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Full text of "Archiv für österreichische geschichte"

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Archiv für 

österreichisc... 

Geschichte 



Akademie der 



Wissenschaften in 




Wien. ... 



7 



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4rchiv 

österreichische Geschichte. 



Herausgegeben 

zur Pflege vaterHiiidisciier Gesehiehte Ml^estelltei Goouiiission 



kaiserliehen Akademie der Wlsaensehaflieii. 



EinmidneiinBigster Band. 



Wien, 1902. 

in Co m in 1 - i 0 n bei Carl (ierold's Suho 

BaolifatiHUar im kaim. Akmdmmu dm WimnuhilUfi 



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I^ek na Adolf n.il/hiinsm, 

k. RoT* «M UMtHaiuu-liitchdnickrr in «i 



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Inhalt des einundneanzigsteu Bandes, 





Soite 


Studien zu den ungAruchen Geschichtsquellen. XIII, KIV, XV und XVI. 






1 


Die Reimchronik des soß^enannten Dalimil. Von Adolf Bach manu 


59 


Der bairisch'ftwic^iflche Einfall in Ober- und Nieder-Oesterreich (1741) 




und die Stände der ErzberzofirtbUmer. II. Tbeil: Kurfürst Karl 




Albrecbt in Nieder-Oesterreich. Von Dr. J. Schwerd feger . . 


12t 


Casati und Pillersdorff und die Aufango der italiciiisclieu Einheits- 




bewe^ng. Blit einem urkundlichen Anhange. Von Freih. v. 




IlRlfert 




Die Baumkircher. GeBchichtliche Untersuchungen von Prof. Dr. Franz 






521 



l 



S T u r> I E ^ 

zu DEN 

UNGARISCHEN GESCHICHTSQÜELLEN. 

Xlll, XIV, XV UND XVI. 

TOR 

P*" D*^ RAIMUND PRIBDllIOH KAINDL 

IN CZEftNOWITZ. 



Ardiiv. XU. bud. L U&lfU. 



I 



xm 



Bie Legenden des heiligen Clerbftrd. 

1. Die Eedactionen, Handiohriften and Ausgaben. 

Ueber die Legenden des heil. Gerliard sind wir bisher sehr 
schlecht unterrichtet HarcsaU^ auf dessen GkschichtsqneUen 
man in der Regel aorllckgreifty ist in diesem Theile seines 
Werkes TOUig unverlässtich. Er hat gans offenbar auch leichter 
xugängliche Werke nicht eingesehen, so dass er swischen den 
verschiedenen Redacäonen; Handschriften und Ausgaben nicht 
richtig unterscheidet.^ 

Um dies au beweisen, setzen wir snnächst seine Angaben 
über Handschriften und Ausgaben hierher.* 

»Handschriften : Wiener 3662. 15. Jahrhundert. Wion 
veranstaltete eine Edition aus einer Venediger llaadschritt, die 
aber nach Ausweis der BoUandistcn gefälscht war. Die letzteren 
selbst benutzten eine Corsenduuk'sehe Handschrift. 

Ausgaben: Wmn, Venedig 1597. Bolland. Samml. Sept. 25. 
713. ed. Stilting. Batthiiuy Ignäc.^ Hist. episc. Chanadeu8(I) 
— Endl. Mon 205—234. 

Die Ha:i<ls( hrift der Lectiones soll in Gran sein. Trotz 
aller meiner Bemühungen konnte ich sie nicht benutzen. Ed. 
Krakau 1510 (!). Selbst habe ich sie nicht gesehen. Surius 
Vitae Prob. Sanct. Colon. VI. Mabillon Acta SS. Erd (!) Ben. VI, 1. 
Die Ausgabe der Boiiand. steht in der Mitte zwischen dem Texte 
der Lectiones und der Wiener Handschrift. £ndL 202 — 204/ 

* Nach den zahireickeu berechtigten Angriffen, welche Marczalis ,Ge- 
iebichtsqaellen* seit ihrem EracbeineD henroigemfen huben, muw 
nun wohl Widmprodh «rliebeii, wran Erben wtk im Jahre 1900 
(ffi«t ZeitMfar., Bd. 85, 6. bdiraptot, da» Marauilia Schrift «iiieht 
mit Unrecht der nngarische Wattenbach genannt worden ist?, 

s Ui^^ans CtoaohiehtwiaeUeii im Zeitalter der Arpeden, S. Si. 

1* 



Digiiizca by Liu^.' . 



4 



Prüfen wir nun diese Angaben, so ergibt sich Folgendes. 

Die Anti^abe, dass die Handschrift Nr. der Wiener 

Hofbibhothek unsere Legende enthäh, ist richtig;. Wa.s Murczali 
aber von einer Edition Wions aus einer V*'nediger Iliindschrift 
spricht, ist völlig unzulänglich und irrctuhrcud. Freilich steht 
aucli bei Potthast ,ex cod. Vcneto ed. Wion. Venetiis 
aber von einer Speeiaistudie sollte man doch mehr Genauigkeit 
erwarten. Das seltene Buch von Wion, das mir freilich erst 
nach einigen Bemühungen durch die Budapester Universitäts- 
bibliothek zukam, ist — wie schon Stilting in den Acta Sanc- 
torom Sept. Tom. VI, S. 7 13 ff. gezeigt hat — keine £dition 
einer Handschrift, sondern vielmehr eine Compilation mehrerer 
Handschriften und Drucke. Wion selbst gesteht dies deutlich 
in seinen ,Annotationes* ein, welche er seinem Abdrucke der 
Vita beigeschlossen hat £r beginnt dieselben mit den Worten : 
,In correctione yitae praesentis quinqne praecipue ezemplari- 
bii8, tribus manuscriptiB et dnobns excusis, usi sumus. Mann- 
scripta subministraTerunt nnom reverendissimns dominus D. An- 
tonius Grimanns ex Patritio Veneto Eptscopns TorceUanns; dao 
reliqna R. F. D. Antonius Veronensis, Prior, Sancti Qeorgij 
Ftocurator, quo instigante ac hortante hune piomlaborem . . . 
suBcepimus. Exemplaria vero impressa primum fuit quaedam 
Legendae. Sanctorom regni Hungariae in Lombardica historia 
non contentae, impressnm Venetijs, impensis Joannis Papae 
librarij Badensis a. 1498 in 4. Alterum illud fuit^ quod reperitor 
apud Surium tomo V. de Sanctis die 24. Septembris. Manns 
etiam adiutrices porrexemnt nobis Antonius Bonfinius, Joannes 
NaueleruB, Petras de Natalibus AequiHnus Episcopus ac nonnulli 
alij, qui de B. Gterhardo ex professo licet oompendiose potius 
quam historice tractant^ Daraus ergibt sich zur Genüge, wie 
ungenau die Bemerkungen Marczalis sind; das Nähere über 
die Wion vorgelegenen Handschriften und das Verhältnis seiner 
Arbeit zu denselben wird weiter unten gesagt werden. Wenn 
Marczall bemerkt, dass die Wion vorc^elcgene Handschrift ,nach 
Ausweis der Bollaudisten gefälscht war', öo wird daraus wieder 
niemand klug werden. Stdting hat sich am oben angeführten 
Orte dahin ausgesproclien, dass eine der von Wion benützten 
Handschriften ,reeentiorem innumcrisque crroribus et figmentis 
fücdatam^ gewesen seij dass diese Handschrift aber der Ke- 
daction unseres Wiener Codex Nr. 3662 entspricht, konnte er 



5 

nicht feststellen^ weil ihm diese Redaction nicht bekannt war. 
Harczali hätte aber schärfer snsehen sollen. Wir werden unten 
seigen, daSB Wien thatsächlich neben anderen auch eine der 
Wiener HandscbTift nahestehende Redaction bentttzte, welche 
die BoUandisten gegenttber der von ihnen benutzten kürzeren 
als gefidscbt annahmen. Richtig ist die Bemerkung, dass die 
BoUandisten eine Corsendonk'sche Handschrift benuteten; doch 
wären gewiss nähere Mittheilungen Uber dieselbe nothwendig 
gewesen. 

Wenn Marczali die Aufzählung der Ausg-aben mit der 
Bemerkung- ,Wion, Venedig 1597* beginnt, so er(,nbt sich die 
Ungenauigkeit dieser Notiz bereits aus den vorliergeliendcn 
Ausführungen. Wenn er aber sodann olme Jede weitere Be- 
merkung die Ausgaben Stiltings, Butthianys und EnJlicliors 
nebeneinander stellt, so wird es trewiss niemandem einfallen, 
dass hier Editionen von zwei völlig verschiedenen ßedactionen 
genannt werden. 

Air das wird aber iiliertrofl'en dureli den Inhalt de» ietüten 
citierten Absatzes, der über die ,Leetiones* handelt. Darnach 
würde man annehmen, dass die von Hudlicher in den Mon. 
Arp. 1, S. 202 — 204 abgedruckten ,Leetiones de 8. Gerliardo 
episcopo et martyre. E breviario Stri«;oiiiensi saecuii XIII/ 
identisch seien mit der Krakauer Legendensammlung von 151 1 
(nicht 1510) und mit den bei Surius und Mabillon gedruckten 
Legenden. Dies alles ist aber unrichtig; denn in den drei 
letzt^nannten Werken sind nicht die Lectiones, sondeni eine 
der Oorsendonk'schen Handschnüt nahestehende Kedaction der 
Legende veröffentlicht. 

So viel Uber diese Notizen Marczalis, welche die Grund- 
lage seiner kritischen Untersaehung sind: da jene so nn<ronau 
sind, konnte diese nothwendigerweise za keinem erspriesslichen 
Ergebnisse führen. Nun sollen etwas ausführlichere und ver- 
lässlicbere Mittheilongen über die Redactionen, die Handschriften 
und Angaben der Gerhardlegende folgen. 

So weit wir bei dem gegenwärtigen Stande der Forschung 
sehen, sind bisher zwei Redactionen der Legende Uber den 
heil. Gerhard zu nnterscheiden: die Legenda maior, femer 
eine minor. Neben der letzteren haben die bereits genannten 
^ectiones' 'und ähnliche kürzere Aufzeichnungen keinen 
selbständigen Wert, doch sind sie ftU* die Quellenkritik wichtig. 



Digiiizca by Liu^.' . 



6 



Als jetzt allein bekannter Repräsentant der Legend« 
OUlior ist die Handsehrift Nr. 8062 der Wiener Hof- 
bibliothek SU nennen.^ Dieselbe rührt ans Mondsee her and 
wird daher gewöhnlich ab Codex Lanaelacensis citiert In ihr 
sind ausser vielen anderen Legenden Bl. 87 a bis 104b die 
Stephanlegende von Hartwich, femer die Legeaden EmerichSi 
Gerhards nnd Ladislaus' enthalten. Die Qerhardlegende reicht 
von Bl. 9öb bis 102b. Aus ihr hat zunftchst der Bischof Ignaz 
Graf de BatthiÄny die Legende in seiner ausführlichen Arbeit 
publiciert (S. 301 — 359), die unter dem Titel ,Saneti Gerhardi 
episcopi Chiinadicnsis Scripta et iVcta luLitcnus inedita, cum 
Serie cpiseoporum Chanadieusium' zu ,Albo-CaroiiTiae' 171K) 
erschien. Iliexu sind seine Ausführungen S. XLIl zu vergleichen. 
Auch mag darauf verwiesen werden, dass BatthiAny die Les- 
arten der älteren Drucke der Gerhardslegende (Wion, Surius, 
Acta Sanctorum) verzeichnet. Ein Wiederabdruck derselben 
Bedaction findet sich bei Endlicher, Mon. Arp. I, S. 205ff. 

Ausser der Wiener Handschrift enthielt die Legcnda niaior 
auch ein nun verschollener Codex, welcher dem Benedictnier- 
mönche Wion am Ende des 16. Jahrhunderts in Venedig vorlag. 
Von den fünf liauptquellen, welche nach seinen oben citicrten 
Mittheilungen ihm zugänglich waren, enthielten die zwei Drucke 
und eine Handschrift die Legenda minor (wahrscheinlich in 
ihrem ganzen Umfange); die zweite Handschrift war ein Ansang 
aus dieser; die dritte Handschrift war aber unsere Legenda 
maior. Dies geht aus folgenden Umständen hervor. Aus seinen 
Ausführt mr^en in den ,Annotationes'y Bl. la und b ist es klar, 
dass in seinem ^Archetypon praecipuum' oder ,principale^ der 
Eingang ,Gaadia quae Christi participibns dies hodierna con« 
tnlit . . nicht vorhanden war; er hat ihn der Legende ,ex 
alijs quatnor exemplaribus^ duobus manuscriptis et duobus im- 
pressis^ TOigesetat. Kun ist aber dieser Eingang der Legenda 
minor nnd allen mit ihr ausammenhängenden Redactionen ^gen, 
nicht aber der Legenda maior. Diese beginnt sofort mit den 
Nachrichten Uber den Vater des Heiligen, wie dies in der 
Wiener Handschrift der Fall ist, und wie dies auch aus den 

* lieber die Handseln-ift verglpiehe man Tabnlne i-oilicTim maiiT» flcri|'f<>r»m in 
Bibl. Pal. Vind. III, 4St". Dass Wh dies© Hniidschrit't in Czüruuwite 
benatzen konnte, verdanke ich dem gütigen Entgegenkommen der Direction 
der Holbibliotiiek, der ich Moh im iim» Sfelle ueinaB boifeea Dank lag«. 



7 



BemerknDgen Wiom Uber Beine Verlagen hervorgeht Ans der 
Legend* muor rtthren bei Wien die Nachrichten ßrnia pater 
Gerardns . . . cnm esset inter alios nobiles oonoiTes nobihs et 
acceptabüis . . J her, nnd ihr folgt er anmdst in seiner iblgenden 
Darstellnng, daher er sie auch, wie bereitB oben bemerkt wnrde, 
als seine wichtigste Vorlage beseiehnet. Wie er sie hiebei mit der 
Legenda minoTi und swar in der Unuurbeitnng des Snrius, verquickt, 
ersieht man a. B. ans folgender, auch sonst fUr nns widbtigen Stelle. 



WioB, Csp. XIX. 

Cumque festinanter 
praedicti episcopi ad 
lycum venissent, qni 
dicitur Gyod apud ec- 
ciesiam s. Sabinae 
virginis et martyris 
bspitio usi sunt, 
iiiicque coenanti- 
bns fratribus s. 
Oerhardus habito prius 
"^xhortationis gratia de 
iide cathoÜcA praemio- 
qne vitae aetemae 
niemni sermone po- 
p«lo assistente promm- 



in lacrimas ait: 
fislres et amici cras 
ideoenam agni Dei 
Toeamnr. Itaqne 
•bsqae detrectatio> 
Be properem US, pro 
Christo moriamnr. 
7ot Mum omnes qni 
«dostis hodie «d do- 
nisom nostmui J. Ch. 
esm Corona martjnj in 
«etonia gandia perve- 
AireoportetEgoenim.. . 



Lag. maior! Wr. HMh.,fi»L 101 a. 

Cnmque predicti epi- 
scopi festinanter veniRseiit 
ad locum,qui dicitur Dy od, 
in ecclesia s. Sabine s. 



Qerfaardns missam cele- 
bravit et exhortationis 
gratia de fide catholica 
premioqne yite eteme 
solempnem sennonem po- 
ptilo assistenti fecit, in 
fine antem sermonis pro- 
nunpens in laerimas sie 
ait: FiEtres et coepi- 



sc(^ mel et omnes alü fide- 
les, qm adestis, scitote nos 
hodie ad dominnmnostrom 
Jesom Christum cnm coro* 
namartiriiinetema gaudia 
perventnros. Egoenim... 



Sarins, Cap. 8. 



, . . apud eccle- 
siam s, Sablnaft vir- 
ginis ot martyris ho- 
spitio usus est illic 
quecoenantibas fra- 



tribns ait: Fratres et 
amici cras ad coe- 
nam agni Dei yoca- 
mur. Itaqne absqne 
d e tr ec tat i on e pr op e< 
remnS| pro Christo 
moriamnr. Altera 
▼ero illncescente die 
pater sanctns missam 
oelebravit . . . 



8 



Wohin diese von Wien boitttzte Handschrift der Vita 
maior gekommen ist, wissen wir nicht Er hat sie — wie dies 
ans dem oben gebrachten CSitate ans seinen Annotationes her- 
vorgeht — ans dem Kloster St Georg in Venedig erhalten. 
Hier hatte man anch noeh eine andere Handschrift^ die ihm 
ebenfalls zur Verfügung gestellt worden war. Dass man sich 
.in diesem Kloster f(lr den Heiligen lebhaft interessierte^ ist aus 
dem Umstände erklltrlieh, dass die Legenda maior ihn zu dem- 
selben in enge Beziehungen setzt^ Vielleicht ist auch die in 
diesem Simie erfolgte Umarbeitung der Legende flberhaupt in 
diesem Kloster vor sich gegangen: dies wttrde am leichtesten 
wohl die Erfindung der vielen auf dasselbe bezüglichen Nach- 
richten erklären. Wenn Wion von der Handschrift sagt, dass 
sie im Jahre 1421 abgeschrieben worden sei, so könnte man 
in diesem Falle annehmen, dass die eben bezeichneten Znsätze 
damals hiuzugefü^^t wurden; dagegen hat Stilting sicher Unrecht, 
wenn er tiberhaupt das Entstehen der Legenda maior in diese 
Zeit setzen will^ denn wir werden sehen, d ass sie schon — 
freilich in noch etwas anderer Gestalt — bis ins 13. Jahrhundert 
zurückgeht. Da Gerhard ein Venetianer war, so nahm man 
an ihm in Venedig tiberhaupt Antheil, ins besondere in der 
Familie der Sagredo (de Seerctis), der er angehören soll. Im 
Besitze derselben befand sich, bevor Wion sf In Werk schrieb, 
ebenfalls eine Handschrift der Gerhardlegende, von der wir 
jedoch nicht wissen, weicher Fassung sie angehörte.^ 

* Man vergleiche die ersten Capitel deraelbon. Ueber diui Kloster li&ndelt 
Wion in «einen Annotationee, foL 2 ff. 

* Hachrieht Ober diese Handeehrift erbalten wir ans dem Werke des 
IVanceseo SsnsoTino «Oeseritlione della nobilissinia Citt& di Venetia*, 

lib. 13, welches Wion im dritten Theile seiner Schrift, den ,Atte«tation^, 
Bl. 9b und 10a citiert, ohne leider 'las Krsflieiming^sjahr dieses Werkes 
7Ai nennen. Wion theilt aus dieser Schrift die äteile mit, welclie über 
Gerbard handelt. Es sind nur wenige allgemeine Notizen über sein 
liebeni an diese knüpft sieb (tie Benieiliang: ,Si come in nn libro fino 
k qnel tempe scritio, al contiene eon qneste titolo : Legenda beati Gerardi 
de Seoretis nobilis Yenetie ns is, monstiato ml da Miool6 Sagredo flgUnolo 
di Bemardo prestantissimo senatore . . Aus dieser Notiz würde man 
mit den nOthigen Hilfsmitteln leicht die Zeit he!^timmeii können, wann 
die Familie noch die Handschrift besa5««i; ich niuss dies jedoch unter- 
lassen. Zur Zeit Wions, abo am Ende den 16. Jahrhunderts, verfügte 
die Familie Sagredo gewiss niebt mebr Aber diese Hendsebrill» sonst 
hätte der Sagredo, dem das Werk gewidmet ist, gewiss dieselbe dem 



Etwa 100 Jahre vor Wion benatate Pelbartxta yon Temes- 
vir eine Gerhardlegende, die wenigstens der Legenda 
maior nahe stand. In seinem am 1500 erschienenen^ ,Po- 

marium Sermonum de sanctis', fol. 66, findet sich eine Darstellung 

des Lebens und Todes Gerhards, die bei HatlhiAny, n. a. O., S. 362 
bis 368 wieder ub^ech'uukt ist. Diese kurze iCrzaliliin»:; bietet 
besonders in ihrem ersten Tlicile so viele mit der LejEtenda 
maior verwandte Züge, dass Ratthiäuy bic als einen Auszug 
aus dieser bezeichnet. Wer genauer zusielit, wird aber 
mancherlei Verwandtschaft mit der Leji^enda minor entdecken. 
So wird z. B. der Tod Gerhards folgenderweise erzählt: 



Pelbaitns, 8. 866. 

Item eadem die fratribus coc- 
nantibus ait: Die erastina ad 
coenaui airni voeamur; })raejja- 
remuö et monHuuir pro Christo 
firatres. Altera die illusccnte 
missam celebravit et suis de 
mensa Christi communicavit . . . 



Legeuda miiior (Acta Saaetornm), 
S. 728. 

. . . nbi coenantibas fratribus 

ait: Fratres et amici cras ad 
eoenam A^rni Dci vocaraur, 
absque exciisatione propcremus 
pro Cliristo nittriaiaui'. Altera 
vero iiiucente die l*ater sauctus 
missam celebravit, Munsaeque 
Christi . . . 



Vergleicht man diese Darstellung mit der bereits oben S. 7 
citierten entsprechenden Stelle der Legenda major, so ergibt 
sich, dass Pelbartus nicht (b'eser. sondern dvv Legenda minor 
folgt. Es liegt nun nahe anzunehmen, dass er ähnlich wie 
Wion seine Darstellung aus der Legenda maior und minor 
zusammengeschmolzen hat. Dem scheint aber nicht so zu sein. 
Bei Wion, der eine anspruchsvolle gelehrte Arbeit in möglichster 
Vollständigkeit liefern wollte, ist ein derartiges Ineinandcrarbeilcn 
der verschiedenen Redactinnen erklärlieL. Dass aber Pelbartus, 
der eine ganz beficheideneu Zwecken dienende Legendensamm- 



YBtfumw rar TerfUfniig gestellt VielleicM ist die Handschrift wu dem 
Basitsa der Familie in jenen dea Klotteva St. Qeoig ai)eiigefMigen. 

Welche Hand.scbrift es war, ob jene der längeren oder kürzeren ('assang, 
LäMt »ich mit Sirberheit nicht feststellen. Man vergleiche R ;i 1 1 !i i An y, 
a. a. O., S. XLiVt., der (iio.s<{ Handschrift aus dem Beeitee der Sagredi 
mit dem Archetypen Wiuuj» identiüciert- 
« Vgl. Batthiäny, ». a, O., ö. XLlXf. 



< 



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10 



lang herstellte,^ sich dieser Mtthe untenogen htttte, ist Bchwer 
gUublieh. Gibt man aber auch sa, dass er einselne Nachrichten 
ans der kttraeren Legende in die aus der längeren entnommenen 
einschob, so wäre es doch gana unerklfirlich, dass er einaelne 
Ausdrucke aus ersterer In, der letzteren entnommene Sstse 
interpolierte oder verkehrt. Man vergleiche z.B. folgende Stellen: 



Parbartvf, 8. S66. 

Tandem Beaiu9 rex 
Stephanns cum pa- 
ganos bestes debe- 
lasse^ videns regnum 
quietumfi^reliOfServurn 
Dei ab eremo revo- 
caviL . . . 

Ebenda; 

Uiule t'ius persuasu 
el arbitrio factum est, 
ut nomen Matris Christi 
proprium in cornmuni 
loc.utione ob rcvorcn- 
tiam non exprimatur 
apud Hungaros, sed 
tantommodo Beata Do- 
mina . . . 

S. 366. 

... et auieretur a U 
diadema et regnum 
fraude adquisUum, Et 
hoc impletum est. 



L«geii£a minor, 8. 728. 

Interim prae&tns rex 

StephanuB . . . crudeleSF 
que paganoram mores 
superavit . . . Videns 
autem rex regnum suum 
pacis tranquillitatem adep- 
tum scrvum Domini ab 
heremo revocavit . . . 

Ebenda; 

Ipsius arbitrio ah TTtm- 
garica generatione nomen 
Mains Christi non anditnr, 
tautum Domina resonat. 



ä. 723. 

. . . firaude neqnam per 
vim acquisitum auferet 
vitam . . . Quae omnia 
postqoam completa sunt 



LefBoda muor (Wiener 
Hnndeehrifk). 

Fol. 98b. Factum est 
autem, postquamftsafut 
Stephanos rex vidisset 
regnum suum a preliis 

quieviase, servum dei 

Gerhard um revocavit 
de heremo . . . 

Fol. 99h. 

Cuius nomen videli- 
cet matris Christi pro- 
primn 11! Hungarorum 
generatione uon expri- 
mitur, sed tantum do- 
mina resonat . . . 



Fol. lUU b. 

. . . qui a U auferet 
re^ftwa per te frauds 
aejttitttom. Die weitere 
Bemerkung fehlt 



Hslt man noch zu dem bereits Bemerkten den Umstand, 
dass Pelbartus von den notorisch jüngeren Zusätaen der Le- 

* Er sagt in der Einleitung soiiies Workos: ( upiens pro aedificatiune 
comniunii> populi aliquos sermones de sanctis . . . brevi et simplici 
ütilo . . . aeribei« (Batthi&ny, a. a. O., S. XLVm). 



Ly Google 



11 



genda moiar, die auch Wioo anfvreist, nichts hat, und daas von 
den von ihm erzählten zwei Wundern daa eine rieh nur hei 

ihm findet, das zweite anders erzählt wird;* so ist man wohl 
zu der Ansicht gedrängt, dass Pelbartus nicht die Legenda 
maior in der uns jetzt bckaouten Gestalt benutzte und diese 
mit der Legenda minor verschmolz, sondern dass ihm eine 
erweiterte Redaetion der Legende, die aber noch der Legenda 
minor näher stand, vorlag. 

Es erübrigt nur noch zu bemerken, dass jedenfalls schon 
am Anfange des 14. Jahrhunderts die Legenda maior oder 
doch eine ihr nahestehende Kcdaetion in Ofen bekannt war und 
hier von dem Verfasser der nationalen Grundehromk oder 
Ofnor Minoritcncln > 1 1 i k benatzt wurde. Wir werden darauf 
weiter unten zurückkomm ^75 

Die Legenda minor ist durch die Handschrift des 
15. Jahrhunderts repräsentiert, welche sich früher im Kloster 
Corsendonk in Brabant befand, gegenwärtig aber in Paris in 
der Bibliothek Mazarini unter Nr. 1329 aufbewahrt wird.* Die- 



* Ti'ie Dantellnng do» Pelbartus (8. S67f.) Ober die UeberfUiraiig dM 

MSrtvrMrs nncli Csanait lautet- Pont anno« plures Manrtis opiscopus 
Chan.ifliL'Msis itnijetravit a rcpo Andrea eins corpus et exhumatum r^perit 
lucidum ut ebur rairo odore fragrans: ad cuius tactatn manus aridae 
mnlieri» mos Moata« tnnt. Inpomto antetu corpore in cnimm duo eqei 
aifitenint» qai nec eonedentes neo bibente» prne laeüeia luque ad M*' 
nintim flavimn derexemat; obi apte in nante inpoeito corpore nnUa tI 
a ripn illa Tilnenint navim illam removere. Sed onna couando, manrnn 
fa.^n interponendo navi et lipfnis tre« 'lifritos illisos perdidit ft projecto 
faste blasphemarL' sauctuni coepit. Tunc lertur audita vdx diceutis: nixi 
veaerit Maurus, non ibo. Quo taudera adveniente, ut naviui iutrarit^ 
iUa sine remigio coelesti impolsu corpus tranaportavit, quod feretro impo- 
nente» bonoriilce deporterant ad eeelesiam» nbi TiTens sepuhnram ribi 
eleferat Taue nanta praedietae aeeumt poenitena et ammiasoB digitoe 
per yiri sancti nierita recuperavit, nbi 6t innumera rairacula corruscare 
cocppnint ad l,TTTf?rtr! Domirii Jenu Christi Damit srlilit^sst Pelbartus. 
Mail vor;;^leiche damit die Darstellung der Legenda maior bei Endlicber, 
a. a. (>., S. 230 ff. 

* Vgl. Acta Sanctonun Nov. Tom. U, Pars 1, S. 478. Diese Handaobrift 
haben die BoUandiaten ttberhanpt wiederbolt benntat. Man Tefigleidie 
deren Ausgaben der Vita et Ladialai Juni Tom. V, B. 817 (Ex IIa. Conen- 
donkaao et oditione Cracovieiisi); femer der Hartwich'schen Stephans» 
legende Sept. Tom. 1, 8 46f); joner des heil. Emeri<"h Nov. Tom. I, 
Par« I. S. 478; endlidi dio Auscrahf« der Legende des heil. Andrea;»- 
Zoerard und Benedict Juli Tom. iV, i:^. 336 t. 



13 

selbe enthält ähnlich wie die Wiener Handschrift, in welcher 
die Legenda maior Überliefert ist, neben der Gerhardlegende 
such jene Stephans^ Emerichs and LadialanB'; ferner aber auch 
die Legende der heil. Zoerard-Andreas und Benedict, also alle 
älteren ungarischen Heiligenleben. Während die Legenda maior 
sofort mit den Nachrichten aber die Herkunft des Heiligen 
beginnt, weist diese Fassung, wie schon erwähnt wurde, zunächst 
eine kurze Einleitung (,Oaudia quae Christi partidpibus dies 
hodiema contulit ex beati patris noetri . . auf, ist aber sonst 
▼iel kürzer. Aus dieser Handschrift hat Stilting die Legende 
mit einer sehr ausftlhrlichen Einleitung in den Acta Sanc- 
torum Sept. Tom. VI, S. 713 ff. im Jahre 1767 abgedruckt. 
Fast zwei Jahrhunderte fiHher (1569/70) hat diese kurze Le- 
gende aus einer uns näher nicht bekannten Handschrift Surius 
in seinem Werke: ,De probatis Sanctorum historiis . . .* ,mu- 
tato hincinde stylo* Bd. V, S. 391ff.i veröffentlicht. ,Ex Surio 
descripta' ist die Lebende in Mabillons .Acta Sanctonnn ord. 
s. Benedict!' Saec. VI, Pars 1 (= Tom. \ lUj, S. bVJS. Wert- 
voller als diese zwei kt/.tercu Drucke ist jener in der zu 
Krakau 151 1 lierj^estelltcn Lesrendensammlung, welche den 
Titel fuhrt: jVita bcatissimi Htanislai Cracoviensis cpiscopi nec 
non legende sanctorum Polonie, Huiif^arie, Hohcniie, Moraviae, 
Prussie et Slesie patrouorum, in Loiubardica l i-inria non con- 
tent«.*^ In derselben finden wir die GerhardsiL';.;i'ii(lc fol. 119 
bis 1*^1; daneben anch andere ungarische Tiejronden, und zwar 
jene von Ladislaus, Zncrard und ßenudict, ÖtephaD und Kraerieh. 
Die hier (r<d)otene Fassung der Gcrhardlcp^rnde entspricht fast 
vc)liig jener in der von den BoUandisten benutzten Corscn- 
donk'schen Handschrift,' Die Legenda minor ist ferner nach 
Wions oben S. 4 citierten Angaben in jener seltenen Sammlung 
▼on Heiligenleben gedruckt, welche im Jahre 1498 in Venedig 

^ In der mir vorliegeuden vermehrten Auflage vou 16bU. 
' DIeror Mlieno Druck wurde nach der Bemerkniig auf fol. 131 b hergestellt 
fCrftcoTie in edibet pvovtdi Tin Joennia Heller, enne partne Yirginalis 

Oiillesiino (luing^ontesiino undecimo, tVw Mercurii vegesima c^uHrta uien;*!» 
DcceinbrU'. Mir wurde derselbe au.s der Krakauer UniversitättibibliotLck 
KU^Hnglich. Ein zweites Kxcmplar veraeichuet Kopcra in fäcirn-m r.Hfu 
erschienenen Kataloge der alten l)rr<lvi in der Bibliotijek dei* (traten 
Emoricb UuUjüh CzapHki in Krakau (,Sp>^ Druköw epoki Jagielloii^kiej 
w sbioraeEmerj-ka hrabiegoHatten^CMpekiego w Krakowie*. Krakau 1900). 
> Vgl. Stilting, «. a. O., S. 713. 



Digmzca by Ct. 



13 



unter dem Titel Xotcr iidae Sanrtorum regni TTuns:ariae 
in Lombardica lii;^toria non contentae' erschieiicn ist; es 
war dies ein offen hur von ungarischer Seite veranlasstes Supple- 
ment zu der unter dem unpassenden Titel einer lombardisehen 
oder longobardischen Geschichte weit verbreiteten und hoch- 
gMchätx.ten Sammlaog von Heiligenleben. Dass in den ^Le 
gendae Sanctorum regni Hungariae' thatsächlich die kürzere 
Lesrende gedruckt ist, geht aas der Versicherung Wions hervor, 
des8 beide ihm vorliegenden Drucke (eben die Legenden- 
sammlung und Soritis) die Einleitung ^Gandia quae Christi 
participibuB . . enthieHen. Mir ist leider der seltene Druck 
trotz mancher Bemtthung nicht zugänglich geworden,^ und 
deshalb kann ich auch eine »weite Frage nicht entscheiden. 
Wie es schein^ ist die Krakauer Sammlung vom Jahre 1511, 
insofeme die ungarischen Legenden in Betracht kommen, ein 
Kachdruck des 13 Jahre früher in Venedig hergestellten Le- 
gendars. Der Krakauer Druck weist nllmlich durch seinen 
Titel gans offenbar auf diese Venediger Sammlung hin.' 

Von den awei von Wien benutsten Handschriften, welche 
der kürzeren Fassung (der Legenda minor) angehörten, enthielt 
die ihm vom Bischof von Torcello llberlassene einen Auszug aus 
der Legenda minor; dies wird weiter unten gezeigt werden. 
Die andere könnte yielleicht die vollständige Legenda minor 
enthalten haben.' Wien hat leider vorgezogen, die ihm von 
Sanas gebotene modernisierte Fassung dieser Redaction zu 
verwenden,^ war er doch auch sdbst bemüht wie Sarins ,aty\o 

* In der Budapester UniTorsitätslMbliothek soll ein Exemplar vorhanden 

sein; doch konnte es nicht ,iut):efiiiiden werden. 

* Man vergleiche übrigens Potthapt II, S. 1684. 

* Batthiiny, a. a. O., 8. XLV, nimmt dies als bestimmt an; aber Wion 
kOente in seinem Satse: Antor vitae ftiit monaehns qnidem derottw, at 
ez Terfais illie: «ex beatt patrit ooetri * . .* colligo (Annotatione» fol. Ib) 
den Text des Sarins vor Angea gehabt haben, wo die Worte ,es bea^ 

patris nostri' auch stehen, 

* DasK Wion die Umarbeitiuifj der Legftiitl.i minor, sie Surlus hiptot, 
mit Vorliebe benutzt hat. ■j'^Vt^ z. H. aus dem Vergleiche der oben 8. 7 im 
Text abgedruckten ParaUokiolIen mit dem Texte bei dou BuUaudtsten 
herror. Hier lantet nimlieh diese Stelle (S. 723): ... ad ecclesiam 
aeaetee Sabiaianae vii^i« et mar^rrie bospitatas est, obi eoe> 
nantibne ftatribne ait; Fratrae el amlel, cias ad eoenam Agni Dei Toea- 
mar; absqne cxcusatione properemos: pro Christo monamnr. Altera 
vero illneente die Pater sanctus minam celebravit — Oder man vergleiche 



14 



et Varbam varbk, ubi opus erat, hinemde interdiim mutatb' 

(AnnotationeS) 61. la) die Legenden heraoBzugeben. 

Schliesslich wenden wir und der Betrachtung der Aus- 
zil^e und Leetioiies aus der Oerhard legen de zu, wobei 
wir von dem bereits besprochenen Sermo des Pelbartus ab- 
schen. Soweit wir sehen, gehören dieselben insgesaramt der 
Gruppe der kürzeren L'asöung .411. 80 zunächst das Bruchstück, 
das Batthidny unter dem Titel ,Lectioue8 antiqui officii 
ecclesiae Strigoniensis ex codice saeculi XIIP biblio- 
thecae ecclesiae Leutschoviensis* in seinem oben citierteu \\ erke, 
S. 360f., abgedruckt hat. Dieses Fragment, das mit , Gaudia 
quae Christi participibus . . beginnt und mit . . excepto 
Mauro monacho sohis habitavit' schliesst. entspricht fast würtlich 
dem Anfange der von Batthi.lny, 8. 3(59 — 372, ,ex hreviario 
Nicolai Olahi archiepiscopi htngouieuöis; editio Viennae 1508' 
vollständig niitgetheilten Lectiones. Man darf also annehmen, 
dass dem Erzbischofe bei der Zusammenstellung seines Brevia- 
riums die Lectiones in einer Yollständigen Handschrift vor^ 
Jagen, und daher folgerichtig schlieBsen, dass die Lectiones in 
der von ihm mitgetheilten Fassung schon dem Schreiber des 
Lentechauer Codex aus dem 13. Jahrhunderte vorlag. Diesen 
an sich richtigen Gedankengang scheint auch Endlicher ge- 
gangen zu sein, und so erscheint in seinen Mon. Arp., S. 202 
bis 204, der offenbar nach Batthidny angefertigte Abdruck unter 
dem Titel ^Lectiones de s. Gerardo episcopo et martjre. £ bre- 
viario(!) Strigonienn saecvH Zin(iy. Dass Endfioher eine 
Handschrift des 13. Jahrhunderts IhatsäcUieh yor uch hatte, 
ist sehr zweifelhaft. Nach seiner eben citierten Angahe soUte 
man sie freilich in Qran vennuthen; aus unseren Bemerkungen 
ist es aber auch erklttrlich, warum llarcaali die angeblich 
in Gran befindliche Handschrift nicht benutzen konnte. Im 
16. Jahrhundert war sie noch dort YOrhanden; schon Batthiiny 
hat aber nicht sie bentttzt, sondern aus dem gedruckten Bre- 



d«a Anhng dea 1. Capitols. Wion (fol. l): Ii Boim hvSm Indi lamflm 
per Venstofl psruilM sortita», dei gratia älum praaveniente, ab ipta pue» 
litia oepit Damino noitro J^m Christo cm« «ImmMw. Sarini (p. SSI): 

ebenso. Acta Sanctorum (p. 722): Bk «mm btüns lud« Inmen per 
Venetos parentes sortitTis. Dei gratiA praevenienta^ a pneiitia oepit 

Domino nostro Jesu Ch. devoUui cjci.iiere. 
' So auch in der »Dissortatio praevia', p. XL VI, de» Werkes von Battliiiny. 



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15 

viahum seine Ausgabe veranstaltet und nur noch in dem 
Leutschauer Codex des 13. Jalirhunderts den Anfang der Lec- 
tiones wiedergefiinden. Diese Lectiones erscheinen durchaus 
als ein Auszug aus der Legenda minor; sie zeigen alle ihre 
Eigenthümlichkeiten, auf welche wir nru h weitor unten aus- 
führlicher zurückkommen werden. — - Aus dem 14. Jahr- 
hunderte rührt ein anderer sehr kurzer Auszug der Legenda 
minor her. Sein Veriaöser ist Petrus de Natali, Bischof von 
Equiho, der in den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts 
lebte. ^ Seinen Auszug hat Stilting in den Acta Sanctormu im 
Anhange zur Gerhardlegende unter dem Titel ,EIogium 
autore Petro de Natalibua' abgedruckt (S. 725f.). — Aa»- 
fUhrlicher ist der Aaszug, welchen Stilting am eben ange- 
f&brten Orte anter dem Titel ,Lectiones officii antiqui 
eeclesiae Muranae. Ex cditione cl. viri Flaminii Cornelii 
part 2. Ecol. Torcel.' Yeitf£fentlicht hat (S. 726f.; vgl. a 715). 
Dies ist jene zur Gruppe der Legenda minor gehörende 
Schrift gewesen, welche Wien von Anton Grimani, dem da- 
maligen Bischöfe yon Torcello,' erhalten hat. Dieser Schloss 
itt ans folgenden Gründen nahe gel^ Zn Mvnuio (Insel und 
Stadt bei Venedig) in der Kirche der heil. Maria (spSter Donatus) 
soH seit etwa 1400 der KOrper des heü. Gerhard sich befinden. 
Daas man dort Lectiones Uber den Heiligen hatte, ist somit 
erUiiiich. Nun lag Murano in der Didcese von Torcello. Es 
li^ also nahe, dass Wien vom Bisdiofe von Torcello eben 
diese Lectiones aus Hurano erhielt Daau kommt nun aber, 
dass Wien Im CSapitel XXI ein Wunder erafthlt, das sich nur 
noch in den Lectiones aus Murano wiederfindet Man vergleiche: 

Wk»: 

. . . oonditum est . . . Post^ 
mortem viri dei, cum quidam 

nefandus in convivio sedens 
su]jio traheret, illudens beato 1 pilos ex marsupio extraheret, 
vao ad couvivas diceret; hi | illudensque beato viro ad con- 
simt pili illius barbae niäuc, qui vivas diceret: Hi sunt pili il- 
nos eyertere a paternis tradi- lius rasae barbae, qui nos aver- 



. . . corpus . . . reconditum 
est Cum qoidem nefandus, in 

convivio sedens, pilos ex mar- 



' Oams, Series Episcopornm, 8. 7ftt 
* Vgl. Oanw» a. a. O., S. 772. 



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16 



tionibus exisüiuabat, protinus a 
diabolo arrcptus, carnem pro- 
priis dentibus mordens, vitam 
finivit. 



terc a paternis traditionibus 
se posse existiinabat, protinus 
a daemonibus arreptus carne 
proprijs dentibus mordens vitam 
exhalavit. 



Alter und Wertieh&tnmg dtr LegendA nudor und minor. 

Naehdom wir die verschieden < ij licdactionen der Gerhartl- 
legende kennen p:elernt haben, tritt an uns die Fraise heran, 
welche derselben die ursprünjxlicliere ist. Vor allem kommen 
hiebei die' Le^enda maior und minor in Betracht. 

Wien hat am Ende des 16. Jahrhunderts noch beide 
Redactionen kritiklos neben einander verwendet und ineinander 
geflochten, — Erst mit Stilting (1757) beginnt eine kritische 
Behandlung derselben. Er bezeichnet die Legenda minor als 
die glaubwürdige^ bald nach der Translation des Heiligen^ also 
noch im 11. Jahrhundert verfasste (8. 713: Namita loquitmrde 
corporis translatione, ut conjicere merito possimus, Vitam non 
dia post fuisse conscriptam); ja er ist sogar geneigt, sie als Werk 
eines Jüngeren Zeitgenossen (autoris supparia) Gerhards zu be> 
trachten. Dagegen verwirft er die Legenda maior, welche ihm 
freilich nur ans der Ueberarbeitnng Wions bekannt war, als 
,recentiorem innnmerisque erroribus et figmentis foedatam'. Er 
▼ersucht dieses ürtheil TorsttgÜch dadurch su rechtfertigen, 
dass er einerseits betont, von dieser Legende sei bei keinem 
Alteren Schriftsteller eine Spnr zu finden, anderseits verweist 
er auf eine Reihe von ganz offenbaren Unrichtigkeiten, die auf 
einen späten Interpolator deuten. Hiebei hat er freilich, was 
bei dem damaligen Stande der Forschung erkUfcrlich ist, auch 
nnfitichhältige Einwurfe gemacht. So wenn er z. B. gegen die 
Behauptung der Legende (Cap. 8), dass ävr Bischo&its Gerhards 
von der civitas oder urbs Morisena den Namen hatte, Stellung 
nimmt und diese Bezeichnung unbedingt mit der Legenda minor 
vom Flusse Maros herleiten will, oder wenn er die Geschichte 
von Achtum (Cap. 10) als durc liaus erfaljelt bezeichnet (S. 715). 
— Gegen diese Ausfllhrungen hat Batthidny in seinem eitierten 
Werke Stellung genommen, indem er es versucht, die Einwürfe 
htiiüngs zu widerlep^en (^S. Lflf.). Seine Antikritik ist indes 
dui'chaus keine giLickhche} höchstens, dass er offenkundige 




17 



Versehen Stiltings (wie jenes ttber Morisena-Csanad) richtigstellt. 
Wenn er behauptet, dass alles, was Stiltin": für das holic Alter 
der Legeml.i minor angeführt liat, für die LcfTt-ndu inaior «reitend 
gemacht werden könnte, so irrt er. Mit Kccht hat z. B. »Stilting 
betont, dass in der Legenda minor keine Benützung älterer 
Schriften sich beweisen lasse; dass dies dagegen von der Le- 
genda maior nicht gilt, werden wir noch weiter unten zu zeigen 
Gelegenheit haben. Batthiäny liält die Legenda minor für einen 
AnszuiT au.s der grös.seren Biographie. — Wattenbach nrtheilt 
iil)er die ihm erst durch die Ausgabe Endliehers bekannt ge- 
wordene Legenda rnaior (Batthianys Ausgabe war fa?t ganz 
unbekannt gebhcben) im Jahre 1854 wie folgt: .Quae sane 
pretiojja est. etsi longo post mortem eius (a. 1047) tempore scripta^ 
(Mon. (jrerra. Script. XI, Ö. 286 Anm. 41). In der letzten von ihm 
besorgten Ausgabe seiner ,Geschicht8quellen' lässt er diese Le- 
gende am Anfange des 14. Jahrhunderts geschrieben sein; doch 
gibt er die Wahracheinlichkeit zu, dass ältere Aufzeichnungen 
benutzt worden; insbesondere denkt er auch an die Lectiones 
als Quelle, wobei er ausser auf Endlicher, S. 202 ff., auch auf 
den Druck der Legenda minor in den Acta Sanctorum, S. 722ff., 
verweist: er unterscheidet also nicht die Lectiones von der 
Legenda minor und sieht letztere gar nicht in den Kreis seiner 
Betrachtung. — Dttmmler hat ebenfalls schon 18&4 in seinem 
jPiKgrim Ton Passau', S. 166 Anm. 11 ^ über die bei Endlicher 
pubhcierte Legende sich dahin geäussert, dass die Legende 
sicher erst aus der sweiCen Hälfte des 14. Jahrhunderts stammt^ 
doch scheint sie nur eine Ueberarbeitung viel älterer Auf- 
zeichnungen zu sein. Die Legenda minor kannte er nicht — 
Bttdinger, der die kürzere Fassung auch nicht beachtete, 
konmit in seiner Oestetr. Gesch. (1858) I, S. 434f. Anm., 
indem er wie StOting auf eine Reihe von Anachronismen n. dg), 
hinweist, zum Schlüsse: ,Da8 Gesagte wird genügen, starke 
Lkteipolatton und die Nichtigkeit der Annahme gleichzeitiger 
Ablassang darzothun. Doch enthält die Biographie auch un- 
zweifelhaft alte Nachrichten, die ich hie und da benutzen zu 
dürfen glaubte, namentlich betrachte ich Capitel 1 — 3 (?!), 8—12 
fexcl). 15 bis zum Schlüsse dem Kerne nach als älteren 
Ursprunges. Als Ueberarbeiter ist wahrscheinlich der Autor 
anzusehen, der die Notizen iiber die Ausschmückung von 
Gerhardä Grube dui'ch die Königin Elisabeth (1361) nach deren 
AieUr. ZCI. Baad. L Hilft«. 2 



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18 



Tode (1381) schrieb. — Auch Marc sali; den als RepräBeii' 
tanten der neueren ungariflchen Geschichtsforscher hier zu 
nennen genügen wird, unterscheidet ältere (vorzüglich Cap. 9, 
11 — 14) und jüngere Theile. In Raekmeht auf die ersteren 
nimmt er an (S. 37 f.): ,es stehe dem niehts entgegen, dass wir 
die (erste) Redaction unserer Legende nicht in die Zeit des 
heil. Ladislaus und des Bisehofs Lorenz, in der Gerhard canoni- 
siert wurde, vorsetzen könnten'. Ein neuerer (S. 32) ,Uinarbeiter 
mag jene Details liin/ugelugt haben, die sein Zeitalter verrathen, 
er konnte auch die Jahreszahl 1047 ciageschaltet iiabeii, aber 
Wesentliches hat er au der alleren Redaction gewiss nicht ge- 
ändert (?!) nnd noch weniger der Abschreiber vom Jahre 1381'. 
— Nachtraglieh mag noch darauf liingewiesen wercUni, dass in 
einem der neuesten Bände der Acta Sanetorum (Nov. Tom. II, 
Pars I, 8. 48.'^ Anm. G) Albert Poncelct sich gegen StiliiiiL'^ fllr 
die entgegengesetzte Ansicht erklart. Ihm gilt die bei Endlicher 
publicierte Leg<!nde ftir massgel^end: ,Hanc solam vitam ci- 
tamus; ex hac enim seu potius ex recentiore qnadam eius 
receusione })er compendiura dcsumpta est Vita, (^uam in Act. 
SS. . . . edidit Stiltingus noster, quamque ab auctore suppari 
conscriptam esse putabat. Recentioris illius, quam nominavimus, 
editionis Exemplar aliquot typis mandavit Am. Wion.* Auf 
letztere curiose Idee brauchen wir wohl nicht näher einzugehen: 
darnach wäre die Legenda minor ein Auszug aus dem Mach- 
werke Wions, trotzdem sie Jahrzehnte früher nachweisbar ist 

Aus den vorf^tchenden Bemerkungen geht zur Genüge 
hervor, dass die Legenda maior kein ursprüngliches einheit« 
liches Werk sei, dass in derselben keine ursprüngliche Redaction 
▼orli^^ Bevor wir weiter gehen, wird es wohl nOthig sdn, 
alle wichtigen Einwürfe, welche sich gegen die Legenda maior 
machen lasseo, ausanmiensnstellen. Hiebei werden natürlich 
auch die von den bereits genannten Forschem geltend gemachten 
Einwände berücksichtigt v 

Mit Recht wird zunächst gegen Capitel 1 der Einwurf 
erhoben, dass in demselben uns die gewöhnliche Legenden- 
schablone entgegentritt. Wir heben hervor: das ungemessene 
Lob der Eltern, wobei die Mutter ihrer Tugenden wegen, der 
Vater seines Reichthums halber gepriesen wird; die lange 
Kinderlosigkeit; die gefithrliche Erkrankung des Kindes im 
fünften Jahre, seine Aufopferung im Kloster des heil. Georg zu 



19 



Venedig^; sein erstaunliches Wissen wiilirend seiner cr-stcn 
Schulzeit, die übrigens auch fünf Jahre \viihrt. Man braueiit 
da nur die ersten Gapitel der Legenden des lieil. Adalbert zu 
leseo, um fast alle diese ZU^e wiederzufinden. 

Im 2. ("apitcl wird von einem allgemeinen Kreuzziige 
gesprochen: ,Faetam est autem, ut ad iraperium sammi pon- 
titicis tota ehristianitas crnee signata ad sepulcrnra domini 
Jerosolima se proticisci ])araret.* Da hier thatsächlich an einen 
der grossen Kreuzzüge gedaelit werden uiüsste, so könnte die 
Stelle erst am Anfange des 12. .lalirliunderts gcselirieben worden 
sein. Daraals wusste man aber genau, dass der erste Kreuzzug 
vor wenigen Jahren stattgefunden hatte; die obige Stelle setzt 
aber voraus, dass der erste Kreuzzug schon hundert Jahre 
frilher stattfand. Daraus foJgt. dass diese Stelle kaum im 
12. Jahrhundert geschrieben wurde, sondern erst spHtcr anzu- 
setsen ist Damit Mk die ganze Erzählung dieses 2. Oapitels 
von der Kreuz&brt des Vaters des Heiligen, von seinem Tode 
und von der Umnennung des bis dahin Georg genannten Knaben 
durch den Abt des Klosters, in welchem er seine £rziehung 
erhält, auf den Namen Glerhard. Wieder werden wir hiebei 
an Adalbert erinnert, der ursprünglich Woitech hieaa und vom 
Magdeburger Bischof den Namen Adalbert erhielt 

Was das 3. Capitel Uber das fromme und demttthige Leben 
Gerhards im Kloster des heil. Georg erstthlt, sind die gewöhn- 
lichen Phrasen. 

Dasselbe gilt von ähnüohen Bemerkungen im 4. Capitel. 
Dass Gerhard, nachdem er schon zufolge der Nachrichten im 
3. Capitel Prior geworden war, nachtriglich nach Bologna auf 
die Univerntät geschickt wurde, dürfte StUting mit Recht auf> 
fiülig finden. Und ebenso bemerkt Bttdinger, dass diese Stelle 
verdächtig sei, weil sie die Universität Bologna, von der am 
Ende des 10. Jahrhunderts keine Spur su entdecken ist, in der 
Weise, wie sie seitdem 13. Jahrhundert eingerichtet war, kennt 
(ubi notabiliter egregieque in scienciis grammaticc, philosophie, 
musice et deereti, omniumque liberialiuni scienciarum artibus 
instructi, quinto tandem uiino revocati sunt . . .). Da.ss diese 
Lehrzeit wieder fünf Jahre dauerte, macht die Darstellung nicht 
glaubwürdiger. 

Im 5. Capitel übernimmt er mit Widerstreben die Abt- 
würde j wieder ein Zug, der oft genug vorkommt. Was sodann 



so 



Uber Beinen Entschlass, naeb Palästina zn sieben, erzttblt wird, 
ist völlig unyerdäehtig. Dagegen finden wir in der folgenden 
Darstellung seiner R^se und deren Unterbrecbong (Cap. 5 u. 6) 
manches Aufiftllige. Zwar ist Büdingers zweifelnde Bemerkung, 
welche sich an die Ehrwähnung des Martinsklosters schliesst, 
unbegründet. Denn die Legende berichtet nicht, dass Gerhard 
vom Sturme in das Kloster des lieil, Martin verschlagen wurde, 
sondern es heisst mtrr ,unde applicuerunt euidam monasterio, 
in qtio contigit dominuni i i ibUiuin abbatem mouasterii s. Martini, 
oliiii amicum suum pceuliarem, adesse'. Die Reisenden fanden 
also in einem (ungenannten) Kloster den Abt vou St. Martin. 
Es ist also jL^anz gleieligilti";, ob dieses ungenannte Kloster an 
der dalmatinischeu Küste liegt, und ebenso belanglos, dass es 
dort kein Martinskloster gegeben bal^e. Wichtig ist al)er. was 
dieser Rasina unserem Gerhard sagt, sobald er von dessen 
Entschluss, nach Jerusalem zu ziehen, Kunde erhält: .Niinquani 
enim legimus aliqueiu monaehum elaustralem pro huiusmodi 
negocio JerosoUmam quesivisse, exceptis duntaxat gyrovagis. 
Laicis enim hcc via constituta est pro terra sancta preliandi, 
monacbis vero alia, quam Caritas vestra non ignorat. Ibi enim 
craciferi pngnare tenentor. Ibi vituperabunt Judei genitricem 
salvatoris nostri te presente^ quod tibi nequaquam utile erit 
audire. Ne putes, at te velim reprehendere^ sed ideo tan tum 
eonferO| nt animadvertas et mente pertractes utnun bene egeris, 
an non. Qui erubeseens ait: sicut fuerit voluntas in oelo, sie 
fiaty memorans dictum illud evangelicum: capillus de capite 
vestro non penbit' Aus dem Umstände, dass nach dieser 
Stelle die Jemsalemfahrt bereits den Mönch in Vemif brachte, 
schliesst Bftdinger und Marczali, dass sie in spätere Zeit gehören 
mttsste (13. Jahrhundert). Auch der Schreiber dieser Zeilen 
ist der Ansicht, dass die ganze Stelle späte Interpolation sei. 
Ja wir können sogar mit grosser Bestimmtheit auch die Quelle 
nachweisen, woher der Interpolator das Vorbild zu seiner Kritik 
der ICreuzzugsidee schöpfte. Wir haben schon oben an zwei 
Stellen darauf yerwiesen, dass die eingeschobenen Stellen grosse 
Verwandtschaft mit der Adalbertlegende zeigen. Nun erinnem 
wir daran, dass, wie Gerhard seine Abtwürde aufgab, um nacb 
Jerusalem zu ziehen, so auch Adalbert, nachdem er seinen 
Bischofssitz yerlassen hatte und nach Italien gekommen war, 
nach Jerusalem pilgern wollte. Wie Gerhard, so ist aber auch 



21 



er anterweg-s durcli emun Abt zurückgehalten worden. Und 
wie Abt Rasina unserem Gerhard zuspricht, so lesen wir auch 
in dor Vita s. Adalberti:* ,Post paucos autem dies cum iter 
coeptiun a^fere vellet, accessit ad euiii ilJius loci abbas, et (.-um 
ipso admodum inlustres viri, haec consilia velut ab divina arce 
ferentes: viam, inquiunt, quam acquireadae beatitudinis causa 
coepisti, loDge est a recta via et ab iila, quM duoit ad vitam. 
Perplexitatibus quippe fiigacis saeculi carerc magni animi est; 
sed cotidie loca nova matare minus laudabile est. Sicnt enim 
hibemi mans inconstanda malum nautis, ita vagatio de loco in 
locnm periculum suis sequacibus minator. Stare autem looo et 
BapenuB usibus eo Hberius perfhii, non nos, sed praecepta 
maioram virorumque forciom exempla tibi dicunt. Quod con* 
ofium providus heros non secas quam divinitns datnm accipiens, 
ibi finem laboris et errabundae vagatianis ponere cogitavit' 
Auch hier wird also die Pügerscbaft als nnlCbliehes Vagieren, 
dagegen das Ausharren am Orte als verdienstlieh beseichnet, 
diese Belehrung aber aueh hier von dem Empfitnger derselben 
ab gottliche Sehicksalsftigung betrachtet So finden wir swischen 
der biterpolation der Gerhardlegende und der Darstellung der 
Adalbertlegende ganz unverkennbare Beziehungen. Die Adalbert- 
legende beizuziehen, lag dem Interpolator nahe: hat doch auch 
der heil. Adalbert in üngam gewirkt, nachdem er jene Pilger- 
&hrt aufgegeben hatte und später nach Böhmen zurückgekehrt 
war. Und so verweist auch Rasina unseren Gerhard im 6. Capitel 
schliesslich auf Ungarn, So scheint aUes, was in der Legeada 
maior von der Irr&hrt Gerhards, seinem Zusammentreffen mit 
Rasina und der Verhandlung mit demselben erzählt wird, eine 
Nachbildung der Adalbertlegende zu sein. 

Die Nachricht, dass Adalbert in Un'^:am gewirkt hat, 
*'iiti;alim der Interpolator aber nicht der Adalbertle^^^ende — 
licun diese lag ilun wohl nur in der Redaction des Cana])ariuH 
vor, wo von der üngarnmission nichts vorkommt* — boudern 
aus der Stephanlegende. Dass er diese trekannt und benutzt 
hat, geht ans dem Capitel 7 deutlich hervor. Sobald Gerhard 
nach Ungarn kam, trifft er mit dem Bischöfe Maurus von FUnf- 



' Tita 0. Adalberti tos GaaaiMxiai, Cap. 14. 

' Ueher (Ufl Wirken Adtlbeiii in Ungarn enttbU Brun in seiner Adalb«rte> 
l«S«nde, Cap. 16. 




22 



kirchen zusammen. Welcher Anachronismus in dieser Nachricht 
liegty ist bereits von Budm^er und Marcüali betont worden-, in 
den Annalcs vetcres Ungarici lesen wir nUmlich:* ,1030 Ger- 
hardus episcopus ordioatur. — 1036 Maurus episcojius est et- 
fectus.' Nun weiss aber die Legende auch zu erfühlen, dass 
Anastasius Waradiensis (von Pccsvarad hei Fünf kirchen) nach 
i'ünt kirchen kam, und ialirt dann fort: ,Inter mutua autem 
colloquia ait Anastasius abbas: auctore namque deo tempore 
hoius venerabilis regis nos venientes in hoc regnum y>rimi 
predicavimus popolo verbum dei, et nunc, licet immeriti, facti 
sumus ta episcopas, ergo vero abbas. . . . Ad hoc yero re- 
spondit eptscopus dieenB: tu, inqoit, abba nosti, a diebus qaibus 
sanctos Adalbertos magiBter noster intravit regnum Ungarie, 
qui hunc regem, adhuc com paimliis esset^ erudivit, et nunc 
in iuvenili etate constitutum scimus coDctis cum eo habitantibus 
bene&cientem/ Aus dieser Stelle ist die Bekanntschaft des 
Interpolators mit der Stephanlegende zur Evidenz bewiesen: 
ihr hat er die Naehrichten von der Thtttigkeit Adalberts in 
Ungarn entnommen^ und ihr verdankt er seine Kenntnis vom 
Abte Anastasius von Pecsvarad, als einem der ersten Glaubens- 
boten In Ungarn.* Hiebei hat er sich auch hier eine Fälschung 
seiner Vorlage zuschulden kommen lassen, wenn er aus Adalbert 
geradezu den Ensieher Stephans macht, wahrend die Stephan- 
legende denselben durch Adalbert nur getauft und in den 
Schoss der Kirche aufgenommen werden Ittsst' 

Ebenso wie alles bereits Angefahrte ans den weitl&uHgen 
Beden imd eingehenden Verhandlungen in Fttnfkirchen, sind 
aber auch alle folgenden bis ins Einzelne gehenden Angaben 
(selbst die Stoffe gehaltener Predigten!) in Capitel 7 — 9 erfunden. 
Die mitgetheilte Unterredung Gerhards mit KOnig Stephan zu 

> Florian««, Ftmtm UU 8. 908. 

* Man vergleiche die Legeode de« heil. Stephau, verfasat vom BiMihof Hart- 
wich, Cap. 4— U ('FlnriunitB, a. a. O. 1, S.36ff.). Damitsind zu vergleichen 
die eutspreclieiHloa C'rq iffl fler Legenda maior (ebondu S. 13ff.), wo a?»er 
Anastasius nur unter dtMii Kanten Astrik erscheiut DarUber wird weiter 
unten im Texte noch gehandelt werden. 

* Sowohl boi Hariwioh sla in derLogendn msior, Cap. 5, leaen wir blo«: 
Hone (Steplumiiin) domino dileetoa Adatbortoi epttcopus ericniAli baptis* 
mate secundum credulitatis sue veritaUun intinxit et ausoeptor tniu ipoe 
ftut. iVahrscheinlich gab das itoteeptor* VeranlaMnng, an ipraeeeptor* 
XU denkeu. 



S3 

Alba Wird als schlechte Ertindung eines mit den Verhältnissen 
wenig Vertrauten charakterisiert, wenn sich Gerliard dort 
folgendermassen vernehmen lässt 8): ^Ad vestre regie maie- 
statis dignacionem veni, peregrinus enim sum, Jerosolimam profi- 
cisci cupio, socios enim habco, qiii descendunt mecuni in Danubio/ 
Wie passt diese Bemerkung für die aus dem Südwesti'n nach 
Stuhl weissen bur<r g;ekommenen Reisenden! Hat nun d*^r Tnter- 
polator, wie aus der oben citierten Stelle hervorgeht, Adalbert 
zum Erzieher des hei! Stephan o:emacht, so macht er aueli 
Gerhard zum Lehrer Emerichs, worüber bekanntlich in dessen 
zu Anfang des 12. Jahrhunderts entstandenen Legende kein 
Wort steht. Wenn weiter erzählt wird, dass Gerhard ^tumultiini 
popoli fiigiefns heremum petiit, qo» vulgo Beel vocatori ubi 
continiiis Septem aimis . . . remansit^ edifieans Bibi cellam . . 
so ist an dieser Notiz nichts auszusetzen; denn hier ist keine 
Rede von einem bereits bestehenden Kloster Bakonyböl, was 
allenfalls ein Anacbronismns wäre. Die angeknüpften legen- 
darischen Erzählungen verwirft bereits Stilting (S. 715), während 
Batthianj sie freilieh an Tertheidigen sucht (S. LIVf ). 

Wir gelangen nun zum Capitel 10, in dem die Ersflhlang 
ttber Achtom, seine Taufe in Widdin, seine anf griechischem 
Einflösse bemhende Macht» seinen Kampf mit Stephan und 
seine Niederlage infolge des Verrathes des Ohanadinns erafthlt 
wird. Diese Darstellung scheint, wenn wir von den sagen- 
haften Zflgen, die übrigens echter Volksllberlieferung ent- 
sprechen, absehen, dnrchans der historischen Wahrheit zu 
entsprechen.^ Es wttrde, wenn nur die inneren Kriterien be- 
rücksichtigt würden, woU angehen, dieses Capitel als Bestand- 
theii der ursprünglichen Redaction der Legende anzunehmen; 
fireifich ist es auffliUig, dass diese doch mit dem Leben des 
Heiligen nur lose ausammenhflngenden Begebenheiten so aus- 
fllhrlich ersfthlt werden. Vor allem aber ist Folgendes in 
Betracht zu ziehen: Es ist unstreitig, dass der Kationalchronist 
die Gerhardlegende um 1300 benutzte und aus derselben die 
dürt'tige Darstellung seiner Vorlage (der Gesta vetera) ergänzte. 
Man vergleiche darüber die ansfiibrlichen Darlc^fungen weiter 
unten. Es ist uns auch bekannt, dasa der Verfasser der natio- 



M.nn vergleiche übor Bericht meine Bmtrige sur iltoren an- 

gantclieD Qeschiciite (VVibu lb98), S. 3 n. 27 ff. 



Digiiizca by Liu^.' . 



nalen Grtmdehroiiik eifrig beBtrebt w«r, aus den ihm sugftng* 

üchen Quellen seine Erzählung zu bereichern. Nun findet sich 
in keiner der Redactionen der Nationalchronik auch nur ein 
einziges Wort über Achtum! Kann man annehmen, da8s der 
Nationalchronist dessen jiusfülirliclie Geschichtt- gar nicht be- 
rücksichtigt hätte, wenn sie ihm in der Legende vorgelegen 
wäre. Man darf wohl mit voller Bestimmtheit annehmen, da^ä 
der Chronist in diesem Falle Achtum nicht mit Stillschweigen 
übcrtrantren hätte; und somit fehlte oflenbar die Erziildung Uber 
diebeu Fürsten in der ihm vorgelegenen Redaction der Leirende. 

Vom 11. bis zum l^. Cupitei wird sodann die Berutuug 
Gerhards aus der Einöde und sein Wirken als Bisciiof bis zum 
Tode Stephans geschildert. Diese Erzählung ist zum grossen 
Theilc glaubwürdig; doch timlet sieh aueh hier nianclier späte 
Zusatz. So ist z. B. das, was über die zu Gerhards Unter- 
stützung aus verschiedenen Klöstern berufenen Mönche gesagt 
wird, wenigstens zum Theile unrichtig. Das Kloster Bakonybel 
ist erst 1037 von Stephan begrttndet worden, und somit können 
nicht gleich bei der Ejmennnng Gerhards zum Bischöfe (1030) 
Mönche aus diesem Kloster ihm sur Seite gestellt worden sein. 

Von Capitel 17 angefangen folgt die Darstellung der 
Wirren nach dem Tode Stephans, der Ermordung Gerhards, 
seiner Beerdigung imd nachträgHchen UeberfÜhrung, sowie der 
Heiligsprechung. Die zahlreichen Wundererzählungen sind 
offenbar jüngeren Datums. Der letzte Abschnitt ist durch die 
in demselben genannten Jahreszahlen 1361 und 1881 genügend 
als neuerer Zusatz charakterisiert. 

Dies sind ungefilhr die EÜnwttrfe, welche sich gegen den 
uns vorliegenden Text der Legenda maior erheben lassen. Mag 
man nun auch den einen oder anderen nicht gelten lassen» so 
bleiben noch immer genug, um die Annahme des zeitgenössischen 
Charakters dieser Redaction zn widerlegen. Einzefaie dieser 
Interpolationen weisen auf das 13., ja auf das 14. Jahrhundert. 
Unstreitig muss man zugeben, dass wir es nicht mit der ur* 
sprünglichen Redaction zu thun haben, sondern mit einer 
jüngeren, erweiterten. 

Nun entsteht die Frage: Ist die Legenda minor, die 
kürzere Biographie, die Vorlage der Legenda maior, oder ist 
sie aus dieser geflossen? Und da liegt das Verhältnis so klar 
zutage, dass der kritisch geübte Blick es erkennen muss. Von 



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25 



allen Einwürfen, die wir gegen die Legenda maior erlieben 
mussten, trifft kein einziger die Lepi^enda minor! Da ist keine 
Spur von den allfTf^nieinen le<;tMulen]iarten Züjyeii in den Anfangs- 
eapiteln, die uns als spätere Kachbildung der Adaibertiegende 
erscheinen. Da rindet sich nichts vom Kreuzzuge, nichts von 
der Universität Bologna, niehts von dem Zusammen trefieu mit 
Kasina und von dessen den Ausführungen des Abtes von Monte 
Cassino nachgebildetem Eifern gegen Gerhards Pilgorf-thrt. Auch 
keine Spur der Benutzung der Stephan legende (Anastasius) ist 
da. Von den Genossen, ,qiii descenduut mecnm in Danubio^ 
(trotzdem sie von Südwesten nacli Alba kommen), ist keine 
Rede, ebensowenig von der zweifelhaften Erziehung Emerich» 
durch Gerhard. Maurus erselieint niclit als Bischof, sondern 
bloss als Gefährte Gerhards in der Einsiedelei (nicht Kloster!) 
Beel. Die legendenhaften Ereignisse zu Beel werden nicht 
ersfthlt Von Achtum finden wir keine ErwähnuDg, was damit 
abereinatimmty dass diese Erzählung auch noch der den National- 
chronisten vorgelegenen Redaction gefehlt zu haben scheint 
Von der FlÜle der Wunder finden wir am Schlüsse noch nichts, 
ebensowenig etwas aus dem Abschnitte, der sich deutBeh als 
Zusatz aus dem 14. Jahrhunderte erkennen lässt' Kurzum: 
die Legenda minor bietet uns eine einwandfreie £r> 
Zählung. Niemand wird es glaubOch finden, dass das Pehlen 
aller Irrdittmer und Fehler auf die achtende Kritik eines späteren 
Epitomators der L^nda maior zu setzen ist. Das übersteigt 
durchaus die Hohe mittelalterlicher Geschichtaforschung; seit 
dem Ende des 15. Jahrhunderts liegt uns aber die Legenda 
minor bereits vollständig gedruckt vor. 



Der Schluss der Logeoda minor lautet nach StUtiugä Ausgabe: 8. 7231. 
C»p, iti Corpus quidem sanetam, dum in looo msr^prii mi jaear«!^ nolla 
Mide commaenUtom est . . . Qni ad aanetiim corpus proTeniem» tarn 
nitidum lucidamque, ac si ipso die martyriaiD oonsumanet, inTaoenmt . . . 
abi (am Grabe) multae gratiae catholicis Tiria emptae sunt, tarnen non 
eviflentf^r ii^ique ad tempora Ladislai regis atque pontificis Lanrontii, 
qui a beato viro qnintU!5 accepit c'itliedram. Cap. 14: saiictiun corpus 

elevatum e«t regiit ac ducum iiuiuorit» portantibus trausiatuni, decenter(|ue 
raeolatnm: «bi pro moritis taati patris •npema pratia per uiraenlonim 
«xhibitioDom lari^iu oonuoat. PraMtante Domino dosIto J. Ch., qni «am 
Boo Patre et Spiritu sancto Tivit et gloriatar per omnia aaeeula mwoii« 
lomm. Amen. — Man Tor^Ieicbe mit dieier «ehlieliteil DartleUnng die 
letsten Abschnitte der Lef enda maior. 



26 



Aber noch raelir: Aus dem Auszüge, den Petrus de Xat.ali 
um 1350 gemacht liat, ^^eht es klar hervor, dafls schon ihm din 
Legenda minor in derselben („lestalt vorhig. Vor allem stimmen 
aber mit üir auch die bis ins 13. Jahrhundert zuriick vertol;^'- 
baren Lcctioues völlig überein. Sic weisen alle Ei<r»'nthrunlieh- 
keiten der Lecrenda minor auf und VM-rraeiden all»' anteeiitbaren 
Nachrichten der Legenda mnior. Damit ist aber das Be- 
stehen der Legenda min ^r t im 13.. ja im 12. .lahrhundert 
gef?iehert. Nun erinnern wir uns nocli daran, dass diese 
Kedaction auch keine Nachrichten aus der Stephanlegende 
enthiilt, was bei der engen Beziehung der beiden Stoffe und 
der allgemeinen Bekanntschaft der Sfcephanlegenden im 12. Jahr- 
hundert nur 80 gedeutet werden kann, dass die Qerhardlegende 
in ihrer ursprünglichen Fassung früher oder doch gleichzeitig 
mit der Legende des heil. Stephan verfasst wurde. Oa nun 
die Nachrichten der Legende in dieser Gestalt nichts enthalten, 
was gegen ihre Abfassung bald nach der Heiligsprechung 
Gerhards (1083) sprechen würde, so dürfen wir sie wo Iii 
noch in das IL Jahrhundert, und zwar in das Ende 
desselben setsen. 

2Can ktante nun yielleicht die Frage aufwerfen, ob nicht 
▼ielleicht die kurzen Lectiones ursprünglicher als die Vita minor 
seien und ihr als Quelle vorlagen. Dies muss aber wohl aurück- 
gewiesen werden. Man würde sonst für die aahhreichen ver- 
lAsslichen Nachrichten, welche die Legenda minor bietet, und 
die in den Leetiones nicht enthalten sind, eine andere Quelle 
anzunehmen haben; diese mttsste aber wieder eine Legende 
sein. Uebrigens tragen die Leetiones ganz offenbar den 
Charakter eines kurzen Auszuges an sieh: sie sind aus der 
Legende gezogen worden, um am Feste des Heiligen vorgelesen 
zu werden. Hiezu war übrigens auch die kleinere L^ende 
selbst bestimmt, wie sieh dies aus ihrem Eingange ergibt* Es 
erscheint somit gesichert zu sein, dass die Leetiones, wie 
sie im 113. Jahrhundert nachweislich schon in Ungarn 
verbreitet waren, als Auszug aus der Legenda minor 
aui zu fassen sind. 

Im 13. Julirhuüdcrt entstand durch Erweiterung 
aus der Legenda minor die Legenda maior, wenn auch 

^ Dioser Intttot nämlich: Qiuidia qoM ChrUti participibus dies hodiema 
contttUt u. s. w. 



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27 



nicht ganz in der uns vorlienfenden Form. Dhss fjJe nicht früher 
entstand, darauf verweist schon rlie Auffassung der Kreuzzugs- 
idee; ferner auch die Bemerkungen über die Universität Bo- 
logna u. dgi. Für uns existiert hiefür aber auch noch ein anderer 
Beweis : der Abt von Pecsvarad wird in der gewiss der Stephan- 
legende entnommenen Stelle Anastasius genannt. Nun heisst 
aber noch in der ursprünglichen Redaction der Legende Stephans 
von Hartwich dieser Schüler des heil. Adalbert nur Astrik; der 
Zusatz ,qui alio nomine Anastasius dictus est' wurde erst um 
1200 durch den Schreiber des Pester Codex interpoliert; in der 
iinj^arisch-polnischen Chronik, welche die ältere ursprüngliche 
Kedaction (aus dem Anfange des 12. Jahrhunderts) benntcte 
und capitelweise ausschrieb, ist dieser Name ebensowenig wie 
in der Vita maior St. Siephani zn finden.^ Man Teigleiche: 



irn^ftrisili-jxiluiscbe Chronik ' T/OnrpTMl*' von Hartwi« )! 

(Bielowski, Mou. PoLhiat. I, S. 500): j (fc iuriauus, Fontes I, 44) 

. . . qoarto poat obitam patris 
anno, divina commovente de- 
mentia, Astricum prestilem ad 
Bmina sanetoram apostolonim 
mint . • . 



Quarte post patris obitum 
anno, divina conunovente de- 
mentia eondem Astricum pre- 
siilem, qui alio nomine Ana- 
stasius dictos est, ad limina 
sanctorum apostolorom misit . . . 



Ist nun aber die Entstehung der Legenda maior zufolge 
der angeflihrten Umstände nicht vor das 13. Jahrhundert zu 
setaen, so muae diese Bedaction schon um 1300 existiert haben. 
Es ist nttmlich kaum zweifelhaft, dass bereits eine erweiterte 
Redaction der Gerhardlegende dem Verfasser der nationalen 
Gmndchronik (Ofner Ifinoritenchronik) vorlag nnd von diesem 
ausgeschrieben wurde. Auf dieses VerhültiuB ist zwar an ver^ 
schiedenen Stellen dieser Studien bereits hingewiesen worden. 
Es scheint aber nothwendig zu sein, auf diese Frage nochmals 
genauer einzugehen. 

IKe Nationalchronik beruht nach unseren Ausftlhrungen* 
auf den Oesta Hungarorum vetera, die auch der Darstellung 
Kezas zugrunde liegen. Die knappe Darstellung dieser Alteren 

* Dm NIber« fiber diM«e V«rblltBi« in meiaMi Stadien I, II n. III. Auch 
die Legenda maior kennt nnr Attrik. 

* Mau veiglaiche die veraagegangenen Studien VU— Xil. 




28 



Vorlage, welche uns auch in Kezas kurzer ErzftUung eii1;gßgeii- 

tritt, hat der Verfasser der nationalen Grundchronik nachweiBÜch 
aus ver.schiedeuen Quellen erweitert, so aus den Annales Alta- 
henses, ferner den imt::arischen Legenden den heil. Stephan, 
Emorieh und Ladislaus und den ,Antiqui liljii de Gcstis Hunga- 
luruai'. Unter diesen Umständen ist es an und fUr sich nahe- 
liegend, das5s auch die nusfiihrlieiieu M ittheilnrjron über Gerhard, 
welche die NalionaK lironik gcireiiüber Kezu aufweist, aus der 
Le^'-ende herrühren. — Dieser Ansicht gegenüber .-teilen die 
Behauptungen, dass die Legende ihre Nachrichten aus der 
Quelle der Chronik (den Gesta) oder au« der Chronik selbst 
genommen huhe. 

Prtlfen wir zuerst die Anschauung, dass die Legende aus 
den Gesta geflossen sei. Zunächst ist es doch nicht anzu- 
nehmen, dass die Gesta nur gerade Uber Gerhard besonders 
ausftihrhch gehandelt, Keza aber dies*- Nachricliten ausgelassen 
hätte. Ferner erscheint es uns doch sehr unglaublich, daas 
innerhalb der jedenfalls n orhftltnismässig knappen Darstellung 
der Gesta so viele Nachrichten über Gerhard jemals Platz ge- 
funden hätten. Es ist vielmehr annehmbarer, dn<^s in den 
knappen Gesta auch Uber Gerhard sich nur wenige Nachrichten 
fanden, wie noch jetat bei Kesa; was die Nationalchronik aber 
mehr bietet, ist Zusatz. Dazu kommt noch aber^ dass die 
Legende eine von Eeza abweichende Nachricht bietet, wo dieser 
gans offenbar den Bericht seiner Vorlage (der Gesta) mittfaeilt. 
Nach Keza (§ 27 u. 28, Florianus, Fontes II, S. 83) kommen 
auf die Einladung der ungarischen Grossen, welche mit Peter 
unzufrieden waren, sofort alle drei jenseits der Karpathen 
wellenden arpadischen Brfider (Andreas, Bela und Leyentha) 
nach Ungarn. Nach der Darstellung der Legenda malor 
8. Gerhard! und der Nationalchronik (Chronicon Badense, S. 92 
u. 104c) kehren dagegen nur die beiden älteren zurück, während 
der jüngste erst später nachfolgt. Es ist augenscheinlich, dass 
die Nationalchronik aus der Vita die Mittheilungen ihrer Vorlage 
(der Gesta) verbessert* 

> Di« drei betreffenden Stellen lauttin: 



§ 27. Tunc iu Cheoad 



Chronik. | Vit» 9. Gcrli.irdi. 

Chr. Budense, S. Ol. ' |. 19. Ungwri 



omnes in tniiim convpn«*- i Tone nobilefl Hunpanf» ' 
mnty coa«iiioque habito j ... in Chaned in unum j 



29 

DasB dem aber so ist, daae nieht die Legende die Chronik, 
sondern diese jene ausschreibt, dafür lassen sieh weitere Über* 
zeugende Nachweise erbringen: Unter dem Wenigen, was bei 
Keza über Gerhard vor seinem Auftreten gegen Aba gesagt 
wird, erfahren wir, dass er .luünachus prius fuerat de Kosacensi 
abbatia' 29. S. 84 bei Floriaims, Fontes II). Dieselbe Nacliriclit 
liudet sieli in der Xationalclirüaik (Clironicon Jkulense, S. i^). 
Mag nun diese Nachricht in beide genannten Chroniken aus 
der gemeinsamen Vorlage, den Gesta vetera, geHossen sein, 
oder vom Nationalchrouisteu aus Keza auf«xenomnien worden 
sein, je b afalls liätte der Legendenschreiber diese Nachricht 
berücksiclitigt, wenn ^ie ilim vorgelegen wäre. Mithin hat er 
nicht die Chronik ausgeschrieben. 

Ein weiterer Grund für dieses Verliiiltnis ist folgender 
T"'m-rrtnd: Die Nationalchronik (Chronicon Rudense, S. 93 u. 98) 
bnn^t mehrere interessante Naelirieliten über Begebenheiten, 
die mit dem Heidenaufstande und insbesondere mit dem Ge- 
metzel, dem Gerhard zum Opfer fiel, in Verbindung Stehen. 
Es sind dies insbesondere die Mittheiiungen über .Tanus, seine 
,dea' Rasdi und deren grässliches Ende; sodann die Notiz, dass 
es verboten war, sich mit dem Geschlechte der beiden Anführer 
des Heidenaufstandes (Vata und Janus) an verschwägern; ferner 
die ausftihrliche Schilderung des Unteiganges des Grafen Zonuk. 
Die Chronik hat wenigstens die ersten dieser Nachrichten nach 
ihrer eigenen Angabe ,in antiquis libris de Gestis Hungarorum' 
gefanden.* Man darf wohl mit grosser Berechtigong annehmen, 



cominiiiiiter pro filiis Zar 

L.Kli>Iai tr.iDsmittunt, 
tinde ad rptrnum retnea- 
rent. Qai cam in Pest 
advenissent . . . tUUim . . . 
]Mr anatios trims (!) 
tntnun proelimatnr, 
qnod. . . . §. 28. Tunc 
trM(!) fratres Albensem 
ingreHi eivitatem . . . 



conyenerant consilioque 
liubito totius ITiuigane, 
n u II t i I) s ni 1 s 0 r 11 Ti t s o- 
lemiies in Kusciam ad 
Andream et LeTente di- 
centes «m^ quod tota 
Hnngaria eo8 fidelitor 
expeotar«t . . . Gam 
fiutf>m veTiis5;cnt (nur 
AiKlreii.^ und Levente!) 
ad Norvtm Castrum . . . 



m i sor II Ti t so I 0 m p- 
116 8 niintios po.st H- 
lios Waznl : Endre, 
Belm et Leventbe . . . 
petentM «m, at de 
Polonia «d Ungariam 
veiiircnt. Sicque Bein 
ibidem rcinanentö, En- 
dre et Leventhe (!) ad 
Ungariam venerunt. . . 



' Wahrscheinlich rühren ancli anrlero Nat-liriclitcn, welche die National- 
cbronik in dieser Partie bietet, aus dieser verlorenen Quelle. Mao ver- 
gleiche über dieselbe Studie XII. 



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80 

dass der Legendenscfareiber diese Nachrichten ganz gewies in 
seine Arbeit aufgenommen hitte, wenn ihm die Nationalohronik 
vorgelegen wSre. Man findet aber in der Legende nur Vata 
genannt, während von Janus, dem zweiten HauptanAlhrer der 

Heiden, gar keine Rede ist; ebenso wusste der Legenden- 
Schreiber nichts von dem Verbote, ,quod omnino prohibitum 
erat Christianis uxorein diicere de consanguineis Vata vi Janus, 
quod . . . Hunf^arorum popuUim a fide Christi averterunt*; die 
Ermordung Zouuks wird nur kurz erwähnt. 

Sehr wichtig ist die Betrachtung folgender Parailelstellen, 
weil sie beweist, dass die Legende nicht nur nicht aus der 
Chronik, sondern auch nicht aus deren Quelle, den Gesta vetera, 
schöptie, wie dies in neufrerZeitHeineniann im Neuen Archiv XIII, 
8. 69 f., zu beweisen suchte. Die betretieudeu FaraUelstelieu 
lauten: 



Keza, S. 81, 

(Alba) viros quinqua- 
ginta consiliandi cansa 
in unam domum evo- 
cavit, quibus in eadem 
indusiB crimen non con- 
fessos nec convictos 
legibas capnt fecit de- 
tmncari. 



Chr. JJudensü, S. 82. 

Cum enim rex Ghana- 
: dini Quadragesimam ce- 
i lebrareti in eadem Qua- 
j dragesima circiter quin- 
' quaginta viros nobiles sab 
pretextu consiliandi in qua- 
dam domo inclusit et ab 
armatis milibos fecit eos 
obtruneari nec contritos 
nec confesBos. 



I Legende, 6. 226. 

Alba comes palaeii 
. . . sanctis quadrage^ 
sime diebus honestis- 
simos quosque sui con- 
: silii viros fustibus et 
I palis velut jumenta sen 
bruta animaiia ausus 
est interficere. 



Aus der Betrachtung dieser Stellen constatieren wir, dass 
1. zwischen der Legende und Keza sich gar keine wörtlichen 
Anklänge finden, was doch an dieser Stelle, die dasselbe gleich 

ausi\\hrlich erxfthlt, bei gemeinsamer Quelle ganz nnerklllrlieh 

wäre; denn man erinnere sich daran, dass auch Kezas Quelle die 
G( sta vL'tera waren. — 2. Tn den Nachrichten der drei citiertcn 
Steilen zeigt sicli eiue j^aaz merkwürdige Divergenz: die Vita 
führt die Zeit des Mordes an, Keza die Anzahl der Erschlagenen; 
die Vita bezeichnet die Ermordeten als Käthe Abas, Keza spricht 
nur vom Vurvvande einer Rathsversammlung; die Vita erzählt 
die Art der Ermordung, Keza hel)t liervor, dass die Ermordeten 
keine Schuld getragen hätten und auch keiner aut gosetzUchem 



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81 



Wege ftberwiesen worden wftre. Da ist doch offenbar keine 
Spar derselben directen Qnellel Der NationalcliroDist hat da- 
gegen offenbar die Nachrichten der Gesfa Hizngaromm yetera, 
welche auch Keza vorlagen, mit jenen der Vita, welche aber 
- sicher nicht anf die Gesta znrückgeht, verbunden, wobei er in 
unsinniger Weise die Bemerkung der Gesta über die nicht 
stattgefundene gerichtliche üeberführung der Getödtctcn auf 
Beichte und Communioii auslegt. ^ Es g:v\\t also aus dieser Be- 
Lraclitun^^ deutlich hervor, dass die Legende weder aus der 
Nationalclii onik, noch aus deren Vorlage (den Gesta Hungarorum 
vetera) schüpite, sondern dass viehiichr sie von dem Verfasser 
der Kationalehronik benutzt wurde, indem er aus ihr die knappe 
Darstellung seiner Hauptquelle (der Gesta) ergänzte. 
Dasselbe ergibt sich auch aus toigendeu Stellen: 



Kexa, 8. 83 f. | 

Quidani autem istos 
fratres ex duce Wazul 
progenitos asseverant 
ex qnadnm virgine de 
geaere Taton non de 
vero tfaoro orinndos et 
pro tali missitalia illos 
de Tatun nobilitatem 
invenisse. Frivolom pro 
certo est et pessime 
eoarFatom. Absqnehoc 
namqne nobiles sunt 
et de Seitia oriundl, 
qua isti sont filü Zar 
Ltdislai. 



[ Chr. Badeiwe, S. 102. 

Tradunt nnidam istos 
tres fratres Hlios fuisse 
Vazul ducis ex quadam 
puella de genere Tatun 
I non de vero thoro ortos 
esse et ob hanc coniunctio- 
nem illos de Tatun nobili- 
tatem accepiase. Falsum 
pro certo est et pessime 
enarratnm; absqne nam- 
qne hoc sont nobiles, 
qnia isti filü sont Calvi 
Ladislai. 



Leidende, 8. 227. 

Ungari miserunt so- 
lempnes nuntios post 
filios Wazul : £ndre, 
Bela et Leyenthe, qni 
erant de genere sancti 
Stephani, potentes eos, 
ut de Polonia ad Tin- 
gariam venirent (von 
der anderen Ansicht 
über die Abstammung 
findet sich kein Wort!). 



In der Legende finden, wir also gerade diejenige Ansicht 
aber die Abstammung der drei ai^dischen Brüder ab bestimmt 
hingestellt, welche bei Keaa nnd in der Chronik auf das schärfste 
bekämpft nnd yerwocfen wird; ja der Legendenschreiher er- 
w&bnt mit keinem Worte der anderen Anschannng, die nach 

* So (Küst bereit» Mnglen die Stelle in der Nationalclironik auf: . . vnd 
Hess !*ie gar entbaubten an alle peicht* (S. 43 der Aiugabe von Ko- 
Tacbich). 



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d9 

der Clironik die allein riclitige Ut. Bas wäre doch ein ganz 
cigcnthtlmlicber; ja unerklärlicher Vorgang. Wir dUrfen daraus 
schliessen, dass die Chronik dem Legendenschreiber nicht vorlag, 
denn es ist gar kein Grund Torbanden, dass derselbe gegenüber 
seiner Quelle gerade die TOn derselben auf das bestimmteste 
verworfene Ansicht aufgenommen hätte, da ihm doch dieselbe 
Quelle eine für ihn ebenso annehmbare andere bot. Zieht man 
ferner den Umstand in Betracht, dass die Polemik are^en die 
Abstainmunj;- der drei Aipaden von \'azul sicli in Kcza und 
in der Nationalchionik tiudet, so kann man mit i,M-üöaür Waljr- 
scheinlichkeit annehmen, dass dieselbe bereite in der gemein- 
samen Quelle beider, den oft genannten Gesta Huni^aronim 
vetera, stand. In diesem l'alle wären die oben besprocheuen 
Stellen elx'nso wie die vürhergchendc ein Beweis auch fiir den 
Umstaüd, dass die Legende auch niclit die Gesta vetera aus- 
sclirieb. Für jeden Fall ist «ranz olVenbar die Anschauung, das» 
die drei arpadischen Bruder Sölnic des Vazul waren, die ältere; 
denn f^efjen sie streitet bereits Keza und die Nationalclironik, 
und vi'^lleit lit kämpften dagegen bereits auch die älteren Gesta 
Hungaroi uin. wie eben ausgeführt worden ist. Dagegen ist die 
Behauptung, dass diese drei Arpaden Sühne des Zar Ladislaus 
seien, ganz offenbar die jüngere oder erst später in die Jahr^ 
bUeher aufgenommene. Dass aber diese, wenigstens seit Keza 
(1210) verbreitetere Version, trotzdem der Gerhardlegende (auch 
in der erweiterten Form) nicht bekannt ist» spricht fUr deren 
Entstehung im 18. Jahrhundert 

Schliesslich sind noch folgende Stellen in Betracht zu ziehen: 



Kez.i, S. 83. 

Qui (Andreas, Bela 
et Lewenta) cum in 
Pest advenissent ab> 
sconse sicut poterant, 
statim 



Chr. Badense, 8. 98—94. 

Cum autem (Slndre et 
Lerente) venissent ad 
KoTum Castrum, quod 
Aba rex construzerat, 
ecee uni versa multitu- 
do Hungarorum cater- 
yatiim confluzit ad ipsos 
et instinctu diabolico 
inflammati; perricaciter 
petiverunt ab Endre etLe- 
vente, quod permitterent 



Legende, S. 227 f. 

Sicque Bela ibidem 
(Polonia) remanente, 
Endre et Leventhe ad 

Ungariam venemnt. 
Confluxitque ad eos 
universa mnititudo 
Un g ar 0 rnm in civitate 
Pest Qui instinctu 

diabolico. . . . 

fast wörtlich das^ 

selbe; nur steht neben 



Digmzca by Gi, 



SS 



nairenQiii populam rita 
paganoram vivere, epi- 
scopoB et elericos occidere, 
ecdesiaa destruere» chri- 
stianam fidem abticere et 
jdola colere. Femiae- 
nmtqae eoa secimdiim 
desideria cordis eorum, 
ut irent et perirent in 
adin venti o n i Ij u s a n t i ( [ u o- 
runi [)atriim suonun: aiiter 
euimuoupugnaljant contra 
Petrnm regem pro Endre 
elLevente. Primuöautem 
inter renatos nomine Vata, 
de Castro Belus, dedicavit 
se demoniis, radens caput 
suum et cincinnos demit- 
trns sxhi per Ire» partes 
VI in }) a g a II 0 r II in . Cuiui 
ßlius noviiiw Janus . . . 
es folgt die Erzählung über 
dessen Treiben, seine ,dea* 
Rasdi und deren gräss- 
Üchen Tod, der Bericht 
nach den ^Antiquii lihri 
de Gestis Hungarorum' 
über das Eheverbot mit 
der Familie des Vata und 
JantiB (man vergleiche dar- 
über obenS. 30),qaod I lun- 
garonim populam a fide 
Christi avertenmt Tunc 
igitar detestabOi et exe- 
cnbüi anmioiiitione illiiia 
Vate, omnes popiüi libap 
yernnt ae demonibua 
et ceperunt comedere 
equinas pulpas et omnino 
pescnmasfacereculpasytam 



Vata (S. 2S9^ Wiener 
Handschr. foL 101a) 
aueh die Namensfonn 
Bacha; femer fehlt 
die Naehricht, daaa 
dieser de Castro Beins 
war, und ebenso die 
Nachricht über die 
Wiederannahme der 
hcidnisclien Haar- 
tracht Es sind dies 
wohl schon aus den 
Antiqui lihri entnom- 
mene Mittheilungen 
(siehe unten!) 



. . . ritu pa- 
ganoruui. Öic- 



alle diese Nachrichten 
f e h 1 e n; der Chronist 
hat sie aus dem An- 
> tiqui lihri in den Text 
der Legende inter- 
poliert. 



que omnes 
feoerunt et demoni- 
bas libayerunt et 
I ceperunt u. s. w. 



AidÜT. XCI. Bw'< Hilft«. 



s 



Digiiizca by Liu^.' . 



34 



in curia Petri regis una 
nocte in equis velocibus 
per nimtios triuin fra- 
trumproclamatur, quod 



omnes Teutonici et La- 
üm, ubicimque inveuti 
perinuuitar et resiima- 
tur ritns paganiBinTiB. 



Mane ergo facto scisti- 
tatnB Petrus facti cau- 
sam pro certo recogno* 
yii, ipsos esse in Hon- 
garia. . . . 



quippe dericos, quam lai- 
cos catholice fidel serra- 
tores interfecerant et quam 
plures ecciesias dei de- 
struxerunt. Deinde con- 
tra Petrum rogem rebeUan- 
tes, universos Teutonicos et 
Latinos, qui iii officiis di- 
versis prefecti per Him- 
guriamsparsifuerant turpi 
ueci tradiderunt. Mitten- 
tesque in Petri castra in 
equis velocissimis nocte 
tres preconeSj qui debe- 
rent pioe lumare edietuin 
et verbiim dominorum 
Andrce et Leventhe, 
ut ipsi episcopi cum 
clero sint necati: deci- 
mator tracidetiur; traditio 
reBomatur paganisma; pe- 
nitus olK>lenda sint col- 
lecta; cum suis Teatonicis 
et Latinis Petri pereat 
memoria in eternum 
et ultra. Maaeigitorfiicto 
sciaeitatns est res rei 
factum et certissime ex- 
periens, quod istl fratres 
redissent . . . 



wie in der Chronik 



destruere, et 



prrcoiios proclamarc 
edictum Endree et 
Leventhc, ut epi- 
scopi cum clericis 
et monachis et Christia- 
nis interficiantor et 



memoria eoram pe> 
reat in eternum et 
litus patnim nostromm 
reassumatnr. Quo au* 
dito sanctus Gtorfaar* 
dus . • . 



Wer diese FarallelsteQen durchsieht, wird an der Er^ 
kenntnis gelangen, dass nicht die Legende aus der Chronik 
oder deren Quelle geschöpft hat, sondern die Chronik die Nach- 
richten ihrer Quelle (der Gests vetera) aus der Legende (und 
den Ltbri Antiqui) erweifesrt hat. Nur daraus erklärt es sich, 
dass die Legende 2. B. von den in der Chronik im Anschlüsse 
an Keza (und ^e Gests) genaimten Teutonici und Latini nichts 
aufweist; so erklärt es sich auch, dass sie nicht die aus der 
Gests herrührende Nachricht von der Wiederkehr aller drei 



.-L,d by Google 



35 



Brüder (siehe Keza!) aufweist, sondern nur von der Wiederkehr 
des Andreas und Leventha spricht; diese Version hat natürlich 
dann die Chronik uiit den anderen Nachrichten aus der Legende 
entnommen, nicht aber verkehrt Darüber ist übrigens schon 
oben gehandelt worden. 

Wir sind mithin /um bestimmten Schhisse g^ekomraen, 
dass die Leg-enda niaior schon dem um 1300 schreibenden 
Nationalchronisten vorlag; und da wir anderseits früher gefunden 
haben, dass fliese Kedaction nicht vor 1200 (der Entstehung des 
Pester Codex der Stephanlegende von Hartwich) entstanden 
sein kann, so ist die Herstellung der Legenda maior im 
13. Jahrhundert sichergestellt. Dem entspricht auch, 
woraut bereits o})en verwiesen worden ist, die Art, wie in der 
Legende von der Kreuzzugsidee und der Universität Bologna 
gesprochen wird. Das Oapitel über Achtum scheint erst später 
aufgenommen zu sein, weil beim Nationalcbronisten sich davon 
keine Spui* findet. Diejenigen Partien, welche den Heiligen 
mit dem Qeorgskloster in Venedig in Verbindung bringen, 
mdgen ebenfalls erst später, und zwar -vielleicht in diesem 
Kloster selbst, hinzugefügt worden sein (s. oben S. 8). Der letzte 
Abschnitt, in welchem die Jahreszahlen 1361 und 1381 vor- 
kommen, ist durch dieselben ab Zusatz des ausgehenden 14. oder 
beginnenden 15. Jahrhunderts gekennzeichnet 

Wenn aber auch die Ijegenda maior erst spät entstanden 
ist und die meisten ihrer Erweiterungen gegenüber der Legenda 
minor, besonders insofern sie weitere Einzelheiton aus dem 
Leben des Heiligen enthalten, verworfen werden mflssen, so 
liegt durchaus kein Grund vor, dass wir auch ihre Nachrichten 
über Achtum und den Heidenaufistand bedingungslos als un- 
glaubwürdig beseiehnen. Fttr die Nachrichten Uber den Heiligen 
stand eben dem Intorpolator neben der älteren Legende gewiss 
keine ausfilhrlichere Quelle zur Verfügung: er hat sie vielmehr 
erftmden» anderen Heiligenleben entlehnt oder auch, wie die 
Wunder, ans der Tradition ttbemommen. Dagegen konnte er 
filr die politische Geschichte und das steatBche Leben in älteren 
Chroniken Belehrung finden und ans diesen Quellen uns Nach* 
richten aufbewahren. So erscheint alles, was in der Legenda maior 
§ 10 über den Fürsten Achtum, sein von der Koros bis Widdin 
und Severin sich erstreckendes Gebiet, seine auf byzantinischem 

Eintiuss beruhende Macht, endlich seinen Kampf mit Stephan 

8» 



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36 



erastthlt wird, dnroHaiiB glaubwürdig.^ Diese Verhältnisse bertthrt 
von den uns bekannten tmgariachen Quellen nur noch der anonyme 
Notar, wie dies bereits in der Studie IX, S. 378 an&fllhrlich darge- 
than worden ist. Wir sind dort sum Schlüsse gekommen, dass der 
Anonymus entweder die Legende des heO. Gerhard oder, was 
wohl das Richtigere ist, eine dieser nahestehende Quelle vor sich 
hatte; im letzteren Fülle hätte man jedenfalls an die Aufzeichnung 
zu denken, der auch der Iiitcrpolator der Lebende seine Naeli- 
ricliten entnahm. Eine genauere Untersuch unjj; des Verlüilt- 
nisses scheitert an dem Umstände, dass der Anonymus die mit 
Aclitum zusanmieuhängenden Nachrichten nur in vorgreifenden 
Bemerkungen berUhrt, seine Darstellung aber nicht mehr in 
dessen Zeiten reicht: 8o l)ieten sich zu wenig Vergleichspunkte 
dar. Ebenso erselieiut die Erzählung!: der Legenda maior über 
den nt idenaufstaud, dem der Heilige zum Opfer fiel, völlig 
glaubwürdig.*-' Die Erzfthluufr der Legende stimmte offenbar 
in den Hauptzügen mit jenen ,Antiqui libri de gestis Hunga- 
rorum' zusammen, welclie der Verfasser der rationalen Grund- 
chronik neben der Legende benutzt hat. und aus denen 
er nur noch in wenigen Zügen die Darstellung der Le- 
gende vervollständigte. Es ist darüber bereits oben gehandelt 
worden. 

Schliesslich mag noch bemerkt werden, dass aus der 
Kürze der alteren Legendenredaction, insbesondere deren ge- 
ringerer Fülle an Nachrichten zur politischen Geschichte, durch- 
aus kein Zweifel gegen ihr höheres Alter entstehen kann. Ist 



* Hiera «ind meine «Beiträge bot ftlterea nagarischen Oesehiehte* (Wien, 
189S), beaondeni Nr. I und H, wa vei^gleiehen. — Die tltera Bedaetton 
der Geiiiardlegende nennt Achtam nicht and geht flberhanpt Qber dtese 

Verhältnisse rasch hinweg. Im § 3 If^scn wir bloss (S. 722): Interim 
praefatus rex iStephanus nt robnstissimus Josne impietatuin gentinm delevit 
crudelesqiU' pa^r.inornra mores snperavit .ic. pluriraoriim cnrda ad rf»ri- 
pienda sanctae lidei semina praoparavit. Videnti aotoni rex reguum suuiii 
pesie tMnqnillitaitem adi^itam amewvm domini ab heremo revoeaTit . . . 

* Aha wird in der ilteren Legende lüeht nüt Namen genannt Wir leeen 
in denelbeo, $ 7 (8. 788), nur; . . . fidem ac dilectionem eoiqiuraneat, 
tttttttf ex iis dejecto rege regalem cathedram injurioso usurpavit. — Der 
Aufatanr! (\fr heu\nhchoi\ Partei wird nur kurz erzfihlt, § 10 (S, 723): 
Uno lustro ovolutii st'cumloqiie inchoante, praedicta üeditio exorta e«t. 
Xn qua dum ad Albam regiani urbem vir Dei remearet, in ecclesiam 
aanetae Sabinianae . . , 



f 



37 



es uns doch bekannt, nm tod anderen Fällen abzusehen^ dass 
auch die älteren Stephanlegenden dürftig sind und insbesondere 
zur Staats^roschiehte sehr wenige Nachrichten bringen. Noch 
mehr gilt dies von der Legende- des heil. Emerich, über die 
wir in der nächsten Studie handeln werden. Dies lässt sich 
leicht aus dem Geiste der Legendenschreiber und dem Zwecke 
ihrer Aufzeichnung erklären. 

8. ZnwHnmenfaming der XrgelmisM» 

Von der Legende des heil. Gerhard sind zwei Redactionen 
zu unterscheiden: eine minor und eine maior. Erstere ist 
wohl schon am Ki.de des 1 1. Jahriiuiiderts entstanden, sie ist 
durchaus glaubwürdig und daher trotz ihrer Dürftigkeit wertvoll. 
Dem Verfasser dieser Vita war noch keine der um dieselbe 
Zeit entstandenen Stephanlegenden bekumt Fr£lhzeitig Bind 
als Auszüge aus dieser Legende die sogenannten Lectiones 
entstanden, welche wie übrigens auch die Legenda minor, zum Ver- 
lesen am Feste des Heiligen bestimmt waren. Nachweislich 
sind diese Lectiones schon im 13. Jahrhundert in Ungarn veiv 
breitet. Durch Erweiterung der Xiegenda minor ist die grössere 
Legende geschaffen worden, nnd zwar dem Hanpttheile nach 
im 13. Jahrhundert: sie benutzte schon die um 1200 entstandene, 
im Pester Codex erhaltene Redaction der Stephanlegende von 
Hartwich xmd wird anderseits bereits um 1300 vom Verfasser 
der nationalen Grundchronik (Ofner Minoritenchronik) ansge- 
sehrieben. Als Werk einer so späten Zeit wird die Legenda 
maior auch durch allerlei Einzelheiten ihres Inhaltes charak- 
terisiert, so durch ihre Auflassung der Kreuazugsidee und ihre 
Bemerkungen ttber die UniversitlU Bologna. Uebrigens scheint 
die Umarbeitung nicht durch eine Hand und auf einmal eifolgt 
SU sein: so dürfte das Capitel über Achtum erst nach dem 
Jahre 1300 eingeftigt worden sein, weil der Nationalchronist 
Dicbts von dessen interessantem Inhalte aufweist, wiewohl er 
sonst viele» aus der Legende aufnahm. Femer scheinen die 
zahlreichen Nachrichten, welche den Heiligen mit Venedig und 
insbesondere dem Georgskloster das^bst in Verbindung bringen, 
daraui hia/uweisen, dass sie in diesem Kloster hinzugefügt 
wurden. Dass man hier an dem Heiligen in späterer Zeit 
groböes Interesse nahm, i&t sichcrgeäteUt. Dei letzte Abschnitt 



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S8 



der Legende, in welchem die Jahressalilen 1361 und 1381 vor- 
kommen; ist dnrch dieselben als Zusatz des aosgehenden 14. 
oder beginnenden 1&. Jahrhunderts gekennaeiehnet 

XIV. 

Ble Legenden des keiL Smerlek. 

Die von Endlicher in seinen Monnracntii Arpadiana, 
8. 193 ff., aus demselben Mondseer Codex abgedruckte Legende 
des heil. Emcrich, welcher auch die Legende Stephans von 
Hartwich und die erweiterte Bioi^raphie Gerhanb <'Tithält, bot, 
wie es schien, ganz unlösbare Widerspruche. Einerseits finden 
sich nämlich in derselben gana deutliche Hinweise, dass dieses 
Heiligenleben um 1100 verfasst worden sei, anderseits bot das 
An£angscapitel bestimmte Anzeichen, dass es erst um 1200 ge- 
schrieben wurde. Es sei gestattet, auf diese Schwierigkeiten 
hier nfther hinzuweisen; denn sie waren darnach angethan, 
die Eigebnisse unserer ersten Studie ebenso zu erschüttern, 
wie ihre LOsung nur dazu beitragen kann, dieselben zu be- 
festigen. 

In der oben citierten Studie^ ist bekanntlich bewiesen 
worden, dass man Ton der ursprünglichen, vom Bischöfe 
Hartwich am Anfange des 12. Jahrhunderts besoxgten Neu- 
bearbeitung der Legende des heil. Stephan die spätere weit 
▼erbreitete Fassung dieser Redaction wohl unterscheiden mttsste: 
alle diese jüngeren, allgemeiner bekannten, von einander wenig 
abweichenden Handschriften gehen nämlich auf den erst um 
1300 geschriebenen Pester Codex zurück; die ursprüngliche 
Redaction ist aber nur in der sogenannten ungansch-polnischen 
Chronik erhalten, welche eigentlich nichts anderes ist als die 
echte Legende von Hartwich luii geringen Aenderungen und 
wenigen Zusützen um Aiifunge und am Ende. Der llaupt- 
uiitcrschied zwischen der echten Legende von Hiirtwich und 
der auf den Pester Codex zurückgehenden erweiterten Re- 
daction ist, dass jene nur die Vita maior benutzte und inter- 
polierte, diese in den so hergestellten Text aber auch Stellen 



* Vgl. dastt «aeh Stndie UL 



39 



AHB der Vita mmor dnsohob. Dies Umb sieh aebnf beweiMii, 
deon von allen SteQen der Vita minor, welche in der von tu» 
als jünger bezeiehneten Redaetion der Legende von Hartwich 
enthalten sind, findet sich im Contexte der ungarisch-polnischen 
Chronik keine einzige, auch nicht dann, wenn diese Entlehnungen 
aus der Vita minor zwischen zwei aui der Vita maior ent- 
nommenen Stellen stehen. Da^^e^jen findet uian in den wenigen 
der Legende Stephans entnommenen Sätzen, welche das erste 
Capitcl der Emerichlegende enthält, auch einen Satz aus der 
Vita minor. Man vergleiche: 



Vit» maior 
m. Siepluiin. 

§ 5. Hone (Ste- 
plMnBi)d60 dileetu 
Malbeitua «pweopw 
okauB iMiptismate 

•eronf?tim creduli- 
Uüi» siie verit;itöiD 
iotiiixit et »uaceptor 
lim ftthw Nomen aibi 
ai|NMitnm «st 8te> 
fknras . . . (DatttQiig 
it» Xameiw) . . . 
Cnrit infiuu ngmii 



Ungarisch - polniMlie 
Chronik. 

CSap. 4. Hunc deo 
dUeetoa Adalbertaa 
epiaeopu ehriamali 
baptisiDatdaMUttdnm 

crednlitatis gnae vir- 
tutem intinxit et ei 
nomen Ötephaniu im- 



•doeatn, qui 

tnuradata pucritia, 
p«!^<|^am prirunm ail- 
okwentid gradum 
tllMIIIUllit, COBTO* 

mtb patar aaiia Hvn- 
piimatibiif . . . 



poaott Crerilinlu» 



diliff0nU satfitiu edu- 

catu, qnem transacta 
pueritia convocatis 
pater 8UU Uugariae 
plimatibiii . . . 



Pecter Codas. 

§ 5. Hone domino 
dilectitt Adalbertu 
•piaeopiui eiinnalt 
baptismateBeenadam 

credulitatif« «ne veri- 
tatern intinxit üt m- 
gceptorsuoa ipse fuit. 
Nomen sibt imposi- 
tnm eit Staphanns, 
* . • Stfifonimiei Yoro 
oppido nativitatis ex- 
ordium Iiabuit, et 
pueradhuc sei e n tia 
gramuiatice arti» 
ad plene imbntae 
•■t OrevitinCuisde- 
% i i i<i «t regeli nn- 
tritas edacatu , qui 
transacta i)UOritia, 
post^juam gradum ad- 
ulescßntio primunj 
Meendit^ conToeatto 
pater mnie Hmufarie 



. . . daxifdmeeffnlait. 

Puer qaoque nutri- 
tus diUgmti custodia, 
priiuo omni seien- 
cia gramm&ticu 
artie imbutua est 



I 



Die Nachrichten über den Geburtsort Stephans und seinen 
Unterricht in der Grammatik, welche die Vita maior und die 
ungarisch-polnische Chronik (echte Legende von Hartwich) nicht 
entbnlten, hat der Pester Codex ens der Vita minor s. Stepbani^ 

* $ 3: Hie Strigoniensi oppido nativitatis pxordinm habuit et puer adhac 
tcientia grammatioe artia «d plene iuibutuu est. 



Digiiizca by Liu^.' . 



40 



entlehnt. Ans dieser späten, um ISOO entstandenen Pester 
Redaction hat der Schreiber der bei Endlicher gedruckten 
Emerichlegende geschöpft, indem er das, was dort vom Vater 
gesagt wird, von dem Solmo behauptet. Dass aber dieser sorg- 
lose Schreiber nicht etwa aub der Vita iiiaior uiul der Vita 
minor schöpfte, ergibt sich schon aus dem Umstände, dass er 
mit der Hartwich'scheu Legende das diligenti gemeint hat. 
Ucbrigens gebraucht er auch in den folgenden Zeilen, wo er 
nach der Stephanlegende die Abfassung des ,Liber de institutioiie 
morum* bespricht, fiir , verfassen' den Ausdruck »eoinposuit*, 
den man auch in den Legenden von Hartwich findet, nicht 
aber ,constituit*, welchen die Vita maior aufweist. Mitliin kann 
das erste (^apitel dieser Redaction der Knierichlegende nicht 
vor dem 13. Jahrliunderte gesehrieben worden sein. 

Aiulererseits weisen die anderen Capitel der Legende ge- 
rade sehr deutlich auf die Entstehung am Anfange des 12. Jahr- 
hunderts hin. Die Stellen, welche hier in Betracht kommen, 
sind folgende: Schon die Worte im 2. Capitel ^annonia autem 
noBtris fere temporibus ad fidem venit' lassen darauf schliesseD^ 
dass der Verfasser dem IL Jahrhunderte nicht allzu fern ge- 
standen sein könnte. Aus der Erzählung des § 7 ,Kec hoc 
preterenndum puto, quod aliquando ConstantinopoHm cum Almo 
duce commoranti . . / folgt, dass der Verfasser ein Zei^^nosse 
des Herzogs Almus war. Auf eine nähere Zeitbestimmung der 
Anwesenheit in Constantinopel — man nimmt gewöhnlich das 
Jahr 1109 an — darf man wohl nicht eingehen, weil wir kaum 
behaupten können, dass Almas nicht yielleicht anch schon früher 
in Bjzanz sich aufgehalten hätte. Am wichtigsten ist fülr die 
Zeitbestimmang das Capitel 8. Dieses beginnt nämlich der 
L^endenschreiber mit den Worten: |Unum autem de egregiis 
miraculis, quod postmodnm in diebus nostris pro confeasore 
suo deus revelare dignatus est, nostre narraeioni assumimns . . 
und in der Folge wird ftir dasselbe Ereignis die Zeitbestimmung 
,regi Ladislao, qni tunc temporis Pannonie prefnif gesetzt. 
Daraus geht hervor, dass der Erzähler ein jüngerer Zeitgenosse 
des Königs Ladislaus war and nach dessen Tode die Legende 
schrieb. 

So bot die bei Endlicher edierte und allein allgemeiner 
bekannte Redaction der Emeriehlegende eine ganz besondere 
Schwierigkeit, welche freilich — wie es scheint — bisher nur 



41 



dem Schreiber dieser Zeilen auffiel. Der SchlUssrl zur Lösung 
dieser Frage ergab sich erst, als ihm eine andere Kedaction 
der Legende bekannt wurde. 

Diese andere Redaction ist unstreitig üugleieh die ältere. 
Bhr wichtigster Repräsentant ist der Renner Codex des 13. Jahr- 
hunderts. Femer findet sie sieli vor allem noch in der uns 
bereits bekannten Corsendonk * hen Handschrift, in welcher 
auch die ältere Redaction der (Torhardlcj^ende enthalten ist. 
Gedruckt ist diese allere Form clor Kmerichleg'ende bereits in 
der uns ebenfalls schon bekannten Sammlung .Legende sane- 
torum regni Huugarie in Lombardica historia non contente' aus 
dem Ende des 15. Jahrhunderts und ebenso in der Krakauer 
Liegendensammlung von 1511. Aus letzterer hat sie Florianus 
in seinen Fontes I, S. 129 ff., abgedruckt. Den Reuner Codex 
haben jetzt die Acta Sanotorum (Nov. Tora. II, Pars I, S. 47Öflf.) 
ihrer Edition zugrunde gelegt; hier findet sich auch ein aiuh 
ftlhrÜcheres Verzeichnis der Handschriften und Drucke.' 

In dieser älteren Redaction lautet das 1. Ca})itel ganz 
anders. Da ist keine Spur von der Benutzung der Legende 
von Hartwich: ja dem Verfamer der l'' nde ist Überhaupt 
k^e der Lebensbeschreibmigen Stepbans bekannt^ so dass er 
wenn auch nicht vor der Ab&ssnng derselben geschrieben 
haben mag, so doch gleichseitig oder bald nachher, bevor die 
Staphanlegenden bekannter wurden.* Dies paast gut auf die 
schon oben bestimmte Entstehnngsaeit der anderen CSapiteL 
Uebrigens findet sich auch in diesem 1. Capitel eine andere 
Bemerkung, welche auf dne so frühe Abfassung hinweist* Das 



' Die hier mit B4 bezeichnete Handschrift (apographum codici« olim 
LanaelaiCWMb saeeali XV inenntis) und d«r mit CS beseichnete Codox 
der Wiener Hofi^bliotiidr (olim Lnnaelaoensb) sind wohl als einer ^ 

tneinsameD Quelle entsprungen anzusehen. 

' lieber die Auffassung der Stelle vgL Florianos, Fontes I, 8. 282 und 
A<-tÄ Snnctormn, a. a. O , 8 47f> 

• Darauf verwobt auch folgender Umstand: Im 8 Capitel der jüngeren 
Redaction wird nur berichtet, d&b» der büudcr, dessen Kette sich am 
Ombe Emerieht Utote» M ▼iesriom asneti Petri, qui Romane tedi tone 
prefvit* gekommen tei; in der Uterea Bedsetioa wird hier «asdrilddich 
Hildebrant, also Gregor VII., genaimt. Folglich ist die Erzählung nach 
dessen Tode niedergeschrieben worden, aber nicht allzu lange spHter, 
weil die ganse Begebenheit als 4n diebus noatrii* gesoheben beaeichnet 
wird. 



^ i^L-d by Google 



42 



Capitel lautet nämlich: ^Postquam uiugi iiitas dei filins omni- 

potentis post ascensionem suam per apostolice predicationis verba 
cunctis gentibus solatium suc Visitation is iinpcndciis, cas a tene- 
bris ad tidei iumcn convocaverat, novissimis ut ita Uieam 
temporibus, per melifluam beati Step ha m primi regis nohtri 
providentiam tocius Pannouie regnum lumen veritatis agnovit: 
ipRe enim est ii oster rex et apostolus; ipse quoque de iure 
diabolice potestatis exeraptos ad veri dei eopnuuun lu porduxit. 
Et quia eins Gesta sunt inerrabilia, nec nostri iugcnii con- 
gruit parvitati, iustius et utilius visum est. quatenus tilii eius 
beati Emehci pro modulo nostre possibiiitatis ediseeramus in- 
signia/ 

Damit ist die oben bezeichnete Schwierigkeit gelöst. Das 
1. Capitel der Mondseer Handschrift des 15. Jahrhunderts und 
der ihr verwandten Manuseripto ist erst ein späterer Zusatz, 
der auf Grandlage der Pester Redaction der Hartwich'schen 
Lcg:ende gemacht worden ist. also erst nach dem Jahre 
1200. Die anderen Capitel stimmen in beiden Redactionen 
tiberein und sind wie das 1. Ca})itcl der älteren Legende am 
Anfange des 11. Jahrhunderts abgefasst worden. Wie wenig 
historische Nachrichten die Legende auch in ihrer ttlteren Re* 
daction bringt, ist bekannt. Nicht einmal die uns aus den 
Hildesheimer Jahrbüchern sum Jahre 1031 bekannten Todes* 
umstände und das Todesjahr^ des Prinsen finden sieh hier 
verseichnet. Es erklllrt sich dies aus dem Umstände^ dass der 
Autor ganz offenbar nur aus der mttndliohen Ueberliefemng 
schöpfte. Auf diese verweist er auch Öfters. ' So heisst es im 
Capitel 5: ,Post hoc autem beatus Hemericus etate profieiens 
per virtutum merita gloriosa sua Semper augmentabat insignia. 
Que quanquam nos per omnia explicare non poseimos, pauca 
tamen, que de gestts eins andivimns, nt non negligentie depu* 
tentur, diligenter referamus/ Die Stelle kennzeichnet sehr 
treffend die Quelle des Legendenschreibers und ihre Spär- 
lichkeit. Auch im Capitel 7 wird gesagt^ dass dem mit Almus 
in Constantinopel verweilenden Verfasser ^quidam religioaus 
canonieus Cesariensis ecolesie, ad Grecorum imperatorem missus, 
narravity se in gestis Eusebii legisse . . Desgleichen macht 



,Et Hoiuriciis, Stophani rt'jfi» filias, dux Kuiznrum, in venatioue ab apro 
didcüsu«, periit tiebiliter mortuu«.' Mon. Germ. Script. III, S. 98. 



i^iy u^L^ Ly Google 



43 



die ganze Erzählung des Capitel 8 über das grosse Wunder 
am Grabe Emerichs und dessen Erhebung den Eindruck, dass 
('S der mündlichen Ueberlicferinif,' entnommon ist. Ganz offenbar 
stand auch der Verfasser, unzweifelhaft ein ungarischer Geist- 
licher oder ein Mönch, dem Hofe und den Regierungskreisen 
fern; deshalb waren für ihn die Thaten Stephans ,inenerrabiha*, 
und deshalb wusste er auch gar nichts über den Prinzen Emerich 
zu erzählen, -während die fast gleichzeitigen besser unterrichteten 
Verfasser der Loo-onden des heil. Stephan und Gerhard gar 
manches Interessante zu berichten wissen. Dass der Verfasser 
schon den neuen strengeren Anschauungen der Kirche hul(iij:;:t, 
geht aus der wiederholt nachdrückHch betonten Verdienstlichkeit 
der Jungfräulichkeit hervor: auch dieser Umstand verweist uns 
schon auf den Anfang des 12. Jahrhunderts, denn noch wenige 
Jalirsebiite &tüier wäre dies in Ungarn nicht so leicht möglich 
gewesen, da ord^tUch verlieiratete Priester nach den Gesetzen 
Ladislaus' in Ungarn otfenbu: keinen Anstoss erregten. Bemerkt 
sei noch, dass der Verfasser sehr leichtgläubig gewesen zu sein 
scheint, wie dies besonders das Vertraueni welches er der Erzäh' 
luDgdeeClerikers in Constantinopel entgegengebracht hat, beweist. 

Was von den in unserer Legende mitgetheilten Zttgen 
der historischen Wahrheit entspricht» wird schwer zu unter- 
scheiden sein. Das meiste ist wohl fromme Erfindung. Einzelnes 
ist geradezu Iftppisch; so £. B. wenn im CSap. 4 erzfthlt wird, dass 
Stephan, um Haums zu prüfen, diesem ,religioni contraria' 
gesagt habe. Vieles sind die gewöhnlichen Phrasen. Die in 
Constantinopel in Erfidtnmg gebrachte Q-eaehichte, der heil. Eu- 
sehiuB hätte bei einer feierlichen Flrocession die Seele des 
heil. Emericb in den Himmel auffliegen gesehen, ist noch in 
der Vita maior s. Stephaai nioht enthalten. Dagegen bat sie 
Hartwich bereits in den Text seiner Legende (Cap. 20) auf* 
genommen, denn wir finden sie auch in der auf dessen echter 
Umarbeitiing bemhenden nngariscfa-polniscfaen Chronik (Cap. 11)» 
wenn aucb filbchlich auf Stephan bezogen. Von einer directen 
Abhängigkeit ist zwischen der Emerichlegende und Hartwichs 
Darstellung nichts zu bemerken. Man vergleiche: 



Legmcle Emerieht. 

. . . sanctus Eusebius Cesaree 
Palestine metropoiiiunus, cum 



Legtnde Stephans von Hartwieh. 

Chiius (sc. Henrici) anima 
ipua transitud »ui hora cuidam 



44 



in processione nna cum clero { 
et popiilo incederet, sonum 

an^jelico dulcedinis in excelso 
jiudivit, apertisque oculis cordis 
aniiiuuu beati Hemerici tilii 
sancti Stephan i primi regis 
Pannonie sursum transferri per- 
spexit ... de sursum audivit, 
e.'uloin hora haue ipsam animam 
l)eati Hemerici in iubilo ad su- 
pernam sedem transfem . . . 



epiacopo Cheeorum Mande c<m- 
versatiünts vtro r«v$latum est, 

deferri per angelos ad celi 
palatia . . . 



Es scheint also, dass Uartwick diese Erzählunp^ nicht aus 
der Ejnerichlegende entnahm — die er auch nicht erwähnt — , 
sondern dass sie ihm mündlich mitgethcilt wurde. Jedenfalls 
geht aber daraus hervor, dass das Geschichtchen am Anfange 
des 12, Jahrhunderts in Ungarn bereits 1>ekannt war, was wieder 
mit allem firtther Gesagten gut übe rein stimmt. Schliesslich mag 
daran erinnert,5 werden, dass das Wunder mit dem Kettentrftger, 
welcheB mt Erhebung des heil. Emericb durch Ladislaus 
geführt hat, kein originales ist: schon in der am Anfang des 
11. Jahrhunderts entstandenen kurzen anonymen Fassio des 
heil. Adalbert wird ein ähnliches als das ,primum signnm' des 
Heiligen erztthlt^ Etwas Aehnliches wird auch, nnd zwar mit 
Beziehung auf das Wunder am Grabe Adalberts, in dem um 
lOdO yerfassten Chronicon Mediani monasterii (Mojenmoutier) 
berichtet.* Hervorgehoben mag werden, dass in der Emerich- 
legende dieses Wunder mit vielen Einzelheiten erzählt wird. 
Erwähnenswert ist, dass neben dem Papste Hildebrant und 



* Pontes rerum Mnb*>micanim I, 8. 234 und Moii. Germ. Script. XV, 2, 
S. 707. tQuidam procnl dubio super impositi sceleris reatu ferreo com- 
pede per erara inpeditus, qui scquenti masM deeollandiu erat, contem- 
plato saneti martiri» eapitot eatenuu de einribae dissilit« gandebat^ qm 
per merita teeti« dA a proecripta Kbcrato« eet paens. Hee primim per- 
Mbetar erae eanm Signum.* 

* yQnidam iiaqae talium devenit monuterium, olim ferreis circulis con- 
strictufl utrumque brachium, quornm .i'- r in Pnloun dHcMorat :xpn<\ 
reverendnm benti martyris ,i\(1elherti sepulchrum, istic autein alter \>cr 
«anctorum, quos veneramur ineritum.' Mon. Germ. Script IV, 8. ^2, 
Cap. ly. 



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45 



König Ladifllaus auch der caacelUrins Fabianus erwähnt wlrd^ 
welcher Rector der Stuhlweiseenburger Kirche war.' 

Einzelne derartige Erwähnungen — bo auch der Kirche 
7on Martinsberg und der Georgskirche in Veszprim — sind die 
wenigen historiaehen Brocken in dieser Legende. Einige Be- 
achtung verdient die eben erwähnte Bemerkung über die Kirche 
von Martinsberg. In den verschiedenen Redactioiion der Le- 
gende, also auch in der älteren, heisst es: ,Quodain itaquo 
tempore eiiiu beatus rex Stephanus ad ecelesiam bcati iSlariim, 
quam ipse in Sauctü moute Pannonie iuchoaverat et egrej^ia 
iiKjiiachorum congregatione decoravcrat, una cum fiHo causa 
urationis advenisset , . / Diese Stelle gehr»rt mit tai jenen 
Nachrichten, welche andeuten, dass Stephan nicht (his Kloster, 
sondern nur die Kirche von Martinsherg begrunflet habe, dass 
daher du: Behauptung der bekannten Urkunde Stephans ftlr 
Martinsberg, Geisa habe das St. Martinskloster begonnen, 
bistoriscb sei. Näher wurde über diese i^Vage in ätndie IV, 
S. 49 f:» gehandelt. 

Die Emerichlegende ist in ihrer älteren Fassung unstreitig 
schon am An£Bnge des 12. Jahrhunderts entstanden. Ihr 
Verfasser war ein Cieriker, welcher der strengen kirchlichen 
Richtung angehörte; seine liistorischen Kenntnisse waren sehr 
gering. Seine einzige Quelle war die mündliche Ueberheferung: 
aus dieser schöpfte er, was zur Erbauung {ronmier Gemttther 
beitragen und den Heiligen verherrhchen konnte; die profanen 
Vorgänge zu schildern, versucht er auch nicht einmal. Deshalb 
hat ein späterer Abschreiber, dem die Stephaniegende von 
Hartwich bereits in der um 1200 ihr gegebenen Form zu- 
gänglich war, das 1. Capitel durch ein anderes ersetzt, das die 
in der letstgenannten Legrade gebotenen Kachiichten ver- 
wertete: hieau forderte ihn Übrigens auch schon der Umstand 
snfy dass die im An&ngscapitel der alteren Redaction enthaltene 
Bemerkung über Stephan (quia eins gesta sunt inenerrabilia) 
nicht mehr passte. 

Am Schlüsse möge noch Folgendes bemerkt werden: Aus 
imseren Ansfiihmngen Uber die Legenden des heil. Stephan, 
Gerhard und Emerich geht hervor, dass sie von einander unab- 



* Nach Florianns, «.«.0. 1, 8. 283, erscheint er splter al« Bnbiicbof. 




46 



hängig tun 1100 yerfasst wuy'den, ako snr Zeit des bQclier- 
kandigen Eolomaiiy da wahncheinlioii auch die erste ungarische 
Chronik (Gesta Hungaromm vetera) entstanden ist. Für die 
oBgefthr gleichseitige Abfassung dieser Legenden ist bezeichnend, 
dass keine derselben aof eine andere hinweist, in keiner die 
Bentttsung der anderen trots der eng verwandten Stoffe nach- 
weisbar ist. Sie sind alle durch die Erhebung der Heiligen 
(1083) und das infolge derselben gesteigerte Interesse an den- 
selben veranlasst worden. Diese Ultestcn KcdactioiKMi haben 
aber den spiitcrcn Lesern nicht genügt und sind dalier umge- 
arbeitet worden. Die Stephaulegcndc ist schon unter Koloman 
vom Bischöfe Hartwich und dann wieder um 1200 umgearbeitet 
und interpoliert worden. Im 13. Jahrhundert ist auch die 
Gerhardlegende einer Uinarheitung unterzogen worden, um im 
14. Jahrhunderte, vieheielit auch noch im 15., mit weiteren 
Zusätzen verselien zu werden. Um diese Zeit ist auch die 
Emerichiegeiide in ihrem Anfangscapitcl geändert worden. 
Sowohl für die Erweiterung der (lerliard- als für jene der 
Emerichlegcnde ist bereits die um 1200 entstandene liedaetiüu 
des Werkes von Hartwich benutzt worden: alle diese erweiterten 
Redactionen kommen seit dem 15. Jahrhunderte nebeneinander 
in denselben Handschriften vor, während in anderen neben der 
ebenfalls bereits umgearbeiteten Legende von Hartwich noch 
die Gerhard- und Emerichlegende in der älteren Gestalt er^ 
scheinen. Auch in den ältesten Drucken (15. und 16. Jahr> 
hundert) ist letzteres noch der Fall.^ 

XV. 

Die Legenden des keil* Ladislaus. 

Ebenso wertlos wie die Legenden Emerichs sind jene 
des heil. Ladislaus. Wie jene können auch diese kaum ab 
historische Qnellen bezeichnet werden. Die Beschäftigung mit 
ihnen hat daher nur theoretische Bedeutnng. 

' Ausser den oben 8. 41 und in den Act« Banctorum, a. &, O., genannton 

Dnu'kon vornrlfichf m«n dio Wioderalnlnuki' hei FIorianu.<i, a. Ä. O. 
I, S. ISÖff. Von dii scn tolgt das lireviarium istrigonionsi' von 1515 der 
älteren Fai<.«ung, wäliread Pelbartus in seinem um löOi/ erscbieneuen 
fPomarium' (siebe üben 8. 9) bereit« die jüngere Redaktion bttttntste. 



47 

Wie bezüglich der Gerliardlegeiide und jener von Emerich^ 
80 hat man sich nach dem Erscheinen der Monumenta Ar- 
padiana von Endlicher gewöhnt, auch nur den in diesem kritik 
losen Sammelbande f^edruckten Text der Ladislauslc'(,^ende zu 
berücksichtigen: in dieser Beziehuni^ ist die Herausgabe der 
Monumenta eigentlich eine VeranhisMing zum Rückschritt oder 
doch wenigsten» Stillstand der ungarischen QueUeukuude ge- 
wesen. 

Ausser der bei Endlicher gedruckten Fassunir fler [^adisiaus- 
legende gibt es noch eine andere, und zwar — wil- wir gleich 
liinzulVigen wollen •— ältere. Sie kommt sowohl in Handschriften 
als auch in den älteren Drucken stets neben den von uns als 
älter befundenen Fassungen der anderen ungarischen Heiligen- 
leben vor und trägt an sich auch sonst die Anzeichen, dass 
sie die ursprUngHchere sei. Damit soll aber nicht gesagt sein, 
dass sie in der älteren Fassung auch wertvoller wäre; sie bleibt 
auch in derselben ein schlechtes Machwerk; aber gerade die 
grössere Formlosigkeit desselben und das Fehlen von allerlei 
historischen Notizen bezeugen neben anderen Umständen, dass 
diese wenig bekannte Kedaction die ältere ist. 

Die Ladislauslegende, wie sie aus den uns bereits be- 
kannten Corsendonker Codex in den Acta Sanotoromy Juni 
Tom. V, S. 317ff.y gedruckt erBoheint, ferner in einer eng ver- 
wandten Redaction schon firUher in der bereits auch genannten 
Krakauer Legendensammlung und daher auch wahrscheinlich 
in deren Vorlage, den ^Legende Sanctomm regni Hungarie in 
Lombardica historia non eontente'^ veri^ffentlicht wurde, unter- 
scheidet sich von der bei Endlicher aus dem Mondseer Ck>dex 
pnblieierten in folgenden Funkten: 

Vor aüem fehlen ihr die im 1. Capitel dieser enthaltenen 
historischen Bemerkungen Uber die Vorfahren des heil. Ladislaus, 
also über Andreas, Bela und Geisa Itfagnus. Sie beginnt gleich 
mit der dem § 3 der Legende bei Endlicher entsprechenden 
Schilderung des KOnigs als ,CShristianae fidei cultor eximius^ 
nnd der Aufzählung seiner Tugenden I' In der folgenden Er- 
zählung werden die einzelnen Punkte zum Theile in anderer 

' Dieser seltcuc Drnck ist mir leider unzuginglieli geVIiaben. BttPotthSit 

findet sich keine bezügliche Bemerkung'. 
' För diese hat dur Logondeiischroiber offenbar irgend einen Hymnus 

benutzt, wie sie zur Verherrlichung des Heiligen üblich waren (vgl. 



48 



Ordnung angefahrt. Femer fehlen hier die Bemerkangen üher 
das Verh&ltais LadisUus' zu Solomon (Legende hei Endlicher, 
§ 4) und jene ttber die Erhebung des heil. Stephan, Emerich, 
Gerhard, Andreas und Benedict (bei Endlicher, § 0). Dagegen 
sind, was hier ausdrücklich bemerkt werden mag, in der älteren 
Fassung bereits enthalten: die Notizen über die Begründung 
zweier BisthOmer durch Ladislaus (§ 4)j jene über den Kampf 
mit den Bessen und das daran sich knüpfende Wunder (tj 3); 
ebeusu diu ausführliche Erzählung über den geplanten Krouzzug 
und die Wahl Ladislaus' zum Führer der Frauk» u, ijotliringer 
und Aicinaiiiicii wülirciid desselben (§ 4), endlich aucl» die 
Erzählung über den diesen Kreuzzug verhindernden Böhmen- 
krieg, die Erkrankung und den Tod Ladislaus', wie auch die 
Trauer um ihn (§ ö). In den die letzten Capitel erfüllenden 
Mittheiiungen von den Wundern und der Erhebung des Ii* ilij?en 
rinden sieh mancherlei Abweichungen, welche aber wenig be- 
hingreioli siud. Bemerkenswert ist nur, da«s in der iiitereu 
Fassung nieht nur das Jahr der Erhebung (1192) genannt 
wird, sondern auch noch zum Jahre 1200 eine Wunder- 
geschichte mit sehr eingehenden Zeitbestimmungen erzählt wird: 
,post haec autem anno millesimo ducentesimo; quarto Kai. Junii, 
ipso die Pentecostes, canonicis orantibus et primae horae of- 
ficium celebrantiluis.' FTiezu muss jedoch bemerkt werden, dass 
im Jahre 12UÜ auf den 21). Mai nicht der Pfingstsonntag, sondern 
schon Pfingstmontag fiei.^ 

Aus dem Mitgetheilten ergibt sich, dass die Legende ohne 
Zweifel erst nach dem Jahre 1200 abgefasst wurde, also etwa 
ein Jahrzehnt nach der Erhebung des Heiligen. Dies hat man 
im allgemeinen schon aus dem auch in der jüngeren Fassung 
angeführten Jahre 1192 geschlossen. Doch darf man mit Hinweis 
auf die oben angeflihrte eingehende Zeitbestimmung des letzten 



Podhrac7.ky8 Ausgabe des ChronicoD budeose, S. 171 f.; auch Florianui», 
Fontes I, S. 146 ff.); daher die Beim«. 
' Bemerkenswert iet vielleicht noeh, den die ältere Fswang in der Er- 
ilUiuig von dem Wander mit dem Schilde weder die nähere Zeit» 
beetimmniig, noeh den Antheil de« Biechofs erwähnt. Es ist hier bloM 
zn Iftsen: quam (scutellam) idern comes, ardore enpiditatis tAPtus, a se 
furtim stiblatam esse cnnfinxit. Por seiiteutiam itaque judirinniin dictum 
est. . . . Marczali, Gescliiclitsqueileii, S. 35, mOchte für dit^j^e Ei/.ahlung 
eine reale Grundlage iu Anspruch uebmen. 



i^iy u^L^ Ly Google 



49 



Wunders in der iiltcrcn Fassiin^x auch behaupten, dass dieselbe 
bald nach TJOO iiescliricbeu worden sei. Dies stimmt iiherein 
mit dem schon von Mare/ali in seinen Geschiehtsquellen, S. 1)4, 
hervorgehobenen Umstände, dass die Leo^ende noch vor 1218 
verfasst worden sei, da der Eifer für die KrcuzzUge in Ungarn 
noch ein anhakender war, nicht aber wie später als etwas 
Unriihmliches galt. Man vcr<,'lciche hiezu das in der Studie 
über die Oerbardiegende Gesagte. Die damals entstandene 
Legende hat offenbar gar keine schriftliche Aufzeichnung 
benutzt: deshalb ist auch ihr lii^^torischcr Wert fast Null. Daher 
hat auch ein späterer Schreiber in derselben Weise, wie dies 
mit der Emerichlegendc geschehen ist, der älteren Iledaction 
einige historische Brocken Uber die Vorfahren des Heiligen, 
seinen Kampf mit Salomon und seinen Antheil an der Erhebung 
der älteren ungarischen Heiligen hinzugefOgt, ausserdem den 
Stoff etwas anders angeordnet und sonstige Aendemngen vor- 
genommen, ohne dass hiedurch der Wert dieses Heiligenlebens 
▼ergrOssert worden wäre. 

Es erübrigt noch, Uber die Wechselbeziehungen, welche 
zwischen dieser Legende und den anderen ungarischen Ge- 
schichtsqueÜen bestehen, zu handeln. Die ungarischen Geschichts* 
foischer nehmen jetzt an, dass die nationale Chronik aus der 
Legende schöpfte; und dies ist in gewisser Beziehung richtig. 
Wenn aber diese Forseher hiebei an die bei Endlicher publi- 
eierte Redaction dachten, so thaten sie Unrecht: man kann 
gerade das entgegengesetzte Verhältnis beweisen, nämlich dass 
diese jüngere Legende aus der Chronik jene Nachrichten schöpfte, 
welche in der älteren Redaction noch fehlten. Man vor* 
gleiche folgende rarallelsteUcn : 

LAdlAlaaslegmde in der jOngperen Nationale Chronik (Oironieon 

Form. Badense). 

§ 1. ... in euitts (Belae) S. 117. . . . Qua pK pter Hun- 
tjuoqn»' t»-Tn]»orc l'ngaria magis | guria quam piuriiiuiiu locuplcta 
(lilior (luani antea cepit Uber- I super omnes cireumadiacentes 
tatis cajmt plenis copie coriii- > regiones caput cxtulit vicens ©aa 
bus extolJere super ctlu ra, ; diviüib . . . 
cunctaBqae fere regioiies i 
erincere divitüs^ houoro et 
gloria. 



50 



Frater autem eius uterinus 1 S. 159. . . . Rex Magnus . . . 
Magnus res gloriosus Geysa erat enim fide catholicus 
a soa gente appeUatus est, vir 
religiostts et totas catholicus . . . 

Ganz unzweifelhaft entnahm die jüngere Rcdaction der 
Legende den Chroniken auch die Nachrichten Uber den Kampf 
Geisas und Ladislaus* mit Salomen. Dagegen hat sie in den 
Nachrichten Uber die Erhebung der älteren ungarischen Heiligen 
durch Ladislaus die Emerichlegende vor Augen gehabt: 



LadiHlau8leg«nde, § 6. 
. . . Hemericiy qui cum esset 
filius regis unicus; peteretquc 
sibi divinitus revelari, quid of- 
ferre deo posset accc peius, 
essetque ei responsum^ virgini- 
tatem esse deo gratissimam 



Emerichlegende, § 5. 

. . . intraret ecclesiami ibique 
orationi vacando, com quid ac- 
ceptabilius offeret penes se 
tractarety subito lumen eam 
ingenti daritate totum ecclesie 
circumfdlsit edificium; in quo 
▼oz divina in supernis hic inso* 
nuit; predara est Tirginitas . . . 



Es ist also verfehlt, wenn man die Benutzung der Chroniken 
durch die Legende (in der jüngeren Gestalt) leugnet. V^iel* 
mehr ist das Entgegengesetzte richtig, und daher ist diese 
jüngere Fassung erst nach den Jahren 1300 entstanden, um 
weiche Zeit die nationale Grundchronik verfasst wurde. Die 
Annahme ist nämlich ausgeschlossen, dass die Verwandtachaft 
zwischen der Legende und der Chronik auch aus einer ge- 
meinsamen Benutzung der Gesta Tetera erklärt werden könnte. 
In dieser spärlichen Quelle liätte z. B. die oben citierte bom- 
bastische Lobpreisung Belas kaum Baum gefunden; auch findet 
man in der zweiten Ableitung der Qesta vetera, nämlich in 
den Gesta KezaSy niohts davon. 

Hat also die jüngere Redaction nach 1300 aus der um 
dieses Jahr entstandenen National-Chronik geschöpft, so ist 
andererseits die hundert Jahre früher entstandene ursprüngliche 
Ladislauslegende von dem Verfasser der Chronik benutzt worden. 
Dass diese ältere Fassung, nicht aber bereits die umgearbeitete 
Legende von dem Verfasser der nationalen Grundchronik oder 
Ofner Minoritenchronik benutzt wurde, beweist der Vergleich 
folgender Parallelstellen: 



Digitizca by ^^».j^.' vi^ 



51 



Lidiikiuldgonclß, ältere i 
Vusnng. j 

^ 4. locupletavit. ■ 
Erat enim ma<j::nus et i 
ninnificus s e e u n d ii m ' 
nomen suum L^lorio- 
SUD. Nam si etymo- i 
Io«^ae nominis eius allu- 
damus, Ladislaus quasi 
lau divinitus data po- 
pnfis dicitar. 



Dieselbe iu jüngerer 

§ 2. impositum. Nam 
si etliymologie Moiiiinis 
eins allu(lamu6, Ladislaus 
quasi laus divinitus dato 
populia dicitui'. 



National-Chroiük (Ofuer 
Chronik). 

S. 1 ß 1 . populi sui. 
Erat t nim maernus 
secunduui nomeii 
raaxiinum. Nam si ethy- 
mologie nominis a!lu- 
damus: Ladizlaus quasi 
laus divinitus data dici- 
tar. 



Ausser dieser Namendeutung hat die Chronik der Legende 
femer die Aufzählung der Tugenden des Königs entnommen. 
Auch die Nachricht dass Ladislaus Aussieht hatte, aaf den 
Kaiserthron erhoben zu werden, hängt wohl mit der schon in 
der älteren Fassung der Legende enthaltenen Mittheilung zu- 
sammen, dass er von den Vt^lkem des Westens, den Franken, 
Lothringern und Alemannen, sum Führer erwählt worden sei. 
Dagegen muss betont werden, dass die Qmndchronik die eben- 
faDs schon in der ursprttn^chen Redaction der Legende ent- 
haltene Nachricht von dem Btfhmenzuge Ladislaus' und dessen 
Erkrankung auf demselben nicht aufgenommen hat Diese 
Kachrichten enthält nämlich weder das Ghronicon Budense 
(S. I70f.), noch das Acephalum, BI. 22a, Codex Sambucus, 
Bl. 39a und Codex Vaticanus (nach Lucius, Inscriptiones Dal- 
maticae, S. 88). Wenn diese Nachrichten sich im Chronicon 
Hctam, S. 200, Dubnicense, S. 97 und auch bei Magien, 
Capitcl 47, finden, so haben offenbar diese Redactionen der 
nationalen Chronik sie direct aus der allgemein bekannten und 
zugängliclien Ladi.slauslegende geseliüpft. iJies gelit auch aus 
dem Umstände hervor, dass jede der Chroniken eine andere 
Gruppe von Naehriehten aus der Legende schupft, worüber 
man Studie VII, S. 4^^^ Anm. vergleichen maof. Hier suli nur 
noch bemerkt werden, dass das Chronicon dictum und die 
Dnhnrcer Chronik waln sclieiidich die ältere Redaction der 
Legende benntzton, Muji^len aber di*' jüngere vor sich hatte. 
Wir schhVsseii dies ans dem Umstände, dasf? die ei*<?teren zwei 
Chroniken glci(di der Ulteren Lef^endenredai tion LadishuLs vor 

Beendigung des Krieges erkranken lassen, wäiuoud Magien 

4» 



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52 



mit der neueren Legende ausdrücklich erwähnt, dass der König 
schon am Rückzüge begriffen war. Man ▼ergleiche: 

Ladislanslegende (ftltere Fassung)^ § 5: . . . phis res 

urgente necessitate contra Bohemos in expeditionem profectus 
estj ibique repentina aegretudine correptus viribus corporis. . . . 

Chronicon Pictum, S. 200 (bei Floriamis 11 ): Hex autem 
congregato exercitu suo cepit ire contra Bühcmos propter in- 
iuriam nepotis sui. Cum autoin [« rvenisset in confioium Buiie- 
morum gravis inlirmitas cum iiivasit. . . . 

Chronicon Dubnicense, S. 97 (bei Flürianus III): Sed 
in brevi cxpedirione contra Bohemos existente egritudiae cor- 
reptus i'vMx propüsitum noii |)Otuit adiiuploro. . . . 

LadisianslerjcTide (jünt^ere Fassung), § 7: ••• pius 
rcx urgente sui regni necessitate contra Bolicmos in oxpedi- 
oioncm profectus est. Ubi reformatn cum iionorc suo pac3, dum 
iani rogredi cogitaret, cgretudine repentina correptus. . . . 

Muglen, Cap. 57: Darnach tzoch er auf die pehem und 
an dem widerzug wart er siech. . . . 



Am Schlüsse fassen wir die wichtigsten Ki^ebnisso zu- 
sammen: Etwa zehn Jahre nach der Erhebung des heil. Ladislaus, 
also am Anfange des 13. Jahrhunderts, ist eine Legende dieses 
Heiligen geschrieben worden. Der Verfasser derselben hat 
keine historische Aufzeichnung benutzt; sein Werk entbehrte 
fast ganz geschichtlicher Thatsachen. Diese Legende ist um 
1300 von dem Schreiber der nationalen Grundchronik (Ofiier 
Minoritenchronik) benutzt worden; er ergänzte aus demselben 
die ihm vorliegenden G-esta vetera. Später haben anch einsehie 
der Ableitungen dieser Grundchronik (Chronicon Pictum, Dubni- 
cense, Mugien) die Legende nochmals selbständig benutzt, und * 
zwar theils in der ursprünglichen, theils schon in einer jüngeren 
Fassang. Letztere entstand, indem ein späterer Abschreiber 
der Ladislauslegende dieser einige aus der Chronik entnommene 
Notizen ftber die Vorfahren des Heiligen nnd sein Verhältnis 
zu Salomen hinzugefügt hat; auch lag diesem Interpolator die 
£merichlegende vor,^ aus welcher er einige Notizen Uber .diesen 



' lu welcher Redactlou er nie bouutote, ist uicht festsustelien. 



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63 



Heiligen entnahm. Diese Umarbeitung kann ersl nach 1300 
erfolgt sein. Auch in der veränderten Gestalt ist die Legende 
als liistorische (Quelle wertlos. 



XVI. 

Hie Legenden des heil* Zoerard oder Andreas nnd Benedlet. 
— Die Legende der lietl. Margareta* — Die Legende 

des bell. Maurltlas. 

Um die Legendenliteratnr Ungarns zu erschöpfen^ erübrigt 
es noch, drei Legenden zu besprechen, die zeitlich zwar weit 
auseinander liegen, deren £igenart aber dieselbe ist: sie sind 
Zeugnisse dnfnr. dass es fiuch in Ungarn schon aeit dem An- 
beginne der Verbreitung des Christenthums nicht an Personen 
fehlte, welche einer übermässigen, ins Krankhafte Ubergreifenden 
asketischen Richtnng des Christenthums sich hingaben. Ver- 
gegenwärtigen uns die Legenden Stephans nnd Gerhards tüch- 
tige und thät^e Mttnner, die zur Ehre Gk>tte8 und aum Wohle 
ihrer Nftchsten ihre ausserordentlichen Kräfte anspannten, so 
wird in diesen vor allem die einseitige asketische Richtung 
geschilderty die in schrecklicher Selbstquttlerei den Höhepunkt 
eines gottesförchtigen Lehens erblickte. Die Legenden Emerichs 
und Ladislaus' lassen wir hier ganz ausser Betracht, weil sie 
ihre Helden offenbar in einem gana unhistorischen Lichte er- 
scheinen lassen. 

1. Die wertvollste der drei zu behandelnden Legenden 
ist jedenfalls jene Uber den heil. Andreas und Benedict 
Sie ist eine der ältesten historischen Aufeeichnnngen Ungarns, 
und zwar geradezu die älteste uns in ursprunglicher 
Form .'lufbewahrte. Als ihr Verfasser nennt sich Bischof 
Maurus. Iiu 1. Capitol sa^^t der Verfasser von sicli selbst: 
jEgo equidem Maurus, deo raiscraiitc nuuc episcopus, tunc autcm 
puer scholasticus, vinnu boniim (sc. Andream) vidi, sed que 
esset eius conversatio non visu sed auditn })ercepi. Ad nostrum 
ergo monastcriiini. iii honorem beati jiontitieis Martini consc- 
cratum cum iam dietus monachus Benedictus sepe veniöset, 
mihi hecj que sequuntiir, de vita eins venerabili narravit.' Er 
Terzeichnet auch sonst genau die Quellen seiner Er- 



5-1 



Zählung. So auch im Capitel 3: ,Hec que iam dicta sunt, 
disctpulo eius Benedicto referente cognovi.* Und am Schlüsse 
dieses Capitels heisst es: ,Jam que sequuntur Philippus abbas 
mihi ubl>ati constituto nanare cous-uevit.' Dieser Philipp war 
nach Jen Miithi-iluiigt ii im Capitel 1 Abt des HippoIitklosttTS 
Zobor in der Neutrer Diöcesü, in welchem der hus l'oleii ein- 
gewanderte Zuerard-Andreas aufgenomnicu wurden war, und in 
dessen Gebiete er üicli seine Einsiedtlci eingerichtet hatte. 
Derselbe Abt wii'd auch in Capitel 4, ö und 6 als Gewährs- 
maiui genannt. 

Maurus i.-^t bekanntlich nach den Annnies veteres Ünf:jarici 
im Jahre lO'^t) liisehuF /geworden. Die Leidende schrieb er 
schon nach dem Tode Stephans; am Kin^^ani^'e der Legende 
lesen wir niindich: .Tempore ülo quo sub ehristianissimi Ste- 
phani regis nutu Dornen et religio deitatis in Pannonia rudis 
adhuc pullulabat. . . * Eine noch nähere Bestimmung der 
Abfassungszeit der Legende läast sich aus den letzten Sätsen 
des 4. Capitels herleiten: ,Cuiu8 catene partem mediam ab eodem 
patre impetravi et nunc usque custoditam peticioui dueis 
ehristianissimi Geise cum desiderio mihi pro ea instanti negare 
nequivi.' Also ist die Legende jedenfalls vor 1075, in 
welchem Jahre Geisa aum Könige gekrönt wurde, geschrieben 
worden. 

So sind wir Uber den Ver&sser und die Zeit der Ent- 
stehung dieser Legende im Klaren. Wir wissen, dass der Ver- 
fasser ein Zeitgenosse der Begebenheiten war; er war wohl 
unterrichtet, ein hervorragender und gewiss wahrheitBUebender 
Mann. Wie sehr ist au bedauern, dass er seine Feder nicht 
einem anderen Stoffe gewidmet hat! Welchen Wert hätte von 
ihm ein Leben Stephans, den er in beaeichnender Weise nur 
mit dem Titel ,christianissimtts' auszeichnet, welchen er auch 
dem Herzog Geisa beilegt Noch scheint man also damals 
Stephan nicht ,beatu8^ oder ,sanetus' genannt zu haben. Der 
Stoff, den er aber gewählt hatte, bot zu wenig Gelegenheit, 
um über wichtige geschichtliche Begebenheiten zu berichten. 
So bietet seine Arbeit nur wenig Interessantes. In 
Uebereinstimmung mit den Nachrichten, welche uns die Adal- 
bertlcfjenden, ferner die ,Vita quinque fratrum' von Brun 
von Querfnrt und die Stephanlegenden über Astrik und 
andere aus Polen nach Lugarn gekommene Glaubensboten 



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65 



iiiiltlieilcn,* <'rzälilt uns die Tit-^^endt! über tlcn Zuzug fies 
Zoerard aus I'olen nach Unfrarn (lianc in patmni). Es wird 
das Hippolitldosilcr Zoboi- im Noutror (xebietp und dessen Abt 
Pbilipp genannt. Wir erfahren cinifr^-s avis der Jugend Maurus' 
und über sein-^'n AutVntiialt im .M artinskloster, wozu die tjt? *i 
tind 4 der Emcnehlegende zu vergleichen sind.* Wns ans dem 
Loben des heil. Andreas und Benedict, seines »Sciiiilers, erzählt 
wird, hat nur insofern eine Bedeutung, als wir daraus den 
Schluss ziehen mUssen, dass es in Oberungarn von Räubern 
gewimmelt habe: sowolil der Tod Benedicts wird von Käubern 
herbeigeführt, weiche bei ihm viel Geld vermutbet hatten, als 
nncb häogen die beiden VOD Andreas erzählten Wunder mit 
Räubern und Missethätera zusammen. Sonst ist nur die eigen- 
artige Selbstquälerei Andreas' bemerkt ns wert. Als Schlafstätte 
diente ihm ein Baomatrunk, den er mit einem engen Stachel- 
zaun so nmgab, dass er bei jeder Bewegung des schladrunkenen 
Körpers durch die scharfen Stiche aufgeschreckt wurde. Seinen 
Kopf beschwerte er mit einer hölzernen Krone, an der vier 
Steine so hiengen, dass sie bei jeder Neigung des Kopfes diesen 
anstiessen. Während der Tierzigtägigen grossen Fastenzeit ge- 
nügten ihm yiersig NOsse zur Nahrung. Nach seinem Tode 
fimd man aber, dass um seinen Leib eine 'Eisenkette so eng 
geschlungen war, dass sie sich tief in das Fleisch gefressen hatte 
und die Haut ttber ihr vernarbt war: als man sie ans dem Leibe 
zog, knirschten die Rippen in greulicher Weise (sonuscostammeli- 
sarum graviter auditur). Einen Theil dieser Reliquie hat Maurus sich 
▼om Abt Philipp erbeten und denselben sorgsam aufbewahrt, dann 
aber dem Herzog Geisa ttber dessen inständiges Bitten geschenkt. 

Diese Legende wurde unstreitig schon von dem 
Verfasser der Vita maior s. Stephani, also gegen das 
Ende des 11. Jahrhunderts, eingesehen. Man vergleiche 
die gemeinsamen Nachrichten über das Zuströmen von Glaubens- 
boten nach Ungarn: 



' Uau vergleiche darüber Kaindl» Beiträge zur älteren ungarischen Ge- 
schichte, Wien 1893. 

* U^ber Maonis iltid insbevondere noeb die 0«ibard!egeDden herbewu- 
nahen» wobei auch die Umarbeitung' des PellNutiia in ibrem ScbluM- 
abMtze zu berticluichtigen ist (Hiebe oben 8. 11 Anm. 1). Die Uricnnde 
des Palatin.4 Ra'l'' \<>iu .Taljro 1057, in weK lier Maonis p-pnannt erscheint, 
wifd ala FltachuDg betrachtet. Marcsali, Gescbichtstiuellen, S. 36. 



56 



Vita Andree et Benedicti. 
§ 1. . . . molti ex terris alüs 
canonici et monachi ad 
ipBom quasi ad patrem con* 
flaebanty non quidem alicuius 
causa necessitatis coacti,Bed 
ut noyum sancte oonyersaeionis 
gaudium ex eoimm conventu 
adimpleretor. Inter quos qui- 
dam . . . sancti spiritus in- 
stinctu tactus. . . . 



Vita maior n. Btephani. 

§ 7. . . . inde molti presbi- 
teri et clerici instinctu Spiri- 
tus paraditi eompancti relictis 
sedibus propriis elegerunt pere- 
grinari; abbates et monachi 
nichil proprium habere cu- 
pientes . . . Inter quos. . . . 



Die Legende ist uns — soweit ich sehe — nur im bereits 
öfters citierten Corsendonker Codex erhalten, in welchem 
auch die anderen älteren ungarischen Legenden sich finden. 
Aus ihm ist sie in den Acta Sanctorum, Juli, Tom. IV, S. 326ff. 
mit einer sehr ausführlichen Einidtung tierausgegeben. Hier 
findet man auch andere Mltere Ausgaben verzeichnet. Bemerkt 
sei nur, daas die Legende auch in der uns bekannten Krakauer 
Legendensanunlung von 1511, fol. lOTbff., gedruckt ist^ End- 
licher druckte sie Surius ab; doch ist der Text wenig ge- 
ändert, 80 dass wir denselben citicren konnten. 

2. Ist uns diese Legende des heil. Andreas und Benedict 
durch ihr hohes Alter, ihren Verfasser und, man möchte sagen, 
die UrwUchsigkeit des darin Erzählten noch immer interessant, 
so kann dies alles von der Legende der heil. Margareta, 
Tochter Künigb J]ela IV., nicht gesagt werden. Ihr Verfasser 
ist der Dominicaner Oarinus, der sie im Jahre 1.340 
,dc rolulis seu diti'usis dictis tcstium jnratorura eoram jiraedirtis 
inquisitoriiius a sede apostolica snj)fr hoc datis comi)endiose et 
quasi \>i'v puncta nxtracta' ^e^cliriehen hat. Diese Legende 
hat für uns last ^^ar kein historisclics Interesse, höchstens 
dass in dersclhon die Brautwerbungen, welche Mnrg^areta zurück- 
gewiesen hat, erwähnt werden; vielleicht bietet sie auch noch 
einige kleine Beiträge zur ungarischen Klostergeschichtc' des 
13. Jahrhunderts. Was hi^ r iilH-r die greulichen Bussübungen 
erzählt wird, das ,sU88liciic iiaitiiieiuent des gegenseitigen Sich- 



Wahnoheinlicli aaeh in deren Vorläget d^n «Legende Sanetorom regni 
Hnngarie'; man vergleiobe die Bemerkungen oben 8. 13. 



durehpeitscbcDs' — wie sich Lorenz, Geschielitsquelloii I. 8. 291, 
ausdrückt — , das Walen in Ivotli und wSclnnutz, an dem die 
Königstochter ihve Befriedigung gefunden haben äoU, gehört 
wohl 7Ai dem Selirecklichsten. was durch die Askese erregte 
Gemuther zustande gebraciit haben. Schon der liisehof Peter 
Ransanus, welcher im Jahre 1488 am Hofe des König-s Matthias 
eintraf und demselben seine ,Epitome rerum II im garicarum* 
zudachte, wagte nicht, in <lem eben g(Miannten Werke diese 
Greulichkeiten ungemildert zu wiederholen, sondern hat die 
bctreflfenden Ausführungen der ,Vita beatae Margaritae filiae 
Belae llil/, welche er in der Einleitung ausdrücklich citicrt, 
and die neben Hartwichs ,Vita beati Stephani' und Thurocz 
(scnptor hungaricae bistoriae) seine ungarischen Quellen aus- 
machte, entsprechend geändert. Nimmt in jener Margareta 
keinen Anstand, sich vor allerlei Frauen zu entkleiden, um 
ihren Bussttbungen obzuliegen, so wird hier in wohlthuender 
Weise betont, dass sie zwar zuliess, dass ihre Fttsse gewaschen 
werden, infolge ihrer Schamhaftigkeit aber nicht gestattete, das« 
ihr sonstiger Körper berührt werde. Und an die geradezu 
unabersetshare Stelle^ der älteren Vita Uber die unreinliche 
Tracht Margaretens setst er die Worte: ,In ocults hominum 
erant quidem ei vestes nec nimimn viles nec obiectae, nec 
niminm pretioeae. . . 

Alles übrige Uber die heil. Margareta und ihre Legende 
findet man In den Acta Sanctonun, Jännerj Tom. II, S. 897 ff. 
Hinzngefttgt sei nur, dass Ransanos' oben erwähnte ,Epitome', 
aus denen die Neabearbeitung der Legende auch in den Acta 
abgedruckt ist, jetst von Florianus in seinen Fontes IV neu 
herausgegeben wurde. Der Aaszng aus der Legende findet 
sich hier S. Sllff. 

3. Ebenso wertlos ist die Legende des heil. Mauritius, 
^er aas dem Gtoschlechte der Ohak stammte und als Domini- 



* Di8curr*»bat per lot-a motinstorij, iit invenirtjt, cui «ervirö po«äset- jonntür 
serritin currend per pluvias, iiivu5, luu, babebat veste-s deturpataM. Fre- 
queatar brodia(Brflbe) iDfinDornm, quibns miniatrabat, faciebat. Foetabant 
▼eitM ein» et cum talibn« de die ibat et de nocte iacebat Latrinam 
mouuterii üreqneDter pnifavit et emn pnigantibiu» vellent nollent, intra- 
Vit, ut eos iayaret, et qit.mdoque in tUo coeno Bsqoe ad genna raerge- 
bntnr et exien» apml ali;is aboniinabilis babeVjÄtiir, et nou carabat» »ed 
ex hoc gaudebat. Acta baacturum, Jänaer, Tom. II, S. 901. 



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58 



cADCrmönch im Jahre 1336 gestorben ist Seine von einem 

anonymen Verfasser geschriebene Vita ist in den Acta 
Sanctorum, März, Tom. III, S. 251 ff. mit einer Einleitung her- 
ausgegeben, welche über die Legende, den Heiligen, seine 
Verwandten uud sein Kloster allerlei Notizen bringt. Wann 
die Legende entstanden ist, lässtsich nicht genau feststellen; wahr- 
scheinlich erst im 15. Jahrliundcrte. Für die politische (ic- 
schichte ist sie belanglos; nur für die Loeal- und Familicn- 
geschielite bringt sie einige Notizen. Zur Charakteristik ihres 
geringen Wertes sei z. B. hervori^eliobcn, dass sie isur Zeit des 
lieiligon einen ,regem Hungariae. nomine Nicolaum, ülium 
Georgij' erwHhnt. Man vergleiche Übrigens die Acta Sanctorum 
am angeführten Urtc. 



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DXE RElMCHUOmK 
DE8 SOGENANNTEN DALIMIL 

TO* 

ADULF ÜACHMANN. 




1. Einleitang. 



Sowie vordem die deutsche geistliche und gelehrte, so 
fand im IS. Jahrhunderte die hufische Dichtung eine Heimat 
und Pflegestiltte in Böhmen« Mächtiger als je zuvor, gleich 
dem deutsclien Volksthume, ward damals der deutsche Cultur- 
einfluss im Lande, Aber schon vcgto sich auch heimische Kraft 
und Begabung. Neben der lateinischen und deutschen kam 
allmählich auch die czechische Sprache snm Gebrauch. Und 
wenn sich, wie einat Kreuz und Panser, so nun Leier und 
Schwert in ionigem Bunde zeigten und Deutschthum und Slaven* 
thum auf den Bugen böhmischer Edler sich ▼ereinten, so schritten 
slsTische Dichter und Sänger Uber herkömmliche Typen und 
Nachahmung der deutschen Muster schliesslich vor zu eigener 
Erfindung mit selbständigen Zwecken. Natttrlieh zunächst auf 
episch-historischem Gebiete! Was da das Volk mit beweglicher 
Phantasie und lebhafter Gestaltungskraft Wunderbares und 
Seltsames aus Natur und Menschenleben erzählte und in ihm 
an Erinnerungen an alte Volksgeschicke lebendig war, der 
reiche Schatz an Sagen und Mären, die historische Tk-adition, 
deren lebendige Pflege nach dem Zeugnisse des Cosmas und 
der Heiligenlegenden hierzulande schon frOh nicht fehlte, sie 
gewannen nun erhöhte Bedeutung und im Volksliede, im Epos, 
in der ,Chronik', aus Reimen oder in ungebundener Form ihre 
Ausgestaltung und Fixierung. 

Wold als das bedeutendste Erzeugnis altslavischer Literatur 
in Böhmen bis zu Beginn des 14. Jalirhiiiulerts darf die Reim- 
chronik des sogenannten Dalniui - — der Name stammt erst aus 
dem 16. Jalit huuderte — bezeichnet werden. Nicht blo:*, dass 
sie seit einem Menschenalter, seit der Zeit materieller und 
geistiercr Depression nach dem Sturze des grossen Uiioicur 11, 
wieder die erste Ciabe historischer Muse darstellte: indem sie 
zudem, in czechischer Sprache verfasst, unmittelbar an die 
politischen Bewegungen der Uegenwart anknüpfte und in deren 




62 



Lichte die Vergangenheit za betrachten unternahm, erregte sie 
rasch die aUgemeine Aafmerksatnkeit auf allen Seiten. Noch 
ZQ König Johanne Zeiten entstand eine aweite und dritte Re- 
daction des vielgelesenen Buches. Etwa um das Jahr 1348 
unternahm eB ein Deutscher aus dem nördlichen Böhmen — 
80 lehrt seine Sprache^ — , die Chronik, so deutschenfeindlich 
sie auch lautete, in Verse seiner Muttersprache an Itbertragen, 
freilich nicht, ohne sich auch inhaltlich weitergehende Aende- 
rungen zu eriauben; es lag ihm dabei die erste Recension vor. 
Daneben auch wurde frühzeitig (nach der zweiten Recension) 
der Versuch unternommen, das Ganze in das Gewand deutscher 
Prosaerziihlung zu bringen. 

Noch heute erfreut sich der «luvisclie Philoh)ge je länger 
desto mehr au dem reichen Schatze von Formen und Bildungen, 
von Klang und Namen, die Dahnnl für so frühe Zeit bietet. 
Heraldik und Volkskunde schöpfen erfolgreich aus dem reichen 
Rornc seiner Meldungen, und der Literarhistoriker erkennt 
gerne an, wie einfach und gerade und doch gewandt und präcis 
— sehr zum Untersehiede von dem Werke des üebersetzerö 
un(i Nachbildners — Sprache und Vers dahintiiessen und wie 
darni nicht selten reife Erfahrung und ein beweglicher Sinn 
bald in Worten der Ermunterung bald mit bitterem Tadel zum 
Czechenvolke spricht 

Sehr verschieden geartet war dagegen bisher der Eindruck, 
den Dalimils Werk bei den Historikern hervorrief. Die Ver- 
treter kritischer Forschung, die in Böhmen in der zweiten 
Hälfte des 18. Jahrhundei^ts erstanden, sahen darin ihren An- 
sprüchen an ein Geschichtswerk durchaus nicht Genüge gethan. 
Sowie schon Gel. Dobner, so lehnte daher auch Jos. Dobrowsky 
die Reimchronik Dalimils entschieden ab; ,LUge und Erdicbtung^^ 
zürnt er,^ ,nahm der Erzähler zu Hilfe, um die Deutschen den 
Böhmen Czechen) noch mehr verhasst zu machen, als sie 
ihnen seit der Niederlage König Ottokars II. ohnehin schon 
waren'; auch wenn man daher Dalimils warmen Patriotismus 
anerkennen wollte, so dttife man ihn doch nicht JSür einen 



Gelebt hat er wohl zur Zeit, &\b er Dalimil übersetzte, iu Prng. Vgl. 
J. Jiredek in Fout. rer. Boh. III, Einleitung zur Ausgabe der Chronik, 
p. X — XI. 

Qexcbichte lUr bObminehen S|irn('lie, Prag 1818, S. 146. 



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63 



glanbwttrdigea Darvtdler halten. Aus ihm kamen die alhemsten 
Märchen in unsere Geschichte'. 

Aehnlich, nur womöglich noch schärfer, verurtheilt J. G. 
Meinert' die Parteilichkeit der Chronik in nationaler Hinsiclit: 
jDalimils Reimwerk in böhmischer Sprache', sagte er, ,oiiiliiih 
minder die Geschichte des büliinischen Volkes von seiner Kin- 
waiuU-rung bi-s uiif die Krünunj^ König Johauuü im Jalut- l.lll, 
als ein Gewebe von Lügen und Erdichtungen über dieselbe 
und ist durch den glühenden Deut&chenhass, den ea uthmet, 
wie durch den Eindruck, den es machte, das eigenthümlielistc 
und insofern das merkwürdigste Zeitbuch der CV.eehen. Es 
kann ebenso gut die Trompete des Hiisitenkrieges als die 
Hauptquelle aller der abgeschmackten Kabeln genannt werden, 
die so lange die böhmische Geschichte ent-t •lltrir. 

Einer wesentlich anderen Anschauung hat F. Palaeky 
Ausdruck verliehen.* Zwar hält auch er den ,Dalimil* nicht 
für einen , treuen Erzähler'; er gilt auch ihm als ,ein Mann, 
der seine Befangenheit und Einseitigkeit selbst nicht leugnen 
mochte, der im Irrthum war^ Aher Palackjr betont daneben, 
dass Dalimil auch yoft wirklich gross nnd weise dachte', und 
er versucht die in dem Reimwerke zur Geltung kommenden 
Anschauungen wenn auch nicht zu rechtfertigen, so doch aus 
des Verfassers ,eigenthümlichen Ansichten, Meinungen and Ge- 
filhlen Uber die Verhältaisse seiner Zeit und seines Standes, 
welche er auch auf die Vonseit tibertrug, endUch aus seinen 
politischen Maximen selbst' zu erklllren und so zum Theile zu 
entBchuldigen. Das Mitgefilbl mit der durch die Atisbreitung 
des Deutschtbnms bedrohten skTischen Bevölkerung, deren 
Schicksal er in den untergehenden EUbeskTen vor Augen ge^ 
sehen habe — Dalimil Terräth aber mit keinem Worte,, dass 
er davon etwas weiss oder solches in Rechnung sieht die 
lebhafte Phantasie, das tiefe Gefühl nnd erfinderische Talent, 
die ihm als echtem Sohne seines Volkes zu eigen gewesen, die 
in B<)famen und Mähren so weit verbreitete Vorliebe itlr Sagen 
ond Mftrchen, sie hätten eben auf Kosten historischer Treue 
seinen OrifTel geführt; wenn er der Volksüberiiefemng Irriges 



* Wieuer Jahrbücher der Literatur, Jntirg. 1821: ])io bütuiMclicn (Jtwtcltivhtji' 
Schreiber dt s ersten ZeitrannicM bU 1 tOÜ. 

* 




64 



entnommen habe, so sei er eben selbst getäuscht nnd zweifle 
nicht an der Wahrheit dessen, was er als historische Gescheh- 
nisse bringe und mit individuellen Zügen ausschmücke.^ 

Ich darf es mir versagen, hier die Anschauungen Pakckjs 
sofort kritisch zu beleuchten, da sie ja in allen ihren Einzel- 
heiten in der nachfolgenden Untersuchung ihre, wie ich hoffe, 
eingehende Würdigung finden sollen. Das hindert nicht, zu- 
zugestehen, dass Palacky manches wichtige und richtige Moment 
zuerst erkannt hat. Kein Wundor, dass sich heimische und 
auöwiirtige Forsnher seitdem niL'lirfach bei der Buurtheiluni; 
des Werkes DalimiU durch Palackys Argumentation bestimmen 
Hessen.* 

In jüngerer Zeit hat sich unter andcni J. .lire^ck lange 
und eingehend mit der , Reimchronik' beschäftiget und namentlich 
in der juisfidirlirhon Einlcituni;- zu scinor Ausgab«- sowohl des 
böhmischen Urtextes wie der deutschen H<-arbeitunL'"cn in Prosa 
und Versen grosse Liebe und Sachkenntnis b(dvundet. Er hat 
dabei nicht blos die VerthHdigung des Historikers Dalimil 
auf woitpre Momente ausiredehnt, sondern ihm als Patrioten. 
Gelehrten und Mensch« n auch andere Vorzüge nachzuweisen 
versucht.* Mit so gewinnendem Eifer und Scharfsinn aber 
auch Jire6ek diese seine Aufgabe zu lösen, seine Behauptungen 
zu stützen sucht, so wird man seinem Urtheile doch vielfach 
nicht beistimmen können. Schon das Lob der geographischen 
Kenntnisse unseres Dalimil, die Jireöek als ,fur jene Zeit sehr 
klar, bestimmt und ungewöhnlich aui^edehnt' findet (na onii 
dobu jist5 hyly velmi jasn4, urßitö a nad obi<!fej rozsah]»'! 
(Einleitung VI), ist viel zu weitgehend, auch lag ja damals 
weder Meissen in Sachsen, noch Fulda in Thüringen und liegt 
letzteres auch heute im Hessenlande. Noch weniger werden 
Behauptungen, wie, dass Dalimil ein Mann von strengen sitt- 
lichen Grundsätzen (mui pHzn^ch zAsad mravnich) und reifen 
politischen Anschauungen (zral^ch nihledAv politick^ch) ge- 
wesen, ein eifriger Ekforscher der vaterländischen Geschichte 

1 EhwL & Iii. 

* Vgl. O. Lorenz, Deutschlands GeschichtsqucUeii im Mittelnlter 1*, 840ff. 

L. Lfg^r, La chroniqne tschAqne de Dalimil, Paris 1867. 2 ff. 
' Hier f«iii<l nueb die frfiheri'ii l J ntorsm liiiiii;(!n .1. Jirec'rks verwertet. 

* J. Jirecek, UyinovanA kroiiiku ct»»kA tak fecou^ho Daiitnila. Font rer. 
Boh.m, ^ng Einleitnng VI ff. 



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65 



(horliv^ p^stovatel d«'Jin ndrodnich), ein Edelmaon nach Er- 
ziehung und Ucberzeugung (sleohtic vyehovfinim i pfesveddeniin) 
und daher der Oet^nfr des deutschen Bürgerthums, das damals 
mit dem Adel um das Uebergewieht im Lande rang (all dies 
siehe Einleitung VIII), uneingeschränkt bleiben können. Nur 
vom streng slavisch • böhmischen Standpunkte könnte man dem 
in einigen Punkten rückhaltslos zustimmen. 

Aach hier dürften die nachfolgenden Untersuchungen 
darthtin, inwieweit Dalimil diesbezüglich za loben und zu tadeln 
ist, und dass man bei ihm in Anerkennung und Zustimmung 
auch nicht einmal so weit gehen darf, als es bereits geschehen 
ist Des schönen Verdienstes^ das sich J. JireÖek daneben am 
die Herstellung eines anrergleichUch besseren Textes wenigstens 
der czechischen Dichtongy als ihn die früheren Ausgaben boten, 
erworben hat, soll aber nach Gebühr gedacht werden. 

Was B. Dudik ttber Dalimil seinerzeit Torbrachte^* ist 
keineswegs von grosserer Bedeatong. Teige* wandte seine 
Animerksamkett nicht sosehr der ganzen ,Chronik' als solcher, 
als den detailUerteren Kachweisen der darin bentttsten Quellen 
sOy ohne aber seine An%abe za erschöpfen oder in den wirklich 
zar ErSrterong gelangenden Fragen Überall eine ItOsung zu 
geben. Andere bescbttftigten sich mit der Deatung oad Ver- 
wertung sprachlicher Ansdrücke (so Hattala, J. JireÖek, Tomek 
and Emier), mit den heraldischen and volkskandlichen Angaben 
bei Dalimil« Die deatschen Forscher fanden sich hier, wohl 
meist schon wegen angenügender sprachlicher Kenntnisse, vor 
allem daranf angewiesen, das VerhMltnis der deatschen Versionen 
za dem czechischen Texte sieherznstellen und sie in ihrer Be- 
deutung als literarische Producte deutscher Dichtung und IVosa- 
darstellung zu würdigen,' wozu auch Palacky, Hanusch,'' Jirecek 
und Teige ' Beiträge lieferten. FiU* die Textkritik der ürdichtung 



' B. Dndik, Mährens GeschichtsqueUeti I, Brünn 1850, 404 ff. 

' J. IV'i^e, Die Quellen des sogenannten Dalimil, Uitth. d. Instttnts flir 

üsterr. Geschichtflfor.Hchuiig^ 9, 306 ff. 
' Vgl. uameutlicb Weud. Toischer in äteininejers ZeitKclir. fUr deutsuke« 

Altarthnm, Aaieiger m 1879, 8. 848 ff. 

* 8itnuigsb«r. der bOhmuehen Gesellwb. der WmMweh., pliiL^hut Cl. 1888. 

* Geniuuiia, b«niiif«geben von Carl Bartsch, Kd. XXV1II,S. 41 2 ff., XXtX, 
S. 416. Sonst siehe znr Litm«tnr Jim&ik, SinMtung p. XIX und PotS 
h«t, m>\. hist. I', 3r,2. 

Arcki». XCI. Ban'l- 1 Uäine. 6 



Digiiiica by Liu^.' . 



66 



ist zuletst durch die sorgsame Wiedergabe der Cftmbridger 
Handschrift (von W. Mourek) ein neuer wichtiger Behelf an 
die Hand gegeben.' 

Inhalt und Zweck der ,CUroüik^ Dallmils. 

Schon für den Fern ersteh enden kann es keinem Zweifel 
unterliegen, dass so weitg<'lii'nd»> Ditforenzen in der Beurtheiluiiu 
unserer Chronik seitens naiuhufti i- Forsi lier auf besondere 
Eit^ensohaftcu des \\\ rkes zurllekzutühren sein werden. Um 
unsere Meinung sofort 7.u sasren, so haben die Frühereu, zu 
deren Meinung aber auch /u unserer Zeit einzelne deutsehe 
Forseher zurückkehrten, i>s. Bueii so » iitsehiedcn zurückgewiesen, 
weil sie es eben nur als Geschielits([iielle und rein-liistoriselie 
Darstellung auttassten. Wenn dem ge<j;enuber Paiacky mit 
Recht auf eine Reihe von Thatsachen und Verhältnissen auf- 
merksam machte, die bei der Würdigung des Werkes Dalimiis 
nicht übersehen werden dürfen, so irrt anderseits auch er, 
wenn er, und nach ihm eine ganze Reihe von Gelehrten, die 
wesentlich seine Anschauungen acceptierten, trotzdem die Ein- 
reihnng Dalimiis unter die böhnilsclien Oeschichtschreiber als 
selbstverständlich angesehen; eben dadurch verliert seine Beweis- 
führung die eigentliche Kraft und Bedeutung und hat er sich, 
nach unserer Ueberzeugung, den richtigen Weg zur Erkenntnis 
der wahren Gestalt der ,Chronik' seihst wieder verrammelt. 

All das gilt es nun aber zu beweisen, und dürfte die 
Nothwendigkeit, sich bei der Betrachtung unseres Reimwerkes 
von anderen Gesichtspunkten als unsere Voigttnger leiten zu 
lassen, zunAchst ein Blick auf die Reihenfolge des inhaltlich 
Gebotenen erweisen. 

Im I. Capitel bringt Dalimil die Sllndflutsage und die 
Sage von der Sprachenverwirrung beim Thurmbaue zu Babel, 
die im letzten Grunde auch die Scheidung des Czechenvolkes 
von den anderen slavischen Stämmen herbeiführte; wie das- 
selbe zuerst in Böhmen heimisch wurde, meldet die Einwaude- 
rungssago von Vater Boemus Czech) im II. CSapiteL Sein 
später Nachkomme, der erste freiwillig anerkannte Richter ttber 



^ Siteuiigsber. der Friuiz JoHof^-Akadeiiiie zu Prag 1)^92, Nr. 11. Mit 2 i'acMiiu, 
Tufeltt. 



67 



das Volk im ganzen Ozeeliennfan. ist nach sa^renhafter Tra- 
dition der weise Krok (^Cap. III); doch wird seiu Andenken 
verdunkelt durch seine Töchter und namentlich die Jüngste, 
Lihussa, deren Person, durchaus mythisch gleich der ihres 
Gemalilsj des Aekerniannes Pfemysl. den sie sich unter viel- 
fältigen Wundern vom PHuji^e jjehoh hat, wieder von einem 
reichen Gewinde von Sagen umrankt ist (Libussa Prcmysl- 
Sage, Cap. IV — Vll, im VII. Capitel noch besonders die 
GhrQndangssage von Prag). Capitel VUI — XVI (Begiun) 
spinDen unter Hereinzichang der uralten Amazonensage und 
YerwertODg vielfältiger Localgescbiobtchen die böhmische 
Mär vom Mägdekriege, vom Ekampfe zwisclien dem Wyschehrad 
und Diewin, zwischen PrcmysI und Wlasta derart weit aus, 
dass von nun an auch die üppig sch.HT n le Volkstradition hierin 
eriahmte. Audi der Rest von Capitel XVi ist nicht Geschichte^ 
sondern enthält die sagenhafte Reihe pf-ernyslidiaeher Stammes^ 
hXnpter von Nesamysl bis Kfesomysl mit neuen, aber noch 
weniger historiBchen Znthaten als bei Coemas (die Theobalde 
nnd Saaser Fttrsten werden in die Genealogie der Ffemjsliden 
eingefligt). Nnn folgt (Cap. XVII — XXI) die Neolan-Tyraage 
(Styrsage) wieder mit vielfach anderem fabelhaften Ein- 
schlage und Verwertung localer Erz&hlungen ohne historische 
Bedentang, wozu auch die Grttndungssage von Klepy (Hasen* 
bofg, Gap. XXn) gehört 

Hit den Tagen BoHvojs, des Sohnes Hostiwits nnd Enkels 
Neeians, nnd der 2ieit Swatopluks, des Fürsten von Gross* 
mShren, scheint endlich der historische Boden in der Geschichte 
Böhmens (zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts) erreicht Wie 
aber weiss sich unsere ,Chronik' auf solchem zu bewegen? 
Einige Daten nach dem Pseudo-Christann (Vita Weneeslai)/ 
die Mär von der Aufnahme Bofivojs am Hofe Swatopluks, ganz 
ähnlicli dem^ was die Conversio Bagoar. et Carent ttber das 
'jastiLialil berichtet, das der Salzburger Ingo den Neubekehrten 
und Heiden in so verschiedener Art reichen hess, also kein eng 
böhmischer SagenstotY, ganz sagen liafti' Be/aehungen zwischen 
Borivoj und Swatopluk, suwie duuü ulics über diesen tiebrachte 
gaiiz später und wirrer Tradition cntstannut: das bildet bei 
Daiimil den üebergaugzu ISt Wenzels Zeit (Cap. XXllI — XXIV ). 

» Vgl. Holder- E^ger, iL O. U XV, 1, 67i. 




68 



Ea wird mit dem historiscIieD Schaffen auch da nicht besser« 
Capitel XXV — XXVI bieten die legendäre Geschichte der 
hell Ludmila, Capitel XXVII — XXX eine Art neuer 
Wen seisiegende mit vielerlei sagenhaftem Einschlag; die 
historischen Daten leiht wieder der ikische Ohristann her. Aus 
Boleslawsl. Zeit findet der ^Chronist', abgesehen von des Herzogs 
Rolle in der Wenzelslegende, nur die Geschichte seines 
Sohnes Strachkwas, den bei der Biseliofswcibe der Teufel er- 
fasste, und die S;igc von der ( Jrtindung ^vimburirs loderJiing- 
bunzlaus) zu bcriehton (Cap. XXXII). Capitel XXXIII meldet 
ßuleblawö III. Blendung und seines Bruders Ulrich Auslieferung, 
beides sagenhaft und in dichterisch juis^efiilirtem Detail. 
In Capitel XXXIV--XXX\'I Hiesst die sagenliafte Geschielite 
dos Geseldechtes der Wrschowetze mit einer selir trüben 
Ueberlieferung Uber Personen und Thaten im Pi^cmysliden- 
lianse auch Boleslaws HJ. Sturz znsammcn. wie namentlich die 
J agdgoschichte bei Velis (Jaromir und Ilowora) und die 
Darstellung der PolenvcM-treibnnp^ aus Prag 1004 beweisen. Auf 
die Sage von den fünf heil. Brüdern cntfJlllt Capitel XXXVII. 
Dann füllt die Gründungssage von Ffraumberg, eine echte 
und rechte Rittermäre, die das Unmöglichste in unhistorischer 
Verbindnnpr von Personen und in Darstellung ihrer Gesinniinp:en 
und Thaten leistet, die beiden nachfolgenden Absätze (Capitel 
XXXVIII— XXXIX). Mit der Erzählung vom bösen Kochan 
kehrt die ,Chronik^ nochmals zur Hausgeschichte der Wrscbo- 
wetze zurück (Cap. XL), um sich dann einem noch ^dankbareren' 
Stoffe, der Erhebung der schOnen Bo2ena, Hersog Bi^etislaws I. 
Mutter, die der ,Chronist' aus einer Bauerafirau zu einem Land* 
mädchen macht, sur Herzogin, und der phantasievollen Aus- 
schmflckung der EntfUhmngsgeschichte ihrer Schwiegertochter 
Judith zuzuwenden; auch sonst fehlt sagenhafte Beigabe (,der 
Kaismtnhl' zu Bunslau) nicht (Cap. XLI— XLII). In Capitel 
XLII— XLIV lesen wir endlich eine versificierte Geschichte des 
Zuges BfetisUws L g^n Polen und seines nachfolgenden 
Streites mit dem Kaiser. Aber von der historischen Aufeinander- 
folge der Ereignisse weiss der ,Chronisf so wenig, als wir ander- 
seits imstande sind, seine Details und sagenhaften Ein- 
schaltungen gelten zu lassen, auch wenn wir einen gewissen 
Untergrund daitlr aus der Tradition im Volksmunde (Befehl 
an die Ohodcn, Prkosch von Bilin) gelten lassen. Die ^unzc 



69 



Auffassunpr der Vorgänge ist dabri roin dichterisch, im wcscnt- 
h'chen unln-torisch. Ebenso nimmt im Capitcl XLV neben 
wonijjff'n irrigen oder doch unverlilssliclicn historischen Daten 
über Bischof Kckard von Prag und Herzog Bfctislaws Ungar- 
feldzug das Geschichtchen von der deutsckeu Aebtissin bei 
bL Georg und üirem Backofen breiten Räume ein. Capitel XLVI 
▼erwertet ganz individuell die Meldung des Cosmas über die 
angebliche DeutseheiiAustreibung Herzog Spitighniews II. und 
deutet den Ursprung der Stadt Jaromir nach Jaromir, dorn 
Bruder des Herzogs und Herrn des Königgrätzer Landow, 
wovon die Geschiclite wieder niehts weiss. Capitel XLVil 
erzlUt ganz fabelhafte Dinge vom Zuge Wratislaws II. (der 
mit dem nahezu um 100 Jahre jQngeren Whidislaw II. ver- 
wechselt wird) vor Mailand und den Thaten der Böhmen, wobei 
mch die Podiebrader bei Ersteigung der Mauern Mailands 
ausgezeichnet hätten (daher die Leiter in ihrem Wappen), und 
berichtet dann ebenso in sagenhafter Weise Uber Wratislaws 
Erhebung zum KOnig von Böhmen und Polen, aber die Besserung 
seines Wappens, die Zuweisung des Mundschenkenamtes (fllr 
das des Truchsess) an ihn und den Äntheil, den er hinfort an 
der deutschen Königswahl haben soll. Im Capitel XLIX ist 
nicht das Walten Bischof Jaromirs, sondern die Art seiner Er* 
hebnng gegen den Deutschen Lanzo und die angebliche Rede 
des Kojata (s. aber auch Cosmas) in den Vordeigrund ge- 
stellt, sonst kennt Dalimil nur dessen Versuch, Mähren zu seiner 
Diücese zu ziehen und die Vermittlung der ,Königin' Mathilde 
von Tuscien, deren scandalöses Betragen gegen ihren zweiten 
Gemahl Weif (s. Cosmas) Dalimil aber, weil ja auch seinem 
Werke femliegend, zu schildern unterh'lsst. Den Inhalt von 
Capitel L bilden neben ganz kurzen, aber auch so in der An- 
ordnung Tinrichtif^en Daten die Geschiehtehen vom über- 
mtithigeii Beneda, den der König mit eigener Hand erschlägt, 
und dem ^ef^lhrlichen Bade des FUrstensohncs Bfetisiaws. wobei 
diesen des KöniL^s getreuer GUnstling Zdernd scharf ermahnt, 
aber auch retiet. Eben Zflerads Ausiran«; beschäftigt den 
Dichter — denn um reine Dichtuncr handelt es sich wii'der — 
im Capitel LH: nach Zderad sei die Kirche zu Pratr ani Zdcras 
genannt; Bfefi'^law, sein Mörder, der sich erst mit eijiem An- 
han«re von HiKJO Mann nach Polen pceflUehtet hatte, sei von 
dort, den Vater zu bekämpfen, heimgekehrt, aber von 



TO 



St. Adiilbci't crraaluit wordm, sich d«Tn Köni«;c, dem auch 
St. Wenzel beist^iml . zu uuleru (iilV ii. Capitel LI bcrulit 
lf»(li<^lich wieder auf «»iner Verwechslung Wratislaws mit Wla- 
(liülaw IL: an des Kiinisrs sa^jf^nhaften Zug nach Ungarn und 
gegen die Griechen kuUplt hier Daliniil die noch t"al»u losere 
Meldung von der Bekehrung der Magyaren, Uhcr den Ursj)run^ 
des uugarisclicn Kreuzes, aber auch über die freie Königswaiil 
in Böhmen nach Ausgang des heimischen Fürstengeschlochtes. 
Im Capitel LITT ist die Erzählung über Herzog Brctislaws II, 
Bewerbung um den Thron bei Kaiser Heinrich IV. ebenso 
freie dichterische Erfindung wie die (Jcschichte vom 
Aufstande seines ^Bruders' Swatopluk gegen ihn, dann die 
Einmischung der VV^rschowetze in diesen Ötreit und die angeb- 
liche Unterredung der beiden Brüder im Feldlager. Capitel LIV 
zeigt, wie sich im Volksmunde die Ueberliet'erung über Bfe- 
tislaws 1. Tod, von dem uns Cosmas Näheres meldet, weiter 
entwickelt hatte: in echt sagenhafter Weise hat die Er- 
zählung an persönlichen Zikgen und allseitigem Detail gewonnen, 
wozu noch Daliniil« besondere Tendenz hinzutritt. Nach 
Dalimil (Cap. LV) ist Swatopluk der Gegner des nachfolgenden 
Herzogs Bofiwoj, weil er (Swatopluk) als ,Bruder' des früheren 
Fürsten dem Throne näher stehe als der Bmderssohn; sonst 
füllen dies Capitel die, natttrlioh firei ersonnene Rede des 
Sendlings Swatopluks, mit der er die Grossen Btihmens zum 
Trenbruche yerleiten will, und neben WeisheitssprQchen des 
Verfassers die Fabel vom Storch, den die Fk^sche zum Könige 
wählen. In breiter, in ihren Einzelheiten weit Uber die 
Erzählung des Cosmas hinausgehender Darstellung schildert 
Capitel LVI den Untergang des Geschlechtes der Wrschowetze, 
sowie dies Geschlecht nach seiner Art und seinen Geschicken^ 
in der That eine vielfach seltsame und bezeichnende Erscheinung 
in der Geschichte des Czecbenstammes bedeutet 

Capitel LVII bringt Swatoplnks Heerfahrten nach Ungarn 
und Polen, dichterisch ausgeschmückt, dann dessen Tod; 
Hauptinhalt ist die ganz subjective Betrachtung ttber die Er- 
hebung Wladislaws I. gegen den froher erkorenen Otto II. 
Capitel LVin enthält die dunkle Erinnerung au die Kämpfe 



Ueber dou Ursprung das Coutliete.^ i;wischeu Freuiyslidon Und Wrscho- 
welzeu s. Baobmauu, tiesciücbte Bübmens 1^ 141 — 142. 



71 



zwischen WIndislaw I. und RoriwoJ und die ISagen Uber das 
Kmjjorkomuien der Kosenberge und die Entstcbting der Be- 
zeichnung ,8t. Johann auf der Wailstatt in Prag*. Ganz 
sagenhaft und vom Grunde aus unhistorisch sind auch 
die Ausführungen Uber das Kaisergericbt zu Prag (wohl Tra- 
dition über das Fürstengericht zu Rokyzan 1110), über die 
GtefaDgenschaft Hofiwojs in Mailand und die Gründungs- 
geschichte der 8t. Apollinariskirche in Sadska (Gap. LIX). 
Capitel LX gibt die Tradition über die Polenkämpfe Wladis- 
laws I. und den Castellan Wacek, Capitel LXI Notizen über 
die Römerfahii: Heinriclis V. und den (wieder ganz fabulosen) 
Antheil des böhmischen Fürstensobnes Bretislav an derselben, 
ebenso Capitel LXII einen Bericht Uber den Ungarkrieg Herzog 
Wladislawa und die Heldenthat JufikB. Dass die ganze Er- 
zählung Uber die Vertreibung Bofiwoja, dem der ykinderlcse' 
(de) Wladislaw das Herzogthum abgetreten hat, sammt den 
eingefügten Reden nichts als Erfindung ist (Cap. LXIU), lehrt 
der erste Blick. Falsch ist auch die Nachricht, dass Sobieslaw I. 
die Baiem schlug und viele Deutsche in Böhmen tödtete, und 
sagenhaft ausgeschmückt der Kampf bei Kuhn zwischen 
Lothar m. und Sobieslaw und was Uber die nachfolgenden 
Zugeständnisse des deutschen KOnigs (Cap. LXIV) beigebracht 
wird. Sowie aus dem Inhalte des Capitels LXV kaum eine 
Meldung historisch aufrecht steht, so ist irrig und ganz yer- 
worren das Wenige, was in Capitel LXVI sich Uber KOnig 
Wladislaw II. findet Nun folgt Sobieslaw IL, dessen Nach- 
folger ,und Sohn^ eine Lieblingsgestalt der volksthttmlichen 
Tradition; über ihn, seine , Söhne* Friedrich und Konrad, den 
g^anz sagenhuftcii Stanmir, die jjfrossen Siege der Czechen 
über die Deutschen (!) und die Ft iiidsc luift und l 'ntreuc der 
letzteren <^e<xf^n jene weiss die Chronik, Capitel LXA'II LXXIV, 
Ranz uiifrl a iibl iche Dinge zu berichten, so das«» hiu und du 
jeder «reschichtlichc Hiiiterp:ruii(l gänzlich entschwindet. Eine 
Auzalil eingestreuter Wappen und Namen deutungssagcn 
biet«'ii dafür nur wenigen kiimmcrlichen Ersatz Mit Capitel LXXV 
lH'<:innt die Zeit PfemysI Ottokars I. (den Daliniil für einen 
andern hält als den Herzog Preniysl Ottokar 1192 — 1 1'Jo und 
Gegner des Biseliof-IIerzogs Heinrich), aber wie sieht es aueli 
da sonst wieder mit der Rücksicht auf wirkliche historische 
(ieschehnisse ausl Eine breite Fabelei über Ottokars Auf- 



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72 



enthalt in Regensburg, wo er als Tagldhner sein Leben fristet, 
geht voran (Cap. LXXVI). Fast scheint es, als ob die Ver- 
treibung der Diepoltinger nur erwähnt ist, um die Deutungs- 
sage TonKauHm (»ich brenne^) bcif\lgen zukOnnen. Was Uber 
Ottokars Zug gegen die Sachsen, die Namensänderung durch 
seinen Firmpathen, den Kaiser, seine Begnadigung, dann aber 
auch die Veritnderaug der Sitten im Lande, d^ Krieg mit 
Oesterreich und sonst gesagt wird, zeigt das regellose 
Walten historischer Ueberlieferuiiiß^ im Volksmunde, die 
ihren Niedersclila^^ hier g^cfiinden hat (Cap. lAXVII — LXXX), 
wie die siibjcctiv construicriMide Thütigkcit des Erziildcrs. Niclil 
hesser ist es mit der Darstellunfr dos Tatareneiiifallca zu Köni^ 
Wenzels II. Zeit (Cap. LXXXl LXXXH). Capitel LXXXIII 
bis LXXXIV berichten Uber König Wenzels Fahrt zum letzten 
Keichstage Kaiser Fricdrielis IT. und den Muth seines Kitterö 
Oger, ein Geschichtchen, wohl darnach angethan, der 
böhmischen Eigenhebe zu scluneicheln, aber gewiss wieder in 
allem wesentHehen erfunden. Auch in dem Berichte 
(Caji. LXXXV LXXXVI) Uber den Aufstand Pfemysl Otto- 
kars II. genren seinen Vater Wenzel nimmt das Detail der 
Volkstradition eine hervorragende Stelle ein, wenn es hier 
auch mit der historischen Wahrheit etwas besser bestellt ist. 
Noch mehr ist ersteres der Fall in den Oapiteln LXXXVII bis 
LXXXIX, in denen wieder eine Reihe von Geschichtchen 
die jGeschichte* zu ersetzen hat. 

Mit Capitel LXXXIX erreicht der ,Chroni6t' Künig Otto- 
kars II. Regiernngszeit ; er nähert sich den Tagen, die er bereits 
selbst gesehen oder doch von älteren Mitlebenden zu erkunden 
vermag. Noch ist die Frist zu kurz, als dass das Gewebe der 
Sagen und das Gewirrc volksthUmlicher Ueberlieferung die 
Erinnerung an die wirklichen Geschehnisse wenigstens in der 
Hauptsache verdecken könnte. Auch sorgte ja eine wirklich 
historische zeitgenössische Berichterstattung sogar für schriftliche 
Fixierung der grossen Geschehnisse.' Dalimil hat auch sicher 
Notizen Uber den Krieg mit Baiem und die Ungarkämpfe, er 
spricht von dem Geisslerzuge und von Margaretha von Oester« 



Vgl. Studien über ältere bUlimiscUe Geschieh tsquellen, ZeitöLbr. des deuttic lien 
Vereiues für Geschichte Mähreos uud Schlesieus, ö. Jahrg., Heft 1 — 3, 

& 8ir. 



73 



m<4i. Dann aber drHnjijt sich ihm die Gestalt Zawisch' von 
Falkrnstcin in dvn Vordergrund und beherrscht ihn der Gegen- 
satz zwischen dem deutschfeindli h ti Könige und dem ,pa- 
triotisehen^ Adel durchaus. Und darüber bleiben dann all des 
grossen Königs Walten und Schaffen, seine Erwerbungen und 
seine Verluste, seine Höhe und sein Fall im wesentlichen un- 
geschrieben ! 

Freilich mit dem, was über Wenzel II. gebracht wird, 
steht es nicht anders. Von all den Geschehnissen vom Tode 
König Ottokars bis zur Krönung Wenzels II., also Uber fast zwei 
ereignisvolle Jahrzehnte der Geschichte Böhmens, handelt Dalimil 
in den 31 Versen des XCIV. Capitcls, und auch dn ^reht es nieht 
ohne Fehler ab! Und was die ,Chronik' (Cap. XGV— XCVII) 
sonst ttber Wenzel II. berichtet, besieht sich direct oder indirect 
Im wesentliohen anf sein Yerhttltnis zu Deutschland und dessen 
König Albrecht, während anderes eben nnr hie und da gestreift 
wird. Den beiden nachfolgenden Königen ist nnr je ein Capitel 
(Gap. XCVin u. XCIX) gewidmet Die letsten Verspartien 
endlich behandeln die schweren ständischen Kämpfe unter 
Heinrichs Ton Kärnten Regierung (1307—1310), die erst mit 
König Johanns Einflihrung ins Land ihr Ende erreichen (Gap. 0 
bis dV, OVI; CV handelt von der grossen Ueberschwemmung 
im Juli des Jahres 1310). Damit schliesst auch die «Chronik* 
selbst, nochmals ihres Sonderzwecks gedenkend. 

Ueberbliekt man den Inhalt von Dalimils Werk, and zwar 
nieht etwa, wie ihn manirierte Betrachtung sich zurechtlegt, 
sondern wie er sich dem durchaus unbefangenen Auge dar- 
bietet, so findet man wohl in reicher Zahl Sagen und Mären aus 
Böhmens Vorzeit in einer gewissen chronolo^i-sclien Folge. Hof- 
und Hittcrgcscliichten, einzelne Sentenzen und Fabeln, dazu 
vielfältige Erzeugnisse volksthümlicher Ueberlieferun'^ und des 
romantisch-ritterlichen Dilettantismus des 13. Jahrhunderts auf 
literarischem wie historischem Gebiete im weitesten Sinnen ver- 
einiert: aber keine eigentliche geschichtliche Darstellung, 
aiit:«'ordnet nach der Bedeutung des Gegenstandes und allein 
berechnet auf die Feststellung der historischen Wahrheit, und 
da« auch nicht einmal für die Zeit, in der unser Verfasser 
Sclhsterlebtos darstellt. Aueh hier j.i bleiben alle die Pordcmn<ren. 
die ceht Iiistorisehe Arbeit zu erfüllen hat. im grossen und im 
kleinen, objectiv und subjectiv nahezu gänzlich uneriUllt, ja es 



74 



fehlt ebenso die Absieht wie die Erf'Qlhing liistorischen Scluiircns. 
Dar!" niuii uuu von dem Verfasser persönlicli ein, wenn uucli 
nur l)e8cheidenes Mass jener Eigenschaften fordern, die ihn erst 
zum Historiker stempeln kihmen? 

Es sei vor der Beantwortung dieser wicliticren Frage noch 
erst eine weitere Thatsache constatiert. Daliniil zei0. was er 
anstrebt, nicht blos, wie oben erwiesen, durch die Art der 
Durchführung seines Werkes, dureli das, was er materiell 
bietet, gewiss stets der untrüffliehste Bewies in solchen Fragen, 
sondern er kennzeichnet den Zweck seiner Arbeit direct selbst. 

nnche suchen nach Ueberlieferungen (povßstf, d. i. Sacren. 
ICrzählungen namentlich Ercschicliflichcn Inhalts, (ierüchtc) und 
zeigen darin Weisheit und Witz. Aber sie kümmern sich dabei 
nicht um ihr Heimatland und zeihen dadurch ihr Volk der 
EinfHltigkeit (sviSj rod sprostenstvim vinie).* Sic wUrden, fährt 
er forty davon Ehre und Vortheil haben, namentlich ihr Volk 
bosser kennen lernen und seinen Ursprung ergründen. , Lange 
schon suche ich nach solchen Büchern (Sammlungen) und 
tiberall sehe ich zu, ob nicht ein Weiser es unternahm und 
alle böhmischen (Helden-) Thaten (yfiÖ deske skutky) in einem 
darstellte. Und solange ick nach solchen forschte, Hess ich 
es mir nicht selbst angelegen sein; erst da niemand sich dasu 
finden will, muss ich mich dieser Aufgabe unterziehen/ ■ 

Also um ,poyfoti' handelt es sich dem Verfasser, um Sage 
und Erzählung, wie solche seine ,Ghronik' wirklich in so reicher 
Zahl aufweist, nicht aber um Geschichte (ddje, dÖjiny); nicht 
fremde Geschichtschreibung bei seinem Volke, die Beschäftigung 
heimischer Forscher (Czechen) mit den Geschicken anderer Völker 
verwirft Dalimil — solche gab es in Böhmen ja damals nicht 
— , sondern die Pflege und Sanunlung fremder Sagenstoffe im 
Lande, also die Lust und Freude am Alexanderliede und dem 
Trojanerkriege, an den grossen Dichtungen, die sich an die 
deutsche Vorzeit anlehnten und weit im Lande verbreitet waren. 
Er mahnt dagegen, sich um die heimischen Ueberlieferungen 
zu kümmern, dem Lande selbst zur Ehre, dem Volke zum 
Nutzen: sie wiesen ihnen, woher sie selbst gekommen seien. 
Besonders letzteres ist bezei( Imend. Oder weiss die Geschichte 
etwa eine Antwort auf die Frage .odknd jsü prisli', denkt du 
der Verfasser nicht lediglich an die alt<' ( V.eclisage? Sie, die 
Sagen und Märeu und volksthümlichen Deutungen und Mel- 



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75 



düngen, sie sind es. die nach der Tnidition i'iher die alten 
GroHsthaten der Czeclien (skutky) dorn Dichter vor Augen 
stehen. 

Es ist bei solcher Erfassung der eigenen Aufgabe bei 
Dalimil selbstverständlich, dass er zwar auch rein historische 
Quellen heranadehty solwld aie ilim fUr seine Zwecke eine Aus- 
beute liefern, dass er aber die Grenzen zwischen verbürgter 
Geschichte, gewonnen auf Grund wissenschaftlicher Thätigkeit, 
und historischer Tradition mit all ihren Wechselgeschicken völlig 
ausser Acht lässt: nicht um Verlässlichkeit des Berichtes, 
sondern um VoUsIttndigkeit, richtige Folge, Gleich uiiissii^'^koit 
des Erzählten ist es ihm sn thun. Damach yeistehen sich seine 
weiteren AusfiÜirangen: 

,Aber wisse/ fkhrt er fort, ,da88 es schwer ist, diese 
Chronik zu schreiben, dass ich ans yerschiedenen eine zu- 
sammentragen moss. Denn das sei flir wahr gesagt, dass es 
niigends eine ganze Chronik gibt; denn alle die Schreibor 
(pisAH) sind keineswegs sehr ▼erlässlich gewesen^ da sie 
manches wegliessen und kürzten, von der emen Gegend viel, 
Ton der anderen wenig sprachen und so die rechte Reihenfolge 
vermissen lassen. 

Damach wissen wir aber auch schon im allgemeinen, was 
wir von den schriftlichen Vorlagen zu halten haben, die uns 
Dalimil nennt. £r betrachtet sie vom Standpunkte nicht des 
Forschers und Gelehrten, sondern des Sammlers; er sucht 
nicht Thatsachen, sondern volksthflmliche Ueberlieferungen, 
Erzählungen und Geschichten. Ihre Verfasser sind ihm nur 
.pisäri', die eben aufzeichneten, was sie vernahmen, nicht 
Historikei-, denen die geschichtliche Walii Ik it erstes Ziel ist. 

So hiit Dalimil eine Pia<;er (Jluomlv [uh den Cüsmas s. u.) 
und eine Bfewnower (ob wohl den wenig geänderten Cosmasy s, 
Z. f. Gesch. Miihrens 4, 117) zur Hand: aber er sieht in ihm n 
.weniger enthalteir als in einer Runzlaiier Chronik, die er hei 
einem alten Priester land und die der Worte mehr gcäuaucht.' 
An einer Upatowitzer ,1 'liionik' erk'-nnl Dalimil viele Irrthiuner; 
die Wjschehrader getäilt ihm noch weniger. So hält er sich 



' Der Gtfgeiuato swiseben der wirklich oft grtMsen GMcbwlUsigkeU des 

Prager Donidccliants und der präcisen, klaren Diction dee eseehtschen 
DaiimU k&me hier mm richtigen Ausdrack. 




76 



denn an die Bttnzlauor, denn sie Ubertrifft alle anderen, be- 
richtet siclier ( jistr) über die heimatlichen Kämpt'e und enthiih 
viel pnnst Unbekanntes. Nach den GnindBätzen des Sammlers 
für ^ H^skunde und Volkauberlieferung, nicht den Gesiehts- 
punkteu des Geschichtsclireibors, entscheidet sich so Dalimil^ 
wie gesacrt, auch für die Wahl seiner Hanptquelle. 

Sein Work verfasste er aber nielit aus den an^xciVilirtcn 
Ursachen, auch nicht allein aus Liebe und Freude an ge- 
schiclitliehen Meldungen über Böhmens Vorzeit, sondern daneben 
zu ganz bestimmtem Zweck, den er ganz unumwunden selbst 
kennzeichnet: , Leeren Wortschwall gedenke ich zu kürzen, 
soviel ich yermag, aber den Sinn getren festzuhalten, damit 
umso lieber ein jeder daraus lernen möge, sich seiner Sprache 
(jazyku) umsomehr anaanehmen; denn wer klug ist^ wird 
noch verständiger, wenn er weise Rede hört, Hingabe mag 
wohl auch Hingebung wecken. Ich bringe diese Dinge einfach 
vor, aber ich bitte einen Tüchtigeren dabei, dass er für unseres 
Landes Ehre u. s. w. meine Sprache bessere mit schönen 
Reimen etc/ Der Verfasser will also sein Volk belehren und 
zur Anhänglichkeit an heimisdieB Wesen und seine eigene 
Sprache aneifem. Er deutet aber mit den Worten ,i pro naÜch 
nepfitel lest' auch die weitere Tendena seines Werkes an, die 
Absicht, den Widerstand gegen das Deutschthnm in der 
slavischen Bevölkerung au wecken, ihn als berechtigt und 
nothwendig hinzustellen, da man es hier mit den alten Feinden 
des czechischen Stammes zu ihun habe, au zeigen, wie so oft die 
Deutsehen Unheil ttber das Land gebracht und auf Fürsten und 
Adel und als BOrgerthum der StKdte ihren gefilhrlichen Einfluss 
gettbt, wie oft sie aber auch czechischer Tapferkeit, der bekannten 
Kriegstttchtigkeit der Böhmen, unterlegen seien. Als Zeit, zu 
der Datimils Werk entstanden ist, gelten ja die ersten Jahre, in 
welchen der jugendliche Johann von Luxemburg in B(rtmien 
herrscht, des deutschen Königs und Kaisers Sohn, umgeben 
und geleitet von deutschen Rathen, gestützt namentlich von 
flem deutschen Bürgerthume und dem meist deutschen Hoch- 
clerus fies l^andes, die ihn zuju Throne berufen. 

Und welche Ereignisse waren dem vorausgegangen? Schon 
unter Wenzel II. war die Abhängigkeit Bühmeiis vom Kciclie 
wieder starker betont woiden, ja König Albrecht L hatte 1303 
Forderungen erhoben, die in der That unerhört waren. Er 



77 



hatte sie nicht durchgesetzt; aber Deutsche und Oc^t rn icher 
waren verheerend ins Land «i^uljroclien, sie hatten e?; t iudlich 
durchzogen, und nur die Willfährigkeit Wenzels III. hinderte 
die Wiederkehr solcher Dran^i^sal. Die Böhmen hatten dann 
sehen müssen, wie Könige Albreeht nach Wenzels III. Tode iiir 
Land «geradezu als Lehen in Ansprueh nahm und auch die 
Erhebung seines Sohnes auf den PfemysÜdenthron durchsetzte, 
wie er gegen dessen Nachfolger, den von den Ständen, freilich 
unter Bruch ihres dem deutschen Könige verpfändeten Ver^ 
Sprechens, berufenen Herzog Heinrieli von Kärnten, mit ganzem 
Nachdrucke Torgieng, wie das Land neuerdings feindlicher 
Invasion seitens des Keichsolx i l atiptes unterlag und eine solche 
wieder drohte, als Albrecht L plötzlich ans dem Leben gieng. 
Und hatte denn die Herrschaft Rudolfs von Oesterreich den 
Gzeehen gefallen und das Benehmen des KUmtners und das 
Verhalten seiner kimtnischen Getreuen und meiBsniachen 
VerbUndeten dem deutschen Regimente im Lande Sympathien 
erwecken können? 

Aach das war noch nicht alles. Mehr und mehr sah sich 
der csechische Patriot geflngstigt und bedroht durch das im 
Lande selbst ansässige Deutschthnm, namentlich durch den 
weiten Kreis deutscher Städte, die^ yielfach mitten in slavischer 
Berdlkerung gegründet, seit Anfang des 13. Jahrhunderts in 
Böhmen und Mähren fröhlich emporgeblttht waren. Daau kam 
ein stetig erstarkendes geschlossenes Gebiet deutscher Bauem- 
gemeinden, die, erst zumeist auf bisher unbebautem Boden 
entstanden, bald ebenso wie die Städte ältere slaTische Siedlungen 
sn verdrängen begannen. Längst auch spielten die Dentieh- 
böhmen eine politische Rolle im Lande. Zwar ihr böhmischer 
Patriotismus war, und das ist allezeit so geblieben, auch schon 
über allen Schein eines V^erdaelites erhaben und entschiedener 
wie kaum die Naclikonimen altslavischer Geschlccliter haben 
deutsches Biirgerthuni und deutscher Clerus und Adel jederzeit 
des Landes Rechte und Freiheiten vertreten. Aber tiuaiiziell 
ohnehin die besten Stützen des Königthums, waren die Deutschen 
die natürlichen Partner der Krone, so oft der Adel in alter 
><. ibstsucht in deren < I rrechtsarac einzugreifen versuchte, und 
als nach dem Aussterben des angestammten 1 lerrschcrhaust-s 
der böhmische Landta^]^ zum Hüter und Nutzniesser der Selb- 
ständigkeit des Landes nach Aussen und Theilhaber der üÜ'eut- 



78 



liehen Gewalt im Innern ward, da wuBBten sich die müchtigen 
deutschen Gemeinwesen, obwohl bisher zufolge ihrer besonderen 
Organisation ausserhalb des Landtages und , Landrechtes' stehend, 
mit durchgreifender Energie einen Antheil und sehr bald, eben 

in jüngster Zeit, sogar den massgebenden Einfluss bei der 
Landcsvertretuii^ zu sichern. Der Unmuth des czechischen 
Adels und all derer, die mit ihm gleich fühlten und unter 
seinem Einflüsse standen, lässt sich duriiacli crmcbsenl Lud 
Neid und Kifcrsuelit stiegen aufs höchste, als die deutschen 
Bürger, die, während der slavische Wirtscliaftsbetrieb unendlich 
schwer den üeberpinj^ von der Natural /mv Geld Wirtschaft 
gestattete, ihren Bebitz und Erwerb iui Lande im wesenllichen 
vom Anfall«,'« an auf letztere begründet hatten, allniälilieh 
reiches Gut ^a^vannen, als sie die Lieferanten, die Bauquiere 
und WtM'hslei-, die (iläubiger und P.ichter der Fürsten wurden, 
im Königshofe ab- und zugiengen und <las ( )hr der Herrscher 
besassen und zudem die deutsche Sprache im Ilotlialte dea 
Landesherrn, wie im Bischofshause, in den Fraiaturen wie auf 
den Adelsburgen zur Umgangssprache geworden war oder 
doch täglich mehr in Gebrauch kam, als endlich der deutsche 
Einfluss im geistigen Leben der czechischen Nation noch ni< lir 
als bisher iibermUehtig ward, indem deutsche Kaufmannschaft 
und deutsches Gewerbe mit ihren Waren und Erzeugnissen 
immer unbedingter den Markt beherrschten. 

Das ist der Untergrnnd, aus dem die Stimmung und Ge- 
sinnung der czechisch-nationaleii Kreise ihre Nahrung zog, aus 
denen die tendenziösen Werke und Worte eines Domherrn 
Franz und unseres Dalimil erwachsen sind. Die bleibende 
Deutschenherrschaft, wie sie mit dem Einzüge des jungen 
Luxemburgers und seiner deutschen Rfitfae, namendich eines 
Peter von Mainz und Berthold von Henneberg, fUr Böhmen 
gekommen schien, erklärt es femer, warum Dalimil jetzt seine 
Mahnungen an das czechische Volk richtet. Und es geschieht 
nicht etwa nur bei Gelegenheit, ein- oder zweimal, sondern 
nicht oft und dringend genug kann sich der ,Chroni8t' an die 
Seinen wenden, und ein nicht geringer Theil seines Heimwerkes 
dient dieser Tendenz allein. Darüber noch einige Worte. 

Zu Dalimils Ausspruch in der Einleitung (s. oben) gesellt 
sich gleich im Capitel IV Libussas Mahnung: Bude-by nad 
wamy cz\ zozemecz whisty — ; nemoczy bnde dluho was» yazyk 



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79 



trwaty* — , Povinvey sobye 1yd yazyka sweho, bildet wzdy 
hiedaty wasseho zleho: na \vast> 1yd bude hiedaty wyny^ 
a swyiii rozdyeh'' w.issp dyedyny ( Falls ein Fremdläudisclier 
über euch herrschen wird, uird euer Vitiksthum nicht lange 
bestehen können; er unifj-ibt sieh mit Leuten ans seinem Stamme 
und wird stets auf euer Unheil trachten, auf euer Volk wird 
er die Schuld le^en, den Öeinen aber zuwenden, was euer Erbe 
ist). Und ferner: ,E/, ist g^licli einem toren', ruft Neelan an- 
gesichts der Freveitbat dea ^üring^, Oapitei XXI, V. üö — 10, 
diesem 2sUy 

,der ein fremd gebom 

irkusct ezu gutin dingin. 

Ich gebot sin pflegin mit sinnen: 

worum tarstu den hals einem furstiii 

virhawin vnd sin piud turstinV^^ 

Herzog Uh'ichs Verbimhuii:: n^it der schönen Buzenu aus 
niederem Stande gibt dcni Dichter Gelegenheit, gegen die 
deutsehen Heiraten bölnni^cher Fürsten zu eifern. , Lieber will 
ich/ lUsst er den Herzog sagen, ,mit einer bühmisehen Bäuerin 
uiich verbinden, als eine deutsehe Königstochter zur Gattin 
haben. Jedem erglüht das Herz für seine Sprache, und deshalb 
würde eine Deutsche w^enijrer Gunst trafjen zu meinem Volke, 
eine I)eutsclic wird einen deutschen llof haben und deutsch 
wird sie meine Kinder lehren: daraus aber entsteht Zweilieit der 
Sprache und alsbald auch Unheil fllr das T^and' (Oap. XLI, V. 21 
bis 28).^ Nach Dalimil ist es Bischof Kkkard, der listige Deutsche, 

der Wolde von ganczem zcehin 
zcwene phenninge nemin 
▼on einem idiehin rauch (« Feuerherd); 
ein maz fruchte weyszs und habim dy anidem 
gebot er dem pfarrir gebin C2u handin. 
Capitel XLV, V. 3-8. 

* Mourek, iiacli der Hatidächriit von Cambridge 0 — 10. Wo ich nicht ;iits- 
drücklicb anf diesen Abdruck verweise, folgo icli J. Jiredeks freilicii tai 
sehr iDoderaMertem Ttet». Vgl, Jagic, SUt. Archiv III, 188. 

* BUsii jest» ktoi einiosemcS dobrym radi. Tobe «ein jeho kizal strieci; 
pni •} Bm€\ koieCeti iQa med? Jir«aek, Gap. XXI, V. 4»— 45. 

' Monrek, 1. p* ^9z Radyegj lye cheaya «ctesku »edlkii sniyety, nes 
kralüvi'iin ny«?mkyiiyu za zenn myety: — wczech kazilemn «ninr.© po 
jaiyku «weiiiu: protu iiyeiukyiiye bude pnsyety yaxykii meuiu utc. 




80 



Da88 Herzog Spitighniew IL, obwohl der Deatschen JttdiHi 
Sohn, gegen die semen Plttnen feindltclie Fraction der Deutschen 
dferte,^ erringt ihm die ganze Neigung Dalimils. Mit Behagen 
erzählt DaUmil auch den Streit des jungen Spitighniews mit der 
Aebtissin von St. Georg, deren Ofen anläPsUch (\er Neubefesti- 
gung der Prager Burj; zerstört werden rausstc; imt noch grösserer 
Befriedigung, was der Fürst nach seiner Thronbesteigung gegen 
die Deuti^chen (angebUch) unternahm. An Uebertreibung fehh 
es dabei niclit. ,Potom by knyczem syn jelio Sbylinyew, ten 
yhned nyemczom zyewy swoy hnyew: vv trzeeh dnech wsse 
nyeniczye wypudy, swaty Gynrzy hnyeny wzrudy a wzadyw 
^'^yu na kolessye, wywez '^yn zzemye ostawy gy na Baworskem 
h'sye. Ale matku s klenoty sc wssyemy y s rucheni y s krzy- 
nyemy wyprowody ^y zzemye s gegye knyefjyeniy y se 
wssycmy «rynyniy nyemkynyemy. Kdyz wyple z zeniye nyem- 
czye, y wsse gyne czyzozemczye yako z zalirady koprzywy 
a yako rzyepy z konske hrzywy'* (d. i. binnen drei Tagen 
nach seiner Thronbesteigung treibt er die Deutschen aus dem 
Lande. Die Aebtissin bei St. Georg setzt er in einen Wagen 
und bringt sie an die bairische Grenze, dann treibt er seine 
Mutter aus mit ihren Frauen; wie die Deutschen, verjagt er 
aueii alle anderen Fremden^ reutet sie aus wie die Distebi aus 
einem Garten oder Kletten aus der Pferdemähne). ^ 

Lorek, der Mörder Bretislaws IL, ist bei DaHmil ein 
Deutscher (Jiredek, Cap. LIV, p. HO); der Fürst aber gieng 
zngrundey weil er diesem Deutschen traute, seine Czechen aber 
ins Unrecht setzte, obwohl er gewarnt war. Von einer Be- 
gründung solcher Behauptungen ist dabei keine Rede; Dalimil 
sagt doch selbst, dass keiner aus dem Gefolge die That mit* 
angesehen habe. 

In der Fabel vom Storche, den die Fritache zum König 
gemacht^ ▼erkttndet Dalimil den Spruch: ,£in fremdes Ubil 
sucht der tort at mit den sinen vil drat' (blizn sv^m hiedi 
einziehe zl^ho),* und die Erhebung Wladislaws L gegen den 
vom Kaiser bestellten Otto lllsst Dafimil die böhmischen Herren 
mit folgenden Worten rechtfertigen: ,Lieber wollen wir Gut 

* Vgl. meine Geschichte Bshmon.i I, 842ff. 
» Mourok, Cofi Cant.ib , j. «9—90. 

' Rnrlirimnii, Gnsciiii-liU* JifihmeiiH 1, 27H. 

* Jirecdi, Cap. LV, y. IIA. 



81 



und Leben verwirken, als des Landes (freie) Wahl aufgeben, 
denn gibt uns jetzt auch der Kaiser einen Fürsten aus anserem 
Volke, später gäbe er uns einen aus seiner Sippe. Zu allererst 
siemt es uns, fUr das Recht einzustehea: läset man das Horn 
]ßif dann ist os schwierig, den. Schwanz zu erhaschen. Besser 
ist es fUr uns, sich jetst su wahren^ als dass uns einst unsere 
Kinder schmähen und sagen: unsere Väter haben sich dem 
Frieden zulieb gefügt, aber uns haben sie den Hals gebrochen.** 
Wie berechnend scheint doch diese Darlegung des Dichters! 
Fsat jeder einzelne dieser Sätae hatte f\lr die gleichseitigen 
Leser Dalimils seine besondere actaelle Bedeutangl 

Ferner: nach Daliniils (wieder unwahrem) Beriohte tther 
den Gerichtstag xn Frag (sie) hat Kaiser Heinrich Tielen 
böhmischen Herren die KUpfe abschlagen, anderen die Augen 
«iiMteehen lassen. Wenn er aber so die Caechen an verderben 
be&hly so that er dies, nicht damit Recht geschehe, sondern 
damit der böhmische Hersog nicht stark sei. Der sieht es 
SQch ein, denn 

,Tnit weinen sprach er also 
czu den sineu so: 

dy hack eine kalbin vber sieh riclit, 

wer sieh vor sinen viendin czu gerichte gibt. 

Da/, pruefetc ich iczund rechte wol, 

daz alle Tutsche vor wol 

der Behem vbil . . . suchin/* (= JuÄ to pravc zna- 
menaju, 2e v&ickni Nömci öesk^ho zleho hledajd.*) 

Soviel er immer vermag, sucht Dalimil im eigenen. Volke 
Xisstraiien zu allen gegen die fremden (deutschen) Räthe, die 
etwa ein böhmischer Fürst hat ,Als BoHwoj H. Herzog war,' 
efxfthlt er (Cap. LXIII, V. Iff.), erfUtlte er den Eddleuten 
•eine Zusagen nicht. Im Rathe begann er Deutsche zu halten, 
worüber sich sein Bruder (Wladislaw I«) gegen ihn erzQmte. 
Wladislaw nimmt ihn in seine Kammer und spricht: Freundchen, 
ich muss dir etwas im Vertrauen sagen: warum machst du dir 
Schwierigkeiten durch andere, indem du die Deutschen nicht 
vom Hofe fern hältst? Weisst du nicht, was sie Böses gethan, 

* JiMdek, Ckp. LVII, Y. p. 119. 

* Bbend., Dentsehe Chronik, Oap. LIX, V. 61^7. 

* Ebend., Cap LIX. V. 85 n. 99. 

Ix^T. XCL BkBd. J. HiMM. 6 



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82 



wie sehr die Deutschen unser Geschlecht geschädigt haben? 
Hast du in einem andern Lande bemerkt, dass die Fremden 
im Rathe (der Fürsten) sitzenV — Der Gute wandert niclit 
aus seiner Heimat fort: wem es zu Hause nicht behagt, der 
weilt bei uns. Wie; kann aber der Fremde geticu sein, der 
es bei den Seinen zu bleiben nicht vermochte? Wie wird der 
dir Gutes ratlien, dessen Sinn dahin steht, wie er dir schaden 
könneV Der Fremdländische ist nicht gekommen^ nm dein 
Wohl zu fördern, sondern wie vr tur seinen Vortheil traclite. 
Und wenn es dir schlecht gehen wird, wer hindert ihn, dass 
er in sein Heimatland entweiche?' ~ Wie sehr mussten diese 
Worte 7Air Zeit, als für Köin'g Johann dessen deutsche Käthe 
in Böhmen walteten, aufreizend wirken! Auch was Dalimil 
sonst über Bofiwoj bringt, ist eigentlich nichts als eine fort- 
gesetzte Anklage gegen die Deutschen. Als ihn, BoHwoj, 
Wladislaw vom herzoglichen Stuhle verdrängt, da bleiben die 
Deutschen ruhig, ja sie wagen nicht einmal eine Fürsprache 
für ihn. Trotedem ruft er sie nach seiner Wiedereinsetzung 
surUcky und um die Verbindung zu sichern, gebietet er, ihnen 
geradeau die Gegend von Taus mit dem Grenz walde absu- 
treten. Da vertreibt Wladislaw zornentbrannt den BoHwoj zum 
aweitenmale: könne er nicht ohne die Deutschen sein, so mdge 
er selbst zu ihnen gehen.' ^Lieber will ich mein ganzes 
Geschlecht todt sehen, als meine Sprache sch&nden 
und zugrunde richten." 

Mit welchem Hochgeflihi Dalimil die Erinnerung an Herzog 
Sobieslaws I. Sieg über Lothar III. bei Kulm erfüllt, kann man 
steh hei solcher Gesinnung und Tendenz denken. 

Ozechy za knyezem jako Iwowe dyechu, 
sweho knyezye wyemye strzyezjechu, 
ot knyezych ran take gyskry dyechu, 

ze gyey ne czlowyeka de dyabla mnyeehu, 

wyernyt o korzysty netbaehu, 

neb nycz jedno mene dobreho hledachu: 

tu Nyemczye hrdynsky pubychu, 

czyesarzye nabyezye chopychu — * d. h. löweuiüuiliig 

» JMek, Cap. LXni, p. ISO-IM. 

» Ebend., p. 133, V. 59— (50. 

* Nach dem Mnmiscriptc v. Cambridge bei Mourek, 113. Vgl. Jireöek« 
Cap. LXIV, p. 134, V. 21-28. 



83 



nehmen die Czechen rlen Kampf auf und treu stehen sie zu 
ihrem Meraoge, von seinen Schläo'cn stieben die Funken, so 
dass ihm die Gegner teuflische Kraft zutrauen, es gilt nicht 
Gefangene und Beute, nur den Erfolg: heldenhaft schlasren 
sie die Oentschen in di^ Fhicht, der Kaiser, seine Bischöfe 
und Aebte werden gelangen etc. 

So unhistorisch letzteres ist, s i irrig ist aueh Dalimils 
Darstellung von der Ursache des Krieges. Weil Sobieslaw die 
Baiern schlagt und in Böhmen viele Deutsche tödtet, deshalb 
zieht .Kaiser' Lothar gegen ihn, entschlossen, es Sobieslaw 
heimzuzahlen, alle Czechen zu erschlagen.^ 

Noch mehr als Sobieslaw I. ist dessen zweiter Nachfolger 
(Dalimil sieht Sobieslaw I., Wladislaw II. und Sobieslaw II. 
als Vater, Sohn and Enkel an) bei Dalimil Gegenstand zärt- 
licher Hinneigung. Von ihm hat er freilich genug Uber Deutschen- 
feindlichkeit zu berichten. Du erhebt sich Sobieslaw gegen den 
eigenen Vater, sowie er dessen Deutschenfreondlichkeit sieht 
,Ich will,' sagt er, ,meiDem Vater keine Treue schuldig sein, 
sowie ich sehe, dass er ungetreu ist dem eigenen Volke' 
(Cap. LXVI, V. 23—34), fürwahr die stärkste Mahnung, die 
BaUmil an seine Volk^eoossen richten kannl Wo Sobieslaw U. 
einen Deutschen sieht, lässt er ihn vor sich führen und schneidet 
ihm unter Scheltworten die Nase ab. Andere thnn es dem 
Fürsten nach und berauben die Deutschen der Nasen und 
Ohren: wer dem Hersoge einen Schild toH deutscher Nasen 
bringt, dem gibt er 100 Mark Silbers. Durch alle deutschen 
Stftmme geht die Kunde, dass Sobieslaw sie hasse. Aber ,eüi 
Weiser lobt es, dass er die Fremden nicht ins Land lässt, denn 
jeder Treffliche hegt seine Sprache; nur der Nichtswürdige 
kümmert sich nicht darum; das Land ist eines Jeden Mutter; wer 
ihm nicht wohl will, den halte ich nicht fUr edelgesinnt' Oegen 
Sobieslaw zieht auf Drängen seines der lAebe za den Deutschen 
wegen verjagten Vaters endlich der Kaiser gegen Böhmen ins Feld: 
er wird vor Prag mit seinem Heere geschlagen und erschlagen. 

Das Ganze (Cap. LXIII — LXXIV incl.) ist eine wüste 
Fabelei, in der nur das eine immer und immer wieder zur 
Geltung kommt, die grimmige Gegnerschaft des Verfassers 
gegen die Deutschen. 



' Ebend., Cap. LXIV, V. 13—18. 

6* 




84 



,Ieh bevel vch uwir zcungcn/ 8o lehrt Sobieslaw seiue 
Söhne, Jiredek, Cap. LXX, V. 37 ff., 

ydaz ir mit uoh gelimg 
und sie fordert alle wege, 
und den Tutsehin kein weg 
in das lant irloubt 

Di [tutsche] zung der Behem er beroubt; 

wen sie in dem land irstet, 

die Behem er undirget: 

sie wem das lant 

vnd dy iltrstin virratin zcu hant 

Von in wirt nnsir krön genomen 

vnd in dulsche lant komen. 

Di Tutschin von erst sich luachui 

ainvlochtig mit iren sachin; 

abir als si sich i^cmern, 

czu hant si widerkern, 

si achtin ir herschnf nit. 

Dovon in dy worhcit git. 

Und moht ich solt sin 

von einem dein v(^elin 

hy vf der erdin 

von vch gwar werdin, 

das ir mit den Tutschin spilt 

vnd vch zcu in hielt: 

ich gebe uch mit awim gnosain 

in einen lidern sak stoszin 

vnd in der Molda irtrenken.^ 

Die Grossen aber bittet der Fiirst, sicli an seiuo Kinder 
nur zu halten, wenn auch sie die ihren Heben; thiin sie das 
nicht, so seien flic F'.dlen aller Treue ^egen sie quitt und sollten 
sich einen Ackersiiiann vom Pflufjc zum Fürsten nehmen. 
,Eher wird der Ackerer ein ^niter Fürst, als dass es der 
Deutsche chrh'ch meint mit den Czechen' (,Nabudü-)i-t" svych 
milovati, tk rotTtf o mcli iiice tb.4ti, vSie viery k niem pr;lzdni 
budte, knezi3 sobe et pluliu orrlöe rlobudte. SpieSe oräö dobr^m 
knözem bude, nei taky Ndmec vörnö s Öechy zbude^).* 



* Jire««k, Cap. LXX, p. 160—151. 



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85 



Das Angeführte dürfte wohl geiiUgüü, um die obige Be- 
hau}>tiing hinsichtlich der Tendenz der , Chronik* Daltmiis in 
ihrem vollen Umfange zu erweisen. Nur um zu zeigen, welch 
breiten Itauin auch in den nachfolgenden Partien die deutschen- 
feindlichen Auslassungen einnehmen und wie vieles der Ver- 
fasser aus diesem Gesichtswinkel betrachtet, seien wenigstens 
die Stellen angeführt: Capitel LXXV, V. 11 u. 12, Biaohof 
Andreas, der Gegner Pfemysl Ottokars 1.^ aagefeindet wegen 
seiner freundlichen Haltung den Deutschen gegenüber; Capitel 
LXXVII, V. 16ff.; LXXXl, V. 25ff.; LXXV, V. 4ff., 25-26, 
47 ff.: vgl. übrigens die ganze Erzählung Capitel LXXIII und 
LXXIV; LXXVI, V. Iff., 14^16; XCII, V. 5— 28, 43— 72j 
XCUI. V. 7 ff. bis 49; XCVI, V. 19ff. bis 30; XGVIJ, V. 13ff.; 
XCVin, y. 6ff.; XCIX, V. S5ff. Der eiste Habsburger, 
Rndolf, wird schmählicher Parteilichkeit beschtUdigt gegen die 
Gsechen; gerathen habe es ihm sein Vater^ König Albreeht, 
den Balimii als MOrder Wensels IIL bezeichnet und besonders 
hssst: ,Qib den Gseefaen Peigament und Tinte nach Willen, 
spiter nimmst du es ihnen wieder fort' (V. 81 — 32, Worte 
König Albrechts); vgl. auch Capitel G, Gl, CII, GVL 

Eb ist eine susammenhttngende Reihe von wirklichen und 
angeblichen Thatsaohen, von Ausspittcben historischer und 
Bsgenhafter Persönlichkeiten, eigenen Schliissfolgerungen und 
Betrachtungen des Verfassers; Dalimil appelliert an das Herz 
und den Verstand, an den Stolz und die Heimatliebe, au den 
Ehrgeiz und die Gewinnsucht des czechischen Volkes, das 
alles zu dem gleichen Zwecke: die Czechen zur Abweia und 
Abweisung des frenulländischen, namentlich des deutschen 
Elementes anzueifern und die Liebe und Pflege des Althciniat- 
lichcn auch in Sitte und Lebensftihrung zu fordern. Dazu 
wird ihnen nun aus den .schicken des Volkes in der Vcr- 
;:Hngenhcit und der G«4;riiwart vor die Set^ie treftShrt. wie Iju- 
rechtigt die Liebe zur eigenen Spraclu' und zum Hennatiande 
»ei und wie wenig Grund, die fremden Zungen zu fördern oder sie 
gar der heimischen voranzustellen ; es wird dargethan, wie übel 
S8 jedem ergangen, der sich an den heiligen Pflichten gegen 
sein Volk versündigt, und welch Unheil und Missgeschiok immer 
wieder durch die Deutschen Uber Böhmen gekommen sei. £s 
gih DaHmil aber auch zu zeigen, dass solche Uebel leicht zu 
vemeiden seieni dass sich der deutsche £inflnss abwehren 



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86 



lasse, weun nur das böhmische Volk einträchtig zusaimnen- 
stehe: sei doch die czechischc Tapferkeit wie bei den Deutsclieu 
so überall anerkannt und oft srenujß: — Dalimil nennt da freilich 
viel mehr Fälle, als die Ueschichtc zu verzeichnen weiss — 
so^ar auch der deutsche Kaiser mit seinen Unteiiiehmungea 
gegen Böhmen gescheitert. 

Es entspricht nur solcher Teuflciiz wenn im Schluss- 
capitel die Gesinnung des Verfassers, angesiciiis^ Icr Thntsnchen, 
dass trotz allem und allem nun doch wieder ein fremder i- Urst 
den Thron Böhmens bestiegen hat und seine deutschen Be- 
rather im Lande gebieten, in der naiv-innigen Bitte an die 
Vorsehung und den Herrscher Dochmals zum Durchbräche 
gelangt: 

,Ihn^ (Johann von Luxemburg, den man vom Grafen xum 
Königsthum berufen) ,lass, o Gott, lange gesand sein, und wolle 
ihn, 0 Schöpfer, lehren, dass er die Ritter liebe und die Herren 
dee Landes in aeinem Rathe habe. Mit diesen vermag er £hre 
2u erlangen, ohne sie kann er daa Land nicht im Frieden 
erhalten/ £r wendet sieh aber aaoh an Ritter und Herren 
mit der Aufforderung, ihre Pflicht zu thun im eigenen Interene, 
die Fremden sollten sie aber nicht ms Land lassen: toI sy^ho 
jaiyka, ciusieho nechaj; so mahne er, wie schon Libussa sagte, 
die doch niemals in ihren Aussprüchen fehlgieng. Noch glbe 
es manches zu sagen, doch er wolle sich damit bescheiden. 

Sollten solche Worte, im czechisohen Adel rasch ver- 
brdtet, nicht bald ihre Wirkung thun ? Fast wAre man geneigt, 
auch schon in den Vorgängen der Jahre 1315 — 1319 sie neben 
anderen zu erkennen. Und wenn des Luxemburgers stolze 
Gemahlin, die PfemysHdin Elisabeth, ihr Leben lang in natio- 
nalen Fragen dem eigenen Volke näher stand als selbst dem 
Könige und Gatten, entsprach das nicht der Lehre, die der 
Reimehronist so nachdrücklich verkündigt hatte? 

Uebrigens erhob sich Dahmil daneben doch mit der 
Mahnung, die alten guten Sitten festzuhalten, und in der Ver- 
urtheilung ungesunder, dem öfFentlichen Leben wie der Volks- 
kraft abträglicher Neuerungen Uber da« oft bo tiefe Niveau des 
Fremdenhasses und der Gegnerschaft gegen die Deutschen, 
für deren für die materielle und geistige Oultur des Landes 
vielfach so hochwichtigen Knifhiss auf Böhmen er freilich absolut 
kein Auge, nirgends ein Verständnis zeigt 



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87 



Und auch als Lehrur des nationalen l^cchtes suchte er zu 
wirken. Es liegt zum Theile schon in der paLriotisch-politischen 
Tendenz seines Werkes gegeben, dass er der Frage über das 
staatsrechtliche Verhältnis Böhmens zum deutschen Reiche näher 
trat, und es schien ihm wichtig genug, sieh um die allseitige 
Beantwortung derselben zu bemühen. Wissenschaftlich, vom 
Standpunkte historischer Kritik aus angesehen, sind freilich 
inspremein Anlass und Art der Regelung der Rechtsverhältnisse 
Böhmens su Deutschland, wie sie Dalimil gibt, nahezu wertlos 
und meist nur Ausgeburt der Phantasie eines höfischen oder 
hfirgerlichen Erzählers. Daneben muss aber anerkannt werden, 
dass das factische Verhältnis bis auf einige Punkte, wie die 
fireie Fttrstenwahl, den Antheil an der Erhebung des deutschen 
K<Inigs n. s. w., und das Verhältnis Mtthrens zu Böhmen be- 
treffend, im Meritorisehen ziemlich richtig daig<esteUt wird. Und 
was Dafimil bietet, ist ein allseitig wohl ausgebildetes historisches 
Boeht, das er anf Grund freilich meist erdichteter oder doch 
Bihelhafter Vorgänge und Verdienste ab von den Vor&hren er^ 
worben darstellt, ein SmtenstQck zur Landhandfeste K9nig 
Johanns: in demselben Momente, in dem des Königs Herrscher- 
recht seine feste Abgrenzung dem Rechte der ünterthanen und 
ihrem Urtheile an der öffentlichen Gewalt gegenüber erfilhrt| 
werden nicht auf Pergament und mit Brief und Siegeln, soodern 
in die Herzen der Leser die Rechte, Freiheiten und Ver- 
ptliclitun<,'en eingeschrieben, mit denen Böhmen und das Reich 
tinander verbunden sind. 

Es lohnt darum wolil, auch bei dieser Seite des Werkes 
Dah'mils noch einen Moment zu verweilen. Natürlich uberwiegt, 
namentlicli bei Daiitnilb Darlegun<fen über die älteren staats- 
rechtlichen Beziehungen, das Fabelhafte und Sagenhafte. Als 
(nach ihm Cap. XXIX, p. 58) der Höhnierherzog zu Kaiser 
Heinrich kommt, da erkennt der Il- rrscber in dem Herzoge 
sofort den heil. Mann, auf dessen 8tirn ein güldenes Kreuz 
leuchtete, an dessen Seite (Rottes Engel einherschritten. Seines 
Ranges uneingedenk, setzte H. Wenzel auf den eigenen Sitz 
und postierte des Reiches Fürsten um ihn her. Auf des 
Kaisers Bitte, sich selbst aus seinen Kleinodien ein wUrdiges 
Oescbenk zu wählen, nahm Wenzel den Arm des heil. Veit. 
Aber auch dem Lftnde Böhmen zeigte Kaiser Heinrich seine 
Huld: 



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88 

Der keisir czu der salbiu czijt, 
Behem vor alliti dinst vroit.^ 

Woher die frtthere Unfreiheit, Mgt Dalimil nicht 
Aher es bleibt nicht bei der Ordnung HeinrichB. Unter 
Boleslaw, dem BmdermOrder, wird Böhmen wieder zinsbar, der 
Herzog zur Hoffahrt verhalten und zu des ReichoB Tnichsess 
bestellt So rflcht der Kaiser des Heiligen Tod an dem Herzoge, 
der ob seiner Sünden unterliegt. 

Toho leta czjesarz mstyesse swatebo Wacsiawa 

gyde na knyezye Boleslawa; 

Boleslaw pocsye proty nyemu gyty, 

ale pro swe hrzyechy nemozyesse dobrczjre progyty, 

czyesarz Osechy bogyem poby 

a semy w tnz daa poroby, 

knyezyu kaza ▼ dwora byty, 

kotel nad ohnyem drzye^ — 

Kuiber Otto (sie) bessert seinem Schwioijfersuljne (sie) das 
Wappen, nachdem er, naeli dem Raube seiner Toebter, sieb 
mit iliiii versöhnt: seit dieser Zeit ftlhrcn böhmische Herrscher 
den Adler iu Flammen auf ihrem Schilde. 

Do gab der keirar sinem eiden zcu einer morgingabe 
dem kunen herczogin Bricslabe, 
er sprach: ,Wan dich ein keisir zcu hofe rufit, 
80 brenne eim mil um dich nit raube durfft/ 

Das die bcmiscb fursten 
czu einem rechtin by nom 
von romischis richs gabin 
darnach {jenomeu habin. 
Davon bi m einen schilt 
ein adlar gebilt 
in einera t'iiore genieren, 
mit rechte wol gefurin.^ 

Fllr die vor Mailand erworbenen Vei-dienste erhält Herzog 
Wratislaw von Kaiser Heinrich IV. (der Chronist verwechselt 



> L. p. 69, V. 49 u. 60. 

• Monrok, p. «8-2», V. 7ff. 1-2. Vgl. Jiiedek, Cap. XXXI, V. »-1Q. 

• Jiraeek, Cap. XLII, p. 8«, V. 61-72. 



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89 



sie mit Wla(]!>law II. und Kaiser Fricdricli Barbarossa) die 
Wahl, sich .ins dor Stadt die Leiber d*'i lieil. drei Krtnig-p zu 
nehmen oder König zu werden. Der Fürst überträgt (alles 
nach Daliiuil) die Entscheidung seinen Edten und wählt dann 
nach ihrem Rathe die KOnigskrone. Zugleich ändert der Kaiser 
des Könige Wappen: für den schwanen Adler ^ibt er ihm 
den weissen LOwen mit einem Schwan/, (Wr das Truchsessamt 
verleiht er dem neuen Könige das des Mundschenken des 
Reiches (swym fieSnikem jej uprawi). Als solcher hat Wratislaw 
auch Antheü an der KOnigswahl im Reiche, fieilich in der 
Permi daes er nur mitstimmty falls die Kur streitig ist: wem 
dann der Böhmenktfnig seine Stimme gibt, der wird Kaiser. 
Der Kaiser krDnt darauf Wratislaw als ersten KOnig und 
prodamiert ihn aum KOntge TOn Böhmen und Polen. ^ Zu 
solchem Einflüsse auf die Königswahl im Reiche kam (nach 
Daltmil) bald die freie Fttrstenwahl in Böhmen selbst: König 
Wratislaw erlangt sie für die BekAmpfung der Ungarn (er 
wird wieder mit Wladislaw II., der Feldzug mit der Heerfahrt 
des Jahres 1164 Terwechselt): 

Der keisir, darnach im was gelungin, 

dem konigricli czu Behem [gab dy] vreyungc 

vnde dy willekur an der kur, 

wan si nit hettin, ob ee gepur, 

ein naturlichin furstin, 

den si irweltin, das si den genemen torften.* 

Es ist eine (seit KiOö) ^chr activc Frage, die Dahmil 
damit berührt; die freie Köni^su ahl win de vou den böhmischen 
Ständen ebenso behauptet und geübt, wie von den deutsehen 
Ivüuigen Albrecht I. und Heinricli VII. geleugnet und bek{lm})ft. 
Ks kann nur Verdacht gegen die Wahrheitsliebe Dalimiis er- 
regeDy wenn er auch solchen Anspruch der Stände historisch — 
iber in welchem Zusammenhange mit den wirklichen Vor- 
gängen!! — zu be^Milnden sucht. Dagegen betont Dalimil mit 
Kecht gelegentlich der Erhebung Wladislaws I. gegen Otto II. 
von Olmtttz, den der Kaiser ernannt hat^ das alte Herkommen, 
demgemftss dem Lande oder besser der FUrstenfamilie zunächst 



* JiMtek, Cmp, ZLVllI, p. 98—9». 
' KbSDd., Osp. LI, p. 106. 



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90 



die Ordnung der Nachfolge in Böhmen zoBtand, während dem 
Kaiser erat hinterher^ die Ertheilung der Belehnung mit dem 
Beichsamte in Böhmen gebührte.^ Nachdrücklichst wird der 
Entschluss der Edlen bemerkt: 

raddjdö chtiece sboiie i 2iwoty vzvÄ^iti, 
neü zemi volenie ztratiti.^ 

Sie behaupten fiiesauch in dem nachfolg^endcii »Streite zwischen 
\\ iadu^lawl.urid Bui i\vojII.,daderKai8erzurrag(Rokyzan m drin 
Thron»treite zu (jerieht sitzt, und erweisen auch i^nacb Dalimüj: 

CiesiJr vecÖ: ^PAni, pokaite n4m svd liaty, 
nebo jinak ny nömite jisfy, 
bj yy Öechov^, mohüce koho chtiece voliti 
zvoUvfie i zapuditi/ 

(Wist vns vwir liantveste, 

adir muclit \ü6 8m gewiz vf das beste, 

daz er, Behem, mujsrit irweln 

vnde zcu furstin, wenn er wellit, zculn, 

vnd den irwelten virtribin.)' 

Sie behaupten also sogar das Rechtj den Fürsten wieder 
abziMetzen ! 

Die Schlacht bei Kulm, die bekanntlich Lothar III. blos 
zur Aufgebnng neu erhobener Ansprüche nöthigte, brachte 
nach Dalimil den Siegern nnd ihrem Lande ganz positiven 
Gewinn. Der Kaiser verspricht nicht nur den böhmischen 
Herren, ihr Land nicht mehr zu schädigen und seine Ehre 
in jeder Weise zu fbrdern, sondern er erlässt ihnen auch fortan 
jede Zahlung: 

Tchdy cicödf koronu zenii vrati 
fka: jNetreba-f vÄm viec jie kupovati.' 
Neb ciesäf drieve nechtöl korony dati, 
a2 ju musiechu pi^edraho kupovati/ 

Danin aber, dass das böhmische Köni^thum ein Geschenk 
des ivaiberä sei, wa^t auch Duiimii nicht zu zweifehi. Wie 

> Jirefok, Cap. LVII, p. 119. 

• Ebend., p. 119, V. :i4-3ö. 

• Text bei Jlr. cek, Cap. LIX, p. 1-21. 

• Jirecek, Cap. LXIV. p. 136, V. 63— 6(i. 



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91 



Wratislav (lim h Kaisür Heinrich, öü wird Ottokar 1. von dein 
Kaiser Otto (et, ist Hoch Otto IV.) p^eknini. Dabei ändert der 
Kaiser den Namen des Begnadeten nach der Salbung und 
Desbert ihm das Wappen: der weisse böhmische Lihve erhiUt 
seinen zweiten iSchwanztheil; auch Bautzen und GorHtz soliea 
damals dem Böhmenfürsten verHehrieben worden sein.' 

Beachtenswert ist, dass Dahmil von der Begnadung 
König Fremysl Ottokars durch Kaiser Friedrieb IT., 1212. nichts 
«reiu; denn die Erwägunge dass er vielleicht deshalb nicht 
davon Krwilhnung thut, weil er Böhmen schon ^Hlber von 
Leistungen an das Reich frei glaubt, wird man auch aus dem 
Grunde nicht für stichhältig erachten, weil Dalimil auch von 
den reichen Schenkungen nichts bringt, die der Kaiser damals 
dem Könige von Btfhmen machte; sie würde DalimU doch 
sieherlich nicht unerwähnt gelassen haben. Nach allem hat er 
weder von dem Gnadenbriefe vom 26* September 1212, noch von 
den gleichzeitigen territorialen Zuweisungen an König Ottokar L 
Kenntnis. 

lieber Mähren berichtet Dalimil, wieder freilich sagenhaft, 
aber doch mit deutlich erkennbarem historischen Hintergründe 
flir die von ihm festgehaltene Tradition, dass einst der deutsche 
Kaiser das Land gegen seinen ,Schwager' Swatopluk erobert 
habe, ihm aber nach sieben Jahren Reich und Qattin und 
volle Freiheit für das Land daau zurttckgab (vriti jemu 
2enu a kralowstvie i da MoravÖ vfie svobodenstvie, Cap. XXIV, 
V. 41 — 42), ja ihm auch Gewalt ertheilte, was er von Ungarn 
zu gewinnen vermöge, ftlr sein Reich zu erobern. Nachdem 
aber Swatopluk im Kampfe gegen Ungarn unterlegen, ruft er 
den Fürsten von Böhmen zu sich und tritt ihm in Gegenwuii 
des Kaisers sein Königreich ab. Mähren ist demnach völlig 
frei, es kommt als Vermächtnis des , Königs' iSwatopluk, 
allerdinfTs mit Wissen des Kaisers, an Böhmen. Polen anbe- 
langend, hat Dalimil wolil beaclitet, dass sieh Könij;- Wratislaws II. 
iCönigsge walt auch ul>er dicsei» Land erstreekte;- ebenso ver- 
zeichnet er sorgsamer iih vieles andere die Bemühungen 
Wenzels II. um den polnischen Thron.^ * 



^ Jü^tek, Cap. LXXVtll, p. 166. 
• Eleod^ XLVm, p.«9, T.SO. 
" Tgl. aband. Cap. XGIY v. XCV. 



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92 



a. DalimllB <laellen. 

a) DdUmil und Connas. Die ,Chr%§tannUgeade', 

►So vielfacli und deutlich gibt die Ex]»osition de» Inhaltes 
unserer ,(Jliroiiik' und die in derse!l)eTi nachgewiesene Tendenz 
auch über die von Dalimil verwerteten Quellen Anfschluss, 
dass damit bereits, wie aus den oben gebrachten Ausführungen 
erhellen düiftc, die Fr<is:e nach dem Ursprünge seiner Meldungen 
grossentheils beautwortet ist. Noch bleibt aber das Verhältnis 
zwischen der von ihm verwerteten Tradition und der be- 
glaubigten historischen Ueberlieferung im engeren Sinne dar- 
zulegen und ist Dalimils Wissen und Unbefangenheit betreffs 
jener Abschnitte seines Werkes su prüfen, Uber die er als 
Zeitgenosse und Augenzeuge schreibt Erst damit beantwortet 
sieh die Hauptfrage, inwieweit wir es in der Reimchronik mit 
einer eigentlich historischen Arbeit zu thun haben, was also 
von Dalimil als Geschichtsforscher zu halten ist 

J. Teige, der nach den sehr wenig eingehenden Be- 
merkungen Früherer sich zuerst um den Nachweis der ^Quellen 
des sogenannten Dalimil' in erspriesslicher Weise bemQht hat,' 
konnte ausser auf Gosmas, die böhmischen Legenden und die 
Tradition noch auf Vincenz, das Chroniken Opatovicense Kep- 
lachs' und anderes aufmerksam machen. Aber die Unter- 
suchung lässt sich, wie übrigens Teige selbst bemerkt, noch 
weiter führen; auch ist es andererseits wohl sicher, dass er 
namentlich die Bedeutung des Cosraas als Vorlage ftlr Dalimils 
Keimereien weit lU>erschützt hat. Wenn Tei^^c (1. c, S. 312) 
bemerkt: ,Die Benutzung des Cosmas bei Dalimil erstreckt 
bich von Capitel I — LXIV, V. 12 iu last Capiteln, mO 
Versen, es entfHUt ai>o ein Drittheil der gesammten Dalimirschcn 
Arbeit auf Cosmas', so l>edarf s«>K lie Behauptung in materieller 
und formeller HinBirlit in hohem Grade der Corrcctur. Auch 
wenn man alles reelinet, Avas verwandten Inhalts sich bei Cosmas 
und 1km Dalimil findet, wird die von Teige angenommen«' Ab- 
hUngigkeit des letzteren von ersterem sich umfänglich noch 
nicht so weit erstrecken, wie Teige glaubt. Beachtet man aber, 
wie oi\ die Keimchronik, sonst ja vielfach die gleichen That- 

> Vgl. Hitt)i do^ Institut« für Ssterr. Goschicbttfoncbiiiig 9, 606ir. 
* YgLebend. 6, 460 ff. 



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93 



Sachen berichtend wie Cosmas. doch daiifibcn sofort wieder, 
nnd zwar in wichtigen Din^jen anders lautet, und stellt uiaii 
letztere Thatsache wie billig in Rechnuntf. so gestaltet sieli das 
Ergebnis noch ganz anders. Denn wer iiieht annehmen will, 
(Iass Dalimil zwar den Oosmas vor sich hatte, über AbwrMrliiiiii.ren. 
sei es aus Lässijrkclt. sei es in freier Lust dichterisuhen Schattens, 
selbst dazu gegeben, also in <ler That inaDches selbst erfunden 
hat, was ja Dobrowsky, ^[einert wirkhch behaupteten, der 
sieht sich zu einer anderen ächlussfoigerung gedrängt. Trotz 
aller Tendenz und seines grimmigen Deutschenhasses, der ihm 
eehr bdse Streiche spielt, meheint Dalimil, der eifrige Mahner 
and nnemUdtiche Warner seines Volkes, der aber auch aonst 
dnreb mancbe Probe emster Lebensanschauung und reicher 
Erfabmng auffidlt, denn doch auf Iiöherem Niveau als dem des 
gemeitten Lügners und Fillschers. Ausdrücklich versichert er 
lelbst, dass er sieb an die Bnnzlauer ,Gbromk' kalten wolle. 
yFindeet dn aber etwas anders» als dort gesagt, so wisse, dass 
das Yon mir nach WiUkftr nicbt geftndert ist^ sondern wie es 
da enthalten ist, so ist es Ton mir wiedelgegeben' (Einleitung 
p. 4, y. 30 — 44). Wenn Dalimil schon Unwahres brachte, so 
hatte er es doch wenigstens nicht ntfthig, von vorhinein am 
Tenichem, dass er in allem nur seinen Quellen folge. 

Man wird daher in allen den Füllen, in denen die Reim' 
Chronik trots weitgehender Uebeieinstimmttng mit Otmnas doch 
einseines, und nicht eben nnwesentliches, anders darstellt, an 
der Seblnasfolgemng gedrängt, dass da eben flir Dalimil Überall 
nicht Cosmas selbst, sondern eine Bearbeitung desselben — 
das war die ßunzlauer ,Chronik^ — oder dass wenigstens docli 
neben Cosmas die im Volke Uber gewisse Materien noch lebendige 
Tratiition die V orlage bildete. Diese IkuizlHuer Bearbeitung kann 
aber entschieden nicht von einem Historiker, nicht von dem 
ernsten Forscher hergestammt haben, dem vor allem die Er- 
mittlung der ^^ ahrheit am Herzen Hegt, sondoni von einem 
Frennde vnlkskundlicher IJeberlieterung und heimischer Satre, der 
in der Wnil erlabe des Uber die vei*schit thnstt-n ecschu htlichen 
Pt^mnen und Vorfälle vorliegenden Stottes ungehindert der Lust 
am Fabulieren fröbnt. Jene schweren Mängel also, die an Dalimil 
80 hart getadeJt werden, sie treften in gewisser Hinsicht nur seine 
Verginger, sobald sie sich als Geschichtschreiber, als ,Chronisten' 
geben, und sind überhaupt hinsichtlich der Tradition unbe* 



üiQiiiZüQ by LiOOgle 



94 



gründet, man ja ;in sie einen solchen MassRtab nie le^en 
darf. Dalimils eigenes Verschulden, falls man ihn als 
Historiker auffassen will, liegt dann darin, dass iimi 
die Gabe, zwischen Wahrheit und Dichtung zu unter- 
sclieiden, gänzlich ab^ieng, das« er blindli n f,»^« als ge- 
schichtliches Geschehnis annimmt und ausführte, was 
sich leicht als Produci müssiger Phantasie erweist, 
dass er es weder verstanden hat, für die ältere Zeit 
nach den doch sicher auch ihm erreichbaren wirklichen 
historischen Quellen sich einen Einblick in den Gang 
der Geschichte Böhmens und das Streben und Thun 
der fllhrencldn Persönlichkeiten sn yerschaffon, noch 
auch nur im bescheidensten Masse das Geschick zeigt, 
uns bei der Darstellung der Geschichte seiner Zeit, 
der letzten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts bis zum 
Jahre 1314, mit dem die Reimchronik endet, der so 
sehr entbehrte Ftthrer zu sein. 

Doch nun zur Prüfung der Quellen DaUmila im einseinen. 
£b ist ganz unaweifelhafty dass Dalimil — Vorrede und Capitel I 
wollen wir nicht weiter in Betracht ziehen, da die Blrgebniise auf 
keinen Fall hier wesentliche sein werden — im Capitel II 
vieles mit Cosmas gemein hat.^ Aber Dalimil Iftsst das fiUeste 
Sippenhaupt (Oaech) der Csechen mit sechs Brüdern und ihren 
Familien und Gesellschaften aus Groatien kommen'; Ocech 
ist eines Mordes wegen in die Fremde geflüchtet und erreicht 
nach langem Herumziehen von Wald zu Wald die schöne 
Ebene zwischen der EUbe, der unteren Moldau und £ger, die 
sich zu Füssen des Rzip (Georgsberges) ausbreitet Von all 
diesen Meldungen über Vater Czech hat Dalimil bei Cosmas 
nichts i^efuuden; sie cntstammt n anderer Quelle, die an Detail- 
'/iigen reicher, also jun-i i- ist als (Josmas, betreffs deren wir 
aber nicht feststellen können, ob sie geschrieben war oder 
nicht Da Dalimil selbst sich nirgends ausdrücklich auf die 
Tradition beruft, andererseits gewiss die Stammsage in keiner 
Aufzeichnung volksthUndicher Uebcrlieferungen , in keiner 
,Chrouik^ fehlte, so werden wir hier wie sonst regelmässig 

> Teige, Mittb. 9, 907—808. 

* Dab^ hat wenigatent der dentaehe tTeberaeteer an das heutige wiDdiadt- 
croatiaehe Gebiet gedacht, nicht etwa an da* alte Wriaaieirbien im- 
Karpathengebiete. 



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96 



doch an einf jL^eschriehonf Quelle, also wohl wiodor die 
Hunzlaucr , Chronik' denken müssen. Was l)ei Capitcl II, gilt 
aber aicher auch von dem Urtheile Libussas und der Wider- 
rede des einen Streitenden. Während Daiimil fMgt, dass Libussa 
nichts antwortete, hiilt sie bei Cosmas eine ganze lange Rede; 
die Antwort des Wladjken lautet hier wesentlich anders als 
dort, ebenso ist der Bericht Uber die Versammlung und Ver 
handlung, in der es anr Berufung Pfemysls kommt, bei Daiimil 
lund Cosmas durchaus verschieden. Alle diese Partien Dalimils 
gtammen also wohl mittelhar, aber nicht unmittelbar aus 
Ooemas. Man wird sogar auch dort an die spfttere Quelle 
denken dürfen, wo, wie bei dem wenigen, was flber Krok 
gesagt wird, und in anderen Zttgen des Sagengewebes, DaUmil 
eben nur bringt, was er bei direoter Benutsung des Gosnias 
gewinnen konnte: tu diesen Zügen geht eben dann das Zwischen- 
ghed, die Bundaner ,Chronik', nicht Uber die ursprüngliche 
Vorlage (Cosmas) hinaus. Im ganaen ist aber TdUige Ueber- 
einstimmung selten. 

Vielfache Abweichungen finden sich gleich wieder in der 
Ffemjel-Wlasta*, wie fn der Kedan-Styrsage.^ Umso sicherer 
wird die Schlussfolgerung sein, dass ftlr die 22 Capitel, in denen 
Daiimil die alte Sagengeschichte des Czeehenstjininics ^13 Caj). 
bei Cosmas) behandelt, er wohl nirgends direet aus (vosnms 
geschöpft haben dürfte. Seine Darstellung repräisenticrt darin 
eine jüngere Phase der Stammsage, wohl, wie gesagt, nach 
schnftiicher Vorlage (Bun/Jauer ^Chronik'). 

Sie ist aber daneben unzweifelhaft von Daiimil seibat 
beeintiusst und in gewissem Sinne geändert: dort, wo seine 
Tendenz ins Spiel konnnt, in C^npitel IV. wo Libussa mit ihrer 
vielfach sonst unmotivierten i\ialumng-, das eiirene Volkstimm 
zu wahren und keine Fremdherrschaft zu dulden, dem Verfasser 
doch allzn sehr aus der Seele sprielit, in Neclans Anklage 
(Cap. XXI) gegen die Fremdgeboreuen, denen man nie trauen 
dftrfe u. s. w. 

Im besonderen gewährt uns die Behandlung der Sagen« 
geschichte des czechischen Stararagebietes in der Mitte des 
Landes einen sicheren Massstab fUr die Beurtheilung Dalimils 



' ober £e einisliieii DiveifenvMi und Oleichaafea sirah Teige» I. e.» 
909ff. bi« 310, doch ift moli ieins AoMQiliiiig nicht «nehOplSDiKl. 



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96 



als Historiker nicht, d» es ihm gerade bei einem derartigen 
Stoffe nicht wohl veraiigt werden kann, wenn er sich wie berührt 

an die ein breiteres Detail bietende jüngere üehcrlicferung hielt. 

Für die Darstellung der Zeiten Bofiwojs, seiner Söhne 
und des heil. Wenzels iiiusste sieh Dalimil umsomchr nach 
anderen Quellen als Cosmas umsehen , als dieser dafUr nur 
wenig bietet und die Zeichnung der alU>ekiuuittM An, Thaten 
und Geschicke des heil. Herzogs ausdrücklich a])Iehnt. Diese 
Quelle ward ihm die s})äte Coinpilation, die unter dem Namen 
jChristanni vitü s. Ludmilae et s. Venceslai' auftritt nun seihst 
erst im 13. Jahrhunderte unter nn.s unbekannten VerhiUtnisscu 
entsUmden ist/ Tioch rieluiger vielleicht ein unbekanntes Le- 
gendär (enthalten etwa auch in der Bunzlauer ,Chronik'?), das 
im wesentlichen mit den Angaben Christanns sich deckte. Die 
Uebercinstimmungcn zwischen Dalimil und Christann beginnen 
im Capitel XX III, also unmittelbar nach Abschluss der älteren 
Sagengeschichte, und reichen bis Capitel XXXII^ bis dorthin, 
wo die Adaibertiegende zur Geltung kommt Die Gleichung 
ist besonders dentlich: Dalimil, Capitel XXIII, V. 3 — 32; vgl. 
Ohristann in Font. rar. Bob. I, 202, 203. DaUmU, Capitel XXV, 
V. 1—86; Ohristann, 1. 204, 306, 207. DaÜmil, Capitel XXVI, 
V. l-26f Cbristann, 207-208. Dalinul, Capitel XXVH, V. 11 
bis 20, 26-44; Christann, 210, 214. Dalinul, Capitel XXVlü, 
WOBU Christann, 227, ttber Eaitfün an vergleiche ist Dalimil, 
Capitel XXIX, Christann, 216. Dalimil, Capitel XXX, Christann, 
216, 217, 218—219. Dalimil, Capitel XXXI, V. Uff., 26ff.; 
Christann, 220ff. Wie weitgehend sie manchmal ist, seigt 
folgende Nebeneinanderstellung: 



Dalimil, G. XXX, V. 7ff., Monr6k,p. 66. [ 

A kd/a knyes Wacslaw n 
bratra przyebywasse, gyeden 
bohoboyny kuon gema dawasse, 
nska: Wskuocsye na knon zen 
prycz w skorcsje: do bydlyss 
sje u sweho bratra korze^ gjz 
tye cheze twoy bratr zabyty, 
by mohl sam knyezyeteni byty. 



[ Clirbhimi, 1. c. 217, Z. U t. o. 
Secedentemque panlisper a 
convivii loco amicorum ip- 
sius unus aggreditur, inquiens: 
eqnnm preparo en tibi occulta, 
quo ascenso qnantocius ab bis 
discedere, mi domine, tempta; 
imminet enim mors tibi. 



« Vgl. O. Holder- Egger, Mon. Germ. Sl. XV, 1, 672 (vgl. Wattenbaoh, Oe- 
schichtoqu. II«, 495) ii. J. £mler,Eiiil. sn Bd. l der Font. rar. Bob., p. XVIIL 



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Ö7 



Meist aber ist blos eine mehr inhaltliche Anlehnung vor- 
handen und finden sich in der Detailerzählung mancherlei 
Verschiedenheiten, so dass, falls mau nicht wieder Dalimil 
eigenmächtiger Zuthaten beschuldigen will, znr Erkliinin^ des 
Wechseiverhultnisses auf den Einflnss einer dritten Quelle oder 
wenigstens der Tradition verwiesen werden miiss. 

An Cosmaa erinneru in allen diesen Capiteln nur die 
genealogische Notiz, Capitel XXIV (Cosnias I, lö), dann einiges 
über Strachkvas (Cap. XXXIII, Cosmas I, 29) und Boleslaw I. 
(Dalimil, Cap. XXXI, Oosmas I, 19: Grandung ¥on Jangbunzlaa 
oder Nimbarg). Dagegen hat D*Umil eine späte Sage Über 
Swatopluk von Mähren, wohl aus geschriebener Qaelle (Capitel 
XXIV), und eine sonst unbekannte Sage über Henog Wenzel 
und Kadislaw von ZliÖko (Kaorim) aufgenommen^ auch die 
Begegnung Wenzels mit Kaiser Heinrich I. von Deutschland, 
deren ,Chnfltann' nur kurs gedenkt^ mit erweitertem und fast^ 
was ^e Erscheinong des Heiligen betrifft, demselben Detail wie 
dort aberliefert (Gap. XXVIII u. XXIX). Da in allen diesen 
Gspiteln nur Sagen- und Legendenstoff den Inhalt der yCbronik' 
(s. oben S. 68) bildet, so bleiben auch sie ans den oben ange- 
fthrten Grtlnden für die Beurtheilung Dalimils als Historiker 
ohne grifssere Bedeutung. £in gleiches gilt Ton Capitel XXX VTH 
bis XXXIX mit der Sage yom Pfinaumbergy die der Verfasser 
einem unbekannten httfiseben Gescbiebtenbuche entnahm; sie 
entbehren wieder jeder Anlehnung an Cosmas, dem dafür 
Capitel XXXVn nahe steht (s. Cosmas I, Legende von den 
fUnf heil. Einsiedlern). 

ILiu anderes Verhältnis zeigt sieh sofort, wenn man die 
CapjK 1 XXXiiI — XXXV Dalimils auf ihre Quellen hin unter- 
suciit. 

Dass die Hauptmasse der hier gebrachten Naehriehten 
Duliinils auf Cosinas (Hb. I, Cap. 34 — 36) zur k kL;(djt. ist un- 
zweilelhaü. Aber ob man nun die Melduiigen beider über die 
herzoj^liehe Familie oder über deren Verhältnis zu dem Adel, 
namentlich zu den Wrschowetzen, ob man die Darstellung der 
Beziehungen Böhmens zu Polen oder zu Deutsehland ins Auge 
fasst: im Detail bringen beide Autoren fast Uberall bemerkens- 
werte Verschiedenheiten. Es soll nicht weiter bemerkt sein, 
dsss bei DaUmil die polnischen Besatzungen der Böhmen ver- 
loren gehen; weil Boleslaw III. sie ohne Speise liess, während 

AreUr. XCl. Band. I. Hilft«. 7 



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98 



Cosroas berichtet: Meico mox urbem ErakoQ^ abstaHt dolo 

(I, 34). Auch dass Dalimil den Jaromir ftlr jünger hält als 
den Ulrich, könnte aus einem blossen Missverständnisse des 
Cosmas'schen Textes: Jaromir juveuis patris est niitritus in 
Hula, Üdalricus autcin a pueritia traditus erat imperatoris Ilenrici 
in curiara', hervoigcgaugen sein; ebenso wenn Dalimil den 
Jurorair und Ulrich für Söhne Boleslaws III. erklärt, da der 
Wortlaut der bezüglichen Angabe bei Cosmas einem solchen 
Irrthume wenigstens nicht direct widerötiestet. Aber wenn os 
bei Dalimil heisst, dass Boleslaw III. nach der Bh'ndun<^ vor 
Schmerzen sUirb (Cap. XXXTTI, V. 15\ während wir bei Cosmas 
ausdrücklich lesen, dass er noch Jahrzehute seinen Sturz und 
seine Blendung überlebte, wenn dort Ulrich von Miesko von Polen 
mit Hanger gemartert wird^ andere die GutmUthigkeit Jaromirs 
ausnütaen, um Geld zu erlangen, so fehlt für >}ie Aus- 
führungen in der Erzählung bei Cosmas jede Grund hige. Und 
noch mehr tritt die Verschiedenheit der Ueberlieferang in 
den Versionen der Wrschowetzensage, namentlich über ihren 
Anschlag auf Jaromir bei der Jagd im Walde bei Vclis 
herrorl Von directer Ableitung der Darstellung des Dalimil 
ans Oosmas' Chronik kann hier überhaupt nicht die Rede 
sein, ausser man wollte eben wieder glauben, dass ersterer 
Ins Blaue hinein fabuliert Das wird aber, andern es sich viel« 
fach um sonst gana gleichgiltige Dinge handelt, in denen 
sich die Darstellnngen nicht decken, wieder niemand glauben 
wollen. 

Aber zeigt denn nicht anch schon wieder die deutsche 
Uebersetzung des Urtextes, obwohl sie kaum ein Menschenalter 
jünger als jener ist, eine Fortbildung der Sage? So sagt der 
Uebersetser fUr: NemüdH VrioTici toho b& vSäio nebojiechu: 
daz forchten dy Worsovicensir jung und alt; er weiss, dass, 
als man Jaromir an die Linde band (bei Cosmas ist das fjanz 
anders und wird der Herzog mit Hunden und Filsseu rückhngs 
an den Boden gefebselt), ,da sang ein lerche*; weil es ihm in 
den Reim passt, nennt er den Howora ,nit alt'; nach dem 
zweiten Blasen mahnt HHvec den Howora ,ra<Si8 vyse na dub 
vlözti', was der Uebersetzer mit den Worten ,vnd geruch hoch 
an dy leytirn stigin' gibt u. s. w. 



So liest die massgebende Leipsiger Handschrift. 



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9d 

Wieder stehen wir also vor der Thatsachc, dass in den 
genannten Gapiteln, wenigstens in der Wrschowetzsage, Dali- 
mfl einer jflngeren, stofHich reichhaltigeren Tradition folgt als 
Cosmas. Wenn er sich im übrigen näher an Cosmas anlehn^ 
so geschah das wieder dort, wo die bei Cosmas mitgetheilten 
Thatsachen eben keinen Stoff boten, dessen sich die Tradition 
bemllclitigen konnte, and gieng darin Dalimils Vorlage selbst 
nicht viel Uber Cosmas hinaus. Vielleicht genttgt es aber, oxn 
den Sachyerhalt aufsaklftren, daran zu erinnern, dass Dalimil 
eben auch hier nicht als Historiker und Forscher, sondern als 
Erzfthler mit bestimmter Tendenz dem Qnellenmateriale gegen- 
ftbersteht, nnd dass die freiere Beireglichkelty die wir ihm in 
letzterer Eigenschaft zugestehen werden, eben eine mindere 
Rftcksicbtnahme auf die Vorhige zur Folge hatte. 

Schon die bisherigen Ausftlhrungen gestatten uns, nun 
das Verhältnis Dalimils zu Cosmas ftlr die weiter von diesem 
behandelte Epoche, d. i. fllr die Periode von der Erzählung 
über BoÄena, Bratislaws I. Mutter, angefangen, bis zum Aus- 
gange Wladislaws I. (1125), in wenigen «:rosseii Htriclien zu 
kennzeichnen. In Capitel XLI (Bo:^ena wird Herzogin) folgt 
Dalimil in den Eingangsversen der Tradition (sie meldet ihm, 
daoö Ulrich bei Postelberg jagte, wovon (Kosmas nichts be- 
richtet): die tendenziöse Hede des Herzogs über seine Ehe 
mit der Bäuerin ist natürlich ganz Eigenthum Dalimils selbst. 
Die Entftihrunf( Judiths, ,der Tochter Kaiser Ottos des Weissen', 
wird bei Dalimil der ^anz sagenhaften Tradition entnommen, 
für die Cosmas' Angaben höchstens hie und da als Üerttste 
erscheinen (Cap. XLIl). 

Vielfältiger und inniger als an den meisten abhängigen 
Stellen lehnt sich Dalimils Bericht Uber Bfetislaws I. Polen- 
feldzug und den nachfolgenden Kricjo: mit Kaiser Heinrich III. 
an Cosmas an, so namentlich betreffs des raschen Erfolges des 
Feldzuges gegen Osten, der Vorgänge in Qnesen, der Rolle, 
welche die Curie bei der Sache spielte und anderen Details. 
Einiges freilich bringt Dalimil selbständig, sowie er anderseits 
gar Tielea, das Cosmas bietet, beiseite lllsst. Auch das wird 
man dem Reimchronisten nicht übelnehmen, dass er in leb- 
hafter Darstellung manches Geschehene noch subjectiyer ge- 
staltet und namentlich die Frkoschepisode breit ausmalt Auf 
Cosmas stdtzt sich offenbar auch die Erzählung Uber des jungen 

1* 



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100 



Spitighoiew Confiict mit der Aelytiemn bei Si Georg und Spliig- 

hniews Deatschenverfolgung^ so tendenziös attch Dalimil beides 
ausHc'hmückt und ausnützt (Oap. XLV u. XL VI zum Theile); 
ein glei('he^> p^ilt von flcr Dcii.^tcllun^ der Erhebnng Jaroiuirs 
(Gebhards) uuf den bischöflichen Stuld (Cap. XLIX) und dessen 
Walten und Ende, sowie vom Ausjjjange liretislaws II. (Cap. LIV), 
endlich betreffs der Geschichte vom Verrathe und der Aus- 
rottung der Wrschuwetze fCap. LVI) und von Zdcrad (Cap. L, 
LH), die Daliinil weiter auslVilirt. Was Uber den Kampf zwischen 
Bofiwoj II. und Öwatopluk berichtet wird und über des letzteren 
Krniordung (Cap. LVTI\ hat datrejren Cosmas eben nur zum 
Hintergründe, ebenso die Schilderung des Verhältnisses Wladis- 
laws I, zu Bofiwoj IL, des Gerichtstages zu Prag (Kokyzan) 
im Capitel LVIII, LIX und LXIU und der Kämpfe mit Polen 
(Cap. LX). Aus der schweren Anklage, die der sterbende 
Bischof Hermann von Prag bei Cosmas gegen sich erhebt, 
greift Dalimil bezeichnenderweise nur dessen Nachsicht gegen 
getaufte und wieder abgefallene Juden auf (Dalimil, Cap. LXIV, 
V. 1 — 8 u. Cosmas III, 49). £s ist dies übrigens die letzte 
verwandte Stelle beider; Cosmas endet ja mit 1125, während 
sich Dalimil nach CSapitel LXIV der Darstelinng der Schlacht 
bei Kulm und ihrer Folgen anwendet 

Gilt es nnn wieder, fUr diese Partie DalimOs das Vor- 
hftitnifl zu Cosmas festsustellen und seine Arbeitsweise als 
Historiker zu beleuchten, so lohnt es sich hier wohl weit mehr, 
SU berücksichtigen, was Dalimil bei Cosmas hätte finden können 
und nicht gefunden hat, trotzdem ihn sein Arbeitsplan darauf 
hinwies, als wieder im einzelnen zu zeigen, wie die Gleichung 
zwischen Cosmas und Dalimil kaum an iigend einer Stelle, nie 
was eine ganze EpiM>de (^Erzählung') betrifft, eine voDstftndige 
ist, und dass sich obendrein ganz unhistorische, fabulose 
Schilderungen immer wieder in den Gang der geschichtlichen 
Ereignisse eingestreut iinden. Hicrlicr gehört der Mailänderkrieg 
Wratislaws II. und l-Caiser Heinrichs III. (Cap. XLilij, die 
Benedasage (Cap. L) und anderes (s. oben S. 69). Was die 
Abweichungen an den entlehnten Stellen betrifft, so vermag 
man nicht einzusehen, warum z. B. Dalimil, wenn er den 
Cosmas vor sich hatte, aus dem iUcxius einen Zderad, aus 
dem eomcs Albus Otto einen Kaiser Otto den Weissen, aus 
dem Gerichtstage in Kokyza^ einen solchen in Prag heraus- 



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101 



lesen sollte? Woher aucli liat or f?cn .lE^uten Köni«^ Stefan von 
Uniram' (Oap. LXIIV Hr^r doch ein Zeitgenosse Herzog Wladis- 
lii\v< \. gewesen ist, und so manches, worüber Cosmas dircct 
Aiitklärung gibtV Wenn üfih'mil schon die Pra{]^er Bischofs- 
reihe geben will, warum bringt er sie wiederliolt falsch und 
nimmt er sie nicht aas Cosmas, der sie genau und richtig 
enthält? Und welche Confusion herrscht bei Dalimil hinsichtlich 
der Genealogie des herzoglichen Hauses in der ganzen Periode 
Ton 1051 — 1125, obwohl er in den weitaus meisten Fallen 
darüber bei Cosmas zutreffende Aufschlüsse finden konnte? 
Flüchtigkeit und Irrthum allein, so sehr man sie bei Dalimil 
entdeckt, werden solche Thatsftchen nicht zu erklären vermögen. 

Aber andere Momente geben noch mehr su denken. Die 
Darstellung des Krieges Bfelislaws L gegm Kaiser Heinrich IIL 
bricht genau dort ab^ wo das Kriegsglflck sieh gegen Btthmen 
wendet, obwohl Cosmas auch von dieser Phase des Kampüas 
eingehender berichtet Ist dies geschehen, weil Dalimil yon 
diesen seiner Tendens minder angemessenen Vorkommnissen, 
der Unterwerfung des Hersogs^ seiner Demflibigung in Regens- 
burg, der Neubefestigung des UnterthJtnigkeitsyerhllltnisses 
Böhmens zum Reiche, nichts bringen wollte, oder weil die 
Tradition, an die er sich hielt, sich natnrgemllSB von diesen 
für die patriotischen und nationalen Empfindungen der Osechen 
weniger erfreulichen Ereignissen abgewendet hatte und von 
ihnen später nichts mehr wusste? So ausgesprochen die Partei- 
lichkeit Dalimils, wie oben gezeigt wurde, in nationalen Fragen 
ist, so wird man doch an letzteres glauben dürfen. Solche 
Erwäprnng verbietet also, an die Benutzung des Cosmas direct 
zu denken. Aber auch anderwärts kommt man zu gleichem Er- 
gebnisse. Oder wurde sonst Dahuiil den grossen Sieg verseh wiegen 
haben, den Wratislaw II. lO*^:? bei Mailberg über Herzog 
Leopold III. von ücsterreich und seine Deutschen davontrug, 
uinl von dem Cosmas, Hb. II, Ca]) 35, eingelumd Meldung thutV 
Und welch Hochgefühl tur ihn, wenn er, der für Bühmeni» 
Ansprüche und Hechte so warm eintrat, (bei Cosmas) erfahren 
hitte, dass der Hersog sogar ein Anrecht auf die Ostmark 



* IftB kann dato nur Cocnae Contin. I ad. *. 1126, Font rar. Bah. II, 
KM»anflUiren: Bodem anno 8obl«s1aiu änx «t Ungiironun res Stephanus 
eonvMMrtuit ad ooUofidtm et rnoasm dedArunt ad invieein. 



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103 



von Kaiser Heinrich erlangt liattel Fast noch schwerer i^üt 
in die Wagschale, dass Dalimü offenbar audi von der Heer- 
fahrt nichts gewnsst hat; die im Jahre 1101 Herzog Uhrich 
von Baiem ans gegen BoHwoj II. unternahm, tun ,mit Erlaubnis 
des Kaisers die ihm (Ulrich) anstehende Provinz mit Gewalt 
an sich an bringen', und bei der er trota der ausgiebigsten 
Unterstützung der Deutschen scheiterte. Und doch liegt auch 
darüber bei Cosinus (III. 15) ein Bericht vor, in dem die 
klägliche Niederlage der dcutächen (trafen und Hcitcd und 
ihr schinalillt licr Rückzug, besondei-s seitdem sie Swatopluk 
von Ohuiitz im Hucken bedrohte, drastiscli geschildert werden. 

Nach all dem kann aber das Ergebnis unserer Unter- 
suchungen nicht zweifelhaft sein: wohl sind die Sagenstoffe, die 
Uuöiuas und Dalimil bringen, vielfach gemeinsam, ^yianche, die 
öich bei Cosmas zuerst finden, haben dann seit ihrer Fixierung 
durch ihn eine weitere Ausbildung durch die Tradition erhalten, 
andere nicht. Aus Cosmas schöpfen die ,Geschichtcnbüchcr', 
von denen Dalimil spricht, ihre historischen Daten, um mit 
ihnen freilich willktürlich genug umzuspringen. Ihnen entlehnt 
Dalimil das Detail seiner Erzithlungen. Daraus ergibt sich für 
Dalimils Buch wohl vielfach weitgehende AehnUchkeit und 
einigemale nahezu stoffliche Ghn'chheit mit Cosmas' Geschichte 
Böhmens. Aber direct hat Dalimil den Cosmas nicht vor si<^ 
gehabt oder doch wenigstens als Historiker nicht ausgebeutet 
Letzteres zu glauben, hiesse Dalimils Chronikwerk auch schon 
jede» Anspruch, bis 1125 als Gksehichtsquelle zu gelten, gänzlich 
absprechen. Auch so ist ihr Wert als solche freilich ausser- 
ordentlich gering. 

b) Dalimil und die Fortsetzer des Cosmas bis auj dia Zeiixn 

Wenzels I. und (Htokars IL 

Eine kurze Darlegung des von Dalimil fUr jene Epoche 
(1126 — 1250) inhaldich Gebotenen und von Dalimils Genealogie 

des Herrscherhauses dürfte indirect deutUcher als jede Ver- 

gleichung mit den bekannten Quellen zeigen, was hier von 
Dalimil als Gcseliichtsclireiber zu halten ist. Auf JSubieslaw L, 
dessen Sieg über Lothar mit ganz erfundenen Details ausge- 
sf liuiückt wird, der die Polen bekriegt (1134) und dort des 
heil. Adalberts blutiges Haupt gewinnt, der die Prager Burg 



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103 



befestigt und die Juden vcrluigt (Cap. LXIV— LXV), folgt 
dessen Sohn Wladislaw (II.). Er ist (nach Dalimil) koin l>e- 
sonderer Held, aber er gewinnt die Gunst des Kaisers, sowie 
er denn ein Freund der Deutschen ist, und wird vom Kaiser 
zum König gekrönt. Seine Deutschenliebc bringt ihn lu Gegen- 
satz zu seinem \ ulke, das mit dem Königssohne Sobieslaw (II.) 
sympathisiert, und ihn schliessUch nüthigt, sich zu verbergen. 
So viel über einen Wladislaw IL; wie man sieht, ist auch das 
alles, mit Ausnahme der Königskrönung, eitle Phantasterei! 
Nun folgt Sobieslaw, Wladislaws IL Sohn, der die Deutschen 
verfolgt und yeratttinmelt, wie er ihrer habhaft wird. Daher 
will der Kaiser den Wladislaw wieder ^zum deutschen Könige 
in Böhmen' machen und zieht gegen Sobieslaw zu Felde, aber 
sein Heer wird von den Czechen geschlagen, der Kaiser und 
alle Fürsten fallen, da auf Sobieslaw» Gebot niemand in seinem 
Heere Pardon gibt; der alte König stirbt darüber vor Gram 
nnd wird auf dem Wjschehrad bestattet (Cap. LXVI— LXVIU). 
Der folgende Kaiser scheut Sobieslaws Tapferkeit und sucht 
seine Freandschafty aber Sobieslaw muss ihm seine Kinder 
schicken, die erst vor des Vaters Hingang heimkehren und 
▼on ihm dringend sur Liebe an Heimat und Volk und aum 
llisstrauen gegen' die Fremden (Deutschen) ermahnt werden 
(Cap. LXIX u. LXX). Sobieslaws Sohn Friedrich wird wegen 
sdner Ltiebe an den Deutschen Teijagt und dafttr dessen 
Bruder Konrad erhoben. Aber K. macht es nicht besser als 
jener, die Polen greifen ihn an: da schlagen die Seinen awar 
die Polen, aber sie Verstössen auch ihn, fllhren ihn an die 
Grenze und niaehen iliu nieder (Cap. LXXI ). Sein Naclifolger 
Stanimir, der sich lange in (leiitschcn Landen aufgelialten, ist 
nicht einmal des Böhmischen mehr mächtig. Auch er begünstigt 
die Deutschen: deshalb tritt der vertriebene Friedrich gegen 
ihn auf und ersehlä<:t ihn mit seinen Deutschen. Friedrich 
re;;iert nun, nachdem er das Land von den Dcutäeiien gereinigt 
hat. in nationalem Sinne, lässt den Deutschen die Nasen ab- 
schneiden, wie einst sein Vater, und .erntet daftir Ehre bei 
den Seinen' (Cap. LXXII), ,neb mlyny klepany lej)e mclya*.* 
Friedrich bekämpft Mähren, wobei auf einmal wieder die 
Wrsehowetae auftauchen, vernichtet die gesammte mährische 



1 Cod. Gsatab. bei Moorek, 188, V. 11—18. 



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104 



Hemcherfamiliei ,90 das« es von dieser Zeit an den böhmiBcbeD 
Fttrsten diente' (!) (Cap. LXXIII). Auf ihn folgt sein Sohn 
Otts (ist Konmd Otto gemeint), der des Landes Ehre und 
Volksthum wohl in Acht nimmt^ ihm folgt wieder dessen 

Sohn Wenzel; wie die Morgenrüthe steigt er empor, aber 
verfällt rasch Gefangenschaft und Banden, da er die Deutschen 
liebt. Aucli sein Bruder und Nachfolger Pferaysl wird der 
Deutsehen wegeu vertrieben, und Bischof Bretislaw, der Nach- 
folger Daniels, Bruder Herzog (Jttus, kommt zur Herrschaft, 
or, der Besieger der Sorben, deren Stildte und Innreren er 
nimmt. Da kehrt Pfemysl zurück, mit dem ganzen Heere des 
Kaisers bekämpft er die Czt clieii, M ird nber auf der ,WaIlßtatt* 
bei Prag geschlagen und erschlagen (Cap. LXXIV). Nach 
St. Prokops Erhebung (1204) stirbt der Bischof-Herzog und 
sein Brudei*ssohn Wladislaw folgt im FUrstenthume nach, der 
den schweren Kirchenstreit mit Bischof Andreas, angeblich 
Bfetiskwa Nachfolger, auszukämpfen hat (Cap. LXXV). Ihm 
folgt sein Sohn Pfemys), der wegen thörichter Hinneigung su 
den Deutschen flüchtig wird und lange in Regeneborg als 
Taglöhner lebt. Sowie er seinen Fehler bereut, holen ihn 
die Csechen wieder auf den Thron; um die Deutaehen kOmmert 
er sieb seitdem nicht mehr, ja er tritt gegen sie im Lande 
leindfich auf, hilft aber Kaiser Otto im Saehsenkriege und 
gewinnt so seine Huld und die KOnigskrone. Weithin yer- 
breitet dob Pfemysls Ruhm, der Sobrecken seines Namens: 
,po wasyecb nyemesyob tak mluwyechu: ten weley s Caechy, 
ktos nechcse zy^v byty^ (in aUen deutschen Landen sprioht 
man: ,der kämpfe mit den Caechen, der niebt lebend sein will^ 
(Cap. LXXVin— LXXIX). Die Sitten im Lande JIndeni sich, 
die Ihrediger kommen ins Land und medehi siob bei St Clemens 
nächst der Brttcke in Prag an, König Pfemysl kämpfl mit 
Herzog Leopold fVI.) von Oesterreich (Cap. LXXIX — LXXX). 
Mit dessen Sohn Friedrich streitet wieder Pfemysls Nachfolger 
Wenzel, lässt sich aber von den Meissncru helfen; er fröhnt 
der Jagd und begünstigt die Ansiedlung der Deutschen, er 
sieht das Geisslerunwesen in Böhmen ausbrechen, Ubei*steht 
siegreich den Tatarensturm, diese weichen vor ihm bei Zittau 
und verlieren bei Ohnütz einen Königssohn Wenzel weiss sich 
auch dem Kaiser gegenüber durch Muth und St lltstandigkeit 
in Achtung zu setzen^ wobei Hoyer von Biliu ihm beisteht, 



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105 



mnsf? aber flann gegen sciiK-n Solni Frcinysl kHmpfen. den 
viele Herren, gegen den König wegen seiner Liebe zru den 
Deutschen erbittert, ihm entgegenstellen; Wenzel siegt, nun 
Judenverfolgung, Theilnahme an der deutschen Könt;:r^wahl, 
Wenzel kämpft mit den Ungarn und stirbt (Cap. LXXXI bis 
LXXXVni). 

Es scheint kaum nothwendig, hinzufügen; dass wie die 
genealogischen Daten Uber die Fürstenfamilie, so auch die 
Reihenfolge der Prager Bischöfe Irrthum auf Irrthum aufweist, 
dass auch dort, wo wirkliob historische Thatsachen berührt 
werden, ein Detail beigegeben ist, daa entweder der nna be* 
kannten QneUe nicht angehört oder gar ihr direot widerspricht, 
dass dem aonstigen wtteten Sagen- nnd Fabelkram, der neben 
teodenziOsen Aussohmackongen wirkficher nnd noch mehr an- 
geblicher Siege Uber die Deutschen und bei fiustiOser Äuffiwsung 
der geaammten {d^ysfidischen Hansgeschichte sich findet, 
migends ein ernstes Qeschichts- nnd Quellenwerk mit nur 
einigermassen Torlässlichen Daten zugrunde gelegt sein kann, 
also weder der Ganonicus von Prag, noch der HOnch von 
Sasawa, weder Vincenz, noch Gerlaoh, die Strahover nnd Prager 
Chronik. All das liegt unwiderleglich zutage. 

Es kann dieses Ergebnis der bisherigen üntersnehung nur 
festigen, wenn Teige bei der directen Vergleichung der iiilialtlich 
ähnlichen Stelleu Dalimils und der ükercn bohmischeji Ge- 
schichtsquellen constatieren musste, dass ihre Benutzung in der 
^eimchronik* sich nicht annehmen lasse.* Es Hndert daran 
nichts, dass Teige einijje Parallelstellen nieht beaehtet liat: ihre 
wirkliehe üebereinslnnmung ist eben nicht grösser, als dies bei 
den angeführten der Fall ist. Ver<rleicht man alles, wüs da aus 
der Zeit Herzog Friedrichs, Konrar! Ottos, AVenzels, des 
Bischof-Herzogs Heinrich Rfetislaws (der ^Sachsen krieg), Wladis- 
Uws, Pfemysl Ottokars I. (Krieg gegen Leopold VI. von 
Oesterreich, sein Verhältnis zu Otto IV., St. Prokop, die Ver- 
treibung der Theobalde) und Wenzels I. (deutsche Colonisation, 
Liebe zur Jagd, Auftreten der Geissler, Streit mit seinem Sohne 
Ottokar II., Krieg mit Ungarn), die Anklttnge an Gerlach nnd 

^ Mittb. de« Insütate für ÜnUirr. GeschicbUlurschung 9, 312 ff.; 6, 4601. Es 
ist so bedauern, dsM diese bftbeehen Untersucbuugeii iu mangelbafiem 
Deotoeh g«eehriebeii und (muneadieh «nCore) so nleh an DradMilsni 
im ese^behea wie dwlMhsn Twrts sind. 



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100 



die Strahower Chronik, an die alten Ännalen der Präger Kirche 
(s. St Prokop und den Streit zwischen Ottokar L und Bischof 
Andreas), an deren ersten Fortseteung nnd Bearbeitung^ (s. 
Zeitschr. für Geschichte Mährens und Schlesiens^ 5. Jalirgang, 
Heft 2 — 3, S. 13 ff.), endlich in der Geschichte des Aufstandes 
Pfeinvsl Ottokars Jl. ^ciren seinen Vater 1248 — 1249: Es ist 
stets derart überdeckt mit fremdartigen Zusätzen oder findet 
sich in sulchem Zusammenhange und in einer Auffassung vor- 
getragen, dass niemand glauben wird, der Verfasser habe jene 
Quclleau (1 ke zur Vorlage gehabt. Daneben hat Daliniil, was 
bisher völlig übersehen wurde, wohl wieder den l'seudoeliristann 
für die ErzHhlun«; von Stanirair (vStrojmir) verwertet/ aber auch 
sie keinesweirs dircct aus diesem selbst geholt, da Christaun 
den JStrojmir zum Gegner Bofiwojs I. macht, während der 
fabelhafte Stanimir Dalimils der Mitte des 12. Jahrhunderts 
angehört; doch ist wei^ehende Verwertung der sonstigen Detaii- 
züge jener alten Sage immerhin hier ersichtlich. Der Zlider 
Ftirst Uh'icli bei Dalimil (Cap. LXVI) ist natürlich kein anderer 
als der Prager Herzog Ulrich des älteren Mönches von Sasawa,' 
der Vater Herzog Bfetislaws L Achilles. Die Erzählungen Uber 
die Kreuzer, Jaden, Vscsslaw und die heil. Zdislawa stammen 
aus uns nnbekannter Quelle, vielleicht aus der im Folgenden 
ausgiebiger benutzten grösseren Opatowitzer Chronik (s. unten). 
Auch für die ganze in Rede stehende Epoche der Geschichte 
Böhmens bei Dalimil (1140—1149) darf deshalb mit Recht be- 
hauptet werden, dass ibr die beiden Eigenschaften TdUig abgehen, 
die allein ihre Darstellung als historische Leistung kennzeichnen 
könnten: ebenso die specielle Absicht des Ver&ssers, eine solche 
zu bieten, wie das Thatsacbenmateiiale, um eine solche zustande 
zu bringen. 

c) Dalimil ah Berichterstatter über die Zeiten K&nig Oitokara II. 

Mit den Tagen KOnig Ottokars, die ja bereits nahe an 
die Lebenszeit Dalimils selbst hinan- und vielleicht bis in die- 
selbe hineinreichten, gelangt endlich auch die Quellenforschung 
über sein Werk auf festere Gnmdkgen. Schon Teige hat, wie 
mir scheint, zutreffend, daigethan, dass für die Zeit König 

> Font. ler. Bob. I, 203—204. 

* Vgl. Mitth. de« Institute fUr Oaterr. Q««ohichtBfonohang 21, 229—230, 284. 



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107 



Ottokars eine verlorene srrösscrc ( )j)at<^^vltzor Chronik benulzt 
ist, von der ja Datimil selbst in der Kiiileitung: spricht, und die 
spUtor auch Neplach vorlag. Thatsächlich entsprechen den 
Vinteln LXXXVII. XC und XCII Daliimis die Notizen Nep- 
lachs zu den Jahren \2&2, 1275 und 1276 i Font. rer. Boll. II, 
47Ö, 476 — 477). Die üebereinstimmung an der ersten Stelle 
ist eine so weitgehende, dass man geradezu an die Benutzung 
Dalimils durch Neplach denken könnte.* Aber es iKilt 
betreffs der zweiten Steile auf, dass sie, trotzdem die gemein- 
s«me Vorlage datiert war, doch bei den beiden Benutzern 
zeith'ch verschieden angesetzt ist. Freifieh bekundet weder 
Datimil noch auch Neplach im besonderen grosse Sorgfalt 

Beweisend f&r die Ansehaunng Teiges sind die Angaben 
ober Ottokars Verhältnis zu dem caechiscben Adel (Cap. XCII), 
woraus Dalimil freilich wieder — sehr nnhistorisch — eine 
G^inerschaft des KOnigs gegen das ganse esechische Volk 
gemacht hat Auch sonst entscheidet die Vergleichung der 
Art und WeisSi wie Neplach und Dalimü ihre Vorlage ver- 
wertet haben, sehr am Ungunsten des letateren. Mag er auch 
wie Neplach das irrige Luna iUr Lomnits schon in derOpato« 
witier Chronik gefunden haben, so hat er daftlr im Veraeichnisse 
der durch KOnig Ottokar geschädigten Barone sich offenbare 
Lflcken und Fehler auschulden kommen lassen, die Neplach 
▼ermieden hat. 

Da nach obigem Dalimil die zweite Opatowitzer Chronik 
— die dritte ist jene Neplachs — siehur für die Zeit von 
— 1278 verwertet hat, so verdankt er ihr vielleicht auch 
die summarischen, wie der Vergleich mit den bairisch-öster- 
reichischcn Quellen und anderes zeigt,- freilich wieder sehr 
unzuverli^sigen, weil namGntlich subjectiv f^ehaltenen Meldungen 
tiber König < »Unkius Kämpfe mit den Baiern, für die wir sonst 
in den heimischen Meldungen nur auf Annal. Ottocar. ad a. 1257 
(Font. rer. Boh. II, 295) verweisen können. An die Geschieht- 
Schreiber aus der Zeit König < )ttokars ( s, Font. rer. Höh. II, 
286 — 370; vgl. meine Darlegungen ,über ältere böhmische Ge- 
aohichtsqnellen' in der ^eitschr. des deutschen Vereines fUr 



* So neinta «aefa Emier in Font. r«r. Bob. II, 476, Amn. 60. 

* Ygt Annaleo 8* Bodp. Salitburgsaiis, IL O. Sc. IX, 799; im bes. 8. Riesler, 
Oeeehidite Baaerns E, 116—117, wo ancli die anderen Quellen. 



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108 



die GoBchiclite Mährens und Schlesiens'^ 5. Jahrgang, Heft 2 — 8, 
S. lOff.) erinnern noch inhaltlich Dalimib Gapitel LXXXIX, 
und awar ebenso, was die Charakterisierung KOnig Ottokars 
betrifft (vgl. Font rer. Boh. II, 334), wie des KOnigs ersten 
Krenasug gegen die heidnischen Prenssen (Font. 1. e. 308) 
nnd die Baierkriege (ebend. 295 ad a. 1257); ferner Capitel XCI 
(Ottokars Ileertahrt gegen den Ungarkönig Bela IV. im Jahre 
12Ü0, Font. rer. Boh. 11, 312—313, 317 ff.); Capiiel XCII 
(Meldung über die Theueruug und Hunzel n*'th; s. Font. rer. 
Boh. II, 298). Die Verwandtschat t iiaiimils mit den Annaien 
geht an keiner dieser Stellen so weit, dass wörtliche oder auch 
nur inhaltlich erschöpfende Entlehnung vorläge. Manches davon 
war ja gewiss anch noch im (iedächtnisse der Zeitgenossen 
Dalimils lebendig, entstammt also wohl der jüngsten Tradition. 
Aus demselben Grunde scheint es auch nicht nöthig, betreffs 
der kurzen Angaben Dalimils, dass König Ottokar durch seine 
Gemahlin Oesterreich erlangte, dass sich seine Herrschait bis 
an das Meer ausdehnte, dass er lange Jahre mit Maigaretha 
lebte, besondere Quollen namhaft zu machen, noch weniger 
fUr die irrigen Meldungen über die Trennung der ersten Ehe 
Ottokars (alles Cap. XCI, V. 25 — 34) oder gar die angebliche 
Verhandlung Ottokars mit Zawisch von Falkenstein kurz vor 
der Entscheidungsschlacht vom 26. August 1278, die sich leicht 
ah tendensiOse Ansfähning des Verfassers nachweisen lüsst 
(Cap. Xdl). Es ist eine der Versionen, mit denen sich der 
böhmische Patriot die Niederlage des Jahres 1278 ertraglicher 
machte: König Ottokar wbrd geschlagen, weil er sich auf 
die Fremden, die Deutschen, stutzt, während der Rem des 
böhmischen Adels auf der Seite des Oegners, des Siegers, 
kämpft. 

Damit erscheint aber auch schon alles, was über König 
Ottokar II. in der ,Reimehronik^ berichtet wird, nach Ursprung 
und Wert sichergestellt. Was Dslimil mit dem Chron. Opatov., 

was er mit den böhmischen Annaien des 13. Jahrhunderts ge- 
meinsam hat, wird man lieber bei diesen benützen, da sich dort 

die Meldungen richtiger und vollständiger linden; was er aus 
der Tradition bringt, ist sonst bekannt oder doch tendenziös 
gebraucht. Der Wert auch dieses Theiles der Chronik 
Dalimils als historische Arbeit, als GeschichtsqueUe, ist somit 
nahezu jbiull. 



üigiiizca by LiOOgle 



109 



d) IkUimiU Werk ala geitgenüsaiscke Daraiellung. 

Daliiiiil selbst nennt sich Augenzeuge der Kampte, die 
wiihrend der stürmischen Zeit, da Otto von Hrandenburg als 
Vormund des jungen Wenzel II. Böhmen verwaltete (1278 bis 
1283), in der Umgebung Prags — wie so vielfach im Lande — 
tobten: ,mee oko to czasto wydalo'* (,Ez had min enge oft 
geaen'),' sagt er selbst Capitel XCill, wobei er Ereigniflae 
awiBchen 1279—1281, Ende, meint. Wo er nicht dabei war, 
beruft er sich gelegentlich auf das Zeugnis bekannter und her> 
▼omigender Zeitgenossen: ,ktoz tomu neehcse wyerzjety', sagt 
er in der Erzählung von Rudolf, dem ersten habsboigischen 
KOmge in Blihmen (1306—1307), ^ chlyelljbj tjem gyst byty, 
otyes pana Wartnberskeho neb pana Qyndrcayoba Ljpskefao' 
(wer das nicht glauben will und sich veigewissem will, der 
irsge den Herrn v. Wartenbeig oder Herrn Heinrich von Leipa).' 

Inwieweit sich Dalimil sonst in diesem lotsten Theile seines 
Werkes als Terlftasltche Quelle historischer Thatsachen und 
Veriiftltnisse erweist^ darüber dOrfte wieder am besten ein 
knrser UeberbHok Uber das Gebotene selbst orientieren. 

Nachdem der Dichter eingehend Uber die Kämpfe zur Zeit 
der brandenbnrgischen Vorherrschaft gehandelt hat, die er 
einseitig als einen Streit des böhmischen Adels gegen das 
Duutschthuni in Böhmen auffasst. und bei denen sich namentlich 
auf czechischer Seite Herr Iliuko von Dauba ausgezeiclmet 
habe (Cap. XCIII), berichtet er von der grossen Missernte und 
Hungersnoth der Jahre 1281 — 1262 und der Rückkehr des 
jungen König?» 1283, wofür man ,alle Bulben und Städte jenseits 
derBilbe verpftinden rausste'; dann gelangt er mit kui zen AVorton. 
die HauptbegeV>enheiten, und auch sie nur zum Theile eben 
aufzählend (du: Fnedoiiapolitik im Lande, Zawisch von Falken- 
steins Fall, polnische Erwerbungen und Pläne Wenzels, 12'.)H) 
bis zum Jahre 1290 (Tod des Bischofs Thobias, Wahl Gregors), 
Capitel XCIV. Das folgende Capitel berührt ebenso kurz 
Wenzels Krönung, die MUnzerneuerung, Erwerbung der polni' 
sehen Königskrone 1300^ die Gründung von Königsaal und 



• Moimk, 166» b. V. 18—14. 

• JMak. 199, V. lOS. 

• Moorak, Cod. Caiitob. 166» V. 6<~10. 



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110 



behandelt breiter Wenxels Lftssigkeit, namentlich in der Recht- 
sprechung: ftlr ihn seien andere zu Gericht gesessen, die sich 
gegen die Waisen mancherlei Unrecht erlaubten. Dies leitet 
den Umschwung in der Regierung Wenzels ein, der, seitdem 
er die Deutschen zu seinen Rathgebern macht und sogar 
König Rudolfs Sohn Albrecht mit Geld und Waffen zum Reiche 
verhilft, den Sohn dessen, der ihm seinen VattT erschlagen, 
geradezu Gottes Zorn herausfordert. Vou den deutschen StJtdten 
Böhmens irenifen, erhel)t König Albrecht ungebührliciie An- 
sprüche an König Wenzel; was dieser mit seinen Deutschen im 
Rathe beschliesst; hinterljrinci^en sie Albrecht. Da holt Wenzel 
seinen eigenen Sohn, der in Ungarn zum Könige gekrönt 
worden war, nach Böhmen zurück; dagegen fällt König 
Albrecht in Böhmen ein und Tersacht die Stadt Kuttenberg 
mit ihren Silberbergwerken zu nehmen. Aber seine Macht 
reicht daau nicht aus, er zieht ab und erleidet auf dem Rück- 
wege groisen Schaden. König Wensel, über diese Dinge tief 
tranrig, stirbt: ^Ktomu mu take nycktercsy pomohu, ale tu 
rzyecs pomczymy bohu.'^ Also auch da vermag sich Dalimil 
verleumderischer Nachrede nicht zu enthalten 1 Ganz sicher 
weiss er auch» das« König Albrecbt gegen Wenzel 111.^ seinen 
Neffen, dessen Regierang sich zum Guten schickt, drei ^Thttringer' 
gedungen habe, denen Wenzel, der Ungarn an Otto von Baiem 
gegeben und nun (gegen Polen) ins Feld zieht, zu Olmütz erUegt. 
Die Ermordung Wenzels ist eingehend berichtet, aber in ihren 
Details schwerlich glaubwfirdig. 

Noch ungerechter fast als Uber König Albrecht 1. spricht 
Dalimil von dem edlen Rudolf, Albrechts Sohn, König iu 
Böhmen von 1306—1307: 

,do er herzog waz, 

er wolt nur al laut Herrin 

czu mal totm gerin/ 

In seiner Kttche schmorrt der Brei — es ist mehr Hohn 
ftls Entschuldigung, wenn Dalimil beifügt, er habe es wohl seiner 
schlechten Gesundheit wegen so gehalten, aber gegen König 
Wenzels Tochter (Anna von Kärnten) zeigt er sich hart. Dann 

' Monrek 1. c, 162, V. 6—7 (b^. 



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111 



straft der Plerr der Vilter Sünde an den Kindern: Rudoit 
stirbt jäh in Horaschdowitz: 

,Glagt in nit, ir l>emi8ch dit^^ 
wan das geraeht esu wisain: 
het er lengir brot gebiBsin, 
es wer ein gnificb yngewittir 
den Behem iretanden bittir.'' 

Im Aufstände gegen Rudolf bewahrte Wilhelm von Waldek 
BUrglitz und Umgebung frei yon deutscher Herrschaft (Cap. XOVII 
bis XCIX). Sowie hier zuletzt| so tritt auch in der nachfolgenden 
Schilderung der Regierung des Kärntners Heinrich die patrio- 
tische Thtttigkeit einiger böhmischen Edlen, Plichtas von Zierotin, 
der Kdnig Albrecht im Felde schädigt, Heinrichs von Lipa und 
Johanns von Wartenberg, die Kuttenberg und Kolin gegen xlm 
vertheidigen, hervor. Der Uebergang der Leibgedingätildte der 
Witwe König Rudolfs an dessen Bruder wird wieder den 
deutschen Bürgern zur Last gelegt, der Kampf bei Holienuiauth 
(s. Oesterr. Reiraehronik bei Seeniüller, ( Jaj). 7<.t2),' eigentlich 
ein Ueberfall \va.lireiKl der Wjiti'enruhe, wird zu (unem grossen 
Siege der Bühmeu aufgebauscht, der Hingang König Albrechts I. 
zur Zeit, als er einen neuen Feldziii,' gegen Bühmeu lüstet, 
vom Standpunkte des Oec-ners dargestellt ;( 'ap. C — CD. lieber 
den Anlass und Zwi ek des Bürgerkrieges zur Zeit König 
Heiuriclis fehlt dem Verfasser jede klare Vorstellung; er beklagt 
aber bitter den Verfjdl der guten alten Sitte, namentlich auch 
darin, dass die Herren ihre Söhne mit Bürgerstöchtern ver- 
heiraten und den Ötildten ihre Kinder (als Geiseln) stellen;'* 
tapfere Thaten einzelner böhmischer Edler treten an die Stelle 
zusammenfassender übersichtlicher Darstellung (Cap. CHI — CIV). 
Mit dem ganz summarischen Berichte Uber die Einführung des 
Ltixemburgers Johann (1310) schliesst eigentlich die historische 
£nAhlung ab. 



* Deti = Kinder. 

* Jiredek, Font. rer. Bob. Hl, 209, V. 60—54. 

* Tgl. Bachmann, Ge«c1iie1it6 BOhnftiis I, 785 v, abend. Anm. 4. 

* £• waren diee aber Friedembedingnngen, wie nsmenilicb die Oeaterr. 
B^melironik seigt Vgl. auch die KOnignaaler Chronik in Font rer. Bob. 
IV, 116. 



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112 



Sie «uf ihren Wert hin weiter (dkc diese leiste Epoche) 
za prüfen» ist sehr leicht. Oapitel XCIV hringt des Neaen 
eigentlich nichts, aher das sonst Bekannte vielfach irrig (hier 
folgt die Hnngersnoth von 1381/3 erst auf die Krankheit, nicht 
umgekehrt); iiTig ist, was über die Pfilnder für die Befreiung 
des jungen Wenzel 1383 gesagt ist (s. oben S. 109), irrig, dass 
er die ,EVnigin' von Polen gewann und mit ihr das Land als 
Mitgifl, da hier doch die Polenzüge 1891 — 1393 gemeint sind). 
Nur die Reise des Herrn von Michelsber^ nach Paris ist Dali- 
mils Kigenthum. 8o ist auch iu Capitel X(JV das einzii: .Ncuf 
die jKroberung* Meissens durch Wenzel, unrichtig; w.ta ferner 
hier Daliniil iiher Wenzels Lässigkeit hn Rechtsprechen sagt, 
ist unbiUig (s. die Königsaaler , Chronik* I, öl ) und tendenziös. 
Dasselbe gilt über das Verhältnis König Wenzels zu Albreeht 
von Oesterreich, namentlich ist die Treue der deutschen Bürger- 
schaften Böhmens gegen ihr engeres Vatt rl.nid ebenso un- 
zweifelhaft sicher wie die Behauptung irrig, die Deutschen 
von des Königs Hofe fman denke nur, welche hochstehenden, 
tüchtigen Männer das waren) seien an Wenzel zum Verräther 
seiner Staatsgeheimnisse geworden (Cap. XC'VI). Aus Capitel 
XCVn erfahren wir wenigstens die Namen Johanns von Platz 
(Strä2), Albrechts von Czech, eines Jeschek, dann des Dietoch 
von Horepnik, die sich tapfer an der Abwehr der deutschen 
Invasion 1304 betheiligten. Ganz unbegriUidet ist gewiss die 
Andeutung, d.ass bei Wenzels II. Hingange ein Verbrechen im 
Spiele war, obwohl sie auch bei Pulkawa Wiederholung ge- 
funden hat (vgl. Font rer. Boh. V, 184 B). Capitel XCVm 
hietet nehen der Behauptung, König Alhreeht sd Wenaels m. 
Mörder geworden/ nur, wie ohen erwtthnt, wenig glauhwUrdige 
neue Detafls tther die Frevelthat in Olmttta und die Bestrafung 
des Mörders. Etwas yerlttsslicher sind gewisse Einzelheiten, 
die tther die Zeiten König Rudolfe von Böhmen und die Kämpfe 
unter Heinrich von Kärnten, namentlick auch da wieder mit 
Rücksicht auf die Bethciligung des hohmischen Adels, erzählt 
werden, dann wohl auch die Angaben tther die Sittenändemng 
im Lande um diese Zeit und die Ueherschwemmung von 1304 
(Cap. XCIX— CV). Das lotste Capitel (CVI) wendet sich an 



* Ik'i l'ulkau ji .ilt^t'-rlnvächt Uebor diu» VorhältnU PulkAWM (2. Receiuiou) 
XU Dalimii werde ich noch sprechen. 



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IIB 



^CQ jungen König und die böhmischen Herren mit dringender 
Mfthnnng, ja zu behcrzi^en^ was ohnehin das Buch so viel' 
ftlt% lehrte: Vaterlandsliebe und Fremdenbass; es ist aber 
Boost ohne thatattchlichen Inhalt 

4. Ergebnisse. Die Bedentun^ der ,ReimehroiiilL^ 

als Gettchichtet^uelle. 

Dalimil ist nicht Gkschiohtflchreiber, sondern Enähler. Er 
will nieht nntersnchen nnd feststellen, was die Vorfahren erlebt 
irad gethan, wie sie ins Land gekommen nnd wie sie es be* 
banptet haben, sondern etnfaeh berichten, welche Änschaanngen 
dsraber die Vorfahren hatten, was darttber die Gegenwart dei^t; 
er eraählt meist nach geschriebener. Öfter aber anoh aus 
mllndlieher Ueberlieferung. Das Ausmass und die Auswahl 
des Qebrachten richtet sich bei ihm nicht nach dem Umfange 
dessen, was die kritische Forschung als thutsächMch oder doch 
wahrscheinlich geschehen anerkannt, sondern nach dem Grade, 
in dem es seiner patriotisch czechischen Gesinnung entsprach, 
seiner Tendenz dienen konnte; er will dem Volke vor die Seele 
ftlhren, was es in der Hochschätznng eigener Art und Herkunft, 
Heimat und Sprache, von Vaterland und Reich, bestärken, in 
der Abweisung und Abwehr all dessen, was ihm gegnerisch 
war, fürdern konnte. Solcher TendcTiz entspricht vor allem 
die Auswahl des Stoffes, den er als Zeitgenosse niittheilt, und 
sie beherrscht den Autor sosehr, dass er darüber häufig jeder 
Billigkeit gegen den Feind vergisst nnd seine Darstellung sich 
dem Pamphlet nähert. 

In den früheren Partien ist Dalimils ,Buch von den Werken 
und Tagen der alten Czechen', wie man es nennen könnte, 
leider aafe übelste beeinflosst durch des Verfassers durchaus 
uigenflgende Qncllenkenntnis oder doch Quellenauswahl. 
Abgesehen etwa von der «weiten Opatowitzer Chronik und 
dem Ftondocbristann ward ihm erweidich keine Qeschichts- 
quelle im engeren Sinne sur directen Fundgrube für sein 
ThatsachenmMerial. Für die älteste Zeit hielt er sich an eine 
Chronik mit breiten Ausführungen der altnationalen Sagenstoffe, 
die jfinger als Gosmas war, awar dessen genealogische Details 
▼erwertete, aber auch durch ganx sagenhafte Zusätee wesentlich 
f erKhlechtorte. Sein Werk bleibt darin wenigstens von literar^ 

ifcUt. XCf, Bm4. I. nUfle. 8 



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U4 



historischem liiteree&e, während dv.r ^eschlchtliclH* Wert gleich 
Nnll ist. Seit Resrinn des 19. .Tahrliunderts entbehrte D., scheint 
es, auch der Fiihriin«; iliestT Chronik, die er hei einem alten 
Priester in Bunzlau gefunden, und geht ihm der Faden der 
Geschichte meist ganz verloren, so sehr, dass auch seine Herzogs- 
( Königs-) und Bischofsrethe ganz verwirrt und fehlerhaft wird. 
An ihre Stolle treten Namen- und Wappensagen und romantisch' 
tendenziöse Fabeleien, endlich die Erzeugnisse volksthttmlieher 
TT udition. Ist letztere nur dann für den Foi*seher von grosserem 
Werte, wenn sie der jüngeren Vergangenheit angehört und von 
bcgUubigten Zeugnissen gestatzt erscheint, so kommt jener 
überhaupt eine allgemeingesehichtUclie Bedeutung nicht au. 
Das hindert aber natttrlich nicht, dass in ihnen mehrfach zu- 
treffende Ueberlieferung aur Geltung kommt und DaKmil sich 
hier verläsalicher zeigt ala in seiner Darstellung rein historischer 
ZustiUide und Ereignisse. Das Interesse der böhmischen Edlen 
war ja in jenen Tagen in hohem Qrade diesen Dingen zuge- 
wendet. Solches bezeugt Dalimil selbst und mit ihm die Rönigs- 
saaler Chronik und das zweite (verlorene) Zeitbuch von 
Opatowits, das sich Uber die böhmische Gesandtschaft zur 
deutschen Königswahl 1357 darüber nicht minder ausführlich 
vernehmen lässt (s. Neplach, 1. c), als unser Dalimil. Oder sollte 
vielleicht eben diese leider niclit mehr vorhandene Chronik 
von Opatowitz bezUi^iiche weitere Aufzeichnungen über den 
Ursprung von Namen uiul Wappen der böhmischen und 
mährischen Adelsgeschleehter besessen und so in weiterem 
Umfange Dalimils Quelle gewesen sein? Gewiss ist solches 
mehr als leere Möglichkeit, sowie wir ja überlmupt nicht 
zweifeln dürfen, dass sich Dalimil für seine Wappf n^aeren auf 
geschriebene Meldungen stützte. Und wenigstens Ix i > in igen 
der Nnmendentunp:s- und Grdndungssagen mag ein solches 
nicht minder der Fall gewesen sein. 

Es sind, von der illtesten Zeit abgesehen, nachfolgende 
Sagenstoffe von l'^alimil bewahrt: über die Gründung von Wla- 
stislaw (Wadisiaw Ixi Trebnitz, Cap. XVII), Klepy (Hasen- 
bui^, CSap. XXTT ), .lungbunzlau (Nimburg? Cap. XXXI, auch 
bei Cosmas I), < )ldrieli Itn Bydschower Kreis (Cap. XXXV), 
Pfraumberg (Cap. XXXVIII ff.), Jaromir (Jaromer, Gap. XLVU), 
Zderas (Cap. LH), Sadska (Cap. LIX), St. Johann auf der 
Wallstatt (Na bojifiti, Cap. LXVm, LXXII, LXXIV; vgl. auch 



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115 



schon Cap. X), KauHm (Cap. LXXVU); die Wappeusaf^eii 
über den böhmischen Adler im Feuer (Cap. XLII), das Kreuz 
auf dem 8eliilde von Ungarn (Cap. LI), die Wappen derer von 
Podicbrad (Cap. XLVII), Rosenberg (LV'III), üuzovic (Bosko- 
witz, Cap. LX), JufikB. des Stanow Sohn (Cap. LXIT), zweier 
ung^enanntcr mährischer und eines böhmischen Geschlechtes 
i(Jap. fvXXIII;, Chwals von Konow (Cap. LXXIV), derer von 
Lomnitz (Cap. LXXXII), derer von Nachod und Gabel 
^Cap. LXXXVIIl), ferner über die Entstehung des Judenhutes 
(Cap. l^XXXVir)^ die OrttnduDg der ApoUinariflkirche auf der 
jetzigen Neustadt Prags u. s. w. Solche Meldungen vermögen 
denn anch den Historiker mit dem Erzähler Dalimil einiger- 
massen «u versöhnen, sowie eine Reihe von Aussprüchen, aus 
denen sich Erfahrungi Lebensweisheit^ der Sinn fUr das bleibende 
und Bedeutende gegenüber dem, was das Leben Unscheinbares 
und Nichtiges bringt, erkennen läss^ uns einigermassen ttber 
den nationalen Fanatismos nnd blinden Dentschenhass Dalimils 
hinweg hilft. Aber nur zum Theilel Liegt doch Dalimil 
— freilich nach der ganzen Tendenz seines WedEcs — alles 
fernab, was ihm das vielfiUtige Qate, das deatscher Einflnss in 
geistiger nnd materieller Hinsicht in Böhmen zeitigte, hAtte in 
den Gesichtskreis rücken können; hat er doch allein Sinn nnd 
Empfindung tOi das, was aus der Fremde Uebles kam oder 
doch nach den Bildern seiner erhitzten Phantasie gekommen 
sein sollte 1 



5. FersOnllclies Aber BalimlL 

,Wer eigentlich der Verfasser der einst vielgeleseneii und 
vielbesprochenen Chronik in bdhmisehen Reimen (sie), welche 
jetzt Dalimils Namen trügt, gewesen sei, und wie sein Name 
gelautet habe, iässt sich nicht ausnintchi' (s. Palacky, Wür- 
dii,^ung 98). Kbendort lesen wir, wii' sehr die Identitiit unseres 
Chronisten mit dem Altbunzlauer Domiierrn Dalimil von Meziriß, 
den der lügenhafte Hajek unter seinen Gewährsmännern anführt, 
zweifelhaft ist trotz Dobners uachdrückheher Vertheidi<::ung 
dieser Meldung. Noch weniger ist Dalimil, wie Dobrowsky 
nachwies, mit jenem Altbunzlauer Geistlichen zu verwechseln, 
auf den ja die ,Chronik' selbst in der Einleitung als auf ihre 
Hanp(i|aelle sieh beruflU Dobrowsky hielt unseren Verfasser 



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116 

— er möge nach wie vor der Kurze iuilber Daliiull <r« namit 
bleiben — fiir einen jböhmischen Dichter, der vermuthiieh um 
Bewirtung und Sold auf der Burg eines Herrn (etwa Wilhelms 
von Hasenburg) die Tbaten seiner Vorväter in Reime brachte'; 
Palacky fUr einen seiner Zeit ansehnlichen böhmischen 
Ritter', der eher im Bunzlauer oder KftuHmer Kreise einheimisch 
war, J. Jiredek, dem sich O. Lorenz anschliesst^ fiir einen 
Spross des alten Ocsehiechtcs der Hronowitze und MitgUed 
dos Johanniterordens.^ Es liegt letztci cr Meinung offenbar die 
Beobachtung zngnmde, dass Dalimil dem geistlichen Stande 
angehorte (s. auch Teige I, c), und es sollte wohl mit solcher 
Palackys Anschauung betreffs der ritterlicher Abkunft des 
Chronisten in Einklang gebracht werden. 

Leider sind wir nicht in der Lage, gleich Jire^k die 
von Palacky ftlr Daltoiils Zugehörigkeit smm Ritterstande geltend 
gemachten QrQnde anaunehmen. Gewiss hat Dalimil, wie Pa^ 
lacky ausführt, dem Adel sein besonderes Interesse augewendet^ 
dessen Wappensagen beachtet, die E«mbleme geschildert, ihn 
gegen das Burgerthmn in seine besondere Obhut genommen« 
Aber man darf nicht vergessen, dass der Adel damals das 
eigentliche politische Volk von Böhmen war und Dalimil von 
ihm allein die Durchführung seiner Anregungen und Wünsche 
erwarten konnte. EHe Wappensagen lieferten Dalimil eine 
Reihe hübscher Erzählunfren, wie sie der Zweck seines Werkes 
forderte; dieStelluuf^nahuie gegen die deutschen Städter entsprach 
noch vielmehr der antideutschen Tendenz Dalimils als irgend- 
welchen adeligen Standesint' ressen. So fallen Palacky s Argu- 
mente in sich selbst zusHTiinu n,^ ja noch mehr! A\ ird man 
von einem Manne wie Daiimii, der so blind hasst und alles 
durch die Brille des einscitijrsten nationalen Fanatismus ansieht, 
der nie ein Auge hat für all das Gute und Erspriessliche, das 
aus der Thätigkeit Fremdgeborener, ob geistlich ob weltlich, 
dem Lande Böhmen erwuchs, von ,r itterlichem Geiste, der 
durch das Werk geht*, reden dürfen? Zeigt sich nicht vielmehr 
überall, wo nur irgend ein Anlass da ist, hässliche Verketzerongs- 
sucht? Auch das trifft nicht zu, dass Dalimil die Bauern (ehlapi) 
durchwegs wegwerfend behandelt. Was sagt doch bei ihm 
Herzog Ulrich, nachdem er die Bo2ena gefreit: 

' ISnleitung p. X. 

* Vgl. aaeh W. Tolaeher in Stolnmeyn Zettaebr, f. deutsefaea Altarth. V, 849. 



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U7 



licrrin. ir suIHt horin: 
ffar ansichtig vrown vz den jjauwerinn wem! 
l)y f,'ebnren nemen der virnemen tochtir, 
dy machtent vor alten richtiim odil drotir 
vnd oft straft dy armnt dy geijursehf edelkeitl 
"Wir sin al komcn von cinein vatir her: 
der nennt sich cdil, der vü silbirB hat, 
dy cdil mit der gebarisheit gemisschit stat 
Sccht darum min wib Bozena! 
Vil mer wil ich lacliin da 
mit einer bemischin puorin, 
wenn eines fremden koniges tochtir gewin.' 

Wie hoch stellt Dalimil auch den ,Ackcrsraann* Pfninysl, 
den Ahnherrn de«? Fürstenhauses in Böhmen I Bcsass DaHmil 
wirklich solclic Anschauungen tlber die Bauern und den Adel, 
die ihm Palacky beilegt, so hätte auch der blindeste Deutschen- 
hass, der ja hier wieder mitspielt, ihn nicht verleiten könneOi 
Bauer und Edelmann im Grunde gleichzustellen und solches 
aber Ursprung und Geltung beider Stände zu sagen. Zu be* 
achten ist dabei auch, dass Dalimil so gar nichts von dem 
zu ersfthlen weiss, was er etwa selbst an Kämpfen und Fahrten 
mitgemacht hat, wie das doch bei einem Manne von so ent- 
schiedenem Interesse fUr diese Dinge su erwarten wJbre, und 
bei einem Angehörigen ritterliehen Standes zu jener Zeit, auch 
wenn er Ordensritter war, nicht ausbleiben konnte. Er spricht 
aber nur davon, dass er fZugeschaut* habe, wie man stritt und 
schlug, was keineswegs dem Edelmanne, wohl aber dem 
Geistlichen ziemte. 

Als letzteren gibt er sich auch sonst mehrfach zu er- 
kennen. Man beachte nur, welche Kolle die Heiligen in seinem 
Werke spielen, nicht bloss St. Ludmila, Prokop, Wenzel und 
Adalbert, sondern auch St. Johann der Täufer, St. Michael und 
Apoliinar und die sonst fast unbekannte sei. Pfibislawa, Mlada 
und Zdislawa, weicli letztere fünf Todte zum Lehen erweckte 
und viele Blinde heilte. Sowie Gottes Engel an der Seite 
St. Wenzels schreiten, so greifen er, der heil. Adalbert, aber 
auch St. Prokop und St. Johann der Täufer wiederholt in die 
Oosehicke Böhmens ein. St. Johann rettet Jaromir vor den 
Pfeilen der Wrschowetse, und St. ApoUinar entführt Bofiwoj Ii, 



* 



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aus dem Mailaiuler (icl.iii^^iiisse in ciiiein Augenblicke u.idi 
Sadska in Böhint n (Cap. XLIX, Vj2fl. auch LXIin, St. Johann den 
<refnnt^enen Ulrich aus Polen nacli der von ihm geuanuten 
Burg; da wie dort hezeug-eii Kirehenbanton. wie sehr man in 
Dankbarkeit die Hilfe der Heiligen anerkannte (Cap. XXXV). 
Vom heil, Wenzel wird eine Reihe von Wundern an^efuhn 
(Cap. XXXI). 8t. Adalberts Leielinam in Gnc^r-n lusst sieh 
erst erheben, nachdem die Böhmen durch drei Tage Busse 
gethan (Cap. XLHI; vgl. Cosmas II, 3); Adalbert mahnt auch 
Bretislaw II., sich vor seinem Vater König Wratislaw zu beugen 
(Cap. Lll), während der heil. Wenzel zu gleicher Zeit Prag in 
schirmender Pland hält Daliniil beacbtet, dass die Niederlage 
auf dem Marchfelde .am Freitag, dem Tage des heil. Rufus', 
geschah, ,ten swaty raueeniiik jefpt veliky svätek*.' Hoch hält 
er auch die Reliquien in Ehren: die Hand des heil. Veit ist 
das kostbarste Kleinod, das 8t. Wenzel im Sobatse Kaiser 
Heinriobs zu finden weiss. Nacb der Einnahme von Hailand 
belobnt der Kaiser den Bobmenkönig, indem er ihm die Wabl 
lässt zwiscben den Leibern der beil. drei Könige, die in der 
eroberten Stadt liegen, und der KOnigskrone. Unter der Beute 
▼on Kroissenbrunn gewinnt Herr Borsso von Riesenburg den 
Finger des beil. Johannes des Täufers, der zum Scbaustilcke 
des Stiftes Ossegg wurde. 

Viel^tig auch erkennt Dalimil den Willen Gottes in den 
Geschicken der Mensehen. Boleslaw II. gelingt alles wohl, 
weil er eifrig Gott dient (Cap. XXXII, V. 52—53). Den Herzog 
Jaromir rettet seine Frömmigkeit wie Boriwoj die Einkehr in 
sich selbst, rfcmysl I. wird gestraft, weil er die Seinen miss- 
achtet, und wieder erlioben, sowie er seine Siinde erkennt und 
Busse gethan hat. (?tibor, der Schlaukopf, der in seinem Hoch- 
muthe sieh verniass. (ilott zu missnehten, endet unter Henkers- 
hand. Und der Herr straft selbst an den Kindern noch die Sünden 
der Väter, wie nach Dalimil der frühe Hingang Rudolfs von 
Ocsteneieli, des Sohnes König Albrechts I., erweisen soll. Au<'h 
zeige sieb darin, zu Koni«: Wenzels I, Zeit, die grosse Aendenmg 
im Lande, dass jetzt die Herren, die früher sciljst im Feindes- 
lande das Heilige schonten, jetzt in der lieiniat gelegentlich 
die Verwüstung des Seelgerttths nicht scheuen. Echt priesterlich 

> C«p. XCII, V. 69—70. 



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119 



wendet sich der Dichter um Schlüsse an Gott den Herrn: er 
möge den K(hug erleuchten nnd die Herren anleiten, zu thun, 
was er ihnen zum besten des Vaterlandes gerafhen habe. 

Wenn Dalimil, von seinen nationalen Empfindungen abge- 
sehen, sich vielfach über die Enge des alltäglichen Lebens erhebt 
und aus seiner Betrachtunpf und Erkenntnis der Dinge heraus 
lehrend und uialinend zu len Lesern sprieht, so werden wir 
auch da iiiii liebsten an den Geistlichen denken, dem die Sorge 
um das <::^c istige Wohl anderer, unter Zui'Uckstelluug seiner 
Pei*tiualiehkeit, Pflicht geworden ist. 

Als seinen Aufenthalt läsät Daliniil sicher nur Prag er- 
kennen, wo er den Kämpfen 1281 zu^^esehen liat. Das» er in 
Bunzlau gewesen, wo er die eine Chronik sah, ^'ibt er selbst 
an; ein gleiches gilt wohl von Opntowitz, Aber aiif^li das ist 
nach dem ganzen Tenor seines Werkes sehr wohl glaubiieh, dass 
er Beziehungen zu verschiedenen Mitgliedern des böhmischen 
Adels, wie im Nordosten, so im Nordwesten des Landes (Hasen- 
buigCi Reisenburge, Bilin) besessen hat, und wohl mdglichy dass 
er gelegentlich auch in diesen Gegenden weihe. 

Somit wird, während wir in einer Hinsicht die An- 
schauungen Palackys verwci-feu mUssen, in anderer der Aus- 
spruch Dobrowskys Uber die Persönlichkeit unseres Daiimil 
wieder zu Ehren kommen. Noch mehr aber mussten sich, und 
gerade in den wichtigsten Punkten, unsere Aufstellungen von 
bdden entfernen.^ 

> In Besag anf die deutadieii Beurbeitiingen Dalimils mOelite ich ausser 
«nf dss Arolitv für slavische Philologie und die oben geunnuttm Noti/en 

Teiges, Germania, C.'ip. XXVIIl u. XXIX, anf Mitth. des Vereines für 
Gescbicht^- der Deutschen in Bohnien, Vh\k XIV, '29b ff. u. XVI, 4yü'. 
(Lo»erth j und uucbmaia aul die zutreffenden Bemerkungen VV. Toischer», 
Zeit«chr. für das Älterthum V, 849—367, venreia«ii. 



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BAIKISOÜ-FKANZÖSISGÜE EINFALL 

IN 

OBEK- UND NIBDBR-ÖSTEKRBICH 

(1741) 

UND DIB STÄNDE D£E SBZHERZOälHÜMER. 

IL THEIL: 
XU&FOBSI JURI. ALBKECHT IN NUfiSB-ÜSTESttElCE 

TOR 

D* J. äGHW£RDF£Q£a 



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Vorwort. 



Wie beim ersten, im , Archiv für Österreichische Geschichte' 
(Bd. 87, n. Hälfte, S. 310ff. und sep,) abgedmckten Theile dieser 
Monographie fkher den bairisch-fransösisohen Einfall in Ober 
und Kiederdeterreich; (hauptaftohlich in seiner Einwirkung auf 
die Stftnde betrachtet) bot auch hier wieder das k. u. k. Haus-, 
Hof- und StaatsarchiY in Wien manches Erwünschte in seinen 
Kriegsacten, Facs. 341 — 367. So aus der Correspondenz des 
Feldmarschalls Grafen Khevenhttller mit dem Fürsten Lobke- 
witz etc. Die Copien einer anonymen Gesandtenrelation vom 
Wiener Hofe aus dem kritischen Jahre 1741 gewährten raanclies 
verwendbare Detail. Doch war dies alles, so interessant und 
erfreulich es auch dem Bearbeiter schien, nur Beiwerk. 

Die Hauptsache des Themas schöpfte er aus zwei mäch- 
tigen Actenstössen des niederösterreiehischen Landesarchivs, 
,Landesdefension vora Jahre 1741' überschrieben. Diese er- 
möghchten einen voHständiöfen UeberbHck betrelis des Wirkens 
der niederösterreiehischen Stände in jener Invasionszeit. 

Von Nutzen waren dem Verfasser auch die wenig be- 
kannten Aufzeichnungen eines gebildeten Zeitgenossen, der, 
mitten im Franzosenlager verkehrend^ zum Theile in der 
nächsten Nahe des Kurfürsten, sich als unterrichteter und 
lebhafter Berichterstatter erweist. Es ist dies der St. Pöltner 
Chorherr und Pfarrer von Gräfendorf, Aquilin Josef Hacker 
(f 1764). Dem Unterzeichneten war es gegönnt, in seiner 
Vatentadt St. Polten Ende 1B99 den IX. Band des Hacker'schen 
Mannscripts einzusehen und au excerpieren. 

Manches andere Stttek auch, aumal im niederösterreiehischen 
Landesarchiv, liess den Ver&sser der Versuchung nicht wider* 
stehen, seine Arbeit, mehr ab dies im ersten Theile geschehen, 



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124 



xa einer Oeeammtdantellang des Zuges Karl AlbrechU nach 
NiederOsterreich aussaweiten. 

Allen Herren, die ihn bei seiner Arbeit nnterstfltoten, sei 
der im Vorwerte zum ersten Tbeile abgestattete Dank wiederholt 

Als besten Gewinn seiner Abhandlang sieht der Autor 
die Darlegung der bislang nocli nirgends gewürdigten, ja niclit 
einmal bokanntta ausseronlentlichen Opfer des Staramlaiidcs 
der Monnri'liie fUr die Sache der jungen Königin in jener Zeit 
grösster Bedrängnis an, Leistnnr^'en, dargebracht ohne je^^lit lies 
Pathos, oliiic politische irintcrpjedank'^n: iMaria Theresia chaiak 
terisiert sie als ihren ,fast alleinigen Trost* in diesen Trub- 
salen. Somit bildet da« Wirken der iiiedcröstent ichischen 
LandseVinft und ihrer ( Irjrane eine riiliinliciie Aiisnalniu- in 
dieser für die Monarchin an Enttäuschungen so reichen Zeit. 

Andererseits liefern die Ereignisse des Jahres 1741 den 
Beweis, wie abhängig die Regierung noch Schritt für Schritt 
▼on den Ständen war. Gerade deshalb begreift man, dass in 
einer so kraftvollen Persönlichkeit wie Maria Theresia der 
Gedanke entstehen musste, dem Staate ihre nenen, strafferen 
Ordnungen an geben^ wie sie in den Gmndztigen fortbestehen 
blieben. 

TroppaUi 18. August 1901. 



Br. Josef Scliweidfeger. 



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I. Capitei, 



Karl Albreehts YoniiArseli hi» HU POlten, 

Wohlstaud uiid Kun>tblüte des Stammlandes im Zusiimmeuhange mit dorn 
territorialen Höbepunkto des Gdfi<%uimtataate8 unter Karl Vi. Laugnamkeit 
det Vormarsches der InTasionsarmee. Laubeit Karl Albrecbts. KlügUcber 
Zustand Wiens. StiadUebe Masanahmea beim Naben des Feindea. 
Harter Draek der Framoeen airf die beietalen Landettbeile. M^tloaigbtit 
des Karfarsten. Dax Lager in Ybbs. ErBt> s ^'orrackea naeb Helk und 
8t Pollen. Gefecht bei Kohr. Der Kurfürst tu Melk. Vormarscb der Haupt» 
«rmee nach St Pdlten, der Baiem nach Mautem. 

Am (). October 174! hatte Ruriürst Karl Albrecht Linz 
verlassen, um sich zur französiseh-bairischen Armee zu begeben. 
Diese stand schon seit einigen Tagen auf niederösterreichischem 
Boden. Am 1. October hatte der Uebergaog über die Enns 
begonnen, streifte die Vorhut der Franzosen schon bis Ybbs, 
nickt ohne gelegentliche Scharmützel mit den ungariBchen 
Husaren und den Dragonern der Regimenter Savoyen und 
Khevenbttller. 

Mit den Linzer Huldigungsfestlichkeiten vom 2. October 
1741 wSren eigentlich Karl Albrechts Ziele für OberQsteireioh 
TdUig erreiebt gewesen; dennoch blieb er noch drei Tage 
sweeklos in lina, obwohl anch seine Armee bereits eine Woche 
m der oberOsterreichischen Hauptstadt, eine weitere in Enns 
▼eraettelt hatten fUr die Sache der jungen Kdnigin Maria 
Theresia nnd das ad» änsserste durch die Belagerungsge&hi' 
verwirrte Wien ein anendlicher Glewinn. Der Kurfürst selbst 
fühlt das Bedttrfius, wenigstens diesen letalen Aufenthalt zu 
rechtfertigen, und bemerkt im Tagebuche, WasseigOsse seien 
der Grund der Verzögerung gewesen. Endlich, am 6. October, 
wie bemerkt, erfolgte der Aufbrach des KurfUrsten. Escortiert 
von der französischen Cavalleriedivision Segur, langte Karl 
Albrecht ^ur Mittagstafel in Enub uii; ^00 bairiöche Dragoner 



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120 



geleiteten ihn hierauf Uber die Gfrenze, und am Abend dieses 
Tages schlug er in Strengberg anf einer Besitaung des Abtes tod 
Tegernsee sein erstes Nachtquartier anf niederOsteneidiiBchem 
Boden anf. 

£s war ein r^ehes Land, das der Priltendent betrat. Ab 
ein wahrhaft medieeisehes Zeitalter mnss fUr Oesterreich unter 

der Enns die Regierung Kaiser Karls VI. bezeichnet werden. 
Der Ausgang des spanischen Erbfol^ekrieges ebenso wie der 
Passarowitzer Frieden und dio Quadnipclallianz hatten einen 
territorialen Höhepunkt Oesterreichs liervoi'gebracht. Weite 
(ilcbietc, zum Thcile Hltestes europilischcs (Mlturland, die Lom- 
bardei, das Königreich Neapel, die spanischen Niederlande, das 
Banat, wertvolle Theilc der TJalkanhalbinsel, endlich die Insel 
Sicilien waren der hal>.--burgischen Hausraaeht, die zudem 
damals noch (bis «j-nn7;e reiche Schlesien und die wichtitren 
vorderöBterreichischen Lande in sich schloss, angegliedert 
worden, Kaiser Karl VI. l)eherrschte in den Jahren 1718 bis 
173Ö ein Reich, das wohl mit dem seines Namensvetters Karls V. 
in einigen Vergleich gezogen werden kann. Zumal dem Stamm- 
lande Oesterreich unter der Enns kam diese schon durch ihre 
Masse imposante MaehtfUlIe zngate. Eine bisher noch viel zn 
wenig gewürdigte KnnstblUte entstand. Nicht nur die Haupt* 
Stadt mit den Bauten der Fischer von Erlach und Lucas 
T. Hildebrands, den Fresken Daniel le Grans, den Bildwerken 
Raphael Donners kommt hier in Betracht, sondern auch das 
Land selbst. Als die beste VerkOrpemng des reichen und 
prächtigen Strebens jener Zeiten mag nns der imposante Keubau 
des Melker Stiftes nach den Plttnen des genialen St. FOltner 
jManrermeisters' Jakob Prandaner (f 1726) erscheinen, ein 
Bauwerk, dessen Grösse, Wucht und Glanz selbst dem fittch* 
tigen Beschauer unTergessllch ist, Uber dessen Lage und 
Schönheit sich auch ein so ktthier Beobachter wie Napoleon 
1805 entsttckt zeigte. Eben war auch (1740), gleichfalls 
nach den Plänen Meister Prandauei-s, der Bau des Ohor^ 
herrenstiftes Herzogenburg zn Ende geführt worden, in der 
jViertelshauptstadt' St. Pölten förderte der regsame Propst 
Führer Baukunst, Malerei und Kunstgewerbe fast bis zum 
finanziellen Ruin seines Stiftes. Rastlos thätig, namentlich 
im Viertel ob dem Wicncrwalde, waren die beiden Alto- 
monte. 



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127 



Was an iStilteru und Ad eissitzen iu stolzem Barock bau auf 
das Land hemiedersah, gab Zeugnis von dem Wohlstaude der 
Herrschaften, wohl auch der Untcrthanen. Seit 1683, von 
kleinen Kurutzeneinfällen um 1708 in den östlichsten Lnndcs- 
theii abgesehen, hatte Niederösterreich keinen Feind erbhekt. Der 
spanische Erbfolgekrieo: und die Türkenkriege Karls VI., wenn 
sie aach gewaltige Anforderangen an die Stenerkraft des Landes 
stellteDi waren in der Feme ausgefochten worden; fast 60 Friedens- 
jahre waren dem Stammlande, zumal dem Viertel ob dem Wiener* 
waldc, das die Franzosen jetzt zunächst betraten, gat bekommen. 

Das positivste Zeugnis hiefUr ist die ungeheure Lieferung; 
welche der französische Generalintendant Sechelles für das ge« 
nannte Viertel ausschrieb.^ 6000 Gentner Weizen, 3000 Centner 
Koro, 75.000 Hetzen Hafer, 600.000 Bund Heu, 300.000 Bond 
Stroh, 1000 Ochsen und 200.000 fl. Bargeld, spätestens binnen 
14 Tagen! Dieser ersten grossen Ausschreibung folgten bald 
noch ärgere, selbst im armen Waldviertel. 

Nur zu begründet war somit die bange Sorge gewesen, 
mit der man in NiederOsterreich dem Einmärsche der Franzosen 
entgegengesehen hatte. Dem Zeitgeschmacke entsprechend, 
wurden allerlei Vorzeichen ,portenta non obscura et rulgaria' 
selbst Yon OebÜdeten berichtet und geglaubt. Die alte, auch 
Ton den Franzosen nachmals so trefflich befundene Kaiser- 
strasse von Melk nach St. Pölten soll lange zuvor nächtlicher- 
weile, trotz heiterem Himmel, in rotliem Lichte er*rhinzt sein, 
geheimuiö volles WaÖ\ ngeklin , i'aukenton und Stimmengewirr will 
gehört worden sein, Erzählungen, welche das allgemeine Bangen 
im Volke vor einer feindlichen Invasion zum Ausdrucke brachten.^ 

• jFeldtlaf^er zu Ybb», <len 15. Oct. 1741, 8r. ExcüUen/, Gonerai-lnteiifl^nt. 
de Schelle (!) bat für das Viertel o. W. W. aufige^ch rieben etc.' K. u. k. 
Haus-, Hofo und StaatsarcbiTv Kriegsacten, Fac«. 343. Binlieferaogiortie 
lllr ä9a La&ditrioh swiicheii Boni und BrUuf waren WallMe und Tbba. 

* H un d achriftlifihe AnÜMtehnongmi des Poltaer CÜiorfaerrn nnd Pftmni 
ca Ober GrafendiWrf, Aquilin Josof v, Hacker, Eijreiithuin des Pfarrarchiv» 
Grafendorf, Bd. IX, »Appendix de hello Bav.irico', Cap. I, ,de belli Havarici 
Initinm'. A. v. ILn-kor 'f 176-1) war mit dem niedpr5sterreichischen 
Viertelä-UntercoiBmi.«sMr Jakob WeinharUt von ThUrburg verwaudt. Beide 
werden uns noch an maDchen Stellen vorli^ender Arbeit begegnen. 
U«ber Hacker vgl. Fahmgruber, ^na St PSlten 1885*, & 847 und 
St BIomaiMr, J. Haokari ein Qeo|;raph daa 1& Jahrh.* 21. Jahrea- 
beritlit dea n.'0. Landaa-LehrorMminara in St Polten. 



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128 



Noch nach der Besetzung von Linz, Mitte Septomber 1741, 
hatte man sich indes der Hoffnung hingegeben, Karl Albrecht 
werde die Strasse über Freistadt nach Böhmen einschlagen, 
die Wolke eines feindlichen Einbruches somit an Niederösterreich 
vorllber/iehpn Wirklich war dies der iirsprUnj^liche mit Marschai! 
Belleisle verabredete Kriegsplan des Kurflirsten gewesen. Doch 
schon am 24. September berichtete der ständische Obercommissär 
des Vierteis ob dem Manhartsberge, Franz Friedrich Graf Engl, 
dem Verordnetencollegium von Niederdsterreich, er habe sichere 
Nachricht, dass im feindlichen Lager von einem Marsche nach 
Böhmen nicht die Rede sei, die Artillerie stehe auf Flössen 
und Schiffen zu Mauthausen, , mithin schon vier Meilen Weg 
hernnter von der böhmiBchen StI*as8en^ Die Franeosen fragten 
Aach nur, ,wie weit es noch auf Wien seie^* 

Am 80. September beriehteke derselbe Viertels-Obereom- 
mBBSar, dasB nach den Nachrichten seiner Kundschafter kein 
Mann der feindlichen Armee nach fMstadt manchtere, ,viel- 
mehr das einsige Absehen naeher Wien gerichtet seie^' Wirklich 
Überschritten am 1. Oetober die Franzosen und Baiem, etwa 
80.000 Mann stark, die Enns, und wenn auch die Hauptarmee 
gleich wieder bei Erla bis 3. Oetober stehen blieb und nur 
einzelne Detachements bis Tbbs und Waidhofen an der Ybbs 
TorstieBsen,* der Einmarsch in KiederOsterreich war eine That- 
Sache geworden. Niemand zweifelte, dass es auf Wien abge- 
sehen sei. 

Und dennoch war dieser Gedanke, der in Oesterreich 
allseits Bestürzung erregte und in der Residenz ein Flüchten 
hervorrief, wie es kaum im Pestjahre 1679 und anno 1683 
vorgekommen war, keineswecfs in der Seele des Kurfürsten 
der herrschende, selbst als er persönlich bei der Armee eintraf 
und, wenigöteus dem Namen nach, das Obercommando tiber- 

* Berieht dM Giafcn Engl, SefaioM Mfitalbaek, 84. September 1741. K.-O. 
La&aMarehiT, »Liaddateloit vom Jahn 1741*. Vgl. BoQiige TIH 

znm ersten Theile vorliegender Arb«it im Arahhr fttr OllMrr. GtiMhidite» 

Bfl. LXXXVTI, II. HKlfte, S. 431 ff. 
' Graf Engl an die ständUchen Verordneten, Krema, 30. September 1741, 
n.-{5. Lande&archiv. 

* Oesterrelchischer Erbfolgekrieg, bearbeitet in der kriegsgescbichtl. Ab- 
thcUimg a«6 k. n. k. Kriegsarchiti, Bd. IV, 1900, S. 147. AI» die 
Afmeo bei Tb!» mdlieh «omplet war, betrag lie 30 BatalUone Infiuitorie 
und 66 Eflcadroaen Gktallerie. Dto Artillefi« war tebwach; ebend. B. 149, 



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129 



nommen hatte. Schon die ganz angUubliche Langsamkeit des 
Vonnanches Itat das Schwanken der Entschlttsse Karl Albrechts 
eikennen. Noch am 15. October frtth stand die Hauptacmee 
in Ybbs, einen halben Monat nach dem Einmärsche! 

Karl Albrecht hJUte allenfalls schon mit Leichtigkeit an 
der angarischen Qrenze sein können, statt wenige Kilometer 
▼OB der Enns entfernt. Uan begreift, wamm der Knrfllrst, 
wie er in seinem Tagebnehe gesteht^ -von seinem Verbündeten, 
dem Könige Friedrich II. von Prenssen, aafs äusserste gedrängt 
nnd fast gescholten wurde, weil er sich noch nicht in den 
\uraLadteu von Wien, wo ihn Friedrich iäugsL vcrmuthete, 
befand. * 

Uebcrhaupt war König Friedrich hei dem Einfalle in die 
Ii^zherzogtLümer der spiritue reetor des schwacheo Kurfürsten; 
seit Juni 1741 arbeitete er unausgesetzt, theils durch directe 
brietiiche Rathsehliige, theiis durch seinen Specialgesandten, den 
Grafen Schnieiiau, daran, Karl Albrecht möge den mtsch eidenden 
Vorstosö gegen Wien, das er als ,1a raeine k l'arbre autrichien* 
bezeichnet, unternehmen.* Ein gefiihrlicherer und vernichten- 
derer Rathschlag hätte unter den gegebenen Umständen kaum 
ertheilt werden können. Zum Glück für die junge nner- 
sdirockene Königin Maria Theresia, die fast allein in der 
allgemeinen Bedrängnis den Math nicht verlor, war der Kurfürst 
kein Mann schneller Entschlüsse und gieng mit der erwähnten 
iOBsersien Langsamkeit zu Werke, immer noch Böhmen und 
Ptsg nach dem Wunsche der Franzosen, die ihren Schützling 
Wehl ancb nicht an mftchtig werden lassen wollten, als Hanptaiel 
im Ange. ,A contre ccenr' und ,pour faire plaisir h ce roj et 
poor ne pas risqner, de perdre son amiti^',* trat er den Zug 
Dseh Niederöeteireich an, eine ,GefiÜligkeit' seinem nördlichen 
Verbandeten gegenüber, welche dem Lande durch Wochen 
fiel Jammer bringen sollte. 

Der fransitsisch-bairischen Annee stand für ein rasches 
Vorrlleken gegen Wien kanm ein namenswertes Hindernis im 
Wege. Per snnAehst stehende östenmchische Qeneral FAlfiy 

* K. Th. Heigel, Bss Tagebneh Kaiaer Karb YSL, Mflnchen 1888, 8. 23» 

* Oer (Werreichiuche Erbfolgekrieg, bearl ^tf•t in der kriegag-esrhichtl. Ab- 
teilung de« k. u. k. Kriegsarchivs, Bd. lY, S. 112, naeb der JPoliL C^nra- 
xpondenz' I, Nr. 414, 

* Heitel, Das Tagebuch Kaiser Karls Vil., Ö. 23. 

ArthiT. XCI. Baad. I. BilftS. 9 



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1^ 



verfügte nur über die zwei Dragonerregimenter Khevenhüllef 
und Bvrojea, sowie einige hundert Irreguläre. Die bei MoUwitz 
geschlagene Hauptannee unter Neipperg stand au der mährisch* 
schlesischen Grenze, durch den PreoBBenkönig gebunden. Auch 
im Falle, dasa sich die Kriegslage gegen Prenssen durch eine 
Convention geändert haben würde, (wie denn wirklieh bald 
der Vertrag von Kleinschnellendorf erfolgte) — Neipperg war 
bei seiner sattsam bekannten »methodisohen' Langsamkeit nicht 
der Mann, sehneU Rettung au bringen. Auch das ,Obser- 
vationscorps' unter Feldmarschall Fürst Lobkowita, das bei 
FÜseD stand, war gar sehr unsulltnglich.' Die Armee^ welche 
unter dem trefflichen Feldmarschall Ludwig Andreas Gk'afen 
KheTonhUller im Jänner und Februar 174S durch den kühnen 
Zug nach OberOsterreich und Baiera Maria Thereoa Bettung 
bringen sollte, war erst im Noyember und December 1741 in 
Bildung begr^en. 

Die Hauptstadt selbst war fortificatorisch einer Belagerung 
nicht gewachsen. Wien, ,die damals circa 170.000 Einwohner 
zählende Hauptstadt und Residenz der deutschen Kaiser aus 
dem Hause Habsburg', halte 1 ^ stungswerke, die wohl gross 
angeleg:t waren, sich aber in vollem Verfalle befanden. ,Die 
HaupUiiufassung, welche die jetzige innere Stadt umsciiloss, 
bestand aus zwölf, theil weise mit Cavalieren und stellenweise 
dreifachen Flanken vei'selienea Basteien, welche durch einen 
starken Wall, dem eilf Kavelins voi I.il:* n, vn iiUTidtin und von 
finem sehr i)reiten und tiefen, beiderseits gemauerten Graben 
uin;^^eben waren. Ausserhalb des Glacis lagen die mit Wall 
und Graben, den , Linien' umsclilossenen Vorstildte. 1 'ie Haupt- 
urofassung war in kläglichem Zustande; die Wälle grösstentheils 
mit Gik-ten, Häusern und Gebüschen bedeckt, der Graben an 
vielen Stellen eingesunken. Auch die meisten detachierten 
Werke waren in ebensolcher Verfassung und konnten selbe, 
laut Meldung des Festungsdirectors von Wien, auch durch 
3000 — 4000 Mann, die täglich arbeiten, nicht in awei Monaten 
in einen nur mittelmftssigen Stand gesetat werden. . . . Sonst 

' Die OrigiTmlinstniction Maria Theresian an Lobkowitz rom 2. Angust 
1741 ira k. u. k. Ilans-, Hof- und 8tRnt.«n.rchiv. KnegHacten, Fac*. 3<>f». 
Ueber die Zusammensetzung dieses Corps vgl. den ersten Theii vur- 
Hegender Arbeit in Arehiv fttr Oitefr. Oeediiebtet JSä. 87, II, Hilfle, 
8. 844 Q. 846. 



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181 



War das Erzherzogthum durch keine den Anforderungen der 
damaligen Fortification entsprechende Festung geschützt/^ 

Trots dieser ftir ihn und seine Ziele so günstigen, die 
wahrhaft verzweifelte Lage Maria Theresias grell illustneren* 
den VerhältnisBe, wollte Karl Albrecht anfangs überhaupt nur 
bis Ybbs vorrücken, wo er die Donau für einen Brückenwüilag 
behofs Gewinnung der nördlichen Strasse nach Böhmen ge- 
eignet hielt' Wahrscheinlich hatte ihm dies Schmettan, nm 
ihn nur flherhanpt zum Einmärsche in NiederOsterreich an be- 
wegen^ Toigespiegelt Als der KorfÜrst einsah^ wie schwierig 
dn BrUekenschiag hei Ybbs sein wfkrde^ entschloss er sich 
wohl weiter Tonnriloken, blieb aber vordeihand wieder eine 
Woche in diesem DonaustJtdtchen; die Armee, welche Übrigens 
erst hier complet wurde, weilte im ganaen nenn Tage in Ybbs. 
Freilich bekam Karl Albrecht während dieser Tsge angenehme 
Nachrichten ans Frankfurt in Angelegenh^ der Kaiserwahl 
nnd correspondierte eifrig mit Belleisle. 

Das Zaudern der feindlichen Armee in NiederfJsterreioh 
ist gewiss auch dem Umstände zuzuschreiben, dass Stände wie 
Bevölkerung nicht das mindeste Entgegenkommen, wie man 
es, wenigstens ständischerseits, von (^berösterreich her gewohnt 
war, zeigten. Gleichwie Karl Albrecht seinerzeit von der 
bairischen Grenze aus einen Troiriju.ter an die oberösterreichi- 
schen Stände mit einem Handsehreiben abgeschickt hatte, in 
dem er Unterwerfung, Anerkennung als Landesherr und Ab- 
sendung ständischer Deputierter an die Landcstrr*mze forderte, 
80 war auch jetzt noch von Linz an« am 5. üctober ein kur- 
fürstheher Trompeter an die Stande nach Wien abgeschickt 
worden,* nach einer Version, bloss um Absendung von Com- 
missären zu yeriangen, nach einer anderen mit der Aaffordemng 

* D«r ysterreichische Erbfolgökrieg, horausg. voa der krie^ii^t»chichtl. Ab- 
thelluug des k. u. k. KriegsArchivg^ Bd, l, S. 779. 

* Heigel, Ta^bneli Kaiier Kvla Ylt, 8. M. 

* Dm Handaehraibeii Karl Albreehti an dl« o.'0. Stlnde im «nton Thaile 

Torliegender Arbeit, Archiv fUr Osterr. GMehichte, Bd. 87, II. Hftlfte, 
Beilage IV, 8. 107. Ueber die hiednrch veranlasste Sendung des Herrn 
T. Willinger in das kurftirstliclie J.h^pt: ebend. S. 3G4 f. Wny die 
Sendung an die n. ö. Stände anbelangt, »o fand ich weder in den Acten 
des k. a. k. Hrub-, Hof* und Staato&rcbivs, nocb im n.-ö. Laudesarcbive 
•ine Brwllmang deiMlIwiu I«ii folge hlarin Th. Heigel, Der Mterr. 
BiMblgartreit und die Kaiserwahl Kiurla m, dar 8. 197 di«M Naebridit 

9* 



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132 



freiwilliger Unterwerfung. Jedenfalls scheiterte, zum Unter- 
schiede von den am 10. September mit den überüsterreichi- 
schcn ständischen Verordneten gepÜogenon Negociationen, diese 
Sendung vollstilndig. Der Bote kam gar nicht in die Herren- 
gasse ins Landhaus, sondern v, urd*' durcli die Festungswerke 
mit verbun(l( aen Augen zum StadtrinnuiaTKlanten Grafen Kheven- 
liüllcr geschickt, der ihn mit der inimdlichen Antwort, Wien 
werde der Königin die Treue niemals brechen, zu dem mittler- 
weile in Ybbs haltenden Kurfürsten zurückschickte. 

Die Stände waren vielmehr entschlossen, der Invaaiona^ 
armec jede mdgliehe Schwierigkeit zu bereiten. Schon am 
4. October ergieng ein Patent der ständischen Verordneten tax 
alle Verwalter, Pfleger, Wirtschafts beamte, Richter, Gesehworne 
imd Clemeinden, bei Tage das Heranziehen des Feinde« durch 
StnrmglockenUaten, des Nachts durch Kreidenfeuer anzuzeigen, 
,um sich vor dem annahenden Feinde seitUch za entfernend Jede 
Bewegnng des Feindes ist der k5nig]iehen Milis za hinter- 
bringend 

Auch waren die ständischen Verordneten darauf bedacht, 
den Franaoeen nnd Baiem die Verproviantienmg mttg^chst 
schwer au machen. Eine der diesbesllglichen Anordnungen, 
an den Freiherrn Job. Julius Christof Gilleiss, »snbstitnierter 
Obercommissarius für das Viertel ob dem Manhartsberg' ge- 
richtet, liegt noch Tor: ,Heu, Haber nnd Stroh soTiel möglich 
dem Feind ans den Augen au bringen nnd nach Möglichkeit 
demselben Abbruch an thun.^ Koch im KoTCmber sdireiben 
die Verordneten den vier Obercommissären : ^dieselben wollen 
allen Herrschaften und Unterthanen zu wissen machen, dass 
sie denen feindHchen ctwan vornehmenden Ausschreibungen 
auf keine Weis Vollzug leisten, noch etwas bezahlen oder za- 
füiiruD sollend* 

Dies entsprach völlig den Intentionen des Hofes, wie sich 
diese in dem Decret vom 11^. September 1741 aussprechen: 

bringt. Auch im ,OesterreichischPn Erbfolgokriep', hcr.iUHg-. von der kriegB- 
geächichtl. Abtheiluog dos k. u. k. Krieg^sarchivs, geschieht in BcL IV, 
S. 148 dieses kariUratUchen liotau Erwähnung. 

Patoot der stlodiMheii Vorordneteii -rom 4. October 1741. N.<0. Lan4ea- 
snUt, ^LeaddefeiMiOD vo» 1741*. Vgl. BeÜAga XII vorliegeiider Aibeit. 

* Die Verordneten am 10. October 1741; eb«nd. 

* Die Verordneton am 14. November 1741; ebend. 



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133 



Es sei zwar kein Bedenken, dass die Herren Verordneten auf 
einem bequemen Orte beisammen blieben, doch solle man dem 
Feinde ,wuder jemanden entgegenschicken noch sonsten einigen 
Vorschub geben, sondern alles so anordnen, damit zwar der 
Lands-niin nach Mößrlichkeit vermieden, darbey aber Ihro 
königi. May. allerhöchster Dienst immer vor Augen gehalten 
lind der femdiichen MiHz die Siibsistenz, so viel immer tliunlich 
ist, schwer gemacht werd»^' * Noch am 23. Octobcr verordneto 
die Königin neuerdings an die ständischen Deputierten, dem 
Feinde sei durch Zufuhr oder Lieferung ,nicht der mindeste 
Vorschub zu geben^, diesem vielmehr die ,Subsist6nz' nach 
Kräften zu erschweren. ,Aiif beschehend feindliches Zumuthen,' 
mlleD ncli die Verordneten ,mit ihrer dermaligen Inactivität 
and ermangelnder Dispositions-Befugnis' entschuldigen.' 

Der Erfolg blieb nicht ans. Ein Actenstück ans dem 
feindlichen Lager meldet^ man habe sehr ungnädig vernehmen 
mflMen, ,d«88 anr aasgeschriebenen Geltr nnd KOmer-Oontri- 
bntion von nmbliegenden Nachbuschaften rioh Niemand stOllen 
will',* Nenerdings ergieng seitens des Feindea der Befehl, die 
Vertreter einer Reihe von Orten htttten sich am 19. October, 
9 Uhr Tormittags in Amstetten einzufinden, sonst ,Sengen und 
Prennen'l Ob nun dem Befehle genttgt wurde, ist aus den 
Acten nicht ersichtlich. Zu regelrechten, von der damaligen 
massgebenden LandesbehOrde den Stunden und ihrem Verord- 
neteneoUegium ausgehenden Lieferungen an die Invasionsarmee^ 
wie in OberOsterreich^ kam es nicht 

Es könnte der Einwand erhoben werden, ob es nicht 
besser gewesen wäre, die Stftnde oder wenigstens die Verord- 
neten hätten im Interesse des occupierten Landes das Lieferungs- 
geschäft in die Hände genommen. Aber gerade das Vorgehen 
der Franzosen in (Jberösterreich zeigt das Irrige dieser Ansicht. 
Dort war stiindischerseits mit allen Kräften Vorschub geleistet 
und geliefert worden gegen das vage Versprechen, der Kurfürst 
als künftiger Landesherr werde alles von der Landesbewüligung 

' Hofdecret, Preasburg, Ii». September 1741; ebend. Vgl. Beilage VI. 
' Hofdecret, Pressburg, iB. October 1741, n.-ö. Landesarehiv, ,Landdefen> 
don Ton 1741*. 

■ ,Actain Feldlagw Tbbs*, 16. October 1741 ; au der baiibehen FUdkunltti, 
nicht nnterseiolniel K. v. k. Hau*, Hof» und StaataafeluT, Kfi«gMetsnf 



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134 



ftr 1742 in Abzug bringen lassen. Aber selbst die Huldigung 
der Stände in Lmz Iiaüe das Land in keinerlei Weise vor aiien 
erdenklichen Uebeln des Krieges bewahrt, die Franzosen 
nahmen dieJFourage. wo und wie sie konnten, misshandelten 
die ständischen (^)rgane und liesson dem Lande dio schwere 
Hand des angeublicklichen Siegers faUrn, wie dies im Früheren 
auseinandergesetzt wurde.* Und dazu hatte man das Odium 
der Felonie durch den Act vom 2. October 1741, aa dem eine 
Reihe von Mitgliedern des ständischen Collegiums betbeiÜgt 
waren, auf sich geladen, wofür eine minder hochherzige und 
vornehme ^Landsherrschaft^ als die einer so hohen Frau wie 
Maria Theresia nach Rückeroberung des Landes vernichtende 
Repressalien hätte nehmen können! 

Da mnss jedenfalls die Haltung der unterennsischen Stttnde 
als die richtige beseichnet werden, die den Feind nahmen als 
das, was er war, nttnüich als Feind. Der grimmigste Gefipt^or 
war aber nicht der perstfnlieh müde Karl Albreoht nnd seine 
paar Tausend Baiem, sondern die Fhmsosen and ihr Intendant 
Sechelles, die sich dnrch keinerlei Abmachungen des Kurfürsten 
mit den Stilnden in ihrem wenig erfreulichen Treiben hätten 
irre machen lassen.' 

Vor allem war es der Landstrich awischen Ehrns und 
Erlaf, der, während das Hauptquartier in Ybbs hielt, an leiden 
hatte. Eine Kleinigkeit war es bloss su nennen, dass die 
Fransosen, wie auch später in den Jahren 1806 und 1809, den 
niederSsterreichisohen Wein sehr trinkbar ihnden und in den 
Räumen des Stiftes Seitenstetten ,ein Saufen die noctuque' 
unterhielten, wie gleichzeitige Aufzeichnungen derb sagen. Aerger 
aber war die Brandschatzung eines jeden einzelnen Hauses in 
genannter Gegend und die von den umliegenden Herrschaften 
geforderten Geldcontributionen. So wurden 40.000 fl. nebst 
2000 fl. Zählfrcld binnen 48 Stunden ^^i tVrdert. Schleunigst 
reiste der Verwalter der Freising'schen llt rrsrhaft lllmerfcld 
nach Ybbs, um beim KuriUrsten persönlich Vorstellungen zu 

• Vgl. den üisitin Thcil vorliegender Abhaudlang, Arcliiv für Osten. Ge- 
»chicbte, Bd. 87, II. Hälfu», Cap. V u. VII, 

* Uebw den OeDeraUnteodanten SMbelle«, der qiiler dereb di« Pompadour 
Ge&orelooatiolenr der Flnuion wurde, vgl. Araefh, Maria Tberada III, 
847, 868 (auch enter Theil der Torliegendeo Abliaadhnig, L e.» 8. 882, 
Amn. 1). 



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135 



erliebeii, maelite aber bald die Wabrnehnrnng, daae nicht Kari 
Albrecht die massgebende Persönlichkeit in diesen Angelegen- 
heiten sei, sondern der französische Generalintendant, welcher 

jSelbst von ihme dem Kurfllrsten (sich) nichts einrödeii lässt^' 
Eine ähnliche merkwürdige Erfahrung machte wenige Tago 
später der gelehrte Abt Gottfried Bessel von Göttweig, als er 
in St. Pölten Audienz beim KurfUrsten na hui gr^^^en die unge- 
heuerlichen Forderungen der Franzosen: Portionen Hafer, 
21.000 Bnnd Heu, 21.000 ,Schah* Stroh und 22.000 fl. bar, 
sei der anf Göttweier entiaiiende Antlioil fiir die C<nifribution. 
Nach inaiK lu ilri Schwierigkeiten durch rohe und !)• trunkene 
Franzosen stiind er endlich in der Prälatur vor dem KurfUrsten, 
.der aber dem greisen, kummergebeugten Manne die wenig 
tröstliche Antwort gab, dass dies Sache des iranzöeischen 
Intendanten sei^' 

Da die Lieferungen an barem Gelde wegen ihrer exorbi- 
tanten Höhe in der Eile nicht geleistet werden konnten, so 
wurden von den Franzosen eine Beihe notabler Persönlichkeiten 
als Geiseln mitgeschleppt, wovon an spftteier Stelle die Rede 
sein wird. 

Statt yieler Einselheiten über die harten Massnahmen der 
Frana4Men m0gen hier die Worte Platz finden, mit denen ein 
Landesfaneüonir, Jakob Weinhardt von Thttrbnxg, ^Viertels- 
Unter-Commissaiy^ der stSndischen Verordneten, das Treiben 
der Feinde, nachdem sie mitüerweile bis an die Traisen vor- 
gertLckt waren, schildert: ,Erindere, dass ich vom 14. bis 
dO. October in Feindes Händen gewesen und das franzdnseh 
Joch empfanden. Nun ist von OberOsteireichs Gräntsen bis 
St Polten ind. ausser des Abbrennens, von welchem dermalen 
nichts wissent, alles erfolget, was man von einem hoch- 
mflthigen, nnbarmherzigen Feindt hat erwarten künen, 
alle Städl um die Stadt (St. Pölten) herum völlig ausgelährt, 



* Vgl. Friess. ,Dpr Einfall A^^r T^aiern in NiedorHsterreich im Jahre 1741'. 
VortrÄgf, gehalten am 1+. Se})L«mber 1868 in St. Pölten. BlHtter «iea 
Vereines für Landeskunde von NiederttstarreicU, S. 173, n&ch historischen 
BrUfen im Axchit« dM BUftes MtmuMUm. Kbandori rind mneh die unge- 
henren K«tnt»lKef«niiig«B angtflUul; %. B. jedm Haus itollt 8 Metoen 
Sora und ebensoviel Hafer, je 10 Bünde Hen und Btrob, 10 Bluer 
stellen je einen Ochsen etc. 

• Frfen» ebend. & 174. Auch LUienfeld «alte 60.000 iL sahlen* 



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td6 

die Dörfer in dieser Gegent herab der Traysen aosgeplttndert^ 
denen Herrschaften alles getroschen Kom aus denen Scheuem 
sambt dem Heu hinweck genommen, alle Vorspann, so ihnen 
▼on weither hat müssen gestellt werden umh den Raub fort 
«ifbhren milgeschleppet und wer weiss, wann oder was hievon 
zurflckkombet?'- ... ,Es ist das grOsste Elendt, so nit genug- 
samb zu betauem, mit grosser Forcht anzuhören, mit noch mehr 
Schrecken solches anausehen' — bemerkt er noch in margine.^ 
Aehnliches sahen andere Oommissttre, So mosste sich 
der Oberoommissär f\ir das Viertel ob dem Wienerwalde, Graf 
Ferdinand Anersperg, aus Aufregung ttber das Qesehaute auf 
sein Out aurückziehen, und Graf Bräoner Übernahm die Sub- 
stitution. 

Wenn Ubri«i:ens der Viertels- Untoreommissär Wciiihardt 
mittheilt; vom Rreuncn sei ihm iiiclits bekannt geworden, bedarf 
auch dies eines Nachtrages. So lesen wir in den AusfUhrungen 
des Pfarrere Hacker: Zu Gerolding zündete ein Infanterist das 
Haus über einer schwangeren Frau, die er getödtet hatte, an. 
Jetzt; bei einer solchen Greuelthat, griffen docli die MiHtär- 
behörden ein, und der Uebelthätcr wurde angesichts der ganzen 
Armee gehenkt.* 

Karl Albreeht scheint allen diesen Ausschreitungen und 
Greueln gegen tl her ganz machtlos gewesen zu sein. Mit seinem 
Vorwissen oder gar seiner Billigung geschahen sie gewiss nicht 
Hatte er doch schon in Enns, aU ihm ein couragierter ober- 
Osterreichischer Landschaftsseoretär, Johann Tobias Schmidt^ 
pauer, mit täglichen ,GraTamina' über die ,Violentien deren 
französischen Trouppen' ansetzte, in Entrtlstong befohlen, die 
nusahandelten Bauern sollten die ohne Ordre ausserhalb des 
Lagers umherschweifenden französischen oder bairischen Maro- 
deure ,gesambter Hand' flberfallen, binden, ja selbst todt« 

* Bericht Weiuliardt.s ati die sUlndischen Verordneten, St. Pfilten, 31. Oc- 
tober 1741. N.-ö. Landösarchiv, .Landdefension von 1741*. Vgl. Beil. XVI. 

* HandacbriftUohe AofseichnQDgen des Fiantm Aquilin Haeikw yon 
Ofilradoif. Aa iwd Stollen redst der Berielitontatler von dieser 
nnerlkOrten That In Cap. JX ^lottiUs eserdtiifl aeta apnd 8. Hip- 
pofyti CiTit&tem' u. Cap. XIV ,Ho9tilis oxercitus proxiraus Oralen» 
dorfensi Parochia et pericnlnm praesens'. Dort wird die Fran (»e- 
naner .ils Gattin des GeroKlinpor Fleischhauers bezeichnet, (xeroldinp 
]icgt nordnnrd^stUch von der jetzigen Westbahmtatiun Loosdorf, am 
Abhänge d&s Dankelsteiner Waldes. Bis dahin kamen also Marodeure. 



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137 



BcUagen, worüber ihnen lueht nur nichts geochehen, ^ndem 
noch ein gater Becompene gereichet werden wird'.^ Dieees 
lObfiche Bestrehen des Knrfltnten, strenge Mannssncht anfirecht 

zu erhalten^ erregte aber b^ den Franzosen, deren General- 
commando er doch laut Patentes Ludwins XV. innehatte,* nur 
Achselzucken. Belleisle in Frank t tu t tand das Bestreben Karl 
Albrechts, human zu sein und die i>c\vohner der occupierten 
Länder möglichst zu sclionen, einfach läeherHch;' ebenso meint 
er dem französischen Kricgsminister gegenüber: .Der Churftlrst 
hat Befehle gegeben, welchen nicht gehorcht wurde. Kr hat 
alle richtigen und unrichtigen Vorstellungen angehört und keinen 
hestraft, der seine Befehle m>bt ausgeführt hatte.'* Doch er- 
re<rtf die Zü^ellosigkeit der Truppen, ihre Beute- und Pllinde- 
rungssucht selbst bei einigen französischen Commandanten 
Bedenken. Schon am 3. October, kurz nach dem Einrücken 
denelben in Niederösterreich, schreibt einer derselben in sein 
Tsgebuch: ,Wenn Herr yon Leuville (Commandant der ersten 
frmnzöBscben Division, sogldch Hauptquartier) nicht Ordnung 
macht, werden wir unsere Armee durch sich selbst zerstört 
sd^en nnd wird sie dahin kommen, keine Fortsehritte mehr 
machen zu können.'^ So wurden denn kurz vor dem ROok- 
marscbe die Zügel etwas straffer angesogen. Im Lager vor 
St Pdlten wurden mehrere Marodenre wegen Ansraubens Med- 
Hcher Bürger gehenkt, auch liederliche Weibspersonen mit anf 
den Rücken gebundenen Hlinden, halb entblösst, zur Mittags- 
zeit durch die Strassen gepeitscht' 



^ K u. k. Haus-, Hof- und Staat^'ar^lnv, Kriepsai teii, Facs. 342; Vgl. Bei- 
lage IX des orston Tbeiles vorliegender Abhandlung^. 

' K. lt. k. TTau»-, Hof- nnd Staatsarrln v, Kricp'^Hcton, Facs. "41. AUflSUg 
de» Patentes vuu der Hand deit Q«terr. Agenten in P&rU, Freiherrn 
T. Wasser. 

• Vgl. enten Theil vorliegender Abhandlung, S. 397, Anm. 1. 

* Der österreichische Erbfolgekrieg, herausg. vom k. u. k. KhegHaruliive, 
Bd. IV, a. 168, Aiun. 9. 

■ Tagebuch d«a OL. Comte de BftviAre, eltiert meh ^k» OiteneieUBelie 
Brirfolgttkrieg*, beraug. von der kriegineeoUelitl. AbtiraUang dea k. n. k. 
KriagMffchiva, Bd. IV. & 148^ Anm. 1. 

" Handschriftliche Aufzeichnungen Aquilin Hackers, C^p. IX. Scbon in 
EoDs sind nach einem Berichte des Grafien Engel im n -n. Landeaaiehive 
»wegen verttbten Exceaaen* drei Franaoaen nni^ingt worden. 



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188 



Zur £hre der Baiem miiss bemerkt werden, deas hier, 
sowie früher in OberOsteireich, niemfttB Klagen Vhw rie, die 
Stammtrappen des KuiAlrsteD, laut worden, aondeni blon Uber 
ihre freilich weit sahlreicheren Alliierten, die Franzosen. Ueber 
seine unmittelbaren Unterthanen yennoehte also der KorftM 
sein Ponyoir nnd seine gaten Absichten besQglich der Manns- 
zncht anfrecht so erhalten. £ifersttchteleien swischen den 
dentschen nnd romanischen Kriegsgenossen wsjren an der Tages- 
Ordnung; da schon in ObertMeireieh die Franaosen bessere 
Kost nnd angenehmere Quartiere yerlangtsn nnd erhielten*' 
Allerseits gefielen die stammverwandten bajnwarisohen Landes* 
kinder Karl Albrechts weit besser als die Franzosen, trots deren 
gl&nzender Ausrüstung und prunkvollen Auftretens ^ worauf 
schon die flelientlichen Bittgesuche oberösterreichischer Orte 
an den Kuiflirsten, er mö^e ihnen für die Winterquartiere 
nur bairisehe und keine franzüsischen Garnisonen geben, hin- 
weisen; natürlich konnte diesem Ansuchen bei der recht ge- 
ringen Anzahl von Baiem gegentlber den Franzosen nicht 
Folge p^egeben werden.* 

Während des ncuntägigon ziemlich iiul/Josen Aufenthaltes 
des Invasionsheercs in Ybbs richtete der Kurfllrst von tk u* m 
sein Augenmerk intensiver auf Böhmen. So wollte er, wie er 
an Beiieisie schrieb, seine Baiern unter Törring nach Pisek 
dirigieren, wo sie sich mit den Truppen des aus der Oberpfalz 
heranrückenden bairischen Generals Minnazi vereinigen kOnnteUi 
nm gegen Prag zn operiren: der Rest sollte längs der Donau- 
strasse vorrücken, um Wien in Schach zu halten, bis auch die 
Sachsen in das ihnen zugedachte Viertel ob dem Manharts- 
berge eingerückt wärcn.^ 

Auch wurde in Ybbs Kriegsrath gehalten. Es war eines 
der unangefochtenen^ ihm von den Franaosen gelassenen Vor- 

* Vgl. il«*n fixt^jn Theil vorliegender Abliandlnn^', Ö. 374. Auch an blutigen 
Zosammenstömieu zwischen Baiern und Franxosen scheint es nicht gefehlt 
sa haben; so ward« «adi 6ui«m Boichte d«« Gfsfan Eqgel im n,-H* 
LsadettrchiT« sitieni baiiiaebea SoldtlMi dnnh Fnmiom der Arm ab- 

* Z. B. die EttBMr «n den Kurfttreteii am SO. September 1741. K. u. k. 
Hfinü-, Hof- nnd Staatjiftn-htv, Peter'tche Sammlang. Tgl. ersten Tbeil 

vorliegender Abhandlung, ä. 4UÖ. 
' Der Osterreichische Erbfolgekrieg, heruusg. von der kriegageschichtl. Ab- 
thsUnng dss k. n. k. Kriegsarchivs, Bd. IV, 8. 14H>. 



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139 



rechte des Kurfürsten, wann es ihm p^utdünkte, einen glänzenden 
Kriegsrath der franzöBisclien Generale einznberufen und dom- 
selben zn präsidieren. Die Gewalt indes, seinen Willen auch 
gegen den Einspruch der französischen Generalität dnrchznsetzen, 
besass er thntsächlich nicht.* Ziemlich kategorisch erklärten 
die Franzosen, von einem weiteren Vorrücken gegen Wien 
nichts wissen zu wollen. Mit bittcrem Plumor sagt später 
Karl All) recht selbst als machtloser Kaiser Karl VII.: ,Die 
IVanzosen woUten es immer mit der Geis halten und dem Kohl 
nicht weh thun lassen, sie wollten selbst nichty dass ich Herr 
von Wien werde, ihr Princip war: den einen durch den andern 
schwächen, um schliesslich die Th eilung des Löwen Tomehmen 
SU können/* Wenn auch der KurfUrst sein Hauptaugenmerk 
snf Böhmen richtete und in diesem Kriegsrathe bef\ir- 
wortete, mit einem Tbeile der Truppen bei Krems Uber die 
DoDAQ m geben, so beweist doch dieser Aussprach, -dass er 
den leisen Nebengedanken, Wien zu nehmen, immer noeh 
niebt ginsUeb anfgegeben hatte, trols des Mangels an schwerer 
Artitterie, den er sowohl in seinem Tagebocbe, wie auch in 
einem irtthen Briefe vom 10. Angust 1741 an den KOnig 
Friedrieb als Ghnmd gegen diese Operation anführt.' Diese 
Stinimnng mochte dem Berollmltchtigten des preassiscben Königs, 
dem Grafen Sehmettan, nicht fremd sein. Er trat im Kri^- 
latbe mit dem schlieselich aacb angenommenen Vorschlage auf, 
die geaammte Armee solle bis St. Pölten Torrfteken, dort 
kitanten die endgiltigen Bescbltlsse gefasst werden.'* Dieser ancb 
aar Ansfllbniug gelangte Rath lag gana im Interesse dee 
Hanptfeindes Maria Theresias, Friedrichs II. Je näher Karl 
Albrecht Wien stand, umso grösser war für den König die 
Aussicht, einen möglichst «rrossen Theil von Schlesien durch 
einen Vertrag zu gewinnen, du man dann Neipperg und seine 
Armee zur Vertheidigung Wiens brauchte. Vielleicht liess sieb 
auch der Kurtiirst, wenn er erst einmal bis auf wenige Meilen 
vor Wien gelangt war, dann doch zu einer Beiageniug Wiens 

> VgL ebend. 8. 153. 

* H«igel, Der «sttrreichiaohe Erbfulgekrieg and die Kaiserwahl Karb VH. 
NSrdliagen 1B77, 8. 207. 

* Ebend., 8. in und Ueigel, Tacebnoh Kaiser Karb VU., 8. 23. 

* Der Setorreieliieelie Erbfol^pekrie^, hernusg. von der kriefigeedüebtl. Ab* 
thailnog des k. n. k. KriegaaiehiTs» Bd. IV, S. 163, 



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140 



herbei, wobei ihm wohl weniger der Mangel an OeschUts, als 
die UnbotnUlsagkeit der FrutBOsen hinderiieh gewesen wAre. 
Genug, Sehmettau eneichte, wie beim Zuge nach Ybbs, auch 
jetst sein Ziel, den KarfUnten tiefer nach NiederOsterreich 
hereinsoziehen. Das Datum jenes Kriegsrallies ist in den vor> 
Hegenden Berichten nicht fest überliefert, höchst wahrscheinlich 
sind es die Tage vom 7. bis inclusive 12. October. Am 7. war 
der Kuri'iirst ms Hauptc^uartier gekommen, am 11. trat' man 
schon die Vorbereitungen zur Besetzung von Melk. Sehmettau 
hatte somit noch keine Kenntnis davon, dass wirklich fam 
9. October) der bekannte Vertras: von Klein -Schnellendorf 
zwi.schen Friedrich II. und Nei] y erg abgeschlossen worden 
war. rheu die Fnicht jenes Eindringens der bairisch-französischen 
Armee in Ober- und Niederüsterreieh. Rnld p^enug flatterten 
indes nnbestimmte Gerüchte von jenem V ertrage ins Lager, 
wovon noch zu reden sein wird. Trotzdem bleiben die Grtinde, 
die Sehmettau bewogen, den Kurfürsten immer tiefer in das 
JEIrzherzogthum Niedertfsterreieh hineinzuziehen, nach wie vor 
aufrecht; der preussische Bevollmächtigte konnte Uberzeugt 
sein, dass sein Herr bei gegebener Situation keinen Anstand 
nehmen wUrde, die Klein-Schndlendoifer Oonvention zu brecheUi 
um noch grössere Vort heile zu erzielen, wie es auch die Folge lehrte. 

Am Abend des 11. October wurden einige hundert 
Mann unter OeneralHeutenant de Mortaigne gegen Melk vor* 
geschoben. Am 12. October trafen im Stifte die ersten 
feindlichen Truppen ein.' Mittlerweile war im Hauptlager 
eine neue, stäi^ere Vorhut unter Generallieutenant d'Aubign^ 
(6 Bataillone Infanterie, 16 Escadronen Cavallerie) gebildet 
worden, aus Franzosen bestehend. Diese Truppen kamen 
noch am 13. October nach Melk. In den ersten Morgen- 
stunden des 14. October brach Mortaigne als Avantgarde nach 
St Polten auf, stiess aber um S Uhr morgens, halben Weges 
zwischen Loosdorf und Gross-Siming, bei dem DOrfchen Rohr, 
auf hunderte von Oeterreiehisehen Husaren vom Corps PAlfiy. 



* JDäm TOD den Feindeii 8000(1) Umnn dan 12teii di«M8 Fime wflyklich 
in If Slkh «ingeraekt rtnd', wurde den n.'fl. «tibiditeliaii Verordneten dnreb 

den substituierenden Obercommisslir für das Viertel ob dem Manbarta« 
berge, Johann Juliu.s Christof Freiherrn v. Gilleiss, mitg^etheilt. N.-Ü. 
Latidesarchh'. Die Anfftlhrnnq- der ersten Franiosen, die in Melk 
ankAmen, war recht unbefriedigend. 



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141 



Verwirruiig bemiichtij»te sicli der Franzosen. General MorUigae 
selbst wurde iin ( resichte verwimdct hikI vom Pferde geworfen. 
Bald aber sauimelten sieh die angegntientn Baiern und Fran- 
zosen, warfen die Husaren bis St Pölten zurück und besetzten 
die dortige TraisenbrUcke. Pdlffy zog sich bis Purkersdorf 
zurück; stellte aber Vorposten bei Sieghartskirchen auf. Das 
Qetöee dieses nächtlidien Gefechtes muss ein grosses gewesen 
sein, da es der F&zrer des ziemlich entfernten Marktes Ober- 
Gräfendorf bis in sein Bett hinein hörte« Bald erschien aucli 
dn verwundeter Husar vor seinem Pfarrhause. ^ Gewiss ttber- 
trieben ist es indes, wenn der sonst trefßiche Keiblinger in 
seiner ^Oeschichte des Benedictinerstiftes Melk^ den Verlust 
Mortaignes auf 400 Mann an Todten und Verwundeten angibt. 

Die Stelle des Gefechtes dürfte durch das Öfter renovierte 
Kapellehen an der Eaiserstrasse von Melk nach St. Pölten, 
dort^ wo ein kurser Fusspfad in das etwas sttdlich von der 
Haiq^tstrasse gelegene Dorf Rohr führt, beaeichnet sein. 

Mitderweile war Karl Aibrecht in grösster Beunruhigung 
ttber das aus Italien in sein Lager gedrungene Gerttcbt, Oster- 
reiehiache Regimenter seien aus Italien durch Tirol im Anmarsch 
auf Baiem. Hieruber herrschte namentUeb in Mttnchen, wie 
er in seinem Tagebuohe berichte^ eine ^constemation terrible'. 
In der That waren dies jene teterreichischen Regimenter, die 
den Kern des Heeres bildeten, mit dem Graf KhevenhuUer 
zu Beginn des Jahres 1742 den entscheidenden Stoss gegen 
Baiern führte, aber uicht von Tirol, sondern von Niederüsterreich 
aus. Um eineu Einbruch von Tirol uu?> abzuhalten, verzettelte 
der Kurfürst viele Truppen, nanienllich von der französischen 
Hilfscolonne des Generals de Polastrun.* 

Am 15. und Öctobcr hatte endlich auch der Aufbruch 
der Haaptarmee von Ybbs begonnen.^ Am 17. Uctober zwischen 

* Hierfiber Aqiülin Haeken Hsaiueript, CSp. V. »HoflÜum adTtntiu 
primw «piid 8. Hippol^Ü Civitateni.* Vgl. bei Heigel, Dm Tegebneh 

KuLser Kax\a VII., 8. 24, die Schilderung, die der KnrfQrst selbst TOn dieiem 
Gefechte gibt; auch , Der österreichische Erbfolpekrieg', horaitsg'. von der 
krJjjg^ß-eschichtl. Abtheiliuiff des k, u. k. Krieg^sarchiv«, Hd. IV, 8. 1 56, 157 und 
Keiblinger, Geschichte da» BenedictiuorstiftesMelk, Bd. I, Wien 1867, b. 982. 
' Heigel, Tagebach Kaiser Karls VIL, S. 24. 

* Bbend. und Der Merrtieiiifcbe Brbfolgekrieg, heraiug. Ton der kriege- 
geMhiebtl. Abtfaeanag dee k. «. k. KiiogMurdiive, Bd. IV, 6. 167. Wie 
bereite bemeritt, war die frenaOiiMb-bRiriadie Armee durch die Ankmill 



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142 

1 und 2 Uhr naclirnitUif^s erfolgte der Einzug des Kurftirsteü 
im Melker Stift, das er erst vor kurzem, im Juui 1739, an- 
lässlieh eines IjLsuches bei Karl VI. betreten hatte. Karl 
Albrecht besichtigte die hpi rliciie Bibliothek, überraschte aber 
unliebsam durch die Forderung eines Darlehens von 150.(AX> fl. 
Eine Deputation, darunter der gelehrte Historiker Hieronymus 
Pez, überreichte ihm die ätiftsschlilssel und stellte ihm die 
Unmöglichkeit seines Ansuchens vor Augen. Am 18. October 
kam Abt Adrian, der Präses des niederösterreichischen Prälaten* 
Standes war, in Melk an. Das Stift musste endlich ein Zwangs- 
darlehen yon a0.000 fl. geben, wovon 13.000 fl. in St. Pölten 
erlegt wurden; darunter befanden sich auch die Goldstücke, 
welche die Stiftsgeistlichkeit anlttsslioh des kurfilrstlichen Be- 
suches von 1739 erhalten hatte. Ansserdem wurde eine Contri- 
bulion von 200.000 fl. ausgeschrieben und 16 Verwalter um- 
liegender Herrschaften als Geisel nach Ifelk gebracht Zudem 
wurden yon jedem Gnlden 2 Groschen ZäUgeld begehrt und 
auch NatnraUieferongen ausgeschrieben. Man siehti Sechelles 
war im Fordern nicht zaghaft. Der Ruin des Landes bei solcher 
Bedrückung schien unausbleiblich^ umsomehr als die Fransosen, 
fast immer betrunken, auch zu plündern begannen. Man war 
llberhaupt im Stifte recht bitter enttäuscht, die Franzosen, von 
denen man sich auf Grund ihrer literarischen Leistungen und 
des Rufes, dessen sie sich seit Ludwig XIV. als ^grosse Nation' 
schon damals erfreuten, so ganz und gar nicht den idealen 
Vorstellungen entsprechend zu finden. Nach dem Urtheile 
eines Augenzeugen werden sie jetzt als Uber die Massen un^e- 
lehrt; stupid, unwissend und barbarisch bezeichnet.* Der Hass 

der Dividion Se^^nr romplet g;e\vonleii. St L^ur brach sich aber, wie der 
Kurfürst ersäblte, am 14. Octobur deu Arm uud musste uacb Liuz surUck- 
gebraeht wariMi. UalMr Segur vgl. dan «nttn TMl vorilafeBdeir Ab- 
haadlung, 8. 409 (91). 
* ^aqiie eo «ddnei poMim, nt cnäMMp Gallpa tantopere feliqno« gentM 
■eientia antecellere, nt fanift eommunia fort» quin poiius affirmere aosim, 
eo!« inddctos stupidos, rerum omnium ipriaros barbarisfiue band ab<<iTuile8 
asse.' Freilich war es auch nicht die Bliito <Ier Nation, die damals unter 
der Mu.skote stand. Ueber Karl AlbreclU und die Franzosen iu Melk: 
Keibliuger, Geaeliichte dea Benedictinerstiftw Melk, Wien 1867, Bd. 
8. 968 und Yinc. Stanfor, »Pe« Hier. Ephemerid«« reram in mon. Mvllic 
gMtanun 1741 — ^1740' in »Stadien und Ifittb. aiu dem Ciefeereieiieerordeii'. 
Ylt Jahiy., 1. Bd., 188S. 



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143 

zwischen ihnen und den Baiern dauerte mit ungeminderter 
Kraft fort. 

Am 20. October anlässlich des Aufbruches der Hauptarmee 
naeh St. Pölten, gab der Kurfilrst dem Stifte eine ,Salva-Giiardia', 
damit es ^toh allerhand gewaltthäti<roii Geid'Pressuren, Frei- 
qnartieren etc/ verschont bleibe. Wie gewaltthätig sich aber 
trotzdem auf dem Rttckauge die Franz^osen gegen den Abt 
Adrian benahmen, wird am entsprechenden Platze zu erwähnen 
Bein, Bant nnd kraus gieng es schon jetst in der Priiatnr imd 
im ganzen Kloster her. Abt Hadrian ▼erlor darUber &st die 
Besinnoog.^ 

Inzwisohen war der Vertrab des firanzOstseh-bairisohen 
Heeres noch am 14. October in St Polten angekommen. Das 
Lager wurde westlioh von der Stadt bei der BarbarakapeUe 
ond dem Siechenhanse anfgesehlagen. Die höheren Officiere 
nahmen ihre Quartiere in der Stadt selbst Der Obercommandant 
d'Aubignö wohnte im Herberstein'schen (später Kofetein'sohen, 
jetzt Eaenzl-) Haute, ziemlich im Mittelpunkte der Stadt 

Noch am selben Ta^e begann aber der Tross des fran- 
zösischen Heeres die damals ziemlich armseligen ilaiiser der 
Dörfer gegen Grafendorf (südwestlich von St. Polten) zu 
plündern; so iu Schwadorf, Puiiimersdorf, Vültendorf. 

Der Pfarrer Aquilin Hacker in Grafendorf, welcher der 
tranzösischen Sprache mäclitig war, wurde nun vom bedrängten 
Landvolke gebeten, sich zum fran/'sischen General nach 
St. Pölten zu bt^g' ben im Int( i cssr !■ geilngstigten Baaern- 
schafl In Begleitung eines Landninrincs aus Eggsdorf (^nomine 
Ratzin i;*"Tns') machte sich Hacker herzhaft auf den Wetr. In 
Eggsdorf begegneten sie bereits franzüsisclien Plünderern, die 
sich auf das milde Zareden des Pfarrers von ihrem an loblichen 
Thun abbringen Hessen. In St. Pölten, wo Hackers Schwester 
an den Viertels-Untercommisaär Jakob Weinhardt von ThUrburg 
verheiratet war, ersuchte Ebcker den Grafen Emst Kufstein 
(wahrscheinlich den Hanshen*n d'Aubignös), ihn zum französi- 
schen Commandanten au geleiten. Dieser aber schlug ihm 
dies nnerwsrteterweise ab. So mnsste Hacker den sauren Gang 

^ Anf?:P!chiiuiigen dun Ptarrcr« A [uiliu Hacker, Cap. VI, .Praclatura 
et totam mouaatoriuiu Gallis et iiavari« praefectis pleuuui et turgeus; 
tarbata mraia.* U^er den Abt ebrnd.: ,paniai ab hoalae opis, conaiUi 
niha tali/ 



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allein antreten. d'Aubif;n<'' emptieii^^ ihn, als er luit seiner An- 
sprache: ,Da8 Elend und die Klassen seiner Schäflein hutten 
ihn bewojci^n, bei Sr. Exccilenz t iirsprache zu »lelnnen/ begann, 
c^ar freundlich, crliess ein ernstliches Mandat m^d drohte den 
Plünderern mit dem Galgen. So hob sie h fVir einige Tage die 
DiscipHn.' Die freundliche Gesinnung de» französischen Be- 
fehlsliAbers ist wohl auch auf den Umstand zurückzuführen, 
dass er bei seinem Eintritte in die Stadt an der Pforte des 
Klosters der englischen Fräulein in fransöaischer Sprache 
um Schutz und Schonung gebeten worden war.^ 

Am 18. October hatte Generallieutenant de Murtaignc nach 
einer kurzen Kanonade mit den Österreichischen Tschaikisten, 
die auf der Donau kreuzten, Mantem nnd Krems beoetst Graf 
Tdrring mit dem bairischen Heere rückte ttber Langegg 
ebenlSsUs nach Mautem nnd begann den Brttokenaehlag am 
91. October.< 

Am selben Tage war aber der KnrfUnt sur {ransttsischen 
Hauptannee, die mittlerweile Melk verlassen hatte, am nach 
St Polten au marschieren, abgegangen. Umgeben von der 
glflnzenden Soite der Gesandten und Generale, hielt er seinen 
Einaug in die alte Traisenstadt und stieg im damaligen Augastiner- 
Chorherrenstift (jetziges Bisthumsgebttude) ab. l!^ war somit 
bis in die Landesmitte vorgerückt. 

Verlassen wir nun den Kurfllrsten und sein Heer. Wenden 
wir uns ini nilehsten Capitcl der ^Vulgabc zu, im Zusammen- 
hange die Tiuiiigkeit der Laudesvertretung, nämlich der nieder- 
österreichischen Stände, beziehungsweise die der stündischen 
Organe und die Verhältnisse in der Hauptstadt zu be- 
schreiben. 

* ManuBcript Aquilin Hackers, Cnp. V. 

• Fahrnjarnibor, ,Aus St. Pölten' 1885, 8. 263. 

' Ueigei, Tagebuch Kaiser Karls VII., S. 24 und »Der Osterreichisciie Krb- 
folgttkrieg*, herauf, von der kriegsgeachichU. Abthttiliiiig de» k. tt. k. 
KriegsarebWt, Bd. IV, 8. 168. 



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L45 



II. Capitel. 

Thltlgkelt der nlederdsterreiehheheii 8tinde bei der 
«Land- und StadtdefeMsion*. 

Der Landtag rtm 1740 und dessen Bewilligungeii für 1741. Taktik der 
Stinde in ailgomeinen. Stimomiigen im Pobel. Venebftnsung«!! am E&ua- 

fliuw auf stKnduche KcMten. GrOndang- einer Hofcommission wie 1683 mit 
«etlis ständischen Deputierten. Die ständischen Verordneten während der 
BelageruQgKgefabr. Forderungen der Hofcorrniiwsioii Leistungen der 
Stände: 1. Auf finanziellem (leliioto (Emiieterung von Bargeld in die 
«Defensionscassa'. Stäudische Auticipation und Bebteuer. Project einer Au* 
leihe aaf GniBd etindiselier Obligattonen. OoMtnitiiimme der vtincUsdien 
Ifilfaii). 9, Fttr Fortifieation (stftndlMhe Sebanser und Euebinenmaehert 
Arbeiten an den Linien und Basteien, allgemeina TeiftgiufaB). 8. Für 
Verproviantierung der Hauptstadt (Korn- und Fonrngeliefening durch 
die Stände. Preistarif Stymnjjen dor Lieferung durcli Fluchten und Ver- 
wirrung. jFleiscliheschreibiing'. V'erjiroviantieninj;;' der Df>nauflottil1e. ,Be- 
dcbreibung* alles Proviante). 4. Für die Vertheidigung und Einquar- 
tiarnng. 6. Fttr das stlndisaba Parsonal» das Landhaus und die 

LandMkleinodien. 

Mit kOnigliebem Decret vom 34. November 1740 hatte 
Maria Theresia am Beginne ihrer RegieroDg den niederöBtei> 
reichieehen Landtag auf den 1. December einberufen. Wie ee 

dem Wesen der immer mehr zu einer rein aristokratischen 
Körperschaft gewordenen LandstHnde entsprach, traten aber 
mir die oberen Stünde, Prälaten, Herren und Kitter, ziisaniiucn. 
Bürgermeister und Rath der Stadt Wien, mit den anderen 
18 ,mitleidenden' Städten und Märkten, wie der terminus 
technicus lautete, also der vierte Stand, hatten sich nur in einer 
scliriftlichen Erklärung den Beschlüssen des wirklichen Land- 
tages anzuschliessen. 

Die ,Postulaia* der Kegienniir pro 1741 lu lii ten sieh auf 
ein .Ordinariuni*^ und ,Extraordinai iuiir von 70U.üOO H., ein 
fSubsidium extraordinarium' von 20U.ÜÜÜ fl., Leistunc^ der 
Kosten für die ,Stadt Quardia" und die Besatzung der Festung 
Raab, endlich der ,Service Praestation* ftir das im Lande 
stehende ^tilitär. ohne dase die hiefÜr auflaufenden Kosten von 
der Landesbewilligung abgezogen werden sollten. DafUr ver- 
zichtete die Regierung vorderhand auf die Stellung von Rccruten 
durch die niederOstorreichischen Stände. Im Vergleich mit den 

AnUt. XCL Bn4. 1. Hilttt. 10 



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146 



Leistungen anderer Länder mUssen diese auf KiederMterracb 

entfallenden Verpflichtungen als hohe beEeichnet werden. Doch 
nahm der Landtag am 14. December 1740 diese Postulata 
bereitwilligst an. Mehr der lierkömmliclien Form wegen scheint 
es gewesen zu sein, da.s.s die im Verhältnis zur ganzen Leistung 
geringfügige Summe von ÖÜ.ÜOO Ü. vom ^Subsidium extraordi- 
näre' gestrichen wurde. 

Schon am 10. December hatte auch der vierte bland er- 
klären lassen, er sei , seine äussersten Kräften anzuspannen, 
und was nur zu Ihrer künigl. Mayt. Verlangen, auch des 
Vaterlands Besten gereichen kann, seine» Orts nach Möglichkeit 
beitragen zu helfen bereit und urbietig^ 

Diese seltene Bereitschaft, die gar sehr von der Haltung 
der ständischen Corporationen in anderen Ländern abstach, 
mnsste der jungen Königin zum besonderen Wohlgefallen 
gereicht haben, wie denn auch schon am 19. December die 
Regierung ihre Befriedigung über den Landtagsbeschluss vom 
14. December äusserste. Doch erklärte sie, auch die gestrichenen 
50.000 fi, nicht entbehren zu können. So trat denn der Landtag 
am 36. Jänner 1741 au einer neuen Sitsung zusammen und 
beschloss: ,Die annoch abgängige 50 m fl.^ so beschwärliob es 
audk dem Lande fallet, fllr dieses mal wüligist einzugestehen, 
mit der allenmterthän^sten Bitte, dass künftighin der ohnedies 
arme und sehr enÜurOfffcete Unterihan in denen Gaben er- 
leichtert werden möchte." 

Der Passus mit der grossen Entkräftung des Landes ist 
indes nicht wörtlich zu nehmen, sondern herkömmliche ständische 
Phrase in allen Ländern. Bei fast keiner Geldbewilligung auch 
in den blühendsten Friedenszeiten fehlt der Zusatz ,wie schwär 
und hart es uns auch immer aukumiur, oder eine anders 
stilisierte Wendung. Aengstlich wurde der etwaige Wohlstand 
den Blicken der Regierungsorgane in Besorgnis hoher .Postulata* 
verschleiert, was umso leichter nchien, als die sorgsam ge- 
hüteten Grundbücher von den Ständen i>efiihrt wurden. Freilich 
hatten diese herkömmlielien ständischen Lamentationen auch 
den Nachtheil, die Regierung abzustumpfen, die sich dann ge- 
legentlieh auch in Zeiten wirkUcher grösstcr Noth von ihren 
Forderungen nicht abbringen liess, woiUr namenthch aus dem 



* Landtagrmrliandliiiig^ii 1740, u.-O. Landosarebiv. 



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147 



17. Jahrhunderte manche Beispiele hei2;ebrn«'ht w» j dt n könnten. 
Erst der theresianischi- Kataster und die Fmanzreform des 
Graten Haugwitz schufen hierin Wandel. 

Gerade die riesigen Opfer des Kriegsjahres 1741^ theils 
infolge der feindJichen Invasion, theils für die in Bildung" be- 
griffene Armee, mit der Ludwig' Andreas Graf KheveohüUer 
den Zug nach OberOsterreich and Baiern antrat, bewiesen, was 
Niederästerreich trotz der generOsen Bewilligung der Stände 
pro 1741 noch zu leisten vermochte. 

Uebrigens hatte auch der reiche PrftUtenstand ein An- 
leben yon 200.000 fl. im Mai 1739 gewährt; jetst am 20. De- 
eember 1740 streckte er 500.000 fl. vor, attuerdem besahlten 
die mederOsterreiebwchen Prälaten von 1737 — 1741 Jährlieh an 
yFor^cationeatener' 16.000 fl.^ So konnte die Regienmg mit 
den L^Btongen des Stammlandes zofineden sein. 

Bis zum Hochsommer 1741 vergieng nun die Zeit, ohne 
dasa ein Auftrag der Regierung an die niederOsterreichischen 
Stände in Angelegenheit der Tom Westen her drohenden Gefahr 
ergieng; war das Land miter der Enns ja auch nicht in erster 
Linie einem feindlichen Angriffe ausgesetzt! 

Schon im März 1741 waren aber in Wien Gerüchte über 

« 

feindliche Absichten des bairischen Kurftlrsten auf<?etaueht und 
von fremden Gesandten ihren Höfen berichtet woriit n.- Ks 
fehlte, während Stadt und Land sich l)ci wirkUch heraut- 
zieheuder (tefahr im höchsten Grade opferwillig erwiesen, duch 
auch nicht an unzuverlässigen Elementen in der Hauptstadt, 
wie auf dem flachen Lande.* Doch handelte es sich hier 
weniger um irirendwelche politischen Tendenzen, als um die 
vage Hoffnung aus materiellen Gründen, bei dem allgemeinen 
Umstürze zu gewinnen. Von einer thatsächlichen Unterstützung 
der ICingedrungenen war indes später nicht die geringste Spur zu 
bemerken, im Gegentheil wetteiferten alle Factoren mit einer selten 

* KeibUager, OeMhidito dM BanedicliiientiAM Melk, Bd. I, B. m. 

* Anonrme Copie einer ,Mim8terreIation' vom 8. Ittn 1741 ans Wien. 
K. u. k. Hantht Hof- und StMtMrehiY, KriegMeten, in g«nere 1741, 

Far-s, 347 

* Dieselbe .Kelatinn' erzählt von einem IJaiienianfstaiKle in dt^r Gi'ppnd 
vuu Lilieufeld unter dem ,Praetext den Wildpretechiesaens'. Eiuo Coiu- 
pagnie Ahkma'jym^onw habe auf Bitten der Beamten mrftckgezogen 
werden mÜHen, um dse Volk nieht noeh mehr m erbittern. 

10» 



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US 



erblickten Eintracht im Interesse der jungen Königin. Gross 
war schon jetat der Jubel, als im Mäns 1741 der ersehnte 
Thronerbe, Ensherzog Josef, zur Welt kam. 

Die einzige Regung jener unzuverläö.si^cn Elemente bestand 
in jWunderlichen, groben, ja aufrührerischen und unverantwort- 
lichen Devisen*, auf dem Lande in ciuzelnea Reden von Leuten 
aus den untersten Volkbschichten, wie sie der Raisonnierlust 
der breiten Massen entsprachen.^ Ueberali waren es blosse 
Worte. 

Auch ist begreiflich, dass bei lierannahender Belagerungs- 
gefalir m die geängstigte Älenge (Tcriiclite drangen, der Kurfllrst, 
der doch in Wirklichkeit höchst human und durchaus nicht 
barbarisch veranlagt war, werfe mit Drohungen des Hängen- 
lassens um sichj wenn die Stadt nicht binnen 4"^ Stunden sein 
wäre^ er sei mit Leuten in der Stadt selbst im Einverständnis, 
er werde die Stadt durch ein sehr starkes Feuer äng&tigen etc.^ 
Unter gleichen Umständen werden immer derartige Dinge im 
Mnnde der Leute sein. 

Unbegreiflich spät erst begann man mit der Ausbesserung 
der Wiener Linien und Festungswerke. Die erste diesbezügliche 
Nachricht stammt von Anfang August.^ Mittlerweile hatte der 
Kurfklrst durch die von ihm befohlene Uebermmpelung von 
Passau und der Feste Obeihans am 31. Juli die Maske abge- 
worfen. In welch trostlosem Zustande sieh die Wiener Fortifi- 
cation be&nd, ist schon früher erwähnt worden. Seit nach 
dem Jahre 1683 die Türkengefahr flir Wien geschwunden 
war, hatte man sich in Sicherheit gewiegt. An eine Ge&hr 
vom Westen her dachte namentlich seit Beilegung des Streites 
zwischen Max Emanuel und dem En&hause niemand. 

Die erste Mahnung an die Feindesgefahr erhielten die 
niederdstenreichischen Stände am 16. August 1741 durch ein 



* Ebend. Eine di*»f»er l)»-visiMi ,Viv;if, der Kaysor Carl ist toilt Wir be- 
komnifMi jot/,0 ^^rüsseres Brot etc.* aiu li h(*i Hei^r*'!, I)er üsterrtiic-liische 
Erbfulget^treit und die Kaiserwahl K&rU VII., 8. IJ. den erütert 
Theil Torliegeuder Abhandlung (.Karl Albrecht und die Franzosen iu 
OberSaterreicb'), 8. 889, 380. 

* BeUtion ans PreMbiugf 4. Oktober 1741 (d«nelbe BerichteraUtter wie in 
der BeUtion vom 8. März), k. u. k. Hans-, Hof- und Staatsarclur» Kriegs* 
nctcn. iu gpenero 1741, Facs. 347. Vgl. Beilage XIU. 

9 Kelation aus Wien, 6. August 1741, eben4. 



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149 



königliehos Dccrot. es sollt("ii bei Knns nach dem Gutachten 
des commandierenden Generals Fürsten Lobkowitz haltbare 
Schanzen angelegt werden, wozu die niederösterreichischen 
Stftnde Leute und Fuhren zu stelleii hätten, »suiiiahlen solche 
Schanzen lediglich zur Verwahrung deren nnterennsischen 
Landesgränzen dienen'.' Ursprünglich waren diese Hedouten 
bei I'^iin^, rrspectiTe auf der Insel Spielberg und bei dem 
Dorfe Enghagen, den oberösterretchischen ständischen Ver- 
ordneten zugetheilt worden. Diese aber protestierten and 
wiesen darauf hin, dass, wenn es einmal auf die Stadt Enns 
und jene Schanaen ankäme, ihr Land (Oberttsterreich) längst 
von den Feinden ttberfluthet sei.' Sie wiesen daher auf die 
NiederOsterreicher, welchem Fingerseige auch die Regierung 
in diesem Decrete nachkam. 

Mit grossem Eifer nahmen sich die unterennsischen Stände 
der Sache an. 400 Arbeiter mit ausscrgewöhnfich hohen 
Löhnen giengen nach Enns ah und wnrden dem Feldmarschall- 
Lientenant Grafen Fälffy zur Verfügung gestellt. Der Ober- 
commissär für das Viertel ob dem Wienerwalde, Ehrnst Ferdinand 
Graf Auersperg, erhielt wegen Förderung der Arbeit die 
nöthigc jBelamng*, ebenso sein College für das Viertel ob dem 
Manhartsberge, Graf Engel. In einer Eingabe der ständischen 
Verordneten an Maria Theresia wird nur tjoboten, wie. 1703 
bei der Tnvasionsgetahr durch Max Kiuanuel, des jetzitron Kur- 
fürsten Vater, die Unkosten zur Hälfte von der Landesbcwilligung 
abziehen zn dürtcn/^ Allerseits wurden auch Hauern zu dieser 
Arbeit autgt lioten. Als aber Oberösterreich von den Truppen 
Karl Albrechts l)esetzt worden war, liefen autli siinimtliche 
ArV>eIter. theils aus Fureht vor dtjn Feinden, theils aus Unrulie 
ühvT ihre Familien nach Hanse.* J^ald zo^ sich auch Pälffy 
mit seinen zwei Dragonerregimentem ins Innere des Landes, 
und der Effect der Sr hanzen bestand nur darin, dass sie dem 
Lande NiederOsterreich 13.000 fl. gekostet hatten. 

* KOntgliches Deerat d« dato Preuburg, 16. Augnst 1741, n.-S. Lande»- 

archiv. 

' Vgl. ersten Tbeil vurlicgcuder Abhandlung (,Karl Albrecht and die 
Franzosen in Oberösterreicb*), S. 362, 368. 

* Die Verordneten an die Königin am 21. August 1741, n.-ü. Lande»*' 
anihiT. 

* Ifantteeript Aquilin Hscken, Cftp. IT, ,Aii«triae infiMrioris inTa»io*. 



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150 

Mittlerweile war die Invasionsgefahr immer drohender 
t,^e\vortU'n. Am ti. September regte die llofkanzlei bei der 
Kunigiii in Pressburg die Gründung einer Iloleummission ftir 
tlie Dcfension und Verproviantierung der Haupüitadt im Falle 
einer Udagerung an, wie eine solche im TUrkenjahre Wb.j be- 
standen hatte. Sehou am 7. September erfolgte von Pressburg 
aus ein königliches Deeret an die drei oberen Stände des In- 
haltes: Die Commission habe sieh unter dem Präsidiinn des 
Statthaitera Friedrich Graten von Kluivenhiiller eonstituiert. Die 
Stände mögen aus ihrem Gremium einige Mitglieder für diese 
Uommissiou bedtimmen. Ausserdem soll veranlasst werden, 
dass jaller Vorrath, so im Land ist, nacher Wien in Sicherheit 
gebracht, andurch dem Feind die Subsistons schwär gemachet 
und vor die Stadt die nöthige Provision erseOget werde*.* 

Der Landtag selbst beschloss nun in meiner Sitzung vom 
IL September^ dass sich sechs der älteren Mitglieder, je drei 
Tom Verordneten- und AuaschusscoUegium, als Deputierte an 
den Berathungen der Hofcomnussion su betheiligen hätten.* Es 
waren dies: der Land-Untennarsehall Karl Leopold Moser, der 
Landrechtsbeisltser Augustin von Alchen, der Laudscbafb- 
sjndicus, der Prälat von Heiligenkrens, der Dompropst Josef 
Breitenbttcher und der Propst von Zwettl.' 

In derselben Siteung bescblossen die Stände auch die 
Beibringung einer bedeutenden Geldanticipation durch ihren 
Obereinnehmer Johann Raimund von Albrechtsbuig in eüie 
yUniversal-Defirasiona'Cassa' und die Herbdschaffung von allem 



* Künigliches Decret, Pressbur«,', 7. So)>t<.Mnber 1741, n LatiJe?«.irchiv. 

' Schltissfhoricht der secht Doimtierten an den Landtag. ,lvelatioD, denen 
Ulbi. tirt y olMneu in gegenwärtigen Landtag veraambleten Herren Ständen 
dieses Erxlierzogthunis Österreich unter der Enns, ron deroselben hinter* 
laMenen, beyoUinlchtigteii, stlodiseheii Hema DeptttieTtan in n«nii4> 
•cbaft Bnsnatellen*. 23. Novemb«r 1741. Vgl. Beilage XXY. 

* KematmttUer in den Mitth. Aen k. u. k. Kriegaarehivs, neue Folge, Bd. VII, 
1893, S. 152. Nach einem in der n.-H. Lnndesbibliothek befindlichen, 
ziemlich .neltenen Scboiiiatismii?! an.« jener Zeit: , Kayserl. u. KSnigfl., wie 
auch Erzherzogl., dann der i-Iaupt u. Kösideuz.'^tadt Wien Staats u. Standes 
Calender auf da» Jahr 1739, zu linden bei Leopold Johann Kaliwuda*, 
giengen ana dem n.«0. Landtage 6 Verordnete (Leopold, Propst ron 
Hanoganbnig» Bobert, Aht an HeUifankrena, Karl Anton Qraf TOnHaitaeh, 
Joief Qraf Aneiaperg, Angnatin Anton tob Aieben ond Joeef Anguattn 
Ton Albrechtalrarg), sowie 17 Amaclillaie henror. 



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151 



erdenklichen Proviant. Nicht ohne berechtigtes Selbstgefühl 
erklärten die Stände sich bei dieser Gefahr als Patres 
patriae! 

Mit Hofdeoret vom 16. September ergieng an die nieder- 
österreichischen blande, geradeso wie kurz vorher an die ober- 
österreichischen, der Befehl, im Falle der Annäherung des 
Feindes sich sogleich auseinander zu begeben. Doch sollten 
die Verordnete n, sobald sie das Landhaus zu verlassen ge- 
zwungen seien, sich ,in die zwei unteren Viertel' (unter dem 
Wienerwald and unter dem Manliartsberg) dergestalt ver- 
theilen^ dass es anch ,bei abgeschnittener Comunication Uber 
den Donau Strom^ dennoch an keiner Seiten des Landes an 
nöthiger Vorsehung gebrechet ^ Der Landtag lOste sich in der 
That beim Herannahen der Baiem und Franaosen anf nnd trat 
erst wieder gegen Ende November, nach glttcklicher Abwendung 
der Feindesgefahr, Buaammen. Die Verordneten wollten sich 
zuerst nach Bruck an der Leitba begeben, entBcbieden sich 
indes später für kleinere Orte (Ermnbach und Kirchschlag). 

In der That aber verliessen sie, während alles, was irgend 
die Mittel hatte, flttehtete, Wien nicht, obwohl die Regierung 
die von ihnen vorgeschlagenen Orte gebilligt nnd nur verlangt 
hatte, die Verordneten sollten das Landhaus vor der äussersten 
Noth nicht verlassen.' Ende November konnten sie mit Be- 
firiedigimg dem Landtage erklären, dass sie ,be8tändig aus* 
g-ehalten und die Rltiste drey der königlichen Deputation ab- 
zuwarten das \ ergnügen gehabt'."' Am 12. September bereits 
trat die Hofcommission mit den sechs siaudischen Deputierten 
das erstemal zusammen, und < s wurden die zu ergreifenden 
Massregeln ,bedächtliclr besprochen. 

Eine Reihe wichtiger Forderungen stellte der Präses dieser 
Conimissiou, Statthalter Friedrich Graf von Khevenhüller, an 
die ständischen Vertreter, z. B. : die Stande s Dllten rTcldhilfe 
leisten, für die in die Stadt gezogene (jarnison Zimmer in den 
grossen Klöstern und Freihäusern leer machen, sämmtiichen 
Vorratli an Körnern, Heu und Stroh im Lande ,beschreiben', 
damit selber, ,um dem Feind die äubsistenz zu rauben^, nach 

* KüDigliub«« Deoret, PreMburg, 16. September 1741, u.-ü. Lautiesarchiv. 
Tgl. Beilsge 

* HolÜMMt vom 9t OetotMT 1741, ebend. 

* MlnaitMriclit vom 28. Mcvmnber lY4I, ebend. Vi^I. Beilaire XXV. 



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152 



Wien gebracht werden könne, ebenso das Vieh, Beamte in 
die Umgebung von Wien abschicken, um Proviant hcrbcizu- 
sehafFen. Die Herrsehaftsjäger und Sclnlt/,en sind in eine 
(Jompa^nie zu vereinigten, und die Claude haben sie zu be- 
zahlen. Das viele Holz in der Kossau ist in die Stadt zu 
schaffen, die Sehiti'müldcn abzubrechen, Vorspann zu leisten.^ 
Wir wollen nun betrachten, was die niederöstcrrcicliischen 
Stände in den einzelnen Kategorien des Defensionswerkcs in 
jenen bewegten Tagen leisteten. 

1. finanzielle Hilfen. 

Vor allem musBte der oberste Leiter der gaiuen ,LaDd- 
defension', Feldmarschall Graf Ludwig Andreas KheyeohuUer, 
darauf bedacht sein, die neu geschaffene Defensionscassa rasch 
zu flülen. Es ist sattsam bekannt, in wie jämmerlichem Zu- 
stande die Staatsfinanzen beim Begierungsantritte Maria Theresias 
waren; die Monarchin seihst hat in ihren vom verewigten 
Ameth herausgegebenen Aufzeichnungen (,Aus mütterlicher 
Wohlmeinung zu besonderem Nutzen meiner Posterität ver- 
fasste Instructionspuncta*) die«e X'erhaltnisse mit bitteren Worten 
ciiarakteriisiert: ,Und da mich bemUssiget gesehen, einige hundert 
Tausend als Darlehen oder Subsidia rraesentanea von denen 
Particularibus anzuverlangen, so musste gewahr werden, dass 
die Potentiores, ja gar die ministri selbst, sich hierbei merklich 
zu verschonen trachteten/* 

Ohne werkthätigi' Ililie des Landes und <Ier Stadt Wim 
war an ein»' Füllung jener DefVusionseassa nicht zu denken, 
und mau brauchte doch üo «Inngcnd zur Ausführung des Aller- 
nothwendigsten grössere Suuinicn. Mit Recht wurde daher an 
die Spitze aller Verhandlungen und Massnahmen von der 
Hofcommission die Geldfrage gestellt. 

Es war der Regierung bekannt, dass beim ständischen 
Obereinnehmeramte die Summe von 54.000 fl. in Barem erlag, 
bereit^ an die Stände des Landes Brabant in Rtickzahlung 
eines von den Brabantem der Regierung gewfthrten und von 



^ Der Ststtbalter Graf Friedrich Kheveuliiaier an die «tlndiaeheik Depu- 
tierten, ii.>0. LendeeereluT. 

* Maria Theresia bei Ameth, »Zwei Denk.schriftun der Kaleerin Maria 
Theresia* im Arobiv Ar Seterr. Qeacbiehta, Bd. 47, S. 890. 



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153 



den Kiederi)st( t jiMclifi ii nbcnioiiuin'nen Darl Ii iis aljirescliickt 
zu werden. Diese Suuuik- sollto nun statt nach Brabant in die 
Defensionseassa fliessen. Nach eini^reni Bedenken gaben die 
ständischen Deputierten hiezu ihre Einwilligung, zumal das 
Bankhaus Palm (Heinrich v. Palm, Franz v. Palm und 
V. Palm junior) die Schuld an die Brabanter übernahm, auch 
wirklich das Geld ,an seine Gehörde nach Niederlanden^ ttber^ 
machte und <>ikhirte, ,da8s sie Wechsel Kegotiaiiten in Er- 
kannUias dermaligen Geld Mangels gegen anderwärtige, sichere 
Anweisung sich gedulten, Ihre Mayt. die Königin aber «liese 
«bindernde Bezahlung in hoc frangenti ^theissen würden^' 

Zum Zwecke der Stndtvertheidigang wurde eine Btändiaebe 
Steneranticipation ins Werk gesetst. Ein Fonnular derselben 
li^ noch den Acten bei: ,Ick au Ende Gefertigter, bekenne 
im Kamen deren jetaigen und künftigen n.-0. Herren Land- 

Schafts- Verordneten, dass in gegenwttrtiger Noth . . . 

Galden in das landscbaftlicbe Obereinnehmer Amt gegen danron 
hiemit verschriebenen 5 pro Oento Jahrs Interesse . . . haar 
empfangen habe. Urkund dessen gegenwärtige Ambts-Reco- 
gnitbn. Actum Wien den . . / 

Diese Formulare sollten vom Landschafts-Obereinnehmer 
Johann Raimund von Albrechtsburg unterzeichnet werden. Die 
Rückzahlung erfolgte theils in Abzug von der Steuer, theils in 
liarem. Herr von Albrcchtsburg solle die Gelder gegen Aus- 
stellung obiger Recognition entgegennehmen und an die Defen- 
sionseassa abfüliren." Im ganzen kamen ein; an ,8tändi8cher 
Anticipation* 27.063 fl,, an ,denen aUhiesigen Häusern (auf 
ständischen Credit) dictierter Bey Steuer 151.390 fh* Zalilstelle 
war auä&er dem landschaftlichen Oljcreinnehmeramt noch ,der 
Stadt Wien Kammeramt'. Krwägt man, dass die Gesammt- 
kosten für Verpflegung und Defension während der kritischen 



' Die Gatheissnng erfolgte mit Uofdccrot vom 13. September 1741. Die 
ständischen Deputierten zeigten der Königin am 19. September die Ab- 
lieferung' der 54.Ü0Ü H , .weicht' floiuMi Ijrabantischen StHnden hinauf 
r.M /.ablüu gewesen', in die Defensionseassa an. Auuh im Sohlu.*i->il>orichte 
der ständischen Deputierten ist von dieser Angelegenliett <lie Rede. 
N.'O. LaadMarehir. 

' Die VenndiMlan an den Landachill^Obewtiitiiehmer Jobatm Saimnnd 
von AlhndatOmtg, Wien, 16. September 1741, n.-O. LmdeMrchiv; bei- 
liegend obifea Pomralsr fllr die ,BeoQgaitfimenS 



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164 



Zeit mit 192.712 fl. aDgegeben werden, für FortificatioiiBarbeiten 
mit 76.582 fl.,^ so erkeimt man die Bedeutimg des von den 
Ständen zur Verfügung Qestellten. Trotzdem war im Augen- 
blicke der höchsten Gefahr noch immer viel Geld uüthi^. Am 
10. October 1741 wandte sich der Statthalter neuerdings an 
die l^aniiscliultsdeputierten. Die Anticipution auf suiumtliche 
Wiener Häuser habe sich im Vergleiche mit den Unkosten 
nicht den Er>varlun^en entsprechend erwiesen. Man sehe sich 
deshalb auf Grund einer königlichen Resolution {^aniuthigt, die 
wohlhabenden Inwohner um Darlohen anzugehen. Selbe seien 
an das landschaftlieho ( ^bereinin Imierauit abzugeben. Die Stände 
müchteu dafür gutüteiien und den Darlehengebern landschaft- 
liche Obligationen ausstellen.^ 

Schon im September hatte übrigens die Hofconmiissiou 
eingerathen, auch die bemittelten Inwohner, welche keine 
Häuser besitzen, ,ztt einem willkürlichen Geld'Erlag ansu- 
eifem*.' 

Die ständischen Deputierten nahmen die Anregung des 
Statthalters willig auf. £s wurde eine ^SpeciHoation deren- 
jenigen Parteien, an welche die Darlehensdeorete erlassen 
worden', angelegt. Im ganzen wandte man sieh an 287 Pdr> 
flonen und einige wenige Oorporationen, darunter z. B. die 
Jndenschaft. Die verlangten Betrüge sekwanken swieehen 
100 und 1500 fl. Am höchsten bedaokt sind die Pkiüaten. 
Doch scheint die Anleihe^ wegen der sich bald stark mindernden 
Gefahr, nicht vollendet worden zu sein.^ Eis mag auffallen, 
dass unter der Wiener Bevölkerung nicht ganz 300 Per- 
sonen sieh be&nden, denen man die Leistung eines 100 fl. 
übersteigenden Darlehens zutrauen konnte. Doch muss man 
bedenken, dass gleich im September ein starkes Flüchten, wie 
es auch 1683 geschehen war, stattgefimden hatte. Uebrigens 



' Kcmntmöller, Blittli. dös k. n. k. Kriegsarchivs, neue Folge, Bd. VII, 1898, 
S. 100. Die« map sich indes imr nuf die Vertbeidigung Wiens be/.ielien, da 
dioStumne der ständischou Ansoabeu alleiu ©inen weit höheren Hetrajrorpibt. 

* Der Statthalter an die Landschaftsdeputierten am 10. October 1741, n.-C 
Landesarchiv. 

■ Der Stotfhalter an die «titadiaeben Dspntiarton im 10. Ootobar 1741,' 
n,4l. LendeasyehiT. 

* Diese ,Sp60ifieation' ist im n.-ö. Laiidesarchive. Die Namen tind als 
die der dmimligeti Wiener ,Honoiatioreu' nicht ohne InteitiMe. 



Üigiiizea by LiOOgle 



constatiert auch der Statthalter selbst am 10. October eine 
,Ohnvermögenheit UDterschiedlicher Haiiseifjenthumer'. 

Auch die Stadt Wien erklärte sich bereit, ,willigHch auf 
Oeldaiiticipationen ihren Credit zu interponieren', wie sie denn 
,einen grossen, und gegen lOO.ÜOü Ü. in Naturalien betragenden 
Vorratb gemachet, das Zeughaus eingerichtet, auf 1000 StUck 
Ochsen garantiert und alle Fuhren wieder bezahlt habe^^ So 
eneigten sich ,die von Wien* ihrer Vorfahren von 1683 wUrdig. 
Im änsserBten Falle sollte anoh ,das Wiener Stadt Baneo, 
beraageJEOgen werden. 

Zum Schlüsse dieser finanaiellen Darlegungen sei bemerkt, 
dass sich nach dem Baohenschaftsberichte der stiadisohen 
Depatierten aur Hofcomniissi<m vom 23. November 1741 die 
Ai^gaben des Landes, ungerechnet die Verpflegung des Corps 
FÜffy und die Ausgaben für die Regimenter Waldeck und 
Moltke, in dieser Feindesgefahr auf 351.867 fl. 36 kr. beliefen.* 

%. Fortilleatlon. 

Immerhin war nun genug Geld vorlianden, um unter 
der Leitung des eiif-ririschen Feldmarschalls Ludwig' Andreas 
Khevenhttller und des Festungsdireetors von Wien, liif^enieur- 
überst de Monti, das Fortiticationswerk mit Ernst in Angriti 
zu nehmen. Die Arbeit hatte schon im August begonnen, doch 
ohne Nachdruck; seit 14. September kam mehr Leben in die 
Wiederherstellung der verffillenden Werke. Wäre ül)rigen8 Karl 
Albrecht; der am 11. September bei St. Willibald die damalige 
oberösterreichische Landefl^grenae l&berBchritten hatte, statt sich 
in Linz, £nns und Ybbs ungefilhr je eine Woche unthätig auf- 
zuhalten, schnell vorgerückt, trotz aller Anstrengungen hätte 
dann Wien, das sich erst um den 20. October in einigermassen 
leidlichem Stand befand, capitoHeren mttssen. 

Von der Embeaiehung der Leopoldstadt in die Fortification 
wurde Abstand genommen, die Vorstildte grdsstentheils gerttumt; 
was ao Häusern, Bftumen und Gürten auf dem Fortifications- 
terrain stand, wurde unnachsichtlich geschleift. Selbst von den 
Hauptwerken behauptete übrigens de Monti, sie seien von 



* Der Statthalter «n die •tindiaehen Depatierten am 10. Oetobar 1741, 
iL-e. LsadeeatdiiT. 

* (Relation* vom 2S. Novenber 1741, n.-0. LaadeMurelilT. 



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156 



Hftns aus an einigen Stellen ganz verfeUt angelegt worden; e$ 
habe fast den Anschein^ sie seien absichtlich so gemacht, um 

den Sturm zu erleichtern.* 

Gleich anfangs stellten die Stände 1000 Schanzer (später 
3000) und 700 Faschinenmacber, welch letztere vom 14. Sep- 
tember biä 17. Oetober ,ein unglaubliche Menge Faschinen /zu- 
sammengebracht*.* 

Jene 1000 Schanzer arbeiteten namentlich an zwei in 
der Brigitten au zur Donausperre aufgeworlcncn Kedouten. Sie 
wurden von deu Viert' !ii uiittM" dem Wiener Wald' und .unter 
dem Manhartsbercr* i^i >t ■llt, crliielten täglich 4 Groschen ans 
dem standisehen .'\crar. aussenieni von den Gemeinden täixHeb 
4 Grosehen, .um sie ohn verdrossen* zu erhalten. Die Ausgaben 
des Landes behefen sich in diesem Punkte auf -'^924 fl. 14 kr., 
die bar erlegt wurden: für die 700 Faschinenmacher liefen 
3300 fl. Kosten auf. Bezüglich dic<!er wie aller anderen mili- 
tärischen Kosten wünschte der Landtag, dass ein Drittel vom 
Hofe, ein Drittel von der Stadt Wien getragen werde. 

Aus den nHchst< n Dörfern wurden im stftndiscben Auf- 
trage Lente ohne Lohn requiriert, die an den Linienwällen alle 
80 Schritte breite Oefinungen machen sollten: »damit hiedurch 
dem aus Hnngam erwarteten Secours der freye Zugang verstattet 
werde!'* Welche Wendung der Dinge! Vor 37 Jahren waren 
die Linienwälle sum Schutze gegen die Ueberflllle ungarischer 
Rurutzen auf die Vorstädte errichtet worden, und jetzt rasierte 
man sie zum Theile, um im Falle der Belagerung einem un- 
garischen Entsatzheere das Anrücken zu erleichtem. 

Das Abreissen der Häuser — zum Theil standen sehr 
schöne auf den Wällen beim Rothenthurm, Stuben- und Kämtner- 
thor, auch ein ärarisches Gebäude, die Hauptmaut, war darunter 
— gi**ng begreiflicherweise nicht ,ohne grosses Murren und 
Widerwillen* gegen den Feldmarschall Khevenhüller ab.* Auch 

* Kematmüller, a. a. O., H 154, In.',. 

* Die stiindiscben Deputierten an die Küuigiii am \'J. Se|itoiiiber 1741 und 
,!Sciilus8-Kelation' «lerttelben am 23. November 1741, n.-ö. Landesarcbiv. 

' SchluMrelation yom SS. November 1741» Paukt 7, ii.-S. LendemrcliiT; 
denelben Tfaatascbe gesobiebt Erwibnuiiy io der anonymen Oeaandten- 
relation aus Prembnig vom 87. September 1741, k. n. k. Haua-, Hof- 
und Staatsarchiv, Kriegsacteii in genere, Fam. S47. Vgl. Beilage IX. 

* Dieselbe Belation; ebend. 



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157 



die Häuser und Quartiere clcr ,Stadtquardia' auf deu Basteien 
wurden, a\ i der Landschaftösecretär Michael HHuziimun be- 
richtet, abgebrochen. Jedes Haus hatte 1 — 3 Arbeiter zu 
stellen: schanzen mussten auch die starken Leute aus den 
Gefaugenhi&aaeru; Invaliden aus dem Armenhause abernahmen 
die Aufsicht. 

Alles Brennbare wurde möglichst entfernt, (jisternen an- 
gelegt, Vorsorge getroffen, alle Schindeldächer im Falle der 
Noth abzureissen und der Bevölkerong durch ,offene Kiife', die 
immer mit den Worten seUossen: ,8a^e es einer dem anderen', 
Verhaitongsmassregeln gegeben.^ Pulver wurde aus Raab, 
Komom, Gran und Qraa herbeigeschafft (8270 Cöntner), wobei 
ständiacheneilB Vorspann geleistet wurde. Fftr Montierong der 
WflUe worden selbst die umliegenden Orte im Oontribation 
gesogen. So winden s. B. von den St Poltnem auf Befehl 
der Regierung ,6 metalhie (Bronze) nnd 7 eiserne Stnckh nebst 
einer metallenen Hanbiz anf der Aex' nach Wien geführt.* 

8. Terpreviantienmg. 

Bereits aiu 12. September 1741 crseliifn ein f^edniektes 
slaudisehcs Patent des Inhalts: Alles Korn ist ^^egi ii Lietcruugs- 
schein ,über alleinige Zurück behaltung ohnentbehrlichen Haus 
und Anbaus Notthurit* mit grösster Beschleunigung nach Wien 
zu liefern.' FUr diese Lieferungen wurde, wie die ständischen 
Deputierten im Spätherbst dem Landtage mittheilten, ,ein sehr 
anständiger Preis gesetset'. Schon am nächsten Tage, dem 
13. September, erliesscn die ständischen Verordneten ein Nach- 
trsgspatenti schärften auf das dringendste die stricte Beobachtung 
des ergangenen Befehles ein und th eilten mit: ^es sei nltimatim 
resolviert worden, dass bey Beendung einiger Saumseligkeit 
oder Renitenz die Morosi nnd diesem Befehl ü^derstrebendc 
mit Alnfzig Thaler auch nach Befand der Sachen durch £isen 
und Band, ja andere Leibs Strafen vermittels militärischer Hilf 
bestraffet werden.'* Der Landschaftstrompeter Ferdinand Feyc- 

* Anieth, Maria Theresia 1, 8. 3"2n. 

■ FahrngTuber, ,Au8 8t. Pölten' löbö, b. 269. 

' Patent der Verordneten rom 12. September 1741, auf Urund der Landtags- 
«tsoof Ton 1 f. September, Landeaarahir. Vg^I. Beilage III. 

* Die Verordaeten am 13. Seplembw 1741, n.>0. LaadeMrehiT. 



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1Ö8 



rieh überbrachte den eiuzelueu Herrschat'tcn die Patente, liess 
sich den Empfang und die öffentliche Verlesung in den Ge- 
meinden bestätigen, die Angelobung der Befolgung aber durch 
die Ortsricliter und Vorsteher bezeugen. Ein Faacikel solcher 
Bestätigungen liegt den Acten im niederösterreichischen Landes- 
archive bei. 

Der Erfolg der ständischen Patente vom 12. und 13. Sep- 
tember war ein stattlicher, für Proviant wiiiirend einer Be- 
lagerung wäre auf einige Monate vorgesorgt gewesen. 

Geliefert wurden von Weizen ^öl^|^ Hetzen. Korn 
9264*/^ Metzen, Gerste 5939*/, Hetzen ( ,unau8getro8chen' 23 
Hetzen), Hafer 48.860 Metzen (,unansgetroschen' 375 Hetzen), 
Heu 29.467 Centner, ,Thenn Stroh* 661 ,Schttber*, 4ö »Sohttb*, 
yordinari' Stroh 552 ySchtfber'. 

Nur die Quantität an Heu wurde unzulänglich befunden.' 
Der ganze aufgewandte Betng wird mit 10B.058 fl. 46 kr. and 
15,014 fl. 7 kr. Fahrlohn verrechnet^ welche Summe yon der 
künftigen LandeabewiOignng in Absng zu bringen wttre. Wirt- 
schaftsgeBohichtUch nicht ohne Interesse sind die P)*ei8ey welche 
stftndischeFSeits fUr die Lieferungen bezahlt wurden, Preise, die, 
wie schon bemerkt, von den ständischen Deputierten als ,sehr 
anstilndig' bezeichnet wurden. Es wurden berechnet: 

der Landmetzen Weizen für 2 fl. 21 kr. 
„ » Korn „ 1 . 11 „ 

„ „ Geräte „ 1 „ 12 „ 

n ft Hafer „ 1 „ — „ 

Der Oentner Heu wurde mit 45 kr., der Schober ,Thenn 
Stroh' mit 4 fl. und der vom ,ordinari' Stroh mit 3 fl. bezahlt. 
Auf jedes bei der Proviant- und Fouragelieferung in Verwendung 
kommende Pferd wurde 1 fl. Fährlohn angesetzt Die liefernden 
Herrschaften erhielten ,Recognitionen', nach welchen ihnen das 
Gelieferte auf Grund obigen Tarifes von ihren Landescontri- 
btttionen abgezogen wurde.' 

* Der Stattlmltor an die laiulsclüiftli. licu Dt-piitiL-rteii ain 17. October 1741, 
UÄch einer Vorstellung des (irateii 8alburg. N.-rt. LandoMrchiv. 

' Uebur dItM Proviantangelegenbeiten: SehlnsRrelatioii der BttiMUaelieii 
DepQti«rtoii am 88. Voreiiiber 1741, Punkt 8, Landewrdiiv, und 
anonyme Getandtanralatioii am Praaabntg, 87. flaptamber 1741, k, v. k 
Haxur^ Hof> und StaatsarehiT, Kriegtaotan in genare, Fase. 847, 



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Eine kurze Störung der Lieferung trat ein infolge des 
unerhürt* n Klüchtens aus der Stadt* Die Landleute, welche 
mit Proviant und Fourage in die Stadt wollten, wurden durch 
das Getüramel der Abreisenden auf Strassen und Gassen auf- 
gehalten, Bespannung war schwer zu bekommen, aueh wurden 
Fuhrwerke, die für die ständischen Lieferungen bestimmt waren, ,zu 
ADderwärtigem Fahrwesen unter militärischer Gewalt verwiesen'.^ 

Die Verwirrung war umso grOsser, als nicht nur ein 
Menschenstrom die Stadt verliess, sondern anch gleichseitig 
eine wahre Völkerwanderung des Landvolkes vor den Aui- 
schreitangen des Invasionsheeres in die schützenden Mauern 
der jetzigen inneren Stadt erfolgte. Diese konnten aber die 
Blasse der Geflaehteten nicht fossen, umsomehr^ als nach dem 
Verpflegsplane für den Fall einer Belagerang nnr anf 40.000 
Edpfe für sechs Monate angetragen war.* Ein Tomehmer 
Angensenge, der sich ^gleich allen tthrigen Gesandten nnd 
Ministem' der Flacht ans Wien angeschlossen hatte^ schreibt: 
,Es ist in ernannter Stadt (Wien) ein solches Flachten^ sowohl 
von hohen als niederen Personen, dass man fast weder Schiff' 
noch anderes Fahrwerk, wenn man sieh von dort hinweg be- 
geben will, bekommen kann and ist eine iinztthlbare Menge 
Volkes in etlichen Tagen allhier angelangt, welches, weil es 
nicht hier alles uiiterkoiiimeii kann, auf die herumliegenden 
Städte und Dörfer sieli bepbt, wo es alles voll Leute wimmelt, 
wodurch aber die Theuerung derer Lebensmittel immer ver- 
grössert wird/* 

Unermüdlich thiili*: waren die stäiulisehen Ororaiie aueh 
fttr dif noch auf dem tlaehen Laude lictiTidliehen königlichen 
Truppen irewescn. Namentlich die Verptlegun;^ d^r 2000 bis 
H(X)0 Warasdiner (Trenzcr und der Dracronerregimenter Savnypn 
und Khevenhiiller, die einst so erbitterte Proteste der ober- 
ennnschen Verordneten hervorgerufen hatte,^ vollzog sich jetzt 
in Bereitwilligkeit nnd Buhe. 



' s ] i i.Hsrelation d«r BtKndiMshon Deputierten, Punkt 3, n.<0, Landeearchtv. 

* .Der "■■•Hterroichwche Erbfolgekrie«,',' luTausg. von der kri^giigescliichU. 
Abtheilung des k. u. k. Kriegsarchivs, Bd. IV, S. 136. 

* Anonyme Gesandtenrelatton ans Prossburp, 27. .September 1741, k. n. k. 
Hmm-, Hof-nnd Staatsarchiv, Kriegsaeten in genere, Frrc. 847. Vgl. Beil. IX. 

* Vgl eteten Theil TorUegeBder Arbelt, 8. 888f. 



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160 



Auf einen Bericht des ständiBchen Obercommissärs für 
das Viertel ob dem Wienerwald, Grafen Atiersperg, er habe 
zur Verpflegung von 2000 Warasdinern 1600 fl. ausgegeben^ 
antworten unter dem 12. September 1741 die Verordneten, dies 
sei ;gar wohl gethan^ Der Obereonimissür iiiuge mit Dar- 
reichung der Portionen von tilf^lich ;> ki. pro Mann türtlahren, 
im Falle von Geldmangel aber iemaiuleu nach Wien schicken^ 
,durcli deti uiau daö Beuuthigte ubermachen könnet Bezüglich 
der beiden Dragonerregimenter, die seit 9. September auf nieder- 
österreichischem Boden standen, wären die Laudesmitglieder 
bereit, »alles, was nur möglich wäre*, herbeizuschaffen.' 
Allerdings hoffen sie hietiir Abzug von den Landesaniageu. 
Welcher Oontrast zu dem Actenwechsel in derselben Ange- 
legenheit zwischen Kegiening und oberösterreichischen Ver- 
ordneten! 

FreiHch war dieses Corps in der Folgezeit eine schwere 
Last für das Land, wie der Schiossbericht der ständischen 
Deputierten angibt: ^Dessen Campieren hat ein Unsägliches an 
Fourage ftirweggerissen und die aufmarschierte Grenser Husaren 
haben gleiche Last dem Lande aufgedrungen, ohne dass der 
geringste Vortheil oder Hilf beigewachsen'.' Dass bei einer 
solchen seltenen Bereitwilligkeit der Stände das Aerar hin and 
wieder selbst Unbilliges verlangtCi ist erklärlich. So begehrte 
die ,Hof Deputation' nach dem Abznge der Feinde auch Ersatz 
der ,aus der königl. Waldung bei Purkersdorf vor das Militare 
verwendeten 700 Klafter Holz'. Die ständischen Deputierten 
replicierten auf diese Forderung: ,Es sei beliebig zu bemerken, 
dass die k<fnigL Truppen das Überkommen, mithin die Hof- 
Kammer oder Ministerial-Banco es als ein zu allerhöchstem 
Dienst gewidmetes und verbrauchtes Gut ex proprio zu bUssen 
habe.'« 

Auch eine ^Fleischbeschreibung* war frühzeitig in Aussicht 
genommen worden. Die ständischen Deputierten erklärten in 
einem spätere;! Z itpunktc, am 17. October 1741, tVir den Wert 
des nach Wien z,u treibenden liornviehü z.u ^aruuuercn. Man 

' Die Verordneten aD deo Obercommiss&r des Viertle ob dem Wiener- 
wald am 12. September 1741, n.-«. Landesarcbiv. 

^ Sciilussrolation der stiadücbeu Deputierten Tom 23. HoTember 1741, 
Punkt 16, n.'fi. LandeearchiT. 

' Eboud. 



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161 



suchte von den ständischen Orgauen seitens der Hofeom- 
mission zu ermitteln, ,wie geschwind beiläutig lÜOO Stück 
Hornvieh herein getrieben werden könnend ^ Doch brauchte 
schlieBslich nichts geliefert zu werden, ^weilen der Feind atu 
ohngezweif elter göttlicher Vorsehung entwichen*.* 

Eine gewisBe RoUe spielten anlässlich des Aufenthaltes der 
Baiem und Franzosen in Niederösterreich einige Kriegsboote 
(Tschaiken), die mit je 30 Mann Bemannung und 3 Kanonen 
auf der Donau kreuzten. Wir werden ihrer anUaalich des 
RttckzngeB der feindlichen Armee weitere Erwähnong au thnn 
haben. Aneh diese wurden Ton den stündiBchen Oiganen mit 
Brot yersehen. Dies scheint einige Zeit hindurch die einaige 
Nahrung der Tschaikisten gewesen zu sein, so dass am 21. Oc- 
tober der sttndische Untercommissllr Air das Viertel ob dem 
Uannhartsberge, Johann Josef Pittersfeld, bat, der Be- 
mannung der Tschaiken auch warmes BSssen, nicht nur Brot 
zukommen an lassen. Die Herren Oapitttns der Tschaiken 
seien bei ihm gewesen, klagten, dass sie kein Geld mehr htttten, 
ihre Leute kannten vom Brot aOein nicht leben; besonders bei 
den schon kalten Herbstnttchten mttssten sie etwas Warmes 
haben, ,sun8ten werden ihnen die Leut' krank oder sie müsstcn 
Excessen begehen'.* Es scheint, dass von der ständisehen 
Behörde in Wien aus diese Forderung bewilligt wurde. Denn 
gleich darnach kam frisches Leben in die Tschaikisten, und 
sie bereiteten den sich zurückziehenden Franzosen manchen 
Schreckt n und Aerger ('Ende October und Anfanjr November). 

Dass die Proviantsurgen im Landhause sich bis in die 
kleinsten Details erstrecken niusstf^n, beweist ein Bericht des 
^übt^tituierenden Obercommissärs für las Viertel ob dem Wicner- 
waidi , Karl Grafen Breuner, aus Sieghartskirehen; ob die Siimme 
von 70 fl. bewilligt werde,* derentwegen die Fleischhauer für 
an die Tafel des commandierenden Generals geliefertes Fleisch 
ihn, den Grafen, bestürmten. 



' Der StAtthalter an die ständischen Deputierten am 17. October 1741. 
Hier wird die stfindisdio Garantie als in ,heatiger Sitiuiiig* geMshehen 
erklärt. N -ü. Landesarehtv. 

* SchluÄsrelatum der ständischen Deputierten, Punkt G, ebend. 
' Pittersfeld, am 21. October 1741» a.-ö. Laudesarchiv. 

* Bttksbt Brennen, Sief^linrlaklrelien, «m 11« Oetober 1741, n.-d. Landea« 

Anw?. ZCI. IM. L Hilft«. 11 



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162 



Viele Schwierigkeit machte uueli die Kiiuuüung alles 
Proviants, der, soweit er niclit nach Wien gebracht worden 
war, noch im Lande, namentlich in den , unteren Vierteln', die 
nicht in der Gewalt des Feinde;? waren, au%espeichert la<r. 
Schliesslich war aneh dies iresehehen linnderte solelier Inventare 
von den einzeiuen Herrschaiteu liegeu den iieleosioasacten bei.^ 

4. Die Vertheidiguugsmannschaft und deren Emqaartierimg. 

Die reguläre Garnison Wiens war nicht eben sehr zahlreich. 
Der Commandant Feldmarschall Graf Ludwig Andrea» Kheven- 
ktlller Yorftlgte über 3 Bataillone und 2 Grenadiereompagnien 
vom Infanterieregimente Waldeck, 3 Bataillone vom Infanterie- 
regimente Moltke^ welche Truppen inagesammt in Eile und, wie 
die stilndiBchen Deputierten mit grossem Naehdracke angeben, 
auf ständische Kosten ^unerhörter Dingen auf Wägen' nach 
Wien befördert worden waren.' Dazu kamen 2 Bataillone 
Bairenthinfanterie. Endlich waren fUr die Vertheidlgung Wiens 
bereit die oAgenannten Dragonerregimenter Savoyen und Kheven- 
hüller nebst den 2000 Warasdinem, sowie anderen Ghrensem. 
Zum regulären Militär wurde ausserdem noch gerechnet die 
,Stadtquardia^ welche bald nachher völlig aufgelOet ward. Zur 
Verstärkung des regulären Militärs dienten 8 Btirgercompagnien 
(4774 Mann), 157 Studenten, 181 Hofbefreite, 798 Professio- 
nisten oder Decretisten, 67 Älann von der Malerakademic, 
"J'JJ von den Frcihäudern und Klöstern* (Gesammtschätzun? 
8000 Mann). Bezüglich der Bürger war nämlich seitens der 
Regierung die Verfügung ergangen, ,da8s von allen, mithin 
Frei- und burirerliehen Häusern eine determinierte Mann'^chaft 
zum Exercicren und respcctive auf die Wacht zu ziehen hier 
zu erscheinen hätte^^ Seit Anfang October wurde die BUrger- 

' Dort aneb «in« «Tabelle deren lobl. Hemchalten und Fertheieii, weldie 
snfolge des notenn IS^ T^*** 1741 yon denen n.-O. Heim Verordnelen 

ennncierteu Patentes Ihren an Khöroem und Fourage, wie auch in Vieh 
habenden Vorrath beschrieben und hierüber ihre Rchriftliche Erkläningen 
um) .^jirrlfication ein^ereichet haben, wie hiorinnen zu ersehen i^t*. 

* Scljius>irelation der ständi<irheu Deputierten vom 23. November 1741, 
Punkt 16, n.-O. L&udesarchiv. 

* Kemitaiailer in den Hitth. dee k. u. k. KriefMUtchiv«, nene Folge, Bd. VII, 
199a« 8. 167. 

* SLhiuserelation <kr Htändieelieii Deputierlei» vom SS. November 1741, 
Punkt 10, n.o&. linndeMrebiv. 



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m 

schafl täglich in der Handhabung des Gewehres einezeroiert. 
Dass diese lästige, aber nothwendige Masaregel bei einigen 
wenig Vorliebe ffir den strengen Stadteommandanten berrorrief, 
ist begreifliob.^ Docb darf diese Stinunnng nicht als die allge- 
meine anfgefosst werden, wie der Dank nnd das Ehrengeschenk 
von 600 Kreninitser Dncaten beweist, das die Wiener Bürger- 
schaft dem Ckafen KheTenhUller ,&kr die grossen Gnaden nnd 
Wohlihaten, welche von Sr. £xcellenz . . . der Stadt bishero 
seind zugewendet worden', nach ttberstandener Gefahr dar- 
brachte.' 

Änch war seitens der Hofoommission angeregt worden, 
dass alle Förster, ForsÜtnechte, Jägerjungen und Scharfschützen 
sich in Wien einzufinden hätten. Deshalb erschien atn 2. Oc- 
tober 1741 ein ständisches Patent, jene Forstleute hätten sich 
mit gutem Gewehre und Kostgeld auf zwei Monate von ihren 
Herrschaften versehen, einzufinden, sowie mit ,annoch auf jeden 
Kopf täglich i) kr. ex proprio*. Das Forstpersonal hatte sich 
bereits zu sammeln begonnen, als von der Regierung ganz un- 
vermuthet diese, wie die ständischen Deputu rton sagen, in sic h 
sehr heilsamh e<'schöpfte Kesolution' ali^eitiiderl wurde Schon 
am 7. October weisen die Verordiu trii riie vier Obercoiunussäro 
an, dass die Herbeischickung der lierrsehaft^ijäger uud Scharf- 
schützen fUr unnöthig befunden wurde." Nor 132 ,königliche 
JUger' sollten verwendet werden. 

Für die Einquartierong der Besatsnng hatten nun auch 
die ständischen Deputierten zu soigen, und zwar eigieng seitens 
der Regierung der Befehl, hiebei ,ohne Ansehen einiger auch 
distinquierter Personen' vorzugehen. 

Es erfolgte die Beschreibung der tauglichen Quartiere 
durch den Landschaftssecretarius Häuamann, nicht nur in den 
,bflrgerlichen', sondern auch in den sonst quartierfreien Häusern 
(jFreyhänsemO* Viele von deren £igenthttmem ,waren dem 



' Anonyme Gesandtenrelation aus Pressburg, 4. Oetober 1741, k. a. k. Hauü-, 
Hof- nnd StaatiareliiT, Kriagtaeten, in gener«, Pasc. 847. 

* ,Der (Merreidiieelie Erbfolgekrieg*« heransg. vom k. n. k. Kiiegiandiivey 
Bd. IT, 8. 187, nach dem Ardilve der Stadt Wien. 

• Die VPTordneten an dio vier ObercommisRäre. Wien, 7. Octobor 1741, 
n.-o. Lanrie?nrr>iiv lieber die ganze Angelegfnhoit ? 8<*hlussrelatioD der 
ständischen Deputierten rom 23. November 1741, Punkt 10 u. 11, n.-ö. 
jUmdesarchiv. 

11* 



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164 



küniLHichen Hof gefolget, eini<:e über wegen der vun (k-m Feind 
angedrohten Rela<;eriing abgert-ist'. Von der seitens der Hoi- 
commiHbioii geötatteten RücksichtÄlosisrkeit machton indes die 
ständischen Deputierten keinen Gebrauch. Der Landschafts- 
secretär durfte die ,herrschafthche, sondorlicJi mobilierte Wohnun- 
gen' nicht belegen, war auch gehalten, die Ofticiersquurtiere in 
den Klöstern und Freihäusem «ordentlicli, jedoch mit Be- 
scheiden Ii cir anzusehreiben.' Für die ,ätadtquardia' war 
ebenfalls Unterkunft nöthig, da deren HUuser und Quartiere 
auf den Basteien abgebrochen wurden. Auch diese hatte der 
IiandschaftsBecretär zu beschaffen.^ Für Bedienung der Ge- 
schütze waren Kürassiere vom Regimente Graf Johann Pälffy 
aus Stockeraa dirigiert worden; soweit diese Mannschaften nicht 
in den Kasernen Platz hatten, waren sie ständischeiseits in 
WirfeB- und Privaihliusem einzuquartieren.' Selbst die Löhnung 
erhielten sie vom stUndischen Obereinnehmer. 

