befangen (sqphisticatecl) , du bist das 
Ding selbst (itself, an sich) ; der Mensch ohne Zuthat (unaccom- 
modated) 1 ) ist nicht mehr, als solch armes, nacktes, zweibeiniges 
Thier, wie du bist.' 

Diese spöttische Erwähnung des Ding an sich stimmt ganz 



') Ueber diesen Ausdruck vergl. Jahrbuch Bd. EK. S. 213, Aura. 



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— 123 — 



damit, dass der Dichter den Dingen nur relativen Werth beimisst, 
augenscheinlich hat er auch besondre philosophische Erörterungen 
oder Richtungen hier persifliren wollen, doch fehlt jeder weitere 
Anhalt, um zu bestimmen, auf was er hier gezielt hat. Doch 
wĂĽrde immerhin auch hier eine antagonistische Richtung gegen 
Baco's Philosophie und die Anlehnung an Bruno's Lehre sich an- 
nehmen lassen. 

So reich Shakespeare an Sentenzen ist, so werden wir doch 
an eigentlich philosophischen Sätzen wenig aus seinen Werken 
nachzuweisen haben, und es versteht sich auch von selbst, dass 
im dramatischen Gespräch solche nur sehr ausnahmsweise ihren 
Platz finden können. Von dem aber, was uns derartiges in seinen 
Dichtungen geboten wird, hat vieles wieder Zusammenhang mit 
der Bruno'schen Lehre. Hier möchten wir zunächst die Hamlet'sche 
Aeusserung (V, 2, 146) hervorheben: 'einen Andern aus dem Grunde 
kennen, heisst sich selbst kennen.' Der Satz lässt mancherlei Er- 
klärungen zu und giebt zu vielerlei Betrachtungen Anlass. Wir 
erklären uns denselben am einfachsten so, dass der Mensch für 
die Erkenntniss Anderer nur in sich selbst den Massstab hat, so 
wohl was moralische wie intellectuelle Eigenschaften betrifft. Je 
reicher er mit diesen ausgestattet ist, je richtiger und normaler 
deren Beschaffenheit sein wird, desto gerechter und richtiger wird 
er auch andre beurtheilen und andrerseits wird die Beurtheilung 
Andrer ihm Gelegenheit geben, die Mittel dieser Beurtheilung, die 
eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften kennen zu lernen und wird 
ihn daher in der Selbsterkenntniss fördern. In dieser Art be- 
leuchtet auch Shakespeare selbst an andern Stellen den Satz und 
weist namentlich darauf hin, dass in der Erkenntniss Andrer, und 
zwar in mehrfacher Beziehung, die Selbsterkenntniss zu suchen 
sei. In Heinrich VIII (II, 2, 23) sagt Suffolk auf die Bemerkung 
Norfolks, der König werde Wolsey schon noch kennen lernen: 

Gott geb's, er lernt sich selber sonst nicht kennen. 
Ferner erwähnt Ulysses in Troilus und Cressida (HI, 3, 96) den 
Ausspruch eines als 'stränge fellow' bezeichneten Autors, den er 
gerade liest, dass ein reich ausgestatteter Mensch seine VorzĂĽge 
erst im Widerstrahl des Beifalls Anderer als die seinigen empfinde 
und Achilles sagt darauf: 

Die Schönheit, die uns hier im Antlitz blüht, 
Kennt nicht der Eigner, fremdem Auge nur 



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— 124 — 

Empfiehlt sie sieb. Auch selbst das Auge nicht, 
Das geistigste der Sinne, schaut sich selbst 
FĂĽr sich allein; nur Auge gegen Auge 
BegrĂĽssen sich mit wechselseit'gem Glanz. 
Denn Sehkraft kehrt nicht zu sich selbst zurĂĽck, 
Bis sie gewandert und sich dort vermählt, 
Wo sie sich sieht. 
Ulysses erklärt sich damit einverstanden und den Satz als nicht 
neu, sondern nur die Folgerung des Autors, dass Niemand Herr 
von etwas sei, bis er's als Gabe Andern mitgetheilt habe, 
Noch hab' er selbst Begriff von ihrem Werth, 
Eh' er sie abgeformt im Beifall sieht, 
Der sie auffasst und einer Wölbung gleich 
RĂĽckwirft die Stimme; oder wie ein Thor 
Von Stahl die Sonn' empfängt und wiedergiebt 
Dir Bild und ihre Gluth. 
In ähnlichen Gedanken und Bildern bewegt sich das Gespräch 
zwischen Brutus und Cassius (Julius Caesar I, 2, 51), da dieser 
jenen auf seine Fähigkeiten und die damit gestellte Aufgabe auf- 
merksam macht: 

Cassius. 

Sagt, Brutus, könnt Ihr Euer Antlitz sehen? 

Brutus. 

Nein, Cassius, denn das Auge sieht sich nicht, 
Als nur im Wiederschein, durch andre Dinge. 

Cassius. 

So ist's, 

Und man beklagt sich sehr darĂĽber, Brutus, 
Dass Ihr nicht solche Spiegel habt, die Euren 
Verborgnen Werth Euch in die Augen rĂĽckten, 
Auf dass Ihr Euren Schatten säht. 
Jener Zusammenhang der Erkenntniss Anderer mit der Selbst- 
erkenntniss ist nun zwar gewiss von vielen Philosophen, wie auch 
von Dichtern 1 ) behandelt worden, doch scheint es uns immerhin 



') Goethe hat sich darĂĽber, gerade wo er von Shakespeare spricht, treffend 
ausgesprochen: 4 Das Höchste, wozu der Mensch gelangen kann, ist das Be- 
wusstsein eigner Gesinnungen und Gedanken, das Erkennen seiner selbst, 
welches ihm die Einleitung giebt, auch fremde GemĂĽthsarten zu durch- 



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125 — 



wichtig, auch hier zu constatiren, dass Bruno und zwar gerade in 
den subtileren Erörterungen seiner Lehre zu denselben Resultaten 
kommt, wie sie sich aus den obigen Auslassungen Shakespeare^ 
ergeben. Wie wir aus der oben angeführten längeren Erörterung 
Bruno's in der Schrift de la causa etc. (Vol. I, S. 286 ff.) ent- 
nehmen können, sieht Bruno die Erkenntniss ganz besonders in 
der Vergleichung und in der Abstraction der Verschiedenheiten. 
Dabei ergiebt sich, dass bei der Menge und Verschiedenheit der 
äusseren Erscheinungen die Vernunft nur durch Selbstbeschauung 
und Uebertragung des einheitlichen Gebildes , das sie repräsentirt, 
auf die objective Welt zur richtigen Erkenntniss derselben gelangen 
kann. Darum hat die alte Mahnung 'nosce te ipsum' nicht nur 
fĂĽr die eigne Bildung und TĂĽchtigkeit, sondern auch fĂĽr die Er- 
kenntniss anderer und des Menschen ĂĽberhaupt besondern Werth. 
Wer nicht blos auf dem Gebiet der äussern Wahrnehmung bleiben, 
sondern zu dem innern Wesen der Erscheinungen vordringen und 
diese zur Einheit zusammenfassen will, muss in die Tiefe des 
eigenen Innern hinabsteigen, wo er allein die dazu nöthigen all- 
gemeinen Begriffe finden kann, die in der objectiven Welt im 
Gewirr der Einzeldinge zerstreut liegen und aus diesem nur dem 
erkennbar werden, der sie schon in sich hat. 

Andere einzelne Anschauungen, die aber mehr äusserlich von 
Shakespeare bei seinen Dichtungen verwendet worden sind, indem 
sie einzelnen Characteren und auch das nicht immer als deren 
Ueberzeugung in den Mund gelegt sind, finden bei Bruno ihr deut- 
liches Vorbild und ihre Erklärung und sind, wenn auch mitunter 
schon älteren Philosophen geläufig, doch wahrscheinlich aus Bruno's 
Schriften vom Dichter entnommen worden. So hat der bei Bruno 
(Vol. II, S. 246) erwähnte Satz 'sol et homo generant hominem , 
Shakespeare offenbar vorgeschwebt, als er Hamlet dem Polonius 
die Warnung geben lässt, er solle seine Tochter nicht in der Sonne 
gehen lassen, sie köune empfangen (II, 2, 185). *) Auch bei den 

schauen, u. s. w.' Shakespeare und kein Ende. Ausgabe in 2 Bänden. B. I, 
S. 610. Im Tasso sagt Antonio (II, 3): 

Inwendig lernt kein Mensch sein Innerstes 

Erkennen, denn er misst nach eignem Mass 

Sich bald zu klein und leider oft zu gross. 

Der Mensch erkennt sich nur im Menschen, nur 

Das Leben lehret jeden, was er sei. 
') Th. Vatke hat in einem Aufsatz ĂĽber diese Stelle darauf aufmerksam 



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— 126 — 



leidenschaftlichen Ausfällen gegen das Weib im Hamlet und ander- 
wärts hat Shakespeare offenbar sich an Erörterungen Bruno's, 
namentlich in der Schrift de la causa etc. angelehnt. Daselbst 
(Opere Vol. II, p. 266) wird das Weib mit der Materie und der 
Mann mit der Form in Verbindung gebracht resp. identificirt. Die 
SĂĽnde wird lediglich auf die Frau, die Materie, zurĂĽckgefĂĽhrt, 
indem Poliinnio sagt: 'Die Form sĂĽndigt nicht und aus keiner 
Form geht der Fehl hervor, wenn sie nicht mit der Materie in 
Verbindung tritt.' Als Entschuldigung sagt daher die durch das 
Männliche bezeichnete Form zur natura naturans: 'Mulier, quam 
dedisti mihi i. e. der Stoff, den Du mir zur Gemeinschaft gegeben 
hast, ipsa me decepit, h. e. er ist der Grund aller meiner SĂĽnden.' 
Schon Tschischwitz *) hat mit Recht zu dieser Stelle und einigen 
ähnlichen die herben Auslassungen Hamlet's gegen Ophelia (HI, 

1, 122): 'gehe in ein Kloster, weise Männer wissen zu gut, 

was fĂĽr Ungeheuer ihr aus ihnen macht,' ferner das bekannte 
'Schwachheit, dein Name ist Weib' — in Beziehung gesetzt. Auch 
Posthumus in Cymbeline (II, 5) misst alle Fehler und SĂĽnde der 
Frau bei: 

Could I find out 
The woman's part in me I For there 's no motion 
TJiat tends to vice in man, but I affirm 
It is the womari's part — 
Hat nun Giordano Bruno, wie wir im Vorstehenden genĂĽgend 
erwiesen zu haben glauben, als Philosoph mehrfachen Einfluss auf 
die Bildung und Dichtung Shakespeare's ausgeĂĽbt, so ist uns die 
Erwägung nahe gelegt, ob nicht auch die dichterischen Werke 
Bruno's als solche auf Shakespeare eingewirkt haben, zumal beide 
Dichter vorzugsweise dieselben Gattungen der Poesie cultivirt haben. 



gemacht, dass der Satz schon uralt sei und in Aristoteles Physik (II, 2) vor- 
komme: 'avd-Qwnog yag avd-Qo)7iov yevvq xal rjhog! Er glauht daher, 
dass Shakespeare's Anspielung hier auf allgemeinen Anschauungen der Zeit, 
die mit denen über spontane Zeugung und Alchymie zusammenhängen, beruhe 
und nicht auf Bruno zurĂĽckzufĂĽhren sei. Obgleich er mehrere Belegstellen aus 
B. Jonson anfĂĽhrt, so beziehen sich diese nur auf die spontane Zeugung von 
Thieren, fĂĽr die Verbreitung jenes Satzes bringt er keinenBeweis, und Shake- 
speare dĂĽrfte ihn eher aus G. Bruno, als aus Aristoteles genommen haben. 
Herrig, Archiv fĂĽr neuere Sprachen. B. LIL S. 39. 
') Shakespeare-Forschungen B. I, S. 64. 



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— 127 — 



Denn die — freilich nicht zahlreichen — Schöpfungen Bruno's auf 
diesem Felde bestehen aus Sonetten und anderen kleinen Ge- 
dichten von annähernd ähnlicher Form, und aus einer Comödie, 
H Candelajo (der Lichtzieher). Der poetische Werth der letztern 
verhält sich zwar zu Shakespeare's Dramen etwa so, wie jenes 
Unicum zur Anzahl derselben. Im Druck ist dieselbe im Jahr 
1582 erschienen, nach der Angabe auf dem Titel in Paris, wahr- 
scheinlich war sie aber schon in frĂĽherer Zeit in Italien geschrieben, 
wie aus der ganzen Färbung und aus lokalen Beziehungen darin 
hervorgeht. 1 ) Sie scheint bei den Zeitgenossen kein besonderes 
GlĂĽck gehabt zu haben, da man von einer AuffĂĽhrung gar nichts 
und nur von wenig Bearbeitungen aus viel späterer Zeit etwas 
weiss. Gleichwohl ist anzunehmen, dass mit den philosophischen 
Schriften Bruno's auch dieses Werk, in welchem, wie Berti sagt, 
der Philosoph Bruno ebenso wieder zu erkennen ist, wie in den 
philosophischen Schriften der Dichter der Comödie, in England 
genügend bekannt geworden ist, um Shakespeare zugänglich zu 
sein, und dass Shakespeare, da er sich mit den andern Werken 
Bruno's bekannt machte, um so mehr von seinem Lustspiel Notiz 
genommen haben wird. Es finden sich auch im Einzelnen deut- 
liche Spuren, dass der englische Dichter den Candelajo gekannt 
und Einzelnes daraus in seiner Dichtung verwerthet hat. Die De- 
dication zum Candelajo ist schon oben (S. 111) mit einigen Worten 
Hamlet's in Parallele gestellt worden. Ferner fällt uns im Akt II, 
Sc. 1 des Candelajo ein Dialog auf, der im Hamlet eine Art 
Wiederholung findet. Dort fragt Octavio den Pedanten Manfurio : 
'Was ist der Inhalt (materia, zugleich Bestandtheil) Eurer Verse?' 
worauf die Antwort erfolgt: 'litterae, syllabae, dictio et oratio, 
partes propinquae et remotae ', was dann die weitere Frage veran- 
lasst: 'Ich meine, was ist der Gegenstand und Zweck davon?' 
Im Hamlet fragt Polonius den Prinzen, was er da lese und erhält 
zur Antwort: 'Worte, Worte, — Worte!' worauf Polonius sagt: 
'Ich meine den Inhalt (the matter) dessen, was Ihr lest.' 2 ) Wird 
nun durch solche Einzelheiten, die sonst und an sich wenig Werth 
haben, der Beweis von der Bekanntschaft Shakespeare's mit dem 



0 Berti, a. a. 0. S. 141. 

*) Aebnlich und mit demselben Gegensatz lieisst es in Troilus und Cressida 
(V, 3, 108): Words, tcords, mere words, no matter from tlic heart. 



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- 128 - 

Lustspiel Bruno's geführt oder vervollständigt, so dürfen wir, da 
es unzweifelhaft ist, dass das italienische Drama erheblichen Ein- 
fluss auf Shakespeare^ Bildungsgang gehabt hat, einen, wenn 
auch nicht bedeutenden Theil auch auf den Candelajo zu rechnen uns 
berechtigt halten. Ist er auch nicht ein Meisterwerk, vielmehr von 
so unvollkommener Beschaffenheit, dass Shakespeare zu keiner Zeit 
sich das Stück schlechthin zum Muster genommen hätte, so gehört 
es doch auch nicht zu den schlechten Erzeugnissen des italie- 
nischen Dramas. Es herrscht in demselben eine mephistophelische 
Ironie und sarkastische Laune, wenn auch keine rechte Lustspiel- 
stimmung, so dass das Titelmotto des Verfassers ganz zutreffend 
erscheint: in tristitia hilaris, in hilaritate tristis, worin wir zu- 
gleich schon die Neigung zu jener oben hervorgehobenen Doppel- 
seitigkeit erkennen möchten. Im Ganzen hat das Lustspiel Bruno's 
etwa dieselben VorzĂĽge und Fehler, wie die des Pietro Aretino, 
es findet sich auch dieselbe schwache Charakterzeichnung und ähn- 
liche Obscönitäten darin wie bei diesem, doch ist Bruno's Manier 
noch etwas grösser angelegt und nähert sich schon der des Ariost. *) 
Die Handlung ist schwer ĂĽbersichtlich und verwirrt, weil drei 
verschiedene Intriguen durch einander geflochten sind, was aller- 
dings an die ScenenfĂĽhrung in einzelnen StĂĽcken Shakespeare's, 
z. B. im Kaufmann von Venedig, erinnern kann. Unter den Fi- 
guren des Lustspiels macht sich auch der Pedant geltend, und es 
ist anerkannt, dass Shakespeare diese in der italienischen Comödie 
typische Figur in sein Lustspiel aufgenommen hat. Daraus wĂĽrde 
sich bei diesem allgemeinen Charakter des Pedanten eine Verbin- 
dung mit dem Lustspiel Bruno's noch nicht ergeben, es finden sich 
aber mancherlei Aehnlichkeiten, die es wahrscheinlich machen, dass 
Shakespeare bei seinen Pedanten auf die Darstellung Bruno's 
zurĂĽckgegangen ist. Da Bruno, wie schon aus dem bisher ĂĽber 
ihn Gesagten zu entnehmen ist, eine ganz besondere Abneigung 
gegen Pedantismus in jeder Form, und besonders auch gegen ge- 
lehrten Pedantismus hatte, ein Zug, worin er Shakespeare ebenso 
ähnlich ist wie in der damit zusammenhängenden tiefen Wahrheits- 
liebe und dem Hass gegen alles Scheinwesen und alle Heuchelei, 
so lässt er die Figur des Pedanten auch in seinen philosophischen 
Dialogen ĂĽberall wiederkehren und greift sie mit den verschieden- 



') Berti, a. a. 0. S. 153. 



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- 129 - 

artigsten Waffen und in allen Graden der ernsthaften Erörterung, 
des Witzes »und der Satire an. Im Lustspiel heisst der Pedant 
Manfurio, in den Dialogen Poliinnio und Coribante, es ist aber 
im Grunde genommen ein und dieselbe Person. Tsckischwitz 
bat aus der Aehnlichkeit dieser Namen mit Polonius und Corambis, 
welchen derselbe in der ersten Ausgabe des Hamlet fĂĽhrte, einen 
Zusammenhang zwischen Bruno's und Shakespeares Charakter- 
bildung hergeleitet, und wir sind um so mehr geneigt, seiner An- 
sicht beizutreten, als es nicht an andern kleinen, auch von ihm 
hervorgehobenen Zügen fehlt, wodurch dies bestätigt wird. Auf das 
Gespräch des Polonius mit Hamlet (II, 2) haben wir schon oben 
hingewiesen, und es ist bemerkenswerth, dass die Antwort von 
Bruno's Pedanten bei Shakespeare umgekehrt dem Hamlet in den 
Mund gelegt ist, um den Pedanten zu verhöhnen. Ueber einen 
andern Zug in des Polonius Kede, der auf Giordano Bruno zurĂĽck- 
zufĂĽhren sein dĂĽrfte, haben wir uns schon frĂĽher im Jahrbuch 
(B. IX, S. 211) ausgelassen. Dann giebt aber Bruno auch eine 
ausfĂĽhrlichere Schilderung des gelehrten Pedanten, in welcher wir 
noch andere ZĂĽge und Aeusserungen des Polonius wiedererkennen. 
Bei Verlesung des Billets von Hamlet an Ophelia (II, 2, 109) sagt 
Polonius, nachdem er sich besonders selbstgefällig in der Erörte- 
rung von Hamlet's GemĂĽthszustand bewegt hat: 'Das ist eine 
schlechte Redensart, eine gemeine (vild und vile) Redensart, lieb- 
reizende ist eine gemeine Redensart.' Dann äussert er während 
der Declamation des Schauspielers bei geeigneten und ungeeigneten 
Absätzen sein Urtheil in derselben Manier (H, 2, 488, 520, 526) 
bald billigend, bald missbilligend, zum Theil vermöge des (Kon- 
trastes gegen die Declamation mit höchst komischer Wirkung, 
z. B. 'das ist zu lang', 'schlottrige Königin ist gut'. Jene Schilde- 
rung Bruno's vom Pedanten, auf welche wir die vorstehenden Stellen 
beziehen möchten, giebt Filoteo im ersten Dialog der Schrift De 
la causa etc. (Opere, Vol. L S. 227). Dieselbe ist ziemlich lang 
und geben wir sie in abgekürzter Form, jedoch da wörtlich, wo 
die Aehnlichkeit besonders hervortritt. Die AusfĂĽhrlichkeit des 
Citats rechtfertigt sich auch dadurch, dass wir noch einen andern 
Pedanten Shakespeare's damit in Bezug zu setzen haben. Filoteo 
sagt von Poliinnio, nachdem er die andern bei den Gesprächen 
betheiligten Personen kurz charakterisirt hat: 

'Dieser gottvergessne Pedant ist der vierte, einer der strengsten 

Jahrbuch XI. 9 



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I 



— 130 — 



Richter der Philosophen, einer, der seiner Heerde von Scholastikern 
gar sehr zugethan ist, weshalb er sich aus sokratischer Liebe den 
ewigen Feind des weiblichen Geschlechts nennt und sich wie 
Orpheus, Musäus, Tityrus und Amphion vorkommt. Das ist einer 
von denen, die, wenn sie dir eine gute Construction gemacht, ein 
elegantes Brieflein zu Stande gebracht, eine schöne Phrase aus 
Cicero's Vorrathskammer entwendet haben, von sich sagen möchten : 
da ist Demosthenes auferstanden, da wächst noch Tullius, da lebt 
Sallust noch fort; da ist ein Argus, der jeden Buchstaben, jede 
Silbe, jede Redensart bemerkt; da ruft Rhadamantus die Schatten 
der Todten. Da bewegt Minos die Urne. Solche Leute lassen die 
Reden zur PrĂĽfung vortreten und discutiren ĂĽber die einzelnen 
AusdrĂĽcke mit Worten wie: 'Das versteht nur ein Dichter, das 
ein Komiker, das ist für den Redner! Das ist schwerfällig, dies 
ist leicht, dieses ist erhaben, jenes ist humile dicendi genus; diese 
Rede ist rauh, sie wĂĽrde aber glatt sein, wenn sie in dieser Art 
gebildet wäre, dies ist ein jugendlicher Schriftsteller, der wenig 
das Alterthum studirt hat, non redolet Arpinatem, desipit Latium ; 
dieser Ausdruck ist nicht toskanisch, nicht von Boccaccio, Pe- 
trarca und andern Musterschriftstellern gebraucht. Man schreibt 
nicht homo, sondern omo, nicht honore, sondern onore, nicht Poli- 
himnio, sondern Poliinnio. Bei solcher Selbstzufriedenheit gefallen 
ihnen die eignen Leistungen am besten, er ist Jupiter, der von 
hoher Warte das Leben der andern Menschen beobachtet, welches 
so viel Irrthümern, Unglücksfällen und unnützen Mühen unterworfen 
ist; er allein ist glĂĽcklich und lebt ein himmlisches Leben, indem 
er seine Göttlichkeit im Spiegel eines Lexikons oder literarischen 
Sammelwerkes betrachtet. Mit solchem SelbstgefĂĽhl ausgestattet, 
ist ihm jeder andre nur einer, er selbst aber alles auf einmal. 
Wenn er lacht, heisst er Demokrit, Heraklit, wenn ihn etwas be- 
trĂĽbt; disputirt er, so nennt er sich Aristoteles, wenn er phantasirt, 
Plato, wenn er eine Rede blökt, Demosthenes, und studirt er Virgil, 
so ist er selbst Maro. Er corrigirt den Achilles, lobt den Aeneas, 
tadelt den Hektor, ereifert sich gegen Pyrrhus, bedauert den Pria- 
mus, entschuldigt Dido und während er ein Wort durch ein an- 
deres wiedergiebt und Synonymen auf einen Faden zieht, nihil 
divinum a se alienum putat und steigt vom Katheder, wie einer, 
welcher die Himmel geordnet, Heere gebändigt, Welten reformirt 
hat, und gewiss liegt es nur an der Ungerechtigkeit des Zeit- 



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— 131 — 



alters, dass er nicht in der That das bewirkt, was er zu tliun 
vermeint.' 

Für Shakespeare durfte, wenn ihm Bruno ein so ergötzliches 
und ausgefĂĽhrtes Portrait des Pedanten lieferte, welches in der 
Comödie Candelajo noch seine lebendigere Färbung erhielt., die 
Versuchung nahe liegen, davon fĂĽr die eigne Dichtung ZĂĽge und 
Farben zu entnehmen und namentlich sein Holofernes in der Ver- 
lorenen LiebesmĂĽhe hat augenscheinlich einige Geisseihiebe des ita- 
lienischen Philosophen auf seinen steifen RĂĽcken nehmen mĂĽssen. 
Denn er hat mit Bruno's Pedanten, wie sich aus der vorstehenden 
Schilderung ergiebt, so manches gemein, z. B. die Strenge, mit 
welcher er auf Orthographie und Aussprache hält (V, 1, 20 ff.) t 
die Einmischung lateinischer Sprachbrocken, an welcher Manfurio 
allerdings sich noch reicher zeigt. Mitunter ĂĽbernimmt auch Na- 
thaniel, der Pfarrer, die Rolle des Pedanten, wie er denn ĂĽber- 
haupt den Lobredner seines Schullehrers macht, einen von jenem 
gebrauchten Ausdruck lobt er ähnlich wie Polonius : 'ein sehr 
eigentümliches und gewähltes Beiwort' (V, 1, 17). Ein von Man- 
furio auf Holofernes ĂĽbergegangener Zug ist auch folgender: Jener 
bringt ein sehr barockes Gedicht auf ein geschlachtetes Haus- 
schwein, welches er mĂĽhelos aus dem Aermel geschĂĽttelt und ganz 
original verfasst, dabei aber die Schilderung Ovid's vom calydo- 
nischen Eber nachgeahmt haben willl. Das SeitenstĂĽck zu diesem 
Product ist das alliterirende Gedicht des Holofernes auf das von 
der Prinzessin geschossene Wild, von welchem dieser ebenfalls mit 
arroganter Bescheidenheit als von etwas leichthin Bxtemporirtem 
spricht, wobei er seine Dichtergabe erörtert und auch auf Oyid 
als Muster fĂĽr Eleganz der Rede und Leichtigkeit des Versbaues 
hinweist (IV, 2, 50 ff.). Endlich mag auch nicht unerwähnt bleiben, 
dass in jenem Werk Bruno's sich bald hinter der Schilderung des 
Pedanten eine Aufforderung an diesen findet (a. a. 0. S. 230), den 
Hass gegen das weibliche Geschlecht als etwas unsinniges und der 
Natur widersprechendes aufzugeben, welches Motiv in Verlorener 
Liebesmühe mit grosser Ausführlichkeit namentlich in den schönen 
Deklamationen Birons (Akt I und IV) behandelt ist. 1 ) 



') Filoteo sagt bei Brnno: Chi e piĂĽ insensato e stupide-, che quello che 
non vede la luce? Qual pazzia puo esser piĂĽ abietta, che per ragion di sesso 
esser nemico a Tistesso natura. 

9 * 



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So ĂĽberzeugend die vorstehend hervorgehobenen Aehnlich- 
keiten auf einen Einfluss Bruno's hinweisen, den er auf den Lust- 
spieldichter Shakespeare ausgeĂĽbt, wie er ihn als Philosoph auf 
seine geistige Entwicklung im Ganzen gehabt hat, so könnte 
doch jene Uebereinstimmung in Einzelheiten immerhin zufällig sein, 
und das Leben bietet und hat zu allen Zeiten immer so viel Pe- 
danten geboten, dass Shakespeare die Vorbilder zu seinem Holo- 
fernes z. B. vielleicht bequemer von den Schulkathedern in London 
oder Stratford entnehmen konnte, als von italienischen Comödien, 
wie denn jener Florio, wie oben erwähnt (S. 103 fg.) schon als ein 
solches Modell mit vieler Wahrscheinlichkeit ermittelt worden ist, 
was ĂĽbrigens der Annahme keineswegs entgegensteht, dass der 
Dichter zugleich nach Bruno's oder andern italienischen Comödien 
die ergötzliche Darstellung seiner Pedanten gegeben hat. Wir 
finden aber in der Comödie Bruno's noch etwas, was in Shake- 
speare's Dichtung wiederkehrt und wozu dieser kaum anderswoher 
und gewiss nicht nach dem Leben, die Vorbilder nehmen konnte, 
die gerade hier in gewissem Grade selbst dem begabtesten Dichter 
unentbehrlich scheinen. Es ist dies jene geläufige, lebendige und 
äusserst rasche Sprech- und Darstellungsweise des gemeinen Man- 
nes, der Personen niedern Standes, welche einem Theil des roma- 
nischen Stammes, und besonders den Italienern und unter diesen 
wieder vorzugsweise den Neapolitanern eigen ist. Bruno hat nun 
in seinem Lustspiel und einigermassen auch in den Dialogen, in 
jenem besonders da, wo er Personen des niedrigsten Standes spre- 
chen lässt — •beiläufig auch von solcher Denkungsart, denn gleich 
im Personenverzeichniss werden sie als Betrüger aufgeführt — , 
ganz die Volkssprache seiner Heimath wiedergegeben, wie dies in 
gleichem Grade in wenigen anderen Dramen jener Zeit sich zeigen 
dürfte. Etwas ähnliches konnte Shakespeare unter den niederen 
Volksklassen Englands nicht finden, da weder damals noch heut 
eine derartige Sprechweise unter den Völkern germanischer Eace 
in den entsprechenden Kreisen zu finden ist. Gleichwohl hat 
Shakespeare und besonders in seinen frĂĽheren Lustspielen, in denen 
der italienische Einfluss noch vorherrscht, in verschiedenen Per- 
sonen aus niedrer Lebenssphäre jene Art zu sprechen und zu er- 
zählen, mit grosser Naturwahrheit zur Anwendung gebracht und 
eine Vergleichung einiger solcher Stellen ergiebt unseres Erachtens, 
dass dabei Bruno zum Vorbild gedient hat. Im Candelajo (Akt III, 



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Sc. 8) erzählt Barra, einer der vier im Stück auftretenden Be- 
trĂĽger, einen Streich, den er einem Wirth gespielt, in folgen- 
der Art: 

'Ich sprach zum Wirth: 'Herr Wirth, ich will spielen!' 'Was 
fĂĽr ein Spiel,' sagte er, 'wollen wir spielen, hier sind Tarokkarten.' 
Ich antwortete: 'Bei diesem verdammten Spiel kann ich wegen 
meines* schlechten Gedächtnisses nicht gewinnen.' Er sprach: 'Ich 
habe auch gewöhnliche Karten.' Ich entgegnete: 'Vielleicht sind 
sie gezeichnet und Euch kenntlich, habt Ihr nicht welche, die noch 
gar nicht gebraucht sind?' Er antwortet: 'Nein. Also denken 
wir auf ein anderes Spiel. Hört, spielt Ihr auf dem Damenbret?' 
'Davon versteh' ich nichts.' 'Hört, spielt Ihr Schach?' 'Das Spiel 
wĂĽrde mich zur Verleugnung Christi bringen.' Da fuhr ihm der 
Senf in die Nase: 'Was Teufel willst Du fĂĽr ein Spiel spielen, 
schlage vor.' Sage ich: 'Kugel und Ring werfen.' Sprach er: 
'Wie denn Kugel und Ring. Siehst Du hier Platz zu solchem 
Spiel?' Sagte ich: 'Mirella?' 'Das ist ein Spiel für Lastträger 
und Schweinetreiber.' 'Mit fĂĽnf WĂĽrfeln?' 'Zu was Teufel mit 
fünf Würfeln? Nie hörte ich von solchem Spiel, wenn Ihr wollt-, 
spielen wir mit drei WĂĽrfeln.' Ich sagte ihm, dass ich mit drei 
Würfeln kein Glück hätte. 'In funfzigtausend Teufels Namen!' 
sagte er, 'wenn Du spielen willst, so schlage ein Spiel vor, das 
wir beide spielen können.' Ich sagte ihm: 'Spielen wir Muschel- 
spalten.' 'Geh' weg,' sagte er, 'Du willst mich zum Besten haben; 
das ist ein Spiel für Kinder, schämst Du Dich nicht?' 'Nun also,' 
sagte ich, 'spielen wir haschen.' 'Auch das ist Dein Spass,' sagte 
er, und ich betheuerte beim Blut der unbefleckten Jungfrau, ich 
wolle das spielen. 'Meinst Du es redlich,' sagte er, so bezahle 
mich, und wenn Du nicht mit Gott gehen willst, so geh mit dem 
Obersten aller Teufel.' Ich sprach: 'Beim heiligen Blut, ich will 
spielen.' 'Und ich spiele nicht,' sagte er. 'Und Du musst spielen,' 
sprach ich. 'Und ich werde niemals, niemals mit Euch spielen.' 
'Und Du wirst hier auf der Stelle spielen.' 'Und ich will nicht.' 
'Und Du wirst wollen.' 'Und das Ende war, ich fing an, ihn mit 
den Fersen zu bezahlen, id est zu laufen.' 

In der Comödie der Irrungen berichtet Dromio sein Zusammen- 
treffen mit Antipholus (II, 1, 62) folgendermassen: 

"s ist Essenszeit,' sagt ich; 'mein Gold,' sagt er. 

'Das Fleisch brennt an,' sagt' ich; 'mein Gold,' sagt er. 



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'Kommt Ihr nicht bald?' sagt ich; 'mein Gold,' sagt er. 
'Wo sind die tausend Mark, die ich Dir gab?' 
'Die Gans verbrennt,' sagt ich; 'mein Gold,' sagt er. 
'Die Frau/ sprach ich — 'zum Henker mit der Frau!' 
Aehnlich recitirt Lanz in einem Monologe in den Veronesern 
(IV, 4): 

'Hinaus mit dem Hunde,' sagt Einer; 'was für ein Köter ist 
das?' sagt ein Anderer; 'peitscht ihn hinaus,' ruft der Dritte; 
'hängt ihn auf,' sagt der Herzog. 

Dieser lebhaften Art zu sprechen bedient sich Lanz auch an 
anderen Stellen in Selbstgesprächen (II, 3), ebenso sein Geistes- 
verwandter Lanzelot im Kaufmann von Venedig (II, 2, 1 — 35), der 
auch, wie Bruno's Barra, mit dem Davonlaufen schliesst (my heels 
are at your command). In allen späteren Dramen dagegen, bei 
welchen der italienische Einfluss zurĂĽckgetreten war, findet sich 
kaum eine ähnliche Ausdrucksweise unter den Clowns, Narren und 
allen den Personen aus niederer Sphäre, welche die komischen 
Effecte des jeweiligen Dramas durchzufĂĽhren haben. 

Hiernach scheint es uns unzweifelhaft, dass Bruno auch auf 
Shakespeare als Lustspieldichter mancherlei Einwirkungen gehabt 
hat. Vielleicht Hessen sich bei sorgfältigerer Vergleichung auch 
noch andere Beispiele davon nachweisen, da Bruno hier und da 
auch in den philosophischen Schriften einzelne komische ZĂĽge in 
scharfes Licht zu stellen weiss, die jedem Lustspieldichter zu 
Studien dienen können. Beispielsweise ist die Darstellung, wie in 
der Cena delle ceneri (Dial. 3. Opere, Vol. I. S. 151) der Doctor 
Nundinio die Disputation eröflhet, ein köstliches kleines Genrebild, 
das auch fĂĽr unsere Zeit der Vereine, Versammlungen, Vorver- 
sammlungen mit Vorstehern und Vorsitzenden Interesse hat: 'Jetzt 
begann Doctor Nundinio, nachdem er sich in Positur gesetzt, den 
Rücken etwas zurückgebogen, beide Hände auf den Tisch gestützt, 
ein wenig rings um sich her geblickt, die Zunge im Munde etwas 
in Bewegung gesetzt, die Augen in stiller Heiterkeit zum Himmel 
aufgeschlagen, den Mund zu einem feinen Lächeln verzogen, und 
einmal ausgespuckt hatte, folgendermassen.' 

Endlich dürfen wir in gegenwärtiger Untersuchung die So- 
nette Bruno's nicht ganz ĂĽbergehen, wenn sie auch nur einiger- 
massen zum Verständniss der Shakespeare'schen beitragen sollten, 
denn bei dem noch immer schwankenden Zustand desselben wird 



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— 135 — 



jeder Beitrag zu dessen Fortbildung- an sich gerechtfertigt sein. 
Die Sonette Bruno's finden sich zerstreut in seinen italienischen 
Schriften. Einzelne sind diesen wie eine Art Widmung oder Ein- 
leitung vorangeschickt, die meisten sind in der Schrift Degli eroici 
furori enthalten und bilden den eigentlichen Inhalt des Werkes, 
insofern sich die Erörterungen in Prosa hauptsächlich in Erklärung 
der Gedichte bewegen. Das Ganze behandelt die Liebe zum Gött- 
lichen in zwei Abtheilungen, deren jede in fĂĽnf Dialoge zwischen 
verschiedenen Personen zerfällt. Der erste Theil enthält vierzig 
Sonette, der zweite eine etwa gleiche Anzahl von Gedichten, von 
denen ein Theil ebenfalls in Sonettenform, ein anderer in verschie- 
denen der des Sonetts sich annähernden Formen gedichtet sind. 
Die Gedichte sind meist von etwas harter Versification, und auch 
im Einzelnen wird es mit dem Versmass nicht ĂĽberall genau ge- 
nommen. Der Inhalt des ganzen Werkes leidet an Dunkelheit, 
und dasselbe steht an Schärfe den übrigen hier erwähnten Schriften 
Bruno's nach, zum Theil in Folge jener Vermischung der Form 
der Rede. Dagegen spricht sich darin und namentlich in den So- 
netten eine grosse Begeisterung und tiefe Empfindung aus, und sie 
enthalten nach der Meinung der berufensten Beurtheiler l ) einen 
guten Theil des innern Lebens ihres Urhebers. Bekanntlich ist 
dies auch von den Sonetten Shakespeare's einerseits behauptet, 
andrerseits mit Bestimmtheit in Abrede gestellt worden. Unsere 
Ansicht, dass wenigstens ein Theil von Shakespeare's Sonetten und 
gerade die gehaltvollsten und interessantesten in dieser Art und 
als Ausdruck eigner Empfindungen aufzufassen sind, wird durch 
eine Vergleichung mit den Sonetten Bruno's noch mehr bestärkt, 
und schon der Umstand scheint uns dafĂĽr zu sprechen, dass, wenn 
bei solchen Gedichten fingirte Verhältnisse zu Grunde lägen, solche 
thatsächlich deutlicher angedeutet sein würden, als dies bei Shake- 
speare und bei derartigen Gedichten italienischer Autoren der Fall 
ist. An Bruno und andern Italienern, wie Dante, Michael Angelo 
hatte nun Shakespeare Vorbilder, bei denen das Sonett zum Aus- 
druck tiefinnerlicher Seelenzustände und Empfindungen gemacht 
ist, während bei den englischen Sonettendichtern vor und zur Zeit 
Shakespeare's hauptsächlich nur in conventioneller Art fingirte 
Liebes- und Freundschaftsverhältnisse in den Sonetten behandelt 



! ) Berti, a. a. 0. S. 187. 



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— 136 



wurden. In jener Manier ist er also, wenn man unsere Auffassung 
überhaupt gelten lässt, wahrscheinlich von italienischen Sonettisten 
beeinflusst worden. Dass auch Bruno in dieser Kichtung auf ihn 
eingewirkt, mĂĽssen wir nach den sonstigen hier gezeigten BerĂĽh- 
rungen um so mehr annehmen, und in der That zeigt sich in ein- 
zelnen Sonetten beider Dichter sowohl eine inhaltliche Verwandt- 
schaft, wie auch Aehnlichkeit einzelner Gedanken und AusdrĂĽcke. 
Im Dialog 2 jener Schrift Bruno's, dessen Gedichte den inneren 
Zwiespalt der noch nicht concentrirten Seele schildern, lautet das 
zweite Sonett (das zehnte des ganzen Werkes): 

Mich hat umstrickt ein wunderbarer Bann, 
Denn lebend bin ich todt, mein Tod ist Leben, 
Und dies Geschick hat Amor mir gegeben, 
Dass ich nicht todt noch lebend heissen kann. 

Die Hoffnung flieht, die Hölle blickt mich an, 
Die Sehnsucht flammt, ich mag zum Himmel schweben, 
Doch kann ich Höll' und Himmel nicht erstreben, 
Denn zwei Gesetzen bin ich unterthan. 

Ja, meine Qual ist gross und ohne Ende, 
Zwei mächt'ge Ströme, welche tosend streiten, 
Sie nehmen wirbelnd mich in ihre Mitte, 

So dass ich bald zur Fluth mich eilig wende, 
Bald zur Verfolgung; nach verschiednen Seiten 
Lenkt Sporn und ZĂĽgel meine schwanken Schritte. 
Amor ist hier, wie in andern Sonetten, was am deutlichsten im 
Sonett 7, Dialog I gesagt ist, als Spender des reinsten GlĂĽckes 
und der edelsten Güter, nämlich der Erkenntniss und der Wahr- 
heit gedacht. Ferner lautet im dritten Dialog, der von der Macht 
des Willens handelt, welcher bisher noch in Zwiespalt war, end- 
lich aber mit Entschiedenheit sich dem Uebersinnlichen zuwendet, 
das dritte Sonett (das vierzehnte des Ganzen) 
0 wehe mir, der Liebe heisse Glut 
Hat mich entflammt, dem Unheil nachzustreben, 
Das mir Gott Amor preist als höchstes Gut! 
Und nimmer will mein Geist sich kĂĽhn erheben, 

Zu bändigen den wahnbethörten Willen 
Und zu vernichten des Tyrannen Bann, 
Der mich mit Leid und Elend will erfĂĽllen," 
Der schmachvoll mich mir selbst entfremden kann. 



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Nicht will mein Blick der Freiheit Wonne sehen; 
Der Windeshauch, der meine Segel schwellt, 

Lässt dem verhassten Glück mich schnell entgehen, 
Führt mich dem Unheil zu, das mir gefällt. 
Hiermit vergleiche man von Shakespeare's Sonetten 129, 144, 148, 
137 und besonders 147: 

Mein Lieben ist ein Fieber, es begehrt 
Nur was die Krankheit fristet; all sein Sehnen 
Geht auf den Zunder, der das Uebel nährt, 
Dem kranken, launenhaften Reiz zu fröhnen — 



Unheilbar bin ich, nun Vernunft zerstoben, 
In ew'ger Unruh ein Besessener: 
Gedank' und Urtheil, wie im Wahnsinn, toben 
Blind um die Wahrheit irrend hin und her. 
Jenes zweite Sonett Bruno's zeigt in der Form eine auffallende 
Uebereinstimmung mit Shakespeare's Sonett 126, insofern es wie 
dieses blos 12 Zeilen hat, doch ist die Reimstellung bei beiden 
etwas verschieden. Eine andere Unregelmässigkeit, welche sich 
in den Sonetten Bruno's mehrfach findet, hat Sonett 145 Shake- 
speare's, indem darin die einzelnen Verse durchgängig einen Fuss 
weniger haben, als die anderen nach der Regel gebauten Sonette. 

Nach dem Gesagten scheint uns ein vielfacher Zusammenhang 
der Shakespeare'schen Dichtung mit den Werken Giordano Bruno's 
unverkennbar und wenn wir auch weit entfernt sind, zu behaupten, 
dass jener sich den letzteren zum bestimmten Vorbild genommen, 
oder dass Bruno auf ihn einen ĂĽberwiegenden und anhaltenden 
Einfluss geĂĽbt habe, so wĂĽssten wir doch kaum einen einzelnen 
Dichter oder Schriftsteller unter seinen Zeitgenossen oder aus 
früherer Zeit namhaft zu machen, dem wir einen grösseren Ein- 
fluss auf Shakespeare's Bildung beimessen möchten. Dabei bringen 
wir selbstverständlich nicht in Anschlag, was die englische Bühne, 
wie sie Shakespeare vorfand, und die Erzeugnisse derselben im 
Grossen und Ganzen auf ihn gewirkt haben. Auch ist es ĂĽber- 
haupt bei jeder derartigen Erwägung schwer, die Grenze zwischen 
derjenigen Förderung und Anregung zu ziehen, welche den jün- 



') Vergl. mein Buch: Shakespeare als Dichter etc. (S. 237), wo auch ein 
Gedicht Michael Angelo's von verwandtem Inhalt aufgenommen worden ist. 



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geren in neue Bahnen zieht oder neue Vorstellungen in ihm weckt, 
und zwischen der, welche eine bereits vorhandene Gleichheit der 
Anschauungen zu Tage treten lässt, und bei dem Jüngeren das 
Interesse fĂĽr den geistesverwandten Aeltern hervorruft, ohne dass 
er deshalb ein Anderer wird, als er ohne des Letzteren Vorbild 
geworden wäre. In der Mitte von beiden Arten der geistigen 
Einwirkung liegen so viele Stufen und Grade der Beeinflussung, 
und so viele unmerkliche Uebergänge, dass es im einzelnen Falle 
kaum möglich ist, ein solches gegebenes Verhältniss genau auf die 
richtige Stufe zu stellen und aus einzelnen Zeichen einer gewissen 
Abhängigkeit ein Gesammtresultat zu ziehen, zumal, wenn wie 
hier die «tatsächlichen Vorlagen der Bildungsgeschichte dessen, 
um den es sich handelt, fehlen oder unsicher sind. Es wird dann 
mehr dem subjektiven Urtheil des Einzelnen, das er sich ĂĽber die 
Originalität einerseits und die Aneignungsfähigkeit andrerseits bei 
dem gerade in Frage stehenden gebildet hat, zu ĂĽberlassen sein, 
in welche Abhängigkeit er denselben von einem einzelnen Vorbilde 
stellt, und wird es zunächst darauf ankommen, wie es hier ver- 
sucht wurde, dem individuellen Urtheil die Spuren nachzuweisen, 
an denen die geistige Verwandtschalt oder die Beeinflussung des 
einen durch den andern erkennbar wird. Gewiss können diese 
Spuren in den Werken Shakespeare's wie Bruno's noch zahlreicher 
nachgewiesen und weiter verfolgt werden, als es hier geschehen 
ist, und bei einer vollständigen Abwägung und Nebeneinander- 
stellung der in den Werken Beider sich kund gebenden Lebens- 
anschauung dĂĽrfte sich noch manches Beachtenswerthe fĂĽr das 
hier behandelte Thema ergeben, doch wĂĽrden damit die Dimen- 
sionen der Untersuchung leicht so sehr erweitert werden, dass 
man billig fragen könnte, ob das damit zu gewinnende immerhin 
unsichere Eesultat mit dem Aufwand der kritischen Erörterung 
in richtigem Verhältniss stände. Doch darf, um nicht Shakespeare 
zu nahe zu treten und um keine falsche Vorstellung zu erwecken, 
die gegenwärtige Untersuchung noch nicht abgeschlossen werden, 
ohne dass auf eine sehr wesentliche Verschiedenheit in der Grund- 
anschauung beider Männer hingewiesen wird. Bruno stellte sich 
in seiner Lehre ganz ausserhalb des Christenthums, in manchen 
Schriften demselben sogar feindlich gegenĂĽber. Er war nicht 
Atheist, wie ihm mitunter vorgeworfen worden ist, sein Glaube 
äussert sich bald in einer gewissen Gotttrunkenheit, bald in einer 



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Art Pantheismus, da er eine Alles durchdringende Weltseele an- 
nahm. Auf diesem ganzen Gebiete zeigt sich bei Shakespeare 
nicht die mindeste BerĂĽhrung mit Bruno, und wir kommen auch 
hier zu der Wahrnehmung, dass Shakespeare Alles, was seinen 
religiösen Glauben berührte, von der poetischen Darstellung mög- 
lichst fern hielt. Damit finden wir unsere schon frĂĽher ausge- 
sprochene Ansicht bestätigt, dass sein Christenthum von derselben 
Echtheit und schlichten Einfachheit war, wie wir uns seine ganze 
menschliche Erscheinung vorstellen. 



») Shakespeare als Dichter etc. S. 120. 250. Jahrbuch VH, 191. 



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Die Entwiekelung 
der Sage von Romeo und Julia 

Von 

H>!% Karl Faul Schulze. 



W ie die Quellen eines grossen Stromes oft in geheimniss- 
vollem Dunkel verborgen liegen und sich dem Entdeckungseifer 
der Reisenden entziehen, so sind oft die ersten Anfänge einer 
Sage, deren spätere Entwiekelung sich leicht verfolgen lässt, vor 
unserer Forschung verhĂĽllt. Auch der Ursprung der Sage von 
Romeo und Julia ist uns nicht bekannt. Die ältesten Zeugnisse, 
in denen sie uns noch vorliegt, weisen uns nach Italien, und es 
ist wahrscheinlich, dass sie hier im Lande der erfindungsreichen 
Erzähler mit dem eifrig lauschenden Volk ihren Ursprung gehabt 
hat. Italien ist das Land der Prosadichtung. Dort sind im 14. 
und 15. Jahrhundert jene unzähligen heiteren und ernsten Erzäh- 
lungen entstanden, die wir aus den Novellen eines Boccaccio, 
Cinthio, Bandello und Anderer kennen, und welche in zahlreichen 
Uebersetzungen und Umdichtungen, bald als Novelle, bald als 
Drama, die Runde durch Frankreich, Spanien, England und Deutsch- 
land gemacht haben. Es ist erstaunenswerth, welcher Reich thum 
der Erfindung sich hier vor uns entfaltet, und wir erfreuen uns 
desselben. Fragen wir aber nach dem ersten Gewährsmann einer 
Erzählung, so bleibt unsere Frage meist unbeantwortet. So wenig 
wir die Dichter unserer Volkslieder nachweisen können, so ver- 
geblich suchen wir nach dem ersten Erfinder jener Sagen. 

Und eine Sage ist auch die Geschichte von Romeo und Julia, 
wenn auch einige unserer Quellen, um ihre Erzählung glaub- 
wĂĽrdiger erscheinen zu lassen und mehr Interesse fĂĽr dieselbe zu 



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~~ 141 - 

erwecken, von Leuten sprechen, die sie noch erlebt haben; so 
Boaistuau: Histoire non moins adroirable que Veritäbie, äffiEllde 
des Sommaire; und am Anfange seiner Erzählung: en est encores 
pour le jour d'huy la memoire si recente ä Veronne, qu'ä peine en 
sont essuyez les yeux de ceux, qui ont veu ce piteux spectacle. 
Und Brooke: No legend lye I teil, scarce yet theyr eyes be drye, 
That did belwld the grisly sighty with wet and weping eye. Paynter: 
TJie memory whereof (of thys most true history) to thys day is so 
wel knoum at Verona, a$ unneths their bliibbred eyes be yet dry, 
that saw and beheld that lamentable sight Die älteren italieni- 
schen Gewährsmänner Luigi da Porto, Clitia und Bandello haben 
hiervon kein Wort. Und man kann derartigen Versicherungen 
keinen Glauben schenken, wenn man beobachtet, dass es geradezu 
Mode war, diese Erzählungen für wahrhafte Ereignisse auszugeben. 
So versichert Masuccio im Parlamento de lo autore al libro suo 
von seinen Novellen: Invoca Paltissimo Dio per testimonio che 
tutte sono verissime istorie, le piĂĽ nelli nostri modern i tempi tra- 
venute. Und Boaistuau im Sommaire zur 3. Novelle: Je n'inse- 
reray aucune histoire fabuleuse en tout cest ceuvre, de laquelle je 
ne face foy par annales et chroniques, ou par commune approba- 
tion de ceux qui Tont veu, ou par autoritez de quelque fameux 
historiographe, Italien ou Latin. Auch Belieferest betheuert in 
seiner Widmung an den prince Charles Maximilian de France, 
dass alle seine Geschichten wahr seien. 

Eine Sage ist die Geschichte von Romeo und Julia trotz des 
Denkmals, von dem Boaistuau, Paynter und Brooke reden und 
welches bei dem ersten ganz genau beschrieben wird: Le tombeau 
qui fut erige sur une haulte colonne de marbre, et honore d'une 
infinite d'excellens epitaphes. Et est encores pour le jour d'huy 
en essence: de sorte que entre toutes les plus rares excellences, 
qui se retrouvent en la cite de Veronne, il ne se voit rien de 
plus celebre, que le monument de Rhomeo et de Juliette. Achn- 
lich bei Brooke und Paynter. Die älteren Quellen Luigi da Porto 
und die Veroneserin Clitia erwähnen nichts von einem solchen 
Denkmal. 1 ) Captain Breval sagt in seinen Travels (1726), dass 
. ihm in Verona ein altes Gebäude, das in ein Waisenhaus umge- 



') Ancb Bandello nicht in der Ausgabe von 1560, während in andern von 
einem Monument die Rede ist. 



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Bekanntlich zeigt man noch heutzutage in Verona einen alten stei- 
nernen Wassertrog als den letzten Ueberrest des Denkmals. 

Eine Sage ist die Erzählung endlich, trotzdem sie in Girolamo 
de la Corte's Istoria di Verona (Ver. 1594—96. 2 voll. 4°) als eine 
wahre Begebenheit aus dem Jahre 1303 erzählt wird. 1 ) Simrock 
hat aber nachgewiesen (Die Quellen Shakspeare's. 2. Aufl. 1870), 
dass in diesem Falle der Geschichtschreiber aus den Novellen 
geschöpft habe, obwohl er versichert, die Ueberreste der Gruft, 
worin die Liebenden beigesetzt wurden, gesehn zu haben. Giro- 
lamo fĂĽhrt die Geschichte Verona's bis zum Jahre 1560; vor 
diesem Jahre waren aber schon BandehVs und Luigi da Porto's 
Novellen erschienen. Simrock weist nun sogar nach, welchem von 
diesen beiden der Historiker die Geschichte entnommen hat; er 
folgte dem jüngeren Gewährsmann Bandello. Julia erfährt nämlich 
erst nach dem Ball von der Amme, dass der Geliebte ein Mon- 
tecchi sei, und Pietro, Romeo's Vertrauter, dient im Hause der 
Montecchi: Beides stammt aus Bandello und findet sich bei Luigi 
da Porto nicht. 2 ) Bereits Schlegel (Kritische Schriften I, p. 384), 
der gleichfalls die historische Wahrheit der Geschichte bezweifelte, 
hat auf Dante Purg. VI, 106 verwiesen, aus welcher Stelle her- 
vorgeht, dass die Cappelletti und Montecchi derselben Partei, 
nämlich den Ghibellinen, angehört haben. Und Dante hielt sich 
längere Zeit in Verona auf, und zwar kurz nach der Regierung 
Bartolomeo's della Scala, unter dem sich die Geschichte zugetragen 
haben soll. Auch Luigi da Porto weiss nichts von einer Feind- 
schaft jener zwei Familien; am Eingange seiner Erzählung schreibt 
er: avegna che io alcune vecchie croniche leggendu haobia queste 
due famiglie trovate, che unite ĂĽna stessa parte sosteneano: non 
di meno come^io udi, senza altrimenti mutarla a voi la sporto. 
Ej^jsWieCwohl bewusst, dass er eine Sage erzählt. Die Vero- 
neserin Clitia lässt die Geschichte vor 150 Jahren, also c. 1400, 
geschehen sein. Denselben Stoff will Luigi Groto den Annalen 

i) Italienische Gelehrte zwar, wie Alessandro Toni (Pisa 1831) nnd Filippo 
Scolari (in seinen Lettere critiche, Livorno 1831) schenken dem Historiker 
Glanben. 

*) Warnm Della Corte den Frate Lorenzo in einen Frate Leonardo umge- 
tanft hat, wissen wir nicht 



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— 143 — 



seiner Vaterstadt Hadria entnommen haben. Und endlich werden 
wir sehen, wie ähnliche Geschichten sich an mehreren Orten zu- 
getragen haben sollen. 

Die Sage von Romeo und Julia findet sich in der Gestalt, 
wie sie in den Hauptzügen bei allen Spätem wiedererscheint, so 
viel wir wissen, zuerst bei Luigi da Porto, der eine Novelle Giu- 
lietta schrieb. Eine Uebersetzung derselben findet sich bei Sim- 
rock c. 1. Luigi da Porto stammte aus Vicenza, wo er 1485 ge- 
boren ward; er kämpfte als einer der Führer der Venetianischen 
Armee in Friaul gegen die Deutschen und starb 1529 (nach An- 
deren erst 1531) in seiner Vaterstadt. Seine Novelle, die 1524 
bereits geschrieben war (cf. Klein, Geschichte des Dramas Bd. V, 
p. 432 ; sie wird in einem Briefe von Bembo als la bella vostra 
Novella erwähnt) ward jedoch 'erst nach seinem Tode in Venedig 
gedruckt, 1535. Spätere Ausgaben datiren aus den Jahren 1539 
und 1553; zuletzt ward sie 1731 in Vicenza wieder abgedruckt. 
Dunlop {History of Fiction II, p. 398) giebt an, dass die verschie- 
denen Ausgaben in einigen unwichtigen Punkten etwas von ein- 
ander abweichen. Mir stand eine ältere zu Venedig ohne Angabe 
von Datum und Namen des Verfassers erschienene Ausgabe zu 
Gebote, die mir auf das Zuvorkommendste von Herrn Oberbiblio- 
thekar Förstemann aus der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu 
Dresden geliehen ward. 1 ) Der Titel lautet hier: Hystoria no- 
vellamente ritrovata di due nobili Amanti: Con la loro pietosa 
morte: intervenuta gia nella citta di Verona. Nel tempo del 
Signor Bartholomeo dalla Scala. Hierauf kommt zunächst nach 
der Sitte der Zeit (Masuccio widmet jede seiner fĂĽnfzig Novellen 
einem vornehmen Gönner und schliesslich noch die ganze Samm- 
lung Jemand besonders) eine Widmung: alla bellisima e leggiadra 
Madonna Lucina Sauorguana. Der Verfasser sagt, er wolle ihr 
una compassionevole novella da me gia piu volte udita nieder- 
schreiben und erwähnt, dass er die Geschichte in Friaul von 
einem Soldaten Peregrino, der aus Verona gebĂĽrtig war, habe er- 
zählen hören. Der Verlauf der Geschichte ist bei ihm folgender: 
Zur Zeit, als Bartholomeo dalla Scala Herr von Verona war, 
lebten daselbst zwei vornehme Familien, die Capeletti (meist Ca- 
pelletti gedruckt) und die Montecchi, zwischen denen eine alte 



') Mau nimmt an, dass dieselbe aus dem Jahre 1530 stammt. 



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- 144 - 

Feindschaft bestand. Da gab einstmals, während des Carnevals, 
Antonio, das Haupt der Capelletti, ein Fest, auf welchem auch 
der junge Montecchi erschien, um seiner Geliebten nachzugehen. 
Er erregte daselbst sowohl seiner hohen Schönheit, als auch seines 
Muthes wegen, der ihn kĂĽhn in das Haus des Feindes fĂĽhrte, die 
allgemeine Aufmerksamkeit, namentlich bei den Damen. Auch 
der einzigen Tochter des Hausherrn entgeht er nicht, und als die 
Augen des Jünglings und des Mädchens sich begegnen, entbrennen 
sie in Liebe zu einander. Da ward gegen das Ende des Festes 
il ballo del torchio o del capello, come dire lo vogliamo, getanzt, 
wobei der Jüngling auf die eine Seite des Mädchens zu stehen 
kam, während sich auf ihrer andern Seite ein edler Jüngling, 
Namens Marcucio Guertio befand. Dieser hatte von Natur stets 
eisig-kalte Hände. Als beim Tanze Romeo — so hiess der Ge- 
liebte — ihre Hand ergriff, sprach sie zu ihm: Benedetta sia la 
vostra venuta qui presso me Mess. Romeo; du erwärmst mir die 
kalten Hände. Und er erwiderte: Und du entzündest mir mit 
deinen schönen Augen mein Herz. Nach diesem Abend beschliesst 
Romeo der ersten Geliebten, die ihn trotz seiner heissen Liebe 
stets kalt von sich gestossen, zu entsagen und der neuen Geliebten 
zu dienen, sei sie auch die Tochter des Erbfeindes. Sie aber er- 
widert seine Liebe und wĂĽnscht seine Frau zu werden, indem 
sie hofft, dass durch ihre Verbindung mit ihm die zwei feindlichen 
Häuser ausgesöhnt werden würden. So suchten sie sich öfter zu 
sehn, und Romeo schleicht sich wiederholt Nachts auf einen Balkon 
an dem Hause der Geliebten, um sie zu belauschen. Hier ward 
er in einer mondhellen Nacht von ihr bemerkt. Sie ruft ihm zu : 
Che fate qui a questa hora cosi solo? und macht ihn darauf auf- 
merksam, in welcher Gefahr er schwebe, falls er entdeckt werde; 
komme er nur, sie zu bethören und ihr die Ehre zu rauben, so 
möge er unverrichteter Dinge heimkehren. Begehre er sie aber 
zur Frau, so sei sie bereit, ihm ihre Hand zu reichen. Er möge 
sich an ihren Confessore frate Lorenzo da San Francesco aus 
Reggio wenden. Derselbe war zugleich der Freund Romeo's. Als 
dieser ihm von seinem Vorhaben erzählt, giebt Lorenzo seine Zu- 
stimmung, indem auch er hofft, durch die Verbindung der Beiden 
den alten Familienhass beseitigen zu können und somit ein ver- 
dienstliches Werk zu thun. Am Tage Quadragesima begiebt sich 
das Mädchen unter dem Vorwande beichten zu wollen zum Mönch 



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- 145 — 

und wird von diesem mit Romeo verbunden. Die Neuvermählten 
kamen darauf öfter Nachts zusammen, bis ihr junges Glück durch 
ein trauriges Ereigniss gestört ward. Eines Tages geriethen näm- 
lich die Montecchi und Capelletti auf der Strasse aneinander; und 
obwohl Romeo sich Anfangs vom Streit entfernt hielt (alla sua 
donna rispetto havendo di percuotere alcuno della sua casa si 
guardava), ward er doch endlich, da er mehrere der Seinen am 
Boden liegen sah, vom Zorn tibermannt und erschlug den *An- 
fĂĽhrer der feindlichen Schaar, Thebaldo Capelletti, den Vetter 
der Geliebten. Zur Strafe ward er fĂĽr immer aus Verona ver- 
bannt. Er eilt zum Frate, wo er sich mit der Geliebten trifft. 
Sie wehklagt, und da sie ohne ihn nicht leben könne, bittet sie, 
dass er sie als Diener verkleidet mit sich nehme. Er widerräth 
dies und tröstet sie mit der Hoflhung, dass er bald zurückkehren 
dĂĽrfe. Romeo flieht nach Mantua. Die ZurĂĽckbleibende aber 
grämt sich sehr über die Abwesenheit des Geliebten, so dass ihre 
Betrübniss die Aufmerksamkeit ihrer sie zärtlich liebenden Mutter 
erregt. Diese glaubt, die Tochter, welche bereits 18 Jahre alt 
sei, sehne sich nach einem Gatten und theilt diese Vermuthung 
ihrem Gemahl mit, der sie mit einem Conte di Lodrone zu ver- 
heirathen wünscht. Als Frau Giovanna — so hiess die Mutter 
— der Tochter verkündet, dass sie die Gemahlin des Grafen di 
Lodrone werden solle, sagt diese, sie wĂĽnsche nicht zu heirathen, 
sie wolle nur sterben. Dies hinterbringt die Mutter ihrem Gemahl, 
welcher Giulietta (hier erst wird ihr Name erwähnt) zu sich rufen 
lässt und ihr heftige Vorwürfe darüber macht, dass sie so eigen- 
willig sei und den Grund ihres Kummers verschweige. Und er- 
zürnt lässt er mit Frau Giovanna die weinende Tochter stehen. 
Giulietta wendet sich an Pietro, einen Diener ihres Vaters, der 
in ihre Geheimnisse eingeweiht war. Dieser schreibt Romeo von 
dem, was vorgefallen, welcher antwortet, er hoffe binnen 8 bis 
10 Tagen sie abholen zu können. Die Eltern beschliessen inzwi- 
schen die Hochzeit zu beschleunigen, um Giulietta's Gedanken end- 
lich von ihrem Gram abzulenken. Diese eilt in ihrer trostlosen 
Lage zu Lorenzo und erzählt ihm, wie man auf einem Landgute 
ihres Vaters, 2 Meilen in der Richtung nach Mantua hin (der 
Name wird nicht genannt), bereits die Vorbereitungen zu ihrer 
Hochzeit treffe; er möge ihr ein Gift geben, sonst werde sie sich 
erdolchen. Da giebt er ihr ein Pulver, das sie, wenn sie es in 

Jahrbuch XL 10 



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— 146 — 

Wasser aufgelöst trinke, auf 48 Stunden scheintodt machen werde. 
Man werde sie dann im Erbbegräbniss der Familie beisetzen, von 
wo er sie bei ihrem Erwachen abholen und zu Romeo geleiten 
werde. Sie solle mit eigner Hand dem Romeo von ihrem Vorhaben 
schreiben, und er wolle den Brief durch einen befreundeten Mönch 
nach Mantua besorgen lassen. Froh kehrt Giulietta zur Mutter 
zurĂĽck und ruft ihr zu: Veramente, madonna, che frate Lorenzo 
e il miglior confessor del mondo; ihre Traurigkeit habe er gänz- 
lich von ihr genommen. Die Mutter, hocherfreut ĂĽber diese Sinnes- 
änderung der Tochter,- verspricht den Mönch reichlich zu be- 
schenken. So wird denn festgesetzt, dass Giulietta am nächsten 
Tage mit ihrem zukünftigen Gemahl auf dem bereits erwähnten 
Landgut zusammentreffen soll, damit sie sich kennen lernten. Da 
sie furchtet, dass man sie dort plötzlich verheirathen wolle, nimmt 
sie das Pulver mit und lässt sich in der Nacht vor der Zusam- 
menkunft von einer Dienerin ein Glas Wasser reichen, da ihr vom 
Abendessen unwohl sei. Indem sie das Pulver hineinschĂĽttet, trinkt 
sie es in Gegenwart der nichts Böses ahnenden Dienerin und 
einer Verwandten aus. Darauf legt sie sich zu Bett, kreuzt die 
Arme über ihrer Brust und entschläft. So fand man sie am an- 
dern Morgen, und der aus Verona herbeigerufene Arzt hält sie für 
todt. Von dem Landgute wird sie nach Verona gebracht und auf 
dem Friedhofe des heiligen Francesco beigesetzt. Inzwischen hatte 
Lorenzo den Brief, welchen Giulietta an Romeo geschrieben, einem 
Mönch übergeben, der vergeblich versucht, ihn an letztern abzu- 
geben, da er ihn wiederholt nicht zu Hause trifft. So trägt er 
ihn, da er ihn keinem andern ĂĽbergeben will, noch bei sich, als 
Pietro Romeo die Kunde von dem Tode Giulietta's ĂĽberbringt. 
Der treue Diener war erst zu Lorenzo geeilt, dass dieser Romeo 
benachrichtigen solle, hatte denselben aber nicht in seiner Zelle 
vorgefunden, da er in Geschäften seines Klosters abwesend war. 
Als Romeo die traurige Botschaft erhält, will er sich selbst mit 
dem Schwert tödten und wird nur mit Gewalt von seinem Vor- 
haben abgehalten. In wildem Schmerz klagt er sich an, die Schuld 
an Giulietta's Tod zu tragen, da er nicht gekommen sei, sie ab- 
zuholen. Als Landmann verkleidet eilt er nach Verona und nimmt 
ein Gift mit sich, das er von frĂĽher her besass. Im Dunkel der 
Nacht schleicht er sich zum Grabmal, erbricht es und tritt in 
dasselbe ein. Er kĂĽsst die Geliebte und bricht in heftige Weh- 



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— 147 — 

klagen ĂĽber ihr trauriges Schicksal aus. Nachdem er das Gift 
getrunken, umarmt er Giulietta, um an ihrem Busen zu sterben. 
Da erwacht sie,, indem die Kraft des Schlaftrunks von ihr gewichen 
war. Oyme ove sono? ruft sie aus, und da sie glaubt, Lorenzo 
küsse sie, fährt sie fort: a questo modo, frate, serbate la fede a 
Romeo? Endlich erkennt sie diesen, kĂĽsst ihn tausend Mal und 
erzählt ihm, wie sie nur scheintodt gewesen. Da erkennt er, in 
welchem grausamen Irrthum er sich befunden, und verwĂĽnscht sein 
unglĂĽckseliges Geschick. Indem das Gift schon zu wirken an- 
fängt, liegt er bewusstlos in ihren Armen. Da kommt Lorenzo 
mit einem Gefährten, um Giulietta abzuholen. Sie überhäuft ihn 
mit VorwĂĽrfen, dass er ihren Brief nicht besorgt habe. Lorenzo 
beschwört Romeo bei seiner Geliebten wieder aufzuwachen, und 
als dieser den Namen Giulietta hört, öffnet er noch einmal die 
todesmüden Augen und stirbt. Der Mönch fordert Giulietta auf, 
mit ihm zu gehen und ihre Tage in einem Kloster zu beendigen. 
Sie aber antwortet, sie werde nicht von ihrem Geliebten lassen 
und stirbt vor Schmerz (deliberando di piu no vivere raccolto 
asse il fiato e alquanto tenutolo, e poscia con un gran grido 
fuori mandando sopra'l morto corpo morta si rese). Da kommt, 
durch das Licht in dem Grabgewölbe, welches Romeo mit sich ge- 
bracht hatte, herbeigelockt, die Nachtwache und ergreift die beiden 
Mönche. Sie werden vor den Fürsten geführt; dort sagt Lorenzo, 
um das Geheimniss der Liebenden zu bewahren, aus, er sei in 
das Gewölbe gestiegen, um über dem Grabe Giulietta's zu beten. 
Inzwischen wird aber, der Leichnam Romeo's im Gewölbe aufge- 
funden. So kann er das Geheimniss nicht länger verschweigen 
und erzählt Allen die Geschichte der beiden Liebenden. Die 
Väter derselben schliessen nunmehr Frieden. Romeo und Giulietta 
werden feierlich beerdigt, und ĂĽber ihnen wird zum Andenken ein 
Grabmal errichtet. Der Verfasser schliesst mit einer Lobpreisung 
der Treue jener beiden Liebenden, einer Tugend, welche neuer- 
dings leider abhanden gekommen sei. Qui finisse lo infelice Inna- 
moramento di Romeo Montecchi et di Giulietta Capelletti. Stam- 
pato in la inclitta citta di Venetia, per Benedetto de Bendoni. — 
So lautet die Erzählung von Romeo und Julia bei Luigi da 
Porto. In einfacher, schlichter Rede, ohne grossen Prunk, aber 
mit vielen Zwiegesprächen, die dem Ganzen dramatische Lebendig- 
keit verleihen, erzählt er das traurige Geschick der beiden Lie- 

10* 



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— 148 — 

benden; namentlich vermeidet er allen gelehrten Aufputz. In 
volkstĂĽmlicher Redeweise giebt er die Sage fĂĽr das Volk wieder, 
wie er sie vielleicht vom Volke hatte erzählen hören. — 

In der Darstellung des Luigi da Porto finden wir zuerst die 
Sage in der Gestalt, welche sie in allen späteren Bearbeitungen 
mit Ausnahme der spanischen bis zu Shakespeare hinab in allen 
Hauptsachen wenigstens behalten hat. Der Kern der Sage ist 
folgender: Die Sprösslinge zweier feindlicher Häuser verlieben 
sich in einander und schliessen heimlich mit Hülfe eines Mönchs 
einen Ehebund. Da muss der Geliebte, weil er im Streit einen 
Bürger tödtet, fliehen; die gramgebeugte Geliebte soll von ihren 
Eltern gezwungen werden, einem Zweiten ihre Hand zu geben. 
Sie trinkt einen Schlaftrunk, den ihr der Mönch giebt und wird 
scheintodt begraben. Durch unglückliche Umstände erfährt der 
Geliebte, dass sie todt, nicht, dass sie nur scheintodt sei. Er eilt 
an ihr Grab und vergiftet sich. Sie folgt ihm in den Tod. Die 
feindlichen Häuser aber söhnen sich nach dieser ernsten Mahnung 
des Schicksals mit einander aus. Nur Bandello giebt an, dass ihre 
Versöhnung nicht von Dauer gewesen: tra i Montecchi e Capelletti 
si fece la pace, benche non molto dopoi durasse. Auch die Namen 
der Hauptpersonen bleiben seit Luigi da Porto unverändert. 

Fragen wir nun, woher dieser die Erzählung entnommen, so 
sagt er zunächst selbst, dass er sie nicht erfunden habe: hystoria 
novellamente ritrovata, sagt er von der Novelle. Er scheint sie 
vielmehr aus dem Volksmunde gehört zu haben (una novella, da 
me gia piu volte udita), wie er sie sich ja auch von einem Vero- 
neser Soldaten erzählen lässt. Wir wissen von ähnlichen Sagen, 
welche von der Macht der Liebe handeln, die zwei Sprösslinge 
feindlicher Häuser zusammenführt und sie vernichtet. Simrock 
(c. 1.) und vor ihm Boswell (in der Einleitung zu Romeo and Juliet 
seiner Ausgabe Shakespeare's) *) haben darauf hingewiesen, dass 
dasselbe Thema in der Sage von Pyramus und Thisbe behandelt 
wird: die Eltern der Liebenden sind gegen die Heirath, und Py- 
ramus wird gleich Romeo durch die falsche Annahme zum Selbst- 
mord verleitet, dass die Geliebte todt sei. Der Vergleich ist von 
Simrock ausfĂĽhrlich durchgefĂĽhrt worden, der ausserdem die Sagen 
von Hero und Leander und von Tristan und Isolde zur Verglei- 



») 1821, vol. VI p. 265. 



