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Full text of "Caesars Monarchie und das Principat des Pompejus innere Geschichte Roms von 66 bis 44 v. Chr."

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Caesars 
monarchie  und 
das  principat 
des  Pompejus 


Eduard  Meyer 


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CAESARS  MONARCHIE 

und  das  Principat  des  Pompejus 


Innere  Geschichte  Roms 
von  66  bis  44  v.  Chr. 

Von 

EDUARD  MEYER 

Dritte  Auflage 


STUTTQART  UND  BERLIN  1922 
J.  O.  COTTA'SCHE  BUCHHANDLUNG  NACHFOLGER 


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Alle  Rechte,  insbesondere  das  Übersetzungsrecht,  vorbehalten 

Für  die  Vereinigten  Staaten  von  Amerika: 
Copyright,  1918,  by  j.  O.  Cotta'acbe  Buchhandlung  Nachfolger, 
Stuttgart  and  Berlin 


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GEORG  WISSOWA 


IN  TREUER  FREUNDSCHAFT  GEWIDMET 


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Vorwort  zur  ersten  Auflage 


Im  Sommer  1914  hatte  ich  mich  von  anderweitigen  Ver- 
pflichtungen und  Aufgaben  so  weit  freigemacht,  daß  ich  hoffen 
durfte,  jetzt  ungehindert  an  die  Fortsetzung  meiner  Geschichte 
des  Altertums,  zunächst  an  die  Neubearbeitung  des  zweiten 
Bandes,  gehn  zu  können.  Da  kam  der  Krieg,  der  zunächst  jede 
wissenschaftliche  Arbeit  unmöglich  machte;  und  auch  als  all- 
mählich die  Besinnung  wiederkehrte  und  man  daran  denken 
konnte,  die  regelmäßige  Arbeit  wieder  aufzunehmen,  zeigte  sich 
alsbald,  daß  der  Versuch,  die  Geschichte  des  alten  Orients  in 
der  geplanten  Weise  weiterzuführen,  nicht  ausführbar  war.  Weder 
die  andauernde  Konzentration  der  Arbeitskraft  auf  dies  eine 
Gebiet  ließ  sich  erreichen,  die  hierfür  erforderlich  gewesen  wäre, 
noch  vermochten  mich  inmitten  des  tobenden  Kampfs  um  das 
Dasein  unsres  Volks  die  dort  gestellten  Probleme  jetzt  noch  zu 
fesseln;  ich  mußte  mich,  soweit  ich  nicht  durch  die  von  den  Er- 
eignissen gestellten  literarischen  und  politischen  Aufgaben  in  An- 
spruch genommen  war,  auch  in  meiner  wissenschaftlichen  Tätig- 
keit mit  Dingen  beschäftigen,  die  den  Menschen  innerlich  zu 
packen  vermögen  und  mit  den  Fragen,  die  uns  alle  aufs  tiefste 
bewegen,  in  näherem  Zusammenhang  stehn.  So  habe  ich  eine 
Reihe  von  Arbeiten  in  Angriff  genommen,  von  denen  ich  eine 
in  dem  vorliegenden  Buch  veröffentliche. 

Ursprünglich  war  es  nur  meine  Absicht,  die  Monarchie  Caesars 
darzustellen,  als  Gegenbild  zu  dem  Principat  des  Augustus,  dessen 
Wesen  ich  früher  in  meinen  Kleinen  Schriften  zu  zeichnen  versucht 
hatte,  und  dabei  die  bisher  so  vielfach  verkannte  politische  Be- 
deutung sowohl  der  Schriften  und  der  Tätigkeit  Ciceros  wie  der 
Broschüren  Sallusts  darzulegen;  die  vorhergehende  Zeit,  die 
Stellung  und  Tendenzen  des  Pompe  jus,  hoffte  ich  in  einer  ein- 
leitenden Skizze  kurz  erledigen  zu  können.  Indessen  alsbald  wurde 


VI  Vorwort 

mir  klar,  daß  das  unzureichend  war,  wenn  eine  überzeugende 
Wirkung  erreicht  werden  sollte ;  und  überdies  reizte  es  mich ,  von  der 
großen  weltgeschichtlichen  Epoche,  die  ich  in  Übungen  und  Vor- 
lesungen so  oft  durchgearbeitet  hatte,  und  in  der  der  Historiker  des 
Altertums  einmal  wirklich  aus  dem  vollen  schöpfen  kann,  eine 
eingehende  Darstellung  zu  geben,  die  neben  lebendiger  Gestaltung 
der  einzelnen  Vorgange  zugleich  eine  volle  Objektivität  erstrebt. 

Denn  an  einer  solchen  Darstellung  dieser  Zeit  fehlt  es  noch 
durchaus;  vielmehr  sind  die  Geschichtswerke,  welche  sie  behan- 
deln, durchweg  von  bestimmten  Tendenzen  beherrscht1)  und 
fechten  die  Kampfe,  welche  ihre  Gegenwart  bewegten,  leidenschaft- 
lich auf  dem  römischen  Schauplatz  aus  —  wie  ja  der  griechischen 
Geschichte  des  fünften  und  vierten  Jahrhunderts  das  gleiche 
Schicksal  widerfahren  ist.  Drumanns  Werk  ist  geradezu  ein 
Musterbeispiel  einer  derartigen  parteiischen  Behandlung,  die  trotz 
des  energischen  Fleißes  daher  oft  genug  zu  ganz  falschen  Er- 
gebnissen kommt.  Überdies  ist  sein  Werk  wohl  das  bizarrste 
Produkt  deutscher  Gelehrsamkeit:  die  Auflösung  einer  aufs  tiefste 
erregten  Epoche  politischen  Ringens,  wo  alles  ineinander  greift, 
in  eine  Unzahl  von  Biographien,  die  an  der  Hand  der  Familien- 
stammbäume geordnet  sind.  Wer  würde  auf  den  Gedanken 
kommen,  etwa  die  französische  oder  englische  Revolution  in  dieser 
Weise  darzustellen!  Dabei  stehn  wichtige  und  unwichtige  Per- 
sönlichkeiten in  bunter  Folge  nebeneinander,  viele  wichtige  Per- 
sönlichkeiten, wie  z.  B.  Curio  Vater  und  Sohn,  Fufius  Calenus, 
die  Aurelii  Cottae,  Sulpicü  Rufi,  Servilii  Isaurici,  Valerü  Messallae, 
fehlen  ganz,  und  in  den  wenigen  Fällen,  wo  eine  Familie  durch 
mehrere  Generationen  in  der  Politik  hervortritt  —  in  der  Regel 
greift  jede  nur  durch  einen  einzigen  Mann  in  den  Gang  der 
Dinge  ein  — ,  wie  bei  den  Junii  Bruti,  Aemilii  Lepidi  und  viel- 
leicht bei  den  Antoniern  und  Claudiern,  ist  trotz  dieses  rein 

■  '  - 

y)  Eine  Ausnahme-  bilden  die  Römischen  Altertümer  L.  Langes, 
welche  diese  Epoche  ganz  eingehend  behandeln  und  die  Einzelheiten 
streng  sachlich  zu  ermitteln  suchen.  Aber  dies  Werk  ist  so  nüchtern 
gehalten  und  entbehrt  so  vollständig  aller  historischen  Perspektive,  daß 
es  die  einem  Geschichtswerk  gestellte  Aufgabe  nicht  zu  erfüllen  vermag. 


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Vorwort  VII 

äußerlichen  Schemas  gax  nicht  einmal  die  Frage  aufgeworfen,  ob 
sich  eine  traditionelle  Familienpolitik  erkennen  läßt. 

Auf  Dbümamns  Werk  fußt  Mommsen,  und  seine  Darstellung 
bietet  im  vollsten  Maße,  was  jenem  fehlt,  eine  Zusammenfassung 
unter  großen  Gesichtspunkten,  eine  glänzende,  lebenswahre  Dar- 
stellung, eine  Fülle  fesselnder  und  den  Leser  gefangennehmender 
Schilderungen  und  Aussprüche.  Unter  seinem  Einfluß  stehn 
alle  folgenden;  mochten  sie  ihm  zustimmen  oder  ihn  bekämpfen, 
entziehn  konnten  sie  sich  ihm  nicht.  Aber  wenn  seine  Römische 
Geschichte  ein  unvergänglicher  Besitz  unserer  Nationalliteratur 
ist  und  das  geschichtliche  Verständnis  gewaltig  gefördert  hat,  so 
ist  sie  doch  zugleich  Parteischrift  durch  und  durch,  das  Werk 
des  alten  Achtundvierzigers,  der  überall  mit  der  ganzen  Wucht 
und  Leidenschaft  seiner  imponierenden  Persönlichkeit  für  seine 
politischen  Überzeugungen  kämpft,  und  in  der  römischen  Aristo- 
kratie und  dem  Senat  das  verhaßte  Junkertum  der  Reaktions- 
zeit treffen  will1).  Die  Wirkung  dieses  Werkes  wird  immer  blei- 
ben; aber  es  bedarf  der  Korrektur,  es  ist  dringend  erforderlich, 
eine  unparteiische  Darstellung  daneben  zu  stellen.  Ich  habe 
das  an  mir  selbst  erfahren:  ich  habe  so  im  Banne  seiner  Dar- 
stellung gestanden,  daß  ich  noch  lange  glaubte,  in  allem  Wesent- 
lichen auf  dem  Boden  seiner  Auffassung  zu  stehn,  als  ich  bereits 
erkannt  hätte,  daß  zahlreiche  Einzelheiten  unhaltbar  waren,  bis 
mir  schließlich  klar  wurde,  daß  ich  in  Wirklichkeit  kaum  noch 
etwas  mit  ihm  gemeinsam  hatte.  Eben  darum  habe  ich  es  für 
geboten  gehalten,  während  ich  sonst  Polemik  vermieden  und 
nur  ein  paarmal  auf  starke  Mißgriffe  Drumanns  hingewiesen 
habe,  an  Mommsens  Darstellung  mehrfach  eingehende  Kritik 
zu  üben:  bei  der  dominierenden  Bedeutung  seines  Werks  wird 
das  jede  neue  Bearbeitung  eines  Abschnitts  der  römischen 
Geschichte  tun  müssen,  die  die  Erkenntnis  wirklich  fördern  will. 

Dadurch,  daß  ich  das  bei  Cicero  vorliegende  Material  möglichst 
vollständig  aufgenommen  und  auszunutzen  versucht  habe,  kommt 

')  Siehe  S.  824  ff.  Diese  Grundtendenz  beherrscht  auch  Mommsens 
Römisches  Staatsrecht  and  hat  verschuldet,  daß  der  dritte  Band,  die 
Darstelloag  yon  Volk  und  Senat,  den  beiden  ersten  nicht  gleichsteht. 


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VIII 


Vorwort 


allerdings  eine  gewisse  Einseitigkeit  in  die  Darstellung:  Ciceros 
persönliche  Auffassang  und  seine  Schicksale  treten  stärker  in 
den  Vordergrund,  als  wenn  uns  gleichartiges  Material  auch  von 
anderer  Seite  vorläge.  Indessen  hat  Cicero,  so  oft  das  auch  von 
den  Neueren  verkannt  worden  ist,  auch  im  politischen  Leben  dieser 
Zeit  eine  so  hei  vorragende  Stellung  eingenommen  —  auch  in  den 
Geschichtswerken  des  Altertums  kommt  in  dieser  Zeit,  abgesehn 
von  Pompejus  und  Caesar,  kein  Name  so  oft  vor  wie  der  seine, 
nur  Cato  kommt  ihm  vielleicht  gleich  — ,  und  das  in  seinem  Nach- 
laß auf  uns  gekommene  Material  ist  so  vielseitig,  daß  diese 
Einseitigkeit  demgegenüber  nicht  ins  Gewicht  fällt.  Wohl  aber 
sind  die  hier  vorliegenden  Äußerungen  als  Stimmungsbilder  un- 
schätzbar; sie  ermöglichen  uns,  die  Vorgänge  und  Strömungen 
bis  ins  einzelnste  mitzuerleben.  Um  dem  Leser  die  fortlaufende 
Kontrolle  zu  ermöglichen,  habe  ich  die  in  Betracht  kommenden 
Stellen  in  weitem  Umfang  im  Wortlaut  angeführt. 

Auch  sonst  habe  ich  in  die  Quellenbelege  viel  mehr  wörtliche 
Zitate  aufgenommen,  als  sonst  Brauch  ist.  Lediglich  die  be- 
treffenden Stellen  anzugeben,  hat  wenig  Sinn,  wo  das  Material 
schon  so  oft  durchgearbeitet  und  jedem  Forscher  bequem  zu- 
gänglich ist;  denn  daß  der  Leser  sie  nachschlägt,  ist  ja  aus- 
geschlossen. Wohl  aber  war  es  wünschenswert,  daß  er  die  wich- 
tigsten Belege  im  Wortlaut  kennen  lernt  und  sich  so  schon  bei 
der  Lektüre  ein  selbständiges  Urteil  bilden  kann.  Im  übrigen 
war  meine  Absicht,  hier,  wo  wir  die  Vorgänge  bis  ins  einzelnste 
an  der  Hand  des  auf  uns  gekommenen  primären  Materials  fest» 
stellen  und  dadurch  die  historische  Überlieferung  genau  kon- 
trollieren können,  möglichst  anschaulich  hervortreten  zu  lassen, 
wie  vortrefflich  und  zugleich  wie  einheitlich  diese  Überlieferung 
ist;  das  ist  für  ihre  Beurteilung  in  den  früheren  Abschnitten 
von  den  Gracchen  an,  wo  solche  unmittelbaren  Zeugnisse  so  gut 
wie  ganz  fehlen,  von  größtem  Wert  und  begründet  das  Ver- 
trauen, daß  sie  auch  hier  zuverlässig  ist. 

Berlin,  im  Juni  1918. 


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Vorwort  zur  zweiten  Auflage 


Weit  rascher  als  ich  erwarten  konnte,  ist  eine  neue  Auflage 
nötig  geworden.  Das  Buch  ist  erschienen  in  den  trübsten  Tagen 
deutscher  Geschichte,  als  im  Herbst  1918  unsere  Widerstands- 
kraft jäh  zusammenbrach  und  als  dann  eine  von  wahnwitziger 
Verblendung  beherrschte  Umwälzung  nicht  nur  alle  Grundlagen 
unseres  Staatsbaus  niederriß,  sondern  zugleich  auch  unser  stolzes 
Heer  und  unsere  unbesiegte  Flotte  vernichtete,  unser  gesamtes 
Wirtschaftsleben  zertrümmerte,  und  uns  wehrlos  und  ehrlos 
unseren  Todfeinden  zu  Füßen  warf. 

Und  doch  ist  schon  nach  drei  Monaten  die  erste  Auflage  ver- 
griffen gewesen.  Ich  glaube  daraus  folgern  zu  dürfen,  daß  das 
Buch  wirklich  eine  Lücke  in  der  historischen  Literatur  ausfüllt, 
und  zugleich  wohl,  daß  auch  andere  das  Bedürfnis  empfinden, 
wenigstens  auf  Momente  aus  dem  Elend  der  Gegenwart  in  ferne 
Zeiten  zu  flüchten  und  durch  Beschäftigung  mit  einer  in  ihrer 
Entwicklung  und  in  den  wirkenden  Kräften  abgeschlossen  vor 
uns  liegenden  Epoche  die  geschichtliche  Erkenntnis  zu  läutern 
und  zu  vertiefen. 

Der  Neudruck  hat  mir  die  willkommene  Gelegenheit  geboten, 
einzelne  Unebenheiten  auszugleichen  und  übersehene  Notizen 
nachzutragen.  Tiefer  greifende  Änderungen  waren  nirgends 
erforderlich1).  Für  die  Berichtigung  einiger  Irrtümer  auf  juristi- 


*)  Ich  verzeichne  hier  alle  Stellen,  an  denen  irgendwie  in  Betracht 
kommende,  über  rein  stilistische  Verbesserungen  hinausgehende  Zusätze 
und  Änderungen  vorgenommen  sind:  S.  29,  4.  34,  1  (Rede  Caesars  bei 
Sallust).  64,  8  und  415,  6  (Caesars  Ackerkolonien).  67,  3  (lex  Thoria). 
84  (Considius).  86  (die  Domitier).  132,  1  (Citat  aus  Calvus).  156,  1  (Mancia 
gegen  Libo).  164,  1  (der  Quaestor  Salustius).  250,  S  (Novum  Comum). 
32t)  f.  (Ober  Fkrmro).  381,  1  (Catos  Quaestur).  351,  4.  353.  5.  854,  1.  2. 
444,  2.  475,  8  (Citat  aus  Nik.  Dam.).  505  (über  Mamurraj.  512,  1  (Varro 


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X 


Vorwort 


schem  Gebiet  (S.  236,  5.  366,  4.  523,  1)  bin  ich  meinem  Kollegen 
E.  Seckel  zu  großem  Dank  verpflichtet. 

Ich  kann  diese  neue  Auflage  nicht  schließen,  ohne  der  so  ganz 
anderen  Stimmungen  und  Erwartungen  zu  gedenken,  unter  denen 
das  Buch  geschrieben  und  gedruckt  ist.  Einen  großen  Teil  der 
Korrekturen  habe  ich  vor  mehr  als  Jahresfrist  in  den  herrlichen 
Frühjahrstagen  1918  in  den  baltischen  Landen  gelesen,  als  es 
mir  vergönnt  war,  dort  inmitten  einer  hoffnungsfrohen,  von 
schwerstem  Druck  barbarischer  Fremdherrschaft  und  rohester 
Revolution  glücklich  erlösten,  von  vollem  Vertrauen  in  eine 
große  und  gesicherte  Zukunft  getragenen  Bevölkerung  eine  Reihe 
wissenschaftlicher  Vorträge  zu  halten.  Jetzt  ist  das  alles  nieder- 
getreten uud  vernichtet,  zahlreiche  der  edelsten  Manner  und 
Frauen  sind  einem  gräßlichen  Schicksal  anheimgefallen,  ein 
blühendes  Kulturland  ist  der  rohesten  Barbarei  ausgeliefert;  und 
dahinter  steht  die  furchtbare  Tatsache,  daß  dies  Schicksal  nicht 
nur  durch  das  Verbrechen  unserer  Feinde  herbeigeführt  ist, 
sondern  ein  großer  Teil  der  Schuld  auf  uns  selbst  lastet,  daß  unser 
Volk  der  großen  weltgeschichtlichen  Aufgabe,  die  ihm  gestellt 
war,  nicht  gewachsen  gewesen  ist,  und  daß  das  gleiche  Schicksal 
jetzt  drohend  auch  über  der  eigenen  Heimat  schwebt.  Wo  ist 
noch  ein  Hoffnungsanker,  an  den  wir  uns  klammern  können, 
um  an  der  Zukunft  unserer  Nation  nicht  zu  verzweifeln? 


über  göttliche  Abstammung).  An  eine  richtigere  Stelle  gestellt  sind 
129,  2  das  Citat  aus  Fenestella,  162,  5  der  Brief  an  Brutus,  240,  1  die 
Angabe  Isidors,  887  die  Angaben  über  Caesars  Epilepsie,  898,  3  der 
Brief  des  Nepos,  496  der  an  eine  falsche  Stelle  geratene  Abschnitt  über 
die  Juden,  539  das  Verhalten  Caesars  gegen  Cassius  und  Brutus.  —  Ich 
bemerke  noch,  daß  die  Verweisungen  auf  spatere  Abschnitte  im  Text 
nicht  immer  ganz  genau  sind,  da  sich  die  Verschiebung  der  Seitenzahleu 
im  Neudruck  im  voraus  nur  annähernd  berechnen  ließ. 

Pfingstsonntag,  deu  8.  Juni  1919. 

Eduard  Meyer. 


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Inhalt 


Seite 


Pas  Principat  des  Pompeju*   1 

Emporkommen  und  Persönlichkeit  des  Pompejus   1J 

Umtriebe  des  Crassus  und  Caesar.    Die  Verschwörungen  Cata- 
linas   U 

Po  in  pej  ns'  Rückkehr  und  Bedrängnis   37 

Pompejus'  Koalition  mit  Caesar  und  Crassus   tf> 

Caesars  Consu 

Ciceros  Verbannung   95 

Clodius  und  Pompejus   102 

Pompejus,  Cicero  und  der  Senat   llo 

Die  Konferenz  von  Lnca  nnd  ihre  Folgen   140 

Das  /.weite  Consulat  des  Pompejus  und  Crassus   149 

Das  Principat  des  Pompejus  und  Ciceros  Bucher  vom  Staat  .    .  174 

Pompejus  nnd  die  Anarchie   191 

Fortgang  der  Anarchie.    Pompejus'  drittes  Consulat   207 

Vorbereitung  des  Bruchs  mit  Caesar   241 

Marcus  Marcellus  und  die  Republikaner  gegen  Caesar  ....  24-*> 

Der  Bruch  zwischen  Pompejus  nnd  Caesar   259 

Die  lettten  Verhandlungen   278 

Eröffnung  nnd  Verlauf  des  Bürgerkriegs   292 

Caesars  Monarchie   819 

Caesar  bei  den  neueren  Historikern  .321 

Persönlichkeit  nnd  Ziele  Qmm  -  ■  ■  ■  •  ■  ■  .  .  .  .  .  SM 

Caesars  Machtmittel  und  Anhänger   84'> 

Die  nächsten  Aufgaben.    Sallusts  erste  Schrift  an  Caesar  .    .    .  34  S 

Caesars  Maßregeln  im  Jahre  49    864 

Wirren  in  Rom  während  Caesars  Abwesenheit  ......    .  ,%H 

Caesars  Rückkehr  im  Sommer  47    377 

Beendigung  des  Bürgerkriegs.    Caesars  Triumphe   384 

Sallusts  zweite  Schrift  an  Caesar   :}KS 

Caesar  nnd  die  Parteien  Oirarnw  Ihinkrpdft   tür  Marzling'  Bp- 

gnadigung   899 

Caesar*  Gesetzgebung  im  Jahre  4G    .    .    410 


XII  Inhalt 

Rom  während  des  spanischen  Krieg«.    Caesar  und  Cicero.  Die 

Schritten  über  Cato   427 

Caesars  Rückkehr  aus  Spanien.    Ehrungen  und  Attentatspliine. 

Cicero  und  Brutus   444 

Caesars  Ziele.  Die  absolute  Monarchie  .  .  .  .  .  .  .  ,  .  4üä 

Die  Welteroberung   472 

Caesars  Armee   476 

Das  Reich.    Kolonien,  Latin  er  und  Bürger   483 

Die  Hauptstadt.    Knlturautgaben   496 

Die  Finanzen   500 

Caesars  Gehilfen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  504 

Die  Begründung  des  Gottkönigtums  Caesars   ö(H 

Die  Opposition  und  die  Verschwörung   5'jO 

Caesars  Ermordung   539 

Beilage    I.   Der  PerduelliorLsproseß  des  Rabiriua  im  Jahre  03  .  549 

Beilage  II.    Sallusts  politische  Broschüren  an  Caesar    ....  563 

Beilage  III.    Ciceros  Briefwechsel   5^ 

Beilage  IV.   Die  Quellen   606 

Register   623 


Bas  Principat  des  Pompejus 


Meyer.  Cw»an»  Mon»reliie 


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Emporkommen  und  Persönlichkeit  des  Pompejus 

Dem  Besiegten  gerecht  zu  werden,  ist  eine  der  schwierigsten 
Aufgaben,  die  dem  Historiker  gestellt  sind.  Das  hat  in  einem 
Maße  wie  wenig  andere  Pompejus  erfahren;  kaum  je  ist  sein  Bild 
als  Staatsmann  und  Feldherr  richtig  gezeichnet  worden.  Mommsen 
hat  eine  glanzende  Charakteristik  von  ihm  entworfen,  die  nie- 
mand ohne  hohen  ästhetischen  Genuß  lesen  wird :  aber  zutreffend 
ist  sie  keineswegs.  Allerdings  war  Pompejus  Magnus  nichts 
weniger  als  eine  große  Persönlichkeit;  kleinlich  und  ohne  jede 
Wärme  des  Gemüts,  hat  er  niemals  wirkliche  Sympathie  zu  er- 
wecken verstanden  —  denn  die  Zuneigung,  die  Cicero  nicht 
selten  für  ihn  zu  empfinden  vorgibt ,  ist  kein  echtes  Ge- 
fühl, vielmehr  sucht  er,  aus  einer  verfehlten  politischen  Be- 
rechnung, sie  sich  selbst  einzureden;  wie  kühl  er  wirklich  über 
ihn  dachte,  hat  er  in  intimen  Äußerungen  oft  genug  und 
zuletzt  noch  bei  seinem  Tode  ausgesprochen.  Die  rücksichts- 
lose Art,  mit  der  Pompejus  immer  wieder  die  Partei  wechselte 
und  seine  Anhänger  und  Werkzeuge  kühl  fallen  ließ,  die  Heuchelei, 
mit  der  er  seine  Absichten  zu  verhüllen  suchte  und  verlangte, 
daß  ihm,  dem  scheinbar  Widerstrebenden,  die  Stellung  aufgedrängt 
werde,  die  er  im  Herzen  begehrte,  und  dazu  die  Gewissensskrupel, 
die  ihn  dabei  plagten,  nicht  weil  er  sich  über  Gesetz  und  Moral 
hinwegsetzte  —  tiefere  ethische  Empfindungen  lagen  ihm  ganz 
fern  — ,  sondern  weil  er  die  formale  Korrektheit,  die  ihm  im- 
ponierte, nicht  beobachten  konnte,  das  alles  sind  abstoßende 
Züge  und  zeigen  ganz  wie  sein  äußerst  charakteristisches  Porträt 
die  kleine,  verschmitzte  Persönlichkeit,  die  die  Rolle  eines 
Großen  spielen  möchte,  der  sie  in  keiner  Weise  gewachsen  ist. 
Aber  Mommsen  hat  ihm  auch  die  Feldherrngaben  bestritten, 
während  er  zweifellos  zwar  kein  genialer,  aber  ein  durchaus  um- 


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4 


Da«  Principat  des  Pompeji« 


sichtig  operierender  Feldherr  gewesen  ist,  den  bis  zu  dem  ver- 
hängnisvollen Zug  nach  Pharsaloa  kein  berechtigter  Tadel  treffen 
kann ;  und  ganz  verfehlt  ist  bei  ihm  wie  bei  vielen  anderen  die 
Darstellung  der  politischen  Ziele,  die  er  erstrebte.  Das  trifft  aber 
nicht  nur  dio  Beurteilung  des  Pompejus  selbst  —  darauf  käme 
verhältnismäßig  wenig  an  — ,  sondern  die  Gesamtauffassung  der 
letzten  Epoche  der  römischen  Republik  und  der  Kämpfe,  in  der 
sie  zugrunde  gegangen  ist;  und  es  hat  zur  Folge  gehabt,  daß 
Mo m ms  en  von  dem  großen  Gregner  des  Pompejus  und  von  seinen 
politischen  Absichten  und  Schöpfungen  ebensowenig  ein  zu- 
treffendes Bild  entworfen  hat.  Darauf  beruht  es  in  letzter  Linie, 
daß  Mommsen  seine  Geschichte  nicht  hat  fortsetzen  können:  von 
seiner  Darstellung  der  Zeit  des  Pompejus  und  Caesar,  von  seiner 
Auffassung,  daß  mit  Caesars  Sieg  die  Geschichte  der  Republik 
zu  Ende  und  durch  ihn  die  Monarchie  dauernd  begründet  sei, 
führt  eben  keine  Brücke  zu  dem  Principat  des  Augustus  und  der 
Geschichte  der  Kaiserzeit. 

In  Wirklichkeit  treten  Pompejus'  politische  Anschauungen 
und  Absichten  aus  seiner  gesamten  Laufbahn  ganz  klar  und 
unzweideutig  hervor.  Der  Gedanke,  die  Republik  zu  stürzen  und 
sich  zum  Monarchen  zu  machen,  lag  ihm  völlig  fern,  und  die 
Versuchung,  die  im  Jahre  70  wie  im  Jahre  62  an  ihn  herantrat, 
sich  an  der  Spitze  einer  ihm  völlig  ergebenen  Armee  offen  gegen 
die  Regierung  aufzulehnen  wie  Caesar  und  sich  durch  einen 
Staatsstreich  der  Alleinherrschaft  zu  bemächtigen,  hat  er  beide 
Male  abgewiesen  und  sein  Heer  entlassen,  wenn  auch  im  Jahre 
70  erst  nach  langem  Zögern  und  nachdem  er  seine  Absichten 
durchgesetzt  hatte.  Der  Krieg  zwischen  Caesar  und  Pompejus 
war  nicht  etwa,  wie  er  so  oft,  so  auch  von  Mommsen,  dargestellt 
ist,  der  Kampf  zweier  Prätendenten  um  das  Königtum.  Vielmehr 
sind  es  drei  Gestaltungen  des  Staats,  die  hier  miteinander  ringen: 
die  alte  Republik  in  der  Form  der  Senatsherrschaft  —  die  so- 
genannte Demokratie,  d.  h.  die  Herrschaft  der  Kapitalisten,  und 
rivalisierend  neben  ihr  die  des  hauptstädtischen  Pöbels,  war  durch 
Sulla  und  bei  ihrem  nochmaligen  Erhebungsversuch  unter  Lepidus 
und  Marcus  Brutus  vernichtet,  und  lebte  wohl  noch  ab»  Ideal 


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Pompejus'  politische  Ziele 


in  einzelnen  Köpfen,  spielte  aber  politisch  überhaupt  keine  Rolle 
mehr  — ,  die  absolute  Monarchie  Caesars,  und  zwischen  ihnen 
diejenige  Gestaltung,  die  Pompejus  erstrebte,  die  militärische  und 
politische  Leitung  des  Staats  durch  den  amtlosen  Vertrauens- 
mann des  Senats  und  der  Aristokratie,  den  alle  seine  Rivalen 
an  Einfluß  weitaus  überragenden  ersten  Bürger,  den  Princeps. 
Die  Stellung,  die  Pompejus  für  sich  begehrte  und  die  er  zuletzt, 
seit  dem  Jahre  52,  wenigstens  annähernd  erreicht  hat,  ist  in  der 
Tat  in  den  wesentlichsten  Momenten  bereits  die,  welche  das 
augusteische  Principat  dem  Regenten  zuweist;  die  Gestaltung, 
welche  Augustus  dauernd  begründet  hat,  steht  der  von  Pompejus 
erstrebten  viel  näher,  als  der  des  Mannes,  dessen  Namen  er  trug. 
Ebeu  darin  beruht  die  eminente  weltgesc  hichtliche  Bedeutung  des 
Pompejus,  die  die  Caesars  fast  noch  übertrifft.  Sie  tritt  dadurch 
nur  noch  deutlicher  hervor,  daß  er  an  sich  keineswegs  eine  her- 
vorragende, seiner  Stellung  innerlich  gewachsene  Persönlichkeit 
gewesen  ist;  gerade  darin  zeigt  sich,  wie  die  Entwicklung 
mit  innerer  Notwendigkeit  auf  diese  Gestaltung  hindrängt,  in 
der  sich  die  alten  Traditionen  der  Republik  und  der  Senats- 
herrschaft  mit  dem  Bedürfnis  nach  einer  einheitlichen  Leitung 
des  Weltregiments  durch  den  Reichsfeldherrn  zu  verbinden 
und  ins  Gleichgewicht  zu  setzen  versuchen.  Caesar  hat  diese 
Lösung  mit  der  Ueberlegenheit  des  Genius  geringschätzig  bei- 
seite geschoben;  aber  eben  darum  hat  seine  Schöpfung  keine 
Dauer  gehabt,  sondern  die  Geschichte  ist  in  furchtbaren  Kämpfen 
darüber  hinweggeschritten. 

Dieser  Entwicklung  nachzugehn  und  sie  in  ihrer  Einzelgestal- 
tung richtig  zu  erfassen,  hat  nicht  nur  ein  historisches  Interesse 
ohnegleichen,  sondern  ist  lehrreich  auch  für  Gegenwart  und 
Zukunft.  Wenn  nicht  alles  täuscht,  wird  im  Laufe  des  nächsten 
Jahrhunderts  die  große  Republik  Nordamerikas,  deren  Wesen 
und  Entwicklung  mit  der  Roms  überhaupt  viel  mehr  Ähnlich- 
keit hat,  als  der  oberflächliche  Betrachter  ahnt,  einer  ähnlichen 
Krise  entgegengehn :  je  mehr  sie  in  die  Weltpolitik  hineingezogen 
wird  und  damit  die  äußere  Politik  und  die  militärische  Macht 
in  den  Vordergrund  tritt,  je  mehr  gleichzeitig  ihr  innerer  Aufbau 


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6 


Das  Principat  des  Pompejus 


sozial  und  wirtschaftlich  sich  umgestaltet,  um  so  unabweisbarer 
wird  auch  hier  die  Auseinandersetzung  werden  zwischen  den 
demokratischen  Prinzipien  der  Verfassung  und  den  legitimen 
Organen  des  Staats  auf  der  einen  Seite,  und  ihnen  gegenüber 
den  Persönlichkeiten  von  überragender  Stellung,  seien  sie  wirk* 
lieh  von  innerem  selbständigem  Wert  oder  mag  der  Zufall  sie  auf 
ihren  Platz  gestellt  haben,  in  deren  Hände  unvermeidlich  die 
großen  Entscheidungen  gelegt  sind. 

Pompejus'  Stellung  beruht  darauf,  daß  als  er  im  Jahre  83 
als  einfacher  Privatmann  im  Picenum  drei  Legionen  aufbrachte 
und  sie  nach  Niederwerfung  der  feindlichen  Truppen  wohlgeordnet 
und  siegreich  dem  Sulla  zuführte,  dieser  ihn  als  Imperator  be- 
grüßte. Dadurch  erkannte  er  den  23jährigen  amtlosen  Mann  als 
sich  gleichstehend  an  und  hob  ihn  hoch  über  all  die  andern 
Heerführer,  die  sich  jetzt  unter  Sullas  Fahnen  sammelten  und 
die,  obwohl  sie  zum  Teil  bereits  hohe  Staatsamter  bekleidet  hatten, 
doch  nur  seine  Legaten  waren.  Pompejus  hat,  wenn  er  auch 
Sullas  Vorrang  anerkannte,  doch  an  der  selbständigen  Kommando- 
gewalt festgehalten,  sich  nach  dem  Siege  über  die  Demokraten 
in  Afrika  vom  Heer  zum  Imperator  ausrufen  lassen  und  den 
Triumph,  auf  den  er  dadurch  Anspruch  erhielt,  von  Sulla  er- 
trotzt. So  rücksichtslos  Sulla  sonst  gegen  seine  Werkzeuge  vor- 
ging, wenn  sie  sich  über  die  von  ihm  wiederhergestellte  Staats- 
ordnung, mit  der  es  ihm  heiliger  Ernst  war,  hinwegsetzen  wollten 
—  den  Ofella  hat  er,  als  er  sich,  obwohl  er  wie  Pompejus  nur 
Ritter  war  und  noch  kein  Amt  bekleidet  hatte,  um  das  Consulat 
bewarb,  auf  dem  Markt  niederhauen  lassen  und  dem  Volk  erklärt, 
wenn  Rom  sich  noch  ein  drittes  Mal  empöre,  werde  er  die  Stadt 
in  Brand  stecken  und  so  das  Uebel  mit  Stumpf  und  Stiel  aus- 
rotten — ,  gegen  Pompejus  blieb  ihm  nichts  übrig,  als  sich  „vor 
der  aufgehenden  Sonne"  zu  fügen:  er  selbst  hatte,  ohne  es  zu 
ahnen,  den  Mann  großgezogen,  der  die  von  ihm  gegebene  Ver- 
fassung über  den  Haufen  werfen  sollte. 

Es  lag  auf  der  Hand,  daß  ein  Mann,  der  diese  Stellung  ein- 
nahm, damit  über  die  gesetzlichen  Schranken  hinausgewachsen 
war.    Innerhalb  der  Staatsordnung  war  für  ihn  kein  Raum: 


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Emporkommen  des  Pompejus  7 

unmöglich  konnte  er,  der  Imperator  und  Triumphator,  jetzt  die 
Ämterlaufbahn  als  Quaeetor  beginnen  und  damit  zugleich  den  Ein- 
tritt in  den  Senat  erlangen.  Er  war  zu  einer  selbständigen  Macht 
geworden,  die  unabhängig  neben  dem  Staat  stand,  und  hat  das 
schon  Sulla  selbst  fühlen  lassen,  auch  durch  die  Förderung  der 
Bewerbung  des  Lepidus  um  das  Consulat.  Nach  Sullas  Tode 
konnte  er  sich  politisch  als  dessen  Erben  betrachten:  mit  ihm 
zusammen  hatte  er  die  demokratischen  Usurpatoren  besiegt  und 
die  Senatsherrschaft  wieder  aufgerichtet,  er  war  der  Begründer 
und  Schirmer  der  bestehenden  Staatsordnung,  an  den  sich  die 
Regierung  in  allen  Notlagen  wenden,  dem  sie,  wenn  es  im  Innern 
oder  gegen  äußere  Feinde  einen  ernsthafteren  Kampf  gab,  das 
Kommando  übertragen,  dessen  Primat  sie  bereitwillig  anerkennen 
sollte.  Das  und  nichts  anderes  ist  das  Ziel,  das  Pompejus  zeit« 
lebeus  erstrebt  hat:  die  Stellung  Sullas,  den  er  dauernd  als  sein 
Vorbild  betrachtete,  sollte  durch  ihn  verewigt  werden,  die  regie- 
rende Behörde,  der  Senat,  sollte  sich  ihm  als  dem  ständigen 
Reichsfeldherrn  willig  unterordnen,  dann  mochte  daneben  der 
republikanische  Ämterturnus  und  die  Rivalität  der  führenden 
Männer  ruhig  fortbestehn,  wenn  nur  keiner  von  diesen  sich  ver- 
maß, es  ihm  gleichtun  zu  wollen. 

Der  Anlaß,  Pompejus  zu  verwenden,  bot  sich  sofort.  Als  es  zu 
Anfang  des  Jahres  77  nötig  wurde,  gegen  die  Insurrektion  des 
Lepidus  und  Brutus  ein  zweites  Heer  aufzustellen,  das  das  Po- 
land  unterwerfen  sollte,  blieb  dem  Senat  kerne  Wahl:  Pompejus 
war  der  einzige,  dem  er  dies  Kommando  übertragen  konnte. 
Dann  erzwang  Pompejus,  statt,  wie  Catulus  ihm  geboten  hatte, 
sein  Heer  zu  entlassen,  vom  Senat  die  Entsendung  nach  Spanien 
gegen  Sertorius  mit  proconsularischem  Imperium,  und  führte  in 
mühseligen  Kämpfen  und  in  unverhüllter  Rivalität  mit  dem  legi- 
timen ProconsulMetellus  Pius  schließlich,  nach  der  Ermordung  des 
Sertorius,  durch  die  Besiegung  desPerperna  im  Jahre  71  den  Krieg 
zum  glücklichen  Ende.  Daß  er  jetzt,  siegreich  zum  abermaligen 
Triumph  heimkehrend,  für  sich  das  Consulat  und  damit  die  Auf- 
nahme unter  die  gesetzlich  anerkannten  Oberhäupter  der  Republik 
forderte,  war  unvermeidlich;  eben  so  natürlich  aber,  daß  der  Senat 


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8 


Das  Principat  des  Potnpejus 


ihm  die  dafür  erforderlichen  Dispense  aus  freien  Stücken  niemals 
gewähren  würde.  So  blieb  ihm,  wollte  er  nicht  selbst  seine  Zu- 
kunft preisgeben  und  sich  zu  den  Toten  werfen,  nichts  übrig 
als  den  widerstrebenden  Senat  durch  die  Mittel,  über  die  er  ver- 
fügte, zur  Nachgiebigkeit  zu  zwingen  und  ihm  zu  zeigen,  daü 
er  gegen  den  allmächtigen  Feldherrn  wehrlos  sei.  Pompejus 
führte  sein  Heer  unter  dem  Vorwande  des  Triumphs  vor  Rom, 
verband  sich  mit  seinem  von  ähnlichen,  wenn  auch  bescheide- 
neren Wünschen  geleiteten  Rivalen  Crassus,  dem  er  eben  noch 
auf  dem  Heimweg  den  Sieg  über  die  letzte  der  aufständischen 
Sklavenbanden  entrissen  hatte,  und  akzeptierte  das  Programm 
der  Demokratie,  sowohl  um  die  Massen  für  sich  zu  gewinnen, 
wie  um  in  der  wiederhergestellten  gesetzgeberischen  Initiative  der 
Tribunen  ein  weiteres  bequem  verwendbares  Mittel  zur  dauernden 
Einschüchterung  des  Senats  zu  gewinnen. 

Die  Vertreter  des  demokratischen  Programms  und  die  Reste 
der  ehemals  von  Drusus  gebildeten  Mittelpartei  schlössen  sich 
natürlich  an,  unter  diesen  vor  allem  Lucius  Cotta,  der  im  Jahre 
70  zur  Praetur  gelangte1).  Unter  den  jüngeren  Talenten  der  Partei 
beginnt  C.  Caesar  hervorzutreten,  der  eben  damals  zum  Militär- 
tribun gewählt  war  und  eifrig  für  die  Wiederherstellung  der 
tribuuicischen  Gewalt  sowie  für  die  Restituierung  der  Anhänger 
des  Lepidus  und  Sertorius  eintrat2).  Aber  er  stand  noch  im  An- 
fang seiner  Laufbahn  und  man  muß  sich  hüten,  seinen  Einfluß 
in  dieser  Zeit  unter  dem  Eindruck  seiner  späteren  Entwicklung 
zu  überschätzen:  für  das  große  Publikum  war  er  nur  der  Gehilfe 
des  Crassus,  der  seine  Bedeutung  frühzeitig  erkannt  hatte  und 
ihm  seine  unerschöpflichen  Geldmittel  reichlich  zur  Verfügung 
stellte.  Uberhaupt  aber  war  die  demokratische  Partei  politisch 
viel  zu  schwach  und  zersplittert,  um  eine  selbständige  Rolle 
spielen  zu  können;  sie  gab  lediglich  das  Programm  her  für 
die  ganz  andersartigen  Bestrebungen  der  Machthaber,  und  ihre 

')  Unsere  Überlieferung  ist  so  dürftig,  daß  wir  andere  Beteiligte  bei 
der  Umwälzung  kaum  nennen  können.  Gewiß  hat  z.  B.  auch  Licinius 
Hacer,  der  Historiker,  Tribun  78,  dabei  mitgewirkt. 

*)  Sueton  Caes.  5. 


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Pompejus'  Übertritt  cur  Demokratie 


9 


Vertreter  mußten  zufrieden  sein,  wenn  für  sie  materiell  etwas 
dabei  abfiel. 

Durch  die  Koalition  wurde  die  Wahl  des  Pompejus  und  Crassus 
erzwungen  und  die  sullanische  Verfassung  durch  ihren  Mit- 
begründer gestürzt,  die  ausschließliche  Gerichtsbarkeit  des  Senats 
durch  eine  Besetzung  der  Richterstellen  aus  allen  drei  Standen 
in  vernünftiger  Weise  ersetzt,  zugleich  aber  durch  Wiederher- 
stellung der  tribunicischen  Gewalt  dem  anarchischen  Treiben  in 
der  Hauptstadt  Tür  und  Tor  geöffnet.  Eine  zielbewußte,  den 
großen  Aufgaben  zugewandte  Politik,  für  die  der  Senat  sich  schon 
in  den  Tagen  seiner  Allmacht  nicht  gewachsen  gezeigt  hatte,  war 
fortan  durch  den  ununterbrochenen  Hader  des  Alltags  vollends 
unmöglich  gemacht.  Für  die  ehrgeizigen  Männer,  die  unter  der 
Flagge  der  Demokratie  segelten,  begannen  aufs  neue  goldene  Tage; 
den  Senat  zu  schikanieren  und  die  Aristokraten  zu  ärgern,  wie 
Caesar  als  Quaestor  68  bei  der  Leichenrede  auf  seine  Tante,  die 
Witwe  des  Marius,  dessen  imago  er  im  Leichenzug  vorführte, 
war  ein  sicheres  Mittel,  um  vorwärts  zu  kommen.  Zugleich  aber 
zeigte  sich,  wie  schon  unter  der  gracchischen  Verfassung,  daß  die 
Demokraten  noch  weit  weniger  imstande  waren,  den  Staat  wirk- 
lich zu  leiten  und  auch  nur  den  dringendsten  Aufgaben  des  Tages 
gerecht  zu  werden,  als  die  Nobilität.  Die  Kapitalisten,  die  Ritter- 
partei, der  C.  Gracchus  das  Regiment  hatte  übergeben  wollen, 
war  von  allen  wirklich  politischen  Aspirationen  durch  das  Blut- 
bad Sullas  gründlich  kuriert  und  verfolgte  lediglich,  noch  weit 
ausschließlicher  als  damals,  ihre  materiellen  Interessen,  die  jetzt 
allerdings  vom  Senat  weit  stärker  berücksichtigt  werden  mußten 
als  vor  dem  Jahre  70  —  daher  wurde  dem  Lucullus  im  Jahre  69 
die  Provinz  Asia,  im  Jahre  68  die  Provinz  Cilicia  abgenommen, 
da  er  gegen  die  Mißwirtschaft  der  Steuerpächter  energisch  auf- 
getreten war  — ;  daß  aber  eine  wirkliche  Demokratie  unter  Lei- 
tung des  vom  Vertrauen  der  Massen  getragenen  Demagogen,  wie 
sie  in  dem  Stadtstaat  Athen  eine  Zeitlang  bestanden  hatte,  in 
dem  römischen  Staat,  der  jetzt  die  Bevölkerung  ganz  Italiens 
vom  Po  bis  zur  aicilischen  Meerenge  umfaßte,  eine  Utopie  war, 
und  der  Versuch,  sie  gestützt  auf  den  Stadtpöbel  durchzuführen, 


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Das  Principat  des  Pompejus 


notwendig  zum  Untergang  führen  mußte,  hatte  sowohl  die  Kata- 
strophe des  Tiberius  und  des  Gaius  Gracchus,  wie  in  noch  schla- 
genderer Weise  die  des  Saturninus  gezeigt.  Wenn  die  republi- 
kanische Verfassung  bestehn  bleiben  sollte,  gab  es  keinen  andern 
Ausweg,  als  daß  der  Senat  die  Regierung  führte,  so  wenig 
auch  diese  vielköpfige,  überdies  durch  rein  persönliche  Tendenzen, 
durch  Intrigen  und  Koterietreiben  vollständig  zersetzte  Körper- 
schaft dazu  wirklich  imstande  war  —  und  jetzt  war  sie  durch 
die  demagogische  Agitation  noch  weiter  gelähmt.  Zugleich  wurde 
der  Senat  durch  die  neu  bestellten  Censoren  (Gellius  Poblicola 
und  Lentulus  Clodianus)  gründlich  purifiziert,  nicht  weniger  als 
64  Senatoren  wurden  ausgestoßen;  das  hat  dann,  da  viele  von 
diesen  versuchten,  dem  materiellen  Ruin  durch  Wiedereintritt  in 
die  Ämterlaufbahn  zu  entgehn,  zu  einer  gewaltigen  Steigerung  der 
Wahlumtriebe  und  Bestechungen  geführt,  ünabweislich  erhob 
sich  immer  stärker  die  Notwendigkeit,  daß  energische  Männer, 
gestützt  auf  eine  ihnen  ergebene  Armee,  ihm  die  Leitung  vor  allem 
der  auswärtigen  Angelegenheiten  aus  der  Hand  nahmen  und  aus 
eigener  Machtvollkommenheit  handelten  —  das  hat  auch  der 
Senatsfeldherr  Lucullus  getan,  als  er  den  Krieg  gegen  Tigranes 
ohne  offizielle  Vollmacht  begann,  obwohl  sein  Heer  durchaus 
renitent  war  und  ihm  nur  widerwillig  folgte  — ,  wenn  nicht  die 
römische  Weltherrschaft  und  die  Machtstellung  Italiens  trotz 
aller  Kräfte,  die  das  Land  in  sich  umschloß,  schmählich  zu- 
sammenbrechen und  die  Mittelmeerwelt,  der  Orbis  terrarum  in 
ein  Chaos  versinken  sollte. 

Dem  gegenüber  stand  die  Machtstellung  des  Pompejus  weiter 
gefestigt.  In  einer  bisher  in  aller  römischen  Geschichte  uner- 
hörten Weise  war  er  in  die  Reihe  der  Consulare  eingetreten ;  seinen 
Rivalen  Crassus  hatte  er  noch  weiter  gedemütigt,  indem  er  ihm 
gnädig  die  Bewerbung  um  das  Gonsulat  erlaubte,  ihm  die  Be- 
teiligung an  der  Einbringung  des  Consulargesetzee  über  die  Wieder- 
herstellung der  tribunicischen  Gewalt  gestattete,  und  ihn  schließ- 
lich, nachdem  das  ganze  Jahr  in  fortwährendem  Hader  verlaufen 
war,  zwaug,  vor  allem  Volk  den  ersten  Schritt  zu  einer  Versöhnung 
zu  tun,  die  er  daun  großmütig  gewährte.   Erst  darauf  entließen 


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Pompejus  im  Osten 


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die  beiden  Consuin  ihre  Heere,  unter  deren  Druck  die  Verfassungs- 
änderungen durchgeführt  waren.  Pompejus  konnte  sich  formell 
ins  Privatleben  zurückziehen  und  den  Dingen  ihren  Lauf  lassen ; 
aber  er  war  der  allmächtige  Mann,  um  dessen  Gunst  jeder  Streber 
buhlte1),  und  er  konnte  sicher  sein,  daß  er  und  er  allein  in  Be- 
tracht kam,  wenn  wieder  die  Lage  eine  größere  militärische  Kraft- 
entfaltung erforderte. 