5. Kaitnahmen hesiglioh des st&ndisohen Personals und des 
Landhauses im Falle einer Belagerung. 

Hierüber wurde Folcfendes beschlossen: Der Oberein- 
nehmer zahlt zur Wahrung «Ics ständischen Cn'flits alle Inter- 
essen .nach ilusserster Möjtjliclikeit'. Die ständischen Beamten 
erhielten zu eigener Verproviantierung fincn Oehaltsvorschuss 
in der Höhe eines halben Quartals. Bezahlt wurden ferner die 
Schanzer, die Proviantfuhren, die Löhnung für die Leute vom 
Kürassier l egimentf Pillffy. Einige hundert Gulden wurden dem 
Bauschreiber ausgefolgt. Die Auszahlung der noch vom Plenum 
am 11. September bewilligten Anticipation und Beisteuer an die 
Defensionscassa soll der Obereinnehmer nach MasBgal)e des 
Einlaufes continuiereoi jedoch nur bis die Summe die Höhe 



' Die stindiachen Depntiertm an den ,Wsnn Secretwrinm Job. Hidiattl 
Hatttsnumn* am SS. September 1741, und Pnnkt 9 ibrer Sehlnamlatien 

vom 23. Novembrr 17 !i. ii.-n. Laudesarcbiv. 

* Horlclit des Laiulschafts.secretiirs: ,Dit' wog'Cn der jüngsthiii besorgliili 
püWfstGii feindlicbou Behigerung clor HUult Wien vor die alda ein^ok-pti^ 
.Soldaten-Garnison beygeschaiTte Quartier iu denen Freyhäusorn allhier 
befcreffeud*, pra&s. 18. Nov. 1741. Ist für die einzelnen Häuser und Gassen 
im damaligen Wien intereMant N.-O. Landeaaxeliiir. 

* KQnigliebes Decret an die n.-S. Verordneten, Preabniy, 7. September 1741, 
n.-O. Lan d eearchiv. 



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165 



von ir>O.U0Ü fl. erreicht habe, ,10 ein grosseres Quantum aber 
mit nichten sich einlassend Es scheint sich dies aber uur auf 
die Anticipation bezoiren zu luiben, da an Beisteuer ,von denen 
allhiesigen Häusern', wie im Früheren auBgeiUbrt wurde^ allem 
151.390 fl. abgeführt wurden. 

Alle übrigen Zahlungen hat der (Jbereinnehmer zu sistieren. 
Die wichtigsten Acten sind in »wohlverwahrte Gewüiber^ zu 
bringen. 

Zwei Landesbedienstetc haben täglich im Landhause Wache 
zu halten unter Oberaufsicht der Landessecretftre. 

Für den Fall eines Bombardements wurde eine Art Feuer- 
wehr eingerichtet, bestehend aus dem Landschaflsbauschreibery 
»mit denen Trompetern, Thorstehem, Boten, Thorwärtel und 
Heizern^ Diese wurden in der leerstehenden »Herren Stands- 
Wohnung' untergebracht. 

Noeh das Plenum der drei oberen Stände hatte verfbgt» 
dass die ständischen Akademisten zu ihren Eltern und Freunden 
entlassen werden sollten. Der Director — es war der letzte, 
Johann Friedrich t. Schwanau, denn das Institut wurde 1749 
aufgelassen — nebst dem Pater Bibliothekar und dem Tnüteur 
sollten aus der Alservorstadt in die Stadt ziehen. Den beiden 
letzteren wurde im Landhause ,einige Gelegenheit einge- 
räumet*.* 

Für den Nothfall wurden aueh im Landhause ein l'. u k- 
üfcu nebst einer Hand- und einer .Extramühl' aus Holz 11 n- 
fferichtet Dies schien umso zweckentsprechender, als im lund- 
schaftlielien Saale, in der \\'()hnun^ des Tiands<}uit"tssyndieus 
und itn Heiiigeokreuzerhofe alles ,schwär Korndl^ »ufge- 
achüttet lag. 

80 konnte man mit einiger Beruhigung ein paar Bc- 
lagerun «rs wo e h e n e n tgege ns i- 1 1 e n . ^ 

Auch auf das Kleinod, das die Landeshoheit über Oester- 
reich unter der Enns ausdrflekte, ,das crzherzogiiche Hüetl' 
wurde nicht vergessen. Gleieli zu Beginn der Gefahr, ani 
XI. September, machten die Stände die Königin auf dieses ihnen 

* Ueber die stlincli.si hf Akaduiuie hnndelt Dr. A. Mayer iii <l. ii .HlHtteni 
des Vereinea tür Landeskuudo von NiederOsterreich*, Bd. XXll, 

S. 311 ff. 

* 8chliUKrelati<m der stftndiseben Deputierten vom 23. NoTetnber 1741, 
0.-9. LandesarehiT. 



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166 



theare Symbol und die anderen in Klosternenborg befindlichen 

österreichischen Kleinodien aufmerksam und baten am Ueber- 
fUhrung in die Stadt. Zwei Tage später beauftragte Maria 
Theresia, dem o^eiiuss^'rten Wun.sclie Folge gebend, die Stünde, 
den österreichischen lierzogsliut und die übrigen Insignien nach 
Wien in sichere Orte zu schaffen.* 

8ti befaiul sich denn Wien seit Anfang kScptember in den 
Autregiuigen eines Belagerungszustandes wie in der Türkenzeit. 
Die Königin und ihr Gemahl Franz Stephan von Lothringen 
weilten seit längerer Zeit auf dem berühmten ungarischen 
Landtage von 1741 in Fressburg, die Kaiserin AmaHa, Witwe 
Josefs I., verliess Wien mit ihrem Hofstaate am 18. September 
und begab sich nach Klonterneuburg. Als nun aueh am 20. 
der kleine Erzherzog Josef von seiner königlichen Mutter nach 
Ungarn gebraeht wurde, und die Kaisem^Mutter Elisabeth 
(Witwe Karls VI.) mit den Erzherzoginnen am 23. um 2 Uhr 
Früh naeh zärtlichem Abschiede von ihrer Tochter in der 
Nähe von Wr.^Neustadt die Reise über den Semmering naeh 
Steiermark antrat»' da sweifeite ans der Masse der Bevdlkerung 
niemand mehr am Emst der Situation. Immer näher aog die 
Wolke der drohenden Belagerung. Am 24. October standen 
die Reiter der Colonne Mortaigne bei Sieghartskirehen am 
Abhänge des Wienerwaldes, dessen Höhen ihnen bereits den 
Stephansthurm seigen konnten. Und dennoch schwand bald 
die Gefahr. Dass aber Wien um den 20. October in Ver- 
theidigungszustand sich befand und nicht mehr als wehrlose 
Beute dem eindringenden Kurfürsten anheimgefallen wftre, ist 
nftchst dem Comraandanten Ludwig Andreas Khevenhttller der 
Opferwilligkeit der Stände und dem patriotischen Verhalten 
der Stadt Wien, die ein Drittel des von den Ständen Aufge- 
wandten Uberuuhm, zuzuschreiben. Die Kpisode von 1T41 ui 
Oberösterreich, Niederoöterreich und den innerösterreichischen 
Landen zeigt indes, wie sehr der Staat bei jedem Schritte auf 
die Stilndc angewiesen war, die keineswegs immer ein so 
wahrhaft ideales Entgegenkommen zeigten wie hier die Uester- 

Kdnigliehe« Deeret an di« obareo Stünde vom 18. September 1741 
(ProBsbiirg), ebend. Vgl. Beilage IV. 

* Oeaandtenrelatton nus Pressburg vom 27. September 1741, k. u. k. Haus-, 
Hof- und StaatMrcbiv, KriegsncteD, in fgenere 1741, Fmc. 347. Yg\. Beil. IX. 



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167 



reicher unter der Enns. Man be«:reift, wie irorade die grosse 
Monarchin anf den (jicdankeii kommen musste, das Staatswesen 
gleichsam auch auf" eigene Füsse zu stellen und jene thercsra- 
nischo Organisation zu schatten^ die in allen wesentlichen Zügen 
bis heute besteht. 

Kehren wir nun zum KorfUrsten und den Franzosen, die 
in und um St. Pölten standen, surttck. 

ni. Gapitel. 
Die Fnmsosen in «nd nnt St PSlten. 

Zwack d«i Tonnuachet. Lagefong des ftaniflciaehen Heere«. Dt« groiee 
Bemo am SS. Oelober 1741. Angriff Menaala. Entaeheidander Kiiagacath 

in St. Peilten. EiiifluMs eioes Briefes dar Kaiserin Amalia. DonaiiUborgang^ 
TSnings. Leben and Treiben der Fr.inzo<i(>n im St. Pultner Lager. VorstoM 

Mortaignea nach Siegliartelürcben. 

In St. Pölten weilte Karl Albreclit wieder eine Woche, 
vom "2]. bi.s 29. Octuber, an welrh lrt/.t<^rem Tage sinne Rück- 
reise nael» .Melk erfolgte. Vom Sumdpunkte der Franzosen 
aus konnte die ganze Bewegung nur den Zweck haben, den 
DonauUbergang Törrings bei Mautern zu maskiere, nach 
ächmettaus Intention die, den Kurfllrsten immer näher an 
Wien an bringen. Bei der Abhängigkeit Karl Albrechts von 
seinen gallischen Alliierten und ^^einer Unschllissigkeit mochte 
es wohl nicht lauge zweifelhaft sein^ wohin das ZUnglein an 
der Wage sich wenden solle. Unverhohlen äusserte sich ein 
BeToUmftchtigter der französischen Krone zu Schmettau, dem 
Specialgesandten Friedrichs II., als der Fall, Karl Albrecht 
woUte Wien erstlinnen, erttrtert wurde: ,Ja, aber dann wttrde 
ans dieser Mann nicht mehr brauchen, und das wäre doch ganz 
gegen unsem Vortfaeil.'^ 

Vorerst Hessen sich die Franzosen in und um die alte 
Traisenstadt häuslich nieder. Ueber ihren Aufenthalt daselbst 
hat uns in breiter Ausführlichkeit und lebhafter Schilderung 

*■ Uaigai], Dar aataireichlacbe Erbfolgaatreit und die Kaiaerwahl Karl« VIL* 
8. S05. 



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168 



ein gebildeter Augenseuge, der St. Pöltner Chorherr tind Pfarrer 

im nahegelegenen Gräfendorf Aquilin Josef v. Hacker, den wir 
nach seinen handschrifüichen Aufzeichnungen schon mehrmals 
citierten, unterrichtet. 

Der Kurfiirsl residierte im Chorln i i cnstittc innerhalb der 
Stadtmanern, ebenso die vurneliineren ( uiinnandanten. .Gliicklich 
priesen sieh jene Bl'irc^er, die irgend einen von den hülieren 
* Jtticieren ins Haus bekamen. Nicht darum, weil sie fUr ihre 
Bewirtung etwas erhielten, — denn jene zahlten nichts — 
sondern weil durch deren Ansehen der Soldatenpöbel vor 
Plünderung und Insolenz abgeschreckt wurde/ Private wie 
öffentliche Gebäude, Strassen und Plätse waren vollgefUIIt mit 
Menschen und Thieren, wie allen Arten von ITubrwerk. Dazu 
kam noch das Getümmel des mit Proviant und Fouragc in die 
Stadt strömenden Landvolkes. Das Gesohllts stand auf dem 
breiten Markte, dem Haapt{ilatse. Der Vortrab der Franzosen 
lagerte westlich von der Stadt Die dort befindliche St Barbara- 
kapelle wurde mit Hafer vollgefüllt. Sftdlich von St Pölten, 
beim Scbweigbof, lagerte die fVeicompagnie (de la Harte). Vor 
dem nach Korden führenden Kremserthore lag das Gros 
des FussTolkeSf längs des Baches gegen Viehofen (nordnord- 
westlich von St. Pölten) zu die Reiterei. Weithin glänzten in 
der Nacht die zahlreichen Wachtfeuer. An geschlitzteren 
Stellen, Abhängen und Gebttseb erhoben sich die Zelte der 
Chargen,* 

Dem Stille wurden gleich 4000 fl. Contribution auferlegt. 
Nun eilte der Tropst Johann Michael Fuhrer, der ob der 
SehuKleiilast, die seine ßaulust, Praeht und Kuustliebe dem 
JStitte gebracht, 1739 ins Exil nacli Kurneuburg liatte wandern 
müssen, herbei. Seiner wtdtniännischen Oewandtheit und Be- 
redsamkeit gelaug es, nachdem er bei tleni Kurflirsten und der 
^anzösischen GeneraUtät Zutritt erlangt hatte, vieles Schwere 



Aquilinus Josephus liac-ker, Canonicus regulark Sandbippolytensis, 
Parocbus in Gräfendorf, Tom. IX, Cap. 7. Totius oxercitus Qallici 
adTenttis apnd 8. Bippoljtnn. Hacken Anlutchnangea ttber du Jahr 1741 
wnrdmi bidier bsnvtet yon J. Fahrngraber am ,8t. Pölten 1886* uod von 
St. Blunuraer im Programme dee n.-ü. Landeslehrerseminars in 8t. POltan 
1900, 8. 16—27 ,Die Baiern und Franzosen in St. Pfflten'. Hacker stammt 
wohl atiK dem Gteachlechte der Hacker von Hart. 



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169 



als gern gesehener Gast an der kuriurötlichen Tafel abzuwenden 
oder za milderu.' 

Mittlerweile bereitete sieb alles auf eine f^TOSsarti^e Parade 
und Revue vor, die am 22. Oetober 1741, als am Geburtsta^^e 
der Kurtürstin, auf dem Plateau westlich von St. Polten längs 
der Kaiserstrasse gegen den Ort Wiezendorf zu abgehalten 
werden sollte. So schien denn der ganze Vormarsch bis ins 
Herz von Niederdsterretch in das leere Schauspiel militärischen 
Gepränges and daran sich schliessender Festtafel auszulaufen. 
Friedrich II. schalt anf den KurfUrsten, der seine Zeit mit 
Festen und Gbistereien vertrOdle.' Karl Albreelit indes war 
hoch entzückt. £r bewunderte selbst die Schönheit und ,Pro- 
pret^^ der Franzosen, Hess sie defilieren nnd musterte Mann 
Air Mann nnd Pferd ftlr Pferd. Die Fnuuoeen, notiert er in 
Bonem Tagebnehe, (gestanden selbst» ihr Müitttr noch niemals 
in dleoer VoUendmg gesehen su haben.' Wirklich hatten diese 
Trappen schon in Sehwaben, nach ihrem am 15. Äogost bei 
Fort Lonis geschehenen Rheinttbergange, &8t sprachloses Er- 
staunen erregt^ ,denn die Mannschaft war durehans mit neuen 
Uniformen vom feinsten Tuche ausgestattet, besonders glttnaend 
die Reiterei, die mit ihren zierlichen Pferden und ihren tou 
Gold und Silber starrenden Standarten nnd Satteldecken den 
Eindruck machte, als rttcke sie nicht zum Feldzuge, sondern 
zur solennen Parade aus. Die Officiere fuhren in glänzenden 
Equipagen*. Freilich ^ab es einige ,ehrliche Teutsche', die 
respectlose Vergleiche mit den prächtigen Truppen des Xerxcb 
und deren Kndschieksal anstellten.* 

In fthnUcher Verfassung und glänzender Ausrüstung, wie 
eben citiert, fand auch A(|uilin v. Haeker jetzt bei der 
6t. Pöltner Revue das fVanzüsiäciie liec-r. Auch er rühmt die 
glänzenden und eleganten Uniformen (,vebtimenta niumli-^sima 
ac nitidissima*), die wohlfrisierten und gepuderten Leute (,singu- 
lorum comae pulveribus dealbatae et compositae*), die bebän- 

* H.icker» ManOBcript ^'^P' Vlll. ,Rpnim fmcias in Sancti Hijijiolyti 
Canonia tempore Bavahci belli.' I . In t die^eu merkwürdigen Mann, 
einen geborenen Melker, vgl. Fahrttgruber ,An8 ät. Pulten', 8. 228 — 257. 

* HeigeI,Der <J8terreicbi«cbe£rbfolge6ti«it ikdisKstaerwahlKarlaVIl., ä. 207. 

* TSg«lMi«h Kaller Karls YU., heiaiicf. m HeigeU 8. S6. 

* Hdfsl, Dw MIsneieblMlie firltfolgestreit und di» Kaiterwahl Karl« VII., 
8. 174» nach d«r leitgtnlliilMhen ,iimen eorofdUMhen Fama'. 



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170 



derten Mtthnen und Schweife der Pferde^ das blinkende Kiemen- 
zeug, die Waffen, die praehtvoUen Feldzeichen. Die fransDsische 
Artillerie botdemEurfilrsten beim Erscheinen wie Wegreiten ihren 
donnernden Gmsa. Niemand dachte jetst an den König Xerxes 
und den Ausgang seines glänzenden Heeres. Und doch einen 
wie entsetzlichen Anblick bot diese präcluigi Armee etwas 
Uber ein Jalir später, als sie xinU'v Belleisles Führung in den 
WintcrniichU'ii dcb Jahre» 1742 auf dem bekumitcn Kückzuge 
von Prag iiucli Eger begritien warl — An die Parad«* .schloss 
sich ein Bankett, das der Kurfilrst der i'raiizösi^clien (iLMieralitiit 
gab. So erfreut diese über den Gang der Revue auel) war, 
das Landvolk war es minder, denn die Wintersaat hatte 
schweren Seliaden genommen. Das wiehtifi:ste Ereignis dieses 
22. Oetobers war übrigens, dass während (h i- Parade Fcld- 
marscliall ( iraf Törring erschien und dem Kurfurbten mittheiltc. 
die Brücke bei Mautern sei so gut wie vollendet. In der That 
setzte am 24. (Jetober das bairische kleine Heer Uber den Strom 
and marschierte nach Böhmen. 

Ueber hundert Personen sassen mit dem Kurfürsten im 
St Pöltner Stifte zur Tafel. Allgemein war die Fri»hlichkeit 
Auch auf die Armee Ubertrug sich diese Stimmung. ,Noas 
divertimee un peu plus qu'k ordinaire ce jour la, qui ^toit juste- 
ment celuy de la fdte de madame Tölectrice/ schrieb Kari 
Albrecht in sem Tagebuch. ,Da alles von dem Feind schlieffe, 
beaoffen und in blossen Hemdern war/ charakterisiert weniger 
zart ein Bericht aus Wien den Zustand der Franaosen am 
Abend dieses festlichen Tages.' 

Diese Umstände im JBVansosenlager bewogen den eben erst 
aus sflchsischen in Österreichische Kriegsdienste Übernommenen 
KeiterfUhrer Oberstlieutenant Johann Daniel v. Menzel^ dem 
wenige Monate später, am 14. Februar 1741, Bürgermeister 
und Rath der Stadt Manchen die Stadtschlflssel Überreichen 



Boricht d^n Joli.'tmi Geurg v Scliober, , Lieutenant ft Adjut.'int' de« GenenilD 
Qrafeii Gainruck, Wie», 24. October 1741, k. n. k. Haus-, Hof- und Staats- 
archir, Kiiegsaeten, in genere 1741, Fase. 847. Vgl. Beilage XV. Ueber 
die Bevue am ti. Oetober haadeli des Kurlllrston Tegelmeh, Inrnug. 
von He%el, 8. tt und Aquilin Haekera ManoteTipt Tom. EL, Cap. X. 
,UniTen{ Exereitna GalUci lustratio apnd S. Hippolytum.' Hacker be- 
jrognete .im Morcf n des Paradetag^os (dessen Datum er indes irrthttmlich 
angibt) am Thoro von ät. Pölten jenen fraaiüeiachen Beamten, denen er 



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171 



massten, and der 1744 am Hbcia üel, zu einer kUhn angelegten 
jSurprise^ 

In der auf den Sonntag der Keviie folgenden Nacht gegen 
l Uhr drang er in der (Tcgend von Viehofen mit 170 ,ratzischen^ 
Hasaren in das französische Laj^er, brachte dasselbe in Vcr- 
wii'rung, erbeutete Proviant und zog sich ungeschädigt zurück. 
Doob hätte der Erfolg ein noch grösserer sein könneOy wenn 
Mensel mit seinen Absichten völlig durchgedrungen wllre. Wie 
der eben erwähnte, auf Mittheilungen des commandierendeo 
Qenerals Grafen Palify fussende Bericht ausführt, ^wollten ge- 
dachte Ratzen, ohnerachtet aller guten Anführung des Obriet* 
Ueutenants Mentaei absointe nicht anbeissen*, sonst wttre es 
noch möglich geworden, Standarten, Pauken und Trompeten 
der Franzosen an erbeuten. Bedauernd bemerkt der b^icht- 
erstaitende Offioier: ,£b ist nur schade, dass es nicht unsere 
(d. L ungarische) Husaren gewesen, diese sollten ganz änderst 
mit den H. H. Frantaoeen gewirthschaft haben/ Uebrigens 
fbgt er bei: ,Wie mir mein Herr Genend heute bei der Tafel 

Irars Torliwr in Melle die Gontribatton filr ieiaen Pfiuvoft GnÜBiidoif 
Oberbnwlit hatten DieM gribwteii ihn su6tst nnd liAflieh ,iit mint omoe» 

Galli perurbani' und im Schwann der Franzosen g^elangt er zur Reme. 
Als er des Kurfürsten ansichtig wird, macht er mit den Uebrigen seine 
tiefe Reverenz. Karl Albrecltt dankt lpHt>;pUw. In der Suite des Kur- 
fiirsten machte nun Hacker, <!( n nun i n riiujri Feldpater hielt, die Parade 
mit. Als er hu iu der iHaiiC Karl Aibroubt« eiaherritt, blitzt ihm der 
■obnell irieder nnteidillekte Gedenke dnrch den Kopf, wie leiebt e» ibn 
jetak wlre^ mit «einen Pbtolen dem Kriege ein Ende su meoben. ,Li- 
enieMt tarn fiMÜe ÜMere linem belli, tlL selopelie, qnibna instraetoe faerem 
in capitis unias necem ToluiaMm ati!* Dies boweiat, wie sehr aieb der 
Ha<H der wehrloHeii Bevi5lkeriing' g^epeji die alle Äusschroittintren ver- 
übenden, unbarmherzigen Frauzutien und ihren Intendanten auch auf die 
Person des humanen und leutseligen Karl Albrecbt übertrug. Jammerten 
doch bald euch die uberennsischen Stinde, die ja gehuldigt hatten, 
tinter dem tenaSiiaeben Joehe und erinnerten sieh selbet in Bebreiben 
an den Knriliieten ,der vorigen aUe^gnidigeien LandedMmebaft* (vgl. 
,KarI Albrecht und die FfMiseeen In Oberüsterreich', S. 406). Karl Albrecht 
war flbrigens keineswegs in solchem Masse, wie Hacker annimmt, der 
Anpülpunkt i\m nstfirroicliischon Erbfolgeetreites, sr>n<lorn mehr der Ge- 
führte (ietin der Führer. — Nach einem ziemlich pl( n h zriti^en anonymen 
Werke Uber Maria Theresia i^o. O. 1743) brachte der Kuriürst bei der Tafel 
naeb der Bevne die Oeanndbeit der mit ibm verbündeten gekrönten 
Hlnpter ans and warf daa Qlaa Aber aein Hanpt hinter sieh, «welch«« 
alle OfBdera gleiehmÜMig getiian beben*. 



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172 



avisiert, so sollen wir binnen 14 Tägen 5000 bungarisehe 
Husaren allhier haben, welche dem Feind ^^auz änderst die 
Nase drehen werden/^ 

Doch Uberfiel schon am 24. Oetober Menzel von Michels- 
dorf aus Traismauer, vertrieb die Baiern aus diesem Orte, 
luaclitc zwei (Tefan^enc, wac^to sich solbst an das buirisehe 
Lager bei Mautcrn im der dort von Türriug errichteten Schiff- 
brücke, Hess sich in ein Gefecht ein, in dem vier Mann 
bairischerseits tielen, und kehrte unbehelligt nacli Michelsdorf 
zurück. So numerisch geringfligig der Erlolj; dieses Kleinkrieg;« s 
Menzels auch war, das Invasionsheer wurde dennoch hiedurch 
in üble Stimmung versetzt, umsomehr, als sehr übertriebene 
Gerüchte ins Lager und nacli St. Pölten drangen. Aucii auf 
dem Kuckmarsche der Franzosen mattete Menzel namentlich 
die feindliche Cavallerie durch seine fortwährenden Attaquen ab.* 

Am 23. Oetober konnte Kurfürst Karl Albrecht dem 
Marschall Bellei'=]e von St. Pölten aus schreiben, dass endlich 
im Kriegsrathe die Entscheidung fUr den Marsch nach Böhmen 
getroffen word^ war. Die Baiern sollten von Krems aus nach 
Budwets vorrücken, die franzdsische Armee aber mit dem Kur^ 
ftlrsten wieder an die Enns snrückmarschieren, am sich Uber 



* K. u. K. Hau8-, Hof- und Staatoarcliiv, Kriegsacteii, in gencre 1741, 
Fu«. 847. Vgl. Beilage XV. 

* Aquilin Hacker handelt im Tom. IX, Cap. XIII ,Hnng«ronim Anzüiarinm 
adTeotos «päd S. HippolTtnm* seiner Anficeidtnnngen von dieser 

Unternehmung Menzels; doch bringt er hier meistens Übertriebene 
Angaben. Richtig ilürfto die Nachricht ««ein, dass im 8t. Pöltner Hau])!- 
lager «ingens con»törnatiu tumultii.s* über den Handstreich Menzels 
herrschte. Auch die vorübergebende Gefanguiatahiue de» Moos, de Ta- 
vanne (Oenenladjutant) erwthnt Hacker. Entnbieden am weit geht 
er aber, wenn er den Rieksag Karl Aibreehts nod der Franaoeen (der 
KnrftrBt Terliess 8t. Polten erst am S9. Oetober) mit den Angriffen 
Menzels begründet, lieber diesen berühmten Beiterflihrer vgl. auch 
,l")er n<:teireifhisc]io Erbfolirekriep-, heraiififr. von der kriepspeschichtl. 
Ahtheiluntr des Ii. n. k. Kriegr-san hiv», Bd. iV, S. 161 n. 102. Richtig soll 
wohl dort 8. 162, d. Zeile von oben heissen, Menzel , wandte »ich dann 
gegen das bairische Lager an der Schiffbrücke von Mauter u' (irrthttmlich 
,lbQthansen*X da Mensel hnnm bei aller Beluielligkeit an einem Tage 
von der Traisenmttndnng bis Hantbansen und wieder enrftclq^langt sein 
kann. ,Mauthau!;en' koU es aber richtig heissen ebend. Zeile 3 von unten, 
statt, das f ran Kritische HilfHCorps ,sollte nach Sans surUckkehren, sodann 
die Donan bei Mantern passieren*. 



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Mauthausen und Freistadt fjleit Ii f alls nach liudwcis zu bci^^eben. 
Belleisie in Frankfurt war iui allgemeinen einverstanden, wollte 
er doch schon längst Karl Albrecht nach Hwlnnen diritneren 
und hatte dessen Vormarsch nach Niederösterreicii ^ais uatzloBe 
militänsche Promenade' bezeichnet.^ 

Hauptsächlich bestimmend war tUr den Kurfürsten das 
Einlaufen von mehr oder minder gewissen Nachrichten Uber 
einen Vertrag Maria Theresias mit Friedriclt IL, der die öster- 
nielusche Armee unter Neipperg gegen die Baiem mnd Fran- 
zosen freimachen sollte. Zumal ein Brief seiner Schwieger> 
mntter, der Kaiserin Witwe Amalia an ihre Tochter, die Kur- 
fllrBtin; der vom Frieden zwiachen Maria Theresia und dem 
preossiBchen KOnige redete, und den er noch in Melk am 
19. Ootober erhalten hatte, fltaate Karl Alforecbt MiBBtraaen 
gegen seinen Verbündeten nnd Furcht tot dem FMwerden 
der teterreichischen Hauptannee, die bisher dnrch den Krieg 
nm Schlesien gebunden worden war, ein.' In der That war 
am 9. October die von Friedrich schon so bald und gerade 
mit Hinweis auf die angebliche Indiscretion des Wiener Hofea 
gebrochene Kleinschnellendorfer Convention geschlossen worden. 
Zweck desselben war nach Ameth die Bettung Wiens.' Diee 
wurde auch erreicht; aber nicht durch den seines Gegners nun 
zeitweilig ledigen Neipperg, der, wie Ameth sagt, mit einer 
,unerträglicben Langsamkeit' aus dem Norden herankam und 
am 7. November 1741 erst in Znaim stand, somit zur Rettung 
Wiens, wenn Karl Albrecht in (hm für ihn günstigen Wochen 
Ermt gemaelit hJitte, aller Voraussicht nach zu spät gekommen 
wäre, sondern durch jenen Brief und verwandte Nachrichten, 
die den endgiltigen Sieg Relleisles und der Franzosen über 
ischmettau im Gemilthe des Kuiiürsten herbeitUhrten. Noch 

* A. «. O., B. 169, 160 u. 169. 

* Dw T^boeh Kaiwr Kub VII^ heramg. Ton Heigel, 8. 94: ,Dui le 
tanu, qa*OD me donnoit tow Im allarmet, j*oiiTrM Im lettrM de Im poale 
de Tienne et j*y ai trouvö meme dans une de l'imperatrice, que le roy 

de PrtjffBe deroit nvoir fait sa paix avec la grande duchesse'; und 8. 26: 
,L'imperatrico ocrivit k sa tilie. quo la paix avec cc roy /-toit faito et 
toates les lettre de Vienne et de Öilesie continn^'rent la niomR clio.«©*, 
Ueigel im ,0e«terreiclii8chen Erbfolgeetreit uud die KaiüerwaUl KarU VII.', 
& S18» gibt dm 19. Oetober ah Tag dM Eiatreffaiu ^mm Briefe« an. 
Amalia «rar aait 18. Sqttombar ia Kloateraeabaig. 
' Maria TherMia I, 8. 886. 



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174 



in St. Pölten war Karl Albrecht anfangs schwankend gewesen, 
wovon Reihst ins breitere Publicum Nachrichten drangen.* 

Man wäre versucht, d^n Brief der Kaiserin Amaha als 
diplomatischen Schachzug des Wiener Hofes anzusein n, während 
doch alles dafiir sprieht, das«j vr oline Vorwiasen der otliciellen 
Kreise an die Kurlur.stin abgieng-. Maria Theresia war gegen 
die Correspoudenz der Kaiserin -Witwe Josefs 1, mit Baiern, und 
dem Feldmarschall Khevenhüller wurde schon am 14. October 
,bedeutet^', keine solche Correspondeius mehr passieren sa 
]a8sen.^ Es dürfte sich vielmehr hier um eine aufrichtig ge- 
meinte Wamimg Amalias an ihren Schwiegersohn handeln^ sich 
mit Preussen nicht zu weit einzulassen und beizeiten einzu- 
lenken. Das Original des Briefes ist nach Heigel nicht mehr 
erhalten. So hatte die Kaiserin schon am 30. August besorgt 
und in der Absicht, Karl Albrecht vom geplan'ien Zuge abzu- 
halten, an ihre Tochter geschrieben: , Welch ein Sohanspiel für 
mich, sehen an mttssen, wie ein Land, wo sie und ihre lieben 
Kleinen sich aufhalten, der Wuth von 80.000 Ungarn preis- 
gegeben ist, die sich angeboten haben, ohne Sold oder anderen 
Lohn Verwttstong, Mord und Brand nach Bayern zu tragen, 
aufneden mit dem, was sie sich selbst holen wwden." 

Einige Tage früher (26. Angost) hatte Amalia mit Maria 
Theresia im Interesse ihres Schwiegersohnes an einer Ver» 
stftndigung gearbeitet.* AU dies weist darauf hin, dass der 



' So tagt der PAin«r und Chorhwr A. Hadk«r in seinen handidirilUichen 
Anfiieidmttngen Cap. IX: «Exerdtof dnz praeter opinionem ineerlos et 

iDops con^itHi fhit. Dabitatus, utrum Viennam progredi et eiuadom Metro- 
peli« obflidioneru moliri, an Crembsinm ac Bohemiam versus declinare/ 
Tfarkor tnapr 'larfibor rlurch seinen Stiftspropst Föhrer informiert worden 
«•'in, (ior l»ei Karl Allirecht aus- und oiiigieng. ,Nam i.s (Kiihrer) dexteri- 
ute Hita ac lacutidia, i^ua puilebat, Bavarum ducem et praefectos Galileos 
ito demnleit et eorandem benereleDtiem aeqitisivity nt inter eine fSuniUeret 
reoeptoa. Ja eccieaia, in menaa, in conolaTt, in eolloqnio Aeqnentiaiinie 
ewe «it insnia et pennisaaa.* 

• Der Hofkriegemtb an den Fcldmarscha!! in Der österreichische Erbfolge- 
krieg*, lierans;;. vom k. u. k. KrirfrsaiTiiiv. Hd IV. S. 15(\ Aiitr. 1. 

' Heigel, Der österreichische Erbfolgestreit uud die Kaisenvahl Karls VU., 
S. 168 u. 358, i:.. 

* lieber die Unterredung Maria Thereeiaa mit der Kaiserin Amalia am 
96. Angnat 1741, bei weteher Marin Theresia aehliesslicb die Niederlande, 
den Breiigaa, Yerarlbeig nnd das Sstenreidiisebe Schwabwi anbot, wenn 
Karl Albreebt Bube bidte nnd sie vor dem Verlnale Sebledena betvrabre, 



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115 

Hrict* der Witwe Josets I. an den Kurliirstcn bouu iide und 
nicht als diplomatischer Ränkezu^ abgefasst war. Jedenfalls 
grab er im Vereine mit anderen Nachrichten aus dem Norden 
nun im entscheidenden Kriegsrathe bei Karl Albrecht den 
Aossohlag für den Zug nach Böhmen; war er ja ohnehin nur 
^contre cceur^ nach Niederösterreich gesogen. Maria Theresias 
ürgfiie Nothlage war jetzt <rewichen, ihr vielmehr durch den 
Znrr nach Böhmen^ den Karl Albrecht nun unternahm, die 
Möglichkeit geboten, den Stoss in das ziemlich ungedeckte 
Stammland des Gegners, der sich mittlerweile im Glänze der 
vermeintlich so leicht gewonnenen böhmischen KOnigskrone 
sonnte, an führen. Friedrich II. dagegen fUhrt alles Unheil, 
das den nachmaligen Kaiser Karl VII. nnd sem Land traf, 
auf diese Aenderong des Marsches in St. Pölten aiirack.' So 
waren in jenen Octobertagen im damals 3000 Einwohner 
zahlenden Traisenstttdtchen endgiltige Entscheidungen von euro- 
päischer Tragweite gefallen. 

Am 34. October berief der Kurfürst den Kriegsrath neuer- 
dings ausammen und wtknschte eine Modification, die aUerdings, 
nachdem die Hauptfrage: Böhmen oder Wien, definitiv ent- 
schieden war, nicht so in die Wagschale fiel. Er wollte nttmlich 
mit einem Theile der französischen Infanterie und der gc- 
sammten Cavalleric den Strom bei Mautern passieren und sie Ii 
seinen Baiern auf der von diesen eingeschlagenen Marschroute 
nach Böhmen anschliessen. Die französischen Generale oppo- 
nierten ihm heftig, wiesen auf das unbekannt»' Terrain und die 
Hcldecliten Strassen nördlich von Krems liin, wo liingegen fUr 
den Rückzug nach £nns die treffliche Kaiserstrasäe zur Ver- 

Arneth I. S 2'<7 — 'l'A>^. Der Kurffirst gri*?"?" Ineranf pbf'if>r»w«>ni^ oiii, 
als auf dem woiiimeinendeii Vor^clilap, doii ihm 1742 Franz von Liotbriugeti 
machte. Vgl. bierüb«r meinen Aul'iuitic ,Eine Denkschrift dea Orossherzogs 
(naehipaljgw Kaiten) Fnuut Stepban ron Lofhiingen-Tonana aw dräi 
Jafaxe nw im Afdily für Oaterr. Q«febichto, Bd. Sfi. n. Hllfto^ 6. S69ff. 
Ton deo Unlerhandlitiigvii der Kaitnrio Analia mit Maria Therema nran 
ohoiifalls Kunde in dio Oofffutlichkeit godnmgen sein. Denn der Qrafen- 
ilorfer I'farrer gibt im IX. B.inde seiner Mnnnscripte ziemlich richtig die 
Frif^'1< Ti-'bo(^iii(rnTtcrf>Ti an und bemerkt ansdrücklifh : ,Adhibt'ri ud haoc 
nH»diatore.'^ »tiuimae diguitatis. Imperatricem Amaliam, Joiepbi Aug'usti 
Tidiiam aaperstitem, dacia socrum. . , . Sed absque frnctu. Jacta belli 
al«al< 

> H«igel, Diu Tkgebncb Kaiser Karl« VJL, Vorrede. 



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176 



fUgung stunde. Der Hauptgrund war indes die Besorgnis, etwa 
während dieses Marsches Keipperg in die Flanke zu bekommen.' 
Der KurfUrst musste sich fügen, und so blieb es vollinhaltlich 
bei dem im ersten St. Pöltner Krie^^srathe Heschlossenen. Ob 
übrigens iS'eipperg bei seiner unglaublichen Bedächtigkeit den 
Franzosen in dem von Karl Albreclit vorgeschlagenen Marsche 
gefährlich geworden wiire, ist ebenso zn bezweifeln wie der 
Umstand, ob er beim Vorraarscb des Tnvasionsheeres von 
St Pölten nucli Oaten Wien hätte retten können. 

Törring hatte inzwischen mit den Baiem die Donati bei 
Mautern und Krems passiert (24. October); die Schiffbrücke 
wnrde abgebrochen, und ihr Material sollte gegen MauUiansen 
gebracht werden, um dort dem Donautlbeigange der Franaosen 
au dienen, während das Heer, immer in gleicher Höbe mit 
der stromaufwftrts geschafften Brücke, nach £nns aortleksn* 
marschieren hatte. 

Das Aufwftrtekommen der Bracke verzögerte sich aber, 
Bo dass das Hauptquartier noch einige Zeit in St. Pölten blieb. 

Die ungeheuren Mengen von Proviant und Fourage erweckten 

bei der Bevölkerung, zumal die Franzosen weder vorwärts 
noch rückwärts zoj^en, die Meinung, es sei deren Absicht, bei 
St. Pölten ihre Winterquartiere aufzuschlagen. 

üebrigens hielten nun die Franzosen die Tage bis zum 
Rückmärsche hindurch in der SUidt St. Pölten unter den Augen 
des Kurfürsten und der fipansösischen Generalität gute DiseipHn 
und bezahlten bar, was sie kauften. Einzelne Geschäftsleute 
hatten sogar ganz gute Einnahmen durch sie, so die KUrselmcr, 
,denn die an eine mildere Luft gewöhnten Gallier fanden die 
Kühle nnficres Octobers beschwerlich', was fltr die Sttdfranaosen 
gewiss antrifft.* 

Das PietätsgeflihI der Stadtbewohner wurde aber dadurch 
Tcrletzt, dass die Franzosen selbst den Gk>ttesacker, der sich 
um die Stiftskirche (nun Domkirche) am heutigen Domplatse 
befand, nicht schonten, auch dort ihre Zelte aufschlugen, alle 



,Dw SsteiTOieliiache ErbfolgttkriegS hermnig. vom k. n. k. BMfigMttchlv, 
Bd. IV, 8. m, 

* Aquilin Hackers Mwiiweript, C^». IX, ,nsin mitiori «an» aniett QalU 
Octobfii nottri üigaa grsviter pecMOMie*. 



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177 



Arten Kriegsg^erilthe. Pferd(», Manlthiore. Wahren dort oinstellion 
aad ihn ,ad horrorpm transeuntium* verunreinigrt^'Ti.* 

Arg mitgenoiiiiiuMi wurden durch die fortwährenden Foura- 
gierungen die Umgebungen der Stadt, zumal die Herrschaft 
Viehofen. Besonders verwüsteten die 1" ranzoaeii auch die Wal- 
dongen südsüd westlich von St. Pülten.- 

Um die wirklichen Bewegungen des bairisch-französischen 
Heeres su verhüllen, wurde von St. Pölten aus QeaeraUieatoiiaat 
Mortaigne mit 1500 Mann in der Ricbtong gegen Wien vor- 
geschickty was dort bei vielen die Meinung, Karl Albreeht 
schreite niui emstlich zur Belagentog, bestftrkte. Docli war 
man andererseits in der Hauptstadt auch von dem BrttclLen- 
schlage in Mantem and Krems informiert. 

Bereits nach dem 15. October halte sich in Wien das 
Qerilcht yerbreitety Sieghartskirchen sei von der feindlichen 
Avantgarde besetzt worden, worauf daran gedacht wurde, das 
Hoflager von Pressbnrg tiefer nach Ungarn au verlegen. Doch 
beruhte die Nachiieht nicht auf Wahrheit' Mortaigne stand 
erst um den 24. October in Sieghartskirchen, am 25. war er 
schon wieder in St P&lten. 

Anlässlich dieses Vorstosscs nach Osten wurde Böheim- 
kirchen jjfeplündert, namentlich der Pfarrhof, weil bei Atikunft 
der ranzosen Sturm geläutet worden war. Der St. Pöltner 
Stiflskftmraerer, der aus Grinzing-, wo das Stift Wein^jftrten 
hatte, zurückkehrte, gerieth ebenfalls bei Böheimkirchen unter 



' Ebend. Cap. 8. ,Copm<«tQrium perampltim et ob fidelinm «*^pn1rhrR rove- 
readum, curribu^, e«iu»«, mnli«, nnlitibu?<, tentorii.s, exciibiLH et »uj j i lci tile 
belluo oppletnrn ad horrorem traiiseuntium cmu'ulcatuni, conspuicAtum.' 

* Aquilin Hackerjj Manuscript, Cap. IX. Stark devastiert wurde das 
Wäldeben beim jetzigen Marlenhof yproximonun ewrtronmi*. 

' Brief des Adjatanten Job. Georg t. Schober an einen nicht näher ge- 
nsiiirt4Mii Brielugwliiit de dato Wien, 19. October 1741. «Anbey ohnver* 
halte gehonauut, daas der durch ^en fewiaaen Offloier an den Herrn 
Feldmenohallen Graf von Kbevenhiller Exc. ehegeatrig ttberbrachto 
raport, als ob die feindliche Avantgarde in Siegertskirchen sich befindet, 
dnrch wio<1erholte RecopnofscipriiTitr v">llig falsch gefunden worden, worfiber 
«jbjjedachter Officier um sn Diehr zu schwerer Vurantwortiinp pezopeii 
werden wird, da Ihre Küuigl. Mayt. unsere allergnädigi»te Frau einen 
Knmnierlb<iiiler naeh Stab und Ofen hiemnf «spedieren luien, nm allda 
die benMliigtoo Qnartieie-Biaiielitttng eil neehea«* K. n. k. H»na>, Hof- 
nnd SinetaerehiT, Kriegteeton, Feee. 847. 
Ai^T. XCI. Bhi4. h Bllfle. IS 



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178 



die Marodeure. Wie ihre Epigonen in den Revolutionekriegen, 
nahmen auch diese selbst Dinge, die für sie entschieden wertlos 
waren; mn uraltes Orinzinger Urbar rissen sie auf Nimmei> 
wiedersehen an sich. 

In Sie^hartskirchen verg-nli^ten sich französische Soldaten 
damit, die Wand eines Briinulcius einzuschlapfen und dessen 
Wasserlauf zu zerstören. Ein solches Ende fl-^ m tVuxliteten 
Vormarsches auf Wien forderte natürlich den Spoti der Zeit- 
genossen heraus. ,Dies also die ]\rühe, die Atbeit der kost- 
spieligen Expedition, dies die Ehrensäule des gaüiächen Herkules!^ 
schrieb der Berichterstatter.^ 



IV. Capitel. 

Der Jiiiekzug der Franzosen und Baiern aus Nieder- 

(Österreich. 

Berichte Khevoahüllers an Lobkowit«. Fiirclit Karl AlbrechL«! vor einer 
Österreichischen Diversion aun ItAlien. Maria Thereitia an den Grafen Traun. 
Der Hofkii«findi «n Lobkowita. Beginn de» Ba«k«igea. Die St Pdltner 
Traisenbrilcke. Wegfllbrea von Geiseln. Misalieiidlmi^ dee Abtes Adriea 
Ton Melk doreb die Frensoeen. ContribuÜonen. GiosUeher Abraaneh. 
Brief KbeTenhaileiB an Lobkoiriti von 1. November 1741. 

Die Bewegungen des Invasionsheeres waren den leitenden 
Persönlichkeiten in Wien sehr bald bekannt geworden; aie 
zweifelten nun nicht mehr an der Absicht des Feindes, nach 
Böhmen su marachieren. Schon am 26. October theilte KheveU' 
httUer dem Fürsten Lobkowitz mit: ,Ieh Yormag Euer fürstl. 
Gnaden mit heutiger Ordinari nichts anderes anzudienen^ als 
dass der Feind vennOg deren eingeloffenen yerhlsslichen Nach" 
riditen bey Crembs eine Bracken geschlagen, auch ein Theil 
seiner Arm^ bereits Aber solche auf Jenseitiges Land hinttber* 



* Aquilin EbMkers Kanoseript, Gep, IX. ,uU («c. Gallici manipulatoras) 

fonticali pariet« in perfreg^re ©t aqnne cursnm subrertorc. Hoc opilSi 
hic labor Expeditionis sumptuosae, baec columoa üerculis Gallici !* 



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iVJ 

gegangen scye, und dem Vermutben nach, noch mehrere seiner 
Truppen nachfolgen werden/* 

Ihrei Tage später meldet der Feldmarschall dem Fürston 
die Marschroate der bairischen Armee, welche 10.000 Mann 
(mit 10 Stücken) stark unter TOrring am jenseitigen Donauufer 
stehe; diese lasse sich daraus abnehmeUi dass die feindlichen 
Fouragewagen naeh 6^bl dirigiert seien. Am 2(5. October um 
3 Uhr nachmittags sei das Abbrechen der Schiffbrücke beendigt 
gewesen. Aber aach die Franzosen in St Pölten dachten an 
den Rflckmarsoh lant Nachrichten des Feldmarschall-Lieatenant 
P^UflFjr, da ihre Bagage schon naeh Melk gebracht worden sei. 
Sie ftrcbteten nicht war den Anmarsch NeippeigS; sondern auch 
eine Dsterreicfaische Diversion aas Italien.' Letztere war wirklich 
in ▼ollem Ghinge. Die ans Italien gesogenen Regimenter sollten 
den Kern der Armee Kherenhüllen, mit der er 1742 nach 
Baiem TOrdrang, bflden. 

Zwar hatte noeh am 27. August 1741 Mui ia Theresia an 
den in Italien commaiuiierenden Feldmarsehall Grafen Otto 
Ferdinand von Traun geschrieben: ,Für anjezo ist es umb 
Herausziehung derer Trouppen nicht zu thun.'^ Doch schon 
am 3. October schrieb die Königin aus Pressburg an Traun: 
,Euch habo b( i f iTs zu wissen gethan (durch den Ilofkriegsrath 
am 25. Septemb« ri, dass Vorhabens bin, einen activen Generalen 
eucli zuzusenden, umb den Herausmarche eines Theils meiner 
Trouppen aus Italien zu beschleunigen/ (Uiezu war der Mi- 
nister Maria Theresias am sardinischen Hofe^ General Graf 
Schulenbarg, ausersehen.)^ Wie sehr der Monarchin gerade 
in dieser Zeit (finde October) der Anmarsch der Regimenter 
aus Italien am Herzen lag, beweist ein drittes, in ziemlich 
scharfem Tone gehaltenes Handsdireiben an Traun: ,Wa8 mir 
aber wohl unbegreiflich vorkommt, ist, dass Ihr von dem Marsch 
deren Trouppen nichts berichtet . . ., wo doch sich gebttret 
hätte, posttilglich derowegen eine Nachricht au geben, damit 



* Kbeveuhiiller an Lübkowitx (CotnmandierendeD in Böhmen), Wien, 25. Oc- 
tober 1741, k. u. k. HaoB-, Hof- und Stoats&rcbiv, Kriegsacten, Fase. 361. 

' Khevenhttller an Lobkowitz, Wien, 28. October 1741. Ebend. 

* Handselmlbea Maria ThMTMiai an Tnniii, S7. AagtM 1741, k. u. k. HaiU', 
Hof- und StaatMUwhiT, Kri«gnet6a, Fmc 367. 

* HaDdiohittibeD, PreMbnrg, 8. Oetober 1741. Bb«nl 



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t80 



Mir nicht unbekannt seyn m<fge, wie weit die Trouppen ge- 
kommen, um Meine weitem Befehle dainaoh einrichten xa 
mfigen/^ 

Ziemlich früh hatte übrigens auch der Hofkriegsrath die 

Ueberzeugung gewonnen, dass es der Feind doch eher auf 
Böhmen, als auf Wien abgeselien habe, wie sein Schreiben an 
Lobkowitz vom 20. October 1741 beweist.- 

In der That hatte am 25. October der RUckmarseh der 
Franzosen nach Enns und Mauthauaen, um von hier aus die 
Strasse nach Böhmen einzuschlagen, begonnen. Am genannten 
Tage war Generallieutenant de la Fare mit vier Brigaden 
nach Sirning in der Nähe der Pielach, etwa halbeu Weges 
zwischen St. Pölten und AT^lk, abgegangen. Doch erhielt er 
schon in der darauttblgt iuien Nacht Befehl, in Sirning stehen 
zu bleiben.^ Wie der Kurfürst selbst in seinem Tagebuche 
erzählt, verz?5gerte sich das Aufwärtsschleppen des Schiffbrücken- 
materials bei KremB, und er musste etBt seinen Generaladjutanten 
Marqnis Tavannes donanaufwärts um Pferde scliicken. Dieser 



* Handschreiben, Pressburg, 2. November 1741. Ebend. 

' Der üütlvriegsrath an Lobkowitz, 20. October 1741: »Gnädiger lierr, 
mit dem letzbin wider zurück spedierten Lobkomirzkischen Obristen 
(reete Lttbominddl) Herrn Baron Ton Schmeirsing, haben wir Kmr 
ittfvtl. Gnaden bedenlet, anf den Fall, da« die in UnterOsterreteh einge» 
ruckte feindl. Annee entweder die Belagerung von Wien Tomelimen oder 
sich in Böheimb wenden solte, dieselbe sich mit dem unterhabenden 
Corps jenem Ton Neipperg entg'cg^enzuzicherr. mit diosom «i'-li conjn- 
gieren, und man also mit ^csambter Hand auf oberwehntu Hrmöe losszu- 
gehen habe. Wie nun seitUero der Feind bey Orembs die Donau z\x 
paasieren wllrkiieben angefangen, folgsam b, das» er in BOheimb 
■n narscbleren willen« eeje, nicbt mebr ansntteben, benebens 
aneh der Herr Feldt-Manehall Graf von Keipperg mit aeinen Tronppen 
gegen MXhreu in Tollem An'Bfarche begriffen; — also ist aneb keine 
Stunde mehr 7n verweilen, äanfi Enor fUrstl. Gnaden mit voT^cmoldt 
Ihrem Corpo erstgedachter Conjunction zM^neilon suchen.' Es wird ferner 
dem Fürsten aufgetragen, nur boviol intauteriü luttzunehmen, ,als Sie 
nach nothdurftigUcher Besatzung der Statt Prag (damit selbe nicht etwa 
mit dbem conp de main dem Feind ni Theil werden kttauie) von dannen 
abiuaieben erachten*. K. n. k. Haoe-, Hof* und BtaetsarebiT, Kiieg»> 
acteu, Fsse. 869. Der ,coup de nein* erfolgte in der Nacht vom 25^ anf 
den 26. November dennoch. 

' Der Österreichische ErbfolgekriegTi beranag. vom k. n. k. KriegsarebiTe, 
Bd. IV, ä. 164. 



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IBl 



fiel übritrens am 29. Uctober bei 6i, Pölten eiucr ,Kaizen Parthey' 
in die Hände.* 

Erst am 28. October kam der ins Stocken gerathene 
Marsch wieder in Gang. Am 29. October verh'ess der KarlÜist 
selbst mit einem weiteren Truppentheile St. Pölten, and am 
30. October sogon die letzten FhmKOsen unter Gcnerallientenant 
de Leaville aus dem Linzerthor« von St. Pölten. Die Bevölkerung 
erklärte sich diesen Rückmarsch aus der Nähe der Hauptstadt 
mit den fortwährenden Angriffen Menzels, der in der That erst 
am 29. October wieder die franiOnaehe Infanterie beonruingt 
hatte^ aber selbstverstttndlich mit seinen leichten Reitern den 
Vormarsch nach Osten nicht hfttte hindern kflnnen. 

In wie mass-, ziel- and aweckloser Weise die IVanaosen 
das Land mit ihren Fooragierongen aa^gepreast hatten, aeigte 
sich darin, dass sie angehenre Mengen von Foniage yor dem 
Linaer (damals Wilhelmsburgor ) Thore aafbänften und an- 
sQndeten; dadurch entstand ein solcher Rauch, dass die um- 
wohnende Bauernschaft glaubte, die Stadt stehe in Flammen, 
sumal der Wind den Rauch gegen die Mauern trug und gana 
St Polten mit Qualm und Finsternis bedeckte. Auch schien 
der abziehende Feind Miene zu machen, die Stadt zu plündern. 
Doch kam es nicht da/.u.- 

' Zur selben Zeit, als die Franzosen St. Pölten durch das 
westliche Thor verliesseu, zoi^on durch das östliche leichte 
ttiigansclH' Reiter ein. Die l'raisenbrüeke war nämlich er- 
halten geblieben. Um Belkstigun«» durch die leichten Reiter 
zu vermeiden, suilte diese ^i^rosse Hrücke vernichtet werden, 
und waren ,allschün hierzu 40^) Hürdlen unterlegt und ebenso- 
viel Mann bcordret f^cwcsen^, als es die Franzosen vorzogen, 
mit der Traisenbrücke lieber ein Geschäft zu machen. Konnte 
das für gewöhnlich seichte Wasser die Reiter auf die Dauer 
doch nicht aufhalten. Sie forderten von den St. Pültnern 10.000 fl. 
flu* die Schonung als Brandsteuer, ^lieber vielfältige, mtthe- 
sambe Vorstellung aber, dass diese Fracken von Neuem kaum 
1500 fl. gekostet, nun aber schon alt, schlecht und modericht 
wäre, endlichen auf wiederholtes Schlechtmachen and Herab- 

' Kheveutifillur an Lobkowitz, Wien, 1. November 1741, k. u. k. Uaus* 

Hof- und ISUatMurcbiv, Kriegsacten, Fa«c. 361. 
* Aquilin Haekü» llsa«Mript, Cap. 13. .Hungarorom anxUiaritim adveninii 

»pnd S. Hippoljrtam et hrnttmn receaiiu.* 



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182 



liaiKll(Mi'. l»e^''nrijsrte sich der französische Kriep^commissÄr Lsiuroiit 
mit 300 fl. lirandstener nnd 30 fl. Zählg^eld, -w'elche »Summe 
dio St. Pöltner iiucli wirklieh erlctrten und sich hiedurch um 
die bald nachrückende Khevenhiiller'sche Expedition nach 
Oberösterreich und Jiaiern ein unzweiteiiiattes Verdienst er- 
warben. Freiheh waren sie der Ansiclit. .dass dieses Geld, 
weilen ea zu Nutzen des boni pubhci gereiciit und andurcli 
ein grösserer Schaden verhütet worden, von einer hochlübl. 
Landschaft werde ersetzet werden*. Sie wandten sich daher 
mit einer Eingabe an die Verordneten, diese möchten ,das 
GesehäffÜ^ dem Obereinnefameramt zuweisen oder ,die Auf- 
richtung einer PruckennAUth gnädig verwillip^en'. Letzteres 
scheint der Fall gewesen zu sein, denn eine Maut, längst in 
eine ärarische verwandelt, besteht heute nach 161 Jahren noch 
an der St. Pöltner Traisenbrttcke.' 

Während die Franaosen anf ihrem Hermarsohe drei Wochen 
gebraucht hatten, um von Enns bis St Pölten m kommen, legte 
jetst Leuville denselben Weg in einer Woche aurUck.' Auch 
Karl Albrecht war am 31. October schon in Amstetteo. Koch 
mehr als beim Einmärsche waren jetat die Bande der Disoiplin 
gelockert; so wurde in Amstetten und Aschbaeh besonders hart 
gehaust, mit Plünderung^ Brandschataung, selbst mit Mord. 

Von St. Pölten aus führten die Franaosen eine Reihe ^on 
Geiseln geistlichen und weltlichen Standes mit sich, darunter 
den gelehrten und berühmten, Ton Karl VI. so hochgeschätaten 
Gottfried Beseel, Abt von GOttweig, die Pröpste Frigdian Knecht 
von Herzogenburg und Anton v. Ruckenbaum aus St. Andrä, 
,welcher von einem Schlagfluss aus Schrockhen solle berühret 
seyn*, den Prior von i^ilienfeld, den Viertels-Untereomniissarius 
Herrn v. Pitteräfeld, den Kammerschreiber von Stein und vier 
vom dortigen Käthe, mehrere \'erwalter und Herrachafts- 
beamtc etc.^ Ihre Behandlung war zum Theüe eine gar harte; 

* ,8tadt Richter, Ambt^- Verwalter nnd Rath der landesftlrstl. Stadt St PSlten 
an die stAndisclien Verordneten.* Praesent. den 18. Deeember 1741, 

n.-O. Laodesarohiv. 

* Der ««torreioliische £rbfolgokrieg, berausg. vom k. u. k. Kriegfiarchive, 
lid. IV, S. 161». 

* ,Lifte derenjenigen, weldie von denen Franaoeen als QaiMln wegge* 
fitbret worden, item was 8je Tor Feld«8e1i1Inkheln mit haben nnd wie 
▼iel die in ihrem March befindende Stitt nnd Bllrict, aneh OUMer ihnen 
an Geld haben geben mflaeen;* im Berichte dee anlietitniertea Ober- 



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183 



wenn aiicJ» flie Freilassung bald erfolgte, so gieng «'.s doch 
hiebei nicht ohne grosse neuerliche Opfer ab. 80 gab Abt 
Gottfried Bessel den Franzosen für seine Freilassung ein wert- 
volles Kleinod, ein Kästchen mit den in kostbarem Schmucke 
gefassten Bildchen der römischen Päpste, das noch im Louvre 
2U Paris sein soll.* Die MachÜoeigkeit des TCmfürsten zeigte 
sich aucli bei diesem Anlasse wieder. Am 29. October erklärte 
er in Melk: ,Ihr (der Geiseln) Sehickaal dauere ihn; er könne 
ihnen aber im Geringsten nicht helfen, weil fast alles bei den 
Franzosen stehe/' 

Sein ToUgerftttelt Mass erhielt beim Rückzüge anoh das 
Stift Meiky wo sieli Karl Albrecht wieder kurxe Zeit anfhielt. 
Am Allerheiligentage, als der Knrfilist sclion ins Enns war, 
kam es an einem Scharmatael swischen den EVanzosen und 
den Tschaikisteni die sich sogleich mit dem abziehenden Feinde 
stromaufwMrts begeben hatten und die Fransosen mehrmak be- 
nnrnbigten. Da nun im Stifte zu den Vigilien des Allerseelen' 
festes alle Glocken gelttntet wurden, argwähnten die Franzosen, 
dies sei ein Zeichen fUr die Tschaikisten. Der Gommandant 
der Nachhut, Generalcapitän Graf d'Estrte, und die Übrigen 
Franzosen gerietben nun in grossen Zorn. ,Zufill% fiel ihnen 
Abt Adrian selbst in die Hände, den sie sogleich ergriffen und 
von der Haupttreppe bis zum Springbrunnen im Hof« schleppten; 
und ungeachtet er mit aufgehobenen Händen um Schonung 
bat, indem er ganz unscbuldig wäre, erhielt er doeli nur die 
Drübung zur Antwort, dass man ihn und den Pater Jakob 
aufhängen oder ihnen eine andere Todesart anthun werde. Es 
wurden dem Prälaten sogar die Pistolen an die Brust gesetzt, 
und nur mit Mühe brachte er es dahin, dass man ibm ^5^}viel 
Zeit Iii SS, seinen Hut, Stock und einen W agen zu holen/' 
Schleunigst wurde er mit seinen Bcglciteni naeb Pöchlarn zum 
Martjuis Leuville gebraclit.'* In Melk entstand mittleiiveiie durch 
die Bosheit eines iSoldaten ein bedeutender Brand, imd zu allem 

commmärs fftr daa Viertel ob dem Manhartsberge, Baron Gillei.'^.H, an 
die Verordneten, praes. 7 November 1741,ii,*ü.L«DdMar«hiT. Vgi. Beil. XXI. 

» Fahrngniher, ,Au« St. P.ilten', S. 265. 

* Keiblinger, Geschichte Melk.* I, 985, 98G. Friuss in den Blättern des 
Vereinen für Landeskunde von Niederüitterreicii 1868, 8. 176» 176. 

* KAiblinger, GeMhiehte des BenttdielhientifteB Melk I, 987. 

* JPodtom in Tili wnn, valgo eia Getiehkl»' bemerkt H. Pee in leinetn 
Tagebnehe, s. a. O., 8. 410. 



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184 



Ueberflnsse befahl Leuville, Stift and Markt zu i^ttndem und 
ansusttnden, — als der PrAkt die sehrifitiche Erklftning abgab, 
50.000 fl. binnen acht Tagen zu sahle% worauf die Fransoeen 
mildere Saiten aussogen. Mittlenreile war der Knrftlrst in 
Enns von dem Geschehenen verständigt worden; auch die 
Kaiserin Amalia verwandte sich bei ihrem Schwiegei'sohne für 
den Melker l'ralaton. ii itte dessen «cur nicht beduri't. Der 
persüühcli höchst achtbare Karl A Unecht wollte zuerst den 
ganzen Vorfall gar nicht glauben; als er sich aber von der 
Richtigkeit der Mittheilungen überzeugt hatte, »bezeugte er 
seinen Schmerz über die Verhaftung des Abtes, welchen er 
mit ung'emeinen Lobsprüclieii erhob', verfügte sofortige Frei- 
Ia8s?ing und, was für die Franzosen wieder sehr schmerzlich 
war, Rückstellung der ausgestellten Schuldverschreibung per 
ÖO.ÜÜO fl.' 

So kamen Abt Adrian, Stifl und Markt mit dem blossen 
Schrecken davon. Diese Qewaltthat erregte Übrigens selbst im 
französischen Lager bei höheren Officieren Entrüstung, wie ein 
Brief de Mortaignes an den KurfUrsten beweist. Mortaigne 
sprach den Prälaten von jeder Schuld frei. Tadelnswert sei 
vielmehr Graf d'Eetröes, der sich sechs Tage im Stifte befände 
und nicht sieht, wie die (leterreiohisohen Tschaiken am hellen 
Mittag vor seiner Nase auf der Denan hin- und herfahren — 
und nicht Abt Adrian, der sich nur um sein Brevier su 
kOmmern hatte.' 

Auch das gequHlte Landvolk begann beim Rttcksnge der 
Franaosen schon schwierig zu werden, zumal die Nachrichten 
von den Angriffen der leichten österreichischen Truppen sich 
verbreiteten. Als Orte, die hart mitgenommen wurden, fUhrt 
ein Augenzeuge Hitterau, Pielachhaag, Osterburg, Hafnerbach 
und Markersdorf an.' 

Die durch das Waldviertel marschierende bairische Ab- 
theilung anter Graf Törring erhob ebenfalls bedeutende Geld- 
contributionen. So zahlte die Stadt Zwettl 2000 ii., das Stift 

^ Ebend. 989. 

* M ortai^e an den KucfUnton «nt Brlra^ 5. Kovwnber 1741, in «Oester» 
veiehiMbon Erbfolf ekrieg*, henraer. vom k. a. k. KiU|;iaroIiiTe^ Bd. IV, 

8. im, Anra. 3. 

' Aquilin Hackers Maniuicript, Cap. 14. ,Hostilig ex»reitiu proxiniiu 
Urafendorfenai Paroehia et pericalam praeieua.' 



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185 



,ohne denen Unkosten* 23.000 fl. ,ünd sollen sye sambt denen 
Unkosten ihren Schaden schätzen auf 80.000 fl.' üie ilerrschait 
Weitru zahlte 10.000 fl. und die Stadt 1500 ±' 

Um Allerheiligen 1741 war die Feindesgefahr im f^anzen 
und grossen von Niederösterreich gewichen, die feindlichen 
Truppen hatten das Land theils schon verlassen, iheils waren 
sie in vollem Abzuofe begriffen, freilich mit ,zimbiich augelUllter 
Kriegscassa und ohngeiuein vielen Vivres*. 

Anfangs November meldet Khevenhüller dem Fürsten 
Lobkowitz nach Böhmen, dass sich der Feind über Melk 
.hinniiswHrts' gezogen habe. Nur an der Enos mUssteu aocb 
die Bauern an den Verschanzungen arbeiten.' 

Am 1. November war Kurfdrst Karl Albrecht schon auf 
oberösterreichischem Boden in Enns imd am 4.^ Beinern Namens- 
tage, setzte er bei Mauthansen Uber den Strom. Sein Weg 
ftlhrte ihn yorerst zur Huldigung nach Prag und sur Kaiser- 
krOnnng nach Frankfurt. 

Gerade in diesen Tagen aber schrieb derjenige, dem es 
bestimmt war, binnen kurzem das Geschick seiner Herrin in 
ein günstiges zu yerwandeln, mit eigener Hand unter einen 
amtliehen Bericht: ,Ich bleibe hier (in Wien), um das Corps 
zu commandieren, welches gegen OberiJsteiTeich agieren soll. 
Wenn alles was man mir bestimmt hat beisammen sein wird, 
werde ich Gelegenheit haben, leichter etwas auszurichten, als 
ihr anderen Herren 1 . . . Mein Plan ist, mit allen KrUften auf 
OberOBtenreich loszugehen und Böhmen Böhmen sein zu 
lassen; wir werden dies bald durch eine Invasion Baierns 
surQckerlangen ! * 

Khevenhiller/ 



^ Aus der Beilage «um Berichte de« substituierten stiiudi.^chüu Ober- 
commissärs Freiherrn t. Gilleias (Viertel ob dem Ifanhartaberge) sa die 
B.-S. Yerordnsten, prsM. 7. NoTombor 1741, ii.'0. L a n dsa sr ehtT. 

* KherenhaUer an Lobkowits, Wien, 4. NoTSmber 1741. K. tt. k. Hans-, 

Hof- und Staatsarchiv, Kriegsacten, Fase. 361. 

• Eigenhändigen Postscript des Feldmarschnlls unter don IJt'riclit an 
Lobkowitz vom 1. November 1741. K. u. k. Haus-, Hof- niul :Staat«- 
arcliiv, Kriegsacten, Fase. 361. ,d'aller avec touts Im forces vers ia 
haute Autriche, labaant Boheme, Bohäme: que uons recuperisions bientot 
par rinvasion de BaviAre * Vgl. Beilag« XVn. 



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186 



V. Capitel. 

Land and Stände naeli dem Abzüge des luTasionslieeres. 

Einlaufende Berichte über das EIpiuI iu den ,oberen* Viertc-ln. Tilgiinp- 
Torschla^ für die stKndi schon Auslagen Notio Fordornnpen der Regiorung 
ftir das Khevenhüller'^be CurpH. Anäpaunuag dür äuKsersten Kräfte. Ver- 
hältnis zu Steiermark. Besorgnis um das Scbiclual der Qeiseln. Clrculare 
wegen SehadeoMnnittlniig. Berufung de* Flenniiw der Stinde. Würdigung 
dee Geleisteten dnrcb Uaria Theraia. 

So war denn das Land Oesterreich unter der Enns der 
Feindesmvasion ledig. Die Berichte aber^ welche nun bei den 
stlUidischen Behörden einliefen, seigten diesen die volle Grösse 
des Jammers, der über die beiden ^oberen' Viertel gekommen 
war; namentlich die Schreiben des stKndischen Viertels-Unter- 
commissftrs Jakob Weinhardt und des subslituierten Ober- 
conunissärs für das Viertel ob dem Manhartsbergc^ Baron GiUeiss, 
sind von Interesse.* Jetzt erfuhr man in Wien, wie die 
Franzosen auf dem flachen Lande verfahren waren, wen sie 
als Geiseln mitschleppten, was an (Jontribution. Vorspann etc. 
mitgenommen worden war. Dazu beUcfen sich nach dem von 
den ständischen Deputierten dem Plenum des Landtages vor- 
gelegten Rechenschaftsberiehte die Ausgaben des Landes haupt- 
sächlich für die Verth eidi<;;un^' Wiens im Falle einer Belagerung 
auf 3r)1.8f)7 i\. 36 kr. olme die Auslagen für die Dragoner- 
reginienter Savoyen und Khevcnhüller. sowie fllr die Husaren 
und (irenzer. , deren Canipii'rung ein Unsiiglielies an Fonrage 
hinweggerissen*. ISur billig war das Ansuchen, das die ständi- 
schen Deputierten gleich anfangs an die Königin gestellt hatten, 
von dem .Defcnsionsunkösten* sollte ein Drittel das Aerar und 
ein Drittel die Stadt Wien übernehmen, wie es ,anno 1683 
be8cbeben^^ Bei einer nach dem damaligen Geldwerte so 
enormen Summe kam es vor allem darauf an, dass das GM 
rasch aufgebracht wurde. Bis dat, qui cito dat! Das passt 



> Weinhardt m 8t. Pötten an die Verordneten am Sl. Oetober 1741, 
n««9. Landes.ir -!iiv Gi!1fi.s>t an die Verordnotun (undatiert) prseeentieit 
7. November iTii, übend. Beila^'o XVI und XXI. 

* Die HtändiMcheu Deputierten an die Königin, 19. September 1741, n.-ö. 
Landosarchiv. Vgl. Beilage Vlll. 



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187 



hier auf die aller Ehren werte I^eistung der Stände. Wer 
dann nach überstaudener Gefahr das durch die hiiidbUtiidischen 
BemühungeD Aii%ebrachte übemahm, war eine Frage zweiten 
Ranges. 

Schon standen neue Ausgaben bevor. Die Regierung 
verlangte die Errichtung von stÄndischen ilauptmaei-azinon in 
St. Pölten, Tulln, Krems, Stockeruu und von Nebenniagazinen 
f,Bchultnussen') in Purkersdorf, öieghartskirchcn und l'erscli- 
iing. Aas diesen Magazinen sollte das Khevenhiiller'sche Corps, 
das sich in Niederösterreich zusammenziehen musate, verpfleg 
werden. 

Diese nene Verpflichtung schien den ständischen Dcpn- 
tierten zuerst ,eine betrübliche und den Insassen fast ohn- 
mSglich fallende Bürde zu sein — ein pur' Ohnmöglichkeit!'* 
Anch wies Weinhardt ans St. Pölten auf die Schwierigkeit hin. 
den Proviant^ wenn ttberhaapt noch solcher vorhanden sei, sn 
transportieren. Denn in manchem Dorfe seien nicht einmal 
mehr swei Pferde anaatreffen, alles andere hätten die Franzosen 
mitgeschleppt Kaum werde es möglich sein, fUr die wieder 
nach der St POltner Gegend dirigierten 1200 Reiter (vom Corps 
des Grafen PAifiy) den nöthigen Proviant und die Fourage 
aufbringen, ,wann also noch fernere Truppen nachfolgen 
soOeo, ist die (nn)umbgängliehe Kothwendigkeit, dass von 
üntenheraof Fourage und Proviant heraufgefUbrt werden, an- 
sonsten die Miliz mit sambt dem tJnterthan, so ohnedeme kein 
Brot hat, Hungers leiden und die Pfordt in Abgang der Fourage 
crepieren müssen'.' 

Trotz der betrUbsamen Lage des Landes in den beiden 
.oberen' Vierteln ent.schlossen sich die ständischen Deputierten, 
die neuen Proviantfonlci ungen der licgieruug zu übernehmeu 
und (Patent vom 13. November 1741) die Magazine zu errichten. 
Wcinhanlt d-A^ie^en erhielt auf seine Vorstellunixcn die Weisung, 
die UnisUinde erheisciiten, ,auch unmögliche Sachen seien niin- 
mchro möglich zu machen ... als wird Er Viertel Unter 
Commissiir an Mühe und Eifer nichts erwinden lasM ii, so wohl 
das benöthigte Brodt vor die Truppen; als die Fourage, Heu, 

* fiehloHielatiott der Depatierteii tod 28. Novaniber 1741, d.<9. Ltnd«t* 
ardiiT. 

' Weiahardt an dis YarardRSteo, 8t. Psltea, 81. Oetober 1741, Land«»- 
aiehlT. 



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188 



Hftber und Stroh auch von d«Q enflegensten Orten auf das 
Sohlennigste und ohne genngster Verabittnmimg snaamm an 

bringen^ damit diesen in selbigem Viertel (O. W. W.) hin und 
wieder aufzustellenden Postiemngen mit allen Eirfordernassen 
kOniie au Hand gegangen werden'.* 

Die ständischen Deputierten irrten sich niclit. Das scheinbar 
Unmögliche wurde; möglich, aus dem von der feindlichen In- 
vasion hart heimgesuchten Lande noch weiteren Proviant fUr 
die königliche Armee zu ziehen. Doch die Leistungstlähigkeit 
selbst der ärmeren Landestheile schien unerschöpflich. So z. B. 
hatte die dem Grafen Hans Leopold von Kufstein gehörige 
Herrschaft Greilenstein und Kirehberg am Walde den Feinden 
zu liefern gehabt: 240 Centner Heu, III Schober Stroh, 
7 ,Stuckh* Ochsen, 1374 Pfund Brot, 344 Motzen Hafer und 
eine unglaubliche Menge von Wagen. Trotzdem konnte sie 
kurze Zeit nachher noch 600 Metzen Hafer und 4000 Laib 
Brot fUr die königlichen Trappen leisten.^ 

Das Jahr 1741 mnsste somit» was die Eimte anbelangt, 
ein gesegnetes gewesen sein, ebenso die früheren, wie denn 
auch die Regierung den ständischen Deputierten anf ihre an- 
ftoglichen Bedenken hin vorhielt, ea sei bisher meiatens nur 
▼on den anfgespeicherten Vorräthen geliefert worden, ,anhelkrige 
Feznng jedoch fast durehgehens ohnansgetroschener in denen 
Studien SU findend' Dies mag sich wohl hauptsichlich nur 
auf die beiden von der feindlichen Invasion nicht berührten 
junteren' Viertel beaiehen, bleibt aber jedenfalls ein Zeugnis 
ftlr die Ffille der letzten Jahre. 

Auch sonst erwiesen sich die Stünde in Sachen der 
KhevenhttHer^schen Expedition willig^ durch welche ,bei an- 
hoffend gOtÜichem Beistand, mithin anwachsend Macht auch 



' ,Ex consilio N. N. I>op. Infer. Aui>triae, Vieiinae, 3. November 1741* au 
WeinliaiUt, n.-n. [..iiulflsarchiv. Vgl. Beilage XIX. 

' Bericht de» Grälen Kuet'stein vom 22. November 1741 im k. ii. k. iiau.s., 
Hof- imd Staatsarchive, Kriegsacten, Fase. 341. Ein Bericht Kuefittetmi 
aber die exorbitanton Lieferangwi de« Waldviert«!» nach Kremt, iHUhl, 
ZwdtU and Weitra im fOwtemiobiiebeii Erbfolgekricf*, fa«nuuff. Tom 
k. u. k. Krie(Mrohivtt, Bd. IV, 8. 168, Ann. 1 (an She^flnhOUcf ge- 
richtet). 

* SrhliiMrelation der stiadiaebmi Deputierten Tom S8. NeTember 1741, 
Puuki 14, n.m. Laiideaarehiv. 



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189 



in feinflliclien Landen Sntist.ution zu erholen die ernstliche 
Veranstaltung frrtrrjfffn werden möge/.* 

Das Pltinuiii des Landtages ordnete dem Feldmarschail 
den Grafen Kari v. Hurrach als standischen ( >b( i c onimissär 
bei; die Stände übernahmen es auch, für die (Jfticiersfrauen 
des RhevenhtUler'schen Corps, die den Zug nicht mitmachen 
dnrfteiiy Quartiere in Wiener-Neustadt, Bruck und Hainbturg 
zu beschaffen tmd die yorderband noch zurttckbleibende schwere 
Bagage des Corps zu versorgen.' 

Eine uns recht geringfügig scheinende Angelegenheit indes 
erregte am meisten das Missfallen der niederösterreichischen stttndi- 
schen Deputierten nnd aeigt, wie die particnlaristiBchen Tendensen 
jederseit wach waren. Mit Deoret vom 30. September hatte 
die Regierung die Emehtong von Verhanen am Semmeriog 
nnd bei Aspang angeordnet, gemeinsam ^mit denen steyrischen 
loblichen Herrn Standen'. Dies war eine Quelle mancher 
Dissonanz zwischen NiederOeterreiohem und Steirem in puncto 
der Kosten, wenn auch im allgemeinen trotz mancher Bitter- 
keiten der gravitfttische Ton ständischer Schreiben damaliger 
Zeit gewahrt bleibt. Am meisten regte die niedeffOstmeicluschen 
stftndischen Deputierten die Forderung von 79 fl. ^UncOsten' 
für die Reise ssweier von den Steirem geschickten krainischen 
Ingenieure auf. welche Angelegenheit sie dem Landtage vor- 
legen. .Und hätte es das Ansehen gehabt, als wurde der Last 
lediglich diesem bUiiidibchen Aerario aufgebürdet werden, wo 
doch das Hofdecret auf eine gemeinschaftliche Verwahr- und 
Untemehmnng der Arbeit abzillet, dieses Vciliack auch 
mehrern Theils vor die inneröstcrreichische Landschaft, mit 
nichten aber vor dahiesige (massen der Feind in oberen Viertlen 
leider zu Verderb des Insassens schon eingebrochen) zur 
Sicherheit diencto/^ 

Man sieht, ganz derselbe Standpunkt, den die Ober- 
österreicher in Angelegenheit der Ennsschanzen den Nieder- 
österreichem gegenüber einnahmen! Und diese, die doch, 

' Die Verordneten an die Obensommiasire der «oberen* Viertel» Wien, 
9. November 1741, ebend. 

* Infolge kOnigl. Decrete an die drei oberen Stände, de dato Pressburg, 
SS. November und 16. Deeember 1741, ebend. Vgl. Beilage XXIV. 

* Seblneevelfttion der etindleehen Depntlerten Tom M. November 1741, 
Pnakk 18, u.-9, Lendeaarehiv. 



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190 



gleicliflam ohnd mit der Wimper zu aneken, ohne Paäios, ahne 

politische Forderungen Summen, die nach heutigem Cleldwerte 

bemessen als enorme bezeichnet werden mlissen, in der In- 

vasionsgefahr bewilligt, respective auff^^ebracht hatten, zetern 
jetzt wegen 79 fl. mit den Stcircrn. So lernen wir in dieser 
Angelegenheit wieder ein Stück des alten Partieuiansnms kennen 
und begreifen, wie Maria Theresia mit ihrer Verwaltung gerade 
diesem im Interesse ihres Oesamnitstaates en^egeuarbeiten musste. 

Schliesslich vertröatete man sieh in der Verhackange- 
legenheit auf ^genauere Untersuchung mit allem umbständlichen 
Beweißthuni'. 

Gross war der Verlust, den die Landwirte durcii die als 
Vorspann mitgefUhrten Pferde und Ochsen erlitten. Am grössten 
aber war die Beunruhigung der GemUther, ob die von den 
Franzosen mitgeschleppten Geiseln wieder in die Heimat zurttck- 
kehr^ würden. Noch am 13. November, fast zwei Wochen 
nach dem Abzüge des Feindes, schreiben die ständischen Ver- 
ordneten den Viertel-Obercommissären, dass Herr wie Unterthan 
abgesehen von den ,flo heftigen Erpressungen an baacem Geld, 
Proviant, Foorage, Vieh, in der förchterlichen Ungewiss- 
heit stehet, oh von denen gewaltthfttig milgenommenen Beamten 
und hespannten Unterthaaen jemand wieder nach Haus kehren 
dSrffte^^ 

Es scheint jedoch nicht, dass, namenttich nach den über- 
raschenden Erfolgen Khevenhtülers im Jttnner und Februar 1743, 
jemand wäre zurückgehalten worden. Wenigstens in den stündir 
sehen Berichten findet sich keine Andeutung. 

Dieses System der Franzosen, Landeseinwohner mit Mk 
zu schleppen, hatte freilidi die Folge, dass in dem 1742 so 
bedrängten Stammlande Karl Albrechts, wo, wie ein bairischer 
Graf wehmüthig schreibt, auf die erste Scene: ,KugituB leonis 
Bavarici* bald .Bnvana plorans'' foltrte/ Repressalien geübt 
wurden. Eine Ucilie von PersöuiichkeiLcu jeden Standes kamen 
als Geiseln nach Innerösterreich.' 



* Die Verordneten an die vier ObercommiiMiHre, Wien, 13. November 1741, 
11.-6. LBiideeardiiv.ygLaQc1idMk«n!j^.]>eeretT0iii 20.Mov. 1741,BeO.XZ]n. 

* Heiffsl, Oer Otterreiehisclie Brbf»lg«etreit und die Kaiterwahl Karls VIL, 
8. (Seiitthelni an teinen Brndw). 

* Gubo, Steiermark während des Österreichischen Erbfolg^krie^^ II, 
& 1«, 17 (Jahrasberidit de« I. StaamgymuMiiiiiift in Qru 1897). 



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• 



191 

Nach dem At)/.ugc des Invasioiisheercs ^ralt es auch den 
Schaden zu ermitteliij um ihn etwa durch Abzug von der 
Steuerieistung einigenuassen zu ersetzen. Bereits unter dem 
y. November ergieng deshalb seitens der Verordneten der Auf- 
trag, jeder der Obercommissäre in den Vierteln ob dem Wiener- 
walde und ob dem Manhartsberge ,wolle in seinem Viertl Circn- 
kres ergehen lassen, damit die Herrschaften den vom Feind 
wegen gewaltsamer Uebemefamung des haaren GMds, Proviants, 
Fourage, Vieh oder anderer Naturalien erlittenen Schaden, 
suh nobiti fide, die Unterthanen aber unter genügsamer Zeugen- 
schaft einreichen 8ollen^^ Das Eiigehnis sollte dem Plenum der 
drei oberen Stande vorgelegt werden, auf dass ,bey unserer 
allergnftdigsten Landesftirstin um aulJkngliehe Httlf, Remedtur 
und Nachsehnng in contrihnendis die beweglichste Vorstellung 
gemacht werde*. Leider fehlt dieser Ausweis Uber den gewiss 
höchst hetrftchtlichen Schaden. 

Mit königlichem Decret vom 15. November 1741 berief 
Maria Theresia die Stttnde, welche sich vor der Invasionsgefahr 
auseinander begeben und nun ,schon eine geraume Zeit nicht 
wieder versamblet' hatten, ,ehebaldigst^ zusammen, damit sie 
,die zum Besten dieses so sehr gedruckten Landes abzielenden 
Vorkehrungen uiit ihrem angewolmt rühmlichen Eifer unter- 
stützen helfen'.- So traten noch im November 1741 die drei 
oberen Staiide im Laiidhause zusauimeu und nahmen um den 
23. November den umfangreichen Bericht der ständischen Depu- 
tierten über ihr Wirken in der luvasiouszeit entsre^en. 

Die Massnahmen anlässlich der Landesdetension vom 
Jahre 1741 waren die letzte grosse Action der alten Land- 
stände, bevor sie in ihr bis 1Ö48 dauerndes Scheindasein hin- 
übertraten. 

Die niederüsterreichischen Stände wenigstens konnten auf 
das durch ihre Deputierten und in ihrem Auftrage Geleistete 
stolz sein. Wenn auch — wie die Deputierten ihr Gesammtr 
refcrat schliessen — ,der erlittene Schaden und die von einigen 
hochansehnÜchen Landesmitgliedexn ausgestandene härtiste Ge- 



' Die Twordneten an die Obaseominliilim der beiden «oberen' Viertel am 
9. Noyember 1741, ii.-8. LandMsroliiv. 

* XSalglidiai Deerat an die drei oberen fitinde, PreMbug, 16. Noyember 
1741, LaadeMfchiT. VgL Beilage ZZU. 



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192 



walt, m emigen Jahren mcbt zu venclimerzen sein wirdet',' 
80 wirkte doch die rückhaltslose Anerkennung des Geleisteten 
durch Maria Theresia auf die Versammlung erhebend und 
tröstend. 

,Au8 eigener Bewegung' betalil bie, süiurt nach entschwun- 
dener Gefahr, ihr Wohlgefallen und ,das zarteste Mitleyden, 
so sie über die dermahlige Bedrängnis so vieler jjetreuester 
Landsmitglieder und Unterüianen mit Wehinuth emptinde*, den 
niederösterreichischen Ständen auszusprechen Sie erwarte nnr 
be({ueinpro Zeiten, um mit mütterlicher Gegenliebe und w(!rk- 
thätigen Bezeugungen Wohlstand und Glück des Landes zu heben. 

Das Verhalten der niederösterreichischen Stände sei bei 
diesen fortwährenden vielen Trübsalen ihr ^faat »Ueiniger 
Tro»t'. 

Was sie bei allen ^dem lieben Vaterland zugedrungenen 
Gte&hren geleistet hätten, gereiche ihnen ,za unausltf echliehem 
NaohrQhm^* 

* SchloBsrelatiou der stilndisclieu Deputierteo vom 83. November 1741, 
it.>0. Landeaarohiv. Tgl. Beilage XXT. 

* KQnigliehee Deevet an die Stibide, Preatbiug,. S. Hevamber 1741, il-Q. 

Lasdesarchiv. Vgl. Beila^re XVm. 

In dor.<;o: ,KOnigl. Decret an die lObl. Stände. Es gereichet Ihro 

kfinigl. Miiyt. zu .soiulerem Trost und Wohlgefallen, wa.s 8Ie gehorsamste 
Stände Ihm (lernialig»'ii trauri^'^cn feindlichen Umständfin dem dnrch- 
lauchtigflten Erzhaus zu iiirem unanslOschlichen Nachruhm er- 

wieMii haben. Wenden dannenbero hllehal dieselbe allen Flei» an, 
foltthe Zdten in erlaagen, nm Ihnen Stinden dero mflUterliehe Ckgen* 
liebe angedeyen an nadhen, folglieben dieae« getrenesta Erbland naeb 
■einen Verdiensten in voriges Aufnehmen und WohlstandflglUcIcariigkeit 

na erhoben.' ' Der Inhalt des D.n roti-^ selbst flihrt dieses Rubrum au«. 

Die im IV. Bande dos vom k. n k. Kriefii'sarchiv heranspogebenen 
,Oesterreichischeu Erbfulgekriegc^* S. 133, im Allgcmoineu gerügte ,maUi 
und eneigieloeCf paasive nad nnpatriotiaohe Haltung der Sliade in den 
dentBcben Brblanden* trifft somit, wie ana der jnngen Henarehin eigenen 
Worten nnd dem in Cap. II n. T vorliegender Abhandlung dea Breiteren 
Erörterten erhellt, fttr das Land Oesteneioh unter der Bnna nicht an, 
sondern das {^«'"•'»de GeGrentheil. 

Aach die BeniprkiiTi.j- (obend. S. 134) von der .Feipliolt der öster- 
reichischen Land»<tande, welche sich sogar verleiten Hessen dem Chur- 
fttrsten eu huldigen' paast selbstverständlich nicht auf KiederOstenreich. 

Eine Ihnlicbe Anerkennung wie den niederCMerrrtehiachen SCSnden 
liess aneh Maria Thereaia noch wihrend der Invasion (89. Oetober) den 
Wienern znkommen: sie schätze, ,was vor eine auMiehmende Treo, 
Mutb und Eifer sowohl sie Vontehere, als anoh die geaammte BOrger- 



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BEILAGEN, 



Nr.I. 

Die nkderStterrekhMen Veror^Mm im die Oftercommisaare der 
beiden ^en' Vterta (0, W. W., 0, M. B.). Mit de» Ober- 
öeterreiehem sei Correepondene eu wnkrhaUen md ein feind- 
EitrfaR wi OberöOerrei^ eefoH per SiaffeHe miUm&Mm. 
Wien 1741, September j3. 

Conoept. Wien, n.-O. Laudeit&rchiv, ^LAiid-Defeiuuoii 1741*. 

,Unsern Dienst, Sonders froiiidl. demnach bey jg^tgtinvartifren 
besorgl. feindlichen Kiiilall ein ohiiumgau^Ucho nothwendigkeit soyn aiU, 
dass mit oberösterreich oin so vertraut- als uuuiit(^rbrochen verlasslicho 
CoiTPSpondeuz untei hallen werde, aU haben wür dem Herrn Oboi -Connnis- 
5?iriu die pf1f>g'nng gedachter Correspondenz auf das nachdruckhsamste 
hiermit neb^t len beysatts committiern wohlen, dass, wofern widor 
besseres Verhuffen nur der mindeste feiudl. eiufall in oberöstcrreich sich 
eosserto. dersolh*» durch eine eigene StafTeten hier\'on den ausführlichen 
behebt uns ohn-verschOblich zu ertheilen, zu dem Ende beliebet seye. 
um damit wfir umso Teriässlicber in standt gesezet werden mögen, das- 
jenige, was zu bewahrung dises landt erforderet wird noch weithers 
obiiTenreiU frochtbahr fttr zu khereii. Göttlicher obaicht etc.* 

Wienn, d«n S***^ September 1741. 



Bcbaft bei gegenwärtiger Feindes Gefahr zar Bescbützung dieser könig- 
lichen Kesidenz-Stadt werkthStip bezeig'en*. In einem Decret an die 
liofc(inimisf<ion riilimt die Könipin obentalls ,wio erstbosaj^to liurpor- 
Schaft hey gegenwärtiger Feindesgefabr ihre Treu uu<l Ergebenheit auf 
eine gmas Anmehmende Weite >« «rkennen gegeben'. 

(yCepäA Decreti ▼. I. K. M. ev Hungern tmd Bsheim an dero in 
Wien hinteriaesene Hof-Depntetion ddo. S8. Octobria 1741*) k. n. k. Hane-, 
Hof- und Staatsarchir, Kriegseeten, Fbie. S41. 
AnUT. XCL teoA. 1. HiUlt. IS 



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194 



Nr. II. 

Köni^ichei Beeret an die niederösUrreichisehen drei oberen Stände; 
Meigt die €hründufig evuer HofeonmisHm mr VerproinaitiiUerung 
Wiens ßr den Fall einer Belagerung an. Die ntederösterreichi- 

sehen Stände mögen durch Deputierte diese Hofcommission be- 
schicken und allen Vorrath vom Lande nach Wien sühuffcn lassen. 

Fressburg 1741, September' 7. 

Orig. Wien, a.«0. IiftndMarchiv, ,Land-Defeiision 1741'. In dorso der Bescblow 
des Landtage« Tom 11. September 1741 in dieser Augelefenbeit. 

Von lior in Hungern und Böheim etc. Köuigl. May. Krtzherzogin 
zu Österreich etc. unserer allertriiäditrsten Friiuon wegen N. denen getroü 
geliorsambsten drey oberen Stauden des Erziierzogthumbs Österreich unter 
der Ennss hieont in gnaden anzuzeigen: Es seye deneuselben ohne deme 
unverborgen, was grosse Feinds-Gefahr didsem Ei^erzogthuinb östar- 
reich je länger, je mehrers zadringe; 

Bey solchen ümbständen erfordere die höchste Kotb, dass man vor 
allen zn kräfftiger Beschüzang der Königlichen Residenz-Stadt tmd 
Vestung Wienn, alss wormit auch die erhaltung des Lands imabsöikderlich 
verknüpffet ist, ohne Zeit- Verlost alle dienliche anstalten Torkebren; 

Ihre Königl. Kay** seyen Ton Selbsten aUermildest bedacht, eine 
zahlreiche Besatzung von regnlirter milis mit ehisten einlegen zu lassen, 
und lEomme es also lediglich daranf an, dass die Stadt mit hinlfingUcben 
Lebens-Mittlen, und all- anderen bedflrfnussen, so auf einen Belagenings- 
oder bloi|nimng8-Fall nöthig seynd, Eilfertigist und in geniige versehen 
werde. Zu solchem Ende, und da alles an der Zeit liget, haben Ihre 
Königl. May** eine authorisii'te Commission unter dem Praesidio Weyl. 
Kayser- und Königl. Cathol. May^ Herrn Carl des Sechsten hinter- 
lassenen Wfirlcl. geheimen Raths und Statthalters des Begts deren N. Ö. 
Lande Herrn Sigmnnd Frideriefa Grafens Ton XherenhflUer benennet, 
welche sothanes Proviantimngs-werk gleich vor die Hand nehmen, die 
erfordemuBS in allen gattungen überlegen, folgende fiber die Mittel, wie 
sie am fürdersanibsten beyzu schaffen, sich mit Ihnen drey ohereu iStiinden 
▼ernehmen, und haubtsächl, dahin antragen solle, damit uiler Vurrath, 
80 im Land ist, nacher Wienn in Sicherheit gebracht, andurch dem Feind 
die Subsistenz schwär gemachet, und vor die StaJt die iiöthige Provision 
iirzöügot, denen Eigenthumeren aber vor das Consuniirende (Quantum die 
kiinfftigo roal-gutmacbuug aui> der Landoä-Contributiou versicheret werde; 



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195 



Ihro KOnif 1. Maj". Bozen in Sie drey Obere Stftnde das beeondere 
Tertranen, dieselbe werden bej einem so betrübten emergenti, wo es 
omb die Bettang dee Lands nnd einer so wichtigen Hanbt-Stadt zu tlinen 
ist, mit allen ihren krilften omb so lieber die Hand bietiien, alss eben 
derley vigorose defensions-anstalten das alleinige Mittel seynd, umb die 
feindliche anschläge, sonderlich be; jezigen Jahreszeit veränderen oder 
vergeblich zu machen: 

Allerhöchst diosoibe worden derer Drey Oberen Ständen hii ininen 
bezeugende Treu und Liebe vor das VaUeiland bey anderen von Gott 
anhoffenden günstigeren Conjuneturen ganz unfehlbarlich allormildest 
trkt iiiien. nnd bedauren allein, dass dero Mütterliche Sorgfalt Sie be- 
Diussige, die Treu-gehorsambste Laudüchatft bey so vielen anderen Ober- 
haflfften Lasten noch umb diese mitholffliche ( iiterstüzung anzugehen. 

Es werden demnach Sie Stände nicht verweilen, einige aus ihrem 
Gremio zu begewalten. welche auf jedesmahligcF ansagen mit der aufgo- 
stelten Commission zusammen trotten, und dieses Proviantirungs-Weriih, 
woran die völlige Bettung hanget, auf alle nur immer thunliche weise 
beförderen helffen. 

Es verbleiben übrigens oballerhOchstgedacht Ihre May** mit deru 
Königl.* auch LandsfarstUcben fluiden nnd Gnaden denenselben wohl« 
gewogen. 

Presspnrg den 7**" Septemb. 1741. 

Ter Eegiam Majuütateiu, 
Matthias Benedict Finsterwald m. p. 

In dorso das Conclnsnm des Landtages snm vorliegenden Hofdeoret: 

,l»n\-*'^ HoATintimatum deuen Uerrn Verordneten in Freundschafft 
Eiizustt'UeD. und wollen die Ldbl. drey obere Herrn Stünde die altiste drey 
Herrn Verordnete, und altiste drey Herrn aiis.schiiss um bey der in defen- 
sinus und piuviantn ungs Werkh nidergesezten authorisirten dmmissioa 
auf allmall iges ansagen zu erscheinen hiemit dergestalten benennet haben, 
dass dieselbe hierinfals und eiigente hac uecessitate cum libera die 
Vollmacht haben sollen fiber die etwan erforderliche anticipation, Herbey- 
Schaffung des Kei ndl und Fourage, Stellung deren arbeither und wass in 
gleichen umständen zu rettung des universi ohnnmgftnglich sein will, 
nach ihrer besten Vernunfft das BehOrige fürkeren, und als patres 
patriae disponieren Unnen. 

Wienn im Ijandtag dem 11'«'' 7*«' 1741.* 



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196 



Nr.m. 

Die niederSsierreidmekm 8^ändi8(^m Venränetm sorgen für 
Verproviantierung der Stadt Wien im FaUe einer Belagerung. 

Wien 1741, September 12. 

CMnidrtw Fkteiiti Wien, n.-0. LaadetardiiT, «Laiid-MlMuion 174t*. 

,Wir N. und N. einer Ubl. L&ndechaft des ErU-Herzogtams Oester- 
reich unter der Ennea Verordnete ete. entbiefhen allen und jeden lAbl. 
Lande -Mitgliedern . . . Unseren reapeetiT^ Dienst, Gmas nnd guten 
Willen snvor; nnd geben denenaelben des mehrem an yemehmen, welcher 
gestalten die feindliche Gefidir tftglich mehrere andringet, mithin su Er- 
haltung dahiesig Königl. Be8ide]is«8tadt, und Teatang Wienn, als wonnit 
das geliebte Vatterland selbsten am stärkiaten Tcrknllpfet ist, all'- erdenk- 
liche gate Anstalten an treffen seynd, welche hanptsiehlich an einer stand* 
hafften 0«genw(^hr und genügsamer Proviantirnng ankommet, damit die 
so aahlreiche Guarnison, und die Bui^erschaft mit denen in Anfahl, oder 
besorglicher Jkilageruiig imuingänglicht'n Horron Officiern uuJ audern 
zur liesiitziing anuocb erfoideiudeu Leutheu genügsame Subsisten^ 
finden möge. 

N'im ist der Dofonsion und ref^ulirteii Maunscbaft halber die beste 
Vorsehung allschon bescbecheu, wegen des Proviante aber die löbl. drey 
obere Herren Stände auf das unter dem 7*^" dieses per Decretum aller- 
gnädigst gethanene Ansinnen sich alleruuterthänigst nach Hof erkläret, 
dasaTon denen Herrachaften auf das schleunigste den Von-ath an schwären 
und geringen KOrnern gegen gnte Bezahlung in die Besidentz-Stadt 
verechaffen, die heurige Fexung entgegen ohngesaumbt ausdreechen 
su lassen, die bewegliche Ermahnung tbum weiten, um hierdurch 
dem Feind die Lebens-Hittl su benehmen, die Innsassen Jedoch ihrer 
lieben Erd-EVucht, und dissfölliger Onthmachung sn allgemeinem besten 
su Teraicheren. 

Wie aber an der Zelt bey täglich anwachsender Feinds-GefUir alles 
gelegen, und einer vor alle, samentliche Herren und ünterthanen 
aber vor jeden insonderheit bey so betrfibten Umständen zu sorgen, 
damit nicht ein allgemeine Umstflrtzung das geliebte Vatterland zu Grund 
richte; 

Als werden alle, und jede löbl. Lauds-Mitgliiider, welche Gülten, 
Gütbor oder Untertbaueu bei»itz6u, bieuüt beweglich und auob ernsUicb 



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197 



dahin ermahnet, womit die weithentlegene ohne Zeit Verlurst ihro vnr- 
räthige Körner und Fonrage Ober alleinige Zumckbehaltnng ohnentbör- 
lieber Hans* and Ansats-Xothdurft anhero in die Besidentz Stadt gegen 
dav'>r empfangende Liffer-Schein verscbaiTen, die anheuer eingebrachte 
Fexung, ehe dann möglichist, ansdreschen und gleichfalls zuführen lassen, 
da entgegen die vier Heil Weegs um Wienn befindliche die Zofhhr des eignen, 
oder aodi bey denen IFnterthanen findenden KArndls nnter schirtrer Ter- 
antworfhnng, ond allenfdite militanscher Bxecntion sogleich bey Empfang 
dieses Patents beförderen helffen sollen; Und somahlen diese ohnjer- 
meidentUche VoTsehang die selbst eigene Sicherheit einschliesset» und 
jedwedem daran gelegen, das Seinige auch nnter so androhenden Feindes- 
Gefifthr verwahrt tu «issen; Als ist anch in dieser gftntsUchen ZnTersicht 
jedwedem Land-Metien Waitaen vor d fl. 7 Qroschen, den Metien Kom 
vor 1 fi. 17 Groschen, Haabern per i fl., Gersten vor 1 fl. 4 Groschen, 
den Oenten Hen vor 15 Groschen, ond den Schober Thenn Stroh vor 4 fl., 
ordinari Stroh um 8 fi. gnt sn machen, nnd die Fnhrldbns-TTnkosten be- 
sonders, id est: anf jedes Pferd täglich mit Einem Gulden durch das 
Ober-Viertels-Commissariat haar zu ersetzen, nebstbey aber alles frey 
ohne geriuprster Mauth, Aufschlag, oder Weeg-(!eld passiren zu lassen, 
in heutiger authorisirten Deputation dergestallten aussgemacht worden; 
dsiis die löbl. Lands-Mitglieder nach Proportion der gethanen Beyschaffung 
und davor zu Händen überivomiafuden Lifor-Scheins in so lang von denen 
zu fM n L«-' !! schuldigen Lands-Anlaneon sich selnstcn uirbt allein zahlhaft 
machen können, sondern zu meluei und überflüssiger Sicherheit das löbl. 
ständische Corpus selbsten verniög dieses offenen Patents als richtiger 
Zahler verschrieben und verhypotbecirter bleibet. 

Es werden dannenhero anf das angelegentlichste all nnd jede noch- 
mahlen erinnerot, keinen Augenblidc, womit alles Kömdl, nnd Fonrage 
indistinctft nach obigem Froiss, nnd vergwisserter Gntmachnng ange- 
schaffet, hindann xn setsen, sondern den Getron-Patriotischen Eyfer an 
Aofrochtlassung des geliebten Yatterlands sn beseigen, wie dann im 
widrigen denen Meiosis mittels militärischer Bxecntion alles Köradl samt 
Fonrage ohne jemahls hoffender Vergfttimg hinweggenommen, folglich 
den Schaden ein solcher sich selbsten zntaschreiben haben wirdet, 

Aetnm Wienn den 12. Septembris 1741. 

N. nnd N. Einer LftbK Landschaft des Erli^Hersogtams 
Oestenreich nnter der Enns Verordnete.* 



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Nr. IV. 

Komgliche^ Ihcrf i an die tut ilr, östcrrcuht.>Lhm drei oberen 
SUindey diese mögen :rnr Vvt iiit uligwng der Stadt Wim eine 
(imgiphiffe Summe aufbringen. Auch >ieirn dir LdndrsJdnnodien 
von Klostertieuburg in die Ifofhurg rj* schaffen. Fressburg 1741, 

b^tember 13. 

Orif. Wim, LaadflHurebiT, ,L«nd>]>efiBiifion 1741*. 

,Voa d«r in Hangwn und BAheim etc. KOnigl. Mty*^. Brtilienogiii 
m Ö8t0iTeieh, ÜDWror allergnädigsten FrAii«n wegftii N. denen getreu- 
gehoTsambeten drey oberen Ständen dieeee Enhenogthombs Öeterreicb 
unter der Ennss hiemit in gnaden ansoxetgen: allerhöchst gedacht Seiner 
Efoigl. May** gereiche snm besonderen allerhöchsten Veignfigen, dass 
Sie drey obere StAnde zn erhaltung Dero Eönigl^ Beeidens-Stadt Wien 
all-mOgliche Hfllff nach aflaeersten krftfften beyintragen sich erUftren; 

Gleichirie aber das ganze Heyl nnd Rettung aaf gewinnnng der 
Zeit und eine von allen Seithen des Landes, sonderlich aber von denen 
nflchsten Gegenden bewflrkende starke Znfhhr derer unentbehrlichen Be- 
dfirShossen ankommet. 

Ales versehen sich Ihre Königl. May*^, dass Sie drey obere Herren 
Stände alle ihre Sorgfalt daranf wenden- und sonderlich beeyferet seyn 
worden, in be^streittunfj derer erfurdcrlichon Fdrtitications- Lohiinntrs- 
iiiiti übrigen auslagen eine ergäbigo Sumiuam gclds unTerlängt aufzu- 
briugeu und als einf auticipation zur Köuigl " Bancalitet, wie immer 
die gehler eingel. zu erlegen. 

Zii solcluMu Eiidt' i^enehmigen allerhijchat-dieselbe . dasfs donon 
diirk'yht'udeii Parthuyeii der Contributionsfuudus mit aller rrioritat vi^r- 
schribeu, dem Laudschaffts-Ober-Einnehmer von denen aufbringenden 
Geldern ain pro Cent um ansgeworflfon, und endlichen die anticipironde 
Lands-Mitglider auf ihre eigene Contributions-quotam mögen versicheret 
werden ; 

Allermasöen man auch von seitheu des Königl. Aemrii besorget ist, 
alle Gelder, so viel immer bey denen Camerämbtern sich befinden, eyligist 
nacher Wienn zu senden und zu eben diesen defensions-KothdQrfften ver- 
wenden zu lassen; 

Vor allem aber wolle erforderlich seyn, das Erzherzogliche HOetel 
und Qbrige Cleinodien auf die von ihnen Herren Ständen an die Hand 
gegebene arth von Clostemeftbnrg fort nnd nacher Wien in die Königliche 
Bntg zu bringen; Wie dan derohalben die ITothdurfft sowohl an den Herrn 



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I 



199 

Probsten alda, als an seine übrige gehöido unter ernsten ergehet. Es 
verbleiben anbey oballerh^chst- gedacht Ihre May^ mit dero Königl- 
aoch L&adsfürstlichea Mulden und gnaden denenselben woMgewogen. 

PresBbarg, den 13. September 1741. 

Per Kegiam imestatem 
Mattbiu Benedict Ffnaterwald in. p. 

Nr. V. 

KönigUehes Beeret an die drei oberen Stände^ icie sie sich hd 
Annakeryiiig des Feindes zu verhalten häUen. Fresfburg 1741, 

September 16, 

Orig. Wien, n.-O. Landesarchiv, ,Land-Defension 1741'. 

,yoD der in Hnngam nnd Böbeim Königl. Hayt., Enberzogin zu 
öaterreicbf Unser allei gnädigsten Frauen wegen K. denen getreQ gehor- 
samsten drey oberen Stftnden des Enhersogthnms Östeireicb unter der 
Ennss hiemit in gnaden ansnzeigeu; 

Es Seyen nunmehro die Chur- Bayrische Kriegs Völker in das Land 
Österreich ob der Enns mit feindlichen gewald wirklichen eingerucket, 
und beginnen sich immer weiters heral» gegen die Eimss zu ziehen. 

Bey solcher Bewandnus seye zu befahren, dass auch die N. 
Landschaflft mit gleichmässigen einfall fiberzogen oder doch in denen 
obigen Viertln belästiget werden döiffte. Ihre Königl. Mayt. bedauern 
gar sehr, dass sie dermahlen sich nipbt in der Verfassung seh<ni, iimb 
der feindlichen Macht mit einem gleichgewachseuen Kriegs-Heer -Iftich 
widerstehen zu können, werden jedoch das anssei*ste tiiur-n, umb diesem 
getreüesten Erbland gegen so ungerechte Yergwaltiguug ebebaldigst zu 
liiiff zu kommen; 

Indessen und da wider vermuthen der Feind sich der Königl. 
Hesidens Statt Wienn näheren solte, erfordere der allerhöchste dienst, 
dass sie drey obere Stände sich gleich auseinander begeben, alle weitere 
Versamblong in Corpore answeichen, and ein jeder sieb so gnt, als er 
immer kan, zu belffen suche ; 

Damit aber gleicbwoblen das Land nicbt ebne aller disposition ver- 
bleibe, sondern dnrcb gute anordnnng das grossere Abel abgewendet, nnd 
der arme Contribnent so viel immer tbuenlieb, erbalten werde, finden 
Ibro Kön^l. Mayt. so nUtig als disniicb, dass gleicb wie der Herr Land- 



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soo 

Marscball »1b Conferens-Hinistor^ die AUerhOchsto Person tn folgen bat, 
also die Heiren Verordnete, so l>ald sie das Landhaass zn verlassen ge- 
zwungen seynd, sich in die zwey Untere Viertl diss- und jenseits der 
Düüau nebbt denen zwey Viertl- und Unteren Viertis-Comraissarieii dor- 
gestalten vertheilen, damit auch bey abgeschnittener Communication über 
den Donau Strohm es danach an keiuer seithen des Landes an nüttiger 
Vorsehuncr gebreche. 

Wo übrigens ihro Königl. Mayt. aus der devotesten Bezeigung, 
womit Sie gehorsamste Stände in allen Zeiten und gelegenheiten mit be- 
sonderem oyfer v.u geleichtct, sich vollends versicheret halten, dass sie auch 
bei gegenwartiger Kriegs l'nruhe darinnen unablässig fortfahren werden. 

Wo entgegen Allerhöchst gedacht 8' Königl. Mayt. Urnen treu ge- 
horsamsten drey oberen Standen sambt und sonders mit unausgesetzt- 
LandsfOrstUctier Huld und gnad» ja mit Mfitierlidier AfFection und Liebe 
bejrgethan Terbleiben. 

Pressbnrg den 16*" September 1741. 

Per RcgiaoT Majestatom 
Matthias Benedict Finsterwald.' 

Nr. VI. 

KomgUeha Deerd an die niederdsierreiekitdtm VemänOen. Da$ 
QiUegium 9aU im FäUe ekier BdagmMg Wien» a» euieni he- 
^iMM»! Ort heiiommm hUObent dm Feind aufekeaiges Jnsinnen 
memand en^egeimkidBen und ihm die Submsiens 90 vid als 
mögUeh enckteeren, iVen^iffi^ 1741, September 19» 

Orig. Wien, n.-0. Landesarchiv, ^and-Defension 1741'. 

jVon der in Hnngern nnd BOheim Eönigl. Haj^ Erts-Herbsogin tu 
österreieb etc. Unser allergnfldigsten Frauen wegen N. Einer ebraamen 
Landschafft des Erts-Hertzogthumbs Österreieb unter der Enna Herren 

Verordneten hiemit in gnaden aninzeigen; 

» Alois Thomas Raimund Graf v. Harrach, geb. ir>60. 7. März, Ritter des 
tjoldpuen Vlie»»u.s, Mit^trlied der geheimen Coufüronz, gewesener liot- 
schafier in Madrid (gleich seinem Vater), 1728 — 1733 Vicekünig vuu 
Neapel und Sicilien, bereits 1715 il« Landmanebell von NiederOeteireich 
initolUert. Haupt der Stinde bei der am 8S. Noyamber 1740 Maria 
Theneia gelewteten Erfabnldigmig. Oettorben 7. Norember 1742. Ueber 
ihn: Wissgrill, Schaupl. des landsässigen n -d. Adels, 4. Bd., Wien 1800, 
S. 167. Kone Cbarakteriatik bei Amekb, Maria Thmia 1, 69» 70. 



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m 

Man finde die anstände gar erheblich, welche sie Herren Verordnete' 
weg'en abtheilung ihres gremii an die diss- und jennseits der Donau lie- 
gende zwej uAtere Yiertl b«y Bich eigebenden belagerungsfall anbriDgea 
lassen. 

Es aeye demnach kein bedenken, daas sie Herren Verordnete an 
einen bequemen ortb bejssmen verbleiben, jedock den Feind auf etwaiges 
geeinnen weder jemanden entgegen seliicken, noeb sonsten einigen 
Yorsdrab geben, sondern alles so snordnen, damit zwar der Landts-ruin 
nach mOgliebkeit vermieden» darbey aber Ihre König!. Hayt. allerhöohstor 
Dienst immer ver »ngen gehslten, ond der feindlichen miUs die tnbeistens, 
ae viel immer tiumlich Ist, seh wehr gemadit werde; Bs verbleiben anbey 
tlleilidclifitemaiuit- Ibie Hayt. mit Kitnig- und Landtafttatl. gnaden 
denenaelben woUgewogen. 

Pressburg den 19. September 17il. 

Per Regiam Majestatem 
Matthias Benedict Finsterwald m. p.* 

Nr. Vn. 

Die ni^derösff rrttchischen siundischen Verordnctm an die Cmn- 
missürp. der heulen ,oberm' Viertel (0. W. W., 0. M. B.). über die 
feindlichen IMternehmunf/en Kundschaft einßuiwlcn and täglich 
uusführlich gu berichten, Wien 1741, S^tember 19» 

Cbncept, LandesarohiT^ «Land'Defennoii 1741*. 

fünseni Dienst etc. Sonders freindl. Es will nnn ohnnmgftngl. 
ttothdnrfft seyn, dass bey gsgenwartigen umsttnden, wo Ghur-Bayem 
das laiidt oeterreich ob der Bnss foindl. Qbenogen und besoigl. anch in 
dises landt ffsterreiob unter der Enss einfallen dörUtOp von denen fdndl. 
üntemehmongen, mithin wie solcher marchirt, auch wo selbiger sich be- 
findet, wflr ametftndige nachzieht sa nnsem banden bringen. Es wird 
8olchemna«h der Herr Ober-Oommissari dahin ^ffirigst beflissen seyn, 
hiervon die verUssliche gnte Eondsdiaft so viel immer mitgl. einmhoUen, 
einfolgl. dnreb absefaicfcend geflissene Bethen hierfiber alltäglich den 
aosfOhrln. Beridit nns sn erkheilen. GOttL obsioht etc.' 

Wien den 19. September 1741. 



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m 



Nr. VIII. 

Die ständischen D^Herten an die Königin 0ter ihre hitSterige 

Thätigkeit und die Bedeckung der Defensionskosten. Wien 1741, 

September 19. 

Concept, Wien, LandMarohiv, J«aod-Defen«ion 1741'. 

,AIlergnädig8t6 Künigin, Erb-Landesf&rstm and Fran, Fraul 

Eöer köoigl. Mayt. haben anter dem 7^° dieses mitls allrgdsten 
Hoff Decrets d«nen treu gehonameten drey oberen Ständen zu vernemen 
g^ebeo» wass gestalten in gegen wärthiger hngster Noth and zu Be- 
schützung dahiesiger Residenz Stadt Wienn hinlängliche Lebonsmitl nnd 
air andere Bedfirfnasen eilfertigst and za genfleg einzuschalfen und bey 
der in Sachen nidergeseiten anthorisierten Gommiseion per deputatoe 
snerscheinen mann stftndiBoheraeifhB ftasserst besorget sein mOehte. 

Die anter den 11^ hienaeh allenntertfagst erstattete Erkhl&mng 
hat die getren wülflhrigste Sinceration enthalten, ale iem&llens von 
denen alletgehore. vaealen anbegehret werden könne. 

Die wflrknng ist anch in der Thatt erfolget, also dass mann all 
schon in der änderten commission jene 54 m fl. (wellehe vermOg MOge- 
gangener garantie denen Brabandischen Ständen bahr hinaaBsuahlen 
gewessen) anch mit etwelioher sosweichnng des so kostbahr als ohnendt- 
pärlicben Ständischen credits in die defensions cassam als den ersteren 
erlag Torzaschflessen sich herbeygelassen. 

Wobey mitls kun dgemachten patenten eine emstliche Veranstaltang 
getroffen von dem Lsind Kerudl und Fourage anhero zu Ufern, weliches 
auch (ob schon das Zugvieh thails hier bey dem Portificatious-wcrkh mit 
gewalt aufgehalten, thaills zu Herbeybiiuguug 1000 Contner Pulver auss 
I. Ö., und abfübruDg Ihn» Mayt. der Kayserin Elisabeth bagage auch 
sonstiger militar Verspan ein ohngluuliliohe anzahl gostellet) nach 
moglichkoit zugeführet würdet, vor all diese noth wendigkeit passet der 
ständische credit: 

imo lier.selbc hat sich auch der aufzubringen thuenlichon autici- 
pationen halber mit nicht weniger hist iiiterponiert und die per commi«;- 
sionem auf die frey und bürgerliche Uaüsser in der ätadt reportirte ausser- 
ordentliche Beysteüer würdet gleichfalss auf ständische Schuld Ver- 
schreibung in capitali et Interesse versicheret, weliches zusamen, vorderiat, 
da die Vorsehung des proviants auf eine so grosse und volkreiche Eesidena 
eingelifert, einen Yorachuss von viellen 100 m aussrnnehet^dem ständischen 
aerario aber am so empfindlicher fallen düi'fite, aiss dasselbe denen Be- 



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203 



srüterten von aig-pnen Landesanlagen sich zahlhnfTt zu machen stipulit'it, 
donen übrigen treuhertzigen cieditoribns entgegen die Euckh Bezahlung 
in Jnh!- und Tag mitls binaassgebendeu amtsrecognitionen versprochen, 
mithin bey 80 gössen abzug führohin publica onera erligen bleiben 
mflessen nnd der credit selbsten zu fallen in Gefahr stehet: 

accedit, dass nebst air diesen praestationen Darlehen und proTian- 
tiniiig annoch 1000 Schantzer mit 700 Faachinenmachern ihres ansge- 
worffenen Lohns wegen tftglicli sa bezahlen dem aerario obliget, und 
beynebst nm den nnterthan xn berbejf&hrong des Kendls m bewegen, 
Tor jedes soliches Pferd Einen golden sogleleb gnttinmacben: 

Wie nnn diese Unkosten yflUee erfordern, an denen aussebreibnngen 
aber fbst nichts eingehet. So können Efler Eönigl. May. von selbsten 
altergnftdigst erachten, aof weliehen ZerfoU das stflndische OberEinnemer* 
amt stehet, nnd dass bey nicht so haltender Interesse riohtigkeit der credit 
aof einmal sinken dfiifte, So haben iedoch wfir ans Verordnet nnd aas* 
schfiss aolgestelte ond beToUndkhtigte Bepntirte ans getrellist unter- 
fhanigster DoTotion, ehrerbittökeit ond Liebe gegen Efler Eönigl. Majt. 
wie anch xn erhaltong des geliebten Yatterlanda ons in diese so weith 
ausgehende als geflhrliche Handlang eingelassen, nicht sweifelnde, Efier 
Eöuigl. Mayt. werden hierfleber das allergst. Wohlgefallen bezeigen, 

Und beynebst von selbsten allerbillichst erkennen, dass die be- 
sondere defensions Unkosten Ein Dritl allerhArhst dero aeiaritiin iiiid 
ein Dritl die Stadt Wienn nach der Anno «ISa i-mgelührten norma zu 
tragen werde, wo dann noch mann auch ständischer seiths des gehorst'en 
erbittens ist, das leztere Dritl auss aignen m böessen. 

Und gleich wie diese ahthaillunL' in seiner billikeit gegriind''t, diu 
anticipation mit dem proviautirungs^werkh eutgegeu jederzeith ex caniera 
oder vf^ reicheret, oder dem ständischen corpori ein so wichtiger Kuadiis 
"iiigeraumt. dass mann in capitali et interesse anmit bedeckt, oder in der 
aösserstcn noth. wie dermallen sich zeiget, von der contribution innen- 
zobalten die zusag per decretum beschehen, als haben auch Wür ständische 
Depntirte um diese allergnädigste gantz deütiiche eingeständnas ond 
respetive Sicherheit und dass Ober die getroffene Commissions anstalton 
die sonst gewöhnliche Protokolle communiciert werden mOchten. hiemit 
onterthgst bitten, nnd zu ffirwehrender Kftnigl. LandesfÜrsU. Hold und 
gnad nns alleigehorsamst empfehlen wollen. 

Wienn dem 19«» 7^ 1741. Eoer EOnigl Hayt. 

alleronterthgst allergehor^ste 
K. ö. stftndische Depottrte.' 

In dorso ,den 80. Sept. per Staffettam Ihr Königl. M. sngescbickeV. 



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204 



Nr. IX. 

Anmynw Relation v(m Hoflay er Maria Theresi/is über die Ver- 
hiUtnisse in Wieti, angesichts der droli enden Belagerung, und die 
Vorgänge in Ungarn» Fressburg 1741, September 28» 

Copie, K. n. k. Haiu-» Hof« und StaataarchiT, Kriegaaeton io genere 1741, 

Faw. M7.> 

P. P. 

4^aoliddiiie wie Ew. — bereite unterm 16. hiiios nniei thgst. refe- 
riert worden, die BeBorgnis zn einer Belagerung in Wien im mermehr und 

mehr zugenommen und sogar bereite von Spermng der Stadt geredet 
worden, der Kayserin Amalia Mayst. auch benebenst ihrer ganzen Hof- 
stadt fsit h am vorwichenen 18. tiiiius nach Closter-Neiiburg begf?l"eii, 
fulglicli iiiiiner melir iin»i mehr Theummg und Uiisichorhcit zu befürchteu 
gewesen, so habe mich endlich entschliessen müssen ebenfalls anhero zu 
begeben und meinen Aufenthalt gleich alh n übrigen Gesandten und 
Ministoru. die thoils hieher thcils nach (Jdcubiirg entwichen, allhier zu 
nehmt»!! und dieses Herunterziehen hat verursachet, dass die 2 in ver- 
wichener Woche gewesten Posttäge vorbey streichen lassen müssen, ohne 
etwas unterthgst. zu melden. Ich will demnach dieses Verzugs lialber 
Ew. — gehorsambst um Vergebung gebeten haben und nicht hofl'en, dass 
diesfalls darüber in etwelche Ungnade fallen dürfte. Indessen berichte 
hierdarch in aubmissesten respect, dass die Furcht, als ob das H. Chur- 
fürsten von Bayern durchl. der späten Jahreweit ohnerachtet gleichwohl 
Wien belagern d&rfte, nicht nur in Wien sondern auch sogar bey Hof 
selbst noch immer oontinniert; es ist deshalben in ernannter Stadt ein 
solches Flüchten, sowobl Yon hoben als niederen Personen» dass man fast 
weder Schiff noch anderes Fnhrweilci wenn man sich von dort hinweg 
begeben will bekommen kann und ist eine unz&hlbar« Menge Volkes in 



* Solehe Berichte nnd als Copien nach den som Th^le ohriffriwtea Orl- 
giaalen (maaehiDal mnd nSmlicb ia den Copien die Ghiffern der Originale 
angegeben) eine ganse Reihe yom MXrs hia Hovember 1741 im genannten 

Füscikel des k. a. k. Haus-, FTof- und Staatsarchivs vorliegend. Sie 
scheinen an einen deutschen lieicIisfQrsteu gerichtet zu .sein, doch ist in den 
Copien Name und Titel de.s Ädretiiiaten unterdrückt. i>©r Berichterstatter 
weilte anfangs in Wien, begab sich aber, wie aus Obenstehendem erbeilt, 
▼or Karl Albreeht «gleich allen flbrigen Qeiaadten nnd Hiniatern' nach 
Preiebnig. Anf den Bericht des Anraymne rem 29. Min findet eich 
in donw die BcMiobnnng «Hinister-Aelation'. 



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205 



etlieh Tagvn allhier angelangt, welches, weil es nicht hier alles unter- 
kommen kann anf die herumliegende kleine Städte und Dörfer sich begiebt. 
wo es alles voll Leüthe wimmelt, wordurch aber die Theuüiung derer 
Lebens Mittel immer vergrössert wird. Am verwichenen 20' huius brachten 
der Königin Majst. den kleinen Erzherzog ebenfalls selbst herunter und 
der Hof hatte resolviert, wenn der Churf. aus Bayern durchl. nächer gegen 
Wien ruckt']! wuidoii. sodann sich von hier nacher Offen zu begeben, 
gestaiicii die HMf-F,.ui ioi bereits in voriger Woche dahin um die Quartiere 
tn reguliern abgesendet worden. Seit ein paar Tagen aber ist es wiederum 
davon stille, weil, wie man sagt, die sichere Nachricht oingetroften. es 
verschanzten sich die Bayern bei Enns und sie wären um dasige Gegend 
herum über die Donau gegangen und in Böhmen eingefallen. Inmittelst 
machet der Feldmarschal! Khevenhüller, wie wohl nicht ohne grosses 
Mtnren und Wiederwillen der Wienerisch-Bürgerscbaft alle nur möglichen 
Gegenanstalten und zu einer tapfer' n Gegenwehr. Die schönen Häuser, 
welche auf denen Wällen von reihen Thum, Stuben und Kärntner Thor 
gwtnnden sind föllig ahgetragen, die SpitiUer in der Stadt von denen 
innen Iienthen geaanberft, diese anders wohin auf das Land tiansportiert 
und in solche Soldaten einquartieret worden; die ftussere Linien, welche 
gegen Hnngam stossen, werden alle eingeebnet und rasirt, um denen 
Ungarn die Gonrse su faoilitim, damit sie den etwa in denen Yorstidten 
sich einlogierenden Feind mehreren Abbruch ihun können. Ton dem 
Lsade muss eine grosse quantitet an allerhand G^rayde und anderen 
Ticfcoalien, ingl. an Heu und Stroh hineingeliefert werden» um Hagasine 
daraus su errichten und der es liefert bekommt nichts als eine Bscognitlon 
dsrQber und soUen es die StSnde fcflnftig in ihren CSontributions^Quanto 
abrechnen. Ihro Kajt. die Kaiserin Elisabeth > sind nebst beyden Erz- 
herzoginnen am Terwichenen 98. huius ton Wien naeher Qrftts, nadidem 
Sie Yorhero einen guten Theil dero Hofstadt abgeschickt gegangen und 
Ihro May. die Küiui^in, um sich von dero selben zu beurlauben, haben 
gedachten 23. Früh um 2 Uhr sich nach Wöllersdorf, ein des i'niu Carls 
TOA Lothringen dorchl. gehöriges zwischen Wien und der ersten nach 



* Witwe Karls VI. In flieser Aiigeleßfenbeit (Reise der Kaisuriji -Witwe 
narh Graz) erg^ieng am 17. September 1741 ein HnfHfrrpt nn die n.-ö. 
jitandischen Verordneteu ,vor höchst deroselbtüii Hoi-btadt, und mit sich 
uohmeudeD 170 pferden, das nOttige unterkommen, aach yictualien, 
Poonge und Übrige bedOrffung uller orlhen m ▼onehaffbo, wie aneb 
die eiforderlidw laad-Vompaam an dflneii augewieMnen Stationen m 
■talEen*. H.-9. LandoiarehiT, ,Beiohrfion»*BQcfa TOm V>» Angart 1741 
bia 18. Jmiy 174&*. 



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206 



Gi&tx gehenden Post gelegenes Schloee erhoben, allwo der Abschied sehr 
zftrtlich gewesen sein soll, naeh welchem die Kayseiin ihre Beise nach 
Nenstadt fortgesetrt, die Königin aber Nachmittegs um 8 Uhr eben des- 
selben Tages an Wasser wieder hier angelangt sind 

« Der Iiandtag (sc. in 

Pressbnrg) wird nnn wohl in dieser Woche vollends sich endigen. In- 
zwischen sind die Hungarn mit Errichtung ihrer Armeö eyffrigst be- 
schäftiget und haben zwar der Königin versichert, da« Königreich nach 
allen Kiuften von einen feindlichen Kinlalil /.u *icle:idiern und ihre 
Grilntzen zu beschützen, alleiü nicht in ein anderes Land in gehen. Ich 
füge bub Nr. 2, 3, 4, 5, sowohl die Anrede der Kuuigin, als deren schi-ift- 
liches Begehren und der Stünde Krklärune mit an,^ und haben der Königin 

Majt. Tor Weinen fast die erstere nicht herfürbringen können 

Am 21. huius hat der alte 

79jähriü:e P:ilatinus lliingariao Graf von Palfy sich mit der verwittibtcn 
0 raiin von Cicjr (Zichj) so ungefähr 45 Jahr alt sein mag copulieren 
lassen.' 

Nr.X. 

Bericht dr^ Obercommissärs für das Viertel ob dem Matüiarts- 
berg, Graf Fram Friedrich Engl,* an die niederösterreichischen 
siändiacken Verordneten über die ütUemehmungen des Ineasions- 
heerea und die Bestikrgung in deinem Vierid, Krem 1741, 

Sig^iember 29. 

Orig. Wien, 11.-9. LandeMureliiv, ,Land-Defeiuioii 1741*. 

HochlObL n.-0. HH» Verordnete eto. 

(jüusti^'o Herren und Freunde etc. Die ungefiihr zu Mutthausen 
eingolcgt-lranzösische Trouppen haben verhindert, dass ich die Nach- 
richieji nicht so ordentlich bekommen, mithin auch ich solche nicht habe 
einschicken können, hennt aber erhalte ich zwey solche Bothen tn gleich, 

* Fehlt. 

* Franz Frtodrich Thoma« Graf und Herr Engl von uud zu Wagrain, 
geb. 80. Deeomber 1^, k. k. Kimnerer, ii.-0. Regierangsrath, 1789 bis 
1741 Viertel>Obei«ommiMlr ittr das Viertel ob dem Manbertsberge, sodjuiD 
Terordneter dee o.>0. Herrenctandes. 6mf Engl nrt der eifrigMe, durch 
«dne Kundsihafter wohlunterrichtete BerichterBletfeer unter den Viertels- 
cummissären. Sein Bericht vom 24. Sejitcmber 1741 fSchlos.s Mühlbach) 
an die u.-O. Verordneten gehört »u dou interessantesten Stücken zur 



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207 

wovon der erstere mir die htetnit b«yIegonde schreiben,* samt dem Münz* 
Patent überbracht, der änderte Both hingegen mir so vill gewisse Niich- 
richt geben können, dass bey Miitthuüs.seu und Enus die feiiiidliche Armee 
schon auf 50 m angewachsen seyn solle, imgleichen stellet zu Matthaiissen 
bey ieden vierten Haus die Wacht, welche Niemand, wer es auch seyo 
passiren lasset, daliero sich zuegetragen, dass, als ein Bayrisches kleines 
Commando vou Linz auf dem \S asser bey Matthaussen vorbey gegen ihren 
Lager nacber Enne gefahren, selbe von der französischen Wacht zu be- 
melten Matthausen angeruflfen worden, und da sie auf ihr Sprach nicht 
antwortten kOnnen, geben 6: Mann von der Wacht auf selbe Foyer und 
wurde einem Bayrischen Soldaten ein arm abgeschossen. Der Cranz- 
Wäiih von Matthaasen lasset mir melden, dASB gegen der f reystatt kein 
Mann marchiret and auch kfinfftig keiner dahin kommen wird, weillen 
selber von Ettwelchen französischen Officieren vernohmen, dass das einzige 
Abseben nacher Wienn gerichtet seye, Er wird aber keine Nachricht mir 
kfinfftig ertheiien k^tnnen, weillen die Franzosen auf alles gahr zo gntte 
anfsielii tragen, mithin habe den Joseph Conrad nacher greine beordert 
in Tsrblsiben, omb die anmcknng des Fellndes dnroh tfigliche Bethen ni 
erkundigen, und mir also gleiefa zu benadirichtigen; Lest bemelder Both 
meldet aneh vor gewis, dass in dem Harekt Berg nnweith dem Closter 
Panmgarttenberg S stnnd hemnter Hattbansen, aber noch in Ober Oster- 

Gescblchto der Invasion vnn 1741 {v^\. dpn ersten Theil vorliegender 
Abhaudlutig ,Kar! Albrecht und die Franzosen in Oberösterroich* im 
Archiv für österr. Geecbichte, Bd. 87, 8. 319flf., Beilage VUI.). Durch 
Tolle bO Jahre besass w die Hemchaft Waldf^fihs am QfOMon Kamis 
die ihm sein Vater seitlich ftbeigeben hatte. Er Um tieh nan neuer- 
ding« Ton «einen Unterthaaen die Aegelobniig leiaten und gab ihnen 
ein ländliches Feil Naeh einem gesunden and lebhaften Älter starb er 
1767, März 17, anf »einem Sclilosse Mühlbach mul Hept in der Kirche 
de» nahp« Dorfe.« Zemlinpr bestrittet Wifisgrill, Schau|ila{/. des lan(lfH.s.sigen 
n.-ö. Adels, Hd. '2, Wioa 1705, !S. 4ÜÖ. Graf Engl, obwohl auch o.-ö. Laad- 
stand, huldigte aui 2. October 1741 nicht, was Arneth I, S. 319, hervoriiebt. 
t Bilden swei Beilagen mm Bericht. Dae eine Schraiben Ton dem such 
im Berichte erwähnten Josef Conrad de dato Grein, 84. September 1741 
meldet die Bewegangen des Feindes in den letzten Tagen, da« andere 
askonyme und undatierte meldet: ,Man hat auch anheunt hier vor gowiHs 
gesagt, das.s <\pr Kurftlrst einen ftngnen Courier nacher Baris abpcsihicKhet 
ht'to und dein Kfinig ersuchet, Seinen L(?itlit'u ein scüärfartMi Commando 
zu pel)dn, massen solche das Peinige nicht allerdings respectiern und 
alltäglich nnter ühnen grSiere Beeimtm entstehen.* Ein Beweis, wie die 
Macbtlo^fceit Karl Albrecbts den Fransocen gegenfiber schon allseits 
bekannt warl lieber das «leh angeführte Mttnepatent vgl. Archiv fVr 
QMerr. Oeechiehte, Bd. 87, B. 876, Anm, 1. 



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m 



mch sidi aueh schon franitaische Trouppen befiBden, damit aber dessen 
die gewissheit er&hre, so ha!>e den Simon Bidler noohmahlen m pferd 
gegen BOhmen ond OberOslerreioli abgeaduoket, von weldien die Haduielit 
auch nächster Tagen erwartte. Weülen sich also der Feflnd in so grosser 
ansaht gegen UnterGsterreich herablasset, da er die Snbsistenz daroben 
nicht lang haben kann, so unigehe hicrait keinesweegs zu berichten, wat*s- 
gestaliL'ü m dem V: 0: M: 15: wie ohne deme bekant seyu würdet, die 
Bestürzung ungemein gross seye, indeme ullda lo in einziger Soldat, noch 
weniger der mündeste haltbahre Orth sich befindet, auch keine Veran- 
staltung zu bemerken ist, was be_y einen nächstens ankom munden Feynd, 
die UDtt I tt;:iiM 11 bi-i Haus zu erhalten vurgeliheret werden solle. Ub nun 
schon bishero die Bayrisch- und Fianzösische tronppen aller orthen vor- 
hero ihre einnickung gemeldet, und dif SubBistenz an rivers- und Vorspann 
durch df'S Landes Deputirte anverlanget haben und miithmasslich auch 
ein solches in linterösterreich also vortsetzen werden, so wurde es doch 
alssdann zu spath seyn, omb sich behörig zu Wienn anzufragen oder die 
anthwortt erhalten zu können, mitliin wfirde der feflnd gezwungen seyn 
an denen nächsten orthen selbsten zu nehmen, wen keine BejMurtition 
und Beytrag des sammentlichen Viertls eingetheilet wurde, wo so dann 
die jenige Glöster» Schlosser und nlchsUigende orkh gftntalichen nmge* 
kberet werden nnd ihren nmstorts mit angen ansehen mQsseni da doch 
alle getreue Lands Mitglieder mit trinnen in denen angen sich iedeneit 
erfrenet» der alletgnfidigsten Landaftrsttn mit gntt nnd BInth sn dienen, 
und den losten Xer (Erenser) vor sich nnd ihre Unterthannen danugeben, 
nnnmehro aber sich ?on aUer HiliT verlassen und ohne einsiger Veran- 
staltung noch ihre wenige gebftu- und Fexnng abnehmen tu lassen wahr- 
nehmen müssen, wobey auch noch dieses flbl beykommete, dass die durch 
so ville gaben und villjfihrige Hisswacfas in diesen Tiertl gans verarmte 
Unterthannen sich hfiuffig und ganz öffentlich vernehmen lassen, wofeme 
der Feflnd mit gewalt seine Subsistenz abzunehmen, den anfaug machen 
wurde, sie demselben vorzukommen sich beeyiFeren werden, und von der 
Blindening, wo nur ettwas anzutreffen, sich nicht werde enthalten lassen, 
wie sie dan an verschiedenen orthen bereiths schon ville dergleichen 
angnll gethann haben. Mau nun also auch dieses übl zu verhüetten und 
den allgemeinen Land,> iium, umstirzung gantzer Stifter iiud Familien, 
auch ubödung deren Dörflfern vorzubiegen, folgsamen Mord- und Brand 
zu verhüetten nöthig und doch auch allenfahls der Feünd würcklich in's 
Land einruckete. die allerhöchste gnad, gleichwie in Obüi-Gsterreich, was 
die Nuth orfordert, auch in diesen Viert! anzuhoffen seyn würdet, damit 
dise von Feünd beziehende Länder CÖott gebe) bald wieder luiäer alier- 



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209 



gnädigsten Franen eingehftndiget und in aufrechten Stand erhalten werdeii> 
ils habe meines wenigen orths die hiernmben gebende Meinungen, lunb 
im weilliere Tonnkbehren, einxnberichten nicht ermanglen wollen, in 
Verbleibnng Efter gnnst nnd Frenndafihaft dienstschnldiger 

Creme den 29^" T^** 1741. Fr. Fridrich GrafT nnd H. Engl m. p. 

Ober-Comin. des V. 0. M. B. 



Nr. XL 

Fordnti'ngpn drr cur Vertheidigung und Ycrproviantierung Wims 
migcAft-üni Ilof'cuiin)i 't'ision nn die Fiffindi-^chm Deputierten. Unter- 
zeichnet vom StntthaUcr Sigmund Friedrich Grafen KherenhitUer 
aU Präses der Commission, Wien 1741, Scptanber SO. 

Orig. Wien, ii.-«. LandeMurehiv, ,Land-DefeiMioii rom Jahre 1741*. 

fVertrags-Paneta in Defenaions and Proviantienrngs-saehen bey der den 
80**" 7^ 1741 haltenden soeammentrettnng mit denen löbL n.-O. HH«> 

Landachsffts-Depntirten. 

l"o hoffet man, als werden die löbl. HIP" Landschafts- Deputirte 
über den bey «ler Jon 27'*'" diss füergewesten Znsnmen-trpttiing' wnA 
dabey Ihnen schrifft- und mOndlich j^ethanen Vortnif^ kein ferneres I5e- 
denken machen, den erhuii,' von denen willkhürigen Darleheneu in dero 
Ober Einämber-amt acceptieren, und hierüber bescheinigen zu hissen: 
da bevor Sic sich bey denen ersteren in Sachen gehaltenen Vcrsamblungen 
deutlich dahin erkläret haben, dass Sie aus Patriotischen EyfVer allen an 
Selbe anweisenden geldt-Vorscliuss in gegenwärthigen Nothstandt blaf ter- 
dings Qbernoinmen und hierüber die Partbejen der ä 6 per centum lauffen- 
den Zahlung halber versicheren wolten. 

8^ fandet man fikr ndtbig, die ganze gnamiaon ebeistena in die 
Stadt und zwar in alle grosse GlSster, Frey- vnd andere H&user einau- 
qaertieren au dem endte möebte also, wan es mAglich ist, bennt noch 
denen FreyhRnsem bedenthet werden, dass Sie die in mehreren Zimmern 
dermahlen habende kostbabre Mobilien, gleich in engere Behaltnassen 
neammen bringen, nnd die Ifthre Zimmer sodann denen sich anmeldenden 
qQartters-Commissarien snm aascbreibenden quartier Tonaigen, nnd Sie 
in ihrer Untemehmbnng nicht in mflndesten hinderen sollen. 

3* Hat man denen gesamten Vorstldts Qmnd Bichteren durch offene 
Deerota anhefolehen, daas aller in denen dortigen EAsten, Stldl und 

AmUv. XCI. Baad. I. Hilft«. U 



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210 



JBodon beffindl. Vorrath, besonders au K'u noiii, Haaber. Heu niu\ Strohe 
iiineihalb 24 stundtcn beschrihen wenU-ii s»ille. wornach man freJenket, 
umb den Feind die 8u0sisteuz zu benehmen, solhanen Vorrath gleich in 
die Stadt herein bringen zu lassen: Mitliin hat man ain solches hier an- 
merken wollen, damit an sotlianer T'nternembung denen abordnenden 
Commissarien keine hinderniis gemacht werde. 

4" hat man nacher Stockerau erinneret, denen dort ankommdiiden 
heimhafflte and nnterthannB ProTiantsfaehrldntiien za bedeuten» oder 
Ihnen Tillmebr in die freye wabl zu stellen» ob Sie nicht giaden weegs 
mit ihren geladenen waogen nacher Wienn in die KOnigl. Magazine fahren 
wolten, wetllen Torgekommen ist, dass die nnterthaims-waagen wegen 
abgaog genoegsamber Schilfe 2 nnd 3 Tig beladener hätten warten 
mflessen: Es kQnte also ein gleiches dem Stftndischen Herrn Ober- 
Commissario od. dem Ünter-Commissario erinneret werden. 

5*^ Ist wegen der wider den Aqailar Torgenofamioenen Execution 
durch ein aberm;ilil;^'os Hoff Decret dd" 27*^" und praes'" 28 diss von Ihr 
Huft-Deputation Tiericht abg(!f(trderet worden: 

Zu dessen Befolgung erwartet mau also die ausskunfft.^ 

6^ Hoffet man sobald möglich die in lezteren Voi*traic enthaltene 
Bescbreibang des herrschaftlichen Rom tiud Schaaf Viechs, damit man 
bey etwa ntehst bevorstehend Feindes-gefahr die proportion des herein 
sntreibenden nOihigen Viechs machen können. 

7»« hat die KOnigl. Deputation gestern spaten abends von denen 
löbl. HH*" Landtschaffta-Depntirten dnn^ eine notam angesnchet, dass 
für 300 Centen PnUer die nöthige Vorspann nacher Schottwienn gestellet, 
nnd dessen sichere Liferung hiehero durch besonders aubteliende vertrante 
Persohnen besorget werden möchte» weillen eben gestern spaten abends 
die nachricht eingeloffen, dasa sothanes Pnlyer den 28. diüs Ton Grdz 
nacher Schottwienn abgeschicket worden seye: Man vei-siehet sicli also, 
dass disshalben die Veranstaltung allschon besclieiieu so}e, damit dieses 
Pulver nicht etwa zu spath ankommen möchte. 

9" Will bey iezt andrängend näheren Peindosgefahr erfoiderlich 
seyn, die voranstaltunp dahin zu machen, damit das von denen Herr- 
schaften ausgeschriebene Proviant besonders au Gersten, Uaaber, Heu 
nnd Strohe auf das schleunigste anhero in die Stadt bef('>rdei'i und diss- 
halben mehrere Beamte vön der löbl. LandtschafTt einige Meill umb Wienn 
mit schrifftlicher Begwaltigung eheistens abgeschicket werden. 

* Vgl. di« Note am ScUosm. 



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10"* Kommet zn überlegen, durch was Mitel uu»l wecgo (ipm an- 
ruckenden Feind übet dm schon veran staltete Hiiiwegführnne- derer Körner, 
und übengev proviant-sachen , dio Subsistenz noch mehr benohminen 
werden kPnte; wo unter anderen n'vii dieses ein Mittel wäre, dass vnr 
Anknnfft des Feindes die allorthige Schiffmühlen auf dem Doaau-strohm 
abgethau werden sollen, vnd dergleichen mehr. 

11 Ist ndttaig die Herrscbaffts- Jäger vnd scbflzen gleich be- 
schreiben SU lassen, rmb von Ihnen ein besondere Compag. anfknrichten, 
beynebens zu determiniren, dass Ihnen ein gebalt angewiesen werde, 
welchen gehalt die Iftbl. HH" Deputirte aoszninaehen nnd anxnweisen be- 
lieben möchten. 

Ist bekant, dass eine grosse Menge von Brenn- nnd Bauholz 
in der Bossan beym wasser Torrathig, ja fiberflUssig seye, weillen man 
Solches ans ahgang derer Fnehren nicht hat in die Stadt bringen kennen ; 

Man hat derohalben bey Ihnen Ldbl^ HB" Landtsehaftl. Depntirten 
das ansflnnen dahin machen wollen, womit Selbe ans denen benachbahrten 
Ißbrktett nnd BOrffem, wo es die mehrere bespante Unterthannen gibet, 
eheistens eine znelftngliche qaantitaet mit d nnd 4 pferden oder anch 
sotUI ochsen bespante Laiter-waagen, nebst mitbringenden Fnetter 
wenigistens auf 8 TSg anbero auf die Holzgstötten in der Bossau gegen 
Tersicherenden Bezahlung beschreiben weiten, anf das durch solche auf 
einmahl sueläuglicbes Brennholz berein gebracht wurde, wo im flberigen 
Man in der Gefahr stflnde, hieran in der Stadt einen Mangel zn leyden, 
oder das etwa solches gar dem Feind zum Vorthaill überig bleibe. 

S(igmund) FCriedricb) G(raf) Kbevenbfiiler 
Statthalter vnd Prftses m. p.' 

In dorso .ps. den 30. September 1741 Nachmittag umb 8 Uhr' 
und fd&ä Darlehen solle in ober-Giauehmer-Amt acceptiert werden'.^ 



Von diesen 12 Punkten b^arf nur 6 ,lnt wegen der wider den Aquilar 
vorgenohmnaenen £xecation . . . Bericht abgeforderet worden*, einer 
ErUlrang. Yeiftflier baiweiielte schon «ine «olehe geben su kSnneo,' 
da in den DefensionMcten ideh nicht die mindeste Andeutung Ober dies« 
Angelegenheit aufßnden Uess. Anskunft hStten die Verordnetenprotokolle 
geben kOnnen. Diese wurden noch im 18. Jahrhundert gebunden, es 
fehlen aber trot« fortlanfendor Nttnimericrung der Bünde gerade die 
Jahre 1721 — 1766. Durch fremuUirlie U nterstfitzimg des Herrn Lnndos- 
archivars Dr. A. Mayer gelang e« endlich im »Resolutions-Buch vom 
tun Aognst 1741 hie 98*« Juny 1748 Nro. auf 8. 86, 42, 49 diemn 
OegeutaiHl erörtert sa finden. Ks ei^eng nXmlich unter dem 82. Sep- 
tember 1741 an die drei obere» StXnde ein HoMeemt: werden die> 

14f. 



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212 



Nr.XIt 

Die niederösterreu^iti^ gUindischm Verordneien weisen an, wie 
man sieh heim Nahen des Feindes eu henehmen häUe, Wien 1741, 

Oekiber 4. 

Qedracktes Patent der Verordneten, Wion, n. ö. Laudasarchiv, ,LaQd-DefeiuiUNi 

vom Jahre 1741*. 

,Wir N. und N. einer Löbl. Landschiift dieses Eitz- ilerzügt.h ums 
Österreich unter der Elias Yerurdiiote etc. Kntbiethen allen iiü i joden 
Verwaltern» Pflefirern, Wirthschaft.<boamten, Richtern, Geschw(»rnün und 
Gemeiudeu und geben ouch zu vernehmen, wasgestaltcn (da wirklich der 
Feind in dieses Land eingerucket und dem Ansehen nacli woitliors fort- 
ziehen wirdet) die gemeine Sicherheit erheischen wollt-, damit in Löhr»rigi» 
Zeichen mit Gloggen-Streich bey Tac^ g'egeben. zur Nachts Zeit aber 
Kreiden-Feuer angezündet und hierdurch jtMlornuinn trowarnet werden 
möge, um sich vor dem annahenden Feind zeitlich zu entfernen. Als 
werden alle Verwalter, Pfleger, Wirtschafts-Beambte, Richter, Qeschworne 
und Gemeinde hiemit ernstlich ermahnet, nicht ailein bey sich ereignender 
Gefuhr das bohurige Zeichen mit der Gloggen KU thuen, sondern auch 
allenfahls die Feoer nächtUchoi weil anzustecken, zugleich der Miliz und 
Mitauhbarn es zu ihren erforderlichen Wissen su erinnern, hiebe; aber 



selbe tu beherzi^ng dermahligcr Zeitumbatande, dem Jnd Aquüar mit 
exeentiver Einfordenitig deren, ani dem Pfteht-SehUIinif dee Tabeekh- 
gfiJhts mit Ende dieies Monnthe reiftllenen 12JMX) fl. vor jeso sn Snper- 

sßdiren keinen weithcrnn .instand nehmen.* Aqnilar war «Bestandnehmer 
dos Tabackh-Appalto', Er wnr, wio or 8elb.st erklart, mit 1. Septombor 
sohnldig gewesen, 12.5(H) H. aus dem P.ichtRchilling in die Lanil'^chafts- 
citK.Ha abKufilhron, bat aber um Aiitschiib unter Tlinwois auf din durch 
den feindlichen Einfall bewirkte Stockung im Tabaki^geschäft. Die Stände 
drohten nnn mit militlriwsher Sxeeation. Aqnilar erwirkte jetat das 
eingangs erwMhnte Hofdeeret, wonaeh die Exeention nicht dntehanlllhren 
wire, da mit Rücksicht auf die namhaftm VorrXthe und die dem Aerar 
gestellte Caution Aquilars im Betrage von 155.000 fl. (eine fiir die 
damalig-o Zeit enorme Summe!) eine Gefahr nicht vorbanden sei. Unge- 
aciittit de.s Hof«ipcrr»tf! wurden aber doch «wpi Robhilpn von d(^r Siadt- 
guardia in da» • Tabakamt eiugelegt, worüber sieh der Bestandnehmer 
beim Hofe beechwerte. Es eifloimn daher ans Proaebnig nnter dem 
87« September 1741 awei neae Hofdecrete an die 8tSnde, wie an die aur 
Vertheidignng Wiens etngeaetate Hofcommission, die Execution gegen 
Aquilar %\\ Nifltiercn, da diaser in einigen Wochen sahlea wttrde. Hiemit 
scheint diese Angelegenheit erledigt gewesen au sein. 



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m hf'}i)i<N,un iimt gesichert zu trehon. auf dass nicht oiiiigor l^lintJcr Lärm 
giniaclii, folglich aadiucU Soldaton und UnterUianen zu einiger liTung 
Terleitet 

Aciam Wien den 4.0ctober 1741. 

N. u. N. Einer Löblichen Landschaft des Ei tz Hoaugthams 
Österreicli unter der Ennss Voiordüeto.* 

Nr. Xni. 

Änont^ OesafuUenr^atum Über die La^ in Wie» und am Hof- 
läget sn Pret^bwtg, Derselbe BericMersktHer wie in Nr, IX. 

Pres^urg 1741, Octeber 4. 

K. a. k. UtM»', Uof* and iiUatMicliiv, Kri«gaaeteQ in genere 1741, Fase. 347. 

jDurchieuchtigster — . 

Seit meiner untern 97. Terwichenen Monate erstatteten unter- 
tbftnigsten Relation» hat ueh bis dato mit Annäherung der Gburbayriseben 
Annee nichts veriLnderlishes sngetrag«n and soviel man weiss, stehen 
Ihr. chnrfnrsil. Dm-chl. von Bayern annoch bey Bns, wie wohl Sie gestern 
znlins dieHoldiguug angenommen ^ nnd wie man selbst bey dem hiesigen 
Xinisterio glaubet, sodann ihren March weiter herunter nehmen dflrften 
und ist man allhier mehr als jemals besorgt, es werden höchst dieselbe 
die Belagerung zu Wien vornehmen, massen dieselbe sich haben ver- 
lauten sollen hissen, Er wundere sich, datv.s man in Wien die Häuser 
abbrechen und ao viel Veranstaltung zu einei- Gegenwehr mache, es würde 
uichts helfen, denn wenn Er dafür käme und es in 2 mahl 24 Stunden 
nicht hätte, so liesse Kr zwey, die Ihme dieses versichert, aulTionken; aus 
welchem ciniire selbst scliliessen wcdlen. Kr mi'isse entweder ein heiinlicli 
VerständniüS bereits in ilcr Stadt haben, oder aber gesonnen seyn, solche 
mit einem ?ehr starken Feuer zu änfirstigen. Immittelst fähret man tu 
Wien noch immer fort, alles zu einer tajtferen Gegenwehr zu veranstalten, 
sonderlich die an denen Wällen b*diudliche Häuser noch abzutr^on, 
welches auch die schfine Haupt-Mauth an dem Wasxcr- oder sogenannten 
rothen Thurn schon betroffen; die Bürgerschaft wird täglich mit dem 
Gewehr exerciert, doch boll, wie man sagt, wenig Liebe bey derselben vor 
dem Commandanten seyn ; die desertion bey der in gamison liegenden regu- 



' Fand nicht am 8., sondern mm 8. Oetober 1741 itatt 



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214 



laircn MihU ibt .solir stark und sollen inanchon T.ig m 12 und 14 Manu 
durchgehen. Die böhmische, hungaiischo und östoiTeichische Cauxleien 
sind alle UU8 Wien in Sicherheit aiult'ic Orte gebracht, bis auf die 
Hciclib-Canzley , welche sich wüiklich annoch in Wien befindet und 
weicher Umstand zu verschiedenem Speculieren Anlass ^riebet. 

Zu gemeldter Huldigung öiud verschiedene östoneicli. LaiidstäudG, 
als df»r Fiirst von Anerspcrg, die Grafen von Harrach und von Siahroniborg, 
welche allerseits in hiesii^ou kunipl. Diensten stehen, duicli Patentes von 
Ihre churf). Durchl. ans Bayern citiort worden, da man denn bey solchen 
citatioues angemerket, dass er sich des Tituls eines Erzherzogs von 
Österreich gleiclifalls mitgebrauchet und die nicht erscheinende sab com- 
nunatione der Confiscienini? g'efordeiii habe. 

Nachdem der Hof bisbero alle Anstalt gemacht gehabt, im Falle 
des Ghurfüraten ?on Bayern Durchl. vor Wien kommen «llrden, sicli 
weiters hinunter nach Hungern und ferner nach Pest su begeben, (wie 
denn wirklich die Qnartirer daselbst bestellt worden nnd der Königin 
Uayt. das nenerbante magnifiqne Invaliden-Hans bewohnen sollen) so hat 
sieh jedoch seit Knnen geftnssert, dass die Contagion und andere an- 
steckende Seuchen daselbst ansgebrochen, dahero in einer ▼otgestern ge- 
haltenen Conferens beschlossen worden, daas der Hof niinmebro in oben 
gemeldeten Fall» sich nach Baab begeben werde, welches ohng«fehr 
8 Posten von hier lieget. Der junge Entheraoir aber soll nach Pettan in 
Steyermark gebracht werden 

So patriotisch und henfaalt sich die Iiand Stände des KönigroichB 
Hongern nach denen jüugsthin eingesendeten piecenerUftnl gehabt, nnd 
man also gefasset, es würde der Landtag mit aller Znfriedonlieit geendigei 
werden, so ist doch ehegestern und vorgestern ein solcher tumult und 
debat auf der Landstube gewesen, dass etwas Besorgliches dai-aus hätte 
entstehen können, u'estalton die untere l^aud-Stubo sich beklai^'et, sie 
sollten aufsitzen, troupiieii geben und das Land defendieren und ȟo 
Königin hatte ihnen noch nicht ein einigen punct ihrer postula oi um 
ciincodiort. Wenn sie nach Haus kahmen und nichts Aiigenelinuiti, auf- 
zuweisen hätten, so würden sie von ihren eigenen Comitat"i n tudt ge- 
schlafen werden, also ehe bevor sie nicht couseutiert wären, konnten sie 
nichts versprechen 

Alle Ministers. Residenten und Negotianten der answartijren gross 
und kleinen Höfe befinden sich dennahlen allliier und haben Befehl noch 
in etwas den Verlauf der Sachen mit anzusehen. Der Königin Mayt. haben 
vor einigen Tagen zur Ader gelassen. Sie ziehen sich die betrübte Um- 
stände sehr zu Gemäthe und sämmtUches Ministerinm scheinet dergestalt 



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315 



besiQnt ta soju, das« man es ^ogar an «ines jeden Miniaten GaataH 
abmerken kann. Ihr May. die Königin belindon sich jedoch bey ihrer 
Schwangerschaft gaaz goöuud.*^ 

Nr. XIV. 

Ätt8 det» Beriehfi des Ohcrcommisstdrs für das Vurtcl ob dem 
Wiener fmld^j , Ernst Ferdinand Graf r. Au^sperg,^ an die 
Verordneten über das Einrücken des Feindes i» sein Viertet, 

Perwarth 1741, Oetober €, 

Ong, Wien, n.-0. LandeMuehiT, »Land-Delaiisioii vopi Jahre 1741*. 

fEntswisdieii mnesB Ewer Gnnat vndt Freindtacbaft auch bey- 
bringen, dasa der Feind alltSglich in atiUrkeren anmaroh nndi mit atorker 

* Mit dem Be^iinie der Kiick/.ugKbeweg^un£^n Karl Albrochl-s ändert der 
Auonyraiis auch in etwas dun Tun, '1er bislang^ iil)crtri«beu |iäi<mn)i.HtiMcb 
klann-- In dein letzten vom Verfasser excerpiert«n Berichte de dato 
Pressbiug, 8. November 1741, spricht der anonyme Berichterstatter richtig 
von eiueni RflekzogsmotiTe bairiecb^lhuiiaBiiebeieeitB: ,da aie rieb vor 
deo aas ItaKea ktnumeaden Begimentem ffiroblen* and tthti dann 
fulgendermaMeu fort: .Niidit minder liehen sich auch die churbaieriMhett 
(richtiger franzfinUclicu) in ITHtor-Hsiterreich bisbero gest.indeiu' Trouppen 
völlifT ann diesor Provinz wiederiini nach Ens »nrUck, fUn-li troibcn .sie stark 
Contribtitionen ein und nehmen überall Geissel mit, dabev m auch ohne Ex- 
cesse nicht abgehetjdasseinegroHse Uneinigkeit and Jalomie zwischen denen 
Fraoeoeen nod Bayern obeebwebea aoUe» veniebert nun bier dttrebgungig.* 

Wie lebball Maria Tberaeia rieb penOalieb fltr die Bildung de« 
KheveDbOller^eefaen Corps, das zu Beginn deeJabree 174S den rettenden 
Zug nach OberOsterreich and Baiern nntornabin, erwXmte» bewebt 
foljiende im seihen RfHebte jfescIiiMcrtc Hcone. .Als allerhöchst die- 
^<'ibi;rl' "l."« Jim 'J'*" liuins ans Sieb miImii^iui nn)^ekomraene und nunniehro 
zu der Armee iu ein paar i'agt^u marcbirende ächuleniburgische luiauturio 
tmd das bier avf Peetiernng annoeh campierende Preysingisebe Drafouer- 
Bagiment deseelben Tages beaehen und beyde vor aicb delilinm laasen, 
waren Sie so vai^flgt Uber die gote ansehnliche Hanusehaft nnd Pferde» 
duK Sie zu dero Wagen heraus laut stagten: ,lcb will noob meio Memde 
a0«/!*'li*>n und f,M t'nrh SoMatcn ^cbenl' 

Eine ViTüffeutlichung (iiest>r jjc.taninifcit Hcnclite, diü für die Vt',r- 
bältuisi^ im ersten Begieruugsjahre Maria Theresias zum Theil unter- 
richtend sind» nnd denen man sehen damals grosaen Wert beilegte, sonst 
wiren sie idebt eopieit worden, dllffle ntebt ebne Interesee sein. Yetfaaser 
kesurte natOrlieh nardasfArseia engbegrenaleeTbemaWesentUehe elnfligeo. 
' Bmat Ferdinand Graf Auersperg aus der Linie Neuschloss-Bnrgstall, 
gebeven 20. Februar 1700, 6. Juli 1727 Ubereonimiasaiitts des Viertels 



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216 



4 



ouuuiBChaft die statt IpB beseset, wie ich ancb dermahlen meine reies^ 
dnrcli einen umbweeg sn regnliren, damit selben nit in die handt Terialle 
gexmingen gewesen, nun erströcket sich sein lager t. AnwtOtten biss 
Ipps, nndt wicdt den verlessUchen Vernehmen nach hennfh die 3*^ OoUona 
mit 80.000 Man auch einrnken. Br hat auch nunmehro angfangen ?on 
oben herab bis gegcu St. Pölten daa ganse Yiertl unter hartter Betrohung 
millitariBeher Execution in nnersebwingliche Contrlbntkn su sexen, dises 
Begehren an quantitet meel, haber, hey, stroh s. v. Viech und dei-gleichen, 
ist eine buie iinmöglichkoith: wie es leyder gestern an meine Unteitbanou 
auch schon ergangen, undt den grosiieu Schaden vor Augen habe, (Jott 
weiss, wie es meinem armen Viertl ergehen wirdt, eine resistonz ist un- 
m(>glich zu tentiron. der bauersmaii auch schon in den äu,ss«rist^n rnin 
gosezet worden: wumii mich £wcr Gunst vndt Froundschafft ompfehlend, 

Ferwarth den 6^ 8*^ 1741, 

Ewer Gunst und FreundschafR dienstwilliger 

Ernnst Ferdinand Graf v, Auersperg m. p. 
Obercommissarius V. 0. W. W.' 

Nr. XV, 

Beriekt des Johann Georg v. S< hoher ^ an einen nUM näher ge- 
nannten Ueiclmjrafen betreffs des Uder f alles Menzels auf das 
frßnMövache Lager hei 8L F&Uen. Wie» 1741, October 2i, 

K. «. k. Haiu-, H<^- und Btaatnrcbir, KriegHUsteii, Fim. 841» ,0«Bteireichiacher 

Snoceeiioiularieflf 1741*. 

,Ihro Exceilenz, Uochgebomer Reichsgraf, Gnädig und bochgebieiender 

Herr Herr! 

Heute FrAh ist Herr General Graf Ton Palfi aUbier angekommen, 
welcher mitgebracht^ daes er in vorgestriger Nacht, um den Feind bei 

ob dem Wienorwald, 1745 n.-O. Landflchaftaverordnetcr, 1751 perpetuier- 
Vu )}or II -{'). Laudschaftenn?<flchn>i8. StArb 1764. Wüogrill, SchaupUts d«a 
laiidMHHsijjen n.-«. Adnls, 1, Wien 1794, S. 275. 

* üraf Auersperg urkraokiu iitt'olge der Strapazen und s&og sich auf seiu 
Gut Perwarth (Y. O. W. W. bei Qaming) xurttek. Die SnbfÜtiitioa aber- 
nahm Wenael Graf Brftuner (1697 geb., 1758—1763 11,-6, Land«chafts- 
verordneter, starb 178t. Wissfi^ll, Bd. I, a 394). 

* Sehober war Adjutant dei dem Corps des Flinten Lobkowits unter' 
geordneten Generalmajors Grafen GaUrtick, wie ans .seinem, an derselben 
fiteile befindlichen Berichte de dato Wien, 14. October 1741, erhellt. 



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217 



St. Pölten in seinem Lager zu überfallen, den Obrist-Liiui, Montzel mit 
170 latzischeii Hussareii zum Attaque und zu »leren Souticnt eineu Übrist 
Lieutenant mit 300 Dragonern commandiert; als uuu ged. liatzen eine 
stunde nach Mitternacht au das feindliche Laaser und zwar an ein Zelt 
vor der Fronte, worinnen 3 Frantzosen lagen. ge»iust-eü, ao wollten selbto, 
ohnerachtet aller guten anführuug des Obrist-Liout. Mentzels absolute 
nicht anbeissen, worauf der ObrisUieut. von den Dragonern einen Lient. 
um sie zu encouragieren abgeschicket, auf dessen Zureden sie obenfalln 
nicht attaquirn wollten, sondern sich aufs schlennigste über öüü Schritte 
zurückrerliefen, mit Zufuegen, der Feind sollte aus seinem Lager heraus- 
rücken, naebdeme wollten sie schon mit Ihm raufen, wodurcli dann die 
snrpnse zu wasser worden, vermittelst welcher Sie, da alles ?on dem 
Feind schlieiTe, besoffen und in blossen Hemdern wäre, dessen Stan- 
dai-tou, Paucken und Trompeten erbeuten und denselben in grosse Con* 
fusion bringen können ; der Best obiger ratsisehen Husstrn, (so in 780 K<^pf 
bestanden)' hatte ebenfalls seeimdieni sollen, sie sind aber erst des 
Morgens om 5 Uhr airiviret; es ist nur sdiade, dass es nicht unsere 
Hnssaren gewesen, diese sollten gans änderst mit den HH" FnmtKosen 
gewirthsebaft haben. Wie mir mein Herr General, so sich £ner Hochgräfl. 
E^icell. gans gehorsamst emjifeblen Iftstet, hente bey der Tafel avisierte, 
so sollen wir binnen 14 Tagen 5000 hungarlsche Hnssaren allhier haben, 
welche den Feind gants änderst die Nase drehen werden.* 

Die Brucken gegen Cremss bey Hautern hat der Feind völlig fertig. 
Da^i Kriegsreclit libcr den sauberen Schmettau hat heute Prflh seinen 
Anfang genomnien, und dauert noch einige Tage, loh gebe mir aubey 
die hohe Ehre etc. 

Wien 24. gw» 1741. 

Euer Hocbgräffl. Eicellenz ünterthänig-gehorsambster Knecht 
Jobann Georg t. Schober, Lieut. et Adjutant/ 



* Am Kund bemerkt. 

' Dafifi »ich nbri};f'ii<<i aurh die .ratxiscbeu HiisHron' lutld drr kübneii Kriegs- 
art ibren Füiirur» Metizul »npHssteii, beweist der UuitiLaud, daM> wirklich 
am 29. October ,oiuigo uitserer Kaizeii Parthei' iu da« franzüüibclie La^ur 
bei St. POHon einfielen, den karbeiriaebeii GeneralndjtttMiten Marquis 
TnTHDiies gefifttigen nahmen nnd «ich ungesebldi^ «irOcksogen. Kheven* 
hflller an Lobkowita» Wien, 1. November 1741, k. u. k. Hana», Hof> nnd 
StMtannshiT, KriegMAten, Fmo. 861. Vgl. Beilage XVU. 



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218 



Nr. XVL 

,Atf die hochlöhl. u.-Ö. Herrn Ucrrn Verorfimir^ mein Jacob 
Weinhardt Viertds Vtiter Commissary V. (). W. W. untertlig. 
fftkof, Berieht, wegen Ant^itchinfj r/rs Frindis von JSl. Pölten 
und verursackien Vnfraet dicken Schaden deren armen (Inier' 
thaneu.' SL FifUen 1741, (Mober 31. 

ihn;. Wien, ii.'ü. Laudetuirubiv, ,l.<and'L>efeiisiuu von Jahre 1711'. 

,Hocbidblicbe o.-6. Uorra Harrn Verordnete GnUig Tndt Hocbgobftettende 

Herrn Herrn etc. 

Znmahlen Herr Stntt-Richtor allhier nacber Wien berueffen worden, 
als erind(er)e boy dieser Gelegenheit nur soWel in bechster Eil, dass Mi 
vun 14. bis 30. 8'*^' in Feindes Hände gewesen, vndt das fransosisch 
Joch cmpfandten. Nnn ist tob 0. Ö. Gräntzon bis St. Pölten ine. ausser 
des Abbrennens yon welehem dermahleD nichts wtlssent, alles erfolget, 
was man von einen boehmfltliigen vnbarmbenigen Feindt hat erwarUien 
können, alle Stildl Ymb die Statt henunb völlig ansgelfthrt, die Dörfer in 
dieser Oegent berab der Traysen anegeplflndert, denen Herrscbaflen alles 
getroscben Kborn ans denen Kasten vnd das vngetroscbne aus denen 
Scheyrn sambt den hey binwecUi genomboD, alle Tonpann, so Ihnen 
von weither bat raiessen gestelt werden, vmb den Banb vortraftbren 
milgeBcbleppet nnd wer weiss, wan oder was bievon lamgekfaombet? 

Der Harebe ist geatert nit weithers, als mit dem letiten Oorpo bis 
Sirning gangen vnd heunt bis Hölk der Antrag ist; der AUerhechste ver> 
biete, dass nichts mehr aumckkbombet; Übi igous wii-dt nun auch der 
obige District völlig ruinirt werden vnd inner 8 TSg mein gdg. H. Ober- 
Commissari solches leider erfahren wirdt. Das bayr. Corpo, so ainige 
Zeit in Mantting. Feldt campiert, ist über ihre Schiff-Bruggen nacher 
Orembs liißybeii^anKcn, Ju'ss also auch das jenseitige Viertl dem V. 0. 
W. W. mithelfen ki ii.* und weilleii dann noch gestcrt ein H. Obristlcut. 
mit einigen Kouigl. Hussiren liior eingotrotVen vndt auf 12Ü0 Pfordt Ji« 
Foiiiagi,'. dann voi boviel Mann da.s Hindt anbogehrt vnd zwar auf o Tag, 
als hat man trlcicb die Ausschreibung derenthalben gemachet, wirdt eh 
aber hart genug zusambcn bringen vud ist das allerbeschwerlichste, dass 



* Am nnteran Kande bt tu dt«aer Stelle bemeriit; ,& ist das graste 

Bllendt, So nit jfrnnjn««mb tax befhaueni, mit groMer Foreht ansuhOran» 
mit noch mehr itehrecken solches ansoseben.* 



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219 



alle Vorspauu wockgeuomboa wiirdfii, duNs iu inanclien J>oir nicht 2 Pfrrt 
»nzatreflfeu, vm! also vou denen woniircn Ortlion. wo der Foindt lut hiii- 
gekhombon. ob Syo zwar unerträgliche zuo Lifening Union inü.sson. doch 
was weniges noch erhalten, Solches nit zuoliefere« khünen; dag Königl. 
Ilusarn Cominando wirdt .solches Selbsten tu Augenschein nembeu vndt 
erfahren, dass der Unterhau totaliter ruiniert; wau also noch vnrere 
(ferriore) Trouppon nachfolgen sollen, i^t die (un)vnibgängiicho Nuth- 
wendigkeit, dass vnten herauf Fourage und Proviant henofgefOhrt werden, 
uuBOnsteu die Miliz mit sambt den Vnt«rthan, so ohne dem« kein Brodt, 
Hungen Koth leiden Tnd die Pfordt in Abgang der Fourage crepieren 
m&8flen, womit mich in EU nntertiig. gehors. empfelüe. 

St. Pulten, den 31. 8^ 1741. 

£ner üochwarden und Gnaden vuthg. gehör. 

J. Weinhardt, Via. Vnt. Comuiiss.* 
(prSa. 3. Nov. 1741). 

Nr. XVIL 

Fcldtnarscluill (inif Khvrenhiiller an dru I'^i'rrsfen Lobhoicitz 
über den Jiückjswj des Feindes: cnttcickelt seitwn Grundgedanken 
ßr die Operaiim gegen Oherösterreich und Baiern, Wien 1741, 

November 1, 

Orig. K. u. k. UaiM-, Hof- and StaaUarehiv, Krlegancteu, Fmc. 361. 

,DQfchlauchtig*Hochgeborner FOrst! 

Nacli>lem der Feind auf jener Seiten der Donau sich von Crembsh 
und 8taiu znriickhgezügen, und dem Marche durch den gföller wald in 
Böheinib genehmen, ist voi^estern auch denen eingeloffeueu verlasblicheii 
nachrichten gemäss die feindliche amere garde von St. Pölten abgegangen, 
mithin das ganze lager des Feindes daselbst aufgehoben worden, welchoj- 
vermög denen erlangten sicheren nachrichten sich bis Enns zu ziehen 
gedenket. Einige unsere Raizen Parthei ist Tags vorbero bey St. Pölten 
in das feindliche Lager gefahlen, hat hierbey den Ohnr Bayriachen General- 
a^jntanten Marquis Tavant gefangen bekhomen, und sich sodann retiriret, 
anjetio aber befinden sieh wflrklich einige sothaner Baiaen in beeagton 
St. P9Hen und werden andi die unter des Herrn Feld HarBchall Lenthe- 
nantens Oarl grafena t. Paliiy Gommando atehende awey Dragoner Begi* 



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220 



mentor dahin njichruclion ; welches donn diejenige muhi i* lit» n scynd, 
womit Ich Euer fürstl" g-nadon aubeuüte zu bodieuen veiiuiiij. Der Ich 
übrigeuä etc. vui bleibe Euei turgtlichen gnaden 

diensUchuldigster Diener. 

Wien den 1""" 9^"'* 1741/ 
Eigenhändiges PoBtscriptum: 

, i% rette ieei pour cominandor Ic corp qui doit a^oir 

contre la bante aniriche. Si tout ce qu'on mo dostia etoit prosaiit. i";iuiv»i/. 
occasion plus facilc d'cffcctuer quelque cUobC <iuo vous autros tncssieurs: 
quoiquo vouK V0U8 Seriez geeintes mon proiect ctuit d'uleoi avec 
touts les forces vors la haute autriche, laissant boheme bo- 
heme: quo uous recuperisiuus biontot par rinvasiou de ba- 
viero: io nc scait Si nous Pommes d'accord pour cote foiSj come uous 
l'aurons ctc pour souttenir la haute auti'icbe. 

EhoTenhüler.* 

Nf. XVIU. 

KönigUdies Jkeret an die nieäerösierreichiachm Stande, Maria 
There9ia spricht ihnen de» Dank für ihre HäUung oniläeslich der 
feindliehen Innaeien am, PreasXmrg 1741 , N&eetnber Si. 

Orig. Wien, o.-ö. Laudesarchiv, ,Land-DefeuBii>u vom Jahre 1741*. 

»Von der in Hnngarn nnd BOheim E(^nigl. May*^, Ertt-Hertzogin 
zu Österreich etc. etc. unserer allergnädigston Fran wegen N., denen 
getreu-gehorsam l isten Ständen des Erz-Hertzogthumbs Österreich unter 
der Knnss hiemit in Gnaden anzuzeigen. 

Bey denen fortwährenden vielen Trübsahlen, worunter sonderlich 
deren Herr.sehaften und Unterthanen orleydeud, fast nicht menschlich 
feindliche Krpressiin^'cn liir Könif^l" May' sehr ti»-f /,u Hertzen dringen, 
goreiche alierhiH h^t deroselben zum fa«t alleiaigeu Truijt und Vergnügen, 
dass sie bey eben dio-sor, ubschon traurigen ndog-pnheit einen mohminlig- 
üb(*r7f^ii?pnden Beweis finden, wie standhatVt nnd unbeweglich jene Treüe, 
Lieb und Devotion .seye, so Sie gchorsanibste Stande in nllen Zeiten und 
dem lieben Vatterland zugedruugenen Gefahren dem durchleüchiigeteü 
£rz«Uaus zu ihrem unauslöschlichem Nachruhm erwiesen haben. 

Ihr Königl" Mmy^ haben dahero aus eigener Bewegung allermildest 
anbefohlen, denen gehorsambsten Ständen Ihro darob schöpfend aller- 



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221 

h^^chstes Wohlgefahlen und anbey das zarteste Mitleyden, so Sie über die 
dermiihiige Bedrauguus so vielor getieiioHtor Lands-Mitglieder und Unter- 
thanen mit Wehmutli omptiiuicn, zu erkounen zu eebon. 

Allerhöchst dieselbe erwarthen allein die bequemere Zeiten und 
wenden aüpn Flciss an, selbe so bald -ni erlangen , umb folglich im Stjind 
zu seyn, Ihnen trefigchorsambsteu standen Dero mütterliche (Jegeu-Liebe 
mit glcichmässig - werkthätigen Bezeügungen angedeyhen zu inacben. 
folglich dieses getreüeste Erb-Land nach seinen mehrfaciion Verdiensten 
ond Ihr. Königl. Maj. sehnlichsten Wunsch nnd Verlangea wieder in 
TOrige» Aufnehmen, Wohlstand und Glückseligkeit zu erheben, und ver- 
bleiben übrigens mit Kdnig- n. LandsfürsÜ. Holden and Qn«den denen- 
selben wohlgewogen. 

Prettbnrg den 2^ Novemb. 1741. 

Per Regiam Majestateni 
T. P. Boleraan.' 

Nr. XIX. 

Die niederögterreü^mhen 8iändi$e^ DepuNerten an den Vierieli- 
Unierctmmissär ßr das Viertel ob d^t Wienencald Jdkoh 
Weinhardt in Angelegmimt der Verproviantwrxmg l'öniglichfr 
Truppen y fauch das Unmögliche möglich m macJien'. Wien 174 1^ 

Novembir 3, 

Concept. Wien, IdUBdemrehir, tLand-Defension vom Jjüire 1741*. 

,Es seyo aus des V. U. C. sub prcs. v. 3*^" novb. cingeschiokten 
Bericht umständlich zn entnehmen gewesen, in was be<larii un^.s~\H ui Jiuen 
Stand dasselbe Viertl durcli die feindliche Oberschweiaiuiing gebracht 
worden, infolgL, wie beschwerlich es seyn werde, vor die küuigl. Truppen, 
welrhe sich in selbiger Gegend nach und nach znsamen ziehen werden, 
di»j nuthige Krfordf^rnn<;sf»n lierbei zu schatten. Olingeachtet deHSea er- 
hf'ischen dif* T'rasiande ganz nmimgringlich, nud\ ohnmögjiche Sachen 
nunmehro möglich m machen, weilen also die in selbigem Viertel be- 
findliche krtniglicho Truppen alles Beistandes und Subsistenz höchst 
benötiget, nicht weniger auch die unter des H. Carl Grafens Falfi Com- 
mando stehende zwei Cavallerie Regter. dieser Tag vorrucken und in 
selbiges Viertl sich postieren werdcoi ^ Als wird Er V. U. C. an Mühe 
und Sifer nichts erwinden lassen so wohl das benötigte Brodt vor die 
Truppen, als die Fourage, Heu, Haber and Stroh auch von den entlegensten 
Orten aof das schieinigste and ohne geringster yerabsäomong nach 



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2^2 



MenscbennKtglichkttit lusam sn bringen, dtunit diMMi in nibigem Tierll 
hin und wieder aafstellenden Postieningen mit allen Brfordernnesen 

könne anhand gegangen werden. 

Ex cousiiio K. N. Dep. 
Inf. Austriae Vionnae 3. Nov. 1741.' 

Nr. XX. 

Bericht des Freiherrn Johann Julius Chruitoph r Gillei.<s,^ 
fSuhntitmerier (Uber-Commisrnri^fs' für da» Viertel oh df^ni Man' 
harHherge an die Verordneten über Bewegung des Feindes und 
Proviantangdegenheiten. 0. 0. 1741, Odober, Präsentiert: 

November 3. 

Orig. Wien, n.-ö. Laudesarchiv, .Land-Defension roDi Jahre 1741'. 

,Hoch LObl. n. 9. Herren Verordnetet 

Gflnstige Herren und Freündt etc. nachdeme mir gestern in der Nacht 
von Herrn Ünter-Commissari von Pittersfeld aus Crembs berichtet worden, 
daaa der Feind mit 4000 Mann den lö^^" in St. Pölten angelanget seye, 
wie auch dass selbiger an allen Örthem sehr übel hansset und als den 
18^ mit aelbigen anf Mauttem herüber ruckhen aneh 15 m Mann so 
Crembs und Stain anssteigeB. aollen, so habe ich solches hiermit berichten 
wollen, welllen ich aber anheflnt von Ihme H. Unter Gommissari kein 
Conflrmation bekommen, also c^ube, die Saoh wird sich Yertndert haben, 
werde aneh nicht ermanglen TormDg henntigen Znschreibena de dato 
16. Oct. so Tiel mSglich Hen, Haabern und Stroh denen feindl*" 
Tronppen abzuschneiden, all«n glaube, wan der Feind eine Aus- 
schreibung macht, dass die Herrschaften wohl solchen secnndieren werden, 
welches auch keinem wird fibel kOnnen genommen weiden, ansonsten man 
nicht allein mit dem Fefler, sondern auch dnrdi Siuber und BlQndmtig 
umb all* das seinige kommen kunte; inswischen aber habe gleichwohlen 
(umb das vnsere Kdnigl. Trouppen kein Noth leyden) Ordonansen aosge- 
schicket, dass verm^lg Zuschreiben de dato 9**" Octob. wo solche hin- 
kommen, ihnen gegen Quittung das BenSfhigte verschalfot weiden solle; 

* Johann Julius Christoph, Panier- and Fmherr Oillei«, k. k. Kibmnerar, 

war spater 17'»8 — 176$ n.-ü. Ilerreiistjinds-Veronlnpter, starb 30. Xovfmber 
1763 /II St Pnlt«n und ward in der Stiftikircha b«ig«MUt Wingrill, 
Bd. UI, S. 336. 



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22H 



veiiiehiiie auch anheunt, welches, wan es walir seyn soll«, es schon durch 
H. Ober-CommisR»!'! in V. l'. M. Berg berichtet wf^rdeii wird, auch solches 
eine üble Nachfolg geben wnrdf», neinbl**", dass unsere kfmigl. Husaren 
dea Markt Hädersdorf abgebrent wan syo ihnen nicht 10(1 i\. bezahlet 
liätten ; so ich hiemit alles berichten uad mich otupfahleu wollen. 

Ener Gunsi und Freundsehaft etc. 

dienstwilliger 

J. Jfalitts Ch. OilleisB, F(reiherr). 
Sttt. Ober-Coraniteaiiri des T. 0. H. B.' 

Nr. XXI. 

Bfricht des mtbstUuierenden Oberetmmissärs für das VieHd &b 

dem Manhartsberge, Barmi Gilleiss, an die nieder österreiehisclien 
Verordneten über den Ahmg der Iniasionsarmec und dir mit- 
gepihrten Geiadn, letztere in einer heigegebenen ,Lista\ 0. 0. 
Undatiert, Präsentiert 1741, November 7. 

Orif. Wien, a.>5. LuidesftrahiT, >L»iid>D«feiMi<m vom Jahre 1741'. 

,An die hocblöbl. N. 0. Herren Verordnete. 

I>ieiiatfrennd1. Beriebt. 

Johann Julius Christoph Gilleiss Pannier and Fi'ejherr, substituierter 
Ober-Coinmissari des Y. 0. M. B. worinnen zu erseheu, die emlaiifende 
KacbricbteD des Feindes betreff. (Pmes. 7. No¥. 1741.) 

Hoch-Lobl. N, Ö. Herren Verordnete etc., Günstige Herren und 
Frefindtc etc. Hab nicht onnamrlcn wollen, bey iezigen Kriegs Läuffen 
den Bericht abeimahlea von niHMien einlauienden Kundschaften zu er- 
statten, 'in.l /wäre, dass Crembs und Stain völlig sowohl von Bayern als 
Franzosen ertacuiert sich befindet und dass die bayrische Tronppen, welche 
durch mein mir anvertrautes Viertel, so über Gfrdil. Zwettel und Weitra 
gegajigen, anheunt zu Budweis eintreffen sollen, vielle Pferd und Oxen 
umb ihre Bagage fortzubringen aus diesen Vicrtl genohmon haben, ob 
solche aber wiederumb zuruckh werden geschickhet werden, stehet zu er- 
warten ; was Sye aber vor Gefangene nacber Linz geschicket, au grossen 
Geschütz mit sich führen und unterwegs von denen Städten, Clöstern and 
Herrschaften eingefordert^ ist in be;kommender Bejiag A mit mehreren 



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zu ersehen und wan solch<^ anhpunt in Budweis eintreffen sollen, so wehre 
Gott s«y Lob dieses mir anvertraute Viertl von denen Feinden widerumb 
befre)t't und wftnschete nichts ntelirers (umb welches ich auch Euer Gunst 
und Freundtschafft sieb 7n l»emuhen ersuche) dass Ihre Könit^l. Maytt. 
vnser AllprcrnMigste Frau einif^e wenige Trouppen herauf schickheto, 
^egeu Orembs und Stain, wie auch gegen Weitra und Waydhoffen, damit 
wQr keinen fehrneren Einfall zu besu chten hätten. Womit mich empfehle 
Swrer Gunst and Preundsehaft dienstwilliger 

J. Julias Ch. aUleiBB F. 

Sub(8tit). Ober-Commissaii des V. 0. M. B/ 

Beilage A zam Beneht des substitnierenden ObereommissärB fftr 
das Vieirtsl ob dem Kanbsrtsbsrge, pines» 7. NoTember 1741. 

yLista deren Jeiiig«ii, welche tob denen Fnuucsen als Geiseln weg- 
gef&hret worden» Item was Sye vor Feld-Scht&nkheln mit haben, and wis 
viel die in ihrem March befindende St&tt und Harlcht, auch CUteter ihnen 
an geld haben geben mflssen; als mitgenohmen seind worden: 



Herr Praelat von Göttweig ' H. Bernhard HdltKel 

Herr Praelat von Henogenbui^ Zwey Jesubiter 
Herr Praelat von S. Andrae, welcher 

von einem Schlag-Fluss aus 

Schrockhen solle berühret und 

schon gestorben sejn 
H. Unter Commissari Hen* v. Pit' 

tersfeld 
H. Huber 



Zwey Dominicaner 
H. Gammer-Schreiber v. Stain 
Viere aus dem Bath alda 
H. Inspector Zens von der Herr* 

Schaft Graffenegg 
H, Verwalter alda 
H. Leeb von Grafenwdrtb 



Von Feld-Schlänckheln und groben Geschflts haben sye mit sich: 

15 Feld-Scblänkheln. 

Von denen Herrschaften» St&dten und Clustern haben ihnen unter- 
wegs gegeben mOssen werden als: 

Von der Stadt Zwettol über 2.000 fl. 

Von dem Kloster Zwettel ohne denen Unkosten: 23.000 fl. 
Uiid sollen sye sambt denen Unkosten ihren 

Schaden schätzen auf 80.000 fl. 

Die Herrschaft Weitra . 10.000 fl. 

Die Stadt Weitra 15.000 fl.* 



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225 



Nr. XXn. 

Vwrch hömgUckes Deortt werden no^ ÜbenUi/ndener feindlidier 
Invagum die drei oberen Stände von Niederdeterreii^ wieder in 

pleno zusammenberufen. Pressburg 1741, Nm^ember 15. 

Orig. Wien« n.>0. LAndeMurehiT« »Laad-DefensioQ vom Jahn 1741*. 

»Von der in Hangam und Böheim «te. Kftnigl. Xayit. etc. 

T)or Uiyder erfolg-t-feimlliche Einfall in das ErzherTiogthnm Aster- 
leich. wäre der natürliche Anlass, dass Sie gehorsamste drey obere Stände 
nach Anleitbang der allerhöchBten Verordnung vom 1 6^ Sept. jüngsthin 
skJi aoBeinaiider begeben und nnnnidfaro Bofaon eine geranme Zeit lang 
nidlt wider yersamlot haben; 

Gleich wie aber anjezo der Feind von selbsten zurückgewichen, und 
90 wohl Ihro May. der Königin allerhöchster Dienst, als auch die Wohl* 
fahrt des LmmIb erheiiehet» dais Sie devoteste drey obere Stände anwidenun 
ehebaldeat suammeii konmiMi, die TorlUlende Landa-AnHgenheiten er« 
weegea imd Ihro KOnig). ICay. inm Sdrnts und Beeten dieses io lehr 
gednielrteD Luidee atweUende alleiliOebete Vorkeliniiigeii bmIi ihrem 
aiigvwohiit-mhmlicheii E^er nntenMIien helffen, — ala bat man Sie 
dr^ obere Stände dieser Ihro K0iugl. May. aUermildesten intentioa und 
gesinnenB, anbey sieh dosienider Hothwendigkeit hiemit erinnem wollen. 
Es verbleiben übrigens alleiliöehstemant Ihre Kay. mit König- aocb 
LandB-flkrstt. Hnlden und Gnaden denenselben wohljgewogen. 

Pressbarg den 16. Koveraber 1741. 

Per Bogiam Hi|}eBtetem 
1. Boleman.* 

Nr. XAill. 

KSmgUeke» Paient die Slainde uind üntertkanen des JErä- 
herjtogfknmB Oesterreieh mier der Enns. Die ,unier dirisäkken 
McuMen fast nicht erhörtef Bedrückung der Viertel ob dem Wiener- 
wdd und ob dem Mmiharttberg durch das Lwasionskeer mrd 
bMagtf naddräglithe Lieferungen am die Feinde verboten und 
genauer Berieht an den StatthaUer über die Drangsale und 
Erpressungen gefordert. Press^mrg 1741, Novemher SO. 

Orig. mit autgedrUcktem Siegel, Wien, n.*ö. LandeMrctav, k&tüerl. Patente 

1741—1760. 

,Wir Maria Theresia von Gottes Gnaden in Hungarn, Böheim etc. 
Kj^nigin, Srta-Hertzogin sn Oesterreich etc. Entbieten allen und jeden 

AtcUt. ZCI. Bi«d. I. BiUU. Ift 



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226 



sonderhMilicli aW Unsenn gietr«n«ii Stindea und TlntarthaaeiL diems 
Srts>H6rttogih!ini8 OMterreidi nntar d«r Bnns Unsere Onad; ünd ist 
jedermann bekant wie ünser getreneates Erbland OeBterreich niclit nur 
ob- sondern anch unter der Bnns mit feindlieben Gewalt ebne aller recht* 
nissiger ürsacb, und da Wir sokibes am wenigsten Termufhen kOnnen, 
eylends überfiiUen, nnd darbey absonderlich in denen swey Vierteln 
Ob-Wiennei-Wald und Ob-Mannhardsberg unter Christlichen Mächten 
fast iiiclit erhArte und weit über die Kräften des Ljuid-Manns, Buii,M'1.> 
nnd Uuterthans gehende Erpressungen mit Bedrohuni,' Fcner und Brands 
an ?ielen Oerteru auch ins Werk gesetzten riiinderuiigen ausgeübot. ja 
yori denen, welche das Anverlangte in so verzückter Zeit zu liefern nicht 
verni<»g»'t, mit CJefangon-Ntihin und HinwegB( lileppung deren Vorsteheni, 
Iteamteu, und Raths Gliedern ja sogar ibMcn (Jeistlii'b»'n rci-Mn. n ohne 
Verschonung der Wörde und des Gutt-geweihten Stands, tlieils erzwungen 
worden, thcils noch zu erzwingen gesnciit werde. Gleich wio W'ir nun 
bey dem zartesten Mitleyden, so Wir über diese so gmsse Trangsabsu 
Unserer getreuesteu Vasallen und Unterthanen empünden, das sichere 
Verti-aiieii zu dem gütigsten Gott setzen, dass er Unsere Gerechtaanie 
krftftiget schützen und derley Feindlichen Muthwill nicht längef* mehr 
zusehen werde; Als ermangeln Wir ebenlaUa Unserseiths nicht, zu Zurück- 
treibaag solcher Feindlifhen Anmassung, auch zu Bofrey* und Schfitznni,' 
Unserer geteeoester Erb-Lfuider all-mögliche Gegon-Verfossung work- 
thfttig SU veranstalten, wie dann zo dem Bnde Unsere Vitlker theils 
wArklich im Marsche begriffenf theils aber zu n&herer Anraoknng gegen 
dem Feind beorderet seynd. Und weilen wir mit besonderem Wehemnth 
noch femers vernehmen» dass die Feinde Ober alles das, was sie durch 
ihr gewAltsames Verfahren von Unseren getreuen Vasallen und Unter- 
thanen schon erprest- und nebst grosser Anzahl Bauren samt ihren 
Fuhr Wesen hinweg geschleppet, noch viele Bedrohungen bey ihren Absug 
hinterlassen haben, wodurch sie weit mehrere Lieferungen und Nach- 
Schickungen' sn erzwingen gedenken. Wir aber ein solches bey der bereits 
vorgekehrten Gegenwehr zu noch grosseren Schaden des gantsen Landen 
gar nicht verstatten ktanen. 

Also haben Wir zu dessen Vermeidung fUr nothwendig gefhnden, 
Unser Lsndes-HUttertiche Ermahnung hiemit offentilch kund zu machen, 
und zugleich auch Eingangs erwehnten Unseren getreuen Vasallen und 
Unterthanen bey Landes- Fürstlicher Ungnad ernstlich anzubefehlen, 
dass sie uhnaugesehcn aller von dem ohngercchtcn Feiud hinter- 
lassoneu- oder auch nachschickenden Vorordnungen keiner sich unter- 
(angeu solle, demseibeu weiter» etwas zu bezahlen zu liefereu^ oder zu^u- 



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227 



luhron, noch weniger aber sich selbst, oder ihre Untertbaaen persöhulich 
zu stellen. 

Allei masspn Wir Unseren gegen dem Feind beorderten Vor-Tnippen 
die schärfest« Befahl Mi tlieilet haben, euch aller) und einem jeden in- 
soii Jorlieitbeyzustelien. oiit L,'GgendiejeLii<;ß. wrlclic wider dis Unser Verbott 
iKinduln nnd dem nnnmebro abgezogenen Feind weiters etwas zu zahlen, 
zu lieferen, oder zuzuführen, sich betretten Hessen als Helfere Unserer 
Feind ansehen, dieselbe mit altem bey sich habenden Geld und Gut, auch 
Boss nnd Wagen anhalten, sodann darüber durch seine Behörde an Uns 
in weiterer gerechten Verfügung berichten sollen. Wir versehen Oos 
«ber auf eme niiTenehi'te Treu, Lieb und Devotion, so ihr gegen Uns 
traget und Teraicheren euoh entgegen gnädigst all-mdglichor Half; wollen 
dnanenhero ferners, daas von allen und jeden feindlicher Seits euch ange- 
tbaaen Trangaslen oad TerllUen irq^reaBiuigeB eine genaue Besehreitnng 
mit bejf flgend- aller dahin gehörigen Umst&aden verfaaaet nnd selbe ohne 
nindestem Yeraehnb dem n. oe. Statthalter verschlossener ehiatens ein- 
geadilcket werde; Oeben in ünserer KOnigl. Beaidens*8tadt Wien, den 
30. November 1741, Unserer Beiche des Hangar- und BOheimischen im 
ersten Jahre. 

Sig: Fridr: Gr: KheveabQller Commissio Sac. liogiae 

Statthalter m. p. imostatts in Gonsilio. 

Job : Jos : V. Managetta m. y. .loiianu Baptist Edler v. Mensshengen ui. p, 
Cauzler Ainbtsverw. Johann Georg Haiiii lu. p. 

Nr. XXIV. 

KSmgUthes Deerei an He drei aiberm niederösterrekhMien Stände; 
heisdU MUwWhmg des Landes fQir dm gegen Öberikterrek^ und 

Baiern bestimmte Corps KhevenhMler. Dem FeldmarscfMÜ istt 
Pill ^tätidiscJter Obcrcommisstir hoijzugr^en. (Iliessu bestimmte der 
LriindUuf den Grafen Karl von Uarraclt.J Pressburg 1741,. 

November 23, 

Orig. Wien, n.-ll. Landesarehiv, iLand-Defeiuloii vom Jahr» 1741*. 

.Von der in Uungarn und Böhoim Königl. Mayt. Ei^z-Uortzogin 
xn Österreich etc. Unserer allergnädigsten Frauen wegen N. denen Treu- 
gehorsambsten drey oberen Ständen des Bn-Hervogthnmbs öaterreidi 
snter der Snnas hiemit in gnaden aniDieigsn: Bs seye' nvnmehrd an 



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228 



d«iD6, dasB snr sieliorlieit und iMdeekaiig diMes getrallfiten En-H«rtioer* 
tlramlmöstorreich ein« ei^gäbige anwIilKOnigl'^ Trouppen nntoraafthning 
dM gral-Ftold-Maraehalleii ito. Herrn grafen ?on KherenhOller an die 
Ennsensehe Land>Orftntxen tn stehen kommen sollen. 

Gleichwie aber bekant ist, dass die darobige beede Viei ti von allem 
Vorrath an Früchte und Founige fast f^'änzlich entblössot seynd, folgbar 
die bedurffnusseu zur Subsistcnz derer Regimenter mehreren Thoils vou 
denen nntern Viertln, und denen alda anlegenden Magazinen zugefnbret 
werden müssen. Als erheische die unveimeidentliche nothwendigkeit. dass 
hierzu, das ist, sowohl zu orrichtang Icicr Magazinen, als auch zu ein- 
leithung des Fuhrwesens ohne miadestei Verweiluug und mit allem ernst 
band angeleget werde. 

Thro Königl" May. setzen in dero obged. Herren FeM-Marschallon 
grafen v. Kevenhüller das volle Vertrauen, dass er alles, was zu .sothaner 
Operation nöthig ist, auf das vorsichtigste anzuordnen sich angelegen 
Beyn lassen werde und haben anbey der Hof-Guuer mitgegeben, mit 
proviant und HeQ ans dem Königreich HoDgarn eilfertigist und nach 
aller Thunlichkeit beyauspringen. 

All- flbrigea komme anf die kräfftige mitwOrkung derer drey oberen 
Herren Sünden an, welche aber von gelbsten in erleQehtete betraehtnng 
sieben werden, dass es biemnter um die retinng des Tatterlandts, nnd 
am ein sotcbes nnternebmen sn tiron seje, dessen begMkekter Fortgang 
das alleinige Hitlel ist» nm dieses gatrefieste Erb-Land von all- woitherer 
gefabr eines feiDdlichen einbmcbs bintftngUcb sn bewahren. 

Man habe also so wobl an die in Lands defensionseaehen verortl- 
nete Hof-Oommission, als auch an den obgemelten Herrn Feld-lCarseballen 
verfüget» dass sie sieb nnversfigllcb mit Hinen Herren Stftnden vernehmen» 
die Hagaiins nnd Fnbrwerks-Erfordemngen flberlegen nnd was immer 
in re ei modo (br gut befanden wird» mit allem nachdnick nnd eilbr filrder- 
sambst in das Werk riehten sollen. 

Znforderist aber ermessen Ihr Kdnigi. May. eine notbwendigkeiini 
sey n, daes dem eommandirenden Herren Generalen n denen sieh immerfort 
ereignend- plötzlichen Vorkehrungen, bef^rdemng der Znfnhr, und all- 
anderer HfllfiT-Leistung, dabey haltung guter Ordnung, mithin zum Besten 
des Lands selbsten ein genugsam gevoUmächtigter, auch activ- uod er- 
fahrner Stand. Ober-li)i!iiiiisbai ius zugeordnet werde. 

Ihr. Königl. Mayt. halten sich von dem ausnehmenden eifer und 
devotion derer drey oberen Herren St^n ien 2um Voraus versicheret, dass. 
gleich wie alle diese anstaltt n kein iindt res ziel balK n. als dip Besclm/jing 
des Lands, und des armen coutnbuenteni ja die Sicherheit der allerhöchsten 



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229 



PerBobn und Kosidonz Stau >olt>^ti'u, also dieHelbe in dieser HUHsci htoji 
uecessitet auch ilie fiussettot' Ki atTton auspannen, und zum erwünschten 
erfoljj^ all- ersiniiliche LeicliLigkeit trern beytrai^on weHo. Es vorhleihAn 
ühngeus allcrhöchstcrnannt ihr. Konigl. Mayt. mit König- und LimdsfürsU. 
Httlden und gnaden denanselbeu wohlgewogeu. 
Pranbuig den iS** Norember 1741, 

Per BegiuD MajoBtetem 
Boleman m. p. 

Denen getreü-geboi üiimbbteu drey oberen Standen dea £rts-Uenog- 
ibomba Öaierreicb unter der Ennae znaaateUen/ 

Conclnsnra auf der Eück«eite: »Dieses Hoff docret denen Herrn 
Verordneten in Freundscbaftt zuzustellen, dieselbe werden mit dem Herrn 
Carl Grafen von üarracb^ (welichen die lOM. drey obere Herren Stände 
in anligenheiten höchst nutbig. beyschaffenden Profianta und Fourage, 
Vorspannswagen und anderer erfordernusen dem comandierend. Herrn 
Feld Marschällen grafen von Eevenhüller als ständischen Comissariuni 
ad latus hiemit bevollmächtiget und benennet haben wollen) Ober Beinen 
täglichen gehalt und was denen mitnemenden Land-Officiern zu reieboi 
eeje, sieh veratehen nnd dass Terrer darflberliin guttichdich in erinnern 
belieben: Wienn in Landtag dem 27^ 9*^ 1741. 

Nr. XXV. 

Bericht (,Relation*) der ständischen Deputierten zur Hofcommis- 
Mo» über ihre GesanmUthätigkeit anUlMch der feindlichen In- 
voatim wm 1741f namentlich in Bezug auf die drohende Be^ 
lagerun^ Wiena, Wien 1741, November 23, 

Orig. Wien, n.-O. LandeMrcbiv, »Laiid-Defenmon vom Jahre 1741*. 

»Denen lObl. drey oberen, in gegenwärtigem Land-Tag Yereamleten 
Herrn Ständen dieses Erzbenogtbnmbs Österreich nnter der Enna Ton 
deroselben binterlassenen bevollmächtigten, ständischen Herren Depn- 
tirten biemit in Freundschaft anzuzeigen : — Es haben Ibro königl. Maytt. 

• Wahrscheinlich Karl Autoii Ciraf v. Harrach 1692-^1758. der 1733— 1739 
U.-0. Uerreuätaud» verordneter, dann bis 1746 Ati«Hehuiw war. Vgl. 
Wiaigrill, Schauplati de« landdUaigeii ii.-a. Adels, Wien 1600, Ikl. IV, 
8. 1<2. 



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230 



boy aiig(!(lniii^'cncr grosser FeinJos Gefahr Hic höchste Noth zu soyn 
erkennet, womit zu kiiitUigoi- Beschulung dahiopig-frr Residenz-StAdt uud 
Vestung Wien all dieulicheAjibtalteu getroffen und auf einen Belagenmgs- 
oder BloquiruDgs-PnIl /.uläugiiches Proviant von allen Gattungen horoin 
geschaffot wenlen Tiiöge. 

Diüseti iu so betrübten emei'güuU noch allainigc MitÜ, um das Land 
mit einer so wichtigen Haubt-St^dt zu retten, Jie foimllicho Anschlag 
dargegen vergeblich zu machen, haben Ihro Maytt. die Königin aus landes- 
mütterlichcr , mithin sorgfältigster Bewegung derge.stalten zu Herzen 
gefasset, dass mittle eines von Septembris anni currentis anhero 
erlasBenen Hofdecrets diese geti'eüeste Laii^ischaft neben so Tielen andern 
überhaüfften Lasten auch am sothane hilfliche Unterstützung angegangen, 
folglich mit der niedergesezten authorisirten Hof-Commission per Depn- 
tatoB zusammen zu tretten allergnädigst anverlanget in dero zugleich ge* 
gebenen Versicherung, die Provision denen Eigenthnmbern ans dem 
Landes-Coniributionali realiter g^t machen zu lassen. 

Die löbL drey obern Herren Stftnde, (welche in allen Begebenheiten 
Ihre, ftusserate Er&ften angespannet, um der au^brochenen Noth zo 
steuern) haben auch in damaliger, all' zu nahe getrettenen Sorg nicht 
unterlasaen, die gewöhnliche Merkmale Ihrer unTerftnderlichon Trefl zu 
bezeigen, folglich Ihro Maytt. die Königin allemnterthftnigst achrifUich 
zu vergwissern, dass nicht allein mit Zuffthning PtoviantB die Hand 
biethen, sondern auch mit der in Sachen niedergesetsten authorisirten 
Hof*CommiB8ion zusammen tretten, Über diesftUige und andere zu tapferer 
Gegenwehr zureichende Mittl sich berathschlagen und allenfalls Ihren 
Credit zu Aufbringung einiger Anticipation willigst interponiern weiten: 
Zu welchem Ende dan, um dieses allergehoraamste Versprechen werk- 
thätig zu erfüllen in der unter den 11*^ praedicti fftrgewesten Ter* 
samblnng, den einhelligen weitem Sehluss geschepfet, dass die ältiste 
drey Herrn Verordnete mit denen ältisten dreyen Herren Ausschüssen 
denen hierinfalls ansagentlen Commiesions-Abhiuidluugen, als .stitnJischü 
bevollinachuijlc Dcputirte cum libera beywohnen, et summa hac necessi- 
tatc sowohl wegen des Proviants und Fouiage, als auch der Anticipation 
und anderen zu Nutzen des allgemeinen Weesens gereichenden Erfurdcr- 
nussen halber das Behörige fürkehreu, mitbin als Paties Patriae dispo- 
niren sollen. 

^ie Herren l>eputirte seynd demnach unter dem 12'''" darauf auf 
beschi'henes Ansat,'on in der aiithnri8ii*ten und sub pracsidin des köniijl. 
geheimben Katlis und dahiesigen Stadt-lfalters HeiTn Grafen von Keven- 
hiller nidergesezteo Hof-Depatation so wohl vor- als nachmittags er- 



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scbienen und daselbet pnif^liminariter über einige aufzuriobt^^iulfi CassarniP 
bodächtlich gesprochen und zumahlon die haare mittl ^Uv H:uiht-7wpkh 
sernd, so aTigenscheinlicher feindlichen Bodrohung mitls stundhaftiT 
Oogenwöhr zu begegnen, das zerfallene Fortifications- Weesen anwiderum 
herzustellen, und sonst die beste Veranstaltungen (damit man sich vor 
dem gänzlichen Untergang beschQz«) sn treffen; in instanti aber einiger 
Vorschnss nicht bejhanden, viel weniger aber aus dem gtftndisoiieil aenuio 
ohne den kostbabren Credit zu unterbi-erhr>n entnohmen werden könte. 

Als ist man von seitben der lAbl. Hof- Deputation auf den Schlass 
verfftllen, dass die, vor die brabantische I6bl. Herren Stände in dem Ober- 
Binnaliinenuiit bereifli Ugende D4.000 fl. QaarUU-Qelder als der erste 
Brlag m die n erriditeii komueade Befeneiona-CaMam achlemigat ab- 
gefUiret werden Bollen. 

Man hat swar die gelaistete Garantie TOrgeeebllxet und daae Uihl 
stftndiBcber Seitha hiervon um so weniger abgegangen werden kOnne als 
Trauen und Glauben ohnndtlbabr abhangen nnd bey deaien Terlarat das 
üttiremim, mithin alierhOehater Dienst biemnter merUieh leyden dflrflte; 
allein die entgegen beschehene Yorstellong» dass die Herrn Qebrflder 
Pahn allsehon diese (4 m. fl. richtig an seine GehOrde nach Kiderlanden 
flberraacbi ond SieWedisel-Negotianten inBrkanntnus dermahligen Geld* 
Mangels gegen anderwftrtige siehere Anweisung sieh gedulien, Ibro Majrtt. 
die Königin aber diese abändernde BeEahlnng in hoe frangeuti goilieisaen 
wurden ; als ist endlichen dahin gewilliget und die 54 m. fl. gegen Quittung 
verabfolget worden, ulleimassen zu deren löbl. H H. Ständen Sicherheit 
nebenfündiges Hof-Decret A vom 13. 7^"" mitlü allergnädigster Beauge- 
nelimung eingeloflfen.* 

Nach gehobenen solcliLU Praeliminar-Austand, alt* woraul das ganze 
VVerkh zu ruhen nn(] dw weitere HilfTsmit! forderlich aufzubringen ge- 
schienen, liat man erwogen, wüs für icquisita auf würkhlieli verliiingende 
Belagerung obnnmbgänglich und wie selbte an nächsten herbe)' gebracht 
werden mi^clitt-n: 

in nembliclier und vielen nachgefolgten Ziisannnentrcttnngen und 
bejnebst reiflich bescheheneu l'berlegungen ist von dem Land ein fast 
ohnersehwinglicher, jedoch secundum exigentiam necessitatis nicht wohl 
tu entschitten gewestcr Beystand anTorlanget worden und zwar : i " ' dass 
fiber die bey der Stadt verschribene , annoch von denen Dorfscbaften 
1000 Sehanser ohnrerweitt herein gesteilet^ um beede in der Brigitta-au 



s Beilage A, kOuigl. HoMeer«! ds dato Pressburg, 13. September 1741, ge- 
aduii^t die Widmung jener 54.000 fl. an die DefenaicneoaBM. 



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262 



aazulegeu kommende Schanzen mit mebr audereu arbeiiiieu eliebiUdigsi 
in föi*ttigen Stand zu bczcii. luglcicliou 

2<i«>— 700 Fa^chineu-Machei vun deueu Untertlianen auüzuüucben; 
nicht weniger 

3*"' alles tjo wohl schwärefc. als geringes K ihrndl, samt rauhen 
Fuotter in die liesideuz- Stadt anhero gegen bediiiL'-enden guten Werth 
und künfftiger Ersezung von dem Contributional-Fun 1 - ohne Zeit Verlurst 
zuzuführen, folgsamb durch Befördenmg dessen dem Feind die Subsistent 
schwär zu machen : bey nebst 

4' " Kino Beysteur aul gesamte, so wohl Frey- als bürgerliche Häuser 
mit Daransetzung des ständischen Credits auszuschreiben und zu gleicher 
2eii freywillige, oder allenfahls taxierte Anticipationes unter obiger Ver- 
sicherung aufzutreiben. In VerfoJg all- solcher trefliohen Vonichtigkeit» 
und, da eft mit dem Feind zu grösseren Emst sich aagelMSon, dessen 
annähemng anch eine gedoppelte Attention nach sich g«iog«n, als ist 

6'° veranlasset worden, ftbsr vorhero ans denen Gasarmen Tblie, 
Cf«ml)S und Stociwna a]»g«fllhrten Fonrage-Tonatli auch alles BOtli» 
gsrath Ton daiuiMi su wasser einsuliferen: and 

6^ das Yieh snr Nahmng der selur sablreidi auijgebFsditen ngu- 
Usrton gamison nnd anderer hier pro defensione bewaflhsten Bnigsrlichsn 
oder allenCdüs aeademiselien Uannscfaaift in gesamten Viertlen bey die 
Herrsolufken an besclueiben: So verrers aber 

Arbeiter Ton denen niebst angal<g»nen Dorffschailtsn aofkn- 
bieten» damit an hiesigen sn Sieherbeit deren Yor^tftdton anfj^eworffenen 
Linien alle 80 Sebritt öffDongen von 40 Sehritt in der Linge maohen, 
und biednreh dem ans Hungam erwartbenden Seconrs der freye Zugang 
Teistattet werde; woreutgegen 

8*« a«f dem Land bey Tag mit denen Glocken oder Schflssen, nächt- 
licher Weill aber mit ansteckenden Feör Zeichen zu geben, dass der Feind 
weithers antringe, mithin die auszustellende Postierungen samt dcüon 
Unterthanen Selbsten sich auf verwahrter Uutb halten möchten; all so- 
tlianc Yorsorg hat 

9"^ das UnLerkümmen deren Kguiter, und ihrer Herrn SUuibs- 
Officiera ohne Ansehen einiger auch distinquirten Persohnen in der Stadt 
erfordert, und 

lO'"" dass von allen, mithin Frey- und Bürgerlichen Hausern eine 
doteiminirte Mannschaft zum eierciereu und respective an die Wacht zu 
ziehen, auch die Horrschaffts-Jäger 

11""* mit allen Forstnern, Forst-Knecbteu, Jägerjuugen uudScbai'ff- 
Scküzen gegen gesetzte Yei-pflegung hier zu erscheinen und in Fahl der 



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233 



Noth zu verbleiben hätten. Wie nun all" ür.tfsnklicUo Möho und Eyfer 
angeordnet, dasige resideuz-ätaüt mit dem beaülbigteu zu verseben, 
iät auch 

12"* die weither Sorjj dahin Kaiigen. den Femd auf deji ^V;l^ser 
zu beunruhigett, dessen Einfahl bey die augiänzende I. Ö. Landscbafften 
zu verhütten und aHeufahls vor die erwarthende Hilfs- Völker dio gehörige 
Verpflegung zuzul- gen, in welchen Absehen Tschaiken ausgerüstet, und 

13^" das Verbakh an Berg Semmering, ingieichen bey Aspang 
mitls allergnädigsten Hof-Decrets von 30^ 7^"^ Goncomitaater mit deoen 
Sieyrischen löbl. Herreu Ständen au&arichten, dan 

14*'' VerscJiied«!!« Hiutbt-llagaBiii aof doia Land nebst einigen ge» 
ringen Bebaltnnssen anzulegen, 

15*^ aber ein wohl erlahmes Iftbl. Landes Mitglied dem Herrn 
Oommandanten bey seinen Ausnilchen nacb 0. ö. ad lata» zu stellen 
(dimit auf ein ao andere SrCordernns allenthalben an nilftagliahen Pro« 
Viani, Fonrage, natnralien und Vorapan kein Kaiigl ndi ioMere, folglich 
die vorhabende Operation gehemmet) per Depntationem angetragen worden. 
SchlüBaikb» nnd 

16** die nnter Oommando Herrn Generalen Grafen von BaUft 
stehende beede Regimenter Savoje, nnd KenenhUler» nebet denen eonders 
beorderten Theiaeer* Mannaroscher- nnd Baaber-Griniz-Hnaam zu ver- 
pflegen. 

Die lObl. inj obere Herrn dtftnde haben in dero oballegirten Schlnae 
von 11*^ 7^ daa Vertranen in Sie Herren Depnthrte geaeset» daaa in ao 
ftnsserater Betrflbnna aadi die änaaerate mitl fbrkehren, und all tbuent- 
liehe Hilff von Seithen deren getreüisten Insasseu mitwörken lassen 
solteu ; mau hat auch weder iu consilio, noch m BÜectu ermauglet, den 
gehörigen Vorst hub lu j^eb* u, und derohalben 

ad 1""""' die 1000 Schanzer durch das iu Viertlen ü. W. W. and 
IT. M. B. bestelte Ober-Commissariat ohne gcringrsten Verweillen hier 
aneestellet. joden vier Groschen aus dem stäntiis; lien Acrario Tag-Lohn 
gewidmet, und durch den Kegistranten Piirchci' ^egeii ihinc verwilligte 
tägliche Zwej Gulden Lifergelder die Richtigkeit treflFen lasspn : man ist 
der ohngezweifelten Meinung gewesen, es werden diese louo Schanzer 
nach vollbrachter Arbeit in der Brigitta-Au (allwohiu selbe eigentlich 
beetioimet) binwidemm entlassen werden, das Fortitications Werkh eut- 
gagan wäre von so beschaffener Wichtigkeit, und die Umbstände der- 
maasen gefihrlicb, dass selbe bis anhero beybehalton verblibeu, jedoch 
leztbin gegen die Hälffto reducieii, nnnmohro aber gänzlich entlassen; 
die hierob anerloffene UnkOaten betragen nacb Anaweiaung beyliegender 



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2U 

RechuiiDg B. 81)24 11. 11 kr.J wnlrhc mitloi- Zrit aus dein ständischen 
Obei-Einaehmer-Arat tn Imsti-fitten man sich hoihej gula^scu, mit dem 
ausdrücklichen Vorbehalt aber, dasü lr»b]. standischer Soiths nicht mehr 
dau ein Dritt-el gratis auf sicii gonohmen werden könne, infolglich bocdc 
flbrige Dritt! dem Könit,'!. Aerario zuzurechnen si-\u wniden. weit lies 
auch auf all- flbrige Militaiibche Arbeit» Ausj^aaben »einen V erst^md 
haben solle, und zwar, dass ein Drittl der Hof, eines die löbl. drey obere 
Herren Stände, und das übrige Drittl die Stadt Wien verrnrig anverwahrten 
l*rotocolls-Exti*act C ei proprio zutrage;^ Allein (da Sie Stadt Wien viele 
Ausflucht und Beschwärde darob hervor^esucliet) ist der Final-Schluss 
Ihro Maytt. der Königin überlassen, woselbst es «u dato abhftngct und 
indessen die Sicherheit vor das löbl. ständische Aerannm in deme militiert» 
dass über Abxog des auf eigenen Last abernohmeneu Drittls das residuum 
dem Hof zugescUag«]! wirdet, welche getrefi- Patriotische Willfahrigkeit 
in sich selbston um so merklicher ist, als Ober den ständisch gereichten 
Tag^Lohn die Gemeinde Jetten gastelten Arbeiter mit anderen vier OroMhen 
tSf liehen belohnen miessen, nm die Lenth hiebey fleysalg nnd ohnyer- 
droflsen an erhalten, welche Znlag auch in so lang bestandeui bis die lObl. 
Hof-Deputation diesen Ton Ihro ausgesetsten bochen Lohn auf die ge- 
wöhnliche fllnff Ofoeehen nm Michaeli gemindert: jam 

34 3daa m schreiten, so ist bey ao eylferttiger Binricht- und Ab* 
fordening deren 700 Faschinen-Macher nnd Zimmer-Leuth nicht wohl 
mfiglich gewesen auf den geseiten Tag mit selben aulknkommon; es hat 
aber die unter verstindigen Offidem beschehene gute Anffthmog so ^eles 
gefruchtet, dass selbe von 14^ 7^ bis incfaisiTe 17^ 8^ ein onglanb- 
liche Menge f^hinen sosammen gebracht, womit dann diese unler- 
nohmene und nach des commandirenden Herrn Feld Marsehallens gut 
Befänden zugelangtc Arbeit sich gcendiget und die unkösten in neben 
fündiger Spocification D 3300 fl. betragen.^ 



> Beilage B. .Verrechnung yber Empfang und AiMgab wegen der 1000 Laad- 
Schaaser, welehe den IS^'' 8eptamb. 1741 sowohl bey der Scbaas in der 
Brygitter-au, ale in dem Stadtgraben «Ubier in Wienn an arbeithea au- 
gefangen haben', per 8924 fl. 14 kr. unterferUgt Ton ,3(atthia» Autunius 

Purcher n.-?5. L.iiidsth;it7ts-Orticiei' als bestOlt geweater Schnnz-Catisier. 

* BcüafTf C. ,ExtractU8 ProtocoUi, de dato 19. T*"^ 1741', unterzeichnet vom 
Statthalter und Praests« der Hofcommissiou, Grafen Friedrich Kheven- 
hiiller. Da ,die von Wien' erklären, ,da«s Ihnen die übernembung solchen 
DrIteU ohamOglich lalleS co bleibt die Saehe bezüglich Ersetaang der 
reellicben swei Drittel diOMS Poalens in sntpenso. 

' Beilage D. ,Speci6cation' des Obercommiss.iriats für da« Viertel tiater dem 
Maabartsbeiy. Zu den 4800 fl. fttr die Faschiaeamaeber lumea aoch 



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2dö 

ad 3**"" pn'L'i'i:( n ist .»n «ler vvillfährigston l^ispoRition niclit.s iintor- 
la.ssrii wordüü, indem»' allsclifm rk; dato 12*^" 7*'"'' hieran vorwahrtea 
Patent E an ilin löhl Landes- Mitglieder ergangen,^ dio Zufuhr ihrer vor- 
rathigt'ii Köhrner und Fourage ohne Zeit-VersaumnuH 211 beschleinigen 
und hierdurch Tor Schaden sich gelbsten um so gesicherter zu verwahren, 
alfl auf verweigernden Fall der Feind es ohne geringster Vergöitung an 
sieb reissen wurde, hier aber seiner Wider-Beiahlung Tergewisseri, aller- 
matten lu Brleichteninc' dossen ein sehr anstäudiger Preyss unter Be- 
angenehmong der )6bl. Hof-Deputation geseiety also, dassder Land-Metsen 



Wayz ?or 9 11. 81 kr. 

Kohm III. 61 kr. 

Gersten l fl. 12 kr. 

Haabern 1 fl. — kr. 

Der Centen Hcü ii — fl. 45 kr. 

Schober Thenn-Stroh 4 11. — kr. 

Ordinari-Stroh 3 fl. — kr. 

unii auf jedes buspuntes mit Proviant 

oder Fourage beladenes pferd 1 fl. — kr. 



Fnhr-Lf^n aasgeniMlit» nebst der susdrflcklicben Versiclierung, daas der 
Oanirilnitional-Fnndns denen Eigenthnnibem au wflrkbl. Unterpfand in 
so lang c<ni«tiiaiert, bisa dass auf Torweisende glaubwflrdige Idfer-Sohein 
eingesehaAe von deren eigenen Landes Anlagen xnmkh vergattet sejn 
werde. Und obschon diese getrofene, so beweg- als ematliche Veran- 
staltung seine gute Wfirkhong nach sich gesogen, so ist doch selbe bald 
in etwas nnterbroehen worden, gestalten in damahliger Iming, Flachten 
and AbrelBon, andnn^ aber entgangenen Fohren die anhero gekonnnene 
ünterthanen in Zunk-Weeg angebalten und auf etliche T8g au ander- 
wirthigen Fuhr-Weeeen unter Militärischer und anderen Qewalt Terwtsen 
worden; Nun hat man diesem Obel auf nachdruksamst getbaaene Vor- 
SfteUung in etwas gestefiei-t, so verrers das Patent in mehr geschftriRen 
terminis unter dem 1 8*^ ejusdem widerhollet, vier Landsebaffte Trompetter 
unter Bedeknng Palffischcr Cuirassier-Raitter in gesamte Vicrtl auHgc- 
schikt, und iozlich Ii. von Tepseru* Landes Mitglied mit olYeuer VoUinacht 



473 fl. 55 kr,, welche die Stocketauer fUr diese» DefeuBioiiswerk vor- 

»treckten. 

* Beilage £. Patent der ständischen Verordneten vom Vi. September 1741. 
Vgl. Nr. in der Beilegen ni Toriiegender Arbeit 

* Wabncbeialich Joeef Johann Edler v. Tepeer (f *n Wien im% Sohn 
des 1709 geadelten Jakob Daniel Tepaer r. I^psem. Ueber ihn und 



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236 



QDi ans bMdtn oberen Tieriln die Znfahr zu beschteinigen abgeordnet, 
alle diese inf einander i^efolgte gemässene Ermahnungen und mehr andere 
unterloflfeue Betrohungen haben den betrangteu Hi n u liebst Untei Lhuu, 
als welcher mit ohuiiufhörlichen Durch und Conti u-iiiarche, Herbeybringung 
des Pulvers, und vielen Zeugs Requisiten, wie auch ander waitiiig über- 
bäuifter Vorspan gedruckt, eudlicheu vemöcbt, dass an 

Waiaen BAbl^U \ 

^<^^^ 9*2«4Vi Heilen 

Gersten 5.9S9Vs ) 

ohngeffOBchene Gersten 15Vt 

in der Mss beyl&ufBg 38 Hetxen 

Usaber 48.860 

obnauBgetroselienen 814 niandl, in der 

Mass aber in circa 375 

Uen 99.467 Genien 

Thenn-Streb 661 Schdber 45 8ehäb 

ord. Stroh 55» 

in dabiesiges Haubt Magazin krattt nu^dilüssigen buunuari-Kxtiacts 
nach möglichster Eylforttigkeit und wa« der Zeit wissentlich mautb- und 
uufschlags frey eingeschaffet, der Betrag deeaen erstrecket sich Sako 

errore calculi auf 108.058 11. 45 kr. 

und die Fuhr-Lohns Unkösten auf 16.014 11. 7 kr. 

Zeit webi'end dieser Vorsehung dan ist 

ad 4'""' eine Beysieuer mit ordentlicher Taxierung, was jeglicher 
Haos-Herr Yon seinen eigenthnmblich besitienden Hans geben könne, 
repartiert worden: Die sfcAndisohe Herren Depntirte sejnd in kralR er^ 
haltenen Schlosses cnm libeia bsTolbniehtigei gewesen, einen Torachnss 
in Baam geld herbey sn bringen; derohalben ancb hienn die Hand ganz 
willigst gebotten, und die Partheyen haben sn die ianrte Gredita sich 
endlich nm so geneigter bequemet, als von den lObl. ständischen Ober- 
Einnehmer^anit (aUwohin aller Brb^r eingeflossen) ordentliehe Sebuld* 
Schein anf ein Quantum von 500 fl. und anf geringere Posten getnikte 
Amts-recognitiones sob 6* ansgeferttiget, snr Gntmschnng denen Mbl. 

soine Ötiftuugcii: Wurzbach, Biographi4ches Lexikon des KaUertbums 

i^esterretch, 4a. Tbeil« S. 286. 
' Beilage F. »Sumiuariacber Extract, Was an PrOTiant und Fom^e in 

di« kmilgl. Maganieii geliftni; datm wla vitl an Fnbrlbbn hievor be* 

saUet worden.* £■ entfallt die aageAhrlan ZUbni. 
* Gedrucktes, vom etlBdiaehen Obeninnehmer mmmfQllendei Fonnalar als 

Beilage G. 



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2'61 

• 

Landes Mitgliedern die eigene Lands Anlagen, denen andren creditovibus 
aber die Widei bezahhuig de capitali et fünfl pro ceuto Interesse innerhalb 
jähre Frißt stipnliert. Der Einnabm hiervon, welcher lanth Extiacts H* 
in 151.390 fl. und auf Darlehen wor7,u die Hoffbefreyte mit mehr auderen 
Partbeyen Tnigetra^'en. in 97.0()3 fl. bestehet, ist nach Mass (alss die 
Oel lei .'iiig 'lotleii ) dem komgl. Bancalitäts Rath H<»rrn Baron von Giller 
Interims Directiu i ier Universal-Cassa gegen Quittung behändiget, mitbin 
auch in deme geholtTen worden. In deichen 

ad .5'"'" aus denen dreyen Casannen Ybbs, Crenibs und Stockeran 
all vorhanden ^ewestes Bett- geraithschafft iji dahiesiges königl. HofT 
Spittal (wie beygehende abschrifftl. Quittung I zeiget)^ durch den 
Ybbserischen Casanne-Verwalter Urbani abgegeben : und auf den Land 

ad e^*" dag Yieb, so Ober eigene Haus-Nothdurflft die Herrschaften 
enfb«1hren kdnten, zwar beschriben, jedoch (weilen der Feind aus ohn- 
gttcweifelt gdtUicher Voraehiuig entwicheii) keines herreiDgmchaffet; 
Hiebt miDdor 

ad 7""" Aibaitsr sam LiDi«n 6iiiw«ril»ii (ohns jsdsch selben einen 
lohn in geben) Ten denen in der Näbe angelegenen DorirBcbafften bestelt 
und mitls eriassener dnmlar-Sehreiben 

ad 8**" in denen Viertln knnd geihan worden, anf daas bej an* 
nüierung des Feinds die gehörige SSeiehen, so wohl Tag als NsAbts Zeit 
veranlaster nassen geben soHsb; und obsehon 

ad S'"" die Frey-HaAser des Quartiers jedeneit Tersebonet« so hat 
doch die sehr lahlreioh angewaehsene Garnison ihr Unterlionmien in der 
Stadt allerding« benOfthiget gehabt, solehes nnn einsnrichten, kOnten die 
bnrgerliehe mehrem TheOs bewohnt Terblibene Hftnser nicht nlangen ; 
dannenhero aneh die Frey-Hafiser (als deren Bigenthnmbs Herren Tiele 
den Königl. Hof gefolget, einige aber wegen von den Feind angetroht^n 
Belagerung abgeraist) den last fühlen musten, und die Herrn Deputirte 
vermöchten in so angelegentlichen Umbstand sich dessen nicht zu ent- 
heben, sondern vielmehr zu Wohlfahrt des allgemeinen Weesens die 
Quartier ordentlich ausschreiben %i\ lassen, mit der jedoch gebrauchten 

* ,8ainmarLg<:her Extract des Erlags in Ißhl. .stiindis« In r Atiticipatinn 'nid 
'Ipiien nllhiesig'en Hattsern dictirt. Beysfonr' j ^r '2 7 (tG8 und U>\ tl. 
unterzeichnet vom stAndiflcheii Obereinnehmer ilerrn v. Albrecht«burg 
al« Beilage H. 

* Beilage I. »Specifieatlon und Quittung, de» aet der ybaeriMshen, Cfemaer- 
«id Stockberaaer Standa-CaMarmen abgeführten Belfageiallu, welche« 
folgKehen In das MIlltar-Hoapital in Wiann ist übaigeban worden den 

Obtob. 1741.* 



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238 

• 

Vorrichtigkeit» nnd nm pn^rogstifa Statniim ohngtbiiikt in «rbalten, 
dMS Herrn Landeeliaffts Seorotari H&tiwnftini nebet Znuelmiig dee Land- 
Ifareoball: Geriehts Fttrbittere die Eintheilong in eeiner proportion und 
ebne die bemcbafiUicbe, aonderlicb mobilirke Wobnnngen in belegen 
mitgegeben worden: Bine gleiche Beobnebtung bfttto 

od lOF^ wegen Stellung der bier in der Stadt sam Sehanien und 
aufziehen eiforderlich gowesten Hanneebaft reepeeta deren Prey-Haftsem 
beschehen sollen; wie aber die anstalt darobhin in Versamblung der 
givnzeu Huf-Doputation eröffnet und vor diensamb erachtet worden, zu 
schlciiiigercr Jiot'ürdoniug dos Fortificatioiis-Bau- und Üi^feudining dor 
Stadt Selbsten sothane Conscriptiuii zuzulassen; hUh hai man uucii, da 
allenthalben der Billigkeit nach, mithin ohne jemanden in seinen pai*- 
ticulari m beHchwäieii, man verfahren, %» hiobey beruhen lassen; 

ad n*"""' ist gleichfalls durch Patent ?on 2^" 8»""i* gesamten löbl. 
landes MitLfliiiern pröflne*^ wanden, da.«s mi mehrer Bewachung' der Stadt, 
initlnn beuuruhiguntr buiiules alle Forstner, Ja;?er-jungen, Forst- 
Knecht, oder Scharft'-Sciiü/'.en mit guten Feiiergewöhr versehener auhero 
inenden, ihren gewöhnlichen Gehalt auf zwey monäth, oder in haaren Geld 
mitgeben, oder richtig anweisen und zu füeglicUereu dereneelben Unterbalt 
annoeb auf jeden Kopf täglich neun Kreatxer ex proprio antragen eolten, 
sab comminatione der königl. Ungnad: 

Auf diese ernstliche in Land kand wordene Knnnei*nng ist auch 
die WDrkang erfolget» daes auf den praefigirten Termin, ale den 6*^ 
binnach allschon einige sich bier in Ijand-Hans eingefunden» und wie 
deren mehrere täglich angekommen, so ist doch gans nnverrnnthet diese 
in sieb sehr beylsamb gesehepite resotution abgeindert, und mitls nach» 
gegebenen, durch die Herren Ober-Commissarien in Viertln oircnlirten 
Patents de dato 7*^ praedicti die weither anhero Stellung auf mfindlicbe 
Srinnerang der 16bl. Deputation abgesaget, und die hiesige surnkb sn 
kehren befehliget 

ad 12""<* aber denen in oberen Yiertlen bestelten Herrn Ober- 
Commissarien dm-eh xuschreiben in Fienndscfaafft erinnert worden, dass 
vor die Commandirte auf denen Tschaiken Brod gegen Quittung verschaffen 
lassen mühten, wie den bey Einlangnng derenselben diese mit viel anderer 
Militär-Verpflegung dem Hof in denen Qoartalls Ritracten flkrohin anzu- 
rechnen seyn würdet. 

jid 13''""> hat man zwar wegen de? allerguädigst anverlangten 
\'«>iiiaks an Berg Seniinering uuil nebst Asipang mit denen löbl. Herren 
Htiinden d*'s llcr/i-glhnuili Steurmarkts gemeinschatTtlich handien wollen, 
zu welclien ende auch au dieselbe sub dato 2'"' besagten monäthüi in 



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239 



Freundschaft disfählige notification beschehen, in dem Ersnchen einige 
Werk-Vei-stiindigo iu oben benante orth abzuschicken, um das Verhakh 
allgelbet uiii Zutziehung dabiesif^en Substituirten obor-Commisearij Herrn 
Carl Grafen von Heissenstein, fol<ifIich von gelbeii hcibo) schaffenden 
Arbeits Leiitheu ohugesaumt anlegen zu können: Allein (wo ohne Zn- 
ihnniig eines Ingenipiurs mau ilieses Wei kli in Stand zu setzen i:' lioffetj, 
so seynd doch zwey dereiiseibon gar aus f'rain gi'^eu 79 fl. verursachte 
In kosten, anhero nach Wiouu versclaibeu, von deneuüelben auch die 
verrer Lifer-fi oller an verlanget worilcu. 

Zu Bezahlung des ausgelegten hat man sich endlich einverstanden, 
respectn deren Lifer-gelder, und allzuhoch entworffenen arbeite ausgaben 
wäre billicbes Bedenken, sich in etwas einzulassen, ahnorwogen es das 
ansehen hatte, ob warde der Last lediglich diesem ständischen aerario 
aufgebürdet werden, wo doch das Ilof Decret auf eiuf* '.remeinschafftliche 
Yerwabr- und Unternehmung dtu Arbeit abzillet, dieses Verhak auch 
mebrern Theils vor die I. 0. LandschafTt, mit nichten aber vor dahiesiga 
(massen der Feiod in oberen Yiertlea leider su Verderb des losassens 
ichon eingtbrocfaen) mr sieberheit diente. 

Derohalben in Beirachlnng dieser Umbstinden beede Ingenieurs 
mit denen in selbe baar ferabfolgten 79 fl. Beiss-Ansgaaben xumclc ge- 
sendet, Herrn Grafen TOn Heissenstein entgegen mitgegeben, seinen 
weitiieren Bericbi von allen deme, was und an welchen Ortben von Seithen 
I. ö. das Verhak wQrkbl. angelegt, und wie das bierl&ndige unter einstens 
susammeo geiogsn werden nKtge, forderlich absngeben, welicher snb 
tfadiin erstattet, dass der Stegrrische anfgestelte bevollniftchtigte Herr 
Graf Yon Brinner an den Semering Aber die Grftais-Scbeidnng mit 
dem Verhak eingemlchet nnd mebrem Veniehmen nach einige in 
selbigen Gezirkb ansessige Grfind biemnter gelitten hätten, wesfeUs die 
genauere Untersuchung mit allen umbstäudlichen Beweisthum erforderet 
werden will. 

ad 14'""' Scheinet es eine betrübliche und «lern Insassen fast ohn- 
möglich fallende Bürde zu seyn. dasä iiber so namhaffte anhero Lifening 
an Körnern und Fourage ann.ich so viele llaultt-Magazin nebst besonderen 
kleinen Behaltnussen aufzurichten, mau fast antringou wulie. 

Es ist denen l'"bl. drey oberen Herrn Staii i n bekant. dass auch 
die gesecgnete Feiuug nicht allzuviel Über den ordinan consumo erziglet, 
die so namliafft durchgerOckte Miliz wäre gleichfahls ihrer Verpflegung 
bedOifTiig, und der l\md bat den grösten Tbeii beeder oberen Viertleu 

* BeiUge K fehlt. 



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240 



gel&hret, oder TerwAstat; aoeedit, dass aaeli tu der K5iiigl. Arm^ ans 
mangl Brod und barten Fattera Aber 700 nratii rarftliret, dam PalfRscben 
Corpo aber gegen drej monfttb die Pferd porfcionea in natara abgereicbet 
worden. 

Bey all diesen Liferungen könte fast mit Grund der Wahrheit gesagt 
werden, dass eine pure ohnmAjflichkeit seye, mehrers anfzubriniren. zu 
geschweigen, Magazin auf 20 m und mehr 1000 Mann auszufüllen, und 
zn gleicher Zeit die sich vermehrende Cavallerie nach Nothdurfft besonders 
zu versehen. Tn der Hof-Depiitation ist dessen deutliche Vorstellung be- 
scheheu, welchen jedoch ohnangeseheu die mehriste Mainungen dahin 
ansgefahlen , es soje nur der Vorrath zeithero absumiert. anhefirigo 
Koxiing jedoch fast durchgehend« ohnausgetroschener in denen St&dlen 
zn filinden, man mOste also hierinfahls auch mit Zuziehung einiger in 
politicis aocreditierteu Porsohnen das aüsserste fürkebron, damit die 
Snbsistens nicht mangle und andorch das Land denen feindlicben Ver^ 
Wüstungen weitbers bloss gesezet seye: 

In dessen reiflicher i berlegung also nnd um das geliebte Vatter- 
Land mit denen erwarthenden Hilffs Völkern Ton dem gftuUclien ZerfUil 
XU ▼erwahren, haben Sie Herren Depntirte auch diese Hilf in so weith 
ausxulangen, durch eigens erwehlende und abschieicende su bewflrkhen 
nicht Tsrsaget, sondern auf mehrmaliges Zuschreiben von 18*^ dieses 
monfttbs 9**^ gesamten Herren Ober-Gommissarien sn wissen gethan, 
dass die Znfnlir Uber den anselbst bedarffenden Vorraih von dem Herrn 
so wohl, als Ünterthan in Yiertlen gans emstlieh unter gescbfirfften Be- 
drohung militärischer Execution» wie auch Confiscimng contra morosos, 
ohne einigen Zeit Yerlurst d«i(estalten abforderen, damit die Haubt- 
Ksgaatin St, Pölten» Thulln, Crembs, und Stodrerau nebst denen Bebalt- 
nussen su Pnrkersdorf, Sigartskircfaen, und Perscfaling mit dem be- 
nöthigteiL ehemOglichst ▼ersehen werden kannten, wesfehls ein Viertl 
dem andern die Hand biethen solle: Und znmablen der vorherige Werth 
in jener Bedfirfftigkeit, wo der Feind allschon tieff in Land eingetrnngen, 
und dessen nfihere hiehero FUickung die gefahr vermehrte, zu ohnaus- 
sezlich- liuiftiijor Befordeiung also hoch gesezet, derzeit entgegen 
auch vor tawa^ geringeres die Liferung zu unternehmen einhellig dafür 
gehalten wordeu, als ist der Stockei auer oder sogenannte Stängel Land* 
motzen^ samt dem Fuhr-lohu Waitzen 



* Der Stoekenuer Stftogel Meise« wurde idH Juni 1762 auf Wutueh der 
n.-ii. StMndfl da» allein giltige KSraermam in NiedeHMerreicb. Vgl. 
Codex Anctriactts 618. 



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aaf , , 

Kohrn pr 

Gersten 

Hnaber 

der Centen Hefl . . . 
Schober Thenn Stroh 
Ordinari-Stroh . . . 



2 fl. 6 kr. 
l fl. 45 kr. 
1 fl. — kr. 

^ fl. 51 kr. 
— fl. 46 kr. 

3 fl. — kr. 
a fl. — kr. 



unter nemblicher VsraicheniBg pir AMüag deren Landesanlaagen die 
g;eliferte als richtige coropensirung anzunehmen, auch denen Unterthanen 
aaf jeden Land-Metzen 3 kr. anf den Centen Hefl gleichMls 3 kr. und 
auf den Schober Stroh 20 kr. mr Interims Beiafalang dea gvmifteiL Wartha, 
und daMÜ In ndnveag einig«« Oeld auf Zdimag oder andere vollende 
▲nagaaben flberkonunen» haar darch daa Ober-Ooniaiaaariat behlndigeni 
und anf denen Liftf-Scheinen Temeriwn an laaaen stataiert, welche ofcn- 
nmhgflnglklie heaoigiing du aiitta widerholten per Stalfetam in die oben 
Yiertt de dato SO^ diaaea intiauert. 

Dieaea alao iat, waa in anligenheü der Froriantinuig und olinvor* 
meMegitliGher Bewalining dahieaiger Beaidana fi4adt flligekheieft; an 
gänxliaher iKw^Mii^ifaitig dea Feindea aber leiget aiob nnmnehro die 
fidlkoamene Zoraraiehly daaa eine Anaahl Trouppen ana WiUiaeh-Land mit 
beeden per Depntalieneai in Frenndachafft erinnerten nnd ana Hungam 
beorderten Cavallerie-Begimentem Portn^l und Prejsiog wQrkhlich in 
anzug begriff"en, dahero 

ad lä'-'" Em Liiiides MitgliJ ad laiub des Coramundirenden Herrn 
FAld-MavRchallenH (Tiaftiu von Kevenhiller in Vorschlag zu bringen pi'o- 
poniert worden, worauf man Bich aber mit nichten derzeit vernehmen 
lassen, um delibemto coiinilii ij^-y du- l^bl, drey oltein Heri< n Stände es 
zu Dutersuchen und einen gefaeteii Schlusö denfahls zu schepüen, aner- 
wogen ein 80 erfahrnes Patriotisches i iömüth hieiv.u diensamb. als welches 
nebst BetracMung" de«5 allgemeinen li- Ktens die Vei pflegung der Miliz und 
was deme anhängig beförderet, unter einstens aucli die Erhaltung des 
Vatler-Landes, mithin abwendung noch gewissem Übels oder l^othetand 
aieh vor äugen sezet: Was nun 

ad 16*"^ das Palfßsche Corpo betrifft, so ist solches ein sehr ge- 
ranne Zeit wa BMrklicher EmpfQndlichkeit des aufligenden Untarthana in 
Land; daaaen eampiem hat ein unsägliches an Fonrage hinweg gerflssen, 
nnd £e anfinardiirte Gfflniaer-fioaam hnben gleichen Laat dem Land 
an^ftrangen, ohne daaa der gedagate Tortheil, oder Hilf bejgewaehsen; 
der wllrUil. Betrag deren anf Bntwflrffi Quittungen oder aonaten eigen- 
nilchtigia Fonragiam genosaenen PünnL portionen, Holx, oder andern 

AnUt. Zd. Uüi. h Eun»» 16 



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242 



Lebensmittleu ibt der Zeit auaoch uubekant, in LcJcukcu, diti gänzliche 
ZusammenrechuuDg obderen all-tägliches Verpflegen nicht ordentlich, 
oder gesichert zu dato fürgenohmen werden kuütft; dieses aber ist irewis. 
dass auf oin halbes monatii lic^de Refrimciitci- S;i\i ye und Kevcnhiller 
auf 34.UUU Fford-portiones ompfungou. «ihiif den <<riiii> leren Husaren 
beyzusezen; zeiget sich demnach in den küufftig belegenden Calcalo, dass 
auch in demo die recesual praestanda einen nicht geringen abzug leiden 
därtfteu. Die Srh;iazda bej Eims, £ngeiUiagen und Spüberg haim. ar> 
fordert 13.000 ti. 

Und die Einliferang zu der köoigi. Armee (welche in anligender 
Specification L* auf 25G muth Kohrn und 519 muth Haabern sich er- 
strecken solle) würfft (icn lezt statuirten Werth nach ab . . . 36.117 fl. 
30 kr. Wobejr Sie Herren DepaÜMrte dienstfreondlieh so «rinntni niehl 
tttthin ktanra, das« diese von Herrn Carl Onfon ?on Lambeig ragegen 
der dem Ober-CommiBaarttt eingeräumten Macbt nntemohmene Ana- 
aehiiibiuig aoleher gestalten in YierÜ abgeeteUeli dass der in olfieio anb- 
atitnirte Herr Baron Ton Gillela nach den inbalt des an aelben soge- 
ferttigten Zuaehreibena aieh der aetiritit anf weitherea benOlbigtea lUil 
gebrmnehey die Sraetanng aber nielit bej den Harggraftlinmb HUra, 
sonder fon alUüeaigni Contributiona Ftando erhellet in «erden, man die 
Billiehkeit an aeyn eraehtet and an allergnidigaterBeangenelimang deaaen 
nmao minder anatehet, alaa dieae Provialon in alleriUkliBten Dienat in 
Verpflegung der Arm^e gewidmet nnd realiter abgegeben. 

IHeae non gnns aoaBerordentUehe Praeatationea machen eine Snm- 
maro von 351. 867 fl. 86 kr., worunter noch die Versehung des PalfBsdien 
Corpo mit d«men zugegebenen Husarn, noch die auf Quittung und zugleich 
uütuiiorter Dnigibii .luf W agen beförderte llegimenter Waldcjrir und Molckh 
nebst anderer durch laarchirten Mannschaft erhalten und man deren Genus 
erst auf bcsspron Ruhestand wirdet vorläüslich erweisen können. 

In Krallt vci rer von lobl. Hof-Deputation freundschalTtlich herHber- 
gegebejioii zwoyen iusiuuaten sub dato 17*^" und 18^" currontis v^udet 
wogen aus Königl. Waldung bey Purkerstorff vor das Miliüire ver- 
wendeten 7U0 Olafftt-r Holz die gutmachung angefordert, und dass denen 
ob der Ennserischen Löbl. Herren Ständen die gewöhnlich limitirte Aus- 
fuhr deren 13. 000 Emmer Land-Wein verstattet, — die neuere zu er- 
richtende Haubt-Magaiin dermahleinstens und nach aller m(if Uchkeit au- 
gefühltf und endlichen in lezteren Intimato wegen grassierender fieftcbe 
in Hungern einige vertraate officianien angeordnet werden mAchten: 



* Beilage L. .Lifferung sor KOnigt. Annde oacher Zhiblug' (V. V. H. B.). 



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243 



Auf die Ersetzung des abgängigen Holz hat man das Commiseariat 
'/u vernehmeD beschloKKen. es ist aber hiebey beliebig zu veimcrken, dass 
die K9nigl. Trouppen es uberkouimen. mithin die Uof-Oammer oder 
Ministerial-Banco Deputation es als ein zu allerhöchsten Dienst ge- 
widmetes, und verbrauchieh Guth f»T projino zu biissen habe; 

Wo entgegen die Hinanspassu ung deren 13.000 Emmer Land Wein 
nach 0. Ö. in keine quaestion zu ziehen, allpnnassen es gewöhnlich, auch 
die Aufschlags geföhl unter sicheren Cameral-Bedingnusen pro hypotheca 
anhero überlassen, die Land-Magazin aber ist man ohne deme, wie 
puncto 14^° erwebnet mit dem Aber die Haas-Nothdüi-lTt annoch aufzu- 
bringen möglichen zu verMlieil begriffen, jedoch an der Fonnge leiget 
adi der gröste At^gang, dan za Veraehung des Palffischen Corpo ist ein 
tfiglicber Consumo erlorderlteh gttwcMn, der Feind hat anch sehr Vieles 
entoohmen, also, dass Ton hier mittl sn Tersehaffen seyn wirdet: 

Betreffend die Able Se&eh in Hnagem, scheinet et dennahlen nicht 
an der Zeit sn seyn in neuere Ausgaben sieh einsolassen, massen der 
Htir mit dem Unterthan wie anch das aerarinm selbsien das instantanenm 
nicht m bestreiten Yermag, ond man beynebst der gesicherten Hoffhnng 
8^ will, dass in Hvngam alle Circomspection weide getrofen werden, 
nm dieees Übel seitlich sn dämpfen. 

Damit aber anch die I5bl. drey obere Herrn Stftnde circa Statnm 
des in peastmnm casmn sn verlassen gewesenen Land-Hauses deutliche 
Avsknnflt haben mfigen, so ist respectn des Ober-Knnehmenunts nach- 
stehende Ymchtigkeit durch die Herren Verordnete gebraucht worden, 
dass SU Beybebaltnng des Stftndischen Crediia alle Interessen nach 
aflsserster möglichkeit richtig abgeftthret, deren Landsehams Offieiers 
Besoldungen, welchen die Hälffte auf dieses laufende Quartall zu eigener 
Proviantirung allschon vorgeschossen. Secundum exigentiam nachgetragen, 
dem Bau-schreibei in beschwarlichsten umständen etliche wenige hundert 
guldon gereichet, die Schanzer samt Proviant- Fuhren gezahlt, und den 
löbl. l'altlischcn einquartierten Cuirassior-Regimcü! in so lang es in der 
Ca^anne gelassen, dieLeluiuiig abgegeben, übrige Zaliliuigen aber gänzlich 
Sii^tiert, mit der Beobaclitung jedoch, dass die iu hoc frangenti nebst der 
Beysteur auf hrvchstens 150 ni. 11. bewilligte anticipation zur Defensions- 
Oassani nach proportion. als der Krlag beschiohet, der Herr Ober-Ein- 
nehmer baar bezahlen, in ein grosseres Quantum aber mit nichten sich 
einlassen solle. 

Über diese, als den Haubt-Punct der Gasse getrofene Einrichtung 

ist auch denen subordinirten Stellen per Decreta beygegeben worden, 

dass die Notbwendigste, ond wichtigste Scbrifflen in die Canzley, oder 

16* 



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244 



allenftüils anctoiD wohlvannlirU ifewMlMr luringen, Hnrr BncUnltar, 
Kegistrator und Expeditor mit denen hier mbl«b«Bd«u Offieiera, so 

lang, als thuoutlich frequentiern, zwey aber von jeder Stelle täglich in 
Landhaus VVacii balleu» und die Hunu Secretaribü die obur-AulMciiL 
tragen: 

Ingleicben der Landschafi'ts Bau-schreiber mit denen Troiupettern, 
Thorstehern, Betten. Thorwartl und Ilaizer die Verwahrung, Rnnderiich 
auf einige bouibardirung auf sich lu hiuüu, mithin allor Ffucrs Uofahr 
retten helffen solle, allermasscn denenselben in derlühi rn Hei ion>Stifldä 
Wohnung deren Bedienten Z.innnm- zum Unterkonun-Mi aiit^ewusen. 

Mit der Academie hingegen ist nach der m leztöier Ibbl. Ständischen 
Yersamblung gepflogenen UnteiTeduug eB beobachtet woiden, nemblicb, 
dtM die Herren Academisten zu ihren Eltern, oder Frefinden entiaafien, 
H«rr Dinctor samt d«n Patre Biblioiheoario und Traiteur aber in die 
Stadt gezogen» welchen beeden letteren tach in Landhaua einige Qe- 
legenheit eingeranmet: 

Wie nun begr lo beeebebener Disposition mit den Ober-Binaehmer- 
amt» denen Snberdinirten Stellen und der Aoadenue aelbstent ee in Ord- 
nung gerichtet, als ist anoh in leichterer Anfhaltong des feiadlkhen 
gewatti ein Bacb-Ofen in Landhaus erhanefc nnd awey Hand nehrt einer 
eilnKiCühl Ton Holt errichtet, um in Fahl höchster Noth denen IMil 
Landes Mitglidem aelbaten, wie anchdenien Laadtohaffte Of&cieni, aelwt 
andern hiehero gehörigen snhordinirten, aaf Yerkngen mit mahlen und 
hachen beyznspringen, welches dan nm so thnentlicher geechienen, als 
ohne deme in Heyl. Crefltnr-Uof, in LsadschaiRl. Baal, und nof der 
Syndicate-Wohnnng alle sehwfln Kiöhmdl geschittet, folglich nm den ge- 
sezten werth die nntnmlien nach Nethdnrflt sogleich sn erlangen ge- 
wesen wären. 

So Verreres und Schlüsslichen wäre es um die Sicherheit des löbl. 
Verordneten Collegij zu thuen, al8 welches in kraHt allcr^;n:tdiL,'!iten Hof- 
Decrets von 16^'" T'"^'" auf das L,vn>( sich hatte begeben süiien, um e« von 
den gänzlichen Untei-gting nach iiiallten /.u retten: 

Anfänglich ist die Stadt Pruirs- in Vorschlaf» irf'wcsen. wie aber der 
Feind diesen Orth wessen allzu ualiender Situation auf würkbiicbtj iie- 
lagernnir dabiesigpr l\-'sideuz Stadt überfalleu, mitbin das löbi. Ver- 
ordneten Collcgium aufheben können: 

Als ist, um nicht so sehr exponiert zu seyn, von dem üof entgegen die 
weither« allergnidigste VerhaltnngsbefehleinhoUen sn ktonen, Jüiunbacb * 

* Viertel unter dem Wienenrsld, Jetet poliÜMher Besirk Wiener-lTeiiitidt. 



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M5 

7,\\ mvhioTdu Sicherheit erwehirt wvirden, welches auch Uurch weilheres 
Hüf-Decret von 9«'" Octob. 1(41 v:nt geheissen. 

Der tiöttlichc Beystand hat jedoch dieses Schrök -Volle ['imi aichU 
bahrlich abgewendet, indemc der Feind von sich Selbsten aus denen nll- 
schoD besezten benachtbartoD Stadt und Märkten abgezogen, mithin Sio 
Herren Verordnete beständig dahier aaszuhalten, und die ftltiste drey der 
kdnigl. Deputation abznwarthen, das Vergnügen gehabt. 

Ihro Hajtt die Königin haben Aber den Patriotischen Eyfer, -und 
die so angelegentlich besorgte mit! (um dahiesiger Kesidens-Stadt und 
Veetnng so wohl mit Proviant, Foorage, als anticipation, denen la olin- 
gemeiner TerfiMMnuig b^^geechoflleD arbeite Lefithen and vielen anderen 
eigftbjg«n Conenrreiitien nntenMien sn belffen) mit denen sartli€]iBteii 
Auadrfleknngen in einen gant besondem Hof-Deerei allennildist ange- 
riUuiet, nebttTemclienuig, dieie getrefl- Standhafft- and dutbewegfidke 
Beieigiing in aU- erdenklichen VorfaUenheiten in erkennen. Weleh- 
allergnidigatee Wohlgeftdüen audi dem gelieMen und ven Feind raapeetu 
beeder oberen Tlertln aebr empfllndlicli mitgenohmene Vatter-^Land noch 
an einigen Trost gereicbeti wiewoblen der hierunter erlittene Schaden 
and die von einigen hochaniehnliohen LaadesniilgUedem auagestandene 
hirtiate ganalt in einigea Jahren nicht an wrMhmeraen aejn »irdei 

Mit «eldi* nmatiikdlidien rolationirung Ihnen I6bl. drey oberen 
Herren Ständen Sie Herrn Deputirte sieh dienatfreündlich empfehlen. 
Actum Wienn den drey und zwaynzigsten Novembris, Siebenxehn hundert, 

In dorn: »Denen lübl. drej oberen in gegenwirtbigon Land-Tag 
▼ersarableten Herren Ständen dieses En-Herzogthnmbs Österreich nnter 
der Enns von deroselben hinterlassen bevollmächtigten ständischen Herren 

Beputirten in Freundschaft zuzustellen * 

Darunter das Siegel des Grafen Johann Ferdinand vuu i'crgou, 
Verordneten des niederusterreiciuscheu Herrenstandes.* 

Cnnt Iiisum: , Diese deren bevollmächtigten ständischen Herrn Depu- 
tirten er-itaitetc rdation in der registratur bey die Land-defonsions und 
proviantininik's rieten besteu Fleisso« auf zubehalten, uud wolicu t-s die 
Itibl drey obeie Herrn Stände bey allen hierinftils srstroffenen Voran- 
staltongen allerdings ratiAcirter bewenden lassen, wie dan deren weitheren 

Vater d« Stülhalten Jobaim Anton Qialbn von Pergen, 1684—1706. 
Ten naS—lTM Yerndneler dee n.-8. Hemortudet. VgL «Die n.-Q. 
Statthallevei von 1501—1890% Wien 1807, ft. 451. 



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^46 



Hoff deputationen Sye Herrn depatttte bej xa wo]iii«ii und i» alwlbst 

vorfallonde Wichtigkeiten, wo die löbl. drey obere HerraSttnd« vonunUet, 

mithin die VollmHcbt cuui libera aufhöret, uiitls begleitenden guttachtens 
fübrohiii anzuzeigen belieben werden. 

Wienn in Lftadtag dem 84. 9^ 1741.' 



Yerzeicliiiih der BeUageu. 

I. Di« niederiSsImmidiiMhen stindivefaen Verorduete» «n die Ober> 
commisiRre der oberen' Viertel, eineo feindlicheii Binfidl in 
OberArtetfeieh dmeh SCeffettoD neeli Wien su berichten. Wien 

1741, September S. 
H* |jU)n'fr'i<''"'s Decret mn die oberen drei Stände von NiedGrftstPrreicli 

btitruffs der Gründung einer UofcomtnisAiou zur Vertheidigung 

der Hatiptifitiidt. Freusburg 1741, September 11. 
m. Die stäDdischen Verordneten sorgen f&r Verproviantierung Wiens im 

Falte einer Belagerung. Patent» Wien 1741, September IS. 
IV. KOnigBchee Deerek an die drei eberan SUnde, Geld anfknbringen and 

die Laudeskleinodien von Klostemeubii^ in die Burg an Mhiffen. 

Pressburg 1741, September 15. 
V. Königliches Decret, wie '<u')\ die Stämle }iei Aniiälieruug de» Feilides 

verhalten sollten. rre)<sbiirg 1741, September 16. 
Vi. Königliches Uecret, wie sich das niederösterreichiscbe Verordneten- 

CoUegium im Falle einer Belagerung Wiena rerbalten aolle. 

Pfewbwf 1741, September 19. 
VIL Die Verordneten an die Commissäre der oberen Viertel, fliier die 

feindlichen Bewe^^aogen tUglicb lu bericbtee. Wien 1741, Sep- 
tember 10. 

VlU. i>ie fitiiiidiHclien Dei)Utiertcii zur Tlnfcommiäision l)erii liteii an die 
Königen über ihre bisherige Thätigkeit Wien 1711, iiJeptember ID. 
IX. Anonyme GeMaadtenrelalioii vom Hollager Maria Theredaa übor die 
VerbBltnime in Wien und Ungarn. Premburg 1741, September SB. 
X. Beridit des Obereommlasirs für da« Viertel ob dem Manbartsberg, 
Franz Friedrieb Gialeu Engel Uber die Untemebmnngen dee In- 
v;L«Tr>TT<bceres. Krems 1741, SpptemJn r -JO. 
XI. Forderimgeii der zur Vertheidigtin^' und Vfrproviantioruug Wien» ein- 
geseteten Hofcommissiou von den ständischen DepuUerteu. Wien 
1741, September 30. 
XU. IXe Verordneten wtiaen die Bevölkerung an, wie sie «ieb beim Mähen 
des Feindes an benehmen habe. Patent, Wien 1741, Ocfeober 4. 
Xlil. Anonyme Gesandtenrelation Uber die Lege in Wien und Pr e mb nig. 
Pressburg 1741, Ootober 4, 



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247 



XIV. Bericht den Obercoinuiiusän» für dua Viertel ob dem Wienerwaide, 
Qnkn Brtirt Ferdiiuuid y. Anenpeif;, Umt dM Einrtteken 4m 
Feind«. Parwvth 1741, Oetobar e. 
ZV. Berieht dei Johann Geor^ t. Sehobv ftbar dm beabaiehti^ten Uebnr* 
fall MenselB auf das leandUclie Lager bei 8t. Pölten. Wien 1741» 
October 24. 

XVI. Bericht des Viertels-UntercuiutDiasärs Jakob WeiuLardi iit>er die Ver- 

beeruugeu der Franzosen. St. Polten 1741, Octuber öl. 
XVIL Feldmanchall KheveohttUer an den Fflnten Lobltowits Ober den 
Büeksng des Feiadee; entwiekelt feinen Omndgedanken für die 
Operation gegen Baieni. Wim 1741, NoTember 1. 
XVm. Denk der Königin au die Stande för ihre Baltuof wlbrend der 
Invasion. Pressbnrg 1741, November 2. 
XIX. Oie ständi.tclien Deputierten zur Hofeomiin,*sion an den Untercunimi.s.s:ir 
Jakob Weinhardt wegen der küuiglicheu Trup^n. Wien 1741, 
Novemb^ 3. 

XX. Beriebt dee inbetitnierten Obereonuniieici lllr das Viertel ob dem 
Maoharlibeige, FMberm Job. JtiL Chrietepb Oillei% Uber 
die Bewegongen dee Feiadee. Undaliefft Ptaee. 1741, No- 
vember 3. 

XXL JJ«raelbe Berirht^^rstattor iUipr dfn Abzug des In vanionsheereii, die 
mitgeschleppten Uei.itlu iiu<l tnui^'etrtebeneu Cuutributiouen. Un- 
datiert. Praeii. 1741, November 7. 

XXII. KOaigUflbee Oeeret, beraft die Stiade «teder ein. PreiMbnig 1741, 

NoTenber 16. 

XXIII. KSnigUebee Petent an die Stlnde wegen der fbindlieben BedrOelcnngen. 

Pre«sbai|f 1741, November 20. 

XXIV. Königliches Decret, heischt Mitwirkunrr des Landes ftir den geplanten 

Zug KheyenliUllers nach Haiern. Presshurg; 1741, November 'ia. 
XXV. SchluMbericht der stäudiachea Deputierte» /.ur llofcomrai^aiun au den 
Landtag Uber ihre Thätigkeit in der luvasionszeit. Wien 1741, 
November 88. 



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CA8AT1 UND PlLLEßSDOMi^ 

UND 

DIE ANFÄNGE 

DBB 

ITALl£NISCUEN £INfl£lTSfiEW£QUI<ti. 

MIT BINEH URKUNDLICHEN ANHANOE. 

FREIH. V. liULt'EUT. 



ArskiT. XCI. Bmai. U. Hilft«. 17 



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Chranologisehe Uebersielit» 



1785. October G. 
1787, Soptcuiber 18 
1798, August 2. 
1806, October 14. 
1814, April 20. 

1816, August bis 

1817, Februar 
December 88. 

1880, JQÜ 1./3. 

2. 

Angittt 
1821, Min 

Aognst 
1828, Decamber 

1824, Januar 
1826, Juni 6. 

18. 



1 



1828. 

1830, Mai 8. 

September 16. 
1830/1, 



Federico Confalonieri geboren, 258. 

Teresa Casati geboren. 257. 

Gabrio Casati geboren, 257. 

Teresa Casati mit Feder. Confalonieri vermählt, 257. 

La bataille anx paraplaies in Mailand, 259. 

BeiaedeaEnbflnogsBainer durch Ober-Italittn, 268. 

Erzherzog Bainer, Vicekt^nig von Lom* 
bardo-Yenetien, 263. 

AoBtandk der BoToIution in Neapel, 260. 
BinzDg der Priniessin Elisabeth von SaToyen- 

Carlgnan in Mailand, 264. 
Qabrio Casati snm Jor. Dr. promovirt, 260. 

Milit&rreToIte in Tnrin nnd Alessan- 
dria, 260. 

Gabrio Casati snm Phil. Dr. promoyirt, 261. 
Gabrio Casati mit Grafen Titaliano und Grftfin 

Teresa Confalonieri in Wien, 261. 
Andiens Casati's beim Kaiser Franz, 262. 
Graf Ferdinand Bnbna f* — Baron Frimont an 

dessen Stelle, 264 f. 
Denkschrift der iombardischen Central-Congregation, 

271—274. 

Gabrio Casau mit Nobildonna Luigia Bassi ver- 
mählt 283. 

Casati Vioedirector des Gymnasiums S. Alessuudro, 
28 3 f. 

Graf St: aböüido f. — Graf Franz Hartig sein Nach- 

foiger. 265. 
Teresa Confulouieri f 284. 

Bevolution in Frankreich, Aufstände 

und Unruhen in Italien, 277. 

17* 



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252 



1831, November 19. General Graf Frimont f in Wien. — Hadetzky, 
Commandirendcr in Lombardo-Venetien, 265. 
1 H36. Federico Confalanieri vom Spielberg entlassen, 284. 

lb3S. Krönung: der Majestäten in Mailand, 285 f. 

1840, August 10. ErötTuuDg der Bahnlinie Mailand — Monza, 277. 
1842, April Erzherzogin Maria Adelaide mit Victor Emaauel 

von Sav(>yen vermählt, 288 f. 

1844, Sept. 12. /l 7. Congrcss d. italienischenUclehrten inMaiIaud,28;)f. 
October 17|19. Casati an Pillersdorff, betreffend die Wünsche und 

Bedürfnisse des Landes, 291. 

1845, Mai 19. Dergelbo an denselben bctrelTend seinen Eintritt 

in den Staatsdienst, 293 f., 428—430. 
Juni 8. Ebenso 292. 

18. Ebenso 294. 

September 29. Antonio Bellati Provinzial-Delegat in MaUand, 294. 

1846, Jont 1. Oregor XVI. f 20G. 

21. Papstkrönnng Pius IX. 296. 

Jnli 16. AmneBtie-ErUsB Pins IX. 297. 

Gelehrtencongress in Oenna, 298 f. 
NoTsmlMr 19. Cardinnl-EnbisGhof Gnf Gaisnick f 800. 

24. Gssati an PiUeradorlF, 480— 488. 
December 5. «Cacciata dei Tedesehi di GsnoTa', 299. 

10. Pedsrieo Con&lomori f 808. 
80. Todtonfoier bd 8. Fodsls, 804. 

1847, Jsnnar 20. Casati an PillendoTif,betrsliuid die WisderbesefniDg 

des enbiseliOfiifllien Stuhles, 808 ^), 805. 
P^bniar Anfttand in Prindpato Citeriors, 809 f. 

10./18. Erliebung der Brtder BattioU im Caaton 

Tessin, 810. 

April 10. Ernennung Romilli's zum Erzbischof Yon 

Mailand, 313. 
16. Torresani Sohn f. 317. 

24. Uettemich an Leopold IL über die italienischen 

Zustände, 311 f. 

25. Feierliche Auffahrt der Mailänder Municipalität in 

Cremona, 313. 
Mai 6. Richard Cobdon in Bologna, ,S14. 

8. Presserleicbterungen in Toscaua, 312. 

21. Cobden aus Turin an Minghetti in Bologna, 

314. 



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253 



1847, Mai 30. bis Juni 5. Kicbard Cobden in Mailand, 315. 



Ende Juni. 
Juli 12. 

14. 

15. 



XI. 

Augufit 1./2. 

11. 
21. 

23. 

26. 

28. 

September 1. 

4. 



6. 



8. 



9. 
10. 



18. 



18. 



15. 



Casati in Turin. — Manritins-Ordeo, 316. 

Casati an Pillcrsdorff, 307 

Cesare Cantii vor dio Polizei geladen, SIR. 

Unterdrückung der Saufedistenverschwö* 
runer in Rom. 319 — 321. 

Demonstrationen in Ferrara, 322 f. 

Verst&rkiuig der k. k. Garnison in ferrara, 

324. 

Capitan Bart. JankoTich in Ferrara gewaltsam an- 
gefallen, 324. 
Casati au Pillersdorff, 307 0- 
Aufruf der Mailänder Municipalität zu Ehren 

Eomilli's, 332. 

Metteruich's Instructionen für ficquelmont und 

Schreiben an Kadetzky, 330 f. 
Inzaghi an PillersdoiiT über die iofflbardiech- 

venetianischcn Zustande, 329. 
Ficquelniont an RaJetzky, 331. 

Aufstand und Kämpfe in Mussioa, 360. 
Ankunft Romilli's in Mailand, 833. 

Leopold II. bewilligt BOrgerwehr f&r Tos- 
cana, 377. 

Glänsende Stadtbelenchtnng su Ehren des 
nenen Erzbischofs, 333f. 

Schreiben Mazzini's an den Papst, 3C8. 

Wiederholung der Illumination. — Tumul- 
tnarische Störung des Festes. — Ein- 
schreiten der bewaffneten Macht, 384 bis 
836. 

Neuerliche Störungen in Mailand, 837. 
PoliMiliche Kandmachnngen. — Verwahnmg der 
Municipalität, 387f., 438. 

Anfttinde und Qewaltthaten in Gslabrien, 
860. 

Karl Lndwig von Lucca lieht sich Ton den 
Geschäften xnrflck, 869. 
Grnti an Pillersdorff Aber die Yeigftnge am 8. und 9, 

889—844, 488—441. 
Casati an den Podesih Dragoni fon üdine, 841 0, 
441—443. 



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254 



1847, St'pteinb. — Casati, Vitaliano Borromeo, Areso u. a. in Turin, 

350 f. 

21./22. ünruhon und Verhaftungen ia Livomo, 

369. 

S5. Erzbischof Romilli Geheimer Rath, 351. 

86. Pillersdorff an Casati Qber die Wünsche des Landes, 

351—355. 
„ Torresani an Sodlnitzky, 445 — 453. 
October 1. Auflauf in Turin, 365. 

2. Hinrichtungen in Gerace, 360. 

8. Sedlnitzky an Spaur, 345. 

4. Ebenso in Reggio, 360. 

, Pias IX. Qber den Missbraach seines 

Namens, S49f. 
6. FML. Graf Ancrsperg ans Fenara an seine 6e* 

mahlin in TreTiso, 464—466. 
8. Pins-Demonsirationen in Yarese, 847. 
, General Sonnax in Genna, 864. 

14. Eommel in Ferrara, 871 *). 

1 5 , Pius K. bewilligt eineConsnlta diStato, 867 . 
18. Casati an Pillersdorff Aber die Hothwendigkeit von 

Beformen, 807 851—855, 466-^468. 

— Angebliehe YerscbwOrnng der Paveser Studenten, 

878 f. 

— Graf Fieqnelmont in Iftailand, 848. 

S9./d0. Chuati mitCorboli-Bossi und Hartini in Turin, 855. 
80. Beformen in Sardinien, 866. 

November 8. Zoll- und Handelsbflndnis swischen 

Sardinien, Rom und Toscana — 

Corboli-Bubsi nach Modena gesandt, 
373. 

, Eundschroibeu llomüU's über die päpstliche Allo- 

cution vom 4. October, 350. 
4, Karl Albert in Genua, 373. 

6. Modenesische Trappen besetzen Fivizzano, 

370. 

10. Casati au PillersdorlT, 355. 

14. Kaisorl. Handschreiben an Erzherzog 
Rainer wegen Verkündigung des Stand- 
rechtes, 378. 



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255 



1847, Hovemb. 15. 

16. 

dl. 
38. 
88. 
2i. 

29. 

Ddcemb^r 0. 

8. 

9. 
10. 
• 

11. 



18. 



81. 



84. 



31. 

1848| Januar 1. 

1./2. 
8. 



8. 



Znaammeiitfitt der rtnlMli«!! Oamalte di 

Stato, 368. 
MarialKwiBe in Panna mit JijW empfangen, 

471. 

Boesbacher aos Haiiand an Huyn, 468—478. 
Geaare Gantft ana Hailand an Pomba in TniiD, 47 8 f. 

Schlacht bei Gislikon, 868. 
Besetzung von Luzern, 363. 

Capitulation von Wallig, 363. 
Oesterreich- feiüdli che DemQiibLra- 
tionon in Genna, 374. 
Denkschrift Nazzan's Ltsi der lumbaidi- 

scben Cent! al-Congregation, 856. 
GM. Meügewein aus Verona an Huyn. 474 — 477. 

Politisches Banquet in Genua, 
Graf Mellerio in Mailand f, 375. 

Maria Louise von Parma f — Karl 
Ludwig von Lncca, 376. 
Zusammensetzung einer Commission Qber den An- 
trag Nazzari, 356. 

Aufläufe in Modena und Kcg'f,Mo aus Aulass 
der Anwesenheit Corboli-Bussi's, 375. 
Berathuug der Mailänder ProTinzial-Congrogatiou 
über die Denkschrift Nazzari, 357. 

Manifest Karl LudwiL^'s von Parma, 376. 

MilitärcouTention zwischen Oesterreich und Modena, 
376. 

Piu8-Messo bei S. Eustorgio in Mailand, 381. 
Cif^arrenruininel in Mailand, 383 f. 

Revolutionare Aufschriften in Mailand, 477. 
Herausfurderung" der Kauchenden — Kin- 

schreiten der bewaffneten Macht, 384 

—386. 

Erneuerung der Excesse — Die rauchenden 
Corporäle — Deputation bei Badetzky, 
387—389, 408 f., 493 f. 

Lieutenant Joseph JUd^i an Hayn (?), 477—479. 

Schreiben eines Ungenannten ans Mailand, 479 — 
481. 

Srzbischof Romilli an der Spitze einer Deputation 
beim Vicekönig, 390. 



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256 



1848| Januar 4. Demonstration in der Scala, 409. 

6. Ansprache des YieekOnigs an seine ,Diletti 
HiUnesi', 891. 

6. Schreiben eines Uugenannien aus Fadna an Hnyn, 

483 f. 

7. d'Aspro aus Padua an Huyn, 184 — 466. 
9. Cigarrenrummd in Paviu, 393. 

„ Kaisorl. Manifest an die Mailänder, 404 f. 

10. Todtenamt in Born für die Opfer des 2. und 

3. Januar, 392. 
^ Manifest der Studenten wegen Versciiiebaog 

der Rache 394 

11. Consul Dawicins in Mailand an Lord Palmerston, 

394 »). 

„ Bestrafung des Giuseppe OoUa wegen thäiUcher 

Beleidigung des Fodestä, 4 03 f. 
18. Gerhardi aus Verona an Huyn, 405 f. 
, Beschwerde des Mailänder Municipiums an den 

Grafen Spaur, 403 f. 
14. Majest&tsgesuch der Mail&nder Hunicipalitftt, 408. 
, Kengewein ans Terona an Hii|n, 403^). 

16. Bescheid Spaar*8 an die linnicipalittt, 404 

^ Tagesbefehl Badetzky's ,Noch ruht der 
Degen' etc., 406 f. 

17. Metternich an Elcquelmont in Mailand, 414 *). 

18. Metternich und Harttg Aber die in Lombardo- 

Venetien einzuführenden Beformeni 418 f. 
, Gasati an Pillersdorff über die MaiUnder 
Ereignisse, 356 406—410, 425, 486— 
600. 

85^ Beiseixung der Leiche Maria Louisens in 

Wien, 376. 

31. Bericht Crippa's über die Vorfälle am 2. und 

3. Januar, 39') f 
Februar 1. Graf Wratislaw aus Mailand an Huyn, 500^ — 502. 

6. Kaisorl. Hand.scliroiben an Grafen Taaffe, 503. 

7. Bossbachor aus Mailand an Huyn, 503 — 505. 

10. Pillersdorff an Casati, 4Mf. 

11. /13. Hofmann aus Verona an Huyn, r)05. 
20. Verona, Meugewein an Huyn, 505 f. 



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1. 



Die Gasati leitoii, wie bei Teitoni nnd Saladini Teatro 
araldico II zu finclen ist, ihren Ursprung aus dem Anfang des 
zwölften Jahrhunderts her, gehüren seit 1258 dem Adel von 
Mailand an unl haben von da au ihren Mitbürgern in Krieg 
und Frieden daukcnbwerte Dienste geleistet.^ In Tibaldo Bio- 
grafia degli Italiani illustri IV 23 f. wird ein gelehrter Theologe 
Michele Casati ,nato d' illustre familia in Miiano' erwähnt, der 
1782 als Bischof von Mondovi starb. Ein Verwandter von ihm, 
Conte Caspare, in seiner Jugend Edelknabe am Hofe der 
grossen Kaiserin, hatte in erster Ehe eine Maria Oricironi zur 
Frau, die ihm am 18. September 1787 eine Tochter gebar und 
auf den Namen Teresa taufen liess. Seine zweite Frau war 
Laigia aus dem gräflichen Geschlechte Settala und von dieser 
stammte Gabrio, geb. 2. August 1798. Wie sich die anderen 
SOkDe und Töchter des Grafen Caspar auf dessen zwei Ge- 
mablinen vertheilen, habe ich nicht finden können.^ 

Gabrio's Kindheit fiel in die Tage der cisalpinischen Re* 
pubhk, sein Knabenalter in jene des Königreiches Italien, dessen 
Yicekönig 1805 Prinz Eugen Beauhamais wnrde, der den Glanz 
mid die Machthoheit seines Gebieters an der Seine zu ver- 
gegenwftrtigen hatte. In dieser Zeit führte der zweiundawanzig- 
jAhrige Federico Gonfalonieri Gabrio's am mehr ab zehn 
Jahre ältere Schwester Teresa zum Altar, 14. October 1806. 
Eine zweite Schwester, Contessa Giuseppa, reichte etwas später 
dem Grafen Antonio Darini ihre Hand.' 



' CtMti selbst rühmt 18. Januar 1818 dem Ostorreichlfclien Hofkanslttr 
gegenüber seine Familie, ,clont rbUtoire 86 perd dans robscurit^ des teropK*. 

' Bio^afie dei MembrL de' cessati Governi proviaori. 2. Clnbrio Casati occ. 
Italia 1850, 8* 15 8. Cenni bioprafici di 8. E. Conto (jabrio Casati, 
Milaoo 1871, 8'-, 39 8. Die letztere Schrift int voll Loh, die entere roll 
T«d«I 4li«r unMraii Httldan. 

* CvMiii atorU di Miltao Vm W A&m. nmt Ihn »fratello di T«r«M 
ConlUoiuari'. 



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258 



Die Oonfalonieri gehen an Alter und Ruhm ihres HauBcs 
den Gasati noch weit voran; sie ^dtt-n als das älteste Patricier- 
geschlecht von Mailand. Aus dein aeliten Jahrhundert hüten 
sie das Vorrecht her, dem jeweiHgen Nachfolger des h. Am- 
brosius, wenn dieser seinen feierlichen Einzug in die erzhischöf- 
liche Stadt Mailand hält, zu Pferde das Geleite zu geben. Der 
Name Oonfalonieri verwebt sicli mit den Namen Karls des Grossen 
und Friedrichs des Kothbarts. Im dreizehnten Jalirhundert lauert 
ein Confalonierl, von religiösem Fanatismus {rctriebcn, dem ]iäpst- 
lielien Inquisit*ir auf und mrifdit ihn mit ei<;ener Hand zur Leiche; 
die Kirelie hat den i'^rmordcten später als , Peter den Blut- 
zeugen' heilig gesprochen. In der zweiten Hälfte des acht- 
zehnten Jahrhunderts finden wir den Grafen Vitaliano mit 
seiner Frau Anna Cesnedi als treue Anhänger des Haiues 
Oesterreich. Er steht als k. k. Kämmerer dem Erzherzog Fer- 
dinand-Este von ^lodena nahe, seine Kinder wachsen mit jenen 
des erzherzoglichen Paares, darunter die nachmalige Kaiserin 
Ludovica, auf. 

Graf Federico war in dem Hause seines Vaters in der 
Via dei Tre Monasteri (Drei-Kloster-Gasse) am 6. October 1785 
geboren. Seine Entwicklang schien za den schönsten Hoffnim- 
gen zu berechtigen. Als jnnger Mann war er der L((we von 
Mailand, nach der neuesten Mode gekleidet, das Orakel in 
allen Dingen des feineren Tones, geülhrlich den Damen — 
,che tanti d' amorose donne sguardi traeva su' (SoalTini) — , 
aber anch gefährlich den Männern als gewandter Hand- 
haber des Degens wie der Pistole. Nach seinem Charakter 
war er eme Mischung der Terschiedensten Eigenschaften 
nnd Stimmungen, jetzt fest und entschlossen, ein ehrgeiziger 
Streber, nicht immer wählerisch in dem Gebrauch seiner Mittel, 
dann wieder biegsam und geschmeidig, leichtfertig und ver- 
LrauensvolL* 

Wenn in solcher Weise die Urtheile über den Grafen 
Federico verschieden lauteten, so waren alle Stimmen einig in 
der Lobpreisung der Gräün Teresa, einer Dame schön von 



' £tiid« BOT rhifltoire de la Iiombvdie (Paria laüBtA IfiMj Veffmrin 
FOratiii Belgfioioso) 161 f.: ,0n ne lai a pM oonnis dos psMions förtm, 
mais on Ta aonvent vu s'animor et prendre fen eontM teile ebose oo eontra 
teile penonne qni lai d^plaiaait* 



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259 



Gestalt und rein von Sitten, geistvoll und von edler Bildung, 
an die sicli als Frau die Verleumdung und Klatsehsucht nie 
heranwagten. Wenn ihr der Vicekönig in auffali* iuli r Weise 
den Hof machte, so blieb in der öffentlichen Meinung ihr Huf 
makellos; Eugen's Gemalilin nahm sie als Palastdamc an ihre 
vSeite.* Der junge Graf zeigte sich dem viceköniglichen Regi- 
ment nicht sehr hold, was einige der Eifersucht zuschrieben, 
andere seinem Hochmuthe, der sich durch das Anerbieten 
Engen's, ihn zum Oberststalhncister zu ernennen, nicht ge- 
sduneichelt, sondern tief beleidigt gefllhlt habe.' 

Graf Qabrio Oasati war zum aufgeweckten Jüngling her- 
■ngereift, als sich die ÖBterreichischen Ueeressäulcn dem Gebiete 
seiner Vaterstadt näherten. Es erfolgte am 20. April 1814 in 
Mailand die berüchtigte ,bataillo aux paraplnies', die dem fransO- 
nscfaen Königreich Italien ein Ende machte nnd dem Einmarsch 
der Oesterreicher den Weg bereitete. Gabrio's Schwager hat 
sich an den Ereignissen jenes Tages lebhaft betheiligt nnd 
mitunter in sehr heransfordemder Weise. Dass Con£üonieri 
nachderhand die yerschiedenen Einselheiten^ die von ihm er- 
ztthlt wurden, mttndlich nnd schriftlich leugnete, ja in gans 
entschiedener Weise von sich abwies, war wohl sehr begreiflich; 
merkwürdigerweise liessen ihn aber seine Bewunderer und be- 
redtesten Panegyriker in dieser Sache im Stiche. Die Prinzessin 
Belgioioso spricht mit wenig WerthschStzung von ihm, was umso 
schwerer ins Gewicht ftült, als ihre Schilderungen der Reflex 
der allgemeinen ^leinung waren, die man von ihm hatte 5 denn 
üie schreibt nach ihrer eigenen und nach der Erinuerung be- 
freundeter Genossen und Gedenkmanner jener Zeit.* Eigentlich 
gloriticirt ist Coiif ili nieri erst viel spHter worden, seit Bruch- 
stücke seiner Autzeiciinungcn und sehr zahlreiche Briefschaften 

^ Ugo F0800I0 DMiBt sie ^ovinetta saata e Tagbitsiiiia'} Cantü ,douna 
viiitUMriMitna'; Arrivabes« preiat den GrafSen Federico ab ,bello ed 
elcfanle glimuia, mirello tpmo a donna in cni la bellessa, la giasia, i 

gentili modi armonizzavano mirabilmenta Inrieme*. 

' Ho II f.idin i Mezzo seoulo p. 151. 

* iC'est 9XU lui, quo Ton fit peser l.i plus lourdo part de la rospoii.i.ibilito 
dos Äränemeiits de ca Jour'; saiuu liuchtfartiguug stiiumo nicht, weil sio 
in einigen Haaptpoukteu mit unleugbaren Thatsacbon im Widerspruch 
9Uih^, itnde 62 f. Vgl. CantA Cronistofia I 878 aber Co&falonieri'a Hal- 
tong am 90. April : »Cecto la coetoi parte non fu piocola nella rirolnsiotte 
d*alIora e non fn belle.* 



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360 



an seine Teresa und an Ttele der bedeutendsten HisTergnUgteo, 
anm Theil Verschwörer jener Epoche ans Licht gezogen worden. 
All das ist sehr schttn geschriebeni bestechend, voll Schwung; 
allein man kann goldene Sittze ans seiner Feder ffiessen und 
sich dessenungeachtet im Handeln auf unwürdigen Ekltgleisun' 
gen ertappen lassen. 

In der Thal iiudeii wir, als im Sommer 1820 in Neapel 
die spanische Cortes -Verfassung von 1812 ausfrcrufeu wurde, 
die der König und der Kronprinz feierlich beschwüren mussten, 
den Grafen Federico in bedenkliche Machenschaften verstriekt, 
die ihu in den ersten Monaten 1821, wo in Alessandria und 
Turin das in Neapel gegebene Beispiel Nachahmung fand, auf 
die Bahn des Landes- und Iloehverrathes führten. Er beschickte 
durch Personen seines Vertrauens die piemonlesischcn Ver- 
schwörer; er hess sich zum Präsidenten der provisorischen Re- 
gierung, die im Falle des Gelingens in Mailand eingesetzt werden 
sollte, erklären; er fand sich mit den sardinischen Generalen^ 
die einen kriegerischen Einfall in die Lombardei planten, zu 
Kundgebungen des Einverständnisses, gemeinschaftlichen Vor^ 
gehens herbei. 

Sein jugendlicher Schwager lag in dieser Zeit den rechts- 
und staatswiflsenschafUiehen (Jniversitätsstudien ob, ohne dabei 
solche Fächer au vernachlässigen, die seinen wissenschaft- 
lichen Neigungen in anderer Richtung, namentlich Physik 
und Mathematik, zusagten. Ob er die Vorlesungen an der 
Landesuniversität au Pavia öffentlich besucht oder von der Ge- 
stattung des damals gar nicht ungewöhnlichen Privatstndinms 
Gebranch gemacht habe, finde ich niigends venseichnet Er 
wird August 1820 anr Würde eines Doctors beider Rechte er- 
hoben und ist in den Monaten darauf, wo die Bewegung im 
benachbarten Piemont ihren versteckten Anlauf nahm und dann 
bald zum offenen Ausbruch kam, emsig beflissen, den gleichen 
Grad für die exacten Wissensc-haften "zu erwerben. Wohl mochte 
die Rücksicht, seine Studien nicht dureh anderweitige Auf- 
regunsren stiircn zu lassen, aber auch seine grosse Jugend es 
veranlasst hüben, dass er von einem so nahen Angehörigen, 
wie es der Gatte seiner Schwester Teresa war, von jenen ge- 
heimen Bündcleien und Machenschaften ferngehalten wurde, 
die gerade in der Zeit, da er seine akademischen Grade er- 
langte, im eürigsten Gange waren. Jedenfalls kann er sich nicht 



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261 



in der Zahl jener nni^fttckliclien Jünglinge befnndcn haben, die 
sieh Terleiteti Hessen^ in die iron piemontesischen jungen Leuten 
gebildete Minerva-Legion einzutreten. 

Im August 1821 erwarb Graf Gabrio den philosophischen 
Doctorgrad. Doch gerade jetzt, wo er sich berufen fühlte, ins 
praktische Leben einzutreten, kamen Tage, die für die Ge- 
sellschaftskreise, denen er naiiu stand, zu den traurigsten gehörten. 
Denn nun trat, nachdem der Aufstand in ganz Itahon nieder- 
geworfen war, die strafende Gerechtigkeit in ihr Amt, und 
ausser dem Hause Confalonieri gab es noch manch' andere, 
zum Theil den Casati sehr nahestehende F'amilien, die unter den 
rait der Todesstrafe bedrohten oder in der Fremde umher- 
irrenden Opfern eines unüberlegten Wagestücks für einen ihrer 
Söhne, für einen Verwandten, Verschwägerten oder Hausfreund 
2a zittern hatten, die Pallavicino, die Castigiia, die Porro-Lam- 
bertenghi, die Borsieri, die Trecchi und 80 Yiele andere. In den 
nnbeth eiligten Schichten der Bevölkerung waren es fast nur 
die Studenten yon Pavia, die, weil sie als Verführte galten, 
grössere Theilnahme erweckten; das Loos der übrigen lies« 
die Allgemeinheit^ deren peis&nlichea Interesse damit in keiner 
Weise verflochten war, ziemlich gleichgiltig. Denn man darf 
nicht ttbersehen, dass es ja nnr eine selir kleine Anzahl von 
Personen, ein fast Terschwindender Bmchtheil der Einwohner- 
schaft von Mailand war, der sich mit Ideen und AnschlMgen 
beschjlftigt hatte, die durchaus nicht als Ausdruck der allge- 
meinen oder auch nur der Überwiegenden Meinung im lombar« 
diflch-Tenetianischen Königreiche gelten konnten. 

So 6nden wir denn d«i jungen Grafen Qabrio nur in 
einer beschränkten Oeffentlichkeit genannt, als er im Decem- 
her 1823 dem Vater und der Gattin seines unglücklichen 
Schwagers das Geleite nach Wien gab, wo sie die Gnade des 
Monarchen anflehen wollten. Der Kaiser zeigte sich schroff und 
streng; er lehnte es ab die Gemahlin des Hochverräth( i s /u 
empfangen. Tröstlichere Aussicht schien ein Kniefall der (ii;itia 
Teresa bei der Kaiserin zu eröflfnen, die sich von dem Schicksal 
der Bittstellerin sehr ergriffen zeigte und ihr Fürwort einzulegen 
versprach. Gleichwohl licss die Entscheidung auf sich warten, 
während welcher Z< it dci- alte Confalonieri und die Gräfin Teresa, 
nach Mailand zurtickgekelirt, alles in Bewegung setzten, ma 
mächtige und einflusareiche Fürsprecher zu gewinnen. So musste 



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263 

denn Graf Gabrio mitten im Winter von neuem die Reise Uber 
die Alpen antreten, ausgerOstet mit einem von einer grossen 
Anzahl des lombardtscben Adels anterfertigten MajestUtsgesnebe 
und einem die Gnade des Monareben anrufenden Scbreiben 
des Erabiscbofs. Er traf am 3. Januar in Wien ein und 
konnte schon nach wenig Tagen seiner Schwester durch einen 
Eilboten raittheilen, er habe die Zusage, vom Kaiser empfangen 
zu werden. Uebcr den Verlauf dieser Audienz besitzen wir 
keinerlei Auskunft; wir können uns aber vorstellen, dass der 
jugendliche Bittsteller in Wien erfahren liaben wird, dass die 
kaiserliche Entschliessun«; bereits c^efa&st oder nahe bevorstehend 
sei, und gewiss war es mit erleichtertem Herzen, als er am 
14 die Reichshauptstadt verlicss, um naeh Hause die Beruhi- 
gung zu bringen, dass es dem Vcnirtheiiten mindestens nicht 
ans Leben gehen werde. Als er in Mailand ankam, war die 
kaiserliche Eutschliessung daselbst bereits eingetroffen. Sie lautete 
nicht auf Tod, aber auf iebensläugUcben schweren Kerker auf 
dem Brünner Spielberg. 

Ob es die ergreifenden und von so vielen und ansehn- 
lichen Seiten in eindringlicher Weise unterstutzten Bitten des 
alten Grafen Confalonieri und der schönen Gräfin Teresa, oder 
ob es die Fürbitte seiner von ihm so hoch und wert gehaltenen 
Kaiserin Karolina Augusta waren, die den Sinn des Monarchen 
zur Milderang der Yon den Gerichten ausgesproobenen Todes- 
strafe bewogen, oder ob Frans I. auch ohne diese Daswischen- 
kunft, wie in den vorausgegangenen Fttllen der Breseia-Mailsn* 
der Verschwörung und der Polesiner Garbonari, aus eigenem 
Antriebe im letzten Augenblicke Gnade ftlr Recht hatte 
ergehen lassen, das mag dahingestellt bleiben. Beseichnend 
ist nur, was unsem Grafen Gabrio anbelangt, dass er bis in 
eine Zeit hinein, wo er sehr schwere Anklagen gegen die Oster- 
reichische Verwaltung zu erheben hatte, die nach seinem Erin- 
nern milder und gerechter gehaltene Regierung des Kaisers 
BVanz mit einer gewissen Pietät herauszuheben pflegte, wie 
ihm denn überhaupt, nach Aeusserungen in seinen späteren 
Jahren zu schlicssen, sowohl die rersüulichkeit des Monarchen 
als der Aufenthalt in Wien keine Eindrucke unangenehmer 
An zurückgelassen haben. 



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263 



n. 

Es scheint, bevor wir in dieser Darstelinng weiter schreiten, 
am Platse zu sein, dass wir einen raschen Blick auf die damar 
Ilgen Zusttode and leitenden Faetoren des italienischen Doppel- 
königreichcs, namenilioh der Lombardei und ihrer glJInsenden 
Hauptstadt, werfen. 

Die Stelle des Monarchen vertrat im Lande der Vicekönig, 
als welchen Kaiser Franz zuerst den Hoch- und Deutschmeister 
Erzherzog Anton ausersehen hatte. Die Sache zerschlug sich 
indes; über Grund und Anlass des Scheiterns habe ich nirgends 
etwas Amtliches finden können; im Publicum sprach man, und 
dies dürfte wohl das Richtige sein, Anton habe einen Wirkungs- 
ki'eiö beansprucht, den ihm sein kaiserlicher Bruder nicht habe 
srewiüiren wollen. Die Wahl des Kaisers fiel nun auf den 
jüngeren Erzherzog Rainer, Ranieri, den er al)> r zuvor auf 
eine Art Brautschau aussandte, ob er an Land und Leuteu 
und diese an ihm Gefallen fänden. Die Reise, auf welcher der 
£rzherzog nebenbei im strengsten Incognito einen Ausflug nach 
Genua machte, dann die verwandtschafdiclien Höfe von Toscana 
und Parma begrüsstc, nahm die Zeit von der aweiten Hälfte 
August 1816 bis Mitte Februar 1817 in Anspruch und fiel zu 
allseitiger Befriedigung aus. ,AIs er Mailand verlieas,' sagt der 
Geschichtsschreiber Cusani, ,hmtcrliess der Erzherzog den Sin- 
dnick eines unterrichteten und leutseligen Prinzen.^ ^ 

Indes sollten noch Monate vergeben, ehe die endgütige 
kaiserliche £ntsch]iessung erfolgte. Sie datirte vom 33. De* 
cember 1817, wo Franz I. ein Allerhöchstes Handschreiben an 
Erzherzog Bainer richtete, dessen Inhalt sodann am 3. Januar 
1818 in der Regierangszeitung in der Gestalt eines vom 
Obersten Kanzler Grafen von Säur au und yom lombardisch- 
▼enetianischen Kanzler H eller io gegengezeichneten kaiserlichen 
Patentes erschien. Der Kaiser, hiess es darin, habe sich durch 
besondere eingetretene Rücksichten bewogen gefunden, den 
Erzherzog Anton von der ihm zugedachten Stelle eines Vice- 
königs des lombardisch-yenetianischen Königreiches in Gnaden 
zu entheben und an seiner statt (Hir diesen Posten den Erzherzog 
Rainer üu bebtimmen. Um die Mitle April 1818 ging der , halbe 



^ ätoria di Milano VU 332. 



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264 



SouveraiD^i wie die Mailänder ihren Vicekönig nannten, von 
Wien ab, betrat am 9. Mai hinter Äla den Boden des seiner 
Obhat anvertrauten Landes und hielt am S4. in Mailand, am 
7. Juni in Venedig seinen feierlichen Einzug, hier wie überall, 
wohin er auf seiner Durchreisong des DoppelkOnigreicheB kam, 
nicht blos mit allen Ehren und Ausseichnungen, sondern auch 
von dem freudigsten Jubelgrass der Bevölkerung empfangen. 

Es ist begreiflich, dass man im Publicum den neuen Vicc- 
küni>r vermählt wünschte, es sollte iluii eine erlauchte Gemalilin 
zur Seite stehen, und man veilicl auf die Infaiuin Marie Louise 
Charlotte, Tochter der Exköni^n von Etrurien, geb. 1. Oc- 
tober 1Ö02. Doch die Wahl des Erzherzogs ging nach einer 
andem Seite: es war die schöne und geistvolle Prinzessin 
Maria Elisain th von Carignan, geb. 13. April 18(K), also 
um siebzehn Jahre jünger als Rainer, die er anfangs Juli 

1820 in seine Kesidenz einführte. Sie gebar ihm am 6. Februar 

1821 und am 3. Juli 1822 zwei Prinzessinnen, Marie und Adel- 
heid, dann am 6. Juni 1823 den ersten Prinzen Erzherzog 
Leopold, auf weichen bis 1830 fUnf andere folgten: Ernst, 
Sigmund, Rainer, Heinrich und Maximilian Karl. Diesem 
letztem war nur ein kur/es Dasein beschieden; er starb, kaum 
sechs Jahre alt, am 16. Märs 1836. 

Unter dem Vicekünig standen zu Anfang der zwanziger 
Jahre Julius Joseph Graf Strassoldo als Gouverneur, Karl 
Justus Torresani von Lansfeld als Generaldirector der Po- 
lizei und FML. Graf Bnbna als conmiandirender Genemi, 
ersterer emem Gdrzer Gkschlechte entsprossen, das durch seine 
Verzweigungen nach Friaul als halbyenetianisch gelten konnte, 
der zweite ein Tiroler, der dritte ein Böhme. Sie standen 
ttusserlich in bestem Einveinehmen miteinander, obwohl man 
in der Stadt von allerhand Misklang unter ihnen wissen wollte. 
Die meiste Popularität geuoss, so sonderbar es klingen mag, 
der Soldat. Graf Bubna war streng im Dienst, doch scharfen 
Massregeln nicht ohne Noth zugethan, dabei gerade und offen; 
man wusstc jederzeit, wie man mit ihm stand. So hatte ihn 
aucli der grosse Napoleon erkannt, der zu sagen pflegte, Graf 
Bubna sei der am schwierigsten zu behandelnde Diplomat, 
weil er ohne Umschweife heraussage, auf was er ziele, und 
sich davon nicht abwendig machen lasse. £s war niemandem in 



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265 



Mailand unbekannt, dass Bubna den Grafen Confalonieri bis 
zum letzten Augenblicke hatte retteu wollen, und so hatte man 
auch die Urlaubsreii^o des (leuerals im Herbst 1823 mit semer 
Absicht in Verbindung gebracht, so viel als möglich auf Mil- 
derung der nach dem Gesetze gefüllten Urthede einzuwirktin. 
Darum war die Trauer, als er in Mailand aus dem Leben 
schied (6. Juni 1825), gewiss ebenso allgemein als aufrichtig. 
Er hatte den Freiherrn yonFrimont G. d. C.^ neapolitanischen 
Fttnten von Antrodocco, zum Nachfolger, der mit Beibehal- 
tung seines venetianischen Generalcommandos in Padua blieb 
und in Mailand den FML. Joseph Grafen l'Espine als seinen 
eiDStireOigen SteUvertreter hatte. Im Jahre 1S27 nahm Frimont 
Beinen Sita an Verona und leitete von da aus das militüriaeh 
nunmehr vereinigte lombardiBch-venetiantBche KOnigreieh. 

Am 3. Mai 1830 etarb StrasBoldo nnd wurde dnreh Frans 
Grafen von Hartig ersetzt, einem alten sohlesischen Gesehleehte 
entsprossen, geboren 6. Jmii 1789, firOhaeitig im Staatsdienst, 
1816 Gnbemialrath in Brttnn, 1819 Hofiratfa nnd Referent der 
yereinigten Hofkaazlei, 1825 Goavemeur von Steiermark, von 
welchem Posten er nach Mailand berufen wurde. 

Nicht lange nadi Strassoldo's Tode fiel der swei Jahre 
froher ans dem Freiherrenstande in den erblichen Grafenstand 
erhobene Frimont in eine schwere Krankheit, die er nicht liber- 
wunden hatte, als er 1831 nach Wien an die Spitze des Hof- 
kricgsrathes berufen wurde, wo er bald darauf, iL*. November, 
das Zeitliche segnete. Sein Kachfolgcr in Lombardo-Venetien 
wurde der Festungscommandant von Olmtitz (iraf Joseph 
Kadetzky, der einige Jahre später, 1836, den Sitz des 
Militarcommaudus von Verona nach Mailand übertrug und seine 
WClinung in Casa Arconati, später Delmaü in Via Bona auf- 
schlug. 

Torresani von Lanzfeld war auf seinen jMailiinder Posten 
aus Udine gekommen, wo er mehrere Jahre als politischer 
Beamter löblich gewirkt und bei der Bevölkerung das beste 
Andenken hinterlassen hatte. Aach in seiner Eigenschaft als 
General-Polizeidirector, wo er seinen Sitz in der Strasse San 
Margherita hatte, wusste Torresani unbcngsamc Pfliehttroue 
mit wohlwollender Humanität zu verbinden. Er war ein lebens- 
froher umgänghcher Herr, so dass die Mailander gegen ihn 
nichts einzuwenden hatten, wenn nicht der Charakter des 

iMhir. XCL Baad. IL BUfta. 18 



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266 



Dienstes selbst ^ den er versah, auf seine Person und mclir 
noch auf die seiner im Amtseifer sich nicht selten über- 
bietenden Organe von vornherein ein gewisses Odium geworfen 
hätte.* 

Es war nicht blos das offene Auftreten der Polizei, das 
mitunter etwas unbequem werden konnte: in noch höherem 
Grade war es ihr unsichtbares Wirken, dessen Vorhandensein 
man im Publicum mehr ahnte als wusste. Das polizeiliche Ab- 
fangen und Aufhalten (Intercipieren) von Briefen wurde sehr 
schwunghaft betrieben, ein Geschilft, das die Jieamten der ge- 
heimen Brief- oder Postloge besorgten, nm die Behörden durch 
den eingesehenen Inhalt solcher ,Intcrcepte' über die in den 
verschiedenen Kreisen herrschende Stimmung, über die Beur^ 
theilung von RegierongsnMflsregeln und besonderen Vorfiilien 
seitens des PablienmBy Uber gehegte Wunsche und etwaige 
Plüne in steter Kenntnis au erhalten. Das Intercipieren be- 
schränkte sich deshalb keineswegs auf Briefiichaften von der 
Regierung verdächtigen oder anrüchigen Personen: die Corro- 
spondenz der lojalsten Staatsbürger und der vertrauenswürdig* 
sten Fremden entging ebenso wenig dem wachsamen Auge 
der Postloge, wenn sie daraus etwas Neues erfahren su kdnnen 
hoffte. So finden sich unter den Intercepten jener angeregten 
Zeit| mit der wir uns bald au beschäftigen haben werden, nicht 
UoB Schreiben eines Gabrio Gasati oder eines Oesare Canth 
an ihre Angehörigen und Freunde, sondern auch Briefe des 
jungen Grafen Emil in Wien an seinen in Italien stationirten 
Vater FML. Grafen h vam \\ iuiptren, oder umgekehrt des in 
Venedig gamisonirenden Cadeten Franz ihuler au seinen in 
Wien als k. k. Jiofratli wirkenden Vater, oder des Fürsten 
Friedrich Schwarzenberg, des ,verabschiedet( u Landsknechtes*, 
aus Luzern an die GrUfin PAlfFy in Malacka etc. Die Polizei 
wollte eben alles wissen! Nachdem sie von dem Intercepte 
Abschrift ^enonimon, wusstcn die ,Logisten* das Origfinal auf 
das sorgföltigste in sein Couvert zurUckzubrin<:en und an dessen 
Adresse ablaufen zu lassen, wenn nicht Briefe besonders com- 



' Ueber das slts tOdtirolucbe GMcbleeht der TonrMaal und über Karl 
JustuB insbwondere vgl. die interetMante Sebrift seines EnkeUs Von der 
WsMer» bis «ir Feuertanfe (Dresden und Leipsig Plenen 1900) I 
S.8— 17. 



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267 



prouiittirter Personen oder besonders conipromittirenden Inhalts 
zu gebieten schiejien, dieselben zurilckzubohalten und bei den 
Amtsacten aufzubewahren. 

Die viceküniL'lielic Kanzlei war ur?primgiieh in zwei 8ec- 
tionen gretheilt, spater in drei mit je einem Hofrathe als Refe- 
renten an der Spitze: Vincenz Orinini, Adam Kevi ezky von 
Revisnye und Paolo de Capitani. Keviczky schied bald aus 
diesem Verbände und wurde durch Samuel Rechber- 

ger Kitter von Rechkorn ersetst; ungefähr zehn Jahre später 
machte de Capitani dem Cavaliere Gins. Segrebondi Platz. 
Das Personal vom Seoretär abwärts war in der I. Section 
durchaus dem Status der Geheimen Cabinetskanzlei des Kaisers 
entnommen; spüter traten^ wie in den beiden anderen Sectionen 
von allem Anfiimg, so auch in der I. Section Landeskinder oder 
Sttdtiroler in den Dienst 

Unter den Räthen und Secretttren des lombardiscken Ou' 
bemiums waren in den dreisaiger Jahren nur drei nicht-italienisehe 
Namen zu finden: Med. Dr. Andreas Hoset ig als Landes-Proto- 
medicuS) Graf Karl Pachte^ beide k. k. wirkliche Gnbemial- 
räthe, und Kail Czörnig, früher in der Polizeibranehe als 
GommissSr verwendet, 1835 Gubemiabecretllr und bald Prfisi- 
dialis des €k>uvemeurs. Am meisten unter den Genannten von 
sich reden machte Paehta, 1816 k. k. wirklicher Hofconcipist in 
men, 1820 Gubemialsecretür in Mailand, wo er 1831 in die Zahl 
der Räthe hinaufrückte. Einem alten böhmischen Herrenge- 
schlechte entsprossen, ein Cavalicr von feineu Umgan*j:s formen, 
lebte er leider unter dem Druekc ungeordneter VernKij^ens- 
verhältnisse. Wenn wir aueh nichts von dem als wahr hin- 
nehmen wollen, was ihm nachmals Parteihass, politischer und 
nationaler Antagonismus lästernd nachsagten oder vielleicht 
geradezu andichteten, so stellt doch so viel ausser Frage, dass 
er nie aus Schuhkn herauskam, in deren Klemmnis und Ge- 
dränge er nicht immer reine Hände bewahrt haben moehte. 
Wenn dies seinem Rnfe und Anselien als Or^an der lombar- 
dischen Landesstelle gewiss nielit zu statten kam, so war ihm 
anderseits Geschäftskenntuis , Pflichttreue und Verlässlichkeit 
im Dienste nachzurühmen; dass er ein Mann von Herz und 
Mi^efiihl war, lernen wir aus den Iiricfen der Schwester An- 
dryane's, eines der Vcrurthciltcn von 1823, kenneni die, sichtlich 
nach dem ersten Eindrucke niedergeschrieben, oben so viel 

18* 



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268 



Cilatiben verdienen, als die Memoiren ihres Bruders von Auf- 
schneiderei und Lügen strotzen.* 

Die General-Polizei-Direction in Venediff und oline Zweifel 
gleiclizeitig jene von Mailand erhielt mit Allerh. Enlst hlic-^sung 
vom 16. März 1825 eine neue (Jru;^anisation. mit ab£rosonderten 
Instructionen für die Obercomiiiissariate in den Provin/Jalhaupt- 
Btädtcn und dann fiir den Gdieimdienst.* Unter den cineobo- 
renen Beamten dor Polizei maohte sicli (linlio Paprani cinreh 
Eifer und Pflichttreue bemerkbar, wovon er namenthch in der 
Zeit der grosaea CarbonahTersohwörung wiederholte Proben 
abgelegt hatte; er wurde einige Jahre später, vielleiehi eben 
weil er durch diese Eigenschaften bei seinen Landslenten in 
etwas schiefem Lichte stand, sur Lottobraocbe Ubersetzt. Es 
rerdient Uberhaupt bemerkt zu werden, dase auch im Beamten- 
kOrper der Polizei mehrere ^Fremde' angestellt waren, dass 
aber gerade die schärfsten und darum in den Kreisen der 
MisTOignttgten verhasstesten nieht in diese Kategorie ge- 
hörten. 

Für die Zwecke des Geheimdienstes hesass die Polisei 
Persönlichkeiten des Yertranens in allen Classen der Gesell- 
schaft, und zwar nicht blos im DoppelkOnigreiche, sondern auch 
in allen wichtigeren Plätaen der angrensenden Staaten, nament- 
lich in den Städten der so anfstandslostigen Romagna. Unter 
den Orj^^anen, die an jener Zeit an geheimen Sendungen und 
Beobachtungen verwendet worden, befinden sich ein Pietro 
Dolce — ,un altro Pagani, attento per il pubblico, buon poH- 
tico^ wie es in einem PoHzeiberiobte hiess — und Francesco 
Branibilla, dessen oft sehr au;ifithi'liche Kcibeberichte mannig- 
faltiges Interesse boten. Branibilia bekleidete in den ersten 
zwanziger Jahren das Amt eines Kcvisors beim k. k. BUcher- 
lievisiousamt in Venedig. 



' Seibat Carlo Gasati Nuove Rivelasioni (Hilano Hoepli 1885) I 24 f., 
44, nennt den Grafen PachtA nh Beamten ,fc<1o)issimo*, obwohl er 

peefn ihn als MtMischen nicht tr*ii"Lr TJisterli(Ii(>s. ja {jornilozu Khrpn- 
rühiig-es vnrzubrin<rpn sieh hot it\irt: ,ia malig'nitä <li (jtit«>t<i scolkuato' 
habe ganz Mailand zu sprechen gegeben; er sei ,veuale e corrutibileS 
^eiusa CMtuni e sousa coscieusa' gewesen; eine Fürstin Galicin habe 
ihm ihren Sohmuck rar Aufbewahrung gegeben, er habe ihn ▼eraetst 
n. dgl. m. 

* Cterle aegrete della policia ansCriaca (Capolago tip. elv. 1851} II 881—270. 



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269 



An der Spifxe der geistlichen Verwaltung standen keine 
Landeseinjjeborene. Erzbischof von Mailand war Graf (1 a i s i u c k, 
ein uutadelhafter Priester, ein fester Chaiuktur, in den politi- 
schen AnscliauuH<;en des JosepLiuibmus befangen, die aber mit 
den Jaliren kirchlich entspreehenderen Ansichten Platz machten, 
wie sieh aueli seine anfiuififliche Abneigung gegen die Jesuiten 
und aLerliaupt das Klosterwcsen, je länger er auf seinem 
hulion Posten wirkte, mehr und mehr milderte. Patriarch von 
Venedig war der Sänger der ,Tuni.sias^ Ladislaus Pyrker von 
Felsü-Eor, der diesen Posten nur auf dringenden Wunsch des 
Kaisers Franz angenommen hatte und sich wahrend seiner Ver- 
waltung um das Amenwesen und die gemeinnützigen Anstalten 
der Lagunenstadt grosse Verdienste erwarb. Doch ein wahr- 
haft aufrichtigeB Verhältnis zwischen ihm und seinem CleruB 
scheint nie obgewaltet zu habeo^ was sich in der Zeit vor 
seinem Scheiden in einer filr ihn recht verletzenden Weise 
kundgab. Denn noch bevor sein Rücktritt in Amtsform ins 
Werk gesetzt war, liess sich der bu seinem NachfoJgn* TOm 
Kaiser ernannte, aber noch nicht canonisch inveatirte Bischof 
GKaoomo Monico von Ceneda yom Gapttel Ton S. Marco be- 
glückwünschen, richtete an dieses ein oberhirtliches Schreiben 
nnd bestelite den Domheim Forfcunato Maria Rosata zu seinem 
einstweifigen SteUrertreter, 18. April 1827, als ob es einen in 
Venedig residirenden nnd thataftcblich noch fungirenden Par 
triarchen Pyrker gar nicht gäbe. Durch die kluge und würde- 
volle Haltung des Letateren, der, ohne den Zwischenfall mit 
einer Silbe zu erwähnen, sich mit Msgr. Monico in unmittel- 
bares Benehmen setzte und ihm den 25. als den Tag seines 
thatsUchhchen Rücktrittes bezeichnete, wurde die Angelegenheit 
wieder in das rechte Geleise gebracht.* 

* 

Der gerechte Stolz des Lombarden war sein uraltes Commu- 
nalwesen, das unter der Hf^rricrung der grossen Kaiserin wesent- 
lisehe Verbesserungen erfahren, aber in den Zeiten des franzö- 
sischen Regiments anderen Orstaltungcn hatte w(!ielien müssen. 
Darum hatte gleich nach der Rückkehr unter die österreichische 



* Gut» Mgr. I. »9& 



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270 



Herrschaft der allgemeine Ruf gelautet: Gebt uns unsere Ge- 
rn eindeverfassung wieder^ unter der wir so lang glücklich nnd 
zufrieden gelebt habeo! Von Wien aus hatte man sich ohne 

Aufschub bereit gezei<2:t, diesem Wunsche zu entspreelien, und 
den LUiiiialigen GubiTnialnith de Capitani, einen Veteranen 
aus der Theresianiscben Schule, mit einer Au.sarbeitun^ betraut, 
die schon iu ihrer F orm ein Meisterstück in Behandlung der 
italieni fachen Sprache für den Amt^f^ebraucb zu nennen war. 
De Capitani behielt in der Sache selbst iu allem Wesentlichen 
die altbewährten Grundlag^en der Thcresianischcn (lenieinde- 
ordnunp; bei und filmte nur, besonders für die jjrösseren Land- 
gemeinden, jene Aenderungen ein, die sich fUr die geänderten 
Verhältnisse zweckentsprechend erwiesen. ,Auf diese Weise/ 
sagt ein gründhcher Kenner der damaligen und späteren lom- 
bardischen Zustände, , wurde eine Gemeindeverwaltung zustande 
|2:ebraeht, die mit Recht den Kuf erhielt, allen ähnlichen In- 
stitutionen in anderen Ländern TorangeRtellt werden aa mUssen/^ 
Von 1817 bia 1835 dauerten die Arbeiten am Grundstener- 
kataster, dessen aus der ürUhem ^toterreichischen Verwaltung 
berrUbrende Gmndlage imyerHiidert blieb, dessen Ziffeman- 
Sätze aber mit den seither stattgefiindenen Cnltiirverändeningen 
-vielfach in keinem Einklang standen. Die Verwaltnng der 
Gmndsteaer wie überhaupt die aller directen Steuern war in 
die Hände eines Mitgliedes der Gemeinde gelegt, der dafUr 
gewisse Procente bezog, sehr häufig aber sich mit dem blossen 
Ansehen und Einfluss die ihm durch seine Stellung zufielen, be- 
gnügte, so dass sieb angesehene Leute darum bewarben, also 
im Gegensats au dem Ami der Decurionen in der römischen 
Kaiserzeit, das in solchem Masse lästig und verhasst war, dass 
sich der Uobcmahme desselben jeder vermögliche Bürger durch 
alle Nüttel zu entziehen suchte. Die Erfolge jener Einrichtung 
im lonibardisch-venetianischen K»)uigreiche, die regelrechte Ab- 
fuhr der Steuer mit dem denkbar geringsten Abfall an Kosten 
der Einhebung, waren so allbekannt, dass sie die französische 
Kcgicrunir sieh zum Muster nehmen wollte und sich für diesen 
Zweck nach Mailand mit der Bitte um nähere Ausküutte wandte.' 



* CsOrniff Die alten YSlker Obetitslien«, Wien Holder 1885, B. S74— S76. 

* CsSrnig 877— S79. Der Yerfimr, danmlf einfach ,Karl CsOrni;*, 1886 
QttberniabeoretXr in HaiUnd, wnrde mit «ner Dsntellnng der lombeidi* 



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271 



Den AImcUiiss der GemeiadeTerfasstuig Dach oben bil- 
dete in jeder Provinz die ProviDaal-Oongregation au Händen 
des k. k. Prorinaaldelegirten, im ganaen Lande die Oentr&l- 

CoDgregation an Händen des Gonvemeors. Aber diese Institute, 
ihrem ursprünglichen Zwecke und Wesen nach wohl ausge- 
dacht und eingerichtet, vertrugen sich gerade um dieser Treff- 
lichkeit willen je iauger je weniger mit jenem b^reauk^ali^5ch- 
absolutistischen System, das sich in den nicht-ungarischen Ge- 
bieten des Kaiserstaatcb von einem Decennium zum andern schärfer 
und schroiier herausbildete. Kino nicht eben einschneidende 
Mafe.-rt.gel traf das Hofkauzlcidecret vom 31. October 1823 
dadurch, dass in die Classe der nicht-ade ligen Beisitzer der 
Congregation auch solche vom Adel berufen werden konnten, 
was zur Folge hatte, dass die rein büigerlichen Memente immer 
mehr beiseite geschoben wurden.* 

Wenn das ein Aergemis in den Augen der radicalen 
Elemente war, so war es ein anderer Umstand, der gerade 
von den einsichtSTollsten und der Regierung durchaus ergebenen 
Persönlichkeiten am meisten gefühlt und beklagt wurde: dass 
nämlich die Institution als solche durch kleinliche Bedenken 
und den in den höchsten Regionen immer mehr zur Geltung 
kommenden Grundsatz ,Fttr das Volk, aber nicht durch das 
Volk^ gerade in jenem Theile ihrer Btatutariscben Wirksamkeit, 
die so frachtbar nnd zogleieh so volksthtlmlich an werden ge- 
eignet war, in dem Bechte der Vorstellung und Bttteui am 
meisten eingeacbrftnkt wurde. Das offenbarte sich gleich das 
erstemal, als die lombardische Oenlral^Congregation von dieser 
ihrer Befugnis, die ja zugleich ihre Aufgabe und ihr Beruf 
war, Gebrauch machen wollte. Es war jene Denkschrift Tom 
18. Juni 1825 ans Anlass der Anwesenheit der Majestäten in 
Mailand, in welcher yerschiedene das Land betreffende An* 

•ehen Stenenrerfotniag bcmvllraft, die dann an das frutsBiisdie Mi- 

iiistorüun geleitet wurde. 
* Del Govemo Aiutriaco in LomliÄrdia (Capolago maggio 1860) 43. Die 
Beschwerde musw sich wohl auf die Gruppe der .stHdtiMchcn' Dcpntirttm 
btjzogeo habeu, iu wülcber Clause in der lorabardincheu Ceatral-Congre- 
gatioD gegen acht Adelige nur drei Bürgerliche waren, in den Frovin- 
sial-Coagrcgationeii (sirei Stellen Provins Cremona nnbeielzt) gegen aieben 
Adelige gar nnr ein Bfligerlicher. Die Gluie der «nicht adeligen Bei« 
sitMr' dagegen war 1846 lowohl in der Centrel- al» in allen ProTiDiial" 
Congiegnttonen dnrefaaoe von Blli^rlichen avigeiUUt. 



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273 



gclcgenheiteik von aUgemeineni InterosBe bespTochen, gewisse 
Wttnsche und Bitten daran geknüpft, zweckentspreebende Voiv 
Schläge gemacht und Anträge gestellt wurden.^ 

Die Denkschrift berUlurte xnerst die GtorechtigkeitBpflege, 
wies anf Bestimmungen des btlrgerli<^en Bechtes hin^ die der 
eigenthilmlichen physischen und moralischen Anlage derlombar^- 
schen Bevölkerung minder entsprächen*, beklagte die Abschaffung 
der Nolarlatskammcrii, einer Einrichtung, dio sich seit mehreren 
Gonorationen in das Rechtslcben eingewurzelt habe^, uud bat, 
vor allem im Strafverfahren, wie dies nach dem früheren Rechte 
eingeftlhrt war und in so vielen Stücken in unausfjcsetzter 
Uebung sei, dem Angeklagten die Wahl eigener Rechtsbeistände 
und Vertheidiger zu gestatten. BozügUch der materiellen In- 
teressen sei es eine Klage der industriellen, dass die Formen 
des Dogaiial \''erfa]u'en8 für die Parteien Unssfrst lästig seirn, 
ohne entsprechenden Vortheil für das Aerar; die Beschaffenheit 
der Landesgrenzen und die Berührung mit so vielen und ver- 
schiedenen Nachbarstaaten müsse von Massregeln solcher Art 
wie das Verbot der Einfuhr und die Festsetzung hoher £in> 
fuhrzölle unbedingt abratheUi da hiedurch einerseits ein wag* 
halsiger, aber um so mehr gewinnbringender Schmuggel ge> 
fördert werde, anderseits die Kaclibarstaaten sa Repressalien 
gereizt würden, die mit der Zeit dem Auftchwung des Handels 
immer grossere Schwierigkeiten bereiten mttssten; im Qegen- 
iheile wäre es zu empfehlen, mit den Angrenzem, namenüicb 
mit der Schweiz, mit Piemont, mit den pttpstiichen Staaten, 
Handelsverträge abzuscbliessen und die Verkehrsbedingungen 
zu erleichtem,. was bei dem grossen Bodenreichthum der dies- 
seitigen Provinzen, besonders an KdmeHrucht, Wein, Käse, 
Seide, den Wohlstand derselben mächtig fördern mttsste. Dank- 
bar wurde der von Wien aus lebhaft empfohlenen Enichtung 
von Spareassen gedacht, ,a rOevante yantaggio deUe Infime 
dassi del popolo'. Dass hingegen der Monarch um Herab- 



Del Governo 29 — 42 mit dorn ursprüiitrlichen Wortlaut und den in Folije 
der gouvernementalen Ausstellangen daran vorgenommenen AuAlaasungen 
und Aendeningen. 

S. die Stelle Uber die mflndlieben und ^e eigeahilndig sohrifUiehen Te> 
ttwnente 8. 38. 

r . . la cui pubblica considerazione trs noi trovMi cofll fortemeote ndi- 
cate da molte |;enerauoiiiS S. 84. 



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873 



Setzung der A begaben an den Staat gebeten wurde, la^!^ eben- 
so nahe — zu welcher Ztnt mid in welchem Staate war eine 
solche Beschwerde nicht zu vernehmen VI — , als dass die 
Petenten den Wunsch aussprachen, es möchten bei J^esetzunij 
der Aemter und der Gerichtsstcllen die Landesangehürigen niolir 
berücksichtigt, besonders aber den Sühnen des Adels Wege er- 
öffnet werden, auf denen sie zu höheren Stellen und in Folge 
dessen zu Ehren und Auszeichnungen gelangen könnten. FOr 
die Regierung der lombardo-venetianischen Provinzen im Groiaen 
endlich wurde an die in Wien früher bestandene italienische Hof- 
kanzlei erinnert, die bis zum Jahre 1796 wohltliütig itbr das 
Land gewirkt und nicht zam Schaden der ReichAinteressen 
ihres Amtes gewaltet habe, wenn man es nicht Yorzieben wolle, 
im Lande selbst einen Staatsraih (consolta di stato) mit dem 
mmiittelbaren Vorsita des Erahefzogs-Vicekönigs fbngiren sn 
lassen. 

Iiinen besonderen Gegenstand der Beschwerde — und 
auch dieser war in der Denkschrift von 1825 gestreift^ — bil' 
deten die zahlreichen nicht landsmJtnnischen , meist wälsch- 
tirolischen Elemente im lombardisch-venetianischen Richterstande. 
Es ist aber ausdrttcklich herronraheben, dass sich diejenigen, 
die solche Klage führten, keineswegs in Uebereinstimmung mit 
der grossen Masse der Bevölkerung befanden» die sich die 
, deutschen' Richter gerade darum zu loben wusste, weil bei 
diesen nicht, wie nur zu häutig bei den eingeborenen, aller- 
hand Kaineradscliatteu, St;mdesneigune:en u. dgl. in ilirer Anits- 
gebahrung mitspielten. Als im Jahre 1827 der sehr begabte 
und tüchtige Hofrath Dr. Giuseppe Benoni vom Vcroneser 
Senate abberufen wurde, zeigte man sich in gewissen Kreisen 
genciirt, den Onind darin zu finden, dass er sich als Tiroler 
unbehebt gemaclit habe (Carte «ejrr. T 289 f.), während Ändert; 
in seinen hberalisirenden Meinungen und Aeusserungen und 
einem zu Gunsten der Öectirer abgegebenen Votum den Aniass 
seiner Amovirung zu finden glaubten, und es hiess damals, er 
gedenke in seiner Heimat eine Advocaturskanzici zu eröffnen. 
Ein leeres Gerede; denn wir finden ihn unmittelbar darauf im 
Gremium der k. k. Obersten Justizstelle und als Mitglied der 
k. k. Hofeommission in Jostizgesetzsachen thätig. 



' Del OoTemo 84 1. 



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274 



Um auf die Denkschrift der lombardiBchen Ceatral-Oon- 
gregation zurttckzukommeDy so trug ihre Sprache den Stempel 
freimüthiger Offenheit, wohei allerdings ein und das andere 
etwas übertrieben, wo nicht geradezu vergriffen sein inochto. 
Aber alles war nicht blos in der geziemendsten Weise vorge- 
tragen, mit Ausdrücken, die das vollste Vertrauen, aber aueli die 
vollkommenste Loyalität der an ihren Monai-cben herantretenden 
IJittsteller bekundeten; es waren auch ihrem Inhalt und Ziele 
nach die angeregten Gegeustäudc durchaus von einer solchen 
Art, dass sich ihnen unbefangen eine saeligemiisse Berechtigung 
nicht abstreiten Hess, und die deshalb in jeder Hinsicht wert 
erscheinen sollten, einer eingehenden Würdigung und Prüfung 
unterzogen zu werden. Das war aber nicht die Meinung der 
herrschenden Bureaukratie. Graf Strassoldo fand das Schrift» 
stück weder der Form noch dem Inhalte nach geeignet, Seiner 
MajesUlt uberreicht 7a\ werden, bezeichnete einzelne Ausdrücke 
und ganze Stellen, di nicht belassen werden könnten, und gab 
es am 20. den Bittstellern zurück. Um nur Beispiele anzu- 
führen, wurde der Ausdruck ,nationali' nicht geduldet, es 
sollte ^dditi di qnesto regno' heissen; Sfttze^ in denen nch 
bezüglich der ,onori e distinzioni' des lombardiscken Adels auf 
den Vorgang ^Kaiser Joseph II. glorreichen Andenkens' beru> 
fen wurde, fanden keine Gnade; die Erw&hnang ,1a Svizzera, 
il Piemonte e gli stati pontifici' wurde gestrichen; die das Justiz- 
wesen betreffende Partie sollte gemildert werden, der ,Ver- 
theidiger in Strafsachen' YOUig unerwähnt bleiben n. dgl. m. 
Merkwürdigerweise waren zu jenem Theile der Vorschlüge, 
welcher die italienische Hofkanzlei oder einen inländischen 
Staatsrath betraf, keinerlei Glossen gemacht, und doch war 
gerade dieser Punkt der weitestgehende, der ftlr den beur- 
theilenden Staatsmann Anlass zu crnste^iten Erwägungen bieten 
musst(!. Als nun die ( 'entral-Congregation iliren Aufsatz mit Aus- 
lassung oder ])assender Aenderung der beanständeten Stellen 
dem Gouverneur neuerdings überreichte (3. August ) und, nach- 
dem die iSIajestätcn mittlerweile Mailand verlassen hatten, um 
die Erlaubiiis bat, denselben nachzureisen, wurde ihr dies ab- 
geschlagen und die Deuksclirift von dem G()uverneur selbst 
übernommen, der sie wohl nach Wien gesandt haben wird. 
Beantwortet von dort wurde sie nicht. 



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275 



Daran war gewiss niemand vveni^^cr Schuld als Erzherzog 
Kaiiit;r, auch dachte man in Mailand nicht daran, es auf seine 
Rechnung zu schreiben. Man wusste, dass er dem Lande 
wohhvdllte und dass, wo es auf ihn ankam, be^Undete Vor- 
-ti Hungen bei ihm sicher Gehör fänden. Es war nicht vergessen, 
dass, als 1821/22 eine Regierungsnia«srogel in Aussicht war, die 
den Durchfuhrhandel so gut wie vernichtet haben würde, seine 
persönliche Dazwischeukunft das Uebel verhütet hatte. ^ Das 
Bild, welches die Central-Congregatioiiy ihre Denkschrift ein- 
leitend und dem Kaiser dafür dankend, yom Erzherzog entwarf,' 
war wahrheitsgemäss. Gar sehr wurde es deshalb im Xjande 
beklagt, dass bei der Verkümmerung, welche die im organi> 
sehen Statute so ÜI m r al hingezeichneten GrondzUge der Landes- 
Verwaltung in der Praads einer engherzigen und mistranisehen 
Bureaukratie yon einem Jthre sum andern mehr erfuhren, aueh 
dem Vieekönig die Hände zum selbstündigen Handeb mehr 
und mehr gebunden wurden, so daas er in den wiehtigsten 
Dingen nur seinen guten Willen einsetzen, die Verwendung 
bei seinem kaiserliehen Bruder verspreehen konnte. Aller- 
dings gab das bald stadtbekannte: ,riferiremo all' augustissimo 
nestro fratello^ SpOttem Anlass zu allerhand sohleohten Witzen', 
die jedoeh an der weitverbreiteten Beliebtheit des Erzherzogs 
ebenso wenig etwas zu ftndem vermochten, ab das vielbe- 
sprochene regelmässige ,Werden schon machen' der Volksthttm- 
lichkeit des Kaisers Franz bei seinen Wienern irgend einen 
Abbruch that. Dieser Volkstliümlichkeit erfreute sich der Kaiser 
auch in seinen lombardisch-venetianischeu Provinzen. Dcini liuii 
ebenso wenig wie dem Erzherzog Rainer wurde es von der 
ötfcntlichen Meinung zur Last geschrieben, was von den Wün- 
schen der Revulkerung, von den Vorstellungen ihrer statuten- 
miH^ifr herufeueu Vertreter mindere oder gar keine J3erüek- 
sicljiigüiig fand, sondern einzig den Hofstellen und Hofamtern, 
in denen sich jener Geist von Beamtenhoheit and Beamten- 



^ Curte segr. I 267 f. 

' .. . . che per sag-fjfzza di consiplio o .itTabilltA. di Iratto ci sotnmiuistra 
fetlele e viva iititnagiue del uostru monarca.' Del Gov&ruo 29. 

' So wurden dem Tarn boontre ich, mit welubem der Erzherzog bei seiner 
Avsfiibrf und Rnekkanft von der Hanptwaehe geahii wurde, die Worte 
unterleg: «farfr diwb üub — Uxb qnel ebe potr6; Casati SiTelasloni 
I p. 11 Amn. 



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m 



aOmaoht eingenistet habe, welchem auch das bescheidenste Her- 
anstreten des Volksgeistes ans den ihm yon ihnen gezogenen 
Sehranken ein Dorn im Auge sei, als eine Anmassnng des 
^beschrankten Unterthanenverstandes' gelte, fift und oft habe 
ieh es von sehr besonnenen Leuten hören mttssen/ so liess sich 
ein aufmerksamer Beobachter aus der ersten Hälfte der zwan> 
aiger Jahre vernehmen, ,wie empfindlich sie es trügen, sich 
regiert zu sehen, nieht von ihrem Fürsten, sondern von dem 
Eänfluss, welchen die yersohledenen Dikasterien auf ihn ttben." 
Wie sehr die Person des Monarchen bei solchen Aeasscrungen 
des Misvergnügens schonend, ja mit einer aufrichtigen Anhäng- 
lichkeit und Verehrung herausgehalten wurde, das zeigte 
sich in Folge der Kaiserrcise im Jahre 1825, wo diese Gefühle 
einen so warmen als glänzenden Ausdruek gefundeii iKitt ii, als 
ein Jahr darauf die Erkrankung des Kaisers in allen lijeüen 
der Monarehie und so auch im lonibardisch-venetianischen 
Königreielie die allij^emeinste Theilnahrae, und die gegen Ende 
März (dnlangeuden Berichte von seiner Wiedergenesung die 
allgemcinstu Freude erregten.* 

Uebcrhaupt zeigte sich die grosse Masse der Bevölkerung 
mit dem Tausche, den sie gegen das frühere frauzüsische Re- 
giment im Lande gemacht hatte, zufrieden, wozu die Rück- 
erinuerung an die glänzende und glückliehe Zeit kam, deren 
sich die Lombardei unter der Regierung der gefeierten IMaria 
Theresia, der Kaiser Joseph und I^eopold und des Kaisers 
Franz II. seihst vor dem liegiiui der französischen Invasion 
erfreut hatte. Aneh jetzt noch that siidi Oesterreich, was un- 
parteiisehe Ucreclitiirkt itspfleire. «rereLjelte Verwaltun^r, volks- 
wirtsehaftHehe Vorsieht und Soriffalt betraf, in der vortlieil- 
haftesten Weise von den anderen Kogicruni^en der a])ennmi- 
schen TTalhlnsel hervor, ausL'"enommen etwa das milde Regi- 
ment der Exkaiserin Maria Louise in Parma und die weise und 



' Carte aegr. I S55 — S69 Berioht eines sehr gei^chickten und verschlage» 

nen Vertrauton der Kopierung über seine Wahmehmungon bei einer 
Dioiisticisc durch <]ic lombardi^chcn Städte, ,ReIaziono del vi.-ifrci'^ in 
Lombardia', datirt Mautua 16. October 1822. Als Verfftuser wurde Franc. 
Brambilla genannt. Die im Texte angeführte Stelle ist S. 260 nach- 
«ileNii. 

* Vgl. Carte i^. I 879 mit Ceppi Annali XTI p. 86 f.; ,1a IMmm ge- 
aeisle ia TeeidtaiiBA.* 



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277 



Tolksthümliche Herrschaft der österreichischen Secundogemtiir 

in Toscana. 

80 l)lieb denn mich das lombardisch-venetianische König- 
reich in den kritischen Jahren 1830 und 1831 mhi^, so ge- 
waltig es in den ricmüthcrn solcher gähren mochte, die ent- 
weder für ihre Person mit den Ideen und Plänen der Auf- 
ständischen svmpathisirtcn oder mit Personen solchen Schlages, 
die in die Jieur^'un^ hincünc^erissen wurden oder, verbannt, den 
Ausgang derselben in der Ferne abwarteten, durch Bande des 
Blutes oder der Freundschaft verbunden waren. 

• . • 

Das lombardisch-venetianische Königreich genoss mit vollem 
Recht den doppelten Ruf: das am meisten begünstigte unter 
den Lftndem des Kaiserstaates und das bestverwaltetc unter 
denen der apenmniachen Halbinsel za sein. Die lombardisehe 
Hauptstadt nahm von Jahr sm Jahr an Reichthnm und Wohl- 
stand zu; für die Vermehrung und Besserung der Verkehrs- 
wege, für Wohnlichkeit der Quartiere, fUr die öffentliche Ge- 
«^undlioitspflege wurde in umsichtiger Weise gesorgt. Was die 
Verkehrsmittel im offenen Lande betraf, so war es unbestrittene 
Thatsache, dass die Strassen des Doppelktfnigreiches die schönsten 
und trefiBicbsten der Monarchie waren, nicht za yergessen die 
Wasserwege, in erster Reihe den Naviglio Grande und den 
Ganal von Paria^ deren Anlage zum Theil ans Mherer Zeit 
herrührte, die aber unter der Obhut der kaiserlichen Behörden 
in mnstergikiger Weise besorgt und gepflegt wurden. In den 
dreisstger Jahren wurde der Bau Ton Eisenbahnen in Angriff 
genommen; die Linie Maihind — ^Monza war die erste, eröffnet 
am 18. August 1840, und unmittelbar darnach wurde mit den 
Arbeiten fftr die Linie Mailand — ^TroTiglio, die erste Strecke 
der Verbindung zwischen Mailand und Venedig, begonnen. 

Unermadlich war die Vorsorge der Regienmg ftlr den 
öffentlichen Unterricht^ und zwar in den Tersdiiedensten Bich« 
tungen. Die Gemeinden wurden zur Einrichtung und Erhaltung 
▼on Volksschulen angehalten, wozu sich der intelligente Lom- 
barde bereitwillig herbeifand; im Jahre 1827 that der firanzö* 
sische Statistiker Charles Dupin den Aussprach, dass der Volks* 
Unterricht im lombardisch-TenetianiBchen Königreiche verbreiteter 



278 



Ml als In Frankreich, ja in den meisten lAndem von Europa.^ 
Nachdem gleich in den ersten Jahren nach der Reooeupation 
eine Oiiganiaation der Gymnasien stattgefonden hatte, wurde 
1824 für die Ljceen ein nener Studienpbm hinausgegeben, 
1838 der geeammte Gjmnaeialimterricht einer Reform nnter- 
zogen, die in einem eigenen Gjmnaaialcodex ihren Ansdmck 
fand.* 

Die beiden LandesuniTerBitäten zn Pavia und Padua, die 

eine fünfte Facultät der ^Mathematik' besonders fUr den Beruf 
der dortlands so wichtigen Feldmesser und Ingenieure hatten, 
erfahren n\annifz:fache Vermehrung der Lehrkräfte, Errichtung 
neuer Lehrkanzeln, Bereicliening; und Vervollständigung der 
wissensehaftliehcn Cabinete und Institute. 1831 wurde das 
einen integrirenden liestandtheil der Ljuversitiit Pavia bildende, 
aber im Gebäude des k. k. Institutes der Künste und Wissen- 
schaften zu Mailand untergebrachte österreicliisehe Observato- 
rium durch Anbau erweitert, Gelder für Anschatiung wert- 
voller Instrumente bewiUigt. AehnHches geschah 1H34 flir die 
Veteriniiranstalt zu Mailand, die einen neuen Lelirplan, ein 
vermehrtes Personale, eine höhere Dotation erhielt. Das 1818 
ofe^rrllndete k. k. Conservatoriitm filr Mubik zn Mailand, einer 
Anstalt deren sieh kein anderer Ort der Monarchie, Wien nicht 
aufgenommen, aus Slaatsmiltelu erfn ute, criüelt 1823 reichere 
Mittel und sah mit der Zeit aus semem Schosse viele der be- 
rühmtesten itaheiiisehen Tonsetzer und ausil}>pnden Künstler 
sowohl im Gesang als iiir Orchester und üammermuöik her- 
vorgehen. 

Diesen unleugbaren Lichtseiten stand leider jener tiefe 
Schatten gegenüber, den die Censurgesetze über jede irgend 
freiere Thätigkeit warfen, Gesetze, deren peinliche, nur zu oft 
kleinliche Handhabung mit den Jahren an Aergerlichkeit zunahm 
und die gerade von den begabteren und strebsameren Söhnen 
des Landes am schwersten empfunden und getragen wurde. 

* Ein© statistische L fbowcht des GytniiasialüeHUches im Schuljahre 1843(4-4 
weist folgende Ziffera auf: Lombardei 8ä4ö, Bübmen &710, Venedig 5310, 
Galisten 8867, Mthreti und Bchlmien 276S, Oeatemleli u. d. Eniu 
Tirol und Tonrlben; myriBii 997, Steiemark 994, Owtemidi 

o. d. Snn« 777, KtMealaad 491, Dalmatiea 489. 



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379 



Dam kam; dass nch die bnreankratiBelie Pedanterie in Gegen- 
ständen solcher Art Bier durch eine empörende BrataEtAty dort 
durch eine lächerliche Unwiesenheit und Unbehilflichkdt mit- 
onter die äigsten Bl^tosen gah. Ln Januar 1833 tnirde von 
dem Venediger Bttcher-RoTislonsamt eine Ode anf den Tod 
Napoleon's aaisirt, nahezu zwei Jahre nachdem das Gedicht 
erschienen war, als Verfasser wurde ein ^conte Manzoni di 
Verona' genannt, während gelehrte Thebaner unter den vene- 
tianischen Wächtern des Gesetzes auf Vincenzo Monti ricthcn.* 

,Eine vierfache Censur,' klagt Pio Ferrierr, ,die kirchliche, 
die gouvernemcntale, die polizeiliche und die der Obersten d n- 
fiurbehörde in Wien, iialten jede freiere Kundgebung det. üe- 
dankens im Zaum/ Aber auch jede Betschäftigung mit Geistes- 
producten solchen Charakters war verwehrt. In einem Ver- 
zeichnisse der von amtswegen verboteneu Bücher aus dem Ende 
der dreissiger Jahre finden wir, theiJs mit dem ^damnatur^ be- 
legt, theils nur ,erga schedam* erlaubt, die Namen Babsac, 
G. Sand, V. Hugo, Macchiavelli, Silvio Pellico, Chateaubriand, 
die (leschichte Italiens von Carlo Botta, Guizot's Geschichte 
der Civilisation in Frankreich etc.' Dass thatsilchlich dem 
Verbote zuwidergehandelt, der Wachsamkeit der Behörde in 
hundertfacher Weise Schnippchen geschlagen wurden, braucht 
kaum gesagt zu werden. 

Graf Sedlnitzky, nach llaager s Tode Präsident der 
Obersten Polizei- und Censur- Hofstelle in Wien, sann auf 
alle Mittel, die verkehrtcstri) nicht ausgenommen, um verbo- 
tenen Schriften auf die ^Spur zu kommen. So sollte an alle 
Besitzer aufrülirerischer Bücher eine eindringliche Aufforderung 
ergehen, diese binnen einer zu bestimmenden Frist an die 
Polizei auszuliefern, und wäre ein Verzeichnis solcher Schriflen 
hinanazugeben. Da jedoch von allen Begutachtern der vorge- 
Bchiagenen Maasregei darauf hingewiesen wurde, dass durch 
ein solches Verzeichnis erst recht die Neugierde erweckt und 
das Gelüste nach der yerbotenen Frucht gesteigert würde, so 
bestand man yon Wien ans nicht weiter auf der Durchführung 
jenes genialen Vorschlages nnd begnügte sich mit der Ans- 



* Gute •6gr. n 817. 

* DalJa tU del Moota di Pieü allo Spilbeig (Milano 1889) 17. 

* Gart« «egr. III 36—40. 



I 



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280 



Bchrelbung toh Entlolmiiiigen (War jene, welche die Einichmiig- 
gelang verbotener Schnfien entdecken nnd anseigen würden.^ 
AUe8| was von jenseits der Greneen kam, war den Or^ 
ganen der Polisei ein Gegenstand des Verdachtes, jede Be- 
rllhrang einheuntBcher Elemente mit dem Auslände eine Ange- 
legenheit ihrer gans besondem Aafinerksamkeit, weil sie nicht 
ohne Qmnd argwohnten, dass die in fremden Staaten weilenden 
MisYergnUgten, viele derselben in contumaciam zum Tode ver> 
ortheilt^ aeitweitige Fahlung mit ihren im Lande rarackgeblie- 
benen Gesinnungsgenossen nnterhielten. Im December 1825 
befahl Sedlnitsky eine sorgfältige Ueberwachnng der inländi- 
schen Akademien, namentlich ihres Verkehrs mit anseer^ster- 
reichischen GeseUschaften dieser Art^ ,onde tali ktitati negl Imp. 
R. Stati non siano o non diventino nocivi'; es waren schiift- 
Uche Berührungen der Akademie von Cremona mit jenen von 
Parma und Piacemsa, die Sedlnitzky zu dieser Vorsicht be- 
wogen hatten. 

Im Jahre 1^2^ gab es eine liinpccr wälircDclc Vcrhandlunc: 
der Beliördcn, ob man die Traf^ödieu Altieri's oder doch die Vcr- 
anbtulluii^' neuer Ausjcraben davon im Inlande verbieten solle oder 
nicht. Im JaLic dciraui wurde von Wien aus der Wiederab- 
druck von Filangieri's ,Scienza della legislazione' nicht mehr 
gestattet; den bereits gedruckten und im Buchhandel vor- 
handenen Exemplaren könne höchstens ein .Trauseat^ zutheil 
werden.* Emster war die Sache mit j» nen von Freiheitsdurst 
und politischer Kacbgier durchglühten Poesien, in denen der Mai- 
länder (iiov. Berebet, der italienische TyrLäus, wie ihn seine 
Bewunderer nannten, von London aus — Homanze 1-^25, Le 
Fantasie 1827 — ^'egen den ^Fremden im Lande', aber auch gegen 
den ,esecrato Carignano^ seine gereimten Flüche schleuderte.* 

Die Censur betraf wie bekannt nicht blos DrucksacheD, 
sondern auch bildliche Darstellungen, besonders solche, die ver- 
viclfHltigt in den Handel kamen. Ks lässt sieb nur aus der iingst- 
licben Vermeidung jeder Napoleonisehen Keminiscenz erklären, 
wenn wir von einem vicekönighchen Decret von 8. September 
mi erfahren, das den freien Verkauf von Kupferstichen, vor- 

> Carte tegr. m 10—15. 

* Ebenda n 806 f., S19— 821, 8i8. 

* Cmani VIII 186: ,Le eole poeiie di Q. Berehet» ciroolaiiü di aoppUtto 
£r« i gioveiii, tenerano deete le fotnre wpvnmtf. 



üigiiizea by GoOglc 



281 



BteUeod die Kaiserm-Heraogin Msria Loube^ nur unter der Vor- 
ATUBetzung gestottete, daee die Darstellnng nichts Cenrarwidriget 
— ycosa alcona contnuria alla cenanra' — enthalte.* 

Wenn es verlantete, dass sich ein bertthmter Fremder, 
namentlich ans Frankreich, den fisterreichischen Grensen nahe, 
wohl gar das Qebiet des Kaiserstaates betreten, einen Torftber^ 
gehenden Aafenihalt da nehmen weUe» wurden die politischen 
Agenten Oesterreichs an allen Httfen io Thütigkeit gesetzt, am die 
Schritte, den Umgang, die Bertthmngen des VerdÄchtigen scharf 
im Auge zu halten. So war es im Herbst 1828, als die Polisei 
erfioüir, Horace Verne t soUe als Direotor der französischen 
Akademie nach Bom kommen, daher ,eine scharfe politische 
Ueberwachung desselben — tm'ocnlata sorvegliansa politica' 
geboten erscheine. So war es im August 1829 der FsU, wo 
die PersOttfiehkeit Sebastiani's den kais^ichen Behörden zu 
schaffen gab, denen von Wien ,die genaueste, aber zugleich 
geheimste politische Ueberwachnng der Schritte, der Gespräche, 
der Anknüpfungen dieses französischen Generals' aufgetragen 
war.* Hingegen gereichte es der Polizei zur g^rossen Befriedi- 
gimg, als 1832 Mr. de Lamartine und (Jrat' M outal cmbe rt 
ihren Aufeniluilt in der La^^iincnstadt auf die Besichti^iuig der 
MerkwUrditrkeiten und auf den UmfrJin«:^ mit ihrem laudsmänni- 
schen (Jonsul beschränkten, oder als IHoö Alexander Duraas 
unter dem Kamen seiner Malier üuiciiard in Begleitung des 
Fräuleins Ida Ferrier und des Malers Jadin Neapel und Sicilicn 
nur zu dem Zwecke bereiste, um Gegenden aufzunehmen. Sehr 
schlimm stand es hingegen, als im Jahre Gino Capponi 

,uu sogfrctto di tcndenze e prineipi politici multo esaltati' auf 
der Ueise nach Karlsbad durch Lombardo-Venetien kam; man 
konnte ihm nichts in den Weg legen, denn er hatte einen 
regelrechten Pass der grossherzoglichen KegieruDg von l'oscana, 
man kuimte ihn bloa ,sottü rigorosa sorveglianza* stellen ' 

Allerdings ist, wenn man diese mistrauische und ängsüiche 
Haltung der österreichischen Polizei gewahrt, einerseits nicht 
zu übersehen, dass sie einem System entstammte, das zu jener 
Zeit unter den europäischen Staaten keineswegs Oesterreich 



* Gsrte ««er. n sts. 

* Bbenaa 801, 309 f. 

» Ebenfl.n 477—481, 486. 

Arelüv. XCl. Baad. II. Hilft«. 19 



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288 



allein angehörte und das in einzelnen Staaten der apemunischeii 
Halbinsel in viel drückenderer, mitunter grausamer Weise geübt 
wurde ab in Mailand und Venedig; und anderaeits wäre billig 
au erwägen, dass die Stimmung der regeren Geister in Italien 
je länger je mehr einen Charakter annahm, der filr alle Re* 
giernngen, nioht blos für die <totezreiohiflohe| grosse Geiahren 
brachte. ,ltalien/ eraäblt Mareo Minghetti von seiner Studien- 
Etat 1832—1838^ ,das war der beständige und glOhende Gedanke 
von uns jungen Leuten, der uns aufstachelte^ der uns die Vor- 
bereitungen au dem edlen Unternehmen seiner Befreiung aar 
Pflicht machtet Jedes Buch, das diese Begeisterung fllr das 
Vaterland nährte, war eine Festschrift Air uns: Gftrio Botta, 
der Italien geschichtlich, nicht blos geographisch als Einheit 
behandelte, Pietro CoUetta, Leopardi und CKorduu, GioT. Berehet, 
trots seines oft rauhen und ungeregelten Slyles. Für Italien 
jeder Ge&hr Trots bieten, die Verbannung, die Kerkerhaft 
erdulden, das Leben hingeben, das erschien uns als die Krone 
eines beneidenswerten MärtTrerthumsl' Die Freiheit Italiens 
um jeden Preis riefen die HitskOpfe und beschworen die Gkisler 
HacchiaTdli's und Dante's, die Einheit Italiens ,unter was 
immer für einem Beherrscher, wenn er die Macht hätte, den 
Gedanken durchzuführen, sei es auch ein Tyrann, a. B. der 
Hersog von Modena, ja selbst der ttoterreichische Kaiser!'' 
Wie stand es mit dem Osterreichischen Besite in Italien, wenn 
sdche Ideen xum Dnrehbruch, zur Herrschaft gelangten?! 

Die amtlichen Zeitungen — andere politische Blätter gab 
es im lombardisch-venetianischen Königreiche ebensowenig als 
in den übrigen österreichischen Ländern — brachten selbst- 
verständlich nur dasjenige, was, und nur in jener Form, wie 
es die kaiserlichen Behörden zur Kenntnis des Publieums /ai 
brin^:;en tiir srecig^net fanden, was einzelnen Spöttern in Mailand 
und Venedi;^; lu gleicher Weise wie ai Wien oder i'rag Stoff 
zu allciijand Witzen bot, mit denen sie freihch bei hellem Tage 
nicht grossthun durften.^ 



* ICinghetti Ri«onli (Torfno 1888 Bottx) I 70—71 

* So lud man einM Morgens im April 1827 an der Haosthfir der Witire 

Graziani, wo dio k. k. priv. ,QasBetta d! Yonezia* ibron Bits hatte, die 
Anfsclirift: ,Qui si vendono Insagno della vera fabbrica del sip. Renato 
Arrigonif secretario doU'occolBo Qoverno' (Carte aegr. I 282). Arrigoui, 



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283 



Von «QSseiMtoterFelehkohen Zeitung^ gab es nur eine 
kleine Anzahl, die im Inlande zn halten oder gar in Qffent* 
liehen Orteni wie CuS^b, Gaainos anfliegen an lassen gestattet 
war; ein Privatier, der sich diesen doch so eng nmgrenaten 
Lnms gOnnen wollte, wurde dadurch allein ein Object poÜsei- 
lioher Wachsamkeit. Soleher Känse gab es indessen nnr wenige, 
ftir die ttbrigens der Inhalt dieser Journale mehr nnr einen 
Gegenstand der Nengierde und des Zeitrertreibes bildete. In 
der grossen Masse ktlmmerte man sich um die WeldiKndel gar 
nicht und lebte in dieser Hinsicht in einer schier benadens- 
werten Ruhe und Sorglosigkeit. Ihr kam nicht der Gedanke, 
sich gegen eine Regierung aufisulehnen, deren Machtmittel ihr 
unüberwindlich schienen und die jeden noch so schüchternen 
Versuch in politischer Richtung durch die schleunigsten und 
schftrfsten Massregeln zu unterdrUcken wusste. So dachte jeder 
nur an sich und die Seinen und bewegte sich, unbekllmmert 
um höhere öffentliche Interessen, ruhig in dem Ere^ seines 
Lebensberufes, seiner Tagesmühen und Tagcsfiwuden.' 



m. 

Im Jilnner 1824, wie früher erzählt, in seine Heimat /u- 
riickgekchrt, nahm Graf (jain'io (Jasali seine licbgewortleiien 
mathematischen Studien wieder auf und pflegte daneben mit 
luteresse das pJldago^isch-didaktische Fach. Kr maehtc ße- 
kanntschafit mit Alessan(ho Manzoni und gewann dcäsou 
Freundschaft. Im Jahre 1H25 gründete er sich einen eigenen 
Herd, indem er Luigia Ba^ai, einer Mailänder Adclsfamilie 
entsprossen, zum Altar filhrte. Sie gebar ihm sieben Knaben, 
vüu denen drei früh starben; den anderen widmeten die Eltern 
eino sorgfältige Erziehung; der Vater besorgte den Unterrieht, 
den öie bis zur Vollendung des Gyumasiumö unter seiner un- 
mittelbaren Leitung zu Hause genicssen sollten. Im Jahre 1828 
tmdcu wir ihn als Vice-Director des Gjmuaäiums »S. Alessandro 



k. k. Gub.-Secr., Mitglied der Atoneeo zu Venedig und zu TreTUO, war 
ohne Zweifel mit der Leitung dar Amtszeitun|^ betraut 
* Carte tegr. II 8S2t ,L* apptiato ddla pobbUe« fors« impoMDto, ogni 
l«gfittr mancMiamUf in linaa poUtiea aeTerMDenle piiiiito> le pawe iofi* 
nite, il silenzlo diTenuto abltadine, V «goinio neoaMario porahA aUmoD' 
tato dair ignoranaa . . .* 



284 



im öffentlichen Unterrichtswesen thutig, in welcher Eigenschaft 
er zeitweise den Präfecten Abatö Ferd. Bellisoni vertritt. 
Eine bleibende Anstellung, die ihm vom G^eial-Director der 
Gjrmnasialstadien Carlo Londonio uigetragen wurde, schlug 
er aus Familienrücksichten, besonders um der Sorgen fUr seine 
unglückliche Schwester Teresa Confalonieri aus.* Die treue 
und edle Dulderin starb am 16. September 1830 in den Armen 
ihres Bruders und wurde in Muggiö, Bezirk Monza, in der 
Familiengruft Casati begraben; in der Grabscbrifl, die ihr 
Mansoni widmete, nennt er sie ,donna forte e soave'. Sie hinter- 
liesB ein gutes Andenkra, die Achtung der Besten ihrer Zeit 
blieb ihr gewidmet' Nacb dem Hinscheiden seiner Schwester 
und vom Gonyemeux Grafen Hartig neuerdings au%efordert, 
seine Fähigkeiten und Kenntnisse im Staatsdienste au yerwerten, 
trat Casati um eine im Departement Air den öffentlichen Unter* 
riebt erledigte Seoretärstelle beim lombardischen Gubemium in 
Bewerbung. Allein gegen diesen Sefaritt eines »Eindringlings' 
Hessen bureankratische Eifersucht und Anciennet^pedanterie 
alle Minen springen,' so dass er selbst seine Stelle bei 
S. Aleasandro aufgab und ihm für immer die Lust verging, 
,seine Dienste unmittelbar dem Monarchen und dem Staate zu 
widmen'. 

Im Jahre 1836 Öffnete stob fttar Federigo Confalonieri die 
Thür seines Gefitngnisses, docb die Rttckkehr in seine Heimat 
blieb ihm verwehrt; er schiffte sieb naeh Amerika ein, von wo 
er im September 1837 nach Frankreich Ubersiedelte und dann 



' An PiUendorff 8. Jatki 1646: . . le« circonataike«« qni me rmit emptehA 
da ma pfemüre jeoneBso» c'est 4 dire Is n^eewlti do me tenir tont prtt 
k r«ide de ma soenr, la malheuranae ComtMM CSonfalonieii . . .* 

* Text der Qrabichrift bei Tanimcci S7lf. Vgl« Tagolmish der Sohwester 

Andryane's IV 287. Alexander Andryane, deswn Schwester der ver- 
storboncn OrHfin trotio und hilfreicViu Fn-midirt p'Pwosph war, widmete den 
1. H.'unl seiner Aufzi'ichniinprf*" \^ nx'nioire <1ü la (>•"•■ T. C. martrre 
de l'atnour conjugale, con&taut ubjet de Tadmiration, des regrettt et de 
le TeoonneittRsce de celui dont eile iauTa let jovr«*. 

* An Pilleradorff a. O. ^ . . «loi» 1« bimi» des employ^ B*wt ramiite 
et a regnrdd me d^marelie preiqiie «n ettentat, eoaime ai J'aUai« 6ter 

aiix Atitres nn avantagi; dont, IIb dbuüent, qae je n^avais jamais boaoin.* 

Als Lyceal-Vice-Director bei S. Alessaudrin rrscheint Graf Gabrio in den 
Hof- nnd »tants-Schemnti^men H. Tltoil 1829—1833; in Jahre 1884 S. 807 
beisat es an der bezüglichen t^telle: (fUubesetst*). 



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m 



Beinen Aufenthalt in <ler Schweiz nahm. Ob und in welcher 
Weise Casati mit dem Manne seiner Schwester während dessen 
Kerkerhaft und darnach dessen Exils in Berührung blieb, ist 
nicht bekannt. Jedenfalls niuss dieser Verkehr, vorausgesetzt 
dass überhaupt ein solcher btatt^efundcm, ein sehr vorsichtiger 
gewesen sein, oder die kaiserliehe Hecri<*rung wuspte flie so 
nahen Bande zu würdiprcn, die zwischen den !i"'iden Männern 
bestanden; denn sie erliob keinerlei Einwendung, als Oasati um 
diese Zeit durch das Vertrauen seiner Mitbürger als Naehtblgor 
des Grafen Antonio Durini ^ an die Spitze der Mailänder Mu- 
nicipalitHt berufen wurde. In dieser Eigenschaft hatte er gleich 
im Jahre 1838 bei den Vorbereitungen mitzuthun, die iUr den 
Empfang der Majestiiten zu treffen waren. Die Garnison der 
Hauptstadt sollte auf 20.000 Mann mit der entsprechenden 
ArtUlerie Terstttrkt werden, wofUr die Bäume der vorhandenen 
Kasernen weitaus nicht ausreichten, daher die Behörden ver- 
langten, die Stadtgemeinde solle Rath schaffen. Casati erwirkte 
sich durch den Hofrath Grimm eine Audienz beim Erzherzog 
Vicekönig, setzte diesem die Unmöglichkeit auseinander, das 
Militär bei den Bürgern einzuquartieren, und sehlog die JBÜn« 
richtung eines Zeltlagers ausserhalb der Stadt Tor^ was znletst 
genehmigt wurde.' Beim Einzug der Majestäten am 1. Sep- 
tember war es Casati, der als Podestli dem Monarchen die 
SchlOssel von Mailand Uberreicbte. Am 6. war die Krönung 
mit der lombardischen Eisemen Elrone, nnd eine FuUe von 
Gnaden- und Gunstbezeigungen beglmtete deo feierlichen Act 
oder folgte auf ihn, was die Tage des kaiserlichen Aufenthaltes 
XU einem wahren Freudenfeste aasgestaltete. Die lombardische 
Hauptstadt prangte in ihrem schönsten Au^utz. ,Wer die Stadt 
Mailand in ihrem Festschmucke gesehen/ so lässt sich ein 
Augenzeuge yemehmen, ,der musste bekennen, dass ihr keine 
Stadt Italiens und gewiss nur wenige Städte Europas an 
städtischer Pk-acht gleichgestellt werden können.^' 

Jos. Alex. Httbner, damals k. k. Official der Haus-, Hof- 
und Staatskanzlei, schildert den Jubel, in welchem Mailand 

* £r war yernifthlt mit Casatrs SchweHter Ginseppa nnd leehs Jahro nnrh- 
pinandor Podesti von Mailand, so daas dieser Posten somaegen in der 

' C. Casati RiTelazioni 42f. 

* CsOmig 8. M9. 



2B6 



damals schwelgte, ,imd der Salon des Fürsten Metternich, der 

den Kaiser auf dieser Reise begleitete, war der Sammelpunkt 

der lombardischen Aristokratie, An der Seite der Pasta, mit 
Rossini am Ciavier, hörte man dort den eben aus der Ver- 
bannung heimgekehrten Fürsten Belf:;ioioso sin^^en. Er war 
ein Tenor di primo eartello. Welche Stimme! rief die Fürstin 
Metternich begeistert aus. Und. welches Uncflück für die Kunst, 
sagte Belgioioso, wenn llir Gemahl mich hätte hiln]ü^en lassen! 
Wir anderen vom diplumaLisi lien Stabe des Stuatbkanzlers 
standen auf bestem Fasse mit der eleganten Jugend der lom- 
bardisclien Hauptstadt. Die T^itta, Borromeo, d'Adda trugen 
uns das Du an und uberhäuiLt n uns mit Artigkeiten. Es fehlte 
nicht an Unversöhnlichen. So hatte der alte Man/.üni die Fiin- 
ladung zum Fürsten Metternich ah^rrl hnt. Aber die Zahl 
dieser überstrengen Patnoten war äusserst gerint,'*.* 

Casati befand sich unter den Ausgexeichneten jener fest- 
lichen Tage, er erhielt den Kammerhermschlüösel und das 
Ritterkreuz des ( )rdens der Eisernen Krone, obwohl er durchaus 
nicht zu den bUnden und um jeden Preis gefügigen Schlepp- 
trägem der Regierung gehörte. Er b<;wies dies auch dem 
Grafen Kolowrat gegenüber, dem er in freimiithiger Sprache 
manche Gebrechen der Verwaltung vorhielt, die ein einsichts- 
voller und wohlmeinender Patriot vermieden wünschen müsse.- 
Casati verlor dadurch nichts von der Gunst, in der er in den 
höchsten Regionen stand, so dass nach dreijähriger Amtswirk- 
samkeit als Pudestk seiner Wiederwahl kein Hindernis in den 
Weg gelegt wurde. 

Zu den Ghiadenhezeigungen der kaiserlichen Anwesenheit 
x&hlte eine ausgedehnte Amnestie, die aahhreichen pafitischen 
Verbrechern die volle Freiheit wiedergab und ihnen die Rflck- 
kehr in ihre alten Verhältnisse enn(igliehte. Allein es waren 
eben nicht mehr die alten Verhältnisse: seit den ersten awanziger 
Jahren waren die Zustände und die Stimmungen durchaus 



' HUbnor Ein Jahr meines Lehm» (Leipzig Jirockhuus 26 f. 

' Wie falsch und ungerecht ist e» daher, wenn es in den ,B>ografie dei 
nrnnbri* etc. p. 6 helttt: ,Egli non ebbe mtd fermesu di volAre nh 
eredaiwa in 9k per erdiUmente {ntnprendere Doviti aleiuia di coee, nd 
fortena d*aiiimo Intrapree» continoere.* 



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287 



andere geworden. Im gannen Lande ostwirts nnd weitwiLrts 
▼om Mincio bemeliten in der Maflae der Bevölkerung Buhe 
und Ordnung,^ m der gelnldeten, fortsehritüiehen Ideen sonst 
nicbt abgeneigten Classe bange Furcht und Stille. Ala im 
Herbat 1840 Gioigio Pallayicino mit kaiaerüeber QestattuDg 
nach Mailand zurttebkehrfey sah er sich auf seinen hänslidien 
Kreia beadiribikt; ausser seinen allemltebsten Verwandten hielt 
sieb alles von ihm fem; nicht einmal Karten getraute man 
sich bei dem unter besondere polizeiliche Aufsiciit (gestellten 
Marchese abzuwerfen. ,Es liess sich/ heisst es in seinen Auf- 
zeichnungen, ,das lombardisch - venctianische Königreich das 
Land der Todten noiini ii- die österreichischen Mohnkörner 
hüLtcn alles eingeschiiiicrtj wer sollte sich Tauschuageu hin- 
geben, von Franzosen und Deutschen befreit zu werden!'* 

Gouverneur der Lombardie war in dieser Zeit nicht mehr 
Qraf flartie:, der 1840 als Staats- und Conferenz-Ministcr nach 
Wien berufen wurde und den Grafen Johann B. Spaur zum 
Nachfolger hatte. Einem alten und viel verbreiteten Tiroler 
Adelsgeschlechte entsprossen, im Staatsdienst ergraut^ war Spaur 
eifrig bemüh^ das Wolii dea Landes zu fördern, und waren 
es namentlich wuliithätige und son.st eremeinntitzige Anstalten, 
aber auch höhere wissensehaftUclie Institute, denen der edle 
Graf seiue fordernde Thätigkeit zuwandte, und es ist sehr 
ungerecht, wenn spätere Schriftsteller in grundsätzlicher Vor- 
emgi nommenheit L^'^-^m alles, was von Oesterreich kam, Spaur's 
vielfache Verdienste um das Land herabzusetzen versuchen.' 
Wenn es in so vielem, was solche Schriftsteller mit TioiclitfortjL'keit 
gegen den Kaiserstaat vorbringen, beim Alten l)lieb, so war das 
gewiss nicht des GouverncuiH, sondern der allgemeinen V'er- 
hältnissr' Schuld, deren er sich gleich allen anderen Organen 
der Staat^ewalt tUgen masste, ohne etwas daran ändom zu 
können. 



' . . regnando tanto nelle II. RR. truppo stazionate uüUa Lonibardia, 
come Deila rimanente popolasione lombarda in generale, iiri<> spirito 
bvono e tranquUlo, aniiohft prodiT« alle nscliiiusioiii dei aettarj'; Mai- 
linder Pt>liseib«ifilit 1844, Garte Msgr. n 396. 

• Meaunrie I 107. 

* Yf^ C Catati I 44: (Spaur), ,aomo di bnona paRta, ma inetto Miia*altra 
antoriti die qnella, o di fiir lapporti a Vienna o lieever coli ofdiaa da 



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2B8 



Auch konnte man sich, 8o lange die Begierang von dem 
System geistiger Absperrang nicht kssen wollte , wohl nicht 
▼erwandern, wenn ihre ängstlidie Vorsicht in demselbett Grade 
wachs, in welchem die Zeichen eines mit Macht nach einem 
Umsohwong drängenden Zeitgeistes sich mehrten. Als in den 
ersten vierziger Jahren der General-Polizei-Director Torresani 
nicht umhin konnte, der BHUrstin Belgioioso Trivulzi einen Pass 
nach Venedig, Deutschland und Prankreich auszustellen, säumte 
er nicht, den General-Polizei-Director von Venedijij llofrath 
de Cattanei auf diese Dnmc Jjcn nota per le sue viecnde 
politiclie' aufmerksam zu machen.^ Mit verdächtigten Ausländern 
machte man kürzern l^roeess, es wurde befohlen, sie, wo 
immer sie sich au der Grenze zci<^en sollten, einfach abzuweisen 
und heimzuschicken. Ein solcher Befehl erging einige Jahre 
später gegen den berülmiten Massirao d'Azeglio, gegen den 
Turincr Advocaten und Hcrau?ije])er des ,Me8saggiere Torinese* 
Angelo Brofferio und dessen Begleiterin, die ehemahge Sängerin 
Josephine Zauner; im Failn ihres Erscheinens auf ßsterreiehi- 
schem Boden wären sie sogleieli festzunehmen.* Als die Polizei 
erfuhr, der g-ewesene Präfect Porro habe eine Keise durch 
Italien vor, machte sie die k. k. Behörden auf diesen .höchst 
gefährlichen* Menschen aufmerksam, der sich ,in intima rela- 
zione ed amicizia coi pericolosi Mazzini, Marrast, Kotteck, Mitter- 
maier, tutti capi rivoluzionuri' befinde.' Es sollte auch die 
Vorsicht gebraucht werden, auf die Pässe verdächtigter Personen 
von polizeiwegen irgend ein unverfönglichcs Zoichen zu setzen, 
s. B. die Jahreszahl zu unterstreichen.^ 

Wir kehren zum Grafen Oasati zurück, den seine Stellung 
als Podcstii der lombardischen Hauptstadt mehr und mehr in 
den Vordergrund der Ereignisse brachte. Als im April 1842 
die Vermählung der Erzherzogin Maria Adelaide, zweiten 
Tochter des Vicckönigs, mit dem sardinischen Kronprinzen 
Herzog Victor Emanuel von Savoycn stattfand, säumte die 
Mailänder Municipalität auf Anregung ihres Podcsta ni' ht, sich 
mit der Widmung eines silbernen Bechers Ton feinster Ciselimng 

> Garte segr. U 485C 

* BlMBda 848 r. 

* Ebenda 881. 

* JBbeoda m 846f. 



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289 



für die küniglichti !>r;iut * inzustellen, als eines sprechenden 
Beweises ,che la maestiia c l;t scuola di Benvenuto Cellini nun 
fosse del tutto scomparsa dalia Pciiisola'.' Ea war dies mehr 
eine Huldigung fUr das Haus Savoyen als fiir die einheimische 
Dynastie, und überdies Hessen böse Zungen merken, es sei 
dem hüher strebenden Podestk eigcnüich nur <]r?rum zu thun 
gewesen, ein neues farbiges Band in sein Knoptioeh zu be- 
kommen. 

Von dieser Zeit datirte wohl auch der regere Verkehr, 
den Casati mit hervoiTagenden Persünli« hkeiten in Turin, zumal 
aus der Umgebung des Königs unterhieli, bowic sein Kntachluss, 
emcn seiner Sühne, der sich dem Militärstande widmete, der 
sardinischen Artillerieschule anzuvertrauen. Wie sehr ihm aber 
gleichzeitig darum zu thun war, sich mit den herrschenden 
Gewalten seiner Heimat auf guten Fuss zu stellen. }>ewies der 
UmsUind, dass er seine drei anderen S()hne, nachdem er sie 
mit Bewilligung der Studien -Hof- Commission im häuslichen 
Unterricht durch die Gymnasial- und philosophischen Jahrgänge 
geführt hatte, nicht an der Landes-Üniversität Pavia studiren 
Hess, sondern einen nach dem andern, um sie, wie er selbst 
sagte, den geheimen ßUndeleien seiner Landsleute zn enteiebeDy 
in die «Tara naeh Iniubrack schickte.^ 

« * 
• 

Im Jahre 1844 hielten die Gelehrten Italiens ihren sechsten 
Zusammentritt, Congresso degli Scienziati d'Italia, in Mailand 
ab, für welchen Anlasa auf Veranstaltang der Mnnicipalität ein 



* ^Mehner waren Albertolfi und Lnigi SabatelU, Citeleur Olor. Belleiia 

aus Mailand; Ottolini 21. 

* Es pflcf^on anch andere MaiLHiidtT Nobili Kwei Eisen ins Feoer «u legen; 
s<» liattf Graf Vitaliano Burrumeu den einen Sohn in der rOmiKchen 
IVälatur, duu andern in Osterreichiacheu Diousteu: ,s'iugegnava cou 
d* < M wo ad un tetnpo eetareo e ponlsficio, guelfo • gUbelHno/ Tgl. 
,Biflgr.% ein tob deniokntiflolism HaiM fegen die lomberdieelie Ariato- 
kntse erfülltes BUchlein, we et p. 7 vom Grafen Casati beiait; ,Efli 
si sarebhf fatto in äno per servire arl atnbedne le corti . . . Non potendo 
spartin« so niedosiriu), sparti la «ua faniig'lia, mottenrlo nii üiAlo nel- 
Tartiglieria di Carlo Alberto e nn altro nell' uaiver^^ita teduäca di liins- 
bvnek > . . eqailibratosi cosi fra i dae govemi attestava ad ambedue 
la «na deredone.* 



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290 



sweibliiidiges ausfülixlichei Werk ,Mi]«iio e ü sno territorio' ak 
Qabe für die fremden Oiste niBamineiigestellt wurde.* Der 
CSongreBS Belbet fand in den Tagen rem 13. — 21, September 
statty als Schnftfbhrer fon^rte der Gnbeniial-Vice-Seorötir bei 
der StaatBeehnlden-Liqnidinmgs-Oonunisaioa Oesare Correnti, 
ein wegen seines Witxes, welchem er an 2ieiten unter dem 
Kamen eines ^Dotter Verde' frden Lauf Hess, hier beliebter, 
dort gefürcbteter ICann. Einige fassten es als eine Demon* 
stration für Fiemont auf, eis die sgronomndie Seetion den 
Obristen Sambng — »uomo medioorissimo, ma simbolo del* 
Peserdto italttno' — an ihrem Obmanne wühlte. Andere wollten 
ein eigenartiges Wahraeichen darin erblicken, dass der Podestä 
von Mailand bei dieser Gelegenheit mit dem Prinzen von Oanino 
in nähere Berührong kam, einer Persönlichkeit von anerkanntem 
Wissen, aber dabei von politischen Anschauungen und Plänen, 
die sich mit der Haltung eines loyalen Unterthaus nicht ver- 
trugen.* 

IV- 

Von grösserer und folgenreicherer Bedeutung als der 
italienisclie Geiehrten-Oon gross war für Casati di^ Reisr» ^mch 
Wien, die er unmittelbar darnach antrat, um <1( ii hochgebie- 
tendeu Persönlichkeiten daselbst Exemplare der Mailänder 
Festschrift zu tiherreicheUj und diesen Anlass zu allerhand 
Vorstellung* n im Interesse seiner Stiidt und seines Landes zu 
benützen. Fürst Metternich wich jedem Versuche, den Oasati 
in dieser Richtung machte, geschickt aus. Besseres Glück hatte 
der Podestk bei dem Grafen Kolowrat und dem Hofkammer> 
Präsidenten Freiherm v. Kübeck, die mit Interesse auf Ange- 
legenheiten des Landes, jener namentlich über den Wirkongs- 
kreis der Comune, dieser zn meist über Eisenbahnen eingingen, 
gleichwohl nur freundliche Kedensarteu entgegenbrachten.* Die 



' Uobor einen ang Anlan dtolOr Pnblication zwischen Gabrio Casati und 
dem Dott. Carlo Catttueo «iiifebnwhaiiom Stxeik a. C. Caaati Blva» 
lassioni I 45 f. Anm. 

* ,Biogr.' 8 behauptet, Casati babe «chou vor der Zeit des Mailänder Ge* 
lehftan-CongreMM mit den Priaseii von Caniiu» «piatidM intemo alU 
rimiione della LmnlMudia eol Ftomoiitei* nAterhaltain, «ine Behanpimif * 
die alle nnd jode Wahxidie&nliohkett gagan ai^ hat. 

* C. Casati I 4A—60, 



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291 



woMwoDendste Äufiialime fand Casati bei dem zu jener Zeit 

allseits beliebten, als Mann des Fortschrittes und der Zukunft 
bezeichneten Hofkanzler der vereinigten Hofkanzloi Franz 
Freiherm v. Pillersdor ff, und ein seltener Freimuth chanikteri- 
girte von da an den raündlicheu und schriftlichen Verkehr des 
Mailänder Podestk mit dem Wiener Staatsraannc. Noch während 
seines Wiener Aufenthaltes, in einem am 17. October an Pillers- 
dorlf gerichteten Schreiben, setzte der nun bereits seit mehr als 
sieben Jahren amtirende, daher nach allen Richtungen ortalirene 
und urtheilsfähige Podestk von Mailand dem Wiener Hot kanzler 
seine Ansichten und Vorschläge über Verbesserungen im Ge- 
meindewesen, Vereinlaciiiiug des Geschäftsganges (sempliticar 
zione del giro degli affari), Klärung des Verhältnisses der Mu- 
nicipalität zur k. k. Delegation und zum Landes Gubcrnium, 
zur Provinzial- und zur Central-Congregation auseinander. Da 
aber die H* fuisse im npTneindewesen, dessen besonderes 
Wohl der p( (1* 3ta zu verüuten hatte, mehr oder minder mit 
den aligemeiuen Bedürftiissen des Landes zusammen fi eiert — 
ybisogni del mio paese ü cui provvedimcnto si collega colio 
municipali attnbuzioni o direttamente o indin ttiiiiiente' — , so 
erging sich Casati, offenbar von Pilleredorff dazu aufgemuntert, 
wo nicht geradezu aufgefordert, in einem zweiten Schreiben 
vom 19. desselben Monats in einer Aufzählung all jener Punkte, 
hinsichtlich deren seit einer Reihe von Jahren im lombardisch- 
venetitmischen Königreiche Beschwerden erhoben, Wunsche 
laut gewordra waren, deren Inhalt er dem Uofkanzler mit 
ebenso eingehender Sachkenntnis als unumwundener Oifenheit 
darlegte. £r bezeichnete als solche Deaiderata unter anderem klare 
Bestimmungen Uber das Heimatsrecht, Uber die active und 
purive Theilnahme der GemeindegUeder an den Vortheilen 
and Latten der Gemeinde; eine feste Reg^ung der Geburts-, 
Trauunga- und Sterberegister; Verbesserung der Qesandheits-, 
der Lebensmittel- and Markt-Poliaei^ sowie der Bauvorschriften; 
Reorganisation des öffentUdieA Unteiricbtes: den technischen 
Studien fehle die Richtung auf das praktische Leben und 
Wirken, in den Gymnasien bilde der obligatorische Unterricht 
im Griechischen eine Fessel etc. etc. 

Bei den Unterredungen, die der Podestk mit dem Hof- 
kanzier batte^ mochte auch Oasati's persönliche Stellung sEur 
Spradie gekommen sein, die dem geistvollen und arbeitsfireudigen 



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292 

Grafen insofern nteagte, ah aie üim ein weites Feld der 
Thfttigkeit offen hielt, die aber andefseitB dadurch ihre Ünan- 
aehmfiobkeiten hatte, ab sie awisofaen swei gleich anspniohs- 
ToUen Sphären; jener der Gemeinde und der andern der kaiser- 
lichen Begiemng, in der Mitte stand und dem Vorstande der 
ersteren eine Verantwortiichkeit nach awei Seiten hin auf- 
bürdete, die bei der periodischen Widerruflichkeit dieses Amtes 
eine schwierige war.* Ohne Zweifel erregten die sehr schätzens- 
werten Eigenschaften des Mailänder Conte, dessen reiches und 
gründliches Wissen, dessen genaue Kenntnis und tretfeudc Be- 
urtheilung der Verhältnisse seiner Stadt und seines Landes bei 
Pillersdürff den Wunsch, Casati für den ^Staatsdienst zu ge- 
winnen, und er legte es Casati, bevor dieser von Wien Abschied 
nahm, nicht undeutlicli nalic, w(!nn sich die Erledigung einer 
Stelle ergäbe, die ihm zusagen würde, nicht zu säumen, sich 
ihm, Pillersdorff, offen anzuvertrauen. 

Es ist hier wohl am Platze, sich mit der Frage zu be- 
schäftigen, wie wir uns Casati als Mann der Regierung zu 
denken hätten? Er würde wohl nie ein österreiehisehor Staats- 
mann andern Schlages geworden sein, als wie sit li ^ Turtln' s 
Oranien gestand ein spanischer zu sein. ,Wir dienen dem 
König,' sprirlit dieser zu Egmont, ,auf unsere Art, und unter- 
einander können wir gestehen, dass wir des Königs Rechte und 
die unserigen wohl abzuwägen wissen/ Nnn denn, wäre das 
im Falle Casati für den einen oder andern Thcil vom Uebel 
gewesen? Gewiss war das scharfe Polizeiregiment, das mar\ 
der österreichischen Regierung in Lombardo-Venetien so seiir 
zum Vorwurf machte, durch die fortwährenden Umtriebe der 
revolutionären Partei nur zu sehr gerechtfertigt, womit indes 
die Art und Weise, wie sich in einzelnen Fällen die Ausübung 
dieses Systems bethätigte, keineswegs in Schutz genommen werden 
soll. Wer aber kann sagen, ob sich jene Nothwendigk^t nicht 
in demselben Masse herabgemindert haben würde, wenn mit 
der von Sicherheitswegen gebotenen Strenge eine billige und 

* CasaU an Pillersdorff 8. Juni 1845. Er heklag-l sich hier, er sei ,Cf>in- 
mande i la uullitö ])olitiqne, car la place que j'occape ö»t tout-ä fait 
j)r«>caife, quuique d une plus graude responsabilit^ qu'une d^l^gation 
queleonque, p1ae4e ttntre Arno, exigences qui aemblMit qaelqnefob s« 
froiaser« poritton qoi me fofce de ma tenir tcnjoiin diat nne certaine 
eoBtnlnte bian ploa penible pour mol qu*anenn travail*. 



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293 



weise RttckBichtnahme auf die WUnBche der intelligenten Be- 
völkerung des LandeS) und in diesen Kreisen aUein spielte sich 
Ja jenes geßlhiliehe Treiben thy Hand in Hand gegangen wäre? 
wenn eine aUmäüge Yersöhnung mit dem Geiste der neaen 
Zeit, der non «nmal in allen LAndern des WeHtheiles ein. ge- 
bietender Faetor war, Fiats gegriffen bitte? Das war es ja 
eben, worin der Mailänder Graf und der Wiener Staatsmann 
miteinander übereinstinimten, was sie einander näher gebracht 
hatte und was jcucu, wie sein ganaer Briefwechsel beweist, die 
Hoffimng nicht aufgeben Hess, dass es seinem hochgestellten 
Gönner in Wien doch noch gelingen werde, der kaiserlichen 
Staatsmaschine andere Triebfedern einzufügen. Unter dieser 
Voraussetzung, so dürfen wir annehmen, würde Oasati mit 
freudi^jcr und erfolgreicher Hingebuiig einer Regierung- LTcdient 
haben, liic, indem sie mit kluger Voraussicht den Aiiächiiigou 
ihr feindlicher Milchte einen AngritTspunkt nach dem andern 
entzog, damit zugleich das Wohlergehen und Gedeihen jener 
Factoren forderte, die dem Interesse und den GefUhlen des 
Aiuiiander Conte am uächsteu standen. 

Der vom österreichischen Hoikanzler vorgesehene Fall 
trat gleich im Frühjahre 1845 ein, wo alle Anzeichen dafür 
sprachen, dass der betagte Provinzialdelegat von Mailand Ca- 
valiere Franc. Torriceni in den Ruhestand treten werde. 
Dieser Posten, meinte Casati, wUre ftir ihn wie geHchaflfen, 
weil die Üebemahme desseH^on ihn nicht von Mailand entrernen 
würde, dor Stndt, der '■»"ii)' Fanulie seit Jahrhunderten ange- 
höre, deren Erinnerungen liim tlieucr. deren Verhältnisse ihm 
gcläutig seien, der Stadt, m der sich sein ]>isheriges Lebeiv und 
Wirken abgespielt habe und der er niclit ohne 7:winü;rnde 
Umstände Lebewohl zu sagen gedenke; weil ferner der Antritt 
des Delegatenamtes für ihn eigentlich keine sachliche Aenderung 
und £r8chwernng seiner nun schon achtjilhrigen Geschäfts- 
führung nach sich züge, da er dann in zweiter Instanz zu ent* 
scheiden haben würde, was er bisher in erster getban, und das 
Uebcrprüfen doc h jedenfalls leichter sei als das Ton Grund aus 
Schaffen. Gleichwohl würde er sich, fuhr er fort, von seinem 
gegenwärtigen Posten nicht wegverlangen, wenn derselbe ein 
dauernder wäre, nicht aber ein solcher, dessen Besetzung von 
drei zu drei Jahren eine Wiederwahl mit geheimer Abstimmung 
erfordere, auf welche letstere mitunter gans andere Bestimmungs- 



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grOnde «Inzawirken YermOgen als jene des Dienstes und Oe- 
meindewohles. Eises jedoch könne er schon in seiner gegen- 
wKrtigen Stellang, am der Rttcksichten willen, die er derselben 
sowie seinen oonranalen Hitbesmten sehtdde, nieht thnn: den 
regehnftsBigen Weg der Bewerbung betreten; gefiüle es Sr. Ma- 
jestftt^ seinen Wflnschen zu wÜUithren, so mflsae dies, wie es in 
anderen FsUen bereits geschehen» unmittelbar und ans eigenem 
Entschlüsse yon Wien ans erfolgen und nach Mailand als 
Ueberraschnog gebracht werden. 

Es war in einem Schreiben vom 19. Hai 1845, in welchem 
Casati diese Ideen entwickelte, worauf FiUersdorff, wie es seine 
liebenswürdige Art war, in einem ungemem freundlichen Tone 
erwiderte. Wie sehr dem Mailänder Conte die Angelegenheit 
am Herzen lag, beweist der Umstand, dass er die Antwort des 
Ilofkanzlors zum Anlasse nahm, ein zAveites Schreiben an den- 
selben zu richten, 18. Juni, diesmal französisch iresehrieben, 
worin er ci<j;entlich nur wiederholte, in einigen Punkten ver- 
stärkte, in anderen ergänzte, was er drei Wochen früher ge- 
schrieben hatte. Pillersdorff hat es, wie wir nach anderen 
Fällen ähnlichen Charakters schlieasen düi'fen, gewiss nieht bei 
seinem Erwiderungöschreiben an Casati bewenden lassen ; er 
wird nicht crmangelt haben, massgebenden Persönlichkeiten das 
Schreiben Casati's einsehen oder (hissen Inhalt wissen zu lassen, 
all dies in gleich vertraulielier Weise, wie sieh der gräfliche 
Briefsteller an ihn selbst gewandt hatte. Gleichwohl erreichte 
Casati die Erfüllung seines Wunsches nicht, was das Ergebnis 
von Schritten und Erwägungen gewesen sein nuiss, die sich 
gleich den früheren hinter der ^Scene zwischen den Dirigenten 
und An'angouren der ganzen Action abspielten. Thatsache ist, 
dass in allen auf die fragliche Besetzung sich beziehenden Schrift- 
stücken weder vom Fersonalienreferenten Grafen v. Paehta, 
vom Gouverneur Grafen Spaur, vom Vicekünig Erzherzog 
Rainer in Mailand, noch vom Coneipicntcn des alleruiiterthänig- 
sten Vortrages der vereinigten Hufkanzlei in Wien der iNanie 
Casati auch nur genannt wurde, und die Allerhücliste Ent- 
schliessung vom 29. September 1H4Ö den k. k. Gubernialrath 
und bisherigen Provinzialdelegaten von Pavia Antonio Bellati 
cum Nachfolger Torriceni's berief.^ 



^ Acten 4m k. k. Miiüitaiiaiiw Innen« 



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295 



Waren fUr diese LOsung uur bareankratische Rtlcksiohteii 
entscheidend? Musste Casati wie im Jahre 1833 beiseite gesetzt 
bleiben, blos darum, weil man behördlicherseits meinte, dass 
sich angesichts so vieler und verdienstvoller Beamten aus der 
Kategorie der bereits angestellten Staatsbeamten die Hervor- 
ziehung eines Kicht-Beamten und ubei Llieü Nicht Güüuchstellers, 
im amtlichen Sinne dieses Wortes, nicht rechtfertigen lasse? 
Vielleicht spielten Bedenken anderen Charakters mit! Casuti 
Hess sich nicht anf den Grund seiner Seele blicken; er wich 
kluer und vorsichtig jeder Kundgebung aus, die den Schein 
illoyalen Sinnens und Strebens auf ihn werfen konnte; die un- 
leugbare Offenheit, mit der er sich über die VerlüUtnisse, die 
ihn umfrf^ben und das Verhalten der Regierungsorgane sowulil 
diesen selbst ah seinem hochgestellten Wiener Gorrespondenten 
gegenüber ausÜess, gaben ihm sorrar einen p^ewissen bieder- 
miinnischen Anstrich. Allein wer konnte wissen, wie er es inner* 
hch meinte! 

Die l)iii<:e auf der apennunschcn Halbinsel liatten in den 
letzten Jahren wieder einen sehr bedenklichen Chiirakter ange- 
nommen, wozu die administrative Miswirthschaft )ner, die poli- 
zeiliche Nergeiei und strafgerichtliche Härte dort den fort- 
währenden Anlass gaben. ^ Den republikanischen Tendenzen 
Mazzini's und dessen Anhanges gegenüber, die mit allen Ke- 
gierungen Italiens aufräumen wollten, stellte die piemontesische 
Fortschrittspartei ihren König als das Schwert hin, dem es 
«ttein gelingen könne, die j^^exaden vom itaÜenischen Boden 
wegsalegen. Diese Partei spann nm die Mitte der Tieraiger 
Jahre ihre Fäden bis nach Mailand hinein, wo sie einen dop> 
pelten Widerstand zu Uberwinden hatte. Denn gerade hier 
waren die misgttnstigen fündrOcke, welche das Scheitern des 

* de Castro iti st .nrm Moudo segreto VIII 13Gf. spriclit zum Jahro 1845 
vuu einer coiumunistischen Secte, für üio er «ich einerseits auf die 
,ragguagli di egregia perMaa* beruft, wllyrand er andaneiti dm 2Sweif6l 
«lURlirieht, dau di«Mr Qeheimbnnd ,fone ba solo odttito ne^poludfiMdii 
protocolli*. Die MitgHodAr der Fantenna, diesen Namen habe die Secte 
geführt, seien Jfinplliijre powp-sen, von denen keiner alter als vierund- 
zwanzip Jahre, iiätten ihre Zusammenkünfte in der Stubo irgend einer 
Gastuahrung gehabt; es cteieu da gewiAse mysteriOäU Cereinonien ernsterer 
GebeimbQnde, z. B. StUlsohwetgen darcb eine gewisse Zeit« nachgeäfft, 
«• aeicn 8b«%elder sam Bastea dar heitarea Gompaaei aingeboban 
wondan alBa 



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296 



AnfstaBdflveTsnehes yon 1820 snrttckgelaasen^ am wenigsten 
erloschen. Noch lebten in der lombardischen Hauptstadt so 
manche der ^traditi del 1821'; es gab da Vettern und Ver- 
wandte von solchen, welche die Zaghaftigkeit, ja Wortbrüchig- 
keit des damaligen Prinsen Garignan mit einem dauernden 
Exil SU bttssen hatten, nnd bei denen darum der Hass gegen 
Piemont und dessen gegenwärtigen König kaum geringer war 
als gegen Oesterreich und dessen Kaiser. Zudem gab es in 
Miiland nnter den geheimen Anhingem des Jungen Italien' 
nicht wenige solche ^ die von der alt-italienischen Municipal- 
fireiheit schwttrmten und von einer königlichen SchutaiE- oder gar 
Oberhemchaft nichts wissen wollten. Vitaliano Criyelli, Carlo 
Clericiy GKorgio Raimondi sfthlten au dieser letzten Gruppe.' 
Oasati's Kamen wurde in den geheimen Bnndesschriften jener 
Tage, 80 viel mindestens davon seither bekannt geworden, nicht 
genannt. Da aber mehrere der ausgesprochensten Heger solcher 
Ideen zu seinen persönlichen Freunden s^ehörten, auch wohl 
31iti<licder der Municipalcongrep^ation waren, an deren SpiUe 
er stiind; da ferner seine so nahe Verschwiii^^erung mit Federigo 
Confalonieri, der eben um diese Zeit, vom Kaiser vollständig 
begnadigt, trotz zunehmender WasHersueht sich eutschloss, sein 
bibhcriges Asyl aulV.uueben und mit seiner zweiten Frau, einer 
Holliiiidcrin von (leburt, in seine langersehnte Heimat zurück- 
zukehren, bekannt war, so lag fUr die Landesregierung der 
Ari^wohn nahe freiiui;, in Casati einen Gesinnungsgenossen jener 
auf die Losreisöung von ( )esterreieh hinzielenden Gruppe zu 
erblieken. Beweisen lu m h freilich nichts; aber äusserste 
Vorsicht schien jedcnfalk geboten. 

V. 

Am 1. Juni 1846 schloss Papst Gregor XVI. seine irdische 
Laufbahn; zwei Woclien später ging aus dem Conciave der 

Cardinal-Priester Giov. Maria aus dem grilflichen Gesehlechte 
Mastai Ferretti als gewühlter Pa)).sr hervor und wurde am 
2i. unter dem Namen Pius IX. mit der Tiara gekrönt. 

Der grosse Stein des Anstosses, als den man seit langem 
die italienische Frage zu bezeichnen ©ich gewüluit hatte, sollte 

* DaI ms. inodlto ,8eoreta fideliam crnda' im Arebivio triennale eee. 
(Capolago tip. Bly«tica 1860} Sw. 1» toL !• p. «2. 



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297 



mit der ThronbeateigaDg dieses Papstes ins Rollen kommen. 
Fürs erste gewann der Zauber sdner Persönlielikeit die ganze 
rOmisolie Welt Die SoliOnlieit sdner EnM^eömng^ der Wohl* 
laut aeineB Organs, die milde Frenndlichkett seiner Haltung and 
seines Gebarens Tenetete sie in einen Taumel des EntsUckens. 
-Gleich die ersten Wochen gingen in Festlichkeiten und Huldi- 
gungen, in Kundgebungen der verschiedensten Art hin. Da gab 
es Hen*en- und Damenmoden alla Pio IX., vergoldete Knöpfe 
alla Pio IX., Halsbinden alla Pio EX., Regen- und Sonnen- 
schirme alla Pio IX. etc. etc.* Aber auch ernstere Walirzciclien 
als solch kindische Spiele zeugten für einen Uinschwun^^ (Ks 
ütfeutlichen Geistes. Uebeiall Acte dci- AV(ihltli:itii:;k( it, Geld- 
spenden fiir die Armen, Speisuno; bediiri liger Familien auf ge- 
nn'iiisrliaitliche Kosten, fromme und pfemeinniltzige Stiftungen. 
Airs am IG. Juli, genau einen Monat nach seiner Erwählung zum 
Papste, Pius IX. einen Amnestie-Erlass für aiie politischen Ver- 
brecher der letzten Jahrzehnte verkündigen Hess, da kannte 
die Begeisterung keine Grenzen, die sich in jeder Stadt, ja in 
dem kleinsten Flecken, selbst in einsamen Burgen zu erkennen 
gab; denn überall waren ja Angehörige, Mitbllrger zu begrilssen, 
die befreit in den Kreis der Ihrigen zurückkehrten. In der 
Stadt Narni prangte das Amnestiedecret in einer mit reichem 
Blumenschmuck gezierten Umrahmung an den Strassenecken; 
Züge von Jünglingen umwanden ihre Schläfen mit üelzweigeu, 
den Symbolen des Friedens und der Versöhnung. In PerL'ola 
stattete man ein Gezelte im Atrium des Stadtliauses mit Blumen 
ans, zwischen denen der päpstliche Erlass feierlich ausgestellt 
war. Die beiden ^tärlti' Visso und Norcia, von altersher in 
gegenscitii!;cr Anfeindung und Streit, veraiistaltoten im Geiste 
des gnadenvoüen Actes des Ileiligrn Vaters FrstHohkeitcn /Air 
Herstellung des Friedens und der Versöhnung und nunmehrigen 
brüderlichen Eintracht ihrer beiden Gemeinden. In Rom selbst 
wurde jede Ausfahrt des Papstes zu einem Triumphzuge, den 
ausgesuchte Freuden- und Dankesbezeigungen begleiteten. Ein 
Regen von weissen und gelben Blumen strömte aus Fenstern 
und von Balconen auf ihn herab; Schaaren junger Leute, an 
ihrer Spitse eine weiss-gelbe Ffthne mit der Aufachrift ^Gtios- 



* Bboiginento I SMl Vgl. mein ,Oi«for ZYL and Piu IX.* (Pray 1895 

Frans Josephs- Akademie) & 99^79. 
AKUT.ZCLBmd.II.Ellfls. 90 



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tisia e Paee'y hielten Palmen- und Oelsweige in ihren Hilnden; 
man spannte die Pferde seiner Kutsche aas, hob diese, gegen 
alle Abwehr des Gefeierten^ nnd trug sie auf krftftigen Schultern 
in seinen Palast 

Dieser Jubel, dieseBegeisterang hatten aber noch eine andere, 
eine um&ssendere und httbcre Bedeutung ab filr die Stadt und 
den Staat, die sich aunlehst des Waltens des liebevollen Heiligen 
Vaters erfreuten. Im Jahre Yor der letsten Papstwahl war die 
zweite Auflage von Gioberti's Buch ,Del primato ^^ile e morale 
degli Italiani' erschienen, jenes Buches, das von allem Anfange 
ein berechtigtes Au&ehen gemacht hatte. Der rttmische Papst 
sollte sieh, im Sinne Gioberti's, an die Spitze der italienischen 
Fürsten stellen, sollte der Wiederhersteller der Einheit, der 
Freiheit, der Grösse Italiens sein. Und welcher Papst, sagten 
sich jetzt die Italiener, wäre geeigneter diese Rolle zu spielen, 
als der gegenwärtige?! Wer scheine geradezu berufen, von der 
Vorsehung ausersehen , jene Auigabe zu crrüllcn, als unser 
grosser Pio Nono, dem, wenn er mit seinem erhabenen Beispiele 
vorangeht, alle Fürsten der glücklichen Halbinsel sich fügen 
müssen ? ! 

Die Ideen und Wünsche, die sich aub den Anregungen 
Gioberti's entwickelten, erhielten den ersten gehässigen Bei- 
geschmack, als der Gnadenact Pius IX. vom 16. JuH seine 
Wirkung zu äussern begann. Denn diese Amnestirten, vordem 
Gefangene die ans ihren Kerkern, oder Verbannte die aus 
allen Ländern des westlichen Ruropa in ihr Vaterland zurück- 
strömten, brachten zum allergeringsten Theile Heue Hber ihr 
politisches Vorleben und ernsten Vorsatz, sich in nichts Aehnhches 
wieder einzulassen, mit sich. Die grosse ^[ehrzahl fasste im 
Gegcntiieil die gewährte Nachsicht und Verzeilmng als einen 
Ansporn auf, auf dem frtlher unter dem Deckmantel des Ge- 
lieimnisses betretenen Pfade nunmehr ofTon und ohne Rückhalt 
vorwärts y.w schreiten. Ihr Ziel war die Einheit, aber auch die 
ünabhi!ni;ip:keit Tt-ilien^^. dessen Loslösung von der , Fremd- 
herrschaft', die Zuriickdrangung Oestcn'cichs über die Alpen. 
Mit ungemeiner Rasclihcit griff dieser Gedanke um sich, zog 
alle Olassen der Bevölkerung in seinen Bann. Als im Sep- 
tember 1846 der Congrcss italienischer Gelehrten in (Jenua 
tagte, mischten sich in die wissenschaftlichen Arbeiten nicht 
blos Iiobeserhebongen für den gefeierten Papst, sondern auch 



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299 



nnyerkeimbare IfisfiübbeBeigungen gegen Oesterreich und die 
,Deat8cheii'. Auf den 5. DecemW 1846 fiel der hundertste 
Jahrestag dar Vertreibung der ^Dentschen' ans Genna — la 
eaeciata dei Tedeschi da Genova — , den man mit besonderen 
Feierlichkeiten begeben wollte. Der Gelehrtencongrese konnte 
bis zu jenem Datum nicht beisammen bleiben ; aber um gleich- 
wohl seine Sympathie ftlr dieses Nationalfest zu bekunden, ver- 
fUgten sich an einem bestimmten Tage die Mitglieder des 
Congresses in corpore zu dem marmornen Standbilde von Por- 
toria, das dem En^ijurnisse von 174G gewidmet war. Als in den 
Tagen dieses ( ^oiit^r* .sses König Karl Albert nacii Genua kam, 
fiel seinem I't» ■ cm janger Mensch in die Zügel: Maestk, 
bisogna prcpararsi aila guerra! Der jnnge Mensch war Nino 
Bixio. 

In dieser Zeit war es auch, wo der Name eines Mannes 
zuerst in weiteren Kreisen genannt und gefeiert wurde, von 
dem bis dahin in Europa niemand etwas gehört, selbst in 
Italien nur die Wenigsten etwas gewusst hatten. Giuscp}m 
Garibaldi, frühzeitig in die Machenschaften des ,Jungen 
Italien' verstrickt und deshalb von der sardinischen PoUzei 
aufs Korn r.<'n Hinnen, hatte sich den Verfolgungen durch 

Flucht entzogen, war in die Dienste des Bey von Tunis ge- 
treten und hatte sich später nach Südamerika eingeschifft, in 
dessen Republiken es fortwährende Händel gab, wo der Vater- 
landslose ,fur die Ftn ilir-it' kämpfen konnte. 8eino Stärke war 
der Parteigilngerkrieg, er brachte rinr Schaar von 30(H) kiilmen 
nnd entschlossenen Männern zii^imnm n, dio den Kcni der 
Truppen jenes Stnntos bildeten, dem er sciiu n Dcfi^cn Ii* !i Tu 
den Jahren 1845/V) war es die Republik Uru;xuay, der er zuerst 
in einem Feldzuge gegen Brasilien, dann gegen den Dictator 
Rosas von Buenos Ayres beistand. Nun begann sein Name in 
seinem Vaterlande zu wiederhallen, er wurde als ,soldato della 
iibertk* gepriesen, er sollte durch einen Ehrendegen ausge- 
zeichnet werden, wofUr man Beiträge sammelte. Anf die Sub- 
scriptionsliste soll auch Carlo Alberto seinen Kamen gesetzt 
haben; als aber Officiere der Turiner Gku*nison dieses von höchster 
Stelle gegebene Beispiel nachalimen wollten, erhielten sie den 
Wink davon abzusehen. Es war dem Könige nicht gehener, 
in seiner Armee eine Demonstration um sich greifen zu lassen, 
die im Grande ein republikanisebes Gepräge hatte. Garibaldi 

80* 



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300 



aber sah diesen Zwischen&U als «nen Wink an, nach Europa 
zarttoksnkehren und seinen D^gen dem Papste oder dem Oross- 
hersoge von Toeeaaa aar Verfügung sn stellen*; er schien 
es »oeh nioht sa wissen, wer der ptidestinirte ,Degen toq 
Italien^ war. 

Denn neben dem gefeierten Oberhaupte der Kirche trat 
jetzt der Anhang des Königs von Sardinien als Gebieters über 

die bewährteste Militärmacht Italiens immer entschiedener hervor, 
wklaend alles, was an die fatale Zeit von 1821 erinnerte, mehr 
in den Hintergrund gedrängt wurde. In Mailand selbst befand 
sich neben dem officiellen Vertreter der Turiner Regierung, 
dem Genoralconsul öugl. (iaetti de Anprcli, ein geheimer Ver- 
treter der piemontesischen Propaganda in der Person Maurizio 
Farina*s, eines Cavaliers von den angenehmsten Formen. Ab 
und zu fanden sich für besondere Zwecke Gehilfen, ein Pareto, 
ein Dorla, ein oder zwei Ricci aus Turin, ein Salvagnoli 
aus Florenz, Giacomo Durando u. n. ein. Ihre Aufgabe war, 
die Mailänder Geheimbündler in pit niuiitesischem Interesse warm 
zu erhalten, die letzten Bedenken gegen die Persönlichkeit Karl 
Alberts zu besiegen. 

• . • 

Den Verpflichtongen des Condave hatte sich auch der 
hochbetsgte BSrshischof von Mailand nidit entsiehen zu dttrfen 
geglaubt Er scheint dabei seinen alternden Kräften zu viel 
zugemuthet zu haben; nach seiner Rückkehr aus Rom erkrankte 

er, am 19. November gab er seinen Geist auf. Graf Gaisruck 
war bei Antritt seines Postens ein Josephiner zu nennen, der 
sich namentlich den Jesuiten abgeneigt und dem Klosterwesen 
überhaupt nicht hold zeigte. Im Ilingang der Jahre hatte er 

sich mehr und melir zu römischen Ansichten hingeneigt, so dass 
er den Radicalen als ein Abtrünniger galt und ihn diese, als 
er zu Mailand ein der Erziehung gewidmetes Frauenstift , Maria 
Opferung' gründete, mit Pasquillen und Schmähschriften ver- 
folgten. Gaisruck war ein Kirchenfürst von Uidellosem \\ aiulel, 
dem selbst Neider und Feinde nichts nachsagen konnten, ein 
fester Charakter, wie sich ein Zeitgenosse ausdruckt, ,mit einer 



* Aieh. tiittiii. I Nr. 84« p. 844$ QarilMldi an Aatmüni %1, Dwoilm 1847. 



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301 



CMniiuDg Ton Stahl', der mit Eifer die Intwenen Miner DiOeese 
wahrte und sie, wo ee galt, mit FreimuÜi auch der Regierung 
gegenftber Terfocht^ Der eineige Verwurf, den Einige ihm 
maehen sa dürfen glaubten, bestand darin, daes er am den 
reichen EinkflnHen des ersbisch^Iflichen Stuhles nieht wenig der 
verarmten Familie seiner Heimat zukommen liess, was ihn aber 
nicht hinderte, wohlthätig nach allen Seiten, ein Vater der 
Armen und Gebrechlichen zu sein. 

So sehr man sich in den letzten Jahren in Mailand mit 
der nahezu dreissi^jährigen Diöcesanverwaltung des Cardinais 
Gaisruck und d< s^^eii pLi süiilichkeit befreundet hatte,* so lebendig 
und anspi u( hsvdll trat jetzt las italienische Nationalgetiihl hervor, 
von weh li(?ni, kaum das> die Kunde vom Ableben des Cardinais 
in die < )etTenÜichkeit gedrungen war, das Losungswort ausge- 
geben wurde: der Nachfolger auf dein Kirchensitze des liei!ii::üii 
Ambrosius müsae ein Kinheimischer, dürfe kein ,Auslauder' sein. 
Sei es nicht, so sagte man sich, ein altes Privilegium der Stadt 
Mailand, einen Oberliirten aus der Mitte seiner Bürger zu haben? 
Habe sich nitiii der Gemeinderath ehedem des Vorrechtes erfreut, 
au das Staatsoberhaupt die Bitte um die Auswahl des Erz- 
bischofes aus der Classe der MailUnder Patricier zu richten? 
Habe nicht Kaiser Joseph II. mit Deeret vom 9. Mai 1782 ein 
der Stadt und ihren Bürgern so theures Priviitgium bestiUigty 
Habe nicht der Comnnalrath nach dem Tode des Cardinais 
Pozzobonelli durch Beine Petition vom 28. April 1788 von jenem 
Vorrechte Gebrauch gemacht und die AllerhüchtiLe Entöchliessung 
vom 1. September durch die Ernennung des Fihppo Visconti 
lind die dabi'i ausi^^edrücktcn Beweggründe dieser Wahl die 
unverminderte Geltung jenes Von cchtt s lu stiiiigt? Es sprächen, 
hiess es weiter, für diese Uebung auch innere Gründe. Die 
Mailänder Kirche besitze in ihren ,Acta 8anctonim ^fcdiola- 
nensis Ecclesiae' einen Codex, nach dessen Vorschriften ül) r die 
Qebräuche, den Ritus, die Vorzüge des Ambrosianischen tro- 
poiitansitzes sich viele Kirchen des Landes von ahersher riciiten, 
dessen Kenntnis, richtige Auffassung und Anwendung aber wohl 
nur Toa einem Landeseingeborenen erwartet werden können. 

> Beda Weber Cbaraktorbilder (Frankfurt a. IL Sanerl&nder 1868) 808. 
* Carlo Catati I 67—60 aagt ihm imm Lob« mush; ,aTer fatto dimenti- 

care d*««er €^ aoftriaeo', und nwmt ihn ,noii pooo amalo dai Lom- 

haidi*. 



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m 



Dastt die Eigenheit der Sitten nnd Gtewobnkeiteni der Denk- 
weise und AnschanungeDy selbst der Schwäehen und Febler der 
BerOlkerong, die doch »ron memand besser gekannt nnd be- 
achtet sein sollten als von dem geistliohen Oberhirten derselben, 
was aber gewiss nicht eintreten wOrde, wenn derselbe eine ans 
der Fremde herübergekommene Persönlichkeit wftre. ,Ein fremd- 
ländischer Bischof wUrde die mit seiner kirchlichen Würde rer- 
bundenen Pflichten zu erfüllen im Stande sein; aber die Henen an 
beherrscbeni die Geister su regieren, die Gewissmi wo, leiten, auf 
die Sittlichkeit des Volkes einzuwirken, mit einem Worte die 
Leuchte, die Richtschnur, der Vater der QlAubigen zu sein, ist 
nahezu unm(^lieht' Man werde unter den heutigen VerhJili' 
nissen gewiss nicht darauf bestehen, dass es ein gebmner 
Maillnder am, der das Pallium erhalte, obwohl eine solche Wahl 
nicht ausser dem Bereich der Ausführbarkeit läge; aber jeden- 
falls sei es thunlich, natürlich und gerecht, dass es ein Natio- 
naler sei. Die Mailänder Kirche zähle eine Reihe von 137 
Bischöfen, und man miisstc bis ins 10. Jahrhundert ziiriick- 
j^ehcn, um vor dem Cardinal Gaisnick einen Nicht-ItaUener, 
einen Franzoscnj und Iiis in die ersten Jahi luiiulcrte um einen 
Griceiicn zu linden. Zweihundert Jahre spanischer Herrschaft 
hätten nie einen audern Erzbischof gesehen als einen geborenen 
Mailänder. 

Dies waren die Gründe und Erwägungen, die der Po- 
dcstk von Mailand, kaum dass die irdischen Reste des letzten 
Cardinal-Erzbischofs beigesetzt waren, dem Erzherzog -Vicekönig 
vortrug und dieser in huldvoller Weise mit dem Bemerken 
ent^ep^ennnhm^ er finde dieselben ebenso sachp:emUss als 
gerecht. Da sieh der geistliche Referent beim Mailänder (tu- 
bernium, der jrroise Theol. Dr. Oaetano (liudici. in dieser 
Sache thoilnahmslos zeigte, so wandte sieh Casati einerseits an 
den päpstlichen Sccretär der Bittschriften Cardinal Lodovico 
Altieri, anderseits an den k. k. liofkanzler lu Wien, den er 
in ' mcm ausführlichen Schreiben beschwor, in einer Angc- 
Icn^cnhcit, diu in hohem Grade das Interos?". dns Wohl und 
Heil des Landes berühre, seinen ganzen Kinliuss auä/ul)ieten. 
um sie zu dem erwünschten Kndc zu leiten: ,Dcr Dank dafiü" 
wird ewig sL'inI* PillcrsdorlT antwortete in gewohnt freundlicher 
Weise, indem er den Grafen aulTorderte, Persönlichkeiten, bei 
denen sich die erforderlichen li^igenschaüen fUr einen so wich- 



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tigen und ▼enntvrortlielieii Posten TinraimetBen Uewen, aiufindig 
und massgebenden Ortes namhaft an machen — ,de les faire 

connaitrc k qui rautoritä souveraine a eonfi^ de prcsenter des 
propositions' — , eine Aufgabe, der sich Casati, wie kaum 
gesagt zu werden braucht, mit freudigster Bereitwilligkeit und 
mit Bczcip^ung seines lebhaftcü ruLiiutismus und seiner Lehens- 
treue unterzog.^ 

Die Entscheidung kam indes« nicht so schnell, da iit Wien 
sehr daran geflacht wurde, den Cardinal Schwarzenberg i'ur 
Mailand zu bestimmen, einen KirchenfUrsten, dessen vornehm 
würdevolle Krsclieinung, wie man hoffen durfte, nicht minder 
allen Widerspruch besiegen würde, wie ihm seine priesterlichen 
und gesellschaftlichen Eigenschaften in kürzester Frist alle 
Herzen gewinnen müssten. Anderseits trug sich in der Zwisclieu- 
zeit in Mailand selbst manches zu, was sowohl die Landes- 
behörden als die Wiener Hofstellen mit eini^^^em Misstrauen 
dagegen erfüllen musste, durch die lierutuiig eines Landes- 
kindes auf den Sitz des heil. Ambrosius gewissen Tendenzen 
neue Nahninir zuzutiihren. 

Am 10 DiM'pmber 1846 war Federigo Confalionieri auf 
der Reise nach seiner Heimat zu Hospenthal im Canton Uri 
gestorben; seine irdischen Reste sollten nach Miiggiö nächst 
l^lonza tiberfilhrt und an der Seite seiner voraiisfregangenen 
treuen Torosa bestattet werden; die Regierung gab die Er- 
laubnis dazu>' Als sich aber eine ,Oesellschafl von Edelleuten 
und Bürgern' zu dem Zwecke bildete, im Wege der Subscrip- 
tion die Mittel zur Errichtung eines prachtvollen Denkmals für 
den alten Verschwörer aufzubringen, da hess der General- 
Pol izei-Director die Unternehmer kommen, die er fragte: ob 
sie sich an den Galgen bringen wollten? ,Voi tomate agli 
antichi amori*, soll er dem Grafen Porro-Lambertenghi zur 
gerufen haben. Sie mossten sich mit der Veraostaltiuig einer 



* Casati an Pillersdorff 20. Januar 1847, welchem er d.-inkt f8r die gro«Be 

Ont«, ,avec lri<inf«no V. E. a bien voiilti acctiuillir k's expressions <les 
v(i-iix (riin sujöt iuy.ll dn Bonveniiii et iTuu citoyou «jui aiiuo son paya 
ui düäirt» surtuut in röciprucit«^ il atVectiuti eutru l'auturit43 supreiuu et l:i 

pupulation * . . XMeu venille que taut aU k rinrnr mIoii lee voeus du 
payi et Im fum ngiM ot religieoM» de S. IL* 

* Die Webnnif TorraBaiuV aas diesem Anlaase u adne Oiipuie i. Ottolini 
La mTolanone Lombaida del 184S e 1849 (Milano HoepU 1B87) & SO. 



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804 



Todtenfeier bei S. Fedele m Haiknd begnügen, die von vorn- 
herein den Charakter einer politiachen Demonsfaraiium trog, 
daher ein Poüsei-Commissftr — es wnrde Alois Bolaa genannt 

— den Auftrag erhielt, die Theilnehmer m notiren. Eine Inschrift 
mit versteekten Anspielungen auf das Vorleben und die politi- 
Bohea Wandhingen des Verstorbeneni die Uber dem Hanpi- 
eingange der Kirche angebracht werden woUte, wurde poUaeOieh 
verboten; es durfte nur einlach heissen: A Federigo Consolati 
Requiem. Es bedurfte indes kaum dieser Aufichrift, um die 
Todtenfeier, deren nicht nnbetrKchiüehe Kosten ans ^1^eiwiUigen 
Gaben bestritten wurden,* so public als mOglich zu machen. 
So iUIlten sich denn am Vormittage des 30. December 1846 
der Platz von S. Fedelo und alle auf diesen einmündenden 
Strassen mit Herrschaftskutschen, was umsomehr aufliel, als es 
sonst nicht üblich war, Seelenmessen für einen Verstorbenen 
von anderen Personen als dessen Verwandten und Freunden 
li( sucht zu sehen, mit einem Wort, qü war eine Demonstration 
uüzweideutifrstcr Art gegen die österreichische Regierung. 

Unter den Persönlichkeiten, die sich zu der Leichenfeier 
bei S. Fedele einfanden, hatte der Polizei Ober-Commissftr auch 
den Grafen Casati zu verzeichnen, der es für nöthig faiid, den 
kaiserlichen Behörden gegenüber sich auf die nahen Familien- 
bande au berufen, die ihn und die Seinen an den Verstorbenen 
knüpften, wie er denn nur in Begleitung seiner Frau bei der 
Trauerandacht erschienen sei und ebenso sich mit derselben 
aus der Kirche fortbegeben habe. In den Zeitungen fand sein 
Erscheinen freihch eine andere Auslegung, und namentlich Avar 
es ein Artikel im , Journal de Dcbats' vom 12. Jänner, der die 
Anwesenheit des ,Podestii von Mailand* bei der Gedächtnismesse 
eines alten italiemschen Freiheitsm&nnes mit besonderem Nach- 
drucke hervorhob. 

Oasati säumte nicht, seinem hohen Gönner in Wien den 
wahren Sachverhalt vorzutrasren und ihn zu bitten, von dieser 
seiner Vorstellung höhern und höchsten Ortes Gebrauch 2a 

* Es wurde Graf Frivnc. AroKO güiiannt, der die Auslsigou tiioils .-ms -seiner 
eigenen Tasche, tiieib aus Beiträgeu (»einer Freunde gedeckt habe; siehe 
Fttlioe CalTi L« eaequie dal Conto F. C. im Aroh. Stor. Lmiib. 1884 
p. 891—894: »QuMto Iktto prodne» qn! gnmdSatiina numviiflia, eome 
COM inooliu, «d 6 da tutti gindieato nna «cdonne dUnoilnMuone oontro 
il (ovenio** 



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305 



machen, da er in seiner heiklen Stellung des vollen Zutrauens 
ebenso der vor^i^csctzten Behörden als der Bevölkerung; bedürfe.^ 
Es geschali ^n wiss nicht ohno Berechnung, da.S5 er, um seine 
Loyalität uud KaibciLrcua durchschimmern zu lassen, gerade 
bei diesem Anlasse von seiner Absicht sprach, seinen ultcäten 
Sohn Guülamo, der in Innsbruck mit Auszeichnung studiert 
habe und daran sei eciuc Jura zu absolviren, nach Wien zu 
schicken, wo er sich unter strenger Leitung füi- den Ver- 
waltungsdienst ausbilden solle, .qu'il puisse etre utile k l'ctat, 
k soi-m6me, h moi de consolation, k la famille d'honneur'. Er 
berief sich dabei auf den Gouverneur Grafen Brandis, auf den 
Polizei-Director Gubcmialrath Martinez, auf den Studien I )ir( i tor 
Grafen Aiberti, die dem jungen Manne gewiss, , sowie dio 
öffentliche Meinung in Innsluuck' das beste Zeugnis geben 
wUrden. Er als Vater zi( In- es vor, ihn jetzt, wo der Sohn 
jung und der Vater in einem Alter voller Kraft sei, fem von 
der Hriinat seine Lehrjahre durcliina( hen zu lassen, als ihn 
jetzt zu sich zn nehmen und erst später, was dann schwieriger 
sein würde, in die Fremde zu schicken. , Abgesehen davon, 
obwohl mein Sohn bis 7.u diesem Augenblicke von einer un- 
tadelhaften Aufnihrung ist, fürchte ich ein wenig das Clubwcscn 
und überhaupt diese Gesellschaft nichtsthuender junger Leute, 
der er sich schon aus Kttokaicht für Familienbande nicht ent* 
aiehen könnte . . / 

Es ist nicht ganz klar, was Casati anter ,le clubisme' 
— das Wort ist in seinem Briefe das einzig unterstrichene — 
verstanden wissen wollte, d. h. ob er wirklich auf jenes po- 
litische Conventikelwesen anspielte, das ata dieser Zeit in der 
lombardisohen Hauptstadt^ obwohl noch in aller Heimlichkeit, 
bereits seine weiten Verzweigungen hatte und entschieden hoch- 
▼errätherische Ziele verfolgte. Der sardinische Qedanke hatte 

^ *iü. Jauuar 1047: ,J'6Uiis duvuue a nia MJbur juät^ue du premier motnent 

de tm nuühenn «t je ne Tai Jaaiais abandomiÄ jiuqn'an deniier wQpir 
qm j*u eil« iD*a UgaA de m'intiriwier k wm nmii et Je iB*eii mis 

acqnitlj^ men einitl6 pour lui ne 8* est jamaiB dömentie. . . J'e^tpSre que 
V. E. 8cr» peraaadd do la roctitude de mes dotnarclies, mais je ne voudrais 
quf rlps rapports pas a-Hsez exactes euMHCut ä jiroduiro (iut>lt|nc improsaion 
facliouüe pour moi sur l'esprit de S. £. le Comte Öedluiuky et par cou- 
s^ueni auprts des fuprdme« DicMteriei et mime k la Goar; car daos 
ma podtioQ tr&i-deUcate j*si beaoin de la eo&flanoe aoii des antoritfa 
topdrieiireit wdt de la popnlalieii.' 



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30$ 



seit der Thronbesteigung des neuen Papstes von Monat zu Monat 
grösseren Einfluss und Anhang gewonnen. Es wurde von einer 

mit den lonibardischen Mazzinistcu in Paris getroffenen Abrede 
gesproclien, laut welcher diese ihre republikanischen Ideen der 
grossen iSaclie zum Opfer Lnngen wollten, auf" die es jetzt alleiu 
ankomme: di(! V'ertreibung des Fremden aus Lombardo-Venetien, 
filr welche die moraliseiio Macht Pius IX. und die Militärmacht 
Kurl Albert's eintreten werde. Man wollte von einer Zusammen- 
kunft wissen, die in einem ( iarten zu Sesto di Monza zwischen 
dem CavaHere Giovanelli aus Novara und einem ciufiuss- 
rcichen MailUnder stattgefunden habe, und wo es jenem gelungen 
sei, alle Zweifel zu beseitigen, welche die lombardische Partei 
des Jungen Italien' in die wahren Absicliten des Königs setzte. 

Unter den Männern, nach denen die Piemontesen in den 
letzten Jahren, zumeist mit dem Köder des Ehrgeizes oder des 
persönlichen Vortheiles, ihre Anirel ausgeworfen hatten und deren 
sie filr die Stunde der Entscheidung sicher zu sein hofften, 
wurden in ereter Kcilie genannt: Vitaliano Borromeo — erst 
jüngst vom Kaiser in die Zahl der Kitter vom goldenen Vliesse 
aufVcnoramen — , Gins. Durini, Franc. Arese, in zweiter: 
Fnulio Broglio^ Angelo Fava, die Abati Cameroni uud 
Aporti.' 

Und Gabrio CasatiV Er bekannte sie vielleicht nicht, 
weil er seine Zeit noch nicht gekommen meinte; aber jeden- 
falls bekannton sie ihn, und zwar in erster Reihe, gleich nach 
dem Grafen Borromeo. Er erschien ab und zu in Turin unter 
irgend einem Verwände, gegen den sich förmlich nichts ein- 
wenden Hess, ja fUr den er sich mit seinem Wiener Gönner 
geradezu ins EinvemeliDien setzte, um sich bei Gelegenheit 
darauf berufen zn können. Sein dritter Sohn Antonio nämlich, 
der gh-ichfalls an der Universität an Innsbruck seine Studien 
gemacht hatte^ zeigte ausgesprochene Neigung für geschicht- 
liche Forschungen und hatte sich bereits mit einer Arbeit über 
eine ctruskische Inschrifk versucht, welche die Billigung ge- 
lehrter Männer gefanden. Wohin solle er sich, meinte der 
Vater, für seine weitere Ausbildung wenden? In Innsbruck 
sei es der einzige Albert Jäger, der dem jungen Antonio Auf- 



1 ArehMo triennala (Capoljigo 1861) l 8. 61C, wo dieenihlten Voiiglnge 
in den Sommer 1847 verlegt werdeo. 



üigiiizea by GoOglc 



307 



merksamkeit schenkte, ja sich erboten habe, das deutsche 
Publicum mit den Ergebnissen von dessen Forschungen bekannt 
zu machen. In Wien seien die Gefahren f\lr einen Jüngling 
von 19 Jahren und lebhaftem Temperament zu gross; sei doch 
der Vater selbst fUr seinen älteren um so reiferen Sohn in dieser 
Hinsicht nicht ohne grosse Besorgnis! Mailand biete von Ge- 
lehrton dieser Richtung wenig: auch sage ihm ihre Denkweise 
nicht zu, von der er nicht wimsche, da^» sf l>)c in dem jungen 
Kopfe seines Sohnes Eingang üude. Von Parib nicht zu reden, 
sei ihm München zu weit, bleibe daher nur Rom und Turin, 
und würde er letzte i tm schon ,wegen der Con*ectheit der An- 
schauungen um r (1( 11 unterrichteten Leuten, mit denen sich 
der junge Mann m Verbindung setzen mUsste — ponr b recti- 
tude des opinions parmi les gens instrults avec lesquels il devrait 
se mettre en contact', den Vorzug geben. ,Was übrigens die 
italienischen Ereignisse betriflft, so kann ich die Vcr^ielierung 
geben, dass in Turin die Geister walirhaftig viel ruhiger sind, 
als man denkt, und dass ich der Grundsätze, die man dort 
bekennt, viel sicherer bin als anderswo." War diese letztere 
Redewendung nicht etwas zweideutig hingestellt? Ucbrigena 
bheb Antonio vorderhand in Innsbruck, da es t'ih' das Schul- 
jahr 1847/8 bereits zu spät war, die erforderliche kaiserliche 
Schlassiassimg einsuholen.' 

♦ . • 

Was aber für den denkenden Beobachter viel schwerer 
ins Gewicht fiel als die unklare oder gcradc^.u verdächtige 
Haltnng dieser oder jener einaebeo Persönlichkeit, das war 



* ,. . . et je snis plns sftr de« manimes qn'oii y pmfosso pintöt qu'aillears.' 
' Casati an PilleimdortT 12. Juli, 11. Augu.st, 18. Octol 1m47. Er suchte 
xueret iu Mail&nd die Bewilligung für aetneii Huhu Aututiiu an, seino 

diegfSlUgon SCndten gugeu dem im Anstand« m naohen, d$m «r lieli 
Mtneneit an einer OetemieUeelien Univenittt an» den hierlands vor- 

goschriebenen Fächern prüfen lasse. Da jedoch der in der Kaiulei des 
Viccktluig's ftingrircudo Ilofrath Sanpietro die Landesbehördeu für iiiizu- 
Mtiiiidig in einer Sadu^ erklärty, welchü von der Wiener Studien llof- 
Commission Sr. Majentät dem Kaiser vorgelegt werden atllsse, so erbat 
eich Ouatt vetiflflteh an» dem Grande den K«ih de« ihm gewogenen 
Uirfkemden, weil er «kh sieht der Mogliclikeit etiler amtlichen Ab- 
«reienny eeinee Qeenohee auaeetaen wollte. 



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808 

der Charakter der Uber das ganze Land verbreiteten Stimmung, 
der gegenüber sich die kaiserlichen Behörden fast isolirt sahen. 
Trotz aller Verbote und polizeilichen Aufsicht kamen aus- 
ländische Journale der verschiedensten Richtung, der ,Felsincü* 
von Bologna, der .Contemporaneo', das erste politische Tagblatt 
Korns, das den Msgr. Gazzoli zum Leiter und Lm^i Masi zum 
Hauptraitarbciter hatte, zahlreich in?, Land, wo mit einem 
wahren lleisshunger nach ihnen gegntlen wurde. Das Cafe 
Pedrocchi in Padua konnte sich rühmen, dass vierzig Zeitungen 
und Zeitschrilleu in seinen liäumen auflagen. Es fehlte durchaus 
nicht an aufrichtigen und überzeugungstreuen Anhängern der 
österreichischen Regierung. Graf Spaur besass eine Liste 
derselben ans jeder grösseren Stadt des italienischen Doppel- 
königrciches. Allein er und seine Organe konnten sich der 
Wahrnelimung nicht verschliessen, dass die Freunde der Re- 
gierung völlig eingeschüchtert waren; dass sie sich nicht wie 
früher getrauten, für Oesterreich, dessen Namen und Ansehen 
vnn der Partei des jungen Italien in Verruf erklärt war, ein- 
zustehen und otten aufzutreten; das» sie sich zur Entsclmldigung 
ihres Verhaltens darauf beriefen, dass sie von oben niclit ge- 
hörig gehalten, gegen gerade und vordecl<te Angriffe (Kr 
Mazzinisten nicht vertheidigt, geg< ii Bedrohungrn. «selbst am 
Leben, nicht kräftig gcmi^'^ geschlitzt wi'irdcnd Zu diesen be- 
daneriichen Zustilndcn im Innern kam nun die kaum verhohlene 
Misgunst der beiden Westmächte, Frankreichs, das seit 1^31 
der österreichischen Hegemonie in Italien mit allen Mittehi 
entgegenarbeitete, und Englands, dessen ,Lord Feuerbrand* mit 
den Bestrebungen des jungen ItaUens Hand in Hand ging, wie 
denn gerade in dieser Zeit Lord Minto Italien bereiste und 



CorrispoQdenxe o relazioui contidonKiali poUticlie etc. Arcb. trieiuiaie 1 
8. 7 — 11: ,6 AMAi difäcile in ogg^i, ed aacbe assai periooloso . . . il 
potor riuvenire persone che si prestiao gratuitamente ad nn genere di 
nlaiiottf • eoffriqxmdwiM politEclio in fiiTOfe deirAxutria, «ia per Todio 
iiHqtimto dil pfopiigaadimü» liveMeufio iU]i«iio ed eitoro eonbro di 
lei, «ia per la prepondenuisa delFinfitiensa francese in ogni citta, che ha 
MBai can^nta \n posuione austriaca del 1831. Ora tatti banno timore 
d'esforo tioiuproinuwi, «m1 anche in puricoli» di vita, nel ra»o che fossero 
scoperte le loro relazioui con agenli austriaci, e vicovuriia eonu protetü 
gU. «fenti franoeii ed i lovo adeieoti.* Der Berieht spricht miTerboUen 
,det moTimentl e progrSMi della riTdnilone itaUeiu» ft4 moteliiienle 
iDGominciatB.* 



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809 



ttberBU, Ton den Hofen nnd von der BeyOlkeinog mit Ehren 
empfangen, im Qeiate der Anflelmnng gegen Oeilerreicli 
schürte. 

VL 

,Mit dem Auftreten des neuen pApites, welcher Amnestie 
ertheilte/ eo schrieb ein Officier der österreichischen Garnison 
von Ferrara an den Hauptmann im General-QiiArtiermeister'Stabe 
Knrl Grafen Hnyn, yhat sich der roTolutiontlre Sectengeist an 
ihn geklammert nnd ihn zu seinem Banner erkoren. Jede seiner 
Regiernngsmassregetoi die gerechteste, die weiseste, die noth* 
wendigste — nnd wer wollte die Nothwendigkeit Ton Beformen 
in diesem Staate verkennen I — wurde von der Secte gleich 
einem neuen Wunder ausgesehrieen und so lungestellty als ob 
es keinen andern Zweck haben kOnne als die Einigung und 
Befireiung Italiens'. Der Gefeierte seihst erkannte nur au bald 
die bedenkliche StrOmung, von der er, ohne seine Absicht, ohne 
seinen WiDen, unwiderstehlich mit fortgexissen wurde. Am 
19. jAnner 1847 sagte er zum Adrocaten Pagani: ,Die Ueber^ 
spannten was immer filr einer Partei sind die Widersacher 
jedweder Regierung; jeder, der eine gemässigte Gesinnung 
hegt, ist der Gendarm, ist der Soldat jedweder Begierong.'^ 
Allein diese Gendarmen, diese Soldaten, sie reichten sammt der 
Begierung, die sie an schtttsen berufen und vielfach auch 
gewillt war, nicht mehr aus. Selbst wenn der thronende Papst, 
der erkorene Liebling und bald das TerhAtBchelte Schoss- 
kind der Tagesmeinung, die moralische Kraft gehabt hlttte 
jenem Treiben entgegensntreten, die politische Macht es au 
brechen besass er nicht mehr, sie war sdnen Httnden ent- 
wunden. 

Bereits war es im Süden der apenninischen Halbinsel au 
Thlllichkeiten gekommen. In Salemo hatte man um die Mitte 
Januar die Tricolore aufgehisst, und die ganze Flwinz Prind- 
pato Giteriore drohte vom Aufruhr eigriffen au werden, als 
eine bewaffii^ Sehaar yon VaOo Uber Oeraso nach Ascea zog und 



^ enltati 41 qnabistf putflo tono gll aTrenaii 4i cgiä govemoi 
ebimiqiie abbU nna opinione moderata, qnegli A II caraUBieiei 11 
aisgoQS di ogni goTOBO*; Minghetti Bioordi Born I 838. 



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310 



« 



dort einen Baron Maresca gefangen nahm; er war beschuldigt, 
1828 bei einem politiBchen Processe die Hand im Spiele gehallt 
an haben, und wurde dafUr jetat als Vatcrlandsverrftther, tradi< 
tore della patria» zam Tode yerartheilty 24. — 26. Jannar. Das 
Ereignis scheint aiemlieh vereinaelt geblieben zu sein und hatte 
fUr den Augenblick keine weiteren Folgen. 

Im Ifonat darauf aeigte sich dn reToIutionäres Wetter- 
leuchten an der nördlicheu Grenze Italiens. Die Brtlder Luigi 
und Antonio Pagani, genannt Matt!roli| brachten in Vacello, 
Ganton TeBsin, eine FVeischaar snsammen, der sich Leute aus 
den Nachbargemeinden anschlössen. Am 11. Februar brachen 
sie gegen Chiasso auf, wo aber die beiaeiten gewarnten Be- 
hörden Widerstand leisteten, erpressten in Hendrisio Geld und 
rttckten, durch neue Zuzüge ▼erstttrkt, gegen Capolago yor, das 
sie zu umgehen die Absicht hatten. Indessen war der Stadt* 
rath Yon Lugano zusammengetreten, der in der Nacht zum 12. 
Bfirgerwehr und Truppen aufbot und den Ruhestörern entgegen- 
sandte, die sich nun zerstreuten j einige von ihnen geriethen in 
Gefangensehafty Preise zur Festnahme der Brttder MattiroH 
wurden ausgesetzt 

Im mittleren Italien befand sich alles noch in der Phase 
der Gährung. In Rom selbst achienen die Dinge einen ruhigen 
Veriauf nehmen zu wollen; eine grosse Partei der Gemässigten 
hielt g^en die ungestümen Forderungen der VorwSrtsdrUnger, 
die ihre EyyiTa P!o Nono mit lauter Stimme hinausbrOlItett und 
den anderen den Vorwurf der Lauheit machten, tapfer stand, 
ohne übrigens zcitgomassem Fortschritt stumpfe Gleicbgiltigkeit 
entgegenzusetzen. Als im März 1848 vom CardinaJ-Staatssecretär 
ein Edict über die Ccnsur erschien, begrüsste dies in Bologna 
der ,Felsineo' Minghetti's als einen Fortschritt zum Bessern, 
und Orioli bekiunpftc in einer Fluf^schrift die ,indiscrcti', was 
die laute Billigung tl' Azcglio's fand.' Unter jenen ,Indiserctcn* 
machten sich viele von den rückgekehrten Aiunestirten be- 
merkbar; eben in Bologna entwarfen sie eine Petition an den 
l'ap,t nm Bewilligung einer Nationalgardc, guardia civica. 
Giübcrti's neueste Schrift ,11 gesuita moderno', im Päpstlichen 
weder erlaubt noch verboten, blieb damals selbst auf ernste 
Münncr wie Baibo nicht ohne merklichen £Iindruck^ auf der 



* Minghetti I 2äf. 



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311 



6«Bse aber ertönte es ans anfger^^n Volksmengeii ,Viya 
Pio IX, motte ai Qesoitil' 

In diese Zeh fitttt ein hOehst merkwürdiges Schreiben 
des Osterreicbisclien StaatskansLers, der sich darin in seiner 
treffenden Weise aber die italienischen ZnstSnde anssprach. 
Leopold n. von Toscana hatte durch seinen Wiener Gesandten 
Ca^aliere Otaviano Lenaoni den Fürsten Uber dessen An- 
sichten nnd Aussichten ausholen lassen. Das sonst so höfliehe 
nnd frenndliche Toscana be&nd sich in jenen Tagen in einer 
Lage, die filr die nächste Zukunft nichts Erfreuliches Torans- 
sagen liess. Ein Fkusenmacher von erstem Range, Mitglied 
des jungen Italien, Giuseppe Montan elli^ und der mit einer 
guten Lunge und einer ausgiebigen Stimme versehene Franc. 
Domenico Querrazsi, toq seinen Jttnglingsjahren mit der 
Poliiei in -vielftlt^e Verwicklungen gerathen, jetst von den 
Fortachrittlem als Ifanerbrecher benutst, reisten im Lande 
herum, hieHen In FSsay in LiTorno auf offenem Haikte Yw- 
Sammlungen ab und wlkhlten durch herausfordernde Reden die 
unzufriedenen Elemente auf. Die eingeschüchterte Regierung, 
die seit langem im liberalen Fahrwasser üieb, vermeinte durch 
Zogeständnisse in dieser Richtung den Sturm zu beschwören, 
kam aber dadurch nur noch mehr ins Gedränge. Der Radi- 
calismns, setzte Metternich dem Grossherzog auseinander^ 
habe in Italien den schalen Libcrulismus vcrdränf^t : ,I)ie 
Wahrheit ist der Radicalismus, der Sehein ist der Libcrahsmus. 
Die liberale Partei bearbeitet die Kegieruugen, die radicale 
wühlt das \'olk auf. Die erstere zilhit auf die Schwäche der 
Rct^iorungen und spiegelt ihnen Verbesserungen vor; die andere 
nimmt die Volkslcidenschaften in Anspruch und spiegelt dem 
Volke Befreiung vor.^ Metternich mahnte den Grossherzog, 
zwischen den beiden Parteien keinen andern Unterschied zu 
machen als den, der zwischen der Vorrede eines Werkes und 
dem \\ erke selbst besteht*, und warnt ihn deshalb vor allem, 
sich durch die V^jibpiegelnngen der anscheinend gemässigten 
Partei nicht täuschen zu lassen. ,Zwisciieu einem Balbo/ schrieb 



* Appmnti lopra la livoluiione di Toseana. Fmnmenti d«! M. 8. inedito 
di 6. Hontaafllli (Areh. trieniiale I S49— 857). Der Tmiiwaer schildert 
dch selbst S. 350: ,un giovane d*argQto iagegno, d'snimo •degnoio e 
gentile» «seiTa dalia aioTine luüia* eoc 



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313 



er, ^emem OiobertS, einem Aseglio, einem Petitti, diesen Vor> 
fechtern des itaUenischen LiberaJispmB, nnd einem Maszini und 
dessen Spiessgesellen besteht kern anderer Unterschied als 
Bwischen Veigifteni und TodtschUlgem «of ofibner Stnsae, nnd 
findet Ja ein Unterschied in dem Willen dieser Menschen 
statt, so Terachwindet er auf dem Felde der Thaten/ Er hMlt 
es dem Grcssheraog TOr Augen, dass er nnd seine Begiening 
in gleichem Grade gefidirdet seien wie die louserliche. ^Machen 
Eure Kaiserliehe Hoheit sich keine Hlnsion aber den Wert der 
Richtung gegen Oesterreich; das Wort Oesterreich bedeatet 
nicht die Sache, es berOhrt nnr die hemmende Ckwalt^ welcher 
die Mttnner des Fortschrittes sich entledigen mochten. Fiele 
diese Gewalt, so wOrden die italienischen Fürsten fallen, nnd 
keiner würde anf sdnem Throne bleiben. In Besiehnng anf 
den groflsheraoglichen besteht eine nicht an leugnende Wahrheit: 
Euer Kaiserliche Hohmt nnd Ihr Haas sind nicht mehr nnd 
nicht weniger Italiener nnd Dentsche als Oesterreicher, als der 
KfSmg der Lombardei.' Metternich beaeichnet LiTomo als den 
,StapelplatB snm Dimste der ReTolution' and ruft Leopold H. 
die Midinang zn: ,Hüten sich Eure Kaiserliche Hoheit vor den 
Einfltlsterungen der liberalen Partei. Diese Partei ist in und 
an sich selbst nur ein Dunst. Die ehrlichen Theilnehmer an 
derselben — und es gibt deren viele — spinnen sich in Worte 
ein, und ihre Werke gedeihen nie, denn sie haben keinen 
j)raktischen Wert; diese Leute schiessen die Bresche, Uber 
welche die Radicalen cindi iii|^en.' Zum Schlüsse heisst es: 
,Das Interesse Toscanas ist von dem der österreichischen 
Monarchie unzertrennlich. Dies wissen die Fractionen und 
deswegen wollen sie die Trennung.'* Metternich's Voraussicht 
sollte sich nur zu bald bewähren. Es waren kaum zwei Wochen 
nach seinem Schreiben verflossen, als sich der Grossherzog zu 
einem Zugeständnisse bewegen Hess, das Montanelli nicht 
ohne Grund als ,1a prima vittoria riportata dalla rivoluzione' 
bezeiclinet: eine Reform der Censurverhältnisse mit der Ge- 
stattung, Acte und Massregeln der Regierung ,achtungsvoll — 
con rispetto' beurtheilend zu besprechen, 8. Mai. In kürzester 
Frist gab es in Florenz drei Journale: Jtaüa' Montanelli's, die 
yAlba' unter des Sicilianers Giuseppe la Farina Leitung und 



* Metternich VII a 401--40«. Dm Sehreibeii datirt vom S4. Apiil 1847. 



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313 



die jPatria'^ die sich beeilten, von dieser Gestattaiig> Qelyraach 
zu machen, und allerdings ftlr den Anfang ruhig und anständig 

vorgingen. 

Die Besetzung des ycrwaiston rrzbischüHichcn Stuhles von 
Malland war noch immer in Schwebe. In Wien kam man, da 
Cardinal Schwarzenberg nicht zu bewegen war den Mailänder 
Posten anzunehmen, auf die Vorstellungen Casati's f\ir die Wahl 
eines geborenen Italieners zurück. Die Gemahlin des Vice- 
kdnigs, welche auf die Keligiositilt und Kirchentreae des Glems 
ihrer Heimat grosse Stücke hielt, wünschte einen Piemontesen: 
den mochte man aber in Wien aus politischen Gründen nicht. 
Von der einheimischen Geistlichkeit kam der Propst Andrea 
Marini von S. Francesco di Paola in Frage; doch dieser 
hatte in Mailand die einflussreiche Partei der Biscottini' gegen 
sich. Zuletzt kam der Bischof von Cremona Bartolomeo Carlo 
Graf Romilli in Voischlag. RomiUi war in jungen Jahren 
Erzieher im Hause des Grafen Suardo, später Professor am 
Ljcenm zu Bergamo gewesen und hatte dann die Pfarre von 
Trescorre bei Cremona versehen, von wo er 1846 anf den 
Bischofstuhl dieser Stadt berufen worden war. Er war von 
reinen Sitten, aber eitel und empflndlich, dabei von wenig 
Kenntnissen, daher er sich, wie man ihm nachsagte, meist auf 
andere verlassen rousste: ,Faccia Lei, fate voi, fatu*.' Romilli 
war einer alten Mailänder Familie entsprossen, man wollte in 
Wien in einer so drohend aufgeregten Zeit den lombardischen 
Provinzen willfilhriges Entgegenkommen beweisen, und so erfolgte 
mit Allerhöchster Entschlieasnng vom 10. April 1847 die Berufung 
Romtlli's auf den altbertthmten Stnhl des heil Ambrosius. 

In der That war die Freude in Mailand nnd in der 
ganzen Erz-DiOcese gewaltig, und man beschloss das Ereignis 
mit aaffattendem Pompe in Seene zu setzen. Am 35. April 
fuhren in einer vierspännigen Kutsche der Podestk Casati und 
der Mnnicipalitätft-Assessor Vitaiiano Crivelli, in einer zweiten 

* alliulevn con tnl nomo (Societä dol biscottiuo) a vecchie daino reli- 
giöse intraiisijjonti, eh«' avovano presu rabitudinr- di proiKlore {»rima di 
prauzo uua tazza di cioccolatta, immergeudovi de' biscottini. Etisundo il 
cappelUno di etM compagno indispenisldle 4i qitesti luncb, U popolino 
battesaö eoa tal nome tatto il olericaliuiie femminile.* 

• Hflhen 31. 



314 



Antonio Beretta und der Municipal^Oekonom Zoppi nach 
Cremona ab, wo sie dch ihrem neuen KirchenfUisten vor- 
Btellten und Gasati eine von ihm abge&aste und yon den As* 
soBsoren gebilligte Rede ablas. 

QlAnzenderes war (Ür den Einsog des landsmännischen 
Erzbischofe in Maihind Torbehalten, wofür die ausgesuchtesten 
Vorbereitungen getroffen worden. ,Die Berufung RomiUi's^' 
heisst es bei einem aeitgenOssischen Sehriftsteller, ^war unter 
den gegebenen Umstfinden ein politisches Ereignis von der 
allergrtfssten Wichtigkeit^ ond so wollte man es als eme natio- 
nale Fesdichkeit begehen/ Wenn man in Wien gemeint und 
gehofft hatte, durch Gewährung oines nationalen Wunsches die 
politische Aufregung zu beschwichtigen, so wurde bald klar, 
dass man sich arg Terrechnet, dass man, anstatt die Glut au 
dämpfen, Oel ins Feuer gegossen hatte; denn die regierungs- 
feindliche Partei ergriff mit Eifer einen Anlass, den sie Älr 
ihre Zwecke anssubeuten beschloss.^ 

licvor dies zur Ausfiihrun;:^^ kommen sollte, wurde die 
üli'cntliche Aufmerksamkeit durch einige Zwischenfsllle andern 
Charakters anj^ere^t und in Spannun;:^ orhiilten. Im Frulijahr 
1S47 wurden die itaÜenischen Hauptstädte von einem beriiiimten 
Engländer heimgesucht. Es war Richard Cobdcu^, dessen An- 
wesenheit nach der Reihe im Kirchenstaat, in Toscana, in 
Genua und Turin gefeiert wurde, nicht ohne Anklänge jener 
nationalen Wünsche, in deren Interesse die Männer der Be- 
wegung eine so hervorragende Persönlichkeit des mächtigen 
Insclreichcs zu gewinnen suchten. Bei einem zu Bologna am 
6. Mai Cobden zu Ein en veranstalteten Banquet hielt Maxeo 
Minghetti seine Jungfernrede, auf welche Cobden in einem 
aus Turin am 21« an den jungen Sprecher gerichteten Schreiben 
in einer bezeichnenden Weise antwortete. Wenn er Italiener 
wäre, meinte der Brite, würde er natürlich iu erster Reihe auf 
Reformen in dem besondern Staate, dem er angehörte, drängen ; 
eine Annäherung der verschiedenen italienischen Staaten selbst 
wäre im Wege einer Zolleinigung (by means of a customhottse 
Union) zu yersucheni ein Unternehmen das schwierig sein mOge, 

* C. CAsati Muove rtvelastom I 85, 80— lOd. 



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315 



aber keinesfalls uusserluilb des Bcrciflu's dor Durclituhrbarkeit 
liege. ,Alle aiuleren iOitiifcungsversuclu?,' scliloss Cobden seine 
Zuselirift, ,siiid reiner Zeitverhist, weil sie auf eine Unmög- 
lichkeit abzielen. Den Ocdaukcn Itiilicn zu einer einheitlichen 
Monarchie zu ^'estalten, betrachte ich als den Traum eines 
Kindes/* Ks war dies eine Belehrung, die dem hoehstrebenden 
Sinuc der italienischen Vorwärtsdränger wenig zusai,'^te, die 
gleichwohl ihrem Enthusiasmus fUr den gefeierten Briten keinen 
Eintrag that. Am Abend des 30. Mai traf Cobden in Mailand 
ein, und sogleich wurden Anstalten zu allerhand Feierli* hkeiten 
getroifen, gcwisö nicht ohne hervorragende Einflussnahnie des 
PodestH, wenn auch sein Name nicht ausdrücklich genannt 
wird.- Am 3. Juni wurde Cobden zu einer Sitzung der Soeietk 
deli' IncoraggiauK^nto beigezugen, wo Aehille Manri die Fest- 
rede hielt und Conte (xiulini eine warme Anspraelir ;hi ( tbden 
richtete, wf'lrhe dieser in würdiger Weise erwiderte. Flir den 
Abschied an aitgirte man ein luxuriöses Ranquet im Cafe Cova, 
wo es an Ucden und Toasten nicht fehlen sollte, was die Polizei 
von vornherein in starke Beunruliigung versetzte.^ 

Am 6. morgens verliess der Engländer die louibardische 
Hauptstadt, in welcher die national-politische Aufregung in 
rascher Zunahme begriffen war. Am zweiten Abend nach 
Cobden's Abreise fand im Theater della Canobbiana eine Vor- 
stellung zum Besten des philharmonischen Inatitats statt, zu 
welcher der Vicekönig mit seiner Familie erochieni allein diese 
zog sich bald auriickj als das Publicum sich zu Kundgebungen 
bioreissen liess^ Aber deren Bedeutung kein Zweifel sein konnte: 
die Pius-Hymne des Maestro Tiberio Natalucci wurde ange- 
stimmt , von den stürmischen Zurufen der Menge begleitet^ 
ninfmal musste sie wiederholt werden, unter fortwährenden 
Ewiva auf Pio IX., auf Rom, auf die Amnestie n. dgl. 

Um diese Zeit war das Ehrengeschenk ToUendet, das die 
Stadt Mailand aus Anläse der VermMhlnng ihrer Erzhensogs- 

* Minghetti Ricordi I 866, 868-860, 

« C. Casati I 78f. 

' Cattaneo L' insurrectiuu de Milan en 1848 (Paris Amyot lb4ä) 19 f.: ,ell6 
en 6udt effiray^e d'avaace*. Cattaueo wurde zweimal vor den PoUzoi- 
Adjo&etsn Gnbeniialfalli Lindner geniüBD, weil die fBr den Festabend 
besbeiditigton Reden MbiHUidi der Behörde Toiyelegt werdea sollten. 



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316 



Tochter mit dem aardinischen Krooprinsen gewidmet hatte. 
Die auf das feinste ausgeMirte Arbeit hatte einen grossen 
Aufwand an Zeit und litthe erfordert — die Kosten sollen 
40.OOOy nach anderen gar 60.000 Lire betragen haben — und 
wnrde^ bevor sie die Reise nach Turin antrat, im Broletto aus* 
gestellt Es war eine wahre Völkerwanderung die dahin 
strömte; denn schon gehörte es in der feinen Welt der lom- 
bardischen Hauptstadt znra guten Tone yom Hause Savoyen zu 
sprechen und für es syiupathievoUes Interesse zu zeigen. Der 
Podeatk wollte das kostbare Gcfiiss in Person nach Turin 
bringen und wünschte die Municipal • Assessoren Vitaliano 
Crivelli und Marco Greppi zur Begleitung, die jedoch ab- 
lehnten unii durch den Secrctär Silva und den Municipal- 
Oekonoraen Zoppi ersetzt wurden. Die Ucbcrreichung fuui 
gegen Ende Juni 1H47 statt und trug dem Grafen Casali den 
lang ersehnten St. i^Iauritius- und Lazarus-Orden II. Classc ciu.^ 
Bald nach diesen Ereiguisben kam die Älailänder Polizei 
auf" vertrautem Wege einem Unternehmen auf die Spur, das 
der Regierung ernste Verle^-^enheitcn zu l)ereitcn drohte. Es 
galt den Entwurf einer Petition um Reform der bestehenden 
Civil- und Straf-Justiz und verseliiedcner administrativen Ein- 
richtungen, Abschaffun«,'- des Stempelpatents, freiere Bewegung 
der Presse, Linderung des iMilitär-CJonscriptions-Systems; die 
Petition sollte von der loml)ardischen ( 'entral-i V)ngregatioTi dmi 
Erzherzog -Vieekünig. mit der Bitte sie in die Hände Sr. MajesUil 
gelangen zulassen, überreicht werden. Die Soeietä dell'Unione, 
auch Club der I.ions genannt, der im Cafe Cova «einen Sitz 
hatte, zeigte das lebhafteste Interesse für diese Angelegenheit, 
als deren besondere Ftirderer Achille Battaglia, ein Nobile 
d'Adda, wahrscheinlich Giovanni, der ehemals Graf Kheven 
hüller'sclie Güter- Administrator Nobile Durini, Lui^i Toeeagni 
und FIbppo Vanni galten, letzterer ein von seiner Frau ge- 
trennter, wegen Versehwendung unter Curatel gesetzter Edel- 
mann. Der Club drang in sein Mitghed Alessandro Porro, 
dass er seinen \\ater den Geheimrath dahin bringe der Petition 
beizutreten, was jedoch dieser mit aller Entschiedenheit ablehnte. 
Als £ntwerfer der Petition wurde der Polizei Cesare Cantü, 



Die kaiMrliclie Bewilligung >ar Annalime und nun Ttageu dw Ofdens 
•rfolgte am 18. September; Wr. Ztg. 1847 Nr. S74 vom 4. Oetober. 



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317 

der ^als Schlechtgesinnter bekannte ultraliberale Schriftsteller' 
bezeichnet; er wurde am 14. Jtdi vorgerufen und einvernommen, 
stellte aber gänzlich in Abrede das Schriftstück verfasst, ja 
auch nur (ia\ on g^diört zu haben. Von den Frojertantcu wurde 
hieran 1 Ijcschlossen die Saclic einstweilen auf sieh beruhen zu 
ksscD, auf weleheii liescliliiss vorzüglieh der in politischer 
Beziehunji^ schlecht notirtc juuire C'*' Giulmi dclla Porta, 
dem die i'etition viel zu unterthänig abgefasst erschien, ein- 
gewirkt haben soll; man wollte einerseits <lie weitere Ent- 
wicklung der Zustände im Römischen, anderseits den Erfolg 
abwarten, den ilhn liehe Petitionen, wie die der bohmiöcheu »Stände, 
Allerhöchsten Ortes haben würden.* 

Baron Torresani befand sieli in diesen Tagen nicht in 
Mailand; er hatte seinen einzigen Sohn Pietro, einen äusserst 
aufgeweckten, bei aller Welt beliebten jungen Mann durch 
einen unerwarteten Tod verloren* und theils zur Ordnung von 
Familienangelegenheiten, theils wegen seines durch diesen Un- 
glücksfall aufs äusserste erseliütterten Gemütliszustandcs einen 
längeren Urlaub erbeten. Seine Stelle vertrat der erste Adjunct 
der General- Uireetion Gubernialrath Lindner, der seine Am- 
tirung damit begann, sHmmtliche Polizei-( )ber-Commi8sariate der 
Hauptstadt und der Provinz .zur gespanntesten Wachsamkeit 
überhaupt, insbesondere aber zur sorgfältigsten Wahrnehmung 
dos Eindruckes der Vorgänge im Kirchenstaate auf die öffent- 
liche Stimmung, und des Sinnes ihrer Besprechung bei den 
Lombarden' anzuspornen. Lindner war übrigens ein Feind 
unnöthiger Strenge; so schien ihm, wie er sich gegen den Gu- 
bemial-Vicepräsidenten Grafen 0' Don eil ättsserte, die Klugheit 
zu gebieten, das Absingen der Pius- Hymnen nicht zu verbieten, 
,da sie einerseits in ihrem Texte in keiner Beziehung auch nur 
die entfernteste politische Anstössigkeit enthält, und anderseits 
(ein solches Verbot) bei dem schon allenthalben bemerkbar 
gewordenen convulsivischen und lauten Enthusiasmns für den 
Heiligen Vater nor sor Keaction Anlass geben würdet 



* Pol. lu 1847 IVwe. 9S69. 

* Doieh einen nngllleldiehen Stun bei «Unat TwaMmog, die Uim des 
RUekeoBiark Turlelile; Pietro war Qabernial- and Pritaidial'VicMeersttr 
in iiaiUnd und ent SO Jabre alt. 



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316 



VII. 

Zu der imci*freiilichcn Gestaltung der Dinp^c im lauern 
des Landes trat im Hochsommer 1847 eine iiusscre Verwicklung, 
die von (Ion (icürncrn des Kaiserstaates reichlich ausgebeutet 
wurde. In Kom war, nach der Physiü<;iioiiiic der Stadt zu 
urtheilen, noch iiiinuir jiiles voll Entzücken über den Papst, 
Uberfloss von Lob und Preis (i\r jede neue Massregel, die er 
traf, und strömte dann vor den Quirinal, wo der Gefeiertc sich 
zeigen, den Wohllaut seiner Stimme vernehmen lassen, den 
apostolischen Segen ertheilen mussto. Ohne Frnjre war es die 
überwiegende Mehrheit der Iievr>lkeriinjr, weiche in diesen 
freudenvollen Jubel einstimmte, und das war nicht blos in der 
Hauptstadt, sondern auch in den Provinzen, selbst in solchen 
Orten der Fall, die sich in letzter Zeit koincswe^'s dnrcli einen 
r< l)( i'tluss von Loyalität hcrvor^jethan hatten. Namentlich 
iiolo<:^nji war seit langem ein Hanptsitz störrischer Unbot- 
mässigkeit und ein Schauplatz vielfacher rc«,Merungsfeindlichen 
Demonstrationen. Jetzt war die Stadt wie nniprewandelt. Als 
im Januar 1^^47 der von Pius IX. an Stelle des früheren un- 
heliobten ('ardinals Vannicelli zum apostolischen Legaten er- 
nannte Cardinal Amat zum erstenmal im Theater angesagt 
war, verknüpften die Damen ihre verschiedenfarbigen Taschen- 
tücher von einer Loge zur andern, die sie beim Erscheinen 
des Cardinai-Legaten in Bewegung setzten, so dass es wie 
ein einziges um den ganzen InneDraiini des Schauspielhauses 
laufendes Band aussah.* Der junge Minghetti, der damals 
in der Stadt viel von sich reden machte und auch aus- 
wärtige Verbindungen unterhielt, sprach und schrie!) im Geiste 
des Abate Gioberti fUr die Einigung der italienischen Fürsten, 
nur mit Ausschluss von Oesterreich: ,vielleicht, dass früher 
oder später ein glückliches Ereicrnis die öelcgenheit bieten 
wird, die Deutschen aas Italien hinauszujagend Er war mit 
d'Azeglio einverstanden, dass man sich vorderhand innerhalb 
der gcfrebenen Grenzen halten und nur ehrbni- gesetzlicher 
Mittel bedienen dttrfe, um unter der Aegido des glorreich re- 
gierenden Papstes an das heissersebnte Ziel sn gelangen.* 

» Carto ?ogr. lH 103f 



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319 



Das war die Oberfläche, der äussere blinkende Anschein. 
Doch im (jrrunde sali es nicht überall so rosenroth aus. Es 
landen sich da zwei mächtige Stromunfren, von denen die eine 
in ihrem leidenschaftlichen Eifer für die im Zuge betindlichen 
Neuerungen mit allem Alten aufräumen wollte, waiirend die 
andere, ohne lärmend vor die ( )efFentlichkeit zu treten, allem 
modernen Getriebe gram^ die frühereu jahrhundertlangen Normen 
und Einrichtungen zurückzuführen gedachte. Dass die Geist- 
lichkeit und ihr zahlreicher Anhang zu einem grossen Theile 
gegen die überstürzten Reformen waren, Hess sich begreifen. 
Es wiikten aber auch Schädigungen materieller Interessen mit. 
Zu Anfang Juli hatte Pius seinen Römern Civif-a. Bürgergarde, 
bewilligt, die auch in anderen Städten des Kirclienstaates ein- 
gelulirt werden sollte. Damit waren die päpstlichen Freiwilligen, 
die Gregorianer, wie man =ie nannte, ihres Dienstes eiLtlassen, 
ilire Ofiiciere, ihre Centunoiieu von ihren mitunter recht ein- 
träglichen Posten enthoben, die nun alle die Zahl der Misver- 
gnügten vennohrten und in einigen Städten, wie in Faenza. 
einen Theil der Bürgerschaft für sich gewannen. Auch von 
den Carabinieren, seit jeher den verlässlichsten Stützen der 
Gesetzlichkeit und Ordnung, machten sich viele durch ihre 
feindselige Haltung gegen die Liberalen bemerkbar, mit deren 
Freuden und Wonnetagen es bald ein Ende haben werde — 
,cb^ presto finirebbero le gioie liberalesche* — . 

In solcher Weise kam es «nr grossen Sanfedisten-Ver- 
achwOmngy deren 2<iel war, alle eingeführten Neuerungen rUck- 
gftngjg m maelieii} der 15. Juli 1847, der Vorabend der von 
Pius IX. im Jahre zuvor verliehenen Amnestie, war für den 
Losbruch bestimmt Die südländische Phantasie malte die 
Sache in den grellsten Farben aus. Als jene, welche die Fäden 
in Händen hatten, wurden die Obriste Freddi und Kardoni, 
die Freiwilligen- oder Carabinieri-Officiere Allai, Fontana, 
Cav. Mainardi, auch einige vom höheren Clerus, wie Cardinal 
Lambruschini, Msgr. Morini genannt. Der GkraTemeur von 
Rom Msgr. Grassellini soll lun diis Vorhaben gewnsst, aber 
in schuldbarer Nachlässigkeit keinerlei Gegenanstalten getroffen 
haben. Man sprach von vertraulichen Beziehungen Morini's 
SU einem gewissen Viipnio Alpi, der sich in Modena, Ferrara, 
Mailand beramtrieb um Anhänger zu werben, denen er die 
Aassicht Österreiehischer Beihilfe yorgaukelte. Als der Zeitpunkt 



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320 



für die Aiufklhmng herannahte, BoUen sich erkaaite Leute, viele 
davon aus Faenza, mit &lschen Pässen versehen, zahhreieh in 
Rom eingeschlichen, reiche Geldmittel zur Verfügung gehabt, 
Dolche mit der Aufschrift V Pio IX — ,per far credere a una 
rivohizione liberale' — geführt haben. Die Gefaugenen sollten 
befreit, die Galeerenzwänglinge losgelassen werden; in den 
Vorhallen jener Häuser, deren Besitzer als Opfer der Contre- 
revolntion ausersehen waren, sollen sichrotheDoppel-S — Ban^ iu , 
Saccbeggio — angeschrieben gefunden haben. Die Verschwore- 
nen, hiess es weiter, hätten im Sinne, sich der Person des Papstes 
zu bemächtigen und ihn von Rom fortzuschaffen, wenn es ihm 
nicht gar ans Leben ginge ^ die Namen einer Anzahl seiner 
Getreuen seien von der ,camera nera' auf ihre Proscriptions- 
Üste gesetzt, darunter Sterbini und vor allem Ciceruaechio. 
Doch eben dieser letztere soll es gewesen sein, der den ge- 
sponnenen Ränken auf die Spur kam, nach den einen durch 
einen mit fünf Paoli für den Tug von der Piirtei ^^edungenen 
in Ciceriiacchio's Netze gerathenen KaÜ'cchausjuiigen, iiuch den 
anderen durcli seinen eigenen Sohn, dem gewisse nächtliche 
Zunaiiunenkiiutte in einem Hause des Monte d'Uro aufgefallen 
waren und der uls Liuapcii.>>aumilür (cenciaiuolo) verkleidet 
durch vier Nächte jenes Haus nicht aus dem Auge gelassen habe. 