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— 149 — 



chung heranzieht. *) Alle diese Sagen von dem tragischen Geschick 
zweier Liebender haben verwandte Motive, ohne dass man deshalb 
auf eine äussere Einwirkung der einen auf die andere oder auf 
eine gemeinsame Quelle schliessen dürfte. Sie gehören zum Ge- 
meingut der Völker. Ich erinnere noch an die bekannte dalma- 
tische Sage von der Hero von St. Andrea, welche Noe in seinen 
Reisebildern aus Dalmatien und Montenegro erzählt und die von 
P. Heyse in einer seiner Novellen in Versen behandelt worden ist. 
Dieselbe lebt, wie Dr. Joh. Meissner in dem Feuilleton der Wiener 
Deutschen Zeitung vom 5. September 1875 berichtet, noch jetzt 
im Volksmunde fort. Er hörte sie in folgender Gestalt erzählen: 
In einer grösseren Küstenstadt Dalmatiens gab es einst zwei vor- 
nehme Familien, die sich befeindeten. Aus der einen war längere 
Zeit hindurch der Knes hervorgegangen, und als man beim Tode 
des letzten Knes das Haupt der feindlichen Familie zum Nach- 
folger erwählte, zogen die drei Söhne des Verstorbenen mit ihrer 
Schwester Margita fort auf die Insel St. Andrea. Diese hatte je- 
doch ein geheimes Liebesverhältniss mit Teodoro, dem einzigen 
Sohne des Feindes. Derselbe kaufte eine alte Steinmine auf der 
Felseninsel Lopud, nächst St. Andrea; dort baute er sich eine 
HĂĽtte und lebte darinnen einsam. Nachts aber schwamm er hin- 
ĂĽber zur Geliebten, oder diese kam zu ihm geschwommen, indem 
ein Licht am Fenster Beiden den Weg durch die Wogen zeigte. 
Da verrieth ein Fischer den BrĂĽdern der Margita die heimlichen 
ZusammenkĂĽnfte. Als diese das Licht in ihrer Kammer angezĂĽndet 
hatte und den Geliebten am Strande erwartete, löschten sie das 
Licht aus, fuhren selbst in die See hinaus und steckten ein neues 
Licht an. Teodoro schwimmt auf dasselbe zu, das ihn trĂĽgerisch 
in die hohe See hinaus lockt, wo er, als seine Kraft erlahmt, von 
den Wogen verschlungen wird. Margita aber springt in Verzweif- 
lung vom hohen Felsen in die See hinab. Fast genau derselbe 
Stoff ist in einer Novelle des Straparola (VII, 2) behandelt. 



l ) Klein (Geschichte des Dramas, ITT, p. 135 etc.) verweist uns sogar anf 
ein indisches Drama Mälati und M&dhava, welches er das Komeo und Julia- 
Drama der Inder nennt. Aber nichts rechtfertigt einen solchen Vergleich; einmal 
hat das StĂĽck einen glĂĽcklichen Ausgang, und sodann ist weder von einem 
Familienhass noch von einem Schlaftrunk die Rede. Wie so oft hat auch hier 
die Sucht Fremdartiges zu verbinden und zu vergleichen Klein einen Streich 
gespielt. 



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— 150 — 

Eine ähnliche Sage, die jedoch der unseren viel näher steht, 
gab es in Italien selbst und ist uns dieselbe im Novellino des Ma- 
succio erhalten (cf. H Novellino di Masuccio Salernitano ; restituto 
alla sua antica lezione da Luigi Settembrini. Napoli 1874), einem 
Werke, das zuerst 1476 in Neapel erschien. Der Verfasser, von 
dessen Leben wir wenig wissen, lebte gegen das Ende des 15. Jahr- 
hunderts und wird il Boccaccio napoletano genannt. Seine Novellen- 
sammlung, die viel Aehnlichkeit mit dem Decameron hat, enthält 
50 Novellen, von denen jeder eine conclusione morale angehängt 
ist, die sich nach den oft nicht gerade sehr moralischen Erzäh- 
lungen allerdings zuweilen komisch ausnimmt. Dies war jedoch 
eine alte Sitte, die wir schon in den Gestis Romanorum und bei 
Boccaccio finden. Der neueste Herausgeber meint, dass Masuccio 
den Stoff zu diesen Novellen wohl aus dem Volke geschöpft habe, 
dessen Gemeingut sie waren, und fĂĽgt hinzu: spesso avviene che 
chi l'ha saputo l'ultimo, ma lo ha raccontato meglio, e creduto 
egli il primo inventore. 

Das Argument zu der 33. Novelle lautet: Mariotto senese, 
innamorato di Giannozza, come omicida se fugge in Alessandria: 
Giannozza se finge morta, e da sepoltura tolta va a trovare 
l'amante; dal quäle sentita la sua morte, per morire anche lui, 
ritorna a Siena, e conosciuto e preso, e tagliatali la testa. La 
donna nol trova in Alessandria, ritorna a Siena, e trova l'amante 
decollato e lei sopra il suo corpo per dolore se more. 

Allo Hlustrissimo Signor Duca d'Amalfi. Hierauf ein Esordio, 
eine Widmung an den Illustrissimo Signore, und endlich die Narra- 
zione selbst: 

In Siena lebte einst ein JĂĽngling aus guter Familie, Namens 
Mariotto Mignanelli; derselbe verliebte sich in die Tochter eines 
angesehenen BĂĽrgers und ward von Giannozza Saraceni (so hiess 
die Geliebte) ebenso feurig wieder geliebt. Da sie per contrarieta 
di fati ihre Liebe nicht offen aussprechen durften, Hessen sie sich 
heimlich von einem frate augustinese trauen. Nachdem sie längere 
Zeit heimlich zusammengekommen, traf es sich, dass Mariotto mit 
einem ehrbaren BĂĽrger in Streit gerieth und denselben erschlug. 
Er ward hierauf zu perpetuo esilio verurtheilt, und nach einem 
thränenreichen Abschied von der Geliebten flieht er nach Alessan- 
dria, wo ein Onkel von ihm als wohlhabender Kaufmann wohnte. 
Vor seiner Abreise weiht er noch einen seiner BrĂĽder in sein Ge- 



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— 151 — 



heimniss ein und bittet denselben, ihn von Allem, was seine Gian- 
nozza beträfe, zu benachrichtigen. Da inzwischen Viele um die 
Hand der heimlich Verheiratheten anhalten und sie unter nichtigen 
Vorwänden Alle ausschlägt, soll sie endlich von ihrem Vater ge- 
zwungen werden, einem der Freier ihre Hand zu reichen. Wäh- 
rend sie aber scheinbar nachgiebt, wendet sie sich in ihrer Be- 
drängniss an den Mönch, der sie heimlich getraut hat, und dieser 
compose una certa acqua con certa compositione di diverse pol- 
veri, terminata in maniera che bevuta, Pavrebbe non solo per tre 
di fatta dormire ma de essere da ciascuno per vera morta giudi- 
cata, e alla donna mandata (seil. l'ebbe). Nachdem sie Mariotto 
durch einen Kurier von ihrem Vorhaben benachrichtigt, trinkt sie 
das Wasser. Als der Vater seine einzige geliebte Tochter scheinbar 
todt daliegend findet, ruft er die Aerzte herbei, die sie jedoch fĂĽr 
todt erklären. So ward sie unter grosser Theilnahme der Bürger 
in Santo Agustino beigesetzt. In der Nacht ward sie jedoch von 
dem Mönch mit Hülfe eines Gefährten aus dem Grabmal hervor- 
geholt und nach der Wohnung desselben getragen. Dort kehrt sie 
in das Leben zurück und eilt als Mönch verkleidet zu Schiff nach 
Alessandria. Inzwischen hatte der Bruder Mariotto's diesen von 
dem plötzlichen Tode der Giannozza, sowie davon, dass ihr Vater 
bald darauf vor Schmerz gestorben sei, benachrichtigt. Während 
diese Kunde zur rechten Zeit an ihn gelangt, wird unglĂĽcklicher- 
weise der Bote der Geliebten von Seeräubern gefangen genommen. 
Mariotto eilt, des Lebens ĂĽberdrĂĽssig, als Pilger verkleidet nach 
Siena, geht dort nach der Kirche, wo er seine Giannozza beerdigt 
glaubt, und wirft sich über ihr Grab. Als er damit beschäftigt 
ist, dasselbe aufzubrechen, wird er vom Sakristan bemerkt, der 
ihn für einen Dieb hält und al latro ruft. Er wird ergriffen, er- 
kannt und nachdem er Alles offen bekannt, trotz des allgemeinen 
Mitleids, namentlich der Frauen, zum Tode verurtheilt und hinge- 
richtet. Giannozza erfährt unterdessen in Alessandria, dass Ma- 
riotto auf die Kunde von ihrem Tode plötzlich verschwunden sei. 
Sie eilt rathlos nach Siena zurĂĽck, wo sie von seiner Hinrichtung 
hört. Darauf zieht sie sich in ein Kloster zurück, um dort den 
Tod ihres Gatten zu beklagen, wo sie nach kurzer Zeit vor Schmerz 
stirbt (con interno dolore e sanguinose lacrime con poco eibo e 
niente dormire). 

Es folgt eine Betrachtung ĂĽber diese Novelle, von Masuccio 



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— 152 — 



selbst hinzugefĂĽgt, wie er dies bei der Mehrzahl seiner Novellen 
gethan hat. — 

Es bedarf keines Beweises, dass wir in dieser kurzen Erzäh- 
lung die Geschichte von Romeo und Julia unter anderen Namen 
vor uns haben. Die HauptzĂĽge der Sage sind in dieser Novelle 
gleichsam noch im Ei enthalten, und die Vermuthung liegt nahe, 
dass Luigi da Porto sie gekannt, benutzt und weiter ausgefĂĽhrt 
habe. Die Namen der Liebenden sind verändert, der Ort der Hand- 
lung von Siena nach Verona verlegt, der vom Geliebten Erschla- 
gene ist bei ihm nicht mehr einfach ein BĂĽrger, sondern ein Ver- 
wandter der Geliebten, wodurch die Bande enger und kunstvoller 
verknĂĽpft werden. Der Frate des San Francesco wird zu einem 
Frate des Santo Agustino, und der Schluss wird auf eine kĂĽnst- 
lichere und poetischere Weise ausgefĂĽhrt. Der Geliebte wird 
nicht einfach hingerichtet, die Geliebte stirbt nicht im Kloster: 
sie sterben Beide vereint ; romantisch wird ihr Leben ausge- 
schmückt, das bei Masuccio viel zu nüchtern und alltäglich er- 
schien. Aber trotz dieser allerdings meist nebensächlichen Ab- 
änderungen finden sich mehrere kleine Züge, die entschieden dar- 
auf hinweisen, dass Masuccio die Quelle Luigi's gewesen. Bei 
Masuccio benachrichtigt die Geliebte den Mariotto selbst von ihrem 
Vorhaben, den Schlaftrunk zu nehmen; ebenso bei Luigi, wo der 
Mönch zu ihr sagt: ma non scordare percio di mandarmi la lettera 
che a Romeo dei scrivere, che importa assai. Bei den späteren 
Nachahmern benachrichtigt Lorenzo Romeo durch einen Brief von 
seiner Hand, nicht durch einen von Julia geschriebenen. Bei Ma- 
succio holt der Mönch sie mit einem Gefährten aus dem Grab- 
gewölbe ab und bringt sie zunächst nach seiner Zelle, von wo sie 
als Mönch verkleidet den Geliebten aufzusuchen eilt. Bei Luigi 
kommt Lorenzo gleichfalls in Begleitung eines Mönchs, um sie mit 
nach seiner Wohnung zu nehmen. Er hatte ihr versprochen, sie 
von da in Mönchskleidern nach Mantua zu Romeo zu führen (tra- 
vestita nel nostro habito al tuo marito ti menaro). Erst bei den 
Späteren will Lorenzo den Romeo zu ihrem Erwachen ins Grab- 
gewölbe bestellen; bei ihnen will wohl Giulietta auch Männer- 
tracht anlegen, aber von einer Verkleidung als Mönch haben sie 
nichts. Bei Masuccio wird Mariotto als Dieb ergriffen, der Sa- 
kristan ruft al latro und lässt ihn festnehmen. Bei Luigi kommt 
die Nachtwache nach dem Grabe, nicht weil sie im VorĂĽbergehen 



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— 153 — 



Licht darinnen bemerkt, wie bei den Spätem, sondern bei der Ver- 
folgung eines Diebes: quando ecco la famiglia del podesta, chi 
dietro alcun ladro correa, vi sopragionse. Bei Masuccio tritt die 
Geliebte nach dem Tode Mariotto's in ein Kloster ein, um dort 
ihren unglücklichen Geliebten zu beklagen. Aehnlich räth bei Luigi 
Lorenzo nach dem Tode Romeo's der Giulietta in ein Kloster zu 
gehen: rinchiuderti in qualche santo Monasterio et ivi pregar 
sempre Dio perte e per lo morto tuo sposo. Seltsam stimmt end- 
lich die Todesart der Giannozza-Giulietta bei Beiden ĂĽberein ; sie 
sterben vor Schmerz; con interno dolore heisst es bei Masuccio, 
und ebenso stirbt bei Luigi Giulietta ĂĽber der Leiche des Geliebten. 
Zu dieser seltsamen Erfindung verleiteten ihn vielleicht die Worte 
im Argomento bei Masuccio : lei sopra il suo corpo per dolore se 
more. Dazu war es ferner nöthig, den ganzen Schluss der Er- 
zählung in der Weise abzuändern, wie wir ihn bei Luigi da Porto 
finden. Seine Nachfolger mit Ausnahme Bandello's und der Clitia 
haben bekanntlich sehr an dieser sonderbaren Todesart Anstoss 
genommen und wiederum selbstständig geändert. Uebrigens stim- 
men die soeben citirten Worte aus dem Argomento des Masuccio 
mit der Narrazione selbst gar nicht, wo sie nicht sopra il suo corpo 
sondern im Kloster stirbt. Sollte Masuccio etwa die ursprĂĽngliche 
Gestalt der Sage abgeändert haben, eine Vermuthung, die bereits 
Torri (c. 1.) ausgesprochen? Wir werden später bei Boaistuau 
eine ähnliche Erscheinung finden. — 

Somit glaube ich, dass Luigi da Porto den Stoff zu seiner 
Novelle dem Masuccio verdankt, dessen kurze Erzählung er aus- 
gefĂĽhrt und umgedichtet hat. Wie ausserordentlich beliebt dessen 
Werke zu jener Zeit waren, beweist die Anzahl der Auflagen, die 
binnen kurzer Zeit von dem Novellino erschienen: Neapel 1476, 
Mailand 1483, Venedig 1484, 1492, 1503, 1510, 1522, 1525, 1531, 
1535, 1539, 1541 etc. Möglich wäre es allerdings auch, dass Ma- 
succio und Luigi da Porto aus einer gemeinschaftlichen, ältern, 
uns verloren gegangenen Quelle geschöpft haben, welcher Luigi 
streng folgte, während Masuccio umänderte. Darauf weist der 
oben nachgewiesene Widerspruch zwischen Argomento und Narra- 
zione bei diesem hin. — 

Douce {IUustrations of Shakespeare II, 198) hat versucht, die 
Spuren der Sage von Romeo und Julia noch weiter in das Alter- 
thum zurĂĽck zu verfolgen und glaubt den Ursprung derselben in 



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— 154 — 



einem griechischen Roman des Xenophon von Ephesus, der nach 
einigen im 2. Jahrhundert, nach andern im 4. oder 5. Jahrhundert 
n. Chr. gelebt hat, gefunden zu haben. Der Titel des Werkes 
heisst: Sevotpwvwg *E<peoCov ziuv xata 'Av&Cav xal 'AßQoxdfirjv *Eg>€- 
aiaxwv Xöyoc uxvxs. Xenophon tis Ephesii de Anthia et Habrocome 
Ephesiacorum libri V. Graece et Latine rec. Peerlkamp. Har- 
lemi 1818. Der Inhalt dieses Romans ist folgender: Zu Ephesos 
lebte einst ein angesehener BĂĽrger, Namens Lykomedes, dessen 
Sohn Habrocomes sich durch grosse Schönheit des Körpers aus- 
zeichnete. Dieser lernte an einem Feste der Artemis Anthia, die 
schöne Tochter des Megamedes, kennen. Sie verlieben sich gegen- 
seitig und schwinden vor Liebessehnsucht dahin. Als die Eltern 
aber die Ursache ihres Grames erkennen, vereinigen sie die Beiden 
zu einem glĂĽcklichen Paar. Einem Orakelspruch des Gottes zu- 
folge begeben sich die Neuvermählten auf eine Reise und werden 
auf der See von Räubern überfallen und nach Tyros gebracht. Dort 
verliebt sich die Tochter des Piratenhäuptlings, Manto, in den 
schönen Habracomes und berichtet, als dieser ihre Liebesanträge 
verschmäht, ihrem Vater, der soeben von einer Reise zurückkehrt, 
der Gefangene habe ihr Gewalt anthun wollen. Habracomes wird 
in ein Gefängniss geworfen, Anthia aber der Manto, die sich ver- 
heirathet, als Dienerin geschenkt. Der Gemahl der Manto verliebt 
sich in die Anthia, und aus Eifersucht befiehlt die Herrin einem 
Diener sie zu tödten. Dieser hat jedoch Mitleid mit der unschul- 
digen Anthia und verkauft sie als Sclavin an Kaufleute, die mit 
ihr auf der Fahrt nach Cilicien Schiffbruch erleiden. Inzwischen 
wird Habrocomes, dessen Unschuld offenbar geworden, freigelassen; 
er macht sich auf, die Geliebte aufzufinden. Sie lebte zu der Zeit 
beim Perilaos, der sie aus den Händen der Räuber — diese hatten 
sie nach dem Schiffbruch gefangen genommen — befreit hatte und 
sie zur Frau begehrte. Sie sucht den Tag zur Hochzeit möglichst 
hinauszuschieben. Als aber endlich der Hochzeitstag bestimmt 
war, lässt sie sich von einem Arzte ein Gift geben, mit dem sie 
sich tödten wollte. Dieser giebt ihr jedoch Öaväcifiw fxh ovxl 
(pdQfiaxov, vTwwnxdv de. Sie trinkt den Trank, und so findet man 
sie scheinbar todt in ihrem Bett. Sie wird begraben. Diebe öffnen 
Nachts ihr Grab, um den Schmuck der Beerdigten zu rauben, und 
finden sie lebend im Grabmal. Sie wird nach Alexandria verkauft, 
von wo sie mit einer indischen FĂĽrstin als Sclavin nach Indien 



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— 155 — 



gefuhrt werden soll. Habrocomes fällt inzwischen wiederum in 
die Hände von Seeräubern. Er wird verkauft und von der Frau 
seines neuen Herrn geliebt. Diese tödtet ihren Gemahl, um sich 
mit Habrocomes von Neuem zu vermählen. Als dieser aber ihr 
Anerbieten zurĂĽckweist, giebt sie an, er habe ihren Gemahl ge- 
tödtet. Man ergreift ihn, um ihn hinzurichten; da aber zweimal 
die Götter ihn erretten, wird er endlich freigelassen. Anthia fällt 
auf der Reise nach Indien wiederum Räubern in die Hände, tödtet 
einen derselben, der ihr Gewalt anthun will, und soll lebendig be- 
graben werden. Der Diener aber, der sie im Grabe zu bewachen 
hat, erbarmt sich ihrer und rettet sie. Die Räuber werden zer- 
sprengt; sie selbst wird von einem ägyptischen Heerführer ge- 
fangen genommen, dessen Frau sie aus Eifersucht nach Tarent 
verkaufen lässt. Hier wird sie die Dienerin des Hippothoos, der 
ihrem Gemahl befreundet war und ihr verspricht, den Habrocomes 
ausfindig zu machen. Zunächst will er mit ihr nach Ephesos, um 
dort nach dem Verschollenen nachzuforschen. Auf der Fahrt da- 
hin opfert Anthia zu Rhodos ihr Haar fĂĽr den Verlorenen den 
Göttern ; dorthin war auf seinen Irrfahrten auch Habrocomes ge- 
langt und hier finden sich die Geliebten nach so viel traurigen 
Irrfahrten endlich wieder. GlĂĽcklich kehren sie nach Ephesos 
zurück. — 

Dies ist der Inhalt des Romans von Xenophon von Ephesus, 
der mit Unrecht von Dunlop (Hist. of Fiäion II, 253) als die Quelle 
zur 7. Novelle des 2. Tages in Boccaccio's Decameron betrachtet 
wird; ausser dem bunten Wechsel der Ereignisse haben beide 
nichts mit einander gemein. Hier finden wir allerdings die eine 
Aehnlichkeit mit der Sage von Romeo und Julia, dass eine Frau, 
um ihrem Gemahl die Treue zu bewahren, einen Schlaftrunk nimmt 
und scheintodt begraben wird, um bald darauf wieder ins Leben 
zurĂĽckzukehren. Dies ist aber auch die einzige Aehnlichkeit zwi- 
schen den beiden Erzählungen, die in allem Andern so verschie- 
den wie möglich von einander sind. Und gerade dieser Zug ge- 
hörte gleich den Ueberfällen von Piraten, den Träumen und der- 
gleichen Kunstgriffen zu den allerbeliebtesten und gebräuchlichsten 
Mitteln jener milesischen Märchendichter. So wird auch bei Cha- 
riton von Aphrodisias (zw xatä Xacqiav xal KcdXt$$6rp> igvorcxa 6t- 
riyrinara) die Heldin, in Folge roher Behandlung scheintodt, be- 
graben, und von Räubern, welche die nach der Sitte der Zeit mit 



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156 — 



ihr begrabenen Schätze rauben wollen, lebend aus der Gruft ge- 
holt und entfĂĽhrt. Cf. Dunlop c. L I, p. 77 (1816, 2. Aufl.) Und 
nichts rechtfertigt die Vermuthung, dass Masuccio den griechischen 
Roman gekannt und benutzt habe. Die Editio princeps des Xeno- 
phon von Ephesus datirt nämlich aus dem Jahre 1726, die erste 
italienische Uebersetzung ward von Salvinio drei Jahre vor der 
Editio princeps angefertigt und 1723 in London veröffentlicht (cf. 
Peerlkamp c. 1. p. XLIV). Es ist bekannt, wie wenige ĂĽberhaupt 
zur Zeit des Masuccio in Italien Griechisch verstanden ; zwar er- 
lernten Petrarca und Boccaccio die griechische Sprache, aber Ma- 
succio «non visse tra i tanti eruditi latinisti e grecisti del suo 
tempo, ma tra i signori ed il popolo (c. 1. p. XXIII) und Masuccio 
non fu un erudito; perö scrive in lingua materna, mentre tutti 
scrivono in latino; — egli non fa pompa di storia antica, ne di 
mitologia, ne di alcuna maniera di erudizione: p. XXX. Douce 
hat freilich nicht ĂĽbersehen, dass die Ephesiaca damals noch nicht 
veröffentlicht waren; er nimmt aber an, Luigi da Porto habe das 
Märchen aus dem griechischen Manuscript kennen gelernt. Dabei 
ĂĽbersieht er, dass nicht Luigi, sondern Masuccio den Stoff zuerst 
behandelt hat, der sicher nicht Griechisch verstand. — Eine eng- 
lische Uebersetzung von Rooke erschien 1727 zu London. — 

Einen indirecten Einfluss jener milesischen Märchen auf die 
Sage von Romeo und Julia können wir aber wohl zugestehen, 
da sie frĂĽhzeitig ihren Weg nach Unteritalien gefunden hatten und 
dort allgemein beliebt waren. So konnten einzelne ZĂĽge, die sich 
wiederholt in ihnen fanden, sehr wohl im Volke fortleben und in 
anderen Erzählungen verwerthet werden. Aus dem Sagenschatze 
des Volkes aber wird Masuccio seine Erzählungen geschöpft haben. 

Wir haben nachgewiesen, dass zwei der HauptzĂĽge aus der 
Romeosage, die Liebe der Sprösslinge feindlicher Häuser zu ein- 
ander und das Lebendig-Begrabenwerden einer Scheintodten, auch 
sonst in Prosadichtungen vorkamen. Ich verweise hier noch auf 
zwei Novellen aus Boccaccio's Decamerone (circa 1348—58), in 
denen Scheintodte begraben werden. Die erste ist die 8. Novelle 
des 3. Tages, deren Inhaltsangabe lautet: Ferondo, mangiata certa 
• polvere, e sotterrato per morto e dallo Abbate che la moglie di 
lui si gode, tratto della sepoltura, e messo in prigione e fattogli 
credere che egli e in Purgatorio. Eine Frau beklagt sich bei 
einem Priester ĂĽber ihren eifersĂĽchtigen Gemahl. Dieser giebt ihr 



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- 157 — 

ein Pulver, das ihn drei Tage scheintodt macht. Hier stimmt 
nicht nur die Zeitangabe, sondern auch die Beschreibung des Pul- 
vers auffällig mit der, welche sich in unseren Novellen findet: ri- 
trovata una polvere di maravigliosa virtü, la quäle nelle parti di 
Levante avuta avea da un gran principe — , e che ella, piü e 
men data, senza alcuna lesione facera per si fatta maniera piĂĽ e 
men dormire colui che la prendeva, che mentre la sua virtĂĽ 
durava alcuno non avrebbe mai detto, colui in se aver vita. Auch 
bei Masuccio macht das Pulver drei Tage scheintodt, und bei Beiden 
bereitet es ein Priester. 

In dem Argomento zur 4. Novelle des 10. Tages heisst es: 
Messer Gentil de' Carisendi, venuta da Modona, trae della sepol- 
tura una donna amata da lui, sepellita per morta. Ein Edelmann 
in Bologna verliebt sich in eine bereits verheirathete Frau und 
geht, um seine Liebe zu vergessen, nach Modena. Die Frau fällt 
eines Tages in Ohnmacht, wird von den Aerzten für todt erklärt 
und in einer benachbarten Kirche begraben. Der Edelmann wird 
durch einen Freund hiervon benachrichtigt und eilt an das Grab, 
ihr, die er lebend nicht habe kĂĽssen dĂĽrfen, im Tode einen Kuss 
zu rauben. Da er sie umarmt, merkt er, dass noch Leben in ihr 
sei, hebt sie mit Hilfe eines treuen Dieners aus dem Grabe und 
bringt sie nach Bologna in sein Haus. Als sie dort erwacht, sind 
ihre ersten Worte: Ohne! ora ove sono io? Wie sehr auch die 
Novelle später von unserer Sage abweicht, so ist doch klar, dass 
diese ZĂĽge genau mit den entsprechenden der Romeo -Sage ĂĽber- 
einstimmen. l ) 

Man ersieht hieraus, wie volksthĂĽmlich und allgemein ver- 
breitet dergl. Sagen waren. Und es liegt nahe zu vermuthen, 
dass das erfinderische und erzählungslustige Volk Italiens die er- 
wähnten zwei Novellen -Ingredienzien zu einem neuen Trank zu- 
sammengebraut hat. Freilich, was die Sage so entzĂĽckend macht, 
das haben erst andere später hinzugefügt. 

Wie beliebt unsere Sage in Italien zu jener Zeit war, beweist 
der Umstand, dass sie bald nach Luigi da Porto von einem der 
gleichzeitigen italienischen Dramatiker, Luigi Groto, dramatisirt 
worden ist, auf welches Drama bereits Walker (Historical Me- 
moir on Italian Tragedy, London 1799, p. 49 fgg.), Dunlop (c. L II 



') Ein Schlaftrunk kommt noch in einer Novelle des Cinthio vor (TU, 5). 



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— 158 — 

p. 399 fg.), von Schade (Dramat. Liter, u. Kunst in Spanien, 
Berlin 1845. III, 318) und neuerdings Klein (Geschichte des Dramas, 
5. Bd.) verwiesen haben. Von dem Leben Groto's wissen wir 
wenig. Er hiess il Cieco d'Hadria, weil er fast von Geburt an 
erblindet war, und starb 1585 zu Venedig, von wo seine Gebeine 
nach seiner Vaterstadt Hadria geschafft wurden; dort ruhen sie 
noch. Sein Drama Hadriana muss nach der davorstehenden De- 
dication (il di 29 di Novembre MDLXXVHI) bereits im Jahre 
1578 verfasst sein. Es erschien 1586 zu Venedig, doch muss nach 
den Worten auf dem Titelblatt: nuovamente ristampata bereits 
eine frühere Ausgabe existirt haben. Erwähnt wird noch eine 
spätere Ausgabe von Venedig 1612, appresso Ant. Turino. Mir 
liegt die ältere Ausgabe vor: La Hadriana. Tragedia nova di 
Luigi Groto Cieco d'Hadria. Nuovamente ristampata. In Venetia 
1586. Das StĂĽck ist gewidmet alF illustrissimo S. Paolo Tiepolo 
Der Inhalt ist folgender: 

Atto I: Es bestand eine alte Feindschaft zwischen Mezentio, 
dem Könige von Latium, und dem Vater der Hadriana, dem Kö- 
nige von Hadria. Ersterer kommt mit seinem Heere und belagert 
die Stadt Hadria. Da erblickt eines Tages Hadriana von einem 
Thurme der Stadt aus den Sohn Mezentio's, Latino, und verliebt 
sich in ihn. Ihre Liebe wird von Latino, der sie gleichfalls be- 
merkt hat, erwidert; er schleicht sich wiederholt Nachts in die 
feindliche Stadt und trifft sich mit der Geliebten im Garten der 
Königsburg. Hadriana zieht die Amme in ihr Geheimniss; diese 
warnt sie vor den Folgen ihrer Liebe. Zu ihnen gesellt sich 
Orontea, die Mutter der Hadriana, welche soeben vom Thurme aus 
dem Kampfe der beiden Heere zugeschaut hat. Ein Bote meldet, 
dass das eigene Heer den Sieg ĂĽber die Feinde davongetragen, 
dass aber der Sohn der Orontea im Zweikampfe von Latino ge- 
tödtet worden ist. Der Chor der Frauen Hadria's beendet mit 
einem Trauergesang ĂĽber den Tod des hoffnungsreichen FĂĽrsten- 
sohnes den ersten Akt. 

Atto II: Latino erwartet die Geliebte im Garten und fĂĽrchtet, 
dass sie ihn, als den Mörder ihres Bruders, hassen werde. Er 
reicht ihr seinen Degen und fordert sie auf, ihn zu tödten. Sie 
aber verzeiht ihm. Indem er hofft, dass binnen Kurzem der 
Friede geschlossen werde, und dass er dann öffentlich um ihre 
Hand anhalten könne, nimmt er Abschied von ihr. Inzwischen 



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— 159 — 

soll ein Zauberer (il mago), der um ihre Liebe weiss, ihn von 
Allem, was die Geliebte betrifft, benachrichtigen. Beim Abschied- 
nehmen spricht Latino die Worte: 

E (s'io non erro) e presso il far del giorno. 

Udite il rossignuol che con noi desto, 

Con noi gerne fra i spini etc. 
Ein Chorgesang schliesst den 2. Akt. 

Atto III: Die Mutter kĂĽndet der Hadriana an, dass ihr Vater 
sie mit dem Sohne des FĂĽrsten der Sabiner verlobt habe; sie 
weigert sich, ihm ihre Hand zu reichen, da der Schmerz um ihren 
verlorenen Bruder noch ihr Herz betrĂĽbe und bittet um Aufschub. 
Der Vater ist ĂĽber ihre Weigerung so erzĂĽrnt, das er sie mit 
Gewalt zur Hochzeit zwingen will. In ihrer Bedrängniss bittet sie 
den Magier um Rath, und dieser giebt ihr ein Pulver, das sie auf 
16 Stunden scheintodt machen werde. Sie werde dann in der 
Gruft beigesetzt werden. Er fiagt sie, ob sie den Muth habe, 
unter den Todten zu liegen, und sie antwortet, dass sie selbst in 
die Unterwelt gehen wĂĽrde, um eine zweite Heirath zu vermeiden. 
Diese ganze Stelle erinnert lebhaft an die entsprechende bei Luigi 
da Porto; Groto: 

Se questa via dee darmi al mio Latino, 

Non per l'arche passar fra i corpi morti, 

Ma tra l'alme damnate per rinferno, 

Non mi spaventerei. 
Luigi da Porto: Padre, se per tal via pervenir dovessi a Romeo: 
senza tema ardirei di passare per l'inferno. Inzwischen wolle er 
den Latino benachrichtigen, dass er sie bei ihrem Erwachen ab- 
holen könne. Diesen Zug dankt Groto vielleicht Bandello ; bei 
Luigi da Porto will der Mönch sie allein abholen und sie zu Romeo 
fuhren. Der Chor freut sich, dass Hadriana nun zur Heirath ge- 
neigt sei. 

Atto IV: Ein Bote meldet dem Chor, dass Hadriana todt sei; 
sie habe sich scheinbar gefĂĽgig gestellt; am Abend vor der Hoch- 
zeit habe sie sich von der Amme ein Glas Wasser reichen lassen 
und es mit den Worten getrunken: 

S'io posso, mal mio grado, 
Padre, non mi darete hoggi marito. 
Diese Worte sind beinahe wörtlich aus Luigi da Porto entlehnt: 
Mio padre per certo contra mio volere non mi dara marito s'io 



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— 160 - 

potro, und finden sich in den anderen italienischen Novellen nicht. 
Die Hände über der Brust gekreuzt, habe man sie am Morgen in 
ihrem Bette todt gefunden. Die Amme tritt hinzu und klagt, dass 
sie mit eigenen Händen ihr das tödtliche Wasser gereicht habe; 
diese Klage erinnert wiederum an Luigi da Porto, bei dem sie 
sich gleichfalls findet. Hadriana wird feierlich bestattet, und mit 
einem Trauergesange des Chores endet der 4. Akt. 

Atto V: Der Bote, welchen der Magier an Latino gesandt hat, 
kehrt unverrichteter Sache zurĂĽck; er hat den Brief nicht abgeben 
können, da Latino bereits durch einen Boten, der von der Amme 
an ihn abgesandt war, geheime Kunde von dem Tode der Hadriana 
erhalten hatte. Latino erscheint von dem Boten geleitet selbst; 
er klagt sich an, dass er an dem Tode der Geliebten schuld sei, 
da er sie nicht mit sich genommen. Auch dieser Monolog er- 
innert an Luigi da Porto. Latino trinkt das Gift, das er mit sich 
gebracht, und erwartet, Hadriana in seinen Armen haltend, den 
Tod. Da erwacht Hadriana; ihre ersten Worte sind: 

Dove sono? Chi mi stringe? 

Quest'e, Mago, la fe? cosi secura 

Mi condurrete al mio Latino, e intatta? 

Violando a lui la fede, e la mogliera? 
wiederum fast wörtlich aus Luigi da Porto entlehnt. Der traurige 
Irrthum wird aufgeklärt. Latino bittet Hadriana, die ihm in den 
Tod folgen will, sich am Leben zu erhalten, und stirbt. Da kommt 
der Magier, um Hadriana abzuholen; während er mit seinem Diener 
auf Bitten derselben den Leichnam Latino's in das Grab legt, er- 
sticht sie sich mit einer Nadel, die sie zufällig in ihrem Gewände 
gefunden. Das Land wird von Mezentio und durch eine Wasser- 
fluth verheert, die Königin stirbt vor Schmerz über den Tod ihrer 
Kinder. So endet die Tragödie. 

Dieselbe ist mit Zugrundelegung der Giulietta des Luigi da 
Porto angefertigt. Obwohl Bandello's Novelle vor dem Drama 
erschienen ist, so weist doch nur Weniges auf diese hin; viel- 
leicht dankt Groto ihr den Charakter der Amme; viele Wen- 
dungen aber, ja wörtliche Nachahmung zeigen an, dass der Ver- 
fasser Luigi da Porto benutzt hat. Dies erkannte schon Walker, 
der die Stellen, welche wörtlich an die Giulietta anklingen, ita- 
lienisch abgedruckt hat. Wir haben oben noch einige, die uns 
noch schlagender zu sein schienen, hinzugefĂĽgt. Nur die Namen 



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- 161 - 

» 

und der Ort der Handlung sind verändert; auch das Ende der 
Hadriana ist anders geschildert: sie stirbt nicht vor Schmerz, 
sondern ersticht sich. Interessant ist es, dass Groto als Drama- 
tiker gleichfalls den Charakter der Amme ausgefĂĽhrt hat, wie 
Shakespeare; freilich sind bei ihnen die Ammen zwei verschiedene 
Charaktere. 

Der Stil Groto's ist höchst schwülstig und mit mythologischem 
Zierrath ĂĽberladen. Langathmige Reden mit Reflektionen dehnen 
das Drama, dem es an Handlung fehlt, ungebĂĽhrlich aus. Wir 
erwähnen noch, dass auch Groto angiebt, den Stoff zu seinem 
Drama aus den Annalen seiner Vaterstadt Hadria entnommen zu 
haben. Dies ist eine offenbare Erfindung, durch die er vielleicht 
seine Leser mehr fĂĽr den Stoff interessiren wollte. Dass das StĂĽck 
nach seiner Vaterstadt benannt sei, verräth Groto selbst. 

Noch ein andres italienisches Gedicht, das derselben Periode 
angehört, behandelt die Sage von Romeo und Julia und beweist 
gleichfalls, wie volksthĂĽmlich der Stoff damals in Italien war. Es 
ist dies ein Gedicht angeblich von einer edlen Veroneserin, Namens 
Clitia, auf das Scolari (Lettere critiche), Torri (der es mit der 
Novelle da Porto's und Bandello's zusammen abdruckt) und neuer- 
dings Klein (c. 1. V, p. 435 und X, p. 340) hingewiesen haben. 
Der eigentliche Verfasser soll Gherardo Boldiero sein. Klein giebt 
an, dass es circa 1530 verfasst sei; es giebt nur Eine Ausgabe 
des Gedichts, vom Jahre 1553. Jedenfalls fällt es in die Zeit vor 
Bandello's Novelle. *) Der Titel ist: L'infelice amore dei due fede- 
lissimi amanti, Giulia, e Romeo; scritto in ottava rima da Clitia, 
nobile Veronese ad Ardeo suo. Das Gedicht besteht aus 4 Canti. 

Canto I: Vor 150 Jahren lebten in Verona unter der Herr- 
schaft der Principi della Scala zwei edle Familien, die Cappelletti 
und Montecchi, in Feindschaft. Das Haupt der ersteren gab einst 
ein Maskenfest, wohin trotz der Gefahr auch Romeo Montecchi 
ganz allein ging, getrieben von der Liebe zu einer Dame, die ihn 
stolz zurückwies. Er wird erkannt, da Cappelletti ihm höflich zu 
verstehen giebt, dass es Niemandem gestattet sei, maskirt zu 
bleiben. Wie er Giulia kennen lernt und seine frĂĽhere Geliebte 
vergisst, wie er beim Fackeltanz, der hier ausfĂĽhrlich beschrieben 



l ) Ein Auszug aus dem Gedicht findet sich im 4. Bande der Shakespeare 
Society*! Papers 1849. 

Jahrbuch XI. 11 



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— 162 — 

wird, neben ihr zu sitzen kommt, und ihre Hand erwärmt, die 
Marcuccio Vertio (so wird er hier genannt) zu Eis erfroren hat, 
wird hier in derselben Reihenfolge und zuweilen mit ähnlichen 
Worten wie bei Luigi da Porto erzählt. Sie kennen sich auch, 
wie bei diesem, von vornherein und beklagen beide das böse Ge- 
schick, das ihre Familien veruneint. Als Romeo Nachts von ihr 
im Garten entdeckt wird, tadelt sie seinen Leichtsinn, und er 
antwortet: 

devendo morir, qual miglior sorte 
Häver potrei ch'a morte esser condutto 
Qui in su i vostri occhi innanzi a queste porte? 
Cf. Luigi da Porto: perche son ancho in ogni altro luogo cosi 
presso alla morte come qui, procaccio di morire piu vicino alla 
persona vostra, und ähnlich bei Bandello. Ebenso eng schliesst 
sich das Folgende an Luigi's Erzählung an; der Mönch heisst bei 
Clitia aber Frate Batto Tricastro de minori di San Francesco; der- 
selbe verspricht sie zu trauen. 

Canto II: Giulia geht mit ihrem vertrauten Diener Pietro (so 
heisst er hier wie bei Luigi ; und dieser ist ihr Vertrauter, nicht 
die Amme) zur Beichte und wird dort Romeo angetraut. Da wird 
eines Tages Romeo von Tebaldo presso alle porte dei Borsari an- 
gegriffen (bei Luigi da Porto: nella via del corso; gemeint ist 
damit derselbe Platz, wie aus Bandello hervorgeht, der schreibt: 
su il corso vicino alla porta dei borsari und noch hinzufĂĽgt: 
verso castel vecchio). Er will dem Kampf ausweichen (inanzi a 
glocchi mai sempre havea Pamata sua mogliera, ähnlich bei Luigi 
da Porto: alla sua donna rispetto havendo di percuotere alcuno 
della sua casa si guardava. Clitia fĂĽgt noch hinzu: fa l'amore 
della moglie a Romeo lenta la man), er wird aber von Tebaldo an- 
gegriffen und stösst, aufs Aeusserste gereizt, diesen nieder. Auch 
das Folgende ist dem Stoff nach aus Luigi's Novelle entlehnt; nur 
sagt hier die Mutter, Giulia sei bereits 20 Jahre alt; der Graf 
heisst Francesco conte di Lodrone. 

Canto III: Giulia, die den Grafen heirathen soll, geht zum 
Frate, um sich von diesem Rath und Beistand zu holen. Darin 
weicht die Verfasserin im Folgenden von Luigi ab, dass bei ihr 
Romeo sie mit bei ihrem Erwachen in der Gruft erwarten soll, 
während bei Luigi der Mönch allein sie abholen wollte. Dieselbe 
Aenderung findet sich später bei Bandello, der das Gedicht ge- 



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— 163 — 

kannt zu haben scheint. Ganz eng folgt Clitia dem Luigi in den 
Strophen, welche schildern, wie Giulia den Schlaftrunk zu sich 
nahm. Auch bei ihr spricht sie die geheimnissvollen Worte, die 
von zwei anwesenden Frauen, einer Tante und der Amme, gehört, 
aber nicht verstanden werden. Giulia stirbt hier ebenfalls auf 
dem Landgut und wird von da nach Verona gebracht; der mit 
der Nachricht an Komeo abgesandte Mönch trifft diesen, wie bei 
Luigi, nicht zu Haus. 

Canto IV, et ultimo: Romeo eilt an ihr Grab und trinkt das 
Gift; als Giulia erwacht, glaubt sie, der Mönch umarme sie und 
tadelt ihn wie bei Luigi; namentlich stimmt die Beschreibung der 
Todesart der Giulia bei beiden genau ĂĽberein: e tutta in se ixen 
l'anima raccolta; bei Luigi: raccolto asse il fiato et alquanto te- 
nutolo. Mit dem Tode der Giulia bricht das Gedicht scheinbar 
unvollendet ab; wenigstens ist von dem, was Luigi noch bringt, 
hier nicht die Rede. 

Dem Gedichte folgen Rime d'Ardeo in morte di Clicia sua (hier 
wird der Name mit einem c geschrieben), gleichfalls in Ottava 
rima, und endlich folgt eine Canzone auf den Tod der Clitia. Die 
Sprache des Gedichts ist geziert und weit von der naiven Einfach- 
heit des Luigi da Porto entfernt, aber in der Erzählung und An- 
ordnung der Thatsachen folgt ihm die Verfasserin so eng, dass kein 
Zweifel darĂĽber herrschen kann, wer ihr als Vorbild gedient hat. 
An Luigi da Porto schliessen sich ĂĽberhaupt alle Bearbeitungen des 
Stoffes in Italien, die uns bekannt sind, genau an. 1 ) 

Aber recht eigentlich in die europäische Literatur eingeführt 
ward die Sage erst durch die Bearbeitung des berĂĽhmten italie- 
nischen Novellendichters Bandello, dessen Novelle sich bei Sim- 
rock c. L in deutscher Uebersetzung findet. Nachdem Bandello 
einen Theil seiner Novellen zu Mailand geschrieben hatte, zog er 
sich, der beständigen Umwälzungen in jenem Staate müde, 1534 
auf ein Dorf bei Agen in Frankreich zurĂĽck (cf. Dunlop c. 1. 
p. 453); 1550 ward er Bischof von Agen, wo er im Jahre 1562 
starb. Seine Novellen erschienen zuerst 1554 zu Lucca in drei 
Theilen, ein vierter folgte 1573 nach. Mir liegt eine Ausgabe, die 
zu Mailand 1560 erschien, vor. Der Titel des 2. Bandes, dessen 



') In dem Gedicht der Clitia wird übrigens zuerst der Umstand erwähnt, 
dass die Mutter Tibalt's Tod für die Ursache des Grame der Tochter hält. 

11* 



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1. Novelle die unsrige ist, lautet: H secondo volume delle novelle 
del Bandello, nuovamente ristampato, e con diligenza corretto. Con 
una aggiunta d'alcuni sensi morali dal Signor Ascanio Centorio 
de gli Hortensii ä ciascuna novella fatti. Der Titel der Novelle 
selbst lautet: La sfortunata morte di due infelicissimi amanti, che 
l'uno di veleno e Taltro di dolore morirono, con varii accidenti. 
Hier lautet die Geschichte wie folgt: Zur Zeit der Signori dalla 
Scala lebten in Verona zwei berĂĽhmte adlige Familien, die Mon- 
tecchi und Capelletti, in Feindschaft. Der Zwist zwischen beiden 
hatte schon viele Opfer gefordert. Als Bartolomeo dalla Scala 
regierte, versuchte dieser, den alten Streit zu schlichten, aber 
vergeblich. Da gab einst Antonio Capelletto, das Haupt seiner 
Partei, einen Maskenball, zu dem er viele edle Herren und Damen 
lud. Dorthin ging auch mit mehreren Freunden Romeo Montecchio, 
ein Jüngling von 20 — 21 Jahren, der schönste aller jungen Männer 
Verona's. Er liebte damals seit zwei Jahren ein Mädchen, das 
alle seine Liebesbewerbungen kalt von sich wies. Um seinen Lie- 
besgram zu vergessen, hatte er schon Verona auf 1 — 2 Jahre ver- 
lassen wollen. Aber die Liebe liess ihn seinen Plan nicht aus- 
führen. Ein älterer Jugendfreund warnt ihn, seine Jugendzeit 
doch nicht so nutzlos hinschwinden zu lassen wie der Schnee vor 
der Sonne vergehe. Er solle alle Festlichkeiten der Stadt be- 
suchen und auch anderen schönen Mädchen seine Blicke zuwenden. 
Indem Romeo dem Rathe desselben folgte, ging er auf den bereits 
erwähnten Maskenball. Alle und namentlich die Damen bewun- 
derten Romeo's KĂĽhnheit, auf dem Feste der Feinde zu erscheinen. 
Diese aber Hessen ihn gewähren, da er noch jung war. Als er 
dem Tanz zuschaute, fiel ihm ein Mädchen auf, das ihm schöner 
schien als alle andern; ihr Name war ihm unbekannt. Giulietta 
(so hiess die Schöne), die Tochter des Festgebers, kennt den 
Romeo gleichfalls nicht. Sie folgen einander mit den Blicken und 
geben sich ihre Liebe zu erkennen. Endlich nimmt Romeo an der 
Seite des Mädchens Platz, zu dessen andrer Hand ein gewisser 
Marcuccio il guercio sass, der seiner LiebenswĂĽrdigkeit wegen 
überall gern gesehen war. Dieser hatte stets eiskalte Hände. Giu- 
lietta, die zu ihrer Linken den Romeo und zu ihrer Rechten den 
Marcuccio hatte, flĂĽstert ersterem zu: Benedetta sia la venuta 
vostra a lato ä me, und drückt ihm liebevoll die Hand. 'Wundre 
dich nicht, dass ich deine Anwesenheit segne. Marcuccio hat mit 



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— 165 — 



seiner Hand mich schon fast zu Eis gefrieren lassen, während du 
mich mit deiner Hand erwärmst.' Romeo schätzt sich glücklich, 
ihr diesen Dienst zu erweisen und erwidert, mit ihren Augen habe 
sie ihn schon ganz in Brand gesteckt. Als am Ende des Fackel- 
tanzes, während dessen sie zusammengewesen, Giulietta hinweg- 
geht, folgt ihr Romeo mit den Blicken und erfährt von einem 
seiner Gefährten, wer sie ist. Neugierig erkundigt sich auch Giu- 
lietta bei einer vecchia, che nodrita l'havea, als die Gäste das Haus 
verlassen, nach dem Namen dieses und jenes und endlich auch nach 
dem Romeo's, der die Maske in der Hand eben die Strasse betritt. 
Als sie hört, dass er ein Montecchio sei, erschrickt sie, verheim- 
licht aber ihre Liebe und Besorgniss. In der Nacht kann sie vor 
bangen Bedenken nicht schlafen; sie hofft aber, dass durch ihre 
VereinigĂĽng mit Romeo der alte Zwist der Familien beigelegt 
werden würde. Täglich sah nun Romeo seine neue Geliebte, an 
deren Haus er vorĂĽberging; auch Nachts schlich er sich unter das 
Fenster ihres Zimmers. Da ölmete sie in einer Nacht das Fenster, 
bemerkte ihn im Mondenschein und rief seinen Namen: 'Romeo, 
was beginnst du hier zu dieser Stunde so allein? Wenn man 
dich hier entdeckte, so wäre es dein sichrer Tod.' Er bittet sie, 
ihm Zutritt zu ihrem Zimmer zu gewähren. Sie erwidert, hege 
er böse Absichten gegen sie, so würde er seinen Zweck nicht er- 
reichen, doch wolle sie gern seine Gattin werden. Er möge sich 
an ihren Beichtvater Frate Lorenzo da Reggio wenden. Dieser 
Mönch war dell' ordine dei minori, bewandert in allen Wissen- 
schaften und auch in den ZauberkĂĽnsten. Romeo selbst sowie 
sein Vater ehrten und liebten den frommen Mönch. Bei Tages- 
anbruch ging Romeo ä san Francesco zu diesem und erzählte ihm 
von ihrem Vorhaben. Er giebt seine Zustimmung, indem auch er 
hofft, durch diese Heirath die beiden Häuser auszusöhnen und die 
Gunst des FĂĽrsten zu gewinnen. Giulietta vertraut ihr Geheim- 
niss der Alten an, die mit ihr in einem Zimmer schlief. Diese 
trägt dem Romeo einen Brief zu, in welchem Giulietta den Ge- 
liebten auffordert, in der fĂĽnften Stunde der Nacht unter ihr 
Fenster zu kommen und eine Strickleiter mitzubringen. Sein treuer 
Diener Pietro beschafft eine solche, und mit HĂĽlfe derselben steigt 
Romeo in Giulietta's Gemach. Hier verabreden sie, dass sie am 
Freitag zur Beichte gehen wolle, dann solle Lorenzo sie trauen. 
Der Verabredung gemäss geht sie mit ihrer Mutter, Frau Gio- 



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— 166 — 



vanna, a san Francesco, wo Romeo bereits, von Lorenzo verborgen, 
harrte. In der Zelle des Mönchs werden sie getraut. Am Abend 
treffen sie sich in Giulietta's Garten und feiern die Hochzeit. So 
kamen sie wiederholt zusammen. Da geriethen einst zur Osterzeit 
die Montecchi und Capelletti in der Nähe der porta dei borsari 
an einander. Der AnfĂĽhrer der letzteren war Tebaldo, primo cu- 
gino di Giulietta, ein stolzer Mann, der die Seinigen zum Kample 
anfeuerte. Romeo, der mit einigen Freunden des Weges kam, for- 
derte seine Begleiter auf, die Kämpfenden zu trennen. Sobald Te- 
baldo ihn bemerkt, stĂĽrzt er wĂĽthend auf ihn zu und wird von 
Romeo durchbohrt. Der Gerichtshof erscheint. Romeo flieht ä 
san Francesco und verbirgt sich bei Lorenzo. Signor Bartolomeo, 
vor dem beide Parteien ihre Sache vortragen, verbannt Romeo, da 
durch Zeugen erwiesen wird, dass er unschuldig von Tebaldo her- 
ausgefordert ward. Giulietta ist tief betrĂĽbt, nicht sowohl ĂĽber 
den Tod des Verwandten, als darĂĽber, dass nun alle Hoflhung auf 
eine offene Vereinigung mit Romeo geschwunden ist. Sie bittet 
ihn brieflich, sie doch mit in die Verbannung zu nehmen, und als 
er sie Nachts im Garten trifft, um ihr Lebewohl zu sagen, wieder- 
holt sie ihre Bitte; sie wolle ihm als Diener folgen. Er tröstet 
sie mit der Hoffnung, dass seine Verbannung bald werde aufge- 
hoben werden, dann würden sich die zwei Familien aussöhnen. 
Beim Anbruch der Morgenröthe trennen sie sich. Romeo verlässt 
als Handelsmann verkleidet Verona und geht nach Mantua. Giu- 
lietta, untröstlich in ihren Klagen, schwindet vor Gram und Sehn- 
sucht dahin; die Mutter glaubt, sie gräme sich, dass sie allein 
ledig, während alle ihre Freundinnen verheirathet seien, und theilt 
diese Vermtithung ihrem Gemahl mit. Giulietta sage, sie wisse 
den Grund ihrer Traurigkeit selbst nicht; sie aber hoffe, ihn aus- 
findig gemacht zu haben und bitte ihn, fĂĽr sie einen Gemahl zu 
wählen, da sie bereits 18 Jahre alt werde. Damals lebte in Ve- 
rona ein Graf Paris di Lodrone, ein sehr schöner und reicher 
Jüngling von 24—25 Jahren; den erwählt der Vater zu ihrem 
zukĂĽnftigen Gemahl. Als sich aber Giulietta weigert, ihn zu hei- 
rathen, ergrimmt er und schlägt sie fast. In 3 — 4 Tagen müsse 
sie mit ihm nach Villafranca gehen, wo Graf Paris sie erwarte. 
Giulietta benachrichtigt Romeo vermittelst des Mönchs von Allem, 
und er verspricht ihr, sie binnen Kurzem nach Mantua holen zu 
wollen. Inzwischen sieht sie Graf Paris in Villafranca, und ver- 



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— 167 — 



abredet mit ihrem Vater, dass Mitte September die Hochzeit sein 
solle. Lorenzo aber sagt sie, sie wolle den Lodrone nicht, der 
ihr ein ladrone ed assassino scheine. Sie will nach Mantua fliehen. 
Lorenzo widerräth ihr dies; ihr Vater wurde Boten nachsenden 
und sie zurĂĽckholen lassen, noch ehe sie Mantua erreicht habe. 
Er giebt ihr ein Pulver, das, in Wasser aufgelöst und getrunken, 
sie auf 40 Stunden scheintodt machen wĂĽrde. Sie werde dann 
begraben und von Romeo, den er benachrichtigen wolle, bei ihrem 
Erwachen aus dem Gewölbe abgeholt werden. Heiter kehrt sie 
zu ihren Eltern zurĂĽck. Der Tag der Hochzeit naht heran. Da 
nimmt sie in der Nacht zuvor das Pulver, nachdem schreckliche 
Träume von Leichen, dem erschlagenen Tebaldo, Schlangen und 
Würmern sie fast von ihrem Vorhaben abgeschreckt hätten. Als 
die Alte sie am Morgen wecken will, findet sie sie todt. Das 
ganze Haus fĂĽllt sich mit Wehklagen, die ganze Stadt trauert. 
Lorenzo theilt in einem Briefe Romeo Alles mit und fordert ihn 
auf, den folgenden Tag nach Verona zu kommen. Mit diesem 
Briefe eilt ein vertrauter Frate nach Mantua und steigt zunächst im 
Kloster des heiligen Francesco ab. Dort war zufällig ein Mönch 
an der Pest gestorben. Das Kloster wird geschlossen, und so kann 
der Mönch seinen Brief nicht abliefern. Inzwischen wird Giulietta 
feierlich im Familiengewölbe bei San Francesco beigesetzt, und 
Pietro eilt, seinem Herrn die traurige Kunde zu ĂĽberbringen. Romeo 
ward, als er die Nachricht von dem Tode der Geliebten hörte, nur 
mit MĂĽhe von seinem treuen Diener abgehalten, sich selbst zu 
erstechen. Er sendet Pietro nach Verona vorauf, um Brecheisen 
zum Oeffhen des Grabgewölbes zu beschaffen, schreibt einen Brief 
an seinen Vater, in welchem er ihm Alles auseinandersetzt, steckt 
ein Fläschchen Gift zu sich und eilt als Deutscher verkleidet nach 
Verona. Nachdem er das Grab geöffnet, umarmt er Giulietta, dann 
trinkt er das Gift, das ihm in Mantua jener Spoletiner gegeben, der 
Schlangen in seinem Laden gehabt habe, ĂĽbergiebt Pietro einen 
Brief an seinen Vater, und indem er den Tod erwartet, kĂĽsst er 
Giulietta. Diese kehrt eben in das Leben zurĂĽck, und indem sie 
meint, Lorenzo kĂĽsse sie, tadelt sie ihn, dass er so die Treue 
breche. Sie öffnet die Augen und erkennt Romeo; als dieser sieht, 
dass sie nur scheintodt gewesen, ergreift ihn unendlicher Schmerz, 
da er nur noch eine halbe Stunde zu leben hat. Indem er Te- 
baldo's Leichnam sieht, ruft er ihm zu, nun wisse er ja, dass er 



« 



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ihn nicht habe beleidigen wollen, und bittet ihn nochmals um Ver- 
zeihung. Wenn er Rache wĂĽnsche, so habe er sie jetzt in vollem 
Masse erhalten. Im Tode wĂĽrden sie nun in Einem Grabe vereint 
liegen, die sich im Leben bekämpft hätten. Er bittet Giulietta, 
die mit ihm sterben will, am Leben zu bleiben. Da kommt Lo- 
renzo, von einem getreuen Mönche begleitet, um Giulietta abzu- 
holen, sieht Pietro und eilt, Unglück ahnend, zum Grabgewölbe. 
Giulietta empfängt ihn mit Vorwürfen, dass er den Brief nicht ab- 
gesandt habe, während er ihn doch durch Frate Anselmo abge- 
schickt hat. Romeo bittet ihn, sich Giulietta's anzunehmen und 
verscheidet. Aber obgleich Lorenzo sie auffordert, mit ihm zu 
gehen und in einem Kloster ihr Leben zu beschliessen, beharrt sie 
bei ihrem Entschluss, Romeo in den Tod nachzufolgen, da er sie 
gewiss im Jenseits erwarte, und ihr ohne den Geliebten das Leben 
freudlos sei. Sie legt Romeo's Leichnam auf ihren Schooss und 
stirbt. Während die zwei Mönche und Pietro sie t ins Leben zurück- 
zurufen versuchen, kommt die Wache, welche im Vorbeigehen das 
Licht im Gewölbe bemerkt hat, und ergreift sie. Man fuhrt sie 
vor den FĂĽrsten, der ihnen verzeiht. Die Liebenden werden unter 
allgemeiner Theilnahme in der Gruft bestattet, die zwei feindlichen 
Familien versöhnen sich, wenn gleich ihre Eintracht nicht von 
langer Dauer ist. Romeo's Vater befolgt genau den letzten Willen 
des Sohnes, wie er ihn aus dem ihm ĂĽberbrachten Briefe kennen 
lernte. — 

Es kann kein Zweifel obwalten, dass Bandello den Stoff von 
Luigi da Porto entlehnt hat, dessen Gedanken er zuweilen fast 
wörtlich herübernimmt; so die Worte Giulietta's : benedetta sia 
la venuta vostra etc.; dann die: Romeo, che fate voi qui ä quest' 
hora cosi solo? Bei Beiden werden Romeo und Julia in dem tempo 
della quadragesima vermählt, ebenso bestimmen Beide das Alter 
Giulietta's wörtlich übereinstimmend: ä questa santa Eufemia com- 
pirä i dieciotto anni; bei Beiden sagt Giulietta, sie wünsche keinen 
Gemahl, sie wolle nur sterben. Als Romeo die Giulietta kĂĽsst, 
ruft sie erwachend, bei Luigi: a questa modo, frate, serbate la 
fede a Romeo? bei Bandello: Ahi padre frate Lorenzo, e questa 
la fede che Romeo haveva in voi? und so öfters. 

Aber während Bandello da Porto in allen Hauptpunkten der 
Erzählung aufs Engste folgt, ändert er vielerlei Nebensächliches 
zum Vortheil der Novelle; vieles Unwahrscheinliche dichtet er um 



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und rundet somit die Erzählung immer mehr ab. Den Faden der 
Geschichte selbst aber spinnt er weiter aus; die bei Luigi noch 
ziemlich nackte Novelle umkleidet er mit vielerlei Zierrath; na- 
mentlich liebt er es, pathetische Reden, zu denen der Stoff ja reich- 
lich Veranlassung giebt, einzufĂĽgen und lauge Monologe und philo- 
sophische Betrachtungen einzuschalten, während da Porto die 
kurzen Zwiegespräche vorzog. 

Da die Nachfolger Bandello, nicht da Porto gefolgt sind, lohnt 
es der Mühe aufzuzählen, was die Romeo- und Julia-Sage ihm 
Neues dankt. Zunächst führt er das Verhältniss Roineo's zu seiner 
ersten Geliebten, das bei da Porto nur ganz kurz angedeutet ist, 
weiter aus. Bei ihm erscheint zuerst der ältere Freund, der Romeo 
in pomphafter Rede ermahnt, seine schöne Jugendzeit nicht an 
eine Undankbare zu verschwenden. Während da Porto ganz 
schlicht die Thatsachen erzählt, gestaltet Bandello Vieles künst- 
licher. So kennen sich bei Luigi die beiden Liebenden von vorn- 
herein, bei Bandello nehmen sie die Liebesgluth in sich auf, ohne 
sich zu kennen; Andere mĂĽssen ihnen erst die Namen des resp. 
der Geliebten sagen. Die Strickleiter, mit HĂĽlfe deren Romeo in 
das Zimmer Giulietta's steigt, ist gleichfalls Bandello's Erfindung; 
ebenso findet sich bei Luigi kein Wort von der Trauer um den 
erschlagenen Tebaldo; bei ihm trennen sich die Geliebten beim 
Mönch, bei Bandello und den Nachfolgern im Haus der Giulietta. 
Bandello fülirt zuerst den Streit, in welchem Tebaldo getödtet 
wird, weiter aus. Er dichtet die Vermittlungsversuche Romeo's 
und das Zwiegespräch zwischen ihm und Tebaldo hinzu. Dem 
Bandello verdanken wir auch die Figur der Amme, von der sich 
bei da Porto nichts findet; er benennt zuerst das Landgut Villa- 
franca; er bringt zuerst den Zug, dass der zĂĽrnende Vater die 
ungehorsame Tochter schlagen will. Bei Luigi sieht der Graf Giu- 
lietta gar nicht lebend, während bei Bandello sie sich in Villa- 
franca treffen. Der Name Paris ist Bandello's Erfindung; er fĂĽgt 
auch bestimmte Angaben hinzu; so, dass Paris 24 — 25 Jahre alt, 
dass die Hochzeit im September sein solle u. dergl. Bandello 
hat zuerst jene Monologe Giulietta's, bevor sie das Gift einnimmt. 
Bei Luigi fragt Lorenzo nur: ma dimmi, non temerai del corpo 
di Thebaldo tuo cugino che poco e, che ivi entro fue seppellito? 
(bei Bandello: dimmi figliuola, non haverai tu paura di tuo cu- 
gino Tebaldo che e cosi poco tempo che fu ucciso, e nelP arca, 



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ove posta sarai, giace?) Bei Luigi will Lorenzo Giulietta allein 
aus dem Gewölbe abholen, bei Bandello soll Romeo sie mit ent- 
führen. Während bei ersterem Giulietta das Pulver vor dem ver- 
mutheten Hochzeitstag auf dem Landgut in Gegenwart einer Die- 
nerin zu sich nimmt, trinkt sie es bei Bandello vor ihrem wirk- 
lichen Hochzeitstage in Verona, senza che la vecchia se n'awedesse. 
Bei Luigi stirbt sie auf dem Landgut, bei Bandello in Verona. 
Dieser macht ferner den Pietro zu Romeo's Diener; er erfindet zu- 
erst, dass der Mönch den Brief nicht abliefern kann, weil das 
Kloster der Pest halber geschlossen wird; jedenfalls kam ihm die 
einfache Angabe Luigi's, dass er den Romeo wiederholt nicht zu 
Hause getroffen habe, zu unglaubwĂĽrdig vor. Auch hat Bandello 
nichts davon, dass Lorenzo gerade zu der Zeit, als Giulietta be- 
graben ward, von Verona abwesend war: dergleichen erschien ihm 
zu unwahrscheinlich. Er deutet zuerst an, woher Romeo das Gift 
gehabt habe; bei ihm begleitet zuerst der Diener den Romeo zum 
Grabgewölbe; er dichtet die Anrede Romeo's an den Leichnam 
Tebaldo's liinzu. Luigi erwähnt nicht, dass man dem Mönch ver- 
ziehen habe, was allerdings auch Bandello nur ganz kurz andeutet: 
fu perdonato ä i frati ed ä Pietro. Bandello erwähnt nichts von 
einem Denkmal, das den Liebenden errichtet worden. Er liebt es ein 
wenig Gelehrsamkeit anzubringen; während Luigi ganz kurz sagt, 
kein Arzt könne die scheintodte Giulietta von einer wirklich Todten 
unterscheiden, sagt Bandello, selbst wenn Galeno, Hippocrate, 
Messue, Avicenna sie sähen, würden sie dieselbe für todt halten. 

Indem so Bandello das Unwahrscheinliche der Erzählung, wie 
er sie bei Luigi vorfand, umändert und dem schlichten Bilde des 
Vorgängers viele neue charakteristische und gut erfundene Züge 
hinzufĂĽgt, giebt er der Sage im Grossen und Ganzen diejenige 
Gestalt, in der sie von den Nachahmern getreu copirt worden ist. 

Gleich vielen anderen italienischen Novellen fand auch die uns- 
rige bald ihren Weg in das benachbarte Frankreich. Die Novellen 
Bandello's wurden von zwei Franzosen Boaistuau und Belieferest 
bearbeitet und ĂĽbersetzt, und unter der Zahl der so nach Frank- 
reich hertibergenommenen Geschichten befindet sich auch die von 
Romeo und Julia. Aber schon vorher ward sie in Frankreich in 
der Widmung zu einer französischen Uebersetzung von Boccaccio's 
Philocopo von Adrian Sevin erzählt. Da diese 1542 veröffentlicht 
ward (das Privilegium, das Buch zu verlegen, stammt bereits aus 



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— 171 — 



dem Jahre 1541), die erste Ausgabe Bandello's aber erst von 
1554 datirt, so muss ein älterer Autor die Quelle gewesen sein. 
Auch Sevin erzählt die Geschichte als eine wahre Begebenheit: 
une moderne novelle advenue puisnaguieres en ma presence et au 
sceu de plusieurs. Nach Daniel (New SJiakspere Society, Series III, 
Part I) lautet die Erzählung wie folgt: In einer Stadt Morea's, 
Courron, lebten zwei Edelleute, Karilio Humdrum und Malchipo. 
Ersterer hatte zwei Kinder, einen Sohn Bruhachin, und eine Tochter 
Burglipha; letzterer hatte nur einen Sohn Halquadrich. Die Väter 
starben plötzlich an der Pest und hinterliessen die Kinder ihren 
Frauen Kalzandra und Harriaquach. Da verlieben sich Halqua- 
drich und Burglipha in einander. Der Bruder dieser ist aber gegen 
ihre Verbindung. Es entsteht ein Streit, in welchem Bruhachin 
von Halquadrich erschlagen wird. Dieser flieht. Seine Geliebte 
verzeiht ihm brieflich; sie geht zu einem alten Priester und er- 
klärt, dass sie sich tödten würde, wenn er ihr nicht beistehe. Er 
giebt ihr ein Pulver, das sie 24 Stunden scheintodt machen werde. 
Er wolle sie dann aus dem Grabe holen und dem Geliebten zufĂĽhren. 
Sie trinkt den Trank und wird fĂĽr todt gehalten. Da eilt der 
Diener Halquadrich's, Bostruch, seinem Herrn die traurige Kunde 
zu überbringen. Dieser lässt sich von einem Apotheker Gift geben 
und isst es am Grabe der Geliebten. Sie erwacht und lässt sich 
von ihm die andere Hälfte des Giftes geben. So sterben sie zu- 
gleich und werden in einem Grabmal beigesetzt. 

Dies ist offenbar die Sage von Romeo und Julia mit verän- 
derter Scene. Ob der Franzose diese Veränderung selbst vorge- 
nommen, oder ob er darin einer andern uns unbekannten Quelle 
der Sage gefolgt ist, kann ich nicht bestimmen. 

Dunlop giebt an, dass die Novellen Belleforest's zu Lyon 
1564 veröffentlicht seien. Mir liegt eine ältere Ausgabe derselben 
aus Paris 1561 vor. In dieser sind die von Boaistuau ĂĽbersetzten 
Novellen streng von denen Belleforest's gesondert. Der Titel des 
Werkes heisst: Histoires Tragiques extraictes des oeuvres Ita- 
liennes de Bändel, et mises en nostre langue Franchise, par Pierre 
Boaistuau, surnomme Launay, natif de Bretaigne. Paris 1561. 

Das Privilege du roy für den Buchhändler Sertenas, libraire 
en l'universite de Paris, dieses Buch drucken und verkaufen zu 
dĂĽrfen, datirt bereits vom 17. Januar 1558. Es sind im Ganzen 
sechs Erzählungen. Das Werk des Francois de Belieferest, das 



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den Titel hat: Continuation des histoirea tragiques, extraites de 
l'Italien de Bändel, mises en langue Franchise par Francois de 
Belieferest Commingeois, stammt aus dem Jahre 1559 (Paris) und 
enthält zwölf Erzählungen. Ein gewisser Gabriel de Lyuene, der 
Belieferest in einer Ode besungen hat, ist als Franzose bescheiden 
genug, zu behaupten, dass Bandello nur durch Belieferest fortlebe: 

Ainsi par toy Bändel vivra; 
und ein andrer, Börard de Girard, singt: 

Un Bändel Millannois d'un gros Lombard langage 
A fait de tout cecy, un grand chaos d'ouvrage: 
De ce chaos confus Launay premierement 
En a tire le sens, et ie nom seulement, 
Et t'a fait cy devant voir, combien se descoauvre 
Son rare, et bon esprit en un si parfaict ceuvre. 
Nostre Belle-Forest, tant heureusement nay, 
A suyvi en cecy, les pas de son Launay: etc. 
In dem Advertissement au lecteur sagt Boaistuau, dass er die Arbeit 
mit HĂĽlfe des Belieferest angefertigt; in Bezug auf seine Ueber- 
setzung selbst sagt er in demselben Advertissement: *Te priant au 
reste, ne trouver mauvais, si je ne me suis assubiecty au stile de 
Bändel: car sa phrase m'a semble tant rude, ses termes impro- 
pres, ses propos tant mal liez, et ses sentences tant maigres, que 
j'ay eu plus eher la refondre tout de neuf et la remettre en nou- 
velle forme, que me rendre si superstitieux imitateur: n'ayant 
seulement prins de luy que le subject de l'histoire, comme tu 
pourras aisement descouvrir, si tu es curieux de conferer mon 
stile avec le sien.' Nach unserer Ansicht hat Boaistuau weder 
den Stil noch die Geschichte durch seine Umänderungen verbessert, 
sondern beides verschlechtert; dies haben die Franzosen selbst 
zugestanden. Daniel (c. 1.) citirt das Urtheil eines Franzosen, das 
Brunet in seinem Manuel du Libraire anfĂĽhrt : 'Voici le jugement 
que porte de cette traduetion l'abbe de Saint-Leger, dans une de 
ses notes sur Du Verdier: Belieferest a gate le Bändel par les 
additions et les changements qu'il a fait ä ses nouvelles italiennes; 
aussi la traduetion francaise est-elle tres ennuyeuse et tres degoĂĽ- 
tante, tandisque l'original italien est fort agreable a Bre.' 

Die Geschichte von Romeo und Julia ist die dritte der Samm- 
lung. In dem vorausgeschickten Sommaire erinnert er den Leser, 
der sich etwa darüber wundern könnte, dass Jemand vor Traurig- 



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keit stirbt, an ähnliche Erzählungen bei Plinius, Valerius, Plutarch 
u. A., und versichert ein fĂĽr alle Mal, dass er keine 'histoire fabu- 
leuse' erzähle. Die Ueberschrift lautet: Histoire troisiesme, de 
deux amans, dont l'un mourut de venin, l'autre de tristesse. 

Um festzustellen, was Boaistuau Neues hinzugefĂĽgt, und wie 
er den Bandello benutzt hat, müssen wir Beide sorgfältig mit ein- 
ander vergleichen. 

Boaistuau fängt mit einer Lobpreisung Verona's an; dann 
versichert er nochmals, dass die Geschichte, die er erzählt, tres- 
veritable sei; 'et en est encores pour le jour d'huy la memoire si 
recente ä Veronne, qu'ä peine en sont essuyez les yeux de ceux, 
qui ont veu ce piteux spectacle.' Die Namen hat er alle verändert. 
Zur Zeit, als Seigneur Barthelemy de l'Escale Herr von Verona 
war, lebten in der Stadt zwei berĂĽhmte Geschlechter, die Mont- 
esche's und Cappellett's, in Zwist. Rhomeo Mohtesche, der 20 — 21 
Jahr alt war, le plus beau et mieux accomply gentilhomme, qui 
fust en toute la jeunesse de Veronne (Bandello : il piĂĽ bello e cor- 
tese di tutta la gioventü di Verona), war in ein Mädchen verliebt, 
das ihn kalt verachtet; er will Verona verlassen, um sie zu ver- 
gessen; aber seine Liebe zu ihr hält ihn zurück. II se fondait 
peu ä peu, comme la neige au soleil (B. come neve al sole). Ein 
älterer Freund räth ihm, von dieser Liebe, die seiner unwürdig 
sei, abzulassen. Er, der einzige Sohn seines Hauses, mĂĽsse sich 
auszeichnen. Da gab zur Weihnachtszeit Anthoine Capellet (später 
nennt er ihn auch Antonio) einen Maskenball, auf dem auch Rhomeo ♦ 
(mit und ohne h) mit einigen jungen Freunden erschien, um sich 
die anderen schönen Jungfrauen Verona's anzusehn. Er wird er- 
kannt, allein trotzdem wird ihm seiner Jugend wegen gewillfahrt. 
Hier sehen sich Rhomeo und Juliette zum ersten Mal, ohne sich 
zu kennen, und verlieben sich in einander. Beim 'bal de la torche' 
weiss Rhomeo es so einzurichten, dass er neben ihr zu sitzen 
kommt, während auf der andern Seite Marcuccio Platz genommen, 
courtisan fort ahne de tous, lequel ä cause de ses facecies et 
gentillesses estoit bien receu en toutes compagnies. (B. ch'era 
huomo di corte molto piacevole, e generalmente molto ben veduto 
per i suoi molti festevoli, e per le piacevolezza ch'egli sapeva 
fare). Dieser hatte stets kalte Hände. Julietta sagt zu Rhomeo, 
der ihre linke Hand ergriffen hat: benoiste soit l'heure de vostre 
venue ä mon coste (B. benedetta sia la venuta vostra a lato ä 



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me), und sie gestehen einander ihre Liebe. Als sie am Ende des 
Festes sich erkundigen, wie die resp. der Geliebte heisst, und sie 
den Namen des Erbfeindes hören, sind sie untröstlich. Julietta 
hegt Zweifel, ob der JĂĽngling sie aufrichtig liebe, oder sie nur 
bethören wolle; aber bald ist sie von der Aufrichtigkeit seiner 
Liebe ĂĽberzeugt und hofft, dass ihre Verbindung die zwei feind- 
lichen Familien aussöhnen werde. Sie sehen sich im Garten und 
Rhomeo beschliesst zu Frere Laurens, de l'ordre des freres mineurs, 
ä sainct Francis, zu gehn, dass er sie traue. Juliette verräth 
ihr Geheimniss ihrer Amme, die mit ihr in einem Zimmer schläft ; 
durch diese lässt Rhomeo Juliette sagen, sie solle nächsten Sonn- 
abend zu Laurens zur Beichte kommen; dort sollten sie verbunden 
werden. Bis hierher schliesst sich Boaistuau, trotzdem er in der 
Einleitung das Gegentheil versichert, aufs Engste an Bandello an, 
den er oft genug wörtlich übersetzt; an einigen Stellen fugt er 
allerdings lange Monologe und phrasenhafte Reden ein. So spricht 
Giulietta, als Romeo ihr zuerst seine Liebe gesteht, sehr taktvoll 
nur die Worte: Ohne, che posso io dirvi, se non ch'io sono assai 
piü vostra che mia? Boaistuau legt ihr eine längere Rede voll 
bombastischer Phrasen in den Mund. 