Die  Gelegenheit  fand  sich  bald  genug.  Im  Jahre  67  wurde 
ihm  das  Kommando  gegen  die  Seeräuber,  im  Jahre  66  das  gegen 
Mithridates  und  Tigranes  übertragen.  Der  Widerspruch,  den  die 
angesehensten  Männer  der  Nobilität  erhoben,  verhallte  wirkungs- 
los und  enthüllte  nur  ihre  Ohnmacht;  ihnen  blieb  nichts  übrig, 
als  sich  auch  diesmal  den  tatsächlichen  Machtverhältnissen  zu 
fügen.  Dadurch  waren  alle  Küsten  des  Mittelmeers  und  ganz 
Vorderasien  bis  an  die  Grenze,  die  er  selbst  zu  setzen  für  gut 
fand,  seiner  Herrschaft  unterstellt.  Er  hat  seine  Aufgabe  um- 
sichtig und  vollständig  gelöst :  die  geordneten  Zustände  der  Kaiser- 
zeit beginnen  für  den  römischen  Orient  mit  Ausnahme  Aegyptens 
tatsächlich  mit  Pompejus.  So  hat  sich  das  persönliche  Regiment 
bei  seinem  ersten  offiziellen  Auftreten  —  als  ein  Vorläufer  kann 
Sullas  Schalten  in  Asien  und  Griechenland  gelten  —  vortrefflich 
bewährt  und  dem  zerfahrenen  Treiben  der  alten  republikanischen 
Geschäftsführung  weitaus  überlegen  erwiesen. 

Umtriebe  des  Crassus  und  Caesar. 
Die  Verschwörungen  Catilinas 

Während  Pompejus  sich  in  Asien  bedächtig  Zeit  ließ,  versuchte 
sein  Rivale  Crassus,  unterstützt  von  seinem  gewandten,  mächtig 
aufstrebenden  Adjutanten  Caesar,  sich  in  Rom  eine  Stellung  zu 

:)  Drastisch  gibt  dem  Q.  Cicero  in  der  Schrift  de  petitione  con- 
sulatus  im  Jahre  64  Aasdruck:  effleiendum  etiam  illud  est,  ut  scianl 
omnes  Cn.  Pompei  summam  esse  erga  le  voluntatem  et  vehementer 
ad  Hütts  rationes  te  id  adsequi  qttod  petis  periinere  (§  51,  vgl.  5). 
In  Wirklichkeit  bestand  bekanntlich  ein  derartiges  Verhältnis  zwischen 
Cicero  und  Pompejus  keineswegs. 


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Da«  Principal  des  Pom  pejus 


schaffen,  durch  die  er  ihm  das  Gegengewicht  halten  könnte.  Eine 
materielle  Grundlage  suchten  sie  in  den  Transpadanern  zu  ge- 
winnen, bei  denen  Caesar  schon  Ende  68,  als  er  vorzeitig  aus 
Beiner  Quaestur  im  jenseitigen  Spanien  zurückkehrte,  für  die  Er- 
langung des  vollen  Bürgerrechts  an  Stelle  der  ihnen  im  Jahre  89 
durch  das  Consulargesetz  des  Pompejus  Strabo  gewährten  La- 
tinität  so  eifrig  agitierte,  daß  der  Consul  Q.  Marcius  Rex  des- 
halb die  Legionen,  mit  denen  er  nach  Cilicien  abgehen  sollte, 
eine  Zeitlang  in  Italien  zurückhielt1).  Jetzt  versuchte  Crassus 
als  Censor  im  Jahre  65,  sie  in  die  Bürgerlisten  einzuschreiben, 
konnte  das  aber  gegen  den  Widerspruch  seines  Kollegen  Catulus, 
des  Vorkämpfers  der  Nobilität,  nicht  durchführen-).  Ebenso 
hinderte  dieser  seinen  Versuch,  Aegypten  auf  Grund  des  Testaments 
des  Königs  Alexander  einzuziehn8).  Die  Absicht  war,  daß  Caesar, 
damals  Aedil,  mit  der  Ausführung  beauftragt  werden  sollte,  und  die 
Tribunen  stellten  denn  auch  einen  dahingehenden  Antrag;  aber  die 
Optimaten  brachten  ihn  zu  Fall4).  Hinter  Crassus  und  Caesar  stand 
eben  keine  wirkliche  Macht,  die  Menge  empfand  instinktiv,  daß  ihre 
Pläne  gegen  Pompejus  gerichtet  waren,  und  blieb  daher  lau,  und 
so  konnten  sie  die  Optimaten  und  den  Senat  wohl  ärgern  und 
die  Hauptstadt  in  fortwährender  Unruhe  halten,  aber  politisch 


')  Sueton  Caes.  8  decedens  ante  tempus  (ab  Quaeetor  in  Hispania 
nlterior)  colonias  Laiinas  de  petendo  civitate  agitantes  adüt,  et  ad 
audendum  aliquid  concitasset,  nisi  consules  conscriptas  in  Cüiciam 
legiones  paulisper  ob  id  ipsum  retinuissent.  Im  Jahre  68  verklagte  er 
den  C.  Piso,  cos.  67,  Proconsul  der  Narbonensis  66  u.  65,  und  eifrigen 
Optimaten  und  Gegner  des  Pompejus  in  iudicio  pecuniarum  repetun- 
darum  propier  cuiusdam  Transpadani  supplicium  iniustum  Sallust 
Cat.  49;  Cicero,  der  ihn  als  Consul  verteidigte,  erreichte  seine  Frei- 
sprechung (Cic.  Place.  98). 

')  Dio  87,  9.  In  diese  Verhandlungen  gehört  die  Äußerung  des 
C.  Curio  (cos.  76;  Cic.  de  off.  III  88,  cum  causam  Transpadanorum 
aequam  esse  dicebat,  semper  autein  addebat  „vincat  utüitas'. 

a)  Plut.  Grass.  13.  Cic.  de  leg.  agr.  11  44  (unten  S.  14  Anm.  1).  Vgl. 
die  Fragmente  von  Ciceros  Rede  de  rege  Aiexandrino. 

*)  Sueton  Caes.  11,  vgl.  Cic.  leg.  ag.  LI  44;  Sueton  redet  hier  be- 
kanntlich mit  Unrecht  von  der  Absicht,  Ptolemaeos  Auletee  wieder  ein- 
tusetzen,  die  ins  Jahr  57  gehört. 


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Crassus'  and  Caesars  Umtriebe  gegen  Pompejus 


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nichts  erreichen;  im  Gegenteil,  eben  durch  ihre  Machinationen 
wurde  die  Stellung  der  Nobilität  wieder  gekräftigt1)  und  zugleich 
eine  Annäherung  zwischen  ihr  und  Pompejus  aufs  neue  angebahnt. 
Die  Censur  des  Orassua  verlief  in  den  ununterbrochenen  Reibereien 
mit  Catulus  völlig  ergebnislos,  und  schließlich  blieb  beiden  nichts 
übrig  als  abzudanken*).  Im  nächsten  Jahre  wurden  alle  Nicht- 
bürger  durch  den  Tribun  C.  Papius  aus  Rom  verwiesen*)  und 
damit  die  Elemente,  auf  die  er  sich  hätte  stützen  können,  weiter 
geschwächt.  Zugleich  hinderten  die  Tribunen  die  an  Stelle  des 
Crassus  und  Catulus  neugewählten  Censoren,  die  Senatsliste  auf- 
zustellen, so  daß  auch  sie  ihr  Amt  niederlegten4).  Dio  motiviert 
das  damit,  daß  die  Tribunen  fürchteten,  von  ihnen  aus  dem  Senat 
ausgestoßen  zu  werden;  aber  es  lag  überhaupt  im  Interesse  der 
Nobilität,  es  nicht  mehr  zu  einem  Abschluß  der  Censuren  kommen 
zu  lassen,  da  sie  bei  ihrer  vollständigen  moralischen  Zersetzung 
nicht  mehr  die  sittliche  Kraft  hatte,  auch  nur  die  verkommensten 
Mitglieder  auszustoßen.  So  ist  die  gegen  den  Sullanischen  Senat 
gerichtete  Censur  des  Jahres  70  die  letzte  republikanische  ge- 
blieben, die  ihre  Aufgabe  erfüllt  hat;  der  Versuch,  der  unter 
Pompejus*  Regiment  im  Jahre  50  wieder  gemacht  wurde,  ist 
durch  den  Ausbruch  des  Bürgerkriegs  vereitelt  worden. 

In  derselben  Weise  scheiterte  der  zu  Ende  des  Jahres  64  unter- 
nommene Versuch,  durch  ein  umfassendes  Ackergesetz,  das  die  am 
10.  Dezember  antretenden  Tribunen  unter  Führung  des  Servilius 
Rullus  einbrachten,  die  gesamten  Staatsdomänen,  einschließlich 


')  Vgl.  Sallust  Cat.  39  aed  postquam  Cn.  Pompeius  ad  bellum 
maritumwn  atque  Mithridaticum  missus  est,  plebis  opes  imminutae, 
paucorum  potentia  crevit:  Pompejus  war  ja  damals  offiziell  das  Ober- 
haupt und  der  Beschützer  der  Plebs.  Mohmskn  R.G.  III  7.  174,  1  hat 
den  Satz  ganz  seltsam  mißverstanden,  wenn  er  daraus  herausliest:  ,daß 
die  gabinisch-manilischen  Gesetze  der  Demokratie  einen  tödlichen  Schlag 
▼ersetzten,  sagt  Sallust  Cat.  89". 

»)  Plut.  Crass.  18.  Dio  37,  9. 

')  Dio  87,  9.  Cic.  de  off.  III  47.  pro  Arch.  10.  pro  Balb.  52. 

4)  Dio  37,  9.  Der  eine  Censor  war  nach  Plut.  Cic.  17  vgl.  de 
domo  84  L.  Cotta,  der  Praetor  des  Jahres  70,  Consul  65;  der  andere 
ist  nicht  bekannt:  b.  dk  Boor.  Fasti  censorii  91  f. 


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14 


Das  Principat  des  Pompejus 


der  von  Pompejus  neu  gewonnenen  Gebiete,  in  die  Hände  einer 
nominell  von  der  Minorität  der  Tribus  erwählten  —  nur  17  sollten 
zur  Vornahme  der  Wahl  ausgelost  werden  — ,  tatsächlich  von 
Rullus  zu  ernennenden  Kommission  von  zehn  Männern  zu  bringen, 
in  der  offenbar  Crassus  und  Caesar  die  leitende  Stellung  erhalten 
haben  würden;  auch  den  Plan  der  Einziehung  Aegyptens  gedachte 
man  auf  diesem  Wege  zu  verwirklichen1),  überdies  Capua  als 
Kolonie  wiederherzustellen  und  mit  5000  Bürgern  zu  besiedeln 
und  so  die  in  die  Hauptstadt  zusammengeströmte  beschäftigungs- 
lose Menge  wieder  dem  Erwerbsleben  zuzuführen*),  eine  Absicht, 
die  dann  Caesar  wenige  Jahre  später  als  Consul  verwirklicht  hat. 
Aber  für  den  Augenblick  war  dieser  Antrag  nur  ein  Schlag  ins 
Wasser.  Allgemein  empfand  man,  daß  er  gegen  Pompejus  ge- 
richtet sei  —  ausdrücklich  war,  um  ihn  auszuschließen,  bestimmt, 
daß  nur  in  Rom  Anwesende  in  die  Zehnmännerkommission  ge- 
wählt werden  dürften  — ,  und  daß  er,  wenn  er  angenommen 
würde,  unvermeidlich  zum  Bürgerkriege  und  einer  Tyrannis  der 
machinatores,  der  Hintermänner  der  Tribunen,  führen  müsse, 
und  daher  in  Wirklichkeit  nichts  weniger  als  populär  sei.  So 
konnte  ihn  Cicero  gleich  zu  Anfang  seines  Consulate  ohne  große 
Mühe  zu  Fall  bringen. 

Diesen  ununterbrochenen  Mißerfolgen  gegenüber  hatte  es 
wenig  zu  bedeuten,  wenn  Crassus  und  Caesar  nebst  ihren  Ge- 

')  Auf  die  früheren  Absichten  des  Crassus  und  Caesar  auf  Aegypten 
nimmt  Cicero  de  lege  agr.  11  44  direkt  Bezug,  ohne  ihre  Namen  zu 
nennen,  wie  er  die  der  Hintermänner  überhaupt  durchweg  verschweigt 
(vgl.  II  65  u.  a.):  wenn  das  Gesetz  angenommen  wird,  werden  die  Zehn- 
manner  entweder  Aegypten  einzieh n  und  darüber  nach  Gutdünken 
schalten,  oder  es  dem  König  Ptolemaeos  verkaufen:  qui  sunt  isti  X  viri, 
qiws  per»piciamii3  regnum  Alexandreae  Ptolomaeo  gratis  adiudi- 
caturos?  qitod  si  Alexandrea  petebatur,  cur  non  eosdem  cursus  hoc 
tempore,  quos  C.  Cotta,  L*  Torquato  consulibus  (im  Jahre  65)  cu- 
currerunt?  cur  non  aperte  ut  antea?  cur  non  item  ut  tum  decreto 
et  palam  regionein  illam  petierunt?  an  qui  etesiis,  qui  per  cursum 
rectum  regnum  teuere  non  potuerunt,  nunc  caecis  tenebris  et  cali- 
gine  se  Alerandream  perventuros  arbitrati  sunt? 

%)  Cic  de  leg.  agr.  II  70:  Rullus  sagt  im  Senat  „insanam  plebem 
nimium  in  republicu  posse,  exhauriendam  esse".  * 


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Caesars  Umtriebe  im  Jahre  68 


15 


nossen  in  Personalfragen  eine  Anzahl  von  Erfolgen  errangen» 
wenn  z.  B.  Caesar  durch  den  Glanz  seiner  aedilicischen  Spiele  65 
die  Menge  fesselte,  wenn  er  Marius'  Trophäen  wiederherstellte, 
und  im  nächsten  Jahre  als  Vorsitzender  des  Mordgerichts  eine 
Anzahl  Schergen  des  Sulla  verurteilen  ließ  —  der  ärgste  von  ihnen, 
Catilina,  mit  dem  Caesar  in  geheimer  Verbindung  stand,  wurde 
dagegen  freigesprochen  — ,  und  wenn  er  im  Frühjahr  63  bei  der 
Bewerbung  um  die  Stelle  des  Pontifex  maximus,  nachdem  der 
Tribun  Labienus  durch  ein  Gesetz  die  Wahl  den  Comitien  zurück- 
gegeben hatte1),  dem  Catulus,  dem  Vormann  der  Nobilität,  und 
dem  Serviüus  Isauricus  den  Rang  ablief.  Der  Versuch  dagegen, 
den  Babirius  als  Mörder  des  Saturninus  durch  die  Centurien  ver- 
urteilen zu  lassen,  den  Labienus  im  Einverständnis  mit  Caesar 
unternahm  —  einer  der  beiden  duoviri  perduellionis  war  Caesar 
selbst,  der  andere  sein  entfernter  Verwandter  Lucius  aus  der 
älteren  Linie  der  Julii  Caesar  es,  Consul  im  Jahre  64  — ,  und 
dadurch  die  auf  Grund  eines  senatum  conzuUum  ultimum  erfolgten 
Bluttaten  und  Hinrichtungen  ohne  gerichtliches  Verfahren  für 
gesetzwidrig  und  strafbar  zu  erklären,  wurde  durch  einen  Hand- 
streich des  Praetoro  Q.  Metellus  Celer  vereitelt,  indem  er  die 
Fahne  einzog,  die  während  der  Tagung  der  Centurien  auf  dem  Ja- 
niculum  wehen  mußte,  und  dadurch  die  Auflösung  der  Versamm- 
lung erzwang2).  Nicht  einmal  die  Zulassung  der  Söhne  der  von 
Sulla  Proskribierten  zur  Ämterlaufbahn  konnten  Caesar  und  die 
Tribunen  erreichen;  auch  dieser  Antrag  wurde  von  Cicero  zu  Fall 
gebracht3). 

>)  Dio  87,  87.  Dio  setzt  Caesars  Wahl  fälschlich  nach  der  Ver- 
urteilung der  Catilinarier  an;  daß  sie  in  Wirklichkeit  in  die  erste 
Hälfte  des  Jahres,  noch  vor  Caesars  Wahl  zum  Praetor,  fallt,  steht 
durch  Sallust  Cat  49.  Vellejus  II  43,  3.  Sueton  18  f.  Plut.  Caes,  7  fest. 

s)  S.  darüber  Beilage  I. 

»)  Dio  87,  25.  Cicero  in  Pis.  4.  Plin.  7,  117;  vgl.  Plut.  Cic.  12. 
Vellejus  II  48,  4.  Vgl.  auch  Cic.  de  leg.  agr.  II  10:  neque  vero  illa  po- 
pularia  sunt  existimanda,  iudiciorum  perturbationes ,  rerutn  iudica- 
tarum  inftrmationes,  restitutio  damnatorum,  qui  civüatum  adflic- 
tarum  perditis  iam  rebus  extremi  exitiorum  solent  esse  exitus;  neque 
si  qui  agros  poputo  Romano  pollicentur,  si  aliud  quiddam  obscure 


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16 


Das  Principat  des  Pom  pejus 


Wie  wenig  aussichtsvoll  all  diese  Versuche  waren,  sich  unter 
wenigstens  formaler  Beobachtung  der  Vorschriften  der  Verfassung 
eine  außerordentliche  Machtstellung  zu  verschaffen,  mußten 
Crassus  und  Caesar  Belbst  empfinden;  so  versuchten  sie  gleich- 
zeitig, auf  gewaltsamem  Wege,  durch  Verschwörungen  und  Revo- 
lution, zum  Ziele  zu  gelangen.  Als  Werkzeug  boten  sich  ihnen 
die  zahlreichen  ruinierten  Existenzen  innerhalb  der  Nobilität,  die 
unter  dem  Druck  der  Schulden,  wenn  ihnen  der  Weg  zur  Be- 
reicherung durch  die  Ämterlaufbahn  versperrt  wurde  oder  nicht 
mehr  zugänglich  war,  weil  keiner  ihnen  weiter  borgen  wollte, 
vor  keinem  Verbrechen  zurückscheuten.  Ein  Anlaß  zum  Los- 
schlagen bot  sich  ihnen  gleich  im  Jahre  66,  kurz  nachdem  der 
Krieg  gegen  Mithridates  an  Pompe  jus  übertragen  war,  noch  ehe 
Crassus  die  Censur  angetreten  hatte.  Eben  damals  war  Gatilina, 
der  ruchloseste  und  zugleich  der  fähigste  unter  den  Schergen 
Sullas,  nachdem  er  als  Propraetor  die  Provinz  Africa  ausgeplündert 
hatte,  durch  eine  von  dem  jungen  P.  Clodius  erhobene  Repetunden- 
klage  an  der  Bewerbung  um  das  Consulat  für  65  verhindert 
worden:  der  Senat  hatte  sich  scharf  über  seine  Verwaltung  ge- 
äußert, und  der  wahlleitende  Consul  L.  Volcacius  Tullus  erklärte 
auf  Grund  einer  öffentlichen  Verhandlung,  er  könne  als  Bewerber 
nicht  zugelassen  werden1).  Aber  auch  die  erwählten  Consuln 
P.  Autronius  Paetus  und  P.  Sulla,  Neffe  des  Dictators,  zwei  gänz- 
lich verkommene  Gesellen,  wurden  durch  ihre  Mitbewerber 
L.  Cotta  und  L.  Torquatus  der  Wahlbestechung  überführt  und 
diese  an  ihrer  Stelle  gewählt.  So  entstand  der  Plan,  die  neuen 
Consuln  und  mit  ihnen  eine  Anzahl  der  angesehensten  Senatoren 
zu  ermorden  und  Autronius  und  Sulla  zu  Consuln  auszurufen. 

moliuntur,  aliud  spe  ac  specie  simulationis  ostentant,  populäres  existi- 
mandi  sunt.  Dem  entspricht  die  Wendung,  die  Cicero  nach  Quintilian 
XI  1,  85  in  der  Rede  de  proscriptorum  liberis  gebraucht:  quid  enim 
crudelius,  quam  homines  honestis  parentibus  ac  maioribus  natos 
a  republica  summoveri?  itaque  durum  id  esse  summus  iUe  tractan- 
dorum  animorum  artifex  confitetur:  sed  ita  legibus  Sullae  co- 
haerere  statum  civitatis  affirmat,  ut  his  solutis  stare  ipsa  non 
possit. 

•)  Ascon.  p.  85.  90.  Sallust  Cat.  18.  3. 


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Erste  catilinarische  Verschwörung  66 


17 


Die  Ausführung  übernahmen  Catilina  und  der  junge  gleichfalls 
tief  verschuldete  Cn.  Piao;  eine  Anzahl  gleichartiger  Genossen 
schloß  sich  an;  die  eigentlichen  Leiter  der  Verschwörung  aber 
waren  Crassus  und  Caesar.  Offenbar  hofften  sie,  in  den  politisch 
ganz  bedeutungslosen  Consuln  ihrer  Mache  die  für  ihre  Pläne 
geeigneten  Deckfiguren  zu  finden;  der  Censor  Crassus  sollte  dann 
Dictator,  Caesar,  der  für  65  zum  Aedil  gewählt  war,  magister 
equitum  werden.  Dann  konnte  Crassus  das  Regiment  in  Rom 
übernehmen,  Caesar  nach  Ägypten  gehn ;  Piso  sollte  mit  außer- 
ordentlichem Kommando  in  die  beiden  Spanien  geschickt  werden 
und  hier  nach  dem  Muster  des  Sertorius  die  Insurrektion  neu 
beleben;  P.  Sittius,  ein  unternehmender  Kaufmann  aus  Nuceria, 
der  mit  P.  Sulla  eng  lüert  war,  sollte  mit  einer  Schar  Abenteurer 
nach  Mauretanien  gehn,  zu  dessen  König  er  alte  Geschäfts- 
beziehungen hatte,  um  von  hier  aus  Piso  mit  Truppen  und  Geld 
zu  unterstützen1).  Auf  diese  Weise  hoffte  man  nicht  nur  Italien 

')  In  dem  Prozeß  des  P.  Sulla  Anfang  62  sagt  der  Anklager  L.  Tor- 
quatos (Cic.  pro  Sulla  56) :  at  enim  Sittius  est  ab  hoc  (Sulla)  in  ulteriorem 
Hispaniam  missus,  ut  eam provinciatn  periurbaret.  Cicero  antwortet: 
primum  Sittius,  iudices,  L.  Julio  C.  Figulo  consulibus  (im  Jahre  64) 
profectus  est  aliqucmto  ante  furorem  Catilinae  et  suspicionem  huius 
coniurationis ;  er  ging  wie  schon  früher  um  seiner  Geschäfte  willen 
dorthin  magna  ratione  cum  Mauretaniae  rege  contracta;  jetzt  ver- 
kaufte Sulla  Sittius'  italische  Besitzungen  und  beglich  dadurch  dessen 
Schulden.  Das  ist  nach  Cicero,  der  hier  in  cynischster  Weise  alle  seine 
Advokatenkunststücke  spielen  laßt,  ein  Beweis,  daß  er  an  der  Verschwö- 
rung nicht  beteiligt  war  [vgl.  Ciceros  Brief  an  Sittius  ad  fam.  V  17, 
etwa  aus  dem  Jahre  55].  Den  wirklichen  Sachverhalt  laßt  Sallust 
Cat.  21  den  Catilina  im  Jahre  64  aussprechen:  esse  in  Hispania  cite- 
riore  Pisonem,  in  Mauretania  cum  exercüu  P.  Sütium  Nucerinum, 
consili  sui  participes.  Bekanntlich  hat  Sittius  sich  in  Mauretanien 
eine  ansehnliche  Macht  begründet  und  im  Bürgerkriege  zusammen  mit 
König  Bocchus  Caesar  eifrig  unterstützt.  Die  Angaben  Appians  civ.  IV 
54,  281  Ectttoc  iy  'Pu»u^  &ixv\v  iiiav  o&x  oicoaräc  (dabei  handelt  es  sich 
offenbar  um  seine  dann  durch  den  Verkauf  seiner  Güter  bezahlten  Schulden) 
rpofe  xod  otpatöv  iviipas  Ix  tt  <xJt9);  'ItaXta?  xai  'I^pta?  I«  Atßoyjv  Äii- 
xXeoas  xai  *oi$  Atßöav  ßaotXjuoi  icoka|AOÖ<3tv  aA^Xoi^  iva  filpo;  9t>vtfiax»t, 
und  Dios  48,  8  üouicXioc  ?t{  Stttto?  .  .  .  i£i«t3»  jiiv  Ix  r?j?  'ItaXtai;, 
itaoixÄaßuiv  ü  39U.?o*f ahaiz  tiva^  xal  Kipaiu>fal{  Maopitavtav  y.eipa  "rjdpoiot 
Meyer,  Caesars  Monarchie.  2 


18 


Das  Principat  des  Pompejus 


in  die  Hand  zu  bekommen,  sondern  auch  in  Ost  und  West  ge- 
nügende Machtmittel  zu  gewinnen,  um  Pompejus  entgegentreten 
zu  können.  Aber  im  entscheidenden  Moment  versagte  der  Ent- 
schluß zur  Tat.  Am  letzten  Tage  des  Jahres  66  sammelte  Catilina 
seine  Scharen  auf  dem  Forum,  um  am  nächsten  Morgen  das  Blut- 
bad zu  beginnen;  aber  zur  Ausführung  kam  es  nicht,  da  der  Senat 
gewarnt  war  und  Schutzmaßregeln  ergriffen  hatte1).  Nicht  anders 
ging  es  am  5.  Februar,  den  man  alsdann  für  das  Gemetzel  in 
der  Curie  in  Aussicht  genommen  hatte,  sei  es  daß,  wie  Tanusius 
Gemüius  erzählte,  Crassus  aus  Furcht  oder  Reue  nicht  erschien 
und  daher  auch  Caesar  das  verabredete  Zeichen  nicht  gab,  sei 
es  daß,  wie  Sallust  erzählt,  der  bekanntlich  von  der  Beteiligung 
des  Crassus  und  Caesar  Bchweigt,  Catilina  das  Zeichen  zu  früh 
gab,  ehe  seine  Anhänger  zusammen  waren*).  Diese  Dinge  waren 
notorisch,  der  Consul  Torquatus  hat  darüber  mit  einem  Beirat 
der  angesehensten  Senatoren,  unter  ihnen  Horten sius  (cos.  69), 
eine  Untersuchung  geführt*),  und  in  der  Folgezeit  wird  davon 


sind  sachlich  zutreffend,  Übergehn  aber  seine  Beziehungen  zu  der  Ver- 
schwörung. 

')  Cic.  Cat.  I  15  potestne  tibi  haec  lux,  Catilina,  aut  huius  caeli 
spiritus  esse  iucundus,  cum  scias  esse  Horum  neminem,  qui  nesciat 
te  pridie  Kalendas  Ianuariaa  Lepido  et  Tuüo  consulibus  (29.  Dez.  66) 
stetisse  in  comitio  cum  telo,  manum  consulum  et  principum  civi- 
tatis interficiendorum  causa  paravisse,  sceleri  ac  furori  tuo  tum 
mentem  aliquam  aut  timorem  tuum  sed  fortunam  populi  Romani 
obstitisse?  Vgl.  pro  Sulla  68.  Dio  86.  44,  4  00  pivtoi  xoi  ^iow^d-rjadv 
«  Spaoai  8ta  xb  r»jv  tt  ircißooX-rjv  icpop.Y)voft-r)vat  xai  fpoopav  xta  t«  Korea 
xol  t»p  TopxooäTtp  «apa  rfjc  ßooX-Jj;  cofrjjvau  Nach  Sallust  Cat.  18  ver- 
schwören sich  Catilina,  Piso  und  Autronius  circiter  nonas  Decembris, 
die  neuen  Consuln  in  Capitclio  Kalendis  Ianuariis  zu  ermorden;  ea 
re  cognita  wird  die  Ausführung  in  nonas  Februarias  verschoben. 

')  Sueton  Caes.  9.  Sallust  Cat  18,  6  ff.  [ebenso  Ascon.  p.  94].  Sal- 
lust» Erzählung  ist  inhaltlich  höchst  unwahrscheinlich  und  sieht  ganz 
so  aus,  als  sei  sie  eine  Korrektur  der  Angabe  des  Tanusius,  indem  das 
Zeichen,  das  Caesar  im  Einverständnis  mit  Crassus  geben  sollte,  auf 
Catilina  Obertragen  wird  und  daher  von  diesem  im  falschen  Moment 
gegeben  werden  muß. 

»)  Cic.  pro  Sulla  11  f. 


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Unterdrückung  der  ersten  Verschwörung  Catilina* 


19 


^anz  offen  geredet1),  nur  daß  die  Beteiligung  des  Crassus  und 
Caesar,  die  ja  offiziell  nicht  kompromittiert  waren,  höchstens  ver- 
stohlen angedeutet  wird,  da  man  Scheu  hatte,  es  mit  ihnen  zu 
verderben.  Nur  um  so  bezeichnender  ist  es  für  die  damalige  Lage 
Roms,  daß  jede  Bestrafung  der  Verbrecher  unterblieb.  Als  der 
Senat  einen  dahingehenden  Beschluß  fassen  wollte,  intercedierte 
ein  Tribun1),  und  damit  verlief  die  Sache  im  Sande;  ja  als  Piso 
seine  Umtriebe  weiter  fortsetzte,  genehmigte  der  Senat,  um  ihn 
loszuwerden,  den  von  Crassus  befürworteten  Antrag,  ihn  als 
Quaestor  mit  propraetorischem  Kommando  nach  Spanien  zu 
schicken  —  nach  Sallust  hätte  dabei  zugleich  bei  manchen  Opti- 
maten  die  Ansicht  mitgewirkt,  ein  Gegengewicht  gegen  Pom  pejus 
zu  schaffen,  doch  ist  damit  wohl  die  Absicht  des  Crassus  tendenziös 
seinen  Gregnern  zugeschrieben*).   Zu  weiterer  Wirksamkeit  kam 


*)  So  Cicero  in  toga  candida  (Ende  64)  bei  Ascon.  p.  98 :  praetereo 
nefarium  ülum  conatum  tuutn  et  paene  acerbum  et  luctuosum  rei- 
publicae  diem,  cum  Cn.  Pisone  socio,  tie  quem  alium  nominem 
[Hindentnng  auf  Crassus  und  Caesar!],  caedem  optimatum  facere 
voluisti;  ferner  Cat.  I  15.  pro  Murena  81  omnia  quae  per  hoc 
triennium  agitata  sunt,  iam  ab  eo  tempore,  quo  a  L.  Catilina 
et  Cn.  Pisone  initum  consüium  senaius  interficiendi  scitis  esse . . . 
in  hoc  tempus  erumpunt.  Vgl.  auch  Cicero  in  der  Corneliana  (im 
Jahre  65)  bei  Ascon.  p.  66. 

*)  Dio  36,  44,  5. 

*)  Sallust  Cat.  19:  postea  Piso  in  citeriorem  Hispaniam  quaestor 
pro  praetore  (so  auch  in  seiner  Grabinschrift  Dessau  875)  missus  est 
adnüente  Crasso,  quod  eum  infestum  inimicum  Cn.  Pompeio  co- 
gnoverat.  neque  tarnen  senatus  provinciam  invitus  dederat,  quippe 
foedum  hominem  a  re  publica  procul  esse  volebat ;  simul  quin  boni 
complures  praesidium  in  eo  putabant  et  iam  tum  potentia  Pompei 
forrtiidulosa  erat.  Dio  86,  44,  5  erzählt  einfach  inii  §'  ouv  xol  wc.  6 
riiotDV  iftpoeuytto,  tyoßi^H)  t»  -t\  fspoosta  jjl-t;  ouvtapd^,  xai  tbd-uq  aütöv 
*C  'Jßir|f*av,  «p&paaiv  »I>c  xal  int  (taf>>axV  fso  richtig  Naber]  ttva,  iist^t; 
ebenso  Ascon.  p.  94:  Piso  ...  in  Hispaniam  missus  a  senatu  per  ho- 
norem legaüonis,  ut  ab  urbe  ablegaretur.  Curio  (cos.  76)  in  seinen 
Reden  and  der  anticaesarianische  Historiker  M.  Actorius  Naso  (vgl. 
Sueton  Caes.  52)  behaupteten,  gleichzeitig  mit  Piso  habe  in  Rom  Caesar 
losschlagen  sollen,  gestützt  auf  die  Ambraner  (?)  und  Transpadaner : 
Sueton  Caes.  9. 


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20  Da»  Principat  des  Pompejus 

• 

indessen  Piso  nicht;  er  wurde  im  Jahre  64  von  spanischen  Reitern 
erschlagen,  wie  von  manchen  behauptet  wird,  im  Interesse  und 
auf  Anstiften  des  Pompejus1).  Den  Sittius  suchte  man,  wie  es 
scheint,  durch  einen  Prozeß  wegen  seiner  Schulden  unschädlich 
zu  machen;  daher  ging  er,  ohne  die  Entscheidung  abzuwarten, 
im  Jahre  64  über  Spanien  nach  Mauretanien  und  gründete  sich 
hier  als  Freibeuter  eine  selbständige  Macht"). 

Wenn  Crassus  und  Caesar  das  Losschlagen  vereitelten  und  die 
Verschwörung  daher  im  Sande  verlief,  so  hinderten  sie  daran 
gewiß  nicht  Gewissensbedenken  —  die  lagen  ihnen  sehr  fern  — , 
sondern  das  Bewußtsein,  wie  unsicher  der  Erfolg,  wie  gering  die 
Aussicht  sei,  sich  gegen  Pompejus  auf  die  Dauer  behaupten  zu 
können,  dem  sie  alsdann  die  Masse  des  friedliebenden  Volkes  in 
die  Arme  trieben ;  die  Aussichten  waren  zu  gering,  um  ihre  Existenz 
aufs  Spiel  zu  setzen.  Auch  war  Crassus  zwar  ein  gerissener  In- 
trigant, aber  nicht  der  Mann,  einen  derartigen  kühnen  Entschluß 
zu  fassen.  So  spielte  er  mit  dem  Feuer  ähnlich  wie  der  Regent 
Pausanias  in  Sparta  in  den  Jahren  nach  dem  Siege  von  Plataeae. 
Überdies  war  seine  Lage  noch  keineswegs  verzweifelt  und  er 
durfte,  wie  sich  gezeigt  hat,  immer  noch  hoffen,  einen  bequemeren 
Ausweg  zu  finden;  er  konnte  zwar  die  Massen  nicht  mit  sich  zur 
Revolution  fortreißen  —  dazu  stand  Pompejus'  Ansehn  viel  zu 
hoch  — ,  wohl  aber  hatte  er  gerade  auch  in  den  regierenden  Kreisen 
einen  starken  Anhang,  der  durch  all  die  materiellen  Mittel,  über 
die  er  verfügte,  an  ihn  gefesselt  war  oder  wenigstens  nicht  wider 
den  Stachel  zu  locken  wagte'). 

')  Sallust,  dem  Ascon.  p.  94  folgt,  gibt  daneben  die  Version,  er  sei 
wegen  seiner  imperia  iniiista  superba  crudelia  von  den  Spaniern  er- 
schlagen worden;  Dion  nnd  Sneton  erwähnen  nur  seinen  Tod. 

•)  Oben  S.  17  Anm.  1. 

*)  Die  Überlieferung  Ober  Catilina  hat  zuletzt  Ed.  Schwartz,  Die 
Berichte  Aber  die  catilinarische  Verschwörung,  Hermes  32,  1897,  554  ff. 
weiter  aufgehellt.  [Zu  Schwartz'  Aufsatz  bemerke  ich,  daß  das  wunder- 
liche .Gesetz*  —  es  wäre  wirklich  zu  wünschen,  daß  dieser  ganz  schiefe 
und  irreführende  Ausdruck  aus  allen  solchen  stilistischen  Untersuchungen 
verschwände!  — ,  das  Sallust  sich  auferlegt  haben  soll,  „keine  Person 
nur  einmal  zu  erwähnen;  jede  die  er  nennt,  muß  mindestens  zweimal 


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Crasaaa  und  Caesar  ond  die  catilinarische  Verschwörung 


21 


Die  Verbindung  mit  Catilina  haben  beide  aufrecht  erhalten 
und  weiter  gepflegt.  Im  Spätsommer  des  Jahres  65  kam  endlich, 
nach  langer  Verschleppung,  der  Repetundenproaeß  des  Catilina 


vorkommen*,  sich  darauf  reduziert,  daß  er  sehr  begreiflicherweise  in 
das  Verzeichnis  der  Verschworenen  c.  17  nur  solche  Namen  aufge- 
nommen hat,  die  bei  den  weiteren  Vorgängen  eine  Rolle  gespielt  haben 
und  daher  in  seiner  Erzählung  wieder  vorkommen.]  Schwartz  hat 
namentlich  die  argen  Verfälschungen  klar  gelegt,  welche  Sallust  wie 
durchweg,  so  ganz  besonders  in  seinem  durch  und  durch  tendenziösen 
Bericht  über  die  Verschwörung  von  66  5  c.  18  f.  vorgenommen  hat.  Sie 
tritt  schon  darin  sehr  charakteristisch  hervor,  daß  er  diesen  Bericht 
lediglich  episodisch  in  die  Geschichte  der  Verschwörung  von  64/3  ein- 
gelegt hat  Von  Caesars  Beteiligung  ist  mit  keinem  Wort  die  Rede; 
die  des  Crassus  wird  höchstens  darin  angedeutet,  daß  er  aus  Feind- 
fchatt  gegen  Pompejus  für  die  Entsendung  des  Piso  nach  Spanien  ein- 
tritt Auch  in  dem  kurzen  Bericht  Dios  36,  44  ist  von  Crassus  und 
Caesar  nicht  die  Rede,  und  ebenso  wird  Livius  erzählt  haben  (per.  101 
conütratio  eorutn,  qui  in  petitione  consulatus  ambüus  damnati 
erant,  facta  de  interflciendis  consuHbus  oppressa  est);  daß  die  Con- 
Fuln,  welche  die  Verschworenen  einsetzen  wollten,  nur  Autronius  und 
Sulla  gewesen  sein  können  (so  richtig  Sueton  Caes.  9),  deren  Verurtei- 
lung als  illegitim  dargestellt  werden  konnte,  nicht  Autronius  und  Cati- 
lina, wie  Sallust  und  Cicero  pro  Sulla  68  behaupten,  ist  klar  —  Cati- 
lina hatte  ja  überhaupt  nicht  als  Bewerber  auftreten  kOnnen.  Aller- 
dings behauptet  Cicero,  auch  L.  Torquatus,  der  Sohn  des  Consuls  von  65 
und  Ankläger  Sullas,  habe  zugegeben,  daß  es  bich  um  Catilinas  Con- 
tulat  gehandelt  habe:  de  quo  (P.  Sulla)  etiam  si  quis  dubiiasset 
antea,  man  id  quod  tu  orguis  cogitasset,  interfecto  patre  tuo  con- 
sule  descendere  cum  lictoribus,  mtstidvdi  hatte  suspicionem,  cum 
dixisti,  hunc  ut  Catilinam  consulem  effteeret  contra  patrein  tuum 
operas  et  manum  comparasse.  Aber  Cicero»  Rede  pro  Sulla  (Anfang  62) 
ist  so  durch  und  durch  verlogen  —  Sulla  hatte  Cicero  Geld  für  den  Kauf 
des  Hauses  des  P.  Crassus  auf  dem  Palatin  vorgeschossen  (vgl.  Sallust  in 
Cic.  2)  und  dadurch  ihn  als  Verteidiger  bei  der  Anklage  wegen  Beteili- 
gung an  der  Verschwörung  von  63  gewonnen:  Gellius  XII  12  — ,  daß  man 
von  seinen  Behauptungen  immer  das  Gegenteil  als  richtig  annehmen 
kann.  Torquatus  wird,  sachlich  völlig  zutreffend,  behauptet  haben,  daß 
Sulla  am  1.  Januar  65  für  sein  eigenes  Consulat.  im  Jahre  68  für  das 
Catilinas  sich  verschworen  habe,  und  das  wirft  Cicero  in  einer  advo- 
katisch geschickten  Wendung  durcheinander.  So  richtig  auch  John, 
Eatstehungfcgeschichte  der  Cat  Verschwörung,  Fleck biskks  Jahrb.  VIII 


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22 


Das  Principat  des  Pompejus 


zur  Verhandlung;  aber  der  Anklager  P.  Clodiua  vertrat  seine 
Sache  lau  und  lehnte  dem  Angeklagten  feindliche  Richter  ab; 
der  Consul  Torquatus,  gegen  den  das  Attentat  vom  1.  Januar  65 
gerichtet  gewesen  war,  tat,  als  ob  er  von  Catilinas  Mitschuld  nichts 
wisse,  und  trat  als  Anwalt  für  ihn  auf1);  und  der  Gerichtshof 
sprach  ihn  frei2).    So  ist  klar,  daß  Crassus  seinen  ganzen  Ein- 


Sappl., 1876,  S.  708  ff.  —  Die  Beteiiigang  des  Crassus  and  Caesar  an 
der  Verschwörung  von  66/5  erwähnten  C.  Curio  (cos.  76)  in  seinen  Reden 
und  Bibulus  in  seinen  Edicten  gegen  Caesar  in  dessen  Consulat  59, 
ferner  Tanusius  Geminus  in  seiner  Geschichte,  die  Verbindung  mit 
Cn.  Piso  auch  M.  Actorius  Naso  (oben  S.  19,  8);  Sueton  Caes.  9  de  hac 
significare  videtur  et  Cicero  in  quadam  ad  Axium  epistula  re~ 
ferens,  Caesar em  in  consulatu  conftrmasse  regnum,  de  quo  aedilis 
cogitarat.  Ferner  Ascon.  p.  83  Cicero  in  expositUme  con&iliorum 
suorum . . .  eius  quoque  coniurationis,  quas  Cotta  et  Torquato 
am.  facta  est  a  Catilina  et  Pisone,  arguit  M.  Crassum  auctorem 
fuisse.  In  Plutarchs  Leben  des  Caesar  und  des  Crassus  wird  nur  ihr 
Verhältnis  zur  Verschwörung  von  63,  aber  nicht  zu  der  von  66/5  be- 
sprochen [auch  im  Leben  Ciceros  wird  diese  nicht  erwähnt,  ebensowenig 
bei  Appian];  man  sieht,  wie  es»,  ganz  entsprechend  der  Darstellung 
Sallusts,  gelungen  ist,  diese  Dinge,  den  schwärzesten  Punkt  in  der  Lauf- 
bahn der  beiden  Männer,  in  der  geschichtlichen  Darstellung  völlig  zu 
vertuschen  (ebenso,  wie  schon  erwähnt,  bei  Livius  und  Dio),  obwohl  sie 
bei  den  Zeitgenossen  völlig  notorisch  waren. 

')  Cic  pro  Sulla  81  Torquatus  consul . . .  cui  (Catüinae)  cum 

2)  Ascon.  zu  Cicero  in  toga  Candida  p.  85:  ante  annum  quam 
haec  dicerentur  Catilina,  cum  redisset  ex  Äfrica,  Torquato  et  Cotta 
Cosa.  (65)  accusatus  est  repetundarum  a  P.  Clodio  adulescente;  p.  87:  ita 
quidetn  iudicio  est  absolutus  Catilina,  ut  Clodius  infamis  fuerit  prae- 
varicatus  esse  (ebenso  Cic.  de  harusp.  resp.  42.  in  Pison.  28) :  nam  et  reiectio 
iudicum  ad  arbitrium  rei  videbatur  esse  facta.  Dazu  stimmt  Cicero 
ad  AU.  I  2.  geschrieben  nach  der  Wahl  der  Consuln  für  64  und  der 
Geburt  des  Sohnes,  also  Spätsommer  65:  hoc  tempore  CaWinam,  com- 
petiiorem  nostrum,  defendere  cogitatnus;  iudices  habemus  quos  volui- 
mus,  summa  accusatoris  voluntate.  spero  si  absolutus  erit,  conüinc- 
tiorem  illum  nobis  fore  in  ratione  petitionis  —  er  hofft  also  alsdann 
mit  ihm  zusammen  Consul  zu  werden!  — :  sin  aliter  acciderU,  huma- 
niter  feremus.  Über  seine  Schuld  war  ihm  natürlich  kein  Zweifel: 
kurz  vorher  bat  er  I  1  an  Atticus  geschrieben:  Catilina  si  iudicatum 


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Die  Cousulwahl  für  63 


23 


fluß  und  sein  Geld  für  ihn  verwendet  hat.  Immerhin  war  da- 
durch erreicht  worden,  daß  er  auch  für  das  Jahr  64  nicht  als 
Bewerber  um  das  Konsulat  hatte  auftreten  können.  Um  so  mehr 
richteten  sich  seine  Hoffnungen  auf  das  nächste  Jahr,  und  Crassus 
und  Caesar  taten  alles,  um  seine  und  seines  Gesellen  C.  Antonius 
Wahl  für  63  durchzusetzen1) ;  Crassus'  Geld  floß  in  Strömen,  und 
der  Tribun  Q.  Mucius  Orestinus,  der  gegen  ein  vom  Senat 
geplantes  neues  scharfes  Gesetz  gegen  Wahlumtriebe  intercedierte 
—  daran  schloß  er  einen  boshaften  Ausfall  gegen  Cicero,  der 
mit  der  Rede  in  toga  Candida  replizierte  — ,  handelte  offenbar  in 


erit  meridie  non  lucer e,  certus  erit  competitor.  Fenestella  bat  be- 
hauptet, Cicero  habe  ihn  wirklich  verteidigt;  das  wird  von  Asconius 
p.  85  f.  schlagend  widerlegt  [aber  daraas,  daß  er  dort  die  Stelle  aus 
den  Briefen  an  Atticus  nicht  zitiert,  folgt  nicht,  wie  man  oft  ange- 
nommen hat,  daß  diese  damals  noch  nicht  veröffentlicht  gewesen  seien; 
die  Äußerung  tragt  ja  zur  Entscheidung  der  Frage,  ob  er  die  Vertei- 
digung wirklich  übernommen  hat,  nichts  bei,  so  daß  man  nicht  einmal 
anzunehmen  braucht,  Asconius  habe  die  Stelle  übersehn];  aber  zu  der 
sittlichen  Entrüstung  über  seine  Freisprechung,  die  Cicero  nachher  zur 
Schau  tragt,  hat  er,  wie  man  sieht,  nicht  die  mindeste  Berechtigung. 
Umgekehrt  hat  er,  als  er  im  Jahre  56  den  Caelius  wegen  seiner  Be- 
ziehungen zu  Catilina  verteidigt,  die  Stirn  zu  behaupten  me  ipsum, 
me  inquam,  quondam  paene  üle  (Catilina)  decepit,  cum  et  civis  mihi 
bonus  et  optimi  cuiusque  cupidus  et  firmus  amicus  ac  fidelis  videretur 
(§  14).  —  Bestechung  der  Richter:  Q.  Cicero  de  pet.  cons.  10.  Daß 
Asconius*  Angabe  p.  90,  er  sei  freigesprochen,  sed  iia  ut  eum  senatorum 
uma  damnaret,  equitum  et  tribunorum  absolveret,  lediglich  eine 
falsche  Folgerung  ans  Ciceros  Worten  ist,  da  die  Scheidung  der  Ab- 
stimmung der  drei  Klassen  erst  59  durch  eine  lex  Fufia  eingeführt 
wurde  (Dio  38,  8),  zeigt  Wirz,  Catilinas  und  Ciceros  Bewerbung  um  den 
Consulat  für  das  Jahr  63,  Zürich  1864,  8.  11. 

')  Ascon.  p.  83:  coierant  enim  ambo  (Catilina  und  Antonius),  ut 
Ciceronem  consulatu  deicerent,  adiutoribus  usi  flrmissimis  M.  Crasso 
et  C.  Caesars.  Cicero  sagt  in  der  Rede:  dico  P.  C,  superiore  nocte 
cuiusdam  hominis  nobilis  et  valde  in  hoc  largitionis  quaestu  docti 
et  cognüi  domum  Catüinam  et  Äntonium  cum  sequestribus  suis 
convenisse;  dazu  bemerkt  Asconius:  aut  C.  Caesaris  aut  M.  Crassi 
domum  signiflcat;  ei  enim  acerrimi  ac  poteniissimi  fuerunt  Cice- 
ronis  refragatores,  cum  petiit  consulatum  . . .  et  hoc  ipse  Cicero  in 
exDOsitione  consilionwi  siiomm  xianiflcat. 


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24 


I>us  Principat  des  Pom  pejus 


Beinern  Auftrage1).  Dagegen  wurden  alle  ülegitimeu  Klubs  durch 
den  Senat  unterdrückt*).  Ihr  Ziel  erreichte  die  Agitation  be- 
kanntlich nicht;  die  Nobilität  sah  sich,  widerwillig  genug,  'ge- 
zwungen, mit  allem  Nachdruck  für  Cicero«  Wahl  einzutreten,  und 
neben  ihm  erhielt  Antonius  ein  paar  Stimmen  mehr  als  Catilina'). 
Als  dann  aber,  um  ihn  dauernd  unschädlich  zu  machen,  L.  Luoce- 
jus,  ein  Parteigänger  des  Pompejus,  den  Gatilina  wegen  seiner 
.Mordtaten  im  Dienste  Sullas  vor  dem  von  Caesar  geleiteten 
Blutgericht  anklagte,  wurde  er  freigesprochen4)  —  obwohl  Caesar 
kurz  vorher  die  Verurteilung  anderer  Schergen  Sullas  bewirkt 
hatte  und  im  nächsten  Jahr  mit  Labienus  zusammen  die  Ver- 
urteilung des  Rabirius  betrieb! 

Den  weiteren  Verlauf  der  Dinge  in  Ciceros  Consulat  brauchen 
wir  nur  kurz  zu  berühren.  Die  ununterbrochenen  politischen 
Umtriebe,  das  servilische  Ackergesetz,  der  Prozeß  des  Rabirius, 
die  Agitation  für  die  Restituierung  der  Sohne  der  Proskribier- 
ten»),  Anträge  der  Tribunen  auf  Schuldenerlaß-)  und  auf  der  andern 
Seite  ein  scharfes  Consulargesetz  gegen  Wahlumtriebe  und  Be- 
stechung7) und  ähnliches  (darunter  auch  Caesars  Wahl  zum 

•)  Ascon.  p.  88.  85.  88  f. 