Am In. Juli waren an den Strassenecken Roms im Namen 
Lambruschiüi'ö und Narduni's ausgesteifte Plaeate zu lesen, 
welche jene Persönhchkeiten hezeielmeten, Freddi, Allai, Mai- 
nardi etc.. die mit der Ausführung einer ,tragedia popolare* 
betraut seien. Leute standen dabei, wie als Waehposten auf- 
gestellt, die jeden, der das Ansehlagcblatt herabreissen wollte, 
mit Stein würleii davonjagten. Auf die Nachricht von diesen 
Vorgängen trat der Circolo romauo zusammen und ]>at den 
Papst um Autschiebung der fllr den Jahrestag der Amnestie 
beabsiclitigteu Festlichk(;iteu unti um Aufbietung der Blirger- 
wehr, die unter dem Oberbelehl des Fürsten Rospigliosi 
stand. P>ei<les geschah. Von der Oivica wurden die Wach- 
posten bezogen und alle Hauptgebäude der Stadt besetzt. 
Sehreeken ergriff nun jene, welche die öffentliche Meinung, 
mit Recht oder Unrecht, als Theilnehmer an dem Complotte 
bezeichnete und auf die jetzt vom Volke Jagd gemacht wurde. 
Nardoni, Allai u. a. retteten sich durch Flucht. Cav. Älainardi 
wurde auf der Strasse angehalten und am Leben bedroht; die 



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321 



DaBwiBchenkiinft des Msgr. Qins. Morandi und deB P. Ve&- 
Ittra retteten ihn. Hingegen gerieth Oberst Freddi durch 
Yerrath in die Hände seiner Gegner, und der Polizist Minardi 
wurde von Toscana, wohin er geflohen war, den römischen 
Behörden ausgeliefert.^ Vom Papste erging der Befehl , wegen 
gewisser geheimen Umtriebe' das ordentliche Gerichtsverfahren 
einzuleiten, wobei jene die Anzeiger und Ankläger machten, 
die vor Jahren unter den Anzeigen und Anklagen ilu er Gegner 
gelitten hatten.^ Msgr. Grasseliiii wurde seiut-s Postens enthobcu 
und reiste nach Neapel, wo er Schutz bei König Ferdinand 
fand: an seiner statt tuuj^irte der Gcueralprocurator des Fiscus 
und der apostolischen Kanuner Msgr. Morandi in der Eigen- 
schaft eines Progovernatore. Rom athmete auf. Man fUhlte 
sich von einer alles mit dem Umsturz drohenden Gefahr befreit. 
Als in diesen Tagen Cardinal Gabriele Ferrctti, ein Ver- 
wandter des Papstes, bisher Cardinal-Lugat von Pesaro und 
jetzt fnr einen höhern Posten ausersehen, in Rom im Postwagen 
eintraf, wurde er auf der Piazza del Popolo erk rinnt und mit 
Jubel begrüsst; die Leute wollten ihm die Pferde ausspannen. 

Nachspiele dessen, was sich in der Hauptstadt abgespielt 
halte, fanden in den Tagen vom 15, bis Ih. Juli in vielen 
Städten der Roraagna statt. In liimini kamen die Namen von 
zwanzig der genclitetsten Hurger als , Feinde des Vaterlandes' 
auf die Proscriptionsliste. lu iMacerata ting man sechs Leute 
von verdiiehtigem Aeussi^rii — sei persone di viso sinistro — 
ein, bei denen sich Dolche mit dem Namenszug des Papstes 
fanden. In Faenza stellten sich der Oarabinieri Oberst Benti- 
voglio und der Hauptmann Tarsini an die Spitze der mis- 
vergnügten Bürger, während ein anderer Theil der Einwohner- 
schaft zu den Schweiseni hielt, die im Namen des Gesetses 
bewaffnet einschritten, was nicht ohne mehr£ftche Verwundungen, 
zwei davon tödtUoh, ablief. 

• » • 

Aus Anlass der Unruhen in Faenxa v^breitete sich das 
GerUcht, der frühere Cardinal-Legat von Ferrara Gius. Ugo- 

> Kisorgimento 1 41öt., 422, 431 f. 

couio U antichi proscritti o condnuuati politici diveuissoro 
«IIa Tolta loro proaerittori e inqniritorr^egli antichi inqniNtori e giodici'; 
Fftrini State Romano I 988. 



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822 



Uni habe gelieime Abrede mit dem k. k. FeBtangs-Oommuido 
in Comacchio getroffen, Bentivoglio and Tannm hatten sich 
Weisungen ans Modena geholt.^ Einer von den ÄofirtindiBcken 
▼on Faenza, hiess e% habe sich nach Ferrara geflaehtet und 
dort in der Kaserne der Carabinieri An&ahme gefunden, von 
wo er fremdes Qeld, monete di conio strimiero, ansstreiie. 
Oardina] Luigi Ciacchi, der Nachfolger Ugolini's, Hess Nach- 
forschung halten; es muss sich aher, mindestens von den .mo- 
nete di conio straniero*, nichts gefunden hahen, weil im gegen- 
theiligen Falle die revolutionäre Journalistik ein erklecklichus 
Geschrei erhoben haben würde. Denn th\ss hinter der San- 
fedistcn -Versehworunfx nichts anderes steckte als österreichisches 
Geld und österreichische Kilnke, daran durfte niemand zweifeln, 
der auf dun Namen eines wahren Italieners Anspruch machte.* 
Cardinal Ferretti, der «gleich dem Cardinal Ant. Franc. Orioli 
im Verdachte stand, ein Parteigänger Oesterreichs, ja von diesem 
bezahlt zu sein, strebte jetzt sich den Liberalen gefällig zu 
zeigen, ereiferte sich gegen die Sanfedisten, suchte den Umgang 
Ciceruacchio's auf. 

Im Kaiserstaate selbst, namentlich im Hauptquartier des 
Fcldraarschalls, fasste man diese Vorgänge scharf ins Auge. 
Radetzky erbot sich der päpstlichen Regierung, Truppen in 
die Romagna einrückcTi zu la>s('n. Als das in Rom dankend 
abgelehnt wurde, beschloss er auf eigene Faust sichernde Vor- 
kehrungen zu treffen. 

Vom Wiener Conirresse 1815 war (Jesterreich, allerdings 
nicht ohne einige Einsprache des päpstlichen Congress-Gesandten 
Cardinais Consalvi. das Besatzungsrecht in den beiden römischen 
Festungen Comacchio und Ferrara zugesprochen worden. Von 
besonderer Wichtigkeit war Ferrara, wo sich in der Irtzt'-n 
Zeit ein böser Geist zu erkennen gab. Eines Tages war an 
einem für miiitänsche Zwecke benützten Gebäude der Stadt 

* Risorgiinento I 417 f. 

• .Niemand zweifelt dartin,* war im Pariser Univers vom 21. Aupusl zu 
Icseti, die Verschwörung, welche Kom mit einem lilutb.uio bedrolito, 
vuu Oesterreich und der retrograden Partei, deren Hoffnungen e» unt*«- 
ütülzto, angefacht worden ist.' Im lütfergimeuio I 419 itt buehitäblidi Stt 
IcMn: m SinigaglU mi ,011 povero eremito pniMiano* ÜMtgenommeii 
worded, bei dem «eh Otterraicbuebe Goldatttcke in power Anubl ge- 
funden bitten. 



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323 



eine kleine Nationalfahne zu sehen. Ein andermal machte unter 
den Einwohnern die Einladung zu einem fiir die I^rüder Bandiera 
und deren SehieksaLsü^cuossen abzuhaltenden Todtenauite die 
Kunde. In beiden Fällen leerte das k. k. Festungs-Conimando 
Vei wahrunj^ ein und verlanfi;tc Sati.sfaetion, die zu leisten die 
päpstlichen Bchordtja nicht sehr geneigt, wuiil am h zu schwach 
waren. Eine Demonstration in grösserem Massstabe fand am 
Abend des 15. Juli statt: Aulliissiuug der weiss-rothen Fahne 
auf dem Stadtthore, i: aekebug von 600 Jünglingen, Jubel- 
rufe fiir die (Jivioa, nicht ohne beleidigende Ausfülle gegen die 
Schweizer, die fremden Süldlinge. 

Oesterreieh begnUcrte sich in Ferrara gewöhnlieh mit der 
Besetzung der Citadelle und iiberliess den militärisehen Dienst 
in der Stadt päpsthehen Truppen, darunter schweizerischen 
Söldlingen. In au>st rordentlichen Fällen aber pHri,'ten die 
kaiserlichen Commandantcn von ihrem vollen Rechte, also der 
militärisehen Besetzung aiieh der Stadt, (tebraueh zu machen, 
wie dies der Natur der Saelie und dem Sinn und Zweck, 
selbst dem Wortlaute der Congressbestimmung entsprach: denn 
es hieij.s in dieser nieht die ,Viste' (hi citadelle) von Ferrara 
sei von Desterreieh zu besetzen, sondern der ,Platz' (la place) 
von Ferrara; zum »Platz* von Ferrara gehörte aber ohne Frage 
auch die Stadt.' In dieser Weise hatten nicht ganz zwei Jahre 
früher, nach dem Putsch von Kimini, September 1845, die 
kaiserlichen Truppen den Dienst in der Stadt übernommen, 
um es der päpstlich» n Garnigon su ermögiichen, zur Verfolgung 
der versprengten Aufständi.sehen ins Feld zu rücken. Allerdings 
hatte damals noeh das vollste Einvernehmen der beiden Höfe 
von Wien und Horn geherrscht, und hatte es der Grosstheil 
der Bevölkerung dem Österreichischen Einschreiten Dank ge- 
wussty die Feinde der gesellschafUicben Ordnung so schnell zu 
paaren getrieben zu sehen. Das war in den jetsigen Zeit- 
verhältnisscn freilich anders. 

Die Lage in Ferrara selbst hatte sich aueh dadurch ge* 
ändert, dass es jetzt nicht päpstliche Truppen allein waren, 

' ,La viU«» de i'orrare est entotiröü (l'uno onceiute fortitiep t|in (*e trouve 
ei) coiitiguite avoc len ouvragc» de 1h citadelle; roiisiuiiblu do ccUo 
enceinte et d« Ui oitftdell« forme oe qu'uu ai)pullu la placo de Ferrara; 
or e'est 1e droit de gnmiwn datis la placo qai a M eonf^ri k rAiitricli«/ 
Metlern ich NaebUn VII 463. 



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324 



welche in der Stadt militärische Dienste leisteten, sondern dass 
drei Bataillone Bürgerwclir (Civica) zu 900 Mann in der 
Bildung begriffen und zum Theil mit Waffen versehen waren. 
Auch die päpstliche Leitung der J^cgation hatte vor kurzem 
gewechselt, <la au die Stelle dos Oesterreich tVeuiidlichcn 
Cardinais Ugolini der Cardinal Lui<:i Oiacchi getreten war. 
Angesichts dieser Frontveränderung und Verstärkung der gcgen- 
theiligcn Macht, die bei dem uuisithgreifenden revolutionären 
Geiste als eine feindselige gelten konnte, ordnete Radetzky 
eine Verstärkung der (Jarnisou von Ferrara an und sorgte 
ülx-nlies für einen eveiiiucllt u Nachschub durch Aufstellung 
mehrerer Colonnen am Unken Ufer des Po. Die Besatzung 
der Citadelle von Ferrara hatte bis dahin ein Bataillon Kaiser- 
Jäger gebildet; in der Nadit vom 16. zum 17. Juli übei^etzten 
ein Bataillon Franz Karl-lntanterie (Nr. 52 ungarisch), eine 
halbe Kscadron Keuss-Husareu Nr. 7 und eine halbe Fuss- 
Batterie bei Pnntelago.seuro und Franeolinello den Po, rückten 
am andern Tage mit brennenden Lunten in die Stadt, machten 
aut'dt tn ITauptplatze Halt und bezogen sodann die zwei Kasernen 
S. liencdetlo und S. Domenieo. Fcstungs- und Platz-( Kommandant 
wurde FML. Graf Karl Aucrsperg. Man kann sieh die lob- 
hafte Bewegung in der RcvnlkerunL'", dit' Aufregung l)ei der 
Civica vorstellen, als sie diese unerwartete Einquartierung traf. 
Unter dem Drucke dieser Stimmung legte der Cardinal-Legat 
Ciaechi gegen die Besetzung der Stadt durch kaiserliche 
Tnippcn Verwahrung ein und beriehtete darüber nach Rom. 
Die Nachricht flog durch ganz Italien; die radicale Journalistik 
von Frankreich zetterte über diesen Schritt Oesterreichs als 
einen unerhörten Uebergriff und selbst das britische ( abinet, 
von Lord Palmeraton geleitet, sohttrte den am sieh greifenden 
Brand. 

Da wurde am späten Abend des 1. August der Capitän- 
Lieutenant Wilhelm Jankovich von Franz Karl-Infanterie, 
als er aus der Stadt in die Veste zurückkehrte, von einem 
Pöbelhaufen thutlich angegriflen und mit Rufen ,Viva Pio IX 1 
Viva VItalia!' bis in die Kaserne S. Dnmonico verfolgt, von wo 
er unter Bedeckung von sechs Mann glücklich die Vcste er* 
reichte. Auf dieses hin Torfklgte Graf Aucrsperg zum Schutze 
der in der Stadt wohnenden Officiere und um den ungehin- 
derten Verkehr zwischen der Stadt und der Festung anfirecht 



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325 



SU erlialten, einen regelmüBsigen näehtiichen Patrouillendieiuit; 
eine Mansregel, die eine neue Verwahrung Ciacchi'B zur Folge 
hatte, und dies umsomehr, da Äuersperg bei dem ersten Anlasse 
den Belagcruiigsstand zu erklären drohte: die kaiserlichen 
Patrouillen wUrden jeden Insult mit scharfer Waffe zurück- 
weisen, die Patrouillen der Civica, falls diese der Losung nicht 
tjiitsprächen, als feindlich auüelien. 

Die üircntliche Stimme von ^aiiz, h ilien trat auf die Seite 
Ciacchi's. Diti Gt^sehiciiti^ mit «Icni liiiu|jluuiim Jaiikuvich, 
saj^'te man, sei eine Erlinduii'^ und Uobertreibimg seitens der 
,Kioatcii** — denn bei den Italienern liiess jetzt jeder üster- 
reichiscdie Infanterist so — und Massimo d'Azeglio Hess eine 
angeblich in Bastia, in Wahrheit in Bologna gedruckte Flug- 
schrift ,8nlla protesta pel caso di Ferrara* vom Stapel hinten, 
die um so aulreizenderes Anfachen machte, als verbreitet wurd«, 
der Papst habe si(! gelesen und gebilligt.* In Wahrheit fand 
das Gegeutheil statt. Die pftpstUclie liegierungszeitnng, das 
,Diario Komano*, erhielt den Auftrag, der Befürchtumr entgegen- 
zutreten, als ob die Kaiserlichen von Comacchio und Ferrara 
aus weiter um sich greifen oder sich in die inneren Angelegen- 
heiten des JBarchenstaat^ oder Uberhaupt Italiens mischen 
wollten. 

Da trat um die Mitte August eine unerwartete Wendung 
ein. Von italienischer Seite waren in der letztc^n Zeit hautige 
Nfichschtibe von Truppen aus den nördliclien Provinzen des 
Kaiserstaates nach Lombardo- Vcnetien und ein lebhafter (iar- 
nisonswechsel im Lande selbst mit steigendem Mistrauen be- 
obachtet worden. Mihtärische Colonnen zogen in voller Aus- 
rüstung durch das Land, hielten mit kriegerischer Musik ihren 
Einzug in die Städte, wobei die ,Kroaten*, hochgewachsene 
starkgebaute Männer mit bronzenen Gesichtern, besonderen 
j£iudrack machten. Am 15. August nun' liess Graf Auerspeig 
am 11 Uhr Vormittags den grössten Theil seiner Garnison auf 
die Esplanade Ton Ferrara ansrttcken. Ein k. k. Major mit 

' Casati I 83: ,1 Croati invontano od o«iajjeraTin nn'iatoria d'un capitano 
Jankovicli.' Kjinn etwas das ,eriuud&u% also nicht vorhandf^n Lst, ,über- 
tiiebea* werden V! Eiue bühuiitdie Darütelluiig de» Vorfalles vom 
1. Angtiflt f. Riioffg^iiienio I 461 & 

• liin^betti I S78. 

* Nach andana am 17. 



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326 



einem Adjutanten aar Seite und drei Mann Bedeckung erscheint 
vor dem Palaste des Cardinal-Legaten und heischt von diesem 
die Uebergabe aller wehrhaften Punkte der Stadt. Oiacohi 
▼erlangt einen Tag Anisehuh, um aur Vermeidung von Mis^ 
verstündnissen die Bevölkerung Ten dieser Uassregel in Kenntnis 
voL setsen. Doch ehe dies ausgeführt werden konnte, nahmen 
die Dinge ihren ungehemmten Lauf. Eine Compagnie Jflger, 
anf ihrem Marsche von der Menge mit Hochrufen ^Pio DC' 
u. dgl. geneckt und gehöhnt, nimmt Besits Ton der Hauptwache 
auf dem Stadtplatze, welche die geringe päpstliche Wache ohne 
Widerstand verlässt; dasselbe geschieht mit den vier Thmn 
der Stadt, die sich nun vollständig in der militärischen Aufsieht 
und Macht der Kaiserlichen befinden. Jeder Ankömmling bei 
Nacht wird genau nach verborgenen Waflfen untersucht, jede 
Annäherunf^ an k. k. Wachposten ist streng verwehrt. Oester- 
reichibchc Patrouillen streifen bis auf zwei Meilen in der Uiehtung 
von Bologna, von Comacchio, während um Po und jenseits des- 
selben Pontelagoseuro und Polest llu stark beaeUi »md, bei Bre- 
sccllo Vorbereitungen /ur Ueberbrückung des Stromes getroffen, 
landeinwärts in Uovigo 200Ü Mann bereit gehalten werden. 

Die Protefetatiou der päpstlichen K(^gicnaig, welche auf 
diese Machtentfaltung der kaiserlichen Garuisou von Ferrara 
folg:te, war ftlr die Männer der Bewegung eine schneidende 
Waffe gegen Oesterreieh, indem sie darin einen ostensiblen 
Grund fanden, den Kn uzzug gegen die angeblichen Feinde 
des Kirchenstaates zu prediL'-eu, wobei sie von der in der 
Regel unwisseiideTi it;^1ioiiisi lu n Landgeistlichkeit, welche die 
, Deutschen' überhaupL iVu IvLiiif echten Katholiken hielt, eifrig 
unterstutzt wurden.^ ui • i lir b sich ein Schrei der Entrüstung 
dureh L^anz Italien. Aus geheimen Druekerei«'n in Livorno 
ergiii-T* n Aufrufe Jl Tedeseo alla portal Koiug Carlo Al- 
berto schriol) n:u-\i Horn, er betraehte die Sache des Papstes 
als seine eigene, durch die Besetzung von Ferrara sei die 
Unabhilngigkeit aller italienischen Fürsten bedroht. Die pie- 
montcsisehe Zeitung braehte gegen die , Gazzetta di Milano' 
wegen des österreichischen Besatzungsreehtes von Ferrara eiucn 
heftigen Artikel, der in allen Journalen von Toscaua und des 
Kircbeu8taatc8| aber auch FraakreichSi lebhaften Wiederhall fand. 

* (H Artig) Oenttaifl 2. Aaibge 1860 8. 76. 



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Im September Hess sieh der l^ariser , Constitutione!* verneliraen : 
Dem Wiener Congressact habe das letzte StUndiein geschlagen; 
Italiens erklärter Feind sei Ocstei reieh, das der Haibinse! weder 
Freiheit noch Unabhängigkeit guune; aber Oesterreich habe die 
Tractate für sieh und keine enropftische Macht werde die Ver- 
träge brechen und den Kaiserstaat angreifen wollen; darum 
müsse Italien aus sich selbst heraus arbi it* n, denn es ha]>e für 
sich, was Oesterreichs schwächste Seite bilde: die Stimme der 
Moral! ' 

Die heftigste Hähning der GemUther war begreiflicher- 
weise im Kn'ciienslautc selbst. Die Stndte Holoirrsa, Forli n. a. 
erhoben lauten Widerspruch: an vielen Orten wo die Anine- 
stirten das grosse Wort tührten plante man die liildung von 
Frcisehaaren, um die ,Tedeschi', die ,Croati' aus Ferrara zu 
vertreiben, die Errichtung eines Beobachtungslagers bei Forli 
— ,un campo di faginoli', wie es Azeglio nannte — u. a. m. 
Der Cardinal-Staatssecretär Gabriel Ferretti erhob gegen die 
Massrege! Auersperg's im Namen und Auftrage des Papstes 
Einsprache, die Fürst Metternich mit einer klaren und ent- 
schiedenen Auseinandersetzung der dem Kaiserstaate durch den 
Wiener Congress ertbeilten Befugnisse erwiderte. Der kaiser- 
liche Botschafter in Rom erhielt die Weisung in gleichem Sinne 
auf das pftpstUche Cabinet durch persönliche Vorstellungen ein- 
sawirken. ,Um was handelt es sich?^ schrieb der Staatskanzler 
an den Grafen Lützow. ,Um den Bestand oder den Nicht- 
Bestand unseres BechteS| in den Plätzen von Ferrara und 
Comacchio Besatzungen zu haben 1 Will Rom dieses Recht 
lengnen? Dann hat W nicht einen notariellen Act gegen uns 
einzubringen, eine Form, die sich der kaiserliche Hof nicht 
gefallen lassen kann, sondern seine vermeintliche Sache vor 
jenen Hofen zu vertreten, welche die Acte des Wiener Con- 
greases nnterseichnet haben." 

• • ♦ 

Die emate poJitisehe Lage, gana besonders der bedrohliche 
Gangi den die Dinge auf der apenninischen Halbinsel ein- 
schlugen, stimmten den österreichischen Staatakansler ftnsserst 



1 8. dag&gak Oaoleir. Beob. 1847 Nr, 278 Tom 6. October S. llSSf. 

• ICetternleb an LatMw 1«. und S9. August; N«eb]MB TU 463—466. 



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328 



trübe, jleh brauchte lan^c Zeit/ sagte er zu seiner Gemahlin^ 
,um die Worte zu verstellen, woldie in der Bibel oft wiederholt 
werden, z. U. jene die Abi.tii.iui i>Llrt'llcii : „Und müde des 
Lebens lehrte er sich zur Ruhe." Wie kl.ir ist mir das jetzt! 
Ich bin so Icbensiniide!' Dieser Aussjirucli schnitt der Fürstin 
Melanie ins Herz; seit sie au seiner Seile war, sah sie dem 
Augenblick mit Bangigkeit entgegen, wo er der Last, die ihn 
drttckte, niüde sein werde.* ,l)er Fürst Metternich/ schrieb 
der ( )l)erste Kanzler Graf ln/at; lii im Sommer 1S47 an Hai*on 
Pillersdorfl', ,spruch mir ebenso düster von Italien wie von 
der Schweiz.' 

Am 2. Atignst sandte der österrcicliische Staatskanzler 
Depeschen an die k. k. Botschaften hei den anderen vier (iross- 
mHchten, worin er auf Garantien des liesit/.standes der italieni- 
schen Staaten nach den Bestimmnni^iMi des Wiener ( 'on^rresses 
drang. Die rcvolutionürcn Secten, betonte er, ar]»citen auf eine 
itahenische Föderativrepublik los; die vom Papste angelialmten 
Reformen seien blosser Vorwand; ( )cstcrreieli p-he anf keine 
Eroberungen aus, es wolle nur behalten und erhalten was sein 
ist.^ Aus St. Petersburg und Berlin kamen zustimmende 
Erwiderungen; nicht so von Palm ersten, der am 12. an Lord 
Ponsonby in Wien sckrieb: ,Der fortgeschrittene Zeitgeist er« 
heischt dringend Reformen und innere Neuerungen; einige der 
italienischen Staaten haben den Weg dazu betreten; Oesterreich 
möge Bein Ansehen, seinen Einfluss dazu verwenden, diese 
Bewegung zn ermuntern and zu fördern, da unverkennbar eine 
weit verbreitete und wohl begründete Unzufri( denheit, genährt 
durch die Misregierung in einigen Staaten wie Rom und Neapel, 
ganz Italien durchzieht.' Auch Guizot, so vielfach er in seinen 
Grundsätzen und Anschauungen mit Metternich zusammen- 
stimmte, konnte sich nicht enthalten, den Zweifel anzuregen, 
ob der Fall von Ferrara nicht einen Anlasa bieten solle, die 
Bestimmungen der Wiener Verträge den Forderungen der Zeit 
anzubequemen, um der Gefahr vorzubeugen, dass der Geist 
der Besserung und Keuerung, der jetzt in Italien herrsche, in 
einen Geist des Umsturzes und der Revolution ausarte. Um 
dieselbe Zeit erhielt Lord Ponsonby einen Berieht des britischen 



' Am dorn Ta^bnehe der FOxstin Uetternioh; KacIilMs VII 804. 
* Areh. triean. I It— 18. 



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529 



QeneralconmiU G. 0. Dawkins in Venedig, der ihm den tilglich 
wachsenden Haas der Italiener gegen den Kaiserataat schilderte; 
nor Oesteneieh weg, heisse es in der Lombardie, das Weitere 
werde sieh finden.^ 

Fürst Metternich war durehaos nicht gestimmt und gewillt 
auf die RathsehlAge Palmerston's nnd die Anregungen Gnisot's 
einzugehen. Im G^entheil, er richtete an den Grosriiersog 
Ton Toscana ein Sehreiben, worin er diesen Ter der Ein- 
flUirang bedenklicher Neueningea warnte, wenn er nicht die 
Gefahr militärischen B^schreitens TOn österreichischer Seite 
laufen wolle. Im Auftrage des Staatekanzlers theilte Graf 
Bnol dem sardiniachen Minister des Aeusseren Grafen Solaro 
della Margherita eine Abschrift des ;ui Leopold II. fjcrich- 
teten Schreibons mit, dessen Inhalt König Karl AI hei l als 
eine un/.aliissige Einmisclmag m die inneren Angelegenheiten 
der lUiUenischen Staaten mit Entrüstung ablehnte.* 

In einer anderen Richtung bereitete das lombardiseh-veue- 
tianische Königreich Metternich allerhand Sorge. Es verlautete, • 
dass der Vicekönig der Geschäfte überdrüssig sei, alles seiner 
Umgebung überlasse und unterschreibe was ihm diese vorlege. 
,Zam wahren Besten der Administration im lomL»ardisch-vene- 
tianischen Königreiche/ meinte Inzaghi, ,wÄre die giinzliche 
Aufhebung der vicekönigiiehen Behörde nothwendig/ Kben 
jetzt hatte Erzherzog Rainer Mailand verlassen und war ins 
Seebad gegangen, wie Inzaglii meinte, ,aus Furcht für seine 
P^!rson^ Inzaghi sehlug dem Staatekauzler ,dic schleunige 
Entfernung' der drei den Erzherzog umgebenden Ilufräthe ' als 
,die dringendste Massregel' vor: , Vielleicht wilre auch ein© 
vorläutigc Bestimmung eine^ hf^h^T p-estellten Beamten Kur Hilfe 
des Erzherzogs, der jedoch gebunden werden müsste ohne 
dessen Mitwirkung nichts zu verhandeln, eine kleine Abhilfe. 
Dieser Mann müsste aber di«« erforderliche Geschäftskenntnis 
haben. Wo ist aber dieser Mann^'^ 



* Arcli. trinnn I 21 — 24. Dio an tlnn französischen T^ep«ttoiis-8ecretär 
Grafen Mare.s(;Hlchi iu Wien gerichtete Note Ontsot's datirte vom 1., 
der Bericht Dawkins' an Poononby vom 9. Septeuiber. 

* Arch. trieon. I 18 f. 

* ^acnas Orlmm IVeUieiT von Sttden, «eit 1817 ia diimr Btellnng» 
Samael Raehbarger Ritter v. Beehkron, GKot. Batt Saupletro. 

* Insaglii an PilIcr!«dorff Wien 86. Anput. 

AtcUv. XCL BMd. U. Hilft«. 28 



330 



Der Staatskatialer hatte ihn hereits gefanden und gewtthlt. 
Gmf Ficquelmont, seit des Gh«fen dam-MartinitE^ Tode der 
in Attsiicbt genommene Nachfolger Mettemich'a, war um den 
13. Angoat mit seiner Gemahlini einer geborenen Reiehagrifin 
von Tiesenhanseni aus Venedig in Wien eingetroffen, wo ihm 
Metternich den Antrag machte nach Mailand an gehen nnd 
dort eine politische Vertrauentmission aar Seite des ErshenogS' 
VicekOnigs au Ubernehmen. Fioqnehnont kannte Mailand, 
freilich aus viel früherer Zeit her, er hatte angenehme Er- 
innerungen Ton dort mitgenommen und war deshalb ,mit Ver- 
gnügen' bereit auf den Vorschlag des Staatskanzlers einsu- 
gehen; er gedachte sich in Italien bleibend niederaulassen. In 
der Instruction, die Metteniieh seinem Vertrauensmann mitgab, 
htess es: ,Die Reyolntion hat sieh der Person Pius IX. als 
eines Banners und der Offisntlieheii Henmng bemächtigt, um 
im Kamen des Heiligen Stuhles das alte Panier der Weifen 
emporvuhalten. Wir haben also jetet in Ilalien die Partei der 
Weifen die über die Deutschen das Todesurtheil ausspricht, 
und wir finden keine GhibelHnen. Die Kaiserpartei hat die 
Vernichtung des heih'gen römischen Reiches nidit überlebt 
Der Papst ist es heute, den man in ganz Italien anruft und 
den iiian als Papst des Fortsdirittes, „il Papa del j^ro^^resso'*, 
mit sic'li fortreisst. Es ist flio Person des ^a^^cnwärtigeii Papstes, 
Pio IX solo, welche die Partei in den \'orderja^nd schiebt, 
Tiielit du; Kirche. Ks sind die (Mnbs, welche die ilalionische 
Jlevolution treiben, es sind die geheimen ( } csellsehaften, die 
das iluitiji:ste Werkzeug zur Ausführung bilden. Sülcho Bünd- 
nisse können nicht aufbauen, sondern nur zerstören, es ist die 
Unordnung, die wir zu bekamplen haljen — nous n avons que 
le d^sordre h eonibattre/ Die Aufj^abe Oesterreichs in dieser 
Lage, meinte der Staatskanzler weiter, sei erstens: keine Inter- 
vention weder in Neapel wie 1820 noch im Römischen, aber 
entschiedene und krältige Vertheidigung unseres Keclites wo 
immer man es antasten wollte: und zweitens der Versuch, 
Piemont in unsere Allianz znriu kznfiiliren. In dieser Richtung 
habe Graf Ficquelinont dem Viccküuig Beistand zu leisten, der 
sich dadurch in der schwierigen Lage, in der er sich l)etiiide, 
erleiclitert fühlen werde; Ficquelmont habe ihn moralisch 
durch (Ii ■ Ivathschläge zu unterstützen die er ihm erthcilen 
werde^ sei es, dasd Se. kaiserliche Hoheit ihn darum angebe, 



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331 



oder dciss er, Ficqneimont, aus eigener Initiative sich dazu ge- 
drungen fühle. 

In diesem Sinne sehrieb Metternich <]rleiclizciti*]f an den 
Erzherzog Kainor und an die kaiserlichen Missionen an den 
verschied ( iKu Rufen von Italien, di^ er anwies den Grafen 
FicquLliiiiiiit in fortwährender Kenntnis aller Vorfillle zu er- 
halten. Oanz besonders erhielt Graf Buol-Schauenstein in 
Turin den Auftrag den Grafen Ficquelraont in jeder Weise zu 
unterstützen, da es nothwendig sei ,qu'i! soit informe cxactement 
des difterentcs peripöties da drame dont i'Italie est en ce 
moment le the«atre'. 

Ein ausnehmend warmes Sehreiben riehtete Metternich an 
den Grafen Radetzky, der, obwohl die Mission E^cqueimont's 
eine rein politische war, doch mit dem Grafen Uber alle 
wichtigeren Fragen in Fühlung bleiben sollte; denn ,Politik 
und Kriegswesen sind unzertrennliche Gewalten. Wir, Sie und 
ich, mein lieber Feldmarschall, haben schwere Zeiten durch- 
lebt^ grosse Dinge in vollstem Einverständnisse durchgeführt, 
und sind von der Vonehnug bestimmt unsere alten Tage nicht 
in Kuhe geniessen bu können. Waren die früheren Zeiten 
grosser Anstrengungen bedürftig, SO waren sie dennoch besser 
als die dermaligen. Sie und ich wissen mit Körpern zn kUm]>fen; 
mit gespenstigen Gestaltungen gilt der materielle Kampf nicht, 
nnd mit soiehen Gestaltungen haben wir es heute allenthalben 
anfennehmen. Die Erscheinung eines fiberalisirenden Papstes 
war der Welt noch aufbewahrt! Der Himmel erhalte Sie dem 
Kaiser und dem Staat noch lang! Dass niemand den Wert 
dieses Wonsches mehr fUhlt als ich| daran aweiffein Sie wohl 
nichtl'' 

Auch Ficquelmont richtete ans Venedig 28. August 
ein Schreiben an den greisen Feldmarschall, worin es unter 
Anderem hiess: ^uer ExceUens haben in Ferrara den ersten 
Beweis von Kraft und ISntschiedenheit anr rechten Zeit gegeben. 
Sicher ist es schon, dass es gute Frttchte bringen wird. Ferrara 
ist dem römischen Italien gegenttber die Citadette unseres Bechtes; 
die Partei die in Rom wllthet begeht einen groben Fehler, uns 
gerade auf diesem Funkte so unüberlegt anzugreifen/ 

* Metternicb'8 Instruction für Ficqaelmont und Schreiben au liHtlctzky vom 
22., an Buol vom 24. Augnist, an des Ersbeimg vom S. September; 
Naehlan YU a S84f^ 468-476, 



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332 



Mettern ich tmg sicli eine Zeit mit dem Ckdunken, Bellwt 
nach Italien zu gehen, seine Kinder mitsunehmen und sich sehn 
bis zwölf Tage in Venedig anfzuhalten; er meinte, diese Reise 
könnte eine gute moralische Wirkung hervorhringen, weil sein 
Zusammentreffen mit dem Vicekönig, mit Radetzky und allen 
Behörden in ItaHcn Furcht einflössen würde.* Ks ist aber die 
AusfUhnmg dieses Beschlusses unterblieben. 

vra. 

Graf Komilli, ein Mann von streng kirclilit-hen Grund- 
sätzen, konnte sich nicht gleich entschliessen dem kaiserlichen 
Rufe nach Mailand zu folgen, da ihm seine Verbindung mit der 
Kirche von Cremona, im Sinne der Bischöfe der ersten Kirehe, 
als ein heiliges Band erschien. Er reiste mit P!rlaubnis der 
Regierung nach Korn, wo er in mehrwoclienilirhfm Verkehre 
mit dem Oberhaupie der Kirche sicli zuletzt bewe^am Hess, den 
erzbischütiichen Sitz des heil. Ambrosius einzunelunen. Aus 
der ewigen Stadt riehtcte er sein erstes Hirtcn-chreiben an die 
Gläubigen seiner neuen Diöcese,^ wo nunnirlir alle Anstalten 
getroffen wurden, dem nationalen Oberhuten die freudigste 
Aufnahme zu bt i f it-n. 

Feierhchkeiteu für den Empfang neu ernannter Kii t lion- 
fÜrsten in ihrer Diücesanstadt waren an und ft\r sich im lombar- 
disch-venetianischen Königreiche niolits Unge\vr)hnliclies; selbst in 
Pr()vinzialstädt(!n hatte: man wiederliolt die Ankunft eines neuen 
( )ber]iirtcn durch allerlei Fcstliclikeiten geehrt, und so konnte 
es im Grunde niclit auffallen, wenn das Mailllnder Municipium 
am 21. August an die Bewohner seiner Stadt die Aufforderung 
richtete, das Ereignis durch Ausschmückung ihrer Hauser und 
festliche Beleuchtung zu feiern.' Es zeigte sich aber gleich, 
dass es den Tonangebeni darauf ankam, die Berufung eines 
Landsmanns — den Übrigens die Mailänder von Person fast 
gar nicht kannten — als einen Sieg der nationalen SachCi 
,un italiano successo' hinzustellen und in sieghaftem Gegensatze 
zu der ,deutschen' FreTiir!li orrschaft, zu dem Wiener Regiment 
leuchten zu lassen. Für eine der Triumphpfbrten, durch welche 

I Aw dem Tugelraoh der Fflntin llslania, AngaA 1847, YU 806. 

• Beda Waber Chatakteftildmr 9Wt 

* C. Casati I 86—88. 



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333 



der Einzug stattfinden sollte, wurden von AchiUe Mauri In- 
schriften abgefasst, deren anti-österreichische Tendenz offen zu 
Tage lag: eine galt dem heiligen Bischof Galdino von Mailand, 
1166 — 1176, der einen Theil seines Grundbesitzes hercjeireben 
hatte, um die Festung Alessandriu zu bauen; eine andere, 
noch deutlicher, pries die e^lorreiche Erhi buiig gegen Friedrich 
den Rothbart und die di Pontida^, den am 7. April 

1167 geschlossenen kaisei feindlichen Bund der lombardischen 
Städte.^ Als die Polizei, wie kaum bemerkt zu werden braucht, 
die Anbringung solcher Inschriften verbot, beschloss die Munici- 
palität gar keine anzubringen, so dass der Trium]>lil)ogen , stumm 
und leer* bleiben sollte. Auch eine andere Veranstaltung, scheinbar 
hannloser Natur, konnte die Regierung nicht zugeben. Die 
Municipalität wulitc vor der 8tadt an der Stelle, wo der Ge- 
feierte seinen Wagen verlassen sollte, um unter einem i>al(la(!iiin 
in seinen Palast geleitet zu werden, ein kostbares Zelt errichten 
und mit weissem Atlas ausschlagen lassen, einem Stoffe, der nach 
dem Herkommen in dieser Weise nur fllr das hoclnvttrdigste 
Gut und dann zu Ehren der Majestäten verwendet werden 
durfte. Die Behörde konnte nicht umhin, auch in diesem 
Punkte ein Veto einzulegen, worüber sich der Aerger der 
andern Partei in allerhand Glossen Luft machte. 

Die Ankunft Romilli's in seiner erzbisrliüiiichen iSLadt 
war auf dvvi 4. September 1^47, einen Samstag abends fest- 
gesetzt. Kine Reihe glslnzender Kutschen fuhr ilim bis auf 
zwei Miglien von Älailand entgegen, in dem anmuthigen Oorla 
crAvartetcn ilin der Weihbischof mit dem Capitel, der Podestk 
mit der Municipalität, mehrere der angesehensten PersönHch- 
keiten der Stadt und gaben ihm das Geleite in seine neae 
Residenz.^ 

Am Sonntag darauf fand die feierliche Einführung in den 
Dom, die Uebergabe der Temporalien, abends die lang ange- 
sagte nnd verbreitete Beleuchtung statte ein äcbaiis[nei, das 



< Wortlaut im Ärchivio trionnale I 26 und bei Ottolini tt. XStUm 4ie 
Zn.-änmnn'nkiintt nnH Abrede von l'ontiila, einem zwischen Berpramo und 
L< ci n gcU'guueu Kloster, ». Prut« Kaitier Friedrich I. (Oanz-ij: II 59. 

* Ausfülirlich C. Casati Rivolasioni I S. 104 — 119. — jL'iugresso dol nuuvu 
areivMcoTO in llilano fa «ne vera dimoatrasione politiea promoMa dal 
Ifanldpio qnale protoita oontro il govenio aotinutonale doirAoftria*; 
Cemii 1ii<ifr. 6. 



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334 



dem Publicam viel Vergnügen bereitete und mnnelien AnlasB 
zur Bewunderung gab. Letsteree war sumebt auf der Piassa 
Fontana der Fall, wo die Mailänder gegenüber dem ensbischOf- 
licben Paläste das Wappen und die NamenszUge Romilli's in 
einer Unsahl von Gasflibnmohen erblickten, ein bis dahin un- 
bekanntes Verfahren, das allgemein entzQckte. Leider störte 
ein plötzlich einfallender R^en diese Freude, und es lüsst sich 
daher nicht sagen, ob das Fest so harmlos und ruhie; verlaufen 
sein würde wie es begonnen hatte, wenn nicht die vorzeitige 
Du/iwischenkunft des entschiedensten Feindes aller Demon- 
strationen, des Wassers, die Menge zerstreut und verscheucht 
liätte. Uleichwuhl laiid sich gegen 10 Uhr abends bei Porta 
Ivoiiiaiiit ein Ilaufe von Menschen zusammen, die unverkennbar 
auf geheimen liefehl Kufe ertönen liessen, wie Viva Pio IX re 
d'Italia, Hberatorc dei popoUj Abbasso rAnstria! Die Schreier 
wurden von der Pohzei vertrieben, suchten sich auf der Piazza 
Fontana neuerdings zu sammeln und den Hymnus auf den 
Papst anzustimmen, wurden aber auch hier in ihrem Vorhaben 
unterbrochen, das übrigens in der Menge keine Unterstützung 
fand. Ein Polizeimann konnte aus dem Haufen zwei Schreier 
herausholcu, ohne dass ilmi Widerstand geleistet oder mola, 
mola! (loslassen) zugerufen wurde. 

Sicher war es der Partei des .jungen Italien' leid sich 
einen so willkommenen Anlass fUr Kundgebungen in ihrem 
Sinne entrissen zu sehen, uii l « a wurde darum beschlossen 
die so unzeitig verregnete Illumination an einem andern Abende 
zu wiederholen. Es hicss: das Fest sei so schön, das Ex- 
periment auf der Piazza Fontana so sehenswürdig und inter- 
essant gewesen, anderseits seien durch die Ungunst tler Wit- 
terung so viele Personen nicht dazu gekommen sich daran zu 
erfireuen^ dass es wohl billig wilre das ganze Schauspiel noch 
einmal in Scene zu setzen, wofür der kommende Festtag, 
Mariä Geburt 8. September, den schicklichsten Anlass böte. 
Wohl war nun für die Organe der öffentlichen Ruhe und 
Ordnung Grund genug vorhanden sich diesem Vorhaben zu 
widersetzen: und in der That zeigte sich Graf Spanr nicht 
geneigt die JB^laubnis zu ertheilen. Allein Casati bestand mit 
Ungestüm darauf, dass die Wiederholung stattfinde, so dass 
Spaur zuletzt nachgab, dafem der Generaldirector der Polizei 
die Verantwortung ttbemebmen wolle, dass alles gut ablaufen 



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335 



werde. Baron Torre.sani beg;nügte sich damit, an (Im Erlaubnis 
die Bedinpun^ z\i knüpfen, die wiederholte Illuinmation habe 
sieh uiit ilun Dom- und den erzbischüflichen Platz zu be- 
Bchräuken. 

Auch ging antangs alles gut Man sali nur sonntäglich 
gekleidetes Volk mit frohen Gesichtern. Entstan 1* i Stoekunpren, 
besonders auf der Piazza Fontana vor dem (iat. bilde, so war 
es eben lUircLeinauder wogendes neugieriges Gedritn^e, das 
Befriedigte entliess, um neue Ankonimlinge in sieb aufzu- 
nehmen; auf der geräumii^eren Piazza del Duomo war vom 
Anfang bis zu Ende die Passage freier und bequemer. 

Da nach 10 Uhr abends erschien auf dem Dom platze von 
der Porta Ticiuesc her eine fest geschlossene Phalanx von zwei- 
biH dreihundert Strolclien, die sich, Rufe auf den Papst aus- 
stossend, den Kossiuischen Chor zu dessen Preise Vtrrtlh'nd, 
gewaltsamen Weg durch die Monge bahnten, die dadurcli nach 
beiden Suili ii ;iuseinandergedri\ekt und stellenweise arg bcdrilngt 
wurde. Rt sonders vor dem Caf<'' del Commereio {rerieth alles 
in Verwirrung, die auf dem Platze stehenden Tisehe und »Sitze 
wurden umgestossen, so dass die Gäste Hlichtcnd in das 
Innere stürzten, wo nun gleichfalls alles drunter und drüber 
ging. Jetzt erschienen die Commissäre Mazzoni und Barba- 
reschi ^ mit Polizeimannschafl auf dem Platze, viele Leute 
flohen, andere hielten stand und widersetzten sieh, gelle Pfiffe 
ertönten, Rufe: Abbasso la polizia! Morte ai T( <le«chi, Hessen 
sich vernehmen, es fehlte selbst nicht an ThätUchkeiten gegen 
die Oigane der öffentUohen Sicherheit.^ 

Inzwischen hatten sich die Unruhestifter vom Domplatze 
gegen den erzbischtfflicben Platz vorgeschoben, wo nun das Ge- 
dränge ein viel ärgeres wurde und dazwischen die Pius-Hymnen, 
Vivats auf Pio IX und Komilli, Pereats auf die Polizei, auf 
Oesterreich, die ,Tedeschi^, ertönten. Die Meute war eben in 
ihrer besten Arbeit, als gleichzeitig ans drei der auf die Piazza 
Fontana mttndenden Gassen Polizeimannschafl hervorbrach und 
mit gezogenem Säbel, den sie jedoch nur nach der Fläche ge- 

» In <ioti Ifof- Titul Stnats Hatidbüchem von 1846 — babe ich diese 

bilden Nüiuitu vergeblich ge«ueht. 
* KOhmten sieb doch nachderbaod Leute solchen Schlages, tl« hStton «lie 

Pqliskton ^ fiaria di calca e di fiMbl* vom Platae g«tvi«beii; Areb. 

Irien. I p. 3S. 



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3d6 

brauchte, die Menge anseiiunider an treiben begann, was 
flowohl die Wuth ihrer Gegner als das Gewirre der Menge 
auf den GKpfel brachte. Auch Leute aus den Fenstern be- 
tiieüigten sich an der Balgerei; Blumentöpfe^ aber auch Ziegel 
und Steine wurden auf Torbeimarschirende Patrouillen hinaV 
geworfen. Aus dem Gasthause al Bisoone wurden auf die 
Pofisdmannschaft Weinflaschen herabgeschlendert; auf dem 
Balcon des Hauses bemerkte man Bursehe mit wessen Hilten, 
welche der Menge unten aufr^aende Worte turiefen. Auch 
der Sohn des Spediteurs Mangili war als Aufhetzer thätig. 
Einzelne Verwundungen fielen vor, doch nur leichte, wenn 
nicht einer und der andere selbst es war, der sich etwa dadurch, 
dass er einem Polizisten in den Säbel fiel um den Hieb aufzu- 
halten oder ihm die WaflFe zu entwinden, eine ernstere Verletzung 
zuzog. ,Morte agli assassini!^ hörte man jetzt rufen. Manehe 
wurden in dem Oe wühle von ihrer eigenen Umgebung arg 
zugerichtet; der Möbelhändler Ezechiel Ab bäte, der zu Boden 
fiel, wurde von dem über ihn wegdrängenden Menschenöchwaiic 
zu Tode getreten. Der Erzbisehof sprach aus dem Fenster 
beruhigende Worte, deren Laute mau gar nicht vernahm, deren 
Sinn man aber aus seinen Mienen und seinen Bewegungen 
schhessen kunnte. Er kam dann selbst auf den l*latz heraus, 
richtete indessen auch damit nicht viel aus. Erst als berittene 
Gendarmerie erschien, gelang es allmUlig die beiden Plätze zu 
säubern, was bis gegen 2 Uhr morgens währte.* 

Damit war aber noch nieht alles zu Ende. Am nächsten 
Abend, 9. September, gab die Dummheit oder Bosheit eines 

*■ Amtlicher Artikel der ,GMzetta di Milano* vom 9. und Sehreiben vom 10.» 

deutsch im Oe«terr. Beob. 1847 Nr. 269 vom 16., Nr. 260 vom 17. Sep> 
tetnber 8. 1047f, 1051 f. Auf dio Ramerktni? an ersterer Stelle, die Rabe» 
HtUrer hätten sich nach ihrer Äuüäprache als ,Nicht-Mailiiii(ler' verr,ith**n, 
wurde von der Gegenseite erwidert: Die Regierung habe dadurch glauben 
machen wollen ^he la sedisione fouo qui propagata da Roma . • . In 
una eitt&grande vi aono aempre penone d'altri paevi*; Areh. trienn. I p. 27 
Tint<i 1. Von der Poliseimannschaft heisst 68 im amtlichen Berichte, sie 
hätte ihre WntTon (?ol)raucht, .piA a percootero che a foriro', und da« ist 
Wühl durch die geringe Zahl und die Leichtigkeit dpr Verwmidnnpen 
bewiesen, obwohl es von der revolutionären Seite an Uebertreibungon 
jeder Art nicht fehlte. ... Die refl^ieninfBfetndHche Partei ^di die mhige 
und maetvolle Heltun^ der berittonen Ctondnnnerie hemue, denen des 
Volk zugerufen habe: Viva la gendanneria italianal Ale ob die PoUriotti 
nieht gleichfalb »italiani* geweeeo wirenl 



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rt Ii — 

schwaohainnigen und dem Trünke ergebenen Mauthbeamten 
Giuberti, der seine in der Nähe der Porta Ticinese gelejjene 
Wohnung beleuchtete, Anlass zu neuen Auftritten, da sich vor 
dem Hause Arbeiter und anderes Volk ansammelten, die, als 
die unerwartete Illumination behördlicherseits ciMire.^t* 11t wurde, 
zu lärmen und zu schreien begannen, bis Grenaditäit; aus der 
nahen St. Eustorgio-Kascrnc aufraarschirtcn und den Platz 
säuberten. Neue Zusuimuenrottungen gab es um halb eilf auf 
der Piazza Fontana, wo die Leute den Erzbischof zu sehen 
verlangten, der diesen Abend zum Diner beim Erzherzog- 
Vicekönig geladen war; auf der Piazza della Scala, wo die 
ans dem Theater heimkehrenden Personen belilstigt wurden; 
auf der Oorsia S. Francesco vor dem Cafe Mcrlo. Ungeachtet 
der Auliorderung zur Ruhe und der BeuiuhLing der Polizei die 
Leute zum Auseiüaii l rc:ehen zu bewejren. währten das Geschrei, 
die Pfiffe, die Besc}iiin]>fun^ der Wachposten fort, bis Gavallerie 
auiritt und die luinultuirenden Haufen nuseinandertrieb. Leider 
kamen auch bei dieser Gelegenheit ein und der andere gauz 
Unschuldige übel weg. Einen angesehenen und friedliebenden 
Kaufmann Olgich Kettete Graf Gius. Durini dadurch, dass er 
ihn vor der die Strasse säubernden Tru})|M' rasch in ein be- 
nachbartes Kaffeehaus hineinzog. Bis über Mitternacht hinaus 
durchzogen Patrouillen die Strassen der Stadt. ^ 

Am 10. erschien eine Kundmachung des Generaldircctors 
der Pohzei*, der emstlich vor allen weiteren Ansammlungen 
warnte, die man behördlicherseits nicht dulden könne und wo 
man dann, wenn es zum Gebrauch der Waffe komme, die 
wenigen Schuldigen von der grossen Menge der Neugierigen 
nicht scheiden ktfnne. 

Es gab swar noch am Abend des 10. einige Unordnungen, 
doch scheinen dieselben, nachdem die Polizei wie an dem 
Torigen Abende einige Personen eingefangen hatte, bald bei- 

* Wenn m Ctniii biofr. $ hciwt, dla Menge bebe Bolelst ^ iöraa di grida 
iMif tenti* den Rttdung der Poliaiotti erwirkt» ao keiaat diea wohl die 

Thatsache auf don Kopf stellen. . . . Von den vergefSrilenen Verletsongen 

wird ebentla erzählt: .Un itulividuo poco mancA non avesse la testa 
mciaa avendogU üe'colpi di sciabola taplifita restn-raitA del cappellu o 
rirnpugaatara del bastoue, con cui cercava riparare 8^ e due veccbi suoi 
«ongiontt,* 

* Ein gedrncktea Exemplar dieaee ^Tviao* a. Fol. A. 1847 Fmo. 10787 
Nr. 1117S. 



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338 



gelegt Warden so Bein. Dafllr hielt aieh die Mimioipalitltt be« 
rufen, beim Grafen Spaur gegen die Vorgänge am 8. und 9. 
abends entseliiedene Yerwabrnng einaulcgen, deren Abfassung 
einige dem Podestk selbs^ andere dem ManicipaUtttt-Assessor 
Berretta soschriebea. Sie lobten das humane Voigehen des 
Poliseicommissll» Barbaresohi, dem es gelungen sei auf dem 
Domplats die Ruhe hersttstellen^ beschwerten sich aber auf das 
bitterste Uber einen andern Beamten — er war nicht genannt, 
aber jedermann wusste, dass der Obercommissär Bolza damit 
^^emcint war — , der seine Leute, ohne eine warnende Auf- 
torderiin{2: vorauszuschicken, sogleich habe vom Leder ziehen 
und einliaueii lassen: sie beklagten den Tod Abbate's, der eiiiö 
zahlreiche Familie zurückgelassen habe, und die vielen Ver- 
u liiidunr^^en, deren BcschafYenheit daftlr Zeugnis ablege, dass von 
der Bevölkerung kein Widersüind versucht worden sei; sie 
leugnctoü jeden Angriff und II* i austui iti ung seitens der Menge. 
Wo habe, fragten sie, ein Polizist oder Soldat auch nur einen 
Hitzer mit einem Dolch oder Messer erhalten? Nicht einmal 
Stöcke seien gebraucht worden, und Avic könne von iSteiuwürten 
die Kede sein, wo die Menge, Mann an Mann gedrängt, sich 
nicht habe bewegen können?* Grat' 8paur in seiner erhabenen 
Stellung sei dem Gebahren der unmittelbar ausübenden Organe 
entrtkkt; doch eben darum fühle sich die Vertretung der 
Bürgerschaft berufen, ihn auf den Misbrauch, der mit dem 
Namen und Ansehen der Kegioruug von derlei Beamten ge- 
trieben werde, aufmerksam zu macheu und ihm den wahren 
Stand offen darzulegen.' 

In der Stadt herrschte äusscrlich Ruhe, vereinzelte Excesse, 
Beseliiiupfaug von Militür- und Pohzeiwache kamen wohl noch 
vor/ und in den Gemüthern wirkten die aufregenden Sceuen 

* ,E t»e 61 contauo, al diro d'alcuui, due sasai scagliati, questu uon poiuva 
avv«nird qaando la folU ent aeealcata/ 

* ProtOfte dal mttnioipio di IfUano «1 govenatoi« Spanr; Anh. trie&n. I 

p. 28— .10 . . . N«m«D, Stand, Alter otc. der uenn Verwundeten, darunter 
oincs Poliziottn, die im pro?sen llospiuil Anfnahme gefimdcn, ^ C. CaKati I 
S. 1191'. Anm., Ottoliiii j«. 24. IhüZahl der in ihren Familien wimd- 
änstlicb behandelten Personen »oll viel grosser gewesen sein. Ucber die 
voD beiden Seiten tau dieeem Anlene gewedtielten Seliriftan e. Casati 
«. a. O. 128—140. 

* Ein Fall mit dem Kammacher Luigi Galtaraii abm^am 13. lief ohn« alles 
AniMhen oder ionttige fible Folgen ab-, PoL A. 1847 Faso. 10787 Nr. 1117S. 



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der letzten Abende noch lange nach. Graf Spaur hatte die 
Klagen verschiedener Personen anzuhören, die, wie sie angaben, 
ohne irgendwelchen von ihrer Seite gegebenen Anlass von den 
Werkzeugen der Regierung Schimpf und Unf^Iimpf zu erleiden 
gehabt. Eine Deputation erschien bei ihm, die geradezu die 
Entlassung einzelner Beamten, vor allem dcd rulizei-Ober-Comrais- 
särs Bolza verlangte. Auf diesen Namen concentrirte sich 
überhaupt der \s lUhundste Hass; Strassenanschläge drohten 
ihm den Tod. Die Polizei erfuhr Neckereien aller Art. 
Ilire Leute hicss man bpottweise .pollin* und Gassenjungen 
ahmten, wenn sie eines ansichtig wurden, das eigenthümliche 
Geschrei der Truthahne nach.* Alle Morgen fanden sich an 
Mauern und an Strassenecken Aufschriften V. Pio IX, die 
mau musste herunterkratzen lassen. Gassenjungen sangen die 
Pius-Hymne bei hellem Tage den Polizisten ins Gesicht, so dass 
das Verbot eriaast^n wurde ,di caijtjir inni in onorc di sovrani 
esteri*. In Schaufenstern, in Gastzimmern und itfontlichen 
Räumen |)rangte das Bildnis des Papstes neben jenem des neuen 
Erzbiöciiofs. 

An den unruhigen Abenden hatten zahlreiche Verhaftungen 
stattirctunden; in den Tagen darfiuf wiirJcii W rliore vorjre- 
nommcn, Zeugen abpchort. Auch gegen einen der Municipal- 
Assessoren, den Graten Marco Oreppi, war eine Untersuchung 
im Zuge; er war hesrhiildij]'t in den verhängnisvollen Stunden 
die Menge .iiit"i,t rci/t /.u haben. Es kam bei all diesen öchrittcn 
nicht viel heraus, nach kurzer Zeit waren die meisten Ein- 
gezogenen auf freien Fuss gesetzt, und di© Polizei hatte von 
da einen noch härteren Stand. 

Für die aufstandslustige Partei im ausser-österreichischen 
Italien waren die Mailänder September-Ereignisse von grosser 
Bedeutung. Einen kaiserUchen Courier, der am 5. von Mantua 
nach Mittel-ItaUen abgegangen war, hatte man bei seinem fitn- 
treffen am 7. in Florenz am Thore mit der Frage auf^j^halten, 
ob in Mailand nichts vorgefallen sei? Auf seine verneinende 
Antwort vernahm er den Ausruf: £ qiiando poi inoomincianoV! 
ylian wnaste^, also bemerkte Torresani in seinem eingebenden 



■ Casati I 8. 149 von poliseiwegBii, bahauptot dieser SehriflateUer, 
■ei den durch die Strauen siehenden OeAflgeUiltndleni Terboien worden, 
ihia Waara mit ,pol]in pollin* animmilBn. 



840 



Berichte Tom 86. an den Ormfen Spaur, florens ▼oraus, 
was hier zu geschehen hatte' . . . Nun, der nKchete Courier konnte 
den Florentinern die befriedigende Nachricht bringen, dass in 
den Tagen vom 7. anm 10. in Mailand allerdings manches ^Tor- 
gefallen' war und dass man dort ^angefangen' hatte! 

IX. 

Am 13. September 1847 setate sich d^ Podesth Ton 

Mailand hin, um seinem hohen Gönner in Wien Bericht von 
den Vorfällen der letzten Tage zu erstatten. Er versprach 
ihm nur die reine Wahrheit zu berichten: Ja v^ritc teile qu'elle 
est*; wenn er dabei über Personen spreelien niUsse, so geschehe 
es nicht um sie fönulicli anzuklagen, sondern einzig um sie und 
ihr Handeln in das gehörige Lieht zu steUen. Die Bevölkeining 
von Mailand, .dankbar für die (iiite v^r. Majestät durch die 
Ernennung des neuen Krzbischofs', habe den Eintritt Rorailli's 
in dessen Metropole zu einer P'estliehkeit gestalten wollen, wie 
sie einer Stadt vom Range Maihiuds würdig sei. Auch sei bei 
dieser Feier sowie bei der auf den folgenden Abend festge- 
setzten Illumination alles aufs beste abgelaufen. Selbst bei der 
Wiederholung der letzteren am Abend des 8. habe sich alles 
ruhig verhalten, bis naeh 10 Uhr eine Schaar von Leuten auf 
dem Domplatze erschienen sei, die Hymne auf den Papst 
singend, ,wa8 die Polizei bis dahin nicht verboten, vielmehr 
sowohl im Theater als auf der Stiasse zugelassen hatte'. Dieser 
Trupp hat sich .ganz ruhig* vorwärts bewegt; nur seien dabei 
,unwillkürlieh* einige auf die Strasse hinausgerUckte Kafl'eehans- 
tische umgeworfen worden, wobei es zu einem Wortwechsel 
mit den sicii wehrenden Onr^ons gekommen sei. Auf dieses 
hin habe sich Polizeimannsehaft eingefunden und sogleich die 
Säbel g'czogen; doch sei es dem Poiizeicoinmi«*;ir liarharesehi 
gelungen mit guten Worten den Zwischenfall zu begleichen. 
Darauf habe jener Trupp, immer die Pius-Hymne singend, 
seinen Marsch auf die Piazza Fontana fortgesetzt, sei aber hier 
mit den Polizisten in Wortwechsel gekommen, worauf der 
Obercommissär Bolza von allen Seiten bewaffnete Mannschaft 
habe hereinbrechen und nach rechts und links einbauen lassen. 
Begreiflich sei dann die ungemeine Entrüstung, aber auch die 
Furcht, der Schrecken, welche diese That des Bolaa, ,eine 



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341 



wahre SoUttehterei', in aUen Kreiflen iMiTorgerafen habe. Am 
nttchsten Abend habe auf der Piazsa Fontaua der Polizei- 
commissär Mazzoni, der um diese Tageszeit etwas weinselig 
zu sein pflege, durch seine Taktlosigkeit, und da seine Leute 
nicht informirt gewesen, neue Unruhen herbeigeführt und sodann 
eine Entfaltung von Truppen veranlasst, als ob sich die Stadt 
in vollem Aufruhr befände. Man habe nun geglaubt, damit 
habe es sein Ende. Doch nein; am Abend des 10. abermalige 
Herausforderungen seitens der Polizeiagenten und Wachen, dl« 
sich jWÜthend wie Raubgethier', ohne < )fficiere sie zu über- 
wachen und zu leiten, auf die Menge geworfen, bis der Com- 
missär Barbareschi sich ihm, Casati, mit seinem heiligen Worte 
verbürgt habe, er werde es zu keinen neuen Auftritten kommen 
lassen. iSo zeige sich demuach, dass einzig die Ac^enteu der 
Polizei, namentlich aber Holza, die Schuld der beklagenswerten 
Vorfälle trügen, die unierblieben wären, wenn die Direction 
zur Aufrechthaltung der Ordnung am 8. einen andern Mann 
als den allgemein verhassten Bolza bestimmt hätte; ,man muss 
ihn von Mailand entfernen; denn Bolza ersclieinen und Un- 
ordnung erregen ist ein und dasselbe*. Ohne Zweifel werde 
man von Mailand aus bereits über die Vorfälle amtliche Melriung 
erstattet haben, ahrr p-ewiss nur auf Grund der Meldungen der 
ausübcjult n < )i f;ane, die ja eben die Ursache all dieser Un- 
ordnungen gewesen seien. Ks thue daher Noth die Vorstellungen 
zu berichtigen, sonst könnten die Folgen für die Mailänder 
Bevölkerung schrecklich sein: ,Ich sehmeichlc mir das Land 
besser und in anderer Weise zu kennen als jene, die 68 vielleicht 
im besten Glauben zu kennen vermeinen/* 

• 

Ist Casati seinem Versprechen, nur die reine Wahrheit ZQ 
sagen, nachgekommen? Es läBst sich kaum sagen er habe 

* In einem an den PodMtIk von UdineC** Ant. rnirno Drngoni am Ift. Sep- 
tember, also zwei Tage nach «lem Briefe an Pillersdorff, {;:erii litüten, von 
der Postlogo iutercipirten Schreiben drückt «ich Ca.sati viel kürzer aus, 
indem er die Ereij^iiiiise vom 8. hin 10. als solche bezeichnet, ,in cui i 
padid ed ionocDi dttadiiu «rano in balU alle b^onette e seiabole della 
goatdia di polliU, fema aaeora lapeni i perah&i «wndo tbeciata inon- 
safna qwuita fli ftuipsl», ehe eia inniHata la fonaf. 



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342 



irgend eine Unwalirlieit yoigeliracht; er hat aich Ton allen 
thatBüchliolien Uebertreibnngeii und Entstelliingen ferngehalten; 
er hat nicht von viw Todten nnd sechzig oder noch mehr 
Verwundeten gesprochen , wie dies in Artikeln und Corre- 
spondensen der regieningafeindlichen Partei ▼ieliach geschah; 
auch in dem was er von der Stimmung der BerOULemngy 
Ton der Verhasstheit gewisser Vorkehrungen und Per- 
sönlichkeiten anführte, konnte man ihn nicht Lügen strafen. 
Aber die geschichiHche Wahrheit stellt nach dem be- 
kannten Ausspruche Cicero's an den ErsKhler eine zwei> 
fache Forderung: ne quid fiJsi dicere audeat» deiude ne 
quid veri non audeat, und diesem letateren Gebote hat 
der gewandte Anwalt der Hailttnder BeyOlkening wenig ent« 
sprechen. 

Wie stark bei der MailAnder Auffisssung dieser Ereig- 
nisse Voreingenommenheit und Parteiinterease mitepielten, war 
an einem Miitme au ersehen, der sich bis dahin grosser Qunst 
bei der Regierung erfreute, als Koryphäe der Wissenschaft in 
hohem Ansehen stand nnd gewiss nicht zu den yerblendetsten 
gehörte, was schon daraus hervorgeht, dass seine Darstellung 
vielfache und zum Theil heftige Angriffe aus dem Schosse der 
radicalen Partei zu erfahren hatte. Dieser Mann nun, Carlo 
Oattaneo, will uns allen Ernstes glauben raachen: die Auf- 
tritte am 8. September seien von der kaiserliclien Regierung 
von langer Hand vorbereitet und dann am r^larienta^c lu rbei- 
^etVihrt worden, um einen Anbuss zu haben, der ganz schuld- 
losen Hevülkerunf? von Mailand eine scharfe Lection zu geben. 
Denn er selbst habe, als er am 1. September — also eine volle 
Woche vor der Katastrophe 1 — an einer Kaserne vorbeigegangen, 
die Soldiiten ihrt; Säbel wetzen gesehen und sich drei Stunden 
später mit eit^encn Auf^en überzeugt, dass sie noch immer mit 
dieser Ar])eit bescbiifti]ü:t waren; er habe den MunicipalitHts?- 
Beamten (Jalliani aul dieses bedroldiche ^^'ahrzeichen aufmerksam 
geuiacbt, allein die städtische Bebörde, anstatt sieh dies zur 
Warnung dienen zu lassen, habe alle ihre Thätigkeit. darein 
gesetzt ,a accroitre reffervescence d'un peuple courageux et 
Sans armes'; als aber der Tag selbst geki imiH^n war, hn])p das 
Stadt-Commando die sehr zahlreiclic Garnison in den Kasernen 
consiirnlrt, anstatt sie zur Vermeidung von Störungen in den 
Strassen zu verwenden: ,on ie voit, la police ne voolait pas 



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343 



dtssiper les attronpements, eile roukit en firer parti'.* Man 
neht also, wähnod man der Begiening von der einen Seite 
einen sehweren Vorwurf daraiw maehte, dass sie die bewaffnete 
Macht habe ansrttcken lasaen, wodnreh die Unmhe nnd der 

Widerwille nur gesteigert worden seien, wnrde von der andern 
Seite dieselbe Regierung zur Verantwortung gezogen, ja ge- 
radezu beschuldigt, dass sie durch Unterlassung einer impo- 
nirenden Machtentfaltung die Unordnungen ermöglicht, ja in 

böser Absicht geradezu Ijerbeigeführt habe. 

Casati erhebt dem Wiener Hofkanzler gegenüber weder 
die eine noch die andere dieser Anklagen ausdrÜckHch; allein 
der ganze Geist seiner Darstellung ist von der ersteren erfüllt. 
Seine parteiische Befangenheit verriith sich besonders in seinen 
Auslassungen gegen den i'uhzci Obercommissar liolza.* Wie 
es in allen Dingen Moden gibt, so gehörte es in jenen Tagen 
in Mailand sozusagen znm Tone des Tages, gegen Bolza los- 
zuziehen, ihm Wahres und Erdichtetes nachzusagen. Vgl, Del 
Governo 134 — 137: ,Kapnleonista fanatico fino al dopo 
Austriaco in egual grado, e domani Tnrco se entrasse Soliiuano 
in (pH'^ti stati*; er sei gcidsüehtig überdicmassen gewesen, 
jpieno di debiti vecchi e recenti'; er habe durch seinen heftio^en 
Charakter und durch sein raulies Benohmen sioli und die 
Polizei verhasst gemacht u. dgl. m., Anschuldigungen und Ver- 
dächtigungen^ welche durchaus den J£indrack von Qeträtsche 

^ C.-ittanoo L'insurrection de Milan nn 1H48; vg^l. Ärc-li. trienn. I 
25 f. . . Selbst bei viel RpUteren italienisdien Scbrifttttelluru stOaat 
man auf die Bebatiptnng, die Auftritte ▼em 8. September leien Ton 
Organen der Seterreichiiohen Begiemng in bSewIlUger Abrieht herbei- 
geführt vfordeii ; eine« Ihrer Werkzeuge, Liemann mit Namen — viel- 
leicht ist der Li iitfM»!int im Pnlizeiwat'licorps Wilhelm Dnmann gemeint 
— hübe schon ani b. l)eini Kin/Aip iiomiUi's eiuun Zusninmenst/i?« her- 
iMifUhren wollen, habe sich aber dabei so ungeschickt benommen, dasM 
der Zweck TerdtoU worden sei. Eine Wiederholung der FestUcbkeit 
▼em b, Mi der Begiemng, der ee nm «inen emiCen Conflict sn than 
gewesen, nar erwünscht gekommen nnd die Abgeneigtbdt Terreiani'e 
dem Wunsche des PodostA in diesem Punkte «u willfahren ein eitles 
Oankelapiel gewesen, ,pi& nna fiaione che altro*; C. Caeali I lUt 
115 »). 

• Ueber Bolwi s. meine anonyme Schrift »Mailand und der lombarUische 
Anlbtand' (Prag etc. 1866) S. 161 f., 169f, 287, «86. Zu bemerken ist, 
dnae er in gleiebieltigen Qnellen hiafig ,Con(e Bein* genannt, dagegen 
in den Hof> nnd ft nnte 8ehe m n««nen nnr nie ,Alo7i Belm' nogelinurt wlfd. 



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344 



der ftHergemeinsten und gebäamgfltoD Sorte mAchen, bemden 
irenn man es mit den charakteristisohen Stollen Boinea von den 
Mailändern gefundenen Testaments yergleiclit; DdQoyemo 138 f. 
Beseichnend ist Fügendes: Die Animosität der Maflünder gegen 
Bolaa sehrieb sieb ans den Tagen der grossen CSarbonari- 
VersebwVrang 1820/ namentlich von der daaamal dnreb Bolza 
YOfgenommenen Gefangennahme Con&lonieri's her. Doch ge* 
rade Confiilonieri änssert sieb wiederholt sehr anerkennend ttber 
Bolaa, der sich, soweit es sein Dienst erlanbtOi human zeigte. 
Als den Grafen auf seiner Leidensfabrt naob dem Br&nner 
Spielberg in Tanris eine Ohnmacht befiel und ihm der einmütige 
Bader des Ortes sur Ader lassen wollte, was Oonfalonieri, wie 
er dies einem seiner Schicksalsgenossen auf die Seele gebunden 
hatte, am meisten fürehtoto, war es Bolaa, der sich dem Be- 
gehren des Baders entschieden widersetste und dieaeuj der 
sich in seine Kunst nicht dareinreden lassen wollte, snletst 
mit Gewalt aar Thiir binanssohaffen Hess. Als der Zustand 
des Grafen stets bedenklicher wurde, widersetste sich Bolza 
,a farmi progedire in quelle stato' und liess, als man nach 
Villacb kam, die Weiterreise unterbrechen. Der dortige Kreis» 
hauptmann wollte zwar davon nichts wissen und w&nschto um 
seiner eigenen Verantwortung willen einen so wichtigen Ge- 
fang'enen je eher je lieber dem Bereiche seiner Amtswirksamkeit 
entzof^en zu sehen; allein ,il signor Bolza opponeva la sua 
forni;ile protcsta che e^li non voleva, per sua parte, incorrere 
la rcsponsubilita di uii tale trasporto^, worauf der Kreishaupt- 
uiaim nachgab.* 

Waa die MailiüuLi Regieningsbehörden betraf, denen die 
Vorgänge der letztcu Wochen in ciucm nichts weniger als 
glinstigen Lichte erschienen, so kamen ihrer Auffassung täglich 
neue Thatsachcn zu HUf'e, auf die sie sich als weitere Be- 
kräftigung ihrer nach Wien gerichteten Warnungen berufen 
konnten, Warnungen, die hei der Obersten Polizei-Hofstelle nicht 
unbeachtet bUehen. Es war hier besonders aufgefallen, in welch' 
bezeichnender W^eise sich die Mailander Muiiicipalitilt, ihren 
Püdesta an der Spitze, nach den bedauerlichen Vorfällen am 
8. September die Bcsi lnvielitigung der aufgeregten Gemüther 
angelegen sein iiess, and zum erstenmal, so scheint es, geschah 



* Confalooiari bei Tabarrini 16611 



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345 



M jets^ dsas Qalnrio Csaati Ton poluelw^gen in die Zahl der 
Verdäcfatigea tta^enommen wurde. Vom Chralen Sedin itsky 
erging am 8. Oetober an den GonTemeiir der Lombardei die 
Welaong, auf den Podeetk sowie auf die Assessoren CriYelli 
and 0reppi ein waebaames Auge an haben, besonders ihre 
Verbindungen naeh aussen zn flberwaehen, sie, fidls sie in 
ihren Pflichten sftumig oder zweidentig befanden würden, aar 
Verantwortung zn ziehen und zu strafen. Zugleich lenkte der 
Oberste Polizeipräsident die Aufmerksamkeit des Grafen Spanr 
auf die bevorstehende Podestk-Wahl: dieselbe möge nur auf 
einen Mann fallen, dessen politische Grundsätze durchaus correct 
und dessen Anhänglichkeit au die D^iiaätie Uber jeden Zweifel 
erhaben seien. ^ 

X. 

Die Mailänder September^Ereignisse^ deren Kunde mit 
allerhand Uebertreibungen durch ganz Italien flog, brachte die 
Oemttther in nene Qährung. An die Stelle des Jungen Italien', 
das SU sehr an Zeiten erinnerte die, wie die Öffentliche Meinung 
sprach, fbr immer veigangen waren, sollte jetzt die ^italienische 
Verbrlldenmg — Associazione italiana' treten. Giuseppe Maz- 
zini schrieb aus London an Karl Albert: ,Einigen Sie Italien, 
Ihr Vaterland! Schliessen Sie in Ihr Hers jene vierundzwanzig 
Millionen Italiener, die Ihre Brttder sind! Die italienische 
Einheit ist die Sache Gtottes, ist der Wunsch, das ersehnte 
Ziel Yon Allen!' In einem Schreiben an Giuseppe Massari, 
das die Florentiner ,Patria' abdruckte, gab Gioberti seiner 
Freude Ausdruck, dass der Kdnig von Sardinien gewillt sei 
die Sache der italienischen Unabhängigkeit in seinen Schutz 
zu nehmen: J>er hochherzige FUrst tritt dem grossen Papste 
2ur Seite. Wo man es mit einem brutalen Gegner zu tiiun 
hal, da reichen Vernunft und Ideen ohne Machtmittel zum 
Siege nicht ans/* Schon warf man die Lose Uber die einzelnen 
Gebiete der apenninischen Halbinsel. Giov. Daran do schied 
sie in drei Theile: das contmentsle oder eridanisohe, das pen- 
inaolare oder apenninische und das insulare; die beiden ersteren 
sollten zusammen zwei Reiche bilden, das ober-italische und 

> Aldi, txiaim. I Nr. 67 8. 88f. D«1 Govemo ITSf. C. Cat att I IMf. 

• Arch. trienn T 40^48, 6S5f. 

Ai«Ur. XGL BmmL IL HMfl«. SS 



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34^ 



das UDter-itftlische; mit den Inseliiy entweder Sardinien and 
Elba, oder aber Sicilien, sollte der Papst &iT den Verlust seines 
festlUndisehen Gebietes, von dem ihm nnr Bom und CiTitaTocebia 
verbleiben sollten, entscbldigt werden.' Die Phantasten sKhllen 
dabei nicht Mos auf die Sympathien Englands, von wo so eben 
Qraf Pepoli heimgekehrt war, sondern auch auf die Frankreichs, 
wo sie meinten, dass die Stimme der Bevölkerung die Regierung 
mit üch reissen werde. Denn das Cabinet der Tuilerien ver- 
kannte nicht die gefilhrliche Wendung, welche die Dinge in 
Italien, wenn man die Biume in den Himmel wachsen Hesse, 
nehmen konnten. Guiaot, der sich jetst mehr und mehr der 
Auffassung Uettemich's anschlossy hatte einen völligen Ümstnni 
der europäischen Ordnung, Krieg und Revolution vor Augen 
und wies seine Vertreter an den italienischen Hofen an, mit 
aller Entschiedenheit Illusionen entgegensutreten, ,denen wir 
nicht schmeicheln wollen, weil wir sie nie theilen konnten'.* 

In der lombardischen Hauptstadt wie in den Provinsen 
wurde die Stimmung immer gereizter, gegen Oesterreich mit 
jedem Tage gehttssiger, für den Papst begeisterter. Die kaiser> 
liehen Behörden erftihren stets neue Neckereien, auch tbat- 
silehliehe Angriffe blieben nicht aus. PoliseiÜche Warnungen, 
Inhaffcirung verdllehtiger Personen, Beschlagnahme aufreisender 
Schriften' waren SchlMge ins Wasser: Einzelne wurden ge- 
troffen, aber im Ganzen wucherte das Uebel weiter. Immer 
war es der Name des Papstes der als Schild vorgehaltra wurde, 
und das beschränkte sich nicht mehr auf die eigentliehen Herde 
der Unzufriedenheit und Auflehnung, die grösseren Städte, es 
griß selbst im offenen Lande um sich. In Mailand kam die 
Polizei einem Laiulpfarrer auf die Spur, der beim Kaufmann 
Ricordi Exemplare der drei Pius-Hymnen bestellte, um dieselben 
abwechselnd in seiner Kirche beim Introitus vom Musikchoro 
herab absingen zu lassen. In Varese, in dessen Umgebung 



» Arch. trienn. I 68—71. 

* loAtraction aa RoMi in Bom, «n Bonrg^oiog in Tofia, m im Botoehafta- 
ratli Fmuatä Mamealehi in Wi««; Arch. trienn. I 77f. 

* In Yenedig «nrden dam Triastar Randalaafantan Moaaa Lnsiatt6 die 
Qaaebidita Italiem von Balbo nnd daaaen iSparanae d^Italia* oonllaüit; 

bei einem TrOdler bei S. Fantimo Bartol. Giacombol entdeckte die 
Polisei, ilass er sich mit Handel von Bttohen, darunter ▼erboteneo, al>- 
gebe n. dgl. in.; Tgl. Corte ttogr. III 393. 



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347 



Hailftiider F«mflieii die heiiseii Monate sttsubringen und dort 
Beeneke sn empfangen p0egten, bestand eine CawnO'Qeaeliachaft, 
die ihr Loeal beim Kaffeerieder Antonio Bottelli hatte. Am 
8. Oetober veranstaltete Oailo Pellegrini Robbioni in seinem 
Hanse ein Festmahl, dessen Theilnehmer, Herren wie Damen, 
sieh mit Abseiehen in den pltpstliohen Farben, Silber und 
Gold, einfanden. Zoletst wurde man so warm, dass einer von 
ihnen, Gonte £rcole Durin gewesener k. k. Lieutenant im 
GheTanzlegers-Begiment Nostits, abgeschickt wurde, ans dem 
Eaffeehaose Bottelli die Bllste Pius IX* absuholen, die unter 
Begleitang eines Singchores durch die Strassen in den Festsaal 
getragen und, nachdem ihr hier linnende Huldigimg sulheil 
geworden, mit nicht minderem Aufoehen in das KaffeehaitB 
aurttckgebraeht wurde. Obwohl kaum au Terkennen war, dass 
an dieser improvisirten OTation die ▼oigeschrittene Weinlaune 
den grösaten Antheil hatte, glaubte die Behörde doch Emst 
zeigen zu müssen. Robbioni, Darini, Cesare Parravicini, 
der Ingenienr Gialio Comelli mussten zwei bis drei Tage 
im Arrest sitzen, die Casino- Gesellschaft, der die Hälfte 
der Theilnehmer au dem Festmahle augüliört hatte, wurde 
aufgelöst. 

In Mailand selbst wimle dt r liias m der Oesellschaft ärger 
als je. Keine jun^e Dnmc durftti es wagen mit f inem Husaren- 
Ofticier zu tanzen, kaum dasa ein oder das andere Gross- 
mütteichen sich es nicht nehmen Hess, mit einem älteren General, 
einem guten Bekaanten von lange her, einen \V lukelplausch 
zu führen. Von den jüngeren Offieieren war es Graf Gustav 
Neipperg fast allein, der in der Mailänder Societät noch halb- 
wegs geUtten wurde. 

Zur Nährung dieses regierungsfeindlichen Geistes trug 
sehr viel ein Büchlein Cesare Correnti's ,11 Nipote del Vesta- 
verde, Strenna popolare' bei, das reisaendcn Aligani; fand und 
besonders durch die Geschicklichkeit fesselte, mit welcher 
heimische Zusüinde und bekannte Vorgänge unter liemden 
Namen von einer anderen Zeit und Gegend erzählt wurden,* 
so dass es der Censnr schwer fiel dagegen einzosohreiten. 

• • ♦ 



< Vgl. Arcb. trienn. I 4d& 

«>3» 



üiyiiizea by GoOgle 



S48 



Sdlches war die Lage der Dinge, als Ontf Ficqnelmont 
itt der zweiten Hälfte October in der lombardiaehen Hauptstadt 
eintraf. Br brachte den besten Willen mit, etwas ftrs Land 
an ihun und die aufgeregten Qemfttber, zunächst in den Kreisen 
der höheren QesdlBchaft, mit den Aheiehten der Regierung au 
befreunden. Er richtete sich im Palaizo Marino eine eigene 
Kanzlei ein, er zog MHnner Ton Ansehen und Einfluss an siefa 
heran, er beauftragte den Advocaten Fietro Robecchi und 
den Conte Giov. Giorgio Giulini della Porta mit der Aus- 
arbeitung einer Denkschrift Uber die Wünsche und BedOrftusse 
des Landes.^ Auch kntipften sich in unbedietligten der Öster- 
reichischen Regierang wohlwo11end«i Bereisen an IHcquelmont's 
Ankunft die besten Hoffhungen: man werde sich nun endlich 
in Oesterreich zu heilsameren Reformen entschBessen; jeden&Os 
werde es Ficquehnont an der Abstellung eingeschlichener Ifis- 
briuche, an der Einschränkung des Uebemehmens gewisser 
Regierungsorgane, an der Abschaffung der im ganzen Lande, 
besonders bei den unteren Classen verhassten Stempelabgabe u. a. 
nicht fehlen lassen.' 

Graf Ficquelmont hatte seine Gemahlin und seine Tochter, 
die schöne und pjcwinnende Lisalex, vermählte Fürstin Clary, 
mit ihrem Geraahl mitgebracht, da es in seiner Absicht lag, 
sich mit der Mailänder Gesellschaft auf guten Fuss zu stellen, 
dieselbe bei sich zu sehen und sich bei ihr sehen zu lassen. 
Auch versäumten es die Damen seines Hauses nicht, bei den 
ersten Familien der Reihe nach vorzufahren und damit ckn 
Aniang von Artigkeiten zu machen, die höfliclicrweise nicht 
ohne Gegenaufmerksamkeit bleiben konnten. Allein es war ein 
bedenkliches Wahrzeichen, dass viele der aufgesuchten 1 >.unen 
nicht bei Hause zu treffen waren und dass die gemachten oder 
beabsichtigten Besuche mailäuderseits nur zögernd erwidert 
wurden, mitunter der Gegenbesuch vergebens auf sich warten 
Hess oder in eine Tairesstunde verlegt wurde, wo man wusste, 
dass die Gräfin iin l die Fürstin ausser Hause waren und man 
sich daher Ij« (^nui-cn konnte seme Karten abzuwerfen. So ver- 
teblte die gute Absicht Ficquehnont's ihren Zweck in der bösen 

> a Caiati I IM 0- 

* G«Ofgs C. Dawkins, biitiMlier €i«nml-Coii8al in UjJIuiI, an Lord 
Palmanto« 8. Dttcambtr 1847; in italiwiiaebMr U^banoteiiiif im Areli. 
trfeiiti.I mt. 



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349 



Zeit gans und gar. Auf die Einladungen zum Diner oder 
zum Theo erfolgten regelmflssig mehr Absagen als Annahmen, 
und die Zuvorkommenheit der einen hatte nur Achselzucken 

und Naseniüinpfen, wo iiiclit gar Gemeinheiten seitens der 
österreichfeindliclicn Personen zur Folge.* 

Der gebildete und une^ebiJdetc Pöbel der Stadt maehte 
sich selbst Uber die « rnstricn Absichten P^iequehnont's lustig, 
wie d(*nn eincö Tag^ä an den Mauern des Palazzo Marino in 
Knittelversen ein Preis von 100 Seudi für denjenigen ausgesetzt 
war, der zu sagen wisse, ftlr was eigentlicli Graf Ficquelmont 
nach Mailand gekommen sei.* Im allgemeinen war die Auf- 
regung der Gemüther im Wachsen, und unverkennbar war die 
Partei der NeuerungSBUehtigen tliätig, der künstlich geschüi'ten 
Verstimmung stets neue Nahrung zuzuführen. Jetzt hiess es, 
den Beamten sollen Abzüge von ihren Gehalten gemacht werden; 
dann war von der Autiegung einer neuen Steuer die Rede; 
oder gar, es werde in Kegierungskreisen darüber verhandelt, 
die Lombardie an Russland abzutreten. In den Schauspiel- 
häusern gab es eine Demonstralion iuk h rler andern. Im Ballet 
,Die Afghanen' erfuhr die Scene, in welcher eine Verschwörung 
dargestellt wurde, einen nicht enden wollenden I^x ifall, so dass 
die Polizei die Erlaubnis zur Aufführung der ( >|>*u- , Margherita 
Pusteria* von Lacroix zurückzog, weil sieh darin eine ähnliche 
Scene abspielen sollte. An einem Abend erschien die Tänzerin 
Vauthier mit einer Pius-Medaille am Halse, an einem andern 
sog der Schauspieler Luigi Bellotti-Bon im Theater Carcano 
auf offener Bühne ein dreifarbiges Taschentuch aus seiner 
Tasche^ worüber das Publicum vor ausgelassener Freude wie 
toll wurde. Angriffe auf Schildwachen und vereinzelte Militär* 
posten mit Schimpfworten, aber auch mit Steinwürfen erfolgten 
bald hier bald dort; herankommende Patrouillen brachten Hilfe, 
die Angreifer wurden eingefangcn und bestraft; doch bald 
ereignete sich ein neuer Vorfall solcher Art 

Ein noch böseres Wahrzeichen, wie es mit dem Geiste in 
allen Schichten der Bevölkerung stand, war dieses: Der Heilige 
Vater hatte in einer am 4. October an die CardinlUe gerichteten 

* Wie s. B. C. Casati I 168: (FiuquolQiont) »aveva la stolida utopia che 
un buon cuoco ed eoeellenti praiud foasefo nv Movoismo per Ubermre 1» 
nobilt^ dl Ifileno i»X pemieco della rivolaiione*. 

» Ebenda 167 «). 



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350 

AllocutioQ sich gepen jene ausgesprochen, ,die von Unserem 
Kamen frechen Misbiaiu h ra<achcn und dadurch Unsere Person 
und Unsere oberste AN iirdc aufs schwerste verunglimpfen*, 
wobei sie sich herausnähmen ,ihren Fürsten den schuldigen 
Gehorsam zu versagen und gegen sie Unruhen und verwerfliche 
Aufstände zu erregen*.* 

Ohne Zweifel auf Anreg'unp^ Ficquelmont's und Spaur's 
richtete der Erzbischof Romilli am H. November ein Rund- 
schreiben an seine Diöcesanen^ worin er unter Berufung auf 
die päpstlichen Worte ernstlich davor warnte, den geheiligten 
Namen des Oberhauptes der Kirche f\\r politische Ausschreitungen 
zu misbrauchen.* Der Hirtenbrief sollte von allen Kanzeln ver- 
lesen werden; allein wr» i s die Pfarrer thaten, leerten sich wie 
auf ein verabredetes ZcicIk n lic Kirchen, oder die Prediger 
wurden ausgepfiffen, mit Pasquillen verfolgt. 

,Die Scheidung zwischen Oesterreichein und 1 talii p.ci'n/ 
schrieb zu Anf in-^ December ein frem It i- itbachter, , tritt 
immer schroffer hervor, und es ist in der That schwer zu be- 
greifen wie der Widerwille, den die Mailander in jeder er- 
denklichen Weise gegen ihre Beherrscher offenbar werden 
lassen, einen höheren Grad erreichen könne ohne in ofiTenen 
Kampf auszubrechen/' 

Casati war um diese Zeit abwesend, er war in den 
ersten Octobertagen mit seinen Söhnen Luigi, der in die 
Turiner Akademie eintreten sollte, und Oirolamo nach Pieraont 
verreist, wo von da an sein Name stets mehr in den V u iler- 
grund trat Auch die Grafen Vitaliano Borromeo, Martini| 
Franc. Arese, GKus. Durini erschienen ab and zu in der 
sardinischen Hauptstadt. Sie wurden in der Regel durch 
den Waffensaal in das Cabinet Karl Albert's geführt, der mit 
ihnen vertrauliche Zwiesprache ,per le cose dltalia' pflog: in 
Abwesenheit des Königs war es der Minister Casareto, von 
dem sie beachtenswerte Winke empfingen.^ Dass dieser leb- 



> In deutscher UebenetAmf Owt. Beob. 1847 Mr. S93 vom SOi Oetober 

S. 1182 f. 1186. 

* Arch. trieini. 1 [}'.)• lOo; betpc-fnprt 101 — 105 das nirt^^n^rli reihen 
des bischoflichen Vicariates von Cremona uitd das besontien« warm und 
lojal gehaltene des £^bi<ohoft Zaccaria Bricito von Udine. 

* G. a Dawkins an Palnenrtoo 8. DeMinbar 1847; Aroh. trMon. I m. 

* OttoliBi 66. 



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351 



hafte Verkehr, so geheim er gehalten werden wollte, den Or- 
ganen der Mailänder Polizei nicht vöHig ontf^ehen konnte, ist 
begreiflich, und wieder Avar es Casati, gegen den sie in erster 
Linie Verdacht schöpfte. Aeusserte doch einer seiner Standes- 
genossen, Graf Settala, im Vertrauen zu einem Freunde: ,11 
goveruo si dovrebbe guardare da Gaijrio Canati che e un giaco- 
bino marcio/* 

XL 

In anderer Weise als die lombardische Landesbehördc 
und die Wiener Oberste Poh'zei-Hofstelle fasste der Erste Hof- 
kanzler die Angelegenheit auf. Gewiss war es nicht ohne Pillers- 
dorff's Mitwirkung geschehen, dasB dem Erzbischof, dessen 
Nanie doch den Anlass zu den letzten Ruhestörungen gegeben 
hatte, mit Cabinetschreiben vom 25, September die Geheime 
Rathswürde verliehen wurde.* Am Tage darauf wendete sich 
PiilersdorfF brieflich an den Podesth von Mailand, von welchem 
er Vorschläge erwartete, was zu geschehen habe am eine 
günstigere Stimmung der lombardischen Bevölkerung, ein Zu- 
sammenwirken der hervorragendsten Männer des Landes mit 
den Oiganen der Regienmg herbeizuführen; er mOge ihn mit 
den Wttnschen und Bedürfnissen der Bevölkerung bekannt 
machen und die Wege angeben, auf denen sieh denselben 
Abhilfe schaffen liesse. 

Gasati befand sich, wie erwähnt, ,in Familienangelegen- 
heiten' in Turin, als ihm das Schreiben Pillersdorff's ankam; 
er verschob seine Antwort bis zu seiner Rflckkehr nach Mai- 
land, wo er um den 18. Oetober eintraf. Der Inhalt seiner an 
Pillersdorff gerichteten Vorschläge war beaeichnend genug. Es 
werde, meinte er, niemandem, der nur ein EOmchen gesunden 
Menschenverstandes habe, einfallen au behaupten, eine Consti' 



' Del Govenu» 150. 

* OestAiT. Beobachter 1847 Nr. 33t vom 17. November 8. 1900 . . . Aller> 
dinga erfo1|;te gleichzeitig mit dieser kaiserliuhen Entsuhliessitng eine 

anficre, wclolie lüe GoHtattunp dor zweiten Illumination .nell' attnalo 
inniiiLMito di poneialf luViirvcsiM'uza il.i cui ^ presa l'ItaHa icntrale' mi;»- 
biliigte, wa.% da der Gouverneur den Inhalt dieser Verwahrung dem 
Grafen Oasatt »eonie primo promotore' jener Wiederholung zn wkeen 

gßh, am lt. nnd 19. Oetober swiaehen den beiden PeraVnticbkeitea einen 

BriefweebMl sor Folge hatte; C. Casaii I 140—144« 



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352 



tutioxi, wie sie andere Völker besSssen, könne ftr uns Ton 
Natzen sein, die Frage ganx beiseite gelaaeen^ eb rie salbet 
jeneni die sieh in deren Gennss befinden, wahrhaften Nntaen 
und Vortheü bringe. Wenn man nur das organische Statut 
Tom 16./24. April 1815 in dessen wahrem Qeiste aufgefasst und 
daran f^sstgehalten hfttte, statt durch Übelwollendes Deuteln und 
directes Beschränken die Praxis in das gerade Gegenth«! dessen 
umzuwandeln was damals yerheissen wordeui würde man im 
lombardisch-venetianischen Königreiche wenig au klagen haben. 
Die Central-Congregation habe, wie sich seither die Dinge ge- 
staltet haben, nicht einmal das Recht der Bitte; die ProiPinBial- 
Oongregationen seien auf das Niveau blosser Berathungsorgane 
fUr die Delegationen herabgedrückt; die Municipalitäten seien 
Körper ohne Seele, ohne Leben und Ansehen. Daraus erkläre 
sich die im Publicum herrschende Meinung, dass es unmöglich 
sei die wahren Bedürfnisse des Landes zur Keuntnis des 
Monarchen gelangen zu lassen. 

Vordem hatten die Leiden Königreiche ausser dem Erz- 
herzog als Gouverneur und (leneral-Capitän und einem bevoll- 
mächtigten Minister ad latus im Lande einen Vertreter in Wien 
gehabt, der mit der Aufgabe betraut gewesen, die Verhältnisse 
der Bevölkerung bekannt zu raachen und in diesem Sinne auf 
die höheren Entscheidungen P^influss zu nehmen. Wo gebe es 
jetzt eine ähnliche Einrichtung V Lasse sich aber dieselbe ent- 
behren, wo es sieh auf ÖO Meilen Entfernung um die Werth- 
schätzun»; und Besorgung von Gebieten liandle, die doch in 
allem und jedem von den anderen Thcilcn der Monarchie so 
sehr verschieden seien? Amalgamiren miteinander werde man 
dieselben nie: man könne sie ein glci< lu s Zu l verfolgen, aber 
müsste jedes seinen eigenen Weg dalmi i;ehon lassen. Was 
daher unbedingt nothwendig, das seien Gesetze, die den An- 
schauungen, der Lebensweise und den Gewohnheiten, selbst 
gewissen Vorurtheiien des Landes Rechnung tragen. Gehe man 
aber die bestehenden Einrichtungen durch, so tinde man eine 
Menge solcher, die jenem Grundsätze zuwiderlaufen. Könne 
man die Stempel- und GebUhrengesetze mit ihren Hunderten 
von Nachtragserklärungen wohlberechnet nennen? Habe der 
Zoll auf die Weine aus Piemont nicht allgemeinen Unwillen 
erregt? Seien das waltende Strafverfahren, der langsame Ge- 
schäftsgang, die Geheimnisthnerei Massregehn, von denen sich 



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353 



sagen lasse, dass sie dem Geiste der Nation entsprechen? Und 
könne das anders sein, wenn ein und derselbe Criminalcodex 
£Ur alle so verschiedene Volker der lilüiiarchie gelten soll? 

Was die ausübende Gewalt betreffe, so mangle derselben 
die rechte Kraft und Consequenz aiu gehörigen Orte, namentlich 
gegenüber den unteren Classen, deren anarchistische Gcittste 
in der letzten Zeit wiederholt hervorgetreten seien; wenn auch 
die mit der Bevölkerung unmittelbar verkehrende untere Instanz 
es an Strenge nicht fehlen la^s( , so wisse der Schuldige nur 
zu wolil. dass er nur eine Berufung an die höhere einzulegen 
iu aiu lic, um Nachsicht zu erhalten. Mache man also einmal 
ein Ende mit einem System, das alles und jedes in die Mitte 
auslaufen und dort zur Entscheidung: gelangen lasse! Behalte 
man dem Centrum blo:s Anjj;( h t^^ uli' ilen vor, die von erwiesenem 
Interesse fiir alle Thcilc sind, und gestatte in allem andern 
der einheimischen Verwaltung imd Gerechugkeitsptlege nach 
ihrer Art die nöthige Freiheit I 

In der ersten Zeit habe der Vicekönig als wahrer Stell- 
vertreter des Souveräns Ordonnanzen erlassen, selbst Gesetze 
hinausgegeben, die zum Theii noch heute Geltung haben; heute 
wisse alle Wel^ dass die Macht des Erzherzogs gleich Null ist, 
dam er in all und jedem in Wien anfragen muss und nur das 
auszufElhren hat, was dort berathen und besoblossen worden. 
Was filr einen Wirkungskreis habe der Gouverneur, nach dem 
Vicekönig die erste Person? Ein Departementchef von früher 
hurbe einen ao^ebigeren besessen! Er könne nicht über 100 Lire 
▼erftigen, ohne eine Einsprache des Cameral-Magistrats zu be- 
Borgen. Habe man sich an verwunderny wenn bei einer Theilnng 
der Autorität Verfügungen getroffen werden, die miteinander 
nicht harmooiren, wo nicht in geradem Gegensätze zu einander 
atehen? 

Nicht minder gewichtige Einwendungen seien gegen das 
herrschende System der Besetzung und Verleihung der Aemter 
Sit erheben. MttSBe gerade jemand so nnd so viel Jahre die 
Tersefaiedenen Boreanr duroUanfen haben, um an einen leiten- 
den Posten zu gelangen? Mtlsse ein UnfUhiger anf eine Raths- 
stelle befördert werden, weil nnter den Secretliren kein besserer 
vorhanden ist and man über die Stufen der Secretttre nicht 
snrUckgieifen darf? Und wie sehe es mit der KationalitKt ans? 
Die Hftlfte der lombardischen Gerichtastellen seien mit Tirolern 



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354 



oder Dentschen besetzt; von den drei RÄtheii zum unmittelbaren 
Dienste des Viceköni|a:s seien zwei iiiclit aus dorn Lande; der 
Vicepräsident des Gubcrniunis, unter Kaiser Franz stets ein 
Eingeborncr, sei jetzt ein Fremder.^ Darans erkläre sich die 
Fernhaltuntr di r Jugend aus den bessi ren Class<^n vom Staats- 
dienst«', in welchem sie k< iuo Lorbeeren zu ernten hoflV.n dürfen, 
die Glüichgiltigkeit, ja der Widerwille derselben gegen eine 
Regierung, welche auf die Eiugebornen nicht die mindeste 
Kilcksicht nelime. 

Den ISciiluss und die sclüirfste Spitze seines Selireibens 
wendet Casati gegen die Polizei und deren < >r^^anc, in erster 
Linie gegen Holza, obwohl er denfselben nielii mit Namen 
bezeichnet. Dot Ii ^^erade in dieser Hinsicht konnte der Podcstk 
vo?i Mnil ind das Moment der Nichtberücksiehtii^un^'- der Natio- 
nalität keineswep^s rreltend machen! Ks war ja b'^knnnt, dass 
die eifri^-sten. die selionungslosestcn und eben darum die ver- 
hasstesten Persiinlielikeiteii dieses VerwaltiiTif^szweip'es Einge- 
Ironie waren, während man Uber den Hicliterstand von unbe- 
fangenen Italienern selbst hören konnte, dass sie ihre Sache 
mit grösserem Vertrauen und mehr Beruhigung in Händen 
eines , Deutschen' als eines ihrer Landsleute sähen. Und wenn 
Casati auf die Unzufriedenheit der höheren Classen mit der 
Regierung hinwies, hatte die Regierung nicht viel mehr Grund, 
ihrerseits mit diesen Classen seit dem Auflauchen des revolutio- 
nftren Geistes höchst unzufrieden zu sein? Wenn im Lande 
alles auf dem Fasse geblieben wäre wie es zur Zeit der Re- 
vindication der beiden Königreiche unter Kaiser Franz gewesen 
war, so wUrde man gewiss in Wien keinen Aniass gehabt habeo 
an die Stelle des früheren wohlwollenden Systems ein System 
ängstlicher und mistrauiscber Ueberwachung zu setzen, wobei 
übrigens nicht geleugnet werden soll, dass dasselbe in seiner 
jetzigen Ausbildung Anlass genug zu wolilbenrrUndeten Klagen 
und Vorwürfen gab. Das war allerdings kein beneidenswert6P 
Zastand, ftlr beide Theile nicht, und Casati hatte Recht, wenn 
er gründliche Abhilfe (ür dringend geboten erklärte: ,Roma 
deliberante Saguntam perit.' Aber darin war er im Unreeht, 

' Dio drei lloträthe de« VtcekOnigs waiou 1847,8 Vinceuz Grimm Fhr. 
von Sfiden (in ^eMm Diemte loit 1817), Samael Becbberger Uittor 
von Rech krön nnd Oiov. Bait. 8»npietro. Ticeprisident de« Ou< 
berninnts w«r Heinrich Graf O^Donn«]. 



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355 



wenn er das Uebel nur allein auf Seiten der RegierunjT^ g^h 
und die Schuld, dass nicht alles so sei wie unter Kaiser Franz^ 
einzig den Wiener Behörden zur Last schrieb. 

Von Casati's Befangenheit in dieser Richtung abgeselien, 
waicii f^einc Vorschläge massvoll zu ncnn<^n, weil er in einer 
Zeit, wo die Wojü^en der politischen Auire<jung^ bereits sehr 
hoch gingen, seine Forderunj^en auf das Niiehste beschränkte. 
Es ist f^RT nicht zu zweifeln, dass es sich Pillersdorff angelegen 
sein liess, die Erfüllung so saclii:« masser Wtlnsche in beredter 
Weise zu beftlrworten, wenn auch leider seine Schritte für den 
Augenblick nicht zum gewünschten Ziele fiilu-ten. Aber sollte 
nicht nur zu bald eine Zeit kommen, wo man ( s in den höchsten 
Kreisfn bedauern würde die erbetenen Ketonnen nicht recht- 
zf lt]<; in dip Mand genommen und durchgeführt zu haben? 
Vernehmen wir doch einige Monate später das Bekenntnis 
Metternich 's, die Wiener Regierung habe ihre italienischen 
Staatsangehöngen ,gelangweilt' ; sie habe es nicht verstanden 
,mit der einen Hand die Ztlgel fest zu fUhren und mit der 
andern den Volksgeist zu beschäftigen und zu unterhalten, ihn 
durch eine prompte Administration und Juatiz nicht auf bOse 
Gedanken kommen su Uwsenl' 

♦ • • 

Am 29. October 1847 wurde in Turin der Geburtstag des 
Königs Karl Albert gefeiert und wir erfahren, dass der Podestk 
▼on Mailand mit Msgr. Corboli Bussi und Cavaliere Martini, 
den <ir sandten des Papstes und des Grossherz<^ Yon Toscana, 
so Tische geladen war, und gleich darauf finden wir Casati, 
wie nm der kaiserlichen Regierung gegenüber den loyalen 
Staatsbürger heranaaukehren, besorgt eine häusliche Angelegen« 
heii an betreiben, nämlich die Aufnahme eines seiner Sdhne 
in den k. k. Staatsdienst, wosu ihm der Hof kanzler IrahSflich 
sein mochte. Er trug sieh eine Zdt mit dem Gedanken fllr 
diesen Zweck nach Wien su reisen, ging aber davon ab, weil 
ihm, wie er Ywgab, daran lag, seine Vorschläge bei den 
herrschenden Gewalten im Lande selbst zur Geltung zu bringen; 
ydenn schliesslich kann ich', wie er Pillersdorff am 10. November 
schrieb, ,nicht mehr zurück; ich muss mir das Gewissen be- 
wahren meine Pflicht erfüllt su haben gegenüber meinem 
Souverän und meinem Lande'. 



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356 



Der Podeetk von Mailftod ersah in dem Ereoliemeii dee 
Gh-afen Ficquelmont einen willkommenen Anläse seine lang- 
jährigen Bemfthangen, die kaiserfichen Behörden an einer 
Aendenmg der waltenden Begierongsgrundsätse an bestimmen, 
in eine neue Gestalt und an eine neue Adresse an bringen. 
Denn es leidet kaum einen Zweifel, dass dasjenige, was jetat 
von anderer Seite und unter anderem Namen unternommen 
wurde, im Qrunde das Werk Casati's war, wie wir ja auch 
im Inhalte dessen, was jetzt als allgemeiner Wunsch des Landes 
vorgetragen werden sollte, in der Wesenheit das Gleiche wieder- 
finden werden, was wir aus dem brieflichen Verkehre Casati s 
Ulli Pillcrsdorft' bereits kennen.* 

Am 8. December 1<S47 leptc der Advocat CJiov. Batt. 
Nazzari aus Treviglio zum Protokoll der ioiubardischeu Cen- 
tial-Congref]fation, deren Mitglied er flir Bergamo war, einen 
Aufsatz nieder, in welchem er die Zusammensetzung einer aus 
je einem Vertreter der lombardischen Provinzen gebildeten 
Commission beantragte, deren Aut^iabe es sein werde, die heutige 
Lage des Landes in reifliche Erwägung zu ziehen, den Ursachen 
der herrschenden Unzufriedenheit auf den Grund zu sehen und 
darüber einen eingehenden Bericht, welcher zum Ausfranirs- 
punkte weiterer Anträge zu dienen hätte, zu erstatten — ,una 
eommissione ehe debba occuparsi di esporre i prcsenti bisogni, 
e formularc i consegucnti desiderj di queste provineie lombarde'.* 
Nazzari erhielt zwar von Amtswegen eine Rüge, weil er sein 
Vorhaben, wie es Hör (leschäftsgang vorschrieb, der (^ iitral- 
(.^ongregation nicht frillier angezeigt hatte, und P.aron 'l'ori esani 
wurde, beauftragt ein Avaclisames Auge auf ihn zu haben. 
Anderseits aber ging der Krzherzog-Vicekönig auf den Vor- 
schlag des klUmen Bergamasken grundsätzlich ein und beauf- 
tragte den Grafen Spaur mit der Zusammensetzung einer Com- 
mission aus einer kleinen Anzahl von ,durch ihren £ifer und 
ihre Anhänglichkeit an die kaiserliche Regierung bekannten' 
Gliedern der Central- Co ngregation, December. Graf 

Spaur berief sechs Mitglieder, welche den Provinaen Mailand, 
Como, Mantuay Brescia, Gremona und Lodi angehörten; die 

' Casati an Pillendorff 18. Januar 1848: ,Tout co qui est contona daiis 
ces doemnonts a M auparavant exprin^ dam ma lettre do moia d^oetobre 

pUfld.* 

* Arch. trienn. I p. ISS f. 



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357 



Provinaen Pavia und Sondrio waren nielit vnlreteii. VieUeieht 
geachftli letsteres aus dem engherzigen Beweggrunde am zu 
vermeiden, dass es den Anschein gewinne, man habe geradezu 
den Vorschlag Nazzari's, der aus jeder der lombardischen 
Provinzen einen Vertreter wünschte, in Ausführung gebracht. 
Unter den Gewählten befand sich der geraassrcgelte Nazzari 
selbst; Casati, der Vater der Ideen Nazzari b und der g'eheime 
Veranlasser von dessen SclmU, konnte nicht berufen werden, 
weil er nicht Mitglied der Central-Conorre^ation war. Mit dem 
Vorsitz betraute der Gouverneur den k. k. ^^irkl Geheimratli 
Giov. Pietro Grafen von Porro aus der Ciaase der adeligen 
Besitzer (für Como).* 

Von den Provinzial-Congregationen war eine der ersten 
jene von Como, die unter Berufung auf §.12 des orp!:anischen 
Statuts von 1815 das Verlangen stellte: den Mittclpuükt der 
executiven Gewalt itn lonibardo-venetianischeu Königreiche habe 
der Vicekönig zu bilden, eine Anzahl geborener Lorabardo- 
Veneten ihm als Räthc znr Seite zu stehen; alle Beamten 
sowie der gesammte Richterstand seien ausschliesslich Lombarda- 
Vcnet* r etc. Noch entscliiedener sprach sich die Provinzial- 
Oon8:rcgation von Mailand aus, die am 21. Deccmber darüber 
Leneth. Den RestimmunireTi des organischen Statuts zuwider 
hätten die Wicnr/r Ceiitrallioliürden die Ijoituiipr aller Ange- 
legenl\eitcn des lombardo-venetianisehen Kunijj; reiches an sich 
gezofren, ,ed essendo essi estranei al regno per la residenza e 
per le persone che Ii compongono, il paese non pote essere 
governato a seconda delle sovrane intenzioni'. Es seien daher 
besondere Ilofstellen für die italienischen Provinzen des Kaiser- 
staates und der unmittelbare Zusammenhang und Verkehr der- 
selben mit den obersten Landesbehtfrden nothwendig; die Um- 
gebung des Vicekönigs habe ansschlieasend aus Lombardo- 
Venetem zu bestehen; zu fordern sei femer Erweiterung der 
Liandesbeiugnisse bezQgUch der Steuern, des Monte, der Justia- 
yerwaltiiiig, Anfbebnng des Lotto, Beitritt aom italienischen 

* Nay.zari (für Bergamo) fangirte als Bericliterstatter ; Üc fünf Mitglieder 
wsrtjn, und zwar au8 der ClaMe der adeligen Beisitzer dor k. k. KUminorer 
Gral Autou Barni (für Lodi und Crema), und der der ntcbt-adeligen 
BddfMV dar iwt. Dr. CmtIo Pietro Villa (Mailand) and Advooat Agortino 
Zaaalli (Mtantna), am der d«r kOniglidittn fltldt« Jnr. Dr. Oirolamo di 
Ban-Qervasio (Brtieia) and Ctote Foldiiiio Sobisii (Oremona). 



368 



Zollverdtt etc. Biese schier unerhörten Fordenragen -wurden 
von den Mitgliedern der Mailänder ProTinzial^Oongregation 
schweigend angehOrt, nicht Dr. Andrea Lissoni, nicht der 
k, k. Kttmmerer Oonte Paolo Tayerna, hisher abgesagte 
Feinde jeder Keaeningi wagten einen Widersprach. Nur der 
k. k. D^egat Qubemiidrath Antonio Bellati als YorsitBender 
der Congregation versachte Einsprache; doch er wnrde derart 
bedrängt, yon unsichtbaren Machten bedroht und erschreck^ 
dass er suletst nachgab und das Schriftstück unteneichnete: 
,per la prima yolta impararono a temere piü la potisia del 
popolo che quella del^Anstria^ 

Im gleichen Sinne; ja noch weitergehend ab die Mailänder 
ProTinsial-Coiigregationi sprach sieh die von Pavia ans: Die 
Grundursache der sunehmenden Unzufriedenheit der Bevölkerung 
sei die immer fortschreitende Znrttckdrängang jener Elemente, 
die dem lombardo-venetianischen Königreiche, dessen eiserne 
Knme an die «rlauohten Fürsten des Hauses Oesterreich kam, 
dessen politische Sonderheit wahren sollten; die sich steigernde 
Oentralisation aller Angelegenheiten im Mittclpnnkte des Reiches 
sowie die unverkennbare Tendenz, dieses Königreich mit dea 
anderen Theilen des Kaiserstaates zu amalgamiren, ^la com' 
plcta assimilazione col rimanente delle provincie*. ,Die öster- 
reichische Herrschaft/ liiess es in höchst bezeichnender Weise, 
,war immer, auch in nicht sehr fcrnabhegenden Zeiten, bei den 
lombardischen Provinzen beliebt und unsere Provinz Tavia hat 
davon Probe geliefert, an die man nicht zu ciiuiiLin btaacht; 
aber die heutigen Zweifel und Befürchtungen nehmen vielleicht 
gerade wegen dieser alten Zuneigung einen um so entschiede- 
neren und gereizteren Charakter an'.^ 

e 

Die Bemühungen des Podestli von Malland beim Vicekönig, 
beim Grafen Ficquelmont. auf schriftlichem Wege bei Pillers- 
dorff kamen kaum Uber euieu kleinen Kreis von Näherstehenden 



* Del Gk>veino 44—63; Arcb. trieno. I 153— 165, 168-173. Siehe auch 
C. Catati I 176f., wo C. Gittsti aohreibt: ,Ooift domaada il pobblieat 
Una Mla com fondamental»: Mpanotone — mipiitratiTa oomptola, i diea- 
•teri per U Bflgao nel B^gno.' Ygl. mein ^nt BShmen naoli ItaEüi* 165£; 
ebenda 166—168 flbsr dmi Indlriiso dagl* Italid di Iiomliardia alla 
Ooqgr. Centr. 



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359 



hinaus, wogegen die Anregung Nassari' b nnd die einander raach 
folgenden £nndgebangen der P^vlnstal-yertretungskürper die 
allgemeine Äufinerksamkeit in ▼ollem Masse anregten and in 
Spannung erhielten.' Zwischen Hailaad und Bergamo hatte es 
in der lotsten Zeit wegen der neaen Eis^bahnlime His^er- 
Btändnisse gegeben, die bei dem leidenschaftlichen sttdlttndisehen 
Charakter sn mitanter recht unangenehmen Angriffen nnd Ans- 
pülen führten. Jetzt wo einer ans Bergamo das grosse Lcmangs- 
wort gegeben hatte, wo die Bergamasker ProTinzial-Congregation 
die erste gewesen war, die sich im Sinne ihres Vertreters bei 
der Central'Congregation ausgesprochen, jetzt war in Mailand 
alles voll des Lobes für Berg^aino. Man brachte der Schwester- 
stadt Evivas aus, man beschickte sie mit be<;rüssciidcn Bot- 
schaften, man eröffnete eine Subscription zur Anfertiy;un^ einer 
liiiste ihres berühmten Landsmannes, des Dichters laid Mathe- 
matikers Loreuzo Masciieroni (^?eb. 14. Mai 1750 in der Näho 
von Bergamo, gest 14. JuH 1800 zu Paris), ein Anbot, das von 
Bergamo freundlichst entgegengenommen wurde als ein Zeichen 
und Unterpfand der ,schwestcrhclien Unaeiirennlichkeit' der 
beiden Städte. Und wie man nach dieser Seite mit Freuden 
und Ehrenbezeigungen demonstrirte, so nach der anderen Seite 
hin mit Abkehr und Zeichen der Misgunst. An einem der 
Empfaiigsabeude des Gouverneurs, der gerade in diese Zeit 
fiel, fanden sich von allen zu erwartenden Damen nur vier 
ein, die am Tage (larauf in ganz Mailand genannt und von 
der Societät mit iiühiienden Beinamen bedacht wurden: une 
folle, une bete, une ieiche^ une ötourdie.' 

XII. 

Die ZnstKnde im Königreiche Beider Stcilien drängten mit 
jedem Tage nach einem gewaltsamen Umschwünge hin. In einer 
Protest» del Popoio delle Due Sicilie hiess es: ,Die8e Begiening 

* Kin ZöUf^fi's für diese gron^e nnrl allgemoino Thciln-il inf Ir^on auch die 
hei C. Cris.ui I S. 173 — 18'2 abgedruckten leider uiidHtirten Briefe des 
Grafen Giulini de IIa Porta ab. ,1 lirciatori,* heisst e» Ö. 17Ö von der 
Ifailinder Danksclirift, ,sono vomini di gindizio, uon soiio panto freoe* 
tiei, per Bon citsrii tntti o*6 Paolo Taverna che & nno degli voinini pi& 
qiiisd e gindiiioii, e oUre a ei6 dsmbellsno.* 

* C. Caaati I t«0. 



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960 



Ist eine ungeheure Pyramide^ deren Qnindlage Henker und 
GeislJiche bilden, deren Spitse der KOnig/ 

Im September 1847 &nden wiederholt Stttrungen statt. 
An der Spitse einer Versehwönmg, die in Cakbrien und auf 
der Insel gleiohseitig bsachhigen soUle^ ttand Domenloo Romeo, 
der es aber in diesem Fnnkte Tersehen an haben schein^ so 
dass schon am 1. in Hessina königliche Truppen gegen Auf- 
stindisehe kämpften, die nach erlittenen schweren Verlusten 
in die Berge geworfen wurden; einer der Rädelsftlhrer wurde 
erschossen, auf die Köpfe der anderen setzte man Preise. Dies- 
seits des Faro in einem Schlosse des Bezirkes Gerace hatten 
geheime Zusammenkünfte den Sturz der Kugierung zum Ziele; 
dorn Uuter-lntendanten Buonafede, der die Flinte und den 
Hund eines der Brüder Bandiera besass, war der Tod ge- 
schworen, dem er nur durch die Warnungen eines der Ver- 
schworenen entging. Im Reggio im südlichen Calabrien wurde 
die tricülore i'aime aufgehisst, eine provisorische Regierung 
eingesetet; ein Domherr Pellico durchritt, in der einen Hand 
das Crucifix, in der andern den Degen, die Strassen der Stadt; 
General Buracca wurde in seiner Kutäche überfallen und mit 
zahllosen Stichen durchbohrt. Sieben Tage währte das ruchlose 
Treiben, bis General Ferdinando Nunziante mit Truppen aus 
Gerace erschien. Nun traten Furcht und P'eigheit an die 8teile 
des früheren llebermulhes, mehrere den angesehensten Familien 
der Sta ll allgehörige Verschworene suchten Verstecke oder 
ergritVt-n <li(' Flucht Einige (ielen vertoigendcn Hilscheru in 
die Hände oder wurden aus ihren Schlupfwinkeln hervorgezogen 
— so Romeo, der sich in einen Getreide8cho))rr verkrochen 
hatte — und vor Gericht gestellt. Am 2. OctnluM' büssten in 
Gerace Pietro Mazzoni, Michele Bello und noch drei andere, 
am 4. in Reggio der Schuster Giuseppe Sciva und der Carme- 
liter Allcgra mit dem Leben. Domenico Romeo wurde im 
Seminare enthauptet und einer seiner Verwandten gezwungen 
den abgehackten Kopf bei den Haaren zu ÜMon und der Menge 
au zeigen.' 

Eine Schreckensherrschaft sowohl in der Hauptstadt als 
im ganzen Lande und drüben auf der Insel war die Folge 



> So veniobdii OttolUi 46; vgi Tannveoi 660f.; a'A/aU 898—406} 
Areb. tri«nn. I 78—80 Dfti Cenol di Olu. Rieciardi. 



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301 



dieser ▼erachiedenartigen EmpOrnngen. In Palenno waltete 
Marschau Vial mit drakonischer Strenge und hielt mit eiserner 
Faust jedwede Bewegung darnieder. Zahllose Verhaftungen; 
mit Geld gewonnene falsche Zeugen, durch Martern aller Art 
erpresste Geständnisse, im Dunkel des Kerkers begangene 
Grausamkeiten gemahnten, wie es in einer gleichzeitigen Auf- 
zeichnung hiess, an die Tage von Caligula und Nero, In 
Neapel machte der PoUzciminister Delcarretto alles zittern; 
die Getüngnisse reichten kaum aus, um die vielen Opfer, die man 
in sie schleppte, zu beherbergen. Die nicht nach Neapel zu- 
suiiuligen iSludenten wurden in ihre Heimat ^^esehickt. Die 
Besitzer von Kafleehäusern erhielten Befehl, Personen die 
freiere Reden führten anzuzcigeu. Haussuchungen in den 
Buchdruckereien, in den Buchhandlungen, ia den Wulmuuguu 
verdächtiger ' Perijonen sollten ausländische Journale und vcr- 
botcuu Bücher aufstöbern. In der ausgedehnten, sonst so belebten 
und lärmendeu ätadt herrschte Todtenstille.^ 

• . • 

Wie im Siiden der apenninischon Halbinsel, so zog bich 
auch an ihrer nördlichen Grenze schweres poHtisches Gewülk 
zusaniuien. Die an.stossendc 8ehweiz war seit der 1^^41 im 
Canton Anrirau ^eüetz- und bundes widrig vorir« nommcuen 
Klosteraui iiebuni,'' in zwei Lager gespalten, das der protestanti- 
schen (Jantone und das der sieben kathulisehen Stände, die im 
Scptcml)er i-inen SoiHb'rbund, eine Art Eidgenossensehaft 

in der Eidgenossenschaft, zur Vertheidigung iiirer bedrohten 
Rechte eingingen. Wührend die radieaie Mehrlieit der sehwei/.eri- 
Bchcn Tagsatzung tiber die EintUlle bewaffneter Freischaarcn 
in katholisches Gebiet die Augen zudrückte, erklärte sie am 
220. Juli 1847 mit 13 gegen 9 Stimmen den Sonderbund für 
verfassungswidrig und dessen doch nur zur Abwehr unter- 
nommene Rüstungen fUr unaulftssig und decretirte am 3. Sep> 
tcmber die neuerliche Ausweisung der in den katholischen 
Cantonen wieder zugelassenen Jesuiten. Aber *H)OU Männer in 
Schwyz, bei 2000 in Uri, über 4000 in Untcrwalden erklärten 
am 29, September, 4. und 10. Üctober am Sonderbund festhalten 



< StorU del risot^meoto II 827, 830. 

AichiT. XCI. Bud. II. »ilfta. 84 



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362 



und ihn mit Gut und Blut gegen jede Gewalt Tertheidigen zu 
wollen; dem BeschluBse traten die Qrossräthe TOn Zog, Lucern 
und Freibuig mit Stimmenmehrheit bei und das Walliser Volk 
stimmte mit 12.878 gegen 257 in gleichem Sinne. Auf prote- 
stantischer Seite donnerte man gegen die KlOster, gegen die 
Jesuiten^ g<^gen die ^bundesbrttchigen an Oesterreich verluiuften 
Cantone'y während man sich in der Wiener Staatskanalei auf 
diplomatische Verhandlungen nut den anderen Cabineten be* 
schrflnkte und es blos geschehen Hess, dass der ^verabschie- 
dete Landsknecht', der ritterliche und geisti^olle Fürst Fritx 
Schwarzenberg, in die Schweiz eilte, um der Sache des 
Rechtes seinen Rath und seinen D^n anzubieten. Frankreichs 
Minister Guizot sandte geharnisdite Drohworte nach Bern 
und liesB durch seinen Gesandten Grafen Bois le Combe 
den Führer der katholischen Partei Siegwart Müller mit Ver- 
heissungon von Geld, Waffen und Kriegsbedarf reizen. Ein 
bewaffneter Zusammonstoss war unvermeidlich. In den ka- 
tholisehcu Cantouen wurde eifrig zur Vertbeidigung, in den 
radicalen mit Hass und Leidenseliaft zum Angriff gerüstet. 
Oberaiifiihrer war hier General Dufour, übrigens ein ruhiger 
billig denkender Mann, dort General Johann Ulrich v. Salis- 
Sogliu. kenntnisreich, clireiiwert, tapfer. Von den Grussmilchteu 
sah England mit unverhohlener Scbadcnfreude zu. ,Dui'uur 
soll nur schnell fertig machen!* sagte Kulu rt Peel. 

Der Kampf war hiild entbrannt. Die Sondcrbundistruppen 
hielten sich tapfer und crfuchten manche kleine Vortheile. Allein 
bald stand ilimn der Feind mit bedeutender Uebermacht ent- 
gegen, der Bundesrath hatte bei oO.OOO Mann auf die Beine 
jjcbraeht. Zudem war die Sache dej- katholischen (Juntoue von 
Verrath undaucrl, der seinen Weg bis in das Herz der lom- 
bardischen ilauputadt fand. Der Dircclur des Kinreichuncjs- 
Prulükolls beim Mailänder Gubcrniuui Giuseppe »Sundrini, 
Tiroler von Geburt,^ stand in gclu iniou Kinverstilndnisse mit 
Oesterreichs Feindon, die durch ihn alles erfuhren, was in den 
kaiserlichen licüieruni^sk reisen geplant wurde. Auch kamen 
der radicalen Partei Gerüchte zu Hilfe, die ilire Entschlossenheit 
hoben und stäikten. So verlautete^ Mazzini gebe damit um 



' , . il nujilo, so bone tiroleso, rrrisi por lo .uniciKio che accoil- 
CMto «Ue idoe noatre*} C. Casati I 144, vgl. SchOuhaU 1 89. 



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m 

sich nach Lausanne za begeben, um dem Schauplatae der steh 
entwickelnden Ereignisse näher zu sein. Da fand am 23. No- 
yember der entscheidende Kampf bei Qislikon statl^ der mit 
der vollständigen Niederlage und Auseinandersprengung der 
Hauptmacht des Sonderbundes endete. Am Tage darauf ergab 
sich Lnzerii auf Gnade und Ungnade, am 29. erfolgte die 
CSapitulation von Wallis, binnen sechs Tagen war die Arbeit 
Dufour's gethan. Es gab keinen Sonderbund mehr, die con- 
servative Partei hatte den empfindlichsten Schlag er&hren, der 
sie in dieser Zeitlage treffen konnte. 

Viele der Geschlagenen flüchteten ttber die lombardische 
Grenze, darunter mehrere der Häupter der katholischen Be< 
wegung, Siegwart Mttller, Bernhard Meyer, der Amts- 
anwalt Amann. Man kam ihnen in allen Kreisen Mailands 
mit achtungsvoller Schonung entgegen ; was in Correspondenzen 
der A. A. Ztg. erzählt wurde, sie seien in den Strassen von 
l£ailand vom Pobel insultirt worden, beruhte nicht auf Wahrheit^ 
Kur die der Regierung ohnehin feindseligen Elemente jubelten 
im Stillen. Die Sache des Sonderbundes war ja in ihren Augen 
die Sache Oesterreichs und sie priesen den Sieg des schweize- 
rischen Radicalismus, durch den ue sich ihrem Ziele der Be- 
freiung Italiens näher gebracht wähnten. 

• » • 

Auch in den anderen ober- und mittel-italienischon Ge- 
bieten sympHthisirien die misvergnUgten Elemente nut den 
radicalen Cantonen der Schweiz. Es floss hier kein Blut, es 



,Der religiöse Sinn des Volkes ist zu tief, als dass dusttelbo »ich gegen 
den Sonderbitnd, der wie solbM die kathotiache Religion bekennt, riebten 
mOebt«*; Beridit Torreeani's nach Wien 18. December 1847 (Polizei- 
Archiv, Fase 9869 Z. 1815); er habe, lieiMt ea darin weiter» mit 1i->-tt u 
Flüchtlingen, die «ich hei ihm vorstellten, gesprochen, und hi iucr h;iho 
Uber erlittene Unhill Kl;i<^o gelührt. . . . Siogwart Müller li.itlo nur auf 
piemoutcsigchem Ciebieto einen Verdruss, da man ihn beim L'obortritt 
fiber die scbweiseriBcbe Grenze in DomodoBsola verbafteto; aaf sein 
VeHaitgen nach Movara gebraebt, bedauerte der dortige Ooavemeur das 
vnterlaafene MisTeratfindnis, zog ihn aur Tafel und stellte ihm ohne 
Anatand einen Tam nach Mailand aus, wo er am 8. Decembor eintraf. 
Siegwart Müller zojr bald dnrrinf von Mniland n:u h Innsbruck, wo zwei 
seiner Sübne studirten, Amann und Mcycr gingen nach Wien. 

84* 



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364 



gab keine Aafstftnde wie jenseits des Tronto, die öffentliclie 
Ruhe und Ordnung wurde nur selten gestört und die Straf- 
gerichte fanden wenig Anlass su ernstem Einschreiten. Aber 
allmillig und fast unbemerkbar gewann die Revolntion^ die von 
Mass in i ihre Parole empfing, mehr und mehr Boden in den 
QemQthem, in der Öffentlichen Meinung und Stimmungi der 
gegenüber sich die Regierungen ohnmächtig erwiesen. 

Was Karl Albert betraf, so machte sich bei ihm aber- 
mals jene Zweiseelenthätigkcit, jenes Schwanken zwischen 
crDstem Entschluss nnd schlaffer Nachgiebigkeit bemerkbar, die 
ihn in jungen Jahren eine so zweideutige Rolle hatten spielen 
lassen. Er gedachte, wie d'Azeglio an Minghetti schrieb, den 
gegenwärtigen Stand aufrecht zu erhalten, kein Theilchcn seiner 
absoluten Gewalt preiszugeben; er nahm ein seharl'cs Oesetz 
gegen Versaiunilungcn uikI Zusammenrottuiigeu in Aussicht, in 
welcher ivit litmig General de Sonnaz iuUenua ein scharfes Verbut 
erlicss, 8. October. Er wollte, wie er dem Balbo und dvm Dorla 
sagte, nur von einer nazionalitii [«ieinontese wissen und wctlcr 
die plipstlichen Farben noch die italieniselic Tricolore dulden, 
und lehnte jene Kundgebungen zu Kliren des reüien iulcn 
Papstes ab, von denen die apenninischc Halbinsel von einem 
Ende zum anderen wicderhallte.* 

Aber dann wollte er es doch mit der öffentlichen Meinunjr 
nielit ganz ver^elierzen, zeigte sich einzelnen Zugestitndnisson 
geneigt, die seinen i;utcn Willen bekunden si»llten, so dass der 
Heinanu! il Ke Tenteiina, den ilmi der Dichter Domenico Car- 
bi) ne anhlingte', bald in Aller Munde war. Die von den 
Fuhrern der BeweLMini;' ausgegelienen und immer wieder in 
llndanf <reset/.len Losungswort»? ziehiMi ebenso auf den 
i'eierteii Papst wie auf den König von Sardinien, den von 
Gioberti geahnten Pegcnerator und den von der Volksstinime 
prognosticirten Degen von Italien. Wie in Turin, in Genua 
alle Mauern von Pio IX. voll waren, wie man auf seinen 
Namen schwur, bo war anderseits in Kom eine piemontesisehe 



* ,Lft oapp« poDtifi«*le»* so kliigte Gioberti einem Freunde, ,riTent« per* 
fino dagli eretiei e degrinfedeli de'di nostri, ö scomanicata la Piemonte 
e fii iutcrdotto in pi& occorrense di applaudire al gvan nome dt Pio*; 

Arcli. triuiiii. I 85 — 87. 

* Orsi L'ltalia uiuderna (Milano Hoepli lUOU) 1261f. 



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365 



Partei thiitig*, die den Namen ihres Königs in den Vordergrund 
«Iräugte, was auf diesen zuletzt nlclit ohne Eindruck blieb. Als 
in den ersten Septembertagen zu Casale ein agrarischer Concrress 
gehalten und auf diesem nicht weniger Politik als Landwirt- 
schaft getrieben wurde, brachte der Graf v. Castagncto, ein 
Intimus Karl Albert*8, ein SclireilKm zur Vrrlosuni:. worin der 
König «i'-n Tag kommen sab. wo er ,für die gueltiscbc Sache' 
dasselbe werde thun können, was Schamyl gegen das uner- 
messliche Reich des Zars unternommen habe.' Um die Glitte 
des Monats bcsjuchte Karl All)ert Alossandria, nni der Grund- 
steinlegung der Brücke ül)cr die Hormida })cizuwohne.n; unter 
den Hochrufen, die vor seinen Fenstern ihm und der ,arraata 
sarda' ausgebracht wurden, war auch der zu vernehmen: yViva 
il Ke d'Italia!' 

Bald nach der Rückkehr des Königs in seine Hauptstadt 
kam es hier am 1. October zu demonstrativen Auftritten, der 
Käme des Papstes, des Königs wurde bejubelt, in den Giardini 
pubbiici die Hymne des Meneei angestimmt, dabei ein .Abbasso 
i Gesniti' ausgebracht. Die bewaffnete Macht wurde aufgeboten, 
Patrouillen der Xonie, Carabinieri, Polizeisoldatcn durchzogen 
die Strassen, an einem und dem anderen Orte kam es zu hef- 
tigen Zusammenstössen. Ein Mensch wurde festgenommen, doch 
ein paar Stunden spiiter auf Befehl des Königs wieder freige- 
geben.' Bald nach diesem Vorfalle dankt Karl Albert seine 
Minister Villamarina und Solaro della Ma t ^herita, die 
den Mazzinisten nicht zu Gesichte standen, ab, berief den 
Cavaliere Ermolao Asinari di San Marzano als Staatsseeretär 
Tiir die answftrtigen Angelegenheiten und den Grafen Broglia 
di Casalborgonc fUr Krieg und Marine nnd gewann dadurch 
den Beifall der Liberalen. 

Einige Tage später kam etwas anderes. Ein Turiner 
Leierkasten&brikant hatte einem setner Instrumente Walzer fUr 

' Arcli. tritiiin. I 55 f. Als horrorragondo Pcrsunlichkoiton, die zu Korn in 
die«««! Geiste bei dem Ant PantAleoni, bei der icbOnen Ptemoiiteiiin 
Signoris, aber mteb im H6tel der mrdiniseheii Geaandtscbaft snsammensu- 
konunen und Bich um don Mnreheso M.iHsimo d'AzcgIio zn leharen 
pfle^^n, wpri^on ppnnriTit dir Cciu r;ili' Hirtv. Durando nnd Casanova, 
Ohorst Drovötti, der frisch aus Sicilien gekommene Michelini, Da- 
ni:Lso i'areto. 

• Orsi m. 

* . . . e rieeviito com garbo penonalmente dal Re ateMo; Uiiif betfct 1291. 



m 

eine Pius 1 lyiiiiie eingelcg-t, mit welchem am 22. October ein 
f^i'icnn.'iTui <lic Strassen von Turin durchzüg; Leute folgten 
laut sia^ciul dem Spielmanii nach. Der Spectakel wiihrtc bis 
in den späten AIkiuI hinein, wo Cavalleriepiquets die Menge 
auseinander trieben. Am andern Morgen erblickto man den 
Platz San Carlo in ein Feidlag^er umgewandelt; niemand wurde 
zutrelassen \u)i\ so sammelte sich die Menge in der Tlu rcsien- 
stnisse, wurde aber durch ansprengende Cavallcrie auseinander 
getrieben ; Verwundungen <rab es nicht, wohl aber wurden zahl- 
reiche V 11 Ii tfrungen vorgenommen. Der Vorfall wirkte ein- 
schüchternd auf den leicht i'rregtcn Sinn Karl Albcrt's, der sich 
zu Milderungen in der Pressgesetzgebung, BeschrilnkuriL'" rles 
polizeilichen Pirmessens, Aufhebung gewisser privilegirtcn und 
exceptionellen Jurisdictionen, Aenderungcn des (Jemcinilege- 
sctzes, Einführung der Mündlichkeit und Oeffentlichkeit im 
Gerichtsverfahren cntschloss, 20., 30. October. Der König 
sprach jetzt fUr ein , neues Zeitalter der Reformen^ und 
schwärmte in vertrauten Bnefen von dem Tage, wo er mit 
seinen Sühnen verde zu Pferd steigen und für die Unab- 
hängigkeit Italiens sein Schwert ziehen kiSnnon.'^ 

Karl Albert hiess jetzt zugleich ,il re guerriero d'ItaUa^ 
und ,il re riformatore^; nicht blos in seinem Königreiche, auch 
in benachbarten Ländern, in der Romagna, ertönten Rufe a Carlo 
Alberto, all'Italia, all' indipcndenza. In Florenz nahm der sar- 
dinisilio Gesandte vom Halcon seines Hotels d-o Huldigungen 
des Volkes f\lr seinen Herrn entgegen. In Stradelia, nahe der 
piemontesisehcn Grenze gegen Panna, &nd zu Ehren des 
Reformkönigs ein grosses JBankett statt, bei welchem Herren 
aus dem benachbarten Horzogthumc die Honneurs machten. 
Jetzt wiederhallte es im nationalen Lager von eitel Lob und 
Preis für den Reformkönig, ^^ier in Turin,' meinte Giuseppe 
Massari, ,ist der König liberaler als sein Volk; Carlo Alberto 
hat der italienischen Sache seinen Degen geliehen. Preis und 
Ruhm sei ihm dafür 

* * 



• Arch. irinnn. I 96— 97i ein Hymnus auf Carlo Alberto von ü. Bartoldi, 
ebend. loO. 

* Mttighetti I 389 f. Doch sieke dagegen die Aetuserung der Bfoilinder 
Publi«iBtiii Contama Verri ß«g«n einen nngemumten Freund» hinter dem 



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367 



In Rom liattc sich Pius IX. iu der ersten Zeit mit Ver- 
;4nü^en den süssen Errcfi^urigen seiner waelisendeu VolkstliUm- 
lichkcit hingügüben, hatte aber im Hingang- der Monate /u 
seiner nicht gerin,iren Vcrwunderune; w.ihrnelimen müssen, dass 
in < icsellschaft dieser sich ütets erneuenden Huldigungen mit 
jedem Tage neue Wünsche zum Vorsehein kamen und da^s 
infolge dessen die Anregung von Reformen, statt sein Werk /ti 
sein, von der Menge ausgingen.* Schon hatte die vorwiiiis 
drängende Partei dem Papste die ersten grossen Entschlüsse 
abgerungen, der das Staats wosen des Kirchenstaates auf eine 
neue (Jrundlage stellen sollte. ,Piu8 IX./ selirieb der üster- 
reichiselie Staatskanzler am 15. October dem (xrafen Ficquel- 
mont, ,ist mit allem, was ihn umgibt, den Seetireru zu Diensten. 
Dem Papste stehen noch grosse Verie<,'^enlieiten bevor. Das 
demokratische Element ist es, das sich Bahn bricht und Pius IX. 
als seinen Messias ausruft. Von diesem Element, auf die ka- 
tholiselie Kirche anq-ewandt, ist nur ein Sehritt zum poHtisehen 
Uadicahsnnis und /um Atheismus, und das Haupt der Kirche, 
indem es dieses Element waehruft, bereitet sich selbst ©ine 
traurige Zukunft voll von Kiluipfen und Vorwürfen.'* 

Mit Motuproprio vom lä. Octoljer hatte nämlich Pius IX. 
eine Consulta di Stato einberufen, zu der Rom drei, l^oloi^Mia 
zwei, jede der anderen Provinzen einen Abgeordneten wählen 
sollten. Die in Rom weilenden Piemontesen fassten den Ent- 
schluss die Eröffnungsfeier dieses neuen Instituts mitzubegehen, 
,um dem unsterblichen Pius ihre Dankbarkeit fllr eine Ein- 
richtung zu bezeigen, die bo viele und grosse Vortheile ver- 
sprichtS Sie liessen für di^en Zweck eine Fahne in den 
sardinischen Landesfarben anfertigen, die ihnen General Du- 
rando bei dem Festzuge vorantragen und sodann dem Ge- 



die Mailänder Polizei «leii Graten Casnti vermuthote, der, wie Torre- 
Bftni bemerkte, in der leteton Zeit sweintil in Toria gewesen. ,Dld 
▼on dem KSnig von Sardinien nnlingat eingeführten Xteformen in der 

Rechts] dl e{^e,' meinte diu Verri, , bestehen mit AuKnalimo dos Zii|;osU(nd- 
nisRB.s der Oeffentlichkeit der Verhandlungen bei uns schon seit Jahren 
nnd machen es schwer beproidicli, das« man darüber einen solchen 
I roudenl.'irm erhoben h.at'; Poliaei-Archiv 1817 Fase. 132G2 Kr. 13910 
(aiLs einem Intercepte). 
t Orei 181. 

* Metternich NachlatR Vü 48. 



308 



sandten ihres Königs ssur Aufbewahmiig ttbeiigeben sotlte, ,da 
der Fall eintreten konnte, dasB man ihrer fUr einen gana 
anderen Gebrauch als den einer Festlichkeit bedttrfte'. Als 
jedoch dieses Vorhaben dem rtfmischen Staatssecretär bekannt 
wurde, erfolgte eine dankende Ablehnun^^ und am 14. November, 
dem Vortage der Festlichkeit^ das päpstliche Verbot^ andere 
Fahnen als solche, die den piipstlichen Staaten angehtfren, an 
entfalten. 

Am 15. Kovember &nd die feierliche Ertfffinnng der Con- 
solta statt. Nachdem Cardinal Antonelli im Qairinal die 
Consnltori dem Papste vorgestellt hatte, fuhren diese; jeder in 
einer von MUitttr und Civica begleiteten Kutsche, in den Vatiean, 
wo die Sitüungen stattfinden sollten. Die Consulta beschloss als 
erste ihrer Kundsrebungen t;inc Dankadinsse an den Heiligen 
Vater, dio zuiiloich eine Art politi-selicii rrorrrainiiis enthielt. 
Als CS siili (liiim um die Frage handelte, ob die Ijcrathungcn 
geheim oder (itfentlicb sein sollten, wurde der Grundsatz aus- 
gesproclicii : ,Uin die üircntliehen Wünsche und Bedürfnisse 
zmii Ausdruck zu l>rini:i;u, ist eiuo unausgesetzte Berührung 
zwisclu'u der Bevölkerung und der Tonsulta nötbig/ Die Libe- 
ralen von ganz Italien wan n entzückt von diesem Anfang. 
Der greise Alessandro Manzoni in Mailand erklarte die Adresse 
für ein Meisterstück.* 

Doch Pius IX. hatte mit der Einsetzung der Consulta 
kein eonstitutioneiles liegiment im Sinne, er hatte die ßefu£r- 
nisse der Consulta in die engsten Grenzen gezogen. , Meinen 
Sie', sagte er zu dem der Consulta als Seeretlir beigegebenen 
Mini^ !) ">tti, einem der Bologneser Dejuitirten, ,dass ich mich 
verbunden habe alles anzunehmen, was mir die Consulta vor- 
legen wird? Da befänden Sie sieh !ti hk iu p*ossen Irrthum. 
Ich habe mir vorljehalten (h n \'ersehlii«!cn der Consulta meine 
Genehm ii;un;Lr zu ci thi ih'n oder zu vcrwcii^crn, je nachdem ich 
sie für das Wohl dos Sta.ites geeignet lialte oder nicht.* Die 
Meinung und der Wille des Papstes mochten die besten sein, 
er mnehtc den ernsten Vorsatz haben, die Consulta die von 
ihm gezogenen Grenzen nicht i^Viersehreiten zu lassen — doch 
konnte er fUr den Erfolg stehen, wo die Thatsachen mit ele- 



Hin|r)i(>tti I 291— .H03: .Ifansom ö stiito contentiasimo deU'incIirim 
doli« ConsulU e lo dicbinra per un capo d* opera.* 



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369 



mentarer Gewalt TanTBits drängten? Massini veröffentlichte 
ein Schreiben an Pio Nono, worin er diesem und der Kirche 
den Gehorsam attfkttndigte^ falls sie in der Sache Italiens nicht 
mit ihm ^ehen wollten.^ 

In Toscana bedurfte es einer solchen Drohung nicht, da 
hier die Dinge ihren Lauf panz nacli dem Prosramme der 
italienischen ,As80ciazione* nahineu, was sich nueli im lucehesi- 
schen Gebiete bemerkbar machte. Ilerzo«:^ Karl I^udwip; von 
Lucea, der sich ausser Stande fiihlte die seinen (Tnindsätzen 
durchaus widerstrebende Bewef^iino; in seinem Lündchcn zu 
dämmen, vertraute am 12. September die Leitun<r der Staats- 
gcsehiifte dem Staatsrathe als Rej^entseliaft an und zog sich 
,aus OesundheitsHicksieliten' naeli Massn,. Er ermächtigte den 
Staatsrath Reformen j welche dieser für nütln'ij^ er.-velite. einzulüiiren, 
aber sich dabei zu Ix-ileissig^cn, eher liiuter Toscana zurückzu- 
bleiben als demüclbeu voranzugehen; dabei sei er, Karl Ludwig, 
keineswegs gewillt, , Massregeln die Unsere souverainen Rechte 
verletzen würden zu sa^etinnircn^ Doch der re*^ierun^'sinüdc 
Fürst sollte die ersehnte Kühe nicht finden! Rings um sein 
LUndcfien hemm wetterte es bald hier bald dort: am 17. /18. 
Unrulien in Sarzann, zu deren Unterdrückung Paulucei Trujipen 
aus Genua senden musste; am 2\.f22. heftige Auftritte in 
Livorno, die zahlreiche Verhaftungim nach sich zogen.* Unter 
solelien UmstUnden entsehloss sieh Karl Lndw^ig. sein Ilerzog- 
thuni gegen Auszahlung einer Jahresrerite an das Cirossherzog- 
thum abzutreten, was in den ersten Octobertagen in ulh r Form 
stattfand. Ansgcnommen war nur die Lunigiana, der nördlielie 
Landstrich, der bei dem Anfalle des Herzogthnras Lucea an 
Toscana nach den Bestimmungen des Wiener CongresscH theils 
zu Parma theils zu Modena geschlagen werden sollte, und zwar 
der Bezirk von Pontrcmoli zu Parma, der Bezirk Fivizzano 
nebst Antheilen der Bezirke Galiicano, Montignoso und Wi- 
nucciano zu Modena. Darüber grosse Erregung der liberalen 
Partei, bei welcher Franz V. von Modena eben so schlecht 
angeschriehen war wie Karl Ludwig von Lucea, und der auch 

* Das am London vom 8. Scptomber ilatiilo Öchroibon orschion in Paris 
bei Bailly aU bosondere Broschüre: A Pio IX Poiitefico Massiino Lettora 
di G. Ifastlni, mit einew Vorworte von Maasiino Fabi 85. novembre. 

* Oosteireiebweher BeobMhter Mr. 282 vom 9., Nr. 285 vom 18. Octob«r, 
a 1188, 1160. 



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370 



die Herzogin von Parma als Oesterreiclieriii ein Dom im Auge 
war. Leopold II. wurde mit Deputationen und Adressen nicht 
blos aas der Lon^ana, sondern ans den verseMedensten Theüen 
seines Grossherzogthnms bestttrmt, Pontremoli nnd Fivissano 
moht ans seinem Besitae zn lusen. In Lrromo dmrdiaogen 
roHo Haufen die Strassen mit lautem Gebrüll: Morte ai Tedescbil 
Ewiya la Hbertkl Es schien jetzt zwischen Toseana nnd Modena 
zu ernsten Zusammenstössen kommen zu wollen. Die f^anze 
radicale Presse stand auf der Seite Toscanas, das sie gegen 
Modena hetzte. ,Ein Krieg zwischen uns und Modena/ schrieb 
aus Florenz 15. November L. Galcotti an Minghctti, ^mttsste 
ein italienischer Krieg gegen Oesterreich werden, und die 
italienischen Staaten, geeinigt durch Liebe oder Gewalt, müsste 
ihn aufnehmen.' In einem zweiten Briefe klagte er über die 
unentschlossene Lauheit Pius IX.; es ticiit'ine, er warte auf 
eine Nöthigung, die ihn mit fortrciäse. , Schauen Sic so oft als 
möglich mit dem Papste zu sprechen*, spornte Giuseppe Mon- 
tanelli den Minghctti au; .suclien Sie ihn ins Feuer zu bringen, 
indem Sie nicht aufhören ihm vorzustrllcn, welehe grosse Zukunft 
er dem ]*a|)Stthum oröffnot, wlüii er sieh an die Spitze der 
italienischen Nationaliiai tuid der allgemeinen Bildung stellt.' 
Toscana machte Miene, sieli, falls Modena nicht nachgäbe, mit 
(icwalt in Fi\i/./-.ino fcbtzuset/.en ; Pontremoli zeigte sich ge- 
rüstet zu einem Kampfe der Ver/wciilnng. Toscana sandte 
Verstärkung nach Pietrasanta an der liieehesiselicn (jronze und 
versah das Fort dei Marmi mit Munition aus Livorno; die Feind- 
seligkeiten konnten, meinte man, jeden Augenhliek ausbrechen. 
In Fiviz/.ano hen'sehte ein an Anarchie grenzender Zustiind. 
Von /uriiekgebliebenen Anhängern Toscanas aufgestachelt con- 
stiluirtc sieh eine RUrgergarde, versah sich mit Waffen, besetzte 
eigenmächtig üüentlichc Posten, daher Modena am 5. November 
Truppen eiurilcken liesa. Die Besetzung des Ortes ging ohne 
Widerstand vor sich; aber am zweiten Tage darauf, einem 
Sonntag, zog ein Trupp von Leuten Arm in Arm an der Haupt- 
vvadie vorbei, mit der sie Händel suchte und zulct'/t einen 
fönulieiicn Angriü" insoenirte. Der comnumdirende Hauptmann 
Conte Guerra Im ss Feuer geben, ein Mann tiel, ein zweiter 
wurde lödtlicli g« ir.)|Ten, drei Leute worden schwer verwundet; 
einige der Anfülu er wurden b sti^cnommen, andere als toscanisehe 
Unterthanen über die Grenze gcschaft't; mehi*eru auswärtige 



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371 



Hetzer räumten freiwillig den Platz. Die Ruhe wurde nicht 
weiter grestiJrt und Fivizzano hlieb im unbestrittenen Besitze 
von Modena.* 

• . • 

In Ferrara war der Stand der Dinge seit dem Aixguflt 
unverttndert Es fehlte zwar nicht an vereinzelten Beleidigungen 
des Militärs durch nnverbcsserliche Aufreizer'; im allgemeinen 
war aber die Stimmung ruhiger^ wozu vorzttglich der Umstand 
beitrug, dass die Leute den BOrgerwaohedienat satt hatten. Die 
Männer schlitzten physische Gebrechen vor, um vom Erscheinen 
enthoben an sein, die Hansfrauen klagten Uber den gestOrten 
£2rwerb; bei einer feierlichen Ausrlicknug im Spätherbst zählte 
man bei fUnfzig Officierc, aber nicht viel mehr Gemeine. Graf 
Auersperg benahm sich in einer so heiklen Stellung mit 
Mässignng und Klugheit; ,1' Austria ha in Im un degno e bravo 
servitore', schrieb einer seiner Offieiere, Italiener von Abstam- 
mang und Sprache. 

Das kanerliche Gabinet wurde im diplomatischen Wege 
bestürmt seine TVnppen aus dem Platze zurQckzuziehen, und 
es war an flirchten, dass man in Wien trotz der eindringlichen 
Gegenvorstellungen Radotzky's zuletzt nachgeben werde. 

Dio Ferraresen selbst rechneten mit Sicherheit auf einen 
günstigen Erfolg, ihr Benehmen gegen die kaiserlichen Ofliciere 



> Miiigh«tti I 806—314. Die dtploimitiaohe Beendigmig dieser Ango- 
legenhoit kam unter pKpstlu-hor und Mardinlschpr Vermittlung in <1en 
ersten Docombprtap'nn xnstAndo: Oestorreichi^'lior lU'üliacliter 1817 
Nr. 320f., 324 vom 16., 17. nn'1 20. November, Nr. 350 vom 10., Nr. 3M 
vom 20. December 8. 1295, 12'Jlif , l.Sl 1 — 1313, 1417, 1433. 

* Am 14. Octobcr kam »in Mann mit bronuon«ler Cigarre ou eine k. k. 
Scbildwache heran, die ihn nach erfolgloser Hahniiiig sich an entfernen 
mit dem Gewehrkolben auraekatiesB. Darttber Geschrei and 2usammen- 

lanf von Leuten, die den Soldaten mit Steinen l<<-\vailiMi{ der W.-k ]i|><)<)ton, 
von der nahen llauptwachn vr>r«f?(rkt, c:\h Fciinr, was einige leichte 
VerwuTiduiifjen und mehrere Verhaftungen xur Fnl-jo hatte. Dio Er- 
bitterung der Monge erreiulite den liUchateii Grad, iiu'ui wollte anf dio 
Thflrme eilen und Sinrm Unten, als Cardinal Ciaeehl an Foas her1>ei 
kam nnd neh ins Mittel legte; die Arretirten %vnrden der pKpstItehen 
Miliz übergeben und die Ruhe wnr wieder hergoftellt. Oester« 
reichiarker Beobachter 1847 Nr. 318 vom 8. November S. 1264. 



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372 

wurde artiger, weil sie sie nur mehr als Qäste ansahen, die 
bald scheiden würden. Sie sählten aaf einen Losta<; nach dem 
andern, der sie mit der Räumung ihrer Stadt durch die Kaiser- 
lichen überraschen würde. 

Znletst kam «wischen den Cabineten von Rom und von 
Wien folgende Uebereinkunft ssnstande: Die Biirgerwehr be« 
setzt den Palast des Legaten, die pilpstKchen Schweiser be- 
setzen die Stadtthore, mit Ausnahme jenes von S. Benedetto, 
das für neutral erklärt wird und wo nur die pilpstliche Blnanz- 
wache bleibt; die Kaiserlichen beziehen die Hanptwache in der 
Kaserne S. Benedetto, die Schweizer jene auf dem Stadtplatze; 
die pUpsth'chen Truppen dUrfen im Umkreise der Kaserne und 
der Vcste keine Wachen streifen lassen; den miliUirisehen 
Oberbefehl nicht blos in der Citadelle, sondern in der Stadt 
hat der k. k. Festungscommandant; der Kaiser verlangt und 
erhält vom päpstlichen Stuhle die Anerkennung des durch den 
Wiener Congress ihm zugewiesenen Besatzungsrechtes.* 

Die Kaiserlichen hatten also ihre Steliniig in der Stadt 
nicht völlig preisgegeben, dio Civic.i war auf einen nicht luili- 
tilrischen Posten eingeschränkt, der ]);lpstlit hen Garnison war 
den Kaiserlichen gegenüber eine fxcvvissc Heserve auferlegt 
und es war damit, militilriscli p nommcn, insofern ein leidlicher 
Zustand gcsclwitTen, als ja unsere Truppen, im alleinigen und 
unl)i striltcnen JJositze der Veste, alles andere sich leicht wieder- 
holen konnten. Allein vom diplomatischen Standpunkte hatte 
Oesterreich seine r.,nge bedeutend verschlimniert, sein Anselien 
halte eine unverbesserliche Schlappe erlitten. Es war voraus- 
zusehen, dass die Oesterreich feindliche l'artei in ganz Italien 
das Zntrest.indnis in Ferrara als einen Beweis der Schwäehe 
des Kaisersfaates ausposaunen würde, und so kam es in der 
That. Das ,Giornale di Roma' verkündete es mit diirren 
Worten, dass Oesterreich die Garnisoniran ir in der Stadt Fer- 
rara an die pnpstliehen Truppen nb!rofreben habe. Die Feinde 
des Kaiserstaates triumphirten, seine Freunde Hessen die Köpfe 
hängen und jammerten. ,Uns ist ninmier zu helfen', schrieb ein 
Heulmeier aus Padua an den Grafen Hayn; ^traurige arme 



MerkwOrtUgerweuM ut das genano Datum nnd der Wortlaut dieier Con- 
vention wodor im Kricpsarcliiv und in «Icr Rri:i.s(r;itur iles Reichs* 
Krt< LT initiistoriums, noch in den Acten dea Hau»-» Hof- and Staats- 
Archivs su finden. 



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373 



Regierung ! Verlegenheiieii von allen Seiten, Hohn und Ver- 
achtung folgt nach. Mir blutet daa Hens. Die Italiener werden 
wir nie gewinnen, ob ist rein ans — and wie oft und scbQn 
lag es in Oesterreichs Macht! , . 

Nun, ,aaB' war es woU daram noch nicht, allein dasB der 
Math der Neider nnd Feinde Oesterreichs unter solchen Um- 
standen nur gesteigert und an weiteren Angriffen gereist werden 
mosste, darauf war mit Sicherheit zu rechnen. 

XIIL 

Am 3. November 1347 war m Tarin ein Zoll- and Handels- 
bUndnis zwischen Rom, Toscana und Sardini«ti geschlossen 
worden, ,al fine di contribuire all' incremento della dignitk o 
della prosperita italiana, e persuasi che la vera e sostanzialo 
base di una untone italiana Bia la fusione degli interessi ma- 
tcriali dellc popolazioni dei loro Stati.* 

Unmittelbar nach Abschluss dieses Vertrages fuhr Karl 
Albert nach Genua ab, dessen Bewohner ihm einen be- 
geisterten Eniptkni; bereiteten. Mehr als 200 Fahnen er- 
scliienen vor seinem Palaste, alle iu den piemontesischen, keine 
in den pUpstliehcn Farben, keine italienische Tricolorc, kein 
Kut' für Piuü IX. Der ^Miirelicji^e Gior^^iu Düria schwang die 
Standarte, welche die (Jenue.son ITKi den flüchtigen Oester- 
reichern abgenoinnieii hatten, ein anderer Doria, Abate von 
San Malteo, hielt eine Fuhne mit der Aufschritt ,Gioberti', der 
eine Schar Oelzweigo tragender Priester und Mönche folgte. 
Als der König am xVbend diu glüuzcnd erleuchteten Strassen 
der Stadt durchritt, drilngte sich ein l^ürger an ihn heran, 
ergriff seine Hun(i, die er kiisste und dabei bittend sprach: 
Amuistia! ein Wort, das jetzt \on taufenden Lippen wiederholt 
wurde, 4. November. Bald raisehten sieh wohl Misk hinge in 
diese Freudenbezeigungen. Der Kunii; wünschte Einstellung 
der Festlichkeiten, damit die gewohnte ]{uhe und Ordnung 
zurückkehre; eine beabsichtigte Demonstration zu Ehren des 
Turiner Municipalrathes, der die Oenuosen begriissrn und be- 
ghiek wünschen wollte, mussto uiiterl)leil)en. Im l'ublicum schrieb 
man diese Massregcl dem Gouverneur der Stadt Marchesc 
Paulucei delle Koncole zu, uud es waren vor den Feüötcrn 
des KOuigs Kufü zu hören: ^Nieder mit Paulucei!* 



374 



Nacli der Abreise Karl Albert's von Genua liesson die 
dortigen Liberalen ihren Gelüsten vollends die Zügel sehiesseu. 
Nachdem am 5. Decembcr, wie im Jahre zuvor, das Uedttcbtnis 
der Vertreibung der Ocsterreieher gefeiert worden^ vereinigte 
am 10. ein Festmahl die feurigsten Mflnner der alten Dogen> 
stiidt. Giorgio Dorla prttsidirte, unter den Anwesenden be- 
fanden sieh Gaetano Pareto, Professor Troya, Terenzio 
Mamiani; der päpstliche, der toscanische, der türkische Ge- 
sandte waren unter den Gästen zu sehen. Zündende Heden, 
besonders eine ^lamiani's, wechselten mit Toasten auf Carlo 
Alberto, Pio Nono, Giobcrti und mit Hymnen auf die Befreiung 
Italiens von dem Österreiehiscben Joche: 

Giuliani ^Mui iam ginriam, 
fai riuiliu iudipondontc* 

In Turin legten die Gesandten von Oesterreich, Russland 
und N(!apel, sowie der französische Gescliüftsträger Bourgoing 
beim Minister von San Marzano ernstliche Verwahrung geircii 
die Genneser Kundgebungen ein. Alai auch in den leitenden 
Kreisen von Rom fühlte man sich über diese piemontesischen 
Zumuthangen und Strebnisse beunruhigt, was man im Publicum 
der von Oesterreich and von PcUogrino Rossi beeinflussten 
Umgebung des Papstes zuschrieb. Als in Rom ein Verbot 
fremdländischer Fahnen and Farben, also auch der sardinischen 
erschien, erhob der in Rom lebende Piemontese Michelini im 
Namen seiner Landslcute eine Verwahrung und wies in einem 
an den Director der ,Alba' gerichteten Schreiben auf den 
General Durando da Mondovl hin, der, im Jahre 1831 aus 
Picmont verwiesen, in Spanien gute Dienste geleistet habe und 
den KOnig wie kein zweiter verstehe.' 

• . • 

Die za Turin zwischen drei Staaten der Halbinsel zustande 
gekommene Zolleinigung wurde als der erste Schritt oder der 
erste Versuch einer politischen Einigung von ganz Italien an*' 



* Arcli. tnünu. I hiT t', i IhmuI I GG f. ein iru Theater von Nizsa go- 
suiigoiies Ki'iogiilitMl vuti (.iotijsnguu Ärson. 

* Arch. trienii. I 116—180. 



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375 



gesehen. Es wurde deshalb an einen Anscfaluss des Königreichs 
Beider Sicilien gedacht, wie es scheint, weniger von dem Cabi* 
nete als von der BeTöIkerupg', wie es denn in Neapel selbst 
in der aweiten Hülfte November Eundgebmigen im Fablieum 
für den Beitritt au der ,Lcga doganale' gab. Was Oberltalien 
betraf so wurde das lombardisch-venetianiBche Königreich als 
österreichisch natürlich ausgeschlossen, aus dem gleichen Grunde 
Parma; dagegen hätte man den Herzog Frana V. zu gewinnen 
gewünscht, weil estensische Gebiete zwischen Toseana und 
Sardinien lagen, und sandte Msgr. Giov. Corboli-Bussi, einen 
Vertrauensmann des Papstes, ftlr diesen Zweck nach Modena. 
Hier aber ging man nicht in die Falle, man durchschaute den 
Plan, man lehnte ab, erklärte jedoch: sobald einmal die Zoll- 
einigung zustande gekommen, solle das Gebiet von Massa und 
Carrara kein Hindernis bilden. Man neigte am estensischeu 
Hofe mehr einer Zolleinigung mit Oesterreich und Parma zu, 
was ihrerseits die Partei des jungen Italien perhorrescirte. Als 
Corboli-Bussi Modena verliess, erwartete ihn vor der Stadt 
eine Menge, die ihn und die ;lega,' hochleben Hess, hingegen 
der eigenen Begierung eia Pereat brachte. Aehnlich war es 
in Reggio, wo sich beim Verlassen des Schauspielhauses zwei 
Haufen bildeten, die nach verschiedenen Seiten mit wilden 
Rufe»; ;Pio IX', ,1'Itulia', die Strassen durchzogen; eine Ab- 
theilung Dragoner stellte sich entgegen, die eine Bande stob 
auseinander, die andere leistete Widerstand, so dass die Dra- 
goner mit flacher Klinge einbauen mussten; mehrere Personen 
wurden verwundet, darunter zwei nicht ohne eigene Schuld 
schwer. In Modena wie in Reg^o wurden einige Personen 
eingezogen, darunter zwei Juden.* 

In der ersten Hiilftc Decomber folgten au der Mark- 
scheide der scliwiudenden alten und einer anhrcchemlen neuen 
Zeit auf einander zwei Tüdeöfälle von ernster liedeuLuiig. Am 
Ahejul des 10. starb in Mailand Graf Giacoiuo Mellerio, ge- 
wesener Vicepräsident des iom bardischen Guberuiums, seit Iblü 



' 4 sadditi dci tre principali riformatori progano il ro di Naixili nd nccoi- 
tar»i alla lega prima d'csservi coHtretto'} Arch. trienn. l 161 — 163 ans 
der jPatria* vom 27. üecember 1847. 

» rt.iyard do Volo Vita di Frftnce»co V. Duca di Modeua (MoUeuu 1878 
bis löSb) 1 206-208. 



376 



wirklicher Geheimer Rath, Ritter der eisernen Krone I. CloBse, 
Comthur des Leopoldordons, der letate Repritsentant einer 
Periode, die f)ir das italienische Doppelktoigreich so glück- 
▼erheissend begonnen und ihm einen mehr als dreissigjtthrigen 
Frieden gesichert hatte.' 

Und einen Tag spttter, 11. Decemher, schied in Parma 
Maria Louise aas dem Lehen, die Exkaiserin der Franzosen, 
deren durch den Wiener Congress zugesicherter Besitz nun- 
mehr an die Bourbons zurückfiel, an Karl Ludwig, bisherigen 
Herzog von Lucca, welches letztere mit Toscana vereinigt 
wurde. Mit Manifest vom 24. December kündigte Karl Ludwig 
seinen neuen Unterthanen seine Besitzergreifung an und yer* 
hiess ihnen ein mildes väterlich besorgtes Kegiment. Doeh es 
gab Leute, die sich etwas mehreres, ein anderes verlangten ; 
verdächtige Zusammenrottungen fanden statt, Losungsworte wie 
^Constitution', ,NatioDalgurde' worden laut. Die Regierung wandte 
sich nach Mailand um Hilfe. Radetzky sandte unter dem 
Vorwande eines Ehrengelettes für die Leiche der verstorbenen 
Kaiserin eine Escadron Sardinien -Husaren unter Rittmeister 
Liptay V. Böltshäza, was den Unruhestiftern solchen Reapect 
einflösste, dass fortan alles stille blieb. Der Leichnam Marie 
Louisens wurde übrigens erst einige Wochen später Uber den 
Po und die Alpen nach Wien geführt, um in der E^aisergrufi 
bei den Kapuzinern an der Seite ihres Sohnes, des Herzogs 
von Reichstodt; beigesetzt zu werden. 

Auch Franz V. von Modena gab sich in österreichischen 
Schutz, schloss am 24. December mit dem Kaiserstaate eine Militär- 
Convention' und nabin, als in seinem Herzogthume eine ernstere 
Störung der öffentlichen Ruhe drdite, zwd kaiseriiche Bataillons 
Franz Este und eine Escadron Husaren unter Christ CastelUz 
zur Verstärkung seiner einheimischen Truppenmadit in Empfang. 

* Gral Mcllorio hinterliess ein grosses Vormüpen, man sprach von zehn 
bis zwülf Mlllioiie» Tiiro. Kr hntto keine Kiuil'M', Ivibc wuHo der älteste 
Sohn seines Ni il 'u ('piiilu (jriov.'inni della »Som.i^^l i.i, iloi-li mit der Ver- 
pUichtuug seinem lebenden Urudor sowie uoeh aui diu Welt komtucudeu 
GeachwiBtem jfthrlich 8000 Lire anasiwshlen. Grosso Summen warea 
woblthätigen oder gemeiimUtsigen Zwecken gewidmet: 180.000 Idre dem 
grossen llü.spitiile, 100.000 Lire fUr den Au!>baii des Rtesenthores am 
Mailänder Domo. inO.OOO Lire dem Enbiachofo sttr UntentUtsttDg düif- 
tig'or Gei.stlirlHMi mni He.irotcii etc. 

' Vulu I iiat.; Nütimauu Kecuoil V If. 



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377 



Ganz venchied^ Ton dar Haltung dieeer beiden Fürsten 
war die des Orossherzogs von ToBcana, nieht nach seiner 
innersten MeinuDg und Willen^ sondern unter dem Druck der 
ihn lähmenden Einflüsse von aussen. Die ,Veri Itaiiani' in 
Florenz, die für den ,Degen von Italien' sehwürmten', and die 
heftigen liyomeser gaben den Ton an, dem sich die Minister 
Leopold's itigten. In der Nacht zum 3. September traf eine 
Deputation der toscanischen Hafenstadt in Florena ein und 
erschien alsbald tot dem Ifinister Cempini, den sie, falls 
nicht allsogleich die Bürgerwache, guardia civica, bewilligt 
wttrde, mit der Geßihr eines Aufstandes in Livomo derart 
schreckte, dass er steh ohne Verzug zum Grossherzog begab, 
bei welchem Commandeur Marchese Oosimo Ridolfi und General 
Graf Luigi Serristori, Gouverneur von Pisa, im gleichen Sinne 
wirkten. Am 4, erschien ein Motuproprio Leopold IL, welches 
die verlangte Gewährung aussprach, nicht blos fUr Livorno, 
Bondern für das ganze Grossherzogthum. Zwei Tage .später 
eilte G. Montanelli mit einer Pisaner Deputation naoli Livomo, 
wo er von den Vorstuten des Sc-liHUspielhauses auf ofiV-iu'in 
Platze eiiu" Ucdc liiell. unter deui domierndcn Bcifiillc der von 
der Neui^^keit dieses Vorganges überraschten und liiii;z:cri.ssi'neu 
Menge. Fcstlichkeiteu iu Florenz, in Livorno und anderen 
Stüdteu feierten ein Ereignis, zu welchem der Giossherzog 
freundliche Miene machen musste. ,Leo[)old IL ist nicht mehr 
Herr in seinem Lande', diese kurzen Worte, die ein Buron 
MUnehingea aus Pisa im Kuvembcr 1847 an den Freiherm 
v. Oechsner in Venedig schrieb^, bezeichneten g-anz die Lage, 
in der sich das Grossherzogthum l)etand, Schon war das 
österreiclnsche Schwarzgold aus den Pinil)lemen Leopold'« ver- 
schwunden, es musbte den Landesfarben Wei^s und Roth weichen, 
denen sieh bald das Grün beigescUtei und so war die italienische 
Tricolorc an ihrem Platze.' 

Ohne Zweifel waren es diese unleidlichen Verhältnisse, 
welche d«'n (isterreichischen StaHtsknnzler bewogen, seinen fiir 
die Hüte von Toscana und Modeua accreditirten Gesandten 



* ,. . . i-rm iiitenti favoreyoli alla dominA»ione di cwta di Savoia'; Arch. 

trienn. I xxiTf. 
> Iiitercept; Polizei Arcliiv 1$47 Faüc. 13262 Nr. 14151. 
» Baynnl .le Volo I 214. 

Archiv. XCi. itoti4. II Hälft«. 25 



378 



Baron Philipp Neumann zu beauftragen, aeinen AmtSBits von 
Florens nach Modena au übertragen. 

XIV. 

Am 14. November 1847 erging an Erzhersog Rainer ein 
kAiaerliches Handschreiben, das vorläufig noch geheim gehalten 
werden sollte, welches die Landesbehdrden ermächtigte, dafem 
sie es f&r angezeigt fUndeii; ^egen Hochverrath, Störung der 
öffentlichen Ruhe und Ordnung, Aul»tand und Aufinhr das 
Standrecht zu verkünden und in aller Strenge walten zu lassen.^ 
Der General-Polizei-Director änderte das System des nächtlichen 
Wac^edienstes, indem statt der Aufstellung einzelner Polizei« 
Soldaten, die so oft Angriffe erftihren, künftig bewaffnete Pa^ 
trouiUen, sogenannte Plantons, die Strassen der Stadt durch- 
streifen sollten. Bedenkliche Ausländer, wie der päpstliche 
Unterthan Pescantini, der Neapolitaner Harchese Ricciardi, 
Sohn des verstorbenen Conte di CSamaldoti, wurden auagewiesen. 
In domo wurde von der Provineial-Delegatton das öffentUehe 
Tragen der Pius-Medaille verboten. Doch es sollte nii^nds 
Ruhe werden! In Verona wurde der ,lfalvivenf Stefano 
Bevilacqua aus Sanguinctto, der sich Schmähungen gegen 
die Person des Kaisers erlaubt hatte, eingezogen und wegen 
öffentlicher Ruhestörung an das Criminal-Tribunal abgeliefert 
Hier und in anderen Suidten waren alle Strassenwlinde voll 
Evviva Pio IX, Crepa Ferdinand©. In Padua kamen dazu 
Schiniilumgen der todten Maria Louise, über welche die 
schmutzigsten Dinge geschrieben wurden. 

Die Venediger Polizei glaubte im Herbst 1847 einer .ge- 
iieimen Verbindung zu einem sclir bedenklichen Zweeke' auf 
die Spur gekommen zu seiu, an deren Spitze ein Paveser 
Student Enrico Gallard i stand, Sohn des venetiuni^elu ii Appel- 
lationsrathcs Francesco Gallard i lllvolta. Enrico's Ziel war, 
im Vereine mit Studenten von Bologna, Pisa, Turin ein ,Gior- 
nalc Universitario^ zur Förderung der italienischen Freiheits- 
und Unuliliiingigkeitsideen zu gründen. In Mailand legte man 
aul die Sache kein grosses Gewicht. Torresani sah in den 
angeblichen Verschworenen nichts als Junge Leute von roman- 



* Pülisiei-Arcbiv 1848 Fa*c. 236 Beilage zu Nr. 664. 



379 



hafter Eixaltation^ die sor Realiainmg Oures V<»liabdn8 noch 
keine fiustischen Schritte gethan haben, und daau wohl auch 
ans Mangel an Mitteln kaum gelangen werden'. In der That 
verlief die ganse Geschichte in Sand^ wosu der alte Gallardi, 
den der Briefwecluiel seines Sohnes mit unbekaimten Personen 
seit längerer Zeit mit grosser Unmhe erfilUte^ wohl am meisten 
beigetragen haben mochte.^ 

Allein den Heizern war es darum zu thun, die Bevölkerung 
ebensowenig als die Behörden zur Ruhe kommen zu lassen. An 
KirchcnwHnden, an den Mauern öffentlicher Gebäude, selbst an 
Privathilusem fanden sich Aufschriften, Abbildungen, Aufrufe 
der aufreizendsten Art, wobei besonders mit dem Namen des 
Papstes Misbrauch getrieben wurde. Das Sln^'cn der Pius- 
Hymne, das Hochrufen auf Pio Nono, auf lUvJieii, wechselte mit 
Verwüiiscliun^'cn , Nieder mit (_)estcrrcieh. mit Deutsehon, 
mit tler Polizei', und stürtc ilurcli wildes Selirtneu und Lannen 
die i\uhe der Nacht. Aber darauf bcbchrünkten si(di die 
regicrunL,'sf"eiiidlichen KuudgcbuJigeu nicht. Wenn die Polizei 
in die Wohnung der Schauspielerin Fanny Sadoski di:i:i-, 
um ihr zwei im Theater zugeworfene mit dreit'arbijj^en Bän^l rii 
geschmückte BlumcnstriiubSü abzunehmen, so war nicht enimal 
der Cercle der Vieekönigin vor ähnlichen Demonstrationen 
sicher, wo eines Aljcnds die eben von Rom zurückgekehrte 
Contessa von Castelbarco daö in Hrülantcu gcfasste Bildnis 
von Pio IX. in einer Busennadel zur Schau brachte. Porträts 
des Papstes waren in allen Grössen und t'ormen zu haben, 
auf allen möglichen Stoffen und Gof^enständen angcluaeht, in 
Lauseudcu und tausenden von Exemplaren in allen V'crkaufs- 
läden zu erhandeln. In den Kreisen der mittleren Gesellschaft 
war die Fernhaltung des (Jivils vom Militär vollständig; kein 
Fräulein konnte es wagen, mit einem österreichisehen ( )ftieier 
zu tanzen; die vom Militär besuchten Kaffeehäuser wurden von 



* Schlusslx riclit T o r rc sa n i' s und Call's vom 1. Novomt»or und IG. Do- 
cember; Poliztsi-Arcliiv 1«47 F«i»c l.S2fi2 Nr. 15r>0M JlmI.'ih der «ich zu 
Beipun des Studienjahres um eino AutcnthaltskArte iti Pavia oieldeudea 
Stadentea giibder diriglninde P4dixei-Ober-Gommii«Sr Abts Zilie? Edler 
Tenbendorf die Titerliebe Hahnang, web von allen poUtiseben De- 
monstrationen zu onthalten, die piomonteBieebe (troiize bei Gravellone 
zu meiden, widri^^onfiüls sie Auwehlienung ron den Studien trilfe; vgl, 
Arcb. trienn. I 169. 

86» 



380 



den EinheimischeD gemieden. Für den Ersherzog-VicekOnig 
zeigte man noch gewisse Rücksichten, um desto sehonnngsloaer 
dessen Umgebung su behandeln, Graf Spanr galt als Null, 
der von der ganzen Welt nichts wisse. Gegen Ficquelmont 
regnete es Spottverse und Pasqnille. 

Die Polizei fasste den Club ,dei Lions' ins Auge, von 
welchem diese ^plaamllsstgen Demonstrationen' ausgingen, konnte 
aber lange auf keine rechte Spur kommen. Dazwischen liefen 
die verschiedenartigsten Gerüchte umher, nur geeignet, die 
Äniregang der Gemttther au steigern. Bald sollte in Verona 
wegen Absingung der Pins-Hymne eine Balgerei zwischen Volk 
und Polizei stattgefunden und es dabei von beiden Seiten Todte 
und Verwundete abgesetzt haben, an welchem Gerede in allen 
Punkten nicht ein Wort richtig war.' Dann hiess es wieder: 
Oesterreich wolle die Lombardie an Rnssland für den Herzog 
von Leuchtenberg abtreten; Oesterreich sei in solcher Geld- 
verlegenheit, dass ihm nirgends eine Anleihe gelinge; man 
werde an ausserordentlichen Auflageu greifen; die Besoldungen 
der Beamten besteuern u. dgl. m. 

Da machten gegen Ende 1847 verschiedene ,Einladungen' 
in Mailand die Runde, denen mit Anbruch des nächsten Jahres 
entsprochen werden sollte: ,Invito ai giovani lombardi ad 
astencrsi dal fumare/ Jnvito ai milanesi ad astenersi dal teatro', 
ebenso, dal lotto'. Die Mitbürger Washington's, hiess es in einem 
dieser Aufrufe, hätten sich den Genuss des Thees versagt, um Eng- 
land den für diesen Artikel verlangten Zoll nicht zukommen zu 
lassen: ,AhiJKt sie nach, von licute an weiset den Tabak 
zurück! Wer wird zu Ix-fiaujitcn wagen, dieser Gebrauch sei 
ein Bedürfnis für die Italii'nerV Für ein \'olk, das sich erhebt, 
gibt es ein einziges walin s Ikdurlnis: sein Vaterland zu lieben 
und demselben zu helfen, so gut als es diesem nüthig und 
möglich ist/ Ein Opfer ähnlicher Ail inüsöc beim bevor- 
stehenden Auftreten der Fanny Elssler unweigerlieh gebracht 
werden: jUcbcrIasset euren Platz den Deutschen; nn'jgen sie, 
sü es iliucn gefallt, ihr auch in eurem Namen Beifall klatschen!' 
Angefügt war die Diuliuüg, <lie Namen derjenigen Ituliener die 
sich im Theater einfinden würden öffentlich bekannt zu 



• Oesterr. IJeobachter 1848 Nr. T vnni 1. .Taimnr S. 4 gegen einen Artikel 
der Gaxxetta priv. di Lucc« vom 17. D&ceiuber 1S47. 



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381 



luaciion.' Mit (lor Kriof^serklärung gegen die Cigarren war es 
scheiubar — un 1 wie es auch wohl von Vertr<^tcrn der Partei 
vorgeschützt wurdu — auf eine Schädigung der üstcrreieliischen 
Finanzen abgesehen. Allein der eigentliche Zweck wur ein 
an dort! r. Der Beginn der Action war für den Eintritt des 
neuen Jahres augesetzt, und dabei sollte es sich zeigen, wie 
weit die ausgegebene Parole ihre Wirkung äussern werde; mit 
anderen Worten: die Führer Avolltcn eine Probe machen, auf 
wolchc Krilftc sie würden /iililru können, falls es zu einem ernsten 
Zusamnienstoss, zur Vorbereitung eines Sehluges im grossen kUme. 

Eine Festlichkeit besonderer Art, für deren Inscenirung 
eine OoUecte eingeleitet wurde, war für den letzten Jahrestag 
geplant: es sollte in der Pfarrkirche S. Eustorgio ein Dankanit 
,a l)io ottinto massimo' abgehalten werden, worüber Torresani 
sarkastisch bemerkte: statt des D werde wohl ein P gemeint 
sein. Die Mef?se fand nneli dem Progranjme am Sylvesterta^'e 
statt; es ging (IiIm i m aller Hube un<l Ordnung zu, ohne iricend 
welche politiseiie Demonstration. ( i leieli wohl Hess die Polizei 
bei Aehille Bussi und Carlo Sean/i.ini, beide in Verwendung 
bei der Giunta des Censimento, Haussuchung halten, wobei 
allerhand verdächtige Dingti zum Vorschein kamen, eine IMus- 
Piiste, zu der mit Bleistift geselirielten war ,via gli stranieri*, 
bei Scanziani Aufsätze revoluiionären Inhalts. Scauziaui als 
der getUhrlichere wurde eingezogen. 



* war eine iiiiuliche Autiou, vviu mau nieli uaehduriiHiui üriiinurtu, schon 
im Jahre 1751 und noch allgemeiner «ad intenaiver im Jahre 1766 iu 
Scene gesetst worden. . . Ueher die Genesis des Tabakstrikea im Jahre 
1847/8 sind die Mailänder Schriftgelehrten nicht einig. Während die 

pincn bclirtn|iten, «lio Saclio hahe ?irh von selbst frf^marlif, ohne djws 
inau einoM oi^^eiitliclion IJrlitbor uiizageben wUssto ,is|)ira5',ione c!in 
aac4^ue in mente di moltt a uti tratto'; Arcb. trieuu. 1 will üttulini 
RiToL Lembudn 86f. wissen, der Ptofisssor der Physik Oiov. Cantoni 
habe im Ca£F£ del Daemo den lietreffenden Aufmf dem Dr. Pietro Se- 
condi in die Feder dictirt und Dr. Alberico Gerli habe vich erlioten 
den Aufmf zu verbreiten. (Zu bemerken wHre übripenx, da.tH ein Professor 
Giov. Cantoni nirpendn zn finden i«t, wohl nhcr im Staats i-^i li. iifafHnmj 
1848 ein MatteuCaiituni, Professor am Convict-Gymnat>ium Calclii- l aeggi) . . . 
,Die Bestimmung gegen das Cigarronrancheu', versicherte ein üsterreidiiucher 
OlAcier, ,war so allgemein bekannt, wie es nur eine gesetoliehe Bestimmung 
der Regiemog sein kann, der Gehorsam Ton den Eingebomen erzwungen, 
knn es Ist oiganisirt, man erlisst Anordnungen und findet Gehorsam.* 



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382 



Wie sah es in dieser ganzen Zeit im Lager Radetasky'fi 
aus? Wie fasste man in unserer italienischen Armee das auf, 

was i iii<^.s um sie herum, im eigenen Staatsgebiete und jenseits 
dessen siidHchcr und wcstlielier Grenze, vorging? Sprechende 
Zeugen für die in diesen Kreisen herrschenden Stimmungen 
sind zahliLiche Schreiben kaiserhcher Officiere und Militör- 
persuncn an den üeneralsta])s-HauiJluiann Grafen Iluyn, der 
durch mehrere Jahre in Italien gedient hatte, am Hofe des 
Erzherzogs Rainer gern gesehen war, die Neigunu und das 
besondere Vertrauen des alten Feldniarsehalls gcnoäs und jetzt 
beim Hofkriegsratlui in Wien verwendet wurde, bei dessen 
Generalstabschcf FML. Heinriili Ritter v. Hess er in ausge- 
sprochener Gunst stand. Kein Wundt i , ila.-5,> ui Itahen dienende 
Ofiiciere es fllr gut fanden, ihn üljer alle wichtigeren Vorgänge 
in Kenntnis zu erhalten, da sie uiissten, dass er durch seine 
Stellung im Bureau, aber auch dureli vieli'ache gesellschafdiche 
\'erlnn<liingrn am besten in der Lage sei bedeutungsvolle Nach- 
richten an den gehörigen Ort zu bringen. Zwei seiner lüluK- 
geren Correspündentcn geliörten dem General-t^uarlienueister- 
stabe an: Hauptmann Rudolf Rossbaciier in Mailand und 
Generalmajor Georg Menge wein in Verona; auch General 
d'Aspre in Padua wandle ssicli brieHich an ihn. 

Ans allen diesen Briefen spricht, wie kaum gesagt zu 
werden ])rau( lit, eine {V»rtwährcnde Kr)>itterung über die Vor- 
gänge, deren Zeugen die Oftioiere tiigiich sein mussten. sowie 
die brennende Ungeduld Verbreitung zu üben, was ihnen aber 
der klusro Maisi liall nielit uestatten wollte. Was in Rom und 
in Florenz vor sich ging, erfüllte sie mit tiefer Kntrüstung. aber 
zugleich mit gerechter Besorgnis über die weitere Kntwirklung 
der Ereignisse. ,Tm Mittelpunkte von Italien,' selirieb ein ( »flicier 
der Garnison in Ferrara an iluyn, .sind die beiden mächtigsten 
Hebel der Revolution in voller Tiiiitigkeit: die Civiea und die 
freie Presse. Die unmittelbare Fnl;;i' eines solchen Standes der 
Dinge ist die, dass der i\Tittel})uiikt von Italien zngleieli i-in 
Centruni wird, in welelieni die KrvolutionHre na< Ii lieliebeii die 
Waden selnuieden können, mit denen sie den Krieg in die 
anderen Staaten der Flalbinsel zu bringen vermögen, und das 
keineswegs auf ungesetzlichem Wege, sondern in der aller- 
gesetzliehsten Weise, weil ob unter der Aegide des Hauptes 
der Chriäteuheit and eines österreichischen Erzherzogs geschieht. 



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383 



unter deren Schate sie Uite beissen Wttnache mit den pompösen 
Namen der Religion, der NttchBtenliebe und des Vaterlandes 
bemftnteln.^ 

Rädels ky selbst täuschte sich nicht über das was für 
die nftchsto Zukunft nicht ausbleiben könne. Noch im October 
hatte er militärisches Einschreiten in Rom und Toscana plant 
und war gar nicht zufrieden mit Fiequelmont, der im 8inue des 
Staatskanzlers von Interventionen, die nur Geld kosten und 
keine dauernden Folgen zurücklassen wUrdcn, nichts wissen wollte. 
Seither hatte der Feldmarscliall angesichts der bedenklichen 
Entwicklung, welche die Dinge im mittleren und oberen Italien 
und ganz besonders im picinontesischen Nachbarlande iiahnicu, 
seine Ansthauung ^^fäiulert und mehr auf Vertheidigung denn 
auf Angrirt" gerichtet. Als in dic-scr Zeit Eugen v. IMiilijjps- 
berg, k. k. Lcgationsrath in der Schweiz, nach Maihind kam 
— es war, wenn ich nicht irre, nach dem ir.iurigea Aii.-^gange 
des Sonderbundkrieges — , sagte ihm drr greise Maisehiill: 
,\V» nn es U^sgeht. kann ich mich hier nicht halten. Gelingt 
es mir hinnen drei Tagen eine Festung zu erreiclicn, dann 
iäöst sich noch etwas machen, gelingt dies nicht, dann ist alles 
verloren.* 

XV. 

Am 1. .Januar 1.S4S erhielt der kaiserh'eho Delegat Hellati 
statt der Aufwartung der Municipal-Congregation, die er sonst 
alljährlich zu empfangen pflejrte', als Neujahrsgruss einen unge- 
heuren Kuchen zugesandt, in dessen Mitte, als man ihn auf- 
schnitt, sich ein kleiner Coramisslaib mit einem Zettel befand, 
der den Gubernialrath als Mann der Regierung dem öffentlichen 
Hohne und der Verachtung preisgab. Der Tag war übrigens 
kalt und regnerisch, kein Wetter für rauflustige Kundgebungen. 
Man sah nur wenig Leute auf den Strassen und unter diesen 
nicht viel Haucher, die eben der ,lega antifumistica* nicht an* 
gehörton und darum allerhand Belästigungen erfuhren. Es 

' üLa war äitte, daas die Municipul-Cungregatiuii .im NeujahniUijjä dum 
Pruvinxüil-DelegateD ihre Aufwartung machte; Uiosiuai wurde oa in 
Mailand untorlaMea» weil bebaaptet wurde, Guberalalrath Bellati habe 
•eine Untenebrift anr Naaaari-Vorstoltiinf der Provinsial-Delegation Ter* 
uüi<:ort; :iU einige Tage darauf Aufklärungon kamen, wurde die Nen- 
jabraaofwartanf nacbgebolt; C. Casati 11 49 



384 



waren wofal einige aufi den besseren Classcn, die den Raachem 
zaricfen: ,Via col eigaro se siete paüuota/ wogegen auch Gegen- 
rufe: ,Viva il fomo' vemommen wurden. Gröestenthefls aber 
waren es Hänfen jenes annseligen Air einen Ccntesinio zu 
jedem Unfug bereiten Gesindels — in Muland barnbba genannt 
— verwahrloste Jungen, die sonst über jeden wt ggoworfencn 
Cigarrenstunipf hcHicleu, um ihn als gute Prise einzustecken, 
die aber jetzt du'. liaucher uüt dem Geschrei luori, fuori (die 
Cigarrcn ntliulicli) uins«*h wärmton und dazwischen oiirenzcr- 
reissende Pfiffe ertönen liessen. Fügte sicli der llauclu-r dtnn 
Gebote und warf den Glimmziitzel weg, so ertönte liölmisclics 
Jubelgeselirei. ,Ali clie impudenza!' hörte luaii Leute von 
besserer (iesinnung zu dieser blöden Demonstration sagen, lie- 
sonders auf die Soldaten schien es der l'uck, oH'enbar hölicren 
Weisungen folgend, abgesehen zu haben, die sich aluir, na- 
mentlich IJnterofHeiere, uichl ihiiaii kehrtt;u, aundern gcmüthlich 
dampfend den Corso Francesco auf und ab spazierten und sich 
von dem Lumpenpack undieuKu und unplcifm Hessen. Von 
(ieiiii h.iiiptmann (trafen (iiistav Neipperg wurde erzählt, d. h. 
von dir luuulcLucKli|^cn rartri iluii als , Herausforderung' zur 
Last g«;schriel)en, dass er luil der (laiii|)t"< lui.-n Cigarre im Mumie 
über eine Stunde vor der Scala auf uiul ab s}»azicrt sei.* Im 
(ianzen kam an diesem Tage incht viel lu-raus; hie uiul da 
gab es eine kleine ßalgerei, setzte es eine Ohrf«'ige ab. Auch 
von Messerstichen wollte man wissen, was joducU leeres (Jerede 
gewesi'u sein dürfte. Am Abend fand sich an mehittrcn von 
nicltl- italienischen Truppen belegten Kasernen ein von den 
gcjueinsten Schmähungen gegen das Militär, ilie Uegicruug, die 
Tüdeschi erfrditer Neujahrswunsch ari^i klebt. 

Anders •stalteten sieh «lie Dmge am 2., ciutiu Si>iintag, 
der bei sciiönstem W eiter viele Spaziergänger ins Frei«- hu kte, 
so dass man sieh auf den beliebteren Curai kaum fortbewegen 
konnte. Es gab abermals einige Raucher, besonder> SoMaten, 
die sich bald vnn Lünten verfolgt unvl uiiirini::! sahen. Die 
(Jiviliäteu wurden gezwungen ihre Uigurreu wegzuwerfen, wobei 

* ,A. A. Ztg.' 1846 Nr. 7 vom 7, Januar S. lUO: Mailand S. Januar abend»; 
Nr. 8 vom 8. & 116; Mailand 3. Janimr. VfrUCenni bioj^. 8. 8, 10. 
Wenn e« daselbst heiMt: ,era una dinoetrastone <V ü.stiliti\ al Govonio, 
ma affatto pnciüca*, aiiHfvenominou etwa ,<iua1clie opi.soiUo fira famatori e 
)ioti-fumatori'| ao i»t damit im Kaphemi«mus riel geleistet. 



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385 



es niolit ohnf maiu'lie OewalttliätijEjkeit ablief; jEreiren das MiliUir 
beselu .uiktL' man sit-li zumeist auf IMKIV; und Uclieul. Auch 
.sonst crf'ulir die (Jai-nison AutVei/.uuL u luanchorlei Art, ua- 
uieulÜcii bei der liauptwache, wo die Mcn^c immer zudrinp- 
lieher wurde, so duss mau auürückcn und die Leute zurück- 
treiben lassen mubäte. Am Uorso OricnLale, der volIjL^cpfropft 
war, aut der Corsia de'Servi jjal» es förmliches Hand «reinen j^e. 
I^ieutenant Friedrieh Mathes von Kaiser lnlantej i« wuid*- dureh 
einen mit einem Bieiknoi»! versehenen »Stuek derart über den 
Kupf j^eselilagcn, das« er hewusstlos niederstürzte. Jetzt dureh- 
zo^en Streifwaehen von Iniuntci ie und Folizeimann.sehaft^ kleine 
Abtheilang«m von Dragonern und beiittejien Uendarmen die 
Strassen, was die Erbitterung und in d<ui beleliteren Studt- 
theilen das (Jewirrt* vermelirto; wo es W iderstand gab. wurde 
von der ttaelieu Klingt^ (Jebraueli gemaclit, was gleieliwold 
einige Verwundungen zur Folge hatte. Mehrere der ärgsten 
Schreier wurden veriiai'lct. 

Nach den Vorgiingen v(un gestrigen Tag<^ mu.ssten s»ieh 
die IJelKirden auf eine W'iederilolung derselben gelasst machen. 
Grat ('asati, der den I'alast Toldi Pt^/zoli bewohnte, hatte den 
MiinieipalseeretÜr Guglielmo Silv.i /.u Tische gohiden und 
niaelite sieh mit diesem, als gegen naelmiittags bedenklielic 
Meldungen einliefen, auf den W ej^ über lUe Corsia del (Jiardino 
in die Contrada di S. Marglu rita. Als sie vi>n letzterer auf 
die Piazza de' Mercanti einbiegen wollten, kam ihnen der iMar- 
ehese Anselino (iuericri entgegen, der ihnen mittheille. auf 
der C^'orsia de' .Servi selieino es losgehen zu wollen. Kben war 
dort eine Militärpatrouille heraufmarsehirt, der ein Kudcl (tc- 
sindci mit liöhnenden Hufen und I^fiffen folgte. So kam nnni 
bis zu dem hohen Thorweg, dureh welchen damals — heute 
besteht er nicht mehr — die Piazza de' Mercanti in den Dom- 
piatz mündete. Iiier stand ein Dragonerposten, welcher den 
Leuten den Eingang verwehrte. Jetzt machte die Patrouiiio 
unversehens Front und hielt der Menge die Bajonette entgegen. 
Casati mit dem Municipalsecretär Silva befand sich zur Stelle 
und w.imite sich an den Polizei-Commissär Gaiimberti mit 
der Bitte, liuhe und Ueberlegung walten zu lassen. Da die 
Leute keine Miene machten weichen zu wölb tu rlickte jetzt 
die Patrouille rasch vor, was Flucht und kreischendes Gcdrilnge 
zur Folge hatte. ^Ferma, ferma/ rief Casati den Soldaten nach> 



386 



^non fate male a nesBuno!' und stänste in Beinern wohlgemeinten 
Eifer der Truppe selbst nach, am sie aufsahalten, Jetat wenden 
sich die Soldaten gegen ihn, er wird, nicht ohne Hiebe and 
Püffe, gepackt, wobei er Bich yergebens auf seine EigcDschaft 
als Podestk beruft, bis der Polisei-CommissKr daawtschen tritt 
und ihn auffordert, ihn in den Polizeipalast Stm. Margherita au 
begleiten. Silva eilt in die Scala, wo er einige der Munieipal- 
AssesBoren su finden hofft; aber nicht blos diese, sondern ein 
grosser Theil des Publieums verlassen das Schauspielhaus und 
alles strömt nach dem Poliseipalaat, den mittlerweile Casati 
bereits verlassen hatte, um sich heim Gouverneur über die ihm 
widerfahrene Behandlang zu beschweren. Kr trifft ihn in der 
Nähe von 8. Babila fahrend, hält die Kutsche an, es entspinnt 
sich ein kleiner hitziger Wortwechsel, zuletzt kehren beide 
nach Sta. Margarita zurück, wo die aus der Seala herbeigeeilten 
Assessoren ihren Chef begrüssen und sich zu Haren Torresani 
verfugen, der den Zwiselientall als ein , bedauerliches Misver- 
stäuduiä' cutächuldiirt haben wollte. 

Die Hetze auf der Suussl' war noch lange uielit beondct, 
es fanden vli K; Vorhaftungen statt, darunter mancher ganz ruhigen 
Leute, die am dritten Tage auf Befehl des Vic<'köniiris troi^^o 
lassen werden mussteu. Erst gegen 11 Uhr nachts war allge- 
meine Ruhe. 

* * 

* 

Vor dorn .laliro 1M48 war os in Stildten ])()lizoilio}i untoi-- 
sai^'t auf der Strasso zu rauchen; in manchen Hauptorton, z. H. 
in Prag, wurde das Verbot zionilich streng gehandhabt. In den 
italienischen Stildten aber, naiuentlicli in Mailand, war diese 
MassrofTPl wohl um der sieh mehr im Freien bowogondon 
Lebensführung willen — längst ausser Uebung gekommen, wo 
nicht ausdrücklich zurückgenommen worden. Aber selbst wenn 
letzteres nicht stattgefunden hätte, war der Pöbel von Mailand 
oder vielmehr waren diejenigen, von denen er gleich einer 
(»liederpuppe an unsichtbaren Fäden geleitet wurde, berufen 
die Handhabung dieses überlebten Verbotes aufzufrischen, 
dessen Befolgung zu erzwingen?^ Doch, es war ja von der 

* ,Icli darf ilbrigoiiH als hohen Orto:^ bekannt TonmsKetzen, dass das Verbot 
tiffenUicben Uauchen« bierlands ealwedw gar nidit bestand, oder, wenn 



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387 



geheimen Macht auch verboten die Scala zu besuchen, wenu 
die ,(lcut.si lic'> Tänzerin Elssler aufträte, was doch mit einer einst 

grltt'iidcii, tiuitlicr vergessenen PoHzeiinassregel nichts zu schaffen 
huitcl Ks war ju den Mailiiiidci n auch untersagt in die Lotterie 
zu sL'tzcn, und da.s vuii dci* Partei kciiu^.swefjs verhehlte Motiv 
datiir, sowie für die l.utiiaUung V(jiii Uauelieii. ein ^^eradezu 
revolutionäres, weil es die Schädii^ung der l''iiiauzkrat"t des 
Staates zum Ziele hatte.' Dürfte eine liefrieruni^^ der Welt, 
ohne ihre Selbslalidankunfr zu bekunden, sieh etwas derartiges 
bieten lassen? Sollten, dtirlten der Oflicier, der Soldat einer 
ilmen lieb gewordenen uucl aliläLjlielien Gewolmlieit entsagen, 
weil das juni;(' ItaHcn dieselbe in Verruf erklärte V 

Für den o. .lanuar wiirdt ii umfassende Vorsichtsniaösregeln 
getroffen, die W'aehtposleii iu den Kasernen verdoppelt; Pa- 
trouillen, nicht unter einem Zuge Infanterie oder etli<'lien Mann 
zu Pferde, durchstreiften die Strassen.* Vom General l'olizei- 
Directur Tori esani erschien eine Kundmachung, worin an die 
gestrigen Vorfälle erinnert — ,meuierisehc Individuen wagten 
es ruhige Personen öffentlich zu beseliimpfon, am Tabakrauchen 
zu hindern, sogar rotteuweise vorübergehenden Iwiueln'rn Gewalt 
anzutliun" — und die ernste Mahnung angefügt wurde, die 
Poliz« !waelic werde im Falle einer Erneuerung dieses Unfugs 
,vollstan(lig bewaffnet* einschreiten, jede Zusammenrottung aus- 
einandertreiben, bewaffnetem. Widerstande mit aller Strenge 
entgegentreten,' 

Trotz dieser Mahnung hatte die Physiognomie von Mailand 
am heutigen Tage ein noeh viel aufgereizteres Aussehen als 
am gestrigen, da auch viel Volk vom Laude in die Stadt ge- 



66 j» bestand, durch Inni^iähi iiro Uebung' fränzÜch .nn^sor Wirknnp zusetzt 
wurde and dass der düruiüligo Moinoiit wohl auch nicht gceigu«jt wäre, 
solches oiuKufUhreu'i Spaur an Sedliützky Mailand 3. J;iDuar, Pulbei- 
Arehiy 1848 Faao. 28fi Nr. 286. 

^ Archiv, triann. I Kr. 118, 119, p. 156 f. S. auch p. 169—161 eineii Auszug 
ans der ,Concordia' TOin Januar IH48, wo ansgereehnüt war, dass die 
.')«tr!rreich)««('lien Finanzen unr nllein aus der Lonibardio einen Reiii;r<'wiun 
.Uli T.-il).-ik von 4,386.7^6, aui Lntto von 1,742.199 Lire besügen, der ihnen 
also von jutzt an entgehen würde. 

* Der Tagesbefehl Wallmoden*« in ,Del Gey. anstr.* 8. 144. 

' Mituntersceiehnet vom PoIiseiiecretSr Franz Wagner; Oeslerreichiseher 
Beobacfater 1848 Nr. 9 vom 9. Januar S. 36 nach der Gaszeita di Milane 
▼om 7. Januar, s. anoh Ottolini S. 88f. 



L.icjui^L.ü cy Google 



388 



strömt war. Die Kundrauchungen der Polizei wui*den herab- 

gcrisscii und der Spectakel jcjing schon um die Mitta^stunde 
los, besonders am Corso Kraiucsco, der wie f^cstern übtM-füllt 
war. .\neh waren es lieute iiielir Personen au.s den besseren 
Ständen, ilic bich das Anselieii ^aben iu uinur autoritativen 
Weise einzuschreiten, wälircnd üieii der Pöbel aufsä Lärmen, 
aufs Höhnen, Pfeifen verleg^te; es feiilten nicht Steinwürfe und 
Misliaiidhuii^cn, was verschärftes Einschreiten der Polizei nach 
sicli AOfn;. Eines der Häupter <b'r .Lions*, Marchese Villau!, der 
an der Spil/.c mehrerer (lennsüen das Hauchen .im Namen des 
Volkswillens* verbieten wollte, wurde, wälnt iid seine Begleiter 
das Weite suchton, eri^riffen und in Haft gebracht. 

In d<'ii Naeliinittatj:slunden, ,nach dem Befehl*, iitfncten 
sich die Kasernen, und luin zeigten sich auffallend viele Unter- 
oftieiorf auf den Strassen, schöne kräftige Gestalten, die nicht 
darnach aussahen, Angriffe unerwidert /u lassen. In Truj)ps 
von zehn bis zwölf .Mann, manche in jedem Munciwinkel eine 
CiL:arrc, dampften sie in vollen Zügen, bliesen denen, in deren 
Mienen sie etwas wie Holin oder eine Herausforderung zu er- 
blicken nu>int("n. den Dampf ins (»esiclit und zogen, wenn 
Zudringliche sie aufhalten wölken, oiuie weiters vom Leder. 
Ein Trupp Unterofticicrc drang in das CafF«'» Gnocchi, das sich 
rascli von seinen Gästen leerte, an oWei »■mzehn' Möbel, Lampen, 
Spiegel in Triimmer gingen; ähidieiies geschah in deti (\itb's 
deir Euroj)a und Carlo, im CatlV; Martini gegenüber der Scala, 
dem Hatij)t.sitze der Linns. Mittlerweile war Militär aufgeboten 
worden, dessen Patrouillen die Strassen zu säubern suchten, 
was ohne Gesclirei, argi s (Jedriini^e und manche Unglticksfälle 
nicht abliel'. Einen der llnseiiuidigsten, den k. k. Ap])cllations- 
rath Don Carlo Manganini, einen treuen Diener der Regierung, 
traf, da er sich in die tralleria Cristoforis flfk'liten wollte, 
ein Säbelhieb über den Kopf, 80 dass er blutend vom Platze 
getragen werden musste. 

(\asati befand sich in seiner Wohnung, sein ßruder Camillo 
und Graf Gius. Belgiojoso waren bei ihm, als Luigi de Cristo- 
foris hereingestürzt kam und ihm erzählte, was er soeben er- 
fahren. Casati lässt einspannen und ladet die Herren ein sich 
mit ihm in den Palazzo Marino zu dem Grafen Eicquelmont zu 
begeben; als si(^ schon im Wagen Platz genommen, erscheint einer 
der Lions, der sie in ihrem Vorhaben bestärkt und sodann iu 



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389 



seinen CSlub eilt, um die dort Anwesenden aolzufordern sieh anzn- 
sohlieBBen; Carlo d' Adda, Giullni, Beaana, Prinetti, mehrere 
der Mnnidpal-ABBeflBOTen folgen der Einladung, Bei Ficqnel- 
mont finden sie den Grafen Spaur; beide folgen dem Vor- 
schlage Casaii's sieh insgesaanmt zum Feldmarschall zu ver- 
f^en, der sich eben nach dem Diner zurttckgeaogen hatte, 
indessen bald erschien. Der greise Marschall empfing die 
Hailimder Herren ziemlich barsch, worauf Casati in gereiztem 
Tone erwiderte. Fiequefanont und Spaur suchten nach beiden 
Seiten zu beschwichtigen. Radetzky wurde ruhiger und sagte 
dem Fodesth) dass er Befehl gegeben habe, die Truppen in 
die Kasernen zurückzuziehen, wo er sie einige Tage consignirt 
halten werde; die Stadtgemeinde möge nun ihrerseits dafUr 
sorgen, dass Ton der Bevölkerung keine neuerlichen Heraus* 
fordemngen ausgingen. Ficquehnont beschwichtigte Oasati: 
,Wa8 vorgefallen, ist eine bedauerliche Sache, es wird nicht 
wieder kommen.' Auch Spaur sprach vera^thnÜche Worte, als 
Obrist €h'af Festetics eintrat und dem Feldmarschall die 
Meldung erstattete, dass sein Befehl ausgeführt und die Truppen 
znr&ckgezogen seien. ,Mettiamo una pietra su quello che avenne,' 
sagte Radetzky zu den Herren, indem er sie entliess. ^Dio lo 
voglia!' entgegnete Casati in einer so scharfen Weise, dass 
Spaur sich nicht enthalten konnte, dem Podestii zu bemerken: 
es scheine ihm das eine Wunde zu sein, die nicht so bald ver^ 
harschen werde — ,questa h una ferita che difficümente si 
cicatrizza'.^ 

Mitderweile war in der Stadt an die Stelle des frttheren 
wilden Treibens Todtenstille getreten. Die Strassen waren fast 
menschenleer, man sah kaum einen Civilisten, die Patrouilleu 
and Piquets des Militärs hatten nichts mehr zu ihan^ ausge- 
nommen auf der Piazza S. Äugt lu, wo die Arbeiter der Wagen- 
fabrik Sala mit den Soldaten der nahegelegenen Kaserne zu- 
sammengeriethen und sich zahlreiche, zum Theile sehr schwere 
Verwundungen holten.' Noch denselben Abend wurden ins 



C. Casati II Stf. Vgl Cenni Uofr. 8— IS, wo die Vorginge dor drei 
Tsgo mit einer bei einem Italieniiehen Ersihler bemerkenswerthen Ein-* 
fachheit tind innssvollen Rtthe geschildert tind. 

' Iii seiiiein Berichte vom fi. an Lonl Palmerstnn hczeichnet Generalconsul 
(ieorgt! linwkinii das Btinehmen der iSoMatcu als »wanton provocatiuii', 
gibt aber xii, die Herau«furderuug sei an diesem wie am Tage vorher 



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3d0 



grosse Spital 19, in ein anderes 4 Verwundete gebracht; mit 
denen, die bttusHcKe Pflege genoBsen, eonetatirte die ,Qa2zetta 
di Milano' vom 24. Januar 59 Verwundungen, deren vier den 
Tod Bur Folge hatten, darunter Mangan ini.^ 

In der Nacht yom 3. xum 4. wurde das Qehttude, wo der 
Club der Lions susammenkam, von Gendarmerie und Militär 
umsteUt, in Gkigenwart des aus dem Schlafe geweckten Präsi- 
denten alles Vorfindige mit Beschlag belegt oder in Empfang 
genommen, an die Räumlichkeiten selbst Siegel angel«^ Am 
4. erschien eine neuerliche Kundmachung der Polisei — unter- 
zeichnet von Torresani und Sccretär Wagner — und als 
Widerspiel davon eine jede Abrede und Absichtlichkeit der 
Bevölkerung leugnende ,Abmahnung' der Municipalität* 

Der Vicekdnig hätte gewünscht, dass auch die Geistlich- 
keit von der Ransel beruhigend auf die Oemtlther wirke; dem 
Ek^zbischof war, wie es heisst nicht ohne Vorwissen des Ers- 
herzogs, ein anonymes in den Brief-Sammelkasten geworfenes 
Schreiben zugekommen, das ihn aufforderte, in jenem Sinne 
seinen Clerus anzuweisen. Graf Romilli scheint jedoch auf 
diese Anregung nicht eingegangen zu sein; im Qegentheile, er 
erschien am 4. im viceköniglichen Palaste an der Spitze einer 
Deputation, darunter Pompoo Litta, Giulio Beccaria, Vitaliano 
Borromeo, Giorgio Giulini, Duca Visconti, um den S<^utz 



▼on der StnuaenmoDge ausgegangen, and bezeugt audrOddioli, von der 
Trappe «ei nicht gesehewen worden} dagegen ist mir gUiibwürdige 
Kande zugekommen, nu» einem Hanse nahe einem der 8tadtt)i<>rr s<Men 

zwei Schüsse gegen cinif^e SnM.iton frof.-illcn. dio ilnranf d.is H.nn^ 
«türmten, ohne die Menschen dab<'i zu schonen'. Das gegen 'He .i^ti r- 
reichiache Regierung iu der eutsciiiodensten Weise partoüsciu) Arch. 
trienn. I p. 191 >) bemerkt gleichwohl: ,Di quette fiicilate non n ndl 
mei perlare in Mllano.* 

* Dio anderen waron: der Koch des (»rafen Fiequelmont Julius Bernoy und 
die Schmiede Giov. Hei 1 o tti und Gins. Vn t i n I ; Poli/oi-An hi v 1 S 1'^ Fauc. 236 
Nr. 17(»6. Auffallend ist. tlnss bfii f. C.is.-iii, (h-r II i't'M. t,'lfi( lifalls 59 
»occini « feriti' mit Namen anführt, Helotti und Paciui nicht zu finden sind. 

' Wortlaut Arcb. trienn. I Nr. i43 S. &87: Animonlnione del municEpio di 
HiUno « cittadini. Vgl. C. Gnsnti U 456— 4ft7. Selbst Dnwliins 
n. n. O. faaA es lioherlich, die Welt glenben mnehen sn wollen, den 
Leuten sei es um nichts anderes zu thun gewesen, ,perchu venisse ose- 
pnita nna le«rsre, ora radttta per consuetndinf» in disuso, che vieta fumaro 
por le strado'. Wortlaut eines KrlassitK du.-« <iral«n Spaur au die Muuici- 
palität vom selben Tage a. Casati II ä. 449 f. 



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391 



des VieekOnigs gegen die Maseregehi der Polisei ansnrnfen. 
Der achtzigjährige Arciprete Gaäftano Oppiaioni, Bruder des 
Bologneser CSardinab, sprach bei dieser Qelegenheit ktthne 
Worte*^, die, sobald sie in der Stadt bekannt worden, lanten 
Wiederhall fanden. Jeh schftme mich', rief Borromeo, indem 
er anf das goldene Vliess hinwies, das ihm der Kaiser jüngst 
▼erliehen hattCi ,diesen Orden an tragen, der nun mit Blut be- 
sudelt Ist' Graf Casati richtete an der Spitze der Mailänder 
MnnieipalitKt ein Schreiben an den Grafen Spaur, worin er sich 
auf das bitterste gegen die ▼orge&lienen Gewaltthaten beklagte.* 
Selbst der Pkuvinsialdelegat machte bei seiner OberbehOrde 
Vorstellungen, ,colui', wie Bellati im Hinblick auf seine Haltung 
in der Angelegenheit Nazsari's und den Unwillen, den er dadurch 
auf sich geladen, selbst von sich sagte, ,che diventö infiftme per 
il SUD troppo attaccamento al govemo austriaco'. 

Wohl waren es diese venchiedenartigen Kundgebungen, 
die den Ersberzog veranlassten, am 6* eine warm gehaltene 
Ansprache an seine ,diletti milanesi' zu richten, denen er seine 
bedauernde Verwunderung ausdrückte, wie sich eine loyale 
Bevölkerung ,auf den Antrieb weniger Uebelwollenden' aus 
ihrer gewöhnlichen Haltung habe fortreissen lassen, was den 
Gang der wflnschenswerthen Reformen, welche die Allerhöchste 
Huld dem Lande zu gewähren im Begriffe sei, nur stören und 
aufhalten könne. ,Bleibet also ruhig,' so schloss der Vicekönig, 
,e non tarderete a conosoere oome la Sovrana benignitk sappia 
prowedere al pubblico bene'.' 

Doch nicht dem Erzherzog ftlr sein Wohlwoll»!, sondern 
dem Grafen Casati ftlr seine Haltung und bestandene Ge&br 
am 2. und 3. wurde der Dank der Bevölkerung zutheil: mehr 
als 5000 Karten — biglietti di congratulazione e ringraziainento 
— wurden in den folgenden Tagen in der Portierloge des 
Podesta von Mailand abgegeben. Eine Subscription zur An- 
fertigung seiner Btlste in Marmor zählte binnen kurzem mehr 
als 800 Namen, darunter jenen des Erzbiächofs und den Ales- 

* ,8ono vacchio, vifli fnneaii, tedeaehi, vmi, na nnor» non mi h mai 
arresuto di ewere tesliaioiiio dl «imili omri*; Ceani p. 18. 

* C, OaaaU II 446^448, and du Torangehende Schrmben Q. Ctoatr« an 

die ftliinicipalität, boido vom 3. .Tnnn.nr obond. 442— 44.'». 

* Arch. trionn. T nr. 14:') S. IHHf. l'roclama beuigno üel vicerö; deutsch, 
A- A. Ztg. nr. 9 vom 9. Januar 8. 133, 



d92 



sandro Manzoni's; Casati bat aber dankend von der ihm sn- 
gedachten Khrenbezeigung abzusehen. Auch von auBwärts 
kamen ihm Acte der Holdigang zn; so aus Rom eine Aner- 
kennungsadresse mit 424 Unterschriften, damnter Massimo 
d'Azeglio, Ciceruaccbio» Franc. dall'Ongaro, Cristina 
Triynlzio di Belgioioso. In Mailand selbst reichte eine 
Demonstration der andern die Hand. Am 6. Januar waren in 
dem Riesensaale der Scala nur vier Logen besetzt, nur nenn 
Sitze verkauft. Dag^^n am 9., einem Sonntag, zeigten sich 
nachmittags der Corso, abends das Theater UberftÜlt Fttr die 
zahllosen Kutschen wurde der Corso di Porta Romana, jetzt Corso 
Pio Nono, benutzt, jener der Porta Orientale und die Corsia 
de'Servi wegen des am 2. und 3. ,verg088enen Blutes' ge- 
mieden; der vom DomjJatz zur Porta Orientale führende Corso 
Francesco sollte jetzt Corso Scellerato heissen. In der Scala 
erschienen die Damen in tiefer Trauer, auf das StOck selbst 
wurde nicht geachtet, weder Beifalls- noch Misfallsbezeigungen 
waren zu vernehmen. 

Die Vorgänge in der lombardtschen Hauptstadt fanden 
allgemeine Theilnahme. Reichlich flössen von allen Seiten milde 
Gaben fUr die Familien der QeU^dteton oder Verwundeten ein, 
,per le innocenti vittime nei luttuosi fatti del 2 e del B gennaio'. 
In Mailand bildete sich ein Ausschuss von 52 Damen zur 
Sammlung von Beiträgen, die rasch zu einer httbschen Summe 
anwuchsen. Aus Vicenza gelangte an den Grafen Casati ein 
Schreiben des Podestit Gostantini mit 100 Kapoleons, aus 
Venedig ein Brief mit einem an die Firma Uboldi e Brunati 
lautenden Wechsel von 7972*15 (Isterr. Lire, welche zwei junge 
Damen binnen drei Tagen gt^sammelt hatten; Bergamo sandte 
6000 Lire, Verona blos 80, weil sich die PoUzei ins Mittel 
gelegt und das weitere Sammeln verboten hatte.' 

An Demonstrationen gegen die kaiserliche Regierung fehlte 
es selbst jenseits des Po nicht In Rom wurde ein Todtenamt 
fUr die Opfer der Mailander Ereignisse gehalten; die Bürger- 
wache marschirte auf, die Mitglieder des Steatsrathes, der 
sardinische Gesandte, die in der Stadt weilenden Lombarden 
wohnten bei, 10., 11. Januar. Der Bologneser Clertis über- 
reichte dem Cardinal- Legaten Carlo Oppizzoni eine Huldigungs- 



» Vgl C. Ca«Äti II 477—482. 



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393 



Adresse für den Freimnth, den sein firader dem Erzherzog' 
VieekOnig gegenüber bewiesen hatte.^ 

In Lombardo-Venetien wetteiferten alle Stildte in Kund- 
gebungen feindseligster Art gegen die Begiemng nnd deren 
Oigane. In Bergamo leerte sieb, als der in der Stadt comman- 
dirende Erzherzog Sigismund, dritter Sohn des Vicekönigs, 
in seiner Loge erschien, das ganze Haus, das sich, erst nach- 
dem der Prina das Theater Terlassen hatte, von neuem füllte. 
In Brescia machte das junge Italien' den Versuch sowohl das 
Rauch- ab des Lotto -Verbot durchzuführen; es gelang aber 
nicht, da die Behörden wachsam und mit Verhaftungen nicht 
sparsam waren; die SOhne des AdTOcaten Cocchi, des Ales- 
sandro Borgnani u. a. traf dieses Leos. Dafür rächte nch das 
Publicum an einem der folgenden Abende, als es im Zuschauer- 
räume des Theaters einige Husaren-Officiere gewahrte. ,Wer 
ein Italiener ist^ entferne sich yon hier — Chi h italiano esca 
di qua' ertOnte ein Buf ans doi oberen Bäumen oder aus einer 
Loge, und alsbald Terliessen fast alle Damen und auch viele 
von den Herren den Saal. 

In Pavia hatte es zu An&ng des Jahres einen Competenz- 
streit awkchen der Munieipal*Congregation nnd dem Mailänder 
Oubemium gegeben'; was jedoch kaum von Einfluss auf dasjenige 
war, was sich ein paar Tage später ereignete. Als am 7. Januar 
drei Kanonen vom Castellplatze nach der auf der Piazza S. Agata 
j^clegciien Hauptwaehe geschafft wurden, führte ein als Stänker 
bekannter Giovanni Bottini so aufreizende Reden, dass er 
verhaftet werden musste. Am 9. darauf kam es abends zu 
Reibungen zwischen Studenten und Polizisten. Von jener Seite 
wurde behauptet, Polizisten in bürgerlicher Kleidung hätten 
sich abends mit Cigarren im Munde unter den Hallen der 
Universität gezeigt und seien von Studenten aufmerksam ^'eiiiaeht 
worden, dass das nicht statlliiift sei; zur selben Zeit liiittcn 
sich OfHciere im Caffe della Fciiiee lierausforderiid hcnoiumen, 
indem sie den dort anwesenden Studenten den liauch unter 
die Nase ffebhisen hatten. Von der andern Seite wurde der 
licrgan;:^ viel «rlanhwürdiorer in ähnlicher Weise wie bei den 
Mailänder Vorgängen erzählt: rauchende Personen seien bedroht 



* Abprcdruckt bei C. Cnsati II 40 Anna., 4fiBf. 

• Arch. trienn. I 197— 201. 

Arebir. ZCI. Bud. IL HUtt*. 26 



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394 

und beschimpft, selbst gewaltsam angehalteD worden, woraus 
erst ein Wortwechsel entstanden, der, als Ton beiden Seiten 
Verstärkungen herbeikamen, in eine förmliche Balgerei ausge- 
artet sei. Nun durchliefen Männer aus den unteren Claasen 
mit Geschrei die Strassen und riefen die Leute aus den Kaffee- 
häusern und Schenken heraus, während aur Untersttltzung der 
Polisei unter Ftthrung eines Potiaei-Commissärs in Uniform eine 
Gendannerie<PatrouiUe mit einigen Dragonern erschien. HauS' 
thore und Verkaufsläden wurden in Eile geschlossen, einigen 
Steinwerfem antworteten die Soldaten mit flacher Waffe, wobei 
es mehrere Verwundungen, doch meistens leichte, absetate. Am 
andern Tage weigerten sich die Studenten die Hörsäle su 
besuchen, dafem ihn^i nicht Genugthuung verschafft würde; 
doch gelang CS den Bemühungen der Professoren die Aufregung 
zu beschwichtigen, so dass gegen Mittag, ohne poltseÜiohea 
Einschreiten, die Ruhe hergestellt war und die Vorlesungen 
ihren geordneten Gang wieder aufnehmen konnten.^ 

Der Widerwille gegen die ,deut8che^ Herrschaft fand 
selbst in einigen der einheimischen Bevölkerung entnommenen 
k. k. TruppenkOrpem Eingang, wie in dem zu Udine gami- 
sonirenden dem dortigen Werbbeairke angehörigen Bataillon des 
Linien-Infanterie- Regiments Ferdinand Este, wo sich awei Unter- 
officiere unter alleriiand Schmähungen gegen die Regierung 
mit der Erwartung trOsteten, dass ,näch8tens alle Deutsche aus 



Dawkins «n Palmenton m 11. Januar »praeli aar von 6 bis S laicht 
▼erwandoten PenoiMii, die «Gassatta di Milano* Tom IS. von 8, daninter 

3 mehr loieht, ,affatto leggorinnito'; nach anderen Italienischen Bariehtan 
wären ein Studout niid ein I'nli/.if«t getOdtct und bei 12 Personen v«»r- 
wiindet, oder gar 8 j^'etödUit, *2U verwundet worden; am andern T:i^(^ 
seien ,drei verhas«te Professoren*, darunter Med.-Dr. Theodor Helm, 
Profaator dar Klinik, Director des grossen i t idtie e hen KraBkankaaeee, 
milden Worten: Abbano le epie^ abbano i tedeMhil ampfiingan worden 
n, dgl. m. Im Anh. tricnn. I Nr. 157 8. 204 — 206 findet su li oln vom 
10. Jarniar datirtes .Manifeste agli studenfi clie consigÜa a ditTrriro la 
vomii tta', worin den ,fiiTl' dt Machiavelli' u. a. projdipzfit wird: ,E vicino 
il giorno iu cui, sotto la loggia ove morl Virgitiia, nei campi d' onde 
fuggi Barbaroeia, uugU oliveti onda s* ndi U Vespro, fra gU nomini eha 
riepoMro alla voea di Muaaiallo, entro le mnra da Ifiehelangek» difeia, 
nella patria di Eof enio di Savoia, anOa riviera ora i fanciulli »ono eroi^ 
sette eserciti agguerriti si riuniranno nol g^uramento di baciarsi sal 
rampn di hattagUa.* Völlig entstellt sind die Faveser Vorginge bot 
üttolini 41. 



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395 



Itixllen vertrieben werdend Der Major Joseph Raron Reichlin- 
M cid egg degradirte beide und Hess ihnen tiinf/ig Stockstreiche 
aufmessen. Hierüber grosser Lärm bei der Civilbevölkerung, 
wo sicli das Gerücht verbreitete, einer von ihnen sei seinen 
Wunden erlegen. Das bewahrheitete sich nicht, und nun sam- 
melte man Beiträge zum Besten der beiden Abgestraften. 

XVL 

Es war begreiflich, dass die Vorfälle des 9. und 3. Januar 
vom ersten Angonblicke die niaiinigfachstcii D('utuii<^('n. mehr 
oder minder absichtliche Enlstellun^i^eii i'rfiihren, wie dies ja 
bei solchen Ereignissen immer ireseliielit. Eine der ersten 
Darstellungen, die einen mindestens halb-amtlichen Charakter 
beanspruchen konnte, war der vom Vicesecretftr der Mailänder 
Municipalitiit Francesco Gripp a am 31. Januar an die Stadt- 
behörde eratattete Bericht.^ Man bekam daselbst unter andenn 
•/AI lesen: wie znr mciireren Aufreizung der Soldaten Sehriften 
in die Kasernen geschickt worden >eien, in denen sie als ,vili', 
als ,tigri* behandelt wurden, Sclirit'ten, die, wie der Viceseeretiir 
meint, offenbar nicht von der Bevölkerung ausgegangen sein 
konnten; wie am 3. Januar 4 Uhr naelimittags die Soldaten 
ausgezogen seien, einige sclion aus der Kaserne mit Cigarren 
versehen, andere auf der Hauptwache der Piaz7.a de'Mercanti 
— ,il (quartiere generale delle oporazioni di cui era per qucl 
giorno incaricata ia guarnigione di Milano* — damit betheilt; 
wie dann die Soldaten auf eigene Veranstaltung mit Seiten- 
gewehr, Reitersäbel, Bajonnet auf die harmlose sich keines 
Angriffes versehende Menge eingedrungen seien, ruhigen Pas- 
santen den Rauch, ja die glühende Asche ihrer Cigarren ins 
Gesicht geblasen hätten; wie zwei ungarische Grenadiere einen 
^naben' in die Mitte genommen, den sie nöthigen wollten 
ZQ rauchen; wie ein anderer Soldat von der gleichen Waffen- 
gattong in einer Weinstube mit gezogenem Säbel den An- 
wesenden eine von ihm angezündete Cigarre babe auf> 
zwingen wollen. Auch den Umstand, es seien von der Be- 
hörde Häftlinge ans den GefUngnissen losgelassen worden, 
yennag Crippa nicht su ttbeigehen, ist aber in diesem Punkte 



< Abgadnwkt bei C. Catati H 23—37. 

26« 



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396 



80 ehrlieh beizufllgen: ,Ma nalla di positive ha potato ayye- 
rare.'* 

In einem leider undatirten Briefe Cesare Gittlini'e an QUrr. 
Batt. Camozsi wird q. a. behauptet, Ghraf Gustav Neipperg habe 
die Ktthnheit so weit getrieben^ in GeseUschaft des ^frenologo 
Dr. Castle' mit der glimmenden Ogarre im Hunde die Haupt> 
Strassen der Stadt zn dorehstreifen, bis sie vor dem OaffS^ Cova 
von der Menge umringt worden seien, wo Neipperg ^ricevette 
uno schiaffo che gli caeciö 0 cigaro in gola"; der Giaf habe 
sich dadurch gerftoht, dass er am anderen Tage Geld und 
Oigarren unter die Soldaten austheüen Hess. Xaeh einer 
dritten Version wttren unmittelbar aua dem Hauptquartier 
Radetzky's 3000 Stück Cigarren an die Soldaten verabfolgt 
und sei ihnen, um sie in die geliorigc Wuth zu versetzen, 
reichlich zu trinken gegeben worden. 

Im Laufe des Revolutionsjahres sind zwei Schriften er- 
schienen, die sich eingehender mit den Vorereig'nissen des Um- 
sturzes beschäftigten: die mehrfacli bczof,^cne anonyme Sclirlft 
,DcI güvernu uustriaeo* etc. und (Jiittanco's Jnsurrection de 
Milan*. Dort werden wir 8. 140 f. mit dem Wortlaut(^ eines 
Schreibens überrascht, das der Kr/.lit rzof,' Vicekönig am 3. an 
Graf Spaur ^!;erichtet und worin er diesen angewiesen habe, 
die Polizei soUo kein Geld sjiarcn, Polizisten und Gendarmerie 
in Civilkleidern mit brennender (Jigai ru in <lic Strassen schicken, 
gefolgt von anderen, welche die ihnen in den Weg tretenden 
Leute sogleich zu packen hätten etc.* 

Von dem gelehrten Akademiker al)er erfahren wir, es 
wolle ihm scheinen, die eiuhauendeu Soldaten seien den jungen 
Leuten aus dem Wege gegangen, ,et eu cliet, il n-y eut, en 
general, de blessc^s et de murts que des vieillards, des enfants 
et d'autres personnes inoffensives*.* Nun, der k. k. wirkliche 
Appellationsrath Mangauini war aUerdiugs ein Greis, und der 



» Tn^jiti a. a. O. S. 35. 

* A, a. ^V. 10 Anm.; ebend. 9^) wird er ,ein Sohn Maria Louisons' ge- 
nannt ; in Wahrlioit war er der zweite Sohn d&» Urafen Adam aus 
demen «nter Ehe, ChaTAlier de Jtutiee des JoheimiterOrdeiu und 
k. k. Hanptaiiuui im IngeeieitreoTiw. 

■ S. 146f. 

* S So aucb im Arch. triesn.; »evitando i giovani, ferivano e uecide* 

rano vecchi e fauciolU.* 



397 



Koch des Grafen Fieqnelinoiit hat ohne Zweifel kein Wasser 
getiübt Aber sehen wir uns die gemiedenen jungen Ijeate 
nnd die getroflEenen Greise und Kinder etwas genauer anl Wir 
besiteen verUlsBliche Verseichnisse der in den Tagen des 3. und 
3. Jannar 1848 in Mailand getödteten nnd verwundeten Per- 
sonen^, 59 an der Zahl, von denen nur bei aweien die Angabe 
des Lebensalters fehlt Unter den 57 non befindet eich ein 
Kind von 4 Jahren (CastelU Teresa) und, von Manganini ab- 
gesehen, ein Qre» von mehr als 60 Jahren. Dagegen im Alter 
unter 20 zehn und awischen SO und 30 aehtsehn: das 
sind denn doeh wohl junge Leute, welche die Soldaten, Poli- 
zisten und Gendarmen nach der Version CSattaneo sollen ,ge- 
mieden' haben! Dann im Alter von 30--40 acht, von 40 — 50 
swölf, zwischen 50 — 60 sechs: das sind denn doch wohl keine 
Greise, welche die bewaffnete Macht derselben Leseart zufolge 
mit Vorliebe soll getroffen haben. Uebrigens sind die jungen 
Leute selbst gegen die Nicht-Greise in der Ueberzahl, daher 
die Unterstellung Cattaneo's in jeder Weise als ein frivoler 
Humbuf; erscheint. Ein neuerer Schriftsteller ist zwar im Punkte 
der , Greise und Kinder' redlicher; er erwälint nur, dass unter 
,mehr als 61' ^getroffenen Personen sechs sieh befunden hätten, 
die das 15. Lebensjahr nicht übcrschriLLLii; dagegen findet er 
eine besondere; jBestialitilt' in dem Umstände, dass an 42 Per- 
sonen 113 \N'unden constatirt wordi^n seien.' Als ob es sich 
im wilden und wüsten Durchemaiuier abm-hmen und ausrechnen 
Hesse, ob dieser oder jener bereits einen Streich bekommen 
habe oder nicht! Wie richtig iöt es, was hierüber Metternich 
bemerkt, dass gerade solche Umstände beweisen, wie in der 
Verwirrung das blinde Ungefähr den Aussehlag gegeben habe.' 

Die so eben berufene beschimpfende Anklage ist zwar, 
wie unser Citut zeigt, einer viel späteren Darstellung der Er- 
eicrnisse vom 2. und 3. Januar 1848 entnommen; allein es leidet 
keinen Zweifel, dass dieselbe schon damals erhobeu wurde, 
während es anderseits kein erfreuliches Wahrzeichen ist, dass 
die Stimmung der Mailänder Geschichtschreiber von heute be- 
züglich jener Vorfälle nicht um ein Quintüben mehr ivuhe und 

« C. Gasati n & 458 f. 
> Ottolini 81. 

* ,Rien ne protive mienx 1a mftMe'; Mettoraieh an Ficqnelmont 9. Januar 
1948 VU B. 674. 



398 



Besonnenheit verrftth, ak jene ihrer Vorfahren mitten in der 
heissen Zeit oder unmittelbar darnach. Denn wir finden in 
den beiden jüngsten und zugleich auBfÜhrlicheten Pnblicationen 
dieser Art nicht blos alle gleich damals leidenschaftlich er- 
hobenen Vorwürfe gegen das katserliehe Regiment wieder, 
sondern wir Stessen, ids ob Qrossmtttterchen Fama bei ihrem 
Gange durch yier Jahrsehnte noch nicht hinreichend ^gewachsen' 
wäre, sogar auf manche Steigerung derselben, so dass sich 
sagen Ittsst, die italienische fable convenue Uber die damaligen 
Zustände und Begebenheiten habe im Hingang der Jahre an 
dichterischem Aufputz und interessanter Vielseitigkeit in der 
Kunst grau in grau zn malen nur gewonnen. Wenn Verstösse 
in der Anffkhrung von Thatsachen, die von anderer Seite satt- 
sam bekannt sind oder über die man sich in jeder Weise yer- 
hlssliche Auskunft verschaffen kann, hinzutreten, so liegt darin 
wohl ein Fingerzeig mehr, was man Ton den Eizpectorationen 
parteiischer Kurzsicbtigkeit Uberhaupt zu halten habe. So ist 
bei den heutigen Schriftstellern der bezeichneten Sorte ein Ton 
Mode geworden, der den VicekSnig, dessen Persönlichkeit ge- 
rade in jenen Januartagen sich grossen Vertrauens und viel- 
facher Sympathien seitens der Bevölkerung erfreute, in der 
geringschätzigsten Weise behandelt. Sie wärmen nicht blos den 
alten Kohl von dem Handschreiben des Erzherzogs an Spaur 
wogen der zu verkleidenden Polizisten wieder auf, sie benützen 
diese Geschichte zugleich, um den Prinzen als einen heuchle^ 
rischen Duckmäuser — ,qucsto principe sornione e ipocrita' — 
hinzustellen; dabei sei er geftkhllos, einzig auf sich und die 
Anhäufung von ReichthUmern, die er in die Nationalbank 
niedergelegt habe, bedacht imd ,sordidamente avaro' gewesen; 
er habe nach 30 Jahren seines Vicekönigthums von den Zu- 
ständen und Verhältnissen des Landes so viel verstanden als 
am ersten Tage, da er gekommen ete.* Noch schlimmer kommen 
bei Vj. Cusati und OttoHni andere RegierungBuuinncr wii;. deren 
Namen in jenen heissen Tagen allerdings mit SL-liimpf' und 
Hohn in ungemessencr Weise iibersi hüttet wurden, über deren 
wahren Charakter jedoch eine entterntere und ruhiger über- 

» C. Casati T 22—24, II 17f. und Ottolini 34, 37, welcher letztere 
S. 3ä den Erxlierzog nacb Verona uod von da nach Innabruck (1 ?) 
fliehou lä»ät. 



399 



legende Zeit Ittngat eine billigere Benrtheilung sollte aufkommen 
lassen. So wird der Gabemialrath Graf Paehta, eine Persön- 
lichkeit, deren selbst in den Memoiren eines politischen Strttflings 
wie AndtyaDe wiederholt in anerkennend sympathischem Tone 
gedacht wird, als ein wahres Scheusal hingestellt; der ,Mephi- 
stopheles' des Grafen Spanr heisst er, ,uomo di moltissimo ta- 
lento per Tintrigo, anche il pi& scellerato'^; die gelindeste Be- 
aeiehnuDg, die flir Organe ,della canaglia polisiesca' gebraucht 
wird, ist ,il iamigerato Bolaa, Galimberti, de Betta' n. a. Be- 
merkenswert ist, dass neuere Sohilderer der MailAnder Januar- 
Breignisse mitunter Dinge, deren selbst gleichzeitige in solchen 
Behauptungen sonst nicht sehr schttchterne Schriftsteller als 
nnverbUrgtes GertLcht gedenken, wie z. B. die Loslas&ttng von 
Gefangenen als Hilfstrappen der PoKnsten und Soldaten, als 
ausgemachte Sache hinstellen.' Kenne man nicht, fragt C. Ca- 
sati I 21 f, das Gespräch eines Officiers vom Kcgimente Paum- 
gartten mit einem Arbeiter und dessen Weibe, welchen er es 
ausreden wollte, mit den Signori gegen die Regierung gemein- 
same Sache zu machen, da jene nur ihren eigenen Vortheil 
im Auge hätten, und liege hierin nicht der klare Beweis, dass 
,1a grau politica dell' Austria mirava a suscitare 1' odio popolare 
contro la classe di iiobiH'V Welche Freude dann im kaiser- 
lichen Lager über den gelungenen Streich! Denn als der 
Podestii und dessen Begleiter am 3. sieh zum Feldmarsehall 
begaben, um ihn zur Einziehung der Truppen in ihre Kasernen 
zu bewegen, wie landen sie ihn? ,A letto a smallii un prauzo 
dato ai siioi ufrtciali per festeggiare la loro vittoria!'* Wenn 
die Saelie niclit zu ernst und traurig wäre, müsste man in der 
That über diese kindische Einfalt der Auffassung lachen! Ein 
einziger von allen Männern der IJegierung hat bei den Mai- 
länder Schriftstellern der Revohitlun damals wie heute Gnade 
gefunden, nämlich der alte Wallinoden; denn dieser habe zu 
seinen Officiereu gesagt: ,Wonn Ihr Unbilden an den Bürgern 
zu rächen hattet, so musstet ilu ihnen erst Watten geben und 
sie dann bekämpfen, uon farvi assassini!'^ 

*■ C. Catati I 146. 

*Ei Mi .Mrto altrariS heint et bei Caaati II 17 f. Anm. a«a« der 
Polizei ,m a^nnse buon numero di curcerati, lasciati Uberi pel mameato, 
nffinch^ prestaasero airinitjuo suo duegno*. 

* Oitolini 35. * Ebenda 35. 



400 



Das8 die Vorfillle am 2. und 3. Januar 1848 saittins dar 
Regierung vorbereitet gewesen, dafk&r gibt es, anti-Oaterreicbische 
Scbrii^Uer zu btfren, eine FtÜle von Bewetsan. Habe nicht 
Graf Neipperg — ,fl solo ufBciale austriaco ebe foase ammesso 
nelle sociotk dei cittadini' — in bekannten Familien gewarnt, 
sich an den bewnssten Tagen in den Strassen an zeigen, nnd 
habe nicht die russische Gritfin Samoyloff, in deren Hanse 
kaiserliche OfBciere ein- und ausgingen, ihren Leuten yerboten 
aussugehenl?^ Habe nicht dem Chemiker Kramer' ein kaiser- 
licher Officier am 3. nachmittags gesagt: ,In einer halben 
Stunde werden in Mailand schreckliche Dinge geschehen!' ' 
Habe man nicht in den Kasernen die Soldaten ihre Sftbel 
wetzen gesehen?!^ Seien nicht in den Spitiüem auf poUzeUiche 
Anordnung Sttnften und Tragbahren ftlr Verwundete in Bereit- 
schaft gehalten worden? Und habe man nicht einige Tage 
später einen Menschen durch die Strassen MaOanda rufen 
h5ren: die Signori hätten es auf den Untergang der armen 
Oassen abgesehen, und habe derselbe, festgenommen, nicht 
bekannt, er sei ad hoc verkleidet und gezahlt worden?! Die 
Absicht der Garnison und der Polizei von Mailand, heisst es 
weiter, sei nicht zu verkennen. £s war ihnen um einen Ver- 
wand zu thun, um Uber die Stadt das Hartialgesetz zu ver- 
hängen, ,di fare di questa nostra Milano una aeconda Tamow', 
und dabei zugleich den reformfroundlichen italienischen Re- 
gierungen ein Memento zu geben! Und um so verworflicher 
Zwecke willen die Schlächtereien vom 2. und 3. Januar, an 
denen neun und vielleicht noch mehr Personen das Leben 
lassen, mehr als hundert andere Leute Verwundungen davon- 
tragen mussteuV!'' 

• «Wenn Qrifin Samoytoff ihrer Dienencbaft am 3. verboten aonngeben, 

Bo hat sio dies nur infolge der am nämlichen Tag» OMcbtonenen poli- 
roilu hon Warnung gethan*} Bemerkung Torresani*« tn einem Inter- 

cept vom 15. Januar. 

• Ohn« Zweifel d^r l'mfe'^sor der Chemie Antou v. Kramer, besoldetes 
wirkliches Mitglied dos lombardischea Instituts. 

• Ottolini 38. 

• Etwas eigenthlbnlich ist bei C. Casati II 32 f. Anm. ^ Beweiiflibmng, 
daes für die Torans berecbneten Schlächtereien am 3. Januar die That- 

Hache spreche, daHs am Tngo darnach in die Kaserne S. Slmpliciano 
*uoi SrliVfifcr jrernfen wonlen seien, um die Säbel der Soldaten SO wetssn. 

• Arch. trionn. l ur. 13ö p. 183— 1»5, ur. 147 f, p. 100—196. 



^ j . ^cl by Google 



401 



Zorn SehlttBse sden swei an die EreignisM Tom 2. und 
3. Januar anknüpfende Behauptungen erwähnt^ die, ich weiss 
nicht von wem erfunden, von spifcteren Geschichtschreibem 
eifirig nachgeschrieben und mit mehr oder weniger Aafputa in 
die Welt gesetst worden: erstens, viele Hi^üeder der Wiener 
italienischen adeligen CUrde hätten auf die Nachricht von diesen 
Ereignissen ihren Austritt erkllrt; zweitens, Qraf VitaUano Borro- 
meo habe das Goldene Vliess einer RegieruDg, an welcher das 
unschuldige Blut seiner UithUrgcr klebe, zurückgesandt 

Wie steht es nun mit der geschichtlichen Wahrheit? 

Die Wiener italienische Garde hat sich nach Ausbruch 
der März-Revolution 1848 thatsächlich aufgelöst, förmlich wurde 
sie noch einige Jahre als bestehend fortgeführt. Dass aber 
infolge der Mailänder Januar-Ereignisse Austritte oder Ent- 
lassungen erfolgt wären, davon ist in den Verzeichnissen des 
k. k. Obersthoftneister-Amtes nichts zu finden. 

Graf Vitaliano Borromeo, seit 1817 k. k. Kilramcior, seit 
1838 wirklicher Geheimer Kath, Oberstmundschenk des loin- 
Lardisch-venetianisclien Königreiclics, wurde 1847 niii dem (lolde- 
nen Viicssc, dem höchsten Orden der Christenheit, bejjnndet. 
Nach den bhiti|[jjeu VorfiÜlen des J. und 3. Januar erschien er, 
so wird glaubwürdig erzähh, vor dem Krzherzog, um in dessen 
Hände sein Ilüfamt niederzuleofen. Der Krzherzog, lieisst es 
weiter, habe ihm zu (iemiUhc gesprochen; er, Kr/hi rzog, hri 
so lang im Lande, seine Kinder seien hier geboren: ,non ab- 
bandonatc la Lombardia, la Lombardia non v' abbaudonerkl' 
Der Ciraf liabc entgegnet: er habe in Wien Vorstellungen 
gemacht, wenn sie nicht gehört würden, wolle er sich auf seine 
Güter znrückziehcn ,o dividorc la sorte de'suoi concittadini*. 
Von einer Zurlicklegung des Goldenen Vliesses war nicht die 
Kede; die (Jolane des Ordens ist nach des Grafen Tode 1874 
von der Familie vorschriftmäsfiig an die Ordenskanzlei abge- 
liefert worden. 

xm 

Wir kehren zu den Stimmungen und Zustünden in der 
ersten Hälfte Januar 1848 zuriu k. In Militilrkreiscn empfand 
man die Katastrophe vom 2. und 3. als eine gerechte Ver- 
jT^eUunET nach wochen-j monatelangen Verliühnnnc^cn und Be- 
leidigungen^ die man ruhig hatte hinnehmen müät>en, gegen die 



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402 



man nicht den ^bel halte stehen dttrfenl Den alten d'Aspre 
in PadiiA freute es yherxlieh', dass es den Lions und anderen 
Hetaem so ergangen sei, dass sich die Trappe ,80 herrlich' ge- 
zeigt habe. Nur, meinte er, hätte es den Soldaten nicht frei 
ttberlasaen werden sollen: ^geschähen hier solche Insulten gegen 
die Truppen, so sollen sie schnell gerächt werden, aber auf 
meinen Befehl und nicht willkürlich'. Bei den jüngeren Offi- 
eieren herrschten die Übertriebensten Vorstellungen von den 
Streichen die ihre Grenadiere unter die Unruhestifter ausgetheilt, 
und von den Schäden die sie ihnen zugefügt. Bei 2ü Todte, 
80 rühmten sie sich, bei 40 schwer Verwundete im Spital und 
wie viele in liänsHcher Verpflegung, die man nicht oontroliren 
könne, obwold den Aerzlcn der schärfste Befehl tre<^eben worden 
sei, jeden Fall einer Verwundung, den sie zu behandeln haben, 
behördlich anzuzeigen! . . . Wenn man aber militärischcrseits 
weiter raeinte, die Lection werde ihre Früchte tragen, die Aus- 
artungen und Herauslorderuntjen seitens des Publieums werden 
ein Ende haben, so sollte man bald eines anderen belehrt werden. 

Zwar in Mailand hatte in der ersten Zeit alles so zieiulieh 
das frühere Aeussere angenommen. Das MiliUn war nicht mehr 
consignirt, erschien aber auch nicht herausfordernd mit der 
Cigarre auf der Strasse; die Offieiei e hatten vom B\'ldniarschaU 
am 4. den Befehl empfangen, sich (itTcntlich nur in Uniform zu 
zeigen. Beim Civil schien der Vorsatz sich des Rauchens zu 
enthalten fortwährend iu Kraft zu sein; doch wurden einzelne 
liaucher nicht weiter belästigt. Die öffentliche Aufmerksamkeit 
schien sich uit^der den inneren Angelegenheiten zuzuwenden. 
Die lombardisehc (Jentral-Ooiigregation hatte die Landes w mische 
in ein Majestätagesuch zusanimcngefasst, das eine Deputation 
derselben am 14. dorn Vicekihiig überreichte; der Erzherzog 
richtete an sie aufmunternde Worte, versprach den Aufsatz an 
die Stufen des Allerhöchsten Thrones gelangen zu lassen. Graf 
Spaur äubserte sieh nicht minder freundlich und erfüllte seine 
Zusage, indem er die Landespetition mit einem befürwortenden 
£inbegleitung8schreibeu nach Wien leitete.^ 

* Del OoTorno 48— >6S; lo am«h Areh. triann. I p. 811-^119» Indirisso della 
CongragasioD« centrale lomberdii airinpermtofe: Dem Vieeköni|f itehe 

ein StAAt^rath und eine itaUenischo Holstette zur schleanigem Erledigung 
der nicht dorn Kaiser vorbebul tonen Angelegonhoiton Kur Seite; die 
ProTinsial-Congregetionen ■ollen heben ,voto delibentiTO, e noa iem> 



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403 



Gleichwohl fiess sich nicht yerkensen, daas die Ruhe nur 
eine der Oheiflttche war, dan die durch die jüngsten Ereignisse 
herroi^gfemfene firhittorung Tiel su tief in die GemOfber ge- 
gri£fen hatte^ um so bald wieder hesäniVigt au werden. Gleich 
am 8. sprach man in der Stadt yon einem neuen Aufstande, 
der am 10. aasbrechen und wosu das Signal die Ausatecknng 
einer Trieolore am Oorso di Porta Romana sein werde. Es war 
ein leeres Gerede^ wie deren unter solchen Umstftndeu jedeneit 
und allerorts au&utauehen pflegen. Auch das neuestens aus- 
gegebene Losungswort^ sich für Kleiderstoffe keine ausländische 
Baumwolle anzuschaffen, sondern nur inländische Seide au Ter* 
wenden» wollte nicht recht durchgreifen. Hingegen hatte der 
Kampf, der nunmehr gegen das Lotto mit aller Kraft geftihrt 
werden sollte, eine solche Einschüchterung des Publicums wie 
der Lottocollectanten zur Folge, dass man die Einbusse, welche 
das Gefälle in den letzten Wochen erlitt» auf 8000 ff, berech- 
nete und dass am Tage vor dw Ziehung alle Lottotrafiken leer 
standen. 

Mit den Belästigungen und Neckereien der Cigarristen 
hatte es in Mailand nun zwar ein Ende; allein die Militär- 
behörde fiuid doch für gut, den Grafen Neippcrg, den man im 
Publicum für den Hauptfbrderer, wo nicht Urheber der heraus- 
fordernden Haltung der Soldaten am 2. und 3. Januar hielt, in 
eine andere Station zu versetzen.' 

In Mailand selbst war es die Municipalität, in deren 
Schoosse der Groll gegenüber den Behörden, denen sie alle 
Schuld an den vorgefallenen Ereignissen beizumessen nicht 
abHess, immer tiefere Wurzeln fasste. Auf ihre entrUstungs- 
voUe Klage wegen der thätlichen Vcrt»^reifung an dem Podesta 
am 2. Januar hatte die Reperung nnc strenf^e Unter^ucliung 
eingeleitet, in deren Folge Giuseppe Colin vom Polizeiwueh- 
corps als der zuniielist Schuldige zu acht 'iiigt;n Arrest in Eisen, 
verschäi'ii durch Fasten, und darnach zu einem Monat einfachen 



pUcemonte consultalivo' ; sie solieu frei in ihrer Meinungsäusserung, nicht 
booiafluMt von (Ion Bflgieniiigabeh(bpde& min; ,U nottro sistema comonale 
modello id altra aaiioiii, venne praJatiunente pcogiiidinito dal teoppo etreltt 
legami di dipendMim governativa* ecc 
* ^eipperg verliess erst Jerusalem, als er von allen Seiten verfolgt wurde 
und Uberall da.s kreiizii^et ihn! krenzig'et ihn ßtc. erhiolt*; Goneralnuyor 
Mengeweiu an Urafen Hujrn, Verona 14. Januar. 



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404 



EasemarreBt ▼emrtheilt wordOf was der Gonyerneiir dem Stadt- 
rathe am 11. m wiasen machte. Allein von diesem kam die 
Antwort^ es sei der Mxmicipalititt keineswegs um die Bestrafung 
eines Eänselnen, sondern um eine ,monüisclie Qenugthnung 
seitens der General-Direction' wegen der durch Disciplinlosigkeit 
des Poliseiwachoorps der Hunieipalitftt in der Person ihres Cheft 
angethanen Beleidigung zu thnn — ein Ansinnen, das Graf 
Spaur in Form einer geziemenden Zurechtweisung ablehnte.^ 

Im grossen Gänsen waren alle diese Anseiehen von ein^ 
Art, dass man sich auf das schlimmste gefssst machen mnsste. 
Demgemttss erfiihr denn auch die Strdtmacht im Lande, und 
namentlich in der Hauptstadt selbst, fortwährende Verstttrkungen. 
Altfangs Januar verliess das 3. Bataillon des Linien-Infiinterie- 
Regiments Hess die Stadt Krems an der Donau, um nach Italien 
SU marschiren, gingen von Laibach der Ergänzungstransport 
und das 1. Bataillon des Landesregimcntes Hohenlohe mit Stab 
und Capelle eben dahin ab, machten sich drei Grenzbataillone 
aus Kroatien, eben so viele aus Slavonien, drei Divisionen Kaiser- 
Uhlanen aus Steiermark marschfertig u. dgl. m. 

In einem vom iL .lannar datirten Manifetstc spraeh Fer- 
dinand I. sein r^eid Uber die k izlhiu vorf:;efalk'nen Unruhen und 
die , Umtriebe einer Faction' aus, ,dic rastlos auf Zerstörung 
der in Kraft bestehenden Ordnung der Dinge abzielt'; im Gegen- 
satze zu diesen Elementen zähle der Kaiser ,auf den richtigen 
Sinn und die Treue der grossen Mcluzaiil Unserer geliebten 
Unterthanen im lombarditich-venetianisehen Könijrreiehc', welche 
jenen Umtrieben einen schützenden Damm entgegensetzen 
werden. ,\Vir zählen auch,* so scldoss die kaiserliche Kund- 
maehung, ,auf den Muth und die Anhänglichkeit Unserer 
Truppen, deren grösster Ruhm stets war und immer bcin wird, 
sich als die feste Stütze Unseres Thrones und als ein Bollwerk 
gegen die Trübsale zu bewahren, welche Empörung und Anarchie 
über die Person und das Eigenthum der ruhigen Bürger bringen 
wtlrden/* 



' Schreiben des Gouverneurs an die Municipuiiut yom 11., Antwort der 
MnnieipaUtlt vom 18., Betelieid Spanr*! vom 15. Jiuinar; C. Caiati II 

* A. A. Ztg. nr. 21 S. 324; Wr. Zt(r- nr. 22 vom 22. JanuAr, Oeaterr. Beob- 
iirhtpr Tir. 23 S. 88. Ein Exemplar des Mailänder Anschlags a. PoHsei- 
Arciiiv lUi Fmo. nr. ü»4. Vgl. Arch. trienn. X nr. 164 p. 202, 



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405 



Das kaiBerlichd Schnftstttck kam gegen die Mitte des 
Monats in der lomlNirdischen Hauptstadt ao, und Tom 15. Januar 
datirte ein Ta^fesbefefal Radetzkj's, worin er^ anknüpfend an 
die Worte des Allerhöchsten ManifesteSy • seine Tmppen mit 
erhebenden Worten anrief, aber damit sugleich nach einer 
andern Seite hin abzielte, indem er sprach: ,Noeh ruht der 
Degpn fest in meiner Hand, den ich 65 Jahre lang mit Ehren 
auf so manchem ScUachtfelde geftihrt; ich werde ihn ge- 
brauchen um die Ruhe eines jttngst noch so ^UckUchen Landes 
zu schätzen, das eine wahnsinnige Partei in unabsehbares Elend 
SU stürzen droht'^ 

Die VerllffenilichuDg des kaiserlichen Manifestes erfolgte 
in ,der Gazzetta di Milano' vom 17. Januar, und am selben Tage 
wurde der Tagesbefehl des k. k. Feldmarschalls bekannt, dessen 
Inhalt in allen kaisertreuen Kreisen ebenso begeisternden Wieder- 
hall fand, als er den Aeiger und den ohnmftchtigen Ingrimm 
der aufttanddustigen Partei erregte. I^e legte dem Grafen 
Radetzky ,quel yecchio Nerone', die aufreizendsten und ehren- 
rQhrigsten Aeusserungen in den Mund und verbreitete sie in 
der Stadt An vielen Orten fanden sich Ausrufe , Infame 
Radetzky, Infame Govematore' mit Oelfarben in kolossalen 
Buchstaben aufgeschrieben. Anonyme Schreiben mit verstellter 
Schrift, welche die infamsten Beschimpfungen enthielten, wurden 
dem Feldheim in die Hände gespielt: ,Ruhm und Ehre seinem 
Degen von 65 Jahren, mit welchem er Greise, Frauen und 
Kinder hat niedersäbeln lassen 

Die Stimmung, in welcher diese verschiedenscitigen Kund- 
gebungen in militärischen Kreiaon aufgenommen wurden, lernen 
wir aus der Correspondenz des Grafen Iluyn kennen, der seit 
kurzem dem Hauptquartier Uadetzkj's zugutheilt war. An ihn 
schrieb General Gerhard i aus Verona über die ,mehr als 
sanftmüLluge Alloeution* des Kizlierzogs an die Mailänder: ,Mit 
Nachgiebigkeit, ja mit mehr als Müde wirkt mau uicht auf 



Kiposta minacciosa dell' Imperatore alle fatte rimonstranze; und iir. 155 
p. 908 Iiettera negativ« e aacora pih minacciosa deir Imperatore al yiceri. 

* Wortlaat A. A. Ztg. nr. S2 toui S2. Jannar S. 340 f. j OtsteiT. Beobaehter 
nr. S6 vom 26. Janoar 8. lOS; $. auch QaTenda, Banunlnng aller Armee* 

befehle etc. (Prag Bellmann 1856) S. 11. 

• ,Ci g^it Radotzky, compan^An de Mack, fiif^Itif <V Ulm, defenseur du tabae, 
qoi dragonna femmes vieillards enfaus. Uloire k 1 öp6e de 65 ans!' 



406 



eine Katton^ die hierin nur Schwäche erblickt und wodnrch 
dfts Uebei nnr gesteigert wird/ Das habe sich, meinte General 
MengeweiD; gleich in der Haltung des MailUnder Podestk 
geseigt: ,GroB8 bleibt Lafajette-CSaaatL Sein Aufruf athmet den 
beleidigendBten Hohn und ist eine direote Heraosfordemng der 
Regierung. Bin neugierig, wie lang die Geschichte dauern 
wird. Macchiavelli sagt: Eine Regierung, die sich ungestnifit 
▼erachten Issst, geht dem Untergange entgegen.' Aus Padua 
khigte FML. d'Aspre: in Ferna» werde ^unser Recht' mit 
Füssen getreten; die in pftpstlichen Diensten stehenden Schweizer, 
sonst die besten Kameraden der Oesterreicher, hielten sich jetst 
völlig abseits, ,denn sie musston uns meiden. In einer Stadt, 
wo wir das Besatsungsrecht haben, dttifen wir das einaige 
Thor, dureb welches wir den Eingang haben, nicht besetsen, 
dttrfen in dieser Stadt, wo wir swei Kasernen haben, kdne 
Patrouillen herumschicken'. Wenn etwas den Sinn des kaiser- 
lichen Soldaten aufrecht halte, dessen Herz erquicke, so sei 
es der Armeebefehl des alten Marschalls ; dieser habe die Armee 
,sehr erfreut, erhoben, stolz g^emacht. Jeder fUhlte seinen Wert, 
man sollte glauben, es gelit Uber den Kubicon^ Seit dem 
Jahre 1813 habe kein Dociunent so gewirkt!^ 

xvia 

Wohl unter dem Eindrucke dieser eneri^isclien luiliLariseli- 
gouvernementiilen Kundi^ebungen — oLwolil er davon keine 
ausdrücklieh(! Erwälmung macht — war es, dass sich der 
Podesita von Mailand am 18. Januar die Zeit nainii, um dem 
Ersten Mofkanzler über die Ereignisse des 2. — -i. ebenso ein- 
gehend zu berichten, als vier Monate zuvor bezüglich jener in 
den unruhi<]^en Septeml)ertagen. Auch ist von dem jetzigen 
Schreiben genau dasselbe zu sag-en, was wir über das frühere 
bemerkt haben: es enthält nichts was als durchaus falsch zu 
bezeichnen wäre, es ist aber sehr viel wahres verschw^iegen. 
Mit ungemeiner GeschickHchkeit wird alles herausgekehrt, was 
den Eindruck schuldbarcr Gewaitthätigkcit der bewaffneten 



* Correspondenzen im Nachlaase des Grafen Hayn: das Schreiben d^Aapn*« 
datirt« vom 7., dat Oerhaidi'« vom IS., das Mengdwein*» vom 14. Januar 
1848. 



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407 



Macht heironnrnfeii geeignet ist, dagegen alles in einen Schleier 
gehüllt^ was auf die Spnr der von der BeTÖlkemng ausge- 
gangenen Veranlassangen jenes bewaffiieten Einschreitens führen 
konnte. 

Von den landlftufigen Uehertreihongen, mitunter geradesu 
Lttgen, findet sieh in dem Schreiben CSasati's nichts. Eines 
Unsinns gleich der Behauptong, man habe seitens der Behörden 
Gefimgene losgelassen and gegen die Mailänder gehetzt, macht 
sich der Podesth dem kaiserlichen Hofkansler gegenüber gewiss 
nicht schuldig, und auch von den ▼erkleideten Oiganen der 
Polizei, an die Gasati einigennassen geglaubt an haben seheint, 
geschieht mindestens in dem nach Wien gesandten Schreiben 
keine Erwähnung. Im Qegensatse an einigen seiner Com* 
Patrioten, die es der Regierung zum Vorwurf machten, dass 
sie nicht rechtzeitig ihre Macht entfaltet habe, als ob es ihr 
darum zu thun gewesen wäre durch den scheinbaren Abgang 
jeder ernsten Vorkehrung die unbesonnenen Leute in eine Falle 
zu locken, hält sich Casati Uber den unmotivirten Aufinarsch 
des Militärs auf, dessen Anblick nur die Menge gereizt und 
dessen Eingreifen die Auftritte noch schärfer zugespitzt habe. 
Denn nur zu deutlich gehe ans dem ganzen Verlaufe henror, 
dass die OfEciere mit Eifer die Gel^enheit ersehen und er- 
griffen hätten, ihrem Grimme &ber jene ^lirung Luft zu 
machen, in welche sie die Abkehr der Mailänder Gesellschaft 
seit langem, am empfindlichsten aber in den letzten Jahren 
versetzt habe. Wenn sich Casati nebst anderen ganz hinftilligen 
Stützen für seinen Satz auf die Bemerkung Radetzky's beruft, 
dass die Erbitterung der Soldaten durch das Benehmen und 
die Haltung der Bevölkerung gegen sie verursacht sei, so lag 
in der Aeusserung des Feldmarschalls doch wohl etwas anderes 
als, wie Casati meint, das stillschweigende Zugeständnis, der 
Geist rächender Verleitung habe die Gewaltthaten vom 2. und 
o. lierbeigeführt. 

Was das Thatsächliche betrifft, so führt Casati die fllnf 
Getödteten mit Numen und Stand an, nicht mehr nicht weniger, 
freilicli mit dem vieldeutigen Beisatze: ,abges6hen von jenen, 
die in lüinslichc Pflege genommen wurden, ohne eine Anzeige 
zu erstatten*. Von einzelnen Füllen hebt er den aus der 
.Strada dell' Orso < Umello als besonders grell heraus, und wir 
können, obwohl das audiatur altera pars fehlt, an der buch- 



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408 



Btäblieben Wahrheit eines Zwischenfalles^ der so viele Zeugen 
hatte, ebensowenig aweifeln, als wir der tiefen B^ntrUstong, die 
der Berichterstatter darüber ttnsserty Unrecht geben wollen. 
Dass — wie dies in der polizeilichen Warnung yom 10. Sep* 
tember gans richtig herrorgehobeo war — ^ sobald es einmal 
zum Handgemenge gekommen is^ die der ausflbenden Gewalt 
gebotenen Grenzen der Abwehr und Znrflckweisang sich in 
einzelnen Fällen nicht genau einhalten lassen, ist leider ein 
ebenso allgemeiner Erfahrungssatz wie der andere: dass es 
nicht immer der Schuldige ist, den der beabsichtigte Streich 
trifft. Die von Casati erzählte Tbatsache fiült aber ans dem 
Rahmen jener herkömmlichen, und darum zwar immer be- 
dauerlichen, aber nicht aus dem Gesichtspunkte bösen Vorsatzes 
zu beurtheilenden Zwischenspiele heraus. Denn es muss ab 
der Polizei eines drilisirten Staates unwürdig, ja aus Btlck> 
sichten der Schieklichkeit wie der Sittlichkeit verwerflich erklärt 
werden, ein unschuldiges Mädchen als Geisel für einen Fang, 
der den Häschern der Behörde entgangen, ihrer Familie zu 
entreissen und durch fünf Tage in der verworfensten Gesell- 
schaft gefangen zu halten. Wenn der Mailänder Cameral- 
Procurator hieraber eine Anklage auf Misbrauch der Amts- 
gewalt erhob, so hatte er dazu wohl sdnen guten Grund.' Was 
die Haltung der Bevölkerung im allgemeinen betraf, so be- 
hauptet Oasati, es habe niemand ein Messer, einen Dolch oder 
eine Pistole gehabt, und auch das kann man ihm glauben, 
einmal weil ein Beweis oder auch nur eine sichere Behauptung 
des Gegentheils nirgends zu finden ist, und dann auch des- 
wegen, weil ja das Waffenverbot in der Lombardie mit der 
grössten Strenge gehandhabt wurde. 

Damit dttrfte aber die Kategorie dessen, was wir dem 
Mailänder Podestk als ,Wahrheit und nichts als Wahrheit' aufs 
Wort glauben können, so ziemlich erschöpft sein. Oder wird 
es jemand ftlr möglich halten, dass der Gouverneur in An- 
wesenheit der Mailänder Deputation dem Grafen Radetzky von 
einem ,Loslassen der Soldatesca gegen wehrlose Bttiger' ge- 
sprochen, ja noch mehr, dass er die Behauptung gewagt habe. 



Ueber den Fall Teresa M ,i n te fjaz za, so hiess die ninfzehnjKlirlge Por- 
Uerstochter, s. auch Ci-ippa bei C. Casati II 28f.; dann im Anhang 
466 ff. die Voretellung der Muuicipal-Congregatiou au den VicekC^nig. 



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409 



dass ,die den Rauchern zu^refü^tcu Beleidigungeu von diesen 
}ierauö;;efürdert' worden seiun . I Die Ansprache Spaur's an den 
Marscliall war deutscli, und Casaü meint wohl, er habe sie 
yhinreicliend' verstanden; tliatsächlich dürfte er die ihm nicht 
g'eliiutiffe Sprache kaum halb und halb aufgefasst haben, wie 
ja von italienischer dem Oasati ungemein günstiger Seite die 
Worte Spaur's ganz anders ausgelegt wurden.* Dass der für 
seinen Freimuth bekaimte Podestli sowohl Radetzky als dem 
Vicekönig gegenüber so gesprochen habe wie er es Pillersdorff 
schreibt; können wir unbedingt annehmen; nur ist es hier nicht 
die Form, sondern der Inhalt, der bei jedem UnbefanL'cnen 
gerechten Anstoss erretten muss. Eine blosse Demuiiblraiion 
ohne all und jeden politischen Charakter soll der Cigarren- 
rummel gewesen sein, welchem die Polizei die Spitze abbrechen 
konnte, wenn sie das alte Verbot von 1821 gegen das li!:melien 
auf der Strasse wieder hervorzog, eine Demonstration, die, wie 
Casati weiter meint, in Sand verlaufen musste, wenn die Polizei 
gar nicht darauf achtete, statt durch ihr Einschreiten den Muth- 
willigen erwünschten Anlass zu gel>« n sie zu iieckcnV! Oa])rio 
Casati erhebt entschiedene Einspraciie gegen die Verdiichtigung, 
die Demonstration sei von irgend einem leitenden Ausschusse 
ausgegangen, ,qui n a jamais existe*; wie er auch vor dem 
Vicekönig betheuert, dass es niemals eine eigentliche Verab- 
redung zum Aufötand gegeben, dass weder RcvoIk; noch Re- 
bellion stattgefunden habe oder auch nur versucht worden sei. 
Selbst nach den vorgcfal]eno!i rireuelthaten, ftihrt er fort, habe 
sich der Widerwille rnil rm negatives Verhalten beschränkt, 
indem das feinere Puhiicuni den mit Blut bespritzten Corso mit 
einem andern vertauscht und das Theater durch drei Abende 
gemieden habe. Dass die Scala am 4. um so voller gewesen 
und dass die Damen in autfallenden Trauergewändern erschienen, 
wird von ihm freilich verschwiegen; galt ihm das etwa auch 
als ,d^monstration inoffensive' V ! Die , Moral', die Casati aus dem 
Erzählten zieht, fasst er in die heftigsten Anklagen gegen die 
Beamten und Executivorgane der Regierung zusammen, in deren 
Interesse es gelegen sei sich wichtig und unentbehrlich zu 
machen und geheime Anschläge, revolutionäre Pläne zu wittern, 
die in Wahrheit nor in ihrem Kopfe existirteD. Namentlich 



> 8. oben S. 389 Anm. 1. 

AxekiT. XCI. Band. II. U&lfU. S7 



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410 



bezeichnet er ab(;rinals den Bolza und neben diesem den 
Polizei-Übercommissär Ä[oriz de Bella als die Verhasstesten 
unter den Verhasstcn, deren baldigste Entfernung er daher auf 
das dringendste auräüi. Auch das kaiserliche Manifest entgeht 
seiner krittelnden Bitterkeit nicht. Wie könne man die Treue 
und Tapferkeit des MilitÄrs in einem Augenblicke anrufen, wo 
sich dieses ohne Grund und Anlass mit dem Blute unschuldiger 
Bürger bespritzt habe! 

* • • 

Ven all diesen Aeusserungen des Mailänder Podestk ist 
es eine, die wir fUr zu wichtig halteUj um sie nicht einer ein- 
gehenden Prüfung zu unterziehen. Es ist das jene dem Vice- 
könig gegenüber mUndhch, dem Hofkanzler gegenüber brieflich 
vorgebrachte, ja mit ganz besonderem Na« lulrucke wiederholte 
Behauptnng. dass den Auftritten vom 1. bis 3. Januar gleich 
den vorausgegangenen September -Ereignissen nicht im ent- 
ferntesten eine Abrede, geschweige denn eine geheime Ver- 
bindung und Leitung, am allerwenigsten ein politischer Hinter- 
gedanke, eine aufrührerische Tendenz zugrunde gelegen habe. 
Meinte das Casati wirklieh V Entsprach es den Thatsachen, die 
ihm doch nicht unbekannt sein konnten? Vernebmeii wir die 
Stimmen zeitgenössischer Gewährsmänner! 

In dem anmerkungsweise von uns wiederholt bezogenen, 
an Revolutionsmaterial sehr reichhaltigen Archivio triennale deile 
cose d'Italia dal avvenimento di Pio IX (Oapolago tipografia 
elvetica 1850) I Nr. 3ö9 finden sich ,Bram d' una memoria d' un 
promotore della rivoluzione', aus welchem wir erfahren, dass 
schon im Sommer 1847 unter der freiheitsbegeisterten Jugend 
Mooatsbeitrilge fUr WaffeneinkAofe und fUr ^pieeole dimostrazioni 
di piazza' eingesammelt wurden und dasa sie dabei auf die 
Opferwilligkeit der Reichen sohlten, deren Jabreseinkommon 
sie auf mehr als vier Millionen Lire anseblugno: ^onde si doveya 
credere possibile di raccogliere sussidii da comperare ammassare 
e distribuire armi* (p. 494 f.). Der Einzug des Erzbischofs 
Romillii beisst es weiter, sollte als ein Sieg der nationaieii 
Sache und als eine Huldigung für den glorreichen Papst ge- 
feiert werden; es habe am ersten Tage ein gewaltiges Zu- 
str<Smen ans der Umgebnng der Hauptstadt stattgefunden; 



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411 



gleichwohl hätten bei der Menge, die wie verdutzt dreirifire- 
schaut, die Losungsworte noch nicht recht verfaugen. aei 
deshalb eine Wiederliolunc,' beschlüssen worden und da habe 
mau die VerUndcrung anstaunen müssen, die bituun /.wei 
Tagen vor sicli gegangenl Niehl mehr ein armseliges li iullein 
sei es gewesen, das sich mit d*^n Pio-l^ufen durch cme ver- 
blüffte und erwartungsvolle Menge Bahn gebrochen, diese Menge 
selbst habe jetzt den iicigen geftlhrt: ,era la iiiarcia trionfale 
del popolo. E quei di, se si fosse voluto, si sarebbe compiuta 
l'insurrezionf , 11 popolo era pronto a moversi' (p. 496). Jetzt 
erst habi liinn mit Ernst beginnen können; tausende und 
tauscudc von Pio-Medaillcn habe nuin in Uudauf gesetzt, habe 
sie austheilen lassen durch Landpfarrer und Gemeindevorstände 
— ,r esperienza ci aveva diraostrato che la polizia era sdentata, 
le spie poche e spinte' — ; jetzt sei die Zeit eingetreten an 
ausgiebige Waftenvorräthe zu denken, Munition bereitzuhalten, 
jCOncertarsi con capi militari all' cstero' (p. 497), Am Neujahrs- 
tage sei das Rauchverbot in Wirksamkeit getreten, niemand 
habe gesprochen, nur bedeutsame Blicke habe man gewechselt: 
^ rivolazione era fatta' (p. 499) etc. etc. 

Nuiiy an Deutlichkeit lässt diese Sprache wohl nichts zu 
wünschen übrig. Wenn nun Csaati conseqnent das Qegentheil 
daTOD behauptet, wüste er davon nichts oder wollte er nichts 
wissen? Das erstere ist unglaublich, das letztere sehr be- 
greiflich. Es lag wohl ihm und den Seinigen fern, mit Lenten 
vom Schlage des berufenen ,promotore della riyoluzione' gemein* 
same Sache zu machen, wttbrend hinwiederum diese von dem 
Torsichtigen Casati und dessen Anhang nicht das geringste er- 
warteten. Nicht eine Lira, höhnten sie, sei von diesen Herren 
geopfert, nicht eine Hinte geliefert worden: ,Ia purola guerra 
non fo mai proferita nh mormorata una sola volta da Casati e 
oongrega'.^ Einer habe 20.000 Lire in Obligationen gegeben, 
ein anderer ebenso viel unterzeichnet, der Duca Visconti eine 
Million yersprochen, sobald die Revoliition ausgebrochen sein 
werde; baares Geld habe man in der Kegel nur zu 10, 20, 



^ Motto der ,Biugratle' (n. obeu Ö. 267 Aom. 2) aus einem demokratbchen 
Joomaleu Hingegen enübU Tananeei SMf. Oeoiy Palla^elno habe, 
eiiigeladen «ieli m der Tenehwilniiig am bethsiligeii» dien «rar abgelehnt, 
aber ÖO.O0O live hergegeben. 

27» 



412 



40 Na[)()leoiis von ihnen erhalten. Von Waffen habe man den 
Reichen gar nicht spreclicn dürfen, sie hätten f^cpoltert oder 
ironisch g-clächelt, je nach ihrem Charakter und nach dem 
Winde, der eben wehte; ,ci chiamavano poeti e faiiciulli, ci 
buttavano in viso il sangue dei Bandiera' (Brani ccc. p. 497), 
Sie hätten tresanimclt für einen dem Papste zu über- 

reichenden Kelch, für eine der Civica von Rom zu \s idmende 
Kanone, und vorzlighch für die Armen , für die mehrere 
Damen von Haus zu Haus, von Krambude zu Krambude ge- 
wandert seien, ,e cosl facevasi V elcmosina dai sig^nori col danaro 
dei bottegai' (p. 493). Denn vortrefflich hätten es die Nobüi 
verstanden andere für sich arbeiten zu iasseiij ihre eigene werte 
Person möglichst gedeckt und sicher zu haken. Gabrio Casati 
namentlich habe der Erhebung^ g'egonüber einen kleinen Geist 
und ein armseliges Herz gezeigt, habe nur gewarnt, sich nicht 
täuschen zu lassen durch Leute von zweifelhafter Treue und 
niedriger Gesinnung: ,volea egli intraprendere uda ribellione 
colia Hcenza deü' lmpe^ato^e^* 

Natürlich ist auch hier, wie bei allem wofür sich der 
beissblUtige Italiener einsetzt, vieles übertrieben. hat sich 
uns ja gezeigt, dass die goldene Jugend von Mailand an den 
Auftritten im September and Januar gar »ehr betheiligt war. 
Anderseits geht nicht blos ans jenen HasBäusserungen der demo- 
kratischen Partei, sondern aus der ganaen Haltung Gaaati'B 
Hervor, dass er niehtaweniger als geneigt war die Sache anf die 
Spitae zu treiben und es an einem Ausbruche kommen zu 
lassen, dessen Ausgang immer zweifelhaft war und möglicher- 
weise die allgemeine Lage yerschlimmem konnte. 

• • • 



* Biografi« p. 10; vgl. Afch. trlenn. I 608t {I patrisi) ,non Tolevan com- 
prandera altro ehe Im oppoiisioae legale • la reeietensa pauiTa, ipefaraiio 

nel fallitnento deir Äuatria, nol papa» nella lega dei principi italiani. 
Miiighetti, Tanari, Dorla scrivovano esortando che si procedesse piü 
CÄHti, iion si .•iizzas^•ü il popolo, difficile coinjicrar armi, (lifficiltÄsimo 
diatribuirle/ Ueber tiabrio Casati beisst es bei (Jattaneo a. a. O. 2^ 
bb Sl: ,Amfaitieitt, remuant, pamoonA paar les d6coratioiM, il n'arait 
qo» l'aetiviti d'nn ibieenr d*aiF«trei, qui ae d6daigiie pas le rftle de 
aollieitatetir*. 



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413 



Dem Podestä von Mailand war es gewiss Ernst mit seinem 
Drängen nach zeitgemässen Reformen , wovon er, wie er Pillers- 
dorff zum Zeugen anrief, seit dem Tage der Königskrönung 
1838 nie abgelassen hatte, um die Aufmerksamkeit der leitenden 
Staatsmänner auf verschiedene Uebelstilnde und Misgriffe in 
der Verwaltuuju" des italienischen Doppelkönigreichos zu lenken. 

Auch aahiu uiüii in den Uegierungskrcisen der Reichshaupt- 
stadt die letzten Vorgänge und die Zustände und Süiuiuungen 
von Lombardü-Venetien keineswegs leicht. Das hatte schon 
die Sendung des Grafen Ficquelmnnt lui Herbst 1847 bewiesen 
und bewies jetzt die Hof-Commission, die in Wien unter dem 
Vorsitze des Grafen H artig eingesetzt wurde und die, nach 
dem Vorbilde der von Ficquelmont für Mailand und Venedig 
vorgeschlagenen Conferen/.en der verschiedenen Verwaltungs- 
chefs, täglich zusammentrat, um die von dem Staat-srathe zu 
fassenden Beschlüsse vorzubereiten. Der Grundfehler des bis- 
herigen Systems, raeinte Metternich, habe darin gelegen, dass 
zu viel administrirt und zu wenig regiert worden sei; dass man 
den Regierungsbcliörden im Lande die Hände gebunden und 
sie gewöhnt habe nichts zu thun ohne vorerst in Wien anzu- 
fragen; dass keines der massgebenden Organe einen ihm aus- 
schliessend zugehörigen Wirkungskreis besitze und darum eins 
sich auf das andere verlasse: ,Niehts steht auf eigenen Füssen, 
alles lehnt sich an, die beiden Gubernien an den Vicekönig, 
der Vicekönig an die Hofkuiiziei.' Das war es, was der 
Siri Lt kaiizlcr die ,mangelhafte Organisation des Vicekönig- 
thumä' nannte. 

Metternich und Hartig wurden am 17. und 18. Januar 
über gewisse Hauptpunkte einig, nach denen die» o^(^8ammte 
Verwaltung des lombardisch -venctianischea Königreiches auf 
eine neue Grundlage gostfllt werden sollte. Der Erzherzog- 
Vicekönig hätte seinen ^itz in Verona aufzuschlagen, wo er 
persönlich sicherer und dadurch freier in seinen KntschlUssen 
und Anordnungen sein werde, und wo er, selbst geographisch 
genommen, die Mitte zwischen Venedig und Mailand einlialte. 
Es wären ihm nebst seinen bisherigen Gerechtsamen auch jene 
für die Justiz und das Militärwesen zuzutheilen; er sollte damit 
die Eigenschaft und Machtvollkommenheit eines Alterego des 
Monarchen erhalten. Ihm zur Seite hätte eine Oiunta zu fun- 
gireDy gebildet aus höhergestellien mit den LaudesverhiUtiiissen 



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414 



wohl veximataii PeiBlkiUelikeitoii der Teraehieddnea Verwahatigs- 
zwcigc, etwa Ficqnelmont für das dipIomatiBchey WratiaUw für 
das MiHtürisohe, Torreflani ftbr das Innere, Salvotti filr die 
Justiz.' Der Staatskanzler hatte noch einen zweiten Gedanken, 
einen Plan von viel grösserer Tragweite: es mangle, meinte er, 
den beiden italienischen Königreichen eine Landesvertretong 
am Sitze ihrer Regierung, une reprdsentation nationale dans 
le centre du Gouvernement; dieser Fehler mtlsse ausgebessert 
werden und er werde es werden.* 

Es vergingen mehr als drei Wochen, ehe Casati auf seinen 
ausfuhrlichen Bericht Uber die Mailänder Januar-Ereignisse eine 
Antwort erhielt: Casati's Sehreiben datirtc vom 18. Januar, 
Pillersdorff's in gewohnter liöflicher Form, aber in würde- 
voHem Ernst pjehaltene Erwiderung vom 10. Februar. Der 
Hofkanzler daiikle für die ihm gemaehten Mittheihingen, be- 
kannte aber freimüthig, dass es ihm sehwer falle die Ueber- 
zeugung des Podestli zu thcilen, als ob die Thatsaehen, die in 
einer so beklagenswerten Weise die Ruhe gestört hatten, eine 
einzelne Erscheinung wären. Wenn, wie Casati behauptete, 
den Auftritten vom 1. und 2. Januar kein Plan zugrunde ge- 
legen, wenn es sich einfach um einen Confliet zwischen den 
unteren Classen der Bevölkerung und den unteren Organen 
der Polizei gehandelt habe, , welches war die Haltung der 
anderen Ciassen? Welches waren nach den Ereignissen, die 
Sie nicht minder beklagen als ieh, die von den letzteren unter- 
nommenen Si-hritte? War es nicht ihre Sache den unteren 
Ciassen ein Jieispiel massvoHer Ruhe zu geben, zugleich aber 
den festen Willen zu zeigen, keinerlei AusHchreitungen und 
Gewaltthaten zu dulden V!' Piüersdorff spricht hiebei seine 
Verwunderung aus, wie nach drcissig Jahren geregelter Ver- 
waltung, ohne dass neuestens ein Act der Regierung Anlass oder 
auch nur einen Vorwand gegeben hätte, ein so allgemeiner 
Geist dur Verneinung, eine so feindsselige Ojiposiiion sieh habe 
Durchbruch versehati'en können i Wenn in der letzten Zeit 
von der Verwaltung Fehlgriffe gemacht wurden seieui warum 

* Metteraich an Hai% 18. J«niiAr, Nachlass VU 8. 676 f. 

* An Fiequelmont 17. Februar 1848 VII 8. 683 f.: ,Ce n'ect pM i Vi«nne 

quo Tun peut ex^oter ce qni oonvient de Titre k Milan et k Veniae . . 
Wie sich Metternicli jene ,repr^ntation nationile* daebte, bierilber 
sprach er sich leider nicht ans. 



415 



haben jene, denen das oblag, die Behörden daranf nicht anf- 
merkflam gemacht? ,Ohne Frage haben Männer^ welehe die 
Voraehiing mit herronag^den £igenBchaften begnadet hat, den 
Bernf, ihre Talente aar Zftfamnng der Leidenschaften und aar 
Aafreehthaitong jener Autoritftt ansnwenden, deren Pflicht es 
ist ohne Parteilichkeit und mit nnerschUtterlioher Festigkeit an 
h andeln/ Die Ueberseogung, daas es Casati weder an der 
Kraft noch an dem Willen fehle, erfttlle ikn, PülersdoHf, mit 
dem YoUen Vertranen, dass er es nicht fehlen lassen werde eto.' 

XIX. 

Gabrio Casati hat sich auf den Inhalt dieses Schreibens 
nicht weiter eingelassen. Denn die Zustände und Stimmungen 
in seiner Heimat hatten bereits einen solchen Hohegiad der 
Gereiztheit gegen Oesterreich und alles was mit ihm zusammen« 
od«r Ton ihm abhing, erreicht, dass sich der Podesth von Mai- 
land der Gefahr, anf einem brieflichen Verkehre mit einem der 
hdchstgesteliten Wiener Staatsmänner ertappt zu werden, nicht 
aussetzen konnte, während er es anderseits nicht an der Zeit 
fand, Pillersdorff gegenüber im eigenen und im Namen seiner 
Landsleute die Rolle gekränkter Unschuld und beleidigten Ehr- 
geftdils weitersuspielen. 

Denn es liess sich nicht yerkennen, dass angesichts dessen 
was seit 1846 und in erhöhtem Grade seit Januar 1848 die 
▼orwärtsdrängenden Geister der apenninisehen Eblbinsel be- 
wegte, nichts von dem allen helfen wUrde, was Casati und mit 
ihm eine Reihe sehr gemässigter Politiker seit 1838 angestrebt 
und womit sich die Ideen des fortschrittfreundlichen Hofkanzlers 
im Wesen befreundet hatten. Trotz aUem was man der öster- 
reichischen Verwaltung in den italienischen Proyinzen yorzu- 
werfen hatte, stand doch in der Zeit vor der Revolution immer 
noch fest: erstens, dass Lombardo-Venetien im Vergleiche mit 
allen anderen Ländern der Monarchie in vieler Hinsicht als 
bevorzugt und begUnstigt gelten konnte, und zweitens, dass es 
im Vergleich mit allen anderen italienischen Staaten in der 
Verwaltung und Gerechti^eitspflege, in der Volkswirtschaft 
und im Wohlstande anf das vortheilhafteste abstach. Zu klagen 
hatten also in diesen beiden Rtlcksichten die Lombardo-Veneten 

* FaeiimUe dioMS Sehfeibena bei C. Oasati m & ISO. 



416 



moht; sie theflten nur mit aUen anderen meht-nngarischen 
Lttndera nnd mit allen anderen italienisehen Staaten den Ab- 
gang jener Zugeständnisse, die der fortgesclirittene Zeitgeist 
mit dem eonstitutionellen Schlagworte zu beseicbnen pflegte. 
Diese Zugeständnisse brachte nun aber der März 1848, sie 
wurden im Grundsatse in Mailand wie in Venedig Ton re- 
gierungswegen Yerkttndigt — und dennoch der Abfall? 

In den beiden italienischen Hauptstädten hiess es: ,Zn 
spät!' und Schriftsteller der Revolution beglttekwilnschten sich 
nachderhand^ dass man in Wien den Vorschlägen Nazzari's und 
Tommaseo's kein Gtehjfr geschenkt habe; ,deiiii^, sagten sie, 
,wenn der Bescheid ein gUnstiger gewesen wäre, würden wir 
uns denn zum Au&tande erhoben haben?!' Das war aber 
nichts als Täuschung, zu einem grossen Theile Selbsttäuschung. 
Wären die Forderungen äw beiden Central-Oongregationen 
▼on Wien aus Punkt für Punkt bewilligt worden, die Revolution 
wttrde dodi nicht ausgeblieben sein. Denn es war die Idee des 
Italianismus, welche die Herrschaft Uber die Geister an sich p^e- 
rissen hatte, die sich mit allen Mitteln zum Durchbruch drängte 
und die keine Regierang der Welt, und wenn sie von Engdn 
gewesen wäre, dafem sie eine sogenannte fremde war, zu bannen 
vermochte. Den Beweis dafür lieferte Parma, wo die Herr- 
schaft Maria Lonisens von allem Anfang die mildeste und freige- 
bigste gewesen, lieferte im Hingang der Monate selbst Toscana, 
wo die Verwaltung seit des Grossheizogs Leopold I. Zeiten 
anerkuiuiteruiassen die liberalste war und wo gleichwohl der 
revolutionäre Losbruch nicht ausblieb. Das erkannte der öster- 
rcichisclic Staatskanzlfr riclitic^ und stellte mit vollem Rechte 
die Frage: ,Es sind keine zehn Jahre verflossen, da die päpst- 
lichen r^egationen unter üsterreichisches Regiment zu kommen 
verlangten; was hat sich seither in unseren Anschauungen und 
Grundsätzen, in unserer VerwaUung und Gerechtigkeitspflege 
zum Nachtheile geändert, dass man dieses selbe Keginient iieute 
verwünscht und verabscheut? Sind unsere Gesetze und Staats- 
einrichtungen nicht dieselben? JA Mailand eine arme und dem 
Verfalle preisgegebene Stadt? Hat sich Venedig in den 34 Jahren 
österreichischer Herrschaft nicht in jeder Hinsicht gehoben?'^ 

* ,Le mal qtie nous ayous k combattre, c'est U rÖTolution touto crue. 
L'Itnlie est en r^volMtion; ce qai y porto 1a coiilenr dp^ refonnes n'est 
(|ue la revolutioDj c'eat eile qui marcbe et non lea rdformos los plus 



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4t7 



Wie SaintJnst das Wort gesprochen, was im Namen der 
Freibeit geschehe, sei alles erlaubt, so scbemen die Pfleger 
der neueren italienischen GeschiehtBchreibtmg einander das 
Wort gegeben au haben: wenn es die Österreichische Frage 
gelte, habe es mit dem Anstand ein finde nnd gebe es fitr die 
Anfeindong bis snr Gemeinheit hinab keine Sehranken. Es 
gilt dies nicht etwa blos Ton Zei^enossen, deren dnreh die 
drängenden Ereignisse an%ereister Leidensehaft wir manches 
ttbereihe Wort nachzusehen hMtten: noch heute begegnen wir 
der Erscheinung, dass Schriftsteller, die ernst genommen sein 
wollen und in Jeder andern Hinsicht das Bestreben bekunden 
ihrem Vorwurf in gesiemender Weise gerecht au werden^ augen- 
blicklich aus der Bolle &llen, sobald ihnen die Parole Oester- 
reich in die Quere kommt, wo sie dann mit allen "nteln die 
sfldliche Phantasie ersinnen, mit aller Hitae und Galle die 
südliches Blut auskochen^ mit allem Hohn und Schimpf die 
wuthschnaubende Leidenschaft ausatossen kOnnen, gegen dieses 
,yerrohte', ,verthierte' Oesterreich lossuziehen, dessen Begierung 
eine ,HetBe', dessen Poliaei eme ,Rotte yon Verbrediem', dessen 
Politik ^satanischer Macchiavellismus' sei. In der Ursprache 
lautet die mildeste Bezeichnung ,rabborrito giogo tedesco*, an 
diese rühen sich an: ,1a turpe signoria d' Austria, la tirannide abs* 
burgbese, la rabbia tedesca^ Ein Schilderer der österreichischen 
Invasion yon 1821 spricht von den Oesterreichem, dazomal 
anerkannt die disciplinirteste Truppe von ganz Italien, nicht 
anders als ,i ladroni stranieri', und ein anderer — ich nenne 
absichtlich keine Namen — meint besonders gerecht zu sein, 
wenn er sich dagegen ausspricht, das Oesterreich der ersten 
zwanzig'cr und jenes der vierziger Jahre luiL dem gleichen 
Massstabe zu messen; damals, sagt er, hatte es noeh nicht jene 
Mabkc a})(i:eworfen, mit der es durcli so lange Zeit sein ekel- 
haftes Wesen zu verdecken wusste: tn(!retrice conservava 
una reliquia di pudore! . . In der Tluit, ist es nicht der 
fuhrenden Geister einer Nation, die an Alter der Bildung und 
Sitte allen Culturvülkern des neueren Europa voransteht| in hohem 



imp^rimweineiit rielamia». . . . Lea attaquM dirigöes costrs la puiaaaikc« 
conjerratriee euasont \en memos, si la Lombardie eut ^t^ gouTentje 

«ari^i Tine »enle faute admiTUstrative*; Mettfirnich an LUtsow 10. Januar, 
au Fic^aelmont 17. Februar 184d, VU S. 582, 684 f. 



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418 



Grade unwürdig, einem altelinrfird^en Gegner gegenfLber sn 
Waffen solcher Art an greifen?! 

Es wäre Ihnen ein Kittel ananempfehlen, das ihre eifernde 
Wnth nntrUglich stillen nnd ihre Gedanken in das Geleise 
mhiger Ueberlegang anrUckftUiren mttsste. Sie brauchten sich 
nnr bei jeder Sache, die sie dem verhassten und yermaledeiten 
Oeeterreieh anm Vorwurfe machen, die ein&che Frage Torzu- 
legen: was würde im gleichen FaUe unsere jetsige italienische 
Begiening thnn oder gedian haben? ,Quae culpare soles, ea tu 
ne feoeris ipsel' 

So gleich die Besüsnahme des lombardo>TenetianiBchen Ge- 
bietes 1816 durch den Kalserstaat, welche der heutige italienische 
Chauvinismos zum Verbrecher stempelt.* yl'Austria non si con- 
tentö di conquistarlo, ma volle possederlo/ Nun^ wenn wir nicht 
schlecht unterrichtet sind, hat das Haus Savoyen seinerzeit mit 
Rom dasselbe gemach^ ebenso mit Toflcan% mit Neapel, mit 
Sicilien. Aber freilich wohl, mit Oesterreich war es etwas ganz 
anderes! ,Di qnesta splendida parle d'Italia far si voleva una 
miseranda provincia austriaca, im popolo schiavol' 

Abgesehen von der Verschiedenheit der Zeiten und der 
Umstünde, sagt ein neuerer Gesefaiehtschreiber von Italien, hat 
die (teterreichische Eroberung von Lombardo-Venetien ganz den 
Charakter der BarbarenT&lker des Nordens gehabt; die Oester- 
reicher erschlagen zwar nicht die Reichen, sie nahmen ihnen 
nicht Hab und Gut, weil das dem Jahrhunderte nicht zusagte, 
die Ueberfluthung war minder grausam, aber mehr verderblich: 
,1a offesa dei barbari era grave crudele, raa passeggiera, 1' offesa 
dei nuovi dominatori era mcno atroce, ma permanente e tntti i 
di rinfrescata/ Waren also, heisst es weiter, die Bcstarebuiigen 
die Herrschaft Oesterreichs abzuschütteln nicht berechtigt? 
Gewiss, so antworten wir, wenn Staatsrecht und Völkerrecht, 
wenn Autorität und Legitimität leere Worte sind. Dann wären 
ja die jetzigen republicanischen Bestrebungen in Italien auch 
wohl berechtigt? 

Es will uns denn doch bedünken, als ob Oesterreich vom 
Standpunkte des? internationalen Staats- und Völkerrechtes auf den 
Besitz von Lorabardo-Venetien ein etwas gegründeteres Anrecht 
hatte als z. B. dai> llau> Savoyen auf den Besitz von Sicilien. Und 
wenn heute die italienische Regierung einem Versuche der Ein- 
heimischen die ihnen unbequem gewordene Herrschaft abzu- 



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419 



achtttteln auf die Spur kftme^ würde sie ohne Zweifel diese Be- 
strebnngen ebenso natflrlieh als berechtigt finden und ihnen edel 
und hochhersig fireien Laiif lassen?! Oder wenn in Palermo 
oder Messina eine Agitation mit der ausgesprochenen Absicht in 
Gang gesetzt würde, der Regierang eine ihrer Einnahmsqnellen 
za entziehen, sich fOat diesen Zweck vom Gebrauche gewisser 
dem Staate einen berechneten Nutzen abwerfenden Artikel za 
enthalten, so würde das heutige Italien diesem Schanspiele ge- 
wiss rohig zusehen, den Leutchen ihr unschuldigea und ,fried- 
fertiges^ Vergnügen neidlos gOnnen?! 

Der sonst hoohTcrdiente und mit Recht gefSuerta Graf 
Scliack, aber in seinem ,Mazzini' ein blinder Nachtreter der 
Ttalianissimi, erlaubt sieh S* 17 zu sagen: Jn der Lombardie 
und in Venedig übte Oesterreich eine Gewaltherrschaft, wie sie 
in civihsirten Ländern woM noch selten vorgekommen ist.' 
Hicgegen wird uns wohl gestattet sein zu fragen, worin denn 
diese österreichische Gewaltherrschaft^ dieses ^teuflische System* 
Oesterreichs im Gegensatze zu der Regierung des gegen wilrtigen 
Italien bestanden habe? Dass es ein Strafgesetz besassV Die 
jetzige italienische Regierung soll auch eins haben! Dass es 
Verschwörer gecjen das Staatswolil als Hochverräther verur- 
theilen liess? Es hcisst, die jetzige itiilienischc Kegieruii{j; tlieile 
dieselbe Anschauung. Dass es die gegen Uebelthäter ausge- 
sprochene Strafe in Vollzug setzte V Im heutigen Italien soll 
das gleiche vorkommen. Aber, so lautet die Anklag© weiter, 
die Haft und Behaii llung der Häftlinge sei von ausgesuchter 
und uaerbittlicher Grausamkeit, ,con sottilissima e perseverante 
crudelta', begleitet gewesen, z. B. diese wiederkehrende ge- 
naue Durchsuchung aller Räume, Oeräthe, ja KUiitlungsstücke 
jedes einzelnen Inquisiten! Ja, so darf man fragen, werden 
gefährliche Gefangene des jetzigen Königreiches Italien etwa 
anders behandelt? 

Wir wollen uns bei diesem Punkte nicht länger aufhalten 
und nur zwei aligemeine Bemerkungen folgen lassen. 

Erstens, dass Strafrichter und Wächter der öffentlichen 
Ordnung und Sicherheit um so gehasster, um so berüchtigter 
(famigerati) sind, je eifriger und erfolgreicher sie ihres Amtes 
walten, , berüchtigt', wenn es gemeine Verbrecher gilt, bei der 
schlechten Gesellschaft, ,berüchti$rt\ wenn es Bich um politische 
Verbrechen handelt, bei der sogenannten guten, dort bei den 



Spitzbuben, bier bei politiscben Hoebstaplwn. Das war aber 
nicbt blos in Oesterreicb, Bondem ist auch im heutigen König- 
reiche Italien der Fall, dessen Behörden und GferiehtshOfe bei 
den Mitgliedern einer Camorra, einer Maffia etc. in keinem 
besseren Rufe stehen als seinerzeit die östenreichiBchen bd den 
CSarbonari und den Italiani puri. Criminalisten k la Salvotti und 
Polizisten h la Bolza, Garimberti, Betta, die, nebenbei gesagt, 
in^esammt keine tedeschi waren, haben ein&ch ihre Schuldig* 
keit gethan, und derVonnirf, dass sie sie gethan, trifft nicht 
sie, sondern Mit auf jene zurück, die den ärgerlichen Anlass 
dazu gaben. Die Regierung des Königreiches Italien könnte 
sich etwas darauf zugute halten, wenn sie in allen Yerwaltungs- 
zweigen, in der Justiz und Polizei so wachsame, so geschickte 
und entschlossene, mit einem Worte so pflichtgetreue Persönlich- 
keiten besässe, wie dereinst im vielgeschmiihten Oesterreich die 
so eben genannten Staatsdiener gewesen waren. 

Die zweite Bemerkung aber ist die, dass, wenn yon der 
Tyrannei, der Ghrausamkeit und Hinterlist Oesterreichs die Rede 
ist, im Kaiserstaate allerdings in den HochTerraths-Processen 
Ton 1814 bis 1821 nicht wenig Todesurtbeile nach dem Aus* 
Spruche des Glesetzes geiJUlt, aber nicht eines davon in 
Vollzug gesetzt wurde. Dass sich gleiches von anderen 
italienischen Regierungen nicht mgen läset, davon kann man 
sich aus dem dickleibigen Bande des Atto Vannucci Uber die 
^Märtyrer der italienischen Freiheit' (B^lorenz Le Monnier 1860) 
sattsam überzeugen. 

Es ist nicbt zu leugnen, dass neuere italienische Forscher 
und Darsteller, und zwar in fortschreitender Aufeinanderfolge, 
sich es angel( ;;i II sein lassen die Thatsachcn möglichst ins 
klare zu stellen; allein in der Auffassung und Bcurthcilung, 
wo sie das rothe Tuch Oesterreich erblicken, stimmen viele, 
die besten von llinen, die alte Lt icr an. Vor allem möchten 
diese Herren so gefilllig sein, eine Zeit und einen Staat, 
ein Land zu nennen, wo Uber den Druck der Abgaben, über 
die Höhe der Steuern nicht geklagt würde. Die kaiserlichen 
For(lerun;,^en in dieser Hinsicht waren ungleich nicdri<^er als 
in der Napoleonischcn Zeit, während die Ervverbsverliältnisse 
seit der AufiiebunL,'' der ( 'ontinentalsperre sich fortwährend 
gUnstiLTer gestalteten. Von einer Mibrcgierunc:, wenn man von 
dem Uber alle Länder der apenuinischcu Ilalbinbel uud Uber 



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421 



aUe Linder des KaiMretaates yerhüiigten CMatosdrack absieht, 
kann ein* ftkr allenud nicht die Rede aein. Wohl gab es ein- 
sebie Gesetze, bestanden verschiedene Einricbtangen, die ge- 
wisse CÜassen der Beyölkening abgeschafft oder in dieser oder 
jener Art abgeändert sn sehen wttnschten. Aber wo in aller 
Welt ist so etwas nicht der Fall?! Der sonst so verdienstliche 
de Castro hat in sdnem Aii6atse ,L« Restaoraaione anstriace 
(Arcb. storico lomb. 1888) mit siohüicher Genogthunng alle Bon- 
mots, Spottverse und Pamphlete gesammelt and in chronologischer 
Ordnung aneinandergereiht, die in Mailand gegen Oesterreich 
losgehissen wurden. AUein abermals können wir fragen, ob uns 
der gelehrte Schriftsteller einen Mann der Geschichte, ein Er- 
eignis, eine Lage der Dinge namhaft zu machen wüsste, auf 
den oder auf die gute und schlechte Witze nicht gemacht 
worden wären?! Um nur ein Beispiel anzuführen, wie zahllos 
waren die Wortspiele und Spitzreden» die Uber Kaiser Franz I. 
und dessen Kefj^ierung, und zwar nicht blos in Mailand, sondern 
aucli in Pra^% la Pest, ganz besonders in Wien selbst gemacht 
wurden, und will jemand leugnen, dass Kaiser i'runz einer 
der populäTöten Monarchen war, die je auf einem Tluoue ge- 
sessen? 

Lombardo-Venetien hat unter österreichischem Regimcnte 
einen mehr als dreissigjiihrigcu Frieden genossen. Kirchhofs- 
oder Kerkerruhe nannten es die Geheimbündler und die Re- 
volutionäre; in Wahrheit war es die Ruhe festbegründeten Wolil- 
btandes, ungestörter Fortentwicklung. Im Jahre 1831, wo es 
fast in allen an<ieren Staaten der apcnuinischen Halbinsel mehr 
oder minder gefährliche Aufstände gab, blieb am linken Ufer 
des Po alles im gewohnten Geleise. , Allerdings,* hören wir 
die Gegner sagen, ,weil die Erinnerung an die Strafgerichte 
aus den ersten zwanziger Jahren, weil die Furcht die Kräfte 
der Misvergnügten lähmte, sie vor neuen Uuteruehmungen zu- 
rückschreckte*. Das mag sein! Ailem wie die Gottesfurcht das 
erste Gebot der christlichen Tugendiehre ist, so ist auf welt- 
hcliem Gebiete Gesetzcsturcht, d. h. die Furcht vor dem Ernst 
und der Kraft einer gerechten Regierung, ein wohUliiitiger Factor, 
der zu Gunsten, nicht zu Ungunsten dieser liegiening spricht, 
und die Herrschaft des heutigen Königreiches Itahen dürfte es 
kaum ungern sehen, wenn die Wachsamkeit und die Strenge 
ihrer Organe die aufstandsiustigen £lemeute in gleicher Weise 



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423 



in Banden hielten, wie dies in Lombardo-Venetien in den 
langen FHedensjaliren des Österreichischen Regiments that- 
Bäcblich der Fall war. 

Die Wortführer der lombardo-yenetianischen Bewegung 
▼on 1848/9 liebten es so darsostellen, ab ob das ganze Liand 
wie ein Mann hinter ihnen stftnde. Dagegen ist au bemerken, 
dasB die grosse Masse der Bevölkerung weder mit der Empörung 
nnd dem Kriege einverstanden war, noch einen Wechsel der 
Herrschaft verlangte; zahllose Episoden während des Feldzuges, 
auf die wir nns hier nicht näher einlassen können, legen dafür 
Zeugnis ab. Die schlichten Leute hatten eben, wenn nicht immer 
das klare Versti&ndnis, doch das instinetive Gefühl, dass sie bei 
einem Tausche niehts gewinnen wttrden. Dass sie mit diesem 
ihren Gefühl im Rechte waren, dafür lassen sich italienische 
Stimmen aus der Zeit nach dem Uebergange des Doppelkönig- 
reiches unter italieniaches Regiment anführen.^ Als z. B. die 
piemontesisohe ,Gazzetta del Popolo' darüber Klage führte^ dass 
man in der Lombardie nicht sofort das Albertinische bürgerliche 
Recht an Stelle des österreichischen gesetzt habe, erhielt sie 
vom Mailänder Blatte ,11 Pungolo^ die Belehrung: ,Wir sagen 
unverhohlen, dass der österreichische Civilcodex besser als 
der piemontesische ist; wir sagen es mit voller Sachkenntnis, 
weil uns beide Gesetzbücher bekannt sind. Die Gazzetta del 
Popolo darf, wenn sie sich hiervon überzeugen will, beispiels- 
weise nur die beiderseitigen Verftigungen über die elterliche 
Gewalt, über Vormuiidsehaftswesen, Erbschaftsanfcelefjenheiten, 
Hypotheken etc. vergleichen/ Und selbst ein Turiner Blatt, 
der ,Indipendentc' war es, das die Güte der lonibardischen 
Institutionen anerkannte, die man aus blosser Neuerung-ssucht 
nicht mit einem Federzuge aufheben dürfe. lu einem Turiner 
Briefe des ,Noril' fand sich folgende bezeichnende iStelle: ,Bei 
der Krüflnung der Kammer wird das Ministerium von neuem 
die unbeschränkte Vollmacht verlangen, allein ledit^lieli für die 
Assimilations-Gesetze. Da die Lombardie mehrere vortreffliche 
Institutionen besitzt, so werden diese nicht nur erhalten, sondern 
über das ganze Kümgreich ausgedehnt werden, und durch dieses 

' Die im Tute folgenden BteUen rtthraa» wenn ich nicht ine, insg^&mmt 
ans den ersten Jahren des Anfalles der Lombardie an das Königreich 
Sardinien her; Ifiilcr hnhe ich es rechtzeitig vers&amt, mir Jahr^ Tag 
und Numer der betreffenden Notii aa&useichnen. 



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423 



System eines einsichtigen Eklekticismas werden alle Empfind- 
lichkeiten geschont werden, wird die Verschmelzung sieh von 
selbst ohne Erschütterungen, ohne Gewalt und zur allgemeinen 
Befrietligung vollziehen/ Als Graf Gabrio Casati als pionion- 
tesischer Minister an die Reform des Schul- und Untcrrichts- 
wesens schritt, waren es die von ihm so genau gekannten 
üsterreiclnsehen Grundsätze und Vorschriften, die ihm als Muster 
dienten. Erwägt man nun, dass alle diese dem Kaiserstaate 
nachgerühmten Leistungen solche waren, die auf die aller- 
weitesten Kreise ihren Eintiusa übten, ihre Wirkung äusserten, 
80 war es wulii begreiflich, dass sich der Ikiuj tstock der 
Bevölkerung von einer Kegierung, von dereu Organen jene 
Leistungea ausgingeOi befriedigt fUhlen musste. 



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U&KÜNI)LICH£& ANHANG. 



Die Schriftstücke, welche hier in chronologischer Ordnung 
folgen, gehören verschiedenen Kategorien an. 

1. Der letzte vormärzliche Podestk von Mailand stand mit 
dem damaligen k. k. Ilofkanzler in Wien von Mitte October 
1844 bis nach den Januar- Ereignissen 1848 in ziemlich leb- 
hafter Correspondcnz. Casati's Briefe haben sieli, allem An- 
scheine nach vollständig,^, im Nachlasse Pillcrsdorff's vorjj^e- 
funden, sind mir von Baronin Constanze Pillersdorff, Tochter 
des berühmten Staatsmannes, freundlichst zur X'erfiigung gestellt 
worden, und ich habe im Einvcirstiindnissc mit der edlen Ucber- 
lasseriu beschlossen, dieselben, nachdem ich davon fUr den 
Zweck dieser meiner Schrift ausreichenden Geliiaucii gemacht, 
dem kaiserlichen Haus-, Hof- und Staats-Archive einzuverleiben. 

Graf Gabrio Casati scheint seinerseits die Briefe seines 
Wiener Gönners gleichfalls aufbehalten zu haben, und ohne 
Zweifel aus dessen Kaclilasse hat Dr. C. Casati einen derselben, 
und zwar den letzten, facsimilirt öeinen , Neuen Enthüllungen^ 
einverleibt, und konnte dessen Inhalt von mir oben S. 414 f. 
benützt werden. Die übrigen Antworten Pillcrsdorff's habe 
ich nicht zu Gesicht bekommen. Ihr muthmassHcher Inhalt 
l;is^f sich errathen und ist darum der Abgang ihres Wortlautes 
iiiiii(lcr zu bedauern. Denn ohne Zweifel hat der wohlwollende 
kaiserliche Hegierungsmann dem Maililnder Podesta gegenüber 
jederzeit seine persönlichen besten Absichten znra Ausdrucke 
gebracht, während er sieh über das, was aus den gegebenen 
Anlassen in den obersten Kreisen gedacht, geplant und berathen 
wurde, die ailergrösstc Zurückhaltung auferlegen musste. 

Von unverkennbarer Wichtigkeit hingegen smd sowohl 
ihrem Inhalte als ihrem Wortlaute nach die Briefe Casati's 



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425 



schon darum^ weil sie ans den Stufengang seiner politischen 
Gesinnung nnd Haltung von seinen über den Eiiipfaug, deu 
er 1845 in Wien gefunden, in Dank und Anerkennung über- 
strömenden Gefülilen bis zu seiner ^reri^en di(! Verfügungen 
der Landesrer^ieriing' sicli steigernden Fronde, die iu den iMiirz- 
tagen 1848 ihren revolutionären Aböchiubs Huden sollte, erkennen 
und verfolgen lassen. 

Die Briefe Casati's, Quartlui iuai, sind, wenn sie aus mehr 
als einem Halbbogen zu zwei Blatt besttdieu, durch einen am 
Ende mit einem Insico^el ~ unter einer Grafenkrone G. C. — 
verschlossenen Bindladen zusammengehalten. Sie waren anfangs 
itidienisch, aber vom Novembor 1845 an, vielleieht auf eine 
Andeutung Pillersdorffs, durchaus franzü.si-,eh abgefasst. Sic 
sind bei den kleinen und feinen Zügen der Handschrift Casati's 
mitunter schwer zu lesen, einzelne Worte mehr zu errathen 
als buchstabenweise zu entziffern. Einen Fall möchte ich 
besonders erwähnen. In dem eingehenden Schreiben vom 
18. Januar 1848 wird ein gewisser Suini erwähnt, ,qui est . . . 
a Thöpital des Frferes*. Von dem mittleren Worte waren 
der Anfang dö und der Endbuchstabe t zweifellos, aber die 
dazwischen liegenden zwei oder drei oder vier Buchstaben 
spotteten jeder Analyse. Keinerlei Combination gab ein an- 
nehmbares franziisiselies Wort oder aber, was in Casati's fran- 
zösischem Con texte gar nicht sulten war, einen Italianismus. 
Das gesammte Staats-Arehiv vom jüngsten Oonci]M-ti n bis zum 
Hofrath hinauf wurde von mir in Anspruch genommen, alles 
ohne Erfolg, bis eines Tages Herr Staats- Archivar Dr. Joseph 
Lampe] auf die kühne Conjunetur eines französirteu Lati- 
nismus verfiel: ,d(^gent' = dcgens von degere weilen, sich auf- 
halten. Als mir nun später C. Casati's liivelazioni in die Hiinde 
kamen war ich überdiemassen begierig, wie dieser die Stelle 
gelesen haben mochte, wurde aber sehr enttäuscht dort stritt 
,est degent' zu linden ,fut trnnsportö^ Steht es wirklieli so im 
Concepte G. Casati's oder hat sich C. Casati mit dieser Unter- 
stellung aus der Verlegenheit geholfen? 

Bei der Wiedergabc des Casatischen Textes habe ich mir 
nur erlaubt offenbare Entgleisungen der Feder riehtigzustellen, 
Accente, bei deren Abgang der richtige Sinn leiden niüsstc, 
z. B. ,tacher' fiir ,tÄcher', ,sur' für ,sür' nachzutragen. Im 
Übrigen aber wurde manchen Eigenthümlichkeiten des Casati- 

ArdÜT. XCl. Band. U. H&m«. 28 



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436 



BcheD Stiles, namentlieh der, wie Bchon erwähnt, anfstossenden 
Italianismen im französischen Gontextc, gcwissenbafl Rechnung 
getragen. 

Von (^us;iti's Briefen habe ich solche in meinen urkund- 
lichen Aiilian;,'' aufgenommen, die mir wc^^cn ihres bedeutungs- 
vollen Jiilialts die vollständifi^e Wieder;^Mbe zu verlan^'en schienen; 
andere haben nur m meinem 'l'exte Krw ^liruuip^ und mehr oder 
minder eingehende BerUcksiclitigung gefunden. Von den wich- 
tigeren K>ch reiben hat sich G. Casati selbst Paria zurückbe- 
halten, entweder dm urs])rüngliche Coneept oder eine nach- 
trägliche Onpie der an Pillersdorff abgegangenen Schreiben; 
Reinsehrilien kaini man diese Selireiben nicht nennen, weil sie 
durchaus gesehäftsmännisch. raseli und niclit ohne manclie Ans- 
besserungen zu l^apier gebraelit sind, het/teres dürfte auch 
bei den in seinem Nachlasse vorgefundenen Parien der Fall 
gewesen sein, von denen C. Casati drei in sein "Werk aufge- 
nommen hat, vom 13. September uud vom 18. Oetober 1847, 
I 207— 233, uud vom 18. Januar 1 s4S. II 4l<U- 477. Die Ver- 
schiedenheiten zwischen Onirinal und Copie oder Coneept sind 
grösstentheils unwesentlich, Sehreibfehler hier oder dort, falsche 
Lesearten des Heran«^'-e])ers oder Druekfelder des Setzers, die 
mitunter reelit störend wirken, oder endlich stilistische Aende- 
rungen, die der Correspondent selbst bei der zweiten Nieder- 
schreibiiiiix vorgenommen hat. Es kommen aber in den Wiener 
Originalen auch bedeutendere Zusätze vor, die bei C. Casati 
fehlen, und daher von G. Casati erst nachträglich in seinen an 
Pillersdorff j^^rrieliteten Text aufgenommen worden sein müssen. 
Si(! sind manchmal charakteristisch genug, z. B. wenn der Brief- 
steller im Concepte ,r<^publiques gr^ques' schreibt, oder das 
•Programme' Pillersdorirs erwähnt, in dem au den k. k. Hof- 
kauzlcr selbst £rcriehteteu Selireiben aber die ,republiques'' (rinfach 
als ,pays* nennt, zu dem ,iu-o<rramme* das anerkennende ,tri;3 
sage' beifllgt. Hier hat der Briefschreiber mit unverkejiubarcr 
Absicht die Ausdrücke seines Coneeptes abgescdiwiieiit oder 
verschönert; es kommen aber auch Stellen vor, wo er sie in der 
Hitze seiner Erregung seinem Wiener Gönner gep:eniibcr mehr zu- 
spitzt, verschärft. Ich habe bei den drei erwähnten Briefen die 
Verschiedenheiten der Casatischen Lesung von der meinigen an- 
merkungsweise (jConcept* oder ,C. Casati*) hervorgehoben, solche 
ausgenommen, die yöUig nichtssagend sind oder wo auf der 



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427 



einen oder anderen Seite unverkennbar ein Verstoss unter- 
laufen war. 

2. Eine sehr reiche Ausbeute hat mir das Archiv des 
Ministeriums des Inneni, namentlich in seiner der bestandenen 
Obersten Polizei- und Censur-Hofstelle entnommenen AbthciJun^ 
geliefert. In dieser Abtheilun^, die ich .Polizei-Archiv* citirc, 
bieten die sogenannten Intereeptc (vgl. oben 266 f.) einen 
pikanten Stoff, theils dureh ihren eigenen Inhalt, theils durch 
die sich gelegentlich daran knüpfenden Bemerkungen des Mai- 
länder General Polizei- Direetors. Die Intercept(5 der sogenannten 
Postloge wurden niimlieli in Abschritt tnler im Auszuge, in 
selteneren Fällen wolil im Original, an Baron Torresani ge- 
leitet, aus dessen Iliinden sie durcli den Gouverneur an den 
Grafen Sedlnitzky in Wien gelangten. Torresani pflegte dies 
partienweise zu thun — so bildet z. B. das unter nr. 4 mitge- 
theilte Intercept vom 15. September 1847 die sechste Beilage 
zu Torresani 's Bericht vom 17., Polizei- Archiv fasc. 1870 
nr. 1.437/10.787 — und die einzelnen Stücke entweder ,Ohne 
Bemerkung' vorzulegen oder erklärende Aufschlüsse, wohl auch 
eingehende Erwägungen beizuftigen. 

3. Die aus dem Lager Hadetzky's an den erst in "Wi ii, 
flnnn beim Hauptquartier in Mailand weilenden Ilauptuianu im 
k. k. General-Quartiermcistcr-Stabe Karl Grafen v. Hayn ge- 
richteten Briefe, s. oben 382, 4Q5f., gewähren einen lebendigen 
Einblick in die Auffassungen der allgemeinen Lage und die 
dadureh hervorgerufenen Stimmungen in den Officierskreisen 

1 k. k. italienischen Armee. Aus den von mir ausgewählten 
^Stücken liabe ich nur solche Stellen ausgelassen, die rein 
privater Natur und daher für die Oeftentliehkeit von kuinem 
Interesse sind. Zwei davon greifen über den Abschiuss der 
Correspondenz Casati Pillersdorff um ein paar Tage hinaus, sie 
berühren aber Verliälinisse und Thatsachen, die noch in jenen 
Rahmen hin einfallen. 

Wien, August 1901. 



28« 



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I. 



Eccelienzal 

(Strettaflumto oonfidflcniale bU» porMna.) 

Tale fu il coriese accugliinento ch' io ricovetti liall' E. V. lonjuando 
mi portal costfi nello 80orso antnnnn cb' nie iie rimarrä clernn I i inornoiia 
Nö 8apr*M Tome tliinontiraruü le parolo piene di bonta C(>lle V. K. 

mostrommi quasi un desidorio rh^ io avossi a dediearmi at disinipegno di 
alcnna carica di regio pubblico sf rvif^io. E per veritii come lo fn altre 
volte. cosl ancora adesso con tntta l:i Imona volonti^ lo mi applloheroi nn^(i 
i miei sfor/j ed assidua occopazidni' avossoro dirf-ttariiente |»or isci»p<; il 
sprvitrio del Sovrano e dello Stato. K l' K. V. all' f'Si>ressione di quel Suo 
poiisioro aiTGrinTiBe rho non tralasciassi di farle rnnoscon» quando si presen- 
tasse alcuna raiica che pure mi onnveuisse e per la natura di essa €■ jicr 
il rnnp:o. Incoraggiato da simile Lrt ntilissima proposta, giaccbö altriui<Mi1i 
non oseroi farln. prondo animo a con-ispondervi osp.mendo alTE. V. noUa 
piü soirff'ta conthlenza e depositando il min ponsicio nel sui* cuoro. K cor- 
tezza clu' il (\>ns. K. Dclegato di Milano Cav. Ton iceni sia per pi esentare 
a S. M. la diinamla di riposo progando per 1' intera pf^nsione, so esiti) 
fiiioni t> pol diililno di otteiiere (luaiito braina. Io noii dubito che la M. S. 
non sia per rimeritare iin magistrato che jier lunghis?ima sorie d'aniii 
ha reso intelligcntissimiservigiallo stato. che sobbeno a rigore di discipiina 
non abbia perfettamente compiuto il tempo prescritto, tuttavia 1' opera 
8ua pu^ calcolarsi piü che di quaranta anni, conviene far a lui aggravio 
se in questi ultimi tempi la salute abbattuta non gli pennette di occuparsi 
con queir enorgia che altrevolte dimnströ. Quando una tale magistratui-a 
fosse vacante ecco, Eccellonza, quella che piü di ogüi altra sarebbe a mio 
credere, a proposito per me. E prima di tutto anierei questa a proferenza 
perch^ mi fomirebbe mezso a lavorare indefdssameiite in an*etäneUa 



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429 



qu&Io, graue 1* aalate ohe Dio mi ooncade» poeso aoatanero un^aasidii» e 
prolnngata fiiliea; che anii nuA carica dl poco lavoro non anderobbe 
coli' abitodine da me contntta di contmua oecupaiione. II genere di 
trattaxione I in grau parte rattnale e ei ridiiee a ?edere io seconda 
isiansa albri cbe oia tratto in prima; la qoal coea b talfolta raeno graYoaa 
poiolib il rifedere b eempre meno che U creare. % per me valatabile aaaai 
il rimanere nel domidlio OT*b stabilite da aeeoli la mia famiglia, ove le- 
gami di aangae mi Tincelano, otc ho la somma delle coae mie; a taiio 
qneato non aaprei coai facilmente rinimdare ae non per aTrentora si 
trattaaae di cariche alle qnali nb debbo nb poaao aapirare. La comnnansa 
di reaideoia della mnnicipalitä e della delegasioney il oontinno contatto 
di ttattasioni fa ai che il paraonale oonoaca pienamento e non &rei qnaai 
che cambiare la firma. Eoco, Eceellenca, oon totta la IngenniU e col 
euere apei'to il mio penaiero od aggiungerb il mio deaiderio che non ho 
avelato ne errelerb a peraona, ae non a T. B. Se la carioa di Podeatb foaae 
permanente io non bnunerei ehe di conaerranni qnaata adempiendone i 
doTori; ma deaaa b temporanea non aolo, ma soggetta ad ogni triennio a 
a^reta yotadone anlla quäle pouno arere grandiaaima inflnensa mofiTi 
aflhtto eatranei al bnon andamento ad alla indeÜBaaa fitioa e lelo di aer- 
Tigio : e a'altro non foaae il aolo penaiero del cambiamento talvolta baata 
aTodersi rifiotato da nna votaiione. H rientrare neU' osio qnando ai aenie 
nn' enorgia che spinge al laTOio od il doTorai creare nn' occnpaaione qnando 
si e preso nna langa abitodine di affari pubblici, b coaa penoea e diflScile. 

So che diatinti impiegati ai metteranno in raogo per occapare nna 
tele magistratnra e certamente tr% qnelli 8. H. potrebbe aoegliere persona 
dl me piü degna. Ma, tralaaciando ogni confronto peraonale che gindi- 
cherei non delicato per parte mia, talTolta nel ooniitto delle opinioni il 
metter 1* occhio sovra altra persona non aspcttata nb proposta, per cni 
non esistoDo i medesini motiyi, ma diyersi per eeaere in differente aitn»- 
zione, h risolvere ona quesiione tante Tolte impegnata. Imperocehb, come 
V. E. conosce bene, io non posso assolntamente mettermi in rango di 
roncorrenza senza attirarmi contro, oltre gli sforzi, e direi quasi lo sdegno 
compctitori, come quando mi feci nel 1833 a concorrere al posto di 
.Set,'retaiio di fJovorno per mettermi in carriera, anche una freddeaza da 
parte de' rappresentanti il comune, cd uno smacco non arrivando allo 
scopo. Meiitro dappoi se realmente mi ti uvassi portatu al posto di Dele- 
gato ove tanta influenza viene esercitata sovra gli interessi comuuali. 
i cittadini sarebbero ben soddisfatti di vedoiiriivi C(di*»cato quäle caparra 
del hL':ii accöi'do fra le diie .uiiiiitiiistraziMni ioi,Ma e civica; accordo che 
fa sempie mio diviäuuieiito cobtaiiiu, o vedrebbeiu in ciu uu iucoraggia- 



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430 



mttito pefch^ dappoi Tengs ocenpvta la prima magistnioFa civiea da 
soggetto capaee a soatonero rincarioo. Come gä avea esprewo a T. B. 
non era in altri tempi mio penBiero iina delegasione, ma ora che fect nna 
pratica d'aifari amminiBtratiTi assai fort« e gravei non che di aoprainton- 
dero ad nn personale d* nffioio aasai piii nnmeroeo nelle ane ramificaxioni 
che qneUo di nna promcia e ehe trattaei di non abbandonare il mio 
domicilioy la coaa ^ dtversa che ae ne'divieamenti di B. M. i di deaignare 
altri in modo ehe si formi Tooto nei corpo del QoTorno, npeto allora 
airB. V. il desiderio di occnpare nna di quelle sedi. 0?e so rietnuione 
pabbliea era il ramo al quaie in altri tempi aelo ami aapirato giaoeh^ di 
eaaa eiami oecapato per otto anni, ora potrei agginngere gll altri oggetü 
amminietratiTi per l'acqnietata pratica di pnbblici affiffi d'ogni aorta per 
altri Otto anni* 

TogUa TE. y. perdonarmi; ma avrei crednto mancare ad iin dove- 
roBO aentimento eol non corriapondere al tatto di bontä nsatomi eol dirmi 
di renderla direttamente ayrertita alloia quando si preBentava nna carica 
ch*io credeasi per me opportnna. Neasiina pih di qneata & per me di 
maggior convenienia aia pei rapporti peraonali sia per qnelli di famigUa. 
Ho lusinga ehe S. H. non avrebbe a pentirai della Soa determinasione ne 
y. E. d* aTorla promosaa. lo m*affldo pienamente ed interamente alla 
proterione e corteBia dell* B. y., g^acehft ae aTrenlBse qnanto io desidero, 
k neceaeitä che parta spontanen la determinasione di cotesta residenia e 
riesea inaspettata eome altre simili nomine vennero abbassate. In ogni 
modo Toglia V E. y. continuarmi la sna bontä e permettermi che mi pro« 
testi mai sempre con vera e profonda stiroa, sincera rioonoscensa, alto e 
profondo rispetto delFE. y. 

Milanu, Maggio 1845. 

Divof • Obb"'' ed Ossog»» Serritore 
Gabrio Casati. 

IL 

Excelleace. 

(Confidentielle.) 

Un (^'vt'iifinciu (Je la plus haute importance pour notre pays viont 
d'arrivor: ,le deces de ^<>n EiniiKMice le Cardiiiiil-Archevöque.' Ä peiüe 
la Qoufelle s'ost repandue et le tccux public s'est ouveilement proAonc^ 

' Karl C<yetau Graf v.GaUruckf zu Mailand 19.Novouiberlä46; s.obeuS.äOOf. 



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431 



ponr qne le suceeaseur soit national, ei la dlslgnation qa'on a snpposö 
de qnelqD« indmdu ^tnmger k notre pays, a prodait nne impreBsion 
d^agrteble. Dans la popnlation eziate ]a tradition de rancien priTildge 
de la Yille d'aToir to^junrs an Arcbereque ehoiBi panni ees dtoyens. En 
effet antrafois le Conaeil commanal jonisBait da prifil^e de p6tttion k 
S. H. daos le bat que le ciioix füt l)orn4 i la claeee dee patriciene mila- 
nais. Le maipaMdm qol derni^rement ee liait k V'id^ de noblesse» ne 
ddcemait proprement qne lea originairea de la Ville en bien cenz qai y 
^taieni agi^s aprte an incolat de deoz sMee oa poor dee m^ritea 
partioaliers« Tout eela, on le voit bien, dans la pens^ d'aToir an Paetenr 
qni füt k la port^e de bien oonnaltre le ditail de son ministdre appUqn^ 
an pays. L'EmpeFeur Joseph U avec son d^cret 9 Hai 1783 a eonflnn^ 
an privil^ bien eher poar noae, et le Oonseil commanal en a fait osage 
loraqae de la mort da Cardinal Fonobonelli avee sa Petition 28 avril 1788. 
S. U . dana sa benignite a bien Toola fiiire bon droit k Ses Sujets ftdUes. 
Le d^cret 1 7embre 1788 de nomination en Aiohev^oe de Monselgneor 
Philippe Visconti en donnant les motifs da ehoiz s'ezprime ainsi: ,Desi- 
deroso Noi di provTedere la Ghieaa Metropolitana di Milane rimasta ?acante 
del Capo e Pastors per la morte del Cardinale Aioi?e8eoTO Pombonelli 
d'an idoneo e degno Socoessore, onde soddisfare eon d5 ad nno de'princi* 
pali doveri del Sovrano e degli originarii Suoi diritti, abbismo rirolto la 
piü attenta consideraiione a qnesto oggetto. Non contento Noi pertanto 
d'arer deferito Tolontieri alla sapplicadelConsigUo generale di cotesta 
nostra Cittii perch% ci oompiaoessimo di trascegliere an Ecelesiastico suo 
Fatrisio, portammo questa volta i nostri sgnardi specialmente sopra 
individai del Capitolo della vacante Chieaa, affine di trovare fra essi an 
soggetto non solo benemerito per servisii resi alla medesima, ma 
anehe ben istrnito nel rito particolare e delle prerogative di essa, 
consapSTole dei bisogni spiritnali della DIocesi e fornito di tntte 
qaelle qualitä che si riehiedono per ana sl eminente carica pastorale. Fni 
gli altri soggetti piü degni e meriteToli della nostra contemplazione in 
vista degli ora detti reqaisiti abbiamo trovato ooncorrere essi in 
grado distinto neUa persona dell* attaale Preposto del Capitolo Don Filippo 
Yiseonti Pairisio milanese, il quäle seoondo la testimoniansa del 
QoTemo rinnisee alla eondotta di baon ecdesiastioo, alla integriU e mo- 
destia de^eostamif ed alla pradnuta, la pratiea oognizione delle cose 
spettanti al governo della Chiesa vacante e le maniere le piü atte a ron- 
derlo accetto al Clero ed al Popolo, coUe qoali egli si h acquistato 
fin d'ora la stima de'snoi eoncittadini. Fatto quindi da Noi maturo 
riüesäo abbiamo credato non poter fare scelta migliore per la Gblesa n^ 



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pii grata a qaeBto Pubblico che del sndotto Frepoato Gapiiolire Don 
Filippo Visconti.* 

Kotre ^gliBO qnoiqoe trte-jalonso de Tnnitf oatholiqne k laqnelle 
(elie) a 6tA toiQoiira invai^iablement attach^e, n*a pas moins une ett^rio- 
ritö de cnlte particnlidre et un o6de de loix dtsdplinaireB k eile, contenn 
dans le pr^enx Tolume Aota Sanctornm mediolaneneis Eccleeiae 
Tdn^ par bien des eglises. La connaiss&nce dono du Bite, des disciplines» 
des prörogatiTes de ri^Use Ambroisienne difRdlement peat ae trotiTer 
cbez un 4tranger; ajontons celle des contfimes, des habitades, des vices 
mtaie de la popnlation, et on oomprendca tont de suite corame la sagesse 
de rBmpei'enr Joseph n*a pas ero snrpasser ädes oonsidtizattons qni aont 
essentielles. Lea n^gliger serait faire siipposer qn^on dispose de TArdie- 
▼66h6 comme d'une riebe pension ä l'app&t de laqnelle peot on se monvoir 
bien de loin, et qae la pensde de pounroir aox besoins spirituels d*ime 
popolation d*un million des catholiqnes divis^e en 764 paronses est mise 
de c6t6. Ite manqne des eonnaissanees dont rEmperenr Joseph en hü 
r^nnm^ration lend T^hi inntile, an moins ponr tont le temps qn'U doit 
employer ponr les acqoörir, et rexp^rienoe nons a ddmontrd qae pas mtaie 
S8 aantes ont M süffisantes ponr les rejoindre parfiiitement. 

Dans nne circonstance pareille je croirais trahir mon devoir me 
taire, le silence serait coopable. J*ai expos^ ma pridre Terbalement an 
nom anssi du corps mnnieipal ä 8. A. L B. rArchidne Yice^Boi qni a 
en la bont^ de raccoeillir et m'assnrer qn*ü la regardait tr^raisonnable 
et juste. Ä pr^nt j*ose la r6p^ter k T. B., car j*esp^ infiniment dans 
Sa bienreillance qn'Elle Tondra bien raocneillir anssi et slnt^resser & fin 
qne les vcsnx d*ane popniation qni ne cherohe antre chose qn'nn Pastenr 
Selon ses besoins soient exano^s. ün Evfiqne ^tranger diffidlement pent 
entrer dans Tintimit^ du pays, il pourra bien remplir les doToirs indispen- 
sables de TEpiscopat; mais maltriser les cceurs, regir les et-prits, dirigei- 
les consciences, inflner snr la moralitd de la population, enfin fike la 
Inmitee, la direction, le p^re des fidMes est presque iinpossible. Le hon 
Pasteur doit eonnattre ses onailles, comment cela ponr un ^tranger dans 
nn diocke si vasto? Je comprend bien et tont le monde en est persnadd, 
qu'ii present on ne pent pas se borner ä un patriden ponr le choix quoique 
ne 8oit pas impossible, mais an moins ^ nn eccl^siastiqne dn dioc^, 
enfin CO qni est certainement possible, natnrel, justo, h nn national. Kotre 
Eglise compte 137 Eveques, car eile date des teuips apostoliques etilfant 
remonter jnsqu'an X sii^clo pour trourer avant le Cardinal Oaisruck un 
^trauger, c'est un Fran^ais; et encore il font remonter aox preouers 
eitles pour tronrer quelque Grec. Deux cent aniiees do domination 



433 



espagnole nons a junais donii4 an An;h«Tftqiio sntremtnt qne MilanaiB» 
mais nons i^tona, fli ce n*est pas nn MUanais, soit an Italien. 

Qae V. E. Tenille porter tonte son mfluence daas ane affitdre qai 
tonehe si fortement notre pays . . la reeonnausance en sera Aemelle. 
Si Jamals qaelqo'on oie dire qae la popalation ogt indifKiente enr la 
nationalit^ de notre Pastenr, celni-Uk se trompe oa bien il veut tromper, 
comme maUieiireQsenient il j a to^joan qai ttehe de le fiiire. Kotre 
popnlation est fldUe et tranqoille. Elb re^oit avee sonmission aossl tout 
ee qne par hasard poorrait loi d^plaire. EUe sait respeeter «n sUenoe les 
d^terminations snp^rienres. Kais le silenee respeetneaz est bien loin 
d*«tFe de rindiffirenoe. L*effet moral eepeadant est beaaoonp k oalcoler 
par les rtigisaeors des peuples. 

y. E. j'esp^re ne Tondra pas se refoser i dtre notre appni, notre 
sontien, notre tateor, et aeeneillir aveo bont6 ma pri^ et anssi 6tre 
assei indnlgent ponr ezcoser si je parle avec tonte la franehise qn*ane 
bonne cause donne nn snjet fldUe, ä nn magistrat Icijal et ä nn eitojen 
qni aime son pays sans pr^ng^. Me taire se seiait manqaer k nn devoir 
sacr^ Tis-i-Tis dn fion?erain et de mes ooncitoyens. Hon ecenr est p6n^tr6 
de rimportanoe de la ohose, je ne cbendie rien ponr moi, j* j n*ai qne Tint^röt 
de tous les Milanais, o*est pour le bien pnblio. Je vondrais toujours 
TOir les dätetminatlons du Ponvoir suprdme en csorrespondance avec les 
dtos ralsonnablee des s^jets. L'amour des sajets est le plus fort appui 
du trAne. 

Je prie Y. £. voaloir aussi ugt^r avec la bont^ ordinaire les ei- 
pressions de mon estime tr^s sinc^re et de mon respect tr6s profond. 

De V. Excollence 

Hilaa, 24 9'*'« 1846 

trös buDiMo vi tros d<'«vnue serviteur 
Gabriel Casati 
(Podestä de Milan). 

Excellence. 

Avant que des articles de journanx on bien des rapports pas assez 
ezacts poissent faire m^connaltie lu voiite des faits malheureusement 
aniTte dans ces jouis en notre Viile, je crois mon devoir d*en rendre 

» Vgl. C. Casati I, 207—217. 



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434 



compte ä Y. E. avec toute la sinoMU possible. Je oommencerai im pen 
bin poor bien eompreadre tonte rorigino et Tesprit d«8 ^T^nements «t 
je dirai tonte la lintA teile qn^elle est, car ma lettre est tout-&>lait vM- 
diqnei et sl je parle des personnea ce n'eet pas ponr les aeeuser formelle- 
ment, mala Benlement poor lee faire coanaltre dang leer aapeet viritable. 
Dien eat tämoin de la y6nU de ma relation. 

ReconnaiBBante la popnlation ä la bont6 de 8. H. poor la nominatioii 
du nonTean AnsheYftqne, la Congr^tion mnnicipale a propofl6 an Conaeü 
de rendre la fito de son enti^ dans la M^tropolitaine solennelle. En 
coneervant parfaitement Toidre stabil par la circnlaire aaliqae de 1817 
noQS avons propoa6 dea ext^riorittfa, dea arcSp des gbirlandee de fleors, de 
la masiqtte militaire et antres choses semblables. Le Ckinaeil Q*a paa aenle^ 
ment accneilli notre propeaition, mais lea conaeiUera ont montr^ le dAtxt 
qne lea ehoaea fnasent ex^eat^ea de oiani^re qve le rang de la Tille Akt 
bien eonserv^ via-lt-Tia anx antrea villes promcialea. Le OonTemement 
a approuT^f et la d^pAcfae portait qne tont ce qae la Gongr^tion mnnicU 
pale aorait fait dana son sMe pour cetto ciieenatanoe anrait 6t6 agrM par 
le GenTemement Yoyant en eela une dömonatration de reconnaiaaanoe k 
S. M. poor le ehoix d*nn Pr^at distingud et digue d*oGonper eette cbarge 
Eminente. La Congr^gstion alors a piia eoorage et a tftcM de rendre la 
föte plna solennelle posaible. Lea ebosea en effet sont all^ea trte bien. 
Le 4 7mbre aprte-Dkidi novs avona 4t6 ä sa reneontre k dem millea de la 
Tille et nona TaTons accompagnö jasqu'ä sa r^sidenee. La fitte 4tait 
signaMe plttt6t par la maltitnde da penple et le nombre dea Toitnres qne 
par les appareils. Notre r^ption ä proprement dire anrait 6t6 Införienre 
k oelle derArcherdqne d'üdine. L'ordre le plus parfedt a 6i6 maintenn. 

Le dimanche 5 la procession a 6\A solennelle tranqnille Mlfiante. 
Le sdr nne Illumination g6nMie de la Tille a en lien et anr la place 
Fontana via-ft^Tia de rArdieTftch^ la Cougrcgation avait fait ex^ter aTec 
le gaa le chiffre et lea annoiriea de rArcbevgquc, spectacle tont k €ut 
nonvean ponr noua. Halhenrwisenent nne pluie tris fette a gftk^ cette 
magnifiqne 8oir6e et bien de monde n*a pas pu jonir dn ^eetacle. La 
plnie eess^ les bandea militalrea ont ex^cnlä des pitees choisies de 
mostque, et le joui- a 4t4 fini avec la plus grand ordre possible. Seuleuieat 
qne tont le monde exprimait le d^sir de la räp^tition dn spectacle du gas 
ponr le jour 8, föte titulaire de notre uietropolitaia. L'adiniuistration 
muuicipale n'avait pas d'obstacle a acquiescor aui desirs du public, surtoat 
qu'on les avait exprimes dans le Consoil comraunal qui s'ötait nhini lo 
lundi 6 pour d'autres affaires, Seuleraont que pour !a {rarnutie Je l'oidro 
public il fallait s'^ntendro avec les autoriteo qui au äunl lespoubables. 



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495 



Bn effet j'u &i6 eh«s 8. E. le Oonveni^iir qiii n'^fait pu d^avis de la 
faire, tonte fois il a iqoat6 qve, si le Direckeiir de Police n^avatt pas de 
difficoltö, il ne faisait anoane Opposition. Le Directeur de Police tronva 
qo'on amait pn contenter la population et il m'^crit le jonr aniTaiit que 
je poQvais donner lea ordres poar l*ex^ntioii. Afln cependant qve tout 
le monde n'all&t ee fonrrer dana la place Fontane» on a ^dair^ aiusi la 
place da Dnomo arec la mithode ordinaire, maia avec Adgance et gaieti. 
Tont^taittranqQilleet je me complaisua de Tordre qu'y regnait; moi-mtaie 
et lea AeseBeeun nona noua eommee occap^ de tone lea d^taila poar qne 
tont eftt h marcber aelon le d^ir nniverael, de numitee qvCk 97t J*"^ 
al»andoond lea aalona de rArchevöque pour aller an Tbä^re ot 11 y avait 
an ooncert ponr bienCuaance et ne pas froder' mon contribnt ordinaire. 
Lorsque Ters 10 on lOVt^^^^^P^ ooin de la place dn Dnomo chantait 
rhymne da Pape. La police n*a paa dtfendu de le chanter, on a laiiai 
toiqonra le foire sott an thdfttre aoit dana lea rues. Getto tronpe 8*avan9ait 
tranquillement en chantant, comme la olioae eat natarelle, bien de monde 
hk aoivait. On n^avait paa en la prevojanee dana nne foale pareille de 
d^fendre ä placer dea tables avant nn cafd, de maniftre qne eette troupe 
en aTaD9ant urtait' et inTolontairement renTeraait quelques tables. Les 
gar^ons dn cafö ont fait da bruit, la foule r^pondait et une qaerelle surgit 
d'une natnre bien autrement que politique. Alors les gardes de police 
acconnirent et avoc nn mal-ä>propos inexplicable ont tir^ tout de suite 
les sabres. Le peuple se voyant asailli se r^fugiait dans le cafe, on a 
renverse des verres, lo bruit augmentait, lorsque le Commissairu do Police 
Barbarescbi etant accouru a gu avec les bonnos inanieros apaisei- les 
esprits en commen^ant k ordoiiner de remcttio los sabres dans leuis 
fuuneaux, Avec de Turbanitc! tout est rentre Jans roidie. Cela tini la 
tionpc a coiitiniie sa pruincMiaJe se dirigeant siir la place Fontana chantant 
toiijours riiymne. La quelqiie garde de pulico s'est approcbü pour leur 
iuterdire de chaiiter, a ce qu'oii dit, uiais outre cela ayant et6 apei'9U un 
individu (jue Ton a designe pour ui\ ospion tout a contribiie a jeter du 
mauvais Inimeur et produire quelque altercation avec los gardes de police, 
mais cependant rien ([ui pouvait caractöriser une ri^sistance ä Tautorite. 
C'etait uu bruit, uii pourparler, uu commerago plutot qu'autre chose. 
Lorsque toui-do-suito Ig Coinniissaire Bolza qui etait malheureusement 
d'ispection^ donna i'ordre aux garaes de police qui ötaient dans le Palais 



* Frauder. 

* Itni. nrtare. Frans, beartait 

* It&l. üpeüoue. 



436 



de rAreboTOoh^ de sortir et charger 6parpill6e8 STec le sabre la foule 
innocente Bpeetotrice de l'^airage. La terreor a i\& aa comble, femmes, 
enfiuits» Tieillaids ^taient abord^, tone tentaieiit la Mte, maie avee taut 
de monde eile devenait imposible, eependant lea gardes Babiaient k dioite 
et ä gauohe, personne ne faisaieiit r^eistaDce, runiqae offenee ou mienx 
dtfense a que des fenOtres de l'anbeige du Btacom^ on a jet6 denx 
on trota bouteiUee pleinee de Tin. L^Archev^ae alon eet deacenda, il a 
pri6 qae lea gardea rentraaaent, et aveo dea parolea pleinea de Charit^ a 
calin4 rirritation qne Bolza arait exoit^e. Lea bleaa^a aoiit tona dea per- 
aonnea pacifiqaea, an marcbtnd de menblea eat tomb^, calpeettf' et mort 
enaaite; lea bleaauiea aont toatea de fa^on k d^numtrer qne lea malhenreiix 
n*oppoBaient aucuiie rteiatante, enfin tont le mo&de a regardd le fiiit de 
Bolxa conune un ▼jritable aaBaaBinat. Y. E. peat bien ctoire qne riiri- 
tation contra Boba et las gardea de poUce qui ont perdn toate foree 
morale 4tait au comble, henreiiaement qne peraonne n'itait arm^, paa 
mAme de bftton, et on a rimpmdence dMmprimer daaa notre gaiette qne 
lea gardea ont aaaaiUia et qni n'ont pria lea annea qne braqn'^ea 
6taient n^ceaaairea poor ane d^fenae legitime; nn aemblable menaonge 
eat an crime v^ritable et rSvoltant, car on ealomnia dea dtoyena paiaiblea 
et ob^iaaantB anz loiz poar jaatifler dea gana aana avea, aana principe de 
moralit^. II ne faut paa ae faire illnaion, nne condoite paraille a prodiiit 
une enap^raiion dana lea dtoyena de tonte claaaa et de tont eolenr,' et 
qnoiqne on ne aoit paa Tenn k aacnne rfoction reelle on aarait pa la 
craindre. Toatefola apr^ quelqae heure a?ec dea inainaationa rfitirtoi 
de TArcheTAque et du dornte Oreppi Aaaeaaear mnnicipal qoi a bien 
mdrit^ dana cette occaaion da pays et de Tordre, on eat röaaai k ramener 
tont ä la tranqaillitd. On pooTatt 6tre aftr qne rien ne aerait arrifd dana 
lea joara aprte. Hais les agenta de la Police, aurtont Bolxa, ont tAch4 
fiiire croire qu'ii y arait ooraplot. Le aoir du 9 on donne la conaigne 
poar la aiureillance de la place Fontana aa Commieaaire Manoni qoi en 
g^n^ral an aoir eat tant aoit pen pria par le vin. II j avait lä ane tren- 
taine dea cnrienz poar volr rArchevAqae retoarner chea aoi de tatoar da 
dlner du GoaTemeor; k aon arrivee on Ta applaadi, maia paa mdme le 
moindre suupvoii d*6mente. Le commiasaire Manoni^ avec quelque aatre 
agent de PoUce voulait lea dissiper; mais dcpoarTB comme ila 4taient de 

* CiiMti I, p. 810: Bbeiono. 

* It.il calpestare, mit rfl-sc»n zertreten. 

' Ititl. eo|»»r»», <lnr N.'icli-.it/, ,i:t . . craindre' fohlt bi-i O. CaAati. 

* C. CiHnti liest cuusoqueut Mazzoui; das Manuscript läsat nur Harsoni 
erkennea. 



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437 



tonte extoriorit^^ d'uniforme nc pouvaieiit avoir le droit de .so faire recon- 
naitre comino charges du hon ordre, d'ailk'ins les subalternes etaient des 
gern saus education, pris dans les classes inferieures tout k fait. Le peii 
de raonde, qne VArchevt^quo mPme m'a assnr«^ pas phis d'one quarantaiuo, 
n'ob^issaient aux sommations du Coinmissaire Marznni de s'elni£^iier et 
au contraire d'autres curieux s'ajoutaiont de mani*"^re ä former pout-ütre 
donx h trois Cents personiies. Co nombro de trois conts est celui (luo. le 
Marzoni memo m'a design6, mais dans 1p rapport an GoTiTPrnenr In nombre 
a auc^mente ;i six conts. Les mani^res ridiculos du Commissaire deponrvu 
de tonte marque d'antorito ont provoqne la plaisanterie de cettc reiinion. 
Alors comtüe si c'etail nne resistanco le Commissaire onvoie cliorclier la 
forro. Ces di'tails je les tiens du Commissaire memo lorsque je suis 
accouru s«r le lieu et avant qu'il ponvait iienser ä un rapport qui les 
deguisät. Si la Ville ^tait en pleine revolte, on n*aarait pu faire davan- 
tage. Dragons qui parcourraient les rues, gendarmerie, soldats de ligne, 
les Canons de la grande garde braques. Les gendarmes copendaut qui 
connaisseut le Service, soit le soir 8 soit dös k präsent, ont maintenu une 
discipline t«lle que convient k une arme qui jouit d'une opinion honorable; 
mais les gardes de police irritees du m^^pris qne le peuple leur tämoigne 
etaient des fr^nätiques. * On vient m'avertir au Th^ätre de ce qui Tient 
d'arriver, je me poiie tout de suite k la place Fontana et je la trouve tont 
k fait Tide de peuple transfoim^ dans une place d'aimes; on fiuMut 
sortirdeTaaberge duBtseiomcQiij qui paisiblement s'y troavatent sonpor, 
nn commissaire, ex-portier, 6tait diarge de la mesure avec les manidres 
propoi-tionnees ä son Education. J'apprends tous les d^tails qne j'ezpofie 
da Cominissau'e Marlon! m^me. comme j'ai Ftmarqno, et je puis assurer 
que son disconrs n'etait k le faire croire Thomme le plus sobre. Je vois 
oependant que r^ponvaate dominait le peu de monde quej'avaisreneontr^ 
dans les rues k la vue de tonte cette force inutile et mena9ante; mais 
tont semblait tranqoil. Lorsque au retour chez moi tout prte du Thdiltre 
je trouvo des pcrsonnes respectablesi qui me dif^ent qn'nn moment pint6t 
les gardes de Police sans faire ancnne sommation k penonne ont parconni 
le corso Francesco k la charge pour le balayer du peu de monde aTOC la 
baionnetie baiss^, k la suite de quoi il y a cu des bless^ et de eeux qui 
ont ^t^ en danger de TAtre: parmi les blesste on d^signe nn certain 
Olgiati, rbomme le plas paisible da mondOi nn oonrtier et d*antres, et 
qne le Comte Joseph Durini a ^t6 sanv^ prodigiensement par les gar^ons 
d*an cafö qui Vont retir^ ä la bftte dans la boatiqne, apr^s les gardes so 



> C. Catati ^^natiqnee*. 



L.icjui^L.ü cy Google 



438 



sont pr^senMes h Tentr^e da eafö «no 1» baionnette bussöe.^ Pas con- 
tentes d« blosser, lonque la vtcUme <tait temss^, on la diaif^it de 
eonps. C*4tMt d^j& dooxe henres et demie, je ne pouTais rien tün dans 
le moment. J'ai rfiani le matiii le eorp municipal et nous avons enroy^ 
ane note an Directevr de Police poiir chereher remMe an dteordre. Le 
Birectenr a?ut en attendaat fait poblier nn avis k la T^rit< trte mal 
con^u, rapellant la dMsnse des rtnnions, inaie sans sigoataie, aana citer 
les paragraphea du code, aenle loi sooTeraine qui pcut sanctionner rnsage 
de la force armöe. L'ArcbeTflqiie mfime qni sentait tonte la force de son 
devoir de bon paatenr a prid le Directeor pour qu'ou epargnät aa moins 
de fiüre parconrir loa raea par la earalerie, cause trte probable des 
d^SsMdrea et dea mallieiirB. On Ta dconti. Nona anriona cm qne tont 
dtait fini^ mala non. Le aoir dn 10 je me porte rendre fisite i hnit 
henres k TArcbeTftqDo, mes Aasesseora y dtaient. Uaia je me ania rendn 
k pied ponr 6pargner tonte extdriorit^, quelqu'un de mes eoU^rn^B est 
arriT^ OD Toitnre. Tont de snite eontme d*ordiiiaire partont nne trentaine 
de badeanx' dtaient k la porte de rArcbeTtebd Toir cea denz on troia 
▼oitnres aana la moindre apparenc« d*an antre bnt, car je me snia arrfltd 
et j'ai conseill^ a quolqu'un de se promener. Apr^s ma visite je deecenda 
et je eors tonjonrs k pied et je ne tronve personne h la porte, sanf nn 
agent subalterne de Police sans 6gard, do Tautre cOt^ de la place nne 
centaino peupr^s de curioux, enti'c autres des dames, des petits enfants, 
pour voir s'il y avait quelque chose de nouvoau ayant entendu Thistoire 
du jour precedeüt. Je remaniuo cfpeuJaut que tout est tranquillite, je mo 
promone un peu lo long du < orso Francesco, il y avait du mondo comnie 
ä I'ordinaire daii? cotto luciilitö, mais rion do su.sjicct. Cependant je 
iiT-tais j)a.s tianquil, je ne crai^Miai pas de la pai t du poiiple. laais des 
agüiits et des gardes de Police furioiix coinine dos bOtos faiivt-s, sans 
officier qui los dirigeät dans leuis perlusti atioius.^ .lo passo un peu de 
tomps chez le Comto l*aul Tuvt-rna, Chaiubciian. Doputö proviiicial et 
personnage respectablc sous toub lüs rapports, et quolnu un tiui y eutre 
me dit qu'ou voyaitduüis les ruos bien des patrouilles de ixai dcs de police 
avec le fusil et la baionnette. Cola m'a donue ä ciaiudre et malhcoreuse- 
ment j'ai devine. Je suis et je nir jioi to sui le corso, c'^taient lOheures 
et (juai t, je cominence voir qu'on fennait los cafcs, j'avance au carrefour 
qui conduit aussi ä la place Fontaua, et j'y vois bieu du monde etuurdi 



* ,Apris . . . baUs^' fehlt bei C. Ca sali. 

* ,Üii1»uds'; C. Casati 213 Bchraibt gmns anberechtigt ,earienx*. 
' Ital. porluatraaLone. 



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439 



qni eaoeait ä Ihmw voiz avec nne indignation bien prononc^e, et j'upprends 
que peQ de minvtes auparavant les gardes de Police avaient tamsaä on 
paum diable qoi avait pent-dtre le tort de crier et on ravaii maitraitd 
apite avee des coups, et que les gardea dtaient si avengl^ qae le Com- 
misaaire mAme arait re^n on coap de caisse' de fnsil dans la pens^ de 
firapper an citoyen, et qu*nn antre qui 8*en allait paisiblement avait 6U 
bless^. J*ai täche avec de bonnes paroles d'apaiser Tirritation, apr^8 je 
Die suis port^ faire un tour h. la place Fontana et tout pr^s j*ai rencontro 
le Commissaire Marzoni snns unifoimo avec une patrouille et j'ai appris 
par iui que le Commissaire frapp^ etait lui-m6mo. Je Tai prie poar tout 
ce qu'il y a de plus saint a contonir les gardes de Police, inais le Coimnis- 
saire Marzoni ä IVirdinaire n'etait pa.s si biou niailii' do soi iiwma de 
comprendre hn raison nements; au coiitraire le CV»iinnissaiiü l^aibaiosclii, 
celui qui avuit su upaiser lu truuble du jour B ä la })lac(' du Duomo, ju iaiait 
la chose avec \m veritable interet et m'a dunnö sa parolo d'iionneur qu'uu 
auiait lait ile m.iiiil'ie quo dos desoidres semblables u auiaient pas Heu. 
Le 1 1 j'ai röuiii encore le corp muuicipal et nous avons prösoutB une 
Petition ä S. E. Ic Conite Gouverneur, afin que des ordres fussent donnes 
pour que la vie des ciiuyens pacifiques ne ffit exposeo ä la nierci d'une 
troupe Sans chefs, sans ordre, sans dihcipliue, car la note ;i la dircction 
de la Police avait ete suivie du r^ponne assez obligeaute dans los tormeH, 
mais qui ue disait rien d'important, do uiuniöre que le soir on avait dirig6 
la suiTeillance avec le möme Systeme, hurmis la cavalcrio. accidant en 
cela aux priores de l'Archevöque, Le jour pi ecedant des ciu^yens respec- 
tablos ont eto prier le Gouverneur a pourvoir a la sürete publique compro- 
mise par les fausses mesuros adoptees peudant que le peuple meditait 
rien du tout contre le bon ordre. Ceux out etö le Comte Porro Conseiller 
intime, le Comte Paul Taverna Chambellan, le Comic Hesta,^ le Marquis 
Litta Chambellan, le Marquis I^iiubardi Chambellan. tous personnages 
respectablt .s qui tiennout des places soit ä la centrale s dt ä la proviüciale 
&oit au conseil de la ville. superieure ä toute exceptiou et respectes par le 
public. L'e.vperieüce avait demontre que tout dependait de la presence 
dtü gardeö de police armees, car quoique on ert»yait qu'il y aurait eu du 
desordre aux fuuerailles de cn malheureux (jui a ete victime du turnnlte 
du jour H, cependant le Cninniissairo superieur du Circnndaire' t'liev. V U- 
latta a eu de la prövoyance et ii m'a fait assurer que la tianquillite aurait 

* Fmas. «ercwM*; ital. CMsa di fncile. 

* Graf .To.so()h Resta, Mitglied der Mailinder ProTinsial-CoDgrefatioii ,YOti 
Seite der könlgl. Stadt Mailud*. 

' Ital. Circoodario. 



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440 



^ Gonserrfe, ear il avait eoDcert^ avee 1« Directevr g4n6ral 
qae paa mAme mie s^arde de Police aarait snrTeilU anx fnn^- 
railloB, et en effet Tabseiiee des gardes a signal^ Tabsence de tooi 
d^idre. Je eraignai encore ponr samedi 11 an soir si on allait di i«! ujer 
r^talage de force des jonrs prMdents. Mais le GooTeriiieur avait doim6 
dea ordres auzqnels noQfl sommes rM^?able8 de n*avoir pae & d^plorer 
desneiiTeUes nctimes. Ttäh pen depatroniUes sans foaile^ les agents de Po- 
lice deatinte ä la snrYeiUaiiee en imif ome. Moi-mftine je me suis d6yoii6 k 
ttttrdter' peraonnettemeiit mie Bonreillanee povr conatater lea fiiHe d'alnia 
de la force, toot prAt recevoir dans mon sein an coap de baionneite ponr 
le maintien de Tordre I^gal; tnes Asseaseura CriTelll, Beretta, Oreppi 
faisaient antant, d^Tou^ h la cause da respect aui lois ; mats tont a 4iä 
tranquil, les curieux se poiiiaient sur la place Fontana, ils n'y voyaieni 
rien, ils se retournaient sur leurs pas paisiblement. J*ai eu la complaisance 
d'etre aborde par S. E. le Comte Gouverneur qui aniinö du ni6me espiit 
so promenait aussi pour observer si ses ordres 6taient gardes et nous uous 
renconträmcs au milieu de la place Fontana. Hier au soir, dimanche, 
j'ai repet^ ma surveillanco et j'avais fait ooimaitie aiix cotnmissaires 
iiKMUf'S >io Police quo je me chargoai ilo faire lo contröle. Le joiir de feto 
pouvail l.tiro düutor, iiiais Taltscnco absolue Jo la force n'a pas iiieuie 
provo(im'* la curiosite. Je me suis proinoiu? aussi dans los quartieis oil on 
pouvait craindie d avaiitage pour ia lie du peuple, et la tranquillitö otait 
presque plus qu a Tordinaire. 

Le roflexion qui dccoule n6ce88aii''meüt do tout ce qui est arrive 
c'est que le desordie a öte produit eiitierement par la mauTaisü couduite 
des agents do Police, surtout de Bolza. Lo fort d. ia direction se reduit, 
qaoiquf» ^rave, h donnor ii celui-ci la coüöigue du uiaintitiu de l'ordre, 
lorsque roxperience avait deraontr^ n'6tre rien du tout a propos. La haine 
de la Population contre lui est ancienne, mais surtout apr^s la fusillade 
commandee par lui ca 1831 en occ^asion d'un spectacle venale^ ä l'Arena 
dont le public so plaignit: sc^ne horrible sans la moindre necessit^. Bolza 
Cdinproniftt le Gouvernement, mais niallieureusooient il est protege, il faut 
reloigiiei- dt' Milan; intervf^nir Bolza ot exciter le desordre c'est la möme 
choüo. (' rt;nnf'!nont (lue la l'olicH aura fait ses raiq>ort,s dans le sens de 
justUier sa faubse conduite, les rapports du Gouvcrnear sont appuyes ä 

* «Auenne dimomtratifm extäriear« da focoe*, bei C. Cacati 8. HB. 

* Ital. eeereitare. 

* Beete: T^nal; itel. venale. Die Sclirift ist deutlich, aber der Sinn nicht 
klar. C. CaKati neehi «ich*0 leicbt» indem er ohne jeden Anhaltspunkt 
»donnö* seist 



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441 



cf'üx de la P<i1icö, et l'une et l'autre uutorito n'ont d'aiitres temoins que 
leg ageüts subalternes, cause de tous les desordres. Je prie donc V. E. 
ponr toTit ce qu"il y a de sacre au nom da bou üieu de tiicher h. rectifier 
les idees. Le Comtc Sedluicki aura döjä re9u rimpresHion, Ics coüöü- 
quences pourraieiit «tre pour nous affrenses. Je dois avoiier qne l'eaprit 
public est bien aiitrement favorable a present an frouvernemcnt. Toutes 
les entraves admmistra^ivp'^ ont de bieu long temps inJispoie le public, 
de cela j'ea ai d^ja pm lc et il faudrait y pourvoir pour gagner quelqon 
chose. Le syst^nlft mmiitieux adopto du Conseiller San-Pietro est affreux 
dans le sens administratif. inais bien plus dans le i)oliti<pif^, on cela les 
antres antorites conviennent. Que V. E. veuille etre reellcmeut notre 
appui, en faisant cela V. E. va rendre uu des Services plus importauts a 
la Majest« souvoraine. Je rcpete, je coniiais le pays mieux et bien autre- 
uu nt que ceux qni croieiit meme en bonne foi le connalti'e, mais on ne 
m'ecoute pas. Kon appel o^^t au moins au tribunftl suprdme de celai qoi 
Toit tont et jüge infailliblement. 

Je reunia les piäces officielles en copie de la Cktngr^ation avec les 
röponses.* 

La protection de V. E. soit toujours sur moi, sur ma ville que 
j'administre. Je presente ä Y. E. les protostes du respect le plus piofondf 
de mon v^ritablo eaüme et ma reconnaissaace ätemelle 

De V. B. 

tito d^TOQ^ et tr^ humble semtenr 
Galirins C&flati 
Podeatl de Milan. 

Milan, 13 Septembre 1847. 



IV. 

U Conie GaJbrio CaaUi ai Conte Anionio Camo Dragüni, 

Podestä di Udine. 

Milano, Ifi settembre 1847. 

(Estratto.) 

Avrei dovuto prima d'ora scriverle, ma varj furon i motivi che mi 
fcoro ritardare. Uao dei priacipali gi fu i'arrivo del nosiro Arciyescovo 

■ I.Kote der Mnnieipal-Congregatioii von liailaad al 8* Consigliere antieo 
L B. IMreMore generale della Lombardia Hr. 181 P. B. vem 10. Sep- 
tember 1847; 2. Note Nr. ISS P.B. Tom 11.; S. Antwort ToneMUii'a anf 

Arahiv. XCL Itand. II. BAlft«. S9 



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e le disposizioni alla sua ricezione, nel che la rittä di Udinc avcaci dato 
buon esompio — poscia la situazione trista dclla nostia citta nelle sere 
8, 9, 10 dol corr**, in cui i pacifici ed iimocui cittadini erano dati in 
balia alle bajoiRtte (? sciabolo dellc crnardie di polizie sotiza aiicora sapeiöi 
il porcbe. e.sst'udo .sfacciata menzopna «Hiaiito fii stainpato, eho sia statu 
iiirullaia la fr»rza. llo pure aviiio giuini aiiiaii, itia la Dio nierco nun mi 
soüu peidiilu di coiruggio per difendpre i miei fiatelli cui mezzi chf la 
legalila mi prestava; pronto, se contiinmvauo Ic medesime soprafazioai 
la sera dell' 11 ricovere ncl mio petto i colpi, piuttosto che vedere persona 
isolate, inpiiiii, iioicorronti lo vio assalit« e ferite uella schicna! — Chö 
r assicuro diliu stato nostiü ovt üuUu si manifest« che potesse avere idea 
di aoraraossa politica, nulla affatto. — Del resto Insoio i^Mudicaie a Colui 
che accoglio lo lagrimc dei rniseri e convoi te V iimocüute saiigiii» d' Abele 
in limorso porsecutoie per il fiatiiciJa Cainu. — Cnsl da qucsti pochi 
conni Ella poträ rettificare !© falsa ideo che prodotto vengoiio dairarticolo 
della Gazzeita del 10, e deir Avviso della Polizia ivi insehto. 



T>er bekannte Adressant tritt hier als fJ^nnlicher Volkstribun auf. 

Ich übt rlasso es Euerer Excellonz, düu Grad der Zü^rcUosigkeit zu 
ermysson, der in 8(»inen Zfilon von .pnpcia' bis .la forza' Vmgt. 

Andftic der liegiening abholde, au.s diesem Gesichtspunkto alior 
um so boweiskräftisrci'" C"i it-^spondenten haben, wIp im gcheiinfn Picnstc 
vorgpkommon ist, es bestiltiget, das^ die MiliUii-l'öliztii-VVaclie von dem 
Volke grob insultii t w<ii den ist, lio im Znj^f» ])»'tiniil)cbe TJnter.suelinng 
der Vorfallo ynm .s. und 9. d. M. wird, ich hoffe es, diese Thatsache zur 
vollen Evideii/. bringen. 

Dass f!f»r Podestii die Strei< he in seiiu-r Brust zu empfangen bereit 
gewesen zu sein erklärt, ist eine eitle Fanfaronnade. 

Ich habe b'Meits ein anderesuial Itcmerkt, dass Von dfU mi Spital 
zur Heilung belintUichen Verwundeten kein einziger auf den Hintertheilen 
des Körpers Wunden trägt, die überdies von dem Arzte, mit Ausscbluhs 
eines gewissen Viiidini. nls .senra gravi» itericnlo' erklfirt sind. 

Überhaupt hat sich dei- hiesige rodesLa und mit ilim dio Munici- 
palitfits-AsfCRfsorpn Vitaliam.i Crivelli und Marco Greppi bei den dem neuen 
Erzbiscliufe l)e\viesenen Ehren- und l''reudenifezeigungpn sohr aoflaUend 
benommen und bedenkliche Gesinnungen an den Tag gelegt. 

die 1. Note Nr, 6919 P. R. vom 11.; 4. Antwort Spaw'e wal die 9. Tom 
•elbea Tage. Des 9. SMek findet d«h ia den beeeieliiieadeii Stellea iIk 
godniokt im Arch. triennale Capolago 1850 I 8. 98^80: Pkolesta del 
manicipio di Milano «1 govematore Spenr. 



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Während die Dankbarkeit gegen den Monarchen , dessen a. h. Gnade 
aHeia Romilli den Mailändern zum kirchlichen Obcihirteii voilieh, nur 
leise oder gar nicht berücksichtigt war, wurde alles mit einer ungewöhn- 
lichen Geschäftigkeit botriobcu; die Kundmachungen, deren Censur dem 
k. k. Provinzdelegaten zusteht, sprachen in nie gewohnter Weise von 
Confratelli und Cittadini, und welchen Geist jene Herreu ohne Scheu in 
den Empfang und Einzug des neuen Erzbischofs zu legen im Schilde 
führten, davon geben die beigeRchlossenen Aufschriften ein unwider- 
legliches Zeugniss, welche vcn Casuti eigenhändig unterfertigt hier zur 
Erlangung dtT Consnrbewilligung Oberreichl wurden, und worin gerade 
der Heilige Galdino so hervorgehoben wini, der aidi laut der Geschichte 
doch durcli nichts als seinen hartnackigen Kampf und Widerstand eef'en 
Kaiser Friedricli liarbarossa bemerkbar gemacht hatte. Natürlich wurden 
weder diese Inschriften noch die nachgefolgten Veränderungen gestattet. 
Dies uuiudete dem Herrn Podestä und einigen Assessoren nicht, und 
sonach wurden dieselben in mehreren huudf^rt Abschriften unter die 
Patrioten vertheilt, um wenigstens iu aaderer Weise den Drang 
Herzens zu befriedigen. 

Besonnener und besser denkenden Lombarden ist es nicht ent- 
gangen, und sie haben es auch geäussert, man habe den m ohrerwähnten 
Empfang und Einzug Romilli's, da er für die ihm angethanen Ehren 
noch kein ebenbürtiges Verdienst rühmen kann ~- war or ja nnch vor 
1 8 Monaten ein einlacher Laudpfarrer — zu einer ,fesia popolare nazio- 
nale' gemach r 

Was Soli man aber endlich zum Schlüsse des Briefes sagen? Man 
hätte vielleicht das V(dk in foinem Tumulte, in seinem Lärmen und Toben, 
in den Insulten gegen die Militär-l'olizei -Wache gewähren lassen sollen, 
bis GS sich in seiner heiteren Laune nach Herzenslust ergangen hätte, 
und dabei die Wache von den Organen der Behörden auf die galante Bolle 
anweisen sollen, welche .Le Cioirriiir de Lyon' vom 10. d. M., Nr. r)G7'i 
in dem im weiteren Aiibuge beigeschlossenen, vielleicht auch in unseren 
Journalen aufzunehmenden witzigen Artikel den französi-schen Municipal- 
garden und Agens de Police bei ähnlichen Vorfallen gegenüber dem 
Poblicam als unfehlbar emeotensiiliend empfiehlt? 

Maiiuud am IC. September 1847. 

Xorresani. 



«9* 



444 



BEILAGE 1. 

San Galdioo. 
(Prima &06biU.) 

Benedetto 

Ne*tnoi aupiei o Galdino 
Entri U novo deaidanto gtnuxa 
la qtiesta tna e noBtra pafcria che meronte 
il festcggia: 

Te, Bon coni omai Mtto secoli, in qnesto dl BtMBO acooglieTa 

Ha BquBllida nelle rovine di8«rtata dairEnolMurbo 

E tu fira il latto la oonBoIavi d'animose Bperanie^ 

Dohl tu impetra che apportator di santi consigli ei le venga 

Esempio di mite amor evangelico, esempio di forte amor cittadino. 

BEILAOB 3. 

Exiraü de la GageHe ,Le Courrier de Lyonf Nr* 6674 du 10 8^ 

iembre 1847, 

Los fouilles de 1' Opposition vealent absolument, que la garde mu- 

ni( ip;ik' et los ii^'ents de l'autorite ne procedent plus h la repression de 
r erneute qu'aii nioyeu do la polite.sse et des egards eiivers les emeutiers. 
On assure, dit h ce sujet un jdurnal, ([ne Mr. le prefet de police va publier 
iino r»rdonnaiice (jui enjoindra a chaque garde mnniciiial d'avuir ä se 
former, a ravoiiir. l'esprit et le ctcur j»ar la lecture de la civilite puerile 
et honnötc. Un chapiU e renfermant la theurio des T erneute sera ajoute ä 
ce petit livre. II y sera traite i>lus .specialement de la politesse avec 
laquelle les agents de la force publique devront ä Taveuii' traiter les cmeu- 
tierä, du respeut dü aux perturbateurs, de la uecesäit^ d'aborder T erneute 
chapeau bas. 

Di^s ormais, lorsque les Erneutes se manifestent dans la rue, les 
garJes ninnicipaux laissant leurs fusils aux rateliers, se pr^senteront aux 
gants jaunes aux emeutiers, et ajouterout aux barbares sommations 
rallocutiuu suivaute: 



* Die letzten fttnf Worte durch «ädere vier easetet: • reeavi fp'^i*** 

cooforti. 



445 



Mesgienn, toba aves en 1a bonM de toqs amcber aax donceure du 
trevail et de prendre la peine de venir dajis la nie ponr toos dietniie vn 
moment en brisant lee räverb^Tee. Tons les citoyens sont ^nx defsnt 
la loi et devant le prererbe: Ghacnn prend son plaisir oit ü le trouTe. 
Hons nous permettcma ponrtant de Tons faiie observer poliment qua» les 
solides sont d^jä bien fraiebes, que toob ponrries bien toob enrhmner, 
qne d^ailleun ü est tsrd et qae votre absenee dn domioile oonjngal penrndt 
jeter dans Tinqui^tode mesdames tos ^ponses* AUonB, messienis, nous 
Toas en supplions instamment, soyez asses bons ponr rentrer chei Tons . . . 

Cette simple mesure, le Siecle l a piedit, pioduira uu exoelleni effet. 

V. 

General-'FoUgei-Dircctor Baron Torresani an den Chef der Ober^e» 
PoUge^tehörde Grafen SedhUtBkjf^ 

(PoL A. 1847 Fmc. 10787 Nr. 11864.) 

Euero Excellenz, Gnädiger Herr! 

üeber die betrAbsamen Yorfillle am Abende nnd in der Nacht des 
8. nad 9. d. M. liegen Hocbdenselben meine gehorsamst erstatteten 
Berichte Tom 9., 10. et 11. Nr. 2656 sep., dann vom IS. et 14. d. H. ad 
Nnn. 3737 sep. nnd Nr. 6946 F. 8., Nr. 6001 P. S. Tom 13. et 15. 
d. M. vor. 

Sie waren unter der Oewalt des ersten Eindrucks und im höchtiton 
Drange der Zeit niedergeschrieben und mochten schier an Klarheit und 
Vollständigkeit vermissen lassen. In dieser Beziehung werden Uoch- 
dieselben durch die Berichte, welche ich über die befragten Vorfalle im 
ordentlichen Dienstwege dem Herrn Landes-Gouverneur unterbi iiitet habe, 
die volle Aufklärung und Ergänzung gewonnen und ilaraus gleichzutig 
gütigf^t ersehen haben, dasa seither die öffentliche Ruhe und Ordnung 
nicht weiter gestört worden if>t, so wie dass durch die von dieser k. k. Gen, 
Pol. Direction vorgekehrten, ich darf mir schmeiciit ln, bey Venneidunjj^ 
unnützer Aufregung' und Beäni^stiguii^' acr Stadt, doch KialL und Erfolg 
zum Zwecke führenden I^rassnauiiieu die beruhigeude Hofi'nung gestattet 
ist, wenigstens für den Augenblick die Erneuerung so unangenehmer 
Ereignisse nicht wiederkehren zu sehen. 

Ich beklage das Vorgefallene tief. 



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Es wAre ToUkommeii iirig, wollte man die rnlieBtAreriscbeii Vor- 
01h, deren SchanpUti dieee Hauptstadt mr, ftr isolirte und snf&Uige 
Erscheinungen halten. 

Ich habe bey meiner Bftckkehr nach Mailand, ?on wo mich das 
schwerste ünglQck, das ein Vaterhen treffen konnte, vier Monate fern- 
gehalten haty die ^öffentliche Stimmung in nicht geringem Masse som 
Nachtheile der Regierung yer&ndert gefunden. 

Als nebenwirkende Locsluraache dieser Verfindemng und als Vor- 
bereitung SU den Buhestörongen des 8. u. 9. d. M. glaube ich ?or allem 
das Verbofh der Absingung der bekannten Hymnen NataluQci*s und 
Bossim*8 auf S* Heiligkeit Papst Pius IX. erkennen su mflssen, welches 
wShrend des Hm. Oralen von Spanr und meiner Abwesenheit Ton dem 
k. k. lomb. Landesprisidium angerathen, wo nicht förmlich anbefohlen 
worden ist, und zwar gegen die Ansicht des diessseitigen I. Adjunkten 
Oob. Bathes Lindner» der damahls wfthrend meines ürlanbes das Amt ge- 
leitet und meines Dafürhaltens dem Hrn. Viceprftsidenten Grafen 0* Doneil 
gegenttber ganz richtig, wiewohl Tergeblich, Motire der Klugheit geltend 
gemacht hat, das Absingen jener Hymnen in gewihien, da sie einerseits 
in ihrem Texte in keiner Beiiehung auch nur die leiseste polit. An- 
stOssigkeit enthielten, und anderseits bey dem schon allenthalben be- 
merkbar gewordenen konTnlsivischen und lauten Enthoosiasmus ftr den 
heiligen Vater entgegengesetaten Falles nur zu Beakzion Anstoss ge- 
bothen wflrde. 

Die Erfahrung hat diess leider bestftttiget und ich bin mehr als 
je flbeiseugt, dass man auf jene Hymnen einen zu hohen Werth ge- 
legt hat. 

Die ungfinstige Wendung in der hierlindigen Volksstimmung, vor- 
nehmlich bey den Mailindern, ist aber in erster Linie das Eneugniss der 
Vorgange, welche sdt der Erhebung des E^dinals Mastai Ferretti auf 
den durch den Tod Gregor XVI. erledigten Stuhl Petri in rascher Folge 
im Kirchenstaat eingetretten sind. Ausser dem von ihm gleich anl&nglich 
gewfthrten, der Sache nach unumschr&nkten Amnestieakte, welche ein paar 
Tausend polit. Flflchtllnge der Heimath wiedergab, die durch ein mehr- 
jähriges Exil in der Schweits, Frankreich und England im Schmerze Aber 
daa ihrer Meinung nach nnter dem Joche der FremdenanterdrOckung 
seufzende unglflcUiche Vaterland und im zunehmenden Hasse gegen 
Österreich als die Macht, von der solche ausgehe und gehalten werde, die 
Schule der Opposizion und des Konsiituzionalismus, der Propaganda und 
der offenen Bebellion praktisch durchgemacht hatten, waren die nach- 
haltigsten Factoren der bemerkten Verfindeiung in der hierl&ndigon 



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Stimmung die ErfcbeiiuDg des Bönen Zenanr^Geeetsae nnd die Istitairang 

der Bürgergarde. 

Mit den beyden letzteren Akten hat sich Pius IX. entschieden an 
die SpifeM des italienischen ProgressM, oder richtiger, nnd ich stehe nicht 
an es unumwunden hemnssnsigen, der ReTehuion auf der Apenntnischen 
Halbinsel gestellt. 

Das erw&hnto Edikt in seinem Ausdrucke und in seinen Grund- 
sfiteen als Übergang ?on dem diessfalls unter der Regierung Gregor XVI. 
bestandenen harten Censurzwange jeden&Us unzeitig und, wenu gleich 
besonders in derBflcksicht ftti* die auswärtigen Begiemngen beschränkend, 
doch immerhin der politischen Debatte einen sn weiten Spielraum ge- 
wfthrendi gestattet in seiner praktischen Eandbabnng eigentlich Press- 
freyheit. 

Durch die Schwäche nnd MitteUosigkett der Bagtemsg, die Über- 
griffe SH untoidrAcken nnd zu bestrafen, durch die ünflbigkeit und den 
bAsen Willen der Organe, welche hierSber pflichtm&nig wachen sollten, 
ist sie sur Pressfrechheit geworden, wie es natflrlich war, nnd kanm 
ifgendje anders gekommen wftre, wo die Fbkziosen der gesetxmlssigen 
Gewalt den Zepter entrungen haben nnd ihn mit den eigenen Händen 
fuhren. 

Die tiglich einlangenden rOmischen Jonmale, welche in Folge des 
obigen Censnredikte, wie die Pilse fiber Nacht, sahireich empoischlugen, 
liefern hieven die thatsächlichsten Beweise. 

Fanatischer Hass nnd glOhende Terlftnmdnngswnth haben darin 
ihre Palestra anljseBchlagen nnd ftberbiethen sich untereinander, ihre 
▼ertügnngssllohtigen Pfeile gegen Österreich nnd dessen Begierung ab- 
sosebiessen. 

Dasn das Aniiliar-Gorps der Sohmihpolemik der auswärtigen fran- 
sOsischen nnd englischen Blätter, die noch näherliegende feindselige, seit 
kontern indess etwas gemilderte Sprache der piemontesischen Journale, 
die halboffisielle in Torin erseheinende Gassetta Piemontese mit einge- 
schlössen, welche sofern sie nicht offenbar den Kreuzsng gegen uns 
predigen oder snm ümstnrs brat aufrufen, surflckzubehslton nnthunlich 
ist; die fhichtbare Libellenlitteratur, die deuteche nicht minder als die 
italienisehe; die Unmöglichkeit den Schmuggel ihrer Brsengnisse einer- 
seite bey der Buerer Bxaellens wiederholt von mir beseiehneten nnglfick' 
liehen Beschaffenheit der lombardischen Landesgränse gegen PiMuont und 
die Sdiweits, anderselto bey don ununterbrochen höchst lebhaften Verkehr 
mit HeWetien, noch mehr aber mit dem italienischen Auslande su parali- 
siren; endlieh die Hochdenselben besser als mir, und ihrem ganzen Üm> 



448 



fange nach bekannte Korrespondenzscliä<l]jcbkeit, womit mau sich die 
poHt. Tageserlebnisse vertraulich mittheilt, darüber Artikel zur Aufnahme 
in die uns feindlichea Journale, oder aus denselben entnommono AufiȊtse 
in Copie gegenseitig zusendet; diese, gnädiger Herr, sind die erklärenden 
Ursachen des in so Ininer Zeit snm Nacbtbeil ge&nderten lomb. yolks» 
geistes. 

Die rSYolniion&ren Bestrebungen in dem Gsterr. Secnndo-Qenitnr- 
Staate, dem Grossherzogtbum Toskra», in dem ihm in eventum einst 
snfiUlenden Heraogtbnm Lneca» welcbe seit Monaten dort ihre ver- 
brecherisehen Umtriebe, so su sagen, unter den Augen der Begiening 
pflogen, und die sonach in beyden Staaten eingetietenen neuesten Er- 
eignisse im Bunde mit der in der Letstseit offen ausgeaproehenen Feind- 
sobaft Fiemonts gegen österreicb, die jedoeh, wie Torbemerkt, ibre Ptesse 
seit wenigen Tagen, eine uns günstige Wendung genommen su baben 
scbeint, baben das Übrige getban. 

fionach kann icb die bednuemswerthen Ereignisse Tom 8. und 
9. d. H. in Hailand nur als den am* Beife gediebenen Ausdruck eines 
Zeicbens der Sympatbie der biesigen Liberalen und ibres Anbanges mit 
den Faksiosen in den genannten Staaten der apenninisoben Halbinsel, 
namentlieb im Bdmiseben, erkifiren, des Zeicbens, dass sie gegebenen 
FUles fDr die Ideen der ünabhftngigkeit und F^yheit Italiens, oder was 
gleichbedeutend ist, sur Vertreibung der Fremdenbenrscbaft Ostendcbs, 
wenn der rechte Zeitpunkt gekommen seyn wird, auch ihrerseits kampf- 
lustig in die Schranken su trotten bereit seyen. 

Gewiss war es den hiesigen Liberalen und ihren Freunden, sowie 
den sonstigen MissTorgnOgten, die leider wie nirgends so auch in der 
Lombardie nicht fohlen, keineswegs darum su tbun, einen offenen Auf- 
stand, eine förmliche Bebellion herrorsurufen. Sie sind diessfalls su klug, 
kennen recht wohl die Kraft der Begiemng und haben die faste Über- 
zeugung, dass ein derley Trasuch wenigstens jetzt ein ebenso wahn- 
sinniges als erfolgloses ünternebmen w&re. Aber, wie gesagt, um eine 
politische Demonstraiion war es ihnen zu tbun, um ihren inneren Oe- 
sinnungen eine Terstftndliche Sprache zu verleihen, die sie denn auch in 
den bemerkten Ereignissen gefunden haben. 

Dass diese Ereignisse, wie man hier in natfirüchen, aber den ünter- 
richteten und am allerwenigsten dioBegierung täuschender Taktik glauben 
zu machen sich abmüht, keine ganz absichtslose Lärmerei, kein lustiger 
Tumult des heiter gelaunten Volkes waren, das nur den Brzbischof und 
Pius IX*^ mit ETTivagesehrey und Hymnengesang leben lassen wollte, 
bestättigen die ?ie1fach Tomommenen bereits bekannten sediziosen Aus- 



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ruf« und <Üo ahlniciieii gleieliinhaltiicheii AnflchrifteD» die auf d«B 
Haaern fast aller GMusen imd Stnasen Mailands mit groisen Baehatabtn 
in sehwaner Kohle, fheilweiM selbst in Oelfarbe En lesen waren. 

Im Oegentheile sind die gleidizeitig eingetretenen fthnlieben mit- 
nnter viel Bchwereren Ereignisse in Oenna Kisza Messina Beggio nnd in 
der ewigen Stadt selbat nicht nur fttr den polit. Charakter der ersteren, 
sondern anoh d&f&r sprechende Thatsaehen, dass diese rorbereitet waren 
nnd mit jenen in Torwandtsehaftlicher Yerkefetnng standen. 

Sehr beseichnend ist in dieser Beotiehnng der Umstand, dass der 
Österr. COnrrier, weloher am 6. d. M. Ton Mantoa nach Mittelitalien ab- 
ging, bej seinem Eintreffen am 7. d. M. su Florens an dem Thore all- 
sogleich mit der Ftage angegangen worden war, se nnlla en aYvenuto a 
Milano? ond auf seine Äussemng, dass es dort rohig sey, man nicht 
ohne Verwunderung und Erbitterung die Worte ausstiess: E qnando 
poi inoominclanol Man wnsste also in Florens voraus, was hier in ge- 
schehen hatte. 

Ich kann hier nicht umhin zu erinnern, dass die ftber Ansuchen 
des hiesigen Podeste Conte Cssati gestattete Wiederholung der Beleuchtung 
am Abend des 8. d. M., wofilr ich ans den Euerer SxceUens aus meinen 
▼oranbesogenen Berichten bekannten Gründen au stimmen mich Teranlasst 
gefiinden hatte, su jenen TorftUen nur die nAchste Gelegenheit gab, and 
dass ein Verboth derselben, wie es die hierfiber sofort herabgelangten 
missen igen Bemerkungen 8r. Kais. Hoheit des durchlauchtigsten Hrn. 
Erzherzogs VizekGniges anzunehmen scheinen, solche keineswegs beseitigt 
haben würde. Ich halte vielmehr dafür, dass, würde nicht gerade eben 
letzteres — das Terboth anstatt des ersteren der gestatteten 2^ Be- 
lenchtang — von den Bohestlbem, nnd zwar noch an dem nemlichen 
Tage ate Anläse zur Ausführung der beabsichtigten Demonstcasion ge- 
nommen worden und sonach ein Aulbchub ehiigetreten seyn, diese doch 
nichts desto weniger später sicher in Vollzug gesetzt worden wfire and 
sie hiezu gewiss leicht eine andere Gelegenheit, etwa die demnichst be- 
vorstehende Fejerlicbkeit der Einweihung der neugebanten Kirche S. Carlo 
anf dem grossen Corso Francesco, ergriffen hätten, geschweige der häufiger 
hier stattfindenden, nach alter Sitte mit Beleuchtung der äusseren nächsten 
Umgebung verbundenen Kirchenfeste. 

Die Beleuchtung, welche hier gleichfalls Ternommen wird, und 
wodurch man boy jenen Vorfällen das Motiv und den Charakter einer 
politiscbüu Deiiionstiazion als nicht vorhanden ^^owesen /u erweisen ver- 
meint, die Behfiiiptiing neinlich, dass der Hnufe <ier nnrnhestifler nicht 
bewafluet war, erbchuiut noch behr Voreilig ; denn dieser iöt mit der Milit. 



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Polizey Wacho gnr nicht in das Handgemmge getEOmmm und hielt sich 
vielmebr mitten unter der gedrängten Volksmasse auf, um ja nicht über- 
fallen zu worden, so dass man nicht wissen kann, ob sie nicht mit ver* 
steckten Waffen, so wie sie es mit dicken Stöcken and Knfltteln waren, 
Tersehen gewesen. 

Was übrigens das S])i fichwort sagt ,A quelque chose malheur est 
bonS ist auch hier der Fall. Die Ereignisse in Mailaad vom 8. und 9.d. M., 
die ich nichts desto weniger tief beklage, haben dazu gedient, den polit. 
Fnls der Lombarden lu fUüen. 

Binerseits zeigte es sich, dass die Masse des Volkes Frieden und 
Bnhe liebt, seine Bxistens und seine Habe zu wahren sncht und zu einem 
ümstnn der gegenwärtigen Ordnung der Dinge keiue Neigimg besitzt, 
eine Erfishrang, die in dem nämlichen Masse für die Regierung beruhigend 
ist, als sie die Liberalen und ibren Anhang mit der Lehre, wenn sie sich 
dieselbe anders daraus au sieben das Oesefaick besitsen, entmuthiget, 
dass sie fftr ihr Unternehmen in den Beihen desselben anfeinen Beistand 
nicht rechnen können. Andererseits hat das sch&eUe und nachdmcksame 
Einsehreiten der sur Wiederherstellung der einen Augenblick in dieser 
Hauptstadt getrabten Ordnung und Bohe requiriiten MiliiSnoacht den 
Lombarden die volle Kraft der Begierung nr Anschauung gebracht, 
ebenso geeignet den Gal^innten an Person und Bigentbum zu sehfltsen, 
als Yersuebe xum ümstnrae gleich im Beginnen su unterdrücken. 

Sonst glaube ich jetxt schon voraussetien zu kOnnen, dass im Ver- 
folge der in grösster Th&tigkeit begriffenen Untersuchung, in Irelcher 
Besiehung mein dem Hrn. Landes-Chef am 17. d. M. sub Nr. 2887/1847 
sep. pflichtschuldigst flberreichter Bericht inzwischen in Euerer Excellenz 
hohe Hände gelangt seyn dürfte, wahrscheinlich zur Aufhebung der hier 
bestehenden Societä deirunione (Club des Lions) kommen werde, da von 
ihm zweifelsohne die polit. Kommpierung des hiesigen jungen Adels und 
der bemittelten Jugend des Mittelstandes ausgeht. 

In jenem Club wird foilan und viel politisirt, was Oberhaupt auch 
in den höheren Kreisen des hiesigen Adels Statt hat. Li diesen Kreisen 
ist in Betreff der auswärtigen Politik Österreichs dermal die Ansicht 
geltend, und ich glaubte meine Pflicht zu verkennen, wenn ich Euere 
Excellenz hierauf aufmerksam zu machen unterlassen wOrde, die Re- 
gierung habe einen grossen Fehler dadurch begangen, dass sie die Ver- 
bindung des durchlauchtigsten Herrn Braherzogs Stephan, welcher auch 
den Lombarden als der hoffnungSTollste Prinz des a. h. Erzhauses gilt, 
mit der bej den Hiesigen in sehr warmem und wohlwollendem Andenken 
lebenden russisohen Kaiserstochter, der Grossf&rstin Olga zurflckgewiesen 



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hAbe. Kaiser Nikolaos werde sieh die ilmi angethane Schmaeli hinter 
die Ohren geschrieben haben und der ZaUungBtag dürfte Innm ana- 
bleiben. 

Die Binverleihnng der Frejstadt Erakan's nnd ihres Qebiethes in 
den feteir. Staatenverband bleibe eine forkblntende Wände der Monarchie, 
wfthrend das sonftcbst in Folge der Erhöhung des EinflihrsoUes anf 
piemontesisehe Weine nach dem lomb. ▼enei. Königreich mit dem Kabi- 
nete Yon Törin eiogetrettene andanemde Zerwflifniss im Vereine mit der 
im Jnly d. J. erfüllten Verstftrlning der Besatsnog in der Feste Ferra» 
der Begiemnf die sehwebenden hohen Verlegenheiten geschaffen habe, 
deren Ansgleichnng einerseitB als sehr schwierig nicht so bald ersielt 
werden kOnne, anch Angesidits der OffentUchen Heinung, die sich wenig* 
stens bey Krakau entscbiedeii gegen Osteireich ausgesprochen habe. 

Noch erlaube ich mir ehrerbiethigst des Zusammenhanges willen, 
ond wdl sie rticksichtlich der hlerlindigen polii Gerinnung und ihres 
Ausdruckes, der sich in den Vorftllen in der lombardischen Hauptstadt 
am 8. und 9. d. M. olfenharte, einen unTeriEsnnbaren Widersdiein ent- 
halten, auf die dem neuen Erabischof BomiUi von den Hailftndem er- 
wiesenen Ehren nnd Friedenbezeiigungen einen Blick zur&cksuwerfen. 

Allenthalben ist in den gedachten Bezeugungen, wie ich Euerer 
Excellenz bereits an anderem Orte zu bemerken die Ehre hatte, eine 
eigentliche festa popolare fuurionale zur Schau gebracht worden, die zu 
Oberst dem Nazionalgedanken, dann dem Gefeyerten, jedoch vorzflgiich 
nur als ItcAiener, galt, der auch vor achtzehn Monaten noch ein einfacher 
Landpfarrer war nnd als kirchlicher Oberhirt noch keinen solchen Ver- 
dienst, am allerwenigsten aber um die Erzdiözese Mailand rühmen konnte, 
welche zu den ihm dargebi*achten Huldigungen in Ebenmass ständen. Der 
Podestü Casati, die Munizipalitäts-Assessoren und EdoUeuto Vitaliano 
Crivelli und Marco Greppi stiiiuieu an dfr Spitze der Festlichkeiten, mit 
denen man den neuen Kizbiscliof oni{tfangen. in die kurze Zeit verwaiste 
Kirche des heil. Anibrosiurf ein/iehen und von dem Stuhle, den er und 
Carlo Borromeo so wiirdit,' ein^'enommen hatten, Besitz erg:reifen hissen 
wollte , mit einer Tliatij^'-koit , welche dem ersten Vulkbtribuu aus der 
besten Zeit lioois zui- Ehre gereicht haben würde. 

Scharfe und bosonnene Beobachter aus der gebildeten Klasse 
äusserten, man habe jene Festlichkeiten con iiiü araore e uiaggiore ^Mulilo 
vorbereitet als jene im J. 1838 für die Krunuugsfeyer unseres allerglor- 
reichfat regierenden M^inarchen. 

Selbst gemeine Leute fühlten diess und bemerkten, ich führe es zum 
Zeugnisse der W'Hluhüit au, das^ man diessfalls zu weit gegangen soj, und 



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462 



meinten in ihrem echlicliten Sinn »tanto cbiasso, tanio apparato sta bene 
ai Somno, ma peirArci?08cono h proprio iroppo*. 

Der ConetgUo Manicipaie Ton Mailand bewilligte — nnd die k. k. 
Landesstelle genehmigte im ▼orana — die Auslage von 14/m. Anstr. Lire 
fSr diese Festlichkeiten nnd die Mnniiipalitftt nimmt sieh eigenmächtig 
heraus, eine Auslage von mehr als lOO/m. L. an bestreiten. 

Die diessfalls ersehisnenen Kundmachungen der Mnntsipalitit, 
deren Censnrirung dem hiesigon k. k. Provint-Delegaten zusteht» trugen 
unverkennbare Spuren des im B5mi8chen gegenwftrtig au^estandenen 
Geistee. 

Die Hiesigen, welche kaum den ausser dieser Hauptstadt, jedoch 
noch in dieser Provini lebenden Lombarden die Ehre der Ebenbürtigkeit 
sugestehen, sprechen von den Kremoneseni, von den Bergamasken, gegen 
welche letxtere sich ihre Feindseligkeit, diese traurige, rielloicht nie unter- 
gehende Erbschaft der Munizipd-BiTalitftt und des durch diese geborenen 
gegenseitigen Hasses einer vorfibergegangenen Zeit, bey der Frage Ober 
die Bichtung der Trace der lomb. vens. Kaiser Fordinand^Eisenbahn so 
entschieden geftnssert hatte, diessmahl von ConfratelU, Cüttadini. 

Die Inschriften auf den drey Ehrenpforten, durch welche der Einsog 
des Enbischofes von S. Eustoigio, der Utesten Kirche Hailands, nach der 
Kathedrale ging, enthielten kaum eine vorflbergehende Beziehung der 
Ehrfurcht und Dankbarkeit auf S* Uajestftt den Kaiser, dessen a. h. durch 
die flbereinstimmeuden TorschUge der lomb. k. k. Landesboh<Jrden ge- 
leitete Gnade denn doch allein und ausschliessend den HailSndem ihren 
neuen geistlichen Oberhirten Terliehen hat. 

Dagegen hat man Lischriften, welche zur Erlangung des Imprimatur 
mit der eigenhfindigeu Unterschrift des Podestä, Cssati ftberreicht wurden, 
aber wegon ihres anstdssigen Inhaltes und der darin ausgesprochenen 
Gedanken der F^eyheit und Unabhängigkeit Italiens ?on mir im Zensur- 
wego reprobirt worden sind, in mehreren hundert Abschriften ftber dessen 
und seiner Anhänger Veranlassung unter die Patrioten Tertheilt. 

Die drey Ehrenpforten hatten die Aufgabe, die drey Haupkpocben 
der Hul&nder Kirche und deren Reprftsentanten 8. Ambrogio, S. Galdino 
und S. Carlo Borromeo zu rersinnlichen. Wieder war es der Zweytge- 
nannte, der am meisten hochgopriesen werden sollte, obwohl sein Name 
in dem Munde des Volkes beynahe ganz Terklungen ist, und die Geschichte 
Ton ihm als vorzOglichste That nur seinen hartnäckigen Kampf nndlK^der* 
stand gegen Kaiser Friedrich Barbarossa der Kachwelt fiberliefert hat. 

Den TorBtehenden Bericht habe ich fftr meine Pflicht erkannt. 
Euerer Excellenz ehrerbiethigst zu unterbreiten, am Hochdieselbe in die 



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453 



Lag« m Mtatoi, die Torfilto um 8. und 9. ä, H. mit jener ▼<dle& Sadi- 
kenntnisB za benitheilen und bej dem aUfilligen weiteren Gebrnnche 
desselben in jenen Weisungen nnTorgreiliehst in leiten, wekdie HoeMero 
erlenditeie Weisheit in Betreff der gegenw&rtigeu politischen Verhftltnisse 
der Lombardie in Beziehung sn der Aufregung und zu den Gfthmngcn, 
welofae die sogenannten Beformbestrebongen der Regierungen des Kirchen- 
staates und des Orossherzogthums Toskana hervorgerufen haben, an mich 
herabgelangen zu lassen befinden sollte. 

Über die Vorgänge in Toskana ist mir vor kurzem aus vollkommen 
unterrichteter und glaubwürdiger Quelle die Mittlioilung zuR-ekommen, 
welche ich mir in der Ncbenlage zu überreicheü die Freyheit nehme. Ihr 
Inhalt kann bey der liaschheit, womit die öffentlichen Bhitter dermal 
vorzug-sweiso die Erlebnisse auf der apenninischen Halbinsel zur TilTent- 
lichen Keuntniss briu^'en, wohl auf Neuheit keinen Anspruch mehr 
machen, aber dient ducli zum Belege des traurigen Bildes von dem neuen 
pulitisrhen Leben in dem gedachten Grossher/.ogthume, über welches alle 
die exaltirfceii Schilderungen des Vulksjubcls, dos ProgressgJflckes und des 
italienischen Nazional -Wonnegefühls der Zeitungen den auluiui khAineu 
und redlichen Anhänger ächter Begenten- und VOlkerwotalfulirt nicht zu 
tftuschen vermögen.^ 

Ich ersterbe in tiefster Hochichtong 

Euerer Exceliens 

Unterthänigst Gehorsamster 
Torresani. 

Mnilund, am 26. September 1847. 



Die Beilage bringt die Abschrift eines nuü Livumo 7. September datirten 
Schrabsiu, worin u. &. die nnbehaglicbo, ja bedrobli<^e Lage der in 
Toeeana aogettelltrai oder oonit weilendea AngehVrigeii des Kaisentaatee 

geschildert wird: ,1' irritazione ü sempre crosconte contro di noi*. Die 
Öffentlichen Zustande seien der bedenklichsten Art: ,il Govorno avendo 
perdnto la forza mornle, In tmpp.i di og-ni arma, oltro non essere stata 
mal obbedita, h stata in vece insultata e arvilita'. Eine zUgcUoBo Presse 
gehe in ihren Forderungen an die Regierung immer weiter. Im Theater 
kttime man in einem Atbem die Rufe hOren; ,TiT» Pio Nono« Viva 
Iieopoldo 8aoondo, Viva il Qiobertip TItb la livolnsioae lombarda.* 



464 



VI. 

FML, Graf Äuenperg an Mtne in Trmso weüenäe QemaMm. 

(Intercept Pol. A. 1847 V&sc. 12767 Nr. 12637; Auszug.) 

Fwnxti, den 6. Oetober 1847. 

Ober B.^ will ich Dir nun gani offen mdne Heinong sagen. Er 
sieht alles nach gewohnter alter Art mit Soldaten-Augen nnd Herz nnd 
kann sich durchaus nicht denen Ansichten des Kahinets, wenn dieses 
anders artheilt, hingeben, glaubt nnd haltet fest an seiner Meinung nnd 
seinen Hoffnungen von Intenrentionen in Born und Toscana, nnd flberhört 
geflissentlich alles, was ihm die Diplomatie dagogen sagt und versichert. 
F. Äussert sich ja ganz klar darftber, dass wir auf gar keinen Fall uns 
mehr in fremde Sachen mlsdien wollen, es mag geschehen was da wolle, 
ans dem Grunde, dass wir bis nun die Erfahrung gemacht haben, dass 
unsere Interventionen im BQmischen nnd in Keapel denen Ländern so 
wie unserem eigenen Staat eine Xenge Geldes gekostet haben und die 
Sache nach unserm Abmarsdi wieder in das nimliche Geleise wie ehedem 
surackkehrte. Dies ist die Ansicht nnseres Eabinetes, und es ist 
fost kindisch von B., dsss er sich fiberaU, wo er hinkommt» derart ans- 
gpricht, dass er mit F. nidit zufrieden ist, dass er diese Ansichten theili 
Moin Gott, wie kann man sich etwas anderes erwarten von einem Abge- 
sandten des eigenen Kabiaets, als dass er dessen Sinn bnstimmt, und 
hätte R., der es auch frfiher gewnsst, nicht so rasch wegen Ferrara ge- 
handelt, so wäre das Geschrei in ganz Europa über uns nicht entstanden 
und wäre die Katastrophe nicht herbeigeführt worden, die ans jetzt an- 
droht, selbst das Recht, was wir seit 33 Jahren hier ausgeübt haben, zu 
verlieren. Darin hat er aber ganz recht, dass unsere eigenen Stellen matt 
und koptlifs handeln, wenn sie revolutionäre Gesinnungen und Versuche 
nicht mit aller Kraft niederdrücken und jenen, die solche predigen, statt 
mit Zuvurkoinincnlicit mit Ernst begegnen sollton. Alles, was er Dir über 
meine Lage und mein Hierbleilien sagto. sehe ich. dass er in seinen Ideen 
nicht geregelt und confus hi, da sie sich widerspi echen und keine richtige 
Tendenz haboa. Denn für den Fall, als wir mit den Schweitzern gemein- 
schaftlich Dienst thun werden, was soll ich denn noch hier? Durch das 
gemeinschaftliche Einverständnis beider Gouvernements hört die Reibung 
auf, die sich jetzt schon vermindert, da 8ie die Iluffuuug dazu haben, und 



* it. — Kadetzky, F. = Ficquelraout. 



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455 



ist in diesen bewegten Zeiten nichts geschehen von Seite des Volkes 
gegen uns, so ist denn gar nichts mehr zu fürchten, und um oinzelne 
Conflicte mit uusern (Soldaten) und den Schweitzern zu verhindern oder 
zu überwachen g-lanbe ich mich doch schon zu hoch gestellt, als dass ich 
deswegen hier bleiben sollte, und wie Du selbst bemerkst, müsste m:iu 
mich dann Jahre durch hier lassen. Auch glaube ich wird mein Hier- 
bleiben nicht mehr von ihm abhängen, sundern es muss von Wien aus 
alles sowohl die Würde der Truppe als alles übrige geregelt und fest 
bestimmt werden. Daher holTe ich immer noch l)is anfangs November 
zurückzukehren. Sollte es aber anders bestimmt worden, so bin ich fest 
entschlossen, lieber meine Tension zu begehren, als mich dem zu fügen. 
Denn welche Err)rteningon stünden mir nicht bevor, wenn man gerade 
mich hier Hesse, dem die Ferrareser alles das zuschreiben, was bisher 
gescliah, man wurde mir zwar nichts in Weg legen, aber es wäre auch 
nicht politisch, wenn man ihnen gerade den Dolch ' im Auge immer zur 
Schau stellte, und ich wäre ärger als ein Festungsari estant daran. Auch 
ich begreife die Ansicht des PM. hiervon nicht, dass er sagt, geht es 
vorwärts, so geht Taxis mit, und ich zurück; und ich sehe meine Meinung 
über die Oonfusheit seiner Ideen bestättiget; denn hat man mir das Ueble 
aufgebürdet, so sollte ich raeinen, gehört mir auch das Ehrenhafte, was 
eine Vurrückung mit sich bringt, anstatt juich für diesen Fall zurück- 
schicken zu wollen. Mit einem Worte ich bin der ganzen Geschichte so 
satt, dass ich jegliche Gelegenheit mit Freuden ergreife, die sich mir zum 
Ausspannen präsentirt, denn die ganze Wendung der Dinge ist gegen 
meine Ansicht, gegen meine Grundsätze. Ich lasse mir gerne auch noch 
in meinem Alter alle Müheseligkeiten gefallen, die mein Stand mit sich 
bringt, wenn das Ziel das ist. wonach jeder Soldat strebt, aliei- die Aussicht, 
nur immrr nichts als gegen Bevolutiouärs and Bürgerkrieg zu ziehen, ist 
nicht das, wa« ich suche. 



Ztchy*s Bapport an B. w^en Venedig ist gewiss nichts als eine 
Wiehtigmaeherei, er ist ancb ein matter Patron, so wie ich nicht begreife, 
dass man Falffj, der ganz ohne Kopf ist, jetst in Italien lässt; ewig schade, 
dass man Hartig von Mailand fortnahm, der hfttte jetst hingepasst, denn 
er hatte Kopf, Energie and wasste sich Achtung m verschaffen, während 
die jetsigen beiden Landeschefs aa^lacht werden. Auch Ton Verona 
schreibt man mir, dass alle Hauern toU gegen uns angeschrieben stehen 
nnd des Nachts ganze Gesellschaften singend beramxiehen mit den Bnf 



* Dorn. 



456 



fYin Fio nimo, creppft Ferdinando' und die PoIimi \»gi kein HindenuBS. 
Ich begreife derlei Schw&ebe nicht. Man lasse sie tita Pio aclureien, aber 
wer gegen den Kaiser singt, den soll man sogleich beim Kragen nehmen. 



Sö eben erhalte ich die Nachriolit. dass G schweizer Compagnien 
hieher kommen. Nun scheint es, dass die Entscheidung näher ist, als wir 
dachten. 

vn.» 



Excellence. 

J*ai re^n h Turin oü j'^tais pour des combinaisons de famille la 
lettre 26 7embre dont V. E. m'a honore eü rcpousf de la relation 13 du 
meme. Jo icinercie V. E. des expressions y conteniies a mon egaid, et 
cola nie donne toiijoiirs de plus oii plus du courage ä maiutenir 1« tn^me 
systtMno dt; fianchiso respectucuse ot d'uno sinc^rite calme qui dit la 
veritü tolle <[u'ellt' est saus d^tour, mais aussi sans ajouter rien davantage. 
LMdee de iuüü devoir est toujonrs avant mes yeux, je sais (jue iiiieiii 
qo'aux hommes j'en dois reiidie couipte ä celui qui juge do tous sans 
passion et avec la plus severe inipartialitü. J'csp^re que cette pensöe Süit 
toujours pröaent« k mon esprit et s^it ma direction. J'ai pu m'apercevoir 
que V. E. iifa bien coiiipris et c'e^t par lä »iirelle aeu la honte de s'^paucher 
et exprimer ses sentiments sur notre Situation et sur les rem^des ä y 
poi ter. Je me croirais iudigüe de taut de boute, si je ne viens pas i y 
repondro avec antant d'ouverturo de cceur. J'assure V, E. que poun ai-je 
bien ino tromper, car je no pretends pas k rinfallibilitä, mais certainemeiit 
ce que je vais dire est de toute ma conviction. 

V. E. me propose une täche des plus lioiioiables et patriotiques. 
Sayoir de faire mon possible aüu que les autoritus röunies entre elles ot 
Telite des ciusses marchent avec unite de vue an bien-etre de la popnlatiou, 
en contcnant les ba^ses classes qni tALhent rosister k toute auturito; de 
faire connaltre les bosoins du pays aün ([u'on pnisse y pnurvoir avec des 
moyeiib rai.sonnables et propres aux circonstances suit du tenips soit de la 
forme du ^ouvcrnement, soit de la position iiarticulier»' de notro popu- 
lation qui fi>rnie part intogrante d'une graude uionarcliie compof^^o de 
differentfe pouples l eunis sdus un menie sceplre. Je crids bien etre celle-ci 
la pens6e de V. £. et c'est pour cette raison que Y. E. fait allosion h 



* Vgl C. CAsati I 



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457 



qnelqiio chimftre snr laquelle des si^cles ont prononc^ et qui 
restera aux d^cisions d^finiÜTes de !& ProTidence. LaissooB 
doDc h la Providence diriger les ^v^nements qui regissent les destin^s 
des peuples vis-ä-Tis ä leur existence politiqae, mais tächons de suivre 
le tdme^ que cette Providence nous donnOp c'est ä dire, gouverner les 
peuples le mienx poßsible solon los bcsoins de chacon, sans flatter des 
passioiis ilangereuses et faire croire qu'on veuille forcer la Providence 
mOme ä snivre les chimeres des liommos; et procurer de faii'e reuuiut; la 
confiauce entre les gouvernes et les gouvciiiLiiiLs». 

Tout cela posö venons au concret de notre royaumo, et que V. E. 
veuille mo peiujuttre ecrire avec la franchise uidiuaire et avec cette con- 
fianceque la bonte de V. E, iiispire, et exprimer ma peusoe tout tiaiiement, 
de laquelle je ne veux pas me faire aucuu merite, car c'est la peasee de 
tous les gen» qni ainient l'ordre, la tranquillito et le bien-etre du pays, 
et dösigner les causes qui ä peu ;i peu ont dimimie cette conüance tout 
DÖcessaire k rendre la population paiisiblo et conteuto de sa Situation. 

Notre pays ne pout avoir une forme de gonvei nement teile qu'on 
veut riinaginer ailleins; et toue ceux qui ont un grain de bon f5en8 ne 
Bont pas si aveiigles ä cioire qu'une Constitution, teile que chez il'autres 
nations est ä l'ordre du jour, puisse etre ä propos ponr nous: en laissant 
aussi la question si cette forme de regime soit avantageuse ou non aux 
peuples qni la poss^ent. Sans avoir rorours k un gouvernemont cousti- 
tutionuel L*il comme on designe ceux-la, on pout bien menager des garanties 
d'ordie et induire la confiance de la regiilarite et de Tabsence de tüute 
arbitrnire. Si la souveraino patente de fondation du royaume Lombard- 
VemUeu etait parfait-MH'-nt dhcprvee nous aurions dans les cougregntiona 
centrales et proviuciales qu' l im- irfirjuilie. quoi([u*' ui j^ourrait Jeftiier 
davautage. Mais V. E. voit bleu i ju' i se reduit une congregation cen- 
trale k laquelle n'est pas donne le (iioit libre de petition. et des provin- 
ciales qui untyennant une simple circulaire Interieure ont et^^ reduites de 
deliboratives quelles etiiient, ü etre simplement consaltives du 1). Ugat 
provincial. Seulemeat existent les cougregations municipales qni out un 
President dans leur sein, mais le Systeme de tutele- sur lequel j'ai dejü 
taut pari«, {\ peu ä peu a abouti ;i une admiuistratiün directe des autoritea 
soperieures en rendant les muuicipalites des corps sans vie, sans autoritä. 

Et Yoila une veritable plaie que je designe et V. E. peut bien 6tre 
6010 que ce u'dst pas amoar>propre d'nn manioipalisto qui me faib parier, 



' Itel. temn; franz. thSme. 
' Ital. tutela, franz tntollo. 

Arckif. XCI. BMd. II. UUtt». 30 



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4Ö8 



mais nne convietioii calme qni m'oblige obmnrer le mal oü il aiiste. Votlä 
done les cons^oenceB triBtee qni en r^sidtent. De la nollitf d'action des 
centrales et provineialee d^conle la peranaiion dana le pnblie qne c^eat 
impoaaible füre parrenir au tri^ne rexpreeaion T^iitable et legale des 
beeoina da pays ; que les membrea qni eompoeent lee centrales ne sont 
qne des citoyeuis gratiflte de S/m florins ponr rien fiure et riendire; 
qn'il n*7 a aneime esp^ranee qne la ddmenee aoaveiaine a^oceope des 
mani de la population et dee am^lioiationB n^eessaireB; oar cenx qni 
devraient le foire ne le penvent pas, et les employ^s qui sont des salarite 
dn goa?erDement craignent natarellement lear sup^rieor imm4dtat et 
kemblent pour leur place. Les personnes honn^tes et ind^pendantes qni 
senlement pourraient sans flatterie exprimer la Hni6 sont mis hors de 
cause; ou bien si elles font remarquer quelque d^sordre, sont d^signes 
commo ennomis au gouvernpinent par ceiix (jui ont tout Tiutorft :i faire 
cioire ilifTtTcntement*; et le Souvcrain vieiit de se tniuver dans la Situation 
do ue ponvoir coimaitre la veritö. Jo dis lu Souvorain pour dosigner la 
Majest6 le^'islativd, le poiut central de la luonarchie; mais du möme doit 
arriver pour les autoriU's tjui se trouveiit ä ladirection supröme des affaires, 
loin de iicnis cirKiuante^ milles. Autrefois quoique nous possedions ici un 
Archidur, pour Gouverneur et Capitaiu genural, et un Mini&tro plenipotea- 
tiaire ad lattis, uous avions aussi un reprösentant ä Viennp. ([ui etait 
Charge de faire connaltre los circonstances du pays ot suUiciter les deter- 
minations superieures. A prt'sent itersonne bien informee des circonstances 
intimes des provinces italieuucs n'eiist^e pas ^ la capitAle de la Monarchie, 
car püur etre au möme de bien remplir ce devoir il faut uppartenir par 
naissance an pays, avoir recu ici Teducation, 6tre habitue aux cuutumes 
Ideales, avoir en maiu aux affaires publiques. ün homme qui ce soit de 
haute intelligüuce et d'esprit eleve ue peut jamais saisir le v<;ritable 6tat 
des chü^ses s'il est ^trang-er h la province. Le mot etrauger je ne le prends 
pas dans If sens de la uationalite, mais dans r.elui de connaissancö pro- 
fondc et interne des circouütauces urganiques d'une population qui a nne 
modalit*) d'existpnc*^ tout-ä-fait difftTente d'autios provinces de la Mo- 
narchie, et qui ü'est pas dans le pouvoir hunuiin de chaneer tout-.^-coiip et 
que, lorsqu'on s'aperroit (|u'on y vout porter cliangeineiit, c'est propre- 
meut qu'on vient ä determiuer une r^action nnualo et le mauque de tuute 
conßance; je dirai mienx une defiance absolue. Voili^ notre Situation. S'il 
Caut teuir bien rönnis les membres aim qu'ils forment un seul corpi cette 

^ Ital. illfTorcnteineBte; fran«. diff&remmeiit 
' C. Casati ,cinqoente*ll 



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459 



rdniuoii doit 4tre par force d*agregation t»ien fortement soudee; mais 
jamais on peut y parvenir par amalgame; c'est une impossibilit^ fonner 
une fasion omog^ne des nationalit^s diffi^reiites; il faut les agreger, si on 
le veut, les faire marcher au möme but, mais chacune avec les moyens 
que la nature lui a doDDe. Un ^ifice est bien bäti lorsque les briques 
Bont bien r^unis avec le c^ment et les bois bien li^s avec lo fer: mais si on 
croit avoir un bon editice par le moyen d'une fusiou uniforme nous aiirions 
la destruction de tous les matöriaux et un reste de cendres et de ruines. 
Chaque nationalito r«unie dans une meme monarchie doit etre crouvernö 
par des priucipos univcrscls, mais Papplication doit se faue n für et 
mesure de la position particuliere et de la Situation locale. Los hommes 
sont quclquefois plus attaches am formes qu u la röalit^, il faut bien se 
garder d'y porter atteinte. Les Romains ont reuni a Tempire bien de 
nations avancoes dans la civilisation; la Gr^e entro autres, TEgypte, la 
Syrie; mais lorsquo ce.s pays sont de venu provinces romaines out conserve 
en tuut ce (pii etait posgible leur forme exterieure d'existence; et peudant 
qu'on tuvoyait uu Proconsnl en Gröce on proclamait aus jeux olympiqaes 
la Constitution des r^publiques^ graues qui k peu a peu et lentement est 
tombee par la force des choses en desuotnde. En resumant tont ce qne 
j'si dit je conclurai pour la premi^re chose que, a prendre encore du terrain 
dans la confiance du pays, il faut que la populatiou soit persuadee V de 
la possibilite legale de prösent^r an trftne ses plaintes ou bien Texprcssion 
de ses besoins, 2" qu'on ne vcut pas s'emparer do Tadministration de tont 
ce qui tient aux intert'ts de localite, mais qne l'autorite se roserve la 
surveillance ahn quo vii n s lit en contradiction aux inten'tä de la totalite; 
3° qn'on lespocte les habiludes du pays, meme cortains prejug^s. 

Une chose absolument necpssairo poor que les sujets soient attaches 
an gonvernement c'est d'avoir des lois propres aux besoins du j)ays. En 
laissant de cöto les luis statutaiies qui ötablisseut la modalite de Texistence 
politique du pays, il faut consid^rer denx espkes de lois. L'une qui 
regit les rapports des citoyens avec Tadministration publique, l'antre les 
rapports des citoyens entre eux. La promiere comprend paiticulierenient 
les lois financi^res, et en cela est ce que nous n'avons rien h demander? 
La loi du timbre et taxes avec les centaines de döclaiations, a 6te bien 
calcnloe? Les lois des douanes le sont-olles? Je pourrai assurer que la 
premiere a ete bien influente h gäter l'esprit jtublic surtout des classes 
moyennes et basses; parmi les secondes je citerai sculement celle snr les 
Tins du Pieinont qui a donnd beaucoup d'impulBion k cet esprit qui domine 



< C. Caaati ,pajs'. 

30* 



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460 



dte k prteeni. Lea telents inp^rieiin de cenx qni sont k )a Ute dw 
affuFU SBoiont eertatnement troaver nn mnMe k des impr^voyaxiees aus- 
quellea ü fani bien y ponmir. Ouire oela tont ce aystdme des gardes de 
frontiire, de eontrabande' r%ntaru6, et par cons^nenee r^tablisBement 
d'one dcole d'immenlitä est bien k regretter. Les lois qui regissent les 
dioits des dtoyens sont Celles qni dohent garantir la afüretä et eeUes qni 
fixent lee rapports seit individaels seit ^nomiqnes entre enx. Notre pajs 
o*a jamais pu s*a«eofttainer an Systeme de procödnre pönale en fignenr. 
ViäA» qne le jnge seit en mtaie temps acensatenr dtfeneenr et jnge avec 
des gens qni sont rnsds an pins haut point n*a jamais pn persnader notre 
popnlation qni en oek ne Toit anenne gaiantie k la iftrettf indl? idnelie. 
La leatenr des jngements, le silenee des sentences lorsqne ne sont pas 
eapitales, tont Hut qne les mauTais si^ts eroient Mre sHts de rimponit^. 
Yoyons des faits. Les ^mentes de Laveno, Sesto, Caiende, öallarate, mais 
plns encore Celles de Lecco et Desio sont passes sans rnöme qu*on en 
parle ä präsent comme des crimes; et oependant U fant bien j ponnroir. 
Je ne venz pas de terrorisme, moins enoore des tribunanx d*excepiion qni 
blessent tont ä fait Tesprit public, et dont notre pays en a ä deplorer 
Tintroduction autrefois, mais de Tenergie dang Texercice des attributions des 
tribnnaux ordinaires, de la publicit^ d'action. Les erneutes de Lecco et de 
Desio ont en un caractöre apparentement* difföroiit; l'unc caiist" par le 
monopolo des i,'rains. Taiiti e par Texercice des droits de possesseur par un 
honnfete citoyeu, mais et Tune et Tautre ont donne asse/ Tidee d'nue 
k'udanceaupiUatfeorgaiii;>e. Est-ce qu'on y pourvidt eiiorcriquement? Voüa 
Conmi(¥ h(S hasses classess sunt coiitcuuik'S'^ vi£,-a-vji4 des classos olevees. 
II y a aiissj des crimes qui möritcnt dicz nous un t liätiment plus severe 
et d'autres mieux deßni» et* avec une plus grande etendiie d'ajiplication. 
Un cftde penal genera! pour t^iute la uionarchie duit etrc uaturellement 
imparfait. II faudrait aux principes geiiir.i.iÄ ajouter des lois particulieres 
projties aux dilTereuts caracterüii dos populatioiisi. liieii plns encore il 
faudrait pourvoir par des Injs speciales aux transirressions (^ui sunt l'ex- 
pression des habitudes lorah s. Malheureusemehi i. Uui avouer ä la honte 
de notre pays i\n \\ y a nioins de moralite 8nrti»ut dans U masse campa- 
giiarde quü dau^ les provinces interieures de la nionarchie. C'est inutile 
äpreseuteuchercher les causee lointaiaes, II faut proportionner les moyens 



I4al. oontrabbando, frans, eontrebande. 
Ital. apparentouMnte, fmu. apparaBunent 

Vom itAl. rontenere? 
C. Casati »peut-etra*. 



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461 



de r^pression k P^tat de fiut. Car Tosprit de tendance ii meconnaltre les 
lois et Taatorit^ ne va pas toujours jusqn'au crime, mais se borne-t-il ' 

ä la transgi ession, il faut cependant egalement y pourvoir. II seiait donc 
necessaire quo les autorites qui gouvornont directemont les populations 
fussent au meme de pouvoir emaner des leglements et des ordounauceg 
et y ponvoir appliqnor des peines proportionnellement sevores. 

C'est ici iiu':l faut bien öti'e iuexorable duns i appUaition, car les 
peineB ^tant necessairomcut legeres et los transgressions plus faciles h 
s'efFectuer, si on voit Tantorit^ prompte appliquer les lois sans espoir de 
s'en passer, l'idöe du respect pour 1 autui itd et de la uecessite de l'obeis- 
sance vient s'impiimer dans les masses. Le peuple a besoia d'avoir 
toujours presento Tidue que Tautorit^ publique est paternelle, mais toujonrs 
vigilaate et ind^fectible. Au contraire un relächemont gmieral ebt k l'ordre 
du jour, sauf de l'abus hors de propos. Si une autoritö subalterne fait 
application d'nn chätiment ou est sOr de Tindulgeuce de Tautorit^ ä 
la(|uel!e le condamnö fait appel, de mani^re que toute forco uiorale de 
raülüiitti iiumediate torabe et les masses ont pris Thabitude de la mecon- 
naitre. Les petitions devraient etre boruoes u reclamer justice et jamais 
gnloe; car il faut bien que le faible soit garanti de Tabus du puuvoir; 
mais jusi^u'on fera uuo diniinution de peiue a volonk', il y aura toujours 
la persuasioii quo c'est la protection, la partialite, la jalousie entre les 
autoritesqui dingent les determinations. Si donc los basj^os classos surtout 
doiveni «'■tre habitues au r^spert pour rautorito, il faul knir en maiüteiiii 
une i 1 juste, et comme dans le systöme religieux si le paysan comnicnce 
h inupriser son eure, son hardiesse marcbo en avant ä üiqu i-xi touto 
autorite religieuse et devient impie, de meme si l'autorite immediate n'est 
pas respectee. son ©sprit va formulor le mepris pour toute autorite civile 
et devient revolutionnaire dans le sens anarchique. 11 faut le dire: bien 
de gens pensent douuer du relief ä Tautorite superieure en d^priuiaiit 
vis-a-vis de la population les autorites inf^rieures et on ne veut ])as voir 
que de cette maniöre on va affaihlir les fondements sur lesquels lour 
meme autorite est basee. Mais pendant que les basses classos sont presque 
ä l'abri des effets des loix criminelles on tie poui rait pas dir«^ quo les 
classes dleveos soiont ä l'abri de Tinfluenco do la Police. On dirait que lo 
Systeme adojitö est diamcti-alement oppose au progianime tres sage que 
V. K. propose dans sa letti'e du SG. Disons qu'on voit la necessite des 
lois propres aus besoins du pays et de la force k l'autorit^^ locale selon 
le grade de sa positioa et de la directioa a celle-ci afiu que Tordre social 



* C. Catati ,l6 plus des foia*. 



462 



soit Gonsenr4 et qn'aaoim abna n^en miw, Abandonner anx satoritte qui 
gonTern^nt U pays tont ce qni est d*nn int^t loca) et faire abontir an 
centre senlement ce qni est d*nn inttirtt g^n&nl, TOÜä nne maxime ab- 
Bolnmeiit n ^cessaire h Atre adopt^. Par eone^uenee tont oe qni appar- 
tient anx inttfrMa des commnnea, des iüBtitnte de Menfaisance on des 
Etablissements qaelconques qui ne sont pas pourm par le gonTemement, 
seit abandonnE anx autorit^s dn pays. Enoore Ik oü Targent public vient 
portor Bon secours, lorsqne le eontribQt est stabil inTariablement, qn'on 
laisse anx antorit^s du pays radminlstration et Texereice dn patronat; 
cenxH»! sont des moyens ponr fiure aimer I'antoritE immMtato. Qae ce 
seit n^cessaire noos le remarqnons en oela qne le manqne d'nne teile 
yrerogative poor le Yice-Roi est nne des canses du manqne de T^ndration 
ponr son antoritd. 

Nons STons un Tice-Bei; le nom donnait l'idfe antrefois d*nn re- 
pr^sentant v^table de rantoriti sonveraine, car le Y lee-Boi dltafie iaissit 
des oidonnances, des lois mtaie qni dnrent eneorei mais k pr^nt la 
Population est persnadde qn*anenne antoritE est laissE k rArehidne de 
mani^ qne le respeet ponr eetto Image de la son^eratneti est diminni & 
toi point qn*on ne le eroirait pss. Pent-6tre quelqn*nn a om qne cela 
ponrrait 6tre nn moyen de rendre plns agrtoble nne d^pendanoe direete 
des dieastdires da centre; mais an contraire l'effet a 6t6 nn m^ntentoment 
et nne diminution de T^D^ration an ponToir en g^n^ral. Notre Vice-Boi 
avait autrefois une somme disponible ; avec eile il pouvait ordonner des 
constructioiis publique» qu'il connaissait souhait^es par tolle ou tolle autre 
province ou ville. C'est un grand mojen Targent pour concilier la recon- 
naissancft, soit dirßctement par peu de subsides aux pauvros, aux eta- 
blis.seiii'.'utt, soit indirectt'inent p;ir des nonstructioiKs d'utilitt'^ publiiiue; 
mais un tul moyeri on Ta rotire. Pour un royauuie est-elle grande oliose 
150^ in llorins? Ell bien avcc uiie teile somine bien administree on gague 
le doulde et l'ien plus encore qu avec trois» fois autaut qu'il faudrait dö- 
penser uu deployant de la force repressive. 

Aprös le Vice-Koi l'autoritö qni doit recueillir le respeet de la popu- 
lation est le gouvernour. Mais quelle est son autoiite? l.'n Prefet de 
departement en avait aavantage en bien de choses. Peut-il di&poser d'une 
somme quelconque? Pas meme d*un coutime; il avait auparavant la potite 
rente des passeports ä sa dispositioii, ü presont pas nn inc celle-la! Que 
dire d'uü guuvernemeut auquel le Mafi:istrat cameral peut nier la de)»ense 
de Cent livro^y rotte division d'autoritö qui remonte jusqu'ä la capitale 
est aussi c;iuso de bipn de dcterminations qui so trouvent pas coordonnöes, 
mais presque en contradiction. Vunitc faii la force, comme V. E. le fait 



^ j . ^ci by Google 



463 



bien remarquer dans sa lottro; mais c'est bien cette vörite* qu© nous 
voyons k present presque toujours maiKiuor. Que dirons nnus do la lutte 
entro los autoritös? Voir par exemple le Vice-lioi coutredit par des 
autoritös .subalternes? C'est bitu ulVreux! 

Mais iine sourco trös ccrtaine de mecontcntcmcnt c'est le choix des 
employcä. Deux choses essentielles il fautobserver, savoirle cbuix vis-ä-vis 
;\ la capacite et vis-ä-vis k la nationalit^. II faut anssi avouer (jue sin Lout 
apres la niort de TEmpereur Frau^ois on a mis a cdte touto cousideration 
et nous avons eu gönöral la mödiocrit^ aux charges et rinvusion des 
Sujets d'antres provinces Le Systeme de routine bureaucratique est eeul 
8iii?i de maaiere que touto capacito vient d'etre döclar^e absolomeut in- 
capable aux emplois iursqu'oUe ue se trouv© pae sur Tornifere et avcc le 
degre relatif d'annöes de service. Ce systemo a reuipli les burcaux et le 
güuvernement eu particulier de sujet« qu'on ne ]iourrait pas certaineniont 
les d^signer comme los plus Bmiuents. Si on voulait descendre aux par- 
ticnlarites on an iverait jusqa'ä rincapacite prescjue absoluc et jiar consö- 
qutiucti U mauque de toute confiance dans le public. Uu employe mödiocre 
doit Mre considere bien heureux, s il arrive ä etre segrj^tairo,^ faudra-t-il 
ea faire un conseiller parceque entro loa sog-v^tairos il faut absoliiment 
chüisir et pas ailloursV Pourquoi n'aller pas le prendro oü les talents 
se moutreuL-ils Un dit pour ne pas decourager; au coiitraire le decou- 
ragemeut devient areneral panui leb hoiumes a talent; car on se persuadß 
que c'est inntili 1 i tiido et resjtrit pour avancer, mais (ju'il faut senlement 
des auuees termmees dans uu burcau soit bien ou mal. Venous ä la 
nationalit^. Laissons les places de Gouverneur, Directeur de Police et 
Conimaudant la force annee qne personne ne conteste de voir ;i preforence 
c'tre pris aillenrg. Mais nous avons dans les tribnnaux plus de la moiti6 
etrangiM'e ii la Lomhardie, et adopte en Systeme ([ue lorsqu'une place qni 
reste vacante otait occupee par uu tyrolicn ou par un allemand doit etre 
remplacee soit par un tyrolion soit par un allomand. Et cependant si 
c'est uecessaire avoir des ^ons du pays pour en connaltro toutcs los circon- 
stancos, c'est pour de jut,'er. Des trois conseillers du Vico-Koi doux sont 
etrangers. La chargo de Vice-Presideut du ^ouvornomont qui du tomps 
de l'Empereur Fran^ois a ete toujours reservee a un lombard, seule Charge 
administrative importante, au moins en apparence, a la<iuello otait permis 
porter les vues, a ete occupee apres par des allemands, laissons encore la 
qaestion da mtote penonaei. £i8t-ce qae tont c«la pent animer les claases 



' Im CoiMwpt rfehttgw; ,«mti'. 
* Itel. Mfrttuio. 



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464 



4l6T4ee ä faire oaoee commime avee I« gonTernement? «t le jotndr« ponr 
avoir dana Vumion la foree? Quals attraita ont cattaa daaaea poor le 
füre? Leor amoor propra oat bien loin d*Atra flatt^, m par Tappftt dea 
cbarges ni par Tappai contra riiiTaaioii des dasaes baaaaa. Loraqna jo 
parla daa daaaes ilevto je ne me bome paa A la nobleaaa, aar efaea noiia 
la nobleaae ii*eat ploa qa*tin nom, mala j^entenda toat ca qni tieat nne 
inflaenea aociale aoit par laa richaaaea aoit par la m^rite paraonnel; aar 
81 caUea aircoiiatancaa nn nom diatingn^ et hiatoriqaa eat joint» alora 
le nom de famille prand qualipie vatenr. Napoleon mftme connalaaait 
rimportance de donner anz claaaea dev^a on poor mienz diie aoz nota- 
bilit6a da paya dea pointa de contact poor poavoir lea attaeber k aa canae. 

Qae T. E. ae daigne donner nn conp detail iL TAlmanao royal dea 
anntiea demßrea dn royanme dltalie et eile y lira bien de noma de ISamillea 
diatingato pannl lea cbargea les ploa imporiantea. Qa*on fiuae aprte la 
companiaoa proportionnellean nombre dea obargea avee ralmanae de 1847 
du Foyanme lombaid-vdnitien. La jennaaae riebe eat natnrellement d€- 
coüiag^ et en a*dloIgnaiit de auifie ima earri^re honorable publique par 
d^ftt ne reate paa 1&, mala aon d%ofit fiut eneore nn paa et ae diange 
an advenrion an gonTernameni Ceia d^montre ooinnie aprto trente troia 
ana la g^n^ration qni a lemplaede rant^rieore ae montre tont-&-Cut 
^loign^e du gouTenainent aetnel. 8. S. le Oomte de Picqnelmont avee 
lequel j'eua rbonneor d*ane longne confSrance aar ce sujet, est frappe de 
▼oir la Bocidt^ de Milan anr ce rapport tonte diff^rente et chaugee de ce 
qn'elle 6tait ü y a trente ans. Le fiiit existe, 11 faat connattro la canse. 
Lorsque Teffet est gdneral, ne nous faisons pas illusion, on ne peut pas 
Tattribuer k des ctrconatances accidentelles, il &nt admettre nne cause 
essentielle et permanente. Si trente trois ans d'un gouvemement pactfique 
au Heu de so former un parti a diminn6 celui qu'il avait au commencement, 
on est biou pousse ä croire que le systöme adopt6 n'est pas le plus propre, 
et qu'il y a des elements qu'on n'a pas voulu calculer et qui sont in- 
fluents. Si lo but etait une simple domination. il n'y am ait i ien ä faire ; mais 
si au coutraire on vout gouvenier de nuiniere a reuJre los sujets cuntents et 
les r^unir daas. des iiitt'«K'ts communs. concluons que le Systeme misen jira- 
tiquü ne sert qu'ä uik- reunioii apjiarentt' et forcet^ et qu'il conduit ä unu 
disgregation reelle. Car lors(iu'uue reuiiiou Dst l'effot de hi forco materielle, 
ßi jamais raccideut porte Tabseuce de cette force uu soul momoiit, vüilii 
la Separation tout de suite s'en suivra. Si ä tuutes celtes circonstances 
qui prtjduisent natnrellement un esprit (ie Separation et de m»''oontentemeut 
on ajoute lu luaiivais esprit de ceux qui tachout atiraenter i'aigreur, V. E. 
comprend assez bien que Teffet va doubler et plus encore. 



46& 



Dm Bortes de personnM fl y a qoi B^effoneat maintonir niie teii<- 
dance pareUlo. Lea uiw aont oaUea qni, directemeiit hoatües aa gonter- 
nernent» tAcbent tun remarqoar tooB lea d^nia, canmmr toua las 
actea gonTernatift, aoaai Im ploa dqniiablea. Lea aatrea aont cellaa qai 
ponaaent le gonTernamant ä das aetea improdeota, i das mal-i^propoa, 
afin de maintanir nne continaaUe lotte pour aa faire eioifandoeasairea an 
d^ugnant lea ddsordrea oq lea oppontioiu on bien laolement lea eipreiaiona 
de mdeontentofflent eomme dea rtaigtance«, pea Importe qve tont aela eoit 
v^ritable ou flcfcif. HalhaaiaoaMieiit da aatta dernitare raoa la Iiombaidia 
au eat poorvna, Dien TeoUIe V«x dilivrer; de tola sujets out fait plna da 
mal an gonveniameiit dana Topinioa pnblie qoe tonte jeane Italie oa da 
pareillea aottiaea. Et eependaiit c*ait d*eUes qae lea renseignementa aar 
le pa>s partent, eUes qai donnant lea infamatioxis dea penoiinea» allea 
qui caraot^riBent ennamia de Tordre, de la Idgalit^, de la tranquiUit^ 
publique cenz qni Tondraient fiüie oonnattre la vdritd, afin qae le SooTeram 
et cem qui goDTernentpoiir Ini pniesent prendre lea d^terminations proprea 
k rendre le r%ime tel h contenter la population. Encore c'est par de tels 
anijets ipocrites * qu'on va donner toujours une interpr^tation fausse aux 
faits les plus innocents, qu'on d^signe comme hostiles des phrases ou des 
mots qui n'ont que ie sens naturel sans aucune arri^re-pens^e, qu'ä chaque 
pas on täche faire croire ä un esprit d'opposition syst^matique qui n'oxiste 
absolument pas. Cos pens, par les Protections dont elles jouisscnt, impo- 
sent de manü're que les faibles n'oseut pas möme les contredire et par 
ciiuüte r^pöteut ce qu'elles aiment prüner comme verite. Que le bon Dien 
nous soit eu aide pour nous en düli?rer et le pa)^ et ie gouveraemeat 
certaiuement gagneront beaucoup. 

V. E. a la bonte de mc faire remarquer quo le gowjemenient se 
monire toujours Ic plus dispose de changer la sphh'e iVnction de ceux 
qui ne jouissent pas de rcslimf et de Ja confiance de ce qu'il // n de plus 
distingue dans le paiß. .T'ospf're doac que cela arrivera. car los ijor.soünes 
auxquelles je fais allusion ne jouissent pas de restimo et de la confiance 
d'aucune deä classes socialem. Mais nous avons bien de mutifs ä ci*aindre 
le contraire; car lorstiue S. A.leVice-Koi memo avait obtonu roloignement 
d'un sujet, ou l'a vu encore d© r«^tour triomphant ce qui a contribne 
beaucoup ä fairo perdre de la forco murale au Prince, peut-etre decourago 
lai-meiDo, et a donner bien dö hardiesse de l'autre ct»tü, Si le Vice-Boi 
a maiiiiuu dans sa d^marche et ou a ose lui faire subir un ^chec, peai la 
ciaiȊe des bienpeusants se faire iliusion d'obteuir mieux? 



*■ bypocrites: ilal. ipocritA, ipocxito. 



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466 



CoqcIqoiis qn'il est ü difeiror qu'on fim vn bon choix des «mploy^, 
^loigner ceux qai sont par lenr caraetöre propres k indispOBer U p(q[»ii« 
lation et eondnir« le goQTeriiemeiit k des d^torminations impmdeEtoa, 
inMressflir anx affiairva cenx dv pays et Üaiie que U eanae du goaTernemeni 
sMdentifle avee eelte de la population. Ce eerait mal jnger ai on croirait 
que Tesprit pnblic aoit tont h fait afengrle» eondoit par dea paaaiona et 
entraln^ par la mode. Loraqne Teapiit public ne se noanifeate pas par dea 
aeeonsaea violentea, maia par une expreaaion calme et lentement proin^- 
8i?e, ce n*e8t pas Teffet d*itne m^priae, maie d'ane cause i^Ilement exia- 
taute qui affeete la g^oMit^ et prodnit aon effet aar toutee lea elasaea. 
Je röp^terai eependant enoore ce qoe j*at dit auparavant seit au dornte 
de Bool k Turin, aoit au Gomte de Ficquelmont: Ne croyons pas qua 
Teaprit dominant en Lombardie aoit r^yolutionnaire, rien du tout, jasqu'ä 
präsent 0 ne Test paa. La g^n6ralit6 eat tranquiUe, eile ne bougerait paa 
mtade ai on l'appelait h un mouTement; oeux qui ddsiguent des complota, 
dea coi^arations, dea menacea de rivolution, indutaent le gouTememant 
en erreur au proflt de lenr intärOt individnel. Haia il ne laut paa m^me 
ae tromper, la g^n^ralitj k pr^ent n^eat attacb^ an gouTernement qn*an* 
tant qu*eUe le regarde comme garantie de l'ordra public» maia du reate 
eile eat passive, ob^iasante par la force dea choses. 8i jamais uns crise 
suryendt la maase reate inerte apectatrice de b d^m6M. Le gouTemement 
peut ^tre sür de tonte bostilit^ directe, mais aussi il ne pounait oompter 
aur la moindre Cooperation. Oet etat de nnUiti d'action positive en üiveur 
est dejä un mal dans un gouvemement quelconqne; que serait-il ai Tesprit 
declinftt k se prdter, si les circonstancea ae pr^sentent, k prendro Tactivite 
an Opposition? Quel malbeur pour le pays, qnel embarras pour le gou- 
vemement 1 Si lea choses marohent de ce train on y parriendn, Cepen- 
dant antrefoia il y avait un parti assex fort pour le güuyemement! 
L*edueation a M dirig^e dans ees trente ans par Inil La cenanre 
dea livres est entre ses mainsl Tons les ressorts de la aoci^te sont 
luj subordonn^s! St encore Tissua est en parfiiite Opposition an but 
propoee. Dono il &ut conctnra que les moyens choisis n'ont paa dte lea 
plus propres.* 

He voil^ entratnä plus loin quo jo n'auraia pens^. obunäamHa 
cardia o$ lo^wttar. Cependant j'ai traoe un bronillon sans ordre plutOt 
qu*une lettre. Si j'avais k rMlement parier et ecrire aur la Situation du 
pays, 8or lea moyens d*y pourvoir» aur lea illusions qui se forment cenx 
qui ne savent on ne veulent pas le connaltra, J'auiais k bien m*etendra. 



* CoQcept: ,a propus'. 



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467 



Mais poor moi e*6it nn flonlagemeni onTrir moB ccBur k T. B. dans Teapoir 
qii*8ne ftTw Bft aag«w6 pourm fiüre qnelque ehoae. J*ai era r^pondre i la 
oonfianco quo Y. B. m*a montrfi. Ma panate eat d^aigner le mal, demaadar 
las ramMss, la rasta ä eaox qui out raoiorit^ da faira la bian. Ja na 
cbarcba rian poor moi mdividiiallemant, j*ai donn^ H Y. B. ma parola 
dHioiineiir •( je la maintiandrai; at lorsque j'ai parU du ehoix des ma- 
gialratä jo u'ai pas Toola fsire aaeana allnaion & moi-m^me, je le proteste, 
U y aurait h bian remplacer las maavaia amploy^s par des axcallents aans 
qae j'y pretende. Ja Toadnis sanlement Toir mon pajs banraux at la 
conflanee rcgner antra la gonTarnamant qua la Providenca a destini äma 
Patrie, et le penple gouTern^, antramant ü y a impossibiliU k bian r^gir 
nn penple, e*est an 6tat da contrainta qui ne pent dorer et va abontir k 
la rnine. Denx aont les maniires, dit Ibdiiavel, poor domlner nna pro- 
Tinca nonvellement acquise, on ran^antir an la gouyerner de Ikgon ä Ini 
fikire presque eroire qn*elle n*a rien diang^. Un prinae ebrftlen ne peat 
ehoisir qne le aecond moyen. Dans ma sitoation mon dsToir est de diie 
la T^rite, aa moins tont ce que je tiens poor teile. Ja ne venz paa avoir 
la romorda d*afoir consent an silence oonpable; mes ennemis, aar moi 
ansai j*ai lea miena panai les partis opposAi, poairont pant-^ m'aeenser 
on de trop de franehise en me fiure passer poor nn bomme qni dosigne 
des d^sordres imaginaires, et tora lea deux pour tenir le gouTernement 
dans nne fsasse id^e, ebacnn paar aon bat oppos^. Je m^prise cenx qui 
ont maaniaa Tolonti at ^ repoae aar eette Providenoe qui dirige tons les 
^f^nementa et mtaie mes d^marches at mea parolea. Je n*ai antre ddsir 
qne de coop^Srer ^ ses desseina paar la Man de Tbamanit^ en g^nöral et 
de ma Pstrie en partionlier. G*eat de rhonnAte bomme se prononcer pour 
ÜLire le bien et aa moins Timplorer et se pr^r k tont ce qui peut coniri- 
buer k Tobtenir. Gette mdme peim^ est le iftme de la lettre de V. E. et 
je me fölicite de voir qne le mAme esprit qui porte h pounroir anx besoins 
de mon pajs anime Y. B. Mais qne Y. E. me pardonne si j'ose le dire, 
il fiint de la soUicitude ,dum Romae disputatur, expugnatur Sa^ntum'.^ 
La lentenr ponr noas est absolument cause de manvaises consequences, 
eile aneantit presque tout l*effet des mesuree mdme les plus salutaires. 
Une administratioD o6\hn, nn cboix de magistrats qui jouissent de Topinion 
publique, des ordonnance^ propres aux circonstances particuli^rcs, enfin 
uu gouvernement tel que notre pays en a besoin peut formor le lien le 
plus durable de Tunite generale. Le Systeme actuel continuo nuiicho uu 
contralre ä toujours plus pousser les esprits ä uue teudauce de Separation 



Eigentlich: ,Homa deliberaiite 8a^uutuai perit'. 



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468 



et ä Ia nknni6 d*iine nnion op4r^ par la foroe. Qne Y. B. mc tonto 
Son inflacmce Boit i notre aide, ei la ttche qae ä Y. S. est r^Bemie est la 
plns honoiable, la plus digne d'un hemme d'^tat» d*im bienfsitevr des 
penples, car on La regardera eomme le pretecteur d*nii pays bien importaiii 
BOUS tons les rapports. 

J'eepire qne Y. B. anta aasea de bonttf peur acoaeillir mes paroles 
comne les uarqnes les plus sine^res d^estime et de eonfianco, et qn'EIle 
Tondra bien se daigner pardonner si j'ui parl^ avec tonte la franchise 
d*iuie eonsdenea qai n'a rien k se reprodier ä cet e^ard, et continner Sa 
protection aar moi, sar ma Yflle, snr mon pays et a^der les protestatioiifl 
de la plus haute estime et profonde consid^tion 

De Y. B. 

de ma maison de eampagne de Paiassolo 
prto de Milan 18. 6^ 1847 

tr^-humble et tres-devoue senriiear 
Qabrins Gasati. 

VIII. 

UaiUmd, »1. November 1847. 

Lieber Hayn! 

Die Bxistens ist jetzt hier eine der nnangenehmsten, man gibt Tua 
den Haas auf alle Weise und flberall su erkennen. Seit den lotsten ün- 
ruhen bei der Installation des Bnbischofes ist nichts mehr Ton Bedentiing 
TorgeMen, kleine Demonstrationen, mehr Babenstflcke ausgenommen. 
Die ganse damalige Gesdiichte war Ton hiesigen jungen Hobili angestiftet 
und beiahlt, man bat Ton den Anstiftern einige, als Torini,^ Maligni,' 
D*Adda, Soneino etc. auf mehrere Tage eingesperrt, dsfftr die betahlten 
Schreier l&nger sitsen lassen. Es scheint indessen, dass die Polixey den 
Unruhestiftern mit schArferen Hassr^eln filr die Zukunft drohte, da man 
jetst weniger hOrt. 

Als TOT einigen Tagen in einer hiesigen Kirche, deren Name mir 
gerade nicht einfUlt, der Brlass des Papstes verlesen wurde, wornach er 



* Durini. 

• Hmlgini? 



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dw ChritUnlieit snr Buhe waA UntorworfiiDg unter di« 6«0tu auf* 
fordert und ersucht, dass sein Name niebt tat Ver1»r«itiixig van TTn- 
rohen und Anlirtftnden mMuraneht werde, yerliesaen alle Anwoaenden 
(die Kirche war geateckt toU) mit beständigen Bnfen: Zitto, Zittol die 
Kirehe. 

Solche Demonstrationen, Anschreiben der Hanem mit Yitb Pio IX, 
Iforte ai Tedeschi etc., Beschimpfung der Polizey, Geschrei in denGfissen, 
rasende Applanse oder Zischen in Theatern, je nachdem ii^end eine Szene 
bezflglich ist, und ähnliche Dinge hört and sieht man hier nnd in allen 
grösseren Städten der Lombardie. Im Yenetianischen ist e« bedentend 
ruhiger. 

Über das Wirken des neuen Expositus Grafen Ficquelmont traue 
ich mich kein ürtheil abzugeben; denn bis jetzt sieht man nicht viel 
Veränderung, seit er hier ist; so viel habe ich gehört, dass er den Podestä 
Casati bedeutend Terrissen hat, der es auch verdient, denn er gibt nur 
an sehr an erkennen, dass er ein grosser Gegner der Regierung ist. Er 
hat sich geäussert, dass seine Söhne nie die weisse Unifcm tragen sollen, 
und jetzt schickt er seinen zweiten Sohn in piemontesische Dienste, wo 
sein erster schon Offizier ist. Graf Ficquelmont scheint keine gi'ossen 
Vollmachten zu haben, da er bei einigen Fragen von Bedeutung einen 
definitiven Ausspruch zu machen sich nicht getraute, sondern StaiTetten 
nach Wien abgeschickt wurden. Der alte Vice-Eönig lebt ruhig wie ge- 
wöhnlich, man sieht ihn kaum an, wenn er ausföhrt. Erzherzog Sigmund 
hat eine Brigade beim l**"' Corps mit dem Sitz in Bergamo erhalten. Der 
alte Feldmarscball ist wohlauf, er hat d^n Tod seines Sohnes gleichgültig 
hingenommen und vorgestern starb sein zweiter Sohn der Trunkenbold 
in Verona. Gestern kam hieher Jie Nachricht, und ich weiss noch nicht, 
wie sie den alten Herren berühren wird. 

Die letzten Nachrichten aus der Schweiz, darunter die Untorwerfung 
des Cantins Freyburg uuii die Sclilappe der Sonderbundstruppen bei 
Bickenbach und Gi.sikou^ werden dir bereits l>ekaniit sein, schwerlich 
aber das alierneueste, uemlich dass die Ticineser eine tüchtige Niederlage 
erlitten haben. Am 17''" d. M. sind die auf dem Gotthard stehenden 
Uruer und Walliser nach Airolo vorgerückt, haben die in grOsster Soig- 
lusigkeit dort aufgestellten Tessiner Tnippon überfallen und sie der Art 
gescbliigiii , dass alles auseinandergtäubte und nur einige Caral>iner- 
Cumpagnieu noch beisamuieu nach Bellinzona ankamen. Viele Ilüchteteu 



Nicht za verwechseln mit der entscheidenden Affaire bei Gislikon am 
23. November. 



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auf nnMr Gebieth und votgMtdm waren Tttrwandete Mgar hier mlüulBiid, 
daninter einer mit einem elireoToUen Schnss in den Hintern 1 Die Sonder- 
bfindler eind bieranf j^eieh gegen Bellinsona vorgerAekt, und so eben 
verbreitet sieb die Nachriebt, dass sie aacb bereits diesen Ort genommen 
haben. Die Oonftision soll im Oaaton Tessino grilssliob sein, und wahr- 
scheinlich ist ein Umstnn der dortigen Begiemng die Fn^, denn es 
hemebte allgemeine ünnfriedenlieiti die dortigen Milizen dienten mit 
Unlust, waren feig, da« gezwungene Anlehen empörte Alle, und die radi- 
calen Hftnpter sollen arg gehaust haben. 

Man Termothet hier nicht mit üngmnd, dass nnser wackerer Lands- 
knecht^ an diesem entschlossenen Benehmen der Sonderbflndler beige- 
tragen haben dtirfte. Er war hier Tor acht T^|en, erkundigte sich eifrig 
an Tielen Orten Aber alle Sehweiser Angelegenbeiten und ging dann mit 
dem Torsatai ab, nach Lnsem sich an begeben. Da er directe Uber den 
Gotthard nicht konnte» so ging er dnreb das Walliser Thal und die Farca 
und hat dort wahrscheinlich auch die anf don Gotttiard stehenden ümer 
und Walliser beenclit und angefeuert, da er die miasliche Lage dea 
Cantona Teaaino kannte. Daa aieht dem Fttraten Schwanenberg gleich. 
Ich habe aelbst einen Beisenden, der vom Gotthard kam, vernommen, dasa 
die ümer tüchtige Leute, wabie Stiere von Uri wftren, und die 600 Wal- 
liser, welche sie Terstflrkten, ausgesuchte und mit Tortreflflichen Stutzen 
armirte Scharfscbfitzen sind. 

So Tiel von der Schweiz. Ans dem Römischen hört man, dass an 
die Stelle Ferretti's der bisherige Nontins Ton Paris M* Fomari Staats^ 
sekreOr wird, der den Eardinalshnt jetxt erhalten soll. Am 15*» war die 
fuerliche ErÖffinung der Staats-Gonsnlta, noch weiss man nicht, wie diese 
Festlichkeit ablief, man hatte aber die Absicht dabei, nebat den Ter- 
schiedenen Fahnen dar römischen Provinzen auch jene der andern italieni- 
Bchen Staaten eraeheinen an lassen, die Venetianische soll den Löwen 
Ton St. Uareo, die Lombardiache aber entweder ein rothea Kreuz auf 
weissem Grunde oder gans weiss mit der Aufschrift Alta Italia darstellen. 
England soll durch eine prachtvolle Fahne repräsentirt werden, sonst 
aber kein fremder Staat. Übrigens sind im Bömiachen die beiden Par- 
theien, die liberale und gemissigte, in Zank nnd Hader, die gemftasigte 
flberwiegt jedoch. 

In Toscana hat die liberale Farthei die Oberhand, dort ist jetst 
der Heerd aller Umtriebe, der Centraipunkt aller Jaoobiner Italiens, 
Pohlens et& Wie frech die toecanische Presse gegenwärtig ist, flberateigt 



Fflnt Friedrich SebwAntenbeig. 



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alle Begriff«. Kiohte ig| ibr heilig, und fDrmliehe Anfinife zum Anfralir 
und BttgerlErieg werden Terkftndet. Dieser Tage mren Shnlidie Aufrufe 
in der Patria und Tltalia, we su Sulncriptionen und Aimirung ftr die 
Pontremoleaer aufgefordert wird. In Fiemont gfthrt ee im höchsten Grade, 
und Yon dort wird man vielleicht nlehatenu Ton einer freien CSonetitation 
hOren. Dort ist die Armee gani auf der Seite des Volkes und gibt Ton 
dieser Sympathie öffentlich Beweise. Der Herzog von Uodena schaltet 
energisch in seinem kleinen Lande, wir haben ihm in Berficksicbtigüng 
der jetiigen Yerhftltnisse jede ffilfe versagt, er hilft meh selbst, so gut 
er kann. Die Enhersogin Marie Louise ist am 16*^ in Parma ange- 
Iwmmen und bt mit einigem Jubel empfangen worden. Richtige Benr- 
theiler wollen darin nur eine momentane Schmeichelei eiblicken, und 
einen Locker, damit sb noch die Begiemng belialte und selbe nicht an 
den gef&rehteten Henog von Lucca flbeigebe. 

In Heapd herrscht eine enwungene Snhe, das Land gleicht seinem 
TesuT, wenn er sidi scheinlmr wcdd befindet. 

Die f errareser Angelegenheit wird wahrscbeinlich bald zur Ent- 
scheidung kommen, man will dnnul nachgeben. Unter uns gesagt fürchte 
ich sehr, dass uns dieser Sdiritt in der allgemeinen Meinung viel mehr 
schaden als nfttzen wird, so viel ich nemlich aus den Verhandlungen 
entnehme. Wie das Endresultat ausfallen wird, ist mir nicht bekannt, 
so Tlel weiss ich nur, dass sich der Feldmarscball in vielen Punkten sehr 
strftubte. Die Diplomaten dürften diese echt militärische Angelegenheit 
verpantschent 

Unsere Stabsoffiziere des Corps und alle Kameraden lieiiiuien sich 
wohl, bis auf Buirette, der öfters leidend ist; auch höre ich, dass der 
arme G<5r8ki in Verona von der Gicht so sehr hergcnommon ist, dass er 
ganz verschwollen das Haus hüthet und in einem finstern Zimmer sitzen 
muss. Schmerling ist bereits in Padua. Ich habe liier an Oberstlt. Gf. 
Wratislaw einen sehr liebenswürdigen Vorgesetzten, Krismanic ist bei 
mir im Bureau. Ein zugetheilter Offizier, der Lieut. Ricchini von Haugwitz- 
Infanterie wurde dieser Tage als Narr ins Spital gebracht, walu s( lieinlich 
hat man ihm als Italiener den ohnehin etwas schwachen Kopf vulleuds 
verrückt gemacht. Wer, das weiss man nicht, man veimuthet eine 
Geliebte.» 

* Johann Oraf WratieUw von Mittrowits Obevrtllentenant, Theodor 

Buirotte Frh. von Oelefeld, Joseph Ritter Ton Schmerling nnd 
Foltcian v. Gurski, li!iiij)tleuto, Oedeon Krisman i Oberlieutenant 
im O. Q.-M. -Stabe, Juhaiin Ricchini, Lieutenant bei liaugwitS'Infanterie 
Nr. a», sugetbeiit dem U.-Q.-M.-ätabe. 



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F. S. Ein Bsppoii, der ans Como kommt, iMstUtigt in allem den 
Sieg der SOnderbondstroppen. Die Umer seilen dnioh Walliser, welche 
ZOT Hilfe FrejbnrgB anfgeboten wann, ventlrkt nnd im Ganzen 6000 M. 
gewesen sein. Sie griffen mit blanker Waffe an nnd feuerten eist dann, 
als sie der gelungenen Uibeiraaelinng sidier waren. Man sagt, daaa 
900 (?) Tesdner an Tedten, Yerwundeten nnd Gefangenen wftren. Zwei 
Oeschfltze, viele Munition nnd wiolitige Papiere des Obristen Lnmi 
fielen den Siegern in die H&nde. Ans dem so eben anlangenden Blatt 
II Bepnblieano ans Lngano, in welchem ein Anfrnf dem andern folgt, 
sieht man, dass man dort in grossen Nethen ist. Ein noch nicht ganz 
▼erhfligtes Gerücht sagt, Granbflndten habe sich fttr den Sonderbnnd 
erklirt. 

Bossbacher. 

IX. 

0. CowHl a Pomiba, Tanna. 

UOMim, M. 11. 47. 

Cronaca. Gran senso fece a Hilano la concinsione della Lega Doga« 
nale^ e particolaruiente il proemio ed i motivi della medesima. Tale pro- 
emio fo omesso dalla Gazz** di Milann, ma quella di Venezia lo diede nella 
sna integrezza. Qualche volta la Gazz** di Milano ora mette articoli proprj, 
emanati dalla Cancelleria Jel Generale Ficqaeliiaiont, posto a'fiancbi dei 
Tioerd per gli emergenti de'difficili tempi. Esso Ficquelmont si troTaora 
ammalato. Pare che il sao divisamento fosse di conciliare i Milanesi con 
pransi e circoii e feste; ma sni Inogo potft oonTincersi clm non yarrebbe. 
Sebbene h dovuto all' Influenza sua se qnesto camovale i Milanesi sa^ 
ranno divertiti e distratti dalla filsler, inaspettato regalo deirimpresa 
della Scala. 