Im Folgenden hat Boaistuau auch den Gang der Erzählung 
mehrfach umgeändert. Juliette kommt mit der Amme und einer 
Dienerin und wird, während diese die Messe hören, Rhomeo an- 
getraut; so fällt bei Boaistuau die zweite Zusammenkunft in 
Giulietta's Zimmer vor der Hochzeit weg. Rhomeo's Diener Pierre 
besorgt eine Strickleiter, die 'au soir sur les cinq heures' (alle 
cinque höre della notte: B.) von der Amme abgeholt wird. Die 
Liebenden können die Zeit der Zusammenkunft nicht erwarten 
(chacune minute d'heure lern* duroit mille ans : parendole un' hora 
milF anni: B.); Rhomeo steigt in Juliette's Zimmer; lange um- 
armen sie sich und stehen sprachlos da, sans qu'elle eust pouvoir 
de luy dire un seul mot (che nulla dir poteva); und nachdem 
Rhomeo eine lange Rede voll Phrasen gehalten, ermahnt die Amme 
sie, die Zeit nicht unbenutzt vorübergehen zu lassen: voylä un 
camp, que je vous ay dresse, prenez vos armes et en jouez des- 
ormais la vengeance (bei Bandello spielt diese Scene im Garten). 
So kamen sie ein bis zwei Monate lang ungestört zusammen. Da 
stiessen zur Osterzeit einige Capellets, an der Spitze Thibault, 
cousin germain de Juliette (primo cugino di Giulietta) mit Mon- 



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— 175 — 



tesches aupres la porte de Boursari zusammen, und Rhomeo, der 
von Thibault heftig angegriffen wird, tödtet denselben und flieht 
zu Laurens. Er wird verbannt. Als Juliette dies erfährt, bricht 
sie in die heftigsten VorwĂĽrfe gegen Rhomeo aus, von denen bei 
Bandello gar nichts erwähnt wird. Dort sendet im Gegentheil 
Giulietta sofort die Amme mit einem Brief an Romeo und bittet 
ihn, sie mit in die Verbannung zu nehmen. Auch klagt sie gar 
nicht um Tebaldo. Bandello sagt vielmehr ausdrĂĽcklich: piangendo 
non la morte del cugino, ma della perduta speranza del parentado. 
Bald aber macht sie sich selbst VorwĂĽrfe, dass sie Rhomeo habe 
tadeln können. Sie verfällt in einen todähnlichen Schlaf, aus dem 
sie von der Amme aufgeweckt wird. Um Juliette zu trösten, eilt 
diese zu Laurens und bringt von Rhomeo die Nachricht, dass er 
Abends zu ihr kommen werde. Beim Abschied bittet Juliette 
Rhomeo, ihm als Diener folgen zu dürfen. Er aber hofft, in 3—4 Mo- 
naten zurĂĽckgerufen zu werden. So scheiden sie mit langen pomp- 
haften Reden, während Bandello taktvoller ihnen nur wenig Worte 
in den Mund legt. Als Kaufmann verkleidet verlässt Rhomeo Ve- 
rona und geht nach Mantua. Da Juliette's Kummer die Aufmerk- 
samkeit der Mutter erregt, und diese sie ermahnt, aufzuhören, um 
den Erschlagenen zu weinen, antwortet sie: Madame, il y a long 
temps, que les dernieres larmes de Thibault sont gettees et croy 
que la source en est si bien tarye qu'il n'en renaistra plus d'autres. 
Dies ist frei von Boaistuau erfunden; bei Bandello sagt Giulietta 
nur: che non sa che cosa s'habbia. Obgleich sie noch nicht 18 
Jahre alt sei, will Antonio ihr einen Gemahl aussuchen, und seine 
Wahl fällt auf Paris, comte de Lodronne. Juliette weigert sich 
zu heirathen und wird von dem erzĂĽrnten Vater, trotzdem sie vor 
ihm auf die Kniee fällt, fast geschlagen. Am Mittwoch müsse sie 
nach seinem Schlosse Villefranche, wo sie dem Grafen ihre Zu- 
stimmung geben solle. Die Hochzeit werde am 10. September 
stattfinden. Sie eilt zu Laurens, der ihr ein Fläschchen mit einem 
Pulver giebt, das sie auf 40 Stunden scheintodt machen werde. 
Boaistuau erzählt hier nichts von dem Zusammentreffen des Paris 
mit Juliette in Villafranca; wohl aber weiss Juliette, die sich 
nun mit Allem einverstanden stellt, das Herz des Paris zu ge- 
winnen. Am Abend vor der Hochzeit bittet sie die Amme, sie in 
ihrem Zimmer allein schlafen zu lassen, da sie zu beten habe. Bei 
Bandello hatte die Amme das Zimmer nicht verlassen ; es heisst 



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dort nur, sie trank das Gift, senza che la vecchia se n'awedesse, 
und ausdrücklich wird erwähnt la vecchia che seco dormiva. Da 
regen sich Zweifel in Juliette: Wie, wenn das Pulver nicht wirkte? 
wenn sie zu frĂĽh erwachte und allein unter den Gebeinen der 
Todten daliegen mĂĽsste? In ihrer erhitzten Phantasie sieht sie 
den Leichnam Thibault's neben sich liegen. Schnell trinkt sie das 
Gift und liegt bald besinnungslos da. Die Amme findet sie am 
andern Morgen scheinbar todt (la pauvre femme chantoit aux sourds, 
la buona vecchia cantava ä sordi: B.). Die ganze Stadt trauert. 
Laurens entsendet einen Bruder seines Klosters, Namens Anselme, 
mit einem Brief an Rhomeo, um diesen von dem Plan zu benach- 
richtigen. Der Bote darf wie bei Bandello das Kloster nicht 
wieder verlassen. Juliette wird 'au cynietiere de sainct Francois' 
in der Familiengruft der Capellets beigesetzt und Pierre eilt, 
Rhomeo hiervon zu benachrichtigen. In seiner Verzweiflung geht 
derselbe zu einem armen Apotheker und bewegt ihn durch 50 Du- 
caten, ihm Gift zu verkaufen. Am Grabmal trifft er sich mit sei- 
nem Diener, der vorausgeeilt war, um ein Brecheisen zu besorgen. 
Er sendet ihn hinweg und trinkt, nachdem er Juliette noch ein- 
mal gesehen, das Gift. Auch hier hat Boaistuau Einiges geändert: 
Rhomeo versucht nicht beim Empfang der Todesnachricht sich zu 
tödten; er trifft sich mit seinem Diener auf dem Kirchhof selbst, 
während bei Bandello er ihn erst von dessen Haus abholt. Ferner 
verheimlicht Rhomeo seinem Diener, dass er Gift bei sich fĂĽhrt 

• 

und schickt ihn, ehe er es trinkt, hinweg; vor Allem aber dichtet 
Boaistuau die Figur des Apothekers hinzu, während bei Bandello 
Romeo angiebt, er habe das Gift von einem Spoletiner (ci diede 
in Mantova quello Spoletino che haveva quegli aspidi vivi ed altri 
serpenti). Da Rhomeo den Leichnam Thibault's sieht, redet er 
ihn an : welche grössere Genugthuung konntest du haben als die, 
dass ich nun neben dir liegen werde? So stirbt er. Da naht 
Laurens, der, weil er von Rhomeo keine Nachricht erhalten, Böses 
ahnt, und erfahrt von Pierre, dass derselbe im Gewölbe sei. Er 
tritt hinzu und findet ihn todt neben Juliette liegen. Zu gleicher 
Zeit erwacht diese. Laurens beschwört sie mit ihm zu kommen; 
er wolle sie in ein Kloster bringen. Sie aber folgt ihm nicht, 
und da man Schritte nahen hört, fliehen Laurens und Pierre. Ju- 
liette nimmt Rhomeo's Dolch und ersticht sich. Die Wache, welche 
Necromanciers im Grabe vermutliet, eilt herzu und findet die zwei 



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— 177 — 

Leichen und Laurens und Pierre, die sich auf dem Kirchhof 
versteckt hatten. Die ersteren werden feierlichst ausgestellt, 
die zwei Gefangenen aber öffentlich verhört. Wiederum benutzt 
Boaistuau die sich ihm darbietende Gelegenheit und lässt Laurens 
eine lange, feierliche Rede halten, in der er Alles aufklärt. Pierre, 
sowie ein Brief Rhomeo's an seinen Vater, bestätigen die Angaben 
des Mönchs völlig. Die Amme wird verbannt, weil sie die Ehe 
geheim gehalten; der Apotheker wird gehängt, Pierre und Laurens 
aber bleiben unbestraft. Dieser zieht sich in eine Einsiedelei zwei 
Meilen von Verona zurĂĽck, wo er noch fĂĽnf bis sechs Jahre lebte. 
Die zwei feindlichen Familien versöhnen sich; den beiden Lieben- 
den aber wird ein Denkmal errichtet, welches heutigen Tages noch 
zu sehn ist. 

Neben vielen unbedeutenden Veränderungen finden sich bei 
Boaistuau zwei von grösserem Belang; erstens hat er die Episode 
mit dem armen Apotheker hinzugefĂĽgt, die Shakespeare zu einer 
eigenen Scene erweiterte, und dann hat er den Schluss vollständig 
verändert: Juliette stirbt nicht mehr vor Schmerz, — das schien 
dem kritischen Franzosen doch zu unglaublich und abenteuerlich 

— sie ersticht sich; wie wir sahen, hatte vor ihm bereits Luigi 
Groto zu diesem Mittel seine Zuflucht genommen. Diesen Schluss 
haben die englischen Nachahmer sämmtlich herübergenommen. 
Trotz der Umänderung hat Boaistuau die Ueberschrift wörtlich 
nach Bandello ĂĽbersetzt: dont l'un mourut de venin, l'autre de 
tristesse, und trotzdem sagt er in dem Sommaire, dass man ebenso 
gut plötzlich vor Schmerz wie vor Freude sterben könne. 

Bald darauf ward unsere Sage aus Frankreich nach England 
verpflanzt und zwar in derselben Form, welche sie bei Boaistuau 
angenommen hatte. Zwei englische Bearbeitungen sind es, welche 
uns aus der Zeit vor dem Drama Shakespeare's vorliegen. Beide 
sind fast zu gleicher Zeit entstanden und beide haben sie, wie 
wir sehen werden, aus derselben Quelle geschöpft. Wir thun des- 
halb gut, sie nicht nur mit Boaistuau, — dieser war ihre Quelle 

— sondern auch unter einander zu vergleichen, um festzustellen, 
in welcher Weise sie die französische Novelle benutzt haben. 

Die erste dieser beiden vorshakespeare'schen Bearbeitungen 
ist die von Arthur Brooke, oder Broke, von deren frĂĽhester Aus- 
gabe nur noch zwei Exemplare vorhanden sind, eins in Oxford und 
eins in Cambridge (cf. Collier, Shakespeare's Library, II). Da letz- 

Jahrbuch XI. 12 



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teres die Prosaeinleitung To the Reader nicht enthält, so giebt es 
nur Ein vollständiges Exemplar, das der Bodleian Library gehört, 
und nach diesem hat Collier seinen Abdruck besorgt. Ganz neuer- 
dings hat Daniel das Gedicht wieder veröffentlicht (New Shakspere 
Society, Series III, Pt. I, 1875 London). Das Gedicht ward von 
Eichard Tottell 1562 gedruckt: Imprinted at London in Flete strete 
tviihin Temble harre, at the signe of the hand and starre, by 
Richard Tottill the XIX day of November, An. Do. 1562. Eine 
zweite Ausgabe, von Totteil im Jahre 1582 besorgt, existirt nicht 
mehr; wieder abgedruckt ward das Gedicht von R. Robinson 1587. 
Wie alt Brooke 1562 war, wissen wir nicht. 1563 starb er, indem 
er auf der Fahrt nach Newhaven Schiffbruch erlitt. Unter den 
'Epitaphes and Epigrammes' des George Turberville von 1567 be- 
findet sich eins 'On the death of Maister Arthur Brooke, droiunde 
in passing to Newhaven'; in demselben erwähnt Turberville Römern 
and Juliet zum Beweis dafĂĽr, dass der Ertrunkene for metre did 
excel. Nur hieraus erfahren wir, dass das Gedicht von Arthur 
Brooke verfasst war; auf dem Titelblatt des Gedichts steht nur: 
'and nowe in Englishe by Ar. Br.' — 

Der vollständige Titel heisst: TJie Tragkall Historye of Römern 
and Juliet, written first in Italian by Bändelt, and noive in Eng- 
lishe by Ar. Br. In cedibus Richardi Tottelli. Cum PriuĂĽegio. 
Dann kommt eine Ansprache To the Reader in Prosa, in der sich der 
Verfasser entschuldigt, dass er eine so gottlose Geschichte erzähle, 
die Geschichte zweier Liebender, die den Rath ihrer Freunde und 
Eltern verachten, sich mit abergläubischen Mönchen abgeben und 
Alles wagen, um ihren sinnlichen Gelüsten zu fröhnen. Ihr böses 
Ende soll den Leser vor ähnlicher Gottlosigkeit warnen. 

Eine zweite gereimte Ansprache To the Reader sagt, dass dies 
das Erstlingswerk des Verfassers: 

the eldest of them loe, 
I off er to the stake; my youthfull Woorke, 
Wiich one reprochefull mouth might ouerthrowe. 
Hierauf folgt ein gereimtes Argument, und endlich das Gedicht 
selbst: Romeus and Juliet. Es ist in Reimpaaren von 6- und 
7 fussigen Jamben verfasst (Zeilen von 12 und 14 Silben, z. B.: 
There is beyonde the Alps, a towne of auncient fame, 
Whose bright renoune yet shineih cleare, Verona men it name), 
und hat etwa 3000 Verse. Eine Inhaltsangabe desselben findet 



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— 179 — 

sich bei A. Schmidt im 4. Bande der Uebersetzung der Deutschen 
Shakespeare-Gesellschaft. Wir werden nur angeben, worin Brooke 
von Boaistuau abweicht. Zunächst bildet er die italienischen 
resp. französischen Namen in englische um. Sie heissen bei ihm : 
Prince Escalus, Capelet (Capilet) and Montagen) (oder Montague), 
Hamens, Juliet, Mercidio, Fryer Lawrence, Tibalt (Tybalt), Count 
Paris, Freetowne, Frier John und Peter. 

Indem Brooke den Inhalt des Sommaire ĂĽbergeht, beginnt er 
die Erzählung mit dem Lobe Verona's. Durchweg giebt er seinem 
Gedicht einen gelelirten Anstrich. So beginnt er die eigentliche 
Geschichte p. 7 (ich citire nach Collier) mit einer Anrufung der 
Pallas und der Musen, und versichert hierauf, wie auch Paynter, 
nach Boaistuau (Sommaire): 

No legend Ige I teil, scarce yet tJieyr eyes be drye, 

Tliat did behold the grisly sight, tvith wet and weping eye. 

Oft finden sich bei Paynter und Brooke in der Uebersetzung die- 
selben Worte; so: retrancher ses affections amourcuses ; Br.: cutte 
of thaffections of Iiis love; P.: to cut of his amorous affections. 
Romeo schmilzt vor Liebe dahin, comme la neige au soleil; Br.; 
as snoxv against the sonne; P.: as the snow agaynst the sunne. — 
Commenca ä le reprendre aigrement übersetzt Br.: gan sharply 
htm rebuke; P.: began sharply to rebuke him; und so öfters. Brooke 
verziert die Erzählung mit vielen mythologischen Vergleichen ; als 
Romeo Juliet zuerst sieht, findet er sie so schön, which Thesens 
or Paris would have chosen to their rape: p. 12 ; Romeo scheint 
der Juliet so viel schöner als die Andern as Plioebns shining bea- 
mes do passe the brightnes of a starre: p. 13. Den verliebten 
Romeo vergleicht Brooke mit Tantalus: tfie lot of Tantalus is Po- 
ntens like to thine: p. 16. Als Juliet Bedenken hegt, ob Romeo's 
Liebe ernst gemeint sei, sagt sie: 

Wfiat, tvas not Dido so, a crouned queene, defaml? 

And eke, for such an heynotis cryme, liave men not Tfieseus blamd? 

A thousand stories more, to teache me to betvare, 

In Boccacce and in Ovids bookes too playnely written are. 

P. 18 sagt Juliet, sie wolle Romeo lieben, tili Attropos shall cut 
my fatall thread of lyfe. 

Ferner liebt es Brooke, allgemeine Sentenzen einzufĂĽgen, so: 

the proverbe saith, unminded oft are they that are nnsecne : p. 12; 

12* 



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— 180 — 

The wedker aye unto the sträng of force must yeld, at length: p. 13; 
und unzählige andere Sinnsprüche. 

Wichtiger als ĂĽber dergleichen Zierrath, den Brooke seinem 
Gedicht hinzugefĂĽgt hat, zu berichten ist es, genau die kleinen 
Züge anzugeben, welche Brooke selbstständig hinzugedichtet hat. 
Wir werden sehen, dass Shakespeare dieselben fast alle in seinem 
Drama benutzt und weiter ausgeführt hat. Zunächst fügt Brooke 
bei der Schilderung des Maskenballes hinzu, dass der alte Capelet 
die Namen der Einzuladenden selbst aufgeschrieben habe: 

But Capilet himselfe hath byd unto his fcast, 

Or by his name in paper sent, appoynted as a geäst 

Dies hat vor ihm Keiner; Shakespeare benutzt es aber in der 
Scene I, 2. P. 20 heisst es bei dem Zusammentreffen der Juliet 
mit Romeo, als dieser ihr seine Liebe erklärt hat: 

And thereupon he sware an othe; 

davon haben Paynter und Boaistuau nichts, wohl aber Shake- 
speare. P. 23 fĂĽgt Brooke hinzu, dass Juliet die Amme durch 
Geld fĂĽr sich zu gewinnen wusste: 

Not easely she rnade the frmvard nurre to boive, 
But wonne at length with promest hyre etc. 

So bildet Brooke den Charakter der Amme, die vor ihm völlig 
als Nebenfigur in dem Hintergrund stand, durch einzelne kleine 
ZĂĽge weiter aus, und auch hierin ist ihm Shakespeare bis in die 
kleinsten Details hinein gefolgt. Als (p. 24) die Amme zu Romeo 
kommt, erzählt sie ihm in ausführlicher Geschwätzigkeit von der 
Jugend der Juliet. Romeo giebt ihr dafĂĽr 6 crotmes of gold. Bei 
ihrer Rückkehr zögert sie, der ungeduldig fragenden Juliet Be- 
scheid zu sagen (p. 25); beides findet sich ebenso bei Shake- 
speare. P. 31 fĂĽhrt Brooke die Worte des Boaistuau: Rhomeo 
se sentant presse par Fimportunite du jour, print conge d'elle 
(Paynter: BJiomeo perceyuing the morning mähe to hasty approch, 
tooke his leaue), weiter aus: 

Tfie hastiness of Phoebus steeds in great despyte they blame; 
und weiterhin: 

The nigh approche of dayes retoarne these seely foles diseasd. 
And for they might no white in pleasure passe theyr Urne, 
Ne leysure had they much to blame the hasty momings crime. 
Shakespeare erweitert dies noch an der bekannten Stelle m, 5. 



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— 181 — 



P. 32: das gate of Boursarie bei Paynter heisst bei Brooke: 
Pursers gate. 

P. 41 — 47 dichtet Brooke in ausführlicher Schilderung hinzu, 
wie Romeo bei der Nachricht von seiner Verbannung hinfällt und 
sich das Haar rauft, und wie Lorenzo ihn tröstet; auch dies hat 
Shakespeare verwerthet m, 3. Brooke benutzt die Stelle zugleich 
dazu, eine Unmenge weiser Lehren auszukramen. 

P. 57 sagt Brooke von Juliet: scarce saw she yet fĂĽll XVI 
yeres; bei Paynter und Boaistuau ist sie noch nicht 18, bei Shake- 
speare noch nicht 14 Jahre alt. 

P. 57 nennt Brooke den Grafen nur County Paris, während 
er bei Paynter und Boaistuau Paris of (de) Lodronne heisst. 

P. 60 sagt der Vater Juliet's, am Mittwoch solle sie sich 
bereit erklären, den Grafen Paris zu heirathen; bei Paynter und 
Boaistuau ist es der Dienstag. 

P. 60 geht der Vater, als er die # strengen Worte zu Juliet 
gesprochen, hinaus, ohne eine Antwort abzuwarten: 
And afler him Iiis wife doth folloiu out of doore, 
And there they leave theyr chidden childe kneeling upon Ohe floore. 
Paynter, Boaistuau und Bandello erwähnen hiervon nichts, wohl 
aber Shakespeare lH, 5. 

P. 66 heisst es bei Brooke von Juliet, die vom Fryer zu- 
rĂĽckkehrt: 

As soone as she was vnto her approched sumwhat nere, 
Before tJie mother spähe, thus did she fyrst hegin. 
Anders bei Paynter; sie kehrt zurĂĽck, where she found hir motiier 
at Ăśie gate attending for hir: And in good devotion demaunded if 
shee continued still in hir former follies? But Julietta witii more 
gladsome cheere than she wont to use, not suffering hir inother to 
aske agayn, sayd untohir: etc. Bei Boaistuau heisst es: qui l'at- 
tendoit, en bonne devotion de luy demander, si eile vouloit encores 
continuer en ses premieres erreurs: mais Juliette avec une con- 
tenance plus gaye que de coustume, sans avoir patience que sa 
mere Pinterrogast, luy dist; hier folgt Brooke dem Boaistuau ge- 
nauer als Paynter. Shakespeare entlehnt an der entsprechenden 
Stelle sogar wörtlich von Brooke: IV, 2 sagt der alte Capulet: 
TU have this knot knit up to-morrow morning; ebenso bei Brooke 
p. 68: The wedlockc knot to knit soone up, und p. 77: tlie wedlocke 
knot was knyt. 



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— 182 — 

P. 68 erzählt Brooke selbstständig, dass die Amme Romeo 
auf Kosten des Paris der scheinbar nachgiebigen Juliet gegenĂĽber 
verkleinert habe: 

And eke she praysetll much to Jier tJie second mariage; 

And County Paris now she praiseth ten times more, 

By wrong, then she her seife by right had Romeiis praysde before, etc. 

Auch diesen Zug hat Shakespeare m, 5 (am Ende) bei seiner 

Charakterzeichnung der Amme verwerthet; auch bei ihm verstellt 

sich Juliet und stimmt der Amme zu. 

P. 73 heisst bei Brooke der Frier, der den Brief ĂĽberbringen 
soll, John, bei Paynter und Boaistuau: Anselme. 

P. 76 sagt Brooke, der Apotheker habe das Gift aus Armuth 
verkauft; er sass unbusied at his doore; bei Boaistuau und Paynter 
verkauft er zu gleicher Zeit an andere Kunden: fayning to gyve 
hym some other medycine befove the people's face. Auch hier folgt 
Shakespeare Brooke, V, 1; ĂĽbrigens verkauft bei jenem der Apo- 
theker das Gift fĂĽr forty diicats, bei Brooke fĂĽr fiftie crownes of 
gold, bei Paynter, wie auch bei Boaistuau, für fifty ducates. — 

Brooke schliesst sich in der AneinanderfĂĽgung der Thatsachen 
und oft sogar im Wortlaut auf das Engste an Boaistuau an, so 
eng wie nur irgend ein Dichter ein Prosawerk benutzen kann. 
Zuweilen folgt er ihm treuer als selbst Paynter. Er verziert aber 
die Geschichte wie mit Arabesken mit schönen Gleichnissen, mytho- 
logischem Beiwerk und Sentenzen, und fĂĽgt einige ZĂĽge selbst- 
ständig hinzu, wie bei ihm namentlich der Charakter der Amme, 
der vorher ganz unbestimmt gelassen war, im Gegensatz zu den 
idealen Gestalten der Juliet und des Romeo nach englischer Weise 
derb realistisch gezeichnet ist. Gleichwohl behauptet Klein (Ge- 
schichte des Dramas X, p. 340 und V, 433 fg.), Brooke sei nächst 
Bandello dem italienischen Poem der Clitia gefolgt, und verspricht 
dies bei Erörterung des Shakespeare'schen Stückes näher nachzu- 
weisen. Wir können auf diesen Nachweis nur gespannt sein. Ich 
habe auch nicht das geringste Anzeichen finden können, das auf 
jenes erwähnte italienische Gedicht hingewiesen hätte. Sowohl in 
den Thatsachen als auch in der AusfĂĽhrung ist dasselbe von 
Brooke's Gedicht grundverschieden. So wird, um nur dies eine 
anzuführen, die Amme bei der Clitia gar nicht erwähnt, während 
doch Brooke gerade diese Figur von Boaistuau abweichend aus- 
gefĂĽhrt hat. Ein ebenso entschiedener Irrthum Klein's ist es, wenn 



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— 183 — 

er Bandello als die Quelle Brooke's angiebt. Obwohl auf dem 
Titel steht: first in Italian by Bändelt, and nowe in Englishe by 
Ar. Br., weist doch nichts auf Bandello hin, der bekanntlich das 
Ende ganz anders als Boaistuau und nach diesem Paynter hat. 
Dies erkannte auch bereits Collier c. 1. p. II. 

Uebrigens ist Brooke's Gedicht ein vorzĂĽgliches Werk, das 
vielerlei Schönheiten der Sprache bietet. 

Die andere vorshakespeare'sche Bearbeitung der Sage in Eng- 
land stammt von William Paynter, der im 2. Bande seines Palace 
of Pleasure (einer Sammlung von Geschichten) the goodly hystory 
of the trtie and constant love betweene Bhomeo and Julietta ver- 
öffentlichte. Dieser 2. Band datirt vom 4. November 1567 und 
erschien ungefähr zwei Jahre nach dem 1. Bande. Auch diese 
Prosabearbeitung findet sich bei Collier c. 1. Während dieser die 
erste Ausgabe benutzte, druckte Daniel (New Shdkspere Society, 
Series III, PL I. 1875) die zweite Ausgabe ab, welche mehrfache 
Veränderungen enthält. Die folgenden Citate verweisen auf die 
Ausgabe des Boaistuau von 1561. — 

Paynter fängt mit einer wörtlichen üebersetzung des Sommaire 
de la troisiesme histoire an, vergisst auch das Lob Verona's nicht 
(sogar die Namen werden fast buchstäblich herübergenommen: 
Adisse = Adissa; Alemaigne = Almayne), und erwähnt ferner, 
dass die Augenzeugen der Geschichte erst vor Kurzem in Verona 
gestorben seien. In der Üebersetzung des Sommaire (p. 31) lässt 
er folgende Worte unĂĽbersetzt: si est-ce que je puis acertener 
une fois pour toutes, que je n'insereray aucune histoire fabuleuse 
en tout cest ceuvre, de laquelle je ne face foy par annales et 
chroniques, ou par commune approbation de ceux qui Tont veu, 
ou par autoritez de quelque fameux historiographe, Italien ou Latin. 

P. 36 steht bei Boaistuau: cendre; P. ĂĽbersetzt dust, Brooke 
genauer ashes. 

P. 38 hat B. : Romeo ging seul avec ses armes en ceste pe- 
tite ruelle: P. lässt avec ses armes unübersetzt; Br. hat es: well 
armcd he walketh foorth alone. 

P. 38 steht bei B. : Jeder liebte den frere Laurens, depuis les 
petits jusques aux grands; P. hat diese Worte nicht; Br.: tfie 
olde, the young, the great and mall. 

P. 41 hat Juliette 3 mortiers de cire vierge anzĂĽnden lassen, 



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— 184 — 



bei P. nur: the tapers of virgin wax; es ist aber wohl nur ein r 
ausgefallen: thre. 

P. 42 bleiben die Worte der Amme: prenez vos armes, et en 
jouez desormais la vengeance bei Paynter unĂĽbersetzt; bei Br.: 
ivhere you mag, if you list, in armes revenge your seife by fight. 

P. 44: B. hat nur die Worte: Romeo attiroit si bien les coeurs 
d'un chacun; hier fugt P. hinzu: like as tJie stony adamante doth 
the cancred iron; Br. hat diesen Vergleich nicht, ebensowenig 
Bandello. 

P. 53: Hier fĂĽgt P. (p. 117) hinzu: tyme, the mother of truth; 
B. hat nichts dem Entsprechendes. 

P. 56 steht bei B. in wörtlicher Uebersetzung aus Bandello: 

la pauvre femme chantoit aux sourds; Br. hat: 

But well away, in vayne unto the deafe she calles, 

SJie thinkes to speake to Juliet, bat speaketh to Ăśie walles. 

P. hat: the poore old woman spoke unto the wall, and sang a song 

unto the deafe. Die Worte spoke unto the wall hat P. vielleicht 

von Br. entlehnt. 

P. 58 steht bei B. : Die Hälfte des Gifts genügt, um in einer 
Stunde den stärksten Mann zu tödten; P. lässt diese Zeitbestim- 
mung weg, offenbar absichtlich, da Romeo ein Gift gefordert hatte, 
das in einer Viertelstunde tödtete. Br. setzt beide Mal: in lesse 
then hälfe an howre. 

P. 62 steht bei B.: C'est Pheure suspecte, et les ferrements; 
P. hat nur: is the suspected hour, Br. wiederum genauer: 
You sag these present yrons are, and the suspected tyme. 

V. 64 fĂĽgt B. hinter Barthelemy de PEscale in Klammem 
hinzu: qui commandoit de ce temps lä ä Veronne; P. hat diese 
Bemerkung weggelassen, weil sie ungenau ist (de ce temps lä), 
und weil Aehnliches bereits am Anfange der Geschichte be- 
merkt war. 

P. 64: P. fĂĽgt an der entsprechenden Stelle hinzu: and kept 
close hys lawfull secrets, according to the well conditioned nature of 
a trusty servaunt; der Grund ist offenbar. Die Amme, die dem 
Befehle ihrer Herrin folgt, wird bestraft; Peter, der seinem Herrn 
folgt, wird öffentlich belobt. Zur näheren Erklärung dieser schein- 
baren Ungerechtigkeit fĂĽgt P. obige Worte hinzu. Br. schliesst 
sich wiederum ganz eng an B. an. 



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— 185 — 



So folgt P. von Anfang bis zu Ende, mit Ausnahme der an- 
gefĂĽhrten Stellen, in ganz sklavisch-getreuer Uebersetzung, oft mit 
Herübernahme französischer Ausdrücke, seiner Quelle. Die Namen 
haben bei ihm meist französische Form: Senior Escala, MontescJies 
und Capellets ; BartJwlmew Escala; Rliomeo, Anthoine (oder An- 
tonio), Mercutio, fryer Laurence, Julietta, Pietro (Petre), Thibault, 
Paris count of Lodronne, Yillafranco (!), frier Anselme. 

A. Schmidt (in Shakespeare's dramatische Werke, herausge- 
geben von der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft Bd. IV) hat in 
der Einleitung zu Romeo und Juliet p. 171 behauptet, Paynter's 
Novelle sei im Wesentlichen eine Uebersetzung nach Boaistuau 
'mit Entlehnung einiger ZĂĽge aus Brooke.' Mit Ausnahme des 
oben citirten Vergleichs to speak to the walh habe ich auch nicht 
die geringste Spur einer Entlehnung aus Brooke von Seiten Payn- 
ter's entdecken können ; und diese Worte sind wohl hinzugefügt 
worden, um die etwas unverständliche Redensart: to sing unto 
the deafe durch eine mehr englische Redewendung zu erläutern. 
Findet sich zuweilen Uebereinstimmung in den Worten bei Brooke 
und Paynter, wie wir oben an mehreren Beispielen nachgewiesen 
haben, so erklärt sich dies daraus, dass beide dieselbe Quelle 
möglichst wortgetreu benutzt haben. — Daniel (c. 1.) glaubt noch 
an der folgenden Stelle einen Einfluss Brooke's auf Paynter wahr- 
zunehmen; die Worte Boaistuau's: je demeure la fable du peuple 
ĂĽbersetzt Brooke: The peopWs tale and laughing stock slwll I re- 
mayne for aye, und Paynter in der ersten Ausgabe: / shall re- 
mayne a Fable and icsting stocke to the People ; in der zweiten 
Ausgabe sind die Worte 'and iesting stocke' weggelassen. — 

Ausser diesen zwei Bearbeitungen der Sage sind von eng- 
lischen Gelehrten noch einige Nachbildungen und Anspielungen auf 
dieselbe aus der Zeit vor Shakespeare nachgewiesen worden, welche 
beweisen, wie volksthĂĽmlich die Sage in England war: 

1) Bernard Garter: The tragicall and true historie whicli hap- 
pened betwene two English louers. 1563. written by Ber. Gar. 1565. 
In oedibus Eichardi Tottelli. Cum Priuilegio. Daniel (c. 1.) giebt 
von dem äusserst seltenen Werk einen Auszug. Es ist im Stil 
eine entschiedene Nachahmung Brooke's, hat aber mit der Ge- 
schichte von Romeo und Julia nichts zu thun. Die Scene wird 
nach England verlegt; sonst werden in der Erzählung keine Namen 
genannt. Die Personen heissen nur the Lovers, tlie Father and 



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— 186 — 



Mother, the Nurse, an olcl Doctor. Zwei junge Leute verlieben 
sich in einander und heirathen sich. Da bricht ein Krieg aus und 
der junge Ehemann zieht mit den Truppen fort; er zeichnet sich 
sehr aus, wird aber von einem Soldaten unschuldig des Verrates 
angeklagt. Um die Sache auszutragen, kommt es zu einem Duell. 
Der Ankläger fällt, aber auch unser Held stirbt an den erlittenen 
Wunden. Als seine junge Frau diese traurige Nachricht erhält, 
stirbt sie plötzlich vor Gram. 

2) Aus Brooke's Address to the Reader erfahren wir, dass vor 
1562 derselbe Stoff auf die englische BĂĽhne gebracht war, und 
zwar lobt Brooke das StĂĽck als ein vorzĂĽgliches: though I saw 
the same argument lately set foorth on stage with more commenda- 
tion then I can hohe for, being there much better set forth than I 
have, or can dooe. 

3) 1565 wird die Sage von T. Peend, oder Delapeend, in 
seinem Pleasant fable of Hermaphroditus and Salmacis: With a 
morall in English verse, erwähnt; hier heisst es: 

And Juliet, Romeus yonge, 

For bewty did imbrace, 

Yet dyd hys manhode well agree, 

Unto hys worthy grace; 
dazu in einer Anmerkung: Juliet, a noble mayden of the cytye Ve- 
rona, in Italye, whyche loved Romeus, eldest sonne of Ăśie Lorde 
Montesche, and beinge pryvely maryed togyther: he at last poysoned 
hymselfe for love of her. SJie, for sorowe of his deatlie, sletve her- 
seife in the same tombe with hys dagger. 

4) 1570 erschien Henry Bynneman: The Pitifull Hystory of 
2 lovyng Italians. 

5) In A right excellent and pleasant Dialogue betwene Mercury 
and a Souldier 1574 sagt der Verfasser, Baraabe Bich, dass the 
pittifull history of Romeus and Julietta auf Tapeten dargestellt war. 

6) wird die Sage erwähnt in The Gorgeous Gallery of Gallant 
Inventions: 1578. Sir Romeus 1 annoy but trifte seems to mine. 

7) 1579 in A poor knight his Palace of private Pleasure. 

8) 1582 erwähnt Stanyhurst in seinem Epitaph zu der Ueber- 
setzung der vier ersten BĂĽcher von VirgiFs Ă„neide Juliet neben 
Dido und Cleopatra. 

9) 1583 in Melbancke's Philo timus: the Warre betwixt Nature 



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— 187 — 

and Fortune; darin die Worte: nor Romeo thou hast cause to weepe 
for Juliets losse. 

10) 1596 wird a new hallad of Romeo and Jidiett erwähnt, 
die nicht erhalten ist. — 

Bevor wir uns zu Shakespeare selbst wenden, mĂĽssen wir 
noch einen Abstecher nach Spanien machen. Auch dort taucht 
plötzlich die Sage von Romeo und Julia in zwiefacher Gestalt auf, 
in einem Drama des Lope de Vega und in einem andern des Fran- 
cesco de Rojas. Auf dieselben hat bereits Dunlop in seiner Hi- 
story of Fiction II, p. 401 aufmerksam gemacht, scheint aber we- 
nigstens das StĂĽck des Rojas nicht gekannt zu haben ; sonst wĂĽrde 
er nicht behauptet haben: the former (das StĂĽck des Rojas) coin- 
cides precisely with Romeo and Juliet. Das Drama Lope's wird er 
aus einer englischen Uebersetzung, die 1770 in London erschien, 
gekannt haben. Der Titel heisst: Romeo and Juliet, a comedy 
written by fliat celebrated dramatk poet, Lopez de Vega, contempo- 
rary with Shakespeare, and built upon the same story on which 
tlmt greatest dramatk poet of the English nation lias founded his 
well known tragedy. London, printed for William Griffin, at Gar- 
rkk f s Head in Catharine Street, Strand. 1770. 8°. Eine Inhalts- 
angabe des Lope'schen StĂĽckes findet sich bei von Schack (c. 1. 
II, p. 331—337) und bei Klein (c. 1. X, p. 340 fgg.). Neuerdings 
ist eine zweite englische Uebersetzung erschienen: Castelvines y 
Monteses. Tragi- Comedia, by Frey Lope Felix de Vega Carpio. 
Translated by F. W. Gosens. London 1869. Da die erste englische 
Uebersetzung sehr ungenau war und nur die Stellen vollständig 
wiedergab, die eine gewisse Aehnlichkeit mit den entsprechenden 
bei Shakespeare zeigten, so ist die wortgetreue, vollständige Über- 
setzung von Cosens ein sehr verdienstliches, willkommenes Werk. 

Wir geben zunächst eine kurze Inhaltsangabe des Stückes, 
das meist in Verona spielt. 

I. AM. Roselo (der Romeo der Sage) und sein Freund An- 
selmo hören aus dem Hause Antonio's, des Hauptes der Castel- 
vines, festliche Musik herausschallen und wollen den Diener Marin 
hineinsenden, um zu erfahren, was gefeiert werde. Dieser, ein 
Feigling, wagt sich nicht in das Haus hinein; denn alte Feind- 
schaft bestand zwischen seinem Herrn und den Castelvines. So 
wollen sie selbst maskirt sich hineinwagen, um sich die schönen 
Mädchen des Festes anzusehen. Wahrlich, sagt Roselo, da die 



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— 188 — 

• 

Männer der Monteses ebenso kühn und tapfer sind, wie die Frauen 
der Castelvines schön, so sollte die Fehde zwischen beiden durch 
die Hochzeitsfackel beendet werden. Abenteurerlust treibt sie trotz 
der warnenden Stimme des feigen Dieners in das Haus des Fein- 
des hinein: 

/ must even have (sagt Roselo) 
Mine own free fancy unmolested go, 
Despising that whicli mm call easy gain, 
Td climb a mach more cragged })ath. 
Die zweite Scene fĂĽhrt uns auf das Fest selbst. Otavio, der 
Vetter Julia's, folgt dieser in den Garten, wo sie sich vom Tanz 
abkühlen wollen. Teobaldo und Antonio, die Väter der Beiden, 
blicken ihnen nach und wĂĽnschen, dass sie ein Paar wĂĽrden. Da 
tritt Eoselo mit seinen Begleitern ein und sobald er Julia sieht, 
entbrennt er in Liebe zu ihr und bedauert, dass man ihn von Ju- 
gend auf gelehrt habe, sie als eine Castelvine zu hassen. Die Liebe 
macht ihn so kĂĽhn, seine Maske abzunehmen; er wird von Antonio 
erkannt, und nur mit Mühe hält Teobaldo denselben zurück, Roselo 
mit dem Schwert in der Hand die ThĂĽr zu weisen. Inzwischen 
ist auch Julia von ihrer Cousine Dorotea auf den schönen Jüng- 
ling aufmerksam gemacht worden und sofort schenkt sie dem 
Fremdling ihr Herz, ohne ihn zu kennen. Wählend Anselmo sich 
mit Dorotea unterhält, setzt sich Roselo zu Julia, auf deren an- 
derer Seite Otavio mit den stets eiskalten Händen sitzt, und nun 
erfolgt eine Unterhaltung, die zu den Glanzpunkten des StĂĽckes 
gehört. Listig weiss Julia ihre Worte so zu stellen, dass, obwohl 
sie zu Otavio gewandt spricht, dieselben fĂĽr Roselo bestimmt sind. 
Sie giebt ihm ihren Ring, und sie verabreden, sich am andern 
Abend im Garten zu treffen . Als die Gäste scheiden, fragt Julia 
ihre Dienerin Celia nach dem Namen des Geliebten, und als sie 
erfährt: es ist Roselo, Arnaldo's Sohn, da bricht sie in Klagen 
aus; nun aber sei es zu spät, die Liebe habe ihr Herz bereits 
völlig ergriffen. 

Die dritte Scene fĂĽhrt uns in das Haus Arnaldo's; derselbe 
kehrt soeben von einer Reise zurĂĽck und fragt seinen Diener nach 
Roselo's Befinden. Er hört wenig Gutes über die Führung seines 
Sohnes; dieser lebe leichtsinnig, spiele viel und suche erst frĂĽh 
am Morgen sein Bett auf; zu alledem verfĂĽhre ihn sein Diener 
Marin, jener gottlose Bursche. Und gleich darauf, als Arnaldo 



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— 189 — 

die BĂĽhne verlassen, kommt Freund Marin selbst und freundschaft- 
lich schĂĽtteln sich die beiden Diener die Hand. Roselo wirft dem 
Schicksal vor, warum er sich gerade in die Tochter des Feiudes 
habe verlieben mĂĽssen, beschliesst aber, mit Anselmo und Marin 
zu dem gefahrvollen Rendez-vous zu gehn. 

Die vierte Scene spielt in Julia's Garten, wo diese mit ihrer 
Dienerin Celia den Geliebten erwartet. Den gerade zur unrechten 
Stunde sie störenden Otavio weiss sie geschickt zu ihrem Vater 
zu entsenden. Endlich kommt Roselo und sie verabreden, sich in 
der Kirche bei einem befreundeten Mönch zu treffen, der sie trauen 
würde. Als er ihr Liebe zuschwört, sagt sie: 'Schwöre nicht, denn 
ich habe gelesen, dass die, welche so leichtfertig schwören, bei 
Gott und der Welt nur wenig Vertrauen besitzen. , Die Fusstritte 
Jemandes, der in den Garten kommt, scheuchen das Liebespaar 
aus einander. — 

IL Akt. Der alte Streit der Castelvines und Monteses ist von 
Neuem ausgebrochen: in der Kirche haben mehrere der einen 
Partei die KirchenstĂĽhle der andern bei Seite gerĂĽckt, und laut 
ruft der alte Teobaldo seinem Sohne Otavio zu, diese Schmach zu 
rächen. Anselmo und Roselo nähern sich dem Platze in eifrigem 
Zwiegespräch. Letzterer vertraut seinem Freunde an, dass er nun- 
mehr mit Julia vermählt sei. Der Mönch Aurelio sei zwar An- 
fangs gegen die Verbindung gewesen; da er aber gehofft habe, 
durch dieselbe die zwei feindlichen Häuser zu versöhnen, so habe 
er nachgegeben. Da stĂĽrzen Antonio und Otavio auf der einen, 
und Arnaldo und Marin auf der andern Seite mit gezogenen Schwer- 
tern aus der Kirche. Roselo versucht die Kämpfenden zu trennen; 
als er aber dem Otavio vorschlägt, er wolle die Julia heirathen, 
und er solle die Andrea Montes zur Frau nehmen, dringt Otavio 
wüthend auf ihn ein — und Roselo erschlägt ihn. Der Herzog von 
Verona mit seinem Gefolge kommt hinzu und fragt nach dem Ur- 
heber des Streits und wer den Otavio erschlagen habe. Alle be- 
zeugen, dass Roselo nur, nachdem er von Otavio wĂĽthend ange- 
griffen, das Schwert gezogen habe, auch Julia und Celia, die eben 
aus der Kirche zu dem Verhör hinzukommen. Roselo, der sich mit 
Marin in einen benachbarten Thurm geflĂĽchtet hat, wird vom Her- 
zog herabgerufen, der ihn, um ferneren Aufruhr in Verona zu ver- 
meiden, verbannt. 

In der zweiten Scene nimmt Roselo von Julia im Garten Ab- 



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- 190 - 

schied und verspricht die Geliebte bald nachzuholen. Und wäh- 
rend die beiden Liebenden allen Schmerz der Trennung empfinden, 
sagt Marin in burlesk-parodirender Weise seiner Celia Lebewohl. 
Da erscheint Antonio; Roselo und sein Diener fliehen eiligst; zornig 
fragt der Vater, was Julia in so später Stunde noch allein im 
Garten zu thun habe und warum sie weine. Sie sagt, ihre Thränen 
gälten ihrem erschlagenen Geliebten. Um ihren Schmerz zu lin- 
dern, will Antonio einen andern Geliebten für sie wählen, und seine 
Wahl trifft den Grafen Paris, der frĂĽher um ihre Hand bei ihm 
angehalten habe und bald mit dem Herzog von einer Reise zurĂĽck- 
kehren werde. 

In der dritten Scene trifft Paris mit Roselo, der eben mit 
Marin auf dem Wege nach Ferrara begriffen ist, auf der Land- 
strasse zusammen und verspricht, ihn seinen Feinden gegenĂĽber 
vertheidigen zu wollen. Ein Diener Antonio's ĂĽberbringt einen 
Brief, in welchem der Vater Julia's Paris auffordert, eiligst nach 
Verona zu kommen, wo seine Tochter ihn als Bräutigam erwarte. 
Nur mit MĂĽhe unterdrĂĽckt Roselo seine Aufregung ĂĽber diese 
Nachricht. Als sie sich getrennt haben, bricht er in heftige Kla- 
gen ĂĽber die Treulosigkeit der Geliebten aus, und Marin weiss 
keinen jandern Trost als den, dass es in Ferrara mehr schöne 
Frauen gebe. — 

III. Akt. Nachdem sich Julia erst geweigert, Paris zu hei- 
rathen, giebt sie dem Drängen ihres Vaters scheinbar nach; wäh- 
rend aber Antonio, hocherfreut über diese Sinnesänderung der 
Tochter, weggeht, die Vorbereitungen zur Hochzeit zu treffen, ĂĽber- 
bringt Celia ihr vom Mönch Aurelio, an den Julia in ihrer Be- 
drängniss sich gewandt hatte, Gift. Julia trinkt es und fällt iu 
einen todähnlichen Schlaf, nachdem sie ihiem Roselo nochmals 
Treue zugeschworen. 

Dieser bringt inzwischen (zweite Scene), um sich an der treu- 
losen Geliebten zu rächen, der schönen Sylvia ein Ständchen, als 
sein Freund Anselmo aus Verona, von Aurelio entsandt, ihm die 
Nachricht von Julia's Tod bringt. Man habe sie scheintodt be- 
graben; er solle nun kommen und sie, die nach zwei Tagen wie- 
der in das Leben zurĂĽckkehren werde, abholen, um mit ihr zu 
entfliehen. 

In der dritten Scene kommt Antonio zum Herzog, der Paris 
über den Verlust der Braut tröstet, und holt sich von ihm die 



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Erlaubniss zur Heirath mit seiner nahen Verwandten Dorotea. Da 
nun Otavio und Julia todt seien, wĂĽrde sein Haus aussterben, 
wenn er nicht wieder heirathe. Der Herzog giebt seine Einwilli- 
gung. Die vierte Scene fuhrt uns in das Grabgewölbe unter der 
Kirche zu Verona. Julia, die aus ihrem Schlaf erwacht, weiss 
nicht, wo sie ist und wie sie dahin gekommen. Da naht sich 
Licht; es sind Kusel o und Marin, jder in seiner Herzensangst das 
Licht hinfallen lässt. Als Julia sie anredet und fragt: 'Seid Ihr 
lebend oder nicht?' antwortet Marin : 'Ich bin wahrlich todt.' So 
contrastiren seine Witze seltsam mit dem schaurigen Ort der Hand- 
lung. Roselo erkennt Julia an ihrer Stimme; er erzählt ihr, wie 
er hierhergekommen, und sie verlassen die Gruft, um zunächst als 
Bauern verkleidet auf einem Gute von Julia's Vater zu wohnen. 

Hier finden wir sie nebst Anselmo in Bauerntracht (in der 
letzten Scene des Dramas) bei den Bauern des Gutes, die ihren 
Herrn Antonio zur Feier seiner Hochzeit mit Dorotea erwarten. 
Als Antonio selbst erscheint, um sich zu ĂĽberzeugen, ob Alles zum 
Feste vorbereitet sei, spricht Julia als Engel aus dem obern Stock- 
werk des Hauses zu ihm und verkĂĽndet ihm ihre Verbindung mit 
Roselo. Da sie wieder verschwindet, erklärt sich Antonio bereit, 
Otavio als seinen Sohn anzuerkennen. Zugleich bringt Teobaldo 
Roselo, Anselmo und Marin als Gefangene an. Man hat sie er- 
kannt und will sie tödten. Antonio aber, seinem Versprechen ge- 
treu, tritt dazwischen und begrtisst Roselo als Sohn, ja er will 
ihm sogar seine eigene Braut Dorotea zur Gattin geben. Da tritt 
Julia dazwischen und nimmt Roselo fĂĽr sich in Anspruch und 
nachdem sich Alles aufgeklärt, begrüsst Antonio sie als seine 
Kinder. Anselmo heirathet Dorotea und Marin seine Celia. So 
endet das StĂĽck mit einer dreifachen Hochzeit: 

Good Senators, here, I pray 'tis understood, 

Die Castelvines ends in happiest mood. 
Welch' ein Gegensatz zu allen bisherigen Bearbeitungen der 
Sage ! Die ernste Novelle ist unter Spaniens heiterem Himmel in 
eine Comödie verwandelt worden, die oft ans Possenhafte anstreift 
Die Sage, die in den Novellen der Italiener in dramatisch-belebten 
Zwiegesprächen, die in Frankreich in pathetischen Reden, in Eng- 
land in gedankenreichen Versen nacherzählt worden war, aber 
immer mit demselben ernsten Antlitz, tritt hier plötzlich mit hei- 
terer Maske, mit lustigen, scherzhaften Gesprächen vor uns hin. 



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Der tiefe Strom der Sage ist plötzlich verflacht und in die seichten 
Schablonen der spanischen comedia geleitet worden. Hier finden 
wir alle die stehenden Figuren des spanischen Dramas wieder: 
Roselo den primero galan, Julia die dama, Antonio den barba, 
Dorotea die eifersĂĽchtige Freundin, und vor Allem fehlt der Possen- 
reisser nicht, der gracioso, der als feiger und stets witziger Die- 
ner die tragischen Worte seines Herrn, des Helden, parodirt. 
Scherzhafte Partien sind reichlich in die ernste Handlung einge- 
flochten. Während von Schack, der eifrige Bewunderer der spa- 
nischen dramatischen Muse, an dem StĂĽck den witzigen Dialog 
und die wunderbar poetische Sprache rĂĽhmt, giesst Klein die ganze 
Schale seines Zorns ĂĽber dem Drama aus: 'Die grossen spanischen 
dramatischen Virtuosen wissen von jener Liebe nichts, die der 
Apostel verherrlicht; sie kennen nur das geräuschvolle Liebes- 
pathos.' 'Jeder Zoll ein spanischer Comödienschablonenheld,' sagt 
er an einer andern Stelle von Roselo. Und fĂĽrwahr, denken wir 
an Shakespeare's wundervolles Drama, so mĂĽssen wir Klein Recht 
geben. — Wir wissen nicht genau, wann das Stück verfasst ist; 
nur soviel steht fest, dass es vor 1603 geschrieben ist, da es sich 
in einer Liste der bis zu diesem Jahre von Lope gedichteten 
Stücke mit erwähnt findet. 

Fragen wir, woher Lope den Stoff entnommen habe, so kann 
man zweifelhaft sein, ob die Sage ihren Weg ĂĽber Frankreich 
nach Spanien genommen habe, oder ob sie direct aus Italien ein- 
gewandert sei. Wir wissen, dass zur Zeit Lope's (1562—1635) 
die spanische Literatur am stärksten von der bereits zu herrlicher 
BlĂĽte entfalteten italienischen Literatur beeinflusst ward. Nicht 
nur Dante, Petrarca, Ariost und Tasso waren in Spanien bekannt, 
sondern auch die Novellen eines Boccaccio, Bandello, Cinthio und 
Anderer existirten in spanischen Uebersetzungen, die vielfach von 
den Dramatikern benutzt wurden. Auch Lope hat aus dieser reich- 
haltigen Fundgrube wiederholt geschöpft (cf. v. Schack, c. 1. II, 
p. 330 und Klein, X, p. 493) und mehrfach aus unserem Bandello. 
So entlehnte er den Plan zu seinem el mayordomo de la Duguesa 
de Amalfi aus Bandello I, 26; ebendaher stammt seine La Quinta 
de Florencia. So wird er auch den Stoff zu unserem Drama di- 
rect dem Bandello verdanken. Freilich können ihm auch die Hi- 
stoires tragiques des Belieferest bekannt gewesen sein. Nicht nur 
unsere Erzählung, sondern auch die der Quinta de Florencia zu 



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— 193 — 

Grunde liegende finden sich aus Bandello entnommen auch bei 
Belieferest (I, 12). Einige der Namen, wie Antonia (diese Form 
findet sich allerdings neben Anthoine auch bei Boaistuau), An- 
selmo, Mercutio und Teobaldo sprechen aber fĂĽr die Annahme 
einer directen Benutzung Bandello's. — 

Die zweite spanische Dramatisirung der Sage stammt von 
Francesco de Rojas y Zorrilla und fĂĽhrt den Titel: Los Bandos 
de Verona. Montescos y Capeletes. Auch hiervon existirt eine 
englische Uebersetzung von F. W. Cosens, London 1874, welche 
aber nur die Stellen wiedergiebt, die einige Aehnlichkeit mit dem 
Shakespeare'schen StĂĽck haben. Danach ist der Inhalt folgender 
(auch Klein, Bd. XI, p. 253 fg. giebt einen kurzen Auszug): 

2. Akt. Das StĂĽck beginnt mit einer Unterredung zwischen 
Julia Capelete und Elena, Romeo's Schwester, der unglĂĽcklichen 
Gattin des Grafen Paris, der sie vernachlässigt. Sie kommen im 
Laufe der Unterhaltung auf den Ursprung der Feindschaft zwi- 
schen den Montescos und Capeletes zu sprechen: Otavio Komeo, 
das Haupt der Montescos und der Vater der Elena, erschlug aus 
Zufall bei einem Turnier den Luis Capelete, den Bruder der Julia, 
und wird aus Rache getödtet. Seit drei Jahren wüthet nun der 
Kampf in Verona. Romeo dringt, um seines Vaters Tod zu rä- 
chen, in das Haus der Capeletes ein; dabei sieht er Julia und ver- 
liebt sich in sie; seitdem kommen sie öfters verstohlen zusammen. 
Heute aber soll sie auf Wunsch ihres Vaters ihren Vetter Andres 
heirathen. Da treten plötzlich unerwartet Romeo selbst und sein 
Vetter Carlos ein, welche von der Abwesenheit des Vaters Julia's 
wissen und ĂĽbereingekommen sind, die Zustimmung desselben zu 
ihrer Hochzeit zu gewinnen. Die Unterredung der Liebenden wird 
durch das Erscheinen des alten Capelete und des Andres gestört, 
vor denen sich Romeo und Carlos nebst den Damen verbergen. 
Andres hält von Neuem um die Hand der Julia an. Graf Paris 
kommt hinzu und fordert den alten Capelete auf, ihm bei einem 
Anschlag gegen die Montescos behĂĽlflich zu sein; er wolle sich 
von seiner Frau scheiden lassen und Julia zur Frau haben. Dieser 
"Anschlag wird natĂĽrlich von den Andern belauscht. Romeo tritt 
aus seinem Versteck hervor und es kommt zu einem Kampf zwi- 
schen beiden Parteien. Da gesteht Julia offen ihre Liebe zu 
Romeo ein und tritt zwischen die Kämpfenden. So endet der 
erste Akt. 

Jahrbuch XI. 13 



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II. Akt. Romeo's Diener, die lustige Person des StĂĽckes, 
dringt als Dachdecker verkleidet in Capelete's Haus ein, um der 
Julia ein Billet Romeo's zu uberbringen, worin er sie auffordert, 
mit ihm zu fliehen. Als der alte Capelete wieder in Julia dringt, 
den Paris oder Andres zum Gemahl zu wählen, erklärt sie, sie 
liebe einzig und allein Romeo. Aufs Aeusserste erzĂĽrnt legt ihr 
Vater einen Dolch und eine Flasche Gift hin und fordert sie auf, 
zwischen beiden zu wählen. Sie trinkt das Gift, während nun der 
Vater vergeblich versucht, es ihr zu entreissen. Sie fällt schein- 
bar todt nieder und wird heimlich in der Familiengruft in der 
San Carloskirche beigesetzt. Romeo's Diener, der im Hause Ca- 
pelete's Alles mit angesehen hat, benachrichtigt seinen Herrn von 
dem traurigen Ereigniss und dieser eilt nach dem Grabe. — Otavio, 
der Diener des Andres, erzählt seinem Herrn, wie er dem alten 
Capelete Gift habe besorgen sollen. Da er aber geglaubt habe, 
es sei für seine Geliebte Esperanza, Julia's Kammermädchen, 
bestimmt, die Romeo öfters zu ihrer Herrin geführt, habe er statt 
des Giftes einen Schlaftrunk gekauft. So eilen sie nach dem Ge- 
wölbe, um Julia bei ihrem Erwachen zu entführen, und verbergen 
sich dort. Ebendaselbst erscheinen auch Romeo und sein Diener 
und fĂĽhren Julia, die eben erwacht, aus der Kirche. Da erlischt 
ihr Licht und in der Dunkelheit verliert Julia Romeo's Arm und 
nimmt den des Andres, den sie für Romeo hält und mit dem sie 
entflieht. Romeo enteilt dagegen mit seiner Schwester Elena, die 
er fälschlich für Julia hält. Diese war in Folge des Billets Ro- 
meo's zur Kirche gekommen. 

III. Akt. Da entdeckt Romeo seinen Irrthum, zugleich hört 
er Julia seinen Namen rufen; denn diese hatte gemerkt, dass sie 
an Andres Seite gehe. Sie entflieht diesem , verfolgt von ihm und 
ihrem Vater nebst Graf Paris. Der benachbarte Wald wird von 
diesen nach ihr, Romeo und Elena durchsucht. Als der alte Ca- 
pelete und Paris Julia finden, von deren Erwachen sie noch nichts 
wissen, halten sie dieselbe erst für ihren Geist. Sie aber erzählt, 
wie Romeo sie erlöst habe; ihm wolle sie treu bleiben. Da will 
der Vater sie erstechen und wird nur mit MĂĽhe durch Paris von 
der blutigen That zurĂĽckgehalten. Sie soll wenigstens in ein Ge- 
fängniss geworfen werden. So wird sie in ein benachbartes Schloss 
abgefĂĽhrt. Inzwischen durchsuchen die Montescos den ganzen 
Wald und greifen endlich das Schloss an, in welchem sie Julia 



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— 195 — 

wissen. Sie beschiessen dasselbe, bis der alte Capelete mit Julia, 
die er vorher getödtet zu haben vorgab, auf den Zinnen erseheint; 
Romeo und Julia heirathen sich; Graf Paris und Elena versöhnen 
sich natĂĽrlich auch, und das StĂĽck schliesst mit den Worten: 
Now joyoas hours on every side increase, 
And let this fead of both our hoases cease; 
Oood Don Francisco Rojas aslcs the hands of all, 
And to his share let your kind lĂĽatidits fall. 
Der Verfasser des StĂĽckes war um den Beginn des 17. Jahr- 
hunderts (Klein giebt das Jahr 1607 an) zu Toledo geboren; wann 
das Drama geschrieben ist, wissen wir nicht. Es findet sich in 
dem 2. Bde. der gesammelten Werke des Rojas, Madrid 1680. Rojas 
war 30 Jahre alt, als Lope starb, auf dessen Tod er ein Sonett 
verfasst hat. Er hat offenbar das StĂĽck Lope's, das denselben 
Stoff behandelt, gekannt. So verdankt er diesem den wunderbaren 
Zug, dass Julia von ihrein Vater fĂĽr einen Geist gehalten wird, 
und den glĂĽcklichen Ausgang des Dramas. Er muss aber, wie die 
Namen beweisen (Romeo, Montesco, Capelete), die wieder gleich 
den italienischen sind, auch die italienische Novelle Bandello's oder 
eine Uebersetzung derselben gekannt haben. Uno* es ist höchst 
interessant zu sehen, wie zwei so verschiedene StĂĽcke wie das 
Shakespeare's und das des Rojas derselben Quelle ihren Ursprung 
verdanken können. Das Drama des Rojas wird von allen Kriti- 
kern für völlig verfehlt gehalten; selbst von Schack urtheilt über 
dasselbe (c. 1. m, p. 318): 'In Los Vandos de Verona erkennt man 
den geistvollen Verfasser der bisher erwähnten Tragödien nicht 
wieder.' Ausser den stehenden Personen des spanischen Dramas, 
dem Gracioso mit seinen derben Scherzen, dem Geliebten mit sei- 
nem hohlen Pathos und dem zĂĽrnenden Alten, bietet es nichts als 
ein wirres Durcheinander plumper Verwechselungen und bunter 
Abenteuer. Es steht tief unter dem Niveau aller Dramen und 
Novellen, in denen die Sage von Romeo und Julia behandelt wor- 
den ist. — 

Wir kommen nun zu der herrlichsten, köstlichsten Frucht, 
welche unsere Sage hervorgebracht hat, zu dem StĂĽck Shake- 
speare's, und wenden uns zu der wichtigen Frage, welche der be- 
reits vorhandenen Bearbeitungen der Sage er zu seinem Drama 
benutzt hat. Während man früher darüber einig zu sein schien, 
dass er allein dem Gedicht Ar. Brooke's gefolgt sei, eine Ansicht, 

13* 



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die bereits von Schlegel und Malone vertreten ward, hat es neuer- 
dings nicht an vielfachen Versuchen gefehlt, diese oder jene der 
von uns besprochenen Bearbeitungen als Quelle Shakespeare's nach- 
zuweisen. So vermuthet Drake (SJiakcspeare and Iiis Times, Lon- 
don 1817, II, p. 359) und nach ihm Collier (in The History of Eng- 
lisli Dramatk Poetry and (he Stage II, 416), Shakespeare habe ein 
StĂĽck gleiches Namens, auf welches die oben citirte Stelle bei 
Brooke uns zu schliessen gestattet, benutzt. Dies ist aber nur 
eine völlig müssige und leere Vermuthung, zu der wir keine Be- 
rechtigung haben. Wir wissen von dem StĂĽck ausser durch Brooke 
gar nichts. Ja, es hat sogar nicht an Gelehrten gefehlt, die das 
Vorhandensein eines solchen Stückes gänzlich bestritten und mein- 
ten, die Worte 'latdy set foorth on stage 1 bezeichneten nicht die 
wirkliche BĂĽhne, sondern bedeuteten nur 'zur Schau stellen, ver- 
öffentlichen,' so dass mit den Worten Brooke's ebensogut eine No- 
velle gemeint sein könnte (Delius, Einleitung zu Romeo und Julia 
in seiner Ausgabe Shakespeare's). Klein (c. 1. V, p. 423) schĂĽttelt 
aus dem unerschöpflichen Füllhorn seiner Phantasie gleich zwei 
Vermuthungen heraus, die sich an die Worte Brooke's knĂĽpfen. 
Er meint, jenes verschwundene Stück könne eine Nachahmung von 
Groto's Hadriana gewesen sein, die der Verfasser durch eine ita- 
lienische Schauspielergesellschaft, welche damals in London viel 
Zuspruch hatte, als Manuscript kennen gelernt haben mochte. 
Gleich darauf vermuthet er, das von Brooke gelobte StĂĽck sei die 
Hadriana selbst gewesen, die er von italienischen Schauspielern in 
London habe darstellen sehen. Ein derartiges Spiel mit Conjec- 
turen, deren eine auf die andere ohne alle Grundlage kĂĽhn in die 
Luft hineingebaut wird, richtet sich von selbst. — 

Ferner haben Walker (Historical Mcmoir on Italian Tragedy, 
London 1799, p. 49fgg.: 'perhaps it will yet appear, that the Eng- 
lish bard read, with profit, the drama nnder consideration') und 
nach ihm Dunlop, von Schack (III, p. 318) und Klein (V, p. 436 fg.) 
behauptet, Shakespeare habe das bereits besprochene Drama Ha- 
driana gekannt und benutzt. Und dies ist an und fĂĽr sich nicht 
gerade unwahrscheinlich. Wenn auch keine englische Uebersetzung 
des Stückes aus der Zeit Shakespeare's bekannt ist, so könnte er 
es doch sehr wohl im Original gelesen haben. Denn dass er Ita- 
lienisch, die Modesprache der damaligen Zeit, verstand, wird nicht 
wohl bestritten werden können. Und Groto's Gedichte waren zu 



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Shakespeare's Zeit in England bekannt; Florio erwähnt in seinem 
Italienisch-Englischen Lexicon (1611) La Adriana Tragedia in der 
Liste der Authors and Books that have heen read of purpose for the 
collection of this Dtctionarie. Ferner wird Groto in einer Stelle bei 
B. Jonson, auf welche zuerst Elze (Jahrbuch der Deutschen Shake- 
speare-Gesellschaft VII, 33) hingewiesen hat, erwähnt. Im Vol- 
pone HE, 2 (der allerdings erst 1605 aulgefĂĽhrt ward) bringt die 
gelehrte Lady Politick Would-be die Unterhaltung auf die italie- 
nischen Dichter und zählt folgende auf: 

Petrarch, or Tasso, or Dante? 

Guarini? Ariosto? Aretine? ' 

Cieco di Hadria? I lmve read them all. 
Ja, man könnte noch weiter gehen und behaupten, da an derselben 
Stelle auf Shakespeare's Benutzung des Montaigne gestichelt wird, 
sei die Erwähnung des Groto ein weiterer verdeckter Seitenhieb 
B. Jonson's auf Shakespeare. Doch sind dies Alles eitle Conjec- 
turen, sobald nicht in den StĂĽcken selbst augenscheinliche Nach- 
ahmung zu Tage tritt. Es ist nicht unwichtig, noch darauf hinzu- 
weisen, dass in der älteren Ausgabe des Florio'schen Lexicons von 
1598 die Adriana nicht mit erwähnt wird. Somit scheint das 
Drama erst nach der Abfassung der Shakespeare'schen Tragödie 
in England bekannt geworden zu sein. Trotzdem hat man auf 
folgende Aehnlichkeiten hingewiesen. Latino spricht beim Abschied 
von der Hadriana zur Geliebten: 

E (s'io non erro) e presso il far del giorno. 

Udite il Rossignuol che con noi desto, 

Con noi gerne fra i spini etc. 
Hierher «stammt nach Walker und Klein Shakespeare HE, 5: 

Witt thou he gone? It is not yet near day; 

It is the nlfjhtingale and not the lark etc. 
Der Umstand, dass hier die Nachtigall bei Beiden erwähnt wird, 
während sich in den Novellen nichts von ihr findet, wird für einen 
unumstösslichen Beweis für die Nachahmung Shakespeare's ge- 
halten. 'Daraus folgt,' sagt Klein (V, 441), 'dass Shakespeare 
Groto's Hadriana im Original g'elesen.' So muss denn also Shake- 
speare, um die Nachtigall erwähnen zu können, erst die Bücher 
der Italiener durchstöbern. Ein Stubengelehrter freilich wäre auf 
einen solchen poetischen Gedanken nicht von allein verfallen. FĂĽr 
einen Dichter aber, der so feines NaturgefĂĽhl hat wie Shakespeare, 



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— 198 — 



liegt die Erwähnung der Nachtigall in dieser zauberhaften Balkon- 
scene nahe genug. Hat doch gerade dieser Vogel sich stets der 
hohen Gunst der Dichter aller Nationen zu erfreuen gehabt. Ausser- 
dem sind die Stellen bei beiden Dichtern wesentlich von einander 
verschieden. Bei Shakespeare singt die Lerche und Juliet glaubt 
nur, es sei die Nachtigall; bei Groto ist es wirklich die Nachti- 
gall, welche singt. Ebensogut könnte man die Worte Hadriana's 
gleich darauf: 

0 da invidia accelerata aurora, 
Che a gli altri luce, a nie tenebre 
Apporti, 

mit den Worten bei Shakespeare: 

Jul. — more light and light it grows. 
Rom. More light and light: more dark and dark our woesf 
vergleichen. Dergleichen ist eben Gemeingut der Dichter aller 
Zeiten und Völker. Mit Recht hat vielmehr Malone bereits in 
seiner Ausgabe zu der Stelle bemerkt, dass folgende Stelle bei 
Brooke Shakespeare die herrlichen Worte eingegeben habe: 
The golden sun ivas gone to lodge htm in the tuest, 
The fĂĽll moon ehe in yonder south had sent most men to rest; 
When restless Romeus and restless Juliet etc. 
But now, (somewhat too soon) in farthest east arose 
Fayre Laeifer, the golden starre that lady Venus chose; 
Whose course appoynted is tvith spedy race to rönne, 
A messenger of dawning day, and of the rysing sonne. 
Ferner macht Walker darauf aufmerksam, dass bei Groto 
nach dem Tode der Hadriana der Consigiiere des Königs diesen 
über den Verlust der Tochter tröstet, ähnlich wie bei Shakespeare 
der Friar den alten Capulet. Hiervon steht in den Novellen nichts. 
Aber solche Umänderungen sind dem dramatischen Dichter, der 
von den Klagen des Vaters nicht nur berichten, sondern sie uns 
auf der Bühne hören lassen soll, geradezu geboten; und überdies 
hätte, wenn von wirklicher Uebereinstimmung die Rede sein sollte, 
bei Groto nicht der Consigiiere, sondern der Mago die Trostes- 
worte sprechen mĂĽssen. Denn dem Mago entspricht der Friar. 

Schack empfiehlt auch die Scene zur Vergleichung, wo der 
Priester Hadrianen den Schlaftrunk reicht, ferner die, wo die letz- 
tere die Phiole leert, und die ihres Erwachens in der Gruft. In 
der ersten dieser Scenen schliesst sich Groto eng an sein Vorbild 



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— 199 — 



Luigi da Porto an, sie hat mit der Shakespeare'schen AusfĂĽhrung 
weder in Worten noch Gedanken etwas gemein. Wir werden 
sehen, wie Shakespeare gerade an dieser Stelle sogar die Worte 
Brooke's herübernimmt. — Noch weniger stimmt bei beiden die 
Scene ĂĽberein, wo Juliet-Hadriana den Schlaftrunk trinkt. Bei 
Shakespeare trinkt sie ihn allein, nachdem sie die Amme ent- 
fernt hat, ist fieberhaft aufgeregt und glaubt den Leichnam Ty- 
balt's zu sehen, alles in engem Anschluss an Brooke. Bei Groto 
reicht die Amme Hadrianen das Wasser, genau wie bei da Porto, 
und findet sich kein Wort von jenen Fieberphantasien. Noch 
weniger eignet sich die Scene des Erwachens in der Gruft zu 
einem Vergleich. Bei Shakespeare erwacht Juliet, als Romeo be- 
breits todt ist. Bei Groto wechseln sie noch ergreifende Worte 
mit einander. Hätte Shakespeare diese höchst wirkungsvolle 
Fassung der Scene gekannt, so wĂĽrde er sie sich nicht haben 
entgehen lassen. Klein ist freilich anderer Meinung. Mit un- 
fehlbarer Sicherheit behauptet er, „dass Shakespeare nur diesen 
und keinen andern Ausgang habe wählen dürfen; und dass er ihn 
nach kunstnothwendigen Gesetzen hätte erfinden müssen, wenn er 
ihn nicht schon in einigen seiner Fabelquellen vorfand. " (V, 434.) 
In dieser Ansicht steht er aber doch allein. Anders hilft sich 
Walker (p. 55) ĂĽber diesen Punkt, der nach unserer Ansicht un- 
zweifelhaft beweist, dass Shakespeare die Hadriana nicht kannte, 
hinweg. Er sagt: 'This affecting ciraimstance is omitted in Brooke's 
translation of da Porto's novel. And as Sliakspeare has not availed 
himself of it, it has been presumcd he could not read the story in 
the original Italian; — which, perhaps, he never saiv. Bwt this, as 
Dr. Johnson observes, proves nothing against Iiis knotvledge of the 
original He was to copg, not ivhat he kneiv himself, but what 
was known to Iiis audience.'' Mit dieser sophistischen Auseinander- 
setzung und der Annahme, dass Shakespeare sich als ein Sclave 
des Publikums gefĂĽhlt habe, schlĂĽpfen Walker und Johnson ĂĽber 
diesen Einwand hinweg. Wenn aber Schack gerade diese so 
verschiedenen Scenen zur Vergleichuug empfiehlt, so liegt die Ver- 
muthung nahe genug, dass er die Hadriana gar nicht gekannt 
hat. Mit ebenso wenig GlĂĽck nehmen Walker und Dunlop an, 
Shakespeare habe den Character seiner Nurse aus jenem Drama 
entlehnt. Hier findet sich allerdings eine Nutrice als eine der 
Hauptpersonen des^Stückes. Aber es kann kein schärferer Gegen- 



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— 200 — 



satz gedacht werden, als der, welcher zwischen der Amme bei 
Shakespeare und bei Groto besteht: jene geschwätzig, gewinn- 
sĂĽchtig, eine komische Figur; diese ernst, eine treue Dienerin 
ihrer Herrin. Nein, woher Shakespeare die Amme entlehnt hat, 
wissen wir; er dankt sie den Andeutungen Brooke's. — Klein 
hat ausserdem noch auf Folgendes hingewiesen: Der Stil sei bei 
beiden Dichtern gleich, der Concetti-Stil in pointirt geistreichen 
Antithesen; hierauf hat bereits vor ihm Walker aufmerksam ge- 
macht; er sagt: It may be said of Groto, that he could never for- 
give any conceit that came in his way, but siuept, like a drag-net, 
great and small. Beide vergessen dabei gänzlich, dass dieser 
kĂĽnstliche Stil zu Shakespeare's Zeit in England in Folge der 
Nachahmung italienischer Poesie allgemein gebräuchlich war. — 
Dann verweist Klein auf folgenden Zug: Hadriana erklärt ihrer 
Mutter, als diese ihr verkündet, dass sie den Sohn des Königs 
der Sabiner heirathen soll (HI, 1): 

inaritarmi, 

Madre, e signora mia, con pace vostra 

— non voglio; — 
ebenso Juliet bei Shakespeare: 

I pray you, teil my lord and father, niadam, 

I will not marry yet. 
„Diese Worte finden sich weder bei Brooke noch in den italieni- 
schen Novellen", sagt Klein. Derselbe Gedanke findet sich aber 
ĂĽberall; bei Brooke sagt Juliet: 

Doo what you list, but yet of this assure you still, 
If you do as you say you will, I yelde not there untill etc., 
ebenso bei Paynter und Boaistuau. Bei.Bandello antwortet Julia, 
allerdings dem Vater und nicht der Mutter: rispose, cWella non 
voleva maritarsi; hier haben wir sogar dieselben Worte wie bei 
Groto; bei da Porto sagt Giulietta: Padre mio, no, che io non 
saro contento, und gleich darauf: questo non fie mai. — Wenn 
aber in den Novellen einfach erzählt wird, dass Julia eine der- 
artige Unterredung mit Mutter und Vater gehabt, während bei 
Groto und Shakespeare die Mutter der Tochter ausdrĂĽcklich sagt: 
Dort kommt dein Vater, sag' du selbst ihm das 

(El ecco a punto, ch'egli esce col mago — 
A lui ti volgi, e lui medesimo ascolta; 
Here comes your father; teil htm so yourself), 



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— 201 — 

» 

so ist dies ein ganz natĂĽrlicher Kunstgriff des Dramatikers, der 
den Stoff nicht erzählen, sondern in Dialoge bringen soll. End- 
lich vergleicht Klein folgende Stelle: Latino klagt am Grabe 
Hadriana's: 

0 marmi, che'l bei viso mi celate 
E col ciel vi partiste ogni mio bene, 
Deh, per pietade, apritevi, ond'io miri 
Quell' oggetto, per cui cari ho sol gli occhi. 