»)  Ascon.  p.  7.  78.  Dio  88,  13,  2.    Vgl.  Ober  diese  Klubs  Q.  Cicero 
de  pet  code.  19,  der  ihre  Bedeutung  für  die  Wahlen  hervorhebt. 
»)  Ascon.  p.  95. 

*)  Ascon.  p.  92:  posi  effecta  comitia  coneularia  et  Catüinae  re- 
pulsam  fecii  eum  reum  inier  sicarios  L.  Lucceius,  vgl.  p.  98.  Dio 
37,  10  im  Anschluß  an  die  Verurteilung  des  L.  Luscius  und  L.  Bellienus, 
eines  Oheims  Catilinas  (so  Ascon.  p.  91)  •  tob  Katoopo«  tob  'looXtoo  toöft* 
ixi  fidXtara  icapooxsi>doavto;  (vgl.  Sueton  Caes.  11).  to6to  tt  oiv  *«p<i 
8ö£av  to»c  «oXXoIc  txütfrfflt  «ol  Stt  *al  6  KauXtvac  tnl  *ot$  abtöte  Ixtivo«; 
otlttav  . . .  Aaßobv  aittXöä-r).  Die  zweimalige  Freisprechung  Catilinas  er* 
wähnt  Cicero  auch  Att.  I  16,  9.  in  Pis.  95.  Diesmal  trat  Torquatus 
nicht  für  Catilina  ein,  wohl  aber  andere  Consulare  (Cic.  pro  Sulla  81); 
man  kann  sich  die  sittliche  Korruption  dieser  Zeit  garnicht  groß  ge- 
nug vorstellen. 

»)  Cic.  in  Pison.  4.  ad  Att.  II  1,  3.  u.  a.  Dio  37,  29.  Vgl.  oben  S.  16  A. 
*)  Dio  87,  25,  4;  weiteres  S.  25,  2. 

')  Cic.  pro  Bulla  62  ff.  schol.  Bob.  p.  269.  309.  324  Orblu.  Cic.  pro 
gest.  183.  in  Vatin.  87.  In  den  Reden  für  Marens  und  Plancius.  die 
er  wegen  ambitus  verteidigt,  ist  Cicero  dies  Gesetc,  dessen  Einbringung 


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Umtriebe  des  Jahres  68 


25 


pontifex  maximus  gegen  Catulus  und  Servilius  Isauricus)  hielten 
die  Hauptstadt  in  fortwährender  Bewegung;  die  Erwartung, 
daß  man  einer  Revolution  entgegengehe,  lastete  auf  allen 
Kreisen,  und  immer  zahlreicher  wurde  der  Anhang  Catilinas. 
A.!s  dann  Catilinas  Versuch,  diesmal  endlich  durch  Ermordung 
des  wah.1  leitenden  Consuls  Cicero  seine  Wahl  durchzusetzen,  im 
Juli  63  auf 8  neue  scheiterte,  blieb  ihm  kein  Ausweg  mehr,  als 
der  offene  Aufruhr  und  der  Bürgerkrieg.  Er  saß  zu  tief  in 
Schulden,  um  noch  langer  zu  warten,  konnte  auch  seinen  Anhang 
nicht  mehr  zurückhalten;  überdies  war  es  höchste  Zeit,  loszu- 
schlagen, wenn  man  überhaupt  noch  etwas  erreichen  wollte,  da 
nach  dem  Tode  des  Mithridates  im  Hochsommer  63  Pompejus' 
Rückkehr  in  naher  Aussicht  stand,  die  allen  weiteren  Plänen  ein 
Ende  machen  mußte1). 

Eben  dadurch  aber  wurde  die  Verbindung  zwischen  Catilina 
und  seinen  Hintermännern  gelockert.  Daß  sie  die  Regierung 
schikanierten  und  lahmzulegen  suchten,  war  Crassus  und  Caesar 
ganz  recht;  aber  an  der  anarchistischen  Revolution  sich  zu  be- 
teiligen, war  ihnen  das  Risiko  zu  groß;  auch  mochte  es  wenigstens 
Crassus  doch  schwül  zumute  werden  bei  einer  Bewegung,  die  sich 


ihm  von  den  Anklägern  mit  Recht  vorgehalten  wird,  sehr  unangenehm 
und  er  sucht  darüber  in  üblicher  Weise  hinwegzureden  (pro  Mnrena 
3  ff.  47.  67.  pro  Plane.  88). 

')  Plut.  Cic.  14  *rj  81  stßi  t&v  KartXtvav  aoyu>}i,oota  xrr^aoa  xal  xata- 
Jsicaoa  tvjv  ipX^v  ivtMppei,  xal  oovijfov  aXX^'Xooc  xal  naptxaloov 

t&toXpfctpov  ftsttofou  tü»v  «pafnätcov,  itptv  taavcXdvtv  []o|Miir]iov  ffa  Ätvo- 
(uvov  6*octp«<p«v  (trea  trje  Sovile««.  Gegen  Pompejus  wollte  man  sich 
sichern,  indem  man  seine  Kinder  als  Geiseln  festhielt  ib.  c.  18.  Daß 
Sallust  die  Bildung  der  eigentlichen  Verschwörung  mit  Unrecht  schon  in 
den  Juni  64  setzt  und  auch  die  Catilina  in  den  Mund  gelegte  Rede  c.  20 
der  wahren  Situation  wenig  entspricht  und  vielmehr  die  im  Sommer  63 
in  contione  domestica  gehaltene  Rede  (Cic.  pro  Murena  50)  vorweg 
nimmt,  haben  Wim,  Catilinas  und  Cicero»  Bewerbung  um  den  Consulat 
für  63,  Zürich  1864.  und  Joint,  Entstehungsgesch.  der  catil.  Verschwö- 
rung, Fl.  Jahrb.  Sappl.  VIII,  1876,  789  ff.  erwiesen,  denen  Schwartz, 
Hermes  33,  568  sich  anschließt.  Aber  die  Verbindung  mit  seinen  Spieß- 
gesellen von  66/5  hat  Catilina  natürlich  dauernd  aufrecht  erhalten  und 
weiter  gefördert. 


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26 


Das  Priacipat  des  Pompejus 


direkt  gegen  das  Eigentum  und  die  Kapitalisten  richtete.  In 
der  Tat  wurde  das  ganze  Jahr  63  hindurch  eifrig  für  eine  Schulden» 
tilgung  oder  Aufhebung  der  Zahlungsfristen  agitiert,  der  Geld- 
verkehr stockte  vollständig1).  Die  durch  maßlose  Verschwendung 
und  wüsten  Ehrgeiz  geschaffene  Schuldenlast  erscheint  durchweg  als 
die  Haupttriebfeder  der  catilinarischen  Verschwörung1)  und  hat 
auch  bei  der  Einbringung  des  Ackergesetzes  und  dem  Begehren  nach 
Landanweisungen  mitgewirkt.  Daß  die  Verschworenen  ihre  Agi- 
tation weithin  über  Italien  ausdehnten  und  die  Vorbereitungen 
zu  einer  Insurrektion  trafen,  die  sich  wie  zur  Zeit  des  Lepidus  in 
erster  Linie  auf  das  besitzlose  Proletariat  und  die  durch  den  Schul- 
dendruck zu  jeder  Verzweiflungstat  bereiten  Elemente  stützte, 
mußte  alle,  die  etwas  zu  verlieren  hatten,  und  vor  allem  die  mäch- 
tigen Kapitalisten,  die  Ritterschaft,  auf  die  Seite  der  Regierung 
treiben,  mochten  sie  auch  bisher  dieser  noch  so  gern  etwas  am 
Zeuge  geflickt  und  die  Führer  der  Opposition  unterstützt  haben. 

')  Cicero  de  off.  II  84  nunquam  vehementius  actum  est  quam 
me  consule,  ne  solveretur;  artnis  et  castris  temptata  res  est  ab 
omni  gener e  hominum  et  ardine  (vgl  Manlius'  Proklamation  bei  Sal- 
lust Cat.  33).  quibus  ita  restiti,  ut  hoc  totnm  malum  de  republica 
toller etur.  numquam  nec  maius  aes  alienum  fuit  nec  melius  nec 
facilius  dissolutum  est:  fraudandi  enim  spe  sublata  solvendi  ne- 
cessitas  consecuta  est.  at  vero  nie  nunc  victor,  tum  quidem  victus 
(d.  i.  Caesar),  quae  cogitarat,  ea  perfecit,  cum  eius  iam  nihil  inier  - 
esset  (durch  seine  Gesetze  zur  Regulierung  der  Schulden  als  Dictator). 
Vgl.  Sallust  Cat.  21  tum  Catilina  polliceri  tabulas  novas,  und  Dio  37, 
25,  4:  von  den  Tribunen  fiXXo;  xptü»y  äicoxoitäc,  (d.  i.  Rullus) 

xta}pot>xtK  . . .  iarfl ttto.  Auf  Ciceros  Maßnahmen  bezieht  sich  Cat.  II  18 : 
nicht  Catilina  wird  die  erwarteten  tabulae  novae  einfahren,  sondern  meo 
benefleio  tabulae  novae  proferentur,  verum  auetionariae;  neque  enim 
isti,  qui  posse^siones  habent,  alia  ratione  ulla  salvi  esse  possunt; 
d.  h.  die  Schuldner  sollen  sich  bankerott  erklären  und  dann  wird  ihr 
Besitz  zur  Deckung  der  darauf  haftenden  Schulden  versteigert  und  den  Rest 
ihres  Vermögens  behalten  die  Schuldner.  Das  hätte,  meint  er,  früher  schon 
von  ihnen  selbst  geschehn  sollen,  dann  wären  wir  besser  daran,  über  die 
Unmöglichkeit,  damals  ausstehende  Gelder  einzutreiben,  s.  Val.  Max.  IV 8, 3. 

')  Vgl.  Cic.  Cat  II  10.  17  ff.  (ferner  sublata  de  foro  fides,  de  leg. 
agr.  II  8  =  I  28).  Sallust  in  Catilina«  Rede  Cat.  20,  11;  13  ff.,  und  bei 
der  Schilderhebung  des  Manüus  28.  4.  33.   Dio  37,  30,  2. 


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Zweite  catü inarische  Verschwörung 


27 


Bei  dieser  Lage  der  Dinge  konnten  CrassuB  und  Caesar  zwar 
versuchen,  ihre  alten  Spießgesellen  nach  Möglichkeit  zu  schützen ; 
aber  ebenso  mußten  sie  bestrebt  sein,  den  Ausbruch  der  Revolution 
und  die  Brandstiftung  wenigstens  in  Rom  selbst  zu  verhindern; 
eine  Insurrektion  in  Etrurien  nach  Art  des  Aufstands  des  Lepidus, 
wie  sie  im  Einverständnis  mit  Catilina  C.  Manlius  am  27.  Oktober 
unternahm,  mochte  ihnen  schon  eher  recht  sein  und  bot  die  Aus- 
sicht, eventuell  vermittelnd  einzugreifen.  So  erklärt  es  sich,  daß, 
wie  es  scheint  einige  Tage  früher,  Crassus,  begleitet  von  M.  Mar- 
cellus und  Metellus  Scipio,  bei  Nacht  dem  Cicero  einen  anonymen 
Brief  überbrachte,  der  ihm  mit  mehreren  an  andere  Adressaten 
zugestellt  war,  in  dem  Catilinas  Mordpläne  mitgeteilt  und  Crassus 
der  Rat  gegeben  wurde,  Rom  zu  verlassen1).  Dadurch  waren  zwar 
Crassus'  Beziehungen  zu  den  Verschworenen  so  gut  wie  erwiesen 
(wenn  auch  der  Schein  gewahrt  war,  als  sei  ihm  eben  nur  von 
einem  ihm  wohlwollenden  Verräter  eine  Warnung  zugekommen), 
und  Crassus  hat  es  denn  auch  Cicero  schwer  verargt,  daß  er  in 
der  im  Jahre  60  verfaßten  Schrift  de  consulatu  den  Vorgang  er- 
zählt hat;  aber  er  sicherte  sich  zugleich  durch  die  Warnung  die 
Rücksicht  der  Regierung,  falls  diese  siegreich  blieb. 

Der  Consul  befand  sich  in  einer  eigentümlichen  Lage.  Er 
war  durch  seine  Spione  über  das  Komplott  genau  unterrichtet 
und  hatte  durch  seine  Enthüllungen  erreicht,  daß  der  Senat  am 

>)  Plut.  Cic  16  und  kürzer  Crass.  IS  [ebenso,  nur  kürzer,  Dio  37, 
81],  wo  als  Quelle  Ciceros  Schrift  ittpl  oisatua«;  angegeben  wird,  mit 
dem  Zusatz  6  8*  o&v  Kp&ozos  &tl  »fjüott  töv  Ktxtptuya  di&  toöto.  Nach 
Plutarch  laßt  Cicero  die  ihm  von  Crassus  und  seinen  Genossen  einge- 
händigten Briefe  am  nächsten  Tage  im  Senat  öffnen  und  verlesen,  und 
als  dann  die  Nachricht  von  der  Erhebung  des  Manlius  eintrifft,  wird 
das  senatusconsultum  ultimum  beschlossen.  In  Wirklichkeit  erfolgte 
dieses  freilich  schon  am  21.  Oktober  (Cic.  Cat.  I  7,  vgl.  §  4  und  dazu 
Ascon.  p.  6),  6  Tage  vor  Manlius'  Aufstand;  aber  im  übrigen  stimmt 
Plutarch«  Bericht  ganz  gut  zu  Cic.  Cat.  I  7:  dixi  ego  idem  in  senatu 
(am  21.  Oktober),  caedem  te  optimatium  contulisse  in  a.  d.  V  Kai. 
Novemöris,  tum  cum  muiti  principes  civitatis  Roma  non  tarn  sui 
conservandi  quam  tuorum  consüiorum  reprimendorum  causa  pro- 
fuyerunt.  Die  Zusammenkunft  mit  Crassus  und  seinen  Brief  freilich 
kann  Cicero  damals  nicht  mitgeteilt  haben,  da  er  das  geheim  hielt. 


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28 


Das  Prineipat  des  Pompejus 


21.  Oktober  durch  das  sogenannte  scnatusconsultum  ultimum 
ihm  und  den  übrigen  Oberbeamten  die  Vollmacht  zu  kriegsrecht- 
lichem Einschreiten  erteilte.  Dadurch  war  er  imstande,  nicht 
nur  in  Rom,  sondern  in  ganz  Italien  die  nötigen  Vorsichtsmaß- 
regeln umsichtig  und  erfolgreich  zu  treffen.  Aber  eben  dadurch, 
daß  er  alle  Pläne  der  Verschworenen  im  voraus  vereitelte  und 
es  zu  keinem  Putsch  kam,  war  er  nicht  in  der  Lage,  gegen  die 
Schuldigen  unmittelbar  vorzugehn  und  damit  der  Sache  ein  Ende 
zu  machen.  Der  Bestand  der  Verschwörung  war  zwar  notorisch, 
aber  nicht  authentisch  erwiesen;  große  Massen  der  Bevölkerung, 
nicht  nur  die  verschuldeten  und  die  ruinierten  vornehmen 
Existenzen,  die  durch  Sullas  Strafgerichte  und  Konfiskationen 
von  ihren  Höfen  vertriebenen  Bauern  in  Etrurien,  Gampanien 
und  sonst,  die  von  Sulla  angesiedelten  Veteranen,  die  das  ihnen 
so  plötzlich  zugefallene  Besitztum  schlecht  bewirtschaftet  oder 
verpraßt  hatten  und  so  in  Schulden  geraten  waren,  sondern  über- 
haupt alle,  die  den  Druck  der  gegenwärtigen  Lage  empfanden 
und  von  einer  Umwälzung  eine  Besserung  ihrer  materiellen  Ver- 
hältnisse erwarteten,  setzten  ihre  Hoffnungen  auf  Catilina  und 
seine  Genossen1),  die  ihnen  als  die  wahren  Vertreter  der  populären 
Bestrebungen  erschienen;  die  Behauptung,  sie  planten  Mord  und 
Brandstiftung,  war  für  sie  nur  eine  Verleumdung  ihrer  Gegner, 
die  das  Volk  in  Knechtschaft  hielten  und  auswucherten*).  Ciceros 
Enthüllungen  konnten  wohl  den  Senat  zu  einzelnen  energischen 
Beschlüssen  fortreißen,  aber  überzeugende  Beweise,  die  den  Wider- 
spruch verstummen  machten,  waren  sie  nicht;  seine  Gegner  und 
Neider,  voran  sein  Kollege  Antonius,  spotteten  über  all  das,  was 

')  Vgl.  Cicero  Cat.  II  18  ff. 

')  Vgl.  Cat.  I  80:  notmulU  sttnt  in  hoc  ordine  (im  Senat),  qui 
aui  ea  quae  imrninent  non  videant  aut  ea  quae  videant  dissimu- 
lent;  qui  spem  Catilinae  moüibus  sententiis  aluerunt  coniurationem- 
que  nasceniem  non  credendo  conroboraverunt;  quorutn  auctori- 
tateni  secuti  multi  non  solutn  improbi,  verum  etiam  imperiti,  si  in 
nunc  animadvertissem ,  crudeliter  et  regie  factum  esse  dicerent. 
nunc  inteUego,  si  iste,  quo  intendit,  in  castra  Manliana  pervenerü, 
neminem  tarn  siuüum  fore  qui  non  videat  coniurationem  esse  fac- 
tum, neminem  tarn  improbum  qui  non  fateatur. 

\ 


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Cicero  gegen  Catilina 


29 


er  in  Erfahrung  gebracht  haben  wollte,  über  sein  ewiges  „com- 
perisse"1).  So  mußte  er  streben,  die  Schuldigen  auf  offener  Tat 
zu  ertappen,  das  Geschwür  zum  Ausbruch  zu  bringen*).  Daher 
begrüßte  er  die  Insurrektion  des  Manlius  in  Faesulae  am  27.  Ok- 
tober, die  er  auf  den  Tag  vorausgesagt  hatte8) ;  und  noch  will- 
kommener war  ihm,  daß  Catilina  selbst  sich  zu  den  Aufständischen 
begeben  und  an  ihre  Spitze  treten  wollte.  Als  daher  Catilina, 
nachdem  er  in  der  Nacht  vom  6.  zum  7.  November  im  Hause 
des  Laeca  die  letzten  Anordnungen  getroffen  hatte  und  nachdem 
der  Plan,  Cicero  noch  in  dieser  Nacht  zu  ermorden,  abermals 
gescheitert  war4),  am  Morgen  des  7.  November  nochmals  im 

')  Ende  62  schreibt  Cicero  an  Antonias  (fain.  V  5),  als  dieser  das 
Geld  nicht  schickte,  welches  er  jenem  als  seinen  Anteil  aus  der  mace- 
donischen  Statthalterschaft  versprochen  hatte  —  Cicero  hat  bei  dem  Ver- 
zicht auf  die  Provinz,  durch  den  er  Antonius  von  Catilina  abzog,  seine 
materiellen  Interessen  keineswegs  vergessen,  und  die  hochinteressanten 
Briefe  an  Atticus  aus  dieser  Zeit  zeigen,  wie  er  seine  Neigung,  für 
Antonius  einzutreten,  davon  abhängig  macht,  ob  dieser  zahlt  oder 
nicht  — :  pro  his  rebus  nullam  mihi  abs  te  relatam  esse  gratiam  tu 
es  optimus  testis;  contra  etiam  esse  aliquid  abs  te  profectum  ex 
multis  audivi:  nam  „comperisse"  me  non  audeo  dicere,  ne  forte  id 
ipsum  verbum  ponarn,  quod  abs  te  aiunt  falso  in  me  solere  con- 
ferri.  Nachher,  im  Jahre  61,  wirft  ihm  Clodius  (Att.  I  14.  5),  spater 
(im  Jahre  55)  Sallust  invect.  in  Tullium  8  da#  fatale  Wort  ins  Gesicht. 

*)  Ein  gerichtliches  Verfahren,  wie  es  L.  Paullus  anstrengte,  der 
den  Catilina  auf  Grund  der  lex  Plautia  de  in  verklagte  (Sallust  Cat.  81), 
konnte  nicht  zum  Ziele  führen,  da  sich  das  monatelang  binziehn 
mußte,  ganz  abgesehen  von  der  Unsicherheit  des  Ausgangs. 

*)  Cic.  Cat  I  7.  Die  Situation  ist  ganz  ähnlich  wie  die  der  französi- 
schen Regierung  bei  dem  geplanten  Staatsstreich  Boulangers  im  Jahre  1887. 
Auch  damals  war  das  Komplott  notorisch,  aber  ein  Einschreiten  recht- 
lich unmöglich;  es  blieb  nichts,  als  die  nötigen  Vorsichtsmaßregeln  zu 
treffen  und  zugleich  Boulanger  so  einzuschüchtern,  daß  er  schließlich 
Paris  verließ  und  nach  Brüssel  ging.  Damit  war  er  unschädlich  gemacht. 

*)  Bekanntlich  hat  Sallust  Cat.  27  f.  diese  Versammlung  bei  Laeca 
und  das  vereitelte  Attentat  früher  angesetzt  und  dadurch  den  weitern 
Verlauf  mit  bewußter  Absicht  in  ein  falsches  Licht  gerückt.  —  Das  ge- 
plante Attentat  und  seine  Vereitelung  und  die  Szene  im  Senat  [dazu 
Tu.  Rxoiach,  Catulus  ou  Catilina?  Rev.  des  6t.  Grecques  1904]  erzählt 
Diodor  40,  5  und  5a,  d.  i.  Posidonios,  vgl.  die  Beilage;  das  Attentat 


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30 


Das  Principat  des  forn  pejus 


Senat  erschien,  ergrifE  Cicero  die  Gelegenheit,  in  einer  Rede, 
die  er  dann  als  Broschüre  veröffentlichte,  nachzuweisen,  daß  er 
alle  diese  Dinge,  die  sich  jetzt  verwirklichten,  vorher  gewußt  und 
vorausgesagt  habe  und  daß  es  ihm  nur  recht  sei,  wenn  Catilina 
jetzt  zu  der  Erkenntnis  gekommen  sei,  in  Rom  nicht  mehr  bleiben 
zu  können,  und  sich  durch  den  Anschluß  an  Manlius  offen  als 
Rebellen  und  Hochverräter  bekenne;  dadurch  wird  ein  offenes 
Einschreiten  der  Regierung  möglich,  das  er  bisher  trotz  der  ihm 
vom  Senat  gegebenen  Vollmacht  nicht  hat  wagen  dürfen.  Momm- 
sens  Behauptung,  Cicero  habe  auch  bei  dieser  Gelegenheit 
sein  Talent  gezeigt,  offene  Türen  einzurennen :  „wo  er  zu  handeln 
schien,  waren  die  Fragen,  auf  die  es  ankam,  regelmäßig  eben  ab- 
getan ...  so  polterte  er  gegen  Catilina,  als  dessen  Abgang  be- 
reits feststand",  verkennt  die  wahre  Sachlage  so  vollständig  wie 
nur  möglich:  daß  Catilina  von  Rom  fortgehn  will,  angeblich  ins 
Exil,  tatsächlich  zu  den  Insurgenten,  wird  von  Cicero  nicht  nur 
offen  ausgesprochen,  sondern  ist  die  Grundlage,  auf  der  die  erste 
Catilinarie  beruht  und  durch  die  sie  ihre  Wirkung  erzielt1). 

Allerdings  hätte  Cicero  gewünscht,  daß  Catilina  seinen  ge- 
samten Anhang  mit  sich  ins  Feld  genommen  hätte').  Das  geschah 
freilich  nicht;  der  Hauptteil  der  Verschworenen  blieb  unter 
Leitung  des  Praetors  Lentulus  —  des  im  Jahre  70  durch  die 
Censoren  aus  dem  Senat  gestoßenen  Consuls  des  Jahres  71  — 
zurück,  um  in  Rom  den  entscheidenden  Schlag  zu  fuhren.  So 
dauerte  es  noch  fast  einen  Monat,  bis  es  Cicero  gelang,  auf  dem 
bekannten  Wege,  durch  die  Festnahme  der  aUobrogischen  Ge- 
sandten in  der  Nacht  des  2./3.  Dezember,  die  entscheidenden 


Catilinas  wird  mit  dem  von  Lentulus  für  die  Satnrnalien  geplanten  zu- 
sammengeworfen, im  Senat  stellt  Cicero  die  Frage,  ob  Catilina  oder  ob 
Catulus  ins  Exil  gehen  solle,  wahrend  Cicero  Cat.  I  21  statt  des  Catnlns 
den  M.  Marcellus  oder  P.  Sestius  nennt,  vielleicht  erst  durch  eine  nach- 
tragliche Korrektur  bei  der  Veröffentlichung  der  Rede. 

»)  Selbst  SaUust,  der  sonst  Ciceros  Verdienst  nach  Möglichkeit  zu 
schmälern  versucht,  hat  bekanntlich  diese  Rede  als  luculenta  atque 
utilis  reipublicae  anerkannt  (Cat.  81). 

«)  Cat,  I  10.  SO  ff. 


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Unterdrückung  der  catilinarischen  Verschwörung 


31 


Beweise  in  die  Hände  zu  bekommen,  die  die  Verhaftung  und 
Überführung  der  Rädelsführer  ermöglichten. 

Cicero  sorgte  dafür,  daß  die  Aussagen  der  Allobroger  und 
der  Verhafteten  sofort  durch  angesehene  Senatoren  protokolliert 
und  in  zahlreichen  Abschriften  durch  ganz  Italien  verbreitet 
wurden1).  Trotzdem  wurde  bald  darauf  der  Vorwurf  gegen  ihn  er- 
hoben, er  habe  die  Protokolle  gefälscht8).  Das  ist  in  diesem  Falle 
schwerlich  berechtigt;  wohl  aber  zeigte  sich  alsbald,  daß  Cicero 
und  diejenigen,  die  mit  seiner  Politik  einverstanden  waren, 
keineswegs  objektiv  verfahren,  sondern  mit  den  Bestrafungen 
über  eine  bestimmte  Grenze  nicht  hinausgehn  wollten.  Als  am 
4.  Dezember  L.  Tarquinius,  den  man  auf  dem  Wege  zu  Catilina 
aufgegriffen  hatte,  im  Senat  vorgeführt  wurde  und  nach  Zu- 
sicherung der  Straflosigkeit  aussagte,  er  sei  von  Crassus  an 
Catilina  geschickt  mit  der  Aufforderung,  er  solle  sich  durch  die 
Verhaftung  des  Lentulus  und  seiner  Genossen  nicht  einschüchtern 
lassen,  sondern  schleunigst  gegen  Rom  vorrücken,  um  so  seinen 

')  Cic.  pro  Sulla  41  f. 

*)  Beim  Prozeß  des  P.  Sulla  Anfang  62 ,  für  den  Cicero,  wie  schon 
erwähnt,  aus  sehr  wenig  ehrenhaften  Gründen  die  Verteidigung  über- 
nahm (oben  S.  21  Anm.),  wirft  der  Ankläger  Torquatos  ihm  vor  me  aliter 
ac  dictum  Sit  in  iabulas  publicas  retulisse  (pro  Sulla  40).  Bei  Sallust 
in  Cic.  3  wird  der  Vorwurf  verallgemeinert  :  sed  ut  opinor  Uta  te  magis 
extollunt,  quae  post  consulatum  cum  Terentia  uxore  de  republica 
consuluisti,  cum  legis  Plautiae  iudicia  dornt  faciebatis,  ex  con- 
iuratis  alios...,  faliosj  pecunia  condemnabas,  cum  tibi  alius 
Tu&culanum,  alius  Pompeianam  vittam  exaediflcabat,  alius  domum 
emebat:  qui  vero  nihil  poterat,  is  erat  calumniae  proximus,  is  aut 
domum  tuam  oppugnatum  venerat  aut  insidias  fecerat,  denique  de  eo 
tibi  compertum  erat;  vgl.  §  5  6n.  Daher  bezeichnete  Torquatos  den 
Cicero  als  tertius  peregrinus  rex  nach  Numa  und  Tarquinius,  dessen 
regnum  nicht  tu  ertragen  sei:  in  quos  testimotiia  dixisti,  damnati 
sunt;  quem  defendis,  sperat  se  absolutum  iri  (pro  Sulla  21  f.).  Der 
Vorwurf  bezog  sich  allerdinge  nicht  sowohl  auf  die  Aussagen  vom 
3.  Dezember,  als  vielmehr  auf  die  Kpäteren  Vorgänge,  namentlich  die 
Aussage  des  Vettius  und  die  daran  anschließenden  Prozesse  auf  Grund 
der  lex  Plautia,  s.  u.  —  In  dem  Disput  mit  Cicero  am  15.  Mai  61  im 
Senat  nimmt  Clodius  das  Schlagwort  wieder  auf:  qtiousque,  inquit, 
hunc  regem  feremusf  (Cic.  ad  Att.  I  16,  10). 


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32 


Das  Principal  des  Pompejus 


Anhängern  neuen  Mut  zu  machen  und  die  Freilassung  der  Ge- 
fangenen zu  erwirken,  erhob  sich  im  Senat  ein  Sturm  der  Ent- 
rüstung nicht  gegen  Crassus,  sondern  gegen  den  Zeugen,  und  es 
wurde  beschlossen,  Tarquinius  nicht  weiter  zu  hören,  sondern 
gefangen  zu  halten,  bis  er  bekannt  habe,  wer  ihn  zu  dieser  Ver- 
leumdung angestiftet  habe1).  Man  sieht,  wie  stark  der  Einfluß 
des  Crassus  und  seines  Geldes  war,  zugleich  aber  auch,  wie  ihm 
seine  Warnung  an  Cicero  zugute  kam. 

Noch  weniger  war  an  ein  Vorgehen  gegen  Caesar  zu  denken, 
wie  es  Gatulus  und  C.  Piso  (Consul  67)  von  Cicero  forderten*). 
Trotzdem  war  die  Überzeugung  von  seiner  Mitschuld  weit  ver- 
breitet, und  die  Ritter,  die  den  Senat  bewachten,  haben  am 
5.  Dezember,  als  er  die  Curie  verließ,  sein  Leben  bedroht*).  Zu 
Anfang  des  nächsten  Jahres,  als  Caesar  als  Praetor  den  Senat 
drangsalierte,  wurde  noch  einmal  versucht,  gegen  ihn  Vorzug ehn : 
Q.  Curius,  der  Hauptspion  Ciceros,  erklärte  im  Senat,  durch 
Catilina  seine  Teilnahme  erfahren  zu  haben,  der  Denunziant 
L.  Vettius  versprach,  ein  Handschreiben  Caesars  an  Catilina  bei- 
zubringen, und  veranlaßte  dadurch  den  Quaestor  Novius  Niger, 

')  Sueton  Cat.  48;  kürzer  Dio  37.  85  und  Plut.  Crass.  11.  Die  von 
Sa  11  äst  als  Ansicht  einiger  Zeitgenossen  (erant  eo  tempore  qui  existu- 
marent)  gegebenen  Motive,  Autronius  (der  nicht  zu  den  Verhafteten 
gehörte)  habe  die  Aussage  veranlaßt,  quo  facilius  appellato  Crasso  per 
societatem  periculi  reliquos  ülius  potentia  tegeret,  oder,  wie  Crassus 
behauptete,  Cicero  habe  den  Tarquinius  angestiftet,  um  Crassus  die  An- 
waltschaft für  die  Missetäter  unmöglich  zu  machen,  sind  so  unwahr- 
scheinlich wie  nur  möglich.  Cicero  konnte  bei  der  Haltung,  die  er  ein- 
genommen hatte,  die  Aussage  des  Tarquinius  nur  höchst  unwillkommen 
sein,  wie  er  denn  auch  den  Senatsbeschluß  gegen  ihn  veranlaßte  (con- 
stdente  Cicerone). 

*)  Sallust  Cat.  49  in  der  ganz  tendenziösen  Apologie  Caesars:  ad 
indem  tetnporibus  Q.  Catulus  ei  C.  Piso  neque  pretio  neque  gratia 
Ciceronem  inpellere  potnere,  uü  per  Ällobrogas  aut  alitun  indicem 
C.  Caesar  falso  nominaretur.  Mit  anderer  Wendung  Plut.  Caes.  7: 
ol  «pi  ütbctva  xotl  KixXov  ^ttÄvto  Kuipwv«  ?ti34t|uvGv  Koioopoc  h  tot? 
«tpl  KattXtvav  Xa^v  wapaoxivro«;  gegen  Cicero  wird  der  Vorwurf  er- 
hoben, daß  er  ihn  aus  Furcht  vor  seiner  Popularität  habe  entschlüpfen 
lassen,  Plut.  Caes.  8  =  Cic.  20. 

a)  Sueton  Caes.  14.  Sallust  49.  Plut.  Caes.  8. 


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Angriffe  gegen  Caesar 


33 


eine  Klage  gegen  ihn  anzunehmen.  Aber  aus  Rücksicht  auf  die 
Volksmassen,  die  für  Caesar  eintraten,  wagte  man  auch  dies- 
mal nicht,  weiter  zu  gehn.  Caesar  wandte  sich  an  Cicero  selbst, 
und  dieser  bezeugte,  daß  er  von  ihm  Warnungen  erhalten  habe 
—Caesar  hat  also  ebenso  operiert  wieCrassus  — ,  und  der  Senat 
beschloß,  daß  dem  Curius  die  versprochene  Belohnung  entzogen 
iind  Vettius  gefangen  gesetzt,  auch  gegen  Novius  wegen  unzu- 
lässigen Vorgehens  gegen  einen  höheren  Magistrat  eingeschritten 
wurde1).  Diese  Vorgänge  sind  an  sich  nicht  beweisend:  dem  Ver- 
räter Curius  wird  man  mißtrauen,  Vettius  war  ein  ganz  un- 
sauberer Denunziant,  den  Caesar  später  im  Jahre  59  zu  erfundenen 
Aussagen  über  eine  Verschwörung  gegen  Pompejus  benutzte  und, 
als  er  sich  ungeschickt  erwies,  im  Gefängnis  umbringen  ließ; 
und  überdies  ist  klar,  daß  das  ganze  Vorgehn  durch  die  Vor- 
gänge zu  Anfang  62  veranlaßt,  also  lediglich  ein  politisches 
.Manöver  war.  Um  so  bedeutsamer  ist,  daß  Cicero  in  dem  ge- 
heimen, erst  nach  seinem  Tode  veröffentlichten '  Memoire  de 
consiliis  suis  den  Crassus  und  Caesar  als  Urheber  der  Ver- 
schwörung bezeichnet  hat1). 

>)  Sueton  Caes.  17.  Vettius'  Denunziationen,  ohne  Nennung  Caesars, 
auch  Dio  37,  41 ;  vgl.  Cic.  ad  Att.  II  24,  2  bei  dem  Bericht  Ober  die  Aus- 
sage im  Jahre  59 :  Vettius  iüe,  iüe  noster  index.  Den  Hergang  erwähnt 
auch  Plut.  Caes.  8,  wo  er  an  die  Szene  vom  5.  Dezember  angeschlossen, 
also  scheinbar  noch  ins  Jahr  68  verlegt  ist:  Cicero  hat  das  Vorgehn 
gegen  Caesar  unterlassen  ino^tt^idaa«  t6v  o^ftov  6iup<po«»c  «tpi»x6f«vov 
toö  Kabapoc»  8<  ft  xal  jjnt*  oUfac  '/yiipas  (in  Wirklichkeit  Anfang  62). 
tlc  rijv  ßooMjv  tfovX&ovtoc  a&coö  xal  «epl  wv  iv  6ico'{itou{  -Jjv  4koXoyoo- 
uivou  xat  «»ptxixiovtoc;  ftoc,ößoic  xovrjpotc,  tittiäY]  n).situv  toö  ooyrj^oo?  tfl- 
fvtto  r§  ßooX-g  xafoCouivng  yp6vo;.  ix-rjXfc  jata  xpaofrj?  xal  utptiw]  r/jv 
oo-fxXrjtov  axattwv  *ov  avfcpa  xal  xtXtoo>v  Aiptlvot.  Aus  derselben  Quelle, 
nur  gekürzt ,  Appian  II  6 1  20  Kataap  ob  xafraptöwv  fiiv  &xovoia;  pt-rj 
oovrrvtuxevai  tot«  av&paat,  Kixipwvoc  3*  oö  *appoövco;  xal  tövÄ»,  öxtpapta- 
xovta  t«j>  8v||i(|>,  4$  tov  ifübva  spoßaXiodai. 

*)  Plut.  Crass.  18:  8fia>c  V  Kixspcov  ev  ttvi  Xo^tp  favtpof  7)v  Kpaaotu 
xal  Kafaapt  tyjv  attlav  lepoatpißöfuvo?.  &XX'  ooto<;  fiiv  ö  Xops  i£(So$Y| 
(Uta  rhv  afupolv  tsXtorfjv  (vgl.  Dio  89,  10).  Plutarchs  Angabe  bezieht 
sich  auf  die  Verschwörung  von  68,  auf  die  sich  auch  die  Äußerung  de 
off.  1184  (oben  S.  25,  2)  bezieht;  nach  Asconius  p.  88  (oben  S.  23,  1) 
bezeugte  Cicero  ebenso  die  Beteiligung  an  der  von  66/5. 

Meyer,  Caesars  Monarchie  8 


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34 


Das  Principat  des  Pompejus 


Caesar  hat  sich  bemüht,  seine  Genossen  und  Werkzeuge  zu 
retten;  in  der  entscheidenden  Senatssitzung  am  5.  Dezember 
beantragte  er  gegen  den  designierten  Consul  D.  Silanus,  der  die 
Todesstrafe  gefordert  hatte,  sie  nicht  zum  Tode,  sondern  zu  ewiger 
Haft  zu  verurteilen.  Sein  Verhalten  bei  diesem  Anlaß  steht  in 
charakteristischem  Gegensatz  zu  dem  Vorgehen,  das  er  drei- 
viertel Jahre  zuvor  im  Prozeß  des  Rabirius  befolgt  hat;  es  ist 
für  die  Rücksicht,  die  ständig  auf  ihn  genommen  wurde,  sehr 
bezeichnend,  daß  dieser  Gegensatz  von  seinen  Gegnern  niemals 
hervorgehoben  wird ;  auch  die  Modernen  haben  ihn  nicht  beachtet. 
Damals  wollte  er  die  Hinrichtung  des  Angeklagten  herbeiführen 
und  hat  ihm  selbst  als  Du  um  vir  das  Todesurteil  gesprochen; 
jetzt  gibt  er  zwar  zu,  daß  Lentulus  und  seine  Genossen  als  offen- 
kundige Staatsfeinde  auf  den  Schutz  der  für  die  Bürger  geltenden 
Gesetze  keinen  Anspruch  haben,  beruft  sich  aber  darauf,  daß 
der  Tod  von  den  Göttern  überhaupt  nicht  als  Strafe,  sondern 
als  natürliches  Ende  des  Lebens  in  die  Weltordnung  eingeführt 
und  als  Strafe  daher  nur  das  Gefängnis  zulässig  sei;  der  Tod 
sei  eine  Erlösung,  keine  Strafe1).    Durch  seine  versteckten 


')  Oic  Cat.  IV  7 :  mortem  ab  die  immorialibus  non  esse  supplicii 

miseriarum  quietem,  üaque  eam  sapientes  numquam  inviti,  forte* 
saepe  etiam  libenter  oppetiverunt;  vincula  vero  et  ea  sempiterna 
certe  ad  singularem  poenam  nefarü  sceleris  inventa  sunt . . .  vitam 
solam  relinquit  nefariis  hominibus:  quam  si  eripuisset,  tnultos  uno 
dolores  animi  atque  corporis  et  omnis  scelerum  poenas  ademisset. 
Diese  Äußerung  bat  Sallust  in  seiner  nach  thukydideischem  Master  ganz 
frei  komponierten  und  nichts  weniger  als  authentischen  Rede  Cat.  51,  20 
verwendet.  Ebenso  hat  er  die  weitere  von  Cicero  Cat.  IV  10  angeführte 
Äußerung  at  vero  C.  Caesar  intellegit,  legem  Semproniam  esse  de 
civibus  Romanis  constitutam,  qui  autem  reipublicae  sit  hostis,  cum 
eitern  nuüo  modo  esse  posse;  denique  ipsum  latorem  Semproniae 
legis  iussu  populi  poenas  reipublicae  dependisse  umgewandelt  zu 
einer  Aasführung,  daß  die  Kömer  ehemals,  wie  sie  Uberhaupt  vieles  von 
den  Fremden  übernahmen,  so  auch  die  Todesstrafe  und  die  Hinrichtung 
durch  Geißelung  von  den  Griechen  entlehnt  hatten  (natürlich  weil  die 
fasces  auf  den  aus  Korinth  stammenden  Tarquiniua  Priscus  zurück- 
geführt wurden,  Dion.  Hai.  III  61  f.  Strabo  V  5,  2  u.  a.),  postquam  res- 


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r 

Hinrichtung  der  Catilinarier  35 

Drohungen  wäre  es  ihm  beinahe  gelungen,  den  Senat  einzu- 
schüchtern ;  alsdann  wären  sie  ohne  Zweifel  binnen  kurzem  be- 
gnadigt und  zu  vollen  Ehren  restituiert  worden,  und  zugleich  wäre 
dadurch,  daß  die  Regierung  sich  schwach  zeigte,  Catilinas  Position 
an  der  Spitze  seiner  Armee  wesentlich  gestärkt  worden  und  ein 
Erfolg  noch  immer  möglich  gewesen.  Da  hat  Cicero  die  Situation 
dadurch  gerettet,  daß  er  die  Fragestellung  noch  einmal  wieder 
aufnahm  und  in  einer  äußerst  geschickten  Rede,  der  vierten 
Oatilinarie,  obwohl  er  selbst  als  Leiter  der  Debatte  keinen 
Antrag  stellen  konnte1),  deutlich  erkennen  ließ,  daß  er  das  Todes- 
urteil für  notwendig  halte  und  bereit  sei,  es  auszuführen.  Be- 
►  kanntüch  hat  dann  Cato  den  Antrag  erneuert  und  durchgesetzt. 

Die  Vorgänge  in  dieser  Senatssitzung  und  die  Rechtsfrage 
haben  Drumann  und  Möhnsen  ganz  falsch  beurteilt;  Mommsen 
gibt  ein  Plädoyer  für  die  „Demokratie",  d.  h.  für  Caesar,  keine 


publica  adolevit . . .  tum  lex  Porcia  aliaeque  leges  paratae  mint, 
quibus  legibus  exilium  damnatis  permissum  est  (51,  40,  ?gl.  §  22). 
Ebenso  hat  er  am  Schiaß  §  43  Caesars  bei  Cicero  Cat.  IV  8  erhaltene 
Antrage  tendenziös  nur  ganz  anvollständig  mitgeteilt.  Sehr  mit  Un- 
recht gibt  Drumann  IIP/59  lediglich  die  Bede  bei  Sallust  wieder.  — 
Kurz  zusammenfassend  Plut.  Caes.  7:  dnoxtiEvai  äxfctoot  ävftpac  &£tu>- 
fiati  xal  Tftvti  Xa|Aitpo&c  ob  toxti  jcoTptov  oö<5k  Stxatov  stvai  |it?& 
ioxärr^c  &vd"p")<«  —  In  seiner  Praxis  in  Gallien  und  als  Monarch  haben 
Caesar  natürlich  derartige  humane  Anwandlungen  recht  fern  gelegen, 
trotz  der  Milde,  mit  der  er  die  besiegten  Bürger  begnadigte. 

')  Der  Consul  kann  keinen  Antrag  stellen,  sondern  nur  die  Frage 
formulieren,  consulit  senatum;  der  Antrag,  die  sententia,  die  zum 
senatus  consultum  führt,  geht  aus  der  Mitte  der  befragten  Senatoren 
hervor.  Das  ist  bei  der  Darstellung  dieser  Vorgänge  oft  verkannt  wor- 
den, ist  aber  für  die  Beurteilung  der  vierten  Catilinarie  ganz  wesentlich. 
Möhnsen  hat  dieselbe  vollständig  mißverstanden,  wenn  er  sagt,  nach 
Caesars  Bede  „schienen  doch  nun  wieder  die  meisten,  Cicero  voran,  sich 
zur  Einhaitang  der  rechtlichen  Schranken  zu  neigen".  Cicero  spricht 
vielmehr  so  unzweideutig  für  das  Todesurteil,  wie  es  ihm  als  Consul 
nur  möglich  ist  Mit  Becht  kann  er  ad  Att.  XII  21  (der  Hauptstelle 
über  die  Einzelheiten  der  Abstimmung)  gegen  Brutus'  Darstellung,  der 
alles  Verdienst  allein  dem  Cato  zuschrieb,  den  Vorwurf  erheben  nie 
autem  hic  (Brutus)  laudat,  quod  retttüerim,  tum  quod  patefecerim, 
cohortatus  sim,  quod  denique,  antequam  consulerem,  ipse  iudicaverim. 


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3<> 


Das  Principal  des  Pompejua 


geschichtliche  Darstellung.  In  Wirklichkeit  war  die  Hinrichtung 
der  Verhafteten  politisch  eine  Notwendigkeit  —  die  Gefahr  ihrer 
Befreiung,  Bei  es  durch  einen  Aufstand  ihrer  Anhänger,  sei  es 
durch  weitere  Nachgiebigkeit  des  Senats,  war  sehr  groß  —  und 
rechtlich  völlig  unanfechtbar.  Daran,  daß  das  senatusconsultum 
ultimum  den  Consul  nicht  nur  zu  bewaffnetem  Einschreiten, 
sondern  auch  zur  Hinrichtung  der  des  Hochverrats  überführten 
Bürger  ermächtigte,  konnte  garkein  Zweifel  sein;  alle  Versuche, 
die  auf  Grund  desselben  verhängten  Todesurteile  für  unrecht- 
mäßig und  strafbar  zu  erklären,  die  von  demokratischer  Seite 
nach  den  Vorgängen  von  133/132, 121, 100  und  zuletzt  von  Caesar 
und  Labienus  im  Prozeß  des  Rabirius  gemacht  waren,  waren  ge- 
scheitert. Cicero  hatte  in  seiner  Rede  für  Rabirius  das  Recht 
des  Senats  und  des  von  ihm  bevollmächtigten  Beamten,  der 
vox  \Üa  consvlis  „qui  rempiiblicam  salvam  esse  veüerU",  als  summum 
auxüium  maiestatis  alque  imperi,  quod  nobis  a  maioribus  est 
tradüum  und  extremis  revpublieae  temporibus  perfugium  et  prae- 
sidium  salulis  verfochten  und  erklärt,  daß  er  in  gleicher  Lage, 
wenn  etwa  Labienus  einen  Aufstand  unternehmen  sollte,  ebenso 
verfahren  werde  —  er  konnte  damals  noch  nicht  ahnen,  daß  er 
sein  Wort  alsbal  I  werde  wahr  machen  müssen.  Der  Unterschied 
gegen  die  früheren  Vorgänge  war  nur  der,  daß  es  diesmal  dank 
seiner  Wachsamkeit  und  der  ergriffenen  Vorsichtsmaßregeln  nicht 
zum  offenen  Aufstande  in  Rom  selbst  gekommen,  die  Schuldigen 
nicht  mit  den  Waffen  in  der  Hand  festgenommen  waren;  aber 
ihre  Schuld  war  die  gleiche.  Daß  er  in  dieser  Lage  nicht  ohne 
Einwilligung  des  Senats  vorgehn  wollte,  ist  durchaus  begreif- 
lich. Die  rechtliche  Lage  wurde  dadurch  nicht  geändert,  die 
Verantwortung  für  das  Todesurteil  hatte  er  allein  zu  tragen; 
aber  er  wollte  den  Senat  zwingen,  sich  seiner  Auffassung  anzu- 
schließen, und  dadurch  zugleich  für  die  Gefahren,  die  ihm,  wie 
er  sehr  wohl  wußte,  in  Zukunft  drohten  —  das  hat  er  ganz  offen 
ausgesprochen  — ,  an  ihm  dauernd  einen  festen  Halt  gewinnen. 
Durch  die  Schonung,  die  er  Crassus  und  Caesar  angedeihen  ließ, 
hoffte  er  das  Schlimmste  zu  vermeiden,  und  darin  hat  er  sich 
allerdings  verrechnet. 


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Stellung  der  Parteihäupter  eu  Pompejos 


37 


Als  Nachspiel  folgte  dann  noch  eine  große  Anzahl  Prozesse 
^egen  die  mehr  oder  minder  Kompromittierten,  im  Anschluß  an 
die  Denunziationen  des  Curius  und  Vettius  (S.  32)  und  die  Aus- 
sagen Cäceros,  die  sich  bis  ins  nächste  Jahr  fortsetzten  und  meist 
mit  der  Verurteilung  zum  Exil  auf  Grund  der  lex  Plautia  de  vi 
endeten.  Bei  diesen  Prozessen  trifft,  wie  wir  gesehn  haben,  Cicero 
mit  Recht  der  Vorwurf,  daß  er  parteiisch  verfuhr  nicht  nur  aus 
politischen,  sondern  auch  aus  persönlichen  Gründen.  Seine  Aus- 
sage  war  in  der  Regel  entscheidend,  und  so  erhoben  nicht  nur 
die  Gegner,  sondern  auch  die  siegreiche  Partei  gegen  ihn  den 
begründeten  Vorwurf,  daß  er  eine  Willkürherrschaft,  ein  regnurn 
aufrichte. 