La gnardia di Polizia detta i Piantoni ö oggi il corpo emissario 
deU'odio de' Milanesi, depo che s\ intemperantamente si condusse ne*tu- 
mnlti dcir 8 sett. e saccessivi. Si credette prudentc il non coUocarli piii 
in sentinelle isolate, ma fanno la ronda a 3 a Ü. üon hanno perö dis- 
messo Tinsolenza dei modi. Una sera provocarono im citt.idino quieta- 
mente seduto in nn caffe, e percbo egli rispose sebbene moderatissima- 
mente, lo arrestarono e tradussero al Corpo di Gnardia. Ma quivi fu 
rieonoscinto essere nn Oiambellano del Vicerd, Carcano, persona gnietissima. 



« Siehe im Texte 87S— 376. 



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Un aliro gioriio amstarono U flglio di mio tpoiiale, di 19 anni, che 
acriTOTa snl mmo il solito TV Pio IX, a fra pli strilli lo portarono alla 
Polisia, ova fa condanoato a atare Mi ora fra la peggior faoeia di tagUa- 
borae e mariaoli. 

La circolaro dell' Aicivoscovo coinnnque modoratissima e veranuntf 
savia ])iovoco scontftnto o .satiic, sdo jierclK" si seppe cho gli era »tata, 
se non ingiunta, ititaiiteinonto duiiiiiinicita <iair Auturitä Civile. 

Si nspotta cm aiisieta rinstallazione dol nuovo Consiglio di 
Censnra a Vionna, che dopo indebiti ritardi andra presto in atti- 
vazione, avendo aila tosta 11 Consiglicre Martinitz * Vuolsi pppvaro cho 
ne ven^rano alfargainonti alla Cengiira aiiche in Lombardia, e sopra- 
tutto ch'essa sia aftiilala a iiorsune (coiiie gia alcuno ne le quaÜ 
crot!ano la fiducia del pubblico o meritino la gtima della cksse con coi si 
trovaoo a fare. 

K Yoce generale che TAastria stia coatrattando U praatito dl cento 
Millioni di fiorini. Per iiagarc l'interesse di qnesto, aggiungerebbo tre 
centesimi per ogni scudo alla imposta predialo sul Begno Lombardo- 
Veneto dove ogni centesimo importa circa un Milliono. Tale sopracarico 
Teatirebbe aach'esao il titolo di prestito da reaiituirai pel 1880. Dove 
le operazioni aono segrr to o difUcilo conoscere qnel che T*abbia di vero in 
taU dicerie, ee non che di rado taona che non piova. 

Baccontasi pare che il Beggimento Anatriaco Ferdinando d'Este, 
spedito al Gonfine Uodeneae di Benedetio» ivi deponeaae le diviae 
auatrlacbe, siccome congedato in masaa, e tosio prendeme serriglo e colori 
di Modena. 

• * 
* 

Gegen einen so gefthrlichen MenBchen, als welcher C. Gantik hier 
abermal emcheint, wftre meines Dafttrhaltena doch eine eingreifende Haea- 
regel zu nehmen. 

Das Factam mit dem Nobile Carcano (welcher nicht der Kämmerer 
S"^ Kaiserl. Hoheit des duichlauchtigsten Herrn Erzherzogs Vicekönigs ist, 
sondern liesseii Ui uder, der pensionirte k. k. Oberlicutenant) ist ganz und 
gai- imbciieutciKi. Derselbe ist an seiner Arrotirung zum Thoil selbst 
Schuld gewesen, da er seinen Namen und Charakter nicht angeben wollte; 
anderseits hat sicii wohl der Polizt iwach-Corporal ungebührlich benommen 
und ist dafür bertiits empfindlich gestraft worden. Übrigens, da man 



Hofratb August Martiuez von der k. k. Ceusnr-Ober-Directiou lu Wiou. 
Arebiv. XOl. twL H. HUfl«. 31 



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diraen Yorgan; in der Stadt mit vieler Übertreibimg besprlelit» werde ich 
B. E. hierAber geborsunit abgesonderten Beriebt erstatten. 

In Betreff der bier entstellt ersäblten Arretirong eines Apotheker- 
Sohnes habe ich bereits in der Bemerkung sn der E. E. pflicbtsohnldigst 
fiberreichten Pike sab 8664/1847 sep. am 13. 1. H. die geeignete Anf- 
klftmng g^ben.' 

Bie Gerüchte von einem nenen Anlehen der Eaiserl. Begierang p«r 
100 Millionen, sowie, des Stenennschlages per 8 zur Zahlnng der 
Interessen ist hier allgemein verbreitet und wird sehr böswillig common- 
tirt. Es schiene mir höchst dringend angeselgt, denselben in geeigneter 
Weise als einer boshaften Erfindung sn widersprechen und sn ssgen, 
dass es gans gmndlos ist. 

Der Schlnss der Pidce enthält eine weitere Erfindung des bdsen 
Verfassers, 

IfaiUnd, am S4. November 1847. 

Ni. 3871/1847 sep. Torresani, 

X. 

P, T. 

Den 9*** Deeember 1847, Verona. 

Herslichen Omss suvor und innigsten Dank für die lotsten beydon 
Mittheilungen; schade, dass das hiesige Land nichts der Art su geben 
vermag. — 

Drohende Aufschriften an den Wfinden, geballte Fftnste in den 
Taschen ist alles, was die vaterländische Begeisterang für ein einiges 
Italien gegen die Tedeschi in Bewegung setst. Wäre all das morte ai 
Tedeschi in Brf&llung gegangen, wir lebten keiner mehr. Das Binsigo, 
was mir bey allen diesen elenden, Hitleid erweckenden Manifestasionon 
gegen die Regierung wehe thut, ist, dass man den allerhöchsten Nahmen 
unseres gnädigsten Herrn und Kusers dabey missbrancht, und immer in 
Verbindung mit dem Pio nono, und dass ans lauter Gfite und Nachsicht 
die Behörden diesem ünfug nicht steuern. Gestern erzählte mir ein 
Reisender, der von Mailand kam, mit äusserster Indignasion, er habe 
ausser Brescia an der Strasse mehrere Hänser mit der Anfschrül gesehen: 
Viva Piol Crepa Ferdinande. Ich habe lange Anstand genommen, dies 



' Diu beiden von Torresani bezogeneu Acteastttcke sind leider vor Jabron 
der Seftrtiniiig veilkUeii. 



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XQ 8chmb«nt weil es S^MajeetAt den Kaiser selbst angebt, aber ich 
glaubte, es ist grat, diese Dinge in ihrer gaaxen Abselienliohkeit bekannt sn 
geben, damit man andererseits den wahren Werth der sanftelhnberisehen 
Berichte der Behörden zu würdigen wisse. Diese wollen nnn anmal nicht 
beissen, wammf mögen die Qötter wissen; ihre stupide Ansicht ist, man 
mnsB diese Leute schreiben, singen, den Pio IX. leben nnd anf der Brost 
tragen lassen, — «das macht nichts, sie werden schon aofhören, ist ja 
die Grftfin X mit dem Pio IX anf der Brost bej Hof in Mailand er- 
schienen nnd man hat*s hingehen lassen.* Wo sind die grossen Schild- 
trSger der Vergangenheit, welche das Ansehen der Qesetae nnter allen 
Stflrmen der Zeit aufrecht xn erhalten wnssten, wie ein Sanran in Hailand, 
ein Wnrmser in Lemberg n. a. m. Die fixcellenz von Spor maggiore^ sn 
Mailand scheint ein ultra Sanftelhuber su seyn. Ich höre sn Mailand nnd 
Padna sind Shnliche empörende Maneranschlöge erschienen; Tielleicht 
bekommen die Schreiber mit der Zeit Bminens. Die Wftlschen enflhlen 
sich mit einer an Wahnsinn granxenden Schadenfreude, dass 8* k. Hoheit 
der Ticekönig nicht mehr die Scala besncht. 

Die stets kolikartige Courage der Wüschen ist nAhmlieh hey der 
gegenwärtigen Schnackerlseit, die den SchÖckel abgeschafft hat, in der 
Scala bey Gelegenheit des gegenwärtigen neuen Ballets in Baserei aus- 
geartet. Es kommen nihmlich in dieser Tanzerei zwei sich befehdende 
Partheien vor: die Perser als Eroberer TOn Afghanistan, und die Afghanen 
als Unterdrückte. Letztere machen nun eine Yerschwörnng und jagen 
die Perser ans dem Lande. Das wird nun auf die Gegenwart angewendet 
— und wir müssen die Perser seyn, nnd die Lombarden mit den 
Sorhetti in der Hand, sind mit grftsslichem Geschrei die Afghanen! 1 — 
aber nur in der Scala. — Man behauptet, dass trotz dieser Berserkerwnth 
maitche dieser Afghanen sieh mit gelben Flecken in der Wäsche zu Bette 
begeben; weil sie den nSchsten Morgen und die zehnte Stunde fürchten, 
die sie in die Kftbe von Torreeani bringen könte. Arme, arme Leute I 
aber noch mehr Armseligkeit fBr jene, welche derley Bestialititen dulden. 

Ich wflsste diese Leute, ohne Anftehen zu erregen (denn das ist 
gegenwärtig die Hauptsache nnd die Losung in der Gegenwart), dine 
Gensdannen nnd Sbirri, so in ihrem innersten Leben zu fassen, dass sie 
auf lange Zeit alle Schriflstellerei auf den Wänden und allen Witz anf 
die Regierung in den Kaffeehäusern vergessen würden. Ich würde nähmlich 
eines schönen Morgens in allen Städten und auf dem Lande, nnter jeden 
Viva Pio nonol eine Ankündigung folgenden Innhaltes kleben lassen: 



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»Die Begieranp siebt mit schwerer Betrflbnis, dass Temichte Menschen 
den hohen gebenedeiten Nahmen 8' Heiligkeit des PAhstes tn Uaner- 
anschMgen misshianchen; sie befiehlt daher, dass derley herabwQrdigende 
Profluiasion des hohen Oberhauptes der Christenheit nicht mehr an ge- 
schehen haben. Damit diess nun gehörig nnd mit aller Wirknng in 
Tollzog gesetzt werden könne, wird folgendes angeordnet: 

,a) Jedes Hans, auf welchem sich eine derley Inschrift Teneichnet 
findet, zahlt» wenn der Besitaer ein reicher Mann ist oder gar dem Adel 
angehört, 60 fl. C. M. Strafe. Diese Strafe hat der Hauseigenthflmer für 
seine Person an entrichten, und es findet darflber nie eine Beklamaiion 
oder Appellaaion statt. 

,h) Findet sich aof dem Hanse eines Unbemittelten eine solche Auf« 
schrift, so zahlt die Commune 10 fl. C. M. Strafe, und die Zahlung dieser 
Summe geht die ganze Gemeinde an. 

,Alle eingehenden Strafgelder werden mit den Nahmen der Haus- 
eigenthfimer bekannt gemacht; auch sollen dieCommunen nicht vergessen, 
dass alle eingogangenen Summen aber unter Notfaleidende Tertheilt 
werden.* 

Mit diesen beiden sanften Mitteln glaube ich könte man den gegen- 
wärtigen Scfareib-Paroxysmus der Wftlschen auf ewige Zeiten knriren. 

Ich höre, die Florentiner Wlltheriche sollen sich sogleich ans dem 
Gtfinzgebiet Ton FiYiziano zurflckbegeben haben, als ein Schalk von 
Patrioten ihnen in die F^iheitsohren rannte, die Hälfte der Modeneser 
J%er Seyen Tiroler. Auf dieses wurden sie blase und kehrten heim zu 
ihren H&usern, geschmficktmit grflnen Beisem. Yennutblich mitL(M:beern, 
wie es Helden geziemt. — 

Derselbe Fall ist in Ferrara. Seit der Protokollführer C^hi sein 
Schild hat einziehen mfissen, fhngen dorten die Leute an, Kinnladen- 
Kftmpfe zu bekommen. Allein diess ist immer kein Ersatz für die Un- 
bilden, die der Offizier hat ertragen mfissen, ohne zu murren noch die 
Klinge ziehen au dflifen. Ol Österreich! mein liebes östemidil was 
llsst Du Dir Alles mit Deinen kräftigen, festgeschlossenen Schaaren 
anthnnl 

Ich ghtube immer, der gute, edle Amsel ^ von der Christenheit 
Brt Bothscfaild genannt — hat in allen diesen Dingen die Hand im Spiel. 
— Sein Motto wird immer seyn: ,nnr nich' schissen, — sonst ftUt 
Alles* — will sagen Papier. Die Sprooent — die ipi'ocent — die 
6 procent — die Aksien — die Nordbabn — die Sfldbahn, — alles ist 
betteltutti; — um Gottes Willen, nur nicb' sehiasen. ~ Der Mann 
hat wohl nicht Unrecht, wenn er sagt: Du sollst nicht tödten, — ,Fe»chtl 



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xiiir kau Krieg ! sonst wwdmdr am» Leaü' — Aber kh sage: wie schaot's 
nachher mit unsena alten Adlennotto aos: Öeterreich über Alles, wenn 
es nur will. 

Hengewein. 

XI. 

In der Nacht fom 1. zom S. Januar fanden sich au den Hanem 
mehrerer Hailander Kasernen Aufschriften: 

Tigri Anstriache 
SateUiti rilmente feroci 
Stapidamente superbi 

Sicaij snatnrati 
Piü bmti che nomini 
Stntmenti ciechi di enormi delitti 
Dispreizo, eseeiazione, naosea di tntta Europa 
Schiavi rilissimi crassamente ignoranti e della voatra Tergognosa ser- 

ritii ignari, 

Spogliatori inesorabiliy rapacissuni, ma miserabili sempre, perch% non con 
Talore, ma coU'oro di cni bmtalmente ci spogUate, le aggressioni, le prodi- 

torie, inTasionii tradimenti, gli assassbj compite, 
Le inmioni di Perrani, le aggressioni di Cracovia, i tentati msssacri dei 
Bomani, i cadaveri tattora fnmanti dei miseri Gallixiani, le lagrime della 
bellissima Italia (da voi o mostri cangiata in terra di pianto e di miseria) 
reclamano Teterna Vendetta e TaTraiinot! 
Tuttt morrete. 

I Milanesi pel buon capo d'auno. 

XII. 

(Jos^h Nagdf k. k. LieKfenant hfl K'nisky Infanterie Nr. 47, 
DivisianS'ÄUjutaHi, an den Grafen Uuyn?) 

3**^ Jilniier. Heute schou Vurinitlag fiiis^ diese Hetze vum Nöuoii 
an. Weis Gott ob aus eignem Anlass, cnlor ;ius was immer für einem 
Bew«ie^>,'riiud öffneten sich ;iuf einmal die Casornen-Thoro — Alles, was 
den Namen Soldat der hiesi^^en Garnison trägt, ütrömte mit brennenden 
Virg'inioi-ZigaifMi auf den Coiso. Die Soldaten jeder Nation, welche es 
nicht durch Sprache vermochten, verständigen sich durch Geberden, 



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filiekd. Die uagarisoben Grenadiere (natfirlieb gross) rancbieii sngleick 
zwei Zigaren. Das Pfeifen fing an, und seltsam genug heuie sab man 
nnr sehr wenig oder Iceinen Menscbeni der sieb die Insulten snm Hand- 
werk machte, Tom gemeinen Volke, bente ftbemabmen Lions diese Bolle, 
wabrscbeinlidi wollten sich die Kerle der Hefe nicht um die laie, die sie 
bekanntlieh tftglicb erhielten, diesen OeüBbren anssetien. Die Soldaten 
paasten; wo sie einen pfeifen oder aber auch nnr ein missbilligendes 
Qesicbt sahen, worden snerst Ohrfeigen ansgetfaeilt, diese Lente sodann 
arretirt und auf die Polixei geführt. Deijenige, der nur den ein&cbsten 
Widerstand der Arretirung entgegensetzt, wird niedergehauen. Jetrt 
wird die Aufregung gross, beim Milit&r erwacht Kampflust, der Lateiner 
setzt stoischen Schrecken entgegen. Alles lauft, was Fttsse hat, aber selbst 
gegen die Fluchtigen tritt kein Mitleid ein, so wird das altdeutsche Sprich- 
wort beachtet, «wer linft, hat Ursache dazu', um die ürsadie wurde nicht 
gefragt, sondern drein geschlagen. 

Die M eselei dauert bis sum Zapfenstreich. Die Folge davon ist, 
dasB 10, nach Anderen 14, 20 Todte blieben; bis jetit sind S9 schwer^ 
Terwundete ins allgemeine Krankenhaus gebracht. Die leicht Terwundeten, 
vor Angst Yerbdren und Untersuchungen ausgesetst zu sein, werden 
sich die wenigsten erkennen lassen, wiewohl sämtliche Ante die ge- 
messensten Aufträge haben, jede Verwundung bei Verlust des Gewerbes 
anzugeben. 

Gegen 200 dieser Kerle wurden festgesetzt und sehen der Unter- 
suchung entgegen; von den eingefangenen balossi sind mehrere schon 
geständig, von wem sie in diesen Olfentlichen Unordnungen durch Geld 
verffthrt worden, und die Arrestirungen dieser Capo's fingt noch in der 
Kacht an. So sitzt auch unser frühere Hausherr vis a vis der Tabak- 
fabrik (Cattaneo), aus einem der Fenster seines Hauses hing die Freiheits- 
Mne heraus. Das Fenster soll der im 3^ Stocke wohnenden Contessa 
angehört haben. 

Nadi dem Zapfenstreiche wird durch das Zurflcfcziehen der Soldaten 
Buhe. — Die Garnison steht seither in Bereitschaft: auf dem Borgplats 
1 Baon Inft., 1 Eskadron Kavallerie, Piazza San Fedele 1 fiaon Inft. 
schAne Bescherung bei dieser Kälte! 

Die italienischen Grenadiere haben sieh ganz vortrefflich benommen, 
die waren eigentlich die grausamsten; dieses ISsst in mir den Gedanken 
aufkommen, dass hier manche Privatrache gestillt wurde. Eine italienische 
Grenadier-Patrouille soll auch unter dem Bnf Viva 1* Imperator, andiamo 
sbarrare sulla cannaglia gefeuert haben, dieses glaube ich nicht. — Auf 
die VorwOrfe, die man den italienischen Truppen macht, dass sie aU 



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Landaltato «o grtaUchen Zwecken als Werkieiige dienen» antwoiien ne 
Siamo ptttrioti, na soldatL 

Die euesuTsten Leute sind die Yom 8. Btiun Albieeht, ein g»- 
nngeamer Fingenei^» dasB die hiesigen Nobili bei einem aUenfiUeigen 
Anistand das Sehicksall der polniadien EdeUente 1846 ernilt. 

XIII. 

(Ein am JüaHand immA Venedig gelangtes StAraben, das in 
Abs/chrifit ohne Ängaibe des Adressantm, wm Gen,'Fi3!l.'IHredor 
Caü am 7. Januar an SeätimU^ natk Wim gesandt wurde,) 

Fol A. 1848 Fuc 286 Nr. 886. 
Euer Woblgeboren ! 

Seit drei Wochen meines Hierseins hatte ich vielfache Gelegenheit, 
mich Aber den politischen Standpankt HaÜands an unterrichten. Obgleich 
die hiesigen Zostftnde sich so siemlich nnverBchleiert jedem nnbeihngenen 
Hick darstellen und Sie deshalb vohl wenig neues Ton mir hören werden, 
so erlaube ich mir doch Ihnen diese Skiaien in senden, deren Werth wohl 
einaig in der Wahrheit der Darstellung beruht. 

Es ist Thatsache, dass die Lombaidie in ein Stadium getreten ist, 
wo es nicht schwer wird, das Ende in bestinunen, da dieses auf keinen 
Fall anders als mit der fioTolntion enden kann. Es ist kein theilweises 
Hisbehagen, keine momentane Aufregung, die durch irgend ein vorflber 
gehendes Zeitereignis hervorgerufen mit diesem zugleieh wieder schwindet, 
es ist der lebendig gewordene Gedanke, das in alle Glessen der Bev^^lkernng 
gedrungene Gefühl ,das fremde Joch abauschtLtteln'. Bs ist nicht die 
ÜBsnfHedenheit Ober irgend eine Begierungsmassregel, nicht der Wunsch 
nach administratiTen Terbessemngen, keine noch so humane Verwaltung 
kannte diesen Sturm auf gfitllchem Woge beschworen. Es ist der tOdt- 
liche Hass gegen Österreich, gegen alles Deutsche, was diese Massen 
bewegt, und darum glaube ich, dass hier nur Bajonnete entscheiden 
können. 

Das eigentliche Schlimme bei dieser Geechiohte ist, dass die GrAme 
der Gesellsehaft, dass die eigentlichen Haehthaber, die grossen Besitser, 
au der Spitie der Bewegung stehen, dass das so wohlklingende Wort 
Patriotismus ihre Fahne ist, dass die Frauen in Hasse so lebhaften Antheil 
an dieser Bewegung nehmen. Eine eigentliche TerschwAning mag dabei 



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Tielleioht nur in dem Sinne 6tiU»tfinden, dasa ein gemeinsamer organisirter 
Plan an Grande liegt, dam die einfloBsreichaten NobUi und die Oentry 
flberliaupt Biek filier die an befolgenden Maasregela berathet und die 
Maasen durch ihre gut geaablten Creatoren in ihrem Sinne bearbeiten 
ISaafc» Der ohne Hehl znr Schan getragene Zweek ist »die Tedescbi sn 
veijagen'. FAr den Moment fehlt iknen zwar der Mutb diesea durch 
offenen Angriff zu wagen, erst wollen sie die ToUBtftndige Bewaffnung 
und Einfibnng ihrer römischen^ toscanischen und piemontesischen Brfider 
abwarten, mit deren Hilfe sie dann hoffen leicht dieser Barbaren Meister 
sn werden. Sie sollten nur hftren wie diese Lente aofbrauBen, wenn man 
ihnen zn verstehen gibt, dass sie ohne fransMische HiIÜb nichts aus- 
richten, sie wollen nichts von den Franzosen wissen. ,Wir brauchen keine 
Fremden, wir selbst helfen uns, Italien wird durch eigene Kraft aufer- 
stehen,' das sind ihre Rtehenden Bedeosarten. Unterdessen flben sie ihre 
Lente ein, sondiren die Gffentliidie Meinung, halten die Behörden in Athem 
und suchen durah klug eingeleitete ,KraTalIe* letztere in Conflict mit der 
Bevölkerung zu bringen, um wo mG^ch den Haas noch zu steigern. 

Sie werden von der Cigarren -Verschwörung gehört haben? Ob Sie 
aber auch die politische Bedeutung dieses anscheinend so nAnrischen 
Zwanges kennen? Die tbeUweise Meinung, als sei es ein Ergoss patrioti- 
schen Hasses, um dem gememsamen Feind (um) einige tansend Gulden 
zu schaden, oder durch diese Demonstration der Begierang die allgemeine 
Unzufriedenheit zu manifestiren, ist total irrig. Im CaffdS Scala-Martini, 
dem eigentlichen Hauptquartier der Chefs (das mir dieser Tage so vor- 
kommt, wie in den Tagen der Juli-Bevolution daa Hötel Laffitte zu Paris) 
fiusserte mir ein Marchese ganz naiv, als ich die Thorheit verlachte, die 
österreichische Krone durch ein paar tausend Cigarren ins Bockshorn 
jagen zu wollen: ,Aber mein Gott, wir können ja nicht von Haus su Haus 
geben, um unsere KrSfte zu cfthlen, wir können ja nicht Cocarden tragen, 
um unsere BrQder zu erkennen.' Ich verstehe den Sinn vollkommen und 
mnss gestehen, der Zweck wurde vollkommen erreicht. «Mit dem Neiyahrs- 
morgen ist die Cigarre als Feind der Freiheit verpönt' war die Parole, und 
siehe den 1**^ und 2*^ J&nner wogte die ganze Bevölkerang auf den 
Strassen, jeder konnte die Zahl der Gleichgesinnten sehen, jeder sich 
flberzeugen, wie leicht das Opfer gebracht» wie allgemein der Sinn auf- 
gefasst wurde, wie leicht die Massen zu f anatisiren waren. Noch 
ein anderer Zweck wurde damit erreicht. Man hat einen gerade nicht 
halsbrecherischen Grund bei der Hand, Conflicte mit der bewaffneten 
Macht herbeizuffthren. Durch diese so spasshafi aussehende Cigarren- 
Wuth hat Mailand gestern und beute ein gewaltig kriegerisches Aussehen ; 



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481 



die ganze mftniüidift BefGlkerang wogt in den Strassen, wartet wo es 
losgehen wird; die bewaffnete Macht (beilfiuQg gesagt, in nkht sehr impo- 
santer Haltung, da sie nicht recht sn wissen scheint, ob es Emst oder 
Sehers ist) spreogt dnrch die Strassen, wird ansgepfllTen und beschimpft 
nnd bewahrt ihre stoische Bahe dabei, indess die abentenerlichsten Ge- 
rflchte drcnliren. Bald heisat es aof dem Corso schiesst man sich, bald 
wieder, die Piemontesen sind im Annarsch u. dgl. m. 

Tliats.Khe ist, dass dieser Tag eiue bedeutend« Summe kostet, Ja 
quasi AiitVeluT für das Cigarren aus dem Munde 8chl;ii,'f'ii in die tausende 
gedungen waren, von denen meiirere bei dieser löblichoii Hiintioriiiif,' ein- 
gefangen wurden. Dass bei diesem Wirrwarr viele Unglück sfiillt' v.w lie- 
klagen sind, können Sie sich leicht denken, einige Soldaten und Civilistoii 
wurden getödtet oder verwundet und das Misbebagen der Truppen Imt 
einen hohen Grad erreicht. Sich überall auspfeifen, verlachen, be- 
schimpfen lassen zu müssen ohne darein hauen zu dürfen, macht bei 
diesen braven muthigen Burschen ?ehr böses Blut. 

Sie sehen ein, dass unter diesen Umständen Mailand in der nächsten 
Znicuuft sehr unruhigen, ja blutigen Auftritte n pntgegensieht, dass aUe 
hier lebenden Deutsche Ihr Leben so zu sagen auf der Fingerspitze tragen, 
dass bei dem gewohnten schonenden Auftreten unserer fiegierung hier 
mehr geschadet als genützt wird. Freilich sind diese Kerle alle Hasen- 
herzen, so feig, dass z. B. als gestern abends eine Hotte von circa 
20 Burschen Miene machte, einer Schildwaclie am Eck des vicokönig» 
liehen Palastes auf den Leib zu gehen, das Anschlagen dieses einzelaen 
Soldaten genügte, um die Kerle wie Spreu zu verjagen; aber wer weiss es 
nicht, dass durch Übung in solchen Dingen ein gewisses Vertrauen er- 
wächst, dass die Furcht durch die Gewohnheit nach nnd nach ihre Schreck- 
nisse verliert? Darum scheint mir hier Strongo, zuweilen blutige Strenge 
nothwendig, ja unerlässlich, um diese Kerle nicht ans dem ABC der Be- 
Tolotions-Schule kommen zu lassen. 

Diese Dai-stellung, wobei nichts Übertrieben ist, wird Sie ftber- 
sengen, dass es sich hier mehr um die Gesammtheit als um persönliche 
Details handelt. Ober Einseinheiten, die den vielleicht auch fonnel ge- 
bildeten inneren Organismus näher beleuchten, ist hier keinem Deutschen 
möglich sich directen Aufschloss zu verschaffen, da dieses nationale His- 
trauen nie zu überwinden sein wird. 

B, M. 

Mailand, den 3'^" Jänner lb4b. geh. 



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483 



NB. Ich warte mit dor Abaendniig di«6M Schreibens, da eben 
4 Uhr nacfamiitagB der Ttaa wieder losgeht nnd loh nach allem QehOrten 
vermuthen muss, dass es heute Yielleieht Emst wird. 

10 Ohr nachts. 

Eben komme ich nach Hanse. Yori&nfig ist Bnhs in den Stnssen, 
wo es Todte nnd Terwnndete, letstsre in sehr grosser Aniahl» gegeben 
hat. Ton einem Fenster auf dem Corso vis k Tis der Oallerie Cristoforis 
konnte ich gemächlich wie aus einer Loge das ganse Schauspiel mit an- 
sehen. Hente hat sich das HUitlr besser benommen nnd eine kleine 
Lectton ansgetheilt. Bottenweise waren unsere braven Soldaten auf dem 
Corso Instwandelnd, jeder eine Cigarre im Unnde, kühner nnd freier der 
Blick als Tags vorher, woraus sich leicht schliessen liess, dass man ihnen 
heute nicht wie gestern die Uanneswebr gegen Beschimpfongen verboten. 
Das Pfeifen nahmen sie geduldig hin, als aber ein Tmpp von circa dreissig 
Grenadieren durch Schimpfreden und StOsse endlich die Geduld verlor, 
ging der Tsnz los. In einem Nu zogen alle vom Leder und hieben lustig 
auf ihn Dringer ein. Binnen einer halben Stunde war auf hundert 
Schritte vor ihnen die Strasse sauber, und nun gingen sie gemfichlich 
weiter Arm in Arm, die Cigarren im Hunde. Die Verwundeten wurden 
ins Spital gebracht nnd die bis snr Wuth gereiste Menge sperrte die 
Strasse. Ein Piqnet Gensdarmen sn Pferd, die sich mfihsam und schonend 
durch die Menge durcharbeiteten, achteten auf kein Pfeifen und keine 
Schimpfreden. Da flogen hart an der Gallerie, wo der dichteste Haufe 
stand, mehrere Steine gegen sie, die Pferde b&nmten sich und nun wurde 
sum einbauen oommandirt. Bs war grftsslich ansusehen, wie diese Eisen- 
männer, wahre Centauren, denen bald ein Piqnet Dragoner zu Hilfe kam, 
nun unter den Haufen i>prüDgten und einhieben, dass Boss nnd Beiter 
Funken stoben. Wie schnell nun diese Schreier Fenengeld gaben! Doch 
war das alte Gedränge bald wieder da, und so ging der Spass abwechselnd 
von vier bis zehn Uhr. Kein eigentlicher geregelter Wideretand war nicht 
da, nnd fielen nur einzelne wenige PistolenschOsse aus dem dichtesten 
Haufen, die schwerlich getroffen haben. Das Militär hat durch- 
gehende von tk*r Feuerwaffe keinen Gebrauch gemacht. Unter 
den Todten bedauert man den alten geachteten Appellationsrath Manganini, 
der gewiss nnschuldigerweise in das Gedränge kam, und so werden wohl 
vidie Unschuldige mit den Schuldigen bttssen müssen. 

Heute ist Buhe, moigen wieder dereelbe Tanz, und Gott weiss wie 
das enden soll. Auf Donneretag den 6*^ ist schon grosse Erneute an- 
gesagt, so wird sich dieses nicht legen, bis nicht ein grosses Unglück 



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488 



geschieht. Die Polizei hat «eh heute IftcAntliah gtmaeht, sie liess einen 
ellenlangen Sermon in Fonn einer Prodamation ansehlagen, in dem gar 
kläglich das Volk rar Buhe gemahnt wird und in mehreren Zeilen des 
heiligen Taters an Bom, eigene Worte! !t, angefahrt werden, wo dieser 
Ton der ekelhafken Wandbeachmierong abmahnt. Diese Prodamation, die 
mit Edat flberall eine Stunde nach dem Anschlagen vom Volke herab- 
gerissen wurde, ist einer Macht wie Österreich nicht besonders wflrdig. 
Braucht man hier eine fremde Autorität, die des Papstes, um Buhe an 
sdiaffen? Kein Zddien Ton Schwäche darf dieses Gesindel ermuthigen, 
sonst gdit es uns am Kragen, und glauben Sie mir, es wird als 
Schirtdie betrachtet, daas man den Papst au Hilfe nimmt, um sie abzu- 
mahnen. Eine kune, kühne Sprache, wenig Worte, und diese kräftig 
durchgeftthrt, hätten hier einen bessern Bindruck gemacht. 

Wenn in der nächsten Zukunft nicht gi osses Unheil Aber Italien 
hereinbredien soll, so mOgen sie sich in Wien beeilenIIilitai>yeFBtärkungeQ 
so bedeutend als mißlich hereinsnaenden, das ist das einzige Mittel Italien 
au beruhigen, und ein driugendes; denn schon fhngen sie hier an lu 
berechnen. 

Ich sdiUesse, da dieae Zeilen gegen meinen Willen sehr einen zu 
grossen Vmfiuig erlangt haben, und bitte daa Ganze als Eiguss der 
reinsten unpai-teüschen Wahrheit anzunehmen, aber zugleich der Eile 
wegen die Fehler in der Form zu entsdiuldigen. 

XIV. 

Faduft, 6. Janiur. 

(Ein Ungenannter an den Grafen Huym^) 

Ist denn dieses unglftckseelige Oestrdch nnr da, um sich von allen 
Seiten dupiren zu lassen, nachzugeben^ oder nur halbe, mitunter gar 
keine Maasaregeln zu ergreifen I? — Bleibt unsere ßegierang fortan in 
dieser Verblendung — so wird eine bittere Beue folgen — und unsere 
kflnftige Generation mnss und wird den Männern fluchen, die gegen- 
wärtig und sdion so lange das Heft in matter Hand haben l — Bey 
solchen be^nnenden revolutionären Bewegungen dürfen wir nur die 
Blätter der jüugstca Zeit durchsehen, und wir sehen deutlich, was da m 
thnn und zu lassen ist. Ach — warum haben wir nicht einen Nicolaaa 
an der Spitze — wie zahm wie demflthig würden diese Mayländer die 
Botho kflasen, die da züchtigt. Ach wir lassen Truppen marschiren, ent- 
wickeln die Kräfte — und bey diesem wird es bleiben! Bs wird nichts 



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484 



goBcheben. Lanier PalliatiTe. Wenigstons sollte man als Strafe eine 
TermögenS'Stener fflr diese reichen Leute, die da schflren nnd zünden, 
einffthien — am Ersata fOr diese Hilitair-Bftstnngen zu haben! — 

XV. 

Lieber Huynl 

Sie kommen doch nnter die Herren in Wien und werden hOren, was 
man Ton nnsem Angelegenheiten denkt. Was man dazu sagt, dass in 
Hailand der Yice-KOnig öffentlich insnltirt wird, in den letzten Tagen 
der Aufstand sieh ganz ungeschent auf allen Gassen durch Worte nnd 
Thaten ausgesprochen hat. 

Vor zwei Jahren hatten wir in Italien nur eine Sekte, welche nna 
zu untu^fraben suchte. Itezn gesellte sich der Römische Staat. Bine 
Demonstration mit Schnelligkeit und Kraft au^effthrt hätte alles gelegt. 
Aber wir meinten es wfirde sich alles TOn selbst geben, nur Zeit gewinnen 
und alles wflre gewonnen. Toscana (ein österreichisches fendo) geseilte 
sich dazu, das warum will ich nicht nntersnehen. Wir blieben mhig und 
wiederholten, es wird sich alles geben. Nun trat Lncca dazu, ich glaube 
weil es auf unsre Hflife nicht, wenigstens nicht schnell genug rechnen 
konnte. Wir wiederholten das alte bemhigende Lied. In Venedig er- 
laubten wir dem ganzen Gesindel Italien sein Gift unter unsere Provinzen 
zu giessen, alles wurde ihnen gezeigt, so zu sagen wir Hessen uns von 
ihnen richten und tadeln, den Vice-K5nig, den Stellvertretter Österreichs 
öffentlich ungehindert insultiren. 

In Ferrara werden unsere Rechte mit Ffissen getretten. Unsere 
Trappen, ich kann sagen wir Soldaten, wahrten unsere Rechte (vielIei<At 
weil wir sie mit nnserem Blute erk&mpft hatten). Die Feder hatte es 
anders bestimmt, wir mussten nachgeben, unser Recht aufgeben, nachdem 
wir Em üiiu .selbes klar vorgestellt hattenl Spott und Hohn war der Erfolg. 
Die einrfickenden Schweitzer trennten sich ganz von uns, denn sie mussten 
uns meiden. In einer Stadt, wo wir das Besatzungsrecht haben, dftrfen 
wir das einzige Thor, wodurch wir den Eingaug haben, nicht besetzen, 
dürfen in dieser Stadt, wo wir zwei Bataillons haben, keine patronille 
herum schicken, und uns tSglich ruhig insultiren lassen. Was musste 
der Erfolg sein? Geringschätzung, Verachtung der Begiemng, die Über- 
zeugung von unserer Schwäche, unserer Ohnmacht. 

Der Nachklang war gleich in unsern Provinzen fühlbar. Es ist 
genug ein Östreichischer Soldat zu sein, um überall ausgeschlossen, Ter- 



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485 



nietton m wtrden, und dieses gam Qffentlich, ohne alle Scbev, avcb Ton 
jenen, welche uns gewogen sind, weil sie die Sectarier mehr fttrchten als 
uns. Auch sagen die Bessern nngescheat, dass, da sie ?on den ScUeehten 
bedroht» aneh wirUicb gemisshandelt werden, bei nnsrer Sehwäfihe aber 
keinen Sehuti sn hofen haben, müssen sie sich aneh gegen ihren Willen 
ond Ansicht gegen uns feindlich setgen. Hier ein Fall. 

InTenedig hat Dr. Tommaseo einen Anfsatz Oifentli«sh ?orgelcscn, in 
welchem er von der Begtemng die Einhaitang des Censnr-Oesetses Ton 
1817 oder 181K wieder verlangt, er wnrde mit wftthenden Beyfallsieichen 
angenommen, worauf er es gleich von allen Anwesenden unterschreiben 
Hess. Knn wird er aneh in den Frovinsen hemm gesdiickt, nm die Zahl 
der Ünterschiiften sn vermdiren. 

Hier wollte man biesn den Professor Menin, Ihren fkwind bereden. 
Er weigerte sich, vorgebend es sej gegen sune Pflicht. Als er in der 
Ünivendt&t erschien, wurde er anf aHe Weise insnltirt, mosste abtreten. 
Am Tag vorher hatte er dem Obrist Bianchi gesagt: ,Ich habe meine 
Pflicht gethan, wer wird mich aber schfltzen?' Er hatte recht, er blieb 
nnbeschfitzt. 

Nun geht er nicht mehr in die Univereität. Ich ging zu ihm, um 
meinen Antheil dem armen Greise sa zeigen, wollte ihm auch zureden 
wieder m erscheinen; denn ich hatte Mittel gefunden zu erzwecken, daas 
eine Deputation der bessern Studenten sich zu ihm verfügte, am ihm ihr 
Beyleid und f&r die Zukunft ihre Theilnahme zu bezeigen. 

Der alte Mann sagte mir, er fürchte weniger die Studenten, als den 
Pöbel, welcher ihm mehr als die Andern übel wollte, obschon er nicht 
wisse warum? Dass er, als er so misshandelt wurde, hunderte von ganz 
fremden Figuren um sich sah; in einem Wort, er sey moralisch und 
physisch krank und kUnne nicht mehr erscheinen. Übrigens träne er 
sich nicht auszugehn, denn man strebe nach seinem Leben. Man habe 
vor einigen Stunden eine Fhiu, die zu ihm gehen wollte, auf offener Strasse 
an der Schulter gepackt, ihr verbothen zu Menin zu gehen, denn, sagten 
die zwei Angreifer, wir wollen seinen Tod. Menin verlangt nun seine 
Versetzung in Ruhe-Stand. 

Die Auftritte in Mailand werden ihnen bekannt sein, die Lions und 
ähnliche Canaillen wurden durch Gemeine, Unterofficiere, Cadetten, auch 
Officiere zu Paaren getrieben, es freut mich herzlich, dass es ihnen so 
gegangen, dass sieb die Truppe so herrlich gezeigt hat. Allein dass soll 
hier nicht geschehen, und sollte ich selbst unsere Leute zusammen- 
geh iessen, ich dulde eine solche Indisciplin nicht; denn hat man sie ein 
Mahl los gelassen, wird man ihrer nicht mehr Herr wie man will. 



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486 



Hein B^ment Gyolay hatte bej Bimini gesehen, wie ein grosBes 
Hans TOr dem Ort bey der Nacht geplftndert, und des UorgenB das Werk 
der ZerstOrnng fbrtgesetit wurde. Es war g^nng, nnd am selben Tag ala 
das Regiment hinter Cattolica im Lager stand, verliessen es hunderte nm 
in den nnliegenden Hänsem sn plAndem. Ich musste sehn Patrouillen, 
jede Ton einem Officier oommandirt, aussenden, mit dem Befehl, auf jeden 
Fener an geben, welcher ans dem Lager gelaufen sejr. ünd die gewohnte 
Disciplin war wieder hergestellt. So war es auch 1691 bey Civitä dncale. 

Qeschehen hier (was ich als unmöglich ansehe) solche Insulten 
gegen die Truppen, so sollen sie schnell gerochen werden, aber auf meinen 
Befehl, und nicht willkQhrlich. 

In der Schweitx haben wir nun einen Feind. Obriat Gattellits 
schreibt aus Modena, dass In Genna und Tnrin sich die Nationalgarde 
constltttirt, nnd der KOnig, welcher krank ist, es sanctionirt hat. In 
Parma wird nftchstens dasselbe Toigtiien. Wird Neapel widerstehen 
ktonen? Nun kommt also der SKollveiein in gani Italien ansser in unsem 
ProTinaen. — Das ist der Brfolg alles gednldet au haben. Piemont kann 
Ton einem Tag zum andern mit 40.000 Hann, die Scbweitser mit 80.000 
anrücken, was haben wir ihnen entgegen an stellen, aus einem Land, wo 
die BoTOlution bereits ausgebrochen ist. Von der Canaille am rechten 
Ufer des Po nicht zu spredien. EOmmt Neapel dasu, so haben wir noch 
60.000 Lumpen mehr von dieser Seite gegen uns. Nicht war ein 
schönes Bild! 

Ihr Freund 

Am 7. Januar 1848. D* Aspro. 

Sie sehen deu Grafen Eollowittth und kennen ihm meinen Brief 
vorlesen. 

XVI.» 

Excellence. 

Peut-Otre T. B. aura ^t^ ^tonn6 de n'aroir pas encore re9u de mos 
lettres jusqu'ii present pendant quo des dv^nements de tant d^impoi'tance 
se sont passd dans notre ville. Hais Toccnpation quo cos affaires mOmes 
m^ont procurd et le d^sir d'derire aTec calme et impartialit^ m*ont portd 
an retard; h präsent je viens remplir h nn doToir de Magistrat en infor- 



* Vgl. C. Caaati ii 46— 47 f. Ich morke die Variauteu mit Aufilbrung«* 
seidien «a. 



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487 



mant Y. E. saus ancone Prävention et donner easor an aenüment de vrai 
reapect et de reoonnaiasance aveo Texpreesion d^ine confianee aans lioraea. 
J'^cria fran^aia poor donner k mon toritnre le earact^ d*une lettre 
oonfidentielle plntAt qne d'un rapport. II hat prendre lea cbosea an pea 
loin. Par mea lettrea des moia de 7^ et 9>^ y. B. aura pn bien com- 
prendre Ntat exceptionnel dana leqnel notre paja se troQTait, et ta n^ces- 
ait^ d'y pourvoir avec dea moyena de oonciliation en 61oignant lea cansea 
qui portaient la d^fiance entre gonTernfo et gonvernants. Hais comme 
j'y ai fait remarqaer on a toi^oora op6t^ en aens oppos^. Lee sujcts qui 
bteasentde plna la enaceptibUit^ de la popnlation ont toi^onra aembU Mre 
piotdg^s, leaeontradictiona adminiatratiTee ioujoura lea mtaiea, de manüre 
qne Taigrear allftt to^jonra angmentant. Tont eela il fant premettre* paa 
poor jnatifler, maia poor expliqner les aceorda de demonatrationa qne In 
popnlation a montri comme B*il 7 atait nn oomit^ diroctenr qni n^a jamaia 
existö et qni, 8*il ent enst^, il n*aiirait pu eertainement ezeiMr nne 
inflaenee ai gän^rale ai l opiulon publique n*^tait paa avec Ini. On a 
eommeno^ k marqner plus apparentement* la Separation entre AUemanda 
et Italiens, s^paiation qni en effet, aanf quelque exception, a eonunenod 
jnaque dn 18&1 et qni est to^jonia alK eroiaaante. T. E. pent Men ima- 
giner eomment le militaire qni 4tait d^jft fftcbi de rezclnaion de tonte 
Emilie« aUrritait en ae voyaut presque I ToatraeiBme. Aprto les affaires 
dn 7^ la Police a prb k. ehieaner aoit ponr Tbymne dn Fat< qiron avait 
permia an Tb^tre, soit ponr rinaeription snr les mnraiUes de W. Pio IX. 
Oela a moltipli^ lea cbanta et les inscriptions, paa comme d&nonstration 
politique, mala comme eapiit de contradtetion anz emplojds de Police. 81 
U Police avait en le bon esprit de ne pas 7 pröter attention lea choses 
anraient abonti h presque rien. Hais an contiaire dans quelques endroits, 
snrtont d&ns la promce de Como h onae dn aftle dn Delegat provincial, 
on a pria dea mesures et comme Tancien proverbe ,nitimwr üt veHium* 
Topposition a'eat prononc^ davantage. Cendant il n'j arait rien de 
contraire h ancnn r^lement on ordonnance publice. L*onTertnre dn 
Th^tre s'approchait» on vient i saYoir qn'on va donner la Norma et on 
repandait le bmit que on retrancbait le dunnr ,ffuerra, guerra* et, disait- 
on de plus, le choeur de rintrodnction; qn'on ajonte que pendant le no- 
▼embre il y avait eu un ballet les Äfyans ob nn peuple sujet chasse le 
dominateur, on faisait des applaudissements, mats il y avait rdellement 
qaoi ä applaudlr anz jennes danseuses; la Police y observait. Alora on 



' Ital. promottcre. 
* ^PpareiniiieutS 



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i88 

a cm Toir dans la Ihma nn ga^t-apons de la Police de maattre qae tona 
ont ^t^ d*aoQord de se tenir an The&tre avec la plus grande rfeerre poaaibie 
pour ne pas donner k la Police ancnn pr^te d'agir. La Police gagnait 
Sur Tordre» mais eile frapp^ de cette nntt^ des esprita, de cet acoord 
nniversel de tcmt le monde. Pamü les dtoonstratione qn*on a imagin^ 
11 7 ont Celle d*abollr TuBage dea cigares aa moina an public, et tout le 
monde disait qu'an commencement de la nonvelle ann^ cette d^mon^ 
stration devait s'effectner. On eonnaissait ce propoe nn mois^ anpara- 
vanty et, iL ce qui aemble, la Police aufait pn le faire arortor dane aon bat 
en rapellant la loiz de 1821 qai däfendait de ihmer en public. Mais an 
contraire eile a cra la d^joner aToc la contradiction et la force. Le jonr 
de Tan s'eat pasa^ asses tranqnillemeat. Le dimancbe 6tait nne trte belle 
joum^e, donce comme d*aatomne, de demi^re, qu'apr^a bien de jonra 
manvaia tont le monde se promenatt. On saTaitqne le plus grand nombre 
ne vonlait paa famer, maia malbenreneement cet eeprit 6tait ripandn anasi 
dans lea baaees claasea qui manquent d*Mneation, de tele individna ne 
savent paa ae tenir dana les bomea du n^gatif, maia paasent facilement 
an positif. En effet des gene du peuple ont commenc^ ailfler quelqne 
fnmenr aoit bourgeoia seit miUtaire. La Police alors on bien, je dirai 
mieux, des d^pendanta de la Police ont cm braver l'opinion publique ei 
ae montrer ezprte dana lea rues avee le cigare, entre antra le Commiasalre 
Oalimberti,' et le comte Neiperg militaire graduiS affecta se promener pina 
d*nne heure en Itimant des eigans I Templacement du grand Th^fttre. 
Toutefois aneun d^sordre gi-ave est arriv^. On a tu des gens mal babilMs 
arec Tapparence de mauTais sujets fumer et on lea a soup9onn^, aoit k 
raison aoit k tort, envoj^ par les subalternes de la Police; maia aToc 
tont ceta la matinte s'est pass^e sana nn ^Mtable bmii Je craignai pour 
le soir, car je aais combien lea anbaltemea de la Police et surtont les gardes 
sont 8oup<;onnes, au moins par manqne de prodence et de m^nagement, 
proToquer* le dfoordre plutot que le pr^venir. Avant buit heures je sora 
de cbez-moi avec le alci^taire mnnicipal Silva, puur fain un tour en 
csperaut que tont fut dana la tranquttlit^. Je commence Toirun appareil 
de force extraordinaire. Des dragona k la grande garde, des patronillea 
des gardes de Police, seit arec un Commisaaire seit abaodonniee k ellea 
mftmea seulee. Je descends le long do corso Francesco, ancnn bmit; 
senlement beaucoup de monde qui se promenait, car le aoir invitait k la 



' ,au moius.* 
• »Garimberti*. 

' ,8oup9otm<8* foblt; dagegen ,poiiM4s k procurer*. 



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489 



promenade. An bovfc dn corso je retonme snr idab {hib, en longcant leg 
maisoiis, nne patronUle tensit le milieu d« la rne, forte h pen präs d*iine 
dousaiiie de gardes arec nn caporal on eergent et im CommiBaalre. Je 
me portal Ters le centre de la Yille pour aller aptde aa Thöfttre oü ma 
fjunille m*aite&dait et la patronüle marchait dans la mAme direction de 
maiii^ k ttre toigonrs parallele. J*6tais mSHA avec d'antreB gene, nuuB 
deiiiöre la patrouille il j avait aiuai des cnrieux et apifte qnelqae gamin 
qni de tempa en tempe eilBait. Lorsqne neos airlTona an grand arc qni 
Bert de poseage ä la place des marehaiidB la giande garde eet sitn^, 
nn dragon d4fead Tenti^e, on ne aait paa ponrqui. Le eommissaire de 
Police pmdentement^ invite les piemeneun I se dieperBer seit d*iiii o6t6 
Boit de Vantre, par lea petitea mellee qni cerclent ext^ieorementla place. 
En effet eela 8*aocompUi Le ComnüaBaire aprte donne Tordre anx gardes 
d*äoigner la mnltitnde qni se tronvait derri^ d*elles, mais avee des 
bomus numürea» Uoi j*^tai8 toat prfts dn OoromissaiTe et craignant de 
la part des gardes, je le prie de faire en maniftre qne rien n*arriTe de 
filchenz; le GommiBBaire me r^pond: ,Vons aves entendn les ordres qne 
j*ai donn^*' Mais pendant qn'il pronon^ait ees paroles, les gardes bien lein 
d'nser des honnes $mmiire8, baissent les tajonnettes contre In fonle qni 
prend la fnite et les gardes se mettent jk la ponrsnivre aiec les bnjonnettes 
tonjonis baisste. J'j reis lä nn borrenr comme de 7^, je eri: ,Afi«tei, 
arrltes» personne ne feit anean mal', et je cours moi-mtoe api^ les 
gardes ponr les eonjnrer 4 ne frapper personne. Celles qni 4taient en 
arri^ s*arrMent, les antres plns avane^ et qni ^ent tontes prdtos 
blosser nne gmpe de personnes prte dn Th^&tre Be se retonment, fon- 
dent snr moi, m*entonrent; qnoique je die: «Je suis le Fodestä, je cherehe 
la paix, la tranqnilUt^S on me frappe seit avee le ßisil seit stoc le poing, 
on me prend» on me ponsse,* on m^arrftte avec tonte la manvaiBe fa^on 
possible. Alors, an bmit, cenx qni s'enfoyaient reviennent en connais- 
sant rinsolte qu^on vient de faire 4 lenr Podest^ B*inqtiiMent; le Com- 
misBaire arrive, teas les denx nons nons occnpons k maiser, moi les 
gens acconniB qni nons cemaient, Ini les gardes qni me tenaient, il a en 
plas de peine qne moi. Je cherche aller ohes le Directeor de la Police et 
arec denx commissaires je me snis port^ an Palais de sa rfeidence. II 
£taii absent, dies le GonTornenr. Je prends le mantean dn Commissaire 
ponr me d^iBor et me d4rober an peaple acconm, car ä la nonvelle 
r^pandue de mon arrestetion le Thöätre s'est presque Tid4 ponr j accoarir, 



' Ital. pradentemAiito. 

* ,011 ne poiuie^ fehlt bei C. Cesatl. 

AmUt. XCI. ]lMk4. U. Hilft«. 32 



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490 



et jß me dii i^rai au Palais du gouTernoment. Je tronre snr la route la 
voitare du Directeur, je rannte» j*entre poiir loi neonter raeddent» mala 
Iß Directear prenait la chose arec ligteet^. Arriv^ chea Ini» il ma con- 
godiaii an pied de Teecalier sana mtoe prendre peu^e & rinaolte dont 
j^avaia ^tö nctinie. Alora je dia ^o'nne senle ehose j'avais ä demaiuler, 
BaToir an pasaeport pour Yienne. A cas mota il a eompria qa*il Mait 
au moins menager rMucation et il m*iiiTitfti monier avee Inf oü presqae 
tooB mes Assesseurs se sont empreBB^B da me r^joindre. Mais le Directear 
a8siat6 par de Betta, qni exerce one mfluenee immense, tronvait la 
ehose pas asBes importante, enfin nona nons Bommes laisstf^ et par one 
porte secrtte nons avons abandonn^ ce B^jour. La diose <tait asaea grave 
ponr qoe le Corps mnnicipal n'eHt pas en faire siijet de plainte. M oi j*ai 
i\A faire le jour apr^s ma relation au Gk)u?emettr, au Comte deFicquelmont» 
tonte la ville 4tait compriae d*nn' semblable ^T^nement, tont le monde 
yenait me visiter car mea citoyens ont tu dans cette afiaire Fabua de 
la Police port^ an demier degri, rinsnbordination des gaides, la proro- 
cation des subalternes, et de mon cöt6 nn danger bien grsTO enconm ponr 
sauver le penple des baionnettes, J'asaure T. E. quo rachamement avec 
leqoel les gardea ae aont montrfe^ oontre moi ^tait de natnre en fttre 
victime, ai la pr^sence dn peuple acconrn et le Gommissaire de Police 
aprte n*avait empteh^ qu*elie8 ae d^alnasBont tont fait. La Police a 
fiiit bien des arreatations dea gens palsiblea, on ne sait pourqnoi, qne le 
Tice-Roi a fait reULcber aprte trois jonrs. 

Hais le soir dn 8 Janvier n'^it qne le pr^lude d*un autre bien 
triste, bien sanglant qni laissera une tacbe ineffafable dana rhistoire de 
notre pays. Le militaire mMitait une vengeance pas tant poor le peu 
dUuBulte h qnelque individn le jour pröcMent, mala plutOt ponr riaolement 
aaqnel il se voit condamn^ par la soci^t^ italienne. II a pria ocoaaion. 
Ce n^est pas induction, Isars parolea dans les moments de courronx les 
ont trahi, paa les paiwlea des soldats, maia de eenx mfime qai aoiaient dft 
en prononcer des ditKrentes. On combine une distribation de cigares, on 
leuT ordonne de sortir en troupe, fumer et, si jamaia qnelqu'nn ose faire 
de remarques on montrer par des signes de Topposition, se faire droit 
avec le sabre. Quo la chose fnt auparavant combinäe r^snlte qne qnelque 
famille qni avaient des relations avec des müitairea, ont fMk averti de ne 
pas laisser sortir de diei-enx ceuz qui y appartiendraient. Une voix s*^tait 

' Ital.: ci siamo last iati. 

• ,8urprLse pour uti . . 

' «tottt le monde venait ne vialter* fehlt bei C. C. 

* id^ehetn«»«. 



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491 



rdpandOi et on la reporto jasqn^ik moi k 4 heures, que la nuit aurait et^ 
nne nnit de sang, on ne savait cependant qae ce etait poor arriver ; la 
g^ntoJiU de 1» popuIation ne sonp^onnait rien. Lorsque ä 4*/a on com- 
mence veir sortir du cbäieau et d'autres casornes de troupes de soldats 
BUS offlcier, tous tTec des cigares, bravant le public, se r^pandre par 
tonte la Tille, mais h prefdrence dans le quailioi* le plus civil de Porta 
Orientale et dans celai dn bas penple de Porta Comasina et envabir les 
eafös. Oe serait impossible d'4crire tout ce qui s*est pass^ dans cet hor- 
nble soir de carnage. Le rappeler c'est ouvrir une plaie profonde, la faire 
saigner encore. Je tftcherai de tracer ä V. E. la narration des faits les 
plus relnctants,^ car une narration compl^te, outre d'ötre d'nne prolixit^ 
Enorme, deviendrait presque impossible. Au commencement du Cor&o 
Francesco une bände assez nombreuse de soldats ä un signal donne tiront 
les sabres, frappent ä droite et ä gauche, poursuivent les gens dans les 
bontiqaes, le vieux septiiagünaire Conseiller Mangaiiini ost assomnio par 
bien de coups, il fait voirsa tetfi chaiivo {>oiir iinplurer pitic, mais sa tete 
est fendue. Los soMats i.arcouieiit le C<irso, d'autres entrent dans la 
Galerie De-Ciistuforis, t«iut est frappö, les blesses augnienlent, on force 
aussi une maison, c'est une ville prise ä discrotion par renneuii. An 
canefour de TAgnello les soldats poursuiveut des ^'ons tiauijuilles avec 
les sabres, elles^ cherchent so saiiver dans la purto de Tauberge de ce 
nom, Uli ne peut pas penetror dans la cour, les soldats fondeut sur cps 
malheureux qui ne peuveüt pai fuir, les coups soüt niultipli«» et entre 
anties le cnisinior du Comte de Ficquelmont est blesse nioitellemont, qui 
est mort ensuite. et un autre (Albera) de ceux la est niurt apit-s. Dans 
le quartier de Purta Comasina uno truupe des soldats envahit une gargotto, 
personne ne se peut sauvt-r. totites sont blosset's jusqirä un petit enfant 
de 4 ans. Les scenes se umltipiient presque dans tous les qnartiers de la 
ville: l epouvaute, Thorreur est au comble, des äuldats furiboudi», euivr^s 
sunt les maitres. 

Encore deux faits il faut citer pour tionner uüo vt'ritable idöe ä 
V. E. de la main que des representants seit (!•' l'autorite miliLaire, soit 
de Tautorite de Pulice, ont treniiie dans cette atVaire. Tout pres de la 
Porta Nuom, emplaceinent isolti quoiqne on y \<ni surgir h present un 
quartier nouvean, il y a une caserne aj>i)elee de S' Auge, pas loiu du cütö 
de la porte de la ville, il y a un ötabliBseuient de carrossier de Cesare 
Sala. ha oa travaillait tranqailleinent sans meme »e soup^onner de ce 



* Lateinisch roluctor; bei C. C. .Bclatunts'. 

* Immo: ilaj lapaos calami ,geo8' für ,peraooDe8*. 

88« 



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qui anivait daos lo rttsto de la Tille. A 9 henrea le trafail flnit et lea 
labonreurs aortent ponr se porter chei enz, ila 4taient en qnelqne nomlire. 
Ä la vae de cea traTaiUanta la ligne sort de la easeme armte de fiuüa, 
eommand^e per an offloier. Cea ^na a'arrttent potir hdeeer passer lea 
soldats en erojrani qnlls dtaient dirig^ Ten la porte de la Tille. An eon- 
iraire loraqQ^ila eeni approehd baieaent les baiennefctes, ehargent aana 
mie^ieorde on ne sait poniqnoi; nn eat restd mort aur le terrain (CdMU), 
tena aont bleBsäs, k Teiception d*un senl qni a tent^ eanter nne foaa^, 
maia ^tant tomM dana Venn U s^est tenn cad)4 pendant nne henre, qnoiqne 
lea soldatB aantaient ansai la foaeäe ponr le ponraniTre; nn des bleaate eat 
mort aprte (Paoeini), Enoore on ne sait comprendre ce giatnit camage 
oommand^ en factton, L'aehamement <tait de la eorte qn^on a ponraniTi 
jasqae dana nn estaminet nn de eea traTaiUenra qni b*j dtait aauTd. Getto 
Tictoire oontre des gena aam armea et paiaibles a contd 5 bleaste» S morts, 
et nn malade ponr le bain froid pendant nne benre. 

L*antre fut moina sanglant, m^s plna froidement immoral est & la 
cbarge des agents de laFolioe, la mnnicipalitd a crn doToir en faire snjet 
d'nn rapport special. LoToilä. Dana lamederOrso-OAnelfo nne patronille 
ponraniTait nn inoonnn, celni tftche de a^^Tader, on tire snr Ini, maia an 
Uen de Tatteindre on blosse an genon nn bortolan^ appeld 8mm qni eat 
d^ent' k rhftpital des Frörea. L'inconnn ponr ^apper entre dana 
U porte Nr. 1619 6, 11 trayerse la chambre dn portier et 8*introdntt dans 
la maison; il &nt ssToir quo ebes nona ponr entrer dans nne maison on 
passe ordinairement par Tbabitation dn portier. Le eommissaire de Police» 
snivi par des gsrdes et des soldats, y entre aassi, cherohe* an portier de 
Tinconnn, ä la r^ponse d*aToir tu cet hommo passer Tite, mais qn*ü n*a 
pu le connattre ni Toir ot il anraitpn se eacher, on fiut nne perqnisition; 
mais personne n*est d^UTort Alors le Commissaire Toyant qu'aToc le 
portier il j 6tait sa fiUe, demoiselle de 16 ans, Farrete et la prend en 
otage en disant qne lorsqu'on anrait donn^S dana les mains de la Police 
IMneonnn cacbd dans la maiaon on rendrait la fille. On tradnit la mal- 
henrense h la Direotion g6n^rale et on place nne jenne Alle innocente 
dans nne prison stoc 15 femmea de manTato eondnite et eile reste lä 
presqne 5 jonrs, sans qne les priores dn pdre et de tons cenx qni se sont 
int6ress6 ont pn obtenir nn relftcbement plus prompt. Le cnr6 et rarohe- 
Tflque ae aont intercessAs et c^eat par oonadqnence qne la mnnicipalitfi a 
jugo doToir en fiüre objet de rfelamatlon, pent-6tre inntUe, ear la Police 

* hm. hortnlanns, iUl. ortolano = p?«rf!iniere. 

' Ital. h degente = befindet sich in Bulianüluiig; bei C. Catati ^itt transportä*. 

* Ital. cerea al portiere » domanda al portiere. 



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493 



est ä Tabii de tonte aoonsation. Cependant le Procnrenr cam4nl, dm 
aon droit et devoir porte par loa instniotiong dn 1835, a prdseniä ses griefs 
et la Diiae en aceiuniioii eoit du militaire seit de la Police par abiw de 
pouvoir; cea pite«6 deTndent ftfcre dejü panrennB ila Chaoeellerie aolique. 
n ne bat pas des notes pour prouver comment la Poliee se poi-te, et 
comment avec une Police pareille U tranqiiilllt^ publique est compromjse. 

Pendant qne le maseacre k la €Mleria et au CorBoIhmeeseo s^wkia- 
tait» bien de monde venait i ma porte pour r^damer asaiBtance. Hais qne 
lyre MUS antodt^, avec an mililalre irrittf kHaanBÜ, et une Police qni bien 
loln de venir ä notro aide noas perateate! Hoi et mee Aeseneiirg nons 
^tions an commencement da aoir itfania poor eigner one protestation an 
GoaTemenr poar TaiEure da soir 8 conrant et nons arone ^oat6 un post- 
Bcriptum dict^ par les aflGures da moment. J*6taui restö aprte aTCC un 
seol ABseesear le Comte BelguMoao, car on avait cra TassaMinat de 
Manganini an fiiit iaoltf. Maie le monde k la porte continnait, le propritS- 
taire de la Galleria Ini-mAme vient rftolamer. iUora je me porte avec 
rAaaeaaanr Belgioioao, le andit^ propri^taire et mon fttoo cbea le Comte 
de Ficqnelmont ot j*ai tronv^ aoaai le Comte Spaor, Le Comte de Fieqnel- 
mont qni ne eoup^onnait de rien dana la joom^ afait M dtner cbea le 
Comte Badetzki et on a dll aller le prendre h canae de raaaaainat de eon 
cniaittier. Ni loi ni Spanr eonnaiaaant lea lioaeora commia aprös, je 
faia la narration ayec la franchiae qoi m*dtait inapii^ par le danger da 
peuple abandonn€ k la merd dea aabrea; dea citoyena 8*^taient aoaai i^ani 
dana la ooar da Palais poar prior le Comte de aon inter?ention. Atoc 
Ficqnelmont Spanr Belf^ioBO on va chei Badetaki qni paisiblement 
B'dtah retirä apxte son dlner et nons a fidt attendre. II nons re9oit, 11 
eet tr^B ealine, trda froid. II troave qne lea aoldata ont tonte raison d*ötre 
irrit^s, que tont le tort eat de la pari dea citojens qui se porteat Tis-ä-Tia 
des militaires atec nn maintien inoonna partoat aillears (voilä la eon- 
fession de Tesprit de yengeance et pss rezonse d'nn Uli imprevu). Le 
Oonvemeur, bomme sensible et consciencieux, prend la parole; quoique 
son dtsconrs solt allemaud, je lo comprends assez. n dit qa'ä pr^nt U 
n'y a quesiion de 9a, qne les insnltes anx fnmeurs ont 6i6 provoquoes et 
qu'en tont cas ce n'ötait iius jaste de donner essor ä one soldatesqae 
excitee contre des citoyens sans dtfense. J'avais si bien compris Ten- 
semble de son disconrs que je Tai continu^ dans le mSme sens en ajootant 
que des semblables seines notre pays ue peut pas Ics rappeler sans aller 
anx temps an moins de Antolne de Leiva' trois sidcles en arriöre, eomme 

* ,BU«dit'. 

* ADtouio de Leyva. 



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4d4 



nons avions exprim^ ausBi dans le post-soiptam an GoaTorneur. C^pen- 
dant Radetzki assnre qu'fl aaraii hii eoiui^w les tronpes dans lea 
CBsernes, «i moi je promeU de faire touB mea efforta arec Im iiiBÜiiiatioiiSy 
car tonte force materielle me manqae, ponr mainteur la tranquillit^ pr6> 
sente ei empdcher nne r^tion qui aurait pn diäter et pent-dtre deyeuir 
tenible daiiB bm effets ponr tout le monde. Avant qne nons partions le 
eolonel Featetich amve et aesnre aToir pareonrn lea rues et avoir vu tont 
dtre renti^ daus Tordre. CMtut dans ee moment-lil mftme qne a^effectuait 
le camificbe^ ä Ange. Le aoir dn 8 reatera grav^ dans le Bonveuir 
de tona leB lUlanaiB eomme nn vMtable asaaBBÜiat sans motif, et on a 
en relfronterie de peindre eet ^v^nemeiit comme nne rtfbellion, oomme 
nne i^sistance & la foroe Ugate, loreqne lea militairea en T^ritablea sep- 
tembrisenis' ont aabr6 impnn^raent snr nn penple paiaible tranqnUle aana 
defense, sans mftme la pens^e d*en faire» enfin oomme ai on tixti chaaeAt 
dans nne basse conr.' A qnel pas nons sommes arriT^I 

Le jonr snivant la mnnicipaUte r^unie s*est präsente i S. A. le 
Yice-Boi. Hon disconrs, oomme Y. B. pent rimaginer, n'avait pas besoin 
d*4tre ^adi6. Le Tice-Boi nons a re^u aveo bontä, mais dans le mtaie 
temps je me Bnb aperen qn*il avait M pr^Tenn comme s*ü j ent de Tesprit 
de B^ition dans le penple. JTai r^Ait^ ce sonp^on, ear je pnia soutentr et 
je le BOutiendrai qne jamais ni un T^ritable eomplot de aÖdition ni r^volte 
ni röbelUon n*a en lien et paa mftme tentä; j*ai exprim^ tont ce qne mon 
oosnr resserrait' arec une franchise dont je donte qn'nu Frince pnisse en 
pronver uno plna conscienciense. Apr^s nons nne d^pntation des notables 
& la t^te de laqnelle dtait rArcbevÖqne s^est ^alement präsent^e et on a 
dlt ^alement des vtfrit^s peut-«tre jnsqn*alor8 inconnnes. La d^pntation 
ontre rArchev^qne ^talt compos^ par Mr. le Comte Oppizoni arcMpr^, 
le Ckimte Borom^e, le Comte de Castelbareo, le Comte Pomp^e Litta, le 
Comte Oinlini, le Harqnis Beccaria, le Harqnis Brlvio, le Dnc Visconti, 
le Gonseiller Mylius^, M. Brambilla banqnier. Les d^pntls ont bien fait 
Gonnaltre le T^ritable etat des ehoses et ont ajontd k la T&idicite de la 
redamation mnnicipale. La Hnnicipalit6 a pablie nne proclamation qni 
a ete revue auparavant par le Yice-Boi mflme et sign^ ponr TimpreBsion^ 
par le Oonvemenr en cons^quenoe des ordres dn Prince. Cette procla- 
mation anthentiqne dans son conteno montre asses dairement oomment il 

' Ifal.r l;i canieficina; franz.: le carna^e. 

^ ,en v^ritablea «eptembrisoturs* und ,eo&o . . . conr* lehlen bei C. C. 
' ,reiifermait'. 

* Htittrieh, k, k. Batb and TicepräüideDt der Mailänder Handelskammer. 

* Ital. per TimpreMione^ frans.: ponr la permiaaion d*impriiiier. 



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495 



11} iivait ilucunc reHi.-tanro de l:i part dos citoyens et combien aucun 
esprit de eeditiuii nV-Uiit en aucuue raaui^re ä rordro du juur. Laphrai^e 
cittadifianza i'ncrmc a doplu extrfimement aiix inilitaires. car eile devoile 
aux yeiix de toute rEuiope la lächetö d'avoir portö les ai'mes sans la 
moiüdre rosistance, fiappe des innocents et üetii par la une devisü hoüü- 
rable. Mais c'est la vurito. Dans cette proclamation on ?oit aussi que 
ces aflFaires ii'a\ :ii»'!it ancune couletir politiquo ce ([üi otait cssenticl ;i faire 
constater vis-ä-vi;. du l'etranger. Le Vice-Kui a aussi publio une piocla- 
mation, mais on eutrcvoyait encore un douto que l'fcspnt de süditiou 
exititait. Pendant le militairt' otait tuijours mena<;ant. Les citoyens 
ätaient tonjouis daus Talarine; des piopos, des menaces de pillage, de 
massacrc, de bombarder, de mitiailler le peupiu on ne savait pourquoi, 
etaient ccbappee« a quelque chef militan t vi je criis en porter plaiute au 
Vice-Boi en les d^signant et qui n'ont pu le niei*. Prevonu par le Con- 
seiller Grimm* qui m'a inti-uduit, etaut une heure extraordinaire, je no 
sanrais pas assez r6p6ter les paroles de bonte avec lesquelles j'ai ete 
accueilli. S. A. m'a tümuigne la j)lus grande satisfaction pour ma cou- 
duite feime et pmdente dans toutes ces aflaires, place dans une Situation 
d^ plus diniciles du monde. II a rep^to qu'il sc proniettait de inoi un 
toi luaintien, car bien de long tempa il me connaissait puur un bunuete 
homme qui ne bait cacber la veiitö, qui sait la dire avec tout« la fraa- 
chise et qui ne sait trahir jamais son dovoir. \'. E. peut bien coniprendre 
comment des abäuraucos semljlables s>)Ut encourageantes dans les moiueuts 
de crise, surtout lorsque il y a des gene, meme en cbarges, qui tächeut 
deeruiser la cauduite la jdus irreprocbable. A caliner uos alarmes S. A. 
m'a fait cunnaltre avoir arrete de tenir chez soi uue Conference tous les 
jours afin qu'aucune determiuatioii fut prise sans consentenient. Tuui 
cela a ti anquillisü mon esprit et celui de tous les citoyens auiquelb j'ai 
pu faire connattre cette decision. J'eus aussi dos frequentes communi- 
catiuus avec Ii) Comte de Ficquelmont et avec le Gouverneur et j'espere que 
tous ont i^ts pönetre du veritable etat des choses, pas comme on le voudi ait 
faire paraUre par les agents de la Police ou bien par quelqu'un des mili- 
taires. A rassurer encore mieux les e^prits le Vice-Roi a publie une se- 
conde proclamation le 9 du mois. L'effut de cette jtroclaniation a ete 
excellent. Le public a regardö le Vice-Roi comme le Palladium de la 
sftrete publique compromise. j'assure V. E., par bien d'autres personnes 
que par des rebelies qui u existent pas.' La tranquilüte dans tous ces 

> VincBnz G. Freiherr T. Sttden, Hofrath und Direetor der IüibkIwI dea 

Erxher/.dj^-VicekOiiig^.-^. 
' Dieser gans« Satz fehlt bei C. C. 



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496 



jonis s 6t6 plus qa*k ordinur«. La senle d^nttntion a qne ponr 
Mm jonn de Boito Id Thttire & Tide ponr constater le denil public,^ 
d^monetration inoffflnshe 6t qui maiqoa nnsentimeiitdAicat Ledinanclie 
on aohangi de promenade ponr ne paa a^amtiser sar nn eono eoniU^ par 
le sang Am Gitoyens; maia paa le moindre dtfaordre. Tontcela d&nontre 
aaaex eUurement qa*ancnn eaprit de aMition, moina encore de i^beUloiL 
«liste et qne tont cela est imagin^ par ceaz qni ahnent j tremper d^one 
maiii^re on de Tantre. Est-ce qn*U y ponirait aroir i^bellion aaas armes? 
Ancnn soit des arrßtte soit de« blesaäa ont 6i6 tronv^ ponrrn de ta plna 
inoffensiTe des armes; pas on conteaa, paa nn stUet, pas nn pistolet, 
enfin nen dn tont. Nona dtions tonjonrs dans nne Bitnation calme, mais 
Gomme le calme aprte la tempAtOf on craignait toiyours qnelqne prfiteite 
qni donnftt Uen an renonveUement des seines. En effet des agents, je ne 
sanrai dire par qni mis en aetion, tftcbaient de rfipandre le limit de 
d^onstrattons, entre antres de oonper les tnonstaebes et qnelqne antra 
sottise.* Alors j*ai cra pmdent de pnblier nne seoonde prodamation 
nranieipale* ponr remereier le pnblie d^aroir 4cont6 notre voii patemelle 
et conserv6 la tranqulllit^, et le mettre en d^flance des myatifloationa 
senoiblables» et encore j^ens la eomplaisance de Toir la Yoix dn mnnicipe 
bien accneillie. Yoili comment nona ^tiona. 

La tianqnillit4 allait toiyonra reprendre Taapect de la 8tabilit6 
ordinaire, lorsqne la nouvelle d'nne d^^^e imperiale a jet6 encore Tin- 
qni6tnde. On ripand le bmit qne S. M. nons regardait comme de rebelles 
et qn*eUe s*appnyait snr la braToure des soldats ponr nons contenir. 
Qnoiqne la procUunation impäiale en apparence ne soit paa de la fa^on 
comme on Tavait dfeigntf, tontefois eile n'est pas en rfilation avec T^tat 
actnel des cboses. Car le mot r^bellion n*y entre et tont le monde a la 
consdence qn'anonn esprit de i-^bellion etiste dans le royaome. On parle 
d*nne &ction. H y a nne faction, mais bien diff6rente de celle qn*on 
d^aigne. C'est la fiiotion de ces employ^s qni ont tromp6 toujonrs le 
gonvemement snr le T^ritable 6tat dea cboses, et qni ont 8em6 tonjonrs 
la manvaise bumenr entre le penple et le gonvemement ponr lenr intdrtt 
particnlier» sont les manvaiB siyets que j*ai Mgni antrefois; qn*on 
Aoigne cenx'tt, qn'on montre de la conliance anz honndtea gens et on 
Terra tont de suite les frnits. On s^appnie sor la valeur dea tronpes dans 
on moment oti les militaires ont ensanglant^ les mos d*nne capitale sans 

* ,vido par decret jiuMiV * 

■ ,entre . . . sottise' lühlt bei C. C. 

* 18. JantiAr; 8. Arcb. trieua. Nr. 166 p. 223: Rtngraziatnouto o ammooizione 
dal nanioipio di Wlano m citUdi&l. 



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497 



motifs, en compromettant enx-mtoies Is tranquillit^ publique et le respect 
an SouTerain. En efFet la Sensation produite daus le public a bien 
fiSchense et le regret s'est montro gunoral, surtont dans les basses clasees 
qui pronnent les choses ä la lettre. Elles Tont conunent^ en disant: ,que 
les violences des militaii'es etaient justifies; que le peuple yai&ihh (inerme) 
%orge avait eu le tort; que toute concession aux demandes serait refuse; 
que la parole mSme du Vice-Boi est m^connne; qu'enfin Badetzki et 
Torresani et avec eux Ii Bolza et Betta sont nos maltres'. Quoique tout 
eela seit exagere, n'est pas moins la verito que le peuple ait donne cette 
Interpretation. Cette pike qu'on doit croire authentique est conseqnenco 
des rapports du 4 courant; cette fois on a precipit^, mais on a la confiunce 
de croire que les rapp*)it8 suivants auront öclairci mieux la question et 
que S. M. pent etre süi'e quo ni s^dition ni rebellion exi&teut däus les 
provinces italiennes. 

Dejä* que V. E. a la bontö de m'ecouter et quo tous ceux qui se 
sont daign^ de me prötor ruioille, quuiquo ajant appris par nia bouclie 
des verites iiout-etro un peu rüdes, toutefois ont rendu tömoiguage ä la 
sincörite de mes Communications, j'espero qu'elle voudra me pennettre quei- 
que reflexion. L'huinine fiJole aux senneiits est cehii qui dosigue le danger 
ou bien celui (jui le cache? est celui (jui parle franchenieut du cölui qui ee 
tait? Celui qui sans autre iuteret que le bien public demande qu'on pourvoie 
aux besuins d'une population, ou bien celui ([ui craignant blessor soit 
l'auiour propre d'autres ou ses interets couvro la veriteV Je crois (juc lo 
jugement n'est ]ia8 diflicile. Eh bien mo voilä ä resumer qua:id im a 
devoir ni'a fait parier. Jusque du 1842 j'ai pris l'occasion du voyago du 
Princc Lobkowitz* et j'ai lui parle clairement sur les defauts de Tadmini- 
stration qui peu ä peu allait uiecontenter la population. Au mi»is de niars 
du 1844 j'ai envoyo ä cette cliancellerie aulique co inenioire sur Tadniini- 
stration municipalo en envisageant aussi la question sous l'aspoct politique. 
Je dirai de plus, dans le Ibuö .lu tcnips du cuurunnement soit ä Milan 
8»Mt a \'enise, j'ai fait des observations au Comte de Kolovrat. Au luois 
d'üctübre 1844 j'ai ete liini-iaemo ä Vionne; c'est alors que j'eus la fortune 
de faire la connaissanco persuunelle de V. E. qui in a iü^pire une con- 
ftance saus buriies. Alors (»utre tout ce quo j'ai expose h V. E.. j'ai parle 
aussi au Comte de Kolovrat, au Couito de Ilartig, au I'riüco Je Metternich, 
au JJarun Kübeck President, au IJarun Kübeck Conseiller aulique, pour 
lau eugager ä dnuner ia iiiaiu büit ä l'une soit ä Tautre des mesures qui 

' Ilal. : Giacclii!; franz.: Du luoineut quo. . . 

'-' Für«t Alltrust T, ngin, Präsident der Uofkammer fflr Mttn«. tuA Bwtf- 
we«eu, t IT. Marz 1842. . . 



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pouvaittikt %in Aisiri par notre [Mipulutiou, ou qui ^taient absoliiment n^- 
coBsaires pour la bonn« marcbe des aifair«B. J'ai poosae mes paiolea a?ec 
le Oonaeiller San Pietro ^ ju^qu a ponvoir doniar de Tavoir oifeiis^. Et toot 
cela avant que leB noovaanMs des autzes &AUt d'Italie avaient pu faire 
naitre dea plus vifo aMihaits. A pr^nt lea Corps rcpr^sentants ont for« 
malä leurs pasMats, mais comme T. E. pourra s'aperteToir tout ce qui 
est contenu dans ces docnmenis a anparavant exprimö dans ma lettre 
du mois d*octobre pass^. Je r^p^te ce qne j*ai M% dernidrement. Je 
Tondraia que Yienne ne fut pas si ^loigne et qua mes affiurea pabliqoes 
et de ma liuniUe ne r^lamaseent pas ma prdsence ici et je vieodrais vona 
assi^r de mant^re k tftcher Toas faire comprondre la veritable Situation 
da pays. n ne fant pas se faire des iUnsions ni en cone^qaeace des 
demoüstratious qui ont bless^ Tainour-propro de quolque individa, il fant 
ces cboses les traiter pluU'it on comm^rage qa*au e^rieux ; ni compter sur 
une patience respectacuse et une rcpugnance absolae an dösordre et ä 
l'anarcbie et la prendi e pour apathie. Entre ces extremes il y a la verite. 
Uq osprit severe do mecontonteinent qui se ticnt dans les limites de la 
l%alito, uiais qui fait de la masse une population qui reste si non eunemie 
du g^ouvernement, certaiueinent pour le moins indifferente ä tout evene- 
ment fdcbenx pour lui, voilä le caractere actueilemcnt dominant. II fant 
y prßler attention. La forco peut comprimer co cai-act^re, mais difficUe- 
ment Ic changer; au contra! ro une teile disposition d'esprit avec Toppo- 
sition devient plus solide. Tous ceux qui croient la braver ne pen?ent 
pas y reussir, car avec eile on est toujours dans la legalite. Les violences 
militairos ont signe avec plus de force une ligne de Separation, si on 
vcut reussir, je ne dirai pus a l'effacer, mais ä la rendre moins marquante*, 
il faut quo le Gouvernement se rapproche au peuple avec dignite, mais 
lui montrer de la confiance, cloigner les sujets qui sont designes comme 
des veritables euuemis de la population et par consoquence du Souverain. 
Je pourraiä repeter encoro les mcmes cUoses, mai» je resume le but de 
ma lettre, et le voici : 

1 ' lufurmer V. E. dtj la verito des övenements, sur laquolle je puis 
asburer d'une exactitude consciencieuso, saus le moindro deguisemeut, 
ot s'il y a dofaut c'est en dinrnnition. 

2** Persuader qu'il u'y a pas cspnt Je sedition ou de revolte, moins 
encore complot de rebellion, et prier V. E. de faire tous ses efforts afin 
qu'uue teile persuasion entre dans les esprits des hauts personnages qui 
entourent le trOne, car c'est la vtiitf la [ilus sainto. 

* Ilr>tV.ttli J')s. Bapt. äanpietro in der Kanxlei des Vicekünigs. 

* ,reinar<;[uable.' 



4^9 



3** Demouti cr ({iic le mecontontemeni eai pastiif et que toute dtiinou- 
stratioD a öt^ in''i,Mtivc. 

4° Faire voir (|uo l artaiio du tabac a ötö uue demonstratiou qui 
serait tombe tout d»' siiite si on n'avait pas voulu Ini donner une impor- 
tance plus grave, et (lu'un aurait pn la dejouer m rappelant ua mois 
auparavant i'ordoDnance de Police de no pas fumer duiiB les rues. 

5'^ Eiprimer la nöceBsit^ de pourvoir aux besoins du royaame, 
sartout eil reformant Tabue de pouToir de la Police et da mUitaire qui a 
agt fi&os requötft de la pait du Goaveruement. 

6^ Enfln proUSger ce pavTre paja qui devrait 4tre le plus bean 
fleuroii de la couronne de S. H., car on est encore ä tempe k faire quelqae 
ebose pour r^agner de la confiance, qnoiqu« les affaires da 3 courant 
ayent eign^ one marqne terrible de Separation d'esprit; mais il faot faire 
bien et ?ite. 

y. E* j*e8p^ sera toiqoiirs persoad^ de Ja rectitnde de mes m- 
tentions pas seulement, car la simple dteignation d^toe un homme de 
bonne Intention ne flaite pas asses Tainoar-propre de eelui qui croit avoir 
un pen dlntelligence poor p^n^rer dans les questions, et qn'^tant an 
milien du pays en connait le bien et le mal, la yiiM et le mensonge, les 
besoinSf les äi&Bin raisonnables et mfims les ntopies. Am tout cela je 
me flatte avoir nne eonsdence sans reprocbe en tont ce qui concerne mon 
doToir de siqet, de magistrat, de citoyen. 

J'invoque encore une fois la protection de V. E. poor mon pays, 
poor ma ville ; pour moi je ne cherche rien autre qu^on se daigne m'^oter 
et me tenir k Tabri de la malveillance de ceax quo je designe comme cause 
da mal. Oh si les proces criminels 6taient publica, combien de vdritäs 
dans cette occasion! J'en sais taut qu*il en faut pour le dire. La mise 
en aecnsation de la Police et du militaire de la part du Pn)curear cam^ral, 
je la crois un fort appui h mes afflrmations. Si malbeureusement on 
n'avait pas ä prendre des mesures pour ^loigner les individus qui ou par 
ignorance ou par incapacite ou par malice ont gät^ lo pays abusant du 
pouvoir qui leur a ^t^ confiö; si d'un moment ä autre on doit etre a Tabri 
de la fureur militaire: alors 11 ne reste que Temigration et bien de familles 
dejä y pensent. Moi je resterai comme sentinelle ä mon postc jusquo uia 
voix peut se faire entendre; mais lorsque tout füt inutile je Boiais force 
snivie l'exemple, abandouner une ville qui a toujours cte h- li^ niicilc de 
uia famille, dont Tbistoire se perd dans Tobscarite des tetups, ^ et chercher 



> Die«er ZwiBchenaatz fehlt bei C. C. 



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600 

qnelqae ooin snr 1a terre oü pooToir passer le raste de mea jeors en 
tranqnilUtf et en paix. 

Je presente les ezpresaioos plns Bincdres d^estinie y^ritable et de 
Gonsid^ratioii profonde avec lesquelles j*ai rhonnear de me protester 

de V. £. 

Milan, 18 (janvior) 184S. iros-hnmble et trcs-devouö serviteur 

Gabrius Casati. 

P. S. Selon los rensoignements ofBciels» sauf ceux qni sont h 
domicile »ans etro dcnonc^s, jusqu'a prt'seut on conoalt 5 morts (Mangu- 
nini de 74 aus, Cellotti, Pacini, Albera, Bcrnay) et 57 blosses pai'mi 
lesquels an enfaut de 4 ans, uu de 10, uu de 14, une femme do 53. 

xvn. 

Mailand, den 1. Febmar 1848. 

Lieber Huyn! 

Schon längst babe ich Ihre freundlichen Zeilen beantworten wollen: 
allein die hiesigen £i cigu issc, die die Geschäfte so anhäuften und dr&ngten, 
Hessen mir nicht einmal Zeit an entfernte Frennde zn denken» fiel weniger 
an schreiben. 

Nvn da etwas caima eingetretten ist and die Hailänder ein wenig 
aar Erkenntniss gekomen an seyn scheinen (obwohl ich ihnen nicht fiber 
den Weg traue), so kann Ich wieder der entfernten Frennde gedenken 
and anch miianter achreiben. 

Sie werden schon genug über die hiesigen Verhältnisse gehört and 
gelesen haben als dass ich Ihnen noch eine Erzählung von allem dem 
hier forgefallenen wiederhohlen sollte — nor kann ich Ihnen mit wenig 
Worten sagen, dass wir hier höchst nnangenehme Tage ▼erlebt haben 
und ohne Zweifel noch verleben werden. Sie kannten ja flrlUier meine 
Anhänglichkeit Tfir dieses Land nnd seine Bewohner — allein ich mass 
Ihnen offen bekennen, diese Anhünglicbkeit hat sich in Verachtong ver- 
wandelt. Wie sehr sehe ich mich enttäuscht — es that mir weh es 
bekennen in mflssen. Ich ffthle mich als Österreichischer Unterthan tief 
in meinem Innersten verlest. Man tastet onsere Bhre, man tastet Alles, 
was uns Soldaten werth und theuer ist, auf das empfindlichste an. Sie 
können sich onmöglicb eine Idee» und wäre es auch die eialtirteste von 



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501 



den ScUodlicblroiien und tob den Yerleiimdinigen machen, die man in 
die ganze gesittete Welt dnrcli die tolle itaHenische PresBe scUendert — 
wir werden za Henkern nnd Henkersknechten gestempelt. Die Frechheit 
der hieeigen BeTÖlkemng gebt so weit» dass man keine Hinute anf der 
Strasse sicher ist, mit den elendesten Schimpfiiamen angesprochen oder 
verhöhnt au werden. Man erfrecht sich sogar schon in den Oasth&nsero 
nns nnsere Hnttersprache m Terbieten (in quesfa sola nan ipermesso di 
parlare a iedeseo) etc. Enn jede Feder ist an schwach, um nnsere hiesige 
Existens an beschreiben. Bs wäre kein Wnnder, wenn nicht alle Tage 
die ärgsten ^cesfie geschähen. 

Doch lieber Frenad, Sie kennen ja die hiesigen B^ierunga-Yerhält» 
nisse, ich brancbe Ihnen darflber kein Eomentar zu madien. Nach 
82 Jahren bat man es im Begieren hier so weit gebraehtl Alles bereits 
▼eigossene Bkt nnd alles was Tielleicht noch Tergoasen werden dfirfto 
— fklle anf das Gewissen jener, die die Sachen haben so weit kommen 
lassen. Alle militaiiiechen liapporte wnrden in Wien als Übertrieben 
mitleidig belächelt, man sah ?on nnserer Seite nnr immer schwan — 
das OonTemement immer rosenfarb. Nan frage ich, wer hatte Recht? 
Es ist nicht in Mailand, nicht in Brescia — sondern in Venedig und 
fiberall gleich. Bis nach dem entlegenen Feltre nnd Belluno drang 
der Hass gegen uns, diess beweisen die abgerissenen Proklamationen 
Majestät des Kaisers nnd die schönen Epitheta, die man statt diesen 
anklebte. 

Am meisten ist unser arme FM. zu bedanem. Dieser seiner Pflicht 
nnd seinen Kuser so eichene Mann ist so zu sagen proskribirt, seine 
Popularität, die er im Volke gcnoss, hat sich itzt in den schwärzesten 
Hass Yerwandelt. D» niederträchtigen Angiiffo, die er durch die ita- 
lienische Presse erleiden mnss, haben keine Grenzen. Es schmei-zt mich, 
dass nch sogar deutsche Blätter zu solchen InfSunitäten auch hergeben, 
so wie ich in der «Deutschen Zeitung' einen solchen hflbschen Artikel las. 

Dafür hat er aber den einzigen Ersatz, dass die Armee, die ihn 
stets hochachtete und hochschätzte, itzt für ihn begeistert ist. Ich bin 
fest überzeugt, dass wenn ihm nur die mindeste Unbilde von Seite des 
Volkes geschehen sollte, man alle Mflhe hätte, die Soldaten von Exccsscn 
inrAckznhalten. Guai cht lo toeca! Dann wäre das Blutbad fertig. 

Sie werden gestern in der Allgemeinen die Propositionon rocte pia 
desideria gelesen haben, die die Central-Kongregationon einreichten. Nun 
was wird die Kegierung thun? Etwas muss geschehen, denn so kann es 
nicht bleiben. Unsere Institutionen sind gut — allein die Ausführung 
ist schlecht. Darüber ist kein Zweifel. 



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502 



Ist man in Wien geneigt etwas xn thnn, bo boU cum beim Armen 
anfügen. So lange man den Beiehen die Goar macht and den Armen 
darben lisst» so lange wird tl Fardkumdo keine Partei haben. Der 
Italiener, wie sie ihn kennen, geht auf daB materielle. Stempel- Sals- 
nnd Eernwncher sind in diesem lAnde dieHaapfjgravamjfui, diese drtteken 
das niedere arbeitende fleissige Volk am meisten. Die flbermflthigen 
reichen im dolee far 9i$e9Ue lebenden Sciori^ soll man iwtcken und am 
meisten den höchsten Adel. Wo ftossert sieh itat die grOsste Wieder- 
spenstigkeit nnd wer frondirt am meisten? Der hohe Mail&ndische Adel 
mit einem nea gebackenen Toisonisten an der Spitse. Diesen Leuten 
macht man die Cour, während Sie den VizekOnig mit losnlten tlberhftnfteo. 
Ich bin sa lange in diesem Lande, nm dass ich diese hohe Aristokratie 
nicht kennen sollte. Jeder gote Österreichische Aristokiut sollte Schmacb 
Aber sie aussprechen — conspiriren than sie im geheim — Öffentlich 
sollen ihre bezahlten baüossi fOr sie die Kastanien aus den Kohlen holen. 
Ein erbftrmlicbes, miserables Aristokraten -Volk. Und diesen Leuten 
machte Osterreich, eigentlich seine Vertreter, 82 Jahre den Hof nnd 
Ternachl&sslgte dabei den fleissigen Burger und Handelsmann. 

Lieber Huyn, die Sachen sind au weit gediehen, der Haas ist tu 
weit und zu tief verbreitet und die fize Idee der aeaeektta degli fecfesdk« 
hat zu tiefe und feste Wurzel gefasst. 

Ich bin kein Staatsmann — ich habe nur Ittnf gesunde Sinne — 
lebe 27 Jahre in diesem Lande und habe die Sachen nach und nach 
heraufetoigon gesehen. Der Strom hat die Dämme bereits überfluhtet — 
yor dem Dorchbruch schUtzt die treu ergebene Armee mit ihren greissen 
FQhrer an der Spitze — allein es muss ein Hann ins Land, der mit 
sicherer Hand ohne LeidenschaltUcbkeit, doch mit Kraft und Energie die 
schlappen Zügel ergreift. So wie es itat geht, gebt es schlecht. Diess 
mein Olanbensbekenntniss. 

Ihr 

Wt.« 

KiTiihroii Sie bei Ihtfii Konexioneü etwas Ober «lie künftigen 
Ailiniuistrutiv-Massregelii für Italien, so schreiben Sie, icli wtidt! sehr 
(iaukbar 8oyn — dcna wir braucboa Troät! soiimI uiüsseu wir verzweifeln. 



* Im Di.'iloct für Ripnori. 

' Johann Graf Wratislaw Mitrowitü, ObriNtlieutonant im k. k. GQM.-Stab, 
damalü im Hauptquartier dos Feldmarschall« verwoodet. 



503 



xvm. 

Lieber Graf Taaffe! Ich habe Meines Dienstes zu seyn befanden« 
die von Meinem höcbstseligen Herrn Vater mit Kabinetsechreiben vom 
22. May 1825 dem Criminalgerichte zu MaUaud eingeräumte QencbtB« 
barkeit f&r alle Verbrechen gegen den Siaati daher in allen Hochverrathe- 
sachen und das Soctenwesen bezflglich des ganzen lomb.'Tenesianifichen 
Königreiches auf das Tribunal erster Instanz in Verona zu übertragen. 
Die schleunige AasfQhning dieses Meines Willens finde Ich Ihnen im 
Ein?erstftndni88 mit den Chefis der betheiligten Hofstellen, welches dnrcfa 
eine mündliche Coneertation in erzielen ist, anfinitrsgen. 

Hierbei wird unter Andern in Überlegung zu nehmen seyn 

1. welches Appellationsgericht zn Folge jener Obertngung kflnftig 
als Griminal>Obeigttricht einznsdureiten haben werde, 

S. welche FersonalTeiftndemngen, falls das TeneUaniscihe Appella- 
tions-Gericht dun bestimmt werden sollte, bei diesem, und 

3. fflr jeden Fall bei dem besagten Tribunale sn Verona stattsn- 
finden habe, 

4. ob nnd anf welche Art fftr die Unterbringung der zur Yeifttgang 
dieses letztem kommenden Inqnisiten der erwAhnten Kathegorie so sorgen 
nöthig sey, 

5. ob es nicht swe^missig wftre, die Ton den ehemaligen im 
Jahr 1826 anfgelOsften Speeial-Commissionen erster und zweiter Instanz 
herrflhrenden, dann die ausserdem bei dem mailfinder Oriminalgerichte 
befindlichen Hoch^erraths-Acien dem Tribunale erster Instanz in Verona, 
und allenfalls dem venetiBnischen Appellalions-Geriohte zu fibergeben. 

Über den 1. Punkt haben Sie vorläufig Meine Entschliessung einzu- 
hohlen, wenn eine Abftnderung des Bestehenden eintreten sollte; in den 
fibrigen Punkten aber ohneweiters vorzugehen. 

Wien, den 6. Febmar 1848. Ferdinand. 

XIX. 

(ßi088baeher m Hwfn.) 

Mailand, 7. Februar 1846. 
Kleine Szenen, wobei sich der Hass und Hohn der Italiener mani- 
festirt, fallen alle Tsge und alle Augenblicke vor, und man konnte 
Folianten darOber schreiben; das Militfir ist immer Insulten ausgesetzt. 



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504 



nnd es gebdri nur deutsche Geduld dsitt das Alles ni ertragen. Du kennst 
den Italiener, und wirst wiesen, dass er es nicht wagt offen an beleidigen, 
aber wie ein Gassenbnb giebt er durch Blicke und Oebftrden sn erkennen, 
dass er den Deutschen den er hasst Terfa&bnt, und solchen indirekten 
Kokereien ist man bei jedem Oang Aber die Gasse snsgesetst. Beim 
Bebeocbino sass unlängst der Obeiant Serems und sprach mit einem 
andern Gaste deutsch, da kam dw Kellner und ersuchte nicht deutsch 
SU sprechen. Der Obersnt machte hioTon Anzeige, der FM. forderte bei 
der Polizei Satislaction und der Kellner wurde als Precettato mit Escorte 
in seinen Geburts-Qrt bei Como abgeftthrt; der Wirth soll von der Sache 
nichts gewuBst haben, der Kellner war von den anwesenden italienischen 
Gästen angestiftet. — In den meisten Gast- und Kafehäusem bfiugen 
Tafeln, dass das Bauchen nicht erlaubt ist, die Ofi&Eiere sind nur auf 
einige beschrftnkt wo nur Militär hingeht, denn sonst sind sie Grobheiten 
ausgesetst. In den Gewfilbem legt man dem kaufenden Militär die 
schlechtesten Sachen vor und fordert von ihm doppelte Preise. Es ist 
schon weit gekommen und wird progressiv immer ärger. » Ich bin fest 
fibemugt, dass der grteste Theil der ital. Beamten der Aufregung 
huldigt, darum nirgends eine Abhälfe, nirgends Enerke; es kommen 
Anseigen, dass Waffen Aber die Ghränze hereingefährt werden, aber man 
findet keine, denn an der Gränse will man sie nidit sehen und im Innern 
will man sie nicht finden. Kurs, die Truppen und der geringe Theil 
deutscher Beamten stehen jetzt der ganzen Bevölkerung feindlich gegen- 
über, und nur irgend eine grosse Krisis wird diese unnatfirtiche Lage 
ändern. In einem seiner Berichte sagte der FH. kflnlich ganz richtig 
,Wir regieren jetzt nur mit den Waffen' und nur die Furcht vor 
diesen hat bis jetzt eine Katastrophe von Bedeutung verhindert, denn die 
Massregeln der Begierung sind kraftlos und null. 



Die Bettelei auf den Gassen ninmit hier schreekliGh zu, der Handel 
und alle Gewerbe stocken, lauter künstliche Aufregnngs-Mittel, wobei die 
Ursache allgemein auf die Regierung und die Deutschen geschoben wird; 
Bnde vorigen Monats wurden bei 8000 Arbeiter bei den Handwerkern, 
Ladendiener, Kellner, Bediente u. s. w. aus Diensten entlassen. — Es 
gehen jetzt seit acht Tagen in aUen Häusern Damen hemm, paarweise 
eine Nobile und eine Bttigerliche, mit Bfichsen, um fDr die Armen zu 
sammeln, die Equipage ftilgt; zu Deutschen wird nicht eingetreten. Sie 
erhielten hiezu vom Gubemium die Erlanbniss unter der Bedingung, dass 
das Geld abgeliefert und von der Obrigkeit dem Zwecke gemäss vertheilt 
werde. Sie erhalten sehr namhafte Suoomen, denn die reichen Familien 



Ö05 



geben bis zu 9000 Francs — aber wer kann contiolliren, und es ist 
sieber, dass der Hauptzweck Unterstützung der Rüstungen im Römischen 
und im Eantoa Ticino ist. wohiu schon bedeutende Summen gewundert 
sind. Zwei Patane machten sich die Gelegenheit zu nutze und giengen 
schwarz gekleidet ebenfalls in den Häusern sammeln, sollen auch schon 
viel bekommen haben, als sie arretirt wurden. — Bei Porta Cumasina 
sind zwei sammelnde noble Damen vom Pöbel verfolgt und verhöhnt 
worden, dass sie lieber gebeu als von Armen einsammeln sollen. 

XX. 

(PlMmup^mann MuAad Hüfmom in Padua an de» Grafen 

Huyn.) 

11. Pebnuv 1848. 

Uber alles Erwarten ist heute die Universität, trotz dem dass 700 
Studenten davon gelaufen, wieder geöflfnet worden, und von allen der 
Kcgicrung wahrhaft Ergebenen sind diese Glockontöne, die am H**" hujus 
zum Gemetzel, zur Revolution riefen, heute als Ruf für diese Gottlose 
schändliche Jugend gehört worden! Nein, unsere milden Verfügungen 
leisten der Revolution dt ii meisten Vorschub, besonders hier in Italien! 
Wntdcn die armen liniimen, Maiiier, diese allezeit Getreuen, in älinlicher 
Tendenz als W-rfuhrte auftretten . wie würde man <iie>e armen guten 
Kerle geisselu und deciiiiiren — und doch wäi en dies.« nicht in eutfornstem 
Sinn mit der hiesiguu Mazzinischeii Brut zu vergleichen. 

18. Febmar 1848. 

Es ist schändlich wie ilie ltali"-ner diesen CrawuU ausbeuten — 
nun bringen sie allgeaiüiü in L'mlaul": das Ganze ist vom Militai ue- 
flisseutlich provocirt. Die schändlichsten Lngeu sind im Umlauf — es 
ist mehr als schändlich! Und es gibt Menschen die da glaubea! — 

XXI. 

Oberst Mengeteein rom GSt. an Huyn, 

Verona, SU. Febmar 1848. 

Drüben glauben sie, wonn man loo.OOd Manu ins Land schikt 
und ein paar drolieude Prnklania/iniiiMi dazu, su hat man die Ordnung, 
Achtung für das Gesetz und das Ansehen der Regierung wieder hergo- 

Arcliiv. XCI. lUud. U Uilfto. 33 



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506 



Btellt — Allein dem ist nicht so, — denn in Hiiland wird de& FroUa- 
mazioiieii die Spitze abgebrochen, die lOO/m Mann mflsMn Hahn im Arm 
uuhmoü. Dur Feldmarschall wird in seinem Handeln gelühmt, die Kevo- 
huion zieht mit frechem Hohngesicht durch die Städte derLombardiAund 
dötä Venezianischen. — Und was fflr eine Bevolnziont 

In I'adua hatten die Studenten vielleicht 600 Köpfe zasammen- 
geiMacht, der Tumult begann, das beliebte ,morte ai Tedeschi' wurde 
gübnillt. die Sturraglocke gezogen etc. etc. etc. doeb nur anf kurze Zeitt 
Denn nach 15 Minuten war Alles spurlos verschwunden und die Bnhe 
kehrto wieder. Und durch wen? — Durch den Posten an der Post, welcher 
Feuer t:ab und einen Studenten todt niederstreckte; — durch drei Haut* 
1)i)istcn, welche vom Leder zogen und unter die wälschen Musensöhne, 
mit don stumpfen Klingen, blutige Beulen vertheilten; durch zwey ein- 
kiiufendo Husaren, ftintrs durch die Köche einer Menage, welche die 
Bajonette zogen, und endlicli zum Schlüsse durch eine Patrouille von 
Franz Ciirl — 1 Führei' und Soldaten — . dann eine Patrouille von 
Kaiser- Jager — 1 Unterjiigor und 10 Mann — , welche das Caffeehaufl 
Pedrocchi säuberten. — Dies.*^ war die ganze bewaffnete Macht, — vor 
welcher der hundertköpfige Studentenkiawall mit den Kalabreserhüthen 
unaufgefordert aufeinander stob. 

Diethe Lausbuben ergrilfen nuch iu der Nacht das Hasenpanier nach 
allen Ki«-Iitungen, viele rannton zu Fuss bis Montebello; aber kaum in 
Verona augelanijt. sprachen sie von Stürmen der Hauptwache, zeigten 
sich in Calabre.sern. und bis dk liehr»rde nach zweitägiger Berathung 
die revoln/.ions Hüte verbot, waren sie schon weiter ^'ezogon. Zu Uauso 
erzähllrn sie nun, sie hätten die Offiziers aus dem Militär-Caffee-Hauso 
vi.u't-rieben, — liie piemontesiscln* Cunstitutiini leben hissen etc. etc. Alles 
nicht wahr — aber die Wälschun ^lauliens und orzählons weiter. Und 
auf diese Weise werden wir durch Verbreituu;^^ der infamsten Liigon so 
hei'abpesetzt, ilass der Walsclie steif und fest glaubt, er ibt der Löw' und 
wir bind die Hasen. 

Diese durch die Lampelverwaltung erzeutrte Täuschung kann nun 
den armen Katzeimacher theuer zu stehen kommen, denn wenn er sich 
oinmahl eine Rahbia ansäuft und losi^'eht, sn wird's einen Aderlasb geben, 
von dem noch Kind und Kiiideskmd siuechen werden. 

Dom Feldmarschall geht es p^ut - Gott erhalte iliu nocli recht 
lange — ohne ihn und Schönhals wäio den andern Urauschen — wohl 
das Uimmolroich zu Theil geworden. 



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507 



Register. 



Ab bäte EMchiel M«b«UilDdler f 

336, 338. 

d'Add« Coute Cariu '166, 309, iU8; 

Giovinni? 81«. 
^f^haaen* Ballet 849, 486. 

,Aiba* 812, 374. 
Albcra f 491. 500. 
Alberti-Poja Franz üraf, Üirector 

der juridücbeu Studieu in Inos- 

bmdc 3W. 
AlbertolH 
Alficri 280. 

Allai ]);ii>stlither Officier 819 f. 
A 1 1 e ^ r a C'Hrnielitcr hingerichtet 86ü. 
Alpi Virginio 319. 
Altieri UMoo Cvdinal 809. 
Amann aehweiMiriecsher Antianwalt 
863. 

Aniat di S. Filippo e Sorso Lui^i 
Cardinal-Lcgat in Boloofna 318. 

Amnestie 1839 für ix)inbardü-Ve- 
uetien 984, 296; 184« fOr den 
Kiroheiutaat 997, 446; WttUereien 
der Amnertirten S98, 810 f. 

Andryanr Aln^snndro nad «eine 
Schwester 267, 

— M^Smoires (Paris 1837, 4> 6d. 1862) 
899. 

Angel i Gnglielmo Oaetti de, lar* 
diniiefaer Oemenloonnd in Uai- 
land 800. 

Anton Err.lirn'.og' zum Vii «>kü?iig für 
Lonibardo - Yeneticn au^orseheii 
263. 

Antonelli Cardinal 888. 
Antonini 800*. 

Aporti Abatc 306. 
Archivio triennale (Capolago tip. 
Elvetica 1860/1) 296* et pamm. 



Archivio stor, Li»u)l>. 304'. 
Arc•^•e Fram-. Graf .•^04', ;iU»), 350. 
Arrit^uui Kenato k. k. Uubernial" 

Mciellr in Venedig 889* f. 
Arrivabena 0*» Oicvanni 969*. 

— Metnoric d'un Eäiile (Bit, oom* 
tpmp. ISGO XXI). 

Aräon Gon/-an;uc ö74*. 
Associasioue italiana 345, 369. 
Aoertperg Oraf Karl k. k. WML. 

Featnnga^temmaodaat in Ferrara 

324 - 326, 371,464. 
d'Ayala 360'. 

d'Ai&eglio Massimo Taparclii 
Marcbesc 288, 3ü9, 312, 318, 364, 
865 >, 899. 

— Salla protesta pel easo di Fec^ 
lara 896. 

Balbo Ccsarc C" 11, 364. 

— tSporauzo d* Italia 346. 
baloeai 478, 509. 
Balaae 979. 

Bandiera Brüder 322,360,418. 
Barbareschi T H •ibeamteir 885, 

340, 135, 439. 
Barbarossa 333, 394*, 443 f., 452. 
Barni Antenio Graf, Mitglied der 

lombaidiicfaen Central-'Congrega'» 

tion 357». 
Bartoldi O. Hymnnt auf KOnig 

Karl Albert 306', 
Bassi Luigia Gemahlin Uabrio Ca- 

sati*8 ». d. 
Battaglia AchiUe 816. 
Bayard de Tolo e. d. 
Rcmharnais Prinz Engen Vice- 

knnij: von Italien 257, 269. 
Beccaria 390; Marchei»e 390, 494. 

88» 



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ö08 



Belgioioflo Fflnt verbannt nn4 

amnestirt 28G. 

— Cristina principessa Trivulsio 'ib9f 

288, 89 -i. 

— Giu&t)ipi^ 0> Municipal'AsseMor 
in HailMid 388, 493. 

Bellati Antonio k. k. Gnbemialrath 

Provinzial-Dolegat in Mailand 894, 

358, 383, 391. 
Bellesza Giovanni Ciselenr 289*. 
Bellisomi Ferd. Abato Gynmasial- 

prifect S84. 
B«llo Mieb«le kingwriehtot 360. 
Bellotti Dr. Pictro Hnnicipal'A»' 

seSBor in Mailand. 

— Giüvanni Schinied 390. 

— -Bon Schauspieler 349. 
Benoni Oinaeppe k. k. Hofrath 273. 
BenÜToglio Carabinieri^OberRt 321. 
Beobachter Oestenreichiacher 351' 

et paaaim. 

Berchet Giovanni ,der italieulfichc 
Tyrtäus' 28Ü, 282. 

Beretta Antonio Municipal-AasesBor 
in Mailand 313. 337, 440. 

Bergamo politische Demonstrationen 
.■J93; Feindseligkeit gegen Mai- 
land 359, 452; s. auch Nazzari. 

Berocy Julius Ficqueliuont'a Koch 
390S39ef.,491,600. 

Beeana 389. 

Betta Moriz v., k. k. Polizei-Ober- 
coinmissiir 490, 497 ; verklagt und 
verschinipft 399, 410, 420. 

Bevilacqua Stefano aus Sangui- 
netto 378. 

Blancbl Friedrich Freiherr k. k. 
Oberst bei Kinaky-Infantcrie Kr. 47 
485. 

Biografie dei Mcnibri de' ccssati 
Govcrui prowisorii 2. Gabrio Ca- 
saii (Italia 1860) 237* et immmh; 
berichtigt 286*. 

Biscottino societi dd, biscottini 
:5 1 3. 

Bixio Nino 299. 

Bohunowäky Franz k k. Oberst beim 
FuliTweaen. 



Bois le Combe fransOeischer Ge- 
sandter in der Schweiz 362. 

Bolza Alois k. k. Polizei -Ohcr- 
commissär iu Mailand 304, 33b, 
435, 497; an seiner Charakteristik 
(Conte?) 343 f.; Beschwerden nnd 
Haas gegen ihn 839, 398, 420, 
440; von Casati verklagt 340 f., 
H54 

Bout'adiui Mezzoseculo di patriot- 
tiäuio (Milano Trevea 1886) 259*. 

Borgnani Aleasandro in Bresci« 393. 

Bo rro meo ViUliano Conte 286, 306, 
350, 890, 494 ; zwischen Wien 
Rom nnd Tnriji 289*; ob er das 
goldene Vliess znrilckgeachickt ? 
401. 

Boraleri 261. 

Botta Carlo Storia d*Italia 879, 

282. 

B (f t f ( 11 i Antonio Kaffeesieder in Va» 

resu 347. 
Bottin i Giovauni ia Pavia 393. 
Bourgoing franaOsischer 0«ehSfla> 

Irlger in Tarin 846*, 374. 
Brainbilla Banquier 494. 
— France«("o Kc-laxuiiif del viaggio 

in Lombardia -JtiT, 276*. 
Brandis Gral Cleuien» Gouverneur 

in Tirol 305. 
Brani d*nna memoria d*un promo* 

torr di lla rivoluaione 410—412. 
Bre«vi;i Militärvor«chw«rnnfr 1814; 

politisrlic I >i-iiiijn<trati<iuen 393. 
Brie i tu Zaccaria Eixbischof vuu 

Udine 330*. 
Brivio Marchese 494. 

Brofferio Ängelo 288. 

Bn-^rlia Ji Ca« .-1 1 1) o i '^'o II e C*« sar- 

<li Iiischer Minister tur Krieg und 

Marine 365. 
Broglio Emilie 806. 
Bnbna Graf Ferdinand FSIL. Com- 

ntandirender in der Lombardei 

•:n4 f. 

Buirette von Oclofnld Tlit'ml'ir 
Freiherr, k. k. U^iuptiuauii im 
Qeneral-Qaarti«nneister>8tab 471. 



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509 



BqoI * Scbattenstein Qtaf Karl 

k. k. Gesandter in Turin ltS9 f., 

Iflfi, 471. 

B u o 11 a f ed e Uater-latcudaat iu Uuggio 

Buracca General S60. 
BuMi AchUle 881. 

Cali'Küäenbiirg Aloi-; Ritter von, 
Gcneral-Polizei-Dircctor in Vene- 
dig 879 S 479. 

Calvi Feiice Le «sequi« del Coote 
F. C. (Arch. »tor. lomb. 1844) 804*. 

Camaldoli O' fli n7S. 

(.'aiiieroni Ahatf ;i<i(>. 

Caniozzi Oiuvanui Halt. 39G. 

Canino PHns tod, Beslelmiigeii sa 
Ca«ati S90. 

Cantoni Giovanni (Hatteo?) Pro- 
fessor 381 

Cantii Cr«arp. der ,alH schlccht- 
gc^iunt bekannte ultraliberale Pro- 
fessor* 316; an Pomba in Turin 
478 f. 

— Cronistoria 2n0*. 
Capitaiii Paulo d«, k. k. Uofralh 

267, 2lu. 

Cappuui Gino 281. 

Carbon e Bomenico Dichter 864. 

Carcano Nobile 478. 

C ar 1 o A 1 b e r t M )a spada d'Italia 300 ; 
anniiij^liclie Misstiinmntifr imd Mi"?- 
trau«'ii (li r.Mail.iiirlor 'iUbt'.; Elircn- 
dcgcn für Garibaldi 2U9 f.; ge- 
lieiine Haebeniehallen 360, 366 et 

Carte sogrete della polizia austriaca 

(Capolago IHf.l) '268» Hpauim. 
Casanova General .']ti5' 
Casare to sardioischcr Minister 35u. 
Casati das gcifliebe Gescbleeht 267. 

— Antonio dritter 8obn des Grafen 
Gabrio 306 f. 

— Cainillo Bruder üabrio's SSM 

I 

— Carl«» Ntjovc rivelazioni -iti latti ! 
di Miiaiio 1848/49 (Milano lioepli | 
l^Sfi) 269 S 484—4^6 9tpauim. \ 



Casati OabrioHerkttnft und Vorleben 

257; Beziehungen zu Federico 
Confalonieri 2'in— 2fi-2: Podcsti 
von Mailand 26öf.; Bewerbung 
um k. k. Staatsdienst 284, 291— 
894; Eiserne Krone 886; Beiie- 
' hnngen m Turin 888 f., 806f., 818« 
860,866,867'; sum Prinzen von Ca- 
ninns. d.; ,eqnt1ihrato' 2s'.>*; <]<-v 
ristcrrcifhi^chfii I'nlizci vcrdÜ! i- 1 ;'j 
3iü; ,carbouaru marciu' \ Hul- 
digungen und Lobpreisungen naeb 
dem 8. und 8. Januar 1848 S. 891 f.; 
.Lafayette^asatl* 406; den Revo- 
lutionären venlHehtiri' 411 f.; Vr- 
theil Cattaneo's 1 1-' ' ; ijanlini»cher 
Minister 423; über seine Curre- 
sponden mit Pillendorir424— 487 
tt pauim patdm pa»rim\ s. weiter 
Chron« ^ isobe Uebersicbt. 

— Ga«paro 257. 

— Girolamo ältester Hohn Gabrio's 
305, 350. 

— Oinseppa renn. Dnrini 867, 286 ^ 

— Lnigi Sobn Oabrio's 860. 

— liuigia geb. Settala 2">7 
— geb. Bassi Gemahlin üabrio's 
283 

— Maria geb. Origoui 257. 

— Hidiele Bisehof von Mondo^i 867. 
— ' Teresa ▼erm. Confalonieri s. d. 

r.ista;,'ii. t() C'" .ms. 
Ga.^t. Ibarco C»« de 494} Contessa 

a7y. 

Castelli Teresa 397. 
Casteltita Joseph k. k. Obrist bei 

Este-Infanterie Nr. 82 8. .'»76, 4^<6. 
de Castro II mondo «««^etn 995*. 

— La restaurazione austriaca 421. 
CastigU« 261. 
Castle Dr. 896. 

de Catianei k. k. Ooneral-Polisel- 

Director in Venedig 288. 
Cattaneo Carlo Dott. 21Ki>, 315», 

I 

! 478; über die Vorfälle am 8. und 

19. September 1847 S. 31;^; über 
Casati 418 



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510 



Cattitnno Carlo Oott. 1/ iiisnrrfrtion 

de Milan en IÖ»4 (Paris Amyot 

1848) 316** S9Ö ei poMA». 
Cellinl Boiyeanto 289. 
Cellotti 49«, 500. 
Ceinpini Fraao. totcjmiiob&r Hi- 

nkier 377. 
C«nni biografici di S. E. C»« tiabrio 

Ca^ti (MiUno 1870) 257 > et 

IMmAm; beriebtigt 887 S 884 ^ 
Censnr Bttoher> 978—988. 
Cesnedi Anna 258. 
Chateaubriand «79. 
Ciacclii Luig^ Cardinal - Legat von 

Forrara 32J, 324 f., 371 »; ,dor Pro- 

tokoUAlirar* 476. 
Cioernaeohio 399; ontdedct die 

Senfediston A'^crschwfirunp 320. 
ClaryFflrst u 1 nr8tiaiaMAiUnd348. 
Clerici Carlo 296. 
CobdoD Richard iu Italien 314 f. 
Coechi AdYOcet iu Breacie 893. 
Celle Gineeppe vom Meilinder 

Polizci-Wacbcorps 409 f. 
CollntU Pictr.. 2S2. 
Comacchio Osterr. Bcsatzungsrecht 

321 f. 

Com ein Qiolio Ingenieiir 847. 
Como Provinsial^Cbiigrcfpation 867. 

.C.ncordi.n' 387». 
Confalonieri das gräfliche Oe* 
schlecht 268. 

— Fedcrico Herkunft und Vorleben 
967—989; hoohTenrltheriwbe Me- 
cbenseheften and Yemrtheilnog 
980—262, 303 f ; über Alois Bolza 
844; im FLvil 2Sif , 'ifMl; neim- 
reise Tod Leichenfeier 303 f. 

— Teresa geb. Casati Persönlichkeit 
nnd Charakter 967-.969i ala Für. 
spreeherin ihrot Gemafale in Wien 
261 f.; Tod Begräbn iadltte Grab- 
schrift 284, 303,806». 

— Vitaüann 2»>1, 
Cotusulvi Cardinal 322. 
Congregaiionen ProTinnal', Cen- 
tral- 971—874, 869, 457 f., 601. 

jCotttemporaneo* 808. 



,Con'«titntinncl* 326. 

Coppi Annaii 276 ^ 

Corboli-Bnaei in Tarin and Ho- 
dena Mggr. 866, 876. 

Correnti Cesare k. k. Gubernial- 
Secretftr 990| II aipote del Ve»ta- 
venle 347. 

Coatantini i'odostiivon Viccnza 392. 

Conrrier de Lyon 443 — 445. 

Crippa Franee«eo TiGe-SecreOr der 
ICaUXnder HanicipaUtSt, Berieht 
(Iber die Januar-GrcignisM 896 f. 

Cristoforis Luigi de 388. 

Crivelli Vitaliano Municipal - As- 
sesflor iu Maitand 296, 31.'i, 316, 
440, 449, 461; der Poliaei ver- 
dächtig 346. 

,Croati' 325, 827. 

Ca 8 an i Storia di Miiano 867* et 

Geoernig Karl PrXaidial-Seeretfir in 
Hailand 967. 

— Die alten TOlker Cber-ItaUens 
(Wien Holder 1886) 970>'*,986". 

Dante 282. 

d'Aspre Constantin Freiherr, k. k. 
FML. in Padaa 889; Aber die 
Mailänder Janaar-Ereigni«M 409, 

406; an Huyn 484—486. 
Dawkhis Ceorge V. hrifischor Ge- 
lural-Cotisu! in Mailand, Berichte 
an Palmerston 328, 348«, 350' el 

Del Govemo anstrlaoo in Lombar- 
dia (Doc. deUa ipnerra santa d'Ita- 
li i. (^apolago maggio 1860} 971> «( 

partim. 

Delcarretto Marchese PoHzei-Mi- 

niater in Neapel 861. 
Deeio AnfeUnd 480. 
Dolce Pietro ,nn altro Pagani* 268. 
Dorin .Marcheee Gioi^o 864, 878 f., 

412». 

— Abate von S. Matteo 373. 

— 800. 

DragonI Antonio Caimo C** Podeeti 
von Udine 841 S 44f . 



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611 



Drove tti Obrbt 1MK 

Dufour schwo.iterischer General 362. 
Datnani) Willu'lm k. k. Lieutenant 

im Mailänder Folizeiwachcorp« 

842 ^ 

Danas Alexander S81. 

Dapin Charles SUtisliker 877. 

Duraudo Giovanni da Mondovi Gia- 
como Genoral 300, 3G5 367, S74; 
Ncntheilunp Italiciis ^45 f. 

Durini Antonio C'" verm. mit Giu- 
leppina Caiati, Podeati to» Mai- 
land 267, 28ft. 

— Ercole gew. k. k. Chevamlegef»- 
Lieatenant S47. 

— Giuseppe Graf SOtt, 3^7, 350, 437, 
468. 

— NdbUe KlMveiihttlter*seiier Ottter^ 
▼erwalter 816. 

Egmont 292. 

Eisenbahnpii 277. 

EUsler Fanny 1848 iu Mailand Am, 
3B6, 472. 

England gegen Oeaterreleli 806 f. 

Ernst Enhensog 264. 

ißtnde snr l'hifltoiro de la Lorobar- 
dip datis Ics demiöres ann^fs (Pa- 
ri!} Laisn^ 1846) 268' el pa»9im, 

Eugen von Savoyen 894^. 

Pari na BCanristo 800. 

1a Parin a Giuseppe ans Sicilien 312 f. 

Farini L C Lo atato Romano 321 >. 

Fava AngeJü 3<it>. 

,Felsineo' iu Bolugua 308. 

Ferdinand I. Kaiser von Oester- 
reieh ,Crepa Ferdinande' 878, 
456, 474; a. Chronologisehe 
Uebersieht. 

— II. KOnig von beiden Sicilien s. 
Neapel. 

— -Este Bndienog 856. 
Perrara «sterrelebiselies Besafanmgs^ 

recht 309, 322 f. ; Conflictc der 
k. k. Bf"«atzung^ mit der Rpvolkc- 
rung und der pSpstlicheu Kegie- 
mug 32 4 } Zustande im Uerbst 1 847 



8. 461, 471, 476; Uebereinkanft 

zwischen Oesterreich nnd Rom 
371 f.; Sfliwei/.cr Truppen 464 f. 

Ferretti Oabriele ('ardtnal -Staat»* 
secret&r 321 f., 327, 47U. 

Ferrier Um 281. 

Ferrierl Pto Deila via del Monte 

ri; \notk allo Spilbeig (Hilano 
Duniulanl IHft'.t) 279«. 

Festftir.M (traf Ludwig k. k. Obrist 
von ijardinien-Uusaren 389. 

Fteqnelmont Oraf Karl Lndwig 
Staats- nnd Cbaferens -Minister, 
Mission an die Seite des Ers- 
hf^rzof:*! Rainer 329—331, 413; in 
Mailand .'UA f., 366, 387 — 38«, 
414, 454, 464, 406, 469, 472, 493, 
495; PasqoiUa 880; sein Koch 
s. Berney. 

— Dorothea geb. Tiesenhansen 829. 

— Alisalex verm. Clary s. d. 
Filangicri Scienza della Legisla- 

eionc 280. 
FiTiisano 870, 476. 
Fontana pKpstlieher Gend.-CM6oier 

818. 

1' ruari Rafaelo Msgr. pSpstUeber 

Nnntin!' in Paris 470. 
Foscoio Ugo 269*. 
Frankreieb in Italien gogon Oester- 

reidi 808. 
Frans I. Kaiser von Oesterreich 468; 

in Sachen der Carbonari-Verschwö- 

runfr 261 f.; Fopnlaritftt 275—278, 

364 f., 421. 

— V. Hersog von Modena erwirbt 
die Lnnigiana 869 f.; sebltesst sidi 
Oesterreich an 875 f. 

Freddi päpstlicher Obrist 319 f. 
Frimont Johann Maria Freiherr v. 

Fürst von Äntrodoco k. k. G.d.C. 

265. 

Gatsrnck Karl Cajetaa Oraf Car- 

dinal-Er7:I)i?c1iof von Hailand 269, 

130; Tod 300 f. 
Galcutti L. 370. 
Galicin (Golicyn) Fürstin 208'. 



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513 



Qalimberti PolizcicommisKär in 

Mailand 385, 301», 420, Wö. 
Gallaratc Luigi Kammacher 338 ^ 
OalUrdi-RivoUa Enrico 378. 

— Franceaco k. k. Appellationarath in 
Vcneilij» 378 f. 

Oalliaiil MimuMii.il-Beamtcr 342. 

Garibaldi Vurlt iHm (. 

Gavenda Saninilaug aller Ariucc- 
befehle (Prag Beltmann 1866} 406 > 

Gaaioli Uagr. 308. 

Geneindcvorfassangf Theresia- 
n'who 2G9— 271. 

Uerhardi Ipiaz v. k. k. FML. in 
Verona 105 f. 

Gerli AXberico Dr 381 >. 

Giaeouibol Bartol. 840. 

GtolHTti niL». r^is. 453»; DpI Pri- 
mat«« 'i'.'S; ül), r Karl Albert 34.'., 
3(>4; II ücäuita uiodcruo 30i) f. 

Giordani 282. 

GtoTanelli O* am Norara 306. 
Giaberti Hauthbeamter 336. 

Giudici Gaetano Dr. Th .iU? 
Giulini dcUa Porta 31ö f., 
359', 4114. 

— Ccsare 3U6, 

— Gioisio <H48^ 889 f. 
GiuBti C. 358^ 

G^Sraki Felician k. k. Hauptmann im 

General -Quart i. TU M!«t»M-!^tah 471. 
Grassellini M-^^t. (iovcrualore von 

Kom 31i'; von seinem Posten ont- 

femt 3S1. 
Grasiani Witwe S88*. 
Gregor XVI. f 296. 
Gregoriani (pMpeUiche Freiwillige) 

310. 

G rcppi Marco O' Municipal-Ainsessor 
In HaUand 3t6. 344, 436, 440, 442, 
451; in Untennehnng 389,345. 

Grimm Froihorr v. Süden Vincenz 
k. k. Hofratb 267, 285, 339*, 359', 
495. 

Grandstoucrkata»t(!r 270. 
Gttelfen 865. 

Gnerra modenesiseher Haupt- 
mann 370. 



n Mvrrnr.zi Franc. Diitru iiico 311. 
Ouiirricri Manlu-o Anselmo 385. 
GuiKot 279, 328, :^ti2-, Instrttctton in 
Sachen Italien» 376. 

Tlaager Freiherr ▼. Poliiei-Prisident 

279. 

H artig Graf Franz Gf^uverneur von 
Lombarde •Vonctien 265, 284, 455, 
497; Staats^ n. Conferenn'Minwter 
287; HeformTOFsehläge 4(3. 

— Genesis (Leipiig Fleiseher 1850) 

Ileinrii-li Kr/.lier-zog 264. 
Hclfert Gregor XVI. und Pius IX. 
(Prag 1895) 297 < 

— Mailand und der lombardisehe 
Aufstand 843^ 

— .\n<( Böhmen narli Italien 3'i8'. 
Ilelm Tlieocior Med.-Dr. k. k. Pro- 
fessor 394'. 

Hess Heinrieb Ritterv.k.k.FML. S8S. 
Hofkanal ei Italienische 273 f. 
Hof mann Michael Platshanptmann 

in Padua 505. 
HUbner Jo.s. Alex. Officiai der k. k. 

Haus-, Hof- und Staatskan^lei, in 

Mailand 885 f. 

— Ein Jahr meines Lebens (Leipsig 
Broekhans 1891) 286 >. 

Harter Friflricli k. k. Hufrath •-'(](>. 

Huyn Karl (traf k. k. Hauptmann im 
General-t^uartiermcister-Stab, Cor- 
respondens 809, 378 S 382, 405 f., 
487. 

Interccpt,intcrcipieren Ton Brie- 
fen 2f,r,, 427 

Inzagiii Gral Kail Oberster Kanzler 
387, 389. 

Isimbardi Pletro Marcbose 439. 

,Italia' (Florenz) 312, 471. 

Italiani vcri in Flumi/ 377. 

Italien das eridauisrhc iionhi-inlare 
insulare 345; k. k. italienische 
TrnppenkOrpMT 304. 

— das jnnge 306, 345, 393; s. aneh 
Associaaione. 



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513 



Italienische Nobelgirde in Wien 
angebliebe Anitiitte 401. 

.ladin Maler 2H1. 
Jäger Albert 906. 
Jiiokovioh Wilhelm k. k. Hsnptp 

nuuin in Ferrara 324. 
Jesaiten 269; in drr SchwPia ^61 f.; 

.Morte ai Gesaiti' 8U; in Turin 

36Ö. 

Joseph U. 274, 276, 301, 431 f. 

Karl Albert König tod Sardinien 

K^fi^eo die k. k. Besatzunfi: 
in Ferrara 326. 32f»; ,il ro Ten- 
tenua' 364; il re puerriero, rifor- 
matore 366; »la spada d'Italia' 
300, 364C 37* ; re d'Italla 86bf.} i. 
welter Chrono log i$e he lieber^ 
Hl cht. 

— Ltidwifr Her«o{» von Lncca 368; 
ricrziig von Parma 376; gebasst 
und gefürchtet 471. 

Karolina Angnata S61 f. 
Kolowrat Qraf Frana Anton k. k. 

StaatA- n. Conferenz-Mtniater 290, 

tHf.; in Mailand 286, 497. 
Kram er Anton von, Professor der 

Chemie 400. 
Kriemanid Gedeon k. k. Oberlieute* 

nant im Oeneral-Qnartiermeiator» 

Sfa!).' 17!. 
Ka beeil 2dO, 497. 

Lacroix «Marghcrita i'ustcrla' 319. 
Lamartine 281. 
Ltambrneehini Cardinal 319 f. 
Lampl Joseph Dr. 426. 
Lf»rro Aufstaiid 460. 
Lega autimmiätica 387. 

— dogaoale 373 — 375. 

Lenioni Ottaviano toeeanlaeher Qe* 

•aadter in Wien 811. 
Leopardi 282. 

Leopold n. Orossherzog von Tos- 
cana 329, 370, 416, 45;J'; von den 
Sectircrn gedrängt 3i7; Mahnun- 
gen Hettemieh'fl 811 f. 



Leopold II. Kaiier 276. 

— Erzherzog 264. 

TEapinc Joseph Qraf k.k. FML. 265. 

Leyva Antonio de 493. 

Lindner Mathiaa Remi|^ne k. k. 
General' Polisei-A^jnnet in Mai- 
land 315^ 317, 446. 

Lions Clnb 380, 388; gp«pprrt VM). 

Liptay von Hnltsh .«iTia Panl k.k. 
Kittmeistcr bei 'Sardinion-LIuiiareu 
876. 

Lieaoni Andrea Dr. 858. 
Litta Pompeo MereheM 890, 439, 
494. 

Livorno geheime Druckerei 3li»»; 

«Stapelplatz der Uevolation' Uu> 

ruhen 36U f., 463*. 
Lobkowits Fttnt Aognit Lonpn 

497. 
Logistcn 266. 

Lom l'a nl o-Ven eti c n treffliche Ver- 
waltung und günstige Stimmung 
der acvOlkemog 277 f., 41$— 4S3; 
Wohliahrt unter Oeteireiehieehem 
Regiment 416 f.; ,fremde' Beamte, 
bo.>niulers SUd-TiroIcr 273, :{53f., 
463 f.; späterer Widerwille und 
Hass gegen die Regierung, , Metze', 
,meretrice' 416—418; uachträg- 
lichee Lob der Jonrnalisttk 432 f. 

Londonio Carlo GjmnaBial'IKrector 
283. 

Lott o - O e f ä 1 1, Krieg gegen das, SbU, 

387, 393, 403. 
Lucca fällt an Toscana 36ü f., 484. 
Lfltaow Radolf Graf k.k. Botechafler 

in Rom 827. 
Lnnigiana Zankapfel zwiaehen Toe- 

cana und Minima 37(>. 
Luviui Schweiz» r <>hrij«t 472. 
LuKzatto Moses llamlebagent in 

Triest 816. 

Macchiav, Iii 279, 282, 894, 406, 

117, Uu. 

Mail an il Ueichthnm und Enipor- 
blüheu der ^tadt 2S5; Künigs- 
krSnung 1 838 9. 286f.; Central-nnd 



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514 



Provinzial-Congregation 356— 
402 f ; EhrrngTSchenk für die Erz- 
lierzogin Maria Adelaide 288; 
VmoliBiDniMniiig d«8 (iffenfUeh«n 
Geilte» und der Stimmiing 816 1, 
342—346, 389—393; Corso Fran- 
cesco .PCfllcrato* 392; Club des 
Lirvns, Societn i\i'\V uiiiimc 316 
460; 8. weiter Chronologische 
Ueberaieht 

Hainerdi O 819f. 

Melgini (Maligni?) 468. 

Mamiani Tercnzio 371. 

Manganini Don (^irlo k. k. Apel- 
Uüonsrath f 3b», 390, 396, 482, 
491, 493, 600. 

H angin Spediteur 336. 

HantegeBB» Teresa 408. 

Mensoni Alessandro 283, 286, 392; 
Grabschrift für Teresa Confalo- 
nieri 284; ,Conte Mansoni' 279. 

Mareec« Buon 310. 

Ifareaealebi Fenund Oraf fran- 
aOsischcr Botaehallarath in Wien 
328«, 346«. 

della Marp:arita s. Solaro. 

Maria Adelaide Gemahlin Victor 
Emanuols 288. 

— BlSsabeth von Cjwignan GemaliUn 
dee Xrehenoga Rainer 264, 818. 

— Louise von Etrurim 264. 
von Parma 270, 281, 416, 171; 

Tod and Bestattung 376, 378. 

— Theresia gutes Andenken in der 
Lombardei 2T6; QemaiiideTer- 
fasanng nnd Katieker 870. 

Marini Andrea Propst von 8. Fran- 

ronco ä'i Paola 818. 
Mar rast 288. 

Martinez August k. k. Gubernial- 
rath Poliad-lMreetor In Inubmck 
806; Censiir-Ober-Direetor 478*. 

Martini 350. 

— ("^ Gesandter Tosoanas 863. 
Ma.Haiii(>lln 304*. 
Mascheruni Lureuzo Dichter und 

Hafhematiker 869. 
Hasi Lnigi 808. 



I Ma5»sari Oinseppp 310, 366. 

Math es Friedrich k. k. Lieutenant 

bei Kaiser-Infanterie 38ö. 
M attiroli BrOder Putidiveimioh 810. 
Mauri Aehille 816, S8S. 
Maximilian Karl Erzhersog 264. 
Mazzini, Mazzini.ston ^'-'s, 29T>, 

306,364; Schreiben an Kari All)ort 

345; an Pin» IX. 369; in der 

Schwei» 868 f. 
Maaaoni (Mammif) Poliael-Beamter 

886, 840, 486 f., 439. 

— Pietro hingerichtet 360. 
Meliert 0 Giacomn Graf lomb.-venot. 

Hofkanaler 263; Tod und letzter 
WUle 875f. 

Ifengew ein Qeorg k. k. Oeaeral- 
MiQor im Geaeral-<2tiarüenBeialer- 
stab 382, 406, ß05. 

Menin Lnigi Abate Profesaor in Pa- 
dua 486. 

Metternich 890; 1888 in Mailand 
886; in der Angelegenheit von 
Ferrara 8S8S 887—889; ,mQde des 
Lehens« .'i27; über Pins IX. 330f.. 
367; Bekümmernisse wepen Ita 
lieus 329—331, 413 f.; bt>.ahsich- 
tigte Reise nach Venedig 331; 
über die lomb.-venet. Begientng 
858, 418, 497 «i |MMte. 

— ' KlinkowstrOm Aus Mettemich's 
nachpol.isspnpn Papieren (Wien 
BraumüUer 1880—1884) 323 >, 827« 
e< paaHm, 

— Farstin Melanie 887. 
Meneoi Pine-Hynine 866. 
Meyer Bernhard 363. 

Mi ch 0 1 an o;elo 394*. 
Micholini in Rom 365, 374. 
Minardi Polizist 320. 
Minerva Stodententegion 861. 
Minghetti Maroo 888, 809, 814; im 

Geiste Gioberti's 818, 364, 412*; 

Secretlfar der Conaolta di Stato 

368, STD. 

— Ricordi (Roma Ronx 1888) 282* 
et pcuHm, 

Minto Lofd 806. 



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5id 



MittermRier S88. 
Moden« Streit mit Tocceiw 869f.; 
Oeterreichischc Brsataung 4B>6; f. 

woitcr Franz V 
Moni CO Giaconau Patriarcti vou Ve- 
nedig 

Moatelembert 88t. 

H o n tan el 1 i Oinaeppe 31 1 1,370,377. 

Monti Adella 8. Zenner. 

— Vincoiizn 270. 

M o r a ti (I i Giuseppe Progovematore 

zu Rom 320 f. 
Horiai Msgr. 319. 
Moaetig Andrau Med. Dr. Proto- 

medicua 267. 
MülTor Si.pvv;irt :562f. 
AI ü II c Ii in ffc '1 Uaron 377. 
Myliu» Heinrich Vice-Präaidont der 

ICailinder HandeMttiiiidMr 494. 

Nagel Joseph k. k. Lientenent bd 

KinHky-Infantcrie 477. 
Napoleon Ode 279; Bil(liiis.se 280, 
Nardoni piipsUichor Obrist 31üf. 
Natalueei Tiberio Piii»'H7nme 815, 

446. 

Nazza ri Giovanni Bett. DoDklcbTift 

r5r>n f , .-{59, 416. 

Neipperg Graf Gustav k. k. (uuic- 
HanptDUiDa 347, 39(), 400, 

488; TerllHt HeUend 403. 

Nero 861. 

Nenmenn Leopold von, Recn^'il <Ii\-4 
trnitAs etc. (I^eipzig 1H58) S. 376«. 

ii u n z i a 1 1 1 1 ■ Vc nl 5 n .1 n d n neapolita" 
nisclu r (icueral 360. 

ODonell Oraf Heinricli Yica-Pritai- 
dent de« k. k. lomb. OnberBinnw 
317, 364«, 446. 

Occhsnrr Baron 377. 

Olga GroBsltirstin 450 f. 

Olgteti Kaufmann 887, 437. 

d«II*Ottgaro HVaaceaeo 398. 

OppisBoni Qaetaao Gnf Areiprete 
391, 494. 

— Carlo Cardinal-Ersbiachof von Bo- 
logna 391 f. 



Oranien 298. 
Origoni Maria 857. 

O r i 0 1 i Antonio Francesco Cardinal 
des Anatriaciamna verdächtig 309, 

322 

Orsi L'ltaliA uiuderua ^Milano Ilocpli 

1900) 364* 0t potaftn. 
Ottolini La riToInsione lonbarda 

(Milano Hoepli 1887) 308^ 

Pacht a Gr.it Karl k k. Gubernial- 

rath 267 t., 294; ,Mephiatopimles 

dM Grafen Bpani* 399. 
Paeini (Paeeini) Oiimppe Sehmied 

t 890', 492, »00. 
Päd na UniverBitit wieder erOAiet 

606 f. 

Pagani Giulio k. k. Polizei-Obor- 
ConuniflsRr 868. 

— Laigt nnd Antonio a. Matti- 
roll. 

— rnmischor Advocat 309. 

PÄlffy von Erdnd Graf Alois Gou- 
verneur von Venedig, ,ohno Kopf 
468. 

— Gilfin in Malaeika 866. 
Pallavicino Qiorgio MareheM 861, 

287, 4U». 

— Memorie (Torino Loescber 1882) 
287«. 

Palm ersten 883, 388» 848*; ,Lovd 

Fenerbraad* 808. 
Pantaleon! Arzt 3(i5*. 
Pantonnn nf>hetmband 296^. 
Pareto 'iOO. 

— Damaso 36ö. 

— Oaetano S74. 

Parma Differenaen mitToneana 869 f.; 
reTolnttoniert 416 s. anch Maria 

Louise und Karl Ludwig. 
P a r r a V i c i n i Cesare 347. 
Pasta Sängerin 286. 
,Patria* 313, 34ö, 471. 
Panlaeei delle Boneole Harcheec 

Gouvemenr von Genna 860, 378. 
Pavia Studenten 1820 s. Minerva; 

StudentcnuMrulMni 1847/48 S 393; 

Proviosial-Congrcgation 358. 



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516 



Peel Robort aG2. 

Poll i CO Silvi« 279. 

— Domherr in Keggio H6ü. 
Pcpoli Graf 846. 
Pescantini 378. 
Peiitti 318. 

Philippslx'rg: Eugen von k. k. Le» 
prationsrath 383. 

Piautoni ». Polizei. 

Pillersdorff erste Bekanntschaft 
mit Casftti 291; 6. welter Chro- 
nologische üebersleht. 

Pius IX. Papstwabl und Huldigungen 
•2'»7 f., 317 f., 34« f., 379 f.; im Ge- 
driingo der Parteien 309, 3G7 ; 
g(!gen den Mißbrauch seine« Na- 
mens 349; Pins-Hymnen 317, 846, 
▼erboten 389, 446; Pini-HedaiUen 
411, verboten 378; ,il Pap* del 
progreHsn* 330; Reformen und Ge- 
währungen 446 f.; s. weiter Chro- 
nologiaubc Uubcrsicht. 

Polisei-Ueberwacbnng- des Frem- 
denverkehres 866-868; poliisiotti, 
,pollin' 339; Plantons piantoni 
378, 47'J: auch Bolsa, Pagani, 
Toricsani 

Pouiba in Turin 472. 

Ponsonby Lord btitiseher Bot- 
schafter in Wien 388. 

Pontida Lega rli :i3-J f. 

Porro ehemaliger I^rUfcet 

— Alessandro Nobile iiohn des Fol- 
geudun 316. 

— Giovanni Pietro Graf Mitglied der 
lomhardiseben Central -Congrega- 
tiun Geheimer Bath 316, 357, 
439. 

— -Lam bertcn gh I 2t>l, 303. 
Po.stloge (geheime BricÜogc) 2üü f., 

487. 

PosBobonelli Cardinal •Ersbisehof 
von Mailand 301, 488. 

Prinotti ;?H9. 

Prutjs Kalinor Friedrich 1. (Danzig 

1871) 333». 
Pjrkcr Ladidaus Patriarch von Ve> 

nedig 269. 



Badetsky 205,331; bewaffnete In- 
tervention im Rfimi«irhen ? 322 
bia 324, 376, 383; gegen Au«- 
sohreitungiui des hUlitilxB 882; 
Voransbliek der kommenden Er^ 
eignisse 388; in den Jannwrtagen 
1848 S. 389; ,quel vecchio Nc- 
rnnc' 105; im Widorstrfit mit Fic- 
quulmout 4ö4; Tod seiner böhae 
469. 

Baimondi Oioigio 896. 

Bainer Erabenog-VioekOnig 863, 

276, 285, 294, .'m^. 3-i9f., .3S6; 
seine Familie 264; ,dor halbe Sou- 
verain' 263 f. ; beengte Stellung 353, 
461 f.; in den Januar tagen 1848 
8.378,880,890,408; angeblicher 
Brief an Spanr 396, 398; ver- 
schinipft von spateren Schrift- 
steil orn ä98; Alterego des Kaisers? 
413 f. 

— d. jüngere, Erzhcrz(^ 264. 
Baachverbot in Mailand 880 f., 

386 ff., 402; ,viva il ftimo« 384; 
Casati's Uelnang 409. 
Bethhcro'er von Rochkorn Sa- 
muel Kitter k. k. Uofrath 267, 
329«. 

Beichlin» Heldegg Joseph Frei- 
herr von k. k. Migor 396. 
K c s t a Gtnseppe Graf k. k. KKmmerer 

4.^9. 

Kevic^ky von Rcvisnye Adam k. k. 

Hofrath 267. 
Bio eh in 1 Johann k. k. Uentenant 

bei nangwitz'lnfanterie 471. 

Ricci aus Turin 300. 

R i c c i a r d i Marchcse aus Neapel 378. 

— Giu.seppo 360'. 

Ridolfi Marchc.te Cosimo 377. 

Bisorgimento, Storia del (T<Hino 
Cassone 1848) 897> elpaatim; be- 
richtigt .1-21". 

Robbinui Pellcgrini 347. 

K*' 1)1' CO Iii Piotro Advoeat His. 

Rom Civica 319; Cousulta di r>tato 
868f.; Circolo romano 880; Hntdi- 
gnngen fttr Karl Albert 866, 367 f.; 



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517 



Diatio BooMUio flS5; Qioniftl« di 
Rom« s. auch Chronolo* 

gisch« Uebersicht. 
Romeo Dotnenico hingerichtet 
BomilH Bartnlnnieo Carlo Graf Ui- 
scbof von Crcmona 313; Erzbischof 
▼an Mailand 832; HuUligungcn 
und F«al]iclikeitieii,Stnaaenezce8M 
«88,410£, 48B, 451 f. ; in den 
Januartagen 1848 8. 390f.,443; s. 
anch Chronologische Ueber- 
sicht. 

Rosata Fortanato Mario Domherr269. 

Roapiglioii FHirst Gonunandant der 
CiTica 820. 

Rosebacber Rudolf k. k. Ilaupt- 
iriRim im General-Qaarttermeister- 
5tab 603. 

Rossi PcUegrino frautOsiBober Ge- 
sandter ht Rom 34«^, 374. 

Roaaini 286} Pias-Hymn« 836r446. 

Rothschild .Amsebel* 476f. 

Rotteck 288. 

äabatcUi Luigi 289^ 

Sadowiki Fanny Schaiupielerin 378. 

Saint-Jntt 417. 

Sala Cesarc 491. 

.^.il.-nlini ?s. Tett«yni. 

Salio vSogliü Freiherr Ulrich von 

General 362. 
SaWagnoli 300. 

SaWotti Anton für da« Departement 

der Jnatiz 414, 420. 
Samhnrfr »ardinischer Christ 290. 
Samuvlow Orsitin 400. 
San Carlo Ikirromco 461 f. 
<— Q«ldino Biiehof von Mailand 

333, 448, 452. 

— Gorvasio GiroL^mn di. .Iiir. T>r. 
Mitglied der lombardiscbeuCentral- 
Congrcgation 357*. 

— Marzano Ennolao Asinari di, 
sardiniseher Minister des Aensseren 
365, 374. 

Sand George 279. 
Sandrini Giuseppe Emcrico Mai- 
IXoder Frotokolls-Director 362. 



Sanfedisten-VenohwOmng in Rom 
319 — 321 ; Ssterreiehiache Macken- 
Schäften? 382. 

Sanpictro Giovanni Batt. k. k. llof- 

rath 3n7K 354», 441, 

Sau r au Grat Oberster Kauzler "JOH. 
»calvini Qiovita 258. 
Scanaiani Carlo 881. 
Schaek ,Ma£zim' 419. 
Schizsi Folcbino C* Mitglied der 

lombardischen Central •CoDgrega» 

tion 857«. 
Schmerling Joseph Bitter von k. k. 

Hauptmann im Oeneral-Qnartier- 

meisterstab 471. 
Schönhals Erinnerungen (Stuttgart 

und Tübingen Cotta 1852) 8. 36*2». 
Schwarzenberg Fürst Friedrich 

Cardinal-Erzbischof von Salzburg 

leimt den Rnf nach Mailand ab 

808, 313. 

— Fritz der Landsknecht266,362,470, 
Schwfiz Snudi rlnind - Krieg 469f., 

472; Sc Ii w etiler Mietbtruppou in 
Facnza 321; iu Ferrara 323. 
SoiT« Giuseppe Schuster hittgeriditet 
860. 

Sch«8ti«ni 281. 
( h r o «r •> n d i Giuseppe Cevaiiere k. k. 

llulrath 267. 
Sccondi I'ietro Dottorc 881*. 
Sedlttitsky 279£. 305S 345. 
Serristori Graf Lnigi General-Gou- 

vrnuMir von Pisa 877. 
S 0 1 1 a 1 a Cuntessa Lnigia Term. Casati 

257. 

— Graf 351. 

SeTorns k. k. Oberant 504. 
Sigismund Enhenog 264; Briga- 
dier in Bergamo 393, 469. 

Sigiifiris Frau r?P..'i'. 
.Silva Guglielmo Muuicipal-Secreiär 
316, 385. 

Solaro delia Margarita saidini- 
scher Minister des Aensseren 329, 

366. 

della Somaglia Giovanni 876*. 
Boucino 468. 



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518 

Sonnaz Genera] :)f>4. 

Spaur Graf Johann Oonvfrneur der 
Lombanici 287, 294, üUS, :JH4. 356 
et p€uaün\ gogon die Müiläuder 
UiuiieiiMJittt887-839, 345 j Inden 
JaniUTtagen 1848 8. 898, 4(», 404y 
409, 493; Abkehr der Öffentlichen 
Meinung 399; ,«por maggiore* 
475. 

Stephan Erzherzog 460. 
Bterbini 890. 

Straasoldo Gref Jolins GmiTiBniear 

der Lomlwrdei 96«, 874. 
Snini ortoleno 498. 

Taatlc (Jrat Ludwig Juatizpräaident 
808. 

Tnberrini Qino Cepponi (Firenxe 

Barl.artN 1879) 8441. 
Tanari 412». 

Tar.sin i päpstlicbor Ilaoptmann 321. 
Taverna i'aulo C" k. k. Kämnierur 

858, 359 \ 438 f. 
Taxie t. Thnrn. 

Tedesehi En» der Italiener 298 f. 
et pa.anvi] ,mnrte ai Tedcschi' H70, 
474; ,8cat « iata dei Tf^fleschi' 20?>, 
602; ,Nou 6 pcrmesso di parlar qui 
tedesoo* 601, 804. 

Tetsin Centen 489 f. 

T c 1 1 o n i e 8 aUdini Teatro anüdieo 
257. 

Tbnrn und Tn-nU Fflr^t Wilhelm 
k. k, ücnoral-Major 465. 

Tibaldo Biografia degli Itoliani 
illnatri 857. 

Toccagni Lnigi 816. 

Tommaseo 416, 485. 

Torrcsani von LanzfrH Karl 
Jostas General-Polizei-Dircctor in 
Mailand 264—866, 2ö8, 303, 364, 
856, 868* et {mmAm; für das De- 
partement des Innern? 414 f. 

— Pietro eein Selm firUher Tod 817, 
446. 

Torrcsini Giuseppe Professor. 
Torriceni Franc. O Proviusial- 
Delegat in Mailand 898, 488. 



Toflcana Orosshorzogthnm innere 

La<,'e im FriÜijahr 1847 8. 309; 

Verwicklunf^cn mit Modeiia 369 f.; 

revolutionirt 416, 44U, 453, 484; 

■. weiter Leopold D. 
Treeehi Baron 861. 
Troya Professor 374. 
Turin Unruhen und Aufläufe 36öf.; 

Zoll- und 1 landidsbündnin mit Rom 

und Tüücana d. Lega di^anale. 
Tyroler in lombaidiaob-Tenetiani- 

•ehen Aemtem nnd BehOkden S68f. 

Übaldi o Brunati SO?. 

Udinp 394; I'odo.^Ui s. Dragoni; 

BrxbiHchuf b. Bricito. 
Ugolint Oinaeppe Cardinal " Legat 

▼OD Fbrrar« 880. 
«IXaiTers' 889. 

Vanni Filiiipo 316. 
Vaauicclli-C asoni Luigi Cardinal' 

Legat von Bologna 818. 
Yannueei lUrtiri della libertfc tU- 

liana (Fironze Le Honnier 1860) 

'jsi», ■^<^oK 420, 
Vauthicr i.inzorin 349. 
Ventura P. 320. 
Verde Dottor 990. 
Vernet Horaoe 881. 
Verri Contesaa Pnbllcistin 366'. 
Vial iu'a|i«)Iifanisilior General 361. 
Victor Eniaiiuel Herzop von Sn- 

vojen vermählt mit Ersberxogin 

Adelnde 888. 
Villa Carlo Pietro C*- Dr. 857^ 
Villani Hareheae 388. 
Villamarina aardiniaeher Kriegs* 

Minister 365. 
Villata Ritter von Villatbnrg 

Carlo Poliaei-Obcr-Commifl^ 489. 
Virginia 894. 

Vi «conti Filippo GarÜnal-Bnbi- 

scbof von Mailand 301, 481. 
— Duca .W, 410, 4".I4. 
Volu Teodoro Bayard de, C<", Vita 

di iVancoflco V. (Modena 1878— 

1885) 876*. 



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Ö19 



Wagner Vmm FtoUnl-Sveretilr 8^7*, 
SSO. 

Wallmodon-Gimborn LndwigGraf 
k. k. G. «1 C. 387*: in Oiuist bei 
den MaiHlndern MVtn. 

Weber Beda Charakterbilder (Fraok- 
Airt a.H. 1858) 808*. 

Weifen and Ohibellinen 880. 

Wimpffen Emil Qraf 266. 

— Frana k. k. FML. 266. 
Wratislaw von Mittrowitr. Oraf 

Jobann k. k. Oberstiieutenant im 
General - Quartiermeisterstab 471, 
60t. 

— Oraf Bogen k. k. FUL. 414. 



Zanelli AgMlfaM> Adveeat Mitglied 
der lombardiMken Central- Con- 

gregation 367*. 
Zaun er Josephine SAngerin, Adella 

Monti 288. 
Zeitung Ängsburgcr Ailgemoine 363. 
Zicby Graf Ferdinand Stadt- nnd 

Featnnge^nunandant in Venedig 

466. 

Z i 1 1 e r Edler von Taabendorf Alois 
k. k. t'oliaei-Ober-Commiwriir in 
i'avia 379. 

Zuppi Maoicipal-Oekonom in Hin- 
land 818, 816. 



S. 265 Z. <J V. o. 

» « » 6 

» 967 n 10 v.o. 

. 274 „ 19 

, 284 „ 2 v.o. 

„ 287 , 2 v.u. 

„ 303 „ 20 v.o. 



Errata. 

statt Antrodocco 
„ Bona 

„ Segrebondi 

„ nationali 

n Belliaooi 

„ coli ordiiic 

. Coufalionieri 



licts Autrudooo. 

„ Briaa. 

, Santa. 

« Sebregondi. 

9 uazionali. 

„ Bellisami. 

„ da coiA urdini. 

. Confalouicri. 



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DIE BAÜMKiKCHEK 



GESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNGEN 

TOS 

¥^ FRANZ VON KRONE S, 

ooaaup. MiroLUDs du kau. AtAonin me winniaoHAniii. 



AMilf . xa. tL n. muta. 34 



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Vorw ort- 



Dcr Vc rfasscr hat jünfjst am Schlüsse des Vorwortes zu 
seiner Abhandlung , Beiträge zur Geschichte der Bauinkircher- 
fehde (1469—1470) und ihrer Kachwehen' (Archiv filr Oaterr. 
Gesch., LXXXIX. Bd., 2. H., IdOl) bemerkt, daes er ,das 
Ergebnis seiner Forscbnngen Uber Herkunft, Vensweigung und 
Besitz der inncrösterreichischen Baumkircher einer späteren 
Studie vorbehalte^ Diese Forschungen waren damals längst 
vorbereitet und schon ihrem Abschlösse nahe, doch bedurile 
noch so Manches der firg&naong. 

Ist er sieh auch bewnsst^ dass er nichts AbschHessendes 
bieten kOnne, und dass insbesondere der genealogische Verband, 
anderseits die Wappenfrag^e bei den inneWisterreichischcn Bauiu- 
kirchem dem Gewinne der Zukunft und berufeneren Foi'schern 
2ur gedeihlicheren Erledigang vorbehalten bleiben mttsse, so 
glaubt er doch, in mehr denn einer Hinsieht die aosmchende 
Chnmdlage ftlr die LOsnng einer Aufgabe su bieten, die er mit 
Behelfen von ungleicher und lückenhafter Beschaffenheit in 
Angriff nehmen musstc und dennoch in Angriff nahm, weil sie 
ihn seit Jahren immer wieder beschäftigte. 

Dass er auch die tirolisohen Baumkircher hier einbezieht» 
lag nicht nur an sich nahe, sondern hat auch darin seinen 
awingenden Grand, dass Hltere Anschauungen gerade in ihnen 
die Wurzel des Bestandes der innerösterreichischen Namens- 
verwandten orblickteu. 

34* 



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584 



Anderseits sah er sich immer mehr Teranlasst^ die Ueber^ 
zeugimg zu Yertreten, dass der bedeatendste, gesebiehdicb allem 
zur Geltung kommende Baumkircher Andreas, vom Krainer 

Zweige der iuiicrüsterrcicliisclicn Oruppc, was Herkunft und 
ererbten Besitz anbelangt, mit Steiermark und dem dort sess- 
hafiten Grundstock dieser Gruppe in keinem unmittelbaren 
Zusammenhange sttlnde. In dieser Beziehung brach er mit 
einer Anschauung, die ihn yor 30 Jahren noch etwas becinflnsste. 

War es daina.lsaus8ch]ies!>ll('hdiegescliichtliclie Rolle Andreas 
Baamkirchers, mit weicher er sich beschäftigte und noch in seiner 
jüngsten Studie zusammentraf, so bietet er hier Untersuchungen 
über die Familiengeschichte und den Güterbesitz der Baum- 
kircher überhaupt und Andreas Baumkirchers insbesondere. 

Ausserdem lag es nahe, auch die Rolle seines illteren 
Sohnes, Wilhelm (U.), als westungarischer Magnat in der Vor- 
geechichte des Pk^ssburger Friedens (vom Jahre 14dl) zwischen 
den Habsbuigem und dem Wahlkttnige Böhmens und Ungarns^ 
Wladislaw, zu beleuchten ond jenen Theil des bezügliehen 
Vertrages zu erörtern, der die Entschädigungsansprllche der 
Baumkircher, die sogenannte ,Baumkirchersclmld', betrifft, um 
so jene ;Bcitr»ge zur Geschichte der Baumkircherfehde und 
ihrer Nachwehen' zu ergitnzen. Hiebei mussten natoigemäss 
der Heereszug Maximilians I. und seine Parteigflngerschaft in 
Ungarn (1490 — 1491) zur Sprache kommen. 

Das Ganze zerfUlIt somit in nachstehende Abtheilungen: 
L Die Baumkircher des Steierlandes, Kärntens, Tirols und 
Krains. 

II. Pecsdniiche und Besitzverhfiltnisse der steiriscfaen und 
kitmtnischen Baumkircher. 

iil. i^utwicklung des Besitzstandes der kramiijchen Baumkircher. 
Andreas Baumkirchers Anfänge. 

IV. Die GUtererwerbungen Andreas Baumkirchers; seine Hei- 
raten und Kachkommensohaft. — Rückblick auf die 
gewonnenen Eigebnisse. 



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525 



Dasn als Anhang ,Die Geschtclite ^es Pressbnrger 

Friedensschlusses vom 7. November 1491 und sein Iiili.dt mit 
besonderer Rücksicht auf Wilhelm Baumkircher, Frciherrn 
V. Schlaning nn l seine Quter- und Geldan8präche^ 

Was die dem Verfasser am nflchsten Hegenden Behelfe 
anbelangt, so ersehlossen sich ihm dieselben im SteiennMrkischen 
LandesarchiT, ftir dessen unbeschrankte und erleichterte Be> 
luitzLing er dem Vorstaude, Regicrungsrath J. v. Zahu, und dem 
I. Adjimcten Dr. A. Meli, Universitäts-Docentcu, verpflichtet 
bleibt. 

Anderseits muss er jenen Fenönliehkeiten bestens danken, 
die ihm wertvolle Mittheihmgen und Winke zukommen Hessen. 
Es dnd dies die Herren: A. Jaksoh, Arehiysvorstand am 

RudülHuum in Klagenfurt; Mich. Mayr, Universitäts-Professor 
und Vorstand des Ötatthaiterei-Archivs zu Innsbruck; Alfred 
Anthony Ritter y. Siegenfeld, Hofconcipist am k. k. Haus-, 
Hof' und Staatsarchive in Wien, und F. E. Zub, fUrstHch 
Sehwansenberg'scher Archivsvorstand in Muran. — Was er 
ihnen im Einzelnen verdankt| findet sich in den Anmerkungen 
zum Texte dargelegt. 



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I. Abtheilung. 

Bio Baumkirciicr des Stoierlandes^ Kärntens, Tirols 

und £jrains. 



1. INe Bsnmkixeher Ob«rsteitniiarks. 

ZnnilcliBt finden wir die Trüger dieses Namens aof dem 
Boden Obersteiermarks beurkundet nnd dürfen sie unbedenklich 
mit dem Dorfe Baumkirchen beim Pfarrorte Weisakirchen, in 
der Gegend von Jud^iburg, yerknttpfen. Baumkirchen taucht 
als ,Pouminachiricha', ^Pouminachirichnn', mit seinem ursprüng- 
lich aus ^Holz' erbauten Andreaskirehlein, bereits um 9db,^ 
mithin noch frflher auf als das benachbarte WeisskiTchen,* 
wenn dies gleichwohl nur aufilllig ist Denn 1103^ in der Be* 
stiftungsurkunde des Eämtnerherzogs Heinrich , des letsten 
Eppensteiners, für das Kloster St. Lambrecht^ wurden znnllchst 
die ,St Veits-Pfarre' in Weisskirchen and dann als ihr be- 
nachbart die yKapelle' oder das ,Ktrchlein' von Banmkirchen 
angeführt.' Weisskirchen war somit der ältere, der Pfarrort 

Dennoch scheint die Pfarre Pohnsdorfs (VansdorQ, des 
Salsburger Hauptortes in diesem Landstriche, ältere Rechte auf 
die St Andräkirche in Baumkirchen besessen zu haben, da 



' Zaliii, UrkuQdeabuch der Steiermark I, 26. ,AtrIuiii eccleaiasticum' huisst 
huir dM Srchtein» denen Sebateheiltger Andreae 1807 (•. w. n.) or- 
kundlieh boaeugt wird. 

* Enoheint sanlehst um 1066 in dem bekannten, wichtigen Ueberein» 

kommen des Eppcnstoiners Markwarcl mit Erzblschof Gobliard von 
Salzburg: übt-r dio Pürron in .seiaem Gebi&t«), Zahu, a. a. Ü. 78, 79. — 
Wiederholt wird dann Baumkirchen als ,ob Weissenkircben' bezeichnet. 

* Zehn» a. a. 0. 110^111, eeeleeiain 8t Viti Wtsanehircben cnm 
adjaeenle aibi eapella BoTotehireben . . . 



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m 

Uni der Urkunde ErsblschofB Eberhard H. Tom Jahre 1807 
der Abt von St Lambrecht Beinen dieefilUigen Anspraohen 
entsagte.* 

Seit dem 14. and 15. Jahrhundert tritt in der SchreOrang 
des Ortsnamens jPAm-^ und iPdmkirehen' immer mehr in den 
Vordefgrnnd.' 

Das mit diesem Orte und seinem Namen verknapfte^ hier 
also ursprünglich sessbafte Adel^geschlecbt begegnet uns nr^ 
kundlich zum erstenmale 1227 in den QebrUdem Gundaker 
und Mark ward, als Zeugen einer Urkunde der Herren Leutold 
und Ubich Ton Wildonie su Gunsten des eberUtaidischen Ober- 
herrenstiftes Seokau.* Sodann erscheint Gundaker, der Aeltere 
▼on beiden, 1233 als Zeuge in einem Schiedbriefe des Pfarrers 
▼on Pöls, Eberhard, anltfsslicb einer Streitsacbe zwischen dem 
vorgenannten Chorberrenstifte und dem Fobnsdorfer Pfarrer 
Pilgrim.* 

Diese karglicben Angaben legen uns die Vermutbang 
nahe, dass diese frühesten uns bekannten Vertreter der ober- 
steiriscben Baumkirefaer in naehbarlichen oder anderweitigen Be- 
oefaungen sum Seekaner Chorberrenstifte standen. Ander- 
seits können wir aus ihrer Stellung in der Z eugenreihe ^ keinen 

* Zahn« a a O II, V21 , Nr R'i Es handelte sich bei diesem Streite z vi '^ liou 
8t. Lambrecht un<i dem ftVirrer Rberbard Ton Fohiuidorf um die Kircbea 
zu BaunikircheD uud sa Obd&cb. 

* Zslin, Ortonimmbneh der 8tai«rauutlt im liitteUatar (OrM 1898), B. 25. 

* (PoMlHFMItldi) IKpl«B. t. dtto. 8l;yiiM I, 808; Zahn, Urkondenbaeh der 

Steiermark II, 829 (vor 1227, Februar 17, Graz), .Gnndacherus de Bovai- 
cbirohen, f rat er mns Marchvnrdus'. Vgl. Machar V, 106 (QngeilAa); 
er wiedorholt diese Urkunde zum Jahre 1229 (S. 112). 
^ (PuBcb-Frölicb) Diplom. 8. dac. ätjriae I 2uü ; Zabu, Urkuudoubnch der 
Sleiemwrk II, 402, 18. Jmil 1888, Pele. Tgl. Mncher V, 123, und 
noehinale 186 — 186. 

* 1227 folgea rie dem GeSetlielieii: Eberbardns ^senior* (conventus) als 
die beiden ersten Zen^en des Laienstandes, denen dann ErTif>?!tus de 
Eppeuatain, Cbunrados de W i 1 d u n i a und Chnnradus de Mura rul^''nn. 
£rnst ¥. Eppeustein (bei Jadenbuigj erscheint zunächst 1222 (Zahn, 
UrkDndenbneli der Steiermark II, 880) ia einer Stnbenberger Urkonde 
ab Zeuge maeh Herwig von Hokenweng (bei Mflnninblag) und ror 
Bertmann v. ,Parenekke*, ,FamelE* (necb Zabns Urkundenbncb der Stelet^ 
mark II, Index, 8. 604, beziehung-sweise 609, Bcrurck im Kärntner 
Lavanttbal), welcher Letztere wiederholt 1216, UJ2, 1230 (Zahn, Ur- 
kundenbncb der Steiermark II, 211, 212, 290, <iü7) als Zeuge auftritt, 
and dürfte gleich dem Erchengenia de Eppenatain (Zahn, Urkunden- 



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528 



sich(?ren Schluss ziehen, ob sie dem Stande der Ritter (niilites) 
oder dem der adeligen Knechte (eHcntes) zuzuweisen seien. 
Die bezüglichen Urkunden des 14. Jahrhunderts lassen uns 
schon klarer sehen, und das Letztere als sichere That- 
sache bewahrheitet finden. 

Drei Jahrzehnte später — im ,Rentenbuehe' (Rationarium) 
Steiermarks von 1267 stossen wir auf einen (ungenannten) Sohn 
Gottschalks B. als Inhaber von zehn landesfUrstlichen Erb- 
lehen.* Wieder klafft eine Lücke, bis wir 1308 einem Chüntzlein 
(Kuntz, Konrad) B. begegneDi* deeaeii Besitz in oder am Morau 
belegt erscheint. 

Von ihm müssen wir wohl jenen Chunrat (Konrad) 
B. unterscheiden, der in einer Judenburger Verkaufs- 
urkunde mit einem ,burgrechtlichen Dienste* von 42 Pfennigen 
eingetragen erscheint (1350).* 

Ein Zeit- und Geschlechtsgenosse jenes Chüntzlein, ohne 
dass wir jedoch einem genaueren Verband auszuklügeln in der 
Lage sind, war jener £berhard B., dessen und seiner Ehe- 



buch der Steiermark II, 258) dem Ritterstande angehört haben. Kon- 
r&d y. Wildon üt offenbar ein Borpiuuui oder adeliger Knecht der 

Wildonier. 

In der »weiten Urkunde von 1S80 folgen den drei geistlichen Zengen 
raniebfl Ortolfos de ,8tregwis* (Strehrioh, 8 tr et weg), Albertat de 
Nnadorf (Nneidorf bei Judenborg, oderbd Knlttelield, Zahn, Ortsnamen- 

buch der Steiermark im Mittelalter 360) und sodann Gundakor von 
Baumkirchen, der dem Otto v. Winden (bei Judonburg-Püls) vor- 
angebt. Ortolf V. Stretweg gehört einem der ältesten und bedeuteudäten 
ritterlichen Geaehleehter Steiermarks an. Albert t. Nussdorf erscheint 
ItSO— wiederholt ela Zenge, nnd airtr eires 1S90 (Z«hm JS^amSm- 
buch der Steiermark 266) nnmiUelbar oadi den Gehrtdem Erotten» 
dorf (im Marzthal) und wird 1242 (a. a. 0. II, 521) mit Gerung v. ,Mnre' 
bei Knittelfeld, Zahn, Ortsnamenbnch der Steierninrk im Mittelalter 348) 
als miles besetcbuet, während Otto v. Wiudeu sich fünf Bürger von 
Knittelfeld als Zeugen anreihen. Ein ^Alprat' t. Winden (II, 573, 1245) 
enMsheiat ab leteter Zeoge^ dem weiter oben ein Amtmann (offieialie) 
des Herrn t. BmOiteaatein Toraogelii. JedenfUIi liegt die Anltenng 
näher, da» der Bnnmltirebei dem Stande der edeligm Kneehte «n» 

gehört©. 

' Ration, öt. bei A. Rauch, Script, ror. Austr. II, 174 : dorn. Rox (Ottokar IL) 
infeodarit fili um Gotscalci de roumeuchircheu in 10 Feodis 
Itomine meo hweditarie «ttinentibitt. 

' S. daa Nihera in der II. Abtfaeilnng dieaee Animliee. 

• Ebend. 



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529 



Mechdiild (Mathilde) ab Eltern auch einee Eonrad B. 
ein Seckauer Todtanbuch gedenkt, und wir wissen Überdies, 
dass der LetstgeDannte 1346 ^Küster' oder Gustos des Ohor^ 
herrenstiftes war.^ 

Zu gleicher Zeit (1345) taucht ein Weigant y. B. mit 
seinem Eheweibe in einer Judenburger Urkunde auf,' und 
fünf Jahre später, also gleichseitig mit jenem Laien Chunrat 
B., der 1850 uns begegnete, finden sich ein Dietmar v. B., 
Gatte einer Kathrey (Katharina), und seine Schwester Chuni- 
gnnde, Hausfrau Wülfings Ton ,Fl8chol&perg' (Bischofbeig 
bei Neumarkt) beurkundet' Wenn dann eine Urkunde vom 
Jahre 1374 einen Alb er und Dietmar t. B. anfilhrt^, und 1375 



* Im Necrolog^uB »Cmifkkternitatis* dM CfliorliMTenatillw Snoksn (Puch- 
Frelicb, Diplom. dno. Styria H, 8. S65 sn vm Idas Novambris. — 

Das botreffende Heft der Ausgabe der Necrol. dtoec. Salkb. Yon Herta- 
berg-FrSnkel für die Mon. Germ, lieg^ mir noch nicht vor, obschon os 
bereit«» in der 2. Anflage des Weg'weisGrs von Potthaat 1896 mit der 
Seitensabi aufgenommen erscheint) heisst es: Eberhardus et Mech> 
tildifl Parentes D. Cbanradi de Panmchirohen. Aiueerdem findet 
«idk in der fleiadfon baodiebriftliebeD Arbeit de* Seekaaer Decans 
Dr. Fard. MathiM Oansier (f 1749, Verfuser der ,Yita episeoponim 
Ssccoviensium* und der dentMch geschriebenen «Chronik von Seckau, 
(». [FiirstbischofJ Dr. Leop. Schn?itcr, FOrstbist hof Martin Brenner, Ora?!- 
Leijizlg 189Ö, 8. X) — ,Pr68ulatU8 Seecovieusia' .... I, 1140 — 1348, 
II, 1348—1480, UI, 1480— lölO, IV, 1510—1740 — in der pars U (Exem- 
plar im iteleniiXrkiseben Lmideiarobiv, Nr. 825), p. 97S->978 folgende 
Stelle; In seenndo missalis antiqniasimi neerologio Vni Idna 
lUrtii (8. Min) ,Eberhardaa de Panmcbireben ei MaeebtUdis 
nzor sua'. 

Das Seckauor Docnment von ,Domin. prima post Epidii' (3. September) 
1346, worin Propst Kudülf und neben ihm Chuuradu.s do Pauni- 
kircber als ,cnstos' und ,caaomcu8' erscheint, citin schon J. A. Cäsar, 
Ann. dm. Sljilae m, 908, bei Srwibnnng jener Stelle im NeeroL Seeeow. 

Die Urkuide ist dentieh abgeHuet, datirt vom 8. September, Knittel- 
Celd (Steiermärkisches LandeeanbiT, Original, Nr. 2S89), und Kcmiad 
erscheint darin als ,Chuntz Pauinkirthen zn den Zeiten custer'. 
Öollto etwa jener ,Chilntzel' Tom Jahre iäüb (s. o.) der Vater des 
Eberhard gewesen sein und unser Seckauer Chorherr und Custos den 
Namen des GrcNnvater» erneuert beben? 

* 8. die niebeto (□.) Abtbeilni«. 

* Steiermärkiscbee LandeiardiiT, Original, Nr. 8418, datirt Tom II. No- 
vember 1350. 

* Steiermärkisclies Landesantbiv, Copio, Nr. 3210, datirt ^om 14. December 
1374. VgL die nKcbste (II.) Abtheilung. 



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530 



ab Gattin des Letzteren eine Anna genannt enebeinty^ so dürften 
wir dabei an Sühne jenes Dietmar vom Jabre 1350 denken. 

Bisber batten wir es innerbalb eines Zeitranmes yon nrnd 
ISO Jabren (1227 — 1375) mit einzelnen, meist wecbselnden 
Vornamen der Banmkireber zn tbun, nnter denen sieb bloa 
,Konrad' und ^Dietmar' wiederbolen, obne dass uns bestimmte 
Anbahspunkte ftlr die Geschlecbtsfolge, Angaben Uber eine 
dienstltcbe Stellung der oberlAndiscben Banmkireber oder 
sicbere Nachweise ibres Familienwappens rorlfigen. 

Am Ausgange dieses Zeitranmes bescbäftigt uns ein 
neuer NamOi Ulriob^ dessen IVflger wir an der Hand von 
Urkunden mebr denn 30 Jabre zu verfblgen in der Lage sind. 
Er erscbeint bald da, bald dort^ ein wabrer Proteus in seiner 
dienstlieben Stellang, und die beiden grnndverscbiedenen 
Wappen, die uns in seinen Besieglungen unterkommen, lassen 
das BUgenartige seiner Stellung im Kreise der steiennttrldscben 
Baumkircber um so scbärfer benrortreten. 

Uliicb taucbt zum erstenmale mit seinem Ebeweibe Freyd 
(Brigitta), Tocbter der Frau Alhayt (Adelbeide), in einer Ur- 
kunde des Klosters St Lambrecht vom Jabre 1372* auf* Er 
ftlbrt jedocb im Siegel den Namen ,Ulrieb von Fobnsdorf, 
und als Wappen einen Querbalken im Scbüde.' Ersteres Iftsst 
somit nicbt blos auf seinen damaligen Aufenthaltsort sondern 
auch auf eine dienstliche Stellung in der vorgenannten Burg» 
Stadt des Salzburger Erzbisthums scbliessen, obne dass wir 
hierüber des Näheren unterrichtet wQrden, während das 



* ßteiermärkische» Landei^archiv, Copie, Nr. 3216'». 

* Sbe^ermärkUchesI^de8arcbiv,Ck>pie,Nr.3144^TOllklO. AogortlSTB. Ori> 
ginsl im ArehiT Ton 8t. LMubncht. Siegel ,t & Ulriei de V«iiato«(f)*> 
V. Pohnsdorf schreiben sich Tenohiedene, ritterliche oder dem Stande 
der .Knechte' angehOri^e Familien (so Jakob v. V. ,erbar ebnecht' 1367, 
Steiermärkiüchcs Landesarchiv, Nr. 2986'', Wülfing der »erberigr chnecht', 
1370, SteierraärkischeB Landeaarchiv, Nr. 3079 . . .), endlich »olche, die 
aus dem BUrgerstande hervorgegangen waren, wie die Stejerer von 
Fohnadoif, seit Anfang des 14. Jahili. 

* Der massgebende Kenner, H. Siegenfeld (s. seinen Anhang zu der 
von ihm und Landeaarchiv- Dtrector J. t. Zahn besorgten Facaimile- 
Atisgabe des Bart'schen Wappenbuche», Graz 1893, S. 22 und dazu die 
briefliche Mittlieiiuug an den yerfa»<^er dieser Studie), muss hier als 
Gewährsmann der Ansichten Ober die Wappen Ulrichs v. B. mit Dank 
aogefBhii weiden. 



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531 



Wappenbfld auf einen ^Knecht' oder Einschildritter der auch 
auf dem oberen Marboden begttterten Herren Stnbenberg 
seblieaaen ISast, ab welehe wir mit dem gleichen Wappen eine 
ganse Qmppe von Edelgeschlecliteni^ so die EatBcher, die 
Fbuntaa (Phnnten), die Aflenzer n. a. kamen. 

1380 begegnet uns Tllricb, ansdrtlcklich mit ^erbar ehnecht* 
beseiebnet, abermals, aber nicht mehr als yFohnsdorfer*, sondern 
ab ^adenrichter' in der Stadt Juden bnrg;^ 1887 als ,erbar 
man^ in einem Zengnisbriefe Uber die Rechte dreier Dorf- 
gemeinden in der Umgebung von Knittelfeld^' und hier 
stossen wir aof sein neues Wappen: einen ^sitzenden Hasen', 
darüber einen Steobbelm, den ein ,Banmstmnk' mit abgehauenen 
Aesten ziert* Wenn J. V. Sonntag, der (1840) zunächst auf 
dieses Wappen Ulrichs v. B. hinwies,* mit seiner Behauptung, 
die Edlen von Praitenwiesen** führten das gleiche Wappen, 
,weil sie mit den Baumkirchern eines Stammes waren', im 
Rechte bliebe, so gewännen wir hiemit zum erstenmal einen 
sicheren Anhaltspunkt für das eigentliche Famili<mwap})en der 
Baumkircher, abgesehen von der zweiten Thatsache ilires Zu- 
sammenhanges mit den von Praitenwiesen. Wir künn(!n aus 
eigener Erkenntnis die so bestimmt ausge.sproehene Ansicht 
Sonntags Aveder bejahen noeh verneinen,^ inimerliin wäre es 
vorsehnell, in dem gelegentlieh von Ulrieh geführten Wappen, 
mit dem sitzenden Hasen im Mittelächilde, das ausschliesslich 

* St«l«nBirkiMbM L»iid«nniliiT, Original, Nr. 8866, Tom 6. Kln 1880. 

* SIeienairlusohei Landwarchir, Original, Nr. 8816% romB. D«cembor 1887. 

* So betebreibt heraldiich t. Siegeofeld dieses Wap^ien. 

* In seinom Aufsatse Ober die Baumkircher in der Zeilschritt ,(LirnioUa', 
1840, Laibach, Nr. 103, S. 426, der aber den Hasen aiü ,Bpriii;;eiidan' 
bezeichnet und von einem mit ,Lorbeerzw eigen geichmUckteu Turnier- 
helm' spricht 

* In d«r •oftttuuiatan Kaehaa, •fldlieh von Knittelfold, TgL Zaluu Orts- 
naaMmbodi der Steiannark im Hittelalter, 8. 88 n. 878, in der Pfura 

St. Margarethen. 

* Im steiermärkischen L.nndesarchiv findet sich kein Siegel der Praiton- 
wieser vor. Ah Vertreter dieses Geschlechtes (der Ort taucht 1271 auf, 
Zahns Ortmamenbacli der Steiermark im Mittelalter, S. 63), sind erst 
■eit dem 14. Jahrb. naeliweUilMur: 1818 Heiutsmann (SteiermltrUscbe» 
Leiideiarehiv, 1841); 1886 u. 1831 Chanti o. Chnnrad (1952 2009«; 
1848 . . .) Wilhalm (2208««), 1360 Heinrich (3038) . . . Muchar, Ge- 
schiclite do« Herzogtbums Stoicrrnnrk VII, 868 t&hxt noch som Jahre 
1451 einen Thomas Pnütenwiesen an. 



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Ö3S 

masagebende , ursprüngliche Baumkircherwappen ent- 
decken za wollen, da uns bald ein solches von ganz anderer 
Beschaffenheit und aUgemeinerer Geltung vor Augen tritt 

Bleiben wir Torittafig bei unserer Skizze des weiteren 
Lebensganges Ulrichs, so fUhrt uns eine Urkunde vom Jahre 
1389 mit ihm als damaligen Landrichter des Zeiringer Ge* 
bietes wieder zusammen,' 1393 bekleidet er dieses Amt im 
Bezirke von Enittelfeld,' 1395 im POlsthaler Gkmttrke, und 
die bezügliche Judenbuiger Urkunde ftibrt uns sein mit dem 
von 1387 gleiches Siegel vor' 1397 besiegelt er als Schiedmann 
einen Spruchbrief ohne weitere Personalangabe.* Die Urkunde 
Herrn Otts v. Liechtenstein-MurBU vom 4. September 1404 be« 
zeichnet nnsem Ulrich als bereits verstorben. Wir werden 
ihrer im nächsten Abschnitte nochmals gedenken.* 

Um dieselbe Zeit, in welche die letzte orkundHohe Er- 
wähnung von Uhrich v. B. (äUt, taucht (1404)« ein Niklas B. 
als Inhaber eines Admonter Zinshofes zu Welting (? im Lungau, 
bei Tamsweg) auf und bietet uns in seinem Siegel ein Wappen 
mit Helmkrone, dessen Ifittelschild; getheiit, je drei schräge, 
abwechselnd hell und dunkel gehaltene Felder, in heraldischer 
Sprache einen farbenwechselnden Sparren aufweist.' Da 
wir nun in dem Wappen der kärntnischen Baumkircher (8.w.tt.) 
das gleiche Bild vorfinden, so erscheint hiednrch die Geschlecht»- 
einheit der ausschliesslicb der Steiermark und der dem 
Kärntner Lande durch Amts- und Bedtzverhältniase zuzu- 
weisenden Baumkircher festgestellt Und dies gilt wohl auch 
von den Baumkirehem des Krainer Landes, wie wir an 
späterer Stelle sehen werden. 



> Btoiennirkucbes LrfUidesarcliiT, Oople, Nr. 36840} vom 29. NoTunbar 

Y^l. die Notts bei Wichner, Gescblcbte tod Admont HI, 97. 
' Steiermirküches LaadeBUohir, Original, Nr. 8774% vom ft. Mai 1398w 

» Ebeud., Original, Nr. 3Ö50«, vom 17. Juli 1395 

* Ebend., Oripnal, Nr. 391 0<-, Tom M«i 1397. Als awaiter Beaiegler ange- 
geben; leider t'ohlt das SicgoL 

* 8. die II. Abtheilaog. 

■ 1404, Februar SS. Stoiennlrkiaebea Landesaiehiv, Oopie, Nr. 4118*. 
(Vgl. NoÜB bei Wiebaar, GeMhiehte tob Adiaont lU, ISO.) ,8ig. Niday 

bemkirchen.* Welting wird von Wichner als ,bei Tamsweg im Lungsa* 
bezeichnet; Zahn, Ort<»nam{>ti1>iif)i der Steiermark im Mittelalter, S. 491, 
schreibt: «unbet^tiuimbar, Obersteiennark, scheinbar bei Weisakircbea*. 

* Nach massgebender Bestimmung v. Siegenfelds. 



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533 



Dieser NiklaB hat sich aber schon vorher, Ende des 
14. JahrfaundertSi in dem Bmderscbaftsbache der St. Christophs- 
Bruderschaft vom Ar 1 berge mit seiner Gabe und mit seinem 
Wappen Terewigt^ 

Wir gehen nun zonilchst wieder auf die aosschliesslich 
der Steiermark angehörenden Baomkircher ein, wie sie 
sich seit dem Anlange des 15. Jahrhunderts nachweisen 
lassen, indem wir mit diesem Niklas anheben, ohne in der 
Lage an sein, sein Yerwandtschaftsyerhältnis au jenem aeit^ 
genOssischen Ulrich B., der auch der Steiermark aufüllty 
aber ein anderes Wappen fUhrte^ oder ein solches unter den 
an Niklas zu reihenden B. aussuklUgeln. 

1424 erscheint abermals Niklas B., derselljc, odorein gleich- 
namiger Sprössling, wahrscheinlicher wohl der Gleiche, in einer 
letztwilligen Verfügung Rudolfs v. Liechtenstein als Sieglcr 
neben Moriz Wclzer, und zwar an zweiter vStello* Wir 
finden ilm noch neun Jahre später belegt, und zwar unter 
Einem mit dem zweitgenannten Andrii Ilammerl in der Kigen- 
öcliuft von , Verwesern' oder Sachwaltern des ,uiivu^tharen' 
(minderjährigen) Niklua v. Licchteuöteiu-Murau und seiner 
Schwester Helene.' 



^ Bko»', Bof' und StuftnreUT in Witn, Haadatdir. 478, FdU SM) *. Die 
Eiiitragiuig ««bncbeiiilich vom 1S97 oder 1898. Hittheilun^ r. Siegen- 
feld«. JSTikel Pewmldreber gibt ello iar 1 gross (Groschen) vnd naeh 
seinem tod 1 galdein.' Ä. v. Siegenfeld bereitet eine dankenswerte 
Heraasgabe dieser wichtigen heraldischen Qnelle vor. Vgl. Ilerzberg- 
Fränkels willkommene Abhandlung im VI. Ergänzungsbande der Mit- 
theilungeu des Instituts fUr Osteneiohische Gesohiehte 1901 (stim Slekel- 
JnbiUam), & 8M— 418. 

■ SteiemiitiMhea LendenrchiT, Originil (1484, Min 8), Nr. 4968«, ein Pev 
gamenMftek («IjeelBit von eniiem Uitar, d» veh auf eine Stiftnag ■. w. n. 

bezieht). Die beiden Siegel Moriz des Welzers (bis 1428 nachweisbar) 
nnd Niklan des ,Pa\vnikircher' sind nntürllch nicht vorhanden. Rudolf (IV.), 
zweiter Solui de» Andre.«« v. LiechiinLstPin-Murau, bis 1424 urkundlich 
bekannt, s. Muuhar VII, 17G— 177, der £u diesem Jahre auch die Seel* 
ger&tbitillnng d«e Genannten fUr Si Jakob anf Franenburg nnd fllr 
die 8t. Magdalenenhapelle in Unamarkt veraeiebnet Tgl. awA Mndiar 
Vn, 186 und Falke, Ge«ehlehtB dea Hanaei lieelitenatein I, 888, der 
sich auf Maobar stützt. Vgl. die Seblnssbemcrknng. 

' Urkunde vom 11. Docember 1433, Original im frir.sthi?*chöflich 
8chw;ir7.ouborg'schen Archiv zu Murau (gtttige Mittheilung dos Uerm 
Archivars Zub). 



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534 

Zunächst ist dann jener Lorenz ß. ins Aoge zn fusen, 
den uns eine Stubenberger Lehensurkonde von 1446 als 
bereite Terstorben vorführt und seiner Witwe, Anna, als An- 
Wärterin der erledigten LehensgUter gedenkt,' ohne dass von 
mftnnfieben Nachkommen ans dieser Ehe Erwähnung geschiebt 
Vielleicht war jener leider namenlose Baomkircher, den gleich- 
falls eine Stubenberger Urkonde sum Jahre 1381 als Inhaber 
einer iSchwaige^ bei ,P(flau' (Pollan) angibt, er selbst oder ein 
ttlterer G^cblechtsangehöriger.* 

Dann klafft abermals eine Zeitlttoke bis au jenem Niklas 
B., der zunächst um 1478 anftaucht, im Jahre 1491 au 
St Georgen ob Murau sesshaft war und seine landesfitrstlicben 
Lehen in dieser Gegend anfliess oder veräusserte.* 

Die letate, gleich&lls ▼ereinzelte Angabe von steirischen 
Baumkirchem vom Jahre 1543 betrifft einen Hanns B. In 
einem Wasserberger Urbar des Seckauer Bisthums.' 

Weder über Jenen Niklas, noch Uber diesen Hanns liegt 
uns Näheres vor. Sicherlich thun wir besser, mit jenem NiUas 
von 1491 die Beihimg der steirischen Baumkireher ttberhanpt 
absuschliessen. 

2. Die darch landetfarstliche Pflegschaften und Güter dem 
Kärntner Lande angehörenden Baamkirciier. 

Diese Baumkireher erscheinen von 1444 — 1508 unkundlich 
nachweisbar^ und setaen mit jenem Hanns im Jahre 1444 ein, 



* Steiormärkisches Landesarchiv, Original. Vgl. Pratobevera, Stubeuborger 
Begesten. Kotizblatt der kaia. Äkad. der Wisseoach. IX (1860), S. 374, 
Nr. 493, datirt Tom 9. Juni 1446» ürkande Leitolds Stobeabeig, worin 
er Anna, der Witwe de« Larenesen Pemkircber, die etkemab 

Säldenbofer Lehen aufträgt, s. nlduto AbtliGiInng. 

* 1381, Dccüinber 18. K;i[)fenberg, Steierraärkisches LauJesarcluv, Oripnal. 
Slulicnberger Theilungsverträge (s. Pratobcvcr.i, a. a. O. *213. Nr. '2Ü2, 
'iJ^i unvollständige Inbaltsaugabe). E» liei8.st hier ,ain swaig von dem 
Famehireher, gelegen in dar Polan . . vg^I. nlohato Abth^onf^. 

* S. darüber die II. Abfheilnncr. 

* V. Kalcbber^ in »einer Einleitnnp /.u seinem Drama , Andreas Raum- 
kircber". Gesnmmolto Werke IX (1817), S. 151 Anm. mitgetkeiit 8. aueb 
die nächste Abtheiluug. 

^ Der Verfasser verdankt diese willkonunenen archivaliachen Aufschlüsse 
der gütigen Mittbttiliuig de« Kärntner IjandooirebiTart A. Jakach. 



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535 



äsr ab Pfleger «i Slldeiilieim mit dem Kloster Victring einen 
GUtertanach abscUieist. Sein Siegel ist dasselbe wie das jenes 
MiUafl B. (um 1404).^ Bald darauf muss er verstorben sein, 
da in einem handBohriftlichen Verzeichnisse der ,Kärntncr 
Laadlente' TOn 1446* seiner ,Kinder' gedacht wird, und wir 
dürften mit der Vermuthung nicht fehlgreifen, wenn wir in 
dem 30 Jahre später auftauchenden Mathias B., der das 
gleiche Wappen fUhrt, einen Sohn dieses Hanns (schwerlich 
wohl einen jüngeren Bruder) erblicken. 

Die elf yorhandenen Urkundendaten über Matthias B. 
bewegen sich zwischen den Jahren 1474 — 1508 und stellen 
snnftchst fest, dass er 1481' die landesfUrstliche Pflegschaft 
Neudenstein übernahm, die ihm bald darauf (1483) Wolfgang 
Peuscher ablöste, uud bezeichnen (1491)* als scinon Schwrij^cr 
einen Andrä Resch und (1508) als seine Frau eine ,Mada- 
lena' (IVIagdalena), welche Namensform auf eine Uomaniu 
schhessen lässt.^ 



* 1444, Jämunr SO. TauadiTttrtnif des Hsiuu P., Pfleger za ,S&ldeii- 
beiiB*; Itttot jBelteaheiiB,' im Lendorfsr BesiHi das Klagenfiirtsr Gteriehti- 
•pvengels. Das Siegel zeigt wie bei jenem Niklaa B., (vom Jahfe 1404} 

den farbnn woclisolntlen Sparron. 

* HjUidschhlt Nr. 107 des Wiener k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv«, 
fol. 91—93, zum Jahre 1446 ,Landtlewt des Ertzherzogtuinbs (sie) 
Kerennden*. (VgL diu Tentidmi« bei VaWaeor, Ehren dee Henog- 
fhnme Kiain lY, 847— S4a) An ,Wi]ha]m Nemwert* finden wir hier 
gereiht: «Hanns Hejsz uud sein brueder* und ,Hann8en Pimkiroher 
Kinder . . . waa bei Valva.sür fehlt. 

* ,NoudoDstoin' (Öemigtad) im Wniaenberger Beairk dea Vftlkemuurkter 

Gerichtssprengcls. 

* Wir begegnen diesem Oeschlechte in den Urkunden des Steiermärkbchen 
Landesarchivs, so Nr. 1624, aeit 1901: Heins und Ott» der Besob; 1899 
einem Dietrich and Wenndel die Besehen (Nr. 8997) . . . Unser Andrt 
Besch war 1490 Pfleger auf Nteder*Trixen in Kimtm. Bartsch, 
Wappenboeli, Nenansgabe 1898, Anhang von Anthonj«8iegenfeld, S. 100. 

* Leopold Freih. v. Stadl (f um 1746), Verfasser des umfangreichen hand- 
schriftlich ppicbriobonen Werkes .Hellpliinzender Ehronspiegol de,'*Horzog- 
thums Steyenuark- (Kxemplajr im Steidrmärkischen Landesarchiv, Hand- 
schrift Nr. 28), behandelt im II. FoUobande, S. 291—299, die Baamkircher. 
Aogesiehfei des damaligen Standes anhiTsliaeher Foisehang und der be- 
sOglicben Bebelfe datf aua mit der ebaatiaeben Znaammenwflffluf der 
Angaben nicht allzu streng ins Geriebt goheti. Stadl kmint die Kamen 
dor kämtnischon Bauinkireher Hann» nnd Matthias, nur mnrht or sie 
ZU Brüdern uud fUgt als dritten den (tirolischen} Friedrich v. Uaum- 



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536 



Mit diesen Angaben flchlieasen die areliiyalischen Auf- 
BcblOsse Uber den K&rntner Zweig der Baomkircher im 
Mittelalter. 

3. Die Baumkiroher Tiroli. 

Bevor wir jedoeb den Weg zu den krainischen Baun- 
kirohem, den Vor&bren Andreaa', des gesebiebtHeh Bedeu- 
tendsten dieses Namens, einseblagen, müssen wir die tirolisoben 
Baumkircher unserer Foraebung einverleiben. Scbon die Namens* 
gleiebbeit des siemlicb gleicbzeitig mit den steiermttrkiseben 
Namensvettern beurkundeten Gescbleehtes fordert dasu beraos. 
Aber aaeb andere Qrttnde, sunftcbat die vom steiemUbrkiseben 
Genealogen Freib. v. Stadl vertretene,' aber baltlose Bebauptung, 
dass die innerOsterreicbiscben Baumkircber von den tiroliscben 
abstammeni uQ&igen uns, Letzteren nacbzugeben. 

Dasu kommt noob der Umstand, dass die in Baum- 
kircben, bei Hall, im Unter-Inntbale sessbaften und, was ihre 
frttbesten urkundlicben Spuren betrifft, dem Benedictinerstift 
Si Georgenberg bei Scbwas' nabestebenden Edellente dieses 
Namens in Hinsiebt ibrer Rangstellung eine aofflülige Yer^ 



kircben irrtbümlich hinzu. Ja, ihm gilt als Sohn jenes Mfttüüaa Wil> 
heim B., der Tater Andreat (!)• Andeieeiti kennt aneh er ab 
Gattin vMeree Matthias dne Magdalena, die er dem (firoliaehen) 
AdehgeMhledite Spanr ntwelst. 

' ("reib. V. Stadl, a. a. O., über die Banmkircher im Allgemeinen: .Dieses 
Gesrlileclit ist in Tyrol goso^sen, aucli In Stoyr, Kärnten, Crain und 

Hungorn Das ätammsch loss Paumkirchoa war in 

Tjrol . . . . und ist das Geschlecht im 1608 Jar abgestorben/ Letztere 
Angabe lann nur von den Baumkircheink Tirols gelten, nnd sie kann dem 
1678 In Boaen gedmekten Werke des bekannten ffisteriken nnd Oenea« 
logen Ffuis Adam Graf t. Brandis (S. 46, Nr. S2) entnommen sein, wo 
es heisst: .... ,£» haben auch B. PAs.<<r>vcr beherrscht, deren Letzterer, 
Gaurlentiiis, anno 1606 zu leben aufjjeliört.' Stadls Zeitgenosse, Freiherr 
V. lloheuuck, Verfasser des stofTroicbeu Werkes Uber die St&nde Ober- 
Ssterreicbs (III. Bd., 1747), S. 488, siebt dagegen in den Banmkirchera 
ein ,in lanerOsterreich* entsprosMnes Qeschleekt nnd sckUesst die 
Tiroler Banmkireher von den Abnen Andreas' mit Reeht ans. 

* Das genannte Kloster vnrde seit 1706 allmllig in des nakegclegene Fieebt 

filiert ra;rc II und führt gegenwärtig diesen Namen. Vgl. (Pockstaller) 
Chronik der Benedictincraljtci St, Gforgenberg, Innsbruck 1874. uiul 
A. Jäger, Geschiebte der landstiLndiscben Verfassung Tirols 1 (1881), 
S. 369—377. 



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537 



wandtschaft mit der der mnerOfterreicliischen Baumkirchcr an 
den Tag legen und ebenso wie diese in den verschiedensten 
Diensten, GUterverhältnissen und Ansitzen auftauchen.^ 

Zunächst erscheint 1223—1225 ein Otto v. B. genannt. 
Seine drei Söhne: Otto (II.), Heinrich und Berthold, von 
denen der Letztgenannte 1233 als Zeuge in einer Urkunde 
Konrads v. Frundsberg für das Kloster St. Georgenberg auf- 
taucht, werden insgesammt 1254 angefülirt. Sie hatten nämlich 
Heinrich den MUhlhauser gefangen genommen, und der da- 
mahge Gebietsherr des Innthalcs, Gebhard, Graf v. Hirschburg, 
Eidam des letzten Grafen von Tirol, bewirkt einen Ausgleich 
zwischen beiden Theilen. 

Der älteste der drei Brüder, Otto (II ), lilsst sich als Zeuge 
in Urkunden 1271, 1274, 1277 belegen, machte, hodiljctagt, 
12'Ji eine Schenkung an das Kloster St. Geor<,'enbci g und 
^ilt als dreimal vermählt, lieber seine Nachkommenschaft er- 
fahren wir ebensowenig als Uber die des Jüngsten ürudcrs 
Bertliold. 

Dagegen ist uns der Sohn Ileiiiiiclis (aus einer der drei 
Ehen des (Jcuanuten mit: Susanne Kulb von Gasteig, ivuni- 
giiJide von Voldcrs und Christine von .Mairhofen) (icbolf (1.) 
bekannt. 1282 erscheint er beurkundet und war luil Eisbet, 
Schwester des Ilanus Speiser zu Friedberg, vcrelielieht. Aus 
dieser Heirat entsprossen Gebolf (H.), auf den wir weiter 

■ Alt Belielfe benfitite i«h — abgesehen Ton den dOrftigeii Andevtangen 
in EVans Adam Qnf v. Brandis* «Pes tirotiaehra Adlan immeiigrllnende« 

Ehrenkränzol', II. Thoil (Bozen 1678) — zanlchst die AbhAndlung von 
Seb. Ruf, ,Die alten Edolsitze in Baumkircben' (Archiv für Geschichte 
und Alterthamskunde Tirols, V. .T-nlirp. 1869, 113 — 123), fHrner: ,BoitrSpf» 
z\u Familiengeschichte der Kitter von Kotteiiburg im Innthale, von einem 
MitgUede (Poclutaller) des BenedicUnentifteB Fi echt*, «qf denen Aichiv 
•ich aneh Hnf TonngsweiM sttttst (im gleichen Archive, Jahig. IV, 1867); 
üaraer die »Arehivberichte ene Tirol* Ten E. v. Ottenthai undO. Bodlich 
im I., m. und beginnenden V. Bde. der ,Mittheilungen' der dritten (Archiv ) 
Section der k. k. Central-CommiBsion zur Erfnrsrhnnp^ und Erhaltunsr der 
Kunnt- und büitoriscben Denkmale (Wien löÖ8 — lyoo); citirt als solche 
L, II., III., Ziagerlea Auagabe des Urbare Meinhards II. in den Fontes 
mr. Anatr., IL Abfh., 46. Bd. (1890); Sehwitiers Urbei« des Stiftes 
Hurianhexg, Innsbmek 1S9U — «odtenn eine im Oraser Landesezehiv 
befindliche Abschrifl des Burglechner*schen ICannscripteK (Nr. 467) 
und dio püfip-en und reichlichen Miuheilmifren Profe.«»8ors Dr. Mich. Mayr, 
Vorst.ind düs lunsbrucker k. k. Statthaltereiarchirs. 
Archiv. XCi. Baad. II. HÜfto. 86 



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Ö38 



uDton nochmals zu sprechen kommen, und Ulrich der ,Jllngere'. 
Die Tochter Ottos v. B., Schwester der drei BrClder, Otto (IL), 
Heinrich und Berthold, Klara, ehelichte einen Rittersmann des 
Salzbufger Erzlnschois, Liebhard Merenstein, der ab In- 
haber zweier ,Thürme' in Baumkirchen gilt^ was den Bestand 
der ,Meren8teiner v. Baumkirchen' erklärt.^ 

Gleichzeitig mit jenem Gebolf I. erscheint in einer Urkunde 
von 1300 nicht blos sein Vetter Heinrich v. Merenstein^Baum* 
kirchen (aller Wahrscheinlichkeit nach ein Sohn jenes Liebhard 
V. M. und der Eüara Baumkircher), sondern »udi ein Brttder^ 
paar, Chunrat und Heinrich t. Baumkircken, ohne dass wir 
in der Lage sind, ihre Herkunft des Nttheren festzustellen.' 
Ueberdies wird gleichzeitig (1300) als anwesend bei einem 
Taiding des Herrn y. Rottenburg ein Jakob Baumkirchen 
genannt.' 

Gtebolf (I.) beurkundet 1312 in Gemeinschaft mit seiner 
Frau eine Jahresstiftung fUr das Kloster St. Georgenberg und 
stellt 1321 einen Verzichtbrief au Gunsten des genannten 
Klosters aus. 1334 muss er als bereits verstorben gelten, da 
in der bezQglichen Urkunde^ seine Gattin Elsbet (s. o.) bereits 
als Witwe erscheint, mit den Söhnen Gebolf (IL) und Ulrich 
dem ; Jüngeren' zur Seite. 

1322 treffen wir aber bereits mit zwei anderen Baum- 
kirchem zusammen,^ und zwar als Urkundenzeugen, einem 
Ulrich, Richter in Hall, und einem Friedrich. 

Gebolf (IL) beurkundet gemeinschaftlich mit seinem Ehe- 
weibe Beatrix eine Stiftung fUr das Kloster St. Georgenberg 
(1339) und sicherte sich bald darauf ein Familienbegr&bnis in 
dem genannten Kloster. Von seinen Söhnen lässt sich nur 
Friedrich, 1343 bereits genannt und (1347) als Gatte einer 
Diemut v. Ebba, deren Siegel er häufig gebraucht haben 



^ AUa bisherigen Dateo nnd der Abhandlung von Ruf entnommen. 

* Fieebter Arohiv, s. Archiv für Geeebiehte und Altertfannukunde Tirol« IV, 
8. 24. 

» A. a. O. S. 68. 

« Ruf a. u. 0. 

* Archiv für (JescliiclTt." uii.I Altfirthumskundo Tirol« IV, S. 27. Ruf .1. a. O. 
(S. llö) sii'ht in dii som LUricli (Jen oben genanotau jUngereu Siihu 
Gubolts 1., was im Hinblick auf dun nebeu ihm genauuten Friedrich U. 
nicht snsntreffen Mhaint, ebgoMhen von den Zeitumstlnden. 



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539 



soll/ genauer feststellen, — 1370 niUsscn beide Gatten, zunächst 
Friedrich, dann Dieuiut als bereits verstorben und im Kloster 
St. Georf^enberg beifijesetzt gelten, wie dies aus einer GUter- 
öcbenkung ihrer Tuchter Anna (s. w. u.) liervor^eht 

1360 führt sich ein Ileiiiricli Pawinkircher in einer Ver« 
kaufsurkunde als ^Kitter' ein. 

Gleiehzeitig finden wir jedoeli, und zwar m (l(?r letzten 
Reihe des Adels im Merancr Landtaiding, auch einen Simon 
ß. (loCl) an{;eireben, ül>Gr dessen Herkunft nichts vorliegt.* 

Kiii Jahr/.elint sjjiiter (11^3) erscheint in Baumkirchen 
selbst ein Konrad i>.,' dessen Tochter Margaretha den dort 
ansässig gewordenen Jakub Kripp v. Krii)paeli ehelielite (1383), 
dessen Vorfahren und er selbst als Bürger und ,Salismayer' von 
Hall beurkundet erseheinen. * 

Um dieselbe Zeit taucht aber, und zwar als sesöhaft zu 
Innsbruck 1382 — 1404, ein Niklas 1». wiederliolt beurkundet^ 
auf. Zugleich besitzen wir vun ihm ein Siegel, das als redendes 
Wappen eine Kirche mit ihr zur Seite stehendem Tliurm auf- 
weist,® somit als Familienwappen der Baumkircher Tirols 
gelten darf. 

Etwas später findet sich (1419) ein Gabriel B. als Richter 
zu AxamSj bei Innsbruck, vor und dürfte un /zweifelhaft der- 
selbe B. sein, den wir gleichen Namens 142Ü als ^gesessen zu 



^ S. Huf n .1 () S. 115 und Ottenthril liccUich, ,Ar. liivb<»rirhto nm Tirol' 
DI, liiill 43, Nr. 220). Privaturkunde vuu 1343, Mai G (an wükhor 
das Siegel Friedricbs ▼. B. leider feblt). 

* Die Urkunde Heiarichs B. als TerlKluferi einei Acker» su Baamkirchen 
a. im Register bei Ottenthal-Rcdlich a. n. O. II, S. 49, Nr. 272, ferner 
Burclilethner n. a. O., f löl b: Simon Pambkircher. 

* Ruf .1. a. O. Er kaufte daiuHls rlnan Meierhof in Baumkirciien von 
Katharina, Tochter des Kourad Zinu r. 

* Bnf a. a> O. ISftl Heinricb Kripp, 1873 Andrft Kripp (Vnter des 
Jakob und Heinrieh Kripp), Ottentbai nnd Bedlieb a. a. 0. III, B. 46, 
Nr. 246; S. 62, 53, Nr. 296 u. 303. 

* 1382, Juni 2('., Giiiiliitl. Ei/.bisdiof Piligrim v, Salzbui ;: l)oIehnt den 
Niklas Pa u in c h i r e Ii e r mit einem Gute zu Uderu« iui Zillerthale 
(Ottenthal-RcMllich a. a. O. U, S. 8, Nr. 21). 1383, September 28 (,ze 
Inspruk gesehen.* InttilNiieker Stattbaltereiarcblv II, 3'J'J) [ saletat 1404, 
April 8 (SchataarcliiT S600). Gfitige Mittheilnng des Archivavorstandee 
Pn>tlCidi.Ma7r. 

* Siegeiahdruck in Gips mir von dem Vor^nannteu einpcseiukt Das 
Wappenschild ohne Helm and Kleinod j Uuuchrift: Nicolaus Pavmkircher. 



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640 



Innsbruck', 1438 als Stadtricbter hierorts vorfinden und nocb 
1456 daeelbst belegen kOnnen.^ 

Wir mflssen nun aber anf die Nacbkonuneneohaft jenes 
Friedrich B. und seiner Gattin Diemnt t. Bbbs (s. o.) Eurftck- 
kommen. 

Ihre Tochter Anna, welche 1370 urkondet, ehelichte den 
Heinrich Bern eck nnd brachte ihm als Mitgift einen Thurm 
in Bauntkirchen zu. Der Sohn aus dieser Ehe Friedrich 
V. Bemeck, der den Namen des Vaters der Mutter ftthr^ ver- 
kaufte bald (1386) diesen Thurm an seinen Schwager Niklas 
Vogler in Hausenheim, bei Volders. 

Annas Bruder, Sigmund B., der als Inhaber eines xweiten 
Thurmes in Baumkirchen bekannt ist, war mit Katharina, 
Tochter Dietrichs y. Steinhaus, verheiratet Die beiden Söhne 
aus dieser Ehe, Ludwig und Nikolaus B., wanderten später 
in das Thal Passeyr aus und bezogen hier den ,Schildhof in 
Oereit Ihre Schwester Katbarina B. ehelichte einen Hans 
Leo,' der 1411 das Erbgut der beiden Söhne jenes (1400 ver- 
storbenen) NiUas Vogler (Ulrich ' und Sigmund, Pfleger m 



» 1419, Mära 12 (Innabnicker Statthaltereiarchiv II, 1379); 1429, Juli Ö 
(ScbatsaidÜT 16S6); 148B, September 18; 1466, Apnl 16 (SchttMKfaiv 
S70S). UebordiM 1426, April S4. Gabriel P. pbt der Jekobakifcbe 
swei Joch Eigen, . . . 1428, September 27. Eberhard III., Erabiicliof 
von Salzburg, beloliiit G.ibrlol P. mit einem Gute zu Uderns im 
Zillprthale. Es ist dies daHst-Ilie (iut, dius wir w. o. 1382 dem Niklas 
Paumkircher von Seite dos damaligen Ersbiscbofs Piligrim verlieben 
saheu. Dies scheint daftr su sprechen, dess Oabriel ein Sohn nnd Erbe 
jeaee Niklas war. 1480, Jnli 12, erscbelnt Oabriel als Zenge in wner 
UAnnde der Gemeinde Baumkirchen. 1439, Mai 7, gleichfalls als 
»Bürger von Innsbruck und Käufer oiuor Zehentgült des Thomas Anker 
zu »Hallorfcld* (bei Hall) unti SepttMiilxT .'iO ah Käufer oiner flült in 
Rum. 1444, November 26, verkauft Jakub ,Yogellehner^ zu Urinzeus an 
Gabriel F., Bürger su Innsbrack, Gülten au dem Chiemsee'schen Vogel* 
lehea. 8. die Urkandenregister bei Ottenthal-Bedlich a. a. O. II, 8. 261, 
Nr. 1204; ni, & 10, Kr. 39-, 8. 81, Nr. 160; 8. 11, Kr. 47, 48; II, 8. 288, 
Nr. 1090. 

• Alles nach den Angaben bei Ruf a. a. O,, der ihn ,Han« Leo* schreibt. 
In einer IJrknndf' vom 3. Mär?, 1419 :«ier]^(.dt r>r in einer .Kundschaft' der 
Gemeinden \'omp, Voller» und Wald als ,Leon v. Baumkircheo, a. 
Ottentbal-RedUch, Archivsberiebte III, 8. 80, Nr. 30. 

* Ulrich Vogler ehelichte eine Inmibmeker Holdanie, Maiigarethe Ifis- 
s in gen, and Hess sieh in der Landeshaaptekadt nieder. 



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541 

ÄmbraB) kftaffich erwarb, sich ,7. Bwunkircher' schrieb, noch 
1415 und 1419 nrknndet and seinen Besitat auf den gleich- 
namigen Sohn, Hans Leo den Jttngeren, vererbte.^ 

Ctowinnen wir mithin den Eändrack, dass vom 14. ins 
15. Jahrbondert die einst in Baumktrcben erbgesessenen Banm- 
kircher von dort Terschwinden nnd anderweitig sesshaft werden, 
aonftchet jener Lndwig und Niklas^ die Sohne Sigmunds B, nnd 
der Kiatharina Steinbaas, deren Aaswanderung ins Passeyr* 
thal oben angeflihrt warde, so begegnet ans 1431 ein Peter 
B. als bebaast in Bosen and 1467—1490 ein Kaspar B.^ 
und zwar 1467 als ^Bürger' in Heran, and fortan bis 1486, 
anletatt als dortiger Landrichter and (am 1490) als landesftlrst- 
licher Kellermeister; Überdies noch 1490 als Lefaenstrflger 
Satebnigs an Udems im Zillerthale, also eines Besitaes, den 
wir 1382 in der Hand des Kiklas, 1428 in der des Gabriel 
B. sahen, aber zagleicb als Lehen strttger des Sigismand 
Kripp.* Sein Siegel (vom Jahre 1467) ist hinskshtiich des 
Wappens das gleiche, wie wir es bei dem an Innsbrnck sess- 
haften Niklas (1383) ▼or0uiden, nor, wie es der spftteren Zeit 
entspricht, mit Hehnkleinod and Nebenwerk reichlicher aas* 
gestattet' 

Ueberdies führt Barglechner^ in dem Aasschreiben Hans 
Ramnngs vom Urbanstage (25. Mai) 1474 einen Sigmund B. 



* Vgl. Ruf a. a. O. 1439, Jänner 27, taucht abor urkundlich auch ein 
Hartman Leo BAmnkircheii an^ der Qfllten von «einem Got 
,Oni«b* in Beunkirehen «. ma eiiier Ueneiutilbuiff Teraolmibt 8. 

Ottenthal-Redlich a. a. O. III, S. 32, Nr. 165. 

* InnMbrucker Statthaltereiarchi%- IT, 1423. Ebend. II, 18(t7, 1467, Mai 3; 
1486, Mai 23 und Juni 17 (Sdiatzarrhiv 6179, 6180). Mitth. ihnip'Pn von 
Professor Mich. Mn/r. Die Urkunde von 1490 (Doconiber 2G, Salzburg) 
•. bei Otteathel-Redlich o. a. O. lU, 8, 14, Nr. 72. Jedenialls dHrfen wir 
auch folgende Stelle in dem Briefe KSnige Ifulmillen L an Henof 
Sigismund Ton Tirol vom 17. April 1491 ddo. Nürnberg (V. v. Kraus, 
Die U»'zi<')niTit'yn Maxiniili.iii.s I. zu Sipisinund von Tirol, Separ.it.'nisg^alx' 
aus dem Wicn-LeopoldstUdtor Gyranasialprogramra 1879) auf niisorn 
Merancr Baumktrcbur, Kaapur, beziehen. Hier huisst es nämlich (Nr. 24, 
8.4S) . . dann bemerend Sigmanden Kiafkn vnd tmaer Kellerampt 
da an Heran sejen wir dea wOlena, nit den Panmkircher, der dann 
daaelb anbt redlichen vnd wol verwyset, va entiecMtt, eounder in dabei 

vvio ander «nsor anibtlowt vneMitseczt beleiben zu lassen . . .* 
^ Im Gipsabdrtick mir zugesendet von Professor Mich. Majrr. 

* A. a. O. f. 



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542 



in der Gruppe dea Landadels vor den Abgeordneten der Thäler 

und Gerichte an. 

Als letzten Ausläufer der tirolischen Banmkircher be> 
zeichnet Brandis einen Gaudentius, und zwar zum Schlosse 
seiner k.ir<^eii Ueberschau des genannten Geschlechtes;^ in einer 
Satzverbindung, welche ihn mit den ins Passejrthal aosge« 
wanderten B. verknüpft,^ 

Noch mögen einige nobenläufige Angaben Uber dieses 
Geschlecht hier unterkommen. 

In den Urbaren Meinhards IL, Grafen von Tirol, aus 
der Schlusszeit des 13. Jahrhunderts, wird zunächst der Ab« 
gaben des Dorfes Baumkirchen im Zinse des Gebietes von 
Thauer-Hall gedacht und bei dem Amte Friedberg (im Be« 
zirke von Rattenberg) der Nutzungen von der Kirche ,Arapans* 
fAmpass bei Hall) als solcher gedacht, welche ,der Paum- 
kircher' innehabe. Andeisclts werden unter den Giebigkeiten 
im Innsbrucker Amte die des ,Faumkircher' zu ^Purgits' (Eiigits) 
verzeichnet.' 

Im Urbare Peters v. Liebenberg-Hohenwart von 1416 
findet sich bei den Gütern, die zu den ^Thtlnuen^ Liebenberg- 
Fellenberg bei Axams-Innsbruck gehören, einer Abmachung 
mit dem ^Pawmkircher' gedacht.^ Leider fehlen dort und da 
die Vornamen der erwähnten Baumkircher. 



' Brand i*t Frans Adam, Graf a. a. O. 8. 46, Nr. 22: ,EdIa v. Baum» 
kirch, arkantsn anno 1300 (I) das alt« SehloM Baomkirehen anter Haal 

(Hall) zum Staminenhaass; es Iiaben auch Baumkircher Passeyr be- 
herrscht, deren der letzte Gaadontius an. 150ö zu leben aufgehört.* 

' Vgl. o. Ludwig und Niklas, die S<">hm> Sig^munds B. und der Katharina 
V. Steinhaus, Enkol Friedrichs B. uml der Diomut v. Ebbü. Da i^ie im 
Passeyrthale sesshaft wurden, dürfte mit ihnen jener Kaspar B. (^1467 bis 
14B6, 14%) zu Meran und dieeer Gaudentiiu (f 1505) nuanunen* 
hingen. 

* Urbare Graf Meinhard« II. von Tint F. Zingerle, Fontoe rer. Anstr., 

II. Abth., 45. Bd. (I. Abth.), S. 50 (VUL ,<lor ^r^M von Pawor«), Nr. 27 u. 
S. 51, Nr. 41; S. 52, Nr. 5G. - IX. (,der gelt von Fricdborrh' i, S. Ö5, 
Nr. 4r>. , . . . (las li.it der Paumchircher'. — S. 46 (Nr. VII. ,i\:xs ist der 
gold von lusj) riikke'), Nr. 146 ,d.itz Pnrgitz der P;uimch i rchor. . 

* Schwiuer, Urbare des Stiftes Marienberg (lö91). 317 (1416) ^XLmarck 
dem Pawmkircher und XL marek han ich im aiugerieht amb allerli^, 
da« ich yra anf dem hawe han gelanen . . . .* 



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543 



4. Die Baumkircher des Krainer Landes, Vorfahren Andreas 
Banmkirchers und sein Hans. 

Wenn wir bisher sowohl bei den obersteirisch-kJhmtnischen 
Banmkirchem als bei den Trügern dieses Namens in Tirol einer 
Fülle wechselnder Vornamen begegneten, nur ausnahmsweise 
jedoch — so besonders 'im Verseichnisse der Ersteren — in 
der Lage waren, einen genealogischen Zusammenhang aossu- 
klfigeln, tritt uns bei den krainischen Baumkircbera ein 
solcher greifbar vor Äugen.' 

Von Jörg (I.) an, der, allerdings ganz unyermittelt, 1384 
in der Gegend von Laibach als Gutskttufer auftaucht, bis su 
den Ansittufem dieses Geschlechtes im 16. Jahrhundert, den 
Nachkommen Andreas, des einaigen geschichtlich bedeutend 
gewordenen Baumkirchers — Itfsst sich eine geschlossene 
Reihung, ein Stammbaum herstellen. Derselbe umfasst nur 
wenige Vornamen, die sich in der Zeitfolge vom Ahnherrn bis 
au den Urenkeln wiederholen, und keiner dieser Vornamen 
findet sich anter den bisher bekannt gewordenen Baumkirchern 
Obersteiermarks und Eftmtens, anderseits Tirols. 

Innerhalb der Jahre 1384 und 1401 verlftuft das uns be- 
kannt gewordene Leben Jörgs oder Georgs (I.), den wir als 
ersten, nachwebbaren Begründer oder als Ahnherrn der Krainer 
Baumkircher ansehen müssen. Er gehörte «um rangniedem 
Lehens- und Dienstadel, in die Classe der adeligen Knechte, 
als Lehens- und Dienstmann der Grafen von Cilli und ander» 
seitB (1391) als landesfbrstlicher Pfleger zu Wippach. Seine 
Gattin wurde (spätestens 1384) ,Nesl' oder Agnes, Witwe Simons 
y. Wippacli, und als seine Schwester darf ,Gretel' oder Marga- 
retha gelten, 1387 als Ehefrau des Greif Kolyenz, ^Schwagers' 
nnsers JOzg, nachweisbar. Von etwaigen Brüdern oder anderen 
Schwestern des Letzteren schweigen die Urkunden. 

Desgleichen kennen wir nur einen einzigen SprOssUng aus 
der Ehe Jörgs, den langlebigen Wilhelm (I.)» der bereits 1401 
neben seiner verwitweten Mutter genannt wird und bis 1466 
urkundlich auftaucht Mit ihm hebt das Ehnporsteigen der 



' Die arkundlichen Nachwebo für die weiteren Ausführungen bleiben der 
HL Abtheilung vorbehalten, wo sie sweekentsprechender uotergebraicht 
eraeheiiMi. 



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644 



krainischen Bauinkircher an, die seit Jörg (I.) mit der Adeis- 
sippc dor KoIienczeDi Harrer, Turner und Zobelsberger ver« 
wandt crscheineu. 

Wilhelm (I.) folgt zunächst seinem Vate r im Besitze landea> 
fürstlicher und Cillier Grafenlehen, wird 1415 ab Burggraf von 
Wipp.icli, seil 1440 als Hauptmann ZU Pordenone (Portenau) 
in Friaul anj^efVihrt, 1455 in gleicher Eigenschaft zu Adela- 
bc tl' beurkundet; doch hängt er bis zu seinem Lebensende 
mit Wippach als wahrscheinlicher GeburtsstAtte anaammen; 
hier bleibt er behaust und vorzugsweise beglUert. 

Sichergestellt erscheinen als Ehefrauen Wilhelms: zunächst 
yKathrei' (Katharina), die aller Wahrscheinlichkeit nach dem 
untersteirischen Adelsgesehlechte der SUasenheimer ange- 
hörte und 1430 als bereits verstorben gelten muss, und, seit 
1459 genannt, Antonie au> <I m Frianler Edelgesohlechte der 
V. Porpetto. Jedenfallä schloss Wilhelm diese neue Ehe in 
vorgerückten Jahren, vielleicht zur Zeit seiner Portenauer 
Hauptmannschaft, die ihn auf den Boden Friauls führte. 
Obschon die Urkunde seiner Seelgerttthstiftiuig vom 1. October 
1469 von seinen Voreltemi anderseits ▼on ,Iieben Kindern' 
spricht • — leider ohne alle näheren Beaeichnangeny so handeln 
die uns bekannten Urkunden nur von dem einen Sprüssling 
erster Ehe, dem 1430 zum ersten Male genannten Sohne und 
Erben jener Katharina (v. Süssenhetm ?), Andreas, dem An- 
wärter einer bedeutenden Zukunft, der die Geschichte der 
Krainer Baomkircher gewissermassen abschliessty durch seine 
dienstliche Stellung, Qtttererwerbung, gleichwie auf dem Wege 
eheUcher Verbindungen mit der Steiermark yerknUpft, vor Allem 
jedoch auf den Boden Westnngarns verpflanzt, allwo er und 
seine Söhne ab Magnaten die massgebende Lebensstellung finden. 
Wir kennen nur den Kamen s^er zweiten £*rau, Marga- 
rethe; ihre Herkunft und der Zei^unkt dieser Eheschlieesong 
bleiben fraglich. Wie seine erste Gattin hieas, welchem Hause 
sie angehörte und wie lange diese Ehe wihrto, lilast sich nicht 
feststellen. 

Dieser ersten Ehe Andreas Baumkirchers entstammten 
die beiden Söhne und zwei Töchter Andreas': Wilhelm (H.), 
der den Kamen des Grossvaters ftihrl^ Jörg oder Georg (JL)f 
in welchem wir den Kamen des Uigrossvaters erneuert finden 
— beide 1469 bereits als ▼oUjfihrig uizusehen — ^ femer Martha, 



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545 



1469/70 verlobt und Tenniüilt mit Herrn Hanne von der Wuim- 
berger Linie der Stnbenberger, und Katharina, 1472 noch 
nnrerheiratet. Da die Letztgenannte den Namen der Qroes- 
mutier von väterlicher Seite Wart, so dttrfte Hartha vieMeht 
den Namen ihrer — nne nicht nSher bekannten — Hntler 
tragen. 

1473, also erst nach dem verhttngnisvoUen Ende ihres 
Gatten, finden wir die aweite Ehefrau Andreas', Margaretha, 
die Stiefmutter seiner Kinder, urkundlich genannt 

Wilhelm (H.) schliesst sein Leben in Ungarn als ange- 
sehener Magnat um 1492 ab. Er hinterliess (aus der Ehe mit 
einer angeblichen Margaretha v. Qrafeneck) eine Tochter, 
Barbara, die — viermal ehelich verbunden — bis 1530 nach- 
weisbar ist Sein jüngerer Bruder JOrg (II.) starb als west- 
ungarischer Buigherr vor dem 15. Mai des Jahres 1502, kinderlos 
und hinterliess als Witwe Maigaretha v. Stubenberg'Kapfenbei|;, 
dem gleichen Hause angehOrig, in welchem ihre Base^ Barbara, 
den ersten Gatten gefunden.' 

Wenn emerfleits die Eigenart der Namen, Verwandt- 
schaften und der Gftterbestand der krainisch-ungarischen 
Baumkircher denselben ihre Sonderstellung suweisen, und bis 
auf Andreas keinerlei GUtererwerbnng in der Steiermark, nicht 
eine Spur eines Jllteren, etwa mit dem Oberlande, mit der Ge- 
gend von Baumkirchen verknüpften, Besitses auffindbar bleibt, 
80 ist doch anderseits ihr ursprUngHcher Zusammenhang mit 
den beiden anderen innerOsteireichischen Baumkirchersippen, 
der von Obersteier und Kärnten, doch mehr als wahr- 
scheinlich. So muss es denn auch begreiflich sein, weshalb die 
Zeitgenossen* des bedeutendsten der Krainer Baumkircher, 



* Kihafw fttmr die Hdttten Andreas Btomkinslian und MinM Exitgthomea 

Wilhelm (II.) s. im Texte nnd in den Anmorlumgen der IV. AbtbeiloQg. 

Ueber tlio Eho Georgs (II.) und die vier Hoiraton soinor Nichte Barbara 
(1. mit Andrä v Stubenborg', 2. Soifrid v. Polhoim, 3. Veit v. P^lad- 
nitz, 4. Lougin v. Puchheim) s. meine Abhandlung ,Zar Baumkircdier- 

Mbde* . . . ArehiT für (MmiolilMhe GMebiehtot 89. Bd., S. Abtli. (idOi), 
& 4M bis 48«. 

* Aeneas Sjlviu.s (P.ipst Pius II I, rii.Ht. Friderici impenitofis . . . ynobilis 
de Sfyria', Ebendorfer Chron. A. Pez II, col. 874 . . . ,qnodam Ca- 
rintlü.ino'. Hinderbach, der Fortsetzer des Aeiieas Sylvia» (Kollers 
Ausgabe II, col. 566) Vnsst ihn am Hofe des Kaisera Friedrich HI. (damala 
Henog von Ststonnark-IuAsrOstarrsiah) snni Krisgsmsimo hennwsebsen. 



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Ö46 



Andreas', von ihm als ,StciermUrker* nnd , Kärntner' sprechen, 
wäbreod ein dritter, Unrest,' genaner unterrichtet, ihn ganz 
richtig als ,am Karate', nämlich im Wippacher = Erainer 
Gebiete, geboren bezeichnet. 

Allerdings lUsst sich der oben berührte Zusammenhang 
des Näheren nicht erweisen, ebensowenig als die vielleicht 
ganz berechtigte Behauptung, die Baumkircher Obcrsteien und 
die benachbarten ,Praitenwiescr* (Breitenwieser) seien eines 
Stammes^ denn für diese Behauptung ist eben nur das zweite 
von Ulrich B. 1387, 1395 geführte Siegel massgebend. 

Doch gibt es auch in Tirol Namensvettern, Baomkirchcr, 
bei denen ausserdem die niedere adelige Rangsteilung zutri0^. 
Ja wir finden bei den Krainer Baumkirchern um 1460, als 
Andreas seiner Lebenshöhe asusteuerte, das gleiche, redende 
Wappen vor, wie ein solches, die »Kirche', die Tiroler Baum- 
kircher von tiause aus fUhrten. 

So erklären wir uns denn auch, weshalb der steiermärkische 
Genealoge Freiherr v. Stadl, offenbar von dem Wappen An- 
dreas Baumkirchers dabei ausgehend, dessen Ahnen und über- 
haupt alle Baumkircher Innerösterreichs von denen Tirols her- 
suieiten bemüht ist^ und demzufolge, ohne Scheidung, mit ihnen 
snsammenwirft. 

Der Verfasser dieser Studien kam nicht in die Lage, ein 
Si^elwappen der Erainer Baumkircher aus der Zeit von 1384 
bis 1460 kennen zu lernen und festzustellen. Von massgebender 
Seite wird jedoch erklärt,' dass die Vertreter dieses Geschlechtes 
damals das gleiche Wappen, der farbenwechselndcn Sparren, 
führten, wie wir ihm seit Ende des 14. Jahrhunderts und im 
Laufe des 15. bei den obersteirischen und kftmtnischen Baum- 
kirchern begegnen. 

Der durch Andreas B. bewirkte Wechsel des Wap* 
pena wäre somit eine der Sachlage und den Zcitvcrhältnis5?en 
entsprechende Erscheinung. Der genannt^ geschichtlich be- 
deutendste Vertreter seines Kamens und G^hlechtes wfthlte 
eben ein neues, und zwar redendes Wappen, was dann mit 



' Unrest^ Oesterreiohiache Chronik, Aasgabe Hahna» 8. 569 ^porea an 
dam Kttst (Eartt) eisM »ehlMliten (aeliUehteii, g«ringen) edelnum snn*. 
* 8. o. 

■ A. SiegenfeldB gtttife HitUieilnnff. 



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547 



den seiner Erhebung zum ^Freilierm'' angemessenen Hehn« 
kleinodien ansgeschmücki wurde. 

LSsst sich nie und niigends überhaupt ein Zusammenhang 
zwischen d^ Baumkirchern InncrOsterreichs und Tirols nach- 
weisen, so kann man auch nicht in der Verwandtschaft des 
Wappenbildes bei den krainischen Baumkirchern, seit Andreas, 
mit dem ihrer tirolischen Namensvetter ein Qefilhl ursprüng- 
licher Zusammengehörigkeit oder etwa das Bestreben yerwirkücht 
finden, einen solchen Zusammenhang künstlich hersustellen, denn 
dazu bot die bescheidene Stellung der tirolischen Baumkircher 
im Landesadel wahrlich keinerld Anreis. 

Jene Wappenverwandtschaft beruht mithin auf Zu&lh'gkeit, 
und vieUeicht sollte die ,Kirche' mit zwei Seitenthttrmen, im 
Wappen Andreas Baumkirchers, der sich 1460 als Pressbnrger 
Obergespan oder ,6raf und als Erneuerer der Befestigungen 
seiner Buig Sehlaning (Szalonak) verewigen Hess, auch diese 
filr seine persönliche Geltung und Sesshaftigkeit entscheidende 
Thatsache veranschaulichen. 

Gleichwie der adelige Ckschlechtsname ,Baunikircher^ an 
zwei landschaftlich verschiedenen Oertlichkeiten haftet, 
anderseits den Baumkirchern Steiermarks, Kärntens und ur> 
sprünglich auch denen im Krainer Lande ein gemeinsames, 
seit dem Ende des 14. Jahrhunderts nachweisbares Wappen 
zuftdlt, der farbenwechselnde Sparren, während die tirolischen 
Namensvettern ein davon ganz verschiedenes, redendes Wappen, 
die Kirche, fUhren, so verläuft auch das geschichtliche Leben 
der innerOsterreichisohen Baumkircher und das der tirolischen 
in ganz verschiedenen Geleisen, ohne jegliche Spur eines 
etwaigen Zusammenhanges. 

Allerdings vermögen wir — wie bereits angedeutet — den 
genealogischen Verband der seitlich am frühesten auf- 
tauchenden obersteirischen Baumkircher mit den seit 1384 
beurkundeten Trägem dieses Namens in Krain, anderseits mit 
den erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts nachweisbaren 
Vertretern ihres Geschlechtes in Kärnten auf Grundlage des 



' Vgl. darüber Sonntag, Dio Kalsorkrono als Wappenzeicben (insbesondere 
im Wappen Andrn.xs Baumkinher»), Zeitschrift ,Styria', Jahrgang 1846, 
Nr. 93. Ferner «las heraldische Jahrbuch ,Adlor', Wien, Jahrgang 1814, 
& IM nnd JAhrgan; 1876, & 68. 



548 



bekannt gewordenen Urknndenbestandes nicht klarzustellen^ 
ja wir begegneten im Kreise der obersteirischen Baumkircher 
1372 — 1395 bei einer und derselben Persönlichkeit, jenem 
Ulrich, einem Wappenwechsel, einem zweiten Wappen, dos 
mit dem etwas später festgestellten, dem farbenwechselnden 
Sparren, nichts gemein hat und somit noch immer fraglich er- 
scheinen lässt, welches Wappen die ältesten Vertreter der 
Baumkircher InnerOsterreichs, die obersteirischen, 
fülirtcn. Aber die Gemeinsamkeit des Wappens seit dem 
£nde des 14. und im 15. Jahrhundert, gleichwie die Thatsache, 
dass es in ganz Innerösterreich nur Ein Baumkirchen, im 
Oberlande der Steiermark , gibt, orscheint ebenso ausschlag- 
gebend fUr die Geschlecht seinheit der innerOsterreichi- 
schen Baumkircher, als der zweite gewichtige Umstand, dass 
ihnen allen die Bangstellnng von adeHgen Knechten, , ehrbaren' 
Mannen sukommt, aus welcher sie erst Andreas Baumkircher 
fUr sich und seinen Zweig mit einem raschen Ruck emporhob. 

Während die obersteirischen Baumkircher bis sn völliger 
Unbedeutsamkeit herabgedrUckt erscheinen, so dass wir die 
lotsten Ausläufer kaum feststellen können, der Kärntner Zweig 
nur für ein halbes Jahrhundert ersichtlich wird und in be- 
scheidenen Verhältnissen sein Dasein spinnt — eine aucb fiir 
die Baumkircher Tirols im grossen und ganzen massgebende 
Thatsache — zeigt sich bei den krainischen Baumkiif bem 
innerhalb eines halben Jahrhunderts ein bedeutsames Wachsen 
im Besitze und in dienstlicher Stellung. Von der Mitte des 
15. Jahrhunderts geht es aber in SprUngen vorwärts; 17 Jahre 
(1446 — 1463) genügten, um Andreas B. in die Vorderreihe des 
Geschichtelebens Deutschösterreichs und Ungarns zu stellen 
und seinem Hause den Freihermtitel, anderseits die Magnaten- 
schaft im Gebiete der Stephanskrone susuwenden, woselbst er 
und seine Söhne die neue Heimat und massgebende Ijobens- 
stellnng finden sollten. 

Der urkundliche Nachweis all dessen bleibt den folgendem 
Hauptabschnitten oder Abtheilnngen dieser Untersuchung Tor- 
behalten. 

Schlussbetrachtung. 

Ausserhalb meiner Aufgabe mussten jene in den band* 
schrifUichen Genealogien oder Stammgesohichten des steirisehen 



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549 



Adels (von den Freiherrn v. Kainach und Stadl) untcrkoimucn- 
den Angaben bleiben, welclic nicht auf Urkuiulon beruhen. 

So finden wir als Gattin Wclzers des Acltcrcn eine 
Kathrey oder Katharina Ba Umkirch er angegeben,^ und 
zwar bei Kainach zum Jahre 1419, gclegentHch einer 8cel- 
geräthstiftung für die Pfarre Lobming, während bei Stadl eine 
Anna Baumkircher zum Jahre 14G7 mit Andia Welzcr 
vermählt erscheint und als Schwester des Hanns und 31atlhias 
Baumkircher (!) bezeichnet wird. P'erncr nennt er zu den 
Jahren 1458, 1467 eine Dorothea Bauiukircher als Gattin 
des J Ungern^ Gallcr. 

Alle diese Angaben entbehren jedes sichern Nachweises, 
und wenn Stadl ausserdem Friedricli v. B. (der entschieden 
den Baumkirchern Tirols augehört) als ,Bruder' des ll:ii;ns 
und Matthias mit den kärntnischen Baumkirchern zusanmuii- 
wirft und die Tochter aus seiner Ehe mit DiemuL v. Kpss, 
Margaretlia, ndt Hanns Rindsmaul sich vermählen lässt, so 
stehen wir auch da auf ganz unsicherem Boden. Gleiches gilt 
von einem Wolfgang v. B., der für die Zeit von 1457 — 14ÖÖ 
angegeben erscheint.* 

Auch mit joner Katharina, ,gebornen Baumkircher^, 
die als Gattin Jakobs des Neidhart verbucht wird, und von 
der ein Ennser Grabstein besagt haben soll, sie sei am 'J'.j. De- 
cember 1576 gestorben und in der Minoritenkirchc zu Euns 
begraben worden,^ kommen wir, was ihre Abstammung betrifft, 

Haa^bchriften-Exemplar im steiermärkiMlieia Laudesarchiv, Nr. 1278, 
2 Fol.-Bde., Bl. 858, 863; Stadl, Fraihenr (a. o,}, IL Bd., »Baninkircbor', 

f. 292. 

■ Wijifigrill a. a. O., 113. 

* Freiherr Iloheneck iu seinem Werke: Die lObl. Herren Stände des 
Enbenogdumu Oeatenreieii ob der Eni», III. Bd. (1747), 8. 4B7— 48», 
,O«iiea]ogi0che Notata von d«r aligestorboneo FainÜie der Herren von 

Paamkircbon oder Paumkircber', citirt den bandflohriftlichen Naohlass 
des Freifn'rrn v. Enenkl und Val. Prenenhnbers, ausserdem ein »Epi- 
taphium' iu der Slinoritenkirch© zti Enns (S. 48'J). Demzufolge eboliclito 
Jakob Keidhart, aus Uhu tstammönd uud iu Oberüsterreich als Käuter 
dflf SeUeiiei nnd laadschafklidien Qntee Qneieenan (im Ifttblkr^} 
beimiaeb geworden, eine Katharina, cceborene Banmkircber, dieibm 
zwei Kinder Georg und P l iLTi a, gebar, später eine zweite Ehe mit einem 
Puchloutnor cinginfj und 157G starb. Sio kHnnto nur eine Tochtor 
Georg (IL) Baomkirchers, Freiherrn Schlaniog, aein, so das« ihr 



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550 



nicht leicht zurecht, obschon ihr Name sogleich an die jttngere 
Tochter Andreas Baumkircbers erinnert. Sie selbst könnte es 
natttriicb nicht sein; etwa eine gleichnamige Enkelin. Aber auch 
das bleibt hypothetisch. 

Dagegen dürfen wir nicht mit blossem Achsdsucken an 
jenem Erasmus Baumkircher vorbeigehen, der uns urkundlich 
von 1512— -1525 yerbUrgt erscheint und 1525 in der ,GHlltBn> 
Bereitung' als im Lande Oberösterreich begHtert und wirk- 
Itcher ,Landmann' bezeichnet wird. Er gilt herkömmlich als 
^Zahlmeister* Maximilians I. Sicher ist aber, dass ihm 1512 
der genannte Kaiser Stadt, Herrschaft, Amt, Maut, Ungeld und 
Burgvogtei der Stadt Enns für 2200 Gulden verpiUndete. Ein 
jüngerer Erasmus B., wahrscheinlich ein Sohn des um 1526 
gestorbenen Vorgenannten, erscheint (seit 1534 beurkundet) im 
Viertel ob dem Wienerwalde, also in Niederösterreich be- 
gütert, 15S5 im Wiener Landtage als Mitglied der niederöster- 
reichischen ,Ritterschaft' und 1545 als niederöstenreiehischer 
Kammerrath mit dem landesfürstlichen Lehensitze zu Haus. 
Da er 1547 in einer königlichen Urkunde, als männlicher 
Leibeserben entbehrend, das Recht der LehensTcräusserung 
erhielt, so dürfen inr wohl annehmen, dass mit ihm seine 
Familie im Mannesstamme erlosch.' 

Die Meinung, Erasmus der Adtere sei ein Enkel An- 
dreas Baumkircbers, bleibt wohl anfechtbar,* denn wir wissen 
bestimmt, dass die beiden einzigen männlichen Sprossen des 
Vorgenannten, Wilhelm (II.) und Jörg (IL), ohne Söhne starben. 
Ebensowenig kennen wir aber auch einen Seitenverwandten, 



Sobu aus erster Ehe, Georfg^ den Namen des Qrossvater» von miltterUcber 
Seite fuhren wOrde, waa allerdings jedes sielieni Anhaltepunktee entbehrt» 
oder, was ▼ielleichi niher lige, aU ifleiehnamiga Tochter Katharinan, 
der Bchweeter jene« Geoi^ (IL), angesehen vrerden. Aber aiieh die« 

bleibt vOUig im Dunkol. 

* 8. das Nähere hex FToheneck a a. O., im heraldischen Jahrbncho , Adler*, 
Jabt^ang 1874, 134 f. Aus Wissgrills Nachlasse; urkundliche Angaben 
Tou 1512 (September 9, Köln am Rhein), 1521, 1524, 1625 .... Ar 
EraamuB B. den Jdngereii 1684, 1636 (7. AprU), 1546 (lt. April) und 1647 
(Sa Jnni) .... endlich Wein v. StarkenfiBb in «einer stofl&eichen Nen« 
bearbeitung des Siohraacher'achen Wappenbaches ,OberOsteiTeiehischer 
Adel' S, -JüG— 236. 

* Wei-ss V. äUirkenfoU a. a. 0., S. 236, «dasa Erasmus dee Andrä B. Eakel, 
wie ich meine . . . .* 



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ööl 



etwa einen Bruder, unseres Andreas, von vv^elchem Ei.u;uus 
hätte ab.stammen können, und nicht minder aussichtslos ist 
vorderhand jeder VerÄueh, ihn inii den ste irischen oder 
ixurutnisehcn Bamnkirehcrn verknüpten zu wollen. 

Da uMilcrseits die 'i';roler Baunikireher um 15Ü5 mit 
einem Gaudenz für erloschen gelten, so kommen wir auch da 
nicht zurecht, obsehon es hier weit möglich er erschiene, in 
ihm einen dem Lande Tirol durch Amtsstellun«^ und Besitz 
cuttVcmdeten Ausläufer der dortigcu iiuumkircher zu er- 
blicken. 

Immerhin könnte in iliiu vielleicht ein blosser Namens- 
vetter der inneröstcrreichisclien und tirolischen Baumkirchcr, 
ein fremilbiirtiL; r, in Oberösterreich heimisch gewordener Km- 
porkümmlin^^ aufttuchen, der etwa von dem Dorfe Baum- 
kirchen im bennchbarten Baicrnlandc (Oberbaiern, Land- 
gericht Au) den XauKii liihrte. In Oesterreich ob und unter 
dor Enns selbst gibt es keinen so lautenden Ortsnamen. 

Wir stehen da bei einer vorderhand offenen Frage, und 
sie wird noch verwickelter, da uns eine angebliche Grab- 
inschrift der Minoritenk II ( lie in Enns^ vorliegt, welche 
im Jahre 1526 einen Gallas raumkirclier bestattet werden 
lässt, dem ein Haus Winter und Anna Paumkircherin 
(seine Ehefrau), gemeinsam mit ihrem Sohne Michael (Winter), 
dies SterbegedUchtnis aufrichten Hessen. Denn wir hiltten es 
da mit einem neuen Baumkircher, Gallus, und mit dessen 
Tochter Anna, verehelichten Winter, zu tliun. Da um dieselbe 
Zeit (1526) jener la asmus B. (der ällore) als vmstorben zu 
gelten hat und von ihm allein urkundliche Zeugnisse sprechen, 
so läge es weit näher, an ihn und nicht au einen ,Gallus' B. 
zu denken. Dennoch mlisste es hinwieder auffallen, weshalb 
dieses Grabmonument nicht auch von dem jüngeren Erasmus B. 
als Mitstiftcr spricht, dem die Sache wohl nahe genug lag. 

Man sieht daraus am besten, wie viel es da noch an 
Arbeit für den Genealogen erübrigt, um all diese Baumkircher- 
fragen zu losen. 



> Hoheneck a. a. O.» S. 469. 



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55i 



IL Abtheilung. 

Persönliche nnd BosltzTcrhiiltDisse der bteirlbchcu 
uud kürutniäclien Baamklreher. 

Die frühesten Urkunden, die uns mit diesem Geschlechtc 
Vjckannt machen und auf den Ort Baumkiiclion als Heini und 
ßcsitzstätte der Genannten, Gundaker und Marku Hi-d (I^"i7, 
1233) schliessen lassen, entbclircu gleichwohl jedes bezüghchen 
Nachweises. 

Ebenso lässt sich aus der wichtif,'en, nber nur ganz allge- 
mein gehaltenen Angahe im Hentenbuehu des Herzogthums 
Steiermark (Rationarium Styriae) von 1207 Uber zehn landes- 
fürstliehe Erblehen ^ des Sohnes Gottschalks v. R. nur 
der Schluss ziehen, dass diese Baumkircher herzogliehe 
Lehenstriiger waren und dieser Besitz auf dem oberen 
Murboden gesucht werden müsse. 

Anderseits dürfte die Bewidmung des Chorherrenstiftes 
Seekau vonseiten der Eltern seines Chorherm und Custos 
Konrad mit einer Mark Kmkunfte von ,Preming*, d. i. Pren- 
ning an der Mur, zwischen Peggau und Deutsch-Feistritz,* 
eher auf ein bezUghches Heiratsgut Mechtildens, der Mutter 
KonradSy als auf das Eigen Eberhards v. Baumkirchen, ihres 



' Vgl. die I. Abtheilmip. Rntion. Styriao, herausg. von A. Rauch in den 
Script, für. Austr. II, 174: ... dominus rex (Ottokar II.) infeodavit 
filium Gotscalci de Fo vmeuchircheu in X feodis, domino meo 
attinontibufl. Offenbar war damals bereit« Gottacbalk gestorben und 
•ein« Brb lohen wnrden nun auf den Sohn tbertngen. 

* Oaneter, Pimralstiu Beoeovienaie, a. ». O. (s. L Abttwilung.) Bberiiaidns 
de PoTmohirehen et Hmeehtildis nzor «la, ob quonia remedlam habemo« 

uuain marcam reddituum in Preming. Ueber Prenning, das 
unter diesem Namen zuerst 1223 aiiftanclit und später auch , Preming* 
geschrieben wird, h. Zahn, Ortsnajiionhiicli dor Steiermark im Mittelalter, 
S. 65. £a gehörte ku den Besitzungen des äeckauer Cborherreostifles 
ineofem, ala wir hier «einen WirlMhafti* nnd Amtihof TonuueetMn 
mOnen. Schon 1S87 eiaoheint hier ein Heinriens ak »Offieialie' oder 
Amtmann 8ockaiis bezeugt als der Letzte in der Zeugenreihe der be- 
troffonden Urkuiule (Zahn, Urkiindenlmch des ITorzo^jthnms Steiermark 
IT, 332, woselbst auch noch 1214 der Vorgfenatitite und .sein Sohn Ulrich, 
ä. t>54, in einer Urkunde Poppos von Feluich = Peggau augeführt er» 
■eheinen). 



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553 



Gatten, hinweisen, da wir sonst nie einem Besitze süiucs Ge- 
schlechtes in der bezeielineten Thaiuntr bei^e^ncn. 

Dagegen lässt eine iVilherc Urkunde, vom Jahre 1308, 
die eines vorhergehenden Vorkaul'es eines (riites .Küntzels' 
(Konradl v. Baumkirehen an Herrn Ott v. Liechtenstein gedenkt, 
womit der Letztirenaiii.tc den St. Jost-AItur der Muruuer Pturr- 
kirehe beatit'let, uiil einii,^rr Sicherheit auf die Lage jenes Gutes 
in der Gegend von Murau schhessen, da wir später daselbst 
Besitz des Geschlechtes beurkundet linden.* 

Die Jahre lo-lf)— 1.'j7ö ftihren uns die Gebrüder Wevirant 
und Dietmar und, als Bruder eines jinii^ertm Dietmars. Aibcr 
V. Bauinkiroher vor* und bieten einige willkummcne Andeutungen 
über ihren Besitz. 

Zunächst (1345) verkaufen Weyp^ant B. und sein Elie- 
Aveib Llsp«;t ,ein Gut' an das St. (Jl.ira ivloster in J lidcnb urg,^ 
ohne duss wir die Oerthchkeit jenes (nite* ganz sieher zu be- 
stimmen in der La«re sind. Doch spricht Vieles dalui-, es in 
der Pöllau bei Ncuuiarkt vorauszusetzen. 

1350 leisten Dietmar und seine Hausfrau Katrcy ( ivathai ina) 
zu Gunsten Wülfings, des jHämmerls' von ,Piseh<>h|K;r:j;' (Bisdiof- 
berg hei Keuniarkt)'* und dessen Eheweibes Kunigunde, Diet- 
mars Schwester, Verzicht auf allen Erbtheilansprucli.^ 



* Urkunde vom 29. Mai 1308, Steiftrm.HrkiM-In - Laudosnrcliiv, Topie 171G«" 
(aus einem Muraucr .Pfarr-CopiaHniclitj' cio.s 17. JalirlaniiiürU*). Herr 
Ottu V. LiechtenBtein, dor Jün^ert^, beseiuhnet diese Altarstiftuug als 
tguiOtt dM ieli von Gbttntsloiii von Faamkhttrobeii kbanfft . . . .* 

> Vgl. die I. Abtheilang. 

* 1845, Mai 10, Judenborg. Copie im Oraser steiennHrkiNcheii Lniido.s- 

.irrliiv 'i'J.'tS'» . . ein Gut ,auf dem Ay<ren, dA der fodoguHt auf- 
sicxl'. E» bleibt t"r,it:Iifli, oh wir ,Aygon* als ,Eigonj;r«t* oder - was 
uäher za liegoo scheint -~ als Oortliuhkuit aaffassson sollen. Im 
Stadtgebiete von Jndenbnrg (vgl. Zehn« Ortanamenbtich» 8. 885) Ist eioe 
solche nicht nacbwebber, von den xahl reichen »Aigen* (0. Zabn a. a. O., 
61. 6) etimmt keines niit <1<<r VorauHsetznng benachb.artor Lage besser als 
Aiiron in dar PHllan hm Nt-nmarkt (Z.ihn n ,1 O, S. 5 u. 63). ,Fede- 
gnst' ist nnzweifelh.-dt der Marne des darauf sesAbafton ZiDsbauers. 

* Zahu, Ortjinameabuch dor Steiermark, S. iü. 

* SteiennXrkiBehes Landesarcbiv« Original 2415, leider mit abgerisiemem 
St4^1. 1350, November II. 1856 taucht ein Erehenger (Steiermürklsebea 

Lando«arcbtV, Nr. 257'2), 1350, l.SGO (Stoiormärki^ches liandesarchiv, 
Nr 1*686 » n. • und 3894 • ein Hänael der »Hftmmuriy' von Biscbofs- 

borfx an f. 

Archiv. XCl. Bund. II. lUlft«. SO 



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554 



Wenn diese Urkunde nnr für die Veischwilgening der 
Baumkircher mit den Bischofbergern einen bestimmten An- 
haltspunkt gewSlirt, dagegen die Erbtbeilanaprttcke nieht nftber 
localisirty so bietet die Verkanfsurkniide eines jüngeren Diet- 
mar B. und seiner Frau Anna vom Jabre 1376 den will- 
kommenen Hinweis auf die Thatsacbe, dass dieses Ebepaar 
^iirgrecbt' und ^Hauseigen' zu Obdacb besass' und beides 
an Kurs den Jöstl su St Leonbard* fUr 46 Pfund Wiener 
Pfennige ▼erkaufte. £s bleibt nur fraglieb^ ob dieeer Besits 
von Hause aus dem Baumkirober gebOrte, oder, was wabr- 
sobeinlicber ist, angebeiratet wurde. 

Um so bedeutsamer erscbeint daber die aiemlicb gleicb* 
zeitige Urkunde (1374),' wonacb der bereits angefUbrte Alber 
,der Pamkircber' und seine (ungenannte) Ehefrau ihren Antheil 
an den Hof zu Baumkircben, femer an der Eirchenbube 
und an dem Aoker ^gelegen hinter der Kirche bd St Andre'* 
dem Bruder Albers, Dietmar, verkaufen. Wir finden hier 
zufiülig den ersten bestimmten Hinweis auf den Baumkirch er- 
hof im gleichnamigen Orte und die nut ihm zusammwbingenden 
Liegenschaften vor. 

Anderseits bezeugt ein älterer Yerkaufiibrief vom Jahre 
1350,' dass ein Konrad v. Baumkirchen für sein Juden- 
burger ,Bui^echt' 42 Pfennige zu entrichten oder zu 
,dienen' hatte. 

Innerhalb der Jahre 1372 — 1404 begegnet uns Ulrich 
V. B. in wechselnder Ijebensstellung. Die früheste Urkunde, 
die ihn eine Yerzicbtleistung gegenüber dem Kloster St Lam- 



* SteienuHrk.i»i:litiö Liiiulejsarchiv, Copie 3216^, 1376, Februar 22 ^saumt 
pan und wiamal*. 

* WAhneheinlieli St Leonhard in der PoUau bei Nennarkt, Zehn a. «. O., 

S. 305. Die JOetI odor Jobst] mUsson in einer sehr bßscbeideneu 
Knnp^tfllung^ gedacbt worden. 1484 rriclioint ein Aiidro ,Jo9tel* als 
jjkhaüer* dos Gösspr Nonnonstiftes. wunleii sie Freiherren. S. Bartsch, 

Wappenbuch, neu hurausgegobon v. Aiitiiouy>SiegeQfold und J. v. Zahu 
(1896), Anhang (v. Siegonfeld), 8.48. 49. 

* Steiennirkiaehea Landenxehiv, Orig. 8210 vom 14. December 1374. Leider 
fehlen die Siegel. 

* Dns ist die St. Arulrras-Kin lu'. zu Baumkirchen. 

^ Stoiermärkisches LruHl« -;in hiv, Copie 2403*', vom 25. .lannnr 1M50, d. 
Judeuburg. Die in «lui Urkunde angüfUhrtea Oertliciikc-iteu liegen in der 
Umgebung von Banmkirehen. 



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Ö5Ö 



brecht ausstellen lässt, ohne die gewissen Ansprüche des Näheren 
anzugeben, führt sein Siegel, worauf er als Ulrich v. ,Vonstorf , 
d. i. Fohnsdorf, angefUhrt erscheint/ mithin als dort behaust 
anzusehen ist. In der Urkunde von 1380 heisst er ,Judeii- 
richter* von Judenburg, 1387 ,Bürger' zu Knittelfeld, 1389 
, Landrichter* zu Zeiring, 1393 solcher in Knittelfeld, 1395 
solcher im Pölsthale, ohne dass wir bestimmten Angaben Uber 
seinen Besitz begegnen. 1397 erscheint er als dritter Schied- 
manii neben Peter dem Ramung u. A. in einem Streite um 
Güter in der Umgebung von St.Lorenzen und Scheuflin^, was 
bei dem Umstände, dass in der Regel Nachbarn der iSti cittheile 
zu solchen Schiedungen herangezogen wurden, auf Güterbesitz 
in dieser Gegend allenfalls schliessen Hesse,* 

Erst in der Urkunde Herrn Ottos v. Liechtenstein 
(1404, 4. September), die ihn bereits als ySelij^;', d. i. verstorben 
anfuhrt/' findet sich verzeichnet, dass U. als .Satz' oder Pfand- 
schatt lUr 40 Pfd. guter Wiener Ptennigo den ,Wein', d. i. 
Weingärten in Zirknitz erworben habe, welche Oertlichkeit 
wir wohl zunächst als die Weiler Ober- und Unter-Zirknitz 
bei Stainz ansehen dürfen.* 

8o kommen wir mit dem Gtiterbesitz dieses Baumkirchers 
sü gut wie nicht zureelit, und anderseits nimmt er, der wieder- 
holt als ,erbar elmeeht' bezeichnet erscheint, luil dem Wechsel 
seines Wappens (s. o. I. Abtheilun^i, ) eine SondersteHung ein. 
Jedenfalls zwing't uns sein früheres. 1372 «^'elYilirtcs, ihn zunäclist 
als , Knecht' oder Einschildritter der .stubenberg;er anzusehen, 
welches ilcrrengeschlecht auch im oberen Murgeliinde Guter 
und adelige Höri>;e zählte. Ausserdem finden wir 1381 eine 
Alpenwirtschaft (swai;;) der Stubcnberger — vom Kaptenhergcr 
iiauptaste — bei , Polau' angeiuarl,' mit dem Beisätze, dasö 

* 8. o. die I. Abthoilaiig. 

* VgL flbflr die Fundstellen «Uer dieeer ürknndan die I. AbtheUong. 

» Ebend. 

* Zahns Ortsnamenbuch, S. 519—520. 

* 1881, Decembor 13, Steiermärkisches Lande^archiv , Original 3414, 
Theilungsvortrag der Stnbenberger. Vgl. Mnchw VII» 21 und Pratobeverat 
Btnbenbefger Begeeten, NotisbUtt der kaiierl. Akademie der Winen- 

schafteu 1860, S. 215, 216. Dieses ,Polan' oder PöUau muss wohl bei 
Mnrau-Badendorf zu suchen seiti. Yv^l. Zahn a. a. O., S. ^2. l>io 
Stolle in der obigen Urkunde lantet: ,:un swai«» von dem Pam- 
cbircker« gelegen in der Polau, da der äloettrer auläiczt'. 

36* 



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556 



sie der ,Pamkiroher' innebabe* Leider fehlt d«r Vonumie. 
Spftter werden wir mit einem Lorens B. ab Inhaber Staben- 
beiger Lehen zusammentreffen. 

Folgen wir den awischeiilftiifigen UrkandenaDgaben, so 
stoBsen wir 1404 auf Niklas B. als Inhaber eines Hofes zu 
Welting/ den ihm Abt Hartnid von Admont auf sieben Jahre 
gegen Zinssahlung abergeben. Derselbe Niklas B. dttrfte es 
auch seiB) der als zweiter Zeuge^ hinter Moria Weiser,* in 
der letstwilligen Anordnung Rudolfs y. Liechtenstein-Mnrau 
vom 5. M&rz 1424 auftaucht, was ftir engere Besiehungen au 
diesem Herrengeschlechte spricht, die wir auch bei Ulrich 
V. Baumkirchen zur Sprache brachten. Ueberdies lernten wir 
beieits an frtüierer SteUe denselben Niklas zum Jahre 1433 als 
einen der beiden yV^rweser' des mindeijährigen Jungherm 
Niklas Liechtenstein kennen.' 

Etwas reichhaltiger sind jedoch die bestimmten Angaben 
Uber den Stubenberger und den landesfOrstlichen Lehen- 
besitz eines Larencz oder Lorenz B. vom Jahre 1446, die ihn 
selbst jedoch schon als Verstorbenen erwähnen, während seine 
Witwe, Anna, als Nachfolgerin im Lehengute erscheint 

Zunächst möge die Urkunde Lentolds Stubenberg 
vom 9. Juni 1446 zur Sprache kommen.* Hienach bewarb sich 
die Oenamite um die ,Lehen8folge' eines Ghites ,am' Murberg,* 
eines solchen, genannt das ,KOniglehen', femer eines zu Feistritz' 



^ 1404, Februar 22, SteierniRrkiscbe« Laiidetuirckiv, Copio 4148 *. Wicliuer, 
Ge8chichto von Admont III, 120, nach dem Original im Stiftsarchiv. 
Wichner bezeichnet den Hnf zn Weltinjir als im Lungau bei Tamswog 
gelegen. Zahn, Ortänameubuch der Steiermark, S. 4U], hält es für un- 
bestinunbar, iu Obdrsteierumrk «scheinbar bei Weiaskirchen golugeu*. 

* Ein oberlXoidiaohw Bitteiigwdileoht, wjüinMslieinlieli mit den Onilup 
und Lobraing versippt. B. Bartaoh* Wappenboeh in nener Anognbe vom 
Jahre 1893, Anhang von Siegenfeld, S. 1Ö6. 

* Steiermärkischea Landesarchiv, Orijrinal 4003 alipelfSst von einem 
Urbar aus dem Jahre löOO und Muraaer Archivsurkuudo von 1433, s. 
L Abtiieilung. 

* SteiennXrkiMlkea LandenurdiiT, Qriginnl 60S4. Vgl. Ptatobevera, Stuben- 
berger Begeaten a. a. O., 8. 374, Nr. 49S, 9. Jnni 1446. 

* Ein solches Murbei>: oder .Mureperg' findet sich bei Mnzsa'Triebendoif, 

». Zahn, OrtsnatTK^Tiliucli dor Steiermark, 8. 349. 

* Ein Feistritz tindot »ich bei Judeuburg, ein zweites bei WeisskircLuu, 
Baas ee am Wauer lag, beweüt der Zosatz: ,da die Petrin bei der 
prncken anftioBf. 



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657 



und eines Ackers.* Von letzteren wird tibcrdios bemerkt, 
dass sie aas dem Nachlasse des Herrn Cholo v. Säidenhofcn 
stammten.^ 

Wenn diese Liegenschaften aller Wahrscheinlichkeit nach 
in der (reerend von Murau und Judenburg lagen, so gelu>r« n 
die iu einem Cillier Leb on buche* verzeichneten .landes- 
furstHchen* Lohen der genannten Witwe des Lorenz H. der 
selben Ecke des oberen Murbodens an, und zwar vier (i ti r 
am /)thanik in der Grueb' und am .Moos* und zwei Güter in 
der Krack au.* Das auffiUlige Xorkommen dieser Liegen- 
schaften in einem Cillier Lehenbuche kann selbstverstilndlich 
nicht auf ihren Bestand als Lehen der Grafen von Cüli ge- 
deutet werden, die hierorts nie Kigenbesitz innehatten, sondern 
erlaubl nur die Annahme, dass sie als landeafllrstUch-stcirische 
Lehen in die Pfandschaft der Cillier kamen. Eigentlichen 

' «MUior, den Kunos IfaTr inaeluit* 

* (Und aind d«f lehen von Hern Köln von Seidenhof an . . .* Dieier 

Letzte des ManneHAtamines der L.niiili'HininiRt«rieIen nnd Herron v. SHIden- 
hofen oder Paldonliofrn starb 1374. S. Krone«», Der TT orrr>n 'stand de?» 
Herzotrthiirii-; .StoifnnarkH (Mittheiliingen de» historischen Vereines fiir 
Steiermark, 47. Hüft, lb99, S. 89—90). Die Säldenhofnor Leben verlieh 
Kvnog Albreebt HI. September 87, tat Herrn Georg r, Lieehten- 
Btein-Mikolaburg, enagenommen jene, ,die ■um Maredudlnnt der 
Steiermark geboren' (Licbnowsky-Birk IV, Begeston A, Nr. 1 18'»; un^-^enan 
bei Mucbar VII, 3- — {':. Din in unserer Urkunde als Saldenhofer Lehen 
aiifjeffihrten v<»rliph inuiniohr Herr LcutoM v. Stulienhorp. 
^ Lohonbuuh, Haudschrit't dt» Gramer Landesarchivä, Nr. 377il, f. 71 
^nna weiland Lorencsen dee Pemkireher witib/ Aiudrllcklich wird 
bemeifcli dea» eich der L*ndeef firet die Rflokeinlltsttiig tun 60 Mark 
Agleier Pfennige vorbebHlt. Letzteres stimmt auch zu dem Umstände, 
das!< diese» LGhon!)vic;li %'on Ilnn-- ."ms oin CilHsches, d. i. ein Ver« 
zeichnis der Cillior Gr.ift'nlfhen i"-! tnid der Zeit des Altpraff^n Frirdrich IT. 
(1435 — 14&4) aiigebürt. Eiiiertteit« lindet sicli jedoch kein Eig6nbe.HitK 
der Cillier in unserer obersteirifeben I^andeeke, wobin alle genannten 
Orte gebSren, anderseits werden sie wie bOTeite erwftbnt — ans- 
drOcklicb dem landesfUrstUcben KOckeialOsungsrecbte vorbehalten. Sie 
mtlssten nhn als lande»f iirst 1 i c h ■ s t ei riMc« h n liehen in den Pfand- 
hcsitz der ('illier pfekommen sein. — Dat^e^'-en wissen wir aus der Krb- 
tlieilung«urkuude der 6tabenberger vom Jahre 1387 (Mucbar VH, 37), 
dass diese in der Oegend Ton Mnran nnd Kraekan begütert waren, was 
j» aveb ans der Stnbenberger Urkunde rem 9. Joni 1446 hervorgeht. 

* S. als Nachweis fiir den Bestand der Orte in der Ge^reml von Murau- 
Ranten Z.ihn» Ort.snanienl)nch der Steiermark, S. 111 (Krackau), 8.838 
(Othemick in der Qrab) aud 343 (am Moos). 



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558 



Oillier Lehen begegnen wir nnr bei den Erainer Baumkirehem, 
deren Beute in der IH. Abtheilnng sur Spracbe kommt 

In dieser Gegend erscheint ftuch der ,edle^ Teste' Kiklas 
Baumkircher begatert^ wie dies ans einer Urkunde vom 2* Märs 
1478 hervorgeht Hier heisst es nttmlich, dass die ,VorYordem' 
des Genannten nnd des JOrg Potschan von dem Dienste (oder 
Zinse) eines Gutes an der Strasse ob Mnrau unter ^KündorP 
(Kaindorf bei Murau) bereits frOher die Httlfte cur Heiligenstatt- 
Kirche in Murau gestiftet hfltten.^ 

Koch besser werden wir davon 13 Jahre später (1491) 
unterrichtet Denn aus der besfiglichen Urkunde vom 19. Märs 
d. J. geht hervori dass der Genannte, Niklas v. Baumkirchen, 
SU St Georgen ob Murau sesshafi^ dne Beihe landesfürstr 
Heber Lehen ^aufsandte' oder aufgab und mit BewiUigung der 
Gräser Regierung an Hans Kaltenhauser verkaufte. Sie lagen 
sllmmtlich in der Gegend von Murau nnd Judenburg, und 
zwar im ,Moos ob dem Seebach bei Murau', su Ottheim ob 
Murau, in der sogenannten ,Sommerau*, im Graben in der 
Krackau und als ,Koberg-Lehen' su Ptthel bei Judenbuig.' 

Für den Ansitz dieses Baumkirchers zu St. Georgen ob 
Murau findet md^ noch ein zweiter Beleg aus gleicher Zeit, 
dem wir ttberdies den Nachweis verdanken, dass auch hier 
ein Baumkircherhof bestand.* 

Mithin hatte dieser spätmittelalterliche Ausläufer der 
steirisehen Baumkircher weder mit Gttterbesitz in der Um- 
gebung von Baumkirchen, noch mit dem ,Banmkircherhofe' 

* Mitgetlioilt Vom Archivar in Murau, Herrn Zub. (Die andere Uäifie 
dieses Ziusos stiftet nun der Murauer liürg^er Mikla« Lösch.) 

* Auch Muchar VIII, 175, veneeictinet diese Urkunde, aber ohne nähere 
Datirung zum Jahre 1498. Sie findet eich mit TolIer Z^t> und Orta- 
ADfpibe im Teneiehniaae de« Grsser HofatebiTB (davis landab. Antiqn. 
in €!aes. Aulae Graeceasiü Archivo reperiendamm), 1730 hergestellt durch 
den damaligen innerösti-rrpichischon ITofkamraerrath Peter Apostel en, 
I. Tora., S. 72. — Die nähere Beätimmung der Oertlicbkeiten biutct um 
V. Zaliu. Ortsnamonbuch der Steiermark, S. 407, 36d, 224, 103 und 75. 

' Steiermirkischee Landesarehiv, Lebenbaud Nr. 1, 15. Jahrhnndertf Fol. 93 
Hier erseheint ein Andri Mayr ,in der AwnS d. L die An hei Mnran-Predlits 
(Zahn a. a. O., 14) al» Inhaber von Lelicn, die von «weylland den von 
Pettaw', <\. i. von den bereits erloschonon llorren v. Pettau herrnhrff'n 
und die ihm sein gleiclifalls schon verst<)rl>euer Vater Mert vererbt hatte. 
Edne Liegenschaft wird als «gelogun «u Sannd Jorgen ob Murau 
ob des Panmkhircher« Hof angeführt. 



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559 



daselbst «i Ürnn, und jener Lehenyerkauf dentet zugleich 
einen offenkundigen Niedergang der landesadeÜgen Stellung 
des Gtesclileelites auf unserem Boden an. 

Je weiter wir die yereinzelten Angaben Uber Baumkircher 
bierKuhnde verfolgen, deslo unverkennbarer gestaltet sich diese 
Thatsacbe, daas wir schliesslich in Zweifel und in Verlegenheit 
gmdien, die richtigen Ausläufer von jenen Personen zu 
unterscheiden, auf welche der ursprüngliche Baumkircherhof 
im gleichnamigen Dorfe überging; und die sich nach demselben 
schrieben oder benannten, ohne etwas mit dem erloschenen 
Geschlechte selbst nachweisbar gemein zu haben. 

Zunächst sei bemerkt, dass unseres Niklas B. noeh clno 
Urkunde von 1494 als bisherigen Besitzers einer Wiese ob 
St. Lorenzen (ob Murau) als landesfUrstlichen Lehens gedenkt. 
Sodann erwähnt ein Lehensbrief Herrn Jörgs v. Licchtoustcin 
vom Jahre 1539, dass der verstorbene Christoph v. Räcknitz, 
ein Lehensträger der Liechtensteiner, einige Lehengüter vom 
, seligen^ Niklas Paumkircher erkauft habe. Seliliesslicli sprieht 
ein gleiches Actenstück von 1546 über den Ankauf von Leheu- 
gütem, die der verstorbene Hanns Neytorff l)esessen; darunter 
befUnde sieh aueb der .gemauerte' Hof ausserhalb des Dorfes 
St. Georgen ob Murau, genannt der ,Panmkircherhof'. Daraus 
gellt hervor, dass der Besitz jenes Niklas v. Baumkircluni 
gänzlich veraussert wurde oder in andere Jliinde gekonnnen 
war, wenngleich der let/tgenaiinte Baurakircherliof diesen Namen 
auch bei späteren Vorlciliungen dioses ,l\itterk'liens' bcibriiiolt. ^ 

Aehnlich erging es dem allen iStammbitze der Baum- 
kircher bei Weisskirehen. 

' a) 1194, 18. M.ii. Di(^ von Niklas B. gekaufte ,(iruf'iiuiii-\\'ii^?=p' <th 
St. Loreazen wird von ihrem üe^tzer weiter verkauft, b) 153y, "jy. Januar, 
Leheobriaf Geoif« v, Liechtenftein*lfvrau ftr 4«n Rittor 0«11 
V. Backnits Uber Mihlreiebe LeliengUter am Mnran, mit denen sehen 
Georgs Vater, Rudolf v. Liechteuiteiii- Murau, den Vater de.s Gall 
V Hacknitz, Cbri.«t<)ith, lieU-lmt habf. Eiiii{;e von ihnen habe Rudolf 
von dem verntorbencMi Nikla.«) Paumkircher gokautt. r) 1546, 14. No- 
vember, Lebeubrief Ottos v. Liecbteustein-Murau für Kuprecbt Arubring 
■n Jndenburg aber Lehenatttcke^ die der Letstere dem Tefstorbenen 
Hanns Nejttorff abgekauft nnd bereits von Georg ▼. Liechtenstein 
empfangen habe, and iwir 1. den .Wttrmblerbof' im Dorfe St. Geofgen 
ob Mnrau, 2. den gemauerten Ilof atisserbalb des Dorfes, gon.innt der 
,PaumkircluMliof , Originale im Archiv su Maraa, mitgetbeilt vom 
Herrn Arctuvat- Zub. 



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560 



Für diese Bogenannten Baumkircher der Spätseit, 16., 
17. Jahrhundert, bieten uns blos die Urbare der Wasser* 
berger Gnmdherrschaf): des Bisthunia Seckau Anhalts- 
punkte. Die Burg Wasserbeig, mit dem älteren Namen 
yTrigowle' (slairiseben Ursprunges), in der ,Q«i]' (Qeol) bei 
Knittelfeld gelegen, taucht seit 1276 geschichäich auf, als 
damals dem Bischof Wernhard yon Seckau, einem sähen 
Anhänger König Ottokars II., von Dietmar, dem Geuler, ent> 
rissen.^ Ziemlich gleichzeitig, 1377, besagt eine Urkunde» dasa 
die Feste auch ,Seckauburg' heisse.' Zum Urbar dieser Seckauer 
Herrschaft gehörte auch der Baumkircherhof, und so findet 
sich hier zum Jahre 1543 ein Hanns ,Pamkhircher' vom 
,Pamkhircherhor angefUhrt' Dabei wird aber eines Kauf- 
rechtes gedacht, das vormals ein ,Andrä', offenbar auch ein 
Baumkircher, innegehabt habe. Sind dies nun thatsächlich 
Ausläufer des immer mehr gesunkenen Geschlechtes der stein- 
sehen Baumkircher oder solche Persönlichkeiten vielmehr, die 
sich nach dem Baumkircherhofe, den sie erwarben und 
innehatten, Baumkircher schrieben? 

Jedenfalls ist die letztere Auffassung berechtigter, denn 
wir erfahren bald darauf, dass 1559 Bischof Peter von Seckau 
den Baumkircher* oder Tischlerhof einem gewissen Lnczko 
wegen besonderer Dienste verkauft habe, der Baumkircherhof 
dann an Georg Hochenegger gediehen sei, und dass dieser 
sich um 1591 nicht mit sdnem eigenen Familiennamen, sondern 
Georg Pämkircher kurzweg geschrieben hätte.* 



' Dalior heisst es auch in der iUtosten urkundlichen Angabe über die 
Gegend Tom Jahre 1174 ^ilua Wazerbere sine Trigowle*. Im 
letsteron Namem »teckt oflTenbar di« Benennongf ,Genl, Gei^. S. Zabn, 
Ortanamenbaoh der Steiannark, 8. 483. Ueber das Ereignu von t276 
a. Ottoknr» ilc8 Reint Chronisten Angabe in der Anagabe Ton SeemflUer, 
Vors 14018—14022. Vgl. Zahn a. a. O. 

' Zahn a. a. O., Castrum Si'ccf>burch, qiii Wu» antea Wa^zorherch voca- 
batur. Docii erkielt sich weiter die ßenenuuog Wasaerberg oder 
Wasserburg. 

* Uitgeth^lt Ton Job. t. Kalchberg in der historischen Einleitnng so seinem 
bekannten Dramft lAndraaa Bannkircber*, SimmtHdie Werk«, JX» S. 161, 

Anm. ,anno 1543 üannss Pamkh ircber von dem Pamkhircherhof 

vnnd Kalchgniobn ; ist khauffrecht, so vormall Aniiflrn innpcjoliabt.' 

* 8. Handschrift im Steiermärkiscben Landesarchiv, Nr, 142d, ,Aua dem 
öpezialarchiv Wasserberg'. 1, Am deu Arckivsactea. 



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561 



So und niclit anders verhält es sich wohl auch mit Niklas 
Paumhkirclicr, der uns 1694 in einem V^erzeichnisac der 
Laudesanlttgeu oder Steuern begegnet.^ 

Wii' müssen liier noch schliesslich der Kärntner Baum- 
kircher kurz i^edcnken. die uns 1444 — 1508 nh Hanns und 
Matthias B., oH'enbar Vater und Sohn, beurkundet vor An;:en 
treten. Die Urkunde vom oi), Januar 1444 bezeichnet Hanns in 
einem Tauschvertra^e mit dem Cistercienserklostcr Viktring als 
Pfleger zu Silldcnheim, heute Seltenheiui, iiu Lendorfer Be- 
zirke des Klagenfurter Gericlitssprengels, somit als doiu-^'^en 
Verwalter in Diensten der Liechtensteiner von Muruu, 
was ebenfalls für den nahen Zusammeidiang der Kärntner und 
steirischen Baumkiruher spricht. war er bereits verstorben, 

d& nur seiner , Kinder^ Erwähnung geschieht.* 

1474, 13. Aujg'ust, taucht Mathias B. als Besiei^der der 
Urkurnh; eines Klagenfurter Bürgers auf und erseheint 14SI 
(Miirz ."JÜ) in einer Jahrta^^sstiftun^:; für die Pfarrkirche Kappel 
an der Drau verewigt,^ Bald darauf (1481, October 10) stellte 
er dem Kaiser Friedrich III. einen Revers aus, demzufolge er 
die Pflegschaft des landesfurstlichen Schlosses Neudenstein 
oder Öernigrad im Weibseuberjxer Bezirke des Völkermarkter 
CTorichtssprenfjels auf seine ei^'cnen Kosten und unter der Be- 
din.f^ung übernahm, von den Einkünften jährlieh 42 Pfund 
Pfennige guter landläufiger Mün/e abzufidiren und bei Rüek- 
bezaliluug der Pfandsumme die Pflegschaft des ScLlosseö auf- 
zula&seu.^ 



* Uandschriit im äteiäriuärkiächeii LAndesarckiv, ^LaiindtsaDlagun' 1694, 
f. 101. .Niel» Panmbkireher dient mit ««inein hof/ 7 Poiten im Oe- 
«Mnmtbetragtt von 87 Galden, 1 Schilüiig und 9Vs Pfennigen (Steuer 
S7 Gulden, 4 SebUtinge, 8 Pfennige). 

* Vgl. die I. Abtheihing. Sftldenheim (8eltenheim) gebOrte den Liecbten- 

stoinern (vgl. Falko, Goachichte das IIause.s Liechtenstein I, 256). 1482 
wurden die Ungarn als Verbündete ll<^rrii Nikla-« v. TJeelitoustoin.s in die 
Burg eingelassen (Unrest, Ocstorroichisciio Ciironik, bei Halm I, 687 — «"iSH). 

wurde sie von den Kaiserlichen zerstört und dem Wulframsdorfcr 
▼erliehen. 

' Gfltige Mittheilattg des ArebivsTonrtnnde» vom Badolfinnm in Klagen« 
fiirt, Dr. A. Jak« ob. 

« HoftebatigewOlbbaober 8, 121 (Herr r. Jekteh). Apoetelena Claris 
and Index derselben im Gvaaer LandeMurehiT II, f. 7^ 



üiyiiizea by GoOgle 



562 



Letsterea geschah bereits 1483^ indem am 15. Jtmi d. J. 
Wolfgang Peuscher erklärt, Neudensteiii von ^Maihes Pemkireher' 
gelöst und die Pflegschaft selbst ttbernommeD su haben. 

Im Pflegreyerse des Andrä Resch Uber die Verwesung 
der landesfürstlichen Schlosshenrschaft Nieder-Tiixen finden wir 
nnsern Matthias B. als Siegler und als Schwager des Vorge* 
nannten beurkundet. 

Aus der lotsten unsem Matthias B. betreflFbnden Urkunde 
vom 12. Mai 1508 erfahren wir, dass er und seine Frau Madda- 
lena dem Paul Fertig Aecker im Klagenfurter ,Bui'8^®^®n' 
▼erkauften.^ 

Jeden&lls behaupteten die Kttrntner Wappen- und Stamm- 
genossen der obersteirischen Baumkircher iJtager und besser 
ihre Stellung, ohne jedoch den Aufschwung in Gut, Amt und 
Raog auÜEuweisen, der die Krainer Baumkircher ausgeseichnet 
hatte. 



m. Abtheilung. 

Entwicklung des Bealtzstandes der kralnlsehen Baam- 
kireher. Andreas Baumklrehers Anfinge, 

Die Baumkircher des Krainer Landes, deren geschlossene 
Reihe und Sonderstellung wir bereits in der I. Abtheilung über- 
schaulich würdigten, setzen urkundlich 1384 mit Jörg B. ein, 
und die angeführte Urkunde d. J. vom 25. Mai^ bietet den 
frühesten Einblick in die Besitzerwerbungen dieses frühesten 
Vertreters des Namens Baumkircher auf diesem Boden. 



MittheUoiif des Herrn Ä. v. Jaksch, der ich die Kenntnis von folgenden, 
Matthias bctreffendoo Urkunden noch ausserdem verdanke: 1. 1488, No- 
vember I I. hf-ierrclt dur ,edle* M. B. die Urkunde eines Klagenforter 
Bürgers iür das Kloster Viktring; 2. Iö4ü, October 25, desgleichen 
einen Vergleich zwischen dem Pfarrer und Caplau vou Küttmauundorf 
(Ketn&ija) in der Gegend Ton Klsgenfiirt; 8. 1494« December 13, dee* 
gleiehen die Urkunde des Sebmld Fenler fflr das Kloeter Tiktrfaig} 4. 1496, 
September 16, dasgloichea die des Leopold Aspach stt Pi sei Stetten 
(Gemeinde PnnA^ld hoi Klagenfiirt). 

SSteiermärkläche» L^aadesarcbiv, Original 3191, mit 3 Siegeln. 



üigiiizea by GoOglc 



563 



Sie besiegelt den Güterverkauf Nikols v. Koliontz* an 
Jörg B. und dessen , Wirtin* (Ehefrau) Neslein (Agnes) und 
überliisst ilmi für ICK) ^iitc, wohlgewogene Gulden als ,rechtes 
uud lediges pjif^cii' 14 Huben des Dorfes ,Pirbanin' ['2 öde und 

12 bewirtschafte), sodann den Forst ober dem Dorfe, zwei 
lk(!iiiiu;irten und oiue Mühlstätt mit allem Zugohür, Nutzen 

uud Keclife. 

Wii dürfen mit Sicherheit den Ort .Pirbaum', d. i. I»irn- 
banm, als das heutige Ober- und Unterbirnbaum (Hrusiea) in 
der Gemeinde Dobruina^ ßezirkumgebuug von Laibach auf- 
fassen.^ 

Die nächste Urkunde vom 10. August 1387 fuhrt uns mit 
einem zweiten Kolicntz, fr reif, Gatten der .Grctel' (Margarcth) 
und mithin , Schwager' Jörgs Baumkirelier, zusammen, welcher 
vom Vorgenannten eine Hube zu Nidurlob in der ,Chrekszner' 
(Kraxuer) Piarre,' Umgebung von Stein, flir 17 Mark Öchdlinge 
,Venediger Münze* kaufweise erwirbt. 

Bedentender war der Kaufvertrag unseres Jörtr Ii. vom 
3. Mjii 1389^ den er und seine Frau^ mit Otto v. Tiiurn^ und 



* Die Kolientzen, doren Name sicberlicli mit dem Weiler Kollnitz, 
Kolnicft bai Lelbniti, tiner Dor^emeinde dea Budnuunudoifer Oe* 
richtsbesirkes in OberkraiUt BnMmmenlilLn^ tanchen nrkoDdlich im 

14. Jahrhundert auf, 80 (1324) mit Heinrieb, Bolin des Perthold, 
Fernik im Krainburger Bezirk (v<:l. w. u ) sessbaft; 1336 Greif, Nikol, 
Heintzßl nnd Eisenreicb, offenbar vier Brüder, 1352 ein Oestol, 
135^ ein Heintzel, dessen Mutter Agnes aus dem Gescblecbte der ,Turren*, 
d.i. von Thum (s. w. n.) stemmie and welcher 1860 als Marktrichter 
in Stein besengt eraeheint. Die Urkunden im Steiermirkiscben Landee- 
nrcbiv 1921, 2107% 2449% 2685, 2780i>. Ihr GaterbeBitz knflpft aieh na 
die gleiche Gogend, sodann an Oberkrain, im Gebiete von Lack (Greif 
der Kolientr,, ». w. «., fsfhrieb sieb 13^1 als solcbpr ,v. L;xrk'), zHblte 
wohl auch Giirker J>ehfii, in.«hes<)ii(icre aber Cillior G m fc u leben, 
die im Oiilier Ltebenbuube (Gravur Landesarcbiv, Ilanüücbrit't, Nr. 3779, 
f. 291, f. 43 venMidinek eneheiaem). 

* Steiannirkisefaet IrfmdeaardiiT, Original 8806 ^ 

> Sloveniseh Kmtti^n bei Stein nnd Egg ob Podpetwh in Oberimiin. 

* Agnes B. Vf. n. 

* 1357 orschflneu urkundlich Oswald, Gebhard, Eberbai'I, Krh.ml, llpimrol, 
,aU Turner' (Grazer Laadesarchiv, '260ü*)j Otto wird 1374, 2i. Juni als 
Hauptmann der Grafen von CilH anf dem Schlo«se Fl8daig be- 
aengk (Vgl. w. tu die Abhandinng von Levec) Er und seine Gattin, 
Katharina, werden 1389 (Ora/.ur Landesarcbiv, Nr. 3668) angfführt: -Jh 
«eine ,8ebwXger* ereeheinen Erhard der Tnmer nnd Friedrieh Zobels- 



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564 



dessen Ehewirtin Eathrej abschlössen.' Denn wir finden darin 
einen Verkauf von Cillier Grafenlehen seitens des letzl^ 
nannten Dienst- und Lehensmannes, mit Wissen nnd Zustinunung 
der Grafen Hermann II. und Wilhelm,' nnd gegen Bliigschaft 
des I^andesftlrsten' oder des I^ndesbauptmaimea beurkundet» 
demzufolge JOrg B. 6 Huben au ,Pemik' (Pemice bei Pogel- 
schitz), ,Pruk' (bei FlOdnig), ^Vemik' (Ober- und Unter-Vemik 
bei Zirklach), St Johann unter Flödnig, femer Zehenten au 
FlOdnig (yVlednik') selbst, ,unter der Feste' (Burg), in den 
Höfen und im Dorfe St. Walpurg und an ,Dragotzschay' 
(DragoSin) im Raders- oder Radmannsdorfer Ckbiete überkam. 

So finden wir Jörg als Inhaber von Cillier Gh'afenlehen 
in der Umgebung der Schlossherrschaft Flödnig in Oberkrain, 
deren alte Burg auf einem Dolomithttgel, im Httgelgelünde 
zwischen Krainburg und Stein in der Richtung gegen 
Zwischenwässern (Vodice), weithin die Gegend beherrschte, 
seit 1136 nachweisbar einem alten Adelsgcschlechte den Namen 
gab, nach dessen EklOsohen (c. 1330) den Montpreis-Scherfen- 
bergem zufiel und ron einem der Letzteren schon 1333 an 
den Freien Friedrich v. Saneck (Cilli) verpfändet wnrde. Sie 
blieb dann weiterhin im Besitze der Saneck-Cillier.* 

Die bisher angezogenen Urkunden bezeichnen unseren 
Jörg B. wohl als ,erbarn' oder ,erBamen' Mann, was jedenfidls 
auf den Rang eines adeligen Knechtes schliessen lässt, aber 
ohne jede weitere Beifügung. Die nächste vom 12. Oetober 
1391* nennt ihn aber bereits Burggrafen von Wipp ach. 

Diese alte Burgherrschaft des Patriarchates von Aglai oder 
Aquileja wui'de einerseits von den Görzer Grafen, den viel- 



berg. Noch ISdö fiodeu wir ihu beurkundet ^Grazer L&uddäarchiv, 
Nr. 89S5t>). Otto t. Thnrn, aas den Getchtecht« der adeligen Kneebto 
und Bigenleule der Qrafen von CilU, im Schalltbale seuliaft» vwrippt 

and verschwSgort mit deu Zobelsbergorn war (b. obeo), 1874, Si. Juni» 

Ifrtn ptmaiin der Cillier auf Stiilnss Flfldnig'. 

* Steierinärktschf"* Landesarclnv, ( jr!-:!)!;!! 'MU;h, mit 3 iSiegoln. 

' Wilhelm, 8ohn doa läCd verstorbenen Grafou Ulrich I., Vetter Ilormanns IL; 
stirbt 1896. 

* Hentog Albrecht III., 1886—1895 Senior und Kegent aller habsborgiseben 

Ubider. 

* 8. darüber viad. Lovoc in den Hittbeilnogen des Haeealveteinee fttr 

Krain IX f1f«fn), 2 ff. 

* Steierinärki8che.s Liandesarchiv, Original 3784, mit 2 Sieg*^ln- 



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565 



begehrenden Vö^en der genannten floi-hkirche. al)i;r auch von 
den liabsburgern angestrebt, findet sicli Io.>l, 1355 s^cwisser- 
massen getheiJt, indem licrzoii; Albrccht II. düü obere, die 
Grafen Meinhard VII. und Heinrich III. das untere Schiobö 
Wi})pach mit dem zugehörigen Grundbesitze als Patriarchats- 
Ichen aufgetragen erhielten.* 1359 erscheinen jedoch beide 
Schlösser als ein vom Patriarchen Ludowico della Torre an- 
gefochtener Besitz Herzog Rudolfs IV. von Oesterreich und 
bleiben ein 8chT\ncriger Streitpunkt.^ Das Wippaiher Gebiet 
zeigt sicli aii< Ii späterhin getlieUt und selbst nachdem bereits 
die Habsburger die Erbschaft oder den Nachlass des (1 raten 
Albreeht von Görz (1375) angeti'eten liatten, ja aueh nach dem 
Anfalle der Grafschaft Görz (1500). vorzu^r-sweise zn der- 
selben und nicht zu Krain ^^ereelmet, obgleich bereits Herzog 
Ernst der Eiserne (1411 — 1424) die Zugehörigkeit zum letzt- 
genannten Herzogtliunie zu vertreten bestrebt blieb, Die beiden 
Wi]i|)achcr Festen oder Sciilösser be|]^ei,nien uns jedoch sammt 
der I iiirgberrschaft seit 1375 als liabsbur <^i sch und der Burg- 
graf als Amtsträger des Hauses Oesterreich. 

.TedenfaUs ging unserem Jörg in dieser Stellung oder 
Pflegsehaft fin kSimon Harrer voran, denn dies(!r wird in der 
Gütcrtauschurkundc vom 14. April 1361^ als jAnitnumn' von 
Wippach sammt seiner Frau Agnes angeführt. Da nun eine 
etwas spätere Urkunde (vom Jahre 1393)^ diesen Simon Harrcr 
als bereits verstorbea, seine Witwe, Agnes, als Gattin Jörgs 

* Vgl. C'zOmig, G^rz und Oradisca II, imtorisclier Tlieil, 614. 

* S. das r^eh« Uriniikdenmaterial bei Zahn, Amtro-Friulana in den Font 
rer. Amtr., II. Abtfaeilang, 40» Bd. (1877), besondere 8. 107» 149, 330, 
336 für die Zeit von 1369^1865. 

* SteiermSildsches LandcsArcliir, Original 3398<^: Groif der Kolienz 
(s. o.) ,von der Lak' und »eine Ehewirtiii M;ir?rot tauschi'ni Lrxcknr 
Huben mit Simon ,amptman' 7.\\ Wij»]p:ich und döüjieu Klieweibe Agnoss. 
Der Gescblechtänaiue dieses äiuiun, ilarrer, mit der Angabe seiner So^- 
baftigkeit sn Wippacb encbeint 1361 nrknndlich verbürgt Gräser 
LaadeaarehiT» Mr. 2779 (.Sjmon Harrer le Wippaob*). Frflher «rwbeinen 
beurkundet: Htinrioli Hairer, Vater der Margnretb, Nonne iin Klostor 
Minkendorf (1363, Grazer Lnndosarcbiv, Nr. 2481 1376 Friedrich, 
Eidam Nikla.s des Samoreckör» (ebend. 3258). 

* äteiermärkiücliett Laudesarcbiv, Original 3770, besiegelt von Andels (s. Text) 
Ohe Im Gregor Adelbetm dem Qnapoler, ihrem Vetter Friedrich dem 
Harrer (von Andeb Gatten m anterscbeiden), Mikel, dem Sohne 
Friedeis and Kiklae den Snmerecker, als Andeb ,Vettem*. 



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666 



Baumkirchen und deren Tochter aoB erater Ehe, Andel 
(Antonie), als Stieftochter des Letztgenannten und Gattin 
eines Priedel oder Friedrich Harrer anfUhrt, so liegt der Wahr* 
scheinlichkeitsBchlnsB nahe^ dass sieh das Ableben jenes Simon 
Harrer> Amtmanns oder Pflegers an Wippach, in der Zeit von 
lj$81 — 1391 ereignen musste^ nnd Jörg Banmkireher auf 
diesem Wege aar Hanptmannschaflt in Wippach gelangte. Hier 
gründet er nun einen neuen Besitaatand. 

Jene Uiknnde Tom 13. October 1391, mit welcher sich 
unser Jörg in dieser Amtscigonsohaft gesehichilieh einfilhrt, 
enthalt den Verkanfsbrief eines ,Jnre Sapelsaeh' (Georg 
y. Sapiische oder Zapusche), bei St. Georgen an Wippach, 
demaufolge an Jörg B. nnd seine Frau Agnes vier Aecker und 
eine Wiese ftlr 9 Mark Ffedtoige Venediger Mttnze veränssert 
erscheinen.' 

Die letate Urkunde, welche uns für die Zeiten Jörgs v. B. 
vorliegt, der Belehnungsbrief des Altgrafen von Cilli, Her* 
mann IL, vom 24. Juni 1394,* fUhrt uns wieder auf denselben 

Boden der GUtererwerbunc^en unseres Baumkirchcrs zurück, 
den uns die \'('rkaiitsnrkuTulo Ottos v. Thun (1389, Mai 3) 
erschlübs. Im Wescutliclicn liabcn wir es da mit den gleichen 
Oertlichkeiten zu thuu, die dem Inhaber uunmclu* förmlich als 



' Dcon in dem VerkAaiisbriefe Otto t. Thonu Tom 3. Hai 1880 («. o.) f&brt 
Jorg Baumkirclier noch keinen Amtstitel. 

' Einen »ichoren Anhaltspunkt für die OerMu hkoit «Uesor Erwerbungen 
bietet Slap, d. i. die Gemeinde mit der St. Mattluaskirrhe im Wippacher 
Gorichtäbtii&irliä, benachbart der (iameindo äturja, su welcher jenes 
Sapusche oder Zapui^e zählt. Die Pdlits in der Urkunde dürfte das 
heutige Klein- oderOroas-P n 1 e sein and ,MoesUnik' yielleiekt dem benligett 
MautecheinderQemtindeLoiesu£aIlen,dadiekeatigeiiMo2ileiuidMo<ihio 
in ganz anderen Bezirken sind, und unsere Urkunde ausdrücklieli besegt, 
dio verkaufte Wiese sei zwischen ,Slap* und ,M*H:ziluch* gelegen. Die 
Oi-rtlichkeit ,pei Saud GnTf^en zu Wippach', allwo joner ,.Inrti 
V. iSapebach' seäshatt war, ist uü'eubar die St. Goorgskirche in Sturja. 
Wenn Überdies in der Urkunde der Aussteller, Jure t. SApeleacb, der 
Cilller Grundherrschaft und des steirischen Landreebtes ge* 
denkt, so hängt dies offenbar mit seinen persOnliehen Dienst- und Lebeusp 
beziehungen zu»auitnen. 

' Steiermürkisches Landesarchiv, Original 381ö. V^l. Miu-har VII, 51, 
ohne Citnt ntul nnconau in der t?chroibiiii<r dfr Orte, tio Bruck <>!i ,Kl;iil- 
nits' ätatt bnick ob Flednik = FlOding, »Pernegg* statt Foruik. 



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567 



Cillier GrAfenlelieii Iteatätigt und als auf Söhne und T9eliter 
vererblich erklärt werden. 

1401, den 6. Febmar, war Jörg B. bereits ,selig', d. i. 
verstorben, und sein Sohn Wilhelm, der Anwärter einer be- 
deutenden Zukunft seines Hauses, wird damals vom Acltesten 
der Leopoldincr, Herzosr Wilhelm von Innerösterreich, im Be- 
sitze dor ,anerstorbcnen" Lehen seines Vaters anerkannt.* Als 
solche erscheinen ein Ilof zu Wippaeh, der Wein- und Korn- 
zehent von Ii Huben, deren 12 in St. Georf^en (Sturja) lie^'-en, 
und w iiuben zu Obernfeld (Verhpolje), in der uächöten Um- 
gebung von Wippach. 

Die Lehensurkunde Hermanns H. von Cilli vom 8. Juli 
1407 fUr Agnes, die Witwe Jörgs B., ihren Sohn Wilhelm und 
ihrer beiden Leibeserben bezieht sich abermals auf die «gleichen 
Orte, die nns bereits 1394 (beziehungsweise 1381)) unterkamen.* 

Dagegen bietet Neues die Urkunde Herzogs Ernst des 
Eisemen, des Begründers der steiermärkischen oder innerüster- 
reichischen Linie Habsburgs vom 10. März 1414.' Ilir Aus- 
stellungsort war Laibach, allwo am 4. Mjirz* \\ lüielm B. 
nachstehende Krainer Herzogslehen ^ erwarb, bezieh unt^s weise 
von Vaters Zeiten her innehatte:^ den Getreidezehent auf 14 
Huben in Samabor (bei Wippach) und in Wii)paeli selbst, 
ferner einen Hof ,nnter der Maut* und dem , Hause' (Burg, 
Schloss) von Wippach, der vormals ein Erbbesitz des ^Spisch» 



* Stoiermitkisehet Landeaarehiv, Original 4039. Die Uikande efwbeint 
in HttrBxuBclitng aoagestailt 

* Stcicrrn?irkiscbes LandeMurehiv, Original 4814. 

2 Eb.Mid. Orig-inal 4546. 
Bei ilor »Leheuaiisrufmifj' ,im 5i-t?"'tvr>rpanngeöeo äaatag Honiittisoere^ 

* »alle als lehcn uiisers horÄUi^luiu ivr^ün.* 

* Vgl. die Urkundo vom 6. Februar 1401 bezüglich der au Jörg B. ver- 
liehenen Qetrelcleiehentnn von 14 Huben, nnd in dar jetst angeftthrteD 
Urknnd« y<un Jahre 1414 mam Schlaue die Worte ,die wir imeli dem 

Yorgen Patnchiroher genihten zu verleihen*. Sie bexiehen sich un- 
mittelbar auf die voranjjeljtMide LohensUbertrnjrnnfr einer Hube in 
Chrianl (Skreljnvo, .tucIi w.u. im Texte). Da min .J«rpr vor 1401, 
6. Februar, bereits verstorben war, so müsstte diese Verleihung in die 
Zeit TOD 18ft6~1401 gefallen sein, &U Hentog Wilhelm, der Senior 
der Leopoldiner, Innerltet«rmioh allein verwaltete. Henog Ernst kann 
nur aia Bmder Wilhelms nnd Mitlieffr (eondoniinne) ^on seiner da- 
maligen Lebenverleihnng an JOiy B. sprechen. 



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568 



ttczcr' war. Ueberdies habe Hermann Rockhalm ^ eine Habe 
zu Chriaul (Skreijovo) in der Billtchgräser Pfarre bu 
Gunsten WilhelmB B. au%egebeiL 

Bisher fanden wir Wilhelm B. ia keiner AmtssteUnng be- 
urkundet, 80 auch nicht in dem Torhergehenden Lehensbrieib 
Heraogs Emsts vom Jahre 1414. Die Verkaufaerklärung 
Friedrichs des Harrers' und seines Eheweibes Anna vom 
18. November 1410^ nennt ihn aber bereits «u der Zeit Burg- 
grafen von Wippach. Wir mOssen daher annehmen, dass 
in der Zwischenzeit vom 14. März 1414 bis 18. November 1415 
Wilhelm das Amt erhält, dem bis 1401 sein Vater vorgestanden 
war, denn ihn darin ab unmittelbaren Nachfolger JOigs anzu- 
nehmen, erscheint als nicht gut denkbar. Anderseits lassen 
die Urkunden seit 1415 die Amtsführung Wilhelms B. als Buig- 
grafen oder Pfleger von Wippach nicht selten unbelegt, ohne 
dass wir darin eine Unterbrechung derselben anzunehmen ge- 
n()thigt sind.'* 

Der letzterwähnte Verkauf Harrers an Wilhelm B. be- 
trifft zwei Weingärten in ,Porebemik* und am ,Ersel'. Letztere 
Oertiüchkeit ist unzweifelhaft Ersel (Erzelj) in der Nfthe von 
der Gemeinde Zoll-Podvelb im Wippacher Gerichtsbezirke. Mit 
^Porebemik' kommen wir schwerer zurecht. 

Eine bedeutendere Erwerbung Wilhelms B. findet sich 
zunächst 1420, Juli 9, beurkundet.' Heinrich v. Weitenstein 
und Ludwig Sachs verkauften ihm den Zehent von sieben 
Dörfern in der Billichgräzer Pfarre^ als Cillier Grafenlehen 
ftlr die Summe von 74 Mark Schillinge ,guter Venediger und 



* Ein Chuncz der Kockhalin üröcliüiot noboa (Jhunrat dem Czappol als 
üesiegler der VerluiufKurkuiido Juros v.iäapelsach vou 1391, October 12, s. o. 

* Derselbe, den wir als Besieffler in der Uikunde rom 19. MIrt 1393, 
aosgeatellt von Andel (Antonie), Stieftochter JOrg» B«, mithin Halb- 
lichwester Wilhelms, vorfaiidoii, n. o. 

" Stri. ijiiäikistln s I.Miideftarchiv, Origfinal 4G10, mit 2 Siegeln. 

* In den L'iUinuii II von 1420. 1421, 1422, 1428, 1430. 1432, 1433, 143«',, 
1437 urächenit Wilhoini B. uhno dieses A mtspriidicat und urst 
1489, Juni 12« abermals als ,pt'leger zo Wy])pach*. 

* Steiermlrkuichfle Landesarebiv, Orif inal 4297, mit 2 Bieg^eln. 

' AIk DSrfer, au denen diese Huben ^ehnren, erschoinou angoführt: Ganusin, 
GaniHlliorice, Wulalie, Koroncm, Syle.-<icn, R.iyn, Zawrh und uUiltt^n 
grossentheil.H zu dar Hauptpfarre Uillich'(> rH z (l'oihov-Gradec). Vgl. 
über diese Orto diu spätoru Uricuudo Nr. 14öö. 



560 



Friauler HUiute'. Wir begegnen diesen ZebentdOrfeni in der 
späteren Lehensnrkande vom Jahre 1455. 

Noch umfiuigreioher stellt sich das 11. December 1421 > 
abgeaehlossene Verkaufs- nnd Tauschgeschäft heraus. An diesem 
Tage erklären Prior und Convent der Karthauso Plctriach 
(Pletarje) mit Wissen und Willen des Stifters, Altgrafen Her- 
mann II. von Cilli, dem Edlen Wilhelm Baumkircher 21 Huben 
in der Wippach er Herrschaft* (ausserdem noch 3 Wiesen 
und 2 Aecker beim Markte Wippach) als .reehtes und ledig 
Eigen' vertauscht und verkauft zu liaben, wofür der Genannte 
dem Kloster vierzelintlialb {lo^l^) Huben. 1 Forst, 2 Baum- 
gärtun und 1 Mühlstatt .im Dorfe Pierbaum (Birnbaum) bei 
Laibach* abtrat und da/,u als ,1 lebertheueruDg* noch 115 iMark 
guter Aglajer (Aquilejer) Schillinge bezahlte. 

Auf diese Weise sclien wir den Grumlbesitz Wilhelms B. 
in 14 Dörfern des Wippacher Gebietes vertheilt» vor dem Markte 
Wippach selbst erweitert, und anderseits läsat sich durch die 
bedeutende Aufzahlung neben dem Austausche namhafter Liegen- 
schaften in Birnbaum der Bodenwert der neuen Erwerbung 
ermessen. 

Bald darauf (19. April 1422)» schloss Wilhelm B. ein 
neues Kaufgeschäft mit der Karthaubc ab, indem er ihr ,al8 
rechtes und eigenes Gut' avvei Huben zu .Krenebiz* (Hrenowice 
im Adelsberger Bezirke,* Hauptpfarre St. Martin) mit aber- 
maliger Genehmiguni; des Altgrafen von Cilli für 60 Mark guter 
Aglajer Pfennige abkaufte. 

Von minderer Bedeutung, aber in Hinsicht der Oert- 
lichkeit bemerkenöwert erscheint der Ankauf einer Hube 



* Steieriiiiirkisches Landesan-hiv, Oiipiiial i8;')"2 mit dütn Siegel <ler Ple- 
triacbor Karthatue aud dorn dm Altgrafen Herraiaiiu Ii. von üüH. Vgl. 
Aber diese EarthaitM die Abhandlung von Milkowies Im ArchiT fttr 
<lsterraiebi«ehe CkNchichto, 74. Bd., S. Hilft», 8. 401 f. 

* Im l^MMlnen eraebeinen angeftthrt: 2Vt Huben zu St. Margarethen, 
1 Habe in Pm-h. 1 zu Oberfel<!, 1 zu Langeufeld, 1 in Gründl 
1 tn Teraplacb, 2 zu Poreczach, 2 zu J^lapp, 1 zu Lasach, 4*/, 
zu GrädUch, 1 zu Nussdorf, 1 zu Orocliabitz (Ofechowice), 1 zu 
Poreczach bei St. Veit, 1 zu Heiligenkreuz; dazu gehörten nocb 
S Wiesen nnd 2 Aecker bei dem Haritte Wippacb. 

* fiteiennirkisches Landesareblv, Oriffinal 487( mit dem Siegel det Klosters 
Pletriach. 

* Gegenwiirt;<; im Gcrichtsbeurke Senoscbets. 

Areltiv. ICL Band. U. Uälfto. 217 



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570 



uud Muhle zu ^Lack', wabrscheialich Alt- Lack im Knüner 
Oberlandc' 

1430 (Jan mir 21) treffen wir aber auf eine Urkunde,' 
deren Wichtigkeit fUr die Familiengeschichte der krainiBcheiL 
Baumkircber nicht unterschätzt werden darf, in ihrer vollen 
genealogischen Bedeutung jedoch erst am Schlüsse dieser Ab- 
theilung gewftrdigt werden soll. Ueberdies bietet sie uns das 
bisher gans v er einsehe Zeugnis für ein Besitarecht der 
krainischen Baumkircber auf steirischem Boden. 

Wilhelm B. verzichtet darin im Namen seines Sohnes 
,Andr&' (Andreas)»' fUr diesen und dessen Nachkommenschaft^ 
gegen Zahlung von 160 Pfund Pfennige auf alle dem Letzt- 
genannten seitens seiner bereits verstorbenen Mutter, Wilhelms 
Gattin, Eathrei, vererbten Ansprüche betreffend die Burg« 
herrschaft Waldeck bei Windisehgrea, im steirischen Unter- 
lande/ und steUt hierüber dem Andrä v. Sttssenhelm' einen 
Vensicht-, beaiehungsweise Versicherongsbrief aus. Aber auch 
die Gttterankflufe Wilhelms im E^rainerlande ruhen nicht 

1432 (26. Joli)« verkauft ihm Hanns Nepelberger 2 Haben, 
davon eine in der Waatscher Pfarre' filr 80 ,guter ungarischer 
Qulden oder Dncaten'; kaum ein Jahr später (11. Januar 1433) 
Jost Auer 5 Huben in der Billichgräzer Pfarre um 22b Pfund 
Wiener Pfennige.» 1436 (2. April> beurkunden 11 Ulms Lös- 
nicser und sein Sohn Andrä den Verkauf von 2 Huben, zu 



* Steiormilrkisilies L;uMlos:irchiv, f)ri<,'inal 5168, mit 2 Siegrolii. WalUaar 
(Halthasar) L.iss.m vtMlt;iuttc 'Uos als sein inQttorliclies Erbe. 

' StuiunnärkischeH Laudüsarcbiv, Origiual 5228«. Die drei angegebeiten 

Siegel fehlen leider. 

* . . kratt de» briefs austat des dgeiiautim uieius sun» . . .* 
Andreas war also damals neeb minderjährig; zum ersteu Male iirkuudliclt 
aoftanchend. 

* Vgl. Zahn, Ortsnamenbucb der Steiermark, 8. 480. Die Burg Waldeek 
taucht seit 139« auf. 

^ Vgl. den Sohlnse dieser Ahtkeflung Uber die SOsaenheimer. 
" Stoiorniiirkitjctieä Landesarcbir, Original 6849, mit 1 Siegel. 

' Zu .Slogoriach', jedenfailLs heute Zlokarjo und Waatsch (Wafe), 
beides in der heutigen Bezirkshauptumnnsrhaft Littai. 

* ÄitüierniHrkiHc-ltes Landesurchiv, Origin.il r)366», mit 2 Siegeln. Die 
6 Huben gehörtm zum Dorto Podoliucz (i^odoliuec). Unter den darauf 
Sesfiiiai'tou eracheiut auch eiu ,Suppau'. 



1 



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ü71 



Kolowraty in dar heutigen Littaittr Be«rkslumptmamiBchaft, 
gcgeo Zahlung von 80 Mark guter Wiener Pfennige.^ 

Ebuiiis Hohenwarter^ damals Haaptmann an Medik oder 
MOttuiDg (Windiflche Mark), welches Gebiet 1375 erbyertrage- 
mSflsig an die Habsburger gefallen war, ilberittsst unserem 
Baomkircher Februar 10)* fUr 132 guter Gulden einen 

Hof zu Laak oder Lack in der Mannsburger Pfarre des 
oberländischen Steiner Bezirkes. 1439 (Jänner 28) kauft Wil- 
hdm B. einen Weingarten zu Slap in der Wippacher Pfarre,* 
der zwischen seinem eigenen und dem der Mönche von Fräncz* 
gelegen war, um zwölt'thalb Mark Schillinge. 

Das gleiche Jahr ist zuf^leich ein wichtiger Qrenzpunkt 
im Amtslebcu Wilhelms 13. Am i'2. Juni 1431) cmptaugt er zu 
Wiener-Neustadt von Herzog Friedrieh dem ,Jüngeren' (d. i. 
dem \ nachmals Kaiser Friedrich III.) noch in der Eigensehalt 
eines PHegers von Wippach den Thurm bei Wippa« Ii, und 
zwar hei der ,niedern Veste' (Sehloss ljnter-Wip|Ku Ii i iirljst 
zwei öden Hofstätten im Markte \\'i[)j!;u:li imd in UeiinUz 
als ,Erblohcu der Wippacher Gruiidhcü bcliaU /' und neun Monat« 
spater (1440, März 13)'' liegt uns bereits sein Kevcrs vor, womit 
er die Uebernahme der Hau ptm annschaft von Pordenone 
oder Portenau, im Friaiiier l^audc, bescheinigt. In diesem 
alten Burggebiete Hab.^burgs, das, ursprünglich von den liuben- 
bergern erworben, 1314 in den Pfaudbesitz der Grafen von 

^ SteiermÄrkiacltes Laodosarcliiv, Urigiual 5494, uiit 2 Siegeln. 

■ Steiermirkisohw LaiideaanhiT, Original 5625, mit 1 8i«gel. D«s 8ohloM 
WindAu M Kaff«ahtirg (Stabenboiger Bernte). 

• Steiertnärkiaches Lnr. 1 irchiv, Ori^nal 5626, mit 2 Siegeln (eines von 
Mert V. jTschörnOml* = T{<c!ieriitMnbl, Vi/.tlnun in Krain). Vcrkaufor 
wareil die Gebrüder Andrä, Stepiiati uud Myxse (Misuhko oder Meftuliko), 
Sühne Rasa mau ofl ,aus der LogatacU' (Loitsch). 

* Kartbaiu« Framdenthal oder in der Fr Ans» Fmiudorf (Borovnica) bei 
Lnibaeh. Vgl. filier dea Kloeter die Abtaandloiig von Uilkowicm, Die 
Klfleter in Knin, Archiv fitr Ueterreiehiaehe Oeaehtehto^ 74. Bd., 8. HUfte^ 
S. 372 ff. 

■ Stei ermärkisch OS L.mdesarchiv, Original 5642. 

" 1440, ,S€>ntaf,' Jiulica in der Fasten*, Wiener-Neuatadt; Lichnowsky-liirk 
VI, Ut>g»«teu XXX, Nr. 43. Fehlt bei ValentiiielU, Diplom. Portusneo» 
nenee, Fontes rer. Aostr., U. A., 84. Bd., 1865. Wohl eher findet lich 
hier die Weionng KOnig Friedriofae m. vom 80. Sqitwnber 1448 vor 
(8. 233, Nr. 804) /icluli nostio dUedo WUelmo Pnwmehirchen, 
cftpitnneo noetro in Portnennonia. 

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&72 



Poreilii geratben war und aus demselben 1399 gelOst wnrde 
(abgesehen von zwischenläufigen Verpfändungen anderer Art, 
so noch 1407 an die Walseer),^ erscheint Ruprecht Kreutzer 
als AmtsyoigAnger Wilhelms B.* 

In dieser neuen Amtsetgenschaft erhielt Wilhelm B. 
(1444, April 1 zu Wiener-Neustadt)' von KOnig Friedrich III. 
den vererblichen Lehenbesitz von GHltern, die wir zum Theile 
bereits kennen, und die ausdrttcklich als ,in Krain und am 
Karst' gelegen angeführt werden. Zu den ,am Karst' nach 
damaliger Landschaflsbenennung vorfindlichen liegenachaften 
und Zehenten zählten die um Wipp ach und Samabor, während 
dem eigentlichen Herzogthum Krain einerseits der uns gleich- 
faUs bekannte Besitz zu ^Kryawl' (Cherlowo) im Billichgräzer 
Pfarrbezirke (Gerichtsbezirk Ober*Laibach), anderseits die Koni' 
zehenten zu Oamlin (Gamling), Tacen und »Perenytzach bei 
der Sau unter dem Grossen KoUenperge' (Unter* Pirnitsch 
— Podgoro, Gemeinde St. Martin) und zwei Huben in ,Velben' 
(Verblene) bei Zwischenwässern (Gerichtsbezirk Umgebung 
von Latbach) angehörten. 

Im gleichen Jahre 1444 verkaufte der BUrger von Wippacli, 
Hermann Kotschna, unserem Baumkircher fUr ,dreizehnthalb' 
Mark guter MUnze seine Hofstatt auf dem Platze in Wippach.* 

Wir nähern uns aber schon dem Zeitpunkte, in welchem 
Wilhelms Sohn Andreas, zunächst als Pfleger von Schlaning 
in Westungariij d^ Anlauf zu einem Güterbesitze ausserhalb 
Krains nimmt und als Kriegsmann die eigentliche geschicht- 
liche Bedeutung der Baumkircher Überhaupt verkörpert 



' Yg]. darttber Krone», Urktmden zur Oesclüclite des LaiidesHiratentbam«, 
dor Vnrwaltiine "nd des Stfitidewa'»«!!» der Steiermark (1283 — 1410 iu 
Küfrosten uuA An-^/npen, Beitrajje zur Kunde stoiermürkLsuher Goschichti«- 
(juollon, Jahrgang^ 1899 (Vüröffoutlichungou der historischen Landoscom- 
miBNion filr Steiennaik IX), S. 13—158» Nr. 100, 134, 365, 391, S92, 453, 
472, 490 und Valentinelü a. a. 0., 36, 36, 54, 68, 75, 77, 84, 87, 102. 

* So 1489, Mftn II. Valentinelli a. a. O., S. S29, Nr. 199, Bupertoe 

Creutzor capitnneus terrae Portusnaonis. 

* Steieraiärkische» Laude^archiv, Oripiual 6912, mit Siopel. 

* St< I('niKirki««( li.'s linndASiarchiv, Orip-in.il .'»920, mit 2 Siopelii. Eines 
davuii gehörte dem .I<ir;: Z<> h«- 1 In' i fr»' »• ui, das xwpite df-iTi ,HoiuoIon' 
(Omobon) BoJlj dem »Eltern', gciiauut Waucziiia, derzeit Pfleger 
von Wippach. 



573 



Unsere Aufgabe bleibt vorluuiii; jedoch, jene weiteren 
ErwerbunjE^en seines Vaters zu verzeichnen, die auch dem 
Sohne alö Erben zugute kamen. 

1449 (28. August) beurkundet Willielm öuetenberf?er den 
Verkauf einer Hube im Dorfe ,ClieryewU* (Chriaul) des 
Billicbgräjser Pfarrsprengelö an Wilhelm Baumkircher.' 

Wichtiger erscheint uns jedoch der Verkaufsbrief des 
V^orgenannten vom 9. Juli 1450.' Denn er bezeieliiiel die dem 
gleichen Käufer überiassene Hofstatt ,darauf vormals ein Thurm 
(jDurm') geütiinden', als gelegen in Wippach neben dem 
Thurm des l^aumkirchers. Dies ist die erste bestimmte 
Angabe über den W ohnsitz Wilhelms B. in Wippach, und noch 
heutzutage hat sich in Wippach eiu mit diesem , Baumkirchen- 
thurm' verbundenes ^beueticium' oder die so benannte geistliche 
Plrllnde erhalten.^ 

Die Portenauer Hauptmannschaft Wilhelms B.. wclclie 
vorübergehend (1444/r>) Hureh den Kümtner Herrn, Konrad 
V. Kreig, eine Unterbrechung; eit tlirtMi zu haben scheint, dann 
wieder 1445 ('M. April) und weiterhin (14Ö1, 25. Mai) ihren 
urkundlichen Beleg findet,* gelangte bald infolge wesentlicher 
Besitzverändorungen in andere Hände. 

Bekanntlich erhielt die jugendliche Grattin Kaiser Fried- 
richs HL, Leonor von Portugal, als Morgengabe und Wider- 
lage von ihrem Gemahl neben anderen Herrsehaftcn auch 
Fordeuoue vertragsmässig augewieseu. «öie bleibt nun bi& an 



* Steiormärkisches Landeiarehiv, Original 6300, mit 2 Siegeln. 

■ Steiermärkiaches LandeHarchiv , Original 6242, mit 8 Siegeln» Wühftlm 

Gnetenberper, ,den man nennt den Zepell'. 
' s. böisiiit lswciso dvrn ,Cntalogus Cleri, tarn saecolariB tarn regularis üioe* 

cmiä La,bactju»is', lö73, ä. d4. 

* ValeuUnelU, Diplom, a. a. 0., 8. 235, Nr. 207. Kourad t. Kreig, ,Uof- 
meitter und Hauptmann waaen Fantoatibnm in Karnden vnd 
Hauptmaiin an PortenaW. Der Ganannta dllffte dia ^nptauuin- 
aeliaft rou Portenan wohl nur pfandweise erworben haben und Wilhelm 
B. der AmtstrSger geblieben sein. 1445, 30. April, richtet an ihn der 
L»)^ot(Hionto Venedigs in Friattl, M. Lippomano, als ,r.'ipit,meo' («pect. 
Ht egregtu viro Guilielmo Pawncbirchon, honorabili capitziueo . . .) ein 
Schreiben, S. 287, Nr. 207 und 1451, 25. Mai wenden sich aber die 
Udineaen aieht bloa an Wilhelm B. ala eapitanena Portnanaonis, 
Bondem aneh an den Ritter Bernhard Tafaenatein (Tacfaenatein) al« 
Yicecapitanena von Pordenone (Yalentinelli, S. SM, Nr. 221). 



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574 



ihr frohes Lebenaende (1467) Herrin dieser Leibgedingstadt, 
nnd wenngleich aach weiterhin Wilhelm B. in Wippach behaust 
und begütert erscheint, so nennen ihn die Urkunden nicht 
weiter als Hauptmann von Pordenone, da 1452 in diesw Eigen- 
schaft ein Bernhard Tahenstein auftanchti derselbe, der 
noch 1451 als Hau pt m an n^ Stellvertreter (▼icecapitaneus) 
unserem Baumkircher zur Seite stand.' 

Die nächste uns erhaltene Verbrieiung eines Verkaufes, 
demsnfdge (15, Wkn 1453) NlUas »hinter der Yesten au GOrz' 
{ftr 80 guter Goldgulden oder Ducaten seinen Besitz zu ^Orecha' 
(OrechOTce) bei Si Veit im Wippaeher Plarrsprengel an 
Wilhelm B. veräussert,* hat mit diesem sls kaiserlichen Pfleger 
in Portenan nichts mehr zu thun. 

Dagegen fUhrt ihn uns die nächste Verkaufsnrknnde vom 
24. April 1453 bereits in einer neuen Amtsstellung, und zwar 
als Hauptmann von Adelsberg, in Innerkrain, an. Wilhelm 
B. wird darin auch als Ohm des Pflegers zu Senoscbetz, 
Thomas Elacher, bezeichnet, und dieser verkauft ihm 7 ganze 
und 3 halbe Huben, ,alle in der Wippaeher Pfarre* gelegen.* 

1455 (26. September) ertiicilt ihm dann der letzte Graf 
von Cilli, Ulrich II., einen neuen Leheubrief'' über den Zehent 



* 8. die Urkunde Kaiser FricHirichs ITT. vom 20. Augnst J452, Wiener- 
Nfitist.if^t, bPzHfjlirh rl»>r Zuwoi.<<nng vou Oo.OOO Onldcn, welclie auf die 
IlerrHcbaften: Pordenone, Bleiburg (in Kiirnten), »Stttchsenstoin (in 
NiederOsterreioh) und Ansfoe (Steiennark)gel&gt eracheinen. DenSS. Angust 
i. J. e^ht die bostigliehe Weinmg an Bernhard Tafaenatein, 
,kM«. Ratli und Haaptmann an Portenaw', Valentineni a. a. O., 
S. 259, Nr. 224; 8. 262, Nr. 255 u. ff Bernhard t. Tahenstein, d.i. 
wolil Tactien stein bei Wiener- Neustadt, derselbe, welcher 1461, 
2;'». Mai, nocli v i corapitaneus war. 

' Steiermärkische« Laudesardiiv, Original 6406*, mit 2 Siegeln. Als jähr- 
lieher ,Zini* werden ,10 Znber Bein* (Wein) angefflhrt. 

* Sttfermfaldsdiee Landeiarchiv, Original 6418, mit S Siegfein (dee JOii; 
Zobelsperger, Pfleger« zu Wippach, und de» Thomas Elacher). Diese 
Iluben gehörten «u den Orten ,Kras5ach' Rn^n 1 bowirtscliaftoto tiiui 
1 f!de Hube), ,Orech5nit?i' (? Orerhova .S halbe Huben), J'ototsi-lifich unter 
Witobitschach' (Potoce 1 Hube), »Podrag' (Podraga l Hube), ,Hardt* 
(Lese^e 1 Ode Hobe), .Parokohatall* (? Gratoehe 1 Habe) und .Lengen* 
nelt* (Langenfeld oder Oolyepeljane 1 Hube). 

* Oraser Lan<losar( hiv, Original 6546. Im Weeentlichen betrifft es die 
IphpiiiiKiHsJ^'o Zuwoii^nnfr von Zohnntm. nnd r.vrnr von je einer Hube 
in yZanoziu' (? Sanoskar bei Zwiscbenwässem), ,Zamachoriee* (Sama- 



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575 



in sieben Dörfern, die wir bereits aua der Verkaufsurkunde 
von 1420 (s. o.) kennen. 

Von Wichtigkeit ftlr die Familiengeseliichte der krainischon 
Baurakircher erscheint aber die Seelgeräthstiftung Wilhelms B. 
vom 1. October 1459, worin er zunächst einen Altar der 
St. Stephanskirche und Pfarre in Wippach, zu Ehren der 
heil. Junt^friiu Maria, des heil. Lienhart (Leonhard) und der 
h»il. Barl)ara für eine Kaplan ei bewidmet.' Denn in dieser 
Urkunde be^c«;net uns zum ersten Male die neue (zweite) 
Gattin Wilhelms, Anthonie v. ,Ca8telporpett* (Castel Por- 
})ctto) in Friaul. Ihrer gedenkt er an oberster Stelle, dann 
seiner ,vordern lieben jG^einalieln*, d. i. der fHllieren. 1430 
bereitü verstorbenen Frau (Katliarina). Dann folgen dif .l-^lti rn, 
Vater und Mutter*, die wir anderweitig kennen zu lernen Uc- 
legenheit fanden, die ,Hebeu Kinder* (leider ohne nUliere An 
gäbe) und schliesslich ,alle Vorfodern und Naelikomen ieli( uti:: 
und tot', wobei wir nicht minder die Anführung von Namen 
schmerzlich vermissen. 

Die Caplanei, beziehun;,'swoi«(' der Altar, erscheint mit 
nachstehenden Liegenschaften und Nutzunj;en bedaeht: 

1. Mit dem Weinzehent ,auf der Alben',^ den Willielni R. 
dem ,Wippacher* abp:ekauft habe; 2 mit der ,(Men Hube', 
ygeuant Foretschach unter der Alben* ;^ 3. mit '6 Huben in 



torza), ,VVulake' (? La5ee), , Korenein' (Koreno), auf 4 Huben in ,SiIe- 
zica* (ÖeleSnik, oder Celesuik), auf je einer Hube zu ,Koge' (? Ilok, 
St. Kocbus, Gemeinde Schkchka) und ^wrch' (Zaverch bei Horjul), 
altwo flberall ^Üwhsy trajd, htiener« hur (Flaebs), lemper (LSmmer), 
ehlti (Zieklein), T«rl (Ferkel) and pdiurtedroh (BiesenstOeko) davon m 
nehmen*. Es sind die.s die glei<-li<-ii Orte, welche nn« bereits in der 
Urkunde vom 9. .IiiH 1420 als Hulche iM-i.'ctinotcn, dorpii Zi'lii'nt^'.ibon 
Heinrich v. W« i t imi .stei n und Lndwirj Sa r Iis als f^illior Grafen* 
leheii an Wilhuliu Uaumkirclier tür Ii Mark verkauiteu. 

< SteienDÜrkiBcha« LandeMrchiv, Original 6762; leider fehlt da» Siegel 
Wllbelm* B. Die Caplanei rerteibt der Stifter dem Andrt, Sobn des ver- 
•torbenen Tseberno. Sie ist uolii mit der oben angeftthrten Pfrflnde 
zum Ran m k 5 r eil 0 r t Ii 11 in idontisi'li. 

* Als ,Aiben' dürfte wohl der nahe Birnbaumer VValii /n verstehen nein. 
Die Bezeichnung »der Wippacher' als Geschlechtsnamo fK-heiut äicli auf 
die den Krainer Baumkircbeni ▼enrandten Edlen, Harrer, m beziehen, 
welche aneh knrawe; das PriMicat »Wippaeher* oder Wippeeh'^ 
führten («. o.). 

' Das jetiige Porefe. 



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576 



Zirknitz;^ 4. mit Zinsbauern zu ,Ey8ling', ,St. Oswalt', jOber* 
ueld' und ^Lengfelt'.* 

Bemerkenswert ist noch die Thatsache, dass, da es noch 
kein Landbisthum Laibach gab, der Qurker Bischof Ulrich 
diese ^Stiftang und Oaplanel' zu Anfiuig des nttchsten Jahres 
(1460, Jttnner 12, Wien) bestfttigte.* 

Die Bewidmang des Barbara-Altars der Wippacher Pfiur- 
kirche erg&nzte Wübelm B. (1463, November 30) dnrch 
eine Hube in Oberfeld.^ Diese Urkunde bietet uns endlich 
ein Siegel Wühehns mit dem gleichen redenden Wappen, 
welches nachweislich Wilhelms Sohn, Andreas, insbesondere 
nach seiner Erhebung in den Freiherrenstand (1463, Juli 22) 
führt. 

Die letzte Urkunde, welche den späten Lebensabend 
Wilhelm Baumkirchers bezeugt, nachdem er noch den Höhe- 
punkt im Dasein seines Sohnes Andreas und mit ihm die 
Rangerhöhung seines Geschlechtes Terwirklicht gesehen hatte, 
ist ein Verkaufsbrief Niklas Eestenpachers vom 17. Mitrz 1466, 
worin dieser erklärt, seine freieigene Hube zu Gmünd, in der 
Wippacher Pfarre, dem edlen Wilhelm B. und seinen Erben 
verkauft zu haben.'^ 

So pro Wahn 11 wir denn innerhalb eines Ziitraumes von 
nind >^O.Jalii II (1384 — 146H) den ziemlich riischeii Aushau der 
Bei,äit(!riing jener Baumkireher, die seit 13'^4 iraii/ unvonnittelt 
im Krainer Lande auftauchen. Zwei von ilmun, \ 'ati-r und 
Sohn, Jörg und der langlebige Wilhelm, Kratcrer bereits um 



* Der bekAonte Harkt am gleichnamigen Binnensee. 

* Oherfeld und Lengfeld sind die bereits oben genannten Orte int Wip- 
pacher Bezirke; St. O^wnlrl dürfte das bni E;r^'-P'iilin'ts(. Ii im PteiiHT 
Bezirke Oburkrain» .sein ,Kyslii;jf', violleicht lalak oder Kisouc iu der 
Bezirkshauptmannschaft Littai. 

* Steiermärklsche» Laodesarchiv, Original G776, mit Sittel; die Urkunde 
ist Ar Jsrgen Stainpach, Pfarrer an Wippacb, ,«eiDen lieben Vetter*, 
ansgeetellt. 

* 8teiennärki.«chef; Landeearcbiv, Original 6996, mit dem Siegel Walbelmi 

B. nnd JOrga Zobelaperger. 

* Stoicniiärkisrliös Laiult s/irchiv , Original 7112, inii 2 Siegeln. ,GmUnd' 
dürtte wohl die deutsche Nameiuform der Gomoinde Uatja, bei 
St. V^eit (Sombid), .sein. 



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577 



1401 verstorben, zeigen sich rührig und erfolgreich im Er- 
werben von Liegenschaften, und Beiden begegnen wir als 
landesförstlichen Pflegern der Burgherrschaft Wippach, 
welches Amt dann (1440) Wilhelm mit dem Capitaneate 
von Pordenone vertauscht und sodann um 1453 alö Haupt- 
mann von Adelsbero; beurkundi-t erscheint. Wip]iach 
bleibt jedoch sein bevorzugter Autcntlialtsort; hier vercwif^te 
er sich in einer Stiftung, die Jahrhunderte lang seinen 
Namen tuhrt. 

Zunächst setzen die Erwerbuncren mit dem .Vnkaufe des 
Besitzes der Kolientzer zu Birnbaum im heutii^cn Geriehts- 
bezirke Umgebung von Laibach ein, und bald darauf folgt ein 
zweiter Ankauf gleicher Herkunft im Kraincr Oberlaude im 
heutigen Gerichtsbezirke von Stein. Unmittelbar darauf erwirbt 
Jörg die Cillier Grafenlehen der Thurner in der Nachbarschaft 
der Burg Fiödnig auf dem gleichen Boden. Dann beginnen 
seine Erwerbungen in der Gegend von Wippach, ,am Kurste* 
nach damaliger Bezeichnung. In dieser Richtung setzt Wilhelm 
. die Gutcrkäute fort, und zwar als Lehensträj^er des Herzog- 
thums Krain am Karste und im inncrkrainischcn Pfarrsprengel 
von Billichgräz, im Nachbargeläude deb Laibacher Moores, 
dort, wo auch die Cillier Grafeulehen der Raumkirclier lagen 
und bei Horjul, ein Sitz der Baumkirclu r, der Baumkircher- 
tliurm von .ITölzencck' (Leso Berdo) er.>tund.' Bis» iu den 
Adblsb erger Bezirk, in den Pfarrsprcugel von Waatsch, 
nach Zirknitz, nacli Kolowrat in der heutigen Bezirkshaupt- 
manuschaft Littai, anderseits in das Mnnii&ijurgcr Pfarrgebiet 
Oberkrains greifen einzelne Erwerbungen liinüber, verdiiditen 
sich aber am meisten im (Jebiete von Wippaeh und Biiiich- 
grltz als Käufe und Habsburger oder landesrürstliche und 
Cillier Grafenlehen. 

So boten denn schon die Erweibungcn des Grobt»vuters 
und Vaters dem geschichtlich bedeutendsten P.aumkircher, An- 
dreas, einen nicht zu unterselüttzendcn Stützpunkt liir sein 
Emporkommen, allerdings unter anderen Verhältnissen und auf 
einem anderen Boden. 



> 8. w, n. 



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578 



Noch müssen wir jedoch einer Urknnde gedenken; die^ 
wenngleich ans einer Zeit stammend, als bereits die Verdienste 
Andreas Banrnkirchers am die Sache König Friedrichs anch 
seinem ahen Vater zugute kommen mochten, dennoch znnftchst 
diesen betraf. Es ist dies der Freiheitsbrief vom 5. Mins 1461, 
worin unserem Wilhelm Baumkircher, dessen Sohne Andreas 
und den beiden Enkeb (Wilhehn II. und Jörg U.) die volle 
Steuerfreiheit ihrer Qttter verliehen erseheint.' 

Bevor wir der IV. Abtheilung dieser Untersuchungen zu- 
steuern, woselbst die Giltererwerbungen de« Sohnes Wilhelms, 
Andreas Banrnkirchers, zur Sprache kommen, scheint es 
angemessen, diesen und den nächsten Hauptabschnitt sn über- 
brücken lud über die Anfänge dieser einzigen geschichtlich 
gewordenen Persönlichkeit ins Klare zu kommen, soweit diee 
die uberaas kärglichen QueUenzeugnisse gestatten. Diese An- 
lange liegen naturgomttss vor dem Jahre 1447, in welchem der 
Genannte zum ersten Male selbststandig und in einer Amts- 
eigenschaft beurkundet erscheint, an welche sich seine weit- 
schichtige Guterbildung vomehnilich und entscheidend knüpü 

Wie dies meist in jenen Zeiten der Fall ist, entbehren 
wir auch hier jedes bestimmten Anhaltes für das Geburts- 
jahr und müssen uns mit Walirscheinlichkeitsschlüssen behclfen 
und begüiltren. 

ZunUc'hst ist durch die Urkunde von 1430- siclicrgestellt, 
dass Andreas danials rainderjährisr war, indem sein Vutcr 
fUr ihn den bewussten Viirzichthriel" ausstelh. Wenn ihn der 
Zeitgenosse, Hindcrbach, am Ilot'e Herzog Frindrichs V. von 
Innerüsterreich, s. 1435 (nachmals K«hiiir 1440 — 1452 und a. 
1452 Kaiser Friedrich III.) ,vom Knabenalter an* zum ,Kriegs- 
hrfldon* sich entwickeln lässt, Andreas 1447 als Pfleger oder 
Hauptmann des genannten Habsburgers angeführt erscheint, 
14«>0 aus erster Ehe zwei bereits erwachsene Söhne, eine ver- 
lobte und eine noch unveriieiratete Tochter aufweist, anderseits 
anlässlich seines gewaltsamen Endes im Jahre 1471 vom zeit- 
genössischen Chronisten Unrcst als ,krieg8per und frisch* — 



' Sf i'I^'niiHrkl'^clir.'s Tj.'iniTesarchiv, Original 6847. 

' S. n., betrifft den Vorzieht ;inf tVio da'' Schln«» Waldeck betreffenden 
Ansprüche des Sohnes Wilbelm Baamkirchers. 



üigiiizea by GoOglc 



579 



also in voller Lebeuskraft stehend bezeichnet wirri,^ so darf 
man wohl beilänf5<r um 1420 seine Geburt ansetzen.'* 

Bei dieser AunahDie erscheint es um so wahrscheinlicher, 
rlass Andreas in Wippach znr Welt kaiii. allwu wir die 
krainischcii iiaumkireher seit Jürg (I.) begUtert und äusshaii 
finden, und dessen Sohn Wilhelm, Andreas' \ aier, seit 1415 
als Hauptmann auftaucht.' Noch naeh .Tahrluinderten kannte 
man daselbst den ,BaurakircliertliurmV* offen l)ar als einstige 
Wohnstätte dieses Geschlechtes, und der Chronist Unrest schreibt 
daher auch, Andreas B. sei .am Karst* geboren worden. Aller- 
dings gab es auch einen .Haunikircherthurm* oder ,liolzeneck* 
bei Horjul in der Umgebung von Laibach^^ aber Wippach 
entspricht besser der Sachlage. 

Wir kommen nun auf den Namen Aiidrcas zu sprechen, 
der in der Namenreihung aller innerüsterreichischen (und auch 
tirolischen) Baumkirelier ganz vereinzelt dasteht. 

Unter dem Kiutiusse der Kaichbe rg' sehen Anseliaunng, 
die unsern Andreas durchaus unmittelbar mit den obcr- 



* Johannes TTinderbach in seiner Fortsetaung (h>r Hi.storia Kridcrici 
des Aenea.<< Sylvins (1452 — 1462) bei Kullar, Anal. o. ae. Vindobon. II 
col. 666: ,. . . qui (AndreM P.) in enrfa caeaariB a puero rel«iratn«, 
aatalem n«ii MgnitiM ant inertiae at pleriqae alii Md rei militari operam 
dediC et tmmaau avasit . . / Der Aiudnick 41 pnero* bnmcbt allerding» 
nicht wßrt lieh genommen zn werden. Atsderseitfl iot mit .curia cesaris' der 
(rrfizor Hof gemeint, atich znr Zeit dor Miiulcrjalingkeit de» 1416poboro- 
iif'ii Friedrich V. Unrest, ( >fsterreichische Ciirumi^k, bei Uahn I, 569. ,Also 
niue«tder frisch und kriegper mann I'amkircher senndlich sterben . . 

* Diaie Bereehnnng aehwebta oair auch in meiaein tot 82 Jahren ge- 
ichriebenon AofMtse über Andreaa Banmldrelier, Mittheilnng^en dea 
hiatoriaohen Teieinae Ar Bieiennark XVII (18S0), vor. 

» 8. o. 

* So findet »ich, wie bereits oben bemerkt, in den Scheni.ntisiin'ii der 
Laibacher UiOcese, z. B. Jahr lÜTd, Ü. 84, da« Bouuficium ,Ununikircher- 
tlinnn* in Wippaoh angeführt 

* Anf dieeen ▼erweiat annäehat Jtil. Wal In er in seinem willkommenen 
Anfsatxe (Laibacher Moaealverein, Mittheilungen III, \h02) nnd hebt 
anch die snp-OTihafte Locjilisirung des gewaltsamen Endes Andreas Haiim- 
kirchers il l71) in dio Ilrirjnlf'r Gegend hervor, wo nr a!'* verhasstor 
.Baaernschinder* erscblaguu worden sei! — In nieineni Aufsätze vom 
Jahre 1869 (s. o.) wird irrigerweise der ^aumkircherthurm* ob Wippach 
mit dem bei Horjul (HSlaeneok) Boaammengeworfen. 

■ J. Kalehbeif in der hiatoriaehen ,fiinleitang* m «einem Drama ^ndreaa 
Banmkireber* (UrOhever Titel «Die BitterempOmn^ im Jahre 1792), 



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580 



steirischen Baumkirchem verknüpft wissen wollte^ ja den 
^aumkircherhof alldort kurzweg als Sitz seiner Vorfahren 
and als Ghebortsstätte unseres Andreas zu Tertreten bemüht 
war, dachte man mit Vorliebe an das alte Andreas^Kirchlein 
daselbst und fand den Namen seines Sehntzheiligen die na> 
tOrliehe Ursache, weshalb der Sohn Wilhelms (I.) diesen 
Namen fUhre> 

Wir haben aber die triftigsten Qrttnde, mit jener An- 
schauung ftlr immer zu brechen,^ nnd dürfen es Tersachen, 
einer ungleich berechtigteren Vermuthung Ausdruck zu geben. 

Weiter oben wurde bereits auf die Thatsache hingewiesen, 
dass innerhalb der drei Geschlechtsfolgen oder Generationen 
der kraiiiisehen Baumkircher dem im Mittelalter vorhcrrschcii- 
dou l'rauchc, Söhne und Töchter nach den Grossclturu, be- 
zichiinirsweise UrgTOsseltern von vUterlicher Seite zu benennen, 
Kcchiiun^^ ^^t'tragcu werde. 80 iührt der Eröt^ebureue Andreas', 
Wilhelm (IL), den Numeii des Grossvaters, Wilhelm (I.), der 
Zweitgeborone Jörg (II.) den des Urgrossvaters (Jörg I.), die 
eine jüngere Tochter Andreas , Katharina, den Namen der 
Grosbiuutter, der nachweisbar ersten Gattin Wilhelms (I.). aus 
deren Ehe Andreas hervorgegangen war. Demzufolge sollte 
der Letztgenannte — als der einzige un» bekannte Sohn 
Wilhelms (I.) — den Namen seines Grossvaters, Jörg (I.), 
fuhren, was jedoch nieht der Fall ist. Da wir jedoch über 
den Letztgenannten hinauf die krainischen Baumkircher zu 
verfolgen niclit in der Lage sind, so lässt sich auch ein Urgross- 
vater unseres Andreas dieses Namens auf diesem Wege über- 
haupt nicht nachweisen. 

Wir begegnen im Mittelalter jedoch noch einer andern 
verwandten Erscheinung, der Benennung der Söhne und 
Töchter nach den Grosseltern von weiblicher Seite, und 
dürfen daher auch nach dieser Seite hin das AofltauchcD des 
Namens Andreas verfolgen. 



Simmtliche Werke, 9. TheU (1817, 147—168). Naehtriglioh, wie m 
oft, werde Andreas B. als der Bedeutendste und eigentlich alletn Ge- 
kannte mit dem obersteimchen Baomkircben — «1» aetnem Gebnrts- 

orto(!) — anekdotenhaft verknüpft. 

* Vor droi^sif,' .T.nhroit stand der Vorimncr dieser Studie Aach noch theil" 
weifte im Hanno der Kalcliberg'schen Behauptungen. 



Diqitizcd by C 



581 



Hiefiir bietet nun die bereits oben angezogene Urkun<le 
vom '21. Jänner 1430* einen Anli dtspunkt. liier ver/.ichtrt 
beUanniiich Wilhelm (I.) Ii. im Namen sein(!s damals noch 
nicht voglljiuen Sultues, Andreas,^ auf alle Erba n:>i)rüelie 
des Letzteren in Hinsicht der Burjrhcrrsphaft Waldeck, im 
Gebiete von Windischgrez. Als Ablübiin^'ssimimc rinden wir 
160 Pfund Pf'enni«,^^ anj^e^reben. Aus dieser Urkunde ergibt 
sich i'eruer, duss diese Anspiüche auf die dauials bereits ver- 
storbene Gattin Wiibeliiiö, Katrey (Katharina), Andreas' 
Mutter, zurüekgehen, letztere somit erbliche Rechte auf die 
vorgenannte Bursrherrsehaft besass. die sich nunmehr ihr Sohn 
ablösen läast, und zwar zu Gunsten des Kitters Andreas 
V. Süssenheim. Niehls hegt daher näher als die Aunahuie 
einer nahen V erwamitscrhaft jener Katharina mit dem Genannten, 
wenngleich eine soK lie - - bei der leidigen Wortkargheit der 
Urkunden in dieser Hichtuog — keine nähere Andeutung 
erföhrt. 

Die Edlen von Süssenheim (Änsem), nicht weit von » 
St. Marein bei Erlachstein, im Gebiete der damaligen (^raföchaft 
Cilli, schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts urkandlich bekannt,^ 
treten seit dem niiehsten mehr in den Vordergrund, und zwar 
mit Andreas und iianns, welche 1414 als ,Vettt i ' ht zeichnet 
erseheinen.' Andreas wird 1411 als ,erbarer i'itttr und 
]Inn])tmaiin' in der Metiik, d.i. Möttling, oder in der soge- 
nannten .Windisehen Mark* (s. 1374, Görzer I-.rbfehaft der 
Habsburger) aiigetuhrt.'' während Hanns ziemlieh gleichzeitig 
(1413) in der Eig<*nsehaft eines Sehlosshauptuianiu s des Jung- 
grafen Friedrichs (II.) von Cilli auf ,Stanischinch' — im da- 
maligen ,wiiidischen' Lande oder ,öUwomen^ — beurkundet 
erscheint. 

> S. o. • S. o. 

* Zahn, Urkmidaabiieh der SteienuArk II, S. 105» 138, 18S . , . m den 
Jftbren ISOS, 1S06, 1813ff. 

* Hteiermärkisches LandeKarchiv, Nr. 4.'>69*. 

» Ebend Nr. Iii?', Original vom 12. April 1411. 

* Ebend. Nr, 4.')-l", .cnpitaneti« comitis Friderici do Cilia in castro Stnui- 
schiDch*. OtYtMili.'u' idoutiscb mit ,ätain3chueck' in der Cillior Grafeu- 
chronik cap. 44 (Unlitt« Aufgabe Coli, monain. II, 747 and in der^on 
Kfone» ,l>ie Freien ron Snnneh*, 2. Anag^abet 166) bei der AufiiUiloiii; 
der Cillier QnfeneehlOieer, namittelbar en Samabor gereiht. Das heutige 
Steniöigak? 



üiyiiizeQ by GoOgle 



582 



Wenn uns nun 1430^1446' abenoAb ein Andreas 
Stts Benheim, derselbe^ der zunächst jene Vemchtnrkunde 
vom 21. Jänner 1430 anßlhrt, und ebenso (bis 1478) wieder 
ein Hanns Sttssenheim begegnen/ so haben wir allen Grund, 
bei dem Einen und Andern an Söhne jenes Andrä und Hanns 
SU denken. 

Dass der Andrä Siissenheimer in jener Urkunde vom 
21. Jänner 1480 mit dem der Jahre 1411—1414 nicht identisch 
sein könne, vieimehr ak Sohn des Letsigedachten au&ufiusen 
sei, erhellt ans folgenden Umständen. 

Jene Urkunde yom 12. April 1411, die uns bekanntlich 
einen Andrä y. Sttssenheim als damaligen ,Hauptmann in der 
Hetlik' anfuhrt, beseichnet ihn auch als Oheim des Bysant 
(Wisand, Wisent) Muttel, Pfiurers und Erzpriesters zu St Pon- 
graz in Windisch grez, welcher die angefahrte Urkunde aus- 
stellt Als Hauptmann zu MOttling, also in der gleichen Eigen- 
schaft, nennt ihn eine ziemlich gleichzeitige Verkau&urkunde 
Tom 17. Mai 1412* zugleich mit seinem BIheweibe Elisabeth. 

Dagegen erscheint (der jüugere) Andrä y. Süssenheim in 
der Urkunde yom 21. Jänner 1430, also 18 Jahre später, ohne 
solchen Amtstitel und verkauft am 29. April 1431 an die Stadt- 
gemeinde Mottling seinen Besitz zu Sleindoif (Slanma vas), im 
dortigen Pfarrsprengcl, offenbar also das, was er von seinem gleich- 
namigen Vater in diesem Gebiete geerbt hatte^ gloichfijls ohne 
das Amtsprädicat des Letzteren.^ Mttssen wir 1411 diesen bereits 
als betagt ansehen, so kann er füglich nicht 1430 oder gar 1446, 
beim Aufgebote der steirisc^en Ritterschaft, noch als Vertreter 
seines Geschlechtes unter den Lebenden gezählt werden. 

Wir kommen nun auf die oben ausgesprochene Ver* 
muthung znrUck, dass jener Andrä v. SOsseidieim in der Ver> 
ziehturkunde Wilhelms v. Baumkirohen (21. Juni 1430) ein 

' Sieho die Aiij^abo bei Mtichar, Ge.<M:hichte des Horzogthiims Steiermark 
VII, 211 (zum Jahro 1430), 217 (n.';i); offenbar dieselbo l'iknnde 
wie finm Jahre IIHO, mit dem Datum: 13. November. — Audrä 
V. äü-sMoiiheiui tiiidot tticli attcli iui Verzeichtmäe der Ritter zum Aufge- 
bote dw Jahiw 144S bei Vulvasor» CSsar; ao auch in den Haadeehriften 
des Wiener k. k. Haiu-, Hof* und Staatearehiv«» Mr. 19« Fei. 133—134 
und Nr. lo7, F.-l. 77 ^ 

Mucl.ar a. a. O. \ HI, 8, IS, 2_>, 116, 184 (Jahre 1458—147$). 

' Stoi«^rmärkischcs L.iiMK'sarchiv, (>rifrin.nl 44U5. 

* Cichuuiy, Archiv tür Krain 11 (lö»4— lbö7), Ö. 20Ö, Nr. 2. 



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583 



naher Verwandter der verstorbeneu Mutter unseres Andreas 
Baumkirchers gewesen sein mUssc, und sehen in ihr eine 
Schwester des SUssenheimers, beziehungsweise eine Tochter 
(lt'8 iiltereii Andril. dessen Nanu-n ihr Sohn, sein Enkel, ftllirt. 
Für diese Annahme einer Heirat Wilhelms v. liaumkirelieii mit 
einer Angehörigen des Süssenheimur iatterf^eselileehtes .■iprielit 
auuli der Umstaiul, dass letzteres in der (tralsehaft Cilli be- 
haust war, in dienstlichen Bezieinini^en zu deren (lehietsherren 
stand, anderseits auch in Krain be^^utert war uud in einem 
alten Verzeichnisse der Ritterschaft des lelztge nannten Landes 
aus der Zeit von 1309^ — 1402 angeführt erscheint.* 

Auf diese Weise iiesse sich — nicht ohne Berechtigung 
— das Auftauchen des Namens ,Andrä — Andreas' in der Keihe 
der Krainer Buumkircher erklüron. 



IV. Abtheilung. 

Die Citfttererwerliaiigen Andrew Bamnklri'lien, seine 
Heiraten und Naehkommen. Bilekbllek auf die ge- 
wonnenen Ergebnisse. 

Wie der vorlaufende Abschnitt zeigt, kennen wir als 
Gttterbestand der NachkommeD Jörgs (I.) Baumkircker nur 
Liegenschaften im Erainer Lande und Wippach er Gebiete: 
Giflier and Habsburger Lehen. Hinzu tritt seit 1447, dem Zoit- 
ponkte, in welchem Andreas 6. ans zum ersten Male in einer 
Amtsstellung begegnet, die kaiserliche Pflegschaft von Schla> 
ning (Schleining, Szalonak) im Eisen barger Comitate West- 
nngams,' 

Sie geborte zam Kreise jener Pfandgüter Westangams, 
welche König Friedrich HI. seit der Uebemahme der Vormund- 

' Abgedruckt bei Krones, Landesfilrtit, Behnrdeu und Stände du» Ilurzofr- 
thnms Steiermark 1283—1411 (Graz 190Ü), S. 2^6. V^'l. S. 235 Aiim. 
Dem Namen SÜÄsenheimer wird bier kein Taufnanie vorg'osetzt. Wir 
werden jedoch unbudenklicb Andrä t. SüMeubeiui, dou Uaupiauwu von 
IfSttlioif (Uli— 141«)» Tof»tiflMta«tt dflrfen. 

* Chnel, Regeston KSntg Friedrichs IV. I. Nr. 2888. Urknnde KOnig 
FViedricli» Tom 28. November 1447. 



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584 



achaft Uber Ladislaus den Naeh^cborenen fcstbiolt. Die Burg» 
h('ir>( haften: Eisenstadt (Kis Mdrton), Hornstein (Szarvko), 
Forchtenstcin (Fraknd) und Kobolsdorf oder Kobersdorf (Käbold) 
in der Oedenburger; Güns (Köszeg), Rechnitz (Kohoncz), Bern- 
stein (Pernstein, Borostyänkö) und Güssing (Nemet-Ujvdr) in 
der Eisenburger Gespansehaft, und vor Allem Oedenburg (So- 
prony) und PreBsburg (Pozony) selbst, als ^Bu^^^^'^^^^i^' 
und ,Comitate'y waren und blieben das Bereich der Habsburgi' 
sehen P&ndstttse und Ansprüche unter wechselnden^ strittigen 
VerhiUtDissen. 

Seit dem 22. KoYember 1447 erscheint Andreas B. als 
Pfleger von Schlaniog, was er wohl schon vorher geworden, 
und hier sollte er dereinst auch sein eigentliches Heim ab 
westungarischer Grundherr und Magnat bestellen. 

Wenn wir das Jahr 1453 als den Zeitpunkt anzusehen 
gewohnt sind, in welchem sein Name geschichtlich wird, so 
▼erdankt dies unsw Baumkircher der Feder des bedeutendsten 
Geschichtschreibers jener Tage, Aeneas Sylvins, in seiner Hi- 
storia Friderici, als Zeugen der Belagerung Kaiser Friedrichs m. 
in Wiener-Kenstadt und der reckenhaften That Baumkirchers. 

Das gleiche Jahr eröffnet jedoch augleich eine neue 
Wandlung im Leben des waffentUchtigen Mannes, des Ge- 
nossen einer eisernen Zeit, in der Alles auf der Spitxe des 
Schwertes stand und sich in widerspruchsvollen Rechtsan- 
sprachen und Dienstverhältnissen bewegte. 

Müssen wir ihn, den Pfleger der habsburgischen Pfand» 
herrschaft Schlaning und Genossen der Vertheidigung Wiener^ 
Neustadts, als Amtmann und Söldnerführer Kaiser Fried- 
richs in. ansehen, so ändert sieb dies Verhältnis mit der Aus- 
lieferung Ladislaus P. an das vormundschafitsfeindliche Bündnis 
der Stände Oesterreichs, Böhmens nnd Ungarns. 

Von da ab wird Baumkircher Dienstmann und Partei- 
gänger des letzten Albrechtiners, ein entBchiedener Gegner 
des Kaisers und Bedränger der Steiermark, wie ihn Ebendorfer 
nennt,' und sein Lehensverhältnis zu dem Gillier Grafen 

^ Cbron. Änatr., Pw, Seript. II, 876. (ÜDa cnm qnodam G^uinÜiUBOi, Andrea 
Paurakirt'bor exorcituin congref^arent , Stiriain fpirnjno Iiostili 
manu invnflorcnt . . .) A.a.O. 97ß nrnnt El)r«n'liiinr iin>(.«ri'ii Hniitn» 
kircber und den Grafouöcker ,olim Aquilae (Kaiseradler) capi tat ibus 
hostibus*. 



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585 



ülrich IL, dem W idersucher Friedrichs III,, spielt da mit hinein, 
besonders als der letzte Oillier zum zweiten Male (1454) die 
volle Gewalt als Beratlier und Volhnachtträger seines könig- 
lichen Vetters erlangt hatte. 

In diesen Zeitraum (1454 — 1456) fäUt jene Urkunde Königs 
Ladislaus' P. vom 27. Aupust 1455, die den Baumkircher als 
Casteilaii von Pressbuifj: bezeichnet und ihm die verfallene 
Burg Dobronya in , Slawonien' bedingungsweise Uberlässt.^ 
Für unseren Zweck ist diese Thatsache von unteri^tM-r liieter 
Bedeutung, wohl aber von grösserer, dass Andreas 13. bereits 
als jächlosshauptiiuinir von Fressburg bezeichnet erscheint. 

Die jGrafst haft' odt r übergespanschaft des gleich- 
namigen Comitales war damals niclit besetzt,* worauf im April 
des nächsten Jahres^ Tlraf TJllrich II. von Cilli als ,Öraf' oder 
Olli 1 iZL'Span von Pretsüburg beurkundet wird und 1457 abermals 
ein Zeugnis von der ,Vaeanz' der Obergespanschaft vorliegt.* 

Da nun im September 1458 (vgl. w. u.) Baumkircher als 
,Graf oder ,Gespan' von Pressburg urkundlich nachgewiesen 
erscheint, so bildet das Jahr 1455 den Ausgfuigspunkt seiner 
neuen^ wichtigen Lebensstellung. 

In der Eigonschnft eines Schlosshauptniannes von 
Pressburg belagert Baumkircher und mit ihm Berthold v. Eller- 
bach, der als Gutsherr von Eberau (Monyorokcrek) in der 
Eisenburger Gespansehaft zu den westungarischen Baronen 
zählt, Oclober 1456, ia der Zeit des Hüliepunktes der Zer- 



* Origioalmkinide (Papier), Steiarinirkitehes Landeauttliiv» 664S* . . . «t 
ipM (Banmkifcher) collapso« maros inveierataqne edifiei» ein« 
dem eaetri aoetri reformari, restactrari et renonari faciat . . . . 

castrnm ipsnm ab eo ?ntimur non anfferr«, donee postea 

cum ipso plena raciune de &t super ninnibus sumptibua et expensis 
•Qis qoaai ad meliorem defensionem pretacti castri atque refortnacionem 
niuroram .... eidem aatisfaeiemaa cnin offeetn .... JMamajaf 
{vgl, w. a. die Utkande vom September 146S) wurde alt «in Selavonta* 
(Slaroaien) flogen bozeichaot und ist offenbar das heutige Dnbrawa 
bei Pregrada oder Predgrad im Warasdinor Comitate. 

* Ortv.iy, Geschichte der Stadt Prossburp. I)eut»che Ausgabe, III. Bd., 
1894, S. !8.H. Urkuiido vom 27, Mai 1455: Comitatitiim Thomosiousis 
et Posonieiisis hoiioribus vacantibus; Urkunde bei Teloki, liuuya- 
diak fcoia, X. Bd. (Beilagen). 470. 

' Orfevaj, a. a. O., 28. April 1466. 

« Ortra7, a. a. O., Ufkoode m ». Hin 145T, bei TelaU X, 509. 
AnUv. XGl. Bud. U. HUfta. 88 



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586 



wttHiiiese König Ladislaiu' und Kaiser Friedrichs HI., dessen 
Ffandhemchaft und Burg Güssing.* 

Bald verändert sich wieder die allgemeine SaeUage. Den 
9. November 1456 findet der letste Graf von CUli, knra vorher 
Statthalter (loeomtenens) Ungarns geworden, su Belgrad sein 
gewaltsames Ende, nnd sein Nachlass, das grosse Cillier Erbe 
in üntersteier, Kärnten, Krain, Slavonien-Kroatien, bildet zu- 
nächst das Ziel der kaiserlichen Erwerbungspolitik. BViedricb m* 
will sich als Länderftürst nnd Lebensherr des gansen Nachlasses 
versichern und findet an dem Feldhauptmanne der Cillier und 
Unter-Banus Slavoniens, Johann Witoweta, dem einflossrmehsten 
Manne in der Umgebung der Qrafenwitwe Katharina, der 
serbischen Fttrstentochter aus dem Hause Brankowitsch, einen, 
allerdings nichts weniger als uneigenntttaigen, Verbündeten. 

Aber auch KOnig Ladislaus F. hielt Ansprache auf den 
Kachlass seines Ohms, des letzten Gilliers, fest, und als er (1457, 
16. Mära) anr Sühne der Ermordung des letateren und der 
«Ifajestätsverbrechen' des Hauses Huavudi den älteren Sohn 
des Gubemators, Ladislaus, hinrichten und den jüngeren, 
Mathias, gefangen setzen liess, bewirkte dies bei Witoweta 
sofort einen Umschlag in seiner Haltung; er wird des Kaisers 
Feind.* 

Wir wissen nichts Bestimmtes über das damalige Ver^ 
halten Baumkirchem in dem Cillier Erbschafltshandel, werden 
jedoch nicht ft^i^hen, wenn wir ihn auf Seite des letzten 
Albrechtiners, seines königlichen Dienstherrn, Ladislaus Post» 
humus, und als Gegner des Kaisers voraussetaen, wie dies aus 
der Schenkung der Burgherrschaft ,Chaaarwara' (Csisairvir), 
d. i Kaisersberg im slavonischen Grenzbezirke Zagorien (oder 
im ,8ccger^ vom lö. September 1407^^ und aus späteren That> 
Sachen erheilt 

* Copialbucli im k. k. Hstia-, Hof- nnd Staatearcbiv, Nr !7, f 58 — 59, 
kaisorliche Weisung vom 12. OLtober (feria TIT, a. f b (ialli), Graz. 
Vgrl. Chmel, Mater II, 120— ; dnitsrh.- Urk\ni>1r vnm 20. Novemhi^r U.Mi. 

»Cillier Chronik, 36. nnd dl. Capitel. Hahn, Coli. II, 729-739 u. a. von 
Knmes, Die EYueo ron SaaiiMk itnd ihre Cbroiük als Onfen von CfllL 
On» 1SS3» a 133—189. 

* KSnig^ Ladislans' Urkunde, <1atirt von Wien, Steiermlrkisches Landes- 
archiv, Original, Regefsl Nr 6G37*. Egregio Andree Pamkyrthrn, 
castoH.nno nostri castri r<^;'OTi i ensi«, cui prodicto Castrum nostnim 
Chazarwara — pro bonore tenenduiu oommisimus . . . . (mit allen 



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587 



0ieie yEbrengabe' betrifft nSmliob eine Herrschaft des 
Cillier Grafenerbes,* was umsomehr fUr jenes Verbalten 
Baoinkircberfi sfuricht 

Im gleichen Jahre (23. November) stirbt jedoch König 
Ladislaus P.; Kaiser Friedrich III., das Haupt der Leopoldini- 
schen Linie, sichert ihr den Anfall des Herzogthums Oesterreich, 
rüstet sich zur Bewerbung um die böhmische und unf^^arisclie 
Krone und gewinnt zunächst wieder den Witowetz, um sich 
durch ihn das ganze Cillier Erbe zu verschaflcn und die 
(iruteiiwitwc Ivailuinna m jene Zwangslage zu drangen, welche 
die endgiltige Ablösung liires gesammten Leibgedinges zur 
Folge hat. 

Wenn die Cillier Chronik ihrer Erzähhinfi^, wie sich das 
alles abspielte, die Angabc bcifü<(t; , Katharina habe Einem, der 
hiess Andrä Pumkircher, den Sumobor (die kroatische Grenz- 
herrschaft der Cillier) gegeben, für seine Dienste, die er ihr 
gethan und erwiesen hätte, denn er war ein Mann von grosser 
Tüchtigkeit (,streugheit*) und ein grosser Kriegsmann,'* so be- 
weist dies wieder, dass Baumkirclier, im Gegensatze zu der 
wechselnden Rolle des VVituwetz, der Grafenwitwe zugethan 
blieb. Und als der Vorgenannte, vom Kaiser für seine Dienste 
mit der rfrafschaft Zagorien (,Sepger') entlohnt, auch auf andere 
Schlüssel die Hand zu legen sich beeilte, hielt Baumkircher 
Kaisersber^r fest.' 

Um diese Zeit hatte sich aber schon auch der Ausgleich 
zwischen Baumkircher und Kaiser Friedrich vollzoiren. 
•Seine Geschichte bewegt sich innerhalb der Jahre 1456 — 1450. 



zMg'oht^ricren D^^rforn, OrÜnden, Wiesen, Waldougen tt. ». w., die blther 
(Mitfreiudet gewe>^iäa seitiu). 

» Cillior Clirottik, 44. Capitel. Ilahn, II, 746—747, Krouaa 155—166 ,voii 
den beiwslMineii viid staetlen, die die graffeii too Gilli gehabt halMn*; 
KaisarBberg Ofaehoint hier swiaohen ,Ki»piD* (,Krappen% Krapiua) nnd 
«Castell* eingwtellt 

« Cillior Chronik, 40. Capitel (ll.ibn 739, KronoH 146—147). 

» Cillier Clironik, 42. Capitel (Hahn 74*2f.. Kroncs 151 f.) . . . Und als er 
(VVitriwt'tz) die dasselbige (haupt^eflchioiMi, die Kreiip^iTi = Krapiua) nun 
in Heiuur gewaltoamb hette, darnach gebrachter die andern geschloss, 
die SU dem geboren, in seine gewaltaambt ahn allein den Kaisers- 
berg nnd den Castell. Dan Kaisertberg hat der Andrea Pam- 
kirahar nnd den Castell ein litter genandt herr Andrea von Kraig 
(Kärntner Luidharr), nnd hielten die fttr sieh salbst. 



üiyiiizea by GoOgle 



d88 



Zunttchst er&hren wir (Ende 1456)* von Unterhandlmigen 
swiaohen dem genannten Habsburger und seinen damaligen 
Gegnern, an denen ansBer unserm Banmkireber ancb dessen 
Qenosae Ulrich der Grafenecker, der EUerbacher, die (teter- 
reichischen I^echtensteiner nnd die westungarisohen Grafen 
von PCsing nnd St. Georgen u. a. sühlten. Sie führten 82. An- 
gußt 1457 aum Aosgleiehe am Hoflager au St Veit in KSrnten,* 
also noch vor dem Ableben des letsten Albreohtiners. 

Allein erst nach demselben, im Jahre 1458, den 31. Au> 
gust, fand die entscheidende Wendung im politischen 
Leben Baumkirchers statt, nnd awar anllsslich der end- 
giltigen Taidung des Kaisers mit seinem Bruder Erzhersog 
Albrecht VI. Hier findet sich der Verzicht des letzteren auf 
seinen Antheil von der Gillier Erbschaft und unter den firfiheren 
G^egnem EViedrichs III. auch Baumkireher henroigehoben.* 

Von nun an beginnt die dritte Phase in der Geschichte 
Baumkirchers, die Zeit seiner Dienste als AmtBträger, Rath und 
SöldnerfÜhrer Kaiser Friedrichs IH. 

Inzwischen hatte anfangs JSnner 1458 die Wahl des nationalen 
Königs von Ungarn, Mathias Corvinus, durch die Mehriieit 
der Reichsstflnde nnd nicht ohne Mitwirkung des Gubemators 
Böhmens, Georg von Kunstatt-Podiebrad, stattgefunden, und da 
der Habsburger Friedrich HI. seine Bewerbung um die Hen^ 
Schaft jenseits der Leitha aufrecht hielt, im Besitse der Stephans- 
krone war, Uber Pfandherrschalten und Uber die anticOTvinische 
Magnatenpartei in Westnngam verfügte, so blieb der Thron- 
krieg unvermeidHeh und die Zukunft des jungen WahlkOnigs 
bedroht. 



» Chinel, Hogosten Kaiser Friodricbs IV., 3529-3531. 

* Birk, Regest«!! KaiMr Frledriehi IV., Oesterr. QesehichtaarehW, 10. Bd., 
8. SOS, Nr. 199. 

• Kurz, Geschichte Kaiser Friedrichs IV., 1, 283; Lirhnnwsl^-Birk, Go- 
srliiclite des Hausos nabsbnrfr VIT, 13 Genannt fr.schuinon die beiden 
(ir;ilV>ij von Pösing, Johann iiml Sii,'i.stTUind, Hciiirich v. Liechtenstein- 
Nikolsburg, Berthold t. Ellerbach, Ulrich Grnfenecker, Andreas Baum- 
kireher, Haniw EDts«ndorfer. FQr die OenoMensebaft de« OnüBn 
JohAon Pssing mit dem Benrnkiroher in der Fehde gegen den 
Kaiser haben wir bestimmte Anhaltspunkte, s. k. B. ihren beiderseitigen 
Vorsichenings!irit>f (vom 27. Jännor 1456, Wien) für Ka.spnr v. Wolken- 
«tnrf, ihn mit fio Pforden in ihre Dienste nnfgenommeu au haben. Steier- 
märkisches Landosarchiv, Copie, Nr. 6664 »». 



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g89 



Die einstigen Gen^ncr des Kaisers, die Grafen von Pösing, 
der EUerbachcr und unser Raumkirclier, seit 26. September 1408 
als Graf oder ,8pan' von Pressburg beurkundet/ nebmen 
Tbeil an der Oegenwahi des Habsburgei*8 75U Güssingen 
(17. Februar 1459),' welcher dann die Scibstkronung Fried- 
richs III., die Festlichkeiten in Wiener-Neustadt — anlässHch 
der Ueberhringung der Wahlbotschaft dureli die Magnaten 
Qara und Ujlaki — und sein Manifest an Ungarn folgen. 

So tritt HaiiMikireher als ,Span' oder Graf von Pressburg 
in den Kr -i-j der westungarisehon Magnaten vom Anbange des 
Kaisers, und hiemit 6Gtzt auch die Zeit seiner vielseitigen Er- 
werbungen ein. 

Die Wichtigkeit seiner Dienste, anderseits die stHndige 
Gcidnoth des Habsburgers, der mit ungenügenden Kriegsmitteln 
den Kampf um den Thron Ungarns aufnimmt, machen zuniiebät 
begreiflich, dass dem Baumkircher, gleich den anderen Partei- 
gängern des Kaisers, so dem Grafen Sigismund von Pösing, 
dem ,Banu8' Jan Witowetz, dem £llerbacher und Grafenecker, 
das Recht der Münzprägung verHehen wurde, eine Massregel 
von übelsten staatswirtschaftlichen Folgen, da sie — wie dies 
besonders zutreflFend der Chronist Unrest' brandmarkt — die 
Mtlnzverschlechterung im Geleite hatte. Der bezügliche Frei- 
heitsbrief Baomldrchers erseheint 1459, II. September aasge- 
fertigt« 



* EigonliKndiges (?) Schroibt ii n.'uiinkirchers ,spail SB PrOMbnrg' an den 
Richtor un<l ä'w Goinüiii<le vf.n .Lausseo' fT -ui'sfo, T/RH9!«i«^r — LauilpHPre, 
im Oßdenburger Cuinitnt), or li;ibo sonieii Dk-ium- boauftrapt. <Mni;r«' Tage 
bei ihnen za verwoileu, lua Kuiidächat't über den bevortttubenden Ileoros- 
mng der BShmen (gogon Oesterreich) einsaholee. Papier mit auf- 
gedmektem Petocbeft Original im Stelermirkiflchen LendeiareliiT, 
Nr. 6689. 

* Vgl. die «luMhrliche Darstollung bei Kaprinay, Hung. diploin. toinp. 
Matthiao de Hunyad (2 Vol. Vindob. 1776-1771) II, 228 und Katona XIV. 
196 . . , Wie b(»fb<!)tond der damalige Anhang dos Habsburgfir« unter 
den ungarischen Miignaten war, beweLst die Thatsacho, da«8 Ladinlailü 
Gara, Niklas Ujlaki, Job. Sz.6csy, Ladislaus and Niklas Kanissai, Panl 
BinlB, H. Frangepani den Kern dieser Partei bildeten, abgesehen von 
den bereite genannten Grafen Ten P<Ming (Basin) und 8t. Oeorgen. 

* Unreet, Oestefr. Chronik, Hahn, Coli. m. I, 648 ,Wer alte Kenel hat, der 
mOnxte dester bsn* .... Vgl. Ebenderfer, Pe«, Script H, col. 901^902. 

* Oopie im St^ermirkiechen Lsndecarehiv, Nr. 6769. 



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690 



Hüne frühere Urkunde (29. Juni) nennt B. einen ,Ratli' 
des Kaisers.^ 

Von besonderer Bedeutung erscheint jedoch die kaiserliche 
Verpfändung einer Reihe von Gutem an den Baum- 
kireher und Grafenecker. Ihre Vorgeschichte wnrselt in 
der Abmachung zwischen Friedrich HL und der CSiilier Grafen- 
witwe, Katharina, vom 10. Mttra des Jahres 1460,* denrafolge 
der Kaiser die iieibgedinggüter der Letstgenannten: yMedve, 
Bokonok; Kaproncza, Gross- und Klmn-Kamnik, St. Georgen, 
Tschakathnrny Triga und Warasdin" sammt allem ZugchOr ftü* 
29.000 ungarische Goldgulden und die Stadt Adelsberg ablOste. 

Alle diese slaTonisch-kroatiscben Hinteriassgüter des 
Hauses Cüli worden alsbald (4. Juni 1460) vom Baumkircher 
und seinem Waffengenossen Ulrich Grafeneck (,Span' and 
Graf von Oedcnburg) als solche beurkundet, die ihnen der 
Kaiser für diese Ablösungssamme und noch weitere 17.000 
ungarische Goldgulden, ,von der dienst wegen, so wir seiner 
kais. Gnaden getan haben zu dem inngang Sr. Gnaden in das 
Kunigreich Ilung^crn' und auch ferner ,in ander weg tun öullcn', 
verpl'iliidet liabc* 

Die Pfundschaften hatten allerdings einen sehr bedin|[^teii 
Werth; anderseits hisst sich leicht ermessen, wie bedeutend die 
Geldfurderuugen Baumkirchers au den Kaiser geworden waren. 



* In flinem Schreiben Friedrichs III. an die Pr&ssburger Stadt^meinde 
Ortvay a. a. O., S. 183 (,Pamkircber, viuier Rat'). 

* Original im Wiener Harn-, Hof- nnd Staatarchiv, BegMt bei Hor^ith, 
«Magyar ngeatik* Im TSrt. tir. IX (1861), 68, Nr. 167. Das Oatnm ,g«b«n 
SQ Wjmn am montaf;^ vor Saud Gregorientag' = 10. März. 

• Diese Herrsfli.iften finden sich in ili^ Cliru^r Clironik, Capitel 44 (TT.ilm, 
II, 7415 - 747, Krones, 155 — 156) al» ße«it2uugen de« Grafenhaii.srs an- 
geführt. ,Medve' (Cillier Chronik) -= Medwed, wahrscheinlich Modvd> 
doT« diaga im Agramer Kreise; ,RokODok* (CiUter Oiironik) = Bakemik, 
wahrBeheinlieh Rakoree, gleiehwie »Kopronesa* (Cillier Cimmik) = Ko- 
proinitz oder Koprivnica im Krenster Comitate; Gross- und K1ein-,Kamnik* 
(('illier Chronik) = Kanionitz, Kamenica im Warasdiner (.'omtt^ite, 
jSt. (leor«xf»Ti' (Cillier Chronik) — St. Georgien vom Jdr^-iMi-Haus, 
Svoti-Gjtiri im Kreuzer Comitate; Tschakentnm (Cillier Chronik) — 
,Teekakathnrn% der bekannte Haeptort der Marinael; ,Triga' (Cillier 
Chronik) «= Trigan, Stridan, Strido oder Btrigovo, gleieblalle anf der 
Murinsel. 

♦ Ol it^iii.il im Wiener Haus-, Hof- nnd StaataarcbiT, HorvÄth a. a. (>., 
Kr. 1Gb. Vgl. ChmeU Kegeaten» Nr. 8809, Llobnowakf-Birk, VU, Nr. S87. 



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591 



So entwickelt sich ein Verhllltnis swischen beiden, das des 
Olttiibigers som Schaldner, welches je weiter desto ver- 
bftngnlsvoUer in seinen Rttckwirknngen sein mnsste. 

Im Jahre 1463, das uns den Brttderswist im Hause Habs- 
burg aaf seinem H5hepankte vorftthrt und Andreas Baumkircher 
als kaiserlichen Rath and Feldhanptmann des vielbedrängten 
HabsborgeFB abermals in den Vordergrond stellt, begegnen wir 
ihm bereits als Pfandherrn der niederösterreichischen Stadt 
Kornenbarg. Hatten sehen die Pkmburger die Geldforde- 
rungen Banmkirchers ttbel empfunden, so war denKomenburgem 
der Pfandherr umso unbequemer, da sieh B. inmitten der Stadt 
einen ,Thurm' erbauen Hess.^ 

1463 (22. Juli) erhebt Kaiser Friedrich III. Andreas Baum- 
kircher, seinen ,6pan zu Pressburg und hauptman zu Koraeu- . 
bürg' sammt seinen Nachkommen in den Rang von ,edcln 
Freiherrn von 8c Ii Inning'.' Baumkircher steht in der 
Mittagshöhe seines Lebens. 



* S. die Weisung König Laduslau*« P. vom lo. Aupiiat 1455 an AixlrejiS ö., 
worin er ihm, in Hiusicht der 1000 Goldgulden, diti Scltunung der 
Stadt Presiburf anftrilel;. Uehnowdijr-Birk, VI, Regesten, Nr. 8014, 
Chmel, Beg«sten, Nr. 89M; 14SS, 17. JiaiMr, Pf andre v er» BanmkircherB 
der Bttrgerschaft tob Korneuburg auagestelli. Der Kaiser hatte Kor- 
nenbnrg die ,Nutzungeo und Renten' daselbst fUr die Schuld von 6000 fl. 
verschrieben. Vom zwoiten Theil der Einkflnfte solle er Bich bezablt 
machen, den dritten -^ur .Kluhtung' der ätadt verwenden. Die Errich- 
tung einer Befestigung iu der Stadt wurde ihm eingeräumt, damit 
er mit den Stinigen M vnd ane der Stadt gelangen kOnne, ohne Irrung 
der Bflrgei'. Vgl. auch Pnnteebart, Genshiehte der Stadt KoramAmtg, 
Ueber die Erbauung de^ Thür ni es in Korneaburg a. die Oesterr. Chronik 
eine« Ungen.niiiton t-iö4 — 1467, hürannpef^eben von Senckeuhorir in den 
Selocta iuris ut !ii'-t(iriarnm. ... V, Hier wird dfr Antritt der 

rfaudherrschaft aui dmi ^'J. Jäuuür (am Öauibstag vur i'uriücutirmis) au- 
gesetzt. Vgl. MnelMtr, Vni, 33. Vgl. anoh Ebendorf er, Pez, IS.i^.L U67f., 
der ttber dieee VerpfXndnjig, gleichwie die der Stadt Bruck a. d. Leithe 
au den Cbaffiiicker klagt — dt doch beide, er und der Baum- 
kircher, vorlier (1452 — 1458) Hauptfeinde des Kaivera gewesen 
seien (olim Aquilae capitalibu.H hostibus). 

' Birk, Regesten Kaiaer C*riedrichs IIL, Archiv für Osterr. Qeschichte, 
1Z. Bd.) 678. Der Berera Baanikirehen belrifli die Leadadinume und 
da» Hofgerieht ,unbe«chadet der landeBfttrstliehen Obrigkeit in Oeetarreich 
und Steter*. Aenea« Sylvins (Hifit. Hohem., cap. 60) sagt anllKÜch der 
Waffeuthat ItAUmkircherü vur Wtonor-Neustndt (1452), ,uniu.<) militl.H 
Aodree Poamkircher» postea a Cesare ad Baronatum auffecti. 



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582 



Wir nähern uns aber auch damit bereits einem neuen 
Wendepunkte im Leben EUuimkirchcrs. Denn jetst, da der 
Kaiser sich mit dem CorvinoD Terglich und die nngariache 
Reichskrone auslir H 1 1' . fühlte er eich immer mehr als Magnat 
Ungarns, und die Entfremdunof zwischen ihm und dem Habs- 
burger wächst mit der Erkenntnis von dem finanziellen und 
politischen Unvermögen Friedrichs lU. gegenttber der Macht- 
AÜle des Herrschers von Ungarn. 

Eingeleitet erscheint diese vierte Phase von der KQnigs- 
nrkande (19. Jnli 146^), welche dem ,Herrn v. Schianing, 
Gespan nnd Bniggrafen von i^essbnig' Andreas B. ftlr eine 
Qeldsamme das Pressbarger SeUoss und das von Dobronya 
angewiesen aeigt^ Üeberdies verlieh ihm Mathias die Bni^- 
herrschaft Katsersberg (GhasarvAr) wegen der Verdienste, 
die sich Baumkircher In der Herstellung des Friedens mit 
Kaiser Friedrich erworben habcy und seines Tteuegeltfbnisses 
als erblichen Berits.' 



■ndad» «iritM tutete wm^. — Bekaimtlieh ging der CbriBoal von 8niw 
14A8 aa di« AfafiMrang dieMS WerkM, und «war in Bade «i Viterbo, 
Juni, Iran vor seiner E^wihlnng sum Papste und widmete es dem arago- 
nesischen KOnige Alfons V. von Neapel (f 1458, 27. Jani), der es nicht 
mehr erlebte. Die ältesten Handschriften dif^so.s Werkes stammen aus 
den Jahren lAbÜ — 1406, die erste Incnnabel von 147o. In der HisL 
Friderici desselben Verfassers snm Jahre 1462 findet sieh noch keine 
■olehe Bemeikmig, die offenbar a&fMidite der Tkatmolie vom Jahre 146S 
der Hiatoffia Boh. im belreffiMiden Gapitol naditrilglidi eingefügt wiude. 

^ SteleniArkiaohee Landesarchiv, Original, Nr. 6978. Baumkircher darin 
als comes Pnsoniensis et c «i t f>! 1 n nns cif^tri nostri beieichnet. 

• StöiermärkischL's Landesarchiv, Original, Nr. 6983. Ausserdem findet sich 
ein VidimuH des Eisenburger Capttels vom ä. April 1464 (Steiermärkisches 
l4indeiareinT, 7014% gau abgedmekt bm Pratobereva a. a. O. 996—396, 
Nr. 647» worin die fiebenkanginiknide dee Conrioen ▼om 19. Jnli 146S 
an Banmklieher Aber die ,donatii> eaatri Chaxar-Vari in comitatu 
Vfirnsdinonsi rogni nostri Sclavonie. Din Vonlionsto B. worden 
in den Worten ausgedrückt: ,qui intor alia suo lidelitatis obsequia in 
recuperacione sacrosancte corone dicti regni nostri Unn- 
garie et •opiendii diferenoiie et coatroreraiia aliie iater 
•erenitaininm prineipem donianm Friderionn Bonanornai 
imperatorem ae Anetrie et Stirie dncem es una ac inter Nos 
praelatosque Barones et Nobiles dicti regni nostri Hungarie 
parte ab altera siiborti« et vortontihns et pacn nt concordia 
cum eodem domino imperature reformanda iidoiiter coope- 
ratns est nobisqae fidelitatem et obedienciam promisit. . . . 



593 



Von besonderer Widbtigkeit erseheint jedoch die Reco- 
gnitionsiffkimde des Stahlweisseiibarger Kreticlierreiiordeiis über 
die königlicbe Einweisung BanmkircheFS yvon ScUaning (Zalo- 
nok), Grafen von Pressbnrg' in die TOigeoAnnte Hemehaft, die 
Burg ,Oh«aar' im Warasdiner Comitate und 13 Orteebalton 
sammt allen sugebOrigen Katoungen, vom September 1468. 

Die letater«! Orte müssen wir yorzugs weise in der 
Warasdiner und Krenser Gespanscbaft ySiavoniens' (im 
damaligen Sione) suchen^ in einem GebietOi wobin auch die 
Burg Dobronya — Dubrava (s. o.) zählte.* 

Der Hauptsitz Baumkirchers, seine neue Heimat^ wurde 
und blieb das ßeigstftdtchen Schlaning im Eisenburger Comi- 
tate und im Sprengel des Raaber Bisthums.' Hier auf seinem 
Schlosse verewigte er sich selbst auf jenem Steine, der ihn in 
voller Rüstung, in der Rechten mit einer Kriegsfahiie darstellt, 
auf welcher ein Schlos« zu sehen ist: darunter die Inschrift: 



* Stfnertnfirki«iches LandesarchiT, Ori^nnl, Nr. 6'JH3 (mit abporissouorn Sio^nl). 
Der liauptort SchUning wird in der Urkunde als ,oppidum Ölanig* be- 
aaieliiiet. Dw weitsren Orte und: Drasyntk (f Dimie, Wanadi&er 
ComitatX Parotynyn (? Paratoviiia» Agramer Kids, St Iwaaer fiesirk), 
BeBwysK (? Rezoyac, Comitat Virovitic), Komrewycz (? Komarnica, 
Kreuzer Comitat), Prozenyk (Pro«enik, Warasdiner Comitat), Thwhel 
(Tuhelj, Warasdiner Comitat), Cherznowecz (Chresnyewec boi KInnjec, 
Warasdiuer Coiuitat), Thergawycz (Tergowilce, Warasdiner Cumitat), 
Illanz (? Klanjecno, Kleni^no, Warasdiner Comitat, Besirk Krapina- 
Tbplits), Jsrsyna (?Jefov«e, WarsMUnar Condtal), Zsntgyerkb 
(8s. OyOfgy, Svati-Cyiurgj im Kresaer Comitate), Kowaehowets 
(Koraeevac im KrssMr Comitate), Karalowjts (Karlovee» Kreimer 

Comitat). 

• Korabinsky, Gec^raphisch-historiachee und Prof^i^ t' n Loxiknn %*ün ünynni, 
Preesburg 1786 (S. 677), schreibt über die L.ij,'« dieser Üertlitiikeit: 
,SchIaxuiig, Sohleioig, Salonak, ein deutscher Marktflecken (Stadt 6clilai- 
Hing) im Kieenbiufer Comiut, 2 '/« Meilen vw. GOitt, 1 Meile von Botiien- 
tirann (V«i4tovlar), nOrdlieh und IV4 MMlen von Benutain, attdliel). Mit 
diesem letzteren und mit Pinkafeld, von welchem ee 1^/4 Meilen entfomt 
ist, fonnirt 09 ein Dreieck. E» liegt dioser Ort auf einem Imlien steilen 
Gebirge, wo sich goj;;-(Miüber noch ein »toilertis botiiuJot, .>«» dass das Thal, 
iu welchem die Thaun tliesst, sehr schrecklich anzusehen ist, wenn man 
den Weg von Alt^Seklaning geht Dm SebloM liegt ebenfalls auf 
einem ooldien Baige^ dem man ia KHogneeiten eiaea jeden beiannahen* 
den Fwinä enf swei Standen beaehiesBen kann* (dann fol^ die Be- 
schroibnng des Schlcwsee mit dem Denkbilde und der lateiniaeben In- 
achnft» 1460 etatt 1460). 



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594 



,Nos Andreas Paumkirober de Zalanack, Cornea PoaoDienBia, 
hoe ma^Qm opas fortissimomm muronun erigi fecimaa. In- 
ceptam atiiio dooiiiii 1460." Er hat aUo seit diesem Jahre die 
neue und starke Befesttgimg dieser Feste begooneD. 

Bald lieas er auch den Neubau des Pauliner-Klosters 
aufführen, dessen die pftpsdiche Ablaasbulie vom 5. April 1469 
für die dortige Marienkirche aU seiner Schöpfung gedenkt' 

Wenn wir oben das Jahr 1463 als entscheidenden Wende- 
punkt im politischen Leben Baumkirchers beEeiehneten, so be> 
sitzen wir hiefiOr ein massgebendes Zeugnis in der urkundlichen 
Erklärung Papst Pius II. (£nea Silvio de Piccolomini), dem 
vor allem der Ausgleich zwischen dem C^rvinen und Kaiser 
Friedrich III. am Hersen lag. Am 7. Mai 1463* schreibt der 
genannte Papst Uber diesen Friedensschluss und beaeichnet 
hierin als bisherige Anhftnger des Brüsers einbegriffen: den 
Grafen von Pösing, Jiskra v. Brandeis, Jan Witoweta, Baum- 
kircher/ den Grafeneckeri Thomas Zebinger,^ Jodok ,in Wigleis*' 



' S. Kslchbeiif» J. Bitter r., SKmmtllche Werks JX (Wien 1817)» 8. 164 
mit d«r Abbildung (UeM* Oedeolortainas im Titelknpfer. Vgl. Uber den 
eingemauerten Gntbatein Börner in der »Magyar kSn/Tuemle* 1881, 

VI, 112. 

■ Theiner, Moniim. Hnnir. II (1860), 8. 371 ,<inam qnidem domum »eu 
monasterium (fratruiu ä. Pauli primi heremite sub regule 8. Augustini) 
dilecttis filine nobllie vir Andreas Boamkiroher, laicas, sump- 
tQOso opere edificanit et eonetrnl atatnit. . . .* (dat. Born, noai* 
Aprilis 1469.) Ueber die Lage der Ueberreale des Kloalan a. bei Kom- 
binsky a. A. O. Dasselbe stand aiuseilialb dar Stnrlt auf dorn Wege naeb 
Koborlin^ (noberling, Giborialv»), welcher Ort Meilen von Stadt 
Srlilriiiiiiijj: «Mitfemt ist. 

* Ttieiuur a. a. O., 376 f. (Korne, uouis Maii). 

* Pemkereher. 

* Thona Caebtnger, offenbar an* dem gleieben iteiriieben Bitteige- 
schlechtes dom Walther, einer der drei vertranteaten GSnatlinge Kaiser 

FriL'drichs III., sein V.nter, angehörte. Dieser Thomas erhielt «m 14öO, 
giuuuiusaai nüt aeiueui Vater Walilur, das Wappen der .Grafschaft 
PeriKiteia' (in Uugarn), das er 1462 mit dem eigenen bereits vereinigt 
zeigt. 8. den gmiMlogbdien Anha^ Anthoaji y. Siegenfeld tuieltter 
mit J. V. Zahn 1808 besorgten Facsimtle^Ansgabe de« ,8t«iermilrkiiehea 
Wappenbaeh* von Zacb. Bartaoh (1867X S. 188. 

■ Nieht leicht feststellbar. Seilte diew Name vielleieht mit dem Oe- 

BOhlochto der Gilleis oder Qillana in NiederOsterroich (Viertel o. d. 
Manhartsberge) 7,»if«animf»u!i?$nsrf'n, das seit Endo do.s 13. Jalirlmndorts 
bekannt ist, und von deucu Wissigrill, Schaupl. des nied.-Odterr. Adeb, 



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59Ö 



and Peter KelerJ So finden wir den Kern der Gttssinger 
Wähler Friedrichs III. von 1469 in entscheidender Schwankung 
auf die Seite des CSorvinen, wie dies das päpstliche Sofareiben 
selbst andeutet.' 

Das gleiche Jahr kennseichnet für uns seine Wichtigkeit 
jedoch aach in anderer Richtung. Baumkireher tritt in engere 
Besiehungen zur Steiermark durch Gütarerwerb und Ver- 
schwflgemng; er schlägt gewissermassen eine Brttcke zum 
Hräaatlaade seines Gksohlechtea^ ohne jedoch damit die eigent- 
liche Stellung als Msgnat Ungarns zu ▼eniieken. 

Das angesehene und ▼ielseitig begüterte Haus der Herren 
Stubenberg erscheint damals in seinen beiden Hauptästen 
,Kapfenbeig' und »Wurmberg' einerseits durch Thoman oder 
Thomas (f nm 1470)^ und anderseits durch Leu t hold und 
dessen Sohn Hanns, die Wurmborger Stubenbcrger, vertreten. 

Ein früherer Angehöriger des — noch ungetheilten — 
Hauses der steirischen Erbschenken, Otto (V.), war mit dem 
Grafen Wilhelm von Mattersdorf-Forchtenstcin befreundet, 
zufolge dessen ihn der vorgenannte kinderlose Graf 1430 
(14. Deccmber) bedingungsweise zuiu Krben von Antheileu 
der Herrschaften Forchtenstein und Kubulsdorf einsetzte* und 



III. Bd., S. 328 329, einen Hanns zn äan Jahren U30, 1452, und Jnrg 
znm Jahre I4ß2 anführt? Der Narae »Gilleis, fiillaiH, (JUhiiz' knnnte 
in einem rOmisclieu Ducuroente loicht in .Viglei»' verballhornt werden. 
Einen Jodok t. QUleis kennen wir allerdings lüoht. 

* Ein Hanns Keller enohtink um 147S ab kaiaetrUeher KamniafflMal- 
Proenralor (Baohmann, Urknsdo, Naehtracr in den FontM rer. Aiutr., 
IL Abth., 46. Bd., 1892, S. 222 ff.), doch ist ein Zusammenhang mit 
unserem Potor Keler i^ohr fr,ij:lich. Anderseits ist nn«? ein CSallcr ((< Hl f»r) 
Namens Petor für dieso Zeit nicht bekannt. Die uiifrarische Adolsfamilio 
Keler ist vom Hanse aus deutsch uud wurde erst 1663 iudigenirt. ^^agy, 
MMgfMtwmig eanlidai . . yi.Bd. (1860), 8. 169. 

* Item pro »dberentibvs maiestnti imperatorie oonailinriis Hnn- 
garical ibn« . . . 

* S<»hn des 1462 verstorbenen Hanns. Vpl. flbt-r ihn Krones, Heiträpo znr 
Gesuhichte der Haumkircherfehde, Archiv fUr üsterr. Geschichte 89» 2 
(I90I), S. 382 -.18.i. 

* IHe ÜAmide (Original, Steiennirkiaeliea LendeMrebiv) im Regest ver- 
öffentlicht von Pratobevera im NotiaenbUttte der Akademie IX (1860), 
8. 843^ Nr. 4S8 anter dem Ii. December. Das Datam etaoh^nt in der 
Urkunde als ,ain phincztag vor Sand Thomas zu den Woinnachten* (un- 
genan, aam Jahre 1431, bei Muchar, VII, 221). Vgl. die knne Angabe 



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596 



bald darauf DOrferantheile im Oedenboiger und PteoBbnrger 
Oomitate verpfiltidete, — eine der Tielen Thataachen in der Oe- 
Bohichte der Wechselbeziehungen des innerifsterreichischen und 
westongarischen Hochadels. 

Und nnn findet dies ein Seitenstflok an den Verträgen 
Banmkirchers von 1468-1465 mit den Stnbenbergern 
der Wurmb erger Linie. 

Den Anfang macht die Urkunde vom 34. April 1463' ab 
£rbeinigang zwischen Hanns Stiibenberg mit Herrn 
,Andrä Poumkircher', ,8pan zu Pressbarg', betreffend die Schlosa- 
herrschaften Wnrmberg, Schwanberg, Holenburg^ and 
yEntrach' = Mantrach,' anlisslieh der ,finenndlichen Hilf und 
bejBtsnndty die er (Baomkircher) im (Hannsen Stnbenberg) 
beztlglich des Erbgnets getan hat auf sein aigenhaft Gnet, 
Kostung nnd Zerung'. 

Der weitere Inhalt der Urkunde belehrt uns, dass es sich 
dabei um das Erbe der yerstorbenen Mutter Hannsen Stäben- 
borg, Fran Agnes Pettan,^ handelte^ und daas die genannten 
Heffschaften dieses Erbe ausmachten. 



bei WnnDbrand, Graf CoU«etuMa gsn«alogica (1707), 8. 8 mm 
Jahre 1430^ wo von dem TornilelitniMe dar halben Burghemehafleii 

Forchtenstoin und Kobelsdorf die Rede ia^ wKhrend in der Urkunde tod 
dem hfill)en ,Uaus* Vorichtonstoin, von dem ,H.ms* Kowolstorf >inm 
was uocli künftig vom Grafen l'aul zu Fun-litonstoin an Wilhelm fallen 
werde, gosprodien erscheint. 1431, 3, October, verpfänden der genannte 
Graf Wilhelm nnd Mine Gemahlin Doreihea dem genaanten Otto r, Stnben* 
berg ibran Theil der Dörfer «Ciligental* (Zillingthal, YQlgyiUo im 
Coraitat Oedenburg, Besirk Eisenstadt) und «MilchtarfT (Milchdori^ 
Tejfalu in der Pressburger Oespanaehaft, Beairk Ober^htitlBii), Pnlo- 
bevera a. a. O., 8. 344, Nr. 426 

* Steiermärkiacbes Laudesarobiv, Original, Nr. t>d&6, Pergament mit 4 Siegeln. 
Ganz abgedruckt bei Pratobevera a. a. O., S. 383—384, Nr. 642. 

* Holenbnig in Kirnten. Beikaanllieh erbten die Herten Ton Pettan Qnt 
und Wappen der beretta 1246 erloaehmen HolenbnrKer Landhenen 
Kärntens. 

* .Entreieh', .Antrach' — Mantradi im s-^usal zwischen Leibnitz nnd Ritzeck. 
8. Zahn, OrtsnamtMilmeh der Stoiontiark im Mittelalter (181I3), S. S25. 

* Beruh Hrds von Pottau ^^wuiu» Tochter Agnes, die Schwester des leUten 

Pettaneia, Friedrich (f 1438), ward USS mit Johann Meinhard, Grafen 
von GOra, vermihlt, weleher um 14S0 atarbw (Vgl. Baiap, Pettan, Graa 
1868, 8. 289 und Czttrnig, GSrs und Gradiska, S. 669.) Seine Witwe 
ehelicht» daim \'ati'r TTannfJons v. Stulionberg, Luiitholil, und 

brachte ihm die voigenanuton Baighorrachaften, vorderhand die besQg* 



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Ö97 



Die ErbeiDiguDg besagt den An&Il derselben an Andreas 
B. und seine ehelichen ^tb-Mannserben'; falls der Stuben- 
berger ohne solche yerstürbe. Sollte er Töchter hinterlassen, 
so haben der B. oder seine männlichen Leibeserben für die 
standesmässige Ausheiratung der ersteren Sorge zu tragen. Zu 
Anfang der Urkunde findet sich die ,Vcrschrcibung' Baiim- 
kirchers, er wolle Leib und Gut ansetzen, auch Hilfe und 
Beistand leisten, wenn man den Stubcnberger oder seine ,Leibs- 
Mannserben von Erb und Gut dringen oder ihnen Emiail und 
Irrung thun wolle*. 

Offenbar hatte sich Baumkircher für die Behauptung des 
mütterlichen Erbes Haunsens v. Stubenberg eingesetzt. Denn 
obschon 22. Deceniber 1441 ^ zwisf lu n den beeiden Schwestern 
des letzten ll'Trn von Pettau, Frirdncli (V.), f 6. Jilnner 14HH^ 
Anna v. Sdiaunborg und Agnes v. JStubenberg, eine endgiltige 
Theilung des Pettauer Erbes stattgefunden hatte, wonach 
Agnes die Vesten: Wurmberg, Heckenberg (bei Franz im 
H.innthale), Maidburg (bei Maria-Ncustift und Mannsburg, Pet- 
tauer Gegend), ,Gybl' (Köble, am Bacher ob Feistritz), Amt 
,Lampriach' (Laporje bei Windisch-Feistritz), ,Haus bei dem 
Bacher' (Schloss Hausambacher im Draufeld bei Marburg), 
Güter und Häuser in Wiener*ileastadt und Graz and die 



liehen Ansprllübe zu. lu der betroileuden Erklärung Leuth olds 
V. Stnbenberg vom S. März 1432 (Pratobevera a. a. 0.,S.ä44 - 345,Nr. 4i28) 
ist mtr von ihrer Hitgift oder iHeimctener' (10.000 Qoldgalden) und der 
fUnderlage* ihres ersten Gatten (80.000 fl.) die Bede. 1441, 19. JKnner 
(Pratoheveray S. 363, Nr. 457) enteagt gegen 4000 Pfund Wiener Pfennige 
Otto (V.) y. Stubonborp, dor S. hn Ottos IV. (f um 1424) und der 
(f) Aun.T V. Pottau (Tochter Hortneids von Pettau, •St'liwo.stor Leon- 
hards) tfeiDou Erbanaprfichen gegenüber den am die Pettauer Geaammt- 
erbiehaft etretteiiden Theilen: Anna (Gattin des Grafen Hanns von 
Sehannberg) und Agnes (Gattin Lentholds Stnbenberg, s. o.). — 
Die dritte Schweetert Magdalena (Ehefrau dt :^ Grafen Hanns von 
Abensberg), leistete bereits 1430 auf jeden Erbanspmch Verzicht 
(Stülx, 8ehauuberger, in den Denkschriften der Wiener Akademie, 
pbilos.-histor. Cl. XII, 1862, 8. 60, Regest Nr. 810). Die«er VerBicht 
Ottoav. Stubenberg geschah auch in Vertretung seiner drei Schwestern : 
Barbara (Gattin Aehae* Knenting), Kathrey (Gatttn Georgs Star* 
hemberg) nnd Anna (erster Gemahl: JOi^g Neidperg« ■ weiter Gemahls 
Weikbard Polheim). 

* Stnls, a. a. O.. Kr. 801. 



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d98 



Vesten Holenburg und ^Antrieb' (Mantraoh)* zugcsprucheu 
erhielt^ während alles ttbrige der ülterea Schwester verblieb, 
so dauerten die Misbelligkeiten weiter, wie dies echon 1442 
(26. JäBoer) aus der Vorladung Hannsen Grafen tou Scfaaunberg 
hervorgeht,' und dtirften noch andere Verwicklungen im Ge- 
folge gehabt haben, Uber welche wir des Näheren nicht unter- 
richtet sind. 

Vor allem jedoch habenwir an Verpfändungen von Schlös- 
sem zu denken, welche Hanns v. Stubenberg eingehen musste, 
also an finanzielle Schwierigkeiten, die in einer späteren Ur- 
kunde vom Jahre 1466 ihre Andeutung ünden (s. w. u.). 

Diese Beziehungen Andreas Baumkirchors zu Hanns 
V. Stuben borg hatten bald noch engere verwandtschaftlielie 
im Gefolge, da der Letztere, durch das Ableben seiner ersten 
Frau (Helena v. Tschonienibl) verwitwet, am 6. December 1464' 
sein Verlöbnis mit der (älteren) Tochter Baumkirclicrs, Martha, 
einging. Die Erklärung des Stubenbergers, die Ehe mit der 
.Jungfrau' binnen seehs .iahren eingehen zu wollen,* scheint 
daraiü hinzuweisen, dass Martha das nüthige physiselie Aher 
noch nicht erreicht hatte. Als Mitgift werden 10(K). als Wider- 
lage 2000 ungarisehe Gohigulden, davon 1500 uLs I\lorgengabe 
festgestellt und <lie 2000 ti. auf die Herrschaft Wurmberg ver- 
schrieben. Sobald die Ehe vollzogen wäre, habt I l ums v. Stuben- 
berg einen von seiner (iattin und ihm unterzeichneten Ver- 
sicheruugsbrief auszustellen, dass Martha allen Ansprüchen 
auf das viiterliehc Erbe entsage, so lange niiinnliche Leibeserben 
Baumkirehers in gerader Abfolge vorhanden seien. Hei Nieht- 
eiulmltung des Verlübungsvertrages ist Hanns v. Stubenberg 
zur Zahlung eines Reugeldes von 12.000 H, an ßtiumkircher 
verhalten, der bis zum ErUge dieser Öumme die Herrschaft 
Wunuberg innehaben soll. 

Dieser Vereinbarung vom H. December 14G4 folgte im 
Frühjahre 1465 ein ueueü Abkommen Baumkirehers mit Leu- 



> Die Ortsboj^timniuiigen uach Zahn, Ortsniunonbaoh dor Steiermark, an 

betreffender stelle. 

* Betreffend die Klage der Agnes wegen Ueberscbreitung der VoUmadiL 
8tal», «. «. O., Nr. 862. 

■ OrifiTinal im StaiermSrküehen LandeaarebW, Nr. 7041*. R^^ert bei Prtto- 
bevera, a. «. 0., 8. 397, Nr. 662. 

* ,111 ir legen.' 



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Ö99 



told V. Stube uberg und dessen Sohne Hanns, küuftii^cm 
Eidam Baumkircliers,* dem gerailss ihm die Geuannteii (his 
,Amt des Frcythoffers* und das zu ,Scheder* (Schöder bei 
Hurau) und die Schlossherrscbaft ^Kätscb^ (Katseb bei Teuffeu- 
bach-Murau) verkaufen.^ 

Die Vcrlubmsurkunde vom December 14t »4 fand am 
30. September 14^(5 ihre ErgiinzuDg.^ Ilunus v. Stubenberg 
erkiiirt, jene Verschreibuiiii vom 24. April 14()I5 erneuem zu 
wollen, da ihm Andreas Baumkirclier inzwischen seine Tochter, 
Jun{.^^frau Martha, zur .ehelichen Hausfrau'^ vers))r()ehen tind 
ihm durch Auslt'jsung einiger Schlosser vom mütter- 
lichen Erbe des iStubeubergers neue Freuadschaftsdienste 
erwiesen hätte. 

Vor dein Jänner 1471. also 14()!*/70, mu88 der jcrenannte 
Stubeuberger die Klu nut .Martha vnl!zoi;en liaben.* (raltdocii .schon 
1460 Hanns v. Stubenberg als ,Eidam^ Baunikireher.s im Kn'ise 
jeaer Adeligen, die, mit letzterem verbündet, dem Kaiser absagten. 

Uebcrblieken wir nochmals den viiterlieherseits über- 
kommenen Besitzstand und die weiteren, namhaften Erwer- 
bungen Andreas Baumkirchers an Gütern, Nutzungen und 
Rechten, so lag das Erbe zunächst in Krain, und zwar im 
Oberlande, im Gebiete von Krainborg und Radmannsdorf, 
anderseits in der Umgebung Laibachs, im Billichgräzer Pfarr- 
i^nmigel. Hier bildet Horjui den üauptansitz, wie schon der 

• Steiermärkisches LanUesarchiv, Nr. TO.og*» (UopOHt bei Pratobevera, 
a. A. 0., S. 397, Nr. 553) vom 14. Miirz 1466. Urkunde Bauukirchurs 
datiert von Kornenbaiip, vom 15. Ullra. Landeurcbiv, Original, Nr. 7060. 

* Die bdden Aemter waren vorber dorn Enwt Frank «auf Wiederkauf 
hintang^eberi worden, dessen aie nun Banmkircher überhebt. 

' Steiermärkischo« Landesarchir, Oripnal mit 3 8it>t,'f;lii. Aiiazug bei Pra- 
tobevera, a. a. O., S. 399, Nr. 562. Die Besiepolunir i'i fijlgt« durch Hanns 
V. Stubenberg, Berthold v. Ellerbach, Herrn zu Ebiau (Monyordkox^k), 
Wijda Ton Siebenbüfgeo und Onfen dar ,ZSgkl* (Szökler), und Heinrieb 
Ferner Ferneek (Steiermerk). 

' Wann und wo die Ehe Uartbaa mit Hanns v. Stnbenberg vollzogen 
wnrtln, iä.sst sich nicht genau feststellen. Sicher i.st mir. (biss in dorn 
(schon Etxlo 1464 ausgemachten) Ver7.ichtbriefe Mnrtbas v. Baum- 
kirchen und llann.sons v. Stubenberg, datirt vom 7. Jänner 1471 (Landeii- 
arebiv, Original, Nr. 7346), Martha aieh bereite «1« Bbefrau beaelohnet. 
Als Siegler finden fidi Berfbold EUerbaeb und Heinrieb Ferner 
V. Ferneek ver. 



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600 



dortige Bestand einefl jBaumkircherCiioinft' (oder yHolieneok^ 
BloTenisch ,LeBno Berdo') bezeugt. Bedeutsam ist und bleibt 
eSy dass sich gerade luer» wie bereits an anderer Stelle ange- 
deutet wurde, die Erinnerung an Andreas Baamkirober in einer 
Bauern sage erbielt, die ibn zur Ve^neit Ton den doreb 
seine unertritglicbe Hitrte erbitterten Landleuten — im Bunde 
mit seinem Feinde, dem BiUiobgrftaer — ersoblagen lltsst! Eine 
in der Tbat abenteuerliche Localisirung eder Ortsverscblebung 
seines bekanntUcb in Gras unter gans anderen Umständen 
herbelgefi&brten gewaltsamen Endes. 

Weit ausgiebiger noeb war das väterliobe Erbe im Wip- 
pe ob er Burgfrieden und in seiner Umgebung, femer um Adeb- 
berg und Reifhitz im Inner-Kiminiscben oder ,am Karste', wie 
es damals hiess. Dasu kommen in seiner Zeit sunllebst die 
babsburgische Pflegsehaft Scblaning in der Eisenburgcr Qe- 
spanscbalt Westungams, nacbmab der HauptbMita Baum- 
kirchers, von welchem er stob ^Freiherr' schrieb, die OiHier 
Burgherrsehaft Samabor in Kroatien, aUerdings yortlbergehend, 
sodann die Pressbnrger Castelbmei, nachmals die Comitatsge- 
walt alldort, die Burgherrschaften Dobronya (Pregrad-Dubrawa), 
und Csäszärvfir- Kaisersberg (beide in dem Warasdiner 
Comitate Slavonions), die mit dem Grafen ccker getheilten 
Pfaudscliaften in der Warasdiner, Kreuzer (und Belovdrer) 
Gespansehaft und auf der Murinsel, die Pfandschaflt Kor- 
ne ubiirn; in Niedcrüstorreich und schliesslich Amt Schöder 
und Schloss Katsch in Obersteiermark. Auch der (pfand- 
schaftliehe) Besitz von Ka ehschlag im Viertel unter dem 
Wienerwaldo wird unserm B. zurredaeht.* 

Die Prcsöburgcr Obcrgespansehaft, von welcher 
seine Bezeichnung im Munde der deutschen Bauern ,Pasemeyer 
Spang* — Gespan von .Pasemcy* ■= Posoiiuini. Pozsony, her- 
rührte,* versah l^aumkirclicr spUtestens bis zum Juaner 1467. 
►Seither schrieb er sich nur ,Frcyhcr äuiu Slauiug'.^ 



* Am <\f>m NnchlasMi WisKf^rill!' über die liAuuikircber, in der LeralUi- 
Hclieu Zeitschril't ,Adlür' (Jahrbucii) 1874, 8. 134. Ciürt erschoiut StreuDS 
Cod. mior. V, S, 86. 

* HinderbMh, Fortseternigr ^ Htitorta Friderioi des Aeneu 87M« — 
1462, herau«igeg«b6n von K Il ir, Aii;il. Monum. Vindob. II, 56ß. 

* Ortvay, Geschiehte von Prü^sburs? I, 181. 8. Jänner 1467 erscheint 
bereits Niklas BAnffy von AlwS-Lüidva als ,comea*; daher gokrieb An- 



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601 



Der Schluss dieses Absdmittos blieb den lieirateu An- 
dreas Baumkirchcrs vorbehalten. 

Die Forscliunji' be\vo<;t sich da auf einem schwierigen 
Buden. Zunächst durfte die Thatsache, dass seine beiden 
Söhne Wilhelm und Jdrg 1409 als volljährig anzuseilen sind 
un<I die ältere Tochter, Martha, um diese Zeit (147Ü) die Heirat 
mit 1 lauurf v. Stnbenberg vollzog, die Annahme rechtfertigen, 
da>s Andreas mindestens 22—24 Jahre vorher eine Ehe 
einging, somit um 1447 — 1440; eher fnlln i noch als später. 
Anderseits werden zwei Frauen Bauiuku cliers an^a*nomnien, 
von denen die zweite, Margaretha, durch den kaiserhchen 
Vcrtra-^r mit den Ilinterbhebcnen Baumkirchcrs vom .Jahre 1472* 
festgestellt ist und von welcher ein zweite«« urkundlielies Zeugnis 
zum Jahre l-UW) besnuen so!!,* <lass sie eine Tochter des Juirend- 
und Wnifen«:eii()^stii Baunikireliers, Ulrichs v. Grafeneck, 
gewesen sei, was jedoch aller Glaubwürdigkeit entbehrt.^ 



dfea» B. 1467, 26. Jinner, an den Ratii von PrcHsburg ans di3m Fold- 
lager von ,OHste)!nn.Hu' (? Kn^tolftion im Warasdinar CrOmitAt) nicht melir 
als v'^pfin', sondern als ,Fri ylicrr »um Slaning'. 

* Vgl. darüber Krones im Archiv für üsterreichi^cbe Geschickte, Ö9, 2 
(1901), S. 412— 4^1. 

* Hoheneck, Freih. Die lObL Blinde des Erchenogthnnui OeaterreichB 
ob der Enm III, 108 {«nch Vftl. Preaenhuben ,icoUect geneaL'); dea- 
gleiuhen WimgnUi Schauplatz des lendaiheigen niederOeterr^bischen 
Ado!« . . ., III. Bd. (1797^, S :?8n. 

' DtMiii (k-rselhe ("«»nvillu siii,-inu, Wissgrill, bezeichnet in meinem N.n"hl.i.s^o 
(s. das heraid.-guu. Jahrbuch ,Adler', 1^74, Wien, S. 13-1) eine Marga- 
retha, Tochter Ulrichs ▼. Qrafeneck, aU Gattin Wilhelm» (II.), des 
Enitgebomen Andreas Baumklrchers, was an sich weit annehmbarer 
erscheint, denn Ulrich v. Grafeneck war ein Jugundgenosse des lotst- 
genannton Iljuiinlurehi rs. Auch die JahrcHangabo 14»i'.> .'.inz gut, 

denn Wilhelm 1>, u.ir dauiais bereit« trro'is- oder volljührig. Aii'icrspitÄ 
Hesse sich docii nicht leicht au zwei gleichnamige Töchter de« Graten- 
ecken denken, deren eine der Vater, die andttre der Sohn geheiratet 
bitte. Wir erkliren ans daher auch, weshalb im SpEtjahro 1471 der 
gange Banmkireber* (Wilhelm IL) mit dem Qrafenecker als Eidam mit 
dem Schwiegervater gegen den Kaiser znsammcnstanden (s. die ,Botschaft* 
vom 25. December 1471, li<>i I?.'i.-lim.nnn, Urkunden, Nachtrag u. h. w., 
Fontes n r. Anstr , II. Abtii., 4ti. Jid., 18112, S. 174, Nr. 160). Ich nuls» 
daher meine auf W iHügrilU Werk, III. Bd , S. 380, voreilig ge.HtUtxie 
Ansicht, Andreas Baumkircher sei in iweiter Ehe Sidam des Grafen- 
eekars geworden (s. Abhandtuni; im Archiv lUr OstecTeichisebe Geschichte, 
1901, 89. Bil., 2. Hälfte, 8. 418), hiemit richtigstellen. 

AnMw. XCl.llMid. ll.BAUte. 3» 



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602 



Sämmtliche uds iirkuDdlich bekannte Nachkommen An- 
dreas Baamkirchersy zwei Söhne (Wilhelm and G^rg) und 
2wei Töchter (Martha und Katharina), waren erwiesenermassen 
nicht ihre Kinder» sondern stammten aus der frttheren Ehe 
BanmkircherB.' 

Es handelt sich nnn um Namen und Herkunft der ersten 
Fran Banmkirchers. 

Der handschriltliclH' .Ehreiispiesrel* des Freiherrn Leopold 
V. Stadl,* Freiherr v. Holieneck und Wissgrill^ bczciclinen 
sie als Anna v. Riczini? und letzterer s^enaiier als Tochter 
Goorof's, Freiherrn v. Eicüing zu Sehrattentlial, des ^älteren', des 
Sohnes Ulrichs v. Eiozing und der Barbara v. Kraflt.'* Das 
hat jedoch «^ewiehti^e Hedenken geg-en sich. Denn dieser 
Georg oder Jörg Kiczinirer (von dem es lieisst, dass er noch 
1402 am Leben war) konnte als .Sohn Uhichs erst nach dem 
30. Deeoraber 1442 zur Weh kommen , da sich in der bezüg- 
lichen Urkunde Ulrich v. Eiczin^r als der Leibeserben erst 
gewärtig anflihrt.^ Wir kennen aber überhaupt keinen Sohn 
dieses Ulrich (f 1464\ und die Urkunde vom 28. November 
147Ü liczeiehnet den angeblichen Schwai:i*r Andreas Raum- 
kirchers, Jörj.^, und seinen älteren Bruder Martin ausdrücklich 
als Söhne Stephans v. Eiczing, des jünirsti-n Bruders jenes 
Ulrich.' Der gedachte Jörg könnte daher nur jener Eiczingcr 
seiu, dessen eine Urkunde vom L Juni 1445 als ^Verstorbenen^ 



^ Daher aimmt sie »ach in jenem Bflhiaebriefe vom Jfthre 1472 die leiste 
Stelle ein; die Efben Banmkirehece ans enter Ehe gehen ihr voran. 

* Stadb Ehrenepiegel, Exemplar des ateiermlrkiocheii Landeeerehiva, 
Handschriften 26, U. Bd., Hoheneck nnd Wiasgrill, a. a. O. 

* 8. nXchste Anm. 

* Wiwigrill» a. a. O., II. Bd., S. 884. TTIer tindon wir allerdings S. 580 
richtig einen älteren Jnrp als Vater Ulrich», Stchpan?« und Oswalds 
bezeichnet, aber auch Sigismund als Sohn, waa unrichtig ist, denn 
dietior war ein Vetter der Vorgonanuten. Ala Gattiu dieses Jörg führt 
er eine Margaretha von Wildnngsmauer (bei Halnborg) an. 

* Chmelfl Auszug aus einem Diplomatarinm der Elcsinger, Arehiv ftr 
«Merreichisehe OeMshiehte I, S (1848), S. 27, Nr. fl2. 

* Chmel, a. a. O., 6. Heft (1849), 8. 74, Nr. S6S. Die beiden jflngsten 86hne 
Stephans waiLii Albreclit luid Michel. Vgl. die Urkunde vom 13. October 
1476, Beilage XIII, S. 127f. VViMgrill, a. a. O., 8. fi84, kennt als Stthne 
Stephans nur Martin und Miobel. 



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603 



gedenkt*, und den ein ,TheiIbrief der beiden Eiczingcr, Oswald 
und Stephau vom 3. Februar 14G7 ausdrücklich als (f) Vater 
bezeichnet.* Demzufolge müsste die erste Gattin Bauinkirchers 
eine uns nicht nälicr bekannte Tochter dieses (1445 f) Jürg 
V. Eiczinj]j' sein, weleher als Vater des Begründers der Geltung 
des Hauses Kiezin^ in Oesterreich, jenes Ulrich und seiner 
Brüder Oswald und Stephan, zu gelten hat, wenn sie über- 
haupt diesem Geschleehte angehört«. 

Von tiieser anfreblichen Anna v. Eiozinj:^ als ersten Ge- 
mahlin Andreas Baumkirchers schweigen aber alle Urkunden, 
gleichwie von den scliwiigerlichen Beziehungea zwischen ihm 
und dem genannten Hause. 

Wenn die Söhne Andreas Baumkirchers: Wilhelm (II.) 
und Georg (II.), die Namen des Grossvaters und TTrirrossvjilers 
erneuern, so ist dies bei ihren Sciiwestcm: Mnitl);i inul Katha- 
rina in der einen Richtung auch der Fall. Katharina trägt 
den Namen ihrer Grossmutter, der ersten Gattin Wilhelms (I.) 
Baumkircher. Hei der älteren Sehwester, Martha, gibt es 
keine Erneuerung des Namens solcher Art. Die Urgrossmutter, 
Ehefrau Jörgs (I.), hicss Agnes. Sollten wir bei Martha an 
den Namen der Mutter denken dürfen, so käme man da noch 
weniger mit einer Anna v. Eiczing zurecht. Die Vermuthung, 
dass — wenn die erste Frau Baumkirchers keine Anna Eiczinger 
war — sie vielleicht einem westungarischen Adelshause ange- 
hörte, einem Boden, wo Andreas Baumkircher, der Pfleger und 
Buigherr von Schlanlng, so frühzeitig schon heimisch geworden 
war^ hat allerdings auch keinen irgendwie nor greifbaren An- 
haltspunkt^ für sich. 



« Chmel, a. a. O., I, 3 (1848), 8. aS— 39, Nr. 70. Margaretha, Haasfraa 
de« Erhard Haydon v. Dorf, Tochter des f Wolfpfanfr 1 lohen fflilnr von 
Aistorhpitn, hczeirhnet Jörg Eiczingrr nnd Hfiiif (J.ittiii Kngelburif als 
t Grosävater und f Grosttmuttor (so Jorg der Eiczinger soliger 
mein lieber Ena Vnwn Engelbaiif Miner hawsfrawn meiner lieben 
endlein seligen su rechter morgengab nnd Terloni gnt Termacht hat). 

* Chmel« a.a. O., I, 5, Beilage VI, 8. 107f. ... als weilent Jorig Ei- 
ceingrer von Eiczing, mein lieber vater soli^rfT mich und meine lieben 
brued&r berreu Oswalton den Eiosiuger vou Eicsing sa rechter fUrsicht 
TOD einander getailt bat. . . .)- 

* In meiner TOT 99 Jahren (1869) geschriebenen Abhandlung ,Zar Oeschiehte 
der Steiermark vor und in den Tagen der BanmldrcherfehdeS M itth. 
des histor. Teveines für Steiermark, XVII. Heft, 8. 7Sff., dachte ich 

39« 



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604 



Ilückblick auf die gewonuoncn Ergcbiiissu. 

Wir sahen im Verlaufe der schrittweiseiiy oft nur TorwArte 
tastenden Untersuchangen, daes sich der mittelalterlielie Adeb- 
name ,Baumkircher' oder ,von Baumkirchen' an zwei gleich- 
namige Oertiichkeiten InnerOeterreichs und Tirols knttpft. Dort 
ist es Baumkirchen auf dem oberen Murboden der Steiermarki 
hier Baumkirchen bei Hall im Unter-Inuthale. 

Ziemlich gleichzeitig tauchen urkundlich die frühesten 
Vertreter dieses Namens in Obersteiermark und in Tirol »uf, 
spfttOT erst begegnen wir ihnen in Erain und im Kärntner 
Lande. Wenngleich dieses so genannte Adelsgeschlecht in allen 
vier Landschaften auf der niederen Rangstufe adeliger ,Enechte', 
^ehrbarer' oder ,ehrsamer' Leute steht, anderseits zwischen den 
tiroUschen und den Baumkirchem Krains eine Verwandtschaft 
des Wappenbildes auftritt, so ist das Letztere nur eine zufitUige 
Erscheinung, die nichts mit einem genealogischen Zusammen- 
hange gemun hat Gleichwie es in Tirol ein Bftumkirchen 
gibt und f^r ganz InnerOsterreich ein Ort desselben Namens in 
Oberstoiermark ausschliesslich nachwetsb^r ist, so bilden die 

8w tOO vo»ehn«ll an eine Anna ana dem Hauee Kanisaai, weil es mir 

mit einer Anna v. Eiczinp^ nicht zu 1d;((>]K'n schien, Stadls Eiirenspiegel 
von einer nllonliniTN anflorartigeti W rM hwäpornnjr mit tlöm gennnntea 
A<1 'l>linii-i' sj^rU-ht, iuhI anderseito auoh /.\\ ischmi tleiu H.msp (rrnfen- 
uck und den Kanizüai oiiio Verschwägening bestand (Wi.s6grill, a. a. O., 
m. Bd., 8. S82). Dieee Annahme eiweheint mir jedoch gegenwärtig als 
nnhalfbar, weil vorderhand nnerweislieh. 

Boi dieser Golenfonhoit ^ei /nelfieh auf die widerspruchsvollen 
An<;aben in den älteren Genealojrien über unseren Banmkircher hinge- 
wiesen. Freiherr v. Stadl (h. a. O.), der, wie schon oben bemerkt, 
Wilhelm (II.), den 8ohu doH Andrea», mit eiuer Tuchter dos Grafen» 
eokers, Margaretha, rermihlt sein llssi, spricht weiter nuten von einer 
,Bf «rgareth von Kaniseha* (also aus dem westnngarisehen Hagnatenhanse 
der Kanissai) als Hausfrau Wilhelms (L), des Vaters unseres Andreas 
nnd hält jenen filr einen Sohn den Mathias Uaumkircher! Freiherr 
V. lluheneck (a. a. O.), 8. 188 fmit Hezusr nnf «Ion haudschrifiüchon 
jS'achla.sfl de.s Freiherrn v. Enenkei) hält wieder die Katharina, jüngere 
Tochter Andreas' (»tatt ihrer Schwo^tei* Martha), für die Gattiu Ilauuscu 
V. Stnbenbeiig (wenn daran nicht die Wortstellnng Schuld trägt) und gibt 
an, Oeorg (II.), der jüngere Sohn Andfeas\ habe 1511 geheiratet, und swar 
« iiTr M;ir<raretba, von der man nichts als den Namen angegeben Ande. 
Dieser Georg war jedoch Lnrifr'^t verstorben» wie wir wissen, und seine 
Gattin war eine ätubeubergeriu. 



üigiiizea by GoOglc 



605 



Baamkircher Tirols ein Adebgeschlecht tfkr sich, während die 
obersteiriseheii; Eftnitner und Krainer Baumkircher eine drei- 
gliedrige Gnippe ausmachen, ohne dass wir in der Lage sind, 
den inneren Zusammenhang dieser drei landschaftlich geson- 
derten ßaumkircherzweige urkundengemäss klarzulegen. 

Dazu kommt noch die Schwierigkeit, dus ursi])rüngliche 
oder eigentUche Farailienwappen des ältesten Zweiges, des 
steirischen, festzustellen. Denn das früheste uns bekannte 
Wappen Ulrichs v. Baumkirchen, vom Jalirc l.'>72, ist ein 
solches, das ihn blos als eintni Dienstniann oder Knecht der 
Herren vun ötubcnber^ kcnnzeieimct, in welchem Verhältnisse 
uns auch spätere stcirisehe Baumkircher im 15. Jahrhundert 
begegnen. Ueberdies fülirt er in diesem Wappen den Zu- 
ständigkeitsnanien ,von Fohnsdorf. Später gebraucht er ein 
anderes Wapiien, das mit dem ^sitzenden Hasen* als , Baum- 
kircher*. Sollte dieses Wappen thatsiiehlich auch das der be- 
naehl>arten jPraitenwieser* oder Breiten wieser sein, so bleiben 
dann wieder die Fragen offen: ob daraus die Stamniesglcichheit 
der Baumkircher und Breitenwieser hervorgeht, letztere als ein 
Seitenast der Ersteren anzusehen sind, ob der sitzende Hase 
als ursprünglichos Wappen der steirischen I>aumkircher zu 
gelten hat, oder ob vielmehr jener Ulrich in dieser Hinsicht 
eine Sonderstellung einninnntV 

Denn etwa zehn .lahre spilter, an der Weende des 14. und 
15. Jahrhunderts und darüber hinaus, tinden wir als Wappen 
der steirischen Baumkircher den .farbenwechsehiden Sparren', 
so bei jenem Niklas, der sich auch im Arlberger Bruderschafts- 
buche verewi;(te und als Zeuge im Testamente des Liechten- 
steiners von Murau ersclieint. Und das <;leiehe Wappen führen 
nnfli die Kärntner Baumkircher, welche wir von 1444— l.öOH 
urkundlich nachweisen krmnen. Aber auch den Baumkirchern 
des Krainer Landes muss das den Namensvettern und Go- 
schlechtsverwandtcn in Steiermark und Kärnten gemeinsame 
Wappen von Hause aus zugedacht werden, wenn sie auch 
später, in der Schlusshälfte des 15. Jahrhunderts, zur Zeit ihres 
Aufsteigens zum Freiherrenrange ein anderes, das mit dem 
Kirchlein, beziehungsweise Schlosse, zu führen begannen. 

Wenn bei den tirolischen Baumkirchern die frühesten 
Beziehungen zu einem Kloster, St. Georgen berg, zutage treten, 
sodann eine ziemlich rasche Zertheilung des Stammgutes, Ver- 



606 



sefaiedonbeit der Lebensstellung and Aendening des WobusitaeB 
platigreif);, so dass wir sie seit der zweiten Httlite des 14. Jabr- 
bunderts su Innsbruck, aber aacb dann in Bosen nnd Meran 
sessbaft Torfinden, so ist Aebnliobes bei den steiriseben Banm- 
kircbem der Fall. 

Ancb bier begegnen wir vorerst ibren engen Beaiebungen 
atun Cborberrenstifte Seckao. Wir finden sie um Murau, Jaden- 
burg, St. Lambrecbt und Neamarkt begütert, nicbt nar auf 
ibrem Hofe au Baamkircben, sondern auch su Obdaeb, in 
Fobnsdorf, Jnde&burg, ZeiriDg, Enittelfeld, im FOlstbale sessbaft 
Sie baben laadesf^rstlicbe, stabenbergisebe Leben, Cillier Pfand- 
leben auf dem oberen Marboden, Tereinselt aueb Admonter 
Zinsgttt inne. Der letste sicbergestellte Ausläufer, jener Niklas 
(um 1490) wohnt au St. Georgen ob Muran, wo sieb aueb ein 
,Baamkircberbof befand, und verkauft landesfttrstlicbe Leben 
seines Geschlechtes, in dieser Gegend gelegen. Ja es hat gan» 
den Anschein, als seien die steiriseben Baumkircher ihrem 
Staminhofe bereits ganz entfremdet, so dass dieser Ansitz auf 
dem Boden der Wasserberger Grundherrschaft des Bisthums 
Seckau fortan ^ar nicht mehr die eigentlichen Baum- 
kircher bell erber i:t, sondern wechselnde Inhaber, die sieh 
nach dem .Baumkirelierhofe' auch kurzweg ,Baumkirchor^ 
schrieben, oline solche von Hause aus zu sein. 

Die zwiii 1-M4 — löOS nachweisbaren iiauuikirelier des 
KÄrntuer Landes: Hanns und Matthias, erscheinen als Pfleger 
oder Amfcilcute zu Seltcnheira und Neudcnstein; Matthias B. 
auch im Klagenfurtcr Bur^^tViedcn begütert. 

Im Gegensätze zu den Baumkirchcm Obersteiers und 
Kärntens treten die seit 1384 naeli weisbaren Stamm- und 
Nanicnsirenossen im Krainer Laude als geschlossener Familien- 
stand auf, während wir bei den steiriseben Bauinkirebern 
meist nur mit namenwechselnden Persönlichkeiten zu tbun be- 
kommen und nur in den seltensten Fällen einen genealofjiseiien 
Zusannnenhang nachzuweisen in der La^^-e sind. L'^ri^ross- 
vater, Grossvater, Vater, Enkel und Urenkel lassen sich mit 
Sicherheit feststellen, und die isamen Jörg und Wilhelm 
wiederholen sich in der Ge^chlechtsfolge, während der des 
bed«!Utendsten alh r Baunikirelirr, Andn-as, mit Wahrschein- 
lichkeit von dem versipjden llittert^escbleehte der Süssen- 
heimer herrührt, dem einzigen, duich welobes die krainiscbeo 



607 



Baumkircber vor Andreas einen Besitsansprnch auf steirischem 
Boden anerbten. 

Was sie selbst ala Cillier und habsborgiscb-landesfUrstficbe 
Leben sodann diirob Kauf und Tauscb erwarben, bebarrlicb 
und mit Erfolg mebrten, gebdrt — gleicbwie der Kreis ibrer ^ 
nacbweisbaren Verwandtscbaft — ansscbliesslicb dem Krainer 
Lande und der Wippacher Landschaft au, deren Burgstädt 
auch aiemlicb aweifellos die Qeburtsstätte Andreas Baum- 
kirchers war. Das, was sein Grossvater Jörg (L), der Pfleger 
TOn Wippacb, dann sein Vater Wilbelm (I.) als solcher, später 
als Hauptmann zu Portenaiiy schliesslich als Burggraf Ton Adels- 
beig im GHltererwerbe anstände bracbten, verstand Andreas B. 
ggsammen zuhalten und als Genosse stttmuseher Zeiten, ab er^ 
probter Kriegsmann und Ffirstendiener in raschem Gange nam- 
haft lu erweitern. 

Schon 20 Jahre vor dem Hinscheiden seines langlebigen 
Vaters, damals kSnigUchen Gbuptmannes in Pordenone, 1447, 
begegnen wir unserem Andreas als habsburgischem Pfleger zu 
Schlaning in Westungarn. Nenn Jahre später erscheint er 
bereits als Scblosshauptmann von Pressburg, und bald begegnen 
wir ihm als Magnaten Ungarns und Freiherrn mit dem 
Besitzprädicate von Schlaning; Korneuburg in Niodcröstcr- 
reich ist seine Pfandschaft geworden, und durch seine Be- 
ziehungen zu den Herren von Stubenberg erwirbt er (1463 — 
1465) Besitz um Murau in Obersteier. 

Unjj,ai GrenzhuulscluaiL im \\ estcn wird somit di<' neue 
Heimat seines (leseldeehtes; seine beiden Söhne, Wilhehu (11.) 
und Jürg (IL) endi'i;en, ohne Söhne zu hinterhissen. ihr Leben 
als Magnaten der Stephanskrone, ui. l mir seine Enkelin, ßai buia, 
Tochter Wilhelms (IL), erseheint duieh ihre Heiraten dem Hoden 
Westungarns entrückt und mit Deutbch-Oestcrreich verbunden. 

Die mit den steirischen Gütererwerbungen Andreas Baum- 
kirchei-s und der sogenannten ,Baumkircherschuld' verknüpften 
Bestimmunp^en des Pressburger Friedens vom Jahre 1491 
soll der folgende Anhang erörtern und zugleich der Rolle 
Wühelms (IL) in der Vorgeschichte und Geschichte dieses 
wichtigen Vertrages gerecht werden. 

Hier sei nur noch einer Thatsadie j^edaclit, deren Er- 
örterung in keinem der frülieren Abschnitte unterkommen 
konnte, eine solche aber jedenfalls verdient. 



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608 



Bekanntlich verdanken wir dem allgemeinen Aufgebote 
Innerösterreichs gegen die Ungarn vom Jahre 1446 das bia 
dabin voUstttndigste VeraeicbniB der gleichseittgen Prttlaten, 
Herren, Ritter und Knechte Steiermarka» Kttrntens und 
Krains.' 

Es miiss daher auffallen, dass nur bei Kärnten unter 
den ,Landtlew.t' die »Kinder Hannsen Pttmki reber' ange- 
fahrt werden, also die (minderjährige) Nachkommenschaft des 
uns bekannten ersten Vertreters der Baumkircber anf Kärntner 
Boden,' während wir bei Steiermark und Krain den Veiv 
tretem dieses Namens unter den Rittern und Knechten ver^ 
gebens nachspüren.' 

Es ist dies eine gewies auffällige Erscheinung; sunächst 
was Steiermark betrifft , 

Denn nicht allein sählten hier die Baumkircber zu dem 
älteren Kreise der ,Kneehte', da wir ihnen schon in der 
ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts begegnen, sondern wir 
lesen in dem bezüglichen Venseichnisse von 1446 eine ganze 
Reihe von Namen, deren Träger ihnen nicht nur an Alter nach- 
stehen, sondern auch an Eigengut, Lehen und Dienst keines^ 
wegs überlegen waren.* Dass die Baumkircber auf dem Wege 
eines zufWigen Versehens wegblieben, vergessen wurden, lässt 
sich nicht ohnewetters als Erklärung hinnehmen, da doch ihrer 
Verwandten f)lr Kärnten Erwähnung geschieht Sollte mithin 
in Steiermark dieses Geschlecht im 15. Jahrhundert einen 



' Zun?lc'li»t abgf'inickt 1669 bei Valvasor, Elion des IIürsr.ogtliiimM Crain, 
IV. ßd. {12. — 15. Iluch), S. 344 ff.; Cäsar, Au tt. duc. Styriae, III. Bd. (uath- 
g«drackt). . . . Wir beaitMn aber auch eine Reihe gleichseitiger 
naBdtehriKen, «o a. B. im k. k. Hmus-, Hof- and Stattsarchiv, Nr. 107, 

in der k. k. Hofltiblioibek, Nr. 8065, aus doiieu sich jener Abdruck bei 
Valvasor im ein/.oinou, was die Namensschreibong betrifft» richtigatellea 

und mancbes ergänzen lässt. 

* Hfi Valvasor, a. a. O., 347 — 34», feblt diese Angabe, tindot sich j«b)< h 

15. in der ubon angeführten Handschrift, Nr. 107, fol. 96. 

' 8uwuiil bei Valvasor aU auch iu den erwähnten Handschriftou. 

* So beiüpiebweise die Trapp, Patigler, Trientuer, Drechsler nod viele 
andere. Eneheint doch noeh nm 1490 Niklas Baumkircber an 
8(. Georgen ob Moran als Inhabar verschiedenen iandesfDrstlichen Leben- 
piites, und die Witwe des Lorenz H. (1446) bewirbt sich um die durch 
den Tnd ihree Gatten erledigen Btabenberger Liehen. 8. oben Ii. Ab« 
theiluug. 



609 



solchen Niedergang erlebt haben, dass es 1446 als tbat- 
säehlieb nicht mehr beftbigt angesehen wurde, der Aufgebots^ 
pflicht Folge zu. leisten? Allerdings macht sich ein solcher 
Niedergang geltend, wie an früherer Stelle ausgeführt wurde. 

Dies trifit jedoch bei den Krainer Bamnkirchem keines- 
wegs sn. Im Gegentheil zeigen sich hier Besitz, Ijehen- und 
Dienstnahme im raschen Aufsteigen. Wenn im Verzeichnisse 
von 1446 die verwandten und ranggleichen Golienzen, 
Harrer, Zobelsberger u. a. nicht fehlen, warum ist dies bei 
den Baumkirchem der Fall? 

Sollte hier etwa der Grund in dem Umstände zu suchen 
sein, dass sie nicht dem einheimischen oder landbürtigen 
Lehen- und Dienstadel zugerechnet wurden? Doch, wenn dieses 
bedenkliche Argument begründet wäre, weshalb wies man sie 
nicht ihrem Stammlande, der Steiermark, zu? Anderseits wissen 
wir doch, dass gerade Besitz und Lehen für die Aufnahme 
unter die ,Landleute', die ,Landschafi', entscheidend wurden, 
ohne dass ,Fremdbttrtigkeit' hiebei im Wege stand. ^ 

Weit eher liesse sich vielleicht der Grund darin suchen, 
dass 1446 Wilhelm (I.) v. Baumkirchen als Hauptmann zu 
Pordenone in Friaul und sein Sohn Andreas als habsbui^scher 
Pfleger zu Schlaning in Westungarn bestellt waren, beide 
somit ausserhalb InnerOsterreichs dem Landesi^Uvten andei^ 
weitige Dienste leisteten und so der Aufgebotspflicht überhoben 
blieben. 

Immerhin bleibt eine sichere Lösung der ganzen Frage 
in der Schwebe, gleichwie die KlSrang der Genealogie der 
Baumkircher InnerSsterreichs und Tirols und der mit 



In einem Verzeicbni« der Ilerrbii uii«l Kiitur Iniiurüsterreichs nua der 
Zeit Ton 1899— UOS (<. 6mi Abdrack bei Krone«, Landesfünit, Behörden 
nnd Stiade der Steienmrk, 8. 933-~SS7) finden wir beiapielaweiM den 

(untereteirischen) Sttesenheimor, einen Hannaner, Obernbnrger, 
Penrl im Verzeichnisso dor Krainer (S. 236), rwei Holenecker im 
Verxoichuisgo der Kärntner. Aehnliches begeg'net uns auch im Ver- 
zeicliuitj^e von 1446; 2. B. für Steiermark bei den Katziauem, von Lack, 
die man doch sunieh«! ittr Krain in Anepraeb nehmen mttehte. Andor- 
Mtts finden wir einen Peter Schweinbeek (Sweinpeekh) an Jetsler 
Stelle, der doch dem ans OberOster reich «tammenden Adelageacblecbte 
an^bOrt. Einer »einer Vorläufer, Hanns, war 1402 Hofmarscball 
llmrr.orr KmMs nnd f>mne Fnmilie war bereit« im 14. Jahrhundert in die 
Steiermark ein^wandurt (s. Krone», a.a.O., S. 18b— ISU). 



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610 



ihr engverbundenen Wappengeschiehte nocli immer eine 
Bchwierige Aufgabe bildet,* deren LOsnng einem berufeneren 
Forscher auf diesem Felde, va erster Stelle Herrn AUred 
R. V. Siegen fei d, überlassen bleiben muss, dem ich wertvoUe 
Aufschlösse und Winke verdanke (s. w. o. die Nachweise). 



ANHANG. 

Die 06sehiehte des Pnssbnrger Frledensaehlnsses Tom 
7. Norember 1491 und sein Inhalt mit heianderer Efiek- 
sleht *Qf Wilhelm Banmklreher, Frelhem t. Selilanlng, 
and seine (Hilter- und Cbeldaiisprflelie. 

In meiner jüngst erschienenen Abhandlung tkber ,die Baum- 
kircherfehde und ihre Nachwehen'* (III. Abschnitt) fanden die 

Söhnc! Andreas ßaumkirchers, Wilhelm und Georg, ab ,un- 
garisclic Map;natcn* ihre kurze Würdigung. Bei dieser Ge- 
If !j;enlieit wurde Williolm B. auch als Unterhändler des Press- 
burger Friedens von ungarisclier Seite gestreift und gelegentlich 
bemerkt, dass iluu Kaiser Friedrich III. aus diesem Anlasse 
den Besitzanspruch auf die Hurglierrschaft Kcchnitz (Rolioncz) 
verbriefte (1491, Octobur 12, Linz), welchem Vorguuge — nach 



* Wenn wir in KneschkoA Neuem allgemeinen deutschen Adelslexikou, 
I. Bd. (1869), S. 284, von der Abstammung Andrea» Banmkirchers aus 
einem alten tirolischen Adelsgoschlechte leaen, ihn aU ,Herrn zu 
Qlaning* (statt Schlaning) und ^ndeshauptmann der Steiermark' etc. 
befeicbnet flnden; von seinem Sohne Wilhelm II. ab Juisert. geh. Badie* 
(1496), der 1606 den Stamm aehloM, geiproohen wird; feroev im ,8 tarn m- 
bliche' (los blühenden nn<\ abgestorbenen Adel» in Deutschland, L Bd. 
(1860), S. 79, für Tirol zwei Baumkirchen, «^n«; finc ,boi Innsbruck', das 
andere im Gerichte Taur (Hall), als petreniito .Stammsitze der Tiroler 
Baamkircher Torkommen, wenn es auch scheine, das» vielleicht doch 
eine StemmgenoHeDBehftft Torhnnden gewesen ael, und der ateirieche 
Andreas B. aueh alt Landeehanptmann der Stoaermark gilt» der al« ,ge> 
moiiior Soldat* «eine Laufbahn begonnen hätte, so siclit man am betfeeat 
welches Ghaoa hietorisoher Aoffaanutg nns in Bolchen allgemeinen Werken 
begeprict. 

« Archiv für Österreichische Geschichte, LXXXIX. Bd., 2. Hälfte (1901). 



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611 



Abschlnss des Preisbnrger Friedensvertrages vom 7. November 
— Kömg Maxunilian I. von Innsbrnck ans (1491, Deeember 39) 
seine Zastünmung folgen liess.' 

Diese Angelegenheit bildet eine Episode im Qange der 
Ereignisse, die dem Ausgleiebe zwischen den Habsborgem 
und dem jagelionischen Könige von Böhmen und Ungarn rar- 
angingen; anderseits enthält der Pressburger Vertrag wichtige 
Bestimmungen Uber die noch immer schwebende Banmkircher- 
sehuld und ihren Vertreter Wilhelm Baumkircher. So lag es 
mir denn nahe, die Geschichte des gedachten Friedens aus 
diesem Gesichtspunkte vornehmlich zu bcieuchtcu, weil der er- 
wähnte Friedensvertrag mit den Familien- und Güterverhältnissen 
der Baumkircher zusammenhüngt und weil öie andereeits dort 
nicht zur Sprache kam. 

Vorbemerkung. 
Bio benatctstt Quellen und sonstigen QlftmltteL 

A. Chronistische». 

1. Doutschland — Uftbsburjr-Oestorreicli: 

Joh. Tichtls Tagebuch (herausg. von Kat iinn. Fontes rer. Austr., I. Ab- 
theilung, 1). UAndflchrifÜiches Allegat zum liicunabeldruclc der Chrouica 
Hongaxoram im Joli. Thnr^es vom Jalne 1486, in d«r SaUbarger 
StndienbtbUothflk tob BL 173 an (vgL Krones, TerOffentlichiiiig«n der 
hiAtorischen Landescommtsttion für Steiermark, Nr. XIV, be2iehun<;.sut.>igo 
Buitrn^'" 7.ur Kniule steiermärlciRcher Goscbichtsquellen 1901, 251 — 253, 
Soparatabdruck 49 — 51) für die Zeit von 1477 — 1491, ohne niiliiire An- 
gabe, veröffentlicht von F. M. Mayer in der Zeitechriit für üaterreichiscbe 
OjnnMion 1880, 16—20; citirt als .Chronica Ilungarornm*. — Jakob 
Unrofts Oetterreiebiidie Chronik» in Hahns Colleetio I (1794). 

— V Arnpeoka »Bajriaehe Chronik* (becansg. TOn Froybeig in «einer 
.Sammlang kleiner historischor Schriften* . . ., 1827, S. 8—198). — 
Cuspinianns (Spieaahainmer), De cesaribuH et imperatoribn» romanis, 
2. Ausg., Frankfurt a. M. 1601. — J. Grünpiu k, Historia Friderici IIL 
et Maximiliant, herauf, von Chmel in ,OesterrtiichtHclier Geüchichta* 
foracher* I (1838). ^ J. Fuggers ,Spiegel der Ehren*, henuug. ron 
Birken, 1M6. — Oeiliardna de Boo, AnnaleB remm belli domlque . . . 
benrailg. von Deeina (S. Amg^ Halle 1709). 

8. Belgien; 

Jenn Holinet (f 1M>7), Chfoniqnea 1476—1606, heran^. von Bnchon, 
1887-18i9, in 4 Bdn. 

> a 488—486. 



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612 



S. Ungarn; 

Petras Bad Kanu 8, Epitome rer. hangnricaraai (tiouer Abdruck bei Floria» 
nus, ni8t. Hung. foiiteM domestici. IV, 1885). — Ant. Bonfiiiiiis, Rmim 
hungar. docades qiiattior et dimidia (Ausgabe des Sani hucns, KfUn If"^*»: 
iuflbedoudere Decas IV, I. LX und Decas V, 1. I). — Lud. Cervanus^ 
Tnbefo^ Gmimentarii «noram temporum (Ragusiner Ausgabe, 1784, 
1. Bd.; IL— IV. Bneh). — Georgin« Syrmieneic, Epistola de perditione 
regni Hnngaroram, Aufgabe von Weniel, Monnm. Hnng. hiat, II. Ab- 
theilung, 1. Bd., 1S37). — Joh. Mich, ßrutu.*;, Ungairiearuin rornm, 1. I 
(Aiugabe von Tol^y» Monnm. Hnng. hiaU, II. AbtbMlni^, 12. Bd., 1863). 

B. Aetenstlleke, Correipondesseii. 

V. A. Kollur, Auftarium diplnmaticum /.u »einer Ausgabe» dos Ur?inus 
Velius ,de bello panuuuico' ... 11. X (Wien 1702) — F. Firuhaber, Bei- 
träge Bur Qesehiohto Ungarne unter der Kegionmg der Kdnige Wladulans II. 
und Lndwig IL, 1490—1626; ArehiT für Kunde «■terreichJeeher Oeeehiehta* 
<Hioll0n III (1849), 375 — 652. Enthält :uiR.«ier den Kniizleiausfertigungen 
Maximilian» 1. vor, während de.<i ungarisclit'n Feldzngos und nach deniHelben 
in8be»ondoro zwei Tapftbiicher: a. (Nr. XLVII, S. 448 — 452) ,Jnnmal de 
voyage du roy Maximtlien en llongrie' (oder wie oigeutlic}i der volle Titel iaut«t: 
»Reeaeil de U repnnee faicte par l'empereur de ses Tilles estan» occupee« 
pnr les gens de fen toj Mathias d*nngrle apree ton tree pas en pajre d'ane- 
triee et nun du Toiage qne remperenr avee «on amee flat en vngrie . . .* 
verzeichnet schon bei Lichnow»ky«ßirk, VIII. Bd., Regest Nr. 1489 und ver- 
deutscht »chon früher in TTormayrs Anhang 1«10, 177 ff ), und b. (Nr. LI, 
S. 45.3— 457) , Bericht des liittcrs v. Ebouheim über den Zu^ Kaiser Maximiü.nns 
nach L'ugaru' (deuttch). — Uorv4th, Mich., Magyar rcgesläk (^Uiigariticliu 
Begesten) im X. Bd. des TOrt. tir (OeschicbtMrebiT), beranag. ron der xm^ 
gartachen Akademie (1861), 1118—1606, EMnaelnea aueb fttr nnaeren Zeit» 
abecbnitt. — V. v. Kraus, Maximilian» I. vertraulicher Briefwechsel mit 
Si^niinnd PrUschenk, Firiliorr zu Stettenberg (Innsbruck lö75^i und .Ma.xi- 
niiltans I. Bezielinnpeii zu Si:.Miiund von Tirol*. Sejmratabdruck .lus dem 
Prugramme des Loupoldstädtor Uymnaitiums m Wieu 187*.) (darin tindeu sieb 
die wicbtigen Berichte dee Florian Waldanf ana dem Qefolge Maaindliana). 
— Örkry L., A magyar tndom. akad. tOrt* bisottalg okleT^I-miaolatal 
(Urknndeoabaehriften der historischen Commiaaion der ungariacben Akademie), 
Btulaiiest, I, 1890 (für die Jahre 1490—1492, S. 154—166, Nr. 629-^78, 
aiu italieniachen Archiven). 

C. GeMklebtswerk« ud Monographien. 

Katoiia, Hist. crit. r. Hung., XVII. Bd. (1793, 1490-1495); Feasler. 
Geschichte Ungains, bearbeitet von Kloiu, III; Horviltb, Mih., M. (Ort. III-, 
Ssalay, deutach vonWOgerer, III, S; Fraknöi (Frankl), Bakdes Tanila ölete 
(Leben dee Thomaa Bakdei = Bakiea» damaUBiaebof vonRaab)inder8ammlnng 

Magyar tört. ('I. tiajzok (Lebensbilder aus der ungarischen Geschichte) 1889; 
vrjl.aneh von demselben ,Uld.«zlo kirAlyjA valasztatäsa' (Walil Kf5ni«r WladitJlnws'l 
in der Zeitschrift ^eäxaduk' Ibüö (S. Iff., 97a'., 193Ü'.). Nagy-Fricboisz, 



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613 



Magyaroröüiig c*«il{ulai (die Adel»familien UnganiH), 19. Bde., Bndapost, 1H57 
bis 1866; Wortner, Mor., A magjar nemsetsägek . . . (die ungarischen 
AdelagwcUttchtor), SBde., 1891/92, Temesvir. — Bojni^id, Der Adel Kroa- 
tiena und Slavoiiiem (1899, Tlieil der neaen Bearbeilung des Stebmacher- 

schen Wappenbuches). — Marii^alits, Horrit UM. Repertoriuni (Reper- 
torliiin der kroatischen Geschichte), herau<«pr von der «ti?flrt!<f'ht?ti Ak-Kletnio 
(l»'r WisHenschaftPn 1900, Htid.ipost. Gyärfä«, A t'ekpt«» -,ereg (die sdiwarzo 
Legion König Mathias'; SiM2a«lok (ItistoriMcbe Zcitsclinrt; 1877, S. 500— 
617 — 089. Steiael, Frakuö multja (die VergangenheU Forebtenateinii) 
Sdbndok 18S9, 8. 2Mff. — Haximilians I. Bewerbung' um Ungarn ^or- 
mayrs Archiv, 1835, S. 608 f.); trgl. auch ftber Niklas Salm 1816, 8. 5S7} 
1825, 8. 891; über Forchtenstf in 1825, 8. 3:i9 u. 1828, S. 437, am gleichen 
Orte. — Knrz, Ocschichtf» Kaiser Friedrichs IV., 2. Bd.: Lirbnowsky- 
Birk, 8. Bd.; Palacky, Guächiohto Bühmena V, 1; Ulmann, Küuig Maxi- 
milian L, l.Bd. (1884); Huber, Oesterteichiaebe Gescbicbte, 3. Bd. (1888). 

Bekanntlich datiert das Schreiben Königs Maximilians 1. 
an die ungarischen Reichsstände, zu Gunsten seiner Bewerbung 
um den erledigten Thron jenseits der Leitha, vom 19. April 
1490 und wurde am Orte seines damaligen Aufenthaltes, zu 
Innsbruck, ausgefertigt.* Tags darauf (20. April) wurde die 
Vollmacht für seine Botschaft ausgefertigt.* Der Kaisersohn 
eilte dann zu seinem V ater nach Linz, woselbst (1. Juni) ein 
Schreiben an die Stadt Tyriiau in dieser Aii;,n lei;cnheit erlassen 
wurde-', und (2. Juni) beide Habslxn-j^er ilai-n VerUaiiensmännerii, 
Hanns ,Wullelsdürfer' und lila.sius ,Deschitz', don Auliiai; er- 
theilten, von dem Söldncrvolke des verstorbenen Königs Matthias 
{die ,schwarzu Legion') so viel als möglich in Dienst zu nehmen.* 



* Fimhaber, a. a. O., 8. 39^—401. Vgl. die (undatierte) Instruction fUr 
aeine Tbroubewerbuug ebenda 8. 440 — 444 and den Bericht 444 — Wi, 
Hieber gebart auch di« Vollmacht Maximilians vom 16. September 1490 
(Wien) fQr aeiiiMi Hofmacsehall Beinprecbt v« Etichenbar;, die Uul- 
i1i^'uii(ron in Ungarn entgegensnnehmen. Fimbaber, 411^19. 

* Finiliaber, 401—402. 
« Firnhaber, 405 — 406. 

* Fimbaber, 406 — 407. Der .Wulforsdorfer* ist wohl identisch mit dem 
, Wolframadorfer* oder »Wnlferdorfer*, fWnlfenatorffer*, den wir ala tapferen 
Vertheidiger Wiener'NenatadtB vom Jahre 1487 kennen und als kaiaer- 

lichen Fcldlianptnann überh.iupt vielfach verwendet tindun. Uober die 
.Schwarze L«gion* handelt il<-r allerdings .skizzenhafte Aufsatz von 
(ly.^rf.ts, S r,17 — nt*'» Zur Z<«il dej» ausbrorhi.'nd'-n Thrfni»«trpit*><, al.s 
Joliauucs C'orvin, die König.switwe Beatrix als verblendete i^atroniu 
WladiaUws, Maximilian and der Bruder Wladialaws, Albert von Polen, 
ibre Bewerbnng^ nm Ungarn einleitetaii, stand die ,8ehwarae Legion* in 



614 



Dann begibt sich Maximilian nach Obersteier wmi von hier 
nach Graz (Juli-Aug^ust).* Hier »rilt es, einerseits die Zurüstun- 
gen zur Kik-kerwerbunju: Niedcrüsterroiehs und Wiens zu be- 
schleunigen,- anderseits sich mit westungarischen Magnaten als 
Parteigängern der liabsburgischen 'J'lironbewerbung zu ver» 
ständigen.^ Den 17. August iiatte Maximilian Wiener-Neu- 
stadt betreten, am 19. d. M. hielt er seinen Einzug in der Stadt 
Wien und enipling am '2'.\. die freudige Huldigung der der 
ungarischen Fremd herrselmft längst überdrüssig gewordenen 
Bürger. Nach kurzem Widerstände gab die ungarische Be- 
satzung auch die Hofburg preis (29. Augußt).* 

Und nun sollte bald der Kampf um Ungarn anheben;* 
der Neutialitatsvertrag der Stadt Uedeuburg out Maximilian 

MÄhrpn Maximilians l'ian, sir» (nr sich »u uiititlien, schoiterto an »einer 
Gelduuth, während die ruicliou Mittel der KOuig^witwe dies stehende 
H«er d«r fiaeb« WlMÜtlawt tieb^rtBa. 

^ 18. JuiU dch liaximllUn in SoUemnann; rom 90. i. M. datirt 

■ein Brief an Sigiamniid von Tirol ms Leoben. Den Aufenthalt in 
Graz belegen die Acten5tQcke vom 7., 11. August bei Firnhabcr (S. 409 
bis 411) nnr! hei Kraus (Waldauf), S 26; Kran:^ (Briefwechsel nül 
Prüsi liLiik), 8. 66, zum 27. Juli, 3. und 8. August 1490. 

^ Vg-1. die kaiserlichen Steuermandate an die Steiermärker vom 21. Hai 
nnd M. Jonl ans Uns, Kronee in den Beitfigen aor Kande fteiermlilu» 
«eher GesobiehtoqneUen lU, Nr. 48, 48. 

' Von dieaen Parteiungen wird weiter unten im Zusammenhange die Rode 
sein. Dass Maximilian I. znr Zeit «»'Ines Aufentlialti's in Cra/. Ix-znc'lich 
der Gesinnung der Uiig^ani nichts Günstige» ürwnrtöte, beweist sein Brief 
vom 8. August 14^0 an Krzhersog Sigismund von Tirol (Kraus, Maxi* 
miliaat Briefwecbiel mit B. ▼. Plüaebenk, 8. 6C) «äu gend dj Vngren ao 
mit gnumr Temitterej vnib, daa kaiaer niebts gebjaa iat, ob es rat 
oder w^f ymb qr iat . . Weiteres werde ihm Stadion beviehtea. 

* Vgl. die genannn Aneabcn bei Tichtl, a. a. O., S. 63. 