Dies soll Shakespeare nachgeahmt haben mit den Worten: 
Thou detestahle maiv, thou womb of death, 
Gorged luith ihe dearest morsel of the earth, 
Tims I enforce thy rotten jaws to open etc. 
Man traut seinen Augen nicht! Auch nicht der leiseste Anklang 
erinnert an Groto; und hiernach hält es Klein für ganz unzweifel- 
haft, dass Shakespeare Groto's Hadriana gekannt habe. Wahr- 
lich mehr Phantasie als Kritik! — Daniel (c. L) vergleicht end- 
lich noch folgende Stellen: Latino redet das Grabmal der Ha- 
driana an (V, 4): 

Benche chiamar sepolcro non ti debbo, 
Ma erario, ove s'asconde il mio thesoro. 

Bei Shakespeare ruft Romeo, als er Paris in das Gewölbe legt: 

A grave? 0, no; a lanthorne, slaughtered youth; 
For here lies Juliet, and her bewtie makes 
Tins vault a feasting presence fĂĽll of light. 

Aber ein Erario ist doch kein Lanthorne! 

Hadriana redet die Amme an (I, 1): 

Tu che si spesso alhor, ch'io pargoletta 
Stava per trabocca, man mi porgesti. 
Porgimi hora consiglio, ond'io non cada. 

Daniel bemerkt hierzu: It is possible, that this mag have suggested 
any part of the Nurse's famoiis speech in Romeo and Juliet, Akt 1, 
Sc. 3: 'Slie could have run and ivadled all ahout: for even tlie 
day before, she brolce her brow 1 etc. Man sieht, die ganze Aehn- 
lichkeit besteht darin, dass erwähnt wird, Hadriana-Juliet sei als 
Kind öfter hingefallen und von der Amme wieder aufgehoben 
worden. Das konnte Shakespeare natĂĽrlich nicht allein wissen, 
sondern musste es erst von dem Italiener lernen. 

Dann sagt bei Groto die Mutter zu Hadriana, nach ihrer 



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— 202 — 



Meinung müsse sie sich selbst einen Gemahl wählen dürfen, und 
sollte ihre Wahl selbst auf Latino fallen (HE, 1): 

Benche so che nol vuoi, che Vodii a morte. 
Hieran sollen die Worte Juliets erinnern (III, 5): 

I will not marry yet and, xvhen I do, I stvear, 

It shall he Romeo, whom yoii knoiv I hate, 

Bather than Paris. 
Aber bei Groto spricht diese Worte die Mutter, bei Shakespeare 
spricht sie Julia; dies ist ein grosser Unterschied! 

Endlich verweist Daniel noch darauf, dass der Bote bei beiden 
den Brief des Priesters als unbestellbar zurĂĽckbringt, was ein 
ganz nebensächlicher Umstand ist. Wie wenig Gewicht er selbst 
auf diese GrĂĽnde legt, geht aus dem Endurtheil hervor, das er 
schliesslich fällt: Nohv ithstand ing these resemhlances, I find it dif- 
ficult to believe that Shakespeare could have made use of Grotö's 
play. Derselben Ansicht ist Grant White (Note in Fumess's Vari- 
orum Shakespeare p. 403): Walker hos very slender grounds for 
supposing that Sliakespeare was acquainted with Groto's tragedy. 
Auch W. W. Lloyd (in seiner Abhandlung ĂĽber Romeo und Juliet 
in Singer's Ausgabe Shakespeare's) kann sich nicht ĂĽberzeugen, 
dass Shakespeare das italienische Original Groto's gekannt habe. 
Und wie hilft er sich? Er nimmt an, dass Shakespeare Groto 
aus einer englischen Uebersetzung kennen gelernt. So wird, um 
die Conjectur zu stĂĽtzen, gleich eine neue erfunden; denn von 
einer englischen Uebersetzung der Hadriana ist uns gar nichts be- 
kannt. — 

Begründeter ist es in Erwägung zu ziehen, in welchem Ver- 
hältniss die Stücke Lope's und Shakespeare's zu einander stehen. 
Da beide Dichter gleichzeitig lebten und blĂĽhten (Lope geb. 1562, 
Shakespeare 1564; die Blütezeit beider fängt c. 1590 an), und 
wir die genaue Abfassungszeit der betreifenden StĂĽcke nicht 
kennen, so lagen zwei Möglichkeiten vor: man konnte vermuthen, 
Shakespeare habe Lope bei diesem StĂĽcke beeinflusst, und um- 
gekehrt. Und wirklich sind beide Vermuthungen ausgesprochen 
worden. 

Elze hat im Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft 
Bd. V, 1870, p. 350, die Frage angeregt, ob Lope nicht neben 
andern englischen Schriftstellern der Zeit auch Shakespeare ge- 
kannt und speciell in dem erwähnten Drama vor Augen gehabt 



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— 203 — 



habe. Es sei auffallend, dass Lope sich viel mit englischen Stoffen 
beschäftigt und Anklänge an die gleichzeitige englische Literatur, 
wie an Fitzgeflrey, Rob. Greene und Sidney, habe. So erinnere 
Lope's la Dragontea an das Gedicht von Charles Fitzgeffrey: 
Hie Life and Death of Sir Francis Drake (1596); in der Corona 
trägica behandle er das Schicksal der Maria Stuart; seine Don- 
zella Teodor biete Vergleichungspunkte mit Rob. Greene's Friar 
Bacon (1594) und sein Schäferroman Arcadia klinge an Sidney's 
gleichnamiges Werk an. Hiergegen ist einzuwenden: Wenn Lope 
unter seinen 1000 Werken wirklich mehrmals englische Stoffe be- 
arbeitet hat, so darf dies hei dem damaligen lebhaften politischen 
Verkehr Spaniens mit England nicht Wunder nehmen. Wir 
wissen, wie Lope selbst an dem grossen Kampfe zwischen den 
zwei Nationen persönlich Theil nahm. Er befand sich auf der 
Armada, welche Philipp II. 1588 gegen England entsandte, und 
verlor auf derselben Expedition einen Bruder. Kein Wunder, dass er 
eine Dragontea (1597) schrieb, ein Gedicht auf Drake, das aber 
mit dem Gedicht Fitzgeffrey's nur den Helden gemein hat. Lope's 
Gedicht ist eine leidenschaftliche Schmähschrift gegen Drake und 
die Königin Elisabeth. Ebenso behandelte er in seiner Corona 
trägica das Schicksal der Maria Stuart in einer von den eng- 
lischen Anschauungen grundverschiedenen Weise. In diesem Ge- 
dichte, das gleichfalls Schmähungen gegen Elisabeth enthält, wird 
Maria als die reine Märtyrerin der katholischen Religion geschil- 
dert. „Wer den Nationalhass der Spanier gegen die Engländer 
in seiner ganzen Energie kennen lernen will, sagt Schack c. 1., 
lese Lope's Dragontea und Corona trägica, und die Ode al arma- 
mento de Felipe TL. contra Inglaterra von Göngora". Auch wissen 
wir, dass Lope in seiner Arcadia nicht Sidney, sondern Cervantes 
nachgeahmt hat. Dass ersterer nicht die Quelle Lope's sein 
konnte, ergiebt sich schon aus der Abfassungszeit der beiden 
Gedichte: Lope's Arcadia ward 1585 verfasst (cf. Klein, IX, 535), 
Sidney's aber erst 1598; ausserdem lagen derartige Schäferromane 
im Geschmack der damaligen Zeit. Von Robert Greene aber 
wissen wir, dass er in Spanien gereist war (cf. R. Greene's Works, 
by A. Dyce. London 1831. Vol. L Preface); somit könnte man 
eher auf einen Einfluss, den Lope auf Greene geĂĽbt, schliessen, 
als umgekehrt. 

FĂĽr Shakespeare selbst fĂĽhrt Elze an, dass Lope im Animal 



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— 204 — 



de Ungria ein spanisches Schiff in Ungarn landen lasse, was an 
die bekannte böhmische Küste im Wintermärchen erinnere. Dies 
wĂĽrde aber doch weiter nichts beweisen, als dass beide Dichter 
es mit der Geographie gleich leicht genommen haben. — Wenn 
Elze ferner erwähnt, dass Graf Gondomar, der 1613 — 1622 spani- 
scher Gesandter in London war, englische BĂĽcher nnd Manuscripte 
nach Spanien geschafft habe, so kann dies wenigstens auf unser 
StĂĽck keinen Einfluss ausgeĂĽbt haben, da die Castelvines y Mon- 
teses, wie wir wissen, sicher vor 1603 verfasst sind. Wenn end- 
lich Elze fragt: „Kann nicht Lope de Vega ebensowohl einige 
Kenntniss der englischen Sprache und Poesie besessen haben?", 
so mĂĽssen wir wohl nach Schack mit einem entschiedenen Nein 
antworten. Die Geistesproducte fremder Völker mit Ausnahme 
der Italiener und Portugiesen wurden aus religiösen Beweggründen 
streng von dem erzkatholischen Spanien ferngehalten. Namentlich 
aber verabscheute man alles, was aus England, dem Lande der 
Erzketzer, kam. Wir haben bereits erwähnt, dass Lope hierin 
keineswegs seinen Landsleuten ĂĽberlegen war, dass er vielmehr 
ihren Anschauungen wiederholt Ausdruck gab. So drang die eng- 
lische Sprache nur spät erst in Spanien ein. Noch im Jahre 1754 
soll es kein einziges englisches Buch in spanischer Uebersetzung 
gegeben haben. Jedenfalls dĂĽrfen wir fĂĽr das Ende des 16. Jahr- 
hunderts einen Einfluss englischer Poesie auf die spanische nicht 
annehmen. 

Der Vertreter der andern Ansicht, dass Shakespeare Lope's 
Drama gekannt und benutzt habe, ist Klein. Und es lässt sich 
nicht leugnen, dass man fĂĽr seine Ansicht mehrerlei geltend 
machen kann. 

Spanische Romanzen waren am Ende der Regierung der Eli- 
sabeth in England vielfach verbreitet (cf. Drake, c. 1. I, p. 570), 
ebenso spanische Novellen, die mehrfach Stoff zu Dramen her- 
geben mussten. Schack citirt eine ganze Reihe von Dramen 
von Beaumont und Fletcher, deren Plan aus spanischen Werken 
geschöpft ist (II, p. 53). Dasselbe wissen wir von spanischen Co- 
mödien: cf. Collier, History of English Draniatic Poetry II, 419: 
/ may boldly say it — fliat conwdies in Latin, Frenck, Italian, and 
Siwnish, have heen thoroughly ransacked to furnish the playhonses 
in London. Auch wurden zu Shakespeare's Zeit bereits spanische 
StĂĽcke zu London in englischer Bearbeitung aufgefĂĽhrt. Dagegen 



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205 



muss selbst Schack zugeben (c. I. p. 54), dass sich unter den 
Dramen von Shakespeare's Zeitgenossen von keinem mit Be- 
stimmtheit behaupten lasse, es sei einem spanischen nachgeahmt. 
„Unzweifelhafte Entlehnungen dieser Art kommen erst in der Zeit 
Karl's IL vor." Es lässt sich nicht leugnen, dass vielfach Bei- 
spiele von Uebereinstimmnng vorkommen; so, um nur einige der 
bekanntesten anzufĂĽhren, zwischen Beaumont und Fletcher's Maid 
of the Mill und Lope's Quinta de Florencia; zwischen Webster's 
Duchess of Malfy und dem Mayor domo de la Duquesa de Amalfi 
des Lope. Aber v. Schack weist darauf hin, dass sich diese 
ebenso gut durch die gemeinsame Entlehnung aus derselben No- 
velle erklären lassen; beide erwähnten Stücke des Lope sind nach 
italienischen Novellen gedichtet. Trotzdem hält er es für höchst 
wahrscheinlich, dass die Werke der spanischen Dramatiker in 
England zur Zeit der Elisabeth bekannt gewesen seien und möchte 
dies namentlich fĂĽr Lope annehmen. 

So hat man denn auch bei Shakespeare eine ganze Reihe von 
Anklängen an spanische Stücke constatiren zu müssen geglaubt. 
Shakespeare's Twelfth Night soll an die anonyme Comödie La 
Espanola en Florencia (die aus Bandello entlehnt ist), sein Winten' 8 
Tale an El marmol de Felisardo, .As you liJce it an Las flores de 
Don Juan (Klein, X, 106), AlVs well that ends well an La Her- 
mosura aborrecida (Klein, X, 155), Taming of the Slirew an El 
caballero de Olmedo (Klein, X, 435), und schliesslich Tiie two 
Oentlemen of Verona an mehrere spanische StĂĽcke erinnern. Von 
dem letztgenannten StĂĽck behauptet Carriere (Jahrbuch der Deut- 
schen Shakespeare - Gesellschaft VI, p. 367), dass es „wie eine 
Verwebung mannigfacher spanischer Motive erscheine". Zwar 
weiss er kein bestimmtes Drama als Vorbild Shakespeare's anzu- 
fĂĽhren, meint aber, gewisse ZĂĽge mĂĽsse er aus spanischen Dramen 
entlehnt haben. Carriere nimmt somit ohne weiteres an, dass 
Shakespeare eine ziemlich ausgebreitete Kenntniss der gleich- 
zeitigen spanischen Literatur gehabt haben mĂĽsse. Er glaubt, 
der Umstand, dass Julia ihrem Proteus in Männertracht folgt, sei 
ein spanisches Motiv. Als ob derartiges nicht auch in italienischen 
Novellen vorkäme. Ich erinnere nur daran, dass gleich bei da 
Porto und Bandello Julia ihrem Romeo in Männerkleidern folgen 
will. Und fast von allen andern oben erwähnten Stücken wissen 
wir, dass Shakespeare sie nach italienischen Novellen, resp. eng- 



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lischen Nachbildungen solcher gedichtet hat. Twelfth Night stammt 
aus Bandello, Winter' s Tale floss zunächst aus Robert Greene's 
Pleasant History of Dornst es and Fawnia, dem wohl eine uns unbe- 
kannte Novelle, aus der auch Lope geschöpft hat, zu Grunde lag 
(dies nimmt wenigstens Schack II, 338 an). As you like it 
stammt zwar zunächst aus Thomas Lodge's Bnsalynd, Euphttes 
Golden Legacy, 1598, oder aus The Coke's Tale of Gamelyn. Auch 
hier nimmt Klein (X, p. 106) an, dass diese wiederum aus einem 
französischen Oonte geflossen sind, dem auch Lope folgte. AIVs 
well that ends well stammt aus Boccaccio, vermittelst Paynter's 
Palace of Pleasure. Taming of the SJireiv ist nach den Menächmen 
des Plautus gedichtet, die Shakespeare aus einer englischen Ueber- 
setzung kennen lernte. 

So finden wir eine ganze Reihe von Beispielen für die höchst 
interessante Erscheinung, dass italienische Novellen ihren Weg, 
zuweilen ĂĽber Frankreich, zugleich nach England und Spanien 
nahmen und in beiden Ländern fast gleichzeitig zu Dramen ver- 
arbeitet wurden. Es ist leicht, noch mehr Beispiele zu obigen 
hinzuzufĂĽgen. So findet sich der Stoff zu La Quinta de Florencia 
und dem Maid of the Mill bei Bandello und Belleforest, und dann 
in spanischen und englischen Dramen. Ein anderes Beispiel ent- 
nehme ich den neuerdings erschienenen FĂĽnfzehn Essays von H. 
Grimm, Neue Folge, Berlin 1875. In einer Abhandlung ĂĽber Shake- 
peare's Sturm in der Bearbeitung von Dryden und Dayenant, 
weist Grimm Aehnlichkeiten zwischen Shakespeare's Sturm und 
und einigen Scenen im Cymbeline und einem StĂĽck des Calderon 
nach. Er nimmt aber nicht an, dass Calderon sein StĂĽck aus 
den beiden genannten Dramen Shakespeare's zusammengeschmiedet 
hat, findet es vielmehr zweifelhaft, ob Shakespeare ĂĽberhaupt zu 
Calderon's Zeit in Spanien bekannt gewesen sei. Indem er 
„märchenhafte Grundelemente" in beiden Stücken nachweist, glaubt 
er, dass beide aus derselben Quelle schöpften, dass beide auf die 
gleiche novellistische Grundlage zurĂĽckgefĂĽhrt werden mĂĽssten. 
Nun weiss er zwar keine bestimmte Novelle als Quelle zu nennen, 
erinnert aber daran, dass die Idee von der himmlischen Unwissen- 
heit der Jugend uralt sei und sich bereits in indischen Sagen, 
dann in griechischen Mythen, ferner in Baarlam und Josaphat, 
und endlich auch in den Cento Novelle finde. Wie das Märchen 
dann aus Italien nach Spanien und gar nach England gekommen 



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— 207 — 

sei, lasse sich freilich nicht nachweisen, doch mĂĽsse gewiss mĂĽnd- 
liche Ueberlieferung angenommen werden. — Man sollte deshalb 
mit der Annahme, englische StĂĽcke seien aus spanischen entlehnt, 
recht vorsichtig umgehn; wie leichtsinnig man aber bei derartigen 
Vergleichungen gewesen, möge ein Beispiel zeigen. Es ist ver- 
muthet worden, dass die Stelle im Hamlet: 

TJie nndiscovered country, from xvhose boimi 

No tra veller r et ums 
aus der spanischen Romanze Palmerin d'Oliva entlehnt sei, wo 
sich ein ähnlicher Gedanke findet: Before he took Iiis journey 
wherein no weature returneth againe; man hat dann auch höchst 
gelehrt nachgewiesen, dass von dieser spanischen Ballade bereits 
1588 eine englische Uebersetzung existirt habe (Drake, c. 1. I, 
570), aber ganz ĂĽbersehn, dass obiger Gedanke Gemeingut un- 
zähliger Dichter seit den ältesten Zeiten gewesen; so findet er 
sich bereits bei Catull c. Hl: illuc unde negant redire quemquam. 
Elze (Shakespeare's Hamlet, Leipzig 1857, p. 186) bemerkt mit 
richtigem kritischen Tact zu der Stelle: „Es giebt viele Gedanken, 
welche allen Dichtern fast in denselben AusdrĂĽcken in die Feder 
fliessen, ohne dass sie darum einer vom andern entlehnt hat." 
Demnach beweisen obige Anklänge Shakespeare's an spanische 
StĂĽcke keinen spanischen Einfluss, sie beweisen nur, dass eine 
gemeinsame Quelle vorhanden war. Nicht aus entlegenen Ländern 
pflegte Shakespeare seine Stoffe herzunehmen. In den StĂĽcken, 
die italienischen Novellen entstammen, folgt er doch nicht diesen, 
sondern englischen Uebersetzungen oder Bearbeitungen: so in 
Cymbeline, Mercliant of Venice, Measure for Measure, Much Ado 
about Nothing (die letzteren zwei vermittelst Belieferest, wie bei 
Romeo and Juliet). Er griff vielmehr nach dem Nächstliegenden, 
zu Stoffen, die zu seiner Zeit recht volksthĂĽmlich waren, und 
schuf aus oft unscheinbaren Erzählungen seine grossen Meister- 
werke. 

Dazu kommt noch, dass die spanische Sprache zu jener Zeit 
in England fast noch unbekannt war. Erst 1590 erschien eine 
englische Uebersetzung einer spanischen Grammatik nebst Lexicon 
von John Thorins, und 1591 die erste spanische Grammatik mit 
Lexicon, verfasst von Richard Percival (cf. Warton, History of 
English Poetry IV, p. 335). Wir mĂĽssten somit annehmen, dass 
Shakespeare einer der ersten gewesen, die in England die spanische 



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— 208 — 

Sprache erlernt haben. Dies ist nicht wahrscheinlich, wenn man 
erwägt, dass Shakespeare wenn auch keinen Nationalhass, so doch 
wahrlich nichts weniger als Vorliebe fĂĽr Spanien gezeigt hat. 
Sein Don Armado in Love's Labour Lost ist ein Bild des spani- 
schen Renommisten ; und mit Recht vermuthet Elze (Jahrbuch der 
Deutschen Shakespeare - Gesellschaft X, p. 122), dass der Name 
ein absichtlicher Anklang an die Armada ist. Ein weiterer 
Seitenhieb auf die Spanier ist the Great pirate Valdes (Pericles 
IV, 1); dies ist nämlich der Name eines von Drake gefangen ge- 
nommenen Admirals: Don Pedro Valdes. 

Gleichwohl hat Klein (X, 340 fgg.) versucht nachzuweisen, 
dass Shakespeare's Romeo and Juliet directe Entlehnungen aus 
spanischen StĂĽcken enthalte, wenn er auch bescheiden sagt, er 
wolle mit einer solchen Behauptung noch hinter dem Berge halten, 
„um nicht die Holzköpfe von der Shakespeare-Gelehrsamkeit vor 
den Kopf zu stossen". So soll (VIII, 859) die alte spanische 
Comedia Celestina den Stoff zu dem Wechselgespräch zwischen 
Romeo und Benvolio 1,1, wo dieser dem betrĂĽbten Verliebten gute 
Rathschläge giebt, geliefert haben. Dabei vergisst Klein ganz, 
dass jene Worte Benvolio's: 

Be raled by me, forget to thirik of her, und 

Examine other beauties etc. 
fast wörtlich aus Brooke entlehnt sind. Noch ärger ist es, wenn 
er annimmt, die Worte ET, 1: 

I conjure thee by RosaUne's bright eycs, 

By her high forchead and her searlet Up, 

By her fine foot, straight leg etc. 
erinnerten an Calisto's Schilderung der Reize Melibea's, und die 
betreffende Stelle der Celestina wörtlich übersetzt abdruckt. Als 
ob dergleichen nicht jeder Liebhaber an seiner Geliebten zu 
rĂĽhmen wisse. 

Vor allem aber glaubt Klein, dass Shakespeare folgende ZĂĽge 
zu Romeo aml Juliet dem entsprechenden StĂĽcke Lope's ent- 
lehnt habe: 

1) Klein sagt, Shakespeare und Lope lassen beide die ĂĽber 
Romeo's Erscheinen auf dem Ball ergrimmten Feinde dadurch be- 
sänftigt werden, dass man ihnen bedeutet, der Jüngling sei von 
edlen Sitten und ohne Arg eingetreten; bei Shakespeare I, 5 sagt 
der alte Capulet zu Tybalt: 



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- 209 - 

Content thee, gcntle coz, let him ahne; 
He bears him like a portly gentleman; 
And, to say truth, Verona brags of him 
To be a virtuous and well govern'd youth: 
I tvould not for the wealth of all the toivn 
Here in my house do him disparagement. 
Bei Lope I, 2 beruhigt Teobaldo den Antonio mit diesen Worten: 
Tins youth a noble nature doth unfold, 
Though but of thoughtless age he is; 
He knows no venom of that cursed hate 
So madly cherish'd by our rival hin, 
And seeing that we joyous revels hold, 

He boldly comes to share them. 

He comes in boyish confidcnce and truth. 
Einmal wird bei Shakespeare die jugendliche Unbedachtsam- 
keit Romeo's gar nicht mit erwähnt, und hält bei Lope Teobaldo 
den Antonio zurück, während bei Shakespeare viel tactvoller der 
Hauswirth selbst den ungestĂĽmen Tybalt zĂĽgelt. Dann findet sich 
derselbe Gedanke bereits in den Novellen, von Bandello an. Ban- 
dello: tuttavia, perche Romeo oltra ch'era bellissimo era anco gio- 
vanetto molto costumato e gentile, era generalmente da tutti 
amato; i suoi nemici poi non gli ponevano cosi la mente, come 
forse haverebbono fatto s'egli fosse stato di maggior' etate: p. 4. 

Boaistuau: les Capellets dissimulans leur hayne ou bien pour 
la reverence de la compagnie, ou pour le respect de son aage, p. 35. 
Brooke (p. 12.): 

The Cainlets disdayne the yresence of theyr foe, 
Yet they suppresse theyr styrred yre, the cause I doe not knoive: 
Pelhams toffmd theyr gestes the conrteous knights are loth, 
Perhays they stay from sharpe reuenge, dreadyng the Pmiccs tvroth. 
Perhaps for that they shamd to cxercise theyr rage: 
Wiihin their house, gainst one ahne, and him of tender age. 
{ The Capilets disdain the presence of their foe' ĂĽbersetzt Klein 
(p. 341): „Die Capulets achten nicht auf ihres Parteifeindes Gegen- 
wart": sie achten wohl auf sie, unterdrĂĽcken aber ihren Grimm 
darüber. — 

Paynter: TJie Capellets, dissembling their mallice, either for 
the honor of the Company, or eise for respect of hĂĽ age, did not 
misuse him cytlier in ivorde or decde. p. 92. 

Jahrbuch XI. 14 



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— 210 — 



2) soll Shakespeare folgenden Zug dem Lope danken; bei 
diesem ruft Roselo, als er erfährt, wer Julia sei, I, 2: 
Great Heaven, why a Montes I? 
Why not Castelvin born as yon sweet maid? 

Ebenso ruft Julia, als Celia ihr sagt, der JĂĽngling, den sie liebe, 
sei Roselo, Arnaldo's Sohn, Lord of the hause Montesi: 

Oh Celia, say not so! oh, grief! oh, tears! 

Oh, misery and woe! 

Aehnlich bei Shakespeare I, 5, wo Romeo sagt: 

Is she a Capulet? 
0 dear account! my life is my foe's debt. 

Und Julia ruft II, 2: 

0 Romeo, Romeo! wherefore art tlwu Romeo? 
Deny thy father and refuse thy navie; . 
Or, if thou wilt not, be but sworn my love, 
And TU no longer be a Capulet 

Auch dies findet sich vorher bereits bei Bandello, p. 6; so heisst 
es von Romeo, als er die Herkunft Julia's erfährt: di questo si 
trovö forte di mala voglia, stimando cosa perigliosa e molto dif- 
ficile ä poter conseguir desiderato fine di questo suo amore; und 
ebenso gleich darauf Julia: al cognome del Montecchio rimase 
meza stordita la giovane, disperando di poter' ottener per sposo 
il suo Romeo, per la nemichevol gara, chera tra le due famiglie. — 

Boaistuau: lequel (Romeo), indigne outre mesure de quoy la 
fortune l'-avait adresse en lieu si perilleux, iugeoit en soymesme 
qu'il estoit presque impossible de mettre fin ä son entreprinse: 
p. 37; und von Julia: la pucelle au seul nom de Montesche de- 
meura toute confuse, desesperant du tout de pouvoir avoir pour 
expoux son affectionne Rhomeo, pour les anciennes inimitiez d'entre 
les deux familles. — Ferner Brooke (p. 15) von Romeo: 
TJms hath his foe in clwyse to geue him lyfe or death, 
That scarsely can his wofiill Irrest Iceepe in the. liuely breath. 
Wherfore with piteous plaint feerce fortune doth he blame, 
That in his ruth atul ivretched plight doth seek her laughing game. 

und von Julia: 

The woord of Montegew, her ioyes did ouerthrow, 

And straight in stcade of happy hope, despayre began to groive. 

What hap haue I quoth she, to loue my fathers foe? 



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- 211 — 

Pa} T nter sagt von Romeo: who wroth beyonde measure that fortune 
had sent Mm to so dangerous a place, thought it impossible to bring 
to end his enter prise begon; und von Julia: But the mayden at 
the onely name of Montesche was altogyther amazed, despayrynge 
for ever to attayne to hasband hir great affectyoned fryend RJiomeo, 
for the annoyent hatreds between those two f amilies: p. 95 fg. — 

3) Bei Lope und Shakespeare finden sich in der Garten- 
resp. Balconscene die Worte der Julia: Schwöre nicht. 

Lope I, 4: Jul. Look that thou no promise dost forget. 
Roselo. Nay, this I swear, forgetting such 
May heaven desert me at my need. 
Jul. Swear not, for I have read 
That ready swearers have 
Scant credit with the world or God. 
Shakesp. II, 2: Rom. Lady, by yonder blessed moon I swear 

That ti})s with silver all these fruit-tree tops. 
Jul. 0, swear not by the moon etc. 
Rom. WJiat shall I swear by? 

Jul. Do not swear at all, 

Well, do not swear. 
Bei Bandello findet sich nichts entsprechendes, wohl aber bei 
Brooke p. 20: 

But that in it, you might I loue, you honor, serue and please, 
Tyll dedly pangs the sprite out of the coips shall send: 
And thereupon he sware an othe, and so his tale had ende. 
Julia wehrt ab: AJi my deere Romeus, keepe in those woords 
(quod she) etc.; er soll ihr seine Liebe gestehen in few vnfained 
woords. Aehnlich Paynter; Romeo verspricht: to love, serve, and 
honor you, so long as breath slial remaine in me; und Julia ant- 
wortet: Syr RJiomeo, 1 pray you not to renne that grief agayne; 
sie ersucht ihn to declare unto her in fewe wordes what his 
determynation is to attaine. 

Ebenso sagt bei Boaistuau (p. 39), als Rhomeo ihr seine 
Liebe zusichert, Julia, er solle ihr „exposer en peu de paroles 
quelle est sa deliberation pour Tavenir". — So stehen in den No- 
vellen die eidlichen Versicherungen Romeo's den fewe woords 
gegenüber, die Julia von ihm verlangt; sie weist jene zurück. — 

4) Am Ende des Ballfestes ruft der alte Capulet bei Lope 
und Shakespeare: Fackeln her, wovon in den Novellen nichts stehe. 



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- 212 - 

Lope: Teobaldo. Already dance and revel cease. 
Antonio. Torches, ho! torclies, here. 
Teobaldo. Farewell etc. I, 2. 
Shakesp. I, 5 : Cap. I thanlt you, honest gentlemen, good night. 

More torches here! Come on then, let's to bed. 
Bei Bandello wird p. 5 il ballo del torchio erwähnt; und p. 6 
eilt Giulietta, als die Gäste nach Hause gehen, mit ihrer Amme 
in ein Zimmer, das nach der Strasse hinausfĂĽhrt, um sich nach 
Romeo zu erkundigen; e fattasi alla finestra che per la strada da 
molti accesi torchi era fatta chiara: p. 6. Ebenso findet sich 
bei Boaistuau ein bal de la torche und werden beim Scheiden den 
Gästen Fackeln vorgetragen: Qui sont ces deux iouvenceaux, qui 
sortent les premiers avec deux torches devant? fragt Juliette p. 37. 

Bei Brooke wird der „torches daunce" erwähnt, p. 15; dann 
fragt Juliet die Amme: 

What twayne are those (quoth she) ivhich prease vnto the doore, 
Whose pages in theyr hand doe beare, two toorches light before? p. 16. 
Bei Paynter wird gleichfalls der daunce of the torche erwähnt; 
ferner fragt Julietta die Amme : Mother, what two yong gentlemen 
J>e they which first goe forth with the two torches before them? 

Ueberall werden also beim Scheiden der Gäste aus dem 
Hause Fackeln erwähnt; es ist demnach durchaus nicht auffällig, 
dass Lope und Shakespeare ĂĽbereinstimmend den alten Capulet 
als den Hauswirth nach Fackeln zum Hinausleuchten der Gäste 
rufen lassen. — 

5) Lope's 1. Akt schliesst mit einem Rufe hinter der Scene, 
gesprochen von Marin: 

Marin (ivithout). Come, master, or Tm off, alone. 
Es ist am Ende der Gartenscene; Marin fordert Roselo auf zu 
fliehen, da Leute kommen. Bei Shakespeare ruft bei dem Zusammen- 
treffen von Romeo und Juliet in Capulet's Garten II, 2 die Amme 
(within): Madam! Auch dies hält Klein für eine Nachahmung. 
In den Novellen findet sich etwas entsprechendes freilich nicht; 
aber bei Dramatisirung derselben gab ein solches Unterbrechen der 
Unterredung zwischen den beiden Liebenden eine gute Gelegen- 
heit die Scene abzuschliessen. Dies bot sich einem gewandten 
dramatischen Dichter von selbst dar, und braucht Shakespeare 
derartiges wahrlich nicht erst von Lope gelernt zu haben. — 

6) verweist Klein auf die Gleichheit im Strassenkampf (Lope 



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— 213 — 



II, 1; Shakespeare III, 1); so auf Romeo's Apostrophe an Julia; 
bei Shakespeare: 

— 0 sweet Juliet, 
Thy beanty hath made me effeminatc 
And in my temper soften' d valour's stcel! 
Aehnlich gedenkt Roselo bei Lope in dieser Kampfscene Julia's: 
Roselo (apart to Anselmo). Anselmo, go my father teil, 
And say I hold for Julia's sake ahne, 
Although my blood denies her hin and house. 
Anselmo (apart to Roselo). No need of words, I see 
That love doth blind thee. 
Als Roselo vorschlägt, Otavio solle die Andrea Montes und er 
die Julia Castelvin heirathen, entbrennt der Kampf erst recht 
heftig; da zieht Roselo endlich das Schwert, indem er beiseite 
spricht: 

Oh Julia niine otvn love, forgive, forgive. 
Out, villain! Know, that no coward's arm I otvn, 
One holds me back, who love my soul hath taught. 
Bei Bandello steht hiervon nichts, wohl aber bereits bei Luigi da 
Porto : alla sua donna rispetto havendo di percuotere alcuno della 
sua casa si guardava. Dann bei Boaistuau, wo p. 44 Rhomeo 
zu Thibault spricht: je te prie de croire, qu'il y a quelque autre 
particulier respect, qui m'a si bien commande jusques icy,qui je me 
suis contenu, comme tu vois. Ebenso Paynter, p. 104: And if thou 
thinkest that for default of courage I have fayled myne endevor, 
thou dost greate wronge to my reputacion. And impute thys my 
suffrance to some other perticuler respecte, rather tlian to tvante of 
stomacke. Ebenso Brooke (p. 34), wo Romeus zu Tybalt spricht: 
Thou doest me xvrong (quoth he) for I but part the frage; 
Not dread, but other waighty cause my hasty hand doth stay. 
In derselben Scene ist Folgendes zu beachten: In den Novellen 
gerathen Romeo und Teobaldo unmittelbar aneinander. Lope 
schiebt den Otavio, Roselo's Nebenbuhler, an Tybalt's Stelle; 
nicht Teobaldo, der Onkel Julia's, wird erschlagen, sondern Otavio, 
den er selbstständig als den Rivalen Roselo's erfunden. Bei Shake- 
speare, der in dieser Scene sich an keinen der Vorgänger eng 
angeschlossen hat, beginnen Mercutio und Benvolio den Kampf; 
Mercutio wird von Tybalt erschlagen. Um Romeo noch mehr zu 
entschuldigen, lässt er erst dessen Freund erschlagen werden, ehe 



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- 214 - 



er selbst wüthend zieht und den Tybalt tödtet. Während der 
Tebaldo Lope's der Onkel der Julia war, ist Shakespeare's Tybalt 
wie in den Novellen ihr Vetter (Paynter: cosin germayne toJulietta; 
Brooke: our Julieis unkles sonne, that cliped was Tibalt; cugino 
di Oiulietta bei Bandello). Der Rival Romeo's wird bei Lope so 
wie bei Shakespeare erschlagen. Aber während dies bei ersterem 
Otavio ist, den er selbstständig erfunden (er ist der Vetter der 
Julia: I, 2 sagt Teobaldo: 'twoidd be a happy day for 

That sees fair Julia wed Otavio. 
Antonio: They're coasins, true), ist es bei Shakespeare wie in den 
Novellen Tybalt. So folgt er den Novellen und nicht Lope. — 
Uebrigens wird in den Novellen erwähnt, dass, als Romeo in den 
Kampf eingreift, bereits mehrere gefallen waren. Bandello p. 12: 
giä erano per terra due ö tre per banda caduti ; Boaistuau p. 43 : 
il y en avoit plusieurs blessez des deux costez. Brooke p. 33: 
They pittie mach to see the slaughter made so greate, 
That wetslwd they might stand in blood on eyther side the streate. 
Paynter, p. 103: After he had well advised and beholden many 
wounded and hurt on both sides. — 

7) Bei Shakespeare sagt Julia in dem Schlummertranksmonolog 
IV, 3, 30 fg.: 

How if, when I am laid into the tomb, 
I wake before the Urne that Romeo 
Come to redeem me? — 

Where, for these many hundred years, the bones 
Of all my buried ancestors are pack'd: 
Where bloody Tybalt, yet but green in earth, 
Lies etc. 

Auch diese ZĂĽge soll Shakespeare dem Lope entlehnt haben, der 
Akt m, 2 den Roselo, als er durch Anselmo von dem Begräbniss 
und zu erwartenden Wiedererwachen Julia's hört, sagen lässt: 
I tremble at thy words, Anselmo. Should 
She awdke amid the silent trappings of the dead, 
White we can scarcely, winging way through air, 
Be at the church ere she awakes, 
Will she not die of fear? 
Aber dies dankt Shakespeare offenbar den Novellen; so bereits 
bei Bandello p. 20: Se le cominciö ä rappresentar nell' imagi- 
natione Tebaldo, del modo che veduto l'haveva ferito nela gola 



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— 215 — 



tutto sanguinolente: e pensando che ä lato ä queilo, ö forse ad- 
dosso sarebbe sepellita, e che in quel monimento erano tanti corpi 
di morti etc. Oime, che voglio io fare? ove voglio lassciarmi 
porre? Se io mi destassi prima che il frate e Romeo vengano, 
che sarä di me? potro io sofferire quel gran puzzo che deve 
render' il corpo di Tebaldo etc. Auch die serpe und mille vermi 
werden wie bei Shakespeare erwähnt; ebenso bei Boaistuau ser- 
pens et autres bestes venimeuses; und er sagt von Juliette: il luy 
sembloit avis, qu'elle voyoit quelque spectre ou fantosme de son 
cousin Thibault, en la mesme sorte qu'elle l'avoit veu blesse, et 
sanglant: p. 55. 

Brooke p. 70: And what know I (quoth she) if serpentes odious, 
And other beastes and wormes that are of nature venomous etc. 
Oy how sliall I — 

Endure the loathsonie stinke of such an heaped störe 

Of carkases, not yet consumde, and bones that long before 

Intombed were, where I my sleping place shall haue, 

Where all my auncestors doe rest, my kindreds common graue ? 

Sliall not the fryer and my Romeus, when tliey come, 

Fynd me (if I awake before), ystifled in tlie tombe? 

Dann denkt sie an Tybalt. — 

Paynter p. 120: WJiat know I moreovcr, if the serpents and otJier 
venemous and crauling tvormes etc. But how shall I endure tJie 
stynche of so many carions and bones of myne auncestors whych rest 
in the gram, yf by fortune I do awake before RJwmeo and fryer 
Lawrence doe come to help me? — She thought that she saiv a cer- 
tayn vision or fansie of her cousin Uiibault etc. 

So weit Klein; es liesse sich aber noch mehr fĂĽr eine Ent- 
lehnung Shakespeare's aus Lope geltend machen: 

8) Lope und Shakespeare lassen Julia als Grund ihrer Thränen 
Trauer um den erschlagenen Verwandten angeben. So Shake- 
speare III, 5; Lope II, 2. Anders bei Paynter p. 111. Als die 
Mutter zu ihr sagt: Think no more upon the death of your cosin 
Thibault, antwortet sie: Madame, long Urne it is sithens the last 
fear es for Thibault were powred forth; worauf die Mutter glaubt, 
sie sei deshalb betrĂĽbt, dass ihre Freundinnen alle verheirathet 
seien, sie aber noch nicht. Aehnlich bei Brooke p. 55: Madame, 
the last of Tybalts teares a great ivhile since I shed. 



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- 216 — 



Bei Bandello p. 14 antwortet Giulietta der Mutter non saper 
che cosa s'havesse; auch diese glaubt die Ursache ihrer Thränen 
darin gefunden zu haben, dass ihre Freundinnen frĂĽher als sie 
verheirathet seien. 

Bei Lope dagegen sagt Julia: 

Have I not cause to be abroad, and with despair 

To weep Otavio's cruel death 

In red-eyed silence with the stars? 

MerkwĂĽrdigerweise hat der erste dramatische Bearbeiter der 
Romeo- und Julia-Sage, Groto, denselben Zug. Bei ihm räth die 
Amme der Hadriana, die Trauer um den erschlagenen Bruder als 
Vorwand zu benutzen, um den eigentlichen Grund ihrer Thränen, 
die Liebe zu Latino, zu verdecken. Und doch kann schwerlich 
von einem EinflĂĽsse Groto's auf Shakespeare die Rede sein. 

9) Bei Lope hat Paris bereits vor der Ermordung Otavio's 
um Julia's Hand angehalten: Akt II, 2: 

Connt Paris did entreat me for her hand, 
Ere he did joxmxey with the Duke. 
Ebenso bei Shakespeare bereits I, 2: 

Biet now, my lord, what say you to my mit? 

In den Novellen hingegen wirbt Paris erst um Julia's Hand, 
als deren Vater einen Gemahl fĂĽr sie sucht, um ihren Kummer 
zu stillen. Bandello p. 15: In questo tempo (als die Eltern daran 
denken für Julia einen Mann zu suchen) fu messo per le mani ä 
messer' Antonio il conte Paris — ; e pratticandosi questo partito 
con non poca speranza di buon fine, messer' Antonio lo disse alla 
moglie, parendole cosa buona e molto honorata, lo disse alla figliuola ; 
ebenso bei Boaistuau p. 50, Brooke p. 57 und Paynter p. 112. 
Auch diese Abweichung von den Novellen bot sich freilich dem 
Dramatiker, der den Stoff enger verbinden und ineinander ver- 
flechten soll, von selbst dar. — 

Nach dem Auseinandergesetzten können wir Klein nicht Recht 
geben, wenn er meint, Shakespeare sei von Lope beeinflusst wor- 
den. Ebensowenig dĂĽrfen wir mit Klein auf eine Wechselwirkung 
zwischen Shakespeare und Rojas schliessen, weil bei diesem Romeo, 
bei jenem Julia die Nacht anruft, ihren Gang zu beschleunigen. 
Vielmehr scheint uns Klein von jener Sucht nach Parallelstellen 
ergriffen zu sein, die in der classischen Philologie so viel Unheil 
angerichtet hat. Freilich fand sich manches in den Novellen in 



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— 217 — 

anderer Form als in den Dramen; dies ist aber durch die ver- 
schiedene Natur der beiden bedingt. Was dort schlicht erzählt 
wird, muss hier handelnden Personen in den Mund gelegt werden. 
Der Dramatiker gebraucht, um die Handlung zu beleben, mehr 
Personen als der Novellenschreiber; der Stoff muss anders ange- 
ordnet werden. Hier liegt die Möglichkeit sehr nahe, dass zwei 
Dramatiker, welche derselben Novelle folgen, dieselben dramati- 
schen Kunstmittel in Anwendung bringen, ohne von einander zu 
wissen. 

So haben Calderon und Schiller die bekannte Geschichte von 
Rudolf von Habsburg behandelt, und Viehoff (Schiller's Gedichte 
II, 300) weist eine Aehnlichkeit zwischen beiden Bearbeitungen 
der Erzählung nach. Er hütet sich aber wohl daraus zu folgern, 
dass Schiller Calderon nachgeahmt habe, sondern fĂĽgt weise hinzu: 
„Und hierin traf er, gewiss ohne es zu wissen, mit Calderon 
zusammen". 

Sollte aber wirklich von einem Einfluss Lope's auf Shake- 
speare die Rede sein, so hätte er sich doch wohl in wichtigeren 
als in jenen unbedeutenden Nebendingen gezeigt. Aber welche 
unendliche Verschiedenheit herrscht hier zwischen den beiden Dra- 
matikern! Wie viel feine ZĂĽge, welche die Sage bot, hat sich 
Lope entgehen lassen, während Shakespeare sie zu den herrlichsten 
Scenen benutzt hat. So fehlt bei Lope jenes feine psychologische 
Motiv, dass Romeo, ehe er Julia kennen lernt, bereits in ein 
andres Mädchen verliebt ist, gänzlich. Bei Shakespeare geht 
Romeo auf den Maskenball von der Liebe zu Rosalinde verleitet; 
bei Lope aus reiner Abenteurerlust. Bei diesem kennt Roselo die 
Julia schon, als er sie sieht; bei Shakespeare verliebt er sich in 
dieselbe, ohne zu wissen wer sie ist. Lope lässt den alten An- 
tonio selbst auf Roselo losstĂĽrmen; bei Shakespeare ist es der 
Heissspom Tybalt, der von dem Hausherrn taktvoll zurĂĽckgehalten 
wird, einen Gast zu beleidigen. Dieser lässt Romeo und Juliet 
bei ihrem ersten Zusammentreffen nur wenig Worte wechseln ; bei 
Lope verabreden sie nach langem Zwiegespräch sofort ein Rendez- 
vous. Lope's Roselo ist ein leichtsinniger JĂĽngling, der spielt 
und die Nächte umherschwärmt; Shakespeare' s Romeo ist ein 
schwärmerischer Liebhaber. Roselo plaudert seine Liebe sofort 
allen Bekannten aus; Romeo verbirgt sie keusch vor aller Welt 
in seinem Herzen. Lope lässt nur erzählen, dass Roselo Nachts 



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— 218 — 



sich mit Julia treffe; Shakespeare giebt uns nach Andeutungen 
der Novellen dafĂĽr die wundervolle Balconscene. Lope wusste die 
Gestalt des Mönchs nicht zu verwerthen; bei Shakespeare ist seine 
ehrwĂĽrdige Erscheinung eine Hauptzierde des Dramas. Sollte 
Shakespeare Lope's Drama wirklich gekannt haben, so mĂĽssen 
wir ihn auch noch deshalb bewundern, dass er aus demselben 
nichts entlehnt, sich vielmehr an die hochpoetische Novelle Brooke's 
angeschlossen hat. — Daniel erwähnt in seiner soeben erschienenen 
Abhandlung ĂĽber die Quellen zu Shakespeare's Romeo and Juliet 
der spanischen StĂĽcke mit keiner Silbe; und er thut wohl daran. 

Noch eins bleibt zu erwägen übrig: man hat neben Brooke 
auch Paynter als Quelle Shakespeare's bezeichnet. So sagt Delius 
in der Einleitung zu dem Stück: „Shakespeare hat sich näher 
dem Gedicht A. Brooke's angeschlossen, als der Novelle Paynter's, 
obwohl kein Zweifel sein kann, dass auch diese ihm vorlag." Ich 
wüsste nichts anzugeben, was für eine Benutzung Paynter's spräche, 
als den Namen Romeo, der ja bei Brooke Rorneus heisst, und die 
Erwähnung der 40 ducates, welche Romeo dem Apotheker giebt. 
Bei Paynter sind es wie bei Boaistuau 50 ducates; bei Brooke 
dagegen, der selbst die Geldsorten englisch angiebt: 50 crownes 
of gold. Wie wenig ĂĽbrigens Shakespeare auf dergleichen Neben- 
dinge giebt, ersehen wir daraus, dass er in der ersten Recension 
von 1597 nur twentie duckates angiebt, dass er Sainct Frauncis 
in St. Peter 's Church umwandelt, und Juliet 14 Jahr alt sein 
lässt, während sie bei Brooke 16, bei Paynter 18 Jahr alt ist. 
Endlich könnte noch die Zeitbestimmung für die Wirkung des 
Pulvers: 

Thon shalt continue ttvo and fortie houres, 

auf eine Benutzung Paynter's hinweisen; denn Brooke p. 64 sagt, 
ohne bestimmte Zeitangabe, nur: 

Longer or shorter is the titne before the sleeper ivaketh. 

Paynter dagegen: and you alride in sutch extasie the space of forty 
houres at the least (p. 117), wörtlich nach Boaistuau: tu demeu- 
reras en teile extase l'espace de quarante heures pour le moins. 
Bandello hat: circa quaranta höre almeno; Luigi da Porto: per 
quarant' otto höre, over poco piu o meno. Bei der Clitia sind es 
2 Tage; bei Groto 16 Stunden. Masuccio hat: l'avrebbe non solo 
per tre di fatta dormire. Da die Angabe der two and fortie houres 



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— 219 — 



sich bei Shakespeare in der Quarto von 1597 nicht findet, sondern 
erst in den spätem Ausgaben auftritt, so könnte man vermuthen, 
dass Shakespeare ursprĂĽnglich allein Brooke gefolgt sei und erst 
später aus Paynter einige Züge nachgetragen habe. Ich würde 
aber dergleichen Nebenumstände gar nicht erwähnt haben, wenn 
es nicht an und für sich wahrscheinlich wäre, dass Shake- 
speare Paynter's Novelle gelesen habe. Bekanntlich dankt er dem 
Palace of Pleasure den Stoff zu mehreren anderen Stücken. — 

So bleibt uns denn, vielleicht neben Paynter, als Hauptquelle 
Shakespeare's Brooke ĂĽbrig. Es ist Malone's Verdienst dies zuerst 
erkannt zu haben (in seiner Ausgabe 1821). Folgende gewichtige 
GrĂĽnde stĂĽtzen seine Behauptung: 

1) Bei Brooke und Shakespeare heisst der prince von Verona 
Escalus, bei Paynter Signor Escala, zuweilen Lord Bartholomen 
of Escala. Den Namen Escalus, der wohl aus della Scala ent- 
standen ist, hat Shakespeare auch in seinem Mcasure for Measure. 

2) Bei Brooke und Shakespeare heisst der Name Montagues, 
bei Paynter Montesches. 

3) Der Bote des Lawrence, der den Brief an Romeo bringen 
soll, heisst bei Brooke und Shakespeare Friar John, bei Paynter 
Anselme. 

4) Bei Brooke und Shakespeare schreibt Capulet die Namen 
der Gäste auf, bei Paynter wird hiervon nichts erwähnt. 

5) Bei Brooke und Shakespeare heisst der Sitz der Capulets 
Freetown, bei Paynter Villafranco. 

6) Mehrere kleine ZĂĽge weisen auf Brooke hin; ja zuweilen 
erinnert der Wortlaut an jenen. Nachweise hierfĂĽr finden sich 
in den Anmerkungen zu Shakespeare's Ausgabe von Romeo and 
Juliet (Malone's Shakespeare, by Bosweli VI, 3). 

Für Brooke lässt sich ausserdem noch Folgendes geltend 
machen: 

7) Brooke und Shakespeare nennen den Vornamen des alten 
Capulet nicht, Paynter nennt ihn nach seinen Vorgängern Antonio 
oder Anthonie (Antonio heisst er auch bei Lope). 

8) Bei Brooke und Shakespeare heisst der Graf nur Paris, 
und zwar in der Regel in der Form County Paris; Paynter nennt 
ihn Ein Mal wenigstens cotmt of Lodronne. 

9) Shakespeare gebraucht ein Mal die Form Capel fĂĽr Capulet: 

her hody sleepes in Capels monument: V, 1. 



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— 220 — 

r 

Auch Brooke hat diese Form ein Mal, während er sonst Capilet 
oder Capelet, Shakespeare Capulet schreibt. Paynter hat die Form 
Capel nicht. — 

Um zu zeigen, wie eng sich Shakespeare an Brooke an- 
schliesst, hat Daniel (c. 1.) hei jeder einzelnen Scene des Dramas 
auf die entsprechenden Verse Brooke's hingewiesen; dies hatte 
vor ihm bereits Malone gethan. Wir lassen im Folgenden ein 
paar Stellen zur Vergleichung folgen, welche uns am meisten Be- 
weiskraft zu haben scheinen. 

Oben ist bereits erwähnt worden, wie Shakespeare mehrere 
ZĂĽge zu dem Character der Amme von Brooke entlehnt hat; da- 
mit man gar nicht im Zweifel bleiben könne, finden sich nicht 
nur dieselben ZĂĽge, sondern sogar dieselben Worte wie bei Brooke : 
so m, 5, wo die Amme den Count Paris lobt und Romeo tadelt: 

He dares ne'er cotne back to challenge you. 

I think it best you married with the county. 

i" think you are happy in this second mateh. 

Brooke: And eke she praiseth much to her the second marriage; 
And county Paris now she praiseth ten times more 
By wrong; than she herseif by right had Romms praĂĽ'd before. 
Paris shall divell there still; Romeus shall not return. 

IV, 3 schickt Juliet die Amme mit den Worten weg: 

But, gentle nurse t 
I pray thee, leave me to myself to-night; 
For I have need of many oi'isons 
To move the heavem to smile upon my state. 

Brooke: — wherefore, this night, my purpose is to pray 

Vnto the heavenly minds tliat divell above the skies 

Tliat they so smile upon the doings of to-morrow. 

III, 3 erhält Romeo die Nachricht, dass er verbannt sei; als 
er darĂĽber in masslosen Schmerz versinkt, redet der Friar ihn an : 
Art thou a man? thy form cries out thou art: 
Thy tears are womanish; thy wild acts denote 
The unreasonable fury of a beast. 

Brooke: Art thou quoth he a man? thy sliape saĂĽh, so thou art; 
Thy erging, and thy weping eyes, denote a womans hart. 
For manly reason is quite from of thy mynd outchased, 
And in her stead affections lewd, and fansies highly placed: 



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- 221 - 1 

So (hat I stoode in doiite this howre (at the hast) 
If thou a man, or wonian wert, or eis a brutish beast. 
Ebenso wörtlich entlehnt ist die Beschreibung der Wirkung des 
Pulvers, IV, 1: 

Take thou this vial, being then in bed, 

And this distilled liquor drink thou off; 

When presently through all thy veins slw.ll run 

A cold and drmvsy humour, — for no p\dse 

Shall keep his native progress 

Then, as the manner of our country is, 

In thy best robes nncover'd on the biet 

Thon slialt be hörne to that same ancient vault etc. 

Brooke: Eeceiue this vyoll small, and keepe it as thine eye, 

Then drink it off, and thou shalt feel throughout eoxh vein and limb 
A pleasant slumber slüle — 
No pulse shall goe etc. 

Borne to their cJiurch with open face upon the bier he lies 
In wonted weed attired, not wrapt in winding-sheet. — 

Schmidt (c. 1.) macht noch auf folgenden Zug aufmerksam, der 
sich bei Shakespeare und Brooke gemeinsam findet. Als der alte 
Capulet seine Tochter trotz ihres Widerstrebens zu einer Heirath 
mit Paris zwingen will, verlässt er nach harten Worten das Zim- 
mer, ohne eine Antwort Julia's abzuwarten: 
And after him his wife doth follow out of doore, 
And there they leave theyr chidden childe kneeling upon the floore. 
Ebenso bei Shakespeare III, 5; die Mutter sagt, als Juliet sich 
an sie wenden will: 

Not to me, for TU not speak a ward. 
Do as thou ivilt, for I have done ivith thee. 
Bei Paynter wird an dieser Stelle die Mutter gar nicht er- 
wähnt; Juliette kniet (fei down at his feie); am Ende der zürnen- 
den Worte des Vaters heisst es: and withoxd Staging for other 
answer of his dattghtcr, the olde man departed the Chamber, and 
lefte hir mpon hir knees. Julietta — retired for the day into hir 
Chamber. Bei Boaistuau wird die Mutter ebenso wenig erwähnt: 
Et saus attendre autre response le vieillard part de sa chambre, 
et lä. laissa sa fille ä genoux, sans vouloir attendre aucune re- 
sponse d'elle. Bandello hat nur die Worte des Vaters, nichts von 
Julia's Niederknien, noch von der Gegenwart der Mutter bei der 



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— 222 — 

Scene. Wohl aber wird die Mutter bei Da Porto erwähnt: Et 
non potendo da lei altro che lacrime ritrare, oltra mado scontento 
con madonna Giovanna la lasscio. 

Obgleich somit alles auf Brooke als die einzige Quelle Shake- 
speare's hinweist, hat ganz neuerdings Simrock (1870, in der 
2. Auflage seiner Quellen) behauptet, Shakespeare habe nicht nur 
Brooke und Paynter, sondern auch Bandello und sogar Luigi da 
Porto gekannt. Wenn auch Shakespeare die meisten der spätem 
Abweichungen von Bandello's Erzählung mit Brooke gemein habe, 
so dĂĽrfe man doch daraus nicht den Schluss ziehen, dass Shake- 
speare den Bandello nicht gekannt habe, da er ja diesen Ver- 
änderungen aus künstlerischen Gründen den Vorzug geben konnte. 
Aber einmal ist es unkritisch, Schriftsteller als Quellen fĂĽr Shake- 
speare anzunehmen, auf welche weder der Wortlaut einzelner Stellen, 
noch irgend ein bestimmter Zug der Sage hinweist. Was aber 
den „Vorzug aus künstlerischen Gründen" betrifft, so wird er durch 
folgende Erwägung widerlegt. Aeltere Kritiker haben Shakespeare 
einen Vorwurf daraus gemacht, dass er nicht mit Luigi da Porto 
und Bandello Julia in der Gruft habe erwachen lassen, als Romeo 
noch am Leben war. So habe er sich eine hochpoetische, echt 
dramatische Scene, in welcher die Liebenden Abschied von einander 
nehmen, entgehen lassen. Dieser Vorwurf wäre gewiss begründet 
(wie auch Klein darĂĽber denken mag), wenn Shakespeare da Porto, 
Groto oder Bandello gekannt hätte. Aber bereits früher hat man 
Shakespeare von ihm freigesprochen, da er die italienischen Quellen 
der Sage nicht kannte. Oder glaubt Simrock wirklich, dass er 
aus „künstlerischen Gründen" dieser modernen Auffassung der Sage 
vor jener ältern, weit dramatisch-wirksamem den Vorzug gegeben 
hätte? — 

So sehen wir, wie unsere Sage in Italien aus uns unbekannten 
Quellen ihren Ursprung nahm, wie sie sich bald ĂĽber ganz Italien 
verbreitete, wie dann der mächtig angeschwollene Strom sich theilte, 
von dem ein Arm nach Spanien floss, um dort nach lustigen Cas- 
caden bald zu versiechen; wie der andre Arm aber ĂĽber Frank- 
reich nach England strömte und, seitdem Shakespeare die Richtung 
desselben bestimmt hat, noch heutzutage weiter strömt nicht nur 
durch England, sondern durch die ganze civilisirte Welt. — 

Aber wie verschieden gestaltet sich die Sage in den ver- 
schiedenen Ländern! Wir haben an den betreffenden Stellen bereits 



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— 223 — 

die Novellen unter einander verglichen. Die beiden italienischen 
Novellen in Prosa waren schlichte Erzählungen , die mit fast 
dramatischer Lebendigkeit den Stoff wiedergaben, wie er aus dem 
Yolksmunde den Erzählern bekannt geworden war. Doch fanden 
wir hier bereits den Unterschied, dass Da Porto viel naiver erzählt, 
als sein Nachahmer. Aber bei weitem grösser ist der Unterschied 
zwischen Bandello und seinem französischen Nachfolger. Wir fühlen 
sofort, dass die Sage in ein anderes Land ĂĽbergetreten ist. Mit 
stolzer Verachtung blickt Boaistuau auf seinen Vorgänger herab. 
Die naive Wiedergabe einer Volkssage konnte ihm, dem reflectiren- 
den Franzosen, nicht mehr genĂĽgen. So wird alles wahrschein- 
licher und begreiflicher gemacht, dabei aber der feine Staub von 
den FlĂĽgeln der Sage abgestreift. Die kunstlose Darstellung wird 
durch eine kunstvollere ersetzt. Pathetische Reden treten an Stelle 
der einfachen, natĂĽrlichen Worte; gelehrter Schmuck verziert die 
Erzählung, selbst religiöse Betrachtungen fliessen mit unter. Aber 
in den Händen dieses nüchternen Franzosen mit dem kalt secirenden 
Verstände verliert die Erzählung viel von ihrem ursprünglichen 
Zauber. Paynter kann hier nicht in Betracht kommen, da seine 
Novelle nichts als eine schĂĽlerhafte Uebersetzung des Boaistuau ist. 

Wie verschieden auch die beiden uns bekannten Novellen in 
Versen! Clitia schildert mit sĂĽdlicher Lebhaftigkeit mehr die 
Aeusserlichkeiten ; sie giebt z. B. eine vollständige Beschreibung 
des Fackeltanzes; in wohltönenden Ottave Rime fliesst die Er- 
zählung glatt dahin, frei von tiefer Leidenschaft. Ganz anders 
bei Brooke. Für die Veränderung der Sage können wir ihn nicht 
verantwortlich machen; er nahm sie aus seinem französischen 
Original herĂĽber, wie er sie dort fand. Die Form aber ist ihm 
eigen, und er hat ein kleines Meisterwerk damit geschaffen. Tiefe 
Sinnsprüche schmücken die Erzählung; pathetische Reden vermeidet 
er, er ist nicht ein italienischer VerskĂĽnstler, sondern ein nordischer 
Denker, den sein Stoff zu ernsten Betrachtungen auffordert. 

Bei weitem am interessantesten aber ist es, die vier Dramen, 
in denen die Sage bei drei verschiedenen Völkern auftritt, unter 
einander zu vergleichen. Der Zeit nach liegen sie gar nicht so 
weit auseinander: 20 Jahre Unterschied sind zwischen dem frĂĽhesten 
und spätesten der Dramen, wenn wir von Rojas' Spätgeburt ab- 
sehen. Aber es scheint uns, als ob Jahrhunderte dazwischen lägen. 
Die Hadriana ist mehr eine Reihe schwungvoller Reden als ein 



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- 224 - 

Drama. Den romantischen Stoff versucht Groto in ein antikes 
Gewand zu kleiden; seine Personen handeln nicht auf der BĂĽhne, 
sie declamiren nur. Dazwischen erscheint nach alter Sitte der Chor, 
um weise Lehren an den Faden der Geschichte anzuknĂĽpfen. Er 
macht zwar den Versuch, durch das Hinzudichten der Amme den 
Stoff lebensvoller zu gestalten, aber dies gelingt ihm nicht. Seine 
Personen sind Wesen ohne Fleisch und Blut, die bald einen Monolog 
von Hunderten von Versen, bald langathmige, unnatĂĽrliche Dialoge 
hersagen. Ganz anders in Spanien! Hier pulsirt ein lustiges, 
fröhliches Leben im Drama. Wir finden wohl die alten Gestalten 
der Sage wieder, aber sie sind lebenslustiger geworden und haben 
die ernste Maske der Tragödie mit dem heitern Gesicht der Comödie 
vertauscht. Fast nur die Namen sind von ihnen geblieben, ihr 
Wesen ist völlig verändert. Der schwermüthige Romeo hat auf- 
gehört um die Geliebte zu seufzen; leichtsinnig klingen seine Worte, 
leichtblĂĽtig ist sein Handeln. Als er vermuthet, dass die Geliebte 
ihm untreu geworden, weiss er sich schnell zu trösten: die neue 
Stadt bietet ihm leicht ein neues Liebchen. Hier ist nichts mehr 
von dem ernsten, tragischen Ton; munter hüpfen die Spässe des 
Gracioso, selbst die hochtragische Grabesscene wird derartig um- 
gewandelt, dass die Lachnmskeln der Zuschauer in Bewegung ge- 
setzt werden. Witzige Dialoge, spässige Einfalle, heitere Scherze, 
so spielt sich die Handlung von der ersten bis zur letzten Scene 
ab : ewiger Sonnenschein, der nur selten von einer schnell vorĂĽber 
huschenden Wolke verdeckt wird. Bei Lope wird die Tragödie 
zur Comödie, in unserer Bedeutung des Wortes, bei Rojas wird 
sie gar zur jämmerlichen Posse. 

Auch bei Shakespeare pulsirt durch das ganze StĂĽck hindurch 
ein kräftiges Handeln und Leben. Auch er weiss nach seiner Art 
des Lebens Ernst mit Scherz zu verbinden. Aber sein Schön- 
heitssinn bewahrt ihn vor dem argen Fehlgriff, einen von Natur 
hochtragischen Stoff in eine Posse umzuwandeln. Auch seine Per- 
sonen sind von Leidenschaft durchglĂĽht. Aber deshalb declamiren 
sie nicht phrasenhafte Reden mit hohlem Pathos. Es ist kein Stroh- 
feuer, das in ihnen aufflackert, sondern wahre Liebesgluth. W T ährend 
in der Hadriana fast nur Reden declamirt werden, giebt es kaum 
ein lebensvolleres StĂĽck, ein Drama, das mehr diesen Namen ver- 
diente, das so viel Handlung hätte, als Shakespeare's Romeo und 
Juliet. So verschieden von Groto wusste er denselben Stoff zu 



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— 225 — 

verwertheii. Gleich die erste Scene, die er völlig selbständig hin- 
zugedichtet hat, und in der er uns ein Bild von dem Parteihader 
in Verona entrollt, ist ein MeisterstĂĽck der Exposition. Seine 
Figuren sind nicht nach der Schablone gezeichnet, wie bei Lope; 
es sind naturgetreue Gestalten, voll originellen Lebens. So musste 
es dem nordisch-germanischen Dichter vorbehalten bleiben, die sĂĽd- 
ländische Sage romanischen Ursprungs so zu gestalten, dass sie 
für alle Zeiten lebensfähig geblieben ist. Die Werke, in denen 
die Sage ursprĂĽnglich auftaucht, sind verschollen und vergessen, 
und nur der Fachgelehrte sucht sie noch auf; das Meisterwerk 
des grossen Dichters hat sie verdunkelt. — Und warum hat sich 
in Frankreich kein Dichter gefunden, den Stoff zu behandeln? Die 
Sage war doch auch dort bekannt genug. Ich glaube deshalb, weil 
den Franzosen der Stoff zu genial war. Sie konnten es nicht fassen, 
dass die Leidenschaft der Liebe so mächtig wirken könnte. Ihrer 
verstandesgemässen Poesie lag ein derartiger Stoff mit seinen ge- 
waltigen Leidenschaften, die kĂĽhn die Schranken des Herkommens 
und der Sitte ĂĽberspringen, fern, und sie waren zu nĂĽchtern und 
verständig eine Posse daraus zu machen. — Shakespeare aber hat 
aus der höchst traurigen Geschichte zweier Liebenden die wunder- 
volle Tragödie der Liebe geschaffen. 

Berlin, im October 1875. 



Jahrbuch XI. 15 



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Eine Quelle 
zu Shakespeares Sommernachtstraum. 

Von 

Fritz Kranes. 



scheint" — sagt A. Schmidt in seiner Einleitung zur 
Schlegel'schen Uebersetzung des Sommernachtstraumes , von der 
Schilderung der Königin Mab in Romeo und Julia sprechend — 
„als ob Shakespeare diese schöne Stelle nur eingeschaltet hat, 
weil er einem unwiderstehlichen Zuge seiner Phantasie folgte, die 
gerade von den Bildern der Feenwelt erfĂĽllt war. Nichts konnte 
ihm da näher liegen als der Plan zu einem Werk, in welchem 
er diesen poetischen Hang nach Herzenslust durfte gewähren lassen. 
Und darin würde es denn auch seine Erklärung finden, dass alle 
BemĂĽhungen vergeblich gewesen sind, die Quellen zu ermitteln, 
aus welchen der Dichter den Stoif des Sommernachtstraumes 
schöpfte. Sobald er einmal den Gedanken gefasst, die Elfen mit 
den menschlichen Herzen ihren Schabernack treiben zu lassen, 
musste der ganze Entwurf fertig vor seiner Seele stehen." — 

Ich kann mich nicht erwehren, in dieser anscheinend sehr 
logischen Entwicklung einen Beweis dafĂĽr zu sehen, wie leicht 
wir ĂĽber das rĂĽckblickende Begreifen einer Idee oder Erfindung 
das Wunder ihrer Geburt vergessen. Heute erscheint uns der 
Gedanke, „die Elfen mit den menschlichen Herzen ihren Schabernack 
treiben zu lassen" sehr einfach; ihn zuerst haben konnte aber 
nur ein genialer Geist und zwar zu glĂĽcklicher Stunde. Jenes 
„sobald" konnte nicht nur so von ungefähr eintreten; es muss in 
der Seele des Dichters durch besondere Eindrücke und Vorgänge 
gezeitigt worden sein. 



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— 227 — 

Warum schilderte Shakespeare „wenn er einmal gerade von 
den Ideen der Feenwelt erfĂĽllt war" diese Feenwelt nicht einfach 
so, wie er sie in den uns bekannten Quellen, in Chaucer, in Märchen, 
Balladen und Dramen, in der Geschichte Robin Goodfellow's und 
im Volksglauben vorfand? 

Schöll sagt 1 ): „Man hat mit Grund behauptet, dass diese 
Maschinerie des Elfenvolkes ihre EinbĂĽrgerung in der Poesie mit 
so vorherrschend freundlicher, phantastisch -lieblicher Bedeutung 
zumeist dem Shakespeare verdanke. Gesetzt übrigens, er hätte 
die Elfenschilderung schon ganz ähnlich vorgefunden, so war doch 
hiermit ebensowenig wie mit den romanhaften Gestalten des Theseus 
und seiner Geliebten die komische Handlung gegeben, worin er 
diese luftigen Wunderwesen so anmuthig, so ergötzlich beschäftigt.*' 
Und wie Halliwell 2 ) sich ausdrückt, „waren die Feen von Launfal 
und Orfeo nicht die Feen Shakespeare's, noch haben die Feen 
Chaucer's oder der früheren Romanciers eine grössere Aehnlichkeit 
mit ihnen. Auch Spenser begnĂĽgte sich mit den Feen der Romanze. 
Shakespeare grĂĽndete seine Feenwelt auf die hĂĽbschesten der 
Volkssagen und kleidete sie in die ewigen Blumen seiner reichen 
Phantasie. Wie viel die Erfindung des grossen Dichters ist, 
werden wir wahrscheinlich nie erfahren, und seine Nachfolger 
haben die Sache nicht klarer gemacht, indem sie die von ihm ge- 
schaffene bildliche Welt auffassten, als wäre sie mit der Volks- 
mythologie verwebt und bildete einen Theil davon." 

Die Elfen, welche Shakespeare vorfand, waren mit unseren 
Kobolden zu vergleichen; sie spielten den Menschenkindern Streiche, 
hauptsächlich den „Knaves and Queanes", den bösen Buben und 
faulen Mädchen, oder hallen den Guten und Fleissigen bei der 
Arbeit wie die Heinzelmännchen. Sie spielten noch nicht mit den 
MensdienJierzen, wie Shakespeare's Elfen, und darin liegt der grosse 
Unterschied. Bei Shakespeare können wir den Uebergang von 
der Elfenwelt des Volksglaubens zu seiner eigenen, die Genesis 
der Erfindung, erkennen. Die Schilderung der Königin Mab im 
Romeo fusst noch ganz auf der Tradition, und Puck im Sommer- 
nachtstraum ist noch der alte Necker Robin Goodfellow, während 



') Blätter f. liter. Unterhaltung, 1844. 

*) Illustrations of the Fairy Mythology of a Midsummer Night's dreara. 
London, 1845. Einleitung. 

15* 



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Oberon mit seiner Einsicht ins Menschenherz Shakespeare's eigene 
Schöpfung ist. Daher kommt es wohl, dass Puck in der Aus- 
fĂĽhrung der Befehle seines hohen Meisters sich so ungeschickt 
zeigt: ihm geht offenbar das Verständniss ab, das dieser für die 
GefĂĽhle der Menschen besitzt. Mir scheint, dass in Puck und 
Oberon recht deutlich der Unterschied zwischen der alten und 
Shakespeare's Elfenwelt ausgeprägt ist. 

Ich möchte demnach, entgegen Schmidt's Auffassung, dass 
Shakespeare die Personen seines Dramas schuf, um an ihnen die 
Einwirkung des Elfenvolks auf die Menschenwelt zu demon- 
striren, fragen: kann er nicht umgekehrt das Elfenvolk herbeige- 
zogen und umgestaltet haben, um durch seinen geheimen Einfluss 
den Zauber der Liebe und die Verwirrungen zu erklären, welche 
sie in den menschlichen Herzen anrichtet, sei es, dass ihn eine 
zufällig gefundene Schilderung solcher Verwirrungen oder ein wirk- 
liches, ihn nahe berĂĽhrendes Erlebniss dazu reizte? Vielleicht 
fand sich beides zusammen, wie auch der Maler verschiedene Mo- 
tive zu einem harmonischen Bilde vereinigt. Der Gedanke, „die 
Elfen mit den menschlichen Herzen ihren Schabernack treiben zu 
lassen" kann nur durch die Beobachtung der Sonderbarkeiten des 
menschlichen Herzens in Shakespeare erzeugt worden sein. Letztere 
geht voraus. Das Elfenvolk wurde daher fĂĽr Shakespeare nicht 
Zweck , sondern Mittel, und er schuf es fĂĽr seinen Zweck um. Nach 
dieser Auffassung kämen wir von selbst darauf, den Schwerpunkt 
des StĂĽckes, oder die Veranlassung dazu, in den Sonderbarkeiten 
des menschlichen Herzens zu suchen, welche hier zunächst in den 
liebenden Paaren Lysander und Hermia, Demetrius und Helena 
zur Anschauung gebracht werden. Von den im Drama neben ein- 
ander herlaufenden Handlungen nimmt auch allein die Geschichte 
der Liebenden unser Gemüth in Anspruch, während die Hochzeit 
des Theseus nur als prächtiger Rahmen dient, die Elfenwelt nur 
unsere Phantasie erregt, und die Komödie der Handwerker sich 
selbst als blosses Zwischenspiel kennzeichnet. 

In Romeo und Julia hatte Shakespeare die Liebe in ihrer 
elementaren Gewalt, als Schicksal, geschildert; hier im Sommer- 
nachtstraum stellt er sie von ihrer menschlicheren Seite dar mit 
all den ihr anhaftenden Schwächen und Wunderlichkeiten. Diese 
Schwächen drückt er dem Drama gleichsam als Stempel auf, so 
dass alle Charaktere mehr oder weniger Beispiele davon geben. 



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— 229 — 

Wie Hense sagt, 1 ) „ist die Geschichte der Charaktere dieses 
Dramas wandelbare Liebe. So Theseus. Oberon hat tagelang als 
Corydon der verliebten Phyllida von Minne gesungen und hat ein 
„"Verhältniss" zu Hippolyta. Titania liebt Theseus und verliert 
sich in träumerischer Bezauberung in eine Leidenschaft für Zettel." 