Pompejus'  Rückkehr  und  Bedrängnis 

Durch  die  Energie,  welche  die  Regierung  entfaltete,  wurde 
die  Insurrektion  im  Felde  rasch  unterdrückt  und  damit  die  un- 
mittelbare Gefahr  beseitigt.  Zugleich  waren  damit  die  Pläne 
des  Orassus  und  Caesars  begraben,  ihr  Versuch,  sich  eine  selb- 
ständige Macht  gegen  Pompejus  zu  schaffen,  definitiv  vereitelt. 
Und  inzwischen  rückte  Pompejus*  Rückkehr  immer  näher  heran 
und  war  die  Entscheidung  über  die  Zukunft  des  Staats  ausschließ- 
lich in  seine  Hand  gelegt.  Schon  war  im  Sommer  63  sein  Legat 
und  Schwager  Q.  Metellus  Nepos  in  Rom  eingetroffen  und  hatte 
sich  zum  Tribunen  wählen  lassen,  um  seinem  Meister  die  Wege 
zu  ebnen.  Als  Cato  das  erfuhr,  war  er  sofort  entschlossen,  den 
erwarteten  Staatsstreich  mit  allen  Mitteln  zu  bekämpfen,  und  ließ 
sich  daher  gleichfalls  zum  Tribunen  wählen1).  Andere  dachten 
anders.  Cicero  schickte  dem  Pompejus  einen  ausführlichen  Bericht 
über  die  Verschwörung,  die  im  dritten  Jahre  nach  ihrer  Ent- 
stehung endlich  zum  Ausbruch  gekommen  und  von  ihm  unterdrückt 
Bei*);  er  war  bereit,  dem  zukünftigen  Oberhaupt  der  Republik  als 

')  Plut.  Cato  20.   Cic.  pro  Murena  81. 

')  Cic  pro  Sulla  67:  Torquatos  hat  sich  auf  epistolam  meam  be- 
rufen, quam  ego  ad  Cn.  Pompeiutn  de  meis  rebus  gestis  et  de 
*umma  repttblica  misi;  in  diesem  Brief  furorem  incredibüem  biennio 
ante  conceptum  erupisse  in  meo  consulatu  scripsi. 


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38 


Das  Principat  des  Pompejus 


Ratgeber  in  derselben  Weise  zur  Seite  zu  stehn,  wie  Laelius  dem 
Scipio1).  Aber  er  erlebte  eine  schwere  Enttäuschung;  Pompejus 
antwortete  ganz  kühl  und  ohne  ein  Wort  der  Anerkennung  für 
Ciceros  Taten:  er  wollte  und  durfte  es  mit  den  Demokraten, 
deren  Programm  er  im  Jahre  70  akzeptiert  hatte,  nicht  verderben. 
Diese  waren  in  einer  peinlichen  Lage:  der  Bericht  des  Pompejus 
über  den  Abschluß  des  Krieges,  dem  sie  unendliche  Dauer  ge- 
wünscht hätten,  rückte  die  Gefahr,  daß  die  schöne  Zeit  ihres 
wüsten  Treibens  nun  zu  Ende  sei,  in  unmittelbare  Nähe*).  Crassus, 
ihr  geheimes  Oberhaupt,  gab  nach  dem  Scheitern  aller  seiner 
Entwürfe  alle  Hoffnung  auf;  er  brachte  Kinder  und  Schätze  in 
Sicherheit  und  ging  mit  ihnen  in  den  Orient3).  Caesar  war  in 
besserer  Lage ;  er  hatte  das  gabinische  und  das  manilische  Gesetz 
eifrig  unterstützt4),  und  der  Rückweg  zu  Pompejus  stand  ihm 
offen.  Schon  hatte  er  den  Antrag  der  Tribunen  Labienus  und 
T.  Ampius,  dem  Pompejus  die  bis  dahin  unerhörte  Ehre  zu  ge- 
währen, bei  allen  Festen  einen  goldenen  Lorbeerkranz  und  bei 
den  Circusspielen  das  Triumphalge  wand  zu  tragen,  nachdrücklich 
unterstützt  und  gegen  Ca  tos  Widerspruch  durchgesetzt5),  und 
damit  die  ihm  vom  Senat  auf  Ciceros  Antrag  bewilligten  zwei- 
maligen Dankfeste6)  überboten.  Für  das  nächste  Jahr  war  er 
zum  Praetor  gewählt,  und  spielte  als  solcher  im  Anschluß  an 
Metellus  Nepos  den  eifrigen  Pompejaner. 

Die  neuen  Tribunen  traten  am  10.  Dezember  63,  fünf  Tage 


')  Cicero  an  Pompeius  fam.  V  7. 

»)  Cicero  schreibt  an  Pompejus  V  7,  1 :  sed  hoc  sciio,  tucs  veteres 
hosiis,  novo8  amicoa  vehementer  litteris  percuisos  atque  ex  magna 
spe  deturbaios  iacere. 

*)  Plut.  Pomp.  48:  Kpdtaaos  to6{  ttallaz  xal  t4  ip^^iaxa.  Xaßuiv  öm£- 
'TjX&fv,  ettt  ftstaac  aX-r)&<üc,  tttt  fi&XXov,  u>$  iiöxsi,  ittauv  äicoXsinuiv  r$ 
8iaßoX$  xai  tiv  (pfrövov  «ot&v  tpax"tlPov-  Crassus  im  Jahre  62  in  Asien: 
Cic.  pro  Flacco  82. 

4)  Plut.  Pomp.  25.   Dio  86,  48. 

*)  Dio  37,  21.  Vellejus  II  40,  4.  Cato  äußerte  dabei  wegwerfend: 
bellum  illud  omne  Mithridaticum  cum  mulierculis  esse  gestum,  Cic. 
pro  Murena  81. 

•)  Cic.  prov.  cons.  27,  vgl.  Starrkopf,  Rhein.  Mus.  47,  1892,  468  ff. 


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1 

Agitation  für  Pompejot  Anfang  62  39 

nach  der  Hinrichtung  der  Catilinarier,  ihr  Amt  an.  Sofort  be- 
gann Meteilus,  der  schon  vorher  eine  aufhetzende  Volksrede  ge- 
halten hatte1),  die  Agitation  gegen  die  Regierung.  Er  stellte 
den  Antrag,  die  Kriegführung  gegen  Gatilina  dem  Pompejus  zu 
übertragen  und  ihm  zu  gestatten,  sich  abwesend  um  das  Consulat 
zu  bewerben1);  zugleich  richtete  er  die  heftigsten  Angriffe  gegen 
Cicero,  weil  er  römische  Bürger  ohne  gerichtliches  Verfahren 
hingerichtet  habe,  verbot  ihm,  am  letzten  Dezember  die  übliche 
Rede  an  das  Volk  zu  halten  —  Cicero  half  sich  bekanntlich  durch 
die  Fassung  des  Eides,  dessen  Ablegung  ihm  nicht  verboten 
werden  konnte  — ,  und  bedrohte  ihn  mit  einer  Anklage,  bis  der 
^  Senat  erklärte,  er  werde  jeden,  der  einen  von  den  an  der  Hin- 

richtung Beteiligten  zur  Rechenschaft  ziehen  wolle,  als  Staats- 
feind betrachten*).  Der  Streit  setzte  sich  am  1.  Januar  im  Senat, 
am  3.  vor  dem  Volk  fort4).  Nepos  wurde  von  dem  Tribunen 
L  Calpurnius  Bestia5)  und  dem  Praetor  Caesar  eifrig  unterstützt. 
Caesar  selbst  hatte  gleich  bei  seinem  Amtsantritt  am  1.  Januar 

')  Cic.  pro  Mnrena  81  in  einem  Appell  an  Cato:  iam  mint  hesterna 
contione  intonuit  vox  perniciosa  designati  tribuni,  contegae  tui. 
Der  Prozeß  de«  Mnrena  fallt  noch  vor  die  Hinrichtung  der  Catilinarier, 
in  den  November. 

")  Schol.  Bob.  p.  802  Orklu  zu  Cic.  pro  Sest.  62;  Plut.  Cic.  28 
=  Cato  26  und  Dio  87,  48,  1  erwähnen  nur  die  Berufung  mit  dem  Heer 
nach  Italien  gegen  Catilina. 

•)  Dio  37.  42. 

*)  Cicero  an  Metellus  Celer,  den  Bruder  des  Nepos,  ala  Praetor  63 
bei  der  Bekämpfung  Catilinas  eifrig  tätig,  jetzt  Statthalter  der  Narbo- 
nensia,  fam.  V  2,  wo  auch  die  übrigen  Vorgänge  erwähnt  sind.  Auf 
die  Szene  am  29.  Dezember  kommt  Cicero  oft  zurück,  so  in  Pis.  6  f. 
de  dorn.  94.  Die  Rede  gegen  Metellus,  aus  der  eine  Anzahl  Zitate  er- 
halten sind,  arbeitete  er  im  Januar  61  weiter  aus  (ad  Att.  I  18,  5). 
Worte  Cicero«  aus  den  Streitszenen  mit  Nepos  bei  Plut.  Cic.  26.  Dazu 
kommen  die  Berichte  bei  Dio  37,  88.  42  f.  Plut.  Cic.  26.  Cato  26  f. 

*)  Schol.  Bob.  294.  866.  Plut.  Cic.  23.  Er  gehörte  zu  den  Catilina- 
riern;  nach  Lentulus'  Plan  sollte  er,  wenn  Catilina  sein  Heer  bei  Faesulae 
▼ersammelt  hatte  (vgl.  dazu  Schwartz,  Hermes  32  ,  604  f.),  als  Tribun, 
also  nach  dem  10.  Dezember,  Cicero  in  einer  Volksrede  als  Urheber  des 
Bürgerkriegs  angreifen;  in  der  nächsten  Nacht  sollten  dann  die  Morde 
folgen:  Sallust  Cat.  43  und  daraus  Appian  II  3,  12. 


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40  Das  Principat  des  Pom  pejus 

eine  Untersuchung  über  den  Bau  des  capitolin lachen  Tempels 
durch  Catulus,  den  er  des  Unterschleifs  beschuldigte,  eröffnet 
und  den  Antrag  gestellt,  diesem  die  Leitung  zu  nehmen  und  sie 
dem  Pompejus  zu  übertragen,  auf  daß  dessen  Name  an  der 
stolzesten  Stelle  des  Erdkreises  prange.  Natürlich  widersetzte 
sich  die  Nobilität  dieser  Entehrung  ihres  angesehensten  Mit- 
gliedes mit  allen  Kräften;  in  Scharen  verließ  sie  die  neuen  Consuln 
und  strömte  in  die  Versammlung,  um  Caesar  Widerstand  zu 
leisten.  Da  ließ  dieser  seinen  Antrag  fallen,  an  dessen  Ausführung 
ihm  gar  nichts  lag:  er  hatte  sein  Ziel  erreicht,  sich  bei  Pompejus 
"  aufs  neue  in  Gunst  zu  setzen  und  einen  neuen  Keil  zwischen  ihn 
und  die  Optimaten  zu  treiben1). 

Um  bei  den  Massen  wieder  Halt  zu  gewinnen  und  sie  von 
Metellus  und  Caesar  abzuziehn,  bewirkte  Cato,  daß  der  Senat 
eine  gewaltige  Erhöhung  der  Getreidespende  an  die  haupt- 
stadtische Plebs  gewährte*).  Als  es  dann  über  Metellus  Nepos' 
Antrag  zur  Abstimmung  kam  und  dieser  und  Caesar  versuchten, 
die  Versammlung  in  üblicher  Weise  durch  ihre  bewaffneten  An- 
hänger, Gladiatoren  und  fremdes  Gesindel  zu  terrorisieren, 
bahnten  Cato  und  sein  Kollege  Minucius  Thermus,  begleitet  von 
Catos  treuem  Genossen  Munatius,  sich  den  Weg  aufs  Tribunal 
und  erzwangen  sich,  da  sie  als  Tribunen  unantastbar  waren, 
einen  Sitz  zwischen  Metellus  und  Caesar.  Mit  allen  gesetzlich 
zulässigen  Mitteln,  schließlich  indem  Thermus  dem  Nepos  den 
Mund  zuhielt,  verhinderten  sie  die  Verlesung  des  Antrags;  in 
der  folgenden  Prügelei  schritt  der  Consul  Murena  schützend  für 
sie  ein;  schließlich  gelang  es,  nach  manchen  Schwankungen  die 
Versammlung  zu  sprengen").  Daraufhin  erklärte  der  Senat  das 
Vaterland  in  Gefahr,  legte  Kriegsgewand  an,  und  gab  den  Consuln 


')  Sueton  Caes.  15,  der  die  genaue  Datierung  gibt;  Dio  87,  44;  vgl. 
Cic  ad  Att.  II  24,  8:  Caesar,  is  qui  olim,  praetor  cum  esset,  Q.  Catu- 
tum  ex  inferiore  loco  iusserat  dicere. 

*)  Plut.  Cato  26  =  Cae«.  8:  die  jahrliche  Ausgabe  wuchs  dadurch 
auf  Vit  Mill.  Denare. 

»)  Plut.  Cato  27  f.  Dio  87,  43.  Sueton  Ca«*.  16.  Cic.  pro  Sest.  62, 
▼gl.  11  f. 


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Pompejus'  Rückkehr 


41 


durch  das  senatusconsultum  ultimum  Vollmacht  zum  Ein- 
8C breiten :  Nepos  und  Caesar  wurden  von  ihren  Ämtern  sus- 
pendiert. Nepos  hatte  jetzt  erreicht,  was  er  erstrebte,  einen 
populären  Vorwand  für  die  Eröffnung  des  Bürgerkriegs  wegen  Ver- 
letzung der  tribunicischen  Gewalt;  nach  einer  Anklagerede  gegen 
Gato  und  den  Senat  verließ  er  Rom  und  ging  zu  Pompejus1). 

Caesar  ignorierte  den  Beschluß  und  fuhr  fort  zu  amtieren; 
als  aber  seine  Anhänger  Gewalt  gebrauchen  wollten,  lehnte  er 
das  ab,  zog  sich  in  sein  Haus  zurück,  und  mahnte  zur  Ruhe; 
er  hatte  garkeinen  Anlaß,  die  Dinge  noch  weiter  zu  treiben. 
Die  Folge  war,  daß  der  Senat  ihm  seinen  Dank  aussprach  und 
die  Suspension  zurücknahm,  und  kurz  darauf  die  Denunziationen 
des  Curius  und  Vettius  wegen  seiner  Beteiligung  an  der  catili- 
narischen  Verschwörung  (oben  S.  32)  ablehnte*).  Auch  gegen 
Metellus  Nepos  unterließ  man  weitere  Schritte;  Gato  verhinderte 
seine  Absetzung  als  eine  zwecklose  Rache,  die  nur  Pompejus 
noch  weiter  gereizt  haben  würde*). 

Nach  diesen  Szenen  im  Januar  verlief  der  Rest  des  Jahres 
ruhig,  in  banger  Erwartung  dessen,  was  kommen  würde.  Auf 
Pompejus  freilich  nahm  man  keine  Rücksicht  mehr;  die  Ab- 
sicht, ihm  das  Kommando  gegen  Oatilina  zu  übertragen,  war 
durch  dessen  rasche  Besiegung  von  selbst  beseitigt,  und  als  er 
die  Bitte  aussprach,  man  möge  die  Consulwahlen  bis  zu  seiner 
Ankunft  verschieben,  damit  er  die  Bewerbung  seines  Legaten 
M.  Pupius  Piso  unterstützen  könne,  wurde  das  Gesuch  auf  Catos 
Betreiben  abgelehnt4).  Piso  wurde  freilich  trotzdem  gewählt. 
Auch  gelangte  Pompejus'  Gegner  Metellus  Creticus  jetzt  endlich 
zum  Triumph,  wie  Lucullus  im  Jahre  63. 


•)  Plut.  Cato  28  f.  Dio  37,  43.  3  f. 
■)  Sueton  Caes.  16  f. 

')  Plnt.  Cato  29.  Auch  Cicero  hat,  wie  er  dem  Metellus  Celer 
schreibt  (fam.  V  2,  9  f.),  für  die  gestimmt,  qui  mihi  lenissime  sentire 
visi  sunt  . . .  aique  etiam  ut  ita  fleret  pro  tnea  parte  adiuvi,  ut 
senati  consulto  mens  inimicus,  quia  tuus  frater  erat,  sublevaretur. 

*)  Plut.  Cato  80  =  Pomp.  44.  Dios  Angabe  87,  44,  8,  der  Auf- 
schub sei  gewährt  worden,  ist  ein  durch  Flüchtigkeit  entstandenes  Versehn. 


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42 


Das  Principat  des  Pompejus 


Aber  die  Erwartungen  und  Befürchtungen,  die  sich  an  Pom* 
pejus*  Rückkehr  knüpften,  erfüllten  sich  nicht.  Ob  er  selbst 
den  Gedanken  an  einen  Staatsstreich,  so  nahe  er  lag1),  überhaupt 
ernstlich  erwogen  hat,  gestattet  unser  Material  nicht  zu  erkennen. 
Wohl  hatte  er  durch  Nepos'  Vorgehn  einen  Vorwand  derselben 
Art,  wie  ihn  Caesar  im  Jahre  49  ergriffen  hat,  um  den  Bürger- 
krieg zu  eröffnen.  Aber  es  ist  nicht  zu  vergessen,  daß  Caesar 
um  seine  Existenz  kämpfte  und  nach  jedem  Vorwand  greifen 
mußte,  der  sich  bot ;  Pompejus  dagegen  besaß  eine  Machtstellung, 
die  niemand  anzutasten  wagte.  Von  einer  Zwangslage,  wie  bei 
Caesar,  konnte  bei  ihm  keine  Rede  sein;  er  hätte  den  Konflikt 
vom  Zaun  brechen,  ohne  dringenden  Anlaß  die  Insurrektion  be- 
ginnen müssen,  und  davor  wäre  vielleicht  auch  Caesar  in  gleicher 
Lage  zurückgeschreckt. 

Noch  viel  wesentlicher  aber  ist,  daß  ein  solches  Vorgehn 
seiner  gesamten  Auffassung,  seinem  Naturell  und  seinen  Ten- 
denzen, wie  wir  schon  gesehn  haben,  absolut  widersprach.  Er 
war  jetzt  anerkanntermaßen  der  erste  Bürger,  der  princeps  der 
Republik8);  der  widerstrebenden  Nobilität  und  dem  Senat  hatte 
er  seine  Macht  gezeigt  und  sie  gedemütigt,  auf  die  resultatlosen 
Umtriebe  seiner  Konkurrenten,  des  Crassus  und  Caesar,  konnte 
er  mit  vollem  Recht  geringschätzig  herabsehn;  seine  natürliche 


')  Plut.  Pomp.  48:  Xoyot  Ii  navtoiaKol  jctpl  xoO  nofitrrjun  itposfatictov 
tl{  r}|v  'PtofiYjv,  xat  d4poßo{  -Jjv  soXög  u>t  t&{K>c  5{ovtO{  tsl  rijv  rcöXtv  ti 
otpdrttojia  nal  jjwvap^ia^  ßtßata^  iaojiivqc.  Dio  87,  20,  4  ff. :  obwohl  Pom- 
pejus, gestützt  auf  die  Machtmittel  des  Ostens,  die  Herrschaft  über 
Italien  und  Rom  hatte  ergreifen  können  t«iv  jiiv  icXibttov  i&tWci  5v 
aötiv  it5ajJttvu>v,  «1  8i  xeü  ivtiot^aiv  tivt^,  aXX*  6*'  «bJVtvttai;  ft  icavtiu;  3v 
OfioXo-rijoavtuiv,  oox  T4ßooX^diQ  toöto  not-rjsai.  Velleius  II  40:  plerique  non 
sine  exercitu  venturum  in  urbem  afflrmarant  et  libertati  publicae 
8tatuturum  arbitrio  suo  modum.  quo  magis  hoc  homines  timuerant, 
eo  gratior  civilis  tanti  imperatoris  reditus  fuit. 

*)  Schon  im  Jahre  78  läßt  Sallust  den  Tribunen  Licinius  Macer  in 
seiner  Rede  an  die  Plebs  §  23  sagen:  mihi  quidem  satis  spectatum 
est,  Pompeium,  tantae  gloriae  adolescentem,  malle  principem  volen- 
tibus  Vobis  esse,  quam  Ulis  dominationis  socium.  Mit  Unrecht  sieht 
Neuiunh,  Hermes  32,  1897,  314  f.  in  diesen  Worten  einen  Anachronis- 
mus und  sucht  in  ihnen  eine  Anspielung  auf  Octavian. 


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Ponipejus'  Rückkehr  und  Stellung  43 

Stellung  aber  war  die  des  Oberhaupts  der  legitimen  Partei,  wie 
sie  Sulla  eingenommen  hatte.  Als  das  Schwert  der  Republik 
war  er  allgemein  anerkannt,  und  niemand  kann  zweifeln,  daß, 
wenn  aufs  neue  eine  große  Aufgabe  aufgetaucht  wäre,  wie  der 
Seeräuberkrieg  und  der  Krieg  gegen  Mithridates  und  Tigranes, 
ihm,  ohne  daß  er  sich  anzustrengen  brauchte,  der  Oberbefehl 
übertragen  worden  wäre.  Jetzt  konnte  er  erwarten,  daß  auch 
im  Innern  aller  Widerspruch  verstummen,  daß  man  sich  frei- 
willig seiner  Leitung  und  seinen  Wünschen  fügen,  das  natürliche 
Bündnis  zwischen  ihm  und  dem  Senat  herstellen  werde  —  und 
im  andern  Falle  konnte  er  diesen  immer  durch  seine  Verbindung 
mit  der  Demokratie  und  den  jederzeit  zur  Erregung  von  Unruhen 
in  seinem  Interesse  bereiten  Strebern  zur  Nachgiebigkeit  zwingen, 
wie  eben  noch  wieder  Caesars  Verhalten  gezeigt  hatte;  wie  sollte 
er  also  einen  Staatsstreich  wagen  und,  indem  er  sich  freiwillig 
,  außerhalb  des  Gesetzes  stellte,  seine  ganze  in  zwanzigjähriger 

Arbeit  gewonnene  Stellung  ohne  Not  aufs  Spiel  setzen!  Er 
folgte  nur  den  natürlichen  Bedingungen  seiner  Existenz,  wenn 
er  nach  der  Landung  in  Brundisium  im  Dezember  62  sein  Heer 
entließ  und  langsam  und  feierlich,  ohne  militärisches  Gefolge, 
nach  Rom  zurückkehrte,  um  außerhalb  des  Pomeriums  seinen 
Einzug  im  Triumph  abzuwarten1). 

In  diesen  politischen  Erwägungen  hatte  er  sich  allerdings  ver- 
rechnet. So  gesichert  seine  militärische  Stellung  in  jeder  großen 

')  In  MomiSKTts  Urteil :  »Wenn  es  ein  GlQck  ist,  eine  Krone  mühelos 
zu  gewinnen,  so  hat  das  Glück  nie  mehr  für  einen  Sterblichen  getan, 
als  es  für  Pompejus  tat ;  aber  an  den  Mutlosen  verschwenden  die  Götter 
alle  Gaben  umsonst,"  ist  eben  die  Voraussetzung  falsch,  daß  Pompejus 
nach  der  Krone  gestrebt  habe;  er  hatte  sie,  wenn  sie  ihm  geboten  wurde, 
mit  ungeheuchelter  Entrüstung  von  sich  gewiesen.  In  dem  weiteren 
Satz:  „Die  schon  überwundenen  Mitbewerber  konnten  abermals  den 
Wettlauf  beginnen,  wobei  wohl  das  Wunderlichste  war,  daß  in  diesem 
Pompejus  wieder  mitlief"  tritt  die  innere  Brüchigkeit  seiner  Auffassung 
klar  zutage;  der  Appell  an  das  .Wunderliche*  verzichtet  eben  auf  eine 
Erklärung.  In  Wirklichkeit  meinte  Pompejus  keineswegs  »wieder  mit- 
zulaufen*, sondern  vielmehr  bereits  am  Ziel  zu  sein;  und  auf  die  .Wett- 
läufer' sah  er  von  seiner  Höhe  geringschätzig  herab  —  bis  er  ent- 
deckte, daß  es  zu  spät  war. 


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44 


Das  Principal  des  Pompejus 


Krisis  war,  so  unsicher  war  seine  Stellung  in  dem  Alltagsgetriebe 
der  inneren  Politik,  dem  er  bisher  so  gut  wie  ganz  fremd  geblieben 
war  —  denn  in  den  Jahren  69  und  68,  nach  seinem  Consulat, 
hatte  er  sich  meist  von  den  Geschäften  ferngehalten1).  Natür- 
lich wandten  sich  alle  Koterien  und  alle  Politiker,  so  sehr  sie 
sich  sonst  befehdeten,  einmütig  gegen  den  unbequemen  Eindring- 
ling in  ihre  Kreise  und  versuchten  auf  jede  Weise,  sich  von  dem 
Druck  zu  befreien,  mit  dem  er  auf  ihnen  lastete;  auch  Crassus, 
der  aus  seiner  unnötigen  Selbstverbannung  zurückkehrte,  nahm 
den  Kampf  gegen  seinen  Rivalen  wieder  auf.  Die  Gehilfen,  die 
Pompe  jus  ihnen  entgegenstellen  konnte,  waren  wenig  geeignet, 
und  er  nicht  imstande,  sie  richtig  zu  instruieren  und  zu  leiten; 
er  selbst  kam  aus  dem  unsicheren  Tasten  nicht  heraus  und  ver- 
darb seine  Lage  noch  weiter,  indem  er  seine  Protektion  nicht 
nur  Unwürdigen  und  Unbrauchbaren  zuteil  werden  ließ  —  das 
taten  mit  Ausnahme  Catos  alle  andern  auch,  Catulus  und  Cicero 
so  gut  wie  Crassus  und  Caesar  — ,  sondern  dabei  das  äußere 
Decorum  nicht  zu  wahren  wußte  und  sich  durch  Ungeschick 
fortwährend  Blößen  gab*). 

Gleich  nachdem  er,  Mitte  Januar  61,  vor  Rom  eingetroffen 
war,  trat  die  Unsicherheit  seiner  Stellung  deutlich  zutage.  Als  offi- 
zieller Vorfechter  der  Demokratie  hatte  er  sich,  dem  Vorgehn  des 
Metellus  Nepos  entsprechend,  zunächst  ablehnend  gegen  das  Ver- 
fahren des  Senats  in  den  catilinarischen  Händeln  und  gegen  Cicero 
verhalten*).  Aber  als  er  dann  auf  Veranlassung  seines  Agenten, 


•)  Plut.  Pomp.  28. 

*)  Plut»  Pomp.  46:  "SJv  fip  ix  Kpoo-nxovtcuv  aoto«  exrr,oato  Wvajuv 
iv  KÖXti ,  xaorjj  ypcLjitvo^  iitip  äXkutv  ob  dtxa'.a>c  t  ooov  txsivoic  lo^oo? 
jtposEtiö-ai  4*otoö  8ö&*r){  ä?atp(vv,  rXad*  föwi  [ityi&tt  aüxoü 
8ov&tiKu>c  xataXod*^.   Ciceros  Korrespondenz  bestätigt  das  durchweg. 

')  Dem  entspricht  es.  daß  Cicero  in  dem  Brief  an  Atticus  am 
1.  Januar  61  (I  12)  erwartet,  Pompejus  werde  für  die  Abberufung  des 
C.  Antonius  aus  Macedonien,  dessen  Amte  jähr  jetzt  zu  Ende  ging,  ein- 
treten :  mihi  Pompeiani  prodromi  nuntiant,  aperte  Pompeium  ac- 
turum  Antonio  succedi  oportere,  eodemqtte  tempore  (iget  praetor  ad 
populum.  Cicero  ist  daher  sehr  besorgt,  daß  er  das  Geld,  das  Antonius 
ihm  Tersprochen  hat,  nicht  bekommen  wird  (Teucris  illa  —  unter 


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Pompejus  und  die  Parteien 


45 


des  Consuls  Pupius  Piso,  von  dem  Tribunen  Fufius  Calenus,  einem 
Manne,  der,  so  wenig  uns  seine  Persönlichkeit  genauer  faßbar  ist, 
durchweg  als  einer  der  Hauptvertreter  der  demokratischen  Partei 
und  Anhänger  Caesars  erscheint,  aufgefordert  wurde,  Bich  in  einer 
Volksversammlung  über  die  Gestaltung  des  Gerichtshofs  in  den 
clodianißchen  Händeln  zu  äußern,  machte  er  aus  seiner  wahren 
Gesinnung  kein  Hehl:  „er  redete  sehr  aristokratisch  und  erklärte 
mit  großem  Wortschwall,  die  Ansicht  des  Senats  sei  ihm  wie  immer 
so  auch  jetzt  von  der  größten  Bedeutung"1).  Natürlich  waren  die 
Demokraten  über  diese  Erklärung  schwer  enttäuscht,  und  ebenso 
die  Geldleute,  deren  Geschäfte  in  dem  anarchischen  Treiben 
blühten;  die  Optimaten  dagegen  konnten  aufatmen  und  sahen 
zugleich,  daß  sie  mit  ihm  leichtes  Spiel  haben  würden.  So  Heß  die 
Rede  kalt ;  er  hatte  selbst  sein  Anselm  untergraben*).  Er  erkannte, 
daß,  wenn  er  in  diesen  Kreisen  etwas  erreichen  wolle,  er  persön- 
liche Beziehungen  anknüpfen  müsse.  Vor  allem  suchte  er  Cato 
zu  gewinnen,  dessen  energisches  und  erfolgreiches  Auftreten  ihm 
imponierte;  er  warb  für  sich  und  seinen  Sohn  um  die  Hand  seiner 
beiden  Nichten,  wurde  aber  von  Cato  stolz  abgewiesen*).  Auch 


diesem  Pseudonym  verbirgt  sich  entweder  Antonius  selbst  oder  einer  seiner 
Agenten  —  lentutn  sane  negotium  cet.),  und  erklärt  dem  Antonius 
selbst  in  dem  bitterbösen  Brief  fam.  V,  5,  alsdann  nichts  mehr  ftir  ihn 
tun  zu  können;  ebenso  an  Atticus  I  12  res  eiusmodi  est,  ut  ego  nec 
per  bonorum  nec  per  populärem  existimationem  honeste  possim 
hominem  defendere,  nec  mihi  libeat,  quod  vel  maximum  est.  Am 
25.  Januar  hat  er  wieder  Hoffnung  (Att.  I  13,  6  Teucris  illa  lentum 
negotium  est,  sed  tarnen  est  in  spe) ;  am  15.  Februar  ist  das  Geld  ein- 
getroffen (Att.  I  14,  7  Teucris  promissa  patrav-il).  Antonius  wurde 
bekanntlich  bis  Ende  60  in  seiner  Provinz  gelassen,  und  dann  hat  ihn 
Cicero  verteidigt,  freilich  ohne  Erfolg. 

')  ad  Att.  I  14  (18.  Februar):  tum  Pompeius  fiiX*  aptatoxf.w.xü.<; 
locutus  est  senatusque  auctoritatem  sibi  omnibus  in  rebus  maximam 
videri  semperque  visam  esse  respondit,  et  id  multis  verbis. 

*)  ib.  prima  contio  Pompei  qualis  fuisset,  scripsi  ad  te  antea 
(der  Brief  ist  verloren),  non  iucunda  miseris,  inanis  improbis,  beatis 
non  grata,  bonis  non  gravis;  Uaque  frigebat. 

•)  Plut.  Pomp.  44  =  Cato  80  (vgl.  45).  Kurz  vorher  hatte  er  seiner 
dritten  Gemahlin  Mucia  den  Scheidebrief  geschickt  (Plut.  Pomp.  42.  Cic. 


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46 


Das  Principat  des  Pompejus 


Cicero  trat  er  näher.  Schon  unterwegs  hatte  er  nicht  gewagt, 
sein  Verhalten  zu  tadeln,  und  sich  daher  bequemen  müssen,  ihn 
zu  loben1),  und  schon  am  1.  Januar  hatte  Cicero  behauptet,  es 
sei  sicher,  daß  Pompejus  ihm  sehr  wohlwollend  gesinnt  sei'); 
jetzt  machte  er  sich  augenfällig  an  ihn  heran,  überschüttete  ihn 
mit  Lobsprüchen,  von  denen  Cicero  sehr  wohl  erkannte,  was  sie 
wert  waren3),  und  nahm  seinen  Sitz  im  Senat  neben  ihm;  die 
aufrührerische  Jugend  nannte  ihn  daher  höhnend  Gnaeus  Cicero4). 
Es  kam  zu  so  kostbaren  Szenen,  wie  in  der  Sitzung  gegen  Mitte 
Februar,  im  Anschluß  an  die  Volksversammlung,  in  der  Pom- 
pejus geredet  hatte,  als  dieser  von  dem  aristokratisch  gesinnten 
Consul  Messalla  aufgefordert  wurde,  sich  weiter  über  die  in  der 
Sache  des  Clodius  ergriffenen  Maßnahmen  zu  äußern.  Pompejus 
versuchte,  mit  unbestimmten  Wendungen,  in  denen  er  sich  ganz 
im  allgemeinen  über  die  Senatsbeschlüsse  billigend  aussprach, 
davonzukommen;  damit  habe  er,  wie  er  Cicero  zuflüsterte,  seiner 
Meinung  nach  auch  „über  diese  Deine  Affäre",  d.  h.  über  das 
Vorgehn  gegen  die  fotüinarier,  genug  gesagt6).  Da  ergriff  Crassus 
die  Gelegenheit,  Pompejus  zu  ärgern,  und  hielt  eine  lange  Lob- 

Att.  112,  8),  die  ihm  in  Üblicher  Weise  die  Treue  nicht  gehalten  hatte; 
nach  allgemein  verbreiteter  Ansicht  hatte  sie  sich  unter  andern  mit 
Caesar  eingelassen  (Sueton  Caes.  50). 

')  An  Atticus  I  13,  4  (25.  Januar)  tuus  auiem  ille  amicus  —  sein 
quem  dicam  ?  — ,  de  quod  tu  ad  me  scrip»isti,  postea  quam  non 
änderet  reprehendere,  laudare  coepisse. 

s)  Att.  I  12.  8:  Pompeium  nobis  arnicissimum  constat  esse. 

')  Att.  I  13,  4:  Tuus  amicus  . . .  nos,  ut  ostendU,  admodum 
düigit,  ampleciitur,  antat,  aperte  laudat,  oeeuite,  sed  ita  ut  perspi- 
euum  sit,  invidet.  nihil  come,  nihil  simplex,  nihil  iv  toi«  iroXttwot« 
honestum,  nihil  illustre,  nihil  forte,  nihil  liberum. 

*)  ad  Att.  I  16,  11  (Sommer  61):  accedit  illud,  quod  illa  contio- 
nalis  hirudo  aerari,  misera  ac  ieiuna  plebecula,  me  ab  hoc  Magno 
unice  diligi  putat,  et  hercule  multa  et  iueunda  consuetudine  con- 
iuneti  inier  nos  sumus,  usque  eo  ut  nostri  isti  comissatores  con- 
iurationis,  barbatuli  iuvenes,  illum  in  sermonibus  Gnaeum  Cice- 
ronem  appeüent. 

')  Att.  1 14,  2:  locutus  ita  est  in  senatu,  ut  omnia  iüius  ordinis 
consulta  -rsvtxäc  laudaret,  mihique,  ut  adsedit,  dixit  se  putare  satis 
ab  se  etiam  de  istis  rebus  esse  responsum. 


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■ 


Der  Prozeß  des  Clodius  47 

rede  auf  Cicero,  dessen  Consulat  er  sein  und  der  Seinen  Leben 
verdanke.  Natürlich  konnte  dann  Cicero  nicht  schweigen;  alle 
seine  schönen  Phrasen  und  Selbstberäucherungen  mußte  der  ge- 
duldige Senat  über  sich  ergehen  lassen;  er  wollte  dem  Neuling 
Pompejus  seine  Bedeutung  eindrmglich  unter  die  Nase  reiben, 
und  gab  sich  nach  solchen  Szenen  allen  Ernstes  der  Illusion  hin, 
daß  er  selbst  wirklich  die  zentrale  Stellung  im  Staatsleben  ein- 
nehme und  der  Senat  verehrungsvoll  seiner  Leitung  folge1). 

Im  übrigen  war  man  die  erste  Hälfte  des  Jahres  hindurch  voll- 
auf beschäftigt  mit  den  aus  dem  bekannten  Sakrileg  des  Clodius 
beim  Fest  der  Bona  Dea  Anfang  Dezember  62  entstandenen 
Händeln,  aus  deren  Behandlung  auch  die  eben  geschilderte  Dis- 
kussion hervorgegangen  war.  Der  Consul  Messalla  und  der  Senat, 
Cato  voran*),  forderten  strenge  Untersuchung  und  Bestrafung; 
Clodius  fand  Unterstützung  bei  den  Tribunen,  namentlich  bei 
Fufius  Calenue,  und  lauer  auch  bei  dem  Consul  Pupius  Piso,  aber 
auch  bei  Optimaten,  wie  C.  Curio  (cos.  76)  und  vor  allem  bei  dessen 
jungem  Sohn,  der  gleich  hier  bei  seinem  ersten  Auftreten  sein 
demagogisches  Talent  zeigte.  So  organisierte  Clodius  die  Banden 
der  Catilinarier  für  Bich,  rückte  in  zahlreichen  Reden  den  vor- 
nehmen Gegnern  auf  den  Leib  und  suchte  das  Gesetz  über  die 
Bildung  des  Gerichtshofs  zu  Fall  zu  bringen.  Schließlich  wurde 
das  Gesetz  in  abgemilderter  Form  angenommen,  aber  im  Mai  61 
Clodius  von  dem  offenkundig  bestochenen  Gerichtshof  frei- 
gesprochen3); Crassus  hatte  binnen  zwei  Tagen  das  Geld  und 
die  sonstigen  Verführungsmittel  bereitgestellt4).  Bei  diesen 
Händeln  hat  Cicero  den  größten  politischen  Fehler  seines  Lebens 

>)  Att.  1  14,  8  f. 

•)  Att.  I  13,  8.  15,  5  f. 

»)  ad  Att.  I  16.  Nächst  Ciceros  Briefen  ist  die  Hauptquelle  der  in 
den  schol.  Bob.  erhaltene  Kommentar  zu  seiner  Rede  in  Clodium  et 
Curionem  (die  im  J.  58  wahrend  Ciceros  Exil  gegen  Beinen  Willen  ver- 
öffentlicht wurde,  was  ihm  schwere  Sorge  machte,  ad  Att.  III  12,  2.  15,  3). 
Ferner  Plut.  Cic.  28  ff.  Caes.  9  f.  Liv.  103.  Dio  87,  45  f.  51.  Sueton 
Caes.  6.  74. 

4)  Cic.  Att.  I  16,  5,  wo  Crassus  unter  dem  rätselhaften  Namen 
Calvus  verhüllt,  aber  im  übrigen  ganz  unzweideutig  bezeichnet  ist. 


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48  Daa  Principat  des  Pompe  jus 

begangen,  für  den  er  schwer  büßen  mußte.  Zu  Anfang  hatte  er 
den  Vorfall  als  eine  amüsante  Skandalaffäre  betrachtet,  ohne 
sich  weiter  darüber  aufzuregen1).  Aber  seine  Frau  Terentia  war 
eifersüchtig  auf  Clodius*  Schwester,  die  zweite  der  drei,  die  be- 
rüchtigte Bo&ku  oder  Quadrantaria,  Gemahlin  des  Metellus  Celer, 
die  unter  andern  auch  den  geistvollen  Redner  in  ihre  Netze  zu 
ziehen  suchte;  Terentia  fürchtete,  Cicero  wolle  sich  von  ihr 
scheiden8).  Um  den  Hausfrieden  wieder  herzustellen,  redete 
sich  Cicero  immer  heftiger  in  die  Entrüstung  über  Clodius* 
Frevel  hinein,  griff  ihn  aufs  stärkste  an  und  gab  vor  Gericht 
eine  entscheidende  Zeugenaussage,  die  Clodius*  Versuch,  ein 
Alibi  nachzuweisen,  widerlegte;  auch  nachher  ließ  er,  von  der 
sensationslüsternen  Nobilität  unterstützt,  keine  Gelegenheit  zu 
neuen  Angriffen  und  Zänkereien  vorüber.  Durch  dies  Verhalten 
haben  Cicero  und  die  Nobilität  ihren  erbittertsten  Gegner  selbst 
großgezogen;  statt  den  Vorfall  als  eine  Skandalaffäre  zu  be- 
handeln, machten  sie  eine  politische  Aktion  daraus,  die  den  Staat  , 
auch  nachdem  sie  gerichtlich  beendet  war,  noch  jahrelang  in 
fortdauernder  Erregung  hielt.  Ganz  anders  verfuhr  Caesar.  Er 
empfand  in  diesen  Dingen  so  völlig  kühl,  daß  er  in  dem  Mann,  der 
seine  Frau  zum  Ehebruch  verfuhrt  hatte,  eben  darum  ein  ge- 
eignetes politisches  Werkzeug  erkannte,  das  er  in  seiner  Gewalt 
hatte  und  ausnutzen  konnte.  Er  schickte  zwar  der  Pompeia 
sofort  den  Scheidebrief1),  erklärte  aber,  er  wisse  von  gnrnichts 

')  ad  Att.  I  12,  3,  wo  er  den  Vorfall  kurz  erzahlt  mit  dem  Zusatz: 
rem  esse  insigni  infamia,  quod  te  tnoleste  ferre  certo  scio.  Ebenso 
13,  8:  boni  viri  precibus  Clodi  removentur  a  causa,  operae  compa- 
rantur,  nosmet  ipsi,  qui  Lycurgei  a  principio  fuissemus  (!),  cotidie 
demitigamur;  insiat  et  urget  Caio.  quid  tnulta?  vereor  ne  haec  ne- 
glecta  a  bonis,  defensa  ab  improbis,  magnorum  reipublicae  malorum 
causa  sÜ.  Damit  vergleiche  man  den  ganz  andern  Ton  der  folgenden 
Briefe. 

■)  Plut.  Cic.  29,  mit  der  völlig  treffenden  Bemerkung  o5  jivjv  i&owi 
^apruptiv  6  Ktxipiov  8tä  tvjv  AXirj&tiav,  itpo$  ri^v  a6toö  yovalxa  Teptv- 

tiav  &KoXoTo6fitvoc.  Es  liegt  nicht  der  mindeste  Grund  vor,  die  Richtig- 
keit der  bei  Plutarch  folgenden  Angaben  zu  bezweifeln,  wie  das  z.  B. 
Drumann  getan  hat. 

•)  Cicero  berichtet  das  an  Atticus  I  18,  3  am  25.  Januar. 


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Die  SeuaUpDlitik  im  Jahre  61 


40 


und  habe  seine  Frau  nur  entlassen,  weil  Caesars  Gemahlin  auch 
vom  Verdacht  rein  sein  müsse1). 

Mit  derartigen  Dingen  vertrödelte  der  Senat  seine  Zeit.  Noch 
einmal  hatte  die  Gunst  des  Geschicks  ihm  eine  Frist  gewährt, 
in  der  er  seine  Herrschaft  hätte  wiedergewinnen  und  sicherstellen 
können:  er  hat  sie  nicht  ausgenutzt.  Es  war  ihm  ebensowenig 
und  noch  weniger  als  dem  Pompejus  möglich,  ein  positives 
Programm  aufzustellen;  er  vermochte  nur  zu  negieren,  und  ließ 
sich  im  übrigen  von  den  Dingen  des  Alltags  treiben,  statt  die 
Geschicke  des  Staats  zu  lenken.  So  kam  selbst  die  laufende  Ver- 
waltung immer  mehr  ins  Stocken;  wurde  doch  im  Februar  61 
beschlossen,  die  Ausstattung  der  praetorischen  Provinzen,  die 
Verhandlungen  über  die  Gesandten  usw.  auszusetzen,  bis  das 
Gesetz  über  die  Bildung  des  Gerichtshofs  für  den  clodi sehen 
Handel  angenommen  sei*).  Der  Ausgang  des  Prozesses  war  dann 
für  das  Ansehn  des  Senats  ein  schwerer  Schlag;  Cicero,  der  vor- 
her den  Senat  als  einen  Areopag  gepriesen  hatte3)  und  sich  auch 
nachher  noch  einbildete,  durch  seine  Angriffe  auf  Clodius  und 
Curio  den  Senat  wieder  aufgerichtet  und  das  Unheil  überwunden 
zu  haben4),  versinkt  zu  Ende  des  Jahres  immer  mehr  in  eine 
pessimistische  Stimmung:  die  Gestaltung  der  Dinge,  so  bezeichnet 
er  die  Lage  ganz  richtig,  zwinge  zu  der  Erkenntnis,  daß  der 
römische  Staat  nicht  länger  bestehn  könne6).    Die  Censur,  die 

')  Sueton  Caes.  74.  Dio  37,  45.  Plut.  Caes.  10  -  Cic.  29.  Vgl.  Cic. 
de  har.  resp.  38:  hominibus  iniuria  tui  stupri  inlata  in  ipsos  dolori 
non  fuit. 

*)  Cic.  Att.  I  14.  5  (18.  Februar):  senatus  et  de  provinciin  \rrae- 
torum  et  de  legationibus  et  de  ceteris  rebus  decernebat,  ut  ante 
quam  rogatio  lata  esset  ne  quid  ageretur.  Darunter  hatte  auch 
Caesar  zu  leiden,  s.  unten  S.  56. 

*)  Ib.  senatus  "Apuo«  «oyos:  nihil  constantiiis,  nihil  severius, 
nihü  fortius. 

*)  Att.  I  16,  8:  .Durch  meine  Angriffe  auf  die  bestochenen  Richter 
omnem  omnibus  stttdiosis  ae  fautoribus  illius  tictoriae  itapp^otav 
eripui,  . . .  senatum  ad  pristinam  severitatem  suam  revoeavi  atque 
abiectum  excitavi. 

■)  Att.  I  IS,  2  (20.  Januar  60):  nam,  ut  en  breviter  quae  post 
tmttn  discessum  acta  sunt  colligam,  iam  evclamas  necesse  est,  res 

Meyer,  Caesars  Monarchie.  4 


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50 


Das  Principat  des  Pom  pejus 


jetzt  wieder  amtierte,  versagte  vollständig;  die  Cenaoren  —  wir 
kennen  nicht  einmal  ihre  Namen  —  gingen  jedem  Konflikt  da- 
durch ans  dem  Wege,  daß  sie  alle  gewesenen  Beamten  unbesehn 
in  die  Senatsliste  aufnahmen1).  Bin  Lustrum  brachten  sie  so 
wenig  zustande,  wie  ihre  Vorgänger  und  Nachfolger.  Vergebens 
versuchte  man  neue  scharfe  Gesetze  gegen  die  Bestechlichkeit 
der  Richter  und  gegen  den  Stimmenkauf  bei  den  Wahlen  durch- 
zubringen*). Dadurch  wurden  nur  die  ritterlichen  Kapitalisten 
gereizt,  die  in  diesen  Dingen  ihre  Geschäfte  machten.  Überdies 
verlangten  sie,  von  Crassus  gestützt,  eine  Herabsetzung  der  Pacht- 
summe für  die  asiatischen  Steuern,  bei  deren  Pachtung  sie  sich 
maßlos  überboten  hatten.  Cicero,  der  zeitlebens  mit  diesen 
Kreisen,  aus  denen  er  hervorgegangen  war,  in  enger  Ver- 
bindung stand8),  trat  dafür  um  der  Eintracht  willen  ein,  obwohl 
er  die  Forderung  für  schmachvoll  erklärte.  Aber  Cato 
trat  mit  unermüdlicher  Ausdauer  dagegen  auf,  „als  ob  er  in 
Piatos  üoXtteta,  nicht  in  der  Hefe  des  Romulus  lebe",  und 
verhinderte  durch  Dauerreden  jede  Beschlußfassung,  so  daß  auch 
alle  andern  Geschäfte  dadurch  wieder  ins  Stocken  kamen«).  So 
verlor  der  Senat  die  Unterstützung  durch  die  materiellen  Inter- 
essen, die  er  bei  der  Unterdrückung  der  Catilinarier  durch  die 
Angst  vor  den  Mordbrennern  momentan  gewonnen  hatte.  Die 
längst  gewünschte*)  Aufhebung  der  drückenden  italischen  Hafen- 
zölle mußte  man  im  Jahre  60  endlich  zulassen;  aber  der  Regierung 


RomanasdiuÜU88tarenonpo88e.  Vgl.  schon  vorher  1 17,8  (5.  Dezember  61): 
iws  hic  in  republica  inflrma,  misera  commutabüique  versamur. 

•)  Dio  37.  46,  4.  Erwähnt  wird  diese  Censur  auch  Att.  I  17,  9. 
18,  8.  II  1.  11. 

')  ad  Att.  I  16,  18  f.  17,  8.  18.  8.  II  1,  7. 

*)  Vgl.  z.  B.  pro  Rabirio  Postumo  15. 

*)  Cic.  Att.  I  17,  8  f.  18,  6  ff.  19.  6.  II  1.  7  f.  pro  Plancio  34  f. 
and  schol.  Bob,  zu  §§  31.  35.  de  off.  III  88.  Dio  88,  7,  4.  Appian  V 
18,  47.  Cicero  übertreibt  die  Bedeutung  sowohl  der  concordia  ordinum, 
die  er  in  seinem  Consulat  am  5.  Dezember  geschaffen  hübe,  wie  des  jetzt 
wieder  hervortretenden  Gegensatzes  zwischen  dem  Senat  und  den  Kapi- 
talisten der  Ritterschaft 

»)  QuintuK  Cicero  de  pet.  cons.  88. 


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51 


brachte  auch  das  keinen  Gewinn,  da  der  Antrag  von  dem  Praetor 
Metellus  Nepos  gestellt  war,  der  damals  noch  der  Opposition 
angehörte,  der  Versuch,  seinen  Namen  durch  einen  Antragsteller 
von  besserem  Klang  zu  ersetzen,  scheiterte  wie  billig  und  brachte 
den  Senat  vollends  um  allen  Kredit1). 