* Tichtl, ft a. ()., S. .'il, liozeichnet ilt'n Froit.ip. St. Latiibortitag, 17. Sep- 
tember, als Zoiti»uukt de.-« Aufbruches Maximilian» von Wien gegen Ungarn 
(doch urkundut derselbe noch an diesem Tago in Wien, Firnhaber, 
a. a. O., 8. 416 — 416), bemerkt al»er angleich, Max sei naeb der Eia- 
nabme von Oflns nnd Oedenburg (I) «P^* captam Gans et Snpru- 
luam* — am Vorabend des heil. Michael.ttages (28. September) wieder ,ia 
einem Taiding' (ad diaptnm) nach Wien 7.urü«*kf*-oliohrt. Ocilon biirfr 
schloss 21. Septeinbi<r mit Max I. einen Neutral itatsvortrap und erlüüU 
von ihm den Nachiass einer Huldigung (s. w. u.). Der rOmiftche Ktinig 
beAmd sieb damals im Feldlager sa Prodersdorf d. Leitha im Oeden- 
bniger Comitate. Waldanf, in der Umgebung des Königs, schreibt 
(Kraos, a. a. O.): »bent^ (4. Oetober) sei man mit awei gewaltigen Heeren 



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61Ö 



(21. September),' audcrbüite die Belagerung und Eiuiiahuie von 
GUns und Eisenstadt eröffnen den Gan^^ der Ereignisse,* als 
Vorbereitung der eigentlichen Heerfahrt, die erst am 4. Oc- 
tober anhub, nachdem König" Maximilian das Hilfsheer Geort^s 
von Baiern-Landshut an sich gezof^cn. Wir folj^en dem 
LajO^er des Königs von Bruck a. d. Leitha nach Steiuamanger 
(das sich ohne Widerstand er^ab). Körmend; den 30. Oetobcr 
stand er mi Veszprimer Comitate, den 31. bei Rendck (oder 
Liebing, in dem Bezirke von Güns). Den 23. October ging der 
Hecrcszug weiter, über die Raab, zur Strasse nach Siimegh, 
über Uebirt (24. ^ tuber) und Szent-Gröth (St. Gerold), den 
28. October. Von Öümegh wurde der Heerweg gegen Veszprira 
eingeschlagen. Am 3. November urkundet Maximilian im Feld- 
lager bei . Rendck' (d. i. heute Ajka-iieQdek, auf der Strasse von 
Devecscr nach Veszj)rim). 

Den 9. November stand man vor Veszprira und besetzte 
die Bischofsstadt. Alsbald brach das Heer am Moor oder Sdrröt 
vorüber gegen Stulilweissenburg auf, das nach heftigem 
Widerstande den 17. November mit Sturm genommen wurde.* 

Dies war der Höhepunkt des habsburgischon Kriegsaben- 
teuers, aber zugleich die Wende in den Erfolgen Maximilians. 
DesoL der Vorstoss gegen Ofen, der alsbald von ihm unter- 
nommen wurde, scheiterte an der UnbotoiHssigkeit der stürmisch 
nach Vollzahlung des Soldes verJangendcii Landsknechte und 
ntfthigte den Köiii|^ sum Rückzüge nach Stuhlweissenburg. 
Bis zum 4. December 1490 Iftsst sich der Aufenthalt des Uabs- 



naeh Ungarn anfgebrodien nnd habe ,etlich Schlösser', wie Gttni, Oeden* 

barg, Rechnitz n. a, einp^enomtnen. Der eigentliche Heeresr.«^ 
begann somit doii vierten October (vgl. auch ,Joumal* bei Firtihalior, 
44i>, wo auch der 4. October erscheint), wenngleich ächou 21. September 
Max L auf ungaruchem Boden stand. Dies betraf aber nnr einen 
yorstote. Das fleiebe Bewandtnis mu» es also aneh mit der Angabe 
des Ritter» v. Ebenheim (Firuhabor, 464) haben, der den .Micbolsta^ 
(29. Sojitembor) als Zeitpunkt des Anfbruches ansetzt. Vor Oedenburg 
linden w ir ihn ö. October (Firnhaber, a. a. O.). S. auch Ulmann I, 97. 

* Firnliabor, a. a. O., 416—417, datiert von Broderadorf. Horvith im Ttfrt. 

tar X, 8. 176. 

* Tiehtl, a. a. O., 55. Furroa civitas iam obsidetor per exercitum Maxi- 
mOianL . » . 

* Fimhaber, a. a. O., 416^427; Waldanf, a. a. O. (bei Kraus» 81—37); 
Ticbtl, a. a 66. 



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610 



bur^'crs in der alten Krünungs- und Gräberstadt der Ungani- 
könige belegen.* Vier Tage spilter (8. Dccember) befand er 
sich auf dem Rückzüge in Veszprim,^ den Christabel i<l {24. De- 
cember) bereits vor Wiener -Neustadt, den 29. Deccmber 
zu Wien.^ Mitte Jänner 1491 weilt er bereits in Linz, am 
Uoflager seines kaiserlichen Vaters.* 

Im Anschlüsse an diese gedränjsrte Uebersicht vom Ver- 
laufe des ungarischen Heereszuges Maximilians I. möge nun 
die Zusammenstellung all' jener Adeligen und Körper- 
schaften Westungarns ihre Stelle tinden, die während der 
Vorbereitung und im Verlaufe jenes WntTi-n^-an^'es mit dem 
Habsburger in Inzieliungen traten, seine freiwilligen Partei- 
i'ji liger wurden, oder sich dem Zwange der Verhältnisse 
fugten.* 

Zunächst ist es Ladislaus von Kauischa (KnnizsaiX einer 
der angesehensten Magnaten Westungarns. aus einem Hause, 
das dem alten Stammgeschlechte der < )sl entsprossen, l^ereits 
einiuai (14r>S — 1 iö9) für die Thronl)ewerlinng des Hauses Oester- 
reich eingetreten war. Selion von (U':\-/, aus (T.August) vcr- 
spraeli Maximilian, ihm bei der Geltendmaehiin^ von Ansprüchen 
auf den Nachlass Ulrichs v. Gräfe neck, seines Verwandten, 
unterstützen zu woUeu.^ 



* Finiliabor, 429 — 480. Gut unterrichtet zeipt sich diesfalls der haudsehrifl- 
licho Anhang zu Thuroczys Chronik (Sahburp, abgedruckt von M.iyer 
iu der Zeitsehrilt der östorreichisehen Gymnasien, 1H«0, S. 19). Er 
butritft «iüii Marsch auf Ofen, die vergeblichen Uuterliaudlungen Herzog« 
Geoig von Baiern mit den menternden Sttldneni, den Rflcksn^ «nf 
Stdhlwduaieiibttrg, die Botschaft der Ofner Bfingfer an MuimiliMi 
sie .seien bereit, ihm zu huldige», die Zewplittcrunj^' des Erbeult't«in 
in Stuhl wetfs-i 'iil.urg und die Bestollung von vier Uniiptlinittni (Ter in 
Stuhle ci'^-'enburg zurttckgelasseneu deutscheu Besatxuug uach dem Abeuge 
MaxiDiiliaiis. 

• Firnhahti . 4:!i — Ki5. Don 18. December in ,Kh1*, d. i. Sz^-iit GaJ. 
' Eboiihcirii lifi l'iruli.abör, 4öO; vgl. dio ActdUBtücko 437-— 43'J. 

* FinilialKM. iöUl. Waidauf, 37. 

" Oio nia.«Hgohciidon Nachweise iii <ii r Actonsammltinp hei Flrnbaber, 
a. a. O., ferner die Angaben Waldauts, Tichtls, Uurests, Bonfins, Toben»» 
BnitDs, in den Rege»teii ron Honrith, Öy&ry und a, a. O. Vgl. w. u. 
die PreMtbaiger Friedenanrkniide Tom Jahre 1491. 

• Firababer» a. a. O., 409-410. Zwisehen den KaniMai und Ulrich v. Qnfen- 
eck bestand VeiBchwügerang. 8. ancb Horritb» Bögest, 76. 



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617 



Gleichzeitig mit jenem SendBchreiben des K($iug8 an die 
Siebenbürger/ worin er seine Rechte auf die Krone Ungarns 
darlegt, sie xnm Gehorsam gegen seine Verbflndeten, den Woj- 
woden der Moldaa, Stephan,* auffordert nnd als seinen Ver> 
tranensmann Anton Siebenburger' bezeichnet, stellte (11. Sep- 
tember, Graz) Maximilian I. einen Vorsicherungsbrief dem 
westun>;arischen Magnaten Niklas Hedervdri aus, worin er 
ihm als seinem ,Rath' einen Jahresgchalt von 600 rh. Gulden 
oder ebensoviel Pfund Wiener Pf. gewährleistet.* 

Von Wien aus erging an den Hofmarstliall Ktsimprecht 
V. Reichcnburg^ die Vollinaclitäcrkliining (vom H). St'{>teinbor), 
von den ,Unterthanen in Unfj;arn' die ]Iuldi|;;iin<,^ entgegenzu- 
nehmen, und (17. September) verlautbart Könij^ Maximilian den 
vorläutifren Absehlu.ss einer vierzehntägij^en \\ utii lu uLe mit dem 
Feldliauplmaune des verstorbenen Ungarnkönigs Matthias und 
derzeitigen Aiilüuiger Herzog Johanns Corvinus, Jakob 
Zegkl (Szekely),'' welcher Taiduug dann später (da der Cor- 

* Firnh.ibor, 410—411. 

' Stepiiaii II. Ikigdauo witsch der Grosse, 14ö8 — 15U4. Tichtif a. a. O., 
S. 64: Adheret Waywoda Moldavieusis. . . . 

* AngebSiifer der apUer bMonders dweli dm Wiener Bürgermeister Merl 
oder Martin Siebenbtufer oder .Gspinins* «llgeoeiDer bekannt gewordenen 
Familie. 

* Firnhabcr. 411 — 412. Niklas Iloilorvari war der Sf-!;n des Pnlatins 
Loroiiis Uedorvdri (f 1447) und jüngerer Bruder deo Macssöer Banus 
Einencb. 

* Eine der bede a ten drten FeraOnliehk^len unter den Yertranennninneni 
IfaximlUam» vomebmlich in Kriegaanfelegenheiten. Die Vollmacht bei 
Fimhaber, 413. 

' Ein Gesclilecbtr seit den Tagen des Gubeniatora Johann Corviuua im 
Anfitcifjon, "lit Corvinen verschwSrrfrt Als AnhHnjjpr .lohanns 

Corvinus, dcä .Sohnes KOnigs Matthias, bezeichnet ihn der Act bei Fini- 
haber, 415 — 416, ,8o er (Szdkely) hertzog Johannsen von Corviu 
mit ginbd Terpunden iaV. Der Corvino selbst wird aberdies bei 
Waldanf als Parteiginger Maximilians I. an erste Stelle gesetot 
(s. seinen Brief vom 27. Juli .ins Graz, a, a. 8. 87), ein Bc wei«:, wio 
sehr mnn von doutschfr .S^nto im Unklaren war, denn bei der KrCmnng 
W 1 i .s 1 ;i w .s ("21. .SejitonibiT 14*J0) l)Otlu>iUgte »ich schon Herzr»«!; Julianu 
Corvinus als Träger der Krone. Bontiu (IV, 496). Die f erMünlichkeit 

Jakobs Ssikely tritt bei allen massgebenden Chronisten in den Yorder- 
grand, so bsi Bonfin (Dee. V, 1. 1) als Besitser von (hmosd (SViedan) 

und Borlin (Ankenstein, beide in Steiermark), Tubero (m. Buch, S. 107 
bis 110) als Jacobos «Seytba*; vgl. aneh fAr spiter» namentlich was die 
Atckiw. XCI. B»Bd. U. üilAt. 40 



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618 



vine EU Qnnsten WladiaUws eigenen Bewerbung entsagte) 
der förmliche Uebertritt des Genannten zur S&che ^•.^imiKmiB 
auf Gtundlage vortheilhallier Abmaehttngen folgte. 

Auf diese Weise wurde die Wiedererlangung einer Reihe 
von festen Pltttien und Burghemehaften InnerOsterreichs, die 
seit 1479/80 Stütepunkte der coryinischen Besiiaeigreifung ge- 
worden waren, angebahnt* 

Die Unterhandlungen mit der Stadt Oedenburg cur 
Zeit, als der Heeressug Maximilians nach Westungam Torbe- 
reitet wurde, schlössen mit der NeutralitätBerklanmg der be- 
drängten Bttiger, denen der König vorderhand den Huldigungs- 
eid nachliesB.' Zu Bruck a. d. Leitha leisteten (28. September) 
die Brüder Iiadislatts (s. o.), Johann und Stephan v. üTiiwiiyffhfl 
(Kanissai) dem Habsburger das Gel&bnis der Treue.' 

Im Lager vor Oedenburg (8. October) erhielt der Burggraf 
▼on Gttns, Albrecht Tsehonackby (Csdnaki) die ihm weggo< 
nommenen Güter Ton Maximilian aurttck, was jedenfidb auf 
die Absicht, diese Persönlichkeit au gewinnen, schliessen Ittsst, 
ohne dass wir darüber des Näheren unterriehtet sind/ wo* 



kroatisehe PaiieiglDgencliaft Ar die Babilniignr betritt, mit welcher 
Sa^kelj BiuMunmenhing, die Ani^ben bei örAtj^ Begeoten ram Jehre 
1491, nr. 641, 647; Unrest, 746, 746, 749—760. 8. über die Abmachun- 
gen zwischen J S'/,i'kely xind Maximilian w. ii. don Text. S«it dorn Herbst« 
1491 kam üb /Avischen dorn Corviueu uud d&m für Maximilian eiutreteu- 
deu Jakob Szdkcly naturgemSu znm Bruch und zur Fehdo. 
> In der a. Brklimn^ MaTtmllieiw, Fimheber, 416^416, werden als Orte 
im Bedtee Ssikelys «ngefllhrts Sebloas Badkenbug, Pettaa, Negan, 
Halbenrain, Rann, Roichenatein, Lieebtenwald, KlingenfeU, Landstrai», 
Windisch-Feistritz, Windi^chgraz, ferner: L.'ivarntind, Lnschonthal und 
ausserdem: die .Grafschaft im Sofri-r' (Za^roricn), Stadt und Hur^r Wanisdin 
und acht kroatische Schlosser. J. Szekely (deasen Bruder Niklas auch 
rar CNgmendiafI Wladldawe liblle) erhielt »päter Geld imd die etei- 
risobe Orensberrsebaft Friedan ((hmoMl). Vgl. aneh Unreif Oester* 
reiehiiehe Qirenik, 7SS, 760. 

* 8. oben. 

* A. a, O., 418—419. Bezeichnend ist es, d;i.ss Tubero (III. Hiu-h, S. Iü9 
bis 110) die ,principefl Salenses' (d. i. die Maguateit an der Zala) Ladis- 
lanm yCanusium' (KaniiAai) und Nie. ,Secium' (Sz^y) mit ihrem Herr^ 
sebaA^gebiete ,qaae (reg^o) Alemanno (Haximilian) aditnm ad Hnngaroe 
dedit^, durch Jakob Seikely Ar Maximilian L gowinneo liMt, ypropter 
necessitadinem, quae sibi cum illis intorcedebat*. 

* Firnhabcr, 410. Dor Namo s^clioint vielleicht Csdnok i guleaen werden 
SU müssen, weuu wir Wortner (A magjar uemsets^ek 1892, II, 255), 



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gegen der Geleitbrief Maximilians (vom 10. October) für Niklas 
V. Hagymass (Hai^ymäai) einen erwiesenen Parteigänger des 

Habsburgers betrifft.* 

Vor Steinamangjcr (13. October) Hess Maximilian eine 
vierzehntägigü Watl'enruhe ^ mit dem unj^ati^scliL'n Feldhaupt- 
manne Peter Pogäny^ als Inhaber von aelit Sehlössem in 
Niederösterreich* und Landsees in Westungarn verkünden, 
mitbin eine ähnliche Massr* ( r^^reifen, wie sie kurz vorher 
Jakob Sz<^kely gegenüber eiiiL*'leitet worden war. Doch kann 
dies nur die Auslieferung jeuer Bnriren und nicht auch die 
Parteigängersehaft Pogdnys im Gefolge geliabt haben.'' 

Von Körmünd aus beginnen (seit 27. October) die Verhand- 
lungen mit dem Veszprimer Bischof Johann Vitez/' dessen 
wohl zunächst durch die Verhältnisse erzwungene l'arteigänger- 
schaft später urkundlich verbiirfrt erscheint. Dem genannten 
Bischof wurde der Titel eines kunigl. Käthes verheheu und die 
Antwartschaft auf das Bisthum Wien, ausserdem noch die 
Einbeziehung in einen mit dem ^Böhmenköuige^ (Wladislaw) 



der diesen Ortsnamen auf Senkviz im Prossburper Comitat bozieht, 
folj>en dürfen. Der Gonannto hatte dem Ktinij^ Güiis (ibfirf^obon. 
Firnbaber, 420 (Di in castris apud ThoringenV wa« wobt auf der 
StrtMe Ton GQna luwh Stoinamanger geradit tmdna mm). Dieser 
mkUw T. Bagfttum (Sseni^arith and Beragn^) flUut «noh deo Titel 
eine« Bauufl von Zeurin (8i5r6iiy). 

* Firnbaber, 42U— 421. Sie wntde dann bil Woihnaehten 1490 rBt- 
läugert. Firnhaber, 131. 

* Peter Pogkuy, im Zalader Comitate bugUtert, 14ö8 Feldbanptmatin Kiiiiig' 
Blattbias' von Ungarn im Osterreichiechen Kriege. Ibn könnt aucli 
Tnbero, 8. 128, als ,Pfttnw Paganas eognomento longaif, 

* Die«» SdilAner oder Biurgen ««ran: Lieebtenwald, Fottondoif, Stwhem- 
borg, Quttenstein, Stüxenjrtein, Kratilc-bberg, Krumbacb, Kirchschlag. 

* Sie ist nirgends beurkundet 1496 encbeiot Poginj als Preaeboiger 
Obergeapan. 

* Firnbaber, 421 — 422 (d. von Könnend, 27. October). Dass der VeBzprimer 
Biaehof nur notbgedrnngen sieh in Unterhandlungen mit K9nig Max 
^nlieaa, gebt danua benror, itm er danwb an König Wladlsiaw und 

an den ungarischen Beiebssenat um Hilfe schrieb, da ihn der genannte 

Habsborfrcr znr Parteinahme dränge. S. Bonfin (IV, X, S. 496) und 
Katnna, XVII, 8 TJO— 121. 8. anch Tnbf?ro, III. Huch, .S. 114, ,ope ab 
Huiigariü Hapius u«)cqaiqaam implorata, da-iperatu, ut arbitror, arccm 
Veaprimiensem tradidit. . . Vgl. Fugger (Birken 1027), ,Ingleichän 
begäbe sieh Jobannes Vlteeius, BSechof in Yesprin auf seine (Maximilians) 
Seile, ab ibme nun Wiener Bisämm HoAntng gemaoht worden*). 

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etwa abmBcUieBBenden Friedensyertrage gewährleistet^ wogegen 
er dem Hababuiger die Burg Vessprim und ntfthigenfellB 
auch das Sobloss Sttmegh zu öffnen ach verpflichtet. 

Von besonderer Wichtigkeit erscheint der bald darauf 
(31. October) im Feldlager vor Rendek (liebing) abgeschlossene 
Huldignngsvertrag Maximilians mit einer Reihe hervoiragender 
Persönlichkeiten.^ An ihrer l^itie stehen Georg ^der Despot 
von Rascien' und sein Bruder Johann, ihm erecheinen ange- 
schlossen: Johann Kis-HorvAth v. ,HaiapchycV,' ein Vorder^ 

* Vorher «ehoii (Waldauf, a. a. O., 20. October, Steinamanger, 8. 32— S8} 
liabo Maximilian I. geheim o Botschaft* erhalten von Herzog .Lorenca 
von Wylopk' (Lorenz Ujlaki, s w. u ), Iforzüg JuhauD Corvin, dem Era- 
biachof von iColletschou' (Kaluc«a), dem Bischof von FOnfkirchcn und 
TOD Graf Stephan von ZepoUen (Zipolya), anfen in Zyps (Zips, Ge> 
quoioehaft) mit der Zusage» MaxiaBilian aamericenaeii und nntenMtsen 
SU wollen. Man siflibt daraas, wie unklar die ganze Sachlage war; 
Stepliaii Zipolya war doch der entachiedenate, wenn anoh eigennStsigate 
Parteigänger Wladislaws. 

• Firnhaber, a. a. O , 423. Licbnowsky^Birk, VIII, Regoät Nr. 1470, znm 
1. November 1490 d. Nagy-Saeut-Mikl6s. Di^ sogenannten ,D©8- 
poten Ton Baaeien' wm Seibien wann die depoasediiten Erben George 
Biankowi« (f 1467) nnd Laaare n. (14M), da SevUen lingtt tSfldaali 
geworden war. Vgl. dar&ber Thallöoiy, IXe Paeado-Brankovic« in der 
^Ungarischen Revue', IX (1889) und Wertner, A kUzäpkori d^IssUv uralkodök 
p-OT!palot»iai tnrt<^iu«f»> (Die Oenoalop-i*» 'Tor mittelalterliclion südslari.^chen 
Uorrscher) 1891 (XXVIII. Bd. de« Türt. u6p- 6a fÖldrajai kMiiyvtär), 8. 116 ff. 

Was Kishorv&th oder HorvÄth von Halapcsics betrifft, so tritt er 
eneb bei Bonfin (V, 1. 1), Brntno (S. 5) nnd Georg. STmienais (8. 88) in 
den Vordeqgmnd. Letatwrer nennt ihn ,Kia Hiorwat de Znthn*. Das 
Prädicat ,Halapesies* oder ,Halapics' ist wohl aaf die bei Novigrad an 
iler Küsfo j,'ele<»^no altkroatische Hnrp ,Halap)«i, Alapsi' zu beziehen, 
weicht? sfiätcr Lo{) Ar ^onannt wird (Marpalit.s, Kep^rt . 8. 56). Im 16. Jahr- 
hundert fuhrt dies Ueschlecht das Prädicat Aiapi, luagyarinche FasHuiig 
dieses Ortenamens. Er nahm in bonüMi eine tonangebende Stellung 
ein und sihlto nach 14S4 an der dem Jagelionen in Ungarn nbgeneigton 
ParteL Für seine Geltung als fahrende Persönlichkeit im Anhange 
Maximilians I. spricht am hosten der Bericht des habsburgischen Send- 
boten vom 25. Mär/. 14'.* 1 (Kraus, Briefwechsel Maximilians mit Prii-jchonk, 
S. 68 ff.). Es heiütit hier (S. 11), er rathe dem König ,dem Kysborwath 
von stund dn alles verziehen' %u schreiben, «dass der mit Nicolas Lapos« 
pntak (Lapispatak), Johann Tbareiaj nnd Johnni de Cneeke (Caike), 
die der namhafUgston nnder in sein und die andern an vil Termugen, 
von ewr k. mt. wegen, als er zutan wol weis, handl . . . Kishorvit 
findet sich ancli als I5«v()llinä( htif ter Maximilians in der Urkunde 
des FriodeuMchlusaes vom 7. November 1491 angeführt (s. w. u.). 



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mann in der Partei Blaximilians, seine Brüder Stephan und Johann, 
ferner vier Magnaten aus dem Hause der Beriszlö v. Graborya.* 

Da der oben angeführte Act des Vergleiches mit dem 
Veszprimer Bischof (vom 27. October d. Könoond) ,nicht 
ausgefertigt' wurde,' so kam es nun im Feldlager Ton Bendek 
(Ajka-Rendek, 3. November) zur Abfassung einer neoen dies- 
fölligen Urkunde. Sie enthält zunächst die Beetimmimgen des 
früheren Entwurfes in Hinsicht sdmer Ernennung zum ,Rathe' 
des Königs, der Gewährleistung von Schutz und Schirm vor 
Kriegsschäden, der Burg Sümegh und seiner Einbeziehung in 
einen etwaigen Frieden mit dem ,Böhmenkönige'. Nur finden 
wir die Stelle über die Bnig Veszprim nicht au%enommen' 
und anderseits eine neue Gunstbezeigung für den genannten 
Bischof eingefügt, indem ihm tLberdies das nächst zu erledigende 
yBisthum' oder ,Erzbisthum^ Ungarns mit einem Jahreseinkommen 
von wenigstens 10.000 Goldgulden in Aussicht gestellt wird, 
mit dem BeifUgen, dass der ELOnig ihm dies&Us jährlich 6000 
Ooldgulden gewährleiste.* 

Nach der Eroberung StuhlweisaenbuigB (17. November 
1491),^ an weichem Tage Rdnig Max an seinen Vetter Herzog 

* Slavoiu«f}i-kroati5?ches MagnÄtengesolilecht, das vom 15. in« Ifi Jahr- 
hundert geschichtiicli bedeutsamer hervortritt. Der damals bedeuti mlsto 
Vertreter dieses Geschlechteü, das eich nauü dem Orte Graburja = Ura- 

bwj« im Posseganer Comitale «ehiiob, in Xioatien, SlaTonien, Bosumi 
b^tert war oacl lioh bis naeh DaUnatieii (Trt&) verfolgen litit (Margep 
litB»Bepert, 8. 259—263), Berthold BeriszW, Johann, Prior von Wraaa 
(Aurana) erscheint hier nicht. Ef ist derbdlbe, der bei der Krönung 
Wladülaws II. das Kreuz vortrug (Bontia, IV, X, 493). Beriszlö wird 
TOQ Brutus (Ungar, r. A. I, S. ö) zunächst als Verbündeter des Corvinen 
JolianneB henroigehoben. Dennoch galt er aueh als einer der Tomeliniaten 
Parteigftnger Mazimiliana snr Zeit dar Haar&hrk nach Üngam. 
S. Fttggar-Birkan (8. 1027), wo er den Ladialans Kanizsai ondNiUaa 
Ssöcsi angereiht wird, der dem Habsbnigar «einige Volker aus Scla- 
vonien* zuführt. Auch Brutu.s sapt 8]iät«>r (S. 15) »Prior Auranae, quo 
erat eins nobiIita.s maior, et si .sana mens esset, firmiores upes, eo magis 
regi (W lad!» lau) iuviauh »uperererat iudicandos' (allerdings für die 
Folgezeit). Für aain Znnammengahen mit der batwbnigtBehen Partai 
apffieht am betten der Bericht Beimptaehta t. Baiebanbuig Tom 19. 
1491 au Maximilian I. (a. Krans, Briefweebael, & 76; t. darüber ancb w. tt.). 

' Firnhabor, 428, ,non omananit'. 

» Firnhabor, 4-25— 427 (der da.s Jahr 1490 mit Kecht vertritt, 427, Aum.). 
* lieber die Eroberung von iStablweisseuburg vei^gleiche die guten Aus- 
ftthningen bei Ullmann, I, 8. lOS— 106, denen antreffenden AnIbdilliaM 



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SigiBmund von Tirol schrieb und dem Kmoge Georg von 
Baiern für seine Mtthen und aufgewendeten Kosten ein Haus 
in Stuhlweissenborg ^beim Oiher Thore' sammt allen zuge- 
hörigen Liegenschaften als Erbeigen Übertrug, — tropfen noch 
einige Nachweise Uber die Besiehnngen des Habsburgers zum 
Hoch- nnd Reichsadely zu den Kirchenftrsten Ungarns^ ander- 
seits Uber Schenkungen Maximilians an seine Oetrenen.' 

Zunilehst sei des wichtigen Schinnbriefes vom 22. No- 
vember (Stahlweissenbnrg) ftbr einen seiner vomehmslen, aber 
zunächst geheimen, den eigenen Interessen and Priyatfehden 
ergebenen Anhänger, ^Herzog' Lorenz Ujlaky^ gedacht, den 
auch Waldanfs Briefe' und das Tagebuch Tichtls in erster 
Reihe nennen. Die Urkunde bezieht sich auf seine Herrschafit 
,Be88enew' (Bessonyö). 

aber daa 80ldner]ie«r Mssirailisiw L (8. 98^100) naehmdMeo aind. 
Das Sraigiiia der Eroberang Y<m Stahlwaiaaenbmt^ beBohiftigt alle 

Chronisten und setzte auch die diplomatiscbe Welt in Bewegung. Mas 
vergleiclio nur dio Rogcstcn bui Ö vary, Xr 624, 633 und das (allerdings 
v(>rfrülito) (iorücht von Aufaug December 1490, Maximilian I. habe auch 
üfen bereits erobert, Mr. 623. Gut auterrichtet scheint auch der Vor- 
foaaer daa tundaebrülltebeii Aniiaiigea warn Chmmaon dea Tlmriczy ge- 
waaen so a^ O^^V^t Zaitacbrift für SatarreicbiMhe Oyrnnatitm ISM, 
8. 19% wie aua aeiner knappen, aber sachlichen Skis«« hervoi^geht Er 
zählt auch alle namhaften Persönlichkeiten auf, die unter dem Banner 
des Königs und des Herzor»-? (Jfvorpr die Stadt orstfirmon halfen und 
sofort zu Rittern geschlagen wurduu. 29. November, ;StublweLssenburg, 
erhob König Maximilian auch seineu Leibarzt Georg Kirebmair, 
I>r. der Baebto, snr Belohniuig aebier penOnlicbea Vardieoate bei der 
Brobanuig der Stadt in den Adelaland. liebnoiriki-Biifc» Tin, Rageat 
Mr. U76. 

• Firnhabor, 428—429. Von diesem Baiernlierzo^ Goorg^ TV. von Baiern- 
Land.sliut (treboren 1455; 1479 — 1503), vermälilt luit llödwig, TocLter 
des jagdllouischeu Königs Kasimir IV., »cbreibt Waldauf, &. a. O., 
8. 34—86: ,Der knnig Ton Peheim (Wladtalaw) puelk xu&b a^en 
awager, hereaeg Jorgen von Bajnm vnd adie rilleiolit gwn» dai er in 
den Sachen tay dinget* Oetober). Lichnowakj^Biik, VIII, Bageat 
Nr. 1471. 

• Waldanf, S. 27 (37. Juli), 31—32 (20. Oetober). Tit-htl, a. a. O,. S. .^^4, 
,Dux Laurentius . . Er war bekanntlich der Sohn und Erbo Niklas' 
Ujlaky, dul Wojwoden Ton ffiebenblligen ud Titolarkönigs voii 
Bosnien, dea reicbetea Magnaten Ungan» und Bivalen «Tobanna Hunyad. 
lieber die eigenartige Rolle daa Loiena Ujlald, Titular-Herzogs von 
Bosnien, handelt, abgesehen von Bonfin, auch Tnbero (IIL Booh, 8. 124f.)t 
Bnttos, 8. 6ff., a. «ooh Katona, XVII, I96ff. 



I 



623 



Johiiiin Deschitz, ,lUth' und Stallmeister Maximilians, 
erhält fUr seine Dienste die Burgherrschaft , Luppewalz*, bei 
der Burg und dem Markte ,Gesterwerszky* in der Landschaft 
Podgorien, an der Grenze Kroatiens uud Kruiüri.^ 

Von ungleich grösserer Bedeutung erscheint jedoch der 
auf dem Rückmärsche von Stuhiwuiabunburg, zu Veszprim 
(8. December) ausgefertigte Act. Er enthält den wichtigen 
Vertrag mit dem Füufkirchncr Bischof Sigismund (Ernuszt),' 
den als Anhänger des Habsburgers au(;h Waldauf und Tichtl 
nennen und letzterer an erste Stelle setzt.* Als Vollmacht- 
träger und Unterhändler des Bi&cliois erscheinen Andreas Both 
von Bayna,* Hauptmann der Agramer Bui^tadt Grecz und 
des Schlosses Medwe, ferner — abgesehen von dem Priester 
Andreas (dessen noch weiter unten gedacht werden wird) — 
auch die , Diener^ des Bischofs: Stephan ,Swan8' (? Iväncz) von 
,Kyzazzonfalva'^ und Benedikt v Ydcntz' (V) angeftihrt. Bischof 
Sigismund habe mit Brief und biegel dem Könige Treue gelob^ 



* Fimhaber, 431—432 (StuhlweiBsenburg, 4. December 1490). 

■ Ernst oder Ernn>»7. t v Tachakathorn (rVj^ktnrTiyn) 1473 — 1505. üeber 
<!ief?e8 kufKlobifre Geschiocht vou EmporkOinmlüigtMi (>eit Mathias Cur- 
viuus) geheu die Auüiclitün auseinander. Der Zeitgeuoitse Tburu- 
•chwamb, Agent d«r Fugger in Ungarn, aamt saüMn Vater, den kOnig^ 
Bcheo Behatnnebter Johann, knnweg einen getauften Juden. Tgl. 
K&rl Wagner, Cell, genealog. bungaric. famil. II, 20 — 24. Der aller- 
duigä meist nnvorlSs'sliclie Geurfr'ni's Syrmtensis bezeichnet den Hischof 
(8. 34) als ,uatione Germanus, genere quidem Henzorus', also als Deutseben 
aus der Ofner Bürgerfamilio ,Henzer*. Der spätere ungarische Qeschicbt- 
•direlber Istho&nffy (I, Buch 7) erwllint den Biaehof Jehannee ein 
JBohn de« Brnet, eines 8ebwaben von Herkunft (e So e via oztnndQ^ 
der, in Ungarn heimisch geworden, viele Schlösser und Herrschaften 
erworben habe', und gibt ihm den Beinamen Hampo. Das Gleiche 
findet sich schon bei dem weit älteren Fulger (A. Rirkens, 8. Iü29)> 
,Büicbof Sigmund zu FOutkirchen wäre eiuüs Teutscheu auä Schwaben 
Sohn, welcher Johann Ernst und bei den Ungarn Hampo geheissen 
nnd frinem Sohne viel SohlOsaer und Hemcbaflen in Hnngam samt 
einem gioven Sehatie hiaterlaeBen*. Fogger bemerkt andi, wie vev^ 
sichtig der Bischof das Anlehen Maxens abgelehut habe. Vgl. auch 
Job. de JBoo, 8. 619, der die verlangte Summe mit 80.000 ,Qeldgald«ii* 
ansetzt. 

* Ticbtl, 64, de episcopis: Quinqueeeclesiensi«. Waldauf, S. 32 — 3d. 

* Dieser Andreas diente als Feldhanptnaaaa «utter KOnig Mathias* 

* Wahndieinlieh das beatige KiMwsonyfa im EiHajw C^tate bei 
FOnflcifoheo. 



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für sich, seinen leiljüchen liruder, Johann jErnusch',* Niklas 
V. ,He(lcrliwara^ (Hedervari), die Edlen: Ambros Thercck 
V. Euiiycg- und (ieorg Zoreclien v. Mezthegnycm.' Dafiir 
sichert ilmi Maximilian neben dem Funl kirchner ßisthum vom 
niiebsteu St. Michelstage die Kiiiftlhrung iu das Salzhurg-er 
Krübibthum zu. Man werde ihm die von den Flabsbiirgera 
bereits eingenommenen SchlöBser des j^enannten Erzbisthums (in 
Steiermark und Kilmten): Leibnitz, ,Pischülfhelzegk<;^. Lands- 
berg, yOwurns tuid Sachsenburg,* und zwar bis zum ersten 
Sonntajre Quadragesima (20. Februar 1491) ausfolgen und ausser- 
dem dafür Sorge tragen, dass die .im Namen des Herzogs 
Johann' von Jakob Zechchcl noch innegehabten Salzburger 
Bui'gherrschaften: PeftaUj Kann, Liechtcnwald r,Lychtenbald^. 
Landstrass und Reiclicnbtein aus dessen Hän li n befi'cit und 
dem Bischof Sigisnumd ausgeantwortet werden." In den .Sehutz 
und Schirm ^laxiniilians erscheinen der genannte Bischof und 
die oben angeführten Persönlichkeiten eingeschlossen. 

Am gleichen Tage und Orte huldigten dem Habs- 
burger der vorgenannte Andreas Both v. Bayna, dessen leib- 
liche Brüder Ambros und JobauHi ferner Gregor v. Labathlan^ 



* Joliaiin Ernu«ch oder , Hansel', Hampö (s. o. die Aiigabon über <<einea 
Brader, den Biwhof von Fiinfkiichen), 14i>3— löOS krmigltctier Oberjäger- 
meisterj brachte er die Hurr^cbaft Munkacs an eich und verpachtete 
spiter iiafitelien Kupfergruben, die «r Tamaltete» «a dkl Fuggen 
nnd TbuTsö«. 

* d. i. TOrSk V. Enyiiif. Vit Ambn», in d«r Zeit Königs AfathiM Ober- 
geepen von Oedenbarg, kommt dae QeseUeebt empor. 

* d. i. Georg Szereoteny MesategjDe in der ,8omogj', d* L im 

Sütnegher Comitat 

* .Pischolfbelcjteg'k^'' <liirfto w<>]i\ iUe Bur(? in .Pischolfseck« oder iJiyrhof- 
eck, Dorf bei Eibiswald sein (Zahu, OrUuaaieubuch der äteiennark, 43)^ 
Ludabeif ss Deatoch-Landsberg. Mit »ChRmra** kommen wir nickt 
mredit. Sollte es etwa statt Gmünd TOnekrielMn aeinf 

* Man lieht, dam der FUnfkirehner Biaebof Qeaobiflemana war, der 

sich nur theaer verltenfon wollte und äusserst umsichtig an Werke png; 
stet« auf dem Spninf^p, wenn dio Snolie des Habsbnrpera schief ging, 
7.11111 Jaf»ellrtnen WL-idislaw hin(il>orzu.'«rliW(>nken. Dio Salzburper An- 
wartschaft war wohl durchaus prublumatisch. Dunn wir finden nach dem 
Tode Johaiuu (Bokenslav, f 1489) als Nachfolger im Knbisthom Fried- 
rich IV. (Ortfen Ton Sohaunbeig). 

* Ein in LAbstlan> Komorner Gespansehaft, atammslasiges Qecehlecbtf 
seit Mathias Conrinna «ofiitrebend. Miehael war Obetgespaa von 



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625 

und Helena, Witwe des weiland Georg Worst v. ,Zenth Er- 
sehe th^* 

Im Feldlager bei ,Kal* (Szent-Gd! iiu Veszprimer Comitat, 
18. December) bestiitigtc Maximilian dem Ladislaus Sarkan* 
den Besitz gewisser Güter im Eisenburger Coinitiit«^ und erliess 
den bezüglichen Einweisungsbefehl an seinen Hauptmann in 
Steinamanger (.Zabarie'), Georg Bajr. 

In Wiener- Neu Stadt wieder emgctroftc'n , all wo dor 
König (26. Dt'cember) seiner getreuen Stadt Steniamauger 
die Befreiung von Aufschlag, Maut und Dreissigst verlieh, 
stellte er dem ,Freihcrrn^ Hanns zu ,Yfan'* eine Urkunde aus, 
worin er diesem alle Häuser, Weingärton, Aeeker und Wiesen 
in Oedenburg und an anderen Orten verleiht, die von der 
(■[■) , Gräfin Barbara v. Gemcndt*"* herrührten, weiland König 
Matthias von Ungarn dem Kaaber Bischof gab und welclic 
zufolge des , Ungehorsames* des Letzteren^ an Maximilian als 
XÄjadesfürsten heinigefallen seien (iJO. Dccenibcr). 

Zwei Tage später {2S. Deeeniber) von Wien aus erging 
die Vollmacht für Heinrich Elacher behufs Einhebung des 
Dreissigst in Agram, der dem Könige von Ungarn gebühre/' 

In die Zeit des Heereszuges nach Ungarn gehören noch 
zwei Urkunden ohne näheres Datum. Die eine betrifft den 
Huldigungseid des ygrossmftchtigen' Jakob Bänffy ▼on Alsö- 

Csongrid und hatte vier Sohne; Johann, Ladidau, Gregor und Niklaa 

(FirnlwahfAr. 43ß~437) 

* Wahrscheinlich S züii t- £r zs^ b&t btji Föc»värad in der Baranyer 
Gespanschaft, Fünfkirchner Bisthom. S. auch das Regelt bei Ilurvatli, 
M. reg. tOrl. «Ar X, 75. 

* SirkinjrT.Akotfais, einindarZalar£gameg«rOMpan«ehafttinpr11nglicb 
beg^itertes Geschlecht. 22. Decombcr befand .'«ich Max I. im ,FeldIj|ger 
bei Oedenburg'. Lichnowsky-Birk, VllI, Hegest Nr. 1486. 

■ Vielleicht IvÄu iti der Oedenburg-or Gespansch.nft. Welcher , Freiherr* 
mit dictum Prädicate gemeint ist, mOgeu kundigere Genealogen fost- 

atoUen. 

* Wir tberlasaen die Deotnng gletehfiills kundigeren Genealogen. 

a Damit ist Thomas BakÄcs oder eigentlich Bakocz, damals Bischof von 
Raab, einer der bedeutendsten Anhänger des Jagelionen Wladislaw, ge* 
meint, derselbe, der dann da.s Haupt der Friedensbotschaft war. 

* Mau sieht, wie zähe damals noch Maxiuiilian I. seine Änsprncho als 
König von Ungarn festhielt, und anderseits, dass in Kroatien und 
Agrnm (Qraees inabeaondere) seine Partei Tonrog. 8, auch Bonfin, V, 
I, 8. 502. 



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636 



landva GNider-LindTaO »mit sambt den Hewsern Nider-Lindva, 
dem deutschen Haue nnd was in die Spansehaft Zol gehdrf.^ 

Besonden anerkennend lautet die zweite Urkunde, worin 
Mairiinilian in Anbetracht der treuen Ergebenheit Johanns 
Frangopan, Grafen von Zengg, Veglia und Modrasch,' die 
er allzeit dem Hanse Habsburg bewiesen, dem Genannten die 
Buigherrschaft ,Zremfiiyach' im Agramer Comitate verleiht 

Es erscheint angemessen, noch einige Urkunden einzube- 
ziehen, welche dem Jahre 1491 angehören.* In der einen wird 
dem Christoph Toppl ,Recht und Qerechtigkeit^ auf das Gut 
,Gardon' in ÜDgarn (wahrscheinlich Gartha im Oedenburger 
Comitate), die von weiland Konrad Hölzler ,herrilhrten', ge- 
wfthrleistet (Linz, Jänner 31).* 

Von Wels (5. Februar) aus bestellte König Max den 
getreuen Hofmarschall' Reimprccht v. Reichenburg zu 
seinem obersten Feldhauptmanne fllr Ungarn, Oesterreich, 
8tcior, Kiirnten, Krain und der Windischen Mark. Auf dem 
AV^cge ins Reich ,zu Augsbarg' (JK März) gebietet Maximilian, 
den getreuen Domherrn von Fünfkire heii, Meister Andreas, 
in den Besitz der Abtei , Botho' (Batta) im FlVnfkirchner 
Sprengel zu setzen,^ welche Weisung zunächst an den Bischof 
Sigismunti ^^ll.rnuszt) ergeht. 



* .Tnkob (zweitpr Sobn de» ^pi Vnrna g^efallonen Stephan (V ) von 
Akü-Lindva), dessen Bruder Nikias das Geschlecht vom Stamme Haholds 
weiterfortpflanzte. Die ,Spanschaft Zol' = Qespaoschaft Zala. 

* DQrfte jener Jobaim (Vn.) eein, der «Ii KrieganMaa 149$ in der Sehlaoht 
fiel. Die Prang epani, Grafen ven Hodnueh» YegUa nnd Vinodol» ge- 
borten tiieilweise zu den Anhängern Maximilians in Krontieii und werden 
.'(1« Holche noch im Febrttar 1491 bozoichnet (Ovary, 8. InB, Nr. 641). 
iiuiilin, V, I, S. f)l)2. lit'inorkt allBrdincs ,r'omes Caniliis accepti.s 
a Maximiiiauo pecuaiis, lamun cum iiurnardiuo Frangepauo 
fidem eervarnnt (WlndielaTo). 

* Fimhaber, a. a. O., 480f. 

* Firnhaber, 461. ChrUtoph Toppl wird ein Blutsverwandter jeaai Bern- 
hard v. Toppl sein, der 1487 mit olner Tochter des Herrn Niklae 
V. Liocbt«nstein-Mnrau die Ehe eing-iiij; (s. Krtiups in dm Beiträgen zar 
Kunde steiermärkischer Geschiohtsquollen 1901 , Yerüffontlichnn^ «ler 
biatoriBcheaLaadeeeomBiiiiiaii fl^BtalenDark» 8. 186 ; Urkunde vom 2ö. April 
14A7). Konmd HOleler iat wohl der geweeene Hnbmoister Oeiterreiolie. 

* Ftrahalwr, 462^68. Das ist die gleiche PenDnBddceit, weloha Oeor- 
gins Syrmiensis (Cap. XII, S. 31) als ,prelatus <^iii«q^|^ftffplm|ftnfia 
Andrea« Bott de Soküos' (d. t Siklöe) «aflUirt. 



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627 



Von NUniberg aus (29. Mai) crtheill Maxiuulian den Grafen 
Sigmund und Thomas v. Pösinf!^* sammt ihren Frauen und 
Dienern freies Geleite in die Ltando des Kaisers und iusbe- 
Bondere nach Baden. 

Wir übergehen nun auf die Verhandlungen, welche den 
Friedensschluss vorbereiten. 

Sie setzen bereits Ende October 1490 ein, zur Zeit der 
Ileei-fahrt vor Stuhl weissenburg. Aus dem Feldlager bei Rendek 
ertheiltc Maximilian der Botsehaft Königs Wladislaws ,von 
Böhmen* (,mit 100 Pferden und soviel Personen oder darunder') 
einen Geleitsbrief, der zunächst fUr die Reise zum Schlosse 
,Marwankw' (Märvdnykü ) bestimmt war und nunmehr nach 
,Schtlmeckh' und von da zum Fürsten Georg, Pfalzgrafen 
beim Rhein, nach Gutbedünken des Genannten, Gütigkoit 
haben soll.' 

Eine gleiche Urkunde (vom 3. November bei Rendek) ftlr 
Ludwig V. Verej, , Diener der Köni-in Beatrix*,' zur Fahrt 
an das Hoflager Maximilians, bctntit gewiss auch das Friedens- 
geschäflt, da Beatrix, die heirats- und herrschaftslüsterne Witwe 
des Corvinen, noch immer ftlr die Sache ihres allerdings dabei 
sehr eigennfltzigen und verlogeneu , Verlobten*, König Wladialaws, 
zu wirken bestrebt war. 

Die Friedenshandlung konnte jedoch erst einigen Roden 
gewinnen, als der entseheirlende Umschwung in der Sachlage 
erfolgte, Wladislaw durch den Waffenstillstand mit seinem 
Bruder und Nebenbuhler, Albert (Februar 141H), die II.Hnde 
frei bekam, Paul Kinizsi mit Erfolg im Süden für ihn kriegte, 
Stephan Zäpolya Oesterreich mit einem Einfalle bedrohte und 
schliesshch Stuhlweissenburg (29. Juli 1491)* von dem 
Heere Königs Wladislaw zurllckerobert wurde, so dass König 
Maximilian die UndurchfUbrbarkeit seiner ungarischen Thron- 
bewerbong — wenngleich widerstrebend — einsah. 



* Vgl. Uber dieses wichtige Geschlecht die tH91 ^ednickte Abhandlung 
de» bekannton Oenenlogen Moriz Wertner. Als Parteig-fing^er Maxi- 
milians I. haben die Qrafen von Pasing und Modem nicht zu gelten. 

* Georg T. Baiern -Landshut; s. a. das Acteustttck rom Sl. Oetober 1490 bei 
Finihaber, «. s. 0„ 428. 

* FInihabsr, a. a. O., 426. 

« YgL taatÜB Tagebuch a. a. O., a 67. 



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(328 



Noch awei Wochen vor dem Falle seines bedeutendsten 
Stützpunktes in Westungarn setzte er auf dem Nürnberger 

Reichstage seine Hoffnungen auf die Reichshilfe zum Entsätze 
Stuhlweissenburgs und bestäti^'t (12. Juli) dem Salzburger 
Bischöfe Friedrich die Einzahlung von lUöO rh. Gii1(1(mi als 
der auf ihn entfallenden Summe vom gemeinen Anschlage (Ur 
diese KriegsrUstung.* 

Ein Monat später (12, August, Nürnberg) stellt er bereits 
die Vollmacht £Ur seine Unterhändler: Grafen EitellVitz v. Zollern, 
Hauptmann zu Hohenberg, Dr. j. ean. Bernhard v. Polheim 
(,Propst von Stuhhveisscnburg'), Heinricli Prüschenk Freiherrn 
zu Stettenberg, Reimprecht v. Heielienburg, seinen Hofmarschall 
und obersten Feldhauptmann in Ungarn, und den Rath und 
Kihnnicn'r Jörg Kottalcr aus, mit welcher sie sich an den (^rt 
der i^'ncdenstaidung, Haiiiburg oder Pressburg^ 2iun Bartholo- 
mäustage (24. August^ eiuzufinden hätten.* 

Anderseits sendet König Wladislaw (22. August) von Pa- 
Iota aus * zur Friedenshandlung den Raaber Bischof tind Reichs- 
kanzler Thomas (Bakäcs), ferner den Judex curiae und Woj- 
woden Siebenbürgens, Stephan Bäthori,^ den böhmischen Oberst- 
kanzler Jobann y. Scheilenberg, den Obeijägermeister (magister 



» Firnhaber, a. a. O., 466. Lichnowsky-Birk, VIII, Kögeat Nr. 1584. Mit 
der nadAiikbareii Aa^abe, die belbTerlorene Sach« Majcimiliaiw I. in 
Uagarn su retten, wenn der Reichenbnrger itnd dann Niklas 

V. Saltn betraut wonlon, dessen Bi^-ridit an Maximiliau I. (Fimbaber, 
,Mai 1490', 402 — 404) Ulmanu, l (8. 111. Anm. 1) mit Recht dorn Mai 
1 l';tl zuweist. Schiiii ly. Mai l iyl (Kraus, Briofwnclisel Maximili.ins mit 
Prüschenk, S. 76) hatte Keimprecht v. Kcichenburg seinem Herrn seine 
aehwierigc Lo^ and die UnTatmltgen» StuhlweiManbviS xn enteetnen, 
ohne daas ni^giebige Htlfe kirne, geeehildert. Es aei tneh. tn besofgen, 
(la.sii gonat tder Herzog Larenncz (Lorenz ITjlaki, Herzog von Bosnien)« 
bischovo von Fanfkirclieu (Sipmnnd ElrnoBat), Dischpot (Georg, 
Despot von Serbien) timl der bri -r (Prior von A. u ra n ,a oder Vrana) 
auff die ander 6eyte falle inocbtu*. Die Uahaltbarkeit Stnhl* 
weieeenborgs unter solchen Verhältnissen bezeuge auch der »WomemisM* 
(Bornemieee, AnbSnger Meiimiliaim). Aneh lei der «Knietvjr Pawl* 
(Panl Kinissi) and Gere MInieik (II. Gerdb) M wiadiaehe landC 
(Slavoniea) geaogen. 

* Firnhaber, a» a. O., 496. 

' Ebenda, 467--4$8. Liehnowakj-BLrfc, Vm, B««eal Nr. 1611. 

* Seite 1487 Wqjwode, f 1498. 



629 



agazcmnm) Ladiskiiis Orszag v. Gnth,' den Oberstkämmerer 
Ladifllaiifi y. Rozgon,^ den Karlsteiner Burggrafen Benesch 
Weitmühl, zugleich Münzmeister von Kattenberg, den Frei- 
herm v. Szalonak (Schlaniug), Wilhelm Baumkircher, und 
den Obersthofmeister Böhmens, Johann v. Rupow (Roupowa), 
mithin fünf ungarische und zwei bölunische Kronrätlic zur Vcr- 
handhmg mit a) den IJcvoUmiiclitir^tcn des Kaisers (Fried- 
ricli III.): Herrn Tobias von Boskowitz und Tscliernahora,* 
Matthias v. Spaur, Oberstmundschenken von Tirol, den Proto- 
notar liernliard Perger und Doctor Fuchsmagcn, und b) mit 
den an frülicrcr Stelle angeführten Vollmachtträgem Königs 
Maximilian 1., mit Ausnahme des Rottalers, der hier nicht an- 
geführt erscheint. 

Vom nächsten Tage (23. August) datirt noeh eine beson- 
dere geheime Vollmacht Königs Wladislaw für den Raaber 
Bischof Tiiomas Bak^cs, Johann v. Schellenberg und Wilhelm 
Baumkircher, als seine Vertrauensmänner im engem Sinne, 
für den Fall, ,dass der Kaiser und König im Vereine oder jeder 
für sich ihnen durch ihre Räthe irgend eine Mittheilung und 
bezikglichen Antraf^: zukommen lassen würden^* 

Nach lanjijen Verliandlunr^cn, inmitten deren noch das 
Aufgebot der öteirer auf den St. Michelstag (29. September) 
nach Hartberg zum Entsätze des ,vom Feinde belagerten 
Veszprim* von Seite Maximihans aus Ulm (6. September) er- 
lassen wurde, und im Kaisersolme das bittere Gefühl der Mittel- 
losij^'keit, der Unmuth über die Karf^^heit des Vaters und die 
Besor^i^nis vor dcv Bedrohung der eigenen Lande durch den 
,König von Behaimb' (Wladislaw), der ,auch nicht viel erberer' 
sei als weiland König Matthias, den dringlichen Brief an Sig- 
mund Prüschenk, Günstling Fiiediichs lU.^ dictirten,'^ kam es 

^ 1484—1493 ia dieser Stellong. 

* f Soki Johaam, des juUey regni (f 1471). 

* Dieaer iniliri0ebe Baron fiel 1486/8S tob KJtmig Ufttthiaa dem CorvnMn 
ab, «1« dieser den Brader» Jaroelaw von Bodrowits, $m bl<MHen Verdachts- 
gründen 1485, December, in Wien hinrichten lies», und schlag sich auf die 
Seite Kaiser Friedrichs III., der ihn 7.nm Fol d Ii au j» tm.in n ernannte 1422) 
und ihm St. Polten verpfändete (Lichtiowsky Hirk, Vni, :Nr. Beg. 1387, 

* Firnbaber, 469. Lichuowaky-Birk, VIII, Regeht Nr. iG12. 

* IXe Weisiing an die Sletormirker ▼om 6. September 1491 bei Flnihaber 
und läehnewaky'Birk, VIII, B«ige«t Nr. 1618. Der Brief an PrOBcbeuk 
(▼om 31. September 1491 ans Kempten) bei Krana, a. a. O., 8. 79, 80. 



üiyiiizea by GoOgle 



630 



endfioh in PreaBburg^ 7. Noyember 1491, zum Friedens- 
BchlusBG zwischen den beiden Habsbargero und dem Wahl- 
kOnige Böhmens nnd Ungarns, Wladislaw dem Jagellonen«^ 

Bevor wir das uiiHangi-eichc Actenstlick, und zwar aus- 
schliesslich mit Rücksicht auf Wilhelm Baumkircher und 
die Biiumkirchcrschuld erörtern, scheint es geboten, jenen 
Abschnitt des Friedensvertrages näher ins Aupi'e zu fassen, der 
sich mit einer weiter oben behandelten Angelegenheit, den 
Parteigängern Maximilians im Reiche der Stephanskroue, 
seinen freiwilligen oder durch die Öachiagc dazu geuötbigten 
Anhängern en^'^ berührt. 

Im Friedensvertrage ist nämlich von der bedingungsweisen 
Amnestirung aller jener Persönlichkeiten die Rede, welche auf 
Seite MaximiUans I. standen.' 

Vergleichen wir diese Liste mit jenen actenmlisslgen Nach- 
weisen aus der Zeit des ungarischen Heereszuges Maximilians I. 
und nach demselben» so decken sieh allerdings grossentheils 
die hier und dort Terseichneten Kamen. Immerhin trifft dies 
in anderen FftUen nicht zu. So fehlt snnAclist im Friedens» 
vertrage neben dem Veezprimer Bischöfe der Inhaber des 
Fttnfkirchner Bisthums, den wir doch 1490 als geistlichen 
AnhJInger Maximilians yerbrieft fanden; er mxu» daher in- 
zwischen seine damalige Farteistellung aufgegeben haben. 
Gleiches gilt von dem Vordermanne der Magnatenschaft, 
yHerzog' Lorenz Ujlaki| der ursprQnglich für den Habsburger, 
eigentlich aber nur fUr seine Privatinteressen and Privatfehden 
eingetreten war, und von Niklas Hederv&ry.' 



> KolUn und FtnihAbeni Abdraek s. w. v., wo dw Inliilt dM Friedmis- 
aohluBM rar Bpiaehe kommt 

* Bei Kollw, 8. S60, bei FinÜMbefp 480. 

* Gloiehea iit der FUl bei Lftdidftiu SirkiDj, Jobana SrnnsBi (Brader 
des Bimhofii von FHalkiroheD) toü Tiwhakathiini, TOyOk, Sserecsen, 
B6th V. Bajona und v. LÄlatlan. Bomorkenswert er8ch«i»t der Bericht 
t^er Ra [TU. Hiner AfrPiitcn: Stephan v. Ra^usa und Vitiiis fiotius (Gozxi) 
vom 11. beptemhor 1491 (Öv.'iri, Re^P^tpn, S. Nr. 67U), also aus der 
Zeit vor dem FriedensabschlusHa. Hienuch ütüutlun allo Bischöfe Ungarns» 
der Yoesprimor an^genommen, aaf Seite Wledislawe» wihremd nnter 
den «Herrn* Ladislane Kinliei (deeeen Name Qae eofut nnter dem 
Parteigängern de» Hahnburgers nirgends begegnet)» Jakob Sz^kely und 
Bornemiaeaa abgelallen blieben; letstarer etfinde aber noch in Untere 



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631 



ÄndersdtB begegnen wir Namen, die uns aus den Acten 
des Heeresauges vom Jahre 1490 und der Folgezeit nicht 
bekannt werden. Sokhe sind: Kiklas Ssökely (Bruder des 
Jakob), Lorens BinfH/ Niklas Ss^ohj Feb^Lindva,* 
Johann und Stephan, Gebrüder Ellerbach*, Niklas, Graf 
von Frankopa n, Michael, Graf (von Frankopau), Sohn des 
Dwyan,* Johann Wornemysza,^ Georg v. Stresewle, Georg 
V. Welike, Peter Ampolitz, ,Elezwayda* Niklas Ralimanicz, 
Petricz Matthias Clesicz,^ Peter Elcz,^ Niklas und Ladislaus, 



lian(llini<,aMi mit Joliaiinos Corvinus: Paul KinlzHl sei «ehr krank {ge- 
wesen uud Johann Corvinus habe gruüse Siof^i'O übor <lio Deutschen 
erfochten. Das Letztere bezieht sieh wohl auf seine KiLmpfe mit 
Jakob Siäkell iiii<l deaieii Qerumexk, 

* LortiiK Binffy erscheint «ach U94 nnter den Wideraachero Königs 
Wladislaw. 

* Nikbtt Stdohj FeliS-Lindva war ein AngebOiiger des «os den Stanm- 
geschleehle Balog^ hervoigegangenen Adelsbaiises» das in West- und 

Nordungarn (insbeuondere im flörnorcr ComiLnf, PrSdicat Rima-Ss^cs) 
begütert erscheint Er war (1469) königl. Oberjägernir'i 'tfr von so be- 
deutendem Vermögen, das^ nr 1198 ein eigenp;^ ,Baii(ief im ' .rnffitf Ilf*n 
konnte. Seine Gattin war iiarbara au» dem Hause der ikuitii v. Also- 
liindva. VgL Uber seine Bedentong als Habebn^ger Parteigänger Bonfin, 
V, I (a fiOl), Tubeio, HL Bneb, B. 109— 110. 

* Johann nnd Stephan t. Ellerbaob oder ^Iderbacb* waren Sohne Ber- 
tholds» des Waffengenossen Andreas Baumkirchers. Mit Johann erlosch 
1499 zu Eberau oder Monyor6kor^k das Haus dos seit König Ludwig I. 
von Uncnrn (um 1357) in Ungarn heimisch gewordenen Geschlechtes 

dfr .scliwähischen Ellorbacher. 

* Beide Grafen Frankopan = Fraugepaui; letzterer Sohn des Dwyan 
■= Dojmo Fr., vermählt mit Barbara Grä£m von Schaanberg; diente 
später 1508 im Frianler Kriege nnter der Fabne Habsbnrgs. 

* Bornemissia Jobann t. Artinhia; s. Aber s^ne Parteigängerecbaft das 
Sebretben das Beiebenbnigen bei Knuu (Briefweebsel), & 78 {1491, 
1». MaiX 

' Diese Namengruppe macht Schwierigkeiten. Cteorg v. Welike ist sieber 
Georj,' V. Vflika ~ Vulikavfir — Naqy tabor im PozsPfranfir Comi- 
tate (Marj,'alits, Kepert., Ö. 28, 650) und Potrit-/, Matthias (Mcsicz ist wohl 
mit Pet( r Klesiii ideutisch, den Margalitit im Bepert , S. 650, anfuhrt. 
Aber ,Ampolita^ nnd jElesawajda* NiUas Kalimaniei, wenn alle drei 
Namen anaammeu gehdreii, bleiben £rag1icb. Dürfte man Tiell^eht bei 
yKalimanio* an den Ort Kllmanesa im Sflmegher Comitale denken? 

r Fraglieb, wenn nicbt die Adelsfamilie Illya, Blya (begütert im Somogyer 
oder Sttmeghar nnd Tesiptimer Gomitate) Toranqgesetet werden kann. 



632 



die Sohne des Franko, wefland Baniis von Thallocz,^ Johann 
BAnffi, Sohn des weiland Banns Perkö,* Bernhard tind Qeorg, 
Söhne des weiland Frana BAnffi,' Johannes, Sohn des NikUs 
Thalloca* und Ladislaus OstzfL' 

Alle diese Namen unserer Ueberschau lassen am besten 
erkennen, dass die Parteigängerschaft des Habsburgers keine 
geringe war, und zahlreiche £dle ersten und zweiten Ranges 
in ganz Westungam bis nach Slavonien und Kroatien hinein 
unter ihr Banner schaarte. Allein sie war ebensowenig fest- 
geschlossen als ausdauernd, denn der £rfolg, der Meister der 
Dinge, blieb nicht dem Kaisersohne beseheert. 

Mustern wir diese beiden einander ergUnzenden Verzeich- 
nisse aus den Jahren 1490 — 1491, so begegnet uns nirgends 
der Name unseres Wilhelm Baumkircher. Er zfthlte somit 
unbedingt zur Partei Königs Wladislaw und erscheint als 
Vertrauensmann des Jagelionen bei den Pressburger Friedens- 
verhandlungen, ebenso wie er im Februar 1491 die Abmachun- 
gen einer Waffenruhe zwischen dem genannten Könige und 
seinem Bruder Albert von Polen, dem Mitbewerber um den Thron 
Un^'aims, besorgen half. Nichts spricht jedoch so entscheidend 
für sciuc Stellung' als Vertrauensiiuinri des JagelloiuMi wie die 
Geschichte der FrieiloiisveiliaiHllung selbst und luimcntlich die 
Tliatsaclie, dass seine l^ri vatansjirUche einen wesentlichen 
Thcil des Friedensvertrages, eine liuuptbedinguug von ungari- 
scher Seite darstellen. 

* Die in der Cnrvinenepoehe emporpokammonon Thnllf^cz odor eitrt'ntlich 
Talowec sind aus Daliimtiou, uud 2 war aus Haguaa ali« ,Lakaravi<S' 
nach Kroatieu eiogewandert und hier heimisch geworden. 8. darfiber 
BojniJ^iö, D«r Adel KroatieiiB und SlsTonim», 8. 187 f. und Ha rga- 
lita, Bapert, 8. S47>->650. 

* Auch hier haben wir e» mit ,Talowei -z zu timn. Banns ,Perko' = Peter 
Talowec: sein Sohn Johann führt da« Firidicat ,B»a£a* ab Sohn dea 
Hanns. Vgl. Marpf.nlit*«, fi50. 

' wohl auch liier an die pleicho Familie tre'lai-ht wer«?©«, denn weder 

bei den Bänfft>f v. Alsö-Liudva, noch bei denen von Liossonca, welche 
altnngariMhen Statnmee sind, begegnen wir damala Parko, Johann, Fran«, 
Bembard nod Georg^. Vgl. Maigalitt, a. a. O. 

* Auch ein Thall^^Tklowee, Ton jenem, dem Sohne dei Franko, wohl 
XU unterscheiden. Ifai^^ite, a. a. O. 

* Sohn dm Ladialaua Ostifi t. AnsaonyfaWa, in dar Eiaenbniger Qe> 
itpanachaft. 



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Wie unzuverlässig; in Manchem der Zeitgenosse und (ic- 
schichtschreibcr Ungarns, Bonfin, sich erweist, läset sich am 
besten dadurch belefreu, dass er den Baumkircher, in arger 
Verwcclisl ing mit Johann v. Schellenberg, als Kanzler Böh- 
mens (1) anführt und mit dem Vornamen jJohannes' ausstattet.^ 

Wir kommen nim auf den Pressburger Friedens- 
schluss zu. sprechen. 

Die weitschichtige Urkunde von ausnehmend politischer 
und staatsrechtlicher Bedeutung betrifft in erster Linie die 
Throiianspriiche des Hauses IJabsbur^ Ungarn gegenüber, die 
Regelung der Nach bar Verhältnisse zwisclieu Deutsch-Oesterreich 
und dem Reiche jenseits der Leitha, die Pfandschaftsrechte 
Habsburgs auf dem Boden Wostungarns, anderseits die end- 
giltige Rückgabe der ungarisciien ()(x*upationen im Lande unter 
der Enns und in Innerösterreich, alle dieslalligeu Vereinbarungen 
und nicht in letzter Reihe die Amnestirung der ParteigHngor 
Maximilians i . wir solche zur Zeit s<'iner Bewerbung um die 
Krone Ungarns mehr oder minder bedeutsam hervortraten.' 



> Bonfin (Dec. V, 1. II, 8. 717, Ausgabe von 1568), S. f»09 (Ausgabe von 
ICUO). Ea de causA com Uteris et maudatiä Itigati Puäuuiuiu utrinque 
miasi, hinc Thomas Jaarinensü opiscopns, qui eo tempore aniversa fermo 
nagotia regoi qoa «tat pnoditu Mpientia «dministnibat, Uline Stepbanus 
Balboreiw et Joanne» Paamehireber, Boemn» oancellariiifl, vir 
^raviflsirnns .... 

■ Der PrrtHsbiirger Fried ensschloM vom 7, November 1491 findet sich in 
^k'u iizeitigöD Drucken. Ein solcher hinterliegt beifjiiel.sweise im 
8aizburger Landespräflidial-Archive, Abtbeilung ,Cauiia Duuiini' unter 
dem Titel ,Coiicordia Hnngariea inter Mrenisiimoe et glorioeiflsInuM 
prindpe» et domiiun! IXvnia Friderieum Bomnnoram inperetorem et 
bvietto. prindpem dominam domimim Maximilianiim Romanura et 
Hnngariao rogem etc. Angtisto« ex unn, et serenissimniri Wl.idislunm 
Hungariü et Bohoraie Uegem, inclytumquo Kegnuni Hungarie ox altera 
(parte) Posonii conclusa' . . . D. Posonii die Lüne poat festam 
8.Leonardi (T.November) 1491. Batificato Bode in feste b.Nieolai 
episeo|M et eonfiBuoris (6. Deeember), 14 88. Folio. Am dem im Wiener 
Hans-, Hof- nnd SteatMunbive bellndlieben Originale lieforto einen Ab- 
druck F. A. Kollar im Anhange zu seiner Anngalio des Ursinuf« Voliiis: 
,de bello pannonico' 11. X Vimlobona 1702, Atu-tariimi diplomaticum 
Nr. X, S. 23«— 2G0 (rhirnus ahgudnukt aiirh boi Katona, XVII, 208—246) 
und neuerdings Firubaber, a. a. O., 4tiU — 41)2, sammt dem Facsimile 
der Siegel and Untenchriflen der Unterbiadler nnd allen 8epafataitike]n, 
und den Ooneenenalnrknnden nngariseber, nebenblligieeher nnd 
kroatischer ReichsstXnde. — Moeb Mi bier bemerkt, daaa den Beroll- 

Aidiiv. XCL Baad. tl. Hilft». 4t 



634 



Dabei finden sich Bestimmangen, welche die Geschichte 
der fBaumkircherschuld' Kaiser Friedrichs III. und die An- 
sprache Wilhelm Baumkirchers betreffen und hier ihre Wttrdi- 
gung finden sollen. 

Zunächst wollen wir die ^Geschichte' der Baumkireher* 
schuld im ganzen Entwicklungsgange bis 1510 Überblicken. 

Bekanntfich blieben trotz des Wiener-NeustAdter Aus- 
gleiches^ zwischen Kaiser Friedrich III. und den Hinterlassenen 
Andreas Baumkirchers Tom 8. Mai 1472 die von den Ständen 
Steiermarks, Kärntens und Krains als Schuld des Kaisers 
an Andreas Baumkircher übernommenen 32.000 Quiden seiner- 
zeit zur Begleichung der Forderungen des Letztgenannten, Be- 
friedigung seiner Söldner u. s. w. bestimmt, ein von den Erben 
Baumkirchers wohl festgehaltener, aber thatsäcblich noch immer 
nicht beglich encr Aiispruch. 

Im ScpteiültLT (los .lalircs 1478 erklärten die zu Graz 
versammelten Ausäichüsse der Laiidosvertrctung Inncrösterrcichs, 
der Kaiser habe diese und aiub n' schwebende ^>cliulden ,auf 
sich genoiiiincir, da man ja ihm hiefür das ,Ungeld^ (eine 
Tranksteuer) bewilligte.* 

Und so blieb dann jene ^Verschreibung^ der Stoit i luurker, 
Kärntner und Krainer gewisserina^sen ein unciiigelüster , zu 
unberechenbarer Sicht verurtheiltcr Wechsel, da die Aussteller 
behaupteten, das Geld hiefür dem Kaiser iHngst anderweitig 
zur Verfiigung gestellt zu haben, während dieser das Bezahlte 
als auf andere Bedürfnisse verausgabt ansah und die Stände 
naeh wie vor in Hinsicht der Baumkircherschuld für haftbar 
und noch ausbaftend betrachtete. 

Wir Ijegreifen daber, dass noch ^«-in Nachfolger. Maxi- 
milian I., im Jabre an das niederösterreiehisebe Regiment 
die Weisung ergeben lassen konnte, ihr zu berichten, ob die 
Schuld bereits bezahlt sei, und wie es sich mit dem Schuld- 



mKi'htifften Maximilians in dem beiderseitig aiisfrcff'rtiptpn Frifiiifii'*- 
iuiitrumoDte vom 7. November (Firohaber, 469 und 41*1) aucli der uns 
bekannte Magnat Johannes Kisborvät v. Halapsics (Älapsi) einge« 
reiht eiseheint 

* S. RroDoii, Zoi Geschichte der Btutukircberfehde ond ihrer Nach- 
«eben, a. a. O., 6. 417f., Anhiiiig, Nr. TU und VIXI. 

* S. Krones, a. a. O., S. 430—431; dae Aotenstttck «bgedraokt bei Ghnel, 
MonniB. habab. I, 2, 831 ff. 



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G35 



briefe Terhaltei^ dass der Schuldbrief noch in den Httnden des 
Herrn J0rg Pnchheim auf Baabe lag, der ihn von dem 
ursprünglichen Bewahrer^ Heinrich Pachheim> Ubemahm nnd 
als Gktte der Witwe Jdz|f7^Batimkircher8y Kargarcthc, anflzu- 
folgen amaoweniger gewillt war, dass schliesslich noch im 
Aagsbnrger Libell vom Jahre 1510 vor allem die Steiermärker 
jede weitere ZaUungspflicht entschieden in Abrede stellten.* 

,Kays. Majtt etc. ist gut zn wissen/ heisst es hier, ,ans 
was Ursachen sich die drey Lande: Steyr, Kärndten nnd 
Crain, verschiner Zeit gegen Herrn Andreen Pämbkircher 
um zwey und dreyssig Tansent gnlden verschriben haben, 
alssdan derselb Brieff bey Herrn Georgen von Puechheimb 
zu Rabbs, als man sagt, noch unversehrt ligt, und wiewol 
sich Kaisser Friderich Ihr Mayctt. etc. Herr und 
Vattcr hochlöblicher ^edechtnuss, gegen Kinpfalning 
etlicher Aut'.sclilii<;(;rij Un^elts und Baaress Oelts ubbc- 
melte Summu Uuldeii zu Hezaliluiig ungeiiomiiu.'n: So 
i.st doch bestirnter Sehuldt-Hriet'f der Landsehafft in 
Steyr bissher uit übrgeant wort : und ihr unterthilnig 
Bitten: Ihr Kay. Maytt. etc. als Erb ll rer Maytt. etc. Herrn 
und Vatters, Wüllen mit GuafU n daran st yn, damit obgemeldter 
Geltbrieff zu der Landschullt Händen erestelt, und sie solcher 
Schulden gnädi«rl>eh enthebt und ohne Schaden gehalten 
werden. Die Kay. jMaytt. ete. will Ihrem Regiment rlarin ge- 
nug:>ani Befelch geben, solelier Schuldtbrieff zu Händen zu 
bringen und einer Ehrsamen Landsehafft zu überantworten.* 

Auf dem AN'ege dieser leiili^n'n Scliuldangeiegenheit, deren 
endgiltif^er Ausnn<r nach lül" sieh unserer Kenntnis entzieht, 
liegt als ein Mark-NUin der bezüirHehe Inlialt des Pressbnrger 
Friedenstraetates, l^i dessen Abschlüsse von ungarischer 
Seite Wilhelm Baunikircher als Fi-eiherr v. Schlnnint;^ mit- 
thiltig war, unter den Vollmachtträi^i rn Ungarns und I^ühmens 
die Torletzte Steile eiuoimmt^ und ihn auch in dieser Kcihcn- 

' \V(-isnn«r vom 14. Febraar 1509 (BrÜMel), Qnser Landesarchiv» Gopie. 
Vgl. Kraue.'!, a. a. O., 8. 419, Aiitn. 2. 

* Landhandfeste der Steierumrk (1731), Neuer Abdruck 1842, 8. 41. 
■ ,Wil]ielmaa Pamkircber de Zalanak.' 

* Ihm gehen Tonm: der kOnigl. Kaneler von Ungem nnd Bisehof von 
Baab, Tbomas (BakÄcs), Graf Stephan Bithory (Judex curiae und W(y wodo 
▼OQ Siebenbargen), Johann Schellenbeig (bOhmtaoher Kansler), Ladislaos 

41* 



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636 



folge unterzeichnet.^ Wir wissen aaderseitSy dass er durchwegs 
anf Seite des Jagellonon stand. ^ 

Wenn daher Kaiser Friedrich III. drei Wochen vor dem 
Abschlüsse des Pressburger Friedens (1491, 12. October) uiuerm 
Wilhelm Baumkircher fi'ir seine Thätigkeit als Unterhändler 
einen Versicherungsbricf auf die Buigberrschaft Rechnits 
(Rohoncz) aoBstellty' so braucht man die Thatsächlichkeit 
dieMB Beweggrundes nicht anzufechten, wohl aber dabei an 
keine besondere DienstwiUigkeit Baumkirchei« für die Ange- 
legenheiten der Habsburger an denken. Immerhin scheint 
jedoch ein «weites Motiv hiebei ttberwogen au haben, nAmlicfa 
das Verhältnis des Kaisers als Schuldner dem Baumkircher 
als Gläubiger gegenüber. Dies erhellt am besten aus den 
beattglicheo ArtikeJn der P^ressburger Friedensurkunde, in 
welcher offenbar yon ungarischer Seite der Ansprach Baum- 
kirchers auf die Tagesordnung gesetat wurde. 

Im Vm. Artikel* ei-scheint das habsbuigische Pfand* 
recht auf die westungariaohen Sohlossheirschaften: Eisenstadt 
(KissmArton), Forchtenstein (Fraknö), Kobelsdorf (EAbold), 
Hornstein (SaanrkA), Rechnita (Rohonos), CKlns (Etezeg), 
Pemstein (Boros^Ankd) u. a. gewährleistet. 

Es heiast dann weiter: alle diese Orte sollen dem Kaiser 
verbleiben, ausgenommen Rechnita, das derselbe aus be> 



Orsxag V, Gutb, LadUlaus Hozgonji, Beaesch v. Weitniübl (Burggraf von 
Karlstaltt und Hflnsmeister Ton Kattonbanf). Ibm folgt daim aU letttor: 
Jobann Rnpa (kOniipL HofineUler von BObmen). 
> Kollar, Aiict dipl., 8. 260, Finhaber, 498, mit dem Faettmile der 
Untancbriften in deo Belagen. «Wilhdlmtw Pemkiroher propri« niaun 
rueognoBco.' Er war also des Schreiben!« mächtig, was bei seiuon Staude«- 
uiiii GeHchRfts^eiiOHsen Lad. OrsrA^ finth nnd Uozs-onyi nicht der 
Fall war (,qui scribere ignoraut'), so dsum dav liaÄber Bischof Thoma« 
nir sie untorzeicbnea musste, wAhread dies für seinen Vateritbnidmr Stephan 
T. Bithor, den Wojwoden von 8isb«nbllrBeik (soriben ignomitie), Oeorg 
Bdthor beseligte. 

* 8. oben. 

* Vgl. Kroiie§, «. «. O., 8. 483—434. Hier findet sich S. 434, Zeile 7 von 
oben der Satz ,da wir ihn schon vorher aU Unterhändler des neaen 
WahlkfJnicTP Wladislaw II. bei dein Vertrage mir soincm Hruder, dem 
Jagellonon Johann Albrecbt (20. Februar 14dl ), bevollmächtigt selieo*. 
Das ^eebon vorher* besiebt sich anf den PreMbur^or Friedensscbluas. 

* KoUar, a. a. O., 8. 244—246. Fimhaber, 475-.476. 



637 



souderor Gnade kraft seiner Urkunde dem Herrn Wilhelm 
Baum kircher verliehen habe.* 

Die genannte Burgherrschaft war somit westung^arischcr 
Pfandbesitz des Habsburgers. Ulrich Pessnitzer hatte sich 
ihrer zur Zeit sBiucr i\ hde mit dem Kaiser bemächtigt,* und 
nun nahm sie der Baumkircher i'Wv in Anspruch. 

Noch Wichtigeres bietet der XXXI. Artikel der Friedens- 
turkundt.. ' Hier heisst es: .In Bezug auf die Öchuhlf orde- 
rung Herrn Wilhelm liuumkirchers, die er gegen die 
Landstände Steiermarks und Kärntens geltend macht, 
kam es zu nachstehender Vereinbarung. Seine kaiserHche 
Majestät wird die vorgenannten Stünde anweisen, die bezeich- 
nete Schuldforderung zu begleichen. Sollten sie sich darüber 
in dem Sinne beschweren, dass sie jener Schuld schon 
längst überhoben seien,* so soll der Kaiser den genannten 
Ständen die Abhaltung eines Landtages in Graz auf Licht- 
mess (2. Februar 1492) ankündigen.* Dahin hat Herr \\ liiiclm 
Bautrikircher seine Sachwalter, in Gemeinschaft mit einem Diener 
Königs Wladislaw, abzusenden und nachdem die Abrechnung 
und Bezifferung der anf (li< se Schuldsumme lautendoT». Kinptange 
erledigt und das festgcbU 11t srin wird, was zufolge solcher Ab- 
rechnung zu zahlen noch erübritrt, Ivaben die vorgenannten 
Stände die eine Hälfte dieser Siiinm t zu Beginn des ersten 
Jahres nach diesem Rechnungäabsciilasse, die andere Hälfte 
im ssweiten, «nrnktelbar darauffolgenden Jahre dem Herrn 



»Qnod Inperialis cebitndo, de gratia »peeiali, Domino IVifhelino Pun- 

kircher, juxta sue MajoHtxti« Uttera« (1490, Oetober 18) donauit. 1499 
(Fehrnar 8, Linz) verlieh Kaiser Friedrich III. setnen bekannten fJttn. •Ot- 
lingen, Sig^iinind und Heinrich i'riischeuk, Stadt und Scliloss (iüiis 
mit Zustimmung Küuig Wladislaws, vom 17. März 14U2. 14U3 (Linz, 
16. Februar) Twlieh er ibnen EiaeniUdt (Kift-MIffton) «ni Fotebtes' 
•t«in (KVakttd). Firnbabcr, 507, ISO, 64S. 

* 8. Knmm, a. a. O., S. 426. 

» KoUar, a a. O., S. 253-254. Firuhaber, 494. Itoni in facto crcditi 
Nobilis viri doniiiii Wilbelmi r.-unkircher , quod contTA prorincialea 
Stiric et Carinthio proiionit, conuontuiu eet. . . . 

* t. . . qut 81 in eo maudato (iuiiiaratorie) granari querar«tttr, tan- 
qvani iam dttdnm'ab eo «tat sbsoltBÜ . . . ' Vgl. du «bea Aber 
die AenMoranfen der StKnde im 6r*aer Anso«bitflsl«ndt«g<e Tom 
Jabn 1478 nad im Angsburger UbeU vo» UIO Qeaagle. 

* Diom «d Qrecs in festo ParifioBtloiiifl .... 



638 



Wilhelm B a u m k i r c h e r zu entrichten. Was jedoeh die Burg 
yKctsch' (Katsch) oder ihre Renten und Einkänfte betriff!, so 
wurde beschlossen, daes Herr Wilhebn Banmkircher den Kaiser 
▼OD seinem durch Brief und Siegel — wie er vorgibt — rer* 
bttrgten Rechtsanspruch verstKndige. Sollte der Kaiser diesen 
Rechtsnaehweis bestreiten^ so sollen jene sechs in der Ange- 
legenheit des Jakob Ziekel (Ss^kelj) nach Hainbarg ent- 
botenen VertrauensmUnner* entscheiden, ob jene Beweisstücke 
Herrn Wilhelm Baumkirehers oder die Einspräche des Kaisen 
ttberwiegen. Ergäbe sich dabei Stimmengleichheit nach der 
einen und der andern Seite, so hat dann Herr Tsohernahora 
(Tobias Boskowits auf ÖemAhora) über Aufforderung der 
kaiserlichen und der königlichen Sendboten diese Last auf 
sich zu nehmen, als Oberschiedmann ^ die eine der beiden 
Meinungen einzutreten. Sollte diesem Erkenntnisse zufolge die 
gedachte Buig selbst oder ihre Rente dem Herrn Wilhelm Baum- 
kircher zufallen, so hat der Kaiser im Verlaufe des Halbjahres 
nach dieser Entscheidung die Burg oder ihre Rente dem Herrn 
Wilhelm Baumkircher zurückzugeben oder statt dessen 8000 
ungarische Ooldgulden ihm zu bezahlen. 

Das Sehloss Katsch (Ktttsch, Ketsch) bei Murau hatte 
Andreas Baumkircher 1465 durch Kauf von den Stuben- 
berg-Wurmbergern, Herrn Leutold und dessen Sohn Hanns, 
dem Verlobten der Tochter Baumkirehers, Martha, erworben.* 
Im Jahre der Baumkircherfehde, 1469, belagerten es die Kaiser- 
lichen, wobei auch die ,grosse Puxen' der Stadtgeraeindc 
St. Veit in Kärnten als Feuenscliliind eine Kolle spielte,' und 
nöthigten es zur Ueberf^abc!. Obscbon nun der Vülker- 
markter Sllbnebrief vom dO. Juni 1470 die gegenseitige 



> 8. KolUr, a. a. 0.« 8. 243—244. Firobaber, 484. J«der Tboi), Kaiser 
Priedrich III., Maximilian I. und Knnig Wladislaw, wählt je drei Schied- 
mäniior. Der Tlniidol boziGht sich anf die v<m den Ungarn i» der 
Stüiermaik vurmalä be^ietztea Salsburger Uerrscbafteu. 

« S. oben IV. Abtheilung. 

* Unrast, OMterrddiifdie Clivaiiik, 8. 660—561 : ^Darnach aetmeff der 
Kaym Miner Dtonner etiich vnd Lanndlewt, auch die von JudenbnffficT 
das ay Veldt maditeii für das gMcbloas Kata pei der Moer gelag«», 

das nach dos von Stubenberg war und lyesa dahin füeron dye gross 
Puxen von Sannd Veit, doch Tnlanng gaben die Juden das gescbloss 
mit ta^ding.* 



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039 



Rückgabe aller Eroberungen verbürgte, blieb Katocli, wie auch 
Anderes, in den Händen des Kaisers. 

Ob und mit welchem Ergebnisse der anberaumte Gi azer 
Ausschusslandtag am 2. Februar 14H2 stattfand, entzielit 
sich bislang unserer Kenntnis. Sicher ist nur Eines, dass die 
jBaumkircherschuld' und mit ihr die Ersatzansprüche Wilhelm 
Baumkirchers in der Schwebe blieben, ihn und seinen jüngeren 
Bruder, Georg, weit überlebten, wie dies aus unserer Aus- 
führung über die Geschichte dieser anerquickUchen Geldange- 
legenheit sattsam erhellt. 



Schlussbemerkung. 

BMll|ftieh der Qeoehleehto- und Zeitfolge der Lieebtensteiner 4nif 
Ifnran, deren in der Beibnng nnd GflteigeMbiohte der Banmldreber Ober- 

stoier» und Kärntens wiederbolt gedacht wurde (s. S l.H, 35, 36, 41), muss 
ich jetzf auf die inzwischen zum Ahflnifko gelangten , Beiträge aur Genea- 
logie und Geschichte der steirischen l^iechten-steine* (Veröffentlichnngen der 
histor. Landescommission filr Steiermark XV, Graz, 1902), von F. Zub, Ar- 
ehivar in Mnmo, als wiltkommenen Bebelf verweiaen. 



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Archiv 

für 

Österreichische Geschichte. 



Herausgegeben 

ZV Pflege vaterläudiiicher Geschichte auigesteiiten Commission 

« 

kaiserlicheu Akademie der Wissenschaften. 



Zweiuudneunaigster Band. 



Wien, 1903. 

In Commission bei Carl Qorold's Sohn 



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Druck von Ailolf llol/.liauBon, 
k. and k. Hof- mmI UfuroniUU-BiicUradMC te VTIaB. 



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Inhalt des sweiniidiieiiiUElgsteii Bandes. 



Die Orttadung des ludserlieheB and kOnif lieben Hans*, Hof> und Staate» 
anbivs. 1749— 17S2. Von Gaskav Winter 1 

Die ilteaten Statuten von Trient and ihre Ueberlieferanf . Ton Dr. 

Hans von Voltelini 83 

Tirols Erbtheiiang und Zwischeareich 151)5—1602. Von J. Hirn . . 871 

Oesterreich und Prensaem 1766—1768. Von Dr. Alfred H. Loebl . S6S 

Die Oescbicbte der direkten Staatistenem Im Bnitifte Salabnrg bis anr 
Anfbebong der Landwhaft unter Wolf Dietrich. L Die ordentlldien 
Stenern. Von Ludwig Blttner 488 



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DIE GRÜNDUNG 

DBS 

KAISERLICHEN UND KONIGLIüHEN 

HAUS-, HOF- UND STAATSARCHIVS. 

1749 — 1762. 

TON 

GUSTAV WINTER 



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Mit der VoUendang des Baues, der in den Jahren 1899 

bis 1902 für das kaiserliche und königliche Haus-, Hof- und 
Staataarchiv erriditet wurde, hat das aufsteigende Leben dieser 
Anstalt eine neue H5he gewonnen. Sie kdet anr Rttckschau 
ein nach der fernen Tiefe, wo sich des zurückgelegten Weges 
Anlauf birgt Den Umstttnden nachsuforBohen, die die Gründung 
eines Osterreiehischen Haus- und StaatBarehivs nahelegten; die 
Anschauungen der Vorväter Uber seine Aufgaben und Bedttrf* 
nisse kennen au lernen; Art und Umfang der Mittel festansteilen, 
die sie fhr sein Gedeihen nothwendig oder hinreichend erachteten: 
das ist ein Untemehmeu, dem heute genug det» iieizes inne> 
wohnt ftr Jeden der dem gross gewordenen Institate Hieil* 
nahmsvoll oder dankbar verbunden ist. Aus einer solchen, 
lebhaft empfundeneu Beziehung ist die vorliegende kleine 
Arbeit entiprongen. 

Was sie bieten will ist hiemit gesagt. Weitläufige Ver- 
seichnisse von Beständen und Zuwächsen schliesst sie aus und 
behält sie einer hoffsottieh kommenden wissensehafiliehen In- 
ventarpublicatioQ vor, zu der bereits manch gutes Vorbild 
Anrsguig and Master gibt 



Literatur. 



Die Geschichte des k, und k. Haus-, Hof- und Staats- 
archivs ist im Lauf des 19. Jahrhunderts dreimal der 
Gegenstand literarischer Arbeit gewesen. Zuerst beschäftigte 
sicli damit im Jalire 180H der damalige Director des Instituts^ 
Freihen* Josef v. Hormavr. Ohne seinen Namen zu nennen, 
brachte der erste Band der ^Vaterländischen Blätter für den 
österreichischen Kaiserstaat, herau^egeben von mehreren Ge- 
schäftsmännern und Gelehrten' (Wien 1808, 4«), Nr. 19—21, 
S. 157—161. 165—171. 173—178 einen Aufsatz aus seiner 
Feder nnter dem Titel: ,Dm geheime Staats-^ Hof- und Hans- 
archiv in Wien. Ein Beitrag zur Geschichte des ArchivwesenB 
und historischen Quellenstudiums in Oosterreieh Uberhaupt/ Die 
breiten Ausführungen verlassen vielfach das in dem ersten Theile 
dieses Titels beaeichnete Thema. Beruhen sie zumeist auf 
den Archivactcn, so sind sie docli nicht tiberall zuverlässig. 
Mit mehreren Erweiterungen, die aber nicht der Geschichte 
des Archivs zugute kamen, da sie hauptsächlich der Geschichte 
der österreichischen Historiographie gelten, ist diese Ai*beit> 
abermals anonym, wiederholt in dem ,Archiv fltr Geograpliie, 
Historie, Staats und Kriegskunst*, 1. Jahrgang (Wien IdlO, 4'), 
Nr. 95—99, S. 405 — 423. In wesentlich ktirzerer Fassung hat 
sie dann Hormayr zum dritten Mai veröffentlicht in seinem 
Werke: ,Wien, seine Geschichte und seine Denkwürdigkeiten', 
2. Jahrgang, 2. Band, 2. und 3. Heft (Wien 1825), S. 57—75. 

Eine sehr kurze, aber aetenmitssige und meist zutreffende 
Uebersieht über die Geschichte des Archivs gab ein unge- 
nannter Verfasser (es ist der Archivar Friedrich Fimhaber)^ 
in dem ersten (und einzigen) Hefte dea ,0e8teiTeichischea 
Volksbuches. National-Encykloplidie. Alphabetischo Darstellung 



' Ueber ihn dar Almanadi der kaia. AkadMtrie der Wisaenaeh. aa Wian, 
n (1861), mf. 



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5 



des Wissenswttrdigsten aus dem Gebiete des . . . {toterreiobiflehen 
Kaiserreichs', 2. Auflage (der ^Oesterreichisclien National» 
Encyklopädie' von GräflFer und Czikann), besorgt durch J. Neu- 

inaiiiij A. Sclimidl und M. v. Stubenrauch (Wien 1850, gr.-S*'), 
8. 154 — 160. Dieser Artikel ist ein Auszuf^ aus einer weit- 
liiuligern Arbeit desselben Verfassers, die unven>ffentlicht ge- 
bliebeu ist. Ilir Manuscript wird im IIuus-j Hof- und Staats- 
archive (^aiib Ernst v. Birks Nachlass) aufbewahrt. 

Endlich widmete dem Gegenstande Gerson Wolf die 
88. '2b — 102 und 21i)— ^2oü seiner , Geschichte der k. k. Archive 
in Wien* (Wien 1871, 8®). Dieser Arbeit kann leider der 
Vomurf nicht erspart werden, dass sie tiüchtig, verworren und 
voll grober Irrthümer und Nachlässigkeiten ist Obwohl sie auf 
breiterer Actengrundlage ruht als beide Aufsätze Fimhabcrs, 
verdienen diese doch bei weitem den Vorzug. 



Abkärzangeu. 

aUL: K. una k. Mun-, Hof- und Steatearehir so Wien. 
VA.: Venraltttiig»- (gQgenantite Camiit-) Acten des 8iA. 

MI.: Archiv des k. k. Ministeriums des Linern, AbthöUuiig II. Ii. 1 (zer- 
fallend in die Crrnppen NiedPrilsterrf i< h. Stei«'rmark. Tirol, Bnliineii'^. 

HKA.r K. und k. gemeinsames Finanz- (eliemais Hotkamiuer-) Archiv zu Wien. 

JIops 1780: Eine von dem damaligen Archivar Adam Mops* c. 1780 (nach 
Maria Themiae Tode) der 8taald»mlei llbenreielite Dankeduift» 
worin er den EinnohtongspUn BoeenthaU gegen ^e ihn bedrohenden 
Ab8icht«n des Abb.'> Schmidt vertheidigt. VA. Fase. 16, 1779/6. 

Die drei VerötTontlichungon Hormayrs sind mit dem Namen des Verfa.'<sers 
( iticrt uud durch Beisetzung der Jahreszahl des Brscheinena unter- 
schieden. 



* 1768 AmtMXpeditor im Hanaerchiv, 1769 ArchiTadjnnet («eit 1764 mit 
HeAeetelln-Cbankler), 1779 (naefa BonntiMls Ted) k. k. Reih und 

zweiter Hausarchivar; gentorbun am 8. HiA 1782 (Wiener Z^tvng vom 
26. Mai 1782, Nr. 48, in der Xodtenliete). 



I. 



Der Gedanke, die UrkuodeDVorräthe der ftaterreichischen 
LandesfÜnten aus dem habsbiugisehen Hause an öinem Orte, 
in änerHand zu veremigen, ist älter als die UnternehmaiigeD, 
die darauf abzielten au8 den Ländern dieser Herrscher ein 
Qansses zu sebaffen und sie in ibren gemeinschaftlichen Ange- 
legenheiten eentraiistisoh zn venralten. Waren solche Unter* 
nebmungen zuerst von Maximilian I. ohne rechtes Gelingen, 
dann von seinem jttngem Enkel mit dauerndem Erfolg ins 
Werk gesetzt worden, so ist die Absicht wenigstens die das 
gesammte Enebaus betreffenden Doonmente in öiner Hand, in 
der des Aeltesten gesammelt an bewahrsn, schon in der Hans* 
ordnnng Tom 18. November 1364 angedeutet.* In den sahi- 
reichen späteren Hausvertrilgen des Hittelalters' ist sie nicht 
wieder ausgesprochen. Schon seit 1373 schwindet ja aus ihnen 
der Qrundsats der ,oberBten Herrschaft und grOssten Gewalt' 
des Aeltesten, und der Neubörger Vertrag yon 1879 schuf eine 
Realiheflung der habsbuigischen Lande, die mit kurzer Untere 
brechnug hundertiehn Jahre währte. Im 15. Jahrhundert lagen 
die Urkundenvorräthe des Erafaauses die sich in Wien ange- 
sammelt hatten, in dem obem der xwei an die Burgkapelle 



* Schwind und Dopsch, Ausgewählte Urkunden lur Verfa«»ung8goscliichte 
der deutwrli-rtstorroirhischen Erblamle im ÄIittr>lnl!f^r, S '234.toff. Vgl. 
Hauke, Die geschichllichoji Grundlagon dos Monarchenrecht* (Wien 1894), 
S. 14 ff. 1368 spricht Hersog Albrecht III. von noctra scrine« (i) secre- 
toram nostroram, Liebnowsky S, Reg. Nr. 1006. 

* Ueber ähnliche Absichten unter Kudulf IL s. Jos. Fischer iu der Zeit- 
•ehiift dm FenKaindeaiu ftr Tirol und Yorarlberg, 3. Folge, Heft 41 
(1897), 8. 2$ff. 44 (1677/78). Lflaif, Ckid. Om. dipl., S, «84. Art. 10 
(1602), dain Bidermano, Getcliiohts der OttetreiobiMhen 
ideo 1, 87. 88, Anm. 80. 



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7 



stOMenden ^Sagrer';^ in dem daninter gelegenen war der Hana- 
idnta Terwahrt' 

In attem Emt t und in bestimmter Abiidit hat iich mit 
dem Gedanken ein Geeammtarchiv des Enhanaea an gründen, 
ent Maximilian 1. beaeiiäftigt, in dessen Hiaden moh der seit 
1879 aersplitterte Läaderbesits wieder vereinigte: der ideen« 
reiche, rastlose Herrscher, dem die Osterreiohisehe Länder^ 
▼erwaltong die Anflinge ihrer Geotralisiemng verdankt. Zu 
Innshrack sollte es entstehmi, in der Lieblingsresidenz des 
Kflnigs, die den Arehivbestand der filtern tirolischen I.inie 
des habsbnrgisehen Hanse« barg, die von ihm zu einer Central- 
stelle ftkr die Verwaltung der £rb]änder und de» Reiches 
gemacht worden war und wo sich in den Registraturen der 
dort von ihm errichteten Behörden die Grundlagen von Archiven 
zu entwickeln begannen,' die nicht nur für die österreichisciie 
Länder- und Staats- sondern auch für die Reichsgeschichte 
von grösster Wichtigkeit Averden musstcn. Am 10. Februar 1501 
beauftragte Maximilian I. seinen dortigen il auskämmerer, in 
dem alten liauae hinten in fl<M tirolischen Kanzlei ein schönes, 
grosses Gewölbe erbauen zu lassen und Sorge zu tragen, das» 
es bis zum nächsten Sommer vollendet sei; es solle dui'chaus 
feuersicher sein, eine Decke aus geschlagenem Estrich und ein 
gutes Ziegeldach ,auf den neuen Form* haben; darin wolle der 
König ,alle' seine und seines Hauses Urkunden und Register 
und Anderes daran ihm viel gelegen, wohl versorgt aufbe- 
wahren.* Wie so mancher andere Plan Maximilians ist 
auch dieser über die Anfänge der Aubführung nicht hinausge- 
diehen. Eben damals wandten sich ja die organisatorischen 
Untemehmungun ii( s Königs, insofern nie der Schaffung von 
Central bc liörden galten^ wieder der niederösterreichischen Gruppe 
seiner Länder zu.^ 

* aaenffinn, Saariitoi. Vfl. dw Urlrande von 1419 Min 80, Udmowikj ^, 

Re^. Nr. 1889. 

* Karajan in den Berichten und MittbeilangM dM AltorthliaitTaNiiis m 

Wifln, 6 (1863), 33. 84. 35. 115 11 R 140 
' Adler, Die Orgauiaatioo der Ceukralverwaltang anter K. Maximilian I., 
S. 431 ff. 

« HKAn (MnkMelwr llaKimtliaiit L, Bd. •» BL n^ Dw entopMohmda 
Amikag an dla Baltkanmiar aa loubruvk (voni IS. Fabniar) abandt 

Bd. 8, Bl. 30 ^ 
» Adler, 8. mff. 437, 



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8 



In der That besitzen wir einm aUerdiiigs um elf Jahre 
Jüngern Erlass des Kaisers/ der eine «idere Archivgründuiig^ 
nnd zwar im Centrum der niederösterreicUschen LAadeigmppe 
zum Ziel zu haben scheint. Eine Commission von Mch« 
Rttthen und Seeremren* des Kaisers, unter Ihnen — aber nicht 
an enter Stelle — Dr. Johann Cuspinian, wird beauftragt alle 
Satz- und Pfandbriefe und alle anderen briefliehen Urkimdra 
bei dem Begimeote, der Kanzlei, der Raitkammer, hei einigen 
namenttich «ngefthrten landeefttretUohen Beamten und ander- 
wirts zu sammeln, zu sichten, geordnet in Büoher einzntngen 
und in Laden, Truhen oder ^Scateln' zu reihen. Alle HAndel 
die den Kaiser oder sein Haas angehen und von Intetesse oder 
Nntaen sein können, sind in ein besonderes Bttoh einsnschreihen. 
Das Ganze aber, Urkunden nnd Bttcher, soll ^ ein gelegen 
Ort nnd Gemaeh snsanunengelegt nnd gelhaii werden'. Dieses 
ist von 8w« Käthen der Wiener Raitkammer mit ihren Pet- 
schaften an yerseoretieren nnd mit swei Sefaltteseb sn ver- 
spenren, deren einen der Viathnm in NiederOsterreich, Laniena 
Sanrer, deren andern der kaiserliehe Seoretür Lucas Breit- 
schwert an verwahren hat. 

Das »gelegen Ort nnd Gemaeh' Air die landesfUrstliehen 
Urknndenvorräthe dürfte endlich in dem Sehatsgewdlbe des 
Widmerthnrms* in der kaiserlichen Borg geftmden worden bsul 
Dehn dieses, und nicht mehr der Sagrer neben der Bnrg- 
kapelle, wird seit dem 16. Jahrhundert als der Lagerort der 
Österreichischen Hans» und Steatsukunden genannt^ 



» Vom 9. Jäuiier 1612. Oiij,' im StA . Rep. 1. Vgl. Adler, a. «. O., S96f. 
' Ihre Namen bei Adler, a. a. O., Aum. 2. 

■ Jn. dtat Thium worauf die Figur de« Jägers mit «lern Hirscheu i«t', 
Ohnvoigreiflielie ReflezioBM {i. unten S. IS). Er «tand an dar wwOidMa 
Ecke des alten Bmg- (jetet Sebweiier-) Hote und worde 1758 ahg^ 
tragen. Die Figuren sollen 1670 darauf angebracht worden sein tnm 

Zoirhpti. <1hss hier vormals ein Wüld gestanden hatte. Hoschreibnnj;r <^er 
k. k. Hatijit- und Ke«idensBtadt Wien, al« der 8, Theil der < »esttirretchischen 
Topogiapliie (von Weiskem), Wien 1770, S. 146. Vgl. Hormayr 1826, 
8. M. Dagegen Geoam, Qeeeliidite Ton Wim, 4 (Wien 1793), S. 182 f., 
Anm. V. 

* Aber noch 1523 ist die Kede von landeifttntllehen Briefen, die in der 

Bnrp 711 Wien in einem Gewölbe Hegen, welches ,neben der Kapelle 
Iierniedeu^ gnud. toncht ini. Act vom 9. Februar 1683 im HKA., Oeeteir. 
Herrschaftaacteu, Fase, W 17. 



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9 



Die bedeufteadite PenOnliehkeit unter jenen seclui Beraf- 
tngten nnd die einnge von deren Kamen und Theten epMtere 
Zeiten noch eine Knnde bewehrten, wer der Staatumenn und 
Gelehrte Cmpinien. So erUirt ee sieb, dass Ihn endlich die 
Thidition ele den Hann beieichnete, den der Kaiser bestellt 
habe die anr Errichtung eines HansarchivB nOtfaige Sammel- 
arbeit yorannehmea/ dasa man ihn eogar den ersten Direetor 
dee ArehivB nannte. Dam ist man ebensowenig berechtigt 
wie an sagen, dass üffaxinrilim L der OrUndcr eines öster- 
reidiisohen GentralarchiTS gewesen sei.' Von den Anläufen 
die er daan 1501 nnd 1612 genommen hat, ist der ernte 
weit vor dem Ziel erlahmt der sweite diesem erst nach dem 
Tode des Kaisers einigennassen nahe gekommen. Was die 
Jahrhnnderte den Landesfllrsten an Archivstoff aufgehäuft 
hatten, blieb nach wie vor zersplittert: es lag, wenig beachtet, 
in den Schatzgewölben der Burgen zu Wien, Wieuer-Neufitadt,^ 

* Obnvorgreifliche Reflexiones (nuten 8. 12). Daraus Hormayi 1808. 
S. 161»; 1810, S. 408'; 1825, S. 67 ii. ßö; Firnhaber, S. Uyi; Wolf, 
8. 3 II. 5; nach diesem Langer, Das k. n. k. Kriegsarchiv, 'J. Anfl. (Wien 
laOO), 8. 1. Am Bude des 18. Jahrbunderts (Hops 1780) galt CuspiniAn 
aogtf alt d«r Tmfmur de» Utetten, vierMadigen BepertoriiinM Am 
Wiener SebatsgewOlbea, das von dmn «neiiclliali fleisBifen, arcMTaliseh 
«ehr tftchtigen, aach unk du Lnubmcker Schalnrahiv boehTaffdienteu 
Secretär Wilhelm Putsch dem Vater daa Christoph Wilhelm Putsch, 
Sammlers für tirolische Geschichte nnd Toposrmphic, vg>l. Hirn, Eraherzog 
Ferdinand II. von Tirol, 1, 36.^ ff.") nach ilciu Tode Maximilians I. anpfp- 
feriigt worden ist (Schweinbambih ,iuveutari' von 1548, ätA., Oet»terr. 
AAtoit Staat» Faie. 5). Daa StA. baaitat davon Mder nur awai Blada (I 
und m) und deo IndaKband. 

* Beides thut Honnajr an den a. O. Vgl. dagegen Haaelbach, Joh. Cus])inian 
als Staatsmann und Gelehrter (17. .Tahreebericht fiber das k. k. Joseph- 
städter Obergynina.sium [in Wien]), Wien 1867, 8. H. 'JO, Anm. 41. 
Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, 2, 2i>6. Welche Gestalten 
▼Ott Hauaarchivdireotoven aiia yortherefliauischer Zeit dem Fruherm 
T. Hannajv aaiae Phantaaie aonat noch Toigaakelta» mag man in awnem 
Wacli Uber WUn, a. a. O., 8. 67f., Anm^ n adi l a aan. 

' ^avenlaiisedl des su . . in den zwain tmkan so man des Lanugo 
trüben nennet und zu der Nenenstatt in ain^m trewelb in der hurh stoen, 
gefunden und . . . aufgeschriben ist' am 7. Februar 1507, *2S lil iUer Fol. 
MI., Nü. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden die Neustadter Archi* 
Valien gritealanth^ naeh Wim gebtadit HKA., Arehivdiraelion, Faae. 
1 A (1648) and Oaatanr. Hamdiaitflaetan, Ftäc H 14 (1674 n. 1677). Ygl 
Oottlieb, IMe Anbraser Handacibrillen, 1 (Leipzig 1900, 8*>( 86ff. 1 lOff. 
Schon an 14S9 iat ein (baate Teraebollanaa) Luvantar Aber |daa hana 



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10 



Inntbroek/ Qtbb.* Das Wichtigste der Merreioliischeti Havs- 
sadieii und, wenn nun diesen BegnS eng hni, auch ihr 
grilnler Theil lag Vis 1665 Jedenftlls im Wiener Sohats- 
gew9lbe. Aber infolge der Linderlheilang nach dem Tode 
Ferdinand! I. aerfiel anch die Einheitiichkmt dieaee Aidiiys. 
Dort biteben* nur anrflek die ^Hanptbfiefe^ der Fflrsten von 
Oeaterreieh: Privilegien, BUndnime, Vertrige ihrer anvaineoden 
Lande halber nnd andere ,Intlnimenta oommonia^, dann was 
Oeaterreieh ob and unter der Enns, Ungarn, Böhinen, Hlihren 
und Schlesien betraf. Das TSrolische nnd Vorittndisehe eihielt 
Erahensog Ferdinand, das InnerBsterreiehische Enhersog Karl.^ 
Seit 1665 gab es wieder nur dinen Hemcher Uber 
alle österreiehisohen Lande; aber noch vierzig Jahre ULnger 
dauerte die Droitheilung der Verwaltung. Ihr machte erst 
Josef L ein Ende. So blieb auch die Frage der Wieder 
Vereinigung der 1565 aerstreuten Arehivsehfttae — wenn man 
von einigen ergebnislosen Versnohen aus dem Ende des 16. 
und dem ißeginn des 17. Jabrhnnderis^ absieht — noch lange 
unerOrtert Was nach Fo^inands I. Tode im Wiener Schats- 
gewölbe Burttokgelassen worden war/ ermangelte aller Obsoi^e 
und Ergänzung und gerieth fast völlig in Vergessenheit. Erst 
nach vierzig Jahren, beim Regierungsantritt Josefs I., erhob sich 

Osterreich Bchatzbriet > der Newenstat zu behalten gegebe» und 
durch Petern KhOterer mventiert worden »ein', erwähnt (SchatsgewOlbe- 
MpMt. B m c 1647 im 8U., 1, 1844/6). Vgl. Ckmel, MatsrialiSB l^ 
SO, Nr. 10 n. 11 (von 1436). % 97. 08 {nm 1465). 

* S. obeo 8. 7. 

■ Chmol, a.a. O., l \ 30, Nr. 11. 32, Nr. 13 (1486). In Innsbrack hatte 
Ro»«enthal 1761 eiti Inventar von 14*24 über di»» dAmals xti Wien, Neu- 
sUili, Oraz nnd anderer Orten vorhandeneu Urkunden gefunden. Auch 
dieses ist verschollen. 

' Gsmitt der B«ttinmiiiig ThaUnngtiukiinde von 1664, dm lisni 
A«ltealMi d«r SsImm d« KaisMs (nw) alle dit Urkundan mmwaiMi 
Mien ,die in gemein über unserer und QllMiet Hauses Oesterreich Land 
und Leute, Freiheiten nod Begnadigiragan aafen*. Vgl, Bank», a. a. O., 
S. 52 IT., bes. 55. 

* Bericht der zur Abtheilung der Bohttxbriefe verordneten Commission, 
Apri) 1666. 8tA., Oesterr. Aolm, filaaft, Faso. 6 and UKA., Direeliwif 
aeteo, Faso. 1. Vgl. 6oM«g«r, Wiener Skiflwn, 6, m IT., Nr. tS. 

* 8. oben B. 6, Anm. 8. 

* Das Folgende bis gegen den Sohl aas des AbMtMS immIi den ,01mvor- 
Reiflichen Beflexiones* (a. unten a IS). 



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11 



eme Stunme — es ist nicht bekannt wessen — , die auf die 
Kaehtheile hinwies, welche der Mangel eines wohlgeordneten 
Archivs fUr alle Staats-, Hof-, Provinz- und Cameralgeschäftc, 
zumal bei Allianz- und Friedensverhandlungen und bei der 

Entwertunt: von GesandtcnlnsUuctiouen, im Gefolge gehabt 
hatte und noch weiterhin haben raüsste; der Mangel eines 
, Haupt und Hausarchivs ad latus summi principis*, woraus 
dieser selbst , täglich, ja gleichsam stllndlich wie in einem ohn- 
betrüglichen Spiegel sich und seine Kräfte zu kennen, auch 
seiner Lande Stand und Vermögen auf Kriegs- und Friedens- 
zufälle zu beurthcileu und seine Anträge darnach zu proporiio- 
nieren vermöchte'.' Auf Antrag des obersten böhmischen 
Kanzlers, des Grafen Wratisla\v, war flir die böhmischen Erb- 
lande bei der böhmischen iiotkanzlei ein Staatsarchiv zu 
gründen versucht worden.* Diesem Beispiele folgend, hatte 
der österreichiiiche (erste) Hofkanzler Freiherr v. SeUern die 
Errichtung eincB österreichischen Archivs ins Auge gefasst:' 
ein Plan von dem es später heisst,^ Seilern habe zwar .Bond^rs 
grossen Eifer daiin bezeigt, wie weit aber avanciert worden 
stände zu erkundigen'. Es ist also jedciifaHs nicht weit dmnif 
gediehen. Beide Archive aber waren nur tiir je einzelne 
Ländergr Uppen berechnet j dem Gedanken an ein Qesauunt- 



' Nor iMbeoher sei eine zweite, etwa g^leichxeiUge Anregrung erwähnt» 
Die sogenAnnte Hütlnerscbe SammTmig im k k Archiv für Niedcr- 
üsterreich enthält in Bd. 23, Bl. 644 — ^647 ein undatiortes, etwa in dou 
Anfang des 16. Jahrbuuderta gehöriges Promemoria eines Unbekannteu 
betreffend Tmufertoratig ^aigcf in den n.-fL Begierangs-, soge- 
naanltn SehatigwwOlb oder Kleinsn Archiv abglaf^e» bMirainMiten', 
das den Voncblag macht, due die 1665 nach Grts and Innibrack ge- 
brachten Urkunden »darch eine abändernde Conuninton Qbemommen, 
hieher Hherbrjirht und mithin dieses Archiv wieder erg^inst* werde. 
(Ueber Hiittnersche Sammlung s. Chorinsk} Jii itriige zwr Erforschung 
dsterr. KechUquüüun, Sonderabdruck aus dum Jahrgang der Allg. üsterr. 

Geiiehtneituug, Wien 1896» & »£) 

• VfL die lutmetion fttr die bShmiMlie Helkaanlei vvm M. April 1719 
bei Wolf, S. 16 f. Dasu Fellner In den Mitth. dee Inititati für <Merr. 

GescLichtiforschuiif:^, 15, 528. 

• Vgl. die luatruction tür den RegLstrator der österreichischen Hofkanzlci 
vom SO. Juni 17*27, Wolf, 8. 16f. (unveratäudlicher Anssug). Beide 
Uateraebmoj^n setst Honnayr 182ft, 8. 71, ine Jahr 1798. Dwnels 
eher wenn weder Wistielnw noeh Seilern eehon Kemler, 

• In den »Obnvoigfeifiiefaen Beflezimiei'. 



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12 



Btaatiarühiv präjadicterten sie mehr als sie ihn fifrderten, mit 
dem Wesen einea Hans- oder FamüienarohiTS hatten sie keine 
nnmittelbare BerOhnuig. 

Die Gründung eines wirUichen Hans- and Staatsarcliivs 
wurde übrigens noch in der Zeit Karls VI. nachdrfteklieh an- 
geregt. Bei den Acten liegt eine weittoufige Aeosserung Uber 
die Nothwendigkeit einer solebea GrOndong nnd aber die 
Ghnmdsllge der Einrichtung des Archivs. Sie ist undatiert und 
anouym, die Feststellang des VerfiMsers leider umni^lioh.^ 

Das Schrifbtiick ist ttberschrieben: ^Ohnyorgreifliche 
ReiflezioaeB de ansbiTO domus augustae." Es beginnt mit einer 
kuraen Darstellung der Versaehe die seit HMdmäian L aur 
Qrttndung eines österrdcbisohen StaalaarcbivB gemaeht worden 
waren, und findet damit schon die Quaestio an beantwortet, 
,wi6 höchst rathsam, nöthig und geddhlioh es wäre das von 
Maximilian I. beziehe allgemeine oder Universal-Staatsarohivum 
domus augustae zu emchten^ Sich der Frage nach dem Ort 
der Unterbringung zuwendend, spricht sich der Anonymus 
gegen die weitere Benutzung des Schatzgewölbes aus. Dieses 
befinde sich zwar ad latus priiicipis, sei aber fast unzugänglich, 
da es finster sei, die Schlüssel immer erst an zwei oder drei 
verschiedenen Orten aufgesucht werden mUssten und ein 
kundiger Verwalter fehle; ausserdem sei noch alles in Truhen 
verpa( kl and das Verzeichnis (die ,RegistraturO schlecht. Das 
Local des Hausarchivs, meint der Anonymus, muss drei Abtheilnn- 
gen (Zimmer) umfassen: 1. das geheime oder Meiubranaeeimi 



* Ist es der vlelaeitige Staatsmann, der c. 1720 dem Kaker eine Denk* 
Schrift: ,Par©rpa sive utia N. N." übcrreichrtv ivnrii! vr Mf^t Huss 
mlion unter Leopold I. und Josef I. sowie unter Karl VI. vßrschiedeue 
Frojecte theils den Monarchen, theils den Ministem vor^^elegt habe? 
JeiM Draksebrift enthält nämlich den Entwurf «inee Patente, der grOerten- 
Ml« mit dm llbereinstiaimt welcher den fOhiiToygreiflidien ReiesioneC 
angehängt iit (nnten 8. U). Bidermami, a. a. O., % 8. 88iF. mit Ann. 48 
auf 8. 186 ff. 

• VA. Fase. Nr 2J A ti H Der (liülunisclicl oberste Kanaler Graf 
Wratidaw und der Ilolkanzler Freilu'rr v, Keilern werden darin als ver- 
»torbeii bexuiubnet, wa» Wolf, ^. 10, nicht hindert, die Denkachrilt einen 
«Antang* dieaer beiden in nennen. Sie ist nach lltO Tevtat, da eie den 
Johann Anton Widnann «1» Hoftath (bei der bShninQiien Hollauislel) 
bezeichnet, was er erst damals wurde (Wnnbneb, Biograph. Leaciken de» 
JUiaerthnms Oeatenreich, 66, 847*). 



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IS 



originalium; 2. claö Chartophylacium der Copeibücher, Auto- uud 
Apographorum; 3. das üsuale oder den Arbeitsraiuu. Fttr jede 
dieser drei Abtheilungen wären vier Untertheilungen erforderlich: 
eine für das Archivum ecclesiasticiim (Goncordate, Bullen, 
fromme Stiftungen etc.), die zweite für das Archivum politieum 
(Privilegien des Er/.lia;ises, prenoalo^Msclie Ducumcnte, Familien- 
verträge, Ländi I ( rw( rl)uii>;on . olFt iuliche Acte mit fremden 
Staaten, Gesandtsebaftsacten, ätänle und Städteprivile^ien, 
Kataster, Urbare, Geographie und Topograpinc der Königreiche 
und Länder etc.), dir dritü tVir die Cameralia (Arten, Urkunden, 
Urbare etc. der Herrschaften), endlich eme lUr die Archiv- 
bibliotbek (insbesondere Gesetzbücher uud Stattiten aller l.aiidi r) 

Die Frage nach dem Personal beantwortet der Anonymus 
foigendermassen : 

,Direetores perpetui sind eigentlich e competentia oflicii 
die Hof- oder Staatskanzler, ^ ohne deren Wissen oder schrift- 
lichen Befehl weder eine Abschrift zu ertheilen noch Einsicht 
zu gestatten ist; die auch wie der Kaiser selbst sa dem 
einmal in Ordnung gebrachten sccretiori archivo membranaoeo^ 
(oben 1) .den trleichförmigen Schlttasel allein haben sollen, so 
dass ohne ihre' (der Kanzler) , Gegenwart kein Hauptoriginal 
hervorgenommen, recognoeciert oder ^peOffiiet werden könne. 
Ein Archivarius, der penes archivurn awiduos sein und den 
Schlüssel zum Oartophylacium secretum autographorum' (oben 2) 
^habeo, die Registratur dirigieren, alle ingroeeierteii Docomente 
collationieren, zu jedem das Vidimns proprio pugno notiormii 
die Ordnung der Registratur und die Arbeiten der Subalteinen 
beaufsichtigen soll. Er soll womöglich der gangbaren Haapt" 
sprachen kundig, auch in Geschichte und Diplomatik erühmü, 
von kern Staat und den Rechten des Erzhanses und der König* 
reiche und Lftnder praxim rerum publicamm et caxneralium 
haben, von gutem Comportament, experimentierter Treue, nicht 
geldgierig, aneh dabei von mäasiger Lebensart sein, ohne Unter* 
acbied der Tagesseiten seiner Funetion absuwarten. Ihm an 
adjuagieien wiren ein wohlerfahrener Registrator und etwa 
drei der besten Ingrosaisten', die die dreierlei Gopienbllcher (je 
eines in jeder der drei obigen Abtbeilmigen) su schreiben hätten. 



* Audi dtes telst auf Entotehung det SduriftatOckt naeb 1780. S. FeUner, 
«. a. a, a 688f. 



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14 



Im IbtereBse der SielMftieSt 4m AxMwb wire wm 
ordnen, da« nie kfinsdiches Licht hineingebnclit und alle 
Vierteljahre eine Sttnberung vorgenommen werde. Die Doch- 
mente sind in Umschlägen zu bergen und in die Repositorien 
nach Jahren, Classen nnd Materien einzutheilen. 

Zum Schlnss gibt der Verfasser zn erwägen, ob der 
Zweck nicht am raschesten durch die Erlassung eines Patents 
zu erreichen wäre, dessen Entwurf er vorlegt. Dieser enthält 
nach weitscli weifigem Eingang die Berufung eines (leni^ral- 
laiidtages nacli Wien, der die Aufgabe hätte zu beraüien, was 
etwa im geistlichen und weltlichen, im Justiz- und Polizeiwesen 
zu verbessern wäre, dem es auch oblflge ,die iura regis et 
gregis auseinander zu scheiden' und ,sodann iuris publici zu 
machen, worin die landesfUrstlichen Rechte sowohl als auch die 
Privilegien und Obliegenheiten geist- und weltlicher Stände 
Unserer Erblande bestehen*. Zur Vorbereitung dieses General- 
cone^resses, fährt der Entwurf fort, ,um keinem SLand in seinen 
Hechten 7Ai präjudicieren', sei es nöthig' ein Staatsarchiv zu be- 
gründen, aus (leni ,aueh zu künftigen ewigen Zeiten was reeht 
und billig sei erholt werden kunne'. Solches zustande zu brinf^^en 
wird schliessHch die Einsend um p: von beglaubigten Abschriften 
der Privilegien von Stilnden. ( 'onimunitHtcu und Einzelnen 
verlangt In solchen Abschritten sind auch archivaUa instru- 
menta und documenta publica vorzulegen, die sich bei ilgend 
wem als Depositum oder ,in Feindesgefahren oder aus sonBtigeil 
Nothdurften geflüchtet' vorfinden. Betreffen aber solche Depo- 
sita ausgestorbene Familien oder säcularisierte geislüche oder 
weltliche Stiftungen, so sind die Originale (gegen Recognitioii) 
an das öffentliehe Archiv des kuaeriiohen Hofes absa- 
liefeni.' 

Man sieht: was dem Verfasser dieses Gutachtens vor> 
schwebt ist weit mehr als ein Hausarchiv, auch mehr als ein 
&HIS- und Stai^archiv im Sinne Maria Theresias: mehr als 
eine Sammlung ,aller und jeder Unser Erzhaus oder die ge* 
sammten Staaten und die Monarchie angehenden Docnmente' 
(unten S. 16). Es ist ein Oentral-RochsarehiT, das neben den 



WoU; 8. »f., gibt dieMii Entwarf ab ein Ton Karl VI. bald nach säinetn 
BfcismicMUilritt wirklich «Immim Patent Vgl. dam BIdarawaD, 
a. «. O., 41. 187f. 



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15 



Haussachen den archivali sehen Niederschlag fast aller Zweige 
der öffentlichen VenÄ'altung in sich aufnehmen sollte. Noch in 
der ersten lläUte des 19. Jahrhunderts ist der Gedanke die 
SchöptuDg der grossen Kaiserin zu einem solchen Centmlai chiv 
anszngestalten, bei einem und dem andern der leitenden Archiv- 
männer lebendig e:L\vesen; aber er hat sich immer schon nach 
den ersten Versuchen tax seiner Verwirklichung als undurch- 
führbar erwiesen. Auch von den Übrigen Anr^^ungeu des 
Anonymus, von dem sehwerflUligen Apparat den er in Be- 
wegung gesetzt wissen wollte, ist in dem schUesslich GeschafTenen 
nicht viel wiederzufinden. Es braucht auch niclit i.,^csagt zu 
werden, dass der Entwurf des latentes Entwurf, die Idee des 
Generallandtag-es Idee gebheben ist. Seit 1606 hat in Wien 
kein Generallandtag mehr stattgefunden.^ 

So war es, als Maria Theresia die Regierung antrat, und 
in ihren ersten Herrscherjahren immer noch an dem, dass der 
Kaiserin selbst, ,der doch am meisten anliegt aus einem solchen 
geheimen Hansarchiv titglifib, ja etUndlich semotis ambagibus 
flure notitias zu erholen, am wenigsten Gelegenheit offen stand 
jemalen in ihrem Archive (daran doch dero höchst schätzbarstes 
Kleinod bewendet) selbst etwas ersehen and, wie die pmdentia 
politica es öfters erfordert, ohnvermerksam, es sei zu eigener 
Curiositttt oder Nothwendigkeit, sich in geheim, doch verlässlich 
informieren zu können'.' Und beim Ausbruch des österreichi- 
schen Elrbfolgekrieges hatte es sich ereignet, dass die snr 
Vertheidigniig ihres Erbfolgerechtes dienlichen Docomente nicht 
aufzufinden waren. ,Man hat leider,^ schrieb sie später, am 
13. September 1749, an den Oberstbnrggrafen in Prag,' ,beim 
Hintritt K. Karls VI. und dem darauf ausgebrochenen schweren 
Elrieg er&hren mttssen, dass zur Vertheidigung Unserer Erb- 
lolg^rechtsamkeiten wider die sich Ycrschiedendieh angebenden 
PMtendenten es an den hieni braOihigteni hier und dort bei 
ehemaliger Beddenawohnung Unserer Vorfahren in den Lindem 
murflekgelasBeaen Hans- und anderen gehrnmen Schriften und 
Dooomenten gefehlt hat Dir seihst ist bekannt, wie vieler 



* Bidennann, &. a. 0., 2, 19€, Anm. 64. 

* jObomaMgebliche Reäexionos', s. obeu S. 12 (fiir die Zelt Karls VI.), 

* TA. Fmc. 1% Nr. 6. Vgl. WoU, S. SS. Der Erlaaa ergieng wOrtiich nach 
dem Tom DireetoriiiB dm Kslaerin Toiyeleglea fintmii^ t. AMmitt H* 



16 



Gefahr das in der 8t. Wcnzeiskapellc bctiiiLÜichc Kronarchiv 
bei den letzten bairischen und prcussischen Eroberungen der 
k. Prager Stiidte ausgesetzt und nur zu bewundem gewesen, 
dass solches aL» exemplo der ehemaligen schwedischen Emtalie 
allda nicht gänzlich hinweggeschleppt worden und also ein 
unersetzlicher Kronschatz verloren gegangen sei. Wir wollen 
zwar nicht hoffen, dass es auf derlei gefährliche Umstände 
jemals mehr ankomnier! werde. Die Vorsicht hincretron er- 
fordert, auch in unverhotlten Fällen hHc und jede Unser Erühaus 
oder sonsi die gesammlen Staaten uiid Monarchie angehenden 
Docnmente und Schriften da wo dw land* ^fürstliche persön- 
liclie Residenz ftofgeschlageDy in einem Archivo beiaammen zu 
halten/ 

Noch bevor fler Krhfolgckrieg durch den Erieden zu 
Aachen (13. October i74ö) beendigt war, hatte der Gedanke 
greifljarere Eormen gewonnen, durch Errichtung einer Sammel- 
stätte für die Haus- und StaatBurkunden die Wiederkehr von 
Verlegenheiienj wie sie dieser Eriass andeutet^ unmöglich au 
machen. 

Als im Jahre 1748 die kaiscrliclie Schatskammer neu 
eingerichtet wurde, fand sich dort eine Sammlung ven Haus- 
acten vor, hauptsächlich aus der Zeit von 1522 bis 1665 stammend.* 
Noch lag die, wie es scheint ziemlich bedeutende, Masse in den 
Truhen in die man sie 1741 eilends verpackt hatte, als von 
St. Pölten lier der Einbruch des bairisch-französischen Heeres 
drohte. Zweimal, im Juli und im October 1748, wurde sie 
▼on dem Eraten Obersthoimeister, dem Hof- and Staatskanzler 
und dem Oberstkämmerer in Augenschein genommen. Man 
besohloes sie in nene, eigens an diesem Zweck angefertigte 
Kasten einaolegen; es sollten Repertorion darüber verfasst, aber 
anch — und dies ist von grösserer Bedemttuig — Verzeichnisse 
der wichtigeren Haasschriften die anderwärts (jhin und wieder^ 
▼erwahrt waren, abgefordert werden. Van Swieten, der Prifect 
der Hofbibliothek, wurde beanftragt die in der Ifanusoripten- 
Sammlung der Pahitina vorfindlichen Docnmente ynebst dem 
was etwa daselbst sonst noch von allerlei su des Erahauses 
Sachen und Handlangen eigentlich gehörigen Urkunden oder 
«ach Ton FriedensseUttssen yorhanden aein mochte', an den 



> B. oalsii Absefanitt IL 



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Arohivälieiibestand der Schatzkammer abzugeben.^ Die Sache 
v,iiid(> woiil darum nicht weiter verfolgt,' weil nicht lang"e 
darnach das Unternehmen der Schaffung eines Gesammt- 
liaiisarchivs auf eine viel breitere und sicherere Grundlage 
gestellt ward. 

Aua d' [11 Au^nist des Jahres 1748 lieg^t noch eine andere 
Andeutung vor, dass man sich in Wien mit der Frage be- 
schftfligte, was den Inhalt eines «olchen Instituts zu bilden 
hätte und wolier dieser zu beschallen sei. Damals schon wandte 
sich die Aufmerksamkeit der fernen Stiitte im Westen zu, die, 
in grösserer Zahl vielleicht als die Residenz, Documente zur 
Geschichte des Erzhauses imd des Staates verwahrte.^ Und in 
diesem Zusammenhang dart erwähnt werden, dass sich ein Jahr 
später der Wille der Kaiserin offenbarte auch das zu retten und 
zu sammeln, was sieh überall an historischem Stoff im schwachen 
Schutz des Privatbesitzes barg. Zwei Mandate, das eine vom 4,, 
das andere vom 12. August 1749,* bekunden diesen Willen. 
Jenes Yerordne^ dass von nun an keinerlei Schriften, Manu- 
scripte und sonstige geschriebene Oollectionen, welcherlei Gattung 
oder Inhalts sie immer seien, aus Privatbesits öffentlich versteigert 
werden dUrfen; es muss vielmehr ein genaues Verzeichnis davon 
bei Hofe eingereicht, das was etwa in die Dikasterial-Registra- 
tnren gehört, sogleich dahin abgegeben, anderes aber nach billiger 
Schätsang von dem Aerar bezahlt und nach Ilof genommen 
werden. Diese Kesolution wird am 12. August sUmmtlichen Grund« 
bUchem in Wien mitgetheilt, damit sie bei solchen Licitationen 
die dazu abzuordnenden Oommissarien und Schätzleute ent- 



*• HofymtolcoU in OemnonUli 1747/48 (im k. «. Ic ObeftttofiniAiatefMiite), 
BL 874*. 418<». 448»: Eintrlgo Tom S9. Jalt, 88. October und SS. 

cember 1748. * 

■ Nicht einmal dio Einle^npf in die nenon Schränke fand statt. Denn 
in den Acten die die Uebergabe an das Uausarchiv (1764) betreffen, 
ist nur von dem Inhalt aweier groner Kisten, ftnf Truhen und eines 
gefloehteoen Koi!>et sowie Ton ^em Xistcben ^it einigen alten SigUlen 
und Peisebsften' die Rede. TA.. Fase 5, Nr. 88. n% 

' Aaftrag den Grafen Cbotek (von der Osterreichtscbea Hofkanzlei) nach 
Innsbruck, Specificationen einzusenden der im dortip^en Schatzarchiv und 
im ober«sterreiehi5»chen Hofkammer*8chatzgewi'ilbo liegenden, das Erzlians 
betreffenden Documente, 22. August 1748. VA. Fase. 1% Nr. 2 (vom 12. Oc- 
tober). Vgl. oben 8. 7. Adler, 8. 818. 

« TA. ffsse. l\ Hr. 4>/s. Tgl. Wolf, 8. 87. 

AnUr. ICD. Baad. I. BUfls. 8 



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18 



sprechend instruieren. Als ßeweggrunci sa solcher Verfügung 
wird die wiederholte Beobachtung angegeben, ,das8 theils bei 

den Verlassenscliaften gelehrter oder sonst in officiis gestandener 
Männer, theils aber in anderen Gelegenheiten allerhand Manu- 
scripta und öfters solche Originalschriften welche Unscrn Staat 
angehen oder gar in Unsere Archiva oder Dika&tcrial IvLu'istia 
turen gehörig sind, licitando verkauft und sogestaltig in die 
Hände der Particularcn, ja wold auch fremder Mächte, nicht 
ohne zu befahrende Benachtheiligung distrahiert werden*. 

Eine richtige Anschaiuing Uber die Wichtigkeit handschrift- 
licher Privatsammlungen, der gute Wille ihre Schätze vor Ver- 
schleuderung zu bewahren, ein geeignetes Mittel diesen Willen 
ins Werk umzusetzen, sind in diesen Erlassen angedeutet. Es 
ist lebhaft zu beklagen, dass dies alles späterhin so wenig be- 
thätigt worden ist.* 

n. 

Sehr bald tku !i dirseu Anordnuni^en, ftlr die allerdings 
ein innerer Zusammenhang mit der UrUndunfiT des Hansarchivs 
nicht nachgewiesen werden kann, ist diese Gründung erioigt; 
gewiss nicht ganz und gar zufällig in eben dem Zeitpunkt, wo 
die ersten grossen Verwaltungareformen Maria Theresias ins 

* Hut aus den uächsteu sechs Jahren linden sich einige äpureu solcher 
fiethmgung. 1763 wtuden di« Hsaiueripta des k. bShmkelien Camassl' 
nthM und k.k. MiawteriallMQeodepototioiM-Biiolihaltsraidirtteton (1) Fnam 

Mathias von Sü«ka f&r das Archiv, die k. k. Bibliothek und die Central- 
stellen lim 400 Speciesdncaten (1666 fl. 40 kr ) angekauft (vgl. Wolf, 
S. 29, Anm. 1). Au« di»»sor Sammlung gewann das Archiv einen Band der 
Correspottdenziioopolilsl. mit seinem Gesandten iu Spanien Grafen Petting 
und Kwei dazu gehörige GeAandtschaftadUrien (vgL w^ter Wolf, S. 57 f.). 
VA. Fue. 4, Mr. 48. 176S wnidau d«r VeilaiMnaeltaft 4m OraAm 
Johaim Ouistoph von Osdt (Pkirid«nt«n der niedsiMttrr. Bap rümat io n 
und Kammer, gast. 4. Februar 1750) auf Grund des Patents vom 18. August 
17 \9 Pinige Mannscripto unentgeltlicii für das ArrluV erworben, darunter 
von dem Bchatzgewülhp- Repertoriuni des Wilheim Futsch (s. oben S. 9, 
Anm. 1 a. E.) der dritte Band und ein jüngeres solches Eepertorium 
(vor 1714) in siebon Bladmi. VA, Fsae. S, tfr. S4». Wm den Dunontsm 
doo k. k. BogisfemtofOB onvortnuit wotden war, kntto aas dessen Hiohlew 
dar gräflich Sbuendorfische Bibliotiiokar I<eeleio SBfeUieb um 10.000 fl. 
ani^'f'kauft. Ftir die Ueborlassung dieser Sammlung gowikrto ihm dio 
Kaiserin eine Pension von 400 fl. VA. Faso. 6, Mr. I. 




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19 



lie1>eik traten und der mit Reelit da der eigentliehe Wendepunkt 
in der mnem Geschichte Oesterreiche beseichnet worden ist' 

Kdn Docnment gibt unmittelbare Kunde von jener Ghün- 
dnng. Eine Stiftangsurkunde ist nicht yorhmnden, ist wohl auch 
nicht ausgefertigt worden; ein schriftlicher Befehl aur Errichtung 
des ArebiTS hat sich ni^t gefanden.* 

Der Inhalt des B^ehls^ der Tielleieht nur mttndlich er- 
theflt wurde,* ist angedeutet in der ersten Ausarbeitung des 
Mannes, den Maria l^eresia mit der Aufgabe betraut hatte, ihr 
Haiisarchiv einsnrichten. Sie habe, erklärte sie, beschlossen, das 
geheime Archiv ihres Erzhauses ,in vollkommenen Stand und 
Ergänzung zu setzen' und die diesfUllige Einrichtung und Ob- 
sicht dem provisorischen Hofsecretär des Directoriums Theodor 
Anton Tauiow von Kosenthai'* auigetragen. Diea war auf 

> Ton Fallner, a. a. O. (a. S. 11, Anm. 2), 8. 681. 

* VerwmiderUeberweiie liaben aieh Staatdouuitoi und di« Anhivdirao* 
tortn selbst Uber den Zwtpunkt der Gründung und die Penon dee Gr1lii> 

dera lange im Unklaren befanden. Wiederholt findet man in den VA. 
dor Jahre 1808 — 1821 die Behauptung, da« Hauaarchir sei 1752 zugleich 
mit der Staatskanzlei (!) von Kauuits gegründet, ,neu zusaiutnen^esetzt' 
worden. Erst der Director Freiherr von Reiuhart hat 1840 dem J&lire 
174« so MiiMB Baeht verholfea. (VA. Fmq. 40, 1840/6.) 

* Etwa im Jwü oder Jnli 1749, deno die oben sofort s« erwibaeiide Denk- 
adirift Hosenthab hat am 14. Au^t den Gegonitaiid der Becatimog im 

Direktorium '^f>hi!fli"'t f-J nnteii S. 24 f.). 

* Hormayr 1808, S. 173»; 1810, S.418» gibt als soino Goburtadaton l'ya^ 1702 
ao. Das Archiv fttr Geographie, Historie, Staats* und Kriegskunst, 1816, 
ft. 488 bemerkt hiem berichtigend ond ecgiuead, er sei n HiMsebeim 
am IS. Jianer 1702 foboren; dieser Angabe folgt Worebaek S7, SS. Die 
«stsir. Natioiua-En(7kIoi»idie (von Otlffer und Csikann), 4 (Wien 1886), 
416 nennt den 12. .Tiuii. Das Jahr wird durch den am Schluss dieser 
Aiini citiArt*»n Nohilitnii n«firt lH>st;it.igt; zweif»'lh«ft bleiben Ort und Tag. 
Deuu nach gütiger xMitllieüung des Herrn Domcapjtular» Dr. Bertram «u 
Hildesheim ist in den Taufbüchern der dortigen vier katholischen Pfarreien 
m 170S die Tkofo eiaes Tb. A. Tankw-Bosentbal niebt eingetragen. Sein 
Vater Jobsam Ghriatepb T. sngenaant B. stead (naeh Anssnge jenes No- 
bilitationsactes) in Diemtoa des genannten Hochstifts, anfoogs a,h Ge- 
heimer Staats- und Kriegssecretarius, dann als Oberster Kriegscoramissarius 
bpi <ien im {isterreichiscben Successionskrieg in österreichischen Diensten 
uacii Italien abgeschickten HUdesheimiachen Truppen, endlich als Hof- 
ond Bflgiemngsmib. Dem eben genannten boekwSidigen Gelehrten ver- 
danke leb aneh die aas den Acten des Gymaadnm Josephiwnm sn Hil- 
desheim geeehO^fte Nachricht, dass dem Theodor Anton nm 26. und 
S7. September 1718 als Sebfiier der sweiten Classe in deni H huUUama 

2* 



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20 



Empfeblmig des BdliiiiiBclien OWsten Kanslen Grafen Friedrieh 
Hamcb geschehen,' dem die Eignung seines SohtttsÜngs zu 
solchem Berufe aus dessen langjähriger Thatigkeit bei der BOhmi- 
sehen Hofkanzlei bekannt war, wo er eine Zeitlang das Amt 
eines Archivars bekleidet hatte. Er war ein Mann von gründ- 
licher historischer Bildung^ an dem auch die grosse Leistung 
Mabillons und seiner deutschen und österreichischen Nachfolger 
nicht spurlos vorübergegangen war und der wenig^stens auf dem 
Wege der Correspondenz mit pfeschic htsforschendeii Zeitgenossen 
einiges von den .Selültzen des ihm anvertrauten Archivs anderen 
nutzbar zu machen äuelite, wenn auch von seinen zahlreielien 
eigenen Arbeiten nichts an die Ocffentlichkeit iretreten ist - 

Die erwilhnte erste Ausarbeitung des neuen iiausarchivars 
ftihrt den Titel: ,0hnmas8gebigste Retlcxiones und unterthänigstc 
Anfragen die Errichtung dcü kaiserlich-königlichen Geheimen 
Hausarchives betreffend*.' Sie trägt kein Datuu», Zu Papier 
gebracht ist bic wohl im Juli oder in der ersten Hälfte des 
AiiLTiist 1749. Aber die Sachkenntnis und der sichere Blick 
womit iiosenthal die Fülle der ihm gewordenen Aufgaben Uber- 

,8edeeW «ias wichtige Rolle anTsrteant wsr. In sebr nnvolbtiadiff 
•riwlteii«n Belittlftrlitlen wurde aein Nene nicht geAinden. — 17S7 tnl 

er in die BShiniKche Hofkanzlei ein, zuerst ,ad mantu* des Hofrath» v. 
Antfeld, dann al« SecretKr de» Obersten Kanzlers Cir.ifen Ferdinand 
Kinsky. Er rückte «um ('oT)oij>i«ton. Archirar, liatlisprotokoUisten nüd 
Secretär jener Hofetelle aut und wurcie nach ihrer Aaf hebung (M«i 174y; 
provisorischer Hofiraerettr beim Directoritim in pnblicis et eeneirftUlnie. 
Am 91. JInner 1749 Terllefa ihn die Kalaerin den bShmieehen Adebtand 
nit dem von »einen Torfidiren ftherkennwien Gesehleehtsnemen und 
Prldieet Taulow von Ro«entbal und den ererbten Wappen. Nachrichten 
über seine Familie tind seinen Lebensgang big 174?^ enthSlt der Act 
,Rosontbf«l' M748 49. Gesuch und Diplomseoneppt) des k. k. Adelsarchivs 
in Wien, der auch von Warabach S. 33 beimtat ist. Vgl. Kratochvfl in 
der Allgemtfnen dentaehen Bi(^raphie, 37, 461^ fT. 
» So Hopt 1780. 

* XralochTfl, a. a. 8. 466. Fiedler in der Slaviachen Bibliothek, herausg. 
von Miklosich und Fiedler, 2 (Wien 1868), 8. 2 ff. Ein bis c. 1762 
reichendes ViTTfichnis dieifr AtisarbeitnniT'n flntlot xicb f^rMnss der 
,KurBen Nachrieht von di r Krriehtnnp des k. k. Umversal-Haus- und 
KronenarchivsS die im Anliang gedruckt ist. Vg'l, Wolf^ S. 86, Anm. 1. 
Nach dem Arehir fllr Geographie ete. a. a O. und der Oeiterreiehiaehen 
HatiooaloEaejklopldle a. a, O. (a 8. 19, Anm. 4) haben Boaenthala 
86fane Beine Ibaneeriple der Yereiniiftett Hofkaaalei geeehenkt 

* VA. Fatc 1% Kr 8% Orig. und Oop. 



21 

schaute, legen die Verniuthimg nahe, dass er sich schon seit 
geraumer Zeit eingehend mit ilinen beschäftigt hatte. 

Was fiir Documente waren in dem neuen Archive zu ver- 
einigen, und woher waren sie zu holen? War die erste dieser 
Fraj^en aut" Gruutl rein theoretischer Erwägungen zu beant- 
worten, die dem Begriflf eineti österreichischen Hausarchivs 
zu gelten hatten, so erforderte die Lösung der zweiten eine 
genauere Kenntnis der staatsrechtlichen Wandlungen, durch die 
die Urkunden vorrätlie des Erzhauses in die einzelneu Theilc des 
Ländnv (iiupiexes zerstreut worden waren, sowie einige Vertraut- 
heil mit dem Organismus der öffeuÜicbeii Verwaltung und ihrer 
Geschichte. 

Nach dem Vorschlage Rosenthais, den die Kaiserin in dem 
an ihn gerirhtpten ,Decrctum instructivum' vom 13. September' 
bilh'ete, sohlen den Inhalt des künftigen Archivs Documente 
folgender Art bilden: 

1. Eigentliche Haussachen: Privilegia domus augustae, 
documenta genealogica, pacta famihae, Erbtheilungen und Ver- 
gleiche, Heiratscontracte, Verzichte, Testamente, Vormundschafts- 
bestellungen und andere acta domus singulana seu domestica; 

2. Urkunden die die gesammton Staaten oder die Mon- 
archie betreffen, als acqnisitiones regnorom et proTinciarum, 
sanctiones pragmaticae, pacta Baccessoria, confratemitatum et 
confoederationum hereditanarom, compactata, foedera, Conven- 
tion es cum ezteris principibiis et provinciis, acta et instnuaenta 
pacificationum, armistitiorum und dergleichen; 

3. die Particularländer betreffende Acten, als privilegia 
et conatifeationes proyinciamm particularium, privilegia statanm, 
oppignorationes et alienationes appertinentiaramy limitanea etc. 

Es war also die Schöpfong des Jahres 1749 als ein 
Haus- und Staatsarchiv gedacht, wenn ihr aach damals und 
noch lange nachher fast ausschHessHch der Käme eines Hans- 
arcbivB gegeben wird.' Und dieser Qedanke ist lebendig ge- 



^ Bbend., Kr. 6. T^L Woli; 8. 28. Bs ist aAnmämt «a dm ,kuB«rUo]i- 
kSnlgliehaa Bath' (h. unten 8. 85) «tuul Oeheinen Havnrdiiwiui Theo- 
dor Anton von Roaentlial'. 

* Man findet in den Acten der ersten Zeit tulgeude Bezeichuungen : k. k. 
Geheimes Haiuarchiv (die Kaiserin und Rosenthai), Geheimes Uaupt- 
StsatMiehiT (Haugwits 1760), GeneM]>H«iiMureIiiT (Butsutoin)« Ham- 
und GtohaimM AfcbW (Kaimrin ei^hindig), Qebeinies Vniveraal-Haa»- 



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22 



blieben bis ziim heutigen Tage, wenn auch keineswegs durch- 
greifend wirksam. Die dritte der angeführten Gruppen hat sich 
ihm je später desto weniger geftigt. 

Der Bereich aus dem der so abgegrenzte Stoff am Kaieerhof 
zusanunengcbracht werden sollte, ist in den ^Ohnmassgebigstcn 
Reflexiones^ mit grosser Sachkenntnis umschrieben. 

Zunächst ist von den schon vorhandenen, aber in den Erb- 
ländem zerstreuten Hausarchiven die Rede. Ihrer bestanden 
drei, in ihrer abgesonderten Existenz hauptsächHeh durch die 
Ländertheihmg Ferdinands I. begründet : zu Wien, zu Innsbruck 
und zu Graz. Im Centrum des Reiches war das ,kaiserliche 
Hausarchiv* in zwei , Behältnisse^ vertheilt: das Gewölbe in 
der Schatzkammer,* enthaltend neuere Urkunden aus der Zeit 
von 1522 r Brüsseler Vertrag') bis 1056 imA vielleicht noch 
weiter hcrani, und das ,ahe Regierungsarchiv* im ,Schatzgewöibe' 
Her Hofbuii; mit weit lilterem, bis über Hie Zeit Rudolfs I. 
zurück-,^ al)f'r nicht über c. 1548 hcrabreichendem Inhalt. 
In Innsbruck lagen .dem Vernehmen nach' nicht nur solche 
Documentc die seit der Ländertheilung von 1564 dort erwachsen 
waren, sondern auch andere, das gesammte Erzbaus betreffende, 
sehr ^vichtige Urkunden von den ältesten Zeiten an.^ Endlich 
das Hausarchiv in Graz, auch dieses seinen Ursprung auf die 
Ferdinandeische Ländertheilung surückfUhrend, aber ebenfalls 
ältere wichtige fiaaBarkanden^ bergend. 

archiv (Rosenthal nnA Preysslehen), Universal -Haus- ntiH Kronarchiv (Ro- 
senthal). Hops 178Ü sagt, die Beuenonng .UniverKal-iiausarcbiv* sei 
gleich anfangs bestimmt gewesen, weil alle die gatuse MonaroliiA und 
d0D 8iut in oomplttxa anfehenden Urknndeii ^uin niedergdefl wecden 
mUttn. Deff AKbiTdiraetor iLbM Solimidt (1780— 1794) gebraucht M« 
und da die Bezeichnungen «Staatsarchiv*, ,Hau8- und Staatsarchiv*. In den 
Staatsharidbdchern erscheint das Archiv orst seit 1806. In diesem Jahr- 
gang heisst t'M ,K., auch k. k. Geheimes Hof- tind llaiisarcliiv', 1S07 bis 
1829 ,K. k. Geheimes Staats-, Haus- und Hofarchiv', 1830— ,1L k. 
G«lieime8 Baut-, Hof- und StaatiardiiT*. Das Beiwort jMeim* enebeiiit 
im Jahrgang 1848 sam letstenmal. 
» S. oben S. 16. 

»Nach den alten Schat3;g:cwr>lbo-Kopertoricn (s oben 8.», AlUD- 1), di« 

Rosenthal damals noch nicht kannte, bis lOO^. 
• Vgl. oben S. 7. 

^ Deren mehrere dem P. Steyerer für feine Historia Alberti IL dneie nii- 
getiitiH worden wann. — YgL A. Kapper, iQtth. tau dem k. k. 8talt^ 
halteniaMhiv« an Gru (Gtan 194»), 8. 7 (69)«: 



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33 



In Bweater Reihe siehl Rosenthal die in den Erbl«nden 
befindlichen Landesarchive in Betracht^ da aach in ihnen 
Dootimente liegen, ,woian der Landeaftlnt dm gritasten Anlheil 
nimmt': solohe die die privaten landesfllrBtliohen Hanareehte 
und andere Hannaehen betrefi^sn; dann Urkunden die die iura 
Qoronae des Fttratenthiuaa und des gansen Staates in complezu 
angehen; endlich die von den Landeoftlrsten sdhet den Ständen 
und Bewohnern veriiehenen und beatäiigten FHTilegien, erlheil« 
ten Bevene und andere den Sünden und Bewohnern geltende 
Urkunden. Was die zweite Kategorie hetrüRy w> stellt es Kosen- 
tiia] dem aUerhOchstan Ermessen^ aaheimi ob nicht, ^ur Ver* 
meidung allen Auftehens^, die Originale bei den Ländern an 
belassen und nur begl&ubigte Abschriften zu erheben wären, 
,weil der LandesfUrst die iura seiner Staaten und Länder^ so 
zuj^leich seine eigenen sind, vornehmlich zu vertheidigen hat, 
mithin aucli davon die genaueste Wissenschaft haben rauss*. 
llmsicLÜich der dritten Gattung ist der Archivar der Meinung, 
dass die dahin gehörigen Ongiiiaie den Stünden nicht aus den 
Iländczi genommen werden können; ,wcil aber dem Landes- 
fürsten hauptsächücli daran gelegen und nöthig ist zu wissen 
was für Privilegien und Freiheiten die Stände und Inwohner 
eigentlich haben oder nicht haben', so könnten davon i>eglau- 
bigte Abschriften nach Wien gebracht werden. Im Einzelnen 
und auöfühdicher wird auf das böhmische Kronarchiv - und das 
Archiv der böiimibchen Landtafel zu Prag hingewiesen. 

* ]>•• DeorstaB imtnusliTiiBt vom Ii. SaptMnbsr wflnNbt, dais sneh die 
Original« dar swclten Kategorie naeh Wien gelmdit and daülr, glMeh- 

wie von der ersten, Ahioltriflen mrflokgelaMen werden. 

• Wm über die einig^ennassen unsichere GeMchichle dieses Archivs (vgl. 
Bretbolz in seiner Besi»rech»uig von H. Jireceks Korunni Archiv ^esky 
{dsi& bübmiflcbe Kronarcliiv], Prag 1896, in der Zeitschrift f. d. Geschichte 
lUhrene und Sehleeiens, 1>> [1897], 73 f.) in den VA. von 1750 (Fase. 1>, 
Nr. 22 C umk E, Faie. 1^ Nr. SO) gangt lat, sei hier miimweafiiwend 
nilgeMIt. £■ lag nraprllnglieh in der Weaaeb k a p rtle daa Doms an 
Frag* Karl lY. Übertrag es sammt den Beichsinsignien und Reliquien in 
das von ilim orhniitp Schloss Karlstein, in ein , tiefes Gewölbe' der im 
Thurm botintilichen Krouzkai)ollo. Der Eingang dazu war am Fuhso des 
Altars; vier ÖchlUsael ufftieteu iiiu, von denen jeder Stand des König- 
feieliB ainea yarwahrte. 1611 wogen daa Piiüiniifihen RinliUa und apUer 
wagen der Beligionannrahen wurde es nebat den Intigniea wieder nach 
Prag gebracht and bei <I> ; 1< hilglichen Landtafel niedergelegt. 1719 end- 
lich Itam der gtOarte Theil des Archirs in ein nea aiageriahlateo Oe- 



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24 



Zuletet regt Roflcnthal an, auch aus den in Wien nnd 
in den Ländern befindlichen Registrataren der Central- 
nnd mttelbehdrden die darin Torbandenett widitigen Original' 
Urkunden in das HaupthauBarchiv au übertragen. Genannt 
werden in Wien: das Archiv (Registratara pablicomm) der 
ehemaligen Böhmischen Hofkanslei, die frühere Oaterreichiache 
Hofkanzlei-Registratnr/ die Hofkriegsraths-Registratur* Cwefl 
seit 'Leopold L die den Türken wieder entrissenen und neu 
eroberten Lflnder durch das IMQlitare administriert worden'), 
die alte KammerregiBtrator' im kaiserlichen Hoftpital^ und die 
k. k. Hof- und Staatskanil«; in Prag: die alte Reichsregistratur* 
(iworin vielleicht von Karb IV. Zeiten her einige Original* 
doenmente, welche hmite abgehen, zu finden sein dürften^, die 
alte stattbalterische Registratur (,worin von der Hälfte des 
15. Jahrhunderts als von Anfang der weltlichen Obersten Kanzler 
bis zur Zeit der nach Wien vorlegten Residenz die böhmischen 
Kanzlei-Acta und Documenta verwahrt liegen*) und die alte 
Kammorregistratur. 

Ucber Roseuthals Vorscliliigc berieth das Directorium am 
14. Autjust 1749."^ Es i rkaiuäte die Vereinigung der von dem 
Hausaichivar bezeichneten drei Classen von Documenteu für 
höchst nothwendij:;, niclit nur weil sie in ihrer Zerstreuung Uber 
die Kioniiinder bei feindlichen EinfUllen gefährdet seien, sondern 
auch um sie «gesammelt und bei der Hand zu haben, wenu es 
wieder einmal gälte gegnerischen Prätensionen entgegenzutreten. 

wVlb0 oebttB der Wenseltkapelle; der Beet blieb bei der LeadtalaL Von 
da «B bie nun 19. Febraar 1760 (i. anten in III. Abeehnitl) war jene« 

nur ein einzigesmal geSlFnet worden. 

' V-1 Wolf, S. 129 f. 

' Langer a. cl. ohen i». 9, Anm. 1 a, 0. 

* Wolf, a. 1Ü3 tT. 117. 

* AnS dem heutigen Ballplatz (bis 17ö4}. IC Weiss, Geacliicbte d. Offeotl. 
Anatalten etc. flir die Atmwrenofgwg in Wien (Wien 1867), 8. 101 IT. 

* Beiebdiofkanslei» nnd Beicbahofrafbsuten, die eich in Pmf snr Zeit als 
Kadolf II. und der Reiduivleekanzler mit einem Theile der RcicliskaoBloi 
dort residierten, ange<(Ainrae1t hatten. Vgl. Kretschmajr im Archiv für 
«sterreichixche Geschichte, ö4, 421. 

' Protocoilum Directorii in pubU et cam. sesaionis extraordiuariae pome- 
tidiaaee de dato 14. Angasti 1749. Anweeend Havgwiti (PriUdeatX 
Snnuneran, SannogieMer, Cettoi Seeretire v. Eg«r, Hiom. ML, Böhmen. 
Vgl. Wolf, 8. 2ft, Anm. 1» wo dieses Protokoll ale ,nieht vorbanden* be- 
Beichnet wird. 



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25 



Bezüglich der Unterbriiigung dess zu Sammelnden schloss sich 
das Collegium einem Vorschlag an den der Hof baudireotor 
Graf Sylva-Tarouca der Kaisorin gemacht hatte und der dahin 
gieng, das Gebäude der eliemaligen Oesterreichischen Hot k.mzloi 
durch einen neu zu ci lichtenden Tract mit der alten Kammer- 
registratur ^ zu verbindeil und diesen Mittelbau mit p;uten, feuer- 
sicheren Gewölben zu versehen. Dem Protokoll ist auch der 
Entwurf des kaiserlichen Beglaubigungsschreibens fUr Kosenthai 
an den Oberstburggrafen von Prag* einverleibt. Jenes sehliesst 
mit dem Antrage der Bitte des Hausarehivars um Verleihung des 
k, k, Rathstitels zu willfahren, dn er Archivar schon vor vielen 
Jahren bei der Böhmischen Hofkanzlei gewesen sei und gc- 
heissen habe Diese Vorschlttge und Anträge fanden die Ge- 
nehmigung der Kaiserin. 

Die Fragen nach dem Was und nach dem Woher, in der 
Denkschi lü liosenthals griindiich behandelt, waren damit — ■ zu- 
nächst wenigstens insoweit Böhmen in Betracht kam — be- 
antwortet, und zwar durchaus im Sinne der Denkschrift. Eine 
Reihe von Fragen des Wie: wichtige Einzelheiten der Ein- 
richtung und Organisierung, biJden den Gegenstand der Er- 
örterungen eines zweiten, im Jahre 1750 niedergeschriebenen 
Gutachtens.^ Sein Verfasser ist nicht genannt; aber manches 
spricht daf\\r, dass dies eben&Us Bosenthal ist. £8 liegt in zwei 
sauberen Abschriften vor, v«l denen jede eine Correctur von 
der Hand des Hansarchivars aufweist. Von eben dieser Hand 
ist ein roher Entwurf^ niedergeschrieben, aus dem einzelne 
Ideen — die Anlegung der Copialbilcher betreffend — sich in 
nahe verwandter Form in dem Gutachten wiederfinden. Für 
Rosenthal spricht endlich auch das Interesse an böhmischer 
Diplomaük und die Vertrautheit damit, die in dem Gutachten 
zutage treten. Rührt es wirklich von ihm her, so ist es wohl 
in der Reisepause von Juni bis September 1750 (s. Abschnitt III) 
zu Papier gebracht 



> Jmm hinter der Baic1ulK«iislei g«fen die Sobanfleissase so, diese im 
kaiserlichen nofiqntal auf dem BaUi>latie. 

« ö. oben S. löf. 

* VA. Fase. !• Nr. 22 C. Es ist utuiatiort, aber im Coutext voo dem 
,^egenwäriigeu Jahr 1750' die He<ie. 

* ,Geiienl>Sefleiiottei «nd Kotae m Behuf der AjrahiV'Etnriehtang*, VA. 
Feae. 1\ Mr. SS D. 



26 



Dieses EUborat fllhrt den Titel: ^Unvorgreifliche knrae 
Gedanken die Errichtung' (I. Einriohtiuig? ) »des keis. ktfn. 
Gebeimen HauBarcbive betreffend'. Da die Qnaeetio an bereits 
bejaht ist, beschiftigt es sieh, sie unberOhrt lassend, sofort mit 
den ArohiTiftumen. Diese sollen frei und trocken gelegen, von 
benachbarten Feuerstfttten soweit wie nur immer möglich entfernt 
sein, genttgendes Licht und gute Luft haben. Alle diese Eigen- 
schaften seien bei dem in Vorschlag gebrachten Ort (»gegen 
der k. k. Bibliothek unter dem sogenannten Augustinergang') 
ansutreffen, yoiansgesetst dass das im Wege stehende Kranken- 
haus' verlegt wird; dieser biete noch ausserdem den Vortfaeil, 
dass er einen weiten Plats vor sich habe^ was bei einem Brand 
von ungemeiner Httlfe sei Vier geriumige Gewölbe werden 
erfbrderiieh sein, nebst einem Vorgewölbe, das aur Unterbringung 
voluminöser Archivalien und Karten, neu einlangender Schriften 
und der Geräthschaften au dienen hitte. Ausserdem ein Amts- 
und Arbeitsaimmer ftr den Archivar mit den Gopialbiloheni, 
Registern und wicblageren Amtsacten; ein grösseres Smmer 
ftür die übrigen Beamten und Schreiber; ein Registraturzimmer 
ftlr die ,Current*-Acten des Archivs. Die vier Hauptgewölbe 
und das Vorgewölbe sollen mit ver{ji;ittcrten Fenstern, eisernen 
Thüren und Fenstcrhulcn wohl verwahrt sein. Zur Bergung 
der Archivalien seien Truhen wie sie sich in dem alten Schatz- 
gewölbe linden nicht zu empfehlen, da sie die Keihung, Nach- 
tragung und Aushebung der Docuracnte allzusehr erschweren; 
auch oflFene Stellen seien weder p:eschickt noch rathsam. Es 
wären vielmehr Schränke mit Schuhladen, verschliessbai durch 
Thuren mit ülasl'enßtern, herzustellen, wie sie sich auch in 
dem Kronarchiv neben der Wenselskapelle in Prag trefflich 
bewährt hätten. 

Den Bestand des Archivs hätten sechs CUtösen von Do- 
cumenten zu bilden: Urkunden betreffend das Erzhaus, die 
gcsammte österreichische Monarchie in complexu, die Krone 
Ungarn, die Krone Böhmen, die Länder Nieder- Ober- 
Vorder- und Innerösterreich und die spanischen Länder. Nach 
diesen sechs Classcn ibt der gesammte Archivbestand auch 

' ZuDlehtt der Aagwti&eridfdie ftiad «in kldnof Kraakenhans (JCnuiken-' 
hMm von Hof, Weiskwn, S, 41, bei Namner 754 ; ,Hof krankenhaus bei 
den Au^u8tiMorn', Horinayr 1826, S. 14). Eb wurde swif^ien 1763 wd 
|766 abgetragen (Uormayr 1826, S. 



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87 



äusserlich (,quoad ordinem reponendi') zu theilen und zu ordnen. 
Für die vier letzten Classen (Urkunden der Erbländer) werden 
Unterabtheilungen vorgeschlaj^^en ; dabei wird aber verständiger 
Weise vor der BildunjOf allzu vieler und ,allzu genauer* 
Abtheilungen gewarnt, di«; tiefer gehende innere Gliederung 
vielmehr dem Realindex überlassen. 

Als ^ordentliche und gewöhnliche^ Archivarbeiten werden 
bezeichnet! 

1. Die Antcrtigunp von ,Cüpeibüchern^: von genauen Ab- 
schriften aller Archivf«tii( kf> und von Uebersetzuncren der in 
wenig üblichen Sprachen abgeJassten Die Orthogra]ihic Her 
VorlniT'^n ist beizubehalten, dif Siegelorter sind zu be/i i< lincn, 
,nicht auszulassen was die Kichtigkeit der Urkunden zweiielhaft 
machen könnte^ 

2. Die Anlegung von (sechs) Hauptreo;istorn nach den 
sechs Classen (und deren Unterabtheilungen) der Bestände: 
Kegesten in der Sprache des Originals wenn es sich um deutsche 
oder lateinische Urkunden handelt, sonst in deutscher Sprache. 

3. Zu jedem dieser sechs Hauptregister ist ein Index 
realis oder materiarum, Uber das gesammte Archiv ein Index 
universalis omnium materianmi zu verfassen. 

Endlich 4, ein Index chronologicus, entweder jgeneralis' 
oder nach den aeohs Uanptgruppen getheilt. 

Sodann werden die archivalischen Nebenarbeiten an^e- 
stthlty die ,nicht allein zum bessern Gebrauch des ArcbiTS nnd 
guten Unterricht der Nachkömmlinge dienlich sind, sondern 
auch andere nütaliche Kenntnisae und Nachriditen an Hand 
geben': 

1. Ansziehung aller Documente aus der gedruckten Lite> 
ratnr, die das Ershaus und die Erbländer betreifen; 

2. Anlegung eines Glossarium diplomaticum aus den 
deutschen, lateinieeken und böhmischen Urkunden des Archivs 
(jvocabula Redensarten Namen Oerter Tftge und dergleichen, 
auch besondere Schreibarten mit gehörigem Qmnd an erläuternd; 

3. die Fortsetzung der bereits begonnenen ,Specialein- 
leitnng zur diplomatischen Wissenschaft von Böhmen', Aue- 
debnnng dieser Arbeit auch auf andere &blllnder. Die Noth- 
woidigkeit einer bl^hmischen Diplomatik wird mit dem Hinweis 
auf die Urkunden aus der Römischen Ktfnigsaeit Wenseis be* 
grOodet Viele von diesen sind TerdSclitigt worden, da das 



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88 



ExauetoratioiiB-Instnimetit von 1400^ den Kfinig u. a. aach be- 
schuldigte Pergamente mit angehttugtem KQnigaBiegel in bianoo 
▼erkauft zu haben, so dasB eie der Käu&r mit beliebigem Text 
SU versehen Termocht hätte; andere hatte man angefochten, 
weil sie m einer Zeit ausgestellt wllren da der KOnig noch ein 
Kind war; 

4. Fortsetaung der yberetts mit einem siemlichen Vorrath 
in Bohemicift angefangenen Sammlung Abseichnung Unter- 
sachung und ntttdichen Anwendung' der Siegel. Ffir die 
älteren Zeiten ist die Ergänzung aus den geistlichen Archiven 
au beschaffen; 

5. Aufoeichnung und Erläuterung der in den Urkunden 
vorkommenden LrrthUmer und Fehler, undeutlichen Ausdrucke, 
Stellen aweifelhaften Sinnes; von Urkunden die ,einer Quaestion 
oder Stritt unterworfen' oder die ^ vorherigen Umständen 
und Angelegenheiten desideriert worden; von gelegentlich vor 
kommenden nfitaliohen Sachen und momentis, die eveniente casu 
dem Gedächtnis und der Nachsuohnng entfliehen könnten'; 
von gewissen Materien und Nachrichten, deren künftigen Gto> 
brauch und Nutzen man vorsieht. 

Welchem der , Staatsminister' das Archiv unterzuordnen 
und die Archivschlüssel in Verwahrung zu geben seien, wird 
der allerhöchsten Entscliliessung anheimgestellt. Ohne des vor- 
jiresctztcn Ministers Wissen und schriftlichen Auftrag oder 
sonstige Legitimierun<j wilre niemandem dem es nicht kraft 
Amtes zukäme, Zutnti zum .Vi t luv und Einsicht in die Copei- 
bilcher und Register zu gestatten noch eine Abschrift, ein 
Auszug oder eine Auskunft daraus zu ertheileu- dw. Aushebung 
einer Originalurkunde aber dürfe nur in Gegenwart des Mini> 
sters erfolgen. 

Das Amtspersonal hatte ausser dem Archivar aus einem 
wohleHahrenen Rcgistranten und etwa drei der besten Schreiber 
als Kanzlisteii oder In^ro-^^i-üMi zu bestehen. Der Archivar 
hat die i^o.kiiimtc Gesehalisgebahruug zu leiten, die Arbeiten 
seiner Untergebenen einzutlif^ilen und zu Uberwaciien, alle Ab- 
schriften die f\\T die Cop* il)richer und aus diesen fr-emacht 
werden zu cuUationiercn, jene aucli eigenhUndiV zu beglaubigen, 
die verlangten Auskünfte und Ausarbeitungen reibst zu verfiftsseo. 

* Deatsche lteidi«tiigsMt<»D ontAr Kg. WoiimUS, ^US. DieBt«»!!« 8.266, Aft.4. 



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29 



Der Hegistrant soll dem Archivar in allem an die Hand gehen 
und die Registratur der Amtsschriften besorgen. Die Kanz< 
listen sollen ,vollkommen schöne Handschriften von wohlge- 
setzten, reinen und gleichen Buchstaben ohne mindesten Mangel* 
haben und wenigstens des Lateinischen und Deutschen kundig^ 
einer auch in der böhmischen Sprache erfahren sein. 

Zum Sclihisü bezeichnet sich das ii!nfHn<;r('iclit' Elabo- 
rat als ,unvorp;reifliche erste Gedanken*, isi, wie obon wahr- 
scheinlich zu machen versucht wurde, Rosenthal wirklich der 
Verfasser, so darf darin wohl der Einriehtuii^^splan ( rblickt 
weiden, drn jener laut einer spätem Autzcichnnno^ ^ dem Di- 
rectonum übergeben hat. Nach derselben Quelle fand er den 
Beifall dieser Behörde. Der Hofrath Kannegiesser sagte in 
seinem seliriftlichcn Votum,' er wünsche nichts xw-hv als Zeit 
und Kräfte das Hausarchiv auf diesen Fuss einzuriciiten, dann 
könne sich das Haus Oesterreich rühmen eines der schönstett 
Archive zu haben. Alle Hofräthc äusserten den Wunsch, dass 
auch die Registraturen auf ähnliche Art, soweit dies eben auf 
sie anwendbar sei, hauptsächlich nach den Materien, einge» 
richtet würden. 

Einiges Wenige in diesen Ausüihningen — insbesondere 
was von dem ,Mini8ter* und dem Archivpersonal gesagt ist — 
scheint Bekanntschaft mit den ^Ohnmassgeblichen Reflexiones' 
aus der Zeit Karls VI.' «n vf rrAthen. Und manche Einzelheit 
des Flanes findet man, wie die folgenden Mittheilangen werden 
erkennen lassen, später in der Innern Einrichtung des Archivs 
wieder; aber noch viel mehr davon ist niemals durchgeführt 
worden. Das musste das Schicksal von ,ersten Gedanken' sein, 
die einem noch gar nicht vorhandenen Archive galten. Erst 
»US der Wirklichkeit des endlich susammengebrachten Archiv- 
stofis konnte sich ein einigermassen befriedigender Einrichtangs- 
plan entwickeln. 

An dieser Stelle fesselt noch ein Blättchen kleinen Formats, 
dicht beschrieben und vielfach corrigiert,^ unsere Aufmerk- 
samkeit Es enthält laut seiner Ueberschrift ,Be8ondere be- 
danken aar Einrichtang' (des Archivs); Gedanken so eigener 

» Hop« 1780. 

' Es liegt in der HaniUcbrift Kannegiessdrs der Denkschrift bei. 

• B. oben 8. ISff. 

* YÄ. Tmac l\ Nr. ad D. 



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30 



Art und BO weitauBgreifend, dass ebe nahem vottständige 
Wiedergabe aeineB lahalts gerechtfertigt sein dflrfU. IKe Auf- 
aeichnung Btammt auB der Zeit awiBchen dem ChründangB- und 
dem Einriohtangsbefehl (1749^1753). 

,Wenn Männer', schreibt der unbekannte VerfaBser, ,in 
daa ArchiT fbr beBtItndig an<;esteUt wttrden, um alle jetst bei 
den Hofkansleien liegenden Agenda, wovon die Beweise auch 
schon im Archive sind, ansauarbeiteni dadurch wtirden bo viele 
Schreibereien mit Noten und Qegennoten aufgehoben, die Mtthe 
Abschriften zu machen und au communicieren von einer Stelle 
zur andern erspart das Geheimnis weit besser im Archive ab 
in den Re^straturcn, wo die ganze Verhandlung unter theüs 
unverstUndif^en theils unbesonnenen Leuten niedergelegt werden 
uuiijö, vcibcliwicgcn bleiben, die Sache selbst besser verhandelt 
werden, weil mau die Pnoici! in einer ganz andern Ordnung 
[und] kürzer iialtcti würde, indem diese sich blo8.8 auf solche 
Aubaj beiliuigcii verlegende JManuer weit besser zu. uuteräcliLidon 
wisbcu wiii'den, was unmitteibar von den ActenstUcken aiifzu- 
behalten und was nur anzumerken oder gar zu cassieren ist 
Dadurch würden die ungeheure Menge der Acten und die 
Arbeiten selbst bei den Kanzleiregistraturen sich jetzt schon 
mindern und fUr di^ Künftige niclit so vergrüssern. Man würde 
noch dabei alle jetzt in deu Acten liegenden (Jriginalien hervor- 
ziehen, die man ausser dem auch bei den strengsten Befehlen 
uiemaiö wird erhalten können. Dabei wäre noch der grosse 
Vortheil, dass man in einem Blick sozusagen die Sachen von 
Wichtigkeit, welche verhandelt werden und verhandelt worden 
sind, ubersehen könnte. Wenn dergleichen bei dem Archive 
von mehreren gleiche Einsicht und Kenntnis habenden MUnnem 
abgehandelt würden, wäre es sicherer für den allerhöchsten Dienst 
als wenn, wie es leider gOBcheheu ist, durch einen einzigen 
Referenten aus Mangel des hinlänglielien Unterrichts, Nach- 
lässigkeit oder sträriichem Eigennutz mclit wieder zu erholender 
Schaden angerichtet wird. Man würde bei den Kanzloieu 
alsdann nicht eine solche Menge Hofrilthe brauchen, und die 
wenigen welche bei denselben anzustellen wären, könnten von 
denen welche sich beim Archive hervorgethan, genommen werden, 
die als anf^ngUch schon ausgesuchte Talente, hernach aber in 
ihrem Fleiss und QeschickHchkeit geübte und geprüfte Männer 
dem Staate weit bessere Diemte thon würden ala diese, die 



I 



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31 



man aus allerkand zuweilen auch sträflichen Absichten vor- 
schlägt. Man könnte auch durch die jungen Leute Vorarbeituu- 

gen in dem Staatsrechte, in immer vorkommenden Grenas- 
streitigkeiten etc. nach den Materien machen lassen; diese 
könnten von anderen übersehen, verbessert und so bei einem 
vorkommenden Falle schleunig und nützlich gebraucht werden/ 
Der Gedanke ein Staatsarchiv als Vorschule für den Ver- 
waltungsdienst zu benutzen, war damals nicht mehr neu, und 
er ist auch noch später wiederholt ausgesi rorhen worden.^ 
Neu und vereinzelt aber ist die merkw iidii^e Anschauung, 
dass durch geeij^nete Besetzung der Beaintcn^^tellen im Archiv 
eiiK Anzahl von Uberbeamten bei den übrigen Verwaltungs- 
zwcig^eii erspart werden könnte, und dass das Archiv auch die 
Autgabe habe staatsrechtliche Deduclioneu m Vorrath, sozu- 
sagen auf Lager auszuarbeiten. Die ,Bß8orideren Gedanken' 
haben ausser dem Blättcheu das sie überliefert, keine iäpur 
zurilckgelAssen. 

lU. 

Der formelle Auftrag nach Böhmen zu reisen und das in 
der St. Wenzelskapelle zu Prag niedergelegte Kronarchiv* sowie 
die bei der alten Kammerregistratur und im Schloue Karlstein 
vorfiandenen geheimen Schriften und Docuraente zu untersuchen, 
wurde Kosenthai in dem bereits erwähnten Decrete vom 13. Sep- 
tember 1749 eitbetlt:^ an demselben Tag ergiengen an den 



* Vgl. Wolf, CL 87 f. In ningekehrter Forin begegnet er 1766. Damali 
wurde Boeentbals Solin Ignu snm HoHeoneiplaten ernannt nnd ihm ge> 

ütattetf dass er, ,uin von aaswKrtigen Staat8(^8chlft«ti einen fftr eeine 
ktinftifTf» Hf '■•titntininp' (im HausÄrchiv) ,clien8anien BegritT zu überkommen*, 
ein I a ir J iliri> in <\fw (ff^boinipn Hof- nnd Staatsdepartomont prakti- 
cieref ,dAma er hernach lu dorn liausarcbiv anter der unmittelbaren 
viterliehen Anleitnng einen deeto nflteltcheni Geholfen flir den a. h. 
lMa«tt abgebe*. TA. Fuc. 1«, 17M/1. Br iit flbvigeoe nie in den DinM 
dm HatitercbiTs getreten; vgl. Yottng de« StaatskanslerB vom S6. Mai 
1770, StA., VortrXgro- (Ueber Ignas t. Boeenthal s. Notizenblatt der histo- 
ri<^<'lt-'^t»ti>tti<to>!(>n Sertion der k. k mährisch'i^ehlesiachen tietellaohaft für 
Aeküfbau, Natur- und Laudenkunde, 1872, &. 47.) 
« ä. oben S. 23, Anm. 2. 

* In efaHm nwetten Deeiel weiden ihm 6 fl. tigltch na ,Liefergeld* be- 
willigt nnd wild ihm freiet HflügnnrtSer im gxtfl. JtoNnbeiglieben Hanse 



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33 



Obenlburggrftfen' und den ReprttoentationB- nod KammerprlU 
sidenten sn Prag Erlasse^ wie sie Rosenthal in den ^fLeximm' 
erbeten hatte. 

Die Zeit vom October 1749 bis sum Febnur 1752 ^ bei- 
nahe zwei and ein halbes Jahr — ist fast gans aasgefÜUt tob 
den Porchmnsterangs- und Anslesearbeiten an den drei Haapt- 
sammelstatten des sachdienlichen Stoffes* Sie wurden tob Rosen- 
thal mit nnermüdlichem Fleiss und aller Schonung berechtigter 
Interessen geleistet; die Anerkennung der Herrscherin ist ihn 
nicht versagt geblieben.* 

Am 2. October 1749 kam er in Prag an. Zur Beratbung 
über die Vollftlhrung des Werkes, insoweit es das Krön- und 
Landesarchiv betraf, setzten die Stände aus ihrer Mitte eine 
siebenfrlit (Irij^e Commission nieder, deren Vorsitz der Oberstburg- 
graf iiilate. Zunächst wurde dem kaiserlichen Beauftragten das 
weitläufige ilauptinvcntar über die zum Krön- und Landes- 
arcbiv gehörigen Docinnente mitgetheilt, die theils in dem ge- 
heimen Gewölbe neben der VV^enzelskapelle, theils bei der 
königlichen Landtafel aufbewahrt waren. Daraus verfasstc 
Rosenthal ein Verzeichnis der StlU ke die er ftir das llausarchiv 
geeignet erachtete, nach den drei Rubriken seines Decretum 
instructivum (^kunigliche Haus-, Krön- oder Königreichs-, stän- 
dische Sachen) und fUgte ein zweites bei über solche Acten 
nnd Urkunden die ihm verschiedenen Hofstelleu üu/uwiiscn 
rath.sam seiden. Nach lilngcren Verhandlungen genehmigte die 
Commission diese Listen, nicht ohne einiL'c Anstände vmd l^f- 
denkeu erhoben zu liaben, die jedoch K )si iithal zu beseiugeu 
wusste, und es konnte die Erhebung der Documente beginnen. 
Mit einer gewissen Feierlichkeit im Beisein einer stattlichen 
Versamndung von Landeswürdrnlrägern fand am 12. Februar 
1700'' die Eröffnung des Kronarcluvgewolbe^ in der Wenzels- 
kapelle statt j der Erzbischof, der Domdechaut und ein Kanonikus, 



an dpn\ Prager Bofakm angewie.<;cn. (Vgl. Wolf, 8. 28, Anm. 1.) Auch 
ein Knnzli.it (ilcr spMtPre Archivar Itop.H) wurde ihm beipcpcben, der für 
Kaisegr^ld und andere BrfordemisBe 500 fl. gegen Verrechnang erhielt. 
VA.FMC. 1% Nr. 4. 7. 

* S. obm S. S5. 

* Decnt an BeMnthal vom 1. Jlaoer VA. Fmo. Nr. 8. 

* Vorher war es Mit eiiuiiiddreie^ Jafami ein «n^geenuil betreten woideo. 
a. oben 8. 84^ Anm. S von Bb IS, s. S. 



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der Oberste Burggraf, Landmarschall, Landküminorer unrl Land- 
schreiber, der Landunterkämmerer und der V^iteburggraf, der 
Altstädter Primator uod vier Vertreter des Bilrgerstaades waren 

Die Forschungen Roscnthals erstrorktrin sieh übrigens noch 
auf eine Anzahl anderer Archive. Kr hielt NRchschau auf 
Schloss Karlstein,' er untersuchte in l'rag dio nlte statthaltcrische 
und die Kammerregistratur sowie die sogriiaunte Reichskanzlei 
und ar])eitete in den Archiven der Altstadt Frag, des vStiftes Wi- 
schehrad, des Malteserordens und des Stiftes Beraun ; ein Bruch- 
stück des Archivs derer von Lippa* fand er in Privathänden.' 

In der Prager , Reichskanzlei** lagen ziemlich viele Sachen 
die das Erzhaus betrafen, aber zum Theil gar nicht dorthin 
gehörten, sondern ,in vorigen Zeiten, theiis w^en der ver* 
mischt gewesenen Expeditionen, ohne zu wissen wie dorthin 
gekommen' warai. Darunter gab es zahlreiche acta Uungarica 
tarn diaetaiia quam alia publica et Status, Turcica, acta Pulo- 
nlea wegen der Wahl des Erzherzogs Maximilian^ zum König 
in Polen und anderer Negotiationen, acta Hispanica et Belgica, 
Austriaca in verschiedenen Streitigkeiten mit anderen Staaten, 
Forsten und Particular Ständen, Austriaca domestica in Matri- 
monial- und anderen Sachen, GesandtschafiBCorrespondenzen, Ho- 
hemica feudalia u. s. w.^ Auf Anregung Roaenthals knüpfte das 



' Ygl. B. SS» Anm. S. Hier war gar nichti mebr vorhsn^ea, nnd e» könnt» nnr 
erfragt werden, daHn äw dnrti^rcn (geheimen Schriften, worttntor »ehr alte, 
auf Perpatneiit in Mönchsi^ hrift gexchriebpii« Docnmente, auf Hefehl der 
K.iiseriti-Witwfi Elinabeth im Kebrnar 1721 zu deren Ilanden nach Wien 
gtttchickt H»>iüen seien. Vgl. auch VA. Fase. l\ Nr. 15, Faac. l"', Nr, 37 
«nd Fa«c. 2, Nr. 1. 

* Diese Sammlung (mehr als 120 OriginaI*Iii8tmmente, darunter mehrere 
bOhraiaebe Kroodoeamente) war anf der griflieh Waldateiniacben Herr^ 
acbaft Trebitaeb in Mlbren in «inem alten, anaaer Oebmueb geseteten 
Schrank ron einem herraehaftUcben Beamten an^lhnden worden, der 

sie als derelinquierte Sache an sich genommen hatte. 

• Bericht Rosenthals an die Kaiserin, ohne Datum (vor den) 24. Jinii I T.oU), 
VA. Fase. 1 •■, Nr. .3U; an Haugwits vom 29. October 174«, Fase. 1», Nr. 11. 

♦ S. oben S. 24, Anm. 6. 

* Bmders Kaiser Kudult^ II., xum König von Polen gewählt 1587 (resi^ 
gnierle 1589). 

• Beriebt Besenfhab vom 7. HIrs 1760 ana Prag, VA. Ftme, 1% Nr. 23 
ttod 81. 

AreUv. SCD. Bm«. I. lUlfM. 8 



M 



Dirt'ctnriuin Vcrhaiidhinjifen mit der Kcic hskaozlci an wegen 
Ueljcrsc'iniiuii; dieser Sclirif'ten nach Wicii.^ 

Tin Juni war Rosenthal aii8 Prafi^ naeh Wien zurückge- 
kelirt, und alsbald bejxnnn er sieh für die Mi.-».>ionen nach Inns- 
Viruek und (iraz voizubereiten. Zu diesem Zweck musste er 
sieh mit dem Inhalt des Wiener Schatzgewölbes vertraut machen, 
der ihm Iiis dahin fremd srebliebeu war. Dort unterrichtete er 
sieh über die Vertheilung der ArehivaUen, die im Jahre 1565 
stattgefunden hatte. Er entdeckte den Schhissbericht der zur 
DurclifÜhrung dieses Gesehftfteg cniatu ten < 'oM iui^^iion* und 
ausserdem das vierbflndi^e Kepertorium über das Wiener Schatz 
<:;ewölbe,' worin sieh bei jeder (Gruppe angemerkt fand welchem 
der Erzherzoge sie 1565 ausgefolgt worden war. Nach Innsbruck 
war damals nur wenig gekommen; jedoch war ihm bekannt, 
dass dort schon aus Ulteren und jttugereQ Zeiteu her viele 
wichtige Urkunden verwahrt lagen.* 

Am AIlerhcilijLcentage 1750 traf Kosentlial in TnnsV)ruek 
ein und begann sofort seine Arbeiten. Das Ergebnis übertraf 
die Erwartungen. Er fand einen l)eträelitlichen Vorrath von 
jgehcimen Sehriften', das Erzhaus und die Erbländer insgemein 
wie auch die ober- und vordcrüstcrrcichisclien Lande im besondcm 
betreffend, die dem Wiener llausarchiv eine ansehnliche Ver- 
mehrung und willkommene Ergänzung boten. Hier lag ^ganz un- 
verletzt* das ,Original* des Privilegiums Kaiser Friedrichs 1. von 
1156 (des Majus) mit Ooldbullej hier lagen — ,so von ganz beson- 
derer Wichtigkeit ist' — eine grosse Anzahl Original -Reichsregi- 
straturblicher^ dreissig bis vierzig (richtig 42) Hände, die Zeit 
von Ktfnig Ruprecht bis Kaiser Maximilian I. amfiMseod.' 



* Ebend. Nr. 24 2ß. Die Verbandlangen mit der Reichskanslei xinA dem 
KrTiknnzlor im St.\., Koiilisliofkanzloi, VftrfnssnTirpsacten, Fase. 43, Nr 4t'. 
Die kai sei- Ii eilt» Kesolution ilie ilie U clierfrapuii«:^ der Prager Ueichsiic««"ii 
nach Wien anurdnete, crgieug erst am lü. iSeptember 1708. 

* S. oben 8. 10, Anm. 4. 

* Et iat di«t dw jfliig«re, von dem mederitotemichiaclien Raininemgi- 
atralor Hans Schweinhimbl iin Verein mit dem alten SecretXr Wühelm 
Putsch (der da« Ältere, oben S. 9. Anm. 1, verfasst IiAttp) im .Inhrc 1ft48 
vollftn lHtc. Act von 1543 im UKA.« Directionsaoten, Fa«c. 1 A. Es befindet 
»ich ToU&Uiudig im StA. 

* ,Notft' Bosenthals vom September 1760, TA. Faeo. 1% Nr. 47. Vgl. oben S. 7. 
■ Boientbal an Hangwitn au Innibrnek, 10. Decenber t7fiO, VA. Faic 1«, 

Nr. 44. Anf diesen Schate war Roeenthat durch den BeicbahelitHäka|»riai- 



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36 



KosaDthalB Aufenthalt in Lmsbnick dauerte, mit einer Ua- 
terbrecbang im FrOhBommeri bis in den Spätherbst des Jahres 
1751. Sein Sohluasberichty' unmittelbar an die Kaiserin gerichtet| 
lag am 17. December dem Directorinm tot. 

Der Durchforschung wurde zunttchst die Hof Sehataregi- 
stratnr' unterzogen. Sie verursachte viel Mtthe; denn die vor* 
handenen Inventare stimmten nicht su den Beetttnden, diew 
waren in Unordnung. £in Theil der Schuld an diesem uner- 
freulichen Zustand fiel der Thatsacbe zur Last, dasa zor Zdt 
des bairischen Ein&Us in Tirol 170S die Schatzschriften von 
Innsbruck in das innerste Gebirge gefluchtet worden waren. 
Dennoch war das Ergebnis ein reiches und zeitlich weit zurück- 
reichendes: bis in die Tage da Maximilian I. und sein jüngerer 



dentm Gnfini Wnrmlnaad anfmwkmn gemacht wordeo, der ihm sagto, 
daca et KQ das Raisara grSmtan Dianatan garaiehan wflrda, w«in diase 

Bücher anfgefunden werden könnten; jedoch sei es nicht rathsAtu dar 
Keich.HhofkanzIiM davon Nacliriclit zu g-eben noch weniger Mie daliin nna- 
zufolg«n, «^nnrlorn fürträg-licher sie bei dem kaiserlichen Hause behalten. 
Die Iani>bru(.-ker UeicbsregiBtraturbände waren schon 1C22 nach Hof ver- 
langt worden; aber in Urol erhob man, wie as acbeiut wirksame. Vor« 
stallmigan gegan ihra Ab^d»a: proptar intaraue Autriacttmt sondar> 
lieh der TordarOatarreichiaehan Landa wcgaa» hittan sia nothwandig «u 
Inuhntck zu verbleiben, für die kaiserliche Hajestat konnten, soTial 
das Reich betreffe, Extraete gemacht werden; es sei bedenklich die zur 
Zeit des Bannei^ Flerzop Friedriclis (mit der leeren Tasche) 1415 1418 
darin enthaltenen Handlungen zur Reichsregistratur komuien zu lassen; 
man liOima da auch aoodarlieh wagan dar LandTogtaian in 8ehwaban, 
Haganaa and Ortanan nicht antbahran; »daher sie allsait in geheim nnd 
für einen sonderbaren Sehati gehalten worden wären*. — 1751 wurden die 
Hüeher nach Wien gebracht, Kosenthai widerräth sie der Reichshof- 
kan/dei zu überg-eben, da viele davon nicht von der Reichs- sondern von 
der Osterreichischou Expedition sind und vorwiegend Äustriaui etithalten 
ond anch die übrigen reich an Nachrichten zur Österreichischen Qe- 
Mhichta gaien, die anm Theil schwerlich mehr andecawoher so arholan 
■ein dflrftan. VA. Faac. 1% Kr. 46 und Fase S, Nr. 7. (Ueber die Beicha- 
registratur Maximilians I. vgl. die unten Anm. 8 cltierten AufsStse SchOn- 
herrs S. 110 f. und Mich. Mayrs S läßf ) 
» Original MI., Tirol; Abschrift in VA. Fase. 2, Nr. G. 

■ Ueber die alten He(^istraturen (Archive) zu Ina.sbrnok s v. Schönherr iu 
V. Löliers Archival. Zeitschrift, U (It^^b?), 9o Ü'., und Michael Mayr in 
den Hittheilangen der 3. (Archiv-) Seetion dar k. k. Cmitraleommimioii fttr 
Kanal- und htitoriiGha Dankmale» S (1894), 8. 148 n. iL Bi^, Mittket- 
langen aus den Acten das k. k. Uinitterioma dea Innern bezüglich einer 
Raorganiiation des OiterreichitcheB ArehivwaiiaBa (Wien &. 9% u. f. 



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86 



Enkel 7A\ Innsbruck Hof gehalten hatten. Filr das Hausarchiv 
wurden ;j:ewoiHK'n Schriften die das Erzhaus, seine Staatsange- 
legenheiten und seine Ooi^ehiclite betrafen; ausserdem ober- und 
vorlündische Acten, Tridentina, Brixinensia, Curiensia, Hungarica 
und Bohemica.* 

Von gering^cm, thcilweise von gar keinem Erfolg war die 
Untersuchung der iibrijyen Innsbrucker Fonde: der Hofregi- 
stratur und der alten Fc'rdinandeischen oder sogenannten* Schle- 
gelschen Registratur, des Hofkaininerhaus- und Schatzgewölbes, 
des Pestgewölbes ' (, welches schon vor eini^^en Jahren ohne gefahr- 
licher Folge eröffnet worden*), des landschaftlichen Archivs und 
der Registratur dn k k. Regierung. Nur in der Schlegelschen 
Registratur fanden sicli Reichstagsaeten aus der Zeit v(jn Ferdi- 
nand I. bis auf Leopold I./ Berichte des von dem Inosbrucker 
Hofe zu den westf^ischen Friedeosverhandlungen abgesaadten 

* Besondere Aafmerksamkeit schenkte RosenUial einer Handschrift de« 
15* JabrliQiiderto mit Tenehiedeneii Privilegien de« VpxuM Oealen«idt. 
Obwohl die Originale aller dieier Privilegien bereite nach Wien gernndt 

waren, schied erden Codex dennoch filr das kaiserliche Hausarchiv aus, weil 
er darin eine , unrichtige' Copie des Hauptprivileginms Kaiser Friödricha 1. 
von 115<) mit folpondeii ,lnls hon Fornialin' fand: fnter duce.s Aiistrinpi qiii 
senior fuerit douüiuum habeat dictae terrae, ad cuius etiam «»euioretu üiiaiu 
(anstatt filinniM} domininn iure bereditario dttdneatar. (Art 10 dee Watten- 
baclieeben Dmekee im Arebiv tOr Knnde tttterreiebiieher Geacbiebtaqoellen, 
8» 1 12 fr. Die falsche Lesung flndet sieb in Cod. 6S des StA., Bl. der aber 
nicht wie Rosenthal aiip^ibt eiiifi l'erg-ament- <tnndem eine Papierhandsclirift 
ist.) Aus dieser Fassung' liatte Kurhaieni bei der Gt^ltendmachung seiner 
Ansprüche auf die »sterreichischen Erbländer (vgl. Gründliche Aus- 
flibrnng .... derer dem .... KnrbaoM Bayern luetebenden .... Reebte- 
antprttoben . . . . , Uttnehen 1741, FoL, S. 17» § 19 mit Anm. a und Beilagen 

8. 4, Nr. C; Vorläufige Be«ntwortnng der «og. Gründl. Ausf. , 0.0.1741, 

Fol., 8. 37; Vcdlstandige Beantwortung der sog. OrHrnll. Ausf., Wien 1742, 

* Fol., S. 17, § 18 und [zweite Pag-inierung] S. 102 flF.) nachtheilifre Schlüsse 
gOM^n. ,E.s hat mir daher zu Vermeidung alles weitern Anstossei sicherer 
an sein geschienen solches unrichtige Copeibuch (da ohnedem noch ein 
mideree volbtSndigeree Borttckgeblioben} dort «ns dem Wege sn rftnmen nnd 
bteber in dee Oebeime Hananrebiv in nehmen, bei dnnaen kttnfllgerffimkb- 
tnng dieses Irrthums halber das NOtbige anzumerken tiiiTergeeMn sein wird.* 

' Nach einem Kegistrator de.s NairiRn«« Sclilej^el. 

' Ein Raum der Hofburg, der ehedem zur Aufnahme von Pestkranken 
gedient hatte. 

* OHtaiteiitbeila Oorreipondennen dee Innabmeker Hofes mit seinen Qe- 
•andteii am Beidurtege. Aeniternng Roaentbnie do prnee. 4. September 
1768, VA. Feee. 4, Mr. 3S. 



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37 

Hans Wilholm OoH von 164f) bis 1649, Reichsfürstonrntlis- 
protokoJic von KUf) und 1646, cnfliich einige Relationen des 
kaiserlichen ConiniisBürs Isaak Voimar an den Innsbrucker Hof 
aus 1643 und 1(47 saramt den Concepten der Antworten: .welche 
vielleicht kUnttig ad coiuplenda acta bei der kaiserlichen Hol- 
staatskanzlci dienen könnten'. ^ 

Um vieles dürftig:cr als die Ergebnisse der Archivreisen 
nach Böhmen und Tirol sehf inen die der dritten und letzten 
Mission Kosenthals gewesen zu sein Nach etwns mehr als halb- 
jähriger Pause, in den ersten Tagen des h'ebruar 1752, wurde 
sie angetreten; ihr Zu 1 war Graz. Der Berieht den der Haus- 
arcliiv'ar darüber nstati! tc,^ ist undatiert. Er gibt weder über 
Unitang und lulialL des Gewonnenen noeh über die Dauer der 
Arbeit Kunde, Sie galt zuerst der wichtigsten Sammelstätte, 
dem Schatzgewölbe in der Burg, wo vornehmlich die Schriften 
lagerten die nach dem Tode Ferdinands I. dem Erzherzog Karl 
aus dem Wiener Schatzgewölbe waren zugewiesen worden. 
Die Durchmusterung bot Schwierigkeiten ; denn die im 16. Jahr- 
hundert angelegten Register waren verloren, eine neue Ordnung 
und Verzeichnung war unter der Regierung Leopolds I. in 
Angriff genommen, aber in unzweckm.tssiger Weise, mit Zer- 
störung der alten Ordnung fortgeführt und nicht einmal vollendet 
ii'orden. Das Register von 1565' musste erst aufgesucht und^ 
nachdem seine vier Bände endlich in der Regtcrungoregistratur 
gefunden waren, an ihrer Hand die alte gute Ordnung wieder 
hergestellt werden. Ausser dem Schatzgewi^lbc untersuchte 
Bosenthal die Registratur der Reprttsentation und Kammer, die 
der tnneröskerreichischen Regierung (ohne Erfolg), die Kunst- 



* Ueberxicht de» von Koseiitlial ftlr Wien im October 1751 Ausg^eHcbiedenen 
bei Schönberr 8. 114 u. f., Mayr S. 160 u. f. En bofaudoii »ieb darunter 
ungemein wtciitif^c Urkunden: die kAiserlichen Privilegien von llö6 bi» 
1&63, die Keicliabeleiiuungen vun 128*2 bis 1613, Ilauüverträge von 1374 bis 
1640, ein Exemplar der Goldenen Bulle (das knrböhmieche, ,sw«r «chleeht 
eondiüoiiiert und GOtMerriert, anch die goldene Bnlle ehgeriisen, doeh ist 
telbenoohdsbd*; vgl. Hamaclc, Das Knrfllnteneollegiain bu nir Mitte de« 
14. Jahrhundert«. Giossen 1S83, S, 169—161), u. w. Beilag» inm SchlOHi- 
bericht (oben S. 'ib, Anm. 1). 

« VA. Fase. A, Nr. -25. Vgl. Kappor :i. ii. O., 8 12 (74). 

^ Nämlich die für Erzherzog Karl 1565 angefertigte Abficlirift den ächaU- 
gewOlberepertOliiMU von 1548, oben 8. 9, Amn. 1. Aueb diese brt im 
StA. Torbanden. 



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38 



karamer in tl«r Hotburg (hier wurden die Papiere der Erz- 
herzogin Marie, Gemahlin des Erzherzogs Karl, gefunden), die 
Ilofbibliothek and endlich das landschafUichc Archiv, wo be- 
sonders die Georgenberger liandfeste und ihr ^Nachtrag' seine 
Aufmerksamkeit fesselten.' 

In Wiener-Neustadt, wo sich einst ebenfalls ein öster- 
reichisches Schatzgewölbo befunden hatte,* unterbrach Roscnthal 
die Rückreise. Er erfuhr, dass zwar dieses Gewölbe noch be- 
kannt seil von seinem einstigen Inhalt aber Niemand mehr 
etwas wisse als dass er su Ferdinands T. Zoitcn nach Wien 
gebracht worden war. Nur die alten Schubladen mit ihren 
Nummern und Aufschriften waren noch in grosser Zalil vor- 
handen. Bosenthal liess sie ,wegen des itüircnden Neubaus^ an 
einem andern Ort yerwahren. 

Nicht weiter als die Centralisation der V(M-\v;Utung die die 
Thcresianisi luMi Reformen des Jahres 1749 anstrebten, reiclite 
auch die archivalischc Centralisation, wie sie die Kaiserin damals 
durchzuführen befohlen hatte. Gleich jener sollte sich auch 
diese nur auf die deutsch-österreichischen Länder und auf die 
Länder der böhmischen Krone erstrecken; keine von beiden 
zog die Niederlande^ MaiUuidi Ungarn in ihren Bereich. BGt 
der Hebung der Aichivschätse die in den alten Lagerstätten 
Niederösteireichs, Steiermarks, Tirols und Böhmens verborgen 
und ungenutzt geruht hatten, war die grundlegende Arbeit für 
die Schöpfung eines österreichischen HauaarchivB, wie die grosse 

' Ko?'fntha!s kriti^clio Aeussening darüber aei liior wörtlich initg-otheilt. 
Er habe wahrgenommen, sagt er, ,dass das Dipium nicht allein mangel- 
haft geschrieben and darin Ein und Anden an gehörigem Ort nnd Stall« 
ataaigelasBea, welches erst snm Ende durch Zeichen nachgetragen worden, 
sondern auch dnss der im Original gans snletst beigefügte Artikel *Si 
dux idem nne filio decesserit . . . mit anders geformton Buchstaben 
xind unterschiodpjiPf «chwärzerpr Tinte von einor etwas jiin!T»'ni Ht^iI, 
muthmasslich erst nach <loni a. 1246 sieh »jrpebendeu AVjp.in^' «l»'.s liaben« 
bergijichou Osterreichischen Mannsstamms, in damaligen trüben Zeiten 
sugesetst worden zn sein scheine; wie denn dieser bedenkliche Znsats 
in dem von Kaber Friedrich n. noch knrs vorher a. 1SS7 .... der 
Landschaft in Steier erth^lten Privilegio ... keineswegs begriffen 

ist ' Vgl. dazu die modcriio Kritik der Urkunde, iiusbesondere v. 

Luschins in den I3eiträ<?en tnv Knude st^^nermärkiscber GeschicbtsqueUcOf t>, 
1X5—132. 135 f. 137. UO f . 170— löO. 

* S. oben 8. 9, Anu. 8. 



ijiyiiizeQ by GoOglc 



39 



Herrscherin «s sich dachte, abgeschlossen. Unriditi;; ist die 
Behauptung/ dass Rosenthal 17H2 — 1704 auch uach Ofeu und 
Pressburg entsendet worden sei, um dort zu vorfalirea wie in 
Prag, Innsbruck, (Jraz. Von einer Reise nach Ofen wissen die 
Acten überhaupt nichts. Eine Entsendung des Haiisarchivars 
und des HofbibHothekars Adam Fran?: von Kolldr nach Pressburp 
war 1762 allerdinpcs jrcplant: aber sie hatte iinr den Zweck die 
Mittel und Wege testzusteilcn, wie das in Unordnung gcrathene 
und gefHhrdctc ungari-selie Kammerarchiv wieder in ernte Ver- 
fassung zu bringen wHro >' Dif» unganBche Abtheilung des Haus- 
arrhivs umfasste nur solche kStiii lcc, die jene drei Hauptstttdte 
und das Wiener ächatzge wölbe dargeboten hatten. 

IV. 

So war nach fast dreijähriger mühevoller und weit aus- 
greifender Thätigkeit die Sanimelarbeit vollendet, deren Früchte 
den Grundstock des heutigen kaiserlichen und kdnigiiohen Hmib-| 
Hof- and Staatsarchivs bilden. 

Noch vf>r d(;ni Ende des Jahres 1752 war Alles nach 
Wien gebrftchtf was Rosenthal in den drei Kronländem fUr das 
Hausarchiv ansgewählt hatte. Es bestand aus den On'gioaleii der 
ersten und Tiweiten Gruppe, die das Decretom instructivuin Tom 
13. September 1749 im Wortlaut von Rosen thals Antrag um- 
schrieben hatte:' der eigentlichen Haus- und d«r Gesammtstaats- 
Urkunden; von den Docnmenten der dritten Gruppe^ den JUinder' 
und ständische Sachen» sollten nur auf Pergament geschrie- 
bene Copien erhoben werden. Gewaltig war die Masse dieses 
Stoffs: 13.12Ö Urkunden (Actenfaseikei nur 82, Mamueripte 32), 
und seine sachgemässe Unterbringung 1 ildete die erste, wahr- 
lich niclit kleine Sorge der betheiligten Kreise in Wien. 

Ein vorläufiges Obdach hatte der Archivschats, freilich in 
Kisten und ^Verschläge' yerpackty an zwei getrennten Orten ge- 
funden. Die aus den Provinsan hereingebrachten Schriften lagen, 

» Horraayr 1808, S 174»; IHIO. g. 418*». Wolf, S. -JH, y,r], 26. Audi Arcliiv- 
director Freiherr vou Keiubart iin Jahre 1840, VA. Fase. 40, 184ü 'r>. 

* VA. Fa«c. 9, Nr. 3. En Ut nicht bekaunt, ob dm Heia« wirkliuh uutcr- 
momaum wurde. Vgl. aneli nalto im IV. Abtehnitt» 8. 61. 

• & oben 8. 81. 



40 



durch Roaenthal in die aUernotlidttrft^gste Ordnaog gebraeht, die 
Kisten ttbereioander gethünut, in einem engen Raum der Rogi- 
stratnr dee Difectoriams, der kaum die Möglichkeit bot rieh zu 
rühren, geschweige denn zu arbeiten;' der Inhalt desSchatsge* 
wtflbes in der Wiener Hofbuig — es hatte im Sommer 1 752 geräumt 
werden müssen, da die Abtragung des Thurmes ,mit dem Jager 
und dem Hirschen' bevorstand ' — war in der niederttaterr^chischen 
Klostenrathsregistratur im k. k. Hofopital* ^kümmerlich verwahrtV 
Solange es an einem Archiv* und Amtsort fehlte, arbeitete 
Rosenthal in seiner Wohnung, soweit dies eben möglich war.^ 
Er gieng an die Verfassung eines chronologisohen Repertoriums, 
an die Anfertigung von AbBohrifieny an die ^Zusammenfassung 
der pro iure publice Anstriaco' ihm aufgetragenen Arb^ten. 
Aber nur langsam und beschwerlich gedieh all dies bei dem 
Mangel einer get-i<;ncten Arbeitsstätte.' Im Jahre 1750 war er 
mit dem Vorschlag gekommen* zwischen der kaiserlichen Bi- 
bliothek und dem sogenannten Augustinergang ein eigenes Haus 
ftir das Archiv ,mit guten Gewölben* zu erbauen. Da dies be- 
deutenrle Kosten verursaeht hätte, sprach sieh das Directoriiim 
dape^en aus und cni})t"ahl der Kaiserin die iSitzungszimmer des 
Direcloriumt ui der Burg dem Archiv zu widmen i da die Be- 
rathungen dieses Collegiums künftig im Hause der Böhmisehen 
Hoikanzlei' abgehalten würden): Rilume die einem andern 
Zwecke nicht wolil zuzutiihren waren, da durch sie der einzige 
Zugang zu dem dahinter gelegenen Sehatzge wölbe ftlhrte, wo 
damals noch die geheimen Hausschriften lagen. Hätte die Durch- 
Aihrung dieses Antrages auch nur die Anschaffung einiger 

* Vortrag Hartensteins vom 18. November 1763, a. unten 8.43* Aum, 3. 

* Sie erfolgte im April 1753. Webkeru 3, 146. 
' S. obou 8. 2i, Anm. 4. 

* Zur Hlllfi» waron ihm beigegeben der Ksnalist Hops (s. oben & 31, Auin. 8) 
und ein junger Mann Namens Ranffer (,mit einer sebSnen Hand^hrifl 

und der mam An luv udthigen Zeichnungswissenscbaft begabt*), den er xnm 
Dienste anzuleiten hatte. Bartenvtein gibt in seinem Vortrag vom Nf»- 
vomber (s. unten S. 42, Anm. 3) Koaenthal das ZiMijrni«, er babe trotz diöstm 
uugUustigeu Umsitänden da« Mennchonniögliche geleistet und zubaut»« 
mehr fesrlwitet ,al8 ninimeruiehr ihm hätte au^ebiirdet werden ktanen*. 

■ Boeenthal an die KaiMrin exh. 18. Februar 1768, VA. Faw. 4, Hr. 88. 

« Vgl. oben S. 26. 

^ Tu <!• r Wildwerker- (jetst WippUafer») Straaae. 1^ Jetrige Gebinde dee 
Ministerioni« des Innern. 



41 



eiserner Fensterladen und d^er einen geringen Geldsn^ftnd 

erfordert, so mnsste dooh davon abgestanden werden, da die 
Kaiserin Uber jene Zimmer bereits anders verftigt hatte.' 

Von dem Vorschlag des Grafen Sylva-Tarouca, den doch 
Maria Theresia schon 1749 genehmigt hatte,* war nicht weiter 
die Rede. Vielmehr crtheilte sie selbst am Neujahrstage 1752 
ihrem Hausarchivar den Befehl Sorge zu tragen, dass sämmt- 
liche Documentc an einen vor Feuer und sonst sichern, auch 
der Feuchtigkeit nicht zn^iin'jflichcn Ort gi biucht würden.* 

Bald nach seiner Kiic l^kclu- au» (iraz entsprach Kosi nthal 
diesem Auftrag. Er schlug d'm im Krdgeschoss des Kciehs- 
kanzleigebäudes am Eingang in die k. k. Burg befindhchcn Ge- 
wölbe vor, die das k. k. Kriegszahlamt damals inne hatte und tlie 
dnrch einige nichtsehr kostspielige Ilerriclitungen für die Archiv- 
zwecke tauglich gemacht werden konnten.'* Das Hofbaudirec- 
toj iüiu fand kein Bedenken dagegen, war sogar bereit auch die an 
das Militürzahlamt aiistosscnde ,In&chUchtkamm6r* dem Archive 
einräumen und zurichten zu lassen.^ 

Eine kaiserliche Entsrltliesuug hierüber ist nicht aufzu- 
iinden gewesen. Die Autwort Maria Theresias auf Koseuthalö 

> Vorlraif de» Directorlaint ▼om 16. Februar 1761 mit der eigeubfindigeii 
ReBolvtion der KaiMrin: JE» kann nieht sein» dann schon davon di«|x»* 
niert; gedenkte aber in der Beichakanslei andere GewOlber au finden*. 

MT., Böhmen. Wolf» & 89. 

» 8. oben S. 25. 

• VA. Fa«c. 8, Nr. H. SpSter im Jahre war von der alten Sullburg die Rede; 
aber die Kaiserin widmete daii durt Verfügbare anderen Zwecken. Ex* 
iraotus prutoeolti Directorii in pnbl. et cam. yom 11. September 176:E, 
VA. Firne. 8, Nr. 99 Vt* »Anatomiekammer* «rar dahin verlegt, freilich 
bald wieder entfernt worden. 

• Anbringung cinos neuen Fenstcrgitter« in dem kleinen Zimmerehen bei 
der Einfahrt jregeu den Bm-gplats; eiserne Fenstorbalken, eiserne Thiiron 
in neuen starken Steiurabmen; Ausbrechen eines Fensters in jenem 
ZimmetchM und einer Thtlrj^ Koctenvoranaeblag 1429 fl. 11 kr. Specification 
vom SO. Jnli 17aS. Weitere Fordemingen worden am IS. Deeember 1752 
und am 14. Jani 1758 erhoben: fliwr den eitemen Thirmi Feneteteheu zur 
Erziolung von Luftsug; Versicherung der vorhandenen Sciinockonstiege; 
eiM'rna«, vorsperrbares Gitter hfim RitxTaiic': Ideino l.ttftlücken in den 
eisernen Kunsterladen; Verl^ung de« Ausgusso« aii.n der Hatthyiuiys< li<'ii 
Küche; Beseitigung aller Oefeu, Versicherung der ileivungsütlnungen und 
4er Ranohiinge gegen Biastaifen; Begelang de» Analanfbronnena im eog. 
BrantthtHal, neuee Thor in dieaea mit gntem Sehlow ete. YA, Faac. 8, Nr. 26. 

• 94. Sept. int, ebead. Nr. 86«/i. 



üiyiiizea by GoOgle 



42 



Antrag, den er einige Monate spttter mit noch grösaerem Nach- 
drack wiederholte/ erwKhnte nur, daas ihm wegen des interi> 
maliter benMhigten ]oci ofiSeü demniehst daa Eigentiiche ra 
seinem Verhalten werde hedeulat werden.' Es unteiiiegt jedoch 
keinem Zweifel, dass jene Entsehliesaung bald darnach, nnd 
zwar im Sinne Rosenthals und der Hofbaodireelion ergiong. 
Denn am 8. November spricht das Dhreetorimn bereits von dem 
Vorhandensein eines locus physious für die künftige Amts* 
fUhrung des Archivs, tmd am 14. desselben Ifonats fand Bar- 
tenstein die beeeichneten Ränme, wenn auch noch leer so doch 
,wohI abgethcilt, wohl verwahrt und fttr das Gegenwärtige zum 
Aufbehält der dahin gehörigen Schriften zureichend', nachdem 
Rosenthal es an nichts hatte fehlen lassen ihre Herrichiiiug zu 
beschleunigen.* Noch vor Jahresschluss konnte mit der Ucber- 
tragiing der Archivalien in die Hofbui^ bep:onncn werden.' 
Im I^uufe des Jahres 1754 wurden die innere Kinriehtung der 
Gewölbe und die Aufstellung der Archivalien vollendet.^ 

Du; luiuiiie die damals dem Hausarehiv anp^ewiescn wurden, 
yind ihm anderthalb Jahrhunderte lang p:eblieben. Sie haben 
nicht lange diu naeh einige Umj^cstaltungen, ja trotz ihrer sehr 
geringen Ausdehnung Schmälerungen erfahren ^ aber das stetige, 
wenn auch langsame Wachsen der Sammlung forderte und fand 
sein Recht, noch einmal (1769) in der kaiserlichen Hofburg 
selbst, im 19. Jahrhundert in anderen, oft recbt entlegenen Ge- 
bäuden, sogar in Privathäusem, bis (18 '.'5) der Ausbau der 
Hofburg die Möglieh keit bot den ehrwl\rdigeu, so unwürdig 
zersplitterten Schatz wieder unter dem Daehe der Kaiserburg 
zu vereinigen. Sie hat ihn beherbergt, bis er zu Beginn des 
zwanzigsten Jahrhunderts diises stolze TTcIm vertauschte mit 
dem für ihn errichteten, seintiu üubtiiou üedUrfuisseu auge- 
paraten Neubau auf dem Minorit^platze. 

> SB. Felnniar 175S, VA. Fue. 4, Nr. «8. 

* 10. Hin, eb«n4. Nr. «9. 

' Vortrüge vom 8. und 18. November 1753, ebeiid. Nr. ä& und 37. 

* An-rnntortliiinigHte Notii Romenthals und Frey^*^■'<^''•^n.■* ohne Datum; 
\S eisuiifjen hu die Directoriftl- nnd an die Hof kaninjorregistrntnr vom 
18. December 17ö3, die bei ihnen vorläufig untargebracblen i^tände 
«Iw HftQMurohiTB aa dieM absugeben. HI.» NO. 

* ErwUmt in tiner ,VoMtoUiiiig Uber dtta gegeawirtigttii liocaäauatami im 
k. k. HnusarchivsS von Bosenthal im MSrs 1764 an den Staatskansler 
gfericbtot, Beilage va teen Torting rom i9. BUIn 1764, StA. 



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43 



Fjnpf prcnug waren die Hüiunli <4ikfMlen. die die junj::? Anstalt 
i\m Eml'^ dos Jalires 1753 zu hp/iclu n und einzurichten begann. 
Ihre Aii^'^'lumn^- lirtniQ- iiiclit d' H zrlmten Tlioi! de8S(;n was hun- 
dortfiuitzii; Jalire spater nothweiidii:- \\',ir; alx i* u ;i>; darin uutcrpi'C- 
hr.ieht worden mussto. wnr gewiss um oin Zieiiiiiches mehr als der 
zehnte Tlicil dos Umtangs, den die Bestände an der Scheide 
des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts gewonnen hatten. 

Tm Krdgeschoss des Reiel)sl<anzleigebäudeSj unmittelbar 
an dem Thorweg der vom Michaelerplatz nach dem (Innern) 
Burgplatz ftlhrt, lagen die vier Zimmer, die mit ihrem dicht- 
gedrängten Inhalt den Kern- und Keimpunkt einer so bedeu- 
tenden Entfaltung bilden sollten. Sie waren mit Gtiittern, eisernen 
Fensterladen und ebensolchen ThUren wohl verwahrt. Drei 
giengen nach dem (innci*n) Burgplatz, das vierte rückwärts hinana 
in einen kleinen Hof (das damalige jErw""**^^^^^ Zwei von 
jenen drei wurden zu Arbeits-, das dritte und das Uofzimmer 
SU Lagerräumen bestimmt. Ueber den Archivzimmern befand 
sich ein Theil der Wohnung des Grafen Batthyany, die Küche 
unmittelbar ober dem ,Hanptschriftengewölbe* (dem Hofitimmer): 
eine bestttndige Gefahr für dieses, nicht nur des Feuers wegen 
sondern auch durch den Ausguss, dessen Feuchtigkeit in den 
Lagerraum unten Zutritt fand.' 

War damit fUr die Unterbringung des Hansarchtvs ge- 
sorgt,* wenn auch in einer kaum ftlr den ersten Anfang ge- 
nügenden Weise, so ergab sich nunmehr die Nothwendigkeit den 
Verwaltungsdienst an der neuen Anstalt einanriehten. Nirgends 
war bisher bestimmt ausgesprochen, welcher der in Wien be> 
stehenden CentralsteBen oder Hofbehdrden sie anteigeordnet 
sein BoDte. Der Archivar empfieng seine Weisungen vom Direo- 
torinm in pubiicis et cameralibus, seine Berichte erstattete er 
entweder an die Kaiserin oder an den Ftttsidenten dte Diree- 
toriums, den Grafen Hangwits. Von einer Beziehung au der 

* Voratoliuiig HosenUtals vom März 1764, 8. obeu 4*2, Anm. 6. Die 1753 
verUngte Beatitigang dieses argen 17e1i6t«1aadeB (s. oben 8. 41, Anm. 4) 
war bis 1764 ni^t dorehsuetsen gewesen! 

* Ein undatieiiee, tTftS oder nicht viel •piterTWFfiustes,Promeniorla*(R«wen- 

thals?) bezeichnet ea als fQr die Sicherheit des Archivs nnumgXnglich, da»» 
w6ni{j<stciis 6ine in Eid und Pflichten »tohonde Person in de^'^fn nürhstcr 
Nähe ihre Wohnung habe; es schlägt vor, zwei kleine Zimmer luittir 
Dach ober dem Archiv die eben frei geworden waren, dem Heizer ein- 
smlitmen. Etne Srludigung hat es nicht gehmden. VA. FSic 4, Nr, 45« 



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44 



sieben Jahre vor dem HaiuarchiT ab gelbstäncUge Hoistelle 
gegründeten Geheimen Hof- und Staatskanzlei findet sich noch 
keine Spur, obgleich diese bei ihrer Errichtung die Besoi^ng 

der Angelegenheiten des kaiserlichen Hauses überkommen hatte 
und schon in der Zeit Karls VI.' auf flic Competenz des Staats 
kanzlers hingewiesen worden war i welche Stelle damals der 
eine der beiden (Jhcfs der Ilufkanzlei bekleidete). So war e.s 
denn aueh liau^witz, der sich schon iruii mit dem Gedanken 
beschältigte dem Archivar Hidfskräfte au die Seite zu stellen, 
die ihn bei der ErfUUung seiner weitaussehenden Aufp:abe unter- 
Kttitzen sollten. Noch während Ruscnthal in Innsbruck arbeitete, 
richtete Haugwitz einen Erlass* an ihn, worin er ihm eröffnete, 
das Direetorium habe in reife Krwagung gezogen, ,wie das 
Geheime liaupÜiausarchiv ein solches grosses und wichtiges 
Werk sei, dass er diesem nach Erfordernis allein vorzustehen 
nicht wohl vermögen werde, folglich zur Beförderung des aller- 
höchsten Dicubtcs eines in Archivsachen woldgeUbten Gehiilfen 
unentbehrlicli vonnöthen habe*. Als einen solchen nennt der 
Fiasident den k. k. Bibliothekar und Hof-Schatzregistraturs- 
Adjuneten zu Innsbruck Lic, Anton lioschmann,' der sich durch 
mehi'ere Abhandlungen besonders über mittelalterliche Gcseliichtc 
vortheilhafl bekannt gemacht hatte. Da jedoch dieser ablehnte 
— thcils wegen seines hohen Alters und ,armcn Fauulp nzu- 
standeB^ theils wegen mehrerer schriftstellerischer Arbeiw-n die 
er noch zu vollenden wünschte — ernannte die Kaisenn am 
H. October 17;")! auf Kosenthals Vorschlag den bei der vcne 
tianischen Grenzcommission zu Koveredo als österreichischer 
Actuar verwendeten Josef von Spergcs* zum Geheimen Haus 
archivadjuncten. Ucbrigens trat Spergcs diese Stelle erst drei 
Jahre später an, da er früher in Koveredo nicht entbehrt 
werden konnte.^ 

Im SpAkberbst des Jahres 1753 legte Kosenthal dem Di- 
reetorium seine Anträge wegen Bestellung des Archivpersonals 
vor. Mit einigen Einschränkungen, durch die das Erfordernis 
von 10.800 ü, um 1375 fl. vermindert wurde, empfahl sie 

* 8. oben 8. 1». 

» Am 6. Deceoiber 1750. VA. 1% Nr. 4öV,. 

* Uebsr iho Wonbaeh S6, M6 ff. 

* Ueber ihn Wunbach M, 138 ff. 

" VA. FsM. 8, Mr. 5Vi «. Fmo. 3, Nr. Paw. l, Nr. 36. 



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45 



das Dircctorium der Kaiserin /ui AniuihiiK!, und diese z()gerte 
nicht mit der Ertheilung iluos Placet.^ Aber aus eigener Ini- 
tiative fügte sie bei: ,iind mögte Bartenstein die Direction darüber 
übernehmen und Kosenthai an ihme weisen, die Arbeit be- 
schleunigend ^ 

Nichts gibt von der grossen Bedeutung die Maria Theresia 
ihrem Hansarchive beimass, eine so bestimmte Vorstellung wie 
die Thatsache, dass sie den Freiherm Jobann Christoph von 
Hartenstein" an seine Spitze stellte: den Mann, der durch lange 
Jahre ihre» Vaters und ihr eichener bevorzugter und einfluss- 
reichster Rathgeber vornehmlich auf dem Gebiete der äussern 
Politik gewesen war, ihn, von dem sie sagte, dass er ihr , Vieles 
an die Hand gf ^-^oben und das wahre Licht angezündet', dem 
sie die Erhaltung der Monarchie schuldig zu sein erkliirte, ohne 
den nach ihrer Aeusserung Alles zugrunde gegangen wäre. 
Kmem noch Grössern weichend, hatte er im Mai 1753, ein halbes 
Jahr vor seiner Ern< Tinun^ zum Archivdirector, die flihrende 
Stellung in den auswärtigen (jieschäften mit einer gleich mass- 
gebenden in der innern Verwaltung vertauscht: deren wichtigste 
Angelegenlieitcn lagen fortan in seiner, des Directorial-Viee- 
kanzlers Hand. Und auch für den Beruf eines Arehivleiters war 
der vielseitige, mit einer Ungeheuern Arbeitskraft ausgerüstete 
Mann wohl vorbereitet Geschichte und Recht waren allzeit sein 
LiebHngsstudium gewesen; selbst zu den damals noch ziemlich 
neuen historischen HiÜfswisaeiiBehafteD hatte er schon in jungen 
Jahren Beziehung gewonnen, als er in Frankreich mit den 
gelehrten Benedictinem von St. Maur enge Verbindungen ge- 
pflegt hatte; auch Veitrantheit mit alten Uandachriften war 
ihm eigen. 

Unter diesem Director standen folgende Beanit«': ein 
erster Archivar (Rosenthal) mit 3Ü00 fl. Gehalt and 1000 H. 



' Vofling dofl Dinetoriiuna vom 8. NovttnlMr 17M mit dar eigeahiiidig«ii 
kymliclMO Bfliolation, Otig. HJ., Nö. Vgl VA. IVuc 4, Nr.85. Wolf,». 29. 
■ Sehim am 3. Novonilmr batte Am Dirpctorimn «inen Erlam an BoMUtbal 

ganehtet, der ihm anzeigt, din Kaiserin hätte Ihvci* Dionsto.s zn spin 
bofhnden, flass er die ihm hm Einrichtniis' <lf>«< Arcliiv« obliejifenilt'u 
Arbeiten nach BArteuüteiii« Anleitung vorKuiiohmea habe. VA. Faiic. 4, 

Hr. a^v» 

* Uebarihnv. Anialli, J. Chr. Bartanalain nnd aelna Zait» im Arcbiv für Ostar* 
leiahiaaha GaMbiohta, 4» (1871)» 8—71. 



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46 



Zulage, ein iswdter ÄreHvftr (Ferdinand ▼cm IVeyB»1ebeii)* mit 
2000 fl. Qebalt, ein ArchiTftdjiuieltiB (▼. Sperre) mit 800 fl. 
Gehalt und 200 fl. Zulage, ein AmtseaLpeditor (Hops) mit 300 H 
Gehalt und 600 fl. Zulage, zwei Kanzlisten mit 7S5 fl. (davon 
500 fl. Zulage) und 300 fl., zwei Accessisten mit je 200 fl.; 
ein Heizer mit 200 fl. Gehalt* Die Geschäfte des Archirad- 
juuctcn und des Amtsregistrators werden besonders beschrieben. 
Jener iiat an dem Ilaupteinrichtungswerk des Archivs Hülfe zu 
leisten, besondei*« bei der Anfertigung der Katiiloge (repertoriorum 
extractivorura et chronologieorum) und der Kealindices und in 
anderen wiclitigüu IScbenausarbeitungen. Der Registrator führt 
die Aufsicht über die von den Archivaren don KanzHsten Laglich 
zugewiesenen Arbeiten; er niuiuit die erste und vorläufige Colla- 
tioniemng ^,litteratenus*) der ,Macularab8chrifteD' vor; er hat 
die Kaozleiregistratur des Archivs in Ordnung zu halten und 
darüber PrutokoU zu fuhren sowie die Expeditionen auszufer- 
tigen. Der Bereich der Geschäfte die den beiden Archivaren 
zufallen, wird vom Directorium erst einige Wochen später 
abgegrenzt.^ Der erste soll fortfahren den einzelnen Stücken 
beizufügen, was zur Erläuterung des Orts- und Zeitdatums dienlich 
ist; er hat das begonnene Verzeichnis der in der Literatur 
erwähnten Urkunden fortzusetzen deren Originale nocli nicht 
austande gebracht sind; ihm obUegt die weitere kSauuuIuug der 

• Bis dahin in der Suntsk.'inzlei bedienstet. Er wurde (1779 September) 
lioAenthals Nachfolger, trät aber hv.Uou bei der Elrneunun^ des Abbö 
Schmidt (1780, 3. October) in den RuhcsUnd über. 

• Roaentlial hatte bmntnigt fUr d«D Arcliiv«4ivn<iten 400 fl* Zulage, fBr 
den Antiexpeditor 1000 fl. Oehalt, statt der swel KantlUten und swei 
AoeeNiffteo: vier Kanzlisten mit 800, 600, 400 und 800 nad einen J&afw- 
numerari-KsnÄliston* mit 200 fl. Gehalt. Von den vorgeschlagenen K.mz- 
Iwten wird bemerkt, da«« der eine der böluniächen, ein anderer der 
t'ranzüsischen Sprache kundig sei; beide Accessifiten bezeichnet das Di- 
rectorium ak des FranaSiieeheii und Italientochew niclitig. Einer der 
iron BoMntiiel TerUngten bneMiten «beailst die Zelehnnngdnineli welche 
man beim Aiehiv (wo viele Sig^Ua und alte Schreibarten ex ^Imnati* 
boB zu zeichnen sind) unnmgKn^lich nOthig hatS Der Supemumerari- 
KanzÜHt NoUte Amanuensia des ersten Archivan bei ihm im Hanse sein. 
Vgl. auch unten S. 48 f., Anm. 3 ff. 

• M. Deeember 1763, VA. Fase. 4, Nr. 40 nnd MI., NÖ. Wolf, 8. 32. Dieser 
ErlesB ergieng anf Qmnd nnd im Wortinvt eines Ton Betteost^ der 
Kaiserin am 19. Deeember voigeleglBn and Ton ihr (emhmigten Bnt- 
wnrfii. 



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47 



Materialien die zur Abfassun«^ tiiner österreichischen und böhmi- 
schen Geschichte auf diplomatischer (irundlao^e notlnvcndig sind; 
er Süll dem Freiherru von Bartenstein au die Hand srebcu was 
diesem zum Staatsunterricht des i>i/.hciz(>gs Jusci taagHch ist, 
and endlich die genaue und rasche Anfertigung der nothwen- 
digen Abschriften überwachen. Dem zweiten Archivar aber, 
der in Allem nach den Anweisungen des ersten zu verfahren 
hat, föUt die Repertorisierung und liidiCieninj^ der Arehivbe- 
stände zu. Sie ist in deutscher Sprache zu tiihren. Was die 
KanzHsten betrifft, so ist bemerkenswerth, dass bei den Vor- 
schlägen zu ihrer Ernennung und bei dieser selbst nicht nur 
SprachkenntniöBe sondern auch die Fertigkeit im Zeichnen die 
Einzelne besitzen, empfehlend und begründend betont werden.* 
Die Fertigkeit im Zeichnen war es auch, die dem Anton Wein- 
kopf zu der Archivkauzlisienstelle RauÖers im Ilausarchive ver- 
half, als (lieser Ende 1754 schuldenhalber entwichen war. Ihm 
fehlte jweiter nichts als die zur leichtern Vervielfkltigunfr dnr . . . . 
benöthigten Zeichnungen, mithin /u Krsparung vieler Zrit und 
mehrlUltigcr Mühe sehr diensaiii*' Kupferstecherei- odci Aetz- 
kunst^ Rosenthal liess ihn darin von dem damals schon vor- 
theilhaft bekannten Jakob Schmutzer- untei^wciscn und erwirkte 
bei Haugwitz, dass das von diesem Künstler beanspruchte Honorar 
von 100 fl. beim Universal-Oameral-ZahlAmt »ogewiesen wurde.^ 



' S. oben S. 46, Anm. 2 und unten S. 49, Anm. 1. In seinem Besetsungfl' 
vorsclilag^ ftir ilie (Inrch R.niffers Fhiclit Tm, o.) prlpfli^rt«' Sfollp nnf^i Ronen- 
tbal, die Zeicliniiugäkuii3t sei ,beini llauüarchiv zur iiüthigen Abzeich- 
nung der dienlichen Siegel» alten Schreibarten und Monognunmatam um 
ao «nentbehrUeher, ala der Oebrandi deiaelben Iheila tlglieh vtnrkoiniiit, 
dieils aber, bevovab der Siegel, niebt all^n in der Obeffaanpt noch «ehr 
navr>11kr>mmenen diplotnatischen Wissenschaft, insonderheit von den nn- 
parischfi), btthmlschen und (Isterreichischen Reichen und LHiidem ungemein 
gross nnd nützlich ist^ sondern anch in der TTemldik und vomehmHch in 
den Oeschichten und dem teuUtcheu sowohl als erblkudischen Staatsrecht 
mr Brilaternng Tieler sweifelhaflen Unullade» lO Widerlegung mancher 
IrrAlnier nnd so Enliaheidnnir TcncMedener Ooatrovenwn wie anch sn 
Unterstfitrai^ der allerhikbsten Qereditsame sehr viele, bi^hor gänzlich 
nnbekanntf nnd viollfticht in keinpn anderen Archiven befindliche Hci- 
«pifilö nnd liewf>i«thlUner an die Hand gibt'. VA. Fa>.e r>, Nr '27 (von 1754). 

* ti«boraii 17S3j Htid Director der Kupferstecher- uuU Ze;chuuugsakademie 
in Wien. 

• VA. Fmc. ft» 171K/S7 n. 89. Fmo, «, 17B6y 1. Ftm. 9, 1757/S. Siilter beimt 
es Ton Weinkopf, daie man aolcher Ittr ein ArelüT nttth^en Arbeit 



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48 



Eine verständige und wahrlich nicht kargende FUrsorge 
l\ir die Bedürfnisse des jungen Institutes drückt sich in dieser 
ersten Organisierung seines Beamtenkörpers aus. Allerdiugi 
scheint die Zahl von ftinf Kanzleibcftuiten zu der von drei für 
die iirchivistische Tliälig-keit Berufenen in einem Missverhiiltnis 
zu stehen. Allein wenn dem Areluv damals eine Menge mecha- 
nischer Copierarbeit* zugemuthet war, die iu;iii heute schwerlich 
zu den Auf<raben einer solciiun AuöUill zählen dürfte; wenn 
der Anschamin«^' die ilir gebülirende Berechtig;ung zuerkannt 
wird, dass eine wohlbesteUte Kanzlei gauz wesentlich zum Ge- 
deihen jeglicher Archivverwaltung beiträgt: so wird jenes schein- 
bare Missverhäitnis weniger Verwunderung erregen als das 
heute so häutig thatsitchlich bestehende umgekehrte. 

Vom 21. November 17ö3 sind die Decrcte datiert, mit 
denen das nicht ganz vierzehn Tage früher aiisgresprochene Plaeet 
der ilcrrsclicrin durchgeftlhrt wurde.* Das an Burtenstcin sagt, 
die Kaiserin hätte sich bei Genehmigunf^; des Personal und 
Besoldungsstandes geäussert, dass er ,in gnädigster Küi ksi< ht 
seines zu Autuclim und Beförderung des allerhilchsten Dienstes 
tragenden, bckanntriihmlichen Eifers die Direction der von dem 
Hausarchivar v Kosenthai zu besnrtrend<-n Kinrirhtinifir des 
geheimen Hausarehivs und der dabei obliegindcn Arbeiten 
übernehmen möchte'. Koseuthal erhält die Mitthciluug von der 
Genehmigung des Bcamtenstandes mit einer Namens- und Be- 
soldungsliste desselben und den Befehl seine Arbeiten nach An- 
leitung Bartensteins zu beschleunigen. Ausserdem liegen nooli die 
Decrete vor fUr den Amtsexpeditor Hopsy' die KanzUsten iStrahl* 

eine andero ebenso g^p^rliickt« uml irtnibto Hand nicht leicht iind«n 
durfte'. VA. Fase. 10, 17(U;1. üeber Wcinkopf vjr|. Wiirzlmeh 54,48 u, f. 
' Wie sie betrieben wtirÜH, «eigt ein späterer ArcliivbericUt: manche Ur- 
kunden waren vier^ bie fttnfinil, andero gar meht abgpeschrieben weiden. 
VA. Ftme, 17, 1780/11. 

* VA. F««s. 4» Mr. SB. 89. d»% MI., HO. 

' ,In Betia^lnng aeiner mit dem . . . . t. BoBenthal bei Sammlunf^ der 
Archivacten gemachten Reisen und in <l>>n ArcläTarbeiton bereit* durch 
vier Jahre erworbenen FHhijjkoit iin«l Koniitnis.* 

* ,In Anbetracht soinor tauten und fertigen HantLschrift, niu-h «h'us.'ierdcr böhmi- 
Rcheu Sprache vollkommen kundig, dann schon a. 1«49 und 17&0 rou 
.... Boienfbal m Prag gebiauefat, nr Kenatiiie alter Schriften «age> 
leitet wovden.* (Er wer Üeber Kennliit bei der k. k. Beprleentatioa und 
Kemner In BUhmen.) 



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4d 



und Ranffer,^ den Accessisten Wenzel* und den Heiser. Die 
Decrete sind vom Directorium gezeichnet. 

Bartenstein, der vielbeschäftiß-tR, unormüdliclie. in Staats- 
sachen ebenso wie in der Historie wohlertahrne Diciur Maria 
Theresias, nahm sich seines neuen Amtes mit gTo«sf m Kiter an. 
Von der Kaiserin beautlragt den geschirhthchen Ünterncht des 
Krzhe.rzogs Josef zu leiten,' diese Aufgabe mit dem tiefsten 
Ernst erfassend und bestrebt seinen Lehrstoff aus den unmittel- 
barsten und reinsten Qnelien zu schöpfen, hatte er genug innere 
Beziehungen zu dem Beruf eines Arcbivmannes. Diese er- 
setzten ihm zum guten Theil, was ihm an archivaliacher Schulung 
gebrach. 

Was er für seine neue Würde an £ignnng mitbrachte, 
was ihm etwa fehlte, erkennt man ans dem umfiunenden Vortrag/ 
worin er unmittelbar nach seiner Ernennung und noch vor 
der Ausfertigung seines Decretes, am 18. November 1753, der 
Kaiserin seine Ideen darlegte tlber das zunächst ins Werk zu 
Setsende. Viererlei Arbeiten wUnschte er in Angriff genommen 
zu sehen. Erstens die Verfassung eines Generalrepertoriums 
aller vorhandenen Urkunden, Beilagen und sonstigen Schriftmi. 
Wie dies im Einseinen durchzufuhren sei wird nicht gesagt, 
wird offenbar dem &ehUchen Urtheil der Archivare anheim- 
gestellt Die Hauptgrundsätze und Fragen neuer Archivtechnik: 
die Scheidung von Urkunden und Acten," die Wahrung der 
F^veniens^* die Behandlung Ton Copial- und Begiaterbacheni 

* ,In Betrachtnng seiner guten TTnndBchrift und erlernten Zeiclmnngknnst, 
auch dass er von .... Koseotb*! in derlei Arbeiten gebraucht and 
angeleitet worden/ 

* ,In Bstrachtmig «einer guten Handiobrift und erlernten fr&nsOiiflchen nnd 
winiflchen Sprache.* 

* Dabei legte er den Nachdruck darauf, dass man den Prinzen nicht so 
sehr mit der asayriselien luid {jersischen Geschichte als mit der seines 
eigenen ITntisos und zukünftigen Itoiehes beschäftigen möge; viel wich- 
tiger aei 68 für ihn Oesterreichs Verträge mit den fremden Staaten zu 
kennen, als su wissen wie oft Bern mit Kvftago Frieden gescblosaea 
babe. Amelli, Bartenetein, 8. B6. 

* YA. Fese. 4, Nr. 87. Wolf, 8. M f. 

* Jedenfalls waren Urkunden der weitaus zahlreichste Beütandtheil des 
Archivs. Norb 1780 (Hops) werden din TTrkunden ftls Arcbivstttcke den 
Acten alft Kf>f:istratnrHt(icken entgegengesetzt. 

« Diese wird nur bezuglich der Wiener Schatsgewülbeschrifteu berührt» 
e. miini 8. 51. 

akUv. xcn.iMi4. t. miiis. 4 



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werden kaum gestreift; sie haben die Arcbivve noch knge 
nicht beschäftigt 

Der sweite, fttr ans bemerkenswertheste Thefl des Vortrags 
betrifft die EtgOnaang des Archivs: die Aa&uchiuig nnd Kach- 
tragung des Abgängigen.^ Wie unendlich viel hier noch an thnn 
blieb konnte Bartenstein ermessen, wenn er das bisher Zusanunen- 
gebraohte mit dem verglich was die ihm bekannten Wiener 
Begistratoren enthielten, nnd besonders mit dem was ihm seine 
Vertrautheit mit der historischen und pnblicistischen Literatur 
an die Hand gab. Acten Uber die westftÜÜschen Friedens- 
handlungen des Erzhauses' waren erst kttrslich in Innsbruck 
snfitllig entdeckt worden^ in der HofkanaleiregiBtratur hatte er 
sdbst eine Menge ttkerer Reichstagsacten gesehen; viele solcher 
wichtigen Schriften vermuthet er in den Hinden adlieher Fa- 
miUen,* und em Schata davon musste sich bei der kaiserBchisa 
Reichshcf kanzlei finden, da diese ,des Enhauses wichtigste An- 
gelegenheiten mit fremden Höfen (ausser mit Spanien, Polen, 
Russland, der Türkei, Venedig, der Schweiz und Qraubttnd«!^) 
Uber zwei Säcnla besorgt' hat: habe Kurmainz vorlängst die 
Billigkeit der Ausfolgung dieser Acten anerkannt, so wären 
nun die commissionellon Verhandlungen darüber wieder auf- 
zuuchmen/ Ferner tioll den beiden Archivaren die Durchsicht 



* ,WeU iichon bei Absendung Rosenibala oAcb BObmen, InneröAtorrelch 
vimI Tirol die aUndiOclwte Willemmeimiiig dahin gegaugon, aadi dar 
■ehoii bei Lelneiteii das bochtaligeD Kfiiaer» (Karls VI.) mehnnals vor* 
gateUagenen Idee almmtlicbe in ein Hansarchiv gehörige SebtiAaa an- 

»ninniRn^ubrinc^n und oiner bpsondern ryb<jr>rg-o aneavertnwen» BliWtt 
daraus ein ui/.e» und voIl.Htändiges Werk mi machen*. 

* Die Original Protokolle der kai«. Butscliatt waren auf dein Wiener Trüdel- 
(«Taudel*-) Markte verkauft uud sudanu von doiu alt«ii Grafen Wacker> 
barUi (1607, 1708, 1711 und 1717 knrOntUeh «Sehsiaeher Gasandtev in 
Wien) nach Draadeo gesandt worden, wo sie bei einem Brande sngrande 
giengen. Tgl. Hormajr 1808, & 166, Ann.; 1810, 8. 400, Anna. «. 

* Veracbiadeae handscbriftliche Folianten hatte Hidi die gräflich KinskyKcbe 
Familie aus ihrom Besitz abzutreten erboten (Ihr Inhalt betraf den 
westfälischen und den Nunweg^r Frieden, Corresiiondenzen mit Schweden, 
rOmiache GeMaudtscliatt, ungahscbe Landtage etc. 8ie wurden 17ö6 dem 
AidÜT flbfl^geben. TA. Ftaac. 8, 1756/8.) 

* Die llteren Terhandlnngen des Wiener HoDbb mit KiunnainB nagen des 
Belehaafehivs (1741/42) sind gedmekt im WaUdierinm Kada TO., 8. 166 f. 
und Beilage 5 (S. 68—76; 1741, 9. Oot. bis 1 74!^ 27. Jan.) und im KrGnong»- 
diaviom Oeasetben, Beilag» 10 (8w 40—46; 1742, 10. Mil nodob D.). Im 



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51 



dor BApertorien anderer SteDen: dei HollEriegMtlMey des Dt- 
rectoriiime, der Geheimen Hof- und Staatskanslei n. s. w., 9»- 
itattet werden. Die Veremigong der Docmnante dea sogenannten 
SehaiigefwCdbes* (in Wien) mit dem HanearelnT wftre nlltaliol^ 
waa mcht «1 hindern hitte daes deaeen Inhalt ^beeonden and 
auf die eigene Art ivie bisher aufbehalten', doch aber in dem 
General- nnd in dem Matetieii*Rfl!pertoriiim vorseichnet werde. 
Daaa grössere Schwierigkeiten hinsichtlich der ungarischen, 
siebenblligueheii» niedeilXiidiBehen nnd lombardieren Archi- 
▼alien bestehen, verkennt Bartenstem nidit; gerade sie aber 
seien in höherem Grade der Gefahr ansgesetst in feindUch« 
Hftnde an gerathen. Wäre es nnthnnHch oder bedenklieh sie 
ins Hansarehiv m bringen, so konnten wenigstens die wichtig- 
sten gegen ZiirOcUassnng von Abschriften den Registratnren 
der betreffenden LindersteUen emvarleibt werden; jedoch wäre 
em Venseiohnis davon dem Generalhausarchiv mitzntheilen, was 
jvon wegen des natürlichen Znsammenhanges den mehrere eine 
Monarchie ausmachende Länder unter sich haben, nebst der 
Regel und Ordnung auch vorbesagter Länder selbsteigenem 
Interesse gemäss ist'. 

Als ,die nulzlicliste und wichtigste, zugleich aber auch 
die mühsamste Ven'ii litung' erschien Bartenatein die Verwirk- 
lichung seiner dritten Absieht: die Ausziehung aller in den 
Archivschriften vorkommenden ÄUtci ii n und deren Eintragung 
in ein besonderes Repertorium materiunim. Darin sollten die 
jedes Erbland insbesondere betreffenden Gegenstände kurz, 
doch mit Beziehung auf die Stücke woraus ,der volistiiiuligc 
Unterricht zu erhalten ist', verzeichnet werden. Mit vollt ni 
Recht erklärt es Bartenstein flir unmöglich dieses Repertormm 
in wenigen Jahren zustande zu hnngon, da sich eine solche 

Qammn 1764 wnite wM» angenommen. D«r Enkaular nigl» 
alch MtfifwikMiimaDd und am S. Jlnner 1766 begaasMi dte Aoaliefs» 
raagsa dmr SstemlehiMiien Materialien aus dem ReichskanilsiawliiT. 
Die Acten darüber (bis 1764) im 8tA^ ItoiduhofkaaBleipVTfaiiiiiigMrtMi» 

Fa.^c 43, Nr. 45. 47. 
' Sin lacjf^ii drimals noch, ,in einer iromde», eugeu Beliältni.s', jkiiinmer- 
iicii verwakrt% bei der uiederiiatarreichischen Klosterratharegistratar im 
Bo&pitaL & 9h9ta S. 40 und VA. FaM. 4> Mr. 88. Die Teretnigung mit 
dett HOTittfiiir idi^t aech ver ScIüiim dee Jahres 1768 itatlBefiiiide& 
sa haben, Net« SoeeatiMl« und Fkeyailehent o. B. (vor dem 18. Deeember) 
im ML, Höt. 



Arbeit nicht allssiuehr beschleumgeiiy noch weniger ttWeileli 

Die vierte Arbeit sollte nach dem VoracUti^ <lee Vice- 
kanslers in der Anfertigung sauberer Abschriften bestehen, nnd 
swar von besch&digten Stücken, Ton solchen die anderen Stellen 
notkwendig sind oder die das HansarchiT selbst ,inehrerer 
Be^mfichkeit oder Sicherheit halber' m copieren wttnschens- 
werth wftre.* 

Der ftlnfte und letale Antrag hatte die BegrOndmig einer 
Handbibliothek für das ArohiT sum Zieli indem er sunftcfast 
die Anschaffiing derWeike Dnmont, Lttnig, Londcurp imd 
Meyem empiabl. 

Zum Schluss erklärte Bartenstein die Absicht nicht nnr 
wöchentlicli von dem Fortgang der Arbeiten Kachricht einm- 
holen, sondern sich auch öfter persönlich im Archive einzufin- 
den ; niclit etwa aus Misstrauen in den Fleiss und die Qeschick- 
lichkeit der Archivare, sondern um der Majestät verlässliche 
Auskunft über den Arbeitsfortschritt geben zu können und um 
die Archivbeamten in Dingen zu berathen die ihnen fern lägen. 

Bei den Acten findet sich ein nii lit adressiertes eigen- 
händiges Billet der Kaiserin ohne Datuiii,^ das offenbar an 
Bartenstein gerichtet ist und ihre Entschlieösung auf dessen Vor- 
trag vom IB. November enthält.^ ^Weilen an Archive/ sagt e^ 



* In Frankreich hatten, wie BarUinstein anführt, zur Zeit Ludwigs XIV. 
unter der Aufsicht des Staatasecret&rs (Heori-Augtiste de Lomonie) 
Qmhn. ww BriMme nülirw« eigen» dalBr siufewiblte, geMbidrte^ an* 
■ehalielM Ilioner viele Jahre en einem soldien Werke gearbaitai 

* ^tSÜda ist» um allda< (im Haeaarehiv) «ein« guten Kansltiteo absngeben, 
,nicht genug einen lehOnen francßsischen und ittlieniaehen Buchstaben 
7.n linbon, sondern wiH vornphmlirh frforflort. f!a»8 mtin <ler slfen 
lateinischen und dfutsehon, v(in clor uuuntelirig^en ^ehr unterschiedenen 
Schreibart kundig sei.' Dem Abschreiben der eigenen Arvhiv bestünde tilr 
daa eigene ArddT iat aneh noch in apftteien Inatamntioiien eine kanm 
vanliente Anidebnnng sogedaeht. 

* TA. Faae. 8, 1759 (t)/4^ 

* Rocmayr 1808, S. 174>; 1810, S. 419* (vgl. Wolf« S. 81) ersKhlt oline 
Quell»^n?»n{rabe, Maria Therpsin hnhe nartenstein« R(»ri<'ht wohlg-efSlIigr 
entgogeiigt'nouinien und ,eigeahjin(lig daraiif go>»chneben' : ,Wer nicht 
ein lebendiges Archiv ist, wie der respectable Bartensteinische Kopf 
dallir sn balten, wird adiwerlidi «inen dei|^eiebeQ Yoiaeblag machen 
Hei weniger etwaa dnbai «uafeailen kUnnen.* Dieae AeuaNmpg alaiit 
anf einem losen« dem Vortrag Barteneteina beiliegenden Blatt 8ie iat 



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53 



jSm Beförderung des Repertorii matemmm sehr Vieles gelegen 
und hierzu die vorläufige Verfassung derer £xtracten unent- 
behrlich ist, so befehle, dass nach Eurer Einleitung damit 
unausgesetzt fortfrefahren und sowohl die bereits fertißfe als 
weiters zu verfassende von Euch selbst revidiert und deren 
crsteren Verzeichnis inner 14 Tagen, derer letzteren aber von 
Viertel- zu Vierteljahr Mir übergeben werde Wonebst auch 
Mein Wille ist dass, was ihr wegen derer zum Unterricht Meines 
Sohnes benöthigten Hrkuiiden verfUgen werdet, si lilruiii;^ be- 
folgt werde.' Der erste Theii dieses Befehls scheint aui dem 
Papier geblieben 7ai sein. 

Ein zweites Blatt, ebenfalls undatiert,^ enthftlt von der 
Hand Maria Theresias die Weisung: ,Obwohl( n vorhin aus dem 
Schatzgew()ib keine Schriften haben dürfen au?n:efolgt werden 
ohne des Obi istbofmeistcrs und Obristkamiuei ers Gegenwart, 
künftighin solle keine Schrift aus dem Haus- und Geheimen 
Archive hinausgegeben werden, wem es aueh wäre, ausser 
Meiner eigenen Unterschrift und wo schon allemal Einen com* 
mittleren würde der es von Euch ttbernehmete/ 

Von den Unternehmungen die Bartenstein zur Ausgestaltung 
des Archivs vorschlug, hat also vornehmlich die Anlegung des 
Materien-RepertoriumB den Beifidl der Kaiserin gefunden, und 
selbständig traf sie eine Verfügung die den duuraktor des In- 
sütutes ftis eines geheimen wahrte. £r ist ihm lange, wenn auch mit 
immer schwächerer Betonung, erludten geblieben, zum Schaden 
der vaterländischen Geschichtswissenschaft und gewiss nicht vom 
Kaisen der Interessen die dadurch getchtttst werden sollten. 

Nur die Arbeiten an dem General* (<^ronoiogiscben) Reper- 
torium scheinen einige Fortschritte gemaeht zu haben. Mit dem 
Materienkatalog gab es Schwierigkeiten, von denen bald die Rede 
sein wird; und zur Ausfüllung der Lücken in den Archivbeständen 
fanden in der nächsten Zeit nur schüchterne, wenig ergiebige Ver- 
snche statt Es war ja auch nicht anders mÖgUch, da die dem Haus* 
archiv angewiesoien Räumlichkeiten kaum zur Unterbringung des 
bisher Gesammelten lureiobten. Einen regelmässigen Zuwachs an 

nicht unterzeichnet, aber ganz bestimmt nicht von der Hand Maria 

Tberpsia« niedergeschrieben. Es ist leider nicht gelungen den Schreiber 
feit '.usteüen. Nach Form and Inhalt konnte sie immerbiu von der Kiu«eriu 
herrühren. 

« YA. AMC 8, 1759/ft. WoU; 8. 88 (SQ 1759). 



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64 



diterradiiBoheii Acten lieferte nur die Reieheliofkaiudei;* sonst 
ei|[«b sich nur Weniges und Znfiilliges. Von der gräfliob Star- 
hembergiscken (frttker KadAsdyschen ) Hnnoluift Pettendorf 
brachte Rosenlhal einige Hungarioa und TranssOvanioa nadi 
Wien, nachdem bekannt geworden war, dass ans dem dortigen 
Archiye doreh einen Wirthschaflsbeamten bedenkliche Schriften 
in unberufene Hände gelangt waren.' Eine gemeinsame Note 
der beiden Archivare* macht «nfmerksain, dass bei der Gehei- 
men Hof- und Staatskanzlei ( h'ii^iiiulo liieren, die theils des Erz- 
hauKcs üomesticii (llausveiträgc, Testamente. Ileiratsverträge, 
AbtheilungeTi, Erbverzichte u. s. w.) und Gerechti^ame, theils Ver- 
trä<xe, Friedensschlltese und Bündnisse mit auswärtigen Höfen 
betreflfcii und dcsLalb im Hausarchiv ihre Stelle hätten; dagegen 
könnt« dieses mancherlei jsur Ergänzung der Acten der Staats- 
kanzlei abpfcbcn. Als Frucht dieser Anregung findet sich zu- 
nächst nur, dabb einige Manuscnpte(GuiUimansClironicon Anstria- 
cum , Burglehners Aquila Tirolensis I, Steyerers Collectanea, 
12 Bände) aus der Registratur der Staatskaiizlei dem Archive 
zufrewacLsen sind.* Bei Hauerwitz beantragte Roscnthal die Ab- 
sendang des Aiiitsexpeditors Hojvs nach einem ,{re^viiscn in 
Ungarn unweit der österreichischen Grenze gelegenen Kloster*; 
dort solltf Ti noch alte, Böhmen und ni-jierreich hotrctfende Ur- 
kunden und vSeiii ittcii liefen, dir wahrend der Fehde Httokars 
mit Budojf 1. dorthin in Sicherheit gebracht worden, nach dem 
Untergänge Ottokars aber in Vergessenheit gerathpn seien.* 
Ende 1755 musstc llosenthai einen kaiserlichen Aultrag, die im 
k. k. Dircctorialgebiludc damals verwahrten alten kaiserliehen 
Cabinetsacten in das Hausarchiv zu übertragen, mit der Erklärung 
erwidern, dass dies wegen gänzlichen Mangels an Kaum völlig 
unmöglich sei, da schon die aus der Reichshofkanzlei von Zeit 
TO TätäX herllbeikommenden Schriften kaara noch unteigebracht 



^ S. oben 8. fiOf Ann. 4. 

* 1753, Doccmber. VA. Pnjw. 4, Nr. 11 Die Potteudorfwr Adttl waidm 1764 
ftiiH Directorimn abgegeben. VA. Fa.ic. ö, Nr. 7. 

" VA. Faäc. 4, Nr. 4B. tiie trägt weder Datctm noch Adreäne. 
« 1. August VA. Fmc 7, Nr. 29. J«tet BkA. O04. 6 (vgl. 7, 114); 4W 
und 466; 86 und 115. 

* VA. Fase. 4, Kr. 49, ohne Oatmn. Hmgwiti fand, da«t diät mr BaMe- 
nutg des «UerhOebstMi Dianstes geiaiohaD wflyda. Vaber dan Erfbly liagt 
niAbte TOT. 



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werden kAmten.^ fibiges Wenige gaben die Hofbiblietkek 
(1749 Maoiuori|ile, 1754 ein paar Origmahirkiinden, daranter 
die Remfelder Hausordnung ▼an 1383) und das Direetorimn 
(Docnmente die Fragmatisdie Sanotien betreffend von 17S0 und 
1791% bedentendmekr gab dieSohatakammer (1764) ab.* — Eine 
Anr^ang Rosendiab^ nur £rglnaang des spärlichen Archiv- 
Stoffs ans der Zeit Karis V. die Sammfaingen in Be8an9on, BrQssely 
Mailand und Madrid imtnrsnchen m lassen, blieb ohne Er- 
ledigung.' 

litt die VervoUstÜndigiing des Archivs unter der Ungunst 
nasserer Verhiltnisse, so konnte die Arbeit die dem DIreetor 
ab die nach seiner Anschauung wichtigste so sehr am Henea 
lag, wegen persOnfioher Verstimmungen ideiit gedeihen. Sie 
fand einen Gegner an dem Ersten Archivar.^ Ans dessen Munde 
vernahm die Kaiserin, dass die Einrichtung des Archivs, wenn 
sie nach Buiensteins Idee geschehen sollte, dreissig Jahre Zeit 
erfordern würde. Obwohl Bartenstein mit der Anerkennung 



* VA. Fase. 6, Nr. lU. Rosentbal versucht »ich damit zu tr^ttteit, das« dieso 
Cabinetsacten «mit den Acten und Materien des Achivs die aUermindeste 
Vnrimttpftiiig haben*; fi» asten TieliBebr, wie aatlnm bekannt» ein wirk- 
lieber Theil der k. k. Cebinetor«ci«tratBr« an« den Z^ten weiL dee Frei- 
bermy. Imaee und des jetzigen Cabinetauccretürs Freiherm v. Ko<^. ViMr- 
dem in der Bnrp aufbewahrt, waren sip vor fünf oder «echs Jahren wegen 
hatllicher Keparaturen in Abwesenheit Koch» und uhne dessen Wissen 
weggeräumt und endlich in das Directorialgebaude in dah lautere Ge- 
wsllie der TormaZigeB Protokollsinuner abertragen werden. 

• VA. Faae. 1*, Nr. 19. Faws. 1% Kr. 60. FaM. 6, Nr. S3. SS*/» 31. Wairen 
der Sebatikanmer t. oben 8. 19 t 

• VA. Fate. 8^ 1767/1. 4. 6. Beeflglicb Be«anfona vgl. Hormi^r 1808, 
S. 166, Anm.; 1810, 8. 409, Anm. 1825, 8. 67 f. 

* 1754 bfantragto BartGUHtci!! für ihn den TTofnithfititül. Alltüu die Kaiheriu 
lehnte ab: ,Keiueii IlniVuth mach Ich mehr al.s der wirklich liei eini^r' 
(Hof-, d. i. Central-) ,8tülle olatritt; als künigliche Käthe seind doch ohne* 
dem aelbe' (die Ardiirare) ,deeorieff («aa ein Irrdinm war, da ee nnr 
bei Boeentiial antraf)- Und anfeine Gegenvofstriinng Barteiuleliies JBUXbt 
bei der vorigen Reeolntion, wegen Conieqnens kann es nicht thnn.' Fnjwt' 
tpbon erhielt damab den KathHtitel; 8tA., Normalienbuch S. 27S. Boaen- 
thal ward der Hofirathstitol 1760 znthoil: suit dem September dieses Jahres 
wird er als »olch«»r in den Erlassen somer t)l>ei behilrde anppsprm-hnn. 
Das Verleih ungsdecret hat sich nicht gefunden. Nach Uorniajrrs Archiv, 
1816, S» 4A9 wlve er am 16. Jannar 1769 anm ,wirklidien* Hoftafli er* 
naant «ordea. Fkeywleben wurde (Titnlar>) Befinatb am 4. Febmar 1774^ 
VA. Fiee. 16, 1774/*» 



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66 

der LeiatDBgen Rosenthals nicht kAigto»' obwohl er Um in keiner 
Weise snr imbedingten Anbequemung an seine eigenen Ideen 
nöthigte und ihn bei allen Gelegenheiten mit HOflichkttten über- 
häufte, so zeigte sich Hosentbai doch von An&ng an unzufrieden, 
als er nicht mit allen seinen Vorschlägen durehdrang) beklagte 
dch tiber die — nach Bartensteins Versichenmg nur wenigen — 
Arbeiten die ihm dieaer aoftrug, ja begegnete ihm sogar dann 
and wann nicht gans glimpflich.' Kein Zweifel: dem alternden 
HanBarcbivar gieng es nahe aicb einen wenn auch noch so ans* 
geaeichneten Mann flbergeordnet au sehen in einem Bereich, den 
er durch lingere Zeit in grosserer Selbständigkeit bebexvsoht 
batte und aneh fernerhin so an beherrseben wflnscbte. Barten^ 
Steins Haltung gegenüber dieser Widerwärtigkeit entbehrt niobt 
eines vornehmen Zuges. Da die Kaiserin nicht verlangen werde 
dass er derlei Unannehmlichkeiten noch weiterhin ansgesetrt 
bleibe, seblug er ihr vor Rosenthal dadurch au ,consolierenS 
dass ihm gewährt werde, in dem Theile des Archivs den er 
lobwflrdig und mtthsam ansammengebrach^ nach eigenem Gut- 
dünken an schalten und au walten; für sich selbst erbat er nur 
die Befugnis, von den Urkunden deren er für den Unterricht 
des Eraberzogs bedurfte, Abschriften au begehren und alle 
Urkunden des Archivs, insbesondere die aus der Zelt seit llaad' 
milian L, nach seinem Gatdttnken extrahieren zu lassen. Damit 
aber diese Arbeit vollendet werden k5nne solange er noch 
dienstfilhig sei, wäre es notbwendig dem aweiten Archivar von 
Freyssleben einen tüchtigen Mann beurageben, der auch bereit 
wäre sich ihm (Bartenstein) au Aigen, wie dies Freysslehen 
stets gethan. Als solche Kraft nannte Bartenstoin den Heraus* 
geber der Scriptwes rerum Hungaricamm veteres ac genuini,' 
Johann Georg Schwandtner. Seine Bemfung würde freilich die 
Kosten des Archivs um etwa 2000 fl. erhöhen; aber sie bdte 



' Ygl. die vorige Anmerkung. 

auch vielleicht wohl f,'ar hin und wieder mich veninflimpfl, 
wo doch .... aiu-h jetzt noch unendlich weit entfernt bin ihm auch 
nur cIaü Ailergeringitte iu den Weg legen zu wollen: mastteu Uber- 
ha«pt jaieh an die Sichtsohnar halt«» dast bester sei weaa 
Andere sieh an mir, als wann ich mich a,n Jemand andern 
versündige.' BwtMMiein an die KaiMrin tosi S5. Ifai 1756, TA. 
Vam. 6, Nr. 10. 

* Wien 1746—4« (Fol.^ aene Anag. 1766—68 (4«); S Bände. 



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57 



die Autriohi di« Ordnung und Repertoriaernng tu ehra siebeii 
Jahren sn ▼ollenden, worauf ja wieder eine Vennindemng des 
Personab eintreten könnte.* 

Die Resointion der Kaiserin' übergebt die Differensen 
awieelieB dem Direelor und dem ersten Arcbivar mit Still- 
schweigen, verwirft aber die Bestellung eines neuen Beamten. 
^Einen Neuen mit 2000 fl./ m^i mt, ,wäre wohl hart jetzt zu 
nehmen. Bin gefallen auf den Breitenfeld/ der bei Migazzi 
war, der sehr geschickt und ohnedem bei dem Directorio ist. 
Man könnte ihm 300 H. beilegen, flamit er in allem läCHJ H. 
hätte/ Schwandtner wurde Custos der Hofbibliothek, Breiteii- 
t'eld aber Geheimer Secretär buim Directunum. 

In der Zeit des siebenjälirigen Krieges versiegen die Quellen 
für die Geschichte des Archivs fast gänzlich. Dass dieses einem 
Stiilleben verlallen war, lässt schon die Spärhchkeit der Ver- 
Avaltungsacten vermuthen die aus diesen Jahren vorliegen. Die 
^ioth der Zeit wirkte lähmend, mehr vielleicht noch die 'IVii- 
bung fh-i^ Verliaimisses jüwisclicn dem Director und seinem 
Ersten Archivar. Der greise Bartenstein scheint sich nur noch 
wenig um das Archiv bemüht zu haben; auch Kosenthal hatte 
die Höhe des Lebens überschritten. Noch einmal wurden beide, 
mitten im Krit i^^e, aufgerüttelt, als dem Archive plötzhch die 
Qelahr drohte seines guten Obdachs beraubt zu werden. 

Getren Kndo 1759 war nämlich beschlossen worden das 
eine der platzseiti;:tMi Ar<'!iirj:^('wr)lbe, das urimitti'lbnr ;m r\u' 
Durchfahrt zum inneru Bur^plalz jj^renzte und nacii diesem zu 
ein Fenster hatte, an den beiden Schmalseiten durch Nieder- 
legnng der Mauern zu einem Durchgang für Fussgänger um- 
mgestalten;^ das Archiv aber, das dadurch seines besten, luftig- 
sten und hellsten Lagerraums yerlustig gieng, soUte auf Befehl 



* An dem ob«n & 68» Amn. 8 a.O. 
«Eben«. 

* Jowpli Attgnätiii von Hr., vutn September 1752 bis sum October 1754 
Lef^ntioimecreLnr Tu i dem Grafen Mi^zzi in Madrid. Vgl. Wolfilfgrttber, 
Card. MigHzzi (bauigau 1890), 6. öö, Ann 1. 

* Der Durchgang hatte ursprünglich bestauduui aber durch Abmanerung 
war ianu ein Z lmai s r gewonnen wordent das nr ITerwahrong der Caiee 
des llilitlisaldunta gedient hatte bis 175S» wo ee (nebet dfrt «ngfemen- 
den BiwneD) dem Hanawebiv ang evieMn woiden war (oben 8. 41). 



üiyiiizea by GoOgle 



58 



der Kaiserin' aus der Reieiiskaiulei in den Angostineigai^ ^in 
ein nenee GeVftn'* Übertragen werden. Mit BestOrsong yeniaiim 
Roeenihal was den ihm anvertraaten Sehitaen, die er kanm erat 
geborgen wnsste, augemntbet ward. Htt der dringenden Bitte 
wandte er sich an seinen Direotor m erwirken, dass dem Arehhr, 
wenn schon die Uebersiedlmig nnvermeidlich wSre, doch wenige 
steiis die nnmittelbar darttber gelegenen Rinme angewiesen 
worden, wo nur die ^nchefanMiBeher' des Grafen Batthyänj 
hausten. Bartenstein anerkannte swar, dass an der sichern nnd 
schicklichen Unterbringung des Archivs Allee gelegen sei; aber 
er verhehhe dem HansarehiTar nicht, dass er wenig Hoffiiung 
habe mit jener Bitte dnrehsadringen. Und in der That be- 
schied ihn die Kaiserin, sie werde sofbrt ihren Hofbandireetor 
beanfbragen Alles mit ihm ^concertieren nnd transportieren 
lassen, wdehes in künftiger Woche sein muss; das Archive 
werde allda sicherer und convenienter wegen allen sein; mit- 
hin wäre alles darnach einzuleiten*.' Von Rosenthal gedrängt 
wagte Bartenstein noch eine GegenvorsteHunp;. Aber sie fand 
kein Gehör, ja Maria Theresia licss ihn sotjar merken, dass ilir 
sein Vortrag: unangenehm war. Da kam dir AirliiviniUiigkeit 
Bartensteins unverkennbar zum Ausdruck. Er geixaue sich 
nicht mehr, erwiderte er auf Rosenthals immer wiederholtes 
Andringen, darüber etwas vorzutragen; er wolle sich in die 
Sache nicht mehr mischen, wäre aber ganz zufrieden wenn jener 
sich an Andere hielte, die mehr als er selbst auszurichten ver- 
möchten; und da verwies er ihn bemerkcnswerther Weise an den 
Grafen Kaunitz, ,umsomeln als einem jeweiligen Hof- nnd Staats- 
kanzler noch weit mehr als mir obliegt für die anständige und 
sichere ITnterbringung des Archivs zu sorgen*. Und er stand 
auch nicht an der Kaiserin zu sagen^ dass er alle diese Aeusse- 
rungen gethan.^ 

' Vgl. lolgende iwoi atidaüerle BiUeto der Kaiserin: »Wegen des Arebivo 
babe 6 GewOlber resolviert, welebe Bann genug babeo. Mithin wiie 

Kolbe« sobald als möglich dabin «u bringen.' — ,DieThttrundCommanication 

zum l^afthyAny mii«R MsSattiBtÄg' iiißt.ind sein. Wenn also dns Archivi» nicht 
könnte versor^'t .«^ein, ,so sollte es allsoplpich nach Meint^m ersttja lielehl 
iu die neue BeliaUuid transpurtiert werden.' VA. Fa«v. 8, IT&^/O u. 8. 
« Vgl. Waidnni 8» 166. HmaTr 18S6» 8. 20. 

* Bartentteint Vortrag vom 88. September 1769, VA. Faeo. 8, 1768/8. Boeen- 

thals Vorstolliinp^ v un M&rz 1764, 8. oben S. 48, Aofli. 6. 

* Am 29. Ociober 1768. VA. Faee. 8, 1769/8. 



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Mebr ist den Acten nicht zu entnehmen. Thatsache ist, 
dass der Umzug des Archivs unterblieb; aber den Verlust des 
einen Lagergewölbes musste es sich gefallen lassen, der Durch- 
gang wurde eröffnet und er dient heute noch dem Verkehr 
der FussgÄnger, die vom MicLaclorplaiz auf der rechten Seite 
der mächtigen Kuppelhalle nach dem innern Hurgplab. gelangen 
wollen. Die Schränke des dem Archiv tmtzogenen Zimmers 
mussten entleert und in einem ziemlich entfernten Gclass der 
,alten Burg* (des Schweizerhofs) ober der Schatzkammer weg- 
gestaut, ihr Inhalt aber in den \\ iukeln des einzigen noch übri- 
gen Lagergewölbes über einander gehäuft werden.^ 

V. 

Es ist nicht bekannt, welche Umstände oder welcher persön- 
liche Einfluss von dem Haasarchiv die Gefahr abgewendet hatten 
die im Herbst 1759 so droliciid gewesen war. Die Vermuthung 
liegt nahe, dass das Verdienst dieser Rettung dem Manne ge- 
bührt auf dessen nahe Beziehungen zum Archiv Bartenstein 
damals hingewiesen hatte: dem Hof- und Staats kanzler. 

Zwei Jahre später, am 23. Dcccmber 1761, wurde das 
Directorium in publicis et < ain< ralibus aufgehoben; an seine 
Stelle trat, mit cingrecngtcr Competenz, die Vereinigte böhmisch- 
österreichische Hot kaiizlei. Die Unteroi linung des Ilausarchivs 
unter die jetzt bt st itigLc Centralstclle oder ihren Präsidenten 
hatte seit BartensLems Ernennung zum Archivdirector umsowe- 
niger aufgehört, als ja dieser Vicekanzler des Directoriums warj 

^ BoMothab Voratellnng vom Man: 1764. Dort üit noch eruiblt, dasM 1761 
«nr g^rnsston Gefährdung des Archivs rlor innere, zu den Oewr>Ib»'n nihrond© 
Oaug gegeu die Durchfahrt hin, uud glüicbzuitig auch diu (biä dahin 
unten vermauerte) Scbneckenstiege die vom obersten Stockwerk In jenen 
Oaof Unabfllliit, gaOflbet woidaa mIbii, um dm Bewiihimni dies«« ThtUa 
dar Bwg dM Tevkelur mu JComOdto* (mm BaigfkMtor) sa eriaichttni. 
Welche Gefahr für da« Archiv, wenn diBier Gang, in den swei Haupt- 
thiirfMi ilf^r Gewölbe uiiliiden und ,der seit der ErfiflFnnng^ den Windan« 
lallen iiiistiiudig' nu'<p-i»setzt ist, 2um freien Dnrehznp vornobmer und 
niiudurer Personeu uud HoAente, nebst Lakaien uud Läufern mit Wind- 
liditam oder anderen VorlflwditiuigMi' b«natat wmdal — Dar Gang ist 
aafili nur Dnrdhfiüirt hio <ijliB geblieben; die Sckaeebenitiege aber wurde 
wieder (1764: »tot andertfialb Jabfea*} «micIngUcli gemaolit 



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60 



die AuftrÄg'e an Rosenthal erliess auch nach 1753 das Direc- 
iorialcollc;xium, nicht Bartenstoin. Die Verwaltungsreform vom 
Ende des Jahres 1761 musstc also auch die Frage nach der 
amtlichen Zuweiounp; des Archivs wieder zur Erwäf^ung stellen. 
Der zwciundsiebzi^jährige Bartenstein w'wd sie nach dera fniher 
Erzählten nicht mehr für sieh augestrebt, wird vielleiclit mit 
verstärktem Nachdruck den Gedanken wieder ztir Geltung; p^e- 
braeht haben, den er 1759 gelegentlich geäussert hatte und der 
im Wesentliehen darauf hinausgieng: das liausarehiv ^ciiüre 
zufolge seines Inhalts und seiner amtlichen Bestimmung zu der 
Centraibehörde in deren ( unipetenz nebst der Leitung der 
auswärtigen (u sc li.ifti' auch dio ßesorg'ung der Anp^eler^'onheiteu 
des Herrseherliauses tiel. Das war seit 1142 die Geheuue llof- 
und Htaatskanzlei. 

Gleich nach der Aufhebung des Directoi lunis hatte die 
Kaiserin die Absiclit gehegt und sie auch mtlndlich geäussert, 
das Archiv ihrem Obersthofmeisteramte unterzuordnen. Aber 
bald kam sie zu einem andern Kntsehluss. Als der Böhmische 
Oberste und OcsteiTcichische Erste Kanzler Graf Rudolf Chotek 
im Verein mit seinem Bruder Johann KarP am 15. Februar 
1762 über die Zuweisung des Personals der aufgehobenen Ceu- 
tralstelle Vortrag* erstattete, als sie dabei der von der Kaiserin 
in Aussicht genommenen Verfügung über das Archiv gedachten 
und den Wunsch andeuteten, dass dieses auch fernerhin von der 
(Hof-) Kanzlei Aufträge anzunehmen habe, reacribierte Maria 
ThereBia: ,Das Archiv gehört zur Hof- und Staatskanzlei 
als Meiner Uauskanslei, bei welcher sich also von all- 
anderen Stellen, somit auch von der Kanzlei, wenn daselbst 
ächriüen oder Documenten auszuheben erforderUch ist, zu melden 
sein wird/ Diese Entschliessung tri^ kein Datum, ist aber vor 
dem 21. Juni geschöpft, da der Act zu diesem Tage in dem 
Protokoll der Hofkanzlei ^ als ,ausgefertigt' erscheint. 

In die Zeit zmschen dem 15. Februar und dem 21. Junt 
1762 fiült denn auch das BaohfolgeDde, gleichfalls undatierte 
Handschreiben Maria Theresas an Kaunitz, durch das dem 

* Er hatte im DirectoriTim n\n Böhmischer und Oe«terreicUL»cliör Kauxler die 
nächste Stelle hiuter Haugwitz bekleidet. 

* MI., Act 1» w Jntüo 17«t. Noeh an 18. Febniar batto dto Hof kanilm 
an BoMotliil roMribiwi. VA. Fase. 9, 17«t/6. 

* 1762, Bl. S1S^ 



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61 



Archiv seine neue Oberbehtfrde angewiesen wurde, welcher es 
noch heute untersteht. Fassen wir das ^ausgefertigt' jenes Pro- 
tokolleintrages richtig auf, so ist die Vollziehung des Hand- 
schreibens wohl auf den letzten Tag der oben begrenzten Frist 
zu setzen Es lautet:* 

,Ich habe Meines Dienstes zu sein befunden Mein Haus- 
archiv, als woselbst die Arcana Meines Erzhauses und des 
Staats verwahrt werden, Ihme Hof- und Staatskanzlern als 
Meinem Hauskanzlern in der Oberaufsicht und Direetion zu 
ubergeben, und die Stellen welche allda Documenta oder Schriften 
zur Förderung Meuies Dienstes auszuheben haben, anzuweisen 
jedesmalen sich hierunibe bei Ihme per notas anzumelden. Ich 
versehe Mich dahero zu seinem Mir in allen Gelegenheiten 
erprobten Diensteifer, das» er sich auch dieser Tb ine hiemit 
anvertrauenden Direction unterziehen, den Stand die-c s Archivs 
einiieliinen unrl Mir seiner Zeit vorschlagen werde, auf was 
Weise durch ilie daselbst vorhandene Instrumenta die grössten 
Theils verschiafene rierechtsanien Meines Erzhauses erwürket, 
auch überbau j)t sothanes Archiv in das vollkommene Uescbick 
eiii^^eleitet werden mog-e, um davon den Zweck und Nutzen 
zu schöpfen welchen Ich mit is^chtung desselben zum Qrund 
geleget habe.' 

In Zusammenhang mit dem wichtigen Wandel in der ober- 
sten Verwaltung des Hausarchivs der durch diesen Act der 
Herrscherin herbeigefilhrt wurde, dürfte die Entstehung einer 
Denkflehrift stehen, worin sich Boeenthal bemühte seinem neuen 
VoigesetBteil eine Vorstellniig von dem Wesen und der Ge- 
flchiehte diews Institutes und tos dem bisher dann Geleisteten 
so geben. Das Wichtigere daraus wird im Anhange mitgetheilt» 
da es ein g^enaues Bild von dem Zustand des Archivs in dem 
Augenblicke darbietet da das Werk seiner Gründung als vollendet 
gelten kann, ein BUd das Manches Ton dem bisher Erzählten 
bestimmter und greifbarer vor Augen stellt. Sie ist nach dem 
6. April 1761 und vor dem 15. Februar 1763 verÜMSt; denn sie 
nennt den P. Bajtay bereits Bisohof von Siebenbttrgen nnd er- 
wäbnt den noch währenden Krieg. 

In dieser Denksobrift hat die Arbeitsfreudigkeit die Ro- 
ientbal so oft für das Archiv bethätigt hatte , einen leisten 



1 TA. Ftae. 10, 176S/8. Wolf, 8. SS (ebanfalb ta 1798). 



62 



Aalisch wung genommen. Noch 1763 äusserte sich der Steals- 
kanzler^ Uber ihn in warmen Worten der Anerkeaawig. Er 
bezeichnete ihn eis einen treuen nnd eifrigen Diener, voll treff- 
licher Erfahrung in böhmischen KanBleianoheti; an ihm habe 
das Archiv einen Mann der nicht zu ersetzen sei, was grttnd- 
liche Einsieht in Dingen der Dipjomatik und die yoUatlindige 
Kenntnia der Geschichte nnd des Staatareehta setnes Valer- 
kndes betreffe.' Schon da sagt der Staatekanakr von rOatiger 
Arbeit an der innem ArchiTelnriehtang kein Wort; nndseohaehn 
Jahre später, naeh fioaenthala Tode, fhnd er Anlasa an der 
herben Bemerkung die tob ihm unterauchten Znstinde des 
Archivs hfttten seiner billigen Erwartung keineswegs enV 
sprachen; es sei swar ein guter Ghimd gelegt» das Meiste und 
Wichtigste aber noch an thnn, die Ahschiiftsn und Ausallge, 
die chronelogisohen und die Bealrepertorien, die Hanptindieea 
seien noch erat an veiiassen. 

Die Eneigie die Bosenthal in der Leitung nnd Ansge- 
staUnng des ArehiTS entwickelt hatte, seheint dem Einnnd- 
sechaigjihrigen abhanden gekommen au sein. Er fthhe sich 
Terkannl^ seine Lttstungen nicht gewürdigt Oft klagte er 
seinem Adjuncten, traurige Krfifthrung überaenge ihn wie gering 
man sein Einrichtnngswerk schätae, wie leichthin man es ala 
eine mechanische Arbeit benrtheile, ohne das Ktttaliche und 
Mühsame davon einansehen. Üm sich hervorsndiun nnd eine 
Verbessernng seines Schicksals herbeiaullUiren, unternahm er 
nicht selten mit Beihülfe des gansen Archivs Nebenansarbei* 
tungcn, die, wie Hops meint, nicht aUe fUr den Dienst noth- 
wendig oder ntttaUch waren und die den Fortgang der eigeni> 
liehen Archivarbeiten hemmten.* Dab« ist fiprilich die letate 
Behauptung mit Vorsicht aufzunehmen. Bei den Acten der 
spätem Zeit liegen viele Elaborate Rosenthals: aber nur solche 
die er iui Auftrag seiner vorgeseteten Behörde vcrfasst hat, 
die albo allerdings des Dienstes und gewiss auch nützlich waren. 



* 17itO hatte er da» ,re(ilicbe, tod alleoi Eigeiinnt/. nd. i Ilabbe^terde ent* 
fefals CkMBifläi und dia mit mOgliehator IDUstgiu;^ tnugtiächiliikls ftille 
Asniiniiig* ScMsatbaU ( d o w on Chef «r damals noch gar nicht waf) dar 
Kalaorin gaganfiber gerOhmt VA. Faic. 8, 1760 9 (Tom 2. Oetobar). 

" Vortrag vom 31. December 1763. VA. Faac. 10, 1764/1. 

> In dem Vortrag vom 9. Saptembw 1779. VA. Faao. 16, 1779/3. 

* UojM 17S0. 



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Es fehlte woh nicht an Änerkemnmg. FUr «einen Anthefl an 
der Ansarbeitinig der Dediiction Uber das Anreeht der Knme 
Ungani auf Rothreosaen und Podolien^ empfieng er tod der 
Eaaserin glftnsenden Lohn: die Wahl awischen einem Honorar 
von 2000 fl. und einem Bing dieses WertheSb' Glaublich ist 
immerhin, dass die Meiige soleher Aiftiige dem Foriadbritt der 
BepertoriBiemngaarbeiten hinderlieh war. Noeh gegen IQnde 
seiner dienstlichen Laufbahn, die sugieieh mit seinem Leben 
abeehloss, ward ihm die Genngthnung in einer damals erschie- 
nenen archivtheoretisehen Schrift des brandenbvrgisehen Vorder- 
sten Geheimen ArohiTars an Plassenburg Philipp Emst Spiess* 
Vieles an finden, das ,aar BestfttiguDg alles dessen was beim 
k. k. HaosarehiT Tom Anfang her in Obacht an aiehen BSr 
oDthig befanden worden', dienen kimiite.^ Aber noch wenige 
Monate Yftt seinem Tode traf ihn das llissgesehiek, dass eine 
Streitschrift die er im Auftrag der Kaiserin gegen den König 
von Prenssen verfasst hatte, von jener wegen des leidenschaft- 
lichen Tones der darin herrschte, zurückgewiesen wurde.*^ 

Am 10. Juni 1779,^ nicht ganz anderthalb Jahre vor seiner 
kaiserlichen Herrin, ist Kosenthai im achtnndsiebzigsten Lebens- 
jahre gestorben. \'ün ihm konnte einer seiner Mitarbeiter" mit 
gutem Grunde sagen, er habe den Ruhm und die Ehre erlebt keinen 
Archivai^ seinesgleichen in der Monarchie neben sich zu haben. 

Mit dem kuiücihchen Willensacte der der Schöpfung des 
Jahres 1749 ihre Stelle im VerwaltungBorganismus endgültig an- 
wies, ist der letzte Stein zu dem Fundament des Hans-, Hof- 
nnd Staatsarchivs gelegt. Damit schliesst die Geschichte seiner 

* Seine Mitarbeiter waren der Bibliotbekscuatos KollAr nnd der Kaih und 
SecreUU* der SUatsk&uslei Spielmaan. Jeder von dieseu erkieit d&iur 
MOOfl. 

* YA. Fmc 14, 1778/lS. Die Dadnetion ist (mitor aan Titel: VorlSnflge 
AnlUinis^ der Rechte des Königreichs Hnngam auf Klein- od«r Botii» 
reussen and Podolien . . . .) in Wien litt gedruckt («neh in l«Mn{seher 
und frauEOuflcher Sprache). 

* Von Archiven. Halle 1777, kl.-ö". 
« TA. Faac, 16, 1777/13. 

* Aroetb« Ifaria TbmiM, 10, «10. 

* WfoiMriMbM DiMrivm m 1«. Jni im (Hr. 4S) in dot Todivnlitto. 

* Hepa iraa 



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64 



Ghrtinclung. Nur ein Wort Uber Art und Weise wie neh 
Kaxadix als oberster Chef des Arehiys einAllirte, sei noeh ge- 
stattet Sie seagt yon grossem Wohlwollen Air das Institat und 
dessen Beamte. 

ZunAchst, noeh vor SehluBs des Jahres 1763/ erwirkte 
er bei der Kaiserin eine Qehaltserhöhuug fllr Roeenthal und 
Freyssleben.' Doch galt jene nur ftür die Person des Bedachten^ 
und die Stelle des sweiten Hansarchivars sollte nach Frejse- 
lebens Tod oder Bttektritt in swei SteQen von Ärdiivadjnncten 
umgewandelt werden, die im Rang den SeeretBren bei den 
Hofttellen gleichsuhalten wSren. Der Vortrag bringt aber auch 
eine bemerkenswerthc principielle Anschauung des Staatskanzlers 
zum Ausdruck. ,Ueberhaupt, Allergnädigste Frau/ sagt Kaunitz. 
jWäre es in pflichtschuldigster Absicht auf die Sicherheit Eurer 
Majestät Dienstes niemalen zu rathen dass Leute, welchen man 
aus den Archiven die wichtigsten Stücke zum Abschreiben an- 
vertrauen muüs, j^deichsam der Noth und Kleinmüthigkeit über- 
lassen und nicht mit einem LiulUnglichen Brod versorgt würden.* 
Aus demselben Vortrag lernt man die Anschauungen des Staala- 
kanzlers über die Erfordernisse zur erspriesslichen Ausübung 
des archivalischen Berufes kennen. Sie nähern sich sehr den 
heute geltenden. ,Zur guten Einrichtung und Besorgung eines 
solchen .Vi rliivs/ sagt er, ^gehören Leute die nebst den übrigen 
Eigenschutten eine nicht gemeine Kenntnis von dem studio 
diplomatico haben, welches an sieh sehr schwer und bisher 
ailhier ziemlich vernachlässigt woi di n ist. Auch bei den Archiv- 
subaltemen sind besondere Fähigkeiten, eine mtihsame Uebong 
in den alten Schriften > ri'orderlich.' 

Wonige Monate später setzte Kaunitz die Befriedigung 
eine« der ilringendsten Bedürfnisse des Archivs durch: die 
Erweiterung seiner R&Uffilichkeiten. Rosenthal hatte ihm die 
arge Noth geschildert die die völlige und sichere Unterbringung 
der Ar( hivsehätze bereitete, und gleich auch Abhülfe vorge- 
s< Idagcu. Ks hiess dass der Fürst Batthyany, der seine Stelle als 
Ubei*stiiofmeister des Erzherzogs Josef 17B3 niedergelegt hatte, 
im Begriff stehe seine Wohnung im ersten Stock und im Halb* 
stock des Heichskanideigebäades zu rttnmen und in sein eigenes 



• Vortrag yorn 31. December 1768. VA. FtaM. SO, 1764/I. 
> Um 1000 and um 800 II. 



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6& 

Haas in der Stedt au sieben. Gteschab dies, so konnten die 
Zimmer des Halbstocks mit der Ettche, die ober dem Ärcbi^ 
Uigen, diesem eingerftumt werden; die drei Gewdlbe im Erd- 
gescbosB waren dann ab Lagerräume,, die darüber gelegenen ab 
Arbeitsrilame su verwenden; von dem Corridor aus bestand die 
Verbindung zwiscben beiden durch die Torhandene Sehnecken- 
stieget Kannits machte diesen Vorschlag zu dem seinigen 
and drang besonders auf die Verlegung der Ettche, »damit zu 
einem so schönen und ntttslichen Institnto wie ein wohlgeord- 
netes Staats- und Hausarchiv, dessen Verwahrung in der Hof- 
burg selbst ganz anstttndig ist, der benOthigte Raum gewonnen 
werde'. Dem kaiserlichen Placet war die Bedingung beigefügt: 
,Wann Batthyiny hinaus gehet; welches aber noch nicht in Sinn 
haf Und wirklieh scheint Batthyäny mit dem yHinausgehen' 
sehr gezögert xn haben; denn erst im October 1769 konnte sich 
das Archiv in jene Räumlichkeiten des Halbstocks ausdehnen.* 
Dies war um so erwünschter, als ihm inzwischen (im October 
1765) auch das Lothringische Hausarchiv zugewachsen war.* 

Nach dem Tode des der Zeit und dem Range nach ersten 
Hausarebivars fanden die BeförderungsansprUche seines Ilinter- 

^ 1780 telir^bfc flopa: ,W«il nun die Urkundoo ab d«B ▼ofiOglieluten 
Schall und als ein FiddeommiM eines Hanses aDgesehen hat, hat man 
gleich bei der Erbauung einer jeden Saig oder Besidens . . . . fBr das 
Arehir ein eigenes Gewölbe ganz nahe an die landeBfUratliche Wohnung 
angelegt; wie ich denn hier selbst p;^esehen habe, dasfs nebst dfm untern 
Haupteing'ang auä den oberu kaiserlichen Zimuiern ein eigener Eingang, 
wozu nur der Kaiser deu ScbliUsel hatte, mit einer schmalen Stiege für 
eine Person in das Archiv gemacht war, um dasselbe auf alle Zeit Ar 
nch' (den Kaiser) «offen m hattm'. 

' Vortrag des .Staatskanzlers vom 29. Hirz 1764, mit Beilage: Voratellung 
Rosenthalfl iibor den dermaligen Looalsostand des Hansarchivs* Siehe 
oben 8. 49, An in. 5, 

* Die Kosten ihrer Herrichtung (für Tischler-, Schlosser , Anatreicher- und 
ZimmffirntlenuhelQ betragen i86da. Tortrsf des Stsatricaaalan Tom 
fil.Jnli 1770 (asit Beilage: »Allemntorthinigste Nota* Bosenthals vom 
80. Jnli), StA., Vorträge. — Dio curiose Notiz Wolfis S. 89 f., im Jahre 
1769 sei die Wohnung des Keichshofraths-ThürhQters (im Reichskanzlei- 
gebftude neben dem Amalienhofo) ,znm ArchiTo bentitzt' worden, ist nn- 
richtig. Nur die aus Prag für diu Keichskauslei nach Wien gebrachten 
Beichaacten (vgl. oben S. 34, Anm. 1) sollten, da im Kanzleihause kein 
Baum dafür war, dort unteigebraoht werden. IQ., Bshmen. StA., Beichs« 
hol kanslet-Verbssungsactan, Fase. 48, Nr. 46. 

* VA. Fase. 12, 1765/10. 11. 18, 

Ankiv.ZGILSMd. LBUfU. 6 



66 



mann es bei dem Staatskanzler ToUe BerflekBichtigung. Aber 
gleichzeitig sprach dieser eine Anschaanng ans, die ebenso 
bemerkenswerth wie vereinzelt ist in dem langen Zeitraum der 
dem Archiv das Recht zu wissenschafWcher BeÜiätigung nur 
innerhalb der Grenzen nttchster Staatszwecke zuerkannte. Nach 
dem kflnfügen Absterben von Rosentbals Nachfolger, schreibt 
Kaunitz/ ^wOrde meines Erachtens die Ehre des Hofes und 
der wesentliche allerhöchste Dienst erfordern auf die Auswahl 
und die dereinstige Anstellung des gelehrtesten , in der Ge- 
schichte, Diplomatik, iure publico etc. er&hrensten Mannes der 
nur irgendwo in Deutschland zu finden sein wird, fltrzudenken 
und ihn zu rechter Benutzung des Archivs und za den 
von Zeit zu Zeit vorfallenden oder vorzubereitenden außer- 
ordentlichen Ausarbeitungen, Deductionen oder sonstigen Staats- 
schriften zu gebrauchen, da die wenigen dermaligen Ri&the und 
Diener Eurer Majestät welche zu solchen Arbeiten Fälligkeit 
besitzen, ucgen ihrer sonstigen Beseliäftigungcn einen Mann 
allein erfordern, der dureh sonst niehts distraliiert wird'. 

Auf den gelehrtesten Historiker und Publicisten das Augen- 
merk zu richten, auch wenn er nicht dem Vaterlande angehöre, 
war also Kaunitzens Rath. Dass jener nebstbei Erfahrung und 
GoBchick in areliivalischen Dingen besitzen müsse — was be- 
kanntlich nicht nothwendig eines jeden namhaften Historikers 
Sache ist — Wieb uncrwogen. 80 war es denn auch kein ffanz 
gliieklieher Griff, der nach v. Freysslebens baldigem Kücklntl 
über die Grenzen des Kaiserstaates hinaus gethan wurde. Der 
würzburgisehe Consistorialrath und Professor AbbeMielia«*lIgniiz 
Schmidt, der damals berühmte Gcschichtschreiber der Deutschen,* 



» Arn 9. September 177'.» VA. Fase, Iß, 1779/S. Wolf, S. 37. 

' Am 3. October 17HU zum Hofrath und Director des ÖtaaUarchivs ernannt. 
VA. Faso. 17, 1780/7. Er starb anvermutbet am 1. November 1794. 
Ebend. Faac. 19, 1794/6. Uober nSn» B«niftiiiK nach Wien <Ue inter« 
MMAten Htttlieilnng«n Dtetrieh K«rl«rs in Arehir im bistorbchen Veraii» 
fiir Untorfranken und Ascbaffenburg, 10 (1898), S. 75 ff. — 1801 tehraiU 
der damalig^e Archivdirector Dnisor über Schmidt, er sei }»*^ruf*Mi wordon, 
weil man von ihm besonders niitzlicli»\ diu H^torrfichischeu Gerechtsame 
vor dur Welt ins Licht stellende Au^^beitungeu erwartete. Der Erfolg 
habe aber dem Endsweeke nicht entiproehen; denn «iHer der Fort- 
Mtoung der Oeaehiehte der DentMheny die bei der fBr Oeaterreioh wieh* 
tigaten Periode (mit dem Tode Ferdinand« m.) abbricht, sei er nicht in 
dorn Falle i^weeen weitere Dienste in leialeo» nnd weil ea ihn» an den 



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67 



erblickte seine Aufgabe d«riii das Werk seiner Vorgänger ron 
Grand ans unaugestalten. Er scheint In den yiersehn Jahren 
seiner Direotionsftihnuig mehr serstört als aufgebaut sn haben. 



ANHANG. 



Denkschrift des Ersten llausarelüvars von Kosenthai über 
die Einriohtang des k. k« Geheimen lUiisarehiTs« e. 176ä, 

(8. oben S. 61.) 

Kurze Nachricht von der Errichtung des Kays. Königl. 
Un i vcrsal-Haus- und Kronen- A rchives , dessen Ver- 
fassung, Eintheilungen und den bishcrig^en auch 
weitem sowohl ordentlichen als ausserordentlichen 

Arbeiten. 

Das Ksjs. Kön. TTniversal-HaiiB- und Xronen-AiohiT besteht ans 
Tieisn tausend bereits Torbandenen Original-Urkimdon und Sehriftsn, 
welche dieXroDen Hnngarn und Bfiheun und die gesammten Enhenoglich 
Osteireichischen Under betreffen. Die ÖBtorreiehischen Briefe fangen 
Tom Jshre 1002,' die Bttbeimischen von a. 1157»* die Hungariwben Ton 
a. 1202* an. 8ie sind also xuBammen von mehr als acbthalb hundert 
Jshren her; die aber grössten Tbeils seit sveyhiindert Jahren bis auf 
unsere Zeiten gleichsam Tergraben gelegen und bin nnd wieder sertheilet 
nnd zerstrenet gewesen sind. 

Nschdem endlich auf allerhöchsten Kays. Etaigl. Befebl 1. im 
Jahre 1749 — 50 das gesammte Königlich Böbeimische Kronarchir zu 
Prag, 2. a. 1751 die hftnflgsn ArchiTschrifken und Urkunden zu Inns- 
bruck, und 3. a. 1762 die sn Grata durch den Hofrath und ersten Archi* 
varium t. Bosenthal mit Beyhfllfe des ihm gleich anfongs sugegebenen 
damaligen KaaseUlsten und jetzigen Archiv-Adjuncten Hops* untersuchet, 

nUtbigen arcbWaliscb^n Vorkenntnissen mangelte, hätte die eigenllieben 
An hivarbeiton meisten« Boechmann (d. J., enter Archiver) beMngl VA. 

Fa-Hc. 20, lÖOl/l. 

* Kg. Heinrich II. für Markgraf Heinrich von Oeaterreich, stumpf Nr. 1328. 

* Richtig 1 158, K. Friedrich I. für Es;. WIedisUw II. tod Böhmen, Stumpf 
Mf . STOft. 

* Kg. Enericb fttr den Woiwodea Benedict, Faj^v 2, SM und 8«, 818f. 

* S. oben 8. 5, Aiun. 1. 

6» 



üiyiiizeQ by GoOgle 



68 



orhobttn und nach Wienn ftberbnusht worden, so wwd« naehbtr «idi 
die allhier in Tencliiedenen BehältDflBseii, ntmlieli 4. dem vormaligen so 
genannten Sobattgewftlbe in der Burg, 5. der Sdiaiilaiiixner» 6. der 
Etoiglidi Bfiheimischen Hofkanzley-Beglatratiury 7. der Osterreichisefaen 
Begietrator, nnd 8. in der Eajs. Königl. Bibliothek beflndlieh nnd eo 
Tielfiltig zertrennet gewesenen ürkoDden nnd Schriften msammen ge- 
tragen und in das gegen finde des Jahres 1758 Torlftofig snbereltete 
jetsige, wiewohl gleich anfangs unsnlSngliche und seither durch die Bnt- 
siehong eines 6ew91bes und Öffnung des Zuganges noch mehr einge* 
schrftnkte Local-BehältnDss aberhracht und niedergeleget. 

Da man nun hiedurch beym Eingange des Jahres 1754, nebst dem 
mittler Zeit zugegebenen nftthigen Personati, in den Stand gesetset worden 
nicht nur so der innerlichen Zurichtung und EintheUung der anzuordnen 
gewesenen Schriften-Xlsten xn scbreiten, sondern auch zugleich mit der 
ordentlichen Fortsetxung der schon von gedachtem t. Bosenthal seit 
a. 1759 nach dessen damals allerhöchst genehmigtem Entwürfe mit Hfllfo 
des Torerwehnten Hops eingeleiteten ArchiTarbetten TermQge des in 
Abschrift snb lit. A hiebeyliegonden clementissimi Decreti d. d. 24. De- 
cembris 1753 et accepto 1. Januarii 1754> und der demselben beyge- 
fügteu Freyhen'l. Bartensteinischen Notae' den vollen Anfang sn machen ; 
so hat man gleich nach Wahrnehmung des bey den Hungarisdien und 
Österreichischen Urkunden sich ge&usserten gftnzlichen Abganges der 
erforderlichen Gopionalien nnd der Unvollstftndigkeit der vorhandenen 
Böheimischen Copeybücher vor allen höchst ndthig befunden alle sowohl 
wichtigere als sonst einigen Wehrt und Nutzen habende TTrhundwu fortan 
nach einander abschreiben zu lassen, solche Abschriften alsdann aufs 
genaueste zu collationiren und dieselben sowohl zum t&giichen Gebrauche 
in den hernach anzuführenden Haupt-Archivarbeiten und andern be- 
standigen Vorfallciilioiten und Nothdurften (wozu die Originale jedesmal 
horvorzunehmen sü unthnnlich als verderblich und veraögerlich soin würde) 
iin der Hund und bereit zu haben, als auch aus iloDsolbcn die bov dem 
Archive unumgänglich erforderlichen Copeybücher, von derer Mantrol man 
boy so vielen vorheritrcii Begebenheiten den grössten Nachtheil erfahren 
hat, nach und nach /.usaiiimcu zu richten. 

Boy di<!scr mülit^amon Abschreibung der alten Urkunden, woriun 
die zugleich in den nöthigsten Sprachen, ah der lateinischen französischen 



' Es wild hier nicht abgedmekt, da ob«a & 46f. ein geollgeiider Avflsqg 

daran« mitpelh' ilt ist. 
* Der Vortrag Bartoiuteius vom 18. Novembejr 1753, oben 8. 49 ff. 



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69 



wilidioii und Mheimischen, erfahinen Kansellisten nimmehr wohl geQbet 
sind, wird sor erforderlichen Beglaubigung die alte Orthographie, doch 
ohne Abkürzungen, aufs genaueste beobachtet; und mit gleicher Ge- 
nauigkeit wird die Oollationii ung der Abschriften durch die beyden Archi- 
varien und den A ljuiicieu sowohl inspiciondo et corrigendo ad litteram 
als hernach auaciiltandu vollzogen. lioydos ist seit dem Anfange bis jetz 
mit einer bereits zusammengebrachten nnzählichen Menge solclier Ab- 
schriften neben den andern täglichen Archivarbeiton beständig fortge- 
setzet wurden; und es wird damit noch immer unablässiich foilge- 
fahren. 

In der Haupt-Eiurichtung dieses Universal-Archives hat uiau zu- 
vui derst. gemäss der Unterscheidung der Kruncn Hiingarn und Büheim 
und des österreichischen Staats, die Haupt-Eiutheilnng 

P in das KOnigl. Hungarische Haus- und Kriui-Arcliiv, 
IP das Königl. Böhcimische Haus- und Krön- Archiv, und 

IIP das Erzlierzoglich Österreichischö Haus-Archiv 
zn macht'ii iir>tlii;j^ befunden. Jedes hat seine bosoivipm Abtbeilungeu 
und Rubriken erfordert, welche hernach angeführet werden. 

Die Hungarischen Urkunden und Schriften hat man theils unter 
den eigentlichen Osten'eichischen gänzlich vermisclit angetroff'M), theils 
unter den einzigen Rubriken .Huugarn' und , Hungarische Gabbriefe' in 
solcher Verwirrung und Vermengung aller ülteru und jüngeru, die Öster- 
reichischen Fürsten und Länder angehenden oder nicht angehr-nden Uriefc 
und Materien gefunden, dass die geschehene Absrmderung zur richtigem 
Übersehung und Kenatnöss und zum bdösern Gebrauche uaumgänglich 
erforderlich gewesen. 

Das Böheimische Kron-Archiv^ ist ohnedas jedemit abgesondert 
und vormals zu Carlstein in Bdheim, seit a. 1619 aber zu Prag unter 
gemeinsamer Königlicher und Standischer Verwahrung gewesen. Jedoch 
hat sich unter den Österreichischen Schriften zu Innsbruck und Wienn 
«ine Menge wichtiger Böheimischer Urkunden gefunden, welche König 
Sigismiind mr Zeit des Hussitischen Unwesens in seinen Händen be- 
halten und auf seinen Eydam nnd Nachfolger Albrechten Herzog zu 
Österreich ubertragen bat, nach dessen Absterben dieselben in die Hände 
des nachmaligen Eaysers Friedrich als Vormunds des unmündigen 
Albrechtischen Prinzen, Königs Ladislai postbutni, gefiülen und folglich 
in ÖsterreicbiBcben Händen über 300 Jahre bis zur jetzigen Archiv» 
EinriehtnDg, xom grOesten NafChtheile der Krone fiAbeim nnd ihrer 6e> 



> Darttber oben 8. 2S, Anm. 8. 



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70 



reelitsame, verborgen gelegen sind; welehe altio nunmehr davon nbge- 
BAndert nnd in das BOheimiflclie Kron-ÄrchiT snrftekgesteUet worden. 

Fttr jede dieeer drey beeondem Arehhr-AbÜieilttngen werden Tor^ 
nSmlich fulgende drey Repertoria Ter&sset : 

1*"® Ein Haapt-Bepei-torium oder Begistorbuch fiber die in dem 
N. N. Archive befindlichen Urkunden und Schriften ; nach der Eintheilung 
und Ordnung der Handlnng-en, Materien und ihren Kubriken; wovon die 
Verzeichnüsse, wie sie in den bisherigen Arbeiten V(trgekoiiiiiu li und 
fÖriüiicli abzuthoilen nöthig befunden worden, wogen dos lIiinL'^arischüü 
Haus- und Kron-Archives sub lit. B. do.s Boheimischea sab V. und des 
Österreichischen sub D hiebeygeleget werden * In dieses R^ pertoriom 
werden alle Urkunden und Schriften auszngweise und mit ihrem wesent- 
lichen Innhalte der mehreru oder wenii^ern Punkten und Amk« hi auf 
teutsch (jedoch mit beyefefOcrter AiiiU' i kung^ von welcher Sprache da^ 
Orig^inal sey,) eingetragen. Von Jon am wenigs«ten üblichen Sprachen, als 
der Spanischen Uungarischen B^heimischen P^>lnl^chen und Kussischen, 
werden die Ulierpetzungcn zu den r»!-ifrin!Üon geleget, auch in die vorher 
«uuih Ilten und weiter nnton verzeichneten Copeybücher mit eingeschrib«u 
werden. Nach eben sulch.n Eintheiinngen und Rubriken, folglich in 
Übereinstimmung dieses Hiiupt-Repertorii, wird auch die Local-Eeponirung 
der Original- üi kundeu und Schriften in die BehältnOssen der dazu ge- 
richteten und mit Litteris and Nttmerie verseheueu Schiiften-Kästen und 
Schubladen v<'vanstaltet. 

2''" Ein General- Kcpertorinm Chronologicnm nach der blossen Zeifc- 
ordnung der 'Page und .lahre. In diesem Kcperti^rio werden alle Urkunden 
und Schriften mit einem kurzen Innhalte oder sogenannten Argnmentel in 
den fiblichen lateinischen teutschen französischen und wälschen Original- 
Sprachen, in den andern aber auf teutsch verzeichnet. Hiobey wird der 
Bedacht dahin genommen zugleich gehörig anzumerken, in was für Ge- 
sebichtbachern nnd diplomatischen Sammlungen diejenigen Urkunden 
welche in des Geor^soh JSeg^tis Chronologico-Diplomaücis aasgelassen 
sind, gedruckt zu finden seyen. 

3^'*> Ein Repertoriom fieale oder Haupt- Index aller Materien; d^sen 
in der obigen Nota enb A . . . umständlicher, wiewohl mit Vennischung 
des hieroben gemeldten und nach Ordnung der Materien eingerichteten 
1^ Haopt^Rc}ieitorii gedacht wird. Zn dem gegenwärtigen Indioe 
werden zwar die von Zeit in Zeit maammen getragenen beeondem Ma- 



> Üttten 8. 77ff. 

* Vgl. oben 8.47. Mf. 



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71 



tcrieu vorbereitet, zur beständigen Fürt.setziuig aber kauu uicht wohl eher 
als bis melir beysammen seyu wird geschritten werden. 

Ausser und neben vorerwehnten mühsamen und eine genaue hi- 
ötuiische und genealogische Einsicht erfordernden Hauptarbeiten mit so 
vielen tausend Original-Ürkundtju werdcu zugUüch folgendo nütbige und 
allurgnädigst vorgeschriebene Verrichtungen wie bisher geschehen also 
noch täglich fortge?(>t7ft: 

4*" Die Äbsuüdtnung und Verzeiclinung aller ht-rvorkoinmendeu 
Original-Duplicaten und Triplicateii sowohl als dtär alten Transsumpteu 
oder Authenticornm. \ lole dergleichen Original-Dnplicata und alte Au- 
iheutica sind liem allerhdch?t<?n Hefeiile gemäss bereits bey Erhebung der 
ArchivFchriftfn in Böheim, Tind und Steyer daselbst zurnckgelassen 
worden; und alle nun wciters allhior vorkommende Duplicata. Triplicat^i 
und alte Transsumpta werden gleicherniassen abgesondert und in dieses 
besondere Verzeichnüss mit Beysetzung der gehörigen Anmerkungen 
golirarht, um dieselben nach der allergnädigsten Willensmeinung künftig 
an dritte Ürter. als nach Prag Innsbruck und Gratz, wo ein- und das 
andere hingehöret oder wo es sonst am sichersten erachtet werden möchte, 
zu überschicken und doi-ton in Yerwahi-ung niederzulegen, damit folglich 
bey etwan an einem Orte entstehenden Unglücksfalle nicht alles bey- 
sammen in Verlust und zu Grunde gehen möge. Alle solche Dnplicata. 
Triplicata und Trsnasnmpta werden bey der Absrmdening gleichfalls ab- 
geschrieben und genav collationiret, um diese Abschriften allhier zn 
behaltea und von dem in ein und andern Schreibarten und Wörtern öftere 
vorkommenden Unterschiede die bey mftnchen Gelegenheiten nötbige 
Wissenschaft zu haben. 

5*** Die Verfertigung neuer und fTu mlicher Authenticornm deijenigen 
Urkunden von welchen keine Original-Duplicata oder alte Tranesompta Sil 
finden sind, wie es vorhin allerhöchst anbefohlen worden ist 

6^ Sin Bepertorium oder Chronologisches Verzeichnüss aller bey 
dem gesammten Archive sich äussernden Abgänge der Original-Urkunden, 
Schriften und Bflcber. Die Erforschnng solcher Abgftngei welche vermOge 
der obigen Notae sob A . . . Torgescbrieben worden, wird theils ans den 
bin nnd wieder nuammengebraefaten alten Carlsteinischen Prageriscben 
Wienaeriscben Keasttdtischen GriUsisehen nnd Banden -Eiglniscben 
Sebriften-Inventariis, theils ans den Besiehnngen oder Belalis in den 
vorhandenen Oiiginal-Urlnindeny theils ans den alten blossen Abschriften, 
theUs ans gedmdrten Geschichtsbfiehem nnd diplomatiscben Sammlangen 



* Vgl oben 8. 46. 60 f. 



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72 



g^Eogen und gehörig veneichnet aueh mit den snr Ji4^tiiigeii ^nntnfiM 
und weitern Nachspfining dienenden Anmerknngen nnd Naehriehten er- 
Iftntert; wobey Tomehmlich andi der Bedacht auf dasjcuige genommen 
wird was ibeila bekannter massen theila mnthmassUch bej verecbiedenen 
andern hieeigen Stellen annoeh so finden und inr nOthigen BrgftnzQDg 
der ArchiTea kttnftig soaammen m tragen sejn wird. 

7>M Bin Cope} buch oder Abeclirlften-Samnifauig Yon solchen ab- 
gehenden Originalen; welche sum nStbigen Gebrauche ans gedachten 
Bflehem und Sammlungen indesaen erMiwt wwden. 

S"* Bin Bepertorium oder chronologisches Teneichnüss derjenigen 
fremden nnd auswärtigen Urkunden welche das durch). Erzhaus und 
dessen Eibkttnigreiche und Länder verschiedentlich augeben und mit den 
Archivurkunden und Schriften einen genauen und unz«?rtrt nnlicbt'u Zu- 
saiiimonliaiit; haben. Dieses Voizcicbiiüss wird aus gedruckten Geschicht- 
bücborii. liiplumaiiscbeu Sauimluiigeu und allerbaud andern Nachrichten 
gezogen. 

9"" Ein Cupeybucb soicber benöthigten iVemdon und auswärtigen 
Urkunden; welche aus vorgedachten Büchern und Sammln ngcn abge- 
schrieben werden. Zu Behuf aller dieser allerbücbst und ausdrücklich 
voi*geschriHbeiu'n Arbeiten ist zwar in oftg-edachter Nota snb A . . . auf 
die Versehuag des Arcbives mit den hierzu henütbigteji und unentbehr- 
lichen Büchern der Antrag gemachet, aucli ilie Erkaufnng soicber in ein 
VerzeichnnsR z«fi!aminfn£r'*»etzten Bücher von Ibru May. allerirnä(lit;st 
verwilliget worden; weil aber, ausser etlichen wenigen aus der Kays. 
Königl. Bibliothek herg'egebenen mangelhaften Doubletteü, zu Erkaufung 
des übrigen gröbsten Aiiganges koinp nachdrückliche AnschafTung noch 
weniger die Auszahlung der dazu benöthigten Gelder erfolget ist, so haben 
die bcyden Archivarii, um nur den allerhöchsten Dienst und die aufge- 
tragenen Arbeiten nicht ins Stecken* kommen zn lassen, sich berafissiget 
gesehen, ans ihren eigenen Mitteln d"r nhnedius bey den jetzigen tlieuren 
Zeiten unzureichenden Besoldungen, zum empÜndlicheu Abbruche ilires 
nothdürftigeu Lebensunterhaltes, zumal bey den seit drey bis vier Jahren 
beyzutragen gehabten nahmhaften Kriegssteuren und Verlust an den 
Papieren, viele der kostbaresten Bücher selbst baar anzuschaffen. 

IQmo Glossarium aller in den Ai'chiv-Urkunden vorkommenden 
unbekannten Worter und Redensarten zum nöthigen besondern Gebrauche 
gedachtes Archives. In diesem Glossario werden alle diejenige in den 
ArchiT>Urkanden vorkommende alte und nicht mehr gebräuchliche, nn- 



> Vgl. oben & 62. > ük. 



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73 



TentSndlkli« und sweydeotig» Wörter und RedeiuartMi f«rNUodoner 
Sprachen, unbekumte Kamw d«r LSndor Örfter, Zeit- Jabr* und Tage- 
Bedmangeu, besondere AMnnngen und dergleidieii, welehe in den ge- 
draekten Oleseariie gar nieht zu finden oder sweifelliaft aind, sowohl zur 
nothdQrftigen Beförderung der gegenwärtigen und weitern ArchiTarbeiten 
und znin nnanstössigen siebern Gebrauche der Urkunden als auch zum 
Behufe der diplomatischen Wissenschaft Oberhaupt und anderer Kennt- 
nüssen gründlich eröi-tert und erläutert. Die hierzu sowohl als zu allen 
andern Archivarbeiten unentbehrlich nöthifjen kostbaren Glossaria, als 
des Dul'aiige Schilters Wächters Frischens unil dergleichen, sind zwar 
unter andern ebenfalls von iiuu Mav. für das Archiv auzuschaffen ailer- 
giuüiigst vcrwilliget worden, haben aber wef;:en unterbliebener Her- 
schicssunj,' dos (Jeldes von dem ersten Aichivario zur uuversclüt hlicben 
Fortsetzung der Arbeiten mit seinen eigenen grossen Kosten baar ei kaufet 
werden müssen. 

II"* Veraeichnfiss oder Extrahirung der in gewissen durch den 
V. Kosenthai aus Tirol überbrachten und in etlich und viensig Vohiminibus 
in foliit bestehenden Kayserlichen Keiclis-Haus-Registi'aturbüchern* ent- 
haltenen Kaiserlichen Kfinigl. Hungarischen Böheimischen und Öster- 
reichischen Urkunden, nebst Abschi'eibung der wichtigern und sonst ab- 
gängigen Stücke. 

12""' Abzeichnuniren der Kayserlichen Königl. Hnngarischen Bö- 
heimischen und (»sterreicliisi lien Siegel und der dieusamen alten Ur- 
schriften; welche durch den dem Archive eigeuds zugegebenen vortreflichcn 
Zeichner und zweyten Kanzellisten Anton Wemkojif^ bereits in L'rosser 
Mcntjc verfertiL-et worden und beständig fortgesetzet, auch von iStück zu 
Stück jedesmal genau collationiret und adjustiret werden. Vieles davon 
ist durch eben gedachten Weinkopf, welchen man mit allerhöchster 
Bewilligung die Kupferstecheroy lernen lassen, bereits in Kupfer ge- 
stochen oder geätzet worden; wozu man das Materiale bisher aus dem 
Kays. K5nigl. Kupfcrverschleiss-Amto gratis empfangen und noch 
einen Vormth hat. Der grosse und vielfältige Nutzen der Siegel in 
den Österreichischen Geschichten» Gerechtsamen, der Heraldik und 
Diplomatik kann und wird umständlich und oinaeln gezeiget werden. 
Der Qebraocb davon iat bereits öfters nicht nur in den Archiv- 
rolationen, Ausführungen und andern Nachrichten gemacbet worden» 
sondern ea bat auch schon der verstorbene Professor CoUegii Theresiani 



* Obm Bb 34, Amn. A. 

• 8. oben 8. 47. 



üiyiiizea by GoOgle 



74 



P. MUch* und der Beiehahofratli Freyli«rr Ton Senkeiibeig' in Ter* 
Mbi«den«n gedmckten Schriften und nocli jAngii der Ksye. Königl. Bi- 
bliothek erster CaetoB EoUdr in Hietoria diplomal. inria pakonstos Begnm 
Hiingttiee,* pag. 41. aeq. dergleichen mit höchster Genehmhaltong ans 
dem Arebive mitgelheilte SiegelabseichniingeB sn Terechiedenen wichtigen 
Proben gebranchei 

18*** Abgeforderte und erstattete hänilge ArchiT-Belatumes, Ane- 
fllhrungen nnd Nadirichten; nebst welchen Ar 8. Etaig). Hoheit den 
dnrehl. Eronprinien nnd Ershersog Joseph nicht nur die in dem oben- 
sngeaogenen Decreto sob A . . . erwebnten nnd fernen hernach auf 
das dem Boeenthal zagefortigte allergnädigst« Handbiliet vom 16. May 
1759* vwihflsten Ansarbeitongen abgegeben, sondern auch dem P. Petey* 
nnnmebrigen Kschofi von SIebenbOrgen tn seiner Haugariechen Historie 
fflr eben höohstgedachte S. EOnigl. Hoheit Tiele Nachrichten mitgetheilet 
worden sind. Zu diesen Belaiionen, Ausarbeitungen und Nachriditen 
sind zugleich nach der Erfordernflss der Sachen nnd den allerhöchsten 
Verordnungen gemäss etliche hundert beuüthigto Urkunden in Abschriften 
abgegeben worden. 

11'" Die (»heu boyiii Kingant,'o orwohnten Hiiupt-Copoyböcher; welche 
ans (Ion bisherigen collationirt€ii und corrigirten auch feiueib zu ver- 
fertigt'Uilen A])schiifton nach und nach zu mundircu sind. 

iö'" Häutige Siimmluugt'U ab.scliriftiichcr diensaraer rrkundeii, 
Nachrichten und Siegelabzeichnungen au» voiüchiedener Cumnuuiitäten, 
Kloster und andern rrivut-Archiven: wozu man bisher durch freund- 
schaftliche Wege und ungc^yahrto Douceurs den Zutritt und sdgar die 
Communication der Originale zum bequemern Gebrauche ad luauus ar- 
halk-n iiat; derer auch schon öfters einige aus andern Ländern anher 
geschicliet worden sind; wie denn würklich ein aus Mähren /.um An- 
schreiben und zu Abzeichnung des bey dem Archive abgehenden Siegels 
mitgetheiltes Original vt/n König Wenzelu dem IP"^" zu Düheim von 
a. 1298 im Archive vorgezeiget werden kann. Durcli solche Wege und 
Mittel hat man auch schon viele Uriginal- Urkunden und Mauuscripta 



* P. Erasmus F., 8. J., Xiimismatiker nnd Historiker (gest. 7. Juli 1768). 

* Heinrich Cliri^itiiin Frh. v. Seofikembeig, Jurifli und Uiftoriker. 
3 Libri 3. Vienuae 1762. 

* Vgl oben 8. 47. 

* Es ist nicht mehr vorhanden. 

* Joieph IL Antoa BigUy, Bischof von SiebonbQrg«! (stt KarUhiug) 1761, 

€. April bis 1773, 15. Januar, aus dem Pi«rigleiu»rdeii. 8. Ameth, Berten-' 
stein, a 57; Maria Theresia, 4, 170. 



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75 



aus Privat-Hiindon zu dem Aiclüve herbe} ij^ebrauiil; unJ auf gleiche Art 
könnten uoch mehrere, vielleicht eher als durch höhere Aiirtorität, ver- 
Bchaflfet werden, indem diese schon öfters die widrig© Wüikung gehabt 
hat dass dergleichen Schriften vertuschet oder verschleppet oder gar ver- 
nichtet und verbrennet woMen, wie davon etliche bekannte Beispiele das 
Zeuguüss geben. 

16*** Viele andere bey den täglichen Arbeiten vorkummondc und 
unter besondorn Bubriken gesammelte diensame Nachrichten. 

j-jmu Ausarbeitangeii und Nachrichten zu einer umständlichen 
Geschichtbeschreibnng des Kays. K''>\i\'j\. TuivAi-sal-Haus- xin l Kivincn- 
Archives; worunter unter vielen an l- i ii unbekannten Merkvv m iliL'kriten 
und niitzlichsten Nachrichten in^^lll j. j h- it auch die Spuren und Anzeigen 
von den verlohrnon und in fremden lländöü, in auswärtigen Beichcn und 
Ländern, in Schlesien in Teutschen Staaten Beichs- und Municipal- 
Städten auch Privat-l landen, versteckten Kayserlichen Kßnigl. Hungari- 
schen Brtheimischen und Östei'reichischeQ Urkunden und Schi'it'tea ange- 
führet werden. 

Alle obverzoichnete gewöhnliche Archiv-Arbeiten werden daselbst 
nach der Ordnung gehorsamst vor^'ezeiget worden. Man wird auch mit 
der Zeit eine ausführlichere und genauere Nachricht von den, theils in 
dem obigen Decreto und der Nota sub A vorläufig erwehnteu, tbeiis hier 
einiger massen von sich selbst in die Augen fallenden Ursachen, dem 
Endzwecke der Methode dem Gebraocbe und dem Nutzen aller solcher 
Arbeiten hauptsächlich zu dem Ende snsammenzusctzen bedacht seyn, 
um der Nachkommenschaft von der eigentlicheu Verfassung und Mani- 
pulation zum leichtern Begriffe und zur fornern Bichtschaar, Nachfolge 
und Anwendimg desto mehreres Licht hinterlassen zu können 

Die ausserordentlichen Arbeiten und theils förmliche Werke des 
BoBenthal sind (ausser den vorhin verschiedentlich a!)gegebenen be» 
sondern Ausführungen und Aufsätzen) hauptsächlich fotgoude: 

1** Eine Pragmatische und Diplomatische Geschichtbeschreibung des 
dorcbL Srzhanses Österreich, dessen Herkunft Erwerbungen Besitze 
Beehte Fkejbeiten und Yonflge; mit vielen nnbebmnten wichtigen Nach- 
richten; Ton den ältesten bis anf unsere Zeiten. 

S* Eine SystemaVische Abhandlung des Böheimischen Staatsrechtes. 

8* Versuch einer OsterreicbischenDiplomatik, in einem ProbestQcke 
▼on Enhenog Badolphen dem IV*" Irnygenannt dem Sinnreichen und 
QrossmQthigen; — nebst angehängter Abhandlung von dem wahren Ur- 
spniDge des von gedachtem Fttrsten suerst angenommenen Enhenogon- 
Titels. 



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76 



4* AbbandluDf von dem östemidiiaclien TerieihongsTMlite der 
Ertmarschalln-, SrbMbenktn- und ErbtraobMSB-lmtor bey dem Emtifts 
SahbQig. 

5* Von dem jnn ampliBumo primarianiii pncam der antretenden 
Enbenoge sn öat^mkili nnd der Bnbenogliehea Qemablinnen in lUlen 
Östen-eicbiseben Lftndern. 

6** Von dem landesfQrstlieben Verleibungsrechte der LayenpfrQnden 
oder Tanis-Briefe bey geistlichen Stiftern und Klöstern. 

7" Besondere Eiläuierung des Ustorreicliisclipn vollkommenen 
Privilegienbriefes Kayser Carls des V**" von a. 1530 aus deu .siiuinit- 
üchen filtern Freyheitsbriofon; welche auch in der obigen Gescbicht- 
beschreibung N° l jedes Oi-ts vorkommen. 

8" Vollstiiiidige Genealogie des iluicbl. Erzhauses Östoneifh 
und deren Beweise aus bisher unbekannten Urkunden; von Kayser 
Kudolpho I. Habsburgico an bis auf f>:e<,'enwäi'tig'c Zeiten: wovon 
auch in gedachter Gescbichtbescbreibung 1 überall das uOthige bej- 
gebracht wird. 

9" Dergleichen Geschichte und Genealogie des alten Henoglicben 
und Königlichen Hausos BObeim bis auf Ferdinaudom I. 

10" Untersuchung der an noch sehr nnTOllkommenen und fehler- 
haften österreichischen Heraldik oder der R&mtlichen Königlichen und 
Erxherzoglich Ostenreichiechen Haus- und Erbl&nder-Wapen. 

11** ^nchlag wegen der Eur aHerhfichsten Ehre nnd Yorzflglicben 
Hoheit gereichenden Wiedereinfftbmng des von Ibro May. Vorfahren 
Königen lu Hungam and Königen au Böheim ausgetthten Bechtea und 
Gebnuches der Sieglnng mit der goldenen Bulle. 

12* Böheimiscbe nnd Osterreiehiacbe Diplomatik. 

13« Einleitung aur BObeimischenMfinswisBenschaft; aus einer mit 
eigenen Kosten xnsammengebrachten Sammlung von mehr als dritthalb- 
hundert Böheimisehen Hünarefordnungen nnd etiichen hundert Mftnx- 
Aussogen aus andern Urkunden yom Jahrhunderte an. 

14** Besondere und zum Theile schon ausgearbeitete Nachrichten 
von der a. 1412 geschehenen Hungariscben Verpfandung des Zipser- 
landes an die Krone Polen; derer Mittheilung von dem oben l^* Jachten 
Kais. Königl. liibliothek-CustodeKollar zu einer von demselben entworfenen 
Dissertation verlangt wird. 

15" Verschiedene andere Vermerke und Sammlungen, die Kays. 
Königl. Jura Ansprüche Anfailsrechte Anwartschaften und andei'e wichti- 
gere Gerechtsame betreffend. 



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77 



Von allen diesen ausserordentlichen Rosenthalischen Arbeiten 
werden die wörklichen Elnborata suwuhl als die weiters zubereitete Nach- 
lichten gehorsamst vorgozeiget werdeu. 

Beilage A. 
S. oben S. 68, Anm. 1 und 2. 

Beilage B.' 

Des Königl. Hungarischen Haus- und Kron-Archi ves beson- 
dere derma Ii jje Abtheil ungen und liubrikon; bis zur künftigen 
genaaern und voUkommenern Ordnung. 

1. ErwerboDg des KtoigreicbB Hangarn and dessen ZagebOrangen, 
nebst den altern and jflngern österreichischen Erbrechten and Gerecht- 
samen. — 2. Das FflrBtenthum Siebenbürgen insbesondere betreffend. — 
3. Königlich Hungarische Hansordnangen und Verträge der Nachfolge 
nnd Begiening halber; KrOnangssachen; Testamenten, Erbschaftssachen, 
Vormandschaften, Unterhaltung der Königlichen Kinder, genealogische 
nnd andere dergleichen Haassachen. — 4. Iloyratssachen des Königlichen 
Haoses Hungarn; wittibliche Unterhaltungen and Abfertigungen. — 

5. Königliche Erwerbungen, Anf&Ue und Besitse allerhand einselner 
Gflter und Örter; und deren Wiedervergebung and VeHLassernng. — 

6. Königliche Pfandschaften nnd Wiederkänfsachen in Hungarn nnd 
zugehörigen Landen. — 7. Königliche Activ- und Passiv- Schulden- 
sachen, — 8. Königliche Jura circa Sacra; die Religion und andere 
geistliche Sachen betreffend. — 9. Königliche geistliche Stiftungen. — • 
10. Ritterorden in Hunj^arn. — 11. Handlungen, VcitriLgo und Bünd- 
mibse mit den rübston und Kirclicnversaninilungen. — 12. Dergleichen 
mit den Röniischeu Kaysern und dem Iveiche. — 13, Dergleichen mit 
Böheiin. Mähren und .Schlesien. — 14. Dergloicheu mit Österreich. — 
15. Dergleichen mit Sachsen, Thüringen und Meibsen. — 16. Derj^loichen 
mit Pulen. — 17. Dergleichen mit Venedig. — 18. Derglcichfn mit tlen 
Türken. — 19. Coremonialia. — 20. Diu Stande und Innw(dmt'r in 
Hungarn und dessen Zugehörungen betrefFend. — 21. Die Botzkayische 
Unruhe betreffend. — 22. Rebellionssacheu des Bcthlcm Gabor und der 

* Die Beilagen B, C und D sina (mit vielen Fehlern) bereite bei Wolf, 
8. 21S— 21«, gedraoht. 



78 



Uncatholiselieii Anhänger in Hnngim and «id«ni Lftndmrn. — 35. Dts 
sp&tom UnrnSien betreffend. — 24. Dienstverleiiinugen nnd Gegen- 
briefe oder BaTene. — S5. Verschiedene pvticahv FtoihqrenMcheo. — 
36. UiBceUs. 

Beilage C. 

Des KOüi gl. Böheimi seil 0 11 Haus- und Kron-Archi ves besondere 
dermalige Abtheilungen und Kubrikpn; bis zur künftigen ge- 
nauem und Yollkommenern Ordnung. 

1. Die &one BOheim flberhaapt, königliche Srirerbangititeln und 
Hanpt-Erbfolgeredite betreffend. — 2, Der Krone B9heim Lehen, Frey- 
heiten und Oerecliteame vom heil. Bdmischen Beicbe. — 8. Königliche 
Haneordnungen nnd Vertrtge der Nachfolge, Begierung und Theiloagen 
halber; KrSnnngBsaehen; Testamenten, Brbschaftssachen, Vormnnd- 
Bchaften, Unterhaltung der Königlichen Kinder, genealogische und andere 
Hanssachen. — 4. Heymtssachen des Königlichen Hanses BOheim; wittib- 
liche Unterbaltangon und Abfertigungen. — 5. Der Könige zn Böheim 
persönliche und zeitliche Würden: vornehmlich die Römisch- Kayserliche 
und Königliche Wahlen betreffend. — 6. Der Römischen Kayser und 
Könige aus dorn Küiiiglichoii Hause Böheim Reichshaussachen. — 7. Das 
der Krone Böheim von altersher eiuveiieibte lehnbaro Maikirrafthum 
Mähren sammt dem Bisstluimo Olmütz betreffend. — 8. Den zur Kionn 
Böheim orvvuibeneu vi rmali>,'o]i Theil von Polen, nämlich das Hcrzo^'thuhi 
Obf'i- und Nieder-Schlesien in^'osammt betreffend. — 9. Das IJissthuin 
Breüslau uu'i FiirsttMithum Grotkau (oder Keiw) ins besondere betreffen^!. 

— 10. Das Horzogtliuni Hn's^Iau ins besondere betieffend. — 11. Das 
Ilerzogthuni Glofrau und las davun nachmals abgcsoudeii© Fürstenibum 
Sagau lietretTend, saiunit tleiii eliemaligen besondern HorÄogrthume Steinau. 

— 12. Die Herzngtbünier Liegnit^ und Bripg sainiut dem zugohr>rig ge- 
wesenen uarlimaligen Fftrstenthumo Wuhlau betreffond ~ 1.3. Das 
Herzogthum Masovien und IMotzko betrefffiid. — 14. Da.s Füi>tenthum 
Münsterberg bfrietVond — 15. Das Förstenthum Öls bttreffend. — 
16. Die Füisterit.hümeri »{)j)cln und Ratibor botreffend. — 17. Die Fürbton- 
thümer Schweidnitz und Jauer betreffend.— 18. Da? Herzogthum Teschon 
und das davon entrissene vormalige Herzogthuin Osswictz oder Auschwitz 
betreftend. — 10. Das Herzngtliuiu Trop{>au und das davon nachmals 
abgesonderte Filrstenthura Jägerndorf betreffend. — 20. Die Abtretung 
des entrissenen grosstcn Theiles Sclilesiens an Chur-Braudenburg be- 
treffend. — Not. Nach (Gott gebe) glflcklicbem Ausgang des gegen- 



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79 



wärtigen Krieges wenlcn nächst vorstohentlo Kuhrikt n der iu dem Kioii- 
archivo /u Prag verborgen gebliebenen Schlesischen häufigen Urkimdeu 
(Ion Umstäudea nach änderst eingerichtet werden. — 21. Die zum König- 
reiche Bobeim von altersher einverleibte Grafschaft Glatz betroffcnJ. — 

22. Die der Krone Büheini einverleibten und an Char-Sachben lohons- 
weise abgotrotoncn Grafschaften nbor- und Niodcr-Lansitz betreffend. — 

23. Die an die Krone Böheini vurnials ir^ 1 i ^ Hte und künftigen 
Rückfall wieder verfiusseito Mark Brandiiiit ui liotreffend. — 24. Das 
an die Krone Böbeim gebrachte und davon wieder getrennte Hensogthum 
Lutienibursr be*r ITend, — 25. Die an Böheim gediehene vormalige Reichs- 
pfandgcbaft Eger Stadt und Kreyss betreffend, — 26. Den zum Krinig*- 
reicho Böheim einverleibten Klbogner Kreyss betreffend. — 27. Die an 
die Krone Böheim gebrachten nn>! dersoll)Pn einverleibten Herrschaften 
und Güter in Bayern (oder Obern i'taiz) botreffend. — 28. Dergleichen 
Herrschaften un<l Güter in Franken. — 29. Dergleichen in Sachsen, 
Thüringen, Meissen und dem Vogthmde. — 30. Die zur Krone Brdieiin 
gehörigen teutscheu Lehen und Pfandscbaften überhaupt und ins beson- 
dere betreffend. — 31. Die innländischen Böheimischen Lehen betreffend. 
— 32. Königliche Erwerbungen, Anfalle und Besitze allerhand einzelner 
Güter und Stücke; und derselben Wiedorveräusserungen. — 33. König- 
liche Pfandschaften und Wiederkaufsachen in den Böheimischen Ländern. 
-~ 84. Königliche Activ- und Passiv-Schuldensachen. — 35. Königliche 
Jura circa Sacra; die Religion und andere geistliche Sachen betretleud. — 
36. Königliche gei.^^tliche Stiftungen. — 87. Handlung«!, Verträge und 
Bftndnflsse mit den Päbsten und Kircbenversammlnngen. — 38. Hand- 
lungen, Vertrige, Verbindungen und Vereinigungen mit den Bömiachen 
Kaysem nnd dem Reiche. — 39. Handlungen, Verträge, Bündnüsse und 
Einigungen mit Pfalz und Bayern. — 40. Dergleichen mit Sachsen, 
Thüringen und Meissen. — 41. Defgleichen mit Brandenbuig. — 
42. Dergleichen mit österreieh. — 48. Dergleichen mit 8alsburg. — 
44. Bergletehen mit Wflnbnig. — 45. Bergleichen mit Hessen. — 
46. Dtigleieben mit den Bniggrafen su Nflmberg- — ^7- Deigleieben 
mit den alten Henogen in Kärnten und Grafen tob Tirol. — 48. Der- 
gleichen mit den TOrmaligen Landgrafen sn Lsnchtenberg. — 49. Der- 
gleichen mit Hnngarn. — 50. Dergleichen mit Fhmkrdch. — 61. Der- 
gleichen mit Polen. — 59. Dergleichen mit den Türken. — 58. Cere* 
monialia. — 54. Die Sttnde und Innwohnor in den Böheimischen Ländern 
betroffend, mit den gehörigen Eintbeilangen. — 55. Privat- oder Par- 
thojensaehen. — 56. Hiseella. » 57. Alte Inventarien der Böheimischen 
KronarehiT-Schrifken und sogehörige Nachrichten. 



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80 

Beilage D. 

Des Erzhorzoglich Östr^rroichischcn Hans-Arohi vos dermal ig- o 
Abiheiluugen und T?u l«i i kou; his zur künftigen genauem und 

vollkommenem Ordnung. 

1. Erwerbiuigen der östemiohischen Linder undBesitce in gemein ; 
und insonderheit des Enlierzogthunii Östarreicli unter und ob der Ens; 
Ton den ältesten Bftbsttbefgiseken Zeiten ber. Item Reicbepfandschaftcu, 
Anwartschaften, Ansprüche und dergleichen Gerechtsame in gemein. — 
2. Erwerbung des Horzogthums Steyer; sammt den Yorhergehenden ältern 
Schriften. — 3. Erwerbung des Heraogthums Kärnten; sammt den ältern 
Schriften. — 4. Erwerbung des Herzogthums Krain, der Windischon 
Mark und rurtonau etc. — 5. Erwerbung der Grafschaft Tirol etc. — 
6. Erwerbung der Grafschaft Görz etc. — 7. Erwerbung der Grafschuft 
Cili etc. — 8 Erwerbungen. Besitze und Gerechtsame in Schwaben. — 
I». Erwerbungen, vormalige Besitze und Gorechtsame im Elsasse und 
Sundgau. — lü. Erwerbungen, vormalige Besitze und Gerechtsamö in 
der Schweiz. — 11. Erwerbungen, Besitze und Gerechtsame in Grau- 
bündten. — 12. Erwerbungen. Besitze und ältere Gerechtsame in 
Italien. — l.l. Erwerbung der Bnrgundischen Länder; sanimt den ältern 
Schriften. — 14. Erwerbung des Herzogthums Würtemberg und Teck: 
und nunmehriges Kückfalbrecht. — 15. Erzher70glich Österreichische 
Reichshelehuungen und LehenRnnwartschaften. — 16. Des Erzhauses 
Österreich Privilegien uml Ger<'chtiL'keiteii vom Romischen Keiche. — 
17. Ei*zber7.oglich Ostorreicuischo Hausordnungen und Verträge der Nach- 
fulge, Tiändertheiluüg und Regierung halber; Uuldigungssachen; Testa» 
menten, Krbschaftssachen , Vormundschaften, Unterhaltung der Er?,- 
horzoge; genealogische und andere llaussachen. — 18. Heyratssachen 
des Erzhauses Österreich; wittibliche Unterhaltungen und Abfertigungf^n. 

— 19. Der Er^her^oge zu itsterreich persönliche und zeitliche Würden: 
vornemlich die Jv'dimisch-Kayserliche und Königliche Wahlen betreffend. 

— 20. Der Rftmisclien Kayser und Könige aus dem Erzhause Österreich 
Reirhshanssachon betreffend. — 21. Der Erzhcrz()ge zu Osterreich andere 
persönliche Würden, als geistliche Digoitaten, fremde Bitterorden and 
dergleichen. — 22. Des Erzhauses Österreich erworbene Heri-schaften, 
Güter und Stücke, welche von geistlichen Fürsten und Stiftern zu Lehen 
gerühret haben oder noch rühren; Als: Österreichische Lehen Ton Agley; 

— 23. Österreichische Lehen von Nieder-Aitacb; — 24. von Bamberg; 

— 26. von Cliiemsee; — S6. von freysiogen; — 27. Ton Faids; — 



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28. von Sanct Gallen; — 20. von Gurk; — 30. von Passau; — 31. von 
Sanct Piial; — 32. von Regendbüig; — 33. von Salzburg; — 34. von 
Strassbur^f. — 85. Laudesffirstliche Lehenverleiliungen nu<i Gogenbriefe. 
Nach den Länderu eingetheilet. — 36. Landcsfürstlicho Erwerbungen, 
Anfälle und Besitze allerhand einzelner Guter und StQcke; und derselben 
Wipderveräusserungen. — 3 7. Landesfürstliche Pfandschafken und Wieder- 
kuut'^achon in Jt-u Österreichischen Ländern. — 38. ErzbeiToglich < »ster- 
reichische Activ- und Passiv-Schuldensachen. — 39. Landesfürstlifhe 
Jura circa Sacra; «li> Kolif^iou und andere geistliche Sachen betrotTund — 
40. Osteneichisclie gri.-tliche Stiftungen. — 41. ßitterorden in ".ster- 
reich. — 42. Handlungen, Vcrträg« und Bündnüsse mit den Pfibsten 
und Kirdienvei-sammlungen. — 43. Handlungen, Verträge uiui Ver- 
bindungen mit den IvMmischen Kaysern und dem Roiche. — 44. Der- 
gleichen mit Chur-Mayn?:. — 45. Dei^leichen luit Chur-Trier. — 46. Der- 
gleichen mit Chur-Cöln. — 47. Dergleiclien mit Pülioim, Mähren und 
Schlesien. — 48. Pergleichen mit Pfalz und Bayern. — 49. Dergleiclien 
mit Sachsen, Thüringen uud Meissen. — 50. Dergleichen mit Thainlen- 
burg. — 51. Dergleichen mit Salzburg; — 52. mit Bamberg; — 53. mit 
Freysingen; — 54. mit Begeusburg; — 55. mit Passau; — 56. mit 
Trient; — 67. mit Briien; — 58. mit Münster; — 59. mit Chur; — 
CO. mit Burgund; — 61. mit Braunschweig; — 62. mit Wüi-temberg; — 
63. mit Hessen; — 64. mit Baden; — 65. mit Mayland; — 66. mit 
dea alten Herzogen in Kärnten und Grafen von Tirol; — 67. mit den 
Grafen von Görs; — 68. mit den Gi-afen von Cili; — 69. mit Hispanien; 
— 70. mit Hungarn; — 71. mit Frankreich; — 72. mit Engelland; — 
73. mit Schweden; — 74. mit Dänemark; — 75. mit Polen; — 76. mit 
ßussland; — 77. mit Holland; — 78. mit Yened^; — 79. mit der 
Schweiz; — 80. mit den Graubfindtnem; — 81. mitBagusa; — 82. mit 
dem Hause Carraria. — 83. Ceremonlalia. — 84. Die Stände nnd 
Innwohner in den österreichischen Lftndern betreffend mit ihren Sin- 
tbeilungen. — 85. Dienstverleihangen nnd Gegenbriefe oder BeTerse. — 
86. Privat- oder Parfcheyensacben. — 87. Hisoella. — 88. Alte InTen- 
tarien der östeneichiwben Arcbi?-Scbrtften and andere dasn gehörige 
Naehriebten. 



AtcUt. XCU, BmI. 1. Hillte. 



6 



Inhalt 



Vorbfinerkmifr .1. — Literatur 4. — Abkttniangeu 5. 



L Aeltere Versucht». Vor I74;i 



6 



Mittelalter (>. — Maximilian i. 7. — Ländertheilung Ton 
1664 10. ~ JoMf I. 10. — Kari VI. 19. — linrim Thereua 16. 



II. Grttndiiiig. 1749 



18 



OrflndiiBgsbafolil IS. — Booenfhal HaiiMnhiTMr 19. ^ 
DMikMbriitftii ftber AH und BMchjiffiiii|f der B«alliid« «nd die 
Blnriditiiiig du ArehiTs 90. 



m. BaMneUrMt. 1749—1752 



31 



Ro<<(>titlinls Reisen: nach Prag S2, nach IniubriMsk 84, nach 
Gras 37, iiHch Wiener-Neuntadt 38. 



IV. Elnriohtnng. I7r,3^i762 



39 



Unterbnuguug 39. — BeamteokOrper 43. — Bartenstoina 
länriobtangsplaii 49. — BifimiiiifMi dw Beattbida 58. Barten- 
sleia nnd Boianflial 68. — Drohende Batalehnnf der Bliiine 67. 

V. Unteroriamf uter die StaatekMultL I76i. 1768 .... 69 
Verwaltongsreform 1761 69. •<-> Kannita oberster Chef det 
Archivs 60. — Denkschrift Rosenthals 61. — Kaunits Aber Ent- 

lohnnnjj ttnd ErforrlfTnipsn des Archivdionite«! 04. — Erw»>!t»»rnnp 
iler Archivräuine 64. — Bobenthals aweiter Nachfolger Abb^ 
Schmidt 66. 

Aiibaug: Denkschrift Kosenth.ils Uber die Einrichtung des Archivs. 



c. 1762 



67 



üiyiiizeQ by GoOgle 



DIE ÄLTESTEN 

STATUTEN VON TRIENT 

UND 

IHRE ÜBERLIEFERUNG. 

VON 

HANS VON VOLTEUNL 



Binleitung. 



■TT 

U ntcr den Statuten der italienischen Gebiete Österreichs 
nehmen die Trienter an Alter und Bedeutung den hervor- 
ragendsten Kang ein. Sie sind die Grundlage gewesen, auf 
der sich die Rechtsentwicklnng des italienischen Sfldtirols bis 
in die Zeit der Österreichischen Oompflationen des 18. Jahr- 
hunderls und bis zur Sfteolarisation des Hochstiftes Trient im 
Jahre 1803 fortgebaut hat* Sie liegen trotz mancher Ab- 
weichungen auch den jüngeren hlatuteti von Rivu, aber auch 
den Statuten von Rovereto und Telvana, ivano und Oastellalto, 
also auch jener Theile Südtirols, die seit dem Ausgange 
des Mittelalters unmittelbar mit Tirol verbunden waren, su 
Grunde.* Eine lange und lebhafte Diseussion hat sich an diese 

' Nach dem Statut de« Bischofs Alexander von 1425, Hb. 1, c. 88, gleich- 
lautend CJe», Hb. 1, c. 141, hatten sie Geltung in allen bischöflichen Ge- 
richten des Hochstifte». Sie kamen aber tnxvh in vielen »üdtiroHschen 
zu Tirol gehörigen Gerichten in Verwendung, vgl. Kapp, Beiträge zur 
Geschichte, Statistik n. w. yon 1^1 3, 124, S. 8. 

* Vgl. SnrKnri'Hontecnic« in Z«itielirilk det Ftordlnandaamt III, Bd. 86» 99, 
44, woiuidi di« Tnaatat 8latat«a tabddür Mi«b in Fleima gnlteo. 
Kapp, BeitrSge, 8. 67 über die Statuten von Ivano, Telvana und 
Ca^stellalto, 70 Arco. 71 Penede, 72 Rovereto, 78 Pergine, 80 Vier Vi- 
Ciiriate, 81 Ledro, 89 Kiva und ihr Verhältnis zu den Trienter Statuten, 
Die civil- und criminalrecbUichea Bestimmuugeu dieser Statuten sind 
ftsft dorcbgehends den Triei4em entnommeii; nur dt» Genrtndwoge* 
loginhaitMi, dem Liber de flindicis entspveekend, atnd Mlbttstindig 
geofdnet Wenn diese Stataten den deutschen GerichtjsweisthUnMro 
entsprechen, sind die Statuten und Regole, die f;i.st jedes Dor*" be.iass, 
den DorfweisÜiilin^rn zn vergleichmi. Sie enthalten Be8tininiungen über 
Gemeinde- und markgeuossenschaftiiche Angelegenheiten (vgl. Qber die 
Regole Schupfer, Manuale di Storia del diritto Italiano 29S, Rapp, Bei- 
trlge, S. 8). Dieie Segele nnd Stetuton «eigen nsUbrUeh «ine groeie 



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86 



Statuten geknUpft, seitdem Prof. Johann Adolf Tomaschek im Ar- 
chiv für Kunde österreichischer freschiehtsquellen 26 die ältesten 
Statuten der iStadt und des Bisthiims Trient in einer deutschen 
Fassung,' nach dem Codex 468 (schwarz) des Wiener Haus-, 
Hof- und Staatsarchivs veröffentUcht hat. Während seitdem 
von deutscher Seite wenig Neues beigebracht wurde, haben 
Trienter Gelehrte die Frage mit Sneigie aa%egriffeD. Ina- 
besondere Bartolomeo Maliatti' and Deaiderio Reich' faaben 
sie durch eine Reihe von Anfttttsen bedeutend gefördert. Die 
Resultate ihrer Fonchungen sind trotadem in weitere Kreise 
nicht gedrungen. Meinen Standpunkt habe ich schon mit 
kurzen Worten m dvia Aufsätze: Zui- Geschichte des ehelichen 
Guterrechteb in Tirol ^ und in der Vorrede zum zweiten Bande 
der Acta Tirolenöia* angedeutet. Nun glaube ich zwar dort 
keineswegs in Käthseln gesprochen zu haben, wie Prof. Reich 
im Tridentum 2, 236, n. 1 meint, aber doch fühle ieh mich 
verpfliehtet, iUr meine Ansicht endUch den Beweis aaxu- 
treten. 

Hente^ wo die Frage nach der pohtiscben Stellung des 
Trentino neuerdings in Discussion gestellt ist, halte ich es nicht 

f^r tlberflUssig, zu betonen, dass mich ledigUch das wissen- 
schaftHehe und rechtshistoriselie Interesse an diesem i'roblcme 
zu meiner Arbeit gereizt hat, dass mir politische und nationale 
Motive und Tendenzen hier wie bei mcmeu früheren Arbeiten 
vollkommen fern Hegen, dass ich es aber allerdings für die 
Pflicht der Wissenschaft halte, die Resultate ehrlicher For- 

• 

Buutbeit in der Ordnang^ d«r localwi VerlilUBiflM gau wie die dealwh- 
ttroliaehen Weistbflmer. 

' In einem im Giornale di filologia roniHUKa Nr. 2 erachieueuon Aufsatze: 
De i Ii1i«nni parlati aDticamente nel Trentino. JHier citiert nach eanem 

Scj)ar;it;il)ilruckfl. 

' Dül piu auticu äututo della citta di Trento, Programui de4s Gtauasio 
ijuperiore di Trento 1888—1889, Nuot! contributi per lo Statute di 
Trento, Noese Casagrande-Simoninii Trento 1892| und Anoora ddl^aatiee 
Btatuto di Trento in Zeatachrift Tridentam S. An Beich «chHeHt rieh 
auch Sartori an, Zeitadirift den Ferdinandenme DI, Bd. 36, 9. 

* S. 4, n. S. Sondersbdmck ans Feilsabeii Ittr Blldinger. 



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87 



Behang nmdweg bu bekennen, mögen Bie auch sonst unange- 
nehm und bitter scheinen. 

Zum Schlüsse fühle icli mich veipiiichtet, hUcu jenen, 
welche aich um das Ztistandekommen dieser Arbeit Verdienste 
erworben haben, meinen wärmsten Dank ausznsprceiien, vor 
allem der gräflichen Fninihe Thun und Hohenstein von Castell 
Thon-Beivesino für die hocliherzige Zulassung zur Benützung 
der im Archive des Sohlosses Thun-Belvesino erliegenden wert- 
vollen Statntenhandschriften, Herrn Prof. Desiderio Reich für 
die gütige Vermittlung bei der grUflichen Familie Thun, Herrn 
Hofrath nnd Director des k. nnd k. Haue-, Hof- und Staats- 
arehivB in Wien Dr. Gustav Winter und den Herren Beamten 
des Ilaub-, liüt- und Staatsarchivs, namentheh meinen lieben 
Freunden Vächiv Krutuehvil und i)r. Arthur (loldmann, der 
Direetion und den Herren Beamten des lunsbrucker Statt- 
haltereiarchivs, den Directionen der Innsbrucker Universitäts- 
bibliothek, der Münchner Hof- und Staatsbibliothek und der 
Stadtbibliothek in Verona und Uerm Custos Konrad Fischnaler. 

Innsbruck, December 1901. 



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1. 

Die Statuten des 14. Jahrlxuuderts. 

Die Handscliriit 4i>8 (st lnvarz) des Haus-, Hof- und Staats- 
arolilvs. wclclic flcn von Toiuaschek mitgetheilten Text der 
Statuten enthält,' trägt am Eudc den Vermerk des Schreihers, 
den Toniasehek auf S. 204 nicht ganz genau wiedergegeben 
hat. Sehen Kei di - hat festgestelh, dass der Auftraggeher des 
Heinrich Lanjj;enbaeh, Schreibers des Codex, Heinricli Stang 
dort nicht als capitaneus (^astri Novi, sondern als Hauptmann 
des Schlosses Nomi bezeichnet wird. In der That ist die 
Lesune: Nomi über allen Zweifel erliaben. Der Vermerk ist 
datiert anno etc. sexagesimo tercio, feria 2" post doraine ne 
longe facias. Tomaschek ergänzte dieses Datum zu 13G3 und 
kam damit zur Ansicht, dass die Handschrift noch dem 
14. Jahrbonderte angehöre. Und doch hätte schon die Art 
Ihitierung zur Vorsicht mahnen sollen. Bekanntlich ist 
die sogenannte Datierung nach der minderen Zahl, welche nur 
die Zehner und Einer mit Auslassung des Jahrhunderts bietet, 
erst im 15. und 16. Jahrhundert zur altgemeinen Anwendung 
gelangt. Nur in CopialbUchem findet sie sich schon früher.* 
In Trienter Codices dieser Art ist nun allerdings diese Dar 
tierungsart schon im 14. Jahrhundert verwendet worden, aber 



^ Ihre Beflebreibnng in der Aiuigabe von TonuMch^ Arohiv ftr Knaifo 
Otterr. OeMhiehtoquellen S6, 9S. 

* Im Archivio Trealino 11» 134, and »war auf Omnd «rinn- duveb Herrn 
Prof. Karl Äusserer in Wien vermittelten Atisktmft des Verfemie dieMe 
AnÜMtMB, die noh auoh auf das Alter der Haodeehrift h&tog. 

' Grotefend, Zeitrechnung des deutachen Bfittelalters and der Neoseit 1, 
128, unter «mindere tahl* n. 1« 



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89 



4och nioht häufig vor Ende des 14. JahrfaundertSy' luam aber 
bei Tereinxelter Zdtengabe. 

Das EntBcheidende ist aber der Charakter der Schrift. 
Tomaschek spricht' yon der im 14. Jahrhunderte üblichen 
Minuskel, jedoch mit Unrecht. Die Schrift unseres Codex 
weist keineswegs auf das 14., sondern auf das 15. Jahrhundert 
hin. Wihrend im 14. Jahrhunderte der gotische Schrift- 
Charakter auch in der CursiTe mehr oder weniger erkenntlich 
ist,' yerrUh unser Codex keineriei gotische Reminisoensen. 
Die Schrift ist nicht mehr eckig, sondern seigt runde, schon 
anter dem Einflüsse der Humanistenschrift stehende Formen. 
Altere Schriftzeichen, wie das ftkr das 14. Jahrhundert so cha- 
rakteristische a mit der Doppelschlinge, das sich im Lehen- 
register des Bischofs Albrecht gerade in Urkunden aus dem 
Jahre 1363 findet,* fehlen in unserem Codex g&nz, sowie auch 
iu anderen Trienter Handschriften aus der zwciteu Hälfte des 
15. Jahrhunderts.* Für d ist die schlingeulosc Form mit 
schiefem Oberschafte, jedoch ohne die £cken der Gotik be- 
liebt, eine Form, die sich in Trienter und Tiroler Hand- 
schriften aus der Mitte des 15. Jahrhunderts tindet.^ Ebenso 
entbehrt das / der oberen Schünge^ wie auch sonst in Trienter 



* So im Lehensbuche Bischof Alberts von Ortenbnrg, Cap«a 8S, Nr. 1, 
Tnnsbrucker StattlialtproiArchiv, f. 7r''. wo drei Stücke eingetragen sind, 
das erste mit der vullen JahreMzahl 13G8 (Hic!'i, da^s zweite und dritte 
auno etc. LXX nono, w^ihrund ein viertes wieder voll datiert ist. £b«u- 
dorfe 1 119 beginnt ^ Lehensregislor im Biaehoft GMig. Hier wird 
ann diese Datiemvgalbm hiuflger, f. 120: Datum «ddo etc. LXXXXI, 
die Xnt «priliM, namentlich bei StOclien, die eonit etezk gekttnt eind, 
f. 124 und 125 ebenda von 1391, f. 126, 130, 138, 186 in Urkunden Yon 
1391 und 1398; aber doch Überwiegt noch immer die volle Datierang. 

* a, a. O. 93. 

' Wie im Lehenregi^tter des Biüchotü Albreclit vuu Ortunburg, Capsa 22, 
Nr. 1, in den«! Abc Biaehoft Oeing el>endort nad Gapca SS, Mr. 8, beide 
Innibmeker Stalüialtertiarehiv. 

* Capsa 22, Nr. 1, f. 9, IimfbniLkor Statthaltereiarchiv. 

B X. B. Capsa 22, Nr. G und 7, Begieter der Biech<»fe Geoig Hacke und 
Johann Ilinderbacb. 

« B. B. Capsa 22, Nr. 7, f. 23 (Hand des Wilhelm üottaler), häufiger noch 
in ilteren Codices des 15. Jahrhunderte: s. B. Gapea S7, Nr. 6, f. 242 
(1447)» SW (1466); Nr. 8, f. 1S6' (1440), f. S46 (1466); ebeme in den 
Lebencreglateni des Enbenog S^icmund (Nr. 8 und 4 der Tiroler 
LehtturegiBtor des loncbmeker Btattbalteraiarebim). 



90 



Codices. * Aach die ttbrigen BachBtabeiifomen bwaen eich 
aSmmtlich in Trienter und Tiroler Handiohrifteii ans der Mitte 
des 15. Jahrlmnderts belegen. Erwähnt mag noch die eigen- 
thttmHi^e Form des k werden, die sich in den Lehenaregiitem 
SigitmnndB wiederfindet. Für r wird das sogenannte runde 
r ▼erwendety wie sonst häutig in den Handschriften des 
15. Jahriinnderts. * Am nächsten stehen der Schrift unseres 
Codex die Trienter Lehensregister Capsa 27, Nr. 5 und 6, und 
die Hand des Wilhelm Rottaler in Capsa 22, Nr. 7, sowie 
das Lehensregister Sigismunds Nr. 4 mit Urkunden aus den 
Sechzigerjahren. Vorgeschrittener dagegen ist der grösste 
Theil von Capsa 22, Nr. 7, indem die cursiven Elemente, die 
in diesem Kcgistcrbuche auftreten, im Statuteneodex noch eine 
recht bescheidene Rolle spielen. Man wird daher die Schrift 
unzweifelhaft dem 15. Jahrhundert zuilicikii, dabei al)er au 
einen bejahrteren oder conservativen Schreiber denken müssen. 

Ganz denselben Eindrnek wie aus der Schrift gewinnen 
wir aus Orthographie und Sprache.-' Nirgends finden wir hier 
Sjmren älterer Formen, wie sie uns in anderen tirolischen 
Sprachproben des 14. und bpo:innenden In. .Tahrhundert.s be- 
oe^nen;* beide machen durchaus einen sehr fortgeschrittenen 
Eindruck. Es treten zugleich Erscheinungen auf, die gerade 
ftir dif Entwicklung des 15. Jahrhunderts bezeichnend sind, 
das Eintreten des ei für älteres 'li, des b filr ic, «cA (schlecht") 
ftir älteres b, o für a (hot), k ftlr ch. Der Dialekt der Handschrift 
ist der bayrisch -tirolische der Zeit. Eigen thlimlich berührt das 
häutige Eintreten von b und p iWr w und die Fonn Trinf. die 
sonst in Tirol, so viel mir wissentlich, nicht gebräuchlich ist. 

1 ». B. Capsa SS, Nr. 6, f. 300 (1467)} Nr. 7, f. S4' (Hand Rottalen), «ooM 
hiflf idioti meifll mit Sehltnge. 

* Cap»i 22, Nr. 6, f. 200 (wahrscheinlich 1464}, f. 3U'— 315 (UBt), var- 
oiiuelt auch in Nr. 7, f. 11 (1469), f. 64 (1470). 

' Ich verdanke <ri»> folgenden auf die Sprru-lic h. •/.iiplithou tiemerkuugeu 
meinem sehr goelu teii Herrn Collegtju Dr. Josuf äobaU, dem ich hieffir 

meinen bostm Dank ansspreclio. 

* iStatt aller anderen verweise ich aui uiuu b«lU nachher vertaiuite C'^ber- 
•etrang daa Friedens swiieben Herzog Friedvieh von Ostamich md 
Venedig Ton 1407 Juli S» Liehnowaky 6» Be^. 908, dto Fennen bietet 
wie: heamanod, exe, t'wikgleich, gdtiw, mericleieh, bemogletoh, frllikd- 
schtft, onch, dioeelbe, dehain, ariiehwan u. s. w. Wien, StaataareUT. 



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91 



Somit weisen Sohiift und Spraohe uhmtc Handschrift ins 
15. Jabrhitndertf und swar ins Jahr 1463. 

Aber aneh die in der Unterschtift des Cedex genannten 
Personen und ihre Umstitnde ergeben dasselbe ReenUat. Zwar 
den Famulus Heinrich Langenbaeh naehauweieen, ist noch 
nicht gelungen. Wohl aber findet sich sein Auftraggeber, der 
Hauptmann von Nomi Heinrich Stang. Tomaschek hat ihn 
mit der Familie der Herren von Stenico zusammengebracht,' 
mit Unrecht, wie sclion Malfatti* bemerkt hat. Inzwischen 
hat ihn Reich, und zwar als Hauptmann von Nomi, ui einer 
Urkunde von 144*J October 1^5 iiachp^ewiesen.^ Das Schloss 
Nomi,* am rechten Etschufer et^s as unlci halb Calliano gelegen, 
gehörte im 14. Jahrhunderte den Herren von Castelbarco mit 
allem Zubehör und der hohen Gerichtsbarkeit im Dorfe Nomi.^ 
Damals war, wie schon Reich richtig bemerkt, kein Platz flir 
einen deutschen Hauptmann in Nomi. Sehr verwickelt sind 
die Schicksale des Schlosses und der Herrschaft Nomi im 
15. Jahrhunderte gewesen. Seit 1416 befand es sich in der 
}iand Aldrighets von (^astelbarco, aber nur als Ptaud vom 
Herzog Friedrich von Österreich, der es dem mit Venedig ver- 
bündeten 3iarcobrun von Casteibarco abgenommen hatte. ^ 



* a. «. 0. 99, n. 8. 

* Degli Idiomi 22, n. 2. 

* Arcliivif) Treiitiiiu 11, 11:4 

Vgl. die NotizQu vuu Heicb im Archiviü Treuüuo 11, 114, n. 1 uud 2. 
^ Lebeusweisuog des Peter Autou, Sohn des Nicolaus von Castelbarcu: 
. . . Iten doHum cattri Nomii sitnatiini in plttbatn Lagari naeiioa oinuSi 
ioriadietioaa» deelomi honovoa azmapdonai et oirniia alia qnaernnqne 
fortalicia fli bona feudalia, que tenebantur et possidebantur per condam 
d"* predecessores feti(lAtario49 de ipuo dosso et ca.stro Numii ot qne nunc 
per ipHds feudatArios raodenios vel alinrn wu iilius eonim iu dictiü per- 
tiuüutiii» et valle Ldigaris tarn citra quam ultra Atliasim teneutur et 
pogddantmr. Umb omiMi iniMtetfoM» «hile« el erimiMtet miztnm et 
mflnun imparinm villanmi infvaaeriptMiiin . . vülolieet . . . vtlle Homit. 
1376 Jiener 18. Capia 2«, Nr. 1, f. 60—60', Imubmokw Slatiluaterei- 
archiv. 

* Zotti, Storia dclla valle Lagarina 1, 273; .JXg-er, I)enk«( }iriftjnn der Aka- 
demie der Wittätiiutchaften in Wien 9, 260; Ravanulli, (jontributi alla 
Storia del domiuio veneto nel Trentino, Archivio Treutino 11, lOö. 
SdMm 1416 bk Nomi io Friedrichs Hladen. Unter dieiem Jahre findet 
•ich der PteadreTera eine« Caspar Oredner nm 800 Dneaten vermerkt 
im Schalearchiy-Bepertorium S, M6, Innebmeker StatthaltereiarebiT, 



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93 



Wenn schon diese Verp{)lndun|; ¥00 Nomi im ZaMmmenhange 
sUnd mit dem Verloste von Royereto »n die Venesianer^ den 
Adrighei su tragen hatte, so war Nomi in der Folge sicher 
auch durch den Krieg in Mitleidenaehaft gezogen, den die 
.Veneaianer gegen den Bischof Aleacander von Trient und die 
Gastelbarker fthrten, die mit dem Hensoge von Mailand Fi- 
lippo Haruk ▼erhündet waren.' Daas es »her 1440 in veiie^ 
aianiache Hände gefidlen sei, wie Zotü annimmt,* ist nieht 
richtig. 

Aldrighet von Castelbarco, der in Folge des lotsten Vene- 
zianer Krieges um fast alle seine Besitzungen gekommen war^ 
Uberliess den Pfandhesitz von Xoini seinem Vetter Johannes 
Castclbarco von Castelnuovo, der ihm auf Intervention des 
Herzogs Sigismund dafür eine Ablösungssumme von 4000 Da- 
caten zu zahlen gelobte.^ Aber auch Tncnt wahrte sein 
Lehensrecht. Wie Bischof Alexander im Jahre 1424 den 
Herzog Friedrich mit Nomi belehnt hatte,* so belehnte Bischof 
Georg den Marcobrun von Castelbarco-Hcscno 1447 Novem- 
ber 12 mit den Schlössern Beseno uud Nomi und allen zugc- 
h(5renden Rechten und der hohen Gerichtsbarkeit in der Pfarre 
Volauo, in Terragnol, Castelbarco u. s. w.* Sicher ist es. dass 
die Belehnung für Volano und Terragnol einer praktischen Be- 
deutung entbehrte, weil diese Orte damals in venezianischen 
Händen waren. Nicht anders hcint es mit Nomi gewesen 
zu sein. Denn wahrend die (ircnzen der Herrschaft Beseno 
genau angegeben werden, wird Nomi nur nebenher erwähnt 



Pt« Dtmallttiig im Texte naeli dem K»gm^ im 8ehatMreliiT.Ra|Mrlori«iii 
5, 1259: ün loftnimeiit, wie her Aldri^t von Castelbarek sdinem V0t^ 

lern lierr Hann«e« flhei^ibt die horrschaft Numi, »o hervog Fridrich von 
C)*5terreich liorrn Maicobntnn von (."astclbarck und Pinein, iirab da» er 
mit Venedig pUndtuis augeuoiniucii het, abgewonnen uud gemeltem horm 
Aldrigot umb HU'" docalni inmeA 144S. Imial»niek«r StaMwlterei- 
«rehlT. I^ber die Battong des Hwoobnin von Beseoo irgl. Barandll 
a. a. 0. 93, 101. 
» E^er, Geschichte Tirols 1, 620, 535 f. 

• 1, 308; vpl. auch Ravanelli a. a. O. 242. 

■ Schatsarchiv-Repertorium 6, 1259. Der Vorj^ang wird auch erzühlt in 
Uriniiid« Ton 1468 November 9, Capaa 22, Nr. 7, f. 231—232'. Inns- 
bmoker StatthaMeraiarehtT. 

* Schatnrcfaiv^RqMrtoriam 8, 896. 

> Lehiongiiter Biaebob OeoTg, Capaa Mr. 6, f. lOS^lOS*. 



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93 



Um di(;so. Zeit mag der Biscliof in Nomi, das ja hart an der 
venezianischen Grenze lag, Besatzung und einen Hauptmann 
besoldet haben, «gerade wie es die Venezianer früher in Beseno 
gehalten hatten.* Bald kam übrigens Nomi völlig iu die Hände 
des Biscliofs. Johannes von (Jastelbarco suchte sein Heil im 
Anschlüsse an die RepubHk des heih'gen Marcus und unter- 
liess es, seine Lehen vom Bischöfe von Trient zu miithen. Des- 
halb wurden ihm die Lehen abgebjiroclien. Die Grafen von 
Lodron volifUhrteTi die Sentenz und nahmen die Schlösser des 
Johann ein. Castelnuovo und Castellazzo wurden den Grafen 
Georg und Peter von T.odron zu Lehen verliehen,* Nomi be- 
hielt Bischof Georg selber. Als im selben Jahre die Gradner 
Fehde entbrannte, gestattete zwar der Bischof dem Herzog 
Sigismund, Nomi in dem Falle einzulösen, wenn er ihm das 
Schloss Beseno nicht verleihen würde, sobald es den Gradnern 
abgenommen wäre.^ Nachdem aber die Übergabe Besenos an 
Sigismund erfolgt war, verzichtete der Herzog auf alle An- 
sprüche auf Nomi und Zubehör.^ Zunächst blieb nun das 
Schloss unbestritten in den Händen der Kirche von Trient, zu 
deren Gunsten auch die Kinder Aldrighets im Jahre 1468 auf 
alle Rechte vemchteten.^ Erst später erhob die Witwe Johanns 
▼on Cutclbarco namens ihrer Kinder Ansprüche auf Nomi, und 
diese sind denn auch 1491 in der That durch König Maxi« 
milian in den Besitz des Schlosses gelangt,*^ das sie 1494 an 
Künig Maximilian verkauften 7 Aus alldem geht hervor, daas 
nur im 15. Jahrhunderte Platz fiir einen bischöflicheo Haupt- 
mann in Komi ist, dass dieser im Jahre 1463 aicher aneh mit 

' RavaiwlU a a. 0. 98. 

* Lehenlrach Biachof Odorgs, 1450 Iprtl 9, CapMi SS, Nr. f. 196» Inn»* 
bmcker StotUialterelarclnv; Zotti «. a. O. 8S1. 

■ Ja^er a. o. O. 261. 

* 14GU März 21, Leheuregbter Öigismanda 3, f. 65', Innsbrucker Statt» 
h&Itereiarchiv. 

* LdMucfittef Biaehof Johuns von Hindefbadi, Capaa S2, Nr. 7, f. 931 
bis 982'. 

* 8diatwdiiir*Bepertorioin 5, 1268. In venosianiBche HKnde gefallen, 
wnn!p es von Venedig Im Friwlen vnn 14^7 aii flon Pajist abgetreten, 
der darüber wie {Iber die übrigen venezianischen Eroberungen erkennen 
floUta und es dem König Maximilian susprach. 

* SeliateaidilY'Repertoriiim 4, 190. Über die apiteren Schickaftle - vgl. 
Bidemumn, Die Italilner in ÜroliicheB ProvinalalTerbaade 97. 



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94 



der Verwaltotig der holten OerichteWkeit, «leren AnsHbtiBg m 
den biachöffiohen Gerichten drauJe den Hanpdenten Übert ra gen 
war, betrant wer» und dass er daher Interetse haben konnte» 
sich einen ihm verständfichen Text der Statuten sa TerBchaffiBii. 
Nicht lange nach 1463 ist llbrigens Heinrich Stang Hauptmann 
in Nomi geblieben. Wlihrend der Sedisvaoana des IVientner 
Bisihums beantragten die hersoglichen Verwalter dea Bisthnms 
bei Henog Sigismund einen Tausch» wonach Stang die Hanpt- 
mannachaft in Tobltno und Komi ein Hanns von Kittfcs erhalten 
hätte. ^ 

Wenn nnn auch Handschrift 468 des Staatsarchivs dem 
Jahre 1463 angehört, so kann ihr sehr wohl eine iltere au 
Grande liegen. Denn wie bereits Tomaschek' and Reidi* 
bemerkt haben» gibt sich der Famulus Langenbach selber nur 
alt Copist einer alteren Vorlage. Dies wird sur Gewissh^t 
dureh einen Veigleich mit der aweiten deutschen Handschrift 
der Statuten» die sieh im Archive des Sdilosses Thun-Belvesino 
im Nonsbeige befindet Obwohl sie schon Gar in seinem Kata- 
loge dieses Archivs erwtthnt»* ist sie doch bisher unbeachtet 
geblieben. Ich muss mir daher gestatten, etwas näher auf 
diese Handschrift einzugehen.*^ 

Th besteht aus 41 Papierfolien, 37 X 26 5 cm.. die in zwei 
Lagen gelegt und geheftet, aber nicht zusammengebunden sind. 
Das Vorderdeckblatt und die zwei letzten iihitter sind leer ge- 
blieben. Jenes trägt nebst der Archivsignatur VII von einer 
Hand des !.'>. Jaiuhundei u um lother Tinte die Aufschrift: 
^Statuten des bistunibs / ze Trienndt.* Eine spätere Hand 

Jahrliundert) bemerkte: ,Statuto di Trento del vescovo 
Nicolo(?y, eine Bemerkung, die eine Hand des 17. .)ahr- 
huuderts durchstrichen und durch die TöUig unrichtige Be- 



' Scbut/nrrhiv-Rpjjprtovium 6, 709: Di« Yronomi zu TrÜMif bitttMi erzhertog" 
Sig^mnntlcn, (Up )>ti«*^ Tuliliit Hainricben ätanngen zn verleibeu and 
Numi llaiinsen von Kitl^cs, 146G. 

* Afdd« 80, 98. 

* Del piü anlief» »tatnto, 84^ Splter hat Reich den Langenbach ab den 
ObenetMr betiaehtst, ArahiTio Trentiao 11, Uft; TridMtnm S, 888. 

« L*archivio del eaetello di Thon, TlMato 1867, 81. 

* Im Folgenden werde ich dl* von Toniaadiäh fednudtte BaMBnen der 
niten Statateu mit T, der wgeoanatea neuen mit dan Oodea Um» 
mit Tk und Th* bezeidbueu. 



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95 



MiehniiDg: ,Udairieo e Crutofero' eraetit hat Die beschrie- 
benen Blfttter nnd iren einer sp&teren Hand am Bande oben 

folüert. Eine zweite, ursprüugliche Foüenzftbhing am onteren 
Rande ist nur znm Theile durchgeführt worden. Der Codex 

ist von Einer Hand geschrieben, die der zweiten Hälfte des 
15. Jahrhunderts angehört und entschieden jünger ist als die- 
jenige, welclie T geschrieben hat. Die Schrift ist dick und 
iiiigeschlacht. Den Titelrubriken geht ein roth <]!;emaltes C 
voran. Ein Verzeichnis* der Capitel von anderer gleichzeitiger 
Hand auf G i'iipiei*folien ist in demselben Archive vorhanden 
und triio^-t die Signatur VHI. Durchaus verweist es auf die 
Folien unserer Handschrift. 

Weder im Codex noch im Titelvcrzeichnia sind die Ca- 
pitel gezahlt, ebensowenig in T nnd J"', indem die Zühhing in 
der Ausgabe von Toraaschek herrührt. Folio 1 der Thun'schen 
Handschrift trägt die Uberschrift: ,Dic Statuten zu Trient und 
auf Nons etc.* Darauf folgt die eigentliche Rubrik der alten 
Statuten, j^leichiaulend wie in T.^ Auf f 22 endigen die so- 
genaiHiten alten Statuten mit der Bemerkung: ,Et hec de sta- 
tutis antiquis dicta sufficient pro nunc' Eine andere Hand 
schrieb mit Rubrum darüber: ,Kova statuta sequuntur^, während 
die Hand des Schreibers die Rubrik der neuen Statuten wie 
in T' bringt; ,Hie vahent an die newen statUtt/ Ver£rlei<'hen 
wir nun den Inhalt der beiden Handschriften, so ergibt sich, 
dass T und 27/ su h in der Zahl und Reihenfolge der einzelnen 
Capilel vollsten 'I IL" decken. Nur die am Schlüsse rin^^tVii^ne 
Bemerkung Uber die Münze T'^ c. 77, und die Unterschritt des 
Schreibers fehlen in Th. Was den Text betrifft, so folgt Th, 
wie nahl aiidi rs zu <TAvarten, einer dui i li;nis veränderten und 
selbststiindi^'i'H Urtiiog-raphie,- die derjenigen völlig entspricht, 
der wir in anderen deutschen Tiroler Urkunden dieser Zeit 
begeben; namentlich finden wir hier durchaus die gebriiuch 
liehe Schreibung Trient. Wir dürfen daher unbedenklich auf 
einen Tiroler als Schreiber von Th schliessen. Der Text beider 
Handschriften enthält zahlreiche Varianten; Tli bietet aber 
mehrfach ein Pins gegenüber T und 7". T' entbehrt der Ca- 
phelrabriken Ton c. 66 bis 75 (ansser c. 78). Th' bringt diese 

> Abgadrndrt nebst dem sntan Capitel in Beilage Nr. 4. 
* Bin« Probe des T«xtet von Th ^bt Beil««« Nr. 4. 



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96 



Rabriken.* Doch hut aacb Tk' gans wie T e. 66 die 
irrige Rubrik: ,Voii Sachen unter XX jaren^ mit dem Znsatae: 
,Qioht an aachen'. Auch sonst stimmen die Rubriken nicht 
durchwegs ttberein. T c. 129 trägt den anpassenden Titel: 
^Von hinlaasung ains', Th sagt hier besser: ^Von ewigem aynns'; 
denn es ist nicht yon einer Oession einer Zinsforderung, sondern 
von der Emklagung der filUigen Zinse bei einer ewigen Pacht 
die Rede. T e. 20 bietet den sinnlosen Titel: ,Daa man das 
recht sol voUenden^, während im Contexte die Fälle des sum- 
marischen Verfahrens an^eaählt werden. Richtiger lautet daher 
der Titel in Tki yWie man das recht sol summen yon den 
nachgeschryben saehen.'' Tk enthält aber auch mehrfach 
einen erweiterten Test, der nicht auf Interpolation beruht, 
sondern sich logisch dem Texte einfügt und auf Auslassungen 
in T schliessen lässt Nur einige Stellen mOgen hier erwähnt 
werden. T c. 14 spricht von Nothaueht an einer Frau und 
Jungfrau; die Strafe ist abgestuft, je naohd«n der Yerletser 
Sahne gewinnt oder nicht SBerauf folgt eine Strafbesdmmuug 
gegen den, welcher dasselbe Verbrechen aa einer Frau, die 
nicht Jungfrau oder BSiefrau ist, begeht Während T nicht 
weiter unterscheidet, lässt Th offenbar mit Recht auch hier die 
Strafe bei erlangter Suhne gemindert sein.' Die Reclitslof^ik 
spricht dafür, dass Th hier das Richtige biete. Ein Zusatz, 
den Th' c. 3 ^^ctren 7" c. 3 brinf?t, macht die Stelle erst ver- 
ständlich/ weil er erst das Verbuiii eiilbält, von dem der 

* e. 66: JM seit der Tendueibsaf.* a 67 1 «Ton «iaer jogUckoa» die «ia 
penon gegen äm andern (ate! offenbar ist ^Kl^tf* nscb Jeglidi«»* «oa- 

gerallr n). c. 68: ,Wie man in die aecht niffen.* c. 69: ,Von dem pan.' 
c. 70: ,Wie man <lip panipen auf! dem pan sol Ift.ssen um! In welcherlai 
masft.* c. 71: ,Von g^elt-sclnihi wepen.* c. 79: ,Voji tading-en.' c. 73: 
tVon geltschuld wegeu^ die vor besalt aeiu' (also abweichend von T 73). 
c. 74: yYon dar tsrung wegen.' c 76: »Ton geltMdinld an «nelien.* 

* Wenign bead«hnand sind Iblgnide Varianten der Tttelrabiiknn in 3% 
c. 102: ,Da<^ »y salleu sollich gut wydergeben den, des es gewesen iüt, 
oder dem capidtani.* c. 130: «Von margkt zu halten zu Triondt.' c. 131: 
»Von säumen und ander ladungen, '\v' pffn Trientt kommen etc.* Tk* 
c. 8: ,Von geschryben »acheu, die lurkoinen.* 

* Indem auf Tc U Z. 6 in CC Uhr. folgt: ,und doch ob er uitt firid hat 
Hat «r aber IHd, so aol er geben C libn» Ter.* 

* 7%' c. 8 liest Z. 4 nach des jnnglinges ,niiBnHdi nnd nit hsimlldi nnd 
von willen der negsten fraindt, die das sagen, durch nntxparkait willen 
des iunglings, daa die entpüremdttng der guter ist beeefaahen.* 



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97 



Zwisohensats: fdaB die empfiremdung der guter ist besehefaen', 
abhängt. In demselben Capitel §^bt 2%' noeh eine Ergänsung 
einer in offenbar anqge&Uenexi Stelle.^ 7* c. 50 itk in dieser 
FaMUDg gänzfieh sinnlos. Ein Znsata, den TV hier bringt, er- 
möglicht erst, den Sinn in errathen: CSanceQierte Imbrevia- 
turen von RechtsgesehllAen ttber nnbew^liehe Saehen, die 
unter gewissen Cautelen in öflfontliohe Form gebracht wwdeo, 
gelten so, als ob die ImbrcTiatur nicht oancelliert worden sei, 
ausser wenn dies mit Willen der Parteien geschehen ist* Diese 
Ffille ergeben, dass Th auf ^e bessere Vorlage zurückgeht 
oder sorgfältiger copiert ist als T mit seinen Auslassungen, 
und sprechen schon von vornherein auch zu Gunsten der 
anderen Varianten von 7%, Uber deren Wert wir erst später 
werden entscheiden können. Immerhin beweist das Gesagte 
die volle Selbständigkeit von T und Th, die wohl niclit direet, 
sondern erst durch Mittelgheder auf einen genicinsumen Arche- 
typus zurückgehen. Aber auch dieser war keineswecjs der ur- 
sprüngliche Codex. Der Schreiber des Archetypus niuss liüiu- 
lich bereits eine VorUij^e vor sich «gehabt haben, die an einifren 
Stellen nicht ganz vollständig war, und deren Mängel er be- 
merkte. Zu c. 55 fügen T und TTi bei: ,l)o gehört noeli etwas 
mer zue, daz da nit ist gebesen in geschrift', eine Bemerkung, 
die also auf den Archetypus z,ui uckgehen inuss, der sich damit 
als ein von älterer Vorlage abgeleiteter Codex verräth. 

Bevor auf die PVage nach der Entstehung und Hltesten 
Form der Trienter Statuten eingegangen werden kann, muss 
die Originalität der Tomaschck'schen Keceri^K ii und ihr Ver- 
hältnis zu anderen Südtiroler Statuten erörtert werden. Toma- 
schek hat angenommen, dass die Haudsclirift Nr. 4GS des Staats- 
archivs den Urt{!xt der Statuten darbiete, dass diese mithin 
ursprünglich in deutscher Sprache vertasst worden wären. Er 
berief sieh dafür auf eine Urkunde von 1275,' in der er einen 
Hinweis auf unsere Statuten zu finden vermeinte. Hier wird 
nämlich erzählt^ es sei vor dem Volke in Tricnt ein Capitulum 

' Z. 6 nach jongling.'s' : ,oder ander Icit oder uit freyudt hat, die syllen 
erwelt vrerdeu vou dem vorgenannten*, woran sich ganz natürlich der 
weitere Text von T'i «riehtar oder von dem vioarj* auoblieast 

* Th* 60 Torletate Ztito nach «wolil als*: ,ob die inbraviatnr nicht gvtoet 

wor, nur altain dlA*. 

» Archiv 26, 103. 

Ardüv. XCU. Baad. I. Hälft«. 7 



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98 



literaliter et vulgariter verlesen worden/ in dem Tomaschek 
7 c. 2 wieder zvl erkennen glaubte. ^Vulgariter' ttbersetst er 
jok deutseher Sprache', im Oegensatse zu Jiteraliter', ^lateinisch', 
und folgerte, dass die ältesten Statuten von Trient in deutscher 
Sprache yerfasst gewesen seien. Diese Meinung, obwohl nicht 
von aUen deutschen Gelehrten getheilt,' ist doch die herrsehende 
gebliehen.* Die Trentiner haben freilich diese Anschauung 
nie gctheilt. Schon Gian Giaoomo Cresseri hatte in seiner 
im Jahre 1776 Tcdassten Abhandlung Uber die Oonsnln in 
Trient^ von T als einer rohen deutschen Übersetaung ge- 
sprochen, und Malfatti wies darauf hin,^ dass Tomaschek den 
Sinn von ,vulgariter' nicht getroffen habe. Beaeichnet es doch 
einfach die Vulgärsprache im Gegensatze zum Latein.* Wenn 
also ,vulgariter' in deutschen Quellen und Gegenden wirklieh 
die deutsche Sprache bedeutet,' so in italienischen die italie* 
nische. Es genügt, dafür auf die Schrift Dantes: ,De vnlgari 
eloquio' hinzuweisen. Darttber nun, dass im 13. Jahrhunderte 
in Trient und in dem heutigen Trentino, ja selbst im Boaener 
Uuterlande südlich von den Thoren Bozens angefangen die Vdks- 



' Die Urkunilö b*'i Hunnayr. Sänimtlicbe Werke 2, Nr. 40. 

' Jäger, Cieschiclite der iHiuUUiidischen Verfa^*8un)^ Tirols 1. 698, u. be- 
iweifelt wouigsteus die Tumascbek'scbe Deutung des .vulgiuitef*. Flr 
Uteitiudia Fämmg aueh die neiiMte ttbrigeo« unbedeutende Gtolirift Uber 
den Qegenatand von Biiaoli, Giallo, Contribnto ellft atoria del diritto 
Statut, nel Trontino, Feltre 1901. 

' Lu^L*biii, österreichische Ruicbsgobcbiclite 145, spricht von deut.Hchor 
Ausfertigung der Statuten. £benao auch Pertile, Storia del diritto Ita- 
Hana«, II, 2, 139 

* HurnuH^ogebeu von Gar in der Biblioteca Trentiua 2 — 6, 4ö. 
^ A. a. 0. 24. 

* In dieeen Binne wird »vulgariter* ameh io der Beplik der Geiwiiln und 
Gemeinde von Trient gegen die Besehwerdeielirift der Deutschen ge* 

biauditt ,et oportet iiotari<w e.sso peritos, cum iuBtrumenta fiant in litte* 
rali soriiiniie et non vulgari'. Fatigler, Zeitacbrift des Ferdinandeuuu 

III, JH, jj. 

' z. B. bei Juhami von Viktring 2, '2, Hrilmii-r, Fuiit. ror. (jorm. 1, 
bei seiner irrigen Angabe Uber die Einführung der deutAclien Sprache 
als Sprache der kSniglichen Urkunden dureh den BeidieSfaechied su 
Nflniberg tS74: .Statuit etiam ntfertur, quod propter eomunen intelli« 
gentiam obacnre latinitatit privilegia et littere de eetero TntgMriter con- 
.scribantur; qu<<il patot ex eo, quftd ante Nua tenipora nulle littere vul- 
gariter acripte reperiantur de negotüe vel contractibus quibnecumqae.' 



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99 



öprache &8t rein romanisch war, einzelne Colonien von Bauern 
und Bergleuten, namentlich in Valsugana und auf dem Berg- 
rücken zwischen dem Etschthale und Valsugana, sowie zwischen 
Etschthal und dem Nonsberge, Neuinarkt und die Umgegend 
von San Michele * ausgenonimon, kann kein Zweifel sein. Da- 
für liefern die Urkunden die unzweifelhaftesten Beweise.- Erst 
im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts hat sich dieses Ver- 
hältnis zu (iunst(;n der deutschen Sprache verschoben. Aber 
selbst dauiai.-,, als die deutsche Sprache ihre grösste Verbreitung 
im Etschthale fand, war sie in der Stadt Trient niemals die 
überwiegende Volkssprache. Die Deutschen selber erklärten 
zu Ende des lö. Jahrhunderts, dass sie den vierten Theil der 
Stadt evölkerung ausmachten.^ Allerdings zeigt sich schon im 
13. J.ila hunderte eine deutsche Einwanderung in Trient. Die 
Bergleute namentlich, welche die Bischöfe nach Trient be- 
riefen, um die Aiisbeute des Silbererzes zu beireiben, gehörten 
zum grössten Theile der dentsehoii Nationalität an und spielen 
in der That durch Reichtlium und Tüchtigkeit eine gewisse 
Bolle. Aber ihre Zahl war dueh nur klein. Mit Keehl hat 
schon Malfatti riarauf hingewiesen, dass eigentliehe Uerma- 
nisuien in Trienter Urkunden dieser Zeit nieht l)egegnen. In 
der That finden sich hier kaum mehr Ausdrücke germanischen 
Ursprungs als in den benachbarten itnUenischen Gebieten, und 
diese gehören zumeist der liechtssprache au und sind durch 

* Vun hier &u» wurde Fenlierp und da« Boztier Unterland gormauisiert. 
Ebenso wurden in Neumarkt DeuUche angesiedelt. Auch zu Tramiu 
finden «ich früh deutsche Siedler. Ep[>an iat im Laufe dee. 13. Jehf^ 
hunderte dentoeh geworden, Keltern noch Jehrhnnderte lang wilseh ge* 
bliehen. Natürlich hat auch die tirolische Herrschaft, die f^oit der 
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hier bestand, di r Vort)iuitiiiig des 
Deutschtums Vorschub geleistet. Wenn Attlmayr, Zoitsclir dos Fordi- 
naudcums III, 12, III, die deutsche Sprache schon im 12. und 13. Jahr- 
hunderte bis zum Avisio reichen lässt, ist diee entwhieden nnriehtig. 
IHe UilcQBden beweiien vielmehr, deea B. Aoer noch mn Bude dee 
18. Jahrhnuderto eine flberwiegend romanUche Bevölkerung hatte. 

» Bischof Bartholomäus bedurfte bei Verhandlung mit deutschen Lehens- 
li'uteii eines Doli notscl ich: llrkuude t :W0 Decembor 24. Jeclo von Koten- 
hv.ri: pibt sptiio Ltdieii aii : ,ct tanquam latinum nesciens ydioma per 
iliscretum virum d'" Oddoricuni do Coredo suum super infrascriptie inter- 
prutem*. Orig. Wien 6(.>A. 

• Patigler, Beichwerdeschrift der Dentschen su TMent, Zeitsehr. des Ferdi- 
nandenms lU, 28, 66 f., 69 f., 65 f. 



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100 



cUd langobardiflche Gesetzgebung und Jnrispradens fi^llg«m<tfn 
in Oberitftfien eingebflrgert worden.^ Anders nur die Urkonden^ 
wdche siob speciell mit der Ordnung dea Beigiresens be- 
schjUtigen, die fireilick die Facfaanadrttcke in dentaeher Sprmche 
bieten.' Am dentlicbeten wird der Unterscbied der NationaHttIt 
bei einem Veigleiohe der Imbreviatnren des Trienter Notars 
Obert mid des Bozners J^kob Haas. Während bei jenem Ger- 
manismen mangeb, strotst die Sprache des Börners yon solchen. 
Jakobs Latein spiegelt in Syntax und Grammatik deatscbes 
Spracbgefilhl wieder; Obert und mit ihm die meisten mir be- 
kannten Trienter Notare schreiben dagegen ein siemlich glattes 
Latein,3[and wenn sie d^Yon abweichen, wie namentlidi die 
Landnotare^ bieten sie nicht Germanismen, sondern Romanismen 
in Fülle.* Dass ,valgariter' in Trient ihatsachlich die italie- 
nische Sprache bedeutet, ergibt zum Überflusse eine Urkunde 
des 16. Jahrhunderts. In einem Processe der Landgemttnden 
mit der Stadt wegen gewiss« Beiträge zu gcmdnsamen Lasten 
wird von den Landgemeinden die Antwort auf den EHaglibeU 
schriftlich ,in scriptis Tulgariter^ vorgelegt und vollinhaltlich 
dem Processrotiilus inseriert. Sie ist in einem awar nicht cor* 
recten, aber nnzweifelhaften Italienisch verfiisst^ 

Wenn daher Dante den Trientem das ,vere latinum' 
ebenso wie den Turinem und den Bewohnern von Alessandria 
abspricht, wird sich dies nicht so sehr auf gennanisclie 
Elemente ihrer Mundart, als auf ladinischc bczielien.^ ^Vir 
dürfen also auch das ,vuigariter* der Urkunde von 



' ,albergaria, allodium, arimania, arimatmu?, bannire, bannuin, burgfam. 
follrum, fraiicus (frei), frnnkitare (frsicn), ga^taldia, ^astaldto, gobntcli, 
marca, marchio, miuln, rpdnm. H.inma, »carawaita, äcaria, fcariu», scafinm, 
wadia, waduure, waita, waitus, ward», warentare, warentatto, wercos, 
widbMdmivni, nach Kink, Font. rar. Auslr. 6, und Aet» Tiral. 9 (Liber 
Oberti); Tgl. damit du Glonnr b«i Lattet, II diiitlo Ooiwosttidittario 
delle dMk Lombarde. 

* Khik, Font. rer. Atistr. 6, Nr. 236 f. 

' V^l. auch die allordinps nicht imnior einwaiidfreio Znsamnaenstclluug 
von Malfatti, a. a. O. 10 f. Ein Beispiel von so verderbtem Latein ge- 
währen Beilage Nr. 1 und 2. 

* Ulk. 148S August 2, Gapea 4 Nr. 19, innabniok 8i-A. Die betnlfoiide 
Replik beginntt »NobiUi generoni honoroToli et mru Qnetta ai i U 
nostra domanda di nostri agravamenti* u. s. w. 

* Vgl. aach Srgftnsiingsband der Mittb. d. Inst. f. Osterr. Gescbiebfeif. ^ 146. 



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101 



1275 Dicht anders als mli jitalieuisch' übersetzen, mag 
dieses ,vulirare' auch, wie Dante ^ bezeiii: !. kein reines, sondern 
ein verdeiiites Patois, ein ,turpissimiini vulguie' gewesen sein. 
Freilich werden wir ebensowenig annehmen, dass die Statut- n 
in italienischer Sprache verfasst waren. Aus der Erzaidung 
der Urkunde von 1275, dass ein Scliriftstück ,literaliter et 
vulgariter' verlesen worden sei, läset sich für die Sprache 
der Statuten nichts erschliessen; ja wir werden überhaupt 
sehen, dass die Beziehung unserer Urkunde auf die Statuten 
eine sehr fragliche ist. Die italienische Sprache ist für Rechts- 
aufzeichnungen in älterer Zeit nur höchst selten verwendet 
worden. Die Sprache der Gesetze und Urkunden ist in Italien 
bis ins lü. Jahrhundert, ja vielfach noch bis in spätere Zeit 
die lateinische geblieben. Wenn also die Statuten von Trient 
nicht in deutscher Sprache verfasst waren, so waren sie 
es sicher in keiner an li i n als der lateinisclien. 

Eine ein^-^flicnderc Betrachtung des deutschen Textes er- 
gibt nun unzweitelhaft, dass wir keine Originalaufzeichnung, 
sondern eine Übersetzung vor uns haben. Die Sprache der 
Statuten ist nicht die einfache, klare deutscher Rechtsdenk- 
mäler. Allerdings waren da zum Theil Verhältnisse zu schildern, 
die, wie namentlich die Bestimmungen processrechtlichen Inhalts, 
dem deutschen Rechte gänzlich fremd waren. Deshalb ist auch 
das häufige Vorkommen von Fremdwörtern nicht, wie Malfatti 
meint,* als Beweis der Ubersetzung anzusehen. Manche der 
von ihm beanständeten Worte, wie: piapf> köpf,' eiste; urn 
(Yhrn), rumor, saltner^, sind allgemein reeipiert oder wenigstens 
dem Tiroler Dialekte geläufig. Andere^ wie: ,Boder/ imbre- 
viator', Hessen sich kaum anders wiedergeben. Aber ein 
deutscher Gesetzgeber hätte sich freier und verständlicher aus- 
gedrückt, während unser Text schwerDÜlig und oft genug bis 
zur Dunkelheit verworren ist. Schon Tomaschek hat dies ge- 
fühlt und zum besseren Verständnisse Parallelstellen aus dem 
lateinischen Udabicianischen Statut beigefügt. Meines £r- 
aehtena hat bereits Malfatti aar Qenttge den Beweis erbracht, 

* De vulgari eloquio 1, c 16. 

* a. Ä. O. 29. 

' FDt »nappa, coppa'. 

* Für iiiotsriiM*; ttbeiuo in der Übeivetnnif ilea Friedena mit Teii«dig von 
1407 Juli 8, 



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1U2 



dtiss der deatsehe Text nur eine Obenetzung aus dem Latei- 
nischen darstelle. Aber weil seine AnsfUhrangen in weiteren 
Kreisen bisher nicht beachtet wurden, mag es nicht Oberflttssig 

erscheinen, den Beweis zum Theile mit nenen Argumenten zu 
wiederholen. Nur werde ich nicht wie Malfatti das Statut von 
1528 zum Vergleiche heranziehen, sondern aus Grlinden, die 
später zur Sprache kommen werden, das Roveretancr Statut 

von 1425.* 

An zaIilK ichen Stellen liegt es auf der liaüd, dass der 
deutsche Icxl nur durch Missvei ölaiidnia einer lateinischen 
Vorlage entstanden sein kann, in 7'c. 1 erhebt Scinvieriirkeit 
das Wort jburP in der Stelle: ,und ob daz wär, daz jer einem 
gesagt wurd, duz da ein burf oder abczihung jirilcht dem pi- 
schot^, so solle er das dem Bischöfe melden. Der Sinn dieser 
CIuuöcl des Treueides ist offenbar der, dass jeder, der Kunde 
von einem dem Bischöfe drohend* n Sehaden erhält, die Anzeige 
zu erstatten hat. Das dunkle ,burf\ das höchstens an An%vurf 
oder Angriff denken Hesse, erklärt sich vollends aus dem latei- 
nischen Texte von R c. 1.^ Man sieht, ,iactura^ ist wörtlich nach 
dem Verbum ,iaeere* mit Wurf übei-setzt, ,dctrimentum' mit Ab- 
ziehung, Worte, die sonst in diesem Sinne nicht gebraucht 
werden.* T c. 9 legt den Syndikeru der Pfarren die Pflicht 
auf: ,pey der enpfang dez heiligen sacraments' die in ihrer 
Gemeinde geschehenen Todtschläge und anderen Verbrechen 
anzuzeigen, gewiss sehr sonderbar. Das Factum klärt sich auf 
durch Vergleich mit deiu Texte von R c, 9: ,vinculo sacramenti 
teneantur', also bei ihrem Amtscide sind sie verpfliclitct. T c. 14 
und 15 handeln von Vergelieu gegen Ehefrauen uml Jungfrauen, 
und doch sind die Frauen bereits in C. 12 und 13 behandelt 
worden. Die Sühne hängt nach c. 12 bei der Ehefrau von 
der Zustimmung des Mannes ab, nach c. 14 von der Frau 



* Herauigegfebeo von Gar, Biblioteca Trentina 4. Die altea Statotaa von 
Roveroto werden im Folg^eDden oitiert -werden mit B, die neuen mit A*. 

' ,Et si ad Aurea eorum pervenerit qnidqaein, qnod pondt inferre dannum 
iartnrani ot detri metitnm * 

' Ebeiuiort Z. lU ist sinnwidrig: ,an des bischofs hofatat', da nicht einzu- 
sehen wäre, wAma den Befehlen der Hauptleate nnr ein bisetiMUchen 
Hofttaate sollte gehorcht werden. Th aber Ueet hier nicht ,hofttat*, 
•ondem ^tat', nnd gibt damit den richtigen Sinn wieder; ee ist ihnen 
SEU gehorrhen «n des Bischofs Matt. S sagt «Ticeti*. 



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103 



allein. Der Widerspruch löst sich durch Verf^leichun}^ mit dem 
lateinisohen Texte, der in R c. 14 und lö von , midier vir^o*, 
also JiUijj;lrauen spricht. 7' c. 2G eulhalL Strafbcstimmunge n 
gegen unreell tmäsüige Besitzentziehung. Zum Schlüsse trägt 
ea dem unrechtmässig entwerten auf, seine Rechte von dem 
zu empfangen, der sein lecliter Erbe ist. Derselbe Reclitssatz 
kehrt in 7' c. 135 nochmals wieder; diesmal bestimmt der 
Schluässatz, dass die Strafbestimm un^ ausgeschlossen sein soll, 
wenn der Entwerer den rechtmässigen Besitzer um Überlassung 
des Besitzes i>iitet. Beides fj;e\vi88 unmöglich. Noch ein drittes- 
nial findet sich die Besitzeiitwernng in T' c. Ö5. Der Naclisatz 
ist iiier zwar nicht so grr)])Iicli missverstanden, doch niioh nicht 
ganz riclitig wiedergetjehcn. lOin Vergleich der drei SteiK n mit 
dem lateinischen Texte lasst den wahren 8inn und zugleich die 
Entstehung der Missverständnisse deutlich erkennen. 



T c. 26. 

Tf<^m ob ein por- 
.sun engt oder bo- 
ckumert ein gewer 
. . der w>1 gepuMt 
werden in C m1. 
Ver. und vorleust 
»ein .irbeit, dio er 
hat geleget auf da/, 
hause oder acker, zu 
li«1i«lteii dem «eine 
recht, dM ia» gewer 
ttnd p<MM8«ion ist, 
daz der ilicgelhen 
oiij'halio mv\ pitt 
von il»'in, d«<r «ein 
rechter erb ist 



Tc. 135. 

Item ob nin per- 
8oa bekninert und 
sicit in ein gewer 
einer andern penH>n, 
der selben gewer 
reehter be«itzer int 
. . ., der 8ol geld'ii 
C Bol. Ver. und m\ 
verliefen alle arbait 
und rerleuat aiieh 
dto poweiden und 

bmiciang, anige- 
nommcn das er pit- 
tent sey des rechten 
lierren der possen- 
sion, das er jm die- 

■elbeii puMeiwion 
laai nnd verganne. 



7" c. 56. 

Item wir neczen 
. . . ob ein person | 
besiezt oder bcchu- 
mert ein poiMMion 
einer anderen per* 
80& . . der iol ge> 
pue«t bertlen nm 0 
m>\. \'bt. nnd auch 
mer nach dem willen 
dei riehters. Und 
alle nein «rWi» die 
er daninff legt, sol 

er verli«'sen und 
aut'li dif in>=5seftHjnn, | 
also dasK er werdt 
ein vordrer der poe- 
aenrion. 



R V. '20, 

Itom, si <iu.i por- 
I .<«ona intravorit »eu 
occupaverit poHes- 
iiionem alicniaa per- 

eonae eondem* 

netnr in centnm flo- 
liflis Von. par et in 
aniii^sione laborerii 

et posüiessionem 
amittat» ealvo iure 
preprietatls» ita qnod 
efücintnr de posaes- 
sore Petitor. 



Man sieht, der Übersetzer begriff den Satz nicht, dass 
dem onrechtmUssigen Besitzstörer trotz der Strafe sein Eigen 
thumsrecht yerbleibey welches er im Wege der Klage geltend 
machen kann. Er operiert ohne Verständnis mit den Worten 
yproprietas' und .petitor*, findet einmal in jenem einen rechten 
Erben, im ,petitor^ dann ein Bitten. In 7 e. .55 ist er dem 
wahren Sinne nahe gekommen, nur llbersotat er hier nicht er- 



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104 



soliöpfead. Schon diese Stellen werfen «if die jarifltiBche Bil- 
dung des UbenetBen ein scfaleehtes Licht; »e seigen »her 
auch, d«ss es der Ubersetsiing an ConBeqnens fehlt, dass sie m 
und denselben Sats in der verschiedensten Weise wiedergibt. 

Widersprach bietet ferner To. 31 mit c. 11 nnd c. 134. 
Jenes bestraft den, der Waffen ^ianstet oder zucket', mit 
25 Pfund; c. 11 den, der mit bewaffneter Hand zu einem 
,rumor' läuft, mit 10 Pfund; c. 124 don, der verbotene Waffen 
trügt, mit 60 Solidi (3 Pfund). Die Hohe der Strafe in c. 31 
f^Ült in die Allgen. A* e. 31 löst die ScLwierigkeit; iiichi vom 
VVitlicnfausten ist da die Rede, sondern von dem der ,crida- 
verit heu foras vel ad arma sine causa legitima', also einen 
Tumult erregt. T c. 33 gebraucht den Ausdruck ,zu krieg 
thnn' im Sinne von verkünden, er erklärt sich durch das ,crida- 
verit' der Vorlage R c. 33, das dem Ubersetzer im Sinne von 
zu den Watfen rufen vorschwebte. Dasselbe Capitel scheint 
zum Inhalte zu haben, dass jemand Bäche oder W asser über 
Öffentliche Strassen und benachbarte Grundstücke leite, um sie 
zu scbildigcn. Dies '^s iili i-^pricht der Uberschrift, welche vom 
Bekümmern gememer Wege und Wasser spricht. Eine Ver- 
gleichuDg mit R c. 33 gibt Aafschiuss: 



T c. 83. 

Item daz ein jeckliche per- 
son . . ., da er da wissentlich 
bechumert biet gemain weg 
oder die daran stossen, mit 

wassern oder mit pachem 
u. s. w. 



£0. 33. 

Item qnod ^uaelibet persona, 
. . . qiiae occnpasset scienter 
aliqnas yias comunes vel vici> 
nales, aqnas vel riToloa u. s. w. 



Während also liie Vorlage von gemeinen und nachbar 
liehen AW'gen sj)richt, hat d^r TTbersctzer ,vicinalc3* als Nachbar- 
grundstUckc genommen, und da er von gemeinen Wassern und 
Bächen keine Vorstellung hatte, beide jUs Mittel der Beschä- 
digung aufgcfasst. Kbcndort ist der Ausdruck: die Wasser 
rinnen lassen ,oder schicken' seltsam. Er wird verständlich 
durch das entsprccliende Wort ,expedire' der Vorlage, gleich 
freimachen, freigeben, das der Ubersetzer in der ihm ge* 
läutigeren Bedeutung von fortschicken übersetzt, ohne darauf 
zu achten, dass dies hier sinnlos ist. Solche durch alimi' 



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105 



wörtliche Üocrsetzuug oder Deutungen in falschem Sinne her- 
vorgerufene Missverstilndiiisse. deren wir f;chnn oben bei ,burf* 
und ,a}»ezioliung' gfMlachtenj begegnen äusserst zahlreich. Tc. 50 
ist , türgab' nur als übersetzang des ,processus' von 7? c. 50 
verständlich. Durch dieses rein mechanische, an den Worten 
klebende Übersetzen ohne jedes Verständnis des Zusammen- 
hanges erklären sich sonst ganz sinnlose Stellen, wie T c. 51 
and b'6. Schon die Uberschrift von c. öl ist aufTällig: ,Die . . . 
wider das palacinm schreiben/ Man denkt an Majestätsbelei- 
digung durch aufrührerische Schriften. Doch nichts von dem. 
£b handelt sich einfach am J^otare, die ihre Acten ausserhalb, 
,extra dictum palatium', wie R c. 51 lautet, schreiben. Der 
dunkle Beginn des c 51 ist entstanden dorcfa grttndliohes Miaa* 
verBtändnis der lateinuchen Vorlage: 



7 0.51. 

Item ob ein noder oder o&er 
Schreiber oder mer tätten wi- 
der das gesetate^ was da ge- 
sehen oder genrtaüt wOr in 
der stat Trint, daz er dawider 
schreibt, n. s. w. 



5 0.61. 

Item si aliquis yel aliqni no* 
tarins Tel notarü contra dictum 
statntam acta iudicii Tel sen- 
tencias extra palatinm Rone- 
reti vel continentibas edificiis 
einsdem scripseri^ u. s. w. 



Man sieht, wie da ,statutum, acta, sentencias' gründlich 
missverstanden wurden, wie ,acta' und ,scntencias' ebenfalls 
irrig iiuf .i rntra' bezogen wurden und als Attribute von ,sta- 
tiitum' fungieren, wie es also dem Ubersetzer ganz und gar 
nicht gelang, in den wahren Sinn der Stelle einzudringen, die 
doch ganz einfach und leicht verständlich ist. 

Auf aimliche Weise erklärt sich auch das ganz unver- 
ständliche To. 53.1 



T c. 63. 

Item wir seczen nnd orden, 
das chain Verpflichtung täding 
oder hindeigeng sol geschehen 



R c. 63. 

Item statuimos et ordinamns, 
quod nuUiim compromissom sea 
arbitramentom fiat extra paia- 



* In der Rabrica soU ee heiasen: ,nit gemacht sol berden'; so in der 
Haadtclirill. 



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106 



aasaertluüb des palast oder der 
stat ze Trint weder mit recht, 
mit begreiffung, mit flach oder 
artail oder mit Sprechern; nnd 
ob das einer nberfuer, das 
vor dem reehten nit nüca brin* 
gen, noch allee das darnach 
kuuipt od» get, u. b. w. 



tium Tel terram Roveredi ati- 
quo iure ingemo sive causa 
nee senteotia vel laudvm fe- 
ratnr extra palatinm yoI civi- 
tatem ex oompromisso sen ar- 
bitrio aliquo; et d contra fac- 
tum fuerit, ipso iure non valeat 
nec qoidqnid sequator ex eo 
nee ob eo, a, 8. w. 



Hier sehen wir, dass .Verpflichtung* aus .compromissum' 

entstanden ist,' .ingenio' mit ,be^reiffung'S ,cau8a' mit »sach* 
(wahi^i'heinlieh ira Hinblicke auf das italienische ,eusa'), ,lau- 
dum' mit ,8prechcrn' wiedergegeben ist und die ganze SjiU 
construction verschoben wird, indem ,sentencia' als Ablativ 
gfenommcn ist. Auch im Nachsatze ist ,valerc* mit ,nücz- 
bringeu', ,öequatur' mit , darnach l^iimpt oder jret* übersetzt. 
Damit löst sich dieses verworrcuc und dunkle Capiiel. 

In T c. 59 wird den Notaren ein Lohn bestimmt ,von 
einer gewer oder gruutfest', ganz nnverständÜch. ,Urundtc8t* 
aber kann nichts anderes sein als Übersetzung von .tenninns* 
wie in R c, ,dc tcnutis et termiuis', wobei der Übersetzer 
an Orenze oder Grenzstein gedacht haben muss. Ebendort 
soll der Notar, wenn er zu liohe Taxen nimmt: ,gebcn in daz 
breviatur XX solidi', ofTenbar sinnlos, als ob die Imbrcviatiiren 
eine iSammclbUchse wiiren. Tn H c. 59 aber lieisst es: .solvant 
XX sol. de imbreviatur', al o tur jede Inibreviatnr. Muj^ hier 
der Fehler vielleicht erst in (ier Folge durch Vertauschun;:^ 
eines ,von der^ mit jn die' veranlasst sein, 60 liegt wieder 
irrige Übersetzung vor in T c. 62. 

Noch dunkler ist das offenbar zusammengehörige T" c. 0(5. 
Beide scheinen von der Pflicht des Notars su handeln, Instru- 
mente binnen gewisser Zeit fertigzasteUen. Sie würden dann 
nur Tc. 61 wiederholen, das mit klaren Worten dasselbe ver- 
Aigt, die Zeitfrist jedoch anders festsetzt. Aber ein Vergleich 



In T* c. ft4 wild «eompromiaroni' flbeiMtet; »to ibem mit einem willen 
▼erbaiMMD*. Uaier Anlor daebte an »promlttere* nnd ein «enm^ ebne 

den Hpociellen Rechtstnhalt des Cumpromifu«eA zn kennen, den er mit 
iHintergug' oder ihnlieh bfttte wiedergeben mtLMen. 



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107 



mit c. (11 lehrt, d.iss ts sich eigentlich nm den entgegen- 
gesetzten Fall, die Ffliclit der Piirtcicn. l)!iiiir[i gewisser Frist 
ihre Urkundcu abzuholen and zu bezahiuu, huudeit. 



re.6«. 

Item daz die, durch 
der willen und vor- 
drang oder ppte man 
tading oder gericht 
thuet, dieselben tai- 
dnng sollen verschri- 
ijcn "wprden von dem 
noder inner drei tagen, 
und ist schuldig, daz 
er all instruracnt bcyse 
oder geczaigt werden 
von dem noder, und 
alle tayding und in- 
Btrament sollen ganz 
and gar yolpracht und 
perait sein, u. 8. w. 



T o. 66. 

Item wir seczen und 
orden, daz die durch bel- 
cher pet oder gehais das 
geschUft oder pflichtung 
werden gehabt und ge- 
schriben, inner dreien ta- I 
gen darnach, und sie ge- 
nannt berden, von dem [ 
Schreiber oder noder sol- 
len geantwurt werden 
alles das, das vor gcricht 
geschehen ist, und die in- 
stmment, die geschriben 
sind von dem noder und 
Tolprachty u. 8. w. 



Ae. 61. 

Item quod illi, ad 
quorum postulationem 

acta seu contractus 

fuerint celebrati et 
scripti, infra tres dici? 

post admonitionem 
factam a tabellioiic de- 
beant et teneantiir ex- 
igere acta et instru- 
menta per tabellionem 

scripta et completa, 

U. 8. W. 



Man sieht, wie der Übersetzer sich über den Sinn des 
,exigere' nicht klar wird und, von anderen Öchwerfäiiigkciten 
abgesehen, fUlschlich das ,acta' als Subject mit ,debeant^ und 
yteneantur' und damit ,a tabellione' in Verbindung bringt und 
somit zu seinem Satze gelangt, der dem Notar eine Verpflich- 
tung auferlegt, was er um so leichteren Herzens thun mochte, 
als ja Tc. 61 in der That etwas Ähnliches enthält. 

Auf der Hand liegt es, dass das Verbot in 7* c. 76, um 
Spielscbnlden Pfknder yon SOhnen oder Tom Gesinde der Haus- 
genossen SU nehmen, in dieser Fassung niobt ricbtig sein kann, 
da nicbt einsnsehen ist, weswegen die AngebOrigen nur der 
Hausgenossen gescbtttzt sein soDen. Das Richtige bietet i2. c. 65, 
welches die Pfandnahme: ,ab aliquo filio familias nee ab aliquo 
serviente aficuius' Terbietet Ähnlich wie hier ,fiIio (kmilias' 
ist in einer Reibe von Stellen ,forenBis' (der Fremde) miss- 
verstanden. T c 86 Terbietet einem: ,der da gesessen ist in 



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10b 



einem markt', Amter an UberaeKmen;^ To. 184 untersagt das 
Waifentragen ^ausserhalb oder Tnerthalb der stat',* obwobl das* 
selbe Capitel dann das Waffentragen bei Gängen in die Stadt 
und von der Stadt erlaubt. T c. 152 verbietet jedem ,aiw dem 

pistumb',^ gewisse Ämter 7ai bekleiden, offenbar irrig. Überall 
ist in R von den Fremden die Rede und daher lediglich ,fo- 
rcnsis' verkeln t ul^crsetzt.* Komisch klingt die Pflicht, welclie 
T c. 97 jed 111 auferlegt, Feuer in fremden Häusern anzumüciien. 
Offenbar nuiss hier ein Irrthum vorliegen, den die Vorlage auf- 
kläi't: ,procui'are ignem et lumina in domo sua vel ahena^ das 
ist bewachen. Ebenso ist das , abtragen* in der Rubrik zu 
T c. 101: ,Die etwas geraubt oder abtragen beten in prunst', 
während der Context von Rauben und Stehlen spricht, nur 
eine zu wörtUche Übersetzung des ^abstulennt der Vorlage 
Äc. 91. 

Nicht so am Tage liegt das Miss Verständnis in T c. 129, 
da der deutsche Text: ,das da zu nuczbarkait gehört ains haus 
ze Trint', zur Noth einen Suui ^'ibt, und an Pertinenzen ge- 
daclit werden könnte. Aber ' in Vcrglcicli mit der Intoinischen 
Version in R c. 124 ergibt, dass auch hier ein Irrlhum vorHegt: 
R spricht von Grundstücken, die jemand zn Zins ,ad usum 
domorum mercati Tridenti^ innehat, das ist zu dem in Trient 
für Erbleihen tibHchen Rechte.* Wenn nun der Übersetzer 
diesen Ausdruck missverstand, dürfen wir annehmen, dass er 
mit den Verhältnissen des Landes und der Stadt nicht bekannt 
war^ eine Vermathungf die sich uns später cor Qewissheit er- 
heben wird. 

Unklar ist ferner Tg. 134, das eine Appellationsfrist von 
swei Monaten einführt nnd daran die Bemerkung knüpft:* 

* Nimmt .forensi«' also im deutachrechtlichen Sinne als Marktbewohner, 
Kautmanu; vgl. Siegfried Hietschel, Markt und Stadt 148. 

* S c. 118 verbietet «■ in der Stadt jedem, ,tam foreoiw quam dmtf. 

* J2 e. 14S ,qiiod aliquis foreosb extra episoopatam*. 

* Herkwflrdigerweife daneben in demsdlben T c. 152 gai» riditig ant: 
,die auBaeren oder gcRte*, ein Beweis, wie leichtfertig unser Mann so 
Werke giong. Ein Irrthum anch im Sehl",!"«'' dieses Capitels, welches 
wieder den Fremden nach Zahlung der Busse den Zutritt ssu den Änit(>rn 
erOflkiet, weil das ,nallatenus' der Vorlage R c. 142 nicht wiedergegeben 
wird. 

* Ygl. Aste Tlrolenria 8, EioL 91. 

* Z. 4 Ufift Tht »Uber die aaeh diA ballS wodnfeb der Siaa beigeatrilt wird. 



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109 



jUiid auch das das gescczl ganz und unczenjn c lu ii peleibe 
von der XL tap; wep;en, daran man nicht recht hat, nichts 
ausgenomcn*. In ganz ähnlicher Wendung kehrt dieselbe Be- 
stimmung wieder in T' c. 52, wo der zweimonatlichen Frist 
ebenfalls eine vierzigtägige in unklarer Weise angefügt er- 
scheint. Auch hier ergibt sich der Sinn aus der lateinischen 
Vorhige R e. 129. Ein älteres Statut, welches die vierzigtägige 
Frist nurniierte, soll aufgehoben sein.* Ein me^k^^i^^dige8 Miss- 
verötäudnis zeigt T c. 140. Hier werden höhere Strafen ange- 
ordnet gegen denjenigen, der den Hauptmann utkI den Vicar 
des Bischofs bei Ausübung ihres Amtes thKthch angreift. Diesen 
1>!'amten wird vorangestellt: ,der da ist an der herschaft ge- 
walt', wäliri iid das voranj:;eh»'iide T c. 139 ftir Verletzung des 
bisehiitiiciien Hofgesindes eine geringere Strafe normiert. Jeden- 
falls sehr auffallend. Auch hier bietet des Käthsels Lösung 
der lateinische Text von c. 132: , dominum potestatera, capi- 
taneum vel vicariuin.' Der Podesta war unserem Übersetzer 
um so unbekannter, als es in Trient seit dem Jahre 1255 bis 
in die Mitte des 15. Jahrhunderts keine Podestaten gab. Wir 
werden auf diese Stelle nochmals snrUckkommen müssen. 

Ganz nnkUur and irreführend ist T c. 148. Sollte noch 
ein Sinn daraus gezogen werden, so wäre es nur der, dass alle 
Verbrecher mit dem Banne belegt werden sollten. Auch To- 
mascliek hat dies so gefasst. Nun ist aber der Bann in Trient, 
wie schon Ficker' gezeigt hat, nur Oontamasialstrafey und auch 
dieses Capitel vermag daran nichts au Sndem, wie ein Ver- 
gleich mit R o. 138 lüar macht: 



Tc. 148. 

Item das all nrtail nnd puess, 
die geschehen umb santHch 
sach, die leiplich sindti und 
gescbehenty alspald das nrtail 



£c 138. 

Item quod omnes condemnar 
tiones et sententiae criminales 
eorpcrales et prooessns sine 
aliqna citatione in arengis pu- 



' «•tatato fiMsto anper ipaia appellatioiilbiw de XL dielnw non obiiante; 
•xoeptia de dictis daobus mensibiu feriis' n. ■. w. »obttSlito* igt in 3* im 
8inno von fttsi«*, bestehen bleiben, mistventsndeo; ,non* sn ,eieeptie* 

gezogen. 

* Unteniuchuugon zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italieitö 1, 97. Köhler^ 
Das Stnifreobt der italieoiscben Statuten 57, ist dtircb T c 148 irre- 
gieAbrt weiden. 



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110 



geben wirt, an alle« furladen 
80 Bol man in das lant Ter- 
pieten, und aol verkondet wer- 
den; und sollen dieselben leip- 
lichen urtaU nicht lundergon in 
obainerlay mOs^ und man mag 
von denselben nrtailen nicht 
dingen. 



bli<»B proniincientur et tenni- 
nentnr; quae quidem senten- 
tiae corporales nullo modo vel 
in^enio dici possint nullaei nee 
ab ipsis nnUatenas appellari. 



Was nun den Übersetzer zu seinem dem geltenden Keebtc 
widersprcehenden ISatze veranlasste, ist schwer zu entsebciden, 
offenbar nur das völlige Missversteben der Worte ,in arengis 
pui)Iieis pronuneientur', indem ihm die üffentUche Verkündung 
der Urtheilü ujibekauut war und er etwa daran dachte, dass 
die Verbrecher und ihre Habe ,publicentur*, was ja beim Banne 
thatsUchlich zutraf. Auch wurde der Bann öffentlich verkün- 
digt. Auf keinen Fall handelt das Oaj)iteI vom Banne. 

Ei<rentblimlich ist die Deutung, welche der Ubersetzer in 
e. 154 dem Worte .paisare' ( Vßgel fangen, beizen) von A' c. 144 
gibt. Er tiberselzt es mit ,marksteiii seczen*. Fast wftre man 
versucht, an eine beabsichtigte Änderung zu denken oder den 
Zusammenhang zu leugnen. Aber eine Vergleicluiug zeigt, 
dass T c. HA im übrigen Wort wörtlich R e. 144 entspricht; 
auch in der Busse von 60 Solidi (3 Pfund), die für die Strafe 
deB Maiksteinv(urückens ungewöhnlich klein,' tUr unbefugten 
Vogelfang auf fremdem Grunde angemessen, erscheint. Kbeuso 
wäre es aufnillig, dass die Strafe auf das Setzen von Mark- 
Steinen auf fremdem Grunde und nicht auf das Ausgraben und 
Verrücken, wie sonst gewöhnlich, gelegt ist. Es liegt also sicher 
auch hier nur eine Verwechslung vor, indem der Übersetzer 
,bcizcn' mit ,wei8en*, die Grenze weisen, zusammengebracht 
hat. Ein zweites Mal in T c. 162 hat er die ihm unverständ- 
lichen Worte ,pai8ator, paisare^ einfach mit «paysscn, paysser' 
wiedei^egebeu,* gerade so wie das ihm unbekannte ^panigium' 

* Das Weisthura zu Marlinp setzt darauf 62 Vimv\ Tirol. Wcisthftiner 4, 
152); Stein am Hilten oU i'fnnd, a. a. O. 219; Vilnmiers 10 Mark, a. a. O 
2ö4i Kaltem 50 Ffiind, a. a. O. 306 u. 8. w.*, diu Cles'schen Statuten eine 
Strafe von 60 rbainisehen Goldgnldea od«r VerltuI der Hand nnd ewige 
Verbennung 8, e. 46. 

* Butt dea enttpreeheaden daatsebeB Amdrtteken; »befawn, beisMre*. 



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m 

(Getreideart) mit ,pan*. Ebendort verbietet er den Vogelfängern, 
in solche Felder einzureiten, auch wenn sie in der Kühe sind. 
Hier ist unserem Autor wieder eine köstliche Verwechslung 
begeg;net. R c. 15(3 Hcst: ,salvo Semper, quod non habentes 
sparaveriinn aliqueiu, non intrare praesumant, nisi fuerint in 
societatc illius a sparaveriü'; cö darf darnach der Acker nur 
mit einem Falken betreten werden, also nur dann, wenn auf 
die Falkenjagd ausgezogen wird. Unser Autor verwechselte 
offenbar den ,sparaveriu8' mit einem ,paraferedu8' und coo- 
stniierte sich ein Verbot des Einreitens. 

8elir bezeichnend ist in dieser Beziehung auch T*c. 1(34: 
Niemand darf Holz führen, das da genommen wird: ,auf den 
rinnenden wassern ob Trint/. Man möclite daran denken, dass 
die Fnlir von getriftetem Holze verboten sein sollte, untl könnte 
diesen iSatz mit Tomasehek höchstens als ein ungeschickt gc- 
fasstes Verbot der Holztrift auf der Ktseli oder Fersina fassen. 
Nun ist aber von Trift an <\rr Va<v\\ ni eines Wissens nichts 
bekannt.* Die Etsch wurde vielmeiir von Neuhans bei Terlan 
angefangen mit Flössen und Öciiitfen befahren, und auf diesem 
Wege ist sicher auch das Holz nach Trient gekommen. 2'c. 164 
steht vielmehr in inniger Verbindung mit dem vorhergehenden 
Capitel, das die Ausfuhr von Holz, Fässern und anderen Holz- 
waren unterhalb Trient an die Erlaubnis des Bischofs knüpft. 
Während so für die Versoi^ng der Stadt Trient mit Holz hin- 
reichend gesorgt war, musste das Lagerthal an Hols Mangel 
leiden, wenn nicht auch für dieses ähnliche Bestimmungen ge- 
troffen wurden. Und das ge8<üiah eben in unserem To. 164. 
Das entsprechende c. 158 verbietety Holz zu führen: ,quod 
rccipiatur ab Aqaaviva, superius versus Tridentum^ Aquaviva 
ist eine Localität unterhalb ^latarellos, ganz an der Grensc 
des engeren, zum Weielibilde der Stadt Trient gerechneten 
Bezirkes und des Gerichtes Beseno. Abnlieh hatte schon Bi- 
schof Egno im Jahre 1264' die Grenzen des Stadtbezirkes 
von Trient gesogen. Auch in späteren Statuten wird dieselbe 

* Um der Erhaltunp dor EtJ^chbrllpke willen liedrohton woniprftPTi?« die 
AlexandriniK«'heii Statuten iUmi Ei{,'oiithllmBr von Holz und 8ehiflfeti, die 
an die Brücke Stessen, mit ^»trat'en, 2, c. U6. Um so weniger wird mau 
eine Trift gttdnldat luib«i. 

' Bellsgtt Nr. 1 und 2; g«iiaiint ist liier dM weiter nthrdlieh gelegene Ca- 
•teUmiD, GeeteUer. 



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112 



Grenze für Ausfuhrverbote ang^egeben.^ Daraus ergibt sich, 
dass B G. 158 den richtigen Wortlaut des Gesetzes wiedergibt, 
wenn es ^Aquayiva^ als Grenzort des Stadtbezirkes nennt Die 
yrinnenden wasser ob Trienf verdanken ihre Entstehung nur 
einer wörtlichen Übezsetsiuig von ^aqua viva' mit lebendem, 
rinnendem Wasser. Unserem Übersetzer war somit die Loca^ 
lität lAqoaviTa' fremd. Eine an wOrtUohe Obersetsmig findet 
sieh dann nooh am Ende von Tc. 166: Fremde kOnnen an* 
behindert in Trient verkehr en, doch sollen sie: ^raitang ihim' 
denen, welche Forderungen gegen sie erheben: ,wie wol das 
ist^ das S7 haben besonderen freihait eines markts oder einen 
aosczng'. Ohne Mtthe wvd man in »raitong thnn' fehlerhafte 
Übersetsong von ,rationem fitcere'* entdecken, in der ,freihait 
des markts* von ,privil^iim Ibri', im ,aiiseang' von ^exceptio' 
erkennen nach dem Wortlaute von B c 160: ,non obstante pri* 
vilegio fori vel aliqua exeoptione'. 

Hoch zahlreicher sind die Missverstftndnisse, wie schon 
Mallatti bemeikt hat,^ in dem zweiten Theile der Statuten, 
den sogenannten neuen. Auf einige ist bereits oben hingewiesen 
worden. Die Übersetzung der in diesem Theile enthaltenen 
privat- und proceasrechtlich«i Nonnen, die dem Verständnisse 
des Übersetzers noch mehr entrückt waren, bot ihm nator- 
gemäss die grOssten Schwierigkeiten» da ihm die juristisehe 
Terminologie ganz fremd war. Nur auf einzelnes kann hier 
aufinerksam gemacht werden. Wenn in 2" c. 2 von den Be- 
wohnern der Stadt Trient, .in bürgen und unter den bürgen' 
die Rede ist, liegt es nahe, au ÜberscUungr von /rridenti et 
burgoruiu et subburg;ornni' zu denken.* Wciui von Ladung 
,mit seinem leib' oder ,leiplich' die Kede ist, ergibt sich dies 



* So im Stfttiit (lor Sindici dos 15. Jalirhuiidorb; dio .portinoiitiao Mata- 
reli, Novaline', »u donon Aqii.iviva fjehörte, Kelch, 11 f^pcot'do statuto 
u. s. w., Trientner Oyrnnanialprug^ramm 13, c. 3; damit gloicb- 
Utttend in den Statuten tou li2h, Ub. 8, o. 3, aud in den Cles'selMa 
Üb. 2, «. 8. 

* «tatio' mit ,mitiiiig* snoh ia 2*' e. 87 abuMlst 

* «. a. O. 81. 

* Angeführt sebott Ton Malfatti 81. El liegt «nf der Hand, dssi dieeee 

Capitel alles, was für Männer be&tiiomt Ist, auch auf Frauen ausdehnt. 
In der Tb«l Uert auoh Th atott Z. 18 .nicht su Tentea*: ,aadi sa 
veraten*. 



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113 



als VerdcutschuDg von -corporalitcr citari*. T' c. 3 spricht von 
der Vcräusserung liegouder Güter durch Mindfrjährifye. Nach 
Zeile o Süllen dabei .recht und klag vor dem Richter ,pe- 
schehen*. Gewiss uuverständlich ! Der lateinische Text bringt 
die Aufklärung. Er spricht: .de bonis iniinobilibus, in quibtis 
etiam intelligantur iura et aetioiies*, ein Verhiiltnis, das unserem 
Übersetzer unklar war. Ebendort ist die Rede Zeile 11 von: 
,end und empleiiiung* im Sinne von .tinis et remissio'. Auf- 
lassung. Nur ein Übersetzer konnte auf so ungeschickte Aus- 
drücke verfallen. 

Ganz undeutsch ist dann der öfter wiederkelirende Aus- 
druck yhochzeit des rechten^ der auf ,8ollemniUites iuris^ einer 
lateinischen Vorlage hinweist. In 7" c. 4, das von: .gerhaben 
und procuratoren' handelt, ist in einem Athem neben dem 
jgerhab und versoger* vom ,anklager und amptmann^* die 
Rede; oflfenbar nur Übersetzungen des lateinischen ,actor'' et 
smdicos'. Unverständlich ist der ,eitere parteimann', welcher 
einen Stellvertreter im Gegensätze an emem, der das 25. Jahr 
überschritten hat, eidlich bestellen rauss. Er ist nur eine 
büchst unglücklicho Übersetzung von ,pubes' der Vorlage. T' c, 6 
ordnet die Bestellung eines ,hueter' (cnrator) an für Stumme, 
Taube, ,zornige' und Verschwender, gewiss eine merkwürdige 
Zusammenst^ung. Aber die Zornigen sind nur die /urioa' 
der Vorlage, wobei unser Mann an das italienische ,furia' ge- 
dacht haben mag. Mit ,a8cendenteB et descendentes' weiss 
der Übersetaer nichts Rechtes anzufangen. In der Bnbrik zu 
T' c. 7 übersetzt er: ,Die im rechten auf und abgesecst wer- 
den', in 2*' c. 9: ,die über sich und unter sich gefreundt sein'. 
Wenn da weiter von Leuten die Rede ist: ,die da sindt in der 
lynie von der muter und dem vater, die freuntschaft zu ein- 
ander haben, uncz auf die anderen freont ▼erscblossenlicb', 
wird Niemand sieb denken kOnnen, wer darunter gemeint sei. 
R sagt es uns: ,Tel inter coUaterales ez linea patema vel 
matema coninnctos usque ad secundos consanguineoa inclu« 
siye^^ Der Zusammenhang ergibt, dass die unter Verwandten 

> Schon von Malfatti aufführt a. a. O. Sl, 2" e. 4, 6 u. w. 

' Statt ..nmptmaiiu* liest Th .schaflfer'. 

» Über ,aclor* vgl. Acta Tirol. 2, Einl. Ulf. 

* Über die Zäliluug nach Vettersc haften vgl. Ficker, Untorsucbungen «ur 
ErlMnfolge dar oatgermanicdien Rechte 1, 307 f. 
AicUy. ich. Sud. LHilfte. 8 



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114 



ztt erwftblenden Schiedsrichter ohne ftrmfiohei Ver&hrea m 
entscheiden haben ,an krieg und recht', wie sieh unser Über- 
sctzer ausdrückt.^ Um so auffallender ist nun die Bestimmung, 
dasa das Urtheil nur in Gegenwart beider Theile geftUt werden 

könne und Abwesende zu laden seien, nachdem im summa* 
risclica Verfall if ii gerade von diesen Ladungen abgesehen 
wurde.* Ein V'urglpich mit R' c. b ergibt denn aucli, dass die 
gegentheilige Hestimiuung von T' c. 9 nur auf einem Uber- 
SAltzungsfehler beruhen kann: 



T' c. 9. 

. . . erwellen zben gemain 
frcunt, die da f?uonent nnd 
schlechtlich an krieg und recht 
zu aller zeit und stat, es sei 
foicrtag oder nit feiertags daz 
pede tail gegenburtig sein, und 
welcher tail nicht da wer gegen- 
burtiglich; der sol gefordert und 
geladen werden, von allen ber- 
chen und Sachen durch das 
recht zu erchennen und fol« 
lenden des oder den krieg. 



R c. 8. 

. . . eligere duos coraunales 
aniicos, qui sumiti.irif et de 
piano absque strepitu et figura 
iudicii quolibet loco et tempore 
feriato et non feriato, presen- 
tibus partibus et absentibus, 
citatis et non citatas, tarn de 
facto quam de iure cognoscere 
et definire de qnaestione prae- 
dicta [debent]. 



Da ist vom Übersetzer ^oitatis' zu »absentibus* gezogen 
und ,non citatis' Ubersehen worden. Schon Malfatti' hat auf 
den sinnlosen Ausdruck hingewieseo, der Vicar soll den Spruch: 
^mit der arczney des rechten pieten, daz das gehalten werd', 
ein Ausdruck, den ein deutscher Gesetzgeber nie gebraucht 
btttte. Es heisst aber R der Vicar solle ,totiim ittnd cum 
iuris remedüs execntioni mandare', wobei ^emedia iuris' snr 
^arcsney des reckten' geworden sind und ,mandaTe' im Sinne 
des italienischen »commandare' mit ^befehlen' flbersetst ist. Sicher 
lOsst sich die Ühersetsung «ach im Folgenden erkennen. Der 
Sprach soll «usgefllhrt werden: ,als ob von disen tailen, s3s* 



' Die Vorlage sagt R' c. 8: .absqne strepitu et figura iadicU*. 

* Aeta Tinlmiais 8, Eäul. 176, n. 9, 184. 
■ ft.a.0. 

* Dürfte sa streichen «eis. 



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115 



jn die erwelten als in die, den der krieg in die heut ist geben, 
und in gemnin voreiner wer Tolkomenlieh Tersprochen'; gans 
anTenandfich. R lantet: ,ac si per dietas partes in dietoB 
eleefeOB tamqnam in arbitroB et arbitratores et cemnuuales com- 
poeitoreB fniflset pleniwime ooaq^raminnm'. Hier wird ^arbiter' 
nicht gani onriehtig, aber hV^et nngeaehiekt mit: ,den der 
krieg In die hent ist geben', ^communAlis compositor' mit ,ge- 
main voreiner' nnd ,compromiB8um' mit yversprochen' wieder- 
gegeben. 

Auch in 7* c. 10 ist die Übersetzung auf den ersten Blick 
zu erkemien. Wenn von einer Frist von zwanzig: l a^en 
die ^ nucz zu raachen* die Rede ist, ist es klar^ (ia>^s an ,dic8 
utiles', wenn vom Schwören und ,i]id( rlefrcn' der Zeugen, dass 
an ,deponere' zu denken ist. Ebejiso lie^'-t der Fehler otl'eji 
y.u Tage in 2 ' c. 11: ,von trauen oder misstrauen', wo von der 
Bestellung eines Judex durch die l'arteien zur Ertheiiung des 
Käthes gehandelt wird, der wie E' c. 10 bestimmt: ^absque 
conhdcntibus vei de confidentibus ipsarum partium', also aus 
jenen, welche die Parteien nicht als befangen ausschliessen, zu 
entnehmen ist Heillos verwirrt ist dann der ächluss von T o. 14: 



T'c 14, 

und nicht dester minder sol 
der cntwerer der gewer oder 
des pf'ants sol antwurten das 
guct und pfant, die er en 
pfangen oder die ym ;;ea:cbcii 
sind, und die er mit irevel in 
halt, da sol er sweren umb 
die erchantnus der sum, daz 
er also vil sol haben von dem 
schuldiger, und sol ym machen 
ein glaaben mit einem offen in- 
Btnunent^ n. a. w. 



Ä* c. 1«. 

et üihüominus tencatur vetitor 
tenntae vel pignoris praesen- 
tare dictus res et pignora via- 
tori t't nuncio qui apprehen- 
(lerit dietani teiiutiim. Et fsta 
niteiligantur in tenuta accepta, 
data et apprehensa per contu- 
maciam, dato sacraraento actori 
pro summaria cognitionc, quod 
tantum debet habere a reo, vel 
facta fide per instrumentum pu> 
blicnm. 



Die Rede ist vom Executionsverfahren und den Rechts- 
mitteln, welche dagegen dem Executen^ anstehen. Man sieht, 



* Dtm Oberaetoer tot dies kaum klar gewordan, er denkt eher an eineo 
DrittMi» dir die F&ndgawere bctolit 

8» 



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Übeneteer ttbersidi die Worte »viatori — ^tenatam', wenn sie 
nieht schon in setner Vorlage fehlten. Er verband dann ,ae- 
cepta' u. s. w. mit ,pignora', als ob der Execat die Pfitaider 
erhalten hätte, verstand anter ,pignora apprehensa per conta- 
maciam' solche: ,die er mit freyel in halt', legt den Eid Uber 
den Bestand der Forderung dem Executen auf, übereetzt die 
,summaria cog'nitio' mit ^die erchantnus der sum' und kam 
somit zu einem der Wirklichkeit geradezu entgegengesetzten, 
uiimüglichcD Resultate. 

Ahnliche M issvcrstiindnisse enthält dann auch 7 c. 15. 
Unp^osehiekt ist der Ausdruek , dürftig sein' im Sinne von 
,wagen'. Auch , wegreiser* * ift nur wörtliche Übersetzung von 
jViator*, Gerichtsbote, ein Ausdrm k. den ein deutscher (Jesctz- 
geber nicht verwendet hätte. Autiailcnd ist es, wenn dem 
Executen verboten wird, vor dem exequierenden Gerichtsdiener 
neben Thür und Kammer auch den ,kauiyu* zu versperren. 
R' c. 13 nennt hier die ,canipa*, den Keller oder Speicher, in 
dem allerdings der < icrichtsdiener mehr zu .suchen hatte als 
im Kamin. Aber vielleicht liegt hier nur ein späteres Ver- 
deriniis Hir ,keminat" vor. Wenn nnch dem Folgenden der 
Vicar seine Knechte ,iuit ritterlicher hant* zur Beseitigung des 
Widerstandes senden soll, kann dies, wie schon Mnlfatti be- 
merkt hat, nur als Übersetzung von .manu militaii* erklärt 
werden. Ein Verderbnis der Handschrift lifgt liingegen in 
7" c. -0 vor, wo unter flen Fallen des summaris^ehcn Ver- 
fahrens aueh der genannt wird, dass ein Herr von .seinem 
amptmann' Zins fordert. Der lateinische Text in i^' c. 18 liest 
,inquilino', Mietlismann. Das hatte der Übersetzer ofienbar mit 
,innmann' wiedergegeben,' der von einem späteren Copisten 
zum Amtmanne gemacht wurde. Wenn die Rubrik dieses Ca- 
pitels lautet: ,Daz man das reeht soll vollenden', so ist dies 
nnr schlechte Übersetzung von ,cognosc! summarie^ Der Aus- 
druok nun, dass das summarische Verfahren ,sine strepita et 
jfigura iudicii' abzuwickeln sei, war unserem Üb^etzer ganz 
unverständlich, er ttbersetat ungeschickt genug: ,an gescbrai 



^ ICicht .begreifor', wl» TomMchek liest. 

* Sdtmeller, Bayriiches WSrterlmch 1, 1844. 

> Hchmellor, a. a. O. 96. Att«lk in Tirol getnin«b1iob. TiraUr l|f eitthfimor 
1, 104 (Uop%aiten}. 



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117 



und an figur deB rechten', noch nnBinniger aber m T' e. 46: 
,an gesohrai oder sbilauf nnd als ein ebenpild'.^ Ein Rachta- 
irrthnm liegt dann noch in c^ 20 vor, wenn hier dem einen 
Zeugen, der beim Bonunarischen Verfahren genügt, der Eid 
erlassen wird, denn die Aussage des Zeugen mnss immer, 
wenn sie beweiskräftig sein soll, unter Eid geschehen. Daher 
werden wir auch hier dem lateinischen Texte R' c. 18 den 
Vorzug geben, der, die Beweismittel aufzählend, den Beweis 
mit einem Zeugen und den Culuiiifueneid nennt. ^ Der Sehluss 
dieses Capitels wirft die elenden Personen (personn»' miserabiles) 
in ungcliüri(4:er Weise mit den Fremden zuäauiiiien, weil dort 
in der Plirase ,et inteiligcndü forenses esse' dieses ,forense8' 
vom Übersetzer tibersehen wurde. 

Nicht besser steht es mit den folgenden, vorwiegend 
Privatrecht betreffenden Capiteln. Da zeigt sich, dass nicht 
einmal die Termini des Scbuldreelits unserm Autor bekannt 
waren. Der ,vordriste gelter* für Selbstschuldner in T c. 29 und 
31 verdankt dem .prineipalis dcbitor* seine Entstehung. ,Creditor' 
ist bald der ,getrauer,^ bald der ^porgely^ bald der , glauber'.* 
Das ,ius e(!ssum a creditore* erkennt man 2" c. BO wied(T 
in dem Satze: ,der da liat ein gefallens recht von den ge- 
traueren'. Dass die Pfänder bei der Kxeeution dureh zwei 
Tage teiItre})oten wurden, wie T' c. 36 angibt. \viders])riebt dem 
sonst bekannten ReelitsbrauchCj wohl aber wurden sie zum 
Verkaufe ausgerufen,^ wie IC c. 31 sagt (cridare veualia). Die 



' Worauf schou Malfatti hingowiesen hat. 

' {jhdT doli ßeweU bei siuniii.iri.scliüin Verf&bren vgl. WetsoU« Sjnttem dw 
ordontlichon CivUprocesaes % 301) f. 

* 2" c. 30 uad 37. 

♦ T' c. 33. 

• 2*' c 39, diesmal richtig, vgl. Lexer, Mittelhocbdcateclios Würterbueli, 
«iilar igdottl)«'. 

* In Aeta Tirolenrfa % Einl. 190, hatte ieh betunptet» daM der Annmf 
der Pfltaider im 18. Jahrhunderte nicht auch den Zweck gehabt habe, 
Kanflnatige aniulocken, londem nur daau diente, die Qlänbigor zur 
Wahrnng ihrer Recht« tn veranIa.Hsen. Dagegen hat Alfred Schnitze 
in der Zeit8chr. der Savigny- Stiftung 21, 320, permnnist. Abth., Bo- 
denken erhoben und, wie ich gerne zugebe, mit Recht, ich hatte eine 
Urfcande von 1869 Angust 9, Wien St.- A* ttbenwliett, die darUber keinen 
Zweifel lint: Kin Qeriehtabete «rklirt dem Netar, dam , er einen ewigen 
Zina, der anf Anencben dee Cenoelin gepflbidet werden war, snm Yer- 



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118 



Leiter des Palastes, auf der das geschehen soll, ist die ,scaU 
palatii'.' ST c. 36 hat bereits Tomaschek als miTeratäiidlidi be- 
aeichnet. Schon die Rubiik: yVon der yerdampnas des Teriefaen' 
{R* c. 32: De praeceptis et condemnatioiiihas faetis in confeesos) 
deutet darauf hin, dass der Ohersetaer in den Sinn dieses Ca- 
pitets nicht einsadringen Termochte. Er behalf sieh mit einer 
stümperhaften, an die einaelnen Worte sich klammernden Über- 
setaung, wobei er noch dam in der eilfertigsten Weise vorging: 



T* c SS. 

Item wir setzen und orden, 
das von gepoten imd verdamp- 
nus wegen, die da geschehen 
von verichen Sachen oder din- 
gen vor dem rechten, daz man 
geben sol die gewer, daz man 
gepiet ain haimlichs gcpot, als 
bald daz die czeit der verdamp- 
nus u. 8. w. 



Item statuimus et ordinamus, 
quod de praeceptis et condemna- 
tionibus faetis in confcssos in 
iudicio dari debeat terminus, 
raandando sententiam et prae- 
ceptum executioni lapso ter- 
mino condemnationis u. s. w. 



Der Übersetzer hat hier statt ,terminus' ,tenuta' gelesen 
oder zu lesen vermeint und es mit ,gewer' wiedergegeben Das 
heimHche Gebot hat er sich aus ,maadando sententiam et prae- 

kaufe auBgerufen habe, ,dicendo dicttu riator, qaod cridaTerat, quod ü 
«liqna penona iili» voleliat dar« dieto fletoi quod deberant oompararc^ 
alioqnin fieret vendiclo ipsi Conodtno, seenndom qnod egtimatom «it 
dictnin fictam*. Nur glaube ick, dan der Pf.indzaschlag an den Qlla* 
biger <iio Ro^el gebildet habe. Das« der Ausruf l)eide Zwecke ztjpleicb 
verfolgte, ergibt sich aus der Urkunde von Vor ma» 1202 October 16 
(Verona Capitelarchiv), in welcher der den Piaudverkanf vornehmende 
Judex und Coosol Diatricos eikllvt» «r häbe das OrundaHlak: ,p«r raiuB 
pnoonem aubaatare fedase et per eondem preeeneni dkere, ai «aiel ali* 
qua persona vel peraonaa (aiel), qne vel qnaa in ea vendSdone aliquam 
habcret racionem, quod esset ad certum terminum coram eo console ad 
Silas liostondundas racionos, et si non cssoiit ad certiim terminum, de r(^*.PT<^ 
nou e««eut audite; &t &i oanQt aliqua persona vel puiooujM, quo vel qvias 
emere vellet snpraacriptam peclam de terra cum ca«a et orüceUo, stoi- 
Uter esset ad eertnm termitrain eenun eo et quod dank et vendeKel plo» 
offnreati ... et qnod tenBinnm aabastacionis die eiati qiiod erat trea»' 
actam et aliqna persona noa WTenil, qve in l]]a vendicione ploa dara 
▼eilet* 11. s. w. 
■ Ebenso T' o. 38. 



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119 



ceptum ezecntioni' sasammengeklügelt Aach im Folgenden 
ist er nicht glücklicher gewesen : 



. . . and die gewer soll gencz- 
lieh wider in, so sol man ge- 
bieten, das das ortail werde 

gegeben. 



et detar omnimode tenata 
contra ipsom, mandando prae- 
ceptom et sententiam ezeca- 
tiom. 



and daher hat er aaeh das ,qaartam dietae oondemnationis'y 
das der Schuldner bei verspätetem Einsprache dem Gläabiger 
zu zahlen hat, einfach mit Schaden ttbersetzt Ebenso unver- 
ständlich ist das folgende T' c. 37, das auch nur einer rein 
mechanischen Ubersetzerthätigkeit seinen Ursprung verdankt. 
7" c. 38 und H*.) sprechen von , morgengab'. Nun war dieses 
Institut zwar ai Deutschtirol eingebürgert, nicht aber im Tren- 
tino, oder ist hier wenigstens, wenn es aurli in Adelsfumilieu, 
die mit deutschen vielfach verschwagei l waren und daher im 
Ausgange des Mittelalters zum Theil deutsche Rechtssitte, ja 
sogar deutsche Sprache annahmen, nicht unbekannt blieb, nicht 
eigentlich ein Institut des ehelichen Güterrechts geworden. ^ 
An deutschtirolisches Recht klingt es femer an, wenn unser 
Ubersetzer der Frau das Recht geben will, die Morgen^abe 
zu verivaufen,* wenn nicht einfach ein grobes Missverstiindnis 
des Übersetzers vorliegt. Capitel T' c. 3Ö liandelt in Wahrheit, 
wie ein Vergleich mit R' c. 34 zeigt, von der Execiition, welche 
die Frau zur SicherstcUuug ihrer Dos gegen das Vermögen des 
Ehemannes fahren kann. 



T c. 3». I 

Item wir setzen and erden, 
das chain weih mag noch sol, 
dieweü sy in der kanschaft, 
yer mag genemen gwalt an 
Terkaofen ein gwer von den 
gaetem des maos» nor alain 



I 22' c «4. 

Item statuimus et ordinamas, 
quod nalla mulier possit nec 
debeat constante matrimonio 
acciperc vcnditionem nec te- 
nutam de bonis maritim nisi 
eitato marito personaliter, et 



> Vgl. m«inon Aatets in Fettfabm Ar BOdiacof S4i ond Act» Tirol. 
2, Einl. III, n. 8. 

* Naeh Deatschtiroler Recht wird di« Fnrn E*ig«iitbam«riii der Mofgensabe, 
FMtgalMii fOr BOdioger 862. 



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120 



probaveiit Jegikime per testes, 
maritum male titi substantift 
Btia Tel casam dotia exigendae 
exstare. Et qaod ozor ali- 
eaiua aliter non possit acei* 
pere ▼eaditionem de bonis ma- 
riti occasione dotia auae virente 
marito pro eo quod dicatnr esse 
diaaipator bonorum auonim. 



er werd für recht geladen in 
aeiner pcrson^ und das recht- 
lich beweise mit seligen^ daz 
er mer noeaen oder seren 
welle sein aigen gut, ea aei 
dan daa gut, daa der fraaen an- 
gehört von morgengab wegen, 
und daz daa weib etlicha an- 
dres nit mag ir gewalt etwas 
ae verkaufen von den gnteren 
dea mana, die weil der man 
lebt, von der morgengab wegen, 
darumb daa von im gesagt ist, 
er sei ein venserer oder ver. 
tuer aeina gnta, u. a. w.^ 



Noch klarer liegt das Misaveratftndnia am Tage im folgen- 
den e. SO, das von derselben Klage der Frau und dem Rechte 
der Gläubiger, aie wegen der Doe abaufinden, handelt Auch 
hier ist wieder die Rede, daas: ,daa weib wil ir morgengab 
inbalten und wil die verkaufen von den guetem dea mana', 
wo IZ' c. 35 davon spricht: ,po8tquam mnlier ad oonaervatio» 
nem suae dotia acceperit venditionem de bonia mariti'. Ebenso 
erklärt sich der verwirrte folgende Sata sofort durch Vor- 
gleichung mit dem hiteiniacfaen Texte ab verfehlte Übersetzung: 



T* 0. S9. 

. . . und das vorgenant beib, 
wan sie die schuhl liat pezalt, 
sol ir dan die morfronfjjab ge- 
fallen mit allen rechten und 
nuczen dem porger oder por- 
gerin, die ir gnug haben ge- 
tan, u. J*. w. 



I c. 8». 

j . . . Et dieta mulier. facta sibi 
j dicla Sülutione tcucatur ccdcrc 
I iura et aetiones illi creditori 
vel creditori bus, qui sibi satis- 
fceerint modo prcdicto dictam 
dotem, u. 8. w. 



* Im Folgenden liest Z. \t Th ^vorüeit' für .geordnet', dem Sinne eot- 
apreehond, der Vicar aoll nimlieh die Klage gegen den Bh^BMan Öffent- 
lich TerklliMlan lassen, damit die GUaUfer des Mannes ihre Reehta 
wnhron kOnnen. In Z. 12 ist offenbar eini^ ansgefnllen, das den 

Worten von R' c. 34: ,et nti r.'iti..nibns «nis, ita quod nihil fiat in 
oorum fraudem et praeiadicium. £t aliter venditio iacta* entsprach. 



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121 



Unser Msan hat die Participalconatraetion ,facta — Solu- 
tion auf die, ^nmlier' aJs Subjecty ,dotem' «a yCedere' oder 
vielmehr zu einem ihm vorsohwebenden ,cadere^^ das er dana 
für ,aiifallen' nahm, besogea und ^iura et actiones' ab eoor- 
diaiert mit ^dotem' angenommen. So »t er su einem der 
Wahrheit geradeau entgegengeeetaten Satae gekommen. 

Wenn dann ferner T c. 41 den fremden Notaren ver- 
bietet: ,werich oder thuen, die gesehehent vor dem rechten' 
au schreiben, so liegt es auf der Hand, dass dabei an ^acta 
ittdicialia' zü denken ist^ Der Schlusssatz dieses Oapitels 
widerspricht sich, indem er Acten, die ein fremder Notar 
schreibt, für nng^tig, aber doch wieder fikt beweiskräftig er- 
klärt. Die doppelte Verneinung ,nihiloniinus — non' ist wörtlich, 
aber damit auch 'sinnver&ndemd übersetzt' 

Schon Malfatti' hat auf das Ifissverstttndnis hingewiesen, 
das in T*' c. 48 Toriiegt, wenn es hier heisst: ,das das geding 
des weihe und maus sol gehalten werden^ Sicher ein etwas 
banaler Satz, sofern unter ,gedinge/ ^Vertrag'^ zu ▼erstehen sdn 
sollte. Unser Mann gebifaucht ^ ,geding' flir ,appellatio'; er hat 
es auch hier geihan und Ubersehen, dass seine Vorlage JR^ c. 43: 
,Quod in appellatione masculi etiam foeminae contineantur' dies- 
mal ,appel]atio' einfach im wOrtUchen Sinne ,Benennung' und 
nicht im juristischen gebraucht. Auch 7" c. 50 enthält Miss- 
verständnisse, die in einem Originaltexte nicht vorgekommen 
wären. Wenn zu I3cginn von den ,urbarpucher' eines offeneu 
Schreibers die Kede ist, liegt es auf der Hand, dasö uu Im- 
breviaturbüehcr zu denken ist. ^löglieh uurh, dass hier nur 
ein Verderbnis des Textes voidiegt, da im übrigen richtig von 
,inbreviaturen' die Rede ist. Wenn es weiter heisst, dass ,die 
rettung* der Schulduer gehört werden soll, so muss man au 
,defeasio' denken. Mit der ,widerpringung^ der Instrumente 



* Derselbe Aiudnuk für «aeta* andi T* o. 60. 

* Wie der Übersetzer »chliesslipb ^licentia et comnüs.sio' zur Biwse wcnlon 
Hess, ist mir nicht kl.-ir. Violloicbt hieas es in der Vorlage: ,68 wordt 
einem pas empfolben' und ist ,pas* zu ,pus' verleseu worden. 

» a. a. O. S2. 

* Ober diote Bed«atoiiff vgl. Paal Pantsdhiurt^ Sehnldrertrag and Traa- 
gAlSbnif Sit 

* An.<<ser in V «. 64» wo er »oönttttetas ^vonditionit' mit jpedlng eilis kaafii' 
flbenetst. 



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ist ,rolevatio* gemeint Auch der SchlusBsatz ist anverstftnd- 
licb, da der Uberseizer nach ^ate wol' in der ▼orletEteii Zeile 
fßA non fberit mortifioata' nicht wiedergegeben und ^oaneeUate' 
inrigerweiBe mit ,be8chlosBen' fiberaetst hat Za Irrthttmern 
gab dann ferner das folgende Gapitel T c. 51 Anlaas. Scbon 
der Beginn: yob der vicary anÜMtrt ein g^iot oder potKhaft 
oder ein wegfertigang' gibt sich als Übenetaimg von: ^äunn- 
xerit afiqnod praeoeptam^ ambaxiatain yel mandatum aliein 
viatori'i wobei der im Folgenden riohtig mit ,pof fibeneiste 
yviator' mr Wegfertigiing wird. Im Folgenden ist der Sets: 
yoder dam er sei ein besebaider des kriegs als stftt sn behalten 
nnd haben' nnyerständlidi, da der Qerichtsbote natOrlich nicht 
mit der Entscheidung von Streitsachen beauffaragt ist Die 
Vorlage spricht auch gar nicht daTOUi sondern Ton der Ver- 
hlnguDg eines Sequesters: iSive pro sequestro fiendo vel salyo 
habendo'i was unserem Autor unyerstilndlich blieb.^ 

Gapitel 7* c. 5S ist schon oben angesogen wenden. Auch 
im Folgenden enthalt es UnverstindÜches genug.' Der ScUuss 
wird erst klar durch Vergleiehung mit dem laidnischen Texte; 



T* 0. 6S. 

Und das alle ding, die in 
dem vorgenannten ^^osaczt ge- 
schriben sind von dem geding, 
wan das urtail gesproelien oder I 
gegeben wirt, das es nichts sei, 
aber es mag albeg ain auszug 
peschehen, warumb es nit taug- 
lich sei, wider das urtail. 



Jt 0. ItS, n. 8. 

Et qnod omnia, quae dicta 
sunt de appellationibus in prae- 
dicto statüto, locnm non ha- 
! beant, quuui dicit ipsam sen- 
tentiam esse ipso iure nullain; 
sed excipi pi .ssii de iure nulli- 
tatis quoll bet tempore contra 
senteutiam. 



Auch bier eine sich innli^aia an die Worte klMUmcmde 
Übersetzung, die den Siun nicht erfasst. 

Ganz sinnlos ist T' c. f>4: ,Daz die. richter rechte Ord- 
nung halten sulien ze siezen zu rechten.' Schwerlich wird man 
erratheny um was es sich hier handelt, nämlich nach K' c. 46 : 



' Aveli in T* cbl wird «MfnMter' mit ,be«ch«ider* iii«d«qecslMii. 

* S. 131, Z. 9 ist vor .wurden vollendet* ein .nicht* zu eigänsen. Denn 
nur im Falle, änm dio Appellation innerhalb der rechten Frist nicht 
erledigt wird, tritt da« Urtheil erster Instanz in Kraft 



• 



123 



fDe oidiii« indkiomiik aomuido in loeii nbl ins raditar ad hm- 
dmn', also um die Gtoriehtaordnnng und nidit um eine Ord* 
niing der Richter, wie unser Autor verrnnthen lässt. Aacb im 
Folgenden ist der Sinn kaum verständlich, denn unser Autor 
hatte von der Bedeutung des ^ad laudum' des Umstandes ur- 
theilen keine Ahnung. 



ST' 0.54. 

Item daz wir aber seczen 
and erden, daz all richter und 
official oder pfleger oder ain 
yicary oder der an ir stat in 
dem bistumb zu Trint sind ge- 
seeat oder die da sicsent an 
einer sta^ daz sy recht sullen 
thiien nach gebonhait und sol- 
len ein rechts recht Urnen, daz 
gelobt oder befaabt wirt und 
genrtatlt vor in oder tot ir 
ainen, nnter was person das 
sei oder welcherlai saeh das 
sei an igliohem aiL Also pald 
▼or gericht vor den, die bei 
dem rechtem stenl^ mit irem 
aigem mnnt sollen ti das yer- 
knnden tmd sollen also spre- 
chen: ^als geortailt ist durch 
di durch ^ gnnst und behab- 
nns wegen, die pei dem rech- 
ten sind gewesen oder gestan- 
den, hab ich gefolget der ge- 
bonhait des gegenburtigen hofs. 
Also rerkund ich es und peut 
es an halten', n. s. w. 



Ä c. 46. 

Item stataimus et ordinamus, 
quod omnes iudices, officinles, 
gastaldiones yel vicarii sive qiii 
in loco eorum vel eorura ali- 
quo in districtu Roveredi fne- 
rint constituti et sederint pro 
iustitia redenda aecandnm con* 
saetudinem et ins ad landum, 
debeant sententias qnae obten- 
tae fherint coram eis vel eo- 
rum aliquo inter quaseumqne 
personas in quiboscumque cau- 
sis in qnolibet termino, imme- 
diate in iudicio coram adstan- 
tibns proprio ore prononciare 
sie dicendo: ,Sicat sententia^ 
tum est per eos in favorem 
aut central seqnatus consuetu- 
dinem praesentis euriae, sie 
pronuncio et mando obser^ 
yari', u. s. w. 



Wenn in T' c. 56 von einem Aratmunnc, der ein jubcr- 
sasa' ist, gesprochen wird, so erkennt man darin eine sehr 



> 8o TK 



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124 



wörtliche Übenoteimg von ^praesidens' der Vorlftge.^ Im Wei- 
teren besagt dieses Gapitel etwas nnklari dasa yon beschwe» 
renden Urtheileii; ,{n fallen die verbengt sind', an den Biscbof 
appelliert werden könne, sonst aber niohi Nun ist dies selbst- 
yerstttndlich. Die Vorlage c. 47 bestimmt auch anderes, es 
dürfe die Appellation nur ^snecessive', also nicht sprungweise, 
sondern mit Verfolgang aller Instansen erhoben werden. Un- 
verständlich ist es femer, wenn in T c. 58, das Uber Za- 
Weisung eines Processes an einen Judex behufs Ertheilung 
des Consiliums handelt, davon die Bede ist, dass eine Partei: 
,gcbe alle richter verwant sein unrecht, die in der stat sint'. 
Die Vorlage handelt davon, dass die Partei ,daret iudices sa- 
spectos de civitate', woraus dann unsere Übeisetsung durch 
irrige Wiedergabe des ,BuspectoB' entstanden ist In T* c. 63 
liegt es auf der Hand, dass der Notar nicht von ,geweren oder 
enden', sondern von ,tenutis et terminis', die er schreibt, eine 
Taxe bezieht. Im Folgenden sind die ,termmt' gar zu ,acker 
oder garten^ geworden, offenbar da unser Autor ,tenninu8* 
nur als Grenze kannte und die ,termini quantaecnmqne sint 
niai^nae quantitatis' der Vorlaj^e - als Grundstücke fasste. Un- 
beholfen ist auch die Verdeutschung der in T" c. 64 aufge- 
ziihlten Kechtsgcschäfte ausgefallen. Schlimm ist es, wenn 
der Ubersetzer ,permutatiü^ und ,nmiuuiu' zusammenwirft und 
dieses mit ,so zben wixelen' übersetzt, ohne zu merken, dass 
er sich dadurch mit dem Voranötelienden in Widerspruch setze. 