Und Ulrici: 2 ) „Willenskraft, Verstand und Vernunft treten in 

den Hintergrund zurück, alle übrigen Seelenkräfte dagegen, nament- 
lich Phantasie und GefĂĽhl, Stimmung und Laune, und jene leisen, 
verborgenen Regungen, welche uns meist gar nicht zum Bewusst- 
sein kommen, oft aber bedeutsam in unser Leben eingreifen, wirken 
in voller Freiheit und ZĂĽgellosigkeit. Insbesondere ist es die Ein- 
bildungskraft, welche in aUen handelnden Personen als Ursache 

ihres Thuns und Strebens thätig ist. So vor allem beruht 

die Liebe, der Haupthebel der Action, wie sie hier gefasst und 
dargestellt ist, im Grunde nur auf der Einbildungskraft." — 

Wer hat nicht schon an sich und Andern jene unerklärlichen 
Wandelungen erfahren, die ein edles Herz plötzlich in das Gegen- 
theil verkehren, einen hohen Character zum Zerrbild machen, 
Alles, worauf wir in ruhiger Sicherheit gebaut, in eitel Dunst 
auflösen, unsere Begriffe so verwirrend, dass wir das Unbegreifliche 
nicht mehr fassen können und uns fragen: „was ist mit uns vor- 
gegangen?" Es ist uns, als müssten Zaubermächte ihr Spiel mit 
uns getrieben haben. 

Bei diesen Wandelungen streift das Tragische an das Komische, 
das Erhabene an das Lächerliche; Shakespeare aber fasste vor- 
züglich das Komische auf, als er zu ihrer Erklärung das Elfenvolk 
herbeizog und umgestaltete. Es handelt sich hier um die scliwache 
Seite der Liebe, das Närrische, das ihr innewohnt, und das musste 
des Dichters immer wachsamen Humor reizen. So sagt Ulrici 
p. 276 1. c: „Durch die Fürsten der Elfen und deren Eingreifen 
in die Action erscheint jene höhere Macht repräsentirt, welche das 
Leben der Menschen an unsichtbaren Fäden leitet. Aber auch sie 
ist nicht gefasst in ihrer wahren Grösse, in ihrer schwer wiegenden 
Bedeutung und stillen, geheimnissvollen Wirksamkeit, sondern 
gleichfalls ergriffen von dem allgemeinen Strudel des Humors tritt 
sie in handgreiflichen körperlichen Gestalten hervor und zeigt sich 
bloss als das muntere neckende Spiel personificirter Naturkräfte." — 

*) John Lilly und Shakespeare, Shakespeare-Jahrbuch VTI, 269. 
3 ) Shakespeare^ dramatische Kunst n, 282. 



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Wie aus allem diesem hervorgeht, dass der eigentliche Ken. 
des StĂĽckes, um den sich Alles dreht, das schwache Herz ist, als 
dessen Repräsentanten in erster Linie die liebenden Paare auf- 
geführt werden, möchte ich auch auf Ulrici's Einwendung: „Zwei 
Liebespaare . . . spinnen eine Intrigue an, die aber mitten in der 
AusfĂĽhrung stecken bleibt, und daher nicht als der Kern des 
Ganzen angesehen werden kann" — entgegnen: Gerade weil die 
Macht der Liebe, ihre Wandelbarkeit stärker ist als die Menschen, 
kommt hier die Absicht der Menschen, die Intrigue, in's Stocken; 
es wird gezeigt was die Menschen eigentlich leitet: „Launen, Ver- 
änderlichkeit, Phantasie, Stimmungen und Einbildungskraft", und 
diese lässt Shakespeare bewusste Wesen sein, die Elfen. Es ist 
also eine Feinheit des Dichters, dass er die Liebespaare erst nach 
gewöhnlicher Menschenart eine Intrigue anspinnen lässt, von der 
sie dann durch das Eingreifen der geheimen Mächte (ihre eigenen 
Schwächen) abgetrieben werden, wie ein Windstoss die Blätter 
vor sich herweht. 

Konnte nun auch die blosse Beobachtung des schwachen 
Menschenherzens Shakespeare schon zu einem solchen StĂĽcke ver- 
anlasst haben, so lässt sich doch fragen, ob nicht, wie früher an- 
gedeutet, Anstösse von aussen hinzukamen, Berührungen, durch 
welche, wie ZĂĽndstoff durch den Funken, eine fruchtbare Idee 
plötzlich auflodert, die dann tausend andere gebiert. 

Es ist bekannt, dass Shakespeare den Hauptstoff zu „Die 
beiden Edelleute von Verona" aus einer Episode des spanischen 
Schäferromans „La Diana" des Jorge de Montemayor schöpfte. 
Da die erste englische Uebersetzung des Romans durch Yonge erst 
1598 erschien, die Veroneser aber wohl schon vor 1591 geschrieben 
wurden, glaubte man als Shakespeare's unmittelbare Quelle ein 
1584 aufgeführtes, verloren gegangenes Stück „Felix und Philio- 
mena" von unbekanntem Verfasser annehmen zu sollen, das den 
gleichen Stoff behandelt zu haben scheint. Von diesem StĂĽcke 
kennen wir aber nur den Titel, der uns nicht einmal mit Gewiss- 
heit auf die Hauptpersonen jener Episode schliessen lässt, die 
Philiomena mĂĽsste denn aus der Felismena der letzteren entstellt 
sein. Nun existirte aber die Yonge'sche Uebersetzung handschrift- 
lich schon 1582 oder 1583, und dass Shakespeare „Die Geschichte 
der Schäferin Felismena und zwar höchst wahrscheinlich in Yonge's 
handschriftlicher Uebersetzung der Diana des Montemayor gelesen 



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— 231 — 



haben muss, ergiebt sich aus einer Vergleichung seines Dramas 
mit jener Episode des Romans" — (sagt Nie. Delius in seiner 
Einleitung zu den Veronesern). Und hätte Shakespeare Yonge's 
Uebersetzung nicht gekannt, so wäre ferner möglich, dass seine 
Freunde ihm die Geschichte aus dem in England längst und viel 
gelesenen spanischen Originale mĂĽndlich ĂĽbersetzten oder auch 
nur erzählten, falls er selber nicht spanisch genug verstand; un- 
bekannt aber kann ihm dieser Roman, ob ĂĽbersetzt oder nicht, 
unmöglich geblieben sein, ein Roman, von dem damals Alles er- 
fĂĽllt war und den Sidney sich zum Muster fĂĽr seine, Shakespeare 
wohlbekannte „Arcadia" genommen, wie er auch manches Gedicht 
daraus fĂĽr Lady Rieh ĂĽbertragen hatte. 

Ohne auf die Geschichte der Felismena hier näher eingehen 
zu wollen, muss ich doch bemerken, dass sie mit dem Tode der 
Rivalin nicht abschliesst. Felix verlässt aus Kummer das Land, 
und Felismena sucht ihn noch durch mehrere BĂĽcher dieses Romans 
hindurch. Wenn nun Shakespeare die Schicksale seiner Heldin 
Felismena (in den Veronesern Julia) verfolgte, kann ihm nicht 
entgangen sein, dass sie auf ihren Fahrten auch an den Hof der 
„weisen Felicia" kam, welcher der Tugend und Keuschheit ge- 
weiht war. Daselbst traf sie andere unglĂĽckliche Hirten und 
Hirtinnen, die auch der Felicia Rath suchten, worunter Syreno, 
Sylvano und die Sylvagia. Die Drei befinden sich in grossen 
Nöthen. Syreno liebt die verheirathete Diana, die ihn als Mädchen 
auch geliebt, jetzt aber seine Neigung verschmäht. Sylvano, der 
erst die Sylvagia liebte, hat sie verlassen, um auch der Diana zu 
folgen, worauf Sylvagia sich von ihm abwendet und dem Alvanio 
zuneigt. In dieser Verwirrung kommen sie zur weisen Felicia, 
die sie daraus befreien will. Nun heisst es im Romane weiter: 
(ich citire aus der, 1663 zu NĂĽrnberg gedruckten Ausgabe der 
deutschen Uebersetzung des Freiherrn von Kueffstein) — 

„Giengen hierauf beede (Felicia und Felismena) in den 
„Saal, darinnen sie die Schäfer und Schäferin allbereit ihrer 
„wartend funden." Felicia entfernt sich einen Augenblick und 
kommt wieder mit zwei crystallenen Gefässen, geht zu Syreno 
und sagt zu ihm: „Mein betrübt- und von Deiner Schäferin so 
„gantz vergessener Syreno, da zu Deinem Anliegen einig er- 
„spriessliches Mittel wäre, wolte ich solches gewisslich für ge- 
kommen haben: wann aber Du derjenigen, die Dich einmals 



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— 232 — 



„so hoch geliebet, nimmehr ohne eines andern Tod nicht ge- 
messen kanst, und aber solcher allein in Gottes Willen be- 
ruhet: Also must Du Dich eines andern Mittel behelfen, dessen, 
„nemlich zu vergessen so zu erlangen unmöglich u. s. w. Du 
„aber meine schöne Sylvagia und Du ungeliebter Sylvano trincket, 
„bitte ich, miteinander diese andere Geschirr aus, darinnen ihr 
„grosse Linderung der vergangenen Pein und nicht geringem 
„Anfang einer neuen und gantz unverhofften Vergnügung befinden 
„werdet. — Hiemit reichete sie denen gedachten beeden Theilen 
„die schönen Gläser, welche sie alsbald austruncken, und gleich 
„darauf gleichsam in einer Ohnmacht zur Erde suncken, darob 
„die schöne Felismena mercklich erschrocken. . . . Verwundert 
„euch hierob, sprach Felicia, nicht: dann das Wasser, so ich 
„Ihnen zu trincken gegeben, ist solcher Wirckung, dass sie, als 
„lang es mir gefallt, schlaffen müssen, auch durch keinen 
„Menschen aufgemuntert werden mügen, welches ihr, da es euch 
„beliebet, versuchen möget. Die Felismena thate es, und be- 
ruhete sich mit Rufen und anderwärts die Eingeschlaffenen 
„aufzuwecken, aber alles vergebens. Da sagte die Felicia, sie 
„solle sich hierob nicht so sehr verwundern, sintemal sie doch 
„seltzamere Sachen hören und sehen würde, wann diese Leut 
„erwachet sein werden. Und weil ich, sprach sie weiter, hoffen 
„will, es habe der Tranck seine Wirckung bereit verrichtet, so 
„will ich sie aufwecken. Name hierauf ein Buch, und rühret 
„mit demselben dem Syreno sein Haubt an, davon er, alsbald 
„erwachend, bey seiner völligen Vernunfft vor ihnen stunde. Da 
„fragte ihne die weise Felicia: Lieber Syreno, sag mir, was 
„wollestu thun, wann Du die schöne Diana mit ihren Mann 
„fröhlich reden und Deiner gegen ihr getragenen Liebe spotten 
„sehest? Ich wolt mich, wahrlich, antwortete der Hirt, hierob 
„wenig betrüben, sondern ihnen umb meine begangene Thorheit 
„lachen helfen. Wann sie aber, fragt Felicia weiter, noch un- 
verehelicht, und den Sylvano lieber als Dich zu nemen bedacht 
„wäre, was wollestu sagen? Ich wolte, sagt er, die Heyrath 
„selber erhandeln helffen. 

„Hierauf legte sie das Buch auf dess Sylvano Haubt, wel- 
„cher, unverzüglich erwachend, mit anmutigen Geberden sagte: 
„Ach meine schöne Sylvagia, was grosse Thorheit hab' ich be- 
dangen? indeme ich, seit meine Augen Deine Gestalt gesehen, 



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— 233 — 



„die Gedanken anderswohin dann gegen Dir gericht. Wie da? 
„sagte hierauf die Felicia, hastu denn Dein Gemtite, so der 
„schönen Diana dermassen ergeben wäre, so behend verändern 
„und der Sylvagia zueignen können? Sylvano antwortet hierauf: 
„Es seyn (Hochvernünfftige Frau) meine Gedancken, diese gantze 
„Zeit über, so ich die Diana bedient, nicht änderst beschaffen 
„gewesen als ein Schiff, so, von Winden und Wellen auf dem 
„ungestümen Meer getrieben, in den verlangten Port nicht ge- 
gangen kan: Nunmehr aber habe ich einen Hafen ersehen, allda 
„ich mit so gutem Wind einzufahren wünsche, als die Grösse 
„meiner Lieb dessen würdig zu seyn verhoffet." 

Nun will Sylvano die Sylvagia aufwecken, was ihm jedoch 
nicht gelingt. „Als aber solch Wecken und Zusprechen nichts 
„helffen wolte, begunte der verliebte Hirt viel heisse Threnen 
„mit solcher Beweglichkeit zu vergiessen, dass theils der Umb- 
„stehenden sich, mit ihme zu weinen, nicht enthalten kunten." 
Die weise Felicia fĂĽhrt ihn in ein Nebenzimmer, heisst ihn 
dort sich gedulden und — „gienge alsdann wiederumb, wo die 
„Sylvagia läge, und erweckete dieselbige mit Auflegung des 
„Buchs, gleichwie die Hirten, zu ihr sagende: Meine Hirtin, wie 
„schläffstu so stark: Sie aber schauete alsbald umb sich und 
„sprach: Frau, wo ist mein Sylvano? wäre er doch unlängst 
„da bey mir; mein Gott, wo ist er hin? oder wird er auch 
„wiederkommen? Die Felicia antwortet ihr: Wie meinestu es, 
„meine schöne Hirtin, mich däucht, Du redest noch im Schlaff; 
„Du must wissen, dass dein lieber Alanio gleich jetzund hie- 
„hero ankommen, mit Vermelden, wie dass er dich in vielen 
„Ländern mit unsäglichem Verlangen gesucht, auch von seinem 
„Vater, sich mit dir zu verehlichen Erlaubniss erlanget habe: 
„Die Erlaubniss (antwortet Sylvagia) wird ihm nunmehr wenig 
„fürtragen, sintemal er sie von mir nimmer haben mag. Meinen 
„Sylvano begehre ich zu sehen ; mein Gott, wo ist er doch?" — 
Die Herzensverwirrung unter diesen Hirten und Hirtinnen der 
„Diana" ist gewiss das vollständige Gegenstück zu jener, welche 
uns Shakespeare im Sommernachtstraum vor Augen fuhrt. Hermia, 
die irĂĽher den Demetrius geliebt zu haben scheint und ihm von 
ihrem Vater zur Gattin bestimmt worden, verlässt ihn und liebt 
Lysander, der sie wieder liebt. Demetrius, der frĂĽher die Helena 
liebte, ist jetzt auch in Leidenschaft zu Hermia entbrannt, die 



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— 234 — 



nichts mehr von ihm wissen will. So läuft denn (um mit Bodenstedt 
zu reden) Helena in wahrer Liebesraserei dem Demetrius nach, 
der sie verabscheut, und Demetrius der Hermia, die ihn ver- 
abscheut. Wie in der „Diana" die unglücklichen einander gegen- 
seitig verfolgenden Hirten und Hirtinnen an den Hof einer weisen 
Frau kommen, die sie durch Zauber in einen Schlaf versenkt, in 
welchem sie alle Thorheit vergessen sollen, um geheilt und ver- 
nĂĽnftig zu erwachen, so bringt Shakespeare seine Verliebten in 
Berührung mit dem Elfenvolke, dessen König ihnen nun auch aus 
ihrer Noth helfen will. Der Dichter kann eine langweilige weise 
Frau mit einem todten Buche nicht brauchen; er wählt das Elfen- 
volk und seine Zauberblumen. Dazu muss er aber den Elfen, oder 
wenigstens ihrem Könige, die Einsicht in's Menschenherz verleihen, 
welche Felicia besass, und welche erste Bedingung fĂĽr seinen Zweck 
war, und wie er ihnen so neue Kräfte giebt, wachsen sie an Macht, 
bis sie selbst Macht, Naturkraft geworden sind. Da er die komi- 
sche Seite der Liebe behandelt, so lässt er auch seinem Humor 
freien Lauf; er lässt nicht nur die Elfen ihr Spiel mit den Men- 
schenherzen treiben, sondern spielt mit den Elfen selbst. Es ist, 
als habe ihn die Beschäftigung mit diesem lustigen Volke so be- 
zaubert, dass er sich nicht genug thun konnte und immer neue 
Nüancen seinem Gemälde hinzufügen musste; wir können das 
Wachsen seiner Phantasie förmlich verfolgen. Die Verwirrung 
ergreift Alle: Oberon verzaubert seine Königin, um ihr eine wohl- 
thätige Lektion zu ertheilen und wird dann selbst „in dem zweiten 
Gebrauche, den er von der Wunderblume macht, geneckt. Er 
will damit der unerwiederten Liebe der Helena zu HĂĽlfe kommen, 
indem fĂĽr sie der untreue Demetrius bezaubert werden soll. Puck 
soll es verrichten", — er nimmt aber den Lysander für den De- 
metrius, so dass jener jetzt die Helena lieben muss. „Statt also 
Treue zu wirken, wird aus einfacher Untreue eine doppelte ge- 
macht. Hier wird denn zugleich mit Oberon der täuschungsreiche 
Puck getäuscht, und es ist ein Glück, dass diesen Elfen ein neues 
Wunder zu Gebot steht, um das Unrecht des ersten, das keine 
kleine Verwirrung anstellt, wieder gut zu machen." 1 ) 

Wie die armen abgehetzten Verliebten zum Schlafe hinsinken, 
muss ihnen Puck den Saft der zweiten Blume auf die Augen 
träufeln, nach Oberon's Befehl: 

0 Schöll 1. c. 



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— 235 — 

* 

ZerdrĂĽck' diess Kraut dann auf Lysander's Augen. 
Die Zauberkräfte seines Saftes taugen, 
Von allem Wahn sie wieder zu befrein, 
Und den gewohnten Blick ihm zu verleihn. 
Wenn sie erwachen, ist, was sie betrogen, 
Wie Träum' und eitle Nachtgebild' entflogen. . . . 
Die hier gebrauchte entzaubernde Blume entspricht dem Zauber 
des Buches der Felicia; die andere „Lieb' im Müssiggang" repräsen- 
tirt dagegen die Verzauberung, welche (ebenfalls durch Elfenmacht) 
die Menschenherzen ergreift. Der Dichter lässt letztere in wunderbar 
poetischer Auffassung vom Pfeile Cupido's getroffen sein, um ihre 
„Liebe erzeugende Kraft" zu begründen, und es däucht mir, dass 
so diese prächtige Stelle, wie auch Schmidt und Delius bemerken, 
ihre Erklärung vollkommen in sich selber trägt, und dass die von 
Halpin aufgezeigte Allegorie sich wenigstens nicht bis auf das 
BlĂĽmchen selbst (the Utile western fiower) zu erstrecken braucht, 
wennschon die Anspielungen auf die Königin begründet sein mögen. 
Shakespeare liebte es, doppelsinnig zu sprechen und mit seinen 
Bildern den Freunden verständliche Anspielungen zu verflechten. 

Es. ist interessant, wie Shakespeare selbst die verschiedenen 
Standpunkte zeigt, von welchen aus sein StĂĽck betrachtet werden 
kann, und dadurch zugleich die Triebfedern andeutet, welche ihn 
leiteten. 

„Was sind die Menschen für Narren!" ruft Puck aus, der sie 
nicht versteht. Und Theseus erklärt später: 

Verliebte und VerrĂĽckte 
Sind beide von so brausendem Gehirn, 
So bildungsreicher Phantasie, die wahrnimmt, 
Was nie die kĂĽhlere Vernunft begreift. 
Wahnwitzige, Poeten und Verliebte 
Bestehn aus Einbildung. 
So spricht der Kritiker. Hippolyta aber erwidert auf diese 
vernĂĽnftige Rede, der Kritik des Verstandes jene des GefĂĽhls ent- 
gegenstellend: 

Doch diese ganze Nachtbegebenheit, 
Und ihrer aller Sinn, zugleich verwandelt, 
Bezeugen mehr als Spiel der Einbildung — 
Es wird daraus ein Ganzes voll Bestand, 
Doch seltsam immer noch, und wundervoll. 



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— 236 — 



Die Verliebten selbst aber glauben geträumt zu haben; eine 
höhere Macht, Zauber hat sie beherrscht. Und der Dichter liess 
uns diesen Zauber belauschen, in der Johannisnacht, die fĂĽr den 
Volksglauben ĂĽberhaupt zauberreich war. 

Haben wir das StĂĽck so von den Gesichtspunkten der Mit- 
wirkenden betrachtet, so wollen wir auch Hippolyta's freundlichen, 
mit unverkennbarer Absichtlichkeit gegebenen Wink nicht unbe- 
rĂĽcksichtigt lassen und forschen, inwiefern diese Nachtbegebenheit 
mehr als Spiel der Einbildung zeigt und welches das „Ganze voll 
Bestand" sein mag. 

Man hat im Sommernachtstraum ein Gelegenheitsgedicht zu 
einer Hochzeitsfeier gesehen, und Einige, wie Tieck und Gervinus, 
glaubten das Stück zur Vermählung des Grafen Southampton ge- 
schrieben. Elze und Kurz nehmen es fĂĽr Essex' Hochzeit (1590?) 
in Anspruch, was von Hense, Delius, Schmidt wieder angefochten 
wird. 1 ) Das Schlusswort Puck's an's Publikum, worin er um 
Nachsicht bittet und bald bessere Gaben verheisst, wĂĽrde eigent- 
lich das Drama als ein fĂĽr die BĂĽhne geschriebenes StĂĽck kenn- 
zeichnen; es seien denn die Schlussworte vom Dichter später für 
die AuffĂĽhrung auf dem Theater besonders hinzugesetzt worden. 
Southampton kam im August 1598 heimlich aus Frankreich nach 
England herĂĽber, um sich mit Elisabeth Vernon, die sich zwin- 
gender Umstände halber nach Essex -House zurückgezogen hatte, 
zu vermählen und verliess gleich darauf England wieder. Zu 
solch' heimlicher Verheirathung konnte Shakespeare nicht wohl das 
fĂĽnfaktige Drama schreiben; auch nennt es Meres schon im gleichen 
Jahre in seiner Palladis Tamia. Endlich giebt die Schilderung 
Titania's von der Umkehr der Jahreszeiten und dem endlosen 
Regen, die so sehr an den ganz abnormen Sommer des Jahres 
1594 erinnert, denjenigen einen plausiblen Grund, welche an- 
nehmen, das StĂĽck mĂĽsse unter dem frischen Eindrucke dieser 
Naturereignisse geschrieben sein (obwohl man einen, an Ueber- 



') Der Vollständigkeit halber mag mir gestattet sein hinzuzufügen, dass 
auch W. König (Shakespeare-Jahrbuch X, 210 fg.) sich meiner Hypothese nicht 
abgeneigt zeigt, und dass Professor Dowden (Shakspere: a Critical Study of 
bis Mind and Art, Lond. 1875, p. 67) ihrer mit den Worten gedenkt: 'There is 
much to be said in favour of this opinion.' Zu den Gegnern gehört übrigens 
noch von Friesen, Shakspere-Studien II, 271 fgg. 



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237 



schwemmungen, Missernten und Seuchen so reichen Sommer recht 
wohl einige Jahre im Gedächtnisse haben konnte!). Uebrigens 
kann ich doch nicht verschweigen, dass Shakespeare in der alten 
französischen, 1570 ins Englische übersetzten Romanze „Huon von 
Bordeaux", welcher er wahrscheinlich den Namen des Elfenkönigs 
„Oberon" entnahm, auch folgende Schilderung der Wirkung von 
Oberon's Zorn fand: Gerames sagt zu Huon: „wenn er über Euch 
böse wird, wird er Regen und Wind, Hagel und Schnee und furcht- 
bare StĂĽrme mit Donner und Blitzen machen, so dass es Euch 
scheinen wird, als wolle die ganze Welt untergehen". *) Es mochte 
Shakespeare also nahe liegen, den Effect eines ZerwĂĽrfnisses 
zwischen Oberon und Titania in solchen Naturerscheinungen dar- 
zustellen; vielleicht hat er aber auch da wieder in seiner doppel- 
sinnigen Weise eine abstracte Schilderung mit, seinem Publikum 
noch erinnerlichen, Ereignissen verflochten. 

Trotz alledem muss ich mich zu der Meinung bekennen, dass 
Shakespeare im Sommernachtstraum doch auf gewisse den Grafen 
Southampton nahe berührende Verhältnisse und Persönlichkeiten 
angespielt hat. Gerald Massey 2 ) sieht in Helena und Hermia 
Elisabeth Vernon (Southampton's Braut) und Lady Rieh, und Elze 3 ) 
steht nicht an, dies aufzunehmen. Shakespeare mag nur beab- 
sichtigt haben, seinem unglĂĽcklichen Freunde, Jahre vor dessen 
Vermählung, durch die glückliche Lösung der im Traumbilde dar- 
gestellten Liebesnoth Muth und Trost zuzusprechen; er kann das 
Stück aber auch in Voraussicht der Vermählung geschrieben haben, 
die er wohl immer fĂĽr seinen Freund herbeiwĂĽnschte und deren 
geheime, hastige und späte Vollziehung er nicht voraus wissen 
konnte. 

Die Geschichte von Southampton's Liebe zu Elisabeth Vernon 
habe ich in der Einleitung zu meiner Uebersetzung der Sonette *) 
nach Massey geschildert. Massey hat in gewissen Sonetten An- 
deutungen von Untreue und Eifersucht zu finden geglaubt und 



0 Halliwell, Dlustrations of the Fairy Mythology &c. London 1845. 

*) Shakspeare's Sonnets &c. London 1866 nnd 1872, p. 473. 

a ) Shakespeare -Jahrbuch m, 130. — Von Anfang an habe ich diesem 
Punkte kein Gewicht beigelegt nnd bin immer mehr davon zurĂĽckgekommen; 
es ist eine blosse Möglichkeit, die für die Erklärung meiner Ueberzeugung 
nach keinen Anhaltspunkt darbietet. K. E. 

4 ) Shakespeare's Southampton-Sonette, deutsch. Leipzig, W. Engelmann. 



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— 238 — 



eine Gruppe Sonette unter dem Titel: „Eifersucht von Elisabeth 
Vernon auf ihre Freundin Lady Rieh" zusammengestellt. Es ist 
das reine Hypothese, aber die betreffenden Sonette unterstĂĽtzen 
sie jedenfalls bedeutend. Penelope Devereux, spätere Lady Rieh, 
der Elisabeth Vernon Cousine und Freundin und des Grafen Essex 
Schwester, war eine berĂĽhmte, vielgeliebte und vielbesungene 
Schönheit, der strahlendste Stern am Hofe der Königin Elisabeth; 
ihr Reiz war ein starker Magnet fĂĽr des Grafen Essex Sache, 
fesselte z. B. Mountjoy an ihn und konnte wohl auch dem heiss- 
blütigen Southampton gefährlich werden. Wer weiss, wie viel 
von seiner Parteinahme fĂĽr Essex auf Rechnung von Lady Rieh's 
„Sphärenaugen" kam? Als Mädchen hatte sie den edlen Philipp 
Sidney geliebt; sie besang er als Philoclea und Stella, nachdem sie 
ihn verlassen hatte, um Lady Rieh zu werden. 

In wie weit Lady Rieh Elisabeth Vernon's Rivalin gewesen, 
bleibe dahingestellt, vielleicht war nur eine kleine Schwärmerei 
Southampton's im Spiel, denn mehr lassen auch die Sonette nicht 
vermuthen. Auffallend ist nun aber die Analogie der Verhältnisse 
zwischen Helena und Hermia einer- und Elisabeth Vernon und 
Lady Rieh anderseits. Shakespeare hat die Charaktere im Sommer- 
nachtstraum, der ja nur ein „Schattenspiel" sein sollte, bloss an- 
gedeutet; die Frauengestalten des Dramas fordern aber unwill- 
kĂĽrlich zu einem Vergleiche mit jenen der Sonette auf. Die 
weiche, gutmĂĽthige, blonde Helena entspricht der Lady Vernon, 
wie sie sich in den Sonetten darstellt; die entschlossenere, hitzigere, 
schwarze Hermia scheint nach dem Bilde gemalt, das Sidney von 
Lady Rieh gab. Im 28. Sonett singt Southampton zu Elisabeth: 

Ich sag dem Tag', wenn Wolken ĂĽberdunkeln 
Den Himmel, strahlst Du ihm zum Schmuck so hold: 
So schmeichle ich der braunen Nacht, dass funkeln 
Ihr Sterne nicht, Du glĂĽhst als Abendgold. 

und im Drama ruft der verzauberte Lysander aus: 

Die schöne Helena, die mehr die Nacht 
Vergoldet als dort aller Sterne Pracht. 

Hermia hat die berĂĽhmten Augen der Lady Rieh, von denen 
Sidney sang: 

Die schwarzen Sterne, die in diesen Sphären, (spheres) 
Ein unvergleichlich Paar, das Lob befleckt 



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— 239 



Als die Natur ihr Meisterwerk erschuf, 

Stella's Augen 

Wie können schwarze Strahlen so tief brennen? 
0 diese Sterne wende nicht von mir! 

So nennt Helena Hermia's Augen „Leitsterne" (lode stars) und 
sagt später: 

Wo Hermia ruhen mag, sie ist beglĂĽckt, 

Denn sie hat Augen, deren Strahl entzĂĽckt. 

Wie wurden sie so hell? — — 

Vor welchem Spiegel könnt ich mich vergessen, 

Mit Hermia's Sternenaugen (sphery-eyne) mich zu messen? 

Lady Rieh war eine Brünette: „ihre Wangen waren wie mit 
Ciaret Ăśbergossen" wie Sidney sich ausdrĂĽckt, und ein andermal 
sagt er: „Du liebst mit gutem Grunde die Nacht, denn Verwandt- 
srhaft oder Zufall kleidete Euch beide gleich." 

Lysander aber ruft Hermia im Zorne zu: „Fort Mohrenmäd- 
fhen!" „Hinweg, Zigeunerin!" und sagt zu Helena von Hermia 
sprechend, die eine gegen die andere wagend: „Wer will die 
Kräh' nicht für die Taube geben?" 

fn den Sonetten wie im Drama sind die späteren Rivalinnen 
aufs innigste befreundet gewesen; so waren es auch in Wirklich- 
keit die Cousinen Penelope und Elisabeth, bis (nach Massey's Hy- 
pothese) Elisabeth Grund bekam, auf Penelope eifersĂĽchtig zu 
sein — für den Dichter „gerade Grund genug, um mit dem Gegen- 
stande zu spielen." Im 120. Sonett spricht Southampton von 
einer Zeit, wo Elisabeth lieblos gewesen und ZerwĂĽrfniss zwischen 
ihnen war und gedenkt der „Nacht des Grames," und dieses 
Drama „ist ein Traum jener Nacht, in welcher der Dichter die 
Liebenden von einer Johannis- Verzauberung befangen hielt. 1 ) 

Wie Helena Hermia's Augen einen Magnet (attractive) nennt 
und von Demetrius sagt: 

Wie Wahn ihn zwingt, an Hermia's Blick zu hangen, 

spricht im 133. Sonett Elisabeth zu Lady Rieh: 

Mir selbst hat mich Dein grausam Aug' entzogen; 
Mein zweites Ich hast, ärger!, Du berückt. 

Auch Demetrius gleicht dem Southampton der Sonette. Als Ersterer 



•) Maasey p. 476. 



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— 240 — 

aus seiner Verzauberung erwacht und Helena wieder liebt, sagt 

er, von Hermia redend: 

Liebt' ich sie je, die Lieb' ist längst vorüber. 
Mein Herz war dort nur wie in fremdem Land, 
Nun hat's zu Helena sich heim gewandt, 
Um da zu bleiben. 

So spricht Southampton im 109. Sonett zu Elisabeth nach seiner 

RĂĽckkehr nach England: 

Oh falsch und treulos darfst Du mich nicht nennen, 

Obgleich, abwesend, ich Dir so erschien! 

Ich könnte leichter von mir selbst mich trennen, 

Als meiner Seele, die in Dir, entfliehn. 

Dort ist mein Liebesheim! Zog ich Dir ferne, 

Dem Wandrer gleich, komm' ich zur rechten Zeit, 

Derselbe noch, zurĂĽck. 

und in No. 140: 

Nun ist's vorbei! Dir sei was bleibt fĂĽr immer: 
Nicht rieht' ich mehr auf Neues meinen Sinn 
Und die sich längst bewährt versuch ich nimmer, 
Dich, Gott in Liebe, der ich eigen bin. 

So nimm, die meinem Himmel gleicht alleine, 
Mich an Dein Herz, das liebe, treue, reine! 

Man lese ferner Sonett 117: 

Beschuld'ge mich, dass ich so karg bemessen 
Den Lohn fĂĽr Dein Verdienst, dass ich erneut 
Nach Dir, Geliebteste! zu sehn vergessen, 
Was höchste Pflicht mir täglich doch gebeut; 
Dass Du mich oft auf fremder Spur betroffen 

und 118: 

Wie man, um seinen Appetit zu mehren, 

Dem Gaumen schärfere Gerichte beut 

Hab' ich, voll Deiner nie zu reichen SĂĽsse, 
In bittre BrĂĽhen meine Kost getaucht, 
Gut findend, dass die Sättigung ich büsse 

Durch Krankheit eh' ich wirklich es gebraucht 

und vergleiche damit die Erklärung, welche Demetrius dem Her- 
zoge giebt: 

Und alle Treu' und Regung meiner Brust, 
Der Gegenstand, die Wonne meiner Augen 



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— 241 — 



Ist Helena allein. Mit ihr, mein FĂĽrst, 
War ich verlobt, bevor ich Hermia sah. 
Doch, wie ein Kranker, hasst' ich diese Nahrung; 
Nun zum natĂĽrlichen Geschmack genesen, 
Begehr' ich, lieb' ich sie, schmacht' ich nach ihr, 
Und will ihr treu sein, nun und immerdar. 
Das sind doch gewiss ĂĽberraschende Analogieen, und die 
Elfen mĂĽssten fĂĽrwahr auch noch mit dem Dichter selbst ihren 
Schabernack getrieben haben, wenn sich diese Analogieen ohne 
seine Absicht ergeben hätten. Sie lassen schliessen, dass sowohl 
jenen Sonetten als auch dem Sommernachtstraum etwas Thatsäch- 
liches zu Grunde liegt, und Massey's Hypothese wĂĽrde dadurch 
einigermassen bestätigt. Ohne also so weit gehen zu wollen, den 
Sommernachtstraum fĂĽr ein zu Southampton's Hochzeitsfeier im 
August 1598 schnell geschaffenes Stück zu halten, möchte ich doch 
in Southampton's Liebe zu Elisabeth Vernon eines der Motive zu 
Shakespeare's Drama erkennen, sei es nun, dass sie ihm zur eigent- 
lichen Veranlassung dazu wurde, sei es, dass er seine Freunde 
nur als Modelle fĂĽr gewisse Personen seiner Dichtung benutzte, 
oder auch nur schalkhafter Weise ihre Geschichte in seinem Traum- 
bilde sich wiederspiegeln Hess. Ich glaube, man darf das Erstere 
annehmen und wĂĽrde dann die Resultate vorstehender Untersuchung 
wie folgt zusammenfassen: Southampton's Liebesgeschichte war die 
eigentliche Veranlassung zu diesem Drama, das Shakespeare fĂĽr 
seine Freunde schrieb — vielleicht in Voraussicht der Vermählung, 
vielleicht auch nur zum Gedächtnisse. Jene Geschichte aus der 
„Diana" mag ihm die Conception eingegeben haben, die Idee, der 
Liebenden Erwachen zur Vernunft durch Zauber einer höheren 
Macht eintreten zu lassen, woran sich der Gedanke reihte, auch 
die vorhergegangene Verzauberung dieser höheren Macht zuzu- 
schreiben; endlich wird alle Liebesnarrheit Zauber und Neckerei 
geheimnissvoller Mächte, des Elfenvolkes, das er zu diesem Zwecke 
umgestaltet. Den Zauber aber verlegt er in die Johannisnacht 
und lässt ihn mit humorvollem Behagen nach allen Seiten wirken: 
zum Traum wird dieses luftige, aus Thatsachen und Phantasie 
gewobene Gebilde, wie auch den glĂĽcklich vereinten Liebenden 
die durchlebte bange Zeit wie ein Traum erscheinen mochte. 

Wir hätten so einen Blick in die geheime Werkstätte des 
Dichters gethan und gesehen, wie er aus Erinnerungen an die 

Jahrbuch XI. 16 



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„Diana" des Montemayor und aus der Geschichte seiner Freunde 
mit HĂĽlfe seiner Phantasie, die er im Elfenvolke gleichsam ver- 
körperte, das wunderbare „Schattenspiel", den Sommernachtstraum, 
schuf, Wahrheit und Dichtung, was sein Auge da und dort er- 
fasst, vermischend, nach seinem eigenen Worte: 

Des Dichters Aug', in schönem Wahnsinn rollend, 

Blitzt auf zum Himmel, blitzt zur Erd' hinab, 

Und wie die schwangre Phantasie Gebilde 

Von unbekannten Dingen ausgebiert, 

Gestaltet sie des Dichters Kiel, benennt 

Das luft'ge Nichts, und giebt ihm festen Wohnsitz. 



Ich kann nicht umhin, hier noch auf eine Stelle in Romeo 
und Julia aufmerksam zn machen, die ebenfalls eine persönliche 
Anspielung zu enthalten scheint und eine Parallele zu den im 
Sommernachtstraum gefundenen bildet. Massey sagt: *) „Ich glaube, 
dass Shakespeare ein gut Theil nach dem Leben und Lieben seiner 
Freunde Southampton und Elisabeth Vernon arbeitete, als er Romeo 
und Julia schrieb; denn die Opposition der Königin gegen ihre 
Heirath nimmt die Stelle der Feindschaft der Häuser im Drama 
ein." „Der Dichter wird dem unglücklichen Freunde oft haben 
Geduld predigen mĂĽssen, wie Bruder Lorenz dem Romeo." 
Stelle „liebe mässig" erhält eine interessante Beleuchtung dur^h 
die Notiz Rowland White's vom Sept. 1595. „My Lord Southampton 
macht der schönen Mistress Vernon mit zu viel Familiarität dou 
Hof, und durch die zwei Jahr später sehr drängende Heirath. 

Shakespeare hat fĂĽr Elisabeth und fĂĽr Julia ein ĂĽberraschend 
ähnliches Bild: 

Im 27. Sonett singt Southampton von Elisabeth: 
Dein BĂĽd 

Das, wie ein Kleinod hängt in Nachtesgrauen, 
Die alte schwarze Nacht verjĂĽngt, erhellt. 
Und Romeo ruft aus, als er Julia erblickt: 

0, sie nur lehrt den Kerzen, hell zu glĂĽhn! 
Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin, 
So hängt der Holden Schönheit an den Wangen 
Der Nacht. 

») p. 470 L c. 



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— 243 — 

Die Frage Julians: „Bist du nicht Romeo, ein Montague?" tritt in 
ein neues Licht, wenn wir erfahren, dass Southampton mĂĽtter- 
licherseits ein Montague war; sein Grossvater war Anthony Browne, 
„fair Viseount Montague" 1 ). Vergegenwärtigen wir uns nun, dass 
Elisabeth Vernon eine Hofdame der Königin Elisabeth war, die 
ihre Heirath mit Southampton nicht gestattete (wie sie denn trotz 
ihrer Jungfräulichkeit, auf die sie so stolz war, aus einer gewissen 
Eifersucht keinem ihrer jungen Edelleute vom Hofe erlaubte, sich 
zu vermählen) dass die Königin die Liebenden, namentlich aber 
Southampton, aufs hartnäckigste verfolgte, ja schliesslich beide 
die vollzogene geheime Vermählung mit Gefängniss büssen Hess, 
so wird folgende, etwas dunkle Stelle plötzlich einen ganz anderen 
Inhalt bekommen: 

Romeo, Nachts in Capulets Garten, als er Julia im Fenster 
erblickt: 

Doch still, was schimmert durch das Fenster dort? 
Es ist der Ost, und Julia die Sonne! — 
Geh' auf, du holde Sonn'! ertödte Lünen, 
Die neidisch ist, und schon vor Grame bleich, 
Dass du viel schöner bist, obwohl ihr dienend. 
0, da sie neidisch ist, so dien' ihr nicht. 
Nur Thoren gehn in ihrer blassen, kranken 
Vestalentracht einher: wirf du sie ab! 
Gewiss ist das zunächst als ein sehnsüchtiger Wunsch zu 
verstehen, Julia möge der keuschen Mondgöttin, die ja doch auf 
ihre Schönheit neidisch, nicht länger dienen und ihre Jungfräu- 
lichkeit ihm zu liebe aufgeben; es kann sich aber auch eine 
Doppelsinnigkeit darin verbergen, die fĂĽr ein dem Dichter gerne 
lauschendes Ohr berechnet war („dem Ohre sing', dem werthvoll 
deine Lieder!" ermahnt sich Shakespeare im 100. Sonett) — für 
Southampton. Das fällt im Originale noch mehr auf: 
Arise, fair sun, and kill the envious moon, 
Who is already sich and pale with grief, 
That thou, her maid, art far more fair than she: 
Be not her maid, since she is envious; 
Her vestal livery is bnt sick and green, 
And none but fools do ivear it; cast it off — 



*) Massey p. 471. 

16* 



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— 244 — 



Hier ist die erotische Beziehung viel weniger hervortretend 
als in Schlegel's Uebersetznng, dagegen können wir an die 
Königin denken, deren „vestal livery" so krank und gallicht aus- 
sieht, die der Neid auf ihre schöneren Mädchen quält und an 
Elisabeth Vernon, die Hofdame, der Königin Maid, die unter ihrer 
Herrin Launen schmachtet und ihr GlĂĽck nicht haben soll : sie wird 
ermahnt, sich doch frei zu machen! Wie Shakespeare ĂĽber Hof- 
luft und Hofdienst dachte, findet sich an mancher Stelle seiner 
Werke ausgesprochen; Beispiele davon gab ich in meinen An- 
merkungen zum 122. und 123. Sonett. Sich unter dem „moon" 
die Königin zu denken, fallt nicht schwer, da Mond oder Cynthia 
ein oft angewandter poetischer Name für die Königin Elisabeth 
war, als Bild ihrer Jungfräulichkeit und Keuschheit — eine starke 
Schmeichelei im Munde ihrer Dichter! Spenser bemerkt in einer 
Anmerkung zu seiner 'Aegloga octava?: „Cynthia hiess man den 
Mond." Und an Walter Raleigh schreibt er ĂĽber seine 'Fairy 
Queen' „Ich meine unter Belphoebe die Königin Elisabeth, indem 
ich ihren Namen nach Eurer eigenen ausgezeichneten Idee mit 
der Cynthia umgestalte (da Phoebe und Cynthia beides Namen 
der Diana sind)." *) 

Die unter einer blĂĽhenden Hyperbel versteckte beissende An- 
spielung wird dem Grafen Southampton sehr verständlich gewesen 
sein. Er war, wie bekannt, ein grosser Freund des Theaters und 
brachte, wie White einmal berichtet, wenn er unmuthig vom 
Hofe wegblieb, „seine ganze Zeit" dort (auf Shakespeare's Theater!) 
zu. Da, auf der Bühne, auf den Plätzen der Lords sitzend, mag 
er manche Anspielung der Art innerlich lächelnd gehört haben, die 
Shakespeare speciell fĂĽr ihn einflocht, wohl in seinen eigenen Rollen 
extemporirte, und deren Bedeutung uns verloren gegangen ist. 

ZĂĽrich, im November 1875. 



') Ich mu8s doch anführen, dass ähnliche Stellen, die keine solche Aus- 
legung zulassen, vorkommen im Pericles II, 5: 

One ttvelve moons more she'll tvear Diana' 8 livery; 
This by the eye of Cynthia hath she vow'd 
And on her virgin hotmtr will not break it. 
Ebenda V, 3: 

HaU Dian! 

A maid-child call'd Marina; who, 0 goddess! 
Wears yet thy sĂĽver livery. 



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Polymythie 
in dramatischen Dichtungen Shakespeares, 

Von 

O. C Henne. 



Die Zeiten sind längst vorüber, in welchen Shakespeare als 
ein Dichtergenie betrachtet wurde, welches der Phantasie zĂĽgellos 
ĂĽberlassen, um Kunstgesetze unbekĂĽmmert seine Werke wie in 
einem poetischen Rausche gedichtet habe; dem Urtheile MiRon's, 
dass der sĂĽsseste Shakespeare, der Sohn der Phantasie, angeborne 
wilde Waldgesänge habe ertönen lassen, wird der heutige Leser nur 
mit dem Zusätze beistimmen, dass Shakespeare als der ächte Sohn 
der Phantasie mit dem kĂĽhnsten Fluge der Einbildungskraft, mit 
der reichsten FĂĽlle dichterischer Intuition die besonnenste Ueber- 
legung und sichere Kenntniss immanenter Kunstgesetze verbunden 
habe. Im Besitze dieser Eigenschaften nimmt Shakespeare unter 
den dramatischen Dichtern seines Zeitalters dieselbe Stellung ein, 
durch welche Sophokles ausgezeichnet ist, welcher den Gesetzen 
seiner Kunst mit tiefem Denken nachforschte und von Aeschylus 
sagen durfte, derselbe thue das Rechte, aber nicht mit Bewusst- 
sein. Mit der sicheren Erkenntniss der Eigenartigkeit, durch 
welche das moderne Drama von dem antiken unterschieden ist, ergriff 
Shakespeare die hauptsächlichste Eigentümlichkeit der modernen 
Kunst, die Polymythie, und hat auf diesem Gebiete das Grösste 
geleistet, wie Sophokles das monomythische Drama fĂĽr die Griechen 
zur höchsten Vollendung gebracht hat. Beide Dichter folgten mit 
Bewusstsein dem Genius ihres Zeitalters, und das Drama der ein- 
fachen Handlung in der feinen Gliederung der Verhältnisse, welche 
Sophokles ihm verliehen hat, entspricht der Einfachheit der Plastik 



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— 246 — 



und Architektur im perikleischen Zeitalter, wie die mehrfache, ver- 
vielfältigte Handlung in Shakespeare's Dramen jener scheinbar 
verschiedenartigen Handlung auf Gemälden Titians entspricht oder 
der reicheren Instrumentirung des modernen Musikwerks. Die 
Monomythie des griechischen Dramas war durch die Sage gegeben, 
welche der bearbeitende Dichter von seinem Volke empfing; sie 
bewegte sich innerhalb der Grenzen des griechischen Volkscharakters 
und liess mit abweisendem Stolze das Fremdländische nicht zu. 
Die handelnden Personen des antiken Dramas entwickeln ihr Thun 
auf dem Boden- des griechischen Landes, und wenn der Dichter, 
wie es nur Einmal, in den Persern des Aeschylus, geschehen ist, 
die Scene in das Land der „Barbaren" verlegt, geschieht es nur, 
um den Gegensatz von griechischer und persischer Sitte, griechischer 
Mässigung und persischen Uebermuths eindringlich zu entfalten. 
Wie die griechischen Dramatiker nur gegebene Stoffe zu scenischem 
Leben gestalteten, so that es Shakespeare in den meisten seiner 
Dramen; aber seit dem Untergange der griechischen Nationalität 
hatte sich der Gesichtskreis der Menschen unendlich erweitert und 
vertieft; die Nationen waren einander näher getreten und theilten 
sich ihren geistigen Besitz gegenseitig mit; der Blick der Eng- 
länder, eines so meervertrauten Volkes wie die Griechen waren, 
war auf weite Fernen gerichtet und neuentdeckte Länder waren 
ihnen nicht fremd. So konnte Shakespeare, wie sehr er auch an 
nationalem Stolze den Griechen gleicht und sie ĂĽberbietet, sich 
fĂĽr seine dramatische Darstellung nicht mit dem Stoffe begnĂĽgen, 
den die heimische Geschichte und Sage bot, die Vertrautheit der 
gebildeten Zeitgenossen mit ausländischen Erzählungen , mit 
italienischen Novellen und mit der Geschichte und Dichtung des 
klassischen Alterthums und die eigne Liebe zu diesen Stoffen wies 
ihn ĂĽber die Schranken des eignen Vaterlandes hinaus und gab 
ihm einen erweiterten Gesichtskreis, welchem das polymythische 
Drama ebenso entspricht wie das monomythische der Griechen den 
engeren Schranken ihres Vaterlandes. 

So fĂĽhrte den englischen Dramatiker die universalere Richtung 
des eigenen Zeitalters zur Polymythie ; aber diesem geheimnissvollen 
Zuge traten andere Ursachen mitwirkend zur Seite. Shakespeare 
hat das polymythische Drama zu hoher Vollendung gefĂĽhrt; er- 
funden hat er es nicht; vor ihm hatten schon andere Dichter, wie 
Robert Greene, wenn auch in sehr mangelhafter Weise, die Bahn 



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— 247 — 



der polymythischen Darstellung betreten. Ausserdem nöthigte den 
Dichter zur breiteren und vertiefteren Composition derselbe Um- 
stand, der den Sophokles veranlassen musste, den Sagen, welche 
schon Aeschylus dramatisch behandelt hatte, eine neue Gestalt zu 
geben: der Umstand, dass Shakespeare vielfach bekannte Stoffe 
wählte, mochten dieselben bereits in dramatischer Form vorhanden 
sein oder dem Gebiete der erzählenden Unterhaltungsliteratur an- 
gehören. Wollte der Dichter, wie sein auf das Originale gerichteter 
Geist nicht anders konnte, das Selbstständige leisten, die breiten 
Wege des Bekannten, ja Trivialen meiden, sein Theaterpublikum 
in dem Bereich bekannter Dramen- oder Erzählungsstoffe durch 
das Unerwartete fesseln, so blieb ihm nichts ĂĽbrig als eine neue 
und durch Reich thum und Fülle auch des Thatsächlichen aus- 
gezeichnete Composition. 

Aber bei einem Shakespeare war der eben bezeichnete Grund 
doch nur ein untergeordneter. Ueberall und in seinen reifsten Dra- 
men am meisten tritt er uns als ein Dichter entgegen, der den sitt- 
lichen Mächten des Lebens ein unbestochenes Nachdenken widmet, 
der mit der Leuchte der vielseitigsten Beobachtung die dunkelsten 
AbgrĂĽnde des Menschenherzens zur Anschauung bringt und in der 
Form des Schönen dem Sittlichwahren ungeschmälerte Dienste 
leistet. Auch um diesen priesterlichen Dienst mit eindringendem Er- 
folge zu leisten, um der Macht der sittlichen Idee auch einen un- 
zweifelhaften Sieg zu verleihen, wandte Shakespeare die Polymythie an. 

Durch die Polymythie gewannen viele Dramen Shakespeare^ 
einen Reichthum und eine FĂĽlle der Handlung, welche der Phantasie 
den Reiz der mannigfachsten Farben, dem GemĂĽthe die Lebhaftig- 
keit gleichartiger und verschiedener Empfindungen in auf- und 
absteigender Stärke und Tiefe darbietet. Die Fülle gleichartiger 
Handlungen tritt in den Dramen „Der Kaufmann von Venedig", 
„Wie es euch gefällt 44 , „Was ihr wollt", in individuellen Schattirungen 
und Abstufungen hervor. In diesen Dramen handelt es sich um die 
Darstellung von Liebe und Freundschaft, doch nicht allein. Im 
„Kaufmann von Venedig" sind alle Verhältnisse der Liebe auf 
einen tragischen Hintergrund gezogen, auf das düstere Verhältniss 
Shylocks zu Antonio. Die Haupthandlung des erotischen Gebiets 
ist die prüfungsreiche und glückgekrönte Bewerbung Bassanio's um 
Portia. Diese reiche Handlung wirft ihren gestaltenden und be- 
glĂĽckenden Segen auf die gleichartigen Nebenhandlungen der Liebe, 



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auf Gratiano's Verhäitniss zu Nerissa und Lorenzo's gefahrbedrohte 
Liebe zu Jessica. Der opferfreudigen Liebe der Portia zu Bassanio 
steht ein gleichartiges oder verwandtes Verhäitniss aufopferungs- 
fähiger allseitig geprüfter Freundschaft zur Seite. 

In dem Lustspiel „Wie es euch gefällt" bilden die Doppel- 
handlungen, welche die beiden BrĂĽderpaare betreifen, den dĂĽsteren 
Hintergrund. Zwei schlimnigeartete Personen, der Herzog Friedrich 
und Oliver de Bois berauben ihre BrĂĽder ihres Besitzthums, die 
Beraubten finden sich in der phantastischen Verbannung im Ardenner- 
walde zusammen. Die Tochter des verbannten Herzogs und der 
Bruder des verwerflichen Oliver, werden durch Leid und Liebe 
einander zugefĂĽhrt; die Entwicklung ihrer Liebe zum BĂĽndniss 
des Hymen mit den lyrischen Empfindungen der durch Waldesduft 
genährten Sehnsucht, mit ihren Verkleidungen und Hindernissen 
bildet die Haupthandlung des Dramas; der polymythische Hang 
des Dichters giebt aber Nebenhandlungen von ähnlicher Farbe; 
die Hindernisse, welche sich der Liebe des Silvius in dem Eigen- 
sinn der Phöbe entgegensetzen, werden ebenfalls überwunden; 
Probstein's Verbindung mit Käthchen stellt eine parallele und 
contrastirende Handlung eines realen Verhältnisses der Liebe dar, 
und das Schicksal des Lustspiels ĂĽberwindet das Unwahrschein- 
liche, gestaltet den Charakter Oliver's um und verbindet ihn mit 
Celia. 

Die Gleichartigkeit polymythischer Liebesverhältnisse ist ferner 
die Seele des Lustspiels „Was ihr wollt". Die Liebe des Herzogs 
Orsino zu Olivia wendet durch die männlich verkleidete Viola 
alle Anstrengungen der Bewerbung an; in seine vermeintliche 
Leidenschaft eigensinnig vertieft, kommt er aber bei einem anderen 
Ziele an, der Verbindung mit Viola; Olivia, eigensinnig in ihre 
halb wahre, halb vermeintliche Trauer um den verstorbenen Bruder 
versunken, wird plötzlich von einer Leidenschaft zu Viola-Cäsario 
ergriffen und vermählt sich mit dem Bruder derselben, Sebastian. 
Diesen phantastisch -phantasiereichen Verhältnissen entspricht die 
grundphantastische Liebe Malvolio's zu seiner Herrin, welche ohne 
Erwiderung bleibt, und die realphantastische Verbindung des 
Junker Tobias mit der Zofe Oliviens, Maria. Eine der Liebe ver- 
wandte Handlung der Freundschaft, charakteristisch fĂĽr Shakespeare, 
tritt in den beiden letzten Lustspielen wie im „Kaufmann von 
Venedig" auf, in der durch Opfer bewährten Freundschaft Rosa- 



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linden's und Celia's, in der hingebenden Freundschaftsneigung 
Antonio's zu Sebastian, welche den herzgewinnenden Charakter 
des letztern auch in seinem Verhältniss zu Olivia beleuchtet. 

Aber nicht blos die verwandten und ähnlich gearteten Ver- 
hältnisse der Liebe erscheinen in dem polymythischen Drama 
Shakespeare's in paralleler Weise, sondern auch die Handlungen 
des Gegentheils. Die folgenschwere Handlung, aus welcher im 
„Sturm" die Thätigkeit Prospero's sich entwickelt, liegt wie im 
Oedipus des Sophokles vor den Ereignissen, welche im Drama 
selbst erscheinen; es ist die dem Verbrechen des Herzogs Friedrich 
gegen seinen Bruder (in „Wie es euch gefällt") verwandte Hand- 
lung des Antonio, durch welche er seinen Bruder Prospero von 
dem herzoglichen Throne Mailands stĂĽrzte und ihn mit seiner im 
Kindesalter stehenden Tochter den Gefahren des Meeres ĂĽbergab, 
aus welchen Prospero auf eine entlegene wunderbare Insel ge- 
rettet wird. Diesem Verhältniss der Vergangenheit entspricht in 
der Gegenwart des Dramas der verbrecherische Versuch des 
Sebastian, welcher mit Antonio im Bündniss seinem königlichen 
Bruder Alonso Thron und Leben entreissen will, sowie die lächer- 
lichen Bestrebungen des thierischen Kaliban und seiner thierisch 
sich geberdenden Genossen Stephano und Trinculo, den Prospero 
seiner Oberherrlichkeit zu berauben; die Doppelhandlung innerhalb 
des Dramas setzt die siegreiche Weisheit und Humanität Prospero's 
in das hellste Licht. 

Die polymythischen Parallelhandlungen verworrener Leiden- 
schaft, ruchloser, wilder und ĂĽberlegter Bosheit, sowie die gleich- 
artigen Handlungen geprüfter Seelenstärke und Gemüthsschönheit, 
welche die Nacht des Wahnsinns erleuchten und der Verzweiflung 
Heilung bringen, sind nirgends mit so kunstvoller Besonnenheit 
in Wirkung gesetzt, in ihrer Wechselwirkung nirgends in so 
stark und harmonisch gefĂĽgter Composition mit allen HĂĽlfsmitteln 
von Natur und Geist dargestellt worden als im „König Lear". 
Mit bewunderungswĂĽrdigem Parallelismus ist dargestellt, wie in 
der Haupthandlung und in der begleitenden Nebenhandlung die 
Hauptcharaktere innerhalb des Familienlebens durch Leidenschaft 
und leichtfertigen Sinn schuldig werden, wie beide ein Überhäuftes 
Leiden erfahren (I am a man niore sinn'd against Oian sinning), 
wie in beiden Handlungen die bevorzugten Personen sich in zer- 
störender Bosheit überbieten, und die ungerecht verstossenen und 



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gemisshandelten rettendes Seelenheil bringen, wie in den beiden 
Handlungen die Charaktere übermässigen Leidens aus Selbst- 
verblendung und Leidenschaft zu Selbsterkenntniss und Mässigung 
gefĂĽhrt, wie in beiden Handlungen die Bosheit sich selbst ver- 
nichtet und Liebe ĂĽber Hass, Wahrheit ĂĽber LĂĽge den Sieg davon 
trägt. Was Sophokles in den beiden Oedipus in einfacher 
Handlung dargestellt hat, wie Verblendung der Seele von dem 
Schicksal ergriffen wird, um mehr zu leiden als gehandelt worden 
ist, wie aus dem Leiden (Oedipus auf Kolonos) die Selbsterkennt- 
niss, Bescheidung und Geduld entspringt, in welcher die Seele 
sich sammelt zu einem friedenvollen und versöhnenden Tode, das 
hat Shakespeare im König Lear durch die Polymythie gleichartiger 
Handlungen mit einer rhythmischen Schönheit dargestellt, deren 
FĂĽlle und reiche Gliederung die einfache Handlung des antiken 
Dramas nicht erreichen konnte. 1 ) 

Diese FĂĽlle des Rhythmus beruht auch auf den Contrasten. 
Die Schärfe, der Reichthum und die Verzweigtheit der Contraste 
in vielen Dramen Shakespeare's beruht auf der Polymythie. Die 
contrastirende Nebenhandlung kann schon in der Parodie wahr- 
genommen werden, welche die Haupthandlung durch einen ähnlich 
gearteten Vorgang erfährt. In den Lustspielen „Wie es euch 
gefällt" und „Was ihr wollt" bilden die sehr realistischen Hand- 
lungen, durch welche Probstein und der Junker Tobias zum Besitz 
von Gattinnen gelangen, einen parodirenden Contrast gegen die 
empfindsamen und schwärmerisch zarten Verhältnisse des erotischen 
Gebiets. In dem Sommernachtstraum möchte man es fast bedauern, 
dass der Dichter die schöne Novelle Ovids von Pyramus und Thisbe 
mit ihrem tragischen Gehalte den harten Fäusten der Handwerker 
zu possenhafter Parodirung ĂĽberliess, eine Parodie, welche freilich 
mehr gegen bombastische Stellen schwĂĽlstiger Dichter, wie Kyd 
u. a. waren, gerichtet ist; aber die Neigung des Dichters zur Dar- 
stellung parodischer Contrasthandlungen war noch vorherrschend, 
und der schroffe Contrast des realistischen eselsohrigen Zettel und 
der mährchenhaft zarten Titania reizte ihn zu der Darstellung 
der Handwerkerscenen, welche die polymythischen Handlungen der 
mythischen Liebesversöhnung von Oberon und Titania, der fürst- 



l ) Ueber diesen Rhythmus im König Lear vgl. die meisterhafte Entwickelung 
in Fr. Vischer's Aesthetik III p. 46—49. 



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liehen Liebe des Thesens zu Hippolyta, der bĂĽrgerlichen Doppel- 
liebe der Athener und Athenerinnen mit ihren Irrungen und Zwistig- 
keiten noch um eine Contrasthandlung vermehren. In ähnlicher 
Weise war Shakespeare schon in dem Lustspiel „Verlorne Liebes- 
mühe" zu Werke gegangen; das ascetische Gelübde des Königs 
und seiner drei Genossen, drei Jahre lang nur der Wissenschaft 
obzuliegen und jede Annäherung an ein weibliches Wesen zu meiden, 
wird mit Witz und Humor gebrochen und dadurch lächerlich ge- 
macht; dieser verzweigten Haupthandlung geht eine parodirende 
Contrasthandlung zur Seite, in welcher die affektirte Studienneigung 
des Königs und seiner Genossen im Zerrbilde geschmackloser Ge- 
lehrsamkeit erscheint, und die spanische Aufgeblähtheit zur Neigung 
zu einem höchst untergeordneten Mädchen herabsinkt. Aber der 
Contrast, der in dieser Nebenhandlung ist, wird bei weitem ĂĽber- 
boten in dem Lustspiel „Viel Lärmen um Nichts." Hier sind 
polymythisch zwei Handlungen des erotischen Gebiets im schärfsten 
Contraste einander entgegengestellt. Die Liebe Claudio's zu Hero 
entsteht plötzlich, sie ist nicht autonom, sondern durch Eigennutz 
bedingt; sie gelangt zu ihrem Ziele nicht durch eigne Kraft, sondern 
durch Vermittelung des Prinzen von Aragon; ungeprĂĽft wie es ist 
erfährt das geschlossene Bündniss eine rohe Störung durch die 
plumpste Täuschung, von welcher nur oberflächliche Charaktere 
irre geführt werclen können, die Lösung der unglücklichen Ver- 
wirrung wird nicht durch Scharfsinn, nicht durch Thätigkeit der 
dazu am meisten Berufenen, sondern von Personen herbeigefĂĽhrt, 
welche durch Beschränktheit des Geistes die fast unfreiwilligen 
Entdecker werden. Die Wiederherstellung des gestörten Ver- 
hältnisses geschieht so leicht als die Schliessung des Bündnisses 
im Anfange. In ganz entgegengesetzter Richtung bewegt sich die 
Handlung in Beatrice's und Benedict's Verhältniss. Sie sind 
schon durch FĂĽlle des Scharfsinnes und Witzes gegen die Personen 
der ersten Handlung in Contrast gestellt; die ungezĂĽgelte Neigung 
zum Spott macht sie zu Gegnern und sie stimmen in nichts ĂĽberein 
als in der betont und witzig ausgesprochenen Abneigung gegen 
die Ehe. Beide in einander verliebt zu machen hält Don Pedro, 
der auch hier die Rolle des Ehestandsprocurators spielt, fĂĽr eine 
„Herkulesarbeit", die er auch zur Unterhaltung, „zur Ausfüllung 
einer Pause" verrichten will ; die Doppelkomödie, welche den beiden 
Antipoden gespielt wird, ist ein polymythischer Parallelismus, 



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welcher durch eine Täuschung die Herzen wandelt und zur Einigung 
vorbereitet, wie eine Täuschung das Bündniss der Hero und des 
Claudio zerreisst. Zu dem gegenseitigen Geständniss ihrer Liebe 
kommen Benedict und Beatrice nur langsam mit den Retardationen 
des Witzes im Gegensatz gegen Claudio und Hero, welche ohne 
grosse Ueberlegung sich vereinigt hatten. Das BĂĽndniss der 
letzteren war zur Zeit des GlĂĽckes geschlossen (im Anfang des 
Lustspiels); die Liebe Benedicts und Beatrice's erhält ihren offenen 
Ausdruck erst zur Zeit der Noth, nicht der eignen, sondern der 
Noth einer anderen, aber geliebten Person; diese Liebe ruht auf 
bewährter Charakterstärke und äussert sich in Benedict in ent- 
schlossener Thatkraft gegen Claudio; die lange durch Spottsucht 
Getrennten sind jetzt tief vereinigt durch die EntrĂĽstung ĂĽber die 
rohe Beschimpfung, welche Hero erfahren hat, und stehen in Ein- 
sicht und Ueberzeugung, dass Hero unschuldig sei, in einem er- 
habenen Contraste über den Personen, deren flache Leichtgläubig- 
keit Hero's unverschuldetes Elend herbeifĂĽhrte. 

In einer ähnlichen Weise wie in dem Lustspiel „Viel Lärmen 
um Nichts" ist „Heinrich IV." in seinen beiden Theilen auf den 
polymythischen Contrast gebaut, nur dass die Contraste in grösserer 
Verzweigung auftreten. Der Geschichte Heinrich IV. steht die 
Entwickelungsgeschichte seines Sohnes im vollkommenen Gegen- 
satze gegenüber. Der König befindet sich im ersten Drama in voller 
Kraft, im Besitze der Staatsklugheit und Herrscherkunst, welche 
nicht frei von Despotismus ist, aber doch die Gedanken an seine 
Usurpation nicht aufkommen lässt; in der Schlacht von Shrewsbury 
ist er persönlich zugegen und siegreich. Er gelangt (im zweiten 
Theil) zur vollständigen Niederwerfung seiner Gegner, aber dem 
Bewusstsein seines Triumphs fehlt die Freudigkeit, Krankheit 
drückt ihn nieder, Schlaflosigkeit öflhet den Vorwürfen des Ge- 
wissens Eintritt in die Seele und eine schwere Sorge belastet ihn, 
dass die von Schuld nicht freie Arbeit seines Lebens in den Händen 
der Leichtfertigkeit eines entarteten Sohnes, wie er meint, ver- 
loren gehen wird. Es ist eine „absteigende Linie." Dieser Sohn 
ist der entschiedene Gegensatz des Vaters; ist dieser verschlossen 
und seine Würde eifersüchtig bewachend, ceremoniös, so ist der 
Prinz offen, wirft seine WĂĽrde selbstbewusst spielend an Genossen 
hin, die von fĂĽrstlichem Stande und Sinne weit entfernt sind, ein 
Feind der kühlen Etiquette; ist der König ganz von den Sorgen 



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des Staatslebens beherrscht, so muss der Prinz als gleichgĂĽltig 
gegen den Ernst staatlicher Arbeit, befriedigt von einer Gesell- 
schaft scheinen, deren Hauptvertreter zwar Witz und Humor in 
Fülle hat, es aber mit keinem Verhältnisse der Sittlichkeit ernst 
nimmt. Wenn von dieser Gesellschaft, die den Strassenraub nicht 
verschmäht und durch Gemeingefahrlichkeit Besorgnisse erregt, 
der Prinz auch innerlich geschieden ist, wie wir im Anfange 
des Dramas aus seinem Munde erfahren, so muss er sich doch 
selbst der Vergeudung der kostbaren Zeit anklagen und thut es; 
aber seine frische Natur, welche die Niedrigkeit des Lebens nicht 
verschmäht, steigt thatkräftig zu siegreichem Heldenthum auf und 
entfernt sich nun (im zweiten Theile) von dem weissbärtigen, 
witzigen Satan Falstaflf, gewinnt durch Liebe und WĂĽrde das 
volle Vertrauen des Vaters und berechtigt zu den glĂĽcklichsten 
Honnungen als Regent. Es ist eine „aufsteigende Linie." Aber 
der Dichter begnĂĽgte sich nicht mit diesem grossen Contraste. 
Die Weite des polymythischen Dramas gestattete ihm noch andere 
Contraste, die er absichtlich suchte. Die geschichtlichen Quellen 
erzählen nichts davon, dass Prinz Heinrich den Heinrich Percy 
persönlich besiegt und getödtet habe. Der Dichter bedurfte dieser 
Umänderung geschichtlicher Thatsachen um des Contrastes willen. 
Es ist wieder die absteigende und aufsteigende Linie. Heinrich 
Percy wird von dem König Heinrich selbst gerühmt als ein Mann, 
der stets der Ehre Thema ist, in einem Wald der allerschlankste 
Stamm, des holden GlĂĽcks Liebling und Stolz zugleich; und neben 
diesem Ruhme sieht der König seinem Sohne Wüstheit und Schande 
auf die Stirn gedrĂĽckt. Percy selbst, der das Wort Ehre immer 
im Munde führt, nennt den Prinzen einen „Schwadronirer", und 
der letztere ist bereitwillig genug, den tapferen Heisssporn, den 
gepriesenen Ritter als das Kind der Ehren und des Ruhmes 
uneingeschränkt anzuerkennen. Aber diesem Sohne des Ruhmes, 
dessen leidenschaftliche Heftigkeit der Dichter in mannigfachen 
Situationen zeigt, der sich durch Maasslosigkeit, ein anderer Ajax, 
ins Verderben stĂĽrzt, steht der verachtete, aber besonnene Prinz 
mit ironischer Ueberlegenheit des Geistes gegenĂĽber; der Ver- 
achtete wird Sieger über den Verächter; was der Prinz seinem 
Vater, seine Schimpflichkeit der Glorie Percy's entgegensetzend, 
versprach, mit Percy abzurechnen, dass dieser ihm jeden Ruhm 
ausliefern solle, das geht nicht durch Zufall, sondern durch den 



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Charakter des Prinzen in ErfĂĽllung; die Schlacht von Shrewsbury 
ist der praktische Contrast von Percy und Prinz Heinrich, welcher 
aus Vernon's Gespräch mit Percy der Gesinnung nach hervor- 
getreten war; Percy wollte den Prinzen mit Soldatenarm umfassen, 
dass er zusammenzucken sollte vor seinem Gruss; aber der Prahler 
unterliegt dem Bescheidenen, und der Bescheidene hat fĂĽr seinen 
Verächter nach dessen Tode wieder Worte der reinsten Humanität 
und Wahrheitsliebe. 

Die Polymythie in den beiden Dramen „Heinrich IV." machte 
einen andern grossstilisirten Contrast möglich, der zwischen dem 
Prinzen und Falstaff in aufsteigender und absteigender Linie sich 
darstellt. Dieser Contrast ist schon beim ersten Auftreten der 
beiden vorhanden, er erweitert sich nur. Der Prinz betrachtet 
seinen Umgang mit Falstaff und dessen Genossen nur als ein Spiel ; 
seiner Gesinnung nach ist er durchaus von ihm getrennt; was ihn 
an diesen Umgang noch iesselt, ist die Freude des Witzigen an 
dem Witze und der komischen Erscheinung des feisten Ritters. 
Die Komik FalstafFs leuchtet in allen Farben. Ihr wesentliches 
Element ist die Phantasie. Von dieser geht die Neigung zum 
Schauspielerischen und Parodischen aus. Das Drama im Drama, 
in welchem Falstaff den König spielt und abgesetzt wird, ist höchst 
charakteristisch fĂĽr die phantastischen Neigungen des Ritters. 
Dieser Zug ergeht sich mit Vorliebe in Uebertreibungen und hand- 
greiflichen Unwahrheiten, ist stets zu Vergleichungen, parodischen 
Anspielungen, Verdrehungen und Wortwitzen geneigt. Diese Phan- 
tasie bewegt sich in dem Kreise des Niedrigen und Gemeinen und 
wird getragen von einem beobachtenden Scharfsinn, durch welchen 
Falstaff sich aus den misslichen Lagen, in welchen er sich durch 
seine ĂĽbertreibende Phantasie verwickelt, nothdĂĽrftig zu befreien 
sucht. An dieser Begabung zur Vielseitigkeit im Komischen, welche 
Falstaff entwickelt, hat der Prinz sein Gefallen. Nicht minder er- 
götzt ihn das Objectivkomische der Gestalt FalstafFs. Die feiste 
Gestalt des Ritters und die Contraste, welche an dieselbe sich 
knĂĽpfen, sind Gegenstand mannigfaltigen Spottes von Seiten des 
Prinzen, die misslichen Lagen, in welche den GenusssĂĽchtigen 
die beschwerliche Unform des Leibes bringt, belustigen den be- 
henden Königssohn; das aufstrebende Gewissen FalstafFs, welches 
durch die massenhafte Trägheit und Genussliebe immer wieder 
niedergezogen wird, ist fĂĽr den Verstand des Prinzen ein komisches 



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Schauspiel. In dieser Neigung zum Komischen, welche der Prinz 
mit Falstaff ausĂĽbend theilt, ist er scheinbar ein Gleicher unter 
Gleichen; aber nur scheinbar; vielmehr ist der Gegensatz zwischen 
ihm und Falstaff gleich von vornherein sichtbar; Falstaff ist der 
Komödienspieler für den Prinzen, er selbst der vornehme und 
kritische, wenn auch mitspielende Zuschauer; er kritisirt die 
Gleichnisswitze Fallstaif s (Was meinst Du zu einem Hasen etc.?), 
er kritisirt witzig FalstafFs Gestalt, er lässt ihn mit seiner Tapfer- 
keit bei der Beraubung der Kaufleute renommiren und entlarvt 
den witzig ĂĽbertreibenden Renommisten; er kritisirt das Schau- 
spiel, in welchem Falstaff den König spielt, dadurch, dass er den 
Spieler absetzt und in eigner Person den König spielend in witzigen 
Gleichnissen die vernichtendste Kritik ĂĽber die sittliche Verworfen- 
heit FalstafTs ausspricht. Als Falstaff sich zu dem Scherze ver- 
mass, den König mit einem Cantor in Windsor zu vergleichen, 
hatte der Prinz handgreifliche Kritik dadurch geĂĽbt, dass er dem 
Spötter ein Loch in den Kopf schlug. In dieser gesammten Kritik 
des Prinzen ist die Kluft des Contrastes sichtbar, welche sich 
zwischen ihm und Falstaff immer mehr erweitert. Der sittliche 
Gegensatz beider hatte sich schon in der bedenklichsten Handlung 
des Prinzen, in der Theilnahme an der Beraubung der Kaufleute 
dargestellt; aber diese Theilnahme ist die praktische Parodie der 
Raubsucht und Feigheit FalstaflTs, und der scherzende Prinz ist 
unter dem Gesindel der humoristisch sittliche Genius. Dieser 
Genius, dessen FlĂĽgel durch unsaubern Umgang nicht unbeschmutzt 
geblieben sind, hat seine angeborne Kraft behalten, schwingt sich 
zu ritterlichen Thaten auf und lässt den feigen Genossen mit milder, 
aber der Eitelkeit abholder Gesinnung am Boden liegen. Dieser 
war sittlich immer tiefer gesunken und hatte nach eignem Ge- 
ständniss des Königs Aushebungsbefehl schnöde gemissbraucht. In 
der Schlacht von Shrewsbury ersteigt der sittliche Contrast den 
höchsten Gipfel im ersten Theile des Dramas. Prinz Heinrich 
hatte sich selbst zum Einzelkampf mit Percy angeboten, diesen 
Kampf ruhmvoll gegen den gerĂĽhmten Gegner vollendet; an der 
Leiche des Rebellen erhebt sich der gemässigte Sieger zum Aus- 
druck edelster Menschlichkeit und überlässt gleichgültig gegen 
die äussere Ehre dem feigen Falstaff den Ruhm der That. Dieser, 
der als den besseren Theil der Tapferkeit die Vorsicht bezeichnet 
und ĂĽber die Ehre, d. h. ĂĽber sittliche Verpflichtung die bedenk- 



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lichsten Sätze ausspricht, liegt aus Furcht vor Douglas den Tod 
heuchelnd am Boden, seine Feigheit verwundet den todten Percy 
und mit dem LĂĽgenhumor der Schamlosigkeit nimmt er den Ruhm 
in Anspruch Percy getödtet zu haben, den ihm der Prinz, die 
Wahrheit und Scheinlosigkeit der LĂĽge und dem Scheine, gross- 
müthig freundlich überlässt. Der eklatante Contrast, der in dieser 
Scene im sittlichen Aufsteigen und Niedersteigen der beiden Per- 
sonen sich noch mit humoristischer Färbung darstellt, erreicht im 
Schlüsse des zweiten Dramas seine tragische Höhe und Vollendung. 