Neben  diesen  Dingen  ging  ununterbrochen  das  Ringen  mit 
Pompejus  einher;  und  hier  war  man  allerdings  zunächst  erfolg- 
reich. Nachdem  er  am  28.  und  291  September  61*),  seinem  46.  Ge- 
burtstag, seinen  Triumph  mit  bis  dahin  unerhörter  Pracht  ge- 
feiert und  seine  Soldaten  und  Offiziere  reich  beschenkt  und  über- 
dies große  Geldsummen  in  die  Staatskasse  abgeliefert  hatte  — 
der  Aufschub  war  durch  die  umfassenden  Vorbereitungen  ver- 
anlaßt — ,  stellte  er  vor  allem  zwei  Forderungen:  die  Bestätigung 
seiner  Anordnungen  in  Asien,  und  Landanweisungen  für  seine 
Soldaten.  Diese  waren  zur  Notwendigkeit  geworden,  seitdem 
seit  Marius  die  Armee  nicht  mehr  aus  der  immer  mehr  schwinden- 
den Bauernschaft  Italiens  ausgehoben,  sondern  aus  den  besitz- 
losen Proletariern  angeworben  wurde,  die  nach  Beendigung  des 
Kriegs  versorgt  und  in  Bauern  umgewandelt  werden  sollten. 
Aber  keine  der  beiden  Forderungen  konnte  er  durchsetzen. 
L.  Lucullus,  dem  er  die  Kriegführung  entrissen,  dessen  Anord- 
nungen er  umgestoßen,  dessen  Triumph  er  jahrelang  verhindert 
hatte,  ergriff  die  Gelegenheit,  sich  zu  rächen,  ebenso  der  in 
gleicher  Lage  befindliche  MetellusCreticus;  und  sie  fanden  eifrige 
Unterstützung  bei  Cato  und  seinem  Anhang3).  Natürlich  Heß 
sich  auch  Crassus  die  Gelegenheit  nicht  entgehn,  seinen  Rivalen 
zu  demütigen4).  Sie  setzten  durch,  daß  die  Anordnungen  nicht 
in  Bausch  und  Bogen  bestätigt  wurden,  wie  Pompejus  verlangte, 
sondern  über  jede  der  unzähligen  Einzelverfügungen  gesondert 
verhandelt  wurde,  und  eröffneten  dadurch  den  Boden  für  un- 
endliche Diskussionen  und  Scherereien,  während  gleichzeitig  die 

')  Dio  37,  51,  3  f.;  Tgl.  Cic.  ad  Att.  II  16,  1  (Mai  59)  portoriis 
Italiae  siiblatte. 
*)  Plin.  87,  13. 

»)  Dio  37,  49.  Vellejus  II  40.  App.  II  9.  Plut.  Pomp.  46.  Cato  31. 
')  App.  II  9,  82:  xal  AiuköXXw  ooYtXäpßavc  Kpdooo?. 


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52 


Das  Principal  des  Pompejus 


Grundlage  des  Rechtazustands  in  Asien  dauernd  in  Frage  ge- 
stellt blieb. 

Um  das  Ackergesetz  durchzubringen,  hatte  Pompejus  schon 
vorher  durch  unverhüllte  Bestechungen,  die  großes  Ärgernis  er- 
regten, die  Wahl  seines  Legaten  Afranius  zum  Consul  für  60 
durchgesetzt  (25.  Juni  61)1).  Das  Gesetz  selbst  wurde  dann  zu 
Anfang  des  neuen  Jahres  von  dem  Tribunen  L.  Flavius  ein- 
gebracht. Es  griff  auf  den  Bestand  des  Staatslandes  vor  der 
Gracchenzeit  zurück  und  stellte  zugleich  die  Landan Weisungen 
Sullas  in  Frage;  im  übrigen  sollte  das  erforderliche  Land  (zu 
dem  ohne  Zweifel  vor  allem  auch  die  campanische  Domäne 
herangezogen  werden  sollte,  wie  bei  den  Ackergesetzen  des  Rullus 
und  Caesar)  aus  dem  fünfjährigen  Steuerertrag  der  von  Pom- 
pejus  neu  geschaffenen  Provinzen  aufgekauft  und  nicht  nur 
unter  die  Veteranen,  sondern  auch  unter  die  ärmeren  Bürger 
verteilt  werden*).  Aber  die  Hoffnung,  es  dank  dieser  Bestimmung 
durchsetzen  zu  können,  scheiterte  völlig.  Afranius  war  vielleicht 
ein  erträglicher  Offizier,  aber  politisch  gänzlich  unfähig:  „Nie- 
mand als  ein  Philosoph  kann  ihn  ohne  Seufzen  ansehn",  sagt 
Cicero;  „sein  Consulat  ist  kein  Consulat,  sondern  eine  Beule  im 
Gesicht  des  Pompejus",  „eine  solche  Null,  daß  er  nicht  einmal  weiß, 
was  er  gekauft  hat"8).  Sein  Kollege  Metellus  Celer,  der  Bruder 
(oder  Vetter)  des  Nepos,  stand,  wie  schon  im  Jahre  63,  ganz  auf 
seiten  der  Nobilität;  gegen  Pompejus  war  er  auch  persönlich 
erbittert,  weil  dieser  sich  von  seiner  Stiefschwester  Älueia4)  hatte 
scheiden  lassen*).    So  nahm  er  den  Kampf  mit  voller  Energie 

«)  Dio  37,  49.  Plut  Pomp.  44  =  Cato  80.  Cic.  Att.  I  16,  U  (da* 
Datum  §  13). 

*)  Dio  87,  50-  Aus  Cic.  ad  Att.  I  19,  4  ergehen  sich  die  wichtig- 
sten Bestimmungen.  Die  Einbringung  fallt  vor  den  20.  Januar  (I  18,  6). 

•)  ad  Att.  1  18,  8.  5.  19,  4.  20,  5.  Auch  Dio  spricht  von  ihm  mit 
Verachtung:  er  habe  besser  zu  tansteu  ab  irgend  etwas  auszurichten 
verstanden  (37,  49,  3). 

*)  Bestätigt  durch  Cicero  fam.  V  2,  6  an  Metellus:  cum  vestra  sorore 
Mucia,  cuitis  erga  me  Studium  pro  Cn.  Pompei  tiecessUudine  multia 
in  rebus  perspexeram.  Klar  sind  die  Verwandtschaftsverhältnisse  nicht. 

»)  Dio  37,  49,  8. 


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Der  Kampf  am  das  flavische  Ackergesetx 


53 


auf,  unterstützt  von  Cato1)  und  insgeheim  von  Crassus,  der  jede« 
Wort  vermied,  was  im  Senat  Anstoß  hatte  erregen  können*). 
Die  Masse  der  Nobilitat  freilich  blieb  lau  wie  gewöhnlich:  „sie 
sind  so  dumm,  daß  sie  glauben,  ihre  Fischteiche  blieben  ihnen 
erhalten,  auch  wenn  die  Republik  zugrunde  geht"*).  So  kam 
Pompejus  in  eine  immer  peinlichere  Stellung:  „er  hüllt  sich  in 
sein  gesticktes  Triumphalgewand  und  sucht  es  durch  Schweigen 
zu  konservieren"*).  Cicero  suchte  zu  vermitteln:  er  beantragte 
in  einer  Volksversammlung,  die  von  den  Gracchen  und  von  Sulla 
zugewiesenen  Ländereien  von  der  Verteilung  auszuschließen  und 
ebenso  das  durch  ein  Qesetz  Sullas  konfiszierte,  aber  niemals 
wirklich  eingezogene  Gebiet  von  Volaterrae  und  Arretium,  und 
nur  das  übrige  Land  aufzukaufen  und  zu  verteilen,  und  fand 
dafür  sowohl  bei  den  Besitzenden  wie  bei  der  städtischen  Menge 
Zustimmung5).  Aber  Pompejus  wollte  natürlich  sein  Gesetz 
haben,  wenn  er  auch  tat,  als  sei  er  jetzt  mit  Cicero  ganz  intim, 
und  ihn  wiederholt  mit  Lobreden  auf  sein  Consulat  erfreute9); 
und  der  Senat  wollte  aus  Mißtrauen  gegen  Pompejus  von  einem 


')  Plut  Cato  Sl. 

*)  ad  Att.  I  18,  G:  Crassus  verbum  nultum  contra  gratiam. 

*)  Att.  I  18,  6:  ceteros  tum  nosti:  qui  ita  sunt  stulti,  ut  amissa 
republica  piscinas  suas  fore  salvas  sperare  videaniur.  I  19,  6: 
beatos  nomine*,  hos  piscinarios  dico,  amicos  tuos.  I  20,  8.  II  1.  7: 
cum  nostri  prineipes  digito  se  caelum  putent  attinger e,  si  mulli 
barbati  in  piscinis  sint,  qui  ad  man  um  accedani,  alia  autem  negle- 
gant.  Cicero  behauptet,  diese  Leute  seien  auf  seine  Stellung  neidisch 
und  ließen  das  deutlich  erkennen.  Ferner  II  9,  l:  isti  piscinarum 
Tritones. 

4)  ad  Att.  1  18,  6  (20.  Januar  60) :  sed  interea  «oWö?  ivfy  ot>8' 
ovof  quisquam  inveniri  potent,  qui  poterat,  fam'Uiaris  noster  —  sie 
enim  est:  volo  te  hoc  scire  —  Pompeius  togulam  Warn  pictam 
yilentio  tuetur  stuim. 

*)  ad  Att.  I  19,  4;  vgl.  faui.  XIII  4  (u.  S.  62,  3).  —  Nach  Pompejus* 
Äußerung  bei  Dio  38,  5,  1  hat  der  Senat  nicht  nur  seinen  Soldaten,  sondern 
auch  denen  des  Metellus  Land  bewilligt,  aber  die  Zuweisung  aus  Mangel  an 
Geld  nicht  ausführen  können.  Bezieht  sich  das  auf  ein  Qesetz  für  die 
Veteranen  ans  dem  sertorianischen  Krieg? 

•)  Att.  I  19,  7.  II  1.  6.  vgl.  de  off.  I  78.  Phil.  II  12. 


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54 


Das  Principat  des  Pompejus 


Ackergesetz  überhaupt  nichts  wissen1).  Es  kam  so  weit,  daß 
Flavius  den  Consul  Metellus  ins  Gefängnis  setzte,  um  seinen 
Widerstand  zu  brechen,  und  dem  Senat,  als  dieser  ihn  hier  auf- 
suchen wollte,  den  Zutritt  dadurch  versperrte,  daß  er  seine 
Tribunenbank  in  die  Tür  stellte  —  darauf  ordnete  Metellus  an, 
die  Mauer  zu  durchbrechen,  damit  die  Senatoren  eintreten 
könnten,  während  er  ein  Einschreiten  der  andern  regierungs- 
freundlichen Tribunen  stolz  ablehnte.  Da  blieb  Pompejus  nichts 
übrig,  als  nachzugeben  und  Flavius  zu  veranlassen,  ihn  freizu- 
lassen; und  als  Metellus  und  sein  Anhang  auch  jetzt  den  Kampf 
gegen  das  Oesetz  nicht  aufgaben,  ließ  er  es  fallen8) 

Es  war  indessen  ein  verhängnisvoller  Irrtum,  wenn  man 
glaubte,  daß  durch  alle  diese  Schlappen  Pompejus*  Machtstellung 
wirklich  gebrochen  sei,  wenn  Cicero  sich  einbÜdete,  daß  er  be- 
wirkt habe,  „daß  Pompejus  besser  geworden  sei  und  etwas  von 
seiner  demokratischen  Leichtfertigkeit  und  Gunsthaschcrei  ab- 
gelegt habe"  und  daß  er  ihn  fortan  gängeln  könne3).  An  die 
wirklichen  Grundlagen  seiner  Stellung  reichte  all  dies  Geplänkel 
nicht  heran,  ja  dieselbe  wurde  durch  die  Verwirrung  und  das 

l)  Att  1 19,  4:  huic  toti  rationi  agrariae  senatus  adversabatur, 
stispicans  Pompeio  novam  quamdam  potentiam  quaeri;  Pompeius 
vero  ad  voluntatem  perferendae  legis  ineubuerat. 

*)  Dio  37,  50.  Cic.  Att  II  1,  6  (Mitte  Mai  60):  quod  de  lege 
agraria  quaeiis,  sane  iam  videtur  refrixisse.  Er  klagt,  daß  Cato 
durch  sein  Auftreten  gegen  die  Steuerpachter  dem  Senat  die  Unter- 
stützung der  Ritterschaft  geraubt  hat;  itaque  nunc  consule  in  car- 
cerem  incluso,  saepe  item  seditione  commota,  adspiravit  nemo  eorum, 
quorum  ego  coneursu  itemque  ii  consules  qui  post  me  fuerunt  rem- 
publicam  defendere  solebant. 

»)  Att.  11  1,  6:  quod  me  quodam  modo  moüi  bracchio  de  Pompei 
familiaritate  obiurgas,  nolim  ita  existimes,  me  mei  praesidii  causa 
cum  Mo  coniunetum  esse;  sed  ita  res  erat  instituta,  iä,  si  intra  nos 
esset  aliqua  forte  dissensio,  maximas  in  republica  discordias  ver- 
sari  esset  necesse.  Quod  a  me  ita  praecautum  atqve  provisum  est, 
non  ut  ego  de  optima  illa  mea  ratione  decederem,  sed  ut  ille  esset 
melior  et  aliquid  de  populari  levitate  depöneret.  Cicero  bewegt  sich, 
wie  so  oft,  in  ganz  unhaltbaren  Illusionen  über  seine  Stellung  und  Be- 
deutung und  vor  allem  Über  die  Festigkeit  seines  Charakters;  Atticu* 
sah  offenbar  viel  klarer,  wie  die  Dinge  in  Wirklichkeit  lagen. 


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Pompejus  und  das  flavische  Ackergesetz 


55 


Stocken  aller  Staatsgeschäfte  eher  gesteigert:  die  materiellen 
Interessen  verlangten  einen  starken  Mann,  der  das  Regiment 
fest  in  die  Hand  nehme.  Pompejus  brauchte  nur  zu  wollen,  so 
sanken  all  diese  Angriffe  in  nichts  zusammen. 

Pompejus'  Koalition  mit  Caesar  und  Grassns 

Die  Gelegenheit  bot  sich  alsbald.  Eben  in  den  Tagen,  in  denen 
sich  das  Schickaal  des  flavischen  Ackergesetzes  entschied,  kam 
Caesar  aus  seiner  spanischen  Provinz  zurück,  um  sich  um  das 
Consulat  zu  bewerben1).  Bisher  war  Caesar,  so  geschickt  er 
operierte,  fortdauernd  am  Rande  eines  Abgrunds  gewandelt.  Er 
steckte  tiefer  in  Schulden  als  irgend  ein  anderer  vornehmer 
Römer,  Catilina  nicht  ausgenommen.  Für  die  Bestechung  bei 
dem  Wahlkampf  um  die  Stelle  des  pontifex  maximus  hatte  er 
so  gewaltige  Summen  aufgenommen,  daß  er  am  Morgen  des 
Wahltags  seiner  Mutter  erklärte,  wenn  er  nicht  gewählt  werde, 
werde  er  sein  Haus  nicht  wieder  betreten,  sondern  ins  Exil  gehn1). 

')  Att.  II  1,  9:  Lucceius  quid  agat  scribam  ad  te,  cum  Cae- 
sarem  videro,  qui  uderit  biduo.  Vorher  spielt  er  mit  der  Hoffnung, 
wie  Pompejus  so  auch  Caesar  unter  seine  Fittiche  nehmen  zu  können 
(§  6);  quid  si  etiam  Caesarem,  cuius  nunc  venti  vaide  sunt  secundi, 
reddo  meliorem,  num  iantum  obsum  reipublicae?  Von  seinen  Aua- 
sichten auf  das  Consulat  und  seinem  Plan,  sich  mit  Luccejus  zu  ver- 
binden (vgl.  Sueton  Caes.  19),  redet  er  schon  am  5.  Dezember  61  (Att. 
I  17,  11). 

*)  Sueton  Caes.  18:  domum  se  nisi  pontiflcetn  non  reversurum. 
Plut.  Caes.  7:  o»  pvr.ttp,  tiict,  timitpov  fl)  äp^ttpiot  tiv  ut&v  yj  <p'JY<£8a  o!>t'.. 
Möhnsen  schließt  das  Kapitel  „Der  Parteienkampf  während  Pompejus' 
Abwesenheit*  mit  den  Worten:  „In  dieses  Jahr  fallt  seine  Bewerbung 
um  die  Stelle  des  Oberpontifox ;  als  er  am  Morgen  der  Wahl  seine 
Wohnung  verließ,  äußerte  er.  wenn  auch  dieses  ihm  fehlschlage,  werde 
er  die  Schwelle  seines  Hauses  nicht  mehr  überschreiten."  Damit  ist 
nicht  nur  der  Sinn  der  Äußerung  Caesars  gründlich  verschoben,  son- 
dern zugleich  die  Chronologie;  denn  trotz  Dio  37,  37  ist  es  sicher,  daß 
die  Wahl  vor  den  Ausbruch  der  Verschwörung  fällt,  wie  Sueton  und 
Plutarch  berichten  und  Sallust  Cat.  49  bestätigt.  Die  geschichtliche 
Wahrheit  ist  eben  hier,  wie  nicht  selten  bei  Mommskn,  dem  zugleich 
stilistischen  und  politischen  Effekt  zum  Opfer  gefallen,  genau  wie  in  der 


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i'as  Principat  des  Pom  pejus 


Nach  Beiner  Praetor  war  ihm  für  das  Jahr  61  das  jenseitige  Spanien, 
in  dem  er  68  schon  Quaestor  gewesen  war,  als  Provinz  zugefallen; 
aber  seine  Gläubiger  wollten  ihn  nicht  aus  Rom  fortlassen.  Da 
ist  Crassus,  der  sein  Talent  schätzen  gelernt  hatte,  für  ihn  ein- 
getreten und  hat  sich  wenigstens  für  die  drückendsten  Schiüden 
im  Betrage  von  830  Talenten  (4  980  000  Denaren)  verbürgt1). 
Darauf  verließ  Caesar  sofort  die  Stadt,  ohne  die  durch  die  inneren 
Händel  verzögerte  finanzielle  Ausstattung  seines  Amts  (oben  S.  49) 
und  die  Übertragung  des  imperium  durch  die  lex  curia ta  abzu- 
warten, wie  es  heißt,  um  einer  Anklage  zu  entgehn,  die  ihm 
wegen  seines  Verhaltens  zu  Anfang  der  Praetur  drohen  mochte9). 
In  seiner  Provinz  zeigte  er  ebenso  wie  später  in  Gallien  sein 
Talent,  Geld  zu  machen,  teils  indem  er  die  Bewohner  des  hermi- 
nischen  Gebirges,  der  Sierra  Estrella,  durch  die  Forderung,  in 
die  Ebene  umzusiedeln,  zum  Widerstand  reizte  und  ausplünderte, 
und  weiter  einen  Kriegszug  gegen  die  Kallaiker  unternahm,  der 
ihn  bis  an  die  Nordwestspitze  der  Halbinsel  führte  —  für  diesen 
Krieg  hob  er  zu  den  zwanzig  in  der  Provinz  stehenden  Cohorten 
zehn  neue  aus*)  — ,  teils  indem  er  sich  freiwillige  Unterstützungen 
von  den  Untertanen  zahlen  lieli4].   Diese  Kunst,  sich  die  Sym- 

fcogenannten  rhetorischen  Geschichtsschreibung  des  Altertums  und  dem, 
was  Schwabtz  mit  dem  irrefahrenden  Ausdruck  , Roman"  bezeichnet  hat» 

')  Plut.  Caes.  11  =  Crass.  7;  Sueton  18  (interventu  »ponsorum)  und 
Appian  II  8  (iia{4utvos  toö^  tvox^oövtac  <u$  iSoyato)  erwähnen  Crassus' 
Hille  nicht.  Nach  Appian  II  8,  26  gab  er  den  Gesamtbetrag  seiner 
Schulden  auf  25  Millionen  an,  offenbar  Seitertien,  das  wären  6 '/«  Mi  11. 
Denare.  Nach  Plutarch  Caes.  5  schuldete  er,  ehe  er  die  Ämterlaufbahn 
begann,  bereits  1800  Talente  (7800  000  Denare). 

■)  Sueton  Caes.  18:  neque  tnore  neque  iure  antequam  provinciae 
ornarentur  profectus  est,  incerium  metune  iudicü,  qnod  privat o 
parabatur,  an  quo  maturius  sortis  implorantibus  subveniret.  Das 
letztere  ist  durchaus  unbegründet  und  offenbar  apologetische  Erfindung; 
denn  die  standigen  Räuberunrohen  in  der  Provinz  kommen  nicht  in 
Betracht  (Dio  87,  52):  lovrfitls  öv  ti  X-gotpixA,  &rrp  «oo  otl  Kap'  a&toic 
■ijv,  Sno  iktfiikoo  «vis  tcovoo  xaö-fjpac  -fpoxtav  ?x«tv  "»jätkirjo«. 

»)  Dio  87,  52  f.    Plut.  Caes.  12. 

*)  Sueton  CaeB.  54:  in  Hispania . . .  et  a  sociis  pecunias  acccpit 
emendicatas  in  auxiltnm  aeris  alietü,  et  Lusitanorum  quaedam 


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Caesar  in  Spanien 


r>7 


pathien  zu  gewinnen  und  dort,  wo  es  nötig  war,  durch  einen 
sanften  Druck  nachzuhelfen,  verstand  Caesar  zu  allen  Zeiten 
vortrefflich;  und  in  der  Tat,  wenn  er  sioh  auch  zweifellos  für  die 
Einrichtungen  und  Privilegien,  die  er  gewahrte,  zahlen  ließ,  so 
waren  seine  Maßregeln  doch  von  einem  weiten,  staatsmännischen 
Blick  getragen  und  kamen  den  Untertanen  wirklich  zugute;  und 
wer  sich  ihm  anschloß,  wußte,  daß  er  sich  auf  ihn  verlassen 
konnte.  So  hat  er  der  Provinz  beim  Senat  einen  Erlaß  der  von 
Metellus  Pius  im  Kriege  gegen  Sertorius  auferlegten  Steuer  er- 
wirkt1), in  Gades  die  inneren  Streitigkeiten  beigelegt  und  die 
Verfassung  neu  geordnet*),  und  für  die  Provinz  eine  Regulierung 
der  Schulden  verfügt,  ähnlich  wie  er  sie  in  Rom  in  der  Zeit 
Gatilinas  erstrebt  und  im  Bürgerkrieg  durchgeführt  hat:  der 
Schuldner  sollte  bis  zur  Tilgung  der  Schuld  jährlich  zwei  Drittel 
seines  Einkommens  dem  Gläubiger  zahlen,  den  Rest  für  sich 
behalten*). 

Sobald  sein  Jahr  um  war,  kehrte  er,  ohne  den  Nachfolger 
abzuwarten4),  mit  wohlgefüllter  Tasche  und  dem  Anspruch  auf 
den  Triumph  nach  Rom  zurück*) ;  auch  dem  Staatsschatz  hatte 
er  große  Summen  zusenden  können*).  Er  wandte  sich  an  den 
Senat  mit  der  Bitte  um  Dispens  von  der  Verpflichtung,  sich  per- 

oftpida,  quatnquam  nec  imperata  deirectarent  et  advenienti  portas 
patcfacerent,  diripuit  hostiliter.  Das  letztere  ist  eine  Entstellung  des 
bei  Dio  gegebenen  Berichts  über  den  Feldzug  gegen  die  Ortschaften  im 
herminiscben  Gebirge,  die  er  besetzt,  als  die  Einwohner  ihre  Familien 
und  Habe  Ober  den  Duro  geflüchtet  hatten;  die  Notiz  geht,  wie  so  manche 
bei  Sueton,  auf  eine  Caesar  feindliche  Quelle  zurück. 
>)  Bell.  Hispan.  42.  2. 

*)  Cic.  pro  Balbo  48.    Vgl.  Plut.  Caes.  12:  ojiövoiav  tat«;  «oJlrat  xa- 

»)  Plut.  Caes.  12.  Vgl.  Vellejus  II  43:  praetura  quaesturaque  mira- 
bili  viriute  atque  industria  obita  in  Hispania,  quo  notiora  sunt, 
minus  egent  stilo. 

«)  Sueton  Caes.  18.   Dio  37,  54,  I. 

»)  Plut,  Caes.  12:  iirrjUdrpr]  tnapxi*C  «'-»w«  «  JtXoöcto«  ftfovü}<; 
Utk  *oö<  Sfpar.u*ac  ü»<piXrtx«M«  ä*&  t.üv  otpa«tü>v  xai  stpos-rffoptupivoc 
aÖTOXpätutp  6  s1  aütü>v. 

«)  ApP.  II  8,  27. 


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58 


Da«  Priocipat  des  Pompejoa 


sönlich  zur  Bewerbung  um  das  Consulat  melden  au  müssen,  um 
seinen  Triumph,  der  ihm  das  vorherige  Betreten  der  Stadt  un- 
möglich machte,  feiern  zu  können.  Als  aber  Cato  das  Gesuch 
dadurch  zu  Fall  brachte,  daß  er  am  letzten  Tage,  der  für  die 
Meldung  zulässig  war,  durch  eine  Dauerrede  bis  zum  Abend  die 
Abstimmung  des  Senats  vereitelte,  ließ  er  den  Triumph  fahren 
und  trat  noch  rechtzeitig  als  Kandidat  auf1).  Er  verband  sich 
mit  Luocejus,  dem  Anhänger  des  Pompejus,  zu  gegenseitiger 
Unterstützung;  die  Optima  ten  unter  Ca  tos  Führung,  die  sahen, 
daß  seine  Wahl  unvermeidlich  war,  betrieben  daher  mit  aller 
Anstrengung,  unter  Aufbringung  gewaltiger  Geldsummen,  die 
Wahl  des  Bibulus,  und  so  wurde  dieser  zusammen  mit  Caesar 
gewählt3).  Da  man  seit  langem  wußte,  daß  Caesars  Consulat 
unabwendbar  war,  hatte  der  Senat,  der  nach  einem  Gesetz  des 
C.  Gracchus  die  Consularprovinzen  schon  vor  der  Wahl  bestimmen 
mußte,  den  Consuln  des  Jahres  59  als  proconsularische  Provinz, 
d.  h.  als  Amtstätigkeit  für  das  nächste  Jahr,  die  Verwaltung  der 
Walddistrikte  und  Saumpfade  Italiens  zugewiesen3). 

Zur  Durchführung  seiner  weiteren  Pläne  wandte  sich  Caesar 
an  Pompejus  und  bot  ihm  seine  Unterstützung  an.  Pompejus 
nahm  das  Anerbieten  an.  Ihm  blieb  in  der  Tat,  nachdem  die 
Nobilität  ihn  zurückgewiesen  hatte,  kaum  eine  andere  Wahl,  als 
sich  aufs  neue  der  Popularpartei  zuzuwenden,  so  antipathisch 
dieselbe  seinen  Empfindungen  war;  während  Cicero  geglaubt 

')  Plut.  Caes.  18  =  Cato  31.  App.  II  3,  80.  Dio  37,  54.  Saefcon  18. 
*)  Saeton  Caes.  19.  Für  das  Abkommen  mit  Luccejus  vgl.  Cic.  Att. 
1  17,  11.  II  1,  9. 

*)  Sueton  Caes.  19:  eandem  ob  causam  opera  ab  opHmatibus 
data  est,  ul  provinciae  futuris  consulibus  tninimi  negotii,  id  est 
silvue  caUesque,  decernerentur.  8ehr  mit  Unrecht  wird  dieser  Sats 
fast  allgemein  so  gedeutet,  als  handle  es  sich  um  Statthalterschaften 
(Provinzen  in  unserem  Sinne),  in  denen  es  keine  anderen  Geschäfte  gab: 
welche  sollten  denn  das  sein,  und  wie  konnte  man  voraussehn,  daß  es 
da  nichts  anderes  zu  tun  gab?  Die  provincia  Calles  (in  Unteritalien, 
speziell  in  der  Nahe  von  Brundisium)  wird  auch  von  Taoitns  Ann.  IV  27 
im  Jahre  24  n.  Chr.  erwähnt,  wo  sie  von  einem  Quaestor  verwaltet  wird, 
cui  provincia  vetere  ex  more  Calles  evenerat  [ganz  widersinnig  hat 
man  Calles  in  Cales  korrigiert). 


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Koalition  zwischen  Pompejus.  Crassus  und  Caesar 


59 


hatte,  ihn  durch  seine  homöopathische  Kur  von  derselben  ab- 
gezogen zu  haben  (oben  S.  54),  hatte  er  in  Wirklichkeit  genau 
das  Gegenteil  bewirkt.  Der  Gedanke,  daß  ihm  von  dieser  Seite 
einmal  Gefahr  drohen  und  er  in  Caesar  einen  übermächtigen 
Konkurrenten  großziehn  könne,  lag  ihm  ganz  fern1).  Caesar 
war  zwar  nur  wenige  Jahre  jünger  als  er«),  aber  in  seinen  Augen 
war  er  doch  nur  ein  Anfänger,  der  unter  des  „großen"  Mannes 
Fittichen  vorwärts  kommen  wollte.  Daß  er  geschickter  war  und 
ganz  andere  Dienste  leisten  konnte,  als  Metellus  Nepos  und 
Gabinius  oder  gar  Pupius  Piso  und  Afranius,  hatte  er  erfahren; 
so  gewährte  er  ihm  als  Entgelt  gern  die  Vorteile,  die  Caesar  für 
sich  erstrebte. 

Die  Folge  der  Verbindung  zwischen  Caesar  und  Pompejus 
war,  daß  auch  Caesars  Protektor  Crassus  dem  Bunde  beitrat 
und  die  beiden  Rivalen  sich  wieder  einmal  versöhnten. 

Natürlich  suchten  die  drei  Männer  ihre  Verschwörung  zu  ge- 

')  Vgl.  Ciceros  bekannte  Äußerung  an  Tiro  (12.  Januar  49)  XVI 
11,  8:  Pompeius,  gut  Caesarem  sero  coepit  timere.  Ebenso  Phil. 
II  24. 

*)  Bekanntlich  hat  Mommsen  RG.  III  16  behauptet,  daß  die  Angabe, 
Caesar  sei  zur  Zeit  des  Sieges  Sullas  (82)  18  Jahre  alt  gewesen  (Vel- 
lejus  II  41, 2)  und  in  seinem  56.  Jahre  ermordet  (Sueton  88.  Plut.  Caes.  69. 
Appian  II  149.  Kutrop  VI  24),  nicht  richtig  sein  könne,  weil  er,  wenn 
im  Jahre  100  geboren,  alle  Ämter  2  Jahre  zu  früh  bekleidet  habe;  er 
müsse  102  geboren  sein.  Seine  Ansicht  ist  allgemein  abgelehnt  worden; 
aber  seine  Gründe  sind  so  stark,  daß  man  sich  ihnen  kaum  entziehn 
kann.  Denn  wenn  Caesar  von  dem  Annalgesetz  dispensiert  worden  wäre, 
so  wäre  es  unbegreiflich,  daß  das  in  der  reichen  Literatur  Ober  diese 
Zeit  niemals  erwähnt  wird;  und  vollends  unverständlich,  ja  im  Grunde 
ganz  undenkbar  ist,  daß  dem  jungen  Manne,  der  überdies  in  schroffer 
Opposition  gegen  die  Nobilität  stand,  vom  Senat  schon  bei  der  Bewer- 
bung um  die  Aedilitftt,  also  im  Jahre  66,  ein  derartiges  Privileg,  wie  es 
nur  der  große  Pompejus  erhalten  hatte,  bewilligt  worden  wäre,  und 
daß  bei  seiner  Bewerbung  um  das  Consulat  alsdann  nicht  wenigstens 
der  Versuch  gemacht  worden  wäre,  es  anzufechten  und  so  seine  Wahl 
unmöglich  zu  machen.  Wo  über  Pompejus'  Geburtsjahr,  wie  Vellejus 
II  58  bezeugt  und  zahlreiche  Angaben  bestätigen  (s.  Drcmawn  IV*  882), 
falsche  Daten  weit  verbreitet  waren,  ist  das  gleiche  auch  bei  Caemr 
nicht  ausgeschlossen. 


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60 


Das  Principat  des  Pompejus 


meinsamer  Beherrschung  der  Republik  möglichfit  lange  geheim 
zu  halten;  das  genaue  Datum  des  Abschlusses  vermochten  daher 
weder  die  Alten  zu  geben,  noch  können  wir  es  ermitteln.  Sicher 
ist,  daß  Caesar  bei  seiner  Bewerbung  um  das  Consulat  die 
Unterstützung  nicht  nur  des  Crassus,  sondern  auch  des  Pom- 
pejus und  seines  Anhangs  gefunden  hat;  die  Versöhnung  der 
beiden  und  die  Ausgestaltung  des  Verhältnisses  zu  einem  be- 
schworenen Bunde,  mit  der  Verpflichtung,  daß  keine  Maßregel 
zugelassen  werden  solle,  die  einer  der  drei  Genossen  nicht 
wünsche1),  mag  dann  erst  in  die  folgenden  Monate  fallen2).  Im 
übrigen  benutzte  Caesar  die  Zwischenzeit  von  seiner  Wahl  bis 
zum  Amtsantritt  zur  Vorbereitung  der  von  ihm  geplanten  Ge- 
setze; sein  Ackergesetz  war  bereits  im  Dezember  60  bekannt s). 
Als  Mittelsmann  benutzte  er  vor  allem  den  Cornelius  Baibus, 
einen  angesehenen  Gaditaner,  der  in  Pompejus'  Feldzügen  das 
Bürgerrecht  erworben  hatte,  dann  unter  Caesar  bei  seinem 
spanischen  Feldzug  als  praefectus  fabrum  das  Geniekorps  ge- 
leitet und  die  Intendanturgeschäfte  besorgt  hatte,  und  jetzt  in 
Rom  mit  großem  Geschick  die  Stellung  eines  Agenton  und  Ban- 
kiers Caesars  übernahm.  Im  Dezember  60  suchte  Caesar  durch 
ihn  auch  Cicero  auf  seine  Seite  zu  ziehn:  denn  Caesar  hat  nicht 
nur  die  literarische  Bedeutung  Ciceros  unverhohlen  anerkannt, 

')  Sueton  Caes.  19:  aoeietatem  cum  uiroqiie  iniit,  ne  quid  age- 
retur  in  re  publica,  quod  displieuisset  Ulli  e  iribu*.  Vgl.  Dio  37,  57. 

*)  Das  ist  die  Darstellung  Dios  87,  54  f..  xu  der  Livius  p.  103,  Ap- 
pian  II  9  und  Plut.  Caes.  13  f.  -  Pomp.  47.  Grass.  14.  Cato  31  stimmen; 
Sueton  19  setzt  die  Verbindung  mit  Pompejus  (und  weiter  dessen  Ver- 
söhnung mit  Crassus)  erst  nach  der  Wahl,  und  motiviert  Caesars  Ent- 
schluß dazu  mit  der  gehässigen  Bestimmung  der  Consularprovinzen 
durch  den  Senat,  eine  viel  au  enge  Auffassung  der  Vorgänge.  Die  Bemer- 
kung von  Schwartz  im  Artikel  Dio  Cassius  bei  Pauly-Wissowa  III  1700 
über  die  Vorgange  im  Jahre  60  ist  nicht  zutreffend.  —  Mit  der  Ver- 
bindung der  drei  Männer  Meteüo  consule  begann  Asinius  Pollio  be- 
kanntlich seine  Geschichte  des  Bürgerkrieg»  (Horaz  carm.  II  1)  —  es  ist 
daher  ganzlich  unbegründet,  wenn  man  seine  Spureu  in  der  Geschichte 
der  vorhergehenden  Zeit  sucht,  z.  B.  bei  Appian.  oder  Uberhaupt  Ap- 
pian  direkt  auf  ihn  zurückführt. 

")  Cic.  Att.  II  8,  8. 


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Caesar  und  Cicero  61 

sondern  würdigte  auch  vollauf  den  Wert,  den  ea  für  ihn  haben 
mußte,  wenn  es  gelänge,  den  gewandten  Redner  und  Pamphle- 
tisten  »ich  dienstbar  zu  macheu  —  man  darf,  um  Cicero«  da- 
malige Stellung  richtig  zu  beurteilen,  nicht  vergessen,  daß  er 
bis  zum  Jahre  55,  abgesehn  von  seinen  für  eine  größere  lite- 
rarische Wirkung  nicht  in  Betracht  kommenden  rhetorischen 
und  poetischen  Jugendarbeiten  und  den  eben  jetzt  publizierten 
poetischen  und  prosaischen  Schilderungen  seines  Consulats,  schrift- 
stellerisch lediglich  als  Redner,  d.  h.  als  Verfasser  politischer  Bro- 
schüren, aufgetreten  war.  Damit  würde  er  zugleich  die  Oppo- 
sition im  Senat  wesentlich  geschwächt  und  die  indifferente  Masse 
der  Senatoren  sich  fügsam  gemacht  haben;  er  hat  daher  immer 
von  neuem  sehr  ernstlich  versucht,  Cicero  für  sich  zu  gewinnen. 
Jetzt  eröffnete  Baibus  dem  Consular,  Caesar  habe  die  Absicht, 
sich  in  allem  von  Cicero  undPompejus  leiten  zu  lassen,  und  hoffe, 
auch  Cras8us  mit  Pompejus  versöhnen  zu  können1).  Man  sieht, 
wie  der  Bund  der  drei  noch  sorgfältig  geheimgehalten  wird8); 
Cicero  konnte  sich  einbilden,  noch  immer  mit  Pompejus  ganz 
intim  zu  stehn  und  ihn  zu  leiten,  ja  auch  auf  Caesar  Einfluß  ge- 
winnen zu  können*).    Die  Versuchung,  die  an  ihn  herantrat, 


')  Cic.  ad  Att.  II  3,  3:  venio  nunc  ad  menseni  lanuarium  et  ad 
üitöataatv  nostram  ÜC  i:oXtt»tav,  in  qua  ItMxpor.xü»;  r.;  ixdmpov,  tsed 
tarnen  ad  exiremum,  ut  Uli  solebant,  rr(v  api=xo'>oav.  est  res  sane. 
magni  consilii.  nam  aut  fortiter  resistendum  est  legi  agrariae,  in  quo 
est  quaedam  dimicaiio,  sed  pleno  laudis,  aut  quiescendum,  quod 
est  non  dissimile  atque  ire  in  Solonium  aut  Antium,  aut  etiam 
adiuvandum,  quod  a  me  aiunt  Caesarein  sie  expectare  ut  non  dubüet. 
Nam  fuit  apud  me  Cornelius,  hunc dico  Balkum,  (aesaris  familiärem: 
vi  adfirmabat,  ittum  omnibus  in  rebus  meo  et  Pompei  eonsüio  usurum 
üaturumque  oporam,  ut  cum  Pompeio  Crassum  coniungeret. 

*)  Das  hat  manche  Neuere  zn  dem  naiven  Schluß  verführt,  der 
Band  habe  damals  noch  nicht  bestanden.    Vgl.  dagegen  Dir»  37,  58 
iitoioov  jiiv  fap  osa  UWoxto  oipwiv,  ixp^fiattCovro  8i  xal  upoißiUovto 
ivavtuotata ,  öjcu>c  fei  l%\  jxaxpitatov  duxXrffruir.  ,  uiy.p'-S  &v  Ixavw;  itapa- 
oxtoaoamat. 

*)  Kr  fuhrt  Att.  II  3  fort  :  hic  sunt  haec:  caniunetio  müii  summa 
cum  Pompeio,  si  placet,  etiam  cum  Caesare;  reditus  in  gratiam  cum 
inimicis,  pax  cum  mttltitudine,  senectutis  olium. 


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Das  Principat  de«  Pompejus 


war  stark;  aber  erlegen  ist  er  ihr  nicht,  seine  ganze  Vergangen- 
heit, die  Worte,  die  er  selbst  soeben  erst  der  Ealliope  in  dem 
Epos  über  sein  Consulat  als  Mahnrede  an  sich  in  den  Mund  ge- 
legt hatte  und  die  er  in  dem  Brief  zitiert,  in  dem  er  dem  Atticus 
von  diesen  Vorgängen  berichtet,  wiesen  ihm  seine  Haltung1); 
er  hätte  sein  besseres  Selbst  verleugnet,  wenn  er  anders  gehandelt 
hätte. 

Caesars  Consulat 

Die  Ackergesetze  Caesars  verbanden  die  Grundgedanken  de8 
servilischen  Antrags  von  63,  abgesehn  von  seiner  gegen  Pom- 
pejus gerichteten  politischen  Tendenz,  mit  den  Forderungen, 
die  Pompejus  im  vorigen  Jahre  vergeblich  durch  Flavius  zu  er- 
reichen gesucht  hatte.  Die  erste  gleich  nach  Antritt  des  Consulat* 
eingebrachte  lex  Julia  agraria  bestimmte  alles  Staatsland  mit 
Ausnahme  der  campanischen  Domäne  zur  Verteilung;  außer- 
dem sollte  teils  durch  freiwillige  Abtretung,  teils  durch  Aufkauf 
gegen  Zahlung  des  bei  der  Censur  festgelegten  Wertes  weiteres 
Land  erworben,  die  Mittel  dafür  aus  der  von  Pompejus  heim- 
gebrachten Beute  und  den  Tributen  und  Zöllen  entnommen 
werden8).  Leider  ist  es  ganz  unmöglich,  von  Lage  und  Umfang 
der  in  Aussicht  genommenen  Gebiete  irgend  eine  Anschauung 
zu  gewinnen*);  nicht  einmal  das  wissen  wir,  ob  neben  italischem 


')  sed  me  xataxXtl?  mea  Ula  conmovet,  qtuie  est  in  libro  III: 
interea  cursus,  quos  prima  a  parte  iuventae 
quosqite  adeo  consul  virtute  animoque  petisti, 
hos  retine  atque  auge  famam  laudesque  bonorum, 
haec  mihi  cum  in  eo  libro,  in  quo  multa  sunt  scripta  ipurroxpatwuc, 
Caüiope  ipsa  praescripserit,  non  opinor  esse  dubitandum,  quin  Sem- 
per nobis  videatur  t?g  ota»v<5<;  £ptctoc.  fitfiovaafrai  ittpl  *ätpf)c.  Leider  laßt  uns 
Cicero«  Korrespondenz  für  die  nächsten  drei  Monate  vollkommen  im  Stich. 

*)  Dio  38,  1.  Vgl.  Cic.  de  domo  28  pecunia  ad  emendos  agros 
constituta  auf  Grund  der  acta  Caesaris. 

*)  Volaterrae  (and  Arretium)  sind,  wie  durch  Ciceros  Antrag  (oben 
S.  53)  im  Jahre  60,  so  auch  jetzt  nicht  eingezogen  worden:  Cic.  fam.  XIII 
4,  2  (45  v.  Chr.):  hanc  actionem  tneam  C.  Caesar  primo  suo  con- 
sulatu  lege  agraria  conprobavit  agrumque  Volaterranum  et  oppidum 
omni  periculo  in  perpetuum  liberaiHt. 


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Caesars  Ackfrget-etze 


63 


auch  überseeischer  Grundbesitz  in  Aussicht  genommen  war. 
Den  ager  Campanus  nebst  dem  campus  Stellas  hatte  Caesar 
ausdrücklich  ausgenommen,  als  eine  Hauptquelle  der  Ein- 
nahmen des  Staats,  um  so  die  Annahme  des  Gesetzes  zu  er- 
leichtern. Dann  aber  brachte  er  Ende  April  ganz  überraschend 
—  bis  dahin  hatte  man  nur  gehört,  „er  werde  etwas  vorbringen, 
was  niemand  mißbilligen  könne"  —  ein  zweites  Gesetz  ein,  das 
auch  dies  Gebiet  zur  Verteilung  bestimmte.  Cicero,  der  die 
Nachricht  spät  abends  am  29.  April  durch  einen  Brief  des  Atticus 
erhielt,  war  dadurch  so  betroffen,  daß  er  nicht  schlafen  konnte; 
aber  er  tröstete  sich,  hier  würden,  wenn  jeder  Kolonist  10  Morgen 
erhalten  solle,  nur  6000  Menschen  angesiedelt  werden  können — dat* 
war  die  Zahl,  die  Rullus  dafür  in  Aussicht  genommen  hatte  (oben 
S.  14)  — ,  die  ganze  übrige  Masse  werde  daher  Caesar  entfremdet 
werden;  die  Entrüstung  der  Optimaten  aber  werde  durch  den 
Schaden,  den  die  Staatseinkünfte  dadurch  erlitten,  nur  noch 
mehr  gesteigert  werden1).  Cicero  hat  aber  das  in  Betracht  kom- 
mende Gebiet  viel  zu  gering  eingeschätzt:  Caesar  hat  20  000  An- 
siedler in  Aussicht  genommen,  und  für  diese  war,  wenn  jeder 


')  Cic.  Att.  II  16.  Die  Behandlang  der  Ackergesetze  Caesars  bei 
Drumakn  ist  anch  in  der  nenen  Bearbeitung  Groebes  (III  182  f.  189  f.) 
in  überraschender  Weise  unzulänglich  und  verschwommen  und  auch 
sonst  in  der  Literatur  meist  nicht  erschöpfend.  Das  Richtige  hat 
meistens  schon  A.  W.  Zümpt  in  seinen  Comtnentationes  epigraphicae  I 
1850  p.  277  ff.  gegeben.  Über  viele  Einzelfragen  versagt  freilich  unser 
sehr  dürftiges  Material;  die  Lage  wird  dadurch  noch  erschwert,  daß  bei 
den  Erwähnungen  in  den  Feldmessern  und  den  Pandekten  garnicht  zu 
unterscheiden  ist  ,  welche  Bestimmungen  auf  die  Gesetze  Caesars  vom 
Jahre  59,  welche  auf  die  von  46/5  zurückgehn,  überdies  auch  noch  Ver- 
fügungen des  Augustus  aus  der  Triumviralzeit  als  leg  es  Juliae  in  Be- 
tracht kommen  (z.  B.  im  Uber  coloniarum,  Röm.  Feldmesser  p.  218,  4.  6). 
—  Daß  das  Gesetz  über  den  ager  Campanus  und  campus  Stellas  von 
der  ersten  lex  agraria  verschieden  und  erst  spater  eingebracht  ist,  ist 
einstimmige  Überlieferung  (Sueton  Caes.  20.  Dio  88,  1.  7.  Plut.  Cato 
81.  83,  ebenso  Livius  per.  108  leges  agrariae;  daß  Vellejus  II  44  nur 
das  campanische  Gesetz  erwähnt,  ist  natürlich  kein  Gegenbeweis)  und 
wird  durch  Cic.  Att.  II  16  bestätigt;  die  Neueren  außer  Lange  haben 
das  nicht  genügend  beachtet,  Mouksen  ,  Ihne  u.  a.  ignorieren  es  ganz. 


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64 


Das  Principat  des  Pompejus 


10  Morgen  erhielt  (inagesamt  200  000  Morgen  =  504  qkm),  reich- 
lich Platz  vorhanden1).  Zur  Ansied lung  zugelassen  werden  sollten 
hier  nur  Bürger,  die  drei  Rinder  hatten;  daher  fiel  die  sonst  bei 
Landanweisungen  übliche  Losung  weg2),  sondern  die  Auswahl 
lag  in  den  Händen  der  Kommissare.  Natürlich  befanden  sich 
unter  den  Ansiedlern  auch  hier  zahlreiche  Veteranen3);  aber  im 
Vordergrund  stand,  wie  bei  den  Gracchen,  die  Neukräftigun^ 
Italiens  durch  Wiederherstellung  einer  lebenskräftigen  Bauern- 
schaft und  Entfernung  des  mittellosen  und  turbulenten  Prole- 
tariats aus  der  Hauptstadt4).  Daher  war  auch  verfugt,  daß  das 
zugewiesene  Land  20  Jahre  lang  unveräußerlich  bleiben  solle6). 
Durch  dies  Gesetz  wurde  Capua,  seit  dem  Jahre  211  nur  eine 
formlose  Ansiedlung  ohne  Kommunalrechte,  als  Stadtgemeinde 
wiederhergestellt 8).    Was  ans  den  bisherigen  Bebauern  dieses  Ge- 


')  Vgl.  Beloc»,  Carapanien  S.  18  f.  308  f.  Bevölkerung  S.  419. 

")  Sueton  Caea.  20 :  Campnm  Stellatem  agrumque  Gampanum  . . . 
divisit  extra  sortem  ad  viginti  müibun  civium,  quibus  terni  plu- 
resve  liberi  essent.  Letztere  Bestimmung  auch  Dio  33.  7,  3.  Appian 
II  10.  35,  hier  mit  charakteristischer  Entstellung,  es  habe  damals  nur 
20000  gegeben,  die  drei  Kinder  hatten. 

*)  Daher  stellt  Cicero  Phil.  11  101  die  Ansiedlung  in  Campanien 
einseitig  nur  als  Veteranenansiedlung  dar:  agrum  Campanum,  qui 
cum  de  vectigaübus  eximebatur,  ut  müitibus  daretur,  tarnen  inftigi 
magnum  reipublicae  volnus  putabamus.  Dabei  hat  er  aber  in  erster 
Linie  die  Anöiedlungen  aus  der  Zeit  der  Dictatur  im  Auge.  Vgl.  indessen 
An  tu.  4  und  6. 

*)  Dio  87,  1  (vom  ersten  Ackerges.):  to  tt  fty  itXf,*o?  tu>v  *oX:tü>v 
oittpofxov  ov,  a«p'  ooictp  xai  tä  piXtota  iotowtaCov,  xpö<;  t«  ti  fp-r a  xal  «pö<; 
ftaipf ta$  itp«iic«o.  xai  tä  icktiaca  tyjc  Mt*).ia$  •rjpirjfUDU.tva  aofrtc  ?oyt|>xt£rto, 
wsxr  pivj  jtovov  to6?  sv  tx^  (Jtpitriai^  wxX*t«u>pti|iivo'ji; ,  a).A.ä  xal  to*>5 
dXXooc  &*avta<  3iapx-rj  tv(v  cpofvjv  ?X«v. 