Nach diesen Proben seines juristischen Könnens werden 
wir nicht erstaunt sein, unseren Autor dem Institute der Klagea- 
verjälirun;^ rathlos gegenüber zu sehen. Zweimal halte er da- 
von fast mit gleichen Worten zu sprechen, in T c. 89 und 
T' c. 67. Wie immer in solchen Fällen, ist keinesweiis das 
zweitemal die vorangehende Übersetzung benutzt, sondern 
liegen zwei verschiedene Versionen vor. Nach T' c. 67 könnte 
es scheinen, dass da auch von Verjährung im Strafverfahren 
die Rede sein soll, wenn die Klagen aufgezählt werden: ,si 
sein nmb gut oder bider «oinen leib, si sein nüez oder wie 
die genant sind^ Tc, drückt sich an dieser »Stelle so aus: 



> JK' e. 47 liest .rMidenteS der «ttbenaw* «ber indet Mine StfitM im ,pne- 

sidente' dee Alezaadrinifleheii Statnti, lib. 1, c. fil. 
• K c. 69. 



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125 



.welcherlai die sind, si seiiid umb Heuser oder umb acker oder 

umb wen das sei oder iiiiez, wie die «genant sind', also nichts 
von Sü'af klagen. Die Vorlage Ä e. 7ü spricht eiüfach von 
,aetiones . . . reales sive personales, utiles vel directas seu 
quocumque inHuinr censeantur'. Die , actio personalis', unserem 
Autor unverstiindlich. ist in T c. 89 Ubergangen, in T' c. 67 
zur Klage wider den Leib geworden. Im Folgenden ist wieder 
die Rede davon, dass der Kläger seine KJage geltend zu 
machen habe nach T c. 89 gegen diejenigen: ,die in schuldig 
sind oder schedÜch sind*, nach T' c. 67 get;en solche: ,die in 
schnldij:: sind oder die si gclaidiget habend Beide k^teUen sind 
otimltar nur Übersetzung von , contra dictas personas obligatas 
seu obnoxiatasV Auch ,ertrich* fUr ,terra' im Sinne von Land- 
schaft hätte em deutscher < )risrina!text nicht gesagt.^ Vieliei' Ijt 
das merkwürdigste Missverstäuduis von allen ist unserem Auiur 

* Mit Uiurecbt meint Tomaschek, Sitzungsberichte der Wiener Akademie 
33, 362, im Folgenden eine Erinnerong an das System der peraOnliehen 
Redite sn finden. Ee ist nichts enderes als der landlftufige Sats, dass 

die Klagverj&brung^ nur unter fpraesentes' laufe, ein Satz, der ebenso 
wie die Befltimmunp der jp^o^ontia' ;ils Anwos<'nheit in demselben rSo- 
richte der Lehre von der Eraitzutig entnomnmn wtirde. Vgl. Peitil(% 
Storia del diritto Italiano', 4, 487, u. 64. Auch Feiüle a.a.O. und 
Sartori, Zeitschrift des Ferdinaiidenme HI, 36, 10, n. 1, folgen der 
Heinang Tomeseheks. Die tos Sertori behenptete Entwicklang erkitrt 
sieh rtnfkch dnreh die Venehtedenheit der Übersetzung in den alten 
ond neuen Statuten. Der betreffende S.itz: ,{nfleich der porger und der 
enfloicher, sindt die «»•esessen in einfin landi, darin msn einen yeg'liclmn 
ein gleichs recht thut', ist nur uugescljickto Überset/uii}^ von Jt c 7'.(: 
.exiatentibus ipsis creditoribus et creditore et puräouiti ubligatitt in eadum 
terra, in qua ins redditnr ntriqne debitori et oreditori*, ein Sets, der in 
3" e. 67 fiditig wiedei^;egeben ist. AllerffiiigH h«tte es einmal an 
manchen Orten ,lndicea Bomanomm* und .Langobardonun* nebenein- 
ander gegeben, aber diese Zeit war, als die Trientner Statuten und noch 
mehr ihre übersetznnfr entstanden, Ifinpst dahin. Schon im 13. Jahr- 
hundortu gab es, der libur üburti zur Genüge xeigt, nur mehr uiu 
einheitliches Recht in Trient. Die Bekenntnisse zum rOmischen Rechte, 
die sieb allerdings in Ehegedingen noch Teretnaelt im 13. Jahrbnnderte 

• finden, hatten eine andere Bedentom^, vgl. Festgaben für Blldinger 847. 
Aoeh wire ein Rechtwiatz, wie ihn Tomaschek construieren will, ebenso 
ausserfrcwJilmlich nls inibef^nüflich. Mörrlich alk-rdinps, dass dem Über- 
setzer die KecliLsverschiedenhtnt zwiHciieii Dout.sohtirol uml dorn Uebiete 
de« Trieuter Rechtes vorschwebte, deren man sich im 14. Jahrhunderte 
«llardingH bewnsst war. Dieser Bechtsonterscfaied fiel in diesem Falle 
«lleidittge mit der Verschiedenheit der Owichte ansaameii. Die Vor» 



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m 

am Schlüsse dieses Capitels nnteigelanfen, wenn er die Klag- 
▼erjährung bei Minderjährigen naeli c. 67 ansscUiesst: ,imter 
den gegenburtigen und den, die sioli Terlieiivten, oder ire 
naehkomen'y eder wie er 2*c. 89 sagt: ,Das bot sein stat nnd 
findet sich unter einer firenntaoliaft oder unter den freonten, 
die mit heirat geschieht/ ^ Wie kommt unser Autor auf den 
Gledanken, den Ausschlnss der Elagveijahrang an den Ehe- 
stand der Mindeijährigen zu knüpfen? B c. 79 spricht davon, 
dass die Klagenveijfthrung die Minderjährigen nicht treffe, 
auch wenn sie gegenwärtig sind und contrahieren^ und ebenso 
ihre Rechtsnachfolf^er: ,Ab iis vero XX aniiis excipiantur mi- 
nores XXV annis, qui vindicant sibi locum inter praesentes et 
contrahentes, vol eonnu successorcs/ Nun sieht man, dass sich 
T' c. 67 enge an dru lutcliuschen Text anschliesst. Nur hat 
unser Autor bei , contrahentes' an ,matrimonium euntraherc' ge- 
dacht und das Wort so zu eng genommen^ eine Auffassung, 
in der ihn das folgende jSuccessores', in dem er die Nach- 
kommen der ,contrahentes' sah, bestärkte. T c. 89 versucht, 
denselben Gedanken freier zu fassen. 

Damit können wir es genug sein lassen, obwohl noch 
viele andere Stellen zu nennen wären und die Ubersetzung 
fast der ganzen neuen Statuten und eines guten Theiles der 
alten als eine verfehlte zu bezeichnen ist. Das, was sich aus 
dem Gesagten klar ergibt, ist meines Erachtens, dass dieser 
gewundene, unklare und vielfach undeutsche Text, der von 
Irrthtlmem und unmöglichen Sätzen strotzt, der so viele Wider- 
spr iic In; mit sich selbst und mit dem geltenden Rechte enthält, 
unmöglich die Originalfassung eines Gesetzes darstellen 
kann. Vielmehr weisen gerade der Stil, aber auch so viele 
der IrrthUmer auf eine lateinische Vorlage hin. An der 
bischöflichen Curie in Trient hätte man {gewiss Kräfte genug 
zur Vei-f\igung gehabt, namentlich unter den canonistisch ge- 
bildeten Hofgeistlichen, welche eine correctere Übertragung 



lag:e dachte wohl an Q«baiin(et dio kein Seeht «rlaafsa konateas vgl 

Pertile a a O., n- 66. 

Mit Unrecht zieht Tomaschek su dieser Stelle iu u. 4 dio Cl^'äcben und 
Ulrich'schen Statuten hwan, welche die Klagreg&hniQi; unter Leuten, 
die in Gfltergemeinaehaft stehen, namentlich aneh swiaebMi dar Witwe 
und den £rb«B d« Uanmes um die Dm anwehllwioii, «rena sie n- 
Baminentobm. 



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127 



uud Bearbeitung der vielfach romanistischen Kechlisäue und 
KechtsausdrUckc iu die deutsciic Sprache zu liefern in der 
Lage g'ewesen wären. Daher ist keineswegs an eine autlieu- 
tische und ufficielle Ubersetzung, sondern lediglich an eine 
Privatarbeit zu denken. Dass eine deutsche Übersetzung 
der Tricnter Statuten entstand, kauu nicht Wunder nehmen. 
Im 14. und 15. Jahrhunderte war die deutsche Sprache in 
raschem Vorrücken begriflfen. Niehl nur wurde das Büzner 
Unterland jetzt deutsch, auch im Qericlite Künigsberp:, in Val- 
sugana, im Gebirge zwischen Etsch und Brenta, belbbl im 
Nonsberg fand die deutsche Sprache vielfach Verbreitung.' Die 
deutschen Bischöfe des 14. und 15. Jahrhundei-ts braeiiten 
deutsche Hauptleute und Beamte nach Trient, die, wohl zum 
Theiltj fies Lateinischen nicht mächtier. eine deutsche Über- 
setzung mit Freuden begrüssen mochten.^ Der Trienter Adel 
verschwägerte sich mit dem tirolischen und wurde vuUach 
zweisprachig, wie die Cles oder Madruzzo, deren hervor- 
ragendste Vertreter, die Cardinäle Bernhard von Cies, Christoph 
und Ludwig Madnizzo, beider Sprachen mächtig waren. Ja 
nach einer freilich nicht ganz klaren Nachricht aus der zweiten 
Hälfte des 15. Jahrhunderts, Beilage Nr. 9, scheint hervorsu- 
gchcn, dass die StatatdD von Trient damals auch in Bozen 
Geltung hatten, also in rein deutschem Gebiete.' So konnte 
eine deutsche Ubersetzung der Statuten ihre Verbreitung finden. 
Den Urheber der Übersetsnng können wir nach dem Gesagten 
nur für einen geistig wenig bedeutenden Mann erklAren. Die 
vorangehende Zusammenstellung hat uns Beweise genug an 
die Hand gegeben, dass ihm eine tiefere Kenntnis sowohl des 
gemeinen, als auch des dentschen Rechtes gefehlt baX, dass sein 
lateinisches Wissen ttberaos bescheiden war, dass er aber au- 
gleich auch mit grosser Leichtfertigkeit ans Werk gegangen 
ist In Trient war er sicher nicht bewandert^ daher seine Un* 



* litigier, ZeitMhrift dm FaidiiundennM 8, 28, 741 

* So aelMn Seicb, IM piA antloo ■tetolo 36. 

t lf«|£itti vennathet Ähnliches freilich aus nicht stichhaltigen Ghranden« 
denn die Urknndo Karls IV. von 1347 Juli 21, BOhmer-Huber, Nr. 328, 
hatte koino praktische Bedeutung;, nnd T c. 90, das er für die df*uf!^rlien 
Gebiete aagefertigt glaubt, findet sich wieder ab E c. ÖU. Ähnlu h auch 
MhoB Rapp, Beitrige 8, 8. Das im Contexte erwiUmte Acienstück ge- 
draek» alt Beilsf^ Nr. ». 



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128 



kenntiufl der Örtlichkeit ,AquaTiTa*, der Erbpacht yad osum 
domomm mercatt Tridenti' und anderer Dinge. Des Italie- 
nischen aber war er milchtig; vielfach hat er lateinischen 
Worten die moderne italienische Bedeutung antergeaehoben. 
Freilich durften auch hierin seine Kenntnisse nicht s^ir weit 
gereicht haben, wie die Übersetsnng von yScala' mit ^Leitev^ 
darthut Manches weist auf tirolische Heriouift des Übersetaeis 
hin, wie die Ansdrücke ^kastraun' (T c. 64), ,prenten, star^ 
ttm* (Tc, 85), ,saltner' (Te, 108), ,taufen' {Tc. 163), die dem 
tiroUsch-bayriflchen Diidecte entstammen. Daran Hess uns auch 
seine Verwechslung der ,do8* mit der ,Mor^engabe* denken, 
welche im tiroUschen Eherechte der späteren Zeit eine so grosse 
Koile spielt. 

Welchen Wert luiL nun die Übersetznno'? Stellt sie eine 
ältere Kntwickhin^rsstufc des Trientcr licchtcs vor, oder ist sie 
auf Uruud des illtesteu erhaltenen lateinischen Statuts, des Ale- 
xandrinischcn von 1425 entstanden? Die Alteren: Oresseri, 
Gar, Malfatti sahen in T die Übersetzung eines Statuts, das 
äher als die ihnen bekannten Cles'schen und Udabicianischen 
Statuten sei, ja das sie dem 13. und 14. Jahrhunderte zu- 
schrieben. Reieli, dem das Verdienst ^ebuhii, zuerst mit 
grösserem Naehdnicke auf die Alexandrinischen vStatuten von 
1425 hince' i scn xu haben, erklärt i'fllr eine Conipilalion aus 
dem Aiexaudnuischen Statute, wälirend ein älteres Trienter 
Statut, das von ihm so genannte .Statute nero*, mit Ausnahme 
geringer liruchstücke und des von Keieh edierten .Sialuts der 
Sindiei^ verloren gegangen sei.* Wenn dies der Fall wäre, so 
hätte die Compilation, die uns 2' bietet, in der Th&t nur ge- 
ringen Wert. 

Wir werden diese Fra^e theils aus T selbst, theils mit 
Heransiehang der Fragmente, die von den ätatoten anderwärts 



' N«chd«m Beieli in seinen firflheren Arbnten, Del pi& «ntioo etatnl» SS, 
und n secondo stetato 8y nooli die Iltere Aniioht gctheilt hatte, wobei 
er allerdings ichon in dor erst^^onannten Schrift 36 von einer ,compi* 

laKione' und ,raccnlta d'x in|iitoli tolti nlla riufusa d.illf ilisposiztoni 
criminnli rivili e da quelle del lihro de pindici' p'a'sproclion hatte. tTi)irt<v 
or soiiio neuere Ansicht zuoriit im ArchiTio Trentiuo 11, llö: ,uu« tra- 
dittdone iatta nell* «niio t46S dal codiee redatto ia Utino del p. Ales- 
•endro di llAiiOvi«% und dann in der ZeitMlinfl Tiidentam % SS3, hier 
allerdinge nicht ohne Bedenken an«. 



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129 



erhalten sind, und namentlich aber durch einen Vergleich mit 
verwandten Statuten zu lösen versuchen. 

Die späteren uns erhaltenen Trienter Statuten, die Ale» 
xaiulriuischeti von 1425,* die Udalricianischen von 14ü8 * und 
die von Bischof Bernhard von Cles publicieiicn von 1527* 
zerfallen in drei Bücher, in denen die einzelnen (ieselze nach 
Materien geordnet sind, in einen ,liber de civilibus, de crimi- 
nahbus^ und ,de officio syndicorum*. Ganz anders ist die An- 
ordnung von T. Kach einer Überschrift folgen nach der 
Zählung Tomascheks 166 Capitel, welche Tomaschek als die 
alten Viezeidniet.* Hierauf kündio;t sich eine zweite Abtheihin^ 
von Ca[iit(lri mit der Überschrift an: ,Hie vahen sich an die 
neuen Statut/ Es folgt unmittelbar ein datiertes Gesetz des 
Bischofs Bartholomäus über die Zalilnng der Steuern und Exe- 
Gution von Steuerrückständen von liiU7 April 10. Nun wird die 
Rubrik der neuen Statuten wiederholt: ,Hienach vahen sich 
an die neuen Statut des pistumbs und der stat Trient. Des 
ersten wie man ein jede person laden sol* u. s. w. Somit trägt 
eine Reihe zusammengehöriger Capitel den Titel von neuen 
Statuten, nach der Zählung Tomaschek's ^ vierundsiebzig.^ Dar- 
auf folgt als T' c. 76 die Fublicationsformel Hlr die neuen Sta- 
tuten, die von Biachof Nicolaus (1S38 — 1347) ausgestellt ist. Es 
schliesst sich darun als T' c. 77 eine Bemerkung Uber den 
Wert der im Statut genannten Münzen, die otVenbar nur einen 
späteren Zusatz darstellt. Die Ordnung dieser Statuten ist also 
die historische. Jedermann weiss, dass diese in Gesetzen ttiter 
ist^ als die systematische. Und in der That begegnet sie uns 
gerade in den ältesten Statutenredactioneii| während jüngere 
die einzelnen Capitel nach Materien zusammenstellen.^ Wie 
wäre aaeh der VerfiEMser Ton T dasogekonunen, die einaeinen 



* In FolfSndSB mit A beieielmel 

* Im FolgMideii mit ü beMiehnet 

* Im Folgenden mW C bmeiehnet. 

* Die gleiche Baietebnong am SehlnMie diMer Capitel aehon in Th% vgl. 

obftTj R, 95. 

^ Der ungeschirkterweiae die Movelle des Biacbofs Bartholomaus als c. 1 
der neuen Statuton sfiblt. 

* Sie enden mit Tomaschek c. 75. 

* Scbupfer, Mannale di stori« del diritto Italiano 1, 261; Pertile, Stofia 
del diritto ItaUano«» % % 138. 

AnbiT. XCn. Baad. I. Hilfto. 9 



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ISO 



Capitcl nach Willkür in ältere und jUng'ere zu scheiden? ' Aus 
manchen dieser sojü^enannten jüngeren kStatuten ergibt sich mit 
Evidenz, dass sie in der i hat jünfj^er sind als die ihnen entspre- 
chenden Capitel der alten Statuten, weil sie Zusätze und Ab- 
änderungen zu diesen darstellen. So entspricht T c. 89 dem 
Inhalte nach T' c, 67, doch enthält das letztgenannte am 
Schlüsse einen Zusatz, der die Verjährung ausschliesst, wenn 
irgend eine ,iu8ta causa* die Erhei)ung der Klafj^e unmöglich 
macht.* Ebenso wiederholt T' c. 52 die in T c. 134 aufgezählten 
Gerifhtfifenen, aber mit einigen Zusätzen.' Der Text von T 
ist ferner keineswegs ans A entnommen. Zum Tlieile stinmit 
wohl A mit T überein, aber an sehr vielen Steilen bietet Ä 
gegenüber T ein bedeutendes Mehr und ist dann C viel ver- 
wandter als T. Die Ausführungen im zweiten Abschnitte und 
die als Beilage Nr. 12 angefligte Vcrgleichstabelle werden den 
Beweis erbringen. Auch Ansätze der Bussen variieren vielfach 
in T und A. Das alles wäre undenkbar, wenn T von A ab- 
geleitet wäre. T ist vielmehr die llbersctzung einer 
selbständigen, von A unabhängigen Älteren Kecension. 

Um ihre Stellung des näheren zu ermitteln, werden wir 
die Roveretaner Statuten von 1425 und das älteste Statut der 
Sindici heranziehen müssen. Die Roveretaner Statuten, in dem- 
selben Jahre wie A entstanden, werden sich uns als eine Quelle 
ei^ben, welche dem Trientner Statntarreehte des 14. Jahr- 
hunderts viel näher stand als A. 

Die Venezianer haben bekanntlich den Süden des Bis- 
thaniB Trient seit 1411 besetzt,^ nachdem ihnen das Testament 
AsKOS Ton Castelbarco den Zugriff im Lagerthale ermöglicht 

I Dies erregt auch bei Beich Bedenken, THdentliin 2, 233. 

■ ,und der da hat ein rechte s&ch, da« er das rocht besuch sein kl.ip* : 
dentUcher in dem f»nt8prechendcn Sata© der Koveretauer Statuten, 
R c. 79: ,Et qui habueriiit iuütam c^usato non inteuiptAudi actione» «aas.' 

° In 2" c. 62 werden die Tage der Kirchweihe genauer vom lt. Int 
SO. November fixiert, ferner wetden der Festteg dei heil. Vigiliu nnd 
alle anderen in Trient gefeierten Fertlage als Ferialtaee erkllrt, 8. 197 
iler Tomaachek'schen Auigabe^ Z. 1 bis Z. 6 ,item zu — an^esecst'. Am 
S(-hlTt5!.so worden die BeHtimninTigpen Uber die Appellation bei der Hichtig^ 
keitabestihwerde ausgeschloHHen. 

* Egger, Geschichte Tirol» l, 471; Zotti a. a. O. 1, 2<i; Kavanelli, Con- 
tribnti alla Sterin del dominio Teneto nel TrenÜno, ArebiTio Trentino 
11, 89. 



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hattp. Im .Jahre 1416 eroberten sie Rovereto. Den Einwohnern 
der occnpierten Gebiete winden ihre Rechte^ Statuten und 
Freiheiten bestätigt, 80 den Gemeinden Ala und Avio 1411 
September 10,* den Leuten von Brentonico 1411 September 18,* 
der Stadt Rovereto 1417 November 17.' Die Statuten nun^ 
nach denen diese Leiitc lebten, waren die localen Gewolin- 
heiten und , Regole' in Gememdeaugelei^enheiten und im übrigen 
die Statuten von Trient, die für das ganze Bisthnm galten, so- 
ferne sie nicht wie in Fieims durcli loeales Recht nach dem 
Grundsätze: Willkür bricht Landrecht zum Tlioil«' ausge- 
schlossen waren. Begreiflich, dass man für das vcnezuuiische 
Gebiet eine Neuredaction wUnsclite, die ohne Änderung des 
materiellen Rechtes den geänderten staatsrechtlichen Verhält- 
nissen Rechnung trug. Diese Umredaction ist nun wirklich im 
Jahre 1425 durch Jacobus de Persichello von Cremona, öffent- 
lichen Notar und Kanzler des Podesta von Beseno und Rove- 
reto Francesco Basadonna, vorgenommen worden. Jacobus ver- 
sieherty dass er seine Statuten: originali Hbro statntorum 
veterum* nar ^mntatis rantandis respecta dominii' copiert habe.^ 
Wir müssen dieser Neuredaction vor allem das Vorwort and 
die Schlussunlerschrift des Jacobus de Persichello, die ans 
über die Entstehung der Neuredaction Kunde geben, zu- 
schreiben. Im weiteren finden wir hftafig, dass von ,Rovereto', 
dem ,dncale dominium Venetiarum** und dem ▼enezianischen Po- 
destli gesprochen wird, der mit der Pflege der Civil- und Ori- 
minaljurisdiction betraut war." Aber daneben sind Stellen genug 
vorhanden, die darthun, dass die Umredaction keine sorgfältige 
war, und die deutlich auf den Ursprung dieser Statuten hinweisen.' 
So wird in /2 c. 5 der Fall erwAhnt, dass jemand einem anderen 



* Libii pnetoram, Wien 8i>A., Haadachrift Nr. 669, Bd. 7, f. 66; ^tem 
dspntetnr «ii miat olBelalla, qui raddat tibi hw in eivilibn« et orimtna- 
HInw, aenralif fiiis ststetit «t ordinaoMnitia. Reeponaio: Fiat more ho lifo/ 

" a. ». O., f. 57 Auszug bei Zotti 263 f.; v^l. aneli Oar, 9MaA di Rove- 
reto, Einl. 5, ib; BavAueUi a. «. 0. 101 f. 
' Zotü a. a. O. 276. 

* Gar, Statuta della citt& di Rovereto 87, kenniag. in der Biblioteca Treu- 
tina 4. 

» Äc. 1, 2, 46, 50, 69, 140, 141; Ä' c 81, 40 u. 8. w. 

* c ü, IG, 106, 140 V.8. w. 

* Darauf iiat schon Gar aafmerkmm gemacht a. a. O., Einl. 14. 

9* 



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132 



einen Backenstreich Tenetzt, ^in palatio eptscopatas*, der ab 
höker befiriedet erschein^ eine Bestimmung, die nur für Trient 
Bedeatung hatte, nicht mehr für Rovereto. In c. IB — ^20 wird 
beim Verbrechen der FaiBchmttnaang anadrllcklich belon^ dass 
es ,in otyitate Tridenti Tel eios diocesi' begangen sei. A c. 54 
nennt den yVicarjas ctiriae Tridentinae', c. 6d und 64 ,distiietii8 
et episcopatus Tridentinus^ ganz sinnlos in einem Statut fUr 
das nicht mehr zu Trient ^ehöripe Kovereto. Dabei werden in 
c. 03 als Grenzen des Trieiiter Districts angegeben Crivelli in 
üardülo, Casteller, Ikico di \v\ii, .Sancta .Marina' an der vStrasse 
i^t'i^tMi Nonn und Custi-lvedru an (lt:r Strasse nach Civt-zzano. 
DK'riC Orte begrenzen wohl das nähere (iebiet der Stadt Trient, 
stehen aber mit Kuvereto iu gar keiner lieziehuug. Noch öfter 
ist die Rede von ^civitas, episcopatus, districtus Tridentinus .* 
Ein Verbot der Ausfuhr gewisser Waren ,a Tridento inferius'^, 
wie es c. Üo und c. 157 bieten, war ftlr Hovereto i^^anz über- 
flüssig. Aus diesen Stelleu ergibt sich uuzweüelhaft, dass bei 
der Bearbeitung der Roveretaner Statuten ein für 
Trient erlassenes Statut die Vorlage gebildet haben 
muss. Ganz ausdrücklich ist dies j^esagt in c. der neuen 
Roveretiner Statuten, indem Iii« r bei Erbschaftsklagen der Be- 
weis der Verwandtschaft ,seeuuduni formani iuris et st;itiit >rum 
nostroruin civitatis Tridenti' angeordnet wird. Der .Ii her origi- 
nalis Statutorum veteruni comunitatis et humiuum Koveredi*, 
den Jaeobus de Persiehello bearbeitet hat, war nichts anderes 
als ein Trienter Statutencodex, und zwar muss die Redaction 
dieser Statuten eine ältere gewesen sein als die Alexandri- 
nisehen Statuten, weil Rovereto im Jahre 1416 politisch von 
Trient getrennt wurde, und die späteren Änderungen der 
Trienter Statuten auf die Roveretaner Rechtsentwickiung nun- 
mehr keinen Einfluss üben konnte. Aus den eigenen Worten 
des Jacobos de Fersichello und der oberflächlichen Art, mit 
der er die Nenredaction durchführte, können wir erwarten, 
dass uns in R die ältere Redaction der Trienter Statuten in 
wortgetreuer Form Uberliefert ist, nattlriich abgesehen Yon den 
leicht erkennbaren Änderungen ,raticne dominü'. 

* So iift offenbar zu leiteu aUtt »vancta Maria' de« Druckes. , Man na' auch 
im Statut« d«r Sindiei, e. 16, b«l B^ieh, II pift yseelno Statato 47. Ober 
di«M BegTBosong vgl, «iwb Bäsch a. a. 0. 18. 

• a c 7a, 79» 89, 166, 167. 



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las 

Eine genaue und ^dy^Uständige Vergleichmig ^ von T und 
B ergibt nun, dftSB T mit geringen Ausnahmen, auf die wir 
im Folgenden näher eingehen werden, Sats fttr Satz, ja 
fast Wort für Wort mit R ttbereinstimmt, natflriich aus- 
genommen die Änderungen ,ratione dominii', welche Jacobus 
de Persichello an seiner Vorlage Yorgenommen hat Da nun 
nicht daran za denken ist, dass T eine Übersetsung von R 
sei, wie Beich yermuthet,' so bleibt nur die Annahme übrig, 
dass beide auf eine gemeinsame, uns verlorene Quelle surack- 
gehen, mit anderen Worten, dass T eine zwar schlechte, 
aber im ganaen satzgetreue ObersetBung einer Sta- 
tutenredaction sei, die auch R als Vorlage gedient 
hat. Freilich gehen beide keineswegs auf denselben Arche- 
typus zurück, man wird vielmehr eine Anzahl Mittelglieder 
annehmen müssen, durch deren Vermittlung^ endlich die uns 
noch vorliegende Überlieferung entsprungen ist. 

Wenn wir aber nun zwei unabhängig von dem ver- 
lorenen Archetypus X abgeleitete Quellen besitzen, so wird uns 
ein Vergleich beider über die Gestalt des Archetypus wichtiu-e 
Aufschlüsse gewähren können.' Die Eintheilung der Statuten 
in , Statuta vetera' und ,nova* ist in T und R dieselbe; wir 
dürfen sie daher umsoraehr, als sie uns auch aus inneren OrUn- 
den wahrscheinlich wurde, unbedenklich für alt und echt halten. 

_ • « 

Die Zahl der Capitel variiert in beiden Überlieferungen. Die 
alten Statuten umfassen in T uaeh der Zählung Toraaschek's 
16Ü Capitel, in R nach der Zählung Gar's 172, die neuen in 
7" 77, in R' 4H, wobei jedoch zu bemerken i-^t. dass Qar die 
ncaen ötatuteu von Rovcreto nicht Tollständig zum Abdrucke 



* DiB YeigleiclwUbeUo Nr. 11 ncht dU Obenieht su eriaiebt«ni. 

* Tfidwtam S, 283, n. 1. Wie bfttto man in Trient im 16. Jahrhnndarto 
aaf den Qedaofcen kiHiiflieii sollen, die fitetnten eieer auBländischen Ge* 
meinde xu Ubersetzen und als Trienter anszn^ben? Auch die Untor- 

schietlo zwischen T niul R sehliosseii (Tin Aiinahme piner directen Ab- 
stammung ans. T weist aucli nicht üioe einzig« der Änderungen, 
welche Ii ,ratiune doinitiii' vurgenoininen hat, auf. So kann nicht der 
leiMMte ZveiÜBl bestehen, daas T und B Ton einander gänzBob unab» 
bingig sind. 

' Namentlieb, wenn aneb der Text von Ä als eine dritte Ton X abge- 
leitete Qnelle nnd das ilteste SUtut der Sindid «nr Veigleiebnng beiw 
angeaogen werden. 



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134 



gebracht, sondern alle Capitcl wegpgelasseD Bat, welche nur Be- 
8tiiiiiauiigeD der alten wiederholen. 

Fassen wir nun die Verschiedenheiten in beiden tlber* 
liefenmgen ins Aoge. Es ist schon oben bemerkt worden, 
dass das Vorwort von R der Neuredaction von 1435, ttber die 
es berichtet, angehört Dagegen werden wir die kurae Über- 
schrift in 7* als Überaetaung der nrsprttngliclien ansehen 
dttrfen. Wir werden auf die Bedeutung dieser Überschrift 
zurttokkommen müssen, wenn wir das Alter der Statutencom* 
pilation zu bestimmen suchen werden. 

Manche Differenzen heben sich allerdings beim Veigleiche 
mit Tkf dessen Text, wie bereits erwähnt, der vollständigere 
ist, von selber. So ordnet B c. 10 an, dass die Landleute schwere 
Verbrechen den Sindikem ihrer Pfiurrgemeinden anzuzeigen 
haben: ,suo sindico vel eins domui yel fiuniliae/ Te, 10 läset 
das Hans fallen, Th sagt anstfthrlich: ,iren kirehprobst oder 
seinem hause oder Ingesinde'. Ebenso schlichten sich die Diffe- 
renzen zwischen 7* c 14 und R o. 14. Dieses knüpft die Sflhne 
bei Nothzucht an die Zustimmung der geschädigten Frau und 
ihres nächsten Verwandten, während T nur von der Ftbxl 
spricht Tk liest hier richtig: ,von der ^nen, die er eriumt 
hat, und den allemachsten freinden der frauen'. Ebenso wird 
der ans logischen Gründen oben^ bereits als wahrscheinlich 
erkannte Zusatz: ,nnd doch ob er nit frid hat' u. s. w., auch 
durch den Text von R c. 14 gestützt.* R c. lö setzt den Fall 
des ausserehelichen Beischlafes mit einem Mädchen, das ausser 
dem Hause des Vaters wohnt, dein gleich, wenn das Mädchen 
keinen Vater hat. T berülirt nur diesen letzten Fall, richtiger 
liest Th: ,und oh sv nit ain vater hat, Ixisunders si wonct pei 
andern leiten, und ob si halt ainen vater hat' ^ u. s. w. T c, III 
bietet einen mehrfach gekürz tcu Text gegenüber R c. 100. Es 
feldt die Strafbestimniung für das Ausheben fremder Thore 
und unter den Strafen, die dem Z.Uilungdunfähigen drohen, 
das Peitschen durch die Stadt. Auch hier entspricht Th voll- 



» S. 96, n. 3. 

' ,ot hoc si nun habait paeem; et si habait fwcem, condemnetnr in «an» 

tum libra« Ver * 

' Dagegen ii»t /' c. 30 volUt&Ddiger diu d«r Text von Tht in dem Z. 6 
AXV lib.— gobeu« fehlt. 



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185 



st&odig dem lateinischen Texte Ton R^^ der auch durch das 
alte Statut der Sandici c 37 bestätigt wird. Ebenso finden die 
Ergttozunges» die Th zu T c. d bietet,* tinimtlich i& c. 3 
ihre Besttttignng.* Wir sehen somit das Urthoil, welches wir 
schon aus inneren Gründen gewinnen konnten, dass Tk viel- 
fach den besseren und correcteren Text bietet als die Wiener 
Handschrift^ durch den Vergleich mit R vollkommen bekrVltigt 
Eine bemerkenswerte Differena bietet T c. S gegenüber 
R c. 3. Wenn T in der Rubrik fibersetst: ,keczer und ander 
soldh leut', wllbrend B nur von »heretioos' spricht, erfilhrt die 
Lesung in T eine Bekrttftignog durch A* Dass der Ober» 
setser mit den Namen der in diesem Gapitel aufgealthlten 
Ketsereien nicht viel anaufimgen wusste, wird man entschul- 
digen können. Er hat diese Eetsereien aum Theile als mora- 
lische Defecte gefasst und daher auch die Aufiiahme von: 
^spcckloteri tnmckenpolczi hantspiler* verboten. Hier ist kaum 
ein Abweichen von der Vorlage, sondern nur ein bei ihm so 
häufiges Missverstehen anaunehmen, dessen Entstehung sogar 
noch theilweise au errathen ist. Wenn die Vorlage »gasaros' 
nannte, mag er an ,oarcer' gedscht haben und au seinen ^speck- 
Jittem' gekommen sein.' Die ,copiaoo' der Vorlage hat T mit 
,coppa' (Becher) zusammengebracht und zu Trunkenbolden ge- 
macht Die räthselhaften Uandspieler sind sicher nicht von den 
Tesseranten abzuleiten, wie Tomaschek meint." Sollte er sie 
nicht einfach erfimden haben, so könnte inun noch immer 
denken, dass es die ^discnzani' mit dem ,disco', der Wurf- 
scheibe, iu Zusammenhang brachte. Aber einen Zusatz liul 1^ 



* Th liest nach .XLsuI' in Z. 3: ,um (Ihx, 'laz er da« tlior Irat Knprochen, 
XL Bol.; item aber das er die tor oder schloiiH hiutre^t uder zerpricht 
und aucb austregt, ist es pei tag, m sol er gelten X libr. und pei der 
oaclit swir «Ml, «ikI «r dem, dem er den aebadea hat getlioD, Min 
■ehaden ablegen» oad nag en nielit beiwln, ae mI man in daroh die 
statt scblaben oder sol anf dem praager ilen.' 

' 8iebe oben S. 96, n. 4. 

' Im Texte hei Tomaschek ist T' c. 7, Z. 5, auagofallon nach ,richterB': 
,ob er eü aber uit seczt in den willen de» ricbteni* (gütige Mittheiluug 
des Herrn Staatoarchivaconcipistea Dr. Goldmann). 

* Dae (hereHeee et ämiW lioit 

■ VgL aber die«et Wert Schmeller*, S» 657, woU aniemmenhlngend mit 
,cpeckklmmer]ebi% noeb bente in Tirol ftr «eweet* gebitnchlidb« 

* In der Note au e. 8. 



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136 



unbestreitbar vor R, die ,nolharden^ Bekanntlicherweise tauchen 
die Loliarden im 14. Jahrhtinderto in Belgien anf^^ wo einselne 
Begharden und Begain cn mit diesem Namen bel^t worden. 
Aber erst seitdem die Wiklifiten als LoUarden beseicbnet wtir> 
den, erlangte dieser Ketzemame weitere VerbreHung.' Eine 
Veraion, welche die Loliarden nannte, kann nicht wohl vor dem 
letzten Viertel des 14. Jahrhund^ia entstanden sein. Aber auch 
nicht viel spllter werden wir die Fassung von Te. 3 ansetzen 
dfirfen. Denn es fehlen die Hnsiten, welche ^ S c. 4* an ent- 
sprechender Stelle anstatt der LoUarden nennt, c. 3 gibt 
einen älteren Text, indem es die Ketzer mit Fra Doleino, der 
im Bisthnme Trient gewirkt und Anhänger gefiinden hat, be- 
schlieast.* In c. 4 verdoppelt T die Bussen gegenüber i?. 
A deckt sich im entsprechenden Hb. 3 c. 5 mit T,* Aach hier 
wird T einen jüngeren Text bieten als i^, da eher eine Er^ 
höhung dieser Bussen auf Lästerung Gottes und der Heiligen 
im Laufe der Zeit wird angenommen werden kOnnen als eine 
Ermässigung. Auch macht der Znsats su T c. 4, der diese Ver^ 
doppelung ausspricht, ganz den Eindruck eines späteren Nach- 
träges.* 7*c. 7 bietet einen etwas gekttrcten Text gegenüber 
R c. 7, der aber nur durch Auslassung entstanden sem kann. 
Es handelt sich hier um körperliche Verletzung durch Waffen. 
Dabei wird untmachieden, ob die Verletzang eine blutrünstige 



* Hergenrüther, Ilaiidbucb der All^^meiueD Kirchengeschicht« 1, 9S8. 
Wetser und Welte» KUcheiilesikoii*, 8, 126; Seeleneyklopidie Ar pco- 
teetantiaohe Theologie und Ktrehe S» 796. 

* HeigenrOtber a. a. O. S, S14| Wetier und Welte a. a. O. BealencjUo- 

pSdif> n. a. O. 

* Gedruckt von Segarissi, Contribulo alle «toria di Fra Doleino, Trideo* 
tarn 3, 275. 

* Segarizxi a. a. O. 278. Doleino i«t gestorben 1S07. 

* Hennt 10 Pfand nnd 5 Pfond, naob T freiliok 6 Pfdnd. 

* Bin« Differens Mbeint aneb awiRchen To. 6 nnd A e. 5 an walten. Doeb 
liegt in T nur ein Missveretlndnls der in J2 e. 5 erwibnten ,actio iniu- 
r'mnjm* vor. Th liest hier »tatt des sinnlosen .statntnni*, Z. 5: »ge- 
schlagen i»t worden, {rescliehe nach <les sUittrichtors willen*. Damit er- 
hlftrt Bich das Miss Verständnis. Die ätelle lautet in H: »reservata Ac- 
tione clTili ofdinario iure ininriam pano*. Dar Übersetier faarte «civili 
ordinario* als Stadtriebter and sah im Reservate actfoae* ein Beeht des- 
selben, die Hnhe der Strafe su bestimmen, wozu ihn der voiangehende 
Satz, dass di<> Strafe nach dem Stande der Bethoiliglea und den Um» 
ständen der That abgestuft sein soUte» verleitete. 



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187 



war oder nicht Beaonders aasgeseiolmet wird dann der Fall, 
wenn die Verletatmg an Haupt, Antiits oder Hab zugeHlgt 
worden ist Nachdem dieser Fall eiiedigt ist, filhrt T fort: 
,Qnd ob das plut nit ansget von den schlegen' n. s. w. Das 
kann sich» obwohl es nidit gesagt wird, nur anf eine Ver- 
letsnng beaiehen, die einen andern KOrpertheil als Kopf; Ant- 
Uta oder Hals betroffen hat;' dabei vermisst man aber eine 
Bestimmung fUr den FaU, dass diese Verletzung blutrttnstig 
war. Beides findet sich in i?, dessen Wortlaut aus logischen 
GrUnden der echte sein mnss.* Ein Mehr bietet dagegen 
5r c. 35 gegenüber Ä c. 35, indem nach T bei Verwendung 
Ton falschem Maass der Weinschenke ausser der Busse auch 
den Wein verliert. Da aber auch das älteste Statut der Sin- 
dici, c. 3, und das spätere, c. 29. diese Verschärfung der Strafe 
nicht kennen, wird mau den Zusatz streichen müssen. A* c. 55 
bietet die Taxen der Judices vollständig, während 7'c. 55 nur 
den Anlang davon enthält mit der Bemerkung: ,Do gehört 
noch etwas mer zue, daz da nit ist gebesen in geschrift/ 

Von c. 59 an diflferiert die Zählung der Capitel. T 
scheidet dieses Capitel in zwei, indem es in c. 59 unter der 
Rubrik; ,V(in dem Ion der noder und derselben instrumenten* 
den ersten Absatz von R e. 59, und s^war in herzlich schlechter 
Übersetzunf;^, bringt.^ Darauf folgt als c. 60 mit der Titel- 
rubrik: jAber von nodern* dasselbe R e. 59 von dem ersten 
Absätze bis zu Ende, und zwar diesmal in aussergewöhnHch 
guter Übersetzung^^ die ihrem ganzen Charakter nach von 



' TK bat die Attslttmng g«ftthlt; d««balb bemeykt es sttm Scbliumi 
,nnd das ist war, wao die wunden an «inem «ade» ort teind, wen an 

objfeniolteii.' 

' So auch im gaazeii A Hb. 2, c. 10, da» freilich den Wortlaut sehr ver- 
ändert und durchaus mit Clib. 3, c. 11 Übereinstimmt. Das lücken- 
hafte £ e. IB dagegen wird eigiaat danh 2*e. 18. 

■ Vgl. eben 8. lOB. 

* Wibfend iPe. 60 ,tenninne* mit ^prontfeetf wiedergibt, tagt c 80 ,end^ 

tag* oder ,tormtnas*. Nur finden sich einige Auslassunf^en, die sicher 
den Copisten zur Last fallen. »Locatio' i.st freilich anch hier irrig als 
,tadi(r, do einer sein gut versetzt' wiedergegeben. D;i.s .imituum' der 
Vorlage ist ausgefallen und damit der gause Sinn geändert. Das sonst 
■0 oft niseverttandeae .compromiianm* wird hier richtig mit .hindere 
ganlt* Teidentaebt, das ,contnetnm dotia*, das aonat mit Morgengabe 
libenelat wifd, wifd liier gana vereinaelt llbeifetat mit: ,baini8tear» die 



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188 



dem Vorhcrjrchcnden derart absticht, dass dieses Caj)itol niclit von 
demselben Verfasser herrühren kann wie das Übrige und nv 
mentlich wie das Yorsngehende T c. 50. Es ist klar, dass hier 
nur R, nicht T die ursprüngliche Gestalt des Statuts wieder- 
gibt. Eine kleine Differenz zwischen T q. 61 und R c. 60 wird 
ebenfalls für R za entscheiden sein. T lllsst als Entschol« 
digungsgrund für Notare Krankheit und: ,andern genOdgen 
aaoh' gelten. R nennt »iasta absentia', und A lib. 1 c. 62 stimmt 
damit ttberein. 

Eine bedeutendere Verschiebung der Capitel tritt ein mit 
T c. 64 — 7S. Diese CSapitel stehen in am Schlüsse der alten 
Statuten hinter der Novelle des Bischofs Baitholomäns Ton 1307. 
Sie bilden ein ausammenhängendes Qanae, eine einheitliehe 
Fleischhauerordnung,^ deren einzebe Bestimmungen in CSapitel 
aufgelöst worden sind. Wenn B diese Ordnung am Schlüsse 
bringt^ so wird es der ältesten Form der Statuten nilher kommen 
als Tf das diese Ordnung mitten unter andere Bestimmungen 
hineinschiebt' Nur dürfte sie älter sein als die Novelle von 
1307 und daher vor dieser ihren Plate au nehmen haben, denn 
während die Novelle Proto- und Eschatokoll bewahrt hat, ist 
beides in der Fleischhanerordnung fbrtge&Uen. Eines dieser 
Capitel Tc. 66 fehlt in Da es aber im Statute der Sindici 
als c. 7 erscheint, müssen wir es ftlr echt halten und hier für 
R eine Lücke constatieren. Umgekehrt iehlt wieder B c 166, 
mit dem c. 10 des Statuts der Sindici übereinstimmt, in 
wohl aber entspricht ihm ein Zusatz zu o. 67 und 68' in Tk,^ 
In T c. 74 fehlt gegenüber B c. 63 die Angabe der Grenzen 
des Districts von Trient. Aber da c. 16 des Statuts der Sin- 



«n nao leinein weib thnt*, swar nicht dem Begriffe der romaDucben 
,d(M* entiprecbend, aber inaofern riebtig» als die Oabe« welche die Fkran 
in Doutj^cbtirol In die Ehe mitbringt» eben die Heiiesteiier war; vgl. 

Festgaben für Budiiigyr 348 f. 
' Ausser dtnn Zusntzgesetz Tc. 71. 

' Dueb haben die Exemplare von X, mich denen das Statut uad die iu- 
«traotion f&r die ttldtitcben Sindici bearbeitet »lad, die PMaeherofdnttog 
an denelben Stelle enthalten wie 21 

' In Th fehlt dne BniNcik fttr c. 68, das vielmehr mit dem voiaagehenden 

c. 67 nur ein Capitel bildet. 
* f. 10: ,lt(nn da« alle flei.schhagker siillen don «tchwein tutten abschneiden 
und soll si nicht an dor llGisclii)ank verkaufen. Und wann diei ainor 
ubert'ort, ist er schuldig XX buI. Ver. par.' 



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189 



dici mit R stimmt und dieser ganze Zusata, wie schon oben* 
bemerkt wurde, nur fftr Trient, nicht aber ftlr Rovereto in Be- 
tracht kommt, so haben wir in R und nicht in T den ur- 
sprünglichen Text zu sehen. R c. 69 und 70 sind in 7* in 
eines, c. 80, zusammengezogen. Auch hier bietet R die ur- 
sprüngliche Fassung, denn R c. 10 erscheint ab besonderes 
Oapitel auch im alten Statute der Sindici als c. 19 und besitzt 
seine eigene ToUkommen passende Rubrica. T c. 97 enthält 
gegen R c. 87 eine Straferhohung fUr den Fall, wenn bei einem 
durch Fahrlässigkeit entstandenen Brande auch fremde Häuser 
abbrennen. Weil aber R c. 87 am Schlüsse doch auch diese 
höhere POn kennt, muss der Text von R hier lückenhaft sein. 
R c. 9t wird In T in zwei selbständige Oapitel; c. 101 und 102» 
zerlegt In Ä ist nur To, 101 als lib. 2, c. 50 tibergegangen, 
daher wird auch die Vorlage von A bereits beide Capitel ge- 
trennt haben. T c. 112 enthält nicht nur eine andere Straf- 
bfstiramung als R c. 101, sondern fasst auch den Fall ins 
Aiv^ü, dass derjenige, welcher im fVcnulcn Garten angetroffen 
wird, dort Schaden angerichtet hat. Beide Varuiuten sind 
auch in das alle Statut der Sindici, c. 28, und in -^1 lib. 3, 50 
übergegangen. Wir mUssen daher hier T den Vorzug geben 
und eine Auslassung in E c. 101 annehmen, zumal auch hier die 
Straibemessung als eine ungcwühnlieli hohe zu bezeichnen ist.' 

Im Folgenden finden sich dann einige Auslassungen in T, 
Ks fehlt R c. 104, das wir im alten Statute der Sindici als 
c. 31 und ebenso in A lib. 3,.e. 53 wieder treffen. Wir dürfen 
es daher unbedenklleh für die Trienter Statuten in Besehlag 
nehmen. Autrall< nder als der Ausfall dieses unbedeutenden 
Statuts über Jb'eidschaden ist das Fehlen von R e. 112 — 115, 
das ist jener Bestimmungen, welche über den Kriegs und 
Wachdienst Aufschluss geben. Da auch die ländlic he Reyrd- 
kerMTiir zum Waehdienste verpflichtet war, kann an eine beab- 
sichtigte Auslassung etwa aus dem Grunde, dass 7' t\lr den 
Gebrauch am Lande abgefasst war,^ nicht gedacht werden. 

' Vgl S. 132. 

* Die Titelrubrik zu T c. 119 deckt sich uicht mit der von B c. 109, diese 
erh&lt aber ebenfalls dureh das Statut der Sindi^, e. 84, und die ipttereii 
Sielateo ibie Deekonf . 

* Wie Malfatti a. a. O. 24, n. 4» meint. Dm dort beMwMndete Tc 14S 
findet lieh in JSc 184. 



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140 



Alle vier Capitel finden wir wieder theils im Statute der Sin- 
dici, theils in Aj und damit sind diese wichtigen Capitel für 
die ftltesten Trienter Statuten gerettet.' 

Nur verstellt ist R q. 123, das sich als 138 wioder- 
rind( t. Im Folgenden beginnen nun die Verdoppelungen, welche 
r t'igeiithUmlich sind. 7'c. 135 isi nur eine \\'ie(lorliolung von 
T c. 26, T c. 13G eine solche von T c. ll'Ü. Beide Capitel 
linden sich in R nur ein mal als c. 26 und 120. Ebenso steht 
es mit To. 146 und c. 30 und T v. 147 nn<l c. 40. Aueh diese 
Capitel stehen nur einmal in R. Sclion oben ist darauf hin- 
gewiesen worden, dass diese verdoppelten Capitel sich zwar 
deutlieh als übersetüuii^r des^^(•^H•n latciniachen Textes ;;el)en, 
aber unter einander durehaus selbständig sind. W'iv werden 
auf diese Krsrlieimmg zurückkommen müssen. Jedenfalls stan- 
den diese Capitel nm* einmai, und zwar dort itu Urtexte, wo 
sie R anführt. 

Die Kubiikcn von T c. 139 uud 140 sind, wie der Inhalt 
ergibt, vertauscht; richtig stehen sie Uber den entsprechenden 
Äc. 131 und 132. Wenn in Tc. 142 gegenüber Ä c. 134 die 
Aufsählang der verbotenen Waffen gekürzt ist, so waren die 
Namen dieser '\\'afr{ n dem Ubersetzer zum Theile wohl nicht 
verständlich.^ 7'c. 159 umfasst drei Absätze, welche in als 
selbständige Capitel, c. 140, 152 und 153, erscheinen. Dagegen 
fehlen R c, löO und löl in T. Doch bietet hier R die voll- 
ständigere und correctere Fassung, denn die Rubrik von 
T c. 149 passt nur znm ersten Absätze, und R c. 153 ersehemt 
auch im Statute der Sindici als besonderes Capitel, c. 43, mit 
einer Rubrik, welche der der Roveretaner Statuten gleich 
ist. Auch c. 150 und 151 tther den Lohn ländlicher Arbeiten 
werden wir Air den Urtext der Statuten in Ansprach nehmen 
dtirfen, wenn uns aueh dafUr das Statut der Sindici und Ä im 



^ H c. 112 oüUpriclit Ä lib. 2, c. 84 and C^lib. 3, c. 113. ß c. 113 und lU 
finden sich wieder im Statute der Sindici, c. 37 und 38; Bc IIS «nt* 
•prichi dem Inhalle, wenn nach nicht gnns dem WorUnnte nach Ä 
lib. 3, c. 97; JS c. lU ebento A Hb. 3» c. 98 nad beide wieder Clib.9, 
e. lOa nnd 104. Mctti entspricht fest gans Ä IIb. c. 8«. 

* Th setit nach ,C sol. Ter.*, Z. 4: ,Tom nngnn, tob der nzt und udre 
rerpoMen wece C eol. Vet/. 



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Ul 



Stiche lassen.' Da sie Ittadliche Verhältnisse betrafen, fanden 
sie im Statute der Sindici keinen Platz. 

Den Beginn der neuen Statuten setzen T und R nicht 
gleich an. T sfthlt, wie schon erwähnt^ die Novelle des Bi- 
schofs Bartholomäus von 1S07 bereits zu den neuen Statuten,* 
lässt aber dann hernach nochmal die neuen Statuten beginnen 
und bezeichnet T 2 unzweifelhaft als das erste der neuen 
Statuten.* R bringt die Novelle, wie schon erwähnt, ohne 
Zweifel nicht mit Recht als c. 161 der alten Statuten vor der 
Fleischhauerordnung.* Es folgt nun in R diese und hierauf 
eine Novelle des Bischofs Heinrich von 132)3. weklio die (Jes- 
sion von Forderungen verbietet. Novelle ist in 7' nieiit 

tibergegangen,* wohl aber mit der Beschrank uiig der Ocbüioij 
an jpoteiitiores', welche Gerichtsbarkeit ausüben, und an bi- 
schöHiehe Hofgenossen in A*' und C'.^ Da sie den Redaetoren 
von A vurgelegen haben muss, so hat sie sich jed('nialls im 
Trienter Statutencodex vermuthlicb nach der Novelle von 1307 
befunden. 

Die neuen Statuten lassen sich in beiden Rcccnsionen 
nicht nielir vollständig vergleichen, weil Gar in senier Aus- 
gabe jene Oapitel weggelafiseu hat, welche nur würüicho 



* A ontbilt üb. 3, e. 7S LobnUxen Ihnlielien Inhalte («neh C 2, e. 82 
wiederholt), die aber nicht anf B e. 160 nnd 161 beruhen. 

* Tomasehek libH lie nngeidiiekterweiM als entei Capitel der neuen 

Statuten. 

* In der !^nl»rirM- Doh or-;t*n( wie man ein jede pernon llden iol' u. s. w. 

nnd im 'i'exte: ,iteiii zum »irrten sfczen wir* u. ». w. 

* Aus t\vT Eiwähiiunj^ die«iür Xovollo in (Ihh rrkuiitlen von 1349 April '29 
und 139d März 26, Bonelli, MouuiuentK eccl&Miae Trid. 4, 103 und lld, 
liMen lieh nieht die Folgerungen liehen, die Tonuuchek n. «. O. 91 dar- 
an« ableiten will. Bs ergibt sich nur, dass beidemale Tereehiedene Hand- 
schriften mit venchiedeoen Titelrubriken citiert werden. Die Rnbrik 
in der Urkunde von 1399 ist dieselbe wie in den Roveretaner Statuten 
iitul (locli ist hier noch das Capitei mit vollem Kähmen als Qesets des 
lii.scliofs nartholoiiiäus niitfjetheilt. 

* Nur T' c. 72 ontliält oine Hescliränkung der Cession, indem Gericht- 
lichkeit verlaugt wird. Diese iiestimmung ist in die späteren Statuten 
nicht flbemommen worden. Dieselbe hatte offenbar den Zweck, die Movetle 
von 188S «nfsnheben. 

« Ub. 1, c. 06. 
« Ub. 1, G. »1. 



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142 



Wiederholungen solcher aus den alten Statuten darstellen.' 
Daraas erkllbrt sich, wie schon erwAhnt, die betrichtUofae Dif- 
ferenz in der Zfthlung der Gapitel swischen 7* und nach 
dem Drucke Gar's. Im übrigen finden wir auch hier awischeo 
beiden Reoensiimen mit wenigen Ausnahmen den engsten An- 
schlüsse So hat T' c. 15, im ftbrigen c. 13 entsprechend, 
einen kaum verständlichen Zusatz,' der wohl nur einem Irr- 
thome des Ubersetzers seinen Ursprung verdankt. Die Fassung 
von R' c. 13 ist wörtlich von A lib. 1, c. 15, ttbernomiiien wor- 
den. Ebenso weist T' c. 25 am Schlüsse gegouüber Ii" c. 23 
einen Zusatz iun. ' Dieses Capitel scliliesst mit Verweisnnj,'- auf 
dus vorhergehende Persoiial.u rest wegen Schulden aus, ausser 
wenn sich ein Fremder einem Trienter dazu in der Schuld- 
urkunde veii)fli(ht<'t bat, und der Fremde kein unbewegliches 
Vermögen im Bisthuiue besitzt, zugleich der Richter darauf 
erkennt. Das letzte f\\hrt nun T' weiter aus, indem es den 
Eid des Arrest werbers zu fordern scheint.* Diese Bestimmung 
ist allerdings auch in A Ub. 1, c. 40^ und 6' hb. 1, c. 105, wieder- 



* Wie T' c. 13, das B c. 137 = T c. 14.') wicderh-'lt mit poringen Uuter- 
schieden, die sich ans A 1, c. 13, ergeben, in Tc, 1 46 tuus« die hurae für eine 
Fraa «XL sol.', nicht wie nach dem Drucke von Tonasohek ,60 lol.' bo* 
tragen. T c Sl nnd 82 wiederholen 7e. 62 nnd Re,9% nnd 78 
(sn dieeem dmckt Qar die Yariantett der neuen Sututen in den Noten), 
ebenso r' c. 40 = r und R c. 60, T' c. 42 = T und Ä c. 51, T' c. 62 = 
Tc. 134 und R. c. 129 (mit Angabe der Varianton von R' in den Noten), 
T' c. 53 = T und Jic. 64 (mit ffnuz g-eringen Änderuugren), T' c. 56 = T 
und U c 26, 7*' c 58 — T uud U c bb. T' c 69 entspricht dem leUten 
Abntee Ton B o. 66. T 9, 60—64 wiederholen T und B e. 66—62 nnr 
mit tbeilweiie erhsltten BnasanOteen nnd Taxen. Dabei iefc T'c 66 
dnrchauB unvollständig. T c. 65 entepru ht r c. 61 und R c 60, 1" 
c. 66 = r c. 62 — Ä V. 61, T' c. 69 ^ T c TiG R c. 120, T' c TO 
and 71 — T c. 128 und 138 = R c. 122 und 123, T' c. 74 and 75 = T 
c. 133 und ö7 = Ä c. 128 und 77. 

* Den Tomascbek a. a. O. 180, n. 1 mit Unrecht mit den filteren Bore- 
letaner Statuten in Zniammenhang bringt Der Znaate, 8L 179, leiste 
Zeile: ,nnr alein er were sei, oder er welle sei weren besnnderlieh oder 
gemaineklidk die vor genanten gewer von den guteten oder von einem 
gut alain*. 

* Tomaachek a. a. O. 184, Z. 7: ,in ^\ol('ll^>^1l' bis Schluss. In Gar's Druck 
von a. 23 ist a. a. O. 76, 7j. 16 statt ,ubi l'uerint' ,ui8t fueriut' zu ItJt^en, 
was der Sinn fordert und sieh ans dem ,nnr al^n* von c. 26 ergibt 

* Über die vielfach geforderte Beeidigung des Arrsstgrundes vgl. Wadi, 
Der italienische ArreitproceM 160 f., 164, n. 37. 



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143 



liolt. aber diese Capitel gehen nicht auf die ältere in T und 
R' vorliegende Fassung zurück, sondern sind eine Neu- 
schöpfung der Redactorcn von A. Es muss also dahin- 
gestellt bleiben, ob der Zusatz in T' c. 25 alt und echt oder 
erst, wie es eher scheint, später hinzugefügt ist. 

Von T' c, 60 an bis c. 64 sind die Rubriken derart ver- 
schoben, dass jede cum nächsten Capitel gehört. R wahrt den 
richt^en Zusammenhang. Die Rubrik von T' c. 65 passt 
gar erst zu c. 67. 2' e. 68 findet sich weder in /?, noch in R\ 
wo es vielleicht durch Zufall ausgefallen ist.^ Ebenso fehlt 
T* c. 73, enthaltend die Strafe dessen, der eine bezahlte Geld- 
schuld wieder fordert, in R und R', wir treffen es aber wieder 
in A Üb. 1, c. 66, und in C üb. 1, c. G7, und müssen es daher 
als echt ansehen. Begreiflieli erweise fehlt in den Roveretaner 
Statuten T c. 76 mit der Publioationsfonnel des Bischofs Ni* 
colans, welche bei der Umredaction weggelassen wurde. T* 
c. 77 ist nur eine Glosse^ die von einem Abschreiber herrllhrt 
und auch^ wie oben erwähnt, in Th fehlt 

Fassen wir nun das Resultat unserer Vergleichung zu- 
sammeni so finden wir, dass sich R und T ungemein nahe- 
stehen, dass die Differenzen nicht grösser sind als zwischen 
den Handschriftengruppen anderer Rechtsbttoher. Im ganzen 
mnssten wir erkennen, dass R vielfach dem verlorenen Ur- 
texte der Statuten näher steht als aber auch T bietet einige 
Ergänzungen und Vai-ianten, die durch spätere Quellen als echt 
beglaubigt werden. Andererseits haben wir gesehen, dass 
wenigstens das 3. Capitel von T in seiner jetzigen Fassung 
erst dem Ausgange des 14. Jahrhunderts an^eliören i;ann, 
Daraus würde sich ergehen, dass die Übersetzung gegen Aus- 
gang des 14. oder zu Beginn des 15. Jahrhunderts entstanden 
wäre, und diese Zeitgrenze würde auch mit den nationalen 
Verhältnissen stimmen.^ Jedenfalls werden wir die Ubersetzung 
vor 1425, dem Jahre der Nein-edaction der Statuten, anzAisetzen 
haben. Es kann nicht Wunder nehmen, dass die Originalhand- 
schrift nicht erhalten blieb. Denn wie viele Statutenhand- 
schrifien sind verloren, weil bei der Neuredactiou als wertlos bei 



* fiboMO T vgl. oben 8. 141, n. 6. 
« Vgl. obM 8. 1S7. 



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144 



Seite gelegt!* Auch das kann nicht aufikllen, dase die deutsche 
Übersetzung neben dem Alexandrinischen Statute noch Beach- 
tung fand. So lange Gesetze nur handschriftlich verbreitet sind, 
ist es begreiflich, wenn namentlich auf dem Lande ältere Re- 
ct Msionen neben jüngeren im Gebrauche bleiben. Die deutsche 
l]bersjclzun|4 bot zudem noch immer zum allcrgrüssten Theile 
wenigstens wii klich praktisches Ueclit umi deutschen Beamten 
einen brauchbaren Behelf, sich Uber den Inhalt desselben zu 
unterrichten. 

Schon sind wir in T auf die merkwürdigen Verdoppc- 
lungeu gestosson. w elche in Ii durchaus fehlen. Wir haben 
bi i einer dieser c. ö'.> und c. C)0 mit Siclierheit constaticren 
kuimen, dass beide (/apitcl unmöglich von einem und dem- 
bclbcn Uberüctzer herrühren können. Auch bei den anderen 
ist dies wenig wahrscheinlich, weil die llbersetzung der ver- 
doppelten Capitel jedesmal eine andere ist, eine andere Auf- 
fassung, hUufig auch andere Irrthümer zeigt. "Will man nicht 
annehmen, dass der Text von T und Th eine Compiiation aus 
mehreren einst vorhandenen llbcrsetzungen darstellt, so wird 
man unzweifelhail die Mitwirkung mehrerer Übersetzer an- 
nehmen müssen. 

Wenn nun R wirkhch mit Ausnahrae geringer Verände- 
rungen den ursprünglichen Text bietet, so müssen damit jene 
vereinzelten Überbleibsel der Trienter Statuten stimmen, welche 
uns sonst noch im ältesten Statute der Sindici von Trient und 
in Urkunden erhalten sind. 

Das älteste Statut der Sindici liegt in einer Fassung des 
14. Jahrhunderts vor.* Um die Bedeutung dieses Statuts zu 
würdigen, mttssen wir einen Blick auf die Entwicklung der 
Gemeindeverfassung in Trient werfen, die sich ganz eigen- 
thttmlich gestaltet hat.^ Es ist schon mehrfach darauf hinge» 
wiesen worden, dass sieh im 12. Jahrhunderte die Consular- 
verfassung in Trient in ähnlicher Weise wie in den italienischen 



* Pertile, fitoria del diritto Ital. >, U» % 188. An« Florenz liegen s. B. St»- 
taten erst aas dem 14. Jahrhunderte vor, obwohl Rolche schon in Ur- 
kunden i\m 12. Jnl'r>!nTulert.<; citiert worden; Ilavideobn, FortchongMl 
srar äUereu Geschichte vun Floreuz 1, 137. 

* llerauflgegeben von Keich, Del piä «ntico statuto della citt^ di Trento, 
Trienter Gjinnaaialprogramm 1889. 

* In allgeniehien Beleb a. «. O. 



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Comnnen ausgebildet hat. ' Allerdings hat sich Uber die 

Thfttigkeit dieser Consuln keine urkundliche Nachricht er- 
halten. Wohl aber lassen sich aus der Urkunde Kiiiser Fried- 
richs I. von 1182 Februar 9 (Stumpf, 4335), mit der der 
Kaiser allen autonomen Bestrebungen ein Endo gemacht hat, 
Rückschlüsse ziehen.* Daiiiach sollen die Consuln in Trieut 
für immer ab£rescliafl't sein, die Stadt in allem tlem Rischofe 
luiterfTcordnet ijlciben. Ohne Erlaubnis des Bischofs darf nie- 
mand Befestif^ungen und ThUrme bauen, Unadelige und Un- 
freie auch nicht ohne Zustimmung des Vogtes. Die vorhan- 
denen Befestigungen müssen niedergerissen werden. Die Bürger 
dürfen keine Bestimmungen Uber Maass und Gewicht treffen, 
dürfen keine Steuern erheben, über die Briiekej Sebiftahrt, 
und Münze nicht verfügen. Dies alles bleibt vielmelir dem Bi- 
schöfe reserviert. Die Trienter dürfen ferner keine Fremden 
zu Bürgern aufnehmen; wer gezwungen oder freiwillig sich 
den Trientem unterworfen bat. soll frei sein; wer sich in 
Trient eingebürgert hat. ist seiner P+bebt ledig. Wir erkennen 
daraus, dass die Consuln die Regahen des Bisebofs zum Theile 
an sich gezogen hatten, dass sie Steuern eriioben, durch Auf- 
nahme von Ausbür«;ern die Maclit der Stadt zu stärken suchten, 
dass sie das Hache ]>and sich zu unterwerfen traclitcten ganz 
in derselben Weise, wie dies in so vielen lombardisclien Städten 
geschehen war,* wo die Rechte des bischöflichen Stadtherm 
von der Comune waren aufgesaugt worden. Das hatte nun 
ein Ende, aber die Urkunde Kaiser Friedrichs I. bat keines- 
wegs auch die Gemeinde vernichtet, sie nahm ihr nur ihre 
eigenthttmÜchen Organe. Die Gemeinde behielt ihr Vermögen, 
das gemeine Land und gewisse Einkünfte, die ihr von den 

* OiovanelH, Zpfoa <V\ Trento 74; Gnr, FinloituTio- /nr Ansg-abo der 
Cles'schen Statuten 14 f.; CrMseri, Ricerelie storiche 11 f. Dio (Jousiiln 
von Trieut werden das erstemal erwähnt in der bisher Übersehenen Ur- 
kunde TOB 1145 Norember 19, Biaaeolini, Chieie diTeroiia 5bt 76. 

* Schwind und Dopaeb, Aiufewlhlte Urtmoden mr Terfastni^ageseliichte, 
Nr. 11. ZNa Bfl«timnniiig«ii diMer Urkunde waren gewiss nicht M pU* 
toniacher Natnr, wie Reich a. a. O. 10 meint Doch wendet sich Reich 
mit Recht gegen dif Ansicht dflr Ältoron. als wÄro Trioiit erst damalfl 
oder gar erst 1210 der bi.HchUflielieti Herrschaft unterworfen worden. 

* Pertile, Storia del diritto Ital. *, II, 1, 18 f., 68 f. Ficker, Forschungen 
snr Beich«- und HechtagcMiehichte Itali«iui 1, S8t. Von nmemi nament» 
lieb Davidflobn, OMchiehte von Hörens 1, 8S0f. 

aivliiv. ICIL Ba«4. I. BUfM. 10 



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146 

BiBchOfen ttberlassen wurden. Orgßn der Gemeinde war jetzt, 
wie in jedem Dorfe, die volle Versammliuig der Btti^ger. Zor 
Vertretung der Gemeinde bei Rechtageschäften standen ihr 
lediglich wie jeder Corporation nach dem um diese Zeit reci- 
pierten rtfmischen Rechte dasa ernannte StellTertreter (sindici) 
za.^ Solche erscheinen in einer Urkunde von 1909 Jnli 21,' 
in welcher Bisehof Friedrich die Stadt mit dem Beohte^ Hols< 
und Pechhandel in Trient sn betreiben, belehnte. Die Ver- 
waltung des Vermögens macht Gemeindebeamte nöthig; es 
werden hier zwei Einnehmer (caniparii) zur Ent^'o^unnahme 
der Einnahmen eingesetzt, von denen einer allerdings vom Bi- 
schöfe und nur der andere von der Gemeinde ani^estellt wird. 
Wie tiof der Kinfluss des Biscliofs in die Gemcindeangele^en- 
heiteii damals noch greift, crpbt sich daraus, dass die im 
13. Jitlii hunderte errichtete ,caiiipa communis', das städtische 
Lagerhaus, mehr von ihm als von dun liUrgern abhängig ist,' 
und dass noch Biscliof E«rno die Verproviantierung- und die 
Verhältnisse dieser ,canipa' durch eigene (jcsct^e ordnet.^ Die 
Sindici waren anfangs sicher nur von l'all mi Fall ernannt.^ 
Als der Gemeinde im Laufe der Zeit mehr Rechte zugestanden 
wurden, wuchs auch die Hedcutunf^ der biudilver. Sie besassen 
im 14. Jahrhunderte * neben der Vcrwaitunjj^ des Gcmeiudever- 
möß;ens £:^(^wi88e markt und sicherheitf»poli5iciliche Befugnisse; 
sie ühlrii die Feuei-polizei, die Haupolizei, überwachten Zufuhr 
und Auäfuhr aus der »Stadt, iUUrteu die Aufsicht tibcr den 

* Oierk«, Dm daalMhe Oanoamatehallsrecht 3, tS2, 

* Kink. Font rer. Auttr. ft, Nr. 70. Ferner encheiuen die ,aliidi«i* in Ur- 
kunden von 1210» Xink a. a. O., Nr. 84, Itti; Bonetli, Notixie intono at 
beato Adelprete 2, 655 n f. n. «. w. 

' Vfrl. ÄMvray, Les r^istren de (inViire IX, 1, Nr. 1899. lUf ,i ?intpa' eiv 
Ncheiiit mhon .seit 1224. die .caiiiparii' sind ,d' epiBCO|n et coiiiuiitiiitAti«** 
Acta Tirol, 2, Nr. 612, ä67» £»74. 

* Vgl. fieilag« Nr. S. Dagegen nehneo Sindiei der 8tad|g«aeliide die 
KInfe nur Anlege de« Campo Marco vor, Mai 8, 17, «. d., Jnnl 1. 
Wien St-A. 

* 1224 hegeprict fin Zacheus ^sinfllcu.'i' im Mai und Juni, der die An- 
ItMtifc zur Aiilapo des ,Campo marzo* uml die Verpachtung von FleiJwU- 
bÄiikau (1224 Mai 27) vornimmt. Im Herbste 1224 November 
nehmen eine JUinliche Verpachtung vor ,Witoldaa et Enricns de Bo^ano 
■indiei«. Oiif.. Wien 8t.-A. Für ein beatinuntae Geaefaift enaante 
SIndiei 1854, Hormajr, Gaaofaiehte Tiiola I, 8, Nr. 101. 

* Naek ihrer Inatmction bei Raidi a. a. 0. 68. 



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147 



FletBch- und LebensmittelTerkauf, sie ftbeiprUfteB Ifam und 
Gewicht, hatten für die Reinlichkeit in der Stadt zn sorgen. 
Dabei obliegt ihnen in gewiseen Fftllen die Bestrafong der 
Übertretungen, hHafiger haben sie solche einfoeh dem bischöf- 
lichen Richter anzuzeigen. Sie besitaen femer militirische Be- 
fugnisse und haben für Einhaltung des Wach- und PatroniUen« 
dienstes an sorgen. Sie ftben abcnr auch die Flur- und Qrund- 
gerichtsbarkeit aus, die sich aus dem Charakter der Stadt als 
einer Markgemeinde ergab. Deshalb haben sie die Flur- 
wächter (Saltner), die Rinder- und Pferdehirten anzustellen 
und erkennen über Plarfrevel, Thierschaden, über Chrenz- 
streitigkeiten, Wasserläufc, Canäle, Weggerechti^keiten und 
städtische und laiuiliche Servituten. Sehun im 14. Jahrhunderte 
sind die »Sindici zu .ständigen, auf gewisse Zeit von der Ge- 
meinde gewählten Beamten geworden.^ 

Die Statuten von Trient enthalten zerstreut eine Anzahl 
von Bestimmungen, welche die Amtsführung der Siudici be- 
treffen. Diese Bestimmungen sind noch im 14. Jahrhunderte 
zusammengestellt worden, um als besonderes Statut dem Gre- 
brauclie dieser Beamten zu dienen.* Am Schlüsse ist eine 
Amtsinstructioii für die Sindici angefUgt. Eine genaue Ver- 
gleichung ergibt nun, dass sich sÄmmtliche (Japitel dieser Sta- 
tuten, die im Folgenden mit S bezeichnet sein sollen, in Ä, die 
meisten auch in 2\ und zwar in wörtlicher Uberemstimmimg 
tinden.^ Fast Uberall gehen die Varianten nicht über das 
Maass dessen hinaus, was die Verschiedenheit der Hand- 
schriften naturgemäss mit sich bringt. Nur Sei, in den ersten 
fl\nf Zeilen R q. 130 und To,. 137 entnommen, zeigt eine sehr 
erweiterte Form, die freilich materiell kein Mehr bedeutet; 
zum Nutzen und Frommen der Sindiker wird nämlich das 
summarische Verfahren, das in ihrem Gerichte zur Anwendung 
gelangen soll, des näheren beschrieben.* Eine solche Erläuterung 
konnte in den allgemeinen Statuten fehlen. Schon ihr Inhalt 

* Vgl. Beilage Nr. 5 von 1342 und Urkunde 1340 Juli 16, Reich a.a. O. 37. 

* Eh ist das von Reich a. a. O. naoh einer HandachriA das 14. Jahrhunderts 

publicierte StAtut. 
» Vgl. Beilage Nr. 1. 

* Dieee Reeeuiion dee Capitols iit «ncli in A Ub. 8, e. 1 und C lib. % e. 1 
llberg«g»agea xtnA eatsprioht dem Drucke Ton C Ub. 8, e. 1 bei Oer 
a. a. 0. 147—148, Z. 9 hia ,nitti ajndici«. 

10* 



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148 



kensMichtidt sie aIs jUngeren Zoflats,* d» hier MiBser den 
Klaglibell auch noch die Litiscontestatio erlassen wird. Die 
Bussen pflegen, wenn sie Ton R abweichen, mit T sa stimmen, 
wie in 6 gleich ITc. 65' oder 8 c. 15 gleich Tc, 73 nnd 
A Ub. 3, c. 33b oder iSf c. 46 gleich T c. 47 (60 Solidi im 
GegensatBO sn 1? o. 47 40 Solidi). Anch 8 c. 28 deckt sich 
mit Tc. 112 gegen R c. 101 nicht nur in der Hohe der Bosse, 
sondern anch in einem kleinen Znsatae, der in R vielleicht nnr 
ausgefallen ist' An manchen Stellen aber kann der Text von 
8 durch R v^bessert werden.^ 

Nicht uninteressant ist die Anordnung der Oapitel in 8. 
In c. 1 werden die Bestimmungen Uber die Jurisdiction um 
Wege und andere Servituten vorangestellt, wohl weil sie als 
die wichtigsten erschienen. Sie entsprechen R c. 130 und 
T c. 137. Dann folgt eine Reihe von Capitcin in der Anord- 
nung von T, namentlich worden die Bestimmungen der Fleiseh- 
hauerordnung nicht wie in Ii am St hhisse, sondern genau in 
der Stellung wie in T ge])raeht. Die Reihenfolge von 7' ist 
his auf die letzten drei Capitel befolgt; dort werden als S c. 46 
bis 47 7? c. 47= Tc. 47, Äc.66=rc.77 und c. 75 = T 
c. Hf) angehängt. Wir diirfen also annehmenj dass S aus einer 
Vorlage entnommen wuide, welche in der Reihenfolge der Ca- 
pitel sich näher mit T als mit R berührte. 

Die Frage, ob S die ältere Form der Statuten darstellt, 
ob seine Capitel in T und R mit anderen Gesetzen eorapiliert 
wurden oder ob aus A' ausgezogen worden ist, mit anderen 
Worten, ob sc}u)n die alten Statuten von Trient naeh Materien 
iu Bücher getheüt waren, deren eines uns im Statute der Sin- 

* Die H»>toniinp-. wolcliR in Sei darntif g-pipirf uii l, In«« Tinm(»ntlirh 
ohne Littiscunte.st.itio zum UriUeil gp.schritteu koiui»>', <leutet auf 
daa 14. Jahrliuudurt. Im 13. Jahrhuii(i»rte wurde aiiordiugä bereits der 
«ehrifttiebe Klaglibell «rlMMn, der BriM der Utisoonteatatio iit ••llMiMr, 
▼gl. Briflgl^li, EiBloitang in die Theorie der rammarisoheii Procene 49/. 
Über die italienucheii Statuten nluMidort .31 f. 

' Der Strafs.itz von 10 Pfund in Ji c. 163 ist ein Uberra>i liend hoher und 
dürfte nur auf einem Irrtbume der Vorlage oder des Drucke« bembeii. 
» Vgl. oben S. 139. 

* So in c. 36, wo in Z. 3 daa aianloae »invenerit* mit ,iurerit* naeh JBe. Hi 
iD TerbeNerD ist, du ist, wenn der gedungene Arbiter die Aibelt nidiC 
leistet, oder c. 3t, wo neeli S e. lOft «tatt: ,et liic qni dampna Sntnlilf sn 
lesen istr ^lUns qoi dampaa intalit*. 



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149 



dici erhälteii wäre,* oder ob sie ohne Eintheiliing die chrono- 
logische Ordnung befolgten, eine Frage, die oben aus inneren 
Gründen filr die zweite Annahme bejaht wnrde, erhalt ihre ur- 
kundliche Entscheidung aus der am Schlüsse angefügten In- 
struction für die Sindici, den Junitationes sindicorum^ In ihr 
werden die Statuten wiederholt citiert, und zwar lEoineswegs 
nach Büchern und Bubriken, sondern nach der durchlaufenden 
Ordnungszahl der Capitel. Das Exemplar, nach dem da citiert 
wird, enthielt zum Unterschiede von den erhaltenen Hand- 
schriften von T und R eine durchlaufende Zählung der Ca- 
pitel, war aber nicht nacli J^ücliorn einj^^etheilt. J\eic'h glaubte 
feststellen zu köniRn, dass diese CiUilc mit r nicht stimmen, 
und schloss daraus, dass ein anderer Text vorgelegen haben 
müsse als 7'.- Nun wissen wir, dass T nicht ganz vollständig 
ist, und dass manche Rubriken liier willkiirlieh zusammen- 
gezogen und umgestellt wurden, wie man in dieser Bezieiumg 
überhaupt bei Handschriften von Rechtsdenkniälern sich oft 
hat Ungenauigkeiten zu Schulden kommen lassen."' VVu durten 
uns also über solche Diserepanzcn nicht wundem, umsomehr 
wenn man in Betracht üieht, wie Ii Rufig gerade lateinische 
Ziffern von s|>äteren Copisten verschrieben wurden. 

Im einz' liicri nun < lUspricht die in *S' c. f)2 angezogene 
Rubriea 77 mit dem Gebote, die Lebensmittel auf dem Blarkte 
zu verkaufen, thatsächlich T c. 77. Die in > c. 50 citierte 
Rubrik 65 stimmt allerdings in der Busse nur mit T c. 
Weil aber T c. 5*.', wie wir oben gesehen haben,^ zu streichen 
ist. eri;I1)t sich in A' für T c. GH in der Tliat die ('apitel- 
nuramer 6.^.*' In »S c. 54 wird auf eine l^tibrik ?>2 iihf r den 
Verkauf von Fischen verwiesen. Sie entsju n Iii thaUsjichlich 
T c. Offenbar ist in iS vor »XXXIT* ein ,L' ausgefaUen. 

* Wosn Beich su neigsn aeheliit» 

* H. %, O. 66^ o. 1. 

* Man vorgleiche nur H. di»« Haiifl'^chrifleu de» Saehfienspinjrf l'^ ihrer 
^romdu VerMhiedeDhoit, llomejer, l>eii Sachsenspiegela erster Theil, 
Ein!. 26 f. 

* Wo ,V Hb.' für ,X' verlesen ist, ebou»o ,X libta«* im eutsprechenden 
Sei. 

» meke ob«ii 8. 187. 

* Wail B e. les In T auagafiJIen ist, err«i«ht die Z&hlnng in Z bei T 
c. 69 wieder die Gapitelsalil in T. 



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Sehwieriger sind die folgenden FftUe auszugleichen. 8, c. 55 
führt die Rubrik 131 an, welche Te. 115 entspricht, S. e. 70 
die Rubrik 121 entsprechend 2*c. 119, S c. 77 die Rubrik 180 
in Wirklichkeit T c. 163. Aber auch fUr diese wird sich eine 
Erklärung finden lassen. Wir sahen, dass T c. 80 die wahr- 
schcinlich selbstilndigen R c. 69 und 70 zusammengezogen hat, 
und dasB R c. 104 in 7' ausgefallen ist, wo es hinter 7'c. 114 
seinen IMatz finden sollte. Daniaih crfj^äbc sicli iüi Tc. 115 
im Archetypus die Capitelzahl 117. Aus ,XVII* kann durch 
Verschreibung leicht ein .XXXF geworden sein, \ind dies wird 
um so wahrscheinlicher, als unter denselben Vüraussetzungeu 
die Glcichstelluni; von T c. 119 mit der in Sc. 70 angezogenen 
Rubrik 121 vollständig stimmt. Im Folgenden fehlen in T 
acht Capitcl, dagegen sind vier als Verdoppelungen zu streichen. 
Dies ergibt fUr Tv. 103 die Gleiehsetzung mit einem Xc. lt>9. 
Die Zahl 180 des S c. 77 kann mit Leichtigkeit aus dem 
Lesefehler ,I>XXX' statt ,LX1X' entstanden sein. Selbst wenn 
man diesen Kuk r i lationen nicht zustimmen würde, köunte man 
sich die Diffen r./, der Zäldnnrr durch Umstelhmg, Verdoppe- 
lungen u. s. w. erklären. i)ann aber ist die H;nidsehrift, welche 
dem Verfasser der Instruction vorlag, eine jUngere und ver- 
mehrte gewesen. In S c. 71 ist die Rede von einem jüngst 
erlassenen Statute, in welchem verboten war, Schweine in der 
Stadt herumlaufen zu lassen.^ Dieses Statut findet sieh nicht 
in R und T, wohl aber in A Hb. 3, c. 108 und CHb. 2, c. 114. 
Wie leicht konnten solche Zusätze ins Statut aufgenommen 
und als selbstflndige Capitel gezählt werden. Ferner ist falsche 
Zähiting der Capitel selbst in oflRcielten Ilandschriflen nichts 
Seltenes. Die aus dem bischöflichen Archive stammende, jetzt 
in Innsbruck befindliche Handschrift von A wiederholt im 
dritten liuclu; die Nummern 23 bis 27 zweimal und überspringt 
dafür 7 Ii hin 78, so dass das ganse Buch um zwei Capitel 
mehr besitzt, als die Zählung anzeigt. Das Entscheidende aber 
ist, dass weder das Statut noch die Instruction tOr die Sin- 
diker irgend ein Geseta anfdhrt, das in R und T nicht ent- 
halten wttre. Wir kSnnen daher mit Toller Sicherheit an- 



,8ub pena in statuto conteiiU de novo fftcta (oder ,f&otu* V), que est post 
Btatmtam rubrica, qne pena «st* Die Stalle ist OBTolbtliid^, viellikbt 
aneh venlsrbt. 



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151 



nebmeD, dasB uns beide Recensionen den Inhalt der Stotuten 
des 14. Jahrhandeiie erschöpfend ttberliefert haben, und swar 
R sogar sumeist in der Sprache und Fassung der Original- 
statnten. 

Audi was sonst von den Statuten in einzelnen Urkunden 
an^efllhrt wird, stimmt mit R aueh im Wortlaut« Ubercin. Die 
erste sichere Erwähnung der Tricnter Htatuten findet sich, wie 
unten gezeigt werden wird, erst in dem bereits von Tomaschek 
angczopmen ,Lil)er inquisicionum' von 1313 und 1314,' der 
eine Reilie von Unteröuehnngen tiber Verbrechen enthält, die 
in Judicarien begangen worden waren. Dabei wird in den die 
Klage enthaltenden Deuunciationen häufig Bestrafung gemäss 
den Statuten von Trient verlangt, so beispielsweise in der De- 
nunciation eines Bonavida ser Nicolai von Preore gej^en Fried- 
rich, Sohn des Meisters Albert aus d<'inselben Orte von 1313 
April 'if>.- T^■f•lr<•'n ('horfall mit be:\ affn* ler Kaurl In dor .rerrula* 
(Märkcrdmg): ,secundnTn nrflnicn; iuris et ('iiisiii tufiiiirm re- 
gionis et statuta communitatis Tndenti, tarn de dicto excessu 
. . ., quam et de armis predictis per eos porüitis', wobei an 
fi c. 7 und 134 zu denken ist. Wenn sieh dabei der Verletzte 
die , actio iniuriarum* vorbehält, entspricht dies E e. H. In ähn- 
licher Weise werden die Statuten angerufen bei einer Denun- 
ciation wegen Backenstreich,' Mord,^ Verwundung mit tödt- 
lichem Ansgangei^ körperlicher Verletzung durch Steinwarf, ,ut 

^ ToinMchek «. ft. 0. 108. Dttr dort mugefebeoe Titel ist filioh und Untel 

vir>1mp})r: ,Liber iiiquinicinnum facUinim mh anno domini mitlesimo 
CCCXIII", inclictiono XT", <\'w sabnti XXI. aprilis ot »nb ro^imine nobili» 
iniliti!« d' Nicolay capitamn in Trideiitn et per nobile» virus d"» H(ain- 
ricum) de Boitnuiite et Federicum de Campo capitaneos in vallibua sive 
ptebatibm Banalli, Blesii, Lonuil, Tyoni, Haadane, Boni, Condini, 
Leiriri, Tagnali 6t Tenni «e etiam per iaptontem Tirnm d"* lacobinnm 
iudicem de Ciemona eorum virarium et facientem racionem in curia 
Trideutina pro veuerabile (aic!) fratrn et d" fr.itre H(.iitirito) dei 
pratia episcopo Tridentino et imperialis aulc citu-ollario.' Di© Hand- 
Bübrift jetKt Codex des Hau»-, Hof- und Staatsarctiivs, öupplemeut 
Nr. 1061 (roth). 

« f. 5. 

• laia October 18, f. 8, gedaoht Ut c 8 » 7e. 8. 

• 1818 April e 8V £«. 138 » 2*0. 141. 

• 1818 October 88, f. 15', J? e. 188 ^ To. 141. Ofeser Fell tili naeh den 
Stataten ab Mord. 



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168 



Banguis exivit',' Nothzuclit.^ Ausserdem findet sich diese Be- 
rufunp^ auch einmal bei Brandlegung,* wegen der die Statuten 
lediglich auf das gemeine Hecht verweisen/ und bei einer 
Klage; gegen eine Mutter als VonnÜDderin wegen schlechter 
Verwaltung und Diebstahl.^ Die Statuten kennen wohl eine 
Strafe fUr DtebBtahl, keine aber fllr den ungetreuen Vormund.* 
Wie man sieht, sind diese Anführungen doch noch sehr 
formelhaft.^ 

Viel eingehender ist die Erwähnung der Statuten in 
einem Gerichtsbuche von 13B7/ welches die Acten der Amts* 
fUhntng des Justinian Ton Oardolo, Vicars des Domcapitels* 
in der Gastaldie Peigine,^^ enthält Dieses Qerichtsbueh zeigt 
in manchem einen vorgeschritteneren rechtohistorischen Cha- 
rakter als der um hundert Jahre ältere Uber Oherti. Das 
summarische Verfahren, das hier nur im Keime yorhanden war, 
ist nunmehr ausgebildet, das UrtheilserillllungsgelObnis fortge- 
fallen. Es bedarf seiner nicht mehr, am zur Execution su ge- 
Ungctt. Einige Stücke dieses Gerichtsbaches nun schliessen sich 
enge an die Steinten an, so wenn in Nr. 19 und 76 nach c. 60 
und T c. 61 Notaren ein Termin von drei Tagen sinr Anfer- 
tigung von Instrumenten gesetzt wird, wobei ireilich die Strafe 
jedesmal auf 60 Solidi verschärft, im zweitenmale sogar mit 
dem Ausschlüsse von der Verwendung als Gerichtescbreiber 
gedroht wird. Dreimal wird nun auf das ,statutum comanis 
Tridenti' ausdrücklich Bezug genommen." In allen drei Stücken 
wird Bürgen eine Frist von zehn Tagen gewährt, um dem 
Hauptschuldncr ,litcm' zu deuuneiercn untl ilirc Einreden vor* 

' ini4 Jänner '28, f. 'J7', Ii und Tc. 7. 
» 13U Jänner 2r., f. 31» R und Tc. 14. 
' 1.114 Jänner 24, f. 24. 

' H e. 88 =- Ti.'. 98. 

* 1314 Februar 7. t 

" Eine .solche Kla^« j-t liuH AcU Tiu.I. 2, Nr. 318. 

' Ebenso die in Urkunden vuu 1337 Juni 23 aus Duulschmetz, Keicti, La 
lingiM ae] piano de! Nos, Atti d«lU r. Accademi» dcgii Agiati III, 2, 

* CkpM 84, Nr. 4, Wien St.>A. 

* Während der SedlsvneiuiB. 

Zu dieier gehörten: Pergine, Viarago, Coeta Savina, Levieo, Pini, For> 
nace, Lascs und Civesaano. 
" Nr. 77, 121 und 125. 



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sabringen.' Eb entspricht dies völlig den Vonehrifiten Ton R e.62 
und T c. 63. Das ältere Recht hatte einen längeren Termin, 
nach dem Uber Oberti einen viensehntägen/ gewährt. 

Reich ist es gelungen, einige Urkunden su finden, in 
welchen vollstilndige Oapitel der Statuten tranaumiert werden. 
In einer Urkunde von 1340 November 4 aus Trient werden 
zwei Capitel: ,De cognoscendis causis appellacionum infra 
terapus^ und ,De quesiionibus viarum terminorum aquaruin 
stilicidioruTn terminandis per sindicos* aus dem ,liber statutorum 
civitatis Truknli' voUinhaltlKdi aufgenommen.* Das erste dieser 
Capitel wiederholt in Kuhi ik tuul (Jontext wortgetreu R e. I^Si, 
das zweite Capitel H c. loO.^ Die Abweichungen bind unbe- 



* Nr. 77: ,Pro Dnminico . . . terniiint^ .ifl dtMiuticianduin X HierMm isecuti* 
tliun stattiti i'ormam commiis civitatis Tridenti ad fiBiiuin:iaiulnm suo 
priiicipaii et oponeiitluiu el prubHudum umne« »ua« oxcepcioiie« et do- 
foniionw.* 

■ AeU Tirol. 8, Nr. 464. 

* Wenn Reich aus dem WmrClaote dieaar Urkundo auf die Existenz eines 
jStatittnm nif^nim' f^Pschlosson hat, a. fl. O, It, hcrulil dies auf Miss- 
vcrstäiif^itis ,Niffrum' he<louto}; in der mittelaltfrliriuni Keclit.si»pr&cbe 
nichts audoreti als den schwarzgeHchriebenen Text im Uegonaatze zum 
«rubrum' oder der »nibricaS der ruthgesuliriebenea Titeldbenchiift Vgl. 
Du CJang« nnter dem Worte ,Nigrum*; Scbnlta, System de« kstholiitchen 
Kirchenreehtee 1, 359; denelba, IM« Geschichte der Qaellen und Lite- 
ratnr des canonischen Rechtes 3, 19. Eine Belegstelle mVge hier gO' 
niigen, die Glosse des .lohannes A>idreae xn Guilielnins Dnrandiis 8pe- 
cjiliim iuris 2, part. 2, de disji. et allv'p., §. <>, n. ISt ,Riihrica, cuiui« oratio 
noii est perfecta et sie uou habet aliquid difünitive, ited »oiam nigri tiiate- 
riam demonstrat, per se non allegatar.* Dass anch in Trient ^eser Sprach* 
gebffaaeh bekannt war, eigibt eine Oloese der Innsbmeker Handeebrift 
▼on A» Die^e Handschrift zielit im dritten Buche C 2, c. 37 and 88 SO- 
aammen. Die KTii)rik vun C 2, c, .38 erhält nun aber irrtliiinilicherweise 
C 2, c. 39. Dazu bemerkt &ui Kande eine Hand des 15. Jahrhunderts: 
,Rubrica nou conveniens nigro.' Wenn es also ia der Urkunde von 
1340 und sonst nach Anfithrung der Rubrik heisst: ,et caios statuti 
nigri tenor «eqnitar per hnne medam*, ao ist die« einlkeb sa ttbenetiea: 
,der Wortlaut dee Statntt igt felgeudev'. Hltta dae Statut da« Attribut 
^igrum' gefahrt, dann müsste dieees vor allem in der Transumtsformel 
«rscheinon; aber dort wie andv sonst, wo da« ganze St&tutenbuch er- 
wähnt wird, heisst es nur: ,ex atiientico dicti libri statutornm coirmnis 
civitatis Tridenti üuuiptum fideliter exempl&vi*. A' trug somit nicht die be* 
a^hnung ,Statato neffo% Miideni nnr ^tatutam eemiuiie eivitetia Tridenti*. 

* Sehen Beieh erkannte an,, daü beide Capitel rieh ttbenetot in 7 g. 184 
and 187 irieder6nden. 



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154 



deutende VariantoDy wie sie verschiedene Handschriften natu^ 
gemäss bieten. Reich fand eine aweite Urknnde von 1367 
September 7 aus Trient^^ in der ebenfalls awei Gapttel des 
Statuts wörtlich transuniiert sind: ,I>e cognoscendiB eansis appel- 
lationnm infra tempus' und ,De feriis et de qnibus eansts possit 
cognosci diebus feriatis vel non possit'. Beide stammen, wie 
schon Reich erkannt hat, aus den neuen Statuten. Das erste 
entspricht 7" c. 52, ein Capitcl, das Gar nicht abgedruckt hat, 
dessen Varianten er aber zu R c. 120 gibt. Mit ihnen stimmt 
nun dieses Capitel wörtlich überein mit Ausnahme des Schlusses, 
der in unserem Tninsiimte heillos verderbt ist.- Das zweite 
Capitel entspricht, von den auch hier ar^en Verderbnissen des 
Textes abgesehen, wörtlich W c. 48 gleich 7" c. 57. 

8o zeigt sich wieder, dass im 14. Jahrhunderte keii) 
anderer Text vorlag aU der, den wir im wetseni- 
lichcn noch in den Statuten von Rovereto besitzen. 

Wenn nun so die Fassung von R und T als alt und 
echt erwicbcn itit, so müs.^en wir aueli an der Scheidung von 
alten und neuen Statuten festlialten. Diese sind nach der 
Publicationsformel von Biseliot" Nicolaus erlassen wordeu, jene 
gehen in frühere Zeit zuriiek. Dabei ist zu unterscheiden 
zwischen dem Alter der Statuteneompilation und dem Alter ein- 
zelner Gesetze, die in die Cora})ilation aufgenommen wurden. 
Der Ausdruck ,8tatutum* kann beides bedeuten, daher ist sein 
Vorkommen in Urkunden nicht cntachcidend. So werden Be- 
stinimuncon für Bozen und Keller von 1190, f Jemeindeland 
und Flurzwang betrelVend, ,Statutum'' genannt,^ so das vom 
Bischöfe Friedrieh von Wanga 1210 erlassene Gesetz Uber die 
Schitiahrt auf der Etscli,^ ferner ein bergrechtliches Gesetz 
von 1213,^ die Urkunde, welche die Rechtsverhältnisse der 
Bürger von Neumarkt regelt,^ der Vertrag zwischen Trient 
und Feitre Uber die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen 



* Tridentom S, 236. 

* Gar^s LeMiing in n. 1 ,a tertia die' ixt ofTenbar unrichtig, ea mna» heusen 
,a tertia docima die*, weil die Kirohweihfeier ntir eine Woche danerto. 

So auch in T' c. 52. 
' Kiuk, Font. rer. Austr. 6, Nr. 39, 

* 1210 Pebniar 2, Orig., Wien Si-A.; ebeiuo danalbe Acte Tirol. 8, Nr. 40». 

* Kink, Font. rer. Anstr. 6, Nr. 240. 
' A. a. O. Nr. 149. 



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1Ö5 



Angehöripfen beider Bisthüiuor.* In diesem Sinnr spricht von 
Statuten jedenfalls auch die Bulle Grepror IX. von 1237 April 8,* 
in der Podestk und Rath von Trient aufgefordert werden, die 
Ciarissen in Trient nicht mit ungebührlichen Lasten zn be- 
schweren und durch Bannstrafen ,ad observandum civitatis 
vestre statuta' zu zwingen. Es werden nnmentlich Stener- 
auflagcn gewesen sein, wegen welcher sich die Clarissen be- 
schwert fUhlten. Denn wenn es iin Jahre 12B7 schon ein 
(Statut gegeben hätte, würden wir sicher davon im über Oberti 
von 1236 Spuren finden, der uns Uber die Rechtsverhilltnisse 
in Trient zu seineu Zeiten weitgehenden Aufschluss gibt.^ 

Als Terminus ad quem ergibt sich für die Statutea- 
compilation das Jahr 1B07; denn die mit ihrem vollen Rahmen 
dem Statute angefügte Urkunde vom 10. April dieses Jahres 
war offenbar eine Novelle, und wenige Jahre nachher (1313) 
treffen wir die Statuten auch im praktischen Gebrauche.^ 
Nicht so sicher lUsst sich der Terminus a quo beseichnen. 
Wir sahen vorhin, dasB er vor 1236 nicht gesucht werden 
darf, aber sicher ist er erst viel später anzusetzen. Freilich 
wenn in der Vorrede zu Ä als enter Gesetzgeber der Bischof 
Bartholomftus genannt wird» der seit Ende 1306 die Regierung 
des Bisthums Trient übernahm,^ so ist darauf kein Gewicht 
zu legen. Der Verfasser dieses Proemiums fand einfach den 
genannten Bischof in der Novelle von 1907 und keinen Hlteren 
in seiner Vorlage genannt. Wir mllssen uns nach anderen In- 
diden umsehen. Tomaschek glaubte die Frage damit zu lOsen, 
dass er ans der oberwähnten Urkunde von 127&* auf das Vor- 
handensein des Statuts schloss; sah er doch in ihr geradezu 
eine Berufung auf Tel und 2.* Diese Urkunde berichtet Uber 
die dem Bischöfe Heinrich II. geleistete Huldigung. Nachdem 

» AcUi Tirol. 2, Nr. 357. 

* lieich, Programm dos Gymnaniums von Trieut 1884, 6, Auch Reich ist 
geneigt, die Bulle in dievem Simie snfsufiuBen, Del piA aetioo Statnto 18. 

* Noeb weniger ist daran m denken, daas aehon Friedrich von Wang» 
ein Statut erlaMen habe, wie die Alleren meinen. 

* Vgl. S. 161. 

" EfTirer, Geschiehte Tirols J, 331. 
« Vgl. S. 97. 

V Tomuehek a. a. O. 10-t f. So vor ibm euch schon Kapp, Beiträge 3, 48. 
Die Meoerea, natnentlieh lUUlitti imd Rekb folgen Tomaadielc. 



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156 



die Eidesformel yerlesen w<nden war, folgte ihr eine Straf* 
Banction: ,Qaod ei aliqui contra predicta feceriat yel tracta> 
▼erint» cognoscant se ex nunc U-ge nranidpaM et Statute ciyitatis 
ad capitis detruncationem et ad bonorum omnium publicationem 
dampnatos medietate bonorum deferentibus assignata, alia me- 
dietate bonorum in fiscum seu dominum reservata/ Die vun 
Tomaschek angenommene Beziehung ist jedoch nicht lirlitifr. 
Tomastrhek hat die Worte ,cx luinc' übersclicii. Nicht um deu 
Hinweis uul ein bestehendes Gesetz liiiinielt os sich, sondern 
um iM'lass eines neuen.* Von nun an sollte den Hochverräther 
Enthauj)Um<r und Vermögensconfiscation trefien, und zwar eben 
nach dem jetzt erlassenen Statute oder der erlassenen ,lex mimi- 
eipalis*. ,Statutum* bedeutet auch hier nicht das (Tt .sctzbueh, 
wundern nur das Einzelgesetz. Wäre die (\>nn)iiiitiuii eitiert 
worfit u, so hiesse es: ,ex statuta, cuius ruhrica est: De üs. qui 
conspirationem* ii. s. w oder ähnlich. Dazu kommt, dass sich 
die Urkunde untl To.. 1 und 2 nicht decken. Der Treueid ist 
anders gefasst, dir Strafe des Hochvcrrathes nicht dieselbe. 
Wenn die Urkunde \ ('rnu»p:ens( ontiscation und Enthauptunsj 
vert'ü^'t, so kennt dub Statut nur die Todesstratr, nielit die 
Contiscation, und die Todesstrafe ist naeh Stand und (ie- 
schleeht verscliieden. Nur die Adeligen wcrflm enthauptet. 
Unadeb^e «;ehän^l, Frauen verbrannt. Da.s.s aber 1275 ciiio 
Straf'besliinmunij jrc^'en Hoehverratb verkündet wurde, kann 
nicht Wuncb'r neiimen. Damals zuerst kam es zu einer feier- 
lichen Huldigung für den Risrliof, und damit verknüpfte sich 
naturgemäss die Straf Verkündigung. Die gleiche Bewandtnis 
hat es, wenn Statuten in einer Urkunde von 11)72 December 24* 
erwähnt werden. Der Kath von Trient gibt den Augustiner- 
eremiten Erlaubnis zur >iiederla88ung: ,non obstante aliquo 
statuto vel consilio facto'. Das Statut von Trient enthält keine 
Beschränkung ftlr Erwerbungen der todten Hand ' oder klöster^ 
liehe ^Niederlassungen. Auch hier können nur einzelne Ver» 
Ordnungen und Beschlüsse gemeint sein. 



* WXra nur auf ein altes Statut rerwiesei) worden, die Formel bitte ge* 
lautet: ,ez nunc, prent ex tuneS 

■ Bonelli 9, 60S. 

* Wie die StatatMi m Biya ren \%U c 131, Qar S7 in Biblieteca 
TreBlina. 



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157 



Wenn in der Urkunde wm 1275 ein HinweiB auf d» 
Statuten yorliegen würde, so müssten diese in die Zeit vor 
Heinrich II. zurückreichen, denn Heinrich * war am 18. Jttnner 

in Trient eingeasog-en, aber wenige Ta^e nachher vom Grafen 
Meinhard II. von Tirol gefangen geiioiiiniei\ worden und konnte 
erst zu Anfiine: Decembor wieder in den Besitz der Stadt ge- 
langen.- ilim blicli 711 geseta^geberischer Thätigkeit koine Zeit. 
Sein Vorgäni^Lu K^uo iiat wohl einzelne Gesetze erlassen, deren 
Spuren noch in den Statuten vorliegen; aber gerade ans diesen 
Gesetzen ergibt sich, dass clanials die Statuten nielit bestanden 
haben. Das wichtigste dieser Gesetze stammt von 1259 No- 
vember 25.^ Kgno versnelite damit das Gerichtswesen zu cen- 
tralisieren; alle Criminal- und Civilprocesse sollten nur in Trient 
entschieden werden, die Gastalden und Hauptlente, ausge- 
nommen nur die von Bozen und Riva, durften keine Geriehts- 
barkeit mehr ausüben.* Auch Compromisse, wodurch Rechts- 
sachen der Trienter Curie entzogen wUrden^ werden als un- 
giltig und verboten erklärt. Dieses Gesetz, das die bischüHielu; 
Gerichtsbarkeit gegen die Anmassung der Hauptleute und Ga- 
stalden sichern sollte, ist theilweisc in die Statuten über- 
gegangen, indem c. 50 ~ 7'c. 50 anordnen, dass alle Reebts- 
händel in Trient entschieden werden sollen, ,ni8i fuerit de 
licentia episcopi'. Alle andere Gerichtsbarkeit sollte also 
wenigstens von der bischöflichen Gerichtsgewalt abgeleitet ei*- 
scheinen, und kein Notar durfte ausserhalb des Gerichtshauses 
Oerichtsacten schreiben, R c. bi = T 51. Aber Compromisse 
sind nicht mehr verboten. Sie waren xa sehr im Rechtsleben 
des Volkes festgewurzelt, um durch ein Gesetz beseitigt zu 
werden. Die Statuten fordern nnr» dass sie innerhalb der Stadt 



* N«iiiinieft vom Papate Orepkr X. tot 81. September 1274. 

* Hasw, QwtHdehtB Tiroln 1, 307. 

* Evlialtea im Uber Zachei» f. 2', n. 8, wird sum Abdmeke gelangen in 
Aeta Tfrel., Die Sttdtiroler Notaria1rimbreTi«t«ren 2. 

* t' ' ' ordinavit et volni^ qnod omnes eanae et qaestioneii Um dvilea, 

inAle6ciorum, ininrianim, «{uam nüanini omuitun racionum Ananie et 
Vulsane, Ividicarie f>t .nlinrtim loconim episcopatn» et tlistrtctim Tritleuti 
dAbeant venire, veiitilari et co^ionci et terminari ... in uivitate et 
curia Tridenti per d'" episcopum Tridentinam rel per oius asses^orem 
Tel indieem* ti. ». w. Docb war die Qericbubsrkeit der GaBtalden lu- 
gelaaten, ,mciit antiqnitas consneverant*. 



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168 



Trient abgeschlossen und dass das Bchiedtriobterlieho Ver* 
&hreii dort durchgeführt werde.^ 

Von den anderen Qeeetaen Egnos richtet sich eines gegen 
den Untersehleif maatharer Sachen;' es ist nicht in die Sta« 
taten Übergegangen. Ein «weites' ordnet die Einlagening yon 
Getreide, Sala nnd anderen Lebensmitteln, welche von be- 
stimmten Orten der Umgebung nach Trient gebracht werden, 
in das Lagerhans der Qemeinde an nnd ▼erbietet allen, solche 
Waren in ihren PriTathänsem an yerbergen. Dieses kann als 
Vorläufer von R c. 146 = T c. 166 gelten, nur ist hier nicht 
▼on der ,canipa comnnis'» dem Qemeindespeicher, sondern vom 
Markte die Rede. Ein drittes Geseta^ erliess awei Jahre nach- 
her der Hauptmann des Grafen Keinhard von Turol wfthread 
der tirolischen Verwaltung des Fttrstbisthnms. Es ordnet die 
Verhältnisse der Eltschschiffer, constituiert sie an einer Zunft 
und befreit sie vom Patrouillen-, Wach- und Besatsungsdienst, 
wogegen sie ihre Schiffe dem Grafen nnd der Gemeinde cur 
Verfügung zu stellen haben. Diese Exemtion vom Wach- und 
Besataungsdienst kennen die Statuten nicht, nach denen nicht 
einmal ein besoldetes Amt einen Beiireiungsgrand bildet 

Was wir Air die Geschichte unserer Statuten aus diesen 
Gesetzen entnehmen können, ist das, dass die Statuten jünger 
als die Gesetze sein müssen, weil sie dieselben theilweise ab- 
ändern. Einen tUmtlicheii Fingerzeig: gewährt namentlich die 
Ersetzung des Lui^erhauses durch den Marktplatz in R c. 146 
s= 2^ c. löG. Die jCanipa conumis' muss gejxen Kudv des 
13. Jahrlmnderts eingegangen sein, das Ictztenial llndet sie 
meines Wissens in einer Aufzeichnung von 1281 Mai 7 Er- 
wähnung, nach welcher ein Dietrich vor dem liischofe Hein- 
rich üher die Einkünfte aus Maut und ,canipa' liechuung 
legt. Darnacli kann die Umarbeitung des Gesetzes von 1264 
erst nach 1281 erfolgt sein. 

Kin ähnliches Ergebnis erhalten wir aus den Titeln der 
bischöflichen Beamten. In der Stadt Trient kennen die Sta- 



' Dabei wird auch im Statute auf das ältere Gesetz verwiesen: ,quod 
qitldeai «tatutam utiqttitm etiam «t obtontnmS £ «. 58, vteUelebt wail 
diflsar Raohtnate gegtn 4i» BaehtigeiroliiilMit ▼antifl«. 

« Beilage Nr. 1. 

• Beilage Nr. 2. 

* Beilage Nr. S. 



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159 

tuten zwei Beamte in licrvorraf^-cndster Stellunjn:, den Haapt- 
inaim (capitancus) ' und den Vicar. Der Hauptmann übt raili- 
tärische Befug;nisse, er greift aber auch in die Verwaltung ein. 
Sein Amt erscheint seit Beginn der Regierung des Bischofs 
Egno,* der es offenbar ftir nütliig fand, die vom kaiserliclien 
Podestk geübte miiitärische Gewalt einem besonderen Beamten 
zn tibertragen. Wichtiger ist für unsere Zwecke das Amt des 
Vicars. Der Bischof sowohl als die kaiserlichen und bischttf- 
liclteu Podestaten ' liessen die Gerichtsbarkeit ausser in den 
Fällen, welche sie ihrer eigenen Entscheidung vorbehalten 
hatten, durcli stellvertretende Beamte ausüben. Diese führten 
im 12, Jahrhunderte meist nach itjUienischem Muster den Titel 
,a88e88or.* Im Anfange des IH Jnlirliundcrts verschwindet diese 
Bezeichnung, ohne durcli eine andere feste ersetzt zn werden. 
Vielleicht la? die Ursache darin, dass an Stelle des einen As- 
sessors mehrere solche Beamte traten. Man nannte diese 
richterlichen Unterbcamtcn ,vicegercntes' oder gewöhnlich 
einfach .facioutcs rationem per (episcopum oder potestatem)*." 
Aus dem liber Oberti von 1236 lässt sich diese Gerichtsver- 
fassung ziemlich klar erkennen.' Wenige Jahre nachher 
machen die mehreren Beamten wieder einem einzelnen Platz, 
der den ailen Titel ^asseBBor' führt.* So blieb es durch die 

» R und Tc. \y R c. 82 ^ T c. 92, Ä c. 91 = Tc. 102 h. s. w. 

* Nachdem es Aclion frlUi«r ,»'apit«nei' in don Sc!il<'5ssorn gegeben li.nttB. 
1258 .Tännor 21, Ilormayr, iSiimintliciie Werke Nr. 34 wir«l mix ,vH)ii- 
taueuH coinuni«' erwähnt. AU Hauptmann des Grafen Meinhard er- 
scheint dann i269 Jnni 26, Wi«n St-A., »NicoUut <1e d* ComlthM*. 

* Ab aolehor enKbeiat AlbMebt Ton Tirol I8SS, and 1S36. 

* Kink, Font. rer. Alutr. 6, Nr. 5 (1159), a. a. 0. Nr.» (1163), a. a. O. 
Nr. 17 (ll8.'Vi II. s. w.; vgl. Ficker, Fornchungen «ur Keich«- und 
R»'rliLsge.'(i lii(lito Italien» 3, 321. Hilher als d^r ,.i.s??es.sor* steht der ,vice- 
duaiiuua', neben ihm übt die CriiuinalgerichiHbarkeit Uber Uiiadelige 
der fiadax enriae*. 

* tS06 Hai 87, Tnmaamt, Wien 6t-A. 

« mi Hin 4, 1222 Min It, Ori«., Wien St-A. 

* Wenn in den Überschriften der Au.sg.ibo In dtni Acta Tirol. 2 diese 
BcTintt'ti nl« Vicare bezeiclnift wurden, gesdiali ilie.s nur, weil dip«»»r 
Titel ihrer .Stellung am be.Htoti oiitspriciit. Urkundlich ist nur ,facteiia 
rationem per* oder ,viceiu gerens' Nr. 4U, vgl. auch Nr. 368. 

* «Baiiolomene de Alba index et aneMor* dee PodeitA Sodegher 1840 
Angnet 89, BoneiU a. a. O. 8, 677; deiMlbe 1841 October 16, Kink, Font 
fer. Anatr. ft, Nr. 19ft n* s. w. 



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160 



ganze Regiemngszdt des Bisohoft E|gno sowohl wahrend der 
bisohoflichen als der tirolisehen Verwaltung.' Dies Änderte 
sieh unter Bischof Heinrich II. Wohl wmI jetet das Amt einea 
QeneralTiears ,in spiritualibusS veranlasst durch das lange Fem- 
sein des Bischoft ans seiner DiOcese infolge der Streitigkeiten 
mit Grafen Meinhard IL, aufkam,* wurde nnn auch der Stell- 
vertreter des Bischofs im weltlichen Gericht und der Ver- 
waltung als ,vicarius' (in temporalibos) beaeichnet,* und der 
Titel blieb nun ständig während des ganaen 14. und der 
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die Trienter Statuten, 
welche den Bichter des Bkchofe nur als Vicar beaeicbnen^^ 
können also frtthestens erst in der Zeit Heinrichs II. entstan- 
den sein. 

Es wird sich aber die Zeit noch weiter einengen lassen. 
Die Statuten von Trient waren für das ganze Bistliiun, soweit 
L'ü der bischöriichen Herrschaft unterstand und nicht sein 
Sonderrecht behauptete, verpflichtend. 2s un sind aber noch 
im 13. Jahrhunderte in iSüdtirol einip? Sonderstatuten ent- 
standen. Es wäre dies nicht der Fall gewesen, hätten die 
Trienter Statuten, welche sie später verdrängten, schon be- 
standen. Das Statut von Kiva datiert von 1274.^ Da die 
späteren Statuten des 16. Jahrhunderts eine so weitgehende 
Verwand tächatt mit den Trientern zeigen, werden diese wohl 

* Der letzte bekannte .^«««»ssor ist Nicolaus SpagiioluH 1273 Octobor Ii, 
Wien St.-A.; vg\. nuch die Reibe der Ajuessoreo, Vicare, Podestii and 
Prltoren tob IVient (nach Tovas«) bei FniieeMO Ambrosi» ConunenUri 
d«lla Stori* Trantin« 8, %16, die freilich niclit gtaa kritiaefa iat Da»- 
m IUi- Vonteicbnis aucb Archivio perTrieete, latris ed il Trentino S, 304f. 

* Z. ifs( hrift des Ferdinandeums III, 33, 12Rf. 

^ ZiHTsi Oraxiadeus 1279, Ambrosi a. a. O. 2, 216. 

* H und T c. 9, 33, Ä c. 04 = T c. 85, Ä c. 82 ^ T c '>2 u. «. w. 

* Gftr keine Vennnthung lässt sich über den iahait des ,Uber statutonim 
bominum vallinm Ananie et Solit' iaMern, da Ton ihn ani«er den im 
IVaunrnt Ton 1298 Mai 29 (Honnayr, Simmtliehe Werke Nr. 66) er- 
baltenen SXtsen nichts bekannt tat. Über doron Inluilt Kapp, Beiträife 
3, 49; Inama, Oli nntirhi statnti e i Privilo^i delle Valli di Non e di 
Sole, Atli dolla r. Acc.itlpmia «i. pli Afri.iti 1899, 178f. Unbegründet i!«t 
die Annahme Inatnn », ah ob dies« .Statuten unter Bischof Heinrich II. 
entataadeii wlren, indem das Jtenrici episcopi Tridentini' sich nur auf 
den Notar Dagnesin« besieht Die »plteren Statuten, welebe muD«ist 
die Gerichtsverfaerang nnd den Procenigaa^ refeln, bei Inama a. a. 0. 
200 f., 810 f. 



I 



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1dl 



auch einmal in Rita gegolten haben. Auch im Privileg des 
Bischofs Jdiann von 1349 ^ wird die Noyelle des Biachoft Bar- 
tholomttiis als in Riva geltendes Recht behandelt Freilich 
bleibt es dabei hingestellt, ob damit anch die Rechtskraft der 
übrigen Trienter Statuten fdkr Riva erwiesen ist. Interessanter 
noch gesteltet sich die Sache in Jndioarien. Im Jahre 1290* 
veiiLttndeto Odorich von Oorredo, Hauptmann des Rersogs 
Meinhard in Trient, und der Vicar" im Vereine mit den Sin- 
dikem von Jndicarien ein Statut, das vorwiegend strafrecht- 
liche Bestimmungen enthält und zum Theil sich gegen die- 
selben Verbrechen wendet und dieselben Rechtsverhältnisse 
ordnet wie das Trienter. So berüliren sich die ersten drei 
Absätze, welche das Waftentragcn vcrbioten, mit R c. 134. An 
beiden Stellen wird das Traijcn eines Messers zum Zwecke 
der Arbeit in Feld und Wald und das Tragen gewisser Waffen 
bei einer Reise ausserlialb der eigenen Pfarrgemeinde gestattet. 
Aber die Strafen sind verschieden, und ein wörtlicher Anklang 
zwischen beiden Bestimmungen l«sRt sich, wie auch im Folgen- 
den, nirgends constatieren. Ebenso wird in Absatz 5 und Ji 
c. 141 die Beleidigung von Gemeindebeamten dem Ermessen 
des Richters iil>f^rlasscn. Auch die AnzeigepÜicht für Ver- 
brechen, welche R c. 9 und 10 den Sindikern und den Be- 
wohnern der Gemeinden auterlegt, findet sich in Absatz 7 und 
8 zum Theile sogar mit denselben Strafbestimraungen. Doch 
vaniririi die Fristen und dehnt das Statut von 129D die An- 
zcigeptlicht auch auf die Anziani der Gemeinden nnd die ( ierichta- 
boten aus. Die Straf bestimmungen gegen Tluiilnahme an einer 
Verscliwörung erinnern an H c. 2, nur ist liier gerade wie im 
(jcsetze von i21b* auch Vermügenscontiscation angeordnet. 
Anderes wieder, wie die wiederholt eingeschärfte Anzeige- 
pflicht bei Verschwörungen, klingt an den in /? c. 1 enthaltenen 
Treueid an; Absatz 16 erinnert an R v. l\ und c. 140. Die 
Strafe des durch Pferde verursachten Flurnchadens in Ab- 
satz 17 ist eine höhere als in K c. 105» ebenso die des Saliners, 



« Bönelli a. a. 0. 4, 103. 

* Papaleoni, ArehWio Trentino 6, 160 f. 

* DewMi Name wohl atugefklleD ist. 

* Siehe oben S. 166. 

* AbMie 18 nnd 98. 

amUt. xcn. BuA. I. mm«. ii 



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t6S 

der Elänchaden nicht anzeigt.' Die Bestimmungen Uber die 
Gebannten entsprccben wohl dem Trienter Rechte, sind aber in 
den Statuten von Trient nicht wiederholt. Ebenso sind hier 
eigenthllmlieh die Rechtssätse, welche eine gewisse Haitang 
der Gemeinde festsetsen, wenn der Übelthftter nicht ans Ge- 
richt abgeliefert werden kann,' Eine Entlehnung lisst sich 
hiemit für die Statuten von 1890 gegenüber den Trientem 
nicht nachweisen, die Trienter haben bei ihrer Abfassung nicht 
vorgelegen. Die Übereinstimmnng, die sich dieÜwmse findet, 
erklart sich nur daraus, dass das Statnt von 1290 aus der- 
selben Quelle des Gewohnheitsrechtes geflossen ist wie die 
Trienter Statuten. Man kann aber auch jenes nicht als Er- 
p^änzung der Trienter auffassen, denn das wäre im Statute von 
12fK) wohl ausdrücklieh bei den abweichondeii Bestimmungen 
auj^emerkt worden. . Wir sahen nun schon, dass nach dem 
Liber inquisitionum von 13 in Judicarien das Trienter Statut 
galt. Somit bleibt nur die Annahme tlbrig, das Statut von 1290 
fllr ein Gesetz zu halten, das vor dem Trienter Statute ent 
standen ist und vom Trienter Statute verdrängt wurde. Dar- 
nach also wäri; die (Kompilation der alten Trienter Statuten erst 
nach 1290 zu setzen. Das stimmt nun wieder zur Erwähnung 
der jDulcini cum apostolis suis* untor den Ketzern, die uns 
gfir erst in die ersten Jahre des 14. .iahrhunderts führen 
würde. ' Freilich könnten sie auch ähnlieh den Lollarden 
T* c. 3 erst später ins Statut eingeschoben sein. Wie dem 
auch sein mag, so viele Judicien weisen die Statuten com pi- 
lation «sicher dem Ausgange des 13. oder Beginne des 14. Jahr- 
hunderts 2U.^ 

> Ahsat/ 18 und J{ c 97. 
» ALbaU 10 nn(\ 30. 

' Dolcino wirkte im Uebiete von Trient xu Aiifaug de» 14. Jaiirhtinderts, 
Segwini, Tridentiim 8, 278. 

* Auch «Ii* ESrwlhnniif d«s Morgt»' und Abendltoteiii in c 116 and 1 17 
<a Tk. 122 und 123 konnte fDr die Zeitbestiminaiig verwertot wvtdm^ 
wenn darunter das AvelSnten zu verHteben wlire, das im 14. Jahr- 
hunderto (bestimmt seit 1318) atifkam, vg-l, Franpp,«»co Nn%*atT, Indapini 
e Po!<tiUe l>ante«che, 8erie prima, 141 in Biblioteca iStoric-o-criiica detU 
Letteratnnt Danteeca 9— 10-, Grotcfend, Zeitrechnung 1, IUI; Weiser 
und Welte, Kirehenlexikon 1, 84«. Gemeint eind jedoeh die deauü« 
noch nicht religiltaen Olockene^cben, die nnd abends ia den 

italienisch«« Stildten schon im IS. Jahrhnndeirte flblioh waren» fgL 



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163 



Nun glaube ieli abery claas man noeh einen Schritt weitet 
gehen kann. Wenn das Statut in der Zeit der tirolischen 
ZwiBcbenregierung entstand, so mIMe et Spuren von diesen 
politischen Verhlltnissen an sieh tragen. Das ist aber keines- 

weji^ der Fall. Nirgends spricht es vom ^ ot^te und seinen 
lieumteii. imnior nur vom Bischöfe und dem bischöflichen 

llauptmannc und Vicare. Die Formel des Treueids, der dem 
Biscliofe zu leisten ibL, sieht an der Spitze des Statuts, Ver- 
schwörung ?t^g:«n den Risehof wird vor allen anderen Ver- 
brechen abgehandelt. Und doch ist das Statut nicht von einem 
Bischöfe erlassen worden. Die Uberschrift der Statuten lautet 
nach T: ,Daz sein die Statut und ordeuung beächehen durch 
den rat der kirchen Trint.* Der Rath von Trient entspricht 
in seinem Wesen und seinen Funetionen dem landesftlrstlichen 
iiathe, den wir in so vielen deutsehen Territorien dieser Zeit 
finden:* er hat «len Landestürsten wohl zu berathen, kann 
manchem Aete desselben seine Genehmigung ertheilen, aber 
gesetzgebende (j ^valt bat »t nicht geübt. Somit muss der 
Name des Gesetzgebern tehicn, und die Publicationsformcl be- 
sagt nichts anderes, als dass der Rath die ('n?nf)ilation zu- 
samnienp^estellt. verfasst habe. Wäre der Oesetzgeber der tiro- 
lisehe Hau{)tmann gewesen, dann würde es allerdings begreif- 
lieh sein, dass man naeh der Wiederherstellung der bischöflichen 
Regierung seinen Namen aus der PubHcationsformel gestrichen 
hätte.' Wir sahen ja in der That, dass einer dieser Haupt- 



Lattes, La cnmpana serale nei secoli XIII e XIV sseondo gli ststiiti 
flelle cittA Italiane, Biblioteca della Letteratnra Dantesca 9 — 10, ICi f. 
(Ich vordanke die Rpiiütznng' drpsns Werkes meinem Mehr geehrten C<»J- 
legen Herrn Prof. Dr. Arturo Fariiielli, dem iih liifiiüt meinen besten 
Dank erstatte.) Auch in Trient, wie an vielüii anderen itaiienischeu 
Stidten, war w Dleht gestattet, von d«m dritten KUng der Abendglocke 
bia snm Motgenllttten ohne Licht oder mit Waffen die Streaaen su be* 
treten, und durften die Wirte ausser an ihre Oiste keinen Wein ver- 
kanfen, Lattes a. a. O. 164, ir,7, 168. 

* Lttschin. Oesterreich ische Baidu^fetcbiebte 177; denelbe in Biatoriaehe 

/.••it.ichrift 7S, 441 f. 

' Die Verfiij^niifroii der tiroliM lu-u He.miten behielten auch nach Wieder- 
einttetxuug der Bischdfe ihre Hecbtskraft. im Vertrage von 1805 .Inli 22 
swiaehen Biachof Bartbolomüaa and den Herxogeu von Kärutau wird 
von tirolieeher Seite verlangt: ,quod d. epiaeopna oonfirmet et mlifleet 
oronea lentenciaa latiia per d^ dacea ant per capitaneoe vel viearioa sea 

11» 



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leute ein Statut fftr Judioarien erlassen hat Aber der Inhalt 
des Trienter Statats spricht^ wie erwähnt, dagegen. Viel eher 
wird man annehmen kOnnen, daas die Statuten Tom Rathe 
sn einer Zeit angefertigt wurden, als die Wiederein- 
setsung des Bisehofs Philipp oder des Bischofs Bar- 
tholomäus Quer in i in die weltliehe Regienmg ihres Bii- 
thums in Aussicht genommen war, dass sie vielleicht gar 
auf ihre Veranlassung hin entstanden sind, dass sie von den 
Bischöfen zwar nicht förmlich approbiert wurden, aber doch 
durch Qewohnheit Rechtskraft erhielten. Damit kämen wir 
in die Jahre 1808 und 1806. Überblicken wir die Obrigen 
Anhaltspunkte, so wllrde die Erwähnung der ,Dnlcini' unter 
den Ketzern sieh damit auf das beste vertragen, alle anderen 
Indicien würden zutreffen, keines dagegen sprechen. Und 
welcher Zeitpunkt hätte zur Abfassung von Statuten geeigneter 
sein ktfnnen als jener, in dem nach langer Unterbrechung das 
bisohSfliche Regiment wieder aufgerichtet wurde?* 



RaRUldiniios poriirn, sicut si por ipflum episcopnm vel ein* vieariuot 
cuMient Ute, quia aliter niaximum et detMtAbiliMimam scmBdaluni ori- 
valnr in episcopatn Tridenti*, und wt TOm Biiieluife sugMtendttii 
worden. 

* Oll nicht Auch die Erwälinnng das Podeota in 7* c. 140 a e. 132 anf 
i\h's(\ Zi'it liinwelsf? Podest&s pab 6s In Trient keine mflir von dem 
VerKichtfl de« Sorlnf'hor de Tito 1255 nn bin in die Mitte de« 16. Jahr- 
bandertii. Man könnt« allerdings au die Podeataten von Riva denken, 
dtr«n entar mir bakanntar Wllielmu« beraita 134t araclH^nt (Kink, 
Pont. rar. Aiwtr. 6» Nr. 185). Oar nennt im Ciilendario Trantino IS54 
ainan Carlato di Mareato Nuovo aehon »n 1840, darnaich anch bai Am- 
bro.si, Oomnienl.'iri 2, 2H9. ])io8C F^odentaten Mind von den Btllgam von 
Ji\\n fft'wühh nnd vom Bischöfe bestStifft wordt'n Hi.sc.hof E<rM'< Iw- 
stäfit'f .«'It'ctionem potestaric de Kipa per bnr^jt'ii.Hp.s ot rivos et lom- 
niiiaitateiii Uipe in d'" Aldrigetnm de Madniyo fnrtam' 1272 Aprii liber 
Zaehai, f. SS, Wian St-A. IMa varainsoltan Podeatalan von Trtant Ton 
1S78 und 1879, waleha Tovassi in s^ner Raihanfolga dar AMmworan, 
Viitare und Podestaten angibt, kann ich nicht nacliwaiaen Und mocht« 
«ie in Zweifel ziehen. Bischof Bartholomäus übertrug Meinem Brnder 
Andreaii Querinus da« in Trient bisher nicht übliche Amt oine« ,vi«'e- 
comes', 1307 MHrz 10, Wien 8t.-A. Sollte nicht dieser Titel au Stelle 
das beabsichtigten Podestä getreten sein nnd in don Statuten mit Rück- 
«icht anf dia bekannt« Absicht daa Biaeboft der PodaalA, nnd Birar an 
erater Stelle vor dem Ilanptaianne nnd Vioare, unter den biaehSSicbM 
Beamten erscheinen? Die Podentaria Wird aueb in £e. ISS «rwibat, 
2^0. 149 gibt aia mit «gawalt* wieder. 



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165 

Wenn wir somit die Compilation mit grosser Wulii'schein- 
lichkeit in dcMi f^eginn des 14. Jahrhuiulerts versetzen müssen, 
so beruht sie doch vielfiicli auf illtcren Rerhtsinif- 
zeiclinungen luid Gesetzen. Schon haben wir zwei Ver- 
ordnuugen des Bischofs Eguo kennen gelernt, welche auf die 
FassiinL«" einiger Capitel von Einfluss <,'evves6n sind. Solche 
selbständige Gesetze lassen sich n(X'h melirere herausschälen. 
Am itltesten sind sicher die strafrechtlichen Bostinimunjren, 
K und 7' c. 2 — 32. Am frühesten üiiisste sich das liediirfnia 
fühlbar machen, die Busssätze autzuzeiehnen, sobald die alten 
Volksrechte ihre praktische Anwendung verloren und das 
Recht sich nicht mehr nach der Abstammung schied, um der 
richterlichen Willkür Grenzen zu setzen. Daher finden sich 
solche Busssätze hUu6g in einzelnen Privilegien und Weis- 
thUmern.^ Jeder, der die hohe Qerichtabarkeit in Anspruch 
n«hin, den yComiUfciM* oder, wie man sie später nannte^ das 
,merum' und ,mixtum imperium^,^ konnte die BuMADSätze Air 
seia Gericht ordnen. Daher sehen wir nicht nur den Bischof 
von Trient, der die hohe und auch die Blut^crichtsbarkeit 
tbeiis selber,^ theils durch ,iudice8', weiche die Verwaltung der 
Strafgeiichtsbarkeit su Leben trugen,^ und sptiter durch seine 
Haupticuto und Vicaro ausübte,^ sondern auch andere, welche 
die bohe Gerichtsbarkeit besasBen, wie den Erzpriester des 

* Kupp, BoitrXge 8, 40 f. 

* (laiiibcr Kicker, Forscbuiigeii sur Koirli»- iiiul Kec-hUgOhchiuIite 
Italiens 1, 'j.'>7; Zalliii^er, >fittheUungeo im iu«tiluU fUr tisterreiobischo 

* Iii hiilliiii voll ,iiubiluit v.-uialii', iiu«l xwar in der ,curiH vajutallurum', die 
nicht nur Lehenthof, sondern mach Adolageriehi wenigateu« in Criminnl* 
«when wiur; statt allem t^L Kink, Font. rar. Auetr. 6, Nr. 77, 86, und 
DttHg» Mitthei! ungeil des Inttttttti fttr Oetemicbiidie Geiobichttfonchnng, 

Erg^iisuiigsbaud 4, 438, Nr. 12. 

* Kink, Koiit. ror. .In-ttr. 5, Nr. ij') und 1 11. 

^ Dein Graten vua Tirul kam als Vogt die Ausübung der Gerichtsbarkeit 
in der Grafschaft Trient nicht ku. Diu Vugtei hatte hier eiueu audereu 
Inhalt nnd andere Bedeninng. Wenn der Bischof die Verwaltung Ahrt, 
hat der Vogt keine Gerichtsbarkeit, hlit keine Qeriohtatage u. s, w. 

Die Urkunden geben darQber ^t-iiü^'end Zeugnis. Erst seit dem Hpäteren 
Mitti'laltor konnte man gegen N t'rfii;;uii{,'»'ii iii!>* Bi.srlidts sich beim Tiroler 
L.-ni<lt'äfun)ten beschweren. Der Kechts^ug ging aber auch <liiiiii von 
dem biscliOflicheu Gerichte an die £eich«gertchtet Bidermann, Die Ita- 
liener im tiroliiehen ProviasialTerbaadt fü. 



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166 



Domcapitels von Verona im Jahre 1209, nachdem das Dom- 

capitel die hohe Gerichtsbarkeit in den Dörfern Bondo, Bre- 
guzo, Bolbeno und Zuclo ])canspru('hte, Statuten erlassen.^ 

Ausser diesen Straf«^(!setzon werden auch die Bestim- 
muD^en über die Notare R e. 5ü bis GO (7' c. öll bis 61), nament- 
lich die Taxordnung, einzelnen, früher selbstar iiL,cn Gesetzen 
entnommen sein. Uber die Fleischhauerordming 7' c. ♦>4 bis 
73 {R c. 1(32 bis 171) ist schon oben- gesprochen wurden. 
Ebenso wird es sich mit den Verordnuiin^en Uber die Müller 
K und T c. 40 und 41, über den Fiscbverkauf c. 68 bis 74 
(To. 79 bis 84 \ielleiebt auch den Bestimmungen über Flur- 
frevel Ä c. 95 bis 107 {Tc, 106 bis 117), über den Wacli- und 
Kriegsdienst R c. 112 bis 115. das Tragen verijutener Waffen 
R c. IIH und nO {T c. 124 und I2b), nhi'r die gerichtlichen 
Fristen und Ferien R c. 129 (7'c. 134) und andere verhalten. 

Auch die alten Statuten sind höchst wahrscheinlich 
nicht in einem Gusse entstanden. Vielmehr ergibt R 
c. lOS i 7'c. 118) einen deutlichen Abschnitt. Die Anordnung 
ist vor diesem Capitel zwar keineswegs eine systematische, 
aber sie entbehrt doch nicht einer erkennbaren Reihenfolge. 
Bis R und T c. 32 reichen strafrechtliche Bestimmungen. Ganz 
logisch schiiesst hier c. 32 mit dem Satze, daas sowohl im 
Accusations- wie im Denunciationsproccsse der unterlegene 
Theil dem Sieger die Kosten des Verfaiirens au ersetaen hat. 
Es folgt im c. 33 eine Straf bestimmung gegen Occupation von 
gemeinen Wcjfen und Wasserläufen, also eine Verfügung dorf- 
rochtlichen Charakters. Daran reihen sich in c. 34 bis 41 markt* 
und gewerbepolizeiliche Bestimmungen. Dann werden drei 
Capitel über das Spiel c. 42 bis 45 eingeschoben. Nach dnera 
strafrechtlichen Capitel über Missbrauch der Amtsgewalt c. 46 
und einigen Statuten Uber Beschädigung von Öffentlichen Wegen 
und fremden Grundstücken c. 47 bis 49 folgen Bestimmungen, 
welche die Gerichtsordnung und das Notariatswesen betreffen, 
c. ÖO bis 61. Daran schliesst sich vereinzelt CSapitel H c. 
welches die Privatpillndung von Bürgen verbietet. Ihm ibigt 
eine Reihe von Capiteln, Markt- und Qewerbepolizei betreflfendi 



* Ufkatkde 1209 Mai 10, Verom GapiteUireUv. 

* 8. 1S8. S c. 169 lebeiiit äpüterer ZoMtai sa MiOt wenn anch difl 
E^uraog in 7 c 71 eins miamntiBdlidi« iit 



m 



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167 



R c. 63 bis 75 (rc. 64 bis 85)» (larimter in T iüb Fleisclibatter- 
Ordnung. Da» Tereinaelte R c. 76 (gleich T c. 86) spricht das 
Verbot aus, Fremde m Ämtern zusnlassen. IMe nftehsten 
Gapitel B c. 77 bis 80 (7*0. 87 bis 90) enthalten privatrechtliehe 
Normen, die folgenden strafrechtliche. Da sie über iiaub nnd 
Diebstahl handeln, so dUrien wir wohl in ihnen ein jene 
älteren strafrechtlichen Bestimmungen, welche den Eingang 
des Statuts bilden, abäiulürndes Gesetz sehen. Es folgen dann 
Bestimmungen, welche die Feuerpolizei betroffen, R c. 86 bis U2 
(T c. 96 bis 103), ötrafhcstinnnungen gegon FlurfVevcl H c. 93 
bis 107 (Tc. 104 l)is 117) und endlich lu A' r lOH {T c. UÖ) 
der bekaiinic Satz des Aecusationsproeesses, dabs der, welcher 
einen anderen fiilseldich anl<:iagt, ,de aliqnibus jjostis scriptis in 
hoc übro', dictseiibe Strafe erleiden soll, wie der Angeklagte, 
wenn er schuldig befunden worden wäre. Diese Bestimmung 
pasbt schon ihrer Natur nach fUr den Schluss des Gesetz- 
buches. 

Was aber noch mehr die Vermuthung nahelegt, das^ hier 
einmal die Statuten geendii,'^t liahun, ist der Umstand, dass die 
folgenden Capitel so recht den Charakter von planlos anein- 
ander gereihton Nachtrügen und Ergänzuntren an sich tragen, 
dasis sie vii If.n h du vorangehenden Capitcl berühren und ver- 
ändern, auch Wühl III Widerspruch mit ihnen stehen. So stellt 
gleich R c. 109 (7'e. 119) einen Nachtrag zu den feuerpolizei- 
lichen Satzungen vor. R c. 118 und 119 ( T e. 124 und 12f>) 
sind Nachtrüge zu A' c. 11. Das frühere Gesetz verbot den 
Auflauf mit gewatFneter Hand, die späteren das Waifentragen 
in der Stadt, ein weiteres R c. 134 (Tc. 142) das Waffentragen 
auf dem Lande. R c. 125 (7'c. 130) ändert R und T c. 42 ge- 
radezu ab. Dieses yerbietet das Würfelspiel durchaus ausser 
an Markttagen, jenes gestattet es nur mehr auf dem Markt- 
platze zur Zeit des Monatsmarktes. R c. 12ö (2' c. 133) gibt 
sich als Entscheidung einer streitigen Rechtsfrage mit seiner 
Bestimmung, dass die Processkosten auch dann vom unter- 
legenen Theile zu tragen sind, wenn dieser den Caluranieneid 
geleistet hat. Ä c. 129 (T c. 134) ändert die in einem früheren, 
nicht erhaltenen Gesetze bestimmte Appellationsfrist ab. R c. 131 
(7*0. 139) gibt sich ausdrücklich als Novelle von R und Tc. 7, 
indem es im Falle der Verwundung eines Mitgliedes des bi- 
schöflichen Hofes eine Erhöhung der Strafe eintreten Iflast. 



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168 



Eiae Novelle ist offenbar auch das Stra^eaeta gegen Mord R 
o. 133 (Tc. 141), das den Tod als Strafe feststellt Denn ge- 
wiBs war auch hier wie nach anderen Zeugnissen in Sttdiirol 
die Tödtung einst durch Geldbusse gestthnt worden. Denn 
erst sehr langsam hat die Todesstrafe des rOmischen Reehtes 
nach dem Vorgänge des Friedensgesetces Kaiser Friedrichs L 
▼on 1162' das ältere germanische Gompositionssjrstem ver^ 
drängt.* R c. 135 und 186 {T c. 143 und 144) enthalten Straf- 
verschärfnngen bei Kirchen- und Strassenraub. R c. 142 (7* 
c. 152) ändert R c. 76 (r c. 86) insofern ab, als es Fremde 
nur vom Amte des Judex, Notars und Ädvocaten auasdiliessti 
während das frühere QMetz ihnen alle Ämter yerschlossen 
hatte. Hier lassen sich Tielleicht die beiden verschtedenen 
Rechtssätce sogar noch zeitlich fixieren. Die kaiserlichen Po- 
destaten waren alle Fremde gewesen. Unter ihnen dienten 
fremde Beamte. Ein Bartholomäus von Alba ,imperialis curie 
iudex* fungiert als Assessor des PodesUis Sodepher de Tito.' 
In der Zeit Kf^nos bcj^cgnen uns keine fremden Assessoren. 
Sollte man nieht gerade damals jenes erste Gesetz erlassen 
haben, um die Wiederkehr der früheren Zustünde hintanzu- 
halten? Aber bald machte sich ein neuer Gesichtspunkt 
geltend. Es war fast allgemeiner Rechtsbraueh in den italie- 
nischen Städten, dass der Podesta kein Einheimischer sein 
durfte, damit er, nielit verflochten in die städtischen Par- 
teiungen, um so unbefangener sein Richteramt ausübe. Diese 
Anschauung niaehte sich aueh in Trient hinsichtlich des Vaars 
geltend. Schon unter der tirolischen Verwaltung treffen wir 
einen, der sicher als Fremder gekennzeichnet ist, im Jahre 
1288: ,Bertoldus de W idotis ex Berj_'anio'.-* Häufiger ist dies 
dann nach der Wiederherstellung des bischöHichen Hegmicnts 
unter Bischof Bartholomäus der Fall, unter dem gleich 1307 
zwei Fremde als Vicarc nachzuweisen sind: ,Jacobinus iudex 
de Cremona^ und ,Guido de Papia^ Damals, etwa bei der 
Compilation, wenn nieht schon unter der Verwaltung Mein- 
hards IL, ist zweifelsohne dieses abändernde Gesetz erlassen 



* MM. LI Constit. 1, 195. 

* Kolller, Dm Btrafrecbt d«r iUlieuücheti Stetuten 321. 

* 1S40, Bonelli, Memorie 8, 677; 1241, Kink, Fooi zer. Awtr. 5, Kr. IM, 

mischltih ,<1o A1a<; 1244, Boiiclli, Memoritt t, 68S. 

* 1288 Män 4 uud 1288, Wien Sk-A. 



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169 



worden. Wir sehen also, dass auch die Trienter SUvluten wie 
die meisten älteren italienischen Stadtstatiiten ' nicht in einem 
Gusse entstanden, sondern nach uutl nach crwaclisen sind, bis 
sie in einer Coinpilation, die das historische Werden noch recht 
gut erkennen lasst, zusaiimiengefasst wurden. 

Einen ganz anderen Charakter trägt das zweite, da« 
neue fcjtatut. Nach der Publicationsformel ist es vom Bi- 
schof Nicolaus erlassen worden, der von l.i37 bis 1347 
regierte. Diese Angabe wird durch die Urkunden bostiiiigt. 
Wir werden sehen, dass in dem bereits oben erwähnten öe- 
richtsbache von 1337 die Bestimmungen des neuen Statuts noch 
nicht befolgt wurden. In den beiden durch Keich an den Tag 
gebrachten Urkunden von 1340 und 1357^ wird das (lapitel 
über die Appellationsfristen, das zugleich die Genchtst'enen 
aufzählt, transsumiert. Nun liattc gerade dieses Capitei eine 
bedeutende Erweiterung in den neuen Statuten erfahren. 
Während die Urkunde von 1340 noch das Capitei den alten 
Statuten entnimmt, folpt die von 1357 bereits den neuen. Kine 
auch sonst interessante Aufzeichnung des Wiener Staatsarchivs 
von 1355 März 3^ über die von Ecelin, Notar von Campo, 
Vicar des Markgrafen Ludwig von Brandenburg, beobachteten 
Gerichtsferien nennt darunter den Vigiliustag und andere Hei- 
ligenfeste, die erst durch die neuen Statuten als Oerie htsferien 
eingetlihrt worden sind. Eine Urkunde von 1343 erwähDi 
suerst die Ladung im Auftrage der Pajrtei| welche die neuen 
Statuten eingeführt haben.'* Es muss also das neue Statut 
zwischen 1340 Juli 16 und 1343 October entstanden sein. 

Das neue Statut galt nur für jene Tbeile des Bisthums, 
in denen das rOmischFechtliche i:*rocess verfahren mit dem Kin- 
xelnrichter recipiert worden war, nicht dort, wo nach deutsch- 
rechtlichem Principe das Urtheil: »geit nach der maisten volg^. 



1 Scbttpfer, Manual« di atoria dal 4iritto italiano 1, 269. 861*, P«ritl«, 

Storia dflJ diriUo italUno« II, 2, 13«. 
> Del piu antieo Btatuto 37 f. ond Tridflnlum 336. 

' Beilage Nr. 4. 

* 1343 October 29, Wien 6I.-A.: .Otloricus viator . . . reliilit . . ., cjnofl 
die Rabati nuper elapso . . . se ad petitimiem ut inatantiam dumini 
BoaehencoDtri . . . precepisset et dennDciavit Vivianu . . quod foret 
liodie • . . coram domino Conrado . . . faciena racionem de botatnllkaf 
et penonis Lenigi* u, s. w. 



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170 



das ist das Urth«!!' nicht wom Riohter, sondern von einem CoUeg 
oder auch von einem eineelnen mit Vollwort der Gerichtage- 
meinde gefunden wurde. ^ Das war der Fall in den deutschen 
Gerichten, so weit sie noch bischöflich waren, in Fleims, Königs- 
berg und anderen Orten.* Denn die Rechtssätze des neuen 
Statuts entstammen zum ^utcii Theilo dem ^«nieiiien italienischen 
Civilprocessc und waren an Orten mit ticutäclicr Gerichtaver- 
fassuiij:: nicht anwendbar. 

Inlialtlicli stellt sich das neue Statut aJs eine uüitan^- 
reichc Novelle dar, welche das Gerichtsverfahren und einige 
Theile des Privatreehtes regelt. Dabei werden wenigstens nach 
der Fassung von 7" einzelne in den Zusammenhang passende 
Capitel tler alten Statuten wit:rlerholt. In vielt.-n aber sind das 
alte liecht und die alten Statuten abgeändert. Namentlieh 
werden die Termine »»-ekürzt, so z. B. die Frist, die zur Aus- 
lösung gepfändeter Gegeustiindc besteht. ^ Ebenso wiederholen 
r e. 52 und 67, R o. 120 und 79 {T c. 134 und 89) nur mit Zu- 
sUtzen. In 7" e. iu] und ♦54 sind pregeniiber den alten Statuten* 
die Taxen der Notiiriat.surkuuden bedeutend erhöht. Diese 
Taxen werden nun zum Theile in den damals gangbaren 
Kreuzern berechnet. 

Vom juristiseluMi Standpunkte muss dieses Gesetz, als 
ein vort re fflieheB bezeichnet werden. Indem der Civil- 
proecss hier zuerst für Trient in umfan^'reiclier Weise fje- 
regelt wurde, war der Gesetzgeber mit Erfolg bemüht, die 
Fortsehritte der Doctrin und Praxis au verwerten. KUrzung 

* Mit AiMnahne von e. 46 « 2*' c. 64, dM lich gerade auf solche Ge- 
liebte besieht. 

* Sieber ist die Schetdnng der Geriehle nach dieiem Genehlqpnokte nicht 

darcbzufUhren. Ein solbatartheilonder Richter 1289 Juni 24 im Gerichte 
Entiklar, Wien St.-A. In Salum 1293 März U vor -lom GH.<täMen 
dentschrerhtliclies Verfahren, Wien 6t.-A. In KHnigsberg' soll der Vicar 
nach dem Privileg von 1347 October 6 das Urthell fällen ,du c^msilio 
duodeeim probomm vlromm*, fllr Flein» des Piivileg von 1111(9) 
Juli 14, Sebwind und Dopeeh, Atugevlhlte Urkunden, Nr. 9; Sartori- 
Montecrocc, Zeitschrift des Ferdinandeuros IIT. 8G, 139f. 

* Vpl. Aff.x Tirol. -2, Kinl. 193. Noch in> neriohtebuche von 13;5T IhuM 
sich die liiii^rore Frist, wio im Uber überti, f. 3', n. 23, uiuo vi«>r/.öbn- 
tätige zur Auslü.Huug gepfändeter Rinder, während nach T c. 33 ^ 

e. 29 bei beweglichen Sachen nur eine zehntägige Frist gewihrt 
wird. 

« Ji 6. 59 » 2* c. 69 und ^0. 



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171 



und Voreinrai tiung des alten Verfahrens waren dabei die Ziele 
des Crpmtzfr^hfirH. Das Oesetz bcpnnt in T* c. 2 f K' c, 1) mit 
den Ladunpjcn. Während frülior nach dem ^pm^ineo Rechte 
drei, ja <(( •^röhnlich vier die Ke^jcl waren/ wird jetzt eine per- 
pflnlichü oder zwei an die Wohnun|Dj'Rip:cnossen für ^ronilgond er- 
klart. Es wird die Ladiin^]^ der Heimatlosen ^ei\^elt und na- 
mentlich die Neuerung eingeführt, dass die TjndiiTi!T Uber directes 
Verlangen der khigenden Partei vom T»! i iciitsdiener vollzogen 
werden rauss. ohne dass es eines richterhchcn Auitiai^'cs be- 
dürfte.* Gegenüber dem Verfahren des 13. JahrhurKierts un- 
zweifelhaft Neuerung. Das zweite Capitel schreibt für gewisse 
Recht^crfsehäfte Minderjähriger die Geriehtlichkeit und Anwesen- 
heit und Zustimmung der vier nächsten Verwandten vor. Die 
eidliche Bekräftigung solcher Rechtsgeschäfte ist ohne Wirkung. 
Damit wird die berttchtigte Autentica ,Sacramenta puberum' 
iUr die Minderjährigen beseitigt. Auch das ist Neuerung gegea- 
ttber dem älteren Rechte, nach dem Minderjährige mit Zustim- 
mung ihres Curators und unter eidlicher Bekxttfti||^g auch 
ftber Liegenschaften verfügen können.* 

Die folgenden Capitel T' c. 4 bis 7 (Ä' c. 3 bis 6) handeln 
Ton den Stellvertretern. Sie bringen nichts wesentlich Neues. 
In c. 5 wird die Bestellung von Cnratoren oder, wie das Ge- 
sets sagt, Tutoren fdr Taube, Stumme. Wahnsinnige und Ver^ 
schwender angeordnet. 2* c. 8 = // c. 7 gibt bei Contumaa 
des Beklagten dem Kläger die Wahl, die PfltiirUing des unge- 
horsamen Theiles au T^tangen oder das Verfahren ,in ere 
modioio' fortanfUhren. Das ältere Recht kennt, wenn der Un- 
gehorsam vor der Litiscontestation eintritt, nur die PfUndung.^ 
Dagegen haben schon frahzeitig manche Statuten das Ver- 
fahren ,in eremodicio' zugelassen^ und die bekannte C9emMitine 
Saepe hat es allgemein angeordnet Das nächste 7^ c. 9 (72' e. 8) 
ordnet bei Streitigkeiten unter nahen Verwandten und Ver^ 
schwägerten fhitscheidung durch Schiedsrichter mit Ausschluss 



* Acta Tirol. % Etnl. 146. 

* Wie auch nach dem Statuta rrodit von Verona, Ltltes, U diritto oooane- 

tndirario delle citti Lombarde. 02. 
' ActA Tirol. 2, Nr. 60 b, 90 (hier allerdings mit ricliterlicher Autorität), 
ld6 U. 8. w. 

« Acte Tirol., SiaL 196. 

* Deninter auoh die von Verona; vgl. Waoli, Anrestproeeis 190 f. 



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172 



' der ordenttichen Gerichte ao, eine Verfolgung, die itt lombar- 
diBehen Statuten ebenfalls erst von der Mitte des 14. Jahr« 
himderts an häufiger wird.^ T c. 10 (i^ c. 9) besweckt wieder 

eine Beschleunigung des Verfahrens, in dem die Fristen für 
das Beweisverfahren und den Austausch der Erklärungen der 
Parteien festgestellt und gekürzt werden. ' 7^ c. 11 {R' c. 10) 
ordnet das V^crfalircn bei Einholunf? von Keehtsgutachtcn, da^ 
nächste Capitel den Arrestprocess, der somit bereits in der ge- 
wöhnlichen Form im Falle der CoiitmiKi/ des Beklagten zugü- 
lasäcn ist.^ Der Arrestwerber Imt sein lleeht dureh üJfentliches 
Instrument zu beweisen oder durch Eid zu bescheinigen.* Der 
Procesö ist auf dem Wege der Schriftlichkeit weiter eniwickelt. 
Während nach dem Liber Oberti das V'eilaliren noch im 
wesentlichen ein mündliches war, sind jetzt alle Erklärungen 
der Parteien nach T c. 17 {Ii e. 15), sowie die meisten richter- 
lichen Deercto schriftlich geworden 7" c. 51 {R' c. 45). 

Eine wichtige Neuerung bringt 7" c. 20 (/?' c. 18) dureh 
die Einführung des summarischen Verfahrens in einer Heihe 
von Fullen, nachdem es für Arrestsachen bereits in T' c. 14 
{l{ e. 121 anireordnet war,^ wozu sich allerdings schon im 
13. Jainhundi 1 1 - AnsUtze ausgebildet hatten.*' In den Statuten 
Oberitalioub begegnet das snmmarisehe W'rfaliren erst seit der 
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts.' Auch die Fälle, in denen 
summarische Cognition statltinden soll, Lohnklagen, Mietzins- 
klagen, Käufe von Lebensmitteln, Marktgeschäfte, Sachen der 
Witwen und Waisen und Armen haben sich um diese Zeit in 
den italienischen Statuten festufoaetzt.'' Nur die obeufalis sum- 

' Lattes, II diritto cotuueludinario 89, ii. 62. Pertile «. ». O. 6, Vit. 

' Ebenso wird die Zahl d«r an die Zeugen e« etelleaden FVafeo nach T* 

c. 1t) (/;' c. 17) auf sechs fllr jede» Fragelttck beKliriLiilrt. 

• Wach, Ärre«tproce.s.s 7 J t 

* Der Calumnienoid geniifrt in gowis^un FHIIpu als lle\vt'i>iinttel heroits 
der GIoMu uuil tiudet aich ais »olches beim ArreKtproce!«6e iu jüngeren 
Stataton, Wacb, Arreatprocew 133, 154, n. 37. 

^ Die Sindict beben aebon aedi 7*6. 187 w e. 130 in allen vott ihnen 
SU eut M iileuden Rechtaeaeben stimmamcb vonufeben. 

• Acta Tirol. 'J, Eiul. 177 f. 

' Ansätze dazu schon friihor, Wach, Arrentprocps«; 184; Pertile, iituria 6, 
097) Lattes, Ii diritto cumuetudinario Sä; Briegieb, Einleitmtg in die 
nieorie der BnmmariaGbeu Provesse 31 f. 

* Pertile, StorU 6, 602. Dein kommen noch alle Proeease de» Biataiw 
namentlicb nm Reeüpiration biechOflieber Güter. I>ocb iet der Q^geo* 



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173 



marisch zu beliandeliidcn Bagatcllsaclien sind zum Tlieile selion 
alteren Ursprungs.* In diesem Stiiiiuiiirvri faln eii o:enügt halber 
Beweis mit nur einem Zengen oder Calutnnieneid.^ Aus dem 
Summarvei-fflhren drinp^t manches in den ordenthehen Process 
ein. r)ie ftnerliche Litiseontestatio kann nach T' c. 21 (R' c. 19) 
ausfallen, indem ein zum Antritte des Beweises den Parteien er- 
theilter Termin die Litiscontestatio ersetzt. Auch bedarf es 
nacli 7* c, 25 {Ii' c. k* ines Klaglibells, wenn Ul>er die ein- 
geklarrte Schuld ein öftVntiiches Instrument vorliojL^t, and ebenso 
in gewissen anderen, den Bag-atcllsachcn sieh nähernden Fällen.* 
Man hatte sich damit dem älteren Verrahren, wie es im Uber 
Oberti erscheint, wieder «genähert, in dem ein Kiaglibell nur 
selten Überreicht wurde/* Wenn in T' c. 24 {R' c. 22^) die 
Schuldhaft aul df ii Fall eingeschränkt wurde, dass ein im Bis- 
thume nicht begüterter Auslllnder sich durch öffentliches In- 
strument zur IJbernalnne der Sehuldhaft einem Trienter gegen- 
über ausdrücklich verpHichtet hat, so lässt sich nicht bestimmen, 
inwieweit darin eine Änderung des Hechtes gelegen war. 

Die Capitel T c. 27 bis 35 (Ji' c. 2ö bis 31) ordnen das 
P2xecutionsverfahren, das sie durch KUrzung der Fristen zu 
beschleunigen suchen.^ Damit hängen Bestimmungen zusammen, 
welche die Gläubiger vor den Anforderungen der Ehefrauen 
der Schuldner wegen ihrer Dos und Wiederlage schützen sollen 
{T c. 37 und 39, Ä' c. 33 und 35). Capitel T c. 36 (Ä' 32) 
handelt von den Confessaten, ohne etwas wesentlich Neues an- 
sufUgen. Eben weil diese Statuten auf einem der Kechtsent- 
wicklang der Zeit (Mitsprechenden Standpunkte stehen, konnten 
sie den Grundstock iMr die späteren Kedactionen abgeben in 
viel weitergehenderem Maasse als die strafrechtlichen Bestim- 
mungen der alten Statuten. 

pnrt«i dnnn von Amt-iwnpen ein Advocat /u/ii weisen (7" c 45 nntl Hl, 
Ji' c. ^9 und 40). Endlu ii die EUecuttonnklagH gegeu den Bürgen, die»e 
«chun HHch Ä c. 62 ^ T c. 63. 

* Wacht Airettprocemi 184. 

' Bs iat dies sonst seltener im iteUeniseben Slatiitamoht, Pertile» Storia 
6, 600; Wadi, ArreRtproc«8» 187, n. 49, 193, 11.6S. 

• Her Kljjgen um Pnc}it/.ins, bei (»iiicr ScIiiiMsumnio iltitfr 100 Sdliili und 
jedesmal, wenn in der Hchuldurkunde anf 0 berreicltung eines Libells 
verzichtet imt. 

* AcU Tirol. 2, Einl. 146. 

• Sisbs oben B. 170. Vgl. Acte Tool 2, Binl. IM f. 



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174 



Schon von Rapp^ warde auf den Znsammenliaiig der 
Trienter Statuten mit denen von Verona nnd anderen oberitalie* 
nisolien S^ten hingewiesen. Inden kann die FVage nach der 
SteUnng der Trienter Statuten zu den norditalienischen hier 

nicht gelöst werden. Erst milsste das VcrhlÜtois der italie- 
nischen Statuten za einander aui'gchellt werden, das heate 
noch zum grössten Theile im Dunkel liegt; es mUssten wichtige 
Zwisehentjjlieder, wie die Veroneser Statuten von 12*1 uiui 1328, 
die Vicentiiier v^on 131S erforscht werden, die wie so manche 
andere nni iKnulschriftliph vorliegen, bis an die Lüsung dieser 
Frage gesclirilien werden könnte, Studien, die den liahuien 
dieser Arbeit weit Ubenschreiten würden. Nur einige Bemer- 
kung*' n, welche sich dem Verfasser im Laufe seiner Studien 
aufgedrilngt haben, mögen hier ihren Platz finden. 

Jene Bemerkung liapp .s ist jedenfalls insoweit gegründet, 
als in der That das Veroneser* und Vicentiner Recht 
dem Trienter nahe verwandt ist. Bctracliten wir zuerst 
di«' alten Trienter Statuten, so zeigt sieh eine gewisse Ähnlich- 
keit des Rechtes nicht so selir in den alten Verünt si-r Statuten 
von 1228, sondern viehuehr in den Statuten von \AbO, die im 
wesentlichen auf die Statnten Mastinos I. vor 1271 und auf 
die Neuredaction von 1328 zuriiekL'f hen dürften Auch bei den 
Vicentiner Statuten tretlen wir Anklänge nicht so sehr in den 
freilicli dürftigen Statuten von 1264, als vielmehr in den jüngeren 
Satzungen. 

Am ehesten sind fUr die Bestimmung der Verwandtschaft 
▼on Rechten, wie schon Ficker dargethan hat,* ausser familien- 
nnd erbreehtlichen Sätzen, strafrechtliche Bestimmungen be- 
zeichnend. Dem Inhalte der Trienter Statuten gemäss kommen 

» Reitrfig:e 8, 3. 

• Für Verona wurden zur Vergleii-Imiip lierang^xog^on die Statutcu von 
122B, gedruckt von Campagnola, Liber iuris civilis urbi.s Veronae, Ve- 
rona 17S8, dann dto Statoten von 1460 in Stotato raagnifieae cavitetb 
VerottM. Teraoae 1686. Von den Statuten Ton 1S7I und 1SS8 dürftige 
Atuicflge 1>ei Carli, Istoria delU uittA di Verona 4, 258 f., nnd Spangeo« 
bergr, Catiprnnili? T. dolla Scala 2, 87 f. Üb»»r die Datu-run^' dii'.xi'r 8ta- 
tutoTi Spang^uberg^ a. a. O. 187 f. Fflr Vicenza Lftnip«>rt!co, Statnti d«l 
Cunmne di Vicenza 1*264, Venezia 16^6 in MonameiiU pubbl. dalla r. 
DepntMione Veneta di Storia Patria. Serie S. Stotuti 1 und die Sta- 
tuten von 1416 in Ina mnnieipale Yicentinnm, VeiMtiis 1667. 

* ünteranchnngen nir Erbfolge der MtgermaniBchen Beehte 1, $. II. 



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175 



diese fast allein in Betracht. Und da treffen wir in der Tliat 
eine weitgehende Ähnlichkeit bei der Qualification der ein- 
zelnen Verbrechen, der Bestrafung und ihrer Abstufung, eine 
Ähnlichkeit, welche sie oft in Gegensatz zu den lomburdisehen 
.Stadtrechten bringt.^ Auf Mord setzen alle drei Hechte die 
Todesstrafe, und zwar untersclieidcn die Trientcr ( 7 c. 141 — 
R c. 133) und die Veroneser von 1328* hinsiciitiich der Aus- 
führung der Strafe nach dem < iesehlechte; MHnner werden 
enthauptet, Frauen verbrannt.' Darin scheiden sich Trieut und 
Vicenza allerdings wieder, dass hier der Mörder auch sein 
Vermögen verliert, was in UVicnt nicht der Fall ist* Dagegen 
liisst Trient bei Mord und vielen anderen Vergehen Stlhne zu 
und straft nach Prlang"ter Süline nur mit Geld.'^ Diese He- 
giinstijrtmo: der Sühne ist für da.s Trientcr Recht charakteri- 
stisch. Sie nia«; wohl mit der <;ci8tlichen Herrschaft zusammen- 
hänf^en, denn gerade die Geistlichen haben dieses Institut au.s 
christlichen Gesichtspunkten, aber nicht zum Vortheile der 
Volksmoral begünstigt. Alle drei Rechte endlich erklären die 
Tödtung aus Nothwehr für straflos. Qualiüciert erscheint der 
BAnditenmord, das ist die gegen Geldzahlung oder anderen 
Vennögensvortheil auf Anstiften eines Dritten vollbrachte Töd- 
tung. In Trient tritt dann Verschärfung der Todesstrafe ein,'' 
ebenso in Vicenza;' Verona bestraft schon den Versuch mit 
dem Tode.^ Alle drei Rechte endUch bestrafen in diesem Falle 
auch den Anstifter mit dem Tode. 

Ziemlich eingehend wird in Trient die körperliche Ver- 
letxnng behandelt, welche hier mit den Kealinjimen znsaromen- 



* Für die Verg:l«iehttiiK dei StrsfrMbtM der italieiüMhen Statntm leistet 
gttte Dieiwte das vortnAliehe Baeh von J. Köhler, Strafirecht der italie- 
nlMhen Stotnten, decMlben Stadien mit dem Btnifireehle 6. 

* ßpanf^nberf^ a. a. O. 2, 93, 

* Vicenza' (1426), .3, c. Iß; Verona " (146U), 3, c 39; ebenso das spAtera 
Trienter Kecht .1 2, c, 61, C 3, c. 97. 

* Vieeua' (I26i), 117. 

' Saline auch Tleensa \ 117, nnd Verena ^ e. 84. ITnfiehtin^ Pertile s. «. O.*, 

6, 673, dass Vermngensconfiscation die einzige Strafe de» Ifltrden iieeh 
diesem Rechte ist, vielmehr trifft ihn ewige Friedlosigkeit. 

* Vpl. KoMer .n. a. O. 397. 7* nnd Ä c. 17, Srhloifnrip de» MOrden, enge* 
banden an den Schweif eines Essels, auf den Hichtplatz. 

* Terlnst des Vermögens, Vicensa', 3, c 17. 

* Verona 3, 8, c. 99. 



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176 



gefasst wird. Diete Verbrechen werden abgeetnft nach der 
Wirkung. In Trient, wie in Vieenea und Verona wird unter- 
schieden, ob die Verletaung eine blutige war oder nieht' Ge- 
rade dioBO Qualification, eonet in den italieniBehen Statuten 
häufig, fehlt in den lombardisohen Stadtrechten.* Weiter wird 
nnterschieden nach dem Gegenstände, mit dem die Verletsong 
beigebracht wurde. Damach wird yerschieden benrtheiit der 
Backenstreich mit der flachen Hand,' der Schlag mit der 
Faust,* Angriff mit Waffen,^ wobei auch der Versuch bestraft 
wird." Den Backenstreich bestrafen alle drei Rechte höher, 
wenn diese Injurie im Paläste oder an besonders befriedigten 
Orten zugefügt wurde/ Auch dio ]*erson des Verletzten kommt 
bei der Strafbemessung in Betracht.^ Trieut und Vicenza uuter- 
scbeiden dann nac h dem Körperthcile. dem die Verletzung zu- 
gefügt wurde." Auch diese Unterscheidung, die sich auch 
anderwärts in der alten Mark Verona findet,'" ist in der Lmn- 
bardei selten. Diese Verbrechen sind in allen drei Statuten, 
nur wenige l''iille ausgenouimen mit (J eidstrafe belegt." Sogar 
die Mühe der Busse ist tlieilweise dieselbe.** Dagegen gehen 
die Bestimmungen t\ber die Ehrenbeleidigung auseinander.** 
WäJirend in Trient die weibliche Geschleohtsehre am höchsten 



* Disse Qnalification geht woU nicht, wie Tomiuchek meint in n. so 
Tf: 0, nuf aalisclie.«« Recht, sondern auf den I#Rndfrieden fViedricht- 1. 

TOn nr)2 /.nrOck MM IJ Ponstit 1 190. 

* Virl f'io Zu8aniineu.stolhiu^ be» Knhi»r .i. a. O 3 4;7. 

' ,;ii.ipa*, T'und Rc.b, Verona'', 3, c. 30; Viceiixa 3, c. Ift, 

* T nnd JI c. 8^ Vicensa *, 3, c 15. 

* Tand ff c 7, Vieensa*, U7, », S, c. 16; Verona» *, c. 34. 

* r«nd Äc. 6, Verona«, 3, c. 29; Vicenta«, 8, c. S4. 

' Verona 3, c. 36, anch die übrigen FÄlle der kfSrperlicheu lieftchHdigting. 

* Tc. 131 nnd c. 140—182, VprletEung ein«« Mit^liodea de.i 
bischöflichen Hofes, des Podetttäii oder eines anderen Beamleu. Ähnlich 
Vieenxa^ 3, c. 31. In Verona wird Überhaupt der Stand des VerleUten 
in Betraeht gezogen. 

* 2*nnd JZc. 7, Vieenia*» 8, e. Ifi. 

» C.niP^linno, Treriso Vgl. Robler a. a. 0. 849; Gedore vgl. Pertile a. a. O.*, 

fi, n. llö. 

" r <•. 140 — n <•, i:i2, R und T v. 7. 

" «. H. Ii und T c. fi nnd Verona », 3, c. 30; Ii nnd T e. 7 nnd Vicen»a 
S 117. 

>* 7 nnd i? e. 28, S9, Qeldilnife; Verona *, 8, o. 27 nnd 48, und Tieenaa*» 
8, e. 16, arbitrir. 



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177 



geschützt ist* und im übrigen die Strafe abgestuft wird nach 
dem Orte, wo die Beleidigung geschah, ist öic in Verona in 
das Ermessen des Richters gestellt, der freilich Geschlecht, 
Ort und Stand beachten wird. Vicenza hebt aber wie Tricnt 
die vor dem Richter zugefügte Beleidigung besonders hervor. 

Nicht so viele Berührungspunkte bietet die Saclibeschä- 
digung,* Sie ist mit Geldbusse belegt. Dabei tritt in Verona 
und Viceaza^ wie in Trient im Falle der Nichtzahlung eine 
entehrende Körpersti'afe ein.* Wenig» i stimmt die Behandlung 
der Occupation öffentlicher Wege und WaäüerlUufe,^ der Brand- 
stiftung u. 8. w. Die fahrlässige Brandstiftung wird in Trient 
und Vicenza gleieherraassen mit Geld gestraft;" in beiden Orten 
ist sie nur strafbar, wenn das Feuer über das ciut nc Haus 
greift. Der Diebstahl fliesst in Trient mit der Saclib. : < h.iili-un^^ 
und dem Raube zusammen, anders als in Viccn/.i,' aber in 
Ubereinstimmung mit Verona. Besonders qualitiruMt ist der 
bei einem Brande vorgefallene Diebstahl.^ Auf Kaub steht 
nach dem Rechte von Vicenza die Todesstrafe auf dem Galgen,' 
welche auch die Trienter Statuten bei Kirchen- und Strassen- 
raub verhängen.*'' Sehr ähnlich wird in Trient und Vicenza 
die Hehlerei bestraft. Sogar die Höhe der Geldbusse ist die- 
selbe.*^ Unrechtmässige Occii|Mition fremder Liegenschaften 
wird in Trient und Verona wie an vielen anderen Orten mit 
Geldstrafe belegt.'* Ganz ebenso wird doppelter Verkauf der- 
selben Sache an verschiedene,*^ also eine betrUgensche Hand- 
lang, in Trient und Verona bestraft. 



* Nsdi «MltoDi taqgdMvffiwdMB Ba^t«, Bothwi «. a. O., o. 196. 

* 2*6.109—114, 117, il 0.98— 108, t07. 
' Verona*, 6, G.66; VicensaS 69. 

* In Trient Pranger, in Verona Eintauchen in den Brunnen auf Piazza 
d'Erbc nncl AuHgtellnng, unter UmsUiiidon Geiaaelang bei dor Scband* 
aäuie; in Vicen/.a GoiHselmig tliiroli dio Stadt. 

» Tundfic. sa, Verona '^ 4, c. 17. Näher steht Trient Vicenza", 3, 43. 

* 2*0. 97, 98 » J{ o. 87, 88; VloeiwsS 887i *, 8, c. 40. 

* Vioensa*, 8, e. Sl. 

" £ c. 91 » 2*0. 101, Ticeam*, 8, e. 40. 

» Vicenza *, 8, c. 21. 
»» y c. 92, 113, 144 = Ä c. 82, 136, 136. 
»» r c. 93 = Ä c. 83, Vicenza 3, c. 23. 
M Kohler a. a. O. 451 f., Tmi B c. 26, Verona*, 3, c. 98. 
2*1104 Jl«. 80, Tetona*, 8, e. 97. 

AnUv. ZCIL Und. LBlUto. IS 



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178 



In^ der BebandltuDg der Sittlichkeitedeliete iat keine 
nfthere Übereinstimmting su eonstatieran. Nur wird bei ge- 
waltsamer Entehning einer Fraa oder Joagfrau von allen drei 
Rechten die Todesstrafe verhAngt^ Auch hier spielt in Trient 
die Stthne mit der Verletaten und ihren Verwandten eine groaae 
Bdle. Die Strafe der Ehebrecherin ist nach allen drei Rechten 
der Tod.* 

Die Urknndenfillschnng wird nicht ganz f^eichmftsaig be- 
bandelt In Trient nnd Verona wird die Fttlsehung dnrch den 
Notar besonders herroigebobeni während Vicensa alle Fäl- 
schungen mit gleicher Strafe belegt' In den Strafbestim- 
mnngen kehrt in allen drei Orten der Verlast der Hand wie- 
der; Vicenaa und Trient verhängen im Wiederholungsfalle den 
Feuertod. Ebenso spielt in den drei Rechten beim falschen 
Zeugnisse das AuBichneiden der Zunge als Strafe eine Rolle, 
wobei freilich die Etnaelnheiten Terschieden 8ind> Trient und 
Verona behandeln den Anstifter des fiüschen Zeugnisses gleich 
dem falschen Zeugen selber;^ beide belegen den Gerichtsboten 
mit besonderer Strafe, wenn er dne falsche Botschad ausge- 
richtet hat;® sogar die Höhe der Gcidbusse ist dieselbe, und 
erst die körperliche Strafe, die sie im Nichtzahlungsfallc er- 
setzt, ist verschieden. Ebenso setzen beide Rechte auf Faläch- 
niUnzerei den Feuertod ' und scheiden sieli erst bei Bestrafung 
der Verbreitung falscher Münzen/ Auf Jlünzbeschneidung 
steht nach beiden Rechten Verlust der rechteu Uand,^ die in 



* 7* und Ii c. 12, 14, Verona*, 3, c. 41; Vicenza *, 120, unr subsidiär, VI- 
ceiiM *, S, c 19. 

* Der ZmtXUi KohlM*8 «. «. O. 480 a. lOit sieb MtflrUdi naeh der Imang 
von S, dfti hUr sicher 4on aathanttaefaMi Test wiedeiyibc. VeranA*, S» 

c. 41; Vicenza*, 8, c. 19. 

* rnnd R c. 22, Verona", 3, c. 47; Vicenza*. 3, c 25. Nicht unterMhetdel 

nnch Verona*, c. 7(5. Verona 132f?, Spanponborp a. a. O. 94. 

* Tiuv\ Bc. 24, Verona*, 3, c. :V.)- Vioonza 3, c 25. 

* T and 2? c. 2,^, Vf»rona*, 3, c. 49; ander» Verona', c. 75. 

* 2' und E c. 40, Vproiia 3, c 54. 

' r und Ä c. 18 und 19, Verona 2, 3, c. öO. Vei-ona 132ö, äpangonberg 
«. a. O. 98. 

* rund Ji c SO etnfon die Strafe ab naek d«r QnantitSt der HanieD eat 
weder mit Yerltut der rechten Hand oder Feuertod, Terona* S, cfiS» 

arlnträre Strafe. 

* und c 21, VeronaS e. 80, *, S, 0. 67. 



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179 



Trient mit Oeld abgelöst werden kann und bei kleinen Quan- 
titäten immer gelöst wird. Die Verwendung von falseliem 
Maass und Gewicht wird nach aüea drei Rechten mit Geld 
bestraft.* 

Wie in den meisten italienischen Statuten sind aiiuii hier 
Hazardspiele bei einer Geldstrafe verboten.* Trient und Ve- 
rona bestrafen gleicherweise denjenigen, der einem Spieler 
ein Darlehen gibt, während Vicenza die Strafe nur dann ein- 
treten lässt, wenn der Spieler ein Haussohn ist.* Bestraft wird 
femer an allen drei Orten derjenige, welcher das Spiel hillt 
oder in seinem Hause spielen lässt.'* In Trient und Verona 
verdoppeln sich die Strafen, wenn bei Nacht gespielt wird. 
Trient und Vicenza* gestatten endlich das Spiel an Markttagen. 

Auch die Bestrafung der Lästemng Gottes und der Hei- 
ligen ist in den drei Bechten verwandt. Uberall ist darauf 
eine abgestufte Geldbusse gelegt.^ Im Falle der Nichtzahlung 
wird flie durch Wassertauche ersetzt, eine eigenthUmliche Strafe, 
die sich auch in Treviso, Bassano, ConegUano, nicht aber in 
den lombardischen Statuten findet* 

Sehr verwandt sind dann die Beatimmongen, die rieh 
gegen die StOrong des öffendiehen FHedens wandten, in Trient 
und Verona. An beiden Orten sind Zusammenrottungen mit 
gewafineter Hand ▼erboten,' und wird derjenige bestraft, der 
durch Qesehrei zu solchen Ansammlungen Ursache gibt* Eben- 
so herOhren sieh nahe die Verbote, gewisse Waffen au tragen.* 
Beiden Bechten gemeinsam ist auch die Verdoppelung der Strafe, 



* TuniRc 36—89, Verona*, 4, c III; Vicenea», 127; », 3, c 27. 

* T mtä B 9, 42, 43, VonmaS o. 185, 4, c. 12; YicMiM \ IfiS, *, 
8, 0. 86b 

* In Trifiot 3*ft.76Bi{e. 65 isfc«a UwlielwrweiM dan Wirttn verboten, 
einen Httuidin oder Diener dei Spiele wegen m pftnden. 

* Tund 7? c. 44, 45, Verona und Vicenea wie Note 3. 

» T iinrl iZ c. 4, VoKona \ c 171, *, 8, o. 88; Viceasa S 186, 267, % 

3, c. 13. 

* Kohler a. a. O, 614; Latnpertico in der Auf»gabü der Vi rntiner Stntuton 
186, n. 1. Nur iu Lugano, Belinaoua und Maiitua ähuUch, Pertile 
i.e.0.«, 6, 487, n. 18. 

* TmaABc 11, Terena*, 8, c. 82. 

* ,liea tan», ad «ima* Txmi S e. 8t, Yeraiia*, 8, e. 82 und 88. 

* Te, tu, tu ^ Bens, 119, Verana >, a 104, • 8, e. 80b. 

12» 



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180 



wenn die Waffen bei der Naeht getragen werden.^ Nach beiden 
ist ferner das Waffentnigen bei der Reise yon und zur Stadt 
und yon einem Dorfe zum andern gestattet. Alle drei Ter- 
pflichten den Gastfreond oder Qastwir^ den Fremden anf dieses 
Verbot aufmerksam an machen.' HochYerraih endlieh wird 
ttberall mit dem Tode bestraft;' nur tritt dasu in Vicensa die 
Vermj^ensoonfiscatioD, weiche fiir Trient auch das Oeeeti des 
Bischöfe Heinrich von 1375 angeordnet hatte. 

Selbst die Vorschriften, welclie die Verfolgung von Ver- 
brechern sicherten, indem sie die Vorsteher der Dörfer bei 
Strafe zur Anzeige von Verbrechen verhielten, kehren in 
allen drei Kechten wieder.* Sogar die Frist, innerhalb der die 
Anzeige erfolgen soll, wird übereinstimmend auf drei Ta;ro l>e- 
stimmt. Weiters sind iVeiiich die Dorfbewohner nach «lern 
Rechte von Verona und Vicenza verpflichtet, die Verbreeher 
aufzuspüren und zu fangen, während sie in Trient nur zur 
Aiuseige an die Dorfvorsteher verhalten werden.^ 

Auch die Polizeivorschriften zeigen vielfach eine weit- 
gehende Ubereinstimmung. Freilich kehren diese Bestimmungen 
so häufig wieder, dass auf sie kein Gewicht zu legen ist, wie 
das Verbot, nach dem Abendläuten ohne Licht auszugehen,^ 
oder das Verbot an die Wirte, darnach Wein auszuschenken,^ 
oder sie folgen derart aus der Natur der Sache und den An- 
schauungen der Zeit wie die Ausfuhrverbote, dass ihre Wieder 
kehr nicht verwundem kann. 

So viele Übereinstimmung aber lAsst diese drei Rechte 
mit Fug als verwandt erscheinen. ll<jglich, dass sich ihnen 
auch die Reehte der ttbrigen Stttdte der ehemaligen Mark Ve- 
rona anschliessen. Aber bei aller Beziehung des Rechtes ist 
eine literarische Verwandtschaft der alten Trienter Statuten mit 



* Weuiger nahe steht Viceuza 121*, 3, c. 44. 

« Tc. 125 = Äc. 119, Verona», ;{, c SOb; Vicea»»», 180, 26ß. 

5 T und Ii c. 2, ViceDza», 3, c 18. 

* r und Äc9, Verona*, 8, c 6; Vicema», 164, «, 3, c. 10. 

• T und B e. tO. Die Fflifilit der Sfnufolfe norn^ert tUeidiiigs «adi I* 
c. 94a £«.84. 

• Vgl. obflu 8. les, n. 4, Tcin^Be. 11«, TeMiia*, 8, c 33; Vi- 
oenia *, 17T, 8, c SS. 

« rc 188« JTo. 117, VloenMS 194; Vaiona*, 4, e. IIS. 



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18t 



den Veronesern und Vicentiaeiii wraigslras naeh den mir vor- 
liegenden Drucken nicht sn conetatieren. 

Anden verliMlt es sich mit den neuen Statuten. Da 
ergibt Bich die Thatsache» dass sie an einigen Stellen wört- 
lich mit den Vicentinern von 1264, an viel mehreren 
mit den jüngeren Vicentiner Statuten von 1425 überein- 
stimmen. Und zwar weist der Text der Statuten von l'2\'A 
in den Trientern Erweiterungen aul, und der Tricntcr Text ist 
wieder in der etwas breiten und redseligen Vicentiner Redaction 
von 14L.J interpoliert und vermehrt worden. Es nehmen somit 
die neuen Trientiner Statuten eine Mittelstellunt? zwischen den 
Texten dt-r Vicentiner von 1264 und 1425 ein. £iD Beispiel 
mag dies veranschaulichen: 



Viu€uza 1204, 89. 

Qualiter uxor debeat 
accipere tenutam de 
bonis mariti. 

Item statuimos, quod 
nnlla mulier possit vel 
debeat constante matri- 
monio accipere tenutam 
de bonis mariä, nisi ci- 
tato marito personaliter 
probavent legiptime 
per testes, maritum 
male nti substantia sua 
▼el caosam dotis cxi- 
gendae eztare. £t re- 
trahator ad preterita 
et fntura. 



liovoroto, neu, c. 34 (T' c 38). 

Qualiter nxor debeat 
accipere de bonis mariti 
tenutam. 

Item statnimos etordi- 
namuSy quod nulla mulier 
possit nec debeat con- 
stante matrimonio acci- 
pere venditionem nec te- 
nutam de bonis mariti, 
nisi citato marito perso- 
naliter et probaverit le- 
gitime per testes, nuui- 
tum male uti substantia 
sua Tel casum dotis exi- 
gendae extare. Et quod 
uxor alicuins aliter non 
possit accipere venditio- 
nem de bonis mariti oc- 
casionis dotis snae viven- 
te marito, pro eo quod 
dicatur esse dissipator bo- 
norum suorum et male 
uti substantia sua^ nisi 
primo index vel vicarius. 



Vicenza "i, c. 13. 

Qualiter uxor con- 
stante matrimonio ac- 
cipere possit tenutam 
de bonis mariti. 

Statuimus et ordina- 
mus, quod nulla mn- 
Her possit vel debeat 
constante matrimonio 
accipere tenutam de 
bonis mariti, nisi pro- 
baverit legitime per te- 
stes maritum labi facul- 
tatibus suis et male uti 
substantia sua vel ca- 
sum dotis exigendae 
extare, prina tamen et 
ante omnia citato ma- 
rito personaliter vel bis 
ad domum habitationis 
suae per duos divenos 
dies u. 8. w. (folgen 
weitere Bestimmungen 
Uber die Gitation des 
Ehemannes). Et quod 
uxor alicuius, aliter 



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182 



eomün quo quaesüo yen« 
tilabitnr; proolanuuri fece« 
rit in palatio et in sealis 
paUtii et per loea con- 
sueta illttd, quod muHer 
ab eo petit, ita quod cre- 
ditores mariti, si quo« ha- 
bet, poflsint certtfieari et 

uti ratioiiibuB Buk, ita 
quod nihil fiat in eorum 
fraudem et pramndidam. , 



non poBsit accipere de 
tionis mariti tenntam 
oecasione praedicta, 
▼ideUeet dolia eaae 
eonatante matrimonio, 
ez eo qaod dicatease 
diaaipator bonorom 
anonun et male oti 
sabatantia aoa vel ▼är- 
gere ad inopiam, nisi 
primo indez^ coram 
quo quaeatio taÜa trac- 
tabitnr, denimciaTerit 
▼el denunciari fece- 
rit in maiori consilio 
civitatis Vicentiae vel 
proclaniationem pii- 
blicam tieri fccerit 
in comuni palatio et 

super scalas palatü 
iuris et in aliis locis 
consuctis civitatis Vi- 
centiae de eo quod mu- 
lier ab eo petit. ita qaod 
creditores manu si 
quos habe^ possint 
ccrtlorari et uii ratio- 
nibus suis et ad esse- 
sive asßistere causae, 

ne collusio fint. ita 
quod nil fiat in eunim 
traudem et praeiudi* 
cium. u. s. w. 



AVährend in den Statuten von 12B4 nur ganz kurz das 
Beweisthema und Verfahren bei der Klage der Frau auf Exe- 
cution ^ep^cn das Vcrniüj^en des Khem.innes wegen der Dos 
angegeben wird, fügen ilie Tricnter Statuten nach einem wenig 
geschickten Übergange das Krfoi dernis einer richterlichen Pro- 
clamatioa aa die Gläubiger des Ehemannes hinzu. Vicenca 1425 



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183 



hat beides übeniommen und gibt dazu noch weitläufig-c Vor- 
schriften Uber die Citation des Eheniaiines. Dagegen hat Vi- 
cenza die weiteren Ausführungen von Ii' c. 34, welche den 
Gang des Exeeutionsvcrfahrcns betrafen, weggelassen und da- 
fUr die Concurrenz der Frau mit anderen Gläubigern beim 
Concursc des Ehemannes erörtert. 

Im ganzen ist das Viccntiner Statut von 12(54 fihiiiiial in 
den neuen Trienter Statuten wörtlich benützt* Dagegen rindet 
sich in neunzehn Capiteln des Trienter Statuts eine mehr oder 
weniger weitgehende wörtliche Ubereinstimmung mit den Vi- 
ccntiner Statuten von 1425.* Wie ist nun dieser Zusammen- 
hang zu erlvlHren? T.(;ider ist die Ueschiehte der Viccntiner 
Statuten wenig autgekiärt. Lampertico erwähnt in der Ein- 
leitung zu seiner Ausgabe der Viccntiner Statuten von 1264 die 
Existenz neuer Rcdactionen von 1311 und von 1331).^ Die 
Vermuthung liegt nahe, dass bei Abfassung: ih r neuen Trienter 
Statuten diese oder eine folgende Redaction der Viccntiner aus- 
giebig, und zwar zum wenigsten in allen jenen Capiteln, die 
sich mit der Vicentiner Statutenredaction von 1425 berühren, 
beniitzi worden sei. Gewissheit könnte natürlich nur die Unter- 
suchung der Vicentiner Statuten von 1311 und 1339 bieten. 
Aber schon die Lage beider Städte spricht dafür, dass Vicensa 
der gebende Tbeil war. Hier befand sich nicht nur selbst eine 
wenngleich wenig bedeutende Hochschule/ sondern auch bei 

' Und »war Ii' c. '}3, Vit f^ii/.a, 89: ,De bonis oratis por uxoreni'; Ii' 
c. 34, Vicenza, 8'J: ,Qu:ilitür uxor flobent ncci{»ere' ; R' c. 42, Viconza, 
197: ,<^uod appeilatione m&sculi;' E' c. 43, Viceuza, l^ö: ,Ne nuis 
pfobsf nnd 198: ,Da probatione mortiii' (hier dar wOrtliobe Anklang 
garing bei YOlliger Mchlieber Uebaraiiutimmiiiig); JB e. 44, Ticensa, 86, 
letzter Absatz de« CSapitek: ,De rattone reddenda'. 

• ir c. 1, Vicenza«, 2, c. 6; R' c. 2, Vicenza*, 2, c. 4, Absatz 14; /?' c. 5, 
Vicenza«, 2, c. 4, Absatz 15; Ii' c. 3, Vicenza 2, c 0, E' c. 9, Vicenza", 
2, c. 8, Absatjs 11 f.; R' c. 10, Viceuaa*, 2, c. 8, Aksatz 30; Ä' c. II eben- 
dort; M' c. 14, Vicenza^, 2, c. Absatz 3; ß' c. 15, Vicenza^, 2, c. i^, 
AbMta 12; JZ'e. 16, Vioenu*, 2, o. 2, Abwts4; iS'o. 18, Vieonia«, 2, 
c 7; S'c, 21, Vieensa*, 2, «. 8, Aboati 21; R' c 22, Tieansa*, 2, c. 10, 
Absatz 2; R' c. 27, Vicena»« 2, e. 28; JZ' e. 88, Viconza«, 2, c. 19; R' 
c. 34, Vicenza«, 2, c. 13, erster Absatz; R' c. 34, Vicenza«, 2, c. 34, 
zweiter AbMts; R' c. 4ä, Viceosa«, 4, c. M' c 44, ViceoM*, 
2, c. 18. 

• a. a. O. 44, 57, 61. 

• Denifle, Die Entatobung der Unireraititeii da« Mittelaltan 298 f. 



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184 



der Nähe vott Padua war man weit eher in der Lage, so treff- 
lichoy den FortBchritton der Wissenschaft entsprechende Ge- 
setse zu yerfiMsen, wie es viele Bestimmoogen der nenen Sta- 
tuten in Trient waren. Wollte man die neuen Trienter Statuten 
in Trient entstanden sein lassen, dann wflre schwer an be- 
greifeui warum die Ver&sser dieser Statuten in einigen wenig 
bedeutenden Oapiteln auf die alten Vicentiner Statuten von 
1264 aurttckgegxiffen hätten, und wieso man im Jahre 14S5 in 
Vieenaa gerade an die Trienter Statuten «ogeknllpft haben 
sollte. Das Entscheidende aber ist, dass die Vicentiner Sta- 
tuten von 142& sich auch in den Qbrigen, in den neuen Trienter 
Statuten nicht enthaltenen Sätsen vielfach als dne sehr weit- 
gehende Umarbeitong der Statuten von 1264 erweisen.^ Es 
muss also eine Zwischenfonn zwischen den Statuten von 1264 
und 1426 existiert haben, aus der auch die nenen Trienter 
schöpfen konnten. 

Mit den Veroneser Statuten zeigen die neuen Trienter 
zwar viel&ch sachliche Berührung, ein literarischer Zusammen- 
hang aber läast sich wenigstens nach dem Wortlaute der Sta- 
tuten von 1450 nur an einem einzigen, übrigens auch mit den 
Vicentiner Statuten verwandten Capitel constatieren.* 



* ■L. U. Victtu^a S »1^6 racione reddenda', Absatz 13, uud 2, c. 17, 
Abmts 5; Vicenia \ 86 a. a. O., Abaats 14 und 16, uod % c. 17, 
Abiala 1 uod 3, und an irielen aadareii Stallen. 

• r' c. 8 {B: e. 9) und Twona*, % c ISS. 



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u. 



Die AlezandiiniBolieii and UdalrioUulisolien 

Statuten. 



Die Alexandrmischen Stataten nennen nach dem Bi- 
sdbofe Kicolaoft als Bischöfe, die iich nm die Weiterentwick- 
lung des Rechtes in Trient Verdienste erworben haben, Al- 
brecht von Ortenburg und Qeorg von Lichtenstein. Freilich 
bringen sie beide nur mit dem Liber de Sindicis in Zusammen- 
hang,' also mit den Verordnungen, welche den Wirkungskreis der 
Sindiker, die eigentliche Gemeindeverwaltung der Stadt, be- 
treffen. Es ist in der That eine Anzahl von Gesetzen solchen 
Inhalts während der Regierung dieser Bischöfe zustande ge- 
kommen. Unter Albrecht erflossen Verordnungen, die sich mit 
der Steuerfreiheit der Fremden, mit den Fleischhauern, der 
Etschbrftcke, Salzverkanf, Marktangelegenheiten beschäftigen.' 
Von Bischof Georg ist ein Preistarif ftbr den Trienter Fisch- 
markt bestätigt worden, der von seinem Vicar mit Zustimmung 
der ;Sapientes' (des Stadtrathes) beschlossen worden war.' Geoig 
liess diese Verordnung in den Statntencodex eintragen, was auch 
mit den fiHheren Gesetzen thatsächlich der FaU gewesen war. 
Ob diese Bischöfe auch Gesetze civUprocess- und criminal- 
rechtlichen Inhalts verkündet haben, bleibt dahingestellt 

Wichtige Änderungen im Rechte brachte das Pri- 
vileg hervor, das Bischof Georg den Trienter n nach einem 



Wio äcliou Kapp riühtig hervorgeliobeu bat, Beiträge 8, 4. 

Keich, 11 piu antico statato 20. Erhalten nnd ditwo Gesetze im Libro 

veediio d« «tatnto e dorig^iuilioiii dai beul della vaUk di Trento, Trient, 

StadtaieUv. 

Reich «. a. O. 



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186 



riegmehen Aufstande gegen seine Beamten am 28. Febraar 
1407 ertheilen musste. Mit vollem Rechte kann man diese 
Urkunde als eine If agna carta libertatom der Stadt Trient be- 
xeichnen.* Den Trientern werden vor allem wichtige politische 
Rechte angestanden. Hier zuerst ist von der Wahl eines Stadt* 
rathes die Rede. Den Bürgern wird das Recht bestätigt, nach 
alter Gewohnheit in der VollTersammlung einen Ansschtiss (sa- 
pientes) zu wählen. Dieser Stadtrath reicht ins 13. Jahrhundert 
zurück, häufig allerdings von dem bischöflichen Ratho und der 
Vollversammlung der Bürger nicht leicht zu scheiden.- Im 
14. Jahrhunderte treten dann die ,supientes' deutlieher hervur, 
die Hl unserem Privileg wie in anderen Urkunden als ,decu- 
riones', das ist als Kathsherren bezeiehnet werden und bald 
nachher den Titel Consuln annahmen.^ Der Bischof Georg ver- 
sprach, alles zu bestätigen, was dieser Rath zum Nutzen der 
Stadt beschliessen werde. Somit erhielt der Rath freie Ver- 
fügung in allen städtischen Angelegenheiten und namentlich 
EinfluRs auf die GeseUgebung, zu der schon früher der bi- 
SchöHiclic Rath und, wenn es sieh um städtische Angelegen- 
heitf'Ti Imndelte, die ,sapientes' herangezogen wurden.* Des 
weiteren gelobte der Bischof ohne Zustimmung des Stadtrathes 
keine Steuern zu erheben und niemuiuh'n ?ur Lieferung von 
Wein und Lebensmitteln, es sei denn gegen Ersatz, an <b^n 
Bischof und seine Hauptleute zu niithigen. Wichtig war dann, 
dass dem Käthe Kinduss auf die Ernennung des bisehütlicheu 
Vicars, also des Kiehters erster Instanz in Civil- und Criminal 
Sachen eingeräumt wurde. Der Rischof versprach, diesen Vicar 
nur mit Rath der ,8apientes^ einzusetzen. Aber noch mehr, 
die l^ürger erlangen auch eine gewisse Controle über die Amts- 
führung des Vicars. Der Vicar wird nach Abhiuf seines Amts- 
jahrcs einem Syndicatsverfahren unterworfen, wie dies in den 
meisten italienischen Städten in Bezug auf den Podesta der 
Fall war. Der Syndious aber, der Uber die gegen den Vicar 



' Es Ut das Verdieust Reich'«, diese Urkande gefunden und in den Nnovi 
contributi per 1«;> .statu' « «H Tr^Mitu 3."? inibliciert und zuerst orlüutert su 
h.nbcn. Der Dnu k bei Brandis, Tirüi unter Friedrich von Östemüch 
263, ist unbrHuciibar. 

' Der Eath ». B. ist erwilittt tu Beilage Nr. 3 and 6. 

• Bieber im Jiüira 1414, Beich, II piä anUeo etAtato 81. 

* Reich, II ^Ul aalieo BUtato M f. 



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187 



nnd seine Beamten yorgebrachten Beschwerden m entscheiden 
hat, wird von den Bürgern erwählt. Ja die Amtsführung des 
Vicars wird von nun an in gewisser Beziehung verfassungsrecht- 
lich festgestellt. Er darf nur ein Jalir im Amte bleiben und 
ist tiinf weitere Jahre von diesem Amte uusgeschlosscn. Er 
darf feiner während seiner Amtsdaiier weder selber noch durch 
einen Dritten Handelsgeschäfte treiben, ja nach dem Wortlaute 
des Privilegs nicht einmal einen Vertrag schliessen. Annahme 
von Geschenken wird strengstens verpönt. Alle anderen Beamten 
sollen Trienter sein, nur zum Vicar kann auch ein Ausländer 
bestellt sein. Für die Amtleute ausserhalb Trients wird eine 
Amtsdauer von drei Jahren bestimmt. 

Koch wertvoller war es, dass die Bürger und der Rath 
jetzt ein Haupt in dem ,magister civium, piup^ermaister' oder 
,referendarius' erhalten, der von der (Jenuinde od<;r dorn Rathe 
gewählt wird. Dieses Amt ist nach dem Privileg offenbar 
nicht klar gedacht Das deutsrlie Institut des Btireferraeisters 
ist mit dem italienischen des .eapitano del popoltV verbunden * 
Der Bürgermeister ist das Haupt des Käthes, er steht der Stadt- 
verwaltung vor. Aber er übt auch militärische Functionen. Er 
ist zugleich ,capitaneus generalis civium et populi Tridentini' 
und als solcher Anführer des Aufgebots der Trienter Bürger- 
miliz. £r Ubernimmt dann als ,referendarius' die Vermittclung 
swucheu den Bürgern und dem Bischöfe. Er hat alle Be- 
schwerden der Borger an den Bischof xa leiten und ihre Ab- 
stellung zu veranlassen. Wenn er diese nicht erreicht: ,aliter 
teneatur et debeat providere*. Dieser unbestimmte Ausdruck 
gibt schliesslich dem Bürgermeister das Recht, auch mit Ge- 
walt Beschwerden durchzusetzen, und damit die Möglichkeit, 
dem Bischöfe mit den Waffen in der Hand den Willen der 
Bürger aufzudrängen. Der Btirgermeister und ^capitsneos po* 
puU^ ist der eigentliche Herr der Stadt geworden, das bischöf- 
liche Regiment konnte daneben nor mehr als Schattenbild gelten. 



* Yfma ab«r der ,i6apitaao d«l popolo' toect «a der Spitie der SMiillo 
stand und die Interesseu der ZUnftler gegen den Btädti.scheii Adel zu 
vertreten hatt«>, Portilo, Stori:i fliritto itn!. II, I, 200, richtete «ich 

dieses Amt in Triout Icdifjlich ^ofren den iStadtherrn. Von einem Gepen- 
bhUu der ZüntUur zu. den (iescblechtem ist nna hier wenigsten» nichts be- 

kanoi. Der ,referend*ritu' mag ia den ,])riori* oder «ebbeli del popolo*, 
Tgl. PertUe a. a. O. SOI, eein Vorbild gehabt bebea. 



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188 



Das Privileg vom 28. Febnwr 14D7 aiehert dann die 
Trienter gegen die WÜlkttr des Stadtherrn auch dnreh eine 
Beihe civürechtlicher nnd proeesstialer Garanlien. Es sclitrft 
die Bcbon in den Statuten enthaltene Bestimnuing ein, daas 
jeder Civil- nnd Criminalprooess anf Verlangen der Parteien 
nach dem Reehtsgntachten (consilium) eines Judex entschieden 
werden solle, dasa jeder Partei anf ihr Verlangen ein Rechts- 
beistand zugewiesen werden solle, dass in einem Inquisitions- 
verfahren niemand zur Antwort verpflichtet sei, wenn er nicht 
über die Fragepunkte belehrt worden ist und ihm nicht Zeit 
zur Vorbereituntr seiner Antwort gewälirt wird, und zwar bei 
►Strafe der Nichti^i^keit des Verfahrens. Ferner soll die pein- 
liche Frage um in Anwesenheit zweier, durch die Sapientcs 
zu erwählenden Gastalden vorgenommen werden, ohne deren 
Zustimmung nicht zur Tortur geschritten werden darf; es sollte 
auf diese Weise willkürliche Tortur durrh die biseliöÜichen 
Beamten ausgeschlossen und die Ausführung der peinlichen 
Frage überwacht werden. Niemand daif ferner anderswo als 
im gewöhnlichen Kerker der Stadt gefangen gehalten werden. 
Civilrechtlich wird Kinderlosen das Hecht, Testamente zu er- 
richten, bestätigt.' Weitere Bestimmungen schützen daä Nutz- 
recht (utile dominuim) der biscliüHiehen Erbpachter, nament- 
lich ihr Recht, unbedingt darüber unter Lebenden und von 
todeswegen va\ v.-rtügen. Gleicherweise wird den Erben aller 
Krbpilchtcr ihr Krbrecht an dem Pachtrechtc gewährleistet. 

Andere Bestimmungen des Privilegs ertheilcn den Trienter 
Bürgern das Hecht, frei und unbehindert Handel zu treiben, 
namentlich auch F>isenwaren zu kaufen und zu verkaufen, 
sichern die Verprovianticmng der Stadt mit Getreide, befreien 
die Bürger von der Verpflichtung, in Friedenszeiten Remonten 
2n halten, nnd ordnen den Wachdienst und die Pflicht an 



< Zweifolaohne handelt m neh hier nur um Eimcblrfung «in«« «ltli«r> 
9«br«ebton Bechtes der Bfiiger, wie auch bei der Torhergehenden B«« 

Stimmung Ober die Einholung eine» ,cousiUniDS^. Sonst müssto man den 
SchluKSAtz von Rc. 80 und 3'c. 90 als einen erst nach Erlaus des Pri- 
vileps von 1407 in den Codice» der 8tatutf»ii t'inpofilfrtpii Narlitnif: an- 
sehen, wuboi ts» jedoch anfl^Ulig bliebe, warum itur dieser Hechti»ats, 
nicbt anch andere Neneruugew an» dem Privileg iu die Statuten airf> 
genommen worden wiren. Übrigen« finden sieb Tevtamente Kindertomr 
aus dem Gebiete von Trient, s. B. 1S9S Mai 17, Wien St«A., «eben frlher. 



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189 



stenerD. Alle, die nnbewegHehes Gut in der Stadt und im Be- 
mrke bentseD, Eldle und Unedle, haben Wachdienst und Steuern 
«u leisten. Nur die Fahrleute und Träger (carratores und por- 
tatoreaX die eine eigene Zunft bOdeten,^ sollten vom Wachdienste 
befreit sein. Niemand ist su EriegsdienBten aataseriialb des 
Bisthnms verhalten. Die Nobfles rurales* haben nur durch 
drei Tage auf eigene Koaten, späterhin nur gegen Eraats ins 
Feld 2U sieben. 

Auch die Einkünfte der Stadt werden vermehrt. Ihrem 
Säckel sollen alle Bussen zufallen, welche im Gerichte der Sin- 
dici verfallen und die bisher an den Bischof ab<;elicfcrt wurden. 
Um den Handel imd den Verkehr zu heben, verziehtet d(!r 
Bischof auf das ,ofhcium bulleiarum', in dem bisher die Frem- 
den für das gewährte Geleite Zahlung zu leisten liattcn. 

Entsprechende Freiheiten gewährte der Bischof um die- 
selbe Zeit den Bewohnern von Jadicarien ^ und des Kons- und 
Sulzberges.* 

Der Bischof Üihlte bald den Arm des Bür 
dolfo de Belenzanis, der die Seele der Bewe^unp: war und 
schliesslich den Herzog Friedrich von Osterreich fjcgcn den 
Bischof herbeirief. Herzog Friedrich bestätigte nach der 
Besitznahme der Stadt diese Privile<^ien am 20. April 1407, 
ja er vermehrte sie noch. Das Amt des Bürgermeisters l)lieb 
nicht nur in seiner Machtfülle bestehen, sondern r JMiitiuss 
des Käthes und der Bür<^er wird jetzt über das ganze Bisthum 
auspfcdehnt. Der Vicar treriith in noch weitere AbhJlng'igkcit 
von den Biirg^ern. Jetzt soll er von den Bürgern erwählt wer- 
den, allerdings mit dem Ruthe des Herzogs und seines Haupt- 
mannes, also etwa auf deren Vorschlag. Ferner erhielt jetzt der 
Bath das Beoht» alle anderen Beamten im ganzen Bisthume, 



* Die Statatan dor ,caRtttorM' inseriert in die Beslätigang das Bischofs 
Alezander 1426 December 14, Wien SI.-A. Für die Befreiung vom Wacii- 
(Imnste haben aie iti Krisfsseateo ^ema mm bobna* dam Biaehofe m 

diouen. 

' Über sie Äusserer, Der Adel des Nonsberges, äeparaUibdruek aus der 
Zeitschrift ,Adler* 1899; Inama, Atti delVi. r. Aocademia dei Lineei 

* Papaldoni, Arehivio Tftatiiio 7» 191. 

* Inama a. a. 0. 2101. 

* Beich a. a. 0. 47; vgl. auch Beieh a. a. 0. 19£ 



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190 



auch den hersoglichen Hauptmann de» ScUosBes Bnonoonml^ 
SU wählen. Diese Beamten Böllen dem Heraoge, aber anch 
der Stadtgemeinde vereidigt werden. Feiner Uberwiee der 
Herzog der Stadt alle biscbOflichen Hautfaen and überant* 
wortete ihr das »of&einm buOetamm', das also noch bestand, 
und gestattete, dass dort die Trienler von den Fremden so viel 
erheben durften, ab sie selber in deren Heimat m aaUen yer- 
pfliehtet waren. Eine andere Bestimmung Friedrichs suchte das 
Geldgeschäft au beleben, indem der Zinswucher ftbr straflos 
erklärt wird, nnd der ^nswncherer vor geistlichen und weto- 
lichen Strafen gesebfitat werden soH 

Diese so weit gehenden Rechte, welche den Ratb von 
Trient fast smn Herrn des Bistbnms machten, mnssten auf die 
Daner zum Oonflicte awischen dem Bürgermeister und seiner 
Partei und dem Herzoge flihren. Nach dem StQm des Ru- 
dolfe de Belensanis wnrden sie wie auch das Amt des Bürger- 
meisters wieder abgeschafft. Aber die übrigen Bestimmungen 
des Privilegs von 1407 Februar 28 blieben in Kräh, namentlich 
auch das Reclit, den Vicar zu wählen. Gerade dieses wurde den 
Trientern von Herzog Ernst von Osterreich 1415 October 24 von 
neuem bestätigt. * Alle die erwähnten Verilnderuncren mussten 
den Gedanken einer Neurethi et lon der Statuten nahelegen, 
die sofort; als nach längerem Zwischenräume unter Alexander 
von Massovien das bischöfliche Regiment wiederhergestellt wurde,* 
in Angriff genommen wurde; denn man wollte sich zweifelsohne 



* CoptOt Wien St.-A.: .Sonder beiMteo wflr ihiMii «nfih g&edigU^ Mleb 

ihr alt© gewohnheit, das si gemainipltchen erwRhlen ttnd nRnnpn sollen 
tind mögen zn oinom woltlichon vicari dorselbon stntt ritien niaister 
und lebrer in kaiserlichen rechten g^eboren auserhalb des&elbou blfitambs 
Triendt, doch mit nnaer oder unserB haabtmAns doaelbft sa Triendt 
witMD ttnd wiUea. Damelbe viesri solle das nnt oder den otigenantin 
nnsena lianbliBaiin wa Triendt wer der je ist an unser stet sehwehren 
leiblicb EU den heiligen auf das heilig evangeli, uns gehorsamb und ge- 
wärtig zu »ein und recht zu richten nnd darnach gewalt zu haben das 
recht 7.n thnen und tn volfihreii nach derselben statt Triendt stntnt, 
Ordnung und gewohnbeiten und nach gemainen rechten den armen als 
den re^en eine meniglietis irrung. . . . Und denelb Tfaui der il» 
mit nnseren oder des obgeneanten nnsen hanbtauutni wiUea vad wi—n 
enrlhlt wirdet» soll nibt lengev bMbe», dan ein jähr in setneni anbC 
nnd nach ansgang desselben jsliis solle nMa Ibne eT^didiein.* 
' }4S4 Jnni S«, Bgger, Qeiobiekto Tirols 1, Mü. 



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191 



auch dem neuen Bischof gegenüber im Beeitse dieser Rechte 
sichern. Schon im Jahre 1425 erhielt die Nenredaction die 
bischöfliche Genehmigung und warde pubiiciert Wir wissen 
nichts Näheres Uber die Qeschiohte dieser Redaction, ausser 
dem, was wir ans dem Gesetae seihst entnehmen kOnnen. Und 
da erfahren wir ans der Vorrede der Stataten,^ dass die Nea- 
redaetion von den Oonsnln der Stadt entworfen und der Ehit- 
wurf nach jahrelanger Berathung mit in- und ausländischen 
Rechtsgelehrten dem Bischöfe zur Bestätigung vorgelegt wurde, 
dass also dieses Gesetz im wesentlicheu aus den BUrgerkreisen 
hervorgegangen ist 

Die Aicxandrioischen Statuten liegen uns noch im Ori- 
giiüiltf xte vor in einer Handschrift des Innsbrucker Statt- 
haltereiar< hivs i Handsclinft Nr. 470, Capsa 4, Nr. 52). Die 
Innshrnckrr 1 l'indscliritt - stammt der Schrift nach sicher ans 
der ersten Pliiltte odi^v Mitte des 15. Jahrhunderts, ist aber erst 
nach dem Jahre 1433, das in der Einleitung genannt wird, ent- 
standen. Sie ist ein Pergamentcodex (32-5 X '^^cm.) ' und be- 
steht ausser dem Deckblatte aus 8 Lagen, jede zu 10 Blättern 
bis auf die letzte mit nnr 4, zählt im ganzen also 74 Folien. 
Der Codex ist nicht gebunden, sondern besitzt noch sein altes 
Dockblatt von Pergament. Dieses trägt die alte und neue 
Archivsignatnr and auf beiden Seiten eine erkleckliche Anzahl 
von Probationes pennae. Verschiedene Hände haben hier aller- 
hand Sprichwörter niedergeschrieben, die deutlich erweisen, 
dass der Codex im praktischen Gebrauche durch die Hände 
▼on Beamten Hef.* Unter anderem stehen hier von emer Hand 
des 15. Jahrhunderts zwei berühmte Terzinen aus der ,gött- 
lichen Komödie', die vielleicht ein Fremder in uhnlicher Lage 
and Stimmung wie der nnsterbÜche Dichter hieher gesetit 



* TU» im wamiitUdi«n von den q^tsfw BedaettoBm «iii&oh ttbsmomineii 
wvide und namMiflieh «neh in dl« Udairfclanitelio wSfflieli llbeq^ 

pang'en ist. 

* Eino kurze Beschreibung bietet Reich, Tridentnm 2. 

•im Durchschnitte, die Breite der einzelnen Folien schwankt. 

* t. B.: jJas omnibtu. Noii iu ilium loqtü, qni potest proscribere. LoQge 
manu ptinoipnm tnat Mqno timends. Tamerltw nieUl taü babst 
Affliois aq^nitatsm, inimieb inatioiam. Sommnm ina est mouna iainiia. 
Appicet «unmum ins conttoent.* o. t. w. 



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haben mag.* Etnigo haben auch Ihre Namen hieher gescbriebea^* 
mit Daten, die auf die Wende des 15. Jahrhunderts weisen. 
Anch ein bischöfliches Wappen m roher Zeichnung ist vor- 
handen. 

Von innen seigt der Codex Folürung mit rother Tinte, 
die beim «weiten BUtte beginnt^ aber nur die beschriebenen 
BUtter suhlt Bei f. 61 hOrt diese Zifchlung auf und ist dann 
nur mit Bleistift von modemer Hand xa Ende gefilhrt Von 
f. 69 springt sie auf f. 57 surUck. Die emsehusn Seiten sind 
mit Tinte in horizontaler Bichtang liniiert. Die Schrift rührt 
ganz von einer Hand her, die noch einen entschieden gothisehen 
Zug anweist und überall sorgfilltig und schOn schreibt Die 
Rubriken sind numeriert Die Zahl und die Rubrik, sowie 
die Initialen jedes Capitels sind mit rother oder blauer Tinte 
ausgezogen. Einige Initialen, die der Einleitung und der ersten 
Kubrik, waren grösser beantragt, sind aber nicht ausgetliiiii 
worden. Dieselbe Hand, welche den Codex scluicb, legte 
auch den mit rother Tiute geschriebenen Index an. Ver- 
8chieden(i Hände haben am Rande und zwischen den Capiteln 
zahlreiche Glossen gefügt, viele mit sehr flüchtiger und ciir- 
siver Schrift. Meist sind es Verweise auf Parallelsteilen, die 
da angemerkt werden,^ oder Hinweise auf das gemeine Recht. 
Unter den Händen ist eine charakteristisch, welche spätere 
Änderungen nachti-ägt und namentlich angemerkt hat, wo die 
Zusätze des üdalricianischen Statuts einzufügen seien/ Wir 

^ Ich gebe iie in der Orthographie der Hsntieohriftt 

,Ta pfOTaraj ei como la de seile 

Lo pea altroi e oono el «ia dnro calle 

Lo leoeBder et lo nllir per «Itnii eoaUe.' (Pandim 27, fifr—SO.) 

,Lo primo albergo et aD[co] lo primo hostello 

Sci.n la cortesia df?l g^ran LomharJo 

Cho SU la scalla portÄ'! »aiicto ucollo.' (raradiso 17, 70 — 72.) 

In der er.steu Zeile nach ,nn' kluine Lücke. i!a;giuiaung aacli freund* 

iiciier Ang'abe des Hümi Prüf. Gärtner. 

" So: iSebastianas Erman 149. die tercia meiuvs octobrü, Johannes Kamer 
lehner nons die oetobria 1608*, n. a. 

* So SU 1, c. 7 : ,Hoc non propter statoUiin positum In 48 in flne 11. etzlol'- 
Zn e. 8t lEt ilo rofnleiiter übellne eet düdoe loüieet in cmümib in 
tato S4 exoipiendie; atf nage etatutnm 48 ete. et etatatam SO^. n. a. «. 

* So 1, e. 10: JEX hie scxibatnr etatatiiai aomm Vm. poeitam nb 
mbricaf De ordine indicdonun.* Zn e. lOt ,Dektur atetntmn dotiub 



fr 



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19^ 



be^e^en derselben Hand in Actenstücken, die sich anf die 
Udalrii iaiiiscben »StÄluten beziehen. Die Statuten enden auf 
f. üb der Handschrift.* Auf f. G7 (65) folgt eine Eidesformel 
von einer Hand des 16, Jahrhunderts, wohl der des unter- 
zeichneten Ant iulus Quetta in italienischer Sprache. Auf der 
Rückseite de» Blattes steht der Prolog des Johannes-Eran- 
geliuins.^ Die beiden Stücke gehören zusammen. Der Eid, 
nach der tlberschrift die Formel des Treueides, der dem neuen 
Bischöfe nach der t'bcrnalimc der Regierung zu schwören war, 
wurde eben unter Berührung der Evangelienstelle geleistet. 
Auf diese Formel, die nur dem ersten Capitel des zweiten 
Buches der Alexandrinischen htatuten entspricht, wurden auch 
alljährlich die Consuln vor dem Antritte ihres Amtes beeidigt.^ 
Den Schluss des Codex bildet der Index, in dem die Zahl der 
Capitel, die Rubrik und die Zahl des Blattes, auf dem das 
einzelne Capitel geschrieben ist, an^Qgebeii werden. Am Ende 
schliesst der Codex mit einem frommen: ^Lans deo, pax vivis 
et requies defunctis. Finito libro refferamns gratias Christo/^ 
Es kann kein Zweifel sein, dass dieser Codex in prak- 
tiflober Verwendung stand. Darauf weisen die Probationes 
pennae, die Glossen, die Eidesformel. Und zwar haben wir 
hier das Handexemplar der bischöflichen Kanzlei vor uns, wie 
sich schon aus der Herkunft vom bischöflichen Archive ei^bt, 
nnd wie die Eidesformel darthat Neben dieser Handschrift 
haben wir Kunde von einer zweiten, die in d^ Kanalei des 
Podesths verwendet wurde. Sechzig Jahre später, im Jahre 
1484, war diese Handschrift derart mit Zusätzen, Tilgungen 
und Glossen versehen, dass sieh Zweifel Uber die AuthenticBOl 



10 mb ntbries! De «opilf ▼ideadia', Za e. M; «Addator •tekatmn oon* 

trarlum c III in novis.' 

* f. 64' nacli der Numerifininp <lefl Codex. 

• Die 8tat<iteQCodices enüialteri diesen oder andere liruch.Htiu'ke der Evaii- 
gelten häufig, .weil der Eid unter Bertthrung dea Evaugalieutextes mit 
dm Flaftm abgelegt mieden So «nthiU EvangelienfragtaentB der Viupii 
CamiMigiiola edierte I4b«r inrii «ivilU Veionae. Bi wwden dien Bti^* 
tnteaoodieeB aonit aucli mir Beendigung der Beamteii, Zeugen o. t. w. 
verwendet. 

• Creaseri, Ricerche Storicho ris^nardanti il mag-istrato consolare ed. Gar, 52. * 

* £ine Hand de« Iß. Jahrlmnderl.s sclireibt weiter: Jesu duniino no.stro 
regi celorum, ({Ut est in eoelia.' Eine nwaito liaud: ,Secuud& doiuiua 
deat notier, quia nmi eeaiet mereee eoiidigna laböre«.' 

AnUt. XCn.Bn4. tmiftt. 13 



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194 



des Textes erhoben, die vom Bisehofe Johaiia Hinderbaeh 
mehr in einem hureaukratisoh-camenJisCisohen Sinne als in kri- 
tischer Weise erledigt worden.^ 

Die Alexandrinische Redaction bedeutet eine tiefgeliende 
UmarbeiLuug und beträchtliche Erweitcruiiir der bisherigen Sta- 
tuten. Wie sich aus dem Folgenden t;rgebeu wird, ist auch 
diesmal, wenn auch in geringem Masse, das Vicentiner Statut 
von 1425 oder ein ihm verwandtes bcnuti^t worden. Daneben 
tauchen jetzt aber Bestimmungen auf, die dem Veroneser und 
Vicentiner Rechte fremd sind und auf lümbardische oder eher 
noch toscanische Rechte hinleiten, wobei mir allerdings der 
Nachweis einer bestimmten Quelle noch nicht gelnisjen wollte. 
Der Text der Alexfindrinischen Statuten und iiiie ganze Anhige 
gingen mit ^^ ^■lugen Veränderungen und Zusätzen in die L'dal- 
ricianischcu über und liegen auch vielfach den allerdinfr« sehr 
erweiterten Cles'sch* n yai Grunde. Auf ihnen beruhte daher 
aum guten Theile das Tricnter Recht bis zur Säcularisation. 

Die Alexandrinischen Statuten fülhren zuerst die Anord- 
nung der einzelneu Qesetae in Btlchem durch, wie sie in den 
italienischen Statuten schon seit dem 13. Jahrhunderte Üblich 
geworden war. Ol^ch den meisten italienischen Statuten geht 
eine y<Hrrede voraus, welche, an die Justinianische Gesetz- 
gebung anknüpfend, die Kothwendigkeit besonderer städtischer 
Gesetze neben jener grossen Compilation vertheidigt, eine Ge« 
schichte der vorliegenden Redaction bietet und die bei der- 
selben massgebenden Gesichtspunkte hervorhebt, alles mehr in 
hnmanistisoh-rhetorischer Weise als in nüchterner historisch- 
kritischer Darstellang. Znm Schlüsse wird der bischöflichen 
Sanction des Glesetses gedacht, dem somit eine «gentliche 
PnblicationBformel fehlt 

Nach der Einleitung folgen die einseinen Gesetse nach 
Materien in drei Bflcher getheilt. Das erste Buch ,De eivili- 
bns' um£ust Civil- und Civilprocessrech^ das »weite ,De crimi- 
nalibos' Oriminahrecht und das dritte ,De sindicis' Yorsehrifien 
Uber jene Verhiltoisse, die der Jurisdiction der städtischen Sin- 
dici nnteriagen.' 



> Vfl. BtÜMg^ Kr. 7. 

' Ober AoM^MUuag sad Inlialt dsr Alwsndiiiiiaelieii Statntoii nukil dis 
Vttqr1«ielwtsb«ll6 Beibig» Nr. U «in wenlgetew MmlhendM Bild wa 



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19Ö 



Das erste Buch ,De civilibus' nmfiisst 91 Capitel, dabei 
ist Nummer 52 für zwei verschiedene Capitt'l verwendet, dafl\r 
ein CapiU;! wiederholt worden, c. 51 und 57. Wie schon die 
Verrfleichiingstabelle zeiget, schliesst sich dieses Bucli bis c. 68 
an die neuen Trienter Statuttm an, indem es den Text von 
R' zu Grunde legt, die FoI^q der Capitel nach T' beobachtet. 
Ausser einigen vereinzelten Capiteln sind namentlleli T' c. 62 
und c. 63 weg-gebliebcn, die Bestimmuii^t ii ibi i <]i( Notare ent- 
hielten. NfMi ist vor allem c. 2: ,De eiectione vieani' u. s. w. 
In diesem Unpitel werden die Zugest-indnisse festgelegt, welche 
die Trienter seit dem Jahre 1407 in Hinsieht auf dieses so 
wichtige Amt erlangt hatten, dem namentlich aueli die riehter- 
liehe Gewalt in Civil- und Criminalsaehen in erster Instanz in 
der Stadt und einem ausgedehnten Bezirke oblag. Im wesent- 
lichen wird dabei auf die Privilegien vom 28. Februar 1407 
aod 1415 zurückgegriffen. Der Vicar wird wie nach dem Pri- 
vileg von 1407 eingesetzt vom Bischöfe mit Rath der Consuln; 
er muss Doctor der Rechte und Aoaländer sein.* Das Gehalt 
des Vicars wird auf 900 Pfund Bemer oder 9900 Groschen fest- 
gestellty jedoch muss er auf seine Kosten ein Gesinde von acht 
Personen nnterhalten. Der Eid des Vicars erinnert an die Ur- 
kunde von 1415, enthält aber einige Zusätze. Seine Amts- 
daaer beträgt ein Jahr. Nach Ablauf des Amtsjahres unter- 
liegt er dem Syndicatsverfahren nnd ist sieben Jahre lang nicht 
wieder wählbar. Dieses Gesetz trägt den Stempel eines Com- 
promisses an sich. Der Bischof erhält grösseren £inflass auf 
die Besetsnng des Amte% bestätigt aber die verfassnngsmässigen 
Schrankeni die dem Amte gesetst worden sind. 

Soweit der Text der neuen Statuten beibehalten ist, werden 
allerdings verschiedene Änderungen im einselnen vorgenommen. 
Es werden Härten gemildert wie im c. 3, wo dem Vormunde 
die Möglichkeit gegeben wird^ noch während der Minderjährig' 
keit des Mündels Absolution von seiner GeschäftsftÜirung zu 



gtwUroii. Yerilndeniiig«n, TermohnuiKen, Y«Allmuigeii des TwIm 
•ind dort graphisch dargestellt. Dazu sind die wesentlichen Ab&nderungen 

Ton A bei dem Texte anpemerkf, dem A sonst am n^^ch^<t^'n steht. 
Die Vergleichnnj^ int niclit bei den Ldalricianischon Statuten aiigeg^ebeii, 
weil diese fast durchaus mit deu Alexaudriuischeu wörtlich stimmen, und 
weil der Dniok derselben selten ist 
' Wie nach dem Frivilege von 1416. 



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196 



erhalten, indem man dem Mttndel m diesem Acte einen Ca- 
rator beigibt.^ EbeoBo kann der Vormund jetst gegen doloee 
Verweigerung der Abeolution von Seite des Curators und der 
Verwandten des Mtlndels durch richterlichen Bescheid geschttixt 
werden. Dahin gehOrt femer, wenn die auf das Leugnen der 
Schuld oder unrechtmässige ISrhebung der Klage durch einen 
Schuldner, der gerichtlich die Schuld bekannt hat, geeetste 
Strafe auf den Schuldner beschrftnkt wird, und ^ben und 
Singularsuocessoren deswegen straflos bleibcm sollen (Ä 1, c. 34 
gegen c. 33). Ebenso wird jetat der £hefran in AI, c. 35 
der Qegenbeweis gegen die in diesem Capitel aufgestellte Ver- 
muthung gestattet 

Der Billigkeit entsprksht es, wenn bei A. I, c. 38 von der 
alten Vorschrift, dass aUe Rechtsstreitigkeiten im Palaste von 
Trient verhandelt werden mttssen, zu Gunsten der Bagatell- 
sachen eine Ausnahme gestattet wird. Aus demselben Grunde 
wird dem Bürgen die Frist zur Erbringung der Einrede ^egen 
die Pi^ndungsklage des Gläubigers verlängert (^4 1, c. 29 j^egcn 
T' c. 31 = jB c. 62); freilich bind die früheren ,dieö utiles' jetzt 
zu ycontinui' geworden. 

Manchmal werden die Bestimmungen der alten Statuten 
näher präeisiert und er^an/A. So wird in .4 1, e. 9^ angeordnet, 
dass die zwischen Verwandten und Verschwägerten angeord- 
nete schiedsrichterhchc Entscheidung auch nach dem Tode der 
Person, durch welche die Verschwägenin«- bewirkt wurde, 
wegen aller zu ihren Lebzeiten entstandenen Jiechtsanspruehe 
phvtz/.ugreifcn habe. Ferner wird in demselben Gesetze den 
8eluedsrieiitern eine Frist von drei Monaten für die Fällung 
des Spruches gesetzt, die sie bei einer Busse von ;')() Tfund 
einzuhalten haben. Das führt schon zu einem dritten Zielp, 
das die Neuredaetion verfolgt, die Fristen zu kürzen und das 
Verfahren zu besehleunigen. Daher wird die Grenze der dem 
Summarverfahren unterliegenden BagatoUsaehcn von 10 auf 
25 Pfund erlioht (A 1, c. 20). Das ist weiters der Fall hv\m 
Executionsverfahren nach A c. 14. Ferner setzt A c. 46 tur 
jedes ordentliche Processver^üireu eine Frist von sechjug ,dies 



* Es wnr dies r^cbon £rfih«T mUg^Uch g«w«Ma, s. B. Ada Tiiol. % n. 90. 
B' und 2" c. 2 h&tten 00 aber verboten. 

* Gegen M' and T' o. 8. 



i 



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197 



utiles*, binnen deren es bis zur Einholung des Rechtsgut achtens 
abgeschlossen sein muss bei Verlust der Instanz und der Kosten 
ftir den Kläger, der diese Frist verzettelt.* Neu geordnet wer- 
den dann auch die Fristen für das Appellationsverfahren (^4 1, 
c. 52a). Wichtig war es, dass die Appellation von interlocuto- 
rischen Urtheilen verboten und damit der Weg endloser Ver- 
schleppungen verstopft wurde.' \\ < iiii^pr einschneidend war 
die Erhöhung der Appellationssumme von 20 auf 25 Pfund in 
c. Ö3. Dagegen ist gegen die Execution Nichtigkeitsbeschwerde 
wegen ,iniquita8* oder , dolus' des Richters zulässig.' Dafür 
sind die Gerichtsferien in c. 52a durch Einschub der vom 11. Juni 
bis 3. Juli währenden Ernteferien ausgiebig vermehrt. Die Zahl 
der im Processe beim Zeugonbeweise zulässigen Frageponkte 
ist nicht mehr beschränkt, dagegen unterliegt ihre Zulassung 
der richterlichen Begutachtung.^ Im ExecutioDSTerfalireii tritt 
nunmehr bei beweglichen Pfändern durchaus Versteigerung statt 
des früheren Zuschlages an Zahlungsstatt ein, während es bei 
unbeweglichen noch beim Alten bleibt.^ 

Merkwürdig ist die Wendung, welche das Trienter Recht 
nnnmehr gegenüber der Schnldhaft nimmt Friilier sehr be- 
schränkt und nur unter Umständen gegen t r inde zulässig^ 
wird sie jetst in breitem Umfange cingef\lhrt.^ Sie kann jetzt 
wegen aller zugestandenen oder durch gerichtliches Urtheil 
sugeeproehenen Sehulden verhängt werden, ja bei Fluchtver' 
dacht unter Umstilnden auch noch vor der gerichtlichen Ver- 
urtheflung. Befreit von d«r Schnldhaft sind bis su einer ge- 
wissen, allerdings geringen Schuldsumme nur diejenigen, welche 
an den Staatslasten theilnehmen.* Was diese Änderung des 
Hechtes hervorrief, läset sich nicht bestimmen, vielleicht das 

* Terwandt damit iuhaltUcli Tic«nia*, e. 7, Absats 49» aber nicht Ute- 

nrbch. 

' Wetzell, Sy.otem des ordentlichen CivilprocesM« 660 f.; Pertile a. a. O. 
6, 799, n. 206. 

* ^ 1, c. 33 g^;enflber S' c. 81. 

^ J 1, e. IS betest ee frdlicb nur: ,Interrogateria, que prodacuatur, eom- 
mittantnr legitimanda partiboe non suiteeto' in Qefaneatee sn C? 1, 
. rUs audraeklicb Tom Biehter triebt. 

A 1, c. U. 

* 1, c. 70 und 71. iiah- r nnv'-i (lio Kilrzunrc von Ii' c. 23 in A I, c. 24, 
wälirencl H' c. 22 in A uiclit aufgeiiutnriieti worden ist. 6iehe oben 6. 1 73. 

' ii 1, c. 71. 



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198 



Bestreben, den Credit zn heben. Verona und Vicenza kennen 
auch den Schuldarrost, jedoch nur dann, wenn der Schuldner 
die ITändung vereitelt oder vermögenslos ist.' Sie haben daher 
auf das Trienter Reclit, welches oinen vorlierg'L'heudeu Pfiindunfrs- 
versucli nicht vi*i lano;!, niclit cinfijewirkt. Die ^esetzliehen ri.uid- 
rcehli-, welche das römische Uccht dem Eifjoinluimer an den 
Früchten des Pacht^nitos wegen des schuldigen Pachtzinses und 
anderer Forderungen uns dem Pachtverhältnisse und au den 
jiuvecia' und ,illatH' des Miethers gab, erhalten jetzt auch in 
A 1 , c. 69 ein Privileg^ wonach sie allen anderen Pfandrechten 
vorausgehen. 

Wichtig war dann für die Gerichtsverfassung die Ver- 
fügung A 1, c. 54, welche verbot, Trientcr vor auswärtige Ge- 
richte zu zmli' u. .iti'?ser in den vom gemeinen Rechte gewähr- 
leisteten Fällen der Aj jK'lLition an das Keich und in geistlichen 
Saclien an die geistÜi Ihm Instanzen. Nur im Lehcnsprocesse 
kann der ausser dem Lande weilende Bischof jemanden auch 
ausser Landes vorladen. Damit haben sich die Trienter nach 
dem Muster anderer italienischen Statuten das ,ius de non evo- 
cando', das freiHch um diese Zeit schon fast allen Reichs- 
Btänden zukam,^ beigelegt, ohne dass von einer ausdrücklichen 
Verieiliaog etwas bekannt wäre. Mehr noch als gegen die 
Reichsgerichte und die päpstliche Curie richtete sich diese Bc' 
stimmang gegen den Orafen von Tirol und den Bischof, wenn 
er vom Lande abwesend war; sie sicherte jedem Trienter die 
erste Instanz vor dem ordentlichen Richter in Trient, der nicht 
umgangen werden durfte« Somit bildete dieses Capitei eine 
wichtige Ergtinznng zn den früher von den Bttigem erwor- 
benen Privilegien. 

Während im Übrigen die OerichtsTerfassnng wenig Ände- 
rungen aufweist, hatten sich inswischen die Notare zu einer 
förmlichen Zunft zusammengethan. Jeder Notar, der dieser 
Zunft nicht angehOrt, der in der Zunftmatrikel nicht einge- 
tragen ist, gilt als Fremder und darf keine Urkunden schreiheD.' 
£ine solche Bedeutung wird nunmehr den Statuten der Nota* 
riatszunft beigelegt, dass sie ToUinhaliUch in die stXdtiscfaeii 



> TicMua', 2, 0. 10; YeroiiA', 2, c. 54, 55, 01. 

* Sehrtider, Dentselie BrnshlmMdiiehto *, 640. 

* A 1, c 39. 



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199 



Stetuten aa^enoiiuiieii wardm nnd damit dia Steiluog eineB 
Geietses eriangon.^ DafUr lind manche der froheren Bestim- 
mungen über die Notare nnd selbst die Taxordnung ausge- 
fallen^' und unbedeutend nnr ist die neue Verordnung des Ca- 
pitels Ä \ f c. 42 f wonach Zahlangaben namentlich im Datum 
und bei Angabe der Quantität nicht mit Ziffern, sondern mit 
Buchstaben auszuschreiben waren. Man kann daher mit allem 
Grunde annehtiieii. dass Mitglieder des College der Notare auf 
die Redaction einen wichtigen Emüuss geübt und manche den 
Notaren unbequemen Gesetze gestrichen haben. 

Dagegen sind die Taxen der Gerichtsdiener für ihre Amts- 
handlungen genau normiert.* Ebendort wird den Gerichtö- 
dienern eine genaue Instruction fUr die Vornahme von Pfän- 
dungen gegeben, welche auf den Gang der £xectttion ein 
helles Licht wirft* 

Im weiteren begegnen einige neue familieu- und erbrecht- 
liche Satzungen. Zunächst wird in A I, c. 88 die im Privileg 
von 1407 bestätigte Testierfreiheit neu('rdinp:s fjarantiert. Selbst 
todeswürdige Verbreolier können testieren oder sonst über ihr 
Vermögen von tocles wegen verfügen, nur die Majestätsver- 
brecher ausgenommen. Im übrigen wird in c. 72 und 73 der 
absolute Vorran;.' der m'Annlichen, ehelichen nnd imehelichen 
Descendenz vor der w(jiblichen ausgf .sjM ochen, mdem die 
weibliche Dcscendcnz auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erb- 
theils beschränkt wird, vorausgesetzt, dass die Frau nicht 
dotiert war. Hat sie eine Dos erhalten, dann ist sie von 
jeder Nachfolge in der Erbschaft desjenigen, der die Dos be- 
stellt haty ausgeschlossen. Das folgende c. 74 verkümmert der 
Frau und ihrer Descendenz sogar den Pflichttheil, wenn ihr 
der Testator nor irgend etwas von todeswegen zugesprochen 
hat In diesen Capiteln dürfen wir altheigebrachtes Recht 
erkennen, das jetzt in gesetzliche Form gebracht wird. Ent- 
sprach doch die Zurücksetzung der Frauen hinter den Männern 
im Erbrechte und der gänzliche Ausschluss der dotierten Frau 
▼om Erbe dem alUangobardischen Beehte^^ nnd anoh die Be- 

* AI, c, 91. 

* Mit Aiuaabtue von A 1, o. 39—42 und c 60— S3. 

• il l. c. 87. 
« ^ ], e. 86. 

• Psfftils s. «. O.*, 4^ 61} Rothari a. m. O., e. 181, 168— IM. 



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800 



■timmitDg Uber die letrtwÜlig bedachte Tochter wird auf Liiii- 
pnund c. 102 BurttckBufUhren sein. ErbTeraichte m Qimsteii 
der männlichea Descendens wenigstenB miifleteii dotierte Frauen 
schon im 13. Jahrhunderte auaBtellen,^ und schon damals wird 
der Ausachluas der dotierton Tochter vom Erbe des Vaters als 
altes Gewohnheitsrecht beseichnet' Diese Bestimmungen decken 
sich Inhaltlieh ganz mit den Statuten von Vicenza und Verona; * 
nur ist der Antheil der Frauen nicht gleich bemessen. Eine 
literarische Verwandtschaft liegt aber moht vor. 

Ebenso gehören die Strafbcstlinmungen gegen die Tochter, 
die ohne EinwiHigung ihres Vaters oder ihres Bruders oder 
ihrer Mutter sich vermählt, ^1 1, c. 75, dem älteren Rechte an. 
Der Verlust des Erbrechtes für die Tochter entstammt dem 
römischen Rechte und ist vermiuhlich aus der ,lex Romana 
Uiaiensis^* ins tirolische und Trienter Recht Ubergegangen* 
Schon in einer Urkunde von 1387 December 27* wird das 
Recht des mUtterUchen Grossvaters zur Verehelichung seiner 
Enkelin bei Ermanglung näherer Verwandten von der Vater- 
seite energisch betont. 

In A 1, c. 76 erhält der Ehemann ein erweitertes Erb- 
recht an dem Vermögen der Frau, indem er die Kinderlose 
aar Hälfte oder, wenn die Frau Kinder aus früherer Ehe 
hinterlässti au einem Kindestiieile beerbt. In der Ausdehnung 
des Erbrechtes des Mannes auf das Sondenrennttgen der Frau 
mag wohl eine Neuerung liegen, die älteren Ehecontracte 
wenigstens sprechen nur von der halben Dos.^ Indess hatte 
das laagobardische Recht dem Ehemanne das ganse Frauen> 



• FMlsabw für Bfldinger 841. 

• AfltaTiiol.», Eiah 11t. 

• VicMia* 3, 0.S4; Terona*. % e.8S. 

• 9, 19 (1), UM. LI. 5, 371. Das langobardbche Recht bedroht mit dem- 
selben YerinnpcnRnachtheile die Braat einea anderen, die aich entAhceo 
lüsst, Liutprand, c. 119. 

• Maximilianische TTal^erichtHordnung, llapp, Heiträge zur Geschichta 
U. 8. w. Tirols 5, 136. So schon in einer BeatHtiguug der Landeefreiheit 
dmeb Henog Sigiraiand 1461 August IT» Brandis, Landeehauptlente 841. 
Sonak iMeen in Italien die fitetatnn eUerdlng» maadiinal Verloet det 
Aneprnehee aaf die Doe Antraten, Pertile a. a. O. *, 8, 878, n. l& 

• Innsbruck St.-A. 

' Featgeben fttr Bttdinger 345} Aeta Tirol. 8, Einl. Ulf. 



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201 



vermögen zugesproehea,^ und daher kAnn in den Trienter Sta- 
tuten sehr wohl eine Aiii^;lmebnng swieolien dem Ansproehe 
dee Ekemannee vnd den Ansprüelien der Verwuidten der BVsa 
yoiüegea. Die italienisclien Stataten kennen diese Ausdehnung 
des Erbrechtes selten.' Auch Vioensa und Verona sprechen 
dem Ehemanne nur die halbe Dos zu^' ausser wenn die Frau 
keine Dos erhalten hat. Wenn dasselbe Capitel dem Ehe- 
manne den Gonuss des Frauengutes während der Ehe ge- 
stattet; entspricht dies nur im allgemeinen germanischem ßechts- 
brauche* 

Was bunst im ersten Buche noch neu ist, beschäftigt sich 
zum Theile mit dem Steuerwesen. A l, c. 77 gewährt allen 
Fremden, die sich in Trient niederlassen, dreijährige Befreiung 
von Steuern und anderen Lasten, vorausgesetzt, dass sie drei 
Jahre lang bleiben wollen.* Das Gesetz bezweckt offenbar, 
die Niederlassung von Fremden in Trient zu fördern. ^ 1, 85 
lässt ausberordentliche Steuern nicht nach ,foci descripti', wie 
die ordentlichen Stenern, das heisst nach den in den Steuer- 
listen aufgezählten Holen, sondern nach ,fooi fnniantos', nach 
den wirklich existierenden umgelegt werden, oflenbar eine Con- 
ceasion an die Landbevölkerung, indem dfimit auch die fiir die 
ordentlichen Steuern Eximierten heran ^'■e/ogen werden koiiiilen. 

Der Rest beschäftig:! '^ich mit gewissen Gemeindebeamten. 
A \,1S regelt den Lohn der Boten, welche die Stadt nach Deutsch- 
land und Italien zu senden hat; c. 79 ordnet für die städtischen 
Sindici und Massari (Einnehmer) Rechnungslegung nach Ablauf 
ihres Amtes an. Die Massari verpflichtet c. 80 zur ordentlichen 
Buchführung ihrer Einnahmen und Ausgaben, die ^procoratores 
eiTitates^ c. 81 zur Aosbesserang der Wege and Brucken und 
anderer Baulichkeiten. 

Schliesshch schäift c. 89 den schon früher bestehenden Sats 
ein, dass die Stataten in der Diöcese gelten sollen, wobei na- 
türlich nur die der weltlichen Gewalt des Bischoft anteratehen- 
den Gebiete in Frage kommen können. 



> Pertile a. a. O. \ 4, 96. 
« Fertile a. a. O. 98. 

* Verona', 2, c. 94, 95; Vicensa', 4, c 31. 

* Ehmao Vieensa', 4, c. 81. 

* Gtlil surftek auf «in QeMta Toa 1879, rgL Bsieh, Del piA aalioo SU^ 
tato 80. 



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202 



Das «weite stnfrecbtltche Buch sfthlt 91 Capii 1, in Walir- 
heit 90 CapiteV danmter fast ein Drittel neue. Die übrigen 
schUeBsen sich mehr oder weniger enge an den Wortbnt der 
alten Statuten an. Bi» 2, c. 61 hat die Reihenfolge der alten 
Statuten das Qerttst gegeben. Aber aneb die herflbei^genom» 
menen Gapitel haben manche Oberarbeitongen erfahreni welche 
den Forlschritten des Strafireehtes entsprachen. 

Ausdrücklich wird in c. 20 das gemeine Recht als sub- 
sidiäres erklärt, was sich ja eigentlich von selbst verstand; 
nur soll immer die höchste Stiafe, die es für ein Verbrechen 
kennt, verhängt werden. 

Einen selbstverständlichen Satz enthält A 2, c. B, welches 
alle todeswtlrdigen Verbrecher aus TricnL und icm Gebiete bei 
der Strafe, die auf das Dclict gesetzt ist, verbannt. Nur in- 
sofern hat es eine gewisse rechtliche Bedeutung, als es jede 
Frciung für solche Verbrecher aufhebt. Damit hängt die Ver- 
ordnung von c. 67 zusammen, wonach der Vicar Vagabunden 
und anderes verdächtiges Gesindel austurschen und aus der 
Stadt vertreiben sollte. Ähnliche Bestimmungen finden wir oil 
in italieniBchen Statuten. 

Auch einzelne Verbrechen erfahren neue Behandlung oder 
werden jetzt bes oiniers hervorgehoben. So die Real- und Per- 
sonalinjxiricn. Frülier wurde die Khrenbeleidigun<T ziisainmi ii- 
geworfen mit dem besonderen Falle der Beschuldigung der 
Lüge. * Jetzt wird die Ehrenbeleidignng abgetrennt. ' Die 
Strafe ist besonders abgestuft nach dem Orte, wo die Belei- 
digung geschah. Bekenntnis verringert die Strafe, wie dies in 
vielen jüngeren Statuten der Fall war.* Wie friiher bleibt da- 
neben noch besonders qualificiert die Beleidigung der Ge- 
schlechtschre einer unbescholtenen Frau. Bei der Kealinjurie 
werden jetst mehr Qualificationen als früher unterschieden. 
Beftonden; gefasst ist zunächst der Sehlag mit der flachen 
Hand, bei dem es nicht auf den getroffenen Kttrpertheii an- 

1 Ktn Cnpito! 65 fehlt, indem die Zählung von 64 aaf 66 epringi. 

« Bxxnd Tc. 29. 

* A c. 6 und enf.sproclicmlo .\nilorunp c. 41. 

* Köhler, Studitiii aua dorn ätrafrcchte 3, 288 f. Ebenso wiM die äinue 
in Trient bei Auagleich ermiasigt, während ne in dem sonst inheltHeh 
verwaadtai Tieenrn*, & 15, Abaste 1, in disMm FsUs •riiiokt Nicht 
verwandt Verona*, 3, «. 27, 



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kommt * Dann der Scilla^ mit der Faust A 2, c. 8, der nach 
dem getroffenen Körpertlieile specificieii, wird; - weiter ver- 
schiedene andere V'erletzungen; das Heissen bei den Haaren, 
Ohrfciir^* fficca), der leichte Stoss.* In all diesen Fällen wird 
unterschieden, ob Blut geflossen ist oder nicht. Dagcf^en tritt 
nun in ^ 2, c. 1 1 ein diesem System ^^anz fremdes Moment 
ein. Reim Anj^riff mit einer WafTe ndvr einem anderen Gegen- 
stände wird, wenn die Verletzung das ilaupt getroffen hat, nun- 
mehr unterschieden, ob eine Narbe geblieben ist oder niciit, 
eine Quahtication, die in sehr vielen italienischen Statuten auf- 
taucht/ dem bisherigen Trienter Rechte aber unbekannt war 
und sicher auf den Einfluss einer fremden Quelle zurtickzu- 
fUhren ist. Gans wie in anderen Bechten, welche die Narbo 
berücksichtigen, muss die Busse so oft geleiatet werden, als 
Narben vorhanden sind. Leichte Verwundungen, selbst mit 
Stock und Waffen, unterliegen arbiträrer Strafe. Besonders 
hervorgehoben und mit doppelter Strafe gesühnt wird jetzt in 
A2, c. 11 die Verletzung, ^volche eine Lähmung snr Folge hat, 
die wie häufig sonst, auch in Verona und Vicenza aiugeseichnet 
war.^ Ist die Verletzung auf Anstiften eines Dritten erfolgt, 
so werden nnnmehr Anstifter und Thftter mit doppelter Strafe 
beiegt|^ während früher nur eine angestiftete Verwundung 
schwerer bestraft wurde.'' Offenes Geständnis mindert hier die 
Busse um ein Viertel^* ein Sata, der sich seit dem 14. Jahr- 
hunderte in sehr vielen Statuten findet,^ dem Rechte von Vi- 
censa und Verona aber fremd ist, daher wieder auf anderen 
EinfiusB deutet Unmündige und Gassenjungen werden wegen 
leichter Verwundungen und geringer Verbrechen nicht gericht- 
lich verfolgt. 

Ganz neu sind die Bestimmungen über Diebstahl A 2, 
c. 61. Früher war der Diebstahl mit der Sachbeschädigung 

» A 2, c 7. 

2 1 -2, e. 8. 

^ A '2, f. 0. Über .Hpiiigero' vgl. Lamporlico, Statnti Virotiza 117 n. 

* Kohler a. h O. 347, die im Grunde Kurückguucu aut iiuthari, c. öö. 

* T«n»na', 3, c. 38; VioM»»*, 3, o. 16. 
« ii S, e. IS. 

» B nnd Tc. 17. 

• >! 2, c. 16. 

• Kohler «. a. O. 2S8 

^ 2, c 14. Ähnlich auch ViceuM*, c. 16. 



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204 



BUBftmmeiigeflossen, jetst wird er aio ebenes Va^reeben her- 
vorgehoben. Die Strafe ist abgestuft nach dem Werte des ge- 
stohlenen Objectes. Im Wiederholungsfalle tritt Verschärfung 
ein. Der schwere Diebstahl, wenn das gestohlene Gut 100 Pfund 

tibersteigt, wird mit dem Tode bestraft, bei Männern mit dem 
Galgen, bei i iauua dem Feuertode: Avenn das gestohlene Ob- 
ject zwischen 25 und UM) Ptuiid bleibt, tiut Geissolung und 
ewiger Verbautmngj beim zweiten Diebstiihle, gleicliviei, weleht n 
Wertes, Verlust des rechten Ohres und ewige Verbannung; beim 
dritten, wenn über 25 Tiund gestohlen werden, der Galgen. 
Wenn der Wert aber uiiter 25 Pfund bleibt, tritt beim ersten 
Falle arbiträre Strafe, *ias dritte Mal Verlust eines Gliedes ein. 
Der Verlust oder das Durchbohren des Ohres findet sich na- 
mentlich in lombardischen und roniaii^noliscben Statuten als 
DI<'bstahlsstrafe nieht selten.* Ein neues Moment ist mit der 
Sti;Lt*> der ewicren Verl^nnTiunp: in das Trientcr Rcebt einge- 
führt. Bisiicr war der Hann m Trient nur Ungehorsamsstrafe,* 
jeist tritt er zuerst jds Strafe eines Verbrechens auf. 

Nunmehr wird die Urknndenfftlschung gleich behandelt, 
ob der Fälscher Notar oder ein Privater war,' wie dies schoD 
früher in manchen Rechten, darunter auch in Vicenaa, der 
Fall war. 

Bei vielen Verbrechen sind die Strafen verändert, so in 
A 2f c. 26 bei fleischlichem Vergehen mit der E3iefiraa eines 
anderen im Einverstftndnisse mit der Frau, wo gegen R und 
T c. 13 die Geldstrafe ftlr den Mann um die Hälfte verringert 
wird. In A 2, c. 33 wird bei Verbreitung falscher Münzen in 
kleiner Menire die Strafe der alten Statuten in R und T c. 20 
Verlust der Hand durch eine Geldstrafe ersetzt.^ Der falsche 
Zeuge wird naeh A 2, c. 37 sugleich mit Infamie belegt, die 
jetat ins Trienter Beeht eindringt.* Bei Verwüstung von Fhicht* 

* Kohler a. ä. O. UO, 424 f. 

' Bezüglich J* c. 148 siehe oben 6. 1U9; vgl. Ficker, Forschuugeu xur 
B«ielu- nnd Bechtsgosdiiehto ItaUena 1, 97; Acta Tirol. Ein]. 900. 
Anch TieeoM*, 9, o. 21 «atet Bami auf den DielMtalil Doch fehlt lite- 
rarische Verwandtschaft, Vioenza kennt nicht das OfarabiK^hnoideii nnler 
(Ion .'^trnfen, mudem da« ebeafalli bSafife AoMteehen des Anfee. 

» .4 % r.. 3.->. 

* Ebenau A 2, c. 34, wo joizt daa Beschneiden der inzwischen häutiger 
gewordenen GoldmUuzeu unter besondere Strafe gesetzt wird. 

* Im faasen in Italien nicht häufig, vgl. Kehler a, a. 0. 157. 



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805 



bftmnen und Beben wird die au leistende Oddetrafe aof 5 Piiind 
für den Fuss, also nach dem Ansmasse festgestellt^ Bei Mord 
werden nun beide Qeschlecbter gleich bestraftj' das ist ent- 
hauptet Herkwttrdig ist jetzt die Strafe der Sachhehlerei, 
insbesondere der Kanf gestohlener oder geraubtn Sachen, 
geordnet* Sie richtet sich nach der £videnz des Beweises. 
Kann die Kenntnis dieser Eigenschaft der Sachen nachge- 
wiesen werden, dann bflsst der Kftufer mit dem doppelten 
Werte; wenn diese Kenntnis nur yermuthet wird, zahlt er 
eine niedrigere Geldstrafe. Die Vermuthung tritt immer ein, 
wenn der Kaufpreis der Sachen den halben wirklichen Wert 
nicht überstiegen liat. Damit ist zugleich der Kanf verdäch- 
tiger Sachen bestralt. Im Interesse der Bürger ist es, wenn 
die Vermögensconfiscation als Strafe in allen Füllen ausge- 
schlossen wird, in denen sie nicht durch das gemeine Kecht 
oder durch ausdrückliche Verfügung der Statuten normiert 
wird,* ein neuer Damm gegen die Willktlr der BeamLun. 
Demnach ist auch der Bann nur mehr ein ,bannum personae* 
A 2, c. 16, nicht mehr zugleich ein solcher des Vermögens. 
Nur mehr die Person des ungehorsamen Verbrechers wii'd 
friedlos gelegt, nicht mehr sein Vermögen mit Beschlag gelegt, 
wie es früher der Fall war.'' Andererseits wurde der Kichter 
ermächtigt. Geldbiissen, die wegen Armut des Verurtheilten 
nicht eingebracht werden konnten, in Lcibesstrafen, nur nicht 
in den Verlust eines Gliedes, dann umzuwandeln, wenn die 
Statuten ein bestimmtes Surrogat nicht festgestellt hatten." 

Die Alexandrinischen Statuten ordnen auch die locale 
Competenz der Strafgerichte. Wenn das Verbrechen innerhalb 
des Bisthams begangen worden ist, dann ist jenes Gericht in 
der Sache competent, in dessen Gewahrsam sich der Ver> 
brecher befindet.^ Das entsprach nur dem ursprünglichen 
Rechte,*^ bis sich endlich auch in Italien das ,foram delicti 
comissi' durchsetzte.^ Wenn aber das Verbrechen auswärts 
begangen worden ist, bleibt der Th&ter straflos nach dem Qe* 

' A 2, c. 51. Bann schon in Conatitatioia Fiiedriehs I. oontrs ineendiario« 
MM. LI. ConaUt. 1» 4ö2, c. 22. 

• i4 2, c. Ül. ■ 4 2, c. 66. * 4 2, c. 69. 

• Acta Tirol. 2, Einl. 202. « il 2, c. 21. 

* A 2f c 68. • Partile a. a. O. 6, 188. 

* Partile a. a. 0. 199, n. 97. 



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206 



nohtspimlcte der Retorsion, weil ancli gegen TrioDter im Aus- 
lände wegen Im Bisthnme begangener UndiaCen nicht einge- 
schritten wird. In der Bestimmung des e. 64 kommt das 

Gefühl des Zusammenhangs des Fttrstenthnms znm Ausdrucke. 
Jeder Bann, der in einem Gerichte verhängt ist, gilt ftir alle 
anderen. Nach T' c. 68 waren die Amtleute nur verpflichtet 
irewesen, den Geachteten binnen gewisser Frist in das Trieuter 
iiaunbuch eintragen zu hissen. 

Wichtige Neuernnjren bieten die Gesetze, welche den 
Criminalprocess betreffen. Gerade hier finden wir einige Ver- 
fügungen, die sich als sohRtzbare Garantien der persönHchen 
Sicherheit zn erkennen geben. Dahin gehört vor allem c. 19, 
welches dem in Untersuchnng Befindliclien das Recht gewährt, 
bei 8tellun|i: einer liürgsehat't während des Strafverfall rens auf 
freiem Fnsse bela.ssen zu werden, wenn das Ver))reehen nielit 
mit Leib und Leben gobiisst werden mnss. Diese Entlassung 
^eiren Cantion ist schon früher vorgekommen;* es entsprach 
dem geltendin italienischen Rechte insbesondere auch, wenn 
sie l>ci Verbret hen, welche körperlicli'' Stiafe nach sieb ziehen, 
ausgesehloH'-'pri ^\ \r!^. Aber es war dueh von grossem Werte, 
diese Vergünstigung in den Statuten mit gesetzlicher Kraft fest- 
zunageln. Wenn dasselbe Gesetz dem unschuldig Verhafteten 
den Ersatz des erUttenen Schadens durch den Ankläger oder 
den Fiscus zuspricht, zeigt es eia weit YorgeschriUenes ge- 
radesn modernes Gepräge. 

Ans dem Privileg von 1407 Februar 28* stammt dann 
c. 17, das bei jeder peinHchen Frage die Znziehnng zweier 
Qastalden der Consuln fordert, welche den Richter vor jeder 
Überschreitung in der Anwendung der Tortur zurückhalten 
sollen. Weniger bedeatend, wenn auch für den Gang der Straf- 
pflege wichtig, war c. IB^ welches die Zulässigkeit strafproces- 
snder Handlangen anch an Ferialtagen normiert. 

Ganz neu und interessant ist das UngehorsamsYerfahren 
geregelt. Früher traf den Ungehorsamen der Bann, wenn die 
Klage auf Leib und Leben ging. Wird er eigriffsn und dem 
Gerichte eingeliefert so trifft ihn jene Strafe, welche das Statut 
auf das Verhrechen setzt, desseii er beschuldigt ist. Denn es 



^ 4eU Tirol. 2, Einl. 98. Sontag, Die SnÜsasung g^dgen Gaution 65 f. 
* Sieh« oben 6. 188. 



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207 



galt der Satz: ,Contumax pro confcsso habetur.'* Jetzt kann 
nicht mehr ohneweiters zum Hanne g'eschritten werden,* viel- 
mehr wird aliemul nach einmaliger Ladung, wenn das Ver- 
hrcchen todeswUrdig war oder den Verlust eines Gliedes nach 
sich zog, ein förmliches Verfahren gegen den Abwesenden er- 
öffnet. Wenn durch Zeugen oder andere Beweismittel ein 
voller Beweis für die Volifulirung seines Verbrechens erbracht 
werden kann, dann ergeht gegen den Verbrecher trotz der 
Contumaz ein {«ärmliches Urtheil. Darauf erst erfolgt die Ban- 
nung. Ab( r selbst wenn der Gebannte dem (iericlite «'inge- 
liefert wird, Idt ibt ihm noch immer die Möglichkeit, de« Beweis 
seiner Tlnst lmUl zu erbringen oder die gegen üin geftihrten 
Zcii^^- ii IViUcher Aussage zu überführen. Im Falle, dass kein 
voller Beweis gegen den Verbrecher crbraeht werden konnte, 
wird der Flüchtige mit einer Geldstrafe belegt und ebenfalls 
gebannt. Auch ihm steht nach der Einbringung Gegenbeweis 
offen. Kann er diesen nicht erbringen, so muss er der pein- 
lichen Frage, und zwar dreunal unterworfen werden. Erst 
wenn er trots der Tortur seine Unschuld standhaft behauptet 
bat, gilt der gegen ihn vorgebrachte Verdacht für getilgt. Das 
entsprach nun völlig den Lehren der Doctrin,^ die sich schon 
seit Albertus de Gandino gegen die starre Geltung des Formal- 
satzes: ,Contumax pro oonfesBO habetur' aufgebäumt hatte. All- 
mfthlich hatte sicli die Ansehaaang durchgebildet, dass der Richter 
erst dann den Bann TerhttDgen dürfe, wenn er von der Schuld 
des Gebannten überzeugt sei. Damit ergab sich die Koth- 
wendigkeity ein Beweisverfahren gegen den Abwesenden zu 
eröffnen, obwohl dies nun auch dem römischen Rechte wider- 
sprach. Und schon im 14. Jahrhundert veriangte man, dass 
der eingelieferte Gebannte doch noch snm Unschuldsheweise 
xugelaBsen werde, und dass in aweifelhaften Füllen sur Folter 
geschritten werde. Bereits seit dem 13. Jahrhundert be- 
quemten sich einzelne Statuten, wenn auch nur anfangs in 
kleiner Minderzahl, sur Annahme dieses müderen Standpunktes.^ 
Dass die Constitution Kaiser Heinrichs VII. gegen die Majestäts- 



> Acta Tirol. Einl. 803. 
■ ^ 2, c 16. 

* Hugo Meyer, Das i>tratvcriabron gegen Abwesende 101 f. 
« P«rtile 6, 537. 



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208 



Verbreckw denaelben Standpunkt etniimlmi, war gowiw filrddr> 
lieh.' Uii8«r Trienter Capitel zeigt die engste Verwaadtschaft 
mit Yicensa ' 3, o. 7. Nur lilttt Viceaaa den UnedraldsbeweiB 

nicht zu, sondern fordert auf alle Flüle Execntion des Urtheib 
nach drei Tagen von der VorfUhrung des Gebannten vor das 

Gericht. Im übrigen aber stimmen beide in dem Inhalte, der 
Disposition, ja auch in rnclirtaclicn wörtlichen Anklangen derart 
überein, dass ein literanst lu r Zusammenhang zwischen ihnen 
angenumuien werdfii musis.^ Die VerwaadtbchulL iüt wohl eher 
durch eine gemeuiaüuie Quelle hergestellt, die ssu ermitteln mir 
vorläufig noch nicht gelingen wollte. 

Der Rest des zweiten Buches, sofern er nea ist, enthält 
Polizei Vorschriften. ' 

Das dritte Buch der AlexandriniHchen Statuten: ,De sin- 
dicis' stellt sich als eine Foncntw ickluug und zum Theil Über- 
arbeitung der Bestimmung der alten Statuten über die Sindici 
und die in den Hereich ihrer Comjictenz fallenden Angrlrij;« n- 
h( itou heraus. Das von Reich cdiite ältere Statut der Suidici 
liegt wohl dem Text© nach, wo er von den alten Statuten 
abwich,^ aber keineswegB der Anordnung der Capitei zu Grande. 



> MM. U. «, 644 Ton ISIS AprU S. 
* Z. B. TriMit 

81 qnideoi per t«0t«t 

vel alias legitima« probationes con- 
Htiterit, accnialam vcl donTinciatum 

delictnin coiiiisi.s.sn , tiinc 

possit (lifüuittva »eiiteiitia profurri 

oontca abMatem. 



VioaiiBa. 

Et m ^4eni per t««tM r«! 

alias legitim» probationefl 

coufititorit, Hccusatum !iil>«"nteni de- 
nunciatnui .neu inqui.Hitnui crituea 

comiüiMe, d. rector super 

crimine corponlem ■entenciam üant 
contra Iptiim nceiiwitnm abMotenu 



SI vero nun coDstiterit de crimine ; Si vero de crimine 



coijsiare 



iioti poterit, dann Geldstrafe und 
Uauuuug. Et si quo teiupuru condem- 
a&tus ratione contnmaciae pervenerit 

in fortiam eonranit, d. ndor 

poirft ponern «I poai teeara ad top- 



manifeste, dann Geldstrafe und Ran- 
uung. Et si quo tempore ipse bauui- 
tua captna fnerit vel ae sponte prae- 
aentaTerit, tunc ponatnr ad tortozam. 



• v4 2, c. 71 uml 7*i iih(>r die nnehrbarfn Frfiii«»n, c. 77 FeuerpoIiBei, 
c. 80 — 83 und 8& hauitiitapolizoi, c. 90 Einfuhrverbot fremdpr Wein», 
c. 91 Besuch der M«Mse au Öonu- und Feiertagen, eine Vorschrift, die 
spilar dem Baeho der ffindlker einverieibt wwde. 

* Nanentlicb in e. 1, vfl. oben 8* 147. 



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209 



Von diesem dritten Bnehe eriiegt nocli eine zweite Hand- 
schrift in dem stttdtiBchen Archive zu Trient, welche Reich als 
Secondo Statute dei Sindici herausgegeben hat.^ Diese Trienter 
Handschrift gibt rieh als notarielle Oopte Ton 1437. Aber sei 
es, dasB die dabei ▼mrendete Vorlage nicht Tollsttndig war, 
oder dass der copierende Notar absichtlich kürzte, die Trienter 
Handschrift weist gegenüber Ä ein nicht unbedeutendes Weniger 
auf. Es fehlen hier dreizehn Capitel. Bei anderen mangeln die 
Rubriken, so dass öf'tf j- mehrere in ^4 selbststiiiidigc Capitel 
hier unter einer dem lülialte der fulgcnden durchaus nicht ent- 
sprechenden Rubrik zusammengezogen sind.- Auch der Text 
weicht nicht selten ab, er ist dann immer im Vergleiche zu A 
gekürzt* und ntthert sich dem Texte Icr alten Statuten. Die 
spätere Cles'sche l^edaction folgt in solchen Fällen fast aus- 
nahmslos dem Wortlaute von A, der suiint als der massgebende 
betrachtet wurde. Manches ist im Secondo Statuto fortgelassen, 
weil es für df>n täglichen (T(!brauch der Sindikcr nicht in Frage 
kam, wie die Bestimmungen Uber die von den TJrtheilen der 
Sindikcr einzulegende Berufung und dw. Berufungsinstanzen 
selber. Bei anderem ist ein Grund für die Auslassung nicht 
zu erkennen. Fast durchaus sind die Kürzungen ohne Be- 
deutung für den Inhalt. 

Das Buch beginnt mit einer ÜbOTSchrifti welche der in 
den Cles'schen Statuten* fast ganz entspricht. Darauf folgen 
die Statuten mit in Wahrheit 110, nach der Zählung der Hand- 
schrift 109 Capiteln, da die Ordnungszahlen von 23 bis 27 sich 
wiederholen,^ 76 bis 79 aber ausgefaUen sind. Von diesen ist 
beinahe ein Drittel im Vergleiche zu den alten Statuten neu* 
0ie Neuerungen enthalten zumeist Vorschriften markte und 
gewerbepolizeilicher Natur, auf die hier nicht im einzelnen ein- 
gegangen werden solL Auch in diesem Theile zeigen sich die 
Folgen des Privilegs von 1407. Wir hörten, dass nach ihm 



* Trienter G/mnasialprogrJinim IHIM. 

* So in c. 46, 66, 67, 69 der IteiLli'schen Ansgabe. 
' So in c. 11, 15, 42 des Secondo ^^tatuto. 

* Ausgabe von Gar, 147, Z. 9, nach .episcopi': ,et dacls comitis et mAv 
chioiiiR, domint Txid«Bti^ E« li»hlt Z. 10 tempar«* bia Z. 12 iimctor'. 

* Jn Tabelle lat hier wie sonst die ZiUnsf der Iniisbraeker Hand- 
Schrift Tenrendet 

AioUt. XCIL BSBd. I. VUlto. U 



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210 



der Gemeinde alle Bussen zufallen * sollten, welche im Oeriehte 
der Sindici verfieleii. Dieses Recht der Gemeinde ist nun mm 
Theile anerkannt In anderen Füllen allerdings sind die Bossen 
swischen der bischoflieben Kammer, der Gemeinde und dem 
Angeber zu tbeilen.* Später ist aucb in diesen FttUen aumdst 
die bischöfliche Kammer fortgefaUen, und eine jüngere Hand 
hat diese Änderungen im Codex nachgetragen. 

In AZ, c. 34' entspricht es dem erhöhten Einflüsse der 
Consuhiy wenn sie es nun sind^ welche auf die Verprovian- 
tierung der Stadt Einfluss erhalten. Sie und nicht mehr der 
Bischof ertheüen die Erlaubnis zum Abschlüsse von Ank&ufen 
von Getreide. Neu sind dann die Bestimmungen^ welche einen 
Reehtsgung vom Urtheile der Sindiker feststellen. Jetzt geht 
die Berufung von den Sindikem an eigene Appellationsrichter 
(iudices ap})ellationum); als dritte Instanz entscheiden die Con- 
suln.^ In Bagatellsachen unter 15 Pfund ist die Berufung aus- 
geschlossen. Die Befugnisse der ^diker sind dieselbe ge- 
blieben wie fr&her. 

Interessant ist die Gesindeordnung A c. 109, die im 
wesentlichen aus dem Gesetze stammt, das Nicolaus de Mechel, 
Vicar des Markgrafen Ludwig von Brandenbur«,', 1358 erliess.* 
Anch ein guter Thtil der anderen in diesem Buche neu auf- 
tretenden Capitcl geht auf Vcrorduungou zurück.*' die seit dem 
Abschluss der alten und neuen Statuten erpini(eii waren, so 
die Verführungen über Fischkauf^ Holzauiiuiir, Fleibchhauer, 
Öalzverkauf u. s. w. 

Dieses Gesetz, von den CunsuLu der Stadt entworfen, 
zeigt uns, wie wir gL.-,i!ieu haben, den Einfluss der Bürger- 
schaft auf die Gesetzgebung auf voller Höhe. Dass sieh d;is 
Notariatscolleg dabei nicht vergass, welelies die Trienter Rechts- 
verständigen und somit d(!n hervorragendsten und einfluss- 
ruichsten Factor der Bürgerschaft in sich vereinigte, werden 

^ Siehe oben S. 189. 

* AS, c 8—6 «. s. w. 

'* El N, I cbond Reich, Secondo Slatato, cS9. 

« A 3, e. 1, 82-84. 

* Reich, II piu antico .Statute 20. Dieae Veiürduung mag' veranlagt 
worden sein durch die Ordnung der Dienstlöhno in der Tiroier Lande«- 
ordiraiig von 1862 Jlnner 9, Schwind nad Dopsch, Ausgewttüte Ui^ 
kanden sur TerfiiMniigigwdiiehtei, Kr. 100. 

* Sieh« Reich a. s. O. 



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wir begreiflicli finden. Gans anderen Urspmng und andere 
Tendenzen aeigt die folgende Redaction. 

Die Regierung der Stadt beruhte keineswegs auf demo- 
kratiseher Grundlage. Obwohl eine Seheidung der Bürger- 
schaft in Erbbttrger und Zttnfiler nicht bemericbar ist, mnss 
sich doch factisch etwas Ahofiches herausgebildet haben. Die 
RcTolution gegen Bischof Georg ist in erster Linie den alten 
durch Vermögen und Ansehen hervorragenden Ge- 
schlechtern zugute gekommen. Die sieben oder acht Con> 
suln, in denen sich die Macht der Gemeinde verkörperte, 
wurden nicht frei von der Hüigcrschaft gcwälilt; sie erpUnzten 
sich und wählten ihre Nachfulger vielmehr selber. Da war es 
dann natürlich, dass gewisse Familien und Persönlichkeiten 
fast ständig im Besitze der Consulswürde erscheinen. Nach den 
nicht ganz vollständigen Consulnlisten von 1415* bis 1491 be- 
merkt man eine grosse Stahilitilt in den Namen der Consuln. 
Die meisten der Con?idn haben dieses Amt wiederholt, ja drei 
und öftere Male bekleidet. Einer, Melchior ab (Jleo, erseheint 
in einem Zeiträume von allcrdiugs 51 Jahren clfmal als Consul, 
ein anderer, Meleliior Faeinis de Padua, in 25 Jahren sicben- 
maij Antonius de Gasti'ü in 20 Jahren sechsmal. Nicht selten 
wurden Consuln des einen Jahres fürs nächste wiederge- 
wählt. Einige Trienter Familien sind besonders hiiufig im 
ConsulncoUeg vertreten. Unter ihnen stellt die Familie der 
Calapini mit acht Mitgliedern Consuln in 23 von f)9 .Jahren, 
die Schrattenperger mit sechs Gliedern Consuln in 10 Jahren. 
Neben diesen Familien treten die Negri, die Fattis von Ter- 
lago, die Faeini und andere hervor. Freilich wird auch die 
persönliche Fähigkeit bei den häufigen Wiederwahlen in Be- 
tracht gekommen sein, aber ein gewisses Cliquenwesen wird 
sich dabei sicher fUhlbar gemacht haben, und das war noch 
um so schlimmer, weil die Consuln auch die übrigen städtischen 



* AmbroA, ComnMutari delU Storia Trmitimi 2, 190f. E» fohlen 14S0, 

1459 and 1460, 1464 und 1465, 1468, 1479—1486, 1488—1491. Di« 
Consuln von 1491 sind: Jacobus de Kocli.aljraii.i, Tlionia.s do Cnlapinis, 
Nicülaus Morzantns», Nicolaus Cibicliiuiis, Vij^Mlius de Faho, Girolflus 
stavonerius, Gabriel Craaier. Die Liste bei Ambrosi ist auch nicht ganz 
oorrect. 1477 z. B. ist statt Netras Ranzus' ^etnu Ranther*, und statt 
jBigiimuiidM Savuenii^ ,8iguiikiuidiu Strstot' m Imos (Urk. 1477, Conc, 
Innsbrack Bi-A.). 

14* 



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213 



Ämter besetzten.^ Zwar nicht ttberwiegend, aber reichlich ge- 
nug vertreten finden wir in den Reihen der Conenbi dcB 
Juristeiistand und insbesondere die Koitare, daneben Kauflente 
und wohl anch einzelne Handwerker. Ein Mitglied wenigstens 
unter den Consuln war häufig den deutschen Familien ent> 
nommen.' Aber die unteren Schichten Terlangten nach 
grösserer Äntheilnahme an der Stadtverwaltung, und su diesem 
socialen Gegensatze gesellte sich der nationale. Oe- 
rade die Handwerker bestanden sum guten Theile aus deutschen, 
häufig wechsefaiden Elementen* Diese Deutschen bewahrten 
die Erinnerung ihrer einheimischen Yerfassungsverhsltnisse. 
Ihnen schien der Rath in Trient zu klein, sie verlangten eine 
Vermehrung der Rathsherrenstellen und Wahl der Rathsherren 
und Qemeindebeamten durch die Bürger, damit die Herrschaft 
der Clique gebrochen werde und alle auf die Verwendung der 
städtischen Gelder Einfluss nehmen könnten.* Zugleich machten 
die Deutschen sieh au Anwälten der sum G(erichlibezurke Trient 
zählenden Gemeinden, die zur Beisteuer zu gemeinsamen Lasten 
mit der Stadt herangezogen wurden, aber wegen dieser ihrer 
Beiträge in fast ununterbrochenem Hader mit den Consuln der 
Stadt lagen. Die Dcutsclien machten den Vorsehlag, dass 
künftig von den wenigstens auf die Ziihl von zwölf vermehrten 
Consuln ein Drittel von den Italienern, ein Dritt<?l durch die 
Deutöcheu und das dritte Drittel von den Gemeinden des Be- 
zirkes gewählt werden sollte. Daneben brachten sie dann beson- 
dere Beschwerden vor gegen die Gesehäftsorauung den Käthes, 
gegen ungehörige Begünstigung, welche der Ruth bei Steuer- 
erhebmig seinen Mitgliedern zukommen liess, und anderes. Die 
Gemeinden haben dann besonderd gegen die Steuerfreiheit zu 
klagen, welche die Trienter Bürger für ihre am Lande ge- 
legenen Besitzungen in Anspruch nahmen. 

Die herrschenden Kreise wehrten sich allerdings nach 
Kräften gegen diese Forderungen der Deutschen.^ Wie jede 

* Ausdrücklich erwähnt in der Bcschwoiflcschrift der Deutsch«^'! Pa- 
tigler, Zeit-'Lliiift des Ferdiiiaiuionni« TU, 'J8. 81, Nr. 2, ,Qui miiiioin 
Septem vel iiovum cunsulea huc uanu faciuut alio» eorum tiUos, Cratn», 
oonsaagnineo« et simUes.* 

* Ygh die Llite bei Patif ler, Zeitiehrift dee Ferdlnaademn« III, 88, 69f. 

* Nach den Beschwerdeschriften bei Patigler a. a. O, 80 f. 

* Beplik der Italiener bei Patigler a. a. O. 86 f. 



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213 



conservativc und oligarchische Partei wollten sie in diesen 
Wünschen nur unberechtigte Anmassung sehen und sprachen 
dann von oben herab Handwerkern jede Befähigung und jedes 
Verständnis zur Stadt regiemng ab.^ im Übrigen beriefen sie 
«ch wal das alte Herkommen. Es gelang ihnen wohl auch, 
den einen und anderen Vorwurf richtigzustellen. 

Aber auch von anderer Seite wurde der Anstoss zu 
Neuerungen gegeben. Hatten die Deutschen sich unter anderem 
über die Sachwalter, den schleppenden Gcscliäftsgang der Ge- 
richte und Uber die Notare und ihre Taxen beschwert^ so 
waren ähnliche Klagen schon vor einigen Jahren von anderer 
Seite eingelaufen. Der Podeatk des Jahres 1485, Qiampietro 
Gandini aus Brescia/ ergieng sieh in einem Qutaditen in 
bitteren Bescbwerden gegen die Notare, welche die Instru- 
mente nieht xnr rechten Zeit fertigstellten, Originale und Pro- 
tokolle yerloren, die Gerichtsacten nicht fertigbrachten, und 
gegen die Advocaten, die sich weigerten, Vertretangen su 
übernehmen. Deshalb wurden Verschärfungen der Strafen in 
den Bestimmungen der alten Statuten Uber die Notare und 
einige neue Verordnungen in Vorschlag gebracht* 

Bischof Ulrich m. von Freundsberg, der energische Bruder 
des bekannten LandskneehtfUhrers Georg von Frundsberg, beab- 
sichtigte allen diesen Beschwerden unter einem durch Erlassung 
einer Anzahl von Zusätzen zum Alexandrinischen Statute ein 
Ende zu machen. Er legte sie daber einer Oonunission vor, deren 



* Darauf autworteten die Handwerker; ,8e non vereri de artibns suis, 
dommodo honeste vivaat, pro ut debent*. Patigler «. &. O. 96. D«a 
gebeo die Contutn vt, aber: ,m boe landabiliter non agant ipii Ale- 
nuual» dam veluit ipsis iseognita aggredi et se imnueere et Tdint m 
edectnare doctoribns medicU inristie et litteiatis viris et spectabilibos 
expertis et antiquisainns civibus contra cornm privilegia et antiquissimas 
consuetudinesS Fatigler u. a. O. 100. Man sieht, der Geg'on.sat/- war 
nicht so sehr eiti nationaler, als socialer. Die Datierung dieser Acten- 
•tlleke durch Patigler a. a. O. 57 erhält ihre Bestätigung dadiuob, daae 
ne 1491 darch die ZvsRUe dee BisehoCi UdalxichlU. snni Steinte ei* 
ledigt werden sind. 

* Kaeh dem Veneiefaniase bei Ambrost, Commeataii S16. 

* Onneben noch einige Stref iMtÜmmungen gegen den Podetti« der die 

Statuten nicht beobaehtat und an den Gerichtatagen nicbt an Oeriebt 

•fitzt, ebenso Verfiigtiiigfcn, vvdlcbe eine Beachleunigang des Beebt^anges 
bezweckten. Beilage Nr. 8. 



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214 



Zusammensetzung nicht bekuniit ist. Erhalten aber ist das 
Concept der bischöflichen Resolution, durch die beide Be- 
schwerden erledigt wurden.^ Um dieselbe Zeit, am 24. No- 
vember 1490, nnterzo*? eine Coramission, welcher der Decan, 
der Podestii und einige andere angehörten, die wohl /u den 
Ruthen des Bischofs zählten, den Tarif der Taxen der Notare, 
über welche ja auch geklagt worden war, einer genauen Prü- 
fung.* Das Resultat aller dieser Berathun^^rn wurde in eiue 
ÄDzahl von Capiteln gefasst, welche theiis als lu ur Capitel (im 
ganzen elf) an geeigneter Stelle in die Alexandrinischen ein 
geschoben,^ theiis als Zusätze einzelnen Capiteln dieser Statuten 
angefügt wurden.'' Ein paar geringtVigigc Änderungen wurden 
stillschweigend im Texte vorgenommen.'' Einige Punkte der 
bischöflichen Entschliessung, die am bestehenden Rechte nichts 
änderten, fanden in die Statuten keine Aufnahme. Im ganzen 
zählen diese Udalricianischen Statuten 307 Capitel.^ 

Die ZuBätze der Udalricianischen Redaction wurden am 
14. März 1491 publiciert. Sie beruhen zum großen Theiie 
wörtlich auf den Eingaben der Deutschen und den Antworten 
der Italiener, sowie auf den Vorschlägen des Podestks Gandini 
von 1485. Der BiBchof hat ee nicht gewagt, im Sinne der 



* Beilage Kr. 10. Ein «weites nnd drittes Sebriftstfick, Capsa 3, 94, Inns- 
braek St-A., enthilt die EntMhlfiaie des Biseboft in die Fisssang g»- 
kleidelj in der sie in die Statuten aufgenommen worden. 

* Innsbmek St.-A., Capsa 3, 94, enthält eine ^ntiqna scriptum et tixatio 
coinninnitatis* tiird eino .Nov.i taxa notariorttin'. Diese letzte entliHlt dpn 
Vorsclilnq- (]ps iioiien Tarifs. Am Rande .sind die Hb.scIiIü.s'sp Hör Coni- 
missiun angemerkt, z.B. zu §. *2: ,(Jonchi8io fnit de 4 groe^iö lU in aa- 
tiqna dfcitur seriptara.* Hancbmal wird die Entsebeidnng dem Bischöfe 
vorliebalten: ,Coram domino decldatur.' 

* Die nenen Gapftel geben sieb aneb als sokbe, wie e. 3 des ersten 
Buches mit der Rubrik: ,So4nitur novnra statutum episeopi Udalrici.' 

* Ähnlieh die Znsätze, wie die neuen Capitel» s. B. au CTI, e. 11: ^os 
veru l'dalricn«* n. s. w. 

^ Z. B. U 1, e. 35: ,teriuinus octo dierum coutiuuurum', statt /lierum uti« 
linm* Ton A 1, c. 84. 

* Es sind nlmlicb einige Capitel Ton il in CT wiUkttrIieb gefheilt nnd 
eines wiederliolt worden. Der Text von U schliesst sieb dnrebwegs an 
A an; nur die Rubriken zeigen einzelne Verändernng^nn. 

' Auftrag zur Ladung der Consuln und Sindiker von Trient und der J'in- 
diker der Gemeinden do8 Di.stricta von Trieut und Liste der Ueladeaea, 
Innsbmek St.-A.. C. 3, Nr. 7G und 94. 



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215 



Eingabe der Deutschen die Zusammensetzung und Wahl der 

Consuln zu ändern. Er mag vor einem zu tiefen Eingriffe in 
die hergebrachte Stadtverfassun^ »^-escheut haben, durch den 
die demokratischen Elemente und ihr Eiiitlu.ss j2;estärkt worden 
wären. Vielleicht glaubte er, mit dem alten Käthe besser aus- 
kommen zu können, als mit einem vom Volke gewählten, 
dessen Zusammensetzung unberccheubar war. Einem solchen 
gegenüber konnte der Bischof kaum sein Recht, die Raths- 
herren zu bestätigen, geltend machen. Schon hatten die 
Deutschen, zwar noch verblümt, an den Bürgermeister er- 
innert, der in deutschen Städten gewählt würde.* In ihm 
konnte der Bischof nur ein neues Hemmnis seiner Macht si'lien, 
das er sich um jeden Preis fernhalten musste. Daher bciiess 
er die Zusammensetzung und Wahl der Consuln beim Alten. 
Ihre Zahl wurde auf sieben fixiert und diese Stellen wie alle 
anderen Gemeindcbeamtungen den Italienern und Deutschen 
in gleicher Weise zugänglich gemacht, ohne dass den Deutschen 
nach ihrem Wunsche eine bestimmte Zahl vorbehalten worden 
wäre. Die Geschäftsordnung der Consuln wird dahin normiert, 
dass zu jedem Beschlüsse fünf, zu wichtigen die Anwesenheit 
aller erfordert wurde.* Wenig bedeutete es, wenn die aas- 
schliessliche Vertheilung der Amter unter gewisse Familien und 
die Notare und Rechtsgelchrten ausdrücklich verboten wurde, 
denn ein solches Verbot liess sich unter irgend einem Vorwande 
jederzeit umgehen. 

Dagegen glaubte der Biscliof allerdings, die Controle, 
unter der die Verwaltung der Consuln stand, yerschttrfen zu 
müssen.' Bisher hatten die Consuln und Procuratoren ihren 
Nachfolgern im Amte Rechnung gelegt. Jetzt sollten den Con- 
suln hei diesem Acte acht Bürger zur Seite treten, die nach 
Quartieren gewählt wurden, und zwei von diesen sollten 
Deutsche sein. Damit wurde der Büfgerschaft ein, wenn auch 
kleiner Einfluss auf die Stadtverwaltung eingeräumt Den Ge- 
meinden des Districts wird nur im allgemeinen Rechnungs- 
legung Uber alle sie berührenden Gelder zugesagt, wie diese 



• Patigler «. a. O. 84, §. 18 ist .magistratam eivinm' offanbar Terscbrieben 
Ar tUMgistniiii*. i « 

• UlrieianUehe Statntmi 1» c 80 ttod 81. * " 

• UU C.8«. 



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216 . 



schoD in einem Urtheilsspruche des Bi8oko& Alezander von 
1427 festgestellt worden war.^ 

Die Zahl der Notare «a Terringern, wie die Dentseben 
gefordert hatten, wagte Bischof Ulrich nicht; nur sollte das 
Oolleg Deutschen und Italienern in gleicher Weise zagängh'ch 
sein, und konnte wegen Nichtzulassung Recurs an den Bisehof 
ergriffen werden. Sonst wird den Notaren allerdings die Aus- 
fertigung:; von Urkunden zur rechten Zeit unter verschärfter 
Strafe anbefohlen, ^verden Strafen auf den \ Grinst von Instru- 
menten und Acten gesetzt, wird die Vorschrift erneuert, dasa 
Imbreviaturen in Codices eingetragen werden müssen und nicht 
auf einzelnen Bliittcrn, wird den Notaren zur Pflicht gemacht, 
Imbreviaturen und ProiokolK^ bei nich zu verwahren, Gerichts- 
acten vor (^crielit wenigstens aufzusetzen.' Zugleich wird die 
revidierte Taxordnun^ dem Statute einverleibt.* Im tlbri-'cn 
werden Bestimniungen getroffen, welche das ( li iichtsvf^rfahren 
im ordentliclu II Processe beschleunigen sollen,"' Die ikigatell- 
sachen werden von 25 auf öO Pfund erhlSht" und alle Dotal- 
sachen dem summarischen Verfahren unterworfen.' 

Ein neues Capitei verpflichtet den Podestä in der von 
Gandini vorgeschlagenen Weise zur Befolgung der Statuten und 
Beobachtung der Gerichtstage.* Nichts darf, gans wie die 
Deutschen verlangten, als Statut ausgegeben werden, was nicht 
in den Statuten ausdrücklich enthalten ist.' 

Bald zeigte sich, dass dieses Qeseta des Bischöfe eine 
Halbheit war und wie jede Halbheit ein Fehler. Die Oonsub 
und mit ihnen die Kreise, welche die Stadtverwaltung in ihren 
Httnden hielten, versagten ihm die Anerkennung. Der Bischof 
hatte die Verordnungen mit dem Domcapitel und seinen Rftthen 
durchberathen. Wir sahen, dass auch der Podestk an den 
Berathungen theilnahm. Nichts anderes hatte doch auch der 
Podestii Ganctini in seiner Bängabe von 1485 mit Hinweis auf 
Thomas von Aqnino und Bartolus gefordert Die Consuln aber 
nahmen jetzt offenbar gestützt auf das Privileg vom 28. Fe- 
bruar 1407 das alleinige Recht der Gesetzgebung {\lr Trient 



* Gar in der Ausgabe der Clos'schon titotutou 239. 

* Zutats U 1, e. «4. * 1, o. 96. * Ul, c. 97. 
■ Znmte KU Ül, c 11. * Zuaate in ITl, c 21. 

» ZttMts SU iri, c. 21. ■ «71, c. 8. • Ui.ci. 



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217 



und seinen Difltriet in Anspruch.^ Es bedurfte langer Verhand- 
lungen und der Intei-rention kaiaerlicher CommiBSäre, bis es 
zur Annahme dieser Verordnungen kam und die von Ulrich m. 
yermehrten Alexandrinischen Statuten im Jahre 1504 unter 
Bischof Ulrich IV. gedruckt wurden • 

Auch sonst erwies sich die neu vermehrte Auflage bald 
als unzulänglich. Nur 24 Jahre nach dem Drucke der Udal- 
ricianischen Statuten wurden die Cles'schen publiciert, die 
unter ganz anderen UmstÄnden entstanden sind. Mau wird 
darunter wohl dem grossen Bauernkriege, der ja auch das 
Bisthum Trient ergriff, einen massgebenden Einfluss zu- 
schreiben müssen. Diese Neubearbeitung wurde wieder von 
den Consulu zusammengestellt. Nur darauf soll hier noch ver- 
wiesen werden, dass bei dieser Neuredaction die Veroneser 
Statuten von 14Ö0 in ausgiebigem Masse benutzt wurden.^ 

* CcMMri, Bioerehe «toridie ia der Aiugal»e tob Gar 48. 

* Es eiisUArttii swei Drucke dieeer Statoten, Mde mit der Jelurenaht 
1604. Der eine hlufi^re Druck ist beschrieben bei Tomaschek 84 f. 
Ein zweiter findet sieh in der Bibliothek des Ferdinandeutns in Inns- 
bruck, von dem er kürzlich erworben wurde. Dieser Dmck nnifasst 
60 Folieu} die Folien sind grösser als in jenem, zählen 40 Zeilen. 
Der Text der brtden Dmeke deekt ticfa, ebenso Schlnwvers imd Datum. 
Am Bede liahlt aber der im anderen Dmeke befindliche Holisehnitt. 
Beide Drucke sttmmen auch in einem Druckfehler überein, dass sie 
die Urkunde von 1427 März 29 (in der Qar'schen Ausgabe der Clos'schen 
Statuten 218 — datieren ,Anno . . . millesimo *|un'lririf?;^entesinio*. 
Man wird dahur den einen Druck als blossen Nachdruck des anderen 
ansehen müssau. 

* C 1, c. 43 B Verona* % c 105; C? 1, c. 44 s T. S, e. 107; C 1, e. 48 
» y. S, c. ISO; C 1, c. 67 « T. 8, c. 60; O 1, e. 71 »V. 1, e. 108; 

C 1, c. 86 -= V. 2, c. 09; (71, c. 104 = V. 2, c. 95; C t, c. 120 = V. 8, 
e. 78; C 1, c. 119 — V. 2, c. 77; C 1, c. 121 = V. 2, c. 79; C 1, c. 122 
s V. 2, c. 80; C 1, c. 124 =■ V. 2, c 81; C 1, c. 126 -= V. 2, c. IGO; 
Ol, c. 130 = V. 2, c. 172 (hier ist sogar das Citat eines ia den Trienter 
Statuten fehlenden Capitela berübergenommen worden); C l, e. 181 sa 
Y,% c 188; <78, c. 28 » Y. 4, e. 186; CS, e. 89 (tiiellw^) = Y. 4, 
«.186; 0% e.ll8BV.6, o. 180; (78, e. 119»Y.6, c. 188; CS, e. 18 
(Anfang) = V. 3, c 12; C 3, c 20 V. 3, c. 9; C3, c. 32 = V.8, 
c. 20; C 3, c. 33 = V. 3, c. 21 ; C 3, c. 36 = V. 3. <v 26; C 3, c. 36 = 
V. 3, c. 36; 0 8, c. 37 = V. 3, c. 37; (7 3, c. 38 = V. 3, c. 44; <? 3, 
c. 39 = V. 3, c 61; CS, c. 40 = V. 3, c. 62; 03, c. 40 = V. 3, c. 52; 
C 3, c. 41 s Y. 8, e. 68; CS, c 48 — Y. 8, c 64; C 8, c. 48 ss Y. 8, 
e. 67. Die Beafltsung ist dwrehans eine wtfrdiehe. Ttient eeigt nur 
manch»«! kleine Ändeningen and Erweitenitigen, 



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BEILAGEN. 



t 

Bisekof Egno wm IVieui ieM SirafsaUunjfm gegen Scüek^ 
handd und SMrei wm nwmthpflkikHgen Waaren. IVieiU, tüH 

Odober 13. 

Orig. Perg. am untcron Rniido bfschKdig^; zasaromengenRlit mit Urkunde TOtt 
1804 November 27. Wien, SUatsarchiv, Bep. 7. Domines, Begeeto eromo- 

loglco 446. 

S. Anno domini millosimo CCIAIIII. indictioiie VII, die morcuri^ 
XIII. intriinto octubre,' in Triilcnt»" in pulacio opiscopalus, in presencia 
dominorum Oldorici archiaconi S fiatiis yeiiarri dv retrachucha, ran<;erra 
de Archo, Jordan! ile Gai Juiio, Gotefredi de Porta, Api»»yni filli* condam 
domini Gelemie, Tridentini condam duniini Gandi, Tridentini linbei, Yuani 
filli * domini Gotofipdi de Pui ta, Girardi Desoldi, ^anini Bayaue, H<'H ddi 
de Gar^auo, Faciui ostori Tridentini, Homedei Je scanto* Peiiedicu», 
Olvrandini do eodem locho* et alinrnm testiura. Ibiqne iii generali cm- 
BÜio congregato morre^ solitn dominus Egeno dei gracia venerabilis opi- 
scopus Trideutinus de vohnitato et consilio hominum «mnium consilli* 
predicti omnes istas postas scriptas landarit et confirmavit et eas proc^pit 
ita atendi' et o!>sftrvari. iit in eis k'L,'itur ot continotiir; et constituit etpre- 
cepit Vervium viatorüm, qui debet öxclamare pre^ totam civitatem Tri- 
donti. Unde dictus Veicius viator venit in continenti in presencia supra- 
scripti* testium in palacio et dixit micht notario infrascriptOi qaod bene 
cridavit dictas postas per totam ^ivitotoin Tridenti : 

In primiB ai aliqnam * presonam ' condaceret xev^vs ciTitaiem Tri« 
denti aliquam rem, de qua deberet presolvi* rautam, infra istas confines, 
videlicet a Cbasteliro citra ot a Bocba de IJoIla citraetab eglosi&m scanii^ 
Nicolai citra et ab Pontauisio citra et ab Chastro veteri de 9iQe9ano dtn, 
non eam rem conduceret in civitatem Tridenti et ostenderet et presentarei 
motaria^ qni erit' pro tenporibns' ea die qaa condnta* foerit infra diete 



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219 



confines vel in civitatem Tridenti tani per aquain in navi vel in laLo, 
quam pro bestias vel bobus' et {»iaustra ac personae, eani rem predero^ 
debeat cum navi etratnm* seu cataram^ vol con* bobijs seu bestias/ pre* 
quos vel pre^ quas conducta fuerit frauduienter. Ouius rei medietas debet 
esse comunis Tridenti vel canipari^ et allia medietas illius acusatoris. 

Item si aliquam* presonam^ conduceret ailiqaam* rem. de qua de- 
beret presolvi ' mutam, eistra^ n'vitatem Tridenti insta* conünes inferius 
vc'l siiprerioribus* et non solverit mutam ad muttarri ' qui eo tenpore crit, 
eas res amitat. Cuius rei medietas debet esse sichuti^ suprascriptoni 
dictum est. 

Item si aiiquam^ personam^ tallis cives qualiis folesterium^ de 
burgo vel de villa, qui aciperet aliqnam rem in sua domo vel in sua custo- 
dia, quid^ deberet presolvi* aliqoam mutam ad comuni' Tridenti vel a 

mntaris' eo tonpore [erjit,^ eam rem sob^elaretf amitere debeat^ 

pro bando comuni Tridenti. 

[Ego KascimbenoB notarins Baeri palj^atü interfui [rogatus et 
seripsi].^ 

* A. ^ Zu ergänzen quL ■ Lücke im Perg. durch Wegreünen de* 
mUeten Banäe* «im O'Sem, * Sbemo At Lämgt «oi» 4«m. * BrgS/oMt 
nmdk Uf^emdm «on 1Z64 üTov. 97, Berg, vteggtrUtm in Längt von ctrea 5 cm. 
* SrgSml «odk Urkmdo «m S964 Nom» Poy. w^gerttten» 

2. 

BiiehofEgno ordnet die EMugenrng vm Gebreide, HuUe»frMten 
«nd Sah im Lagerhtm der Gemeinde hei Sirafe a». IVient, IHM 

Novemher 27. 

Orig. perg. am Rande rechts eingerissen; Kusatnmengenäbt mit Urkunde von 
1264 October 13, in dorso »Ite Signatar: C. 3 Nr. 29, Wien, Staatsarchiv, 
Bep. 7, S«ge«t bei Domines, Regeeto cnmologieo UA. 

S. Anno domini millAsimo CCLXIHI, indictione YII» die lane quarto 
exeunte noTombre» in palacio comunis Tridenti, in preaentia domini Oide- 
rici arebidiaehoni et fratria 9«nari de Fetracbuclia et Pan^erre de Areho 
et Jbacobini de Gardano et Gotefiredi de Porta et Aproyni flUi^ condam 
domini Gelemie, Tridentini eondam domini Oandi et Tridentini Bubei» 
Ynani fiUi^ domini 6o[tef]redi,> Soldolini et Oldorici condam domine 

Gri* et Bopreti de CbgnoUe et Eecini oateri et^ i de Verona 

et Bl^ardi de Brisia et ^fani* [ni] Banane et Bertoldi de Gar9ano et Bubei 
becbari de Lastis et Oo^i de Mercbato et Biprandi 08ti> et Armani taber- 



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220 



ntrii et aliornm testinm. Ibiqiie in generali connlio morre^ solito domi- 
nus Egeno düi giacia Tenerabilis episcopua Tridentinna de volontate et 
eonailio hominnm eonsilii predicü omnes iataa postaa scriptaa landavit et 
conflrmaTtt et oas prccepit ita atendere et o1»eeiTari vt in eis legitur et 
continetnr; et constitnit R(;elinum viatorem, qui deberet eiclamare pre' 
totam civitatom Tridonti dictas postas, tonor cuis' tallis est: 

Li praiiis si aliquam* peisonara^ conduceret versus civitatom Tri- 
denti aliquam rem, que deberot ire[iii]- canipam comunis Trideiiti. sili- 
cet bladinm et [sa]'llis, lechumis iufra istas coufines citraui, ^ videlicet 
a ( liastoliru citram ^ et a Bocha de Vella citra et ab eglesiam* sancti Nicolai 
citra et ab Pontuuisio citra et ab Chastro vetere citram* de ioca ^'iue(;ani, 
ei null eam rem coiiduceret ad civitatem Tridenti ad canipam conmni« et 
ostendfret ot preseutaret caniparri ' do dictam* canipam*^, [qui fui-Jrit pr.» 
tenporibus/ ea die qua couducta [faeri]t^ infra dictas confines vtl in 
civitatoui [Tride]nti^ tarn per aqnnm vel in navi® vel in rato, quam per 
bestias vol con'bobus ot plaustra ac personas/ oam rem perdero debeal 
cum navi vel con ' lato. in qua conducta fui-rit. Cuius rei nicHlietas debet 
esse comunis et pi ncio in canipam* Xhdeuti et allia* inedietas acnsato« 
ris. Et homnes' sint acusatores.* 

Item si aliqnam^ personam * tallis * civcs qualis folesterium * de 
boigo Tel de villa, qui aciperet aliquam rem, de qua deberet irre* ad cani- 
pam comunis Tridenti* ab confinia citera* in sua* domum yel in sna 
enstodia, silicet bladinm et [ave]' nam et lechumis et sallem, eam rem 
amittore [dtbet]^ et XXV libras denarioruin V<>ronensium pro bando co- 
mania Tridenti. Et eos,* qui acusaverit,* abeat meditatem et comaoi^ 
aliam medietatem. Unde dictaa EfelinoB viator ?enit et dixit michi no- 
tario die anpraecripto, ante domum filiomm condam domini E^elli iudicia, 
in preaencia domini fioni iudicia de Hontorio et Chaymi de Onnallo et 
domini Simoni de Dosso et Tnani filli^ domini Gotefredi de Porta, qiiod 
ipae bene cridaTit dictas postas per eivitatem Tridenti altam^ Tiyam^ 
voeem.^ 

Ego Naainbenna notarins saeri palaeii interfiii rogatoa et acripsi. 

* A. ' Pr r flammt rand xceggeritten in lÄvnge wm O'Ü cm. * Ebenso 
in Länge von I cm. * in Länge von 2 cm. ^ in Länge von l'& cm, 
' A iuavi. 

3. 

NiedafM de Cönie89a, Hai^9(mann des örafen Meinhard in JVieni, 
hefreii die Schiffer v<m ISrient wm Abgaben und WaMienei und 



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221 



setzt Gagkäden ihrer Zmß. Der Math von Trient bestätigt diese 
Anordnungen. Trient, 1260 Februar ;i7-~;d8, 

Transamt des Motan BertotamSm von 1973 October 12, P«^.; in dono: 
C. 3 Nr 4; Wieo, SteatsarehiT, Regest bei Domine«, Rogesto cronologico 504, 

mit falschem Datsm. 

Anno domini millesimo dncontesBiino Bexagessimo s^xsto, indictione 
nooa, die sabati secimdo exeonte febrnario, in Tridento in cnrtiTO palacU 
opiBcopatnStpreiieniibusdominis Boninsigna fllio condam domini Aycheboni, 
Biprando condam domini Gnnselini, Gotofredo do Chirchomano, Nioolao 
filio domini Otionelli Strapaconi, Riprandino notario oi aliis rogatis tosti- 
bns. Ibique dominus Nioolai» da Conteeaa oapitanona eomanis Tridenti 
por dominum comitem M(einhardQm) de T^ralo de Toinntate conscilii 
hominnm civitatis Tridenti et pro utilitate et melioramento hominum et 
comunis Tridenti absoivit omnes nauterios de navibns de civitate Tridenti 
et omncs nauterios qui sunt in eonim societate ab omni sciilio, a wuitis ot 
ßcaraguaitis et a custoiübus cuitrürum et a cnstodibns iMirtanim ad hoc, 
qond ipsi nauterii non teneantur facere aliquiJ lie piedictis .sculiis oxcepto 
de e%ercito comunali, dando dicti nauterii naveb secundum quoJ ipsi con- 
sueverant facere in senMci^» comunis Tridenti et dicti domini comitis, con- 
stituendo Fauani filium condam Wa^'afaue et Ottolinum qni Recla dicitur 
filiuui domini Albertini de Lafranco ancianos pstaldiones sitpra aims 
nauterios Tridenti, precipiendo dictns dominus 2vicolaus capitanous comu- 
nis Tridenti pi o prodicto d'»mino comito cuilibet nauterio sub pena ceutnni 
soldonim ' Veronünsium pro quolibot, qiiod ita debcant attendcre et obo- 
dire dictis Fabe et Kecle et servare sociotatem, quam intor so fecorint ot 
ordinabnnt.' Et si qiiis oorum contrafccorint, quod ille qui contrafccerit 
vol venerit, quod cadat a dicta pena, non faciondo dicti nauterii aliquam 
postam sine licencia dicti domini comitis et comunis Tridenti, eo salvo 
^nod ipsi nauterii non teneantur ire cum navibus ponderatis cum Tino 
sine precio. 

Item die dominico ultimo' exennie februario, Tridenti inpalacio sn- 
periori episcopatns, presentibus domino Boninsigna filio condam domini 
Aychebonis, domino Odolrico de Chirchemano^ domino Nicoiao filio condam 
domini Alberti Yastenati, domino Johanne iudice de Cauedeno, domino 
Bonauentura filio dicti domini Boninsigne, Amoido notario et aliis testibus. 
Ibique in conscilio congregato more solito ad sonum campane supra- 
scriptns dominus Nicoiaus capitaneus comunis Tridenti per predictum do* 
miniun comitem de Toluntate todus conscilii Tridenti et homines dicti 



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222 



oonscilii landavoraiit coufinnaToruiit ratifietTerant omni^ et singob 

sapniBcripta, pront goperioB conüntttDr. 

S. Ego Benedictas uotarius sacri pallacii iot^rfui et rogatuä scripsi. 
^ C. * C. ordinabut. * G. tercio ofenb«ar irrig, 

4. 

lieber sehr iß und erstes Capitd der alten Statuten nach der Thun- 

sehen Handsoltrift. 

Thaii'idia Handicbrift^ 1 1. 

Da/ sint dio stnttitenn nnnd ornnngon boschohcnn durch donn rat 
der kirchenn Trientt zu ei i'im des almo.ohtigen gots und seyiier gepereriu 
und matcr Marionn und des hcyligen saut Yigilien materers ^ und biscboffs 
und hauptherr der kirchon Trientt unnd aller heyligen gotes und za denn 
erenn urdenii and Statuten ^ des vorgenannten gotzhauss. 

Von dem ajd der trw dem byschoif zu haltte nn etc. 

Am ersten setzen wir und orden, daz all amptlcitt und aynn yeit- 
lieber innsiinilci- und alle rattleit, all borger der statt Trientt, all kircb- 
probst, all amlor amptleitt aller pbarren, aller dorlTer, aller bürg, aller 
veston in dem bistumb und gepiott zo Trientt und all ander* geriebli- 
leytt des bistnmbs xe Trientt schuldig soind leipplich ze schweren zn den 
heiligen ewangelien za helffen mit leib^ und mit gut dem biscboff se 
Trientt in allen sein rechten, eren und rfttten, und aach gehorsam ze sein 
Beim bauptman und Ire zaichen oder wappen mit dem leib und mit rose, 
mit harnasch, als oft und sein nott geschieht, se dienen nnd se thon all 
sein Yermigen in allem dem, dass in gepotten wirt, mit gantzer andadit 
und untertanikeit und dinstparkeit an des biscboffs stat an alles obl oder 
gv6r Ire ampt treulich ze TolfOren, nnd allweg ain rechten, warhafftigen 
nnd getrenen ratt geben dem biscboff oder seinem capitanj. Und ob dai 
wftr, das ir ainem gesagt wnrd, das da schaden, anwurff oder abziehnng 
pticht dem biscboff oder seinen stfttten oder seinen Testen oder pmgen 
oder seinen dorffern, wie pald er daz kan oder mag, sei er das durch sich 
selbs oder seinen besnndern poten kunt thon. Und ob daz wer, dass ym 
ichts haymlich auffgesetzt wurd oder empfolhen vom bischoff oder von 
seinen capitaoi oder von seinem amptman, daz soI er nieman offenpam. 
ITnd allweg sei er sich sti ay ttparlichenn staellen wider des bischoffb veinde. 

' G. * Fdtgi fOUgt gotilajtt. * Am Bande na^gelMigm, 



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223 



Der Stadtrath von Trient erwählt Sitidiker, Trient, 1342 No- 
vember 13, 

Ori^. Tvrg. In dono von H. d. 14. Jahrb.: prooeaaiu ineeptus per rindicos 
T^dmtl eotttra illos do FU inig super lignamlne ad pontem Atacis. Wien, 
StaataarcbiT, Bep. 7. Dolni]l«^ Begeato cron. 86$. 

S, Anno ilomini millcsimo CCC quadragesimo secundo, indictione 
decima, diu mercurii XI 11° nKJüsis Dovombrin, Tridenti iu palatio episco- 
patus, presentibns pi udcütibus et honorabilibus viris dominis Lan<;aröto 
de Spaf,'Dolis, Justiüiano de Gardulis, Francisco de Burgen nr», Barufaldo 
de Barufaldis iodicibus ei civibus Tridontinis testibus et aljs 

Ibique congregatis hominibus decurionibiis et cODscilianbus* civi- 
tatis Tridenti ad sonum campane nioro Kulito in palacio episcopatus Tri- 
denti, cum ibi essent due partes et ultra dictorum horainnm et cousciiia- 
riorum et decurionuni dictc civitatis, ad sindicos ot allios^ officiales con- 
Ftitupndus (<t creandüs sccundum morem et consuetudinem dicte ciyitatis 
de auctoritate et licontia nobilis et sapientis viri domini Broxani de Cal- 
caria iurisperiti vicarii et ius redentis in civitato et curia Tridcntina pro 
vonerabili in Ghhafco patre et domino doniino Nicol v^ thy gracia opiscapo 
Tridentino comnni concordia fccernnt constituerunt el ordinavernnt suo8 
et dicte civitatis et comnnitatis Tridenti sindicos actores factoras et non- 
dos speciales providos et discretos viros dominos Franciscum quondam 
domini Forcardi de Qardolis et Baldesanum quondam domini Gaspari cives 
Tridenti et ntninque eorum in solidmn, ita qnod preoccupantis condicio 
pocior non existat set qnod per annm eomm inceptnm foerit per alium 
pOBsit prosequi mediari et flniri, presentea et mandatnm atqae offlciom 
sponie sisdpientes^ in omnibns dicte comcnitatia et civitatis cansis et 
qnestionibofl de eontroTersÜB tarn in agendo qnam in defendendo, ex- 
dpiendo, replicando, libellos dando, recipiendo terminos et diladones 
locari tm^uAo, testes cartas et iua prodncendo et dando» sentendaa 
andiendo et proferendo opponendo reapondendo et si necesse fnerit appel- 
Istiones inteiponenda et eas proseqnendo et generaliter omnia et aingnla 
Cuiendo, qne ipsa comnnitas et homines ipsiiia comnnitattB sen nnivoni- 
tatis civitatis Tridenti fscere possent, dantes et ooncedentes eisdem et 
ntriqne eorum in solidam inrisdiodonem ordinarism in hüs, qae es statntis 
et oonsnetndinibnft civitatis Tridenti ad offldam talium pertinent sindi- 
conua, promittentes pro se et dicta civitate et comonitate Tridenti se per- 
petao firrna rata et atababituros, quicquid per dictoe sindicos vel altenim 



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224 



ipwrom Aetnni fuerit aea. gMtimi in premissls et circha premissa et in eis 
et circha ea, que ad offieimn talinm pertinent sindicorum sub obligacione 
omnium bononmi dicte comunitatis et univorsitatis Tridenti, ita tarnen 
qiiod dictorum sindicorum officium duret per quatu'>r mensf s tantum yt 
in i^ i Uli; iiiie dosinat socundum furmam statuti et coneuetutlinis civitatis 
Trideüti. Insuper dicti sindici delato sibi iurainento per dictum dominum 
vicarium in \Aqi\o conscilio iuraverunt corporaliter ad sancta d«i evangelia 
omnia et singiila diligenter et tideliter agere, que ad o^cium talinm per- 
tinent sindicurnm. 

Ego Christi>f*n HS filius domini Joharuiis de Dosso imporiali auctori- 
tate noturius büs interfui et rogatus bcripsi. 

* A. 

6. 

Versekknis der von Ezdin von Campo, Vicar des Markgrafen 
Ludwig von Brandenlwrg, äbgMlienen GerkJUstage, IHent, 1355 

Märg 3 US September 7. 

< 'rij;. Porp. In dorso von H. d. 14 I il vli : Forio scripta jior D<»«!df»ratnin 
notarium. Von anderer II.: Aufzaichuus der tag daran mau nit recht helt 
SU Tricud geuant ferie 1866 und Stators (l 8 Nr. Wien, SUatsarclur, 
Regest Domines, Begeato eronolagieo 902. Aoasog Alberti, Amudi del pria- 

cipato di Tranto 24a. 

S. In Christi nomine amen. Anno ciuBdem nativitati» millesimo III' 
quinqnagesimo quinto, indicione VIII^, die martis tercio monsis marciit 
Tiidenti in cpiscopali palacio, presentibus discretis riris Valariano notario 
condam domini Leonis, Bonaventura notario condam domini Abriani, Ogna* 
bcno notario condam ser Adelperii aurificis, Petro condam domini Fran- 
cisci de Clexio, Francisco notai'io filio magistri Martini de Ayolano, et 
Tibaldo notario de Campo omnibus civibus Tridentinis et aliis testibus. 
Ibidem honorabilis et sapiens yir dominus Gcolinus notarins de Cnmpo 
civis Tridentinus vicarins et ins redens in civitate et curia Tridentina 
pro illustri et magnifico principe domino Lodoyco BcandenbniKansi nar- 
diione Earintie dnce Tlrollis «t Ooricie comita et eoelosie Tridtntine 
defensore et adrooato publice ad banclmm r«dit ins. 

Item die merearü niP^ mareti publica ledit ins. 

Item die iovis V. marcti redit ins. 

Item die veneris Tl. marcit redit ins. 

Item die sabati TU. mareii redit ins. 

Item die lane TIIII. mareii redit ins. 



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22b 



Item die inartis X. marcii rcdit ius. 

Item liie mercurii XI. marcii redit ius. 

Itcin (lio iovts XII. marcii redit Ina. 

Itüin die Teneris XIII. marcii redit ius. 

Itom die sabati Xllil. marcii reiit ius. 

Item die luno XYT. marcii redit iu8. 

Item die martis XVII. marcii redit ius. 

Item die mercurii XVIII. marcii redit ius. 

Item die ioYts XVIIII. marcii redit ius. 

Item die reneris XX. marcii redit ius. 

Item die sabati XXI. marcii redit ius. 

Item die lune XXIII. marcii redit lue. 

Item die marüs XXIIJI. marcii redit ius. 

Item die mercurii XXV. maicii non redit ioB propter feBtom anniin- 
ciacionis beate virginis Marie. 

Item die iovis XXVI. marcii redit ins. 

Item die voneris XXYII. marcii redit ius. 

Item die sabati XXVIII. mardi redit ins et locaTit teiminoa omnes 
ei sin^nloB hinc ad diem lune proxime ventiiram post oetavam resurecio- 
nis domini noatri Jesa Christi. 

Item die lone Xni. aprilis redit ius. 

Item die raartia Xim. aprilis redit ins. 

Item die meccnrii XY. aprilis redit ins. 

Item die ioTis XTI. aprilis non redit ins propter eo, qnia ipse do- 
minus ricarius impeditas foit cum domino capitanio de Castro. 

Item die Teneris XTII. aprilis redit ins. 

Item die sabati XTm. aprilis redit ins. 

Item die Inoe XX. aprilis redit ins. 

Item die martis XXI. aprilis redit ius. 

Item die mercurii XXn. aprilis redit ins. 

Item die iovis XXm. aprilis non redit ius , quia celebratum füit 
festnm saoeti Oeorgii. 

Item die teneris XXIIII. aprilis non redit ius, quia celebratum fuit 
feetom sancti Georgü. 

Item die sabati XXV. aprilis neu redit ius propter festum sancti 
Murcbi evan^'elisto. 

Item die lune XXVII. ainilis redit ius. 

Item die martis XXVIII. aprilis redit ius et lücavit termiuos umnes 
biac ad diem lune proxime venturam propter festum sancti Petri Martiris, 
quod erit cra», et prupter kaleaüas madii. 

Archir. ICH. Band. I. Uilflo. 15 



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226 



Item die lane nil*<* madü r«dit ins. 
Item die martis V. madU redit ius. 

Item die meroirä YI. mtdii non redit ius propier festam sanctt 

Juliaunis ante portam Latinam. 

Item die iovis VII. oiadii redit ius. 
Item die voneris VIII. madü redit ius. 

Itcin die siibati Villi, madü redit ius ot locavit tenninos omues 
hiiic ad diem vt-ueris pioxinie piopter procesiouem cruciiim et fcatum 
asensionis* domini uostri Jesu Christi, <[nud eilt die ioviB proxime. 

Item die veneris XV. madü rodit ius. 

Item die sabati XVI. madü redit ius. 

Item die luno XVIII. madü redit im. 

Item die mai tis XV Uli. madü redit ius. 

Item die inerciirii XX. madü redit ius. 

Item die iovis XXI. madü redit ius. 

Item die veneria XXII. madü redit ius. 

Ttom die sabati XXIII. madü redit ius et locavit omnos termlnos 
hinc ad diem niercurü prDxinie venturam proptor peutecosteos.^ 
Item die mercurii XXVII. madü redit iua. 
Item die ioTis XXVIII. madn redit ius. 

Item die veneris XX Villi, madü non redit ias propter festnm sancto- 
Tum Sisini, Martirii et Alexandri. 

Item die sabati penultimo madü redit ius, et locavit terminos hinc 
ad diem mercurii piopter kalcndas mensis iunii. 

Item die mercurii tercio iunii redit ins et locavit terminoa hinc ad 
diem Inne proxime venturam ad octo dies. 

Item die Inne XV. iunii non redit ins propter messem et locavit et 
reservavit tenninos omnes eodem modo et foma nt nunc erant hinc ad 
diem Inne proxime pi'edicta de canaa. 

Item die liuie XXn. iimii non redit iiu et locavit et reservavit ter- 
minoB omnes hinc ad diem iovis proxime propter messem. 

Item die iovis XXT. innü non redit ins propter mercatum sancti 
Johannis Baptiste. 

Item die veneris XXTI. iunii non redit ins propter festnm sancti 
Vigilü. 

Item die sabati XXVn. innü redit ins et locavit tenninos hinc ad 
diem veneris proxime propter festnm sanctomm Petri et Panlli, qaod 
erit die lane proxime, et propter kalondas mensis inllii. 

Item die veneris m. inllii redit ins. 



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227 



Umn (iio siibrtti Till, iullii non rcdit iu8 propter festum sancti Odorici. 
Item die lune VI. iullii reilit ius. 
Item die inaitis VH. iullii redit ius. 
Item die meicurii VITT, iullii redit las. 
Item die iovis Vüil. iullii redit ius. 

Item die feneris X. iuUii nou redit ius propter festum Septem 
fratrum. 

Item die sabati XI. iullii redit ins et locavit terminos hinc ad diom 
nun tis proxime propter festum sancte Margarite, quod erit die laue 

proxiinc. 

Item die martis XIIII. iullii redit ins. 
Item die mercurii XV. inllii rcdit ins. 
Item die iovis XVI. iullii redit ius. 
Item die yeneris XVII. iullii redit ius. 
Item die sabati XVIII. iullii redit ius. 

Item die Inne XX. iullii radit ins et locavit terminos hinc ad diem 
ioTis proxime propter festum sancti Danielis, quod erit etWf et fesinm 
sancte Marie Magdalene, quod erit die mercnrii proxime. 

Item die iovis XXm. inIHi redit ias. 

Item die Teneris XXim. iullii i-edit ins. 

Item die Babati XXY. iullii non redit ins propter festnm sanctonim 
Gbristofori et Jacobi. 

Item die Inne XXVII. inllii redit ius. 

Item die martis XXVUI. iullii redit ins. 

Item die mercnrii XXYIIII. inllii redit ins. 

Item die iofis pennltimo inllii redit ins et locsTit terminos hinc ad 
diem Inne proxime propter kalendas Angnsti. 

Item die Inne tereio angnsti non redit ius et locarit terminos hinc 
ad diem ioyis proxime propter procesionem crucinm. 

Item die iovis Tl. angnsti redit ins. 

Item die veneris YII. angnsti non redit ius propter festnm sancti 
Donati. 

Item die sabati Till, angnsti redit ius. 

Item die Inne X. angnsti non redit ius pr« pter festnm sancti 
Lanrencii. 

Item die martis XI. angnsti non redit ins eo, qnia Simonetus filins 

Johannis de Bosentino suspeussos^ fuit, et quia cives iverunt ad destiuen- 

dum domum de Megnago. 

Item die meicnrii Xll. augusti non redit ius, quia cives steterunt 
ad destruendum domum de Megnago. 



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S2B 

Item die iovis Xm. augosti non redit ins predicta de causa. 
Item die venerie XIIU. augoBti non redit ins predicta de eaoea. 
Item die sabaii XY.aogoBti non redit ins propter feetom beate Marie, 
liem die Inne XYIL avgaeti redit ins. 
Item die martie XYm. angoati redit ias. 
Item die mereoiii XTIIII. augnstö non redit im propior festom 
saneti Lodoyd. 

Item die iovia XX. aagusti redit ins. 
Item die ?enerie XXI. avgotti redit iaa. 
Item die sabati XXII. augusti redit ins. 

Item die luno XXIIII. augusti non redit ius propter festum sancti 
Bartholamoi. 

Itoiii diü laarlis XXV. aug-usti redit ius. 
Item die meicurii XXVI. augusti rodit ius. 

Item die iovis XXV ü. .lugusti nou redit ius pioptor o<>, quia ip^o 
domiuus vicarius equitavit oxira civitat-em, etlocavit termiuoä omiiei» binc 
ad diem iovis jjioxime propter festuui sancti Augustiui, quod erit cras, et 
festum d«'<- .laciouib äancti Johauuis, quod erit die sabaii proxime, et ka- 
lendas nn n^i- .septembris. 

Itetu dii> iovit» III. septembris non redit iu.s ao, quia ipse dominus 
vicai ius etiuitavit cum domino capitanio ^ambanam pro (|uetttioJie Uorum^ 
de Fayo et do Mftt io. 

Item die veiioiis im. septembris redit ius. 

Item die sabati V. septembris i cdit ius. 

Item die lune VII. septembris ante tercias rodit iu» et iocavit ter- 
minos binc ad octavam sancti Micbaellis propter viudemias. 

Ego Deaideratue coadam ser Semperboni de Alla civis Tridentinos 
publicus imperialli aucioritate notarius hiis omnibua interfni et rogatos 
Bcripai et in hanc publicam formun redegi. 

7. 

Bischof Johann Hinderbach erlässt an Paul de Oriano ton 
Breteia, Podesia van Trient, eine JErJäiärung Uber die Gdhmg 
getilgter Capitd im StahUencodex. TVieni, 1484 AuffuH 4. 

Lebensretter de^ Bi»cbo& Joliaim, Capsa 32, Nr. 7, f. luusbruck, 

btattualterclarcliiv. 

Johannes dei gratia epieoopns Tridentlnne honorabili et cgngio 
fideli noetro dilecto Paulo de Oriano de Brixia ntrineqne iuris doetori 



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229 



poUstati ciTttiitiB nostre TridBotise ae districtoB einsdem giaciam nostram 
et omne bonnm. IntelkiimaB nonnnlla statnta qnondam predeceflsonmi 
nosftroTom tarn in clvilitma quam ciimiDalftma canais in volnmiiie atatii- 
toinm abnua et cancellata esse et nonnnllas addicionee et glosas in eisdem 

factae, prout ex dictornm statntonmi exbibidone evidenter vidimns atqne 
cognovimns. Cum tarnen Ignoretur, qnifl hninsmodi rancftUacioncs fecerit 
aut si nostra prodecossonimve nostroriiiu auctorii.ile fucte sint vel ne, 
super ([Iiibus non nuinerito ü08 duxisti consulflndog, quid tibi agendnra 
sit in hiiinsmodi causis, in quibus dicta statuta caucellata aut alvrasa 
leperiuntui", an dictas caucellaciones aut abrasiones pro legittiniG factis 
habere et tenere debeas in indicando, no& itaque participato coiisilio ca- 
pitanei no.stri et alionim fldeliuiu nostroruni conRultacioui tue satisfacere 
ac inrisdictioni et superioritati nostre in hoc providere volentos tenore 
prestiiitiuia deceiniuius giatnimus et declHramus, dictas cauceilationes et 
rasuras, quas in dicto voluiuiue statutonnn sive civiüutn sive criminalium 
cansanim factas compereris, easdem in concerneniibus pieiudiciuni iurium 
supei ioritatis et iurisdictionis nostre pro iufcctis cassis et invaiidis habere 
et teuere debeas. In hiis qnoque qiie tendiint ad delictorum punicionem 
vel penarum incnrsarum condempnacionem aut iurisdictionis nnstre tibi 
coramisse favorem et augmcntuni j)ro validis et non ' cancellatis tenere et 
observare debeas perinde, ac si de nostro aut prodecessorum nostrorum 
consensu vel mandato canceltari aut aboleri mandasseinus, tibi mandantes 
ut hanc nostram declaracionem et decretum tu ac tu! in officio encGessores 
inviolabiliter observetiB ac firmiter observari faciatis presentemque de- 
claracionem no8trnm ac litteras nostnw in iibro statutomm per manns 
notariomm in officio nostro rnaleficiomtn deserviencium atqne inratomm 
conscribi faciaa ac registrari cum signis ac subscripcione eorundem, ita 
ut in futoram a nallo in dubium de Uloram Taliditate ant invaliditate 
possit revocari, donec aliud a nobis ant snecesBoribna nostris habaeritia 
in niandatia ant in reformacione dictornm Btatntomm aliter dnxerimna 
statnendnm. Datnm Tridenti in castro noatro Bonicondlii, die qnarta 
menaia «agmltit anno domini miHealmo qnadringenteBimo octoageBimo 
qnarfto, nostro sab aigillo. 



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230 



8. 

Denkschrift des CHampietro Gandmi wu Bretda, Fodestas wm 
IHeni, iOfer die Beform der SkMen. 1485, 

Orig, Drei AttfiMichiiiuig«n von demlben Haod. Papier. In doi«o d«r enten: 
Reverendiwimo domino sito rtc. und ein Kingsiegel aufgedrttckt. Intubrnek, 

SUtthalteretarchiv, Capra 8, Nr. 94. 

Je.sus. Moinoi ialo üoruui, quo rofToi iiiamia sunt per reverendissi- 
moDi dominum episcopuui Trideutinum etc. 14 85. 

Kt pi liiio, qiiod quo ad ordinem procedeudi iu causis serventur sta- 
tuta Tridentiua ad uiignem nec posBit dominus potestaa ilUs contravenire 
nulla cansuetudine obstante sab peua 4 Raynonsinm pro qoalibet vice, 
qua contravenerit, et quam penam ipso iure ineurrat dominiiB potestaa 
sibi rettinendam de suis salariis et camere reTerendiaaimi domini appli- 
candani, et actua sit niiUua etc. 

Item teneatur dominus potestaa sedere qnibuscumqne diebus a sta- 
tuto prefixis, et si steterit per ipsum quod non sederit et ius non reddi* 
derit, pro qualibet Tice multetor et pnnietur in Bajnenses 4, quam penam 
ineurrat ipso facto ut sopra fuit dictum, applicandam ut anpra. Bxci- 
piatar tantnm caaua infirroitatie, absentie pro repnblica, pro' domino ant 
aliud iustum impedimentum et reppentinum pro bono publico, arbitrio 
Semper reTerendissimi domini Tridenttni. 

Item' tenoatur linniinus potostas pu>t iniblicatum pioccbsum iüki" 
ipsas partes ijifra XII iics siipor ipso processu pnblicato suam sent^nciam 
füiio vel illicü ineurrat peuaiii Kaynonsiuni .sex pro qualibet vioe. Ton'-an- 
tnr tarnen domini procnratnies iiitVa ilictos XII dies ipsum doiuimun }k>- 
tfütatem de procpfjsu causf ' bene* informare ad omno eius requisituni, 
alias pronuntiamid L-t male non teneatur in syudicatu suo, cum ipsorum 
culiia piocmatoruui ilhid accidat. Nam causas coram ipso potestate in- 
formare noUunt et factum deducere, quod neceasarium est ad veritatis 
prescutationem, igitur. 

Item proTideatur et atatuatur, quod dominus potestaa posait cogere 
procuratores aut illum ex procnratoribua qui aibi videbitur, nt asanmmat 
offitium procurationia pro aliquo, qui procm-atorem habere ant uiTenire 
non poteat; et boc sub pena 100 librarum, quam ipso iure ineurrat talia 
procurator, qui onus procnratoris sine iusta causa recneaTerit. St de 
causa iuata vel iaiuata atetur arbitiio domini poteatatta nulla appeUtione 
interpoaita. Quo pena applicetur camere roferendiasimi domini et iUam 



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de &cto dominag potestas teneatnr exigere, alias de sao salario saliafitieet 
ipsi reTerendiflsimo domino. 
Contra notarios. 

Teneantnr domini notarii et procnratores acta et tnstramenta 

extenaa peteatibns dare secundnm fonnam statntornm civitatis Tridenti 
et infra tempus ab ipso statuto prefixum sub pena 2 libraram pro quali- 
bot Tice, qua contrafactiim fut rit; cuius pono dimidietas applicetur camere 

revereuilissiini domitn, ulia paiti lese ot peteuti acta seu instiuincntum; 
et teueatur etiam ipbe not^irius aut procurator acta et instrumeiiia lulatio- 
nis exibere parti etc. Kt cusu quo para incuriisset aliquam i)enaiii aut 
aliqnod pieiuditium, quod excederet Bummaui XXV libianim sibi per iienam 
Dhvoiitaruiu, tenoatur profatus nutarius omne suum daiuuuui et iiiteresse 
parti resaiciie in eo, quod excedat illarum XXV [öummain]^ libranim. 

Item si notarius ant procurator iterd^ret aiiquod instruineiitum 
testium vel aliquem actum iuditialem, parti tenoatur ipsf notarius ad 
totalf» Interesse ft damnum ipsius partis et illud sibi de auo emeiidare et 
rcsarcire, arbitrandurn tainen ipsum damuum per duos bonos viros et ex- 
pertes, quoa dominus potestafi eliegeht et nommaverit, omni appelatione 
remota. 

Item si notarius vel procurator non produxerit acta du plicata vel 
instrumenta'*' ad causam spectautia infra tempus a statuto pretixum, actus 
ille Sit nullus et tamen dominus potestas prosequatur in causa et prefatus 
notarius ant procurator teneatur parti lese ad omne eius interesso et ox< 
pensas arbitrandurn et arbitrandas per dnos probos viros, quos dominus 
potestas eliegerit ant nominaverit omni appelatione rcmuta'' ab ipso no- 
tario aut procnratore, qui faerit a prefatis duobos Tiris^ condemnatus. 

£t bene.notet roverendissimi» dominos, quod omnia ista tacite 
erant provisa per statatum, qno disponitur, quod nullus oreari i)Ossit no- 
tarinBy nisi tantnm in bonia habeat» ad hoc, nt si alicoi ex sno officio dam- 
num aliqnod intuierii, illud sibi reearciie poasit ei teneatur etc. 

Vltimo roTerendisBimus dominus mens ioatissimiis faciat, qnod sta^ 
tota Tridentina Tondicent sibi locnm. Tamen si aliqua ex bis indigent 
declaratione ant snppletione, sna reverendiasima domtnaüo sit illa, que 
declaret et snpplerit» conrigat et emendet sola, habito tamen prins cum 
suis bonis consiliariis coUoqoio, et dominatio sna clementissiroa procuret 
ot Tigilet veram pacem et quietem subditomm suornm, que Tero procura- 
tor absqoe dubio data iustitia. Et in hoc diflSert rectus et verus dominus 
a tyranno, utpntem dieere Bartolum in suo tractatn quem fiicitde tyranno,* 
oi in alio suo tractatu de r^mine dTium^^ et sanctns Thomas de Acquino 
in secunda secnndei qnestione XLII, articnlo in finoi'* quem pulcre 



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refert et eeqiiitur Imnen iaris cmiis Bartoltis in sno kactata de Gelphie et 
Oibellinis in nu eolnrnna, inTeren: pro hoc indnooThonuun de Aoqnino etc.'* 

Sapplebit tarnen reTerendiasimua dominne mene ina soUta pnidentia. 
Cni me eunme commendo et quem divina mayestaa ad longnm et ad vota 
coneenret. 

Potestas Tridentinna minimna ete. 

Jeena:'* Item reTerendiasime domine notarii non dent orriginalia 
matrioes et prothocoHa sna alieui noc extra domnm eorom defferant» aet 
extendant^ inatroraenta petentiboa ant copiam matricnm dent com eornm 
anbaoriptione. Et hoc ne perdantnr at chotidie fit, et ai oonfeoerint, qnod 
protbocolto et matricea concesaerint ant portaverint extia domnm eonun, 
cadant in penam 2 libnurnm'* camere reTerendiaaimi ipao inro appli- 
candaram. Bt ai illa perdiderint, ultra penam ipaam teneantnr parti ad 
omne eine intereaae, ut supra ftiit notatom in aliia capHulia. 

Item pro expeditione canaamm in inatantia appeUationia declaretor, 
qnod illi dies, quibus index non sedet, tarnen in causa appelationis pro- 
cedieutis compnteniur intra illos LX dies a siatuto preftxos iu instantia 
appollatioiiis. cuius contrarium sorvatur por quandam cornipt«Uani noa 
autem iuriiiicam ct>uhuetudiuem, et tiuiä ooiisuetudiiiis übt, ut res in longum 
protraliatur. 

Potestas Ti identimis minimus subscripsi. 

Memorialft**' contra notarios. 

Recusaut accipere onus procuratoris ))ro t)})pre88i8 etc. 
Nolunt rog-itns instnimcntoi uin extendere. 

Nülunt acta iudicialia exibere. 

Insti umcnta et acta publica sibi data perdunt aut fiuguntperdidisse. 

\Unn prothocolla et orriginalia et matrioes esibent, que posteaper- 
dnnt, et panperes nmnia bona t^ua amittiint. 

Et omnes roverendissinu- dominf^ sunt in isÜB errohbas nec uolunt 
corri|pi et eis pluries aclamavi, attamcn otc. 

Et ideo ego potestas pro bonorc vestre reverendissinio douiinationis 
et pro paoperibna civibus supplico, ut dominatio vestra reverendissima 
dignetur providere contra et adveraua hos notarios et privare ipaoe ol^tio 
notariatus, cum legaliter iiiud non exerccant, ymo cum omni tyeranide^^ 
et ininstitia et cum oppresione''' civitatis et civiom et rusticornra. 

Et reTerendissime domine omnia lata sunt Ten et in eomm faciem 
aepina per me addacta, igitnr etc. 

^ pro domino «m Bande naehgdragen. * Dkttr Ah9mt* iti getilgt umi 
daxu am Bande hemerJH vacat (?). Die unprüa^l^ Hmd eduieb o» im 
Band: Noi« hoe capHnlttiii dilig«ntor> * Folgt gelOgt ipmua ipmia. 



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* tmie €H^ Bamr. • Skt erglimm, fMl A. * inttnunento — tpeetaiitia am 

Rande nachgetragm, * Folgt getlhjt per. • F«l0 geOigt duniiato. »Trac- 
tatu" <^<' tyrannia gedr. in Ausgabe: Bartolns super trtbiis llbris codicis cum 
nonuullis apostillis u. .r. fr. Consilia queationes ot tractatus Lnpduni IM'». 

De regimine civitatis § 4 — 6, o. o. O., /. 113, Thonia.s von Aqinne», 

SamiDA tlieologiao secunda pars secundae partis, quaeütio 42, articulut« II: 
Ad terdiim dioendmn, qiiod reimen t^aimieim non ett iostom, quia non 
ordinatnr ad bonnm eommitnav set ad bomun privatum ragentis .... et ideo 
perturbatio buius regiminis nun lialx't rationom Mditionia. '* De gelphis 
et pih»>nini.s § 10, rt. n. O., f. 113' . " Zireite Aufzeichnung. " extendant 
instruinciita nachgetragen Uder getUglem extendant. oorr. au« oppretftores. 
" DriUe Atifzeichnung. " A. 

9. 

Jicsrhiverdf dar Trientcr Unterthanen über einzelne Bestimmungen 
der titatuten und Übergriffe der Bürger. 1488 — 1491. 

Avfiwieliiraiig von eisar Hand ana d«u Ihida daa Ifi. Jalirlitiiidert«. Papier. 
Innabniek, Btettbaltertiarohiv, Capaa S, Nr. M. Dia Datiaruiig ergibt aieh 
«00 der Angabe de« Biacbofii Johann HInderbaeh ala Yorginger dea Biaeboft» 

au den die Bcscbwprdc f^orichtrt ist. Biscbot Ulrich HL wurtlf f^pwrihlt 
1486 September 30, nalini aber rrst 1488 Aupn'it 7 Hcsitz von st-iiior Kiioho. 
Diese Hcschwerde häugt /.wcifelsoliiie mit tlfiuui «irr deut,><rlHMi zti<;ittnmeii. 
Die Beschwerdeführer Bind die ßewotiner den Districte» von Trient. Im ersten 
Abaata iat i[ 3, c. 41, im dritten Ä 8, e. 96 angesogen. 

Hoebwierdiger farst gnadiger berr. 

Wir armen e. f. g. nntertm aosser nnd inner seind warlich pericht, 
wie die stattnt zu Bötzen von Tryent alle ordnn^ scio, in der aigendlich 
gffiHidon wfirdo, was von auswt*iidig(^n gcrichlen hiiid stett oder gegendt 
iu die sladt zu verkauffoü gefuert wirJt. aol kein purger im gericht oder 
insäss kauffen, snndor an offen platz uder kauf haus komon lassen; nnd 
wer der ist, der am ersten den kaull' macht, dem soll der müsser messen 
als er gesworen liatt und^ dergleich der weger wegen, und das erst ster, 
es sei traid saltz smaltz alle essend naniDg, dem so den kauft hat geben, 
und wer zuekumpt von gesessen stadt und gerichtsIaiUten, söjl r-r dar- 
nach yedem ob er sein tarf als viil in dem gelt geben; und hat der erst 
kaaffer nit mer vorteill, dann daa erst ster odar daa erst pfund bei der 
pen y Pfand und der bab. 

Item was aber ein gessessen oder gerichtsman kauft und bestelt 
ausser des' aiat nnd des gericht, so sa der stadt diendt» «arlicb das mag 
man im in sein bans fneren nnd wol anamessen. 



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Item kanfb ein pnrger oder ander ein ybm aalts und wierdt im in 
seinem hsns nidergeleKt, bo mnens ers offendlicb den geriehtsfronpoten 
lassen messen, und wer zuekampt, moess er mit lassen in obgescbriben 
mass pel der obgeschriben pen. Kompt aber niemant in der zeit, so wierdt 
im das alles. 

Item dergleicli öll mit der i^antzon halben und gelten ull in dem 
obgeschriben meinunie: und kauf und der egcnant pen. 

Darauf pebwiiren sit h pfniciner man, wann einer käs smaltz oder 
Hülcbö pei klein will haben zu schneiden Jen käs das smalz den zigcr und 
dergleirh, ist das verpotten und sap^en. das ^eh«"r int- iiit xue, sunder 
den lödleru, das ein gemeiner schad und nur aygner nutz iat. 

Pesw&reu sich auch, das ine sOll verpotten sein wein und* salcz 
korn und der gleieb zu nottnrft sein selbe hanshaben nnd nit zn fQrkaof 
iimb wein nemen oder andern wert 

Weitter g. b. so ist ein mergtlicb peswftrd, das die meisten puger 
Till schaff and gais nnd ander vich haben nnd lassen das dnrch ir birten 
in nnser gemeinen zinsgüetter oder aigne ägkern glasnren gen nnd 
schaden ihnen nnd ist ?or ancb sOlch peswftr ftrkomen fnr e. t g. vordero 
hem Johans des loblichen gedacbtnfls der nrsach, das in kniizen jaren 
durch ir birten, so lantien und portesfin nnd ander weer getragen und 
einer sy in sein güetten fanden und wellen weren oder pfentUm, sind 
ini todscblSg durch ir birtten peschehon, darauf e. f. g. vordrer ein sen- 
tentz geben, das chein p^tscher" oder hirt sOU dieinerlei wer oder Waffen 
änderst, dann einen hirtstab tnigen. Wo aber das merpeschäch, soll die 
pen XXV denar sein. Würde abi r einer loiblös und würde pegriffen, soll 
er gericht werden und sein guet vortallen. (lostatt im aber sein Leir 
Waffen zu tiagon und wiert nit pe^iifft-n, so soll «oiu berr das [lüessen 
als unsacher und herr des Knecht und veriallen sein ein mergklich summu, 
die ü. f. g. wol erkunden nuiGr in e. f. g. kantzlei, und das vich. 

Weittor g. h. so haben zu zeitten die liei n in der pestelencz uud 
anderer zeit hofstett und hfitten paudt in den gemein veidern und nu die 
hinlassen umb zins und aignen ine die zne, das wjder alle pylligkayt ist. 
Hoffen e. f. g. thue das abschaffen pei einer pen onablaslich zq nemen, 
der wierdt auch mit seiner ?erpott in der obn^enanut sententzt gefunden, 
wann dadurch uns pei verspSrtten iOm steghen hoicz nnd nicht in nnsem 
gnettern pieibt. 

* uud — wcgon at» Rande nachtjelrageii. * A. für UaJicmseh 

pescatore. 



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10. 

Bescheid Bischof Ulrichs III. auf die Beschwerden der Deutschen 
und die Denkschrift des Fodestäs Gandini, 1490, 

Gonc«pt mit rielen Correctorwi. Papier. Isiubraek, StatthaltereiftrehtT, 
Gapa« 3, Nr. 94. IKe Artikel, die hier angesogen werden, rind die der Be- 
sch werdeed»rift der Deutschen, Patiglcr, Zeitschr. d. Ferd.IIf, 28, 80 f. Die 
DatierUDg ergibt mch an? drm Tlinwtiso auf die EntschÜewTitp: flltrr die 
NotariatsUxen, Uber welche 1490 November 24 verhandelt wurde. 

Super ^ primo urticullo de redditione ncionum qnanimeiimqae 
expensarum factarum per ipsos procnratores sen alios qnoscamque olfi- 
tiales conralM* eivitatis sen communitatis nomine ad hoe' depatatos 
placet,^ quod isii tales offitiales quicuniqne uliquid nomine coininnnitatis 

rocipientes vel exponentes racionem facere tencantur et obli^ati sint atqn« 
cum efTectu faciant,* qiium ipsi dcp^muntur seu mutiuitur et a!ii iu ii«suj uiu 
locum deputaiitur, autequum isti sie do novo tlecti inranmt et ipsi abso- 
luti sint, iufra octo dies*' in presentia consuliim de iiuvo cloctorum, qui- 
bus consulibus adiuugantur octo ydonei de comunitate teinporo' quo eli- 
guntur novi coüsules per quateria civitatis deputatos. ita »luod ox quo- 
libet quartorio eligantnr diio &ive sint Itali sive Gcrmani, ita tamoii quod 
ad minus inter prefatus octo sint duo Germani. Et hoctinniodo agitur de 
proventibus redditibus &eu expensis civitatis dumtaxat seu de collecta im- 
pononda ipsi civitati aut aliqoo edifitio facien iu de novo vpI ropai^ndo 
veteii. Si vero acritur etiam® de interesso villanim idcbium seu cummuni- 
tatuni in disti'ictn nostro Tridfiitiuo ultra et" citra Athof?im existentium, 
oligantur*^ quatuor^' et** duo f^indici viddicet ]>ro conimunitate,'- (}ui 
iandem etiam ad redditioueiu ratiouum sui^^ iuterease cum alUs sopra- 



* Voran getUijt: In Christi nomine amen. Anno etc. iml. die etc. pro- 
sentibus vcncrabilibus viris doniino Georfrio notarin otc. et .-iliis. Ibidem coram 
rcvereudissiiiio etc. constitute fucrunt partes iiiiViiäcriiito videlicot. (.^uoniam vuro 
iuter ipsas partes iam din versa sit Iis etc. ut iam in exordio Alexandro etc. 
ete. 8nper — de am Bmde um H. 1" für getilgtes Nos Tdalricoe de primo 
snper primo articnlo de. * Am Rande nad^ürt^n, * Fd^ geülgi per 
consules. * Nachgetragen anstatt getilgtem volumus arbitramur. * Folgt 
getilgt vel circha fcstnni nativitatis Christi. " Fohjl 'jcühil iiidifci rntcr. 
' tempore — con?!iilf!? cm Rande nachgetrarfen. Folgt f/*til;/i jtriiuo. * L'r/jcr 
der Zeile nachgetragen. * et citra am Rande nnr}i<tettn'ji;n. Nacii- 
ffctragen über getilgtem illo iam est. " Folgt getilgt eligantur, Fetgt 
getilgt sive stnt Alemanni nve Itali. ^ aai — snpradictia am Ramde noeft- 
getragen. 



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dictis vocentur iuxta fonnam sententie alias per predecegsorem nostrum 
Alexandnirn felicis recordationis late . quem libris statiitorum civitatis 
nostro TriJciiti' insüii- iubeuiiis.^ jirout utiam iii ipsa'' expresso dcmau- 
datur. Et tpii uiio anno sie ut prefertur electi 8Uiit, ipsum^ annum per- 
ficiant, alio vpro*' anno alii ilepulentur. Qui si electi non erunt,' vfcteres 
illorum defectuin suppleaiit et iuxta prcdictn faciant,* electores tarnen seu 
quertoria'' arbitrio nostro aut sucressorum nisi cansa l^git.tima cur hoc 
factum nou sit auf cur v^tcros non appri*l>av(>riiii puiiieutii. Voiiim 
quo illud facilius manutcnon et ütabile osse po^sit, volumiis** ut nomine 
superioritatig aliquis, qui nobis aut successori bus iiostris: adhuc ^luiiis 
Bivp vdoneus videbitnr, per nos deputetui* et*' adsit, Que'^ quidem ratio, 
si nd^lig-entia prefatoruui consulum seu offitialum. ([ui eam reddere debent, 
facta non fucrit, sed culpabiles reperti poiiani (luini^ontonim dticatornm 
camere episcopali irreniissibilitor aplicandorum iucurrant de fact.^ 
Qui sie ut prefertur ad rationem aceptandam de proximo electi iurent 
ofHtii sui fidelcm administrationem, ut de presentibus et preteritis qui- 
buscum^Qe eam ftutere debentibus nemine cxcepto recipiant exigant et 
81 necesse fucrit auctoritato nostra compellantf a qnibus qnidem preteritis 
oficiatibiis reddita non fuerit, eandem penam de qua supra facta est 
[mentio]^ incun-ant. Talis tarnen fiatititiOi at nalla partium se gravatam 
vel deceptaui iure dicore possint. 

Item*" eligantor et electi iarent et deinde per qnindecim debeut 
reddere rationem aliqua snb poena. 

Saper secnndo articalo de eligendia consnlibns est determinatom, 
ut>' coikBiileB eiTitatiB ad qaoa ex forma statatorom ac longa consnetodine 
electio ipsoram pertinebat, illos itemm sno tempore eonaneto*^ eligant, 
Tidelicet Septem sive*' aint Oermani aire Itili idoneos tamen iuxta for- 
mam atatatomm, qaia non inveBimne neqne in atatutia neqne in privile- 



* Am Bande naehgdrtytn* * F6^ Tolnmiu el preMDtibw 

masdainui. * FeAtt C, * Fo^ geUlgl ipett. * ipram antttnn mifer illttd 

nii'Iii/rlriifii n. * vero anno unter der ZeUe nachgetragen. TTand 8 »^reiht 
daninlei': Ratio dcscribnHir. ' Nu rh^irt ragen, ahn' tjrtügt seu «ntiqni «pro- 
bat!. " Folgt getilgt et »i tales adniitti. • FdgL getilgt pcna nrbitraria 
episuopi. Folgt getilgt ptinicndi. '* aut — «pprobaverlnt wwi deraelöen 

Hand am Batide machgelragm. ** Fdgt getilgt ut aliquis et t 

** FtUgt addatar. ** Am Sani» von derMiben HM qtüd si M^i- 

gentia eonun qoi eam recipere debent *• Folffi ^ieMI[^ ftaeritit. Folgt 
getilgt exigeiulornm, de proximo am Hände «on dertethen ITand nach- 

(feh'fjijnj. Itcm-poena »v»» Hand 2 nachgeiragen- ** consiiles civitatis 

von Hund 2 iiher gettlf/t/rn ]ni mu'hgrlrapfn, *° Ueher der ZtHe nach- 
getragen. *• sive — Italt am Rande von Hand J nachgetragen. 



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giis taxatum numerum Geinianoruin ve! Italornm cligciukinnii ;u consiiles, 
sed sit libeiTinia olectio consulum' sectindum formaiii piefaidnim statu- 
torumprivilegiorum^[in] Germauos vel Italos nonobstantibiis consuetudiiii- 
bus quibuscumqiio in cuntrai iuin facientibus,' sie tarnen ut laii hoc modo 
ok'cti bona racioue üt aTüiqua consnetudine nobis antequam iurent, defe- 
rantur, quos probare vel reprubare prout* roiisuetuni cbt huc usque intru- 
ductum, poterimas. Et ii oOicialcs seu consiiles postqnam compleverint 
o^ium suum ad idem, nisi fiuito triennio aon reassumentur. 

3. GoaBÜittm concladitur.^ Super terdo articulo, ubi petitum fuit 
quatuor de consilio concludere qüicquam non debere, consultum et dater- 
minatnm est, quod eligantnr Septem^ ad consilinm, tnnc si insta de causa, 
Tidelicet^ infimiitate Tel alia, omnea interesse non possent,^ tanc' qnin- 
quo ipaorum qnicnnqne aint^^ interesBe debeni, ratnm finnnmque sit, 
qvicquid per illoa quinqne Tel Septem determinatam fnerit^^ aut eondn- 
sam et boe in leTioribus. In giaTioribns Tero sea ardvis cansis Toee et 
campana omnes conTocenttir ut moris est^' rei publice cansa, nt^* pnta 
in giaTioribns; congranm^* est, tum qnando expedit, nt babeatnr et re- 
quiratar consilium nostmm aut sneessomm. 

4. OfBeiales.^* Saper qnarfco articnlo de eligendis sindicis procura' 
toribns et aliis offlcialibus ciTitatis conclnditor, quod boinsmodi^* officia* 
les eligendi sunt per ipsos consnles proat obsenratom est, et quem ad- 
modom Gemani assomontnr^^ ad oonsnlatnm et radonem acdpiendam, 
ita edam ad alia of&eia dTitatis nostre, dnmmodo ydonei et sufBdentes 
reperiuntur. Et fiat talis electio non solum de doctoribns et notariis, ued 



* Am Jiande für getilgtc/t civium iutchgelrage7i. * Am Rande von 
Hand 2 ßh- gdUgUa cli^erc nachgetragen. * Folfjt getilgt: Quibus in hac 
parte iusta causa moti Uerogare volamua. * pruut — reansumontur vwi 
anderer Hand nachgelragai ßir getilgtes ac alios in locum reprobatonim 
aanmere ad noitri arbitrinm posaimva. Tel quod hii de qnilnu supra tempore 
quo snpra eligaat in oonttilei eivM Tridentinoe norem Tel lepteni, inter qooB 
•emper «iiit ad minus duo Genneni sufficicntcs et ydonei Urnen non obstanti- 
bu9 quibuscumque etc. ut supra. ' Consiliuin concluditur von Hand 1 am 
Mandc hcigeßigt. • Folgt getUgt vel noveni. " Nachgetragen nher puta. 
• Folgt gHUgt licet umiies vocati ssiut. ♦ Fi^lgt getilgt si clig^untur Septem. 
*• Folgt getilgt si voro novcm Septem. *' Am Hände von dersdüen Haud 
nnt malor para eoram. Fcigt getilgt nihil tarnen agatur. ** ATocft* 

geifv^ über gdügtem naxine. eongregatnm — raceesBoram 
ßir getOgta nisi nostro aut sucoeasoniin noetroram habito et rcquisito con- 
silio, von Hand 1" am Itande: consilium in ca re. " 4, Officiales von 
Hund /" rtwt flanflti nachgetragen. liuiusmodi — est et von Hand l ow 

Jiande nachgetragen. " Fo^t getilgt seu asaummi debcnt. 



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cciam de aliis civibus' ydoneis ut supra. Pret«re<a divisio hiiiusmodi 
officiorum fiat uou inttr paucos, sed intcr plures*, ut uuitas pax et 
benignitas inter cives nostros servetiir. 

Quintus articuius de multituiline ii»t:ii iorum et procuratorum occur- 
ret de ordine iudiciorum et infra in nono articulo. 

Supor soxto et septimo ailic uli^ de coUectis impositiB nou facta ra^ 
eione et de huiusuiodi colloctis inutiliter expositis oonclusum est, quod 
do expositis reddatur racio iuxta formam traditam aupra in primo articalo. 
De inutiliter vero expositis,' ai qna talia adminiatracio &cta est, penam 
illins toUimns et mocamna. 

Snper ootavo aiücnlo radone salis conclndltar, ut istnd nm&eat 
apnd communitatem* sea apnd eoa, qnibna coDunnnitas annnatim locat, 
proQt hodie est, qnoniam in eo tractatur otiUtaa non privaia aet publica, 
dummodo tarnen semtnr iustam pondus quarte, debita mensnra et eqnitas 
precH, sicuti taxatnm est statato consnlnm, et hoc ne nostri nimiiini 
graventor.' Bt quicqoit eommnnitaa ex eo peieeperit, de eo ratio rtdda- 
tnr Qt supra in primo articulo.* 

Super uoiiü artioulo do multitudine iiotaiioruiu üt piuciiratorum et 
qui ipsoiuni adinitliMiiii sunt aut non, detcrminatum est, qu«»d omues 
bint admittendi Genniuii t l ' Itali iuxta tjunen fonuani statutoi um de hoc 
Ic^qnencium. Et 8i Alemanus vel Italus iuxta formam f*tattiti yd«.iieu< 
rüpeitu8 uiimissiis noii fnerit, potest coram nobis coinjueii, cui piitviJ* bi- 
IUU8. Racioae veio salarii notai ioruni et iirocuratoruiu proyisionem facitj- 
mu8 quantocicius, oi certus ordo et taxa ponatur et sorvotur, prout alibi 
servatur.** 

Snper decimo articulo de pignoribus et ]Mg-noracionibu8, qnoniam 
statninm in ca re et de salariis camcre et ofüciaüuni disponit, illud obser- 
Totur; qaod si transgrediatur, id nobis deferri potest, cui providebimus. 



* ütber geHlglem penonis nachgetragen* * Folgt gefügt nidU h«bite 

difta ydoneanim pftrsonanim. • Nachjetmgen öfter gelilgUm administratis. 
* Jja/iir am Eanrifi. txm Hand 1" civit.itt ni. " Von fler»elltcn Hund am 
Bande: Consiliam Hat. " Am Jtande v</n Hand /. nhn- getilgt: ita Uuim» 
ut illud quod civitaii cx salc habere solet pro Opera utilitatc seu necessitat« 
totitis eomnuDitatis ciTitatit et foreminm expon«tnr, qtiiA cum forensef «wn- 
mnnitat«« In hoe oniu «enttniit» it« «t luerum seu cominoduni. Fiilgl geti^: 
Ex parte vero illoram de Leaigio de hoc conquerencfum nihil in hoe inno» 
vatur, quoniain ipsis Ub(?runi est bic aut alibi sal omcre aut per se habere 
vpnalf. ' Folgt gt tilgt ill. * Fol'ff qrtiJqf : Intcr. n tarnen, ne Iioraine^; 
iiiiiiiuin per ipsos notarios et procuratorcs gravcotur, ut solebatar, poiestas 
nostcr taxam faciat dcbitam. 



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Super undecimo de nonnullis statutis allegatis non eitantibus aut 
correctis seu caucellatis conchiditur, (jimd si quis aliqnoii statutiim alle- 
gaverit. illiiil eciiiiu ootendat osso in libru Btatutoruüi ; btatuüi vero omon- 
data vel cancellata jicr iios videbuntar, emendabuntnr et fiat prüvisi.i. 

Super (luodecimo de collectis solvendis per cunsnles, (|uoniam ipsi 
se dicuiit esse obligates iuxta fonuam statutorum, iliud obsenretur. öi 
qui vero non solveiint, solvaut aut racioiiem reddant. 

Super terciodecimo ^ articulo de bonis eniptis per consules^ extra 
ci?itatem, do qoibus coUectain sokere nolunt, concluditur, quod cum extet 
statutuin eins rei omnibus civibus nednm consulibus commune, ilhid 
observetur. Et ei f^xterioros so in lioc gravatos senciont, nihil ipsis civi- 
bus veudant, nisi profato statuto renunctient. 

Super quartüdeciuio articulu de baunitis providebimus, cum talos 
nobis delati fnei int, ad quam quidem delaciouem omaes indiBtincte tonen- 
tur pro Bua üdelitate. 

Saper quintodecimo ariicoio ex parte adTenaram hie aegociancinm 
extat atatatnm, illud observetur. 

Super Bextodecimo articulo de proTisionaiis providebiiniiB nt enpra 
in quartodeoimo articulo. 

Saper 17.' articulo de yendicione renun publicamm et de rebuB 
publiciBi quas nonnalli sibi auctoritate propria Tendieaut, eonsnltum» ut 
talea* demmcientDr, et 8i tangit noatram aiiperioritateiii, id in foturom 
fieri non poBsit sine inata oanBa et anetoritate et licentia noatra^ Bnb pena 
ementibns rendentibne Ben alias alienantibna imponenda. 

Si qni vero * sunt, qui bninamodi bona ememnt ant sibi propria auctoris 
täte Tendicarunt, seu aliter quam fieri debet acquisiTernnt, bninamodi bona 
sie empta ediftcata aot aoqniBita reBtitnant relinqnant ant destruant ant 
censnm nobis soWant imponendnm, nisi aliud in contrarinm ostendatur. 

Super ultimo artieulo de ordine iudieiarie obserrando, ne partes 
nimium per dilationes vexentur, statuimna et ordinamus, quod incepto 
iuditio partes' habeant ad probandum intentionem snam in prima in- 
stantia* XX dies utilefl, et dicnntur utiles, quibus' de iure mnnicipali 
iodieis copia haben possit, ut patet in statutis.^* Verum si pars altera 



* tercio nachgetragen über güügtem duo. • consalcs nachgetragen 
Über getilgtem eiTM. * UAer der ZeBt nmehgetragen, * tales — mipe- 
rioritotem am Btmä» von Hand i naAg^raffen, ' Folgl ge^H^ ementibna. 
" Folgt getilgt lunt. Sand /• bemerkt am, Bandet Conaiderandmn do ea re. 

' Nachgetragen iifter gelügtem partibn^^ debeatur. " Folgt getilgt dicin. 
• Folgt getilgt iudex Fdgt getilgt Qatbus XX diebas atilibos nt prefer» 

tur elapsis daatur quatuor dies utiles ad publicandu. 



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240 



oftrt* 10 fdle reprobare ipsoi iastos ptodndM per alioi» tsne si tales 
Mes ad quoB m refert eint infn diocesim oostnin, haliMi dies X con- 
tiniK»;' dieHntor continni omnes dies correntes, nisi nnt ftri» ad hono- 
rem dei sanctorniD vel utilitatem hominum introdacU, nt latina pafcet in 

statuto folio etc. quaüt^r capia redatur. Si ?ero hniagmodi teates sunt 
extra diocesira nof^tiaüi 1 utuiuai. tunc dabiiur dies legalis, yidelicet 
quatuur miliaiia •iMtinaüica aut 20 Iialica pro die, (}ui dies etiam debent 
esse continui. Quo * dilacio tarnen de pluri cummittatiir arbilriu duuiiüi 
jiotebtatis. Kt hoc sit in oiiiiiibus probationibns nocessaiiis. 

Quibute dii'bufe ut [iiv-fortui' elapsis (iabuiitui- (|uatuor dies uüles ad 
publicandum processom. deinde alii dies quatuor utiles ad omcladendnin 
in cansa. Qua (•'»in hisione facta potestas* babeat XTI die^ o<)iitiuuv.is ad 
fcrfMid.'irii feönteiiCKiiii. qiii dies coinputeiitur a tt-utpuie pi eseutationis 
[jr<)<.e^!?.u8, qui quidem j)ru<:es.suis ' prQi>entetur pote^tati per partem aut 
cius procuratorom infia VI dies continnos arbitri » tarnen polestatis, si 
pIureB dandi es.seiit, et si pars' presentare'^ p-jtestati prucej^sum ut pre- 
fertur n«-;,'-lexcrit. j»erempta sit instantia. Si veru presentaverit debito 
tenipore ut prefertur et'* steterit per potestatem qu-> minus s.ntencKi 
sit lata infra tempus preüxum, tunc nisi potestas iusta causa, puta inlir- 
mitatis Tel alia per nos vel successorcs nostros arbitranda eicusetur, pena 
X Benensiom irremisibiliter exigendarnm ot camere nostre episcopali 
aplicaadaroBi wu de salario suo retinendomm tncorrat ipso iure et'* 
nibilominiis ipse potMtaa teaeatur ferra sentenciam requiaitos sab eadam 
pena totiens quotien» negligens repertus fuerit. Si vero per partem in* 
ataatia üi perenipta, steterit. Et hoc in prima instantia causarum. In 
causa vero appellationis ubi dicitor in statoto, qnod appellans habeat 
LX dies utiles a die prodacti libeUi» eint dies continiii, in alüs senretor 
statntam. 

In causis rero in qnibns proceditur Bummarie, de qnibvs in statato 
folio etc.| ubi in statuto dicitor de Ubrls 35, ponantnr 60 et hoc in pro- 

' ofert 80 am Randr von ffand 1 nachgetragen, ' V'»i» ITaud 1 atl 
arbitrium. ' Q'"" — iii'i <'.s>;iilis (un Hände nn^^kqctrageti, uu<l ztrar bi» p<»U:- 
»tati» von Iland J, dann von Hand 2. * Nachgetragen über getilgtem index 
habere debet. * Kon JTand 2 cm Jtande ntMct^ragent aber nodUker gciMgt 

•i eam pro de eotuilio. * Am lUmde wn Hmid 1 nnehgetrogm, «6er 

jfelägt cum informatiom« onai ad onmeai •im reqnisitioaeni, quare aUw 
potestas non tencatur in sindicitu do mala sentenoia. ^ Folgt g^gl In- 
" corr. am proscntaiido. • Folgt getilgt spect FiJ'ff gffff^t ilicta. 

" ei — fncrit am Jiaiu/r von ffand I iiarhrfefffifirn. FdIijI ij'^lU'st iiii!px 

illiua babcat dies contiuuos OU iiiiVa quos oto> ut iu statuto. ubi — äUalututB 
tm Üande ven Hemd i mtchgiUrageiu 



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241 



cedendo, appellare tarnen posae volnnras a 35 libris eupra, infra Tero mi- 
nime. Et dnm in statntiB dicitnr de precepto in confessis folio X capi- 
tulo 84, nbi fit mentio de diebns nUlibne, yolnmus, quod isti dies sint 
continni modo quo enpra. Item dam in statotis ponitnr de fideinflsoribag 
eonToniendia Mo eto., loco dierom ntUiiun ponantitr dies legales« videliert 
30 miliaria Italica pro dieta. 

Item dum in statutis diciiur de copia duplicata tradonda folio 6 ru- 
brica IC), volumus quod acta* prodncantnr in inditio producjiütui * dupli- 
cata,pn)iit''st;ituttini disponit, ne uovii oriiitui' dihitio. prout in ipso Statute 
cavutur expiesse, alias ipso actus i^lt ipso iure iniUus et tamon putostas 
procedat in ipsa causa, ut illi tiaem iinponat ut &upia; et procui-ator 
ti neatin parti lese ad omne eius intercsso seu uotariue arbitraodum 
ut supra. 

Item' Yotumus, qnod qnoad ordinem procedcndi in causis sorvcntur 
statuta Tridentina ad unguem nec posset potestas illis contravenire nnlla 
consnetudine tam^ preterita qoam fotam intemniente sab pena qnataor 
' Benensinm pro qaalibet vice qna contravenerit et qaam penam ipso inre 
inearrat ipse potestas sibi retinendsm de sais salariis et camere nostre 
episcopali applicandam et actus sit nnllas, reservato^ nobis Semper aae- 
toritate augendi et emendandi etc. 

Item Tolnmas, qaod potestas teneatar sedere qaibascnmqne diebas 
a statnto preflxis; et si steterit per ipsnm, qaod non sederit et ins non 
reddiderit, pro qaalibet vice malctetur et paniatar in Benenses qaatuor, 
quam penam inenrrat ipso fiMsto aplicandam at sapra, nisi iasta caasa, 
puta infirmitate absentta nostri intuito ant rei pablice cansa sea alio iusto 
tmpedimonto per nos arbitrando impediatar. 

De' procuratoribus. Item statuiiuus, quod potestas possit cogere 
piocuratores aut iilum ex procurntoi ibus qui silä viJobitur, ut assummat 
ofütiniii procuialioiiis pro iiliquo, qui procuratoreui lialtfrf vel invenire üüu 
polest, et tiat talis coaclio cum pena 25 florenorum KciiPnHiinn tori^ns* 
quociens neglexciit, quam ipso iure iucurrat talis pr»»cuiator, qui onus 
procurandi sine iusta causa rccusaverit; et^ qtie sit^ iusta causa vi'l in- 
iasta stetur arbitrio potestatis uulla appellatione iuterposita. Quam qui- 



* acta prodncuitar am Bando vati Hand 2 nachgdraijen. ' A. ' prout 
— dispoiiit «771 Ranrlr vnn ITand 2 vnrh;/rfrti;/rii. * rftiiif/ 1" ani Hamh T)i> 
potestatc. ^ tarn — interveni'Mite am Raivh von Hand 2 nnrhfjilr/iff'ii,, 

• rcservato — emendandi etc. von Hand 1 am unteren Rande nachgetragen. 

* De procuratoribiM von Himd i* mm Bande nadtyeiragtn. * tociens — ne- 
glcxerit am Band» von JTani / naehgeiragen. * UAer der ZeB» naehffelraffmu 

AmUt. XCU. Baad. I. HlUto. 16 



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242 



dem penam* illic^) potostas toneaiur cxigi jbcere per massarium nostram 
Tridenti. Quod si potestas non fecerit, resaiiiatar de suo sulario, et qw 
pena appUcetur camero nostre episcopali. 

De notariis et «xtensa dare.' Item nbi in atatnto dicitnr» quod 
notarii teneantnr reqaiBiti infra oertum tempns iiiBtromenta exienden 
felio 16 capitalo 63 et 68, addator ad penam ibi peaitani X floienoram 
Benensiam apUcandoraiiL et eugeDdomm nt suprs et teneantnr parti lese 
ad intereeee, quod qiiidem interesse potestas arbitrabitor et nihUominiu 
exibere teneatar procnrater paiti. 

Item TOlnmns qnod acta mannalia' videlicet scribantnr per notar 
rioB coram indice ei' non domi, eet exteneio domi fieri poterit poena de 
qua snpra. 

Item TolnmQB, quod notariue qui perdiderit auf fingit bc perdidieee 
acta inditiariateetamenta Tel metrumenta aen alia acta publica aibi data ant 
de quibns fuernnt rogati, incnrrat* penam 4 florenomm Benensiam ext- 
gendomm et aplicandonim ut snpra et teneatur parti ad totalem intereese 
et^ dampnum de facto emendandam et resareiendum, nisi casu, pata incen- 
dio ruina vel alio casu fgrtuito illa amisisset, quos casus tarnen probare 
teneatur iiotaiius. Kt potostas ipsu aibilietur iiitore:'Se partim, si illuJ 
dcducei pars, aut uüob iluus jdoneos^ et eipeites aJ arbit rundum depuk-i 
assortione remota. 

Item i(uüd iiotai ii tonentur scribere protocolla sna non in ceduli», 
set in libris depulatis ad lioc, ne itadefacili perdautur. Item in statniis 
folio I« rubrira Hl ad latur peua contrafacieati 14^ ßeneasium exigeu- 
dorum et aplicaudorum ut supra. 

Itoin voinmus, quod notarii teneotur servare protocolla matrices seu 
originalia instrumentorum et aliorum actorum publicorum penes sc nec 
iUa dare partibus vel aliis, preterquam iodici, cni orit^inaUa actonim exi- 
beantur, instmmentorum voro non, ntsidubitaretor de extenso, et hoc sub 
pena X Kcnensium pro qualibot vice, quam ipao iure incun-at notarios ai 
contrafecci it oxigendorum et aplicaudorum ut supra. Set debet dare ex* 
tenea aui copiae requiaitua cum suis Bubecriptionibne. 



* Folt/l getUgt appHcctur illico oxig'atur. ' Do — dare von ITnud /• 
nachgftrrtrjpn. ' niaiiualin vidflicet iifm^ der ^^eile nfirh^frnffr^. * et — 
supra von Hand 2 naclitfelratjni für geiihjlfia b^eoröim sub pena. '' aui — pordi- 
disse von ITond / Uber der Zeile nachgetragen, * incurrat — ut supra «t 
am Bande futekgctragen, * Folgt geiüyt «d «rbitnndani. * et — renr- 
eiendo em Rande nachg^rojfen* * Naehgetragen Uber geUtglem t4. Jm 
Rande bemerkt: De poeois notari<wtiiii videfttar et eouuUtwr. veio non 
01» Rande nachgetragen. 



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248 



iL 

VergteidutnffSkibeÜe Mwisd^m äe» älien mä neum 2Vienier Sta- 
UUen, den SiaMm von JRavereto und den aUen SiakUen der 

Sindiker. 



Trienter Statoten. 



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3. 

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6. 

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9. 
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12. 
13. 
14. 
15. 
16. 
17. 
18. 
19. 
20. 
21. 
89. 
38. 
84. 
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86. 
37. 
38. 
89. 
80. 
81. 
88. 
88. 



Boveretaner Stataton. 



Alte 



1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 
10. 
11. 
13. 
18. 
14. 
15. 
16. 
17. 
18. 
19. 
80. 
81. 
83. 
83. 
84. 
85. 
36. 
37. 
88. 
89. 
80. 
81. 
88. 
88. 



Statoten derSindiker. 



16» 



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244 



Ti'ienter Statuten, i Roveretaner Statuteo. i Statuten der Sindiker. 



Alte 


84. 


Alte 


84. 


«. 


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51. 


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51. 






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54. 


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60. 




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n 


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12. 


n 


71. 


II 


169. 


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245 



TriBnter Statuten. 



BoTeretoner Statuten. 





79 


Alto 


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26. 



Stataten der Sindiker. 



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TrientttT Stituten. 


Boveretaner Statnlui. 


otatnte 


Alte 


III. 


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27. 


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29. 


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32. 


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106. 






117. 


n 


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118. 


n 


108. 






119. 


n 


109. 


34. 




120. 


II 


110. 


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121. 


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III. 


36. 






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II 


117. 




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124. 


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118. 




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119. 






126. 


ff 


120. 




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127. 


« 


121. 






128. 


ff 


122. 




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129. 


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124. 






180. 


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125. 




II 


181. 


ff 


126. 




N 


132. 


ff 


127. 




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188. 


ff 


128. 




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129. 




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26. 






186. 


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120. 






187. 


ff 


180. 


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• 


138. 


ff 


128. 




n 


139. 


ff 


181. 




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140. 


ff 


182. 




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141. 


ff 


188. 






142. 




134. 




* 


143. 




135. 




n 


144. 


n 


136. 





1 1. Absati n. 39. 



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247 



Trientor Statnien. 


Bo^eretaner Statuten. 


Statnl 


Altu 


145. 


Alte 


137. 




« 


146. 




30. 




n 


147 


II 


40. 






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138. 




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140. 


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150. 


n 


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151. 


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141. 






152. 


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142. 




1» 


153. 


II 


143. 




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in 4. 


II 


144. 






155. 


II 


145. 




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156. 


II 


146. 


40. 


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157. 


II 


147. 


41. 


n 


158. 


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148. 


42. 


m 


159. 


m 


149, 153, 153. 


43. 






n 


150. 








n 


151. 




m 


160. 


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154. 






161. 


II 


155. 






16S. 


II 


156. 




M 


168. 


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157. 


44. 




164. 




158. 






165. 


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159. 






166. 


n 


160. 




Nene 


1. 


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161. 








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S. 


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1, 






3. 


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2. 






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10. 


n 


9. 




« 


11, 




10. 






13. 


n 


11, 






18. 


Alte 


187. 






14. 


Neue 


13. 





Digitized by Google 



24S 



Trienter Statuten. 





15. 


Neue 


13. 


♦1 


16. 




M. 


fi 


17. 


ff 


15. 


ff 


18. 


ft 


16. 




19. 


n 


17. 


ff 


20. 


fl 


18. 


n 


21. 


n 


19. 


n 


22. 


fi 


20. 


^ 


23. 


n 


21. 


n 


24. 




22. 




25. 


n 


23. 




2G. 


n 


24. 


n 


27. 


II 


25. 




28. 


fi 


2ti. 




29. 


n 


27. 


n 


30. 




2M. 


fi 


31. 


Altü 


62. 


n 


32. 


fi 


78. 




33. 


Neue 


29. 


n 


34. 


n 


30. 




35. 


n 


31. 


• 


36. 




32. 




37. 




33. 




38. 


IV 


34. 




31». 




35. 


IP 


40. 


Alte 


50. 




41. 


Neue 


3C>. 


n 


42. 




51. 


n 


43. 


Neao 


87. 


n 


44. 




38. 


n 


45. 


W 


39. 




46. 


w 


40. 


n 


47. 




41. 


II 


48. 




42. 


n 


49. 




43. 


n 


50. 


ff 


44. 


« 


51. 


» 


45. 


n 


52. 


Alte 


129. 




53. 




54. 



BoTereian«r Statuten. 



Statuten der Sindiker. 



Digitized by Google 



Trienter Statuten. 



BoT«rotaiier Statuten. 



Neue 


54. 


Nouo 


46. 


n 


55. 


Alte 


26. 


II 


56. 




47. 


1F 


57. 


n 


48. 


II 


58. 


Alte 


55. 


K 


59. 


m 

M 


55 kliter Abutx. 


fl 


ßO. 




66. 


n 


61. 


u 


67. 


n 


62. 




58. 


n 


63. 


n 


59. 


m 


G-i. 




59. 


9 


65. 




60. 


it 


66. 




61. 


s 


67. 


» 


79. 


» 


68. 






• 


60. 


II 


120. 


II 


70. 




1 22. 




71. 




123. 


» 


72. 






1» 


73. 






» 


74. 




128. 


n 


75. 


• 


77. 




7G. 








77. 







24y 

Statuten der Sindiker. 



12. 

VergUiehinjfisüihdle zwischen den Alexandrinischen, den Rovere- 
tanern (1425), den Udalricianischen, den eiveiten Statuten der 
Sindiker und den Cles' sehen Statuten. 

Ein * iiacli ih r Zalil bedeutet, dass der Toxi von Her ältorcn Rcil-irtioir 
Abweicht; xwci (ia.s.s dir Text erweittMt, drei das.s er ^-ckiirjit ist. 

Die C'les'schcn 8tatutoa sind nach der Ausgabe von Gar citiert. 
IHe Textreilgleiehung bezieht sich «af A. 



Alexan- j 
drinischft i 
Statuten. 

1. 1.** 



liiiYcri-taiier 
StiituleU. 

Neue 1. 



Udal- 
riciaiiiscbe 
Statuten. 



I. 



1. 



Cäes'aobe Statuten. 

I. 7.«* bis S, 20, Z. 80 tem- 
poralibas. 



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250 



drinisdie 
Statuten. 

I. 2. 



8** 



4. 

6. 
6. 
7. 

8. 

9** 



10* 



11.*» 



12. 
18.* 



IT) 



Koveretansr 
Statuten. 



Neue 2. 



n 
i> 
II 

r 



3. 
4. 
5. 

6. 
7. 
8. 



Udol- 
ricumiiche 
Statatm. 

2. 



4. 



I. 



9 bis S n9, 
Z.15Etha«o 



10. 



« 11. 
Alte 187. (X c. 12.) 
Neue 12. 



13. 
14. 



5. 

6. 
7. 

8. 
9. 
10. 



12. 



13. 
14. 
15. 



16. 
17.** 



CWsche Stataten. 



I. 1.* uur der Schwur S. 9, 
Z. 2 in maniboe — 
Z. 24 aindiMhir. 

, 5.«* bis a 16, Z. 88 in- 
dicta. Es fehlt S. 15. 
Z. 25 d<»r Satz TU 
quod — Z. 30 tali 
contractu. 

n 12. 

» 15. 
• 11- 

n 17. 
r, 1». 

» 6.** bis S. 18 l>e eodem. 

Es fehlt der SaU 
S. 18, Z. 10 et eo 
easu — Z. 18 oulli- 
tate dici. 

, 29.** bis S. 31 , Z. 28 Si 
vero. Es fehlt der 
Satz 8. 31, Z. 1 qui 
termiuuä — Z. 7 et 
non plnree. 

, 42.* Kleine Verindemng 
8. 45, Z. 16 prout — 
decerneDtibus für: de 
vohmtatf» et concor- 
dio partium Et si 
partes fuerint discor- 
dee taiaado, qaod 
index inepeeta qnftU- 
tateeause etconditio« 
no pcrsonanini possit 
tazare arbitrio soo. 



47. 



56.» 



TOn8.80,Z.2quapig- 
norattone bis ScUms» 
jedochaehrTeriodert 



23** Vermolinint^ V 
wieder fortjjt l'alieu. 
Fehlt S. 29, Z. letiaji» 
biflZ.4Ubrisinfia. 



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251 



Alezau- 
drinuehe 
8tatat»n. 



17. 
18. 
19. 
20.* 



21. 



23.»* 
24*** 



2f>. 

20.*** 
27.** 
28. 
29. 



30** 

81. 
32. 
88.** 



. c. 34.** 



Roventaner 
Stotuten. 



Neue 15. 
n 16. 

n 18. 



Udal- 
rioianitclie 
Stfttnton. 

18. 
19. 
20. 
21.»* 



19. 
20. 

21. 

23. hk S. 75. 
Z.18salvo. 



« 25. 

. 26. 

« 27. 

n «8. 

Alte 62. (TBL) 



. 78. (T'82.) 
Neue 29. 
« 30. 
. 31. 



32. 



23. 

24. 

25. 



27. 
28. 
29. 
30. 



31. 



34. 



35. 



CWsohe SUtaten. 



21. 
25. 
22. 

do.< 



1. Absatz. 

LAbialt, Eb fehlt 
S. 38, Z. 10 neo da 
nullitate — Z. 2(i pe- 
ti possit. Dafttr: £i 
a Tigioti qninqup 1i- 
bri s supra pars debeat 
probare de intentione 
saalegittime.Etquod 
in qnalibet snpra- 
•criptarum cattsanun 
a yiginti quinquo li- 
bris 8upra pars possit 
appellare, salv» (luod 
in casu viduarum 
n. fl. w. «ia B' a. 18. 



26.«* bis Z. 14 litiaeonta- 
sUtiona ete. 

27. 

33.** Es fehlt 8. 87, Z. 29 
suinptibus producen- 
tia — Z. ä ehyro- 
graplitiiii. 

61. 
69. 
70. 

72.** Es fehlt S. 75, Z. 4 
ai fidaioaiio ^ Z. 0 
atilinm. 

62 

63.** bia Z. 27 obstanto. 

64. 

65.** Erst von S. 70, Z. 27 
Qno ternÜDO elapso. 
El fehlt S. 71, Z. 12 
etiam de — Z. 21 

cum eipensis. 
37.*» Es fehlt S. 39, Z. 19 ad 
aoWcndnra — Z. 21 
triuxu dienim. 



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263 



Alexan- 

drinische 
Statuten. 

I. 85.** 
• 86.^ 
. 37.»* 



• 88.*« 



9 
9 



43. 
44. 



lloverotnupr 
ätatutou. 



N«iie 33. 
• 34. 

n 35. 



Alte 50. (r40.) 
Neue 86. 

Alte 51. (T i2 ) 
S.19, letzte Z. Et 
si — S 20, Z. 2 
puuiatur fohlt. 
Am£nde:excep- 
ytcaiuifl,qttBsa' 
libi in diftrueta 
committeremus 
vel raandairmus. 
generaliter et 
specioliter pcr- 
traetandU. 

Nene 87 bis Z. 25 
ipso tara. 
n 38. Daza am 
Endo: eamere e- 
piscujKili appli- 
cauda. Et quod 
etiatn de cetera 
nuUiiB notarliia 
in suis instru- 
meiitiH sivt.' im- 
breviaturisdi'lio- 
at tkiiiberc miile- 
simnmetdiemvel 
quantttatem ali- 
ctiiusreiTeldebi* 
ti per abreviatu- 
ras, s.>d distim-to 
et rlare. ita»inüii 
iiuUafalsitas ad- 
dici powit aub 
pena prediota. 

. 39. 



üdal- 

ricianische 
Statuten. 

36. 

87. 



38. 



4a. 

41. 



42. 
43. 



44. 
45. 



Gle8*8clie StetuteiL 

I. 77.** bis S. 80, Z. 10 acqui- 
aitae. 

„ 78.*« Es fehlt 8. 81, Z. 7 
iisdem — Sdilais. 

„ 79.** bis Z. 33 ius com- 
mune. Es fehlt Z. 13 
Tel etiam — Tendiüo. 



146. * 

147. * 



letster Abeali. 
LAbeatiL 



84. 



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253 



Alexan- 

drinische 



II 

n 



52b. 

54. 

55. 



BoTerctanor 
Statuten 



JK 






n 


47. 


n 42. 


48. 


» 4a. 


49. 


n 44. 


50. 


n 45. 


51. 


n 47. 


52.*» 


Alte 129. 



I. 



Udal- 

riciantsohe 
SUtoteo. 

46.** 
47. 



5e. 



Alto 54. <T'58.) 

Neue 46. Für S. ff", 
Z.7 seqnutus: et 
obtentum ab a- 
•tMktibttl iD iu- 
ditio Beeoiidnm. 

Alto 26. (r 55.) 



48. 
49. 

50. 
51. 

52. 



Cles'sche Statuton. 

I. 35. Obao deu Zusatz 
▼0» ü. 

, 8.** Es fehlt Z. 7 quod 
tune — 2L 8 oon- 
denmaii. 

» 87. 

, 88.** bis S. 86, Z. 4 et 



53. 
54. 

55. 
56. 



57. 



9. 

54.*» hiä Ö. 56, Z. 22 per 
iudicem. Es fehlt 
8. 54, Z. 14 quem 
produoera ^ Z. 15 
BOB eitoto. S. 55» 
Z. 24 coBdnso — 
Z. 32 cof^nosccnda, 
S. 56, Z. 6 äut a con- 
sulibus. Die Fristeu 
lind tittUveise an- 
dere. S. 55, Z. 10 
für de quihtts — feri- 
is wird eingesdialtot 
das Verzeichnis der 
Ferien aus R. 129 
mit den Zusätzen der 
neuen Stotaton in n. 
1 und % data nodi: 
Itctn feriis messiuro, 
yidelicet a die sancti 
l^rtrrinbe usque ad 
teruiaiu diem meu^is 
iulii inclusiTe. 

52. bi8Z.25deffinitiTae. 

53. 

89. 



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264 



» 

9 



RoveretAuer 
Statuten. 

Neue 47. Ei fehlt 
Z. 19 succcssive 
bis Z. 23 queni- 
libetu.Z.26üisi 
bis Sohla». 
n 48. (T 57.) 
Alte 55 bii Ende 
des 2. Alwatiee 
(T' 58). 
„ 56. (T' 00.) 
„ 58. (T' 02.) 
60. (T' 65.) 
61 bis Z. 20 
oompleta. 
79 (mit den 
Aenderungen 
der ueucn Sta- 
tuten, T' 67). 
172. (T' 72.) 

T78. 
128. (T' 74.) 
77. (T' 76.) 



I. 



üdal- 
ricianische 
Statuten. 

58. 



SO. 
60. 



61. 
62. 



n 


66. 


n 


91. 


N 


67. 


n 


67. 




68. 


n 


39.»» 




69. 


r> 


68.» 




70. 


n 


96. 


n 


71. 


n 


105*» 



72. 
73. 



Cles'sohe Sttttnten. 



I. 81. 

„ 45.* Nttr mhalüieh im 
allgemeinen entspre- 
chend. 

„ 147.» 3. Absata. 

„ 24.«* bis Z. 17 Bt hoc. 



64. »» 

65. n 90. 



oeptis. Es fehlt S. M 
leiste Zeile et abe- 

qne — S. 95, Z 2 
obstantc Z. I I u vch 
conceptis folgt uisi 
ipse debitor sitcivis 
districtualis et posai- 
dens immobilia vilo- 
ris dicti debiti vel 
prestiterit fideiusrie* 
nem de sol? endo. 

106. 

109.*« Gs fehlt S. 96, Z. 19 
Bthoo — Z.82annis 
fadii. 



74. 


ji 


III. 


75. 


n 


112. 


76. 




82. 


77. 


r» 


80. 


78. 


\n 


129. 



bii Z. 14 
ditionam. 



eins con- 



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255 



Alexan- 
driuisclic 
Statuten. 

L 78. 
• 79. 

n 80. 

n 81. 

r 8'-'.* 

. 03.»* 



84* 

85. 

m. 

87. 



88. 

89. 
Oü.** 

91. 

1.** 

2. 

a 

4. ** 

5. * 
6. 
7. 



Roverotaner 
Statuten. 



Alte 124. 

„ 125 bis Z. 10 
kalenda«. Dar- 
auf folgt: siot 

et esse debeant 
ferie, quod iiou 
reddatur ius, ui- 
si Menndnm 
quod redditur 
in iilii.s feriis et 
luerchatis ge- 
nenlitnu. 



L 

» 



ricianische 
Statuten. 

79. 
88. 
84. 
85. 

86. 
87. 



53. 



1. 
2, 

a 

4. 



II. 



88. 
89. 
90. 

91. 



92. 

93. 
94. 

9S. 

102. 

m 

104. 

105. 

10«. 
107. 
108 u. 100. 



Gles'selie Statuten. 



I. 100. 



182. 



143. 



148.* 



Mit grossenVendüe' 
danheiten. 

8.126, Abeats8u.f., 
doch mit groswn Ab- 
weichungen. 



113. 
144. 

145. »* Ea 

in 

146. » 



lU. 1. 

» a 

rr 4. 

. 5. 

6. 

« 7.* 



fehlt Z. 19 nco 
-Z.21 indiearet 
Die Buflstuen Ter- 
schieden. 



1. Absati. 

Für S. 246, Z. 32 
Twerrata ~ Schlots 

des ersten Absatzes: 
si facta fuorit in dic- 
tis locis piatee vel 
pahtfi Tel ad domum 
inioriati. Etsialibi 
quam in prediotis 
locis, condempnetur 
in quadraginta soU- 
dos den. Ter. 



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256 



Alpxau- 








Udal- 








(iriiiisrlio 




Roveretaner 


lichiiiisclie 




Cles^iche Statateo. 


Statuteu. 




Statuteu. 


Statuteu. 








II. 




Alt» 5. 


n. 


110. 




8. 




fi 


f). 








III. 


n 






n 


10.* 


n 


7. 




112. 


» 


11.»* 


bi.s 8. 249. Z. 2 per- 


















ciLssioae. 


n 


Ii« 






» 


litt 




12. 






12. 






1» 


4 1 j 
114. 


* 

w 


18. 




• 


13. 


•ff 


6. 


» 


115 


T> 


u. 






14. 






n 


116. 


H 


10. 






15. 






n 


117. 




15. 






16. 






n 


118. 




16.** 


bis S. 251, Z. 12 






















17. 






* 


119. 




17.*« biB&252»Z.4iiirift. 


n 


18. 








120. 


• 




ois £i. 14 reinota. g» 






































VF 


10. 






M 

ir 


121. 






Pia o* SvO| A> 1 lv~ 




















n 


20. 






n 


122. 




23 






21. 








12.'? 








• 


22. 


n 


9. 


» 


124. 


n 




üiS IcUib tj. Ii vi 


















«kAn 7 1 ik jkVBtt^ttn^ 
DOU ' £i. lO CnSUIDli. 


1» 


QQ 

MV. 


n 


10. 




10V. 


» 




o. lelZi« L. «IUI 


















mterfuerint — b .ib, 


















1. fj. pnioiiiiäsis TOu 


















späterer Hand naelt« 


















getngen. 


w 


94 


« 


11. 




n 


64. 






n 


12. 




197 




65. 


Z. 20 für uon extv- 


















dat — Z. 21 duceuta- 


















rnm: intelieatvr se- 


















cuudum ordinem lo- 


















gum, quando pena 


















est arbitr.iria, iu 


















quantum dalwtpnni* 




20.* 




1 u 
Xa. 


n 


128. 


n 


66. 


ri delinquens. 


n 


27*» 


II 


14. 




129. 


» 


6S. 


S. 278, Z. 30 für a 


















tribtts — Z. 82 anni»: 


















et a prorinüore pa- 


















reute ipsias. 


n 


28. 




Für letzte 




130. 














Zeile ceutum bis 


















SeUnaslibrasTi- 


















giliti quinquo 


















den. Etsisolvere 


















uon poterit, stet 


















in eareeribn* ur- 


















bMo domini. 













Digitized by Google 



257 



Alexan- 
driniadio 
SUtaton. 

II 29. 
. 30* 



• 


81. 




18. 


1» 


82. 




19. 




38.» 


• 


20. 


• 


34.** 




21. 




35.*» 




oo 

La LJ . 



Rormtener 
Stetnten. 

Altp 16. 

n 17. 

S.9torl6tsteZeile 
iMoh nkoriatur: ex- 

cepto quod bantti 
iumdictionift Tri- 
denti powdiii im- 
piine offendietof* 
tuüdi facere, qua- 
litercuiuqueetoc> 
cidi et fiioere oo- 
eidi qnaUtorcum«- 
que sine pcna. 
S. 10, Z. 11 Item 
bis Schiusa fehlt. 



Nach Z. 19 falsa- 
rins: Et ri se in 
oftttio ulterius in- 

tromiaprU, sibi 
manusdext^ra de- 
beat amputari. Et 
predicta etiam lo- 
cum babi nnt in 
illo, qui falsum 
flerifec^ritiastru- 
raentum, qaod si- 
inili pcna punia- 
tur. Q"od si dic- 
tam peuam dena- 
rionim tem nota- 
rius, quam ille qui 
fierifecerit falsum 

instrumentum 
lolrere non po- 
tuerit, tnno ii.8.w. 
SG.* „ c 23. 
37. « C.24. 

Z.11 ducentis li- 
hm y«r. par, et 
perpetuo sit m- 
famis. - Zum 
Schlüsse; et per- 
petuo rit infamis. 
IkUt. XCn. BADd. L Bftlfle. 



Udal- 
rioianiielie 
Statuten. 



a 



II 



181. 
132. 



188. 
184. 
135. 
186. 
137. 



138. 
189. 



aes'aohe Statuten. 

III. 09. 



n 
n 
n 
n 



71. 
72. 
73. 
74. 



- 58.»u,59* 



17 



Digitized by Google 



258 



Alcian- 








Udal- 






drinischo 




Rovoretaaer 


ricianische 






Statuten. 




Statuten. 




Statuten. 




II. aa. 


Alte 


2^ 


II. 


140. 








11 


2L 


n 


HL 


UI. 


70** 


r, 40,** 




2a. 


n 


142 


a 


28. 


„ 41 *** 




2IL 


a 


143. 


n 


22. 


n 42*** 




3ü bis Z. 21 


a 


144. 


n 








Ven. par. 














aL 


r> 


145. 


n 


81-** 


, ^ 


M 

U 


32. 


n 


14(t. 


t» 




r 4^ 


M 


aL 


7» 


14L 


it 


44. 


« 4iL 




82. 


a 


148. 


a 


83, 






SS, 


2 


m 


n 


84. 




a 


&L 


a 


150. 


n 


8^ 


. 41L 


n 


Sü. 




151. 


« 


8iL 


n "Ii- 


E 


01 1 A liQAtr 


n 


1Ü2. 


B 


87 ** 




& 


03. Strafe li- 


a 


lÄL 


n 


4{>* 






bras quinque 














pro quolibet 














pede. 










„ 52** 


» 


24. 




IM. 


a 


88** 






131. 


n 


I5r7. 


a 


8<I 


„ 54.** 


a 




a 


15fi. 




90, 








rt 


157. 


n 


ÖL 


. 5fi*l 




12iL 


a 


158. 


fi 


92, 






13K. 


S 


i^o. 


»» 


03, 




ff 


130. 


n 


m 


ff 


24. 


. SIL 


?i 


140. 


a 


IfiL 






„ 60,** 


n 


liL 


n 




» 


2fi. 






133. 


n 


163. 




22. 








a 


Ifi4 


a 










a 


IfiiL 




22. 








n 




a 


100 


„ üiL 






a 


1f)7. 




101. 








a 


lt)8. 







Cles'scho Statuten. 



bisS.287,Z.8eligatur 
bis Z. 2Ö vulneratio- 
nibus. 



bis Z. 3 domini. 
Darauf folgt: excep- 
to officio sindicorum 
Tridcnti. 

Z. 23 nach capiU- 
neum: vel eius rice- 
comitem. 

bis S. 29L Z. 1 arbi- 
trium iudicis. S.290, 
Z. 12 fehlt Tel - 
forensis. 

S. 291, letzte Z.quan- 
tumcumque — S. 222 
commissis fehlt. 



259 



Alexan- 
drinische 
Statuten. 

II. 68. 



69. 
70. 
71. 
72. 
73. 
74*** 
75.* 

76. 
77. 
78.* 

79. 
80. 
81. 
82. 
83. 
84. 

85. 
86.* 



« 87.* 

» 88** 

» 89. 

n 90.»* 

f, 91.») 



Boverctauer 
Statuten. 

Alte Ifi bis Z. 15 
amputetur; 
darauf folgt: 
Tel publice fu- 
stigetur. 



n 
n 
n 



81 

8a 

89. 

92. 
109. 



112. 



115 bis Z. 22 
culpa ; darauf 
folgt: libras fi- 
ginti den. Ver. 
pro qualibet vi- 
ce et privetur 
offitioper quin- 
que annos. 
llfi. 

im 

119 
ir.4. 



Udal- 
ricianische 
Statuten. 

II. m 



r» 
n 
n 
» 
n 
n 
n 

n 
n 



170. 

HL 

122, 
173. 

HL 

m, 
im 

177. 
178. 
170 

180. 
181. 
182, 
183. 
184. 

185. 

m 

187. 



u. 



188. 
189. 

m 

191. 



lU., 24iL 



Cles'sche Statuten. 



III. 42 * 



„ 1112^ bisZ.24confiscanda. 

n 1Ü3. 

« IM. 

„ 105 ** bis Z. U tres dies. 

„ m 

„ l'>7.* * bis letzte Zeile passis. 
n 108. Die Busse ist: solidos 
vigiuti den. Ver. 

n m 

. 110. 

„ III. Strafbestimroung vi- 
giuti solidos den.Ver. 

n m. 

« 118. 



n 11.^. Strafbostimmuugen 
wie in ß. 112. 



bis S. 297. 
salario. 



Z. 2ö 



„ lllL 
« HL 



2, c. 5iL* 



S. 300^ Z. 12 ita 
tarnen — Z. lÄ con- 
duxissent feblt. 
Busse wie im 2. Sta- 
tut der Sindici. 



*) Findet sich im zweiten Statut der Sindici c. 4ß als zweiter Absatz. 

17* 



200 



Aloxan- I 
(Irinische ! 
Statuten. 



RovorptADor 
Statuten 



I ZweitesStatut 1 l'dal- ! 



III. 1*1^ Altec miL ! 



der 
Sindiker. 

1.*** 

9. * 



i riciiiuiscbe 
I Statuten. 



I 



Cles'sche Statuten 



III. 



IM. 



lIiL 



4.** 



ir>M 



4 *** 
Ii.*** 



(;**» 



8.*** 



liVL 



2ÖiL 



901. 



II c 1 *♦ bis S. HB, Z. 2i 
iudicuin. 

^ 2^ bis S. m Z. 1 
communitati. Ks 
fehlt S 149, Z 21 
in quibus — Z '2'2 
pasoulari Strafbe 
stinunuDg>>n vrk 
im neuen Statut 
der Sindici. 

, bis 8.151. ZA 

fainae. Dafür: Et 
quireperuerit pre- 
dicta et denuntia- 
verit officio, ba- 
beat terciam par- 
tem. 

„ L Für Z. LI ut iu 

— Z. Ii .««tatuto: 
Et tercia pars pe- 
ne sit aocusatoris. 
alia tercia pars sit 
sindicorum et alia 
tercia pars sit com- 
munis Tridenti. 

, 0*1 Es fehlt z. m f-t. 

salvo — Lt pascu- 
lare. Strafsatzwie 
zweites Stiitut 5, 
für kleine Thiere 
2Ü Donare. 
„ 1* Strafsätze hier u. 
im Folgenden wif 
im zweiten Sta- 
tut 

„ Z. 21 nach appb- 

cetur: caniere e- 
piscopali et alia 
medietas coniuni. 
Z. 22 fehlt et alia 

— accusatori. 

„ Strafsata wie im 

zweiten Statut 



261 



Aloxan- 
drinischc 
Statuten. 

ra. 10. 

» 11. 

n 12. 

, 13. 

. 14. 

. 15. 

. 16. 

. 17.** 

n 18.* 

. 20.* 



21.* 

22. 

23. 

24. 

25.* 

2C.* 



. 27.** 
„ 23 b. 



241 



„ 2r>b.*» 

. 26 b. 

„ 27b.** 

n 28. 

„ 29.** 



Roverctaner 
Statuten. 



30.** 



31. ** 

32. ** 

3;{.* 

34.** 
35* 

36. ** 

37. ** 



Alte aL 

n IM. 



165. 

IM 

167. 

m 

162. 

21L 
III 



HL 

n 7i.i.7:i 



Zweites Statut 

der 

Sindiker. 
IL 
HL 

IL*** 
12.*** 
IS.*** 
14.*** 
IL*** 

m*** 

11^ 
i& 



2Ü. 

21*** 

22.*** 
23. 

2IL 

26, 
2L 
2ß. 





29.*** 











127. 



IL 

14H 
153. 



32. 

33.***u.:!4. 

S5*** 



36,*** 

ai.*** 

as. 
au. 

m. 

IL 

4'^ **♦ 



I Udal- 
i ricianischc. 
Statuten. 

III. 2Ü2. 

n m 

. 2fiL 

n 2115. 

. m 
„ m 
„ m 

, 21ß. 
n 2LL 

OT.> 



2m 



216 
217. 
21S. 

219. 

22Ü. 
22L 

o*io ! 

22a. I 

22L; 

22iL 

u. 221 
22H. 



220. 

230. 
2i5L| 

2a2. 
2aa. 



Cles'sche Statut^'n. 

IL 10 * ebenso auch in 

den folgenden. 
„ 11.* ebenso. 
„ 12 * ebenso. 
. 13. 
« LL 

n 15.* ebenso. 
„ 16.* ebenso. 
„ 17* ebenso. 
« Ifi.- 

„ 20 ** bis Z. 2Ü contra- 
fju-tum. Strafe 

ebenso. 

. 21* 

„ 2'2.* ebenso. 
„ 23.* 

„ 24 * ebens«». 
„ 2ü***bisS.15iL Z.iaut 
supra. 

2lL 

•27.* ebenso. 
32 * bi.sS.162.Z.6 ct c- 
daturei ; ebenso. 

33. 

3^1.* ebenso. 
85 ** bis S. 163, Z. i ut 

supra; ebenso. 
M* ebenso. 

31. u. as. 

3iL** mit Kubrum von 
C.3.c.:j8;bisZ.ll 
partem poenae. 
ÜL** bis Z. 2i illos; 
ebenso, 

41. * ebenso. 

42. ** ebenso. 

43 * ebenso. 

44 * 

AR.* ebenso. 
46.** bis Z. 2ü molito- 
rem; ebenso. 



362 



Alexan- 




Zweites Statut 


IJdal- 








drinische 


Roverctauer 




ririanische 




CSes'sche Statateo. 


Statuten. 


Statuten. 


äiudiker. 


Statuten. 








m.88. 






48.**» 


m. 


236. 


n. 47.« 


eboiflo. 








44** 


w 


237. 








. 40. 






45. 


n 


238. 




48.»» 


eben.so 


, AI** 


Alt« 


66. 


46. LAbsats. 


n 


239. 




49.»* 


bisSieS^Zulven- 


















diderit. 


» 42.** 


ft 


75. 


47. 


n 


241. 




51.* 


ebeuso. 


• 43.*» 




86. 


48. 


fi 


242. 


» 


52.* 


ebenso. 




n 


95. 


49,*»* 


m 


243 


m 


68.»* 


bia 8. 169 kttte 


















Zeile ae vidnn; 
ebenso. Es fddt 


















Z. 25 etiam — 






96. 












Z. 26 {Ktssit. 




n 


50.*** 


n 


244 




54.»* 


bis S. 170, Z. 13 






97. 












de palis; ebenso. 


, 46 • 




61.*w 


m 


245. 


» 


55.*» 


Ea fehlt 8. 170, 


















Z. 29 Sed 81 - 


















Sobloss des l.Ab* 


















Satzes; ebeoao. 


n 47** 




98. 


52. 


n 


246 




56.* 


ebenso. 


n 48.** 


)f 


99. 


53.*** 




247 


n 


57.* 


ebenso. 


. 49. 


n 


100. 


54.*** 


n 


248. 


M 


58.***e]MiiM. 






101. 


55.«*» 


« 


249. 

M EV ff 


m 


69.* 


ebaiiBO. 


, 51* 




102. 


56. 


B 




n 


60.«* ebenao. 


p 52.*»* 


fi 


103. 


57.*** 




251 


n 


61.» 


ebenso. 


« 53. 


n 


104. 


58.*** 




252. 


It 


62* 


ebenso. 


• 54.** 


II 


106. 


59**» 


n 


253. 


II 


63.** 


Letzt.' Z»nlö fehlt 


















et uihüu minus — 


















8eUiU8. 


, 56.« 


* 


107. 


60.*« 


II 


254. 


« 


64.«* 


ebenso. 


p 56. 


n 


108. 


61. 


1» 


255. 


n 


65. 




. 57.*» 




110. 


62 


fi 


256. 


II 


66.» 


ebenso. 


r, 58. 






69. 7. Absatz. 


«1 


257. 


n 


67.** 


ebenso. 


„ 59.* 


n 


III. 


63. 


n 


258. 


»» 


68.* 


ebenso. 


» 60.** 


II 


145. 


64. 


n 


259. 


»1 


69.** 




» 61.*» 


» 


47. 


es.*** 


n 


260. 


H 


70.* 


ebenso. 


« 62. 








n 


961. 


II 


71. 




• 63. 






66. l.u. 2. Ab- 


n 


262. 


II 


72.* 


ebenio. 








satz.»»» 


U. 


263. 








. 64. 






66. d.AbsaU. 


n 


264. 


II 


73.*» bis Z 8. «baer- 


















Viitaiu. 


n 65. 






66. 4. Absatz. 




265. 


B 


74.» 


ebenso. 


. 66. 






66. 5. Absaia. 




266. 


» 


75.** bisZ.26cireaIot. 


■ 67. 






66. 6.Ab8ats. 


* 


267. 


II 


76.*« bia Z. 3 ad nuniif. 


. 68. 






66. 7.Ab8ats. 




268. 


II 


77.** 


bia Z. 9 poUidi. 



Digitized by Google 



263 



Rovoretaner 
Statuten. 



ZwdtesStatut 

Sindiker. 

66. 8. 1.9. Abs. 

67. *»* 1.-4. 

Absatz. 



ridanisolie 
StatntMi. 



m. 



67 l«tstor Abs. 



Alte 



15U. 
151. 



63. 



69. 1.— 4,AbB. 
69. 5.Absatx. 
69. 6.Ab8.»'» 

69. 8.Absatx. 



269. 
270. 



271. 
272. 



273. 
274. 

275. 

276. 
277, 

278. 



279. 



280. 
281. 
282. 



CSIe8*sehe Stataten. 



II. 



78.* 
79. 



80. « 

81. «* 



82.» 



ebeuso. 

mit den folgenden 
drei AbiAtsen bis 
8. 179, Z. 23 quam 

qaatuor f^ossos 
(für charantanos). 
S. 178, Tarletzte 
Zeile fehlt vel — 
coctuiu. Die Preise 
u. Bussen wie im 
tweitenStatat67. 

Es fehlt S ISO, 
Z. 10 liiuitandis 
— Z. 13 taiitum. 
Die Preise und 
Bussen wie im 
zweiten Statut 68. 



88.«* bis Z. 18 sollici- 

tantfum. 
84.*» bis Z. 27 oontra- 
facientibus. 

85. 

86. ** bis Z. 16 fxppilire 

für expedieiiä. 

87. * 8. 184, Z. 2 qua- 

rum penarum ter- 
ci:i pars applice- 
tur liomiüo, tercia 
pars oommunitati 
et alia tercia pars 
inventori. 

88. * Z. 8 für quorum 

— iurisperitus: 

iurisperiti. 
S^^* bis Z, 18 noUa. 
90. 

91.* Z. 18fllrsaperin8 
— ezpressis : videlioet in 

nundinis palmarum, 
sancti Johannis Baptifte, 
bmcü Michaelis «t sa- 
orarum sanoti Tigilii. 

Z. 20 für poenae — 
Schluss: applicetur do- 
miuo alia medietas com- 
munitati. 



Digitized by Google 



264 



Alixan- 
drinische 
SUtutoo. 

m.86« 



87* 



88* 



. 89. 

. SO. 

n 91. 

» 92. 



93. 



» 96. 



Roveretaner \ 
Statuten. 

Alte 64. 



' ZweitesStatut | Udtl- 

<ler ricianische 



33. 



38. 



170. 
76. 



Cles'«ohe Statuten. 



Studiker. 



Statuten. 
UI. S88. 



284. 



285. 



286. 
887. 
888. 
289. 



890. 



a 98< 



93. 



94. 



n 95. 

n 96. 

. 97. 

- 98. 



• 99. 



ff 



291. 

292. 
293. 



100. 



102. 



Z. 35 nach donii- 
m:^iioopietcoD' 
aolum et proviso 
rutncivitati« 7.^^2 
mich ileiKvriuruui: 
Trideuti domiuo, 
qaarta pars eam- 
munitatietqQarta 
iwn aociuatari. 

Z. 9 domino fftr 
oommunitatL 

Str;it't' ([uiiiil'/i iiu 
libliä. Z. 22 für 
oommnnitaU — 
Schlase: domino, 
quarta pars com* 
muuitatiottiuaita 
acousatori. 



Z. 23 die Strafe 
quadraginta soU- 
dorum. 

Z. 5 und später 

fehlt liufyrum. 
Z.lOStmfbestira- 
luuug viginü soli- 
dorum. Für Z. lo 
et obarent&uurom 
Z. 18 bntjri: 
et quieque eoli* 
dos pro qnoUbet 



Z.22Str«fbesÜni- 
mungTinginti so- 
lidonimden.Trid. 

Z. 21 Straf be- 
stunmnngen soll- 
dos Tiginti, soli- 
de« decem. 



i^iy u^L^ Ly Google 



Alexan- 

drinische 
StetatoD. 

III 97 * 



98.* 



99. 



100. 



.101. 



,109.» 



n 103.»» 

, IM.»* 



Kovoietaiier 
Statuteu. 

Alte 113. 



114. 



r> 



143. 



155. 
156. 



. 105.»* 



159. 



ZwiitiwStatat 
Stndiktr. 



ridaiiiMlie 
StatutNi. 

m. 294. 



295. 



296. 



297. 



298. 



n 



300. 
301. 



GWsche SUtnten. 



II. 103. Z, 4 Strafer quin- 
que solidos dea. 
Tridentinotum 

» 104.* 7). 15 für pro qua- 
libet — Schluss: 
nt alii punientnr 
teeundttin qnod 
scriptum est 

t, 105.* StnfbeatimiDiuig: 
ceatum solidontm 
Trid. 

» 106.» S.191,Z.88tnfe: 
I on tu miolidoiliiii 
den. Ver. 

, 107.** bis Z. 14 fuerit. 

Z. 9 fehlt de — 
ii' C. Dio Kubrik 
passt uichi hie- 
her, souderu zu 
A 3, 0. 90. 

„ 108. bis Z. 2(3 auoum. 
Z. 25 oadi profi- 
aoribui: et pro- 
euntoribus. 



„ 109. 
« 110. 



Z. 12 fehlt aucu- 
pes sive. Z. 13 
fehlt aueupari si- 
re. Z. 14 Strafe: 

ceutuiD solidorum 
den. Vor. Z. 19 
fehlt accipitrem 
sive. 

n ni.***Z.2G nach Ucen- 
iia: domiul epi- 
wofl Tel eiiu ca- 
pitan«i.Z.29naoh 
applieetar: domi- 
no, quarta pars 
communitati et 
rellqua quarta iu- 
Tentori.ii. s.w. 



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266 



Alcxau- 
drinischc 
Ötataten. 

m.io6* 



.107. 



lioverntauer 
Statuten. 

Alte 160. 



i ZwMtesStatnt 

j der 

Sindiker. 



109. 



M&ller- 
ordnuDg 
TOD 1805. 



ricianische 
Statuten. 

m. 808. 



804. 



805. 



306. 



Ctee'eehe Stataten. 



n.U2.«^Z. 15 für iliqnid; 
eliqnod nstnine- 

nium (sie!) extn 
civitat«m et di- 
!5trictum Tridenti 
eitrahere per ^ 
Tel per ;ilium, ei- 
oepto »iuam pecu- 
aiam «mnin vel 
Mfentum extrac> 
tum exvictualibus 
conductis ei ren- 
ditis et exceptio 
aliis, que licite et 
impnne expotiri 
poMimtw 

« 113.** Z. 30 fehlt fa- 
ciens — civitatis. 
8. 194, Z. 1 für 
oommnmtati 
Schluss: domino 
et alia medietas 
conimunitati et 
accusatorL 

.114.« Z.10Stranieetijn- 
mang: deminoiO- 
lidos sexaginta 
den. Ver. 

, 115.» S. 194, Z. 97 do- 

minonim — Z. 28 
Tridenti: arbitrio 
d< episcopi vel eius 
locum teneotis. 
S. 195, Z. 10 Strafe: 
Mzaginta eoUdo- 
mmdenYer. Z.I6 
für mensem : quin* 
deeim dies. 

Gar, Statutl della dttä di 
Tranto 206 f. 



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267 



Alezan- 
driniMhe 
SUtaten. 

ürtheil 
TOD 1412 

Febr. 25. 

st&fcutomiD 

* • 

contra 
moieudiua' 
rioia.a.w. 



BoT«retu«r 
Statuten 
Ton uns. 



Zweites Statut 

4«r 
Sindiker. 



Udal- 
ricianisehe 
Statuten. 



Qee'eohe Statuten. 



m. 307. 



U.215f. 



S,e.l88, Z.25 Strafe: vi* 

ginti solidonim 
deu. Trid. und so 
immer. S. 206, 
Absatz 7 folgt 
nach farimun: ad 
hoe, nt molendi- 
narii non eomit- 
tant fivudem in 
farinam, cum er- 
ror posterior peior 
esset priore, si 
poeeent bngatare 
poit ponderatio- 
nem, qoia leriter 
possent ftandem 
oomittcre ooulte 
et impuue. 



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Inlialtsangabe. 



Etnloitung 85 

L Ple Stat uten des 14» Jalir]inndert8 88 

Älter der Wiener Handschrift der Statutt-n S. 88 — Schrift 
dos Codex S. 89 — Sprache S. 90 — Heinrich Stang von Nomi 
ä. 91 — D«r Thun'scLe Codex der Statuten S. 94 — bietet 
bessere Lesan^n 8. 95 » Volksspraohe in Trieut S. 97 Die 
ToiiiAschek*aclie Beeension eine Überaetsting 8. 101 — HiMrer- 
•ttbudniaM» dieser Beeenmon 8. lOS ~ Die Obenetennip ein» 
Privatarbeit S. 1S8 — A&ordnnu^ der älteren Statuten S. 129 — 
DIi-1 R(;veretnner Statuten von 1426 S. 130 — Verg'leichunp Acr 
Trientor mit dci) lioveretaner Statuten S. 133 — Älter der Über- 
setzung S. 143 — Das Ämt der Sindiker S. 144 — Das Statut 
der Siiidiei 8. 147 — Andere Brndwtficke der Statnten 8. 15t — 
Älter der StatnteneompiUtion 8. 164 — Die Urkunde von 1S75 
8. IftS — Oo se tee Btsehof Egnos 8. 167 Cuuiut «onranis 8. 168 

— IVirichöflicher Vicar S. 159 — Die Sontlerstatuten von Riva 
und Judicarien S. 160 — Entstehung der alten Statuten um 1305 
oder ISOfi 8. 163 — Bestandtheile tiiul Ent^tnluiuf: der alten 
Statuten S. l(iö — Di© neuen Statuten S. 169 — Verwandtschaft 
der alten Steinten mit dem Teroneser und Ticentiner Beeht 6. 174 
— > BenBtBttng der Yicentiner Statuten in den neuen Trienter 
8. 181. 

U. Die Alexradrlnlscheii ud UdalricianlBekeii fitataten .... 186 

Verordnungen der Bischöfe Älbreclit und Georg 8. 185 — 
Das Trivileg^ von 1407 Febr. 28 und die Stadtverfn««5iin»r S. 186 

— Spätere Privilefrton 8. 180 — Di*- Intiäbruckur liandiiehrift 
der Älexandriiüscheu Statuten S. — Inhalt der Älexandriui- 
sehen Statuten 8. 194 — Besehwerden der Denteoheu gegen das 
Stadtregiment 8. 211 Udalriciantsche Stotaten 8. SIS. 

Beilagen: 

1. Bischof Egno «etat Strabatsungen gegen Schleichhandel und 

Hehlerei mauthpflichtigcr Waren. 12G4 Oct. 13 818 

2. Bischof Egno ordnet die K'nilH<re>rung von Getreide, Uttlaenfrttchten 

und Sah im La3:(>rh:iuiäü an. 1264 Nov. 24 819 

3. JSiculauH dt) Cüutessa, Hauptmann des Grafen Meinhard in Trieut, 

befreit die Schiffer yon 'Krient Ton Abgaben «ind Wadidienat 
und «etat Gastaldeu ihrer Zunft. D«r B«th too Trient be* 
st&tigt diese Anordnungen. 1866 Febr. 87^88 881 



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269 



4. ÜberM-ltrift und erstes Capitol der alten Statuten nach der Tbun- 

scbeu Haudschrift 2'22 

6. Der Stadtrath Ton Trient erwählt Siudiker. 1342 Nuv. Vd . . . 2*23 

6. VerMichnis der too Eselin von Gampo, Vicar det Markgrafeu 

Ladwif von Brandenbnrg, abgehaltenen Geriehtatage. 1365 

März 3 <ri^. 7 S84 

7. Biächof .Jniiann Hiiitlorbripli erlä-'-t an Paul de Oriano von Brescia, 

PodextA von 'J'rieiit, c'ww Krklürung über die Geltung getilgter 
Capitel im 8tatutencodex. 1484 Aug. 4 228 

8. Denkiditift de« Qiampietro Gaudini von Breacia, PodestAs von 

Trient, aber die Beform der 8tatateo. 1485 830 



9. Beaehwerde der Trtenter Unterthanen Uber einialne Besttmmnn* 

gen der Statuten und Übergriffe der Bürger. 148S 1491 . . 288 

10. Be^iluMfl (le't HifiliofH Ulrich TN auf dii« IV'.Hcbwerdon der 

DetitKchun und die Oenk-scJirift dr-s rddostäs (iandini 1490 23d 

11. Vergleichuugstabelle zwischen den alten und neuen Statuten, den 

Statuten von Bovereto nnd den alten Statuten der Sindiker . 244 

12. Vergleichungatabelle swischen den Alexandriniichen, den Bovere- 

taner» den Udalridaniwben, den «weiten Statuten der Sindiker 
nnd den CIee*schen Stetnten 260 



Niielitrfl|?e. 

Zu S. III. llolztritt auf der Etßdi tinde ich naclitriiglieli in ürkuude 
▼on 1425 Oct. 1 1 Innsbruck 8t.-A., die einen Tarif der Mantb von San Mar- 
tino in Trient eathftlt: Item de qualibet rate Hgnamlnis pro ripaticu per^ 

ctpiuutur .... «ex aolidi « et li dietnm lignamen non conduceretur in 

ratibos et laberetnr per aquam, paciscuiitur cum illtii a lignamine de dicto 
ripaticu. Dadurch wird da« a. n. n Ansf^cfiilirto iiiclit borfilirt. 

Zu JS, 157. über die Anfange Bischof Hein^cll^^ ll.jot/t atu-li Wilhoitn, 
Mitlh. doH Institutj« für östorr. Geschichtsforschung 23, 435. £r nimmt als 
Tag dei lanauga in Trient den 17. JXnner an, ich mOcbte am 18. ftatfaalten, 
nm dem Biacbof die nochmalige B^ae nach Boaen au eraparen, wo er noch 
am 18. J8nner urkundet (Dominei, Begetto ebronologico 610). Auch 
spricht d&n Aetenstflck deutlich von der Conversio sancti Pauli, von der es 
die acht Tage Eurüt-kzählt Da«t Aptf>iisinek. das Wilholin horaiizleht, i.st ein 
Verzeichnis von Bewcisartikfln in einem Prucc-s.^c der );i#chiitiichen Mensa 
und ihres Auwaltti uud Verwalters Odoriuh von Ho^en gegen den Krämer 
BoNom und Genossen um Herausgabe bischsflieber Gfiter. Odortch sucht 
einemeits eine Verleihung des Bischof Egno als reebtsungiltig au erweimn, 
andererseits <lie Kinrcde der VerjXhmng oder Enitattng durch den Hinweis 
auf die langdauemde Abwesenheit der Bischöfe, vgl. T 99 — B 79, ans< 
suschlieasen. 



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TIROLS 

ERBTHEII^UNG 

UND 

ZWlSCHENJiElCH 

1595-1602. 

fON 

J. H I £ K 



AMbIv. XGII. M, IL HlUlfc 18 



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A^remsamt und ohne den TroBt, die Eigenlande einem 
erbbereclitigten Sohne zu hinterlasBen, Bchied Erzherzog Ferdi- 
nand von Tirol im ersten Monate des Jahres 1595 ans dem 
Leben. ^ Die beiden Söhne^ stammend aas der ungleichen Ehe 
mit der sehVnen Welserin, besassea kein Successionsreeht. Sie 
waren den Übrigen Verwandten wie Inventarstucke, die ihnen 
nnliebsame Verlegenheiten bereitend im We^e standen. Mit 
dem einen Satze aber, dass Cardinal Andreas und Mark«rraf 
Karl nicht nachzufolgen haben, war die Frage, wer nun Tirol 
und die Vorlandc regieren sollte, noch nicht gelöst Zunächst, 
ohne viel Unifra<^e zu halten, nahm Rudolf II. da:^ .Wesen' in 
die Hand; zum Zeichen <1 linr hatte liei^iment und Kammer bei 
den Ausfertigungen sich iles kaiserlichen Secretsiegels zu be- 
dienen." Der Kaiser stand damals schon in der Periode krank- 
hafter Abschliessung nach aussen. Das machte den Mangel 
eines gegenwartigen Landesfürsten noch emphudlicher. Der 
gemeine Mann glaubte, es gäbe vorläufig keinen Herrn. Jene 
Bevölkerungötheile, die sich besonders gedrückt fühlten, schickten 
sich an zur Selbsthilfe. Die Schwazer Knappen, unter denen 
es schon vor zwanzig Jahren Auflauf gah wegen der Neue- 
rungen im vSeheid werke mit dem Rcbsieb,^ rotteten sich zu- 
sammen und nahmen gegt^n die Faetoreu, die Vertreter der 
Gewerken, eine drohende Haltung an. Mit MUhe stellte man 
allfflälig die Buhe her> 

* Vgl. Hirn, Erzherzog Ferdinand II., II. Bd., p, 518. Die dort gebrauchten 
Abkürzungen für die citierten Archivali«! kommen auch in dieeer Ab- 
handlang %vt Verwendung. Das Hans-, Hof- nnd StaataareliiT in Wien 
ist mit St-A. beseiciioet Herrn Seetioncrath Felgel aehnlde ich beeon« 

•lerfiii Dank. 

' K.iis. rlit he Weisung vom FehxVMX 1695. G. fl., fol. 6, 

* Hira 1. c. I, p. Ö62. 

* lieber diese Knappen bewegnng werde ich an anderem Orte ansfOhrlicher 
handeln. 

19* 



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274 



Die BAuernscliaft hatte eine andere BeBcbwerde. Aehnlich 
wie Bein GrosBvater Maximilian I. hatte der Tentorbene Ers> 

herzog das Jagdregal ausgenützt. Manche Landesdieile schienen 
vornehmlich nur bu Porsten bestimmt, zur Befriedigung der 
fürstlichen Waidmannslust. Hirsche und Schwarzwild verur- 
sachten grossen Schaden, ohne dass es dem Bauer gestattet 
war, sicli dagef^a-n zu schützen. Das Forst^jcrsunal zeigle nicht 
selten empörende Märte und Willkür. Die auf den Landtagen 
vorgebrachten Beschwerden hatten keine Abhilfe gebracht. 
Nun lebten zwar nur ganz wenis: Leute, welche noch die 
grosse Bauernerlicbung in den Zwauzigerjahrcn dieses Jalir- 
Ininderts mit nngestdicii hatten, aber die Erinnerung daran, 
durcli die fortdauernden Misstände genährt, war noch nicht 
erloschen. Gerade vor einem Jahre hatte Ferdinand nocli 
einen offenen Landtag gehalten, auf dem aucli die Ivlnire <»b 
des zahllosen Wildes erneuert worden war. Man hatte Abhilfe 
in Aussieht gestallt, und in der Hoffnung, dass dies ernst ge- 
meint sei, hatten die Bauern Zäune angelegt, um sich ihre 
Saaten zu schützen. Alsbald aber waren die fürstUchen Jagd 
leute zur Stelle und nöth igten zur Entfernung der Gehege, da- 
mit das Wild seinen freien Gang habe. Das erzeugte Erbit- 
terung. Wie man nun vom Tode des Erzherzogs erfuhr, 
machte sich der Unwille Luft. Es gab Worte zu hOren wie 
nach dem Hinscheiden Maximilians: jetat gäbe es keinen 
Landes6lrsten mehr, weiss Gott, wann einer wieder ins Land 
komme; man wolle die Hirsche erwürgen und Alle, die da- 
wider redeten. Manche beriefen sich auf ein angebliches Recht, 
demzufolge sie von altersher befr< it seien, nach dem Tode 
eines Landesherrn sich selbst des Wildes zu entledigen. In 
den ersten Tagen des Februar 1595 gab es in den Gerichten 
des Inn* und Wippthaies eine arge Uazzia gegen alles Jagd- 
gethier, namentlich die Hirsche. Im Dorfe Müs ^ allein rotteten 
sich 300 Banem. Als einige Jäger erschienen und sie mit 
groben Worten anrechtwiesen, wurden sie ttbel tractiert und 
ihrer Waffen beranbt.' Besonders arg ward im Reviere am 
den Ahensee gehaust Dort stellte sich ein gefürchteter Wil- 
derer, das ,Hirschmandl', gegen den schon Ferdinand eigene 



' Bei Hall 

* A. K. M. 1695» fol. 16, 369, 4tO, C. D. 1695, M, S58. 



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275 



Mandate erlastea hatte, als ^rechter aiifvriegler und principal 
wildbretBchllts' an die Spitze der erbosten Bauern. Eine Menge 
Wild wurde erlegt, sie haben es ,daselbst und gar in der roten 
Alrstsbehansang, die sie zn ihrem unterschleif gebraucht, yer- 
dampfet und verbrasset'. Es ward eine solche Niederlage an* 
gerichtet, dass Markgraf Karl yon Burgau, als er nach Jahr 
und Tag die Ahenthaler Forste durchstreifte, nicht ein einziges 
Stück Wild zn sehen bekam.^ Zu kräftigen Gegenmassregeln 
fehlten der Regierung die Mittel, sie muaste also subtile wählen. 
Es ergiengen Mahnschreiben, worin Abhilfe in Aussicht gestellt 
wurde. Den Leuten wurde erlaubt, Zäune zu bauen und Hunde 
zu halten. Der oberste Forstmeister Ipphofer wurde angewiesen, 
seine Leute zur Bescheidenheit zu verhalten. Indem die Räthe 
die peinlichen Vorgänge nach Prag berichteten, wiesen sie dar- 
auf hin, dass leider mehr Wild gehegt würde, als .das enge 
gebirg ertragen' kuiiu.^ Leider hätten ilirr U;itlj<( iil iu;! ])eim 
verstorbenen Erzherzog nichts gefruchtet; es sei zu bedenken, 
dass der grosse Bauernkrieg mit einem gleichartigen Humor 
begonnen habe. Vom Kaiserhofe kamen beruhigende Wei- 
sungen: es möge Alles geschehen, was auf den letzten Land- 
tagen zugesagt wurde; mit Jägern und t ursiineistern sollen 
die TJntcrtliancn möglichst verschont, ,niit dem überflüssigen 
geheg soll innegehalten' werden. Die besonnenen KK^inente 
unter der Bauernschaft tbaten sich zusammen, foi niiilierten 
ihre Beschwcrdeselirilten gegen Alles, wodurch sie sich der 
Jagd halber beschwert fühlten, und leiteten sie an die Re- 
gierung. " Diese beeilte sich, dem kaiserliehen Auftrage nach- 
zukommen, verbot den Verkauf von Waffen und Sehiessbedarf, 
stellte Verzeihung in Aussicht, wenn Ruhe einträte, und be- 
gnllgte sich, ein paar Rädelsführer mit zeitweiliger Landesver- 
weisung zu bestrafen/ Dass im Frühjahre zahlreiche Truppen, 



^ Bwieht Karl« «n di0 Kammer, 80. Jnni 1698, Leop. A. 889. 

* Ein aodansmal Mgt die Regierung, die Leute etieb wirklich ,dareh 
unbilHiren ^w.nnrr nnd mutwiUen' der Jigßt ax|^ geMhädt^ worden. 

A. K M. IfjO.-), fol. .H67. 

* So die (inriclite Tluinr, Sonnt-iiburpf und Steinnch. lu letzter(>ni ki.igten 
die Löutö auch uauieutlich darüber, dass sie zum Treibeu geuütiiigt 
wurden. 

* So wurde Bteei Heller in Hlle (bei Hell) anf drei Jahre TerlNinnt, ob' 
gleich er nar ein BtOek Wild geOilt hatte; aber er hatte die Benern 



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276 



von Rom, Mailand und Mantua als Hilfsvöiker gegen die Türken 
dem Kaiser gesendet, durch das Land sogen, hat sonder Zweifel 
sar Beruhigung der BeyOlkerung beigetragen.^ So trat in der 
aweiten Jahreshälfte wieder allgemach Rohe ein; doch Hessen 
sich die Wildschützen »noch immer etwas merkend' Ungern 
vernahm die Regierung Uber noch fortdauernde Rottierungen 
▼on Wilderem in Leutasch und Ehrwaid,' obgleich ,nicbtB 
sonders mehr an wildpret vorhanden war*. 

Diese Bewegung unter den Bauern und jene unter den 
Knappen war nicht das Einzige, was der Regierung Besorg- 
nisse erweckte. Die Lage der Vorlande hielt man nicht filr 
ganz gefahrlos. Gar sehr hfttte man gewttnscht, dass der 
Kaiser den badischen Hausstreit endlich einmal beigelegt hätte. 
Dieses GefUhl der Unsicherheit bewog zur Transferierung eines 
grossen Theiles der Besatzung (mehr als 100 Mann) vom ex* 
poaierten Lttders nach Breisaoh. Dass Cardinal Andreas als 
Yorlttttdischer Statthalter ,angleiche befehle' erBess, beklagte 
man in Prag wie in Innsbruck.^ Württemberg machte bereitB 
kein Ilelil daraus, die österreichische Afterlehenschaft abztt- 
thun.^ Die Zuversicht der Innsbrucker regierenden Kreise er* 
liühto es iiichL^ dass der Kaiser noch im März 20 der schwer- 
sten Geschütze aus dem laudcäUastlicheii Arsenal nach Wien 
abiuLren liess. Das Land, 60 klag-te man, sei dadurch gar ,ent- 
blüssr, und vom Versprechen eines Ersatzes in Kohmetall hielt 
man nicht viel." 

Man besclirilnkte sich nicht auf eine eifrige gegenseitige 
Correspondenz zwischen Böhmen und Tirol, sondern zwei der 
angesehensten Mitgheder des Regiments, Kammerpräsident Cy- 
riac Ileideureich und Regierungsrath Christoph Vintler giengen 
alsbald selbst an den Kaiserhof, um des Landes Lage und 
Bedürfnisse dort auseinanderzusetzeü.^ Der Kaiser berief ein 

MinM Ortes iluammeiiffeniliBii tmd mit einer Ampraehe ermuntert 
K. M. 1698—1699» foL 68S. 

' M. a II. 159Ö, fol. 25, 34. 

^ ChrUt. Vintler an seinen Vetter, 2& November 1696, A. & ^ IX, 46-^- 

» A. K. M. 1695, f. 417. 

* A. K. M. 1&95, fol. 47 und 83; G. v. H. lööö, fol. 51, 

* Vgl. darflber den SohltuM dieser Abhandlung. 

* M. a. H. 1696, fol. 18. 

* Zuerst tcak der Kaiser in direete Ftthluag mit dem Begunente durch 
Bntseiidttog dee Adam Oall Popl t. Lobkowia (aafknga Februar). 



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277 



Mitglied des tirolischen CoIIegs, Konrad Dezius, zu dauernder 
Dienstleistung iUr Erledigang der tirolisohen Sachen nach Prag. 
£b dauerte nicht lange und man sagte ihm naeh^ er treibe 
ykaufmannsohaft mit der tirolischen ezpedition'.^ 

Des Kaisers erste Willenserklärungen lauteten auf Ver- 
hindemng aller NeneruDgen, Eröffnung des Testamentee des 
Verstorbenen, baldigste Vornahme der Erbhaldigung und Be- 
rufung der StAnde, in deren Gegenwart die feierliche Bei- 
Setzung Ferdinands Toraunebmen wäre.' Namentlich die Hul- 
digung sei nothwendig angesichts ,der schwierigen bauem, der 
unruhigen knappen und der friedhxssigen nachbarschaft'. Von 
diesen Punkten bereitete natürlich die Testamentseröffiiung die 
wenigsten Schwierigkeiten. IMe Urkunde nebst Codicill wurde 
▼on Qraf Gkorg Nogarol, Kail Schürf, Heidenreich und 
Anton Brandis im Wappenthurm erhoben und eröffnet* 
Ebenda lagen auch jene awei Hauskleinode, Eingehttrn und 
Aehatschale^ die stets yom Aeltesten äev Familie aufbewahrt 
werden mussten. Sie kamen jetzt in die Prager Schatskammer> 
In Gegenwart einer ähnlichen Oommission Hess der Kaiser den 
höchst ansehnlichen Barschatz des Erblassers (nahezu 100.000 fl. 
in verschiedenen Sorten) erheben als hochwillkommenen Bei- 
trag, wie versichert wardc, zum Türkenkriege. Ein kaiser- 
liclier Obligutionsbrief erklärte den Erben, dass hiedurch Nie- 
mand in seinem Anreclitc auf die Erbschaft verkürzt sein soll.'* 
üie anderen Theile der kaiberlichen Weisung waren nicht so 
glatt abzuthun. Die Regierung machte anfmerksam, die SUlnde 
dürfe man nicht früher zur Erbhuldigung berufen, bevor es 
genau feststehe, wem sie zu huldigten haben; eine Huldigung, 
lautend auf das Haus Oesterreich ,iu gemein', würde verweigert 
werden. Seien ja schon 1522 vor der Länderthcilung zwischen 
Karl Tind Ferdinand die Huldigungscommissäre nn verrichteter 
Dinge aus dem Elsass abgezogen. Bis Liichtmess 1596, so 



* St.-A., Karl Schürf an Erzherzog^ia Maria, 1. November 1597. 

* V. A. K. M. 1596, fol. 18. So auch Kudolf «n Erzhersog Mathias, 14. No- 
vember 1596. Leop. A., 339. 

* DiMe Iterren rertnttm. dabei die erbbereelitifteii Agnaten. 

* Dm liuidMbriftliehe Oripnal de« eivten Theilee vom ,Bhranweik* des 
Jakob Schrenk Hess der Kaiser gleicbAüls nach Plreg bringen« 

^ ddo. 16. April 1595, Cop. im SL'A. 

* M. a. H. 1696, fol. 70. 



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meint*- uian in Innsbruck, könutf: na- bereraijri nrA «^^r Lasd- 
tajr }>f rufen werden. Al>* r ^oi'-Ke Kechnims: war t>hne den 
W irt goiUAcbl, eine i^nigimg unter den lieben war schwer xa 
erzielen. 

Als Krben traten nach Ferdinands Tode die beiden noch 
lebenden ilauptlinien auf: die Söhne Maximilians II. mit dem 
regierenden Kaiser als ältesten an der Spitze nnd die Kadh 
kommen^chafi Karls von Innerusterreich. Es trug mcbt nr 
Vereiniachaog der Verbaadlungen bei, dass alle Sprossen de» 
Qrazer Hanaei in dem Augenblicke noch minderjähng waren. 
Ihr oberste r Vormnod, der Kaiser, war ja selbst Partei und 
sollte sich deshalb, wie dies al^^bald auch aoBdrftcklich betont 
ward, in der tirolischen firbscbaA&sache tmeir Gerhabschaft 
nicht bedienen.' Abgesehen von Differenzen minderen Be- 
hinges traten sich zwei Anschanungen schroff entgegen: die 
eine, welche den Antritt des nogetheilten Ländererbes, die 
andere, welche die Theilnng veihuigte. Drstere Tertral Ter 
AUem der Kaiseri letztere die steuiBche Linie, insbesondere 
Erzhersogin Mari» mit der ganam Lebhaftigkeit ihres 
Wesens. Was immer auch im Verlaofe der manchmal hitng 
gelehrten Verhandlangen die SteiermArker an Gründen ftr 
ihre Forderung anfilhrlen, so war doch nicht die innere Üeber* 
aeugong yon der Znltfssigkeit oder Trefflichkeit einer Theiluog 
für sie das Massgebende, sondern nur das Misatrauen, es mdehte 
im Falle der Uniheilbarkeit der Kaiser allein die Früchte der 
Erbschaft einheimsen.' Von diesem Misstrauen erAiUt, tritt 
der Orazer Hof an allem An&ng schon in die Behandlnog der 
Erbfrage ein. Noch bei Lebseiten Ferdinands von Tirol, da 
sich Maximilian, der Deutschmeister, an Besuch in Innsbruck 
be&nd, meinte eine der Graser Frinsesstnnen: ob sich etwa 
Maximilian in dss Erbe ,e!nflieken' wolle und ihre Brüder das 
Nachsehen haben sollten; der Kaiser wolle am Ende ganz 
Tirol ftlr sich allein nehmen.* 



' 80 auch ein ansfUirlbAes Gatachtoa (undatiert} im Bt-A. 

* War doch gerade Karl von Stetenaark der ente geweeen, der gegen* 
aber den leit Perdioaiid I. wieder emporgekommenen Th^vQgsleiideiiMB 
in seinem Teeftemente die UntfaeilbarkeU seiaei Lladeigebietae anbefidiL 

* Harter, Geschichte K. Ferdinande II., 3. Bd., p. 280. Dem dae Intai^ 
esse Mntimilians bei diesem Beiaeh« enf andere Dinge gerlehtet ««r* 

darüber s. Uirn 1. c. II, p. 301. 



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279 



Katun war die Nachricht Yom Tode Ferdinands nach 
Graz gekommen, so eetste eich Ershensogin Maria mit ihrem 
Berather, Graf Hans Ambnw Thum, in Verbindung aber die 
Frage, wag aie im Interesse ihrer Kinder der tirolischen Erb* 
Schaft wegen an den Kaiser schreibeii sollte. Der bedachtige 
Thom rieth, nichts za ttberstttraen, lieber den Kaiser heran- 
kommen zn lassen, und znnttchst einmal den Erzhersog Maxi- 
milian, damals noch Gnbemator yon InnerOsterreich, ,aus8a- 
fischen'. Wttrde man beim KaisOT bedenkliche Absichten 
spüren, so sei ftlr die Erzherzogiu-Matter Zeit, ,einzu8prengen'. 
Freilich wttre ab erster dazu dex Gnbemator Maximilian be- 
rufen; aber der sei ebenso wie der Kaiser einer der Mitinter- 
essenten/ und so sei von vorneherein die Sache schon recht 
,bauftlllig'. Soweit es auf den Pra^i;er Hof ankomme^ werde 
man eine Krledi<:^ung schwerlich erleben. In Graz hatte man 
sclion eine Liindcrtheihing im Sinne; aber Thurn verwies auf 
das Testament des Kaisers Ferdinand I. und auf die Stimmung 
in Tirol, beides sei gegen eine Theiiung. Der Graf gab vier 
Möglichkeiten zu bedenken: Bestellung eines ^ansehnlichen' 
Statthalters, welcher die Einkünfte zur Abledigung der vielen 
,ttberfliit;sige.n* Schulden verwende; Verwaltan«: des Landes 
ohne Statthalter, nur durch die jetzige Regierung, welche die 
Laudessteuem zur Schuideniilgung benützen, das Einkommen 
aus den übrigen Gefällen den beiden erbberechtigten Linien 
(der , Maximilianischen und Karlischen') jährlich zu gleichen 
Theilen abführen sollte; Theiiung Tirols und der Vorlaude 
unter die beiden Linien, wobei jene, die den eintr.Hglicheren 
Theil tiberuimmt, der andern die Differenz zu zahlen hätte; 
Uebernahme des ganzen ober- und vorderösterreichischen Erbes 
von Seite der Grazer Linie, wogegen dieselbe auf Steiermark, 
Kärnten oder Krain verzichtet. 

Auch Erzherzog Maximilian erbat sich den Eath des- 
selben Grafen in der tirolischen Angelegenheit. Thurn, welcher 
das Interesse des Grazer Hofes fördern wollte, gab zur Ant- 
wort, die Bestellung eines Statthalters in Tirol halte er nicht 
fhr nothwendig, da auch unter Kaiser Ferdinand lange Zeit 



' Auch da heisst wieder von Maximilian, wahrscheinlich mOcbte dieser 
Mlbtt an lielMten in .Tirol raddiareB. Thum an EriherMgin Ifaria, 
1. Februar 1695, Sl-A. 



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280 

dort keiner residiert habe. Der bairische Herzog Wilhelm, 
obgleich Mitrormund fUr die Kinder Marias, werde von den 
YerhandluDgen fernbleiben mttsscn, da man ihn als einen 
Fremden in die Geheimnisse yon Erblanden nicht werde ein- 
weihen wollen. Massgebend werden die Hansvertrilge nnd Te- 
stamente sein, aber bezttglich des Näheren ,8tehe er an'; denn 
Ferdinand sei noch minderjährig, der Kaiser nnd seine Brtlder 
seien in der Sache Partei, Maria aber werde schwerlieh allein 
diesen wichtigen Erbtractationen sich unterziehen wollen. Möchte 
das Alles ein Grund zur Verzögerung sein, so dürfte es anderer- 
seits doch Ankss bieten, dem jnngen Ferdinand bei Zeiten 
schon die eigenen Lande zur selbständigen Eegentschaft zu 
ttbergeben.^ 

Ihren Bruder, Herzog Wilhelm, hoffte Maria an ihrer 
Seite zu haben bei Verfechtung der steuischen Ansprache auf 
Tirol. Er wurde aber bei Zeiten ausgeschaltet, nicht allein 
aus dem von Thum angegebenen Grunde, sondern weil er in 
jenen Tagen von der Kegierung sich zurückzuziehen begann 
nnd infolge eines Missverständnisses meinte, es bestehe zwischen 
seiner Schwester und dem Kaiser keine wesentliche Differenz 
in der Erbschaftsfrage.* Maximilian von Baiem aber stand 
diesen DiniriMi von Anfang an kühl gcgeniiber. So fand sieh 
unter den Vcrwuntlien der Erzherzogin i^Iaiia Niemand, der 
energisch für ihren Theilungsplan eingetreten wäre. Eükii sehr 
warmen Verfechter desselben fand sie in einem tirolischen Edel- 
hcrrn, Karl Scliurf. Er qualificicrto sich zum eigentlichen Ver- 
traiiensmanne des Grazer Hofes in Tirol. Seine Bezäeh untren 
zu diesem Hofe mögen schon weiter zurückreichen. 1^90 über- 
bringt er im Namen des tirolischeu Schwagers der i^rzherzogin 



Thum au Erülierzog Max, 9. Februar lö96, St.-A. Thum sandte eiue Ab- 
Mhrift dieses Svbreibeus iuhgoheim an Erzherzogin Maria mit der Bitte, 
ihn nicht Teraiareii» damit ich nit in ungnad komm*. Br letite bei, 
er hoffe, ,in der eaohen nit wn wenig getan in haben, flondem sn einem 
anfitog meines jungen gnidigen herm erblichen anfall liemlicber maoen 
angedeutet zu habr'Il^ 

Schon am 11. März löyö wendet sich Eraheizo^in Maria Tirols wegen 
an llerzog Wilhelm. Süeve, WiU. Briefe, Nr. 57. Die in Nr. 65 (8 No- 
vember 1595) vorkommende Stelle Uber die Huldigung kann ich nicht 
wie Stieve auf InnerlMerreieh, sondern nur auf Tirol besiehen. 8. auch 
Stieve, Die Politik Baiems I, 117. — lieber noch andere HotiTe des 
Herzogs Wilhelm s. nnten. 



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281 



Maria die Gondolenz wm Verlost ihres Gemahls. Des öfteren 
rühmt er sich, in den beiden Schrattenbach so bewfthrte Männer 
in den steirischen Dienst empfohlen zu haben. In Personal- 
fragen hat Maria anch in späteren Jahren seinen Rath eingeholt, 
besonders wenn es galt, Männer aas dem tirolischen Beamten« 
dienste herabensnziehen. In der Schreibseligkeit konnte sich 
Ritter Schnrf ganz wohl mit seiner hochfUrstlidien Gtonnerin 
und Freundin messen. Es liegen Briefe in der Stärke von 
einigen zwanzig Blättern yor, an denen er tagelang geschrieben. 
Sie athmen hingebungsvolle Vertraulichkeit. Wenn ich E. D. 
schreibe, so versichert er, ist mir gerade so^ als ob ich meiner 
eigenen Matter selig vertraulich schreiben oder mit ihr reden 
würde; habe ich etwas nicht recht gemacht, so sollen mir E. D. 
eine Busse auferlegen. Was Innsbruck an kleinen llofgc- 
ßchichten lieferte, bcriclitetc er aus Kufstein, seinem trewuhn- 
lichen Wohntiitze, getreulich. Mit den kräftigsten Worten be- 
stärkt er die Erzherzogin, den einmal gefassten Plan wegen 
Tirol festzuhalten : Ja gnädigste frau, dieselb lassen lialt sich 
nur von der teilnng kein weit und kein teufel nit schreeken^ 
Dieser Parteigänger war um so wertvoller, da er einer der an- 
gesehens^ten Landesedeln war und seine Gesinnung, um d<-sto 
intensiver wirken können, so lange wie möglich zurückhielt. 
Er hat mit Maria die Tiroler Sache in Graz und Mün<']H'n und 
dann wieder bei ihrer sp mischen Reise durch Tirol besprochen.* 
Aber trotz aller Heimlichkeit muss er nach eini<;er Zeit be- 
richten: ,Ieh bin für gut grazerisch beschreit, dess ich auch, 
ob gott will, leben und also ersterben will;* sollte ich darob 
zur Kedc gestellt werden, ,so wurd ich wie ein heid leugnen, 
und sollt ichs zehnmal beichten, und doch w urd ich des Ver- 
dachts nit entlaufeu^ Möchte ich nur, so fleht er, ^soviel salz 
im him' haben, um £. D. und deren Kindern in diesem mit 
Nutzen zu dienen. Tag und Nacht deUberirt er, was im Inter- 
esse der Erzherzogin und ihrer Kinder £U thun und zu rathen 
wäre. Alles möchte er in Bewegung setzen, um eine Länder' 
theilung im Sinne des Gb-aser Hofes erzwingen; dagegen 

* Das Heinilichtlnui jriiii: so woit, dass er in Miim-hen der Erzhöraogiu 
dringend rietb, sie möge keinen Act, Tirol betreü'end, aus dieser Stadt 
datiereo, wtü man fonst hinter ieine BatbscUlg^e k&me. Harter 1. e. 
IV, 402, and dsmadi Kball, SechsundviarBig Brieli» der Enhersogin 
IfftiUi, p. 22. Beide beieiehiieii Schnrf flUaehlioli als Kamler. 



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382 



will er Ton eioer GebietBabtretaDg an die beiden SOhne des 
▼erstorbenen Ferdinand durchaus nichts wissen. Selbst wenn 
es ohne starke Belastung der Kammer mOglicb wttre, die im 
väterlichen Testamente bestimmte Lftnderttberweisung an An- 
dreas und Karl vorzunehmen, so ist nach Ritter Schürf doch 
derjenige ein ,heimlicher und schädlicher' Feind des Hauses 
Oesterreich^ welcher ,dazu rat und tat gibt', denn solch iherr^ 
liehe stücke' dttrfen nicht in ,fremda* fibtnde kommen.* 

Dass in Tirol und den Vorlanden baldigst der Huldigungs* 
act vorsunehmen sei, darin begegneten sich der Kaiser und die 
Innsbrucker Hegierung. Aber es musste doch genau festge- 
stellt werdeui wem zu huldigen sei. Barliber musste eine Aus* 
spräche unter den Erbberechtigten erfolgen, speciell zwischen 
Prag und Graz. Der Kaiser eröffnete die Debatte mit einer 
Anfinge an den noch nicht volljährig erklärten Ferdinand von 
Steiermark, wie man es mit Tirol halten soll. Zweimal, im 
August und September 1595, ergiengen kaiserliche Briefe an 
den Erzherzog, der aber die Beantwortung seiner Mutter über» 
Hess. Maria liatto os nicht sehr eilig. Erst im November be- 
sorgte sie dio Krwiilerung: die Angelegenheit ins Keine zu 
bringen, empfehle sicli schon zur \ crmeidung neuer Unkosten, 
beim Begräbnisse des tiroHschen Erzherzogs dürfe ja uicht des 
wtirttembergischen Wappens vergessen werden, weil Württem- 
berg sonst neue Hoffnung schöpfen würde; Uber Huldigung und 
Landeaverwaltnng könne sich ihr bohn erst äussern nach er- 
lanirter IMündigkeitj damit man aber schon jetzt darüber an 
(!in Ziel komme, so sollten sich alle Erben über eineu Guber- 
nator vergleichen, der in %vii litigeren Sachen die Meinuns: der 
Erbbet heiligten einzuholen hiitt» Die Erzherzogin hielt noch, 
wie man sieht, zurück und nötlii^te den Kaiser, deutlicher zu 
sprechen. Aus Prap; kam die Antwort: Einzelnes in Marian 
Sehreihen sei ,was dunkel', in Bezug auf Württemberg liabe 
sie recht, die Huldigung aber sei bei den gefährlichen Zeiten 
nicht länger aufzuscliieben, nach altem Landesbraueh sei sie 
nur einem Herni zu leisten, und der könne nur der Kaiser 
sein, weieher jedoch bereit sei, den ]\Iiterben einen ihre Rechte 
wahrenden Revers anszostellen.^ Damit hatte der Kaiser die 

*■ Schürf an Erahenogin Maria, 2. NoT0mb«r 1696. 8t->A. 

* Enhena^ Mari« an Rudolf, 2. November 1696. Si-A., Cop. 

* Rodolf an Enhenof in Maria, 14. Nerember 1696. Sk-A.» Oop. 



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283 



Correspondenz über Tirol mit Mana eröffnet, noch immer hätte 
er sich lieber unmittelbar mit ihrem Sohne darin auseinander- 
gesetzt. Er richtete deshalb gleichzeitig auch an Ferdiiiaud 
ein Schreiben, worin er vorwurfsvoll bemerkte, dass derselbe 
nie geantwortet, obgleich man gerade auf seine Acusserung 
Wert lege.* Ferdinand vcrliarrte auch darauf noch in seinem 
Schweigen, desto schneller war seine Mutter mit einer Er- 
widerung zur Hand. Es befremde sie, so gab sie zurück, 
dass man in ihrem Briefe ^lanches dunkel iinde; sie habe 
doch (icutlich genug gesagt, wie das tirolische Onbernament 
anzustellen wäre. Ohne opponieren zu wollen, wolle sie sich 
nun eingehender darüber vernehmen lassen. Alle Interessenten 
zusammen sollen den verwaisten Ländern Jemanden benennen, 
dem sie zu huldigen hätten, und der also Präsentierte habe in 
wichtigeren Sachen der Landesverwaltung alle Erben zu be- 
fi'agen. Den Tirolern wird dies um so weniger zuwider sem, 
als fnirh die innertfsterreichischen Länder sich dasselbe ge- 
fallen laesen. Es sei nicht wahrscheinlich^ dass ^die Tiroler vom 
gabernament eines eigenen henn die andern agnaten ihres 
erbgnts priviren würden'. Die Einsetzung eines Dritten bis za 
einer allgemeinen Vergleiehung entspräche den Verfügungen, 
die schon Ferdinand I. getroffen. Ab einstens Yor der Theilnng 
Karl und Ferdinand in Spanien weilten, waren die Länder 
anch jahrelang ohne bestimmten Herrn, warum sollten sie jetat 
nicht einem Gubemator huldigen, ohne dass sich die Erben 
schon endgiltig verglichen hätten? Es konnte ja anch der 
Fall sein, dass alle Elrben minderjährig wären; da mttsste doch 
anch für einen Gubemator gesorgt werden. Wie vieler Statt- 
halter bedient sich nicht der spanische Eönigl Auch Steier» 
mark sei bisher mit einem Gubemator gerade so gut gefahren, 
als wenn es einen eigenen Regenten hätte. Tirol kOnne das 
um so leichter, da dieses Land kein äusserer Feind bedroht 
und in demselben keine Religionsstreitigkeiten herrschen. Würde 
aber das Land dem Kaiser allein huldigen, so würde, so lange 
derselbe lebe, die Huldigung keinem anderen mehr geleistet 
werden, und so wUrde der steirische Zweig ,gleich6am tacite' 
von der Erbschaft ausgeschlossen. Bis sur Volljährigkeit Fer- 
dinands sei also ein Gubemator notfawendig. Sollte der Kaiser 



' Vom «elben Dattun. St-A., Orig. . 



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284 



clurchans nicht auf einen soloben ein^hen, so mttsste er meh 
reversieren, daw er den kttnfügeu Vergleich möglichst be- 
fördern und mit seiner eigenen Landesverwaltung die Rechte 

der Erben nicht beeinlarftchtigen wolle, dass er keines der tiro- 
lischen Gefälle versetzen, keine neuen Landesschulden machen 
und das Einkommen des Landes nur zur JScliuldcntilguug ver- 
wenden werde. Sollten die Stände eine Grenzhilfe bewilligen, 
so falle die Ilulftc davon den Steierraärkeru zu. Man erwarte 
die V(Mla;j:i' einer Huldigungs- und Reveraformei, deren Prüfung 
mau sieh vorbehalte.* 

Aus dem Kreise ihrer Kinder erutete Maria fiVr dieses 
Eintreten zu Gunsten ihrer Interessen die Versicherung leb- 
haften Dankes: so ein gutes Land wie Tirol finde man nicht 
alle Tag«-, besser sei, dem Kaiser Widerstand zu leisten, als 
mit Schweigen Alles zu verlieren. Auch d^r Mark<rr?if Karl 
von Burgau, erfüllt von Misstrauen gegen den Kaiser, bestärkte 
Maria, die eingeschlagene Richtung frstztibalten.- <Jhne dem 
steirischen Theilungsprojecto das Wort zu reden, betrieb auch 
Erzherzog Maximilian die endliche Erledigung der Frage in 
Prag, da er nach Uebemahme des Oberbefehls gegen die 
Türken stark in Schulden gerathen war und als Miterbe nach 
dem tirolischen Ferdinand wie nach seinem im gleichen Jahre 
verstorbenen Bruder Ernst (in Belgien) vrissen wollte, was 
seines Einkommens wäre.' Der Kaiser aber war zn keinem 
rascheren Tempo zu bewegen; der Erzherzogin Maria that er 
m wissen, ihre Anregungen seien nicht so bald zu beantworten, 
denn sie seien weitläufig und so besch äffen, dass man erst der 
Ueberlcgung pflegen mttsse.^ Ihn erfüllte zunächst nur der 
Gedanke, die Erbhuldigung baldigst ▼ornehmen zu lassen. Da 
er hieza seinen Bruder Mathias in Aossicht genommen, so 



' Erzherzogin MAria ao Rudolf, 27. November 159b. 8t.-A., Cop. ~ Kirim 
folgt bier dem Oedankengange eines nudattertcn Gntaehtens, wo ei 
heiwt: Ei ist nicht richtig, dass dem Kiüeer a1« Aeltesten die Begienmg 

Tirol» und der Vorlande zu.stohe. Das wäre nur mOglich bei unver- 
theiltcTi L-indem und ungetheilten Liinien. Aber bei getbeilteu Linien 
höre (l.'is Privilegium aetatis aof. 
» Hurter 1. c. III, 282 

* Vorstellung von Maximilians Gesandten Jobann iilustach r. Westernach 
•n den Kaiser, Prag, 31. December 1595. A. C. 

* Bndolf an Enhenegln Maria, 13. Deeember 1695. ßt'A., Cop. 



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forderte er denselben auf, die Eidesformel zu voifAssin.^ Ma- 
thias zog den jüngeren Bruder Maximilian, den Kudolf gleich- 
falls um seine Meinung befragte, zu Ratlie; beide sprachen 
sich deshalb in Wien." Sie beschlossen, ,iü der tirolischen 
Sache' gemeinsam vorzugehen.' Als Resultat ilir^r iroinein- 
samen Aussprache legten BcKie. dem Kaiser die Formel zu 
einer Huldiguiigsvollmacht vor, ^vi>rin die Ansprüche aller Erz- 
herzoge als gleichberechtigter Erben vollauf gewahrt wurden. 
Die Stände sollten dem kaiserlichen Vertreter huldigen mit 
Vorbehalt des allen Erzherzogen gebührenden Gehorsams und 
tmler Anerkenntuig derselben als ihre LandesfUrsten. ^ Kudolf 
dagegen hätte einen Kevers auszusteUeD, worin er baidigste Er- 
ledigung des Hauptvergleiches versprach. 

Maximihans Agent Samtein in Prag, selbst ein Tiroler, 
erschrak über diese an den Kaiser gestellten Bedingungen. 
Rudolf, also berichtete er sofort, werde Bedenken tragen, der- 
artige Vollmacht anannelunen. Man werde eine andere Form 
iRndcn mttssen, wenn man der tirolischen Landschaft nicht 
Ursache geben woUe, die Huldigung noch länger zu ver- 
schieben, der gemeine Mann in Tirol wie in den Vorlanden 



*■ 20. Jänner 15äG. A. Jäger, Beiträge zur Geschichte der Verhandlungen 
ttber die erbföllig gewordene Orafiwfaaft Tiral nach dem Tode de» En- 
hersogs Ferdinaad, 1596—1697, im Archiv Ittr Seterreichiacbe Geechtchte» 
50. Bd., p. 6 (109). 

* Maximilian schreibt an Mathias, er wolle in der ,bewanfam sache' mit 
ihm am 24. Jännrn- in Wien spreclien. A. M. 

* Maximilian schroilit am Februar 159(5 soinem Aj^euteti Barntein in 
Prag: ,Iu tiroliäcLea sacheu la^^eu wir uiiit iiit irren, wa» aiidtü von 

unserer snstimmirair mit unserem brader urteilen, da wir in nnserm 
Ssterrdobiseben erbdepntot dermassen gewilsigt, dass, wenn wir damals 
bessere vocricht gebraneht b&tken, nit, wie ein seit hero mit schaden 

und Bpott geschehen, teils räten zu gnaden gehen durften. Wir setzen 

in den Kaisfr kein mißtrauen, aber wir wollen nit IHnper von tl-^n mi- 
nistris <le{)PiHUreii, welclip nach ihrem gefallen die kaiserlichen beföhle 
aunfüliren oder einstellen.' A. C. 

* A. Jäger 1. G. 8 (112). Mathias und Mazimilita edireiben gesondert an 
den Kaiser. Maximilian verwahrte sieh dagegen, dass die tiroHsche 
Sache 80 wie sein Erbdepvtat ,/.a oiner kammersache' gemacht werde. 

Er beschwerte sich auch darttber, dass wegen der Erbeinsetznnpr des 
Andreas und Karl wohl Mnthias, nicht aber auch er vom Kaiser pefr.ngt 
worden war; das werde hoifentlich kUnftig nicht mehr vorkommen. Erx- 
herzug Maximilian an Rudolf, 26. Jänner 1596. St.<A., Cop. 



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286 



könne leicht schwierig werden.* Ganz befriedig^t über die ilal 
tung der l)ciden Erzherzoge war mau in (jr«az. Sie hatteu 
dorthin gemuldet, was sie vom Kaiser verlangten. Erzherzogin 
Maria Hess sie ihrer Freude versiehern, dass sie ,fein deutsch' 
ihre Meinung nach Prag zu verstehen gegeben, das werde 
sich der Kaiser wohl zu Ueniütk führen. Sie Beide hätten 
gegen die anderen Erben so recht als Brüder gehandelt, auf 
diese Art werde niemandem i twas vom »Seinen entzogen. Die 
Vollmacht sei deruiassen ,restriiiuM rr, dass man wenig vergessen 
und ausgelassen'. Ist aber auch (iewaltlirief und Revers .ge- 
schickt genug', so wären doeli nocli zwei Punkte autzunehmen: 
1. Der Kaiser hätte naeli Ab'^ebluss des Hauptvergleiehes sich 
keinerlei aus der Huldigung tür ihn ergebender Rechte zu be- 
helfen, und 2. die Stände wären ungeachtet des dem Kaiser 
zu leistenden Eides zum Qehorsam gegen die Erben insgemein 
SU verpflichten.* In ähnlichem Sinne erklärte Bich die £ii> 
herzogin auch gegenüber dem Kaiser.^ Rudolf war weder mit 
seinen Brtldem noch mit seiner Base Maria zufrieden; diese 
ahnte schon^ er werde darüber ^gewaltig lannig^ sein.^ Ma- 
thias erhielt die Antwort, der vorgelegte Qewaltbrief sei nidit 
zu brauchen, weil die Tiroler einem Fürsten mit so beschrttukter 
Vollmacht nicht werden huldigen wollen; dieselben würden 
es auch dahin auslegen, dass sie ebensoviele R^enten als 
Erben haben müstten. Was die Miterben da vom Kaiser 
▼erlangen, zeige ein schimpfliches Misstrauen, das, an die 
Oeffenflichkeit gelangt, tu diesen schwierigen Zeiten um so 
bedauerlicher wttre.^ Dass Mathias unter die zur Huldigung 
einzuberufenden Stftnde auch den Markgrafen von Bnrgau auf* 
nehmen wollte, fand Rudolf ungehörig, da derselbe nicht tiro* 
lischer Landstand, sondern nur Inhaber von PfandherrschaAen 
sei, Burgau selbst aber nicht zur Grafischafi Tirol zähle. Den 
Hauptvcrgleich wollte der Kaiser nach Thunlichkeit fördern, 
aber jedenfalls erst nach der VoUjährigkeitserklänmg des 
steirischen Ferdinand. Aehnliche Antwort bekam natürlich 



* S.'irntciii .in Erxlierzog Maximilian, 3. Februar 1696. A. M. 

* P. Ca^nl an Erzhorsog Maximilian, 8. Febnuur 1696. A. Jf . 

* 16. Jänner 1696. 

* 8ti«ve, Wittebbacher Briefe II, Nr. 69. 
■ A. Jig«r l.c.p.6 (110). 