Den Prinzen lernen wir in diesem Drama ganz besonders in 
seiner GemĂĽthsinnigkeit kennen; Falstaff sinkt immer tiefer 
in seiner GemĂĽthlosigkeit; der Prinz wird immer reifer fĂĽr die 
grosse Aufgabe, welche seiner im Staate wartet; Falstaff wird 
immer ausgelernter, den Staat und seine Mitmenschen zu betrĂĽgen. 
Die Zweifel, welche der König noch immer über die sittliche Zu- 
kunft seines Sohnes hegt, den er von Falstaff durch Geschäfte 
trennt, die Sorge um den Thron, wenn Gier und heisses Blut die 
Räthe des Nachfolgers sind, wenn Macht und üppige Sitten sich 
begegnen, werden gänzlich beseitigt durch den tiefen Gemüthsernst 
des Prinzen, durch die innige und unzweideutige Liebe desselben 
zu seinem Vater, und die Scenen unmittelbar vor dem Tode des 
• Königs, in ihrer charaktervollen Schönheit über alle andern hervor- 
leuchtend, leiten die würdevolle Haltung des jungen Königs ein, 
der seine Seelengrösse durch den Akt beweist, dass er den Lord 
Oberrichter zum väterlichen Berather wählt, von dem seine Un- 
gebundenheit einst gestraft worden war. Dieser Lord Oberrichter 
hatte auch den Falstaff gemahnt brav zu tein, als er mit dem 
Prinzen Johann von Lancaster gegen den Erzbischof und den 
Grafen von Northumberland zog. Dem Verschwender tausend 
Pfund zu leihen hatte er verweigert. Seiner gedenkt Falstaff mit 
dem Ausrufe „Wehe dem Lord Oberrichter'', als er nach der 
Thronbesteigung des Prinzen Heinrich in dem Wahne ist, dass 
die Gesetze Englands ihm zu Gebote stehen. Wie er mit diesen 
Gesetzen gewirthschaftet haben wĂĽrde, hat im zweiten Theile sein 
Verhältniss zur Frau Hurtig und zu Dortchen Lakenreisser, seine 
Methode Soldaten auszuheben, seine PlĂĽnderung Schaars bewiesen. 
Seine gemĂĽthloseste Undankbarkeit gegen den Prinzen, der ihn 
bei Shrewsbury mit unverdientem Ruhme überhäuft hatte, tritt in 
der Kritik hervor, welche er der gemeinen Heerstrasse Dortchen 



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Lakenreisser gegenüber giebt, welche der Prinz verkleidet anhört. 
Durch Gesinnung und Thaten hat sich die Kluft des Contrastes 
zwischen dem Prinzen und Falstaff so sehr erweitert, dass die 
absolute Trennung unabweislich ist. 

Das polymythische Drama hat sich in contrastirender Dar- 
stellung noch einmal FalstaflPs bemächtigt in den „Lustigen Weibern 
von Windsor". Der Haupthandlung, der gewinnsĂĽchtigen Bewerbung 
Falstaffs um die Gunst der lustigen und sittlich tĂĽchtigen Frauen, 
in welcher die Unsittlichkeit des Ritters wiederholt die possenhaft 
komischen Niederlagen durch die bĂĽrgerliche Ehrbarkeit erleidet, 
entsprechen in paralleler Weise die erfolglos versuchte Verbindung 
der Anna Page mit Dr. Cajus oder Slender, und wie der witzig 
thörichte Falstaflf von zwei Frauen getäuscht wird, so täuscht 
Anna Page zwei alberne Freier. Die Contrasthandlung bewegt 
sich in der reinen und gemĂĽthvollen Liebe Fenton's und Anna 
Page's, welche der Masse der Verkehrtheit gegenĂĽber einen wohl- 
thuenden Eindruck gewährt. 

Die Polymythie in dem Drama „Ende gut, Alles gut" hat nicht 
minder die schärfsten Contraste herbeigeführt. Der Haupthandlung, 
in welcher die Liebe Helena's zu Bertram, der Verlust und die 
Wiedergewinnung des Gatten dargestellt wird, steht als Gegen- 
bild die Entlarvung Parolles' gegenĂĽber. Wie weibliche Liebe 
und Treue den Bertram rettet und den bekehrten fĂĽr sich selbst 
gewinnt, wie die falsche und unzuverlässige Gesinnung des Parolles 
ihre Ziele verfehlt, wird in beiden Handlungen sichtbar. Es ist 
eine aufsteigende und absteigende Linie. Helena besitzt das Ver- 
trauen und die Liebe Bertram's nicht, obwohl sie dieselben verdient; 
sie erwirbt sie, und Bertram lernt das verachtete Kleinod der Liebe 
Helena's schätzen; Parolles besitzt das Vertrauen des leichtge- 
sinnten Bertram, obwohl er es nicht verdient, und Bertram lernt 
den hohlrenommistischen und abtrĂĽnnigen Sinn des Parolles end- 
lich kennen und verachten; dort zuerst Niederlage und zuletzt 
Sieg; hier zuerst Sieg, zuletzt Niederlage. Wenn Shakespeare, 
wie J. H. Klein (Geschichte des italienischen Dramas, I, p. 549 fg.) 
wahrscheinlich gemacht hat, Bernardo Accolti's Drama „Virginia" 
benutzte, so lässt sich aus der Vergleichung der Dichtung Shake- 
speare's mit der italienischen deutlich wahrnehmen, wie der poly- 
mythische Hang Shakespeare's den Charakter des Parolles in um- 
fangreichere Handlung verflocht; der Parolles in Accolti's Drama 

Jahrbuch XL 17 



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I 



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„Ruffo" ist, wie Klein sagt , die „allermagerste Skizze" zu Shake- 
speare's reichgestalteter Figur. Wenn Accolti den Werth seiner 
Heldin (Virginia), die von ihrem Gatten verschmäht wird, durch 
die Liebe des Sylvio hervorleuchten lässt, welcher sterben will, 
wenn Virginia den Tod erleidet, so hat Shakespeare die Personen, 
welche für die von Bertram verschmähte Helena ein tiefes Interesse 
zeigen und fĂĽr ihren Werth bĂĽrgen, noch vermehrt, indem er Ber- 
tram's Mutter, die liebevolle und anerkennende BeschĂĽtzerin He- 
lena's, den Lafeu und die vier Edelleute einfĂĽhrte, welche die 
Hand der schönen Jungfrau gern empfangen würden. 

Das Verhältniss, welches zwischen Parolles und Bertram Statt 
findet, erinnert lebhaft an FalstaiFs und des Prinzen Heinrich Ge- 
schichte; der Contrast, dass der ernsten und tragischen Handlung 
komische Scenen gegenĂĽber spielen, ist in beiden Dichtungen wahr- 
nehmbar. Dieser Contrast der ernsten, tragisch bewegten Hand- 
lung und der komischen ist durch polymythische AusfĂĽhrung auch 
in dem Wintermärchen zur Darstellung gekommen. In diesem 
Lustspiel ist zunächst ein Contrast sichtbar, wie wir ihn in „Viel 
Lärmen um Nichts" wahrgenommen haben; die Liebe und Ehe 
des Leontes und der Hermione wird tief geschädigt durch den 
kurzsichtigen, argwöhnischen Eigensinn des Leontes, wie Claudio's 
Flachheit sich von der plumpen Bosheit bethören Hess; die Liebe 
Florizel's und Perdita's stösst auf harte Hindernisse, welche durch 
die tiefen und reinen Gesinnungen der Liebenden so glĂĽcklich 
ĂĽberwunden werden, wie sich Benedict's und Beatrice's BĂĽndniss 
gerade in dem UnglĂĽck Hero's erprobt und befestigt. Der ernsten 
und tragisch vorschreitenden Handlung, welche Leontes und Her- 
mione trennt, stehen die heiteren Scenen des Schäferlebens in dem- 
selben Contraste gegenĂĽber, wie Beatrice's und Benedict's heiteres 
Witzspiel der gefährdeten Liebe Claudio's und Hero's. Aber die 
Polymythie erschuf in dem Wintermärchen in den Schäferscenen 
einen anderen Contrast von tiefster Bedeutung, den Contrast der 
reinen und unverfälschten Natur im Gegensatze gegen die Ver- 
wöhnung durch gemissbrauchte Macht, und diese reine Natur ist 
es, welche heilend eintritt in die entartete Cultur. So grosse 
Gegensätze zwischen Natur und Cultur Hess das monomythische 
Drama der Alten nicht zu, und wo die Dichter, wie Euripides, 
diesen Gegensatz bildeten, erscheint er nur in den Anfängen. Wenn 
Medea bei Euripides, die Erwürgeriu der eignen Söhne, in Attica 



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— 259 — 



Zuflucht suchen will, so stellt der Chor ihrem Verbrechen das 
Land und Volk entgegen, welches durch den lautersten Glanz des 
Aethers wallt in Seligkeit, wo Kypris aus dem schönfliessenden 
Kephisos die Floth schöpft und zur Flur herab den süss und ge- 
mässigt wehenden Hauch der Lüfte giesst. Und wenn Phädra 
im Hippolytus an unkeuscher Liebe krank ihr gequältes Herz er- 
öffnet, so wünscht sie aus frisch entsprudeltem Quell das lautere 
Nass sich zum Trank zu schöpfen und im Pappelgebüsch und auf 
grĂĽnender Flur hinsinkend zur Rast sich dem Vergessen zu weihen; 
sie will in den Wald, ins Fichtengehölz und wie Maria Stuart an 
der Jagd theilnehmen. Aber volle Charaktere, welche in reicher 
Entwickelung die schöne und reine Natur constrastirend verkör- 
pern, vermochte er wegen der engeren Schranken des monomy- 
thischen Dramas nicht zu bilden. Shakespeare hat es gethan, 
und der Charakter der Perdita, welche in einem beschränkten, 
aber gesunden Naturleben sich entwickelt, ist ein glänzendes Zeug- 
niss. Aus der Treuherzigkeit, Gutmüthigkeit, Beschränktheit und 
Natürlichkeit der Schäferscenen , zu denen Shakespeare den Stoff 
in Greene's Dorastus und Faunia nicht vorfand,' sehen wir das 
naturschöne Bild der Perdita reizend hervortreten, indem die guten 
Eigenschaften der harmlosen Naturumgebung gesteigert in ihr er- 
scheinen. Ihre Liebe zur Natur, die in der sinnig anmuthigen 
Charakteristik der Blumen eine fesselnde Schönheit entfaltet und 
ihren eigenartigen Charakter in der fast eigensinnigen Abweisung 
aller Kunstmittel entwickelt, ist mit der Verachtung alles Tandes, 
welche Florizel an ihr rĂĽhmt, mit der Abneigung gegen alles Ge- 
kĂĽnstelte, mit Wahrheit, Gewissenhaftigkeit und Muth verbunden; 
einfach und kraftvoll wie die Natur ist sie das vollendete Gegenbild 
gegen den Schein und die Verweichlichung der Gesinnung, durch wel- 
che Leontes, der Wahrheit unzugänglich, sein Glück untergrub. 
Dieser scharfe Gegensatz reiner Natur gegen die Entartung verwor- 
rener Culturverhältnisse konnte in seiner reichen Fülle nur zur Er- 
scheinung kommen in einer weit gegliederten Handlung des poly- 
mythischen Dramas. Er hat seine Genossen in den Naturcontrasten 
in „Wie es euch gefällt" und im „Cymbeline". Auch diese Dramen 
bewegen sich in einem Gegensatze des harmlosen und starken Natur- 
lebens, einem Hofleben gegenĂĽber, welches durch WillkĂĽr oder durch 
Schwäche, Schmeichelei, Bosheit und Intrigue die verderblichsten 
Folgen herbeiführt und wie im „Cymbeline" seine Rettung und Ge- 

17* 



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- 26Ă– ~ 

sundheit nur wieder empfängt durch die ungebrochene Naturkraft. 
In beiden Dramen entsteht der Contrast durch Polymythie; in 
„Wie es euch gefällt" ist die Handlung, welche in idyllischer 
Schönheit in einem zum Theil phantastischen Naturleben sich be- 
giebt, die überwiegende; in „Cymbeline" bilden die Scenen des Na- 
turlebens die minder umfangreiche Handlung, haben dafĂĽr aber eine 
um so grössere Tiefe und eindringendere Schärfe des Contrastes. 
Die einfache Grösse der Helden, welche in diesen Scenen auf- 
treten, ist wirksam in negativer und positiver Art; sie protestiren, 
wie Bellarius, der das Opfer der Missgunst und Verläumdung war, 
gegen die Wucherei der Städte, gegen die Gunst des Hofes, die 
schwer aufzugeben, schwer zu bewahren ist; durch ihre Existenz 
und Erziehung, durch ihren starken, reinen und zartfĂĽhlenden 
Sinn stehen Guiderius und Arviragus im abweisenden Gegensatze 
gegen einen Hof, an welchem durch die Schwäche Cymbeline's die 
giftmischende Bosheit und Känkesucht der Königin die Herrschaft 
fĂĽhrt, an welcher ein Posthumus nicht geduldet wird und eine 
Imogen vor der brutalen Werbung des polternden und hochmĂĽthigen 
Narren Cloten nicht sicher ist; in ihrer keuschen Sittlichkeit sind 
sie die vollendeten Gegenbilder gegen die Fäulniss der Gesinnung, 
mit welcher der verworfene Jachimo lügt und verläumdet; mit 
ihrer gradsinnigen Thatkraft und Tapferkeit, durch welche der 
freche Cloten von des Guiderius Hand den Tod empfangt, stehen 
sie im Gegensatze gegen die feige Flucht der Briten, sie retten 
den König und stellen die Schlacht her. Der Reichthum und die 
Vielseitigkeit dieser Contraste wird noch gehoben durch die Hand- 
lungen, welche von Imogen und Posthumus ausgehen, welche im 
gleichen Gegensatze stehen gegen die Personen eines entarteten 
Hoflebens und die verworfene Unsittlichkeit eines Jachimo, und 
es ist von wunderbarer Schönheit, dass Imogen auf ihrer gefahr- 
voll mĂĽhseligen Wanderung Zuflucht und liebevolle Aufnahme bei 
den Bewohnern der Wildniss findet und Posthumus in tiefer 
Reue in Gemeinschaft mit den tapferen Natursöhnen die höchste 
Tapferkeit als Bauer verkleidet beweist. 

Die Polymythie hat jedoch nicht allein den Reichthum der 
Contraste hervorgerufen, die wir bisher betrachteten, welche nicht 
durch einzelne Personen, wie im antiken Drama, sondern durch 
Gruppen von Personen gebildet werden; das polymythische Drama 
verpflanzte die Contraste in die Charaktere selbst und in Folge 



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— 261 — 



der Polymythie sind die einzelnen Charaktere complicirter, indi- 
vidueller geworden und geben der psychologischen und ethischen 
Betrachtung den interessantesten Stoff dadurch, dass sie nicht als 
fertige auftreten, sondern als werdende sich entwickeln. Ein 
Charakter des polymythischen Contrastes ist Hamlet. Er ist 
melancholisch, von dem an seinem Vater begangenen Verbrechen, 
• das er ahnt, von der jäh geschlossenen Ehe seiner Mutter bis zu 
Selbstmordgedanken bedrĂĽckt, ein trĂĽbsinniger Beurtheiler der 
Welt, die fĂĽr ihn ein 'wĂĽster Garten ist, den verworfenes Unkraut 
ganz erfĂĽllt, ein dĂĽsterer Satiriker und Humorist, der mit bitteren 
Sarkasmen trifft und geisselt; er ist vorsichtig, besonnen, behut- 
sam, ein Zweifler; er ist ein Denker, der in Wittenberg in sein 
Inneres gefuhrt wurde, welchem das Wissen BedĂĽrfniss und die 
Kunst ein Gegenstand reflectirender Forschung geworden ist; er 
ist eine gefĂĽhlvolle, der Liebe und Freundschaft bedĂĽrftige Seele. 
Aber er ist auch, was man bei solcher Beschaffenheit nicht er- 
warten sollte, leidenschaftlich, furchtlos, thatkräftig und besitzt 
nach Ophelia's Ausdruck den Arm des Kriegers; leidenschaftlich 
aufgeregt tödtet er den Polonius, furchtlos tritt er dem Geiste 
entgegen, der erste von Allen springt er in das geenterte Schiff 
der Seeräuber. Der philosophische Denker, welcher die Gesetze 
des Schauspiels so fein zu beurtheilen weiss, hat etwas von dem 
Geiste der Blutrache in sich, welcher nur in unphilosophischen 
Zeitaltern gedeiht; er verfolgt seinen brudermörderischen Oheim 
mit seinem Hasse bis in das Jenseits, wie Ajax den Hass gegen 
Odysseus noch in der Unterwelt festhält und die Versöhnung ab- 
weist; Rache ist seine Losung, nicht bloss Vergeltung; darum will 
er seinen Oheim nicht tödten, wenn derselbe betet, weil er nicht 
gerächt wäre, wenn er in seiner Heiligung ihn fasste, bereitet 
und geschickt zum Uebergang; vielmehr soll sein Schwert schreck- 
licher gezĂĽckt sein: wenn Claudius berauscht ist, schlafend in der 
Wuth, in seines Bettes blutschänderischen Freuden, beim Doppeln, 
Fluchen oder andern Thun, das keine Spur des Heiles an sich 
hat, dann ist fĂĽr ihn die rechte Zeit ihn niederzustossen, dass 
gen Himmel er die Fersen bäumen mag und seine Seele so schwarz 
und so verdammt sei, wie die Hölle, wohin er fährt. Es ist klar, 
dass eine solche FĂĽlle zum Theil einander widersprechender Eigen- 
schaften nur auf dem Wege der Polymythie zu erreichen war. 
Damit wir Hamlet in dieser FĂĽlle seiner Eigenschaften kennen 



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— 262 — 



lernen, hat der Dichter eine parallele und zugleich contrastirende 
Handlung weit ausgebildet, welche die Schicksale des Polonius 
und seiner Familie betrifft. Wie Hamlet's Vater ermordet ward, 
so wird auch dem Laertes, wenn auch in anderer Weise, der 
Vater getödtet; und wenn Hamlet die Aufgabe seinen ermordeten 
Vater zu rächen aus dem Jenseits empfängt, so bedarf es für 
Laertes einer jenseitigen Aufforderung nicht, um zur rächenden 
That der Vergeltung zu eilen. Mag man diese Handlung, in 
welcher sich die Geschichte des Polonius,* des Laertes und der 
Ophelia bewegt, wie Gervinus auffassen oder wie Werder, Nie- 
mand wird bestreiten, dass ohne sie dem Charakter des Hamlet 
viele Gelegenheit genommen wĂĽrde, sich in den verschiedensten 
und entgegengesetzten Lagen und Eigenschaften zu zeigen. Laertes 
kann zur AusfĂĽhrung seines Vorsatzes einfach, wie Orestes, vor- 
schreiten; Hamlet kann es nicht; die Todesart des Polonius und 
der Urheber dieses Todes sind nicht in das Geheimniss gehĂĽllt, 
so wenig wie der Tod Agamemnon's und seine Mörder; das an 
Hamlet's Vater begangene Verbrechen und der Thäter ist ein Ge- 
heimniss, und die dienende Umgebung des verbrecherischen Königs, 
unselbständige und schmeichelnde Schatten wie Polonius, Rosen- 
kranz, GĂĽldenstern,' Osrick wĂĽrden die Hand zur EnthĂĽllung des 
Geheimnisses niemals bieten. Die Aufgabe Hamlet's, dieses Ge- 
heimniss zu enthüllen und den König vor der Oeffentlichkeit zu 
entlarven, zu überführen, zum Geständniss zu zwingen, lastet so 
sehr auf der Seele des Prinzen, dass er von der Tafel seines Ge- 
dächtnisses um dieser Einen Aufgabe willen alles hinwegwischen 
will, was dieser Aufgabe fern liegt, dass die Liebe zu der an- 
muthvollen Ophelia in seiner Seele keinen Raum mehr hat, und 
ohne den letzteren Theil aus der Handlung, in welcher des Po- 
lonius und seiner Familie Geschichte sich entwickelt, wären wir 
ausser Stande, das liebebedĂĽrftige Herz des Prinzen und, was 
mehr ist, seine Entsagung um der Einen grossen Aufgabe willen 
kennen zu lernen. Aber das Geheimniss, das fĂĽr das Empfinden 
und Ahnen des Prinzen durch die Offenbarungen des Geistes ent- 
hĂĽllt ist, ist vor seinem Denken, Reflectiren wie vor seinem Ge- 
wissheit fordernden Gewissen nocli nicht in evidenter Klarheit; 
„der Geist, den ich gesehen", ruft er aus, „kann ein Teufel sein; 
der Teufel hat Gewalt sich zu verkleiden in lockende Gestalt und 
vielleicht, bei meiner Schwachheit und Melancholie (da er sehr 



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— 263 — 



mächtig ist bei solchen Geistern), täuscht er mich zum Verderhen: 
ich will Grund, der sicher ist. Das Schauspiel sei die Schlinge, 
in die den König sein Gewissen bringe." In der Orestie des 
Aeschylus hat Orestes, der von Apollo das Geheiss den ermordeten 
Vater zu rächen bekam, wie Hamlet von dem Geiste seines Vaters, 
solche Bedenken nicht; in dem monomythischen Drama des 
Aeschylus wie in der Electra des Sophokles ist die That der 
Klytämnestra und des Aegisthus eine unverhüllte; aber auch im 
entgegengesetzten Falle wĂĽrde die Einfachheit der antiken Tra- 
gödie eine Handlung der Polymythie, ein Drama im Drama, nicht 
ertragen haben. Dieses Drama im Drama, welches der polymy- 
thische Stil Shakespeare's in der „Ermordung Gonzago's" schuf, 
ein symbolischer Spiegel der That des Claudius, war durch die 
Eigenschaft des reflectirenden Geistes, welche Hamlet im hohen 
Grade besitzt, gefordert. In diesem reflectirenden Sinne hat die 
Gewissenhaftigkeit ihren Grund, mit welcher er sich scheut die 
Rache an Claudius vor der PrĂĽfung seiner Schuld zu vollstrecken ; 
wenn Hamlet dann ausruft: „so macht Gewissen Feige aus uns 
allen; der angebornen Farbe der EntSchliessung wird des Ge- 
dankens Blässe angekränkelt", so hat dieses Gewissen wenigstens 
da nicht gesprochen, als er Rosenkranz und GĂĽldenstem dem 
Untergange weiht, ohne auch nur ein Wort des Mitleids, wie 
Horatio, fĂĽr sie zu haben. Die Rede Hamlet's an seine Mutter 
ist mit Recht ein MeisterstĂĽck ethischer Beredtsamkeit genannt 
worden ; im Gegensatze zu dieser Rede steht die zweideutige Art, 
in welcher die Worte Hamlet's gegen Ophelia sich ergehen. Zu- 
letzt ist eine gläubige Stimmung in Hamlet's Gemüth nicht zu 
verkennen: er sieht einen Cherub, der die Absichten des Königs 
sieht, und der Glaube an die Vorsehung ist in ihm lebendig; im 
Gegensatze zu diesem Glauben kommen Gedanken des Skepticis- 
mus vor, wie in dem Monologe „Sein oder Nichtsein". 

Die ausserordentliche FĂĽlle zum Theil sehr contrastirender 
Eigenschaften, welche der Charakter Hamlet's darbietet, mit wel- 
chem man den ebenfalls auf die schärfsten Contraste gebauten Cha- 
rakter des Antonius in Antonius und Cleopatra vergleichen mag, 
ist nur aus der Menge der Beziehungen zu erklären, in welche 
der Charakter zu den verschiedensten Personen des polymythischen 
Dramas tritt. Aus diesen Beziehungen erhalten auch die werdenden 
Charaktere im Drama Shakespeare's ihre richtige Beleuchtung. 



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Das monomythische Drama der Griechen, insbesondere des 
Meisters, der die Tragödie zu ihrer vollkommensten Gestalt inner- 
halb der plastischen Weltanschauung fĂĽhrte, schloss die werdenden 
Charaktere aus. Die Hauptcharaktere des Sophokles, der doch die 
Handlung durch EinfĂĽhrung des dritten Schauspielers erweiterte 
und vertiefte, sind bei ihrem ersten Auftreten fertige, die Hand- 
lung, in deren Folgen sich die Charaktereigenschaften spiegeln, 
ist meist eine vor der dramatischen Action geschehene oder zu 
Anfang derselben geschehende, der Charakter bleibt consequent 
und ohne Schwanken in seiner ursprĂĽnglichen Gesinnung. Der 
Charakter der Elektra beruht in der leidenschaftlichen Liebe zu 
dem ermordeten Vater, mit welcher der Hass gegen die freche 
Mutter und ihren Mord- und Buhlgenossen identisch ist; die hass- 
erfĂĽllte Liebe der Elektra entwickelt sich in einer Skala von 
Gedanken, Empfindungen und Handlungen, die immer aus derselben 
Quelle fliessen: der Hass gegen Klytämnestra, leidenschaftlicher 
in ihr ausgebildet als in dem milden Gegenbilde Chrysothemis, sucht 
die letztere zu bestimmen, den Weiheguss, den die Mutter zum 
Grabe Agamemnons zur SĂĽhne sendet, nicht zu spenden; die Liebe 
zum Vater giebt der Elektra eine scharfe Beredsamkeit, mit 
welcher sie die sophistischen Scheingründe der Klytämnestra 
widerlegt; die Liebe zum Vater lebt von der Hoffnung, dass einst 
der Rächer in der Person des Orestes erscheinen werde, und duldet 
alle Unbilden; die Liebe zum Vater trauert im tiefsten Schmerze, 
als sie glauben muss, dass Orestes nicht mehr unter den Leben- 
den ist, und hatte schon den Entschluss gefasst, von Chrysothemis 
verlassen, allein den Aegisthus zu tödten; die Liebe zum Vater 
ersteigt die höchste Stufe des Entzückens, als Orestes erkannt 
und der Vollbringer der Rachethat gefunden ist; die Liebe zum 
Vater kennt keine Hamletsbedenklichkeiten, hat kein Gewissen in 
Betreff der Mutter und kann bei der Ermordung der Mutter dem 
Orestes zurufen: „0 stoss noch einmal!" — In dem Charakter 
der Antigone entspringen alle Empfindungen und Handlungen aus 
dem Einen Grundzuge der Pietät gegen den Polynices. Dieser 
Grundzug verschlingt jede andere Empfindung. Antigone ist die 
Verlobte Hämons. Man könnte sich denken, dass die Liebe zu 
dem Verlobten einen Zwiespalt in ihre Seele geworfen, einen 
Widerstreit der Empfindungen in ihrer Seele und das Bedenken 
hervorgerufen hätte, ob sie aus Liebe zu Hämon die gesetzwidrige 



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und gefahrvolle That unterlassen oder der Erfüllung der Pietäts- 
pflicht sich unterziehen solle. Diesen Widerstreit Hess das mono- 
mythische Drama des Sophokles nicht zu; unbeeinflusst von der 
Liebe zu Hämon schreitet sie zu ihrer heiligen Frevelthat (oaia 
TravovQyrjaaaa), unbeeinflusst von dieser Liebe steigert sie ihren 
Widerwillen gegen die mildere Ismene, ihren Trotz gegen Kreon 
und sieht dem bevorstehenden Tode ins Antlitz. Man kann eine 
ähnliche Beobachtung anstellen an den Charakteren des Philoktet, 
des Oedipus im ersten Drama, des Ajax, welcher weder durch 
Liebe und Anhänglichkeit, noch durch das eigne Gewissen gehindert 
wird sich dem freiwillig gewählten Tode darzubieten. 

Diesen mehr oder weniger in sich fertigen Charakteren des 
Sophokles stehen die werdenden gegenĂĽber, wie sie das poly- 
mythische Drama Shakespeare's hervorbrachte. Ein Beispiel von 
hervorragender Bedeutung ist Posthumus. Bei seinem Auftreten 
wird er als ein vollkommenes Wesen bezeichnet, im Wissen und 
Charakter gleich vortrefflich, dadurch vor allem in seinem Werthe 
hervortretend, dass eine so vollendet schöne Seele wie Imogen ihn 
zum Gemahl gewählt hat. Seine imponirendste Eigenschaft scheint 
die antike Ruhe und feste Geduld zu sein, welche er den mannig- 
fachen Unbilden des Lebens entgegensetzt. Aber diese Ruhe und 
Geduld weicht in der schwierigsten Lebenslage einer verhän£niss- 
vollen Leidenschaft, Die Treue seiner Gemahlin wird ihm ver- 
dächtig, ja die Beweise des Jachimo müssen ihm so unzweideutig 
erscheinen, dass Zweifel unmöglich ist. Das Bild der rosigen 
Sittsamkeit, welches ihm Imogen immer gewesen war, die ihm 
rein erschien, wie ungesonnter Schnee, kann seine leidenschaftliche 
Rachsucht nicht hemmen; er giebt seinem Diener den Befehl die 
Herrin zu tödten, die er durch falsche Vorspiegelungen zu der 
Hoflhung getäuscht hat, dass sie ihn in Milford- Hafen finden 
werde. Er muss glauben, dass sein blutiger Befehl ausgefĂĽhrt 
worden ist. Die Besinnung tritt bei ihm ein und mit ihr die Reue, 
das Gewissen; er verurtheilt seine That, da sie der Imogen mit 
dem Leben die Gelegenheit zur Reue entrissen habe; er sucht 
seine Unthat zu sühnen; verkleidet und unerkannt kämpft der 
Tapfere fĂĽr sein Vaterland Britannien, dem er die FĂĽrstin erschlug; 
im Kerker betet sein belastetes Gewissen zu den Göttern: sie 
mögen für das theure Leben Imogen's das seine nehmen und den 
Schuldbrief zerreissen. Zu welcher sittlichen Tiefe hat er sich 



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durch seine Busse entwickelt; im Anfang des Dramas erscheint er 
gepriesen von allen: aber sein wahrer Werth offenbart sich erst, 
als er jeden Euhm verschmähend die tapfersten Thaten unerkannt 
vollbringt und nur nach dem Grundsatze handelt „schlecht aussen, 
kostbar innen", als seine Leidenschaft verurtheilend sich gegen 
sich selber richtet (V, 5) und seine Rache gegen den verläumderischen 
Urheber alles Unheils, den Jachimo, darin findet, dass er ihm ver- 
zeiht. Eine solche Entwickelung eines iverdenden Charakters, welche 
das Höchste leistet, wozu die dramatische Dichtung gelangen 
kann, war nur im polymythischen Drama möglich, und Posthumus 
musste in die verschiedensten Verhältnisse geführt werden, um 
das Werden seines Charakters zu erfahren. Er musste im fernen 
Italien mit Jachimo in BerĂĽhrung kommen; er musste an dem 
Kampfe gegen die Römer Theil nehmen, er musste mit Bellarius, 
Guiderius und Arviragus in kämpfende Gemeinschaft treten: er 
musste in der Einsamkeit des Kerkers verweilend seine Seele ver- 
tiefen und läutern. Der Reichthum seines Seelenlebens, in welchem 
Melancholie und Thatkraft sich vereinigen, tritt durch Polymythie 
um so bemerkens werther hervor, wenn man ihn mit ähnlichen 
Charakteren des antiken Dramas vergleicht, welche im mono- 
mythischen Drama nur Skizzen bleiben konnten, wie schön sie auch 
sind. Das Drama des Sophokles Hess nur in der Person des 
Deuteragonisten die Darstellung jener Seelenkämpfe zu, an welchen 
das Drama Shakespeare's so reich ist. Neoptolemos im Philoktet 
fällt, wie Posthumus, von sich selber ab, die Geradheit und Wahr- 
heitsliebe, in welcher der Sohn des Achilleus dem Vater gleicht, 
geht aus Ruhmliebe, wenn auch widerwillig, doch auf die Pläne 
der Täuschung ein, mit welchen die Staatskunst des Odysseus den 
Philoktet umspinnt; aber das Elend Philoktet's, das Vertrauen des 
unsäglich leidenden Mannes bringen den Neoptolemos zur Besinnung: 
das Zutrauen, mit welchem Philoktet ihm seinen Bogen zum Auf- 
bewahren ĂĽbergiebt, rĂĽhrt seine Seele; er gesteht dem Philoktet 
die Wahrheit, dass er ihn nach Troja, zu dem gehassten Odysseus 
und den Atriden führen will, er wirft zuletzt alle Pläne der Ruhm- 
liebe bei Seite und ist entschlossen, den duldenden Helden in seine 
Heimath zu fĂĽhren. Man hat wohl gesagt, dass die VorwĂĽrfe des 
enttäuschten Philoktet die Gewissensbisse des Neoptolemos ver- 
mehren; aber zu einer Darstellung eines so tiefbewegten GemĂĽths- 
lebens hat das monomythische Drama des Sophokles keinen Raum, 



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— 267 — 



und die Umkehr des Neoptolemos erscheint mir in der vom Drange 
des Gemüths bewegten Handlung, die geheimen Gänge der Reue 
in seiner Brust werden nicht offen gelegt (vgl. Fr. Zimmermann, 
Ueber den Philoktet des Sophokles p. 27). Dagegen konnte das 
polymythische Drama mit voller Energie in die Darstellung eines 
tiefbewegten Seelenlebens eindringen, wie es in den Gewissens- 
regungen und in der Selbstanklage des Posthumus sich entwickelt. 

Das polymythische Drama Cymbeline bietet auch eins der schön- 
sten Beispiele dar von dem malcrisclwn Individualismus, in welchem 
die Charaktere der Shakespeare'schen Dramen mehr oder weniger 
sich darstellen. Es ist Imogen. In ihr allein fanden Ulrici und 
Mezieres die Einheit des ganzen Dramas, welche von Johnson und 
anderen Kritikern so herbe bezweifelt wurde. Und in der That 
wird die vielseitige Schönheit ihres Charakters der richtende und 
verklärende Genius für alle Verhältnisse und Personen. Die Viel- 
seitigkeit ihrer Seelenschönheit wird nur durch die Menge der 
Situationen offenbar, in welche das polymythische Drama sie ver- 
setzt. Mrs. Jameson bemerkt, dass in Imogen's Charakter etwas 
von dem romantischen Enthusiasmus Julia's, von der Treue, Aus- 
dauer und Beständigkeit Helena's, von der Würde und Reinheit 
Isabella's, der Zartheit und Lieblichkeit Viola's, der Selbst- 
beherrschung und Verständigkeit Portia's sich finde, dass in ihr 
diese mannigfaltigen ZĂĽge sich harmonisch verschmelzen und keiner 
das Uebergewicht ĂĽber die andern besitze (Ulrici, Shakespeare's 
dramatische Kunst. Leipzig 1868, II p. 390). Sie beweist diese 
Eigenschaften in doppelter Weise. Ihre Seelenschönheit ist ab- 
weisend den Personen gegenĂĽber, deren Charakter schwach, in- 
triguant, roh und schmutzig verderbt ist, abweisend gegen 
Cymbeline, die Königin, Cloten und Jachimo, und diese Charaktere 
erfahren durch die blosse Existenz ihrer reinen Seele ihr ver- 
urtheilendes Gericht; ihre Seelenschönheit bringt sie in positive 
Verbindung mit allen Gestalten, welche durch sittliche Reinheit 
hervortreten, wie Guiderius und Arviragus, oder in ihrem Kerne 
tĂĽchtig sind, wie Posthumus. Ein antiker Zug, die unverbrĂĽoh- 
liche Treue, beherrscht ihr ganzes Wesen; sie ist eine andere 
Penelope und weist die Bewerbung Cloten's und die Versuchung 
Jachimo's gleich sehr entrüstet ab ; aber während sich Penelope's 
Treue nur in Einer Lage, in der ausdauernden und stets sich er- 
neuernden Geduld erweist, wird die Treue Imogen's durch die 



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— 268 — 



Mannigfaltigkeit der Situationen bewährt und beleuchtet, in welche 
das polymythische Drama sie bringt. Was der Dichter der Odyssee 
nur dem männlichen Helden geben konnte, die Mannigfaltigkeit 
der Abenteuer, in welchen die Heimathsliebe, die Besonnenheit und 
ungebrochene Ausdauer des Odysseus hervortritt, das verlieh das 
polymythische Drama auch einem Weibe. Der romantische Glanz 
der Abenteuer, welcher auf die Scenen fällt, in welchen Imogen 
auf der Wanderung, in Milford-Hafen, verkleidet in der Gebirgs- 
einsamkeit bei Guiderius und Arviragus, als Page des Lucius er- . 
scheint, lässt zugleich die Mannigfaltigkeit ihrer Charakterzüge 
in der grössten Vollendung erscheinen. Dieser Charakter wird 
von der Bildung getragen und gemässigt: nicht umsonst hat sie 
römische Dichter gelesen, nicht umsonst befinden sich in ihrem 
Schlafzimmer edle Werke der bildenden Kunst; ihre Bildung stellt 
sich in der Neigung dar, ihre Beobachtungen in sinnvoll treffende 
Aussprüche der Reflexion zusammen zu fassen; aber ihr gemässigter 
Sinn ist nicht blutlos oder von stoischer Ataraxie: die sonst gleich- . 
massige Welle ihrer Gesinnung wogt bei gegebener Gelegenheit 
empor zur innigen, phantasievollen Zärtlichkeit beim Abschiede 
von Posthumus, zur wegwerfenden Verachtung des gemeinen Cloten, 
zur leidenschaftlichen Sehnsucht nach dem Wiedersehen ihres Ge- 
mahls, zu erregtem Zorne ĂĽber die vermeintlichen Verbrechen des 
Pisanio, oder sinkt herab zur Todessehnsucht, als sie den Posthumus 
fĂĽr falsch halten muss. In Imogen's Charakter vereinigt sich hohe 
Bildung mit schlichter Natur: die Königstochter besitzt die ganze 
Hoheit ihres Standes, hat aber den lebhaftesten Sinn fĂĽr die ein- 
fachsten Verhältnisse: als Posthumus verbannt ist, spricht sie den 
Wunsch aus, dass sie eines Schäfers Tochter sein möchte und ihr 
Leonatus des Nachbarhirten Sohn, und diese schlichte Gesinnung 
bewährt sie in der anmuthigsten Weise in der Begegnung mit den 
Bewohnern der Höhle. Das vollendete Gegenbild der Imogen, die 
Untreue, Coquetterie und Genusssucht tritt in Cleopatra durch 
polymythische Beziehungen mit einem ähnlichen Reichthum in- 
dividualisirender Darstellung auf. 

Wenn das polymythische Drama Shakespeare's den Reichthum, 
die individuelle Mannigfaltigkeit, die psychologische Tiefe der 
Charaktere erschuf, so war mit dieser FĂĽlle und Tiefe auch die 
grössere Verzweigung und Eindringlichkeit der Idee gegeben. 
Diese Idee ist kein abstracter Gedanke, sondern der sittliche Ge- 



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I 



— 269 — 

halt des Dramas. In dem antiken Drama des Aeschylus und 
Sophokles tritt der sittliche Gehalt einfach in Folge der mono- 
mythischen Handlung auf, bei Shakespeare in den polymythischen 
Dramen verdoppelt oder weit verzweigt. Im Oedipus auf Kolonos 
erscheint die sittliche Idee der Pietät sehr schlicht: Oedipus flucht 
den pietätslosen Söhnen, damit sie lernen die Eltern fromm zu • 
ehren, und segnet die liebevollen Töchter. Die Idee der Pietät, 
welche im „König Lear" so gigantisch sich aufdrängt, entwickelt 
sich in doppelten Handlungen von gleichartigem Inhalt und in 
vielfacher Verzweigung. Das Verhältniss des Menschen zur Treue 
ist, wie Gervinus anziehend ausgefĂĽhrt hat, im Cymbeiine die 
sittliche Idee, welche nicht bloss im Charakter der Imogen in 
den reichsten Schattirungen sich entwickelt, sondern in den Ge- 
sinnungen und Handlungen der verschiedensten Personen in poly- 
mythischer Gliederung sich abspiegelt. Aber in vielen Fällen 
hindert der polymythische Charakter des Dramas wegen der Viel- 
seitigkeit der wirkenden Personen und Interessen den sittlichen 
Gehalt auf eine einfache Formel zurĂĽckzufĂĽhren. Die sogenannte 
Grundidee in dem „Kaufmann von Venedig" ist sehr verschieden- 
artig bestimmt worden (vgl. K. Elze, Zum Kaufmann von Venedig, 
Jahrbuch der Deutschen Shakespeare- Gesellschaft VI, 129 fgg. 
und W. König, Shakespeare als Dichter, Weltweiser und Christ, 
p. 72 fgg.); die Polymythie des Dramas lässt eine aufopferungs- 
fahige Freundschaft hervortreten, die in den Personen des Antonio 
und Bassanio gleich sehr thätig ist; sie giebt uns die mannig- 
fachen Bilder der Liebe, in deren Mitte das Verhältniss Portia's 
zu Bassanio hervorleuchtet; sie' entfaltet in Portia den Charakter- 
zug edler Humanität, welche unbeherrscht von der Macht des Be- 
sitzes fĂĽr sich und viele andere beglĂĽckend wirkt; sie giebt das 
dĂĽstere, Furcht und Mitleid erweckende Gegenbild des Shylock, 
dessen verhärtete Habsucht und arg gereizte Rachsucht für sich 
und Andere zerstörend und die Bande der Pietät auflösend wirkt, 
und vereinigt diese Erscheinungen märchenhaft zu einer pragma- 
tischen Einheit. Aber durch sittliche Verhältnisse auf dem Wege 
der Polymythie die Handlung zu bereichern war bereits in seinen 
frĂĽhsten Dramen Shakespeares unzweifelhaftes Streben. Beispiele 
sind unter anderen „die Komödie der Irrungen" und „die Zähmung 
der Widerspenstigen". Die Komödie der Irrungen bezeichnet 
Sievers (W. Shakespeare I, 249) als eine Kritik der Macht des 



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- 270 - 

menschlichen Geistes. Dieser Tiefsinn, wenn es einer ist, war dem 
jugendlichen Shakespeare fremd. Diesem lag es am Herzen, der 
einfachen Handlung der Menächmen des Plautus polymythisch eine 
grössere Fülle zu geben, die Irrungen durch reichere Verwickelung 
aus GrĂĽnden der Komik zu steigern. Aber er begnĂĽgte sich nicht 
durch Vermehrung der Irrungen, wozu ihm der Amphitruo des 
Plautus nach der Entdeckung von P. Wislicenus den Stoff bot, das 
possenhafte Element des lustigen Dramas gesteigert zu haben. 
Durch Polymythie befi'iedigte er die BedĂĽrfnisse des Herzens, wel- 
chen das sittlich flache Drama des Plautus nicht gerecht wird: er 
gab dem ZerwĂĽrfniss zwischen Antipholus von Ephesus und Adriana 
tiefere Motive als er bei Plautus fand und stellte ihnen ein Ver- 
hältniss der Liebe Luciana's und des Antipholus von Syrakus zur 
Seite, welches ebenso phantasiereich als gemĂĽthvoll anmuthig ist 
und in dem Charakter der Luciana das Gegenbild sittlicher Be- 
sonnenheit und Mässigung gegen den leidenschaftlichen Sinn der 
Adriana aufstellt. Mit dem Zuge der Wiedererkennung, der in 
dem antiken Drama so häufig ist, bereicherte Shakespeare in ge- 
müthvoll sittlicher Weise die Komödie der Irrungen dadurch, dass 
auch die Eltern der BrĂĽder, Aegeon und Aemilia, sich wieder finden, 
und Aegeon aus den StĂĽrmen der Todesgefahr in den Hafen eines 
vielfachen EamilienglĂĽckes gefĂĽhrt wird. 

Diese gemüthvollen Verhältnisse bilden die sittliche Idee in 
der Komödie der Irrungen, und diese ist auf dem Wege der Poly- 
mythie gewonnen worden. In der Zähmung der Widerspänstigen 
ist die sittliche Idee in der Rede der Katharina am SchlĂĽsse mit 
didaktischer Derbheit ausgesprochen worden, aber durch die Poly- 
mythie, welche die Nebenhandlungen der Liebe Lucentio's zu Bianca, 
des Hortensio zu der Wittwe ausbildete, gewinnt diese Idee Be- 
deutung und dramatisches Leben. Wir haben nicht die Absicht, 
die Dramen Shakespeare's dem ideellen Gehalte nach durchzugehen 
und wollen nur noch die Bemerkung hinzufĂĽgen, dass das poly- 
mythische Drama Shakespeare's die satirische und die tendentiöse 
Behandlung der Charaktere ausschloss, und wenn der Dichter hin 
und wieder einen Charakter der ĂĽbermĂĽthigen Verspottung Preis 
giebt, wie den Malvolio in „Wie es euch gefällt", so ist es nur 
eine Nebenrolle, in welcher die Abneigung Shakespeare's gegen 
den Puritanismus die Pfeile der Satire versendet. Die Polymy- 
thie liess es nicht zu, dass der satirische Angriff, wie es in den 



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— 271 — 

„Rittern" des Aristophanes geschieht, auf die Hauptperson des 
Dramas gerichtet war. Auch Hess sie nicht zu, da ihr Grund- 
charakter in dem reichsten Individualismus der Darstellung besteht, 
dass das Drama eine Tendenz verfolgte, wie etwa Moliere im 
„Tartüffe" that, oder dass ein abstracter Begriff verfolgt wurde und 
z. B. statt des Geizigen der Geiz zur Darstellung kam. 

Aber das polymythische Drama Shakespeare's ist nicht immer 
mit der Liebe angesehen worden, mit welcher Gervinus dasselbe 
mit Recht eine grosse und erstaunliche Bereicherung der Kunst 
nennt. Selbst die überaus imponirende Grösse, mit welcher im 
„König Lear" die Doppelhandlung zur Gestaltung einer mächtigen 
Idee wirkt, ist von feinen Kennern des Dramas, wie von Gustav 
Frey tag, getadelt worden. Auch bemerkt der grosse Aesthetiker 
Fr. Vischer, dass Shakespeare in der Komödie durch Ineinander- 
greifen der einzelnen Handlungen und durch Contraste fest und 
täuschend die zwei Bestandtheile verkittet, aber doch nur prag- 
matisch, nicht wahrhaft innerlich; „die Bemühungen", fährt er 
fort, „im „Kaufmann von Venedig", im „Sommernachtstraum", in 
der „gezähmten Keiferin" eine organisch herrschende Einheit auf- 
zuzeigen, werden gegen das Zugeständniss vertauscht werden 
mĂĽssen, dass der Dichter es im Lustspiele leichter nahm als in 
der Tragödie. Der Kitt gleicht jenem Kalke alten Mauerwerks, 
der so fest ist, dass eher die Steine brechen als die Fugen sich 
lösen lassen, ist aber doch nur Kitt." Allein wenn wir uns auch 
mit der nur pragmatischen Einheit der polymythischen Bestand- 
theile der Shakespeare'schen Lustspiele sollten begnĂĽgen mĂĽssen, 
so war diese pragmatische Einheit schon ein ausserordentlicher 
Fortschritt und Gewinn. Shakespeare hat das polymythische 
Drama nicht erfunden, so wenig wie Sophokles die griechische 
Tragödie; aber der letztere hat dem monomythischen Drama zu- 
erst eine so bewundernswĂĽrdige Gestalt gegeben, wie Shakespeare 
dem polymythischen. Die Neigung zu der FĂĽlle der dramatischen 
Handlungen lag in Shakespeare's Zeitalter tief begrĂĽndet; aber 
Shakespeare's Vorgänger, wie R. Greene, begnügten sich mit der 
Mehrheit von Handlungen, zwischen welchen auch ein pragma- 
tischer Zusammenhang nicht besteht oder die VerknĂĽpfung nur 
durch die losesten Fäden bewirkt ist. In Greene's Drama „die 
Historie vom Bruder Baco und Bruder Bungay" ist mit der Dar- 
stellung der ZauberkĂĽnste des Baco eine anmuthige Idylle ver- 



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bunden, welche die Liebe des Grafen Lacy zu der schönen Mar- 
garetha, der Tochter des Försters von Fresingfeld, und die Ent- 
sagung des Prinzen von Wales enthält; allein beide Handlungen 
sind weder innerlich, wie Ulrici mit Recht bemerkt, mit einander 
vereinigt, noch lässt sich jene feste pragmatische Verkittung, welche 
Vischer den Handlungen in Shakespeare's Lustspielen vindicirt, 
in Greene's Drama wahrnehmen. Die VorwĂĽrfe, welche die An- 
hänger der pseudo- aristotelischen, d. h. französischen Einheits- 
theorie gegen die polymythischen Dramen Shakespeare's erhoben 
haben, tibergehen wir als einen oft behandelten Gegenstand: dass 
aber die VorzĂĽge, welche das polymythische Drama in dem grossen 
Reichthum und der Verzweigtheit der Handlungen, in der FĂĽlle 
höchst individueller, oft im schärfsten Contrast, wie Shylock und 
Portia, stehender Charaktere auszeichnen, auch Schattenseiten 
einschliesst, kann nicht verkannt werden. Das monomythische 
Drama des Sophokles, mit vertieftem Sinne von Goethe in der 
Iphigenie und im Tasso ausgebildet, kann sich in klarer Ueber- 
sichtlichkeit, in gleichmässigem Tone, der auch in der Sprache 
von grellen Unterschieden sich frei erhält, von der Verbindung 
anachronistischer Bestandteile fern halten; an dem polymythischen 
Drama Cymbeline ist die Verbindung verschiedenartiger Zeiten, 
welche Shakespeare mit naiver UnbekĂĽmmertheit, das Auge auf 
die höchsten poetischen Zwecke gerichtet, zusammenbrachte, ge- 
tadelt worden. Das monomythische Drama des Sophokles und 
Goethe konnte in der beschränkteren Handlung die Charaktere 
mit ruhigem Gleichmaass bis zur Vollendung mit Vermeidung des 
Unwahrscheinlichen ausbilden; dem polymythischen Drama konnte 
es begegnen, dass eine Handlung, wie die Geschichte Claudio's 
und Hero's in „Viel Lärmen um Nichts" mit „wenig psychologischem 
Aufwände, mit absichtlich geringer Vertiefung der Charaktere, mit 
wenig Schöpferliebe" (vgl. Wilbrandt, Einleitung zu „Viel Lärmen 
um Nichts" p. VI) behandelt und der Phantasie grosse Unwahr- 
scheinlichkeiten zugemuthet zu sein schienen. Dass der Werth des 
monomythischen Dramas ungeschmälert bleibt, ist durch Shake- 
speare's poetische Praxis selbst anerkannt worden: nicht in allen 
seinen Dramen ist jene tiefgegliederte Doppelhandlung, welche wir 
im Lear bewundern: Dramen wie Romeo und Julie, Othello, Mac- 
beth u. a. sind monomythisch, nicht im Sinne der Alten, da auch 
in diesen Dramen die Hauptcharaktere durch grössere Fülle der 



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— 273 — 

Nebenpersonen schärfer beleuchtet und durch die grössere Anzahl 
der Beziehungen psychologisch mehr vertieft sind; aber jenen 
Dramen gegenĂĽber, in welchen die Mehrheit der Handlungen sich 
bewegt und bedingt, kann in Romeo und Julie, Othello, Macbeth 
von Monomythie die Rede sein. Dass Shakespeare zu solchen 
einfacheren Gestaltungen auch durch seine Quellen veranlasst 
wurde, mag Coriolan und Julius Cäsar lehren: und der fast antike 
Eindruck, den diese Dramen auf Viele gemacht haben, mag seine 
Erklärung in dem Umstände linden, dass der Dichter in dem ein- 
facheren Gange der Handlung den Erzählungen des Plutarch 
folgte und sich der polymythisch gehäuften Handlung enthielt. 



Jahrbuch XI. 18 



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Noten und Conjecturen zu Shakespeare. 

Von 



L 

0, think on that; 
And mercy then will breathe within your Ups, 
Like man new-made. 

Meas. for Meas. II, 2. 

'Die Barmherzigkeit, so erklärt Delius diese Stelle, wird dann 
in Euch aufleben, in Eurem Munde, der sie ausspricht, den ersten 
Lebenshauch athmen, wie ein Mensch, der sein Dasein beginnt.' 
AI. Schmidt (Schlegel-Tieck'sche Uebersetzung herausgeg. von der 
Deutschen Shakespeare-Gesellschaft X, 307) stimmt hiermit nicht 
ĂĽberein und fasst namentlich 'man new-made? ganz andere auf. 
'Wie der durch Gottes Erbarmen erlöste und wiedergeborne 
Mensch, so lautet seine Erklärung, kein Wort und keinen Ge- 
danken finden konnte als 'mcrcy\ Gnade, Erbarmen, so auch An- 
gelo, wenn er denken wollte, dass Gott in seiner Strenge mit ihm 
ins Gericht gehen könnte. Die hergebrachte Erklärung, wie Delius 
sie giebt, ist doch wol nicht haltbar, wenigstens hätte es da heissen 
mĂĽssen: Uke a man new-made. Singer, grammatisch richtiger: 
"Ihr werdet so weichherzig und mitleidig sein, wie es der erste 
Mensch in den Zeiten seiner Unschuld war." Dass aber die ersten 
Menschen sich gerade durch Weichherzigkeit auszeichneten, möchte 
eines Beweises bedĂĽrfen.' 

So weit Schmidt. 'Man new-made' ist meiner Ueberzeugung 
nach der neugeschaffene, eben geschaffene Mensch — das dürfte 
als sicher anzunehmen sein. FĂĽr den neugeschaffenen Menschen 
war das Athmen eine Wonne, er sog mit EntzĂĽcken die Luft des 



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— 275 — 

Paradieses ein und hauchte sie wieder aus; mit eben solcher 
Wonne, will Isabella sagen, wird Gnade und Barmherzigkeit 
zwischen deinen Lippen athmen, wenn du daran denkst, dass 
Gott, der das höchste Gericht ist, dich so beurtheilen könnte wie 
du dich zeigst. 



n. 

My wind cooling my broth 
Would blow me to an ague, whm I thought 
What harm a wind too great at sea might do. 

Merch. Ven. i, i. 
'Wind' wird hier in dem Sinne von 'breath' verstanden, es 
scheint jedoch fraglich, ob das sprachlich zulässig und sachlich 
richtig ist. Schon die Wiederholung des Wortes erst in diesem 
ungewöhnlichen und dann in seinem gewöhnlichen Sinne ist be- 
denklich, da es sich hier nicht um eine Wortspielerei handelt und 
es am natĂĽrlichsten scheint, das Wort an beiden Stellen in der- 
selben Bedeutung aufzufassen. Was die Sache angeht, so kann 
man sich doch unmöglich mit seinem eigenen Athem einen Fieber- 
schauer anblasen; das, was Fieberfrost in uns hervorruft, muss 
von aussen kommen, es muss also ein Luftzug und nicht der 
eigene Athem sein. Das Pronomen 'my' steht dieser Auffassung 
nicht im Wege; es ist in der Art und Weise des ethischen Dativs 
gebraucht, wie z. B. in K. John. I, 1: 

New your traveller, 
He and his toothjnck at my wvrshijfs mess; 
And whm my hnightly stomach is suffitfd, 
Wliy then I such my teeth, and catechise 
My picked man of countries. 
Die Verse wĂĽrden also deutsch wiederzugeben sein: 
Die Luft, die meine Suppe kĂĽhlte, wĂĽrde &c. 

oder: 

Das LĂĽftchen, das die BrĂĽh' mir kĂĽhlte, wĂĽrde &c. 

oder: 

Der Windhauch, der die BrĂĽh' mir kĂĽhlte, wĂĽrde 

Mir Fieberschauer anwehn, dächt' ich dran, 

Wie viel zur See ein starker Wind kann schaden. 

18* 



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in. 

How like a faivning publican he looks. 

â–  

Merch. Ven. I, 3. 

Die Cambridge-Herausgeber nehmen an diesem Verse Anstoss; 
'a "fawning publican", sagen sie in ihrer kleinen Oxforder Aus- 
gabe des StĂĽckes (in der Clarendon Press Series), 'seems an odd 
combination. The Publicani or farmers of taxes Wider tlie Roman 
government ivere mtich more Wcely to treat the Jexvs with insolence 
than servility. Shakespeare perhaiis orily remembered that in the 
Gosjiels "publkans and sinners" are mentioned together as objects 
of the hatred and contempt of the Pharisees. 1 Dabei ist ĂĽbersehen, 
dass nach der bekannten Erzählung bei Lucas 18, 10 — 14 das 
'fawning 1 des Zöllners nicht den Menschen, sondern Gott gegen- 
ĂĽber Statt findet. Eine DemĂĽthigung und Zerknirschung vor Gott, 
wie sie dort der sich an die Brust schlagende Zöllner mit dem 
Ausrufe: Gott sei mir Sünder gnädig! an den Tag legt, kennt und 
begreift Shylock — ja der Mosaismus überhaupt — nicht; darin 
ist der Pharisäer der vollgültige Vertreter seiner Glaubensgenossen. 
Im Gegentheil beruft sich Shylock wiederholt auf sein Recht, nicht 
nur den Menschen, sondern auch Gott gegenĂĽber; beiden gegen- 
ĂĽber steht er auf seinem Schein. 'Wiat jndgment sliall I dread, 
doing no wrong?' und 'My deeds upon my headV ruft er aus 
(IV, 1). Ebenso redet Marlowe's Barabas (A. I): 

The man that dealeth righteously shall live; 

And whieh of you can charge me otherwise? 
Von diesem Standpunkte aus ist der vor Gott kriechende und um 
Gnade bettelnde Zöllner Shylock zuwider, wie ja auch Portia's 
schöne Rede von der Gnade wirkungslos von ihm abprallt. Das 
Einzige, was gegen diese Erklärung eingewendet werden könnte, 
wäre, dass damit dem Juden Shylock eine Anspielung auf das 
neue Testament in den Mund gelegt wird; allein diese Anspielung 
liegt schon in der Erwähnung des Zöllners an und für sich, mag 
das Epitheton 'faivning 1 erklärt werden wie es will. Es verhält 
sich damit ähnlich wie mit jener Stelle in Antonius und Cleopatra 
(III, 13), wo der Heide Antonius von der gehörnten Herde auf 
Basan spricht. Vergl. Shakespeare- Jahrbuch X, 96 fg. 



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— 277 — 



IV. 

Let the forfeit 
Be nominated for an equal pound 
Of your fair flesh — 

Mergh. Ven. X, 3. 
'Speäfied — so erklären die Cambridge -Herausgeber in ihrer 
kleinen Oxforder Ausgabe diese Worte — speäfied as a pound of 
flesh, which shall be accepted as an equivalent for the debt', und 
auch Delius sagt, es sei ein Pfund gemeint, 'das der betreffenden 
Summe entspricht'. 'An equal pound' ist vielmehr ein genau ab- 
gewogenes Pfund, wo Waare (im vorliegenden Falle also das Fleisch) 
und Gewicht sich völlig entsprechen, und die Schalen der Wage 
folglich gleichstehen. Die von den Cambridge -Herausgebern an- 
gefĂĽhrte Stelle aus 2 K. Henry VI. II, l: 'Justice'' equal scales' 
bestätigt diese Erklärung; nicht minder spricht der Titel der 
beiden ersten Qs dafür, wo es (wie in Portia's Erklärung in IV, 1) 
heisst: 'in cutting a iust pound of his flcsh.' 'A iust pound 1 ist 
offenbar dasselbe was hier 'an equal pound 1 genannt wird. 



• V. 

The young gentleman, is indeed deceased, or, as you would 

say in piain terms, gone to heaven. 

Mebch. Ven. n, 2. 
'To go to heaven' ist kein 'piain term 1 , sondern die landläufige 
Redensart ist 'to go to helV, und das will auch Launcelot eigent- 
lich sagen; er verbessert sich aber während des Sprechens, indem 
er das Gegentheil von dem nennt, was er eigentlich meint. So 
hat er vorher gesagt 'turn down indirectly to the Jcw's house' statt 
directly, so sagt er nachher 'the suit is impertinent to myself statt 
pertinent. Belegstellen fĂĽr die Phrase 'to go to hell' sind billig 
wie Brombeeren; im vorliegenden StĂĽcke HI, 2 finden wir: 

Let Fortune go to hell for it, not I. 
Von 'to go to heaven' dagegen wird sich kaum ein vereinzeltes 
Beispiel finden; die ĂĽbliche Wendung ist hier: 'to send to heaven', 
oder, wie es in 2 K. Henry VI, HI, 1 heisst: 

i" will stir up in England some block storm, 
Shall blow ten thousand souls to heaven or hell. 



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— 278 — 



Es sollte daher geschrieben werden: or, as you ivould say in 
idain terms, ywie to — heaven. Der Schauspieler muss vor 'Jieaveri 
eine bezeichnende Pause machen. So aufgefasst erinnert die Stelle 
an einen ähnlichen komischen Euphemismus in Burns' Gedicht 
'Duncan Gray': 

Shall I, like a fool, quoth he, 
For a haughty hizzie die? 
She may gae to — France for me! 
Ha, Ita, the wooing o't. 



VI. 

Farewell; and if my fortunc be not crost, 
I haue a fallier, you a daughter lost. 

Mkkch. Ven. n, s. 
Diese Worte, mit denen sich Jessica von ihrem Vater trennt, 
wĂĽrden im hohen Grade herzlos klingen, wenn wir nicht bereits 
zwei Scenen vorher das Bekenntniss aus ihrem Munde vernommen 
hätten: 

Alach, wltat helnous sin is it in me 
To be ashamed to be my fathers childf &c. 
Das innere ZerwĂĽrfniss zwischen Vater und Tochter ist durch das 
ganze StĂĽck so tief begrĂĽndet, dass es gar nichts anders sein 
kann. Diejenigen Kritiker, denen Jessica's Flucht unentschuldbar 
dünkt, mögen doch einmal erwägen, wie sich die Handlung ge- 
stalten wĂĽrde, wenn Jessica ein liebreiches und hingehendes Kind 
wäre, das die Gesinnungen und Neigungen ihres Vaters theilte. 
Sollte sie vielleicht seine Gehülfln bei seinen Wuchergeschäften 
sein und in dem Handel um das Pfund Fleisch auf seiner Seite 
stehen? Sollte sie Theil haben an der Verfluchung und an dem 
Eachewerk gegen die Christen, die ihr nie etwas zu Leide gethan 
haben? Man vergegenwärtige sich nur die Rolle, die sie von einem 
solchen Standpunkte aus im StĂĽcke spielen mĂĽsste. Vielleicht 
trĂĽge sie gar in der Gerichtsscene ihrem Vater die Wage nach 
und stĂĽtzte ihn, wenn er aus dem Rathssaale nach Hause wankt. 
Dann wäre die Tragödie, und zwar die Tragödie in ihrer Ver- 
zerrung, fertig. Um zu einem vollen Verständniss auch dieses 
Punktes zu gelangen, muss man immer wieder auf die Genesis 



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— 279 — 



des StĂĽckes zurĂĽckgehen, und in dieser Hinsicht kann es nicht 
zweifelhaft sein, dass auch bezüglich des Verhältnisses zwischen 
Shylock und Jessica Shakespeare seine Anregung und Richtung 
von Marlowe's Juden von Malta empfangen hat. Marlowe's Abigail 
ist in der That ihres Vaters gehorsame und hingebende Tochter, 
und was ist die Folge davon? Keine andere, als dass sie ihm 
als blindes Werkzeug bei seinen Verbrechen dient. Auf sein Ge- 
heiss lässt sie sich zum Schein ins Kloster aufnehmen, das in 
ihres Vaters Hause errichtet worden ist, und holt unter diesem 
betrügerischen Vorwande die Schätze heraus, welche ihr Vater 
unter den Dielen verborgen hat. Dann kirrt sie, wieder auf Be- 
fehl des Vaters, den Don Lodowick und verlobt sich ihm, obschon 
ihr Hera dem Don Mathias gehört, lediglich um des Vaters Rache- 
plan zu unterstĂĽtzen, nach welchem sich die beiden Liebhaber gegen- 
seitig umbringen mĂĽssen. So handelt also die gehorsame, kind- 
liche Tochter des Juden. Und doch, als ihr hinterbracht wird, 
dass die gegenseitige Tödtung der beiden Christen von ihrem 
Vater angestiftet worden ist, verlässt auch sie heimlich und ohne 
Erlaubniss das väterliche Haus — gerade wie Jessica — wird 
Christin und flĂĽchtet sich nun im Ernste ins Kloster. Der Vater 
sendet ihr nicht nur seinen Fluch nach, sondern vergiftet sie und 
alle ĂĽbrigen Insassen des Klosters durch einen Reisbrei. Daraus 
scheint doch klar hervorzugehen, dass fĂĽr den dramatischen Dichter 
die Trennung zwischen Vater und Tochter in diesem StĂĽcke eine 
Notwendigkeit ist; Marlowe hat das Verhältniss tragisch ge- 
staltet; er hat die Tochter mit Schuld beladen und schickt sie 
dann ins Kloster und in den Tod. Shakespeare lässt die un- 
vermeidliche Losreissung vom Vater von vorn herein eintreten, 
ehe es noch der Jessica unmöglich geworden ist, ein neues Leben 
zu beginnen und sich ihre Zukunft auf einer sittlichen Grundlage 
(nämlich durch die Ehe) selbständig und frei zu gestalten. Ja, 
je eingehender man Shakespeare's StĂĽck mit dem Marlowe'schen 
vergleicht, desto mehr überzeugt man sich von der Unmöglichkeit, 
dass Shakespeare der Jessica eine andere Stellung und Rolle 
hätte geben können, als er gethan hat. 



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— 280 — 



vn. 

Lies all within. Deliver me the key: 
Here do I choose, and thrive I as 1 may. 

Mebch. Ven. n, 7. 
Wie die beiden vorhergehenden Scenen (die 5. und 6.) mit je 
einem, so schliesst die siebente Scene dieses Actes mit zwei Reim- 
paaren. Innerhalb der sechsten Scene findet sich beim Abgange 
Lorenzo's mit Jessica und Salarino das Reimpaar: 

On, gentlemen; away! 
Our masquing mates by this time for us stay. 
Es kann danach nicht auffallen, dass auch die lange Rede des 
Prinzen von Marocco in der siebenten Scene durch ein Couplet 
abgeschlossen wird, und zwar durch das oben angefĂĽhrte. Nach 
der heutigen Aussprache bilden zwar 'key' und 'may' keinen Reim 
mehr, wol aber war das zu Shakespeare's Zeiten noch der Fall. 
Das wird nicht allein durch das vorliegende Verspaar wahrschein- 
lich gemacht, sondern auch durch andere Umstände bewiesen. In 
den Canterbury-Tales (ed. Wright) 9917 fg. heisst es: 
Such deynte hath in it to walk and pleye, 
Tliat he wold no wight suffre lere the keye. 
Ebenda 13,146 fg.: 

Tfiay opened and scliette, and wente here weye, 
And forth with heni they caryed the keye. 
Ist damit die vor-Shakespeare'sche Aussprache des Wortes 'key' 
festgestellt, so lässt sich auch die nach-Shakespeare'sche mit 
nicht geringerer Sicherheit nachweisen. Nach Ellis, Early English 
Pronunciation I, 127 stellt John Jones (Practical Phonography: 
or, the New Art of Rightly Speling and Writing Words by the 
Sound thereof &c. 1701) das Wort 'key' bezĂĽglich seiner Aussprache 
in eine Reihe mit grey, prey, they, Wey (FlĂĽsse in Surrey und in 
Dorsetshire) brey (= bray) u. a. Die Shakespeare'sche Aussprache 
von 'key' kann danach nicht zweifelhaft sein. 



TJie moon shines bright: in such a night as this &c. 

Mebch. Ven. v, i. 
Die öfter erwähnte Nachahmung dieser Scene in Wily Beguiled 



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— 281 — 



(Hawkins, The Origin of the English Drama III, 365) lautet im 
Zusammenhange folgendermassen : 

Sophos. Novo come, fair Lelia, let's hetake ourselves 
Unto a Utile hermitage hereby; 
And there to live obseured from the world, 
Till fates and fortune call us thence away, 
To see the sunshine of our nuptial day. 
See hoiv the ttvinJcling stars do hide their borroid'd shine, 
As half asham'd, their lustre is so stainhl 
By Lelia 's beauteous eyes, that shine more bright 
Than twinkling stars do in a winters night: 
In such a night did Paris win his love. 

Lelia. In such a night, Aeneas prov'd unJcind. 

Sophos. In such a night, dkl Troilus court his dear. 

Lelia. In such a night, fair Phillis was betrag* d. 

Sophos. TU prove as true as euer Troilus was, 

Lelia. And I as constant as Pcnclope. 

Sophos. Tlicn let us solace; and in lovds delight, 
And sweet embracings spend the livelong night: 
And whilst love mannte her on her wanton wings, 
Let descant run on musicWs silver strings. [Exeunt. 

A Song. 

Ausserdem finden sich aber noch weitere sehr bemerkens- 
werthe Aehnlichkeiten mit dem Kaufmann von Venedig in diesem 
Stücke. Eine der Hauptfiguren darin ist nämlich 'Gripe, an Usurer J 
der eine Tochter, Lelia, hat; die Mutter ist todt uud ihre Stelle 
vertritt eine Amme. Gripe's Sohn, Fortunatus, ist auswärts im 
Kriege. Lelia soll nun den Sohn des Nachbars Ploddall heirathen, 
weil dessen Vater vermögend ist. Peter Ploddall ist aber ein ein- 
faltiger, bäurischer Mensch, den Lelia nicht mag, sie liebt viel- 
mehr einen armen Gelehrten, Sophos, von dem ilir Vater nichts 
wissen will. Ausserdem ist aber noch ein dritter Bewerber im 
Felde, das ist Churms, ein spitzbĂĽbischer Advokat, der Gripe's 
Geldgeschäfte besorgt. Nachdem Lelia PloddalPs Hand zurück- 
gewiesen hat, wird sie von ihrem Vater eingesperrt, wie Jessica 
von dem ihrigen. Unterdessen kommt unerwarteter Weise Ihr 
Bruder Fortunatus zurĂĽck, welcher der vertraute Freund des 
Sophos ist und theils von diesem, theils auf anderem Wege Kennt- 
niss von der Sachlage erhält. Mit Hülfe der Amme wird nun ver- 



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— 282 — 

abredet, dass sich Lelia von Chams entfĂĽhren lassen soll, dass 
aber Churms, ohne es zu wissen und wollen, sie an einen Ort 
fĂĽhren muss, wo Sophos und Fortunatus ihrer warten. Churms 
ist entzĂĽckt, und um sich das zur EntfĂĽhrung erforderliche Geld 
zu verschaffen, giebt er den Schuldnern Gripe' s gegen geringe 
Theilzahlungen ihre Schuldscheine zurĂĽck. So wird der Listige 
überlistet — Wily Beguiled. Als nun Gripe die Flucht seiner 
Tochter und den Verlust seiner Schuldscheine erfährt, bricht er 
ganz ähnlich wie Shylock in Wuth aus, und es folgt folgende 
Scene (Hawkins III, 369): 

Gripe: I am undone, I am robb'd: my daughter! my money! Wliirh 
way are they gone? 

Will Cricket. 'Faith sir, it's all to nothing, but your daughter and 
master Churms are gone both one way: marry, your money 
flies, some one ways, and some another; and therefore His but 
a folly to mdke hue and cry after it. 

Gripe. Follow them, mdke hue and cry öfter them. My daughter! 
my money! alVs gone, what shall I do? 

Will Cricket. 'Faith, if you will be ruVd by me, TU teil you 
what you shall do: (Mark what I say; for TU teacli you the 
way to come to heaven, if you stumble not:) Give all you have 
to the poor, but one single penny, and with that penny buy 
you a good strong halter; and when you ha' done so, come to 
me, and TU teil you what you shall do with it. 

Gripe. Bring me my daughter: that Churms, that villain! TU 
tear him with my teeth. 

Wem fällt bei Will Cricket's Worten nicht der gute Rath 
ein, welchen Gratiano dem Shylock giebt? Dem Shylock ist frei- 
lich auch der letzte Penny genommen; er soll um Erlaubniss bitten, 
sich auf Staatskosten hängen zu dürfen. Und wer kann zweifeln, 
dass dem Verfasser hier die Scene vorgeschwebt hat, wo (nach 
Solanio's Bericht II, 8) Shylock wahnsinnig durch die Gassen 
läuft und schreit: 

My daughter! 0 my ducats! 0 my daughter! 

Fled with a Christian! 0 my Christian ducats! 

Justice! the law! my ducats, and my daughter! 
Freilich ist die Nachahmung in Wily Beguiled so abgeblasst 
als möglich. Eine Aehnlichkeit mit dem Kaufmann von Venedig 



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— 2«3 — 



kann endlich auch darin gefunden weiden, dass sich am SchlĂĽsse 
von Wily Beguiled das zweite Liebespaar zugleich mit dem Haupt- 
paar trauen lassen will, um dem Pfarrer eine Arbeit zu ersparen. 

Der Verfasser von Wily Beguiled hat aber nicht allein den 
Kaufmann von Venedig gut studirt, es finden sich auch Anklänge 
an den Hamlet bei ihm, wenngleich sie sich mit weniger Sicher- 
heit feststellen lassen. Schon in der oben angefĂĽhrten Rede Will 
Cricket's treffen die Worte: // you will be ruVd by me mit der 
Frage zusammen, welche Claudius an Laertes richtet (IV, 7) : Will 
you be ruled by me? Die Stelle im Prolog (Hawkins III, 294): 
TU rnaJce him fiy swifter than meditation' erinnert an Hamlet I, 5: 
HoUk tvings as swift as meditation, or (he thoughts of love', und 
die Verse bei Hawkins III, 362: 

Now Phoehus 1 silier eye is drench'd in H estern deep, 
And Lima 'yins to sltow her splendent rays 
gemahnen in Ausdruck und Stimmung an Hamlet I, 5: 
The glow-ivorm shoies the malin to he near 
And 'gins to })ale Iiis uneffeetual fire. 
Zur Vergleichung mit den Worten bei Hawkins HE, 336: Robin 
Goodfcllow: 0, by tli* mass } well remembefd; Fll teil you ivltat I 
mean to do, bieten sich endlich Polonius' Worte I, 3 dar: 

Harry, well bethonght: 
'Tis told me, he hath rery oft of lote 
Giren private time to you. 
Beruhen nun diese Stellen auf zufalligem Zusammentreffen oder 
auf Reminiscenz? Im letztem Falle hätten wir. also ein neues 
Indicium, dass der Hamlet bereits vor 1596 vorhanden war, denn 
in diesem Jahre wird Wily Beguiled von Nash in seinem Pamphlet 
'Have with you to Saffron Waiden' erwähnt — freilich in einer nichts 
weniger als zweifellosen Weise, so dass auch hier zu keiner that- 
sächlichen Gewissheit zu gelangen ist. lieber diesen Punkt wie 
wegen anderer in Wily Beguiled enthaltener Nachahmungen vergl. 
Brooke T s Romeus and Juliet ed. P. A. Daniel (New Shakspere 
Society's Publications) p. XXXV seqq. 