*)  Appian  HI  2,  5. 

«)  Vellejus  II  44.  Caes.  civ.  I  14.  Liber  coloniarum,  Röm.  Feld- 
messer p.  281:  Capua  muro  dueta,  Colonia  IuUa  Felix  [diesen  Namen 
hat  Capua  erst  durch  August us  erhalten],  iussu  imperatoris  Caesaris 
a  viginti  viris  est  dedueta  . . .  ager  eins  lege  Suitana  fuerat  ad- 
signatus  [vielmehr  von  der  Demokratie  unter  M.  Brutus,  von  Sulla  auf- 
gehoben Cic.  leg.  agr.  II  92  ff.,  vgl.  8.];  postea  Caesar  in  iugeribus 
militipro  merito  dicidi  iussit. 


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Caesars  Ackergesefze.   Die  Landkommisaion 


65 


bieta  wurde,  wissen  wir  nicht1);  vermutlich  werden  sie  meist  wie 
bisher  im  Dienst  der  Staatspächter,  so  jetst  in  dem  der  neuen 
Eigentümer  als  Landarbeiter  die  Felder  bestellt  haben. 

Die  Ausführung  beider  Gesetz*  wurde  einer  Kommission  von 
zwanzig  Männern  übertragen,  zu  denen  die  tüchtigsten  und  an- 
gesehensten Männer  ausgesucht  wurden,  darunter  Pompejus  und 
Varro1).  Neben  ihnen  bestand  eine  Kommission  von  fünf  Männern, 
zu  denen  M.  MessaUa,  Gonsul  des  Jahres  61,  gehörte,  und  unter 
denen  auch  Cicero  eine  Stelle  angeboten  wurde*).    Ueber  ihre 


*)  Vgl.  Cicero«  Bemerkung  darüber  bei  Rullus'  Ackergesetz,  de  lege 
agr.  II  84. 

*)  Dio  38,  1,  6,  wo  ganz  unklar  ist,  was  in  der  Angabe  steckt,  sie 
seien  nicht  Ig  üiwofroviuy,  toaw  xtva  8oox«pävai,  genommen;  ferner  Vellejus 
II  44.  Schol.  Bob.  p.  263  zo  Cic.  pro  Plane.  52,  wo  die  Zahl  ausgefallen 
ist.  Cic.  ad  Att.  II  6,  2.  Zu  ihnen  gehört  Pompejus  II  12,  1,  wo  er 
als  collega  Balbi,  das  ist  des  Schwagers  Caesars  M.  Atius  Baibus, 
bezeichnet  wird,  der  zu  den  XXviri  gehörte  (Sueton  Aug.  4);  ferner 
Varro  neben  dem  tüchtigen  Landwirt  Cn.  Tremullius  Sorofa:  Varro  de 
re  rust.  12,  10;  dagegen  nicht  Clodius:  Cic.  Att.  II  7,  3. 

•)  Cic.  Att.  II  7,  4:  sed  itiud  quid  nit  scire  cupio,  quod  iacis  ob- 
scure,  iam  etiatn  ex  ipsis  quinque  viris  loqui  quosdam  (nämlich  bos- 
hafte Bemerkungen  über  Caesar  und  Pompejus).  Der  Brief  ist  etwa 
Mitte  April  geschrieben,  vor  dem  Bekanntwerden  des  cam panischen 
Ackergesetzes,  so  daß  die  quinque  viri  ebenso  wie  die  viginti  viri 
schon  dem  ersten  Ackergesetz  angehören.  Cic.  de  prov.  cons.  41:  ine 
üle  (Caesar)  ut  Vvirahtm  aeeiperem  rogavit.  Wie  es  scheint,  ist 
dies  Angebot  identisch  mit  dem  einer  Stelle  unter  den  Zwanzig  nach 
dem  Tode  des  Cosconius  (Praetor  63  und  Vorganger  Caesars  als  Statt- 
halter von  Hispania  uUerior  im  Jahre  62  Cic.  pro  Sest.  12)  im  Juli 
(Att.  II  19,  4  Co8Conio  mortuo  mm  in  eius  locum  invitatus:  id  erat 
vocari  in  locum  mortui,  nihil  me  turpius  apud  homines  fuisset 
neque  vero  ad  istam  ipsam  dbpdXttav  quidquam  alienius.  sunt  enim 
ÜU  apud  bonos  invidiosi;  ego  apud  improbos  meam  retinuissem  in- 
vidiam,  alienam  adsumpsiseem).  Auf  die  Ablehnung  führt  er  Att.  IX 
2a,  1  seine  Verfolgung  durch  Caesar  zurück:  iia  me  sibi  fuisse  ini- 
micum,  ut  ne  honorem  quidem  a  se  aeeipere  vellem,  ebenso  Vel- 
lejus II  45,  2.  Wahrscheinlich  sind  die  Fünf,  wie  man  nach  Mommskns  Vor- 
gang  allgemein  annimmt,  ein  gesohiiftHleitender  Ausschuß  der  Zwanzig 
gewesen.  Zu  ihnen  gehörte  nach  der  Inschrift  CIL  VI  3826,  Dessau  46 
M.  Valerius  Messalla.  cos.  61,  unter  dessen  Titeln  Vvir  a.  d.  a.  i.  (agrli 
Meyer,  Caesar*  Monarchie.  5 


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CG 


Das  Principat  des  Pompejas 


Stellung  und  Aufgabe  versagt  unsere  Überlieferung;  wahrschein- 
lich waren  sie  der  leitende  Ausschuß  der  Kommission  und  jeden- 
falls aus  den  hervorragendsten  Männern  genommen;  auch  Pom- 
pejus,  den  wir  nach  Annahme  des  Gesetzes  in  Campanien  tätig 
finden1),  muß  zu  ihnen  gehört  haben2).   Caesar  selbst  dagegen 


(iandis  adsiynandis  iudicandis)  erscheint.  Dadurch  wird  Mommsens 
Annahme  (Röm.  Feldmesser  II  223  ff.  =  Ges.  Sehr.  V  200;  CIL  I  p.  120 
=  Ges.  Sehr.  I  207)  widerlegt,  die  Fünf  seien  die  Urheber  der  lex 
Mamüia  Roscia  Peducea  Attiena  Fabia,  aas  der  in  den  Feldmessern 
p.  263  ff.  größere  Stücke  erhalten  sind.  Dies  Gesetz,  das  die  technischen 
Details  der  Landvermessung  regelt,  gehört  allerdings  in  die  Zeit  Cae- 
sars, da  sein  cap.  54  in  die  lex  coloniae  GeneHvae  c.  104  aufgenommen 
ist  und  cap.  55  von  Callistratus  in  den  Digesten  47,  21,  8  als  lex  agra- 
ria, quam  Qaius  Caesar  tulü  zitiert  wird;  und  es  ist  wohl  identisch 
mit  der  schon  von  Cicero  de  leg.  1 55  und  oft  bei  den  Feldmessern  zitierten 
lex  Mamüia.  Aber  die  Fünfmänner,  zu  denen  Messalla  gehörte  und 
unter  die  Cicero  eintreten  sollte  —  zu  denen  also  auch  Cosconius  gehört 
haben  muß  — ,  sind  eben  von  Mamilius  und  seinen  Genossen  verschieden ; 
diese  waren  offenbar  Techniker,  welchen  die  Ausarbeitung  der  Details 
von  Caesar  überwiesen  war;  jene  dagegen,  zu  denen  gewiß  auch  Pom- 
pejus  gehört  hat,  waren  die  angesehensten  Staatsmänner,  die  sich  Caesar 
angeschlossen  hatten,  und  in  deren  Händen  die  Oberleitung  der  Aus- 
führung des  ganzen  Unternehmens  gelegen  haben  muß. 
»)  Cic.  Att.  II  19,  8  (Juli). 

■)  Wahrscheinlich  beziehn  sich  auf  ihre  Tätigkeit  die  Angaben  des 
Uber  coloniarum  Röm.  Feldmesser  p.  286  Praeneste,  oppidum  [in  Wirk- 
lichkeit sullanische  Kolonie],  ager  ekis  a  quinque  viris  pro  parte  in 
iugeribus  est  adsignatus  (vgl.  Mommser,  Die  ital.  Bürgerkolonien,  Hermes 
18,  167  =  Ges.  Sehr.  V  209.  Staatsrecht  II"  628)  und  p.  289  Venafrum,  op- 
pidum; quinque  viri  deduxerunt  sine  colonis  [unter  Augustus  Kolonie; 
vgl.  Mommsen,  Ges.  Sehr.  III  77  f.].  —  Ferner  sind,  falls  sie  zuverlässig  sind, 
wohl  auf  Caesars  erstes  Ackergesetz  zu  beziehn  die  Angaben  über  Bovianum 
(d.  i.  Bov.  vetus)  p.  281 :  oppidum.  kge  Iulia  milites  deduxerunt  sine 
colonis  [nach  Plin.  III  107  nnd  den  Magistratstiteln  Bpäter  Kolonie]; 
Aesernia  p.  238:  colonia  dedueta  lege  Iulia  [in  der  Kaiserzeit  ist  es 
munieipium ;  die  Angabe  könnte  aus  einer  Fassung  wie  der  bei  Venafrum 
und  Bovianum  entstellt  sein].  Für  die  Richtigkeit  der  Angaben  und 
ihre  Ansetzung  in  dieselbe  Zeit,  also  unter  Caesar,  spricht,  daß 
Venafrum,  Aesernia,  Bovianum  vetus  sich  geographisch  unmittelbar 
aneinander  anschließen.  Vielleicht  gehört  auch  die  Angabe  über  Veji  p.  220 
hierher:  ager  eius  müitibus  est  adsignatus  ex  lege  Iulia;  postea  de- 


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Caesars  Ackergesetze  67 

lehnte  im  Gegensatz  zu  den  Gracchen  und  Rullus  jede  Beteili- 
gung ab:  für  sich  selbst  werde  er  nichts  beantragen,  ihm  genüge 
es,  das  Werk  erfunden  und  eingeführt  zu  haben1).  Jedenfalls 
erforderten  die  beiden  Gesetze  eine  ganz  umfassende  admini- 
strative Tätigkeit,  die  tief  in  die  Besitzverhältnisse  eingriff.  In 
den  Ausfuhrungsbestimmungen  waren  alle  Details  sorgfältig  aus- 
gearbeitet, wahrscheinlich  durch  eine  besondere  Kommission  von 
fünf  Technikern2);  sie  legten  zugleich,  wie  seinerzeit  z.  B.  das 
thorische  Ackergesetz  vom  Jahre  111*),  die  rechtlichen  Grund- 
lagen des  gesamten  Grundbesitzes  fest.  Daher  konnte  Caesar 
in  das  zweite  Gesetz  die  Bestimmung  aufnehmen,  daß  fortan 
alle  Bewerber  um  ein  Amt  verpflichtet  sein  sollten,  auf  sich  selbst 
einen  Fluch  herabzurufen,  wenn  sie  je  davon  reden  würden,  daß 
der  Grundbesitz  auf  einer  andern  Grundlage  ruhen  könne,  als 
auf  den  Satzungen  der  julischen  Gesetze4). 


fieientibu8  his  ad  urbanam  civüatem  associandos  censuerat  divus 
Augustus  (vgl  CIL  XI  8805  Dessau  6579  centumviri  munieipii  Augusti 
Veientis,  aas  dem  Jahre  26  v.  Chr.);  indessen  wurde  die  Feldmark  von 
Veji  anch  im  Jahre  46  besiedelt  (Cic.  fam.  IX  17,  s.  u.  S.  412). 

')  Dio  38,  1,  7. 

*)  S.  S.  66  Anm. 

*)  Daß  Momxskhs  Behauptung  falsch  ist,  die  erhaltene  lex  agraria 
von  111  sei  nicht  die  lex  Thoria,  und  auf  einer  ganz  unmöglichen 
Übersetzung  von  Cic.  Brut.  186  beruht,  ist  jetzt  wohl  allgemein  aner- 
kannt. Die  weitere  Angabe  Cicero»  über  das  Gesetz  de  orat.  II  284 
stimmt  zu  dem  Gesetz  ZI.  14  f.  und  26.  Ich  kann  daher  die  Ansetzung 
der  lex  Thoria  ins  Jahr  114  durch  Korkbjcann  (zur  Geschichte  der 
Gracchenzeit,  Klio,  erstes  Beiheft,  8.  52)  und  Cichorius,  Unters,  zu 
Lncilius  8.  61  nicht  fOr  richtig  halten.  Appians  Angaben  sind  so  konfus, 
daß  mit  seinen  Daten  nichts  zu  machen  ist.  Wenn,  woran  nicht  gezweifelt 
werden  kann,  8p.  Borius  bei  Appian  I  27  in  Thorius  zu  korrigieren  ist, 
so  hat  er  eine  Flüchtigkeit  begangen  und  ihm  falschlich  das  zweite 
statt  des  dritten  der  dort  aufgeführten  Gesetze  zugeschrieben,  und  das 
ist  bei  Appian  nicht  weiter  verwunderlich. 

*)  Cic.  Att.  II  18,  2  habet  etiam  Campana  lex  exjtecrationem  in 
contione  candidatorum,  si  mentionem  fecerint,  quo  aliter  ager  possi- 
deatur  aique  ex  legibus  Iuliis.  Mit  der  Verpflichtung  des  Senats,  das 
erste  Gesetz  zu  beschwüren,  mit  der  z.  B.  Dromann  die  Angabe  zusammen- 
wirft, hat  diese  Klausel  nicht«  zu  tun. 


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68  DM  Principat  des  Porapejus 

Caesar  hat  sein  erstes  Ackergesetz  zunächst  dem  Senat  vor- 
gelegt und  sich  bereit  erklärt,  jedes  begründete  Amendement  zu 
berücksichtigen1).  Zugleich  übte  er  durch  die  Anordnung,  daß 
über  die  Verhandlungen  im  Senat  und  in  den  Volksversamm- 
lungen ein  Journal  geführt  und  veröffentlicht  werden  solle*), 
einen  starken  Druck  auf  den  Senat  aus;  waren  die  Verhältnisse 
nicht  so  heUlos  zersetzt  gewesen,  so  hätte  das  eine  ähnliche 
Wirkung  ausüben  können,  wie  die  Veröffentlichung  der  englischen 
Parlamenteberichte  durch  die  Presse  an  Stelle  der  früheren  pein- 
lichen Geheimhaltung,  und  den  Senat,  indem  es  ihn  der  Eontrolle 
der  Öffentlichkeit  unterstellte,  zugleich  zum  Repräsentanten  und 
Ausdruck  der  öffentlichen  Meinung  machen  können8). 

Der  Senat  befand  sich  in  einer  peinlichen  Lage.  Caesars  Ge- 
setz war  so  sorgfältig  ausgearbeitet  und  nahm  auf  die  wider- 
streitenden materiellen  Interessen  so  viele  Rücksicht,  daß  sich 
sachlich  kaum  etwas  dagegen  einwenden  ließ.  Aber  eben  so  be- 
greiflich ist  es,  daß  der  Senat  sich  nicht  dazu  entschließen  konute, 
sich  zum  Werkzeug  Caesars  herzugeben  und  seine  Machtstellung 
zu  begründen.   Die  Majorität  legte  sich  insofern  Zurückhaltung 

*)  Dio  88,  2  f.,  die  grundlegende  Darstellung,  in  die  sich  die  Übrigen 
Berichte  ohne  Schwierigkeit  einfügen.  Bei  Plutarch  ist,  wie  bei  dem 
Zweck  seiner  Biographien  natürlich,  die  chronologische  Folge  hier  wie 
sonst  gelegentlich  verschoben  (ebenso  bringt  Sueton  Caes.  20  f.  die  per- 
sönlichen Konflikte,  abgesehn  von  dem  mit  Bibulus,  an  den  das  fast 
wörtlich  ebenso  bei  Dio  87,  8,  2  berichtete  Witzwort  Iulio  et  Caesars 
consulibus  anknüpft,  erst  nach  der  Aufzahlung  der  Gesetze);  im 
übrigen  tritt  neben  dem  Plutarch  allein  angehörigen  Gut  die  mit  Appian 
gemeinsame  Quelle  überall  in  wörtlichen  Übereinstimmungen  deutlich 
hervor.    Über  die  Quelle  s.  Beilage  IV. 

*)  Sneton.  Caes.  20  inito  honore  primae  omnium  instituit ,  ut 
tarn  senatus  quam  populi  diuma  acta  confierent  et  publicarentur. 

*)  Man  kann  die  damaligen  Zustande  Roms  etwa  mit  denen  Eng- 
lands zur  Zeit  der  Wilkesschen  Händel  und  der  Juni  usbriefe  ver- 
gleichen, als  das  Parlament  zwar  im  Besitz  der  Macht  war  und  diese 
in  seinem  Interesse  rücksichtslos  gebrauchte,  aber  im  übrigen  von  klein- 
lichen Fraktionsstreitigkeiten  und  persönlichen  Interessen  beherrscht  und 
zerrissen  war  und  alle  Fühlung  mit  der  öffentlichen  Meinung  verloren 
hatte.  Analog  sind  dann  wieder  die  Zustande  vor  der  Erzwingung  der 
Reformbill  von  1882. 


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Die  Verhandlungen  aber  Caesars  Ackergesetze  69 


auf,  als  sie  zum  Schein  auf  die  Diskussion  einging,  aber  durch 
inhaltlose  Reden  und  Vorwände  aller  Art  jede  Entscheidung 
hintertrieb1).  Cato  dagegen  und  der  Consul  Bibulus  waren  zum 
Widerstand  bis  aufs  äußerste  entschlossen;  Cato  konnte  zwar 
auch  keine  triftigen  Einwände  erheben,  machte  aber  aus  seinen 
Befürchtungen  über  die  Konsequenzen  kein  Hehl  und  erklärte, 
es  müsse  alles  beim  alten  bleiben2).  Über  die  reine  Negation 
vermochte  eben  der  Senat  nicht  mehr  hinauszukommen.  Schließ- 
lich, als  Cato  durch  eine  Dauerrede  die  Abstimmung  unmöglich 
zu  machen  versuchte,  ließ  Caesar  ihn  verhaften.  Wider  sein  Er- 
warten fügte  sich  Cato  ohne  Widerstand,  und  zahlreiche  Senatoren 
erhoben  sich,  um  ihm  zu  folgen.  So  blieb  Caesar  nichts  übrig, 
als  einen  Tribunen  zu  veranlassen,  gegen  die  Verhaftung  Ein- 
spruch zu  erheben3).  Dem  Senat  aber  erklärte  er,  daß,  da  der 
Versuch,  mit  ihm  zusammen  zu  arbeiten,  gescheitert  sei,  er  sich 
weiter  nicht  um  ihn  kümmern  und  das  Gesetz  jetzt  dem  Volk 
vorlegen  werde.  Wenn  er  schon  früher  nicht  viel  von  der  Nobilität 
und  dem  Senat  gehalten  hatte,  so  erfüllten  ihn  diese  Vorgänge 
vollends  mit  Haß  und  Verachtung  gegen  den  Senat,  die  er  fortan 
bis  an  sein  Ende  unverhohlen  an  den  Tag  gelegt  hat4). 


•)  Dio  88,  2  ?td  xobxo,  t\  xal  ^iti;  o't  ovttXrrrv,  dXV  o(m  ti  xat 
oovticijvoov.  toic  jiiv  H)  oüv  ÄXXoic  *£nP**1  toöxo.  xat  »KYm*Uovto  ftiv  *«l 
at*4>  *poßooXt«>ortv,  inoioov  lh  oblh,  aXXd  3tatpcBai  xat  avaßoXal  tr,v  aUuic 
t-jtYvovto. 

*|  Dio  38,  2  Kdtuiv  .  .  .  tol$  fikv  f*TPa!JLIJL^vot?  °'j'*v        *&t&c  liwxdksi, 
xb  8*  BXov  yfiloo  tq  t>  xapoöc-jj  ctpa^  xataotdctt  xpipbw.  xat  frrjWv  ff£a> 
airfjc  itottiv.   Plot.  Cato  31  «poßtlodat  <päoxu>v  ot>  rqv  vofivjv  X^P*1?» 
Sv  avxt  taörr|(  dxattijoooci  ptotov  o't  /aptC&juvot  xal  &tXsd(ovTte  xb  xV?poc. 

•)  So  berichten  Dio  87,  3,  Atejus  Capito  de  officio  senatoria  bei 
Gell.  IV  10,  Vnl.  Max.  II  10,  7  (nur  daß  hier  Cato  falschlich  gegen  das 
Gesetz  fflr  die  Steoerpächter  redet),  Sueton  Caes.  20.  Bei  Plntarch  Cato  88 
ist  die  Szene  falschlich  mit  dem  Auftreten  Catos  in  der  Volksversamm- 
lung zusammengeworfen,  Caes.  14  scheinbar  an  das  Gesetz  über  Caesars 
Provinzen  angeknüpft. 

*)  Dios  Angabe  38.  4  xax  tootoo  ob?  £XXo  tt  Ttpooota  *v  *U  *PX$ 
xwrg  ixtxotvwyinetv,  äkX'  i$  xbv  S-Tjpov  avttxpoc  xdv^  Soa  ißoöXtto  cat-f  epsv 
ist  im  -wesentlichen  richtig,  bei  Appian  II  10,  86  ist  sie  dahin  entstellt, 
daß  er  BooX-nv  ohxixi  oovffltv  hti  xb  8Xov. 


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70 


Das  Principat  des  Pompejus 


In  der  Volksversammlung  legte  Caesar  dem  Bibulus  die  Frage 
vor,  ob  er  an  dem  Gesetz  etwas  auszusetzen  habe,  und  forderte, 
als  dieser  schroff  ablehnte,  die  Menge  auf,  den  renitenten  Consul, 
das  einzige  Hindernis  des  nützlichen  Werks,  durch  Bitten  zur 
Nachgiebigkeit  zu  bewegen1).  Als  aber  Bibulus  erklärte,  der 
Antrag  werde  in  diesem  Jahre  nicht  Gesetz  werden,  auch  wenn 
alle  andern  dafür  seien,  ließ  er  ihn  fahren  und  rief  Pompejus  und 
Crassus  auf,  sich  über  das  Gesetz  zu  äußern.  Beide  erklärten  ihre 
Zustimmung.  Pompejus  ging  die  einzelnen  Bestimmungen 
billigend  durch  und  behauptete,  auch  der  Senat  sei  einverstanden, 
wie  sein  Verhalten  bei  dem  früheren,  nicht  zur  Ausführung  ge- 
kommenen Gesetz  (vgl.  S.  53)  beweise;  und  als  Caesar  ihn  fragte, 
ob  er  ihm  gegen  die  Gegner  beistehen  wolle,  erklärte  er,  wenn 
man  ihn  mit  dem  Schwerte  bedrohe,  werde  er  auch  den  Schild 
mitbringen2). 

Für  die  entscheidende  Versammlung  besetzten  Caesar  und 
Pompejus  schon  bei  Nacht  das  Forum  mit  ihren  Anhängern, 
die  Dolche  mitbrachten.  Aber  die  Gegner  gaben  den  Wider- 
stand noch  nicht  auf.  Bibulus  hatte  für  alle  Comitialtage  im 
voraus  Himmelsbeobachtungen  angekündigt,  die  gemäß  dem  um 
150  v.  Chr.*)  erlassenen  aelischen  und  pupischen  Gesetz  eine  Ab- 
stimmung rechtlich  unzulässig  machten.  Als  Caesar  sich  nicht 
darum  kümmerte,  erschien  er  in  der  Versammlung,  gefolgt  von 
Cato,  Lucullus4)  und  ihren  Anhängern;  überdies  hatten  drei 
Tribunen,  Cn.  Domitius  Calvinus,  Q.  Ancharius,  C.  Fannius, 
ihre  Intercession  zugesagt8).   Aber  als  Bibulus  sich  den  Zutritt 

')  Dio  88,  4;  bei  Appian  II  10  ist  der  Vorgang  in  entstellter  Form 
in  den  Senat  verlegt:  Caesar  fordert,  ehe  er  sein  Gesetz  einbringt,  den 
Bibulus  au  eintrachtigem  Handeln  auf  und  wiegt  ihn  dadurch  in 
Sicherheit. 

*)  Dio  88,  5.   Plut.  Pomp.  47  =  Caes.  14. 

»)  Cic.  in  Pia.  10,  vgl.  in  Vat.  28. 

*)  Lucullus  wird  von  Plut.  Pomp.  48  =  Luc.  42  als  mitwirkend  ge- 
nannt; ebenso  Sueton  Caes.  20  Lucio  Lucutto  liberius  resuitenti  tan- 
tum  calumniarum  metum  inieeil,  ut  ad  genua  ultro  sibi  accideret. 

*)  Cic.  pro  Sest.  118  f.  mit  schol.  Bob.  (die  beiden  für  Caesar  ein- 
tretenden Tribunen  sind  C.  Alüus  Flavus,  vgl.  Vat.  80,  den  Cicero  mild 


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Durchbringung  des  ersten  Ackergeeetzes 


71 


auf  die  Rednerbühne  vor  dem  Castortempel  erzwang  und  spreche» 
wollte,  wurde  er  heruntergerissen  und  mit  Kot  beworfen,  die 
Ruten  seiner  Lictoren  zerbrochen,  er  selbst  und  zwei  Tribunen 
verwundet1).  Den  Bibulus,  der  bis  zum  Tode  ausharren  wollte, 
flüchteten  seine  Freunde  in  den  Tempel  des  Juppiter  Stator, 
Oato,  der  immer  von  neuem  zu  reden  versuchte,  wurde  gewalt- 
sam fortgeschleppt  *). 

So  wurde  das  Gesetz  von  den  Tribus  angenommen  (April  59). 
Am  nächsten  Tage  brachte  Bibulus  die  Vorgänge  im  Senat  zur 
Sprache;  er  erwartete,  daß  auf  seine  Relation3)  der  Antrag  ge- 
stellt werden  würde,  gegen  den  revolutionären  Consul  und  seinen 
Anhang  mit  dem  senatusconsultum  ultimum  vorzugehen.  Aber 
dazu  hatte  niemand  den  Mut;  man  empfand  nur  zu  deutlich  die 
volle  Hoffnungslosigkeit  eines  derartigen  Versuchs4).  So  blieb 
nichts  übrig,  als  sich  schweigend  zu  fügen.  Fortan  stellte  Bibulus 
seine  Amtstätigkeit  ein  und  verschloß  sich  bis  zum  Ende  des 

bebandelt,  weil  er  spater  mit  ihm  gnt  steht,  pro  Plane.  204,  und  Va- 
tinius),  in  Vat.  16.  Dio  88,  6  BtßooXo?  .  . .  tpet«  ir^apx00^  oovatfujvioT&c 
stpoctttfisvo«;  ixutXoe  vofto&inqtiot. 

')  Dio  88,  6.  Plut.  Pomp.  48  =  Cato  32.  Appian  II  11. 

*)  Appian  II  11,  40;  Plut.  Cato  82  etwas  abweichend. 

•)  Daß  diese  Vorgänge  in  den  April  fallen,  ergibt  sich  daraus,  daß 
Bibulus  nach  denselben  sich  8  Monate  bis  zum  Ende  des  Consulats 
in  sein  Haus  einschließt  (Plut.  Pomp.  48),  und  wird  dadurch  bestätigt, 
daß  Cicero  nach  diesen  Vorgängen  gegen  Mitte  April  (Att.  II  8,  vgl. 
4,  6)  aufs  Land  geht.  Im  April  fahrte  Bibulus  die  fasces  und  leitete 
daher  die  Senatsverhandlungen  und  hat  offenbar  de  summa  republica 
referiert.  Es  ist  nicht  au  vergessen,  daß  der  referierende  Consul  den 
Senat  um  seine  Ansicht  befragt  und  die  einzelnen  Senatoren  dafür  auf- 
ruft, aber  nicht  selbst  einen  Antrag  stellen  kann. 

*)  Sueton  Caes.  20  lege  agraria  promulgata  obnuntiantem  col- 
legam  armia  foro  expulti,  ac  postero  die  in  senatu  conquesium,  nec 
quoquam  reperto,  qui  super  tali  constematione  referre  aut  censere 
aliquid  änderet,  qualia  multa  saepe  in  levioribus  turbis  decreta 
erant  (das  ist  eben  das  s.  c.  ultimum),  in  eam  coegit  desperationem, 
ut  quoad  potestate  abiret  domo  abditus  nihil  aliud  quam  per  edicta 
obnuntiaret.  Dio  88.  6  %aX  b  pkv  vöpoc  o5*a>c  ixoputfhr],  BißooXo^  tk  . . . 
rj}  6<JTJpaia  titttpaa«  jiiv  iv  t<p  aovtftpttp  aotöv  Xusal,  ferpavs  V  ouftiv  '  rjj 
■jap  toÖ  rXtj»oo?  ojio'ji-jj  &«8ooXa>jjivoi  ttavttc  ri9»x<zCov. 


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72 


Das  Principat  des  Pompejus 


Jahres  in  sein  Haus;  an  allen  Comitialtagen  ließ  er  durch  seine 
Amtsdiener  und  durch  Edikte  verkünden,  daß  er  den  Himmel 
beobachtet  habe  und  daher  alle  Geschäfte  ruhen  mußten1).  Um 
sein  Gesetz  gegen  zukünftige  Anfechtungen  sicher  zu  stellen, 
hatte  Caesar  in  dasselbe,  wie  ehemals  Saturninus,  die  Bestim- 
mung eingefügt,  daß  alle  Senatoren  es  bei  schwerer  Strafe  be- 
schwören und  sich  verpflichten  sollten,  jeden  Abänderungsver- 
Buch  zu  bekämpfen1).  Metellus  Celer,  der  sich  auf  das  Vorbild 
desNumidicus  berief3),  der  im  Jahre  100  lieber  ins  Exil  gegangen 
war  als  einen  derartigen  Eid  zu  leisten,  Cato  und  sein  Gefolgs- 
mann Favonius  sträubten  sich  lange;  schließlich  am  letzten  Tage 
gehorchten  auch  sie,  Cato  vor  allem  durch  Ciceros  Vorstellungen 
veranlaßt,  er  müsse  sich  dem  Staat  erhalten4) 

Cicero,  den  Wortführer  der  Majorität,  für  sich  zu  gewinnen, 
hat  Caesar  sich  ununterbrochen  bemüht.  Wie  Baibus  im  Dezember 
schon  angedeutet  hatte  (oben  8.  61),  erklärte  er,  ihn  neben  Crassus 
und  Pompejus  zu  seinem  Berater  und  Vertrauensmann  nehmen 
zu  wollen*);  er  hat  ihm  vielleicht  auch  damals  schon  eine  Stellung 
in  der  Ackerkommission  in  Aussicht  gestellt.  Aber  Cicero  blieb 
ablehnend;  er  versuchte  im  Gegenteil,  da  er  von  dem  Abschluß 
der  Koalition  nichts  ahnte,  Pompejus,  mit  dem  er  nach  wie  vor 
intim  zu  stehn  glaubte,  vor  der  Verbindung  mit  Caesar  zu 

')  Dio  88,  6.  Sueton  Caes.  20,  vgl.  Cic.  de  domo  40.  de  har.  resp.  48. 

*)  Plot.  Cato  82 ;  nach  Appian  II  12  war  den  Eid  Verweigerern  Todes- 
strafe angedroht,  was  natürlich  Obertrieben  ist;  ebenso  laßt  er  das  Ge- 
setz auch  vom  Volk  beschworen  werden. 

")  So  Dio  38,  7,  1;  bei  Plut.  Cato  82  wirkt  umgekehrt  Numidicns' 
Schicksal  abschreckend.  —  Metellus  starb  kurz  darauf,  Cic.  pro  Cael.  59, 
s.  unten  S.  74  Anm.  8. 

<)  Plut.  Cato  82.  über  Catos  Eidesleistung  vgl.  außer  Dio  88,  7 
Cic.  pro  Sest.  61  Aber  die  gegen  Cato  wegen  der  Annahme  der  Sen- 
dung nach  Cypern  erhobenen  Vorwürfe  quasi  vero  Ute  non  in  alias 
quoque  leges,  quas  iniuste  rogatas  putaret,  iam  ante  iuraverü.  non 
offert  se  ilie  istis  temeritaiibus,  ut  cum  reipublicae  nihil  prosit,  se 
civi  rempublicam  prüfet,  und  dazu  schol.  Bob. 

»)  de  prov.  cons.  41  me  in  tribus  sibi  eoniuncUssimis  consu- 
laribtis  esse  voluit  (ebenso  in  Pis.  79).  Daß  die  beiden  andern  Crassus 
und  Pompejus  sind,  ist  klar. 


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Caesar  and  Cicero.    Clodias'  Übertritt  zur  Plebs 


73 


warnen1).  Aber  wie  Cicero  war  auch  Caesar  durch  die  cati- 
linarischen  Händel,  „die  Nonen  des  Dezember",  gebunden;  die 
Hinrichtung  der  Verschworenen  durch  Cicero  konnte  er  niemals 
billigen.  Überdies  stand  er  in  Verbindung  mit  Clodius,  der  von 
Begierde  brannte,  sich  an  Cicero  zu  rächen  und  als  Tribun  eine 
große  Rolle  zu  spielen,  und  deshalb  schon  im  vorigen  Jahr  mehrere 
vergebliche  Versuche  gemacht  hatte,  seinen  Übertritt  zur  Plebs 
in  legitimer  Weise  zu  ermöglichen.  Als  jetzt  C.  Antonius,  unter 
dessen  Auspicien  das  Heer  gegen  Catilina  gefochten  hatte,  nach 
der  Rückkehr  aus  der  makedonischen  Statthalterschaft  von  dem 
jungen  Caelius  wegen  Repetunden  verklagt  wurde,  konnte  Cicero, 
trotz  aller  inneren  Abneigung  gegen  ihn,  nicht  umhin,  seine  Ver- 
teidigung zu  übernehmen.  Caesar  und  sein  Gehilfe,  der  Tribun 
Vatinius,  wünschten  natürlich  seine  Verurteilung,  die  sie  auch 
erreichten  und  die  im  übrigen  durchaus  verdient  war;  Vatinius 
hatte  einen  Gesetzentwurf,  der  dem  Angeklagten  größere  Frei- 
heit in  der  Ablehnung  der  Richter  gab,  so  lange  zurückgehalten, 
daß  er  Antonius  nicht  mehr  zugute  kams).  In  seiner  Rede  konnte 
sich  Cicero  scharfer  Ausfälle  gegen  Caesar  und  beweglicher  Klagen 
über  die  Lage  des  Staates  nicht  enthalten:  drei  Stunden  darauf 
erfolgte  die  Antwort  dadurch,  daß  Caesar  als  Pontifex  maximus 
die  Adrogation  des  Clodius  durch  einen  Plebejer  Fontejus  von 
den  Curien  vollziehen  ließ3),  unter  Assistenz  des  Porapejus,  der 

')  Cicero  an  Caecina  (im  Jahre  46)  fam.  VI  6,  4  plurimi  sunt 
teste*,  nie  et  initio,  ne  coniungeret  se  cum  Caesar  e,  monuisse  Pom- 
pehim,  et  postea,  ne  se  diiungeret:  coniunctione  frangi  senatus  opes, 
diiunctione  civüe  bellum  excitari  videbam.  Phil.  II  28  ego  M.  Bibulo, 
praestantissimo  cive,  consule  [Bibulus  ist  mit  Absicht  allein  genannt, 
im  Gegensatz  gegen  die  populäre  Auf  fassang,  die  nnr  von  Caesars  Con- 
sttlat  redet]  nihil  praeiermisi,  quantum  facere  enitique  potui,  quin 
Pompeium  a  Caesaris  coniunctione  avocarem;  in  quo  Caesar  feli- 
cior  fuü:  ipse  enim  Pompeium  a  mea  familiarüate  diiunxit. 

*)  Cic.  in  Vat.  27  mit  schol.  Bob.  Wie  Caesar  zu  C.  Antonius  stand, 
geht  daraus  hervor,  daß  er  ihm  erst  ganz  zuletzt  die  Rückkehr  bewilligt 
hat.  *.  unten  8.  868. 

*)  Cic.  de  domo  41.  Sneton  Caes.  20.  Dio  38,  10,  der  den  Vorgang 
viel  zu  spat  setzt  und  fälschlich  an  die  Denunziation  des  Vettius  an- 
knöpft; das  ist  echt  dionischer  Pragmatismus.    Die  Zeit  (spätestens 


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74 


Das  Principat  des  Pompejus 


als  Augur  seine  Zustimmung  gab1).  Damit  hing  das  Damokles- 
schwert über  Cicero.  Nach  der  Entscheidung  über  das  Gesetz 
und  der  Eidesleistung  verließ  dieser  Rom  im  April  —  er  hatte 
sich  zu  dem  Zweck  vom  Senat  eine  legatio  libera  geben  lassen*) 
—  und  begab  sich  auf  seine  Güter,  seine  ablehnende  Haltung 
nicht  bereuend') ;  aber  er  erkannte,  und  hat  das  ja  auch  in  seinen 
Ratschlagen  an  Cato  und  Metellus  ausgesprochen,  daß  aller 
weitere  Widerstand  vergeblich  sei,  und  dachte  daran,  sich  vom 
öffentlichen  Leben  zurückzuziehn  und  sich  ganz  der  literarischen 
Tätigkeit,  zunächst  der  Abfassung  eines  Werks  über  Geographie 
und  seiner  geheimen  Memoiren,  zu  widmen.  Caesar  hat  Beine 
Bemühungen  um  ihn  noch  weiter  fortgesetzt;  er  bot  ihm  eine 
sehr  einträgliche  Gesandtschaft  nach  Alexandria  zur  Regelung 
der  dortigen  Verhältnisse,  und  dann  eine  Stelle  in  der  Acker- 
kommission (oben  S.  65),  schließlich  einen  Legatenposten  in  seiner 
Provinz,  um  ihn  dadurch  zugleich  der  von  Clodius  drohenden 
Gefahr  zu  entziehen4):  Cicero  hat  alles  abgelehnt;  wenn  er  im 

Anfang  April)  ergibt  sich  ans  Cic.  Att.  II  7,  2.  9,  1  usw.  Vgl.  auch 
pro  Flacco  5.  95. 

!)  Cic.  Att.  II  9,  1  hic  noster  Hierosolymarius  traductor  ad  ple- 
bem,  vgl.  12,  1.  22,  2.  Vffl  8,  8.  Dio  88,  12,  2. 

*)  Cic.  Att.  II  4,  2.  5,  2.  18,  3. 

*)  Att.  II  4,  2  interea  quidem  cum  Musis  nos  deleciabimus  animo 
aequo,  imtno  vero  etiam  gaudenti  ac  libenti;  neque  mihi  umquam 
veniet  in  mentem  Crasso  invidere  neque  paenitere,  qttod  a  me  ipse 
non  desciverim.  Vgl.  7,  4.  9,  8.  —  Dromanh  hat  alle  diese  Vorgänge 
nicht  nur  ganz  parteiisch,  sondern  auch  vielfach  sachlich  ganz  falsch 
und  mit  übergehung  wichtiger  Quellenzeugnisse  dargestellt.  So  steht 
m*  185  die  ganz  unbegreifliche  Behauptung,  Cicero  habe  sich,  als 
Caesar  das  Ackergesetz  dem  Senat  vorlegte,  aufs  Land  zurückgezogen, 
während  er  doch,  wie  seine  Korrespondenz  mit  Atticus  beweist,  erst  im 
April,  nach  der  Entscheidung,  auf  seine  Güter  gegangen  ist.  Hätten 
wir  Briefe  aus  den  ersten  Monaten  des  Jahres,  so  würden  wir  über  seine 
Beteiligung  an  der  Diskussion  manches  erfahren.  Selbstverständlich  hat 
auch  er  den  Eid  geleistet;  auch  bei  Metellus  Celera  Tode,  tertio  dieposi 
quam  in  curia  . .  .  floruisset,  nachdem  dieser  den  Eid  geleistet,  war  er 
noch  in  Rom  (pro  Cael.  59). 

4)  Att.  II  5,  l.  18,  8.  19,  5  (Juli)  Caesar  me  sibi  vult  esse  legatum. 
honestior  declinatio  haec  periculi;  sed  ego  hoc  non  repudio.  quid  ergo 


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Weitere  Gesetze  Caesars 


75 


Scherz  einmal  hinwirft,  um  das  Augurat  (das  durch  Metellus 
Celera  Tod  erledigt  war)  würde  er  sich  erkaufen  lassen,  so  ist 
das  nicht  ernsthaft  zu  nehmen1). 

Durch  die  Vorgänge  bei  der  Durchbringung  des  Aokergesetzes 
war  die  Widerstandskraft  der  Opposition  gebrochen ;  seine  weiteren 
Maßregeln  konnte  Caesar  jetzt  ohne  Schwierigkeit  durchsetzen. 
Es  folgte  zuerst  ein  Gesetz,  welches  den  Steuerpächtern  die  von 
ihnen  gewünschte  und  im  vorigen  Jahr  vom  Senat  abgelehnte 
(S.  50)  Herabsetzung  der  Pachtsumme  um  ein  Drittel  gewährte 
und  so  die  Ritterschaft  für  die  neuen  Machthaber  gewann ;  daran 
knüpfte  Caesar  die  Mahnung,  in  Zukunft  bei  der  Verpachtung 
Maß  zu  halten  und  sich  nicht  ins  Ungemessene  zu  überbieten2). 
Sodann  die  Bestätigung  der  Anordnungen  des  Pompejus,  gegen 
die  jetzt  niemand  mehr  Einspruch  zu  erheben  wagte8);  den 
Lucullus  hatte  Caesar  bei  den  früheren  Verhandlungen  so  an- 
gefahren, daß  er  ihm  zu  Füßen  stürzte  und  sodann  sich  ganz 
vom  politischen  Leben  zurückzog4).  Dann  folgte,  Ende  April, 
die  Einbringung  des  zweiten,  campanischen  Ackergesetzes  (oben 
3.  63),  das  ohne  weiteren  Widerstand  angenommen  wurde.  Die 
durch  dasselbe  vorgeschriebene  feierliche  Verpflichtung  aller  Be- 
werber um  ein  Amt  auf  die  julischen  Ackergesetze  haben  alle 
Kandidaten  abgegeben,  bis  auf  M.  Iuventius  Laterensis,  der 
gewissenhaft  genug  war,  lieber  von  der  Bewerbung  um  das  Tri- 


esi?  pugnare  malo  (er  hofft  damals,  Clodius  widerstehn  zu  können), 
de  pro?,  cons.  41  mihi  legationem  quam  vettern,  quanio  cum  honore 
vettern,  detulit.  Dann,  nach  Clodius'  traduetio  ad  plebem,  postea  me, 
ut  sibi  essem  legatus,  non  solum  suasit,  verum  etiam  rogavit  (er- 
wähnt bei  Plut.  Cic.  30). 

')  Att.  II  5,  2  auguratus  . . .  quo  quidem  uno  ego  ab  iatis  capi 
possum.  vide  levitatem  meam. 

•)  Cic.  pro  Plane.  85.  Sueton  Caes.  20.  Dio  38,  7,  4.  Appian  II 
13,  47.  V  4,  10;  bei  Plutarch  Caes.  48  fälschlich  ina  Jahr  48,  nach  Phar- 
salos,  versetzt.  Vgl.  die  anschließenden  Verhandlangen  über  das  por- 
torium  circumvectionis  in  Asia,  Cic.  ad  Att.  II  16,  4. 

»)  Dio  88,  7,  5.   Appian  II  13.    Plut.  Pomp.  48. 

*)  Oben  8.  70  Anm.  4.  Dio  38,  7,  5  npaxöw»  oicö  toö  IIofi.Rirjtou 
«ayta  AooxoöXXo'j  |nfjx'  £XXou  ttyö^  iwxtotdvro«  i?»ßat<uotv. 


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76  Da«  Principat  des  Pom  pejus 

bunat  zurückzutreten1);  er  hat  bekanntlich  im  Jahre  43,  als 
Lepidus  bei  seinem  Ubertritt  zu  Antonius  ihn  durch  falsches  Spiel 
hintergangen  hatte,  Beine  ehrliche  Pflichttreue  gegen  die  Republik 
durch  Selbstmord  besiegelt2).  Schon  vorher  hatte  Caesar  die 
endliche  Anerkennung  des  Königs  Ptolemaeos  Auletes  von 
Aegypten  erwirkt8),  natürlich  gegen  Zahlung  einer  namhaften 
Summe,  nach  Sueton  nahezu  6000  Talente,  die  er  mit  Pompejus 
teilte4).  Auch  sonst  vergab  und  verkaufte  er,  zum  Teil  durch 
Gesetze  des  Vatinius,  mancherlei  Privilegien  und  Rechte*);  so 
erhielt  Utica  damals  latinisches  Recht  (s.u.  S.487).  So  verschaffte  er 
sich  auf  Kosten  des  Staats  die  Mittel  für  seine  weiteren  Plane 
und  konnte  zugleich  seine  Anhänger  befriedigen  und  belohnen. 
Im  Verlauf  des  Jahres  folgten  noch  weitere  Gesetze,  die  eine  An- 
zahl von  Rechtssätzen  neu  ordneten  oder  abänderten9),  darunter 


')  Cic.  Att.  II  18,  2  (etwa  Juni);  pro  Plane.  52,  vgl.  13. 

8)  Cic.  fam.  X  23.  Dio  46,  51.  3.  Vellerns  II  63.  vgl.  Sternxopf, 
Hermes  45,  250  ff. 

')  Cic.  Att.  II  16,  2,  wo  Pompejus  ihm  sagt  de  rege  Alexandrino 
placuisse  sibi  aliquando  conflci.  Daher  das  Anerbieten  an  Cicero,  als 
Gesandter  nach  Alexandria  zu  gehn  II  5.  Mit  Ptolemaeos  wird  ein 
foedus  geschlossen  Cic.  pro  Hab.  Post.  G. 

4)  Saeton  Caes.  54.  societates  ac  regna  preiio  dedil,  ut  qui  uni 
Ptolemaeo  prope  sex  müia  talentorum  suo  Pompeique  nomine 
abstulerit.  Ebenda  wird  behauptet  in  primo  comulatu  tria  müia 
pondo  auri  furatus  e  Capitolio  tantumdem  inaurati  aeris  reposuit; 
das  zu  prüfen  haben  wir  keine  Möglichkeit. 

*)  Vgl.  Cic.  in  Vat.  25,  wonach  Vatinius  als  Tribun  foedera  cum 
civüaUbus,  cum  regibus,  cum  tetrarchis  geschlossen  hat.  Cic.  ad  Att, 
II  9,  1  improbitas  istorum,  qui  omnia  remedia  reipublicae  effude- 
runt,  qui  regna,  qui  praedia  tetrarchis,  qui  immanis  pecunias 
paucis  dederunt.  Fam.  I  9,  7  redet  er  von  der  donatio  regnorum  in 
Vatinius'  Tribunat.  —  Für  Ariovist  erwirkte  Caesar  vom  Senat  die  An- 
erkennung als  rex  atque  amicus,  Bell.  Gall.  I  85,  fflr  den  König  von 
Commagene  die  toga  praetexta,  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  10,  2. 

6)  Dio  88,  7.  5  f.  tittixa  $i  xal  £k\*  isoXXa  3itvo|iodirr)ct  fiY|8«v6? 
tvavtu>0|itvou  .  .  .  «oötooc  jtiv  ouv.  8ti  ndfiitoXXoC  w  »toi  xal  ot>3'  bxtobv 
xylt  ooYTP*?i  oojißäkXovtat,  wapaXt{t|a».  Cato  habe  sich  als  Praetor 
dadurch  lächerlich  gemacht,  daß  er  diese  Gesetze  nicht  als  julische  be- 
zeichnen wollte,  sondern  bei  der  Auslosung  der  Gerichtshöfe  xu  den  ab- 


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Caesars  Repetundengesetz 


77 


ein  umfangreiches  Repetundengesetz1).  Durch  dies  Gesetz  wurde 
die  gesamte  Verwaltungstatigkeit  der  Provinzialstatthalter  neu 
geregelt,  ihre  Bezüge  und  die  ihres  Gefolges  festgesetzt  und  ein- 
geschränkt, ebenso  die  Zeit,  auf  die  eine  sogenannte  legatio  libera, 
eine  Gesandtschaft  ohne  bestimmten  Auftrag,  lediglich  im  privaten 
Interesse,  eine  der  schlimmsten  Geißeln  der  Provinzialen,  gewahrt 
werden  durfte.  Alle  direkten  und  indirekten  Bestechungen, 
namentlich  auch  bei  der  Besetzung  der  Gerichtshöfe  und  bei 
der  Aushebung  der  Provinzialtruppen,  Beeinflussung  der  Zeugen 
und  Ähnliches,  wurden  durch  die  schärfste  Formulierung  ver- 
boten und  unter  Strafe  gestellt,  Verkäufe  und  Verpachtungen, 
die  eine  derartige  Beeinflussung  bezweckten,  für  ungültig  erklärt, 
ebenso  die  Einsammlung  und  Annahme  goldener  Kränze,  die 
die  untertänigen  Städte  dem  Statthalter  als  Ehrengeschenk  dar- 
brachten, es  sei  denn,  daß  ihm  ein  Triumph  bewilligt  sei.  Außer- 
dem war  eine  genaue  schriftliche  Rechenschaftsablegung  vor- 
geschrieben, von  der  ein  Exemplar  der  Staatskasse  zu  übergeben, 
das  andere  in  der  Provinz  zurückzulassen  war*).  Durch  dieses 
eben  so  großzügige  wie  sorgfältig  ausgearbeitete  Gesetz,  das  bei 
rechtlich  denkenden  Männern  allgemeine  Anerkennung  fand,  so 
bei  Cicero,  wurde  gegenüber  den  furchtbaren  Mißbrauchen  des 
republikanischen  Regiments  die  Lage  der  Untertanen  wesentlich 
gebessert  und  vor  allem  auf  eine  feste  Grundlage  gestellt.  Auch 
Caesars  Gehilfen,  der  Tribun  Vatinius  und  der  Praetor  Fufius 
Calenus,  haben  damals  Gesetze  durchgebracht, die  einzelne  Bestim- 
mungen desEriminalprozesses  änderten ;  Vatinius  gestattete  die  Ab- 
lehnung ganzer  Gruppen  der  Geschworenen  durch  die  Angeklagten, 
Fufius  ordnete  an,  daß  die  Stimmenzahl  in  den  drei  Klassen 
des  Gerichtshofs  gesondert  bekannt  gegeben  werden  sollte*). 

surdesten  Umschreibungen  griff.  Somit  müssen  sie  einzelne  Materien 
der  Rechtsordnung  betroffen  haben. 