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S87 



auch MaximOiaD.^ Unter dem gleichen Datum ergieng auch 
eine an Maria. Wttro nur Alles in Tirol so gefehrlos, entgegnet 
Rudolf, als yring es £. L. machen oder wie es £. L. von andern 
&lsch eingebildet wird'. Aber die Gefahr mit der Knappen- 
schaft sei noch nicht beseitigt, in ihrem Streit mit den Ge« 
werken habe man sie, am Aufruhr zu verhindern, auf die 
künftige Huldigung vertrösten mttssen, also sei mit dieser nicht 
Ittnger su sOgem. Auch in den Vorlanden erleide sie keinen 
Aufschub, wo die Städte Hagenau, Kolmar, Schlettstadt und 
Oberehnheim den Unterlandvogt nicht mehr anerkennen wollen, 
da es seit Erzherzog Ferdinands Tode keinen Obervogt mehr 
gebe. Venedig und BUndner seien eine ^ lUhrliche Nachbar- 
schaft; es sei von Glück zu reden, dass die Ruhe unter den 
jetziircn Verhältnissen erhalten blieb. , Hatten wir diis nnsrigo 
niL Liculicii ^ctan, welches doch wie wir selien, nit iilii r;ill er- 
kennt werden will, so würde man schon mit .schaden ciialircn 
haben, was ein so unnötig verursachter langer Verzug ge- 
fruchtet'. Zur Beruhigung der Erzherzogin war Rudolf bereit, 
noch eine besondere ,assecurauz' auszustellen, wo er versichert, 
die Huldung würde nicht in seinem speciellen Interesse vorge- 
nommen. Dafür erwartete er die Annahme seiner Vollmacht- 
form. Solitc Maria noch weiter zügern, so würde er, wie er 
drohte, thun, wozu ihn das Beste des gemeinen Wesens 
zwinge; er erwarte yUnabschljiLnL'«'* Antwort.* 

Der kfiiscrlichc Brief maclite in (h-Az einigen Eindruck. 
Marias liäthe fanden, man werde dem Kaiser nicht entgegen 
sein können, da er sich zu Vielem erhiete.^ Die Erzherzogin 
fürchtete ,unrat*, wenn sie sich der Vollmacht weigerte; es 
könnte dies den Kaiser ,zu etwas verursachen, das er sonst 
nit tat'. Aber ohne Correctur sollte der Prager Vorschlag 
doch nicht bleiben/ Auch Maximilian erfuhr alsbald aus 



* Die Antwort M ftUadmilian li«ft nieht rot. Du» er «ine erhielt, Bei|^ 
sein SeeepiM Ton 24. Februar (A.. C), wo er weiter naohindenken ver^ 
spricht. 

' Rudolf an Erzherzogin Maria, 16. Febnur 1696 (mit der nnrichtigeii 
Jahrzahl 1696). St. A., Cop. 

* In diesem Sinne sind auch Graf H. Ambr. Thums Bathschläge ans dieser 
Zeit an Erzherzogin Maria gehalten. 

* Stiere, Witt Briefe II, Mr. 71. leh deute da» hier vorhommesde Wort 
yCorreetur* etwee anders als Stieve. 

AnUy. XGU. B«. U. BUfts. 19 



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388 



Gras, man meine dort, dass man Bich der ygwaltserteUong' 
kaum werde erwehren können. Träte das aher ein, Bchrieh 
er semem Bruder Mathias, so wttrden auch sie beide achwei^ 
lieh ,{Üraber kdnnen', da wltaro es besser, sie kämen den 
Gnizem zuTor.^ Er wünschte, gemeinsam mit Ifathias vor- 
zugehen, aber eine baldige Entschliessung, damit sie von den 
Steirem nicht , übereilt' würden.' Diese nachgiebigere Stim- 
mung Maximilians wurde auch von anderer Seite noch 
genährt. £ari von Samtein blieb dabd, dasa die von den 
Brüdern vorgeschlagene Vollmachtsform ^nichts nutz' und 
dem Kaiser niclit ,annehmlich* sei; auch andere ,gute Icut' 
seien der gleichen Ansicht uud jGräben den Rath, Maximilian 
möge nicht frenuMiisani^ mit Mathias seine Saolio vor dem 
Kaiser betreiben und sich nicht solcher ,consiUen' tlieilhaftig 
machen, die dem Kaiser ,suspect und widerwiirtig vorkommen'. 
Durch denselben Vertrauensmann liesa der tirolische Kammer- 
rath Ulrich Hohenhauser, der in Amtsgeschäften in Prafsr weilte, 
dem Erzherzog nahe lej!;en, er möge doch dem Kaiser zu 
Willen sein, es stecke hinter dem kaiserlichen Verlangen ge- 
wiss kein Präjudiz.* Auch Mathias kamen Stimmen aus Tirol 
zUj welche sich über die von ihm und Maximilian vorge- 
schla-i IM' IIiildig!inf,'sform un<i:rnistif:^ aussprachen, da in der- 
selben der (iehor.<ain gegen alle Erben und ein ijandesfürsten- 
thum aller Erzherzoge betont war.-' Mathias erblickte darin 
einen Auswejj. dass man die liuldi^mna; an den Kaiser allein 
Ct'währc mit der Beschränkung: .auf diesmal* und mit Hinweg- 
lassung der Worte ,inmasBeQ von alters herkommen^, damit 



* Enhenog Maumilian an Ershetsog Mathias, 84. Februar 1696. A. C. 

* Enbersog Haxlmilton an UaTentagt, 1. Februar 1596. A. C. 
' tdiurch gesammte achreiben*. 

* Samtein an Ersheraop Marimilian, 10. Febraar 1696. A. M. 

* A. Jiger I. c. p. 8 (112). Man kann aber nicht wie Jäger von jina 
Sttnden* «iweehen, die aieh alao geftuuert bitten, da kein Landtag ge* 

Iialt«^n wurde. Es waren eben einselne Penittnlic)ilv« it<'in, welche ihrer 
Meimiiif^ Ausdruck gaben. So schreibt auch gegen Ende 1695 Christof 
Vintler: Miichton sich doch die Erzherzoge bald mit dem Knisor ver- 
gleichen. ,Andrurguütalt, glaub ich, wird es sich nit verriclitou la»!»tiu.' 
l«h glaube, der junge ErzLerzog Ferdinand bat auch ,eiu stark aug da- 
her und seine mntter wird anch nit feiern*. Unlerdeiaen ^steckt die 
■epnltar nnd erbhnldignng, daran doch merklich viel gelegen*. 



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d89 



den Ständen die UntheÜl>arkeit nicBt ron Tomherein wie ein 
PriTiIegiam eingeräumt würde. 

Eingeschüchtert wie alle drei: Mathiaa, Maximilian und 
Maria nnn wohl waren^ wollten sie, wenn auch zu einem ge- 
wissen Entgegenkommen hereit, wenigstens noch gemeinsam 
YOigehen. Maximilian fimd es begreiflich, daas ,denen in 
Prag unsre brüderliche vereinharung und sammtliches proce- 
diren' nicht gefällt, aber Absonderung hielt er nach seinen Er- 
fahrungen für schadcnbringend. ^ Erzherzogin Maria schickte 
wie an den Herzog Wilhelm so auch an den Deutschmeister 
den mit iliren Correctureii versehenen Entwurf des Kaisers 
über Vollmacht und Kcvers und uiciatc dabei: obirleich wir 
jhart da/.u kommen', so ist doch schier dafür zu iialtcn, dass 
Rudolf auch diesen Gewaltbricf wegen ,dcr starken correctur 
und dazu gesetzten clausein' wieder nicht annehmen werde; 
aber sie drei unter sich sollten einig und vertraulicli handeln.* 
Aber diese Einigkeit sollte nicht lauge währen. Maximilian 
sah sich bald isoliert, die beiden anderen verhandelten }j:e.son- 
dert mit dem Kaiserhofe. Maria sandte ihren eoi i i^it rtcn Ent- 
wurf an Uudolf und setzte beschwichtigend bei, liire Aende- 
rungcn beträfen ja nicht die Substanz, sondern dienten nur 
zur Erliiuternnrr. Weitere SchwicrifTkeiten wolle sin nicht mehr 
macheu, aber die Keelite ihrer Kinder müsse sie wahren. Am 
liebsten wäre ihr freilich, wenn ihr Ferdinand, volljiihrig' er- 
klärt, seine Sache selbst vertreten könnte. Dabei kam sie 
noch einmal dai'auf zurllck, dass ein Dritter die Huldigung in 
Tirol vornehmen sollte, und dass die Hälfte einer vom Landtag 
zu bewilligenden TUrkenhilfe fUr Steiermark gehöre.^ Auch 
Mathias unterbreitete selbständig in Prag einen neuen Vor- 
schlag. Am Hofe Rudolfs rUhmte man sogleich die von beiden 
bezeugte, Willfährigkeit* und zeigte sich unangenehm berührt, dass 
Maximilian zurückgeblieben. Samtein entschuldigte seinen 
Herrn mit einer Reise desselben nach Linz, aber bekümmert 



* Erzherzog Maximilian an Westornach, 10. Februar 151)6. A. C. Immer 
wieder kam Maximilian darauf zurück, daM das gotreunte Vorgebeo 
dor BrOder in ihrer Deputataacbe ihnen »ebidUeh war, und so wttrde es 
aneh in der tirolischen Saeho sein. 

■ Casal an Bnshersog lUximilian, 8. HSn 1696. A. M. 

* Ershersogin Maria an Bndoll, 17. llärs 1&96. 8t-A., Cop. 



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290 



schrieb er ihm: jeder von den Mittnteresaenten will eich dem 
Kaiser ,8cb0n machen' und den Verdacht »des nnglimpfens und 
des mistrauens' von sich abwftken; es sei leicht zn erkennen, 
worauf dies Alles angestellt sei.^ In seiner Ueberraschnng 
fragte sich Maximilian in Graz an, ob man dort wirklich nach- 
gegeben *, in diesem Falle würde ja ihm allein die ganze Schuld 
beigemessen werden,* Ohne die Antwort abzuwarten, unter* 
nahm der Deutschmeister einen Schritt, um die gefUrchtete 
Isolierung zu vermeiden.' Er unterbreitete dem Kaiser das 
Versprechen: sobald er Kunde habe von der Erkllirung der 
Mitintereasenten, wolle er sich so erzeigen, dass von sdner 
Seite kein Hindernis obwalte. Damit hoffte er, den Uber sein 
unfjarisches Generalat noch schwebenden Verhandlungen einen 
günstigen Abschluss zu versehaflfen. Die kaiserlichen Minister 
Paul 8ixt Trautyon und Wolf^jaiig Rumpf beeilten sich, dein 
Er/Ati v/A)iX ihre JU'f'ricdiguug auszudrücken und jIiu zu trösten, 
dass er nicht zu spiit gekomnuni; übrif^ons sei man auch mit 
Graz fast im Reinen.^ Mit diesem letzteren war zu viel be- 
hauptet, denn nur Mathias hat sich in diesen Tagen dem Kaiser 
jganz accomodirt' und die von demselben proponierte Vollmacht 
unterschriebon. ^ Aus Graz bekam Maximilian auf seine An- 



*■ Santoui an Enherzog Maximilian, 18. Wbtm 1690. Man wosste abo in 
Prag von dem Graser Entaohliuse, bevor noch das citierte Sdiretbea 
Marias dabin k.im. 

* Erzherzog Maximilian an Cai>a], 28. Müns 1596. A. C. 

* Maximiliau erhielt erst Mitte April von Qraz Antwort. Er bekennt (an 
CmaI) gans offen, er babe dieiea StiUiebweigMi dahin Terstanden, «dan 
die laelien dem anigeben gemln in Qrai allerdingi richtig*. 1. UaL 

* Trantson an Er/.liorzofx Maximilian, 3. April l.'OH, Knmpf an denselben, 
8. April. A M. ~ Ershenog Maximilian an Budolf, TrantMn und Bnmpf, 
7. April. A. C. 

^ .Sarijtoin an Erzherzog Maximilian, 22. April 1596. A. M. — A. Jäger, 
1. c. p. U (113), sagt, am 10* A]MiI haben Mathias, Maximilian, Albreeht 
nnd Hersog Wilhelm die YoUmaeht ansgestellt. In Bezug anf llaii« 
milian stimmt dies nicht Ansser Mathias nag Hersog Wllhelai 

von Baiern schon im April zugentimmt haben (vgl. Stieve, Witt 
Briefe II, Nr. 81 mul S2). Von Erzherzog Albreeht sehoint mir 
Kweifrlliaft, da ihm Maximilian cr.st am 12. Juni auf einen Briet ant- 
wortet, worin Albrecht die Fertigung des Qowaltbrietes meldete. Wenn 
die Yollnacht das Datam des 10. Aptil trägt, so ist dasselbe ebne 
Zweifel vom Tage der Zostimmonc des Hathias ttbemommen. Audi 
Holter, 1. c. m, 982, nennt den 10. Ajirit 



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frage einen Beri<^ht, woraus er sehen konnte, dass er in seiner 
Zurückhaltung nicht allein dastehe. Weil tloit auf die Cor- 
rectur mit den , starken klau^elTi* bis Mitte April keine Ant- 
wort von Prag eingetroffen war, so schloss mau, dass der 
Kaiser nicht naeh^eben werde. Wir sind aber, so wurde dem 
Deutschmeister versichert, entschlossen, gegenüber einer kaiser- 
liehen RepHk auf der ,geschehenen corrig-irnng^' zu verliarren; 
man scheue, wenn es die Wahrung elften er Rechte gilt, auch 
nicht den kaiserlichen Unwillen.^ Thatsächlich erhielt Erz- 
herzogin Maria aus Prag verneinenden Bescheid. Namentlich 
eine ihrer Oorrecturen, dass nämlich die Huldigung nur fUr 
das laufende Jahr gelten und, wenn während desselben der 
Hauptvergleicb nicht zu Stande käme, nnkrüftig sein sollte, war 
dem Kaiser miannebmbar. Kr verwies darauf dass der Ver- 
gleich nicht von ihm allein abhänge, und auf den Eindruck, 
den solch eine Huldigung auf die Stände machen wUrde. Da 
wäre es^ so schreibt er, doch schade am die Kosten fUr den 
Landtag. Die Huldigung sei nicht länger asu verschieben, da 
einige der vornehmsten tirolischen Käthe vom Dienste scheiden 
wollen UTi I in den Vorlanden es der Religion halber bedenk- 
lich sei. Maria möge sich doch damit begnügen, dass die 
Vollmacht von der Giltigkeit bis zum Vergleichsschlusse spricht.* 
Die kaiserliche RepHk machte auf die Erzherzogin keinen 
Eindruck. Wenn ihr Vorschlag nicht genehm, antwortete de, 
so gebe es drei Answege: Uebergabe Tirols an einen Dritten, 
Volljfthrigkeitserklärung ihres Sohnes oder Ländertheilnng. Sie 
verwahre sich dagegen, dass man ihr die meiste Sebald an 
der verzögerten Erbhuldigung zumesse; im Bewusstsein der 
Pflicht gegen ihre Kinder denke sie an das Sprichwort: 
,viel besser ein sach zwier messen als einmal vergessend' 
Als Maria diese ihre neneriiche Weigerung vor dem Kaiser 
wiederholte, durfte sie annehmen, dass, bis zu einem gewissen 
Grade wenigstens, Maximilian noch auf ihrer Seite stehe. Nun 



* CtMÜ an Bnb6f«^ MariwiHsw, Ifi. April 1596. JL H. 

* Rudolf an Enbcnogin Maria, 18. April lft96. St-A. 

* Enihenogln Maria an Badolf, S8. April 1696. 6t.>A. — CamI tobiekte 
Abiehrift hievoo an Maximilian, am nenerdin^ zu beweisen, wie »an- 
pleich* man von der Nachgiebigkeit der Orazor g'orßdot habe. Ers- 
lier/.oj^in Mnria st't/.t eigHiiliHndig bei: ,ich kauu moinon kindera nix 
begeben, als uit lueiu ist.' 30. April. A. M. 



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m 

begab sich derselbe in der ersten Maiwoche nach Prag, um 
seine Bestellung in Ung^ara richtig zu machen. Hicbei wurde 
der Erzherzog auch Tirols wegen angesprochen. In Bezug 
auf den Vollmachtsbrief hatte er keine wesentlichen Einwen- 
dungen mehr zu machen. Aber die Form des gleichzeitig v.)ra 
Kaiser auszustellenden Reverses (der ,assecuration^ wollte ihm 
noch nicht c;anz «^cfanen. Darin erschien der Satz: der Kaiser 
habe sich der Landesadministration zu unterzielu/n gnädig be- 
willigt. Da?J, so erklärte er, entspreche nicht der Wirklich- 
keit. Denn es sei doch wissentlich, dass. sowenig ,die vcr- 
glciehuiifj von den niiterhen jemals beirehrt* wurde. ei)enso- 
wenig der Kaiser um die Uebernahme des Landes ersucht 
worden sei. Rudolf habe vielmehr den Hauptvergleich aufge- 
halten und zur B(! willigung der Länderverwaltung die andern 
^gleichsam genötet^ Ein Verschweigen oder Verdrehen dieser 
Thatsache könnte zu ,gefährlicher consequenz oder dispatat^ 
führen. Desgleichen beanständete Maximilian eine andere 
Stelle. Nach derselben übernehme Rudolf die Administration 
nicht blos als Aeltester dee Hauses und als oberster Voramnd 
der Steiermärker, sondern auch als Kaiser. Käme nun, so fol* 
gert der Erzherzog, vor der Errichtung des Hanptvergleiches 
die römische Krone auf einen andern/ so würde auch der 
80 lang im Besitze Tirols verbleiben, bis sich die Erben Ter* 
gtichen hätten.' Die Minister legten ihm hieranf die Ton Ha> 
thias und Hersog WUbelm bereits gefertigte Vollnuicht vor, 
haben die grosse Qefahr bei längerem Verzuge ,stark ange- 
zogen' und Uber den einen und anderen Punkt ,80Tiel er- 
Ittnterung* gegeben, dass Maximilian der Einwilligung sich ,nit 
ferner erwehren' konnte. Er unterschrieb Tielleicht in dem 
Augenblick, da ihm noch aus Graz die Mahnung zugieng, er 
mOge an seinen Bedenken ebenso festhalten wie die Steiier 
an den ihrigen, dann sei ,an erhaltuog des felds nit zu 
Bweifehi'. ' 



Gegenüber Albracht «agt Mwimiliaa: aa ^nen anderen SUumii. 

Dia.se Bedenken erUrtert MazimUiltii in dem Schreiben an P. Casal, 
1. Mni (A.C.), und an Erzhormfr Albrecl.t, 12. Juni 1596. St.-A. — 
Aehnlicli auch Erakerzog Maximilian an Erxbenogin Maria, 21. H»> 
1696. A. M. 

Casal an Erzhürzug MaxmuUao, 4. Mai 1596. A. M. 



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293 



Also Terhanrte Maria allein noch im Widerspruch. Als 
sie von Maximilians Capitulation erfuhr, sehrieb sie ihm: hab 
ich mir doch gleich gedacht, als E. L. nach Prag giesgen, dass 
E. L. nicht bei dero Meinung beharren werden. Nicht ohne 
Schnippigkeit setzte sie bei, möge es ihm mit dem ungarischen 
Commando besser gehen als im vergangenen Jahre. ^ Und ein 
paar Tage später: sie könne dem Kaiser nicht weichen, ihre 
Kinder giengen ihr ,zu nahend*, die Vollmacht für den Kaiser 
zu unterzeiclineii schiene ihr unveraIi^\^ ortlich.' Rudolf er- 
miidüte nicht im Versuch, die Base umzustimmen. Ueber ihre 
Hartnäckigkeit, schrieb er ihr, sei er hoch erstaunt. Es haiigc 
nicht Alles von ihm allein ab, und ein Gewaltbrief, wie man 
ihn in Graz vorschlage, könnte bei den Ständen nur grossen 
Disput erwecken. Der anjj^ebotene Revers sichere die Rechte 
von Marias Kindern vollkommen. Nachdem alle An lercn dem 
Koiscr zu Willen gewesen, so möge doch auch sie sich nicht 
weiter trennen.* 

Aber in Graz wehte noch immer ein audner Wind. 
Auch Graf Thurn redete jetzt fortgesetzter Unnachgiebiükt it 
das Wort. Wohl habe, so meinte er, der bairische Herzog in 
seiner Sinnesänderung (da er die Vollmacht unterschrieb) ein 
böses Spiel getrieben, aber die Erzherzogin möge sich ihre 
bisherige Haltung nicht gereuen lassen. Die tirolischen Stände 
werde man nicht zur Huldigung bringen, wenn nicht ein be- 
dingungsloser Gowaltbrief aller Interessenten vorliege. Sollten 
sie dennoch huldigen und der Kaiser dann zum Schaden der 
anderen Erben im Lande hausen, so sei Maria ausser Schuld 
und könne um so enei^ischer auf dem Haupt vergleich be- 
steben. Maria möge nur keinen Wankelmuth zeigen, damit 
es nicht scheine, sie ,dependire' von Baiem. Komme der 
Kaiser in den völligen Besitz des Landes, so werde ihn kein 
Mensch mehr daraus bringen. Auch hier gelte der Grundsats: 
besser der erste als der letzte Zorn.' 



* Enheraogin II arift an Enhento; Mazimilian, 10. ILd 1696. A. lt. 

' Dlosolbe an denselben, 14. Mai. A. M. 

3 Kiulolf .in Erzlier/.o^iii Maria, 9 l^m. St.-Ä., Cop. 

* H. Arnbr. Thurn an Erzheraogiu Maj-ia, 13. M;ii 1596. St-A. Die Nach- 
giebigkeit Baierns schreibt hier Thurn dessen Absicht auf das Fassauer 
Hochatift sa. Bei der Sinneatudemng Wilkalni« dürft« wohl an den 
Binfliua das tifoUachen KamiiMipritideBten Cyriac HeidMirdeh auf den 



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294 



Die Aiitwoi*t der Erzherzogin an den Kaiser Bteht ganz 
auf den Bathsehlägen Thums. Maria beruft sich auf ihre Ver- 
antwortlichkeit als Mutter und bringt wieder die von ihr vor- 
geschlagenen drei Auswoge in Erinnerung. Warum wolle Ru- 
dolf, der doch nicht selbst in Tirol wohnen werde, nicht durch 
einen Dritten im Namen Aller das Land verwalten lassen? 
Bestehe der Kaiser auf der llultli^iiug, so möge er sie vor- 
nehmen ohne ihre Zustimmung. Schon allzulange \vähre der 
Disput, in so lancier Zeit hätte man auch über den Ilauptver- 
gleich sehliissig wr-i-flpn können. Der Kaiser habe wenig vor- 
gesorp:t für den ( üeiizsehutz gegen die Türken, um so wiehti'ijer 
sei es, den Pupillen ihr Anrecht auf Tirol zu wahren. Selireiie 
Rudolf trotz allem zur lIuliliLrnn*j^, so seien die tirolischen 
KammerglUer derart zu theilcn, dass die eine Hälfte den 
Grazern zufalle, welche dann ihre Gefälle durcli eigene ge- 
schworne Rentmeistcr, die auch Mitglieder der tirolischen 
Kammer werden müssen, einheben lassen.* 

Unterdessen hatte sich der Kaiser zu einem Schritte ent- 
schlossen, welcher trotz der zuversichtlichen Sprache Thunu 
und der Erzherzogin in Qraz nicht ohne Eindruck blieb: er 
hatte den Tiroler Landtag ausgeschrieben und die Vornahme 
der Erbhuldigung seinem Bruder Mathias übertragen. Indem 
Rudolf dies der Erzherzogin kundgab, berief er sich auf das 
yfreiwilhge heimstelien' seiner Brttder und auf das Gesuch und 
den Rath von Iieuten, die es mit dem Gesammthause gut meinten. 
Aus den Einkünften Tirols, so rersicherte et, nehme er keinen 
Pfennig, wohl aber habe er bisher mit Hin- und Hersendungen 
und anderen Muhen ein schönes Stück Geld ausgegeben. Bei 
der tirolischen Kammer werde nieht Tiel Ueberschuss zu finden 
sein, und wenn die Stände nicht bald etwas bewilligen, so 
werde dieselbe Kammer nicht einmal mehr die laufenden Aus- 
lagen bestreiten können. Sein Interesse gelte ihm nicht mehr 
als das von Marias Kindern. Die Erzherzogin möge doch 
endlich die Vollmacht fertigen und mit dem gleichseitig tthe^ 
schickten Revers sich begnügen.* 



Herzog zu ileiiken »ein. Heüleurcüch trat noch im selben Jiim in 

den ft5rnillchon Dienst des Wittolübachers. 

* Erzburzog-in Maria ati Hudolf, 14. Mai 1596. St.-A., Cop. 
' fittdolt' au Erzherzogin Maria, 21. Mai 1596. St.-A., Cop. 



295 



Nun begann daB Eis zu echmelsen. Kur noch eine Woche 
aWlegte man in Gras, dann erwiderte die Erzherzogin dem 
Kaiser: sie hUtte zwar allen Qrand zu abschlägiger Antwort; 
aber da der Landtag schon berufen ist und nach ihrem Wissen 
die ^oler ohne ihre Volhnacht nicht huldigen würden, so 
wolle sie zur Vermeidung des Vorwurfes der Halsstarrigkeit 
den Gewaltbrief ausstellen. Dagegen soll noch in diesem Jahre 
in Wien die Vciliaaülung über den liauptvergleich eröffnet 
werden, wobei auch zu berathcn wäre, ob denn die Erben alle 
auf dem Erbtheil lastenden Schulden iiboruehmen mUssten.' 
Den RevervS, wo der Kaiser versprach, die Verwaltung nur bis 
zum Hauptvergleich zu fuhren und diesen noch womöglich im 
laufenden Jahre zu Stande zu bringen, erklärte Maria anzu- 
nehmen. An Maximilian meldete sie : es ist nun geschehen, 
,es schlag aus zum besten oder ärgsten'. ^ Jetzt, so meinte 
man in Graz, narlidem der Kaiser sein ^intent' erreicht, werde 
jferner an dem füruehmlich erwunden sein, damit man auf den 
fürderlichen vergleich dringe und auf taugliche commissarien 
gedenke'.* Der Deutschmeister fand diesen letzten Punkt so 
beachtenswert, dass er noch im selben Monat nach geschickten 
Kechtsgelehrten zu den Vergleichsverhandlungen Umschau 
halten liess.^ 

Die Vollmacht, welche so nach monatelangem Verhandeln 
vereinbart wurde, übertrug dem Kaiser die Glewalt, Tirol und 
die Vorlande fttr sich und die anderen Erben zur Huldigung 
zu verhalten und zu regieren bis zu dem nilohstens vorzu- 
nehmenden Vergleich^ wobei der Anspruch jedes Einzelnen auf 
den Ihm gebtthrenden Theil unTcrrfickt bleibe.^ BUn dem ent- 
sprechender Gewaltbrief wurde dem Erzherzog Mathias nach 
Tirol mitgegeben* 

Die Entsendung dieses Bruders nach Tirol hatte der 
Kaiser schon zu Anfang April ins Auge gefasst Dass Maxi- 
milian Oberstcommandierender in Ungarn werden sollte, yer- 
nahm Mathias sehr ungern j er fürchtete davon schAdliche 



* Enhefsogin Maria an Rudolf, Sl. Mal 1596. St.-A., Cop. Ebenda aueli 
Oopie des Bavanes. 

* Erzherzogin Maria SB Enhenog Maximilian, 23. Jont 1696. A. M. 

' C'as.il au Erzhcrrog' Maximilian, 12. Juni 1596. A. M. 

* Erzherzog Maximilian an Zach. Qeizkofler, 26. Juni 1696. A. C. 

* Jl Jäger, 1. c. p. 10 (Iii). 



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296 



Folgen für seine Nachfolge naeh Rudolf in der Eaiserwarde.^ 
Durch die Entsendung nach Tirol sollte Mathias begOtigt 
werden. Bänige Wochen sträubte er siehi erst als Maximih'an 
endgiltig mit dem Befehle in Ungarn betraut war, nahm er an.* 
Ausgestattet mit dem Beglaubigungsschreiben Rudolfs 
und mit einer kaiserlichen Instruction trat Mathias seine Reise 
nach Innabmck an, wo er am 34. Juli eintraf. ' Vier Tage be- 
reits vor der officiellen Eröffnung des Landtages begrllssten 
den Kizlierzo?!^ zahlreiche Stände unter Führung des Landes- 
hauptmannes Hanns Jakob Khuen, vci-sicherten bei Ueber- 
rcichuiif; eines ansehnlichen Ehrengeschenkes ihre Ergebenheit 
und ^abcn der Erwartung Ausdruck, dass des Landes Wünsche 
geliürt, seinen Beschwerden abgeholfen und seine Freiheiten 
p^eschiitzt werden. Die Zwischenzeit bis zum ErütVnunirstagc 
benützteu die tirolischen liiitlic, um dem Erzlierzog RathseblUge 
zu ertheilen. Sie waren nicht ohne Besorgnis, da die Land- 
schutt vor dem un/xewohnten Falle stand, wo sie nicht einem 
bestimniten einzelnen Landesfürsten, sondern einer Gruppe von 
Erben huldigen sollte. Wenn aber der Rath laut wurde, Ma- 
thias möge diesem Landtage ja keine neuen Bewilligungen au- 



^ Sarntein aii Erzherzog Maximilian, 18. April 159G. A. M. 
* Der Kaiaer verbandelte mit seinen Bindern persönlich, MatiiiM weilte 
im April, Haziittilien im Hai in Pra^. Am 80. April meldet Saniteiiit 

llathiae verzögert seinen Abschied Ton Prag und betreibt seine Be- 
Stellung für Ungarn. Dabei hofft er, Maximilian werde ungeduldig 
wcrdfin nrvl fieh vcfflrnssen nneh Morgontheim zurückziehen. Das miige 
Maxiiniliaii ja nicht tlmi), 8uuät hÄlia Mathias und sein Anhang gewon- 
nen. Der päpstliche Is'untius gibt sich alle Mühe, um einen Weg zur 
Befriedigt! ng de« Matiiias bu finden. Da denelbe von Tirol niefatt 
wissen will, denkt man an das jglilclitsche matrimoninm*, das ibm nieht 
llbel gefallen dOrfte. ,Uathia» praetendirt halt in aamma propter prae« 
rogativam aetatis alle an>v artschaften, welche seinem vermeinen uacIi 
E. Ern.st zu fnchon bofiifrt war tauquam 8ecnn<loirpnitn«.' Ä. M Aui 
30. Mai orfolgto dps M.itliias Ernennung zum TTuIdi<rniii^sc<Mninissär unter 
Anweisung von 8U00 Ü. Mathias verlangte 5. Juni Erhöhung auf 12.000 0. 
8t-A. Der Kaiaer bewilligte 10.000 H, welche die tirolisehn Kammer 
an lablen hatte. G. y. H. 1696, fol. 156. 
' Die Beglanhignng ist anagestellt vom Kaiser in üehereinatimmni^f mit 
Maximilian, Alhrecht, Maria und Herzog Wilhelm, ddo. Prag, 27. Juni 
1.')*.1G. Auf die Einsetzunjj dir Unterschrift Marias in den so lange rer- 
bandflten Gewnltbrief schtMiit maiv vorrichtet zu haben. Den Inhalt 
der iustructiun siehe bei Jäger 1. c. p. 11 



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297 



inutlicn, 80 deckte sich das theilweise doch schon mit seiner 
Instruction, welche ihn hcrcits anwies, vor der Hnldig^ung 
weni^'stens den Stünden mit keinen neuen Anforderungen zu 
kommen. 

In der achten Morgenstunde des 2. Angust versamm Iten 
sich die Mitglieder des Landtages in der Pfarrkirche zum 
OfHcinm de s. spiritu, von wo sie sich in den grossen Saal der 
landesfiirstHchen Burg begaben, wo ihnen in Gegenwart des 
Erzherzogs die Proposition und die Form des zu leistenden 
Eides verlesen wurde. Mathias knüpfte daran begrüssende 
Wort«. Der Landeshauptmann dankte für das ^gnädige er- 
bieten' und bat um Abschrift der Proposition und der Voll- 
macht der Interessenten. Aber schon gab es eine Verlegen- 
heit Einer von den Abgeordneten meldete sich noch zum 
Wort und fragte, ob der Erzherzog neben der von allen Erben 
ausgestellten Gewalt nicht auch noch eine besondere des Kaisers 
besitze; wenn ja, so rodge er auch diese TOrJegen. Damit war 
gemeint die BegUuhigung rom 27. Juni. In den Torausge- 
gangenen Besprechungen hatte die Begiemng dem Erzherzog 
widerraten, dieses Actenstttck zu produderen, da es von einer 
ungewohnten Form der Huldigung sprach, und namentlich auch 
deshalb, weil es, abweichend Tom gemeinsamen Gewaltbrief, 
nur eine Huldigung im Namen des Kaisers allein verlangte. 
Ob solcher Duplicität fUrchteten die Räthe unangenehme Er^ 
tfrterungen. Kur im äussersten Falle wollte man mit diesem 
Stücke hervorrttcken. Dieser Fall trat schnell ein. In der 
Vormittagssitzung hatte Mathias dem Ansinnen nicht willfahrt. 
Aber schon am Nachmittag meldete sich der Landmarschall 
Balthasar Trautson im Namen der Landschaft und hat auch 
diesen .gewalt hoch begehrt'. Mathias wagte daraufhin nicht, 
ihn weiterhin noch vorzuenthalten. ' 

Am dritten Tage (5. August) gaben die Stünde ihre Ant- 
wort. Sie erklärten sich zur Huldigung bereit unter folgenden 
Bedingungen: Der Eid wird den Erben geleistet nur ala Grafen 
von Tirol, diese Eidesleistung darf keiner der bisherigen Ver- 
schreibungen (an die Pfaudherren) und Gerechtigkeiten ab- 
trilirlich sein, die Landesfreiheiten sind von allen, denen ge- 
huldigt wird, zu conürmieren, der Hauptvergieich soll ehestens 

> £»henog MathiM an Kadolf, 2. Augoat 1696. St.-A., Conc 



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^Ü8 

vorgenommen and dabei jegliche Lladertheilung Termieden 
werden^ dabei möge man auf die Erschöpfung der Kammer 
■und die Armuth des Landes die nöthigo Rücksicht nehmen. 
Ausserdem wurde ein ergiehiges Verzeichjiis von Landes- 
beschwerden vorgelegt.^ Matliias zeigte sioli möglichst ent- 
gegenkommend. Eiüzelnetj sagte er sogleich zu, in anderem 
gab er gute Vertröstung.* Den SUtnden gestand er die Hul- 
digung in der hergebrachten Form zu, und so wurde sie ohne 
weiteren Widersprucli um 8. August feierliehst geleistet. Nach 
einigen Sehwierigkeittm h'ess sieh der Landtag auch noeh her- 
bei, den Rest der dem P]rzherzog Ferdinand bewilligten Geld- 
hiÜe (tiO.OOO fi.j und dazu noch 25.000 fl. zu erlegen, damit 
die RegräbTHskosten und das zu entlassende Hofgesinde bezahli 
werden ktinuton Man trennte sich am 12. August, aber nieht 
in sehr gehobener Stimmung. Einer der Landtagsbesucher, Antou 
Trautson, widmet der ersten Hälfte der ständischen Verhandlungen 
die Worte: ,man ist hier ziemlich unschlindig gewest und noch, 
es lasst sich nit achreiben.' Und einer der angesehensten tiro- 
lischen Landfaerrcn gab dem Erzherzog auf dessen Befragen 
den Rath, man m(Sge ja nickt so bald wieder einen Landtag be- 



Aasser den hai Jäger, 1. c. p. 20 (1*24) erwähnten Beuch werdepunkten 
seien noch folgende angeführt: Exspectanxen sollen nie den Landes» 
fretfaeiton widerspraeheii. In die LandUfel werde niemaad ohne Zu- 
stinDniig der Landsobafl anfgenommea. Beiehe firb«ii eoUea nicht n 

Eben geii'">thi|.'t werden. Brixens Eingriffe gegen den im Stift sitzenden 
Adel .sind abzu\vr»iBen, die katholisctio Rcli^rion zn erhalten, geistliche 
Stullen sind mit würdigen Männern zu besetzen. Kechtasaclten dürfen 
nur vor den ordentliubeu Gerichten entschieden werden, keine Rerision 
gehört vor das H<rfreeht. Die Kammer flbe keine Jurisdictien. Die 
Otafiaii von Atco rerhalte man sa ihrer Sehnldigkeitt das Stifl Trieal 
snr Einhaltung der VertrSge. Es sei darauf *n achten, dass dss 
deutsche Wesen in Trient ,nit gar zu abgang* komme, sondern er* 
halten uu'l erweitert werde. Leop. B, 27, I 

Matliias waitc'to nicht auf neue Weisungon von Prn;^. His die k''i~^'r- 
liche Antwort (9. August) auf seinen Beriebt vom 2. August eiutrai, \v.ir 
der Landtag schon geschlossen. Der Kaieer antwortete flbiigens; seine 
dem Mathias ausgestellte Beglanhignng besage nit^ta Andaree, als diM 
der Erehenog TOn Kaiser m einem Acte delegiert sei, den der Kaiier 
selbst anf Grutul des Abkommens mit den Erben vornehmen könnte. 
Wenn die Beglaubigung eine in Tirol nicht gobräuchliche ITiildi^inp?- 
formel enthalte, ho t^ai dies der V'orLande wegen, in Tirol mOge man 
bei der Qewohnheife bleiben. St.-A. 



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299 



rufen, wenigstens so lanpe. nicht, bis sich die Erben über den 
llauptvcrgleieh geeinifct hätten.* 

Während der Anwesenheit des Mathias in Innsbruck (ara 
20. Juli) ward endlich auch die Leiche Ferdinands in der 
Kuhelust erhoben und in feierHcher Proccssion, an welcher 
der Erzherzog, Cardinal Andreas, die Witwe mit ihren zwei 
Töelitern und viele Adelige theilnahmen, in die silberne Ka- 
jielle der Hofkirche, den Ort ihrer dauernden Bestattung, über- 
tragen.* Ein Theil des TTofpcrsonals wurde nun entlassen; zu 
seiner Bezahlung wollte das vom Landtag bewilligte Geld kaum 
reichen.^ Des verstorbenen Erzherzogs ,cantorei und instru- 
inentalisten* wurden zur Besorgung der Kirchenmusik noch im 
Dienste behalten, ebenso eine Anzahl Trabanten und Leib- 
schützen nach dem Wunsche der Erzher7:ogin- Witwe. * Die 
Erhaltnog des weiblichen Hofstaates fiel der Kammer noch 
immer schwer genug.* 

Am 26. August verHess Mathias die Haujitstadt Tirols, 
um auch der Reihe nach die vorländischen Huldigungsland- 
tage in Freiburg, Constanz und Bregenz zu besuchen. 

Die Eidesleistong Tolkog sich in den meisten Districten 
anstandslos* Wohl gestand man sieh in Regierungskreisen, 
dass die Sache diesmal etwas heikel sei. Ein bestimmter 
Landesftot war den Leuten nicht namhaft zu macheo, und 
die sonst Yorausgehende gnädige Bestätignng der Landesprivi- 
legien war auch noch nicht erfolgt' Man woUte daher um so 
sorgfitltiger sein in der Auswahl der Huldigungscommissarien 
fUr die einzelnen Gerichte und Männer von besonderem An- 



' Erzherzog Mathias an Hudolf, 30. Angnst ld96. Leop. A., 339. Anton 
Tnataan beklsgt am i7. 8epiembor, dass dis SflUide noch imnmr oiclit 
wiwen, w«r ihr LandaifBnt wflidd; ^enge m oaeh ihrem Wunaeh, ao 
wttrdfl «du looa auf B* D. (Brahenog HaximiUsn) springMi*. A. M, 

* Eine Beschreibung des Zu^ in A. Mem. I, 152 — 167. 

» Schon Ende 1695 schnidete man den ITofpfr^oTien 60.000 Ü. Unter den 
VerabsclüedHtfn waren der Oberstkämtnerer Gr.if Georg v. NoL'arnl. der 
Uofmarschaii Karl Scharf und der Oberstatalloieister Job. v. Kolowrat. 

* Brihanor Hathiw an Badolf» tO. August 1696. 8t-A. 

' Die Kammer meinte gegen EnberMg Matbiae: Man aollte ee halten 
wie in Kaiaer Ferdinande Tagen, wo Ar deaaen Töchter ein Geasmmt^ 
depntat anageaetnt wurde, davon liabo ilann .^cit 1509 Tirol ein Viertel, 
ebensoviel Karl von Steiermark und die UäUte Kaiser Maximilian II. 
getragen. M. a. H. 1696, fol. 359. 



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sehen dazu beBteUen. Altem Brauch gemiss hatten die unter- 
inothalischen Bergorte als die ersten den Hnldigungseid m 
leisten, nach ihrem Bespiele ,regulirten' sich die anderen. Hier 
gährte es seit Langem, neuestens noch mehr als früher. Die 
ersten Amtspersonen, der F^ident des Regiments Karl yon 
Wolkenstein, der der Kammer Heidenreich and Christof Vintler* 
wurden mit der AiifjE^abe betraut. Etwas beklonunon mögen 
die drei der Saimnluii^' einiger tausend Knappen entgegenge- 
blickt haben, welche zum Iluldigungsact in Schwaz sich ein- 
fanden. Sie konnten aber dann berichton, der Act sei gott- 
lob ruhig vor sich gegangen.* Auch aus den anderen Theileu 
Tirols kamen keine .ungleichen' Meldungen. Da^'cgen gab es 
Anstünde in den Verlanden. Die Truchsessen von Waldburg 
bekannten sieh zu keiner Huldigungspflieht. und Oraf Karl 
vtin Zollern untersagte den LJnterthanen u\ ^>igniaringen den 
Besuch des Constanzer Landtages und die Leistung deR Eides.' 

Wuiirend Mathias Vorderüsterreieh bereiste, wurde ihm 
noch eine andere peinhche Angelegenheit vorgelegt. Auf allen 
diesen Landtagen, insbesondere auf dem in Freiburg, begrüssten 
ihn die Stände mit der mttndlichen wie sehriftliehen Bitte, es 
möge doch einer der erzherzoglichen Miterben die Regierung 
übernehmen und, wenn das nicht sein könnte, so sollte ihnen 
ein Landvogt gesetzt werden. Denn seit Ferdinands Tagen 
waltete hier als Statthalter dessen Sohn, Cardinal Andreas, der 
sich nach keiner Seite hin irgend welcher Beliebtheit erfreute. 
Ganz offen erklftrten die Stände dem Erzherzog, den Cardinal 

* Vintler wurde uach dem Abgaug Heidonreichs KammerprüideaU 

* A. D. 1696, fol. 367, Lö<j|). A, 339. 

* Ueber d«n Conflict mit den ^nrochaoMen gedeaka idi noch an anderer 
Stelle Sil handeln. Der Graf ZoUem wollte nur die von Yeringeo, 

aber nicht auch die von Sigmaringen schwOren Uaaen. Er berief sich 
auf ein reich8karamer<:^ericbtliche9 Urtlieil vom 3. September 1588 ui. 1 
darauf, dass der letzte Rejjensburger Reichstag" ihm di»? Li^honsprii^ht 
von reichswegen deliriert habe. Der tiroli^che Kaiumt'r]<rocur.itur kla^rtt* 
den Grafen auf YerluBt des Lehens vor der ümsbrucker Kegieruti^. 
Aber Zollem emiriife in Prag, daaa die Sache vor den kaiaerUehea 
Seicbsbofrath kam, freilich mit dem Beiaata, daaa lite pendeote die 
Beehte Oesterreichs gewahrt bleiben sollen. Die ttroliBcho Regiemnf 
bat den Erzherzog Mathias um seine Verwendung, dass der Proce«« an 
das Innsbrucker Fonim ziirfickgeleitet werde. Zollorn .in Er?.hcn!og 
Mathias, 4. October lö'Jt"., Kejricninjr An ErKher/.i»^' Mathias, Ö. N>i\ <'niber 
1696, Erzherzog Mathias au üudolt, 31. Decembur 1696. X^eop. B, i'h I- 



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konnten sie einem gubernator dnrcbaiui nit weher gedulden 
wegen allerlei inconvenienzien'. Ebenso eifrig klagte die Re- 
gierung. Andreas sei selten anwesend, Alles aber müsse man 
ihm zur Ratification zusenden. Die Beschlüsse der Regierung 
würden vom Statthalter gewöhnlich ,umgekelirt', so entstunden 
viele ^confubionen' und leide der Kespect gegen die Obrigkeit. 
Dagegen stellte sich der Cardinal mit der Fordc^ruu**^ ein : die 
vürländiöche Statthalterschaüt sei ihm, wie selion sein Vater 
getban, nebst dem ausgesetzten Gehalt von lO üÜO il. lebens- 
lilnglich zu verschreiben, Bestellung der Beamten und Refor- 
mierung der Aemter sei ihm zu tiberlassen, er brauche nicht 
stilndig zu residieren und könne einen Stellvertreter bestellen. 
Mit solchen einander ganz widersprechenden Wünschen wurde 
Mathias bestürmt. Das Verlangen des Cardinais zu unter- 
stützen war der Erzherzog am wenigsten geneigt, schon des- 
halb nicht, weil er in ihm ein ,praejudicium der re eilten erben* 
sah. Weit lieber hätte er die Stände befriedigt. Aber den 
Andreas der Gubematorstelle entkleiden wollte man dann doch 
wieder nicht, weil man sich nicht zur Immission, d. h. zur Ein- 
Setzung in die vom Yäterlichen Testament bestinmiten Herr- 
schaften und BezUge entschliessen konnte.* 

Seine Huldigongsrundreise beschloss Mathias mit einem 
nochmaligen Besuche von Innsbraok, Diese seine Anwesen- 
heit benutzte die Regierang, um ihm ihre eigene Nothlage an 
schildern. Einige von den Rathsstellen waren schon geraume 
Zeit nnbesetzt, da Erzherzog Ferdinand in seinen letzten Jahren 
sich zu keiner Emennang mehr entschliessen konnte. Mehrere 
Räthe und Secretttre standen im Greisenalter und waren nicht 
mehr leistungsfähig; gleichwohl wollte man sie wegen ihrer 
EIrfahrung nicht missen. Seit Jahr und Tag war den Beamten 
kein Salar mehr ausgezahlt worden, so dass sie auf Borg leben 
mussten. Nicht weniger dringHch lauteten die Klagen der erz- 
herzoglichen Witwe Uber säumige Entrichtimg ihres Deputats. 
AU diesen Vorstellungen entzog sich Mathias durch baldige 
Abreise, dem Kaiser konnte er kein erfreuliches Bild von dem 
entwerfen, was ihm bei seiner Mission begegnet war.^ 

* Enhanog Albrecht an Rudolf, 11. April 1597, Enfaerso^ Kstfaias an 

Rudolf, 2ß. MKrz 1598. Leop. A, 839. Hirn 1. c. II, 406. 
' Während «lus Erzlifrznfrs Anwe^senhoit in Iiinsbnick trieben Hofleute und 
anderes Volk argen Unfug in der Stadt. Wiederholt verletzten frevel- 



302 

In Prag wollte man vor allem der finansiellen Nothlage 
steuern und wasste dasu kein anderes Mittel^ als die Stftnde 
fUr eine neue Steaerbewilligung zu gewinnen. Trots mancher 
abrathender Stimmen entscfaloss sich daher Rudolf im Jänner 
1697 znr Wiederberufung eines Landtages. Nach dem, was 
uns bereits von Cardinal Andreas bekannt ist, muss es aU ein 
schwerer Missgriff bezeichnet werden, dass ihn der Kaiser 
diesmal mit der Abhaltung des Landtai^os betraute.* Andere 
X'erstinimtingen kamen nocli hinzu. Vergebens hatte man bis- 
her auf die PrivilegieabestUtigung geharrt, die diesmaHge Dn- 
bonifiin^ der Stände war in ungewohnter Form erfolgt, und 
der Hauptvergleich stand noch immer in weiter Ferne.* Tlnter 
dem Zeichen eines recht üblen Humors erfolf;;te die Eröffnung 
dieses Landtags (25. F(!bruar U)\)l). Die Forderung des Kaisers, 
5000 IVfann auf drei Jahre gegen die Türken, ward nicht blos 
abgewiesen, .son'i<'rTi die Bewilligung der bisher laufenden 
Steuer an die BediuL^ung geknii})ft, dass vorher die Landes- 
freiheiten erneuert würden. Obwohl noch nicht zwei Wochen 
versammelt, murrten die Verordneten schon über ungebührliche 
Dauer des Landtages. Manch unzufriedenes und Terdriesslicbes 
Wort über das frühere wie jetzige Regiment war zu vernehmen. 
Andreas war olmmächtig. Und was bisher noch selten hr\ einem 
Landtage vorgekommen : ohne einen Vergleich zwischen kaiser- 
lichem Antrag und ständischem Angebot, also den Abschied, 
abzuwarten, lösten sich die Versamm^ten auf, und die wenifien. 
die zurückblieben, entschuldigten sich mit der Unmöglichkeil 
einer Besehlussfassung. Dieser Landtag hat sich also zerschlagen.' 

liafke Hände auch die Brunnenleitungen derart, dass die Stadt Wasser» 
noth Utk C. D. 1696, fot. ISA; T. d. f. D. 1696, foL 189. 
Andreat kuDta wohl nlbti die StiiDiming. Desbalb eriwt er Ml rom 
Kaiser Briefe an eme ^nze Ansaht von Herren, worin «ie efaveht 
wurden, dem Cardinal beizustehen. Q. v. H. 1697, fol. 29. 

' Die Tiroler Regiernn^ liatfo (lern Kaiser drinprend per-ithon, vor ilem 
Hauptvergleich kpiiieii Landt.-tcr r.n bonifen limlolf nber erkl.-irto 
weiteres Verschieben für unmügUch, da er der Türkunhilte bedürfe, and 
weil er von anderen Erbla&dern nidita bekommen wflrde, wenn Tirol 
Tenehont werde. Gl. H. 1697, fol. 4. AehnHclien Bntb wie die Be- 
gierong erth^Ite anch Enbenog Mathias dem Kaiser dnreh Emst 
Mollart noch am 30. Jänner 1597. 8t.-A. 

• A. .T-i^n^r 1. c, p. 26 (130); F'r^jjpr. Oe'x-lnrhte Tirols II, 972. Eintr? 
charaktoristist-ho Züge von diesem Landtag Ijringt Sartori, Heiträge 
Osterr. Boichs- und Bechtsgeschichte II, p. 163. 



doa 



Zu der Zeit, da die Landboten unwillig auseinander- 
giengen, waren wenigstens einleitende Schritte sclion zum 
Hauptvergleiche gethan. Noch im November 1596 hatte Ers* 
herzogin Maria^ damit man etwa nicht ihr ^das gaumsal zumesse', 
iln-r Vertreter dazu ernannt: Bischof Martin von Seckaa, den 
Landeshauptmann Friedrich v. Herberstein,^ den Vioedom von 
Krain Josef v. Rabatta und den Dr. UieronymuB Manincor. Sie 
meinte gegenttber dem Kaiser, man könnte wohl nooh in diesem 
Jahre fertig werden.' War auch die Hoffnung auf so kareen 
Termin nichtig, so wurde in Prag doch der Tag Ton Pauli 
Bekehrung cur ErOffiiung der Verhandlungen in Wien ins 
Auge gefasst Noch vor Jahreaschluss ernannte der Kaiser 
Commtssarien» die ihn, und solche, welche die Tiroler Re- 
gierung Tertreten sollten. Die erstere Ornppe war gebildet 
aus Reichard Strein, Wolf Unverzagt, Ruprecht von Stotzing 
und Ludwig Hoyos,' die letztere aus G. Heidenreioh, Karl 
fVOlich und Ulrich Hohenhauser. ^ Auch Mathias und Ifaxi- 
milian bestellten ihre besonderen Gesandten, obschon sie bei 
der Gleichartigkeit ihres Interesses fanden, dass der eine sich 
nach dem andern ,reguliren' sollte. Jener bestimmte den Frei- 
herrn Ernst v. Mollart und Dr. Seemann, dieser den Innsbrucker 
Regimentsrath Ilildbrand v. Wanga, Karl v. Sarntein und Dr. 
Pölsterle. Auch Herzog W iliichii von Baiern that noch so, als 
ob ihn die Sache etwas berührte, obgleich Ferdinand von 
Steiermark als volljähriger FUrst bereits die Huldigung seiner 
Länder entgegengenommen hatte. Wilhelm erklärte, Nieman- 
den abzuordnen^ da er von tiroiiscben Dingen zu wenig yer- 



* Herberstetn scheint neh aelten oder nie an den Verhandlnngeti dann 

betheili^t zu haben. 

* Kr£h«i /,i»j,nu Maria an Hudolf, 24. November 1596, Leo]). B, 27, I. 

* Die kaiserlicheu Coiutuiiiaäre batteu auch den Eraherzog Albrecht zu 
Teitraten. 

* G. H. 169«, fol. 187. Heideureieh, der sioh jetat bereite in bairiachea 
Diensten befiind, snehte tieh der Bestellung unter Berufung auf sein 
,b1nr!c.M gedXchtnis' zu entziehen, musste aber endlich doch dem kaiser- 
lichen Kufe f(lle^'^l Anfang-s war auch Klilesl nnter die kaiserlichen 
Coramissilre rihl'* ii iinaieu, aber in der xpatuien In.'itniction fflr dieselben 
erscheint sein ^anie nicht mehr, und so interveniert er auch nie bei 
den Yeriiandlnngen. 

* Wilhelm glaubte eleh olfMber dasa bereebtigt als Mitvormnnd Uber die 
jüngeren 89hne dee Brnbenogs KarL 

Af«hi?. xcu. IM II. HitfU. 20 



304 



stehe, jedenfalls komme Alles an auf die alten Vertrftge und 

Dispositionen; seine Vollmacbt übertrage er auf seine Schwester 
und deren Sohn; den nun bei ihm bediensteten Heidenreich 
wolle er zu den Verliandlungen beui kiuben. * Zur Beschickung 
lud Rudolf auch den Cardinal Andreas ein, wenn er seine und 
seines IJnidcrs Karl rrütciisionen und ,üft gesuchte immission* 
gelttMid m.ic'hen wolle. Aber bald folgte eine Termiiiorstreckung 
auf deu l'cbruAr. d;i Mathias und einige Conimissäre durch 
den Landtag in Uiip:arn nnrli füstgehalten wurden. 

In Prag glHu])tc man. mit Einbernfiino* ji-nor Parteien, 
die als Erben auftreten konnten, genug gcthua zu liabon. Als- 
bald meldete sich noch ein Theünehmer. Der Ausschuss der 
Tiroler Landschaft richtete an Kudolf die Beschwerde, dass 
die Stünde von diesen Verhandlungen ausgeschlossen würrlen. 
In wichtigen Landesfragen habe man bisher doch immer die 
Landschaft gehört, und das sei diesmal um so wichtiger, da es 
den unversehrten Fortbestand des Lftnderganzen unter einem 
einzigen Regenten pleite. Audi bei dieser Gelegenheit wurde 
dem Kaiser nahegelegt, auf die Berufung des Landtages za 
▼ersichten bis zu einer das Land beruhigenden Austragung 
des Hauptvergieiches. Auf dieses letztere gieng Rudolf zwar 
nicht ein, aber er stellte es in seiner Rückantwort den Ständen 
frei, die Vergleichsyerhandlungen zu beschicken, wenn auchf 
wie er beiftigte, bei denselben eigentlich nur die Erben 
interessiert seien, da es steh um die Bestellung eines Landes- 
fürsten handle. Von der hierdurch eingeräumten Freiheit 
machte der bald darauf zusammeniretende Landtag Gebrauch 
und ernannte seine Verordneten: Karl Schürf, Mathias y. Ännen- 
berg und den Meraner Bttiger Hans Egen.* Wie gebrftuchlich, 
wurde für diese Vertrauensmänner auch sogleich eine In« 
structioii entworfen. Sie ist breitspurig und geht fkber das 
Wesentliche so weit hinaus, dass sie sich wie eine der zahl- 



* Herzog Wilhelm au Kudolf, 24. Jänner 1697. — Vielleicht hätte auch Erz- 
herzogin Anna Katharina Lnat gehabt, die Verhandlungea tn heachUHatk, 
Es mMg damit siuMiiniiienhiiigen, d«M Bndolf plOtsUeh, im Jlnner iWt 
mit Daraulgiibe einer jfthrlioben ,Zabuit«^ rieh mit ihr äber ihre Be* 

zügc V. rirlich. 

" Die oinschlilcrigen Acten bei A. Jäger 1. c. p. 37 (IH) fT Dnsn nnt^>r 
den Erwählten auch Schtirf, dor P.-irtAttrHnsrer der 8teierniark r LivÄe 
war, seigt, daw er diese seine Ues-iunuDg bisher au verbergen Ten<tau>i. 



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305 



reielion Bcsclnverdeschriftea der daniaIi<ron Landtuire liest. 
Gleich der erste Punkt, der die AufrechterhaltuDg der katho- 
lischen Religion verlangt, hatte mit dem Hauptvergleich nichts 
zu thun, da in dieser Hinsicht keiner der interessierten Erben 
irgend einen Anlass zum Argwohn but. VVieiitig dagegen war 
der Hinweis auf die Nothwcndiirkeit, dass Tirol un<!^etbeilt 
bleibe und die Vorhuub^ nicht abgetrennt werden. Aber auch 
an eine Theilung der ^jefiille möge man nicht denken bei der 
finanziellen Passivität des Landes, die nun eine weitlauiigo 
Beleuchtung erführt, damit man sehe, ,wo, gemeinem Sprich- 
wort nach, der putzen steckt^ Denn gerade beim Hauptver- 
gleich, so meinten die Stände irrthllraHch, wäre Gelegenheit zu 
einer finanzieilen Reform. Erfolge dieselbe da nicht, so sei ,herz 
und hoffnong' Terloren. Mögen sich die Erben entscheiden 
wie immer, so sollen sie sich jedenfalls auf ein einziges Haupt 
einigen, damit nur einer im Land zu gebieten habe. Bei diesem 
Punkte erlaubte sich die Landschaft eine Art Exolasive. Die 
Bestellung des GardinaU Andreas zum LandtagscommissSr 
hatte das Geflieht entstehen lassen, es sei ihm auch die Statt- 
halterschaft Uber Tirol zugedacht. In höflicher, aber sehr 
entschiedener Form wird dagegen protestiert. Andreas, im 
Besitae vieler ansehnlicher Stifter nnd Prftlaturen, würde sich 
dem Giibemament nicht widmen können; ausserdem habe er 
als Bischof yon Brixen seit geraumer Zeit schon sich Eingriffe 
in die landesherrlichen Rechte des Grafen von Tirol erlaubt 
und würde die Stelle eines Landesverwesers zur Erweiterung 
der stiftischen Macht auf Kosten der landesftlrstlichen benutzen. 
Schon dass der schlecht berathene Erzherzog Ferdinand seinem 
Sohne Andreas die lebenslUngliehe Statthalterschaft in den Ver- 
landen verschrieben haben soll, sei eine unerträgliche Last. 
Ebenso energisch legt die Landschaft dagegen Verwahrung 
ein, dass des Cardinais Bruder, der Markgraf Karl, auf seinen 
Gutern in Tirol etwa eine exempte Stellung einnähme, oder 
dar?» die den beiden Jirüdern im väterlichen Testament ange- 
wiesenen Herrschaften mit tirolischem Steuergclde schuldenfrei 
gestellt würden. Ueberhaupt möge man sieli hüten, vorliindi- 
sche Herrschaftsgebiete den beiden Biud(?rn anzuweisen und 
diese Gebiete dadurch von den üsterreichisehen Landen abzu- 
sondern. Endlich folgte nocli die lange Kette von Beschwerden 
über Landesverwaltung und Justizwcsen, t^ber Maut und Zoll, 

20» 



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306 



Stoipt ruiiir des Salzpreises und schlechte Waldwirtschaft, über 
Caiiit lal.sc-liuldi.'M und Versulircibung der Pfandschafteii. über 
des Landes Jk'zi»'hun«x zu den Grafeü in Welschtirol und zu 
den liiinduerlaudcn. Eiü mitgegebener Ausweis sollte den Ver- 
traucnsruäunern zum Behelfe dienen, um bei den Verhand- 
lungen zu zoip^en, wie sehr unter Erzherzocf Ferdinand die 
Steuerkraft Tirols in Anspruch i^euommen worden sei.* 

Mit der Wiener Keise brauchten sich die Verordneten 
der Landfeehaft nielit .-^ehr zu beeilen. Dieselbe Ursache, welche 
zur Termin Verschiebung- auf den Februar genütlii<:t hatte, 
zwang, die Eröffnung auf" Knde März anzusetzen, obglcieh der 
Bischof von Seckau und seine Genossen rechtzeitig in Wien 
eingclroffeu waren. Die SteiermUrker giengen wieder nach 
Hauae und harrteii dort des Beginnes. Selbst die Einhaltoag 
des neuen Termines schien bald fraglich, da einer der kaiser' 
liehen ConimissUre, Stotzing, erkrankte, und der erste von 
ihnen, Strein, durch den österreichischen Bauernaufstand in 
Anspruch genommen wurde. Aber der Kaiser scheute nna 
doch eine noch weitere Erstreckung, das würde die Grazer 
Linie ^sebr empfinden'; könnten zum 31. März auch noch nicht 
alle Gesandten gegenwärti|f sein, so sollte doch an diesem 
Tage mit der ,praeparation' begonnen werden.' So geschah 
es auch. Man trat aber suaammen im Gefühl, dass es schwere 
Arbeit geben werde. Samtein meldet seinem Herrn: ,80 viel 
ich aus der Grazerischen Intention yermei'ke, wird es viel 
gltlck brauchen.'* Die Intentionen giengen thatsächlich weit 
auseinander. Wfthrend die Grazer Gesandten die Weisung 
hatten, auf LändertheOung zu bestehen, muasten die Abgeord- 
neten des Elsers und seines Bruders Mathias für das Gegen* 
theil eintreten/ Jene des Erzherzogs Maximilian waren zu 
Anfang April noch nicht im Besitz einer Instruction. 



* Besondere Credonzschreiben wurden den Abgeordneten mitgegeben, da- 
mit sie den Er/.hen^nrr Maximilian und die Vertieter der tiroUflcliea 
Regierung, lleideureicii und Genossen, ansprechen köuuteo. 

* Rudolf an Erzherzog Mathias. 14. Härs 15d7. St-A. 

* Suntoiti An £nherzog Mazimiliaii, S6. iCXrs 1697. A. H. 

* Am onlachiddensten lautete die Inatructioii des Bnhenogs Msthitt; 
Thoilung ist abzulehnen, sie widerspricht dem Testament Kaimt Fer>> 
diri.iiid.-4 I, und dem Wunsche des Landes. D;i der verstorbene Erz- 
herzog viele Schulden htnterUeM und bei Lebzeiten au seine SOhoe 



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307 



Nach dem ZusAmmentritte nahmen die kaiserlichen Com- 
misBäre als erste das Wort: Nach mannigfachen Verhinderungen 
könne endlich die Verhandlung eröfiriet werden. Es handle 
sich dämm, den Ländern ,em beständiges haupt* zu geben, 
denn der Kaiser und seine Brüder seien der Mciuunü:, dass 
keine Tlieilunfj stattfinden dürfe. Da übrif^ens eine grosse 
Schuldenlast erscheine und lür die HinterbHebenen sowie ftVr 
einen regierenden Landesherrn aufzukommen sei, so wurde 
auch für eine Theilung des LandesertrUgnisscs nicht viel übrig 
bleiben. Es müsse auch «^leiclizeitisr der Stand der Landes- 
iinanzen genau festgeateik werden, wobei man auch über Mittel 
zur Besserung schlüssig werden könne. Der Kaiser lege also 
folgende Fragen vor: 1. Wem ist die Ixegierung zu übergeben? 
2. Wie ist Kegimriit und Kammer zu ordnen? 3. Wie ist (sine 
gute Wirtsrliaft anzustellen? 4. ^.\ ie kann das Einkommen aus 
Zöllen und üolz vermehrt werden? 5. Kann man aus Salz und 



YielM Tenebenkte, ao iat sa ,inoTir«D% ob «r Überhaupt noch ein To* 
•Umont machen konnte. Ja es iat auch iweifelhaft, ob die Terpa- 

buagen bei dessen Lebzeiten giltig' sind, und ob sein Codtcill in allen 
Punkten zu nitificiereii ist. Mit sfinen Salinen kann erat verhandelt 
werd<_'n, wenn <liö Erzberxofjo 8ith verglichen haben. Die beiden Söhne 
sollen sich Übrigens mit dom angesetzten Deputat von äU.OOu Ü. und 
dem Markgrafentitel begnügen. Die Untertbanen werden »ich nicht 
vom Hanse Oeelerreieh trennen lassen, besonders nicht die treuen Wal- 
gemer, welche selbst erklirten, daas sie 10.000 Mann stellen konnten. 
Eine so gute Gesinnung wie bei dicken wird man kaum in einem Krb> 
lande finden. Die 8chw:ibiseheii niid arlber^'isclii'iY Stände würden einen 
guten Theil des Deputats auf ilire »Steuer nehmen, damit sie nur nicht 
unter diu beiden Söhne kommen. — In Bezug auf die Hauptfrage der 
Tbeilung zeigt sich Mathias das Jahr vorher noch achwaukend. Am 
4. Juli 1596 nimmt er noch in einem Sehreiben an den Kaiser die 
Möglichkeit einer Tbeilung an und legt dem Kaiser sogar schon nahe, 
er mOge, wie es nadi Ferdinands I. Tode geschah, Theillibelle anfertigen 
lassen. Dagegen verwahrt er sich nm 8. Juli vor dem Kaiser gegen 
jede Thüilunp^, da sie dem Ferdiiiaiulei>schen Testament und den Öster- 
reichischen Freiheitäbriefen widerspreche, üei den Ländertheilungon des 
14. Jahrhunderts habe man willkflrlich das Recht gebrochen. Enhersog 
Mathias an Budolf, 6. Juli 1506. St.*A., Cop. In einer Weisung des 
Kaisen an seine Gommisstre vom 21. Februar 1697 wird aneh von der 
Möglichkeit einer Tbeilung gesprochen, dabei seien aber dann fUr die 
kaiserliche Linie fünf (da auch der verstorbene Erzherzog Emst mit/u- 
zälilen ist) und fUr die Oraxer Linie vier Theile in Anschlag so briogea. 
Leop. b, 27, l. 



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308 



Münze grösseren Gewinn erzielen? 6. Ist ein Schenkpfennig 
einzurühren? 7. Wäre es mit einer Vermögenssteuer sn Ter- 
Buchen? 8. Sind die Länder um Hilfe anzugehen? 

Es mscht den Eindruck, ab hätte Rndolf durch das Auf* 
werfen einer ganzen Reihe innerer Regierangs- und Ver- 
waitungsfragen von der unangenehmen Erörterung der Theilungs* 
frage ablenken wollen. Aber die Qrazer Abgeordneten waren 
nicht so leicht zu beugen. Sie hörlen aus der kaiserlichen 
Proposition nur das eine heraus, es handle sich um die Be- 
stellung eines einheitlichen Hauptes, und zwar ,nit auf seit 
sondern indeterminate'. Diese Bestellung, so meinten sie, würde 
auf Mathias fallen, weil Maximilian, der sonst aueh noch in 
Frage kommen konnte, ,dem kriegswesen ergeben' sei. Und 
wollte man auch mit einer Theilung des Ländereinkom- 
mens ,die Sachen etwas bescheineu*, so werde es duich die 
vom Kaiser absichtlich mit cinbcrufcucn Cunimissäre der Ti- 
roler liegierung illusorisch gemacht werden, da nach deren 
Kechnungsauswcise niclits zum Theilen übrig bleibe, sondern 
noch einij^e Tausende daranfzii/uhlen wären. So würden also 
Tirol und die Vorlaiide bei der kaiserliclien Linie bleiben, 
SO lange dieselbe nicht erlischt, und Erzherzog Ferdinand hätte 
das Nachsehen, wenn er nicht gar noch etwas hinzuzahlen 
mlisste. * 

Von diesen Erwägungen aus«:^ehend, gab am folgenden 
Tage (1. April) der Bischof von Seckau den Versammelten 
Antwort. Wenn der Kaiser, sagte er, einstweilen die Re- 
gierung übernommen und die Huldigung habe leisten lassen, 
so habe er sich damit gewiss nichts anmassen wollen. Allseits 
sei man ja entschlossen zu friedlicher Tractation, um ^allerlei 
diesorts gemeiniglich entstandene weitleufigkeiten* zu verhüten. 
Aussugehen sei von der Ferdinandeischen Disposition (1Ö54), 
vermöge welcher Theilung und Auszeigung zu erfolgen habe. 
Die gegen die Theilung yorgebrachton Gründe seien nicht er^ 
heblich. Im Hause Oesterreich sei es stets der Brauch ge- 
wesen, dass, wenn Jemand nicht ,in communione' bleiben wollte, 
er seinen Antheil herausbekam. Jetzt gebe es zwei, unter sich 
allerdings ungetheilte Linien j was diese zusammen bekommen, 
sei unter sie zu theilen. Ist auch zu Zeiten die XJntheilbarkeit 



* Msoincor «n Ershenogin Bfaria, 4. April 1597. Bt-A. 



309 



ausgesprochen worden, so wttrde docli damit nachfolgenden 
Theilimgen nicht derogiert Tirol und die Vorlande hätten 
wenig Qemeinschaffcy und mit den Privilegien dieser Lllnder 
habe die Frage der Theilnng überhaupt nichts zu thun. Die 
Theilung empfehle sich schon nach dem Sprache ^eigen herd 
ist goldes wert^ Hier habe man nur Uber die Theilung zu 
handeln, und deshalb habe man sieb mit den anderen vom Kaiser 
aufgeworfenen Fragen nicht zu beschäftigen. Denn jeder werde 
schon wissen, wie er den ihm zufallenden Lündoth^ au nutzen 
und zu bessern hat 

Die Grazer Collegen des Bischöfe fanden solche Rede gar 
^stattlich' gesprochen. Hätten dieselbe^ so meinten sie, nur 
der Kaiser und seine Brüder selbst gehört, so würden sie von 
ihrer ,gefassten mainung' gewiss etwas ablassen und wuj Jcn 
bekehrt sein ,wie andere zuliürer'. ^ Denn wenn auch das 
gleichzeitig Ubergebcne schriftliche ,Summarium^' Alles ent- 
halte, so habe doch ,die lebendiore stimm viel ein mehrer kraft 
als die blosse schrift^ Befriedigt vom Eindruck, den die 
Worte des Bisehofs hinterh( :--( ü. gaben die Gesandten nach 
Graz den Rath, fest zu bleiben und auf der Theilung zu be- 
harren. Dabei miissten sie aber docli bekennen, sie stünden 
mit ihrer Forderung ganz allein, aueli die Brüder des Kaisers 
seien nicht mehr wie im vergangenen Jahre daflir und die 
Tiroler seien so heftig dagegen, dass man fürchten müsse, 
selbst Schürf könne nicht so thun, wie er gern wollte, sondern 
mttsse sich an die Instruction der Stände halten. Gleichwohl 
liege Alles an der eigenen Beständigkeit^ und habe man bisher 
leider schon zu viel vergeben, so könne man jetat, wenn man 
fest bleibe, Alles ^recuperieren^ 

Nach diesem ersten Gedankenaustausch trat einer der 
kaiserlichen Commissttre, Unverzagt, an die Steiermärker heran 
und lud zur gegenseitigen Mittheilung der Instructionen ein. 
Die Angesprochenen sOgerten. Da aber Unverzagt die seinige 
sogleich producierte, so konnten die anderen nicht sprt^de 



' Zu diesen Zuhörern ^bOrten etwa die Gesandten <1 vs Cardinais Andreas, 
denn diese entacbnldijjten nach rler Rerle des I>ischrifs ihren Herrn bei 
den Orar.ern, dass er den Tiro'.or Landtag- eröffnete, ohne die Qeuebml- 
gung in Gra^ dazu eingeholt zu babuii. 

• DasMlbe 1»ei A. Jiger 1. e. p. 77 (181). 



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310 



bleiben und sagten auch ihrerseits die Vorlage sn, aber ent 
nach einigen Tagen. Denn die Grazer Herren sahen eich sa 
einem kleinen Humbug genOthigt. In ihrer Original instruction 
war anter anderem der Sata aufgenommen: wenn eine Theilang 
durchaus nicht au erreichen sei, so mOge man ihnen andere 
Vorachlüge machen. Da sie nun aber unbedingt fUr Lander- 
theilang eintraten, so hielten sie diese TerBÖbnlicher klingende 
Stelle nicht geeignet zur Mittheilung und Selsten dafür in die 
Abschrift, sie seien au nichta anderem als au einem TheÜnngs- 
vertrage erm&chtigt ülrst diese also corrigierte Abschrift 
lieferten sie aus.^ 

Ausser diesem Zwischenfalle war es auch die Osteraeiti 
welche in die Verhandlungen einen Stillstand brachte, so dass 
dieselben erst im Mai wieder in Fluss kamen. Aber auch im 
privaten Verkehr suchten die Steirer ftar ihre Ansicht den 
Weg au ebnen. Keiner von den anderen Herren, so berichteten 
sie nach Hause, kann gegen unsere Ausftlhrungen etwas ein- 
wenden, jeder mnss unsere Motive anerkennen. Von einem 
der angesehensten, dem Kammerpräsidenten Unverzagt, hatten 
ßiü diu ^^'ürto aufgefangen ; wenn auch jetzt noch keine Thei- 
lung zu erzielen sei, so falle auch kein Baum auf den ersten 
Streich; sie sollten nur fest bleiben, dann werde sich wohl 
auch der ,huraor* des Kaisers ändern.* Auch einer der liro- 
lischen Regicrungsleute soll sich geäussert haben, eine Theilnng 
werde niü<;lich sein; und nach längerem Zusprechen habe der- 
selbe — es war ] [tjhpTdiaiuser — zugegeben, dass die Tiroler 
kein Privileg auf Lnthciibarkeit besässeu und nur das Recht 
der Bitte hätten, ,es sei kein ding so schwer, dass man es nit 
richten kunt, wenn mau nur will'. Dagegen erwies sich Heiden- 
reich weniger ,Und^' 



* In Gras s(%erta man nicht mit dar Gtoehmigung. 

* Manincor an Erabenogin Maria, 12. April 1597. 8t. -A. 

* Sonst seigten dt« drei Tiroler, Heidenraich, FrSUeh und Hohentmmer, 

bemerkenswerte Zurückhaltung. Als ihnen UnverUgt das Verlangen 
der Qrazer niiltheilto. antwortoteii sio: sie könnten sich darüber nicht 
Snsspm, weil .siö dafür keine Instruction hätten. JDenn sie seien nur 
gesendet, um über die tirolischen Finanzen Aufsdiluss zu geUcn. Sollte 
nnr Aber lilndertheilung verbaudelt werden, ao bäten sie, nach Hause 
iDrflckreisen tn dttrlen. In eolchem Fnlle wollten sie nnr di« Bitte 
sorttcblanten, der Nothlage des Landes nicbt tn Targeasan* 



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311 



Die Osterpaiue benttteten die Kaiserlichen zur Ausarbei- 
tung ihrer Duplik auf die erste steirisehe Antwort, die 
Qrazer wieder, um solche ,fuDdamenta' zn sammeln, dass man 
bei allen kanftigen Discossionen leicht darauf bauen könne. ^ 
Gegen Ende April wurde den steirisehen Herren die Zeit lang 
und sie begannen zu fragen, wie lang man sie denn noch ,auf- 
ziehen* wolle. Sie fürchteten, dass unter dem Vorwande der 
jkriegsleuf die Verhandlungen abgebrochen werden könnten. 
Aber sie mussten sich noch etwas gedulden. Heim ersten Zu- 
sammentritt nach Ostern wurden die Gesandten des Cardiuals 
Andreas und des Markgrafen Karl sowie des Grafen Karl von 
Zollern angehört.* Erstere forderten die Einsetzung in die 
vom väterlichen Testament bezeichneten Herrschaften, Zollem 
verlangte die Anerkennung der ihm einst von Erzherzog Fer- 
dinand ausgestellten Lehensexspectanzen. Alle Vertreter der 
Erben erklärten jedoch, darauf erst nach Entscheidung der 
Hauptfrage eingehen zu wollen.* Eine gewisse Abwechslung 
in das zuwartende Stilleben brachte das Erscheinen der Ab- 
geordneten der Tiroler Landschaft, die nach einer fUnftägigen 
Wasserfahrt am 6. Mai in Wien anlangten. Sic besuchten so- 
gleich die Vertreter des Kaisers und seiner Brüder, mit denen 
sie sich ja einig wussten in Bezug auf das wichtigste Anliegen 
der Stände. Bevor sie noch die Grazer Herren au&uchteny 
eilte Manincor, um ihnen die BegrUssungsvisite au machen. 
Dass es diesen namentlich zu vertraulicher Conversation mit 
Schürf drftngte, wird uns nach dem, was wir von diesem be- 
reits wissen, nicht verwundern. VorwurfsroU klagte Manincor 
dem Freunde, dass gerade die Tiroler am meisten den An* 
sprachen seines Hetm entgegentreten, während es ihnen doch 
nicht zustehe, den Fürsten in der Frage der Ländertheilung 
etwas Yorzuschreiben. Man yerlange nichts Neues, es gelte 

* Manincor an Er«her«ogin Maria. 19. April 1Ö97. iSt.-A. Trotz Hohen- 
hauserH Bemerkungfen fiirclitfto!» die (irazcr, dir- drei Tiroler würden 
gegen sie sein. AU ,coulruiiuua' dagegen breiteten die äteirer allent- 
halben tau, daaa bei den Tirolern «ein pertienlarintereue ond privat' 
■ffeet mitlaaft*, sie tihen rnebr auf »ich selbat ala auf äs» Interesse des 
Fttislenhaeses, nnd desbalb sei auf fbre Meinung nicht stark ,sii fiuseo*. 
Derselbe an dieselbe, S6. April 1697. 

* Im Namen der beiden Brüder »prarli Paul Zehentnor, im Nemen des 
Grafen Melchior (ttjur, der s[)ätero lirolische Kanzler. 

* Mauiucor an Erzherzogin Maria, '6. Mai lödT. üt.-A. 



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312 



nur, dem Erzherzog Ferdinand und seinen Brüdern zum Ilirij^^on 
zu verhelfen. Die Tiroler wttrden doch nicht die Hand leihen, 
einen des Seinigen zu ypriyiren^ Diese Worte waren nicht 
gesprochen^ um etwa Schürf erst su bekehren, sondern um 
ihm Argumente im Verkehre mit seinen Landsleuten an die 
Hand 2u geben. Und so entgegnete denn der Ritter: sie 
hätten freilich den Auftrag, die Theilung su hintertreiben, aber 
die Privilegien des Landes erstreckten sich darauf gar nicht, 
die Steirer sollten nur fest bleiben. Dabei betheuerte Scburf, 
dass alle tirolischen Stände, nur wenige, welche an Einfluss 
XU verlieren fUrchten, ausgenommen, den Qrazer Erzherzog 
am liebsten zu ihrem Herrn hätten.' Die Tiroler machten 
Übrigens auch dem Bisehof von Seekau und dessen Begleitern 
ihren Besuch. Was man ihnen bei dieser Gelegenheit sagte, 
hatte wohl den Zweck, sie etwas einzuschüchtern bei Ver- 
fechtung der Untheilbarkeit: Erzlierzo^^ Ferdinand wolle, n enn 
er zu seinem Erbtheil gelangt sei, ötcts der i.an(isehat\ gnä- 
digster Herr bleiben und habe seine Gesandten beauftragt, den 
Tiroler Vprordiieteu ,allen annehmlichen willen, ehre und freund- 
schaft' zu erweisen. * 

Am It). Mai übergaben die l\ai>orlichen und erzherzog- 
lichen Vertreter ihre Duplik, worin sie unter Berufung auf 
Kaiser Ferdinands Testament, auf die Hausprivilegien, auf die 
Geschichte der Dynastie, den Wunsch der Unterthanen nud 
auf das allgemeine Wohl, dem das Sonderintercssc nachstehen 
mttsse, sich versahen, dass die Grazer die priitendierte Thei- 
lung fallen lassen und mit den anderen auf ein einheitliches 
Haupt sich vereinigen werden.^ 

* Manincor an Enbenogin Maria, 10. Uai U97. Von dietem Yeritehr mit 

Mntiiiu or wird natürlich in der Kelati<m an <ton LsadMliaiiptiiiaaii tod 

Tirol (Jäger, 1. c. p. 68 [I72]' ni< lif«! erwHhnt. 

' In diesen Taj^^n gab es «ut- r duu 6teierniärkern selbst einigen internen 
Verdrus«. iJer Bischof und Manincor be«chwurten sich (13. Mai), da« 
Babatta nicht aufbOru, mit einem ^sonderbarea nsfotium* die Nachbar» 
scbafk Bu bebelligeo, m» daw die Saebe vor die Obrif^eit so kemmB 
drobe. Er, ah Siekelmeister der GeModtaebaft, wirtbaehafte aacb 
Bcblecht mit seinem »spendiron propria autoritate* und laaae «ich nicltts 
dareinreden. Man mtSge ihn doch schnell abberufen, ein Eraats fftr iba 
sei nicht nJHhtp;'. Näheres pf^fbon dio Acten nicht. 

' Am 1. Juni sprach ihnen der Kaiser seine Zufriedenheit mit ihrer Ant- 
wort aus; sollten die Grazer noch weitere Etuwendungon machen, m 
würden sie ibnen in widenprecben wiaaen* Leop. B, S7, L 



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313 



Schon am folgenddn Tage setaten sich die Steiermärker 
zaBammen, um eine Triplik an Faden zu scblagen, mit welcher 
sie hofften, genügend ^ablainung' zu thnn. Ihrem Yermathen 
nach hatte Heidenreich einen guten Theil der ,behelfe' in der 
gegnerischen Replik »geschmiedet*. Mit scheelem Auge ver- 
folgten sie, wie derselbe Heidenreich mit den tirolischen Land- 
schaftsbotcn ,ad partem convcrsirte'. Ihre HofTnuug stand auf 
Schürf, welcher die Sachen schon noch ,zum rechten diri^ircn* 
werde. Schürf Hess es nicht an vertraulicher licstärkuug im 
Festbleiben ermangeln, um so wichtiger erschien den Steirem 
,des herrn Schürfen und anderer Sachen heimlichkeit'. Da- 
neben wollten sie vemnhmen, ,es sei bereits bei den kaiser- 
lichen die glockun gegossen', dass Mathias regierendes Haupt 
in Tirol, Maximilian Gubemator in Oesterreich werden sollte. 
Somit wäre Ferdinand jper indirectum exchulirt; aber diese 
rechnung sollen sie ohne den wirt treniacht haben'. * 

Schürf wusste seine Doppclrolle: Führer der Tiroler Stände- 
deputation und entschiedenster Grazer Parteigänger, nicht ohne 
Geschick zu spielen. Während er die Instruction der Tiroler 
Landschaft insgeheim nach Gniz mittheilte and mit den steiri- 
schen Gesandten an einem Tische sass, nm gemeinsam mit 
ihnen ihre Triplik auszuarbeiten, lehnte er ostentativ die Ein- 
ladung des Bischofs von Seckau fUr sich und seine Mitge- 
sandten zu einer 5Iahlzeit ab, um alle ,su8pition' zu vermeiden. 
Wo immer die Verordneten des Landtages zusammen auf- 
traten, machte Schürf den Sprecher. So machten sie nicht 
hlo« allen in Wien anwesenden Oommissarien ihre Aufwartung, 
sondern auch dem Erzherzog Mathias. Ritter Schorf, der 
Sprecher, hielt eine recht vorsichtig ge&sste Anrede. Wdrtlich 
nahm er dabei die erzählende Arenga der Landtagsinstruction 
herüber, womach der Kaiser den Standen die Ahsendung einer 
Deputation freigestellt hatte, und kntlpfte daran die Bitte, der 
Erzherzog mOge sorgen, dass sie, die Verordneten, gehört 
wttrden, dass das geschehe, ,was des werks notdurft erfordern 
möchte', und dass Alles ,in bester still nnd geheim' bleibe. 
Auf solche Begrttssang konnte des Erzherzogs Antwort kaum 
anders als rein formaler Katur sein; immerhin setste er der 
allgemein gehaltenen Antwort die bezeichnenden Worte hei, er 



* Mauiiicor au Kr^berzogin Maria, 17. Mai lu97. ät.-A. 



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314 



wolle einer ehiBamen turoUschen Landachaft gern seinen gnä- 
dige d Willen erweisen. Nicht yon wärmerem Hauch erfüllt 
war dann auch die Ansprache Schurfs, ab die Tiroler am 
33. Mai im ,gcsammten raf empfangen wurden. Wieder reci- 
tierte er die wenig sagenden Einleitnngssätxe der Instruction, 
yerwies hierauf, um ,nicht lange aufzuhalten', auf diese seihst 
und bat, sie ,zu ehister gclcgenheit fllrzunehmen' und Alles ,in 
▼ertrauter geheim' zu halten. Schwerlich auf diese trocke- 
nen Formalien, sondern auf die deutlich sprechende Instruction 
der Laiidschat't bozog sich das Wort des hierauf entgegnenden 
Herrn von Strein, man habe das Anbrin^rcn der Tiroler ,zu 
gntem angenehmen gefallen* verstanden. Dieses Gefallen 
war natürlich auf Seiten der Kaiseiüclien. Die Steierujärker 
hatten insjjeheim eine andere Bleiimnjx: die Tiroler hätten 
Cö in ihrer luötruction gar ,zw grob gemaobt' und besser 
gethan, zu Hause zu bleiben, ,sieb nit in ihrer landsfUrsten 
handlungen vor der zeit einzumischen' und so dem Erzherzog 
Ferdinand das Wasser zu trüben. Was wird, so lamentiert 
Manincor, die o^ute Afteetion des Schürf .gegen t^olche ge- 
messne instruction^ nützen! In dieser Instruction, die auch 
Schürf ti'otz aller seiner abschwächenden KedekUnste nicht 
ungeschrieben machen konnte, erblickten die Grazer ,eine 
angeordnete sacb', der auch die vom Kaiser einberufenen 
Regierungseommissäre, Heidenreich und Consorten, dienen 
sollten, deren Berichtgebung sicher darauf berechnet sei, um 
Ferdinands Sache zu verderben.^ 

Nach acht Tagen wurde den Tiroler Gesandten schrift- 
licher Bescheid. Da derselbe im Kamen aller Commissäre 
gegeben wurde, blieb die Berfihrung des springenden Punktes, 
der von der Landschaft erbetenen Unthetlbarkeit, völlig yer- 
mieden. Ihr Anbringen, so wurden sie verabschiedet, sei zum 
Erbvergleiche ,gehOrig und dienstlich', ihre Soi^gfiütigkeit werde 
man gnädigst Termerken und auf Kutsen und Sicherheit Yfm 
Land und Leuten, sowie auf Tertrauliche Behandlung der 
ganzen Angelegenheit bedacht sein. Schürf und seine Be- 
gleiter fanden darauf nichts weiter zu erwidern und rüsteten, 
sich zur Abreise. Schürf hatte bei den Abschiedsaudienzen 



MaiüiK'iir .III Krzlior/otriii Maria, '24. Mai 1697. Am 31. Mai schreibt 
Manincor: Schürt ist gewi»s ein treuer i>ieuer, ihm ist keine Schuld tu 
gtibea. 



315 



wieder ein paar allgemeine Hoiliclikeitsphrasen. Auf seine 
Frage an Mathias, ob er etwas zu befehlen luibc, antwortete 
derseibcj dessen wüsste er niehts, er aber wolle, was dem 
Lande angenehm, willig und gern thun. Da ^laximilian des 
Frohnleiehnamsfestes wegen in Wien weilte, sprudien auch bei 
ihm die Tiroler noeh vor. Sie wurden mit den \V orien verab- 
scliiedet, der Erzherzo<r s.ihe gern, wenn man beiderseits zu 
einem guten Ende käme, aber wie sich die Sache ansehen 
lasse, möchte es noch gute Zeit brauciien; er aber wolle des 
landschaftlichen Anbringens gern gedenken und ihrer Aller 
gnildiger Fürst und Herr bleiben. Heimgekehrt, erstattete 
Schürf dem Landeshauptmann ausführlichen Bericht, den er 
mit der Mittheilung schloss, die Grazer seien mit ihrer Triplik, 
welche aof die sechzig Blättc^r stark sein wird, im Werk, er 
werde sie, wenn vollendet, dem Landeshauptmann in Abschrift 
unterbreiten ,allgemeinem wesen zu gutem und künftiger erin- 
nerung und nachrichtung'. Weh hen Dank die Landschaft dem 
Ritter, diesem sonderbaren Vertreter und Interpreten ihres 
Anliegens, ausgesprochen, darüber melden die Acten nichts. 

Zur selben Zeit schlug auch iUr die tirolischen Ra- 
gierungscommissäre die Stunde der Abreise. Zwei Monate 
waren sie in Wien gesessen und nicht zu Worte gekommen. 
Die Steiermftrker, welche in ihnen absichtlich bestellte Zeugen 
gogen ihre Ansprache sahen, erklärten rundweg, sie nicht 
hOren zu wollen. Die Kaiserlichen wagten daher nicht, sie 
of&ciell zu yemehmen. Da wurde Herzog Wilhelm ungedul- 
dig, er verhingte seinen Hofmeister Heidenreich zurUck. Dieser 
selbst und seine beiden Collegen beschwerten sich in Prag 
Uber das vergebliche Harren. Nun kam der kaiserliche Befehl, 
die Herren der Tiroler Regierung zu hören ohne Rücksichtnahme 
auf die Grazer. Ende Mai erstatteten sie ihren detaillierten 
Berieht Uber Tirols Finanzlage oder, besser gesagt, Finanznoth. 
Mit ihren Ausweisen belegten sie die starke Schuldenlast, den 
Rückgang" der Bergwerke. Auf die Frage, wie eine Besserung 
zu erzielen Nvarcj wnsstcn sie keine rechte Antwort. Den Grazern 
ubergaben die Kaiserlichen Abschrift des vorgelegten Exposö 
und ertheilten den Dreien die Erluubuis zur Heiiatahrt. ^ 

* Bndolf an soine Cumminftre^ 27. Mai 1597; Erahttriog Mathias an Her- 
7o<? Wilhelm, 27. Hai, 8i-A; die Ck>niiDiMKre an Bndolf, 30. MaL 
Leop. B, 27, I. 



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316 



Beiläufig einen Monat dauerte es — die SchloBsredaetion 
erfolgte in Gras selbst — bis die Steiermärker ihre Antwort 
abergaben (13. Juni). Neue Argumente vermochten sie nicht 

aufzubieten, aber die schon ins Treffen geschickten eritihren 
weitere Ausft'ihrung. Vor Allem verwahren sie sich, dass eine 
Ländertheiluug die Hausiuteressen scliädig-e. Man möge sich 
nicht auf das Fridcricianum benifon, das uur für das Herzog- 
thum Oesterreich gelte. Und sollte sich dasselbe auch weiter 
erstrecken, so sei es durch die späteren Theilungon doch iJtnprst 
abüliert. Kudolf I. habe die Tliciluntr schon nicht .exprossc 
untersagt (12^^31, und Friedrich der Schöne habe nicht alle 
Hauslandü innegclial)t. Auch die Hausordnung Kudoil's des 
Stifters könne nichts beweisen, da seinen RrUdcrn in derselben 
vorbehalten bleibt, sie zu ändern oder /u bessern. Nun wird 
die ganze Geschichte der Theilungen im Habsburgischen Hause 
seit 1373 abgewandelt. Hinsichtlich Tirols wird darauf ver- 
wiesen^ dass es einmal zu Kärnten, dann wieder einmal an 
Baiem gehörte. Die Furcht, dass bei einer Trennung von 
Tirol die Vorlande um so leichter in fremde Hand gerathen 
könnten, sei unbegründet, denn, zum größsten Theil katho- 
lisch, wollen sie bei Oesterreich bleiben, und für den vor- 
ländischen Adel gebe es gegen die vielen ihn bedrohenden 
Gefahren nur Schutz bei Oesterreich. Wird auch getheilt, so 
seien doch alle Mitglieder zu gegenseitiger Hilfe verpflichtet 
Hat schon der verstorbene Erzheraog allein seine Lande ge- 
schirmt, so werde das der kaiserlichen und stetrischen Linie 
noch leichter sein. Abermals werden Sprüche and Sentenxen 
als Belege citiert: ^communis res negligi solet, communio 
plerumque discordiam parit, das kind wird von niemand 
besser als von seiner mueter gepuzt^ Hat jeder Theil seinen 
eigenen Herrn, so wird er ihm mehr leisten, als wenn die 
Länder eigentlich nicht recht wissen, wer ihr Regent ist 
Von einem ,perpetaas dominus' haben die Lande mehr 
Beistand zu erwarten als von einem ,temporanens'. Beweis 
dessen der verstorbene Ferdinand. Denn als derselbe einmsl 
wusste, dass ihm seine Söhne nicht folgen, habe er begonnen, 
die Länder ,au8zusaigern^ Uebrigens hängen Tirol und die 
Vorlande ohnehin örtlich niclit zusammen uiul haben ilire eige- 
nen Landtage, sind auch zu verscliiudcncu Zeiten erworben. 
Selbst in Tirol lassen sich schon drei Theile unterscheiden; 



817 



das Laud am Inn, dua an der Etsch und Pustertluil, von denen 
letzteres erst spät hinzukam. Auch die drei unterinnthalisehen 
Städte haben in der Buchsajjc ilir eigenes Hecht, und Ko- 
veredo ist auch vor nicht ao langer Zeit erst hinzugewon- 
nen worden.^ Die grosse Verschuldung der zu theilenden 
LaiHh , so Uihreu die G-razer, kann kein Hindernis jrep^en die 
Thcilung sein; man kann ja die Schulden theilen. Ebenso- 
wenig relevant ist es, wenn die Länder jetzt viel grössere 
SchnhlfT! niitVcisen als bei der Theilung im Jahre 1564, denn 
lUO.ÜOU ti. bchuiden sind ebenso leicht zu halbieren als 10.000 fl. 
Es ist nicht anders, als wenn zwei Brüder ein Haus zu theilen 
haben. Es kann dabei wohl für den einen und den andern 
Ungelegenheiteu geben mit Thttren und Fenstern; all das ist, 
wenn auch schwer zu vermeiden, doch gewiss nicht wesentlich. 
Der Kaiser wird also, damit schliesst die Triplik, hoffentlich 
noch in diesem Jahre die Ländertheilang voll/iehen. 

Wieder boten sich den Grazem nach Uebergabe dieser 
Einrede Anzeichen, von denen sie guten Erfolg prophezeien 
zu kdnnen Termeinten. Diesmal war es einer der Verordneten 
Maximilians, Wanga, welcher ihnen das Gompliment machte, 
nach Durchsicht ihrer Schrift müsse er ,lnthertsch werden, 
nämlich von seiner meinnng anf die nnsere fallen'; er habe in 
diesem Sinne schon seinem Herrn referiert, denn er kOnne 
,^nem zu gefallen nit anders sagen, als was recht und billig 
ist'. Auch das gereichte den Steirern zum Tröste, dass zwei 
Jesuiten, denen sie ihre Beweisfllhrung Yorlcgten, dieselbe so 
fundiert fanden, dass Niemand wttrde widerstehen können. Das 
gleiche Judicium' entdeckten sie bei Karl Ton Bnrgau.' 

Die Kaiserlichen nahmen, so wie ihre Gegner, wieder 
.vier Wochen zur Ausarbeitung ihrer Quadruplik in Anspruch. 



* In diesen Argumenten wird man wohl Material Bu Helten haben, das 
speciell Schürf geliefert hat. Uebrigens war auch Manincor ein f»o- 
bomer Tirolpr ans dem Nnnsberg. Äusserer, Der Adel des lionsbergs, 
Jnlirb. der lierald. Gesellsch. Adler, 1899, p. 84. 

* Mauiiicor an Krzherzogin Maria, 28. Juni 1&97. St.-A. Zur Beleuchtung 
der DoppeUüugigkeit eiuselner CommiMirien genttgt es, gegenüber den 
oben Angeführten Worten W«ng»*B Aof «inen Brief desselben ▼om 
30. Juni (bei A. Jiger 1, e. p. W [802]) zu verweisen, worin ^en.ui 
das Gegenfheit von dem geeegt ist, was ihm Manineor in den Muud 
logt. 



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318 



Den Herren von Gras wollte das nicht gefallen, sie witterten 
dahinter die Absicht, die Verhandlungen absubrechen nnd sie 

,übor den Seramering zu schicken'. Damit thaten sie aber den 
anderen Unrecht. Diese sasscn vielmehr fleissig ob ihrer Auf- 
gabe, mir mit dem Untcsrsehiede gegen früher, dass sie sich 
dabei in eine gewisse Ilitzc hineinredeten. Der erste Ent- 
wurf, über den sich die Vertrauensmänner des Kaisers und 
seiner Brüder einigten, ist croradezu leidenschaftlich gehalten: 
Man inuss sich nur wundern über die .grammatikalische* Aus- 
legung, die »sophistisch gezwungenen* Deutungen und über die 
vielen missbrauchten ,justiziselien ausführungeu vel potius ca- 
viUis* der Steiermärker, woniit sie ihre unreell tmJlssige, schäd- 
liche und ,in ewigkeit unvenmlwurtliehe int« ntinn' vertheidigen 
wollen. Es ist eigentlieh nicht der Mülie werth, Alles zu 
widerlegen; denn jeder Unparteiische sieht, dass solche 
Albernheiten für ernste Männer sich nicht schicken * Der 
Einwurf mit dem Privileg von 1156 gilt nicht, da gewiss auch 
alle späteren Erwerbungen darin gemeint sind; sonst hätte ja 
der privilegierende Kaiser mit der einen Hand genommen, 
was er mit der anderen gegeben. Dasselbe gilt fdr die Haus- 
ordnung Rudolfs IV. Dass das genannte Privileg: nnch Tirol 
umfasst, bezeugt Herzog Sigmund, der sich von Kaiser Fried- 
rich ni. fUr die Reichsanlagen einen Schadlosbrief ertlieilen 
Hess. Spätere Tbeilungen geschahen unrechtmttssig, und die 
Disposition des Kaiaers Ferdinand ist demselben gegen seinen 
WiÜen abgerungen worden. Wohl bat einst Herzog Al- 
brecht (III.) getheilt, aber nnr geawnngen, nnd dann hat ,error 
errorem eraengt'. Die Herzoge BSmst und Friedrich sagen 
selbst im Vertrage von 1417, dass sie von einer Theilung ab- 
stehen, weil sie ,scheucblicb und den Iftndem xuwider' gewesen. 
Kaiser Friedrich hat sich nach dem Tode des Postbumoi 
gegen jede Theilung gewehrt Auch Kaiser Kari V. wäre am 
liebsten ungetheilt geblieben. Dass Maximilian II. die Theilung 
seines Vaters je begehrt hätte, ist bisher nicht erwiesen. ,Wie 
es sonst mit der Ö4jährigen teilung (Disposition) bescbaffsn, ist 
auch an seinem ort" Wenn jede Ländertheilung so löblich 



' tales ineptia« non decere viros gravew (Leo X, Jid cardiu. .J. SAdoletam). 
* All einer anflereii Stelle heilst es von Fenlinaiid.>* Disposition: Das» 
dieselbe erzwungen war. ist gewiss, wenn auch die Urkunde nichts da- 



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319 



ist, warum theiit Erzherzog Ferdinand niclit mit seinen BrU- 
dem? Was da nicht willst, dass dir geschehe, das füge auch 
keinem andern zu. Was UbrigeoB Karl V. mit seinem Bruder 
abmachte, ist keine Theilung, sondern eine cessio jnris. Auch 
die Ottokar'sche Landhandfeste für Steiermark spricht gegen 
die Theilung. Den Ländern wird, wenn man sie nicht theiit, 
kein neues Recht zugeschrieben, aber fUr ihren Schutz am 
besten gesorgt. ,Das8 die Ungleichheit der vordern lande mit 
einem stuk Tirol kunne compensirt werden, darum sein die 
Tiroler au fragen', und diese werden es gewiss nicht zugeben.^ 
Im Rathe der Kaiserlichen allein fand man diese Sataschrift 
doch au sehr mit ^starken au&ttgen' gemischt^ und nachdem 
man sie einigermassen ,limitirtf hatte,* wurde sie als Quaduplik 



▼on meldet Deim «die kanslel hat lieli mit der feder darnach riehton 
mUaMB vad der neh «in aoldien eolorirtra wdittin geben*. 
' Hit Gerard von Roo, auf den sich die Grazer Öfter becogen, gehen 

dafttr die Kaiserlichon scharf ins Gericht: 'lern von herzo<r Hannen 
aus Gerardo de Roo wider (den s. g.) Albertufi» Arj,'entinensoin allogirten 
toatimooio mag mit gutem fug gefragt werden, utri p&r sit credere Al- 
berto Argentlnensi aeiinali fbre illonim temporom an tiato pott intor* 
▼alle Geralde ei qnidem ei, qni in eni» annalibns, nt hoc loci lie aliae, 
ignManüa remm, nominnm, penonanim maltilkrie peeearä^ id qnidem 
ex fundamentis rerum Austriacamm atque literamm aatenÜeamm certo 
ccrtiTT? domonstrari polest'. Dagegen berufen sie sich anch auf die 
,Amiales Domlnicanorum Columbariunsinm, qui in re praesenti consti- 
tttti, videntes et sciuntes'. Auch bezüglich der späteren Theilungen 
•ebrtibe Boo ,den bii^ebea ulnuideD suwider*. 
* Unter anderem enebeint im ef»ten Entwurf die Btolle: et enm boe (die 
Untbeilbarkett) jnri et aeqnilati, qnae jostitiae mazime «et propria, eon- 
sentaneum sit, ü (cum venia dictum sit) plane idiotae et deliri eant, 
qni cnntrariam sophisticis aririnnpnfis et cavillationibus defendere CO- 
nautur. Uder: ipsum antorem et corpore et cerebro esse male dispo- 
sitnm. Immerhin blieben Stellen wie die folgende stehen: Die Aus» 
ftthruDgea der Steiermftrker mSobtea den Sebeia «rwMken, ale konnte 
man mit Becbt anf der Theilnng beeteben; eiebt man aber anf den 
Grand, m rtnd ee mebr jspMiosa and ab nntor TefgebenÜ^em «ebeia 
susammenklaubte argumenta, als dass sie den stich balten könnten'. 
Erzherzog Maximilian hatte eine andere Ausstellung noch au machen. Im 
Entwurf geschah anch Meldung der ,aetatis praerogativa'. Wir wollen 
annehmen, so erklärte er, dass sich damit der Kaiser kein besonderes 
Be^t lalege, londem dam die StoHe nw d«i Zweck hat, die Graser 
TOtt der TbeUiiag absvbringen; wenn das ao gemeint iat, beben wir 
ttiehti dagegen, aber der Amdmek mm» «o gemildert werden, das« kein 
PrMjiid!/. daran« entsteht Die Uebergabe erfcigto am IS. Jnli. 
ArckiT. ICH. fiMd, IL BiUto. Sl 



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320 



den Grazern eingehändigt. Gleieh nach dem ersten Dordi- 
lesen fanden dieselben, ihre Gründe seien nicht widerlegt, das 
Angeführte sei nicht stichhältig, das Ganze wohl nur ein Ver- 
such, ihre .beständigkeit zu tentiren*. Wieder vernahm Ma- 
nincor im ]»rivatcu (Jcspriich aufmunternde Worte. So soll 
ihm einer der kaiserliehen Comiuissilre verlraulich gestanden 
haben, wenn er die Gerechtigkeit bedenke, so müsste er ,grä- 
zerisch' werden, nur ,die ungelegenheit Heg ihm im wege*. Als 
darauf Manineor erwiderte, die Gerechtigkeit gehe doch Allem 
vor und da sei keine Ungelegenheit fürchten, fieng der 
andere ,de modo dividendi zu discurriren' an. Daraus sieht 
man, so ward zuversichtlich nach Graz gemeldet, dass sehliess- 
lich doch die Gerechtigkeit siegen und die Theilung vorge- 
nommen werden wird.' Diese Zuversieht seheint Übrigens im 
Kreise der Grazer Gesandten grösser gewesen zu sein als bei 
ihren fürstlichen Auftraggebern. Denn ein Ohrenzeuge, welcher 
einem Ges})räehc Maximilians mit Erzherzogin Maria in Oras 
und gleich darauf einem solchen des Mathias mit Ferdinand in 
Wiener-Nenstadt beiwohnte, hatte dabei den Eindruck ge- 
wonnen, dass sich die Graser FttrsÜichkeiten ,wegen der teilang 
wol würden weisen lassen', wenn nur die Prager weniger 
schroff wären und Wege zeigen wollten, wie jeder zum Qe- 
nuSB seiner Portion gelangen konnte. Weil aber die Prager 
damit gar nicht ^heraus wollen' nnd nur die Theilung ydispn« 
tixen'y so ihalten ihnen die Qraser dies xum stiehbUtf.* 

Dass sich solch eine yersöhnlichere Stimmung auch auf 
die in Wien weUenden Abgeordneten mittheilte, lässt sich nicht 
erkennen. Aber dieselben bekamen plütalich Ferialgelfiste. 
Mitten im Deliberieren tlber eine neue Entgegnung schrieben 
sie nach Hause, man möge sie in dieser heissen Jahreszeit, da 
sie doch nichts ausrichten könnten, heimmfen. Und Ferdinand 
willfahrte. ,Nit zwar zu zerstossung dieser comraission*, so selirieb 
er den Kaiserlielien . sondern anderer Gesehäfte wegen uüJ 
nur auf kurze Zeit berufe er die Seinen zurück, dieselben 
seien auf weitere Vcihaudlung ,gefasst^ und werden auf kur- 



* Manincor an Erzherzugiu Maria, 1-2. JuU 1697. St.-A. 

■ Maziniüiatu S«:rotär Jjoh. Dacker an Wang«, 16. Juli 1697. A. Hen.!, 
1Ö2— 1G7. 



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321 



zf's ,avisir8chreiben' hin sich wieder in Wien einfinden.* Ihren 
Urlaub aber traten die Steierinärker doch nicht früher an, 
bevor sie mit ihrer QuintupHk fertig waren. Sie beharren in 
derselben auf allen ihren bisherigen Forderungen und Bcweis- 
siitzcn. nehmen sich auch warm der Autorität ihre» Gewahrs- 
mannes Koo an und erkhiren sich als , durch die baufällit^en 
und undienstHchen argumeula' des Gegentlieils nicht besiffrt* 
Damit waren die gegenseitigen Besprechungen vonauHg 
abgebrochen. Hütte man in (jiraz Kenntnis gehabt von dem 
Abkommen, das genau iu diesen Tagen zwischen dem Kaiser 
und seinem Bruder Albrecht vereinbart wurde, so hätte man 
68 schwerlich unbesprochen gelassen. Albrecht Uberliess darin 
an Rudolf seinen Antheil an Tirol und Vorderösterreich auf 
Widerruf mit dem Beifügen, dass dieser Antheil, wenn er testa* 
mentariBch nicht besonders verfUge, nach seinem Tode dem 
Kaiser zu vollem Eigen gehören soll.* Zu einer gemeinsamen 
Berathung der leisten Antwort der Steirer von Seite der kaiser- 
lichen und erzherzoglicben Commissäre kam es nicht mehr. 
Kur die kaiserlichen allein traten noch einmal im September 
zusammen. Zunttchst constatierten sie, dass die Oraaer nicht 
allein ^instanter^, sondern auch ^etwas injuriose' auf der Thei* 
lung verharrten. Ans dem Stadium der einstmaligen I^lnder' 
theilungen wollten sie die Modalität ergründen, unter welcher 
dem leidigen Streit ein Ende gemacht werden konnte. Sie 
kamen sum Ei^gebniSy dass die Entscheidung einem Schieds- 
gericht Torzulegen wÄre, in welches die kaiserliche und die 
ateirische Linie je awölf Landsleute entsende. In Prag schenkte 
man dieser Anregung begreiflicherweise keine Beachtung. Die- 
selben Commissäre machten ttbrigens noch auf einen ^heiklen' 
Punkt aufmerksam: in Gras verlange man, dass Rudolf die 
Administration zurttcklege, da während derselben die Elrben 
nicht Kum Genuss der ihnen vorbehaltenen Landeseinkttnfte 
gekommen seien. Von der tirolischen Kammer werde zum 



^ Mauiucor an Erzherzugin Maria, 21. Juli 1697; das Öcbreiben des Erz- 

h«nog8 Feidinaad rom 7. Augoit Bt'k. 
' Die QuintnpUk »orde am 10. Angiut tbeigeben. ISoe AlMclirlll der- 

.selben avcli la Cod. 864. 

' Cesslon Tom 1. Aagiut 1697. Orig^. im St-A. Der Kaiser hatte sich tut 
AuMtolluni? eines Reverses erbutuu. Albracbt konnte deoaolben trots 
wiederholter Betreibung nicht erlangen. 

21» 



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323 



Schaden der Interessenten viel entwendet j das sei ▼ielieiebt 
das stärkste Ai^ment fUr die Theilnngy und dem konnten am 
Ende aueh des Kaiaers eigene Brttder zugäugUch sein.^ 

In Oraz hatte man thatsllchlich ein wachsames Auge anf 
die Gehahrung der kaiserliche Terwaltong. Erzherzogin Maria 
stellte den Kaiser sur Rede wegen leichtfertiger Bestätigung tob 
Privilegien flir tirolische Städte und Orte; selbet solche Frei- 
heiten würden confirmiert, die der verstorbene Landesfurst an- 
zuoikeniipn Beilonken getragen, vermuthlich seien da Privat- 
vortlieile im Spiele. Ueberhaupt möge der Kaiser seines Re- 
verses besser gedenken und nichts zum Schaden der Erben 
vornehmen.* Der Kaiser fand diese Anwürfe hoch befremd- 
lich und ,ebcn anzügig^ Die ertheilteu Bestätigungen seien 
schon bei der Huldigung: zugesagt worden und würden nur 
ertheilt nach sorgfstltiger Uel)crprüfung.* Auch über die 
Laudeslinanzen holte mau in Graz selbständig Erkundigungen 
ein, obgleich man im Besitze jenes Expose war, das die Ke- 
gierungsvertreter aus Tirol bei den Wiener Verhandlnngcn 
vorgelegt hatten.* Ritter Schürf scheint f\ir diesen Zweck 
nicht genügt zu haben ; es wurden Männer des activen Dienstes, 
Kammerpräsident Vintler and der Kammerrath Hohenhauser, 
um Mittheilungen ang^angen. Man merkt es namentlich dem 
Kammerpräsidenten an, wie peinlich ihm dieser Verkehr mit Gras 
war, aber er wagte nicht, einem der Miterben ungehorsam su 
sein. Er sandte also an ?]rzhersog Ferdinand anf dessen Ver- 
langen alle Auszüge über Einnahmen^ Ausgaben und Schulden« 
stand Tirols und der Vorlande, setzte aber auch bei, er könne 
nicht mehr bieteui als schon in Wien mitgetheiit worden. An- 
gelegentlich bat er dabei, man möge ihn nicht ,Yermahren'. 
Befragt, ob er fUr oder gegen die Theilung sei, antwortete 
Vintler ausweichend, aus den miigetheilten Belegen könne des 
Ersherzogs erleuchteter Verstand selbst abnehmen, was das 
Bessere wäre; nur eines mllsse er rathen: vor jeglichem Hanpt- 
yergleiche sollte die Sache des Cardinab Andreas und seines 



* Bericht der kai&crlichca Commiss&re, 23. September 1597. St.-A. uud 
Leop. B, 27, I. 

" Ersh^rsogin Maria an Rudolf, 17. Mär« 1599. A. M. 

> Rudolf an Erzherzogin Maria, 21. April 1598. 8t-A. 

* S. oben p. 45. 



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323 



Bruders ausgetragen sein. * Von solcher Austragung war man 
noch weit entfernt; dafür drängte der Cardina! auf Anerken- 
nung seiner lebenslänglichen Statthalterschaft u\ den Vorlandcn. 
Der Kaiser hatte sich vielleicht dazu l>t quemt, wenn der hie- 
fUr angesetzte Gehalt (10.000 fl.) durcli geistliche Präbenden 
hätte compensicrt werden k jinen. Das bezeiclinete i(;doch 
Albreeht als unschicklich, und die Erzherzoge Mathias, Maxi- 
milian und Ferdinand sprachen sich — und da waren sie ein- 
mal einig — gegen eine solche Anerkennung aus. weil man aueh 
den Schein einer Erbberechtigung auf diese Würde vermeiden 
mtisse, und weil die Vorlandc von diesem (jubernator nichts 
wissen wollten. Ebensowenig wollten die vorländischen Stände, 
wie sie im August 1597 erklärten, von einer Trennung etwas 
wissen.' 

Es hat den Anschein, dass mnn am Kaiscrhofo der 
Taktik des Vcrzögerns huldigen wollte. Von Wiederaufnahme 
der Wiener Verhandlungen war dort keine Rede. Aber in 
Graz beruhigte man sich nicht. Erzherzogin Maria und ihr 
Sohn Hessen wiederholt im Laufe des Jahres 1598 den Kaiser 
mahnen; sie bekamen nur allgemein beschwichtigende Ant- 
wort. Da Maria in diesem Jahre auf ihrer spanischen Reise 
Tirol berührte, besprach sie mit Schürf die Angelegenheit nnd 
erfuhr von ihm von einer angeblichen Geneigtheit in Prag, ihre 
Linie mit den Yorlanden abzufinden. Schürf rieth davon ab 
and empfahl wie immer Bestftndigkeit* Auch Mathias und 



* Chri.stof Viiitlor nn ErzhcrTiog Fordinaiul, 17. Juli 1508. nohpnhan«ier 
scliroibt ciumal: Vi.sitation und KeforiuAtioD lU's Kammerwesens beim 
KaUer zu betreiben, sei sehr gut. .Sonst ist alles in vorigen terminis, 
der kaiser als rcgicrer des landes geht in allem in der expedition fort.* 
Er könne aber ▼eraichern, daw seit einiger Zeit kein Qeld an^oliehen 
wird, MiMer snr Abledignng alter Henp^ter und an%ewa6heener Zinsen 
(16. Angttst). Ein andermal (8. Februar 1599) klagt er, wie der Kaiser 
eine Kammeroppration zur Rückzalilung einer Schuld an die Fnj^f^er 
durchkreuzt habe (es handelte sich um die Pfandschaft Biberbach und 
8mihen). iSt.-A. 

■ Hurter 1. c- III, p. 285. 

> Harter 1. e. IT, p. 402. Sebarf nebtete mit Argusaugen «nf AUes. Er 
bSrt Ton der Ankunft Heidenreiebs, der bekaontlich dem Tbeilnngsplan 

nicht hold war, und berichtet (24. April 1598) an Maria: ,nian erwartet 
allein des erkannten heiligen geists aus Baicm, . . . hinter dt .«.«eibcn 
mnnnes bereinkonft steckt ein sonderbare pratica des tiroliscben erb- 



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324 



Maximiliaa Teiloren den Gegenstand nicht ans dem Auge. Sie 
waren geneigt^ die Haltung des Kaisen sn Terortlieilen, der 
sich immer nur für die ,unteiluDg' ausspreche, ohne positiTe 
Vorschläge zu machen, was denn eigentlich stabilisiert werden 
und ,wie jeder part aur niessnng seines tnls dabei kommen* 
sollte.* Auch die Wirtschaft in Tirol wollte ihnen nicht ge- 
fallen.' Sie liessen daher dem Kaiser sn Beginn 1599 durcli 
Unverzagt vorstellen, es sei denn doch an der Zeit, des tiroli- 
schen Hauptverglcichs zu gedenken, und Max liess für seine 
Person beifligen, er möchte nicht mit so grossen kSchulden ins 
Grab steigen wie der jüngst verschiedene Bruder Ernst. ^ Das 
Interesse an Tirol wurde beim Deutschmeister von verschiede- 
nen Seiten her rege gemacht und erhalten. Jakob Schrenk, 
der Verfasser des ^österreichischen Ehrenwerkcö', versichert 
den Erzherzog, dass in Tirol seiner ,menniglich mit grossem 
verlangen erwartet'.* Und der sächsische Gesandte Gödelmann 
in Prag liess Maximilian den Hatli -rhln?? seines Herrn, des 
Administrators, zukommen, derselbe sollte Tirol sammt den 
Verlanden an sich zu bringen suchen, ,denn solches sollte E. M.* 
bei der deutschen nation und im römischen reich viel fürder- 
samer und fttrträglicher sein' (als die Thätigkeit in Sieben- 
bürgen V 

Man darf wohl zweifeln, ob das Drängen der Terschiede- 
nen Erbparteien den Kaiser so bald zu einem Schritt yeran- 
lasst hätte. Aber die Geldnoth der kaiserlichen Kammer liess 
den Wunsch nach einer Steuerbewilligung des Tiroler Land« 
tages entstehen. Die Erinnerung an den erfolglosen Landtag 
von 1597 war noch frisch, man wollte nicht bhndlings eine 
Einberufung wagen. Deshalb lud man sechs der angesehensten 
tiroiischen Landherren nach Prag; es waren ausser dem Landes- 



falls lialhor, d.ir.Tuf ich jjut acht pebnn will, d.mn dcrselh vogel, wie ich 
wol weiss, allzeit dnrwider gcsungeu und audre ort auch pfeifen macbt' 

' Enheno^ Maximilian an Entli«nog ICatiiiM, 18. JnIL 1698. A.. C. 

* Enbenog Matbiat an Enhenog Maximilian, 7. Februar 1698. A. M. 

' Erzherzog Maximilian an Unverzagt, 8. JHuner 1599. A. C. 

* Schrenk an Erzherzog Maximilian, 10. Februar 1590. A. M. 

* Eurer Majc.-tät : so lietk^ "^ich Maximilian ptrn aiisprochcn, da er d«n 
Verzicht auf die polnische Köuigswürde noch nicht geleistet hatte. 

* Samtetn an Enhersog Maximilian, 7. Fobniar 1698. A. M. 



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8^ 



hanptnuinii die Herren Christof t. Wolkenstein der Aeltere, 
Sigmund y. WeUberg, ChriBtof Vintler, Karl Schorf und Peter 
y. Mollart Es worden ihnen die Fragen vorgelegt: wie von 
Tirol eine ergiebige Tttrkenhilfe so bekommen, wie die Erb- 
thdlong Yorxonehmen, ob ein einziges Haupt nnd wer als 
solches einzosetsen wttre. Dass aber die letateren Fragen 
nicht alle sechs Herren gleichen Sinnes waren, ist schon aus 
dem einen Umstand ersichtlich, dass neben einem Schürf auch 
Wolkenstnn su Rathe sass, der nicht lange anyor gegen einen 
Freund sich äusserte: man muss zu Qott beten, dass er Oester* 
retchs Hoheit und Reputation erhalten helfe; jedenfalls wird 
,de8 Wesens bestand mehr ex conjunctione als aliqna separa- 
tione' erfolgen.* Aber wie sich einstmals Schürf zum Ver- 
treter der der seinigen widersprechenden landschaftlichen Mei- 
nung brauclien Hess, so hat er diesmal ohne ersichtlichen Wider- 
stand dem Gutachten der Anderen sich angeschlossen, welches 
lautete: die laufenden Steuern könne Kudolf weiter erheben, 
zu einer Mehrleistung wäre ein Landtag nothwendig, der aber 
schwerlich etwas bewilligen würde; von einer Theilung des 
Landes sei dringend abzurathen, wenn auch kein Privileg sie 
verbiete, im Fall«' einer Theilung wüiiUmi die Stände gar keine 
Lasten mehr übernehmen wollen; dem Lande werde jeder 
liegent, auf den sich die Erisherzoge einigen, willkommen sein, 
wenn es nur kein Fremder ist; dem aber werde die Aus- 
einandersetzung mit Andreas und Karl vorausgehen müssen.* 
So hatte also wieder eine Berathung über die Krbtheilung 
stattgefunden, ein praktisches Ergebnis hatte sie nicht. Rudolf 
beherzigte nur insofern die Wohlmeinung der an seinen Hof 
berufenen HerrPTi um Tirol, als er fUr jedes der beiden fol- 
genden Jahre die Zustimmung des hindschafllichen Ausschusses 
zur Einhebung der bisherigen Steuer einholte. Maximilians 
Agent in Prag, welcher von der dortigen Anwesenlieit der 
Tiroler meldete, gab die bündige Versicherung, mit der £rb- 
theilung sei es dermalen ;nicht8^ Trotzdem ist es von nun an 

' Chr. Wolkenstein an Wanga, 19. Jali 1597. — Wanga besorgte wfihrend 
seines Wiener Aufi-iitliallos die Erwerbunjj einer böhniischrn ,crünica', 
die Wolk(Mi!>tcin in aciuer Bibliothek zu Kodenegg aofatelleu lieas. 
A. Mem. I, 152-167. 

* HoCeone. nnd B«r. 27. «nd S9. April 1699; G. y. H. 1599, fol. 26; T. 1697 
bis 1602, foL 213. 



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gerade dieser Erzherzog, welcher die Prager Kreise wegen 
der Tiroler Frage in Athem hielt. Noch im April gab er sei- 
nem Vertrauensmann Wanga den Auftrag: wenn sich auch die 
tirolische Erbvergleichung ^auf die lange bank' ziehen woUoi 
so sei er do<^ entschlossen, sie beim Kaiser zu urgieren; zn 
diesem Zwecke solle ihm Wanga alle bisher darüber gewech- 
selten Schriften übersenden.^ Bevor der Deutschmeister zur 
Anaf^briing dieser Absicht schritt, Überraschte ihn der Land- 
graf Qeorg Ludwig von Leochtenbeig mit der Bitte, ihm zur 
Erlangung der Statthalterschaft in Tirol behilflich zu sein. In 
höflicher Form lehnte Maximilian ab.' Dieses Anftanchen des 
Landgrafen zeigte dem Erzherzog aus der Feme die Möglich- 
keit, dass sich ein Fremder in Tirol festsetzen könnte. Er 
sandte unverweilt einen seiner Agenten, Christof Strauss, 
nach Prag, am durch Faul Sixt Trautson, den kaiserlichen 
Minister, der selbst aus Tirol stammte, dem Kaiser einen Plan 
vorlegen zu lassen: Maximilian wollte sich selbst bei Rudolf 
um das Oubemament Tirols bewerben und zugleich diesem 
seinen Erbantheil abtreten. 

Gleich in der ersten Unterredung mit Stranss begrüsste 
Trautson den Gedanken einer Erbüberlassung an den Kaiser, 
wobei er auf die schon erfolgte Cession Albrechts verwies; 
aber wejsren der tirolischen Statthalterschait glaubte er keine 
Hoffnung machen zu können, da die tirolischen Stünde selbst 
wegen der scliwierigen Finan/,lage keinen residierenden Für- 
sten verlangten. ' Dieser Mitthoiluiig cnt^sprechend crütlijete 
Trautson nach wenigen Tagen dem Erzherzog, der Kaiser sei 



* Erzherzog Maximilian an Wanga, 17. A\)r'i\ 1699. A. C. 

■ Ei'/.1ht/.«i^j ^^axun^liiln an T-cnclitenbcrp, 31. Mai 1599. A. C Er <;<>)!r--'i1.t: 
Was der Kaiser beabsichtige, hei ihm pan/, unbekannt, ainT dt'i KAiscr 
kOnne auch nicht verfügen ohne Zustimmung der Miterbeti. Würde er, 
litt, jetit mit einef «olehen »conmeodAtion ^sprengen', lo wfktd% er 
•ich selb»! einen Riegel gegen die «igenen Hechte Toncbieben. Sollten 
aber der Kaiser nod die Anderen nichts gegen Leuchtenberg haben, lo 
werde auch er »einer gedenken ,wio wir dann das gubernament E. L. 
am liebsten vor andern gunnen'. — Ucber Leachtenbeige Aimutk stehe 
Stieve, Briefe und Acten V, p. 726, 910. 

* Von den Ständen lässt sich eine solche Aeusserung nicht belegen. Aber 
Yintler betont «llerdinga in seinem Gutachten («n Emherzog Ferdinand), 
dass die Finansen die Aaslagen lllr einen regierenden FOitten aiefat 
ertragen. 



327 



bereity dessen Erbtheil absdOeen, und sei des Antrage« auf 
eine Recompens gewflrtigi welebe freiliob nicbt gross ausfallen 
werde, da das yerscbuldete Xiand kein Erträgnis abwerfe.' 
War nun damit der erste Theil von Maximiliane Anbringen 
ttbergangen, so wollte er docb am zweiten festhalten. Das 
Erlrieten wegen ,der tiroUschen erbportion', so schrieb er dem 
Minister surttck, sei erfolgt wegen der schweren Schulden, in 
denen er bis ttber die Ohren stecke; er wolle sich aber im 
Punkte der Entschädigung also moderieren, dass die Ablösung 
dem Kaiser nicht allzuschwer^ ihm selbst doch nicht zu nach- 
theilig wäre. Im Uebrif^en sei ihm nicht unbekannt, dass, 
wie schwer auch Tirol mit Schulden belastet sei, auf jeden 
Erben eine , ansehnliche quota' treffe; über die Hohe der 
Recompens wolle er sich ein anderes Mal aussprechen.* Die 
letzte Behauptung des Erzherzogs wollte Trautson nicht gelten 
lassen, er wies sie zurück mit der Versichcrunfr, der Kaiser 
habe von Tirol bisher nichts genossen ausser der Tiirkcnhilfe, 
zu welcher das Land unter allen Umständen verptiichtet sei. ' 
In solchen Worten lag auch die Abweisung des zweiten Thciles 
von Maximilians Antrag. Aber der Deutschmeister, welcher 
sich nach seinem missglückten Versuch, in Siebenbürgen die 
Statthalterschaft anzutreten, auf seinen Ordenssitz Mergentheim 
zurückgezogen hatte, wollte sich nicht mit dem beschaulichen 
Stilleben daselbst abfinden und hielt an seinem Doppelplan: 
tirolische Statthalterschaft und Tilgung seiner Sohvdden durch 
i^nd eine Finanzoperation, fest. Er war entschlossen, ,seitte 
Sachen auf ein gewisses ort su richten und einmal des weit- 
leufigen^ umschwebenden, irrsamen wesens abzukommen'; sein 
Gewissen und sein guter Name sollte durch die in den un- 
garischen FeldzUgen angewachsenen Schulden nicht länger be- 
nnrahigt werden. Rudolf sollte ihm deshalb seinen tirolischen 
Aniheil um 300.000 fl. ablösen oder, wenn dazu nicht geneigt, 
ihm die Regentschaft ttber Tirol verleihen und ihm sein De- 



* 8tran«ts an Erzherzog Maximilian, 12. Juni 1Ö99; Traataoa an £rzhorzog 

MaxiniiUau, 16. Juni. A. M. 

' Erziierzog Maximilian an Traiitson, 27. Juni 1599. A. C. Oleichzoitif» 
berief Maxmuhun seinen trager Agenten Tobias Viäcber zu sicli nach 
Meij^ntheim, om ftb«r die Abl4Srangsfrage mit ihm sii eonfertoreo. 

* TraataoB an Snbvno; Manmilian» 8. JnU. A. H. 



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328 



putat auf tirolische Gefälle «nweiBeD. Hube doch aach Ma- 
thias ein Oaberoamexity ohne welches es in Tirol nicht mehr 
lange gehen werde, und einem Fremden sollte dasselbe doch 
nicht zutheil werden.^ Viacheri des Ersheraogs diplomatisdier 
Agent, mu9Bte mit diesen YorBchlftgen wieder an Trantson 
herantreten. Von den 300.000 fl. verlangte Maximilian mn 
Drittel bar gezahlt, fftr die anderen 200.000 fl. proponierte 
er die Ueberweisung der Osterreichiachen Herrschaften Eisen- 
stadt und Forchenstein in sein Eigentham.* Trantson fand 
das Angebot sn hoch, dagegen seien die beiden Herrschaften 
um die Httlfte au niedrig angeschlagen. Zugleich eröffnete er, 
dass Albreeht ohne jede EntsehAdigung auf seinen AntheÜ 
verzichtet habe.* Das Anli^en wegen des tirolischen Guber- 
naments Ubergieng der Minister mit Stillschweigen, aber Mazi> 
milian sorgte, daas es ihm nioht aus dem Gedftchtnis schwand.^ 
Trautson machte nun einen Gegenvorschlag: der Erzherzog 
möge die tirolische Regentschaft als Recompens fUr seine son- 
stigen Ansprüche annehmen. Das schlag Maximilian wieder 
ab mit der zutrefTenden Bemerkung: wenn der Kaiser oder er 
selbst einmal eine Aenderung Tornalimc, d. Ii. wenn er zur 
ZurlickleguDg des Gubernamcnts veranlasst würde, so müs>te 
er .mit leeren bänden* dastehen. Trautson möge, so forderte 
nun der Deutschmeister kategorisch, sein ^esamrates Anbringen 
an den Kaiser gelangen l;iss*"n und eine baldige Entscheidung 
erwirken. Da griff der Müu.ster, der, wie man schon aus dem 
Bisherigen sieht, mit keinem der erzherzoglichen Vorschläge 



* Bnb«noglichw Hemofial, durch Docker «a CÜiriftof tob Pnedteia 

lU I M-bracht, der darüber Rath pebon soll. 23. Juli 1599. 
« Memorial für Tobias Vi^r lirv, 7. August 1699. A. C. 

* Visclicr au Erzherzog M im tuilian, 28. Au^?t. A. \f. 

* Maxiiiiiliau sandte dem Kaiser einen Bericht über seine Kei^e, die 
er damals au verschiedene deatactie FQntenhOfe machte. Im Conc«pt 
dieaes Beriehtea war auch folgende Stelle enthaltan: Wir apraehea 
mit dem Hersog tob Wftrttenberg viel Tom geflhrliebea Znataad 
der Oaterreicbifichpii Yorlande, worauf der HeraQg meinte, Euere Hajeitil 
«olltc ein rrc;ipriMul('s Haupt rinsotzpn, wplrhrs ,den rSiten etwas 
bt ssor auf den briof sehet'. In der Reinschrift ward diese Stelle »um 
Tcrdachtfi willen' ausgelaascn, aber Viscbor musste daa darin Enthaltene 
bei Trautson anbringen und beiaetxen, auch der Graf von Tfibingeo 
meine, da» den Vorlanden ein Haupt nolhthue. Coneept dea Briete 
an Budelf und Weianng an Tiieher, 17. September 1699. A. C. 



329 



flieb befretmden wollte, asu einem wenig loyalen Mittel. Er 
beredete den Agenten Viseber, In der fUr den Kaiser be- 
stunmten Vorlage die von MasinuUan angesetste Entsebftdi- 
gungsBumme auf 400.000 fl. zu erbOhen, setzte aber bei, eine 
EntSchliessung werde vor Abschluss des Hauptvergleiches 
sicher nicht erfolgen.* Vischer schemL dariü nichts Bedenk- 
liches g-efunden zu haben. 

War man am Kaiserhofe in der Annahme des Maxi- 
milianischen Theilcs von Tirol zurückhaltend, so zeigte man 
um so grössere Begehrlichkeit nach der Erbportion des Ma- 
thias, da man dieselbe kostenlos zu erwerben hoffte. Im Auf- 
trage des Kaisers musste Unverzagt die Beredung bei Mathias 
einleiten. Mit einem allgemeinen Hinweis auf das schon er- 
folgte Angebot des Deutschmeisters und mit der Begründung, 
dass Rudolf im Besitz aller Erbtheile seirspr Linie den Theilungs- 
absichten der Grazer leichter widerstehen würfle, hatte Unver- 
zagt den Erzherzog Mathias um Ueberlassung des Seinigen 
anzusprechen und ihm daillr die Geneigtheit des kaiserlichen 
Bruders zuzusichern, ihn bei Ordnung der Succcssion, ,das8 
dieselbe auf ihn gerichtet würden zu favorisiren*. ^ Mathias 
schien nicht abgeneigt, bat aber noch um Bedenkzeit^ da er 
mit seinem Vertrauten Strein die Angelegenheit besprecben 
wollte.* Nach kaum zwei Wocben erklärte sieh der Erzherzog 
ganz bereit zur Ueberlassung Tirols und bocb ei*freut über 
Rudolfs Erklärung wegen der Nachfolgeordnnng. Würde diese 
im angedeuteten Sinne bald geordnet^ so branebe es keiner 



^ Erzherzog M&xiinilian an liudolf uüd au Trautsoii, 28. September 1599, 
Tiseher an Erahenog Maximilian, 6. November. Qleichneitig fragte 
HenniUtan bei liatbiw an, ob ea wahr «ei, da« audi er dem Kiüser 
seinen Theil angetragen lialie. Hazimilians Agent Straiua in Wien schreibt 
im October: Die vom Erzherzog vorgeschlag-cnon zwei Herrschaften er- 
trappn der kai^rrliclicn Kammer jährlich MU.OOO Ii.; os sfi nicht planb- 
licli, dass die Kamnur dieses ,gc\visse' gegen die uuf^icheren tiruUschen 
Emnabmen vertauschen wolle. — Die hier geschilderten Verhandlungen 
blieben nicht geheim; man aprach damala in Prag viel davon, data 
Maximilian naeh Tirol gehen werde (Babna an Ersheraog Maximilian, 
10. Juli). 

■ Rudolf an Unverzagt, 20. Jänner 1600. St.-A. 

• Unverzagt an Rudolf, 27. Jänner. Er setzt bei: Strein werde g'ewiss 
nicht widerratbcu, er habe ihm aber au noch grosserer Sicherheit einen 
vertraulichen Brief gesendet. 



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weiteren Recompens; die Besümmimg einer solchen ftr den 
Fall, dass der Kaiser noch Leibeserben bekomme, steüe er dem- 
selben anheim. So lautete des Mathias Antwort an Unverzagt.* 
Den Kaiser, den er seiner Bereitwilligkeit versicherte, ersuchte 
er um Schickung eines vertrauten Rathes, dem er sich offen 
erklttren könne; das werde Rudolf ^hoffentlich nit fremd für- 
kommen'.' Für dieses Entgegenkommen, ,obwol mit condi- 
tionen', sprach der Kaiser dem Bruder seinen Dank aus und 
versprach ihm, wenn er selbst noch heiraten und Mathias 
nielit sein Nachfolger würde, ihm f\Xi' Tirol Ersatz zu leisteu in 
einem gleichwertigen Theil von Oesterreich, oder, wenn das 
niclit angionge, das Abgetretene zu restituieren. Nur müssten 
bei der Feststellung des Wertes die auf dem cediertcn Theil 
haftenden Seliulden mit in Berechnung gezogen werden, wor- 
über unparteiische Commissäre zu entscheiden hätten. Das 
Ganze sei geheim zu halten, bis pi' li der Kaiser mit Maxi- 
milian und den Grazern verglichen. M;ith!;is in(>ge versichert 
sein, dass der Kaiser ,der succession im reich zum besten und 
der notdurft nach eingedenk sein wird'.^ Ein halbes Jahr 
später entwarf Unverzagt eine Urkunde, wornach Mathias 
gegen die Zusage der Nachfolge dem Kaiser seinen tirolischen 
Antheil Uberlässt. Da die Zusage nicht erfUUt wurde, blieb 
es beim blossen Entwurf.^ 



' Unveraagt au Kadolf, 10. Februar 1600. 

• Erzhorxop Mathias an Rudolf, 15. Marz, ohne Jalir (das Stück Vicgt im 
St.-A. in den Acten des Jahres 1600 und wird wohl auch diesem Jahre 
angehören). Mathias bcKioht sich da auf einen (nicht erhaltenen) Brief 
Unverzagte vom 17. Februar. Dann folgt eine Stelle» welche zeigt« 
dan die Yerhandlnngeii mit Matbiw fchon ein ^tua Jahre lurUdireiekeiL 
Der Er»heno|r «chrMbt uftmlieh, er habe eleh in dieser Saehe hoffMitlidi 
SU des Kaisers Zufriedenheit noch vor dem Reichstage (da kann doch 
nur der von 1598 gemeint sein, dor Endo 1597 begann) resolviert. Weil 
aber noch miindliche Verhandln ii<r mit dem Kaiser nöthig^ war, so habe 
er seine Erklärung verschoben bis i&ur persönlichen Anwesenheit in 
Prag. Dann jedoch hätten ihn jene verhindert, welche ihn, da er in 
Prag weilte, informierten, er wflrde den Kaiser diiigtutierea, wenn er 
Ausser den Beiohstagssaehen noch Anderes Torbrichte. — Hnrter (QI, 
287), der die anderen hier einschligifen Aeten des 8t.-A. citlert, nimmt 
auf dieses Schreiben nicht Bezug. 

• Rudolf an Erzherzof? Mathias, 17. April 1600. 

• Kach Slieve, Die Verhandtungen über die Nachfolg'e Kaiser Rndolfe, 
p. 59 f., hat sich Rudolf seinem Bruder Mathlas mit dem Antrage go- 



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331 



Nach diesen erfolglosen Verhandluugen mit Mathias trat 
derselbe Unverzagt an Maximilian heran, diesmal »hne kaiser- 
liche Mission. Der Deutschmeister sollte au Kudolf seinen 
Theil überlassen gegen Einräumung der obcritalischen Mark- 
grafschaft Pinale. Auf diese Art kUrae das strittige Gebiet 
den Spaniern ,aus den äugen';* diese würden es am liebsten 
Maximilian gönnen, während sie jeden anderen Besitzer stetig 
,anfechten* würden. Der Erzherzog war nicht abgeneigt, 
vorausgesetzt, dass der Kaiser die Herrschaft frei Terleihen 
kann und die ^welschen' damit nichts zn sdiaffen )ial)en.' 

Nebenher erörterte man auch noch immer die Frage der 
tiirolischen Statthalterschaft Nicht Maximilian selbst brauchte 
sie wieder aufzuwerfen: es geschah von Matliias, aber ganz in 
Maximilians Sinn. Unverzagt hatte auch biefUr den Vermittler 
zu machen. Bei seinen Unterredungen mit dem von tiefer 
Melancholie geplagten Kaiser vemahm er von dessen Absicht, 
den Deutschmeister nochmals wegen der Statthalterschaft in 
Siebenbargen anzugehen. Im Namen seines Hernie des Erz- 
herzogs Mathias, entgegnete Kanzler Unverzagt, Maximilian 
würde sich schwerlich dazu bereit finden, diesen mOge der 
Kaiser lieber als ,residenzhanpt' ftür Tirol bestellen. Auf die 
Frage Rudolfs, ob denn nicht Cardinal Andreas dahin tauglich 
wäre, liberreichte Unverzagt ein schriftliches Gutachten des 
Mathias, worin Maximilian als der Beste geschildert war, den 



Dtbert« da «r die Bawmrinuig Albreohtt um die KatihfelfQ Ittrehtele. Im 
Oetober, da Ifathiu lelbet in Prag weiltet aeUng die Stimmniig dw 

Kaisera um zu dessen Ungunsten. 

* Schon spit 1597 bahnte Philipp II. durch Kaufverträge mit dem letzten 
Markpratrti Andreas Caretto zum Verdruss des Kaisers die Erwerbung 
dieses Gebietes an. Die spanische Occapaiion erfolgte 1602. Senken- 
berg, Venoch einer Oeecbiehte des deatidien Seiebes I, 88. 

* Unvenagt aa Bmbenog HaximiUeii, 81. November 1600 (3cbe«twieii); 
dieeer an Unversegt, 11. Deoember. Ueber Finale aiehe Stieve, Ver- 
handlungen etc., p. 112. Der Brief Unverzagts aas Schottwien trä^ 
ausser dem Tagesdatnm noch den Vermerk ,11 Uhr Nacfits'. Unvor/airt 
sclircibt darin: Wohl kiinnt« man mit Finale auch Andreas und Karl 
abfinden, aber damit würden sie mehr bekommen, als ihnen nach 
dem Testament gebtthrt, anob würde diea C^nien nicht lalanen 
nnd ebenaowenig die Graier Linie. Der Vonchlag mit Finale wird 
anch den Entaehlnaa de» Kaiien Uber das tiroliache Qabernament be- 
ichleunigen. Jedeofidb wire ee dun Kaller reebt, Flnnle dem Harne 
au sichern. 



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332 



der Kaiser fUr Tirol wftlilen konnte.^ Mathias saehte auch 

durch directe Vorstellungen beim Kaiser nachzuhelfen : in Tirtd 

fehle es nicht an Leuten, welche ,prakticiren', dass gegen den 
Willen des Kaisers und seiner Brüder o in Gubemator sich ein- 
dränge, und <lii könnte ,sicli was erheben, das man jetzo nicht 
vermeint*. Die stcirischc Linie dürfe den anderen nicht vorgreifen. 
Gienge der Deutschmeister naeh Siebenbürgen, so wäre zu fürchten, 
dass die ürazer , ihren Maxiniilianura* (Max Ernst, einen jünL'-eren 
Bruder Ferdinands) mit aHerlci Mitteln nach Tirol bef >• derten, 
■vvuzu Baiern und Sal/burju; helfen würden. Dabei würde man 
vorwenden, die Grazer Linie sei auch mit erbberechtigt und, 
wenn der Deutschmeister in Siebenbürgen, stehe sonst Nie- 
mand mehr für das tirolisehe (Jubernament zur VerfüuniDir. * 
Die Naelirielit, dass ihm sein Vetter Maximilian Ernst 
Tirols halber in die (^ucre kommen sollte, war dem Deutsch- 
meister neu und verursachte ihm merkliches Unbehagen. 
Siebenbürgen hätte er ihm gegönnt, vorausgesetzt, dass er der 
Stelle auch gewachsen war.' Ob es Erzherzog Maximilian 
fUr nötbig hielt, durch tmmitlelbare VorstellTing beim Kaiser 
der Mitbewerbung seines jungen steiermärkischen Vettere ent- 
gegenzutreten, lässt sieh nicht sagen. Wohl aber sehen wir 
den Deutschmeister bei seiner Anwesenheit in Prag au An&ng 



* Unr«nagt an Enhentog MsximUlsn, 11. Oelober 1600. A. K. 

* Enheviog Mathiw an Bndolf, 17. Novembw. Mathtif Itgt hier d«n 
KaiMr dirtet nahe, er mOge den Maximilian Ernst Hir Siebenbür^n 

auscr^ehen. — D«ot an rino Hrstf^lliinp «liesfs StoiortnHrkere für Tirol 
pcflarlit wunle, lipstiififrt ein Brief von Karl Schürf an Emhcrxogin 
Mari«, 27. Februar 1601, wo er schreibt: Den Voriandcn tbot ein eige- 
ner Stattheltor (Oerdinel AndfeM starb am IS. MoTember 1600) wegen 
der ttvrabigen Naebbaieehaft der Bchweiser and Frsaioeen notb, deso 
eignet sich Meximillan, der mit seinem ^etstertam den Torlanden ge- 
leg«nlich gesessen*, dagegen rnnr^o ,(\tfr andore Maximiiianus' (Max Emst) 
nach Tirol kommen. ,E. D. wollen mir vcrzcihoTi, ich gehe fürwahr 
mit diesen Sachen schiefen and stehe damit auf, so treuhenüg ist es mir 
angelegen.' 

* Ereherzog Maximilian an Eraheriog Mathias, 11. Deoember 1600. IIa« 
ximilian sehreibtt leb laase mir E. L. OntbedOnken sonst wohl ge&llen 
nnd hat E. L. meine Meinung evrathea, ,all^n daaa wir uns der Grixeri- 
sehm nit versehen, wiewohl es uns von der unmuossjgen alten (Erzher- 
zogin Maria) nit fremd ffirkoimnt'. Wenn es aber diesen Wpg errptch«n 
sollte, ,wUrden andpre auch .lufwachen und auf ihre scbau^cu achtüDg 
geben müssen, welches dann eine seltsame Weiterung verursachen mOcbt'. 



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333 



IGOl dem Kaiser eifrig zureden, derselbe möge ihm seinen 
tirolischen Antheil ablösen. Er setzte dafUr die Sumrao von 
400.000 fl. an. Rudolf fand die Forderung mit luu ksicht auf 
das verschuldete Land zu stark und wollte dem Abschluss des 
Geschäftes den Hauptvergieich vorausgehen lassen. Maximilian 
liess sich nicht einschüchtern. Schon vor Jahren, erwiderte 
er, habe er gehört, da.ss sirh das Einkommen aus Tirol und 
den Vorlanden auf 80Ü.UOU ti. belaufe; wollte aber m:m rmr 
die Hälfte davon annehmen, so würden auf ihn 50.U00 Ii. 
treffen. Mit dieser Summe, durch acht Jahre bezogen, könnte 
er seine Schulden decken. Wenn auch die Lande stark ver- 
schuldet sind, so ki^nnten doch dem Inhaber derselben die 
Mittel zur Bezahlung nicht fehlen, ^sintemal die landschailen 
allweg das schwerste übertragen helfend ^ Der Kaiser möge 
üm in seinen Schulden nicht stecken lassen; bis zur Haupt- 
Terhandlung könne er nicht warten, da die Steiermärker viel 
zu viel ,disputiren8 machend Unterdessen drttngen die eigenen 
Glttabiger. Der Kaiser werde mit den Grazera leichter fertige, 
wenn er die Theile seiner Brüder an sich gebracht Gehe 
Rudolf nicht darauf ein, so werde er seine Gelegenheit in 
anderem Wege sucheni wo er es aum Beaten wisse. Der 
Kaiser yerharrte auf der Ablehnung. Nach drei Monaten hOrte 
Maximilian, Rudolf sei in den Bettta einer hohen Barsumme ge- 
kommen.* Sogleich erneuerte er sein Angebot, aber mit dem- 
selben Misserfolge. Nun gieng es wie bei vielen Handelsge- 
schäften. Maximiljan, der Verk&ufer, gieng mit dem Preise 



* MAximtlian hält dem Kaiser amh vor, das» dcrscll>e bei AblüguD|^ der 
württenbergiscben Afterlehenschait und durch Steigerung von PfaDdachaften 
Geld «u Tirol gezogen habe; «luserd«»! b«reeliii^ er mIb« AusUgen 
io Ungarn auf 180.000 fl. Andere Obenten» welche keinen Heller «!• 
geietet und ihre gewiMe BeeoMiing bekommen, dabei aber SoldatM wie 
Unterthanen «geschunden und ausgezogen' haben, aeien nocli mit Hc- 
munprattonen nnd Exspectanzcn bi-lolint worden; er aber habe das 
Seinige im k.^i« rlk-h(m Dienste verloren. Erzherzog Maximilian an 
Rudolf, 4. Februar 1601. A. C; Leop. B, 27, U. 

' Maximili«! hatte erfahren, der Kaiaer habe dsi Vermt^en jüngst 
Terstorbenea rmehen Pnger Juden, Nunene Mebl, im Betrage fon 
700.000 II. an eich gesogen. Unreraagt, dnrQber befragt, meinte, wmn 
der Kaiser etwaa in die Hand bekomme, ,so lass ers nit gern heraus'. 
Chr. Stranss an Erzherzog Maximilian, 4. Mai 1801; Karl t. Liechten- 
stein an denselben, 6. Mai. A. M. 



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334 



herunter. Der Kaiser sollte ihm snr Schnldenzahlmig 300.000 fi 
leihen, sich einstweilen für die Verzinsung aus Maximilians 

eigenem und dem ihm nach Emsts Tode noch zugewachsenen 
Erbdeputut bezahlt machen und nach erfolgtem Haupt vergleich 
Maximilians tirolischen Anthcil an Bezahlunsrsstatt nehmen. 
Darauf folgte dm kaiserliche Gegenanbot: der Deutschmeister 
möge gegen 200.000 fl. und Uebcrtragnng des tirolischen Guber- 
n.'unents dem Kaiser seine Portion überlassen. Maximilian 
willigte endlich ein, Rudolf richtete deshalb an ihn am (>. October 
I()01 ein jdankbriefl'. * Vom 2. December datiert Maximilians 
urkundliche Cession, versehen mit seiner Handschrift und ,ring- 
petschaff. Dabei setzte der Erzherzog als selbstverständlich 
voraus, dass seine Abtretung erst dann in Rechtskraft trete, 
wenn die Bezahlung bei Heller nnd Pfennig erfolgt wäre. * 
Diese Bedingung wurde nicht erfüllt. Denn schon die kaiser- 
lichen Assignationen (auf tirolische Steuerposten) erreichten 
nicht die Höhe der ansbedungenen Summe^ nnd Maximilian 
berechnete einen MUnzverlust yon circa 30.000 fl., so dass nach 
seiner Berechnung nicht viel mehr als die Hälfte des Ablösungs» 
preises wirkhch entrichtet wurde. Nach Jahren, da sich das 
Verhältnis zwischen dem Deutschmeister und Rudolf immer 
unfreundlicher gestaltete, gab dieser Punkt den Anlass su 
peinlichen Erörtemngen. ' 

Bei allen diesen Verhandlungen war die Frage der Tbeil- 
barkeit eder Untheilbarkeit der Ferdinandeiscben Lande direct 
nicht berührt worden. Sie rubte, seitdem sich die in Wien 



* Dic;<er kaiserliche Britif ist nicht erhalten, auf ihn wird in sp&toren 
VerhandluDgen wiederholt Besng genommen. — Di« Yerhftndlangen 
lllhrt« in Ifazimiliftiis Namen de«Mn See«»ttr Dndter. VgL daiHbar 
noch nnten. 

' Erzherzog Maximilian an Rudolf, 19. Mai 1601; derselbe an Liechten- 
stein, 1. November 1601; dersf lbe an Rudolf, 2. uud 17. Decpinbor 1601, 
24. Juni 160-3: Rudolf sn Rnrhf-rzop M;ixinülian, S.August 1602. 

• Hirn, Die ersten Versuclic Kaiser Rudolfs, um in den Allcinb^ta der 
Orafächaft Tirol zu gelangen. Archiv fUr üsterr. Geschichte, 86. BA^ 
aneh Sep. p. S8S (3I). Mit der Rennneiation MaiimiUftne uf Pelcn 
hingt, wie die Stelle hei KheTcmhiUer, Ann. Ferd. Y, 1874» nun- 
deuten scheint, die tirolische Statthalterschaft nicht zusammen. Die 
Renunciation erfolgte schon 1598. Vgl. Hirn, Die Rennnciation des 
Deutschmeisters etc. 4. Ergänzuiigsband der Mitth. de« In«titats fUr 
Osterr. Geschichte, p. 266. 



335 



tagende CoramiBsion anfpfelüst hatte. Als ln99 die Rede gieng, 
dass der Kaiser die österreichischen liausprivilegien wieder 
bestätigen sollte, gab die tiroHsche Regierung nach Prag den 
Rath, bei solcher Gelegenheit sollte eine kaiserliche Declaration 
erfolgen, vermöge welcher die Disposition des Kaisers Ferdi- 
nand den Freiheitsbriefen, soweit dieselben die Untheilbarkeit 
des Hausbesitzer feststellen, nicht widerspreche.* Die kostbaren 
Mobilien in der Hinterlassenschaft Ferdinands suchte die Re- 
gierung beisammenzuhalten, das Silbergeschirr wollte sie nicht 
den beiden Söhnen, ein selten schönes Bruutbett ,von brauner 
arbeit mit köstlichem gestick' der Fr zherzogin -Witwe aus- 
liefern.* Solche Stücke sollten in der fürstlichen Burg in 
Innsbruck erhalten bleiben zum Empfang und zur Bedienung 
durchreisender fUrstlicher Personen. ^ Eine Cominisnon, welche 
den yenchiedenen Parteien die von ihnen reclamierten Kleino- 
dien sneprechen sollte, hatte sich, da man eich nicht einigen 
konnte, serschlagen. Nur leihweise wurden einzelne Objecto 
herausgegeben: so zur Hochzeit des Erzherzogs Ferdinand in 
Gras und für Eraheraog Mathias anf dem Reiehstag in R^;en8> 
hvrg.* 

Ohne dass sich sagen liessei wer den Kaiser daasn ver- 
anlasste^ lud er nach mehr als dreijuhriger Pause die Ver^ 
wandten aur Wiederaufnahme der Wiener Tractationen am 
1. December 1600 nach Prag anf den Sonntag Invoca^it des 
folgenden Jahres (U. Härs). Erzhenog Ferdinand begrflsste 
die Einladung als eine seinen Brttdern erwiesene ^merkliche 
gnad'; auch deshalb, weil man damit der unaufhörlichen Be- 
helligung durch Karl von Burgau aus dem Wege komme. ^ 
Mathias aber deutete die Freude der Gräser Uber die Einbe- 
rufung dahin, dass sie nunmehr Hofihung schöpflen auf das 
turoliscfae Gubemament* 



» A. K. M. 1509, fol. 482. 
» A. K. M. 1500, fol. 531. 

* G. V. H. 1600, fol. 3. 

* M. a. II. 1600, fol. 73; Hofconc. 1590. Ausser Tafolgcschirr wurden nach 
Graz uod Regensburp ko.sthare Tapeten abgegeben: ,5 .stuck vita Christi, 
6 stuck David, 8 .stuck alte hi.«:torien, 10 stuck Tobia.-?, 3 stuck Moses*. 

* Erzher/oe Ferdinand an Kudolf, 10. Pn < ml er lüüO. Leop. Ii, 27, II. 

* Erzherzog Mathias an Erzherzog Masiimilian, 4. Jjluaer 1601. A. M. 
ArcbiT. XCii. bmad, IL Hilft». SS 



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336 



Man wttrde in Graz solelie Erwutcingen nicht gar Loch 
gespannt haben, hätte man gewnsst, dass der Kaiser um die- 
selbe Zeit bereits seinen Brnder Maximilian zum Commissir 
ftlr den im Jahre 1601 zu haltenden Tiroler Landtag- in Aus- 
sicht genommen habe. Rudolf machte dabei dem Deutsch- 
meister das Kompliment, er brauche dazn einen Mann 
von Autüiitut, welcher sich grosser Behebtheit beim Volke 
erfreue.* 

Weniger erfreut über die kaiserliche Einberufung nach 
Prag zeigte sich Karl Schürf. Man wusste in (iraz seinen 
Eifer zu würdigen und hatte ihm im Sommer 1(500 die Aner- 
kennung hiefUr iu Form seiner Erhebung in den Freiherren- 
stand gespendet.* Das machte ihn womöglich noch dienst- 
beflissener. Trotz des festgesetzten Termine'--, meinte der 
neu«; Freiherr, werden die Kaiserlichen zum Hauptvergleiche 
keine Eile haben, denn die tiroÜschen Ranzleisachen, wie 
Lehensbriefe, Privilegienbestätigungen ii. dgl. seien ,faiste 
schmirben', welche sich ^dieae kaosen^ nicht entgehen la^n 
wollen.' Und sollte man merken, dase man mit dem tirolischen 
Gubernaraent ,an das bewnsste ort (Erzherzog Maximilian) 
lenden^ wollte, so möge man um 80 nachdrücklicher auf Thei- 
lung bestehen.^ Dass dies letztere der Fall sein werde, darauf 
war die kaiserliche Linie von vornherein gefasst. Daher 
wünschte Mathias auch die abermalige Beiziehung ständischer 
Vertreter, weil diese ,die nitteilnng der lande, darauf die stei' 
rische linie ao stark dringt^ am besten eileatem', ebenso auch 
tirolischer Beamten, welche Uber die B^anzlage die nothwen* 



* Rudolf Hii Erzherzog Maximilian, 1 '.». Febntar 1601. Unvenagt «ni- 
mierte dun Erzherzog, das GuberDamont anzustreben zur Yerbütuog 
.anderer anschlägt (5. Jänner), 

' Die tirolischo Rcgiuruug begliickwuuscht Lhu dazu, 9. August 1600. 
T. 1697^1609, fol. MS. 

* Damit itt mo Tergleichen die Klage der Stiade (1601), da« io vid« 
Adelsbriefe vom Kaicer amgeetellt würden. 

* Schnrf empfahl, bei den neaea Verfaandliingeii sich des Dietriebitetn fv 
bedienen nnd ticb dareh denen Beligion niebt irren m. laasen, denn 

Religion habe mit dieser Sache nicht« zu schaffen. Auch der Kais«r 

IkiVh' früher den Reichard St rein dabei gebraucht, weil or ,fin };o>!ch\vin'lf r 
tiiul vcmfhiftiper köpf w ar. Man würde ihn sicher auch jetst wieder 
wäiilcn, wenn er noch lebte. Vgl. Hurter l. c. III, 288. 



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337 



digen Auskünfte zu geben hätten.* Von den kaiserlichen und 
erzherzoglichen (^ominissarien, welche 1597 in Wien getagt 
hatten, war die Melirzahl in der Zwischenzeit gestorben, so 
Strein, Hoyos, ötütziiig, Wang^a und Samtein. Unverzap't war 
in Ungarn unenthehrHch. Mathias und Maximilian erklärten, 
sie wollten ,beisammon stehen', d. h. gemeinsame Verordnete 
wählen, und bestiumiten als solche Ernst v. Mollart, Wilhelm 
Seemann, den Burii;vogt von Erms und MAutliausen, und den 
Dr. Pölsterlc. Der Kaiser hatte es, wie iSchurt richtig gc;ilmt 
hatte, nicht so eilig. Er erklärte, seine liäthe zum angesetzten 
Termine nicht entbehren zu können, und weil auch ,die prae- 
paratoria' zu den Verhandlungen nicht rechtzeitig fertig ge- 
worden seien, wurde der Beginn anf Sonntag Quaflimodo 
(29. April) angesetzt. Aber bald besann man sich in Prag 
nochmals eines anderen. Bndolf wollte in Beiner Geldnoth den 
Tiroler Landtag nicht länger verschieben, wälirend dessen Ta- 
gung jedoch nicht den Hauptvcrgleich verhandeln lassen. Da- 
her wurde den Betheiligten der Termin Jakobi (25. Juli) an- 
gesagt mit dem Versprechen, es solle sicher dabei bleiben.' 
Die dteiermttrker erfahren diese Prolongierung, da sie schon 
auf der Reise nach Prag begriffen waren. Bis zu dem also 
erstreckten Zeitpunkte sollten die Landtage von Tirol and den 
Vorianden gehalten werden. 

Die Uebergabe Eanizsas an die Tttrken im October 1600 
hatte die Hofe Yon Prag und von Graz m grossen Schrecken 
▼ersetzt. Man musste an Rüstungen gegen den vordringenden 
Feind denken. Beim Ausblick nach m<)glichen Hilfsquellen 
verfiel der Kaiser auch auf den Gedanken, Tirol um eine 
ausserordentliche Beisteuer anzugehen. Wir sahen, wie er schon 
im Februar 1001 deshalb seinen Bruder Maximilian ansprach. 
Kaum hatte man in Graz von dieser Absicht Rudolfs erfahren^ 
so war man entschlossen, dir sich selbst die tirolische Land- 
tagsbewilligimg zu erlangen. Dass die steirische Grenze die 
zunächst bedrohte war, konnte ja auch ein solches Verlangen 
um so berechtigter erseheinen lassen. Der Deutschmeister er- 



* Enli«nMcr liathiat aa Bndolf, 19. Män 1601. In diesem SiniM bat der 
Kaiser Bchon swai Wooben vorlier (26. Febntar) AoftrSge ao die Inn«- 

brucker Regierung gegeben. 
' KaUerlicbes Aasschreiben vom 11. April 1601. Leop. 27, 13, II. 

SS* 



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338 

fahr alsbald, dass sich beim Landtag auch ein steiriBcher Ge- 
sandter einstellen werde ^gewiss nit mit leerem begehren', and 
daher seine Frage an den Kaiser, wie sich in solchem Falle 
ein kaiserlicher Vollmaclitstrft^er und Landtagscommissär zu 
verlialton hätte.* Wie mau bcji^rcift, fand Rudolf an solcher 
Concnrrcnz wenig Gefallen. Er selbst wollte von den Ständen 
4000 Mann auf sieben Monate bewilligt erhalten, und da ver- 
nahm er, wie Erzherzog Ferdinand mittels eines eigenen Ge- 
sandten sich um einn ,eilende* Hilfe zti bewerben Willeüs sei. 
Der Kaiser koiiiite es sieh nicht versagen, in Graz darauf hin- 
zuweisen, wie sehr solches seinem eigenen Vorhaben hinderlich 
wäre und ,dem ^^anzen wesen nachteil gebürcn möchte'. Er 
ersuchte F'erdinand, davun abzustehen und ,das gemeine nil 
mit dem privato stecken zu lassen', da ihm kaiserliche Ünter- 
stUtzung ohnehin sicher sei.' Aber in Graz wich man nicht 
zurück. Man rechnete dem Kaiser nach, was er wfthrend der 
fäuf Jahre von den verwaisten Ländern genossen, man stellte 
die eigene Noth und Gefahr in beweglichen Worten vor. Und 
Rudolf gab nach. £r ttberliess an Ferdinand, was die tiroli- 
schen Stände am kommenden Landtag bewilligen würden. 
Dieser ward auf Sonntag Miserioordia (6. Mai) einberufen.' 
Maximilian sISgerte, die Bestellung zum Landtag aasunehmenj 
noch im April suchte ihn Mathias mit dem Hinweis auf die 
Erspriesslichkeit dieser Hission su bereden/ Endlich erklttrte 
er sich bereit und gab der Regierang Befehl, ftkr Wohnong 
und ,futterei' in Innsbruck zu sorgen. Gar stattlich wollte er 
aufnehen, er präsentierte einen Fourierzettel, lautend anf 
127 Pferde. Die tirolische Kammer war entsetst ob solcher 
Bescherung. Sogleich wurde sie beim Deutschmeister Tor* 
stellig : jetzt sei die allerschlimmste Zeit, Heu und Slroh selbst 



* Erzherzog MaxindlUn an Rudolf, 24. Februar 1601. 

' Rurlolf an Er/.hpr?.oj» MaTimiüan, 21. März. A. M. Fcrditi.md hxttc, al« 
zu Uc^'inn lüDl der stäadische .-Vusschus» der Tiroler Laiulscli.ift \ci- 
sammelt war, ohne Wissen des Kaisers und der lunsbrucker Regierung 
Hilfe begehrt. Der AniBchii« tagte %% wenn die Landeehaft .derenl* 
halben der hilf halber vom Kaber frei gesprochen werde*. Beriefat det 
Ludwig T. MolUrti Innibmck, 1. April 1601. 

* Der Termin wurde dann noch über acht Tape erstreckt. 

* Erzherzor;^ ^fathtA<} an Erzhcraog Maximilian, 6. April; Rndolf an Ers* 
hersog Maximilian, 15. April. 



839 



um gates Geld sieht za bekommen, Geld sei ttberliAupt nicht 
vorhanden, und bo wolle man für das Fehlende ron Tomherdn 
entBchnldigt sein.' Klagend wandten sich die Haren deshalb 
auch an den Kaiser. Rudolf schrieb seinem Bnider, er höre 
von allen Seiten, dass in Tirol grosser Mangel herrsche; der- 
selbe möge, damit die Leute durch ein so starkes Gefolge ,nit 
etwa zu andern gcdankcn als verhofFter freigebigkeit bewegt 
werden' und weil ,unscrs erachtens sonderlich in dieser zeit 
ihnen etwas mitleidig sich zu erzeigen von nöten ist', seine 
Reise ,einziehen' und blos , einen postritt tun*.' Erzherzog Fer- 
dinand wieder redete Maximilian zu, er möge ihm etwas Er- 
klekliches bei der Landschaft erwirken. Als seinen Special- 
gesandten, das Hess er sich nicht nehmen, scliickte er den 
Malteserritter Rudolf v. Paar. ^ Erst (iureii dieses Ersueh- 
sclirciberi ans Orny. erfuiir .Maximilian, dass die Steuer, die er 
erwirke, tiir Ferdinand bestimmt sei. Wie der Kaiser, so ant- 
wortete er, mit dem Gelde disponiere, gelte ihm gleich, wenn 
es nur zum besten angewendet sei; er wolle das Seinige thnn^ 
obgleich ihm die steirische Fordemng fast nnerschwinglich vor* 
komme.* 

Abgesehen von der Mahnung zn sparsamem Hofhalt in 
Tirol hat der Kaiser seinem Bruder keine besondere Weisung 
anm Landtag mitgegeben. Auf eine Anfrage Maximilians, wie 
er sich verhalten sollte, wenn die Stände yprivatklagen^ und 
Beschwerden vorbrttchten, wurde ihm ans Prag der Rath zu- 
theil; er möge schnell den Landtag erOtifnen, ,mit demselben 
forteilen' und sich nicht lange aufhalten, dann werde er auch 



* Begiernng an Eraberzog MaxUnilUn, 98. ApriL 

* Rudolf an Erafaersog IfazimiliaD, iK). April. 

* Enhenof Ferdinand an Enhersof Maximilian, 19. ApriL (So auch Era- 

1:. 1' ögin Maria.) 

* Erzherzog Maximilian an Rrrhrmnrr Ferdinand, 9. Mai. (So auch an 
KrzluTzn^Mn Maria) Erzhorzo^^in Maria antwortete: fi«» sei erstaunt, 
daj^ der Kaiser au Maximilian von der Uebcriassung der tiroliacben Be- 
willigung nichts gemeldet habe. Sie wisee nicht, d«M der Kaiser »volk 
wollt werben lanen, dadurch aveh neinem FmUnand gBt nit geholfen*. 

Erst am 98, WA leiiretbt Rudolf an Uazimilian; Waa man in Qraa 
von der tiroliaehen Bewilligang behaupte, sei riehtig; ob Ferdinand 
Geld oder Trappen haben wolle, »ei gleicbgiltirr, wenn nnr die StSnde 
viel bewilliL'i'Ti i'Dif^^M- Bri^f ward am selben Tage geacbricbcn, an dem 
schon der Laudtagsäcliloss erfolgte.) 



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340 



Ton den Unterthanen ydesto weniger anlaofemi haben'. Sollte 
aber doch Tom Beschwerderecht Gebrauch gemacht werden, 
so mOge er ^ generalibns und gemeineii Bachen' Beeeheid 
geben, in anderen Dingen jedoch an den Kaiser verweiaen |io 
mehrer Information'.^ 

Von seiner Ordensresidens Meigentheim reiste Maximilian 
Uber Donauwörth nnd Landsbezg nach Innsbruck.* Als nicht 
gern gesehener NebencommissMr begrttsste ihn bei seiner An- 
kunft Rudolf y. Paar. Im Gegensats cur haiserlichen Fropo- 
sition, die auf Truppenstellung (^volkshilfe') Uutete, präsentierte 
Paar ein Gesuch seines Herrn um Geldhilfe. Der Deutseh* 
mdster besorgte mit Recht, dass dies ,grosse yerwirrung und 
unwUligkeit' bei der Landschaft stiften werde. 

Unwillig nahm er wahr, wie der Grazer Gesandte , heim- 
lich bei den riiteii vorbaut'. Unter solchen Vcrhältnis.son, so 
lautete i?eine Klage nach Prag, wisse er nicht, , worauf zu be- 
harren*.' Aber auf eine Antwort vom schweigsamen Kaiser, 
der doch selbst rascheste Abwicklung empfohlen liatte, konnte 
Maximilian nicht warten. Er hatte das richtige Gefühl, dass 
die kaiserlicht' Forderung vor der steirisehen zurücktreten 
müsse. Auf diese letztere, eine (ieldhilfe blos, giengen die 
Stünde ohnehin lieber ein; es handelte sich nur, eine möglichst 
anselinliche Summe herauszuschla«;en. Die Bewilligung lautete 
auf 110.000 fl. in zwei Jahresfristen. Dem gern gesehenen 
£rzherzog votierte man ein Ehrengeschenk, dagegen wurde 
eine vom Kaiser angeregte Steuerreform abgelehnt^ Schon 



* Bndolf an Ersbwiog HAzimilUii, S6. April. 

* Troti der Einidiriiikttof war et noeb immer ein atattUehee OefolK«i 

du den Ersiheraoj begleitete: Oberstkämmerer Marqnard v. Eck, Obent- 
stallnu'istcr Erasmus r I..aiidaM, OlirrstsilhorkHmmcrer Hans Trapp, *1ic 
Kämmcrt-r rntting, UrstMibcck uii<l Sohriittciibacli und noch 65 Dienst- 
leute, zu üt^rea Beförderung U6 Pferde gebraucht wurden. O. v. H. 1601, 
fol. 218. An der Landesgrcuzo in Ebrenberg bogrüssten den Deatscb« 
meiJrter B^gimeiitepriUdeiit Karl v. Wolkenitdn und Gbriatof Vintfer. 
U, a. H. 1601, fol. 70. 
' Erzherzog Maximilian an Rudolf, 18. Mai. 

* Die erste Forderung des Kaisers auf 4000 Knocht«^ beantworteten die 
Stände mit d*>m Ang-phote von 100.000 fl. Als Maxtmili.'in auf 3000 
Knechte heruntergieng, entschloss sich die Landüchati zu HD.OOO d. Er 
hatte ihnen zugeredet, sie mochten sich so halten, daM mau »ehe, er 
sei nicht nmsontt oaeh Tirol gugaugon. Der Landtag war übrigens 



341 



naeh »cht Tagen wurden die Stände veiabBchiedet Gleich- 
xeitig tagten anoh die TorderOsterreichischen Landtage: der 
vor dem Arlberg genehmigte 20.000 fl. auf Tier Jahre, der 
ekäflsiBche 190.000 fl. auf drei Jahre, der eohwabisehe 65.000 fl. 
auf Tier Jahre. Diese Summen kamen dem Kaiser zugute. Im 
Vergleich zu dem, was Elsass leistete, wurde die Bewilligung 
der Tiroler als .etwas rings angeschen'. Dagegen meinte 
Kammerpräsident \ iiiUer, «ier Commissär auf diesen Landtagen, 
zu Ehren seines lieben Vaterlandes mlissü er doch daran er- 
innern, dass Elsass ,seit Johatiui 1599 als letzter Frist voriger 
bewilligung^ nichts mehr geleistet, Tirol datroircn inzwischen 
lOU.ÜOO fl. gesteuert habe, und erfahrungsgcmass werde Tirol, 
bis die dreijährige Frist für Elsass vo?-iiber, wohl wieder eine 
Pflicht Uhcniniiinien haben. ^ Auch der Deutschmeister fand, 
abAvcK in rill von der Meinung des Kaisers, dass Tirol sich hin- 
reichend angestrengt habe. Deshalb bemUhte er sich, einen 
fUr Steiermark bestimmten Zuzug von 6000 Mann spanischer 
HilfsTölker von Tirol abzulenken, und forderte fUr den Fall, 
dass sie wirklich das Land passierten, die Deckung der Aus- 
lagen aus der soeben für Ferdinand bewilligten Steuer.' 

Mit der Abhaltung dieser Landtage war der letzte Vor- 
wand für den Kaiser behoben, die Verhandlung über den 
Hauptvergleich noch ferner hinauszuschieben. Es blieb also 
beim Jakobitcrmin. Zeitlich, schon im Mai, leitete Rudolf eine 
Discussion darüber mit seinen Briideni/ der tirolischen und 
Torlttndischen Regierung ein. Die Frage stand auf zwei Punkten: 
sollte getheilt worden, und, wenn nich^ wer sollte fürder die 
Administration versehen? Natürlich war der erste Punkt suerst 
an entscheiden. Der Kaiser fragte an, wie man die Steier^ 
mttrker, wenn sie wieder mit der alten Forderung hervorrttckten, 
abweisen konnte, ,ttnd was auf solches in rechten (im Process- 
wege) zu erwarten^ Er 1^^ nahe, ob es, wenn der Sieg im 
Rechtsgange unsicher ist, nicht besser wäre, gleich die Theüung 
anzugeben, als sie später ,mit schimpf und Unwillen' auaulassen. 



spärlich besucht. Der Bischof von Trient hatte keinen Vertreter ge- 
schickt mit der Begrflndang, dass er noch nicht mit den Temporalien 

begabt soi. 

* Viutler an Erzhcr/.ofj Maximilian, 2. Juli IGUl. 

' Erzherzog Miuimiliau an Erzherzog Ferdinand, ;^2. Mai. 



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d43 



Aber nun weiter: wer sollte Richter sein? Alle mO^clien 
Combinutioncn 7.0g Rudolf in Betracht: Entscheidung diireli 
die Stände, durch ausgewählte Laodsleatey durcli das Reichs- 
Oberhaupt, durch Compromiss auf andere oder durch Sdiled- 
Spruch eines Fürsten, wie er in Kaiser Ferdinands Disposilion 
vorgesehen war. AUes fand der Kaiser bedenklich; ,anc]i nut 
Baiem lasst es sich nit tun', ebensowenig mit dem jetstgen 
spanischen König, ,der bewissten neuen befreundung wegen^* 
Kun: ,da stehen wir gleichsam gans an/ Sie alie^ die be- 
fragten, sollten ihr Gutachten geben.* 

£rsherBOg Mathias befliss sich, dem Wunsche des Kaisers 
gründlich nachankommen. Zunächst mahnte er Rudolf, doch 
endlieh einmal seine Gonunissäre anr Vergleichshandlung zu 
ernennen, weU sonst auch der Termin Jakobi yersttumi wttrde. 
Da die Stetermärker unter ihren Votretem einen Qeistlicben, 
den Bischof von Seckau, hatten, so meinte Mathias, der Kaiser 
sollte etwa auch ein Mitglied des geistlichen Standes, und zwar 
den Abt Caspar von Melk, in die Commission aufnehmen; auch 
der LaiKliiiitermarschall Georg Bernhard Ursenbeck schien ihm 
tauglich.* Jedenfalls wäre einer tirolischen Ständevertrctuug 
nicht zu vergessen. Und weil die Grazer als Argument für 
die Tiieilunp in einemfort anführen, dass das Gubernament 
nocli nie hi'setzt sei, gerade deshalb immer mehr Landes- 
schuldcu gemacht werden ,iind von denselben landen ein ab 
sonderlicher gcnüess <,a'noninien worden sein soll', so möge man 
durch tiruliäche Amtleute genaue Reehnung über die bishenp:e 
Verwaltung legen lassen.* Hatte sich Mathias» bei diesen W in 
ken nur auf Formalien eingelassen, so wollte er doch auch fiir 
eine Beleuchtung der rechtlichen Seite sorgen. Dazu setzte 
er ein förmliches Conseil zusammen. Ausser seinen und Maxi- 
müians designierten Vertretern gehörten demselben an der viel 



* Qemciot ist die y«r»ehwiig«niiig mit der Oraser Linie dnreb die Heiiet 
Philippe m. mit Enhenögin Meigerethe. 

' Schreiben Rudolf^ S3. Mal A , !i l iu auHtrefertigtes Stück an Enhcrxog 
Albrccht liegt vor; aaf dem Coucept aber ist bemerkt: ,i>t nit eb- 

gangfen'. 

' Früher einmal hatte Mathias zu Commissären empfohlen: Wott'v.Ejmig, 
Sigmund v. Landau, Hans v. Ilcimb, Seifried Cbrist. Brenner, Hanl CInteL 
V. Hornatein nnd Cyriae Heidenreiefa. 

* Ershersog Mathias an Badolf» 12. Jnni 1001. 



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343 



besehäftigte und unentVeltriiehe UnTeraagt, welelier schon in 
Wien (1597) ^neben Streins beisprung die Schriften gestellt', 

die niederösteireichischen Herrenstandsmitglieder Adam v. 
Pnecheim, Max v. Mamming und Wilhelm Bernh<ard v. Fricdcs- 
heimb, endlich auch die Professoren der Universität Dr. Sclnvarzen- 
thaler und Adaui v. Altenstcig. Sie alle einigten sich auf eine 
Deductionsschriftj welche ausführte : ein Rechtsanspruch auf 
Ländertheilung besteht nicht, das Ländereinkommen ist nicht 
nach Linien, sondern nach Köpfen zu theilen (also auf die 
kaiserliche Linie fünf, auf die steirische vier Theile), die Erb- 
berechtigten sind mit ihrer Portion nicht auf einzelne Aemter 
zu verweisen, weil dies wieder eine ewisje Quelle des Streites 
wäre, sondern habpn sich in das jewcihge circctive Gesammt- 
einkommcn zu theiien. Matliias war mit der Arbeit zufrieden. 
Dieselbe war so fundiert, dass er zuversichtlich annahm, die 
Steiermärker ,werden und sollen sich der nitteilung und dann 
der erblichen portion halber ad capitn (nicht ad Stirpes) mit 
uns der billigkeit nach vergleichen'.* 

Auch die tiroltsohe und voriäudische Regierung kam dem 
kaiserlichen Auftrage nach. Die crst<rc lehnte ein Schieds- 
gericht aus Fürsten ab, weil dies den Anschein gäbe, als woUte 
man Fürsten Uber österreichische Privilegien entscheiden lassen. 
Nach ihrem Qeschmack war ein Schiedsgericht aus Lands- 
leuten: der Kaiser wtthle ftlnf aus den steirischen^ Ferdinand 
ebenso viele ans den kaiserliehen Landen; diese sehn ergänaen 
sich durch drei von ihnen gewählte Tiroler und awei Vorder- 
Österreicher, alle zusammen geben sich einen Obmann aus dem 
Prälaten- oder Herrenstand. Sie hätten aber die Theilungs- 
iiage au entscheiden nnd im Bejahungsftüle die Theile zu 
machen. Der besseren Information wegen sollte das Schieds- 
gericht in Linsbmck tagen. 

Ausführlicher äusserte sich die Kegierung in Ensisheim.* 
An die Spitae ihres Referates stellte sie den lebhaften Wunsch, 
es möchten die Voriande im Interesse ihrer eigenen Sicherheit 
mit Tirol yereinigt bleiben. Ob sich aber diese Vereinigung 
im Processfalle behaupten lasse, glaubten die Herren im Hin- 



* Erzherzog Mathias an Rudolf, 17. Juli 1601, Leop. B, 87, II; derselbe 
an Erzherzog Maximiliaiif SO. Juli. St.*A. 

* (iaUcbten vom 17. Juli. 



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344 



blick auf die im Hanse Oesterreich wiederholt voii^koiiiiiieiieii 
TheiluDgen bezweifeln su mtlssen. Wohl fiel ilmen eiii Aign- 
ment bei, von dem sie sich einige Wirkung versprachen. Nach 
der Doctrin der Rechtsgelehrten seien alle Fenda theilbar mit 
Ausnahme der Königswttrde nnd dieser ftquipariere die en- 
herzogliche. Aber, so setzten sie gleich bei, besser als der 
Rechtsgang ist ein Schiedsgericht. Sie dachten sich dasselbe 
bestehend aus je drei Vertreteru der beiden Linien nebst je 
drei Mit^Hederri aus den tirolischen u;ul vorl.indischen Ständen 
und Regieriin<]:s^reraien, denen Bischof Julius Echter von Wlirz- 
burg, als hiezii besonders geeignete Persönlichkeit, präsidieren 
sollte. Beide Parteien hätten nur eine Satzschrift zu stellen; 
denn je mehr Sehriften gewechselt werden, desto leichter ent- 
steht, wie man schon in Wien f^esciien, Erbitterung. Oder 
ein anderer We^: der Kaiser behält Tirol und die Vorlande 
noch auf acht Jahre, fribt ihnen aber einen Gubernator aus 
der Orazer Linie; dabei wird für den Kaiser ein gewisses 
Deputat ausgesetzt und ein halb so grosses flir den Statt- 
halter. Nach acht Jahren übernimmt die Grazer Linie das 
Ganze und bestellt unter den gleichen Bedingungen von der 
kaiserlichen einen anm Gubernator i Endlich erwogen die 
Regier ungsräthe auch noch die Möglichkeit^ dass eine der bei- 
den Linien der anderen einen Theil ihres gegenwärtigen Be* 
Sitzes Uberlässt und dafür Tirol mit den VorJanden ab £igen 
Übernimmt. ' 

Mit diesen Behelfen ausgestattet^ hfttte der Kaiser die 
Verhandlungen in Prag zum festgesetzten Termin beginnen 
lassen kOnnen. Nun entschloss man sich noch, die heissen 
Wochen der Sommerferien yorUbergehen zu lassen, so dass 
die Verordneten erst am Mitte September am Kaiserhofe sich 
trafen. Von Graz erschien Bischof Martin, Manincor und Al- 
ban Mooshetm. Im Namen der Tiroler Regierung iand sich 
Dr. Friedrich Altstetter ein, auf eine Vertretung der Landschaft 
wurde verzichtet* Zu kaiserlichen Commissttren, welche andi 



' In Pr«f hatte man frttlier einen ilmlielien Gedanken. Selnurf meiBt» 
darüber: das hiewe dem Kaiser den WeiaenaclinUt, Ferdinand die 

StojijK In überlassen. Hurter III, 288. 
* Kineo äbnliclicn Vorschlag: des Grafen Thurn siehe oben p 279. 
' Ob die verhaiiJclnden ParUneu oder die Landschaft verzichtete, ist nicht 

genau ersichtlich. Auf dem Mai-Landlago wurde darüber nicht rer- 



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345 



die Stimme für Erzherzog Albrecht führten, waren Karl v. 
Liechtenstein, Ilomstein und der Reichshofvicekanzler Rudolf 
Coraduz bestellt. Von einer gegenseitigen Schriftenstellung 
wurde Umgang genommen, man beschränkte sich auf , münd- 
lichen fürtrag*. Zur Abkürzuog des Geschäftes iiat dies, wie 
sich zeigte, wenig beigetragen. Vor Eröffnung der Conferenzen 
traten die Repräsentanten der Erzherzoge Mathias und Maxi- 
milian mit den kaiserlichen gelieimen Käthen zusammen und 
vereinbarten mit ihnen, dass man gemeinsam auf Untheilbar- 
keit bestehen wollen die letzteren erklärten, lieber, als in 
eine Theilung willigen, wollten sie noch das von der Tiroler 
Regierung vorgeschlagene Schiedsgericht annehmen. Am 
22. September wurden die Steiermark er von den Anderen be- 
g^Usst und wurden ihn^ nenerlich die Gründe, die gegen die 
Theilung sprachen, at]8eiiuuQdergeBet£t. Die Anrede schloss 
mit der Hoffnung, die Grazer würden nun die Stichhaltigkeit 
einsehen; im Uebrigen sei der Kaiser geneigt, ihnen alle mög- 
liche Satisfiftction zu gewtthren. Aber der Bischof und seine 
Coliegen erwiderten, sie mUssten auf Theilung bestehen; könne 
man ihnen jedoch Mittel Torschlagen, wie man sich ohne eine 
solche einigen könnte, so wollten sie gern mithelfen. Die 
Kaiserlichen wollten darauf Propositionen von den Steiennärkem 
hdren, diese lehnten rundweg ab. Damit endete die erste Be- 
sprechung. ^ 

Liechtenstein und seine beiden Genossen fanden die Lage 
sehr misslich und wandten sich an die Eraherzoglichen um 
Baih. Diese ergriffen darauf das Wort und rückten im Namen 
des einen ihrer Auftraggeber, des Erzherzogs Mathias, mit 
dem Vorschlage heraus: unter Aufirechthaltung des Qmnd* 
Satzes der Untheflbarkeit seien die Lande dem Deutschmeister 
als Qubemator anzuvertrauen, aber 3o, dass sich derselbe mit 
^em Ton beiden Linien bestellten Rathe zu umgeben hätte. 
Darin sollte das gleiche Recht der Elrbparteien zum Ausdruck 



bandelt. Schorf berichtet in einem Briefe nach Graz: von der Land- 
tehaft wei^n ift Kienand geschickt, ,eiitscbiildigt sich, hab nit Init da- 
sa*. Daraus wlre doeh anf eine an dm itSadlseb«» AuMchm» eigangena 
EinUdanir in i6bli«atwkt waleh« di«Mr abgttlehnt bitte. Ob TiellMcht 

unter dem Einflüsse Schnrff^? 
* Bericht der drei geheimen Bäihe an ftadolf vom 19. and September 
1601. 



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346 



gelangen. Daa erlOaende Wort war der Hanpti»che nach da- 
mit gesprochen. Der Erete^ welcher einwilligte, war der Kaiaer.* 
Aher die StdermlLrker? Ihnen wurde in einer aweiten Sitanng 
(9. Ootoher) der neue Vermittlangsantrag vorgelegt. Mit der 
Versicherung, niohta Prftjadiderliehes von ihnen Terlangen zu 
wollen, wurde Maximifian als der am meisten Geei^ete zum 
Statthalter empfohlen, da er schon ähnliche Stellunijen bekleidet. 
Jede Linie gebe ihm zwei Küthe bei, mit deren Assistenz er 
die Landesschulden festzustellen, ihre Tilgung einzuleiten, die 
Ausgaben möglichst zu beschränken habe. Jeder von den 
Erben sollte in den gemeinsamen Landen sich eine Residenz 
wählen können, auf die er sich im Ni>ihfalle zurückzöge. Ge- 
meinsam wolle man eine Instruction für den Landesverweser 
ausarbeiten, wobei auf das Landes|)rivileg Rücksicht zu nehmen 
sei, dass Appellationen nicht ausser Land gehen. Die auf jeden 
Thcil entfallende Quote vom Länderertriignis wUre fe.';t7U'=t<^llen. 
Die Steiermärker wurden eingeladen, dieser Ordnung zuzu- 
stimmen. 

In Graz hatte man noch immer der Hoflrhung gelebt, man 
werde bei unbeugsamer Verfechtung des Th eil ungsplanes schliess- 
lich an den ßrUdem des Kaisers noch eine StUtse ünden. Die 
neueste Wendung aersttfrle solche Erwartungen. Isoliert, wie 
man sich sah, begann man den Rückzug, 80 schmeralich er 
auch fallen mochte.' Ferdinands Gesandte antworteten: Aus 
Freundschaft sum Kaiser wolle ihr Herr nicht auf der Theilang 
beharren, aber es dttrfe daraus für ihn kein PrJijudia entstehen. 



' Aul dbu) Bericht der Cumiui^i^äre «teht: placuit caesari, 4. OcUjber 1601. 

Vgl. damit du oben citierta »Dankbriefl^ de* KaiMis Ton 6. Oetober. 
* Karl Scinirf an BrahefiogiA Msria, 8. Oetober (8t>A.): Ich hSn von 

einer ▼ertranten Person, es sei E. D. bekannt, daas die Bi^eraoge Ha» 

tliias und Maximilian bereits ,Ton der teilung und dass es nit geschehen 
soll, gefallen, auch sich des.ien erklärt'. Ich bin darülipr molir erschrocken, 
denn ich hal>«- hei den Erzherzogen einen auUeri-u Aufschlag erhofl^- 
E. D. haben daher vor dero Entschliessung Uräache ,vielc vernünftige, 
auch deroselben verpflichtete kopf and dietief* an TemehmeiL. Wiid 
jetat etwas Qbersehen, so ist*« gesebeben illr immer. Wenn man aoeb 
die BAiieste Absicht ,mit dem illamiiitreii* wollte, dass Max Emst tot 
andern som Onbemament gelangen sollte, fo ist doch wohl in acht n 
nrhrnrn, wie .dioscs gubemament in (Ipt administration und nntfrhaltimf 
iliritjirt wenlon soll'. Er5t wenn dies bestimmt ist, wird z.u ,coUigireü' 
sein, wa<« auf £. D. Seile ,fürtriiglich und nit praejadicirlich' sein winL 



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347 



Da aber der Deutschmeister schün mit dem Ordens^ntc wohl 
versehen, so möge man Maximilian Ernst mit der Verweser- 
schaft betrauen. Wohl sei er noch jung, aber es können ihm 
Räthe zur Seite stehen. Sollte man sich g^leichwohl flir den 
älteren Maximilian entscheiden, so müsse doch künftig stets 
alterniert werden, wobei vorauszusetzen, dass stets der 
Gubernator katholisch sei. Auf die Quote aus dem Erträgnis 
der bisherigen siebenjährigen kaiserlichen Verwaltung wird 
nicht Yerziclitet, also weder auf die Landsteuern, noch auf die 
aus Pfandfichal'teu gelösten Summen, auch nicht auf das Geld 
ytm» begebner wirtenbergischer afterlehenschaft*. Auf Ver- 
langen einer Partei muss stets an die LändertheiluDg geschritten 
werden.^ 

Nun hatten sieh die Vertreter der kaiserlichen Linie 
wieder sn ftnssem. Deslialb hielten sie unter sich Rath. Die 
Vertrauensmttnner der beiden Elrzhersoge beaeichneten die 
Grazer Forderung, dass jederzeit Theilung möglich sein soll, 
ab unannehmbar; das Verlangen wegen der Quote erschien 
ihnen gerecht» und sie dehnten es aus auch auf die Brüder des 
Kaisers. Ab die Sprache kam auf das Gubemament, erklärten 
sie im Namen des Erzherzogs Mathias, daftbr sei nur der 
Deutschmeister als erfahrener Mann geeignet. Als Ergebnis 
dieser Besprechungen wurde den Steiermärkern mitgetheilt, 
man bestehe auf dem Grundsatz der Unthoilbarkeit und der 
Einsetzung des Deutachmeisters in die blutthalterschaft. Fß 
dauerte einige Wochen, bis die Grazer antworteten, der Bi- 
schof von Seckau erbat sich erst vom Erzherzog neue Wei- 
sungen. Am Kaiserhof war man darüber nicht beunruhigt, 
höchstens in der , alternativen succession des gubernamcnts' 
flirchtete man noch einige Schwierigkeiten. Der Kaiser freute 
sich, dass nun doch , wahrscheinlich das ganze wesen in einem 
corpore beisammen bleibt'. Schon im October hatte er, wie 
wir wissen, Maximilirin das Gubernameut zugesagt, um dessen 
Erbantheil an Tirol zu erhandeln. Jetzt trug er ihm in aller 
Form die Würde eines Statthalters an.^ Maiumilian war weniger 



> Instraction des Enh^nogi Feidinaiid Iftr Mine y«rlreter, ft. Norenber 

IfiOl. St.-A. 

' Radolf «n ErahentOK M»iimiliui| 4. November. 



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348 



heissbltttig : ohne aioh befttimmt m eMkreti, dankte er filr d«ii 

Antrag. * 

Als Freiherr von Schm*f hörte, dass der Widerstand gegen 
Maxinulians Verwcserscbaft aufgegeben sei. meinte er: ,das 
heisst bei mir die raitung ohne den wirt gemacht, o weit 
0 weit'.* Aber solche Stimmen hinderten Ferdinand nicht 
mehr, noch weiter entgegcuztikummen. Seine Gesandten hatten 
auch den Punkt einer Eventualtheilnng fallen zu lassen* und 
nur noch fcstzuhnlten an einer deutlich ausgesprochenen Alter- 
nierung im Guberiianient, au der Theilung der Landesgefälle 
nach den Linien und an der Ueberlassuni: ler Hälfte der 
jeweilig bewilligten Türkenhilfe. Damit war man sich schon 
so nahe gekommen, dass der Kaiser den Grazern seine Zu- 
friedenheit mit ihrer letzten Antwort ausdrücken lassen konnte. 
Im Wechsel der Statthalterschaft, so erklärte Rudolf, wolle er 
ihnen zu Willen Bein,^ die Forderung nach der Theilung der 
f^nkUnfte (ob in capita oder Stirpes) mOge bia auf Weiteret 
ausgesetzt bleiben, da vorlttafig nicht davon zu reden sei, bis 
man die Höhe derselben genau kenne; die Tttrkenhilfen mfige 



* BraheiMf Hudmilian «n Budolf, 17. December. Maximilian war et bei 
der Abmachong mit dem Kaiser mehr um di« AblOmagMiimme nt thim 

(<;(<in(>r Schulden wegen) ab um das Oubernament. So schreibt er am 
IG. October an Dtick«*r: Mit der kaiserlichen Entechcidunp (vom 2. Octo- 
hcr) bin ich 55ufriodea, so ist endlich ,nach lancror pedulil eine sach inr 
endscbalt gebracht; wegen des tirulischen guberuanieuta biu ich tu ebvD- 
mlmifer expedition*» Seinen Präger Comnüiriben ecbrmbt er am 8. Oe* 
tober: ^eh bin mit allem eiuTentanden, alter ieb boffs^ man wird aar 
die bnrd und ungelegenbeit mit (Karl ▼.) Burgaa nit allein anftragaai 
sondern zugleich mit gesammtem sutun der mitintercMentcn aus dem 
Yff>fr räumen'. Und d.inn wieder an Ducker am 24. October: Am lieb- 
sten wSre mir gewesen, wenn der Kaiser anstatt der Zahlungsleistung 
meine »Schulden übernommen und mich so davon befreit hätte. Mao 
aolUt da den GMxkofler emichen, dees er m«ne Schold «gegen tirdi- 
■ebe aaeecaraeionen ablegeS Sonst itebt es mit der tiroliachen Hand» 
lung bei dem, was Ferdinand antworten wird. Doa wird wohl noeh 
einige Zeit braachen. 

* Schnrf an Exdienogin ICaria, 12. November. 

* Bezfiglich dieses Punktes begnügte man deb in Gras mit der harmloMB 
Textierung: die Lande bleiben eo lange nngetbeilt, bis eich alle Par> 

teirn über eine Thellunp eini(r«n. 

* In diesem Tunkte gab der Kaiier nach, weil er da nicht aeine Brflder 

auf seiner freite hatte. 



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Ö49 



man ihm, der docli in erster Linie den Krieg zu fiihren und 
Steiermark stets seine Unterstützung gewährt habe, liberlassen 
und flir die siebenjährige Verwaltung keine Rückzahlung von 
ihm verlangen.^ 

Tm Jänner 1602 weilte Ferdinand mit seinem Bruder 
Maximilian Emst selbst in Prag und mochte hoffen, in un- 
mittelbarer Ausspraclie mit dem Kaiser Kinifrcs von seinen 
bisher autreclil erluillenen finanziellen Anspriicben noch zu 
retten. Aber Rudolf in seiner schweigsamen, meiisclienscheuen 
Weise vermied mündliche Auseinandersetzung und liess auch 
diese Angelegenheit im Schoosse der noch immer in Frag an* 
wesenden Vertreter austragen.^ Die Steiermärker erklärlen 
zunächst, sich dem kaiserlichen Wunsche za Aigen, wornach 
die DififeroDZ Uber Theilnng des EinkommeiiB einer späteren 
Vcrgleichung vorbehalten bleibe, dag^;en sollte Ferdinand an 
den künftigen Türkenhilfen participieren und als Abschlags- 
zahiuDg für die Bieben Jahre dasjenige zugesprochen erhalten, 
was dem Kaiser von den tirolischen und vorländischen Land- 
tagsbewilligangen des abgelaufenen Jahres zugefallen wäre. 
Darauf erwiderten Liechtenstein und Coraduz im Namen des 
Kaisers : ihrem Herrn komme ein solobes Verlangen unerwartet, 
da er Alles, was er bisher aus den Ländern gezogen, zum 
Kriegswesen verwendet habe. Mathias und Maximilian hätten 
dasselbe Anrecht, aber sie hätten Verzicht geleistet. Würden 
die Steiermärker darauf beharren, so konnte auch diesen bei- 
den Erzherzogen das Ihrige nicht verweigert werden. Auf 
künftige LandtagsbewilUgungen sei wenig Hoffnung zu setzen, 
weil die Lande an dem bisher Bewilligten nocb genug zu 
tragen haben. Der Kaiser hoffe, man werde ihm hierin nicht 
weitere Schwierigkeiten machen, er sei ohnehin im Falle der 
Noth zu jeder Hilfe bereit.* Und diese Hoffnung erfüllte sich. 
Nach wenigen Tagen eröffnete der Bischof von Seckau: sein 
Erzherzog wolle auch in diesem letzten 1' unkte noch nach- 



* Antwort der KiUwrliebra an die Steiermärker, 11. Deceaber, 

* Ein Gotachten das gehetmen Bathes Tom 80. Jänner 1008 ttägt den 

Dorulyernierk : ,Ihre Kai^ haben mit Ihr. F. D. (Ferdinand) dea- 

wef:cn selbst zu reden berlonkcn galiabt» sondern solches durch herni 

V. Liechteustcin %n tun hct'ollien.' 

* Brfcliningen von LiecbUnstein und Coradoa, 21. Jänuer 1602. 



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350 



gebeu, jcdoeh erwarte er Air die sieben Jahre ^elne ergOtzHch' 

keit* und die freiwillige Ueberlassung der halben Türkenhilfe, 
der Ausfertigunpr dos Vergleiches (Recesses) stehe nichts mehr 
im Wege. Er trägt das Datum des 5. Februar und enthält 
auf Grund der langwierigen vorausgegangenen Tractatiouen 
folgende Bestimmungen. Tirol und die Vorlaiide bleiben un- 
getheilt, bis alle Berechtigten sich über eine Theilung einigen. 
Maximilian wird Gubernntui, nach seinem Abgang <'in Mit- 
glied der steirischen Linie und so fort alteruicrend. Jede Linie 
bestellt zwei AssistenzriUhe, und jeder Erbe hat das Recht, 
einen Residen/ort in Tirol zugewiesen zu bekommen, jedoch 
soll das in speeic erst kiinftij^ vereinbart werden. Der Ver- 
weser hat auf sparsame Wirtseliaft zu sehen und das, was 
erübrigt wird, nur mit Wissen und Willen aller Erben zu ver- 
wenden. Die Türkenhilfen bleiben dem Kaiser. In Bezug 
auf die TheUang nach Köpfen oder Linien soll der Guber- 
nator mit seinen Käthen begutachen, ob deshalb gUUicbe Hand- 
lung oder ,schneller compromisBlicher austrag' zu pflegen ist 
Die Schatzgewdlbe in Wien, Qraa und Innsbruck sind einer 
Viflitation und besseren Ordnung zu untersiehen, wobei die Ur* 
künden fUr jene Orte abgesondert werden^ wohin sie gehdren. 
Der Qubernator soll bandeln als Begent und fUr Erhaltung 
des katholischen Qlaubens sorgen. Ohne kaiserliehe Genehmi- 
gung darf er keinen Landtag berufen. Verleihung nnd Ent- 
fremdung von Lehen, Onadensachen, Confiscationen, nenePfand- 
▼erschreibungen oder Verlftngerung von alten, Besetzung hoher 
Aemter, hohe StraÜMchen: aUe diese Qegenstände hat er im 
Einverständnis mit den Interessenten su erledigen. Er hat sich 
auch der Austragung mit dem Harkgrafen von Burgau sn 
unterziehen. Alle Bethefligten versprechen, wegen der sieben- 
jährigen Verwaltung des Kaisers keine Ansprache an ihn zu 
erheben, was dieser mit Dank entgegennimmt^ 



Ein Auszug des Recesses bei Hiirter III, 288. Gleichseitige Austcrti- 
gung und Cop. in Leop. B, Ii, 27; B, 165; C, 203; Eink. Sehr. 1607.— 
Am 88. F^braar Qbenchiekt der Kdjier den Reeeis an MaximUiiB sor 
Untenchrift. — Der SchliutpMnit im Beeeei Aber den Verlieht auf die 
siebenjlhrigen EinkQnfte erftbrt eine eig^enthumliclie Beletichtang in 
der Cnrrejspondfinz des Kaisers mit Erzherzog Mathias. Rudolf sclircil'tt 
wenn Mattii.ns auf «einer jUngi«t erhobenen Fnrdemn^ bestehe, «n woiJe 
wahrscheinlich ^alles serstoasen und zurückgetrieben', der Kaiser habe 



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3&1 



Damit war das schwierige Werk Tollendet. Hätte mao 
in Graz auf zwanzig Jahre in die Zakanft blicken kdnnen^ BO 
hätte man aich wohl gehütet, die Ländertheilung zu verfechten. 
Hatte man Bie jetzt nicht erreicht, so war wenigstens etwaigen 
allzu eigennützigen Absichten des Kaisers ein Riegel Torge- 
schoben. Damit mochte man sich am Hofe Ferdinands darüber 
trösten, dass man Schritt ftlr Schritt zorttckgewichen war. Ganz 
untröstlich war Karl Schürf. Die Mittheilung der Erzherzogin 
Maria über den abgeschlossenen Reeess hat er ,mit schweren 
Seufzern gelesen'. Nun mnss ich halt, ruft er ans, dem Wesen 
den Lauf lassen. Noch immer hatte er gehofft, der Erzherzo- 
gin und ihren Söhnen auf Tiroler Boden ,mit treuen diensten 
beizustehend Da es aber nun .umgeschlagen', so blieb ilim 
nichts übrig, als die Saclu' (iott zu befehlen. Schon Hess man 
ihn merken, er werde filr seine ,grazeriäche' Gesinnung büssen 
müssen. Da man in Prag keine Entschuldigung annehmen 
werde, meinte er, so werde wohl das Beste sein, wenn er sich 
in einen Winkel vor allen Weltgesciiäften zurückziehe. Der 
geschlagene Maim brauchte fUr Stich reden nicht zu sorgen. 
Er hörte raunen, es sei ein Same vorhanden, den man aus- 
reuten müsse; und er fUf^t bei: ieh weiss gut, auf wen das 
genieint ij»t. Seliurf kann <iieses sein Schreiben nicht weiter 
fortsetzen , voller niiseria halber'.^ Aber da es in dieser Materie 
für ihn nichts mehr weiter zu thun gibt, ertheilt er der Erz- 
herzogin doch noch einmal einen Rath, wie sie und die Ihrigen 
nach Tirol festen Fuss setzen könnten, ohne dass man es 
merkt. Maria sollte ihre Tochter Eleonore in das Haller Damen- 
stift eintreten lassen, wohin sicherlich auch eine der beiden 
Töchter des verstorbenen Ferdinand von Tirol kommen werde. 
Da hätte dann die Mutter stets ^zusprung unter dem schein 

während der sieben Jahre nicht seinen Pri\ ,itvi>rtheil gesucht, und die 
anderen Interessenten hätten ihre Forderung zurückgestellt (23. Februar). 
Darauf antwortet Mathias: er sei während der Vcrhandluugea nicht ge« 
fragt worden, man habe ihn ^laichsam ao gering geaehJltet, ala wann 
an meinar penon nit viel gelegen*; er unterschreibe awar den BeceM, 
halte aber seine .rcscrvation* aufrecht (10. Män). Darauf der Kaiser: 
Mathias brauche nicht so empfindlich zu sein, der Antheil am Ernesti- 
nt'sehrn Deputat solle ihm «»op-lpich ansgefolgt werden, dafür gebe e« 
hod'entlich wegen Tiroi kein weiteres Jieplicieren (23. April). Damit 
scheint das gereizte Nachspiel ein Ende getiouitiien zu haben. 
* Schorf an Ersherzogin Maria, 15. Febraar. 
AkUt. ich. Bend, II. RUfle. 23 



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m 



der hcimsiK-lmnj^''. Dor Oedanko fand später VerTvirklichung, 
aber oline den politischen HiDter^und, den ihm ^hurf hatte 
geben wollen. 

Jetzt war noch im Einzelnen Uber Maximilians Bestellung 
zum Gubernator zu handeln. Dacker gieng deshalb wieder 
Tiacl) Pras^. * Dieser sollte für seinen Herrn einen Gehalt von 
36.000 fl. erwirken. Wenn dagegen eingewendet wurde, dass 
Cardinal Andreas es vor Jahren viel billiger gethan hätte, so 
hatte Ducker zu entgegnen: dem Cardinal sei es nur darum 
zu thun gewesen, ,einen fm ins land zu setzen*; man würde 
dann schon seine Brfahrungen mit ihm gemacht haben. Auch 
der Religionspunkt kam zur Sprache. Maximüiaa Hess Ter* 
sichern:' wenn man yon ihm verlange, dass er keine protestan- 
tischen Diener mitbringe, so mdge man wissen, dass er nicht 
die Absicht habe, Aeiigemis zu geben. Der Kaiser genehmigte 
ausser 6000 fl. Au&ugsgeld einen Jahresgehalt von 30.000 fl., 
der aber nicht von der geldarmen Kammer, sondern von der 
Landschaft zu zahlen war.* Maximilian hatte eine Amtsin? 
struction verlangt. Rudolf bezeichnete eine solche für unnöthig, 
da sein Bruder schon andere Länder toblich regiert habe und 
dies auch jetzt thun werde. Statt einer solchen sandte er ihm 
einen schon bei den Vergleichsverhandlungen vereinbarten Ge- 
walt b rief, wo jene Fälle aufp^ezählt waren, in denen der Landea- 
verweser die Willensmeinung der Miterben tunzuhok'n hatte. 
Nachdem dann dei Kaiser noch einige minder wichtige Puuki«: 
erledigt,* forderte er Maximilian auf zum Antritt seines Aiütes 
,in Gottes Namen'. 



Instruction ffir Duokor. 15. Fchniar. 

DfT Kfiisi^r liattf Maximilian in eiueiti isflircihcn vom .">. Ft briMr anf- 
merksatii gemacht, d&ss in Tirol nur Katholiken wohnen und desoalb 
nur katholische Hofleute zu bestellen seien. 

D«n Gehalt bestimmte der KeUer im EinTernebmeo mit Metliiae vaA 
Ferdineiid. Letsterer wollte anfangs nur 24.000 fl. b«willig«n. Abar 
Diicker meinte eebon am 3o. März, er wcric sich nachgiebig seifea, 

weil man es ja auch in Oraz künftig? wor.lo zu trnnirs>?rii haben. 
Diesp Pnnktf waren folgende: 1. Mit deu duichreisenden Fürsten soll 
es in Innsbruck gehalten werden wie in Wien. 2. Eine neue Erbhuldi- 
gung braucht es nicht, es genügen die Gehorsamsbefehle, welche Maxi* 
milian mitbekommt. 3. Die tiroliidie MOnse soll auf der einen Seil« 
(ATen) daa Bild dee Kaiser» mit der Unucbrift yRadolfos II. Rom. lBp> 
Semp. Aug. Ae. Germ. Hang. Boemlaeqne Rex*, auf der anderen (RerMi) 



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353 

Eine Verzögerung erfuhr die ira Recess vorgesehene Be- 
stellung der Assistenzräthe. Der Kaiser hatte für seine Linie 
Friedrich Altstetter und Heidenreich in Aussicht genommen. 
Letzteren wollte aber Herzog Wilhelm von Baicrn nicht aus 
seinem Dienste lassen. Statt seiner entsehied sich Rudolf auf 
den Deutschordenscomthur ALarquard v. Kck, von dem er 
wusste, dass er Maximilian sonderlich genehm sei. Ferdinands 
Wahl fiel auf jene zwei Männer, welche während der ganzen 
Erbschaflsyerhandiniig den grössten Feuereifer für das steiri- 
8che Interesse bewiesen hatten: die beiden Tiroler Manincor 
und Karl Schürf. Von Scharf heisst es, er habe selbst den 
Kaiser ersucht» ihn von dieser Stellung zu befreien, und statt 
des andern hätte man in Prag die Bestellung eines ,friedlieben- 
den^ gewttnscht^ Thatsächlich forderte der Kaiser von Fer* 
dinand einen anderen Vorschlag. Da aber der Deutschmeister 
versioherte, gegen keinen von beiden ein Bedenken au haben, 
so Hess schliesslich auch der Kaiser seinen Widerstand fallen. 
Mit dem Direetorinm unter den vier Käthen ward Altstetter, 
der Hofkanaler, betraut.' Ueber die Beaahlung dieser vier 

di« Lindsrw^tpen mit der Umscbrift ,Nee non Arehtdae«a Anttriae, 

Ducc8 Barg^ndiae, Comites Tirolis' traj^en, und die der Ensishcimer 
Münzstätte anstatt Comites Tirolis «Hp BozL'iclinuii<r Lanfjj;ravii AI .ifiae 
et Comites Ferreti. 4. Die Verhandlung über Karl von Burgau ruht bis 
zur Aukunft Maximilians. 5. Ueber die von Maximilian angcsucbte Ex- 
specUDz auf die Pollweiler'ficben Lehen and Pfandschaften maas ertt 
die Begterang gehSrt weiden. 6. Die Bef^erang ist angewiesen, fttr die 
mctnalien sn Maximilians Hofhält an soigen. 7. Maximiiian sotl nleb- 
atens eine Visitation aller Aemter anstellen. Bndolf an Enhenwg Maxi- 
mllian, 23. Mai 1602. A. M. 

* Koiirad Dit tz an Erzherzog Maximilian, 15. Juni 1602. Schnrf zeigt 
jetzt ein ainlrres (iosiclit. Schon am 1. März schreibt er dem Kaiser: 
£rziier2üg Ferdinand wollte mich zum Aasistenzrathe ernennen, aber 
leb seblng aus, wtSX ich nieht qualiieierl dasa bin, und weil ich mieh 
gegen £ M. Terpflichtet habe, ohne dero Erlaubnis keinen anderen 
Dienst anzunehmen. — Ducker, welchen Maximilian nach Innsbruck 
voranageacbickt hatte, schreibt von dort 20. Mai: Ich vernehme, dass die 
Collegen mit der Ernennung Manincors nicht znfrifdfn «»tTid nnd .wenig 
lust zu ihm hahnn'; er aber sclirfilii mir, dass er sich betiei^üen wolle, 
SU Eurer F. D. Zufriedenheit zu dienen. Ducker setzt bei: Wie freue 
ieh mich auf Barer F. D. Ankunft, ,der ich nnterdess wie fremd nnd 
verlassen dahier btn*. — Bndolf an Ershersog Maximilian, 8. Jnli 1602. 

* Neben Altstetter nnd Bck hatte man noch in Betracht geaogen Christof 
T. Wolkenstein, Dietrich ▼. Knen nnd Jakob Andrft v. Branrli<«. 

23* 



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a54 



Herren wunle viel hin- und hergeschrieben. Der Kaiser wolltL 
jedem nur 600 fl. zulegen, während sie selbst das Doppelte, 
gleich den uiederösterreichischen Rätheu des Erzherzogs Ma- 
thias, verlaii^it II. Mit Mühe brachte man den Kaiser zu einer 
Erhöhun*; uul' bÜÜ fl.. wobei er bemerkte, Ecic iuibe als Oberst- 
känimerer des DetHsehint istcrs ohnehin den Tisch bei Hof, 
Altstettcr als Kauzler noeii seinen brsonderen Gehalt, LSehurf 
habe seine Güter nicht weit von Innsbruck, und Mauiucor 
möge zufrieden sein, dass man ihn hält wie einen Adelig-en. ' 
Auch die Verwendung Maximilians und Jb'erdiQands in. Prag 
brachte ihnen keine weitere Erhöhung. 

Du se Sparsamkeit schien allerdings sehr geboten, wenn 
man die trostlose Lage der tirolischen Kammer in Betracht 
zog. Die sieben Jahre kaiserlicher Administration bedeuteten 
fllr die Finanzlage eine Zeit zunehmender Versebleehienuig. 
Die Hofhaltung der Erzherzogin -Witwe und Karle von Borgan 
kosteten erhebliche Summen^ dem Kaiser wurden trotz seiner 
gegentheiligen Versicherung sehr bedentende Betrüge geliefert,' 
und für die SaDiemng der Kammemotb war gar mchts ge- 
schehen. Sobald die Kammer erfuhr^ dass nun wieder ein 
Erzherzog im Lande residieren werde, erklärte sie sich an- 
filhig zu jeglichem Beitrag fUr seinen Hofhält. In überstarken 
Farben schilderte sie die Armuth des Landes. FOr Lebens- 
mittel sei nicht aufzukommen, Wein, Getreide und Futter sei 
aufgekauft, Heu und Stroh um hohen Preis nicht zu bekom- 
men, so dass schon ,alles fuhrwerk stecken blieben*. An 
Schmalz sei solcher Abgang, dass sich die Leute mit gesund« 
heitschildlichem Unschlitt behelfen mOssen. Gleicher Mangel 
sei an Fleisch, da die Einfuhr aus Ungarn gesperrt ist. Geld 
sei weder vorrftthig, noch welches au&uleihen. * Weidlich 
ärgerte sich der Kaiser über solches Lamento. Es ist. so 
replicicrte er, nicht allein beschwerlich, sondern aueh ,an<ierer 
orten, da es hinkommt*, fast schimpflich zu h<5ren. dass 
mau ,bei diesen deimoch nit schlechten fllrstcntumen und 



* Rudolf mn Enbenog HuinilUn, 1. October 160S. 

* Ein Extract (Leop. B, 2ÜJ) berechnet dat dem Kftiser voa 1&96— 160S 
ab)relicferte Geld aus Tirol und den Vorlandea auf 664.S16 fl. 

* Diß Kaninicr au Kudolf, 18. Febrqar 1602. Buch an Hof 1608, fi»LiS; 
M. a. ü. fol. 10. 



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355 



landen nit anders hausgclialten*, so dass für einen Gubernalor 
selbst beim eingezo^ensten Hofweseii nichts erübrigt. Da er 
ebensowenig wie die steirisehc Linie wegen der Kriegsauslagen 
etwas leisten könne, so ertheile er der Kammer Vollmacht, 
25.000 fl. auf Borg zu nehmen, damit fttr Maximilian das Noth- 
wendifj^ste beschafft werden könne. * 

So waren noch die letzten Erörterungen zwischen der 
Kammer und dem bisherigen Administrator, dem Kaiser, recht 
unerfreuHcher Natur. Eben wahrend dcrsell)en rüstete sich 
der Oeutsehmeiser zum Antritt seiner neuen Stellung. Im 
letzten Augenblicke drohte noch ein unangenehmer Z^vischenMl, 
der in jener Zeit, wo man auf Formen so viel gab, nicht be- 
deutungslos gewesen wttre. Um die Regierung in die Hand 
m nehmen, genügte es selbst für einen Erzherzog nicht, dass 
er in gedruckten kaiserlichen Mandaten als LandesfUrst pro- 
clamiert wurde, sondern er musstc kaiserliche Gewaltbriefe 
TOrweisen. Mit diesen war schon Mitte Juni ein Hofcouner von 
Prag nach Innsbruck abgefertigt worden. Als man in Inns- 
bruck sein Feileisen lf£fnete, zeigte es sich, dass die Stttcke so 
schiecht yerwalirt waren, dass ,die kapsen vom wacliskasten 
abgefallen und die sigel sich einander zerstossen^ Der Bote 
mnsste sogleich zurückeilen, um neue Exemplare schnellstens 
ausstellen zu lassen, damit sie noch rechtzeitig mit dem Deutsch- 
meister eintrafen.' Die Innsbrucker Borger trafen ihre Vor- 
bereitungen, um ihren Landesherm gebührend zu begrüssen. 
Sie wollten bei ihm ,ehre einlegen^, indem sie ihm mit fliegen- 
den Fahnen gerüstet entgegenzogen. Die Regierung gewährte 
hiezu Pulver und Waffen aus dem Zeughause. Der Landes* 
hauptmann entbot den Adel nicht nur des Inntbales, sondern 
auch von der Etsch. ^ Vom bairischen Mittewald her traf Ma- 
ximilian am 8. Juli zum Frllhmahl in Seefcld mit seinem statt- 
lichen Gefolge, das namentlich aus Würdenträgern des Ordens 
gebildet war, ein.* Hier empfiengeu ihn die Herren der Rc- 



> O. V. H. 1602, fol. -12. 

* Coraduz an Er^herzüg Mathias, 19. Juni. 

* T. lOOS, fol. 60, 66, 99. Der Bergrichier von 8oliw«i mnatte »vier ilor 
bo»ten Scbwttter singer, worunter ein knab* snm Empfang naeh Inns- 
bmek senden. G. M. 1602, fol. 1030. 

* Oberstkämmerer Eck (8 Pferde, 10 Diener), ObprstsUllmeister Freiherr 
Andreas Doc«i (6 Pferde» 6 Diener), OrdenwtaUhalter von Faid» Ulrich 



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3Ö6 



gieruDg und die Adeligen. Nach kurzer fiast ritt man auf der 
Landitrasse der Hanptotadt au. Vor Innsbntcky draussen auf 
der ülfiswieae beim Thiergarten (jetzt Polverthurm), standen 
500 Mann von der Innsbrucker Bttrgerachaft, welche heim 
Erscheinen des Fürsten ihre Feuerrohre lösten, indessen die 
am liiurain aufgestellten 25 Geschütze die Willkommscluisse 
ab^'aben. Die Stadl hatte sich mit zwei Ehrenpforten, an »k-r 
Inubrdckc und beim goldenen Dach, geschmückt, unter denen 
der Weg den Erzherzog in seine jetzige Residenz führte. 

Maximilian nahm es gleich im Anfaiin;e mit beiner Auf- 
gabe sehr ernst. Noch aus den ,1 ulitagen datiert eine ganze 
Keihe von Erlässen, welche das bezeugen. Die vorländische 
Regierung erliielt eine Btrenge Weisung, mit aller Treue und 
Gewissenhuftigkeit ihres Amtes zu walten, die Tnnsbrucker 
Behörden den Befehl, tür alle ihnen unterstehenden Aemter 
neue, zeitgcmässe Instnictionen zu entwerfen. Die Kammer 
musste genaue Verzeichnisse anlegen, welche die Lage der Fi- 
nanzen und die Gebahrong mit denselben klar beleuchteten. 
Sogleich war ein Summarium aller Landesbeschwerden zu yet- 
fassoDy damit ihnen rasche Abhilfe zutheil werde. ^ Es ver- 
giengen wenige Wochen, und Maximilian hatte den Eindruck 
gewonnen, daas es viel aufssuräumen und zu vcrbessera gebe. 
£r fand ,da8 gubernamentwesen also beschaffisn, wie es zu sein 
pflegt, wenn der hausrater lang nit bei haus gewest'.' leh 

V. Stotzinp (5 Pferde, 4 Diener), Kämmerer Christof I ^rsonbeck (3 Pferde, 
4 Dii'iit r). Kämmerer Ludwig v. Mollart (G Pfi-nlr, 6 Diener), Käm- 
merer Örtlich V. Petting (6 Pferde, 4 Dit^ner), Kaminorer Gnttfripd t. 
Schrattenbacb (5 Pferde, 5 Diener), Kämmerer und Couuhur von 
Mei^iithetm Melchior Keller t. Schötteo (4 Pferde, 6 Diener), Obenrt- 
■tlberklmmerer Hana Trapp (2 Pferde, 8 Dtener), Job. Konradi Schüzpor, 
genannt MnlchUnf , Comthnr sn Blnmeatbal (4 Pfefde, 4 Diener), WiOi. 
T. Bnbenhofen, Cooitbnr ma Ettiriirc n (4 Pferde, 4 Diener), Konrad v.i. 
Thann, Amtmann zn Bmckonau (4 Pfordt", i Diener), Karl v. Wolken- 
Stein, ComtJmr zu Hoinctrg 1^4 Pfordt, 4 Diener), Ferdinand Freiberr r. 
Döring, Comthur zu FUrnsperg (4 l'ferde, 4 Diener), Marscliall Christof 
V. Dachreden (U Pferde, 6 Diener), 4 Kammerdiener und uoeh HS Ge- 
folgsleute (daranter Erbarl Rapertns, Kttnstler mit emnen Getellen, da 
Capellmeiiter mit 7 Singern). Für den Enbenog worden 88 Leib- 
pferde und 26 KntaebenroMe mitgeftthrt. Q, r. H. 1602, fol. 60 } A. IX» 
97-108. 

* Conc. in Kamm. 1002, fol. .'5. H, 11, 184. 

* Erzherzog Maximilian an Erzherzogin Margaretha, 28. September 1602. A.C. 



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367 



bin erst kvna Zeit anweBend, so schrieb er dem Eaiseri und 
schon sehe ich, wie sehr dieses Land zu Ghmnde gerichtet ist. 
Daher sein loblicher Vorsatz: die ihm anvertrauten Lande 
sollten nicht femer der Gegenstand willkttrHcher Ausbeutung 
sein. Jedem, der den Prager Recess unterschrieben, rief er 
ins GedttchtniSy dass man sich inseitiger Verfügungen Ober 
LandesgefiÜle begeben habe, dass also der Kaiser wie jeder 
von den Enherzogen sich hüte vor ,Alreilender bewilligung' 
auf die tirolische Kammer; denn nur bei äusserster Sparsam- 
keit könne man sich ,au8 diesem obschwebenden Schuldenlast 
ausarbeiten'.^ Alsbald drohte dieser Politik eingezogener Wirt- 
Echatiliclikeit arge Diirclikicuzung-, da der Kaiser Miene machte, 
dem Siebenbürger Fürsten Sigmund Bathory, der neuerdings 
resigniert hatte, sein ihiu ausgesetztes Deputat von 60.000 fl. 
nebst einer Iicsidenzherrsehafl in Tirol anzuweisen. MaximiHan, 
deshalb angegangen, fand solch ein Begehren hoch verwunder- 
lich. Da die Kammer ohnehin aller Mittel bar sei und eine 
derartige Verfügung den schlechtesten Eindruck auf die Stände 
machen wüi*de, so bat der Deutschmeister den Kaiser, ihn und 
das Land mit solch , unerschwinglicher zuunitung* verschonen 
zu wollen.* Die krUftitre Einsprache half, und Bathory wurde 
mit einer böhmischen Besitzung abgefunden. Kaum weniger 
beunruhigend war für Maximilian ein Gerücht, demzufolge man 
in Graz beabsichtigte, ihm den jungen Erzherzog Maximilian 
Emst an die Seite zu geben. Marquard v. Eck musste des- 
halb nach Graz gehen, um auszuforschen und vorzubeugen. 
Ferdinand und besonders seine gesprächige Mutter pflegten mit 
ihm Oonversation Uber allerlei. Ueber den Plan mit Maxi- 
milian Emst Hessen sie sich nicht heraus, aber Maria drückte 
den Wunsch aus, es mochten die Schulden der tirolischen 
Kammer verringert werden, damit ihre Kinder doch auch ein- 
mal etwas von Tirol zu gemessen hätten. Das benotete Eck, 
um den Fürstlichkeiten ein etwaiges IVoject aus dem Sinne zu 
reden. Er führte ihnen zu Gemüth ,alle ungelegenbeit und 
schlechten lust', dessen nach Maximilians Erfidirang ein resi- 
dierender "ELm ,oben' zu gewärtigen, und er schied mit der 



* Erzh<<r2og Maximilian an Hudolf, 31. An^ruät 1602. So auch au M«thiM 

und Ferdiimiid. Cunc. in Heg. l6o2, fol. öO. 
» Conc. in Reg. 1602, fol. 2l8} M. a. H. 1602, fol. 294; G. v. H. 1602, fol. 181. 



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358 



titistlichen Zuversicht, dass man dies in Graz wohl in Acht 
nehmen werde. 

Von wichtigen Yorkomnmissen in den Landen aeihak aus 
den Jahren de« Zwischenreiches ist kaum etwas su berichten. 
Ber Kaiser Hess das Räderwerk in dem Tempo, welches es 
unter dem verstorbenen E2rzherzog genommen, weitergeben 
und war es zofrieden, wenn etwas ESrklekliches an Einnahmen 
fUr ihn abfiel Nur wenn darin eine Stockung eintrat, gieng 
ein beflügelnder Erlass nach Innsbruck ab. Da die tirolischen 
Stände die verzögerte Bestätigung der Landesfreiheiten zum 
Verwand nehmen wollten, die Bezahlung der bewilligten Türken- 
hilfe zu sistiereu; und dabei auf Elrledigung ihrer Beschwerden 
drangen, gieng ein Starzbad kaiseriicher Vorwürfe über die 
Innsbrucker Regierung nieder ob ihrer Saumseligkeit.' Wenn 
die Kammer über die schweren Auslagen bei Gelegenheit einer 
die Strassen und Brücken arg schädigenden Ueberschwemmung 
Klagen erhob, meinte der Kaiser, sie möge sich gedulden bis 
zum Hauptvergleiche, bei Avelelicm uueh ü})er das Kammer- 
■vvest.ii werde gehaiuleit wtM'den. Vereinzelt lliukai sich srliiieh- 
terne Versuche der Kaiauu r, um Persönlichkeiten, die einstmals 
von Erzherzog Ferdinaiul mit der Verwendung ärarischeu Gel- 
des betraut w^arcn, zur Keehnuiij^slesfung zu veratila.^scn. Ob 
mit Erfnljr, ist nicht ersiclitlieh. ^ (lefreu Verletzun«:en laiifles- 
herrlielier Prärogativen zeigte man sich am Kaiserhote, mit- 
unter wenigstens, sehr eTii))rin(ilich. Einen solchen Fall er- 
zählen nns die Acten vom Jahre ir)'.'9. Der Erzbischof von 
Salzburg verfolgte einen welschen Priester, Domenico Gavar- 
dini, welcher sich unter die Jurisdiction der Herrschaft Kitz- 
bühel gefluchtet hatte. Der Gerichts- und Pfandherr Herrand 
V. Wolkenstein lieferte den Flüchtling dem Kirchenfürsten auf 
dessen Ansuchen aus. Der Kaiser betrachtete dies als eine 
Beeinträchtignng landesfUrstlicher Hoheit, liess die Güter des 



' Eck an Enhenog MMimilUs, Oru, 18. Ootober 1608. A. M. 
* V. d. K. M. 1697, fol. 267; T. 1597, fol. »1, 

' So sollte sich Freiherr v. Sprinsensteiu (Hirn, Eraberzog Ferdinand II, 
8f»f.) über die VerwcndunGr von BROO fl. ausweisen, die üi'u Frzb»»r7.<>e 
Ferdinand zu Missionen ülMMcrclun. G. 1 '»'.•?, t'ul. \s\\>. Kr/lierxc^ 
Matliias interessierte sich 151)6 um das Gu8ähau.s in Mülilau. Aber die 
Kammer rnnsste ihm sagen, dam dasselbe nnter Bnbeno|f FerdlnamI «■ 
SpriDsenstein geschenkt worden sei. M. «. H. 1696, fol. 41S. 



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359 



Wo]kenstemer8 in SequeBter nehmen und wollte sehon dessen 
ganzen auf der Herrschaft liegenden P&ndsehilling als verfallen 
erklitren. Erst die Ausstellung einer Recognition von Seite des 
Erabischoft, Wolkensteins Abbitte und Erlegung einer Straf- 
summe besllnftigte den kaiserliehen Zom.^ Von friedstOrenden 
Bewegungen im Innern der Lande verlautet, seitdem die Un- 
ruhen mit den Wildschützen und den Knappen nach dem Tode 
Ferdinands gestillt waren, während der sieben Jahre eigentlich 
nichts. Nur von den IJnterthanen in ivastelberg und Schwarzen- 
berg wird t,M5raeldet, dass sie iui Streit mit der Herrschaft über 
die geforderten Frohndienste sich furnilicii weigerten, die ge- 
bräuchlichen Martins- und ErntehUhner zu zinsen, wobei sie 
mancherlei Frevel begangen haben sollen. Aber sie kehrten 
bald zum Gehorsam zurück. ^ Aeussere Gefahren drohten 
nicht. Für das jetzt nicht mehr durch eine Besatzung ge- 
sicherte Lüders fürchtete die RegieniiiL'^ einen Ueberfall des 
französischen F.'lelmannes Erhard v. Cliastelct, deshalb wünschte 
sie die Wiedererneuerung des dortigen belanglosen Schirm- 
vereines. ' Schon seit Ferdinands Tagen war es ein Grundsatz 
der Regierung, namentlich auf der vorländischen Seite, Alles 
ängstlich zu vermeiden^ was zu einer Verwicklung flihren 
könnte. Da hätte der Kaiser seltsamer Weise einmal grössere 
Unternehmungslust verspürt. Der eifrige Convertit Dr. Johann 
Pistorins hatte im Verein mit dem Grafen Friedrich v. Fürsten- 
berg in Prag einen Discursus unterbreitet, wo er darauf hin- 
wies, wie sehr die katholischen Schweiaer Cantone der An- 
schluss der elsttssischen Stadt Mülhausen an die protestanti- 
sehen Terdriesse. Ein entschiedenes Einschreiten, so ward 
ausgefilhrty wttrde die Stadt dem Hause Oesterreich unter- 
werfen und den dort ausgetilgten KathoKcismns wieder auf- 
leben lassen. Einer der katholischen Mttlhausener ExulanteUi 
Mathias Finninger, untersttttzte in Prag solche VorschlSge und 
schilderte die Noth der Vertriebenen. Der Kaiser schien nicht 
abgeneigt, darauf einzugehen, und forderte von der Innsbrucker 
Regierung ein Gutachten. Diese schwieg lange und^ zur 
Aeusserung aufgemahnt, verwies sie auf die Begierung in 



» V. d. K. M. 1599, lul. 610. 
■ E. u. B. 1601, lol. 1. 
• Hüfcouc. 1&99. 



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360 



Ensisheim, welche zu befragen wäre. Der Kaiser war ftber 
diese Schweigsamkeit sehr angehalten und Indem er sie wegen 
des mangelnden Eifers bitter tadelte, meinte er: soll es viel- 
leicht so weit kommen, dass wir etwa bei Eurpials uns am 
die nOthigen Aaf kl&rungen bewerben mttssen? Wieder forderte 
er, dass die Regierung eingehend referiere.^ Es findet sich 
nicht, dass sie dem Befehle nachgekommen wKre. 

Am Schlosse dieser Abhandlung mflge noch einer Ange- 
legenheit kurze Erwähnung geschehen, welche während der 
Theilungsverhandlungen wiederholt berührt wurde. Nach dem 
Tode Ferdinands you Tirol nahm Henog Friedlich von Württen- 
berg seinen Versuch sogleich wieder auf, um fUr sein Land 
den Charakter der Afterlehenschaft zu tilgen. Er bot dem 
Kaiser eine Geldsumme^ und dieser war oreneigt, den Wunsch 
zu erfüllen. Miithius und Maximilian erklärten sich einver- 
standen, wenn jedem von ihnen der nut ihn entfallende Theil 
der Entschädigung bezahlt wlirdo. (Jime auf diese 13edingang 
einzugehen, verlangte Rudolf von beiden die Zustimmung. 
Allein der eine wie der andere hielt damit zurllck. yvo.W. wenn die 
Sicherung ihres Antlieiles nicht vor der Hatiticatiou erfolgte, nicht 
zu hülfen war, dass sie von Rudolf etwas herausbekämen. Der 
Kaiser drängte wiederholt, mit freundlichen, auch mit wenif:er 
fi-eundliehen Worten.* Alhrecht machte keinerlei Vorbehalt, 
doch wollte er nicht ohne die anderen unterzeichnen. Völlig 
ablehnend hatte man sich durch geraume Zeit in Graz ver- 
halten. Wiirttenberg bentltzte diese weigernde oder zurück- 
haltende Stellung der Agnaten, die Auszahlung eines Theiles' 
der bedungenen Summe zu sistieren. Nun erklärte sich Ru- 
dolf bereit, diesen Theil dem Erzhensog Ferdinand unter dem 
Titel einer Tttrkenhilfe zu ttberlissen, und brach damit seinen 
Widerstand. Mathias ärgerte sich über dieses einseitige Vor- 
gehen des Grazer Vetters und lud Maximilian ein, es beim 
Kaiser su ^ahnden', dass gerade sie swei ohne Recompens 
bleiben sollten. Aber der Deutschmeister mahnte aum Kach- 



» V. d. K. M. ir.99, fol. 5S0, 684. 

• So ¥C'^^r>i!lt Kudolf am 15. Juli inoO: Maximilian mOge endlich «spinen 
Conseus gcbeu, wenn auch Wiit itenberg nicht viel darum fragen werde, 
aber doch ,wegeu uasers respecU^ 

* 85.000 fl. 



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361 



geben, und so erfolgte Ende 1601 die allseitige Bestätigung. Als 
zwei Jahre später sich \Vurttenber|r der Opposition gegen den 
Kaiser auf dem Reichstage anschloüs, ^ meinte MaximiHan ver- 
drossen, iliii wundere das nicht, weil sich gewöhnlich die- 
jenigen, welche die grössten Wohlthaten empfangen^ am ,wid©r- 
wärtigsten^ zeigen.' 



* Erzherzog Mazimüiiui ao Paal Qixt Traatsoo, 28. April 1603* 



üiQiiiZüQ by LiOOgle 



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ÖSTERREICH UND PREUSSEN. 

1766-1768. 

♦ VON 

ALFRED H. LOBBL, 

K. K. «tULKMia UUMHIlUJHUa. 



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ZCÜ 



Vor woi't. 



Um die politischen Pkxjecte des Jahres 1768 zu erklttren, 
gilt 88 in swei Abhandlungen die Haltung der Mächte in den 
zwei Torangehenden Jahren zu ermitteln. 

Stehen wir doch in einer Zeit der entwickeltesten gegen- 
seitigen Beeinflnseang der Staaten untereinander. 

Man erwarte aber nicht etwa eine Geschichte derselben. 
Nur die diplomatischen Fäden dieser Uebergangszeit sind su 
entwirren und dabei die Hauptschauplätze firemdstaatlicher 
Beeinflussung^ Polen, das deutsche Reich, Schweden, die Tttrkei, 
Dänemark und die Schweiz in den Bereich der Darstellung der 
Weltrerhältnisse zu ziehen, welche von zwei sich bildenden 
Btlnden, einem nordischen und einem slldEchen, bestimmt und 
geleitet wurden. 

Der Gähmngsznstand, in welchem sich diese Staaten 
damals befanden und der in den Jahren 1771 — 1774 zu so 
vielfachen Katastrophen fülirte (Struensees Fall, der Aufstand 
in Christianiastadt, die grosse schwedische Revolution, die 
Theilung Polens, die Umwälzung in Constantinopel, die vielen 
Eruptionen in der Schweiz), zeitigte Ereignisse, welche wie die 
Vögel vor dem Sturme, gleichsam als Vorboten dem gewaltigen 
Ungewitter voraiitlogen, das von Frankreich heraufzog. 

Mit einigen Worten soll auch das Etiquettewesen gestreift 
werden, das zu einer wahren Macht immer höher anwuchs, 
je mehr sich die Politik zwischen den Cabinetten und nicht 
zwischen den Völkern ahspielte. Titulatur- und Kangstreitig- 
keiten (wie über die Sitzordnung im russischen Caroussel, 
Lobkowitz, vom 13. Juli 1766) wurden so zu Lebensfragen in 
d< r Politik. Um die ihnen zukommenden Titulaturen kämpften 
} iiens König und Polens Primas weit energischer als um 
Polens echte Freiheit. Auf diesem Plane gab es kein Zurück- 



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866 



weichen, auch wenn darttber Polens Thron zugrunde gieng. 
Neben dem fitiquettevesen muBs die Sucht nach fremden 
Titehi und Ordenszeichen als zeitgemäss betont werden. Das 
Gapitulations-, Pensions- und Verehrtengelder-Unwesen war zur 
höchsten BlOte gediehen und hatte das politische Abenteurer- 
tham gezüchtet. Es war damals keineswegs etwas Aosser- 
gewöhnliches. in fremde Staatsdienste, ja in die des feindlicher 
Staates zu treten. Bezahlte Franzosen leisteten Friedrich dem 
Grossen Spionagedienste in Frankreich, und die Barberin. 
Mcny. jModerach haben ebenso den verschiedensten Ilüfeu 
gedient wie die Grafen von Lynar, wie die von Wense, 
von Bohlen, von liautzau- Aschberpf, ein Johann Eustach 
von Goertz, die Barone von der Asseburg, Chasot,* 
Fürstenstein, v. Gleichen. Ja der Seliarfsinn der Di|)l(> 
matfu wird zum xVuispLiren solelier vielseiiij^er, namentlich 
klemt-taatiseher deutscher Kosmopoliten auf^^ew endet. 

Wie reichhalti;:; auch die historische Literatur über die 
letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts orientiert, weder über den 
Nordbund, noch über den habsburgisch-bourbonischen Familien- 
bund, über die Entwicklung der österreichisch-preussischen und 
der preussisch-französi sehen Annäherung, über den Zusammen- 
kunftsversuch von 1766, die verworrenen Verhältnisse im Reiche 
und in der Schweiz existieren in der deutschen oder ausser- 
deutschen Literatur halbwegs erschöpfende Darstellungen.* Und 
doch liegen hier die Keime für die politische Constellation 
unserer heutigen Zeit und wahrscheinlich der nächsten Jahr» 
hunderte, 

Von den zahlreichen Gesandtschaftsberichten hat Raumer 
in seinen Beiträgen zur neueren Geschichte 1839 die englischen 
und französischen Berichte der Mitchell, Stormont, Shirley, 
Durand, Rossignol, Chatelet u. a. gesammelt und die wichtigsten 
auch verwertet, Hermann in seiner Geschichte Russlands, Y.Bd^ 
Berichte Essens bentttzt. Mit diesen an sich ganz respectablen 
Leistungen darf man nicht zu scharf ins Gericht gehen, wenn 
auch die oberflächliche Arbeitsweise besonders des letzten zu 
bemängeln bleibt Schlimmer steht es mit der Edition der 

* Ueber diesen vj:!. Kurt v. Sclilüxer: Chasot. Berlin 1808. 

* Solbst Kanke hat morkwiirditrt^rwoi^ic pcrado (lie«« Epoche aus dem 
18. Jahrhundert gänzlich aus »einen verschiedenen Schrift«n «u«^- 
iehifld»n. 



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m 

Berichte Zegelins (^die auch Keimann verwertet hat) aus dem 
Berliner geheimen Staatsarchive von Necuk Jor^'.-i,^ da sie 
selbsty was die rumänischen Dinge angeht, unzulänglich genannt 
werden muss. Mit ihrer Detailkritik wird sieb unsere Arbeit 
mehrfach zu befassen haben. 

Viel sorgfältiger sind Arneth und Ilnrmtiznki zu Werke 
gegangen. Der £ratgenannte hat Hemers Berichte mit feinem 
diplomatischen und historischen VersttLndnisse in den F. K. A. 
Dipl. XXII, Hurmiiaaki die Correspondensen swischen Ver* 
gennes^ Tott> Brognard and KaanitSi die mit der mmttniachen 
Geschichte snaammenhftngen, sorgfUtig ediert Die wenigen 
Stttcke im Anhange des II. Bandes der Correspondenaen 
Kannits-Mercj-Starhembei^, die Ameth-FUmmermont heraus- 
gegeben haben, sind ftU* unsere Hauptfragen aiemlich belanglos. 
Die wertToIlen Berichte' des danischen Gesandten von der 
Assebnrg sind in der gediegenen Literatur (bei Arneth, Beer, 
Bilbassoff, Bruckner, Duncker, Reimann, Ssolowjoff 
u. a.), die (sum Theil wenigstens) die Berichte des Thomer 
Residenten Geret (von Prowe ediert) verwerten, gänzlich un- 
beachtet geblieben.' Von den neuen QuellenpubHcationen kann 
ich ein allgemeines Urtheil Uber die verschieden gearbeiteten 
Bände des Magazins der kaiserlich russischen historischen GeseU- 



• Necula Jorir.i: Acte si tVairmonto cu privire la istoria Homümlcjr, 2 Hiiü., 
Bukarest 1Ö96/96. W. Mükowicz aus Czeruowitz bat im '2. Hefte doa 
XXI. Bd. der Mitth. des lustitnt« ffir Osterr. Qeschiehtsfoncbun^ Aber dUM 
höchst mangelhafte Pablication ftauent lobend referiert. Er weiM an ihr 
niehts attssnaeteen al« die Einreihang in die Sammlang der Deeamente 
des üurmuzaki. 

• Der Wert der Ge.<)andt/!chaftäberichto ist n.itörlich tin;r''nioin vorsphicden. 
Lieber eine und dieselbe Unterteil Hilf,' habe h-]\ liäuti^' zwei sich völlig 
widersprechende Berichte gefunden, und die Phantasie spielt oft eine 
Bum mindesten gleich wichtige Rulle wie die Eitelkeit, der Ehrgeis und 
Mangel an Wahrheitsliebe der Berichterstatter. Person und Inhalt 
kommen Ar den Wert in Betracht; es gilt keineswegs, dass man immer 
am besten und richtigsten ans dem Inhalte auf den Wert sehlieaseo 
konnte, wie Kaumer III, S. XII, raeint. 

• Doch ist die Correspondenz dic^fs I>iplomat4>n (mit Bernstoril, Solms, 
Panin, Caldern u a ) nur für Zwocke einer Biographie Asseburgs, nicht 
so sehr mit Rücksicht auf die politischen Umstände ausgewählt nnd 
gedruckt worden. Diese Arbeit bleibt ans dem Nachlasse (im Archive 
dm GtafSsn Ton der Assebwg, Besttser Ton Falfcenstein und Heissdorf) 
noch an than. 

iMhiT. XOl. BHid. U. HIUIs. 24 



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368 



Bchaft nicht fllllen. Bentttot wurden in der ▼orliegenden Arbeit 
die Bttnde X, XX, XXII, XXXVII, LXVII, LXXXVIL Die 
dickleibigen und schön ausgestatteten inhaltsarmen Liefemngen, 
welche die Commission des archives diplomatiqaes unter dem 
Titel: Reeueil des instractions, donn^es anx ambaMadeurs n. s.w. 
herausgibt, stehen nicht auf der Höhe der historischen Edi- 
tionswissenschaft. ' Anders die neue politische Correspondenz 
Friedrichs des Grossen! Die genaue Copierung. das sorgföhige 
Register, besonders aber die verstiindnisvolle Wiedergabe nnd 
achtsame Sichtung an der Hand der bezüglichen Hauj>i\\erke 
der Literatur stellen diese Quellensammluug auch in formeller 
Beziehung höher als die genannten. 

Aber die niang<'lliafte Verwertung, ja ein vonieimie? 
Ignorieren andcrtM" einseldji'r'L'''''r (^^nelienpublieationen " sind 
ganz euiptindlielie Selnvilehen aueh die.ser Edition. So wäre 
PS statt der zu zuldi-eieiien Verweise auf die eigene Arbeit, 
der mit Nummern aus der Politisehen (Jorrespendunz gespiektcn 
Fussnoten, wichtiger gewesen, zu erwähnen, wo die einzelnen 
Berichte oder auch die Weisungen bereits gedruckt sind. Koch 
eigenartiger bertthrt der Umstand, dass der Herausgeber auf 
dem Boden der prenssischen, ja einseitig preussischer Auffassnn^; 
steht und von diesem Standpunkte aus die Wichtigkeit der Be- 
richte bemisst und sie darnaeh mehr oder weniger unvollständig 
wiedergibt. Nur wenige Fascikel im Berliner Staatsarchive habe 
ich zum Jahre 17üG benutzt, und schon in diesen Rep. XI, Nr.275d 
und Rep, b8, Nr. 8 sind mir der VersKumnisse etc. genug unte^ 
gekommen. Der Bericht Zegelins vom 23. August 1766, als 
Antwort auf die ihm am 16. Juni crtheilte Weisung, gehört dem 
Sinne nach nothwendig zu Nr. 16082, ebenso fehlt das Postscript 
Ton Benoits Bericht vom 24. September 1766 zu Nr. 1686 1^ 
das besagt, dass ihm (Benoit) der EOnig auf die AvertissementB, 



* Boutaric bat Ludwigs XV. Correspondance sccröte, Yedel die Berustorffi 
ediert Auch war es mir dank der freondlicliea Bereitwilligkeit d« 
Herrn Archivrathen Dr. W. Iiippert in Dreeden mSglieh, die too 

dor snchsi.srliea Commission dcmnäclist herauszugebende ComMipoildeai 
zwitichen Maria Theresia und Maria Antoui.'i liti Mnnii'^cripte einzuselieu. 
Anr^-ro T^ricfifiinmhin^en von Tiievenot uod die ActOD bei BrannCT 

wiTili'ii uiitoii brs]iru<.-ht.'ii worden. 

^ tloch wenigHte.ns ebenso gut berücksichtigt werden müraon wie die 
a-uvres posthuiuos. 



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369 



die er (Betioit) ihm iremacfit halx*, recht sensible geschienen 
habe. I\Iehr (rciwicht jedoch nU auf diese Mängel dürfte auf 
das Fehlen des Reacripts Friedrichs vom lö. Februar 1766 an 
Benoit, der äusserst wichtigen Antwort Benoits vom 26. P^ebruar, 
Nr. I4y Rep. 275 und darauf, dass die Berichte von Solms vom 
4. März und 18. Februar ganz und gar ungenügend wieder- 
gegeben sind, zu legen sein. Endlich hören wir kein Wort 
von der Weisung an Zegelin vom 26. Juni 17Gi5. auf 
welche mehrfach hingewiesen wird und in der ihm Friedrich 
streng aufträgt bei der Pforte nichts von der vereitelten Zu- 
sammenkunft 8U erwähnen. Auch das Schreiben Friedrichs 
an Karl Emanuel von Sardinien, betreffs der Reiae des 
Erbprinzen von Braunschweig, sowie die Antwort des Savoyer- 
ktfnigs Tom 10. Hai 1766 (im Rep. 88, Nr. 8) sind ebenso 
gändich Übersehen wie Rexins wichtiger Bericht vom 20. Februar. 
Daneben wird man das Uebersehen sehr wichtiger politischer 
Correspondensen Friedrichs in fremden Archiyen, Friedrichs 
Handschreiben an den Kurfürsten von Bayern vom 
Ootober 1767 (im Münchner Staatsarchive, s. unten) nicht 
zu sehr vemrtheilen dürfen, denn es handelt sich hier 
wenigstens um ein Stück eines auswärtigen Archivs. Wohl 
aber stand das Berliner gänslich zur Verfügung. Und noch 
eines: ob die Weisung an Solms vom 18. Juli 1767 (siehe 
Forschungen IX, 193) eine Ministerialnote war, oder aber zu 
Friedrichs Corrcspondenz gehörte, jedenfalls durfte eine «?o 
hücliwichtige Mittheilung über den türkischen MinisU i i ulIi uiul 
die Stellung der Pforte zur polnischen Frage nicht übergangen 
werden. Ebenso steht es mit Friedrichs Weisung an Solms 
vom 12. December 1767 (im Sboruik 37). 

Die im Bde. XXIV, Nr. 15505, Aum. 2 ah nicht vor- 
handen bpzeichncte Correspondf»7iz Olu-t^ucrt^b vom 28. März 
und August 1765 habe ich im Kep. XI, Conv. 85, D, 
Frankreicli gefunden. Detailfehlcr wie Haskolshiki statt ,Raskol- 
iiiki' (H(l. XXV, S. 138), Ö. 242, ,actueilement' für ,teüement' 
sind mir wenige begegnet. 

Hier gleich aber ist ein- fiir allemal zu betonen, dass den 
Worten Friedrichs des Grossen, auf denen leider oft allein die 
Beweisführung ruht, ein höchst problematischer Wert zukommt. 
Es gilt vielmehr bei jeder Belegstelle aus Friedrichs Scliriften 
vorauszuschicken: Vorausgesetzt, dass sie nicht geschrieben ist, 

84« 



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370 



um andere Oeclanken zn ver^^ers^en. Man kann diesen Briefen 
und W(MSun<,'en nicht skepiit>eh genug gegeanlierstehen. Sie 
sind so vielsagende und so unverlässliche Quelien, dass man 
sirli in dt'Iicaten Fragen eigentlich von ihnen ^oviol als mi'iajicli 
emancipieren sollte. Oft auch sind sie, wie Friedrichs historische 
Schriften über die eigene Regierung, nur zu dem Zwecke ge- 
schrieben, um seine Plftne der Nachwelt im glUiatigsten Sinne 
SU ttbermittelD. 

Von ungedrackteo Quellen, von denen die Verzeichnisse 
in der von Flammermont geleiteten Publication: ,Nouvelle8 
archives des missions scientifiques^ besonders nach dem Haag, 
nach Paris, Simaneas und ins britische Publice Rccord Office 
weisen, habe ich die Dresdner und zum Theile die Berliner^ 
weiter die noch nie benutzten Oesandtschaftsberichte im Münchner 
geheimen Staatsarchive verwertet Lobkowita' Berichte im Wiener 
Staatsarchive enthalten viel au wenig aufkiftrende Momente ftr 
die verworrenen Fllden der diplomatischen Geschichte. Sie be- 
kunden bei weitem nicht das Urtheil, welches dem Leiter des 
so verantwortungsvollen Poetens am Petersburger Hofe susteben 
sollte, orientieren fast gar nicht und unter dem Wüste des 
Nebensftchlichen verschwinden die geringen wichtigen Brockeo. 
In den Berichten der kleinstaatischen Geschäftsträger uod 
Agenten trifft man oft schärfere, eindringendere Beobachtung 
und weit bessere Information. 

Wer aber wird je die gewaltigen Aotenbestände, das 
ganae Material zu beherrschen imstande sein, welches aus 
diesem schreibseliLj'im Jahrhundert in den Archiven au^e- 
speichert liep^t? Die ungemein reiche, Uber alle Länder 
Europas verlheilt« I>iteratur habe ich, so weit sie mir zu- 
i^änj^Hch und ihr Mioiii verständlich war, der Arbeit dienstbar 
gemacht und aueli das Zustftndliche so weit berücksichtigt, als 
CS zum VerstHuduissc unbedinart erforderlich erscheint. 

Der rresellscbaft zur F^irderuDL*' deutscher Wissenschaft. 
Kunst uiul Literatur iu Üühmen sei hier der geziemende Dank 
abgestattet. 



Ihr Wiener Hof and die polniselie Frage. 



betrachtete der Wiener Hof Polen als die sichere 
Beute Riiflslands^^ hielt jedoch diese Umklammerang solange 
für ungefilbrUchi als sich Friedrich von Preussen nicht ein- 
mische. Deshalb forderte man zur Zeit der letzten Eönigswahl 
nur von diesem die Erklämng, dass er nnr dann Trappen in 
Polen einmarschieren lassen dttrfe, wenn dies Oesterreich thae.' 

Seit jener Wahl waren aber Uber das Nachbarreich Stttrme 
yerheerendster Art heranfgezogen, denen man in Wien nicht 
gleichgiltig gegenübersteben konnte. Ganz besonders den 
Fürsten Kaunitz' schmerzte jetzt der Verlust der früheren 
Position Oesterreichs in Polen und damit die Störung des 
europäischen Gleichgewichtes. Hatte er schon im Jahre 1763 
durch einen groben diplomatischen Fehler seinen Mangel an 
Interesse für die polnische Königswahl, seine Furcht vor einer 
entscheiden den Action gegen eine, wie er grundlos argwölinte, 
prcussisch-russisch-türkische Cualitiun verruthen und damit mit 
einemmale der schlauen Katharina bewiesen, dass sie von 
Oesterreich nichts zu flirchten habe, dass dortseits die Bahn 
frei sei, hatte er weiterhin die russischen Gewaltsciiritte hei 
Erörtnung des Lltthauer Tribunals (als Katharina den König 
August III. aufforderte, ihr von seiner Kegierung Kechenbchaft 
abzulegen, als ein russisches Heer in Litthaucn einrückte) in 
Kurland und bei der letzten Königswahl ruhig mit angesehen, 
ohne Gegenmassregcln zu ergreifen, so wog seine UnthHtigkeit 
nach dem Gefechte von Sloaim im Juni 1764 noch viel schwerer.* 

^ Bericht des engHiciheii OsstadlMi vom 10. Octobor 176S bei Ranmer, 
m. Bd., 8. 829, Amn. 1. 

• Ebmd. n, 46». Bericht Stormonti vom 10. Mmi 17M. 

' Ueber ihn vgl. das Essay Alfred Dotm in sdnen an«gewlliltoD Sehrlften, 

r^ipzif^ 1898, S 9\ uiul 100—110. 

* Ks ift derselbe Ort au der Scbara, hei welcliem die polnischen Heer- 
führer Sapieha und Tschameckj den Fürsten Chowansky im Jahre 1660 
geschlagen hatten. 



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372 



Damals, als sich der polnische Reichstag unter russischer MiH- 
tärgewalt constitiiierte. 35 Senatoren und 140 Landboten sich 
confbdeneiteQy Branicki, der Sc hwager Stanislaus Poniatowskift 
(er hatte dessen Schwester Isa1)cHa zur Frau) seines Amtes als 
Grosskronfeldherr entsetzt und Miehael Czartoryski an seine 
Stelle erhoben warde, war ein Einschreiten auch fUr den neu* 
tralsten Nachbarstaat geboten, und es wundert uns durchaus 
nichts wenn Eissen (freilich etwas später, aber mit Besug auf 
die dsterreiehische Politik überhaupt) schreibt: ,Es ist unbe- 
greiflich, wie Frankreich und Oesterreich die polnischen Änge« 
legenheiten mit solcher Qteichgiltigkeit ansehen, als beträfen 
sie China.^ Wenn später Katharina IL am 16. Jänner 1769, 
als bereits der Türkenkrieg ausgebrochen war, über die strenge 
Neutralität Oesterreichs zweideutig an Friedrich schrieb: ,J'aT0tte, 
que la neutralit^ de la cour de Vienne me paraSt Crange,'* so 
war die österreichische Neutralitätspolitik schon längst betrefis der 
russischen Uebergriffe in Polen noch befremdlicher. Kaunitsens 
Politik würde ihre rechtfertigende Elrkläniiii; nur dann finden, 
wenn er duiuaU (17G3) bereits an eine friedliche Annexion 
polnischer Gebietstheile gedacht und deingeiuäss seine ganze 
Politik auf diese KviMitualitiit hinaus ab/iolend eingerichtet 
hätte.* Dass man tiiatsiklilidi wohl sdion im Jalire 1765 an 
die Zips dachte, beweist die jMeldung, die der Ocneralwacht- 
meister liurrmann (Agent des FlVrsthi>cli(irs von \\ üizburg) am 
5. October aus Linz an seim n Herrn erstattete: ,Mit Polen 
werden wir eine veiiraute Allianz treffen; diese Krone soll 
<b lu Wi'V'/.orr von Kurland, neinblich des Prinzen Karl könig- 
lichen lb»ln'it. die Zipser Städte oder sogenannte Zipser Liiudel 
abtretten.'* Man ist auf diesen Gedanken offenbar verfallen, uni den 
Prinzen Karl als nominellen Besitzer der Zips zu unterschieben 
und den thatsäehlichen Besitz am Wiener Hofe anzustreben. 

Doch darf man nicht übersehen, dass Oesterreichs Stand- 
punkt durch die vorhergegangenen Kriege gegeben war. Seit 
dem Jahre I7t>6 aber richtete der österreichiache Steuer 



* Hermann, V, 394. 
« Sboruik XX, 251. 

* Aruetliü Versuch, cüe OHterreichische Politik ai» gana «1er SUsllung- des 
K^MiflMte» und einer N«chbarmacht PoImib entsprecheud sa seigen 
(«. bei. Bd. Till, S. 81 ff.)» mon man aU T«rfehlt bMelchnan. 

* KOuigl. bair, Kreiaarchtv va Wllfsburg (Baiehasaehen). 



Oigittzed by Gqo^ 



373 



mann sein Augenmerk angestrengter auf die polnisciien Vor^ 
gänge. DasB er bereite in diesem Jahre von Rusdands Allianz- 
plttnen mit Polen wuMte, ersehen wir ans dem Berichte Ehren- 
Bchilds vom 26. Februar 1766 an seinen Hof: ,SeIon les lettres 
de Vienne, Talliance cntre la Russie et la Pologne doit ßtre 
faite/* Auch die laujirwiprin^en Unterhandlungcu über Stanislaus' 
Anerkeüumii,' (uegociation la i ccunuai.^.sance) waren endlich 
zu Beginn des Jalircs beigelegt und (iraf Colloredo (Instruction 
vom 9, Jänner 17(30, im Aniiau^e I) nach Warschau gesandt 
worden, nachdem Stanislaus Poniatowski die Forderung Frank- 
reichs, für die Beleidigung seines ( Jesandten de Paulmy Satis- 
faction zu geben, erfüllt hatte. ^ Wie aber waren die Ver- 
sHuiiiTiiööe und Fehler wieder gutzumachen, Russland der 
Vorsprung abzugewinnen? Nun war der Bruder des Polen- 
königs (Graf Andreas Poniatowski) General in der österreichi- 
schen Armee und hatte im Jahre 17ü6 das Regiment Harsch 
erhalten. Auch Stanislaus August selbst soll von Kaunitz zum 
Widerstande gegen Kussland angespornt und in der kritischen 



• Drej*dner ArchiT, loc. 2889. 

• Arneth, VIT, S. 91. lieber diese Aiipelogeuheit heisst ee im Dresdner 
Archive, loc. ÖU20, fol. 4H: ,Loi><(uo l.i France s'^tait stijtulo en retour 
de sa reconoaiüsauce, que le Hoi de Pologne dovoit tairo taire »es excuae« 
•nr ce qai a*AtoU mtAtA k VAatlbw. da France pendant rinterrögne clies 
Möns. I« Primat} on vnAt destini ponr cette eommbsion Mr«. le Prinoe 
Snlkowski et Poninski. Sehen waren ne rar Abreiae bereit« da begab 
sich der letztgenannte plOtxlich, eine Krankheit vorseblliMnd, nnf seine 
Güter. Aber man !)önu>rkte, dass dieser Ent^ichlnss von Rnssland an« 
geregt worden w.ir, weil es nicht wollte, dass in Polen vor der ,Cireiiz- 
regtilierung' ein fran2ܻiscber Minister accreditiort sei. ludesseu hatte 
der französische Gesandte in Wien, anterstUtst von dem General Ponia- 
towski, eilcllrt, daM aicb die beiden Torbllndeten H0fi» ▼eranlawt «eben 
mflwien, ,de declarer la reconnalManoe nn11e% wenn der PoleokSnif 
nicht Tollkommen entsprechend den voreinbarten Punkten Oenngthuung 
gewähre. Der General h.it diese Erklärung seinem königlichen Bntder, 
dieser sie dt-ni Fürsten lkei>nin übermittelt, nnter VorRtellungen über die 
niauvaläe» ailaira«!, auxquels l'on expuiiait, en le genant dana Tarrange- 
ment de ses interets avee la France; er bat den FOrsteo, seine (de« 
K<fnig«) Bitten sn nnterstatMn, damit die Kaiserin in die Abreise Po* 
niiuki» einwilliipe. Der Pefeenbnrger Hof willigte ein. An Stelle des 
Fttrsten Snlkowski ift der Kämmerer Loyko mit der Mission betraut 
worden, Em -feht zti erw.irten, dass »ich nun die verhöndeten TTufe zu- 
frieden t^eben.' So Es^en aus Warschau am 29. Jänner 1766 an Sacken, 
den Hächsi-schon Vertreter iu Petersburg. 



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374 



Zeit dieses .lalires auT dorn besten Wffre «rowesen sein, sich 
Oesterreich in die Arme zu werfen, »imso niclir. nh er auch 
mit Friedrieh in Zolisachen Übereinander gerathen und ander- 
seits in die österreichische Erzberzo^n Elisabeth, eine der 
schüDSten l^rinzessinnen ihrer Zeit, stark verliebt war. Es 
hiess auch, dass der Wiener Hof die eheUche Verbindung 
ernstlit Ii plante.^ Thatsächlich war Mari* Theresia im October 
17(>5 der Ansicht, daes dadurch, daes man jetzt den Polen- 
könig ,in den Stand setze, die nusiechen Ketten abEUBchUtteln*. 
die Gefahren beseitigt werden könnten, .welche aus dem Zu- 
sammentrefFen der beiden bOsen Grenien (Friedrichs und Katfaar 
rinaa) für die Buhe Europas und Oesterreichs entsprangen^* 
Da aber siegte das Mutterherz ttber politische Vortheiie.' Zwei 
Berichte^ die trotz ihrer zeitlichen Dlveiigenz sicher auf eine 
mttndliche, wahrscheinlich eine russische Quelle zur&ckgehen,^ 
besagen, dass sich der Polenkönig gegen die Voizchläge des 
Wiener Hofes, die Abhängigkeit von Bussland mit Oesterreichs 
Freundschaft zu Tertauschen, trotzdem sein ftürstlicher Bruder 
leidenschafUich für Oesterreichs Erbieten eintrat^ anfangs heftig 
strttttbte, ,dann aber sich gemässigter und weniger abgeneigt 
zeigte, jedoch zu keinem Beschlüsse kam'. 

E^e Berichte des Engländers Stormont wissen von diesen 
G^erttchten nichts und doch sind vor allen sie in dieser Frage 
heranzuziehen, da der englische Botschafter am Wiener Hofe 
es war, der die Wünsche des Polenkönigs dem Wiener Hofe 
vermittelte. Auch lieniers Bericht ist dem Petersburger (Ma- 
curtney) entschieden vorzuziehen. Er meldet, dass Katharinas 
energischer i'rotest gegen die geplante Heirat diese zunichte 
gemacht hatte. Dass Stanislaus lange hin und her schwankte 
und iü dem KHiii|»ie zwischen Neigiine:, ja heisser Liebe und 
der eisernen Kothweudigkeit zu keinem Kutschluskse kam. dürfen 
wir nach den Berichten mit Sicherheit annehmen. Ub über 
Katharinas Machtwort oder Maria Theresias Weigerung, die 

» Arnoth, VH, 271 n. 272. Rohfls Bericht vom 6. Docombor 1766 und 
Friedrich« Antwort vom 16. L).>Lcmbor 17CG. P.C. XXV, IVM). 

* ßaumor, Beiträge IV, 49 (du ClmUtleU Bericht aus Wieu rom S. Oc- 
tober 1766), 

* Arneth, VII, 278, Aiun. 882. 

^ Macaitney an Mitchel, am 27. Februar 1766 (bei Räumer» II, 648) ud 
18. NoT«iiiber 1766 (ebenda IV, 78). 



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375 



Tochter dem nnebeobttTtigen, schwer bedrüngten KSnig zu 
geben, diesen Herzensbund — denn auch die Prinzessin war 
Air den schonen Poniatowski entflammt — zerriss, ist schwer zu 
entscheiden. Jedenfalls vergrösaerte diese Angelegenheit die 
Spannung zwischen dem Eüiiige and seiner ehemaligen QOnnerin. 
Er selbst schrieb ja am 88. September 1766 an seinen Vertreter 
in Petersburg, den Grafen Rzewnski: entweder müsse er auf 
ihre Frenndschaft Terzichten oder zum Verrttther an seinem 
Vaterlande werden, ein Schreiben, das wie kein zweites die 
Kenntnis seiner bedränjETten Lap:c des Stanislaus und den bitteren 
(jiüU gegen diejenige vemäth, die ihm »ias Nessuskleid anlegte^ 
um ihn darin zu verderben.^ Und ähnlich äusserte er sich 
einen Monat später zum englischen Gesandten: .Ich sehe mich 
am Rande der ernstesten Gefahr, bin aber entschlossen, Heber 
alles zu leiden, als mein Vaterland zu verrathen, oder wie ein 
unredlicher Mann zu hand^dn. Die Kaiserin widersetzt sich 
allem, was hier die (TrtiTidung einer guten Kep-ieriing bezweckt, 
deshalb kann ich nn iiials in herzlifher Freundschaft mit ihr 
leben/' Ein ausgezeichneter Bcobaehtcr, der dänische Ge- 
sandte Freiherr von der Asseburg ^ in Petersburg, der dort die 
Sache des Folenkönigs verfechten, die Spannung beheben und 
das alte Verhältnis wieder herstellen sollte, berichtet am 7, Sep- 
tember 1766; dass ihn viele Gründe davon abhalten, seinen 
Einfluss auf Panin in einem Augenblicke geltend zu machen, 
oü l'amitiö de la cour d'ici (Petersburg) pour celle de Var- 
sovie, est plus que refiroidie, et oü les personnes chargäes du 
soin de rapprocher les esprits, se croyent engagöes dans une 
commission au-dessus de leurs forces et de leurs esp^rances. 

In jener kritischen Zeit wussten die Gesandten der miss* 
trauischen Höfe von Berlin und Petersburg aber auch über- 
reichlich von Bemühungen des Wiener Hofes zu berichten, das 
Terrain in Polen durch Intriguen zu unterwühlen, sich Russ- 
land zu nilhem oder doch die Orlow und den General Tschemi- 
schew zu gewinnen. Treffend bemerkte Friedrich selbst am 



^ ,Pörir n'est rien, mais pirir de la main qu'on ohirit, est affraux.' 

Sbornik 67, S. 138 ff. 
■ Bericht vom 29. October ITr.ti boi Raumer, IV, 67—68. 

* In Minen (dee Freiiierra Achate von der Assebui^) Denkwürdigkeiten, 
^S Vamhagiwi v. En»e in Berlin 1842 herauBgegeben hat, S. 147ff. 



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376 



7. September zu diesen VerdAchtiguiigen^^ dass sie alle d'insiiines 
de fausset^ et des choses controuvdcs an sich tragen, und dass 
an ihnen nichts Wahres sei. Denn ftirs erste verfüg© Oester^ 
reich nicht Uber Überflüssige Geldmitt* 1. um die Orlow, wie es 
hiesS| zu bestechen,* zweitens nehme Russland von Oesterreich 
keine, und drittens sei Oesterreich mit Frankreich alliiert^ und 
dessen feindselige Haltung gegen Russland sei bekannt.* Doch 
selbst in der Correspondenz des Ftlrsten der Moldau nut dem 
Khan der Krimtataren spuken Kachriehten Uber die Sendung 
dreier Österreichischer £missare mit bedeutenden Qeschenken 
(Geldsummen etc.) nach Petersburg» um das alte 1746 er Bandnis 
wieder zu erneuern.* 

Thatsttchlich war der Kaiserhof damals bestrebt, die 
preussisch-polnischen Zoll* und Handelsdifferenzen aussunfltzeiiy 
und Graf Ohotek, der Präsident des Hofcomma«enrathes, ver- 
suchte einen Handelsvertrag mit Polen zustande zu bringen. 
In den Pactis conventis des Krönungsrcichstages von 1764 
waren nUmlich hohe Einfuhrzölle (bis 12®/^ vom Waren werte) 
auf fremde Waren gelegt worden, welche Massregel dem Laude 

* Iii BenuitA Bericht vom 10. 8eptemb«r 176S. P. C. XXV, S. S6 und 
Solms Bericht vom 7. October 1768, 8bomik ZZII» Nr. S6S, 8. 486«. 

i Hjui vergloidie Friedrieh« Anaichton flbmr OMterreichs Finanilafo in 

P. C. XXV, 8. 3n6 und Uber die ganze Angelegenheit: Benoit im April 
17'in. Fnr«:rhinigon IX, 42, am 10. Sf-ptfinber 1766, ebenda 45, und 
I». C XXV, JJG. Solms Bericht vom l»l .lünncr 1766. P C. XXV. S. 33. 
Kathatiim hu ätaniiilaufl voiu 28. März und 8. April 1166, Öbomik 67, 
Nr. 132Ö, ä. 492 ff. Vgl. Arneth, VIII, 124^126. Zu untersuchen bleibt, 
WM an Edelsheimi Beriebt vom 19. Novembor 1766, Wahre» ist A«f 
dieaen Beriehl nlmlieh stttsen sieh VViedriehs VerdichtifnngeD und 
Vermuthunpon bei Sohn« vom 27. November 1766, P. C. XXV, Nr. 16361 
Kohd aber berichtet am 26. Novomb« ! ITfifi (P. C. XXV, S. 320, Anm. 1), 
(l.xxs er selioti d»"'sli.'il}i nicht daran glanbe, das.s Stanisl.aus mit d^m Wien« 
Hute über die Aend< ruug der polniRchen Verfa^ung verbandie, weil er 
keine Mittekper.iMii habe. Wo bleibt aber der General Puniatow^ki, 
muM man sich da fragen? 

* ITm volle Klarheit sa erhalten, wird man die WeisangreD an die Otter* 
reichischen Vertreter in Warseh«v, Petersburg, Versaillee im Wiener 
Archive heranziehen müssen. Arnoth lä«st uns gerade betreffs der Sstei^ 
reichisc'licn Politik in P^ltMi tiiid v.n Unssland im Stiche. 

* Vgl. Verginintis sii Choiseul au.«» Con!*tantiuopel vom 2. .Ttitii 1766 and 
Foruetti an Vergenne» am 16. October 1766 bei Uurmu^aki, I>ocameatä 
priT. la itoria Rom6nilor, Vol. l, Sappl, i, Bekareet 1886, Nr.lIXLVD 
nnd HXLIZ, 8. 746'-741. 



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neue EiDnabmsquellen zuführte und die einheuniBche Industrie 
▼on den Feroeln su befreieni ja eine Blttto derselben verspraeh. 
Friedrich der Grosse, welcher nun Pferde aus Polen nicht 
mehr zollfrei unter dem Titel ^Fürsteng^ut' beziehen konnte 
und auch seinen Ausfuhrhandel beeinträchtigt sah, unterstützte 
daraufhin die Danziger in ihrem Kampfe gegen die neuen 
Zollyerordnungen und errichtete, ak Polen seine energischen 
Drohungen' als Eingriff in seine eigenen Angelegenheiten zu- 
rückwies, einen Repressalienzoll in Marienwerder, nach welchem 
10 bis lö^/o vom Werte aller Waren, die stromauf- und jibwUrtü 
diesen Oi t passierten, gezahlt werden luubsLe — wer aber seine 
Waren nucL dem preussischen Marienwerder führte oder sie 
dort einkaufte, war vom Zolle befreit — welcher besonders Danzig 
empHudlich schädigte.* Diese M«issregeln und mit grosser Er- 
bittenint^ geführten Kämpfe boten den Anlass für den Plan 
Cliotckö, dahin zu wirken, dass die von Leipzig und Frankfurt 
nach Polen gehenden Waren, um dem hohen Transitzolle von 
30®/q zu entgehen, niclit durch Friedrichs II. Staaten, sondern 
durch Böhmen und Oesterreichisch-Selilesien geftihrt werden 
sollten. Der Wiener Hof versprach zu diesem Zwecke die 
Hauptstrassen zu verbessera, auch Lagerplätze, Stationen und 
Posten anlegen zu lassen. 

Doch gelang es russischer Vermittlung, indem eine ge« 
mischte Commission sur Beilegung des Streites eingesetzt wurde, 
zu bewirken, dass die Zollerhebung in Marienwerder (am 
15. Juni 1765) eingestellt wurde,* und (am 12. April 1766) über 
Einflussnahme des Grosskanzlers Polens den König Stanislaus 
zu Teranlassen, die ZoUordnungen von 1764 zu suspendieren.^ 



* y^l. dM Memoire, dt» Benoit am 14. JXuner 1766 abgab. Fornchungea 

IX, 26. 

' ,Der Zoll in Marlonwerdor Imt liifr olu starkes Fieber in cellulis cere- 
brinis venirH.uht,' schreibt der Dnnzigrr Aj^cüt, Christ. Giller, an Wahl 
am 6. Mai 1765 bei Damas: Die Stadt Danzig gegenüber der Politik 
Friedrichs des Qrosseo uod Friedrkh Wilbelms IX Zeitedirift des west- 
pTeiuMieehen GeschiehtavoreineB V, 14. Ueber den Schaden dieeer Be- 
pressalien vgl. Hermann, 7, 88S. 

• Kaeh Sktibowikiw* Brief vom 1. Jnü 1765 bei Dnmns, S. 16, Anm. 9. 
Man ziehe die n-pscliriebnnpn Ga^ettps flp la Plarc von 1705 heran (im 
Würy.bnrg^cr Kreisarchive, Mültär«acben 2296), besonders die vom 21. Mai 
und 24. Deceiiiber. 

« P. C. XXV, S. 92, Anm. 2. 



378 



Friedrich der QroBBe hatte es dabei oicht bei Abmachungen 
und VonteUimgen bewenden lassen, das» das teterreichische 
Project infolge des grossen Umweges, der bedeutenderen Fahr- 
kosten und des Zeitverlustes nndnrchfllhrbar und für Polen 
nachtheilig sei,^ sondern er erniedrigte auch bereits im April 1766 
den Transittarif von 30% auf 8**/^, somit auf den froheren 
Stand.* 

TrotB all dieser nicht su beschönigendem Niederlagen, die 
den Versuch^ Kaunitsens Politik an Torhimmeln, als g&nalich 
gescheitert erscheinen lassen, trachtete der Osterruchische 
Staatskansler seit dem Jahre 1766 besonders, das infolge weit- 
gehender Theilnahmslosigkeit — seit 1765^ hatte Oesterreicli 
nicht einmal einen ständigen Besidenten in Warschau — und 
anderer Fehler, verlorene Terrain in Polen auf friedlichem Wege 
wieder zu gewinnen. Dafür gab es nur ein rasch wirkendes 
und sicheres Älittel: wenn Friednch il. die liaud ziu Ver- 
ständi^uiiiT mit Oesterreich bot. 

Und da.-, tliat er wirklich. 

A. V. AriK'tli und Aduli Beer haben — und das mus.> 
gegenüber der tendenziösen Färbung der Pol. Corr. betanl 
werden — unwiderleglich nach ^rc wiesen, dass Friedrich der 
Grosse bereits \m Jänner ITfiÜ durrh unzweidcutise wieder- 
hohe Anträge seines Vertrauten, des iienerals Hordt, an Nugent 
.mit dpiTi FIrin.se Oesterreich die engste Verbindnis einzugehen' 
den Antang gemacht hat."^ Dies steht fest, auch wenn wir 
Graf Nugents bestimmten Bericht vom 18. Jänner, dass ihm 
(l^ugent) der Preussenki^nig ausseigewöhnlich freundlich und 



> An l^'iioit vom 11*. März ITtiG. P. C. XXV, Nr. 15962. 

' Hrraiizuätiehüu ist noch der Aufsatz von Boas: Die preu«Hi«( hp H.iiniel»- 
pulitik gegenüber Folen in den JAbren 1764 — 1775. Jaiirbucb der 
butoriMsh«!! Q«MUMliafl für dm KelMdivtxkl lo BrombMf 1891, 
Abschn. I, Capw IV nad die aUgemeia inttnüereaden Werlo voa 
G. Jastrow: lieber Welthandekrtiaatea bot Oeeehichto des Abeodlaadaii 
Berlin 1887. A. Beer: Geschichte de« WelthmideU 186« und im. 
C. Iluber: Die frt"-(liirlitlir->)p Ent%vickhinp des modernen Verkehr*. 
Tübinjfen 1893, hc^omiers 2lHif. Gootz: l>ie Yerkehrsw^e im Dieiute 
des Welthandels, Sluttj^'art 1.S8S, S. — 734. 

^ NugentA Hericiit« vom 8. Februar und 8. Mars bei Ametb, VIII, Anm. I6i 
tmd ]tt8. Vgl. A. Beer, Zosammeukttnlle im Archiv lOr Oeterr. <3e- 
Bchiebte 47, 890 ff. 



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379 



,ganz ausnehmend' rntL^cu'cnkomrae, flir subjectivcs Emptindea 
annehmen und dalüT nicht so hoch anschlagen wollen.* 

Der Antra*^ Kriedrichs II. entsprang durchaus nicht dem 
Gefühle der Schwäche, und es mxxsB abgewiesen werden, wenn 
die Pol. Corr. nicht nur von diesem ersten Schritte Friedrichs 
nichts wissen will, sondern die ganze Annähemng im Jahre 1766 
von Oesterreich ausgehen lässt und Friedrich als den armen, 
vom Wiener Hofe Düpierten hinstellt. Es tritt hier eine Tendenz 
zu Ta|ipe, die man freilich auch sonst im Register, wie in der 
ganzen Anordnung und oft mangelhaften und hdchst eigen- 
artigen Wiedergabe der Berichte Teifolgen kann, und der 
selbstverständlich auch die Referenten in den ^Forschungen zor 
brandenburgisehen Geschichte' gefolgt sind. 

Aber ein nnaberwindliehes Misstranen, auch seit dem 
Huhertsbnrger Frieden, genJthrt durch die ewigen Reemtierungs- 
affairen und 2ioll- und Handelskriege, waltete seit den ersten Ge- 
waltschritten Friedrichs H. zwischen Oesterreich und Frenssen. 
Friedrich war so sehr von der moralischen Haltlosigkeit seiner 
Handlungsweise Oesterreich gegentlber ttberzeugt, so durch- 
drungen von dem GefUhle, dieses Land ungereohterweise aU' 
gegriffen und eine hilflose, von Feinden umlagerte Frau in 
den Stunden äusserster Gefahr ttberfidlen zu haben,' dass er 
an ein Entgegenkommen Oesterreichs kaum glaubte, und Maria 
Theresia konnte nie den Ingrimm abwehren und das Misstrauen 
verbergen, wenn sie daran dachte, von ihrem Nachbar wieder 
überrumpelt zu werden. , Konnte man diesem Fürsten nur 
vertrauen/ soll sie zum englischen Gesandten geäugt haben, 
,aber es ist schwer zu wissen, wie man mit ihm unterhandeln 
soll. Ich fürchte, er ist der Aufrichtigkeit nicht fähig und 
glaubt a.uch bei anderen nicht daran. Wenn man ihm etwas 
sagt und in freundlicher Weise, nimmt er es als ein Compliment 
auf, beantwortet es in diesem Sinne und setzt immer voraus, 
es entspringe einer geheimen eigennützigen Absicht.'^ Freilich 

» Arneth, VIII. Anm. 161. 

' ^amab la raison d'Etat n'avait ete opposee avec plus d'iuipudoju-e aux 
lois, les plus 41ömeataires de l'bonueur et de la justice/ sagt Albert 
SomI; L'Eorope et la i^Tolution ftanvaise, S. Seff. 

* Deaaen Bericht Tom 8. Korember 1768 bei Bamner, lY, $07. Eine 
satceffendera Chwakteristik kOnnte aelbet der beete Kenner Friedriolu 
heute niehi bieten. Wer seine Coireepondens kennt, mue sageben, 



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380 



wnsste ne dieses Misstrauen als kluge PoUtikeTm numehmal 

dem Staatsinteresse anterziiordnen; aber als Privatperson hasste 
sie Friedrich bis in die innersten Tiefen ihres zartfühlenden 
grossen Herzens. 

Bei der jetzigen politisclicn Lage konnte Oesterreich in- 
solange nicht daran denken, etwas Positives zu unternehmen, 
als entweder Preussen nicht neutralisiert war, sich also Oester- 
reich näherte, oder aber Oesterreich eine Coalitiou der Nord- 
milchte zustande brachte, welche Russland vom Norden her im 
Schach hielten, wlthrend die Pforte im Vereine mit Polen die< 
im Süden that. < >ej>terreich und Frankreich hätten Preussen 
und England zu zügeln. 

Uinsuinelir war der Wiener Hof erregt, als sich der 
Preussenkönig näherte. Di«; Actionslust jenes Hofes in Polen 
traf mit Friedrichs scheinbarem Verlangen nach einem inni- 
geren Zusammengehen mit Oesterreich zusammen; dazu kam 
der Wunsch Josefs und Friedrichs, sich persönlich kennen zu 
lernen.^ Josefs Sendung von Florentiner Wein im Mftrs 1766 
ist damit zu erklJlren. Friedrichs Anregung su einer Zusammen- 
kunft mit Josef aber darf man mit der ganz auffallenden Er* 
kaltung in dem prenssisch^russisGhen BnndesYerhältoisse in Ver^ 
bindung bringen. 

Lo4»keraiig des prenssiseh-rnssischen Bflndnisses. 

Rttsslands Liebäugeln mit Sacbseo, die Anknüpfang inniger 
HandelBbeziehungen,' die Sendung des Fllrsien von Beloeel^y 



dus» ihm (Friedrieli) au Mii»8trauen wenige Staatsmänner ^eiue^ Zeit 
nahe kommen. Hinter allem suehie er bei den betten, edelsten Meaeeben 
niedrige NebeDabsIchten. Die« geht eelhBt in der Politik tax weit. Man 

nehme eine beliebi^i^e Weisung an Bohd, z. B. Yom 18. Febmar 1767 

(P. C. XXVI, Nr. 16503), als Atitwort auf den Bericht vom lt. Februar 
0(]pr vom April (ohend. Nr. 1(>')11). Trotz der berubigend.sten Zu- 
üiclicrinigLMi niid Berichte wittort er immer geheime, riel weitei^beude 
jintentions'' uud htotä ueiw lutriguuu. 

* Ueber den Plan eines engliscb-preuasiseh-teterreiehischea BSndnisMs 
wird im II. Thetle des Miheren gebändelt werden. Vgl. Beert Za- 
sammenkünfte. Archiv, 47, Ö. 392 ff. 

' Vgl. darüber die Acto des Coniraerciums zwischen hiemgen sScbsi$ciion 
und dpn nix^iwlmn Laiidon und die Errichtnng eines Commercientractataf 
mit dortigem Uote betrüüeitd. Dresdner Archiv, loc. S018. 



als russiscl)cn onvoy«^ extraordinaire nach Dresden ' im Jahre 1766 
trotz Friedrichs Abmahnens und Droheus, all das erzürnte den 
Preusseukönig g-ewaltig. ,Ich sage Ihnen ein- tVir alleraal, dass 
man infolge diener Umstände nicht die geringste eoniplaisance 
meinerseits in der Anniihernn;? an Sachsen fordern darf, je ne 
sanrais ancnnement entrer dans qnclqnc affaire, qne cc soit, 
que les niinistres de Kussie voudraient arranger avce Ics Saxons.* 
Deutlich ersieht man gerade aus dieser Frage, wie über- 
legen die russische Politik der preussischen gegenüber operierte. 
Bu&siand gelang es spielend, dadurch dass es Sachsen, den 
einzigen rem Polenkönige als natürlichen Feind bekämpften 
Gegner,^ gegen diesen unterstützte und die aus der KdnigBwahl 
von 1764 von selbst entstandene Kluft stets zu erweitern wusste^ 
Sachsen von Oesterreich und Frankreich mehr and mehr zu 
trennen, es an sich zu fesseln nnd gleichzeitig dessen £influss 
in Polen ehen mit infolge jenes Gegensatzes lahnizulegeni wobei 
man den Dresdner Hof mit seiner Hanptfordernng, der Be- 
willigung der Apanagen für die sttchsischen Prinzen seit 1766 
immer mit Versprechungen auf baldige Erfüllung hinhielt^ 



* Wie üiit/Jlckt Essen von dieser Frenndsclialt war, beweist foljjendes 
Schreiböu au Sacken, vom 12. Mai 17t)6 (im Dresdner Archiv, loc. 3020): 
yPlftt ao del* qn« Ton conimenee i profiter la bonne dispoaitioii, que 
rimp4ratric« de la Rasale commenoe k noos temoignei*; und fiacketi 
antwortet am 1. August 176G: ,11 «n räsaltera la ticho agr^able de 
prouver, par des faits non ^quivoques, la r4connais«ance sincere, dont 
notrfi cnur sera penetr^e fies marque-s de favenr et de protection^ accordöe 
do la part «lo S M. rimpL-ratrice k nos Priucos.* 

• An Solms vom I V Juni und 17. Juli 1706. P. C. XXV, S. 134 u. 165. 

• Aach das Verhältnis Sachsens zu Polen entbehrt jeder Bearbeitung. 
Essen« Berichte im Dreedner Archiv in den loc. 8660—8662 sind nahesn 
g^inslich ttUTerwertet Hermann hat sie nnr der Bamtellnng der inneren 
polnischen Wirren sugmnde gelegti wKhrend ihr eigentlicher Wert in 
genauer Beobachtung- der diplomatischen Besiebnngen Sachsens su Rnss- 
land und zu Polen liegt. 

♦ Man vergleiche Sackons Berifhto vom 7. Jänner, 2S. Februar, ^3. Mai, 
14. November 1766, im Dresdner Archiv, loc. 3038, bis zu Klingenaas 
Berichten vom 28. Octobor 11 G6 im loc. 3042, weiter Essens Berichte 
im loc. 3562, Vol. V*, besonders die von Hermann nicht verwerteten 
Berichte vom 6. nnd 9. JXnner, fol. 84-^85 nnd fol. 4ß, vom 18. Jinner, 
fol. 68, vom 16. nnnWt fol. 69 und 64, ehenso fol. IIIC Gerade die 
Apanagenfra;^.- y.>']>.'i recht das Verhiltnis swiscben den Hfifen von 
Dresden und Warschau. 



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382 



PreuBBon Btellte sich in seiner schroffen und eifersUchtigien 
Haltung gegen alle Mächte, die sieh Russlaod auch nur an* 
scheinend näherten , arg bloss. Graf Sackeni der Vertreter 
Sachsens in Petersborg, berichtet am 14 November 1766 aber 
eine Unterredung mit Solms, aus welcher die ganze Eifersucht 
Prenssens grell zum Vorschein kommt ,Sie beginnen von 
neuem recht befreundet mit Russland zu werden/ beirann Solms. 
Sacken erwiderte: ,Wir glauben, dasa liussland uns beiden 
stets eine gemeinsame Freundin gewesen ist/ Solms: Jst es 
Ihr Beatreben, Kussland auf Ihrer Seite gegen uns zu haben?* 
Darauf entgegnete Sacken: .Ich halte Sie flir einen viel zu 
o-eachickten und am Petersburger Hofe viel zu versierten 
san(lto!i. als dass Sic Ubersähen, was sich hier erfMini*'te/ Darauf 
Solms: ,i)ic beiden Höfe Preubtt n und Sachsen sollten sich 
auf ihren Wegen ja nicht kreu/.en. Sie könnten sich g'egen- 
sciti^ sehr ntU?5lich sein, sich jedoch auch vieles Böse zufüfren.' 
,Sein Ilüf besitze/ erwiderte Sacken, .gegen Proussen weder 
raneune noch animosit^y noch hege er irgendweiche Verdachts* 
gründe.'* 

Auch hielt sich Hussland an Sachsen, um für Preussens 
Stellung im deutschen Keiche ein Gegengewicht zu schaffen 
und dort selbst die Rolle besser spielen zu können, die Frank- 
reich seit dem westphUlischen Frieden mit Glück durchgeführt 
hatte.' Daher kamen Russiands Antrüge, der Dresdner Hof 
möge den Herrn v. Ponickau anweisen, mit Simolin (dem msai- 
schen Agenten in Regensburg) Hand in Hand zu gehen.' 

Die sächsische Politik aber gipfelte deshalb im engen Än- 
schlnsse an Russland, weil Sachsen richtig calcuüerte, ntir durch 
dieses seine Ziele, die Apanagen und Tielieicht die Kttnigskrone 



* Dre^lntT Archiv, loc. 3038. Die Uiitcrrütlung ist zu Bejr'mn de? N«^ 
veuibunft vor sich gegangen. Es ist an^unehJoeQ, daaa Solms slrlt mcnt 
ohne Weisung su »olclien Bemerkungen liat bewegen la^en. Li 
der PeL Conr. finden wir weder etne derartige WeiAiing nodi t&un 
Shnliehen Berieht. 

* Diese und viele andere Gründe Ittr Rneslands thatsächlicke faborables 

Intention» pour la Saxe entwickelte Repuiu!» GelieinrasecretSr (viell. icl t 
b<»ftnftr,'irrt) dem Grafen v. E^seii, dessen Bericht vom 27. Februar 
(von Flornianii nicht verwertet) im Dresdner Archiv, loc. 3562, Vol. V». 

' Vgl. Eatseuä Bericht vom 9. und 23. März und vom 6. April 1768, foL 19S, 
:i38, 249 u. fol. 32611. Dresdner Archiv, loc. 3562, Vol. V. 



von Polen erhalten zu können.^ Daher berichten alle auswärtigen 
Vertreter von dem überaus freundschaftlichen Verkehre zwischen 
sächsischen und russischen Geschäftsträgern. Selbst von Kopen- 
hagen weiss der österreichische Bevolimllchtigte nicht genug 
das Aussergewöhnliche des ,!iDgeinem vertrauten Umgangs' 
ewischen dem sttchsischen Gesandten und dem russischen (erst 
mit Philosophow und dann mit Saldem) hervorsuheben.' 

Und inderThat, die Apanagen erlangten auch die sächsi- 
schen Prinzen, trotsdem der König, mit Recht einer der eifrigsten 
Widersacher dieser Einmengung fremder Mäehte in Polens 
Finansen, sich mit dem letsten Aufgebote seiner gesunkenen 
Autoritllt gegen Repnm und Kssen eingesetzt hatte. Mussten 
diese Apanagen doeh Tom Eronschatae beaahlt und mnsste au 
ihrer Bedeckung eine neue AnflagCi und awar eine recht 
drttckende Biersteuer erhoben werden (sie wurde auf Repnins 
Drilngen im JJInner 1768 im Reichstage bewilligt).* Kaum war 
aber diese Forderung durchgesetzt, als der Dresdner Hof auch 
für die Frinaessinnen Elisabeth und Kunigunde solche Apanagen 
ra erlangen wtlnschte.^ Erst die Resolution hat dann selbst- 
▼erständlich die AnsAihmng dieser Reichstagsbeschlttise ver- 
hindert* 

> Z. B. an Essen vom 11 und vom SO. MI» 1768» abend. Nr. 18^ foi 185 

und 283. 

* Hericht des Grafen v. Welsberg vom 12. Mai 1707. (In Chiffren) im 
k. k. SUiatsarciiive Wien, Dänemark 5. ^a aber aach der spanische 
Gesandte in eben diesem engen EtovetitMnilnisw mit den Oberwihnten 
m «leben «ebeint» so wttfde leb eolebee eber einer penSnUeben Freund- 
sobnfk ngesebrieben nnd niebt fttr wOrdig ereebtek babeo, E. f. Gn. 
ettras daron anzuführen, wenn ich niciit dabei bemerkt hätte, dass sie 
sich nicht nur allein beständig Geheimnisse beizubringen haben, sondern 
auch znm fiftern Briefe und Scliriften communicieron.* 

* yDer sächsische Minister Baron Sacken bat mir eröffnet,' berichtet Lobko* 
wÜi am S. Februar 1768, «dass bei dem nun bevorstehenden Beichstage 
in Folen die Bepablik in Aaeebnnf d«e Tom biesigen Hofe eingelegteo 
Fllrw<Nrto niebt nnr alle Anforderungen an da« korsleb«. Hans h^ama 
liast» sondern auch deti kursiehs. Prinzen jedem zu lim, Dncaten be- 
willigen wolle. Sacken fügte hinzu, das« diese begnttgliche BeschaflTenheit 
<^er SnrhPT! hauptsächlich seinen Bemühangen suzuschreiben sei' (Ic k. 
ötaataarcbiv Wien). 

* An Essen vom 27. Jänner 1768, fol. 84 des oben citirten Vol. im 
loe. 8668. 

* Essens Beliebte vom 8. und 17. Fbbnur 1788, fsl. 114—118 xu fol. 188, 
nnd Weisung an Eseen Tom 18. Febnur, fol. 117, loe. 8682, Toi. V*. 

iNkiT. xcn. Band. n. nifis. 86 



üigiiizuQ by LiüOgle 



a84 

Und Friedrich wiederum war bemüht, den Russen Miss- 
trauen gegen sächsische Ininguea in Polen (gegen Kusslandl 
einzuflössen. Doch bietet vor der Barer Confoderation weder 
die Correspondenz des Kurfürsten mit IManneru wie Fürst Karl 
Radziwil, (Jtnü Liubnel Potocki, den Gi.iten Mniszek, v. Hülsen, 
Ossolinski, Starosten von Öen i iniir, Krasinski, dem Castellan 
von Lenczye, Thadd. Lipski, Brauicki u. a.^ irgend einen An- 
haltspunkt für die Vorwürfe von Machinationen der Sachsen, 
noch lassf ii vereinzelte KTiiHlL^t biingen des Administrators von 
Sachsen für einzelne, Sachsen ergebene Männer, wie die Grafen 
Poninski, Woydwozyi^ solche Deductionen zu. Ja als der in 
sächsischen Diensten stehende Fürst Lubomirski in einer Bitt- 
achrift (vom 30. December 1767) um Sachsens Interposition 
beim russischdn Hofe für den legitimen Erben ^de TOrdiiutf 
gebeten hfttte^ welches von den Gsartorjskis ungerechtfertigt 
im Bentse gehalten wurde und als diese ihrerseits mit 
Antrügen ond Insinuationen beim Dresdner Hofe drängten, 
bot Essen seine Hand nicht, und der sftchsische Hof billigte 
sein Misstrauen beiden Parteien gegenüber voUkonunen.' ,h&i 
Himstres de Prasse et de Danemaro k la conr de Bnssie 
se sont donnte beanconp de peines ponr faire changer le 
Comte Ossotinski de sentimenti k notre ögard. Qnoiqa'fl ne 
paroi8se[nt] pas, qne lenrs persnasions ayent prodoit nne 
grande Impression stur son eaprit^ yons feres eependant tonjoors 
bien sans faire sembhuit de rien, de le suivre de prte. S'ü a 
eonsenrd son anelen attachement ponr notre coor, fl ne ▼ons 
fera pas mist^re des insinnations des dits Ministres/ heissk es 
in der Weisung vom 16. liärs 1768 an Essend 

In dem Masse, als sieh die Anträge polnischer Magnaten 
beim Dresdner Hofe mehren, als die wertvollen Geschenke an 
solche Adelige den Schlnss gestatten, dass Sachsen ihnen in 
dieser kritischen Zeit nach der Barer Conföderation geneigtes 
Ohr geliehen habe, als der festliche Empfang des Bischofs von 
Kaniiniec in Dresden auch an katliolischen Höfen Erstaunen 
hervorrief, da siegten auch am Petersburger Uofe die preussischeu 



* Dreeduer AtoUt, loo. WS, 

' An Basen vom 3. Februar 1768, loc. S56S, Vol. V% foL 96. 

* An Essen vom 2. Mira 1768, foL 16Sff. 

* Ebend. fol. 19öff. 



385 



Elnflusterune:eti und es gelang der Fürsprache Repnins nur mit 
Mühe, Ptusslaiids Argwohn gegen Saclisen wenigstens einiger- 
massen zu dämpfen.* 

Und Russlands Stellung und Verhalten zu Sachsen war 
aber nur ein Ausfluss seiner grossen nordischen Politik, mit der 
im ganzen Friedrich durchaus nicht sympathisierte. Schon der 
anglo-russis( he Freundschafts- und Handelsvertrag vom 1. Juli 
1766, noch mclir aber Panins Versuche, den scheidenden 
englischen Vertreter (MacRrtnoy) zum Abschlüsse eines Allianz- 
Vertrages zu bewegen,^ irritierten den Preussenkönig. 

Friedrich hielt die habsburg - bourbonische Familienver- 
bindoDg durchaus nicht für ifonmdable' und seio Zasammen« 
gehen mit Russland j(Ur genug imponierend, um dieser Union 
Schach zu bieten. mit dem Nordbund, fort mit den 

,miserablen' Engländern, deren König, der achwAchate Mann 
der Welt, seine Minister wie seine Hemden wechselt. Aach 
fürchtet das gebrannte Kind das Feuer. ^Quioonqne s'est vu 
tromp4 ime ftus, se m^fie d'entrer l^^rement en quelque ohose 
an risque, d'en dtre la dnpe encore une fois.' Fort auch 
mit Sachsen, das mit Oesterreich-Frankreich alliiert sei. Die 
dentBchen Beichsflirsten seien machtlos (point d'aigent, point 
d'Allemaad), Fhmkreich nnd Oesterreich tief yersehnldet Ein 
Lieblingswort ^Onenx' gebrancht er von ihnen (bekanntlich soll 
er aach sich mit Beeng anf seine banemfrenndliche Begiemng 
,roi des gnenx' genannt haben). Und endlich sei der Plan des 
Nordbvndes Tiel sn compliciert.* 

* Repnin selbst liess auf «llrectem Wege an Essen die AufTordeninp- er- 
gehen, er sille eine ähnliche Erklärung, wie Repnin sie im Namen 
Ru88lan(i.s am H. Mai li&ä gegen die Con föderierten abgegeben hatte, 
auch namens des sächsischen Hofes abgeben, am den ConfOderierten 
jede Autieht auf UntontStniiig tob 8«ehMii m raub«». Aof dem 
gioMB Ytthalteii Saduent, du seiae BrOdMD ni Polra ni ftitigan 
bemüht war, gieng ganz klnr heryor, dasa es tbatsftchlich zu Gunsten 
der CoufOderierten eingegriffen bitte» wenn deren Aussichten bald niebt 
so klägliche gewesen wären. 

■ LobkowiU' Bericht vom 26. September 1766, im k. k. Staatsarchive Wien. 

' Diese Ansichten hat er in den Unterredongen vom 19. und 24. Mai 1766 
mit 8«ldenL «ntwickdl P. C. XXY, 8. SM^M Aoch in dem 
8ebveib«i Frisdziobe m Katbuiiut rom M. Iffti 1766 («atwofUieb des 
Briebehreibens fiir Salderu vom 18. April) prägte sich seine ablehnende 
Haltung gegen die Nordallian« ans (Sbornik XX, S. 230—233). Vgl. 
dasa aaob «n Solms vom 19. October 1766 ebend. Nr. 16229 nnd besonders 

86« 



a8(] 

Dttti kamen einige ZwischenfiÜle an der preiunBelh 
rttflsisehen Qrense: ruBBische Werber awangen beiapielBweiBe 

preusaische Unterthanen mit Gewalt, ausser Land an sieben, 
und Hessen sich zu .;;roben and unerträglichen Ausschreitungen' 
hiiireissoiL* Handelspolitische Differenzen, Friedrichs neue Zoll- 
und Tosttarife (s. w. u. ), Kusslands VV^Uhlen in Asien, die Unler- 
stUtzung, die es den geo;en die Pforte aufgestandenen Georgiern 
mit Munition etc. augcdeihen lioss/ all' das vertiefte den Zwie- 
spalt. Die hochmüthige Art, mit der oft Solms in Petersburg 
behandelt wurde/^ hat jedenfalls auch das Ihrige beisretragen. 

Ganz besonders aber Uber die Fragen der Dissidenlen- 
gleichstellung und Polens Verfassungsreform war zwischen 
Berlin und Petersburg eine solche Missstimnumg eingetreten, 
dass eine CoaUtion zwischen Oesterreichj Prcusscn, vielleicht 
auch England und dem Polenkönige, der damals, wie die 
Czartoryski, stark au Oesterreich hinneigte» gegen Enssland 
möglich schien, um es noch ans Polen zu werfen. Namentlich 
im Sommer and Herbst 1766 traten die Differenzen hervor. 
Fhedricli war es zufrieden, wenn von dem damals erOffineten 
ersten oi lentlichen Reichstage die freie Heligionsansttbnng and 
btlrgerHche Gleichberechtigung der Dissidenten dnrchgesetrt 
wurde, ohne den Zutritt zu allen Staats&mtem ond an den 
Vertretungtkörpem fbr die Dissidenten an wünschen. Qends 
das aber bexweckte Katharina. Sie wollte eine ihr eigebene 
msttsohe Partei im Reichstage. Dafür wftre sie nicht abgeneijgt 
gewesen, durch den Wegfall des f^ien Vetorechtes oder wenig- 
stens des liberam mmpo bei den Wahlen ins Tribunal oder 
Bum Reichstage, sowie durch die Feststellung des Mehrheit»* 



Mitchells Bericht vom 4. September 176G bei Ratimcr, IV, 90. 8»Idern< 
Bericht über die U n t e r r ed n n t^e ii mit dem KOnige sind bei 
Solowjoff (russische üeschichte), Bd. XXVII, 8. 191—199, ge- 
druckt und seither schon oft verwertet worden. 

» Vgl. vom 13. Jnnt 1766 P. C. XXV, Nr. 16078. Vgrl. Panin an SimoHn 
am 7. Jani 1766 (äboriiik LVil, Nr. 1365, 8. 046). äimoliu wird hier 

aafg«fordeity ntiM» ESftr im d«r Anwerbung la ■fl^eln. 

• An Solo» am ST. Hin 1766» P. C. XXV. 

* Von den englischen QeeehÜlitiigeni nicht sn reden» wenn wir auch dm 
Bericht des englieehen QcMndten vom 6. Angnst 1766 hei Bamner, ff, 
6. 46<— 47, nie Ansflnn erregter Stimmnng und momentaner Anfirallvv 
anffaueD. 



387 



▼otoms fUr die V'crmehning der Steuern und des Heeres ge- 
ordnetere Zustände herbeizuführen, während sich Friedrich 
sträubte, auch nur die geringste Aenderung im Systeme der 
Verfassung zuzugestehen. Dass er Katharinas Plan durch- 
schaute, beweisen seine Worte, dass sie in Polen dadurch 
despotisch einzuschreiten beginne, qu'en soutenant les Dissidents, 
ses vues vont h se former nn parti ind(5pendant en 
Pologne, qui appuie et ^ui soutienne toutes ies propositions, 
qu'elie voudra y faire.' 

Immerhin war der Preussenkünig, der damals auch 
Katharinas Wunsch ablehnte, eine gemeinsame Erklärung der 
beiderseitigen Vertreter an die schwedische Regierang anlftsslich 
der schwedischen Baaemmuniheii abzugeben,' in der polnischen 
Frage so weit gegangen, dass er im September heimlich die 
gegen Bussland arbeitenden ^Patrioten^ in der Dissidenten frage 
anterstlUzte.* Ob er der russischen Aoffordenuig, Bode 1766 
seine Truppen in Polen einmarschieren zu lassen, ans Furcht 
Yor den damaligen Rttstungen Oesterreichs,* oder aus Abneigung 
gegen Rnsslands Oewaltsehritte und Anfreisnngen auf der Balkan- 



* Als Antwort auf Solms Bericht vom 6. August 1766. Vom royaz la 
röcessite d'agir avec circonspection, avec cea gens ou uous soubirou.s 
leur joug, sans savnir comment nous notis l'avons laiesö tmposer. Kaum 
zwei Wochen später heisst es an Solms vom 6. September 1766, 
P.O. XXY, Nr. 16810, 8. 811: leb bin ftst antiebloflsen, alle OMine 
▼erpfllebtnagan auh pei&Hdiata sn etittllen. Wenn jedoch der nmische 
Hof reste intentionnie de fidre faire des d^lftfations i T^gud im diasi- 
dents de la Pologne, accompagnäes des menaces, je ne sanrais y con* 
oonrir antrernent, qu'en fTisaiit fairo don repr^?entattons aux Polonai?, 
en termes doux et amiable.s. ,Ato meisten frappiert der despotische Ton, 
welchen sie allen NachbarmäcLten gegenüber anschlägt,' ticbreibt er an 
Finflkeiutdn am 86. Ao^it 1766. ,Poiir moi, je stiu k la T6rit6 dans 
rintention de ndtuiger ton anitid aatant, qae eda eera ponlbl«, mais 
je ne toi« pn» intantlonnA da tont de foiiger des fen aTee lesqnela je me 
verrais enchalnö moi-m6me.' (P. C. XXV, Nr. 16195.) 

« Ao Solms vom 16. Jani 1766, P. C. XXV, Nr 16086. 

• An Solm» vom 24. Juli 1766, ebenda S. 173 und vom 4. August, 8. 185; 
wg\. an Benott vom 11. September 1766, ebend. Nr. 16215, S. 214 als 
Antwoft auf Benolts BeHebt tum 8. September; a. Foncbnngen IX» S. 44: 
Dana le fond de Palblre U teralt bien bon et eonTenabte, qne toos 
fuaiee traTaüler dee gena eontre aa rinasite, A eda ponita «e fliire de 
votre pari par main tieroe OU quAtri^'tno. 

« Sdelheima Beriehfc vom 86. Oetober 1766. 



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888 



balbinsel und in Georgien^ und wegen seines eigenmttchtig 
deepotisclien Vorgehens in Polen nicht entsprach, ist ohne Be- 
lang; »her heseichnend ist die BegrAndang seiner Ahlehnnng 
von Panins Anerbieten, er mtlsste sich fibr die Kosten der 
Mohilisierung des Tnippttunarsches in Polen entrohAdigen nnd 
könnte dies nur darch eine Plünderung bewerkstelligen, was 
wohl einem Kosakenhäuptling gezieme, nicht aber ihm.' 

Ein Hauptgrund von Friedrichs Abneigung, ja Ei LiUerung 
gegen den Alliierten aber lag weiter in handelspolitischen Differen- 
zen. Zwar hatte er noeh im Jalire 1765 seine Meinung dahin aus- 
gesprochen, dass handelspolitische Differenzen die guten Be- 
ziehungen zwischen Staaten niemals zerstören können, und dabei 
auf »Saclis. i: und Oesterreich hingewiesen.' Aber man kann nicht 
verkennen, dass die Dinge jVtzt andere lagen als 5m Jahre 1765. 
nnd dass ^ich in dieser Beziehung keine Norm fixieren lasse. 
Halte der König den Repressivzoll, welchen er als Kevanche 
gegen den neuen polnischen Zolltarif in Marienwerder im 
Jahre 1765 eingeftlhrk hatte/ auf Einsprache Koaaknds auf- 
gelassen (purement par an motif de complaisance ponr la conr 
de Russie, heisst es in dem Schreiben an Solms vom 12. Februar 
1767)^ und seinen Residenten Rexin ebenfalls auf Russlands 
Drängen ans Constantinopel abberufen/ so yerlangte die mssisehe 



* Vgl. P. a XXV, Nr. 16068. Waehtaadimc icbreibt an HMiaof «b 

IS. Juni 1766: on n'apprent rien de partlculier dM troables en G«orgie 
et du Priiu-f^ HoracHua duquol {>ass6 3 semaines on faisoit reteotir Im 
cxploita militaires. (Geheimes bairisclies Sta?it«firr>nT Miinoheu.) 
^ A» 6o\m» vom a. November 176ti. P. C, XXV, ht. iüaüti, ö. 2ö6. 

* P.O. XXIV, 8. 4M. 

* VgL Fonchungsn U, 6. 96 (Correipmideiis nit BmioU in dor ZoIlMeht)t 
La baron de Seldem « fini k Viuaovie r«0eire da la doaana de Ifarica- 
werder, berichtet Sacken, der sichsische Vertreter in Petersburg, an swaae 

Huf vom 2. M.ii 1766 (Dresdner Arcliiv, loc 3038), iind Es^ea theilt (iwi 
Grafen Öackeu am 12. Mai 176G mit, dass der Fürst Adam Czartorvski 
unter dem Verwände, der ,littvue' beiaunuhueu, nach Berlin rei&t, in 
Wahrheit aber um ,de porter au Bei de Pruase des assorance« positivaf 
aar la caasation de la dooane gda^rale*. Dreidner Aroblv, loe. 6010. 
> Sbornik XXXVD, Nr. 606, 8. 61. 

' Ypl. KexiiiK Antwort auf die sieben Punkte der rus^isdian Baaehuldigung- 
r. C. XXV, 8. 247. Vgl. P. C. X. Vgl. auch die Correapondenz Katha- 
nua^ mit Friedrich: Sbornik XXXVII, 8 213 — 233. Sie ist unterbrwhen 
bis sum 12. Mai 1767. Ebenso Katb&riuas Urtheile fiber Friedhchs 



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389 



Ktgierang jetzt (Solms Berieht Tom 29. Juli 1766) mnsonrt 
die Aufhebung des neuen erhöhten Post- und Portotarifes 
und drang vergeblich auf Beseitigung der von Friedrich ge- 
planten Zollerhöhung im Handel mit ruHsischen Waren in 
Preussen für das Bankhaus Schweigeer, weil damit Art. XII 
des Allianzvertragcs verletzt sei.* Scliarfe Noten wurden Iner- 
über gewechselt, da Friedrich dieses Ansinnen mit Recht als 
Ein^xriff in seine inneren Landesangelegenheiten auffassto* und 
zurückwies. Seine Aufwallung aber wurde noch gesteigert 
bei dem Gedanken, dass Katharina ebenso wie in Schweden 
und Polen, gleichzeitig auch in seinen Staaten sich anmasse, 
die Herrin zu spielen: ,La Russie s'ing^rernii dans uics moin- 
dres affaires, eile voudrait decider de tout et nie traiter coinnie 
lea Turcs traitent le despofce de Valachie, wenn ich in der 

goistroiche Correspondenz in ihren Briefen au die Madame v. Qeoffiin 
bei Sög:ar: Le royaume de Saiut-Honor^, S. 444 ff. 

* Die Note der ruMiacben Regierung (Peterhof^ 24. Juli/ 4. Aaguat 1766) 
im gbornik LXVII, Nr. 1S69, 8. SS, P.CXZV, Nr. 15989 and 15990. 
Man Tei]f lateha ttb«r daa lleritoriaeli« das Zw&rtaa Solma Befieht TOm 
15. An^st 1766 nnd Friedrichs Antwort vom 3. September 1766 (P. C. 
XXV, Nr. 16205). Lobkowitz meldet am 25. September 1766, dn.>48 das 
mit dem Cotirior Mohrenhf^iin «yp/iemend eingesandte preussische Com- 
mercepruject vom ruRsischeu Holo günsslich yerworfen and dem Grafon 
T. Solms hierüber eino in DAchdrückliukeu Ausdrückungen verfasste Note 
zugestellt worden aeif die ich auf dta^ ildiwe Art sa Euer Liebdoa iMbeii 
Einaleht sn lioAlvdani mir ToriMhalto. Der InliaU d ie e er Note gibt die 
Deakeuart dieaea Bote aattaam an erkennen, ala weleher anch in den 
mit aeinen Bandesgenossen vorhabenden Handlangen von seinen einmal 
ppfa««itf»Ti GnjndsStzen keinp<»w(»fr^ a^t^nweichen geneigt ist. ,Trotcdem 
aber,' meint Lobkowits in seinem Berichte vom 6. Docember 1786, ,dflrfte 
dieses Froject nooh hiesigerseit» gleichwohl noch beangenehmet werden.* 
(K. k. Stutmiehiv Wien, fielatioDan.) 

* tJB ne dMie» ni ne aoabaite rien aiitant» t/L non, qne la cour de Snatie 
▼oadndt ne pea plua aonger k ae m^ler daa a&ima, qni ma aont propraa 
et priv4es.* Dieaea Vorgehen wUrde nur Anlass zu ,m^ontent«n)oiit' 
geben nnd .der Frean(1'«'h.nft, und dem guten Einvernehmen schaden, 
welches bis jetzt so glücklich zwischen uns geherrscht hat', schrieb 
Friedrich an Solui» vom 31. August 1766, P. C. XXV, 8. 203, Anm. 1. 
,Ces gens vealeot impiöter nn pas apröa Taatre; U est tempa de lea 
arrfttar tont eonrti on nona devenona lenia eaelafeib' helaat ea an Finckeo- 
atein vom 98. Angnat 1766, P. C. XXY, 8. .104, nnd ihnlidi an flolau 
wenige Tage nachher (am 3. September 1766, ebenda 8. 207), dass es 
ihm £a.st i^rhf'ine, als ob ihn das russische Ministerium seit kurzer Zeit 
lOhicaaiare* und Lutt habe, daa gute EiBreraebmen an brechen. 



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390 

Zollangelegenheit nachgäbe/ schreibt Friedrich an Solms vom 
95. September 1766. Ein andermal am 13. October 1766: ^Voub 
deyes savoiri qua les dita mmietres de Boasie n'aient nnl droit 
d'dtre eenseuis de mea aotione.'^ Kur die Furcht Friedliche, 
dass der Wieoer Hof, welcher die Spannuzig bemerkt hatte, 
Bich Riiflsbuid nähern konnte/ weiter eine gewisse Nachgiebig' 
keit in den raaeiBchen Forderangen im September 1766, 
▼ielleicht anoh die neu anftaachenden Schwierigkeiten mit der 
Pforte,' haben Friedrich bewogen, gegen Ende des Jahres 
frenndschafdicher au&ntreten. Gerade Solms mnsste in jenem 
eigenhändigen Schreiben Fnedriehs vom 30. October 1766,^ 
das uns wie kein zweites die Spannung awischen den beiden 
Alliierten aufhellt, seinen ganzen Groll erfahren. Hier entroOt 
er gnmmig die Widersprüche der russischen Kaiseiin, die in 
seine Rechte eingreifen wolle und sich in seine inneren An- 
ordnungen einmenge. Während sie doch erklärt habe, dass es 
ihr nicht gleichgiltig sein könne, wenn Friedrich sich in die 
polnischen Angelegenheiten einmische, fordere sie jetzt, dass er 
Truppen ( in marschieren lasse. Habe sie die Ueberreichung 
ihrer gemeinsamen Declaration am Warschauer Rf»ichstage be- 
tneben, so nehme sie doch die Verantwortlichkeit alles Uehrigen 
auf sieh. ,Qu'elle s'en charge donc et qu'on mc laisse en 
repos!' ruft er zornig aus. j'Wenn ich Truppen einmarschieren 
Hesse, würden die Polen schreien und in Petersburg wlirde man 
gleich finden, ,que j'en ai trop fait Oes tracasseries me devieii- 
dront k la fin insupportables.^^ 

^ ,LUuBolence,' liebst es am 2ö. September 1766 au deiiselben, »avec la«j^ueUe 
Oes gens (die Baasen) me yeiileiit priMtire de» lois dam non gouTefoe- 
ment, el je tow ddelare {Brntement, q«e teile est ma voIodM eooilente 
et iirdToeable, qne je ne wnlErixai jemab, que ee« g ens fiMMiit oe pfaeuer 

eee» duVil ea arriver tout ce qu^il plaira 4 Dieo. Primo voQS vojes 
eomme ils traitent la SnMe et la Polopne et moj, sonrerain, et 
l'ayant Mi jnsqu'ici, je ploierai soiis lo joug d'ime j> lissance avec la- 
quelle j'ai fait aiUaoce, mais k ln(]iioile je n'ai pas re&du bommage^ 
Ken jamai« oala aVnfiTen, taut que j*auiii ke jeax omvertit je loa* 
tiendiai mon inddpendanee.* 

* YgL P. C. XXV, Nr. 16S6», 8. 

* Finckünstoins Bericht vom 14. Ootober 17M, P. C XXY, Nt. IdMO. 

« P. C. XXV, Nr IG318, S, 281 ff. 

* Dieses äusserst wichtige Schreiben wir l im Sbornik XXX^^I, Nr. 844, 
S. 104, feblerliafterweise mit dem Datum vou 1767 mitten unter dar 
67er CSoneapoudens Al^edmckt, wiewohl doch schon der Ton, der tod 



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391 



ächliessiich Hess er dock' die obgenannte russische Decla- 
ration vom 24. August/ 4. September 1766* unterstützen , welche, 
wie bekannt, auf die Befreiung der griechischen und lutherischen 
Dissidenten von der kathoHschen Clerisei abzielte, trotzdem er, 
wie er am selben Tage an Solms schrieb, weder mit dem einer 
freien und unabhängigen Nation geger. iljrr angeschlagenen 
Tone derselben, noch mit gewissen Artiki In ( wie z. B., dass 
die Protestanten auch Kirchen an Orten bauen durfien, wo sie 
solche niemals gehabt hatten) übereinstimmte. I-nd als Friedrich 
in der Dissidrntenfrage nachgeo-eben hatte, da trat aiu Ii Katha- 
rina in der Frage der Verfassungsreform einen Schritt zurück, 
und am 11. November 1766 gaben Benoit und Hepnin die be- 
ziighche Erklärung gemeinsam ab.' Aber die von Russland 
geforderte Aufhebung der Porto- und Posttarife gewährte er 
nicht. Jene Wandlung In Friedrichs Verhalteo zu Eussland 
hängt mit den Rüstungen des Wiener Hofes zusammen. Sie 
erst haben ihn wieder in Katharinas Anne getrieben, zumal 
Bich eben Bassland damals stark am Oesterreichs Freundschaft 
bemflhte. 

Der ente ZusainiiieBlninftsTennteli und das Zettbild« 

In der Kxisls des preussiseb-mssischen Bündnisses nftherten 
sich Bassland and Fteussen an Oesterreicb, welches bemttht 
war, eine vermittelnde Haltnng auch gegenüber dem Norden 
sa bewahren, so awar, dass sich selbst Schweden an den Wiener 



dem froimd«fl!.'-ftUclien de« vorangehen den Sclireibenh« aurtlillip ;ibsUi8«t, 
weiter die Beschwerden über die Einmeuguug Katharinas in Preussene 
innerstaatUcbe Angelegenheiten u. a. m. den Bearbeiter hätten aufmerksam 
macliMi mllflien, ganz abgeMhttn von dea nottsUgeii hialQil4eh«n Datan, 
die nur auf dM Jahr 1766 pMMn. 

1 Weisung an Benoit vom 13. September 1766, Nr. 16823. 

" Sbornik LXVII, Nr. 1392, S. 84. 

• (»«»dnu^kt bei Joubert: Geschichte der Stnat'MvorHiidpruncrP'i Polon«, I^H T , 
Anhang Nr. LS, 8. 272. Noch auf eine Bemerkung Friedrichs aus beuiem 
Schreiben an Voltaire vom Iti. Jänner 1767 (Oeuvres posth. XX) sei hin- 
gewieten. ,YielIeieht madit man im Sfiden Olonen fibw die für die 
Dinidenten feforderte GewlisentfreUi^i Idi bebe mich in die CömpsrM 
▼enteckt and bei diesem Aufzage keine Haaptrolle spielen wollen. Die 
KOiüge von England nnd die nordiiehea Henedier lisben deoeelben 
BeeohluM geCiMt.* 



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392 



Hof wandte.^ Panin gab dem 4M«rreioiiiM]i«ii Omandtea ni 
erkdimeDy dass es Katharina mit besonderer Freude nnd 
Dankbarkeit begrüsst habe, in welch freundschaftlicher Weise 
der Wiener Hof dem russischen Gesandten auf sein Er 
suchen ,wej?en der aus den kaiserl. königl. Landen iuk Ii 
Rusaland etwa ziehen mUgenden Colonisten* geantwortet haUe. 
Dass der Wiener Hof von dem Gegensätze zwischen Berlin 
und Petersburg unterrichtet war, ist sicher anzunehmen, inwie- 
weit aber, das winl und Timss das ausschlaggebende Kriterium 
für eine richtige Beurtlieilung der Politik Kaunitzens in der 
wiohtigen Frage abgeben, welche aus der Annäherung Preussens 
an Oesterreich für dieses erwachsen war .Die denkens Art 
der russ. Kaiserin für den König von Preussen scheinet 
nicht mit dem nämlichen Eifer, wie vorhin auch der- 
mahlen noch Bestand zu haben/ berichtet Lobkowits 
am 7. September 1766. ,Diese Monarcbin ist über 
mehrere haubtsächlich aber Uber einige die pohlni* 
sehen Geschäfte betreffende Fürgänge mit benantem 
Könige sehr unzufrieden und weiss ich verlftssig, dass 
sie in verschiedenen Gelegenheiten Ihrer disfeUigen 
Empfindlichkeit in aiemlioh heftigen Ausdracknngen 
gettnssert habe. Die gegen anseren allerhöchsten Hof 
Ton ihr anfänglich beaeigte Entfernung nnd Kalt- 
sinnigkeit scheinet nach und nach sich einigarmassen 
au Termindern.*' 

Weit mehr als diese Zeichen llbemschten den Wiener 
Hof Friedrichs Aimfthemngsrennche angenehm. Gespannt 
lauschte er auf Nugents BerichtCi und er gab auch dem 
preussischen Vertreter rttckbaltslos smne Geneigtheit au er- 
kennen, die Aera des gegenseitigen Miastraoens mit einem 
frenndschaftlichen Nebeneinander zu vertauschen. Doch iroide 
Nugent angewiesen, sorgfältig alles zu vermeiden, was Oester 
reichs dermaligem Alliierten zu einem gegründeten Vorwurfe 
Anlass geben dürfte, als ob der WiciiLr Hof nicht , Bundes- 
massig' zu Werke gehe.' Diese Kote war durch Hords ßc- 



< Um weitero Sobtldieiigttldtfr Ton FMakNMfa SU «lialtoD. (Dm Klhm 

im II. Theil.) 

* Im k. k. StaatsarchiTe Wien (Relationen, Russland). 

* Aa Nugeat vom 8. MAn 1766. Weitongea im Wi«i«r StaatMiehiv. 



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993 



mcrkung s eraiiluast, dass Mr. Mitschell von London in kurzem 
eintreflfcn und über diesen Gegenstand unfehlbar mit Nugcnt 
sprechen werde. Nun waren gerade damals die geheimen 
Unterhandlungen mit dem Erbprinzen von Braunschweig ange- 
sponnen und Kaunitz argwöhnte bald, dass der erste ,Anwurf* 
für Hords Antril^'e von England n-cschehen sei, dessen Mini- 
Bteriam sich noch mit der Hoffnung schmeichle, den Wiener 
Hof vom Pariser zu trennen und jenem ein neues Perspectiv 
von Vortheilen vor Augen zu führen. Nachdem Friedrich an- 
möglich die trilgerische Hoffhnng nähren könne, dass man auf 
die ,General- and Privatäusserangen' Hords hin leichterdings 
^bei Ergreifung eines Staatssystems wankelmttthigen £at- 
schliessnngen^ Raum geben und in eine selche Allianz ein- 
willigen würde, yWelehe uns der englischen und prenssischen 
Willkttr unterwerfen und in die äusserste Verlegenheit setzen 
könnte, so ist viel Wahrsoheinlichkeit vorhanden, dass der 
ganse Antrag ein uns gelegter Fallstriok und künstliches Werk 
sei, um sich selbst verdienstUeb, unseren Hof aber bei England 
und Frankreich TerdBehtig nnd gehflssig an machen'. Habe 
doch Friedrich erst nnlängst wieder die gehässigsten Insinna* 
tionen an die Pforte gelangen lassen, um sie gegen den Wiener 
Hof in Harnisch aa bringen, ein Betragen^ welches kaum in 
Kriegsaeiten au rechtfertigen sei.^ 

Die Bedenken gegen eine Frontveränderung steigerten 
sich noch, ab man in Wien von der Ankunft des Barons 
V. Saldem erfuhr, eines der Haaptverfechtcr des Nordbund- 
planes, dessen Reise bereits am 10. März von Petersburg aus* 
über Warschau und Kopenhagen gegangen war. Dass Mitschell 
täglich erwartet wurde, wusste man. Was lag näher als die 
Vermuthung, dass hier in Berlin nicht nur die russisch-engli- 
schen Unterhandlungen zum Abschlüsse des Handelsvertrages 
fuhren sollten (er wurde auch am 1. Juli auf 20 Jahre ge- 
schlossen), sondern audi Friedrich mit England in die nor- 
dische Allianz aufgenoinnien werde, urasomchr, als auch Lobko- 
witz damals von dem besonders vertrauten Verkehre des 
Grafen v. Solms mit dem Chev. Macartney berichtet^ und der 
König in Salathai mit dem Erbstatthalter von Holland zusammen- 

* An denaolbeii vom 88. April 1766, ebenda. 

* Lobkowite' Bsrieht aos Fstmibiiig vom 18. Hin 1766. 

* Ytm 4. nnd 88. Febmsr 1766. 



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394 



treffen 'BoUte, von dem nuut wusste^ dm er mit jenem Fkne 
sympaihttierte. 

Wohl kommt der KOnig gerade dem OsterreieluMiien 
Gesandten damals mit der ansgeenclitesten Aafmerkeamkeit 

entgegen. Er unterhHlt sieh nicht nur während der ganzen 
Truppenrevue vom 22. Mai allein mit diesem, Iftsst sich auch von 
diesem vom Mantiverfeld durch die ^^unze Stadl ,uüier stetem 
Gespräch bis zu dem i'ulaste begleiten — eine Ehre, die bis 
jetzt nun zu noch keinem fremden Gesandten widerfahren 
war*. Wohl mehren sich die vertraulichen Unterredungen Hords 
und des zweiten Vertrauten des Königs, des Generals v. Krukow 
mit Nugent, und scli wirren andererseits immer mehr Gerüchte 
von scharfen ATiseinandersetzuugen des Königs mit Saldem, 
der, wie um HotV sehr übel vermerkt wurde, nicht einmal zur 
Truppenrevue erschienen war, an das Ohr des österreichischen 
Geschäftsträgers. Saldern selbst soll ihm in einer Unterredung 
beim Fürsten Dolgorucki am 24. Mai vom Könige ohne Um- 
Bchiitte gesagt haben: ,praeaentia diminoit famam'. Dieser 
Herr möchte sich nnaerer, der russisclien AUians gleich eines 
Schildes bedienen, um hinter solchem ohne eigene Gefahren 
seinen Nachbarn derbe Streiche zu versetzen. Kussland sehe 
es höchst ungern, dass sich Friedrich in die polnischen Ang9' 
legenheiten einmischen wolle, und dass zwischen Preussen und 
Sachsen so ttbertriebene Zollerhöhung den Handel lahmlege. 
Und Krokow wiederum theüte dem Grafen Nngent aber diesen 
mssischen Minister mit, dass ihm Friedrieb aif mitgespielt bat 
«Saldem habe auf hoben Stelaen geben und aus einem grossen 
Home blasen wollen.' 

Trotsdem aber der Wiener Hof so anmittelbar von dem 
russisch-preussiscben Zwiste yielleicbt nlcbt unabsicbtlicb unter- 
richtet wurde, liess sieb der Eindruck am Wiener Hofe nicht 
▼erwiscben, dass Friedrieb eine Entrevae mit Josef IL nur 
au dem Zwecke wttnsobte, um sie filr seine russiscbe Politik 
SU verwerten. Gerade sein Wfiblen gegen Frankreich, dessen 
militärische und finanzielle Lage er dem Grafen Kugent mit 
den allergrellsten Farben schilderte und dessen Wert als Bundes- 
maclit er ebenso lierabsetzte,^ wie er es mit Sachsen bei Russ- 
land am Petersburger Hofe that, hat in dem Staatskaualer die 



* Nogent vom 24. Mai 1766. 



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395 



Meinung gefestigt, dass es Friedrich mit seiner Entrevue auf 
die Durchbrechung dieses Bundesverhiltnisses abgesehen habe. 
Und in fieser Ansicht wurde Kaunitz nur bestärkt^ als Nugent 
am 14. und 20. Juni von den Ueberredungsversuchen MitscheÜB 
berichtete, Oesterreich von der fipaiiz"=^i!^chen Allianz abzuziehen 
und zum Abschlüsse eines englischen Bündnisses zu bewogen. 
Anderseits verkündigte aber die beYorstehende Ablösung des 
Freihemi Bohd vom Wiener Gesandtschaftsposten und dessen 
Ersetsong durch den Freiherm t. Edelsbeim, einen Vertraaten 
and Liebling des KOnigs,^ einen Wechsel des Systems. Also 
ein Anseidien^ dass mit diesem neuen Manne der Träger einer 
neneni vielleiGlkt frenndsohafidiehen Mission an der Denan ein- 
aiehen sollte, tmd dass es dem Könige mit der Zusammenkunft 
▼ielleieht ernst war. 

Und deeh kam die ursprttngHeh lor Zeit der Sommer* 
manöTcr,* später für den 26.-38. Juni 1766 geplante Zu> 
sammenkunft Friedrielis mit Josef in Torgau (oder in dem 
Schlosse Lichtenberg bei Poetin) nicht anstände.* Aber 
man war nahe darangewesen. Als Josef auf der Rückfahrt von 
Dresden — trotz des strengsten Incognito, das er in seinem 
dreit&gigcn Aufenthalte als Graf v. Burgau bewahrte, hätten die 
Sachsen den Kaiser mit Jubel und Begeisterung emplangen* — 

' Am 10. Juni schreibt Nugent über diesen: Er habe dem KOnige allea, 
vraa sich täglich in Herlin ereignoto, stet; zugetragen und sei auch von 
Friedrich vor zwei Jahren heimlich nach Paris entsendet worden. Musfte 
sicli jedoch von danueu bei Nacht und zu Fuaa flflchteii. 

* Die preuasiachen Truppenübungen fiudan Tom 18. Aagiut bis 7. Sep- 
tember in Sehleeien itatt. Vgl. Boedenbeeki Tagebneli oder Oeeebielits- 
kalender, 8. 977 ff. lieber die SmIm a. Vngeati Beriebfe bii m dem 
vom 9. Juni 1766. Ä. Büor, Archiv 47, 392. 

» Vgl. P.C. XXV, S. 126—128, dazu Arneth, VIlI, lH)-n4 und Anm. 161 ff. 
Beer, im Archiv tür «sterr. Geschichte 47, 8. 390 — 396 und 433—438 
ujid iLl'imaiin, Geschichte von Preuiwen II, 171 — 177. 

* Uebor die seit Marz d. J. bereit« vorbereitete Heise vgl. die Acta im 
Dieedner Archiv, loa 8062, wo die Stottoaen der Bonte, das Penonal 
und die Yerbaadlniifen mit dem alebrieohen Boib» die danmf hinaiu- 
liefen, daw jeder irgendwie ofBeielle Empfimip «tc. in Dresden unter* 
bleiben mtlsse u. a. m. angefahrt sind («u vergleichen wäre damit 
Arneth, VII, 219). Trotzdem hatte -«ich die Nachricht rasch verbreitet 
und jene« Gedicht vom 25. Juni 1760 zu Ehren der Anwesenheit dea 
Kaisers (vgl. Dresdner Archiv, loc. 30662, dann al^edruckt in den 
Dresdner Merkwürdigkeiten Ton 1766, 8. 50 und im Dresdner Anseiger 
von im, Nr. 160. Das« Aden des HolbmraehnllMntei, P. 60 und 



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396 



am 27, Jurii ia Torpiu eintraf, um das ScLlaclitfeld zu be- 
sichtigeu, da war Friedrich II. im tiefsten Geheimnisse mit 
seinem Bnider Heinrich im Kloster Zinna, unweit von»TorgaUj 
angelangt. , Sobald der Kaiser allhier angekommen war.' so 
lautot der zuverlässige Bericht des beigegebenen sächsischen 
Gen raladjutanten GM. Baron Riedpsftl aus Torgau vom 27. Juni 
um Ii Ulir nach Mitternacht, .fiseliiun der kgl. preuss. Minister 
Kampkc (soll heissen Kameke) in allerhöchst desselben Quartier 
und wurde sogleich zur Audienz eingeführt. Nach Verlauf 
einer guten Viertelstunde hatte die Conferenz ein Ende und 
der Kaiser verfügte sich zur Tafel, der Minister nach seinem 
Logis. An Ihrer kaiserliche Majestät aber habe ich diearo 
Abend bei der Tafel weit mehr Tranquillitö als unterwegs 
▼erspUrt'^ Dm Dunkel jener Audienz ist bis jetst noch nicht 

Staatskalondor 1766, 8. 45, es ut sogleich ein Pasqaill auf den Prinz- 
Administrator Xaver), rflhmt die LieKo »le-^ Volk?»«! 7,u Jogof «nd wie er 
dani.ils bereit.s als Vater seiner Untertliatitsu gapnesen wurde. ,Er lebe 
zu £urop«a8 Glück.' ,Xav6r Begent der Sachsen höre, >iimiu diesen 
Zuruf dir «ir Lehre, Ein solcher Naebrahm wird dir nie.* Joeefi Seile 
beetand ans d«ni Grafen Dietriehetein, Obentetallmeister, dem Qnhn 
Johewi CoUoredo und den Generalen Lacqr, Wiedt und IfUtitK. Ueber 
den Aufenthalt in Dresden vfl* daa Schreiben der KnrAntin Marie 
Aütnnio an Friedrich den Grossen vom 6. JuH tu den Oetivre« posth. XXIV, 
Nr. 66, b. 116 und ihr Urtheil über Jonef in den Briefen vom 4. Augnat, 
26. September 1766, ebend. Nr. 6ä und 70, S. 118—121. 
* ,Die BMpriae einee preoee. FeldjSgera, den der preoae. IGniater bei ndi 
bat und mieh vor einen halt. k9n. OfBder aneab, tnadite Ich mir sunntee 
und erAdir von eetbigem, deee der KSnig in Preonen wirklich In Sinne 
sich befanden und es von des knie. Mtg. Antwort lediglich abhingeo 
dürfte, oh der König anhero kommen oder wiedt?r zuriickgcTien würde. 
UtkI wie ich allewoile vernehme, «o ist f>bf ii gedachtem Feldjäger dcrch 
einen kaiseriicbeu Uuterofficier, das« Ihro Muj. der Kaiser morgen früii 
um 6'* von hier abgehen wnrden, anch die Kamen derer in des Kaisen 
M^}. Saite befindlichen Pereonnn nnd wae denelbe euiet noeh sn wiaee 
▼orlangt» in die SehreibtaÜ»! dietiert worden. Auch eifidire idi den 
Augenblick, daaa der preiusische Minister vor sich und den bei sich 
habenden Feldjäger morgen 4>> die Postpferde cur Abreise bestellt habe.' 
Dresdner Archiv, loc. 3062. MerkwUrfligerweise erwähtit die Fol 
Corr, auch hier wieder kein Wort über den heimlichen Auteuthalt in 
Zinna. Intereäfiant ßind die Briefe, die Xaver mit seiner Schwester, der 
Danphine ICaric Josepha, hierdber geweeheelt hat» im Drcedner Arebir, 
Nachl&ase 8, Nr. 8 K: ,Je ne toos dit point reffet, qnc oetta virile 
feit anr mA, ponr ploa d'une ndeon, rw» ne conne i ee Je , per eonatqttant 
eet, U ne vcne aera dififtcU d*«n jogar (Hr. 86, vom 4. Jani 1768). An 



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m 



erhellt worden, ganz besonders deshalb^ weil der wichtige 
Briefwechsel Josefs mit seiner Mutter noch nicht gefunden 
worden ist.* Unser Gewährsmann sagt in einem zweiten Be- 
richte, dass der Auib'ag des preusslschen Ministers (v. Kameke) 
, nichts weiters als ein blosses Coni|>]iiiient zum Geo^enstande 
gehabt habe, wie er von dem Grafen v. Dietrichstem ver- 
nommen habe'. 

Aus Josefs Briefen an seine Matter vom 30. Juni wissen 
wir, dass er auch nicht ein Wort Uber die Zusammenkunft in 
dieser Audienz fallen Hess, trotzdem Kameke es aehnsOehtig 
erwartete. Aus Josefs Unruhe unterwegs wird man gerade 
seine Unentochlossenheit, gegen den Willen der Mutter die 
Verantwortung allein an trugen, nieht aber, wie er schreibly 
seine Festigkeit ersehen: ,mais entdt^ et fenn^ dana mes propoe, 
anrtout quand il s'agtt d'obliger le senl objet^ que je respeete 
et adore, yai persistA jusqn*k la fin dans mon systkne et ai 
manquö l'uniqne oceaaion.'' Auch dürfte man mit der Annahme 
nicht fehlgehen, dass die Kaiserin sich nicht so sehr gegen eine 
Zusammenkunft als solche, ab gegen ein ostentatiyea ESntgegen- 
kommen Josefs aussprach. Nugent war beauftragt, jede positive 
Erklftrung zu Termeiden, da der KMser weder den Kdnig durch 
eine Zurttckweisung yerletaen, noch vor der Welt den Schein 
auf sich laden wollte, ab habe er die Zusammenkunft gewflnschi 
Auf eine Anfrage sollte Nugent den Tag nennen, an dem Joeef 



6. Juli (Nr. 29) schreibt er ihr, dass er mit Josefs Conduit« ihm (Xaver) 
gegenüber »nhr zufrieden war: certatne personne, dont vous me pnroissös 
Stre curieusQ d'etro inform6, eile a ibUi on ne peut pas plus sage »ans 
faire paroitre le motndre eiubarras, qu'on remarquoit tr^ bisn M lui 
«t tont ]» urandA l'a admii^ Wi« neugierig die Daupbioe dem Bwuehe 
JoMüi xnaah, bewaiit ihr Behrdben m Xaver Tom 6. Jnli 1706 (Naeh> 
llsse 8, Nr. 8, O. ebend.): j*attonda aT«c {mj^tleac« d'appittidM, 
comment se sera paas^e la fameiue risite que vous aves eu, on m'a 
dijk parl^e de certaine«» rhoie«, qni en ont choqn^es et impatientöes 
d'ici, j'en ai pas la moimire petite nouvolie k vous donner; je no «vai«, 
81 c'est qu'il u'y en a pas ou bien que peu cunouse de mon natu- 
relle, je sui« eneor» moiiu k porlle d'en apprendre dans ma di6re 
retraitto» qui me devieot plus cbiie k merare, qne le moment de la 
quitter approdie^ et U n'eet helee qae trop proebain, 
> Auf dieee Ltteke bat Adolf Beer im AtcIut IBr OMenr. CMidite 47, 
aatm^tkaMm gemaehi AnfiMlcbnengen toh Kameke aind anbekaiint 

• Araeth» Briafiveobeel I, 8. 180, Nr. LXXVIL 



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ÖÜ6 



in Torgan eintreffen wOrde,^ and genan diesen Anftrag* hatte 

der Gesandte in seinem entscheidenden Schreiben an Fincken- 
stcin am 24. Juni 1766 ausgefÜJirt,* Mit Unrecht fol^^erte 
Friedrich aus dieser , trockenen Autworfj dah» man die Zu- 
saniuu i.kunft ,decliner* wolle.* Der Wiener Hof plante eben 
eine ,surprise', Friedrich eine ,entrevue'. Friedrich überliess 
es daher ( )esterreich, respective Josef, einen weiteren directen 
Schritt 7.U thun, hielt sich aber zur Zusammenkunft bereit. 

J^)creitä am 24. Juni waren die sächsiseln n Postmei.'^ter 
auf der Strecke Zinna, Jüterbogk und Annaberg dnrrh das 
Oberpostamt in Potsdam aufgefordert worden, 32 Zug- und 
7 Reitpferde bereit zu halten, und ausserdem wurden nach 
den Weisungen des königl. Oberjägers Schmiel bis Rosen feld 
unweit Torgaa die gaase Zeit hindurch Relais unterhalten. 
Zwei Tage später — in der Nacht vom 26. auf den 27. Juni 
— ist die Mehrsabi dieser Pferde wieder abbestellt worden, 
nur 13 wurden dem Grafen Kameke zur Verfolgung gehalteii, 
der sie auch noch am 27. Juni zur Reise Uber Jüterbogk und 
Annaberg nach Torgaa benützte.^ Fast gleichzeitig — am 
Abend des 26. Juni — war der KAnig mit dem Prinaen Heinricli 
yon Prenssen und Ferdinand von Braunschwetg in Zinna an- 
gelangt, begab sich jedooh bereits am Kachmittage des nflehsten 
Tages nach Potsdam, wohin auch der königliche Haashalt, der 
schon seit 15 Tagen in Zinna untergebracht war, snrttckgeschickt 
wurde. Kameke hatte sogleich nach seiner Ankauft in Toigan 
swei Feldjäger zum E<$nig nach Zinna gesendet Daas sich 
Friedrich absichtlich in der Nähe Joseft au%ehAlteii bat, geht 
wohl auch daraus hervor, dass nicht nur ein preussischer Feld- 
jäger, sondern auch der Flttgeladjutant des KOnigs, Major 
Kleist, eiligst in der Richtung nach Zwoede ans der Stadt 
sprengte, als der Kaiser am Morgen des 28. Juni Torgau verhess. 
Auch Kameke hat sich nicht um 4 Uhr morgens, sondern erst 
nach der Abreise des Kaisers aus Torgau entfernt.^ 



' An Nug^ent vom 16. Jim! 1766 antwortlicb des Berichtes Tom 9. Joni 

bei Arntitb, VIII, ä. lU und Beimauo, II, 173. 
> B«i Beimaiin« U, 176. 

* An Finckensteüi vom 26. Juni 1766. 

* Wo er um 8 Uhr anlangte. 

* Nach (lern BUTerlXssigen Berichte eines von Torf^au nach Kloster Zinna 
abg««eluokt«o Expressen, der mit dar fielation Biedeaela ao flbevein' 



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399 



Wohl war es äom Kaiser ursprünglich um die Ver- 
wirklichung der Zusammenkunft zu thon; das beweisen die 
wochenlang vorher bereits erfolgten Aenderangen im Gefolge 
und die sorgfältige ZuaammensteUaiig des Keisepersonala. Aber 
me sollte sich ungezwtmgeiiy anscheinend zufällig ergeben. 
Gerade das aufi^lÜge, vom kaiserlichen Hofe strict gefor* 
derte Vermeiden jedes Aaftehens in Dresden, das strengste 
peinlich beobachtete Incognito, ganz besonders Friedrichs heim- 
liche Beise nach Kloster Zinna, bei Nacht und Nebel möchte 
man sagen, deuten anf den beiderseitigen Entschloss emer Zu* 
sammenknnft hin, die Ton Europa mttglichst unbeachtet bleiben 
sollte. Wenn sie unterblieben is^ so haben eben Josefs Unent> 
sehloBSenheit und die Furcht seinerseitSi ttber den Wunsch der 
Mutter heraustugehen, den Sieg ttber seine Begierde daTon- 
getragen. Die Vorsicht des Wiener HofeS| welchem es ausser 
Friedrich (in den Oeuvres V, S8 und in den Briefen in der 
P. C.) auch der franzOsisehe Gesandte aus Wien in seinem 
Berichte vom 35. Juni 1766 (bei Baumer, IV, 40) zuschreiben, 
dass er die Begegnung im lotsten Augenblicke zu vereiteln 
gewnsst habe, ist wdd zu begreifen. In Erwägung des jugend- 
lichen Eifers, mit welchem Josef dieselbe betrieb, fürchtete 
Maria Theresia, er könnte dem alten geriebenen Preussen- 
küuij^c lilööbCü enthüllen,^ oder seine Abneigung gegen 
Frankreich verrathen, von welcher man uhnubm ganz offen 
in Paris sprach, so zwar, dass der österrcicliischc Lega* 
tionssecretär Barre beriehtete, es sei ganz unglaubHch, wie 
tiefe Wurzeln dieses Vorurtheil bei Jedermann o;efasst habe. 
,Es ist dies urasomehr zu bewundern, da übrigens die Nation die 
ausnehmenden Gemüths- und Qeisteseigenschaften des Kaisers 



stimmt, dass ein Zweifel aufgeschlossen or^chüint. Heide lierlchte im 
Dresdner Archiv, loc 3062. llalten wir eudlich Josefs Schieibeii an 
asine Matter vom 80. Jon! aeben dieee •Sehtischeii Quellen: ,Der 
jifeiuriache GenevaUdjiiteiit des KSniga, ron Klewt, wer sltgeeeliiekt 
worden, i ^ter tone mee pee. Idi hel»e iho geMheo, wie er sa Pferde 
uns auf der ftnsen Tournee am Torgauer fleblaebtfalde gelbigt iet, bU 
jenseits der E!be, und als wir in die Caro9««e stiegen, sprengte er in 
allnr Eile davon (partit k toutes jambes). Das ist kein Märcben, »ondtirn 
wir alle haben ihn mehreremal« geaehen.' Aruetb, Briefwechsel I, 8. IbO, 
Nr. LXXYII, 

* Friedlieh an des Prijucen Heinrieb tob PieiiMeii toid 24. Juli 1766, 
P. G. ZXV. Mr. 16U9. 
AickiT. XCn. Bmi4. II. Hilfto. 26 



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400 



mit wahrer Verehrung erkennt und gleichsam klagend von 
dieser eingebildeten Entfernunsr s})rioht. Der Ursprung einer 
so allgemeinen Emptindung wäre schwer zu bestimmen, doch 
dörften diejenigen Franzosen, welche im Vorjahre aus aller- 
höchsten Diensten entlassen worden, und die in ihr Vaterland 
zurückgekommen sind, vieles dazu beigetragen haben. Die 
Sache ist indes so gewiss, dass ich sie dem Duc de Ohoiseul 
nicht in Abrede stellen dörfte. Ich begnOgte mich, ihm meine 
Verwunderung Uber die Möglichkeit einer 80 angogrOndeten 
and doch so durchgängigen Empfindung m ttoasenii wormof 
er erwiderte, dass ihm dies ebenso wundersam als mir vor 
komme. £r seinerseits Bei gttoalicb des GegenÜieiis versichert, 
obwohlen kein einziger auswlbrtiger Minister hier Torhanden sei, 
der nicht bei allen Gelegenheiten dieee Entfernung in wiede^ 
holte Erwihsung bringe/^ 

Dm Kanniti ans fthnfiehen Gründen oder weil da Ohatelet 
einen Brach mit Frankreich drohend in Anssicht stellte/ die 
Kaiserin-Matter ontersttttstey aach Laey, sonst ein Gegner de» 
Staatskanaslers, sich gegen eine Zosammenkanft waasptuk* 
und sogar der Gesandte Graf Nagent seine Üxlaabareise naeh 
Karlsbad früher, ab festgeaetst war, antrat und Oflar tot dem 
Fürsten ohne Treu and Glauben w^mte^^ war nicht ohne Eindraek 
auf Josefr Begierde geblieben. Das ^^*a]ls06ische System war 
bedroht. Gerade in diesen Tagen erfolgt die Ablösung Staihem- 
bei^ in Paris durch den Grafen v. Mercy-Argenteau und der 
GlesandtschafltBposten in Paria ist, vielleicht nicht unabsichtUch, 

* Am S4. Jnfi 1766 tm Pari«, im k. k. Stsatunliiv Wien. 

* In seinem Schreiben in Edebheim vom 6. Juli 1766 (P. C. ZXV, Nr. 16119) 

sagt Friedrich, dns eich nicht vom VerdaebtS befirei«D kOnne, da« 
68 Kaunitz doch g'ow^soTi «pj, wplrlier »lie Ztisammenknnft adroitetneut 
coiitrt'carr»5 hätte ,})our que la France n'en dfit pas prendre oinbrag-e'. 

* Angeblich weil sein Kegiuient nur aus Preusseu bestanden habe und 
Friedrich der Oroiee diese vielleicht sarückgefordert bitte (Eddeheini 
Berieht vom 96. Juli 1766); nach einer nnderen gleichwertigen Naehricht, 
weil «r nicht an dem flir ihn m na^lfleUidien Orte fToigan) die Zu* 
sammcnlninll vor eich gehen lassen ^vollte (P. C. XXV, Nr. 16110), 
Versionen, die ntir allzn dcutlicb ihre Urheber und deren ÄbsichlM 
verrathen. Solche Bericht« druckt die Pol. (^m•r in extenso ab. 

* Arneth, Vill, S. Uö Aum. Ein Fürst, dem as nicht verschlägt, die 
heiligsten Versprechen zu ^ebeu, um sie sofort hierauf su brechen, wean 
er nur damit ntm Ziele gelangt Nn^ent vom 80. Juni 1766, bei Beer, 
Zoaammeiikflnlte, im Arebiip, Bd. 47, Seil. IV, 8. 487. 



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401 



jetzt %-arant. Es liegt wohl die Vcrnmthimg nalic, dass sicli der 
Wiener Hof der lästigen interpeilationen so lange entziehen 
wollte, bis die Frage an ihrer Actualität eingebtlsst hatte. In 
der That lauschte die französische Regierung gespannt den 
Vorgängen in Sachsen, imd die wenigen Worte, welche der 
OsterFeichischc Legationssecretftr Barr^ Uber seine diesbezüg- 
lichen Unterredangen mit dem Hensog von Choiseol am 10. und 
am 24. Juli mittheilt, imponieren nur durch ihre inhaltsschwere 
Kurze. ,Der Kaiser habe snerst gegen den Freiherrn Rohd 
das Verlangen geäusserst, den KOnig an sehen/ meinte der 
Herzog YorwurfsvoU. ^Friedrich sei listigi yersehlagen nnd fein; 
sndem k($nne man schwerlich in einer kurzen Unterredung 
einander kennen lernen, wohingegen es mOglieh sei, in der* 
gleichen Gelegenheiten solche Vomrdieile au schöpfen, welche 
man nach der Hand sehweriieh und aaweilen niexaalen wieder 
ablegen kOnne/^ HUt man diese Sätie su den in der rorigen 
Audienz ausgeftihrten (s. ohen) yon der bekannten Abneigung 
Jose& gegen das französische System überhaupt, so wird man 
leicht ermessen, wie beklommenen Herzens der Trllger dieses 
Systems in Oesterreich der Reise entgegensah, und dass er sich 
wohl mit seiner ganzen Autorität g« <:en eine Zusammenkunft 
eingesetzt hat. Nun hatte man ihn, den eitlen Kanzler, zehn 
Tage vorher mit knapper Noth vun srim in Entschlüsse, zu 
demissionieren, abgebracht. Ihn wollte Josef nicht neuerdings 
verletzen. Hatte ja Kaunitz nur deshalb sein Kntlassungsgesuch 
(vom 4. Juni 1766) eingereicht, weil er das Missbehagen deutlich 
ftlhlte, welches Maria Theresia über seine langsame Geschäfts- 
führung- bezeigte, und die Berufung Starhembergs vom Ge- 
sandtschaftsposten aus Versailles zum Vicekanzler n<'bcn ihn. 
ebenso wie die OunstbezeigUiiii:pn, welche Josef s( iiicni Liebling 
Lacy bewies, als ihm angcthano Kränkungen empfand. Ks war 
nur mehr Vorwand, wenn er auf die Geschäftslast Inn wies, da 
kurz nacheinander seine Stützen, die Referendare für die nieder- 
ländischen und welschen Angelegenheiten, Johann Jakob Dom 
und Abbate Ludovico Giusti, gestorben waren und auch Binders 
Gesundheitssustand Besorgnis erregte.* 

*■ Berichte in Ziffern im k. k. ätaAtsarchiv Wien. 

* Daa Oesach gedrackt bei Baer, Briefweehael swlgehwi JoMf IL mit 
Kamiiis. äxSmng, 8. 489'-600. Vgl dam dl« Corfeetonn bei Anwtht 
VII, «96—800 und Ann. 417. 



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402 

Doch neben allen diesen jedenfalls zusammenwiikeadea 

Umbtäüdeu und melir als die Abneigung der Kaiserin schauen 
noch immer das ^^epenseiti^e Misstrauen ^ uiiJ besonders Fragen 
und Schwierigkeilen in der Ktiqnette mitgewirkt zu haben, 
obzwar gerade Jofief II. bei jeder Gelegenheit diese beengendtü 
Kesseln abstreifte- und alh-s that, inn die BedriituDg dieser 
poiitisehen Mächte, der Etiquette und des Ceremoniels, die so 
oft im Vordergrunde des politischen Interesses standen, ja oft 
die Geschicke gansser Systeme bestimmteD,^ auf ein natürliches 

» Wir liaben Hhnliche Beispiele in der vereitelten Znsnmnienkunft von 
Amions vom März 1392, als Richard von England in Dover blieb, AOck 
in der geplanten Entrevue von Rheims vom Ifftra 1.S98 swimImii 
WenMl IV. uncl Karl IT. von Frankreich. 

• ,At«c aill« plaiair je me dipoaillerai 4e tonte Mquelte,' aehreibt er am 
8. Februar 1787 an du In&mtaa Don Minand v. Parma. (Atti e 
memorie delle depntazionl di storU patria per le Prov. Moden, et 
Parmes. IV. 1868, S. 123.) Man denke nur an seine Incognitoreis^u. 
,Ma fa(;on de jionser bien pen \yort6 k tont C^römoniei et qui prefere le 
langage de l amitie ä tout autre,' ist Schuld daran, dass idi io TerHanlidi 
•ehreibe, beiaet ei in «einem Bri«fe rom 87. Jlnner 1787 an seine 
Sobwlgüin Maria Antonia m flacbean. (Kooh ongedraekter Brial, in 
Dresdner ArebiT, NaebUaee 1, Nr. 10.) 

• Vom Ceremoniel handelt Bielefeld, Freiherr v., I^hrbef^rltf d r .^^taAt«- 
kun««t, II. Theil, S 426 ff. Ganze Localo sind angefiSllt mit Acten darülor, 
8ü im Dro.sduer Archiv, loc. 3242. , Etiquette und PrÄcedeniflUle,' loc2625 
in den Acten dos geheimen Käthe» von Riaucourt ans Mannheim 1767, 
Z. B. D^l de la diwoasion. qae lo Gomte de Podstank^ » en 4 la eonr 
de BavMre, par rapporC an CMmoniel vcm 88. Movember 1767, «beaio 
die Berichte Tom 10, Jenaer, 28. Febmar, 27. October, 9, Deceraber, 
16. Deceraber, 17. December 1767. Ungers Bericht« ans München, 
loc 2650 cboml., bieten wettere wertvolle zeitpe^ichichtlichc Anfj*chlQsse. 
Diese verschiedenen Arten de.- ,Einpfangeu8, NiedersHtzens, Begleitens» 
Aufwartem, Eiuhohlen»' waren wichtiger für den echten Diplomaten alf 
ein guter Verstand. Daaa man aufi Beiebilehena-Cerenionial atrenf 
aohtote, Qeaetee aofotollte, wie es mit dorn Kiederknieea bei AblefOBg 
de« Lebemeidet, dem KOnaen des Sehwertkopfes oder dem Anrühren des 
Schwertes zn halten sol, solUo Aber die Nichtigkeit und Bedeutungs- 
losigkeit dieser Institutionen hinwegtauschen. Sebastian Brunner druckt 
in seinem Werke; Der Humor in der Diplomatie und Regierungskunde für 
da» 18. Jahrhundert, Bd. I, S. 31, eine »m 31. December 1773 abgefaute 
Handachrift ab: , Unterricht und zusanamongetragone Terfiuanng für jene, 
welche sieh seinerseitfarQeesndtsehafteii tauglich maehen woUan.* Sbeadi. 
S. 148— 148 ff. ]>i6 Begriffe Hofbtiquatteordinmg von 1766^ Bd. II, & S6Bff. 
,Das CeremonlaU bei der Wahl eine« Fürsten und Bbchofi« von Passau. 
1701. Ani unseren Jahirttn notieren wir Viuthnnw Berieht aas Wiea 



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403 



Mass von Geltung einzuschränken. Unser Gewährsmann, der 
Barou liiedesel, fi'iict seinem J-^erichte aus Königsbrück die 
charakteristischen Worte hinzu: ,Ich meines Orts aber halte 

vom 9. Jänner 1768, ,wie die Rnnc-^trcltigkeiten zwischen den Fürsten 
von Schwarzenberg und dem Prinzen von Zweibrücken hei einnr Schlitten« 
fahrt betreffandS im Dresdner Archiv, ioc. 2938. Pergen ^ Gedanken Ubor 
den Rangstreit su Trier an CoUoredo vom 20. Mai 1765 bei Bninner 
(s. obeny^ II, 417, giws beioiidevB P«r|^ii an Katuiits au Maini am 
96. Febraar 1766: ,Biii langwieriger, hOebtt wlehtigar C^ramonienttreil» 
das Oeldate der Charfllistin von der Pfalz nncli dem Handkuee von 
Scito der Gesandten-Frauen.' Ebond. S. 427. Eben diese Frapfe des 
Handkusses spielt rtm-h in der Correspondens zwischen Mercy — Kaunitx 
seit 1702 («. Sbornik XLVI, Nr. 9i, 8. 116 ff.) eine grots© Rolle. Der 
geheime Streit nm den Vorrang zwischen den eugli«chen und den fran- 
sOfischen Gesandten am Wiener nnd Hflncliner Hofe (rg). Secneil des 
inatmctiom ete. VIII, par Sorel Alb^ 8. 487/8 ff.) Tersefairft die feind* 
seligen Besiebnngen. Infolge eines ESÜqaettestreites hat bekaantlSeh 
Friedrich der Grosse seinen Gesandten v. Buch im Jftnner 1765 von 
Dresden abbernfen nnd durch einen Leg-ation.ssecretär er>»of/t. Ueber 
den Titel- und Rang^streit Bayerns mit Frankreicli bei den Veriobunpa- 
feierlichkeit<»ii Joäefs II. mit der bayrischen Maria Josüi'a in Wien liegen 
im Münchner al^meinen RelehsarcbiT (Fase. 186 der Rriehstagsai^en 
▼on 1766) wicbUge nngedrtiekte franiOsiaciie AcCenstttdEe. Aber all diese 
Irrnngein» ancb nicht die alten Rangkämpfs zwischen Chur-BOhmen nnd 
Bajem, «wischen den Städten Nürnberg und Regensburg am Regens« 
burg^er Reichstag'e, haben Jinchhaltig- politisch hochbedeutsamo Policen 
gehabt wie die V^erweigerung des Titels kais. M.njestiit seitens Frankreich» 
an Katharina von Russlaud. Sie erst hat das Verhältnis dieser beiden 

KKchte aa etaer Ftf odseligkrtl angefacht, wie de nnr eine so persOnlidie 
Angelegenheit, Weibereitelk^t and Stola in dem Zeitalter der ausge- 
bildeten HerrsehersoaTerlnitftt «rnengea können. Endlich sei nodi auf 
die Verhandlungen hingewiesen, w elche lange der Vermihlnng des Öster- 
reichischen Erzherzogs Ferdinand mit Beatrix von Mndena vorangiengen. 
Vgl. Arneth, VII, 473. Aus der grossen Literatur sei auf die Schrift des 
Freiberrn Franz v. Bechtobheim im 40. Jahrg. des »Archives des bist. 
Vereines Ar Untnrftankea and Asehiffenbvxg*, B. 101 ff., Terwlesen, in 
welcker dleCeremonielroraehrillen abgedraekt werden(aa« dem Jahral76?), 
so bd ^nfiiehnnmg and AttfiMdiwOkning einer nenen Stlfffesdame an WflrU* 
bürg dermahlen gehalten und beobachtet werden, benchrieben von Franz 
Paulus Greislinfj*. Wer kennt nicht t\as Bild von Ln'iis de Silvestre iu 
der Dresdner Oeiüählojriilerie .Eine Begegnung zwiscLou Karl August III., 
seiner Gemahlin und deren Mutter?' In Vebses Geschichte der deutschen 
Hofe begegnet man wdteren aalilreichen Beitrigen nt diesem Exevrse, 
welcher Ansproeh anf Tollstindigkeit an Beispielen anoh Ittr unsere 
Jahre darehaas nicht ethebt, sondern nnr skinieren aoIL Vgl. anch 
dia P. a XXVI, 8. S78. 



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404 



dafttr, dass man wegen dor Arth und Weis, wie dieie 
ZaBammenkanfty ohne der kais. MajestHt etwae an ▼e^ 
geben^ anzu8telleii| nicht habe ttbereinkommen können^ 
wie ich solches ans einem, Ton Ihro kais. Majest mit 
mir Uber die Ankunft des EOnigs geführten Disconrs 
eimgermassen habe schliessen kOnnen.'^ Bekannidich hat 
auch die Kaiserin fthnlich an die Grftfin von Enzenberg ge- 
schrieben.' In seinem Briefe an seine Mutter vom 8. Juli 1766 
meint er, dass es nnr politische Wirkungen sein konnten, die 
Friedrich mit der Zusammenkunft bezweckte.* Keinesfiüls tit 
das Scheitern desPIaneSi wieKaunite angab, auf MissyerstSad- 
nisse oder ZuMle suittekiufthren.* 

Im Grunde waren die Absichten bdder Fürsten totsl T€^ 
schieden. Den Kaiser beseelte der ehrliche Wunsch und nor 
dieser^ den grossen König und Schlachtenmeister kennen zu 
lernen. Die näclisten Kreise sollten vun der Zusammenkunli 
nichts erfahren. Friedrich aber wuilte sie an die grosse Glocke 
hängen. Ihm, dem praktischen König, kam alles darauf an, 
sie ftir seine russische Politik auszubeuten.^ Die Bekanntschaft 



' Im Dre«dücr Archiv, loc. S0Ö2. 

'Am 11. JuU 1766, bai AnMth, YOl, & 116 Aam. 18S. 

* k Vnibnfm» mMm«^ loin qoe le Boi poomUt plaii^re, je retonraMsb 
rcffanM da noa cM, piiu qae dif, qoe j'ai M tonte «pparanee^ de 
ooneart mutuel, mdme dsai Im jeox du pnliUs k cette entrevue, le Roi 

n'a pas trouvi, que ma coanais^ance personneUe seule meritÄt, qu'il aille 
courir si loin. Ce n'Maient doiic quo certains effets poliiiques, 
dont je devais dtre l'^pouvantail, de uon ma peraoune, que le lui aväü 
tant £ait deairer. Araetb» Briefwechael swifehen Josef and Maria Tbe- 
nria I, 8. 187, Hr. LXXVia 
« BdelheiiM Bartobt vom 98. JnU und Bolids Bariaht tqhi Sl. Juni 1766 
(P. G. XXV, S. 150), trotzdem Lang an Ka^t bei Beer, Archiv 47, 
Beil. V (andat.) schreibt, dass Josef ebenso entfernt ist, ,de d^blifer, 
ou de refuRer uno entrevue «Tee la Boi, «i la baaard et 1» enrprifl« 
la lui procuro*. 

' ,Frie<lrich voudrait montrer k la liussie que leur alliance ne Lui etait 
pae «i n^oaMSira,' me&ai» Qnt Flamoiiig sa Nofant (daaaaii Baridbt tob 
80. Jim! 1766 aa Katmita bei Bear, Arabiv 47, Beil. IT, & 486C). Hi«aat 

selbst berichtet am 81. Juni: ,£s dürfte kein aadavar B a ma g gim id ftr 

Friedrich verborgnen sein, als durch diese Entrevue deift Paienbu]^ 
Hofe zu erkennen xn g^ben, dass er desselben in Anselinng der mit dem 

Oesterreich pflegenden |?uten Einverständnisses, eben nicht ho sehr nBthif 
hätte, wie es solcher sich etwa vorstellen müchte.* (Wiener Staatsardur 
in Cloffem.) 



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m 



des jugendlichen Kaisers war nur Mittel fttr diesen Zweck. 
So verhält es sich mit dem , armen, vom Wiener Hofe Hinter- 
gangenen Preussenkönig*.* Und weil Friedrich diesen Gegen- 
satz genau kannte, selbstverständlich wiisste, dass er mit diesem 
Beginnen die Vereinbarungen der Begegnung geradezu brach 
— eine ,surprise' sollte sie bekanntlich sein — hat er dem 
Kaiserhofe nach dem vereitelten Versuclie keine Verstimmung, 
keinen Groll merken lassen." Aber tief im Inneren der Be- 
ziehungen beider Staaten hat der verfehlte Versucii einen herben 
Nachgeschmack liinteriassen, über welchen weder die gegen- 
seitigen Höflichkeiten.^ zu denen noch Kaunitzens Geschenke 
an Friedrich (der bekannte selbstgebante Ofen/ später Trüffeln)/ 
noch sonstige Bemühungen, den äusseren freundscbafllichen Ton 
zu erhalten, hinwegtäuschen konnten/ ^ous en sommes aux 
compliments, anx attentions et anx politesses^^ schreibt Friedrich 
an den Erbprinzen von Brannschweig am 27. Juli 1166, ,mai8 
le Diable n'y perdra rien, car Ü eBt dit dans le livre des 
destins, que Rome et Garthage ne penvent subaister en- 
semUe.'^ 



* Alf dM 0» dto Pol. Oorr. blmlallti w«» wir aiMb Ani«llM aelittii- 
ilrlMriiehe, jedoeh weit beweiakfUUfai« Dantelliuif als an eiaMlIlg be- 
Mlcbnen üXtithta, 

« Vgl. NugeatA Beridit vom 2B. Jidi 1767 bei Anielb, VIII, Ul-^lü, 

« Ameth, Vlir, S. 119—120. 

* Dass andere Fürsten damals das Kunstgewerbe pflegten, ist bekannt. 
Auch vom Kurfürston Max Josef von Bayern existiert noch ein selbst» 
verfertigter Hangeleuchter aus Elfenbein mit 16 Armen. 

* F. C. XXV, S. 216. 

* »Je Toas avone, UtAämt,* sehrieb er an die KarfBntiii voa Sadbiee am 
4. October 1766, ,qu6 j'ai M nn pea fieb^ qee rentrevae n'ait pas Ue«* 
(OeaTTw poilli. XXIY, 8. 12S). Diese Hitibeilang dflifts wir ak wirUteb 

ans Friedrichs GefUhlen entspfongen annehmen. Was anf Friedviebs 

sonstige brieflichen Zusclirifton zn ge?ipn ist, wird man ^nch ans jenem 
bebreiben An Marie Antonie entnehmen vom 15. Juli 1766, in welclieui 
er fälschlich angibt, das» ihn der Wiener Hof zu einer Zusammenkunft 
Angefordert (nebenbei ge»agt, muss es im Abdrucke dieses Schreibens in 
der F. C. XXV, statt ,mettfe frein* ,aiettre fin* beiaiea). Sbense 
Itat das Sebreibea Friedrieba an Heinrieb vom 88. Juni 1766, auf Gntnd 
dessen Duncker, S. 170 Anm. 1, BeexB AaflSusani^ bemlagelta, gar beine 
weitergehenden Schlüsse zu. 

* Der König revAnchierte Bich mit der Übersendung seines Bildes an 
Kaonlti (s. P. C. XXV, 990, XXVI, 8. 66 Ann. 4, 8. 67, Nr. 1660$)). 



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406 



Die preussisohen Berichte aber, welche im Ziisftmmeiihiaig 
mit dem yerfeblten Versuche mittheilen, dam sick Josef, der 
sicli SU weit voigewagt habe, tief gekrankt mit seiner Matter 
tmd besonders mit Kaunitz überwarf, ebenso wie die Ge- 
rüchte vom neuerlichen Rftcktritte Kaunitsens oder gar von 
der Abdankung Maria Theresias* darf man dnrohaus nicht, 
wie es die PoL Oorr. thut, auf den missglttckten Plan der 
ZuBammenkunft snrllokfilhren. Sie sind Tielmehr, wenn aneh 
in viel tieferen politischen Gegensfttaen, doch jetzt im Sep- 
tember 1766 augenfiülig in der Angelegenheit von San Remo 
begründet. Mit Rftcksicht auf sie hören wir den Kaiser Josef IL 
,vom Comidäts Willen hiesiger', von ,leoreii Furchten, 
weit ausgesponnen Grillen', ,von dem lettre du verbiage". 
der ,peur puerile d'une mauveuse humeur, irhs eloignee et cer- 
tainement iufructucuse'* sprechen. 

Sie, die uns eigentlich hier nicht niiher interessiert, bot 
den Anlass zu jener vernichtenden Kritik der ganzen Kaunitz- 
scheu Politik dnrch Josef: ,Erkänntni8 beyderseitig-en Nutzens 
macht nach in einem BegriflFe Staats Systemate un<I Allianzen, 
dessen Fortdauer und beider Theile gutes Betragen erhält sie. 
O wie sehwachen (Tnirtd hätte eine Allianz, wann persönlicher 
Unwillen, oder ungegrllndete Erzählungen ihr schon einen Stoff 
gäben.' ,Das8 Ihro Maj. die Kaiserin mit mir in eine Collision 
zn bringen gesuchet wird, ihr geheiligtes Wort in einer Sache 
gegeben wird, was sie nicht versprechen und ich nicht halten 
kann, in der Sache selbst keine Gerechtigkeit geschähe und 
ich vor einem rechten Fautom, den man gar wolte zu glauben 
machen, dass er etwas anderes gedacht, als die Wtirter ge- 
heissen, die er gesagt, bej denen fremden Hdfen und vor ein 
wahres Mlnistres Spiel passieren mUsste' n. s. w.^ Eher wird 
man die Gerttchte von der Abbemfung des Generals Nogent 
und dessen Ersetzung durch den GM, Jaquelmin mit dem Zu- 
sammenkunftsrersnch in Verbindung bringen kOnnen.^ 

' Diese Gerächte draugeu aitcli an den rasiiachen Hof. Solms Berielrt 
vom IS. September 1766 im Sbomlk XXH, Kr. «66» 8. 477. Tgl. P. C. 
XX^ 264. 

' Josef .im 10. September 1766 an seine Mutter bei AmetL, Briefwecbsel, I. Bd. 
' Ebend. I, S. 191 Anm. Erst zu Bopinn des n.HcIiskni J.-iIiref: wurde die 

ÄfTnlro San Kemo boigolegt, s. K.iunitz an Cboiseul vom 21. Jjüinnr 1767 

boi Ariict)i-Flaniinenuout, S. 326 Äntu. 1. 
• P. C. XXV, 253 Anm. Ameth, Bd. VII, 314—816. 



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407 



Bei der Frage Uber die österreichisch-preussischen Be- 
ziehungen spielen auch die handelspolitischen Verhältnisse eine 
Rolle; ja man möchte mit Rücksicht auf den seit den Breslauer 
Vertrilgen bestehenden Zwist und den alten, seit 1766 ge- 
steigerten Kampf um den brifimisclicn Handel mit Schlesiou 
versucht sein, die Mitnrsarhe des resultatlosen Zusammenkunft- 
Versuches in neuen Handels- oder Zollstreitigkeiten zu finden. 
Jener Zwist war durch den unklaren Wortlaut der Friedens- 
urkundc hervorgerufen, dass der Status quo ante in den handels- 
pohtischcn Beziehungen wieder hergestellt werden und so lange 
in Kraft bleiben solle, bis eine neue definitive Vereinbarung 
xiutande gekommen wäre. Friedrichs Repressalien und Zoli« 
crhöhungen auf alle von den Erbländem nach Schlesien und 
Preussen gefUhi*ten Waren knapp vor Ausbruch des dritten 
schlesischen Krieges hatten den vollstindigen Bruch beschleunigt. 
Und wenn auch der Hubertsburger Friede den Interimsver- 
Ordnungen ein £nde machte und alle Staaten jedes Contrabenten 
wie alle anderen fremden Staaten behandelt werden sollten, so 
hatten seitdem Friedricha Einfuhrverbote auf zahlreiche böhmische 
Artikel (vom 9. Mai bis 2b. Juni 1766) die Beaiehungen zwisehen 
Oesterreich und Preussen auch in dieser Hindcht wieder ver- 
schlimmert Erst im folgenden Jahre minderten sieh die 
Schwierigkeiten. Mancherlei entgegenkommende Massregeln 
seitens des Wiener Hofes — man denke an die Erlaubnis, das 
PorzeUangeschenk Friedrichs des Ghrossen an doi Fürsten von 
Liechtenstein soll- und kostenfrei aus Preussen nach Oesterreich 
senden zu dürfen (März 1766) u. a. m. — hatten dazu beigetragen 
und es hatte den Anschein, dass es in deraelben Zeit, in welcher 
die im Mai 1765* unterbrochenen Handelsbeziehungen zwischen 
Friedrich und Sachsen wieder aufgenommen wurden/ auch mit 
Oesterreich zu einem Vertrage kommen werde.'^ 



* Das preussii^cbe Ediot vom 7. Bial 1706 bei MyUiis: Nomin oorpm OOQ- 
Btitutionum, Bd. III, 723. 

■ Am 18. Juni 1766 wurde in Halle «lio Commeraconvention über den 
MessehjiDdel abgeschloMen, gedruckt bei Wenck: Cod. jnr. gentium III, 
569ir. Vgl. F. a XXY ▼om 7. JiaiMr 170S, Nr. 16861 n. f. w* 

* Vfl. lUke, OeMblelits dMdrateoheii Zollwesenst Lti^mg 1869, II. Alwcliii., 
B. S6»ff., 606—810, 8iO-^89S, 885—887; H. v. Bwi«elin: Hlvtpkrit D«r- 
stelhlUg der Accise und Zotlverfassnng in den preussischen StAaten ; Hcr- 
maan Fastenberg-PaokiMh: Qeadiichte dee SSoUveveinM, I^eipsig 1869» 



408 



DamftlB beherrachten H«iideJsvertrlige ein gut TheÜ des 
gesammten politischen Interessee. Hit Spanien hatten Rnsshmd,^ 
Oesterreich, Frankreteh und Preoasen* UnteriMadlnogen ange- 
knüpft, mit Marokko unterhandelten Oeeterreich* und Frankreich, 
und In diesem Jahre wurden die ersten Handelsahmaehun^en 
swischen Preussen und Frankreich gepflogen.^ Sie führten 
hekanntlieh awei Jahre spftter sur 'VHederaufnahme der seit 



8. 3 — 68; Zimmermann, Geschichte der proussischon H,i-nde!spolifik; 
Adolf Beer in den Mitth. de» In«titate für österr. Geachichtsfoncbni^ 
XIV, S87ff. 

^ LoUcowits bniehtot am 19. Uini 1767: ,Dft aieh dar ■peaiMlie lOaiiter 
aehott tait «inigar Zti% bemtlht hat» awiaeheii Enadaiid «ad Spaaiaa 
flinigM Commercium anzubinden, so hat er es indes dahin gebracht, dMi 

ein spanisches Schiff mit Ladnng in Petorsburg eingelaufen und in kurzem 
von dort mit hiesigen Producten wieder abpeheu wird. Es ist demselben 
vom Zollamt aller freundschaftlicher Vorschub geschehen, wie denn auch 
vermOge dem hiesigen neuen Tarifediespamsch-portugteäischeu und itaiieoi- 
•ehe» Prodnele gegen die mit nngehenar hohen Abgaben bdeglea ftaa» 
sOsleehen eehr gUmpflieh angesetit wordan aini, woiaoa rieh aigibt, da« 
ungeachtet des rnssisch-engli.schen Handatore i tr age* man gleiehwehl adt 
anderen Nationen in nähere Verbindung^ zu kommen wOnschte' (k. L 
Staatsarchiv Wien). Am 17. Juni 1768 berichtet dereelbe: Vom spani- 
schen Hote ist ein kgl. Provisionnär uanions Schone Rnherj^ekommeu, 
wird hingegen dettsen beim hiesigen Zollamte in Dienst stehenden Bruder 
nach Spanien abgehen nm Torllnfige Ketintnie beideteeiii eiiuniiiebeB, 
was art awieeben dle«er nnd der hieelgea Krone ein gemeiaa eonraree aai 
fllgliekfteii au venuutalten wire. Ebenda. 

* Den von Friedrich dem Grossen im Juni 1766 eingesandtan Tartrag»* 
entwurf, V. C. XXV. Nr. 16073, lehnte jedorh Karl III. ab. (Thnlemeier, 
am 11. Noveujbür 1706, obend. 16345.) Ueber die weiteren Erfolge die.ter 
Unterhandlungen im J^hre 1767 s. P.C. XXVI, S. 39. Im Jahre 1767 
wnxde aaeh mit Portugal angeknüpft (an ThulwMier vom 13. April 1767, 
P. C. XXVI, 8. iS7). DeiMa Bericht vom 80. Juni, P. C. XXVI, & IM 
Anm. 4 und Nr. 16717. 

' Josef schreibt an Leopold am 15. Jinner 1766 ^Mi Amath, Briefwechsel 
I, Nr. LXXIII, 8. 177): Je vous prie, de me marqner vos id6es sur la 
paix, k ^riger avec les Barbares, quo des rai.sons pour et contre de 
respöranoe, qu'on peut se faire de sa diir^e des depensea, ^n'elle exig« 
et k le Bei de Marue j doit dtre compris ou non. 

* Wohl entnehaia ich den geeehriabeaen Oaaellaa da (a im WOn» 
bnrger KreiearehiTe (HilitliaMhaa tS96) ▼om 10. Saptembar 1766 eine 
aageblich vollzogene preusaisch-fnuiillaiidia Aanihemng und »mUm 
bevorstehendo Hescliickung. Doch schwirren solche ZeitongsgerQchte 
schon seit langer Zeit herum. Im «weiten Theile der Arbeit «eideu rie 
nlLber untersucht werden. 



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409 



dem 8i\'bt iija,hn<:i 11 Kriege unterbrochenen diplomatischen Ver- 
bindung:^'. Kiisslaüd setzte alles daran, um den Handel auf dem 
Schwarzen Meere an sich zu reiesen* und um mit Dänemark den 
günstigen Handelsvertrag durchzusetzen, damit den russischen 
SchiflTen das Sundrecht, welches den mei8tbeg:ün8tigten see- 
fahrenden Staaten zugestanden war, auch eingeräumt werde. ^ 
^Der russische Hof hat viel Hoffnung mit den Ohinesern die 
fürwahreii'U' Uni inii^keiten beizulegen; zu diesem Zwecke wird 
der schon vor * ini<;f n Jahren in Pecking geweste Oberst Chropo- 
tow ehestens an die Grenze wieder abgehen, in der Hoffnung, 
wiederum freien Zutritt in die chinesischen Staaten zu er- 
halten,* berichtet Lobkowitz.^ Und Dänemark stand wiederum 
mit Portugal in Verhandlungen Uber einen Commerztractat, 
welcher die freie Einfuhr portugieaischer Weine bezweckte.^ 
Hatte die französisch indisohe Oompagnie im Vorjahre Handels- 
Verträge mit dem Nabob von Garrate und dem Rajah Ton 
Tanjaour geschlossen,^ so gelang der französischen Regiemng 
am 20. Mai 1766 der Handelsyertrag mit Marokko* und am 
2, Jänner 1768 eine Conyention mit Spanien.' Und so konnten 
wir der Reihe nach hat sftmmüiohe enropsische Staaten Revue 
passieren lassen, bis lum Vertrage Bayerns mit Salzburg Uber 
den Sakhandel von Ende 1767.* Niigends Jedoch ist ein so 
reger Wetteifer um die Segnungen des Friedens im Inneren 
und Aeusseren, im 'V^rthschaftlieben und Politiacben, eine soleh 
eifersüchtige Concurrena wahrannehmen wie awischen Preussen 



> BeMript Panios an Qalitzin in Wien, Nr. 4, vom 80. Jotti/ll. Jvli 1766, 

im Sbornik LXVII, Nr. 1364 (russisch) 

* Der provisorische Tractat vom 22. April 1767, abgedruckt bei Wpnrk, 
III, 592—618, 8. zweiter Theil der Arbeit. Vgl. auch Weisangon au 
PiiUo«ophow-8«U«ra im Sbondk LKVIl, Nr. 1466—1456, 8. Stl— S16. 

* Am SS. Jinnw 1767, k. k. StattiirehiT Wi«n. 

* B«ridit dM Qnito von W«lsb«rv »w Kopenhi^rea Tom 84. Felnvar 1767, 
ebenda. (Diitemwk). 

* Vgl. Marten?, Recueil des Trait^.s etc., toni. II; M. de F]af!?inn, Histoire 
gÖDurale de la Diplomatie fran^aisc, Bd. VI, livro IV, 546 fl. Iho unten 
Anm. 3, S. 377 genannten ungedruckteu üazetteu liefern reiches Material 
ZOT Geschichte des Hand«]« und der Colonien in unserer Zeit 

* Btt Koch, RMuatt des ThUt^ to». IL 

* Bei Martens, a. m. O. tom. VI. 

* Ungen Bericht an den iilfthiiitnlum Hof vom S. Jimier 1768, im Onidner 
AtcUt, loG. 846S. 



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410 

und Oesterreich. £b gieng fast keine Weisung Friedrichs an 
seinen Wiener Vertreter ab ohne die stereotype Wendung^ er 
habe jeder Regung im Orgunismiis der Verwaltung der Finansen, 
des Krieges n. s. w. die gespannteste Aufmerksamkeit zuzu- 
wenden. Fast parallel liefen auch die Massre^eln beider Höfe, 
um möglichst ausgedehnte Absatzgebiete in (Kr L vante (neben 
der ostindisclicn war 1765 auch eine eigene Levanteeonipainiie 
in Preussen^ und eine ostasiatische geplant), in Polen und in 
der Türkei ihrem Handel zu eröffnen. LmkrcMi die öster- 
reichischen 8taatämänner ihr Hauptau^enincik auf Triest 
(zwischen Triest und Cadiz sollte eine SchifVsverbindnncr ^e- 
schaffen, Triest zum Ansgfang-spnnkte der g-rossen Han l'^^- 
strasse Triest — HamburL' \verden), so liess Friedrich seine Fiir- 
sorg'e der Hebung von Stettin und der Oderstrasse angedeihen, 
die Swine vertiefen, Swinemttnde griludcn. Die Flussschiffahrt 
auf der Oder verdankt ihm ihre Entstehung. Stettin an Ham- 
burgs Stelle zum Stapelplatze für den schlesischen Leiiienexport 
au erheben (Hamburg war durch die holländische Handelskrisis 
des Jahres 1763 stark in Mitleidenschaft gezogen worden)/ 
dahin giengen Friedrichs Wünsche. Ebenso hatte er Brombeig 
und Kulm mit allen Mitteln sauberer und schmutzigster Con* 
currenz gegen Thom gef^irdert und dicsos häuslich herunter* 
gebracht und war schon lange TOrher £mden zum Freihalen 
erklilrt worden. Neue Strassen wurden wie allenthalben in 
Europa angelegt,' und um die Convention Uber die Schiffbar- 
machung der Lippe mit dem Kölner Kurftosten zustande zu 

* Vgl. King, Asiatische Handelsconipajrnien Friedrichs des Grossen Berlin 
1890, und Borger, Ueberseeiitcbe HandeUbeziehnngen und Pläne unter 
Friedrich dem Grossen. Leipzig ISW-'ldSQ. Bald&ufs Hallenser Di«t»erL 
vom 1898: Beiträge zor OMehiehte dar Handeli- und Zollpolitik 0«it«r- 
nitüM in der sweiten Hltlfte des 18. Jebrktuiderts mit ftnaient wenden 
nicht schon bekannten Ergebnissen, sei eben gemumt. 

* Vgl. Christern, Geschichte der St^dt Hanibut^. Soetbeer, Hambargs 
Handel, 3 Bde.. 1^40 — 1846. Busch, Versucli eiiior Geschichte der 
haraburgischen UaiKÜuiig. E. Baasch, Geschichte der HAiiilelsboziehnn- 
gen zwischen Hamburg und Ameriica 1899. £benders., Zur Geschichte der 
Berlin-Hambnrger Beiiefiüirt in der Z^tMibrilt dee Teteiiiee Ar Bambufer 
Geoebielite IX, m-Ml. Toeehe-Mittler, Der FMedrieh WÜhelau» 
Canal und die Berliner und Hamburger FtusMehiffahrt, Leipzig 1891. 

■ So berichtet der säclisitiche Gesandte am l^iirpfUlzischen Hofe, QcJuti- 
rnth V. Rinuctmrt, von dem Memoire sur uu plan prn.ji't^e, k formpr nn 
graud chemin pour la commodit4 du tranaport des marchandise« de France, 



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411 

bringen, hatte Friedrich bewirkt, dass die ihm in diesem Jahre 
(1766) vom Reiche aufgetragene Execiition gegen die Stadt 
Kaiserswert auf zwei Jahre hiDausgeschoben wurde. Ebenso 
wandte er der Rheinschiffahrt und dem Handel mit den General- 
Staaten seine Aufmerksamkeit zu. Und wie in Oesterreich und 
Preussen in der Zeit^ in welcher in Frankreich und England 
bereits die physiokratischen Richtungen Oberwasser errangeDi 
gmoa gleichmässig und parallel die radicalsten Formen des Mercan< 
tilsystems an Geltung gewannen, so wurde in beiden Staaten fast 
nothwendig auch das ProhibitiTsystem in all seinen Vortheilen 
und noch grosseren Mängeln durchgekostet.^ Oegeoseitig trao- 
tierten sie sieh mit Eunfuhrrerboten fremder Industrieerseug- 
nisse und seihst Bohprodacte, wandten der Gründung von 
Fabriken, der £neugung von Mann&cturen und anderen Fahri- 
caten die denkbar grOsste Sorgfalt an und steigerten die Pro- 
ductionskraft und -fidiigkeit ihrer Lttnder.* Tvoler Seiden- 
indnstrie^ Linaer Baamwolkj die Leinen* und Tnchindnstrie in 
den Sadetenländem, die steirisoh-oberOsterreichische Eisenindu* 
strie, Kupfer- und Messing warenenengungen, die Zucker^ 
raffinerien, die Sammtfabrioation in Ala, erfreuten sich in 
Oesterreich besonderer staatlicher Fürsorge und genossen Im- 
munitäten der verschiedensten Art. Aber trotz der Prämien 



de Suisse et de Strasbourg ä Leipzig. Dresdner Archiv, loc. 2626. 
Am 2. Juli 1768 meldet Dubuis aus Versailles an DraadiMr Hof: 
,Par Am doniiires l«ttrttt de Fwis* erfahren wir von einem neneo Pro« 
jeeke joindre TOcian k la Medtterranfe par le oentre da Boyanma 
an mojen d*na cAnal k {orwpr nntre la Seine et la Sadne, pour Stablir 
nne narigation reglee de Marseille ä Rouen cn passnnt par Lion et 
Paris et traTersant les Provir.cc--, les plus fertilcs du Royavime'. Dresd- 
ner Archiv, loc, 2862. Zur Ausführung dieses Plantia schlägt der Prin» 
von Condö die Errichtung von Lotterien vor. Diese wenigen Bemar- 
knogen nnr anr Eiginanng dmr AnfrleHnngan de Serionaet: Les inlMts 
daa nationa de r£nnpe relakiTement an commexee. 

^ (Ygl. aneh P. C. ZZV, 16966, 1766, aneh 16961 n. a, w.) Man ver- 
gleiebe seine Oanksehrift an Tlinlenieier Tom 6. Jinner 1767, P. C 

XXVI, 16436. 

* Friedrich verbot den Tab?ik aus Oesterreich einzuführen Die Waren- 
einfuhrverbote von 1764 bis 1767 bei Fechuer, Handtslspolitische Be- 
siehnngen Preuasens su Oesterreich, Berlin lödö, ein Buch, das seinen 
pitnarisolien Standpnakt streng bewahrt nnd mit Been Ansftthrungen 
im ArehiT fBr «talarr. Geseliielite 79, 8. 408ff., in den MUth. des InsUtnfs 
lllr 6sterr. Oesdiiehte, XT. an veif leicben sind. 



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412 



auf gute Eraeognlwe, trots der Oommiflaonen, welche durch En- 
queten die Schäden der Industrie zn erj^rttnden suchten, hlieb 

die Qualität der Producte immer maugulhafter. Die FoljE^e wir 
ein Schraiigglerunwcscn, dem auch die streogste Grenzbewachung 
nicht zu steuern vermochte. 

Der Ruf nach Arbeitern erscholl Uberall und lockte zalil- 
reiche Colonisten herbei. Wie die spanische Regierung in den 
Jahren 1764 — 1769 die grössten Anstrengungen machte^ um 
die Sierra Moreiia mit deutschen Colonisten zu bevölkern und 
so die unklugen Austreibungen des 15. und 16. Jahrhunderts 
bis zum Jahre 1009 wieder o-utzuniachen/ wie Simolin, Beau- 
regard und Greneralmajor Bülau für die russische Kegierung 
in Deutschland, Frankreich und in der Schweiz Werbungen 
im gi osson Stile betrieben (s. Näheres im zweiten Theil), so zog 
Friedrich der Grosse Engländer heran, um seiner Landwirth- 
Schaft aufzuhelfen,' berief besonders nach Schlesien Gewerbe- 
treibende (in den Jahren 1763 — 1777 sollen 30.000 dorthin ein- 
gewandert sein)' und suchte man in Oesterreich hauptsächlich 
die Btldöstlichen Länder durch walachische Ansiedler in Oe8te^ 
reich bu bevölkern (was zu einem erregten Notenwechsel swischen 
dem Fürsten Alex. Ghik» und der Pforte mit der Osterreiehi- 
sohen Regierung Ankss gah).^ 



* Kid Theodor von der F&b an BrMt Lomsii, kurpflüsiaehen Biaideiiieii 
in Hamborg, vom 1. Oc tober 174(8. (Original im llQndiner SteatBMdnv. 
K* bl. 67./4.) JtSuM&tm gnldigsten Willenammnnng iaft allanUiigt genobm, 

das8 ihr in FSllen, wo die dort (in Hamburg) angestellte kgl. spaiiisrlo 
Werbung vnn Unseren Untürt^mu-n einige ans dem Reiche führen wolte, 
in Qemässheit der gogon »olciio Emigrationen ergangener kav serlicber 
Verordnung, dieselbe zur stelle reclamieren, und dest'alls das igen Magistrat 
umb asaistenz belangen aollet, welches each sum guüdigsten bescbeid 
enonr nntorfUbiigen beriobtUeber aafirag yom KnrCaUn in gDädigsiar 
Antwort bemerken nnd ttbrigana in gnaden gewogen bleiben/ OntenebrÜI, 
Schwetaingen, den 1. October 1768. Von den vielen Auswat)denin{^ 
▼erboten sei hier nur ein Verbot dus Jlollandgehenfl* der osnabi-Qckiscben 
Unterthanen erwflhnt, gegen welche LTnsitto Jnstns Möser in den Pa- 
triotischen Phantasien I, S. 108, Cap. XI\\ aufgetreten ist. Ueber Jo«efs 
AuBwanderuugsverbote vgl. SchlOzer, Staatsanzeigen XXII. 

* Badolf Stadeiniann, Frledridi der Grone nnd aaine Hiitigkait Ar im 
Landban Prenasena, BerBa 1876. 

* Bebaim-Bebwanbaoh, Hohenaolleniabbe Coloitetioiien, I<äpiig 1874^ 
S. 265—411. 

* & darüber Huimniiaki, Docam. V, S. Sil ff., 1886. 



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413 



Friedrich II. gründete im Jahre 1766 die Gesellschaft fUr 
Schiffsversicherung, ^leichzeitifr mit einer Berlinf r Bank (eine 
Girobankj verbunden rait einer Disconto- und Leihbank, wurde 
am 20. Juli 1765 eröffnet). In Triest wurde in demselben Jahre 
die erste österreichische AssecuraozgeseUschaft ins Leben ge- 
rufen ; auf den Vorschlag des Italieners Caratto eine Depositen- 
bank errichtet tind der Hofcommerzienrath umgeschaffen. Beide 
Regierungen aber wussten durch Ersparnisse im Hofhalte ^ den 
Staatscredit aa heben. Wohl wurden Hatzfelds Vorschläge für 
ein Frledenscreditsyatem und «eine zwei Arbeiten (erstes und 
zweites Kriegscreditsystem vom 6. Juni 1768) zur Tilgung der 
SiaatBachuiden' und aar Ordnung im Staatshaushalte im AugtiBt 
an Staatsrathe Terworfeni aber im Jahre darauf, ak Uber die 
Errichtung einer Lttnderbank und einer Börse verhandelt wurde, 
wurden auch Hatzfelds Vorschllge angenommen.* 

Friedrichs des Qrossen Aceisesystem, die JEÜrgebnisse der 
Verpachtungen an die franaOsischen Begiebeamten Le Gtrand 
de Gressy, de Candy und hierauf an de Launay, Bri^, de Per- 
netty, de Lattre, mit denen er eine besondere Behörde grUndetCy 
an der alles fremd war, die Beamten, die Grundsätae und sogar 
der Name,* aeigen wohl überall den originellen schaffenden 
Geist, konnten sich aber ebenso wie die Inlandsacdsen und 
die Transittarif-Zollpolitik erst nach vielen Schwankungen und 
durchaus nicht einwandfrei bewähren. Dazu kam die Unzu- 
friedenheit der Uiiterthaneik mit den fremden Ausbeutern, mit 
der verlutädten Kegie,^ über die Herabsetzung der Münze, über 
die drückenden Abgaben, Veruntreuung öffentlicher Gelder.^ 

* 8. Ameth, VII, 201. AuSSsnng der Schwaiitr Garde; Ygl. BaniMi Berisht 
vom 1. Februar 1766, ebend. S. 526, Anm. a91. 

■ 9. P. C. XXVr, S. 356 Anm. 3. V^I. Rolids Beriebt Yom 14. Jilimer und 
die Weisung an ihn vom 21. Jänner, S. 19. 

* Der am diese Zeit sehr ▼«rdiente Oetomi^iadi« Fofwher Adolf Beer litt 
in tablNiehen vwwaltangs-, soll- und finaaigesebiditlidMn Abhaadlnogett 
(Uitth. dM Lutitata fllr mm. Gnseliiehte XIV, XV, AieUr Ar Ottorr. 
Geschichte 79, 81, 82, 8. 49—61) aucb die Aemterorganisation der 
Centralstellen, die Qranduig dnr Wirtbscbaftidepatatton in nnaerer 

Zeit nntfxrsiicht. 

* Manso, Geschichte des prenasischen Staates von 1763 — 1797, I, S. 11' 
Anm. t. 

* VyL Bttioht vom 4. Jnai 1768 bei Banner, II, 68S n. 688. 

* Für die FredeiteiaaiMihen Reformen vgl. Ad. Fried. Biedel, Ueber Fried* 
riebe Finanvpolitik nnd Fineaieinrtcbtnngen naeb dem lieiie^JIbrigMi 



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414 

Auch in Oesterreich gab es in dieser Zeit ans ftbnlielien 
Ursaclien StOmngen. In 'Bröl lehnten sieh die Bauern gegen 
die angusiedelten FabrikBarheiter (Seidenspinner nnd Weber) 
auf.* Unter den Bauera gährte es besonders in Unp:iirn, wühremi 
auf p:cistigem Gebiete der Sturm und Draiii( sich ankündigte 
und die Freimaurerbeweguug immer weitere Kreise zog.' Hastig 

Kiit^g^e. (Siteungnberichte dor kcrl Aki«loinIe der Wissenschaftfn in nerlin 
löfeO, S, 90 — 135. K. H. S. Hoden beck.H Tagebuch oder GeechicLit^k.tlerdtsr 
aus Friedrich)} des (irosaen Ueg«ntetüuben, Borlia, Dd. II, S. :föü. 
Eb«dtoi., Friedfieh« des Qronen FinanmjvtMi, Bwlin 1838. liaiiM» 0*- 
sehielite stfltEt «ieh «af ZimmerinaniM Fragmente. Dohms MiMdlaaiea 
im Danteehen Musanm I» 186 ff. lieber die ftansHiiaehea Repebeentt« 
▼gl. Biedermann, zweiter Theil, IV. Anfl., 8. S07 (1880). Vom pranmiKiMa 
Volluleben in jener Zeit powinnt man oin a!i«ohaulichps Bild an.« dem 
Büchlein; Der preussische Zuschauer ans dem Franzfleiachen des Herrn 
de ia Üroix, Frankfurt und Leipzifi^ 1770. 
^ Tgl. Arneth, VII, Aum. 355 und Bericht des Durand vom 11. Juni 1166 
bei Banmer, IV, 38. Der ileheiMbe Gesandte ViCsthttm berichtet «m 
81. Jnni 1766; ,IMe sdion seit einiger Zeit ia Ui^iara ▼ofgeblleBSB 
Misshelliglieiten ewisehen Bauern und ihren Herren haben eelt konsm 
8o überhand genommen, änm der Hof von seinem anflUigUcben Vonatie, 
der Noble.«sfe, welche ohiiedeiu wenig oder niciits von Abpjiben i« er- 
tragen liat, nicht hilfltch Hand lei^ton 7.u wollen, ab^u^eheu sich g^e- 
nOtbigt gesehen. In allen Cumitaten sind die Bauern aufttäudig gewordea 
nnd haben nch Terbnnden, .ihren Herren weder die Abgaben in QeU 
nnd Getreidep noeh aneh die snhaldigen Dienste sn entliehton. Wie sair 
der nngarisehe Xaaster tot einigen Tagen en eriwnnea g egeben, sied 
an den Yersc1ii< denen Comitaten über HO. 000 Bauern aufrtthrerisch ge- 
>vorden. Der Aiif.inj;^ ist niifdcn Hattli yauischeii Gütem f^madit worder^ 
i)> I .Adel be.«^ttht auf deui Syntem, dass di«> li-iufr»! Srlaveu wäieu. Um 
aber den Adel gefugi^^ an machen, hat man mir zwei Commissäre ge- 
schieht.* Dresdner Archiv, loc. 2938, Conv. I*, foL 264 ff. Ueber die 
Banembefreiung sind anaser Sngenheims preiagehrSnter Ahademieschrift 
von 1861 die Arbeiten Ton Darmstidtor, TooqneTÜle, O. Hanssen, Eiasi, 
Adamek, Knapp, GrUnbeig u. a. heranzuziehen. Am 30. Jinner 1769 
hatte Karl Emanuel III. von Sardinien ^otn berfilimtos Edict von Chxin- 
b6ry ,pour raffranchiasement do la taiUabilite persunncUe en iSavovo. ia 
remission du Tot-Quot ut delöjjaiion des Intendans rcspectitV' erla.v'ieo. 
Im Mai 1766 wiiihete ein Bauernaufstand in Westgotlaud (Antheim in 
der Deutschen Zeitschrift fOx Oeachicbte V, M8), von welchem die Be- 
richte des Osteneiehischen Vertreten aus Stochholm im Wiener Arehir 
eifttllt sind. 

' 8. darttber Acta Latomomn, ou Vhiitoire de la Frandie'Ha^onnerie 
Paris, Dnrfurt tB75. Rrunner, Mysterien der Aufklärung in Oesterreich 
1770—1600. Mains 186». 



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415 



drän^rten eioaDder presetzliclie und wissenschaftliche Reformen, 
"VA olilfahrtseinnchtuiigi !i unfl Verfassungsänderungen , Friedrichs 
luilitaribclic nr«:;,ii)iriatiouen ■wurden bewundert«; Vorhilder ftlr 
Lacj/ für Kiigiiib Pascha, für Kussland, Frankreich^ und 
Schweden. Spanien sandte den Generalinspector seiner Infan- 
terie und Oonamandanten der wallonischen Garde in Madrid« 
den Grafen O'Reilly, denselben, der die Expedition nach Algier 
im Jahre 1775 später glücklich durchführte,* Neapel den Ar- 
tillerieofHcier Gribeaaval, Karl fimanuel III. von Sardinien den 
Capitta Rivarol^ nach Berlin, um premsische Heeraaeinrich' 
tODgen zu studieren, und in Frankreich organisierte man eben 
SU Beginn des Jabrea 1766 eine neue Landmilis nach preusd- 
Schern Vorbilde.* 



Aenderung der Systeme bis zum rnssisch-prcusslseben 

AprÜTertrage 1767. 

Abgesehen von aolchen Bewegungen, bot Europa jeden 
Monat ein anderes Bild. jUne sc^ne mouvante dont la yieissi- 
tnde est la seule loi irr^vocable/ wie Friedrich treffend an 
seinen Bmder Heinrich schreibt. »UEarope va toujoors hurlu- 
berluy s'entend qn'il y a des mouTements* partont, mais pas de 
cons^quence.'* Und während Frankreich und Russland in 
steigerndem Gegensatze durch AUianzen rattchtijsce B(\nde zu 
schaffen bemüht waren, ganz Europa gespauul des EiaUittes 

^ ,n est acHf et jo oroia, qne rEmperanr no se r^peatine jamai« de son 
ehoiz,* Mirto FHedrieli ra Nugeiit (detten Berielik Tom 6. Mai 1766 bei 

Arneth, VITT, Anm. 166). Ueber Oesterreichs MiUtSnefbmett Benien 
Kelati.tn in den F. K. A. Diplom. XXII. 8 ^Uy 

* Wie Friedrich solbi^t in Paris bewundert wurde, le.sen wir bdi Sorol, 
L'Europe et la Keiroluttou frau^aise I, ä. 294 u. Aum. 3. 

* 8. Iforel-Fatio, Etades sur l'Espagne, Paris 1890, Bd. II» S. 36. 

* Qebeimea Staatswehiv Berlin, Sep. B8, Nr. H. Mit Sardinien war 
Friedrich Mit jeber befreundet (P. C. XXV, Nr. 16994 ISlfid). 

* (tKese Aufrichtung hat in ihrer AmlBbrnng- verachiedene Hindernussen 
vorgefunden', berichtet Starhemberg aus Paris am 13. April 1766, .und 
sogar in einigen Provintzien und zumnhlen in der Guienne SU Icleinen 
EmpOhruiigeu aulass gegeben*. K. k. 8t;iatsnrcliiv Wien. 

* ,Le8 Francs ont leurs qaerelles iuterminables ontre leur Parleinent et le 
eleifd. Lee Portn^ide ont aaiei d«e galions anglais, et oee demien •'entre- 
dfobirent par lenie ftedone parienentairee an gfand dement d« bien 
de lenr gonvernement,* am S6. April 1767 in der P. C. XXVI, Nr. 1M18, 

AickiT. XCII. Bwid, II. OftlfU. 97 



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4ie 

Pitts ins engfische Ministeriam harrte ond wMhnte^ dsss dueh 
diesen Steatsmann die grosse nordische Liga cum Absehfame 
gebracht werden würde, der Streit zwischen Spanien und Eng* 
land ttm Manilla tSglich kritischer wtirde und aaeh die (iSter 
rcichisch-fransGsisehe Verbindung darch die St Remenser An- 
gelegenheit theilweiso getrttbt,* ja infolge der niederländisclien 
Greiizbtreitigkcitcn oft harten Proben ausgesetzt wuide, Kn^'^and 
aber seine Bündnisse im Norden immer stärker festigte und 
erweiterte,' bahnten sich zwischen den beiden deutschen Vor- 
mächten nene Verhältnisse an oder lenkten sie theiiweise in 
ältere (t ('leise ein. 

Trotz der vereitelten Zusammenkunft der Fürsten halten 
die Oesterroicher die Zusehaiierroll*' in Polen aufgegeben. 
Kaunitz machte zu Beginn des Jahres 1767 endlich Miene, in 
der Dissidententragc — flir Oesterreich eine Heligiunssache, 
was sie ftir Friedrich gewiss nicht war — auch seinerseits 
schneidig einzugreifen. Ob er mit den deutschen FUrstenhöfen 
Uber die Unterstützung der Dissidenten unterhandelte, wie 
Friedrich erfahren liaben wollte,'^ muss freilich dahingestellt 
bleiben * Die Action kam wiederum zu spät und war ein 
Fehlerj denn kurz zuvor war ja Friedrich durch die vereitelte 
Zosammenkunft abwendig, durch einen AbrUstnngsvonchUg,^ 
den er nothwendig als Ablenkung^ und EinschUferongsmittd 
ansehen musste, misstrauischer als je suvor geworden; die auf 
jenen Vorschlag sofort folgenden amfassenden Rüstungen in 
Ungarn und Mähren* hatten ihn dann ganz in Rnsslands Arme 

> lieber all diese Fr^t jon wirrt oiii zweiter Theil ,FrankreLch wtd Ba«»Uiid 
1766—1768' Aufsciiluss geben. 

* Auch mit Schweden schloss es im Jahre 1767 eine DefeaBivaliiatis. 

• Vom 1. Mniar 1767 im Sboniik XXXVII, S. S4, Nr. 408. 

* Mir aind dieabesttKlich keine Aeton mitefgekommen. Hsglieh iat «■ abw 
immetiiin und die Nachfoiaekaofw» weiden rieh auf dieeen Pankt tr- 
strecken müssen. 

» Vgl. Dohm, IV, 320. 

• Friedrich an Rhod am 24. December lititi, F. C. XXV, 16712, S 339 bU 
340, Anm. 1, s. besonders Bobds Bericht vom 17. und Schlabrendorffs 
Bericht Ton Sl. JSnner, l»eide abgedmekt in der P. C. ZXVI» & lO^SS. 
O. M. BnrrmsnB beririitete aber aehon am 12. Anguri 1766 aa den 
FOrsUiischof von WUrzburg, es werden alle erdenklichen Aneteltea f»* 
troffen, das Königreich Ungarn in besten Yertheidlgtingsstistand xu setxen. 
jvu' \!i1it/ ii) iMesen Landen belanffet eich »uf S60.000 Ifaaa* (Wfin- 
bur^er Krei^arcbir). 



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417 



getrieben. Moaste er js, als er von der AufvteUang eines 
Tru]>poncordon8 auch an Polens Grense hOrte, aigwöhnen, 
das« Kaunitz^ der sich jetzt ganz offen gegen die russisch- 
preiissische Macht in Kampfesposition stellte, mit IVankreieh 
und Spanien offensiv alliiert sei, umsomehr als er auch von dortigen 
BQstnngen erfuhr. ^ Aach enregte die Berafang Laadons nach Wien, 
namenlJich in Potsdam, gewaltiges Anfrehen,' nnd die bereits er- 
wihnten Oerttobte von des Kaisen KentralitlttBverhandlangen 
mit dentscben ReichsAlniten worden natOrlidi vom misstrauisehen 
Pnnssenkllnige naeh dieser Richtung hin gedentet,* die Reise 
des Fürsten Kasimir Poniatowski mit 100.000 fl. nach Lemberg 
wnrde mit der Erhebung nnd militttrischen UntersttttBung der 
Zips seitens Oesterreichs in Zusammenhang gebraeht^ and diese 
Gerüchte Uber Rttstmigen and Hagasinsanlagen, ungehener auf- 



* Friearieb an Sohns an f6. Jinner 1767, Sboraik XZZVU, 18. Er ba- 
leiehnato wohl diaae Nachrielitan ab ,EtB&ronadaD* (an Eobd Tom 

18. JÄnner 1767, P. C. XXVI, 8 14). trug jedoch Thulemeier am 2. und 
5. Februar 1767 (P. C. XXVI, S. 39) recht angelegrentlich auf, bestrebt 
TW sein, diesen Meldiingon und Gerüchten von Truppenreformierun» 

geu etc. auf dun Grund zu koinnion. 

' Reniers Beriebt vom 31. Jänner 1767. Kobda äuBserst wichtig^er, zudem 
noch ungedruckter und biüher unverwerteter Bericht vom 3. Jänner 
wird gerade in der P. C. XXVI, S. 9, Anm. 2 mit wanigan Worten ab« 
gathan, trotadam aaeh dort mahnnala anf ihn varwiaaan wird; nach 
Bohda Barieht vom 24. Jinnar iat gana flbaraahen, trotadam tina Br- 
Iftnterung der gemeldeten Absiebt de« Wiener Kofut, eine ,neutralitä* 
anzubahnen, dringend erforderlirJi scheint Dagegen rangiert der be- 
l<anrit«> Bpriclit Nugents (vgl. Arneth, VIII, 190) über eine ganz for- 
iiu-lld Unterredung mit dem Küuig vom 26. Juli 1767 mitten unter 
Iriedricbs Weisungou (P.C. XXVI, Nr. 16741), obxwar mau den Zweck 
diaaar Einr^hung nicht ainaiaht. Oder wollta dar Editor aaigan, da» 
ar für diaoan Band dar P. C. aaeh Wianar ArehiTaliao haraagaaagan 
hat, was er woM aber im vorigen hätte thun sollen? Ebenso hätte dia 
Erklärung, dass nach der goldenen Bulle bei Verweilen des Kaisers 
ausserhalb des KViches ein Varwasar aingaaatat wardan mawta (& 243), 

füglich wegbleiben können. 

* Ob freilich Kobds Bericht vom 24. J-^imor 1 7*>7 eine derartige Deutung 
sulässt, muss dahingestellt bleiben, nachdem sich die P. C. auch hier, 
trie batont» gründlldi anmshweigt, abar mit Varwaiaan anf Friadiidba 
Waianng an Bhod vom 31, Jinnar niaht apart 

* An Banoit mi II. Fabmar 1767, P. ü. ZXYI» Vr, 16489 tnd daiMn 
Barieht vom 86. Jinnar aband. B. 41, 

87* 



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41S 



g6l»aii8chty' verbreiteten nch ebeneo rasoh wie die Ton den 
danials in GOrz auftretenden Pest&De.' Wir kennen I^edriehi 
damalige Meinung Aber Joaef, den er mit Karl XU yeigleiehty 
einen Hitakopf nennt, welehen man nie »d^hiffrer' kSnne.* £r 
war aueb ttberzengt, daas die Wendung üb Polen die Kueerin 
in ihren religiösen Geftlblen schmerze; kurz der misstrauische 
Preussenkönij? war wieder gänzlich gegnerisch gesinnt und der 
Zweck der RUstuneen damit wenigstens jetzt verfehlt, selbst 
wenn die I i uppLiiUeweguugen, von denen Friedrich noch am 
12. und 15. Februar an Solms schrieb, nur Demonstrationen 
waren, wie Panin richtig veriuuthete^ und wie selbst Friedrich 
hie und da kunde^ab.*^ 

Schreibt der Preubsenkönig doch am 26. Jänner 1767. 
wenn Russland im Februar 15.000 Mann in Polen einmar- 
schieren lassen wolle, so wäre p9 angezeigt, oO.üOO — OO.lKH) 
Mann an den Grenzen bereit zu halten, und auch er werde 



* Wie 4iM Friedifob lelbtt atu SohUbrndoHb B«rieht am Bralas Ton 
11. Jlmitr 1767 erfuhr (S. an Rbod vom 14. Jloner 1767, P. C. XXVI, 
B, IS). «Die Gtorflehte sind evfimden, dan in Wahrheit Im coninLi d«s 

vivr<>s nvaipnt mis 8«isi« snr quelques moniin« par-ci par-l.ä, mxi^ qne 
c'etait uniquoment dnus la vno de fournir le paiii de muiiition aui Uoupe» 
peodaQt 1a grande disette de farines, qui y (iu bchlesien) i^gnait' Die 
OetreidMbftihr aus den Sndetenllndem dien« sar Deckung^ dei Bed«rfM 
in den innerltoterretehbehen Oehieleii, welche von der Toijihrigen Mi» 
ernte hetmgesncbt worden dnd. 
' ,Lee lettre! de la Sileeie marqaetit <h-'^ ] reparatift penr on« gnerre, toel 
tnarche vai-s Hlogow. II [se] fornK'[iit] dcnx RSgimonts d'Huwar«», «van«** 
de r.irgent aiix officiers potir se niottre on ('•quipag'e. Von assiuo ce iju'il 
marche eo Polugue,' berichtet der sächsincho Agent Oberst Ehrenscbild 
aas Frag Tom 18. Hin 1767. Dresdner ArehiT, loc. S869. Vfl. such 
P. G. XXVI, Nr. 16496. Die fehlenden wichtigen Berichte SchUbno- 
dorifs (F. €• XXVI« GL 60 — 69) dflrften in einem geneinaanen netb 
sn suchenden F<i<icikel liefen. Interesnant sind die Nachrichten, die 
dem Könige von d^r mährischen, b^ilinuschfn tind schlesi^olion nrenzf 
vom 6., 9. und 15. Februar und 24. April 1767 Qberschicki worden siad 
(P. C. XXVI, 8. 67—09, 8. ebenso 8. U4). 

* An die KnriQnrtin Maria Antonie von Baehsen am IS. Februar 1767. 
Oenvree postfaumee XXIV, Hr. 69, 8. ISO. 

* Solms Berichte vom 16. nnd 80. Jftiiner 1767. Sbonik XXXVII, & 2S 
n. 29, Nr. 301 a. 304. 

* An Rhod vom 11. Fi«bniar 17C7 ,Ce quo j'en pr^sume, c'o»t qu'ik 
venlent faire des osteutatiuiis roiatiTemwit avx affaires präsente* ^ 
Poio^e/ P. C. XXVI, Nr. 1644X. 



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419 



seine ganze Cavallerie beritten machen und seine Armee zu 
mobilisieren suchen, doch seien 25.000 Mann Russen genügend, 
um über die Republik zu verfiijicn, nur wcnu sich Oesterreich 
einmenge, müsse man ihm miiuit stens ÖO.OOÜ Mann, und zwar 
auf der ungarischen Seite entgegenstellen.* Am 15. Februar 
raeint er, dass dies in Wien seine Wirkung gewiss nicht ver- 
fehlen dürfte. Wirklich traf der König schleunigst kriegerische 
Massregein; er berief die ostpreussischen Generalinspectoren 
der Armee, Alt-Statterheim und BuloW| am 27. Jänner sa einer 
fiesprechungf Hees Pferde ankaufen, seine Cavallerie venroU- 
ständigen und 80i|^ auch fUr die erwünschte Yerbreiftang 
solcher MolMUsirungsmaMregeln. 

Die güiue Correspondenz Friedrichs in dieser Zeit ist von 
TnippenrUstungen beherrscht' Panin möchte Sorge tragen, 
einige Nicht-Russen nach Ungarn sa schicken, um dort ond 
an idiniichen Orten Beobachtnngen anausteUen, ,car ordi- 
nairement de pareälcB ohoaes s'^bruiteot plna t6t dans les pro- 
vincea, qne dans la capitale mdme*, heiest es in dem mebrfadi 
citierten Schreiben vom 15. Februar, und thatsächUch schürten 
damals (im Februar 1767) mssische Emissire die religiöse Be- 
wegung, die unter der griechisch-katholischen BoTttlkerung 
Ungarns ausgebrochen war.' So forderte er selbst Rnssland 
auf, die Sachlage ausaunlltsen, und diese verstand solches Tor- 
trefiflicfa. Auch Fanin machte dem PreuBsenkönig MittheQung 
Ton seinem Plane, die Csartoryskis zu sich herUber su sieben,^ 
die Dissidenten an conftdwieren, ihre Elrhebang durch russisdie 

> sboniik xxxvn, a i?. 

• ,Le roy de PrOMO ne respire que la guenre,' sclireibt v Thiorpck (SecretSr 
der bayr. Auswärtigen An Gelegenheiten) an den kurbayr. Gesandteu in 
London, Freiherm v. Haslang. ,11 fut arancer vers DaiiUig uu corps 
de 86 mille homniMf et on aitrara, qne le priotMM proehain il ▼» former 
UM amte d» 80 m. booiiDM nur rOder. La Btiisto fait aasri da lorieos 
mottTemaats, qai doivaat faire tniabler la fMiivra Pologna. Js puU 
auurer Votre E., qne la dAmarehe da Roi de PniMa et celle de Tlm- 
peratrice de RuBsie donne nn champ bien large k des r^flexions les 
unea plus embarrassuntes que le» autres, on ne Rcanrait encore k 3'y 
fixer, puisqu'on perd de vue l'objet qui les fait naitre*. MUnchen, den 
26. Märai 1767. Mauuhuer Staatsarctuv, K. gr. 117/362. 

> Slmaebilde Beitebt Yoni Ift. April 1767. Draedner Anduv» loe. 888». 

* Paniae Bdureiben an ile Tom SO. Deeeiaber 1766. Sboniik XXXVI, 8. 6 
bis Ift. Bbeoso vom 6. Jianer und die Antwett dar Claitolytkl Ton 
S$. Jlniiar 1767 bai Beiaana, II, S08. 



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420 



Truppen sn «nteratlltien, und Iwt den KSnig um üntentützong 
der Erklärang Repnhw in Wanchan.^ Friedrich sagte zu und 
Hess sogar, als er aufgefordert wurde, seinen Einfluss in 
Polnisch-Preussen geltend zu maciien, ,ä engager les villes et 
la noblesse de ce province, Ii s'y joindre et k faire cause com- 
mune avec leurs roulV^res',- seinen Agenten Junk in Danzig 
anweisen, sein Möglichstes zu thua, um die Danziger zum 
Beitritte zur Thomer Dissidenten conföderation zu vermögen.' 

Und Panin wusste dies«- \ - rständigiing Preussens mit 
Russland in der Dissidentenangelegonh* it dcni üsterreichischen 
Gesandten vertraulich, aber wirksam mitzutheilen.* Gleichzeitig 
verlangte er Aufkliirung über Oesterreichs Verhalten — jdenn 
auch hierorts erweckt das Gerücht von Kriegsanstalten unseres 
allerhöchsten Hofes ein grosses Aufsehen', meldet LobkowitSy 
yUnd hal>on mich verschiedene Vornehme der biemgen Nation 
nicht minder auch der Fürst Galitzin darüber sondiert'* — 
nnd Hess im Märs durch den Fürsten Galitzin in Wien die 
preussische Forderang nach Auswechslang der Kriegsge&ngeoen 
durch eine gemeinsame £rklärang der alliierten Mächte am 
Wiener Hofe naohdrüoküch nntecstutsen.' 



1 Abgedraoki in Solma Btrkhtw vom M. Deownbw 176«. Sboniik XXXVU, 

8. 1—6. 

* Solma Bericht vom 12. Februar 1767, ebenda. 

* An Flmskeutoin vom Sl. F«bni«r lf«7. Sbonik XXXVn, Nr. SlO. 8. 89. 

* IfObkowite btncbtat olmehiii In diaaer Zait von dan aahlreidMn vw- 
tnudldien Untemdnngw Fanlna alt Sola», so naaseotlidi am 10. aad 

19. llära 1767, am 22. April im k. k. Staatsarchive Wien. ,Za diesen 
Unterred nng-en wird anch der dSnische Minister in Pot^r«^hurp (Graf von 
der Asseburg, in dem Lobkowits mit Recht einen HauptfOrderer des 
„nordischen Systems" sah) zugexogen. Ob diese vielen Confereazen die 
alleinige Diasidenteniuftentütaang betreffen mOgen, wird E. Liebden wohl 
am baalea «n bemrihtileo vavniBfea. «IMeie UntwliMidliuigtn wwdw ao 
binfif gtipüngm, dnit tob dahlngaaleUt sain laaien nra«, ob aoldie «Iniig 
dia Bepublik Polen betreffen,* heisst ee am 19. Mifs. 
^ Am 19. MKrK 1767, im k. k. Staatsarchiv Wien: ,and hat dieser mir ra 
erkennen gegeben, wie er den Endzweck dieser Zuröstangen nicht woh! 
einsehen künnte, gestalten ihm de» Könige in Preuason t"ri<'«lt>rtige Ge- 
sinnungen gegen unsern ailerhöchsten Hof allzu wohl bekannt wäre'. 

* P. C. ZXVI, Nr. 16689. Dagegen wiid Bobdt Bariebt v«in 98. Mid 
(biabar nioht ▼•rwefint), der dtnaa ItaotanlioiMuigelegenbclt oad KnontaeaB 
Stellung zu ihr behandelt, in der P. C. Übergangen. Man Tergleicbe 
Solms Bericht vom 28. April 1767 im Sboniik XXXVII, weleber die 
Antwort des Oaterreichischen Su&tskanslers bringt. 



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421 



Und dieser wich auf die drohende Stellnn^rnahme Fried- 
richs von seiner aggressiven Politik zurück. Wohl ergieng noch 
ara 29. ApriJ 1767 die scharfe Weisiincr an Lobkowitz: ,Im 
Falle aber eine Ministerialantragc erfolgen sollte und sich an- 
gemasst werden weite, unseren Hof in gewisser Mass zur Kede 
zu stellen, so erforderte das allerhöchste Ansehen eine nach- 
drückliche Antwort zu geben, daher auch £. L. in diesem 
Falle blosserdings die Ungewiseheit yorznschUtzen und die 
Ministerialanfrage ad referendum zu nehmen belieben wollen, 
worauf ich sodann die nähere Anweisung zu ertheilen ohner- 
mangeln wcrde^^ — aber sie bemäntelte kaum den RUckzug. 
Hatte Uaria Theresia noch E«nde 1766 dem englischen Ge* 
sandten gegenttber die oft citieiien Worte gebraucht: ^loh kann 
nicht mit gekrenatmi Armen daaitaen und dulden, dasB ein Fürst, 
mit welchem ich in Freundschaft lebe, muthwillig unterdrückt 
werde, bloss weil er nicht alles that, was man yon ihm ver- 
langte,'* so erklärte sie schon wenige Wochen nachher, dass 
der ganse Zustand Europas und ihre eigene Lage derart be- 
schaffen seien, dass es jetst für sie unpassend und unmöglich 
sei, sich einzumischen, obgleich sie durch das Benehmen der 
Oaarin (hurt) verletat sei.' 

Der Preussenkönig aber, miastrauischer denn je, liess sich 
jetst trotz der beruhigendsten Nachrichten yon Wien, trota der 
Dementis, welche Nngent, von seinem Hofe beauftragt/ den 
G^rUchten von Oesterreichs Mobilisierungsplänen gegenüber 
officiell abgegeben hatte, nicht überzeugen. 

Wenn er auch selbst bereits uui 28. Februar und in einer 
Reihe von Briefen im März und April seine Zuveiöiciit aus- 
gedrückt hatte, dass Oesterreich sich in die polnisclien Wirren 
nicht einmengen werde, allarmierte er doch auf Rohds Bericht 
vom 15. April 1767 hin^ am 22. und 23. April wiederum seine 
Vertreter in Wien, Warschau und Petersburg mit österreichi- 
schen Truppendislocaüouen, GarnisonswechAeb, mit Gerüchten 



' Im k. k. Stnat'arcTiiv Wien. Weiunnp^en. 

' Bericht des eoglischen Qeaandten vom 8. Jänner 1767 bei Kaumer, Ii, 83. 

* Ebenda. IV, 104. 

* Dua sich der Wiener Hof äun enteehlo««, ist nadi dem Oeeagteo mIImIp 
Tentindlich nnd verdisnk dnrduuu nieht Jen« bteito BrSrtamiif , welche 
ihr der mitflUilMidtt Editor der P. C. widmet 

* la der P. C. giaslieh Abe^grai^eii. 



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4S2 



Uber Hennuehmig italienischer Regimenter/ ttber die Kaiser- 
reise nach Ungarn za LageHlbungen nnd mit den Plänen der 
Neuarmiernng der Osterreichiachen Infiinterie.' Fielen doeh 
diese Nachrichten merkwürdig der Zeit nach genau mit der 

Eröffnung des aasscrordentlichen polnischen Reichstages an- 
sammen. Und als Rohd in seiner Depesche vom 6. Mai 176t* 
auch diese (ieriiclite als Erriiuhin^n bez- ichnete. fand Fried- 
richs Misstrauen frische Kalirüiig in der Reise des Graten 
Rzewuski nacli Wien, ,ohne Zweifel, um dort zu intriguieren', 
und weiter darin, dass zufolge von Naclirichten 12.(X)0 Transport- 
wagen mit Proviant von der ösici reichischen Heeresverwaltung 
an die polnische Grenze p^escliickt würden oder worden seien.* 
Und wenig'/ Tage darauf aDarmierte ihn die Meldung von der 
Bildung eines Cordons diirch Österreichische Infanterie und 
Cavallerie.'' Aber da sich viele solche Nachrichten als Ueber* 
treibungen, ja als absichtliche Allarmschllsse herausstellten — 
ob Kussland seine Hand im Spiele hatte, mag dahingestellt 
sein — und da sie endlich gans ausblieben, ward auch Friedrich 
ruhiger. ,Ich aweifle jetzt nicht mehr/ schrieb er am 2. Juni 
1767 an Solms, ^ ,vieimehr glaube ich eine last völlige Gre- 
wissheit darüber zu besitzen, dass sich der Wiener Hof keines- 
wegs in die polnischen Angelegenheiten einmengen werde. Die 
Kaiserin-Königin hat jtlngst in einer Unterredung dem Ge- 
sandten Freiherrn v. Rohd gesagt, sie sei fest entaehlossen, 
keinesfalls in der Dissidenten Sache einangreifen^ sie sei es 
aufrieden, wenn das liberum veto aufrecht erhalten werde, und 
sie wttrde sich gegenwlirtig weder en blanc noch en noir des 
disseneions intestines Polens einmischen.^ 



> Vgl. bes< I: 1. i> an Rhod vom 13. Mai 1767 in der P. C. XXVI, Nr. 1604?. 
Was Maria Tlmre^ia über dieses Gerücht sutn preuaaischen GeMQUieu 
•agte (8. denen Bwfolit ▼om SS. Hai 1767 in der P. C. XXVI, S. tS9, 
der bei Reimann, II, SIS, beieiti Terwerlet iet), kUrt es tOU^ ant 

• P. C. XXVI, 8. 184—187 n. 141. 

• Znm TheU abgedrackt bei Beinuuin, II, SIS, Anni.4. 

• An Solms vom 18. Hat 1767. F. C. XXVI, Nr. 16680. Dan Fciedxidt 

Verdacht ttber Rsewuskis Reise gKnzlich UDbegrOndet war, beweist EoMi 

Bericht Tom 27. Mai 1767, P. C. XXVI, S. 171, Anm.6. 
^ An Solms rom 18. Mai 1767, ebenda Nr. 16666. 

• Sbornik XXXVII, Nr. 2826, 8. 78. Vgl. d.izti Forsohongen IX, 198^ 
' Bobds Bericht vom 23. Mai, P. C. XXVI, ü. 169. 



1 



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m 



Rasdand hatte dieBes Spiel gewonnen, seinen Plan anoh 
darchgeführt Unter seinem miHtilriBchen Schntae und mit 
roMiBehem Oelde waren nach den Diesidentenconfilderatioaen 
von Thom vom 19. Mirs 1767 (Marschall war Graf Geoig 
Wflhelm von der Oohs) nnd von Slnck (Marscbally Qenend 
V. Qrabowsky) nicht weniger als 24 antirojalistiBehe oder besser 
anticzartoryskische ConMerationen im Juni 1767 gebildet 
worden, an deren Spitze MitgKeder und Parteifreunde der 
Radziwiis und Mniszeck standen, frtlher Russlands grimmigste 
Feinde. Sie alle verenugle Fürst Karl Radziwil in der General- 
confbderation von Kadom am 23. Juni 1767.* 

Beziehangen Oesterreichs zu Preussen bis zum Ausbruek 

des Tfirkenkrieges. 

Inzwischen hat die preossische Annttherung an Rnsdand 
zum April vertrage von 1767 geftüirt.' Friedrich hatte am 
19. Februar 1767 den Entwurf eines geheimen Vertrages mit 
Russland eingesandt,* bereits am 13. März war der Moskauer 
Gegenentwurf abgegang-en,* und am '2o. April 1767 schon \\ imle 
die geheime Convenüuu abgeschlossen. Der Preussenköiiig, 
der noch Ende 1766 jede militärische Unterstützung an 
Russland versagt hatte, verpflichtete sich nun sogar zu einer 
Diversion gegen Oesterreich, wofUr ihm Katharina angemessene 

* Auch aber deren Scbiekaal» bis zum ewigen Vertrage fehlt jede Dw 
stellang, sowohl in TTermann.«! «Geschichte Riisslands', als in Prowes 
,Po1en*, oder in den ,8tiuit8Teränderangen von Joubert'. Nur dip enf^liflclien 
Berichte vom 15. October 1767 bei Ranmer, IV, 113, weiter die vom 
14., 17., 21. October ebend. S. 123, 186 n. 128, sowie Essens Berichte 
im Dreidner ArehiT, loe. BMA; beMmdeie im leMgenamiteii locato 
TeL IV, a^e und die Correspondeiuen eviadWD Bepntn und Pasis bei 
Seolowjel^ bringen Material. IHe poiidaeben FantiHenardiiTe aind noeb 
SU wenig ausgebeutet. 

■ So unvermittelt auf Rohd» Bericht vom 17. jÄnner 1767 dachte ich mir 
den Plan der Gebeimconvention nicht ent.standen. Nach der P.C. 
XXVI, S. 32, müssen wir annehmen, dass Friedrich sofort uacbher 
nlindlicb den Grafen von FInekenatein mit der Ansarbeitung beauftragt 
hat» idenn ein aehriftUeber Befbhl liegt niebt vor*» heiaat ea ebenda. Anm. 4. 
IMe Sntatebnngageeehiebte dieaer Oonventien beg^nt bei ihr mit einem 
,Nicht vorhanden!* Der Entwurf und die Untarirnndlnngen aelbat aber 
sind schon IBngst gedruckt und verwertet 

» 8. Sbornik XXX\^I, 8. 60fiF. und P. C. XX Vi, 8. 38— 3o u. 8. 62—64. 

* S. Sbornik XXX Vil, Nr. 822, 8. 68—72. 



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Entschädigung versprach,' eigentlich nichts anderes, als was eie 
schon 1763 und 1704 tUr diesen Fall zugesagt hatte.* Um die 
Frage der fiotschädigung drehten sich die gesammten Ver- 
handlungen vom Februar bis April» und das Wort dedommage- 
mcnt beherrscht die politische Correspondens auch dieses Jahres. 
Friedrich forderte am 22. Februar, dass im Kriegsfalle die 
Waffen nicht eher niedergelegt werden dttifen, als bis die 
stipulierte Entschädigang ,Bera effectn^ en ma fayenr^' Paoio 
wttnschte nnr, dass sich der König hierüber klarer ausgedruckt 
hllttei und Tcrmuthet (in der Unterredung mit Solms), dass 
dieser diesbeztigliche Instructionen reseiriert bitte. Solms ant- 
wortete, dass die Mässigung des Königs es ihm nicht erlaube, 
schon jetat daran au denken, Uber dieses noch so ferne Object, 
das Übrigens nur in einem eigens mit Russland su nehmenden 
jCOncert' geregelt werden wird, sich spectell au ftussem.^ 

Nicht bloB Preussen, auch der Wiener Hof bewarb sieh 
im Frttbsommer um die Gunst der Ozarin;^ auch die Pforte 
liatte eingelenkt und war aus ihrer aggressiven Stellung zum 
frulu i cu freundschaftlichen Einvernehmen mit Russland zurück- 
gekehrt.*^ Der süchsische Gesandte in Petersburg, üraf Sacken, 

' Doch hat die EVage de« Urbebmehiiit dsr Theilniig Polen» welcbe die 
Fondier «w dieser EntBchldigangengelegepheit abgeleitet haben, mit 

der ruflsisch-preussüichen Annäherang nichte nt tbim. W«U «e aber hkr 
beriilirt ist, .sei auf die A<"tion ztir Rpp^phinp der musisch-polnischen 
Grrtizf» rrrwiüsen, wo russische Ingonieure dns (lebiot von Witebsk bis 
Muiiilow uud »ogar einen Theil der Miusker Wojwodschaft bereisten, uui 
KusflUnd die Absiebt hatte, die QreazreguHemn^ (bekanntlich eine harte 
Vom in den nuiiaeh<poliiiadieii Terlumdlungen) m» in treffen, daat die 
Qieiise aieh» wie Kaanita an Brognaid Tom 6. Ootober 17S7 eebreibt, ia 
dem GeUet von Kiew nnd dem Digepr iKng^ der Dwina hinaiehen aolUe» 
,damit sich Russland fUr die der Republik geleisteten Dienste and 
Hilfen und die darnnf verwendeten l^nkosteii enttch&dige' (bei Harmuxaki, 
VII, 8. 46). Docli steckt der Ursprunp der Eut*fchSdigungr«ifrago schon in 
dem Versprechen, das Katharina dem Polenköuig August III. 1762 gegeben 
batte, daäi il« Ar den Vendebt Knilaade di« Biwnnng Saeheen» bewitkw 
wolle. Fftr dieae Blnmnng abar batta FiMrieb aiaa BntMbidigwig Te^ 
langt nnd die batte Katbarina bb jetat nicht gelelatet 

* Vgl. Solms Berichte vom 30. Deeeinbnr 1198 und Sl. Daeanbar 1794. 
» Sbornik XXXVII, S. 63. Nr. MH. 

* Solms Bericht vom 12. März 17^7 ebendH. i^r. 8. G6. 

' Berichte des eugliscben Gesandten vom lö. Juni und 6. JuU 1767 bei 
Banmer, IV, 104, 

* An Solnii Tom 18. Jnli 1767. Fbiacbungan IX, 193. 



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425 



hatte sich — ^vel Ii klägliche Rolle! — hilicbuchcnd an Katha- 
rina utji Unterstützung gevvüiidt, damit Sachsen ia einem öster- 
reichisch-preussischen Kriege volle Neutralität beobachten könne, 
und hatte dafUr versprochen, seinen ganzen Einfluss aufzu- 
wenden, um die sächsische Partei Polens zum Anöddusso an 
die russische zu bringen.* Wie verstand Katharina jetzt den 
preussischen Gesandten an sich zu fesseln und den österreichi- 
schen Vertreter während ihres mchrmouatlichen Aufenthaltes 
in J aroslau zu bestricken!^ iSelbst als man den Einmarsch von 
40.000 Kassen und 30.000 Preussen in Polen von Marienwerder 
her erfuhr, rUhrte sich nichts. Nichts nutzten mehr die Vor- 
BteUungen der pftpsUichen Curie und der polnischen Bischöfe, 
wenn aie auch an der frommen Kaiserin nicht eindruckslos 
vorübergegangen sind, ' noch weniger wurde denen Frankreichs 
Qek5r geschenkt/ Jch schaudere^ wean ich bedenke, wie viel 
Blut während meiner Regierung geflossen ist,^ sagte Maria 
Theresia sum päpstlichen Nuntius, Cardinal Borromeo; ,mchtB 
als die äusserste Notkwendigkeit kann mich dahin bringen, 
Ursache an sein, dass noch ein Tropfen yei^ossen wird.* 



> P. C. XXVI, S. 121. 

* Wto wir an« I«i»bkowit^ und Bolou* Bttiehten ans JartMlan, so Tom 
S4. Mai, «nehfln: ,La mani^ «tont 8. M. L a bien toqIq noat rtteoroir 
el traiter, nueembte k la poIit«na natmoll« et aitte^ d'nna pardealiiro 
plotAk, qQ*ailz t&noignagu ordlnalres do bieoveillance, dont une aussi 

grande sonveraino ponrrait vouloir distingiier quelqu'un do iiotrf öt.it, ot 
ne diff^re en rien de celle, dont peuvont so flatter ceux do sa coiir, qu'elle 
distingue le plus p&r l'acc^s libre, qu'elle leur accorde jonrnellement 
aupris de sa peraonne.* Und Friedrieb antwortet: ,Je lala cbarmä 
d'apprendre d*abord Im timoignages gradenx et lei diftinetions parli* 
cnli^res, dont rimp^ratriee a aoeneilli tou»* n. w^ P. C. ^TI, S. 187. 
Aebalieb wie Solnui meldet aoeh Lobkowits vom 24. Hei an« Javoelaii. 

* Vgl. an Bhod vom 39. M&rz, P. C. XXVI, Nr. 16571 and 16733. Duncker, 
8, 152. Sbornik XXXVII, S. 78. Die Depesche Finckenatein-Hertaberg 
an Solms vom 2, Juni 17G7, Sbornik XXX VII, Nr. 326, in weldter es 
heisst, flas"* Maria Theresia zu Khod gesagt habe, sie habe dem iiiscliuf 
von Kraiiau geautwortet, da» ein päpstliches Breve auf sie keinen Einfluss 
mehr anettbea werde vad kOiiiie, tri^ den Stempel der getandtwbalt* 
liehen Zolhatea. Ifen Tefipleiehe biesn Bohda Bericht vom SS. Ual bei 
Beimenn, n, S18 vnd die intenmante Weisung an Beaeit yom 16. Apnl 
1767. P. C. ZZTI, Nr. 16601. 

* Bericht dee engUieiien Qeeendten vom 18. Oetober 1767 bei Banmer 
IV, 108. 



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436 



Freilicli km ne anoli der rnssiselieti Bitte nm Intenrentk» 
beim Papste für den nenernannten Primas in Polen nicht nach.' 
jUnser Hof findet eine solche Vorstellung schon deshalb ftr 
bedenklich/ schreibt Kaunitz an Lobkowitz (am 22. Au^t 
17(j7), jUnd seinerseits für untluinlicli. weil er sich überhaupt 
aus der Sache halten, und zwar sich nicht g'egen die Dissi- 
denten am Laden legen, aber auch den Vorwurf gänzlich ver 
meiden wolle, dnss er seineu eigenen Glaubensgenossen ent- 
gegenir«^'5t;iiiden sei.'* 

Kua.sland aber schritt unaufhaltsam dem Gnrantievertraoje zu, 
der, wie wir aus der Correspondenz Panins mit den (.'zartoryskis 
(im Sbornik LXVIl) ersehen, schon seit 1766 vorbereitet war.' 



' iLetithüi hat micb Puntn bei Huf bei Seite genommen, um mir ein und 
anderes über den jetsigen Stand der Sachen in Polen in betreff des nea 
ernannten Primus zu err>ffn©n. Er mt^te, es wSro zu bedauenv, «In^s der 
pÄputliphe Nuntius dessen Emeaiiuiig^ nicht billigen wollte und zu er 
kennen gebe, das» auch von Koni die hiezu nOthige Bulle nicht ertoigea 
wtttdei weil maa mit Miaea Gesinnungen betreiii 4er Dtsstdenten um- 
frieden wäre. Seine Aenssernng gieag endlich dahin, dass roa 
nnserer Seile einige Insinnation auni Besten dea nen er* 
nannten Primaa in Rom geschehen mOge, worauf ich mich be- 
iM:hräukte, dass ich jiwnr daf^jenigre, was er mir rrriffnet, moinem Hofe 
behOrig einbericbten würde, soviel mir jedoch vuu allerbiichst de'Cxea 
Denkungsart iniswischen bekannt wäre, sei ich der Meinung, d.a.-v'> der- 
selbe von der in gegenwärtigen polnisehen Unruhen fiberbaujit eiuge- 
nomnenen Mlasignng nicht leicht abgehen nnd folglieh nach in dieser 
Angelegenlieit beharren darite.* Lobke wita* Bevieht Tom Ift.Jali 
1767 in Chiffren im k. k. Staatsarchive Wien, Relationen 
Russland. Scbon am 10 März 1768 berichtet Lobkowitz, d.n»* nnter 
anderen Massnebuiuugen lius^lands in Polen auch die gän/.liche Anrnebaof 
der papstlichen Nuntiatur erfolgen werde und d&ss es keinem Zweifel 
unterworfen sei, dass künftig kein päpsttieher Nnntins in dienern König- 
reiche sieh anfhaltea werde. Bbeada. Doch erfolgte diese Massiegel nieiit 

* Ebenda in ZilTem (Weisnngen). 

* »Le seul d^Touement dont V. A. nnt tonjoors fait profossioa 4 f^gardde 

la Rnssie anrait dft un motif süffisant, ponr omployer tonte rotre dpj- 
täritö et votre credit, ü resserrer les liens de« doux nations |'»r 
un trait^ d'alliance, disposer les moyens, les plus sürs, ponr terfoiner 
le difförend des limitos et eontrihuer an succös de Taffaire des 
dissidents, qni Interesse si fort nia sonveiaine et sea alHAs . . hsiot 
es in dem Schreiben Panins Tom 4./lft. Jnli'lTM. Sbornik LXTII. Vr. t36<» 
S. 14. — 8. 10 fasst er die Ziele s^er Politik in die Werte 
«!j'5?iinmen: ,r^tablir In repnbliqtiP, snr son propre pivot, savoir ane al- 
lianoe arec ia Bussie, la Ub^raüon de« disüdentt de leur oppreseion et le 



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Die Bildung der CoDfbderationen,* die Gründung einer Gegenpartei 
gegen die Czartoryskis, die Geheimconvention vom April 1767 mit 
Friedrich, die militärische Besetzung Polens, die Gewinnung des 
Fürsten Adam Czartoryski, all das waren ja nur Etappen auf 
dieser Bahn. Im iSpäUümnu r wurde Stani^^laus August bewogen, 
den Briefwechsel mit Kathanna wieder anzuknüpfen, trotzdem sie 
in dem gefährHchen Streitfalle zwischen Polen undPreussen Uber 
das Werbungsverbot des Polenkönigs* auf Preussens Seite ge- 
treten war und Stanislaus zu einem Erlasse gezwungen hatte, in 
welchem er sein Edict als auf die preussischen Werbungen 
nicht anwendbar erklärte;* aber mit diesem Schritte — infolge 



r^glement des frontlAr««. Wie g»traii hat «r bwonden dM leCitm 
Proframmptinkt aiUf^^Uurit V^. ebeiwo Nr. t464t, 8b u, a. m. (Ueb«r 
die Q i enwfg gulienmg •. Kiotiib Bericht Yom L Febniar 1766 bd Hennaon : 

Oesellich te Raulanda V, S84, Anm. 213.) Doch erst jetzt nach den £r- 
folg'on (Ifs Jnhrr»«! \'iP>7 trat Ru>slftnd mit (Ion bostirnmten Fordeninpon 
nach der Bürg'.schftft für all© Ge«t'tzw in Polou hervor; ». den Bericht des 
eDgli»cheu Gesandten vom 1. Octuber 1767 hei Raumer, IV, 106. Dem 
preusaiachen Bundesgenossen liest es eist im December 1767 (Solms 
Berieht Tom 14. December 1767, Sbomik ZXXVII, B. m) ofBeieli von 
dem Plane des Frenndsehaftsverkrages eine UittbeUunir angehen. 
> FUrdie Geschichte derselben sind die Berichte im Sbomik XXX VII, Nr. SSO, 
332 und 848, Kaunitz an Brognard vom 6. October 1767 bei ITtirmnzaki, 
Doc. VII, Nr. 38, S. 48 — 47, die Berichte des englischen GeuandtrT! vom 
16. Octoher 1767 bei Raumer, IV, III, und die grundlegenden Dar- 
stellungeu von Prowe (S. 29), Duuckor (S. 162), Hermann (8. 38ö— 128), 
SoUuAre, Jonberts, StaatsTeiindeningen von Polen 17M— 177S, gann 
beeonde» aber Essens Berichte im loc 8668, Vol. IV«^ des IHesdner 
Archivs, heranzuziehen. 

* SteaisUus hatte durch das Edict vom 15. April 1767 fremde Werbungen 
anf polnischem Gebiete verboten. An dieses Verbiit )!att*»r> «irb jedoch 
die prenssischen Werber nicht gekeiirt und der .sclioii gen.inute preussische 
Resident und Legationsrath Junk hatte durch suiu schroffes, heraus- 
fbidenides Benehmen den Deuziger Behörden gegenflber neheni den 
Brach herbeigefllbrt, wihrend Friedrich die Werbnogen fbrtsetoen liesi 
nnd sognr die Dnnsiger GemisiNi sn fcm nncgcdchnten DeserticMa 
,verleitüto«. DamuH, S 26-27 ff. Vgl. P. C. XXVI, S. 18«^ 189, Anm. C, 
Nr. 1G70Ö und Sülms Bericht Aber Jonks Anllreten Tom 89. Juni 1767 
in P r. X.WI. S. 209, Anm. 1. 

• Eftseu berichtet am C. Jänner 1768 (Dresdner Archiv, loc. 8662, vgl. V», 
ful. ai): ,11 a la haane et la veugeance dans le coeur contro la Russie, 
il se demine comme nn homme hors de fei et dit qne rien au monde 
le ÜB» retenir de con plan et de ses projets, puisqne son chaiactire ne 
Ini permettoit point d'agir diffSremment* Am 10. Febmar (fol. 186) nnd 



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428 



der kräftigen UnterstützAmf:^^ dio er nothwondiLr allen ihren 
Forderungen preboii inusstc — liat i r das Vertraueii der Unter 
thanen gänzlich verloren.^ Durch die Weigerung;, die Sache 
der Dissidenten auf sich zu nebmeo, verlor er zuerst das Ver 
trauen Russlands; daraus erwuchsen die unbeschränkten VoU- 
machten Repnins, welche dem königlichen Ansehen so riel 
Abbruch tliaten. Später trat er dem mnischen Plane bei und 
verlor die Heraen seiner Unterthanen, ohne das Vertraaen der 
Kaiserin wieder sa gewinnen.^ Nur eines gelang ihm jetst 
wenigstcnR, die Ernennung des Grafen von Potocki, eines per- 
sSnlichen Hauptfeindes, som polnischen Gesandten in Petersburg 
au hintertreiben, was Bepnin und von der Assebnxg durcfaau* 
setsen bemüht waren.' 

Kaunitiens Wort: ,Der Kttnig (von Pkreosseo) kann 
ttberaeugt sein, dass ich die Pforte des Janustempels, die er 
versehlossen hält, nicht Offnen werde', gehört hierher.* Die 

Am 2. Mirz (fol. 177) berichtet E'!<»pn, dass ihn seiuf» »dp« K?^iiirrH) besten 
Freunde als charakt*>rlo8öu, inconsoiaenten Schwächlinge aii»eiit«n. Benoit-« 
Berichte, so vom Jl. Jänner 1767, P. C. XXVI, S. HS u. a. m., be»täügeQ 
dlMS Chsiaktoriwwmiy» 

* Berieht ans Wareelum vom 14. Oeteber 1767 bei Baumer, IV, ItS. 

* Am 11. Mai 17S8 hatte der enyHiehe Oeemilte ane Petenberif Ten einer 
Unterredung mit dem PolenkOnig berichtet, in welcher dieser Aebniichee 
selbi^t m<rto 8. bei Räumer, IV, 188 Der Bericht dee engliaohen Ge> 
sandtet! vom 12. November 176ö ebenda 8. 199. 

* ,Um die polnische Gesandtschaftsstelle an dem russischen Hofe su er- 
halten, hat Olaf Pote^ bei Panin aoTiel bewlil^ dam dem Fttntea 
Sepmin anbefohlen worden ist, beim KfSnlg von Polen deefiUle den Antrag 
an mAcbeo; ea aidl aber der KOnig doh felntieri haben, wie Qmf PoloeU 
aeine abfeneigte Gesinnnn^n gegen ihn bei allen Gelegenheiten allsa 
überzetipend an den Tag {»elept liätle, als (1«ns ihm Panin 7,nmuthen 
könnte, einen derpleich widrig gesinnten Mruin zn ?einom Minister hier 
anzustellen* Bericht Lubkowits' am 27. Jänner 1768. £inen Monat 
später (am 96. Febmar) berichtet derselbe, daas sich namenUich von 
dbr Ameborg fllr die Ernennung Poloekls eiogeaetst habe, ,daM aber aaine 
deaHUgen Bemflhnngea flnehtloe abgoloffen aeien, geataltan der KOnig 
in Polen nns dorn Grunde der Abneigung dieses Mannes für seine Person 
sothnnps Ansiicheii immer abgelehnt hat*. Im k. k. Staatsarchive Wiftn. 
Dagegen hat der K(inig dem Grafön Os^^in.ski, einem der polniscbfn Con- 
ftiderierten, dessen gegen den KOnig abgeneigte Gesinnungen bekannt 
waren, den weissen Adlerorden verliehen. Lobkowita Tom 12. Febmar 
1768, ebenda. 

* Bohda Beriebt vom 16. Min 1767. F. C. XXVI, 8. 100-101. Beimaaa, 
n, 206, beaondeia abev Bohda Berieht vom M. Mai 1767, Aber aeia« lange 



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429 



Kriegspartei am Wiener Hofe, an ihrer Seifte Kaiser Josef II., 
war der persönlichen InitiatiTe der Kaiserin unterlegen. Ehren- 
schilds Bericht, er habe von einem Wiener Freunde erfahren, 
dass die Unzufriedenheit des Kaisers daher rühre, dass die 
Kaiserin ,Yeut abeolument öviter les occasions^ d'entrer dans 
uae gnerre, et ced fait endever rEmperenr, et jamaia le fils 
et la mkre ont si mal ensemble^ qa'ils sont actaeUementV be- 
leuchtet den ganzen tiefgehenden Unterschied in ihren politischen 
Ansichten. Der Gegensats bricht hier ebenso elementar hervor 
— auch ans dem Gemttths- and G(eAl1ilsleben der beiden höchsten 
Personen — wie in der Zeit des ZusammenknnftsTenmches; 
Maria Theresia and Josef blieben eben immer die alten. Doch 
war Josefs Politik jetzt sicher die einzig richtige. Hatte es 
doch Kaonits noch im Mttrz für nnglanblich gehalten, dass 
Katharina gegen den yon ihr eingesetzten Kttnig die Waffen 
ergreifbn konnte.* Im engen ehriichen Anschlasse an Preossen 
allein, freilich mit der nöthigen Vorsicht, entschlossen, wenn 
nöthipf auch auf das äusserste Mittel nicht zu verzichten, so 
hiiUe sich das polnische Unheil wohl noch vermeiden lassen. 
So aber holte sich Oesterreich nur eine neuerliche Niederlage. 
Auch Josefs Verhältnis zu scinci- Mutter war getrübt. Erst 
die schwere Blatternkrankheit, welche die edle Kaiserin im 
Frühjahre 1767 Dahcüu an den Rand des Grabes brachte, hat 
die gänzhche Aussülmunp: herbeigeführt. Die kleineren Staaten 
aber konnten sieh Ucsterrcichs Verhalten nur durch die An- 
nahme einf^R freheimcn Abkommens zwischen Warschau, Peters- 
burg und Berlin erklären.' 



Audienz bei der Kaiserin (bei Keitnatin, II, 213) ketmseiehnet ihre Offen- 
heit nnd Friedensliebe, was schlie^sHch auch FHedrich xugibt (aa Solms 
vom 16. Juli 1767 P. C. XXVI, Nr. 16788). 

* Dresdner Archiv, loi:. 2880. 

* Vgl. Kauuitss an Mercy vom 9. März 1767 bei Ärneth, Vlll, 126. 

* ,0A dmenn tronTeia eon profit, peat dtre aiu«i au« qnatriimo puissance,' 
•cbreibt Waebtendone an den bayrischen Vertreter in London, an den 
Fraiherrn von Haslang am SA. Mira 1767. JjO calme est indifferent, 
qa*on garde & Vienne mr cet objet, ou TEmpereur est tont pr^pari an 
piemier coup de sifflet faire aüer 150ui. hommes en cnmjmgne, cause 
beaticonp ties retiexion»; tnutefois, ou no saiiroit fniro que des conjec- 
tures jutit^u u präsent.' Dhhs die Tboilungsgeriichte ancb tu Wien und 
Potsdam heram^kten, ereehen wir ans den BerichtoB jRohds vom 6. Uni 
1T67 bei Reunann, II, 8. 218, Anm. i und ans Friedriebs Weisung an 



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430 

Daa einzige positivfi Ercrebnis der österreichischen Politik 
blieb niTif! schärfere, aufnierkbaiucre Haltung' in der polnischen 
Frage, die natürlich dem Pro TiHSPiikdni^e* und lien allwissenden 
Diplomaten reichlich Gelegeniieit zu Gerüchten über Oester- 
reichs Minicrnrbeit in Polen, bei der Pforte und in Kussland 
bot; ganz so wie im Vorjahre. Als namlich nach der preossisch- 
ruseischen Aprilconvention in den Beziehungen Friedrichs mr 
Czarin wieder eine E>ntichtenin^ eintrat,* auf die lUdomor 
Qeneralconföderation, nach dem Glesetze, Druck erzeugt Gegen* 
druck, eine mächtige, täglich anschwellende Gegenbewo^og 
folgte und nach der berüchtigten Verhaftung der BiscbOfe von 
Krakau und Kiew (14. October 1767) in Polen ydie nationale 
Verzweiflung 80 emporloderte', dass die kleinste Aüflsiclit auf 
Hilfe binreiohte,' im Lande eine aJlgemeine Flamme an «it- 
sQnden, hatte aueh Kannits (im Sommer ond HerlMt 1767) 
wieder yeranebt, die an Oesterreich hinneigenden Oheime des 
PolenkfoigSf die Fürsten Alexander und Miehael Csartoryskif 



Bohd ▼om 16. Aprit. P. C. ZIVI, & 141. BStgiojoM^ der Srtaiwicliiwti 
0«iandt« in KopanliSfM, berioklst am M. Mai 17M: «Vvr von wMUfM 

Leuten allhier bewuMtes Gerücht, kann ich hier nicht UbMjfellM, itm 
nämlich Rasslftnd mit seinen auf Polen «ibzielenden Plänen, (inrrh welchen 
sie «ich flie Abtretung einer weitea Strecke Landes von Seiten Ukranien« 
und zugleich die Ueberlas&uug des polniachen Preusseus mit Inbegriff 
der Städte Danzig und Elbing an den KOnig in Prei—tn au Tenehaftni 
gedenkt, oiiatnelur bwroraubieelMn nad loloheii ins Werte la m i m «aV 
aehkMflen mId tolle. Der fruiSsiMha Boteebafter winiiit «olebem ^m- 
mßge seiiMr bievon habeodeu Naebiiohten hat ToHkonimeneii Olubn 
beixumessen.* (K. k. Staatsarchiv Wien, DSnemark, Relationen.) 
» Bereits am 1t> Jrüuior 1767 an Sohn«, h P C. XXVI, S. 9. 

• Mau baite ilitj eisiing: an Solmfi vuui 24. Juni au der vom t>. JoH, 
P. C. XXVI, ä. 200: ,au surplua, il est bon, qae je voils fasae 
obMrver, que roas ne devei pea Toaa liiwer impoier partout ee q«a 
Tob v<nu dit de Tairatttege^ qne ja tiraia da man alltaaea avae U EnMia. 
Panonna ii*aii oit mieux inalndt qua vont, que jnsqu^i pMaaat ja a*ai 
an ai paita, ni profit de cett« «Iliance, et qa*U n'y a eu aucan aotM 
.nvantsffe ponr moi. Jnsqu'A c« temps-ci tous les arantages de notre 
traite oiit «'tö solitaircs du cöte de la cour dt> Kuj.sie. parco «ju"olle & ]<n 
effectuer d'auiant pluM facUement »es rösoiutioos en Pologne. ,äeit mehr 
ab 8 Maoatan höra ieh von diaa<^ Moaarohan Fiiadiieh gar aU^ 
radan»* «agt ChotMul sam angtiachea Gaiaiultan (denan Baridit timb 
26. NoTeoAbar 1?«7 bei Baoraar, IV» iSl). 

* Wie der angliaeba Vartratar mom Waraabae vom Sl. Oetobar bat B aa — r , 
IV, 180. 



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431 



vielleicht auch den Bischof Theodor von Posen dauernd an 
Oesterreich zu fesseln. Er war auch deshalb zu diesem Ver- 
suche geleitet worden, weil Panin noch vor rler ( m in i nironfude- 
ration ge^rcn jene Czartoryski'schen Führer, von d n- n n- wusste, 
dass sie für die Aufhebung des liberum veto eintraten, eine 
Gegenpartei ins Leben gerufen hatte, ^ und weil man am Wiener 
Hofe wähnte, dass Friedrichs Verhältnis zu Russland wieder 
erkalte. So meldet der englische Gesandte aus Wien am 
19. September 1767: Es herrscht ein starker Verdacht in Polen, 
dass Benoit von seinem Hofe geheime Befehle habe und, während 
er mit dem russischen Gesandten in Harmonie zu leben scheine^ 
ihm anter der Hand entgegenwirke and Hindemisse in den 
Weg werfe,' ohne gewahren zu lassen, von welcher Seite sie 
kommen. Seine grosse Thätigkeil^ lange £r£shrang and yoU- 
kommene Kenntnis dieses Landes machen ihn ohne Zweifei 
geschickt fUr eine solche Angabe; ich weiss nicht, aaf welche 
Thatsachen dieser Verdacht gegründet ist, habe aber Grund zu 
glaaben, dass er nicht blos in Polen herrscht, sondern aach 
Moskaa erreicht hat.* Wie xmwiUkfirlich schrieb Friedrich an 



* Vgl. Panin an den Fürsten Badziwil vom 7. April und 22. August 1767, 
«MrmkLZyn, S. 369, Nr. 1680 ana 8. 4S4, Nr. 1664, an den Grsftn Mmnek 
▼om 87. Juni, elMiida 6. Nr. 1648; Katliariiui an dm BnUfeaannton 
am 61. Jnll, 8. 408, Nr. 1649 nnd Solnu Beriebto TOm 81. und 87. Oo- 
tober 1767 im Sbornik XXII, S. 503, Nr. 261 und S. 543. Dem Fflnten 
Repnin war e<< bereita Ende 1766 gelungen, auch den Fürsten Adam 
Czartttryski zu tjewinuoii und damit eine l^rL'^che auch iu diese Partei 
zu schlagen. Vgl. Paiiiu an Repuiu am 23. December 1766/3. Jänner 
1767. Sbornik LXVII, 8. 247, Nr. 1471. Man Teiylaicbeanob die Coimpon- 
dens Bwtochen Panin nnd Bapnin bei 8w>1owjeff, S. 61^76. 

* Paw dieaetr Verdaolil begrOadot war, enehea wir atw der Weianng an 
Benoit vom 4. Febmar 1767, P. C. XZVI, Nr. 16479. 

* Za den Mberen Bemerkungen Aber Friedrich« Abneigung gegen Rum- 
land, f. oben 8. 887ff., «ei an das Scbrmben an d'Alembert Tom 84. März 
1765, an Voltaire vom 24. März 1768 und fUr unsere Zeit auf das 
SchroiVx n an Solms vom 5. Febmar 1767 verwiesen (also knapp vor den 
Conveutionsverhandlungen), in welchem e« heisstr Mit welchem Kechto 
darf sieb die niasisclie Kaiserin in die iniiorou Augelegenbeiten Polens 
einmiiehenf Ibr Betregen kann sehr schwer gerechtfertigt werden. Nnr 
ans GefMlligkeit (dieselben Worte gebmnebt er tm 89. Oclober an Solms 
P. C. XXTI, 8. 868) natentttee iob ihn Schritte, nicht aber weil ich sie 
billige — und der hinkende Bote — aber auch nicht nus Schwftche 
(Sbornik XXXVII, Nr :i05, 8.80). Man Tergleiche Friedrioba Weisungen 

Irokif . XCU. Bud. IL Hüft«. 88 



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432 



Hohd auf eine Meldung von den (totemichlBeli'mniBcben 
Gegenactionen in Polra: Jhre Nachrichten ans Wien zeigen 
mir, dass die Oesterreicher s'aper9oivent asses tard, qu'ils ont 
prot^ autrefois trop d'occasions k la Russie de gag-ner une ansai 

graiide iniiucnt'o qu'ils ont, dans les affaires de rEurope. A prä- 
sent je crois, quo. pcut-etre cela causera une gründe annuositö 
entre ces deux eours, et si, a la suite du temps, Uts Kusses 
(^tendront plus loin leurs grands projets, il ne sera pas im- 
possible, que CO füt un raotif, pourquoi ma cour et celle 
de Vienne seraient obligiäes de s'unir pour arreter con- 
jüintcment les projets trop vastes de la Kussie/* Aber 
vorderhand erscIiifMi dem Preussenköiiig dio Idee Panins. eine 
Gegenpartei gegen die (;zartüryski zu bilden, um mit seinen 
Worten zu spreehen,^ .plus convenable que toute autre'. denn 
sie kam seinen Plänen auf Polen entgegen. Für diesen Zweck 
mussten Ocrllchte über Oesterreichs Intrignen in Polen aus- 
gestreut und breitgetreten werden. Galt es ja, aach in PeterB* 
bürg schön zu thun und die zum Theile ablehnende Haltung 
gegen die russische Pohtik in Polen in Fragen der Heran- 
ziehung Sachsens sum Nordbund zu bemänteln. Charakteri- 
stisch fUr diese Art preossischer Politik ist die Depesche der 
prenssischen Minister an Solms vom 12. December 1167.' 
yEine der letzten Nachrichten ans Wien' — heisst es hier 
ganz entrUstet — ybeweist, wie sehr dieser Hof geneigt ist, 
k donner nn fanx joor anx ddmarches de celle [conr] de 
P^tershourg. II porte en substance qne Von parlait d'nne al- 
liance offensive et döfensiTe entre la r^pnbliqne de Pologne et 



«a Benoit Tom 24. und 25. October 1 767, Fonelitiiigett IZ, 194 nod BeiiBMiii, 
n, 824. Hier vennt er dte nutiadien MaMregeln »ilMgaiis*. 