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— 284 — 



IX. 

Bear your body rnore seeming, Audrey. 

As YoĂĽ Likb It v, 4. 
Hierzu hat P. A. Daniel in seinen Notes and Conjectural 
Emendations &c. (siehe Shakespeare -Jahrbuch VI, 360) die aus- 
gezeichnete Conjectur gemacht: Bear your body more stvimming, 
Audrey. Die von ihm angefĂĽhrten Beweisstellen lassen sich noch um 
eine vermehren, welche unzweideutig zeigt, dass ein 'scJiwimmender 1 
Gang eine Mode der damaligen Zeit war, und dass Personen er- 
mahnt werden, sich dieser Mode zu fĂĽgen; die Stelle findet sich 
bei Chapman, The Ball, Act II (The Works of Geo. Chapman: 
Plays. Ed. Ăź. H. Shepherd p. 494) und lautet: 'Carry your body 
in the swimming fashion! 1 



X. 

Call forth Nathaniel, Joseph, Nicholas, Philip, Walter, Sugarsop, 
and the rest. 

Tam. Shrew iv, i. 
Zu meiner Anmerkung zu dieser Stelle in der Schlegel-Tieck'- 
schen Uebersetzung herausgegeben von der Deutschen Shakespeare- 
Gesellschaft VII, 127 kann ich jetzt noch hinzufĂĽgen, dass nach 
Pepys' Diary unter April 17, 1663 'Sugarsop 1 eine Fastenspeise 
war. Pepys berichtet: 'It being Good Friday our dinner ums only 
sugar-sopps and fish; the only Urne tluit we have had a Lenten 
dinner all this LenV Das Räthsel, was 'sugarsop 1 in der obigen 
Stelle zu bedeuten hat, und beziehentlich, wie es in den Text 
gekommen sein mag, wird freilich auch hierdurch nicht gelöst. 



XI. 

And, like the watchful minutes to the hour, 
Still and anon cheered up the heavy tinie. 

K. John iv, l 

Dass in diesen Versen, so wie sie in der Folio stehen, eine 
Verderbniss steckt, kann schwerlich bezweifelt werden. Der Ge- 
dankengang ist klar genug; Arthur will sagen: 'just as the watcliful 
minutes cheei' up the long, slow hour, so did I cheer up the heavy 



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- 285 - 

Urne by my repeated sympathking questionsJ Danach läge nichts 
näher als zu lesen: 

And, like the watchful minutes do (he hour &c. 
wenn dieser Aenderung nicht das 'like 1 im Wege stĂĽnde. Allein 
diess Hinderniss ist in der That nur ein scheinbares, indem like 9 
keineswegs selten als Conjunction (wie as) gebraucht wird und 
selbst bei Shakespeare Pericles I, 1 so vorkommt: 

And like an arrow shot 
From a well-eocperienced archer hits the mark 
His eye doth level at, so thou ne'er return 
Unless thou say 'Prince Pericles is deadĂĽ. 
Ebenda I, 3 heisst es: 

Like goodly buildings, left without a roof, 
Soon fall to min &c. 
Vergl. auch Midsummernight's Dream IV, 1: 

But, like in skkness, did I loathe this food; 
But, as in healih, come to my natural taste &c. 
Die alten Drucke lesen hier allerdings 'like a skkness 1 , allein 
die von Farmer herrĂĽhrende Aenderung ist von allen Herausgebern 
unbedenklich angenommen worden. Auch Rape of Lucrece 506 
ist hierher zu ziehen. Mag immerhin dieser Gebrauch von strengen 
Grammatikern als fehlerhaft getadelt werden, so lässt sich doch sein 
thatsächliches Vorkommen nicht in Abrede stellen. 'In provincial 
English, sagt Earle, The Philology of the English Tongue p. 214, 
like is still novo used as a conjunction: he behaved like a scoundrel 
wouW Damit stimmt auch Ernest Adams, The Elements of the 
English Language (London, 1866) p. 117 überein, und ein — nicht 
provinzielles! — Beispiel findet sich in John Forster's Life of 
Dickens I, 263 (Tauchn. Ed.) : 'Nobody shall miss her like I shalV 
Vergl. Notes and Queries 1874, Feb. 7, p. 116. Feb. 28, p. 176. 
Mar. 21, p. 237. Aug. 1, p. 97. Aug. 8, p. 114. 



XII. 

If tvhat in rest you Jiave in right you hold. 

K. John rv, a. 

Steevens hat conjicirt 'in ivresf; Jackson 'infresV; ein Anonymus 
'in rent 1 ; und Staunton liest: 

If what in rest you have not right you hold. 



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286 



König Johann bat nichts 'in resV ; im Gegentheil wird sein un- 
ruhiger, von äussern und innern Feinden bedrohter Zustand vom 
Legaten Pandulplio sehr bezeichnend mit folgenden Worten cha- 
rakterisirt (TU, 4): 

— it cannot be 
That, whiles warm life plays in that infanfs veins, 
The misplaced John should entertain an hour, 
One minute, nay, one quiet breath of rest. 
Die Conjectur 'in forest' scheint grammatisch unzulässig; es 
mĂĽsste ein Pronomen possessivum hinzutreten 'in your wresV, 
denn man kann schwerlich sagen 'to have something in ivrest' oder 
Ho have something in grasp\ Wie mir scheint, sollte gelesen 
werden: 

If what in trust you have, in right you hold. 
Die Regierung ist ein dem Könige anvertrautes Amt, das er 
zum Besten seines Landes und Volkes zu verwalten hat. Das ist 
keineswegs eine moderne Anschauung, die Shakespeare und seiner 
Zeit etwa nicht zugetraut werden dĂĽrfte, vielmehr legt sie Holinshed 
gerade bei der Krönung Johann's dem Erzbischofe von Canterbury 
in den Mund. 'A man, so lässt er diesen vom Könige sagen, 
i" doubt not, but that for hiĂź otvne pari will apply his whole indevour, 
studie, and thought vnto that onelie end, whkh he shall percenie 
to be most profitable for the coinmonivealth, as knoiving himself to 
be borne not to serue his owne turne, but for to profit his countrie 
and to sceke for the generali benefit of US that are his subjeets.' 
Einer ganz ähnlichen Auffassung des königlichen Amtes begegnen 
wir in Richard II, III, 3 und IV, 1, wo der König als: 

the figure of God's majesty, 
His captain, Steward, deputy-elect 

bezeichnet wird. 



XIII. 

Your grcatest want is, you want mueh of meat. 

TlMOH of Athens iv, s.*) 
Von den verschiedenen Versuchen diesen offenbar verderbten 
Vers zu emendiren, lässt sich keiner als befriedigend ansehen, und 



*) Vergl. Notes and Queriea, June 25, 1870 p. 594. 



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- 287 - 

Dyce wie die Cambridge-Herausgeber haben daher die obige Lesart 
der Folio unverändert beibehalten. Dem Richtigen am nächsten 
kommt die Conjectur von Steevens: you want miwh of me; er 
hätte nur noch Einen Buchstaben mehr ändern sollen, denn es 
scheint mir nicht zweifelhaft, dass der Dichter geschrieben hat: 
you want muck of me — 'muck? nämlich in dem Sinne von Gold, 
in welchem es in der That mehrfach vorkommt. In der bekannten 
Ballade von Gernutus, the Jew of Venice bei Percy lautet die 
sechste Strophe: 

His haart doth (hinke on many a teile, 
How to deceive the poore; 

His mouth is ahnost ful of mucke, 
Yet still he gapes for more. 
Im Coriolanus II, 2 heisst es: 

Our spoils he kieWd at, 
And look'd upo7i things preeious as they were 
The common muck of the world. 
Desgleichen in Thomas Heywood's If you know not me, you 
know nobody Pt. II (ed. Collier for the Shakespeare-Society p. 149) : 
'But, madam you are rieh, and by my troth, I am very poor, and 

I haue been, as a man should say, stark naught; and, Ăśwugh 

I have not the muvk of the world, I haue a great deal of good love, 
and I prithee accept of it 1 Ferner Nash, Summer's Last Will 
und Testament (Dodsley 1825, IX, 25): 'All the poets were beggars; 
all alchemists, and all 2ihilosojihers are beggars. Omnia mea mecum 
porto, quoth Bim, when he had nothing but bread and cheese in a 
leathern bag, and two or three books in his bosom. Saint Francis, 
a holy saint, and never had any money. It is madness to doat 
lipon mucke.'' Vergl. ebenda p. 23: 'If then the best husband hos 
been so liberal of his best handy-work, to tvhat end should we makc 
much of a glittering exerement, or doubt to spend at a banqiiet 
as many powiuls, as he speiuls men at a battief 1 In der vorliegen- 
den Stelle ist der Dichter vermuthlich durch das vorhergehende 
'much 1 auf 'muck 1 gekommen; es ist eine Wortspielerei, der er 
nicht widerstehen konnte. Der Gedankengang ist folgender: die 
Banditen sagen, sie seien keine Diebe, sondern Männer, die sehr 
bedürftig seien, worauf Timon erwidert, ihr grösstes Bedürfniss 
sei der Quark, das Gold; sie könnten, so fährt er fort, unmöglich 
bedürftig sein, wenn sie sich zu beschränken und naturgemäss zu 



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leben verstĂĽnden, denn die Erde sei reich an Wurzeln, Beeren und 
Quellen, und die gütige Haushälterin Natur stelle auf jedem Strauch 
einen gedeckten Tisch vor sie hin, — wie könne da von Mangel 
die Rede sein. Der an die Banditen gerichtete Vorwurf, dass sie 
nur Gold haben wollen, wird in V, 1 auch dem Maler und Dichter 
entgegen geschleudert: 

Henee, pack! Herc's gold; you camo for gold, ye slaves! 



XIV. 

You knoiv, sometimes he walks four hours together, 
Here in the lobby. 

Hamlet ii, 2. 

Noch immer giebt es nicht allein Shakespeare-Leser, sondern 
sogar Shakespeare-Herausgeber, welche sich nicht davon zu ĂĽber- 
zeugen vermögen, dass diese übereinstimmende Lesart der alten 
Drucke unbestreitbar richtig ist. So hat noch Dr. Jacob Heussi 
(Shakespeare's Hamlet, Parchim 1868) die Conjectur 'for 1 in den 
Text gesetzt und durch folgende Anmerkung gerechtfertigt: 'Alle 
alten Drucke lesen freilich 'four 1 statt 'for 1 , und die Erklärer be- 
haupten, 'four 1 werde häufig als unbestimmte Zahl gebraucht, wie 
'forty' ; nirgends findet sich aber diese Behauptung durch ein wirk- 
liches Beispiel constatirt; dass 'four'' heut zu Tage nicht in dieser 
Weise gebraucht wird, ist bekannt, ob es frĂĽher der Fall war, ist 
noch abzuwarten. Ich setze hier die Präposition 'for 1 statt des 
'four'' der Ausgaben, da diese Präposition die Zeitdauer bezeichnet.' 
Benno Tschischwitz (Shakespeare's Hamlet, Prince of Denmark &c. 
Halle, 1869) liest allerdings 'four\ scheint aber diese Zahlangabe 
im eigentlichen Wortverstande aufzufassen. Er sagt: 'Four hours 
wäre eine auffallend lange Zeit, um sich zu ergehen, wenn sie 
nicht der Prinz, der gänzlich ohne die noblen Passionen eines 
Laertes ist, mit LeetĂĽre und Meditationen ausfĂĽllte. Auch Ophelia 
wird später aufgefordert 'to tvalk 1 und dabei in einem Buche zu 
lesen, es mag dies also wol einer Zeitsitte entsprechen.' Collier's 
angeblicher Corrector hat 'for 1 corrigirt, und sogar Malone hat 
dieser Tyrwhitt'schen Aenderung den Vorzug gegeben, obwohl er 
eine schlagende Parallelstelle aus Webster's Dutchess of Malfi (1628) 
beibringt, welche hingereicht haben sollte, um nicht allein ihn 
selbst, sondern auch Dr. Heussi zu ĂĽberzeugen: 



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— 289 — 



She will muse four hours together; and her silenve 
Methinks expresseth more than if she speak, 
Malone meint freilich, dass hier dasselbe Versehen wie im Ham- 
let obgewaltet habe,*) und auch Collier sagt in seinen Supple- 
mental Notes I, 276: 'TJie same probable misprint of 'four 1 for 'for 1 
is contained in Webster 1 s Duehess of Malfi Act IV (ed. Dyee I, 260), 
tvhere Bosola is giving to Ferdinand a description of the demeanour 
of the heroine 1 &c. 

Die Wahrheit ist, dass sowohl 'four 1 , als auch 'forty 1 und 
'forty thousand 1 ausserordentlich häufig zur Angabe einer un- 
bestimmten Anzahl benutzt wird, und dass dieser Gebrauch sich 
nicht auf das Englische beschränkt, sondern sich auch in andern 
Sprachen wiederfindet und bis ins graue Alterthum zurĂĽckreicht. 
Wenn dabei die Einerzahl ungleich seltener vorkommt als die 
Zehnerzahl, so kann das nicht auffallen, da ja eine unbestimmte 
Zahlangabe in der Regel eine grössere Menge voraussetzt; die 
Belegstellen sind jedoch vollkommen ausreichend und unzweifelhaft. 
Nach den Bemerkungen, welche J. Grimm in seinen Deutschen 
RechtsalterthĂĽmern Seite 211 fgg. ĂĽber die Vierzahl und ihr Vor- 
kommen in unsern alten Rechtsgewohnheiten macht, kann der Zu- 
sammenhang dieses Gebrauches mit den vier Himmelsgegenden 
und dem Einfluss derselben auf Landeseintheilung, Wege und Ge- 
richtsplätze nicht in Zweifel gezogen werden. Allein sowohl im 
Deutschen wie im Englischen ist eine etwaige örtliche oder recht- 
liche Nebenbedeutung völlig abgestreift worden. Wenn es im 
Nibelungenliede (Lachm. 2014, Simrock Seite 386) heisst: 

Tausend und viere die kamen in das Haus, 
so bedeutet tausend die unbestimmte Hauptzahl und vier den gleich- 
falls unbestimmten Ueberschuss darĂĽber. In Ayrer's Dramen, 
herausgeg. von Keller (IV, 2796) lesen wir: 

Er wĂĽrd wol vier mahl vmb gebracht, 
Eh er ein mal drob thet erwachen. 
Ebenda IV, 2801 fgg.: 

Ach Ancilla, ich bitt durch Gott 
Verlass mich nicht in dieser Noth! 
Vier Cronen geb' ich dir zu Lohn. 
Das älteste englische Beispiel, das ich bis jetzt aufgefunden 

*) Malone'a Supplement I, 352. 

Juhrl.ucb xi. lfl 



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— 290 — 



habe, steht in Robert Mannyng's Uebersetzung der Chronik Peter 
Langtoft's bei WĂĽlcker, Altenglisches Lesebuch I, 64 und 153: 

Sone in for yers per chance a werre shall rise. 
Noch schlagendere Stellen finden sich bei den Elisabethanischen 
Dramatikern, ja sogar bei Shakespeare selbst. Im altern Timon 
(ed. Dyce, 1842, p. 7) heisst es: 

Timon, lend me a little goulden dust, 

To ffree me from this ffeind; some fower talents 

Will doe it. 

S. Rowley, When you see me, you know me (ed. Elze p. 22): 
TJie lords has attmded here this four days. Lilly's Endimion IV, 
2 (The Dramatic Works of John Lilly ed. F. W. Fairholt, 1858, 
I, 53): 'Sampas], — But how wilt Oiou live? Epifton]. By 
angling; 0 'tis a stately ocmpation to stand foure houres in a 
colde morning, and to have Iiis nose bitten with frost before his 
baite be mumbled with a fish. 1 Lord Cromwell II, 2 (Malone's 
Supplement II, 391): 'We were scarce four miles in the grem water, 
but I, thinking to go tojny afternoon's nuncheon, feit a kind of 
rising in my guW Webster, The White Devil, or Vittoria 
Corombona (bei Dodsley 1825, p. 316): 

I made a vow to my deceased lord, 
Neither yourself nor I should outlive him 
TJie mimbering of four hours. 
Ebenda (Dodsley p. 322): 

0 could I kill you forty times a day, 
And useH four years together, Hwere too little. 
Shakespeare^ Wintermärchen V, 2: Autolycus. 1 know you are 
now, sir, a gentleman born. Clown. Ay, and have been so any 
Urne these four hours. Endlich K. Henry V, V, 1 : I say, I will 
make him eat some part of my leek, or I will peat his pate four days. 

Streng genommen wäre der erforderliche Beweis für 'four 
hours' hiermit geführt, die Sache erhält jedoch ihr volles Licht 
erst, wenn auch die beiden andern typischen Zahlen, vierzig und 
vierzig tausend, mit in den Kreis der Betrachtung gezogen werden. 
Schon im alten Testament begegnet uns die Zahl 'vierzig' häufig 
in diesem unbestimmten Sinne; bei der Sintflut regnet es vierzig 
Tage und Nächte, und Moses führt die Juden vierzig Jahre in der 
WĂĽste umher (Apostelgeschichte 13, 18). Bei Ayrer (V, 3213) 
finden wir: 



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- 291 — 

Starb doch der gross Riess Goliat 
Der deiner sterckh wol firtzigk hat. 

Ein altes deutsches Volkslied (Das Schloss in Oesterreich, bei 
Scherer, Jungbrunnen, 3. Aufl., S. 67) singt: 

Darinnen liegt ein junger Knab 
Auf seinen Hals gefangen, 
Wol vierzig Klafter tief unter der Erd' 
Bei Ottern und bei Schlangen. 

In dem englischen Rittergedicht von Richard Löwenherz wickelt 
sich Richard vierzig Ellen seidener TĂĽcher um den Arm, ehe 
er ihn in den Rachen des Löwen steckt und diesem das Herz 
ausreisst (Percy, Essay on the Ancient Metrical Romances in den 
Reliques). Bei den Elisabethanischen Dramatikern wird die Zahl 
der Belegstellen Legion. Webster, The White Devil, or Vittoria 
Corombona (Dodsley, 1825, p. 266): 

WilVst seil me forty ounces of her blood 
To water a mandrake? 

Heywood, If You know not Me, You know Nobody (ed. Collier 
p. 71; vergl. ebenda p. 125): 

Bid htm by that token 
Sort thee mit forty pounds' worth of such ivares 
As tJwu slialt think most beneficial. 

B. Jonson, The Devil is an Ass Et, 8 (bei Gifford n, 3): 

0, sir! and dresses himself tlie best ! beyond 
Forty o' your ladies! Bid you ne'er see htm? 

B. Jonson, Epicoene IV, 1 : I liave not kissed my Fury these forty 
weeks. Ebenda: A most vile face! and yet she spends me forty 
poimd a year in mercury and hogs-bones. B. Jonson, Bartholomew 
Fair II, 1: Like enough, sir; she'll do forty stich things in an 
lwiir (an you listen to her) for her reci'eation. Ebenda DI, 1: 
put him a-top o* the table, where his place is, and hell do you 
forty fine things. Marlowe, The Jew of Malta IV, 4 (ed. Dyce I, 
256): Within forty foot of the gallmvs, conning his neckverse. 
Beaumont and Fletcher, The Knight of Malta HI, 4 init: 

Oh, H was royal music! 
And to procure a sound sleep for a soldier, 
Worth forty of your fiddles. 

19* 



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— 292 — 



Twelfth Night V, 1: I had rather than forty pound, I were at 
home. Midsummer Night's Dream II, 2: 

ril put a girdle round about the earth 

In forty minutes. 
Merry Wives I, 1 : J luxd rather than forty sliillings, I had my 
book of songs and sonnets here. Comedy of Errors IV, 3: 

A ring he hath of mine worth forty diwats — 

For forty duiats is too mnch to lose. 
Henry VlUL, V, 4: when I might see firom far some forty trun- 
cheoners draw to her suecour. Ebenda: 

The hing may die before my first return; 

Then whertfs my cash? Why, so the king may live 

These forty years; thm, tvhere is Gresham's gain? 

Am Vorabende von Essex's Verschwörung wurde bekanntlich 
ein Richard n. (aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der Shake- 
speare'sche) in Essex House aufgefĂĽhrt, wobei das Schicksal 
Richard's IL der Elisabeth zugedacht wurde. Elisabeth wusste 
das und sprach sich gegen William Lambarde darĂĽber aus, indem 
sie hinzufĂĽgte: 'This tragedy was played fortie times in open streets 
and houses 1 . (S. Halpin, Oberon's Vision &c. p. 105.) Wir wĂĽrden 
heutigen Tages etwa sagen: x Mal. 

Um zu zeigen, dass dieser Gebrauch von 'foiiy 1 keineswegs 
ausgestorben ist, lasse ich noch zwei moderne Stellen folgen. In 
Wordsworth's kleinem Gedichte 'Written in March' (Poetical Works, 
Moxon, 1850, 6 vols, II, 110) heisst es: 

The cattle are grazing, 
Their heads never raising; 
There are forty feeding like one. 
Die bekannte Ballade 'Barbara Fritchie' von Whittier (Complete 
Poetical Works, Boston, 1873 p. 270) enthält folgende Verse: 
Forty flags with their silver stars, 
Forty flags with their crimson bars, 
Flapped in the morning wind: the sun 
Of noon loöked down, and saw not one. 

Was die Tausende anlangt, so findet sich schon bei Layamon 
25,395: feouwer hundred thusende. Marlowe, Tamburlaine (ed. 
Dyce I, 20): 

Our army will he forty thousand strong. 



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293 



Edward Hl (ed. Delhis p. 78): 

No less than forty thousand wicked eiders 
Hove forty lean slaves this day stört d to death. 

Webster, The White Devil, or Vittoria Corombana (Dodsley, 1825, 

p. 262): Td he entered into the list of the forty thousand 

pedlars of Poland, The Winter's Tale IV, 2: Here's another bailad 
of a fish, that appeared lipon the coast on Wednesday the fourscore 
of April, forty thousand fathom above water and sung this ballad 
against the hard hearts of maids. 

Merkwürdig ist es, dass auch die Hälften dieser Zahlen, zu- 
mal die von vierzig, häufig in dem nämlichen typischen Sinne ge- 
braucht werden. Man könnte glauben, dass dies seinen Grund 
darin habe, dass zwanzig ein bekanntes Zahlmass war, nämlich 
'a score', eine Schaar oder Stiege. Allein dies reicht doch zur 
Erklärung der Thatsache schon um deshalb nicht aus, als auch 
die Hälfte von vier vorkommt. So im König Lear I, 2: Edm. 
Spähe you with him? Edg. Ay, two hours together. Ferner im 
altern Timon (ed. Dyce p. 73): 

Gelas(imus): Pseudoeheus, 

How tnany miles think you that wee must goe? 
Pseud. Two thousande, forty four. 

Die hinzugefugten vier und vierzig lassen keinen Zweifel ĂĽber 
die Auffassung der zweitausend bestehen. Ungleich häufiger als 
die Zwei begegnet natĂĽrlicher Weise die Zwanzig. Merch. of 
Ven. II, 6: 

I have sent twenty out to seelc for you. 
Ebenda KT, 4: 

And twenty of these puny lies TU teil. 
Ebenda, Schluss: 

For ive must measure twenty miles to-day, 

wo jedoch möglicher Weise auch eine buchstäbliche Auffassung 
zulässig sein könnte (siehe meine Essays on Shakespeare p. 279, 
Note). Thomas Heywood, If You know not Me, You know Nobody 
(ed. Collier p. 125): 

— thou owest me but twenty pound, 
TU venture forty more. 
Ebenda p. 150: 

Now, for your pains, there is twenty pound in gold. 



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— 294 — 

The Return frorn Parnassus III, 2 (Hawkins, Origin of the Eng- 
lish Drama HI, 242): When he returns, TU teil twenty admirable 
lies of his hawk. Ebenda (p. 249): 

His hungry sire will scrape you twenty legs 
From one good CJiristmas meal on CJiristmas -day &c. 
Rowley, When you see me, you know me (ed. Elze p. 36): 'King 
Henry loves a man and I perceive there's some mettle in thee, 
there's twenty angels for fliee' — während es wenige Zeilen vor- 
her heisst: 

There's forty angels, drink to hing Harry's health. 
In Chapman's Alphonsus (ed. Elze p. 49) wird ein Gift gerĂĽhmt, 
dessen besonderer Vorzug es sei: 

That it is twenty liours before it works. 
Das gewinnt sprachlich wie sachlich erst volle Klarheit und 
volles Interesse, wenn damit die folgende Stelle aus dem Juden 
von Malta A. ID. (ed. Dyce in 1 vol. 1870 p. 163) verglichen 
wird: 

It is a precious powder tJiat I bought 

Of an Italian, in Ancona, once, 

Wwse Operation is to bind, infect, 

And poison deeply, yet not appear 

In forty hours after it is ta'en. 
Für 'twenty thousand' im unbestimmten Sinne als die Hälfte 
von 'forty thousand 1 vermag ich bis jetzt noch keinen Beleg bei- 
zubringen. 



XV. 

Nay then, let the devil wear block, for FU have a suit of sables. 

Hamlet, in. 2. 

Wie Dyce zu d. St. mittheilt, ist in der Zeitschrift The Critic 
1854 p. 317 und p. 373 die Vermuthung aufgestellt worden, dass 
zu lesen sei 'a suit of sabelV, d. h. ein isabell -farbenes Gewand; 
der Correspondent des 'Critic' beruft sich dabei auf Henry Peacham, 
allerdings einen Zeitgenossen Shakespeare's, bei dem 'sabell colour 1 
vorkommen solle — er kennt jedoch die betreffende Stelle nur aus 
einem Citat. Es ist sehr fraglich, ob Shakespeare ĂĽberhaupt 
isabell-farbene Kleider gekannt hat; das Wort 'sabelV findet sich 



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— 295 — 



nicht in seinen Werken und ist so viel ich weiss auch in denen 
der ĂĽbrigen Elisabethanischen Dramatiker nicht nachgewiesen, so 
dass es ausserordentlich gewagt sein wĂĽrde, dasselbe in Shake- 
speare's Text hineinzutragen. Es scheint aber auch keineswegs 
nöthig. l A mit of sables 1 ist und bleibt ein Zobelpelz; der Gegen- 
satz gegen das schwarze Trauerkleid ist aber nicht in der Farbe, 
sondern in der Kostbarkeit und im Glänze des Stoffes zu suchen. 
Nach der uralten biblischen Sitte, in Sack und Asche zu trauern 
('Jacob zeriss seine Kleider und legte einen Sack um seine Lenden', 
1. Mos. 37, 34), werden noch jetzt zu Trauerkleidern grobe und 
stumpfe Stoffe verwandt, während zum Zobelpelz, der sich schon 
an und für sich durch seinen Glanz auszeichnet, der prächtigste 
und glänzendste Stoff gewählt wird. Dass daneben noch eine Wort- 
spielerei mit 'block 1 und 'sables 1 einhergeht, thut dieser Erklärung 
keinen Abbruch. 



XVI. 

Wlw, dipping all Iiis faults in their affection, 
Would, like the spring that turneth wood to stone, 
Convert Iiis gyves to graces; so (hat my arrows &c. 

Hamlet rv, 7. *) 

Die Verderbniss dieser Stelle scheint nicht, wie Theobald u. 
A. gemeint haben, in 'gyves 1 , sondern in 'graces 1 zu liegen. Wie 
können die nur zu materiellen 'gyves 1 in abstracte 'graces 1 ver- 
wandelt werden? Das bringt auch die Quelle zu Knaresborough, 
die doch Holz in Stein verwandelt, nicht fertig. Ein abstractes 
Nomen an dieser Stelle verdirbt die ganze Metapher und ist 
logisch unmöglich. Würde 'gyves 1 durch ein Abstractum ersetzt 
(das in Vorschlag gebrachte 'gibes 1 erscheint geradezu unerträglich), 
so wäre damit allerdings logische Gleichförmigkeit hergestellt, 
allein das Gleichniss wĂĽrde alle sinnliche Anschaulichkeit, Kraft 
und FĂĽlle verlieren, und die Herbeiziehung der wunder- wirken- 
den Quelle zur Vergleichung zweier abstracten Eigenschaften wäre 
ganz beziehungslos und sicherlich nicht in Shakespeare's Geist und 
Stil. Es sollte, wie ich glaube, gelesen werden: 



») Vergl. Athen. 1869, I, 284. 



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— 296 — 



Convert Iris gyves to graves, &c. 
wodurch zugleich der Rhythmus des Verses hergestellt wĂĽrde. 
'Graves 1 , nach gegenwärtiger Schreibung 'greaves 1 , findet sich auch 
2 K. Henry IV, IV, 1, wo wie hier etwas Niedriges darin ver- 
wandelt und dadurch geehrt und erhoben werden soll: 

Turning your books to graves, your irik to blood &c. 
Denn wenn es in unserer Stelle wol als unzweifelhaft angenommen 
werden darf, dass 'gyves 1 metonymisch fĂĽr diejenigen Verbrechen 
gesetzt ist, die damit bestraft zu werden verdienen, so wĂĽrden 
dem entsprechend die 'graves 1 die Auszeichnung und das Verdienst 
bedeuten, die mit diesem WaffenstĂĽck und Abzeichen des Ritter- 
thums geschmĂĽckt zu werden verdienen. Wer erinnert sich dabei 
nicht der ivxvrjfjudsg y A%atot, die Chapman allerdings zu 'tvell-arm 'd 
Greeks 1 abgeblasst hat; doch lässt auch er (Hiads XVIII, 415) 
die 'fair greaves 1 zu ihrem Rechte kommen. Das von der Quelle 
hergenommene Gleichniss erscheint nur um so treffender, wenn 
wir erwägen, dass die Fussschellen ursprünglich aus Holz ver- 
fertigt worden sein mögen; freilich sollten dann die Beinschienen 
aus Stein bestehen, allein soweit kann man unbedenklich zugeben, 
dass jedes Gleichniss hinkt. Was endlich die Schreibung 'graves 1 
statt 'greaves 1 anlangt, so kann uns dieselbe nicht im mindesten 
beirren; sie kehrt nicht allein in der angefĂĽhrten Stelle aus 2 K. 
Henry IV (FA) wieder, sondern wird auch bestätigt durch die 
Formen 'thraves 1 statt 'threaves 1 (vergl. Hooper zu Chapman's Hiads 
XI, 477) und 'stale 1 statt 'steale 1 oder 'stele 1 (ebenda IV, 173, wozu 
Nares s. Stele zu vergleichen ist). 



XVH. 

Go, get thee to Yaughan: fetch nie a stoup of liquor. 

Hamlet v, i. 

Es scheint noch nicht genĂĽgend bekannt zu sein, dass diese 
'crax interpretum 1 endlich von Brinsley Nicholson in Notes and 
Queries, 4 th Series, Vol. VIII p. 81 gelöst worden ist. Mr. Nicholsons 
Erklärung gründet sich auf eine Stelle in B. Jonson's Every Man 
out of his Humour V, 4, wo es heisst: 'her eh a slave about the town 
here, a Jeiv, one Yolian, or a feĂĽow that makes perukes, will glue it 
on artificiallyJ Also offenbar ein deutscher Jude, der unter dem Aller- 



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— 297 — 



weltsnamen Johann als Friseur und Factotum in der Stadt bekannt 
war und vermutlich als Theaterfriseur am Globus fungirte. Nun 
gehörte aber, wie wir aus HalliwelPs Illustrations of the Life of 
Shakespeare p. 88 wissen, zum Globustheater eine Kneipe (tap-house), 
die von den Theater- Eigenthümern für 20 bis 30 Pfund jährlich 
verpachtet war und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach an diesen 
nämlichen deutschen Juden. Dies letztere geht aus einer zweiten 
Stelle bei B. Jonson hervor, The Alchemist I, 1, wo von 'an 
älehoiise darker than deaf Jb/mV die Rede ist. Vielleicht kann 
es als eine weitere Bestätigung angesehen werden, dass Carlo an 
der erstgenannten Stelle als 'my good German tapster 1 angeredet 
wird. Man braucht in der That nicht viel Phantasie zu besitzen, 
um diesen alten taubgewordenen jĂĽdischen Theaterfriseur und 
Theaterkneipier leibhaftig vor sich zu sehen. Was das Sprach- 
liche anlangt, so kann es kein Bedenken erregen, dass hier 
• Yanghan 1 statt 4 Yohan 1 geschrieben ist, da ja auch, wie Nicholson 
bemerkt, 'hough 1 für 'ho 1 vorkommt. Auf alle Fälle haben wir 
liier die entschieden wahrscheinlichste Erklärung der berüchtigten 
Stelle. Es scheint sich sogar noch etwas Weiteres daran zu 
knüpfen, was Mr. Nicholson nicht in Betracht gezogen hat, näm- 
lich das bekannte 'an absolute Johannes factotum 1 , das Greene 
unserm Dichter vorgeworfen hat. Woher kommt hier die un- 
gewöhnliche und fremdländisch klingende Form 'Johannes' statt 
des üblichen 'Jack'? Hängt sie vielleicht auch mit dem deutsch- 
jĂĽdischen Theaterfriseur zusammen, und war dieser der eigentliche 
und ursprĂĽngliche 'Johannes factotum 1 ? Der Greene'sche Ausfall 
würde dadurch nichts an Schärfe einbüssen, sondern im Gegentheil 
nur an drastischer Handgreiflichkeit gewinnen, wenn er den Leser 
sofort an diese stadtbekannte Figur erinnert hätte. 



XVIII. 

Die cat tvill mew, a dog will Hove his day. 

Hamlet v, l 

Man hat hierzu die sehr annehmbar klingende Conjectur ge- 
macht: a (and, oder the) dog tvill have his bay. S. Athen. 1868, 
II, 314, 346, 440. Und doch muss diese Conjectur entschieden 
zurĂĽckgewiesen werden. Die folgende Stelle aus Nash, Summer's 



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— 298 — 

Last Will and Testament (Dodsley, 1825, IX, 37), von der ich 
nicht weiss, ob sie bereits beigebracht worden ist oder nicht, 
giebt die richtige Erklärung an die Hand: 

Each orte of these foul-mouthed mangy dogs 

Governs a day (no dog but hath his day); 

And all the days by them so governed 

The dog -days hight. 



XIX. 

Look, look a mouse! Peace, peace; this piece of toastcd clieese 
will do't. 

K. Lear iv, e. 

Dr. Stark fĂĽhrt in seiner bekannten psychiatrischen Studie 
über König Lear S. 70 diese Stelle ohne weitere Bemerkung als 
Beweis der eingetretenen 'vollen, reissenden Ideenflucht, des Ueber- 
stürzens der Gedanken' an. Auf Seite 82 erwähnt er die 'Sinnes- 
täuschungen und Visionen', von denen Lear heimgesucht wird. 
'Lear, sagt er, hält den Narren und Edgar einmal für Richter, 
dann fĂĽr seine Ritter, einen Sessel fĂĽr seine Tochter; oder er 
sieht Hunde, eine Maus, wo keine sind.' Es ist auffällig, dass 
Dr. Stark nicht noch einen Schritt weiter gegangen ist und auf 
die bekannte Thatsache hingewiesen hat, dass Delirirende vorzugs- 
weise kleine krabbelnde Thiere zu sehen glauben, namentlich 
Mäuse und Spinnen. Der von Dr. Stark geführte Beweis, dass 
der Dichter mit dem Wesen der von ihm dargestellten Geistes- 
krankheit im höchsten Grade vertraut war, wird hierdurch noch 
verstärkt. Es könnte zwar scheinen, als Verstösse Shakespeare 
gegen die Naturwahrheit, indem er Lear Hunde sehen lässt (HI, 6), 
die doch nicht gerade zu den kleinen Thieren gehören, allein Lear 
sagt ausdrĂĽcklich, dass es kleine Hunde sind; und dass er deren 
viele sieht, ist auch ein merkwĂĽrdig richtiger Zug, da die Deliranten 
solche kleinen Thiere häufig 'en masse 1 zu erblicken glauben. Diese 
scheinbar so unbedeutenden ZĂĽge tragen dazu bei, die wunderbare 
Thatsache ins hellste Licht zu stellen, dass es dem Dichter ge- 
lungen ist, im Lear ein dramatisches Gemälde von Geisteskrank- 
heit zu liefern, in dessen Bewunderung noch heute Irrenärzte und 
Aesthetiker mit einander wetteifern, trotzdem sowohl Psychiatrie 



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— 299 — 



als auch Aesthetik seitdem um nahezu drei Jahrhunderte vor- 
geschritten sind; ja man fĂĽhlt sich versucht zu sagen, dass Irren- 
ärzte und Aesthetiker von dieser wetteifernden Bewunderung er- 
fĂĽllt sind, weil Psychiatrie und Aesthetik seitdem um drei Jahr- 
hunderte vorgeschritten sind. 



XX. 

That handkerchief 

Did an Egyptian to my mother give; 

Slie was a cliarmer, and could almost read 

Tlie thmtghts of people: — 



'T is true: there's magic in the web of it: 

A sibyl, that had number'd in ilie world 

TJie sun to course two hundred compasses, 

In her prophetic fury sew'd the work; 

The worms were liallow'd (Jiat did breed the silk; 

And it tvas dyed in mummy which the skilful 

Conserved of maidens' hearts. 

Othello in, 4. 

In B. Jonson's Sad Shepherd II, 1 (am Schluss) findet sich 
eine merkwürdig ähnliche Schilderung, auf welche meines Wissens 
bis jetzt noch nicht aufmerksam gemacht worden ist. Die Verse 
lauten: 

But, hear ye, Douce, because ye may meet me 

In mony shapes to-day, where'er you spy 

This browder'd belt with characters, 'tis I. 

A Oypsan lady, and a right beldame, 

Wrought it by moonshine for me, and star-light, 

lipon your grannam's grave, tliat very night 

We earWd her in the sliades; when our dame Hecate 

Made it her gaing night over tlie kirk-yard, 

Witfi all the barkand parish-tikes set at her, 

WJiile I sat whyrland of my brazen spindle: 

At every twisted thrid my rock let fly 

Unto the sewster, who did sit me nigh, 



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— 300 — 



Under the totvn turnpike; which ran each spell 
She stitched in the work, and knit it well. 
See ye take tent to this, and ken your mother. 
Kann man zweifeln, dass B. Jonson hier Shakespeare vor Augen 
gehabt und nachgeahmt hat? Es sind nachgerade so viele Bei- 
spiele dieser — nicht immer gutmüthigen — Nachahmung zu- 
sammengetragen worden, dass selbst ein zukĂĽnftiger zweiter Gifford 
B. Jonson von der Anklage Shakespeare stellenweise parodirt und 
ins Lächerliche gezogen zu haben, nicht wird freisprechen können. 



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» 



Statistischer Ueberblick 

ĂĽber die Shakespeare -AuffĂĽhrungen deutscher BĂĽhnen 
vom 1. Juli 1874 bis 30. Juni 1875. 



Altenburg: Othello, 1 AuffĂĽhrung. 

Berlin, Königl. Schauspiele: Was ihr wollt (Oechelhäuser), 7 

— Richard III. (Oechelh.), 5 — Viel Lärm (Tieck), 7 — Kauf- 
mann von Venedig, 4 — Widerspenstige (Deinhardstein), 5 — 
Romeo und Julia, 3 — Lear, 2 — zusammen 33 Aufführungen. 

Berlin, National -Theater: Viel Lärm, — Othello, 7 — Ham- 
let, 5 — Kaufmann von Venedig, 2 — Heinrich IV., 2 — 
Coriolanus, 7 — König Johann, 4 — Julius Caesar, Act III, — 
zusammen 29 AuffĂĽhrungen. 

Berlin, Stadt -Theater: Hamlet, 7 — Richard in., 3 — zu- 
sammen 10 AuffĂĽhrungen. 

Berlin, Reunion-Theater: Romeo und Julia, 9 — Hamlet, 4 — 
Kaufmann von Venedig, 4 — Lear, 4 — zusammen 21 Auf- 
fuhrungen. 

Berlin, Friedrich -Wilhelm stildter Theater: Das Hoftheater 
von Meiningm gab hier im Gastspiel (vom 16. April bis 
15. Juni 1875): Julius Caesar, 8 — Kaufmann von Venedig, 3 

— zusammen 11 Auffuhrungen. 

Braunschweig: Kaufmann von Venedig, — Widerspenstige 
(Deinhardstein), n. e., 4 — Romeo und Julia, — Winter- 
märchen (Dingelstedt), — Sommernachtstraum, n. e., 3 — 
zusammen 10 Auffuhrungen. 

Breslau, Stadt -Theater:*) Romeo und Julia (West), 9 — 



*) Das Lobe. Theater in Breslau hat — nach den, mir freundlichst zur 
Durchsicht tiberlassenen, Listen des Bureau der deutschen Genossenschaft dra- 
matischer Autoren und Componisten in Leipzig — dies Jahr keine Shakespeare- 
Aufführungen gegeben. — Aus diesen Listen musste das Material ergänzt 
werden, soweit es nicht von den BĂĽhnen selbst zu erlangen war. 



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Othello, 2 — Lear (West), — Macbeth (Dingelstedt), — 
Kaufmann von Venedig, 3 — zusammen 16 Auffuhrungen. 

Cassel: Sommernachtstraum , 2 — Hamlet, — Wintermärchen 
(I)ingelstedt), — Romeo und Julia, — Was ihr wollt, — Mac- 
beth, — Lear (West), — Richard IL (Ed. Devrient, z. e. M. 
30. Jan. 1875), 2 — Kaufmann von Venedig, — Viel Lärm, — 
Heinrich V. (Dingelstedt, z. e. M. 29. April 1875), 2 — Hein- 
rich VI., 1. Th. (Dingelstedt, z. e. M. 7. Juni 1875) — zu- 
sammen 15 AuffĂĽhrungen. 

Cöln, Stadt-Theater: Kaufinann von Venedig, 2 — Viel Lärm 
(Holtei), — Othello, — Hamlet, — zusammen 5 Auffuhrungen. 

Darmstadt: Sommernachtstraum, — Othello (West), — Hein- 
rich IV., 1. Th. (Dingelstedt, z. e. M. 2. März 1875), — zu- 
sammen 3 AuffĂĽhrungen. 

Dessau: Romeo und Julia (West), — König Johann, 2 — Cym- 
belin (Vincke), 2 — zusammen 5 Auffuhrungen. 

Dresden: Kaufmann von Venedig (Ed. Devrient), 3 — Wider- 
spenstige (Deinhardstein), 4 — Was ihr wollt (Quanter), 2 — 
Viel Lärm (Holtei), 5 — Sommernachtstraum, 3 — Hamlet, 5 
— Othello, — Wintermärchen (Dingelstedt), — Coriolanus 
(Gutzkow), 2 — Romeo und Julia (Ed. Devrient), 2 — zu- 
sammen 28 AuffĂĽhrungen. 

Frankfurt a. M. : Hamlet, 4 — Coriolanus (Ed. Devrient, n. e.), 
4 — Wintermärchen (Dingelstedt), 2 — Viel Lärm (Holtei), 
3 — Sommernachtstraum, 2 — Othello, — Kaufmann von 
Venedig, 2 — Richard HL, — zusammen 19 Aufführungen. 

Freiburg i. Br.: Cymbelin (Vincke, z. e. M. 12. Novbr. 1874), — 
Romeo und Julia, — Kaufmann von Venedig, — Hamlet, — 
Macbeth (Schiller), — zusammen 5 Aufführungen. 

Gera. Kaufmann von Venedig, 2 — Lear, — zusammen 3 Auf- 
• führungen. 

Hamburg, Stadt- Theater: Julius Caesar, 4 — Richard II., — 
Heinrich IV., 3 — Hamlet, 2 — Widerspenstige (Deinhardstein), 
zusammen 11 AuffĂĽhrungen. 

Hamburg, Thalia-Theater: Viel Lärm (Holtei), — Was ihr wollt 
(Deinhardstein), — Wintermärchen (Dingelstedt), — Kauf- 
mann von Venedig, 2 — zusammen 5 Aufführungen. 

Halle: Hamlet, — Ende gut, Alles gut (Thümmel), 2 — Romeo 



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— 303 — 

und Julia, — Viel Lärm, — Widerspenstige, — Kaufmann 
von Venedig, — Othello, 2 — zusammen 9 Aufführungen. 

Hannover: König Johann (z. e. M. 18. Jan. 187B), 3 — Richard II. 
. (z. e. M. 15. Febr. 1875), 2 — Heinrich IV., — Was ihr 
wollt, 2 — Hamlet, — Macbeth (Schiller), — Romeo und 
Julia, — Viel Lärm (Holtei), 3 — Widerspenstige (Deinhard- 
stein), 2 — Wie es euch gefällt, 2 — Sommernachtstraum, 
2 — zusammen 20 Auffuhrungen. 

Karlsruhe (und Baden-Baden): Kaufmann von Venedig (Ed. 
Devrient), 3 — Widerspenstige (Deinhardstein), 3 — Winter- 
märchen (Dingelstedt) , 2 — Cymbelin (Vincke), — Sommer- 
nach tstraum, — zusammen 10 Auffuhrungen. 

Koburg- Gotha: Othello, 2 — Viel Lärm, — zusammen 3 Auf- 
fĂĽhrungen. 

Königsberg: Hamlet, — Viel Lärm (Holtei), — zusammen 2 Auf- 
fĂĽhrungen. 

Leipzig (Neues und Altes Theater) : Othello, 2 — Widerspenstige 
(Deinhardstein), 4 — Sommernachtstraum, 3 — Kaufmann 
von Venedig (Haase), 2 — Romeo und Julia, 4 — zusammen 
15 AuffĂĽhrungen. 

Mannheim: Widerspenstige (Deinhardstein), — Ende gut, Alles 
gut (Vincke, z. e. M.), 2 — Sommernachtstraum, — Viel 
Lärm (Holtei), — Wintermärchen (Dingelstedt), — Sturm 
(Dingelstedt), — zusammen 7 Auffuhrungen. 

Meiningen: Widerspenstige, — Kaufmann von Venedig, 3 — 
Othello, 2 — Julius Caesar, 2 — Hamlet, 2 — Viel Lärm, — 
Romeo und Julia, — zusammen 12 Aufführungen. 
(Gastspiel in Berlin — 11 Auffuhrungen — siehe oben.) 

München: Romeo und Julia, 2 — Viel Lärm (Holtei), 5 — 
Heinrich VI., 1. Th. (Dingelstedt), — Heinrich VI., 2 Th. 
(Dingelstedt), — Richard III. (Dingelstedt), — Sommernachts- 
traum, 2 — Wintermärchen (Dingelstedt), 3 — zusammen 
15 AuffĂĽhrungen. 

Oldenburg: Romeo und Julia, 2 — Hamlet, 2 — Macbeth 
(Dingelstedt), — Irrungen, — Kaufmann von Venedig, — 
Othello, — zusammen 8 Aufführungen. 

Riga (und Mi tau): Cymbelin (Vincke, z. e. M. 31. Aug. 1874 
a. St.), 6 — Mass für Mass (Vincke, z. e. M. 22. Novbr. 1874 



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a. St.), 5 — Othello, 3 — Sommernachtstraum , n. e., 6 — 
zusammen 20 AuffĂĽhrungen. 
Schwerin : Hamlet (Wolzogen, n. e.), 3 — Kaufmann von Venedig 
(Wolzogen), — Richard II. (Wolzogen, z. e. M.), — Heinrich IV. 
(Wolzogen, z. e. M.), 2 — Heinrich V. (Wolzogen, z. e. M.), 

2 — Heinrich VI., 1. Th. (Wolzogen, z. e. M.), — Heinrich VI., 
2. Th. (Wolzogen, z. e. M.), — Richard III. (Wolzogen, z. e. M.), 
2*) — Romeo und Julia, n. e., — Cymbelin (Wolzogen), — 
zusammen 15 AuffĂĽhrungen. 

Strassburg: Macbeth (Schiller), 2 — Hamlet, 2 — Othello, 2 — - 
zusammen 6 AuffĂĽhrungen. 

(Ausserdem wurde vom Strassburger Theater auch Othello 

1 Mal in Metz gegeben.) 
Stuttgart: Widerspenstige (Deinhardstein), — Kaufmann von 
Venedig, 2 — Macbeth (Dingels tedt), — Sommernachtstraum, 

3 — Julius Caßsar (Laube), 2 — Romeo und Julia, — 
Irrungen, — Hamlet, — zusammen 12 Aufführungen. 

Weimar: Kaufmann von Venedig (Ed. und Otto Devrient), 2 — 
Macbeth (Dingelstedt), 2 — Sommernachtstraum (Oechelhäuser), 
— Hamlet (Ed. und Otto Devrient), 2 — Viel Lärm (Holtei), 
zusammen 8 AuffĂĽhrungen. 

Wien, Hofburg -Theater: Othello (West), — Richard HE. 
(Dingelstedt), 2 — Was ihr wollt (Laube), 2 — Kaufmann 
von Venedig (West-Laube), 2 — Widerspenstige (Deinhardstein), 
2 — Richard II. (Dingelstedt, z. e. M. 30. Januar 1875), 5 — 



*) Die im Obigen kurz benannten 6 historischen Dramen, sämmtlich „mit 
freier Benutzung der Schlegerschen Uebersetzung fĂĽr die BĂĽhne bearbeitet 
von A. Frhrn. v. Wolzogen", sind in der vom Schwerin'schen Hoftheater ver- 
öffentlichten Uebersicht für 1874/75 bezeichnet: 
„König Richard II." 

„König Heinrich IV. Nach des Originals erstem Theile und einigen 

Scenen des zweiten Theils." 
„König Heinrich V. Nach dem Original von Heinrich^ IV. zweitem 

Theil und von Heinrich V. u 
„König Heinrich VT. Nach des Originals zweitem Theile, sowie 

einigen Stellen aus dem ersten und dem Anfang des dritten 

Theils." 

„König Eduard IY. Nach dem Original von Heinrich's VI. drittem 

Theil.« 
„König Richard III." 



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t 



— 305 — 

Heinrich IV., 1. Th. (Dingelstedt, z. e. M. 22. Febr. 1875), 4 

— Heinrich IV., 2. Th. (Dingelstedt, z. e. M. 4. März 1875), 
4 — Heinrich V. (Dingelstedt, z. e. M. 19. März 1875), 5 — 
Heinrich VI., 1. Th. (Dingelstedt), — Heinrich VI., 2. Th. 
(Dingelstedt), — Julius Caesar (Laube), — zusammen 30 Auf- 
fuhrungen. 

Vom 17. bis 23. April 1875 wurden die 7 Historien, Richard II. 
bis Richard HL, in unmittelbarer Folge aufgefĂĽhrt.*) 
Wien, Stadt-Theater: Viel Lärm (Holtei), 2 — Widerspenstige, 

— Kaufmann von Venedig, 6 — Julius Caesar (Laube), 2 — 
Mass für Mass (Vincke, z. e. M. 29. Octbr. 1874), 4 — zu- 
sammen 15 AuffĂĽhrungen. 

Wien, Komische Oper: Sommernachtstraum (z. e. M. 12. Decbr. 
1874, dann bis 20. Decbr. täglich, also doch 8 Mal, wiederholt), 

— 12 Aufführungen. 

Wiesbaden: Richard EI., n. e., 2 — Sommernachtstraum, — 
Kaufmann von Venedig, n. e., 2 — Widerspenstige, — Ham- 
let, n. e., — Viel Lärm (Holtei), — Wintermärchen (Dingelstedt), 

— Othello (West), — zusammen 10 Aufführungen. 

Demnach wurden im Theaterjahr 1874/75 von 37 BĂĽhnen 
27 StĂĽcke von Shakespeare in 460 AuffĂĽhrungen gegeben, die sich 
vertheilen aut: 

1) Kaufmann von Venedig, 55 — 2) Hamlet, 46 — 3) Sommer- 
nachtstraum, 43 — 4) Romeo und Julia, 40 — 5) Viel Lärm, 
36 — 6) Othello, 31 — 7) Widerspenstige, 31 — 8) Julius Caesar, 
20 — 9) Richard HI., 16 — 10) Was ihr wollt, 15 — 11) Winter- 



*) Herr Dr. August Förster, Mitglied und Regisseur des Hofburg-Theaters, 
hatte die GĂĽte, mir sowohl obige AuffĂĽhrungen, als auch die bis dahin nicht 
zu beschaffenden, deshalb im letzten Ueberblick fehlenden, des Vorjahres mit- 
zutheilen. Im Theaterjahr 1873/74 — in dem die, gewöhnlich vom 1. Juli bis 
16. August dauernden, Ferien, der Wiener Weltausstellung wegen, ausfielen — 
gab das Hofburg-Theater: 

Was ihr wollt (Laube), 4 — Widerspenstige (Deinhardstein) , 5 — Kauf- 
mann Ton Venedig (West -Laube), 4 — Julius Caesar (Laube), 3 — Othello 
(West), 4 — Romeo und Julia (Laube), 3 — Heinrich VI., 1. Th. (Dingelstedt, 
z. e. iL 18. Octbr. 1873), 9 — Viel Lärm (Holtei), 2 — Heinrich VI., 2 Th. 
(Dingelstedt, z. e. M. 28. Febr. 1874), B — Richard m (Dingelstedt, z. e. M. 
27. April 1874), 4 — zusammen 43 Aufführungen. 

Am 23., 2B. und 27. April 1874 wurden aufeinanderfolgend Heinrich VI., 
1. Th., Heinrich VX, 2. Th., und Richard IH. gegeben. 

Jahrbuch IX. 20 



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— 306 — 

tnärchen, 13 — 12) Coriolan, 13 — 13) Heinrich IV., 1. TL (?), 
13 — 14) Cymbelin, 11 — 15) Richard IL, 11 — 16) Macbeth, 
10 — 17) König Lear, 9 — 18) König Johann, 9 — 19) Heinrich V., 
9 — 20) Mass für Mass, 9 — 21) Ende gut, Alles gut, 4 — 
22) Heinrich IV., 2. TL, 4 — 23) Heinrich VI., 1. TL, 4 — 
24) Heinrich VI., 2 TL, 3 — 25) Wie es euch gefällt, 2 — 
26) Irrungen, 2 — 27) Sturm, 1. 

Von den 37 BĂĽhnen gaben 24 den Kaufmann von Venedig, 
19 Hamlet, 17 Viel Lärm, 16 Romeo und Julia, 16 Othello, 
15 Sommernachtstraum, 14 Widerspenstige, 9 Wintermärchen, 
8 Macbeth, 7 Julius Caesar, 7 Richard III., ^Heinrich IV., 1. TL, 
6 Was ihr wollt, 5 König Lear, 5 Richard H., 5 Cymbelin u. s. w. 

Der Zahl der gegebenen AuffĂĽhrungen nach stehen unter 
den Bühnen voran: Berliner Königliche Schauspiele mit 33, Wiener 
Hofburg- Theater 30, Berliner National -Theater 29, Dresden 28, 
Berliner Reunion- Theater 21, Hannover 20, Frankfurt 19, Riga 
(ohne Mi tau) 17. 

An StĂĽcken gaben: Cassel 12, Wiener Hofburg- Theater 12, 
Hannover 11, Dresden 10, Schwerin 10 — welche letztere Bühne 
die meisten neuen oder neu einstudirten StĂĽcke brachte. 

R. O. 



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Literarische Uebersicht, 

* 



Die New ShaJcspcre Society — um unsere Umschau mit dieser 
zu beginnen — hat ihre Arbeiten im verflossenen Jahre rüstig fort- 
gesetzt. Ein dritter Band der Transactions ist ausgegeben worden, 
der sieh vorzugsweise mit Richard III. beschäftigt (die Verhand- 
lungen darüber knüpfen sich an zwei Aufsätze von James Spedding 
und Edward H. Pkkersgill) und auch eine englische Uebertragung 
der im Shakespeare-Jahrbuch Band X erschienenen Abhandlung von 
Delhis Ueber den ursprünglichen Text des King Lear enthält. 
Namentlich ist es aber die zweite ihrer acht Serien, die der Re- 
prints Shakespeare'scher Dramen, welche die Gesellschaft mit be- 
sonderem Eifer gefordert hat. Hier liegen AbdrĂĽcke von der ersten 
Quarto (1600) und von der Folio von Henry V vor, welche Dr. 
Brinsley Nicholson mit Sachkunde und Sorgfalt besorgt hat. Man 
könnte freilich fragen, ob ein Reprint eines einzelnen Stückes aus 
der Folio ein wirkliches BedĂĽrfniss sei, nachdem ja die Folio durch 
das photo-lithographische Facsimile von Staunton und den Reprint 
von Booth dem gesammten Kreise der Shakespeare-Gelehrten zu- 
gänglich geworden ist; man könnte der Ansicht sein, dass es 
wesentlichere LĂĽcken auszufĂĽllen und dringendere WĂĽnsche zu 
befriedigen gäbe, allein wir sind auf diesem Gebiete immerhin 
noch weit von Ueberfluss entfernt, und die vermehrten Reprints 
der Folio haben wenigstens das Gute, dass sie sich gegenseitig 
zur Controle dienen. Mutatis mutandis gelten diese Bemerkungen 
auch von den Reprints von Romeo und Juliet, von denen nun- 
mehr ein besonders reichhaltiger Apparat fertig gestellt ist. Wir 
haben hier 1. einen Reprint der ersten Quarto (1597); 2. einen 
dergleichen der zweiten Quarto (1599); 3. einen dergleichen von 
der revidirten Ausgabe der zweiten Quarto; 4. eine Parallel- Aus- 
gabe der beiden ersten Quartos auf gegenĂĽberstehenden Seiten, 

20* 



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— 308 — 

ein Geschenk des Prinzen Leopold an die Mitglieder der Gesell- 
schaft. Diese Parallel- Ausgabe ist gleich den drei vorhergenannten 
Reprints von P. A. Daniel besorgt. Sollte die Reihe vollständig 
abgeschlossen werden, so hätte nach Analogie von K. Henry V 
auch ein Reprint des StĂĽckes aus VA geliefert werden mĂĽssen, 
den wir jedoch keineswegs vermissen. Statt dessen haben wir 
als No. 1 der dritten Serie eine gleichfalls von P. A. Daniel be- 
sorgte Ausgabe von Arthur Brooke's Romcus and Juliet und William 
Paintefs Rhomeo and Jidietta (in einem Bande) erhalten, und 
diese Gabe dĂĽrfte den deutschen Shakespeare-Gelehrten noch will- 
kommener sein, als beispielsweise die Parallel- Ausgabe, da wir, 
wie schon im vorigen Jahrbuche p. 358 bemerkt worden ist, be- 
reits eine Ausgabe dieses Doppeltextes von Tycho Mommsen be- 
sitzen. Der Arbeit des Herausgebers soll damit nicht zu nahe 
getreten werden, im Gegentheil verdient dieselbe sowohl hier wie 
bei der Ausgabe von Brooke und Painter vollste Anerkennung. 

In Einem Punkte hat sich die New Shakspere Society das 
Praevenire spielen lassen. Auf der Registrande ihrer Reprints 
oder Ausgaben steht nämlich auch The Two Nolüe Kimmen, 
deren Bearbeitung Mr. IAttledale übernommen hat. Während aber 
der Druck dieser Nummer kaum begonnen hat, ist bereits eine 
andere Ausgabe des interessanten StĂĽckes von W. W. Skeat er- 
schienen, welche einen Bestandteil der von der Universität Cam- 
• bridge herausgegebenen sogenannten 'Pitt Press Series'' bildet. Bei 
aller Anerkennung fĂĽr Mr. Skeat's Verdienste als Herausgeber 
muss man nichtsdestoweniger sagen, dass seine Ausgabe die der 
New Shakspere Society insofern nicht ĂĽberflĂĽssig macht, als diese 
letztere hoffentlich das unverstĂĽmmelte StĂĽck enthalten wird. Bei 
der Cambridger Pitt Press Series gilt nämlich wie bei der Ox- 
forder Clarendon Press Series die Regel, dass alle anstössigen 
Stellen gestrichen werden mĂĽssen. So weit die von beiden Uni- 
versitäten veranstalteten Ausgaben für den Unterricht oder über- 
haupt zum Gebrauch der Jugend bestimmt sind, lässt sich gegen 
eine solche Anordnung nichts einwenden; ob in diese Kategorie 
auch The Tivo Noble Kinsmen gehören, wollen wir nicht unter- 
suchen, jedenfalls aber sollte ein Unterschied gemacht werden, 
zwischen UnterrichtsbĂĽchern und zwischen den fĂĽr Gelehrte be- 
stimmten kritischen Ausgaben. Es ist uns ein Fall bekannt, wo 
eine Ausgabe der letztern Art in der Clarendon Press Series keine 



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Aufrahme fand, lediglich weil in dem Stücke einige Anstössig- 
keiten enthalten waren. Uebrigens werden The Tivo Noble Kins- 
men auch in der von Brinsley Nicholson vorbereiteten Ausgabe der 
'Doubtful Plays' enthalten sein. Wie diese sich so rasch folgenden 
Ausgaben beweisen, besitzt dies StĂĽck augenblicklich eine ganz 
besondere Anziehungskraft, indem es sich darum handelt, die An- 
theile der beiden angeblichen Verfasser, Shakespeare und Fletcher, 
von einander zu sondern, ein Problem, welches die New Shakspere 
Society durch ihr kritisches Universalmittel, nämlich das der 
Metrical Tests, aufs sicherste lösen zu können glaubt. Schon im 
ersten Theile der Transactions befanden sich Arbeiten ĂĽber dieses 
Thema von Sam. Hickson, Fleay und Furnivall, 

Mr. W. W. Skeat hat die Shakespeare - Gelehrten noch mit 
einer zweiten Publication bedacht, fĂĽr welche er allseitigen Dankes 
gewiss sein kann, das ist: Shakespeares Plutarch; häng a Selection 
from the Lives in North's 'Plutarch'', which illustrate Sliakespeare's 
Plays. Edited, urith Introduktion, Notes, Index of Names, and 
Glossarial Index by the Rev. W. W. SIceat, M. A. (London, Mac- 
mĂślan, 1875. 6 s.). Man kann das vom Athenaenm 1876, I, 192 
seq. ausgesprochene Lob nur unterschreiben und muss den ange- 
legentlichen Wunsch hinzufĂĽgen, dass der verdienstvolle Heraus- 
geber sein Werk durch einen 'Companion Volume' unter dem Titel 
'Slidkespeare's Holinsheä" krönen möchte. 

Gewissermassen als Annexa der New Shakspere Society mögen 
zwei neue Erscheinungen betrachtet werden, nämlich die zweite Aus- 
gabe von Miss Bunnetfs Uebersetzung des Gervinus'schen Werkes 
ĂĽber Shakespeare (Shakspeare Commentarics), die durch eine Ein- 
leitung von Mr. Furnivall eingefĂĽhrt worden ist, und die kleine 
Schrift von A. H. Paget ( Shakespeare' 's Plays: a Chapter of Stage 
History &c), welche Mr. Halliwell- Phillips den Mitgliedern der 
Gesellschaft zum Geschenk gemacht hat. Es ist eine anspruchs- 
lose Studie, die zwar keine tiefgehenden Untersuchungen anstellt 
und keine neuen Ergebnisse zu Tage fördert, wol aber in gefälliger 
Darstellung einen kurzen Ueberblick gewährt über den Gang, den 
die AuffĂĽhrungen der Shakespeare'schen Dramen auf der englischen 
BĂĽhne genommen haben. Das ist freilich ein Thema, welches sich 
nicht durch einen Essay erledigen lässt, sondern wol verdiente zum 
Gegenstande eines erschöpfenden Werkes gemacht zu werden. 

Eine zweite Auflage ist ferner zu verzeichnen von William 



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— 310 — 



Watkiss Lloyd's Critical Essays on the Plays of Sliakespeare (Bell 
& Sons, 2/6), sowie von Dr. Inglebifs unter dem etwas sonder- 
baren Titel 'The Still Lion' bekannten Essay, der zuerst im Jalir- 
buche der Deutschen Shakespeare - Gesellschaft Bd. II erschien, 
später unter die Mitglieder der New Shakspere Society vertheilt 
wurde und jetzt in Buchform herausgekommen ist unter dem Titel: 
Shakespeare - Hermeneutks; or, The Still Lim: being an Essay to- 
wards the Restoration of Shakespeare' 1 s Text. By C. M. Ingleby, 
M. A. LL. D. (London, TrĂĽbner, 4/6.) 

Dass der Hamlet nicht mit Stillschweigen ĂĽbergangen worden 
ist, wird der Leser von vorn herein nicht anders annehmen. Die 
beiden Beiträge zur Erklärung dieses ewigen Räthsels, die wir zu 
verzeichnen haben, sind jedoch von keiner dem Gegenstande ent- 
sprechenden Bedeutung. A Study of Hamlet by Frank A. Mar- 
shall (Longmans, 7/6, pp. 205) ist aus einer oder zwei Vorlesungen 
entstanden, welche der Verfasser vor der Catholk Young MerVs 
Association gehalten hat. Dieser Vorlesungs-Stoff nimmt jedoch 
nur die Hälfte des Buches ein (bis p. 113); die andere besteht 
aus Anhängen und nachträglichen Anmerkungen, ein Beweis, dass 
der Verfasser den Stoff nicht genĂĽgend beherrscht und nicht voll- 
ständig zu verarbeiten verstanden hat. Mit Vorliebe behandelt 
der Verfasser die neuesten Hamlet- Darsteller, Tommaso Salvini, 
Emesto Rossi und Henry Irving, denen er daher ziemlich ein- 
gehende Besprechungen gewidmet hat. Noch weniger als Mar- 
shalFs Studie befriedigt: Hamlet; or, SJiakespeare's Philosophy of 
History &c. By Mercade (Williams and Norgate). Shakespeare, 
meint der Pseudonyme Verfasser, hat in diesem StĂĽck das grosse 
dynamische Princip der modernen europäischen Geschichte er- 
grĂĽndet. Die Zeit ist die BĂĽhne, auf der das StĂĽck aufgefĂĽhrt 
wird, das Menschengeschlecht bildet das darstellende Personal, 
Wahrheit und Irrthum sind die Handlung des StĂĽckes. Claudius 
vertritt Irrthum, Ungerechtigkeit &c, Gertrud 'human belief and 
custom\ und beider Heirath bedeutet die Verderbniss des Christen- 
thums, während der alte Hamlet das unverfälschte Christenthum 
(bis zum zweiten Jahrhundert), die ideale Wahrheit und Gerech- 
tigkeit vertritt, Polonius repräsentirt Bigotterie, Unduldsamkeit 
und Absolutismus; Ophelia die Kirche — der Verfasser scheint 
nicht hinlänglich erwogen zu haben, dass Ophelia verrückt wird — 
Hamlet den Fortschritt, Osric Gesellschaft und Kritik. Ohne uns 



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— 311 — 



auf eine weitere Erörterung dieser und anderer Repräsentationen 
einzulassen wollen wir uns nur noch die Frage erlauben, was wol 
der Herr Verfasser selbst repräsentirt? 

Was die folgenden Publikationen angeht, so mĂĽssen wir uns 

— aus verschiedenen Gründen — damit begnügen ihre Titel zu 
verzeichnen. Es sind: The Mind of Slwkespeare. By the Rev. 
A. A. Morgan, M. A. (Routledge). — TJie New Shaksperian Die- 
tionary of Quotations. By G. Somers Bellamy (ungĂĽnstig recen- 
sirt von R. Simpson in The Academy, Sept. 25, 1875 p. 322 seq.) 

— A Lecture on Macbeth; being one of a Series on Dramatic Lite- 
rature, delivered by the late James Sheridan Knowles. Never be- 
fore published. (Francis Harvey, 2/6). — Shakespeare Library. 
A New Edition by W. C. Hazlitt (wird von zwei Bänden auf sechs 
ausgedehnt). ' — Shakesperian Calendar for 1876. A Changeable 
Date Block for the Wall, in large Type, with a Pertinent Quo- 
tation from Shakespeare for every Day in the Year. Printed in 
Colours (Marcus Ward & Co. 1/6). — Endlich eine Schulausgabe: 
Shakespeare' s K. Henry VIII. With Introduction and Notes by 
William Lawson (Collins's School and College Classks). 

Unter den in der periodischen Presse erschienenen Beiträgen 
zur Shakespeare - Kunde verdienen einige namhaft gemacht zu 
werden. Dr. Oiarles Mackay hat im Athenaeum (October 1875) 
einige Artikel unter dem Titel 'Gaelic Words in Sliakespeare' ver- 
öffentlicht, in denen er sich bemüht eine ganze Reihe schwieriger 
Wörter und Redensarten in Shakespeare's Dramen aus dem Gaeli- 
schen herzuleiten. Leider gebricht es diesen Versuchen jedoch 
an grĂĽndlicher philologischer Kenntniss, und es hat daher nicht 
an sachkundigem Stimmen gefehlt, die sich dagegen erklärt haben; 
so namentlich W. W. Skeat im Athen. 1875, II, p. 542 seqq. — 
Ein anderer interessanter Aufsatz (Othello and Sampiero) im . 
Athen. 1875, II, 371 von C. Elliot Browne versucht eine neue 
Quelle des Othello nachzuweisen; ein dritter ebenda 1875, II, p. 
609 von Stanislaus Kozmian in Posen will in einer polnischen 
Geschichte des 14. Jahrhunderts eine Quelle des Wintermärchens 
entdeckt haben; ein vierter endlich in Tlie British Quarterly Re- 
view No. CXXIII (July 1875) beschäftigt sich mit 'Shakespeare's 
Character and Early Career*. 

Alle diese Arbeiten werden weit ĂĽberragt von Adolphtis Wil- 
liam Ward's History of English Dramatic Literature to the Death 



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— 312 — 



Queen Anne (Macmillan, 1875, 2 vols), einem Werke von weitem 
Gesichtskreise, grossartiger Anlage und echt wissenschaftlicher 
DurchfĂĽhrung. FĂĽr das Shakespeare - Jahrbuch kommen freilich 
nur diejenigen Partien in Betracht, welche sich mit Shakespeare, 
seinen Vorgängern, Zeitgenossen und Nachfolgern beschäftigen; 
diese Partien bilden aber die Haupt-Substanz des Werkes, wie 
folgende Kapitel -Ueberschriften und Seitenzahlen darthun: Sliak- 
spere's Predecessors I, 151 — 270; Slidkspere I, 271 — 513; Ben Jonson 
I, 514 — 604; Tlie Leiter Elisabetlians II, 1 — 154; Beaumont and 
Fletcher II, 155—248; TJie End of tlie Old Drama II, 249—443. 
Ein je reicherer Inhalt uns in diesen Kapiteln entgegen tritt, um 
so mehr müssen wir die Unmöglichkeit bedauern, demselben von 
dem Standpunkte des einfachen Berichterstatters aus Gerechtigkeit 
widerfahren zu lassen; wir sind nicht im Stande auf den wenigen 
uns zu Gebote stehenden Seiten dem Verfasser bei dem Gange 
seiner Darstellung zu folgen oder seine Auffassung kritisch zu 
beleuchten. Ausser dem Mangel an Raum liegt noch ein anderer 
Grund vor, der sich einer wirklichen Kritik hindernd in den Weg 
stellt, der nämlich, dass die deutschen Shakespeare-Gelehrten hier- 
bei Partei sind. Denn das, was uns bei Durchlesung des Buches, 
soweit es das Shakespeare'sche Drama betrifft, zunächst ins Auge 
springt, das ist die umfassende Kenntniss, die wohlwollende An- 
erkennung und die einsichtsvolle Verwerthung der einschlagenden 
deutschen Arbeiten, welche der Verfasser durchgängig an den Tag 
legt. Bei seinen Landsleuten dient ihm das freilich nicht ĂĽberall 
zur Empfehlung; hat doch das Athenaeum (1875, n, 681 seq.) in 
seiner abfälligen Besprechung des Werkes die nicht misszuver- 
stehenden Worte einfliessen lassen: 'With German criticism Mr. 
Ward is conversant and this, indeed, seems to he his principal qua- 
lification for (he taslc he has undertdken.' Wir Deutschen dagegen 
können uns nur freuen, dass Ward (gleichwie wie Dowden und 
Furness) das Studium Shakespeare's im Geiste wahrer BrĂĽder- 
lichkeit als ein Bindeglied zwischen den Nationen der germani- 
schen Völkerfamilie auffasst, und wollen im Bewusstsein dieser 
erfreulichen Thatsache gern vereinzelte Ausschreitungen Anders- 
denkender ĂĽbersehen, gleichviel auf welcher Seite sie Statt finden 
mögen. 'No Englishman, sagt Ward I, 321 seq., will dispute the 
right of German Sh-äkspere- scholars to take an honest pride in Üie 
spirit as well as in the results of their single-minded labours, or 



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— 313 — 

deny tJiem the pleasure of calling Slmkspere their own. He cannot 
be denationalised by their love for him; but he can be made more 
and more what it is his destiny to become, the poet above all others 
of the Oermanie race, and through it of civilisation at large. With 
such an end in view, needless boasts mag be received with kindly 
good'humour, and extravagant claims dismissed in silence. There 
is no branch of the study of Shakspere in whicJi tlie labours of the 
Germans will not be weleomed by ourselves, neither that of aestheticdl 
critieism in whicli they have hitJierto more especially shone, nor that 
of textual critieism in which tlie efforts of our own scholars are 
being seconded by theirs. Of the rivalry between the German and 
the English stage as artistic homes of Slialcspere it would be unliappily 
a mockery to spedk at the present day. But it is to be hoped tliat 
ihe literary world of either nation mag still find much to learn from 
that of the other.' Das an derselben Stelle der Deutschen Shake- 
speare-Gesellschaft und ihren einzelnen Mitgliedern gespendete Lob 
kann die Gesellschaft unmöglich selbst registriren, wie wünsehens- 
werth es auch sein möchte, dass diese Seite der Medaille einmal 
unsern Herren Feuilletonisten zu Gesicht gebracht wĂĽrde. Die 
Sache steht mit Einem Worte so, dass die Geschichte der dra- 
matischen Poesie in England, deren Mittelpunkt Shakespeare bildet, 
nicht mehr ohne BerĂĽcksichtigung der deutschen Arbeiten ge- 
schrieben werden kann. In der That beruht Mr. Ward's Werk, 
theilweise selbst ĂĽber die Darstellung Shakespeare's hinaus, zur 
Hälfte auf deutscher Forschung, was um so erklärlicher ist, als 
sich bei einem so umfänglich angelegten Werke der Verfasser 
selbst . nicht auf Detailforschung einlassen kann. Ihm kommt es 
vielmehr darauf an, die Ergebnisse der letztern zusammenzufassen 
und auf dieser Grundlage den Entwicklungsgang der dramatischen 
Poesie zur Anschauung zu bringen. Es versteht sich, dass dabei 
die Arbeiten der englischen Shakespeare-Gesellschaft nicht minder 
gewissenhaft benutzt worden sind, und wenn sie fĂĽr die Zwecke 
des Verfassers etwa geringere Ausbeute geliefert haben sollten, so 
liegt das nicht an ihm, sondern an der englischen Gesellschaft, 
welche bezĂĽglich ihrer kritischen Richtung unleugbar in eine ge- 
wisse Einseitigkeit verfallen ist und sich nicht vor der Klippe 
gehĂĽtet hat, den an sich sehr beachtenswerthen metrischen Kriterien 
auf Kosten aller andern eine ausschliessliche Geltung zuzugestehn 
und dadurch zu Resultaten zu kommen, die trotz der Sicherheit, 



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— 314 — 



mit welcher sie verkĂĽndet werden, bei unparteiischer und allseitiger 
Erwägung unmöglich als feststehend angesehen werden können. 
Der Verfasser spricht sich I, 358 seqq. eben so freimĂĽthig als be- 
sonnen ĂĽber die External und Internal Tests aus, und man wird nicht 
umhin können, ihm im Allgemeinen beizustimmen. Alles in Allem 
verdient sein Werk um so mehr eine sympathische Aufnahme, als 
wir keine andere zusammenfassende Geschichte des englischen 
Drama' s besitzen, welche dem gegenwärtigen Stande der Forschung 
entspräche. Hoffen und wünschen wir also, dass das Buch recht 
bald eine zweite Auflage erleben und so dem Verfasser Gelegen- 
heit gewähren möge, einzelne stylistische und andere Mängel zu 
beseitigen und dem Ganzen nochmals eine nachbessernde Hand zu 
widmen. — 

Wir wenden uns zu America. Die erfreulichste Nachricht, 
die uns von dorther kommt, ist die, dass Band 3 der Netv Variorum 
Editim von H. H. Furness, der den Hamlet enthält, im Manuscript 
vollendet ist. Leider wird aber der Druck anderer Umstände 
halber schwerlich vor Winter beginnen können, und wir müssen 
uns über diese Verzögerung mit der Hoffnung trösten, dass der 
unermĂĽdliche Herausgeber die Zwischenzeit nicht ungenutzt ver- 
streichen lassen wird, so dass der vierte Band dem dritten in 
nicht langer Frist wird folgen können. 