')  Cic.  in  Vat.  29  mit  schol.  Bob.  pro  Sest.  135.  in  Pia.  37.  50.  90 
pro  Rab.  Post.  8.  12  und  sonst  oft. 

*)  Zusammenstellung  der  Fragmente  und  Erwähnungen,  außer  bei 
Cicero  vor  allem  Dig.  48,  11  de  lege  Iulia  repetundarum,  in  KOblkrs 
Caesar-Ausgabe  III  172  ff. 

■)  Vatinius  oben  S.  78.   Fu6us  oben  S.  23  Anm. 


i 


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78 


Das  Principal  des  Pompejus 


Durch  die  Erklärung  des  Pompejus  vor  dem  Volk  bei  dem 
Ackergesetz  war  die  bis  dahin  geheim  gehaltene  Koalition 
zwischen  ihm  und  Caesar  offenkundig  geworden1).  Jetzt  wurde 
sie  weiter  dadurch  besiegelt,  daß  Pompejus  sich  mit  Caesars 
Tochter  Julia  vermählte,  deren  Verlobung  mit  Servilius  Caepio, 
der  Caesar  im  Kampf  gegen  Bibulus  eifrig  unterstützt  hatte, 
aufgehoben  wurde;  zur  Entschädigung  wurde  diesem  Pompejus* 
Tochter  zugesagt,  deren  Verlobung  mit  Faustus  Sulla  gleichfalls 
rückgängig  gemacht  werden  mußte.  Dadurch  hoffte  Caesar  den 
Pompejus  dauernd  an  sich  zu  fesseln*).  Daß  Caesar  ein  paar 
Jahre  vorher  mit  Pompejus'  Gemahlin  Mucia  ein  Verhältnis  an- 
geknüpft und  Pompejus  selbst  ihn  daher  als  Aegisthus  bezeichnet 
hatte,  kam  für  diese  Männer  ebensowenig  in  Betracht,  wie  Clodius' 
Ehebruch  mit  Caesars  Gemahlin  für  deren  Beziehungen,  so  argen 
Anstoß  es  erregte*).  Er  selbst  heiratete  kurz  darauf  Cal- 
purnia,  deren  Vater  L.  Piso  zum  Consul  für  das  nächste  Jahr 
bestimmt  war.  Von  da  an  rief  Caesar  im  Senat  an  Stelle  des 
Crassus,  dem  er  bis  dahin  als  seinem  alten  Genossen  zur  Mas- 
kierung der  Verbindung  mit  Pompejus  das  erste  Wort  erteilt 
hatte,  den  Pompejus  an  erster  Stelle  zur  Abgabe  seiner  sententia 


')  Dio  37,  5,  5. 

*)  Sueton  Caes.  21;  Plut.  Pomp.  47  =  Caes.  14  fmC6voi?  h» 
Ilofj.m)(oo  ftovdfu<i>c  &iw>8patt6jAtvos  und  mit  derselben  Auffassung  bei 
Appian  II  14  8»8iü>c  fri)  xai  cpiXoc  <Sv  (IIojAX^toc)  inupd-ov-fjOm  prrifat 
r?](  »kjaiftovia^.  Ebenso  Dio  38,  9  «poßTj&tl^  2*  o&v  xat  5>$,  \kir\  tt  b  Dojji- 
iWjioc  ev  r$  äncoootqt  abxob,  ixtl  raßtvioc  b  AoXoc  (der  alte  Gehilfe  des 
Pompejus)  &x«ctöottv  ffitXXr,  vtwteptoig.  Die  Vermahlung  der  Pompeja  mit 
Caepio  wurde  nicht  vollzogen,  sondern  sie  heiratete  doch  den  Faustus 
Sulla  (Bell.  Afr.  95).  Die  Verschwägern ng  zwischen  Caesar  nnd  Pom- 
pejus wurde  Anfang  Mai  bekannt:  Cic.  Att.  II  17,  1  quid  enitn  Uta 
repentina  adfinitatis  coniunetio? 

')  Sneton  Caes.  50,  wo  in  der  Liste  der  von  Caesar  verführten 
Frauen  außer  Crassus'  Gemahlin  Tertulla  —  man  sieht,  wie  skrupellos 
das  Treiben  war  —  auch  Mucia  genannt  wird,  nam  certe  Pompeio 
et  a  Curionibus  patre  et  filio  et  a  multis  exprobatum  est,  quod  cuius 
cauxa  post  tres  liberos  exegisset  uxorem  et  quem  gemens  Aeyisthum 
appeüare  consuesset,  eins  postea  flliam  potentiae  cupiditate  in  ma- 
triinonium  reeepisset. 


Die  Machthaber  and  die  Opposition 


79 


auf.  So  hatte  Pompejus  erreicht,  was  er  erstrebte;  er  war  als 
der  erste  der  römischen  Bürger,  der  princeps,  und  der  maßgebende 
Mann  im  Senat  anerkannt.  Allgemein  erschienen  die  Vorgänge 
als  eine  Aufrichtung  der  Herrschaft  des  Pompejus;  das  Gerücht 
behauptete,  er  wolle  im  nächsten  Jahre  mit  Crassus  das  Consulat 
übernehmen1).  „Er  bereitet  offenkundig  die  Aufrichtung  seiner 
Tyrannis  vor",  schreibt  Cicero  Anfang  Mai1);  als  „privaten",  d.  h. 
„selbsternannten  Dictator"  {privat us  dictator)  bezeichnete  der  junge 
Gaius  Cato,  der  zunächst  im  Anschluß  an  die  Aristokratie  Karriere 
zu  machen  dachte,  in  einer  Volksversammlung  den  Pompejus,  als 
er  gegen  Ende  des  Jahres  59  eine  Anklage  wegen  Wahlumtriebe 
gegen  dessen  für  das  nächste  Jahr  zum  Consul  erwählten  Schütz- 
ling Gabinius  einleiten  wollte.  Von  der  Menge  wäre  er  für  das 
Wort  beinahe  erschlagen  worden*);  in  derartigen  Versammlungen 
dominierte  eben  das  Gesindel,  großenteils  Nichtbürger,  Phryger 
und  Myser,  Griechen  und  Juden,  Sklaven  und  Gladiatoren*). 
Die  allgemeine  Stimmung  dagegen  ging  trotz  aller  populären 
Maßregeln  durchaus  gegen  die  Machthaber;  man  empfand,  daß 
an  Stelle  des  Regiments  der  Nobilität  nicht  eine  Volksherr- 
schaft, sondern  ein  mehrköpfiges  Königtum  sich  aufrichtete. 
So  wandte  sich  der  Groll,  der  sich  bisher  gegen  den  Senat 


')  Cic.  Att.  II  5,  2  exspecto  Utas  litteras  .  . .  qui  consules  parentur, 
utrum,  ut  populi  sermo,  Pompeius  et  Crassus,  an,  ut  mihi  scri- 
büur,  cum  Qabinio  Servius  Sulpicius. 

*)  Cic.  Att.  II  17, 1  prorsus  ut  scribis  ita  sentio:  turbatur  Sampsi- 
ceramus  (d.  i.  Pompejus).  nihil  est  quod  non  timendum  sit;  6jioXo- 
f  oojjivuic  topavvüa  aocxcodCctat.  Vgl.  II  12,  1.  Vgl.  Sueton  Caes.  49,  aus 
einer  Schrift  des  Brutus,  wonach  ein  gewisser  Octavius  damals  con- 
ventu  maximo  Pompejus  als  rex,  Caesar,  mit  Anspielung  auf  seine 
Jugendsünden,  als  regina  begrüßte. 

*)  Cic.  ad  Qu.  fr.  I  2,  15,  wo  C.  Cato  als  adolescens  nullius  con- 
sili,  sed  tarnen  civis  Romanus  et  Cato  bezeichnet  wird.  Aus  solchen 
gelegentlichen  Erwähnungen  sieht  man,  wie  viel  mehr  wir  von  den 
Einzelvorgängen  dieses  Jahres  wissen  würden,  wenn  uns  Ciceros  Kor- 
respondenz nicht  nur  für  ein  paar  Monate,  sondern  für  das  ganze  Jahr 
vorläge. 

*)  Vgl.  Ciceros  Rede  pro  Flacco  aus  dem  Sommer  dieses  Jahres, 
§§  17.  87.  66. 


80 


Das  Principat  des  Pompejus 


gerichtet  hatte,  gegen  die  drei1),  der  Senat  und  seine  Vorkämpfer 
erscheinen  jetzt  als  die  Verteidiger  der  Freiheit:  „nichts  ist 
jetzt  so  populär  wie  der  Haß  gegen  die  Popularpartei",  schreibt 
Cicero  im  Sommer').  Daß  die  Anhänger  Catilinas  aufs  neue  ihr 
Haupt  erhoben,  daß  die  Verurteilung  des  C.  Antonius  von  ihnen 
als  ein  Sieg  gefeiert  und  Catilinas  Grab  bekränzt  wurde*),  daß 
dodius,  der  sich  alsbald  um  das  Tribunal  bewarb4)  und  im  Sommer 
durch  Caesars  Unterstützung  gewählt  wurde,  aus  seinen  ganz 
radikalen  Absichten  kein  Hehl  machte  —  es  konnte  daher  sogar 
gelegentlich  der  Glaube  auftauchen,  er  sei  mit  Caesar  zerfallen 
und  werde  sich  gegen  diesen  wenden6)  —  mußte  diese  Stimmung 
noch  verstärken.  Die  Hoffnung  freilich  auf  eine  baldige  Re- 
aktion*) erfüllte  sich  nicht;  dafür  waren  die  Machtfaktoren, 
welche  den  Dreimännern  zur  Verfügung  standen,  viel  zu  stark. 
Aber  in  Reden  und  Pamphleten  drängte  aich.  die  Stimmung,  die 
in  den  vertraulichen  Gesprächen  herrschte,  an  die  Oeffentlichkeit. 
Varro  verfaßte,  in  Anlehnung  an  Theopomp,  eine  Broschüre 
Tptxdpavoc  „Das  dreiköpfige  Ungeheuer"7);  Curio  (cos.  76),  trotz 
der  Beschützung  des  Clodius  im  Jahre  61  (oben  S.  47)  ein  eifriger 
Optimat  und  trotz  seiner  völligen  Zerfahrenheit,  Trägheit  und 
Gedächtnisschwäche  durch  seine  Beherrschung  der  Sprache  kein 
wirkungsloser  Redner6),  griff  Caesar  und  Pompejus,  ihr  privates 

>)  Cic.  Att.  II  9,  2  (Mitte  April)  etenim  ai  fuü  invidiosa  senatus 
potentia,  cum  ea  non  ad  populum,  sed  ad  tris  homines  immode- 
ratos  redacta  sit,  quid  iam  cemes  fore? 

*)  Att  II  20,  4  populäre  nunc  nihil  tarn  est  quam  odium  popu- 
lär ium.  II  19,  2  8CÜo  nihil  unquam  fuisse  iam  infame,  tarn  turpe, 
tarn  peraeque  omnibus  generibus,  ordinibus,  aetatibus  offensum 
quam  hunc  statum  qui  nunc  est. 

»)  Cic.  Flacc.  95. 

4)  Als  Neuigkeit  dem  Cicero  von  dem  jungen  Curio  am  19.  April 
mitgeteilt,  Att.  II  12,  2,  vgl  15,  2. 
»)  Cic.  Att.  II  12,  1  f.,  vgl.  7,  2. 

*)  Cic.  Att.  II  9,  mit  Berufung  auf  Theophrasts  theoretische  Be- 
handlung der  politischen  Entwicklung.  Vgl.  II  7,  4.  21,  1  (Ende  Juli) 
und  dagegen  18,  1  (etwa  einen  Monat  vorher). 

T)  Appian  II  9. 

8)  Cic.  Brutus  210  ff. 


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Angriffe  auf  Caesar  und  Pompejus 


81 


und  öffentliches  Leben  auf  das  heftigste  an1),  und  sein  junger 
hochbegabter  Sohn  äußerte  sich,  getragen  von  der  Zustimmung 
der  vornehmen  Jugend,  in  demselben  Sinne  über  die  „Könige"2) 
und  hielt  etwa  im  Juni  eine  mit  großem  Beifall  aufgenommene 
Volksrede  gegen  sie,  wahrend  der  Praetor  Fufius  Calenus,  Caesars 
Anhänger,  ausgezischt  wurde*).  Dazu  kamen  die  Edikte  des 
Bibulus,  in  denen  er  die  Comitien  für  die  Consulwahlen  auf  den 
18.  Oktober  verschob  und  zugleich  das  ganze  öffentliche  und 
private  Leben  des  Pompejus  und  Caesar  schonungslos  „nach  Art 
des  Archilochos"  durchging;  vor  diesen  Maueranschlägen  drängte 
sich  die  Menge  und  verschlang  den  Skandal  mit  gierigen  Blicken 
und  freudiger  Zustimmung4). 

')  Sueton  Caes.  9.  49.  50.  52.  Später  faßte  er  seine  Angriffe  in 
einem  Dialog  zusammen,  in  dem  er  sich  von  seinem  Sohn  und  von  Pansa 
über  die  Vorgänge  im  Senat  unter  Caesars  Vorsitz  berichten  ließ,  und 
brachte  hier  in  den  Angriffen  auf  Caesar  auch  dessen  Verhalten  in 
Gallien  zur  Sprache,  obwohl  die  Szene  in  sein  Consulat  verlegt  war. 
Ebenso  behauptete  er,  er  sei  unter  Caesars  Consulat  nicht  in  den  Senat 
gegangen,  obwohl  der  Dialog  damit  begann,  daß  er  die  Sitzung  vor- 
zeitig verlassen  habe  (Cic.  Brut.  218  f.).  Diese  Hinwegsetzung  Ober  den 
Moment  und  Hineinziehung  späterer  Vorgänge  ist  für  die  Beurteilung 
der  in  Redeform  publizierten  Broschüren  »ehr  zu  beachten,  wenn  auch 
sorgfältige  Schriftsteller  wie  Cicero  oder  Demosthenes  so  arge  Verstöße 
natürlich  vermieden  haben.   Im  übrigen  vgl.  z.  B.  Piatos  Menexeno». 

«)  Att.  II  8  Curio  . . .  mirandum  in  tnodum  »reges  odisse  su- 
perbos':  peraeqtte  narrabat,  incensam  esse  iuventutem  neque  ferre 
haec  posse.   Vgl.  II  12,  2. 

*)  Cic.  Att.  II  18,  1;  unus  loquitur  et  palam  adversatur  ado- 
lescens  Curio.  huic  plausus  maximi,  consalutatio  forensis  perhonori- 
flea,  signa  praeierea  benevolentiae  permuUa  a  bonis  impertiuntur. 
Fuftum  clamoribus  et  convieiis  et  sibilis  consectantur ;  vgl.  Sueton 
Caea.  50  oben  S.  78  Anm.  8. 

*)  Ein  solches  Edikt,  das  bereits  eine  comitiorum  dilatio  enthielt, 
publizierte  er  gegen  Ende  April  (Cic.  Att.  II  14,  1.  15,  2),  ein  anderes, 
cum  Archilochio  edicto,  das  die  Comitien  auf  den  18.  Oktober  fest- 
setzte, im  Juli  (Att.  II  19,  2.  5.  20,  4.  6:  Bibulus  hominum  admira- 
tione  et  benevolentia  in  caelc  est;  edicta  eins  et  coniiones  describunt 
et  tegunt;  novo  quodam  genere  in  sumtnam  gloriam  venit.  21,  4). 
Einzelnes  aus  den  Angriffen  auf  Caesar  bei  Sueton  9  und  49.  Womöglich 
noch  empfindlicher  müssen  die  Angriffe  auf  Pompejus  gewesen  sein  (vgl. 
Meyer,  Caesars  Monarohi«  6 


82 


Das  Principat  des  Pompejus 


So  hatte  Pompe  jus  sein  Ziel  mit  dem  Verlust  seiner  Popu- 
larität erkauft1);  es  ist  begreiflich,  daß  ihm  schwül  zumute  war. 
Cicero  gegenüber  suchte  er  sich  herauszureden  (April  59):  „mit 
Caesars  Gesetzen  sei  er  einverstanden,  aber  für  seine  Handlungen 
müsse  dieser  selbst  einstehn;  ob  man  gegen  das  Ackergesetz,  das 
er  billige,  habe  intercedieren  können,  gehe  ihn  (Pompejus)  nichts 
an;  daß  die  Sache  mit  dem  König  von  Aegypten  endlich  erledigt 
werde,  habe  er  für  richtig  gehalten,  zu  fragen,  ob  Bibulus  damals 
den  Himmel  beobachtet  habe  oder  nicht,  sei  nicht  seine  Aufgabe 
gewesen;  den  Steuerpächtern  habe  er  sich  gefallig  erweisen  wollen, 
was  geschehn  wäre,  wenn  Bibulus  damals  wieder  auf  das  Forum 
gekommen  wäre,  könne  er  nicht  ahnen".  Mit  solchen  Redens- 
arten konnte  er  weder  sich  selbst  täuschen  noch  andere,  und 
schließlich  mußte  er  offen  aussprechen,  daß  er  bei  dem  Gesetz 
über  Campanien,  das  ihm  natürlich  vor  allem  am  Herzen  lag, 
„mit  Caesars  Heer  allen  Widerstand  niederschlagen  werde"2). 
So  fürchtet  Cicero,  daß  er  schließlich  wild  werden  und  sich  von 
der  ihn  drückenden  Verbindung  gewaltsam  losreißen,  eine  Gegen- 
revolution  herbeiführen  werde3).  Daran  war  freilich  nicht  zu 
denken;  Caesar  hatte  ihn  nicht  nur  materiell,  sondern  auch 


Plut.  Pomp.  48  t44«HJCt  8iayp£|i.fi.aTai  ßXaoyrjfuac  ftfif otv  t^ovri  xal  *<xrr)- 
•foptcK):  Cic.  Att.  II  21,  4  itaque  Archilcchia  in  ülum  (Pompeium) 
edicta  Bibuli  populo  ita  sunt  iueunda,  ut  eum  locum,  ubi  propo- 
nuntur,  prae  multiludine  eorum  qui  legunt  transire  nequeamus,  ipsi 
ita  acerba  ut  tabescat  dolore,  mihi  mehercule  molesta,  quod  et  eum, 
quem  semper  dilexi,  nimis  exeruciant  et  timeo,  tarn  vehemens  vir 
tamque  acer  in  ferro  et  tarn  insuetus  contumeliae  ne  omni  animi 
impetu  dolori  et  iracundiae  pareat. 

')  quanto  in  odio  noster  amicus  Magnus!  cuius  cognomen  una 
cum  Crassi  Divitis  cognomine  consenescit  (Att.  II  13). 

*)  Caes.  Att.  II  16,  2.  „oppreseos  ves*  inquit  „tenebo  exereüu 
Caesaris',  d.  i.  natürlich  mit  den  Mannschaften  (Pompejus"  Veteranen), 
die  dieser  und  er  selbst  aufgeboten  hatte. 

»)  Att.  II  14,  1.  16,  2.  17,  1.  21,  4  fin.  22,  6.  23,  2;  ygl.  7.  8  una 
spes  est  salutis  istorum  inter  istos  dissensio,  cuius  ego  quaedam 
initia  sensi  ex  Curione.  Cicero  sucht  durch  Pompejus'  Vertrauens- 
mann und  Geschäftsträger  Theophanes  Uber  seine  wahre  Gesinnung  gegen 
ihn  Genaueres  zu  erfahren  II  17,  3;  vgl.  II  12.  2. 


Pompejus' Stellung.  Caesars  Einschreiten  gegen  die  Demonstrationen  83 


durch  die  üeberlegenheit  seiner  Persönlichkeit  und  zugleich  durch 
die  Reize  seiner  Tochter  Julia  viel  zu  sehr  in  seiner  Gewalt. 

Aber  alle  Versuche  der  Machthaber,  eine  bessere  Stimmung 
zu  erzwingen,  waren  vergeblich.  Bei  den  Apollinarischen  Spielen 
Anfang  Juli  entfesselte  der  Tragöde  Diphilus  mit  dem  Verse: 
„Durch  unser  Elend  bist  Du  groß",  die  er  mit  deutlichem 
Hinweis  auf  Pompejus  sprach,  und  mit  ähnlichen  Versen  immer 
erneute  Beifallsstürme.  Als  Caesar  ins  Theater  kam,  rührte  sich 
keine  Hand;  der  junge  Curio  dagegen  wurde  so  eifrig  beklatscht, 
wie  in  den  Zeiten  seines  Glanzes  Pompejus,  auch  von  den  Rittern, 
die  von  ihren  Sitzen  aufstanden,  trotz  des  Gesetzes  über  die 
Steuerpächter.  Ernstlich  hatten  diese  Demonstrationen  freilich 
wenig  zu  bedeuten;  sie  offenbarten  wohl  den  allgemeinen  Haß 
der  hauptstädtischen  Kreise,  aber  eine  Macht  stand  nicht  hinter 
ihnen.  Indessen  Caesar  war  äußerst  erbittert;  er  drohte  mit 
Aufhebung  des  roscischen  Gesetzes  von  67  über  die  Sondersitze 
der  Ritter,  ja  sogar  der  Getreideverteilung1).  Dazu  kam  es  natür- 
lich nicht;  wohl  aber  beschloß  er  eine  Gegenaktion.  Er  rief 
Pompejus  aus  Campanien  herbei,  wo  er  bei  der  Ackerkommission 
tätig  war2),  und  am  25.  Juli  hielt  dieser  vor  dem  Volk  eine  Rede 
über  die  Edikte  des  Bibulus.  Aber  er  erlitt  ein  vollständiges 
Fiasko:  er  selbst  empfand,  wie  wenig  seine  Worte  wirken  konnten, 
er  hatte  nur  deutlich  gezeigt,  wie  sehr  er  sich  durch  Bibulus' 
Angriffe  getroffen  fühlte  und  wie  unbehaglich  er  sich  in  seiner 
Lage  fand3).    Gleichzeitig  versuchte  Caesar,  die  Versammlung 


')  Cic  Att  19,  3;  die  Szene  mit  Diphilus  auch  Val.  Max.  VI  2,  9. 
E.  Norden  weist  mit  Recht  darauf  hin,  daß  die  Berührung  zwischen 
Valerius  Maximus  und  Cicero  so  eng  ist,  daß  er  die  Atticusbriefe  selbst 
benutzt  haben  muß.  Cicero  schließt  mit  den  bezeichnenden  Worten 
eqttidem  malueram,  quod  erat  susceptum  ab  illis  (Caesar  und  Pom- 
pejus), silentio  trattsiri,  sed  vereor  ne  non  liceat:  non  ferunt  homines, 
quod  videtur  esse  tarnen  ferendum.  sed  est  iam  una  vox  omnium, 
magis  odio  ftrmala  quam  praesidio. 

*)  ib.  lüterae  Capuam  ad  Pompeium  volare  dicebantur. 

*)  Cic.  Att.  II  21,  3  ut  ille  tum  humüis,  ut  demissus  erat,  ut 
ipse  etiam  sibi,  non  iis  solum  qui  aderant,  displicebat!  0  specta- 
culum  uni  Grosso  iucundum,  ceteris  non  item! 


84 


Das  Principat  des  Pompejus 


zu  einem  Angriff  auf  Bibulus*  Haus  aufzureizen,  um  ihn  zu 
zwingen,  von  der  Verschiebung  der  Comitien  abzusehn;  aber 
alles  verhielt  sich  schweigend1).  Dann  wollte  der  Tribun  Vatinius 
den  Bibulus  ins  Gefängnis  setzen  und  traf  schon  die  Anstalten 
dazu;  aber  seine  Kollegen  intercedierten*).  Auch  im  Senat,  den 
er  durch  Bewaffnete  terrorisierte,  richtete  Caesar  scharfe  An- 
griffe gegen  seine  Gegner.  Die  meisten  Senatoren  blieben  daher 
den  Sitzungen  fern ;  nur  der  alte  Considius,  ein  reicher  Kapitalist , 
der  für  die  Art,  wie  er  im  Jahre  63  die  Stockung  des 
Geldverkehrs  ruhig  hingenommen  und  keine  Versuche  ge- 
macht hatte,  seine  ausstehenden  Kapitalien  und  Schulden 
einzutreiben,  vom  Senat  offiziell  belobt  worden  war3),  erschien 
furchtlos  und  erklärte,  die  anderen  seien  nicht  gekommen,  weil 
sie  sich  vor  den  Soldaten  fürchteten;  und  als  Caesar  ihn  anfuhr, 
warum  er  denn  nicht  auch  zu  Hause  geblieben  sei,  antwortete  er, 
eben  um  seines  Alters  willen,  da  er  sich  um  den  kurzen  Rest  seines 
Lebens  wenig  zu  sorgen  brauche4). 

Jetzt  versuchte  Caesar  seinen  Gegnern  auf  gerichtlichem  Wege 
durch  eine  Anklage  wegen  eines  geplanten  Attentats  auf  Pom- 
pejus beizukommen.  Derartige  Gedanken  lagen  in  der  Tat  in 
der  Luft;  am  13.  Mai  hatte  Bibulus  den  Pompejus  vor  Nach- 
stellungen gewarnt  und  dieser  ihm  dafür  gedankt6).  Als  Werk- 
zeug benutzte  Caesar  jetzt  denselben  L.  Vettius,  der  zu  Anfang 
des  Jahres  62  ihn  als  Teilnehmer  der  catilin  arischen  Verschwörung 
denunziert  hatte  (oben  S.  32);  es  ist  begreifich,  daß  Vettius,  ein 


l)  ib.  5  qui  cum  comüia  in  mensem  Octobrem  distulisset,  quod  solet 
ea  res  populi  voluntatem  o  ff  ender e,  putarat  Caesar  oratione  sua 
posse  impeüi  contionem,  ut  irei  ad  Bibulum:  tnulta  cum  seditio- 
8issime  diceret,  vocem  expnmere  tum  potuü. 

')  Cic  in  Vat.  21,  24  mit  schol.  Bob.   Dio  38,  6,  6. 

»)  Val.  Max.  IV  8,  8.  Über  ihn  vgl.  Cicero  pro  Cluenfcio  107. 

*)  Plut.  Caes.  14.  Cic.  Att.  II  24,  4  im  Anschluß  an  den  Bericht 
über  die  vettischen  Handel  (die  8zene,  die  offenbar  sehr  ernst  gewesen 
ist,  spielte  also  nicht  lange  vorher):  modo  caedem  Umueramus,  quam 
oratio  fortissimi  senis  Q.  Considi  discusserat;  ea,  quam  cotidie 
timere  potueramus,  subito  exorta  est  (durch  Vettius). 

»)  Cic.  Att.  II  24,  2. 


Das  fingierte  Attentat  auf  Pompejus 


85 


Mann  von  Ritterrang1),  aber  offenbar  ein  ganz  verlumpter  Ge- 
sell, sich  jetzt  an  der  Aristokratie  rächen  wollte,  die  ihm  damals 
nicht  nur  die  erhoffte  Belohnung  versagt,  sondern  ihn  ge- 
pfändet und  ins  Gefängnis  geworfen  hatte.  Er  machte  sich  zu* 
nächst  an  den  jungen  Curio  und  teilte  ihm  im  Vertrauen  mit, 
er  sei  entschlossen,  mit  seinen  Sklaven  Pompejus  auf  dem  Forum 
bei' den  von  Gabinius  gegebenen  Gladiatorenspielen  zu  überfallen 
und  zu  ermorden.  Wie  es  scheint,  war  der  Plan,  daß  Vettius 
bei  der  Ausführung  abgefaßt  werden  und  dann  seine  Aussagen 
machen  sollte.  Aber  Curio  teilte  die  Sache  seinem  Vater  mit, 
dieser  dem  Pompejus;  so  wurde  sie  vorzeitig  vor  den  Senat 
gebracht  (Oktober  59).  Vettius  leugnete  zunächst,  jemals  mit 
Curio  verkehrt  zu  haben;  dann  erbat  er  den  Schutz  der  In- 
demnität, der  ihm  aber  vom  Senat  nicht  bewilligt  wurde,  und 
sagte  aus,  unter  Curios  Führung  habe  sich  ein  Komplott  vor- 
nehmer jüngerer  Leute  gebildet,  Bibulus  habe  ihm  durch  seinen 
Sekretär  den  Dolch  geschickt.  Das  war  freilich  absurd;  und 
Vettius  war  so  ungeschickt  oder  so  schlecht  instruiert,  daß  er 
als  Hauptbeteiligten  den  L.  Paullus  nannte,  den  ältesten  Sohn 
des  Lepidus,  des  Demokratenführers  im  Jahre  78,  der  sich  im 
Gegensatz  zu  seinem  Vater  und  Bruder  den  Optimaten  an- 
geschlossen und  im  Jahre  63  eine  Anklage  gegen  Catilina  ver- 
sucht hatte*),  der  aber  jetzt  als  Quaestor  in  Makedonien  stand. 
So  fiel  der  saubere  Plan  ins  Wasser  ;  nachdem  der  junge  Curio 
vorgeladen  war  und  seine  Aussagen  gemacht  hatte,  beschloß  der 
Senat,  Vettius  als  geständigen  Attentäter  gefangen  zu  setzen, 
und  erklärte  es  für  Hochverrat  (contra  rempublicam),  ihn  freizu- 
lassen; der  Beschluß  wurde  sofort  dem  Volk  mitgeteilt.  Indessen 
Caesar  gab  sein  Spiel  noch  nicht  auf.  Am  nächsten  Tage  führte 
er  Vettius  auf  die  Rostren,  damit  er  seine  Aussagen  wiederhole. 
Bisher  war  der  Angriff  in  erster  Linie  gegen  Bibulus  und  gegen 
Curio,  Vater  und  Sohn,  gerichtet  gewesen,  auf  die  Caesar  offen- 
bar wegen  ihrer  Pamphlete  besonders  erbittert  war;  als  Mit- 
schuldige waren  außer  Paullus  der  Flamen  Martialis  L.  LentuluB, 

')  Dio  87,  41,  2;  nach  Appian  II  12,  43  ävt,p  fctyi6rr;<. 
»)  Salluet  Cat.  81.  Cicero  Vat.  25  mit  Bchol.  Bob. 


86 


Das  Principat  des  Ponipejua 


einer  der  Bewerber  um  das  Consulat1),  uiid  der  junge  Q.  Caepio 
Brutus,  der  spätere  Caesarmörder,  genannt,  der  als  Sohn  des 
im  Jahre  77  von  Pompejus  trotz  der  zugesagten  Begnadigung 
hingerichteten  Demokratenführers  M.  Brutus  für  eine  Rolle  bei 
dem  Attentat  besonders  geeignet  schien.  Jetzt  ließ  Vettius  diesen 
fort,  wie  man  glaubte,  weil  seine  Mutter  Servilia,  deren  Ver- 
hältnis zu  Caesar  stadtbekannt  war*),  sich  für  ihn  verwandt 
hatte*).  Dagegen  fügte  er  L.  Domitius  Ahenobarbus,  einen  der 
Bewerber  um  die  Praetur,  hinzu  —  seine  Familie  war  früher  eifrig 
demokratisch  gewesen,  sein  Bruder  (?)  Gnaeus  im  Jahre  81  von 
Pompejus  in  Africa  gefangen  und  hingerichtet  worden,  und  eben 
das  wird  den  Lucius,  der  überdies  mit  Ca  tos  Schwester  vermählt 
war,  auf  die  Seite  der  aristokratischen  Opposition  getrieben 
habsn — ,  und  vor  allem  Lucullus,  ferner  „einen  beredten  Consular, 
Nachbarn  des  Consuls,  der  ihm  gesagt  habe,  der  Staat  habe  einen 
Servilius  Ahala  oder  Brutus  nötig",  womit  natürlich  Cicero  ge- 
meint war4).  Am  Schluß  der  Verhandlung  rief  der  Tribun 
Vatinius  den  Vettius  zu  sich  und  führte  mit  ihm  vor  den  Augen 
des  Volkes  ein  längeres  Gespräch;  darauf  setzte  dieser  noch  hinzu, 
Curio  habe  ihm  mitgeteilt,  daß  auch  Cicero*  Schwiegersohn 
C.  Piso,  sowie  M.  Laterenis  (oben  S.  75)  um  die  Verschwörung 
gewußt  hätten.  Die  ganze  Sache  wurde  so  plump  behandelt, 
daß  sie  ihre  Wirkung  notwendig  verfehlen  mußte;  Caesar  sah 
ein,  daß  sich  eine  Anklage  gegen  die  Beschuldigten  auf  Grund 
so  fauler  Beschuldigungen  nicht  erheben  ließ5;.   So  ließ  er  den 

»)  Cic.  in  Vat.  25;  im  Jahr©  61  einer  der  Anklager  des  Clodius, 
•chol.  Bob.  in  Clod.  et  Cur.  p.  886  Orsli.i,  89  Stakol. 

*)  Es  war  am  5.  Dezember  68  bei  der  Verhandlung  Über  die  Cati- 
linarier  dorch  ein  von  Cato  abgefangenes  Billetdoux  der  Servilia  an 
Caesar  offenkundig  geworden:  Plut.  Cato  24  =  Brut.  5. 

«)  Cic.  Att.  II  24,  8  Caepionem  de  oratione  sua  siistulü,  quem 
in  senatu  acerrime  nominarat,  ut  appareret  noctem  et  nocturnam 
deprecationem  intercesHsse. 

*)  Cicero,  dessen  Haus  auf  dem  Palatin,  in  der  Nahe  der  Regia, 
der  Amtswohnung  Caesars,  lag,  braucht  die  Wendung  von  Ahala  und 
Brutus  im  Jahre  45  tatsachlich  mit  Bezug  auf  ihren  Nachkommen,  den 
Caesar mörder,  ad  Att.  XIII  40. 

»)  Daß  Cicero  dieae  zunächst  befürchtet,  ist  selbstverständlich  (Att. 


Caesar  und  Clodius 


87 


Vettius,  gegen  den  eine  Kriininalklage  eingeleitet  war,  kurzer- 
hand im  Gefängnis  umbringen.  Damit  war  die  Affäre  zu  Ende; 
Rechenschaft  über  die  Tat  hat,  wie  die  Dinge  damals  in  Rom 
lugen,  niemand  gefordert1). 

Nach  dem  Scheitern  dieser  Versuche  entschlossen  sich  Caesar 
und  Pompe  jus,  ihr  Ziel,  die  weitere  Einschüchterung  der  Nobilität, 
durch  Vermittlung  des  Clodius  zu  erreichen,  der  inzwischen  zum 
Tribunen  für  das  nächste  Jahr  erwählt  war.  Clodius  war  an 
sich  keineswegs  gewillt,  sich  einfach  zum  willenlosen  Werkzeug 
der  Machthaber  herzugeben,  etwa  wie  Vatinius  oder  Gabinius; 
seine  Gedanken  gingen  weit  höher.    Weit  eher  wollte  er  in 

1124,  4);  vgl.  die  in  diesen  Tagen  gehaltene  Rede  pro  Flacco  96  nos 
iam  ab  indicibus  nominamur;  in  nos  crimina  finguntur;  nobis 
pericula  comparantur. 

')  Über  die  vettischen  Händel  haben  wir  den  authentischen  Bericht 
Ciceros  ad  Att.  II  24;  dazu  in  Vatin.  24  ff.  (mit  schol.  Bob.;  vgl.  pro 
Sest.  132  und  in  Pis.  76),  wo  Cicero  natürlich  von  Caesars  Beteiligung 
schweigt.  Das  hat  manche  naive  Beurteiler  zu  der  Behauptung  ver- 
anlaßt daß  die  Affäre  lediglich  von  Vatinius  eingefädelt  sei  und  Caesar 
in  gutem  Glauben  gehandelt  habe,  wie  denn  die  Neueren  über  diese  Vor- 
gänge, einen  der  schmutzigsten  Flecken  im  Bilde  Caesars,  meist  mög- 
lichst rasch  hinwegzukommen  suchen.  Die  Angaben  der  Historiker 
(Sueton  Caes.  20.  Plut.  Luc.  42.  Appian  II  12.  Dio  38,  9)  stimmen  völlig 
mit  Cicero  überein,  nur  daß  bei  Appian  Vettius  wirklich  mit  dem 
Schwert  abgefaßt  wird  (ic  zb  fiioov  io8f>ajiu>v  juta  £upi&too  YOftvoö).  Dio 
betrachtet  die  Verschwörung  als  Tatsache  und  läßt  sie  und  die  Vertei- 
digung des  Antonius,  die  er  fälschlich  erst  hierher  setzt,  die  Veran- 
lassung zu  dem  Vorgehn  des  Caesar  und  Pompejus  gegen  Cicero  bilden. 
Das  ist  echt  dionische  Konstruktion,  nicht  etwa  Darstellung  seiner  Quelle; 
Dio  gestaltet  die  Überlieferung  hier  wie  so  oft  gewaltsam  um,  um  einen 
ihm  glanblich  erscheinenden  Zusammenhang  zu  gewinnen;  er  ist  eben 
kein  Abschreiber,  sondern  ein  denkender  Historiker,  der  gerade  deshalb  oft 
Fehler  macht.  —  Nach  Soeton  und  schol.  Bob.  Sest.  131.  Vat.  14  hat 
Caesar  den  Vettius  vergiften,  nach  Plut.  Luc.  42  erdrosseln  lassen;  Cicero 
Vat.  26  schreibt  die  Erdrosselung  natürlich  dem  Vatinius  zu  (fregeris 
in  carcere  cervices  ipsi  Uli  Vettio);  Dio  erwähnt  nur  seine  Ermordung, 
die  nach  Appian  verschieden  gedeutet  und  von  Caesar  seinen  Feinden 
zugeschrieben  wird  (ttxoCouivO'j  V  xotx&a  toö  oojißjßTjXOtoc  ©  Kaioap 
oox  dtvUt  toöto  ftp*o<K  Üyoiv  to&c  liWw.,  fo'  o  ^^oc  a&ttp  oovty^pVjOtv 
iaovtiv  tote  iieißtßooXtojitvof:). 


88 


Das  Principat  de«  Pompejus 


Konkurrenz  mit  jenen  sich  an  der  Spitze  der  Volksmassen  eine 
selbständige  Macht  gründen,  so  gut  wie  früher  die  Gracchen 
oder  Saturninus,  nur  ohne  daß  irgend  eine  politische  Ueber- 
zeugung  dahinterstand,  und  eben  darum  mit  Aussicht  auf  dauer- 
hafteren Erfolg.  Aber  er  brannte  vor  Begierde,  sich  an  Cicero 
zu  rächen,  und  das  konnte  er  nur  mit  Hilfe  der  Machthaber 
erreichen. 

Caesar,  der  alte  Genosse  Catilinas,  der  als  Richter  den  Rabirius 
zum  Kreuzestod  verurteilt  hatte,  ging  darauf  ein,  nachdem  alle 
seine  Versuche,  Cicero  zu  gewinnen  oder  durch  eine  Legatenstelle 
aus  Rom  zu  entfernen1),  gescheitert  waren ;  die  Brandmarkung 
der  Hinrichtung  der  Catilinarier  durch  eine  Verurteilung  Ciceros 
gehörte  ohnehin  zu  seinem  demokratischen  Programm  und  war 
ein  tödlicher  Schlag  gegen  die  Nobilität  und  den  Senat,  dessen 
Hauptwaffe  gegen  die  demagogischen  und  anarchistischen  Um- 
triebe, das  senatusconsultum  ultimum,  damit  zerbrochen  wurde. 
Auch  Pompejus  mußte  sich  fügen,  trotz  all  der  schönen  Reden, 
die  er  in  den  letzten  Jahren  über  Ciceros  Rettung  des  Vaterlandes 
gehalten  hatte;  er  war  durch  die  Koalition  mit  Caesar  und  Crassus 
auf  den  Standpunkt  zurückgedrängt,  den  ihm  Metellus  Nepos 
Anfang  62  vorbereitet  hatte,  so  unbehaglich  ihm  dabei  zumute 
war2).  Cicero  hatte  sich,  seit  die  Bedrohung  durch  Clodius  über 
ihm  schwebte,  von  allen  Staatsgeschäften  ferngehalten  und  ledig- 
lich seiner  Advokatentätigkeit  gewidmet*),  die  freilich  des  poli- 


')  Nach  Dio  38,  15  bietet  Caesar  dem  Cicero  die  Legatenstelle  erst 
nach  Clodios'  Gesetzantrag  an,  Pompejus  rät  ihm  ab  und  verspricht  ihn 
tu  verteidigen;  so  wird  Cicero  durch  das  falsche  Spiel  der  beiden  ins 
Garn  gelockt.  Das  ist  sachlich  ganz  richtig;  aber  das  Angebot  wird 
eu  spät  angesetzt  (s.  oben  S.  65,  8),  falls  nicht  Caesar  es  jetzt  nochmals 
wiederholt  haben  sollte.  —  Über  Plutarchs  Darstellung  s.  unten  S.  95,  4. 

')  Att  II  28,  2  (etwa  August)  primum  igitur  iüud  te  scire  volo, 
Sampsiceramum  (d.  i.  Pompejus) ,  nostrum  amicum,  vehementer  sui 
status  paenitere  restituique  in  eum  locutn  cuper e ,  ex  quo  decidit, 
doloremque  suum  impertire  nobis  et  medieinam  interdum  aperte 
quaerere,  quam  ego  passe  inveniri  nullatn  puto. 

•)  ib.  8.  nos  autem  publicis  consiliis  nullis  interswmis  totosque 
nos  ad  forensem  operam  laboremque  cotäulimus.   Ebenso  22,  8. 


Vorbereitung  der  Maßregeln  gegen  Cicero  und  Cato 


tischen  Beigeschmacks  nicht  ermangelte:  eben  in  den  Zeiten  der 
Vettischen  Handel  hatte  er  den  auf  Antrieb  sowohl  des  Pompejus 
wie  der  im  Sinne  Caesars  handelnden  Demokraten  wegen  seiner 
asiatischen  Statthalterschaft  verklagten  L.  Flaccus ,  der  ah 
Praetor  63  die  allohrogiscben  Gesandten  festgenommen  und 
dadurch  das  Material  zur  Uberführung  der  Verschworenen  be- 
schafft hatte,  zusammen  mit  Hortensius  erfolgreich  verteidigt 
und  seine  Rede  als  Broschüre  veröffentlicht.  Dabei  hat  er,  aller- 
dings mit  sorgfaltiger  Vermeidung  einer  Erwähnung  Caesars,  die 
gefährdete  Lage  des  Staats  ausführlich  besprochen  und  die  Anklage 
ebenso  wie  den  Prozeß  des  C.  Antonius  mit  vollem  Recht  als 
einen  Versuch  hingestellt,  das  Andenken  Catilinas  wieder  herzu- 
stellen und  seine  Gregner  zu  bestrafen.  Im  übrigen  schwankte 
seine  Stimmung  in  charakteristischer  Weise  zwischen  Kampfes- 
mut, mit  dem  er  alle  Gefahren  siegreich  niederzuschlagen  hoffte, 
und  tiefer  Depression1);  seine  Hoffnungen  setzte  er  auf  sein  Ver- 
hältnis zu  Pompejus.  Dieser  hat  ein  häßliches  Doppelspiel  ge- 
trieben: er  versicherte  Cicero  immer  von  neuem  seines  Schutzes, 
Clodius  dürfe  ihm  trotz  all  seiner  Drohungen  nichts  antun, 
Clodius  werde  ihji  erst  töten  müssen,  ehe  er  Cicero  antasten  könne, 
Clodius  selbst  habe  ihm  schließlich  die  Hand  darauf  gegeben, 
er  wolle  sich  ihm  fügen  und  ihn  nicht  der  Schande  aussetzen, 
daß  er  durch  die  Mitwirkung  bei  Clodius'  Adoption  (oben  S.  73) 
Cicero  in  Gefahr  gebracht  habe4)  —  und  gleichzeitig  hatte  er 
zweifellos  bereits  seine  Einwilligung  zu  den  von  Caesar  und 
Clodius  geplanten  Maßregeln  gegeben. 

Neben  Cicero  galt  es,  Cato  zu  entfernen.  Zu  dem  Zweck 
sollte  er  „wegen  seiner  absoluten  Zuverlässigkeit  in  Geldsachen" 
in  außerordentlicher  Mission  mit  der  Einziehung  Cyperns  und 
der  reichen  Schätze  seines  Königs  Ptolemaeos  betraut  werden. 


»)  Att.  II  9,  1  (Mitte  April),  19,  1,  4  (gegen  Mitte  Juli).  21,  6  (Ende 
Juli).  22,  4  (desgl.).  ad  Qu.  fr.  I  2,  16  (etwa  Ende  November). 

•)  Att.  II  19,  4.  20,  1  f.  21,  6.  22,  2  ff.  28,  3.  24,  5.  Trotz  alles  Miß- 
trauens bat  er  Cioero  schließlich  halbwegs  dahin  gebracht,  ihm  zu  glauben. 
Vgl  ad  Qu.  fr.  I  2,  16  Pompeius  omnia  pollicelur  et  Caesar:  quibus 
ego  Üa  credo,  ut  nihil  de  mea  comparatione  deminuam. 


90 


Das  Principat  des  Pompejua 


Nahm  er  an,  so  war  er  auf  geraume  Zeit  aus  Rom  entfernt  und 
ihm  überdies  unmöglich  gemacht,  in  Zukunft  gegen  die  Ueber- 
tragung  eines  außerordentlichen  Kommandos  durch  das  Volk 
statt  durch  den  Senat  aufzutreten;  lehnte  er  ab,  so  konnte  ihm 
wegen  Ungehorsams  gegen  einen  Beschluß  des  römischen  Volkes 
erst  recht  zu  Leibe  gegangen  werden1).  Ais  Clodius  sich  zunächst 
privatim  an  Cato  mit  seinen  Vorschlägen  waudte,  hat  dieser  sie 
natürlich  mit  Entrüstung  abgewiesen,  als  eine  Beleidigung,  nicht 
als  eine  Ehre;  die  Folge  war  nur,  daß  Clodius  dann  sein  Gesetz 
in  einer  Form  einbrachte,  die  Cato  seine  Aufgabe  durch  äußerst 
karge  Bewilligung  der  Mittel  nach  Möglichkeit  erschwerte  und 
noch  die  weitere  Aufgabe  hinzufügte,  Verbannte  nach  Byzanz 
zurückzuführen  und  die  dortigen  Verhältnisse  zu  ordnen,  um 
ihn  so  noch  länger  von  Rom  fernzuhalten8).  Nach  der  Annahme 
des  Gesetzes  im  Jahre  68  blieb  Cato  kein  anderer  Ausweg,  als 
sich  zu  fügen,  wie  er  sich  bei  der  Eidesleistung  auf  die  julischen 
Gesetze  gefügt  hatte  —  er  war  keineswegs  der  verbohrte,  in 
den  Wolken  wandelnde  Doktrinär,  als  den  ihn  Mommsen  dar- 
gestellt hat  — ;  die  weitere  Folge  war,  daß  er  wohl  oder  übel 
Clodius'  Tribunat  als  rechtsgültig  anerkennen  und  nach  seiner 
Rückkehr  für  dasselbe  eintreten  mußte. 

Auch  die  Con^ulato  für  das  nächste  Jahr  haben  die 
Machthaber  nach  ihrem  Willen  gesichert.  Bei  den  Wahlen  Ende 
Oktober  59  wurden  unter  ihrem  Druck  ihre  Kandidaten  ge- 

')  Caesar  hat  Anfang  58  an  Clodius  einen  von  diesem  in  der  Volks- 
versammlung verlesenen  Brief  geschrieben,  in  dem  er  ihm  nach  Cicero* 
Bericht  de  domo  22  gratuliert,  quod  M.  Catonem  a  tribunatu  tuo  re- 
mo visnes  et  quod  eidem  in  posterum  de  extraordinariis  potestatibus 
libertatein  ademisses.  Clodius  selbst  und  seine  Genossen  sagten  in 
contione  palam,  linguam  se  evellisse  M.  Catoni,  quae  Semper  contra 
extraordinarias  potestates  libera  fuisset,  Cic.  pro  Sest.  60.  —  Cato 
hat  sich  gefügt,  damit  er  nicht,  cum  reipublicae  nihil  prosit,  se  civi 
rempublicam  privet;  wenn  er  abgelehnt  hätte,  dubitatis,  quin  ei  vis 
esset  adlata?  ib.  61  f. 

*)  Plnt.  Cato  34.  —  In  seinen  Reden  für  das  Gesetz  hat  Clodius 
natürlich  gleichzeitig  den  Cato  als  Urheber  der  Hinrichtung  der  Cati- 
linarier  aufs  schärfste  angegriflen,  Cic.  de  domo  21,  als  carniflcem 
civium,  indemnatorum  neci*  principem,  crudelitatis  auctorem. 


Clodius  gegen  Cato.    Caesars  Stellung 


91 


wählt,  als  Vertreter  des  Poinpejus  Gabinius,  als  der  Caesars 
L.  Piso,  eine  politisch  indifferente  Persönlichkeit  ohne  aus- 
gesprochene Parteistellung1),  mit  philosophischen  Interessen,  der 
die  übliche  Karriere  des  Aristokraten  macheu  wollte  und  den 
Caesar  dadurch  an  sich  gebunden  hatte,  daß  er  seine  Tochter 
heiratete. 