> V^l. Bohd« Berieht vom S6. November 1767, P. C. XXVI, 8. 82S, Aam. 1. 

« An Solms vom 6. November 1767, Sbornik XXXVII, 8. 109, Nr. 346. 

* All demselben Ta^e schrieb auch der König- an Solms eine Weisung 
ähnliclien Inlialu»! ,Ln conr de Vienno Pst trAs attontivc. h co q»n ce 
passe en Polo{»ne, ollo np douiatidorait sürcirient pas inieux, 'lUf d'.ivoir 
une occassion d'&uimer la Purte contre ia Kuasie.' Daas diese Ver* 
nratbung^ Friedrieh» niekt einee KOmoheiis ealbehrte, erMibett wir aoi 
Kttttniti' Schreiben an Brognard Tom 6. Oelober 1767 bei Hnnmiiaki, 
Doc. VII. Schreibt doch Kenwto ewA an Lobkowiu am 20. Mai 1T67 
atisdrttcklich: dass er fortan seine gespannteste Aufmerkmnkeil auf die 
dermahli<:fcn YorfalltMihuito;, \n Polen und auf die hieraii» wn beeoiyee^ea 
Verwicklungen richten werde. 



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433 



Tempire de Russie, laqnelle devait faire partie de nonvelles 
constitutionB fondamentales, qui sont redigees par fonne de 
trait^, et qu'en vertu de cette alliance, ainsi qiie de la Garantie 
de la forme dn iL^ouverncment la Kussie fournirait im corps de 
ses troupc'S, qui seraient k la soldc du roi, de luanifere qu'il 
scrait pourvu a leur entretien par des contnlMLtions en vivres 
et cn fourages. On voit par cette iiisin uuti ii lualicieuse', 
schreiben die Minister 2^^ Monate vor dem wirklichen Ab- 
schlüsse des Garantievertrages, ,qu'il est du plus prand interet 
de la cour de Kus>bie de iie point donner trop de prise, k unc 
cour, aussi mal intentionneo ii son egard*; , dieser*, heisst es an 
einer anderen Stelle, .wUiT^cht«* sicher nichts lieber herbeizu- 
führen, als eine Gelegenheit zur Aufreizung der Pforte gegen 
Russland zu haben'. Nun heute wissen wir, dass diese Meldung 
durchaus nicht die malignite des kaiserlichen Hofes erfunden 
hat, um die Türken zum Kriege aufzureizen, sondern dass sie 
wohl begründet war. Man hat dem Wiener Hofe nicht einmal 
nachweisen können, dass er bei der Bildung der Generalcon- 
fbderation zur Abschaffung des liberum yeto seine Hand im 
Spiele hatte, trotzdem die preossischen Historiker ebenso ihren 
ganzen Scharfsinn aufiraudten, um einen solchen Beweis er* 
bringen zn können, wie sehon Friedrich seinen Spürsinn dasn 
yergeblich angestrengt hat Kicht einmal eine Audienz ge- 
wfthrta Maria Theresia dem nach Dresden und Wien abge- 
sandten Oonfbderationsabgeordneten, dem Grafen Potocki,^ und 
als Choisenl dem österreichischen Gtesandten, dem Grafen von 
Mercy-Argenteauy den Antrag stellte, Oesterreich möchte eine 
von Frankreich in Petersbnrg angeaettelte Bevoiation nnter^ 
8tttt2«i, lehnte dieser rundweg ab, ,nicht nur weil dergleichen 
Untemehmtmgeo, wenn der innerliche Zunder dazu nicht Yot' 

^ Untar dam Vorwande, ,weil er mit keinom Recommandationsscbreiben 
versehen sei', wie Fürst Galitzin nach Petersburg meldete. Lobkowitz 

ab(T klärte den Grund der Abweisunn; atif, ,dass nSmlich dieser Depu- 
tierte um ßino f?1rm!ichc Audienz ang-elialten, ?olche aber darum nicht 
erhalteD habe, weil «eiu allerhOchäter Hof in diu gegenwärtigen polnischen 

HIadel mnf keine Art sich eunnmucben gedenke*. Bericht vom S9. JnU 
1768. Ein tolch weitgehendee Entgegenkommen, eine so dienstwillige 

Zuvorkommenheit Terdiente der roasische Hof thatBiehlieh nicht Und 

wir finden es ganz begreiflich, wenn Kaunitz ,nber den von Lobkowits 
beg^ang-enen Fuliltritt sehr nnf^ehalten •war'. Weisung au XiObkowits vom 
31. August 176ö. Beides im k. k. Staatsarchive Wien. 

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434 



banden ist, gemeiniglich sehr ttbel aassoBchlagen pflegten, 
aendern weil »ch solche IHttne snr OsterreichiBchen Politik nicM 
schickten'.^ Jch habe anverlSssig erfahren,' schreibt Kattniti ni 
LobkowitSy'ydass der OrafFmekenstein dem an Berlin beglaubigten 
rassischen Minister geflissentlich za ▼«rstehen gegeben habe, 
als ob der Wiener Hof die Pforte gegen den rassischen aufz i- 
hetaen itasserst beflissen sei nnd sein König dieserwegen der 
Ozarin rsthe, anr Erhaltung der Ruhe in Polen sowohl das 
pohische Prenssen, als die Stftdte Posen und Thoru mit V2,m 
Mann besetzt zu halten. Da nun der russische Minister die* 
zweifelsohne einberichtet haben wird, so werden E. L. nirht 
nur über den Grad des Glaubens, so man dieser Aeusserung 
dortcn beiinisst, und über die nach demselben g^erichtet werdende 
Massregeln ein wachsames Auge haben, sondern auch falls 
Derartiges zur Sprache l^amc, schicklich zu erkennen geben, 
dass dergleichen gehässige und mit der Denkungsart des 
k. k. Hofes nicht vereinbarliche Anzettelungen nur von listigen 
Privatabsiciitcn herrühren küimteu, und eher einen Argwohn 
als Glauben verdienten/ 

Solche und viele andere Verdächtigungen, mit denen 
Friedrich selbst bei der i'forte schürte, jede Kaiserreise mitKriegs- 
plänen des Wiener Hofes gegen die Pforte in Zusammenhang brachte 
und durch Zegehn aufbauschen liees, werden aber noch wider- 
wärtiger und befremdender, wenn man sein Intriguenspiel in 
Polen gegen und mitBassland, mit seinem Vorgehen Oesterreich 
gegenüber in Petersburg auch in Polen in Zusammenhang bringt 

Dort concentrierte sich die Aufoerksamkeit der euo- 
päischen Staatsmänner, von dort ans suchte man vor allem 
Fried ri( Iis Haltung zu entrttthseb, welche eben damals (Ende 
1761) Anlass za den tlberspanntesten Gombinationen bot So 
erwog Choiseul in der vorgenannten Unterredong mit dem 
österreichischen Gesandten in Paris, dem Gbafen von Mercj- 
Argentean, den Plan, ein Einverständnis zwischen Oesterreich, 
Preussen und Frankreich in der polnischen Frage zu stiften 
und dadurch Russland ans seiner Position zu werfen, und Meicy 
antwortete mit dem Gegenantrag, das Generalstabshauptquartier 

* Mptcjs Bericht vom 10. MoTomber 1167 aos Pari« (k. k* StaateaitlüT 

Wien). 

■ Wiou, am 30. April 1768 (Antwort auf deu Bericht Lobkowite' ro« 
1. April Sn k. k. StaalHwelnv Wien. Weisungen). 



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4a5 



einer Gegenaction ^re^fün Russland nicht nach J:{errm, sondern 
wohl mit Fnedriclis Untcrstiitzunfr nach London zu verlegen.* 
Und doch übersahen alle diese und viele ähnliche Projcete, 
dass Friedrichs Politik in Bezug auf Polen sich vielfach mit 
der rnssisckeD deckte, ja diese bisweilen noch an Härte Ubertraf. 

Wenn er auch selbst Tom pnncipiellen Standpunkte die 
russischen Gewaltmassregeln missbilligte,' so war er doch mit 
Kathanna einig, Polen zu schwächen und in seinen staatlichen 
Qiganismus die Keime der Zerrttttnng zu vermehren.^ Was 
preuflsisehe Historiker behaupten, er habe Rnsslands Gewalt- 
schritte ans Furcht vor einstmaliger Consolidierung Polens nicht nur 
DDterstatst^ sondern sogar Terschürftf^ tmd sei aus diesem Grunde 
selbst gegen den von Rnssland voigeschlagenen Oonseil perma- 
nent rücksichtslos Torgegangen, muss richtig genannt werden. 
Aber ttber den Grad der Schwächung giengen die Ziele der beiden 
Verbllndeten auseinander j denn die Interessen waren Tollständig 
verschieden. Auch dass sich ihre Ziele in der Dissidentenfrage 
deckten (wie Duncker sagt), ist grundfalsch,* ebenso falsch 
Hermanns Behauptung, dass der Hauptzweck der masisch- 
preussiflchen Allianz bereits 1764 Polens Zerkleinerung war. 

* Mer^ Beiklit sa KannUs Tom 10. November 1767 «w Pari» (im k. k. 

Staatsarchiv Wien. Beiiehte aus Frankreiek). 

* Man leso ilio WoLstinfren an Solms vom 4 August und 14. September 1767, 
besonders aber die vom 19. Jänner 1767. P. C. XXVI, 8. 16. 

' In seinen Memoiren gebraucht er selbst diese Worte: ,Ia semence de 
tons les troublo« et des guerres qoi s^en suivirent'. 

* Dmuk», 8. 159— leoff. yFoidete Preoneoe Intereme, Polens Sokwiobe 
sn erkalten, wenn Baobeeii dort kemekte^ um wie viel illiker war dies 
Qebot, wenn Russlands zunebmeiido Maekt dort regierte.' Die Furclit 
vor der VerMtulung eines erstarkten Polens ppg^en ihn selbst hat Friedrich 
seihst nach der Zusammenkunft von Neisse in einem Schruibun an 
Finckonstein vom September 1769 ansgfedrückt. Doch gilt auch hier, 
dass man seiue Au&i»agen nicht ,skeptiHch genug aufnehmen darf*. Ebenso 
Bein«m^ II, 2S8ff. 

* 8. oben S. 806. Ken bntaeht rieb doek nur Friedrieb* Weisnng an Soku 
Tom 19. Jlnner, 6. und 12. Februar 1767, P. C. ZZVI, S. 17 und Nr. 16481 
bei Reimann, I, 806 und 207 und Forschungen IX, 190 und 191, also 
in einer Zeit vnrrnfnhren, in welcher sich Friedrich zum Abschlüsse einer 
neuen Convention mit Kussland bereit i-rklHrto (Duncker, 151). J.i an 
Finckeuäteiii schreibt er am 31. October 1767 direct: ,(j,uoi(j[ue je vive 

actnellement ea amitt^ avec U eonr de Boorie, il eet n^moins «fir qne 
poeitiTement mee intirdta ne aont en tonte oocnrrenoe lee mimee qne loa 
liens*. 



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486 



Während Katharina nur Polene SelbBtftndigkeit vernichtet wueen 
wollte, um ein mittelstarkes Reich gegen die Ttirken verwenden 
au können^^ Polen, wie Kaanita sieh ansdrttckte, in demselben 
Zustand der Kiohti^eit au erhalten wünschte, in dem es ddi 
befunden hatte,' erstrebte Friedrich Polens gänzliche Ver- 
nichtung, wollte sie jedoch nicht auf aggressivem Wege her- 
beifuhren.' 

Doch uieht nur die Furcht vor Polens ErsUrkmi?, 
auch die volkswirthschaftlichen Interessen, das Bestreben 
Friedrichs, Polen von sich wirthschaltlich abhängig zu machen^ 
haben den Prcussenkönig bewo<;<.'ii, Polen nicht blos in seiner 
Schwäolie zu erhalten, ssondcrn aucli die geringen Reste aiita- 
nomer Verwaltung, die der russische Despotismus übrig gelassen 
hatte, auszumerzen; desliall) hat er sich gegen die voll«tMndige 
Gleichbereclitigung. die Wählbarkeit in den Keiehstag und die 
Zugängliehkcit zu allen iStaatsämtern für die Dissidenten (wns 
Katharina forderte),* gesträubt. Wir wissen jetzt, d,a>s eine 
solche Schwäche Polens nicht im Interesse Preussens lag, dass 
Friedrich schon aus den Unterredungen mit Saldem wissen 
musste, dass Katharinas Intentionen ganz andere waren als der 
Bund mit Preussen, dass ein mittelstarkes Polen dem immer 
wachsenden russischen Keiebe stets zu schaffen geben konnte. 
Es war dieselbe fehlerhafte Politik, welche deiT auf Schweden 
bezüglichen Nebenartikel vom 31. März 1764 (er gebt dem 
Bnndesvei-trage vom 11. April 1764 voran) geschaffen hat, 
der für Schweden ähnUche Beschränkungen eintreten Hess, 
welche die Wohlfahrt, die Kräftigung dieses Staates nur m 



* ,W«iii Sie beabaichtigen/ teluieb Bepoin «n Panin am 11, /SS. Deeembar 
1767, ,Poldn irig^end eine, wenn auch die geringate Consiatanx la gebeut 

um dasselbe bisweilen gegen die Türken zu gebraiiclien| iit 
es erforderlich, diese innere Reform (ReschrÄukung d^ liberum veto) 
gestaf ti'ti, donn ohne diese werden wir keinen, auch nirlit dr'ii geringsten 
Vortbeil oder Nutzen von Polen haben, da der Wirrwarr und die Anarckie 
in allen Zweigen der Verwaltung eioen Otad «rreiebt baben, diis et 
Xrger nicbt mehr werden kann (Seolowjeff» Geechidite dee FaUes too 
Polen, S.78— 76). 

* Räumer, IV, 110. Bericht des englischen Oesendten Tom 11. NoTember 1*67. 

* ,J'ai conchi mon alliance avec la Russio, pour conserver la paix, mais 
non pas pour la rompre/ an Solms vom Norember 1767, Sbonük 
XXXVU, S. 112. 

* S. oben 8. 386 und Dnneker, 8. HS. 



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4S7 



Qnnsten Rasalands ansschlofls; oder wül jemand behaapten, 
dasB auch Toa Schweden dem prenBaischen Staate irgend eine 
Gefahr drohte, nnd daee Friedrich hier deshalb so die Schwächnog 
betrieb? 

Alle InteressengegensfttseTom Jahre 1766 zwischen PreoBsen 
und Rnaaland (im Nordband, in den pohuschen Fragen, in den 
Handelabesiehnngen mit Sachsen)^ traten nach nnd nach hervor. 
Und wenn sie anch zeitweise von Männern wie von der Asse- 
burg überbrückt und die nordische Solidarität ins Treffen «refrihrt 
wurde,* wurden sie vermehrt, als Benoit am :.'4. JUnner 17G8^ 
dem Primas ein Memoire übergeben hatte, in Ii i u er die Macht- 
sphäre der Conimissionen des Schatzes uiid Krieges eingeengt 
wissen wollte."* Wohl war Ktjpnin von diesem Schritte Preussens 
nnterrichtet und hatte infolge dessen das Arrangement darüber 
verschoben, bis die anderen Angelegenheiten geordnet wären; 
aneh setzte F*riedrich der Apanagenregelung der sächsischen 
Prinzen keinen Widerstand entgegen. Trugen sie ja zu Polens 
finanzieller Schwächung bei. Aber die genannten Conimissionen 
galten mit Kecht ais der ^Angelpunkte um den sich die ganze 



* ZwiaebenllUe in den Acten Tom 8. JUnner 1768 im G. 8t. Areb. Berlin, 
R. 96, Yol. L. CabioeliBinitteriiuiis-IamediAfberielile. 

' Lobkowitz berichtet am 27. Jänner 1768, das« es dem IVeiherrn von dor 
A^sclturg- gelungen ist, da.ss (lor Petci .sltiirper und <ler Berliner Hof 
wieder in besserem Eiiivoistätidnisse »telifii, wie denn auch Solms, welcher 
vorher, den Umständen geachtet, ziemlich kaltsinuig angoseheu worden, 
seit einiger Zeit von der Kaiserin sehr freundschaftlich begegnet wird. 

* Beric.lit Essens nach Drusilen vorn 27. Jännör 1768, I)ri\sdner Archiv, 

* Auch das ein Beweis für die Richtigkeit der Amicht iieimauus, dass 
Benoit nur deebalb su den Bemtbnngen sug^zogen wurde, um jeden Auf* 
sebwniif der polniaeben Bepoblik sn bemmen, und deas Friedrieb nur dann 
eine Bttrgsebaft für die Beetimninngen des aasserordentlicben Beiebstages 
1767 fibernebmen wollte, wenn er in diesem Sttteke befriedigt wUrde. 
Am 26. November entscliied or sich daftlr, sich gemeinsam mit Russland 
mit der Garantie xu beladen, und im JSnner 1768 hatto Kcpnin den 
letzten Anker geordneter Yerhältnisae in Polen, ,den ständigen Rath', auf 
Befebl des Petersburger Hofee fallen lassen mttssen. Ueber den Wey an 
diesem Entseblnsse orientieren die Weismifen an Solms vom 17., 80., 
29. Oetober 1767 (sieb aneb gegen die Fortdaner der Confilderation au 
widersetaan) und die vom 6. November 1767, in welchen sieb Friedrich 
sch.arf gepen das politische Projoct des PluraHtStsvotum«« an Stolle de.s 
eiustimmipen nusspricht, im Sbornik XXXVII, Nr. 338, 339, 346 und 346 
and dessen Berichte vom 12. Oetober ebenda. Nr. 342, S. lOOff. 



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438 



Autorität des Kitnigs dreheV nnd eine ganse Reihe von Briefen 
beweisen auch, daas das russisch^prenssische BOndnis sich au- 
sehends lockerte.' So die Weisung an Finekenstein Tom 
10. Jänner.' ,Atts der lotsten Depesche Sohns vom 17. De- 
cember^ werden Sie ersehen haben, auf welche Art und 
Weise sich Panin bezüglich der Zusiehung meines Vertreters 
in Warschau zu den Conferensen geäussert hat; ^et quoi je 
yeuz bien vous dire, que pourvu^ quc la cour de Roseie Tcoille 
prendre ces affaires sur ce pied-lh, je ne me chargerai alors 
aussi (pus) d'aucun gfarante, de tout, qu'on y aura regle. En 
quoy il y aura d'uutanl ga^i^ne, dum, wenn in der Folsre ein 
Krieg ausbrechen wird, je ne m'cn melerai aucunfment.' 
Und darauf die Ministerialdepesche aii Sülms vom 12. .lanner 
nü8.'' .Sie werden dem Grafen Panin sa^en, dass ich nach 
seinem Versprechen (Benoit zu den Goiiierenzen zuzuzielicn^ 
bestimmt erwarte, dass der Fürst Repain im voUkoinnirnon 
„concert" mit Beuoit verhandeln und ihm alles miulieileu 
werde, derart, dass nichts fixiert werde, wovon ich nicht 
vollkommen informiert bin und zu dem ich nicht meine Zu- 
stimmung und Eiuwillig-ung gegeben habe/ 

Klingt diese Sprache nicht ganz so wi dir im Jahre 1766? 
Dazu kommen noch die Ausbrüche des Unwillens Uber die 
überaus freundschaftlichen Besiehungen Rnselands zu Sachsen, 
aber die aahireichen Gunstbeweise, mit denen Katharina in der 
feinsten Weise Sachsen an sieh au sieben wusste — wie Ge- 



* ,Le pivnt snr lequel toute Tautoritö du Roi roMe.* Eaaeiw Bericht, 

Dresdner Arthiv, loc. S569, Vol. V. a , fol. 38. 

' Besonders Ksjjeus Bericht vom 27. Februar 1768 im AnhÄii<,' III, «Repnio 
in'iLüsurti que la mäfiance eutro les deux count (Preus^eu und Kusslaiid) 
est parfiutement ^gale, et que la Bosaie ne tient k lui, que par dmi 
TaiMot; nne par la rivaGt^ et la jalotuie, qu'elle a contra U com de 
Vienne qni, par patenthAae, ne nona doit pas rendre lee meiUenn ofiGce« 
k P^tersbourg, Tautre pour avoir an Prince puissent en Allemagne i die, 
la KtHsio anibltionti.int de joner daus cet Empire un röle, comme U 
France Y a joutV u. .s. w. (Anhang- III ) 

' Im geheimeo Staatsarchiv Berlin, Rep. üö, YoL L. der Cabinetsministeriums- 

Immediatberichte. 

* Öbomik XXXMI, g. 129, Nr. 354. Er böficUtet, das* Panin sein Ver- 
sprechen, Benoit heraiijcuzieben, snrück^^ommen habe. 

' Sboruik XXX Vll, Nr. 354, S. 130. 



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439 



schenke and Ordensverleihnngen^ — nnd endlich die damals 

neu genährten Eifersüchteleien Preussens gegen Sachsens 
Stellung in Petersburg. So erhielt Solms im März 1768 den 
Auftrag', dem iuateii Panin von der Anleihe (,emprunt') Mit- 
theilung zu machen, die Sachsen in Genua aufnehmen will,* 
und am 13. April 1768 Hess Friedrich an bolms schreiben, dass 
er nur dann die russischen Schritte zur Beruhigung der Pforte 



* Kepnin verstand ebenso dem Baron von Essen zu schmeicheln und ihn 
<rnr\z fiir die rtiftsisclto Sarin* 711 wwiunen, wie dies d^ni Qeneral Panin 
dorn Grafen Sacken ge^feniiiier ^eltuiijen war. ,L.i fa*,on honiieto et 
amicale, dout l Auibasisadeur (Kepuin) me traitu/ schrt>il>t Esseu am 
6. Jlnner 1708. (Uefaer dmi PoleBdcOnig helMt es ebenda: ,Depuis qu'il 
[Stanislaus] a ▼a, qa*U n*y aroit pas i röenler sar les affaires da la 
Saxe, il est froid yis-^^Yis de moi, eonme glaee, mais TAm» 
bassadear, qui sait fort bien quoi s'en tenir, m'a t^moignÄ 
en revanche beauconp de cn nsidäration dans le public, etme 
prle .souvent .nu x bals ou aux souper.s 011 lo Kol so trouve.') 
Am 16. Marx 1166 wird von Dresden an Essen gescbriebon: «Eis ist mir 
▼on sehr anftbentfieher Stelle fibermittalt wozd«i, dass sioli Panin in 
seinen Unterredung«» mit Kosaliowskl sebr gflnstig aber ans awgedrilckt 
bat Und swar soll Panin diesem m erlcennen gegeben baban, er wisse, 
das« der sächsische Hof eine grosse Anzahl von Rreandmi in Polen habe 
(wie die Radziwills n. a ); doch sehöpfo er daraus keinen Verdacht und 
glaube er auf diese Pnrtei(;änger ebt^nso rechnen zu künuen wie 
auf die eigenen (russischen) Freunde. Alles im Dresdner Archiv, 
loe. 8662, Yd. Y». Graf Saoken wurde bald darauf zum Bitler des 
Andreasordens ernannt Man Tergleiebe Paidns Sebreibea an ibn vom 
16. Angast 1768 im Dresdner AiohiT, loe. 90tÖ. Auf Bepnias Ansnehen 
hatte der Graf Ossoliniki, Starost von Sendomir (sächsische Partei), 
den weissofi A'tlerordon vom Polenkünige erhalten. (Essüns Beru-ltt vom 
27. Jänner 1768.) Nai-h den Frill)jahrsereig-ni.s<en de.s Jahres 17G8 wurde 
Sacken zum Cabiuet^mini^ter und Secretär des auswärtigen und mili- 
tiriscbeu Amtes emauut. Er war eifriger Protestant, ein Freund des 
nordiseben Systems nnd ist wahvacheinlieh infolge seines Eintretens Ar 
die Dissidenten abberufen worden: ein reeht eider, ruhmsHchtiger Ver- 
treter des damaligen Diplomatenthums, den Panin ganz beherrschte, 
nnd wenn wir dem Berichte Solms vom 29. März 1768 und Lobke- 
wit// vom 10. März 1768 noch weiter Glauben schenken wollen, ein 
Gegner Ueäterreichä. (Sbornik XXXVII, S. 1 45 — 147.) Sein Nachfolger im 
Petersburger Gesandtschaftsposten war der Geheimsecretar v. Klingenau, 
dessen Beridite (im Dresdner Ardiir, loe, 6048, fttr die Zeit von Juni 
1768 bis nun Beginn 1766 — wihrand dieser Zeit leitete er iaterimistiseh die 
G«9cbSfte einen sebaifen Beobachter und gewlegten Diplomaten Ter* 
rathen. 

> Sbomilc XXXVU, 8. 146. 



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440 



unterstQteen werde, wenn Rugslasd mit Sachsen keinerlei Ver- 
bindttng knüpfe. Die Erfahrung habe ihn gelehrt^ dasB seine 
Interessen mit denen des sächsischen Hofes nicht ,condIi«rt^ 
werden konnten, dass er also niemals in einen Bnnd eintiitey 
welchen Rnssland mit diesem Hofe abschlösse; eigenhlndig ftgt 
der König dieser Weisung hinzu: ^<Mnt de Saxons, oü je 
garde notre alliance dös ce moment comme rompue, ce sont 
des paroles sacramentales.*' 

Aus diesen Wortm spricht der ganz«* traditionelle Gegen- 
satz zwischen Preusseii und Saclisen, welcher noch über <lrn 
Conflict, über die Competcnz des Burtrc^^rafenthnins und über 
den Anfang: des Ma^dcburf:;er Sessiüns.stroit> < hinausreiclit- und 
seit (h'in J'iiitscheidungskampfe nm den Vorrani,^ in volkswirth- 
schattiicher Beziehung (erstes Drittel des 17. Jahrhunderts bis 
zum Beginne des siebenjährigen Krieges) in eben solchem Masse 
zugenommen hatte, als Preussens Macht, Einfluss und Stellung 
im europäischen Concerte gestiegen, die Machtsphäre Sachsens 
gesunken war. 



» Ebenda 8. 150. 

' Wio dies Gustav Wolf neuerding» in den Forscbuugea z\xr brauden- 
burgiscben Gescbicbte 1892, II. Ualbband, 1— i9£f., 1894, sehr giaddicb 
hervoqpehobea hat lieber die Bestebnngea swiaelien PreuMii veaA 
Seebieii aind aoMer WeuMM neueeter Oeechiohte tob flefthagn and dm 

Handbucbe zur brandenbiiri^ischeu Gescbicbte Yen Galliu beeonden di« 
Berichte Stutterbeims aus Berlin im Dresdner Arcbir, loc. 3396, einzusehen. 
Das» es au Kämpfen auf wirthsch.'iitlirln'm Gebiete uicht rr«»fehlt h»l, 
ist klar. So hei'^.st es iu den Cabmt'Lsuumsteriums-Imniediatb.'ricbten 
au das Ministerium vom Departement der auswärtigen Angblegenbeiten 
▼OD S. JJLnner 1768: «Da Seine k. M. nach mehreni Inbalt der Mlnift- 
liehen iLnlag» oder Anieige geseheikt wie der knreielis. Hof Hit eiaifer 
Zeit angefangen der Bothenburgischen Gewerkschaft die Zoll- und Accise- 
froibeit auf die im Sächsischen und Anhaltiscben zu Betreibung <i-^« 
Werkes nnpTC^ch.nfftP Hnlzo und Kohlen auch auf die nach Ni :ust;»at 
a./d. D'.sttT zur Sillior Seygerung absuchende Kupfer. Rlei und ubn|:^ 
Materialien 2U verweigern und die Freipässe zu solcher iran»ports, wie 
doch eolehes aonet vor letster Criege jederzeit geschechen, nicht mehr 
ertheileii m wollen; ao befehl an 8. k. M. deto Miniaterio Tom Lvp-. 
der answirtigen Angelegenheiten hietdarcb alleignidiget dieier Sadie 
wegen eine nachdrückliche Vorstellung an dai kursächs. Hinitterinm er- 
gehen unil die fernere AusfertigiiTip der quaestionierten FreipMs»*». wie 
insbesondere .'illpm.il pesrheehen orustlicb urgieren »u wollen.' Geheimes 
Staatsarchiv Berlin, Kep. 96, Vol. L. 



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441 



In Sachsen sah der inisstrauische Proussenk<inig den na- 
türlichen, durch Bande des Blutes und der KcHf^ion an Oestor- 
reich geknuplien Um idesgenossen,* der stets bereit wäre, zwischen 
Oesterreich und Russland hinter seinem Rücken zu vermitteln. 
Dabei übersah er, dass Saclisen ohnmftchtig, durch den Krieg 
ünaoziell ruiniert, aus seiner Position auf Jahrzehnte zurück- 
geworfen, dass der grausame Tod in seinem Ilerrscherhause 
rasch nacheinander <rrosse, zum Theile unauBfüllbare Lücken 
gerissen hatte," dass Franz Xavers enger Anschhiss an Frank- 
reich ^ das gute Einvernehmen mit Russland lockerte, und 
ganz besonders, dass Sachsens Verhältnis zu Oesterreich bei- 
weitem nicht so innig und gefestigt war, wie dies Friedrich 
trotz der gegentheüigen brieflichen Aussagen thatsächlich doch 
wähnte. Dass es zwischen Sachsen und OesteiTeich an Zwischen- 
f^len, wie Desertionen, unbefugten Werbungen etc., nicht ge- 
fehlt hat, ist bekannt* Handelspolitische Differenzen,^ das 
ablehnende Verhalten des Dresdner Hofes in der Frage der 
Reichskammergerichtsvisitation, das Promemoria, welches die 



»Man denke nur an dSe YertiieU«, welche der Kaiserhof den elduiMhen 

Priuzen bewilligt hat. Älbert ber.iolit oiru> jährliche Pension von 
,''.00.0O0fl.,tIemClemena hat der Wiener Hof den Kurhut von Trier verliehen, 
der Kurfürst »elbst wünscht eine «<«terreichisch« Priiizessiu zu heiraten und 
Xiiver erwartet nur dessen Mündigkeit, um eiich nach Frankreich zu 
begeben. Sechsen ist immer noch mein alter Gegner und trachtet nichts 
mehr, ab mioh mit Bnasland tn Terfeinden.' An Solms am 94. April 1768^ 
Sboniik XXX Vn, 8. 151, Mr. 864. 

Selbst der Knrlttrst von Baclison-Weissenfels, Moriz Adolf von Sachsen- 
Neustadt und die Fürsten von Naumburg- Zeitz starben in d iosen Jahren. 
Vgl. destien Öcliroiben an den GM. Martatipers narh Versaille.'* bei 
Thövenot, Corres«];!, inedite du i'rince l'rau^ois Xavier de iS&xe, Paris 
1874, S. 200 — 220, ein Buch, das unter seinem vielversprechenden Titel 
eine nnvollsttndige, ohne leitende Idee eompilieite oidnungslose Hate- 
fialienseounlnng hietet Dahei ist selbst das Oebetene oberfliehlich, 
geradesn nabranehbar. Nnr die Goneepondene mit Xaven Maitreesea 
haben Jen Herausgeber interessiert. 

In StornbcTp? und Wurmbrands Noten in den noch uno-eordncton Fascikeln 
A. und B. des loc. '2999 findet man aurh die 1 u>wrliclio Forderung 
nach Auslieferung des Werbers Wegert und a. m. Derartige. Dresdner 
AkUt. 

Ehrensehilds Beriehle ans Piag im loc. 2880, Dieedner ArahiT, sind in 

der Literatur Aber die Handelskriege noch ni^t Terwertet Die «ster^ 
reichi^^c-h'säch^ischen Handelsbeeiehungen hat Adolf Beer im Arohiv fllr 
esten. QeMihiohte 7», & 408, 681, 687—646 daigesteUt. 



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442 



sächsische Regienmg am 38. September 1767 eimeiehen Hess,* 
Tcrmehrten die Reibungen, die sieb aus dem Abrechmings- 
werke Sachsens mit Oesterreich wegen der tbeils ans dem 
siebenjährigen Kriege herrahrenden Militärforderangen,' tbdb 
aus den von Karl August II. dem FM. Grafen yon Wackerberth 
abgetretenen Subsidienforderungen an Oesterreich' und anderen 
Streitfra<;en ergaben. Sie hatten schon längst eine Wandlung her- 
beigefbhrt, die sich besonders bemerkbar machte, seitdem der 
kursächsische wirkliche geheime Rath und Ritter des russischen 
Andreas- und Alexander Newsky-Ordens, Ludwig Siegfried 
Graf Vitzthum von Eckstädt die Geschäfte in Wien über- 
nommen hatte* Auch die Corrcspoiuletiz zwisclieii ^[ana 
Theresia und Mari i Antonia verliert seit dieser Zeit an po- 
litischem Gehalte/* Nicht lange nach der erwähnten Abberufung 
Sackens aus Petersburg wurde auch Vitzthum (October 1768) 
durcli Völkersahn ersetzt, naehdeui auch Xaver, der missliebii:«* 
Priuzaduiiuistrator. g^I Ucklicherweise bereits am 15. September 
1768 resigniert hatte. ^ 

Friedrichs Abneigung gegen Sacliscn jedocli nahm trotz 
dieser Irrung"cn Sachsens mit Oesterreich innner zu, je 
selbstherrlicher und 2:ewaltthätiger Kussland, von Sachsen 
unterstützt, mit Polen verfuhr. Treffend berichtet Essen: 
,Cette imperiositö, avec laqu'elle ITmperatrice commaade 
ici, ne pourra en aucune ta$on dans la suite du temps 

* Dresflner Archiv, loc. 2684 und weiter antea. 
« Ehoiiil. loc. 1221 aud 2360, Vol. I. 

* Ebend. loc 960. 

* Imtroetioii Tom 80. Sepfeamber 1796, «benda loc SSM. 

* Die leteimi noch einig«rn«awii wiehtifea Briefs itiid Tom 6. Hiü, €. 
und 16. Aogiul, Nr. 146^150 n. 151, bei Wold-Lipp«rt Sieha 8. S68 

Aiim. 1. 

" lieber dosscri Resigrifttion orientieron <1ie Acten des loc. 30305, über .<t'ir.e 
Bewerbtui^r um die Hoc-hnioisf erwiirdo des Deutschordeas die Acten iu 
den lue. 3251 und 3bö, über die inoere Entwicklung Sachsens w&breod 
seiner Regierung — im Jahre 1768 erwarb Badiaan die Aemter Kretaeb» 
nnd Pirna, a. d. lee. 8889 — beaonden in handelapolitiaebttr Benebvog 
die noch nnTerwerlaten Aeteo in loe. 8088b dea Dreadner Arddva. 8eiaa 
CorroMpondenz mit dem Könige von Neapel und Sicilien ist im loc. 32Sd, 
Andprfi«. wie StiftutifT olnos Militarordcns de^i heilipen Heinrich im loc. \0'?7 
nifidergelogt. Xavor liatto sich bernit«? am 9. März 1766 mit der italieni- 
scbeu ürifin Clara Mario von Öpinucci^ einer Ehrendame der KurfUrstin- 
Witwe, morganatisch veruifthlt. 



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443 



eonvenir, ni k k conr de Vienne at k tes alUdfii ni aux pro- 
pres alli^s de la Russie/' Und selbst Sachsen ftlhlte flieh 

durch das rücksichtslose Benehmen verletzt: ,Nous agissons 
toujours par principes et nous ne nous en dcarterons jaiiiais 
Sans une urgente neccssitö; mais aussi 8. A. K. sachant digne- 
ment soutenir son Systeme ne se laissera jeiiiais rien prescrire^ 
par qu! que ce soit/ meldet Essen am 8. Mai 1768.* 

Kussland halle nilmlich, indem es vorgab, den Moskauer 
Bund vom 26. April 168G zu erneuern/ am 24. Februar ilbS 
den mehrerwähnten sogenannten Freundschaftsvertrag abge- 
schlossen. Mit diesem diplomatischen Schachzuge gab es allen 
seinen Willküracten einen Anstrich von Gesetzmässigkeit, es 
erlangte, wie Kaunitz am 4. October 17ö7 an Mercy schrieb, 
,den besten Vorwand, einen Theil seiner Truppen beständig in 
Polen zu halten, sich dort in alles einzumeDgea und seineii 
Willen jederzeit durchzusetzend 

Es war eine tödtliche Umarmung. Seitdem war Polen, 
dessen innere Lage das Bild des tiefsten EI nds bot, dem 
Untergange preisgegeben, ein Wrack auf den Wellen der Zeit. 
Polen stand fortan unter russischer Ck>ntrole, der Spielball 
Katharinas. Dieser Vertrag yollendete den Sieg der »zusammen- 
baltenden monarehisehen Gesinnung der Russen über die aus- 
einanderfallende Aristokratie von Polen' :^ ^La Pologne lui 
(b Catherine) avait jurö de vivre et de mourir dans l'anarchie', 
sagt darCtber Albert Sorel,* und Angnstin Theiner sieht in 

' 4i a PB* dmix jonn, qve lo Ministre de SoMe et celui irAn^Iotorre 
se 80nt a.«?se5! plnirement expliq^r'^ ;i moi, sur ce snjet, et le moitidr© 
changeraont en Europe, qui y arriveroit, ou par la mort du Roi de 
PruHse, ou par iina r^volatiou en Hussie (darauf setzten auch die Con- 
föderierten ihre gaiize Hoffaung) reprodoiroit des effets, les moixu attendus 
en Polofiie, poor peu, qne TAutrielie ait de TMtoblM bonnet intentieni 
ponr noiia, et qae «a jatonaie eontre la Seze ne U lelieDne d*egir 9iii> 
cörement, r ini p je le croii»' heiwt ea weitw. EiMii, am 9.1111« 1768» 
loc. 3562, Vol. V», toi. 180. 

' Ebeud. fol. 4Uöf. Wir werd'^n in oinom anderen Aufsätze erfahren, wie 
aufgebracht die Pforte iuttbesouders gegen Kepnin war. (Uertzberg au 
Solms am 9. Juli 1768.) 

* Ow bekaonfUeh aater päpstliehem Sdratae gegen die Pforte geiieirtet 
wer. Attgoatin Tb^er, VeCeia mMiiimente bislor. Polonise et tittbaenlee 
illnstrantia, t. IV, Romao 1864, p. 247—264. 

* Ranke, Geschichte der Pfipsto III, 128. 

» La question d'Orient «u XVIU« üide, Pen« 1889» S. 24. 



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444 



ihm die Katastroplie im Drun» des polnischen Reiches.* Gnf 
Gabriel Potocki, Polens Primas, hatte den Vertrag herbeigeführt 
und unterzeichnet. Dass Russland durch ihn der Garant der 
polnischen Staatsgrund j'ji'esetzc ^^eworden, dass Polen auf .luiuitr' 
seiner tVoien, uiiabliiin^'-igen Entwicklung beraubt, schon jeut 
■/AI einer russischen Provinz* herabgesunken war, was focht 
das (h-n früheren Kronreferendar an, ihn, der mit dem Kussland 
ergebenen Triumvirate der (irafeu Felix Potocki, Branicki und 
Severin Kzewnski bereits seit Jahren zielbeN\usst die We?e 
ftlr den ('zarenstaat geebnet und tiir seine diesem Staate ire 
leisteten l>ienste — besser ftir steinen Vaterlandsverrath. das 
Primat und das Kitterkreuz des Andreasordens erlialien hatte. 
Nur cm Geständnis müsse er aus gutem Herzen und auiViehtig 
ablegen, so schrieb ihm Panin bei Uebersendung jenes Ordens 
am U. April 1768, und zwar ,que, si j'ai rempli mon devoir, 
c'est vous qni Tavez rendu efficace^* 

Polen war als selbständiger Staat vernichtet. Dieses Reich, 
welches in allen Stürmen und namentlich in den Zeiten der 
religiösen Spaltoog, Russland wie ein Schild vor dem Wogen- 
andrang des Westens bewahrt hatte, obwohl es selbst das Land 
der yerschiedensten Religionsbekenntnisse geworden war (Uni- 



* In seiaer Geschickte des Pontificates Cienieo.H XIV., S. 294, hei^t es: 
«Dieter Bund, durch den KOnig und den Primas heimlich begünstigt, 
▼on der Nation durch die Waffengewalt der Boeeen ertrotet, hatte Ar 
immer die Gmndlagea des Thrones und der Kirche Polens ersdittHert 

und untergraben, der Untergang des Beiches konnte von naa 
an nur ein Werk der Zeit sein und durfte bios ruhig abg^ 

wartet werden. 

* Das Wort Provinz gebraucht Kannits bereit«» iu seinen Cousidüraüyu* 
snr r<Mat prisent dea affdres en Pologne Tom 4. Jlaner 1768« abgedmdtt 
bei A. Beer: Documenta snr ersten Theilnng Polens, 1 — 6. Der Bericht 
des englisch«! Oesandten ans Petenbmg vom 15. Jali 1768: ,Rastta ii 
now determined to gOTam Poland, as is if it was bis own', bei R.iumer, 
IV. 188 Anm. 1, commentiert den oben angeführten Sau woU am 

' In tShornik Bd. LXXXVII, S. 78; ebenda, das Schreiben Katharina« ao ihn 
vom 8. April, S. 70. Theiner nennt ihn, iu freilich derber Weiss^ ^ 
Ungeheuer Ton einem Ifensehen und eine Schmadi des Priesterthuii*. 
Br war es ja auch, der gegen die p^Mrtliehe Curie die Oosobifts dsi 

Nuniiiis versah, r\» die Nuntiatur in Warschau sistiert wurde. Man ver- 
(rtclche die instructivo Anmerkung 2 ;vuf S. 201 des XXVL Bandes dar 
PoliU Correspondenz Friedricha dos Uronseji. 



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44Ö 



tarier sind erst von hier im 17. Jahrhundert nach Siebenbürgen 
eingewandert, Socinianer^ Lutheraner, böhmische Brüder, Calvi- 
nisten und andere (Jonfessiünchen breiteten sich hier aus), das 
Land, das zm r-r, wie Hilbassoff ricliti«^ angibt, den Ansturm 
der freien Kosaken, der Tataren und der Türken ahrrowehrt hatte, 
die sonst das schwache Moskowiterreich hinweggeiegt hätten^ 
empüng zum Lohne den Todesstoss. 

Auf den ungiückseiigen Reichstag (Kepnin hatte mit der 
Drohung, er werde Warschau blockiereni wenn er noch weiter 
tagte, bewirkt, dass die Session geschlossen wurde), und auf 
den verhängnisvollen Vertrag trat ein Zustand der Scheinruhe 
im Lande ein, die nur den heftigen Ausbruch des reUgiösen 
Bttrgerkri^es vorbereiten half. 

Schon im Jänner (1768) hatte ein BtlrgWi der Castellan 
von Nowogrodek (Neu-Grodno), Carl Litawor Chreptowicz, den 
Plan einer grossen Conföderation der unzufriedenen Elemente 
entworfen. Als kurz darauf noch jener schnöde, von den er- 
kauften Vertretern Polens^ nnterseichnete Vertrag bekannt ge- 
worden war, da traten Magnaten und katholische Bürger 
in der Confbderation su Bar, einer Stadt Podoliens, gerade in dem 
Lande, in welchem Katharina ihr unterstutzendes Element in der 



* Friedrich II. schrieb schon am 14. Jiinnor 1704 über Foleus Magnaten 
treffend (mit Jugurthaa Worten) an Katharina (P. C. XXIII, Nr. 14908): 
,Eine bedeutende Samme wird Sie am ehesten su Ihrem Ziele fBhren, 
eine Summe daitt beetlmmt, pow aobeter de« gen«, qol A'atfemdetit qw 
dee maiehandB, pour ee vendreL* ,Poleii glmg an eeinem Mel sagnmde,* 
sagt Kleinschmidt, Rnsslands Politik und Geschichte, dargeetellt in 
der GoNchii'hte de» russischen Adels, Casstil 1877, S, 23. Wie weit hier 
die oing^crissene Sittenrerderbnis fortgeschritteti war, or.soheii wir aus 
Ueykings Memoiren von 1752 — 1796: ,Äiui Pulens und Kurlands 
leteten Tagen', in deutscher Be&rbeitang, Berlin 1897. Auch hierin 
Itbertmf der polniaehe Adel den zeitgenlkmecben frsoiOnnben und 
wttrtembeigieeh«!. Selbst Ton der graeaen Delegation vom JSaner 1768 
meldet Essen am 80. Jänner: ,Cbaean y veut fbnrrer ses propres int^- 
rSts de fa(;on, qne quoique la di^te commencera apres demain, la dälä- 
gation continiior.'i copendant tonjoiirs sps se<s«!ions.' (Dresdner Archiv, 
loc. 3562, Vol. V*, fol. 104.) Für diö iunore Laf,'e Polens, da« ZnstSnd- 
Uche überhaupt, ist Korzons* vierbändiges Werk: »Wewnetrane Daieje 
Polski tM Stanislaws Angnsta 1794—1794% Krakau 1887-^1895, grund- 
legend. In der dentsohen Literatur: Boepell, Polen nm die Mitte des 
18. Jahrlninderts, Gotha 1876, und besonders Asksnasy, Die letale polnische 
KSnigswahl, QSitinger Diasertotion, 1894. 



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446 



nicht unieiten Mehrheit der BeTOlkerung zu haben ▼ermeinfe, am 
29. Febmar 1768 sosammen und prochunierten den allgemdnen 
Aufetand. Der Grimm ttber die roBsische Vergewaltigung and 
über die Gleichstellong der Qriechisch-NichtanieTten und der 
Lutheraner, obwohl diese schon im Jahre 1563 mit den Katho- 
liken fjlcichberechti^t worden waren, ftihrte sie zusammen. ,Lt 
seiitimcnt religieux dominait les uns, les instinets beUiqueux 
exaltaieut les autres, un patriotisine passionnö les entrainait 
tous. La legitimitt! de leur cause les aveuirlait*, siitj^t der unglück- 
liche Polenkönig damals in einem Briefe aii Mad. de Geotfrin.^ 
Wohl war das intelligente Bürgerthum noch recht sehwaeh 
an Zahl und der hohe Adel, schon von jeher dem Könige tdü 
einem Freunde demokratischer Verfassungsreformen feindlieh 
sinnt, ^'etheilt. Aber die Conff)d©rierten stützton sich auf einen 
Theil des katholischen Clerus und auf die von diesem im Aber- 
glauben grossgezogene Landbevölkerung^. Kin anderer Theil 
der Geistlichkeit huldigte freisinnigen Anschauungen. Es waren 
die ,PiariBten^ Gegen diese, besonders ^e^en ihren Führer, 
den Provincialen Stanislaus Konarski, verfuhr der apostolische 
KnntlQfl in Warschau, Angelo Dunni, äusserst streng. Doch 
mnsste er die kirchlichen Censnren zarfLcknehmen.' An der 



Correepondanee «. a. 0.| 6. 80. Ueb«r Sftiuuslaiu selbst sei oor eine 
nnfedraoktB tet^pMlMBuehe Gluuraktoristik angollUirt, Emmm BwrieU 
Tom M. April 1768: ,Ls foi Mt «n etprit fiübto et flottant, incapAbls 

de la moindre mithode dans les «ffairaa^ ineapable de combinaison et de 
anlTre pn? A pns un principe et nn<? marche, nrt rien lo detonrne, Teffirme 
et le d^eoricertö.' Dresdin-'r Archiv, li>c. 3562, Vol. V», toi. 379. 
Auf den Rath des Grosskatit^lers von Poson und Litthauen, Johann 
V. Boroh, und de« Grafen Anton Prxeidnecki erlieae d«r K9iiif 
am 17. Oetober 1769 ^»e Hole, ia welcher er dem Nnntine befidil, da» 
apoetolUielie VUdta eiasiu^en und den ProTincialen nidit mit geieUidkee 
Oensuren an bedmlicn. Vgl. Tbeiner: ,Vetera Monnm PüIodUm et 
Litthuaniae, p. '^UyiT. (In Oesterreich war hekanntlich bereit.s im Jahr« 
1767 die Visitation der Nuiitien verlxiteii, ^'Icichzeititr mit Erncueruog 
des ,placetum regium*, und am 1. Octobur war durt auch die Ex- 

communicatioD ohne Erlaubnis des Monarchen unteraa^^ worden.) Vgl. 
Beaoito Bericht vom 98. Deeember 1767, C. XZVI, S. 867 Ann. St 
me paratt, qne lea Poloame ▼eoiUent ae MMutraize enHAreateni h U 
(l*^|HMii]anco dtt Saint-Siigeb II s'agit seolement d*6ter k la Nondatoie 
I.'i Jurisdiction, qu'elle exercoit ci-devant, y conipris mSmes les cauMs 
matrimoniales. Tous ces droits dolvont ^-tre k l'avenir att.nchA-« A U 
Primatie, sans pourUut Täriger en Tatriarcbat^' aohreibt Sachsens Minister 



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447 



Spitze der Confüdcration von Bar standen ansehnliche Männer, 
wie Bisehof Mieliael Krasinski von Kaminiec/ Josef Pulawski, 
Starosi von Varka, mit seinen drei Söhnen und zwei 1Y( u, 
Skrimieski, Starost von Hadziak u. a. Gar bald sprossen weitere 
Conföderationen hervor, die Lubliner nnter dem Marschall 
Kajcwski, die von Halitsch am Dniestcr unter dem Grafen 
Joachim Potocki (Mundschenk von Litthaaen), einem Freunde 
des Grosskronfeldherm Branicki,' die von Kiew, die Ejrakauer 
u. 8. w., und sie alle schlössen sich der Barer an. Aus ihr 
auch scheiDt jener Attentäter hervorgegangen zu sein, der den 
König am 3. November 1771 ermorden wollte.* Aus welchen 
Elementen sie im einzelnen zusammengesetzt waren, ob Bürger, 
niedere Adelige in der Mehraahl, oder ob ea eigentliche Ma- 



Uös auswärtigen Amtes, Baron v. Ende, an den General v. Fontenay (in 
Versailles) (Drutidner Archiv, lac. 2745, Couv. Xill, der Negoc.) fast mit 
den Worten Emen*» (rgL detieii Berichte vom 16. und SS. Jlnner, S. nnd 
10. Febraer 1768 Im DrMdner Archiv» loe. 8668, Vol. T», fol. 81^118). 
8o beriditot dieser am 88. Jlnner« daw der Plan bemeB de mettre 
k rantailld du 8t SiAge en Pologae, va passer aujonrd'hai on demain. 
SeloQ ce projet le Nonce ne doit §tre retard»' «^or^navant ici, qne comme 
ministre d'uue cour ötran^ere, uö pouvaut üxercer aiicune t'spt'co de 
Jurisdiction, laquelle doit etre remise entre les mains du Primat'. Dem 
Beriohte Esnn» vem 10. Febntar liegt die Proteetetion dec Nantitts vom 
SO. JInner 1768 bei (fol. 188). VgL ttber den ganaen ZwiacbeaiUl iL Beer: 
Theilnng Polen« I, S. 814ff. Banmer, IV, 181. Hermann, T» 486. 
Beiqiiele, irie die Kamel enr Verbrcitunj^ det Haaeee gegen den KOiüg 
verwendet wurde, bei Hermann, V, 390£f, 

< Ueber ihn siehe den Berielifc des englieehen Qoeendten vom 89. Män 1768 
bei Ranmor, IV, 187. 

* V(?l. E><sen vom 27. April 1768 bei Hermann, V. 4S4f. Die bMt« 
Bchilderung der leitenden und streitenden Magnaten gibt die Relation 
finale on cooztee r48ezione lur lee primdpalee penonnes, que j'ai bentd 
ou eennn pendant mon «djoor k Vanovie, de dato 16. April 1768, ans 
der Feder dec Legationsratlies v. Korff, abgedruckt in Hinmeri Kaeb* 
laaae, Pendiangea snr denlieben Qecebiebte IX, 18 ff. 

* In Kerlcbad batten, wie wir aus dem wichtigen Schreiben des Grafen 
r. Baunijrftrtpn an Van Eyck vom 14. Mai I7G8 ersehen (im Münchner 
Staiitsareiiiv, K. gr. 283/l(>), Hio Führer, wie Krasinski u. a., ihr Haupt- 
quartier aufgeschlagen. Dass polnische Abenteurer (zum Tbeil unter 
ialschem Namen, s. B. der angeblich atcbciscbe Officier Michaelis) in 
BObmen Ar Ihr Vatwland arbeiteten, iek bekannt Vgl. Ehreneehildi 
Berlebte anc Prag an leinen (Dfeadaer) Hof, beeonden in den Jahren 
1766, im Dresdner Archiv, loe. 8888« 

AivyT. XGIL Bud. U. BiUte. 88 



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448 



gnatenverbindangen waren,^ wie sieh die Barer Conftdenition im 

Beginne bethätigt hatte und mit welchen Mächten sie conspirierte,* 
muss (le^enstand weiterer, freilich deshalb sehr schwieriorer 
Untersnclmng bleiben, weil die Seheidiuifr in hohen, luiiii rec 
und niederen Adel wohl nie richtig durchgefülirt werdeu dürfte. 

polen von der riissischcu Herrschaft zu befreien, den 
Küni}^ Stanislaus Pouiatüwski abzusetzen, die Krone einem 
sächsisehcn Prinzen zu übertragen. Kurland dem Herzog von 
Birou mit Gewalt zu entici-sen und es dem Prinzen Karl von 
Sachsen wiederzug« 'htn, das waren die Ziele und leitenden 
Älotive der Oonfoderation von Bar. Sie war die Antwort der 
Nation auf" den ewigen Vertrag, der Fehdehandschuh gc^u 
Russland und den schwachen Poniatowski. 

Id dieeer dem Jahre 1766 so ähnlichen Lage fasste Kaunitz 
den Plan einer Annäherung an Preussen mit ementer ESnergie.' 
Gänzlich hatte auch Friedrich nicht den einmal eingeleiteten 
Faden sBerriflsen, und der Österreichische Gesandte in Stockholm, 
Graf L. von Belgiojoso, ist gat orientiert^ wenn er am 14. Aagast 
1767 berichtet, dase einem tot knnror Zeit hier eingelangten 

*■ Von der Briig^geii^ Die iiin«r«n Zostlode Polen» vor der entoD Tbeiltng, 

1873, S. 333 fr. 

* Zur f»«schifhte dor Barer C(iiif!l(lpration bilden noch iininor E'sens 
Berichte im Dresdner Archiv in den loc 3560 — 3662 die beiweitem nicht 
enohOpfte rrtelute FBndgmbe, weim man von d«i eeliwer «rräehbiiett 
Sebitaen polnisdier Staats- und PrivatarchiTe abiieht. L. GamblowieB» 
Konfedenugra Banka. Koreipondeneja iniediy St Angottem » ht. Bit* 
niokim w. r. 1708. Krakau Jul. Bartoszewiei, LIatj Wqjdecha 
Jakubowskiegu <1>. .Tann Klemensa Branirkie^.« hetmnna Koronnegro tUt 
1768 — 1771. Biblioteka Ordynacyi Krnsiüskich , Tom. VII. Prowe, 
Poleu in den Jahren 1766— I7tid. Berichte des Thorner Residenten 
de Gerei Pawlnaki» Rgady Mrjmikowe ad Polsoe na tle •toionkow 
wqjewddiko ki^awskich 1672—1796. Belation de» Polo Bester tob 1719, 
8. 891, der F. B. A. XXIII (Dipl et aeta). Belation, oa Journal d^on 
ofHcier fran^ais au Service de la confM. de la Polog^ne, pris pur le« 
Rusff"? et rcHen»' fii Siborie, Amstordani 1776. A. Krakow, Confederaci 
Barscy nu Syberyi Hier werden alle 6415 ConfJjderjertfln, (!ic> im 
Jahre 1774 nach Sibirien verbauiit wurden, namentlich mit Stand aud 
Charakter angefahrt. Rulhiire, Eist de Tanarcbie de Pologne, II. Bd., 
1807. Iielewel, Panowanie StMlsl. Ao^iitL Poniat, Bniaael 1647, 
Cap. 17, a 47i£ BerliBor Kalender von 1889 «od die bereite ange* 
führten Werke von Korson, Beer und Mouy. 

* Mnrt vpr<!:1eicbe seine bereits oben 444, Anm. 9 «itierleii oonelddietiMii 
snr r^tat dea affaireai en Pologne. 



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449 



Berichte des ]^)nrons von Manteuffel zufolge (des schwedischen 
Gesandten in Berlin) der König von Preussen dem General 
Nugent mit einer so besonders ausnehmenden Distinction zu 
begegnen beflissen sei, welche raan nicht leicht blos den per- 
sönHchen Verdiensten des Ministers, sondern eher einigen 
vielleicht zwischen beiden iluien obschwebenden verguUglichen 
Geschäften zuschreiben zu können Anlass hatte. ^ 

Wohl schwankte der Plan wiederholt zwischen Gehngen 
und Misslingen, immer wieder aber brachte ihn der 8taatskanzler 
an die Oberfläche.^ Auf die Nachricht von Katharinas Weige- 
rung, den Polen alle ihre Beftitsungen su verbiii^en, soll Kaunitz 
sum General Poniatowski gesagt haben: Jn diesem Falle sind 
andere Mächte sehr bereit, es zu thun^, und er soll den Wiener 
nnd Berliner Hof genannt haben. ,Ich hoffe/ soll Kannits fort> 
gefiihren sein, ^dass Kowland bald daran denken wird, seine 
Trappen ans Polen hemnssnziehen, denn ein längerer Aufent- 
halt daselbst mllsste den ttbrigen Mächten Europas gerechten 
Gmnd znr Eifersttcht geben, welche seither ans GrondslLtaen 
der Mässigong und Friedensliebe gleichgUtig gegen das zu sein 
seheinen, was in Polen geschah." Die Berichte über ganz 
auffallende ausgezeichnete Behandlung des preussisohen Ver* 
treters am Wiener Hofe mehren rieh im Laufe des Jahres/ 
und im September (am 28.) schreibt Klingenau ans Petersburg: 
^Unterdessen weiss ich auch von recht guter Hand, dass die 
Vertraulichkeit des Herrn Prinzen von Lobkowitz mit dem 
Heim Grafen von Solms anjezo auft höchste gestiegen, ja dass 
sie sich einander ihre geheimsten Gedanken nnd Mnthmassnngen 
eröffnen sollen. Bei Anfrage, ob nicht einer des anderen ,Dupe' 
werden dürfte, äusserte man sich dergestalt, dass solches eher 
von erstfredachtem als vom letztgenannten Minister zu ver- 
muthun stünde, da Solms nieht anders als par impulsion seines 
Herrn und Meisters und folglicii nur machin ellemeut agierte.'^ 

" K. k. StAatsarchty, Wien. Schweden. 

• De.sliall) verdient das Jalir 17fiH üborschrieben zu werden: Der Plan der 
Ann:ih(>ruiiß^ Oestorreicbi» an PreuueD, wie auch Anieth da« VI. Capitel 
seines VIII. Bandes beschreibt. 

* B«riebt des engiiachen Oflsandtan ans Wiea Ton 8. Jlnnar 1768 bei 
Bann«, IV, 186. 

* D«n«lbe Tom 80. Jlnner 1788, «beiida & 186. 

• Dresdner Archiv, loc. 3042. Ein geiatrciches Wort Friedrichs an d'Alem- 
bert vom 4. Oetobar 1768 gebOrt bieber. £r beeprioht (ia.s eben er- 

29* 



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460 



Die Möglichkeit einer Znmmmenknnlt awiseheii Joeef, der 
nach Böhmen gereist war,' und Friedrich, welcher vom 23. Angnit 

bis zum 5. September 1768 seine Truppenmanöver nm Glogaa 
und Neisse abhielt, war abermals recht nahe p^erückt. und Kaunitz 
selbst liatto jetzt bereits eine Instruction für den Kaiser ausge- 
arbeitet, deren Gedanken sich sowohl in der Instruction ftlr die Zn- 
suniuienkunft von Neisse, wie in der Unterredung^ Kaunitzens mit 
Friedrich in Neustadt wieder finden.^ Der Plan gedieh weiter. 
Die russischen Greuelthaten in Polen, die Fhicht })olnischer 
Conföderirter auf sehlesisehes Gebiet (der Fall Riczinski"^' 
lintten eben nielits zui* Verbesserung" russiscb-preussischer Be- 
ziehungen beigetragen und schon vorher, kurz nachdem die 
Russen ihren Cordon in Polen gebildet hatten, «oll der Mal- 
theserritter Graf von Sintzendorf gelegentlich und mdirect jenen 
bekannten Vorschlag gemacht haben , und zwar in einem 
Tone, der darauf schUessen liess^ dass Sintzendorf von seinem 
Hofe und von seinem Kaiser im besonderen beauftragt worden sei. 
,£s gebe nichts NatUrlicheree, als ein gutes Einvernehmen 
zwischen Preiiesen nnd Oesterreich. Die Kachbarscliaft der 
beiden Staaten scheine dies naturgemäss zu fordern u. s. 
Vollkommen oorrect hätten, schreibt Friedrich, die Gefblgslente 
dem Liebeswerber geantwortet, dass es nicht ihr ,mdtiei^ sei, 
sich in politische Angelegenheiten einzumengen, dass aber m 



aeUmMii« Boeh ,voin Nntaen der Aninat, bewicMD durdi die Polilik und 
di* BeÜgioa*. ,Si soll, boK ich» dmi («treiMii UnterUitnMi L k. M. b»* 
W«Imii, daM du Geld im Staate nur fUr die Fürsten ist, iass die Völkev, 

solange sie «rm sind, tugendhaft sind, /.. Ii. die SpartAuer, dio K^'m^r 
unter den er>tt'n Con.suln, auch dass kein Reicher das Hiaunoheich erbl. 
Dieser LelirsaU iat mir ebensoviel wert, als der Familienpact der söd- 
Uchen M&obte; er wird Preussens nnd Oesterreichs AassObnuog 
besiegeln nad die Contrabeoten werden miob beilif spreebeo. 
Sie eeben, iob bltibe niebt bei Kleinigkeiten iteben.* Oeimes |iOi* 
tbttmee XX. 

' Am 29. Anpu.st traf Josef in Prap ciu, roisto abor nacli der Inspiciemng 
Rill 1. .Stipteraber »u den Manövern vun Kfirnhaus ab Ausführlich be- 
richtet Ehrenschild Uber diese noch uicbt näher erörterte Bei«e (Itericbt 
vom 5. September 1768 im Dresdner Archiv, loc. 2889). 

* Gedniekt eind beide Instroetienen bd Beer, Siuaninienkllnfte, im Ardiir 
fttr Sflterr.OeMhiehte 47, Beil. Yll und Vni, die Untenedling Beil. X?iIL 

' Finkensteiu-Hert/.bevg nn Solms am 21. Juni 1768, Sbenik XXXTU, 
B. 155, Nr. 366 »aron v. Ende an Stntterheim (Berlin) am 2. Jnli 17«8» 
Dresdner Archiv, loc. 8396. Bbenso am I. and 18. Oetober 1768, ebeodi. 




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451 



Anbetracht dor (reiii« iiif^n Uninn zwischen Friedrich und Russ- 
land seine (Sinzcndorti sj Vorschläge gewiss kein Ölttck haben 
würden (feraient pas fortiine). 

Dieser Satz allein charakterisiert den Wert der ganzen 
Ü^rsähiung, aber ihre Kritik wird erst dann gelingen, wenn 
man die Begleitumstände erwägt. Den Vorschlag Sinzendorff s, 
welchen preussische Historiker stets mit dem Hoobgef\lhIe des 
BichereB Beweises fUr Oesterreichs Liebeswerben bei dem 
Prenssenkönige angefiülirt haben, schöpfen wir aus einer der 
vielsagenden Weisuigen an Solms (vom 6. April 1768), die 
ihm der KOnig unter dem Siegel des Geheimnisses ,im 
höchsten Vertranen' mittheilt^ mit dem stricten Auftrage, Ja 
nicht au verfehlen, davon der Csarin Mitdieilnng au machend 
^Ich aber glanbe/ fährt Friedrich fort, ,daraii8 den sicheren 
Schlnss sieben zu können, dass mein Bttndnis mit Rttssland den 
Wiener Hof a embarrassö furiensement, nnd dass Rnsslands Politik 
inPolen dem Wiener Hofe eine ansserordentliche jalonsie dngeflöest 
haf . Schon dadurch wird die Weisung mehr als verdttchtig; daau 
kommt die Thatsaehe» dass in den bezeugten Unterredungen des 
Königs mit Sinzendorff über all dies k^ne Silbe gewechselt 
wurde. Mass man nicht die Meldung in dieser Form als Er- 
findung oder doch als Combination halten, dazu angethan, den 
russischen Hof an die Gefahr einer AlHauz Friedrichs mit Oester- 
reich zu erinnern? Mag sein, dass Sintzcndorf, der sich um 
eine erledigte Coiuuiunderie in Sehh^sien hewarb, dem Könige 
seine Auinvartung machte, irgendwo von den Vortheilen einer 
Verständigung zwischen Oesterreich nnd Preussen npraeh: mit 
einer derartigen politischen Mission war er nachweislich nicht 
betraut, und die Bemerkung Maria Theresias trifft auch hier zu: 
,wenn man dem Preussenkönig ein Compliment macht, so glaubt 
er bereits, dass man sich mit ihm alliiere'.^ Aber wenn auch 
dieser angebliche Versuch abzuweisen sein wird, bald traten 
Ihatsächliche Versuche Kaunitzens zur Annäherung an Preussen 
henror, wie solche denn damals den Zielen und Wegen des 
Kanalere im allgemeinen entsprachen. 

* Der Graf Mprcy-Arpuntpau (iisterr. (Jesjindter in Paris) rharakteii.siert 
ihn in seinem Berichte vom 2. November 170G uiit den Worten: Es ist 
bei Friadiidi gewQlmlidi, daas er unter der Rttad den SemMi des Aiy* 
woluu aneetreot md dann die «nf eeine gekflnetelten AnwQvfe «llenfidle 
«■folgenden Antworten myebraoebt (k. k. StoatMieblv Wien). 



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452 



In einer Denkschrift vom 3. December 1768 sagt KatmitB, 
dam die Absiebt, aus der prenssischen Successionseinriehtiui^ 
allen mifglichen VortbeU zvl sieben, ibm 2uni Antriebe gedient 
habe, querst Ew. kajs. Majest Entrevae mit dem Könige tod 
Flossen in Vorscblag zn bringen'. Und nicht mit Unrscbt 
wurde bemerkt, dass diese Stelle allein die ganze Kaunitzische 
Politik zur damaligen Zeit beleuchtet* Aus den Erbfolgekriegen 
des 18. Jiiliriiunderts halte Kaunitz gelernt, der Frage der 
Thronfolgeordnung eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. 
Wo irgend in Europa die Gefalir einer solchen Frage auftauchte, 
da treflfen wir unseren Staatsmann. So hatte er im Jahre 1760 
seine Blicke ebenso gespanut auf Baierns Erb Verhältnisse ge- 
lenkt^ wie einige Jahre später auf die preussischeu. Aus solchen 
Gründen ist ja fllr Josef die bairisehe Prinzessin zur Lehen? 
gcHlhrtin tjevvähit worden, und imr dieser Pläne wegen hat man 
im .lahre 1767/08 die Vermahhing der Erzherzogin Aiualia 
(später Herzogin von Parma) mit dem seit December 1707 in 
Wien weilenden Prinzen Karl von Zweibrücken au^escblagen;' 
denn wenn diese Heirat zustande kam^ musste man dem küaf> 
tigen Erben des pfiUzischen Kurhutes Baiem gänzlich über- 
Ui8sen> Dm zu dieser Zeit herrschende ^System de l'^oilibre' 
brachte es mit sich, ,k morceler les h^ritages, et k exproprier 
les propii^taireSy afin d'^tablir par nne jnste baiance des foreesy 



> Reunami, Fkiedrish dsr Gvoms md Kannits im Jahze 1768, Sjbeli 

historische Zeitschrift, VI. Bd., N. F. Der Plan Kaunitzens zur Zeit de« 
Ansbniches des Türken Krieges ist am prägnantesten nioder^elefrt in der 
DenkNchrift vom 21. Aiig^gt 1768 an Josef, geflruckt bei üeer, .Vrvhiy, 
XLVII, S. 441 — 442, mit welcher die Schreiben Kuumueas vom 31. Au^^ 
an Uwria üierefia und an Josef (gedraekt bei Amsth, TBL, 560) sa 
Tergieiohen aind. 

* AnMÜi, YH, Cup. BL 
' Ebend. VU, 871. 

* Doch war dieser Refus ein Hntiptfeliler der rssterrcicirischen Politik, 
schon dn^fi,-»!}!, weil der junge Prinz, der von -meiner Augebeteten 
bereitM Ouastboweise erhalten hatte, zum grüssteu Gegner Oesterreich« 
wurde. Auch hier sucht Arneth Kaaniisms Politik zu rechtfertigMi> 
Dam die Frage der bsiiieehen Erbfolge bereitB aeit Jahren die Dipk»- 
watie besehllUgtep arigen die Berichte des tamiidiilgeheii Ijegatioitf* 
Becretärs Unger aus München 1766, s. besonders die Bericht*> v^m 2f> 
und 30. Juni 17^8 im Dresdner Archiv, loc 2650, Vol. XVII, foi. löTff 
Friedrichs Verimitpn -ni ihr ersieht man au« der P. C. XJLfY, 416» 420; 
XXV, 383, 392 i XXV I, 179. 



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4Ö3 



la paix et la tranquilUt^ du monde'.* So scUoMen am 28. Jänner 
1765 die beiden Markgrafen von Baden, der kinderlose August 
Georg von Baden-Baden mit dem von Baden-Durlach, Karl 

Friedrich dem Weisen, einen Erbver^leich unter der Garantie 
von Preiissen, England, Dänemark und Hussland.- Kurpfalz 
und Kiirbaiern liatten einen Erbvertrag garantiert, nachdem die 
Ansprüche dieses lloles auf die sponliei mische Succession be- 
friedigt worden waren. Der Mannesstamm der Hohenzollem war 
närah'ch damals dem Erlöscben nahe, Friedrich ah und kinderlos, 
seine Jirüder Heinrich und Au:;ust Fprdirifind liatten damals auch 
keine männlichen Nachkommen und in der Nacht vom 20. auf df»n 
Mai 1707 war sein jltngster Jirudersohn, der Oberst der Ca- 
vallerie Friedrich Heinrich,^ sein Liebhng, der Bruder des Prinzen 
Friedrich Wilhelm von Preussen, im 20. Lebensjahre von den 
Kuhpocken und Friesel dahing^erafft worden/ Friedrich war 

* 8orel, H. a. O., .S 17. 

' Um allfalligea Ausprüchea des (tsteiroichischen Kaiserliauseü auf die 
Btrittigen tiadensiiohen Hemcb«ft«D M«blbei|^ and BtoofenbeiiBf im 
Brmaigan gewappnet entgegentreten sn kOnnen, wandte sich der Dor- 
lacher an Friedrich den Grossen im Juni 1767 nm VnteratOtsitng beini 
Wiener Hofe. Vgl. P. C. XXVI, 8. 196. 

' Dohms, Denkwürdipkoiteii meiner Zeit, Bd. IV, }5oil.ifre, Man 
trergloiche hiezu das geiicalogische \ orzeichiiis uIKt jetzt lebenden 
durcblaachtigsieu — bOchst und hohen Uäuser in Europa in einem d«- 
maligm 8keatiknlender. 

* fnt enlevd par la petite vMe* (Oeuvre* poetimme» Y, M). 01eieh> 
leitig ww bekänntlieb anch am Wiener Hofe dieie Knaklieit anige* 
broclien. Josefs Gemahlin, die bairische Maria Josefa, ist ihr tun S8. Ifai 
1767 erlesreii. Mari.i Theresia selbst war selir gefShrlich erkrankt (man 
li^t ans Josefs Li. Briefen an Kaunits vom 31. Mai und A. Juni 1767 
bei Beer, Briefwechsel Josefs II. mit Kaunitz, Anh. 44ö — 44ä, welche 
tiefe Besoigni« der schwer geprüfte Sohn in jenen Tagen um die Mutter 
empiknd), ebenen die Srabenoginnen £Ueabekh and Joeefii, die Braut 
des Königs beider SielUen, gerade ab der Fflrstbiscliof von Preising 
eigens zur Einsegnung des Bundes aadi Vitien gekommen war. Vgl. das 
Sehreiben der* Enrons r. Ende, knrsSchsisclien Minister» des AnsvrJlrtigren, 
an den »»olisischon Vertreter in Maunheini v, Hiancourt im Dresdner 
Archiv, loc. 3476, irrthUmlich mit unter den Papieren Flemmings 
von 17G6. Es zeigt die ganze Best&rznng am Wieoer Hofe. Vgl. 
Renien Berieht vom S7. Mais ,La mort a bien fait des ravages 
en Enrope, tandis quo neu» avons tÜAbtit de noees,* schrnbt 
Friedrich der Qrosse am 11. November 1767 an den Prinzen Wilhelm 
von Oranien (Oeuvres posthumes XXVII, S. tOO) und ,anch die edle 
Uersogin von Gotha, nn des oraements de l'AUemagne, est allöe dmis 



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464 



trostlos Uber diesen Verlast, fch war niemds Vater, aber ieh 
habe die Ueberaeugang, dass ein Vater nicht mehr seinen Sohn 
bedauert ab ich dieses liebenswürdige Kind.* Ans Friedrichs 
Briefen spricht damals LebensOberdrnss. Krankheiten und An- 
fidle von Schwennuth bengen ihn tief.^ 

Die preussische Thronfolge interessierte aneh Rnsstand. 
So beklagte (Mfira 1768) Panin den Mangel an mftnnlieheQ 
Thronerben im Hause Hohenaollem sehr; denn Prenssen bilde 
das Bollweilc des Protestantismns nnd der Freihat des dentachen 
Reiches.' Durch diesen Todesfall besorgt, durch die Erfahrungen 
im Erbfolgekriege beunruhigt, würde Friedrich, so calculierte 
Kaunitz, Oesterreichs Unterstützung bei Aufstclluiifr tnner prag- 
matischen Gesetzgebunfi: üiiruicii, an der Friedncii lui Ilerb:»te 
1768 wirklich arbeitete,^ und schon deshalb eine Zusammenkunft 
herbeisehnen ; denn nach den Bestimmungen der güldenen Bulle 
(von Nuinberg und Metz 1356) war die weibliche Krbtblge in 
Kurfürstenthümern ausgeschloBseu, und Preuss:fMi war in den 
Augen der dt-utsehen Kaiser ein solches Kurtürsteiuhum und 
Titularkönigreich. Dieser btandpunkt darf nicht Ubersehen wcrdeOi 

CO ]tays, d'oü ni postos ni courriei-^ nc i 'vi i nnont au notre". Auch lüö 
£r](herzo(^in £lisabeth erkrankte, uuu die kaum geborene Ershersogin 
Marie, Toehtcr dsr Mari« Ohriiliae, tlarb. Uebar 4ie «ehr weit rw- 
braltata, ttark epidsmisclt aaftretend« XiaiüdMit, sogar die Ssaigüi v»« 
Schweden war im December 1767 «ehr Mb wer arkimiikl (Belgiojo$os 
Bericht vom 11. December 1797, k. k. StaalaaiGbiv Wien), und die 
damall» in g'nnz Europa p^emachten Inocnlatif nsvorsuche vgl. die än5?!«0rst 
iutere6«iantG Correnpundenz zwischen Frietirich und Katharina im Sboraik 
XX, Nr. 47 — 50, und besonders ihr geistreiches Schreiben an Voltaire 
Tom 17. Deeenber 1766 Im Sbemlk X, 8. 807, weiter die Flugschiiftao; 
Lettrea de Med. lageaboiiM» D« Matj in. Sovtheiland an Med. 
Cbaie; rgl Bieleleld, Lehrbaeb der Steatakonat I, 8. 115; Beeden- 
beck, a. a. O. II, 8. S13; auch die Correspondenz z\vi«!chen Maria 
Theresia und Maria Antonia bei Lippeit Nr. 162 vom 17. M:ü l~C>9. 

* Man lese soino Briefe an General Fonquii vom 27. April 176b, an d'Ar?-:'!!! 
vom 17. Jänner 1768, beide in den Oeuvres posthumea XX, Aasgabe von 
18Ö4, S. 162 u. 172. 

* Beimaan nacb einer OepeMhe von SeUai vom 17. Mim 1768. 8pltar 
braebte Paain in Minen Unterredungen mit Solms mit Yoiliebe dl* 
bairische Erbfolgesache au£s Tapet. Der Zweck war en dnrehiieblif, 
8. Suhii» Bericht vom 30. September 1768. Friedrich an Solms voB 
1«». October und yolm.n Bericht vom 0. November 176b, s. Anhang" H. 

' Vgl. ätutturheiws berichte im September und October 1768 im Dresdner 
Archiv, loc 3896. 



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455 



wenn man die Zusammenkunft von Neisse erwäo^t; auch müssen 
die Erbverbrüderungen Friedrichs mit den Fürsten von Hessen- 
• Cassel, Mecklenburg, Sachsen, Braunsebweig * mit ins Auge gefasst 
■w erden, sowie sein Verhältnis zu Anspach und Bayreuth, wo seine 
Schwestern Luise (die Mutter des Markgrafen Christian Friedrich 
Karl Alexander 1757, respective 1769) und W illu Iminehenschtcn.* 
Also den Preussenkönig von seinem Misstrauen 
Oesterreich gegenüber abzubringen, ihn von der Frie- 
densliebe und dem Aufgeben der Re vart chegelüste 
dieses Nachbarstaates zu überzeugen, zugleich aus 
der damals drohenden brandenburgischen Erbfolgo- 
frsge Capital zu schlagen, die etwas schwankend ge- 
wordene Stellung Oesterreichs in Versailles wieder 
2U festigen und gleichzeitig im Vereine mit Frank- 
reich Prenssen in dem bcTorstehenden anglofranzOsi^ 
sehen Kriege zu neutralisieren, das waren Mitte des 
Jahres 1768 die leitenden Oesichtspankte unseres 
Staatskanziers. 



Biattooori beriditet am 11, Oetobtr 1766 von dem airanfemtnt du Boi 

de Pmase par rapport k la sneeaMioa an pr^jndioe de Tancien paote 
de famille, qui subsiite entre sa maison et celles de Saxe et 
de Hesse et qa'il s'^toit d^termin(5 eii faveiir de la maison 
ducale de Brunswiu «tc Vgl. Dresdner Archiv, loc. 2G2G, Vol. XXI. 
Doch schrieb schon am 4. J&nner 1767 der kurpfElzische OberstkKmmerer 
Freiherr t. Weshteüdonc an den FreUierm JqmS Xarer Oimfen sa Hat- 
lauf, den bairlaeb-pflUxlaehen Minister in London: ,Qneles senmt les 
arrengements pour la futore eaeoeision de Bayreithe et d* Anspach anx 
qneles ont travaile mais bon on ne peut transpirer la jnsteposition'tt. S. tr, 
MOnchner Staatsarchiv, K. gr. 116, L'06. 

Am 24. Jnni 1752 Erbvertrair zwischen Friedrich und den friinkisohen 
Markgrafen, nach weicliem die Lander der einen fr&nkischen Linie nach 
dem Äneslerben, ohne Thtilung an die andere ücinkisebe Linie «eeres- 
deren sollten nnd betm Anaaterben eneh dieser swäten Linie beide 
Markgrafsobaften nieht an die jttngeren Prinsen des Hansee Bnndenbnig 
fallen, sondern mit der preussischen Monarchie vereinigt werden sullten. 
Das Uel>ereinkommen ist gedruckt boi Beor, Friedrich IL und 
van Swieten. Ab der Markgraf Frißdrich ChriHtiaii am 20. J&nner ge- 
storben war, wUnachte der Freussenkönig, sein Schwager, die russische 
Qarentie t&t diesen Tertmg, denn Oesterreich hatte ee schon veisnoht^ 
ihn sn hintertreiben. TgL Ranke, Bardenbetf I, 116. Maeh dem 
FaaiilienYertnige vom 6. MoTembw 1769 Stielt aneh Pnossen die Ad> 
ministration dieser Gebiete. Vgl. dArüber die Bechtsanaprüche hti Berel, 
Becaeil des instmctlons des ambeasadenia etc., 8. 461—466. 



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466 

Aber Friedrich hatte diese Pläne bald diirchechant Be- 
herrscht Yon der Ansichty du» KaonitE alles anfbielen werde, 
um das rassisch-pretissiscfae Bttndnis m sprengen und ein • 
maaiBch-Osterreichisches au&uricbteiiy nahm er alle Zeichen der 
(österreichischen Annllherung mit dem ihm eigenen Bfisstrsnen 
entgegen; und gerade dem Koder der Erbschaftsreguliemiig 
gegenüber rerhielt er sich so gleiciigiltig wie möglich.* Und 
das Geschick war ihm hold, denn schon im nächsten Jahre 
ward Frif'drichs Sclnväpreriii Anna Elisahotli, die ( jeitiaiiliii Auinist 
Fcrdinaudö aus der Brandenbnri;-BerJiner Linie, .schwanger — 
mit einem Sohne, Friedrich Heinrich, geboren am 21. Oct/>ber 
1769. Trotzdem liess Kaunitz von seinem Plane niclit ab, um 
wenigstens Preussens Einwillicriinir da/u zu gewinnen, dass auch 
Oesterreich und Prcussen cljcn solche Verträge mit Polen ah- 
.schlosscn, ww Russiand dm mit Preubsens Beihilfe den Vvhn 
abgcdrunircn hatte; denn nur so wiire wenigstens die Maeht- 
sphäre in Polen rrcthcilt. Jlier schon lag der Ausweg vorge- 
zeichnet, der bei der Theilung betreten wurde. Auf das ,Equihbre 
de rEurope* vor allem kam es dem österreichischen Gleich- 
gewichtskttnstler an^ und in Polen glaubte er UnterstHtmng 
umso eher ssu finden, als dieser Schritt den verwaisten russi* 
schon Unterthanen einen rettenden Hafen zeigte und Oesterreich 
damit seine alte Position in Polen wieder gewann, und swar 
ohne Kampf. 

Bm deutsche Reich« 

In den {fsterreichisch^preussiscben Kämpfen zur Friedens' 
adt gewann neben den polnisch-russischen und türkischen (hart 
umkriegten) SchanplAtsen gerade in unserer Zeit das deutsche 
Reich erhöhte Bedeutung, und das Gebiet der deutschen Reichs- 
politik wurde nach und nach sum Barometer der beiderseitigeD 
Beziehungen. 

,Mit dem Bedürfnis^se der Krhiihim^ oder vielmehr der 
Erneuerung der Reichsverbinduiig traf/ uni mit Ranke zu reden. 



Dbm Friedrieh solehe PHne des StaAtskanzlers bereite im Jahre 
Terxnntiiete, beweisen seine Schreiben an Thulemeier vom 31. Jali 1766 
nnd vom 23. August, P. C. XXV, 1G161, 8. 178, Nr. 16192, S. »n«fc 
au Edelsheim vom 3. August 1766, ebenda Mr. 16166, 6. 181. 



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4ö7 



,(\w krilftit^e Entwicklung der beideii im Kaiiipt«* orsturkten 
Mächte zuaaiumen/ In diesen Worten liegt der tiefe Contrast 
der auf ein gemeinsames Ziel hinauslaufenden Politik der beiden 
Hauptmächte des Reiches. Sie erleuchten blitzäcbueii die Scheide- 
wand zwischen Conservativismus des österreichischen Kaiser- 
thums und der kathoHschen Ftlrsten einerseits und Friedrichs 
alles beherrsehriidt r Person, die erobernd die historischen 
Schranken zu durchbrechen wusste, durch Kriegsmacht und 
seinen Hu hm über die anderen Keichsflirsten hinausgehoben, 
durch Eifersucht, Uass und >ieid zurückgebliebener angefeindet, 
bejubelt von kleineren Fürsten und erstarkt durch sahireiche 
FamilienverbindoDgen. 

Daa Reich aber stand an der Schwelle seines Unter- 
ganges.^ Kaum dass die Reichsmaachine noch fnnctionierte. 
Die mangelhafte Abgrenznng der Competenz der beiden höchsten 
Gerichtshöfe^ des Reichskammergerichtes und des Reichshof- 
rathes, ▼erarsaehten den yOlÜgen Stillstand des Reichsjostia- 
wesens.' Der Particnlarismus der ReichsAirsten kannte keine 
Grenzen. Das Streben, sich von der Verfiwsnng au emanci- 
pieren, die Autorität des Kaisers an untergraben, ihre absolute 
Fürstengewalt zu steigern^ war, durch den Krieg begünstigt, 
meist erfolgreich gewesen. Dabei übersahen die fkkrstUchen 
Herrgötter ganz, wie mit dem Verfalle des Stftndewesens in 
fast allen Mittel- und Kleinstaaten auch ihre eigentlichen Stttteen 
langsam brachen. Aus der Ohnmacht der Stände^ resultierte 



* Literatur; Justus M">sor. Osnabrückcr Geschichten. Woiuk, Dontjch- 
land vor hundert Jahreu, I. Hd.. Leipzig 1887. Karl Bietlerniaiin, 
Deutschland im 18. Jahrhundert, 2. Aufl., 1880, 1. Bd. Deutüch- 
Unds politische, nutterielle und loeiale ZiutiLnde im 18. Jalirliuiidert. 
Leipiig 1664. Hlmsttr, Deatiche QMchiebte nach Friedrichs d« Onwaen 
Tode. Eduard Vehse» Qesebiehte der dentoeben H«fe Mit der Befor- 
maüon. 

* Fttr die Ziurtftiide der Reichsverfassung sind vor allem Oertels Sammlung 
der nenestcn Merkwürdi'^'koiten, Kegensbnrg 1776, dio Tractate ,T .\. 
Mosern ,von der deiitm i: Ju»tixverfMsang' und ,Laude8hoheit\ weiter 
sein jKeicbsstaAtshandbucii' wertvoll. 

* Ja maa^en deufewhea PkoTinien sind gar kmae Z«uid«tMiide mehr; wo 
Landetlnde liiid, beetohen sie ans dem Adel» und dieser UndetKndiMsbe 
Adel faekllmmert sieb je lisger, Je weniger, ist naerfahren nnd im 
Staate- und Landrecht vOllig oawiMeiid. 8o K. Fr. Moier, Pstriotucbe 
Briole V, & 199—201. 



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468 



die Gesohftfisttberbttrdiuig des Landeshemiy ein wUrter ScUen- 
drian in der G^esehilfbAlhrung prägt der knrssichtigen, flachen, 
besteclüiclieii BeamtenaeliAft den Stempel des oberflfteUidieiiy 
hoebmiUhigen BnreAuknkteiithnms auf. Der Particularismus aber 
brachte nicht nur den gänzlichen Verfall der Verfassung mit 
sich, er verursachte die Abschliessung der liciclissiiidte gegen 
die Fürsten, und mit derZwitterstdlung: der Reichsstädte zwischen 
Fürsten und Kaiser hing wiedenmi die Schwäche oder Nichtig- 
keit des Reiches im Welthandel zusammen. 

,Jede8 Seestädtehen handels blos nach seiner Politik, niid 
die Wohlfahrt des Reiches, welche leider mit jedem einzclüen 
Theile desselben eontrastiert, ist kaum noch dem Namen nach 
bekannt. Nach Enirland darf ohne Erlaubnis des Krini^s keine 
irländische Butter kouimen, allein in DeutschlÄnd tindet sie 
überall ihren Markt und ihre Käufer, aus Mangel an einheimi- 
scher: Kaffee, Zucker, Thee, Wein, alles wird eingeführt. In 
der Schwächung der Handwerker und in der Ermunterung der 
Krämer hegt ein Grund unseres Verderbens. Der Tiichbändler 
hat den Tuchmacher, der Eisenkram den Kleinschjuied, der 
Knopfhändler den Knopfmacher und Gelbgiesser u. s. w. ver* 
derben. Das Handwerk gilt in Deutschland nichts. Wie anden 
in Ltmdon, wo sich der prächtigste Anblick in den Buden der 
Handwerker darbietet, jeder Meister sich mit setner Ware 
xeigi'^ yDie Wissenschaft exbob den Biann, der Ton den 
Schuhen der ROmer und Griechen schreiben konnte^ Uber den» 
der mit eigener Hand weit bessere machte/ Den letzten 
Stoss empfingen die Handwerker von den Fabriken. Diesem 
Uebel kann nur vorgebengt werden, wenn reiche Leute Hand' 
werker werden. Eäaer mnss erst als Gemeiner gedient haben, 
ehe er von reehtswegen zum Grade eines Officiers gelangen 
kann. Das Söhnchen einer bemittelten Matter aber scb&mt 
sich, die Hand an eine Zange oder Feile zu legen. iSn Kauf- 
mann mnss er werden. Sollte er auch nur mit Schwefelhölsem 
handeln, so erhHlt er doch den Rang über den Künstler, der 
den Lauf einer Flotte nach seiner Uhr regiert, dem Könige 
Kronen, dem Helden Schwerter und dem edlen Landmaooe 
Sensen gibt, heisst es a. a. Stelle S. 113. 



> Justus UOMT, Pairiotiiicbe PbanUman, aiui^Alilte Stellen, S. M Iiis 
112ff. 



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459 



Diesem Rückgänge des Volkswohlstandes^ der ödeu hoflf- 
nungsiosen Rcichsverfassung, steht der rrlanz des FUrstenlebens 
und der Prunk der Fürstenhöfe gegeuiiber mit ihrer Maitressen- 
wirtschaft, den spanisclieri , italienischen oder fran/Jisischen 
Tänzerinnen und Schauspielerinnen a la Migotti, den morgana- 
tischen Ehen, dem Nepotismus des Adels u. s. w. Wein, Weib, 
Musik, Jagd und Theater, diesen Vergnügungen huldigten die 
Fürsten ia ausgedehntem Masse. Allen voran die Geistlichen. 
Ein Master war der Fürstbischof von Wtirzbnrg, Adam Fried- 
rich y. Seinsheim. ,Grand6eigneur im besten Sinne des Wortes, 
frei von aller PedaDterie, ascetischem Treiben abgeneigt, der 
Anfkbbrung im Innersten zugethan, aber klng nnd massvoll, 
wusste er das Alte nnd seine Vertreter zu schonen^ ohne pein- 
liche Prüfung verstattete er sich nnd anderen einen heiteren 
LebensgenoBs, denn ihm lag viel daran, alles um sieh her 
firOhHeh and glttoklich an sehen/ ^ Das gilt fast ebenso filr die 
Mainaer, Kölner, Trierer und anoh Ar die meisten weltlichen 
Forsten. Wie der Erstgenannte Wttraburg zum Sitae eines 
der grOssten Theater,' einer bedeutenden Kunst- und Musik- 
etitte erhob (er selbst griff in den Opern als Regisseur ein), 
so gediehen Cassel nnter Friedrich U., dem ConTertiten, 
ySeelen- und Lottoverkttufer'/ Karisruhe nnter dem Gross- 
herzog Karl Friedrich/ Lndwigsburg unter dem verschwende- 
rischen Hersoge Karl Ludwig EiUgen/ Mttnehen nnter Max 
Josefa zu glänzenden Residenzen kunstliebender Mäcenaten, aber 



* So Dr. Erler iu der Gedächtui»rüdo auf den FUrstbiscbuf Franz Ludwig 
T. Erthal über dessen AmtflYorgänger. Mittheilung aua Oberthurs band- 
Mbriftlieliem Nachlan«, im Arahir de« hiatortoelieB VereiiiM Ar Unter- 
franken nnd Aichaffenbiug, XXXYII. Bd., 1896» 8. 4ff. 

* Hebr ab 800.000 fl. reneUaiig allein der Bau. Vgl. B. Stanuninger 
in eban dieMr Zeitiolirift» XXXVL Bd., & 811 nnd Scharold im IL Bd^ 

8. 200. 

3 y^^l. über ibn: Von der Aasebaxg, Dankwflidiglniten, & 848 nnd Tehio, 

XXVII. Bd., 8. 161 ff. 

* Vebse, XXVI. Bd., S. 189 ff. 

* In dorn würtemborgischfin Vicrteljahresliefte für Landesgescbicbte, VII, 
Jahrgaug, bat Bibl ,auii dem Tagebuehe des Fürsten Christian 
Friedrich Karl von Hohenlohe-Kirchberg* dessen Hof geschildert. Das 
Ho1)|;aatfti lUiU allein S86 Hengrtfohlen, 180 Sttttenfolilen, 808 Matter- 
■tvten. 

* TehM» XXin. Bd., 8. Abth., 8. 1--68. 



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460 



aoch freudenschwelgeriBclierHbfcameyale und Jagdfeste, zuStit- 
ten bleibender BaadeDkmftlery su AusgangsstatioDeii zaUreiclier 

kostspieliger, weiter Reisen.* Wie der Würzburger, so pflegten 
auch diese Fürsten besonders das Waidwerk, und neben dem 
Landgrafen Ludwirr vun Hcssen-Darmstadt (dein eiusügen 

Verehrer der Erzherzugin Maria Theresia ) rächten als Jäger die 
Mainzer und Trierer Kurfürsten und Friedrieli Albrecht vuu 
Anhalt-Bernburg, 1765—1796, hervor. Des Mainzers Einnif rich 
Josef von Breitbach 's Jagdabenteuor.* seine Reiterstüeklein, 
waren bekannt. Wohl auch seine WoiilthUtigkeil und iSiielisrrn 
liebe. Aber sie alle, den Wiirzburg'er,^ den Mainzer, Külner 
und auch den frommen Johana Philipp von Wr^lH Ersdorf vuii 
Trier, 17r)li — 1768,^ verband ein toleranter, aut klärender Zu^r 
von Selndfreundiichkeit und tüchtigem Streben nach Keform 
des Unterrichtes, nach philanthropischen Grundsätzen.^ Auch 
war der deutsche Clerus nicbt sonderlich päpstlich gesinnt, und 
damals bereits deuteten venichiedene Anzeichen auf den Kampf, 
der im Jahre 1786 noch einmal das Bild mittelalterhcber Formen 
bot (den Kampf der Emser Verbündeten gegen das Papstthnm 
und dessen Liitti Ii r Vorkämpfer). Die Verdienste Adam 
Friedrichs am die Volks- und Hochschole im Würzburger Ge- 
biete haben Küffner nnd Hübsch gewürdigt; doch sind die 
mannhafte Vertheidigong der Beehte der deutschen Bischöfe 
gegen Born seitens des Mainzers, sowie dessen Reform (Ab- 



* Aus den Biog^phien oiuorer ,CUssiker* kennen wir solche Reisen. Henog 
Franz von Anhalt-De#snu unternahm im Jahre 1765 (vor «einer Ver- 
mählung mit der edlen, {.'oistreichen Luise v. Schwedt) eine 1' 
Beise, den Grosshereug von Baden traf man in den Jahren 1747/48, 
1760/51, 1765, 1767, 1771 nieht in der Heimat an. Ebenw vergnOgtao 
rieh der Heisea^Gaweler Friedrich, der Wttrtembetger auf amgedehatan 
Reisen a. a. m. 

* Vgl. im Rheinischem Antiquarin«, Mittelrhein, I, 1853, S. 219. 

* Auf dessen Umtranp' mit dpm schönen Geschlochte ))CziC'luMi rü" 
kritischen Bemerkung-eii, welilie licr^r in »einer TraiiPr: ede, ht'i Be- 
erdi^^Dg seines Amtsnachfolgers, über ihn (Adam) fallen Hess. Ksrier 
nennt dien SeitenUebe »tactkw*. 

* Ebenda, XLVI. Bd^ B. 64. 

* Der Uainier ■ohOtate hekanntlicli den VeriuMr dee Febroiuus, flÜBitoi 

als Misswachs im Jahre 1767 eine Theuerung verursacht hatt«^ den 
Volke .'•eine Speicher und vencbaffte» wie der Trierer Joliann FUfipp» 
der Justiz steta Achtung. 



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461 



Schaffung von Feiertagen), Bau und Verbesserung von Land- 
strassen, Hebung des Gewerbes, ebenso wenig wie die politi- 
schen Bestrebungen des Kölners/ näher untersneht und dar- 
gestellt worden. Nnr wenige ReiehsfÜrsten, wie Franz von 
Anlialt-Dessan, der Enkel des alten Dessauer (der erste Herzog 
1751 — 1817), der die Gartenkunst aus Kln^rland 17(38 herüber- 
brachte und welcher von dem Kammerdirector Fr. Balth 
V. Brenkenhoff, dem hervorragenr?«ten Cameralisten seiner Zeit, 
unterstützt war, wie Herzog Fru drich der Fromme zu Mecklen- 
burg-Schwerin 1756 — 1785, dem kein Geringerer als Moser 
diente, und welcher die während der turbulenten Landeszustände 
an Hannover für 17^ Millionen Thaler verpfändeten acht 
Aemter in den Jahren 1766 — 1768 wieder einlöste,* wie 
der industriefreundliche Albrecht von Anhalt^Bernburg, trach- 
teten durch volkswirtschaftliche Reformen und fleissige 
rechtschaffene Arbeit die Missstände zu beseitigen. Erst 
1768, als die Finanzkatastrophe bereits hereingebrochen 
war, berief Herzog Karl von Brannschweig (der Stifter 
des Caroliniuns 1735 — 1780)' zum erstenmale die Land&tHnde 
und achaffte nach l^/,jährigen Verhandlungen die kostspielige 
Oper ab, redncierte den MiHtllretat und schränkte den Hof- 
staat ein. 

Aber die meisten Fttrsten lebten rllcksicbtdos in Sans und 
BraoB weiter. Der scbamloseste Aemterhandel,* die Soldaten- 
spielerei und Liebhaberei bltthten an den Bttekeburger,^ Würtem- 



^ DieMr halte am 21. Aofoit 176S mit Boflaiid nnd HaDDover ein Gartell 

^oscIi1n8.«eD, nach welcheon Enp:1and dem Münsterer HodtrtUto jltbrUefa 
60.000 t\. ,l)is zu friiiizlitlior Tilgung der Schulden, so aas denen von 
daj«!pem Laude an die alliierte Armoo ^r^machteu Lieferungen ent- 
sprungen, verwilliget hat'. Auch hatte Kurköln damals bereits mit der 
Bepublik Holland einen SubsidienTertnig Uber ein an die Republik ab- 
■ngebmdes Corpa Trappen abgeaehloMen (Pecfena Beriehi vom 8, Sep- 
tember 1766 bei Branner, II, 480 ff.). Vgl. aveh Bhelniaeher AoHquerins 
a. e. O. I, 909. 

* Ygh Yebm, XXX VL Bd., O. Abtli., 8. SS6. 

* Yebie, XXIL Bd. 

* K. Fr. T. 31 oMT geiivelt den StaUenkenf in aetner Sdirift ,wom Dieail» 
handel deat§efaer Fttrrtea 1768*. 

* YeliM^ XXXIX. Bd., 8. 187. Ormf Wilhelm von Backeburg 1748—1777. 
Ihn, den portiiKiesiseben Feldhemi, nennt Vehee, 8. 142, den eigent- 



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462 



berger, Oasaoler und DurmstÄdter Höfen* und trugen nicht 
wenig zu ihrer Vorsolmldun/? bei. Im Sommer 1765 waren die 
Schulden in Würtombcrg bereits aiit 13,317.000 11.,^ in der 
Miirkfrraföchaft Baden auf nicht viel weniger angewachsen. Zur 
Al>liilie wurden geradezu unerschwingliche AuflnL''en neben 
Vieh-, Luxus-, PerrUcken-, Carossen-, Frauenputzsieuem' den 
Unterilianeu auferlegt. ,Sie stellea um ein Bild vom landes- 
herrlichen Bestenerungsrecht dar, das in seiner Colorit und 
Gruppierung ebenso wahr, aber noch schreckhafter im Anblick 
ist als das vom seligen Hofrathe Treuer geschilderte L ngeiicuer 
der willkürlichen Landeshoheit/ heisst es in den Patriotischen 
Briefen.^ Dazu kamen noch das Monopolunwesen und die 
Lotterien, die fast gleichzeitig in Italien, Frankreich und anderen 
Ländern auftauchten.*^ Konnte bei solchen ZkutiUiden in den 
Territorien das Reichsfinanzwesen, die Reichsarmee etwas be> 
deuten? Was Wunder, dass nicht einmal die zur Erhaltong 
des Reichsksmmei^riclites nothwendigen Kammeraieler ect- 



liehen \'ater der Ideen über dent.scho Volkubew.nrtuung^, Laixlwt br und 
Landstiinn (an »einem Hofe lohto 17«;5/66 ThuniHs Abbt als Uutrath). 

* Im i'atriüttäclien Archiv für Deutschland II, 494 fr., zieht K. Fr. t. Uoser 
gegen die Suuverinititsracht deutscher Ftlrateu los. »Man hält Soldatn 
■<rriel man will, man schreibt 8t«a«ni ans, aovi«! tnao will, nan l«ft 
Aeolien und andere Imposttsi «n^ toTiel man will, kam man limt» «ai 
man will, iKiut die Landst&nde und UntoitiiaBan, wenn es noch gut gellt, 
darüber schreiben oder inarht ilmon, wenn sie nicht alle?, wa? mur. 
haben will, ohne Widerspruch thun, auch die unuujgänrrlic}i n'^thiir^ten. 
unglaublichsten Vorstellungen 2U lauter Verbrechen» Ungehorsam oud 
Rebellion/ 

' Von der Asseburgt DenkwflrdigkeitMi, 8. 226, Ann. 1. 

* Aehnlicb dem neuen Nasen«, Hemden- und Spitseuediut der suhwedisckee 
ReicbMtlnde Ton 176«. 

* Nr. V, 8. 815. 

* Dr. Bad. Sieghaft, Dia OffentUohea 01llohflS|iiele, Wien 1899 (Marn)- 
Dasu ist heranamiebt n : G Coci, Giuoco et Giuocatori a Napoli, i« 

Archirio stnrico per lo Provinoio Najxiletano XX III, 1898, S. S86 und 
die Literaturvermerke daselbst 8.393, Anrn. 5; weiter ilio Lotteriepläne 
in den Protokollen des geheimen Cabinete 1700 — J767 im DreKdser 
Archiv, loc. 30300, besonders das ConferenzprotokoU vom 10. Febraar 
1767, endlich die Abbandlnngvn, die Jnatna M9ser in seinen PalriotisdMB 
Phantaaien (Qesammelte Werke, Berlin 1849, I, 8. 94S) nnd die BielaMd 
in seinem Lehrbegriffe I, 1777, 6b 904 nnd 906 darttber geaehriate 
haben. AUea von Sieghart nicht Teriraitel. 



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463 



richtet' und eingetrieben werden kuniiten. Die rückstäudigen 
l)ctrugcu bereits im .lalire 1747 563.655 Reichsthaler. Und 
Preussen schritt mit der höchsten Ziffer voran.* 

Und das deutsche Volk schlief im ganzen ruiii^' \v'citer. 
Aus seinen sü&i>cn Träumen rüttelte es weder der Steuerdruck, 
nocii der Wnibor-, Sohlaten- und Diensthandel der kleinen 
fürstlichen Herrgötter.^ Die Unkenntnis des traurif^en Zustandes 
der Reichsverfassun^, des Gerichtswesens war grenzenlos. ,Wo 
finden wir die Nation?' ruft Justus Möser aus. ,An den Höfen? 
Dies wird niemand behaupten. In den Städten sind verfehlte 
und verdorbene Copien, in der Armee abgerichtete Maschinen, 
auf dem Laude unterdrückte Bauern. Doch der Nationalgeist 
ist erschienen und gedruckt.'^ Er soUte das Nationalbewnsst' 
sein wecken. Seine Stimmführer neben Justus MOser, Thomas 
Abbt, Iselin, K. Fr. v. Moser, Schröckl, Zimmermann setzten 
eben in unseren Jahren alle Hebel in einer amfassenden Kritik 
der damaligen Staats- und Volksznstlinde ein und machten an- 
ausgesprochenen, nur nnbewasst gefühlten WUnschen des Volkes 
ihre Presse dienstbar. ,Wunsch eines weisen nnd gnten Mannes 
wegen Errichtung eines Volksgerichtes'; ,1lber heillose Staats- 
beamten';* ,ob es besser seje viele unnflthige Soldaten, oder 
yiele nnn(Jthige Junkern, Oomödianten, Musikanten etc. zu 
halten';* ,schOne CSabinette und schlechtes Ckusenpflaster'.^ Sie 
pflegten anch die aarten Keime der Hddenmose, welche der 
grosse Krieg geboren, und ue führten dem deutschen Michel 
den Q^nsatz awischen gebietenden Herren und gehorchenden 
Unterthanen* in allen StSnden im Reiche grell vor Augen. Den 
Gehorsam nennt Möser in seiner Schrift vom Nationalgeiste 
die Triebfeder der deutschen Nation. ,Waä der Handel in 



* Vgl, Lang, StenerverfftiBung, und Biedermaim a. a. O., S. 819ff. 

* Thudidtam, ,Du TormaUg« IMohdEaiiiiiMMrg«riclit und teine Sohl^tale^« 
in d«r Zeitaehrift fOt deafmdiM Beehk nnd RMbtawiflsenaehaft, henna- 

peg:eben von Beseler, Koysclier und Stobbe, XX, 1861, 8. 191 ff. 
s Vgl. Kapps trafflich» Schrift: ,Q««ehidit6 dm Soldatenbandeb deutodiar 

Fürsten.' 

* OeAammelte Werke, IX. Bd., S. 241. 

* PatriotMcbes Axehir XII, 1790, S. 475. 

* Sebtettwaln im Arehiv ttr die H«nieli«nraGbte nnd BSfger, L Bd., 8. IM. 

* Patriotiachw AiehiT Xn, 8. ebanda, ,Daa Qeeprieh Baninn-Politik 

Bauren-Weidieit', 8. 399. 

' Vgl. Biedermann, S. 161—168. 

ArobiT. XCII. 6«n4. II, BUtf. 80 



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464 



Holland, die Fk^eiheit in England, in Frankreich die Elm d« 
Königs ist, das ist in Deutschland der Gehorsam/ Dtesen 
blinden Gehorsam machten sie wankend. Kuz, sie erseugten, 
unterstlitst von ssahUosen Umstanden, jene Begeneration des 
deutschen Geistes, jene Blate deutscher Literatur, weldie 
seihst der Sturm der Revolution nicht zu knicken vermocht h»t 
Aus den Volkstiefcn drang es mit elementarer Gewalt herauf 
und sclilug immer stärker und lauter an das Olir der Fürsten. 
Sowie in der Zeit des Marsilius von Padua, als sich die 
Ideen der Volkssouveränität zum erstenmalo im deutschen 
Reiche Balm braelien. ,Der Natioualgeist^ die Summa dvr 
edelsten wielitigöten, die allgemeine Denkungsart eines Vulki^s 
durehBHuernden BestandtheiiCj ohne deren Daaeyn, oder durch 
deren Absehneidung ein Caput mortuum zurtlckbleihen würde,* 
wie Moser sagt,* wurde geweckt. 

Man lese Winkelnianns Briefe aus Rom 17G7 — 1768 im 
jdeutsehen ]kluseum^, man studiere die Wegweiser und Gedanken 
zur Abhilfe gegen tibermässige Verschuldung der Unterthaneo 
(1768) und sunehmenden Mangel an Qeld, gegen Patz.' Und 
mit den kaum erblühten Knospen des Nation albewusstseiiis 
gleichzeitig erwachten auch die auf die Wiederbelebung des 
Reiches gerichteten Tendenzen. Der Ruf na eh dem Ausbaue 
der Verfassung erscholl laut, patriotische Briefe, patriotische 
Phantasien^ patriotisches Archiv sind uns als die Vermittler 
bereits begegnet Nicht mehr allein blieb der alte Johann 
Jakob Moser Rufer in der WOste. Neben den bereits ge- 
nannten sind es vor allem die schwäbischen Publicisten und 
Kritiker Johann Ludwig Hnber, Wilhelm Ludwig Weckhitin, 
der SchloBsersohn Johann Michael Ä&pmng, der Rechtshistoriker 
Httberlin, Johann Datt aus Esslingen und Chr. Daniel Schobar^' 
welche diese Tendenzen ins Volk trugen. 

Und sie scharten sich um Josef imd um Friedrich. Nicbt 
im Gegensätze mit der höchsten Autorität im Staate, wie Raoke 
sagty erwachten jene Tendenzen, sondern anfllnglich steuerten 
sie ohne Fuhrung dem Ideale der engsten Vereinigung aller 

» PatriotUebe BriefD II, S. S5. 

* In MöaerB Patriotitdieii PllMitsM I, 8. SS4ff., SSllF., U9fL, «11« tm 

dem Jahre 1768. 

• Ihnen hat Wohlwill in dem geistreichen Essay ,Weltbürgerthum aad 
Vat«rlaud«liobc der Scbwabeu', Uamburg ld7&, ein Denkmal geaeut 



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465 



Staaten zu, und noch weniger hat dor Katholicisnius mit ihnen 
zu schaffen, den Ranke stets so<jleich in solclicn Fragen ins 
Treffen führt. Mit Begeisterung aber trat Josef an die Spitze 
dieser Bestrebungen, machte sie zu den seinigen und begeisternd 
flogen ihm aller Herzen zu, als er mit Feuereifer fUr die Or- 
ganisation des Reichsjnstizwesens eintrat, seine berühmten 
Decrete und Verürdnimi^^en oretren das Verehrtengelder- und 
Regalit nunwescn bei den hüclisten Gerichten* erliess — treffend 
nennt K. Fr. v. Moser diese Verordnung sowie die scharfen 
Handschreiben vom 21. October und 21. December 1767* die 
anbefohlene Taschenbeiehtc — zur Besserung des Personals 
im Reichsrathe keinen Versuch scheute ' und laut die Forderung 
nach einem ^exemplarischen Leben', die der Visitationsabschied 
von 1713 an richtende Personen stellte, sowohl bei den stän- 
digen Beisitzern des Reichskammei^erichtes, wie bei den Präsen- 
tati, d. s. die von den Filrsten zvaa Reichskammergericht dele- 
gierten Richter,* erhob. 

jUnser allergnädigster Kaiser haben in dem, wegen Yer* 
besaemng des Reichshofrathes, den 5. April 1766 erlassenen 
Decrety dem ganzen Vaterland die ttbersengendste Probe ge- 
geben» dass Sie grosse und wabre Gebrechen bei diesem Oe- 

1 Vom 5. April 1766. Vgl. Fatriotisdies Archiv für DeatscbUud, VIII. Bd., 

Ö. 79-82. 

' KaUerlicbes Haudtichreiben au den PriiddMitan de« Reichakofirathes 
Qrafen Feidiiuuid ▼. Hameh Tom Sl. Ootober 1767 im II. Bude des 
Osttillger hiitoriechttn Mafttii», 8. 65% and die BeehtfertigiiiigvTeitaelie 

der Ketchshofrätbe rom 2. Decomber 1767, «bgedmelct im VIIL Bftode 

des Patriotiscben Archiv», S. 87 — lü4, worauf der Kaiser unter dem 
21. December 1767, ehemla S. 105, Siisser^t sdiai-f repUciert. Am 19. Fe- 
bruar 1768 schrieb der Kaiser wiederiiin an H.'irrach : ,NRch nunmohro 
eingeseheueu vierteljährigen Eingaben, erkläre ich alle Öchäukuugeti, 

wie diese Namen iiaben mögen, bei meinem Beichihofrathe für unw- 
lanbt, untersagt, deren Anbietang vnd Annabmnng anter denen in meinem 
Deeret vom 5. April 1766, ebenda 8. 79ff. nnigednickten Strafen; weil 
eine jetle derselben deuen Parteien zur Last gereicht, solche überhaupt 
für eine Justiz Collegium nicht geeignet seynd und rn '«inein bedenk- 
lichen Nachsinnen Anlass geben kfinnen. Ich bin nicht ungeneigt, den- 
jenigen, 80 durch ihren Fleiüä uud uueigeuuütsigeD Diensteifer lüch be* 
donders verdienstlicb machen werden, auch nadi Ibuu deren Belebe* 
einkflnften aomerordentliche Belobnongen angedelben in lassen.* 

• Vgl. Pntriotisebee Avcbiv X, 8. 847—418. 

* Vgl. die Kla^a ii und Wünsche eines Patrioten auf derBrandstlttedentscher 
Heichqnstis» im Patriotiscben ArebiT XII, 8. 467. 



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466 



richte gefunden und nach aUem su deren Verbesaerang tmd 
Abhelfung ertheÜten Vorschrifteni wird im § 17 auf die ersten 
Quellen des Verderbens mit einem solchen emstYdlen Ejfer 
Burttokgegangen, welcher unseren Kaiser in dem ganzen ffilde 
eines Statthalters Gottes darsteUt, der Aber die Richter, so 
Geschenke nehmen, um das Beoht su beugen, einen unwider> 
ruflichen Fhieh ausgesprochen bat^' hetsst es im VIL Fstrioti- 
schen Briefe, S. 260. Dies nur eine für hundert Stimmeo. 
Muss man es nicht als grundlose Verdächtigung der historischen 
Pcräonlichkeit bezeichnen, wenn man von den ehrgeizigen Ab- 
sichten spricht, ,welche Josef auf den kaiserlichen Thron mit- 
zubringen schien*?* Nein, er brachte sie wirkh'ch mit ,Auf 
die Aufrichtigkeit meines Karakters, auf die RedJiciikeit meiner 
Absichten und auf meine Entschlossenheit zur Behauptung 
unscror nationalen Freiheit können Sie sich vollkoinmen ver- 
lassen,* schreibt Josef II. an den Kurfürsten von ^lainz im 
April 1767^ St iiii ehrUchen Worte bedürfen keiner Deutung. 
Er hat thatsiichiich an ,eine wirkliche Fortbildung der dnntschen 
Keichsverfassung gedacht'. (Icli polomisiere hier ^regen Bieder- 
mann.) Ihm war es darum zu ihun, die fast erstorbene Kraft 
des Nationalgedankens wieder zu beleben, um dui^h ihn alle 
separatistischen Afterbüdnngen zu überwinden, aufzulösen, und 
nicht so sehr um dem preussischen ein österreichisches Bündnis 
deutscher KeichsfÜrsten entgegenzustellen, wie dies Friedrich 
bei jeder Gelegenheit argwöhnte.* , Anders freilich, als Fried- 
richs gefährliche Aspirationen des Fttrstenbundes unter Frank- 
reichs und Russlands Protectorate später nothwendig Oester" 
reichs Widerstand hervorrufen mussten. Wie kann man seine 
wohlmeinenden Absichten beaweifeln? Wenn er sie unxn- 
reichend durchführte, so war weit mehr als seine stOrmische 
Art die UnbotmHssigkeit Airstlicher SelbstherrlichkeitsgeHlstfl^ 
vor allem aber Friedrich II. daran schuld, der nicht nur £e 
Reichsverfassung mit Füssen trat, das Band zwischen Haupt 
und Gliedern, worin die einige gememsame Scbutawehr bestand, 
wie es in der Schrift vom deutschen Kationalgeiste S. 66 heisst, 
aufgelöst and dagegen eine beharrliche Vereinigung der Glieder 



* Knrl Biedorinrinn, S. 

• Briefe Josefs II., Leipzig lö'JI, S. 2. 

^ Ml Rohd vom 31. Jäuiier 17ü7. P. C, XXVi, Nr. 16472 u. v. a. Schrei W»- 



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467 



j^en das Haupt zvl stiften gesucht hat', sondeni der auch 
misstrauisch jeden Versuch des Kaisers zur Besserung miss- 
deutete. Selbst Josefe Streben, eTangclischen Unterthanen 
katholischer Reichsstände Schutz au gewuhren, hat Friedrich 
verdächtigt und hdnJich angefeindet. 

Das haben schon die Zeitgenossen eingesehen, und es ist 
kein Grund vorhanden, unser Urtlieil von dem ihren zu scheiden 
und der Tendenz und Pliantasie Spiehaum zu gewähren. Auf 
sie, miht aber uuf Kanke und noch weniger auf die moderne 
preussische Darstellungsweiso dürfen wir uns herufen. Man 
pries Friedrichs Talent, bewunderte seine kriegerischen Erfolge, 
aber mau verehrte Josefs redliche, ehrliche, biedere Absichten.^ 

jWenn der Kaiser in der Ausübung alles dessen, was ihm 
von den Gesetzen zugetheilt, von den Ständen selbst aufge- 
tragen war, und zu dessen Vollziehunc^ or tnit einem theuoren 
Eyd verbunden worden, bei jeder Handlinii: von Wichtigkeit, 
bei jedem Schritte, den er zum besten und zur Verbesserung 
des Ganzen will, gehemmt oder doch von denen unrühmlicher 
und oft unverantwortlicher Weise verlassen würde, welche die 
Werkzeuge und Gehilfen der Ausführung seyn sollten, Hinder> 
nisse, welche sich in allen Theilen der Verwaltung des kaiser^ 
liehen Reiches Obrist Richteramtes ergeben, würde die einge- 
schränkte Macht des Kaisers an sich noch allemal kräftig 
genug sein/' AU diese und noch viele andere Stimmen' der 

' Vgl. zu dieser Unterscheidung: Wohlwill^ im Jahrbuch der Hamburger 
wissenschaftlichen Anstalt 6, Beiheft zum XIV. Bde., 189G/97, 8. 71 
Antii. 1 Tind S. 75 Anm. 2 und andererseits ebenda S. 97, Die Kelationeu 
der llanjburger Kathsdeputierten, die 1766 nach Wien kamen. 

* X. V. MoMT im VII. PatriotiMhen Brieüa» 8. S67. 

* ,Alle Handlnngen det Kaisen, «ellMit di^enlg«n, wosu er dcb tellnt fogen 
das Reich «nlidaehi|r gemacht, werden tou einer bedetdüicheii gettkr* 
liehen und der Freiheit der Stände nachtheiligen Seite vorgestellt. Als 
Kichter im Reiche wird ilim dio Gewalt, Keclit nnd Gerechtie-kMit im 
parteii.m ii zu handhaben, erschwert und der Schuta dos Schwachen ^'*ji.r* u 
den Mächti^^en, je länger, je unmöglicher gemacht. Der GewalUaiue, 
der Eigeuniitziga, der fidedie Fremd dii Valeilsiidee, der Yeiiehtw 
der Oentae wird dedareh in seinem Trolse und Uebermnthe gestlrkt, 
der minder Mlehtigie gerrist, dwia Bdqiiele geaetsloeer BClehtiger nach* 
kufolgon.* (Vom deutschen Nationalgeiste.) .Nur Kaiser Josef II. der 
Gnrfi-htü h.it auch in der Oowolm)!»«it ilus „Wulberhandels" frezci^t, dtms 
er der W'iinle t^t-iner Krone, seiner isalbuug zum Oberhau|>te ujid obersten 
Kichter deutscher Nation eingedenk sei. Die bekannte erste Verfügung 



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468 



Entrüstung wurden laut, als eine Massregel des Kaisers nach 
der anderen am Widerstande dor Fürsten seheiterte. Um den 
Geschäftsgang:^ am Keichskammer^erichte zu vereinfaehen, sollten 
die Bevollmächtigten der Fürsten in Wetzlar in vier Senaten 
zu je sechs MitgUedern mit gleichviel katholischen and evan- 
gelischen vertheiit werden. Aber schon der Mainzer verlangte» 
dass Ton seinen vier Bevollmächtigten ein jeder in jedem Se- 
nate Sitz und Stimme haben solle, was mit Recht verweigert wurde. 
Die Senatseintheilung musste unterbleiben, und die 24 berietheD 
weiter gemeinsam.' Und so scheiterten auch andere Massregeln. 

In Joeef II. lebte das Ideal eines mächtigen dentschea 
Reiches, freilich unter Oesterreichs Führung. Wie denn nicht? 
Auf dieses Ideal moss man seine ÄnnähernngBYersache an 
Preussen znrHokfllhren, ihm nnterordnete er manche penSa* 



gogtn dl» Haitrassen ^000 gewitten vagiereoden Beicinflinleii und di« 
Verwefganilig der Standesorhöhung einer anderen farstlichen BeLschUUbria 

werden neben sovielen anderen stets ein hervorstechender Zng «einer 
gerechten, giäiizendBn Regieran<7 hltiihen.' (Patriotische» An hiv, 1. B«l^ 
S. 323.) fEr lebt geringer als ein wohUiabender Frivaiwaun, »eine 
Tafel iit klidii, «r baatt dia Klaiderpnwht, aain Han iat generSi ind 
mitlaidend» ar balobnt gern, daa Bana Oeatarraich wird an iba daea 
dar grOartan PHnaan und Dantachland ainaa Tatar bakmünien, aar 
schade, dass die Kinder allza verwOhnt mid ihre Grostgflhrigkeit allxn 
fühlbar sind,' hoisst es in einein Schreibon ;ui Iselin vom 5. September 
1766, im Patriotischen Archiv, IV. Bd., b. 388, uud selbst Friedrich der 
Grosse gesellt sich in einer guten Stunde zu seinen Verehrern, Tom 
23. Jänner 1768 im DeuUchen Maseam I, 272 und (am 10. Augui« 1786 
an die Knrf&ntan ron Sachaen) nennt ar ihn: le plna baan fiaaroa da 
aa eonronne (Oanvraa poatii. XXIV» 119, Nr. 69). In seinem flelmibea 
▼om 20. Mai 1768 an J. J. Moser spricht der regierende Herzog Friedrich 
von Mecklenburg-Schwerin (Orig-iunl, alipodruckt im Patriotischen Ar> hiT 
IV, 475 ff.) von dein pioru Urdifroii lieiclisoberhaupte, von dessen per- 
sönlicher Gerochtigkeili»liebö jeder Mund voll Rühmens ist. ,Lais»eii Sie, 
mein lieber Herr Reichshofrath, ich ersuche Sie noch einmal darum, 
durah dero Beispiel nnd atandhafte Uitwirknng das ganse Beieh fiber- 
aangt werden, daaa ea fSr Fflntan nnd Untertbanen die grOaate GIQck* 
leli^eit seye, ein gemeinsehallUcbea Obarhaupt und Belchifgerichte su 
haben, nnd dass sich diese es zur wahren Pflicht machen; sowohl die 
mittelbaren Untorthanen gegrßn anf* B^-drückungen ?.n «scblStren al? anch 
die Unterthanon in Gehorsam f^epr«" »i'if^ Landesobrij^keit zu unterh.*ilten. 
Dass mithin die Reichsgerichte keine Zntiuehtsörter degenigen sejen, 
wetcha ibre Landeafilnten und aelbst gegen ihre Mituntertlianen ab» 
achütteln wollen.* 
> Tbndiabnm, a. a. O., 8. 191. 



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469 



liehe Gefühle, aus solchen nationalen ^ Motiven bleibt er zeit- 
lebens ein Gegner Frankreichs, Das eben war es, was ihn 
hatiptsiit' blich voü seiner vorsichtigen klugen Mutter und dem 
national farblosen Oesterreicher Kaunitz trennte, was gerade 
in unseren Jahren den tieferen Hintergrund der bitteren Kämpfe 
bildet, von denen ieh oben gospmchon habe, der oft unüber- 
brückbaren, vielleicht mir ^< fulilten Gegensätze: der Gegen- 
satz zwischen der rein öaterreicbiachen Politik und der deutschen 
(Ssterr e i c h i s c h e n . 

Friedrich war vor allem darum besorgt, dass nicht Josefs 
liebevotier und aufopfernder, ja hingebender Gescbäftseifer den 
Verlust Schlesiens im Reiche anderweitig wieder einbringe. 
Deshalb hatte er sich auf dem Keichstage Yon Rögens bürg ^ 



* DieMfl Wort ist freilich nicht mit dem hentlgen Bopiffe bu identifidinD. 
In diesem Sinne i^t weder Josef noch überhaupt einer in jener Zeit 
national p^esinnt. Daza war die Wpltnnsch.innnp eine zu kosmopoHtisrhe. 

• Auf diesem Keichstag^o (von I7tiö) wurden zahlreiche Fragen der da- 
maligen Reichspolitik verhandelt. So die Miohelfelder Lehenaaffaire 
swbehea B«den>DarlMb nnd dem Hoebitift Bi>eier (•* Baiehst«g«acteii 
CXXTUI, 1768. B«riehto ▼om M. April, SO. Jnll und bMooden 14. Oo- 
tober 1768, im Münchner allgemeinen Reichsarcbiv. Äug. Qwag Hark- 
graf zu Baden hat sieben Dörfer im Murgthale, zur Gemeinde Gemspach 
gehfSrig', Seclbach, Liittenbacli , Hilpengau, Reichenthal, Wiesenbach, 
Gaiisracli, Laiipoiibraml, die der Hisrhof Joachim v. Schwarzenau von 
Speier als ein ,vermeintlich zu Öpeier als Activl»h6n schon seit 1298 
Tom Graf«D v. Ebentein als U^mulehefi ▼«rliehauM Gut bMoipniehte, 
fttr Baden in Anftpnieh genommen); die eaiuae Teotichorden contra 
Grafen ▼. OettinfOi} das ins iudicendnm lactnm publicum, betreffend 
die Erbschaft der Grafen v. Wolfst^n; weiter die Landeshoheit über das 
Landßfebiet von N8rdlinf»-oii (h. darüber Literatur bei Job. Jak. Moser: 
Von der Landeshoheit derer Tentschen Reicli-sstände überhaupt. Frank- 
furt nnrl Leipzig 1773, S. iSÜ'). Grösseres Interesse verdienen die 
Streitigkeiten swiscben dem Corpus Cetholicomm und ETnngelieofnm 
(«. Oexle« Beriebt fom IS. Jnni 17S8 nnd die Ck>rre»pondens Petnold- 
Saokea im Dreidner ArebiT, loe. 80308). Dnas im Jahre 17S8 die Prote- 
stanten in Aachen an ihrem Kirchengange nach Vaels gehindert wurden 
(Zeitschrift dos Aachener (.JeschichtKvereines X, S. 85), der «eit 1763 
von den dortigen Frote.stAiiten gegen die Katholiken angesuchte .Schutz 
dringend war, hinderte nicht die mangelhafte Fürsorge. Vom Februar 
bis Juni 1769 musste Aachen, von knrpfUsiseben Trappen besetKt werden; 
die Btreitigkeiten aber konnten eret dnreh Yertrag vom IB. April 1777 bei- 
gelegt weiden (ebenda XT, 8. 115, US, 818, 881, 888). Alle dieee nnd 
noeh Tiele Religionsbeschwerden standen ausser den schwierigen Kammer- 
geticbtsvieitationen mit den veraehiedenen VorBchllgen nnd Frojecten, 



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470 

den kaiaerlichen Plänen und Wünschen schon in der Ange- 
legenheit der KammeiigeriehtsvisiUtion, der RjehtigsteUnng dsr 
sweiten DepatationschuBse und Ablösung der ersten entgegen- 
gestellt. Er hatte durch seinen Gesandten Roth dem Wiener 
Hofe in diesen punctis im April 1768 eine Dedaration Über- 
reichen lassen, in weicher er diesem Versuche des wohhnemen- 
den Kaisers scharf entgegentrat, ihn für ^gesetswidrig und justia- 
verderblich' erklärte, alles aus Misstrauen darüber, dass der 
Kaiser dahin trachte, seine Reichsgewalt, respective die Macht 
des Keichshofratlics zu erweitern, ,80 aber nicht reüssieren 
sollte'. Freilich unternahm Friedrich diesen Aiigrift^ nicht, ohne 
sich als Schützer der inmier nach Oi liiung des Justizwesens 
seufzenden Stände und Uuterthanen aufzuspielen. Am 17. März 
17Ü8 hatten die Minister F'inckenstein-Hertzberg dem sächsischen 
Vertreter iu Berlin, dem Obersten von Stutterheini, eine Note 
tiberreicht, in welcher der Dresdener Hol' ersucht wurde, im 
Einvernehmen mit dem Berliner dahinzuwirken, dass die gegen- 
wärtige Classc (die 1.) das Visitutionswerk endigen müsse und 
nicht eher von der 2. Classe abgelöst werden kßnne. f^he und 
bevor dies nicht auf der allgemeinen Reichsversamniiung Ite- 
richtigt worden. ,Denn die Absicht des Kaisers gehe daliin, 
den Reichshofrath durch Zen*Uttung des Keichskammergerichtes 
noch mehr emporzubringen.' Und bevor noch die besagte 
Declaration Friedrichs am Regensbui^fer Forum niedeigelegt 
worden war, hatte die sAchsasche Regierung sich ebenso irie 
die anderen von Preussen gewonnenen Kurfürsten von der P61<» 

wie die Clanseu der Keichsdeputierteii zu deu Visitationen einzarichteu 
nnd difl tfcii ergebendSB Blilogel nnd Yeiiiiderangen su er«eh«D teia 
mScliten (0«x1m Beriebt ▼om S9. Juni 1768), auf dem Fonna dea BflffBiM> 
bnrger Beidistagea von 1768. Die Aieh-Zedtwitaer Angelefenheh (Tgl. 
die Keidangen dee »SchaiRchen ConferennnivUteni Joh. Georg v. Ponidua 
an den geheimen sMclmisdieii Legationsrath v. Petzold in Wien uns 
!{oponsbnrg vom 17. Juni 1767 u. «. w. im Dresdjipr Archiv, loc. 3346), 
die Montfortsche und WerdenfeUische, Donaustauh.>.ciie, die altcu An- 
sprüche des Erzhausen Oesterreich auf die Markgrafschaft Burgao, die 
Hohtelii^GoUerpiaelien Hindel («. Relat rom 16. Norember 1768| Relat 
XL VI), der NMflau-SAarbrflckeiiaebe Ltndertaiueli mit Fmakreieh voa 
15. Februar 1766, sowie der Heaieo«Darmstädter Re« urs, d«a AiMiidteD 
JoliAtiriiter Ordens um Verririj^ernnpf des Heichs-Matricularanschla^ea, 
liie Aiisiuhnn von Solms wetzen K<"Kicl.Hlieiiii. von Asprcrnonte wpp'n 
Hei'lisheim, von Osbeiu wegen Müliendonc ond von Kur-Trier wegen d*^ 
Abtei Prflm seien nur nebenbei erwXhnL 



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471 



Braunschweig, llumiover und auch Bayern am ü. April 1768 mit 
PreuBsens Aatrag vollständig einverstanden erklärt* 

Was nützte da die schlagende Kürze, mit der der Reichs- 
vicekanzler in seiner Antwort auf die preussische Declaration 
Friedrichs Ansinnen zurückwies: ,Ihro kaiserliche Mayestät 
hätte überzeugende Proben dargeleg't, wie sehr liiro die Fest- 
haliuug des Justizwesens im Reiche angelegen seye. Es hätte 
also die Vermuthung, als ob man die Proccss an den Reichs- 
hofratb ziehen, und das Kammergericht verfallen machen wolle, 
nicht den geringsten Grund. Die Abwechselung sei in dem 
ßeichsabsohied und in der WahlcapitulAtion festgestellt. Wollte 
nun davon abgegangen werden, so entstünden die ander- 
weitigen Beschwerden, dass die 1. Classe Uber die Zeit des 
Gesetzes zu Kosten veranlaaaeti und die 2. Classe von ihrem 
Kechte entfernt und sich, wo nicht eines völligen Absprunges, 
doch wenigstens einer einseitigen Interpretation, so nicht statt 
habe, angemasset werde. So sehr auch Ibro K. M. wünschten, 
mit den anderen Angelegenheiten sieh Ihro Königlichen Maye- 
stKt von Prenssen gefilllig an besengen, so bedanerten sie, dass 
dieselbe von denen Reichsgesetaen in dieser Sache nicht ab- 
weichen könnten/* 

Kein Vernftnitiger wird glauben, dass Friedrieh nicht 
ebenfalls wusste, dass eine Prorogation der 1. Classe eine offene. 



* StnttwlitfiM DepMdiMi im Dreidner AnhtTi loc. 8B96. Am 86. FhhroMx 
1768 boriclitet der bayrische Berollmiebtigle am Beiebstage, Jga, Ant 

Fireiherr t. Oexle, dass die genannten Sachen (die keiaerlichen Wttnsohe) 
,annoeh dergestalt beschaffen sind, das8 dieselben — trotedem inswiBchen 
die gonz favorable Chur-ciJllnischß In.Htruct!on nunmehr auch e!n?e1angt 
ist — weilen die Major.i bis duto entgegenstehen, nichts proponieret, 
noch 2u einem der kaiserlicbeu Wilieiujneinung beifälligen Heichsgut- 
aebten gebracht werden kann.* (MUneheo, allgemeine« Beiehaarcbiv, 
RdehitagMefeen.) Atte dem Berichte deetelben vom U. April ebenda 
ersieht man die Oople der Snbstaas der kSnigl. preussisehen Declaration 
in Wien, sowie die kaiserliche Antwort, aus dem Briefwechsel des am 
19. August I7ö7 g-estorbenen Grafen Flemralnp' mit Riaucoiirt (In ManU' 
heim) im Dresdner Arclii'.-, loc 347o, dass Friedrich bereits au Beginn 
1767 die HOfe von Mauuiiciui, Hannover, München zu gemeiosamem 
Vofgeben gegen die kiüserliche Fordemog nach AblBsnng der 1. Depn- 
tierlmiclaase bewogen hatte. Die geistliehen Fttrsten standen anf Seite 
Oesterreichs. 

* Beichstnir-^ncten und Gesandtsebaftsrelationen Ton 1766 im IfOncbner 
allgemeinea Beichsarchire. 



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472 



ja eine principielle Geseteesverleteuog iuTolTiere. Und dock 
hat sich Wenck zu der BehauptTuig" verstiegen, dass die von 
Josef drohenden Gefahren die Reichsstände dann doch mit 

Preusson zusammengeführt und die preussische Kegiermig dazii 
gebracht liatten, in einer Rehabilitierung der durch Josef ge- 
lähmten iiud gefährdeten Keiohsverfassung einen eigenen Vortheil 
zu suchen.* 

In Allbetracht solch eingewurzelter hiftioriographischer 
Voreingeuommeuheiteu muss man die Gedanken vollkomra»n 
hilligen, welche Onno KIo]>]> zur Abfassung seines , Friedrich II. 
und die deutsche Nation* ' Ijcwotrcn halten, wenn man auch die 
Auffassung' von der Persönlichkeit Friedrichs nicht biihgen kann, 
noch weniger die Ungenauigkeiteu und Fehler gutheissen wird, 
yon denen das Buoh wimmelt. 

So sehen wir den PreuBsenkönig auch auf dem Plane 
rastlos thätig; auf welchem er später so groase Erfolge erriek 
hat. Gerade der Regelung der zerfahrenen Justizverwaltung 
im Reicht! hat er sich entgegeng-estellt. Auch auf anderen Ge- 
bieten der deutschen Reichspolitik arbeitete er in ähnlich eigen- 
ntttxiger Weise. Wohl hatte er fUr Hamburg (in dessen Streite 
mit Dänemark nm den Beaits des Burksandes) bereits im De- 
cember 1740 glQeklich interveniert; drei Jakre nachher, ab 
sich Hamborg in Sachen des Immedietätsstreites an ihn, sb 
den Dhrector des niedersttchsischen Kreises gewandt hattet, war 
er anch gegen Dttnemarks Versuche^ diese Kmcbsstadt gemisB 
dem Steinburger Hnldigungsvertrage vom 8, Jnli 1631 an einer 
dilnischen Landstadt stt erniedrigen, in die Schranken getreten und 
hatte sich fttr sie beim russischen Hofe verwendet. Freilich nor 
an bald wurden die Absichten klar, die den schlauen Horalistoii 
des 18. Jahrhunderts zu so uneigcnnatziger HUfdetstong be* 
wogen. Hätte er die Schiffer einer danischen Landstadt so 
rücksichtslos aus der Berlin-Hamburger Reihefahrt ausschliessctt 
können, wie er dies bereits 1748 mit der deutschen Reichsstadt 
thutV (nebenbei hatte er dadurch wohl Hainburg schwer ge- 
troflfen, nicht aber der preussiselien Schiffergilde einen KrlVlg 
verschafft); wie er weiter Sachsens Elbchandel durch flie 
niedrigsten Ohicanen beeinti'ächtigte, das Magdeburger Ötapeireclii 

* Wenck, Deutschland vor 100 Jahren, 8. 188. 

* Bchaffhsusen 1860. 



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478 



wieder aufrichtete, hohe Durchgangszölle den von Hamburg 
nach Leipzig gehenden Waren auferlegte, kurz Haniburg nach 
jeder Richtung schadigte, von den Feindseligkeiten während 
des siebenjährigen Krieges nicht zu reden, ^ 

Als Mitgarant der wttrtembergischen Beversalien hatte er 
im Jahre 1763 gemeinsam mit den Königen Ton Qrossbritannien 
und Dänemark den Herzog ermahnen lassen, sich an die be« 
Bchworenen Reversales in den Compactaten betreffiB der Steaer> 
eintreibung zu halten, und am 30. Juli 1764 drang er in dieeer 
Angelegenheit nochmals in den Kaiser, er möge diesem Unwesen 
abhelfen, worauf dieser am 15. August antwortete, dass er den 
Reiehshoftath bereits angewiesen habe, diesbezDigliche gerieht- 
liche Untersuchung anstellen zu lassen und nach den Reichs- 
gesetaen zu yerfahren, und damit glaube er den EOnig zu be- 
ruhigen.* 

Friedrich aber nimmt sieh in dem Streite des Herzogs 
mit den Stünden vor dem Reichshofirath dieser an, greift sogar 
in den ehelichen Zwist des Herzogs mit seiner Gemahlin 
(alles 1768) und versucht in der wUrtembergischen Nachfolge- 
ordnung erfolgreich zu intervenieren.' 

* WoblwitI im Jabrbndi der Hsmbiiq^ wiiMiisehsfllicheii Aiutalt XIII, 

S. 13—16 und XIV, 1897, 8. 66 ff. 
« Denkwürdigkeiten von der Asseburg», S. 209—218 und 210 IT, älmllcb 

im Jahre 1767, s. P. G. XXVI, Tom 15. Jftnner, vom 18. Februar, S. 13, 

49 Anm. 2. 

' Vgl. SpitÜer, Geschiebt« vou VViirtemberg. Öchlö^er, Neue Sta&takanzlei, 
Bd. ZIV, 8. 156 und Bd. XyiU, B. 106. Ygl. dam du SehnibsD so 
dw GL. Prinsen Friodr. Ei^en von W1lrlembei|r vind «a FinekanstetD 
vom 13. Jftnner, 7., 15. und 92. Min 1767. P. C. XXVI, 8. 11, 66, 92, 
100. Wachtendonc an Hafliang nach London vom 4. Jänner 1767: »Quelle 
tournure pronrlernnt les fli-"-o!i<<M)iis dann le dtichö de Wirtembeig:, cl'oü 
le dnc est parti au 28 DOcembre avec une nombreiise suite pour Voniso, 
ayant laissö une administration daus Stuttgart, duut le Cumte de Mout- 
maitiii ast le ohef pmdaiit fon abflence, qu'on jugs k 6—4 mois. II 7 a 
apparenee, que le d6part de ce tonferain «aebe quelqoe njrtire 
de Piditiqne, tous «es stgets 6taiit portA povr Inj, qai aeeniaiit lea Etats 
et le cleiig6 dant laa Paya de Wirtembaig des präsentes dissensiono avee 
If Duc. lenr commnn sonvoraln Cefte commissioTi des Princes ''trangers 
confirinent plus au l'ays, (pie ce le duc leur avoit deninm!«'' (KOnigl. 
bayr. geheime» Staatitarehtv München). Am 26. März 1767 »^clireibt er, 
dass der Herzog tinenvartet plötzlich auf seinem Landschlosse (3 Meilen 
Ton Stuttgart) eingetroffen ist. Die Qrttnde atiner Alureiae ireisa man 
nicht, docb will daa all^meiae Oerttoht, da« er von Venedigs anrllck- 



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474 



Ihm war die Exdeutioii der Wetalarer Cammergeridith 
sentens wider den Kölner KnrfUrsten übertragen worden, nach 

welclier die Stadt Kaiserswerth von dem Kölner geräumt und 
an tlon Pfälzer abgetreten werden musstc; doch hatte sie 
Friedrich bis 17(38 verschoben.^ Erst am 20. Marz 1T()>^ hat 
der preussischü Coramissllr Emminghausen mit einem Dctache- 
meiit von Wesel (löO Mann) im Namen des Pfalzgrafen Besitz 
von Stadt und District Kaisern wciih genommen. 

Unter Protesten ist die Kölner Garnison abgezogen;* aber 
wenige Tage nachher berichtet Fn ihcrr v, Becker^ ,da8S wohl 
die Possession von Kaiserswertli ahn Cliur])falz eingeraumbt 
ist: aber wegen denen 9. tourno her ist annoch alin kein Ver- 
gleich gedacht worden; vielmehr ftlhrt Cur Cöln fort, uns alle« 
ZQ erschweren, hat auch unter 200 Dncaten straff verbutten, 
den uns unstreitig gehörigen läcent zu zahlen, westhalben wir 



gek«liit sei. Vgl. BobertMohl: Theilnalmie Frtodricli« dei Grovea mi deo 
Streitigkeiten swieehen Henog Karl von WQrtambeig, den Stlnden dei 
Lendee. Eine Sammlung ron angedruckten Briefen des Königs mid 
anderen Actenstdcken. Tübingen 1831. Ich habe diese Beispiele heraa«- 
gegriffen, weil ihre Angelegenheiten beBoiiiliTs im Jahre 1768 ncnt 
werden. Wie er sich im Jaliro 1766 anaiasste, in die inneren Aug»- 
l^eabeiten des Markgrafen Friedlich Christian von Braanscbweig- 
Brandenburg Calmbach einanmengen, entnehmen wir ^nem Sehreiben 
vom 21. April 1766 im Patriotieelken Arehir Ar Denteehland, VIILBI, 
S. 5S0 (in der P. C. niebt erwlhnt). Knypbanaene Semdang nach Bai- 
reuth erregte gerecbtee Aofteben und bereebtigte Bntrilatnng im Beiclie 
(P. C. XXVI, S. 40). 

* Ueber du^sp Angelegenheit bietet die Corres])ondenz de» sächsischen 
Legntions.NCcrotnrs Diihui.s iin Haag im Jahre im Dresdner ArcbiT, 

ioc. 2ä62, dankenswerte Aufschlüsse. Ueber da« Tbatsächliche ori^ 
tieren am aniflllirli^iten die Beriehte dee kureMehileehen Gebeimistb« 
nnd «ioh ri echen TerCrelen in Mannheim, de» Grafen Bianceurt ia 
Dreedner ArehlT« too. und die Aotee et Nigodatione k U Cour 

Palatine 1767, Yol. Iff., Ioc. 3476, weiter aus dem Mttuchner Staats- 
archiv die Briefe Wachtendoncs an Haslang und an Schlipp (K. gr. 116/296). 

" ,En Protestant tonjonrs beaucoup, raanögc, qni de part et d'autre dura 
quelques jours et tinit ce 2 avril, le d^tAchemeot Pruäsiea retvurua ä 
Wesel, et que uos Palatins entröreut dans Kajserswerth, que nous pos»e- 
dona maintenant paieiblement/ heimt ea im Biiefb dee fcoipflUiiidMe 
ObentkXmmeren Freiherm T. Waehtendone ana Mannheim Tom 10. April 
1768 nn den knrpfRlzischen Gesandten Jos Xaver v. Haslang in London. 
München, Staatsarchiv, K. gr. 116/296 (Concept). Ueber Waehtendone 
siehe Löbon in Iteeueil des instmetioiis eto., VU. Bd., Paria 1899, & 690. 



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475 



wohl wiederum eine tour nach Wetzlar werilen machen müssen*.* 
Und in der Thnt. Erst nachdem der ^Executionscommissar auf 
abgehaltene bündige Kecessen das Urthellsmässipi;e dehortatorium 
vmb von der urdinger vnd zvotiser licenterhübung ab zu stell n, 
ahn Chur CöUn erlassen, auch die onstatthafte Apeilationen 
bereits im August verworfen wordi n,^' ist erst im October 1768 
das ürtheil zu Wetzlar nochmals zu unserem favor ausgefallen*, 
schreibt Becker aus Mannheim an Schhpp vom 17. October 1768. 
,Trotz dieses, unsere gerechte Sache immer ins Licht setzenden 
Vortheils ungeachtet, wird man dahier (in Schwetzingen) doch 
anf friedfertigen billigen Vergleich gedenken, weshalb annehm- 
lichen Vorschlägen entgegengesehen wird/ Wegen des Reichs- 
lehengeschäftes aber kann ich versichern, ,da88 man ChuT' 
pfUlzischerseits mit dem königl. prenssischen und denen mit 
denselbigen einstimmenden H<)fen, auf das genaueste nnd zu- 
▼erlässigste die concerto zn gehen, ofanabänderiich gemeint sei.' 

In der Streitsache der hei Berichtigung der 3. Depn- 
tationsdasse zwischen Enr-Bohmen und Kur-Bayem bestehenden 
Rimgdifferenz trat Friedrich auf Bayerns Seite. Sachsen enthielt 
sich der Abstimmung.* 

Ausser Sachsen, dessen VerhSitnis su Russland, Oester* 
reich und besonders an Polen Friedrich — wie von mir oben 
ausgeftihrt worden ist — eifersttchtig beobachtete, war vor aOem 
Bayern in den deutschen Hftndeln verwickelt Wohl hat Mas 
Josef die polnische Frage £ut theilnahmslos an sich yorilber- 
ziehen lassen/ trotsdem er als Schwager des letzten FolenkOnigs 



> Aus Mftiuihoiui an den L«fatioii*- and Ho%«riehtiratb v. Schlipp rem 
18. April 1768. Kbeuda. 

* Zedwitz aus Schwetzingen vom 10. Aufpist 176ä an Schlipp: ,Iu2wii}chen 
sehe ich nur gar zu wohl, dasa wir w mit k«iii«m gar favorablen Exe- 
eutioniholl m tlran haben, toodeni wir nnt noch geraitme Zelt werden 
Mbleppen mfiaaen/ Bbenda. 

* Vgl. das Schreiben des Prinzadministrators Xaver an Max Josef vom 
8. August 17ß8 und die Correspondenz zwischen dem »ächslsclien Lc- 
gationsrath I'n^rer zn München mit Baron v. Ende, nebst den eiichBiacheu 
Kescripten, sowie mit Sacken im lue. 3462 des Dresdner Archivs. 

* Die Nachforschungen Uber etwaige Absichten dieses Fürsten auf den 
polniMhen Thron im bayrliehen StMte-HaniardiiT haben kein Raroltat 
gegeben. Freilieh iet mir von «einer reidien PriTAtoorrespondens nur 
■ehr Sptrliebee rar Veilttgung gestanden, ohne das» ich damit gegen die 
Oberans raTorkommenden Arcbirbeamten einen Vorwarf erhebe. 



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476 



ans sAchsischem Hanse (er war Bruder der BftehsisclieD Kor* 
fürstinwitwe Marie Antonie) und als Gemahi der pofaiiKli- 
sächsischen Maria Anna interessiert war. Aher die bayrische 
Erbfolgefrage warf ihre Schatten weit voraus und trug daoialt 
bereits mit zar Trübung des Verhältnisses der beiden deatsches 
Vonmächte bei. Auch Bayern lag noch an den Wunden des ersten 
schlcsisclie]] Krieges darnieder. Der willensschwacUe, leicht 
lenkbarti Kurfürst, misstrauiäch, ganz ohne das drttckende 
Gefilhl der Verantwortlichkeit oder der Regierungslast (vgl. 
ßrunner, Humor etc., a. a. O. S. 157), lebte nur seinem Prunke.' 

Wir lernen aus dem Facsimile ,Recmtentransj)ort 1705 bis 
1771* im Münchner Staatsarchiv die Reibungen mit Preussen 
bei Gelegenheit der preussiselien Werbungen kennen, die kur- 
fllrstliehen Verbote derselben, die Vortalle von Hb'-iTihansen 
und iStraubiuf^en, in welchen ^Streitsachen sich Friedrich am 
1. October 1767 mittels Handschreibens an Max Josef wandte 
(Original daselbst).* 

Doch erscheinen mir diese Immgen trotz des IntereseeSy 
das sie für die gegenseitigMl Beziehungen jedenfalls hervor- 
rufen, für die Hauptfrage ebenso belanglos wie der Zwischen- 
fall mit Oesterreich, welchen der hochnäsige österreichische 
Kamraerherr Graf Khevenhüller in der niedrigsten Weise herauf- 
beschwor.* Nicht so die Angelegenheit des anfgehobenen Cartells,^ 
die Eammergeriehts-Visitationsfragei die grilflicb Hontfort'schs 
Besitsfrage* und die saIxbnigiBchenGrens8tr^tigkeiten.BeBondfln 
der neue ünions- und Erbeinigungstractat zwischen Enrpfids 

* T>!i8 tn^obuchartig« Journal (de ce qtii s'ost pass^ k \n com de Muiuc 
1707 — 1771), für d'w Kurfürstin M.'irio Antonie von Sachsen bestiiiimt, 
iiu Dresduer Archiv, loc. 32i>2, bringt uebeu Geburtü-, 8terbe-, Krtnk« 
heitaflUlan nnd dsn HofkUtieh auch wichtige Beitiige sor G«aeludit» 
der Zutlade da« LaadM und dw Cbandktos des KvilBnfeea. UelMr 
Bayema SMlung in der BatclupoUtilc konnte ich die Relationen für 
Nebenstimraen 1760—1769 (K. bl. 229/9 im königl. ^h. Stn.-it arcbir 
MUnclip«) recht gut verwcrton. Sehr tnti'ressante Berichte das öster- 
reichisL-iien Gesandten Fod«ta«kj an Kaunitz aind bei Bruuner abgedruckt 

' Fehlt iu der PoHUschen Correspoudens. 

* PoditMky an Kaunite vom lt. IMn bei Bnuuiert Hmor a. s. 0^ 
S. 154, Nr. 115. 

* Oefreepondeneea des dohawehea Legatieneieemtfn t. Unger (deaea 

Bericht Tom 4. Jänner 1767 im Dresdner Archiv, loc. 2650>. 

* S. V. Unjrptr?« Hprirht«» vom 2fi Mftrz und 19., 21. April, 6. und 7, M«i 176? 
ebenda loc. 2660 und weiter im Vol. XVU dieses loc. 2650. 



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477 



und Kurbayern, dor nach kurzen Unterhandlungen um 5. Sep- 
tember 176() zustande kam,* lief den österreichischen Plänen 
wider den Strich, und wenn auch Bayern in den Streitigkeiten 
zwischen dem Corpus Catholicorum und EvangeHcorura (siehe 
Oexles Berieht vom 16. Juni 1768) auf dem Refreiisburger 
Kcichstage mit Ocsti rreich Hand in Rnnd gieng, so haben 
neben kleineren Irrungen, wie der Asch-Zedtwitzer," der Wcrden- 
felsisclien und Doiiaustaufischen, auch die alten Ansprüche des 
Erzhauses Oesterreich auf die Markgrafschaft Burgau, ganx 
besonders die Rangdifferenzen zwischen Kur-Bayern und Kur- 
Böhmen, das seit dem Tode der bayrischen Gemahhn Josefs II. 
ohaehin erkaltete bayrisch-österreichUche Verhältnia theüs mittel- 
Imt, ÜheSÜB empfindlicher tangiert. 

In den xulkUig im Jahre 1768 entbrannten bitteren Wahl- 
IsSmptea um den Trierer Hut, um die Bisthümer von Worma,* 
Ton Angsbiirg (nach dem Tode des FOrstbischofs, dea Prinzen 
von HeBsen-Darmstadt 1740, f 20. Aagnst 1768), von FreUrog* 

* Abgedruckt 5iiul die zwei pfalz-^ayrischen Fuinlamüntal-Iiauavt rli iipo 
TOD 1761 — 1771 im Oöttinger hiütoriachen Magazin» III. Bd., S. 540 ff. 
S. Bnmuer, Ii, S. 430. 

' 8. Job. Jak. Moser« t Von der Landeebobelt dorm Tentielieii Rddutiiido 
flborhaapt Frankliift and Leipsig 1773^ 8. IIS. YgL dann die Briefe 
dee eiehtisebea Conferensminuters Job. Georg v. Poni«]»« an den ge< 

heitnen <«Mchsi<:chGn Leg-.itionsratb v. Petzold (Wien) WOB BegensblUIg TOn 
17. Juni 1767 im Dresdner Archiv, loc. 3346. 

* Vg. die tichreiben de» liutVatheü Krafts, die Werdenfelsisuhe uud Donau- 
staafische Streitsache betreffend, im Dresdner Archiv, loc. 3286. Es waren 
dies Streitigkeiten wegen Werdenfeie» awieeken dem Bietham Segeoebvig 
und der Kur Bayern in den Jebren 17<U»-'1768. Im Mai 1766 Beet Max 
Josef den biflobVflieben Bflgensburger Marktflecken Donaustauf mit Mann* 
Schäften besetzen (Rheinischer Antiquarius. Mittelrhein I, lö8ö). 

* Der Mainzer Ktirfflrst wnrdo trotz der ,Cabales* des Cardinnl'« von Spnior 
im Marz gewählt (Bericht Kiaucourta vom 7. Mära llüH, Diesduer Archiv, 
loc. 2626). 

* Per Trierer Knrfilni ernannte alt Coa^inlor des raeantea Augsbnrger 
Bisthnme den Angsburger Dompropet fVeihemi t. Umgelter som in> 
terimiatuoben Statthalter in Augsbnig nnd wandte noh gleiebati^ an 

den päpstlichen Stuhl um die Beibehaltung der BisthUmer I^eidng und 
Kegensburg (im August 1768). Diese beiden BisthÜmor aber orklSrte der 
Papst filr vacaiit vnid ertheilte dem Trierer die bullam Eligibilitatis auf 
beide, jedoch mit der Eiii.tchränkung, da.<is der KurfQrst zwar in beiden 
gewählt, aber nnr in einem bestfttigt werden kSnne (Podstaskjs Bericht 
vom 16. November 1768). Nun wurde der Freisioger Dompropst fVeiberr 
V. Weiden, f 17^9, «rinstimmig snm Biacbof gewlblt^ auf Regenebnig hatte 



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und Regensbiir^ um dio gefftntete Plropstei yod Berchtesgadea^ 
trafen österreichische und preussische Interessen nicht snf 
einander. Wehl coUidierten sflchsisehe und auch haynsehe. hi 
der Trierer Wahlsaehe und besonders im Streite am die 
deutsche HochmeisterwUrde' standen sächsische Bewerber in 
der ersten Reihe. 

Ein Bundesvcrhahiiis der katholischen KeichsfUrstcn zum 
Kaiserstaate bestand nicht, und das Project einer vollkommenen 
Union zwischen den Höfen von Dresden, Trier, München iind 
Mannheim, von welchem Kiaucourt am 29. Fehniar 1768 be- 
richtet (im Dresdner Archiv, loc. 2626),' war sogar im Gegen- 
satze zu jenem ge})lant — ein echter Auswuchs des ftlrstlichen 
Particuhirismus. Was der Graf Pere:en in seinem Schluss- 
berichte vom September 1766 über die l*artei Verhältnisse im 
Reiche referierte (bei Brunner, Humor H, 429 — 432, Nr. 348), 
Friedrich in seinem Sclireiben an Solms vom 18. Februar 1766 
(P. C. XXV, Nr. 15933) beurtheilte, das güt für die Gruppierung 
im Reiche auch au Beginn des Jahres 1168.^ 

Clemens im voraus verzichtet, weil sich der grössere Thcil des CapiteU 
anf dmi Fllntoii von BUwangen» Anton Igo. v. Fulger (aber ihn ver- 
^l«ieho MonMto Staatnnieigsn, I. Bd., lY. StOfik, B. 60ff.) foeniigl halte. 

(Bericht Podstaskyg vom 21. October 1768.) Usbar dio achwierige Frai- 
singer Wahlsache und Frankreichs Stellungnahme zu Gunsten des Trierer 
KnrfllrstPn erli.ilfen wir Aufscliluss ans den Berichten des ^^hsischeo 
Kammerherrn (rrnfi n v. Terring- Seefeld aus München im Dresdner Arehif, 
loc. 264», VoL 1 und 11. 

* Deaaen Propst, ein Graf Ghriatalnigg, ebon damnla am S8> Hai ge- 
atorbSD war. 

* Im Rhein-Antiqnarina (Hittalrhein I, Bd. III, Coblens & 470ff.) 
erhalten wir ein Rüd vom Znstande, von den Sinkflnften nnd von der 

Au.H(lelinung der Balieien des Ordens. 
^ jPüur leur bien en g^n^ral, anssi bien, que \>out douner du jK>ii1s k hi 
splondeur et k röminoute dignitö des Electeurs seculiers, qui ne sout 
paä pourms de eonronnia eomme on ne ae Be pna trop kn anr 1a eonr 
de Vienne. Ce eoneert doit dtre tenn extrdmemeot aeeret, M. TEIeelenr 
de TrAvea dtant eenid ioy d'dtre trop ddvond k eette demi^re eonr. Ob 
a cm ne devoir paa traiter dtreotement arer lui 8ur ce 5tijct, mais 
8'«dr©s?er k la tiotre i>onr l'enj^fac-er 4 d^rminer 8, A. l'Electeur da 
Tr^ves d'entrur dans les uienies vue«.' 

* Der XXVII. Band der P. C. konnte in der vorliegenden Äbbandtui^' 
nicht mehr benütst werden. In der anaammenfhaienden Arbeit ,flber die 
Prcjeete dea Jahren 1768* wird er nebat netten arehivaliadien XrgehniMB 
verwertet werden. 



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Anhang L 



Instruction lur den Grafen v. CoUoredo, Generalmajor 
und Lieutenant der deutschen kaisorUclien Garde Tom 

9. Jänner 1766. 

Conoept im k. k. Hau-, Hof- und StuttardiiT, Wien. (Pdonica» Naditrag.) 

CoUoredo bestehe auf rinrr Audimz heim König von Polen, in 
welcher er namens der kaifierliehen und königlichen Majestäten auf 
die sofortige Ausführung der zwischen Polen und Frankreich 
vereinbarien Vertragsbestimmungen bezüglich einer Genugtkmmg 

Pclen$ an Frankreich dringe, 

Monsieur. 

En Tons enToiant it Taraovie, pour complimeBtor le Boi d« Pologae 
sttr aon aT^nement au Throne, L*Emperear et L'Emperatrica-Bdm« ^iant 
assnrement bkn eloignto dMmaginer, quMl put lean arriver, de devoir, 
Tons y faire tennmer la commission agr^able, qni a l'unique objet de 
Votre mission, autrement, que <i'uno facon analogue ä son objet. 

C'est copendant lo cas, lians lequel ils ont le deplaisir de se trouver 
moyeiinant la «leclaration, que M. le Prince Poniatowsky vient de faire a 
leurs Ministres, ;u;i&i rAmbassadeur de France, et qui[68t?] a 

d'autant plus ötonne, qu'au lieu d'uae demande toute a fait neuve et dont 
il u'at jamais 6tü quebtiun jusqu'icy L. M. comptoient nou seuloment sur 
la nouvoUe de rcxBftcntiou pure et simple des engagemeiits pris solenu'ih - 
meat vis-ä-vis d'Klles et du Koi Tout Chretien, inais croyoieut meine 
devoir se flatter, que M. seroit accompagnee de quelque temoignage de la 
pßine avec laqnellc le Roi de Pologne avoit vü les [controires] qui ont 
retarde l'accomplisfsemi'nt de ce dont on ctoit convenu, et qu'Elles auroient 
attendu si Elles n'aroient cnis devoir regarder ies choses comme faites, 
depnis le moment anquel le Koi de Pologae les afoient promises. L'£m- 
perenr et L'Imperatrice-Betne, n'ont par conseqnent pü dire qae beaaconp 
et d*antant plus afTect^s de ce qoi Tient d'arriTer, qae [m] la natore des 

InkiT. XCIl. Bud. IL liUfU. 81 



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choses et lour confianc« en la i»arole du Küi de Pologne, Elles necrojoient 
nullemeiit dcvoir s'y attendre. Le rrince est trup eclain', pour iie ^ 
sentir, que par cet ötat des circonstauces, Elles so trouveut bl©sRe*sdans 
leurs dignitt?, et comriromises vis-k-vis de leurs Allies, ceqn'ElIes doivent 
ä ces consideratiüüs les im i ;onc dans la nf ct ssite de devuir vous diaiwr. 
Mousieur, de demandcr iiiie Audionce au Roi de Polog^ne anssit-t la prä- 
sente re9ue, quo par urdie expri's de lenrs Majestes je vnuö depeclic p;ir 
conrior, d'exposer a ce Princo, tout ce que cy dessus et de Ini deiaanier 
eu leur noin ie prompt et parfait accumplissement des articles convenus 
vie-ä-vis du Roi T. C. Leurs Majest«s ont uue trop haute opinion de l'exao- 
titadfl da Boi aar ce qu'il a promis, pour ne pas se flatter, qu'ii Uni{s) 
en donnera une nouTolle preave dans cette occMtfion et Elles comptent 
moyennant cela que yous httt aprendr[ez] en reponse ä [celle-oij qa'EUfls 
iront plus rien ä desirer sur Pobjet, dont il s'agit; iiiU8 en meme teiu 
Elles Tons ordonnent cependant Mousieur de «luitter incessament la Goar, 
00 Tone ^tes Bans prendre cong6, sll arrivoit contre attente, que le Boi 
jngeai ne pas devoir deferer k lems jnstes instenees et qn*en conseqaeBoe 
Bon Ministre et le DepiiM de W le Primat ne se rendissent pas le plotok 
possible k Tersailles, et ne se missent pas en lonte ponr cet effet daai 
pen de jonrs. Je ddsire fort quo Tons ne soyea pas dans ce cas qai met- 
troit ma conr dans la neoessittf de doToir rompre tont commerce et cor- 
rispondanoe stsc eelle de Yanovie, et dans rattente de Totre repeose j*ai 
rhonnenr d*6tn 

llonsienr 



Anhang IL 

Essen beridUet aus J^arschau de» 27, Februar 1768 über eine 
Unterredung mü dem Secrctär Repnins. 

DfwdBer Haoptotaataarditv, loc. 3662, Vol. V*. 

II in"a dit quo la Kussie ne se dissionile poiut. Ces» incommodites 
et le peu de 8olidit'6, (ju'oUe rencontre dans son alliance a?ec le Roi de 
Prusse, eile n'ignoie pas, que son Allie est celui, (jui est le plus jaloux 
d'elle, €'t qui ne lui e.st attache, qne paice qu'il ne sauroit mieui faire. 

11 m'a.ssure, que la iDütianco ontrc les deux Cours e&t parfaitoment 
ögale, et que la Russie ne tieut a lui, que par deux raisons. une par la 
riYaiite et la Jalousie, qu'elle a coutre la Cour de Vienne. qui par paren- 
ihese ae üoqs doii pas rendre les meilleurs Offices k Petersboorg, l autre 



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481 



pour avoir un Priüce puissant ou Allemagne k eile, la Kussie ambition- 
nanto «Ic jouer dans cet Empire un röle, comme la France y a jou^. II 
convient cependant qne la Russie connoit trop bion !o risque, qu'Eile 
court avoc lf> Hoi liß Prusse, poui ne puml puitei bou aLtontion avec appli- 
cation kui li'autres cours en Allemagne, Elle 8<;mi que la puissance du 
Roi de Prusse n'est que precaire et que les rpFSorts, par oü eile tient, 
8ont tendus au dernier point, sachant touU les infirmitcs dont le Roi de 
Prusse est accable; et que son successeur n'est qu'an genie tr^ mediocre. 
Elle prevoit, que la moi-t du Boi de Prusse deTiendra Tepoque fatale h. la 
puissance de cette maison, et que la maison d' Antriebe, en Paiiendant 
kanquiliementt se pr^pare, k agir alors a?ec la derui^e vignenr. Cette 
consid^ration engage la Russie k s'attacher la maison de Saxe, et en so 
menageant Tis-i^Tis da Boi de Proaee, ponr lui 6ter toat si^et de Jalousie, 
ä 11008 soatenir pourtant de ikfOD, qm k Boi de Prusse ne pvisae jamais 
eztenter, oontre nona lea efleie de sa haine. Ii m*a avoad qne la Boeate 
dtoit pour noua oertainement, dang dea intentioiiB trte finTorablea, et qae 
cea aentimenta angmenteroient, h meaare qne Ton Terroit» qne nona agia- 
Bona par nona mAmea» et qne noa eomplaiaanoea ponr Ptmpetatriee Gathd- 
rine ne d^iTent point dea inainnationa et dirictiona de la Oonr de Tienne. 
Aber ich glanbe anch, daaa der Tod dea Prenaaenkftniga Tielleicbt auch in 
Bnaaland ein nenea Syatem ,oecaaionnieren' Mnnte» welchea nach nnd 
nach die Angelegenbeiten anf den alten Stand brlehte. Qae oomme ee 
n'est que le aimple int^röt et la conTenanee, qne la Bnsaie tronve dana 
le plan, qu'Blle a fut exknter, dVoir nn Boi Piaate anr le trfrne» oe 
mtoe plane ponrroit aneei aonffrir dea ebaugementa conaiddrablea, lonqne 
la Bnaaie trouTerait, qne leur pidponddranoe h Pologne donneroit trop 
d'ombrage aux Pnissances ^trangäres et se persnaderoit que peu k pea de 
üotre sincore attachement pour eile. Elle ponrroit se dire h Elle mime et 
avec convictioD, qu'eu remettuui la baxu ici en Pologne. 



Aühang III. 

An Esten vom März 1768. Mit Bantg auf die Anträge 

der ÖMortoryski, 

Dechiffrierte Copie, eingeheftet in den Essen'achen Relationttn im Dreidner 
Arahiv, loc 866«, Vol. V*« Mr. Ift, Fol. IM. 

,11 80 pent, que les insinnations, que les Cz. vous ont fait faire, 
ont dtd ainodrea; maia il eat ploa probable, que TOjant la m a ne de la 

31» 



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482 



Bnssie l^T^e ponr Iob frapper, ils eherehent seolement Ii nm 
int^resser en lear faTeor. Qa«lqii*«ii mit motif, le plus rar est, 

pas fl*j fier. Ha ss iont trop d^masqute Tia-ä-vis da not»» diaa U 
tatna qQHla aa crojoiant an daaana das ^vinaiiiants, pour croire que leur 
laugage präsent parte d*iine source pnra. 

Je suis bipri aisft, W que vous ayez envisago leurs insmuaiions du 
m6me point do vuo. Votro rep<tiLS(i a etö ^age et conforme ä notre fa^on 
de penser. II taut se garder, de donner prisö sur nous: Caressez et 
flattez no8 amis pour les conserver; cberchez de les tenir 
attaclies ;i la Rnssie. C'ost loiir intoröt et la nötre. Mais ne 
läcUez auciin prupvis, qui puisse nous faire soup^onner, de nouril des 
TUes secrMcs, dob euvieux üü feroient un trea manvais nsage. 

Si jamais le Prince Adam Czartoryski vient k Dresde. il verra par 
i'acciiPil, qu'oü iui fera a la coiir, que notre Auguste maison a trop d'ele- 
vatiou d'äme pour avoir de la rancnne contre a^ familia ei vonaavaabieD 
üii da la rassftrer aar cette appröliansioii. 

Am 16. April 1768 berichtet Essen weiter, dass die CkaHoryski 
immer in ihrer Sprache fortfuhren, tausendmal von Sachsen spratkm 
und versichern, dass ein Fürst aus diesem Hause bßB$er fikr BUmpam 
aU jeder andere, beaendera als ein JPkui, Les pr^aants qaa Ton a aavaj^ 
id tiannaiit an tout eed «oBsi laur coin. La Polonoia ast glorianx, atme la 
magnifieanea antant qu'tt aima ü piandra; aon ambition aat flatUa da Ttir 
un Boi aar la tröna d'nua graada ai iUaatra maiaon, er wUl ekie» lEfm§, 
icekker dem&Ume und die Praeki desKöniffshofes entfaUet, der imstande 
ist, am eigenen MiUeün dies ju ihm* 



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DIE GESCHICHTE 

DBB 

DIREKTEN STAATSSTEÜERN 

Di 

EÄZSTIFTE SALZBUEG 

BIS ZUR AUKilEBUNU DER LANDSCHAFT 
UNTER WOLF DIETBICR 

L DIE OBDBNTUGHBN STEUERN. 

TOM 

LUDWIG BITTNEK. 



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Die ersten direkten Nachrieliten, welelie wir Ton dem 
Bestehen einer ordentlichen Steuer im Elrzstifte Salzburg haben, 
stammen aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts^^ aber noch 
bis sum Ende dieses Jahrhunderts finden wir nur selten emen 
Hinweis auf ihr Vorkommen. Sie wird entweder einfach mit 
jSteura' oder stiuro'* oder mit ^exactio*' oder ^talHa'^ beseiehnet. 

> 1207 Janaar-Mai. Enblscliof Eberhard II. besUti^ dem Kloster Admont 
»Miutlichc von •»oinen Vorfall reu bisher ^csclionkten Zelieiite und Qiebig- 
keiten, claniiiter; (^uicquid vuliis in iure cathuieario in predio ecclesie vestre 
super CeKzin (bei HUtteaberg) privilegio suo uuUicesiior noster dominus 
Alb«fttl»«rcbicpiscopus cou&rmavit> diiuidietatem videlicet eonun, que pem- 
nira aoleat de oo^qnod Toeatnr ganenraht etapitanht et hntreht et de »tiara 
et de omni inre montane. Zahn, Uriinndenbneii Ton St^ermark % 131. 

* 1281 September 1. Herzog Ludwig von Bayern stellt das Zillertal an 
Salzburg zurück und verspricht, die Einwohner desselben nicht mehr mit 
herbergis, stiuris aut vexacionibus zu beschweren und den Ery.l)i.schof 
am üurgenbau nicht m hindern, behält sich jedoch das indicium 
comecie, quod vulgo lantgeriht dicitur, vor. Orig. St.-A. Kleimajrn, 
JuTavia 359. — > 1284 Stenemcbnung de* Sahburger Viaedominata 
begannt: Anno domini M CCIJ^XXIIII de atinra domlni dedenint . . . 
Abgedruckt bei Lampel, Salsburger Goldwert von 1284, Mitteilung der 
Geselbchatt für Salsburger Landeskunde SO, 115ff. Vgl. auch Nagl, der 
Salxbnrger Keclmnzettel von 1284. Zeitsrhr. der Wiener numisin. Oes. 22 
(18'.tO). 1-2M6 .Juli 27. Erzbischof Kudolf befreit die Bürger von RÄdstadt 
zum Efitatze der Bcfcstiguugskosten ex nunc ad iutegruiu decenniuui a 
▼exatione ten ezae^one itMiraram et parangariarum qaaramlibet Orig. 
St.-A. Kleimayrn, Unpartdiaebe Abbandina; 213. 

* 1309 Jali 14. Enbiaehof Eberhard II. beatitigt dem Kloster Admont 
aeine und seiner VoigSnger Schenkungen und verfügt im besonderen: 
A^pole nnstri. qui 8pont4' rulnnt tcrram dominonim Admontensinm sub 
Huuuu ccnsu, nullas prcfecturum nostruruut, ut hactenus, patiantur ex- 
actiones. Si vcro prefecti nostri aliquem ex eis ad alicnius oibcii 
ministeriiam talem eonalderaverint, tnne tollant cum iure oolimwn abtöne 
detrimentoprefatee6eleaie.Zabn, Urkandenbneh von Steiennark 2, 130, 151. 

* 1242 Jnli-September. Knbisehof Eberbaid n. verlmbt dem Stifte Raiten- 
haalaeh, quod monasterinm illnd non aolum in tenitorio, ▼eiiim etiam in 



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486 



Der Zusatz ycommunis',^ welchem der deutsche Ansdrack ,ge- 
wondlich stenr'* entspricht, sowie die Bezeichnungen ^stiftsteiiex', 
,pan8tear*undy steuraautumpnalis' treten erst im 14. und 15. Jahr^ 
hundert auf.^ Die Kenntnis, die wir aus den wenigen Nacb- 



fundo SHlzburgcnais eccleiiiac fundatoin dino«citur, das Privileg, ut in 
oiTitate DOftra Saltbarga et in quolibot oppidoraiD sostromm videBoet 
in Lonfen, in Ditmaningen, in Müldorf et in Werven lioeat ei babcM 
nnAm domnm enm tnis cnrtilibni et «ppenditü« libeiw « talüi et 

absolntAtn ab omni genere Miritatis. Mciller, 288, n. 519. Dem spracb- 
lichen Zus.iminpnhange mit einer Urkunde d. d. 12riO August 27 apuJ 
Ccpcranuin, in welcher Eberhard II. riifrleich mit Hisc liof Sjf^ried vob 
Regeosburg beurkundet, quod dominus iinperatur super articulo: ,d£ 
colleeCi» et t«IUis* UterM in forma »ubscript« confectt per omnes partM 
Ngni Sieiliae deatinandaa (das inierierte Mandat Friedricbs II. entkilt 
den Befehl, die KUMer nieht mit talllia nnd eotleeüe za beeebwereo), 
mßchtfl ich doch eine gewisse Bedeutiing zumessen. Mciller, 24y, n. 3;>3. 
Mon Coim leg. 11,27-^. n. 16. Aurli tiiie Urkunde I^apst Bonifatiu.«' VUl. 
für Baizburg von rj'.Mi Februar 2ö ist ku erwähnen, in welcher den 
weltlichen Filr«t<!u, wt'lclie die Oeiatlichen tallinnt et eis c«llectas inipo- 
nunt ab ipsi.s suorum proventuum vcl bonorum dimidiam decimam 
▼igesimam len quantvi« aliam pordonem ant qnotam exij^nt, die« Ter> 
boten wird. Orig. Bt.>A. Dies idnd die einaigen Anaeieben eines Zn- 
sauinieDhanges des Salzburger Steuerwesens mit aaßerdeutscheo, h.^- 
besondere italienischen und pEpstliclien Einrichtungen, bieten jed<K-h, di 
sie keine von df»r tl^nt-^chcn Rechtsentwicklnng »hwrtrhf ndcn Reoht*- 
normen enthalten, keiaoii Anhaltspunkt au einer weiteren VerlHigung 
dieser Frage, deren Be.acutuug bei dem Charakter des Territoriums 
8alibai|f all eine« gelBtlichen PüntentnmB nicht umgangen ureidea 
konnte. Anch in Bajem findet aich übrigens der Aosdrnek tailia für 
daa Jahr 1282; Tgl.Baaieb, Die Stener im Herzogtume Bayern bis xnin 
ersten landständischen Freibeitsbrlef (1811). DoktordiaaerUtion. Marbaif 
1888. 8. 6. Anm. 17. 

' 1322 Urliar des Tizcdoiniu.-it« I.f•i^tlitz. Steiermärkisches Landcsarcliiv 
Predinm LeibnitK, villa Oiiorf:^! ^!!! : iiuppanns . . . 8er>'it . . . *t<'nram 
comuncm. 1442 Weihsteuerrechnung des Vizcdoroinata Friesach. Die 
einseinen Aroter beginnen mit ^nno domini millesimo quadringenteamo 
qnadrageaimo aeenndo imposita est steora anbaidioBa (Weihstener) inelma 
eomnni tempore donini Fridrici arehiepiseepi Saleabnigenais in offieia 
K. N.' St.-A. cod. suppl. 1057. De^leichen die Weihstenerrechttttngen das 
Vizedominats Friesach von 1452 ebenda. 

* 1427 Anschlag der Weihstener im Vizedominat Leibnitz (St.-A. nnt«r 
1482, Weih??tonerrochnungen). Item für die hilflich %vc»ich.«tonr des marckte? 
zp Lciboutz, il.ariun ist ingehengt ,^ ü X und die gewoudlicb stcur 
auch XL . . . ]j. 

* Über stU'täteur, ,pau8tour' nnd steura autuiupualis sieiie uuteo. 



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487 



richten ans dem 13. .lalirhuiulert von der ordentlichen Steuer 
eiliaiton, ist sehr genii;^ und reicht zu ihrer Beurteihm^ nicht 
aus. Ueichhcher wird das Material erst am Ende dieses Jahr- 
hunderts. Aus dem Jahre 1284 ist uns eine Steuerrcchnuns^ 
des Vizodorainats Salzburg erhalten.* Für das 14. Jahrhundert 
endlich hesitzon wir fUr das Kernland Salzburg eine höchst 
wertvolle (4'*^'^** "'^^ 1300 anirelegten Steuerbüchern^ 

und Urliaren. Uber die ordentlidic Steuer in den <!teirif?chen 
und kärnliiisclit ii Knklaven sind wir durch das Urbar des V'ize- 
doininats Leibnitz von 1322," durch die »Steuorrechnung des- 
selben Vizedominats von 1371*' und durch die Steiierrechnung 
des Vizedominats Friesach von 1393 Auijust 14'* unterrichtet. 
Die uns hier vorliegenden Quellen haben keinen einheitlichen 
Charakter, sie sind teils Schlußabreohnungen Uber die Steuer- 
eingUnge, wie die Steuerrechnnngen von 1284 und 1393, teils 
Spe^ialregister Uber die Steueranlage in den einzelnen Ämtern, 
wie die Steuerbücher von 1360 und die Steuerrechnung von 
1371. Zu, der letsteren Gnippe sind auch die Urbare von 1322 
und 1350 zu rechnen, in denen die Steuer aber nicht plan- 
mäßig verzeichnet, sondern nur im Zusammenhange mit den 
grandherrlichen Abgaben erwähnt erscheint. Genauere Einzel- 
heiten Uber den Anschlag in den Ämtern erfahren wir mitunter 



■ SieliP Amn. 2. 

• rodd. des k. k. Archivs der I ,;uiil<-!5rf»o-i«'rnn«i^ zrx Salzburg, ,rr));iricn* 1 
bis 4. Die.Hß !»owie diu and<>reii für mich in Uetracht komiiiouden Ma- 
terimlieD des genannieD Archivs konnte ich sowohl tan. Orte selbst wie 
auch naeh Übenandung in das k. n. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv 
und in das Institut für Sstorrelchiscbe Gescbichtsfonehnng an der Uni- 
vtTsitÄt J5U Wien benUtzeo. Ich ergreife hier die Gelegenheit, den be- 
teiligten Behörden, inahcsondcrs alii-r Herrn Archivdircktor Dr. Schuster 
für seine !iehpnswi!r(li<;rf Unterstiitziuitr und Ftirderuug meinen ergebensten 
und herzlicli-ti'ii Dank auszuspn choii. 

*• 8ielie Auui. 5. Der ,liber predialis urburü ecclesie ^al^burgeuäis in Rayn 
et Lihtenwalde' von 1309 St.-A. cod. auppl. 862 enthält keine Stcucr- 
leistuogen. 

** Aegittmm steure vicodominatns Leibuicensäs de anno LXXI». St-A. cod. 
Sappl. 1057. 

1898 feria V post Titmrcti (Angnit 14} andita oft rado VinceaeU viee- 
domini Frisacensia omuium percoptomm de inposieione steure officioruiu 
vicedonsiDatufl Frisacensi.<; anni unlus, (|ni in festo beati Oeorii veninro 
proxime finietur. 8t.-A. Originalurkundenreib«. 



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488 



jedoch auch ans den Berichtet! ttber die Ansstinde in dm 
Schlnßabrechiittiigeii. ^' 

Die ftltCBte Stenerrechnnog von 1284 ist bereits von Lampel 
unter Beigabe eines liehtdraokes veröffentlicht worden,^* w 
daß wir von einer paläographischen Beschreibung derselben ab- 
sehen können. Inhaltlich bedarf dieselbe noch einer ErkUbnng , 
da der Heransgeber bei seinen Ausflihrungen nur den Zweck ver- 
folgte; uns ttber die HttniverhSltnisBe, welche aus ihr dch ergeben, 
an orientieren. Die Rechnung von 1S84 ist keine reine Steuer 
rechnung. Sie entbllh die Steuerleistungen der Städte und der 
Amter des platten Landes, sodann aber auch die Einkünfte 
aus dem Salzbero:werke bei Hallein. Ein Verständnis dieser 
Rechnung ist nur möglich, wenn wir uns klar wenlen. daß die 
Einteilung in derselben nicht nach den einzelnen Ämtern, son- 
dern nach der Art der eingegangenen Münzen ertolgte. Die 
Stenerleistuncr der Ämter des platten Landes tiudet sich unter 
der Rubrik ,rura*, in welcher die Sten reingänge in gewöhnlu nt-n 
Salzburger Pfund zusammen erfaßt werden. Sodann folgen untt-r 
der Uubrik .officiales dederunt pro se' die Leistungen «ler 
drei Ämter Thalgau^ Abtenau und Radstadt in Mark Silber, der 
Amtleute von MittersiU, außer Alm, Weng, Enustal (Haus), Rad 
Stadt, Kachel, Aoif, eines ,Ohano de Ste^' und eines ,Humblo^^^ 



Ebenda. Oefeetw ttoot«. 
^* Lampcl, Salzburgcr Goldwert um 1284. Mitteiliuig«ik dar OeteUiebaft 

für SaUburgcr Landcskande 30, 1151T. 

" äumnia argenti universalis Minhardi de Schell pnburch . . . marc CXXUII. 
Die Bedeutung dieser Stelle erhellt aus einer Urkunde von 1284 Marx 26, 
in welcher das Domkapitel und Vertreter der Ritterschaft während d« 
Vakaos drei Genannten, daranter Meinhard von Sebellenberg gcoanntt 
gegvn Zahlung; einer bestimmten Summe die Einkünfte dee 8alabcif- 
werkes bei Hallcin verpfänden. Orig. 8i-A. Wie diese Post in die vor- 
liegende {Rechnung hineinkam, ist ^nr\z unklar. Sie steht ganz allein 
und durfte nur durch Zufall in diese Rechnung anfgcnommen worden 
min. Vi«'ll(»iclit war diese >Sumine zu gleicher Z<'it wie die Steaern 
eingegangen und wurde deshalb ssusammen mit diesen verrechnet. 1^ 
Stelle hat sie hier gleich nach der Poit ,rura\ weil aie andi in Hafk 
Silber gesahtt worden war. 

^* Welche Amter darunter gemeint «ind, lat nieht klar. Ein Chunradiu 
dietu» Huniblo war nach einer Urkunde von 1267 November 2 (Orif. 
St -A ) Kellermeister dej? ErzbiKcliofs. Ein ,nnmblo' erscheint in der 
Aiim. 15 licraiig'pzogenen l'rkiiiul«' von 1'2H4 neben C de Ontrat, (i de 
novo Castro, H. de Wispach und Ulricus vicedominns als Mitglied der 



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489 



in Mark Gold. Ob die hier pebrachtCD Ziffern die gesamte 
Steuerleistung der genannten Amter bedeuten oder ob oin Teil 
derselben auch unter der Summe der ,rura^ enthalten ist. oh sio 
bloß die Steuerieis-tuni:; und nicht auch die grundherrliehen Ab- 
gaben uuifassen. erscheint im ersten AuL^rnblick unklar. Jedenfalls 
lehrt ein Vergleich mit den ErtrJlgnissen der ordentlichen Steuer 
im Jahre 1350, daß die unter ,rura' gebrachte Summe von 400 ^ 
2>i ^ fUr die UesamtsteuerieiBtung aller Amter des platten Lan- 
des viel zu gering wäre und daß Aiidermeits die unter der 
Hobiik: ,officiales dederunt pro se^ genannten ZijBTenk eich mit 
der matmaßÜchea Steuerleistung der einzelnen Amter gans gat 
vereinbaren lassen, durch ihre Höhe aber die aach sonst 
unwahrscheinliche Annahme, daß sie die persönlichen Steaer- 
leistnngen der Amtlente rorsteUen könnten, aossehließen.^^ Ein 
Yei^eieh mit dem Urbar von 1350 läßt es ferner gana nn- 
möglich erscheinen, daß die gmndherrlichen £inkttnlte in die 
letBtgenannten Ziffern einbeaogen sein konnten. Wir können 
also mit ziemlicher Sicherheit yerrnnten, daß es sich auch bei 
der Rubrik: ^officiales dederunt pro se' um die ganae oder 
einen Teil der Steuerleistung der genannten ,ofificia' handelt, 
welche, weil sie in Mark Gold eingingen, besonders henrorge- 
hoben wurden. Die Steuerleistung der hier nicht speziell an- 
geführten anderen ,oflficia' kOnnen wir uns unter der Rubrik 
,rura' begriffen denken. Die Verrechnung der Ausgaben er* 
gibt, daß die Steuerrechnung vom Vizedominate zu Salzburg 
angelegt wurde. 

Bestätigt wird diese Beobachtung noch durch eine Auf- 
zeichnuniij des Vizedoms von Salzburg über die Neubestiftung von 
Bauerngütern im später zur Propstei Werfen gehörigen Propstiirate 
auä dem Ende de» IS. Jahrhunderts (Perg., tiO ö X ^4 5 cm, öt.-A., 



ZwiMh«iiregi«nuif . Nlhsras Über ihn «iasan wir niebt, auch nielit tLb«r 
Cbttno d0 Btag, 

Lampel spricht im Laufe seiner AnsfUhrungen die Meinniif auif daß es 
sich hier um Steuerleiatun^'cu «ier Amtleute handle. Wcf^en dpr vielen 
Rjisnren nnd ErgHnzungeu liilit sich das titeuerertrr-'jr^"'' ''<"f einzelneu 
Ämter aus d^n Steuerbüchern nicht herstellen, doch so viel kann mau 
ersehen, daß die 12»4 für die einzelnen Amtleute genanoten Snmmen 
«her der Stenerleittnng de« gauen Amtes als der einmlnea Amtlente 
entq»reeheD. ZnAem waren ja die Amtieate wahmeheinlidi überhaupt 
iteoerfrel. 



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490 



allgemeine Urkundenreibe c. 1300). Sie trftgt die Auftchrift 
yrenovatlo reddituum in montibus' and beginnt mit: ,£go Chon- 
radue vicedominus reu ovo predia electi eccleeie Salsbnrgensis.' 
Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt sie aus dem Jahre 12ltX>, 
aus der Zeit vor der Weihe Ensbischof Konrads IV'., welche 
am 20. .lanuar l'jyi stattfand,*' und bezieht sich offt nbar auf 
thii im ll«'rbbt 1290 gewählten, aber vom Papste iiiclit l)<>t;i- 
tigti ii Hfizüs: Stephan von Bayern. Um diese Zeil ersolit'iiit aurb 
ein jCbunraduü vieedomiuus**' und ein .Chunradus Wengariu»'-* 
in den Urkunden. Auch der iScliriftbel'und stimmt mit die«fn Ergeb- 
nissen uberein. Di^si' Aufzeit bnung enthält neben den urbariaJen 
Leistungen auch die Steuer jedes verzeichneten Baueriii: ates, 
welche abwechselnd ,8teura* (xb r ,stifft8teuer' genannt wird.** 

Die Ergebnisse, welche wir aus diesen beiden Aufzeich- 
nungen fUr die Steuergeschichte Salzburgs gewinnen können, 
erscheinen an und für sich noch recht dürftig, gewinnen jedock 
im Zusammenhalt mit den Steucrbttcfaem und Urbaren von 
IHoO erhöhte Bedeutung. Diese sind die wichtigsten Quellen ftir 
die Qeschiehte der ordentlichen Steuern in Salzburg. Ihre An- 
lage und Abfassung gibt so wertvolle Anhaltspunkte aur Beur- 
teilung des Ursprungs und der weiteren Entwicklung der ordent- 
lichen Steuer im 13. und 14. Jahrhundert^ daß die folgenden etwas 
breiten Ausfilhrungen Uber ihre paUtogiaphiBche Beschaffenheit, 
welche jedoch sum Verständnis ihres Inhalts unbedingt not' 
wendig sind, gerechtfertigt erscheinen. 

Steuerbuch I. Hs. des Archives der k. k. LandesregieruDg 
zu Salzburg ^Urbarien' 1, Pergament, GroOoktay (26*4 X 15*2 cm), 
des 14. Jahrhunderts (c. 1350), 46 BlAtter mit alter Zählung, sftmtlicli 
beschrieben, Einband aus dem 18. Jahrhundert mit awei papie- 
renen Vorsteckblättern, Heftnng in ftlnf Quatertiu>nen und einem 
Temio, f. 1 — 16 durch drei durchlaufende Löcher beschädigt^ 
f. 1—20 am unteren Rande in einer Brette von 4 — 5 cm be- 
schnitten, Linienschema: Am linken und rechten Rande je eine 



*• Zaimer, Chronik vou Salsborg: 2, 400. 

1289 April 16, 1294 März 10, Oktober 6, 1995 April 7. Orig. St-A. 

tm Jänner 4. Ori«. SL-A. 
** Diese AnfiMidumiigen enteprechen den Eintragnnfen im Urbar von i960 

(dehe n. Anm. S4) auf flf, 88— 34>' und 47— GO, mit welcher sie, sowohl wM 

die veranlagten Itemo wie auch die HOhe der eiDMlnen Leiitaagen be> 

trifit, fMt voUat&ndig UbereiiMtimmen. 



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491 



Vertikallinie, 9H— 32 Horizontallinien, sämtlich mit Tinte cre- 
zogen, z^vischen f. 22 und 23 und 44 und 45 je ein Papierzettel 
(4y(9 cm, 23 "4 X 11*2 cm), besehrichon von einer Hand aus 
den Jahren 13öl — 1387,^* und zwischen f. 45 und 40 ebenfalls 
ein Papierzcttel (10'5 < 9"5), beschrieben von einer üand des 
beginnenden lö. Jahrhunderts, eingeklebt. 

Steuerhnt b TT. Hs. des Archives der k. k. Landes- 
regierung zu Salzburg , Urbarien' 4, 84 Blätter mit alter Zäh- 
hmg, f. 82', W6 unbeschrieben, f. 1 — 12 unten am Hände in 
einer Breite von 2 — 3 cm beschnitten, 10 Quatemionen und 
eine Lage zu 4 Blättern, sonst wie Steuerbuch L 

Zum Vergleiche heranzuziehen und außerdem auch von 
selbständiger Bedeutung für die Steuergeschiehte ist das Ur- 
bar I, Ha. des Archives der k. k, Landesregierung zu Salz- 
buig ,Urbarien' 2, in 4*^ (27 X P^rgAmenty des 14. Jahr- 

bunderts (c. 1350), 207 Blfttter mit alter Foliierung, Heftung nach 
Sextemionen^ ff. 13, 17, 88 fehlen, 4 Blätter sind mit f. 21 
bezeichnet und 1 Blatt nach f. 2] unbeschrieben, f. 173 — 176 
sind Ycrbunden und folgen nach f. 19B, f. 191 nach 195, Ein- 
band des 18. Jahrhunderts, Linienscbema: je eine Vertikallinie 
links und rechts am Bande und durchschnittlich 29 Horizontal- 
linien, sämtlich mit Tinte gezogen. Das Urbar I wurde um das 
Jahr 1400 einer Umarbeitung unterzogen'* und neu abgeschrieben, 
ohne daß jedoch an den Steuersätzen geändert wurde. Dieses 
Urbar II hat daher tur uns weni«:; Interesse. 

Steuerliiu'li I enthält die Steueranlagen der Proi)steien Thal- 
gau von 133G August 24 {t\ 1—18»), Kuchel vun 134Ö Juli 12 
(f. 18'' — 27*), iuxta Salam (Liefering, Salzburghofen etc.) von 
Vm August 18 (f. 27"— 33), Anif-Gutrat von 133ti September 7 
mit einem Nachtrag von 1339 (f. 34 — 40 •^). Abtenau von 1331 
September 17 (f. 41 — 46), Steuerbuch 11 die Öteueranlagen der 

** Die hier effwKhnte Hand itt die miteii mit D beseiohnete. 

" Hl. des k. k. Archiv« der Ludeeregiemng ra Sehiborg ,UrbarU' 8. 

IKe Zeltbi stiramuDg dieses Urban erbellt avt einer Stelle auf S. 11. 
Item Jacobas de FSnchten emit px votnntate et ex tnandato domini 
Greporii archiepiscopi (1396 — lieS) hubam in Feuchta. Verzeichnet 
«!n<l alle vier Handschrit'teu bei Meli, Die mittplaltprürhcn Urbare uod 
urbartaleu Aafzcichnangen in Steiermark. Beitrüge zur Kunde steior- 
mlrkiteker Geeehiehtnittellen 26, 1 ff. In Verwendung war dieses Urbar II, 
wie ans doi darin enthaltenen NaehtrSgen eiaidiüieb Ist» bis snm Ende 
des 16. Jahrhnnderti. 



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m 

Pn>p«toien Mitterafll von 1333 Ango&t 18 (f. 1^6), Werfen vim 
1350 Juni 29 (f. 7—37), Anßei-AhnTOiic. 1347^1350 (f. 38-66^), 
Heqs von c. 1360 (f. 59, 60"), Radstadt von c. 1350 (m^l4f% 
Fontan von c. 1350 (f. 74^'-75'X Qtastoin von 1350 Juni 24 
(f. 75^--82«), das Urbar I, welcbea suin Teil auf altere Yw^ 
lagen aurttckgeht," die grundherrliclien EinkQnfte tind die Steuern 
der Propsteien Kuchel (f. 1—17), Werfen (f. 18— 79^ Rad- 
stadt (f. 80-98), Forstamt {{'. 99—105), Ennstal (Haus) (f. 106— 
112), Außer- Alm (f. 112— 1Ö3), Zillertal [i\ 154—194), Mittersül 
(f. 194—207). 

Die beiden Steuerbucher sowie f. 14—16,97 — 104. 1 12—207 
des Urbars I sind von einer Hand des 14. Jahrhunderts ge- 
schrieben, welclie wir mit A hezeiehnen w( iK ii. der Rest des 
Urbars I von einer andern Hand des 14. Jahrhunderts, B. Die 
Eintrapuno^en in die Steuerbücher erfolji^ten nicht für jede? Amt 
gleich zeitii; mit den Steueranhifjen, sondern beide Handschriften 
sind in einem Zuge niedergeschrieben. Wie schon die inhaltliche 
Übersicht gezeigt hat» folgen zeitlich weit auseinand erliegende 
Anlagen oft unmittelbar auf einander, nicht nur innerhalb eines 

** In (liest'm Urbar findon sich zahlreiche Eintraf»'nnprn, woU-lio atif ältere 
Vorlagen ZTirückgclu'ii. So wird f. 144 bei dem V'ersteiclmi» des Vi>i;t 
bafers in der Propsttn ,aulier Alm' (Fusch) hinzugefügt: et uotanduw, 
qnod anno 1800 maior numerus solvebatur, aaf f. 66>> (Novaita antiqoa, 
Oroßarl) heißt «a: noraUbnt predieiit pro dedm« •ecnndam eamun 
anni, tarnen aano ISOS «olvit aitigiids mo^oe Ilt avene modhM VI. Aneb 
finden sich mit ISIS, 1325 datiert« EintragOBgen. Jedenfalls bestaad 
außer Spezialregistern wie dem von c. 1290 schon ein ältere« Urbar, 
welches im Jahre 1300 angelegt worden srin dürfte, f. 106 (otticiaui 
Ennstal) heißt es: Item Hcrmanuus in morite Schachen de feodo dictn 
Pcchellehen solvit pro servicio et steura den. Salzb. sol. III, qoamris 
antiqno* maior über «ootineat tantammodo das. LX. £98 (Propatat 
Werfen). Item Hai&ricns Faber in Aadian aoWit pro anro den. XXX» 
pro stenra den. XV, hieau ' Maehtrag: Institntom est seenndvm Ubnut 
antiquam. f. 88^ (Propstei Badstadt): Fensio arrarum In antiqno fnro 
Hpcundnm lihnim prediornm ad den. libr. III et den. X so extendunt, 
»ed minus modo solvunt, siipi-r quibns per officialem particularia sunt 
inscribenda. f. HO (officium Ennstal): predicte decime in Haus et in 
(Jrebnich Meundnm antiqnnm maiorem libram predioraiat toeata nnt 
anno domino M"COC*. Die nachfolgenden Eintragm^en tob 1306, 131S, 
13S6 gehen aller Wahncbelnlichkeit nach anf Spaaialtegteter der PrBpfte, 
welche hier tabulae genannt werden, anrnek. Häufig (z. B. f. 19\ 151 
u. s. f.) finrlru F(ich die Bemerkungen: non aunt in tabolia seripti, aiat 
modo ad tabulam, non e«t in tabol«. 



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49S 



Quaternios, sondern sogar auf demselben Blatte wie Haus- Rad- 
stadt, Radstiidt-dMstein, Thalgau-Kiichel. Noch deutlicher wird 
dies durch eine Hemorkunp: auf Btoiierbuch I f. 40'', am Sclilusse 
der Stell rRfilai:«' <i* r Propstei Amt G u trat, welche unten durch eine 
später ( ifulgteHeschneidun^ des Pergaments halb abfj^eschnitten ist: 
,S€quitur fjuarternus vidclirt t. . . . Anno domini M*'C< T'XXXP 
. . . / und tatsächlich folgt nun mit f. 41 der nitchsie Quaternio 
mit der Aufschrift: ,Anno domini MWC'^'XXXP in die beati 
Lamperti inposita est steura in officio Abtenau, prout infra conti- 
netur/ Die Abfassung der Steuerbücher maß also nach 1350 
Juni 29 erfolgt sein, dem Datum der Steueranlage von Werfen^ 
welche als die am spätesten Torgenommene erschemt. Eine noch 
nähere Begrenanng geben ans die Nachrichten von der Nieder^ 
Schrift des von A geschriebenen Teiles des Urbars I. Dieser muß 
▼or 1351 YoUeodet gewesen sein, denn auf f. 113 findet sich 
schon eine Bemerkung einer späteren Hand Uber einen Besitz- 
wechsel aas dem Jahre 1351, noch dentlicher aber wird dies 
durch eine Stelle in dem Einkttnfteyerzeichnisse des Amtes 
Glemm (Propstei außer Alm) auf f. 125: ^Heinricus filius vil- 
lici de Perg dabit in futura racione den. LX, hoc est anno 
domini MOOC"*' L^esimo, pro augmentacione.' Der von A ge- 
schriebene Teil des Urbars ist also im Jahre 1349 abgefaßt, 
also fiHher als die Steuerbücher. Doch auch diese dürften bald 
nach dem Jahre 1350 vollendet worden sein, denn wir haben 
alle Ursache anzunehmen, daß der Schreiber A höchstens bis 
zum Jahre 1359 tätig war.'^ Überdies sprechen alle Anseichen 

In dicsfin Jahfe, wahrscheinlich aber vor demselben wird der Schreiber 
A im Urbar von dem Schreiber B abpolflst. Wir haben oben gesehen, 
daß mir f»in Teil des Urbars I von A geschrieben ist. Wahrsehpinlich 
Avar zuerst das j^anzo l'rhar I von A geschrieben worden. Au» nicht 
näher ericennbareu Gründen verbuchte eine Hand B eine abermalige 
Niedenchrift dtmiHhen, braoh dieselbe ab und bud die nm ihm ge* 
eehriebenen Teile mit den Resten des tos A angelegten UrlMurs lusammen. 
fii^ennbar ist dies ans der Foliierang, welche B vornahm. Die von 
A geschriebenen ff. 14 — 16 trugen frOher die Foliierang 7, 8, 9, welche 
dann von B in 14, ir>, 16 korrigiert wMrd<»n. Femer bringt B r.n dem 
von A gt>schripbcnen Teile noch Nachtrüge, so f. 104, 161*». B maß schon 
vor läöU seinen Teil geschrieben haben, denn innerhalb desselben bringt 
er f. 69» (Pensio eueoinim in nniori Amin) na: Item Heinrievs de 
F6nipereh solTtt eeseot CCC, pre stenra den. LX den Zosnts: Istnswniga 
desoütn erat, quod loenri non potemt, sed per frntrem Ottonem, magiümm 
«wrle totaliter etl relbimntn, qnod oolonns Ibidem pro 000 caseis de 



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494 

dafUr, daß die Steaerbttcher niobt lange nach dem Urbar ab- 
gefaßt wurden. 

Entstanden sind die Steuerbücher mit e^roßer Wahrschein- 
lichkeit im ilormeistenimtc zu Salzburij. Dafür spricht nicht nur 
der Umstand, daß sie vou derselben iland g'eschrieben sind 
wie das sicher für das llofraeisteramt abfirefaßte Urbar,*^ sondern 
auch der innere Gniud, daß die den Steuerbüchern entsprechen- 
den Partien des Urbars, sowohl was die Einteilung' der Amter 
als auch die verzei<-hnpten Itcnte betrifft, mit denselben eine 
fast vollstilndifj^e llhcreiustituraung zeigen. Die SchriftLrleii Idi^it 
kann ni'dit in einer ziifülIiEren Verwendung- dessrlbr-n Schreibens 
ihren Grund haben, denn auch die folgenden Xachtr<i<Te, welche 
bis in die achtziger Jahre des 14. Jahrhunderts laufen, sind 
im Urbar und in den Steuerbüchern von derselben Hand ge- 
schrieben.*' Die Steuerbücher wurden nicht bloß im Hof* 
meisterarate angele^'^t. sondern standen bis zum Ende des 
14. Jahrhunderts im Gebrauche desselben. Allerdings sind in den 
Steuerbüchern nicht alle Proitsteien, welche dem Uofimeister- 
amte unterstanden, angeführt. Es fehlen die m eisten Amter des 
Flachlandes und das Zillertal. Das Fehlen letzterer Propstei 



ccntfimrio .^crvit't dau. Vihr. III ot factum eat anno domini M*<XÜC*LVIII1 

in crastino katlu'<lri- saiu ti Pctri. 

Dio Zentral behfSrde für Ann UiideafÜrstlicIie Urbarv^-esen war d«.s Uof- 
meJftonmt, dies erhellt «Hein «ob den lablieiehen HinwMMn, die irir 
am dem Urbar ttber die Tätigkeit des HeAneisters erlialten. Ich. Ter* 
weise beisplelsweiae g^leioh auf die Toibeiigehende AnmeHcong. Die 

Nachträge im Urbar I entspringen zumeist den Entscheidungen des 
Hofmeisters. Jeder Zweifel jedocli, daß ilas T'rbar T /um Gebrauche de« 
HofmeiRtcramtes augelegt war, wird auRge>schlosseri (iureh folgende Stfllen 
auf f. 31» Anno domini millegimo CCC^XVIII'" circa fcstum h&aii .Jacobi 
apostoU ad mandatum domini Friderici ▼anerabilis arcbiepiscopi ceeiea« 
SalibnrgoDsi apostolice sedis legati ego freier Hermannas magister 
cnrie Salsbargensis assnmpto nuiii ofBeialibns Tidelteet Meinharii 
Rat^ircb preposito in Werven et Frideriei de Schachen officiale GutratcfU 
et aliis üdedignU vidi et diligcnter examiuavi defeetns in officio Werren 
et Friderici de Schachen factis ex alhtvione sivo innndacionibns aquamta, 
prout infra conti netnr. . . (foltTt n nun die .dcfi-i tus ) mihI auf f. 151': 
Anno dumini millcainio CCC'""XLV1I"*" circa fe^tum beati Viti augmeo- 
taia sunt novalia in offieils mentanonim et qnedam noTalia nofiter 
institnta, prent infra eontinetnr et hee aeta aont per fratrem Heia- 
rienm enrie 8alsbnr|penris magistram et ceteroe fidedignos a^nmptos. 
Dit' S( lirr ibnr V und D (siehe u.) erscheinen sowohl in den StenerbO^en 
al» auch in den Urbaren in derselben Verwendung. 



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495 



wird wohl dadurch erklärt, daß hier nur die iandesftirstliclieii 
Eigen^iUer und Freisassfii veianlapft wurden, über welflu! im 
Urbar 1 ein eigenes Steuerregister sieh findet. Für die Amter 
des flachen Landes bestanden wahrseheinlieh eigene Register, 
die aber verloren gegangen sind.*^ In den StätUen und Märkten 
endlich war die Steuerrerwaltung in den Händen der städti- 
schen Behörden. 

Die Aufschrift der Steueranlagen in den einzelnen Amtern 
lautet ziemlieh tyi i ^ 1.: ,Steura in officio N. imposita in die . . . 
anno . . / Das ,imposita est* hedeutet Neoanlage auf Grund einer 
vorhergegangenen SchatEung und Bemessung der steuerbaren 
GHlter.«» 

Sicher war die hier vorliegende Steuer die ordentliche 
Steuer und nichts wie Zillner** meinty die nach der Schlacht 
bei Mtthldoif 1337 eingehobene außerordentliche Schatssteuer. 
Abgesehen von den weit aoseinanderliegenden Zeitpunkten der 
in den einzelnen Ämtern vorgenommenen VeranlagungeQ, er- 
scheint die hier genannte Steuer als Reallast. Die Uberein- 
stimmung mit dem Urbar sowie die späteren Oberarbeitungen und 
Kachträge schließen eine Besiehung zur außerordentlichen Schatz- 
steuer vollständig aus. Zudem wird die Steuer in den Steuer- 
bllehem selbst als eine jährlich erhobene Abgabe bezeichnet'^ 

Die Aufzeichnungen Uber die Steueranlagen in den Propeteien 
erscheinen wieder nach den einzelnen, den Propsteien unterstehen- 

** Bestanden doeh für diese Amter auch eigene Urbare. Ans dem Jahre 1M8 
ist uns ein Zins- nnd Stenerbnch des flachen Landes (cod. des k. alige- 

mcinrn Reichsarchivs sa Hänchen) erhaltcu. 
"* Die lJpdt ntnii<T dinsps , imposita est' hat Kofrlcr, Das landesfürstlichc 
Stenerwesen in Tirol l, Die onlcutlichen Öteucrn. A, o. ü. yu, 466 
richtig erkannt. Wir küuuen e» auf die gesamte Beteiii|^uiig der Amtleute 
an der StettenrerwaltiiDg besieben, wie aus der Übersdirift der Stener- 
redinnng von 1893 Aognst 14 fttr Friesaeh (siehe o. Anm. 18) hervorgeht 
Zillner, Oesebichte der Stadt Salsbnxg 2, 181. 

Stenerbnch I, 17 . . . Soroma totalis predialium hospitalariorom in stunma 
den. 8ol. XII omni anuo. I, ".^5' (officium Kuolu-ll . . . Hoc anno nihil 
proptvr adustioncm domoriini. i, 27 (Nene FreisÄ^seu Kuchel) Pin« dabit 
in futuru anno. I, 27' (Liefering) Notauduui est, quod in Lifriug sunt 
quartalia LVIIII et quelibet qnartale dabit boc anuo den. XXIJJU. I, 89 
(Glan) . . . Hoc anno nihil. II, 41* (Markt SaaUelden) . . . Facto est hoc 
anno pnero graeia ex cansa. II, 61 (Freisassen, Badstodt) . . . Nota det 
anno proximo den. X. Derartige Beispiele ließen sieh noch mehr an- 
führen. 

AnhiT. XCU. Band. U. Hilft*. 88 



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496 



den officiis geschieden. Innerhalb dieser ist eine Einteihmsr nach 
RechtsLrru})})«'!! vori^^eiiommen, nacli welcher als Gruncl:<t(H'k div 
landeslui ötlichcn llrbarleute erscheinen, denen die Freisaijst n und 
die Hintersassen des Klerus und der Ritterschaft augeirl ledert aiud. 
Zum besseren Verständnis dieser Gruppierung- fijhre ich die Ru- 
briken'^- der Steueranlage in der Propstei ,Außer-Alm' nach ihrer 
Reihenfolge in den Steuerbtlchem an: Steura in officio extra 
Alben — Homines prediales in officio Lover — Freysatzzones 
in officio Lover — Freys&tsEOnes novi in officio Lover — Ad- 
vocatales de Aspach** et proprü ecclesie Saltsburgensis in <rfB- 
cio Lover — Prediales in officio Salveiden — Freisätzzones 
in officio Salveiden — Homines prepositi Hegelwerdensis pro- 
prü et advocatales ecclesie Salzburgensis in officio Salveiden 

— Homines advocatales abbatisee Cbyemensis in of&do Salvei- 
den — Hominea domini Njoolai extra Alben in officio Salvei- 
den et GkiknoniB, iadicis in TAchsenpach, qoi sunt proprü ec> 
desie Salsbuigensia — FreisatBEoneB in officio SalTelden, ^ 
prius non dederunt Bteuram — Homines Chachleni in officio 
Salveiden — Prediales in dem Giern — Freysatzaones in Glem 

— FireysatsBones novi in Glem — Homines prediales in officio 
Cell — Freysatzaones in officio Cell et advocatales — Homines 
abbatis sancti Petri in Salzburga proprii et advocatales ecclesie 
SalsburgensiB in officio Cell — Freysatasones in indicio Taedh 
senpach, qui prius dedemnt stenram et qni divisi snnt inter 
prepositom extra Alben et prepositnm de Werven — item in 
Rauris — Freysatzzones novi in officio Cell — Freysatzzones 
in iudicio Tafchenpach, qui hucus(][ue non dederunt stcuruin: in 
UiiLiris - — in Fuscha — in Kormüs, Freysatzoncs in Taechsen- 
pach, qni prius non dederunt — Homines Ühuchlarii in iudicio 
Taechscupach — Advocatales homines abbatisse de Nunnwi-nl 
in Kaui'isu — llonunes Advocatales Aspahenses — Proprii ho- 
mines auf dem Entpach — Advocatales abbatisse in Nunnburch 

— llommes advocatales abbatisse in Nunnwerd auf dem 
Jbjitpach. 

Was die Steucreintragung^en selbst betriftt, so wird zu 
meist nur der Name des Gutes, der Name des Inhabers und 

** Die ebuelaea Anl^hriflsB liiid von A gMaliri«beii and rebriiiaii 
*• DiesellM wird aueb Fnseh genannt und .umfaßt den Uitter 

Unteipin^au. 
** Kloster in Bayern. 



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seine Steucrleistung genannt.^^ Nähere Erläuterungen kommen 
nur selten vor. Wir werden in unseren Ausführungen noch 
darauf sa sprechen kommen. Die genauere Bestimmung und 
Kenntnis der veranlagten Güter wird uns fUr die betreffenden 
Ämter durch das Urbar I vermittelt. Die hier eingetragenen 
Iteme entsprechen ziemlich genau den Qütem^ ais deren In- 
haber in den Steiier1)üchem die ,homine8 prediales' genannt sind. 
Die FreisasBen sind nicht aufgenommen, da sie, sowohl was die 
Art der Abgaben, wie ttberhaupt ihr Verhältnis cur grond- 
henrUchen Verwaltung betrifit^ eine Sonderstellung einnehmen, 
auch nicht beim jührliohen Stiftding erschienen, sondern eine 
eigene Versammlung, die Freisassenstift, hatten. Die Steuer- 
leistungen im Urbar sind zusammen mit den grundherrlichen 
Abgaben eingetragen, nur für das ZÜlertal, welches in den 
Steuerbüchern fehlt, haben wir ein eigenes Steuerregister in 
den Urbaren.'^ Die Steueransätae in den Urbaren und in den 
Stenerbflchem stimmen aum Teile miteinander ttberein, zeigen 
aber auch andererseits eine große Vexschiedenheit, welche sich 
jedoch aus dem ungleichartigen Charakter der Steuereintragun- 
gen erklärt. Diese erfolgten in den Urbaren überhaupt nur 
nebenhin und fehlen oft auch ganz. Sie wurden wahrschein- 
lich von den früheren Vorlagen ilbcrnommeii und nicht mehr 
korrigiert. Auch die späteren Uberarbeiter des Urbars und der 
Steuerbücher, welche in letzteren die Steuersätze häufig ändern, 
nahmen im Urbar keine Korrektur vor; das Urbar 11, welches 
um 1400 angelegt ist, folgt den Angaben des Urbars I Uber die 



** Ich ftitre ab Beispiel die oben genannte Bnbrik: Hominee predlales in 

of^cio Lover an. Primo Büchel MH^zgaucb IbidcDt . . . den. X, Hein- 
ricus riauor ot comunes sui do Schfitt . . . den. sol. III, vidua Chun- 
radi au der .Strub . . . den. XL, Chunradns de LaTi<^wat . . , den XV . . . 
*• Urbar I, f. 187'. Item domino archiopiscupo eciaui per prepositum coiupu- 
tanda de pauateara den. Salzb. Übr. C. — Item de ttenra aatompnalt 
den. Salab. libr. LXXY. — Item de steora freitatitoniim den. Salab. 
U JJL 1 188. Btenra autampnalia. Primo in officio Swentau. Bwtins- 
perch . . . yeron libr. QI, Hollentzen . . . Whv. VITT, u h. f. IHe hier 
angegebeneu Objckto entsprechen den auf f. 164 mit ihren grnnd- 
horrliehen Oicbi^'keiten yerzoichnetcn landcafÜrstUchen UrbargUteru, 
wenn auch dit> Keilienfolge nicht ganz dieselbe idt. Dasselbe gilt von 
den auf i. löd und 191' folgenden Steuerverzeichnissen der officla Zeil 
und Fügen. Die pavateora iet rechts neben der atenra antnmpnalia 
Ton einer Hand, die 1381—1891 acbrieb, tiogetngen. 

82* 



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498 



HüIjc der ÖUmk rloistmi^jcn skl.-iviscli, obwohl, wio wir iiiiten 
zeigen werden, von einer Fixierung in dioser Zeit Iveine Rede 
war. Zudem ist das Urbar I Überhaupt früher angcleirt als -i i 
Steuerbücher, woraus allein schon die verschiedenen An.-iJiLÄe 
der Steuer, wolclie ja nicht fixiert war, erklärlich sind. Auch 
bringt das Urbar stet.«; die Gesaints^teuerleistunfr eines Gutes, 
während in den Steuerbüchern die Kinzelleistungen der Teil- 
inhaber angegeben sind, deren Summe oft der im Urbar an* 
gegebeneD Ziffer gleichkommt.'*' 

Was die Art der Entstehung und der weiteren Verwendnng 
der Steuerbücher im Verwaltungsdienste betrifft, so lehrt der 
schon vorhin hervorgehobene Umstand, daß die zeitlich weit 
aiiseinanderliegenden Steueranlagen der einzelnen Propsteien 
um das Jahr IdöO in ein Buch zusammengeschrieben wurden, 
daß wir in ihnen ein auf Grund von Speziah*egiatem der ein* 
seinen Amter gefertigtes Gesamtregister eines bestimmten, terri* 
torial geschlossenen Amterkomplezes vor uns haben. Die ge- 
nannten Spezialregister waren von den PrOpsten auf etn- 
seinen Zetteln, Heften oder Rodehi eingeliefert worden und 
wurden um das Jahr 1360 samt den bis dahin eingelanfeneo Et- 
gänzungen'* einer Gesamtredaktion nntencogen. Im Zusanuneo- 
halt dieses Umstandes mit der zur selben Zeit stattgehabten 
Neuanlage der Urbare, welche sich nicht bloß auf den in Ur- 
bar I enthaltenen Amterkomplex bezog, gelangen wir zur Er 
kenntnis, daß um diese Zeit unter der Regierung Ersbischof 
Ortolphs, der auch durch anderweitige Reformen bekannt ist, 
eine Reorganisation der Verwaltung, charakterisiert durch 
umfassende Verzeichnung der landebfUr&ilichen Einkünfte, 
folgte. 

Die Steuerbücher waren noch weitere drei Dezennien 
das freilich sehr unvollkommene Hilfsmittcd zur Kontrolle, Lei- 

^ loh halte es fiEtr emfldMid und wenig enprieBlidit die EinmtteilA 
dieaes Vt-^rt^lciches hier anzuführen. Sobald laan den UrMclicn dieier 
Verschiedenheit Auf den Gmnd gekommeD ut, bietet defselbe f&r oniere 

Zwecke nicht vifl Wtchtipps. 

Dies erhellt aui» dur e>täiidig'ea liubrik: Fretsatxoocs novi, qni priu^ ooQ 
dedernnt steur&m. Ganz deutlich wird dies aas dem Stcuerrcneichu« 
de« Amtes Anif^Gntrat, denen Hsaptanlage 13M erfolgte. Steasibacb I, 
f. 40 heißt ess Freiiatnones ii«yi in plebe Gntmterii, qni hneiiM|ii* see 
dedernnt stewam tnventi anno domint MOOCXXZVIIII*. Ober die 
Spesialregieter liehe n. 48. 



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499 

tung und Überwachung der Steuervcrwaltung.^^ Hierbei mußte 
sich bald der Übelstand bemerklich machen, daß eine solche 
niclit nuitrlich war, wenn man die Steuerbücher nicht den zahl- 
reiehen Veränderungen Jinpaßte, welehe sieh bei der im Erz- 
stifte übHcheu iSteiierbemessungrsart durch Wandhingen des 
Grundbesitzes etc. ergeben mußten. Ein Versuch wurde schon 
von dem V^erwaltungsbeamten. welchen wir unter dem Schreibor 
A vermuten, gemacht. Schon von ihm rühren zahlreiche Ände- 
rungen im Steuersatz und Bemerkungen über Besitzwechsel etc. 
sowohl in den Steuerbüchern, wie im Urbar her.*** Er wird 
jedoch bald von einem neuen Schreiber C abgelöst, dessen Ände- 
rungen schon viel zahlreicher and umfassender sind. Seine 
Tätigkeit reicht wahrscheinlich vom Anfang der fUnfziger, 
aicher vom Anfang der sechziger bis zum Ende der siebaiger 
Jahre.^* Er korrigiert nicht bloß die Steneransätxe, sondern 

*• Wio AUS den g^leich zu besprechenden NachtrSpen erhellt. 
*" Si'lton VOM A haben wir Zusätze, wie olnit, i[ni succedit, dabttur (Steuer- 
buch i, f. 1^' bei Frebassen iustitutu» (I, f. 14) etc. 

Die Hand C ven^elit fowohl 4ie Steaerbflcher wie auelt cUs Urbar mit 
Nachtrigen. Wu die Altenbestimmnng betriii, so maß gaügt werden, 
daß die Jabremhlen, welche C hinsoftti^ noeh nicht mit voUer Sicherheit 
d«r»af sehließen lanen, daßdie Eintragungen unter demselben Datum erfolgt 

sind, wenn die?» auch einifje Wihrscheinlichkeit filr sich hat. Diese 
Naclitrji^jo sind su aalilrcieli, daß wir, wenn wir die Qloichzeitigkeit der 
Eintragung mit der ert'olgten Besitzveräuderung leugnen wollten, eine 
eigene Baehitthrung Uber dieselben annehmen müßten. Sie gehen bis 
anm Jahre 1851 aurttck nnd wttreeken sieh bis sum Jahre 1878, be* 
sieben sich aber oft auch aar auf das Datum des veraeichneten Besito- 
wechsels. So rid al>er ersehen wir, daß der Sehreilx r C jedenfalls 
noch 137>< tStig gewesen fein muß. Bald nachher, im Jahre 1381, wird 
er von einer neuen Hand D ab<relöet. Wann er seine Tätigkeit b^ann 
iät oiclit ganz siclier. Jedenfalls nicht lange nach 1H61. Steuerbuch II, 
f. 65 schreibt er zu (A): Summa colonorum plebani in Bastat den. libir. 
nU" den. XSY. . . sed anno domini H*CCCLin* dato ftierant ex gracia 
den. libr. im, eorrtgiert aber dann das 1868 in 1861. Er kann also eiat 
nach 1361 diese Eintragung gemacht haben, sonst hHtte er ja eine noch 
nicht vollzogene Tatsache nicht verzeichnen k{5anen. Allerdings kann 
e«i «ich hier auch um einen \35S und 136! verliehen<'n Stciiernachlaß 
handeln, und kdnut«) auch die Eintragung von 1363 gleichzeitig sein. 
Jedenfalls war er schon in den Sechziger) ahren tätig. Urbar I, f. 29* 
(Propstamt, Propstei Werfen) sehreibt er an: Item Katherinna an dem Elik 
ioco Bndolfi solvit tantom ... ad annos VUX anno domini MCCCLXI. 
Seine Einttagnng erfolgt also noch innerhalb des borangeaogenen Zeit> 
ranmes tou 1861—1869. 



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500 



ändert auch die Namen der Steuerzahler, die im Laufe dar 
Jahre durch Tod,'^ HesitzwcchscP^ oder Abzug aus dem Amte" 
sich geändert hatten, vermerkt auch falhvcise die veränderte 
Rechtsstellung derselben*'' und behiUt insbesondere den Stand 
der Freisassen, welcher ja gemäß der Natur des FreistifVvertra^;«« 
ein wei hsehuler sein mußte, im Auge.** ()fters fUgt er seinen Er- 
gänzungen noch eine auch über das Datum und den Rechts^md 
der Vcrändorung orientierende Bemerk uiirr hinzu.*' Insbesondere 
die zivil»;ericiitlichc Tätigkeit des H<)tiriei:-tcrs und der Pnipsie 
tritt in die!?en Nachträgen vor allem im Urbar so klar hervor, 
daß wir vermuten können, daß auch über diese genau Buch 
geführt wurde. Weiters bezieht er sich auf Spezialregistcr der 
lokalen YerwaitiuigBbehörden*^ oder auf eine penönliche £ior 



*• Stnurhucli II, f. 54. Freisassen in Ranris. Infrascripti omnr> martni 
sunt u«»t|ue ad rubricatn: Freysatzones in iudiciu Taecbsenpach «jui priui 
noD [dederani steuram]. Zahlreich sind ferner die ZusiUe, welch«, wie 
mortnns «st, obiii etc. den Tod des bldierigen StenauUen neMei. 
Die Btaner wird dann von deaaen Erben, meistens Ten seinem flolmei 
nie die Znsitse «filins dat' u. dg\. andeuten oder von der Witwe (Tidfu) 
gesahit, welcher moistens ein Steuemachlaß zuteil wird. 

^ Dieser wird meist durch bloße Ändernng des Namens des neues Stener- 

Zahlers kenntlich gemacht. 
** Die Zusätze ,reces8it* sind zicrnlifli h.änfig, werden auch oft mit iudtpren 
Erklärungen versehen. So Steuerbuch I, f. 22, Kecessit in Ilellinam. 
Steuerbuch II, 1. 14 rccessit ad predium Goldek, f. 16 receasit in Anilam 
oder II, f. 32\ recemit a terra. Die äugen bliekliebe Abwesenheit des 
Stenentahlers wird «neb notiert, so I, f. 7*. Boceadt, Tide, quid det, qnaado 
veniet 

^ Oft wird bei Isndesfllrstlicben Urbaiffiteni bemerkt, daß ein StenenaUer 
Hintename eines Oeiatlicben oder Bitters geworden ist oder nmgekclui 
•4S c trXgt an Yencbiodonen Orten (I, f. 15 (Propatei Tbalgan), L27 (Propste! 

Kuchel), f. 40 (Propstei Kuchcl), II, f. 6' (Propstei Miltrr^iin, f. 14, Ii», 
37' (Propsti i \V('rf. ii\ f IC,\ 52', .^»5'. 56 (Propstei Auß< r Alm i unrl -»^nn 
verstreut) zalilieicho neue Freisassen ein und füllt damit oft den gaiuen 
frti&u Kaum aus. 

Siehe Anm. 11. 

II, f. 61 (Propstei UaJistadt). Vidc hic, tjuia ol'licialisi male informaviL 
Wenn kein Spczialregiater einlief oder in dem Spezialregistcr der Propatei 
Eintragungen fehlten, so vermeibte C sn den orsprUngHehen Eintragungen 
s. B. I, f. 11 (homines prediales dominomm de Tnrri, Propstei Tlial* 
gau) ,non sunt scripti* samt Ver>\cisun^zeichen, welches sich offSttlMt 
auf die betreffende Stelle im Specialregister besieht. 



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501 



veinalmie derselben.^* Die Ergänzungen, welche vod 0 ber- 
rOhren, nehmen mitanter einen solchen Raum ein, daß der 
Platz im Steuerbach nicht mehr aasreichte und die Zusätze auf 
eigenen Zettehi eingetragen werden mußten.^ Trotzdem blieb 
das Steuerbuch noch fernerhin im Gebrauche des Hofmeister- 
amtes und wurde bald darauf einer neuerlichen Überarbeitung 
unterzogen. Die Person, welche dieselbe durchfUhrte, muß 
ebenfalls stiindig iiu Hofmeisteramt beschäftigt gewesen sein, 
ihre Hand (D) erscheint sowohl in den Steuerbüchern, als auch 
im Urbar I. Ihre Tätinrkeit ist für die Jalire 1381— 1391 nach- 
weisbar, (icr ul* ^i» ^vie C, träumt auch sie die Veränderungen 
im Perbonal und Besitzstand der Besteuerten ein.** Die Nach- 
träge mußten so natürlich immer umfassendor werden, während 
der Raum immer beschränkter wurde, xsoth mehr als C er- 
griff D den Auswef,', die Kriränzungen auf e!<^ene Zettel zu 
schreiben. Öfters als C gritf D auch zur liasur, um Raum 
für seine Nachträge zu bekommen. Da jedoch die Benützung 
der Steuerbücher durch die zahlreichen Nachtrüge immer schwieri- 
ger wurde, mußte sich bald der Gedanke an eine vollkommene 
Neuanlage derselben aufdrängen. Tatsächlich sehen wir auch, 
daß eine solche versucht wurde. Wir haben von der Hand D 
direkte Schreiberanweisungen, aus denen hervorgeht, daß man 
die Absicht hatte, die korrigierten alten Steuerbücher neu ah* 
schreiben zu laasen.^ Ob diese Arbeit vollendet wurde, wissen 

I, ttV (Kttttbel). Summa total de hondnibiu emitodie den. libr. m, 

secandam assercionem Fridrici officialis. 

II, f. 54 (Frctsa.ssen im Gerichte Taxeiibacli, Fropstei ,Außer-Alm*). Not»» 
qnod (inine.s iiitrascripti, qui adhuc vivant e( dant stearam sunt tranS' 
scripti ex novo ad aliam cedulam. 

** Wie «w den Naebtrlgea toh dieser Hand, welche oft mit dem Datum 
Toneben sind, benroigdit. 

^ leh Terweiie bier auf die Aiufilhningen über di<? Nacliträge von G. Die 
Nachtriige von D sind in dieser Beziehung durchaus gleichartig. 

*• I, f. 27' (Kuchel). Lrfratur cedula novonim frcisatzonnni in iHto lihro 
non scriptorum. Mitnnt«!r sind Zettel, wolche von D b&schriüben sind, 
zwischen zwei Blätter eingeklebt, m im ättjuerbuch zwischen f. 22 
und 83 und swieehen f. 44 nnd 4A. 

** I, f. 46*. Tide eednlam eolononim plebani in Abtenan et eoribe. II, f. 6. 
Vaeet niqne ad tele tif^nnm nnd Tide cedulam alionun frosaszonnm bic 
incluBonim cum tali signo signatam. II, f. 6'. Vacat usquc ad finom 
folii hnius et nota, quod infrascripti sunt notatt in nova ceduia auno 
IMCCC)L2CXXL II, f. 22'. Bio iuceptum et «liter scriptum osque in tele 



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502 



wir niebt sicher, doch erscheint es nicht wahrscheinfich, dt 
wir ans dem An&nge des 15. Jahrhunderts ein Zeugnis haben, 
daß die Steaerbttcher noch zu NachscUagungenbenUtat winden.* 

Die Steuerbttcber orientieren uns also aber einen wichtigen 
Abschnitt der Salzbnrger Stenergesehichte. In den folgenden 
AasfÜbrungen werden wir au aeigen haben, welch bedeutnngB- 
▼oUe Schlosse sich aus ihnen ziehen lasseui hier war es ans 
nur darum au tun, ihren Charakter, ihre Entstebungsart und 
ihre Verwendung daraulegen. 

Für das Viaedominat Leibnitz sind wir durch das Urbar 
▼on ISSÄ** und die Steuerrechnuni^ von 1371" unterrichtet. Im 
Urbar erfolgt dio Autzeichnmig der Steuerleistung nur nelx n 
hin. Am Anlani;' jedes Amtes wird auch die Steuer envalmt, 
oft aber nicht einmal ihre Höhe angegeben. Eine spezielle 
Stcucrleistnuf^ wird nur für die Suppanc vermerkt, aber aueh liier 
meistens oiiiie Angabe ihrer Uöhe.^^ Das Steuerbuch von 1371 

ligmun. Uf t 68. Vid« cednlun «teure fori in Cell et ecribe hie. lI,f.fiS. 
Vide cednlem tali dgno aignetam et seribe. 

* Zwischen I, f. 46 und 46 ist ein Zettel l iutreklebt, auf welchem eine 
Hand vom Anfanp los 15. Jahrhunderte schreibt: »Honorabilis «limine 
Ruperte Als cu voroialn mein herr von sant Peter flei^jiklcic h bitten 
hat, bayssu, das ir bes&cbt in den registern, was sein binders&äf der 
KatipftdUer aas der Abbtensu lehuldig sey iarleich m gtibm far die 
leifaetear, wann er yenaeynt, er heb vormata oye mer ^ben dann XV 4» 
«wer ftber ioUtehs herkomen und redtt wil der richter daselbt von ym 
haben XX ySi . Doch wye sich tinndet in den allten registern, da beleibt 
es pUlichpii bey'. Ani1rc;ts Cbatzpuhol ist auf f. 45 unter den Freisa&äeD 
von Abteiiau von A mit "20, von V) mit 1 T) ^ veranlagt. iJcr Zettel iit 
daneben in das Steuerbuch eiugoklebt. Die alten Kogister, auf vvclebe sich 
der obige Schreiber besieht, sind also die Steuerbücher. Lange naebD 
kann obiger Zettel nicht gewhrieben leln, da die Anlage ron D in dak' 
•elben noeh herangeaogen wird. Trotadem seigt er, daß anch nach D 
kein anderes St^-inM-huch vorhandfMi svar, als das uns TOrliegende. Ab 
Anfang des 16. Jahrhunderts dürfte die ordentliche Steuer schon ihren 
öffontlich-rechtnclifTi Charakter verloren haben Daraus crkl.nrt neh arifh 
der Irrtum, daii die Steuerbücher zur jSachschlagung für die gnmdhcrT- 
liche Leibsteuer benUtst wurden. 

** Siehe o. Anm. 6. Vgl. darflber Meli, Die mittelalteriiehen Urbare und 
orbarialen An&eichnungen in Steiermark. Beiteige aar Knude itaia^ 
märkischer Geschichtaqnellen 26, S. 35, 86. 

" St.-A. cod. snppl. 1057. 

Als Beispiel >rrhv \vh hier die urbarialen Aufzeichnungen für «la^ Amt 
Leibnitz. Aniu» tlomini MCCCXXII eonseripta sunt hcc, (pir pi rt ueiit 
ad officium vicedominatus Leyboacacnsis pruut inl'erius continetur. CeniO:» 



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unter dem Titel: ^liepstram steure viceduminatus Leibniceiisis 
de anno LXXI"'^'' enthalt die »Steuerrechnung'en von Rann 
f. 2 (Auiio domini MCCCLXXI steura civitatis liayn und f. 4' 
steura predii in Kayn), Urbaramt Pisehdtz (f. 10'), Markt und 
ürbaramt Lichtenwald (f. 12'), Llrbaramt Leibnitz samt den 
Dörfern um Graz (f. 23), Markt und Urbaramt Landsbcr^r 
(f. 23') und Urbaramt Pettau [{'. '24). Von Stadt und Markt 
R«inn, ürbaramt Bischetss und Markt und Urbaramt Lichten- 
wald werden auch die Einzelleistungen der Steuerzahler an- 
gegeben. In den Städten werden sämtliche Einwohner, auch 
die Hintersassen der Geistlichkeit und Ritterschaft, auf dem 
flachen Lande jedoch nur die erzbischöflichen Urbargüter ver- 
anlagt. Diese sind nach Gemeinden eingetragen und beginnen 
stets mit der Steuc^rleistung der Suppane. Flir die übrigen 
Amter werden nur die Stenersnmmen der einzebien Gemeinden 
angegeben. 

Die Steuerrechnung des VirodominatB Fnesach von 1398 
AiiguBt 14^ enthalt die Stenerleistungen der Amter Windisch- 
Matreii Stall, Sachseoburg (Markt und Urbar), Omttnd (Stadt, 
FreisasBen, Urbar), Langau (Markt Tamsweg^ Urbar, provin- 
cia), Bajerdorf, Pohnsdorf, Layanttal (Markt St. Andrtt und 
Urbar), Markt Lavamund, Altenhofen (Markt und Urbar), Stadt 
Friesach und Markt Nenmarkt. Es werden lediglich die Gesamt- 
summen der Steuerleistangen der Städte und Märkte und des Urban 
auf Grand von Spezialregistem verzeichnet.'^ Ober die Special- 



fori . . . don. nov. Grecz. inarc. 111; iudicium et muta . . . den. iiov. 
Grecz. marc. XL; pons . . . d. u. Gr. XVI; steura fori secuuduui civium 
faimltatemi item «tetur« predii Metmdiim eolononmi fiMaltstem. . . . VUU 
Obei^eUa hübet hohes XXII, hemm suppaniu habet dnoe, de qnibus 
eenrit Tieedonuno agnom nnnm «d den. Y. etc. et iteoram comnnem. 

Pepier, 80X18 «mt 32 BiAtter in einer Ijage geheftet. Von einer Hand 

beschrieben bi4 f. 82, f. 23, 24 Ton einer z\\rit(>n gleichzeitigen Hand, 
^^.>l( he in dem 7on der ersten geschriebenen Teil anch die änauniening 

einträgt, der Kfst unbeschrieben. 
•* St.-A. Urknndouroili-', Papier, 5 Bliittcr. Siehe Anm. 12. 

•* Primo iu otiicio Matrey. 8aninia secundum registrum aquil. marc. CCCXXI 
vcruu. libr. Uli et dim. Item steura in Stall. Suroma aipi. XL miuuä 
den. XL. Saebsenbnif. Item steura fori Sachsenbnrg. Snmma aqn. m. 
XXym den. XL, stenra nrboris aqn. m. XXII, den. X. Gmftnd. Stenra 
urboris aqu. m. LXXX VIII den. Uli; steura freysezzonuni aqn. m. XXXUU; 
stenra civitatis Qmftnd aqn. marc. XXVI den. XXXV. . . 



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504 



leistungen erfahren wir Einzelheiten nur aus dem Verzeichnis 
der Ausstände, aus welchen hervorgeht, daß nur in Lungau 
neben den erzbischöflichen Eigengütern die Hintersassen der 
Gcistlielikoit und der Ritterschaft, in den anderen Ämtern mit 
Ausnahme von Windisch-Matrei, Stall und Gmünd nur dk 
erzbischüÜichen Urburgüter versteuert wurden.^* über die droi 
genannten Amter ist aus der Steuerrechnung nichts Näheres 
zu erfahren."* 

So gut wir über das Steuerwesen Salzburgs im 14. Jahr 
hundert unterrichtet sind, so spärlich sind die QaeUen im 
15. Jahrhundert Ftlr das Kernland haben wir, was die erz- 
bischöflichen Steuern betrifft^ außer einigen Urkunden ond 
dem Urbar II, welches um I40P angelegt ist, kein MaleriiL 
Letzteres war das ganze 15. Jahrhundert im Gebrauch.** Für 
unsere Zwecke hat es wenig Wert, da es dieSteuereintragUBgen 
des Urhars I gans sklavisch übernimmt Diese Gleichheit der 
Steuereintragungen geht aber nicht etwa auf eine Fixierong 
der Steueransätse aurttck, denn das Urbar II ILbemimmt ohne 
einen Unterschied zu machen nebeneinander sowohl die ur- 
sprünglichen Eintragungen des Urbars I, welche» wie wir aus 
den Neuanlagen in den Steuerbilchem entnehmen können, längst 
nicht mehr der Wirklichkeit ent^rachcn, als auch die EorrdE* 



* Provincia in Langau. Item deficiunt in hominiboi abbatifl saiicti Lam- 
berti . . ., item homines domini Liechtenstein . . ., doniini Uhid 0t 
Adams de Wcisspriach . . ., hominos jirepositi SaltJtbnr^enHiss ... Zu 
dieiiur Annahme verleitet uns nicht die Bezeichnung , urbar aliein. Diese 
könnte man cveiitucil auch mit , plattem Land* übersetzen. TatsächUdi 
enieb«iiieii aber auek in den W«Uittea«rr«Nshnungen von 1442 mid 146i 
in diesen Ämtern nxa die enbiiehllfllelien Urbarlente veruilagt. Daß 
unter ,nrbar' »neb die fremden IßntenMMen auf dem platten Lande be- 
zeichnet werden kSnnen, beweist dn<: Steuenreneiehnis de^ Amtes Gmiind 
iii >\rr Wi:'ih.>;tenerreehnun«3^ von 1-142 f IH (,Stenr.i snb.'^idinsa inclosa 
cornnnini uiharis Gmund'), wo auch Güter geistlicher und weltlicher 
Grundherrn wie des Domkapitels, dos Propstes von iSuben, der Weit- 
priacber veranlagt werden. Ans der Stenenrechnung toq 1199 kQpaea 
wir dief nicht erseben, da ja die SpeeieUeistanipett darin nicht veneidiael 
wurden und eur Eintragung von Aumtlnden eben in dieeen Intwe 
Icein Anlaß war. 

** Windi«Gh-Metrei und Stall werden einfach offida genannt (Anm. 61). 
•* Wie Eintragungen ans den Jahrein 1428 (f, 83*), 1441 (f. 19), IUI (f. 30*} 
und 1499 (f. 1) beweiaen. 



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505 



turen. wolt he diese durch D eriuiiren.^^ Der {iruiid dieser Er- 
scheinung liegt darin, daß eben die Steuereintragung in den 
Urbaren nur nebenhin erfolgte. Dieses Urbar hat also kaum 
die Grundlage der Steuererhebiuig im 15. Jahrhundert gebildet 
Wie wir später nachzuweisen trachten werden, wurde die 
Steuer im 15. Jahrhundert grundherrliche Pertinenz, wurde 
also auf die landeafUrsthchen Eigengüter beschränkt. Es kann 
auch fllr diese ein eigenes Steuerregister bestanden haben,^^ 
wahrscheinlich aber wurde die Steuer samt den anderen gmnd- 
herrlichen Diensten nur in die im 15. Jahrhundert neu angelegten 
Urbare eingetragen.'^ Fttr die Amter des flachen Landes kommt 
noch das Zins* und Steuerbuch des Enstifites Sakburg von 
1463 im Reichsarchive an Mflnehen in Betracht, in welchem 
die Steuer schon durchaus ak eine grundherrtiehe Pertinenz er- 
scheint Hersasusiehen sind ferner auch die Aufseiehnungen, 
welche uns tlber die Steuer der Grundherren im 15. Jahrhundert 
unterrichten, so die Urbare der admontischMi*' und chiem- 
seeischen Herrschaften.** Fttr die Steuer in den Städten und 
Markten haben wir auch im 15. Jahrhundert keine registerartigen 
Aufzeichnungen. 

Etwas besser sind wir für die steirischen und kärntnischen 
Enklaven unterrichtet. Iiier tr;it keine Änderung im Umfange 
des erzbischöflichen Steucrerhebungsrechtcs ein. Wie im 14. wird 
auch im 15. Jahrhundert die Steuer in den Städten von allen 
Einwohnern ohne Rücksicht auf ihre grundherrHche Zugehörig- 
keit, auf dem platten Landf nur von den erzbischoriichen 
EigcufrUtern gezahlt.'** Falhv* ise wurde die ordentliche Steuer 
in den Enklaven zusammen mit der Weihsteuer, der vSteuer, 
welche der Bischof zur Deckung der Kosten seines Kcf^aerungs- 
antrittes erhob, veranlagt. Die Weihsteuerrechnungen des Vize- 

Im Urbar i, f. 188if. (Steaerverzeichnis des ZiilerUlä) trä^^t D die pau- 
steura nach. Urbar II, f. 166 ff. flbemimmt beide gans anverändert. 

** Auch die Orandherren legten eigene Stenenregliter an. 1463 Befbtram 
preporiti (tob Admont) in Friti. 6t*A. eod. rappl. 819 f. 1. Yemerkeht 
dy paustenor in der Frita. t 18. yennerkoht die panftenr im Pongeu. 

« Vgl. Anm. 163. 

Urbaro von c. 1400, 1453 Januar, 1476, 1530 Marz Ii, 1548, 1566, 1676 
Mär/. 21. 8t.-A eoHd. suppl. 811, 812, 813, 814, 815». 821, 822. 
1486 — 1495. Urbar der ChictnseeUchen Herrschaften. Notizcublatt der 
Wiener Almdemle 7, 882 ff., 8, 18 ff. 
** 1448 Urbar der Hemehaft Liehlenwald. St-A. ood. enppL 864. 



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506 



dominatfi Frieaaeh von 1443 und 1453^^ bieten uns dftW aiieli 

eine Quelle für die ordentliche Steuer, deren Wert allerdin«,^ 
dadurch beeintrüchtic;! wird, clnß in der Anlage dio ordent- 
liche Steuer von der Weili.slcucr nicht gotrcnnt ist. AAo diese 
Aufzeichnungen haben, wie auch die verein zelttii XucLnchten 
aus dem IG. Jahrhundert,'* für uns nur insofern Bedeutung, 
als sie uns einige, wenn auch nur mit Von^it ht aufzunehmende 
Rückschlüsse auf di»' Oostaltuntc der ordentlichen Steuer, so- 
lange i^ie wenigstens im Kcrulaiide Salzburg noch landesherrlich 
war, gestatten. 

Die ordentliche Steuer tritt uns also im IB. Jahrhundert 
als fertiges Gebilde entgegen. Ihre Entstehung uud rechtliche 
Grundlage zu erkläroOi bietet bedeutende Schwiengkeiten. Die 
herrschende Meinung nimmt einen engen ZusammenliAiig der 
ordentlichen Steuer n it den Grafschaftsreehten an, welche aadi 
tatsächlich für viele Territorien quellenmäßig begraadet e^ 
Bcheint.^' Dieses Resultat hat man jedoch alkusehr su ver- 
aUgemeinern gesuclit und es haben sich schon Stimmen erhoben, 
welche seine allgemeine Geltung auf Grund wichtiger Argumente 
anzweifelten.'^ Auch wir werden uns für das Territorium Saiabuiig 
zu einer Modifikation der herrschenden Meinung entschließen 
müssen. Gerade beim Erzstifte Salzburg muß der lokalen 
Rechtsentwicklung ein besonderes Gewicht eingerftnmt werden. 
Die Gesamtheit der erzbischi^flichen Herrschaften zerfiel in drei 
Hauptgruppen, die eine das heutige Herzogtum Salzburg samt 
angrenzenden, jetzt zu Bayern, Tirol, Eitmten und Obcrüsler 
reich gehörigen Gebieten, die zweite die Enklaven in Kftmten 
und die dritte die Enklaven in Steiermark umfassend, alle drei in 
der Verwaltungsorganisation des Enistiftes irtthzeitig gescldeden. 

Sldie 0. Anm. &. 

** Siehe Anm. 68. 16iÜ— IMO Vo^^nch der HenwOiaft Wi)d«a«ck, 

154>— 155;^ Vo^rthuch von Wilde&eck, 1544—1564 GültcuT«r«eieliiiii 
von WiUlcDcck, 15G3— 1573 desgl., 1663—1678 defgl. QL-A. eod. lappl. 

802, «01, HÖR, «(»9, 9 10. 

Ich verweise iüur aut tlio Literaturaugabuu bei v. Below, Ge.scbu'ht* der 
direkten fstaatsstoucrn in Jülich uud Bcrp. Zeitschrift des bt i^ischea 
OeschichtoTereiiief 86, 6, Amn. 6 und Kogl er, Dm UndcefiHistUchc tÜenc^ 
weson in Tirol, Archiv fUr Ssterreichiache Geadiiehte 90, 4$6ff. 
*^ idchnlte, H«bsbttrg«r Stndien II. II. die &iettenrer&flning and dait Eip»- 
gtit. Nntteilimgen des Inttitats für Seterreiehische QeeehicliteforMiiWifr 
f. b'iiS. 



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507 



Wir haben also altbayri'^clu .s HtH-litsgcbiot neben v.m Kolonisten, 
Ja teilweise noch von t>laven bewohntrm T.and, Aljx nland neben 
Flachland, ein geschlossen dem Krzbischof als Landesherrn 
unterstehendes Gebiet» neben ringsum von der Machtsphäre 
anderer Landesherren umgebenen Enklaven, welche naturge- 
mäß in ihrer Entwicklung von den Einrichtungen der Nachbar- 
territorien beeinflußt werden mußten. Bei all dem muß auch 
die Eigenschaft des Erzstiftes als eines geistlichen Territoriums 
berttckaichtigt werden. Die folgenden Ausftlhrungen bi unspru- 
chen keine allgemeine Geltung, sie beschränken sich darauf, 
die mutmaßliche Entwicklung allein für Salzburg darzustellen. 

Schon bei der Besprechung der uns zu Gebote stehenden 
Quellen konnten wir, was die Ausdehnung des erzbischOflichen 
Besteuemngsrechtes im 14. Jahrhundert betrifiti sehen, daß das 
gesamte, demselben unterliegende Gebiet in zwei Gruppen zer- 
fläUt, in eine, in welcher der Erzbisehof die Steuer nicht bloß von 
seinen eigenen Hintersassen, sondern auch von den Hintersassen 
der Geistlichkeit und der Ritterschaft, also als öffentlich-recht- 
liche Abgabe erhebt, und in eine zweite, in welcher bloß die 
erzbischt^ßichen Eigengüter seiner Besteuerung unterliegen. Zu 
der ersten Gruppe gehören einmal alle in der Steüerrechnung 
von 1284 und in den Steuerbttchem von 1350 veranlagten 
Propsteien, ferner die dem Vizedominatc Friesach unterstehen- 
den Ämter Lungau,'*' Windisch ^latn i, Stall, Gmünd samt 
Kroms und Raucheukatäch^^ und sämtliclie Städte und Märkte^ 

*' In Anbetracht des Umftandes, daß ein bestimmter Hinweis anf den 
Beditsprund der Stenererbebnng in nnserem Territorinm fehlt und die 
freien Bnnerngtlter in Salzburg in der in Frage koiunicndea Zeit gans 
xurücktrotcn, muß die Einhebung der Steuer von den Hintersassen der 
OpjfitHchkeit und der Ritterschaft als das Hauptrrirrkin.il für di n Cha- 
rakter der ordentlichen Steuer als einer iJflfentlicli-rcchiliciit n Alij^abe 
dienen. Wir verhehlen uns dabei nicht die Müglicbkeit des Einwände», 
dafi ja anch in Territorien, in welchen die Steoer nniweifelhaft OffentUeh- 
recbtKche Abgabe war, die ordentlittbe Steuer oftmals von diesen Hinter- 
sassen nicht erhoben wurde. Tatsächlich decken sich die Gebiete, in 
welchen die ordt^ntHche Steuer von denselben i-rhoLcn wurde, mit den 
Oel/ii^tPii, in welchen der Erzbischuf die volle Territorialholieit erlangte, 
.-40 ^euau, daii wir einen Zuaaiumenbaog zwischen beiden Erscbeiiiuugeu 
nicht abweisen können. 

^ Sieh« o. Anm. 68. 

^ Ans der Steaerrechnnng von 139S August 14 geht dies nicht hervor. 
In den Steuerreebnnngen von 144S und 146S ersehnnen im Gerichte 



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508 



nicht nur im Kronlande Salzburg, sondern auch in Kärnten und 
Steiermark.'« Was die in den Steuerbüchern nicht crenannleD, 
zum späteren landesherrlichf u rtTritorium Salzbur«; c,'eh5rifren 
Gebiete des Salzburg- und ChienjL'.tiit ^ betritit, so dürfen wir sie 
nach ihrer ganzen Entwicklung zu dieser Gruppe rechnen. 
In allen übrigen salzburgischen Herrschaften, in den Enkla- 
ven, weiche im Machtbereiche der Herzoge von Österreidi und 
Bayern lagen, erhob der Erabiachof die Steuer nur von seinen 
Urbarlettten.^* 



Stall die Colon! domiui plebani (cod. suj)pl. 1057 f. 2) im Amte Gmünd 
die Hintersassen des Domkapitels, des Propstes von Subeu, des Leuben- 
eckcrs, Weißpritchers, Reisperge» etc. (f. 22) veranlagt. Kaucht nkatach 
uud Kreiuä werden hier nicht verrechnet. Dafür erscheinea in der 
Luidflteaemehniiiig ron 1446 (eod. iiippL 1057 f. 57} in beideo latm 
HinteiMafleii 4er BittendMÜ veranlaget. FOr Wiadifeh-Matiei fMm 
diese Hinweise, doch gehörte dieses Gericht stets zn dem Qetnete, ie 
welche der Encbischof die volle öffentlich-rechtliche Gewalt hatte. Im 
16.Jabrhundert wird die außerordentliche landständischc Steuer regelmißig 
auch in Windisch-Matrei erhoben, so daß wir sicher (»ein können, daß 
hier die ordentliche titeuer öffentlich-rechtliche Abgabe war. 
*• Vgl. Utk. von IHl Juli-September, Anm. S. 1827 Juni 3. Friedridt» 
Kommentar nod die denteelien Henren m Frleaaoh nrknndea ftber mehnre 
Ihnen vom BmbiMhof Friediidh verliehenen Gerechtiame. ,Und von ent 
offent er nu nnd vei^iht er tins, das an ^er «ettten in dendbn 
strazzen, als di prukk sapt, von dorn eiechaus und der weg' sj^c^en d«»r 
mul von der C'hlatiuain ze tal, als verr di Heuser sind, uud ze der ;iii<leru 
Seiten von Admuntcr hofstat zc tal untz daz sich der cborherm von 
sannd Bartholomei aygen anheft, M>t er dehain Steuer nemen. Et sol 
«nch ftener nemen von den iwain hosteten» dl da gdegm ^d auf den 
garten, der von SdiOniga nnd leiner brader vater wart geehauft . . . 
8wer auch da sitzet der chaofmanschafl p^igt, da oder in der stat, der 
sol «ach dienen mit der stat mit steur und mit anndem sachen'. Sih- 
bnrger KammerbUcher. St.-A. cod. 359, 2. Bd.. S. 392, n. 'm. U-i9 
November 26. Erzbischof Friedrich befreit das Nuuucnstiü i\x istudcuiu 
von allen Steuern und Abgab»u zu Pettan. Macbar, Geschichte tob 
St^ermaik 6, S48. B^de auch angefthrt bei v. Hyrbaeb, Betteoenng 
der Oeblade nnd Wobnnngen in Osteraeleh. Zeltidirift Ar die gesimt« 
StaatawiMemohaft 40, 563. 1371 Steuerrecbnang des Viiedominats Leibniti 
f. 3* werden in der Stadt Bann die coloni Reichenbarger Friderici ver- 
anlagt. Nach den Sterierrechnunpren von 1452 erscheint im Stcn« r;inschlaf 
»1er Stadt St Andrii im Lavanttal eine steura exteriorum non habitaa- 
cium üuh douiiuio domini Saltzburgenais (f. d6). 
^ Dies gilt für den ganaen Yieedominat Leibniti. 1S80 Jnli 18. Friedrieh 
von Pettan versichiet anf alle Hechte auf die Stadt PMtan nnd eridirt 
,ac advoeaeie prediomm Salsburgeniiiim per Marchiam coUoeatis ««e 



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509 



Untersuchen wir nun die obigen Gruppen nach der Art 
der obrigkeitHc'hen Gewalt, welche der Erzbischof in den unter 
sie begriffenen Herrschutten ausübte^ so ergibt sich, daß die 
erste Gruppe mit den Gebieten zusammenfallt, in welchen die 
Erwerbung der vollen Landeshoheit durch den Erzbischof be- 
zeugt ist. Im grüßten Teile dieses Gebietes erfolgte dir-:,c durch 
die Erwerbung der Grafschaftsrechte, wie Richter l'iberzeugend 
nachgewiesen b&t.^^ Auch fUr die oben angeiUhrteu Herrschaften 

cobaoB eoniiid«m prediornm «liqno gravamine de eetero molMtabo. Ad 
h«e rtnimcio Uli inri, qmid um kab«ra eredidi in hoc, qnod feudi, qne 

a ▼asallie Saltzbargensu ecclesie conquirerem, deberent michi per arcbi- 
cplscopos sine difficultate couforri. Er orklürt mit der Burghut und dem 
Maut und Zoll der Stadt zufrieden zu sein. Nec cgo uec bcr»^dps inei 
de iudicio civitatis vel iustitutiouibus et destituciouibos prediurum, of- 
ficiorum locacionibas nee eeiam de «tewria a«t aliis qnibascaouitte ad 
im Tel dominittm ardüepiaeopi pMrtiaeatibns parlem aliqvam prelezta 
im» Tel eonraetadlikia feqniremiis*. Ong. 8t.-A. 1886 Desenber 18. 
Friedrieb von Pettau IlberlSßt dem Erzbindiof 14 ZeheuthOfe und 
2G Dörfer im Vizcdominat Leibnitz. . . Deeimatores eciain colonos in 
cnriis dccimalibus vcl in villi.H per rue resigiiatis et residcutes nunc vel 
in futurum ego vel beredtes luei exaccionibus, pernoctacionibits, vec- 
taxis aut «^uocumque alio gravamine sicut et residentes in aiiii» ecclesie 
prediia auIUteniie moleetabo. Orig. 8t.-A. Weiteis «ffaellt dies am den 
Stenerreebaaiigeo. 1322 Urbar dei Yisedominaia Lelbnite (Amt lUeib* 
nitz). Steora predii »ecundum oolonorum facultatem. Ntehts deutet 
darauf bin, daß auch nicht erzbiscbofliche Hintersassen veranlagt 
worden seien. EbeiT^-» steura predii Pettau, Liechtcnwald steura 
|ir» ilii etc. Dasselbe lie.sultat ergibt die »Steuenecbuung von 1371 und 
das Licbteuwalder LJrbar von 144b. Als Anlagegruppen erscheinen inuuer 
Stidte und MXrkte and Urbar. Zu demselben Besnltale kommen wir 
flir die mmsten Ämter des Yisedominats Friesaeh. In den Stenerreebnnn- 
gen Ton IWS, 1442 nnd 1452 weiden nur in den Ämtern Loni^an, Gmttnd 
und Stall die fremden Hintersassen voraulagt, in Rauchenkatsch nnd 
Windisch-Matrei ist die Steuer ebenfalls üffentlicli-rcebtlicli. Anm. 77. 
Für Niederösterreich sind wir durch zwei Urkunden unterrichtet. 1369 
November 11. Friedrich Eat verpflichtet sich, von den erkauften 4 
Gülten auf Gartenland an der Traisen (Amt Traismauer) dem Erzstift 
eine Steuer an reichen. Orig. St.-A. 1445 Mai 80. Barbara, Friedrichs 
des Fleisebaeker weil. Tochter, gesessen an Traismaner n. a. Oenannte 
Terkaufen dem finbischof Friedrich ihr Burgrecht, HaoS and Hofstatt 
7.n Traismaucr, wovon man dem Erzbischof bisher zu Burgrecht jährlich 
40 ^ , zu Bischof^<«teuer 35 ^ und zu VogtBtetier 20 ^ gedient hat. 
Notizenblatt der Wiener Akademie 3, 353. 

Eduard Richter, Untersuchungen zur historiscbüu Geugrapiue des ehe* 

maligen Hoehstiltes Bslabnvg nnd seiner Naehbaigebiete. Hltteilnngen 
des Instituts Ittr Ssterreicbisehe Gesebiehte. Sr|b. I, 690 iF. 



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510 



am südlichen T«uernabh«iig, welche Richter nicht in seine Dar- 
stellung einbeeog, erscheint dieser Entwicklungsgang wahrschein- 
lich. Fttr Windisch-Hatrei ist die EWerbung der OnSuhah 
hinlänglich bezeogfc'' ttnd auch, was den Lungau betriffly vt die 
Ausbildung einer nnumschrtnkten Landeshoheit s^a in früher 
Zeit wahrscheinlich.** Schwieriger ist dies bei den anderes 
Gerichten Stall , Gmünd samt Rauchenkatsch und Krems. 
Hier fehlt es uns ftlr die frühere Zeit an Material und wir 
müssen deshalb Nachrichten aus der zweiten Ha tto des 15. Jahr- 
hunderts heranziehen. Noch damals stand dem Kriibischof in 
Stall die volle Landeshoheit zu, was in einer Zeit, in welcher 
dieser sonst din meisten oberherrlichen Reehte an Osterreich 
einbüßte, von In sonderer Bedeutung ist.®* ( Jniünd samt liauchen- 
katseh und Krems**^ gehörten noch am Anfang des Jahrhunderts 

•* Ebenda »S. fi79. Errbischof Eberhard II. erwarb die Herrschaft Windifclh 
Matrei 1207 vou tleii Urattiu vuu Lechsigeuiüud. Die Erwcrbuagsurkuaden 
b«i Heiller, Begetten der Salsbuiger EnbiseliOfe S. 190, n. 96—99. 
And^ der Iftot des sehenden mannt. St.«A. eod. snppL 1067, f. lOS. 
Yennerkt die mmm der lenit in dem gericht Matray «nefa gram vad 
prelatea, pberrer ander edelleut hindor>n-;^pn. . . . Item am ersten die 
meiiiem berrn von SalczVmr^ otc. mit deiu \('\h t*tf. . . . f IOC. Vi^rmfr':? 
die behausten in dem gericht Matray iiiid des vou Ourcss laut mit dem 
loyb seind und siezen hiudcr prelaten, rittero und knechten ... f. lOti'. 
Vermerkt die behnnaten Im griobt Mntray nnd dee von Oorci lent nit 
dem leib seind nnd besiesen des von Gores gaetar. SSmdiehe «eidea 
von Salsbnrg veranlagt. 

Klcimayru, Juvavia, 437ff., ftWff. 1213 Mär« 22. Enbiachof Eberhard 
erhält auf seine Bitte vom KHnip Friedrich Tl. für das Enstift SaUbiiT 
,nnivf r'ä.'i's posscssione«, fjuaf habet iiuiierium iu provinciat quae Langow 
dicitur zu Geachenk. Meiller, 203, n. 146. 

** lAM. Ansleg der lent des seboaden manns» f. 109. Stall ansleg. Ver* 
anlagt werden anfier den Urbarlenten des Enbisehofii noeh die Hintcf* 
Sassen des ClllieiSt der Weißpriaoher, Panndoifer, Bosenheimer, Taao> 
hauser etc. 1466 Juni 15. Stall. Die Gr riohtslfute des Gerichtes Stdl 
vorst-liri ifu'u .^ich gegenüber Erzbiscbof Burkhard, daß .wir fUran keiner- 
IfV antViiin noch besainntlsse an wissen und bevrlmiss drr crerrK^Htfr 
unseren gnädigen herrschaft irer anwält, pfleger und auitlaut iticitt mcr 
haben noch machen sallen noch wellen, sondern seinen gnaden omi 
nachkommen als nnsem herm nnd landsDlfSten getreu, gehofsam naA 
gewKrtig sein als g^n nrbarlent» frensessen, inwonw nnd gHiehtdsat 
iren herrn und laudesfürsten an tbnen schuldig sein'. 

^ Gmünd, Rauchenkatsch und Krems fehlen im Aufgebot des 10. Mannte, 
was aber nur in der Unvollstnndigkoit unsere? Vfrieichni.sscs «eiE(»n 
Grund hat. Im ungarischen Kriege wurden sie von Kaiser Friedrieb IV> 



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511 



zum landesherrlichen Tcn-itoriuni Sa!zljur<,r spricht auch 
alle Wahrschcinhchkcit dafür, daß diu au das Kerniand angren- 
zendcii IJcziike am geeignetsten zur Aasbildung einer voll- 
kommenen Landeshoheit waren und wir, wenn uns auch keine 
direkten Anfalistitcl erhalten sind, annehmen können, daß hier 
der Bischof entweder wirklich die Grafschaft siechte erworben 
oder wenigstens jede andere öffentlich rechtliche Gewalt ver- 
drängt hatte. Auch in den Städten brachte es der Erzbischof 
zu einer unumschränkten Oberlierrlichkeit. Hier war die Er- 
werbung der Grafschaftsrechte lu^dil notwendig zur Erhmgung 
der vollen, unumschrUnkten üüentlichen Gewalt. Diese konnte 
der Erzbischof als 8tadtherr ohne Rücksicht oder geradezu im 
Gegensatz zu den Grafengewalten des umliegenden platten 
Landes erwerben.*^ Wenn der Erzbischof also in den Städten 
der Enklaven die Steuer als öffentlich-rechtliche Abgabe ein- 

eingceogcii und orst 1194 wieder ztirtlokf^ppobcn. Jnvavia, 375. Circa 1627. 
Der steur halben im lanntgericht ßauhenküu, so von Keruudteu darauf 
lu febUig«n «tnidenUnndaii wterd«!, igt kn. in«, firandtlkbt willen, aoferr 
g«Bielte naderthanen des lanndtgericlits Baaebenklitte von alter nye 
gMteoert» auch daaselb laiuitgencht nicht ins geilrk des lanndta Klmudteit 
ligt and begriffen ist, die angeslagen Steuer gnedigclich bis sa gueter 
bandlung . . . abzustpllen. St.-A. Sal/bnrgpr Akten, Fase. 4, n. 62. 
1528 Dczpinljer 24. Saltzburgi&ch claglibcU in den nidcrösterreichi.schon 
irruugeu und bescbwärnngon. Viertens: der berrschaft Gmand halben. 
DltM wti vor dmn «iigafiMben Kriege ,Ober mennaehengedaditnü in 
des atiflls Salcsbug lanndt and siigkb gelegen nnd mit der landsfftrs^ 
lieben obrigkait dem atiiR . . . vnderw<nfen* geweeen, die 4<uuidleat* der 
Hemeliafti die Tannhauser, Leubeneeker, Roseubeimer seien strts /ur 
salzburgisrhfn Landschaft erfordert worden, liier ntuli .der zchcutc 
mann in das vcld zu schicken' aui»pelost worden. Der Er:&bisciiot° hal)e 
stets die Landgcrichtsobrigkeit besessen. Ebenso in Kaucbonkatscli. 
Sk-A. Salibnrger Faso. 4. Erst dnndi den Vertrag Ton 1^ Oktober 96 
(abgedruckt Zaiuer, Corpoa iuris Salisbuigonsis 49 ff.) ging dem En< 
bisehof die Landeahokeit in diesen Beairiien endgUHig verloren. Darftber 
Näheres bei Bespreebnng der außerordentlichen Steuer. 
•* Richter, a. a. O. Ül'J, G7Ö, 082. Eine Hhnlicho Entwieklunf; dürfen wir 
auch für die sakburgisuhen Städte und Märkte in Steiermark und Kärnten 
anoehmen. 1211 Hersog Leopold VI. verzichtet zu Gunsten des Erz- 
bischofii unter aadamm anf dim advocatia fori in Leilniit«. Hmller, 
8. 900, n. 185. 1846 Oktober 8, Stadtreebt für OmUnd. Notiaenblatt der 
Wiener Akademie 1, 896. 1868 Stadtrecbt för Bann. Mudiar, Gescblcbte 
von Steiermark 6, 32B. 1381 Januar 7 Ordnung fHr Rann und Lichten- 
wald. Or\g. St -A. Vgl. darüber außerdem die Belege in Javavia 377 ff. 
Diesolbeti ließen sich noch vermebroD. 
Archiv. XCU. Uuaa. U. Hälfte. 38 



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512 



hob, sü kann dies keinen Gepenbeweis gregcn unsere Behauptung 
bilden, daß die Gebiete, in wcli hcn dtM- Erzbiscbof die ordcnl 
liclic Steuer als öffentlich recbtliclie Abgabe einhob, mit denen 
zusamnionfjillen, in welchen or die volle Territorialhoheit er- 
worben hatte. 

In den anderen Herrschaften in Niedeiöstcrreich, Steier- 
mark und Kärnten beruhte die erzbischöfliche OburherrUchkcit 
nur auf der Erhaltung der hauptsftchlich durch kaiserliche 
Privilegien erhmc^ten Holieitsrechte und der Exemption der erz- 
bischöflichen Eigengüter von der herzo;:^lichon Oewah. Yen 
einer Erlangung der vollen Landeshoheit durch Erwerbung 
der Grafschaftsrechte oder durch Verdrängung aller anderen 
öffenthchen Gewalten war hier keine Rede. Hier standen dem 
Erzbischofe bei dein Streben na eh der vollen Öffentlichen Ge- 
walt nicht einzelne Grafengeschlechter gegenüber, sondern mäcb- 
tigCi fhr ein geschlossenes Ländergebiet mit der obersten Gewalt 
ao^estattete Territorialherren, die Markgrafen^ später ITerzoge 
von Osterreich und Steiermark und die UorsBOge von Kärnten.^ 
Die Rechte, welche die ErzbischOfe vor dem 13. Jafaxhondert 
erlangt hatten und welche sich ans einer Snmme von Einsel- 
befngnissen zosammensetzteni blieben ihnen erhalten nnd worden 
ihnen durch Befreinng von der konkorrierendcn landesherrlichen 
Gewalt für ihre EigengUter gewlthrleistet'^ Über diese hinaus 
erstreckte sieh anßer in den Städten die erzbischOflicbe 
Kompetenz anf die Dauer nirgends. Alle ihre Rechte be- 
züglich der Gerichtsbarkeit^^ des Burgenbanes, des Hee^ 

HascnUlirl, Die südwestlichen Marken des deutschen Reiches. Archiv für 
östcrreirlnscho Geschichte 82, 482—518. Wahnschaffc, D«s Ucnsogtum 
Kärnten und seine Marken im 11. Jahrhundert. Kla^enfiirt !878. Eicbtcr, 
«. ». ü. 612. Dopsch, Die Kärnten-Kraincrfragc und die TcrritorialpoUttk 
der enlen Habsburger in Oiatemich. A. ö. O. 87, I ff. Hier «udi 4i« 
uiUleren Lilerfttoraiigabeii. 

" Vgl. die fJbersicht über die seit der Karolingerzeit erworbenen Recbts- 
titel in Juvavia 347 ff. Alle in Juvavia 377 ff. für den Besita der Landes- 
hoheit in den Enklaven g-r>rt'lu>non neli>g:i' ],•^^<•^<'^! skli unter obige .Anf- 
Stellung subsumieren. Iiier wie im folpoiiilou gehe, ich nur eine gani 
kurze Überaicht der wichtigsten Belege, welche mich zu der iui Teil 
aiugcsprocbenen Ansicht geführt haben nnd die rieh noch Ivedentcad 
▼ermehren ließen. Eine detailliertere Bec;rBndnng dereelben en^eint 
im Rahmen dieser Arb^t nicht mOglich. 

" Vgl. die Urkunden von 1278 Jüli 4 (8chwind-Dop-:ch, Ausgewählte 
Urkunden snr Osterreicbiachen Verfaisnufs> nnd Verwaltongigefclitcht« 



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513 



banucs'^^ und der Regalien**'*^ überschritten diese Grenzen nicht. 
Wenn die Erzbischüfc im Laufe des 13., 14. und 15. JahrhunderU 
die oberste Gerichtsbarkeit erwarben'^, so geschah dies Dur als 



ttt, n. 58), 1281 Mai 23 (Redlich, Regcsto imp«rit VI/I, n. 1295), 1330 
Mai 12(Mu<"l!'ir 6, 250), 13G2 Februar 8, BestÄtipang von 1281 M/ii 2a 
durch Herzog Kudolf IV. (Orip. St.-A.\ 1306 Mai 8 (Uuber, Bögest« 
iiuperü VlU, n. 4306), 1381 April 22 (Muchar 7, 21). 
"* Beide fibten die EnUi^4tfe fdion Iwiye vor der (Qr uns in Betracht 
kommeiiden Zeit am. Jamiam 1309 April 8. Friedrich IIL bewilligt 
dem Enbleebef ▼m Salabmg die Burf Fduudorf amsubaneti. ▼. Kronei, 
Landesnirstürhc lk!i''rl«<n und Stlode des Herzogtums Htcicr. Gras 
1900, 81. 1339 April 18. Uprro'r Albrorht von <">st»>rreich erteilt dem 
Erzbischof die Erlaubui«, den Markt St. Amini im Lavanttale mit M.iucrr, 
Wällen und Gräben umgeben zu dürfen. Urig. ät.-A. 14d(> An&cblag de» 
BdmteB Manae«. In allen Xmtem der Visedominate Leibnita und 
Frieeadi anfier Windiieb-Matrei und Stall werden nnr die enbisebOllleben 
Urbarlente wraoeclilagt Bemeiicenewert iit die Stelle attf f. 90*. Yer- 
mercht der Bejehenburgor lout und auch ander berrn loutt, die in dem 
'^rr'tcht, dan gen Lieohtenwald geluirtt, geeeaen nnt, die nicht im 
auslag sind. 

*** Juvavia 377 fl'., Unparteiische Abhandlung 241 ff.: Einleitung iu das 
ersatiftliche Sala* und Bergbauregal, 856 ff.: Einleitung in das Mttnxrecht. 
IH« Miabniglsehen Snftagane Gnric, dtiemeee» Sedian nnd Lavant emp« 
fiengen die Belebnnng mit den B^[alien ven Salabnig« r» fiebert Vom 

KeichsfilrstonsUnd WeiT. 1218 Oktober 26 Friedrieb II. regelt die recht- 
liche Stellung der vom Ei/.biscbnf von Salzburjf gegründeten Bistümer 
C'liicnisee und Seckau und bestimmt, ut, ai quis j)roce(lente tempore v«>l 
i.-a$tra vel ministeriales, monetas et thelonea, veciigaiia eciam, vel qua^- 
cunqne publicas functioncs pro salute animc sue eto. confeire Tolucrit, 
liec omnia de lioeat nomine regalittm pomidere et episcopi eomm a te 
et a toeeeisofibnfl tvii, qni pro tempore faerint» more faaaliornm ea 
recipiant. Schwind-Dopsch, AnsgowXhIte Urkunden 51. 
•* Die Erwerbung der obersten (Jericbtsbarkeit für ihre Tlerrsehaften b(>pfann 
schon im 13. Jahrhundert, war abi^-r noeh in der Mitte des lö. .lahr* 
bnnderts nicht abgeschlossen, während das Uesteuerungsrecht des Erü- 
bischufü in allen Enklaven schon fUr das 14. Jahrhundert aioher beaeugt 
tat Vgl. Uricnnden von 1977 Desember 9 (▼. Kronee» TerCuning 
nnd Verwaltung der Steiermark bis snr Hemebaft der Halwbnrger 
977, o. 189), 1817 August 94 Meinhard, Otto und Albrecht, Grafen 
von Ortonburg verkaufen dem Entbisebof Friedrich ihr Blutgericht zu 
Zel.saeh bei Priesach (Orig. 8t.-A.), 1318 Dezember 5 »lie österreichischen 
Herzoge verpfHnden dem Erasbischofe die Märkte Neumarkt und Arufels 
samt Borg, Urbar und Gericht (Orig. St.-A.), 1322 Weistnm Uber die 
Beehte des Srsstifls au Pettsu und Dentaeh^Landsberg (Biaeboff nnd 
SobSnbaeb, Steirlaehe nnd kimtnisebe Taidinge. Wien 1881, 408), 1892 
Urbar des Yisedominats Leibnits (a. a. O.), 1889 April 98 Albrecbt, 

88* 



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514 



natürliche Folge ihrer fixemption voo der landesherrlidten Ge- 
richtsbarkeit^ hatte aach weiterbio nicht die Bedeutung ftir die 
£rwerbiuig der Landeshoheit wie im altLu> rischen Beehlisgebiely 
da ja im Laufe der Zeit die meisten GrandherreD in dtesen 
Territorien die Landgeriobtsbariceit ftlr Ihre Eügengttter erwarbea. 
Seit dem 14. Jahrhundert ging die später anch von den I^uid- 
ständen unterstützte Tendenz der herzoglichen Politik dahin, sie 
auch in diesem Kompetenz-krcisc einzuschränken.^* Schon am 
Anfang des 15. Jahrhuiulerts begann ui:ui den Krzbischof wie 
einen laudöäösigeu Gi uudhcrru zu behandeln und verlangte sein 
persönliches Erscheinen vor der Laudschranne in Steiermark 
und Kärnten. Wt tlcr die Stildte noch die Ritterschaft der 
stcirischen und kärntnischen Enklaven mit Ausnahme der kärnt- 
nischen Orenzbezirke gehürtcn zu den salzbursrischen Land- 
Ständen, diese umfaßten vom Anfange an nur jene Gebiete, in 
welchen kSal/hur? die ( f rj^fsehaftsrechte erworben hatte oder 
diireli Verdriingung jeder anderen öfiFcTitliclien Gewalt zur vollen 
• Tcrritorialhoheit gelangt war.''^ Keine größere Ausdehnung hatte 
also auch das Besteuerungsrecht des Erzbischofs in den steirisch- 
kärntnischen Enklaven. Die wenigen Andeutungen, die wir 
Uber das Verhältnis des Erzbischo£i au den Landesherren 
dieser Territorien bezüglich des Besteuerungsrechtes im 13. und 
14. Jahrhundert haben, beschränken sich nur auf eine Be- 
freiung der saizburgischen Untertanen von der landesbeirlicben 

Horxog von Asterreich, verleiht dem Erzbischof fllr einige Zehenten im 
Mflnstale das Gericht iin Lavanttale (Orig. St.-A \ 1362 FL'bru.ir 18 Ifm^r 
liuUolf IV. verpfiindot dem Erzbischof dm LaudgoricLt auf dem Krapp- 
felde und zu Zoll, desgl. Albrecbt IIL, 136ä JuU 16 (Orig. SL-A.); de- 
finitiv kun d«Melbe ent 1468 Oktober SO «n fialsburg (Javavi« Ml}- 
NKher kVnnen wir aaf di«ae Yeriilltidiw oleht eiageken. 

*■ Vgl. Urkunden 1309 April 8 und 1339 A]ltU 18. Anm. 89. Auch ili? 
Notw eiulifrkoit der zahlreicheii Beitltigmigeii der 0«ri«btiir«iheil be- 
weisen die». Anm. 88. 

•• Cbmel, Geacliiclite Friedrichs IV. I, 30. Jaravia 2:54 ff., 301 ff. t Luscbin, 
österroichischo Keicli^geschicble 106, lü6, läi. Uertuauu, Ge<M:hiciite 
KXrat«nt n, 1, 264. 

Nfthores Ober die Zttummenfetntiig der aabbiugiMkeii Lradeebaft 

Besprechung der landstäudischen Steuer. VortSc^ neoa.« idi als Qoellen 
die Frkunilen über die Gründung des Igelbundes von 1403 (abgedruckt 
hoi Z.iniu r, Chronik von Sal/btu«; II, 12 ff.. Hübner, Beschreibung der 
ÖUtit Salzburg 258) und dii> Aus.si lirvibcn %\\ den Landtapcu in den 
Siebziger- nndAchtzigorjahren das 15. Jahrhunderts (St.-A. cod. suppl. llH}- 



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515 



Steuer.®^ Tatsächlich hob der Erzbischof auch nur von diesen 
die ordentliolie .Steuer ein. 

Zu (leiusflben Resultate kornmen wir in den Gebieten, 
"welche im Maclitbercicbe der Herzoge von Bayern lagen, im 
Zillcrtale, im Mühldorfcr Voit- und Propstgerichte, in Mattsce und 
in Wildeneck. Für das Zillertal sind wir durch eine Urkunde 
Herzog Ludwigs von Bayern von 1281 unterrichtet.®* Dieser 
hatte in den vorhergehenden Kriegen die salzburirischen Be- 
sitzungen im ZiUertale besetzt, stellte sie jedoch nach ilerstellung 
des Friedens wieder zurück. In der darüber ausgestellten Ur- 
kunde beb&lt er sich das ,ius comecie, quod vulgo lantgeriht 
dicitur', vor, verspricht dafür aber, den £rzbischof am Burgen- 
hau nicht an hindern und seine Untertanen nicht mit ,herbergis, 
Stiiiris ant vexacionibus' zu beschweren. Nach dieser Urkunde 
hat die salzbttrgische Oberhoheit im ZiUertale, tob der schär- 
feren Betonung der Landgerichtshoheit abgesehen, welche ja 
im altbayrischen Rechtsgebiete eme viel größere Rolle spielt 
als in Steiennark und Kftmten» denselben Umfang wie in den 
Oeterreichisohen Enklaven, sie bestand in der Freiheit von der 
OffenHiehen Gewalt ftr die erabisehOffichen EigengQter und in 
der Austtbnng eines gewissen Maßes Öffentlich-rechtlicher Be- 
fugnisse durch deo Erzbischof. Tatsächlich erhob derselbe von 
seinen Eigcngütem die Bau- und Herbststeuer ein.*^ Weiter 
auf die eigentOmliche Entwicklang im ZUlertalOi wo spftter drei 
Offentliehe Gewalten, die des Grafen von Tirol, des Herzogs 
von Bayern und des Erzbisohofs von Salzburg, konkurrierten, 
einzugehen, liegt nicht im Rahmen unserer Aufgabe. Dem Erz- 
bischof von Salzburg gelang es, seine anfangs beschränkten 
Iloheitsreclite zu einer geschlossenen Territorialhoheit zu er- 
weitern, auf Grund welcher dann die laudatändischc Steuer 
auch von den fremden Hintersassen, sogar von den Kigeugütern 
des Landesfürsten von Tirol erhoben wurde.^^ Im 13. und 



•* Urkunde KRnig Rndolf« I. li;T7 Mai 28 bei Redlich, Ror^psfa impcrii 
VI, 1, n. 7S0 Urkunden voa 1280 Juli 17 imd 1286 Dcv.umhcr lö o. 
Adid. 79. Zur iandütandischen Steuer wurde Salzburg ent in der aweiton 
lUlfte des 16. Jakrhanderts herangesofen. 

•* ItBl September 1 (JuvavU MS). Orlg. 8t>A. 

** Siehe Anm. 86. 

" Vpl (iher dae Zillertal auch Jlf^r, Die landstHndische Verfajwiing Tirol« I, 
S90ff. nndBgger, Die Bntstehang der Gerichtabuiirke Deatach>Tirols (Mit* 



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516 



14. Jalirliunciert aber scheint die Besteaerung noch auf die » 
bieeliOflichen Urbarguter beechrttnkt gewesen va sein,** 

Nocb unklarer sind die VeilUlltnine in den andern bay riadmi < 
Enklaven, im Mttbldorfer Vmt- nnd Prop8tgericlitey^<>* Im Ge- 
richte MattBee nnd in dem som bayriBchen Landgeridite Wilden* 
eck gehörigen Urbaramie Mondeee. Betrachten wir Torerst die 
Entwicklung im Mflhldoito Voit- und Propstgerichte. Dort haä 



tmluiigea de« Instituts für dsterreicliisohe Oeachichtsforschang, Ei^bd. 4, 
867 ff.). LaDdcMht im Zillflrtal«. 8l€^l und Tonasehek, fialsboigiiehe Tii- 
dinge 817 C In d«a Weih- nnd Landstenemebiiniigen des IS.Jäb* 
hnnderts eneh«ini stets das SKItortol v«r«n]«gt. 1482 Januar 21 Im»- 
brnck, Koplpr, Das landesfUrstHrhr St«n«rwes«n in Tfn»! I, «. a. O. 707, 
n. IX. 148G — 1495. Urliar dos Histums Ohirmsff». Itrm in vallc Zili^ru 
sunt iu<licia trium principum vidolicct doinini archicpiscopi Salt7.pb;ir 
gensü, ducis Georgii Havarie et dumiui areliiduciü Sigismundi Aaetrie ei 
Alhesis ate. Omnia predieta el ooloni episcopatns Qiiemensts dte snal 
«t eondstunt in dominio et indieio domini 8alteebnig«n^ . . . Nots, 
qvod ooloni prodieti ollioli Zilarit ad episoopaftam Ghiamensam speetaatM 
ot dominÜH dacnm pradietofnm consistentes tcnrntnr ad stenram pontifi- 
calcm, (|not5cn8cnmfjne novns cpiscopus eidem Chicnionsi eccle^io pref?- 
citnr, «ed c-oloni ouiadem CbiemcnRis «'pjfjmjiatiis infr.-^ rlnniini* roclf*;»' 
SaltzcbnrgeQäi» cousistentes teneotur, dumtaxat ex pactis novisstme faciü 
per rev. d. Bomardum archiepiscopum et rev. d. Bemardum, ChieaiMiwai 
episoopnm ad solncionem ttonra pontifiealis, qnnm prefieilnr nom 
arebiapiseopnt Saltaebnrgoniis eedasie et tanc itotm ewleni per dielaa 
d. archiepiscopam SaltseburgeniOD et ^kiaeopam duemenaem eqnalitfr 
dividenda f»»t ot cuililiet dominonim medirtas a^wifi^anda- Notizf-nMatt ^, 
IIS. ir)12 Oktober A Schrciljon des Landrichters zn Kropftib*>rjr 
obcrüsterrcichische Regiemug. St.-A., SaUburger Akten, Fa«c. 5. lä^ 
Januar 28 Vertrag swiseben Österreich und SaUzburg über die HellMt^ 
reebte im Zillertale. Orif. 8t.-A. Niherea bei Beaprechnng der luA- 
stindiscben fltener. 

** Daflir aprtdbt der ITnutand, daS allein vom Zillertale eine aniOhfück* 

Steoerreebnung in das Urbar au^enommen wurde, wUnend es ia dv 

StouerbQchern fehlt. Man schied daa Zillertal aus den Bczirkpn an«, in 
welchen der Ershischof die Steuer als fiftVntliche Abp^abe einh<>b, imi 
legte für die Eigcnpilter ein eigenen Vorieicbnis an. Dai5 dies bcwnlit 
geschah, erhellt aus folgender Notia im Urbar i, ü il'J [\mt Zell i» 
Zillertale): Item de corin in Helffsnttain . . . pro «leara et enxcaiii 
Teron. Ib. Vm, woan G bemerirt: Ittn Stenn non debet scribi ad f»- 
giatmm atoure. Man hatte ako die Absieht, ein Steuerveneiehnis assa* 
legen; dieses liegt uns tatsäehlich anf t ISSff. TOr und entiiilt nv die 
er7,bi«rbftflichen Ripeng-flter. 

Vgl. darüber Juvavia 412 fl. Unparteiische Abhandlung 269ff. und 
Richter, 011 ff. und sonst hfinfig. 



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517 



frühzeitig durch die Verträge von 1254 und 1275 eine Ab- 
grenzunfi: der obersten Gericlitsbarkcit zwischen Sulzburg und 
Bayern statt, wonach das .Mulildorfer Voit- und Propstgericlvt 
der obersten Gerichtsbarkeit Bayerns unterstand. Die Zukunft 
brachte darin koiuc nachhaltigen Änderungen und die Verträge 
von 1525 und 1527 legten diese Abgrenzung abermals endgültig 
fest. Auch hier sclieint Salzburg die ord*'nth*chc Steuer von 
seinen Eigengüiern erhoben zu haben, obwohl wir dies aus 
Mangel an Nachrichten nicht sicher nachweisen können. Die 
Streitigkeiten am Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts 
drehten sich nin die Heranziehung der erzstiftischen Güter und 
der Salzburgcr Diüzesangeistlichen zu einer außerordentlichen 
Steuer in Bayern, enden jedoch mit der Anerkennung der Steuer- 
freiheit Salzburgs. ^'^^ Für unsere Frage haben sie keine be- 
sondere BedeatuDg, da es sich hier nicht um landeshoheitliche 
Bechte Salzburgs in den uns interessierenden Gebieten, sondern 
um die Steuerfreiheit kirchlicher Besitztümer, um das ^kirchliche 
Freitum' handelt Auch eine Urkunde von 1362 betrifft nur die 
Besteuerung der salzburgischen Untertanen mit einer außer- 
ordendiehen Kopfsteuer.^<" Soviel geht jedoch aus dieeen Nach- 
richten hervor^ daß bei den außerordentlichen Steuern, welche 
im 14, Jahrhundert yon den bayrischen Herzogen erhoben 
wurden, die Steuerfreiheit der salzbur^schen Eigengttter gewahrt 
blieb. Von einem Besfeuerungsrecht des Ersbischofs selbst läßt 
sich erst in den Urkunden von 1376 Dezember und 1384 
Februar 5'*^ eine schwache Spur erkennen. Wie spAter bei 

Urkunden von 1^>83 Milrz 15, 1294 September 18 (Juvavia 235), 130Ö 
Spptember 1, l.m Mär^ 12 (Ürig. St.-A.), 1323 Mai 21 (Mon. Boic« 29, 
429if.), 1323 Mai 22 (ebend. 30/,, IUI). £s handelt sich hier um eine 
außerordentliche Steuer, was Kogler, 137 ff., bei Ucranziehujag dieser 
Streitigkeiten gelegentlich aeiaer Aiiif&hni]ige& ttber die Steuerfreiheit 
dee Kieme «i wenig hervorheht 

w» 1868 Oktober W. Orig. St A. 

1876 Desember G. In dem Friedensvertrage zwischen Bayern und Salz- 
hurp' (Kammerbüchor 8t.-A. cod. 359, 2, n. 786) wird bestimmt, daß 
küuftighin weder der Herzog von den salKburgischen Untertanen in 
seinem Territorium noch der Erzbiachof von den herzoglichen m seinem 
(hauptslohiich Im Lnadgerieht Tillmoning) eine Steuer nehmen lolle. 

^ 18M Febniar 6. Yertr^ ewieeheii S«]ibnig und Bajem, Kuomer» 
bfleher 9» 641 n. 804. Item nmb dy etener, dy man muff unser« herm 
von Selenbiurg tent leget umb das aelb mihi bayd hemehaft ir nrkund 
Ilirbringen . . . 



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618 

der Landsteaer, scheint anch bei der ordentlichen Steaer der 
Grandsats der Resipnaität niaßgebend Unwesen sn sein, wooaek 
jeder Herrscher die Steuer Ton seinen Eigengfitem in des 
andern Territorinm erhob.^^ TatsftehUeh eirscheanen auch die 
Amter des Propst- und Voitgericbtes in den Weih- und Land- 
steaerrechnangen des 15. Jahrhunderte and wird der Grund- 
satz der Reziprozität auch in einer Urkunde von 1431 mit klarer 
Beziehung auf die ordcnUiche Steuer ausgesprochen.*®' Nach 
dem Zins- und Steuerbuche der bal/lnn-^risehen Amter im 1 lach- 
landc von 14(33 hob der Erzbisclioi" im Voit- und Propstgerichle 
die Steuer von seinen EigeugUtern ein. In den Verhandlungen 

Dienr kommt M der mßerordanflieheii Steuer gmn* kUu nm Awdvuk; 

rlic (^onauoro Darlogong dieser KompeteUMtreitigkciten belultca irirttW 

fllr die Besprechung derselben vor. Die onlontHcho Steuer «pirlt W 
denselben nur eine pprinc'^ Rolle. In den genannten Urknndcn jclieiflt 
es sich jedoch um die (u'dentliche Steuer zu handeln, da nm dies« Zeit, 
wie wir später sehen werden, vom Ji^rzbiBchofe keine Außerordentliclie 
Btener erhoben wnrde. 
*** (14S7) Vermerekt der «nalcg d«r weieluteiier «nf die nechfaa^beB 
getAn . . . Item das ambt zu Mos . . . XX ü li^ das amht ze Altee- 
müldorff . . . CLXXXV tß ^, It mf den Wälden . . . CCXL (t ~V 
Ampting^ . . . T Xim, zu Mpplinp . . . XT.V, 7.n ^fittorgars . . . LV 
St.-A. l'rkundt [irr -In unter 1482 Weihet l ucrrcchnunf^en. 1446 Kegristron> 
steui'o seu subsidu . . . uobtlibus, militibus, civitAtibus, foris ot officio 
diveirfs prodefenslone eontra Ungane . . . impoaite et Petro OiUlingw 
magiatro camere ad eolligendom et perdpiendum eommbaia ^'k.caä. 
snppl. 1057). It. in dem geriohtin Mom. XVI ü At^^ '^^"^ ^^^^ era Altaa- 
Mttldorff . . . CLX, in dem ambt eae Ampfing . . . XLY, in dem nmb\ 
Meglin^ . . . XXX VUI, in dem ambt cio Mittergaras ... L, in dem 
ambt auf den Weiden . . . CCXX. 

1431 Juli 2*J V ertrag zwischen Saisbut^ und Bayern . . . »Aber von der 
gnmt, die dem von 8aloabiu;g in dem marekt la Mennaee zugchoran, toUaa 
die ol^melten bmger ma nmH vnaem eraten dhalner ateam noch anndcra 
mitleidnng nickt aohvldlg adln. Ala aach auf die nachgeschriben gntvt 
Von erst ein g^t zu Alteatal, do die zeit der Erl aufsiezet . . folgen 
eine Reihe von Gütern in den Ämtom auf den Waiden, Altonmnldorf, 
Tettelbaim . . von unsern wegen steiirm grelcgt und derselben guter 
ottliche in unser steuerpuch geschriben und doch die steaer davon nicibt 
eingenomen waa» anllen wir und vnaer erban tod denaelben gutem hiafiir 
dbain ateam nicht ay «ndb aua nnaerm atenrpndi tun und admiben 
lassen. Wir mögen auch die leibatenni TOn onsern aigenleuten, wo 4t 
anf des von Sahkabnrg gfitem siczent, nemen und der von Salcabarg 
die »tenrn von den gÄtern* und nmpckehrt. Orig. St-A. 
Zins- und Stenerbnch des £rasttft8 Salabuig von 1463. K. allgemcio« 
Rcicltsarchiv zu München. 



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519 



am Anfant^ des 16. Jahrhunderts, welche zur endgültigen Ab- 
grenzung der landeshoheitlichen Hechte in diesen Bezirken 
führten, wird der ordentlichen Steuer gar keine Erw-lhnimg 
mehr getan. ^''^ Was für das Zillfrüil und für die österreichischen 
Enklaven gilt, erscheint also auch für das Propst- und Voit- 
gcricht "wahrsriicinlich. Die crzhischönichort Kiixengütcr waren 
auch hier von der Steuer der Landesfürsten frei, unterlagen 
aber dafür der Besteuerung durch den Erzbischof. 

Was die Herrschaften Mattsee und Wildeneck betrifft^ so 
haben wir Uber die Verhältnisse daselbst wenig Nachrichten. 
Die Herrschaft Mattsee wurde erst am Ende des 14. Jahrhun- 
derts^ also kurs vor der Ümwandlnng der ordentlichen Steuer zu 
einer gmndhenlichen Pertinenz, Bestandteil des landesherrlichen 
Territoriums des Ersstiftes^^'^ Wildeneck erst am Anfang des 
16. Jahrhunderts."^ Die in der Herrschaft Wildeneck liegenden 
salsburgischen Eigengdter unterstanden dem Urbaramt Mond- 
see. Dieses erscheint wie auch Mattsee in den Weih- und Land- 
steuerreohnungen des 15. Jahrhunderte^^', außerdem war nach 
der oben schon zitierten Urkunde von 1431"' der sahsbnigische 
Grund und Boden im Markte Mondsee steuerfrei, so daß wir 
annehmen kOnneUi daß auch in diesen beiden Herrschaften Salz- 
burg die ordentliche Steuer einnahm. 

Wiederholen wir unsere Ergebnisse. Der Erzbischof von 
Salzburg erhob in seinem gesamten Immunitätsgebieto die ordent- 
liche Steuer, und zwar in den Gebieten, wo er die (irafschafts* 



*** rahent 4«rnb«r briiig«ii wir gclcgentUeli 4«r Bmptwihvag der anßer- 
ordeatlieliMi Stmw. 
Bichtor, 69S£r. 

Ebenda & 71« Aam. t. 

^ 14S7 sieh« Auuu tM H. du Mib« n Miniiiee . . . LX 4, in dem 
gerieht und ambt su Mattsee . . . CLXXX d ^. 1446 siehe Anm. 106. 
Horn in der pfleg und kastenambt czu Mattsce . . . CCXXXII 46 JSf » » > 

item in dem ambt czu Monnsce . , . L ^ . 

*** Sicbo Anm. 107. Der erste Vertragspunkt bestimmt: ,Da2 des benantcn 
von Öalcüburg burger in dem iBarckt 2u Mäuusee gesessen von der arbnit 
und gewerbe wegen, die sy mit andern bargern dasclbs habcu^ mitleiden 
and not tund nnaem erben itonem snllen, als von alter herchomen Iti . . . 
aber Ton der gmntt wegen, die dem TOn 8aleabni;g in dem marckt an 
Mennaee angeboren, sulIcn die obgemeltcn bnrgor uns und uneem erben 
dbalner stenm noch anndem mitleldnng niebt achnldig sein*. 



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580 



rechte erworbenhatte, von attmtlichen Untertonen^^^' in den ab^g«a 
nur von seiDen EigeDgütern. Für die firklänuig dieser £r- 
Bcheinung haben wir zwei Answege: Entweder bestand echoD 
vor Erwerbung der GrafBchaftsrechte eine Steuer^ welche im 
^'csamten Immunitätagebiete cingchoben worden war nndnack 
EIrwerbang der Graftchaftsrechte in den betreffenden Beairkes 
auch auf die firemden Hintersassen ausgedehnt wnrde^ odar 
die Steuer ward Überhaupt erst nach Erwerbung der Grafschads- 
rechte eingeführt. In letzterem Falle wäre dann die Steuer- 
erhebung von den Eigengütern in den Enklaven erst als eine 
Fülgecrscheiuuiig dur Exemtion von der herzoglichen JSteui-r 
anzusehen. Dies widerspricht jedoch der oben geschüflerteti 
Entwicklung. Ein Zusammenhang oder eine Analogie mit «lir 
Erwerbung der obersten Gerichtsbarkeit in den Enklaven ist 
ebenfalls abzuweisen, da der Erzbischof, wie wir oben (S. hlZ) 
gc/.eigt haben, erst successive im Laufe des 14. und 15. Jahr- 
hunik rts in den einzelnen Ämtern zur obersten Gerichtsbarkeit 
gelangte, während er das Besteuerungsreeht in allen Enklaven 
sehen iui 14. Jahrhundert besaß. Außerdem haben wir noch 
andere Gründe^ welche uns bestimmeUi uns der ersten Ansicht 
zuzuneigen. 

Im ganzen der erzbischdflieben Besteaening unterliegendes 
Gebiete wurde die ordentliche Steuer von den Urbarämtem und 
den Propsteien erhoben. In den Enklaven, wo Salsbnrgdie Landes- 
hoheit nicht erworben hatte, ist dies nichtB Oberraschendes. Hier 
war die Verwaltung sltmiliclier Einkünfte — mit Ausnahme etirs 



Wir sagen hier absichtlich ,dic Or«ftchcffeifcehte*, denn Im weitan« gtGßkm 
Teile dieiM TerritoHnma beruht die Landeahoheit dce Bnbiflchofii m( 
Enrerbung der Qrafschaftsreciitc. Mußten wir daneben Gebiet« aa- 

nehmen, in welchon wir eine solche nicht nachweisen konnten nrifl '^i«' 
Atisbihlnnp der üffentlirhen Gewalt auf das Zusammenwirken einer Ktiiio 
anderer Umstände, Fehlen oder Verdrängung anderer üflfcntlichuf ^i-- 
walten, Immunität und geschlossenen Ornndbesitx aarttcluaführen ge- 
swnngen warea, ao bilden dieae dceh nur die Ananahine van dar&a|Bt 
Daa endgOltige Eigebnia war Ja doch in beiden FUlen daaielhew Dai 
Ilauptkriteriura filr die Bonrteihing der Frage, ob die ordentliche Steaer 
iiiTentlich-rechtliche Abgabe war oder nicht, muß, wie gesagt, stet^ '^i'* 
Erhebung: von den fremden Hintersassen bilden, da der Stand der Fn'im 
in 8al7.burg .schun frühzeitig zurflcktritt nnd andere speziellere Nach- 
weise in den Quellen nicht zu finden sind. 



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581 



der aus dem Besitze des Bergregals sich ergebenden — den ihrer- 
seits wieder den beiden Vizedomiiiuten unterstehend en officiis 
zugewiesen/^^ Aber auch in den Gebieten, ■vvo der Erzlnseliof 
die Grafschaftsrechte besaß, erfolirte die Steu irrbebung nach 
den TJrbariiiutern.'^'"' Ein ^v^< litiger Beweisgrund, der für den 
organischen Zusammenhang der ordentlichen Steuer mit der 
obersten Gerichtsbarkeit angeführt wird, fällt also hiuweg.*^^ 

Diese erabiBchöflichen Urbarämter, meist officia, prcpositurae, 
Propsteien genannt, erstreckten sich Uber das ganze Tcrritoriuai 
Salsbnrg. Sie bestanden neben den aus den alten Qrafiichaflten 
Bicb entwickelnden Landgerichten, hatten aber oft einen gans 
anderen Umfang als diese.^^* So mofaeste die Propstei Thalgan 
die Landgerichte Wartenfele, Hflttenatein, Nenhans nnd einen 
TeO von Neamarkt, die Propstei ,Anßer-Alm' die Landgerichte 
Lofer, SaalfeldcD-Lichtenberg, Ranris nnd einen Teil von Tazen- 
hach.^^' In ihrer Verteilang Uber das gesamte Territorium 



Urbar dea Vizodominats Leibnitz. Anno dointai MCCCXXII conscripta 
mnt bflo, qne pertinent ad offiolom yicedominattu I^eybencsMuia (Amt 
Ldlmits) proat inferios eootinetar. Ceanu fori . . . den. nw, Grecs. 
mafeas m, indlcdmn «t mutä . . . XL» pou . . . ZYI, stenra fori ae- 

cundam civinm facultatem; item ttenra prcdii sccandnm colononim 
facultatcm. Folg'en sodann dio prnndhcrrlichen Einkfinfto. Item in 
Pcttovia civitas, quo servit steuram, item iudicinin civitatis solvit den. 
vet. marcas XL, folgen sodann die gmndberrliciien Einkünfte nach Ge- 
meiaden geordnet» Xknlieh dann aach die Anfiieiehnnngett fUr Dantich- 
Laadsbeigy die Beeitiaagea tun Gras, fflr Liehtenwaldp Bann ete. Der 
Uber pre^ia nrbore ecelesie SalsbtuipMiais in Bajm et LihtMiwalde yon 
1309 (St-A. cod. Sappl. 862) bringt nur die grundberrlichon Elnkflnfte. 
Wie ans der Stenerreclinnn^ von 1284 und den Steaerbttchem ans der 
Mitte des 14. Jahrhunderts unzweifelhaft hervorgeht. 
Below, Geschichte der direkten Staatsstenern in Jülich nnd Berg 1, S. G, 
Anm. 6 nnd S. 52. Die Literatar darflber bei Kogler a. e. O. 
Dies lehrt icbon ein geni obeffliehlioher Veigleieh der in d«r 6tener> 
reehnmig toh 1S84 nnd in den Stenerbttcbem nnd dem Urbare ans der 
liitte dee 14. Jahrhunderts genannten Ämter mit den Landgerichton, 
deren Grenzen, was die Landperidite ,außRr ndiirg' lictrifft, von Richter 
genau fostp^estellt 5ind. Die Grenzen der übrigen Landgerichte, dto ja, 
wie Hiciiter uauhgewiesen hat, stets nnverändert blieben, lassen sich 
nach Juvavia 419 ff. leicht bestimmen. 

El wire an ermttdend, hier die genane Yergleiehnng, welohe idi nach 
den genannten Hillkmitteln swiaehen den officiis nnd den Landgerfehten 
dnrehAhrto, im einzelnen dem Leser vorsnlllhfen. Ich bringe hier nnr 
die angenAlligsien Verschiedenheiten. 



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522 



Salzburg iMsen sie die TendeDs nach einer temtorialoD Ge- 
schlossenheit der Verwaltang des ensbiBchOflicfaen OrnndbesitKi 
erkennen, welche es möglich machte, ihnen die Stoaemt- 
waltung zusnieilen.^'^ 

Die einzelnen Propsteien waren wieder bot ErftlUang der 
lokalen VerwaltangsbedQrfiiiflse in Unterabteilungen, durchgehend 
,o(&oia^ genannt, eingeteilt, so daa Urbaramt an der Glan in 
die offieia Liefering, Siezenheim, Salzburghofen und Abtsdorf,*** 
die Propstei Außer-Alm in die officia Lofer, Saalfelden, Glemm*** 
und Zell, Zillertal in die officia Swentau, Zell und Fu^^en."' 
In den Propsteien Werfen und Tlialgaii bilden du; PfarrbezirKc 
zum Teil den Einteilungsgruiiil.^-* Bei anderen tritt dies nicht 
80 deutlich hervor, wenn sich auch bei ihnen eine rein iiußerliche 
Einteilung nach territorialen Gesichtspunkten erkennen läßt'^ 
Die Propsteien in ihrer Gesamtheit werden wieder wie anch 
später die Landgerichte in Propsteien .inner und außer 
Gebirg' geschieden und unterstanden zuei-st dem Viie- 



Urbar I, f. 87'. Propst«! Anif Outrat. Rocesrit ad officium in Choch«!, 
f 38' rocj's^it ad officinm in Talgliii II, 47 mcpsslt .nl ofTirintn C«!! (im 
Piü/.p'.Tn). Vg]. finch Richtor, 002. Cbor dio Urbarämter vgl. terncr 
Juvavia i66, ää6 und ^Siegel und Tomaachek, SAUbargiaclie Taidinge 1- 
Ihr Antdl «a der Btraenrerwaltmig wird «bar In alUa hi«r fsoamitai 
Bobriften nleht {«aalraift. 

*n Stenra iuta 8a]am in officio LaoheroniB impoaita in oela'n beati IM' 
rancii anuo domini M0CCC«XZXIP* Salzbarger Steuerbuch I, f. 27' ff. 

*** .Stenra in officia extra Alben. Stanarbneb II, f. 88 ff. Pemiio olfieü ant 
d. r Alben. Urbar I, f. 112 ff. 

«» Urbar I, 164 ff. 

Jm Warfen henwlit ttberliaapt aiaa IC aBnigfidtlgliatt von GaMtapttaktoa, 
aaeb denen die Einteilung doidigcllftlirt marde. Die beiden Tilar€ln6> 
arl nnd Kleinarl UMen einen geaondertan Vannl^nngalieairifc. Daaebea 
enohcinon noch die zwei früher selbständig bestehenden Ämter, das 
Foratamt und das Propstamt, deren Geschlossen heit jedocb durch die 
Einteilnn^ nach Pfarrbesirken dnrehhrochpn wird, welche für den R«t 
der Propstei als der leitende Gesichtspunkt erscheint, in Talgau werden 
^ Frelsaiitn naoh ibrw Lage in daa PHurren Seekirclien nnd Talgw 
▼eranlagk, die bominee predialee eiadielnen nach territorialen Boiifcaa 
yeranlagt, die fremden Hintertf an naeh ihren Ontndbenen. 
Das officium Kuchcl war in zwei Beurke, nltra nnd eltm Tankd geteilt 
.Stcuprbnch T, f 18', Urbar I, f. 1 ff. 

Anno doinino niilltvsimo CCCXLVII'"" circa fcsttim bcati Viti (.hini 15) 
auginunt.tu sunt novalia in ofliciis montanorum ^trbar i, f 151'), 



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523 



dominate zu öakburg, seit dem 14. Jahrhuudeile dem Hof- 
meisterarate.**'' 

Sie bestanden, wie g-esagt, neben den Landgerichten. Ihre 
Hauptaufgabe war die Verwaltung des landesfürstlichen Grund- 
besitzes.^*® Außerd(!in hatten sie die niedere ücriehtübarkeit. 
Bezeirliiuriderweise waren aber die Grenzen zwi.schnn der 
Kompetenz der Propstcien und der Land«;erichte niclit ^^cnau 
festgestellt. Erstere griffen oft in die Kompetenz der Land- 
gerichte ein, was zu wiederholten Malen landesfurstliche Ent- 
scheidungen notwendig machte.**'* Diese Doppelwirtschaft hatte 
zur Folge, daß man im 15. Jahrhunderte auch die officia ihrem 
Umfange nach den Landgerichten anzupassen strebte*^ und am 
Ende des 16. Jahrhunderts die Urbarämter ganz mit den Land- 
gerichten vereinigte."* In der Zeit aber, welche fUr uns haupt- 
sächlich in Betracht kommt, im 13. und 14. Jahrhundert, war 
diese Unklarheit noch nicht beseitigt und legt uns die Vermutong 
nalie, daß die offieia die Reste der alten Verwaltungseinteilung 
vorstellen, wie sie vor der Erwerbung der Grafschaften bestand. 

Diese officia hatten im 18. nnd 14. Jahrhundert die Ver 
waltnng der ordentlichen Steuer. Die Landgerichte spielten bei 
derselben gar keine Rolle. Dies beweisen Eur Genüge die 
vorhandenen Steuerrechnungcn^ nach welchen der Anschlag und 



oder incipiunt officia in monUuis (Urbar I, 21). FOr di« Amtvr anfler 
Gebirg bettaad eio eigenes Urbar. Urbar II, 91 ... ad instltacionein 
Aniff «t Quetrat Bcriptnn «st in Ubnun extra montee. 

Bielie unten. 

e. 1860 Urbar 1 und e. 1400 Urbar 8. Siebe o. Anm. 86. 
**• 18S4 Attgnst 88. Juvavia 688. 1887 Auguft 1, Schwind-Dopaeh, Aiuge- 
wlhlte Urkunden sni (totenreiebiaehen Terfaflanngsgeeehicbte 870, n. 148. 

I** Behon in dar WeihsCenenreehnnng von 1487 riebe o. Anm. 106 tritt dies 

hervor. Das Amt Thalgau erscheint auf den Goricbtsbezirk Wartcnfels 
beschränkt, das LandgcrU-lit ITiittcnstein ^'etrennt veranlagt, das Land- 
gericht Lofer als f<c>lbstaiuliger Bejiirk von ,Aößer-A1m' ab>^otronnt, 
ebenso das Gericht Taxöubach von Werfen, «U r Schwerpunkt der titcuer- 
verwaltung Uberhaupt in die Gerichte verlegt. Noch dentlieher tritt dies 
in der Landftenerrechnung von 1446 und in den Steuerakten vom Ende 
de» 15. und dem ganien 16. Jahriinndert herror. 

*** JuTUTia 686. Am Ende des 16. und das ganne 18. Jahrhundert hindurch 
«rfolgt die Verwaltung der außerordentlichen Steuer in den Landgerichten. 
Mftheres darüber werden wir bei der Besprechung der aufierordentliehen 
Steuer bringen. 



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I 

524 

die Erhebung der ordentliclieii Steuer durch die officia eifoigte.*^ 
Besonders cbaraktoristiseh ist die Steueroinhebung im haadgb- 
richte Taxenbach. Die steuerbaren Guter in demselben worden 
zwischen den of&ciia Werfen und ^Außer^Alm^ geteilt^ was aus- ! 
drllcklich bemerkt wird.^** Als Einteilungsgrund tritt uns die 
Scheidung swischen landesfilrstlichen Eigengiltern, welche den 
Grundstock bilden^ und den Hintersassen des Klerus und des 
Adels, welche diesen angegliedert erscheinen, entgegen.^" Eine 
Einteiluii}; nach Gemeinden oder nacli den V^ierteln, in weiche 
später die Landgcriclite geteilt waren, ü'itt gar nicht hervor. 

Überblicken wir nochmals die Ergebnisse, zu denen wir ge- 
langt sind und welche uns zeigen, daß es Bezirke gab, in w elchen 
der Erzbischoi, ülmc die Grafsehaftsrechte und damit die volle 
Landeshoheit erworben zu haben, die Steuer c iii)iob, hier aber 
nur von seinen Eigengüieru und in den SUi<iten, daß die 
Organisation der Steucrverwall wu: nicht an die Landgerichte an 
knüpft, sondern an die l'rop-tricn , so raüssen wir zu dem 
►Schlüsse kommen, daß die ordentliche Sicuer schon vorhanden 
gewesen sein muß, bevor der Erzbisohof die Qraftchaftsrechte 
erworben hatte. 



Stcucrrochniiup von 1284, Stcuerbüchor und Urbar von 1350 Auch im 
Vizcdoininat Friesach tritt dies dm t, wo Salühnrp dio Land^jericht^liarkeit 
hatte, hervor, so in der Stoucrrcchnung von 1393 AugUüt 14 LitDg-au, urbor 
A ^ 77 ^ ^ 22, Teintwlg tvd ^4$ TS ß 1 i^t proTinei« in Liragw, 
A A A ^9, Unler provIndawirdUerLsadgeriditTefataadeii. Dm 
Urbarleata des Enbischofe werden anter ntl»ar suMinmeng«faßt, die 
übrigen Untertanen, die Hintenusen von Klerus und Adel, über welche 
der Erzbischof kraft seiner öffentlich-rechtlichen Gewalt die Steuern 
criiol», unter provincia. Vcnseichnis dt-r Ausstände und Verwaltung»- 
Unkosten bei der Steuererhebung im Visedominate Friesach (Stcae^ 
rechnnny Ton 1898 Au|piet H). Longau pro iure Ticedomintf ofSdalhun» 
noiariornm U 10, Tamswig deigl. ZU 9% ^. Provinz in Impmi 
Item defidnnt in homioibni abb«tis BAncti Lamberti, item homtoM domiai 
Liechtenstein, domini Ulrld «t AdaniB de WelMpriacb, lioniiaes pnpoiiti 

Steuerbuch II, f. 51. FrcisatzcMios i" iudicio Tu;chtfo!i!'?i< h, tjui prios 
dcderunt steuram et qui divisi suut luter prepositum extra Alben et 
prepoiituffl de Wonren. 

Diese Sinleilnng Itilt lieb in den Btenerbttehem dnrcliglagig verfelgtn» 
in den Stenerreeiinnngen für die Henaolwften in Bteiermerfc m>d KImtai 
ntir «o weit, als der Er l i-rhof die Orafechaftsrechte erworben hatte, 
a1<<n fnr Wintli.Msh-MAtrei, den Langen, OmUnd and die Stidte. Betspiek 

weiter uuteu. 



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525 



Der Erzbischof erhob also vor Erw<Tbnnjj^ der (iraft>c liafts- 
rechtc eine Steuer in seinem InnnuniuUagebicte. Diese Beob- 
achtung ist keine neue. Unter anderen hat sie auch Zeumer an- 
geführt."* Für unsere Gegenden haben wir Zeugnisse, daß 
auch andere geistliche Grundherren eine Steuer in ihrem Immuni- 
tätsgebieto erhoben, vveicliu sich in ihrem Charakter nicht viel 
von der vom Erzbischof nuf seinen EigengUtorn erhobenen unter- 
scheidet. Bezeugt ist dii s unter anderen für (»nrk/' "' Adniont' 
und INIattscc.*^ Man hat für diese Steuer im Imninnltiitsgcbiete 
bisher keine rechte Erklärung gefunden, ihren Zusammenhang 
mit der späteren üffentlicli rechtlichen Steuer abgelehnt. Der 
Umstand jedoch, daß der Erzbischof die Steuer in den Enklaven, 
in welchen er die Landeshoheit nicht erworben hatte, weiter 



Zcomer, Die deatMhen Stldtestemm. Staats- und soxialwissenschaftUche 
Forschungen herausgegeben von Otistnv SchmoUcr I, 2. Heft« 8. 
Vgl, auCordcm JJaasch, Stenern in Bayern, S. 10 ff. 
^ 1218 s. d. Biscliof Ulscbalk von Gurk unterwirtt sich znr Tilgung der 
von Biseliof HeiDrich II. «nUiBUdi deMwi rOmiidier Reue bewnden bei 
den Bologoescni aii%enominetien Schulden freiwillig der Seqneatmtion 
durah fünf Qaainnte. Dieee TerpAichteten rieh unter anderam, ut nullns 
eernm aliquid in hac causa tarn in oertia redditiboip quam et in stoura 
ncc neu exactionibus sine conscnsu cetcrorura agere moHatur. Jakscb, 
Monunicüt.i Carinthie I, 361, n. 473. Die Art dos Anlasses könnte auch 
die i].rkiarang der ät«ucr als Weilistcuer nahelegen. Eine solche aU 
•tlnd^ lartitntion war jedodi aller Wafanchdnlichkeit nach in dienr 
Zeit neeh nicht ansgebildet, wie wir bei Beq»reebttng dieser Abgabe 
niher aufthren werden. 

Nach einem ,codex prediorum* aas dem 13. Jahrbnndcrt zahlen ad- 
nionti!<clu' Interim Eniiütalc neben ^'mruTlicrrliilicn Ah^jabiMi auch Steuer. 
Muchar, 2, 107. 1295 .Januar 1;> Erzbischof Konrad IV. von Salzburg 
bestätigt, daß Abt Heinrich zu Guasteu der kKSsterlichcn Krankenanstalt 
au Admont aaiaglnta mare. den. redditna und andere Sinlclinfte ge- 
widmet habe. Reddittis sunt autem htt: Frlroo in der Leibenia: Dii> 
mams in coUe dimldiam maream denaviomni, unnm viilinguB tiitioi, 
sex pullos . . ., quadraginta deuarios stcure u. s. f. Wichner, Geschichte 
von Ailmoiit 2, S. 468, n. 328. Hervorzuhobon \<t tlabci auch, daß wir 
keinen lieleg haben, daß 8alzbur|r von den admontisclu n (iUtcrn um 
Leibnitz eine Steuer erhoben h&tte, obwohl wir tür das ganze Yizo- 
doaiinat das vollatiadige Stenarremeielinia von 1871 baritien. 
**■ Urkunden T<ni 1884 Januar 18 und 1889 bei Erben, Qudlen nur Ge- 
schichte des Stilles und der Herrschaft Hattsee. Fontes rer. Austria- 
carum, II. Abth. Ibl. 49, S. 130, n. öl Tind S. 135, n. 56. Weitere Bei- 
spiele für das Kloster Ranahofen an den Jahren 1220 und 1279. Mon. 
Boioa 283 und 345. 



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526 



erhobt sowie die Zuweisung der Verwaltung an die UrW* 
ttmter bestimmen uns, einen Zusammenhang «wischen der 
ordentlichen Steuer vor und nach der flrwerbung der Graf- 
schallsrechte ansunehmen. Denn die andere, mO^Uche ISrkUnnig, 
daß das Bosteuerungsrecht fUr die EigengAter in den Ed- 
kkven erst eine Folge der Exemtion Ton der herso^ 
liehen Steuer sei, wird, wie gesagt, durch den ganzen Gaiig 
der Entwicklung der salzburgischen üoheitsrechto in denselben 
unwahrscheinlich gemacht. Die meisten derselben beruhten auf 
kaiserlichen Privilegien, die dem Erzbischof von Salzbui:: schon 
lange vor der Ausbildung der betreffenden Territorialgewalten 
in modernem Sinne verliehen worden waren; die Exemtionen 
von Seite der Herzoge waren nur ihrerseits auso-ostellte Be- 
stUti<;ungen dieses Rechtäzustandes. Dies gilt buv. ;hl ftr die 
österreichischen^ wie auch für die bayrischen Enklaven. Nach 
der Urkunde von 1281 erselieint schon damals die Bcsteueruug 
der salzburf/ischen Untertanen im Zillertalc durch den Herzo?» 
von Bayern widerrechtlich. Wir dürfen also behaupten, daß 
ursprünglich im ganzen salzburgischeu Immunitüt^ebiete eine 
Steuer erhoben wurde, welche aber nur in den Gebieten, wo 
Sakburg die volle Landeshoheit erwarb, sich weiter entwickelte, 
wtthrend die Besteuerung in den Enklaven uns die Aus- 
dehnung der früher im gansen Immunit&tsgebiete erhobenen 
Steuer vor Augen iUhrt 

In den Gebieten, wo Salabuig die Grafschaftsreebte er- 
warb, wurde das Besteuerungsrecht auf die Hintersassen von 
Klerus und Ritterschaft ausgedehnt^ die Steuerverwaltung jedoch 
den früheren ,officiiB' belassen. Die neuen SteuertrUger wurden 
den landesfttrstKchen Urharleuten im Steueranschiag unter be 
sonderer BerUoksichtignng der bttuerliehen Leihelbrm angegüe- 
dert.^** Der Zeit nach dürfen wir diesen Voigang in die Ke- 
gierung Erzhischofs Eberhard II. verseteen, welche ja ftberhaupt 
durch die zielbewußte Ausbildung der Territorialhoheit gekenn- 
aeichnet ist Die Urkunde von 1209 Juli 14^ in welcher £be^ 
hard II. dem Kloster Ädmont alle Schenkungen seiner Vci^ 
fahren bestätigt, bestimmt, daß die Admonter Untertanen, was 
die oberste Gerichtsbarkeit betrifft, gerade so gestellt sein soUtes 
wie die salzhurgischen Eigenleutc, und TerfUgt, ,agricoIe nostri, 

Wio aus doi Auordimug der Ötouerbüclier (stebu o. Ö. 196) hcrvorgefci 



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527 



qui sponte colunt tenain (lüiuiiiorum Admuntensium sub aanuo 
censu nullas prefcctonuu nostroriimj ut hactenus, paciantiir oxac- 
tiones,"® flilirt uns diese Neuerung vor Augen. Es kann sich 
hier nur um die adraontischen Güter handeln, welclie im landes- 
herrlichen Territorium Salzburg lagen, also um die Besitzun^rn 
in der Frit?:, im Landgerichte Kadstadt und im T'oiij^uu.^^^ Für 
diese läßt sich Admont eine Beireiung von der jetzt auch auf 
die Hintersassen der Geistliclikcit ausgedehnten Steuer erteilen. 
In einer Urkunde von 1243'^* erscheint die Steuererhebung von 
den geistlichen Hintersassen an den Steaerbesits der QraÜBcbaft 
geknttpft. 

Hier ergibt sich nun eine weitere Frage. Übernahm man 
schon bestehende Grafensteuem und verschmolz sie mit der 
Immunitätssteuer xn der am Ende des 13. und im 14. Jahr- 
himdert uns entgegentretenden Steuer oder war die Er- 
werbung der Grafschaflsrecbte nnr insoweit von Einfluß, als 
man sie zur Handhabe benützte, der schon bestehenden grand- 
herrlichen Abgabe durch Ausdehnung auf die fremden Hinter- 
sassen OffentHch^reehtliehen Charakter anverieihen? Wir werden 
ttns für das letstere entscheiden. Einmal fehlt ans jegliche 
Nachiiohty daß die auf dem Boden des spftteren Territorinms 
herrschenden Grafengeschlechter eine Steuer erhoben hätten.^*' 



Wichner, Oefohlelito von Aamont 2, S. 276^ o. 118. 
M> AI« Yogtateaer kann diese esMtio nieht erUirt werden. Die Yegtei 
Uber die edmonUeehen Güter, and zwar nur über die in seinem Terri- 
torium gelegenen, erwarb der Erzbischof endgültig erst 1297, Juvavia 388. 

Ea kann sich nur um Gfiter handeln, welche in einem T^o/irko lagpn, 
wo Salzburg schon um diese Zeit die oberste Geriebtabai'keit hatte, abu 
im Ponjjau und im Laudgericht Hadätadt. 

1:>4^ Marz lö. Erzbiscbof Eberhard II. bestätigt dem Ciütercieuserkloäter 
die Fieiheit, quod in adToeelilt neelvie aeu eometiie ant diatriotibna, 
in fidlM» ipemm praedia vel poMearftmea rita fiierint, nemo ratione inria 
advoeatitU in elidmn pnedila aen po—aertonlbna a nobis liabiti prooii' 
rationem, pabalum seu qnamcumqne exactionem sive stiuram debet ae- 
cipere ant importuiie altquatenus postnlare. Mciller, S. 281, n. 626. Mon. 
Ik)ica III, p. 14ü, n. 34. Hier hanf]»'lt es sich aber wohl um Steuern aus 
der Kirchenvogtei — das ius advucaticil ist damit zu übersetzen, denn 
der Znaatz in eifldem praedüa faabiti wKre fOr Oraüwbaftnrecbte nlebtml^lieb. 
Immerbin geht ana dieaer Urknnde der territraiale Oeiieht^nnkt, der 
bei der Steneierbebnng damala leben ▼orwaltete, berror. 
Schulte Icngnet a. a. O. 8. 622 die Exiatena von Grafenstcuem (Ott 
Schwaben. Seine Ansohaanng Ist allecdinga von J. Schroiditn (Unpntng 
ArehiT. ZGU. Bvii. U. HUAa. 84 



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52b 



Aber selbst wenn wir dies sugeben, so wissen wir doeh, daß 
es Bezirke gab, in welchen Salsbnrg nicht durch Erwerb der 
Qrafschaftsrechte^ sondern begOnstigt dnrch das Fehlen jeder 
anderen öffentlich-reehtlichen Gewalt anf Gnmd seiner Immnnitit 
die Landeshoheit erwarb, so das Waldgebiet Bwischen dem Aber 
see und der Salsach.*^ FQr das Landgericht Radstadt^ welches 
in diesem Gebiete lag, sind gerade besonders firtth Nachrichten 
Uber die Einhebung der ordentlichen Steuer als Offentlich-recli^ 
lieber Abgabe erhalten.*^ Basselbe gilt auch für den Pongau, 
wo Richter ebenfalls eine ähnliche Erwerbungsart der Tolles 
Landeshoheit als wahrscheinlich annimmt.**® Wären die Grafen- 
Steuern einfach übernommen worden, so wäre ihre Verwaltung 
wohl den Landgerichten, wie anderwärts, und nicht den Urbar- 
ftintern zugewiesen worden. Dazu kommt, daß auch in (i«'n 
Bezirken, wo der Krzbischof die Orafschaftsrechte ervsorb- n 
hatte, die Verbindung der ordentlichen Steuer mit der obersteo 
Gerichttibarkcit keine so orgauisolie war, wie das so oft an^^- 
nommen wird."' Diese Ausdehnung der ordentlieben Steuer auf 
die fremden Hintersassen hätten wir demnach nielit auf cioe 
direkte Übernahme der Urafensteuer, sondern auf die durch 
Erwerbung der Gra&chaUsrechte oder auf andere Weise erfolgte 



and Entfaltung der habsbuzigiiclien Rttctit« im <M>orelMiß» Fraümiip L Br. 
tWi, 8. 9Sff') bekftmpft worden, ob mit Beeilt» können wir hier nicht 
entscheiden. Die bei Bawcb, a. a. O. 8^ 17 gebraohten Belege bemeli«n 
sieb nur auf vom Herzoge als Kirchenvogt erhobene Steuern. Ak Beweis, 
daß schon die Grafen eine Steuer erhoben, konnte hlVchsteiis die Urkaodc 
von 1214 Anprust dienen. El>erhard II. bestätigt einen Vergleich 
Kwtöcheu dem i'faisgrafen Rapoto, und dem salzburgischen Domkapitel tti 
Betreff der Vogiei desselben fib«r die domlsapUlischen Güter im Cbien* 
gau, welefae sein Vater von den Grafen Ton Lebenau enror1»en hatte. 
Heiller, 8. S9t, n. 667. Hier wifd iwar getagt, der Plkl^af dftrfo iiia 
«Uqno advoeaeie vel comocie bestimmte Forderangen, darunter auch dif 
einer »toura an das Domkaiiitcl .stallen. Dem ganzen Charakter der 
Urkunde nach handelt es sich jedi»ch nur um Hechte aus der Kirc)K*D- 
vogtei uitd daü ,vel coraeeio', das übrigens in der gau^t^n Urkunde nur 
dieses eine Mal auftritt, während sonst immer nur von Vogtei die Kede iit, 
erscheint nur als bedentnngsloser Zosati, der diiich die Bigensebaft d«i 
Ffalzgmfbn als gleiohieitigen BeritMr der Grnftchaft leieht eifclirlich iiL 
»* Richt<>r, S. 698 ff. 

Siehe Urkimde von 1809 Joli 14 o. Anm. 140. 
S. 682 ff. 

Mt Vgl. unsere Ausführungen über das Bcstoucranijsrecht in dpn bavriKhen 
EnkUven, besonders die Urkunde von 12bl betreffend das Zillertalj ABm.%. 



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529 



Ausbildung der vollen öffentlichen Gewalt zurückzuführen, die 
dann den Rcchtstitcl bot, alle Landesuntertanen zur Besteue- 
rung hGranzuziehon. Wir haben Zeugnisse, daß insbesondem 
Eberhard II. die Geltendmachung der öffentlichen Gewalt ganz 
sielbewußt durchführte.'^^ Das Vorbild anderer Territorien 
mochte dem vielgereisten Erzbischof bei der Einrichtung der 
ordentlichen Steuer als tfffentlich*rechtlicher Abgabe vielfach vor 
Augen gestanden haben.^^* Wir müssen betonen, daß wir bei 
der Frage nach der Entstebang der ordentlichen Steuer nicht 
nur auf die Institutionen, an welche man diese möglicherweise 
anknüpfen konnte, unsere Aufmerksamkeit zu richten haben, 
sondern daß wir dabei auch immer im Auge behalten müssen, 
daß die Einführung der neuen Abgabe aum guten Teil auch 
eine Machtfirage war. Dort, wo der Erzbischof auf irgend eine 
Wdse, vor allem durch Erwerbung der Grafechafbrechte, die 
▼olle Öffentliche Gewalt erlangt hatte^ dehnte er eben die Be- 
steuerung auch auf die ihm nicht direkt als Grundherrn unter- 
stehenden Untertanen aus.'** 



Siehe unten Anm. 162. Außerdem Urkunde von 1242 Jnli-tieptember 
o. Anm. 4, 1248 Märx 15 o. Anm. 149. 

EioeB bem«rkeiuiwerton jpracblidieii Ziuamineiiliaiiff mit slsilüiiiiaclioii 
VttrIiIItiiiaMn hAb«n wir schon ob«n Anm. 4 b«iTOirg«hoben. Weiter 
läßt dch denelbe jedoch nicht Tcrfolgen. Wenn nichts anderes, so 
führen nns die angcftihrtcn StcHcn cinnn Fall deutlich vor Auj,'cn, iu 
welchem Erzbisehof Eberhard II. Einsicht in die Besteuerung eines iu 
der Verwaltung bo weit vorgeschrittenen Territoriums wie Sixilicn 
nehmen mußte. 

^ Gewiue Sehwierigkelten bietet hierbei die Urkunde von 1207 Jennar- 
Bld, Anm. 1. Naoh dleeer eriiebt der Ersblechof die «tiora «nf dem 

prcdium des Abtes von Admont in einem Gebiete, wo er die volle, 
Öffentliche Gewalt nicht erwarb und auch späterhin von den fremden 
Ilintcrsasscu keine Stcner einhob. Diese Urkunde geht jedoch auf eine 
Urkunde Adalberts III. von il'Jl (Zahn, Urkundcnbuch von Steiermark 2, 
55) zurück, iu welcher dem Abte von Admont dieselben Rechte, jeüoclt 
ohne Mennnng der Steuer verlieben werden. Abgesehen davon, daß wir 
ee Hier mit bceonderen Yerblltninen an tun haben, da dem Erablaehof 
auf Grund feines Bergregals ein j:rcvviseu Ma0 von Öffentlicher (lewalt 
zukam, mflssen wir uns mit der Erklärung beguQgen, daß der Erzbischof 
in seiner Tendenz nach Erlang-nnp von nfTcntlich-rechtlichen Befugnissen 
in Gebiete flberfrrifT. wo ihm die erforderliche Grundlage dazu fi-hltc. 
Späterhin hOrcu wu auch nicht« mehr von einem Rechte des Sakburger 
lüibiacboii auf Steuerafbebung von Üremden Hintenanen In ^esen Öe- 
bietmi. Et wSre auch der Fall mügllcb, daß der Erabieehof achon ur^ 

84* 



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Durch diese Erp^cbnissc bleiben allerdings die Umstände, 
unter welchen die Kinfiihrung der ordentlichen Steuer im ge- 
öumtcü Jiuiauuiliitsfj^cblete vor Erwerbung der GrafscluiflÄ- 
rechte erfolgto, unaufgeklilrt. Die Heranziehung der von den 
Kirchenvögten erhobenen Steuer dürfte hier vielleicht einiges 
Licht brinp:cn. Neben der Steuerleistung an die Grafen und an 
die ImmuniiiiUslicrrcn k nimen für die Zeit vor der Ausbildung 
der Territorialgewalten noch die Vogtsteuern, die Stenern der 
HintersaSvSen der geistlichen Grundherren an deren Vogte in 
Betracht. Die Abgaben der geistlichen Hintersassen an die Vögte 
waren lianptsUchlieh das Vos'tii r!it und die Vogtsteuer, welche 
beide auch in unserem Territüriuni nebeneinander von den 
Kirchenvügten erhoben werden. Mit der Konsolidierung des 
Salzburger Kirchenstaates zu einem landesherrlichen Territoriam 
begann auch die Tendenz der Erzbisch 'vfe, die fremden Kirchen- 
vdgte zu beseitigen. BeBonders klar tritt sie uns bei ErzbiscW 
Eberhard II. entgegen, unter welchem, wie wir ja schon he^ 
vorgehoben haben, der entscheidendste Vorstoß zur AusbildoDg 
der Landeshoheit durch Erwerbung zahlreicher Qr»&chaften w- 
folgte. Bei der Übemabme der KirchenTogtei gelangten nim 

sprfhiplicli bei der Schenkunp cÜeses prcditinis an Admont sich iic H.llftc 
allor Abgaben vorhHialtcu habe uud dies nun abermals in der vor- 
liogenden Urkunde »um Äuiidruck kam. 
IM Zmmw, a. a. O. 8. 0ft 6oh weiser, Geechichte der habebnigifdiea Tagt* 
steaeni. Jabrbacli fttr sebweiserifohe Geeehichte 8, 138 IT. Buwlit 
a. «, O. 119. Kegler, 661. Dort aneh die Literatur. Dm Tegtreeht bat 
in Salzburg denselben Charakter wie in den von den obengcaannten 
Verfassern behandelten Territorien, ich brauche dahi-r hier nieht n^hcr 
darauf t i iizufj^chen Es wird jedorh nur von di-n gcistlicheu iiiut«n»asM'& 
uiiiguliubeu, wie wir noch 8|>ätcr scheu werden. Beide Abgaben encbeincn 
tu anderen Tenitorlen fehon eebr frttb, in Salcbm;; maak tdm w 
18. Jahrhundert. 1160 Angott 19. Uen. Boiea DI, 466. ea. 1817, LivtoU 
Graf Ton Piain beakXtigt die Gtiter and BeaiUengen der Proprtai BBgel- 
werd . . . Statuimna, ne aliqoia herednm vel offieialium nostronim 
dfincpps tndobitas exactiones in ipsam ecelesiam vel homincs hcw 
preäutnat. Fila, Geschichte von Mtchelbeuern '2, 7äis. 1243 Mär?. Ih, 
siehe o. Anm. 142. 1244 Augast. Eberhard II. beatätigt aogleicb mit 
Bttdigcr, Uiaebof vom Panaii, nnd Keturad, Grafen too Waaerbaig, eince 
Verglich swischen Pfaligritfen Rapoto und dem Salabaiger Domkapitel 
in Betreff der Vegtei der domkapitllichen Qttter im CbieBigaa. Meillw, 
S 291, n. 567. 

1229 April LT,. Zwei frlum lf^n Eberhards II . in welehen er die nacli 
dem Tode des Gral'eu Jjenihard von Lebenau anheimgefallene Yogtei 



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531 



das VogtrcL'ht nnd die Vogtsteuer in die Hiindc des Erzbischofs.*** 
Einen organisch (II Zusammenhang der ordentlichen Steuer mit 
der Vogtsteuer können wir jedoch nicht zugeben, wenn wir 
auch nicht leugnen wollen, daß letztere für die Organisierung 
der ordentlichen Steuer von e^roßer, vorbildlicher Bedcntnnp' 
war. Die ordentliche Steuer in ihrer spitteren Gestalt wurde 
ja nicht bloß von den geistlichen Hintersassen, sondern auch 
von den Hintersassen der Ritterschaft erhoben, während dio 
Vogtsteuer sich nutoigemäß nur auf die ersteren erstrecken 
konnte. Zadem war es den Erzbischöfen nicht gelungen, alle 
Kirchenvogteien in ihre Hände zu bekommen. Noch im 15. und 
16. Jahrhundert waren die Kirchenvogteien einzelner salzburgi- 
scher Klöster in den Händen auswärtiger Herren, welche diese 
der erzbischöflichen Landeshoheit abträgliche Machtvollkoni' 
menheit noch recht empfindlich betonten.'^ Dort hingegen, 

Aber Güter de« Domkapitels und des Klosters Seeon cin^ipht und verspricht, 
dieselben nicht mclir wcitor zu verleihen. Meillcr, S. 244, n. 320, 27. 
Bestatiguug Papst Gregors IX. 1230 April 2, ebd. S. 240, n. 337, 
KaiMT Friedriehl IL ISM Jidi S9, ebd. & M8, n. SM. Desgl. tS31 
Ansiut 8 fBr Bdeheiaberg ebd. 8. n. 87S. 

IMS Min 16 o, Apm. 14S. Urb«r 1, f. 144. Amt SMifelden. Hic notalnr 
«r«ui adTOGAtiUf. Primo do prodüs capitvli SlUsburgensis avene modioe V, 

item de predüs opisoopi Chioraensis «veno modios V etc. Die vogtei- 
lichen Abgaben sind nhrigen.s hier nur ausnahmäweise genannt. Sonst 
finden sie sich im ganzen Urbar nicht. Wenn f. 102' von der advocacia der 
Gntrater die Rede ist, ao bandet es lioh hier tun die dem SnbliehirfaBhelm- 
gefidleae Vcglei der Chitnier. 1484 Mai 8. Kaiser Sigmond beorkaiidet, daß 
das Kloster Beiehemberg, welches unter der Togtei des Srsbiscbefr tod 
Salsburg stehe, ,von solicher vogtej wegen' nicht mit ^charberch, ro))oton, 
»teuren' beschwert wpr<lfii dürffv Mnn Boica 4, 501, Nach dorn Verkauf 
der Vogtei an baizi uru: (iurch tiie Urafeu von Schauubcrg lö30 sahli 
das Kloster Michel beucm die Vogtsteuem an Salabturg. Filz, 2, 416. 
1447 Min 81. Kaiser Friedrich IV. befiehlt dem Brsbisehof Friedrich: 
JOM bat ftrbrsdit der edl JobaniiB grare von Sdunrnberg, welcher dl vogtei 
des klotteis(Wchelbeaero) hat, also das dadtber niemand ehain gewalt noch 
gerccfatigkeit haben soll, dann er tind sein nachkomon allein, hiudange- 
spczt den gewalt, den du nnd ein jeglicher crzbiscbof von Salczburg in 
pei'tliclicn Sachen und nicht mer über das kloster habend so hat 
dein audacht ein stenr and Schätzung (Landsteuer von 1A4(>} dir zu 
geben auf dasselb closter nnd sein gotzhausleut gel^t nnd mainest sy 
durch ein gerichUeichen gewalt und Tilleicht mit jilpstlichen reehten 
darsne ae dringen, dadnrcb der Torgemelt graf Johans und das eleeter 
meinen, daß dies wider ihre freiheitcn wJiro.' Der Kaiser befiehlt ihm, 
von der Steuer abavstehen. Fils, Qeschichte Ton Miohelbeaom % 845. 



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532 



wo die ErsbiBchöfe die Kirehenvogtei erworben und an laod- 
Bftssige Geschlechter verliehen hatten, war sie su einem auf ein- 
seinen Gütern lastenden nntabaren Rechte herabgesnnken. Das 
Vogtrecht nnd die Vogtstener wurde von diesen noch zar Zeil; 
als die ordentliche Steuer längst schon ansgebfldet war^ weiter 
erhoben.^*^ Sie hatten so ihren ursprünglichen Charakter ver- 
lier Erzbischof war jedoch in poliicni Kochto; wie die Sache endigic, 
wissen wir niclit. Erst 1530 verkaufte Georp Graf von Schaambeig die 
Kirelionvo^tei über MicheU'f^nf^ni nn Sfll/hiirtr. Fi!?', 2, 4^*8. 
1287 November 19. Hermann v. Hcrgiieiui vcrpUichtet »ich, von den 
dorokapitliflchen Gütern, über welche er Vogt war, kein Yo^tbea la 
nehmen. Orif . St-A. 1S88 Febnrar 29. Heinrieb Bergheim gibl die 
Vogtei Aber Gfiter dea Domkapitels an Bnbieehof Rudolf nnf nnd Ter* 
pflichtet sieb, kein Vogtrocht mehr sa nebmcn. Orl^'. St.-A. Errt 1297 
Se)iteinl»er 24 erwirbt der Ertbischof endgUltip die Vogtei über die 
admontischen Gllttr dieweits des MandHnppasses. Orip. 8t -A. 1301 X<> 
vember . . . haben die Goldecker noch die Vog-tei über die Güter dea Dooi- 
kapitelä im Gebirge und im Ennstale und verzichten auf die Einhebaog 
der Steuer. Zillner, Pongaa-Goldeck, Mltfbeilungen der OeMlIieball fir 
Salftbuiger Landeskond« 17, 180. 1S84 Angnit 16. Roger nnd Heinridt 
Badeek vertcanfen ihr Hecht auf die Bniig Radeck: ,ex sei halb« 
bona eder mer . . . mit allen rechten und nutzen di dar sä gehorent, et 
sein paungarten. olirsntparten, Scker . . . nnd beBondcr* zwei irfitel di 
ze nHehst vor der ptirg^ li^-ent . . . nnd da/, lantperihtc /.e HaH'e»? wanch, 
das wir gehabt haben zu derselben purg mit aller herraciiatt und mit 
allen fediten nnd nmaen . . . und onoh alle nnaer vogtaj, di wir 
gebabt- haben «e Edeebshonsen, ae Pebram» ae GlJU nnd ae Tigam mit 
allen recht und gewoabeit . . . nnd mit altem dlenit, ee aeia pfMutiaf, 
habern, haf), hnener nnd ayer eder ander dienst, mit steur, mit gerichte, 
mit nahtseiden nnd mit aller vordrunp, die darzn {rphoret, di allen pedea, 
hous, pericht nnd vogtay, ^Yi^ von .Salzburg /.i richten leben gehabt 
haben' an den Erzbischof. Orig. St.-A. Der Wortlaut ergibt klar, dal] 
hier swiadien Landgericht nnd Vugtei adiarf geidiieden nnd lelatere 
achon ala nntabarea Beebt an^efußt wird. Diese ]>eatQng atinimt ¥«11- 
kommen mit dem, waa Riekt^ 704 Aber die Entwicfclnng der Yogtal* 
gerichtsbarkeit aagt- tBfil Januar 21. Eckart v. Tann verkauft seiaea 
,tail an der voj^tai, die ich und meine erben gehabt haben in den ge- 
richten ze Hannsporch uud ae Ebing nnd gelegen ist auf den guten, 
di hernach sind geschriben ... Di gut, di zu vogtay gehorent und 
darauf li gelegen Lst, sind also genannt: dea ersten in Hanospeiger 
gericht ein gut ae Dlrrehain» d« Härtel anf tHai, dient atenr, als ril 
er getragen mag . . . darnach in dem gerieht ae Bbing, des eisten se 
Volren, da Fridrich siczzt ein metzzen hab^rn . . . Der snmm der vor- 
gcnante?i vorr-tai wernt ochtt sehaflF I.,(nifrnor mezze nn<1 ie v^n dem pnt 
ain hnn und lo })funt S.'«lzburger phening ze vogtstinr, di man aut 
iglichs gut legen sol, iedem m»n nach seinen staten. Orig. St.-A. Von 



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533 



loren, bestanden aber neben der ordentlichen Steuer weiter. 
Dies war auch dann der Fall, wenn der Erzbischof die Vogtei 
in eigener Verwaltung behielt oder wenn dieselbe durch Aus- 
sterben des beliehenen Geschlechtes an ihn zurückfiel und nicht 
mebr weiter verliclicn wurde. Mitunter erließ der Erzbischof 
in diesem Falle die Vogtsteuer und das Vogtrecht^ eine Ver- 
schmelzung mit der ordentlichen Steuer kam nicht vor.^^ Fttr 
das Kemland Salzburg konnten wir anch keinen Fall nachweiseni 
daß der Ansdrnck Vogtsteaer sjmonym mit ordentlicher Steuer 
gebrancht worden wftre.^' Die Vogtsteuer ist also im Teiritorium 
Sakbuig streng von der ordentHchen Steuer au scheiden. 

Andererseits herrscht, was die Art und den Charakter beider 
Abgaben betrifft, eine solche Ähnlichkeit tot, daß wir eine Wechsel- 
wirkung awischen ihnen nicht ablehnen kttnnen.'^ Wir durften 
nicht irren, wenn wir diese bis sur Zeit des Ursprunges der ordent- 
lichen Steuer als Abgabe im Immunitätagebiete des Ensbischofs 



einfm Znsammoiibang der hier gcuanuten Steuer mit «Icr Lanflg'prichts- 
barkcit kann k»>iiu- Kede sein, wie schon der Wortlaut ergibt. Zmknn 
war «Jas Gericht Ehing schon 1334 Desember 20 (Richter, 720) an den 
Enbiiehof Terkanft woiden. 1400 Mai M Hang GoUeek vermaeht 
Enbucbof Grefor all« Lehanaehaft, Manaaehaft und Voftai, die er 
nnd Beine Veiüriiren im Braatift gebebt baban. 
Siehe o. AaflB. 163. 

**' Die RpclinHnjTPTi ilt-r Herrschaft Wildeneck, siehe o. Atim. 72, in welchen 
der Aus<lruck Vo{jtsteuer wohl fUr ordentliche Stouor irobrauclit erscheint, 
haben für um keine Bedeutung, da Wildeneck ja bay risch war und erst 
am Anfang dea 16. Jahrhunderte nnd da nnr anf einige Desennien nnter 
aakbttigiacbe Landeshoheit kam. Die von Kogler, B, 661 bebanptele 
Identit&t dea Vogtreehtea (t) nnd der Vogtrtener mit der ordentlichen 
Steuer ist also für unter Territorium nicht nach: i v hon. 

**• Auch die Vog^tstouer war oiiio Rcallast, <Viv auf dein Gute lastote und 
vom Inhaber gezahlt wurde. 1243 M&r/. 15, 1244 August siehe 
o. Anm. 142, 143 uud l&ö. Diese Ähnlichkeit dar Art uud de^ materiellen 
Umfange« beweiat aber noch keinen organischen Zusammenhang gerade 
io wenig wie die materielle Gleiebbeit tob Yogtel nnd Qra&chaft nna 
die Berechtignng gibt, beide miteinander an identafiateren. Die Graf* 
Schaft war eine Summe von Hoheitsrechten in dnem territorial ge- 
schlossenen Bezirk, die Vogtei berechtigte zu Fordemngen auf unter Um- 
stänflwn weit verstreuten Besitzungen und mußte ihrer Natur nach nicht 
von dem Grafen des botrcffenden Bezirkes ausgeübt werden. l>if uiaterielle 
Gleichheit orkl<i,rt sich daraus, daU die Vogtei eben das Kocht der Aas* 
Ubnng der aonat dem GmAin anatabenden DiFenttiehen Gewalt im 
ImmnnititJigebiete verlieh. Daa Vorhandentein der Vogtstener IJlßt 



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üS4 

wirksam sein lassen and das Verhältnis beider Abgaben oidrt 
so sehr eine Wechselwirkung als eine vorbildliche Einwirkung 
der Vogtsteuer auf die Immuniüitssteuer iieanen wollen. Die 
Steuer der Kirchenvögte war jedenfalls die iiltcrc Institution. 
Eti erscheint also nicht unwahrscheinlich, daß die geistlichen 
Grundherren, durch das Vorbild der Kirchenvögte angeregt, 
ihrerseits eine der Vogtsteuer ähnliche Abgabe ciuhobcn. Tatsäch- 
lich k numt ja diese grundherrlichc Steuer nur bei geistlichen 
Grundherren vor. Ob die Steuer antani^s nur bei außerordent- 
lichen Anitlssen erhoben wurde oder gleich • iiu; jährliche Ab- 
gabe war, künnprt wir nicht entscheiden. Finanzielle Noti.ige 
dürfte auch hier das treibende Moment gewesen sein. Besonder? 
die Geldverlegenheiten, in welche die Stifter durch die Kosten 
des Regierungsantrittes gerieten, können wir mit der Einführung 
der neuen Abgabe in Verbindung bringen.' Tatsächlich waren 
diese in der «weiten Hälfte des 14. Jahrhunderts der Anlaß 
siir Einführung einer neuen Steuer, der Weihsteoer, welche 
sich wie die ordentliche Steuer der Ausdehnung der Steaer- 
pflicht nach Uber das ganse BaLsburgische Immunitütsgebiet er- 
streckte, ebenfalls auch von anderen geistiiclieii Grandherren 
erhoben wnrdei in denselben Gebieten wie die ordenth'che 
Steuer sieh au einer Offentlieh-reehtliohen Leistung ausbildete 
und sogar ftlr die Art und die Verwaltung der landsiändiscbeB 
Steuer im 15. Jahrhundert vorbildliche Bedeutung gewann.''* 
Eine bestimmte Ansicht für die nllcfaste VeranlaiMwng cur Ein- 
hebung der ordentlichen Steuer können wir hier nicht ans» 
spfechen* Es mOgen auch andere Ursachen außer der oben 
genannten die Einhebung einer neuen Abgabe nahegelegt babeo. 
Als man sich um eine neue Geldquelle umsah, bot die schon 
bestehende Vogtsteuer eine naheliegende Vorlage. ESnen oi^gaiii* 
sehen Zusammenhang beider mOasen wur jedoch, wie gesagt, 
ablehnen. 

jedoch im Verfolg dieses Gesichtspunktf«? nicht schon auf das Vorbanden- 
»ein von Grafensteaern schließen, *li i;n Yogtrecht nud Vf*gtsteueni 
haben den CbArakter einer Entlohnung fUr den Schate laiiuaniüUt- 
herrn und die AotSbung der offentUdMn Gewalt dnreli den YogL 
Siebe Anm. 136. Dem WortUnte aseh ersehebt die hier feaamite stein 
alt eine «nßerordeatliche und «nMk^iiend an dem Zmdu eiafakebca, 
die Woihekostcu zu decken. 

Im näclistrn Kaj»itel, welches der IJesprcchunfr der Woihstetirr jr«'« ''^™^* 
ist, worden wir diese Umstinde noch nüber auseinanderzusetzen babeo. 



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535 



Mit dieser Annahme erledigt sich tVir mis solion zum Teil 
eine weitere Frage, welche Anlaß zu ^veit^(■lK■IuieIl Erortf miigen 
in der einschlägigen Literatur bot, näialieh, oh die ordentliche 
Steuer an eine ältere Institution direkt anknüpfe oder ob sie 
als neue Abgabe erscheine. Die ältere Ansicht, wonach die 
Steuer als eine Ersatzzahlung fUr die persönliche Leifllaiig des 
Kriegsdienstes erscheint, und welche nenestens wieder Ton 
Kogler yertreten wurde, war durch Zeamer und Below nnd 
seinen Schulern bekämpft worden, nach welchen die Steuer 
etwas durchaus Neues sei und dem privaten Geldbedürfiois der 
Landesherren entiqprttnge. Die von uns oben gewonnenen Er- 
gebnisse swingen uns, der letsteren Ansicht uns zuzuneigen. 
Oer ganze Vorgang, um den es sich hier handelt^ muß für 
unser Territorium jedoch in die Zat verlegt werden, wo der 
ESrzbiscliof in seinem Immunitätsgebiete die Steuer von seinen 
ESgengQtem einführte. Diese ursprQnglicb erbobene gmndherr- 
liohe Steuer kann mit einem Ersatz filr die Befreiung von der 
Heerfiidurtspflicht nichts zu tun gehabt haben. Wie es mit den 
eventuell vorhandenen Grafensteuem sieb verhielti hat für die 
Frage nach der Entstehung der Steuer, welche sich spttter zur 
ordenthcheni landesherrlichen Steuer auslnldete, nur subsidiäre 
Bedeutung, kann auch auf Grund unsms MatMials nicht auf- 
geklärt werden. Die Immonitätssteuer war schon vorhanden 
und erfahr durch die Erwerbung der GrafiMshafUrechte nur 
eine Weiterbildung. 

Wiederholen w ir also unsere Ergebnisse, weK hc wir je- 
doch, wie wir nochmals betonen, auf unser Territorium in seiner 
Eigenschaft als geistliches Fürstentum und mit seiner ungleich- 
artigen Entwicklung der erzbischöflichen Oberherrlichkeit bc- 
schrjlnkt wissen wollen, so müssen wir sagen: Die ordentliche 
Steuer gellt nnf eine vom Krzbischof ursprünfrlich nur von 
seinen Eigengütern, ohne direkte Anknfipfnn^ an eine schon 
bestehende Institution erhobene Abgabe zurück, die zunächst 
in den Städten durch die hier mügliche Weiterentwicklung der 
Immunitätsrechte zu einer Yollen, öffentlichen Gewalt, dann aber 
in einem bestimmten Teile des platten Landes durch den vor 
allem infolge £rlaogung der Grafschaf^rechtc erworbenen Be- 
sitz der vollen Landeshoheit öffentlich-rechtlichen Charakter an- 



Vf^. die LitoratnrflbmicM bei Kogter, 8. 4S8ff. 



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536 



nahm^ in den übrigen Teflen dev salsburgi sehen Immonittti' 
gebietos jedoch anf die Eigengüter beBchrlnkt Uieb. Den An* 
laß cur Einftthrang dieser nenen Abgabe bot die finansieOe 
Notlage des Ensbischofs, bei der Ausbildung and Weiterent- 
wicklung? dürfen wir den vorbildliclien Einfluß der schon vor- 
luuulcnt'n Vügtsteuer und der Organisation der Steuern in audeicii 
Territorien annehmen. 

Ditsc Fjitwieklung vollzog" sich der Hauptsache nach um 
die Wciitie des 12. und ]?>. Jahrhunderts; wie schon ohcu atis- 
geftihrt, war die IJcgierinif^' Kl>erhiirds IT. (1200 — 1240) aticL 
in dieser Bezieliung von grundlegender 15cdeutnnir In der zweiten 
Tlälfte des 13. Jahrhunderts dürfte die ordeniiicho Steuer schon 
in der (testalt vorlianden gewesen sein, wie sie uns dann in 
den Sleuerbüchern khir vor Augen tritt. Da.s ganze 14. Jahr- 
hundert hindurch wurde nichts Wesentliches daran geändert, im 
15. Jahrhundert begann dann eine rückläufige Bewegung, die 
ordentliche Steuer verlor wieder ihren öffentlich-rechtHchen 
Charakter und sank zu einer grundherrlichen Pertinenz herab. 

Die geschilderte Entwicklung war in der Art und dem 
Charakter der Steuer begründet. Diese trug schon während der 
ganzen Zeit ihres Bestandes als öffentlicli-rechüiche Abgabe den 
Keim dazu in sieh. Der Umstand, daß die Steuer Ton den zur Ver- 
waltung des QrundbesitMS befugten Urbarttmtem eingehoben 
wurde, erleichterte «e ungemein. Bei der annehmenden Klärung des 
VerhttItniBses awischen Urbarämtem und Landgerichten wurden 
erstere vollkommen auf die ihnen ale gmndherrliehen Behörden sa* 
konimenden Funktionen bcBchrttnkt Die Steuerveranlagung und 
Einhebung wurden ihnen jedoch belassen,^*^ wodurch der Offentlieb' 



*** Dl« innere TerwendtMhafl swiadien der Sten«mcbnQa|p von ItH wi 

den Steuerbttebern weift darauf bin. 
**• 1421 September S. Wenncaeelao Tnmer benrknndet, deO er dem Erabi«cbof 

ntif si innn Hofe zu Hipping, ,(lor in sein urbar und amt n H&nderff gt- 

h'ireV, Krbrorht ppp^bcn Imbp, .also stillen nnd \YolIen wir im nnrl geinea 
nachkoinnicu all iar i.'irlii h zu rechter dienstaw it . , . davon <3if ncn . . . 
Tier dinsthunr, 240 ayor, 1 U den., für wayd 2t ^, 2 stitftb&ner, zc 
atenr 3 U und ce woysat 24 ^ , «U das in Irem orbarpned Tüsduibon 
f tet Bakbttii^r KenunerbHoker 3, S, 784, n. 8S6. 14S0 April 19. Ge- 
nannte Ilintersaasen dea £brsbiaehofii am Ftoebelaee, im I«ndgeridrt 
Wartonfel« vorzichtr n auf das ihnen frOher Terlicheno Fischcreirecht am 
Fuscbe.l.'pi' uutrr \'(>iliohftlt des Nut?.pf*nn^^r.«s rlor l)fiiacliliarf rii Güter 
ttaii solichcin diuat, der darauf liget nach laut dea urbars und bat tu» 



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537 



rechtliche Charakter der ordentHchen Steuer immer mehr ver- 
blassen mußte. Dazu kam, dnß schou im 14. JalirhundcTt die 
StcMK i zaliler nach ihrer grundherrliehen Zng^ehöri^kcit veranlagt 
wurden, daß im Anschlag die steuerbaren Güter in jeder Propstei 
in landesfUrstliche Eigengüter und TJrbargUter der Geistlichkeit 
und der Ritterschaft cingoteiil wurden^"* Die Ursache dafür ist, 
wie wir gesellen haben, in der Entwicklung der ordentlichen 
Steuer von einer Abgabe im Immunitätsgebiete zu einer landes- 
herrlichen Steuer gelegen. Dieser Umstand hatte jedoch zur 
Folge, daß die Propsteicn, dfron Machtvollkommenheit in einem 
territorial geschlossenen Bezirk überhaupt nicht ausreichend war 
und welche ihnen im Laufe des 14. Jahrhunderts noch mehr 
geschmälert wurde^ nach und nach auch die Verwaltung der 
ordentlichen Steuern den grundherrlichen ßehörden ttberlaasen 
mußten. Schon in den Steuerbüchern sehen wir, wie man die 
Einhebung der Steuer ihrer HinteiMSsen oft den Grundherren 
Uberließ, ihnen eine Pauschalsumme auferlegte, welche sie dann 
auf eigene Faust einzubringen hatten. ^'^^ Tatsächlich hatten die 
geistlichen Grundherren schon im 13. Jahrhundert eine Steuer 
von ihren Hintersassen eingehobeui welche sieh nach ihrem 
materiellen Umfange nicht viel TOn der später landesheirlichen 
unterschied. Haben wir doch au beweisen Tersucht^ daß sie 
denselben Ursprung und dieselbe Vorlage, nftmlich die Vogt- 
steuer hatten. Diese gmndherrliche Steuer bestand nun im 
14. und 15. Jahrhundert fort.^^ Als nun denselben Grundherren 
auch die Einhebung der landesherrliehen Steuer ron ihren 
Hintersassen Übertragen wurde, war es nur ein kleiner Schritt, 
wenn nun auch die ordentliche Steuer zur grundherrh'chen Per- 
tinena herabsank. Dieser Vorgang voUaog sich also auerst in 
den geistlichen Grundherrschaften^ die weltiiehen folgten nach. 
Die näheren Umstände dieser Entwicklang sind aus Mangel 

darem an venMSen linsen and stenm von genadcn nin michlen snm 
^elts nachlawen'. Kammerbflcher 4, S. 17, n. 14. 1442 Jnli 27 Virgil 
Ülifrfn'Vor. dem der Erabischof den Hof genannt Sipharting im Liclifen- 
tauiicr Gericht überlassen, gibt einen Revers, daß er jährlich iu das Hof- 
meisteramt dienst und Steuer 12 ^, zu Weiüat C Hühner und 240 Eier 
gthm woll«. NotisMiblatt 8, 847. 

^ fliehe o. a 496. 

Siehe ttAton Anm. 160. 

*** Sirli.^ Aiini. 186—138. ca. 1400 Admonti-wbos TTilmr. f T. Nota daz ampt 
in der Frits. Item du Friteenbeld se dinst 70 ^ so steur &0 ^ n. s. f. 



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538 



an Nachrichten nicht aa&aklilren. Ob die Wirren unter En- 
biBchof Pilgriu and die Betätigang landatftndiacher Macht, die 
in der Gründung des Igelbundea vom Aasdmck kommt, hier 

riclitung<,'cb6nd waren, können wir nicht entscheiden. Begünstig 
haben sie diese Entwicklung jedenfalls^ obwohl wir uns der 

Vermutunja^ nicht verschließen können, daß dieser Vor^an^ sich 
nur siu-cessivc vollzog. Wie er sich des niilienm abspielte, oh 
beide Steuern zu einer einzigen vereinigt, von dem Inhaber dr« 
Gutes au duu Grundherrn gezahlt wurden, oder ob die frühere 
gnindherrliche Steuer verschwand und durch die ehemals landes- 
herrlielic ei^etzt wurde, ist nicht klar. Der zweite Ausweg er- 
selieint uns als der wahrscheinlichere, da ja die weltlichen Grund- 
herren, die früher keine grund herrliche Steuer erhoben^ jetzt im 
licsitze emer solchen erscheinen. Soviel ist sicher, daß wir seit 
dem Ende des 14. Jahrhunderts keine Nachrichten von dem Be- 
stehen einer ordentlichen, iandesherriichen Steuer mehr haben und 
daß wir sichere Zeugnisse besitzen, daß sowohl die geiätlichca^'* 
wie auch die weltlichen Grundherren^*® eine Steuer erhoben, die 
sich als die direkte Nachfolgerin der früheren landesherrlicken 
Steuer kennzeichnet. In den Streitigkeiten zwischen Bayern 
und Saixbnig wie swischen Ottorreich und Salzburg i^ielt die 

1418 Juni 18. WaLlkapitulatiou des Abtes Udalrich vou Michelbcoero. 
V. Et quod a ntrtiois eomndeni nKmaehomm pn^Mionun eitaelicNrai aea 
extofBiones iiuiadiui et tocoiisaete per ipsmn abbatem in stoari« et !■ 
«lib aecidentiboe neu redpiaatar abique aeitii et TolQiilate topn die> 
toruni monachorom. FOi, a. a. O. S, 885. 1449 Juni 29. WeeMbtMf 
des Stiftes Mannscc über flfsscn Stcibclhof in der Thalgancr Pfartr, <3<^ 
selben dem Krzstift für dio Ciiitor in Art ,in masso als seiner giiad^a 
urbaricut daselbs die iungehabt haben und die desseiben unaers ^Udigeo 
kcrren und seines gotshaus urbar gewesen und in sein ambt gen llauMe 
gebort baben, dayon meii aeineD gnadea ilrleiehen oaeb inabalt leüMir 
arbarplleher fiir diael und ttener gereieht and gediat bat* . . . VdSatm^ 
blati 8. 411. 1458 Januar. Admuntischee Urbar der Güter in der Fi-ita 
und im Pongan. f. 1. Jtem dacz Friczenwald zc panstcur 50 sanl 
Poltndinst 70 J^. 8t.-A. cod. siippl. 812. 1453 lißgistrum propositi iu 
Fritz, f. 1. Vermerkcht dy pausteur in der Frits. f. 18. Vermerkt die 
pauste ur im Fongau. 

1486 Aagoit 10. Teetanent dea Haiu Kaebler aa Friedbing. Er i waclrt 
•^ner Haaafiraii all sein Out «mit gUW «iflgelt» gerfdit» lebengeh, dieait, 
Bteur etc. Mon. Boica 5, 620. 1451 Februar 18. Marx Nusdorffer Pfle^r 
zu Raschenberg verkauft dem Erzbischof Friedrich Ton Salzburg^: T 

Gut zu Spit7;lein«?nd im Matt^cer Gericht dint '/a 21 kuefnrr. s ,S 
weynat, 4 hueuer» 80 ayr, 60^ cze Steuer u.a. f. Motizenblatt 3, 4^7 



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ordentliche Steuer f^ar keine Rolle mehr. Sie war. wie fjesagt, 
als landcbheiTliclies Recht wuhrscheinlicli schon seit dem An- 
fange des 15. Jahrliunderts vcrschwundeu. iJic bteuer, welche 
jetzt vom Erzbischüt^"'"' und von den geistlichen*'** und weit- 
liehen Grund herren erhoben wurde, war eine rein grundhorr- 
liche Pertinenz. 

Bei der Steuererhebung in den stcirischen und kärntni- 
aehen Enklaven, über welche der Ersbischof nicht die YoUe 
Landeshoheit errungen hatte, trat naturgemäß keine Änderung 
ein. Wie sie vorher auf dem platten Lande nur von den 
Eigengütern erhoben worrlen war, SO geschah dies auch weiter^ 
hin.'" In den StiUUen blieb sie noch im 15. Jahrhundert öffent- 
lich-rechtliche Abgabe und verlor erst mit dem Verluste der 
SonderstelluDg der erzbisebltflicben Herrschaften nach dem an« 
garischen Kriege diesen Charakter, worauf wir bei der Darstellung 
der Stadtsteuer noch weiter einzugehen haben werden. 

Bei der nun folgenden Besprechnng der Ausdehnung, Art 
und Technik der ordentlichen Steuer kOnnen wir uns etwas 
kurzer fassen und auf die Hervorhebung der für Salzburg 
eigentümlichen Erscheinungen besohrttnken, denn erstens ein- 
mal handelt es sieh hier um bekannte und oftmals schon er^ 
örterte Dinge und zweitens haben wir schon yieles davon in 
unseren Ausführungen Uber die Entstehung der ordentlichen 
Steuern vorweggenommen. Da es unsere Aufgabe ist, die Ge- 
schichte der direkten Staatssteuem im Erzstifte Salzburg zu 
behandeln, so ist der Umfang unserer Erörterungen über die 
ordentliche Steuer nach unseren obigen Resultaten sowohl zeitlich 
als territorial bcsclaankt. Zeitlich, denn wir haben gesehen, 
daß die Steuer am Anfang des 15. Juhrluuulcrts Pertinenz deö 
Grundbesitzen geworden war, weshalb ihre weitere Entwicklung 
nur mehr vergleichsweise heranzuziehen ist, örtlich, weil wir 

^ Zia«- ttnd Sletterbaoh von 146S im k. bajriseheii BalchflaroliiYe m Mfliicheii. 
Amtsrecbnungen von Wildoneok. Aam. 7i. 

Admontischc Urbare und Ämtsrechnungen. Aum. 68. MSß — 1 195. Urbar 
der chienisceisclicn Ilerrscbaflen. Notizenblatt 7, 38t! ft". Nota qiiod 
omnia prcdia sii])rascripta solvunt Rteuram et pollos ad voluntatem 
dotuiai {des Btfichoik von Chiemsee). Ebenda 8, 14. 
WeilwtMWvrMbniuigeii ron 1442 and 14(St ^ wekhe studi die ofdent- 
Holie Steuer einbemgen itt. 1448 Urbar der Hemehaft Lichtenwald. 
St-A. eod. coppl. 864, f. 13*. Nota dje Btenr aw dem urbar. 1511 Urbar 
von Pettan. 8t.«A. cod. suppL 1080. 



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zu dem Ergebnis gekorainen sind, daß die ordentliche Steuer nur 
in einem bestimmten 'IV'ile der crzbiscliüHit licn Besitzuugcii ah 
hinik'.slicrrliclii' Abgabe erhüben wurde, in den äteirisclien und 
kan t ii sehen Enklaven auf die Eigengutei* und die Städte be- 
scbriinkt blieb. 

Die ordeiitliehe Steuer war in der Regel Keallast.'" TrSger 
der ür(b'iitliebeii Steuer war nieht der Eigentümer, j^'nidern der 
Inhaber dco bctretVeiiden Gutes. Bei der in Salzbiug häufig 
vorkommenden Koiiiinunbausuiigj alr^o im Falle des Besitzes 
eines Hofes durch mehrere Personen, wurde die Steuerlcistung, 
welche das Gut traf, auf die einzelnen Besitzer verteilt.^'* 

Der Umstand, daß die Steuer von dem Inhaber des Gutes 
gezahlt wurde, ist maßgebend für die Ausdehnung der Steae^ 
pflicht. Steuerpflichtig waren die bäuerliche Bevölkerung ood 
die Stadtbewohner. Die Geistlichkeit und die RittersehaH war 
von der Steuerleistung befreit. Die Steuerfreiheit des EJenu 
beruhte auf der Kirchen- und Reichsgesetzgebung und wurde 
auch von den Krsbischtffen selbst verfochten. Sie beiog ndi 



*^ 1K4S Juli-September. Aiud.4. DasOli|ekt der Beitenerang fttbierdflom 

cum suis curtilibus et appoudiclls, 1327 Juni S (sioho o. Anm. 7S} die 
Ilnu^or und Hofstätten, Steuerbuch I, f. 28* (Propstei Licfering) dicqaar- 
tnlia. II Jfi, 53 die predia de« Klosters Aschbach nnd Bstimburg: Aaßtr- 
ileui zeigt diü gau^e Aulagc der Steuerbücher und des Urbars, daii bei 
alleu Gütern die Steuer lieallast war. So war es auch die Vogtsteacr 
(1848 m, 15. Siehe e. Aimi. 148, 1244 Angtut ffiehe o. Anm. 143, 1384 
August 16 und 1837 Jannar 81. Siehe o. Ann. 168 n. ■. f.) und ^e Stwocr 
der anderen Imumnitätsherren (Siebe o. Anm. 186 — 138). Der Umstieg 
daß die ordentliche Steuer g^undherrliche Pertinenz wurde, ändert daran 
nichts. Urkunden von 1449 Juni 28. Sielic u. Auiti. 167. 14öl Febmar 1^, 
Anm. K'iH. H86 — 1497 Urbar der ChuMusofiscliou Herrschaften. Amn. 170. 

»'^ 1201) Juli 14 Anm. 1 10, 1327 Juni 3 Anm. IS. Steuerbücher I, Ii. 

"* Über Konuntuihftusuiig siehe Zlttner, Salsbuguelie Kulto^efcbieliliv 
S. 96. Zahlreiche Erwihnangen in den Stenerbttchem I, f. 88* (ProiNlai 
Knebel) Ulricus aof der Eben XX ^„ Chanradas eonranis wu XX 1) 
n. f. odor in Urbar I, wie (f. 88) Georius Ti y.s, üeinricu« Hager, MiooUas 
Chlau, K.-itheriua et Dyetcl Villkiint solvunt de ])rodio in Lerchen . . . 
Zoumer, a a. O 72 fV. v. Below, a. a. O. 13ff. Die vorhandenen Nach- 
richten über die Stell unguahine der KrzbischOfc beziehen sich nur aul 
die in ihrer DtSseae von den Landesherren, boeonderB von den iSTenogeB 
von Bayern von den Oeiatliohen erhobenen «nßerordentliehen Stetten. 
Daher gehören die Urkunden Ton 1888 Hin 18 (Jnvaria 888), 1S9C 
F'ebruar 2.') Papst Bonifaz VTH. verbietet die Besteuerung der Gci>i 
Uchkeit ohne pftpsUiche Verwtllignng (Orig. St-A.). 1306 Septeiubei 1 



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Ml 



jedoch nur auf die Boslciicriing des unmittelburen geistlic lien Be- 
sitzes. Alle vorhandenen Nachrichten bezeugen, daß die Iliater- 
sassen der Geistlichkeit besteuert wurden. Die Frage der Be- 
steuerung der Geistlichkeit erlangt daher nur in den Städten 
besondere Aktualität, fllr das platte Land sind uns keine Nach- 
richten erhalten, daß sie Anlaß -m einer Entscheidung gegeben 
hätte.^^'' Das gleiche gilt für die Besteuerung der Ritter- 
schaft,^'^ deren Hintersassen ebenfalls nach allen vorhande- 
nen Nachrichten besteuert wurden. Aach die Guter der Amt- 
leute, welche diese in direkter Verwidtnng hatten, erscheinen 
steuerfrei.*'^ 

Der Steuer unterlag also auf dem platten Lande nur die 
bäuerliche Bevdlkcrung, und zwar die Gesamtheit der Hörigen. 
Freie Banem gab es jedenfalls nur mehr verschwindend wenig.^'* 
Wie es mit der Besteuerung derselben stand, wissen wir 
nicht. Wahrscheinlich waren sie steuerfrei, da ihrer im Steuer- 
buch keine Erwähnung geschieht. Sonst hatten im landeshenv 
liehen Territorium Salzburg sämtliche EUntersassen und Yogtleute 
des Landesftoten, der Geistlichkeit und der Ritterschaft die 



Vorbiuiluug des Efzbiäcliuf^ Kuurad von Salzburg itiit den BidcliOfcn 
Emmerich toh Freisiug und Konrad von Begencbtirg and deren Dom- 
kapital g«g«n diejenigen, welehe den Klents mit Stenern bellatigen 

(Orig. St. A.), 1309 HSn t« Beschwerde ErsbiHcbof Konrads von Salz- 
burg beim Papste Clemens über die Herzoge von Beyern, welche <lii' 
Kirchenpflter mit übfrmnßiprer Steuer belegt hatten (Oripf. SJ.-A ). Hierher 
gehört auch der Streit um d^ia kirchliche Freituni niilaülicb der ätcuor- 
fordemug der bayri-^chon Herzoge. Siehe o. S. 617. 

>w Die Au&fiikrungcn darüber siehe unten. 

Darttber beeitien wir fSr die ordentUcbe Steuer enßerordentlieh wenig 
Haehrtcbten. Ansnillbren wire nur eine H<^b im Stenerbneb II, f. 97' 
(Amt Werfen, IVeisamen in plebe Cyrieci). Chunradus nnder dorn 
perig im Weng ... X ^ . Die Steuerleistung ist durchgestrichen and 
daneben eingetragen! nobili^ ost. II, f. 71* (Amt Kadst.vdt) Flachauer in 
Hub, Garronhot, Cliunt^el bei der Ens crschciuon ohne Steueransatx und 
dazu ist l)pmorkt ,uobiles'. 

Steuerbuch I, f. 2. Heinricus de Chirichpuhel, daneben von C: nihil, iam 
oflicialis. f. 2' Chunradus in Oberdorf, daneben von C teuet oftidalis und 
sabLreicbe ibnliehe Erwlhnnngen in den Steuerbflchem. 

IM Lnechin, Oaterreicbisehe Reiehqgeeehicbte S51 ff.} Httboor, Beacbreibung 
dee Enstiftce Salsbnig 1, 986; Zillner, Saliboigitebe KnltargeMsbiehte 88; 
denelbe, Salcbu^iBche Dörfer im Mittelalter« Hittbeiliingon der <}e8ell> 
aebaft lUr Salibuifer Landeskunde, Jabig. 1892, 198. 



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Steaer su saUeo.^** Weder die pen5nliche Abhängigkeit des 
betreffenden Bauern^ noeb das ESgentumsrecht einee Aoge- 
hörigen der privilegierten Stinde an einem Banemgut bedn- 
flußte die Art und den Charakter der Besteuerung, wenigstens 
soweit unsere Quellen darüber Licht verbreiten. Sie kam, wie 
wir später sehen werden, nur bei der Veranlagung und Kr- 
Hebung der Steuer in Betracht. Mitunter wurJon wohl Si^suer- 
befreiuugen flir Güter geistlicher Grundherren ertheilt Das 
sind aber nur vereinzelte Fälle und beweisen gerade, daß im 
allgemeinen die Besteuerung der geistlichen Hintersassen üblich 
war. Übrigens wird dies durch die Eintragungen in die Steuer 
bUcher hinlänglich bezeugt. 

Die Steuer war, wie gesagt, Rcallast. Sie lastete auf dem 
betreffenden Gute, gleichgültig, ob der Grundherr der Erzbischof 
selbst oder ein Angehöriger des geistlichen oder des Ritter* 
Standes war, und erstreckte sich auf den Gesamtbesits an Immo- 
bilien, wie er nnter dem Begriff der blliieilieheD Habe znaanmeo- 
gefaßt wurde. Die bftnerlicbe Leiheform spielte gleichwie die 
grundberrlicbe Zugehörigkeit nur bei der Voranlagtmg und 
Erhebung eine Rolle. Die meist gehrttucblicbeo Arten der 
bftuerlichen Leihefarm waren die Verleihaiig su ESrhrecht und so 



Dies ist schon aus dorn Auszug des äteuervoreeicLuidsei» iiir die Propttoi 
^aßer-Ahn*, tMie o. S. 496^ eraiditlMh. Für die laadaafllntlielMD VAw 
guter kommt «aßeideni du Urbar I in Betmht. Für die Besteoenuf 
der geistliehen HiBtenaann seogen AI» Befreiungen für die KI(M«r wie 
1109 Joli U, 1S42 Jali September, 1887 Juni 3, 1329 Novemb«r 26, 
siehe o. Anm. 78, Rowie ihro Vcranlaf^ng in den Steucrböchcm. Das- 
selbe gilt für die Güter der Rittereeliaft. So erscheinen untrr audeni 
die Vogtleute und lloldeu der Klöster Admout (Steuerbuch ii, -ö , 71", 
7-2'), Aschbach (II, 40\ 44, 58)» Beamburg (O, 2\ 63) Berehtfl^gadeo 
(I, 40), ChieuMe (Q, le, 18, 88» 84^ 46), desDomkapitoU (I, 8\ ]6*,8S, 
84% 88», n, 17, 88', 68, 68*. 68% 78*), Hflgelwerd (H. 44', 62 ), Millststt 
(n, 3), Nonnberg (I, 26, H, 22, 68', 81), Nonnenwerd (II, 68, 81), St Peler 
(1, 8', 29', 32, 42, II, 2', 11, 12, 23, 53, 50, G3, 06), St. Zeno (II, 3) und 
genannter Pfarreien, sowie der Blumber-rer (II, 0"), Chäutzl (I, 10), Dureh- 
raimcr (II 72'), Fl uor!^in<rür (U, 10, 2U', 73), Ooldecker (U, 11, 12", 65), 
Lawpotiuger (I, Ü", II, 64), Moser (I, 10', II, 66), Nußdorfor (I, 10, II, 73), 
Tanner (I, 10\ 18', n, 44), Teüiiiger (I, 8, H, 88', 64), Tranner (EI,<3> 
64', Turner (I, Ii, 88, 86, 89'X Wlipeek (O, 66) nnd salilreidier anderer 
Adeligen in den Stenerböchern, die Hinlorsassen von St. Lambrecht, de« 
Domkapitels, der Lichtensteincr und Weißbfiadier im Lnngan ia der 
Steuerrechnaag von 1893 Aoguat 14. 



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Freistift. Die mit Erbrecht beiicltcncn Hintersassen des Erz- 
bischofs sind in den landesfürstlichen Urbaron verzeichnet. Sie 
bilden den Grundstock der Steuerzahler. An Zahl halten ihnen 
die Freistifter ziemlich die Wage.*^^ Die Freistiiltcr oder Freisassen 
— in den Steuerbüchern ansnahmalos ifreisatzoncs* genannt — 
vraren von dem Grundherrn auf jederzettigen Widerruf oder auf 
knrse Zeit mit einem Gute beHebene Hintersassen. Sie ge- 
nossen meistens lebenslttngUohe Nntsnng, docb ein Recht darauf 
kam ihnen nicht zu. Ihr Stand war natürlich ein sehr wech- 
selnder. Bei jeder Steueranlage mn0ten firtther veranlagte Frei- 
sassen verschwunden, neue zugewachsen sein. Stets wird in den 
Stenerbttchem zwischen freisatsones antiqui und novl geschie- 
den und bemerkt, daß neue Freisassen in die Besteuerung 
einbesogen worden seien.^^ ZaUreiche Freisassen werden auch 

Die Stellniif dieser Freistifter iit noch im einzelnen mcht klaigelogt 
Der lokalen Kncbtsentwicklung mnß hier g;roßes Gewicht eingeiliiint 

werdeu. Au» der Literatur hebe ich lu rvor Meli, Die Anfänge der 
iiauernbefrctung^ in Steiermark. Forschuugea zuv Verfassungs- und Ver- 
waltungsgeschichte der Steiermark, herausgegeben von der historischen 
IiandflAomittMoa fllr StaSwmark, Gras 1901, 10 ff., Zilincr, Salzburgisehe 
Dorfer «. a. O. 8. 198; doiMlbe, Salsbnigliohe KaltargeBcblehta 89; 
SehmeUer, BaTriaekes Loadkon II, 786 ff.; Iiiaiiia>8t«nie0|r, Deatseke 
Wirtschaftsgeschichte lU/t, SIC. Ihre Stellung erhellt besonders ans der 
salzbur^nsclieii Lnt:(lr<?nrr]nnnfr von 1328 September 29 ''a(><'f <knckt Hühner, 
lkst hreibmif» der ötadt Salzburg II, 498). Im Kernland S U /i tirp wird 
der Ausdruck Freisassen — vielleicht eine durch den ähnlichen Klang ver- 
ursachte irrtflinUehe Übersetzung von ,freysatzo* — fttr Freittifter klufig 
gebraoekt. Diei gakt icboii am dem Sienerbfickem kenror. Der stete 
Weektel ibree Staadei, der atu d^r Veranlaganf naek noTi ood antiqui 
freisatsones hervorgeht, ihre gtoile Zahl, die Art der Steaerbemessnng 
schließen jede andere Deutung aus. Vgl. außerdem Öffnung und Rouht 
dpr Freisassenstift im Mittersiller Gericht. Siegel nnd Tomaschck, Salz- 
burgische Taidinpc 299. Diese Bezeichnung wird bis ins 16. und 17. Jahr- 
hundert für die Freistiftcr gebraucht, wie aus zahlreichen Quellenstelleu 
berrergeht, lubeMmdeit aoa dea Vertrlgen mit Bayero 1499 Jani 17, 
1586 Oktober H nnd 16S7 Jnni 17. Orig. 8t<A. ZUIner, OeKluebte der 
Stadt Salzbui^ 2, 180 hat auf Grund der Steuerbficher eine mblung der zn 
Erbrecht und zu Freistift ausgeliehenen Güter vorg^moramcn, welche das 
VcrhrUfnis 23t56:2427 orcrab. Diese Zahlen können, wie ich mich iiln.rzcnjrtc, 
keinen Anspruch auf ir<»tianif^ktnt inaehon, da die zahlreichen Nachträge 
und Basuren in den ätcnerbücbern eine sichere Zühlung vereiteln} 
immerhin veranaebanlichen tie dai TetfaUtnia beider. 
1^ Siehe 8. 496, ab typlMkea Beiipiel für die Art der Stenerveranlagang 
Stenerbaek II, 79*. Novi frelsatioa«* inventi per Snmerlinum preconem 
ArcUv. ZCU^BmU. U. Bllfte. 86 



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544 



noch von den späteren Obenurbmtern eingetragen.^*' Daneben 

findet ein steter Ubergang von Freistiftverträgen zu Einbrecht- 
Verleihungen statt,'** während uns aus den Steuerbücheru kein 
Fall bekannt ist, daß einmal zu Erbrecht verliehene Güter 
wieder Gegenstand eines Freistift Vertrages geworden seien. Der 
Stand der Erbrechtgüter bleibt auch in den durch die Ein- 
tragungen von C und D charakterisierten Neuanlagen ziemlich 
unverändert. Die fortsehreitende Besiedlung und Urbarmachung 
dürfte sich also im 14. Jahrhundert vorwiegend auf Grund des 
Freistiftvertrages vollzogen haben. In der H' gel wurden zu 
Frf'istifi nur kleinere Güter, Sölden und AchteUiuben verliehen, 
wie aus der geringen Höhe der Freisassensteuer hervorgebt. 

Die Steueranlage und Bemessung stand in einer festen 
Verbindung mit dem Ausmaße des Immobiliarbesitzes. In Saba- 
burg herrsohte, wie überhaupt in den Alpeolftndern, das Einzel- 
hofsystem vor.**** Diese Einselbtffe worden nach dem in Bayern 
gebräuchlichen Hubenmaße gemessen. Die Hube galt als die 
Hälfte eines Hofes und zerfiel wieder in halbe Huben, Viertel- 
huben (qaartalia), Acbtelhnben und Sölden.^^^ Auch bei der 
Stenerbemessang tritt diese Einteilung schon frühzeitig bei der 
Vogtotener zu Tage.^" Auch bei der ordentüchen Steuer lifit 

in ot^eio liastat. II, 82. Snnnn« prembäorum frpi««atzonum per KarnHiem 
inventoram anno läid. II, 46* (FreiMSsen im Amte Saalftildeu). In 
fbtaro mon» Mributiir inter «atiqnoa raeeplifl iafraMriptis, qu Mut 
noTi. 

BeUpielaweiae Ufgt C (Stenerbnoh n, 95\ Amt ZeU) 97» D (StoMflmek I, 

41' auf einem eingeklebten Zettel, Amt Abtenau) 18 neue Freisaasen tin 
Diis howoißt außer der bniifigon Erscheinnng, daß Witwen uud Kiuder 
eiueti Fretüaäsou in dem licsitz dos Gutes belassen werden, der oft vor- 
kommende Zusatx ,i(iatitutuä', der von C und D zu einzelnen Freisassen 
gemacht wird und bedeutet ,mit Erbrecht besttflct* (so beispielsweise Steoar^ 
buch I, 4 Propstei MitteniU: Helnrieas P&rchol auf dem Sebaircn, dan 
von A iiaehgetracren: et fflina inekitati» est «d {Medium domini) rad 
scripti sunt intor urixiraa 89, 49) oder eit pfedUUt (1, 88*) «der «eripti 
inter prodiales (II, 37). 
'"^ V. luama-Sternegg, Uutorsiichungen über das Hofsystem im Mittelalter, 
Innsbruck 1872; UUbner, Beschreibung dos £rz8tiftes äalzbuig 2, 458, 
8, 901; Richter, a.a.O. 6Ül. 

Jmvia 419ff.; Httbner» Eisitift 8, 48», 8» 90t; ZiUner, SekbiusiMb« 
Koltaigeechiebte 88; derselbe, Der Hansbau im Salsbwgiacfaea. lCi> 
tcilungcn der Qescllschaft für Salsbniger Lasdeeknode 84» 10. v.Inama- 

Stt riiegg, Deutsche Wirtscliafisgescbiofate IQ/], 91981 
^" 1244 August siehe o. Anm. 148. 



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Ö4Ö 



sie sich erkcmion, wenn auch bei der Bemessung oft lokale 
Einflüsse it^cltcnd waren und durchaus keia stabiler Satz für das 
ganze der liuöLcuci uü^- unterliegende Territorium vorliep^t.*** Ein 
gewisser, aber auch nicht strikte eingehalteuer Dui'chschiultä- 
satz wurde mituntiM- nur flir einzelue Amter aufgestellt Soviel 
aber ist sicher, daß die Hauptbemessungsgrundlage stetti das 
Hubenmaiß war.^^^ Auch bei den Freistiftgütern bildet das üubeii- 



*** ca. 1290 Rechnung des Vixedoms. Die Yleiielhubeu sind hier darch- 
schnittlieh zu 30, die AchteUmhen r.n 15 veranlagt, docli gibt es auch 
Viertelhuben, die zu 45 J), vcraulagt sind. 1322 Urbar des Vixcdomtnats 
Leibnits. Darttber vgl. auch Peisker, Zar Soaialgoschichte Böhmens, 
Zeitaduriftfttr SoiUl- und Wirtschafti^eseliieht» T, 861 ff. ca. 1350 Steuer- 
bfielier und Urbar I passim. Um «in Beii^el harroranbeban; Urbar I, 
f. V (Pkopatai Enebel)» Ataaeb (Adiiet), Item in ▼lUa Atbnat ... da 
bttba .) . (Vfl) . * . pro den. XLV, lt«m ... de bnba . J . et quar» 
tali uno . . . ^ pro pausteura den. LXLIIj . . . item ... de Imba . . . 
^ pro pausteura den. ^ I^XXXX. Dies ergäbe also für die liube den 
Satz von 3 für die halbe Hube 45^, fUr die Viortcüiube 22 5 4. 
Doeb war diaaer Sats nicht in allen Ämtern duruhgoffthrt. Diese 
Mannigfaltigkeit bantoht nidit bloß swiicbea den efauebMu Propsteien, 
aondam auch innai^b daraelban. Urbar I, 181 (Propatel ^nßar-AIm*, 
Amt Saalfidden) Primo ... in Hyrrenreut de tribus qaartalibns m»1> 
vunt . . . pro stiura . den. XLV. Item in loc<> Stcgcrii ... de quar- 
tali uno . . . pro stiura den. XV, f. 53' (Pmpstci Werfen) In vallo 
Tumerspach ... in Michelpach ... de quai tali diiuidio . . . pro steura 
den. XXX., it. ibidem ... da quartali ono . . . pro steara 60 den. Oft 
lißt aicb aaeb (tr kein fixer Staoanatn berrtellen, ao Urbar I, 80 
(Prapatei Badatadl) Primo ... in Bniwald« de dnobus qiuirtalibne aol- 
■mnt . . . | i iia Jen libr. .J., f. 81 item . . . loco djrnboU . . . pro 
steura den. XLV, d« alio quartali per omnia tantum , f R5' . . . 
de quartalt uno . . . pro steura den. XXX oder es wird uutuutor nur 
für ein Jahr ein Durchschnittssatz festgestellt wie lüHÖ (nach D) in der 
Propstei iuxta Salam. Steuerbuch I, f. 88' Hominea predialea in Lyfring. 
Naebtnig Ton D: Netandnm eat, qned in Lifering snnt qnartalia LYIIII 
et qneUlMt qoartale dabit boe anno den. XXIIU, f. 80, K>ndnea pre- 
diales in villa Suetienhaim . . . (D) Notandiun <>st, qnod in S&czenliaim sunt 
quartalia XVIIII et quelibet quartale dabit hoc anno den. XXXV, f. 32, 
Homines prediales in Salzburchovcn . . . (D) Notandnm est, quod in Vrey- 
lazzpn et in Saltzburchofen sunt hübe XXVll et quelibet huba dabit 
hoc auno deu. LX. Auch im Steuerbuch des Vizedominates Leibnits 
von 1871 «aebefait die Hnbe als Stenereinbeit. 

Hlttfigv ja Mgiar meiatans feblt aowoM In den Stenerbllehem wie in den 
Urliaren ^ne nUbere Beieichnung des veranlagten Gates, oder sie werden 
prcdia, leoda etc. genannt, ohne daß diese Bczeicliunngun mit der Httbe 
dea Stenenoamaßea in Zusammenhang gebracht werden konnten. 

85» 



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maß die Qnindlage der Besleaerung. Wie Bchon lienroigehobeo, 
wurden meiBt nur kleine Guter su Frrastift ausgeliehen.*** 

Eine abwdchende Gestalt hat die Besteuerung atfordmgs 
bei den zahlreich vorhandenen Schwaighöfen. Sie wurden zwar 
Eusammen mit den übrigen mit Erbrecht bestifteten Urbargütem 
veranlap^t/'" ihrer Eigentümlichkeit als hauptsächlieli der Vieh- 
zucht guwiUmeteu Betrieben jedoch auch bei der Besteuerun::^ 
Kc'thnung getragen. Ob nicht der Vieh- und Alpenbesit^ oft 
auch bei den anderen Bauerngütern bei dem allgemeinen, starken 
Vorherrschen der Viehzucht und dem Mangel an ackerfäliigem 
Boden eine große Rolle bei der Stonorhem essung spielte, können 
wir nicht entscheiden.*®* Vielleicht ließe sich dadurch so manche 
nicht mit dem Ilubcnmaße stimmende Veranlagung erkiiiren, 
bei den iSchwaighöfcn war er jedocli sicher an erster Stelle 
maßgebend. Bei ihnen findet sich die eigentümliche Erschei- 
nung, daß sich die Steuerbemessung nach der jährlichen Käse- 
erzeugung richtete. Mag dies nur ein im Einzelfalle gefondener 



Vom 881 im Steuerbuch I Tannligtm FiniMtMB uhlen 906 877 tO, 
90 16 X 808 80 oder mehr 4 . 

Hänfip kommt ps vor, daß eine Keiho von Baueniputern im Url>.-ir mit 
Bwaiga oder en*^ett*5 hczcicliiiet werdoTi, wolche in den Stcaerbüciiern 
einfach unter den homiues predialos vcranian^t sind, so im Amte Wedeo« 
Urbar I, f. 64 ff., Steuerbach 8 ff. 

Zu des SchwMghOfen n^hSrlea mebtene eine oder mehrere Alpen. Urber I» 
64. Isto eweiga tenet nkedlara nipem in dem Cfaar prope Toatem. 1 199'. 

NoU NicoUiu Rapf et Andreae Weinman de Glem servluut aonoatiin 
de uno aipo, qut pertinet ad swaigam in Mosen etc. u. s. f. Jedoch aoeb 
andere Banernpfltcr besaßen Alpen, so II, 64': it. . . . do Sohcibelprant . . . 
alpis nna est adit cta Ramstein, II, 98' it. Nycolaus an der Weitgoz. . . . 
babent alpem Guetreich ober et unter ad idem predium pertine&s. Die 
Urbaie und Stonerbflcher bieten dae anageaeiduiete Qnelle nr Dv> 
etellnng der egreriicbeii Yerbiltaiae in Sebbnrg. Im Bahmeo di«er 
Arbeit iet ef «Ilerding^s nicht mOglich, auf diese Fragen näber einzugeben, 
als zum Verständnis der Alt und des Qharalrtera der ofdentUehea Steoer 
notwendig; ist. 

6chuu die prundlierrliciien i i it l iL'kriteu dieser Scliwaighöfe bestanden 
bauptsäcliliüli in Käsen, vrolür wu zahlreiciie Beispiele aus den Urbaren 
nnitthren kOnnra, Ab bedentungsvollitee heben wir hervor Ufberl^ 
169* <pMpetei Zillevtali Amt Bchwenton) . . . predinm in Lemberpttiel, 
de tribne elpilnui EUeas, Horpfureh et ünterpercb, qaicquid paratur ad 
unam vicem de ceaeis, oder f. 172 (Amt Zell) it. de duobus alpibtu 
Ertcns et Pifrneid dantiir ;H'^po«ito, fjnicrinif! ibidem paratur de easeis 
oiu vice. Der Zusammenliaog der Steuerbemessung mit der Kä^eerzeugaog 



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547 



Ausweg gewesen sein, fllr die Alpen- und Vieliwirtsehaft eine 
iixierliare Grundlage zur 8teucrbemessung zu finden, sie zeigt 
uns docli, daß man bei diesen landwirtächaftiichen Betrieben 
Yon dem Pnazip der auf Grand und Boden radizierten Beal- 
laet abging. 

Die Neubrttche, novalia, welche bei der Zahlung der 
gnmdherrlichen Dienste eine gewisse Ansnahmsstellnng ein- 
nahmen, scheinen diese in der Bestenerang nicht besessen an 
haben.*®* 

Die Art der Steuer in den Enklaven auf dem platten 
Lande, in den Besirken, wo Salahnrg nicht die Landeshoheit 
erworben hatte, interessiert uns weniger. Soweit wir dies ans 
den nns an Gebote stehenden Quellen ersehen können, war sie 
der im Kernlande von den landesfÜrstUchen Urbargdtera er- 
hobenen gleichartig. Aach sie war Reallast und wnrde nach 
dem Hubenmaße bemessen.^^ 

Neben der prinnpiell bestehenden Bemessungsgrnndlage 
nach dem Hubenmaße haben wir jedoch in dem ganzen der 
erabischößichen Steuerhoheit nnterstehenden Gebiete eine weit- 
gehende Bonitierung «nsunehmen. Die allgemeine VermOgens- 
lage des Inhabers des besteuerten Gutes wnrde bei der Be- 
messung der ordentilchen Steuer in Rechnung gezogen. Auch 
bei der Vogtsteuer war dies der Fan.^** Ein Blick in die Steuer- 
bttcher zeigt, wie sehr man den Vermögensstand und die Zahlungs- 
fähigkeit des Bcstcuertuu berüeksichtigte. Sclion Hand A ändert 
zahlreiche Ansätze, G und D fügen dann neue hinzu. Für ein 



geht nnzweifelhaft hervor &us Urbar I, 198* (Propttei Mill«nill} Not«, 
qnod ceteri in Velbcn dant de quolibet centenario caaeonim pro steura . . . 
den. 30. Die Bcinessunjfsgrundlage war, wie rine Abi^chätzang der ver- 
seichneten Steaerbeträgc ergibt, nicht die geMoite Kiuseerseagung, sondern 
die jlhrUcbe jgfUiidlienUdie Abgabe in Ktoa. Ak» mf^eidi auch ein 
merkwBrdiges fieiapiel, daß dob die Bteseibeoieaniag naeh den gnuid- 
berrlieben Dienalan liohtrte. Der binfigat yorkeimeiide flteiieranieblag 
der SchwaigbOfe ist zu SO nnd zn 60 . 

Die Eigenschaft als Neubruch wird bei manchen Gütern, für weiche wir 
sie aus den Urbaren kennen, in den StenerbUchem gar nicht hervor- 
gehoben. Mitunter werden sie auch aU solche bezeichnet (II, it6\ 31, 
86, 4S\ 68, 72), ohne daß dabei aber eine Beeinflussung de« Steaeraataea 
la eriiemiaa wire. 
CKehe o. Anm. 188. 

Uriranden ron 1884 Aegast 16 tind 1889 Jannar 81. Siebe o. Anai. 168. 



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548 



und dasselbe Gnt finden wir stark divcrgiei*ende Ansätze. Zum 
geringen Teile beruhen sie auf bei außerordentlichen Anlassen aus 
Gnade gewährten jSteuernachljtssen bei Rrnnd, Kriefr, R.nub,^** 
Todesfall,*®® meist lassen sie eine vorhergegangene Einschjitzung 
voraussetzen, wofür wir auch direkte Hinweise besitzen. Dies 
allein war schon die Ursache, daß keine Fixiemng der ordent- 
lichen Stcner statuirKlrn koniue,**** sondern von Zeit zu Zeit 
ein JSeuanschiag der ürdtntlu hoii Steuer in den einzelnen Ämtern 
erfolgte.*®^ Dazu kam noch, daß der bäuerliche Grundbesitz nicht 
bloß in den Freistiftgütem, sondern auch bei den zu Erbrecht aus- 
geliehenen einem steten Wechsel unterworfen war, wie wir ans den 
nrbarialen Aafzeichnangen, die uns sa Gebote stehen, ersehen.^ 



Staasrimch II, 65: Summa oolonornm plebani in Bastal den. libr. Iltl* 
deo. 26, ted (Hand C) Mino MCCCLIII (dnid^cctriolien nnd dtfttbcr 

61) dato fuemnt ex gracia libr. den. Uli. 

Stonerbnch I, f. 3 . . . hoc miniu dabil propter combutioaem. J, 25'. 
61 dato) Hoc anno nihil propter adnstionem doniorwm. 
1371 StuuerbucL des Vixeduuiiuatefi Letbiiitsfi. Steura predil iullaiaf. S*. 
InPrttnn . . . Ittnf atetMrbwe GQter, dam bemerkt: nihil, spoliati per Sehili 
*** D«ltbr •tinimen die Mhlrelehen NaAMIge, d«0 nnnmehr die HHtwe od« 
die Kinder die Steuer eehlea nnd die damit mfelmlOig msMmnee&llMd« 
Ermüßigung der Stenpr^umme. 

8iohe die aahlreichen ZusÄtze ,paaper' in den Steoerbüclieni. Aaßerdero 
.Strnor))Uch II, 61 (FriMsasscii in Radstadt) Vide hic, qaod nfticiali? 
inniv informavit, I, 27 (Freisaasen in Küchel) plus dabit in futuro anoo, 
II, 47 (FreifUMn In SaeUbldeD) qnlratnr meBne. Urbar dee TiBedoiiii> 
nattf I«elboitB von IMS. 8t««ura pvedtt (Leibnleeniie) leemidnm eok- 
norom faenltatem. 

Wie wenig Festigkeit in der Steueranlage herrscht, geht schon ans der 
iiT hvjv tRR angeführten provisorischen Fest«»>t7unjT de<> Stcucrfußo? f^r 
l^ifferiug hervor. Die Höho der einzelucn Anlagen schwankt ot"t sehr 
gewaltig. So n. B. Steuerbuch II, f. iO (Prediales in miuort Arula) Otto 
et Hrinrions loeo Leiipherli (Hand A I. Veranlagung) den. I*X, (A % 
Yeranlegung) ZV, (A 8. Veranlagang) sol. III den. XX, C den. XXXX, 
D ZXXV. Bei den Überarbeitungen dnieh C nnd D weiden lut die 
meisten AnsXtze geändert, die ÄnsXtze in den .Stcncrbttdiem nnd den 
rrhnriMi diverpieron nft stark. Urbar I, lf>6 (Ofticinnr Ennstal ) It 
Hcrmaanus in monte Scliachpn de fcodo f!i< to Pechollehcn pro spr^i( i.> 
et steura den. sol. UI, quamvis antiquus mator über conttneat tantutn- 
nodo LX. 

^ IXete Nenanlege hleS Impoeieio. Siehe o. 8w 490, Anm. M. 

CA. It90 Rechnung dm Viiedoms. Item enf der bnbe erat raMmi 
dtniidtu9, qni medo ad qnadrnntem «et vedaetot nnd Bablreiclie Hinweiae 
im Urbar I. 



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54d 



Der auf das einzelne Steuersubjekt entfallen de l ictrag mußte sich 
daher öfters ilndern. Erst nach der Verwandlung der Steuer 
in eine grundlierrliche Pertinenz scheint eine Fixierung statt- 
gefunden zu haben.*®* 

Die Ncuanlago und die Erhebung der ordentlichen Steuer 
wurde durch die Pröpste und ihre Unterbeaniten, die ofHciales 
und die famuli, preoones vorL'enommen.*'** Lotztcrcn war wahr- 
scheinlich die Evidenzhaltung und Abschätzung der einzelnen 
Güter übertragen. Wie gesagt, dürfte jeder Neuanlage eine 
Schmsung der besteuerten Guter vorausgegangen sein, welche 
dorcli die oben genannten Beamten durchgeführt wurde. Im gc 
samten landesherrlichen Territoriam fand, wie schon öfters hervor* 
gehoben wurde, die Veranlagung nnd £rhebung nach der gmnd- 
herrlichen Zugehörigkeit der versteuerten Guter statt, wonach 
diese in ihrer Gesamtheit in zwei Gruppen zerfielen: m die 
landcsflirstlichen Eigengüter und in die Güter der Hintersassen 
der QeistUchen und Ritterschaft.'^^ Die Gemeindeverfassnng blieb 
ToUkonunen nnberdekaiohtigt Dies hftt seinen Qnmd wot allem 
in dem oben charaktefisterten ürsproiig der ordentlichen Steuer 
ans einer gnindherrliehen Abgabe und in dem Umstände, dafi 
die Hintersassen der Geistlichkeit nnd der Ritterschaft erst, 

*• Die Ansätze der Steuer, welche die admontischen Hint<^rsas-SRn nach den 
im 16. nnd 16. Jahrhundert vorlicg-enden Rechnungen (siehe o. Anm. 68) 
sahlen, bleiben sich iu den beiden Jaiirii änderten beinahe gleich. 
Binhe o. B. 649, Anin. 180. Vthwe I, 88. Paulo vUlieadonvin in Werven. 
Primo in PetMidorf . . . pro etonn den. libr. I, qne «at ins ofBeialis 
oder 38' proposito pfO iure mo den sol. m et pro Rteura sol. X. Steuer* 
bnch II, öö'. Summa freysatzonum in iudicio Taechsenpacb, qoi prins 
doflenint stenrsm den. libr. TTl f "•. De hiis cedtint preconi c/>!lippnti 
Stenram istam libr. Jet sie renutnent adhnc libr. III, quarura prepositus 
de Werren recipit sol. XII et prepositus extra Alben sol. XIL FUr die 
pr«eon«s vgl. Ann. 168. AnOardem 8tea«rb«eli I, 88 (FreisiMen is 
Cmapuiif) . . . Nota prlos nagl«g«nuit preeoDM. n, 86* {FreiaMNo in 
Tazenpadi} Summa freiMtsonam in indicio Twenpaeb, qni prin» , . . 
den. libr. XIIII J»'. De hiia cedunt preconi coUigenti stenram iatim 
librJf. U, 73* (Freisjuwen Rad.'^tadr) F.Tmnli'^ colür'f.ntibus illam stctiram 
den. sol. III n, 7^ (Forstau). De hiis cedunt taniulis coUig^entibus illani 
»teuram den. XL, officiali den. libr.j. 1393 August 14 Rechnung des 
VlMdoninala Frioiaeh. Anwliado? die tlXodige Rubrik für alle Ämter: 
daieinnt pro inrllma vicedomial «t ofidali« arebieplaeopt . . . famnlii, 
qni eolHfarant atennm. 

Diaae Gruppen erstreckten liek jede Air aich immer Uber da«« gan/.e Amt, 
wie die «ogeftlbrten Ortsnamen ergeben. Siehe anßerdem o. Anm. IBO. 



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550 



naclidem die Besteueriiiig der UadesAlzsdiclieD Eigenster idum 
organisiert war, hinzutraten. Das in Salzburg TorherrselieDde 

Etnzelhofsystem mag auch viel zu dieser Entwicklung beige- 
tragen haben. Die Landgerichte^ sowie deren Einteilung in 
Viertel, Zechen und Rotten spielten, wie wir oben licrvorge- 
hoben haben, gar keine Rolle. Kur cinmul wird eine Steuer- 
gruppe mit ,zöclitt* bezeichnet.*®® Wenig Bedeutung hat auch 
die Begrenzung nach Pfarrbezirkeu, welche wir in einzelnen 
Fullen finden.**''' Sie erfolgte nur zu Verwaltungszwecken zur 
besseren Kennzeichnung der örtlichen Lage der steuerbaren 



Bei der Veranlagung der mit Erbrecht bestifteten Güter 
der Geistlichkeit und der Kitterschaft haben wir eine weit- 
gehende Mitwirkung der grundherrlichen Amtleute anzunehmen. 
Besonders gilt dies von jenen Grundherren, welche es zur Bil- 
dung einer geschlossenen Hofmark brachten, wie St. Peter, das 
Domkapitel, die Teisinger, Lampottnger, Tum er u. a. Hän^ 
wurde die gesamtn vSteuerverwaltnng den Grundherren belassen 
und ihnen eine Pauschalsumme auferlegt.'^' In diesem Falle 
können wir auch eine Art Fixierung annehmen. Diese PanBchal* 
snmmen seheinen bei keiner Neoanlage gelodert worden m seiii. 

Besondere Aufinerksamkeit mußte von Seite der Ver 
waltnngsoigane den Fk^istiAgtttern zugewendet werden. Bei 
dem großen Wechsel, dem de unterlagen, und dem Zuwachs, 
den sie erfuhren, mußte eine Eyidenxhaltimg mit großer Schwieng- 



Stenorbuch II, 73. Zccha in tninori Aral« et in Onnkau. 
** öteuerbuci) I, 12. l'Vei.satzzones in pleb© Secliuicljr ii FT, 1 1 Fr*'y<int- 
Bones in plobo saucti Viti u. a. f. II, 7ä (Badstadt) iSovalia Cuuculcni 
in Nwnpaoli dta in plebt Abtnaii. 

Steaerlmeh I, 17 (Thslgau) Hoipitalirii In Sebrorenan. (D) aonina 
totalis pvediatinm lioq»itaUutionun in mnnio den. aoU ZH oaini anno. 
I, tS*. Somnia totalis äe hominibus enslodis den. libr. III secnndum 

asscrcionem Friflcrici ofBclalb. Ebenda. Item coloni Tarnarioruiii dant 
pro steura den. libr. VI. H, Ü7\ (Kreisasser! in Werfen.) Nota, qaod 
dominns Cliunradus de Cliuchel optinait a douiino Ortolfo archiepiacopo 
per litieras patentes, qnod honiines reudentes in pradits sali et qnl mnt 
proprii eeelaaie Saltalwiivenaia dant pio atenra tantaaa den. iol. XmL U, 
W (Advo«atalai d« Aapadi, Hand C) . . . etnota, qnod pndieli adveentalet 
de Aapeel) dant pro at«ura den. libr. I, pro omnibus. De<4^'Uiobcn fSr 
die Güter von Chiemsee (II, 4&*>» Hiigelwerd (11, 62), Daauborg, Dom* 
kapitel, St. Peter (II, 58). 



Güter. 




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551 



keit vcrhunduu sein und eine genaue Kontrolle gfcboten erscheinen. 
Daraus erklilrt sich die Tatsache, daß die Freisassen als eine 
besondere Gruppe in der Steuerverwaltung erscheinen und in 
ihrer Gesamtheit, ohne Rücksicht auf ihre grundiierrliche Zu- 
gehöri<:rkeit, von den crzbischüilichcn Pröpsten und ihrer! Untcr- 
bcamten veranlagt wurden.'^ ^ Dies war umso leichter, als sie 
auch in der grundherrlichen Verwaltung eine gesonderte Gruppe 
bildeten.*^^ Den Einteilongsgrund bildeten bei ihnen meist die 
Unterftniter der Propstcien, mitanter aber auch rein geographische 
Grenzen, innerhalb welcher man die Frei8ti%ater sasammen- 

In den Enklaven, wo der Eirzbischof nicht die landesheiT- 
liohe Gewalt besaß, war die Steuerverwaltung wesentlich ein- 
facher. Sie schloß sich gans der grundherrlichen an, da es sich 
ja hier nur um die ersbischöflichen EigengQter handelte.'^^ In 
Sttdsteiermark wird die Besteuerung der Dorfriehter, der Sap- 
pane, besonders herrorgehoben.'^* 

Die Tfttigkeit der Steuerorgane bestand in der Evidens- 
haltung der steuerbaren Guter, in ihrer Schätsnng, in der Be- 
messung, Erhebung und Ablieferung der Steuer. Bei Steuer- 
verweigerung ging man wohl, wie anderwirts,mit Ffitndung vor.*** 

*" Dio.s zeigt {^anz dnitlicli die Aiinrdminp In <lon Stoucrbüelicrn. Auch 
in dem Steuorrepi'^trr für <Vw Frupstei Ziilertal (Tibar I, 1Ö7') er- 
scheinen sie ab seii)Stiu)digo Gruppe. Item domino arcliiepiscopo cciam 
per prepositum compntanda de paustcura den. Saltzb. Uhr. C, item de 
•tenr» «ntampnali 4«q< S. libr. LXXY, Item d« stenr« froyaationmii 
d«ii. libr. ZU. 

Sie hatten eine eigene YcrsaniTnlung, die Frei*asäM5n8tift (Sioj^ol und 
Tumaschek, SAkburgiache T«iding« 899) und wurden im Urbar nicht 

verzeichnet. 

Stenerbnch T, SO. Freisatxsones infira und (21) ultra Traukel und sonst 
in den Steuerbüchern. 
*>* ISSS Urbar und 1871 Btmimehnnng des TindoniBAlB Leibnits, 1898 
SteoarrMhaoaif des Yiaedominatt FHatach etc. o. S. 
1322. Urbar. Villa Obargrelan habet bnbaa XXH, hamm mippamis habet 
dnas, de quibiis servit vicodomino ... et stenram commanem u. s. f. 
Über Sappane yg\. Pfiskor. Zur Snzialgeschicbte Böhmens. Zeitschrift 
für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte V, 850 ff. 

Ein direktes Zeugnis haben wir ailordings fttr die ordentliche Steuer, 
wenigetene so lange rie landeibenlioh war, nieht Stift- nnd Urbarreeht 
dea Kleeten Hlefaaelbeii«m (Biegel und Tomaeehek, 49). Item ob man 
einen binterabi Ton der gnit, etift, atenr und ander gereeb^keit wegen 
mneet pfenden . . . 



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552 



Was den Termin der Steaererhebnng betiiffl^ so war 

im größten Teile des Territoriums Salzburjs: die Erhebung im 
FrUlijalire, zur Bauzeit üblich. Neben anderen Hinweisen spricht 
vor allem die Benennung" .pausteur' dafür.'*' Kur im Zillertale 
haben wir eine Erhebung zur Bauzeit und im Herbste vor uns.-** 

Gezahlt wurde die Steuer fast durchwegs in Geld. Die 
Mannigfaltigkeit der rechtlichen Entwicklung, welche das Terri- 
torium Salzburg' auszeichnet, kuinmt auch in der MUnze zum 
Ausdruck. Während im Kemlande der gewübnliehe Salzburgcr 
Pfennig vorherrscht, wird die Steuer im Zillertale in W roneser 
Pfund, in Kiirntcn in Friesachcr und Aqnüpi'or Pfennigen, in den 
fitcirischen Herrschaften nach dem Orazer Münztuße gezahlt.*" 

Die Entlohnung der Steuerorgane erfolgt aus den Stcuer- 
erträgnissen.**® Sie hatten über den Anschlag Register abzu- 
fassen und diese samt der eingegangenen Steuersurame und 
einem Ausweis Uber die Fehlbeträge an die anatändige Zentral- 
behörde einsnsenden. Die persönliche Einvernahme des Propstes 
mochte oft auch von der Zentmlbehörde Air nötig befunden 
worden sein.^'^ tlber den Ertrag der Steuer ktfnnen wirkeine 
Angaben von iigend welchem statistischen Werte machen. Die 
Steuerreehnong von 1284 ist nicht voUttHndig, bei den Steuer- 
büchern machen die sablreiehen Badieningen nnd Korrekturen 
eine Terlftßliche Summierung anmöglieh. 1371 bringt die Stener 
im Visedominate an Leibnita 991 Mark 32 ^, 256 ^ 10 1393 im 
Viaedominat FHeeach 2629 31 ^ ein. Die Veranlagung nnd & 
hebnng der Baosteuer war meist schon im Sommer abgeselüossen. 
Die meisten Speaialregister sind vom August datiert, einaehe 
vom Juni oder Jnli oder erst vom September."* Die Ablieferang 



■t* Im Urbar I, wie aaeli la don UrbniD im 16. und 16. JaiirliandMt wird 
die Stooer oft Paartener senannt Urbar I, f. 110 (Bamtal). De earii 
nna in lUm solvit . . . pto fteara in teto Georii (S4. April). 13IS 

August 14 feri« V. post Tiburcii andiU Pst r.icto ... de inposicione 

«teure officiortim vioc<!onil nntn.'< Friaacensia anai nnios, qai in feeto beati 

Georii vpntnro proximc tinietar. 

Urbar I, IBBS. 
*** Vgl. die betr^endan Stenerrcchniingen. 
"** Siehe Anm. SO«. 

Steuerbuch I, Iß Hominea tampraiMMiti in plebe Talglii. Sa den Ti«r 

letzten drr Zusatz : Snnt in .Minima freieattennm in Ten^rannan, ut 

.licit oftlrlnli^ (l>), Siebe aueb Anm. 49. 
"* Siehe S. 491. 



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653 



erfolgte von den Propateien des Kernlandcs au das Vizcdoniamt, 
später an das Hofmeiisteramt in Salzburc:, von den Amtern in 
Kärnten, WindisolvMntrci und Lunc^au an das Vizedomamt Frie- 
sach, von den Amtern in Steiermark an das Vizedumamt licib- 
nitz. In den beiden letzteren handelte es sich bloß um die Steuer 
von den salzburgischen KigengUtern, welche sich nach ihrem 
materiellen Umfang nicht weBontlich von der im Kemlande er- 
hobenen nnterschied. 

Diee gilt jedoch nur fiir das platte Land. In den Städten 
war die ordentliche Steuer sowohl in den Gebieten, wo Salz- 
hiirj^ die volle Landesherrlichkeit errungen hatte, wie auch in 
den Enklaven öffentUcb-reehtliche Abgabe.'^^ Wie wir schon oben 
«nsgefUbrt hmben^ war es dem firsbiBchof in den Städten dureb 
gescUostenen Qrandbesits, Immunität und Regalien möglich Jede 
andere Öffentliche Gewalt zu yerdrängen und unabhängig von 
den ffffeniliehen Gewalten des umgebenden platten Landes die 
▼die Oberherrlichkeit snt erlangen. Die Steuer, welche der 
Ersbischof schon yor Erwerbung der Landeshoheit in seinem 
Immunitätsgebiet erhob, wurde auch in den Städten erhoben, 
die ja meist gans in demselben higen. Sie hatte also denselben 
Ursprung wie die Steuer auf dem platten Lande und unter- 
schied sich ihrer Art und ihrem Charakter nach nicht wesent- 
lich von derselben. 

Sie war BeaUast und wurde von den Häusenii wie auch 
von sämtlichen im Stadtbezirke befindlichen Liegenschaften er^ 
hoben, Adel und Klerus erhielten nur för die in ihrem tinmittelbaren 
Besitze beündlichen Liegenschaften Steuerbefreiungen. Sonst 



Sieheo. 8. 511,512. 1242 Jtili-Septfmber, 1327 .Inn i 3, 1 329 November 26 
o. Anm. 78. 1371 In der Steuerrechnnng des V'izedomiuatd Leihniu. wmlru 
in der 8tadt Rann die coloni Reichenbarger Friderici verAulagt. 1448 
Oklob«r 16. BeUedsspruch Biaehof FrieÄrlelifl von Sw&m swiaehen 
Enbiflehof Friedrieh tod Sslibui;; und Weikhert Ton Pelheim. Dann 
als 47 bnfger ISrbriageni wie w^end Fridreich ron Polbnim ettleich aker 
im pnrgfrid cze Leiben ex gelegen, genant der Gilginakher und der 
Strn«Nprin akher, gekanfft hat nnd well davon kain st<»ner pcben, darauf 
dfs von Polhaim antwnrt ist, sein vatpr und er hahnn dyeselhpn äker 
ye nad ye stenerfrey herbracht. Sprechen wir, dass der von Polhaim 
dyeaelben iker neeh also stanerfrej innenhaben lol. Wnrde er tj aber 
Terkanffro Terrer oder wurde er annder und meer aker in den pniieri^^^i 
kanfFen, 10 lol man von denaelben grtlndten mitleiden tnn, alt dann des 
paifkftids daralbe kerkomen und reeht ist NotiaMiblatt 8, 889. 



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654 



mußten jedoch die Inhaber ihrer Güter die Steuer «ahlen.*"* Wie 

anderwärts, so haben wir auch in Salzburg schon im 14. Jahr- 
hundert eine Bevvegunj^ ^?cgen die Steuerfreiheit der ritterlichen 
und geistlichen Besitzungen in den Städten. Man suclite ihrer 
weiteren Ausdeimung dadurch entge|j^enzutreten, daß man die 
Neuerwerbung von Lieji^enscbaflen durch Klöster oder Adelige 
an die Bedingung knüpfte, daß auch von diesen weiterhin die 
StfMicr fz;ozahlt werden sollte.**** Man ging noch weiter und zog 
Iii« lit bloß den Inhaber dieser Liegon-^oliaften zur ordentlichen 
Steuer heran, sondern trachtete ancii di / j^^rundherrlichen Ein- 
nahmen aus denselben mit einer Steuer zu treffen.*-^ Ferner 
hatte die Anteilnahme der privilegierten Stände an den büffrer- 
lichen Erwerbsaweigen die Ueranziebmig zur Stadteteaer im 
Gefolge.«" 

Sioho vorig© Anm. 1371 SUdtrecht von Sabbnrr^, dessen Abfassnng 
Zillnor, Geschichte der Stadt Salzburg 2, 693 ff., in das Jahr lätii^, Stein- 
hen (Zur Geschtelite der Stadt Salsbarg. Keittebrifl Ar SoBbl* nad 
Wirtaehafftsg«Kbichte Y, 186) wobl mit Becbt in da« J«hr 1S71 ftmMz 
89. Und hät «In favst, gaiiUeiefaer oder woltleicher ain haas in dar itat» 
der aol davon nicht steur geben, ist er selb darin oder ob man im damit 
wart. Es sol aber der haoswirt sfonr nn<i wacht Icydcn mit den pargäm. 
— 90. Die selben recht habeiit j«rt'lal«.n oder wer des ftemi hchanftpr 
mau ist. — 91. Hat awer iemaut darunter ain hauss, da mau im dieuet 
von geit, die «ol er slevra naeli der purger auÜwts. — 9S. Bat ander 
iemaut, der Me ritaat oder niebt, pnrkreebt, daa man im diat, der tot 
davon steam a1« Mobt Ut (Zilloer 700). 

*** 1849 Febmar 8. Abt und Konvent von Michelbeuern verpflichten sieii 
dem Krzbischof Ortolph, von dem von Adelheid Ilr.rnhTtn'in erkauften 
Hanse in dem Obcrndorf zn Lanfen gleich anderen Leuteu Steuer, Wacht 
und die andern, gewühulicheu Abgaben leisten zu wollen. Orig. ;bt.-A. 
1405 Febmar 8. Bevet« der BrSder NonaULoaer, denen BrabiaebolEber 
bard ein Haiia In der Jndeaga«» an Fettan an Bigen gegeben batla^ 
daß sie mit der Stadt atenem, daa Qrandreebt geban iiad bei «iacn 
Verkaufe das Haus ntir einem Pettaner fiberlaaioii wollen. Oiig, St>A. 
1371 8Udtrecht. n. 91, 92 

*" 1424 Mai 3. Ordnung Ensbischof Eberhards für don Verkehr zwischen 
den Städten Tittmoning und Laufen und den Landgerichten Tittmoning, 
Lelienan nnd Havnsperg. Ittm aocb ordMi vir, daa dhain pfl^er nodi 
phairer daaelb in der atat ■dienclchen anllen, ai>er tän atatriebter aad 
ander, der mit der itat waebt, atenr und aiüler notdoHft lejdant, die 
mugen allen geweriff hnbcn und trejben, als ander purger in der stst 
ze LaufTon oder Tillnioning. Sal/.bnrper Kammerbücher 3, n. 264, 
S. 626. Die Hcwcprung: der Hin fjers'diaft gegen die Steuerfreiheit von 
Adel und Klerus im Jahre 1506 (Zillncr, Geschichte der Stadt Salzboig 



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555 



Die Juden in den Städten wurden auch besteuert. Den 
Charakter dieser Steuer kennen wir nicht genau.^^* 

Die Anlage und Erhebung der Steuer war meist den städti* 
sehen Behörden ilberhissen. Die Städte erscheinen aus der 
aUgcmeinen Besteuerung herausgelioben und bilden jede für 
sich einen Steuerbezirk.**^ Die Entwicklung führte dahin, daß 
schließlich die Stadt als solche dem Ersbischof eine Panschal* 
somme zahlte und den Rest der Steucreingänge zu ihrer eigenen 
Verwendung behielt"^ Auch der Steueransats dUr^ somit dem 

2, 772) bat di OSO Tendenz and trägt auch in der Befltimmnng der Stadt- 
und Folizeiordnung von 15?4 (ebenda 4-2s), wonach Prälaten, Priestor- 
schaft, Adel und llufgesind bei Wacht und Steuern uiitleideu soUteUi 
wenn rie .BUrgonbMndl und Gewerb* treiben, einen Sieg dftTon« 
1264 8leaerreehi»iBg> Item Indei omnei de Mftldorf et de Haelino inter' 
eliui . . . mtrc XZ. 1829 Urbar des Yisedominate Lelbnits f. 29* wird 
eine stoura indconim für die Stadt Pettau genannt. Die in einer 
Urkunde v -n 1 :?46 Juni 26 (Erzbischof Ortolph nimmt zwei Jaden samt 
ihren Frauen und ihroni Gesinde gegen eine jährliche Leibstener von 40 fl. 
in seinen Schatz. Zauner, Chronik von Salzburg 2, 461) vorkommende 
Leibstener darf mit der ordentlieben Steuer niebt verweebselt werden. 
**" 1284 Stenerreebnnng. SalsbttYgentes aii^nti m«re. CO>"i . . . item, eivee 
de LSfii et de Helino msre. XX. 1886 Juli 87 Enbieobof Rudolf be- 
stimmt, daß die Btttger von fiedstedt ram Sntsatse fttr die Kosten der 
Stadtbofestigimj» ,ex nunc ad intpp;nim dccenninm a vexacioneseu exactiuno 
steararum et parangariarum' befreit sein sollen. Kleinmayem, Unparteiische 
Abhandlung 213. 1322 Urbar des Vizedouänats Leibnitz. f. 1. Stcura fori 
(Loibuitz) secundum civium facultatem. f. 23 Item in Pettovia civitas, 
qne serrit ftenram ti. i. f. Stets erscheint die Steuer der Stidte und 
liMcte Ton der Steuer des platten Landes getrennt. Bbenso aneb in 
den Steuorrechnungen von 1371 für Leibnitz und 1393 ftlr Friesach. 
ca. 1870. Beschwerdeschrift der Bürger von Salzburg (Steinherz, a. a. O. 
8. 199) § 19. So lassen wir euer penad mcr wizzen: do wir die nllchst 
Steuer gaben, da het man uns fnrgeben, wir bieten zwir ab vil augelegt, 
denn wir eu geben sollen. Da wflrt ir und euer rat wol inne mit dem 
steaerpneh, das wir en antworten, das ir nicht Arndt denn cbaum pei 
•eehtaieb pfitnten mer. Der wir uns danach tU binden gegangen von 
armen laftteo, und mit dem übrigen gelt wolten wir die etat gepez/ert 
haben . . . Daz selb gelt behielt ir inne z& sampt der Steuer. 1442 
Steura ."«nbsidioHa inclusa commnni im Vicedominat Friesach. In Gmünd 
erscheint die Steuer nach den Stadtvierteln Rng'esch!a«»en. Für .St. Audiä 
beißt es: Steura civitatis . . . inclusa conunuui ... et per »e imponent. 
De^eieben die Weihattusvreebiiiiiig rc» 1468. As der SteuerrerwaltuDg 
beteiligt ersebeiaen der Stadtricbter nad der Stadtsdirelber. 
Daß die Steneisahlnng adion früh i» eine gewiase Benefaung sn den 
Koaleii der Vffentlichen Bauten in der Stadt gebracht wurde, geht schon 



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Ermessen der Stadllu-liünlcn üborhissen worden sein. Ncl)»'n 
einer Berücksichtigung' dos (inuiilbositzcs haben wir auch eioe 
weitgehende Berücksichtig^' ung der Vermögens Verhältnisse des 
Inhabers anzunehmen. Eine Einheitlichkeit des Steuersatzes 
Air ftlle Städte ist ausge^.chIosscn. Maßgebend war auch der 
Charakter des Platzes als eines meiu* haadel- oder mehr acker' 
bautriibcndcn."* 

I>a8 eben Gesagte gilt auch für die Äiärkte.***^ Kiazclue 
derselben ei*scheinen jedoch auch mitunter durch die Pröpste 
des platten Landes veranlagt."' 

Diese Organisation bewahrte die Stadtsteuer bis in die 
zweite Hälfte des 15. Jalirhunderts. Noch 1463 erscheint dar 
Bischof aU der Besitzer der ordentlichen Steuer der Stftdte in 



aus l'2ä6 Juli 27 vgl. Anm.229 henror. Vgl. außerdem ca. 1370 ebenda. 1393 
Augtut 14 Steuerrechnung des ViMdomiiiati Friesach. Civitaa Om&nd. Ciwm 
pro neoMiltate civitatis MrvsT«rani aqn. m. ZVU, d«n. XXXV • . . Pom 
MBctt Andraa (Lavanttal). Item sd edifieium foBkit et alüs dan. libr. V. 

1452 Kegittnitil tteore sahaidiote una cum commnni omniam ofticiorais 
vicodumiiiatus Frisacensis a. a. O. f. 103' Gotteri (Guttaring). Aas der 
snni liat man p^eben unserm p. h. von Salzburg den. Hbr. XXVI sol. V 
den. VI. D;is übrig ist «uf zorung und iiotturfl dos niarckUs gangeu. W* 
Alluuhoft'U. iteui auü der obge^chriben sumui tät u. g. h. vou SalcxbuTf 
gwrallen in Min duuner den. libr. CX . . . Item and die liberteivam 
der obgeeehribmi ramn bedftffiMi wir sn aotlafit des nuurdtts ab es 
wemercbeMlea tind ander nottaiH. 

1S88 Urbar von Leibnita f. 1. Stenra fori (Leiboiu) aeenadam dvinn 
facaltatem. oa. 1860 Urbar I, 131. Im Markt Saalfeldcn wird die Steuer 
nach qnartalia veranlagt. Stouerbucli 11, 5'. Markt Mittersill. Frimn 
Otto ]>ollifex lU^. Nachtrag von A: teuet domua eiusdem Jacobiu 
pcllifes, igitur dat steuram. ca. 1371 Stadtrecht von Salzburg Anm.234. 
1452 Reg. steore tobe, unacum commnni dea Vicedominata FrienrI 
Civitaa aaneti Andrea, f. 99. Steim exterioiam non habitaaobam mb 
dominio domini Saltaeba^enaia. Meinhnrt «n Seheanakg von vier Ickern 
den. wl. VI, den. XII etc. 37 Veranlagte. Ein Aoker wird xu 48 4 
angeachlagen, welcher Sats bei der gansen Veranl^giiny dnrahfeabii 
wird. 

*"* Nur die Märkte Zell, MitterBiU uud Öaalftilden erscheinen in den Steuer- 
büchern. In den Steuorrechnungon von 1322, 1371 und 1393 erscheiaea 
ateta auch die ItSrfcte nu der allgemeinen B aa teae rong herauagebebea. 

Steuerbnch II, »I. Btenra in foro in Itttteiaill. ü, 41. Pndialea ia 
officio Salveiden ... In foro Salveiden, t W, Vide cedulam atonro fori 
in Cell et .icribc hic (D). f. 58*. Item de foro in Cell den. lib. Vn aol. ? 
den. XXVm» offioUU den. 



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567 



den steirischcn und kitrntnischen Enklaven Mit dem bald 
darauf erfolgten Verlust der eximierten Stellung derselben ginf? 
auch diese Steuer dem Erzbisc ho f verloren. In den Städten, welche 
im landesherrlichen Territorium lagen, ging die Steuer wahr- 
echemlich in den Besitz der Städte selbst Uber. Wir haben 
keine Nachrichten mehr, daß die ordentliche Stadtsteuer an den 
Erzbischof gezahlt worden wäre. Für das 16. Jahrhundert 
haben wir direkte Zeugnisse, daß sich die Städte im Besitze der 
Steuer befanden. Der Vorgang war hier dem auf dem platten 
Lande fthnUch. Wie die geiBtlichen and adeligen Grundbeeitser, 
welche mit dem Anacblag nnd der Erhebung der Steuer Ton 
ihren Hinteiwsen betraut waren, «Umäblicb in den Bestts der- 
selben gelangten, so geriet auch die Stadtsfceuer, deren Ver* 
waltong den stftdtieohea BedOrden ttberlassen war, ganz in deren 
Hände. 

Die Frage nach der SteUung der ordentlichen Steuer 
inneibalb der gesamten Finanaverwaltung wird im Territorium 
Salzbui^ durch den Umstand im wesentlichen ▼ereinfaeht, daß 
ihre Verrechnung von den einseben Hebestelien fast durch- 
wcgs an die Zentralbehörden fUr die grundherrliehe Verwaltung 
erfolgte. Diese waren das Hofmeisteramt in Salzburg nnd die 
Vizedonnnatc Leibnitz und Fricsach. Das Hofmeisteramt tritt 
in dieser Funktion (;rst seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts 
entgegen. Bis zum Ende des 13. Jahrhundeit.s erseheint als 
Zentralbehörde zur V^erwaltung der aus dem Eigenbesitz drs 
Landesherm sich ergebenden Einkünfte das Vizedomumt zu 
Salzburg. Ein Vizedom erscheint seit dem 11. Jahrhundert, 

** 1405 Februar 2 Aiim. 226. (1427) WeihBteuerrechnung des Vizi doininats 
Leibnitz eud. suppl. 1164. Itom für die hilflich weicbsteur des inarchto» 
xe Li'ibeatz den. übr. LX. Dariun iüt ingebengt den. iibr. X uod die 
gewondlicb steur auch XL . . . L. 1442 und 1452 HechnuDgen der 
W«i]i- nnd oidanttiebeii Steuer. 1448 OktoW 16 o. Ann. «3. 1448 
Urber der Heneehell Uditepwald. St.-A. cod. enppL 864. Note dje 
tteor im merkt. Donüno noetvo Selzebnrgensi den. m. XZZII. 1468 
Mftns 27. Regietram steure (consecracionis) vicedominetne Frisaceneüi. 
Hier orscheiiieii ttocb durchwegs die Steoerieietntigei» der Stidte und 

Märkte. 

^ lo2G November rj. Laudtagsabscbicd. Zum tuuüteu, äo aeiti im stitl't 
Selosburg eibeii fielt, die denn in Tili mit weckt nnnd eteor an ir 
lellM Innkabong nnd bebnetlung dee gennc* ier mitleTdig eein moemen. 
BegierangeerohiT Selebnrg, Landtagefeibendlnngen Fee«. 1. 



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558 



friilicr mit«!ntor noch prepositus, seit 1184 aber ständig vice- 
domiiius ^^tiuuint,*'*' vor allem Zeuge in Urkunden, welche 
sieh Ulli Ver^valtutigs- und Be8!txfrag"en beschäftigen. Auch seine 
aktive Beteiligung an denselben tritt deutlich hervor.^'' Äu iiin 
dürfte seit jolier samt dfMi anderen Kiukunlten auch die ordent- 
liche Steu'M' lirt, ! L worden sein. Waljrschrir.liüh war or 
in dieser Zeit die Zentralfinanzbehürde für den im engeren 
Sinne salzbnrgisehen Teil der erzbisehöfliehen Hcrrsehaften. Noch 
in der Steuerrechnung von 1284 und in der urbarialen Auf- 
zeichnung von ca. 1290 erscheint er in dieser Eigenschaft.*^ 
Mit der Erwerbung der Landeshoheit war natürlich auch eine Ver- 
mehrung der verwaltungsreohtlichen Agenden eingetreten. Neben 
den Einkünften aos dem Eigenbesitz erschienen noii anch die 
öffentlich-rechtlichen Einnahmen in viel ausgedehnterem Maße. 
Dies konnte auch auf die Verwaltongsorganisation nicht ohneEin- 
floBs bleiben. Die Verwaltung des grondherrlichen Besitzes worde 
von der der übrigen Einnahmen abgetrennt and einem eigeneo 
Amte, dem HofimeiBteramte, angewiesen. Dies erfolgte^ soweit wir 
die Entwicklung Terfolgen können^ am Anfange des 14. Jahrbur 
derts.*** Seit dieser Zeit war das Hofmeisteramt die Zentralbehörde 

»^♦' .Tnvavia 377 ff. Meiller, Rcgesten der Salzburgcr Er/.bi.ichöfe, 8.306. 
1184—1200. Erzbiscliof Adalbert b«»urkundet, daß der CJraf Uaj.oto einen 
öoiner Lohenslcute der Kimlic ,nu'diante vicedoraino fratre liernhardo 
et aüccptis a camora nostra V marcis' zurückgestellt habe. Meiller, 
146, 18. 1907 Jani 18. M ein«r Sehenkang einet G«bi«tfli «a 8t.P«t«r 
ertrheint «in fraler Wernhaxdot vioodomiaiu adminiitnMieotitt toie 
Iiabcns et sapeiteriptoi terminoi premonBfcr«n& IMller, 180t 80. e& 1890 
Rechnung des Ytzedonu von Salzburg o. & 488. 

Aus dein Ausgabpnverrcichnis der Rechnung von 1284 erhellt, daß « 
sich um eine Rechnung des BaUburger Viaedoms h«iidelt| ca. 1290 wird 
er direkt genannt. 

Dies gellt eng den Quellen «er Stenergeschiehte berror. 1884 und et. 1190 
eneiic^nt noch der Viiedoni, im Urber I, welefaea in einielnen Teilen 
bis snm Jehve 1800 sarOelcgelit, der Hefineitter. Aosdrilelüieii ist teim 

Tätigkeit bezeugt in einer Eintrag^uiig aus dem Jahre 1818. Aono 
domini iiiilltsiino CCOXVIIT''" circa feftiinr beatl Jacobi «posfoli a4 
niandatuin domini Friderici venerabilis arcliiepiscoiM ecclesie Sah- 
burgcnsis apustoliee sedis lepati ego frater Ucrmannus magister curie 
Selsburgensis assumptb mihi officialibus videlicet Meinbardo Ratgeb prepo* 
sito in Wevren et FSriderleo de Soheelien offieiele Gntnterti et aliii 
fidedignis Tidi et dtligenter eumineTi defeetos in offido Werren et 
Friderici de Sdieelien, faetis ex alluvione. Urbar I, 39. Es iai hier 
nicht unsere An%el}e, nfther enf diese Entwlelrlnng einmgelien; nas 



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ÖÖ9 

für die Verwaltung des landesfürstlielien Grundbesitzes.-^*' (-liarak- 
teristisch genug für den ursprünglichen Clmrakter der ordent- 
lichen Steuer wurde die Zentral Verwaltung derselben nach der 
Auflassung des alten Vi/edominates dem Hofmeisteramte zage* 
•wies«!.*** Im 14. Jahrlumdert und naeh ihrer Verwandlung 
in eine grundherrliche Pertinenz im lö. Jahrhundert erfolgte 
die Ablieferung der ordentlichen Steuer aus den Aniteni des 
Kernlandes Salzburg — also dem landesherrlichen Territoriam 
mit Ausnahme des Langaus, Windisch^Matreis und der angren» 
senden kämtnisohen Distrikte, in welchen Salzburg bis zum 
Ende des 15. Jahrhunderts die Landeshoheit behielt — an das 
Hoimeisteramt in Salzburg.*^* Fttr die Steuer der Städte und 
Märkte ist dies nicht so sicher bezeugt. Doch spricht dafUr 
der Umstand, daß in der Steuerrechnung yon 1284 die Abliefe* 
rang der Stttdtesteuer an das Vizedomamt erfolgte, daß die 
Steuer der MSrkte ohne selbständigen SteueranschLig an das 
Hofmeisteramt Terrechnet wurde und daß in Steiermark und 
Kärnten die Steuern der salzburgischen Städte und Märkte an 
die beiden Vizedominate Friesach undLeibnitzabgeftlhrtwurden. 

Diesen oblag die Zentralyerwaltung sämtlicher Einkflnfle 
ans der ordentlichen Steuer in den steirischen und kärntnischen 
Enklayen. Sie erscheinen schon im 11. und 18. Jahrhundert^* 
Die große Entfernung der ihnen unterstehenden Herrschaften 
yon dem Hauptsitze der erzbischöflichen Regierung, der Stadt 

intoifnittrt de nur m weit, «Ii die Stenervenraltong davon berflhrt wtid. 
Seit den Ende des 18. Jehrhundeiia hOren wir nielitt mehr von einer 
AnteUnahnie einee YisedoBs von Salsbnig an derselben. 

Dies beweisen zahlreiche Eintragungen in das Urbar I wie I, 19' Otto 
marri<^tf>r cnrio rnstittiit Pt rnritiilit iure liereditarin Ottoni . . f. 69 . . . 
Ista swaipa desolata erat, qiiod locari noii potorat, f»cd per fratrom Ot- 
tonem magistrum curio totaiiter est reformata 13ö9, f. IbV Anno douiini 
mlllesiino OCCZLyil** eirea faetnm beatl Ylti nigmentat« mnt iiovali« 
in offieio montanomm et qaedam novalin noviter initttnte ... et bec 
acta nuit per fralrem Heinrteom eorie Salsbnrgensii magistmm et ceteros 
fidedignos sibi assumptos. 
*** Siehe o. S. 494 ff. 520 ff. 

Siehe die Stonorbfiphor, Urbare und o. Anm. 163. Sogar bei der Land* 
Steuer von 144G wurden die Ämter des Kernlandes im Uofmeiateramto 
Muammengefaßt. St.-A. cod. sappl. 1057 1*, f. 49\ Vermerk der anriag 
auf die gertebt md Smbtter im hoAnaisterambt cn Baleabnig, folgen 
hierauf dlmtliebe Ämter dei Kemlandes. 
Juvavia 377 ff. 

AmMt. XCn. Baad, IL Hilfle. 9$ 



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660 



Salzburg, hatte surFolge, daß diesen beiden Amtern eine Art 
stellvertretende, weit über die rein grundherrliche Verwaltung 
hinausgehende Befugnis zuwuchs.*** Die Vermehrung der ütfeöt- 
lich-rechtlichoii Agcudcu des Erzbischofs machte hier keine 
Änderung der Verwaltungsorgan isation wie im Kernlande not- 
wendig. Die wenigen Amter, diu schon triilicr zum Vizedomi- 
nate Friesaeh gehiJrten und in welchen Salzlnug die volle 
Landeshoheit erlangte, wie der Lungau, Windisch-Matrei und 
die andepMK in Kärnten gelegenen Herrschufteu in den Tauern- 
tftlern, wurden dem gmannten Vizedominate belassen. Von allen 
diesen wurde die Sti uer an die beiden Vizedominate abge- 
liefert.-^^ Der Vizedom hatte die Oberleitung beim Anschlag und 
bei der Erhebung der Steuer und wurde tUr diese Mühewaltung 
ans den Erträgnissen der Steuer entlohnt. 

Uber die Art und Weise der Verrechnnpg der Steuer 
durch die Amter an die Zeatralstellen haben wir iti^s oben ecboa 
ausgesprochen. Sie zeigt, um dies hier noch hervorzuheben, 
daß wir fUr äalaborg aehon eine sehr vorgesehrittene Qrgaai* 
satioa der Finans?enraltung zu konstatieren haben. Nirgends 
habra wir einen Hinweis, daß ein Anweianngpsystem auf die 
ordentliobe Steuer der einielnen Ämter bcat^lideii habe. Die 
Einnahniftt' und Aoast^d« werden d^rch dieae an die Zentnl- 
beh0r4on verrechnet Gablungen aus dep eingagaagepen Somm 
etColgton erot dniHsh letstorOy*^ wob^i hOcbatena dia oben ba- 
aprocbenen Zahlungen ans der Stadtsteuer eine Ausnahme bSdeo. 

V4 giehe o. Anm. 115. 1408 Oktober 3). Ordnung fUr Lichtenwald und 
Rann. Der Vistcdom von Leibnitz hat zu Lichtenwald das Gericht and 
den Blutbanu wie «u Pettau und Leilinitz. v. MucliAt, 7, 104. 14S9 
Juli 17. Dor Scliautubeq^er tritt die Krbscbaft der Petlaucr au. SUeiii]^ 
k^lM swifclMii Lmten 4w Onvfm und M)|ber^a^h«B Ui^teftaa«» •»llco 
in sw^ter Inataiu vom Viaffkuii, in latettr T«an EnbitcM «n^tdiiadMi 
werden. Ebanda ML Di« Vuie4onft v«rt»at«i ÜmblwlMif vaA bei 
den T nidsgtufnnnen. 

1322 Urbar und 1371 äteuerrechnnng des Visedomtnats Leihuitz, 
1393 Augnst 14 Stenerrechnnn^ des Vizcdominats Friesach, 14S7 Weih- 
steuerrecbnung des Vitedomiuats Ltiibuitit, 1442, \Ab2, HecUnaygvn 
d»r W«iii> and ordtatiidien Btenef i"^ Vbtedominat Ddvmek* 
*^ 1884 fttenenegiiaiuigt 4^po domini IfO^IUUQUIII doinians debolfttf 
daxit Fri8a«ani «rg* m. OOG^ BaritffhmtnnM ia4tt itiaX Qctmine Tlee> 
domini (von SaUburg) . . vivedominns aasig^avit 4<uniBO in Admnnd . . . 
C . . . Nota viccdominns rcmamit dobiturus domioo Ubras CCXLVI ß III 
1324 Oktober 21. Graf Otto von Ortenbarg beurkunde^ daU de« £n- 



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661 



Ob CS noch eine Behörde gab, welcher diese drei Zentral* 
stellen RechenBchaft absulegen hatten, ist wegen Mangel an 
'N^ichrichten wenigstens aus unserem Material nicht sichersu- 
stellen. Die Rechnun(:^en derselben, die uns erhalten sind, wurden 
wohl dem Erzbischofe selbst und seinem Bäte vorgelegt.**^ Erst 
seit dem 15. Jahrhundert tritt das Kammermeisteramt als Zentral- 
finansbehörde fUr sftmtliche erzbischöfliche Herrschaften klar 
hervor. Eine genanere Besprechung der Wirksamkeit dieser 
Behörde ftür das Stetterwesen behalten wir jedoch unseren Aus- 
fUhrangen Uber die Weih- und Landsteuem des 15. Jahrhunderts, 
denen sie ja hauptsächlich galt, vor. 

Neben der ordendiehen Steuer erscheinen noch einige 
andere mit Steuer beseiohnete Abgaben, welche sich aber sämt- 
lich als grandherriich herausstellen. Dies gilt vor aUem yon 
der Leibstener, welche eine auf Grund des persönlichen Ünter- 
tanenrerhältnisses von den Eigenleuten des Brzbiscliofs gefor- 
derte Steuer war,*^* desgleichen auch von der Edchensteuer. 



luschot Frutlrieli VRrsproclicii habe, ihm für seiue Kricgsdk'ustc unter 
anderem 2öOO Mark Agley<:r s&u {gewissen Fristen vom Vizudomlnate 
FjrieMch jutsfolgeii sn lanen. Orig.8t.-A. 180S Avgut 14. 8i«he Anm. 12. 
Defeetns itenra . . . Port defeetns remanet donmo den. libr. dan. 81, 
<lo quibna vicadomliiiit raapondebit. 

Vpl. vorige Anm. 

Nach Hilbiier, IJeschreibimg der St?i<U Salzburg, nibtr die Fiaanzvcr> 
waltUDg iu den nitereu Zuiteu in <lt'U liüudcu des Kammerraeiatcrs und 
des Hofmeisters, von denen der erste daa Kammarwcseu überhaupt, der 
sweite daa Urbarwesen vanraltote. Fflr daa 15. Jabrhnudert kOnnen 
wir diaaa Darttalliiiig baalltigen. ca. 1400 Vaneiehnia der Aufabau 
daa Kammermafateramtea. St.-A. sub 1482 Weibateucrrcchnungcn. 1414 
erscheint ein cnmerarios archiopiscopi mapistrr, Juvavia ."j'R. 1441 
(Noti?;rnhlatt 3, 216), 1146 ( Landstcuerroclinung) ist die Tätigkeit 
eines Kammermeisters Matheus Griilinger nachzuweisen. Uro die Anf&ngo 
der erzbischoflicben Zcutralkasse darsustellen, wäre oino eigene SpezUl- 
untameliiuig notirendig. 
"** ürbar I, 906. Item Ulrleoa 6» Dfirrenpacli de Obenrang (Amt Wang) . . . 
Habet ius herediUtis et dat leibsteur in officio Wcrven (Hand C). 1356 Mai 27. 
Ersbisohof Ortolph schenkt aar Oblai einige Güter salva tarnen Pleura 
personali, Leipstener vulpraritcr nuncupata, quam nobis Hiiocessoribus 
nostris in per8oni<< colonorum eorandem duximus conservamiam. Juvavia 
&58. Bei dem im 8tenerbuche I eingeklebten Zettel (Anm. 55) liegt eine 
Yerwaehalinig Tor, die aicb darana erklXii, daß die Leibataner ala Abgabe 
auf Gmnd dea penrilnlidtan UntertaaenvarbMltaiMei aoeb wtm Untertanen 
daa Bnbiaebofii, die auf Gutem der Geiatliehkelt oder der Ritteraebaft 

96« 



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562 f 

I 

Auch diese war eine bloß gruudherrlicho Abgabe. Wir Laben ' 
zwar ein Beispiel, daß sie von einem Kirehenvogt gefordert 
wurde, doch wird diese Forderung als uugereehtfertigt be- 
zeiehnet.**'^ Im Urbar erscheinen nur bestimmte Güter mit der 
KUchensteuer belastet.*^* Sic erscheint überhaupt nur in den 
Ämtern Abtenau, Werfen und %*ereinzelt im Zillerlale, wird 
auch bezeichnender Weise oft servicium coquinc ;2:enai]nt und 
bestand nicht immer in einer Öeldleistung. Sie war eine von 
den erzbischöflichen Kigengüteni für die KUcke des EnsbischoBi 
zu. liefernde Abgabe. 



«•Ben, «rhoben wurde. 1431 Juli S9. Siehe o. Anm. 107. Wir mnga 
auch die leibeteam Ten mnem eigenleuten, wo di auf des von Salcsbuif 

B?\tcrtl sicJicnd, nornrn und die von Salzluirg die >5tenr von duii jiriltcrn 
DoBjj'eleichen mag- der mju BalcKburg die lcil>»teuer vuu »eiueu aigniKiit-o 
wo di auf unsern gütero siezend, neiuen and wir die steam von dco 
g&tem. 143C Oktober 9. Schliciitnng des Streit«i xwiscben Jobsaii, 
Bnbiidiof von Salsbnijg^iuid Niklai Ton Webpriacb, Pfleger s« Feldibeif, 
wegen der Leibetener, weldie der taliibaigiMhe Pfleger von WindiM^ 
Ifatrei von den Gütern daselbst nabm. Es eei ,von altem herkoocD, 
dar. man leuten in derselben herrschaft gesessen und die meinem herro 
von Salt/burg zugchSrten, leibsteur uSme, auf welches herren, ritter oder 
Unecht gfttern »y gesessen wercu'. Salzburger KammerbQcher 4, S. 51U, 
n. 20&. Der Leibzins der Freisassen wird auch mit ,leibsteaer* bexciehnttt 
1468 Zins- nnd Stenerbneb dee flachen Landes f. 9*: Parti Stegmtier ai 
Ins nittm et Istos denarios olim eamerario tenebatnr dare de fnkimea 
vidclicet leibstear. 

1244 Augu8t o. Anm. 143. Quod anti in vul^o cbuehclstiuer nunoupatur 
in pörcis, pecoribua, ovibus et puUis, werchart vcl aliam ezactionem n<m 
rec^uirant. 
"« Urbar I, 18, 23', 99', 154, 176' ff. 



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Inhalt, 



Sdte 

I« Die ordentliehe 8teaer im Erzblstnm Balzbargr 483 

Dm erste Anflretoii der onlfiitlichcn Steuer in Salzburg. 8.48.5. — 
Vorkommende Bezeichnungen derselben. S. 4M&. — Cbersicht über 
die vorliegenden Steucrvcrzeichnisso. S. 4ö7. — Schlußabrechnungen 
nnd Spezialregbter. S. 4B7. — Die Steuerrechnung von 1284. S. 488. 
— Di« Beehnaiic d«fl Yiwdoms Ton Salsburg von ca. 1S90. S. 489. — 
Die Steaerbaoher und das Urbar von ea. 1360. 8. 490. Pallo- 
grajihische Beschreibung derselben. S. 490. — Das Bteuerbucb L 
S. 490. — Das Steuerbuch II. S. 491. — Das Urbar I. S. 491. — 
Das Urbar II. 8.491. — Inhaltsüber^iclit über die Steucrbüclier und 
das Urbar I. S. 491. — Abfassungszeil derselben, Hand A und B. 
8. 492. EntotebaDg sowohl der Urbare wie auch der Steuerbücher im 
HofineUteramt sa Satabnrg. S. 494. — Die Eintragungen itelleB die 
Nenanlagen in den Ämtern vor. 8. 496. — Die Temeichnete Steuer ist 
die ordentliche Steuer. S. 495. — Anordnung der Stetierreneichnisse 
nach den Propstcicn und iunerhall) derselben nach der prundhcrrlichcn 
Zugehörigkeit der t^tcuerbaren Güter. 8. 4y6. — Die E'mtrapung für 
die Propstei ^ußer-Aim' als Musterbeispiel. 8. 496. — Art der Ein- 
tragung der «ittMln«! Oligekt«. 8. 496. — TM^eidi swiseben Steuer- 
bflehera nnd Urbaren. 8. 497. — Die 8tenerbil6her ^d anf Qrund 
von Speaialrefistem der einaelnen Ämtw feferijgt« Geaamtregister. 
8. 498. — ~ Forldauernde Vorwendung der Steuerbücher im Hofmeister« 
amt. 8. 498. — XaclitrH^c vuii Ilaad A. S. 499. — Auftreten einer 
spHteren Ilaud C und deren Eintraf^j^ungen in den Steuerbüchern und 
im Urbar I. 8. 499. — Nachtrüge einer dritten Hand D (1381—1391). 
8. 601. — Plan dbar voUayiadigen Nenbearbwtong dar 8t«nerbfloher. 
8. 601. — Die Stenerreraeiebniaie Ittr das Yisedomamt Leibnita, daa 
Urbar Yon 1399 nnd die Stenerreehnnng von 1371. 8. 609. — > Die 
Stenerrechnung des Vizedominats Friesach von 1393. S. 503. — Die 
Quellen im 15. Jahrhundert. S. 504. — Das Urbar II. S. 504. ~ 
Andere Urbare. S. 505. — Das Zins- und Steuerbnch von 1463. 
S. 50ö. — Die (Quellen für die steirischen und kürutuischou En- 
klaven im 15. Jahrhundert 8. 605. — Die Quellen im 16. Jahr- 
hundert. 8. 606. 

Die Entatebung der ordentlichen Stoner im EnsUft 8alBbnig. 
8. 606. — Die Ungleiohartigkeit der Entwieklnng im Enstül und 



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deren CJriindr S. 506. — Das gesamte «Icr cr^biBchCfliclien B«s>tcue- 
run^ uutcrliegeiiiiu G«>l>t6i aerfällt, was dua Bestcucsrutigsrecht des 
Bi^ischoA tratriSt, in swat Gruppen. 8. A07. — Ente C^pp«: die 
Gebiet«, in welehea der Ervbitebof die Steuer alt alTeailich-reclii' 
liehe, I«nde«herrIicho Abgabe eiobob. 8. fi07. — Zw«te Gmppe; die 
Gebiote, in welchen der Er«bbchof die Steuer nur von seinem Urbar 
erhob: die ("stoiroicJii.schen und bayristclifn Enklaven. S. 508. — Die 
erste ürupi)c lallt mit den Ocbtcten 7,ii-aiiin;i n, in welchen der Era- 
blftchof hauptsächlich durch Erwerbung der Orafschaftsrechte dio 
▼olle LandeihoWt erlangte. 8. 509. Za ihr atnd aaek die 8lidla 
in den Enklaven an recbnen. S. 611. — Der Umfang der entbiaebOf« 
lidien Hebeltareehte in den (MeiF^ehiaehen Enklaven auf dem 
platten Lande. S. 51%. — Beschrünkung des erzbischOfltchen Be* 
steucmngsrechtc« in denselben auf die Eifrenpüter. S. 513, — D» r 
Umtanp der embisclifSflichcn Hoheitsreehte iti deu bayrischen En- 
klavun Ö. 616, — im Zillertal. 6. 61&, — im MQhldorfer Vuit- und 
Pi-opstgeriolite. 8. ~ Beeohrinkung det etsMa^Oflieiiea Be- 

ateoernngarechtea auch bier anf die Eigengttter. 8. ftl7. — Hat» 
maßliehe Bntwleklnng In den Heriwbailen Mattaee ttnd Wüdeneek. 
S. 619. — Das erKbiscbüßicho Beateuerungsrecht in den Enklaven 
beruht nicht auf' der Kxi tntion von der herzoglichen Steuer. 8. 519. 

— Die fresMintc 8teucr\ r.v.^ltnng ertolo;t durch die Proi>steien. S. ÖJÜ. 

— Organi.xation und Kompetenz der&elbeu. 8. 521. — Verhältnis tu 
den Landguriuhten. 9. 623. — Sie erscheiueu als die ReMe der vor 
Erwerbung der OraiMduiftneeble beliebenden TenraltangsorgaiUtalien 
dei Braittfta. 8. 618. — Die Landgeriehte ailid an der 8tenerrer> 
waltung nicht beteiligt. 8. 638. — Einteilnng der Steuerzahler innerhalb 
der Propsteien nach der grundherrliehen Zu^ehPriglieit der Ohjekte 
fcj. 634. — Schon vor Erwerhun«^ der C»rafsehaft.sreehte bestand eine 
Steuer im Immunitätägebiet. ä. 624. — Steuer anderer geisUieher 
ImmunitJitsherren. S. 626. — Ausdehnung der Bestenemng nach Er* 
Werbung der GriMiailBraebte anf dl« gaaamte bKaetlieh« BetMkenmg. 
a 616. Di« Veraebnelaang mit früher etw« vorhmideMn Otafen- 
Btcnern Ist unwahrscheinlich. S. 627. — Vorbild andeier Territorien. 
8. 629. — Mutmaßliche Ent«tohang der vor Erwerbnnp der Oraf- 
schaftsreehf i> im TnimtinitMtsgebiete cf!w»l>eni"ii Steuer. S, &30. — Die 
Steinern der Kirchenrclgle. B. 880. — Erwerbung der Kirchonvogt«ie£t 
durch die ErabiscLCSfe. 8. öäl. — Die landesberrliclie ordentliche 
Steuer Hebt in keilieta ofgm^idien Butamnenhange mit der Vogt< 
«teuer, beide beatanden nebeaeituiitder ft»n. 8. 881. — Die Vegtrtetfer 
war das Vorbild Ittr die Imniuliliitaitettet. 8. 6BI. ~ AnlXsse cur 
Einführung der letsteren. 8.684. — l)er Ursprung aus einer Ersatz 
Icistung für die Befreiimfr vom Kriepjsdiensto tat abauweiaen. S. 686. 

— Zusamnieufussiing der Er}rcbiiisi?e. S. 635. 

Verwandlung der ordentlichen landesherrlichen Steuer im Ib. Jahr- 
hundert in eine rein grundkerrliehe Abgabe. 8. 686. — Grfllidedef«e!b«8. 
& 686.» Zeitpunkt dieser Um waAdlnrig. 0. 687. — Weitere Sehicitaale 
der otdenUiofien Steuer im KemUind 8. 688» — in defi Idnklavea. 8. 688. 



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Art und Charakter der ordeutlichen Steuer. S. ü3d. — Die Steuer 
war Beallut, Träger war der Inhaber dea Gatea. 8. 640. — ' Kommna' 
haotniif . 8. MO. — Anadebmuiif dar Stonacpflieht 8. 640. — Privil«- 
gierte Stellang der QeiaUichkeit, Ritterschaft und der Amtsleute. 
S. 640. — Freie Bauern. 8. 611. — Die Hintersassen des Landes* 
fiirateii, der Geistlichkeit nnd der Kittcrsohaft unterlagen der Be- 
steuerung. S. r)41 — Holle der bnuerÜchen I^eilietorin. S. 542. -— 
Verloihungen zu Erbrecht S. 642, — £u Freistitt. S. 543. — Steuer- 
bemeaanikg aaeb dem Hnbenmaß. 8. 644. — Beatenemng der 
Seliwaif tiOÜB 8. 646, — der Neubrache. 8. 647. » Art der Steuer in 
den Enklaven. 8. 647. — Bonitiening. 8. 647. — Neuantagen. 8. 647. 

— Die ordentliche Steuer war nicht fixiert. S. 548. — Anschlag 
und Erhebung der l^tencr durch die Pröpste und deren Unter- 
bpamten nach der grundherrlichen Zugehörigkeit. S. 54i«. — Weder 
die Oemeinden noch die Landgerichte sind daran beteiligt. S. 649. 
<— ' Veranlagung der geiaUiehen nnd litterliehen Hinteraaaaen. Mit- 
wirkung der gmndherriicben Amtleute nnd PanaehaUemng dieaer 
Stenerleiatnngen. 8. 660. — Vernnlagnng der Freiatifter. 8. 660. — 
Anschlag nnd Erhebung in den Enklaven. S. 661. — PfMndung. 
8. 551. — Termine. S. 662. — Die Steuer eine Abgabe in Geld. 8. 552. 

— Entlohnung der Stenerorgane. S. öö2. — Abfassung der Steuer- 
r^ster durch sie. S. 662. — Ihre persönliche Einvernahme. 8. 552. 

— Ertrag der Steuer. 8. 662. 

Steuer der Stidto. 8. 668. — 8ie war euch in den Enklaven 
8ffenilieb-reehtliebe Abgebe. 8. 668. — Die Stedtatener hatte den< 
selben Ursprung wie die Steuer anf dem platten Lande. 8. 658. — 
Stadtsteuer Reallast. S. 553. — Bcvorzupitc Stellung von Geistlichkeit 
und Ritt«rscliaft. S. 553. — Die Steuer wird vom Inhaber <les ßteuer- 
objektes gezahlt. S. ö53. — Bewegung gegen die Steuerfreiheit der 
QeiaÜichkeit nnd der Ritterschaft. 8. 664. — Die Steuer der Jaden. 
8. 666. — Aaachlag nnd Bihebung der Steaer durch die Stadt- 
behfirden. 8. 666. — Panaehaliernng der Stadtatener. 8. 666. — Der 
Steaetlbß in den StSdten. S. 556. — Die Steuer der Märkte. S. 666. 

— Dip Stadtstcucr geht dcui Erzbischof verloren, in den Enklaven 
au (Österreich S. 557, — im landesherrlichen Territoriom «u die 
Städte selbst. S. 667. 

Die Ablieferang der Steaer an die Zentralstellen. S. 657. — • 
Der Viaedomlnaft an 8alsbniig. 8. 667. — Daa Hoibeiateramt an 
Salabnig. 8. 668. — Die Viaedomtaate Frieaaeh nad Leibaita. 
S. 559. — Fehlen eiaer Zentralbehörde fUr diese drei Stellea. 
S. 561. — Das Kammormcistcranit im 16. Jahrhundert. S. 561. 

Andere mit Steuer beaeichnete Abgaben, die Leibateuer nnd die 
Kttcbenateuer. S. 561. 



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