Ein zweiter schätzbarer Beitrag, den America zur Shake- 
speare-Literatur beisteuert, sind die bibliographischen Studien von 
Justin Winsor ĂĽber die ursprĂĽnglichen Quartos und Folios. Diese 
Studien sind seit längerer Zeit in den Monatsberichten der unter 
Mr. Winsor's Leitung stehenden Bostoner Bibliothek veröffentlicht 
und in dankenswerth freigebiger Weise auch deutschen Shakespeare- 
Gelehrten mitgetheilt worden. Mr. Winsor wird das Ganze dem- 
nächst in Buchform herausgeben unter dem Titel: A Bibliograpliy 
of the Original Quartos and Folios of SJiakespeare with Particular 
Reference to Copies in America. By Justin Winsor, Superintendent 
of the Boston Public Library. With Sixty Two Heliotype Facsimiles. 
(Boston, Osgood & Co.; London, TrĂĽbner & Co.) Leider wird 
das Werk seines hohen Preises wegen (5 Guineen) nur der Minder- 
zahl der Shakespeare-Gelehrten zugänglich sein; desto mehr sollten 
es die Bibliotheken fĂĽr ihre Aufgabe halten, sich desselben zu 
versichern. 

Einige Aufsätze und Skizzen, welche in verschiedenen Amerika- 



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— 315 — 



nischen Zeitschriften erschienen sind, besitzen insofern Interesse, 
als sie Documente fĂĽr die geographische Verbreitung Shakespeare's 
sind, wenn man nämlich von einer solchen wie etwa von einer 
geographischen Verbreitung der Thiere und Pflanzen sprechen 
kann. In Lippincoifs Magazine Dec. 1875 p. 685 — 689 hat die 
in der Nähe von Philadelphia lebende Frances Anne Kemble 'Notes 
on tlie Characters of Queen Katharine and Cardinal Wolsey in 
Sliakespcarc's Play of Henry VHP veröffentlicht. Mit feinem, 
ästhetisch gebildetem Sinne stellt die Verfasserin diese beiden 
Gestalten einander gegenĂĽber, von denen die eine den Geburts- 
stolz, die andere den Stolz des Emporkömmlings und Machthabers 
vertritt ; sie bleibt aber nicht blos bei diesen Charakteren stehen, 
sondern spricht sich ĂĽberhaupt ĂĽber das jetzt so vielfach be- 
handelte StĂĽck aus. Ein Backwoodsmann , D. J. Snider, hat eine 
Reihe von Kritiken ĂĽber Romeo and Julie, Lear, Timm, Othello 
und Macbeth geliefert, die von einem gesunden, poetisch empfäng- 
lichen Sinne Zeugniss ablegen und ihm zur Ehre gereichen (siehe 
The Academy Oct. 30, 1875 p. 452). Damit noch nicht genug ist 
das Shakespeare-Studium bereits bis in den fernsten Westen vor- 
gedrungen: das in S. Francisco erscheinende Overland Monthly hat 
in seiner Juni-Nummer 1875 Seite 506—514 einen beachtenswerthen 
Artikel ' Shakespeare 's Prose 1 von Edward E. Sill gebracht. Also schon 
in Californien, im Lande Bret Harte's, entwickeln sich die An- 
fänge der Shakespeareomanie! Wenn die californischen Feuille- 
tonisten ihren deutschen Collegen gleichen, so werden sie sich 
kreuzigen und segnen; auf alle Fälle sollten sie als literarische 
Zionswächter zusehen 'ne quid detrimenti respublka capiat' — 

Die bedeutendste Erscheinung auf dem Felde der deutschen 
Shakespeare-Literatur ist die Vollendung des Shakespeare-Lexicons 
von AI. Schmidt (Berlin, G. Reimer, 2 Bde). Wir begrĂĽssen in 
diesem Werke ein Denkmal unermĂĽdlichen Fleisses, das auf lange 
Jahre hinaus ein schätzenswertlies und fruchtbares Hülfsmittel 
beim Studium Shakespeare's zu bleiben verspricht. Wie der Ver- 
fasser in der Vorrede aus einander gesetzt hat, unterscheidet sich 
sein Werk einerseits von den Glossaren (Nares, Dyee u. a.) wie 
andererseits von den Concordanzen (Mrs. Cowden Clarke, Mrs. H. 
H. Fnrness u. a,). Während nämlich die Glossare nur das obsolet 
und unverständlich Gewordene zusammenstellen, hat das Lexicon 
den gesammten Sprach- und Wortschatz Shakespeare's in sich auf- 



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— 316 — 



genommen. Von den Concordanzen unterscheidet es sich dadurch, 
dass es systematisch die verschiedenen Bedeutungen vorfĂĽhrt, in 
denen ein Wort vom Dichter gebraucht wird und so ein Bild von 
der begrifflichen Entwicklung der Wörter gewährt, soweit sie 
bei Shakespeare vorkommen. In letzterer Hinsicht hat sich der 
Verfasser streng an die echten Werke des Dichters, einschliess- 
lich des Pericles, gehalten. Eine Ausdehnung etwa auf die dra- 
matische Poesie der Elisabethanischen Periode ĂĽberhaupt wĂĽrde 
dem Werke ohne Frage manche befruchtende Elemente zugefĂĽhrt 
haben, sie hätte aber an die Stelle der festen Grenze eine völlig 
unsichere gesetzt und obendrein die Arbeit zu einer fĂĽr den 
Einzelnen fast unbezwinglichen gemacht. So wie es ist bildet 
das Werk ein in sich geschlossenes Ganzes, und auch die Aus- 
schliessung der zweifelhaften StĂĽcke kann vom Standpunkte des 
Verfassers aus nur gebilligt werden. Eine andere Frage wäre 
die, ob nicht eine eingehendere Aufmerksamkeit auf Etymologie 
und Orthographie erwünscht gewesen sein möchte; aber die Ety- 
mologie ist nicht sowohl Sache eines Special-, als eines allgemeinen 
Lexicons, das den gesammten Umfang der Sprache behandelt; 
und die Orthographie war zu Shakespeare's Zeit weit entfernt 
von systematischer Regelung, so dass der Verfasser offenbar den 
sachgemässesten Weg eingeschlagen hat, wenn er sich bei dem 
ohnehin gewaltigen Umfange des Stoffes hierin auf das knappste 
Maass beschränkt hat. Was endlich den in Aussicht genommenen 
Nutzen des Buches betrifft, so lässt sich dieser unmöglich mit 
treffendem Worten charakterisiren als mit denen des Verfassers 
selbst; er ist nach ihm 'sichreres und gründlicheres Verständniss 
des Dichters; methodischere kritische Behandlung seines Textes, 
Beschaffung möglichst zuverlässigen Materials für die seit Samuel 
Johnson zwar äusserlich sehr angewachsene, aber innerlich mehr 
und mehr verfallene englische Lexicographie; Richtigstellung zwar 
nur eines einzelnen, aber des hervorragendsten und wichtigsten 
Merksteins in der Geschichte der englischen Sprach-Entwickelung.' 
Indem wir keinen Zweifel hegen, dass sich dieser angestrebte 
Nutzen mehr und mehr verwirklichen wird, wĂĽnschen wir dem 
trefflichen Buche diesseits wie jenseits des Kanals die Verbreitung 
und Anerkennung, die es so reichlich verdient. 

Den Dimensionen des Schmidt'schen Lexicons gegenĂĽber 
schrumpfen die übrigen letztjährigen Beiträge zur deutschen Shake- 



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- 317 - 

speare-Literatur zur Unbedeutendheit zusammen, und zwar nicht 
blos äusserlich. Wir hoffen nichts übersehen zu haben, wenn wir 
die folgenden aufzählen. 1. William Shakespeare. Eine neue Studie 
ĂĽber sein Leben und sein Dichten, besonders ĂĽber seinen Einfluss 
auf alle späteren dramatischen und darstellenden Künstler von Karl 
Fxilda, Kreisgerichtsrath in Marburg (Marburg). Es ist ein BĂĽch- 
lein von und für Dilettanten, bei dem von selbständiger Forschung 
und Kritik keine Rede sein kann. Der Herr Verfasser weiss u. a. 
nicht allein, dass die Frauen nur 'verlarvt' ins Theater gehen 
konnten, sondern auch, dass sie es nur in 'männlicher Kleidung' thun 
durften (S. 39). 2. Die BlĂĽthezeit des englischen Drama* 8. Von 
O. H. Haring. (Hamburg, Meissner.) Drei populär- wissenschaft- 
liche Vorträge, als deren Quellen der Verfasser Chambers* Cyclopaedia; 
JDrake, Shakespeare and his Times; Rye, England as seen by Foreigners 
und Taine, History of English Literature translated by van Latin 
angiebt. 3. Shakespeare 1 s Macbeth ĂĽbersetzt und kritisch beleuchtet 
von Georg Messmer (MĂĽnchen, Literarisch -artistische Anstalt). Die 
Uebersetzung des Macbeth ist bekanntlich eine so ausserordentlich 
schwierige Aufgabe, dass trotz mannigfacher Versuche das Unter- 
nehmen noch nicht in endgĂĽltiger Weise gelungen ist und zu seinem 
Gelingen eine Uebersetzungs- Kraft ersten Ranges erfordert. Die 
kritische Beleuchtung des Verfassers besteht in einer Anzahl von 
Anmerkungen, zu denen die Ausgaben von Delhis und Furness den 
Stoff geliefert haben. 4. Studie ĂĽber William Shakespeare' 's Trauer- 
spiel: Hamlet, Prinz von Dänemark. Von Gustav Liebau, Ein 
Beitrag aus des Verfassers demnächst erscheinender Schrift: 'William 
Sliakespeare's dramatischer Nachlass 1 (Bleicherode). Es möchte zweck- 
mässig sein, das Erscheinen dieser Schrift abzuwarten, ehe über 
den gegenwärtigen, 16 Seiten umfassenden 'Beitrag' etwas gesagt 
wird. 5. König Eduard der Dritte. Geschichtliches Schausjnel von 
William Sliakspere. Uebersetzt und mit einem Nachwort begleitet 
von Max Moltke (Leipzig, Reclam jun.). Obwohl dies Drama bereits 
von Tieck in seinen 'Vier Schauspielen von William Shakespeare' 
(1836) und von Ortlepp ĂĽbersetzt worden ist, so heissen wir nichts- 
desto weniger die neue verbesserte Uebersetzung willkommen und 
sind ganz damit einverstanden, dass sie in einer so wohlfeilen Aus- 
gabe auch den weitesten Kreisen zugänglich gemacht worden ist; 
sowohl das StĂĽck wie die Uebersetzung verdienen Verbreitung. 
Womit wir uns aber nicht einverstanden zu erklären vermögen, 



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das ist die bedingungslose Bezeichnung des Drama's als eines 
Shakespeare'schen, die selbst durch Tieck's Vorgang nicht gerecht- 
fertigt werden kann. Wie viel auch fĂĽr Shakespeare's Urheber- 
schaft gesagt werden mag — und auch Collier hat neuerdings in 
seiner privatim gedruckten Ausgabe des StĂĽckes dieselbe als fest- 
stehend angenommen — so ist es doch in keinem Falle angemessen, 
selbst ein noch so ĂĽberzeugendes Ergebniss kritischer Unter- 
suchung als eine geschichtliche Thatsache zu behandeln und da- 
durch das grosse Publikum, das von den innern Vorgängen in 
der Shakespeare-Forschung selbstverständlich keine Kenntniss be- 
sitzt, irre zu fĂĽhren. Der Uebersetzer verweist allerdings auf 
die in seinem Shakespeare-Museum erschienene BeweisfĂĽhrung; er 
wird aber gewiss selbst zugestehen, dass sich diese nicht an das- 
selbe grosse Publikum wendet wie seine Uebersetzung. Uebrigens 
können wir diese Gelegenheit nicht vorüberlassen ohne einen 
Wunsch gegen den Uebersetzer auszusprechen, der allerdings nichts 
mit Edward III. zu thun hat, den nämlich, dass er sobald als 
möglich seine bereits seit Jahren begonnene Hamlet -Ausgabe 
vollenden möchte. Als Torso kann sie unmöglich weder ihrem 
Zwecke entsprechen, noch Erfolg erzielen. 

Zum Schluss haben wir nur noch ein paar vereinzelte Notizen 
hinzuzufĂĽgen ĂĽber neue Shakespeare -Erscheinungen in andern 
Ländern ausser England, America und Deutschland. In Italien ist 
eine neue Uebersetzung von G. Carca.no (Ojpere di Shakspeare, Milano, 
Hoepli, 1875) im Erscheinen begriffen; in Portugal hat Vizconde 
Castilho den Sommernachtstraum unter dem Titel: 0 Sonlio d'una 
.Noite de 8. Joäo übersetzt (nach Athen. 1875, II, 611), und in Ost- 
indien (Madras?) ist eine tamulische Uebersetzung des Kaufmanns 
von Venedig von V. Vanoogapola Charyar, Kaufmann in Madras und 
B. A. der dortigen Universität, herausgekommen. Der nämliche 
Uebersetzer kĂĽndigt auch eine Sanskrit-Uebersetzung dieses StĂĽckes 
an. Das sind Thatsachen, die keines Commentars bedĂĽrfen. 



Miscellen. 



L Seneca und Shakespeare. 

Stellen aus dem Tragiker Seneca sind schon frĂĽher gelegent- 
lich von den Commentatoren Shakespeare's zum Vergleich heran- 
gezogen worden; doch ist bisher noch nicht eine Reihe solcher 
Parallelstellen aus den beiden Dichtern in der Absicht zusammen- 
gebracht worden, um aus ihnen den Schluss zu begrĂĽnden, dass 
Shakespeare ein Leser Seneca's war, und dass solche Anklänge, 
weil nicht vereinzelt, auch nicht rein zufällig sind. Neuerdings 
hat H. A. J. Munro, der auch bei uns in Deutschland wohlbekannte 
Herausgeber des Lucrez, in dem englischen Journal of Philology 
Bd. 6 Seite 70 ff. Einiges dieser Art zusammen gestellt, und da 
wenig Wahrscheinlichkeit dafĂĽr ist, dass den meisten Lesern des 
Shakespeare-Jahrbuchs die englische Zeitschrift, welche sich ĂĽber- 
haupt keiner grossen Verbreitung in Deutschland zu erfreuen 
scheint, zu Gesicht kommen wird, erlauben wir uns hier, das von 
Munro Gegebene auszugsweise mitzutheilen. 

Macbeth V, 3,40: Canst thoii not minister to a mind disrased 
wird verglichen mit Herc. FĂĽr. 1261 (1628) nemo polluto queat 
Animo mederi. Dabei stellt sich, zwischen den bei Seneca vor- 
hergehenden Versen und der Stelle im Macbeth L c. V. 22 ff. eine 
auffallende Aehnlichkeit heraus. Bei Seneca heisst es 1265 ff.: 
cur animam in wta luce detineam amplhis 
moresque, nihil est. Clinda Um amisi bona: 
mentem, arma, famam, coniugetn, gnatos, manns, 
etiam fnrorem. 
Bei Shakespeare: 

I have lived long enough — 
And that which should aecompany old age, 
„ As honour, love, obedience, troops of friends, 
I must not look to have. 



— 320 — 



In Hamlet's berühmtem Monolog HI, 1 lässt sich die Stelle 
V. 78 ff. mit verschiedenen Stellen aus Seneca vergleichen; Herc. 
FĂĽr. 858 (862): 

qualis est nobis animus, remota 
luce, cum macstus sibi quisque sentit 
obrutum tota caput esse terra ... 
(864) sera nos illo referat senectus. 

nemo ad id sero venit, unde numquam, 
cum semel venit, potuit reverti. 
quid iuvat dirum properare fatum? 

Herc. Oet. 48: 

inde ad hunc orbem redi, 
nemo unde retro. 
Ibid. 1525 (1529): 

die ad aetemos properare Manes 
Herculem et regnum canis inquieti, 
unde non umquam remeavit ullus. 
Der Gedanke, dass von der Unterwelt Niemand zurĂĽckkehre, 
ist natürlich den Alten geläufig genug — man vergleiche vor 
Allem Catull's bekannten Ausspruch in dem reizenden Klagelied 
über den Tod von Lesbia's Sperling, — aber darauf wird es jetzt 
nicht ankommen, sondern darauf, dass sich dieser Gedanke auch 
bei Seneca findet, und zwar ähnlich ausgedrückt, wie bei Shake- 
speare. 

Cassius' Worte im Julius Caesar m, 1, 111 ff.: 

How many ages hence 

Shall this our lofty scene be acted wer 

In states unborn and t accents yet unlmotvn 
erinnern in ihrer ganzen Haltung an die Verse 292 — 294 in den 
Troades, wo Pyrrhus fragt: 

nullumne AchĂĽlis praemium Manes ferent? 
und Agamemnon antwortet: 

ferent, et illum laudibus cuneti canent, 

magnumque terrae nomen ignotum andient. 
Etwas weiter ab liegt der Vergleich der Worte Hotspur's: 

Methinks, it were an easy leap 

To pluck bright honour from the pale-faced moon, 

Or dive into the bosom of the deep &c. 
mit den Worten des Atreus in dem Thyestes 289: 



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321 



regna nunc sperat mea. 
hac spe minanti fidmcn occurret Jovi, 
hac $})e subibit gurgitis tumidi minas 
dubitunque Libyern Syrtis intrabit fretum. 
Zu diesen von Alunco angefĂĽhrten Stellen Hesse sieh noch 
manche hinzufĂĽgen, doch sind ja auch schon die hier gegebenen 
Stellen von ganz besonderer Bedeutung und andere sind, wie gesagt, 
schon gelegentlich von den englischen Herausgebern angezogen 
worden. Im Allgemeinen lässt sich hinzusetzen, dass der Einfluss 
der Tragödien Seneca's auch bei den englischen Dramatikern kein 
geringer gewesen ist, wenn gleich in England Seneca nicht von 
der Bedeutung war wie in Frankreich und Italien. Munco redet 
von diesen Dingen nur ganz beiläufig — Seneca wurde einst viel 
gelesen, heut zu Tage wenig. Er gehört indessen mit zu den 
Schriftstellern, die am frĂĽhesten in's Englische ĂĽbersetzt wurden. 
Jasper Heywood ĂĽbersetzte die Troades schon 1559, den Thyestes 
1560, Herculus Furens 1561; Alexander Neoyle ĂĽbersetzte den 
Oedipus 1563; John Studley Medea und Agamemnon 1566. Diese 
Uebersetzungen erschienen dann auch gesammelt; man vergleiche 
Collier's History of Dramatic Poetry IH, 13 — 22. Aus diesen 
Uebersetzungen, wenn nicht aus dem Original, konnte Shakespeare 
die bombastischen Tragödien des Börners leicht kennen lernen, 
und es scheint nicht zweifelhaft zu sein, dass er sie gekannt hat. 
Der Gegenstand wĂĽrde eine weitere AusfĂĽhrung lohnen, doch 
mĂĽssten bei einer solchen die alten englischen Uebersetzungen 
mit zum Vergleich herbeigezogen werden : so Hesse sich auch viel- 
leicht entscheiden, ob Shakespeare Original oder Uebersetzung, 
oder vielleicht beides zugleich benutzt hat. 

W. Wagner. 



H. Zu Jahrbuch X 157 und 175. 

Der GĂĽte des scharfsinnigen Forschers Michael Bernays ver- 
danke ich die folgende Aufklärung, welche den Lesern des Jahr- 
buchs, namentlich wenn sich dieselben fĂĽr die voriges Jahr von 
mir hervorgezogene Alcilia interessirt haben sollten, nicht vor- 
enthalten werden darf. Dieselben werden gewiss mit mir Herrn 

Jahrbuch XL 21 



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Bernays danken für seine schöne Entdeckung, welche zugleich 
auf den Charakter der Gelehrsamkeit, sowie auf die ganze Richtung 
des Dichters der Alcilia ein Streiflicht wirft. 
Bernays schreibt mir, wie folgt: 

„Uncouth unkist habe auch ich bisher in Chaucer nicht ent- 
decken können; die Stelle aber, auf die der Poet der Alcilia an- 
spielt, glaube ich nachweisen zu können. Sie findet sich in der 
Rede, durch welche Pandarus (im ersten Buche von Troylus and 
Cryseyde) den Liebenden bestimmen will, die heimlich und schmerz- 
lich Geliebte zu nennen: 

806. Thou mayst allone here wepe, and crye, and knele; 
But love a wornan that she wote it nougt, 
And she wol qivyte (hat thow shalt not feele: 
UnJcnowe unkyst, and lost that is unsought. 
Der Poet hat sein Citat gar nicht unmittelbar aus Chaucer 
entnommen. Uncouthe, unkiste, sayde the old famous Poete Chaucer 
— so beginnt der Brief an Gabriel Hawey, den E. K. dem 
Shepheades Calender (1579) vorsetzte. Wie vertraut der Dichter 
mit Spenser's Werken war, haben Sie selbst nachgewiesen." 

Die Richtigkeit des von Bernay's gegebenen Nachweises springt 
in die Augen; es ist eine Sache, die man sich ärgert, nicht selbst 
gefunden zu haben, während man doch dem Finder entschieden 
sehr dankbar sein muss. 

W. Wagner. 



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Katalog 

der 

Bibliothek der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft. 



I. Ausgaben sämmtlicher und einzelner Werke 

Shakespeare's. 

Shakespeare. The First Folio Edition of 1623. Repro- 
duced under the immediate Supervision of H. Staunton by Photo- 
lithography. London 1864. (Geschenk L K. H. der Frau Gross- 
herzogin von Sachsen.) 

The Works of Mr. W. SJiakespear. By N. Rowe. Vol. 
I— VII. London 1709—10. 

Twenty of the Plays of Shakespeare, being the whole 
Number printed in Quarto . . . publish'd from the Originals by G. 
Steevens. Vol. I — IV. London 1766. 

Mr. W. Shakespeare, his Comedies, Histories, and Tra- 
gedies. [Ed. by E. Capell.] Vol. I— X. London 1767—68. 

The Works of Shakespear. [Ed. by Th. Hanmer.] The 
second Edition. Vol. I— VI. Oxford 1770—71. 

The Works of Shakespeare. By Mr. Theobald. Vol. I— XII. 
London 1772. 

The Dramatic Works of Shakespeare; with Notes by J. 
Rann. Vol. I— VI. Oxford 1786. 

The Plays and Poems of W. Shakspeare, with the Cor- 
rections and Hlustrations of various Commentators [by J. Boswell], 
Vol. I— XXI. London 1851. 

The Plays of W. Shakspeare. Vol. I— XX. London, Jones 

1826. (Geschenk des Herrn Dr. C. van Dalen in Berlin.) 

21 * 



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324 — 



The Complete Works of W. SJiakspeare. Leipzig 1837. 
(Geschenk des Herrn C. van Dalen in Berlin.) 

The Pictorial Edition ofthe Works of SJiaJcspere. Edited 
by Ch. Knight. Vol. I— VITI. London o. J. 

The Works of W. Shakespeare. By J. P. Collier. Vol. 
I— Vm. London 1842—44. 

The Dramatic Works of W. SJiakespeare. By S. W. Singer. 
Vol. I— X. London 1856. 

The Works of W. Shakespeare. By A. Dyce. Vol. I— VI. 
London 1857. 

The Works of W. Shakespeare. By A. Dyce. Second Edition, 
Vol. I— IX. London 1864—67. 

SJiakspere's Werke. Herausgegeben und erklärt von N. D e 1 i u s. 
Neue Ausgabe. Bd. 1—7. Elberfeld 1864. (Geschenk des Herrn 
Herausgebers.) 

The Works of Siiakespeare. Edited by H. Staun ton. Vol. 
I— III. London 1864. 

The Works of W. Shakespeare. By R. Gr. White. Vol. 
I— XII. Boston 1865. 

The Dramatic Works of W. SJiakspeare. By W. Hazlitt. 
Vol. I— IV. London 1865. 

The Supplemehtary Works of W. Shakspeare, comprising 
bis Poems and Doubtful Plays. By W. Hazlitt. London 1865. 

* The W orks of W. SJiakespeare. From the Text of A. Dyce's 
second Edition. Vol. I — VII. Leipzig, Tauchnitz 1868. (Geschenk 
des Herrn Verlegers.) 

Doubtful Plays of W. Shakespeare. Leipzig, Tauchnitz 
1869. (Geschenk des Herrn Herausgebers M. Moltke in Leipzig.) 

Cassell's Illustrated Shakesptcare. The Plays of 
SJiakespeare. Edited by Ch. and M. C. Clarke. Vol. I — HI. 
London o. J. 

SJiaJispere's s ä m m 1 1 i c h e W e r k e. Englischer Text, berichtigt 
und erklärt von B. T schischwitz. Bd. 1. (Hamlet.) Halle 1869. 
(Geschenk des Herrn Herausgebers.) 

ANewVarior um Edition of SJiakespeare. Edited by H. H. 
Furness. Vol. I. Romeo and Juliet. Philadelphia 1871. 
Vol. II. Macbeth. Philadelphia 1873. 

The Dramatic Works of SJiakespeare: adapted for Family 
Reading. By Th. Bowdler. New Edition. London o. J. 



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— 325 — 



Shakespeare' s S e 1 e c t P 1 a y s. Ed. by J. Hunter. (Richard TL 
Richard III. Henry VIII. Julius Caesar. Coriolanus. As You 
Likelt. The Merchant of Venice. The Tempest. Hamlet. Twelfth 
Night. King Lear. Macbeth. Othello. Antony and Cleopatra. Mid- 
summer Night' s Dream. King Henry IV, P. I. IL King John. 
Cymbeline. The Merry Wives of Windsor. Troilus and Cressida. 
AU's Well that Ends Well.) London 1869—73. 

Shakespeares Select Plays. Ed. by W. G. Clark and 
W. A. Wright. (The Merchant of Venice. Richard H. Macbeth. 
Hamlet. The Tempest.) Oxford 1869—72. 

SelectPlaysof Slialcspere. Rugby Edition. AsyouLikeit. 
Ed. by Ch. E. Moberly. — Coriolanus. Ed. by R. Whitelaw. 
— Macbeth. Ed. by Ch. E. Moberly. — Hamlet. Ed. by 
Ch. E. Moberly. London, Oxford, and Cambridge 1872—73. 

All's well, that Ends well. London 1756. 

Coriolanus. Edited by F. A. Leo. London and Berlin 1864. 
(Geschenk des Herrn Herausgebers.) 
Cymbeline. London 1734. 

Cymbeline. [Lacy's Acting Edition.] London 1864. (Ge- 
schenk des Herrn Karl Eitner in Weimar.) 
Hamlet. London 1758. 

Hamlet, and As You Like It. A Specimen of a new 
Edition of Shakespeare. London 1819. 

Hamlet. Met ophelderingen voorzien door S. Susan. 
Deventer 1849. 

Hamlet. Herausgegeben von K. Elze. Leipzig 1857. 

Hamlet, 1603; Hamlet, 1604; being exact Reprints of the 
First and Second Editions . . . by S. Timmin s. London 1859. 

Hamlet. Uitgegeven en verklaard door A. C. Löffelt, 
Utrecht 1867. 

Hamlet. Englisch und deutsch. Neu übersetzt und erläutert 
von M. Moltke. Seite IX— LXXXVIII und 1 — 64. Leipzig 
1869 — 71. (Geschenk des Herrn Herausgebers.) 

Hamlet. Ed. by F. H. S t r a t m an n. London and Krefeld 1869. 

King Henry V. London 1759. 

King Henry VHT, arranged by Ch. Kean. 6. Ed. London 1855. 
King John. London 1754. 
Julius Caesar. London 1751. 



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— 326 — 



Julius Caesar. Für den Schulgebrauch erklärt von L. Rie- 
chelmann. Leipzig 1867. (Geschenk des Herrn Herausgebers.) 

King Lear. Revived, with Alterations, by N. Täte. Lon- 
don 1759. 

Macbeth. London 1755. 

Macbeth. With explanatory Notes selected from Dr. John- 
son's and Mr. Steevens's Commentaries. Göttingen 1778. (Geschenk 
des Herrn Grafen Yorck von Wartenburg in Weimar.) 

Macbeth, [edited by] M. P. Lindo. Arabern 1853. 

Measure for Measure. London 1734. 

The Merchant of Venice. London 1755. 

The Merchant of Venice. Edited, with Notes, by W. J. 
Rolfe. New-York 1872. 

The Merchant of Venice. FĂĽr den Schulgebrauch crelairt 
von L. Riechelm ann. Leipzig 1876. (Geschenk des Herrn 
Herausgebers.) 

Much Ado ab out Nothing. Photo - lithographed from the 
matchless Original of 1600 in the Library of the Earl of Ellesmere. 
London 1864. 

Othello. London 1756. 

Richard IL By H. G. Robinson. Edinburgh 1867. 
Richard HI. Alter'd from Shakespear by C. Cibber. Lon- 
don 1757. 

Richard JE Revised by J. P. Kemble. London 1818. 

Romeo andJulietta. With Alter ations, and an additional 
Scene; by D. Garrick.' London 1768. 

The Tempest. Edited, with Notes, by W. J. Rolfe. New- 
York 1871. 

The Winter's Tale; with Alterations by J. P. Kemble. 
Now first published, as it is acted by Their Majesties Servants of 
the Theatre Royal, Drury Lane. London 1802. 



The Poems of SJiakspeare. Edited byR. Bell. London o. J. 

Venus and Adonis, from the hitherto unknown Edition of 
1599; The Passionate Pilgrime, from the first Edition of 
1599; Epigrammes, written by Sir J. Davies, and certaine of Ovid's 
Elegies, translated by Chr. Marlowe. Edited by Ch. Edmonds. 
London 1&70. 



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— 327 — 



Shakespeares Sonnets, and a Lover's Complaint. Re- 
printed in the Orthography, and Punctuation of the original edition 
of 1609. London 1870. 

Shakespeare 1 s Sonnets; reproduced in Facsimile. From the 
Original in the Library of Bridgewater House. London 1862. 

The Sonnets oiW. Sliahspere, rearranged and divided into 
four Parts. With an Introduction etc. London 1859. 



II. A. Uebersetzungen und BĂĽhnenbearbeitungen der Dramen 

Shakespeare's. 

1) In deutscher Sprache. 

SJiakespear. Theatralische Werke. Aus dem Englischen 
übersezt von Herrn Wieland. Bd. 1—8. Zürich 1762—66. 

Shakspeare's Schauspiele von J. H. Voss und dessen Söhnen 
H. Voss und A. Voss. Bd. 1—3. Leipzig 1818—19. 4—9. 
Stuttgart 1822—29. (Geschenk der Buchhandlung F. A. Brockhaus 
in Leipzig.) 

Shakspeare's dramatischeWerke, ĂĽbersetzt von Ph. Kauf- 
mann. Th. 1—4. Berlin und Stettin 1830—36. 

Shakespeare in deutscher Uebersetzung. Bd. 1 — 9. Hildburg- 
hausen 1867. (Geschenk des Herrn Dr. Panse in Weimar.) 

Slwkespeare's dramatische Werke. Deutsche Volksausgabe. 
Herausgegeben von M. Mol tke. Bd. 1—12. Leipzig (1868). (Ge- 
schenk des Herrn Uebersetzers.) 

SJiakespeare's dramatische Werke nach der Uebersetzung 
von A. W. Schlegel und L. Tieck sorgfältig revidirt und 
theilweise neu bearbeitet etc., unter Eedaction von H. Ulrici 
herausgegeben durch die Deutsche Shakespeare - Gesell- 
schaft. Bd. 1 — 12. Berlin 1867 — 71. (Geschenk des Herrn 
Verlegers.) 

Shakespeare' s dramatischeWerke. FĂĽr die deutsche BĂĽhne 
bearbeitet von W. Oechelhäuser. Bd. 1—16. Berlin 1870—75. 
(Geschenk des Herrn Bearbeiters.) 

Familien-Shakspeare. Eine zusammenhängende Auswahl 
aus Shakspeare's Werken in deutscher metrischer Uebertragung. 
Mit Einleitungen, etc. von 0. L. B. Wolff. Leipzig 1849. 



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SJiakespeare's Historien. Deutsche BĂĽlmenausgabe von F. 
Dingelstedt. Bd. 1—3. Berlin 1867. 

Shakespeare 1 's Antonius undCleopatra. Auf Grundlage der 
Tieck'schenUebersetzung neu bearbeitet und fĂĽr die BĂĽhne eingerich- 
tet von F. A. Leo. Halle 1870. (Geschenk des Herrn Bearbeiters.) 

Cymbeline. Schauspiel in fĂĽnf AufzĂĽgen von Shakspere. 
Nach Delhis' Ausgabe fĂĽr die BĂĽhne ĂĽbersetzt und bearbeitet von 
G. Frhr. Vincke. Freiburg i. Br. 1873. (Geschenk des Herrn 
Bearbeiters.) 

Shdksperefs König Eduard der Dritte. Uebersetzt und 
mit einem Nachwort begleitet von M. Moltke. Leipzig o. J. 
(Geschenk des Herrn Uebersetzers.) 

Ende gut, Alles gut. Schauspiel in fĂĽnf AufzĂĽgen nach 
Shakspere. Nach Delhis' Ausgabe fĂĽr die BĂĽhne ĂĽbersetzt und 
bearbeitet von G. Frhr. Vincke. Freiburg i. Br. 1871. (Ge- 
schenk des Herrn Bearbeiters.) 

Hamlet, Prinz von Dännemark. Ein Trauerspiel in 6 Auf- 
zügen. [Nach Shakespeare von F. L. Schröder.] Zum Behuf 
des Hamburgischen Theaters. Hamburg 1777. 

Hamlet, Prinz von Dännemark. Ein Trauerspiel in fünf Auf- 
zĂĽgen. Nach Shakespear. (Hamburgisches Theater. Bd. 3. 
Hamburg 1788.) 

Hamlet. Trauerspiel in sechs AufzĂĽgen von W. Shake- 
spear. Nach Göthe's Andeutungen im Wilhelm Meister und A. W. 
Schlegel's Uebersetzung fĂĽr die deutsche BĂĽhne bearbeitet von 
A. Klingemann. Leipzig und Altenburg 1815. 

Sliakspeare's Hamlet, fĂĽr das deutsche Theater bearbeitet 
von K. J. Schütz. Neue unveränderte Ausgabe. Leipzig 1819. 

Hamlet, eine Tragödie von W. Shakespeare. Uebersetzt 
von J. B. Mannhart. Sulzbach 1813. 

Shakspeare' s Hamlet, in Deutscher Uebertragung [von F. 
Jencken]. Hamburg 1834. 

Hamlet von W. Shakspeare, ĂĽbersetzt von R. J. L. 
Samson von Himmelstiern. Dorpat 1837. 

Die erste Ausgabe der Tragödie Hamlet von W. Shake- 
speare. London 1603. Uebersetzt von A. Ruhe. Inowraclaw 1844. 

Hamlet, Prinz von Dänemark. Tragödie des Shakspeare. 
Deutsch von E. Lobedanz. Leipzig 1857. (Geschenk der Ver- 
lagshandlung.) 



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— 329 — 



Hamlet, Prinz von Dänemark. Drama von W. S h a k s p e a r e, 
ĂĽbersetzt von W. Hagen. Nr. 116 des BĂĽhnen -Repertoire des 
Auslandes, herausgegeben von Both (L. Schneider). (Berlin o. J.) 

Hamlet. Grosse Oper. Nach Shakespeare von M. Carre 
und J. Barbier. Deutsch von W. Langhans. Musik von A. 
Thomas. Berlin 1869. 

Der travestirte Hamlet. Eine Burleske in deutschen Knittel- 
versen mit Arien und Chören von K. L. Gieseke. Wien 1798. 

Prinz Hamlet von Dännemark. Marionettenspiel [von J. F. Schink.] 
Berlin 1799. 2. verb. Aufl. das. 1800. 

Hamlet. Eine Karrikatur in drey AufzĂĽgen, mit Gesang in Knittel- 
reimen. Von J. Perinet. Wien 1807. 

Schakespear in der Klemme oder Wir wollen doch auch den 
Hamlet spielen. Ein Vorbereitungsspiel zur Vorstellung des Hamlets 
durch Kinder von Schink, aufgeführt im k. k. Kärntnerthor Theater. 
Wien 1780. 

Der neue Hamlet. In drey Acten. Nebst einem Zwischenspiele 
Pyramus und Thisbe genannt, in zwey Acten. Von Herrn von 
Mauvillon. Grätz 1800. 

Prinz Hammelfett und Prinze ssin Pumphelia. Eine Trauer- 
posse fĂĽr Polichinell- und Kasperletheater von Dr. Sperzius. Neu- 
Kuppin o. J. (Geschenk eines Ungenannten.) 

Shakspeare's König Heinrich VJLLL, übersetzt von Wolf 
Grafen von Baudissin. Hamburg 1818. 

König Heinrich VHI. Schauspiel von Shakespeare. In 
das Deutsche ĂĽbertragen von S. H. Spike r. Berlin 1837. 

Julius Cäsar oder Die Verschwörung des Brutus. Ein Trauer- 
spiel in sechs Handlungen von Shakespear. FĂĽr die Mann- 
heimer BĂĽhne bearbeitet [von W. H. von Dalberg.] Mannheim 
1785. 

Der Kaufmann von Venedig. Schauspiel in fĂĽnf AufzĂĽgen 
von Shakespeare. FĂĽr die Darstellung eingerichtet von C. A. 
West. Wien 1841. 

König Lear. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Nach 
Shakespear [von Fr. L. Schröder.] Hamburg 1778. 

König Lear. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Nach 
Shakespear. Auf dem Augsburger Theater zum ersten Mal auf- 
gefĂĽhrt unter der Direction Herrn Schikaneder's. 0. 0. 1779. 

König Lear. Trauerspiel in fünf Aufzügen von Shak- 
speare. Neu ĂĽbersetzt, und fĂĽr die deutsche BĂĽhne frei bearbeitet, 
von J. B. von Zahlhas. Bremen 1824. 



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— 330 — 



Shakespeares König Lear. Für die Bühne übersetzt von 
Beauregard Pandin [K. F. von Jariges]. Zwickau 1824. 

KönigLear. Trauerspiel in fünf Aufzügen von Shakespeare. 
FĂĽr die Darstellung eingerichtet von C. A. West. Wien 1841. 

Maass fĂĽr Maass. Schauspiel in 5 AufzĂĽgen von Shak* 
spere. Nach Delius' Ausgabe fĂĽr die BĂĽhne ĂĽbersetzt und be- 
arbeitet von G. Frhr. Vincke. Freiburg i. Br. 1871. (Geschenk 
des Herrn Bearbeiters.) 

[Stephani der JĂĽngere.] Macbeth. Ein Trauerspiel in 
fĂĽnf AufzĂĽgen. 0. 0. u. J. [Wien 1774.] (Geschenk des Herrn 
Grafen Yorck von Wartenburg in Weimar.) 

Macbeth, ein Trauerspiel in fĂĽnf AufzĂĽgen von Shakespear. 
FĂĽrs hiesige Theater adaptirt und herausgegeben von F. J. Fischer. 
Prag 1777. 

Macbeth, ein Trauerspiel in fĂĽnf AufzĂĽgen nach Schake- 
spear von H. L. Wagner. Frankfurt a. M. 1779. 

SJiakespeare's Macbeth. Uebersetzt von S. H. S pik er. Ber- 
lin 1826. 

Sliakspeare's Macbeth, tibersetzt von K. Lachmann. Ber- 
lin 1829. 

Shakspere als Vermittler zweier Nationen. Von K. S im rock. 
Probeband. Macbeth. Stuttgart und TĂĽbingen 1842. 

Sfi akspere's Macbeth, ĂĽbersetzt von A. Jacob. Berlin 1848. 

Stokspear's Othello. Aus dem Englischen von L. Schubart 
Leipzig 1802. 

Othello. Trauerspiel in fĂĽnf AufzĂĽgen von Shakespeare. 
FĂĽr die Darstellung eingerichtet von C. A. West. Wien 1841. 

Richard der zweyte, ein Trauerspiel in fĂĽnf AufzĂĽgen von 
Shakespear, fĂĽrs hiesige Theater adaptirt. Prag 1777. 

Sliakespear's Richard H. Ein Trauerspiel fĂĽr die deutsche 
SchaubĂĽhne von 0. von Ge mm in gen. Mannheim 1782. 

Shakspeare's Richard IL, Heinrich IV. und Heinrich V. 
Uebersetzt von R. J. L. Samson von Himmelstiern. Bd. 1. 2. 
Riga 1848. 

Richard IH., ein Trauerspiel in 5 AufzĂĽgen nach Weisse 
[und Schäckespear]. Für die Schuchische Bühne bearbeitet 
von dem Schauspieler C. Steinberg. Königsberg i. Pr. 1786. 

Romeo und Julie. Ein Trauerspiel in fĂĽnf AufzĂĽgen nach 
Shakespear frey fĂĽrs deutsche Theater bearbeitet. Leipzig 1796. 



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331 



Romeo und Julie. Trauerspiel in fĂĽnf AufzĂĽgen von Shake- 
speare. Zur Darstellung eingerichtet von C. A. West. Wien 1841. 

Romeo und Julia. Tragödie des Shakspeare. Deutsch 
von E. Lobedanz. Leipzig 1855. (Geschenk der Verlagshandlung.) 

Der Sturm oder die bezauberte Insel. Ein Schauspiel in zwei 
AufzĂĽgen nach Shakespear von Schink. Wien 1870. 

SJiakespeare's Sturm. Deutsch von Fr. Dingelsted t. Hild- 
burghausen 1866. (Geschenk des Herrn Uebersetzers.) 

SJiakspeare's Troilus und Cressida. Uebersetzt von 
Beauregard Pandin [K. F. von Jariges]. Berlin 1824. 

Die Jbeyden Veroneser. Ein Schauspiel in 4 AufzĂĽgen. 
Nach Shakespear's Schauspiele, gleiches Namens, bearbeitet von 
Kleediz. Schneeberg 1802. 

Viola. Lustspiel in fĂĽnf AufzĂĽgen. Nach SJiakespeare's: Was 
Ihr wollt fĂĽr die BĂĽhne bearbeitet von Deinhardstein. Wien 
1841. 

Die lustigen Weiber zu Windsor. Ein Lustspiel von 
Shakespear. Göttingen 1786. 

Die lustigen W T eiber von W T indsor von Shakspeare. Neu 

und getreu übersetzt. Königsberg 1826. 

Gideon von Tromberg. Eine Posse in drey AufzĂĽgen nach [den 
Instigen Weibern von Windsor von] Shakespear. Von W. H. 
Brömel. 0. 0. 1794. 

Der Widerspenstigen Zähmung. Komische Oper nach 
Shakespeare^ gleichnamigen Lustspiel frei bearbeitet von J. V. 
Widmann. Musik von H. Goetz. Leipzig o. J. (Geschenk 
der Grossh. General -Intendanz in Weimar.) 

Kunst über alle Künste Ein bös Weib gut zumachen. 
Eine deutsche Bearbeitung von Shakespeare's The Taming of 
the Shrew aus dem Jahre 1672. Neu herausgegeben von R. 
Köhler. Berlin 1864. (Geschenk des Herausgebers.) 

Vier Schauspiele von Shakspeare [Eduard HI. Th. Crom- 
well. Sir John Oldcastle. Der Londoner verlorne Sohn.] Ueber- 
setzt von L. Tieck. Stuttgart und TĂĽbingen 1836. 

2) In holländischer Sprache. 

Hamlet, naar het Engelsch van W. Shakspere, door A. S. 
Kok. Haarlem 1860. 

Macbeth, Treurspel van W. Shakespeare, uit het Engelsch, 



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— 332 — 



in de voetmaat van het oorspronkelijke , vertaald en opgehelderd 
door Jurriaan Moulin. Kampen 1835. 

SJiakspear. Macbeth, Drama in't Nederlandsche vertaald 
door N. Destanberg. Gent 1869. (Geschenk des Herrn Ober- 
bibliothekars F. Vanderhaeghen in Gent.) 

3) In friesischer Sprache. 

De Keapman fenVenetien in Julius Cesar, twa Toneel- 
stikken fen Willem Shakspeare: uut it Ingelsk foarfrieske trog 
R. Posthumus. Grinz 1829. 

4) In dänischer Sprache. 

Hamlet, Prinz af Dannemark. Tragoedie af Shakespear. 
Oversat af Engelsk. Kiöbenhavn 1777. 

En Skiaersommernats Dröm. Lystspil af Shakespeare. 
Oversat af A. Oehlenschläger. Kiöbenhavn 1816. 

Stormen. Et Syngespil i tre Afdelinger af W. Shakespeare. 
Omarbeited til Kunzens efterladte Partitur af L. Chr. Sander. 
Kiöbenhavn 1818. 

5) In schwedischer Sprache. 

Köpmannen i Venedig. Skadespel i fem Akter af W. 
Shakespear. Försvenskadt och för scenen behandladt af N. 
Arfwidsson. Stockholm 1854. 

6) In lateinischer Sprache. 

Gnlielmi ShaJcsperii Julius Caesar. Latine reddidit H. 
Denison. Editio H. Oxonii et Londini 1869. 

7) In französischer Sprache. 

Oeuvres dramatiques de Sliakspeare. • Traduction nouvelle 
par B. Laroche, precedee d'une introduction sur le genie de 
Shakspeare par A. Dumas. T. I. II. Paris 1839—1840. 

Hamlet, Prince de Danemark. Drame en vers en cinq acts 
et huit parties par MM. A. Dumas et P. Meurice. Represente 
pour la premiere fois, ä Paris, le 15. Dec. 1847. (Theätre contem- 
porain illustre. 18. et 19. Livraison. Paris o. J.) 

Hamlet, traduit de Shakspeare par P. de Garal. Paris 
1868. 

SJiakspeare. Jules Cesar, Tragedie, traduite en vers francais, 



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— 333 - 

precedee d'une etude et suivie de notes par C. Carlhant. 2ieme 
edition. Paris 1865. 

Othello ou le More de Venise, Tragedie. Par le citoyen 
Du eis. Paris, an IL 

Romeo et Juliette, Tragedie, par Mr. Ducis. Paris 1772. 
(Geschenk des Herrn Freiherrn Wendelin von Maitzahn in Weimar.) 

Romeo et Juliette. Tragedie en cinq actes de Shak- 
speare, traduite en vers francais par M.E. Deschamps. Paris 1863. 
(Geschenk des Herrn Grafen Wolf von Baudissin in Dresden.) 

La Tempete: Tragedie de W. Shakespeare. Traduite en 
vers francais par le Chevalier de Chatelain. Londres 1867. 

8) In italienischer Sprache. 

Operedi Shakspeare. Nuova versione italiana di diversi tra- 
duttori edita e corredata di note e delT analisi del dramma II 
Re Lear da G. Jan. Programma e Saggi. Parma 1838. 

Alcune Tragedie e Drammi di Gugliehno Shakespeare. 
Nuova traduzione dalF originale inglese. Vol. I. (Otello. 
La Tempesta.) H. (II Re Lear. Macbeth.) III. (Sogno di una 
notte di mezza State. Romeo e Giulietta.) Milano 1834. 

II Mercante di Venezia di G. Shakspeare. Versione di 
P. Santi. Milano 1839. 

Romeo e Giulietta. Tragedia di G. Shakspeare, recata 
in versi italiani da M. Leoni di Parma. Firenze 1814. 

Romeo e Giulietta di G. Shakspeare. Versione di 0. 
Garbarini. Milano 1840. 

9) In spanischer Sprache. 

Hamlet. Tragedia de Guillermo Shakespeare. Tra- 
ducida e ilustrada con la vida del autor y notas criticas. Pol- 
ln arco Celenio P. A. [L. F. Moratin.] Madrid 1798. 

El Principe Hamlet, drama trägico-fantästico, en tres 
actos y en verso, inspirado por el Hamlet de Shakespeare y escrito 
expresamente para el primer actor Don Antonio Vico, por C. 
Coello. Madrid 1872. 

10) In rumänischer Sprache. 

Macbeth. Tragoedie in cinci acturi de Shakspeare, traduse 
d'in englisesce de P. P. Garp. Jassi 1864. 



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334 — 



11) In neugriechischer Sprache. 

c AftXetog, ĂźadiXoncug tijg davCag, TQaywSCa tov " AyyXov 2ai%- 
7ttjQov f han%vaq n£m<fQao&uaa y vtto'I.H. Ile^ßavöyXov. Athen 1858. 

12) In polnischer Sprache. 

Dziela WiUiama Shakspeare. Przekladal Ignacy Ke- 
falinski. [Sh's Werke, Uebersetzt von I. K.] Tom I. Hamlet, 
Romeo i Julia. Sen w wigiliq, S. Jana. [A Midsummer-Night ? s 
Dream.] Tom II. Machet. Kröl Lear. Burza. [The Tempest.] 
Wilno 1840—41. 

Dramata Willjama Shakspear'a. Przeklad z pierwotworu. 
[W. Sh's Dramen. Uebersetzung aus dem Original.] Tom I. Ham- 
let. Romeo i Julja. Tom II. Macbeth. Wieczör trzech Kröli. 
[The Twelfth Night,] Kr61 Lear. Krotochwila z pomylek. [The 
Comedy of Errors.] T. III. Kröl Ryszard III. Ukröcenie spornej. 
[The Taming of the Shrew.] Kupiec Wenecki. [The Merchant of 
Venice.] Wiele halasu o nie. [Much Ado about Nothing.] War- 
szawa 1857 — 58. (Die Uebersetzung ist von Josef Paszkowski.) 

Szehspir. Puste kobiety z Windsor'u. [The Merry 
Wives of Windsor] przeJo2yi John of Dycalp. [Uebersetzt von 
John of D.] Wilno 1842. 

Szekspir. Pölnocna godzina. [The Twelfth Night." 
Przeklad Johna of Dycalp. [Uebersetzung von John of D. 
Wilno 1845. 

Dzieia WiUiama Sliakspeare. Przeklad Johna of Dy- 
calp. [Sh.'s Werke. Uebersetzung von John of Dycalp.] Tom m. 
[Kröl Henryk IV.] Wilno 1847. (Der Uebersetzer heisst eigent- 
lich Jan Placyd. Placyd rückwärts gelesen = Dycalp.) 

Kröl Jan. Dramat w pi^ciu aktach W. Szekspira, Prze- 
klad Jözefa Korzeniowskiego. Sofoklesa Edyp Kröl. 
Przeklad z Greckiego Alfonsa Walickiego. [König Johann. 
Schauspiel in fĂĽnf Acten von W. Sh. Uebersetzung von J. Kor- 
zeniowski. König Oedipus des Sophokles. Uebersetzung aus dem 
Griechischen von A. Walicki.] Wilno 1845. 

Juljusz Cezar. Tragedja w pie,cki aktach W. Szekspira. 
Przeklad Adama Pajg erta. [Julius Cäsar. Tragödie in fünf Akten 
von W. Sh. Uebersetzung von A. Pajgert.] Lwöw [Lemberg] 1859. 

Makbet. Tragedya Wilhelma Shakspeara, przeloSona z 



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— 335 — 

Angielskiego wierszem polskim przez Andrzeja Edwarda Koz"- 
miana. [M. Tr. von W. Sh., ĂĽbertragen aus dem Englischen in 
polnischen Versen von A. E. Koimian.] Poznan [Posen] 1857. 

Dziela dramatyc Szekspira. [Sh's dramatische Werke.] 
Tom I. Sen nocy letniej. [A Midsummer-Night's Dream.] Kröl Lyr. 
[King Lear.] Dwaj panowie z Werony. [The Two Gentlemen of 
Verona.] Przekiad Stanislawa Koimiana [Uebersetzung von 
St. Koimian.] Poznan [Posen] 1866. 

(Sämmtliche polnische Uebersetzungen sind ein Geschenk des 
Herrn Banqniers Kronenberg in Warschau.) 

13) In wälscher (kymrischer) Sprache. 

Yr Eisteddfod. Rhif. 6. Cyf. II. Hamlet, Tywysog Den- 
marc. Cyfieithiad. Buddugol yn Eisteddfod Llandudno, 1864. Gan 
"William Stratford", sef, Mr. D. Griffiths. Wrexham 1865. 

14) In finnischer Sprache. 

William Shakespearin Macbeth, Murhenäytelmä wiidessä 
näytöksessä. Alkuperäisestä suomentanut Kaarlo Slöör. Helsin- 
gissä 1864. [W. Sh's Macbeth, Trauerspiel in fünf Akten. Aus 
dem Original ins Finnische übertragen von Karl Slöör. Helsingfors 
1864.] (Geschenk des Herrn Professors Dr. Leo in Berlin.) 

15) In hebräischer Sprache. 

Othello, the Moor of Venice, by Shakspeare. Translated 
into Hebrew by J. E. S. [Salkinson] Edited by P. Smolensky. 
Vienna 1874. 



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feld und A. Schumacher. Wien 1827. 

Shakspeare ] s sämmtliche Gedichte. Im Versmaasse des 
Originals übersetzt von E. Wagner. Königsberg 1840. 

Shakspeare. Venus und Adonis. Tarquin undLukrezia. 
Uebersetzt von J. H. Dambeck. Leipzig 1856. (Geschenk der 
Verlagshandlung.) 



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SJiakespearc's Sonette in deutscher Nachbildung von F. 
Bodenstedt. Berlin 1862. (Geschenk des Herrn Uebersetzers.) 

Shaks2iere's Sonette. Uebersetzt von H. Freiherrn von 
Friesen. Dresden 1869. (Geschenk des Herrn Uebersetzers.) 

Shakspcre's Sonette, deutsch von B. Tschi schwitz. Halle 
1870. (Geschenk des Herrn Verlegers.) 

SJiakespcare's Southampton-Sonette. Deutsch von F. 
Kr au ss. Leipzig 1872. 



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schenk des Herrn Verfassers.) 

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Sidney, Ph. An Apologie for Poetrie. Edited by E. Arber. 
London 1868. 

Nash's LentenStuff. Edited by Ch. Lindley. London 1871. 

Skelton, J. Poetical Works, with Notes, etc. by A. Dyce. 

Vol. I. IL London 1843. 

Roxburghe Library. Publications for 1868 — 70. 

(Paris and Vi en na. From tbe uniqno Copy printed by W. Caxton. 
The Works of W. Browne. Vol. I. II. 

Inedited Tracts: illustrating the Manners, Opinions, and Occu- 
pations of Englishmen during the XVI. and XVH. Centuries. 

The English Drama and Stage nnder the Tudor and Stuart 
Princes 1543—1664, illustrated by a Series of Documents, Treatises and 
Poems. 

The Poems of G. Gascoigne. Vol. I. H 

The Poems of Thomas Carew. Edited by W. C. Hazlitt.) 



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357 — 



van Dalen, C. Grundriss der Geschichte der englischen 
Sprache und Literatur. Aus den Unterrichtsbriefen nach der 
Methode Toussaint-Langenscheidt besonders abgedruckt. Leipzig 
1864. 3. u. 4. Aufl. Berlin 1867 und 1869. (Geschenk des 
Verfassers.) 

Lope de Vega Carpio. Castelvines y Monteses. Tragi- 
Comedia. Translated by F. W. Cosens. London 1869. (Geschenk 
des Herrn Uebersetzers.) 

Rojas y Zorrilla, F. de. Los Bandos de Verona. Montescos 
y Capeletes Englished by F. W. Cosens. London 1874. (Ge- 
schenk des Herrn Uebersetzers.) 



V. Wörterbücher. 

Hai Ii well, J. 0. A Dictionary of Archaic and Provincial 
Words, etc. Vol. I. H. 5 th Edition. London 1865. 

Johnson, S. A Dictionary of the English Language. With 
numerous Corrections, etc. by H. J. Todd. 2 d Edition. Vol. I— m. 
London 1827. 

Müller, E. Etymologisches Wörterbuch der Englischen 
Sprache. Lieferung 1. 2. Cöthen 1864—65. (Geschenk des Herrn 
Verfassers.) 

Nares, R. A Glossary; or, Collection of Words, Phrases, 
Names, etc. in the Works of English Authors, particularly Shake- 
speare and his Contemporaries. A new Edition by J. 0. Halli- 
well and Th. Wright. Vol. L II. London 1859. 

Richardson, Ch. A new Dictionary of the English Lan- 
guage. New Edition. Vol. I. IL London 1863. 

Worcester, J. E. A Dictionary of the English Language. 
London (1859). 

Weimar, Ende März 1876. 

Der Bibliothekar 
der Deutschen Shakespeare -Gesellschaft. 
Dr. R. Köhler. 



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Mitglieder-Verzeiehiiiss 
der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft 

Protedorin. 

I. K. H. die Frau Grossherzogin von Sachsen. 

Vorstand, 

Ulrici, Dr., Professor, Halle, Ehren-Präsident. 
Oechelhausen Geh. Kommerzienrath, Dessau, Vicepräsident. 
Freih. v. Loen, General-Intendant, Weimar, Vicepräsident. 
Freih. v. Friesen, Oberhofmarschall, Exe, Dresden, Ehrenmitglied 

des Vorstandes. 
Delius, Dr., Professor, Bonn. 
Elze, Dr., Professor, Halle. 
Gildemeister, Dr., BĂĽrgermeister, Bremen. 
Hertzberg, Dr., Professor und Gymnasialdirector, Bremen. 
Köhler, Dr., Bibliothekar, Weimar. 
Leo, Dr., Professor, Berlin. 
Marshall, Dr., Geh. Hofrath, Weimar. 
Moritz, Kommerzienrath, Weimar. 

Schöll, Dr., Geh. Hofrath und Oberbibliothekar, Weimar. 
Thiimmel, Dr., Universitätsrichter, Halle. 
Freih. Vincke, Freiburg im Breisgau. 

Elirenm itgliecler. 

Graf Baudissin, Wolf, Dresden. 
Clark, W. G., M. A., Cambridge. 
Döring, k. Hofschauspieler, Berlin. 
Furness, H. H., Esq., Philadelphia. 
Halliwell-Phillipps, ,T. 0., Esq., London. 
Janauschek, Fanny, Hofschauspielerin, MĂĽnchen. 
La Roche, k. k. Hofschauspieler, Wien. 
Wright, W. A., M. A., Cambridge. 

* 

Mitglieder. 
S. M. der König von Sachsen. 

I. K. und K. H. die Frau Kronprinzessin des Deutschen Reiches 
und von Preussen. 



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S. K. H. der Grossherzog von Sachsen. 
S. K. H. der Grossherzog von Oldenburg. 
S. H. der Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha. 
S. H. der Herzog von Sachsen-Meiningen. 
S. D. der regierende FĂĽrst von Reuss j. L. 

Abecken, Justizminister, Exe, Dresden. 
Aigner, Maler, Wien. 

Arnd, Dr., Chef des Industrie-Comptoirs, Weimar. 
Auerbach, Ludwig, jun., Bijouterie-Fabrikant, Pforzheim. 
Barthel, G. Emil, Halle. 

Bauer, Dr., Max, Eittergutsbesitzer, Adendorf bei Gerbstedt. 
v. Beaulieu-Marconnay, Wirkl. Geh. Rath, Exe, Dresden. 
Behmer, Maler, Weimar. 
Bibliothek, Herzogliche, Dessau. 

v. Bodenstedt, Dr., General-Intendant a. D., Meiningen. 

v. Bojanowski, Hofrath, Weimar. 

Böttger, Dr., Professor, Dessau. 

Braumüller, Hof- und Universitäts-Buchhändler, Wien. 

Brockhaus, Dr., Eduard, Buchhändler, Leipzig. 

Brose, M., Privatgelehrter, Berlin. 

Carriere, Dr., Professor, MĂĽnchen. 

Cohn, Albert, Buchhändler, Berlin. 

Cohn, Anton, Kaufmann, Berlin. 

Cohn-Speier, GL, Frankfurt a. M. 

Collin, Daniel, Buchhändler, Berlin. 

Freih. v. Cramm, Hofmarschall a. D., Gera. 

v. Cuny, Appellationsgerichtsrath a. D., Berlin. 

van Dalen, Dr., Professor, Berlin. 

Davy, Humphrey, Esq., Berlin. 

Dernburg, Dr., Professor, Berlin. 

Devrient, Otto, Regisseur, Weimar. 

Dickmann, Dr., ord. Lehrer am Johanneum, Hamburg. 

Dirksen, E., Stadtgerichtsrath, Berlin. 

Döbbelin, Dr., Berlin. 

Ebbinghaus, Julius, Berlin. 

Eisenmann, R., Consul, Berlin. 

v. Falkenhausen, General a. D., Freiburg i. Br. 

Feist, Leopold, Bingen. 

Feising, Otto, Leipzig. 

Fortlage, Dr., Professor, Jena. 

FretzdorfF, Justizrath, Berlin. 

Freih. v. Friesen, Staatsminister, Exe, Dresden. 

Fuchs, J., Warschau. 

Furnivall, F. J., Esq., London. 

Gallenkamp, Director der städt. Gewerbeschule, Berlin. 
Gehring, Dr., Professor, Wien. 



— 360 — 



Gericke, Robert, Dr., Leipzig. 

Gerstmayr, Professor, Kremsmünster in Oberösterreich. 

Gesellschaft fĂĽr das Studium der neueren Sprachen, Berlin. 

Gosche, R., Dr., Professor, Halle. 

Gottschall, Dr., Geh. Hofrath, Leipzig. 

Gruner, Dr., Justizrath, Weimar. 

Gymnasial-Bibliothek, Bunzlau. 

Hager, Dr., Privatgelehrter, Breslau. 

Hallier, J. H., Hamburg. 

Heckmann, Aug., Kommerzienrath, Berlin. 

Heckmann, Fr., Berlin. 

Heintz, Elise, Frau, Halle. 

Hense, Dr., Gymnasial-Director, Schwerin i. Mecklenburg. 

Hering, Appellationsgerichtsrath, MĂĽnster. 

Herrig, Dr., Professor, Berlin. 

Hettner, Dr., Hofrath, Dresden. 

Hildebrandt, Dr., Professor, Jena. 

Höchberg, Leopold, Frankfurt a. M. 

v. HĂĽlsen, General-Intendant, Exe, Berlin. 

Huschke, AI., Hofbuchhändler, Weimar. 

Kammerer, Oberlehrer, Braunschweig. 

Freih. v. Kap-herr, Bärenklause bei Kreischa. 

v. Keller, Dr., Professor, TĂĽbingen. 

König, W., Rechtsanwalt, Bunzlau. 

König, W., jun., Lockwitz bei Dresden. 

Koppel, Rieh., Dr., Privatgelehrter, Dresden. 

v. Koseritz, Dr., Landrath, Wittenberg. 

Kronenberg, Stanislaw, Warschau. 

Krummacher, Martin, Dr., Oberlehrer, Elberfeld. 

v. Kudriaffsky, Euphemia, Fräulein, Wien. 

v. Kyau, Oberappellationsgerichtsrath, Dresden. 

Kyllmann, Baumeister, Berlin. 

Landgraff, Eugen, Gutsbesitzer, Externbrock bei Nieheim. 

Freih. v. Ledebur, Theaterdirector, Riga. 

Lemcke, Dr., Professor, Giessen. 

Lewinsky, Jos., k. k. Hofschauspieler, Wien. 

Liebau, Gust, Geh. exped. Secretär im Reichskanzleramt, Berlin. 

Lindner, Albert, Dr., Berlin. 

Lölimann, Baurath, Dresden. 

Löwe, Feodor, Dr., Stuttgart. 

LĂĽders, Ferd., Dr., ord. Lehrer am Johanneum, Hamburg. 
Mahn, Dr., Privatgelehrter, Berlin. 
Marckwald, G., Berlin. 

Marcuse, H., Consul, Niederwalluf, Rheingau. 
Marshall, Dr., Consul, Weimar. 
Meissner, Johannes, Dr., Redacteur, Wien. 
Merzbacher, Josef, Kaufmann, NĂĽrnberg. 



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— 361 — 

Micolci, Ad., Dr., Lehrer am Jolianneum, Hamburg. 

v. Müde, Feod., Kammersänger, Weimar. 

Moltke, Max, Privatgelehrter, Leipzig. 

Mommsen, Theodor, Dr., Professor, Berlin. 

MĂĽller, Eduard, Professor, Kothen. 

MĂĽller, J., Dr., Oberlehrer, Brandenburg a. H. 

v. MĂĽller, Baumeister, Kiel. 

Nawrocki, F., Dr., Professor, Warschau. 

Nehring, Richard, Liegnitz. 

Nelkenbaum, Heinrich, Warschau. 

Neumann, Regierungsrath, Berlin. 

Niese, Dr., Professor und Institutsvorsteher, Sulza. 

Nolte, Wilhelm, Berlin. 

Oechelhäuser, Adolf, Hannover. 

Oechelhäuser, Heinrich, Siegen. 

Oehlmann, Geh. Regierungsrath a. D., Dessau. 

Pabst, Julius, Dr., Hofrath, Dresden. 

Palleske, Emil, Dr., Villa Thal bei Eisenach. 

Parrow, Dr., Rentier, Weimar. 

Platzmann, Dr., Amtshauptmann, Leipzig. 

Plebanski, Dr., Professor, Warschau. 

Putlitz, Gustav zu, Generaldirector des Hoftheaters, Karlsruhe. 

Putzler, Dr., Oberlehrer, Görlitz. 

Realschule zu GrĂĽneberg, Schlesien. 

Freih. von Reichlin-Meldegg, Dr., Professor, Heidelberg. 

Reimer, Georg, Verlagsbuchhändler, Berlin. 

Riechelmann, Dr., Gymnasialdirector, Thann im Elsass. 

Rodrian, Buchhändler, Wiesbaden. 

Rotte, A., Dr., Staatsrath, W T arschau. 

Schartow, Geh. Ober-Finanzrath, Berlin. 

Schmidt, AI., Dr., Realschuldirector, Königsberg i. Pr. 

Schmitz, Leonhard, Dr., London. 

Schulz, Zeichnenlehrer am Gymnasium, Neu-Ruppin. 

SchĂĽtz, G., Oberlehrer, Minden. 

Schwabe, Dr., Medicinalrath, Blankenburg bei Rudolstadt. 
Schwarz, Oskar, Dessau. 
Schweitzer, Julius, Berlin. 
Schwetschke, Gustav, Dr., Halle. 

Freih. v. Seckendorff, Wirkl. Geh. Rath, Exe, Meuselwitz bei 
Altenburg. 

Seminar fĂĽr romanische und englische Philologie, Marburg. 

Simrock, Dr., Professor, Bonn. 

Singer, Wilh., Redacteur, Wien. 

Sonntag, Karl, k. Hofschauspieler, Hannover. 

Stadtbibliothek zu Danzig. 

Stedefeld, Kreisgerichtsrath, Langensalza. 

Steinrück, Otto, Dr., Sanitätsrath, Berlin. 



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— 362 — 



Steinthal, E. Alfred, Rev., Manchester. 

Stichliug, Dr., Geh. Staatsrath, Weimar. 

v. Strauss u. Torney, Wirkl. Geh. Rath, Exc., Dresden. 

v. Struve, Heinr., Dr., Professor, Warschau. 

Suhle, Ernst, Rentier, Weimar. 

Freih. v. Tauchnitz, Leipzig. 

Toeche, E., Berlin. 

Troebst, Dr., Professor und Realschuldirector, Weimar. 
Tschischwitz, Benno, Dr., Professor, ZĂĽrich. 
Turgenjew, Iwan, Paris. 

Ulrici, Georg, Dr., Archidiaconus, MĂĽhlhausen. 

Universitätsbibliothek zu Marburg. 

Vatke, Theod., Dr., Realschullehrer, Apolda. 

Veckenstedt, Edmund, Dr., Gymnasiallehrer, Cottbus. 

Veit, Johanna, Frau Dr., Berlin. 

Verein HĂĽtte, Berlin. 

Freih. Vincke, Oberregierungsrath a. D., Coblenz. 

Vogt, G., Landkammerrath, W'eimar. 

Volkmann, Richard, Dr., Professor, Halle. 

Wagner, Willi., Dr., Professor am Johanneum, Hamburg. 

Wahl, Dr., Director der höhern Handels-Fach-Schule, Erfurt, 

Wandel, Geh. Admiralitätsrath, Berlin. 

Weinberg, Peter, Collegien-Assessor, Warschau. 

Wislicenus, Paul, Dr., Berlin. 

Wittmann, Redacteur, Wien. 

v. Zedlitz, Oberhofmeister, Weimar. 

Zejdowski, Dr., Professor, Warschau. 

Zilken, Fritz, Köln. 

Zimmer, Heinrich, Buchhändler, Frankfurt a. M. 



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Nachtrag zu Seite 73. 



Durch die Freundlichkeit des Herausgehers des Jahrbuches werde ich so- 
eben darauf aufmerksam gemacht, dass die von mir in gutem Glauben als neu 
vorgeschlagene Emendation näh statt tnäh in Mario we's Jew of Malta p. 97b 
Cunn., bereits bei Pyce p. 166a der Ausgabe von 1865 im Texte steht, und 
zwar ohne eine Bemerkung des Herausgebers. Indem ich dies einerseits gerne 
als Bestätigung meiner Emendation begrüsse, muss ich bedauern, dass ich 
versäumt habe, vor dem Niederschreiben derselben Dyce's Ausgabe nachzusehen. 
In der einzigen andern Ausgabe des Jew of Malta, welche mir hier zugäng- 
lich ist, im fĂĽnften Bande von Colliers Ausgabe der Dodsley'sehen Collection 
of Old Plays (1826), p. 276, steht gleichfalls ruth, und es ist demgemäss tnäh 
bei Cunningham wohl als ein blosser Druckfehler anzusehen. — Zu der Seite 
70 empfohlenen Emendation to us of Malta möchte ich bemerken, dass die von 
anderer Seite vorgeschlagene Auffassung to us or [to] Malta sich kaum halten 
lässt, da man dann wohl statt or ein and erwarten würde: der Gouverneur 
und Malta sind, ganz besonders nach der Sitte der elisabethanischen Drama- 
tiker, Regent und Land zu identificiren, ein und dasselbe. 

W. Wagner. 



Nachtrag zu Seite 294. 



Auch für 'twenty tJunaand' vermag ich nachträglich unzweifelhafte Belege 
beizubringen. Two Gentlemen II. 6: With twcnty thoumnd soul-confinning 
oaih8. Merry Wives IV, 4: though twenty thousand worthier come to erat» Jier. 
Love's Labour's Lost V, 2: I am compared to twenty thousand fqirs. Taming 
of the Shrew U, 1 und V, 2: twetäy thousand crowns. Richard II, IV, 1: to 
answer twenty thousand such as you. 2 K. Henry VI, DJ, 2: to chafe Ms paly 
Ups With ttoenty tliousand kisses. Ebenda: Though Suffolk dare htm twenty 
thousand times. Coriolanus DI, 3: Within thine eyes sat twenty thousand deaths. 
Hamlet IV, 4: Two thousand souls aml twenty thousaml ducats. Ebenda: The 
imminent death of twenty thousand 



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- 364 - 

Sogar 'twenty hundred* findet sich bei Dryden, The Tempest IV, 1 : 
, You cannot teil nie, sir, 

I know Im mnde for twenty hundred women 
(1 mean if there so many be i' th' icorld) &c. 
FĂĽr die hochfliegende Leidenschaft in Romeo und Julie kann es bezeich- 
nend scheinen, dass sich hier (M, 3) die am höchsten gegriffene unbestimmte 
Zahlangabe findet: and call thee back With ticenty hundred thousand times 
more joy, &c. 

MerkwĂĽrdig sind die Verbindungen 'four and ticenty' und 'two and twenty.' 
Die erstere kommt vor im Wintermärchen IV, 3: she luith made me four and 
ttcenty nosegays for the shearers. 1 K. Henry IV, III . 3: and money lent you, 
four and ttcenty pound. Die zweitgenannte Zahlenverbindung findet sich 1 K. 
Henry IV, I, 1 : Ten thousand bold Scots, two and ttcenty knights, Balk'd in tJieir 
oicn blood did Sir Walter see On Holmedon' 8 plains. Ebenda H, 2: I have 
forswom his Company hourly any Urne this two and ttcenty years. Ebenda IDT, 3 : 
0 for a fine thief, of tlie age of two and twenty or thereabouts ! 2 K. Henry IV, 
I, 2: I looked a' shottld have sent me two and twenty yards of satin. 

Durch diesen Nachweis des eigentĂĽmlichen Gebrauchs der Vierzahl und 
der Zweizahl wird selbstverständlich nicht ausgeschlossen, dass auch andere 
Zahlen, wenn gleich minder häufig, in derselben Weise gebraucht werden. So 
z. B. three, seven, three and ttcenty (Troilus and Cressida I, 2), three and twenty 
thousand (1 Henry VI, I, 1), five and twenty, five and twenty thousand (3 Henry 
VI, n, 1) IL a. K. E. 



Druckfehler. 



Seite 321, Zeile 5 und 12. Lies: Munro statt Mnnco. 
„ „ „ 17. Lies: Hercules statt Herculns. 

Nevyle statt Neoyle. 
„ 322, „ 12. Lies: nought statt nougt. 
„ „ „17. „ Harvey statt Ilawey. 
„ „ „ 18. „ Shepherdes statt Shepheades. 
„ „ „20. „ Bernays statt Bernay's. 



20 

3 4 



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