Wenn  Caesar  als  Cousul  gezeigt  hatte,  daß  er  vor  keiner 
Gewalttat  zurückschreckte  und  die  bestehende  Staatsordnung 
ihm  völlig  gleichgültig  war,  so  hatte  er  gleichzeitig  erwieseu,  daß 
mehr  in  ihm  steckte,  als  ein  ehrgeiziger  und  turbulenter  Demagoge. 
Seine  Gesetze  über  die  Landanweisungen  und  die  Ordnung 
der  Provinzialverwaltung  waren  große  staatsmännische  Schöp- 
fungen, die  eine  verheißungsvolle  Zukunft  in  sich  trugen;  un- 
endlich überlegen  nicht  nur  der  völlig  stagnierenden  Staatsver- 
waltung des  Senats,  sondern  auch  den  Leistungen  und  Zielen  des 
Pompejus  gegenüber.  Denn  Poinpejus  hat  sich  wohl  als  ein 
tüchtiger  Organisator  wie  im  Kriege  gegen  die  Seeräuber  und 
Mithridates,  so  in  der  Organisation  des  Ostens  und  nachher  in 
der  Getreideverwaltung  bewährt;  aber  ein  großer  Staatsmann 
war  er  nicht,  schöpferische  Gedanken  und  höhere  Ziele  fehlen 
ihm  durchaus.  Im  Grunde  war  er  eben  doch  nur  ein  Mitglied  der 
römischen  Aristokratie  und  lebte  wie  diese  aus  der  Hand  in 
den  Mund,  nur  daß  er,  an  ihrer  Spitze  stehend,  sie  leiten  und 
gegenüber  dem  Chaos  des  vielköpfigen  Regiments  eine  vernünftige 
Ordnung  schaffen  wollte.  Wenn  er  jetzt  dem  Publikum  als  der 
eigentliche  Regent,  Caesar  ab  sein  befähigtstes  Werkzeug  erschien, 
so  mußte,  wer  tiefer  blickte,  schon  jetzt  klar  erkennen,  wie  un- 
endlich ihm  Caesar  in  jeder  Beziehung  überlegen  war. 

Caesar  war  nicht  gewillt,  fortan  nach  dein  Beispiel  so  vieler 
Consulare  auf  seinen  Lorbeern  auszuruhn  oder  etwa  sich  auf 
eine  Mitwirkung  bei  der  laufenden  Staatsverwaltung  zu  be- 
schränken; im  Gegensatz  zu  Pompejus  lehnte  er  eine  Beteiligung 
an  der  Ausführung  seines  Ackergesetzes  von  Anfing  an  ab.  Es 
galt,  sich  eine  neue  umfassende  Wirksamkeit  und  damit  eine 
dauernde  selbständige  Machtstellung  zu  schaffen.  Die  Mög- 
')  Dos  zeigt  sein  Verhalten  nach  Caesar»  Ermordung. 


92 


Das  Principat  des  Pompejus 


lichkoit  dazu  bot  ihm  Gallien,  wo  zwar  augenblicklich,  nach 
der  Niederwerfung  des  Allobrogeraufstandes  durch  C.  Pomptinus 
im  Jahre  61,  einigermaßen  Ruhe  herrschte,  wo  aber  die  be- 
vorstehende Helvetierwanderung,  die  schon  zu  Anfang  des 
Jahres  60  die  römische  Regierimg  in  Unruhe  gesetzt  und  momentan 
von  den  clodischen  Händeln  und  dem  flavischeu  Ackergesetz  ab- 
gelenkt hatte1),  und  daneben  das  Umsichgreifen  des  Ariovist  und 
die  Bedrängnis  der  Haeduer,  der  „Brüder  und  Blutsverwandten 
der  Römer",  ein  rechtzeitiges  Eingreifen  dringend  erforderten. 
Nach  den  Verabredungen  der  Machthaber  sollte  er  statt  der  ihm 
vom  Senat  zugewiesenen  wesenlosen  Aufgabe  (S.  58)  die  wichtigste 
Provinz  des  Reichs,  Galiia  Cisalpina,  mit  drei  Legionen  auf  fünf 
Jahre  —  bis  zum  letzten  Februar  des  Jahres  54-)  —  übernehmen. 
Sie  war  von  Sulla  zu  dem  Zweck  geschaffen,  daß  der  Senat  von 
hier  aus  Italien  und  Rom  militärisch  beherrschen  und  jede  Op- 
position niederwerfen  könne;  jetzt  ging  sie  in  den  Besitz  der 
Gegner  über  zur  Terrorisierung  der  Hauptstadt  und  des  Senats. 
In  der  kräftig  aufstrebenden  Bevölkerung  des  Gebiets  nördlich 
vom  Po  hatte  Caesar  und  die  demokratische  Partei  überdies 
durch  ihre  Agitation  für  die  Erteilung  des  Vollbürgerrechts  seit 
Jahren  eine  feste  Stütze.  Da  Caesar  zu  Anfang  seines  Consulats 
erklart  hatte,  für  sich  selbst  nichts  beantragen  zu  wollen*),  brachte 
der  Tribun  Vatinius  das  betreffende  Gesetz  vor  das  Volk,  das  es 
natürlich  annahm,  unbekümmert  um  Catoe  Warnung,  daß  es 
dadurch  den  Tyrannen,  den  König  selbst  auf  die  Burg  führe*). 

l)  Cio.  Att.  I  19,  2  f.  20,  5. 
*)  Cic.  de  prov.  cons.  36  f. 
*)  Dio  38,  1,  7.  8,  3. 

*)  Plat.  Cato  33  itpoXt^ovro;  K&ttuvoc,  <b<  ilc  &«po*oXty  xbv  tüpawov 
a&toi  tal<  iaotwv  ^foi^  ISpöoooi;  benutzt  Crass.  14.  —  Das  Gesetz  ent- 
hielt natürlich  vielerlei  Ausführungabestimmungen,  darunter  das  Recht, 
seine  Legaten  (mit  propraetorischem  Rang,  wie  bei  Pompeius,  so  La- 
bienus  Bell.  Gall.  I  21)  ohne  die  herkömmliche  Berücksichtigung  des 
Senats  zu  ernennen  (Cic.  in  Vat.  35).  Dazu  gehörte  offenbar  auch  das 
Recht,  eine  Kolonie  zu  gründen,  wofür  man  gewöhnlich,  aber  schwer- 
lich mit  Recht,  auf  Grund  von  Sueton  Caes.  28  (colonis,  quos  roga- 
tione  Vaiinia  Novum  Comum  dedttxUset)  ein  besonderes  Gesetz  an- 


Caesars  Provinzen.    Angriffe  auf  Caesar  Anfang  58  93 


Indessen  damit  waren  Caesars  Wünsche  noch  nicht  erfüllt;  und 
so  veranlaßte  er,  daß  der  Senat,  der  nach  der  Terrorisierung  der 
Gegner  nur  noch  von  der  Caesar  gefügigen  Minorität  besucht 
wurde1)  und  daher  ganz  in  seiner  Hand  war,  „damit  das  Volk 
nicht  auch  diese  Provinz  noch  vergebe",  das  jenseitige  Gallien 
mit  einer  weiteren  Legion  hinzufügte*).  Pompejus  selbst  stellte 
den  Antrag*);  er  ahnte  nicht,  daß  sein  Schwiegervater  sich  von 
diesem  Nebenlande  aus  ein  großes  Reich  gründen  und  dadurch 
ihm  über  den  Kopf  wachsen  werde.  Caesar  aber  machte  aus 
seinem  Erfolg  kein  Hehl :  „jetzt  habe  er  trotz  der  Opposition  und 
Seufzer  seiner  Gegner  erreicht,  was  er  erstrebt  habe",  sagte  er 
wenige  Tage  darauf  im  Senat;  „fortan  könne  er  allen  aufs 
Haupt  treten"4). 

Bei  der  Niederlegung  des  Consulats  hinderte  Clodius  den 
Bibuhis,  die  übliche  Rede  zu  halten6),  wie  vor  vier  Jahren  Metellus 
Nepos  den  Cicero.  Von  der  anderen  Seite  aber  brachten  die 
Praetoren  C.  Memmius*)  und  L.  Domitius  Ahenobarbus  die 
Vorgänge  des  letzten  Jahres  im  Senat  zur  Sprache  und  ver- 
langten ein  Vorgehn  gegen  Caesar.  Caesar  erklärte,  er  stelle 
die  Sache  bereitwillig  dem  Senat  zur  Verfügung,  und  verteidigte 


nimmt.  Auch  daß  speziell  Novum  Comum  in  dem  Gesetz  genannt  war, 
halte  ich  für  sehr  unwahrscheinlich.  —  Daß  Illyricum  damals  zur  Pro- 
vinz Gallia  cisalpina  gehörte,  ist  bekannt. 

!)  So  blieb  Cato  den  Sitzungen  fern:  Cic.  pro  Sest  63. 

*)  Sueton  Caes.  22.  Dio  88,  8,  5.  Cic.  de  prov.  cons,  86. 

*)  Cic.  Att.  VIII  3,  8  Pompeius  . . .  Oalliae  ulterioris  adiunetor. 
Sueton  Caes.  22  socero  igitur  generoque  suffragantibus. 

«)  Sueton  Cae*.  22  quo  gaudio  elatus  non  temperavit,  quin  paueos 
post  dies  frequenii  curia  iaciaret,  invitis  et  gementibus  adversariis 
adeptum  se  quae  coneupissei,  proinde  ex  eo  insultaturum  omniutn 
rapitibus;  ac  negante  quodam  per  contumeliam,  faeüe  hoc  Ulli 
fetninae  fore,  responderet  quasi  cUludens,  in  Syria  quoque  re- 
gnasse Semiramin  magnamque  Asiat  partem  Amazonas  tenuisse 
quondam. 

•)  Dio  38,  12,  3. 

*)  Memmius  gehörte  auch  im  Jahre  59  zu  den  Gegnern  Caesars; 
Cic  Att.  II  12,  2  (wo  neben  ihm  auch  Metellus  Nepos  genannt  wird); 
vgl.  ad  Qu.  fr.  12,  10. 


94 


Das  Principat  des  Pompeji» 


weh  dreimal  in  heftigen  Gegenreden;  und  der  Senat  war  so  ein- 
geschüchtert, daß  ein  Beschluß  nicht  zustande  kam  und  die 
Sache  nach  dreitägiger  erregter  Diskussion  beiderseits,  voll  der 
gehässigsten,  auch  als  Broschüren  veröffentlichten  Invektiven,  im 
Saude  verlief1).  Damit  war  zugleich  die  Rechtsbeständigkeit  der 
julischen  Gesetze  tatsächlich  anerkannt.  Um  sich  weiteren  An- 
griffen zu  entziehn,  verließ  Caesar  die  Stadt  und  übernahm  das 
Kommando  über  Heer  und  Provinz.  Jetzt  konnte  er,  ab  der 
Tribun  L.  Antistius  eine  Anklage  gegen  ihn  erhob,  sich  darauf 
berufen,  daß  er  im  Staatsdienst  abwesend  sei,  und  den  Schutz 
der  übrigen  Tribuuen  erwirken;  seine  Gegner  mußten  sich  be- 
gnügen, seinen  Quaestor  vor  Gericht  zu  ziehn2).  Caesar  blieb 
aber  mit  seiner  Armee  bis  Anfang  März  in  der  Nähe  Roms,  bis 
Clodius  die  verabredeten  Maßregeln  durchgeführt  hatte,  so 
dringend  die  Lage  in  Gallien  und  die  unmittelbar  bevorstehende 
Auswanderung  der  Helvetier  seine  Anwesenheit  dort  erforderte; 
er  traute  sich  zu,  die  vor  Rom  verwendete  Zeit  durch  Schnellig- 
keit wieder  einzuholen3). 

')  Sueton  Caes.  23.  Nero  2.  Proben  aus  den  Angriffen,  die  natürlich 
auch  Caesars  Verhältnis  zu  Nikomedes  wieder  hervorholten,  bei  Sueton 
Caes.  49.  73  Oaius  Memmius,  cuius  asperrimis  orationibus  non  minore 
acerbüate  rescripserat.  Cic.  in  Vatin.  15  primum  quaero,  nutn  tu 
senatui  causam  tuam  permUtas,  quod  fecit  Caesar?  pro  Sest.  40  die 
drei  Männer  unterstützen  Clodius'  Vorgehn  gegen  Cicero  alio  tum  timore 
perterriti,  quod  acta  illa  atque  omnis  res  anni  superioris  labefac- 
tari  a  praetoribus,  inftrmari  a  senatu  atque  prineipibus  civitatis 
putabant.  schol.  Bob.  zu  beiden  Stellen,  wo  die  Angriffe  des  Domitius 
und  Memmius  erwähnt  werden,  et  ipsius  Caesar ls  orationes  contra 
hos  extant  tres,  quibtts  et  sua  acta  defendit  et  Wos  insectatur. 

*)  Sueton  Caes.  28.  Gleichzeitig  vereitelte  Vatinius  einen  Prozeß, 
der  wegen  seines  Verfahrens  im  Tribunat  vor  dem  Richterstuhl  des 
Praetor»  Memmius  gegen  ihn  angestrengt  wurde,  durch  Anrufung  der 
Tribunen  und  verjagte  den  Gerichtshof,  als  er  trotzdem  verbandeln 
wollte.  Cic.  in  Vat.  3  f.  nebst  schol.  Bob.  3. 

')  Cic.  post  red.  in  sen.  32.  Plut.  Caes.  14.  Dio  38,  17.  Im  bellum 
Gallicum  verhüllt  Caesar  die  Dinge  in  üblicher  Weise,  wenn  er  erzählt,  die 
Helvetier  hätten  zum  Aufbruch  an  der  Rhone  den  28.  März  58  bestimmt, 
er  sei  daher,  cum  id  nuntiatum  esset,  in  größter  Eile  von  Rom  nach  Genf 
aufgebrochen  (maturat  ab  urbe  proficisci  et  quam  maximis potest  itine- 


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Clodiu»'  Tribunat 


05 


Ciceros  Verbannung 

Allzuleicht  indessen  war  die  Durchführung  der  von  den 
Machthabern  geplanten  Maßregeln  auch  jetzt  noch  keineswegs, 
trotz  des  von  Caesar  geübten  Terrorismus;  vielmehr  war  eben 
dadurch  die  Masse  der  Bürgerschaft  auf  die  Gegenseite  getrieben 
worden  und  wenigstens  zu  passivem  Widerstand  bereit.  Das 
hatte  sich  schon  bei  den  Wahlen  im  Herbst  gezeigt.  Zwar  die 
Wahl  des  Clodius  zum  Tribunen  hatte  Caesar  durchgesetzt, 
ebenso  die  der  beiden  Consuln;  aber  die  neuen  Praetoren  und 
die  meisten  Tribunen  standen  auf  Seiten  des  Senats1);  ein  rück- 
sichtsloses Vorgehn  hätte  die  gewonnene  Position  gefährden  und 
eine  neue  Krisis  herbeiführen  können.  Daher  hielt  man  die 
Aktion  gegen  Cicero  und  Cato  zunächst  noch  zurück.  Vielmehr 
bezeigte  Piso  dem  Cicero  wie  bei  seiner  Bewerbung  um  das 
Consulat  so  nachher  das  größte  Wohlwollen  und  rief  ihn  im 
Senat  an  dritter  Stelle  zur  Meinungsäußerung  auf1),  so  daß  Cicero 
sich  einbilden  konnte,  auch  die  neuen  Consuln  seien  ihm  wohl- 
geneigt8); und  Pompejus  fuhr  im  Einverständnis  mit  Caesar, 
der  sich  auch  noch  weiter  freundlich  gegen  ihn  äußerte,  fort, 
ihm  Mut  einzureden  und  seinen  Schutz  zu  verheißen4). 

ribu8  in  GalHam  ulteriorem  contendit,  bell.  Gall.  I  7).  Wenn  er  nicht  durch 
die  innerpolitischen  Vorgänge  so  lange  festgehalten  wäre,  hatte  er  viel 
frQher  da  sein  können.  Nach  Plnt.  Caes.  17  brauchte  er  bei  der  «pwcfi 
Hotoz  von  Rom  bis  an  die  Rhone  nur  8  Tage.  In  Gallia  hatte  er  nur 
die  eine  Legion,  welche  dort  ßtand,  und  das  Aufgebot  der  Provinz  zur 
Verfügung  (bell.  Gall.  I  8);  die  drei  übrigen  konnte  er  erst  spater  her- 
anholen, wie  er  I  10  angibt,  aus  ihren  Winterlagern  bei  Aquileja  (dazu 
hob  er  zwei  weitere  Legionen  aus);  von  den  Truppen,  die  er  vor  Rom 
bei  sich  gehabt  hatte,  schweigt  er  in  seiner  Darstellung  natürlich. 

')  Cic  ad  Qu.  fr.  12,  16  (etwa  Ende  November  59)  Tribuni  pl. 
desi-gnati  sunt  nobü  amici;  consttles  se  optime  ostendunt;  praeiores 
habemus  amicissimos  et  acerrimos  civis,  Domitium,  Nigidium,  Len- 
tulum,  Memmium,  bonos  etiam  alios  singularis. 

*)  Cic.  in  Pis.  11.  post  red.  in  sen.  17.  vgl.  pro  Sestio  20. 

•)  S.  Anm.  1.  Früher,  im  Jahre  66,  war  Cicero  bekanntlich  für 
Gabinius  im  Interesse  des  Pompejus  eingetreten  (de  imp.  Cn.  Pomp.  57  f., 
vgl.  u.  8.  105,  8). 

*)  ad.  Qu.  fr.  I  2,  16  (oben  S.  89,  2).  über  Dios  Darstellung  s.  oben 


9o 


Das  Principat  de«  Pompeji» 


Dagegen  brachte  Clodius  gleich  nach  Antritt  seines  Tribunals 
(10.  Dezember  59)  vier  Gesetze  ein,  die  ihm  die  Zuneigung  nicht 
nur  der  Massen,  sondern  auch  der  höheren  Stände  gewinnen  und 
zugleich  die  Mittel  für  seine  weitere  Aktion  gewahren  sollten. 
Abschaffung  der  Gebühr  —  denn  mehr  war  es  nicht  —  von 
6''s  As  für  den  Scheffel,  die  bisher  noch  für  die  monatliche  Ge- 
treideverteilung unter  die  hauptstädtische  Bevölkerung  gezahlt 
wurde;  Wiederherstellung  der  im  Jahre  64  durch  den  Senat  auf- 
gehobenen Clubs  (collegia;  oben  S.  24)  und  Erlaubnis  zur  Gründung 
neuer,  in  denen  dann  die  Hefe  des  Proletariats,  Freigelassene 
und  Ausländer  aller  Art,  Aufnahme  fand  und  für  die  anarchisti- 
schen Umtriebe  organisiert  wurde;  und  Aufhebung  des  tat- 
sächlich schon  seit  einem  Jahrzehnt  nicht  mehr  geübten  (oben 
S.  13.  50)  Rechts  der  Censoren,  die  Senatsliste  nach  eigenem  Er- 
messen aufzustellen  und  einen  Senator  aus  derselben  zu  streichen, 
sowie  Verbot  der  Erteilung  einer  censorischen  Rüge,  außer  wenn 
der  Beschuldigte  nach  formell  vor  ihnen  erhobener  Anklage  von 
beiden  Censoren  übereinstimmend  verurteilt  sei  —  dadurch 
wurden  all  die  anrüchigen  Persönlichkeiten  des  Senats  und  der 
Ritterschaft,  deren  Stellung  durch  die  Censur  bedroht  war,  für 
Clodius  gewonnen.  Ein  viertes  Gesetz  verbot  allen  Magistraten, 
an  den  Comitialtagen,  an  denen  eine  Volksversammlung  statt- 
finden konnte,  den  Himmel  zu  beobachten,  und  entriß  damit 
dem  Senat  die  Waffe,  durch  die  er  seit  einem  Jahrhundert  miß- 
liebige Volksbeschlüsse  vereitelt  und  im  vergaugenen  Jahre 
Bibulus  die  Gesetze  Caesars  formell  rechtsungültig  gemacht 
hatte1).   Am  3.  Januar  wurden  alle  vier  Gesetze  angenommen; 

S.  88, 1.  Nach  Plutareh  Cic  30  hätte  Clodius  die  Miene  angenommen,  als 
wolle  er  sich  mit  Cicero  versöhnen,  und  die  Schuld  an  dem  Zerwürfnis  auf 
Terentia  (oben  S.  48)  geschoben;  dadurch  hätte  er  Cicero  veranlaßt,  die 
Legatenstelle  bei  Caesar  (die  er  fälschlich  aus  einem  Angebot  in  eine 
Bewerbung  Cicero»  verwandelt)  abzulehnen  und  so  Caesar  für  das  Ein- 
schreiten gegen  ihn  gewonnen.  Das  ist  tendenziöse  Entstellung  zugunsten 
Caesars. 

x)  Hauptatelle  Cic.  in  Pia.  8  ff.  und  Asconius  dazu;  ferner  Dio 
38,  18,  dessen  Bericht  ganz  vorzüglich  ist,  und  zahlreiche  sonstige  Er- 
wähnungen in  Ciceros  Reden. 


Clodius  gegen  Cicero 


97 


als  der  Tribun  L.  Ninnius  Quadratus,  der  für  Cicero  tätig  war, 
sein  Veto  einlegen  wollte,  gab  Clodius  Cicero  die  Zusicherung, 
nichts  gegen  ihn  zu  unternehmen,  wenn  er  die  Gesetze  durch- 
lasse, und  Cicero  selbst  veranlagte  infolgedessen  Ninnius  cur 
Zurückziehung  der  Intercession1). 

Damit  war  der  Weg  geebnet;  und  jetzt  brachte  Clodius  so- 
wohl  das  Gesetz  über  Catos  Entsendung  nach  Cvpern  wie  den 
Antrag  ein,  daß  wer  einen  römischen  Bürger  ohne  gerichtliche 
Verurteilung  getötet  habe,  aus  der  bürgerlichen  Gemeinschaft 
von  Wasser  und  Feuer  ausgestoßen  werden  solle8).  Gleichzeitig 
beantragte  er,  um  sich  die  Unterstützung  der  Oonsuln  vollends 
zu  sichern,  durch  Volksbeschluß  an  Stelle  der  vom  Senat  zu- 
gewiesenen Provinzen  dem  Piso  Macedonien,  dem  Gabinius 
Syrien  zu  übertragen*),  mit  eben  so  umfassenden  Privilegien,  wie 
sie  Caesar  durch  das  Gesetz  des  Vatinius  zuerkannt  waren*). 

Als  Cicero  sah,  daß  es  Ernst  wurde,  verflogen  alle  Hoffnungen, 
in  denen  er  sich  bisher  immer  noch  gewiegt  hatte,  und  zugleich 
der  Mut  zum  Kampf,  den  er  sich  vorher  so  manchesmal  ein- 
geredet hatte.  In  tiefster  Depression  versank  er  in  eine  klagliche 
Haltung:  er  legte  Trauer  an  und  lief,  um  Hilfe  flehend,  zu  allen 
und  jedem,  nicht  nur  zu  den  Optimaten,  sondern  ebenso  zu  Piso, 
der  ihm  offen  erklärte,  Gabinius  bedürfe  um  seiner  Schulden 
willen  der  reichen  Provinz  und  er  könne  seinem  Kollegen  nicht 
entgegentreten1);  er  überfiel  Pompejus  auf  dessen  albanischer 


')  Dio  88,  14,  vgl.  Cic.  ad  Att.  Iü  15,  4,  wo  er  Atticus  den  Vor- 
wurf macht,  zugelassen  zu  haben  mihi  persuaderi,  utile  nobis  esse 
legem  de  collegiis  perferri. 

*)  Yellejue  II  45  legem  in  tribunatu  tulit,  gui  eveem  Romanum 
indemnatum  interemisset,  ei  aqua  et  igni  interdiceretur;  cuius  ver- 
bUf  etsi  non  nominabatur  Cicero,  tarnen  solus  petebatur.  Dio  88,  14,  4. 

»)  Cic.  pro  Seit.  25  promulgantur  uno  eodemque  tempore  roga- 
tiones  ab  eodem  tribuno  de  mea  pernicie  et  de  provineiis  coneulum 
nominatim.  Beide  Gesetze  wurden  dann  auch  an  demselben  Tage,  „ja 
in  derselben  Stunde  und  dem  gleichen  Zeitpunkt"  angenommen ,  pro 
Seet.  58. 

*)  Cic.  in  Vat.  86.  pro  Sest.  33.  de  dorn.  28.  55  und  sonst. 
»)  Cic.  in  Pis.  12. 

Meyer,  Caesar»  Monarchie  7 


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98 


Das  Principat  des  Pompejus 


Villa,  wohin  er  sich,  um  den  Schein  zu  wahren,  zurückgezogen 
hatte,  und  stürzte  ihm  zu  Füßen;  aber  dieser  erklärte  ihm,  er 
könne  gegen  Caesars  Willen  nichts  machen,  ließ  ihn  liegen  und 
befahl  der  Dienerschaft,  ihn  nicht  wieder  vorzulassen1).  Senat 
und  Bitterschaft  traten  allerdings  für  ihn  ein;  in  Wirklichkeit 
war  ja  das  Gesetz,  das  für  die  Zukunft  jede  anarchistische  Gewalt- 
tat legitimierte  und  überhaupt  das  Bestehn  eines  festen,  mit 
Strafgewalt  ausgestatteten  Begimente  aufhob,  gegen  sie  und 
gegen  die  gesamte  Staatsordnung  gerichtet,  deren  offizieller  Ver- 
treter Cicero  durch  die  Ereignisse  von  63  geworden  war.  Zu- 
gleich aber  mußte  Cicero  empfinden,  wie  sehr  er  durch  seine  oft 
boshaften  Witzworte,  durch  den  Anspruch  auf  Überlegenheit, 
mit  dem  er  auftrat,  und  vor  allem  durch  sein  ununterbrochenes 
Renommieren,  das  zuletzt  in  dem  Heldenepos  über  sein  Consulat 
(S.  61)  einen  geradezu  kindischen  Ausdruck  gefunden  hatte,  die 
Gefühle  der  vornehmen  Herrn  verletzt  hatte,  in  deren  Kreis  er 
eingedrungen  war:  die  innere  Lauheit  ihrer  Stimmung  gegen  ihn 
und  die  Schadenfreude,  über  die  er  schon  vorher  in  seinen  Briefen 
an  Atticus  oft  genug  geklagt  hatte,  kam  hinter  all  der  offiziellen 
Betätigung  für  ilin  deutlich  genug  zum  Ausdruck*).   Das  alles, 


')  Cic  Att.  X  4,  8  is  qui  nos  sibi  quondam  ad  pedea  stratos  ne 
sublevabat  quidem,  qui  se  nihil  contra  huius  (d.  i.  Caesaris)  volunUUem 
facere  posse  (aiebat).  Nach  Plutarch  Cic.  31  (=  Pomp.  46)  schickt  er 
zunächst  seinen  Schwiegersohn  Piso  zu  Pompejus  (das  ist  daraas  entstellt, 
daß  Cicero  diesen  zu  dem  Consul  Piso  mitnahm,  in  Pis.  18),  dann  geht 
er  selbst,  aber  Pompejus  entweicht  vorher  durch  die  Hintertür.  Das 
ist  eine  Abschw&chung  im  Interesse  Ciceros.  Dio  88,  17,  8  überseht 
die  Szene  und  erwähnt  nur,  daß  Pompejus  sich  absichtlich  von  Rom 
fernhielt  (&moxvt«o  jiiv  aowj»  rrjv  huxoopiav,  o*ij4»tc«  U  tiva$  fiUor»  &Ua< 
Koio6)ityac  xat  Ano&Y)fuac  oo^vi«  intrrj&tc  otrXX6fuvo<  obx  lirijfiovtv).  Vgl. 
ad  Qu.  fr.  I  4,  4,  wo  subita  defectio  Pompei,  alienatio  consulum, 
etiam  praetorum,  timor  publicanorum,  orma  ihn  »um  Weggehn  ver- 
anlassen. 

*)  Dies  Moment  wird  bei  Dio  38,  12  sehr  treffend  hervorgehoben. 
Überhaupt  kann  garkein  Zweifel  sein,  daß  die  Quelle,  der  er  folgt, 
hier  wie  in  der  gesamten  Geschichte  dieser  Zeit  Ciceros  Korrespondenz, 
auch  die  Briefe  an  Atticus,  gekannt  und  sorgfältig  benutzt  hat.  Die  zu- 
grunde liegende  Quelle  ist  gewiß  nicht  Livius,  der  zwar  Ciceros  Schwä- 


Verhandlungen  Ober  Ciceros  Verbannung 


99 


zusammen  mit  dem  Gefühl  der  Selbsterniedrigung,  die  er  nutz- 
los geübt  hatte,  das  in  ihm  sehr  lebendig  war  und  dem  sich  zu 
entziehn  er  doch  nicht  die  sittliche  Kraft  hatte,  hat  in  ihm  die 
tiefe  Erbitterung  erzeugt,  mit  der  er  an  diese  Zeit  zurückdenkt 
und  die  sich  dann  in  seiner  Manier  in  den  wüstesten  Invektiven 
gegen  die  Werkzeuge  der  Machthaber  Luft  macht. 

Versuche,  Cicero  zu  retten,  sind  allerdings  gemacht  worden. 
Eine  Anzahl  der  angesehensten  Senatoren,  geführt  von  den 
Consularen  Hortensius  und  Curio,  suchte  den  Consul  Gabinius  — 
Piao  war  krank  —  zum  Einschreiten  zu  veranlassen,  wurde  aber 
von  ihm  schroff  zurückgewiesen.  Darauf  legte  auf  Antrag  des 
Tribunen  Ninnius  der  gesarate  Senat  Trauer  an,  und  die  Ritter- 
schaft folgte  seinem  Beispiel;  alle  anständig  empfindenden 
Menschen  waren  eben  gegen  das  Gesetz,  auch  im  Mittelstand 
und  in  den  Landstädten  Italiens.  Aber  auf  Gabinius  machte 
das  keine  Wirkung;  vielmehr  erklärte  er  vor  dem  Volk,  man  sei 
im  Irrtum,  wenn  man  glaube,  daß  der  Senat  im  Staat  noch 
etwas  zu  bedeuten  habe,  die  Ritter  aber  würden  jetzt  dafür 
büßen  müssen,  daß  sie  sich  am  5.  Dezember  63  bewaffnet  auf  der 
Straße  zum  Capitol  aufgestellt  und  Caesars  Leben  bedroht 
hätten;  den  Ritter  L.  Lamia,  der  sich  besonders  hervorgetan 

chen  auch  nicht  verkannt  hat  (omnium  adversorum  nihil  ut  viro 
dignum  erat  tulüj,  aber  in  seiner  milden  Art,  natura  candidissimus 
omnium  magnorum  ingeniorum  aestitnator  (Seneca  suas.  6,  22),  die 
Schuld,  die  Cicero  selbst  durch  sein  früheres  Verhalten  trng,  schwerlich 
in  dieser  Weise  hervorgehoben  hat,  sondern  Asinius  Pollio,  qui  infes- 
ti8simu8  famae  Ciceronis  permansit  (Seneca  suas.  6 ,  14).  In  seiner 
abschließenden  Charakteristik  sagt  er  (ib.  6,  24):  utinam  moderatius 
secundas  res  et  foriius  adversas  ferre  potuisset!  . . .  inde  sunt  in- 
vidiae  tempestates  coortae  graves  in  cum  certiorque  inimicis  ad- 
grediendi  flducia,  maiore  enim  simultates  adpeiebat  animo  quam 
gerebat.  —  Eine  gleichartige,  offenbar  in  letzter  Linie  gleichfalls  auf 
Asinius  Pollio  zurückgehende  Ausführung  in  seiner  Quelle  hat  Plutarch 
den  Anlaß  zu  der  großen  Einlage  der  dicta  Ciceronis  c.  24—27  gegeben, 
an  die  mit  den  Worten  ix  to»tu>v  Ifiytto  noUot$  iitax*^«  seine  Verfol- 
gung durch  Clodius  unmittelbar  angeschlossen  wird-  —  Ebenso  wird  bei 
Appian  das  klagliche  und  würdelose  Verhalten  Ciceros,  das  ihn  der 
Lächerlichkeit  preisgibt,  kurz  und  zutreffend  geschildert  (II  15). 


v 


100 


Das  Principal  des  Pom  pejus 


hatte,  verbannte  er  kraft  seiner  Magistratsgewalt  durch  eüi 
Edikt  aus  Rom,  und  ein  Edikt  beider  Consuln  gebot  dem  Senat, 
wieder  in  seiner  gewöhnlichen  Tracht  zu  erscheinen1).  Gleich- 
zeitig wurde  Cicero,  wo  er  sich  sehen  ließ,  von  den  Rotten  des 
Clodius  insultiert  und  nebst  seinen  Anhängern  mit  Schmutz  und 
Steinen  beworfen*);  sie  hatten  auch  die  Gesandten  an  Gabinius 
überfallen,  der  Senator  Vibienus  war  den  Wunden,  die  er  damals 
erhielt,  erlegen*).  Ein  Versuch,  durch  eine  an  ihn  nach  dem 
Albanum  geschickte  Deputation  Pompejus  zum  Einschreiten  zu 
veranlassen,  hatte  ebensowenig  Erfolg;  er  verwies  sie  an  die 
Consuln,  er  selbst  könne  ohne  öffentlichen  Auftrag  gegen  den 
Tribunen  nichts  tun;  und  Piso  erklarte  den  Abgesandten,  er  sei 
nicht  so  tapfer,  wie  Torquatus  —  der  sich  unter  diesen  befand 
—  oder  Cicero,  die  als  Consuln  dem  Catilina  Widerstand  geleistet 
hatten,  er  köime  nur  raten,  daß  dieser  nachgebe  und  sich  frei- 
willig entferne,  sonst  werde  ein  unabsehbares  Blutbad  die  Folge 
sein4). 

Wie  PompejuB  hielt  sich  auch  Crassus  zurück;  er  liebte  es 
überhaupt  nicht,  sich  zu  kompromittieren,  und  dazu  kam  noch 
die  Einwirkung  seines  mit  Cicero  befreundeten  jungen  Sohnes*). 
Den  Ausschlag  gab  Caesar  und  sein  Heer.  Clodius  erklärte  mehr 
als  einmal,  daß  er  im  Einverständnis  mit  den  drei  Männern 
handle;  Caesar  stehe  mit  einem  großen  Heer  in  Italien,  Pompejus 
und  Crassus  seien,  obwohl  Privatleute  ohne  amtliche  Stellung, 
in  der  Lage  und  bereit,  wenn  es  nötig  sei,  gleichfalls  ein  Heer 
aufzubringen');  er  berief  eine  Volksversammlung  in  den  Circus 
Flaminius  außerhalb  des  Pomeriums,  damit  Caesar  an  ihr  teil- 
nehmen könne,  und  hier  erklärte  Piso,  daß  er  alle  Grausamkeit 
mißbillige,  Gabinius  sprach  sich  noch  schärfer  gegen  die  Hin- 


')  Cic.  pro  Seat.  25  ff.  post  red.  in  sen.  11  f.  82  und  sonst  oft. 

»)  Plut.  Cic.  80.  Cic.  pro  Seat.  27. 

»)  Cic.  pro  Mil.  87.  Dio  88,  16,  5. 

4)  Cic.  in  Pis.  77  f.  Dio  88,  16,  5.  Plut.  Cic  31. 

8)  Plut.  Crass.  18.  Cic.  83.  Dio  38,  17,  2  Kpcfoso;  8i4  fiiv  toö  oUo? 
E<n£&tidv  ttva  t«p  Ktxipum  iyt&ttxvoto,  a&toc  ik  ta  toö  itXvj&oot  frcparct. 

')  Cic.  pro  Seat.  89  f.  bar.  resp.  47. 


Ciceros  Verbannung 


101 


richtung  der  Catilinarier  aus;  Caesar  wies  darauf  hin,  daß  seine 
Stellung  dazu  allbekannt  sei,  wenn  er  auch  ein  solches  Gesetz 
über  vergangene  Dinge  nicht  für  angebracht  halte1). 

Diese  Äußerung,  durch  die  er  den  Schein  wahrte,  konnte 
niemanden  täuschen.  Cicero  hat  mit  dem  Gedanken  gespielt, 
bewaffneten  Widerstand  zu  leisten,  und  später  den  Optimaten 
und  dem  Atticus  schwere  Vorwürfe  gemacht,  daß  sie  ihm  davon 
abgeredet  hätten2);  aber  ernsthaft  war,  wie  die  Dinge  lagen, 
gamicht  daran  zu  denken,  ganz  abgesehn  davon,  daß  Cicero 
nicht  der  Mann  dazu  war.  Cato  hatte  völlig  recht,  wenn  er  Cicero 
denselben  Rat  erteilte,  den  dieser  ihm  bei  der  Eidesleistung  auf 
das  julische  Ackergesetz  gegeben  hatte,  sich  zu  fügen  und  un- 
nützes Blutvergießen  zu  vermeiden8).  So  hat  denn  Cicero  am 
Tage  vor  der  Abstimmung,  nachdem  er  auf  dem  Capitol  ein 
Bild  der  Minerva  aufgestellt,  Rom  verlassen  und  damit  den 
Schein  einer  freiwilligen  Entfernung  gewahrt.  Darauf  wurde, 
wahrscheinlich  am  20.  März4),  das  Gesetz  angenommen,  und 
Caesar  konnte  nach  Gallien  eilen.  Gleichzeitig  erfolgte  die  An- 
nahme des  Gesetzes,  welches  den  beiden  Consuln  ihre  Belohnung 
gewährte,  und  bald  darauf*)  die  des  Gesetzes  über  Catos  Ent- 
sendung. Ciceros  Haus  wurde  geplündert  und  niedergebrannt, 
die  Trümmerstätte  von  Clodius  für  einen  Tempel  der  Liberias, 
der  jetzt  durch  Ciceros  Brandmarkung  glücklich  gewonnenen  Voll- 
freiheit des  römischen  Bürgers,  geweiht,  seine  sonstigen  Be- 
sitzungen eingezogen,  die  Beute,  wenigstens  zum  Teil,  zwischen 
Clodius  und  Gabinius  geteilt.  Dann  brachte  Clodius  noch  ein 
weiteres  Gesetz  zur  Annahme,  welches  direkt  aussprach,  daß 
Cicero  unter  das  vorige,  absichtlich  allgemein  gehaltene  Gesetz 
falle«)  —  der  Senatsbeschluß,  auf  den  er  sich  bei  der  Hinrichtung 


')  Dio  88,  16  f.    Cic.  post  red.  in  sen.  18  ff.  in  PU.  14.  pro  Sest  83. 
Von  Caesars  Äußerung  schweigt  Cicero  natürlich. 
«)  So  vor  allem  Att.  III  15. 
»)  Plut.  Cato  85. 

*,  S.  Groebe  bei  Drumann  II'  551  ff. 

Cic.  pro  Sest.  68.  de  domo  65. 
sj  Daher  die  Fassung  velitis  iubeatis  ut  M.  Tullio  aqua  et  igni 


102 


Das  Principat  des  Pompöjus 


berufen  habe,  sei  von  ihm  gefälscht1)  — ,  und  den  Hochverräter 
in  Italien  und  weiter  bis  auf  eine  Entfernung  von  400  oder 
500  Meilen  für  vogelfrei  erklärte1);  wer  ihn  innerhalb  dieses  Ge- 
biets aufnahm,  verfiel  der  gleichen  Strafe3).  Eine  Klausel  verbot, 
den  Antrag  auf  Aufhebung  des  Gesetzes  einzubringen  oder  dar- 
über abzustimmen,  bis  die,  welche  durch  Cicero  den  Tod  ge- 
funden hatten,  wieder  aufgelebt  seien4);  diesen  Abschnitt  ließ 
Clodius  an  dem  Türpfosten  der  Curie  zur  Nachachtung  an- 
schlagen5). 

Clodras  und  Pompejus 

Durch  Caesars  revolutionäre  Maßregeln  war  scheinbar  die 
Leitung  des  Staats  in  die  Hände  des  Pompejus  gelegt  und  sein 
Principat  begründet*).  Aber  in  Wirklichkeit  war  damit  vielmehr 

interdictum  Sit,  gegen  die  Cicero  de  domo  47  ff.  als  unzulässig  und 
widereinnig  polemisiert. 

')  Cic.  de  domo  50:  quod  M.  Tullius  falsum  senatus  consultum 
reUulerü. 

*)  Cic  Att.  m  4  (April):  a  Vibone  subüo  discessimus;  adlata 
est  enim  nobis  rogatio  de  pernicie  mea,  in  qua  quod  correctum  esse 
audieramus  erat  eiusmodi,  ut  mihi  ultra  quadringenta  milia  liceret 
esse.  Plutarch  Cic  32  gibt  statt  dessen  iv-c&c  H-t^wv  n«vtaxootu»v  MtaXt«;. 
Dio  88,  17,  7  :  8750  Stadien  von  Rom,  das  ist  gleichfalls  500  Milien 
(au  7«/t  8tadien).  Es  ist  sehr  möglich,  daß  Cicero  bei  dem  Brief  an 
Atticus  ungenau  informiert  war;  jedenfalls  Ut  es  ganz  unzulässig,  mit 
Boot  und  Purser  die  Zahl  in  Ciceros  Brief  in  quingenta  milia  zu  kor- 
rigieren. Baß  die  Entfernung  von  Italien  aus  gerechnet  ist,  lehrt  Cic 
Att.  IU  7,  1 ,  wonach  es  zweifelhaft  ist ,  ob  Athen  genügend  weit  oft 
Italia  entfernt  ist. 

•)  Dio  88,  17,  7.  Cic.  de  domo  51. 

4)  Cic.  post  red.  in  sen.  4  ut  si  revixissent  ei,  qui  haec  paene 
delerunt,  tum  ego  redirem.  Die  Eingangsformel  ib.  8  ne  quis  ad  von 
referret,  ne  quis  decerneret,  ne  disputaret,  ne  loqueretur,  ne  pedibiis 
iret,  ne  scribendo  adesset.  Vgl.  in  Pis.  29.  ad  Att.  IH  12,  1.  13.  6 
(ne  referri  neve  dici  liceret). 

»)  Att.  HI  15,  6. 

•)  Als  prineeps  civitatis  bezeichnet  Cicero  den  Pompejus  post  red. 
in  sen.  4;  ebenso  de  domo  66  Cn.  Pompeium,  quem  omnium  iudicio 
lange  prineipem  civitatis  esse  videbat  (Clodius)  und  an  Lentulus  fam. 
I  9,  1  cum  autem  in  republica  Cn.  Pompeius  prineeps  esset  vir. 


Clodius*  Ziele.   Sein  Konflikt  mit  Pompejas 


103 


die  Anarchie  aufgerichtet  und  dem  wüstesten  Treiben  die  Bahn 
geöffnet.  Das  zeigte  sich  sofort.  Clodius  war  weit  davon  ent- 
fernt, eich  als  ein  einfaches  Werkzeug  der  Machthaber  zu  be- 
trachten; wie  diese  ihn,  so  hatte  er  sie  für  seine  Ziele  benutzt. 
Auf  Caesar  brauchte  er,  seit  er  in  Gallien  Krieg  führte,  keine 
Rücksicht  mehr  zunehmen;  überdies  konnte  es  diesem  nur  recht 
sein,  wenn  es  in  Rom  möglichst  wüst  zuging.  Pompejus  aber 
imponierte  ihm  gar  nicht.  Nachdem  er  die  Grundlagen  seiner 
Stellung  geschaffen  und  seine  Rache  genossen  hatte,  begann  er 
wie  Caesar  den  Schacher  mit  Vergünstigungen  an  abhängige 
Gemeinden  und  Dynasten,  so  Byzanz  und  den  Galater  Brogitaroe : 
in  diesen  Dingen  waren  die  angeblichen  Demokraten  eben  so 
korrupt  wie  die  schlimmsten  Optimaten,  und  trieben  es  nur  noch 
weit  ärger,  weil  sie  eine  ganz  andere  Macht  hatten.  Schon  im 
Jahre  59  hatte  er  seine  Blicke  auf  Armenien  geworfen1),  zu  dem 
er  ja  von  dem  Feldzug  des  Lucullus  her  Beziehungen  hatte;  jetzt, 
etwa  Ende  April,  befreite  er  den  jüngeren  Tigranes,  den  Pom- 
pejus gefangen  nach  Rom  gebracht  hatte,  durch  seine  Banden 
aus  dem  freien  Gewahrsam  bei  dem  Praetor  L.  Flavius  (S.  51  ff), 
in  dem  er  gehalten  wurde,  und  ermöglichte  ihm  die  Flucht;  in 
dem  Gefecht,  das  sich  daraus  auf  der  appischen  Straße  entspann, 
fand  unter  anderen  der  Ritter  M.  Papirius  den  Tod*).  Derartige 
Bluttaten  waren  in  Rom  allmählich  etwas  Alltägliches  geworden, 
und  ein  Versuch,  sie  zu  unterdrücken  oder  gar  zu  bestrafen, 
vollkommen  aussichtslos;  aber  die  Befreiung  des  Tigranes  war 
ein  Eingriff  in  die  eben  erst  bestätigten  Anordnungen  des  Pom- 
pejus und  erforderte  dessen  Einschreiten.  So  veranlaßte  er  den 
Gabinius,  gegen  Clodius  vorzugehn. 

Clodius  nahm  den  Fehdehandschuh  auf.  Eine  Stütze  fand 
er  bei  dem  Consul  Piso,  der  sich  .als  Caesarianer  völlig  passiv 
verhielt,  während  Gabinius  nicht  umhin  konnte,  den  Weisungen 
seines  Schirmherrn  Pompejus  zu  folgen»).    So  kam  es  zu  un- 

')  Cic.  Att.  n  5,  2. 

*)  Cic.  pro  Mil.  18.  37  mit  Asconitw  nnd  schol.  Bob.;  de  dorn.  66. 
Dio  88,  80.  Die  Zeit  ergibt  sich  aus  der  Erwähnung  bei  Cic.  ad  Att. 
HI  8,  8  <80.  Mai). 

»)  Cic.  in  Pia.  27  ac  ne  tum  quidem  emersisii,  lutiüente  Caesonine 


104 


Da«  Principat  des  Pom  pejus 


unterbrochenen  Straßenkämpfen,  bei  denen  Clodius  seinen  bis- 
herigen Kumpan  nicht  besser  behandelte,  als  Caesar  und  Vatinius 
den  Bibulus:  Gabinius'  Fasces  wurden  zerbrochen,  er  selbst  ver- 
wundet. Clodius  weihte  darauf  die  Habe  des  Gabinius  der  Ceres 
wegen  Verletzung  der  tribunicisclien  Gewalt,  worauf  sein  Gegner 
L.  Ninniu8  mit  dem  gleichen  Verfahren  gegen  ihn  vorging1). 

Die  Folge  war,  daß  Pompejus  dem  Senat  wieder  näher  rückte 
und  in  ihm  eine  8tütze  gegen  den  gemeinsamen  Gegner  suchte. 
Er  willigte  in  dessen  Forderung,  die  Verbannung  Ciceros  rück- 
gängig zu  machen.  Gegen  Ende  Mai  schrieb  dieser,  durch  seine 
Freunde  über  die  Vorgänge  in  Rom  auf  dem  laufenden  gehalten, 
aus  seinem  Exil  in  Thessalonike  einen  Brief  an  den  Mann,  der 
ihn  so  schnöde  verraten  hatte,  und  so  wurden  die  persönlichen 
Beziehungen  wieder  hergestellt*).  Am  1.  Juni  nahm  der  Senat 
auf  ein-  Referat  des  Ninnius  einstimmig  den  Antrag  an,  Cicero 
zurückzurufen ;  und  als  der  Tribun  Aelius  Ligus  intercedierte, 
beschloß  der  Senat,  in  keine  andre  Verhandlung  einzutreten,  ehe 

(Piso),  ex  miserrimis  naturae  tuae  sordibus  —  eine  schöne  Probe 
de«  unflätigen  Tons  dieser  Rede  — ,  cum  experrecta  tandem  virtus 
clarissimi  viri  (deB  Pompejus)  celeriter  et  verum  amicum  et  optime 
meritum  eitern  (d.  i.  Cicero)  et  suum  pristinum  morem  requisivit . . .; 
cum  tarnen  Ute,  qualiscumque  est,  qui  est  ab  uno  te  improbüate 
victus,  Gabinius,  conlegit  ipse  se  vix,  sed  conlegii  tarnen,  et  contra 
suum  Clodium  primum  simulate,  deinde  non  lib enter,  ad  extremum 
tarnen  pro  Cn.  Pompeio  vere  vehementerque  pugnavit  ukw.  de 
domo  66  Clodius  ...  Cn.  Pompeium  . . .  diutius  furori  suo  veniam 
daturum  non  arbürabatur;  qui  ex  eins  custodia  per  insidias  regia 
amici  fllium,  hostem,  captivum  surripuisset  et  ea  iniuria  virutn  for- 
tissimum lacessisset,  speraxnt  isdem  se  copiis  cum  illo  posse  confii- 
gere,  quibuscum  ego  noluissem  bonorum  periculo  dimicare,  et  primo 
quidem  adiutoribus  consulibus;  postea  (regit  foedue  Gabinius,  Piso 
tarnen  in  fide  mansit.   Dio  38,  80.  Plnt.  Pomp.  38. 

')  Cic.  de  domo  124  ff.;  ferner  pout  red.  in  »en.  7  u.  a.  Dio  38, 
30.  2. 

')  ad  Att.  m  8,  4  (80.  Mai)  litter arum  exemplum,  quas  ad  Pom- 
peium scripsi,  misi  tibi.  Er  hat  jedoch  wenig  Hoffnung :  motum  in 
republica  non  tantum  ego  impendere  video,  quantum  tu  aut  vides 
aut  ad  me  consolandum  ad  fern;  Tigrane  enim  neglecto  sublala  sunt 
omnia.  Vgl.  III  10.  1. 


Clodiuß'  Angriffe  auf  Pompejus 


105 


diese  Sache  erledigt  sei1).  Von  da  an  ist  über  ein  Jahr  lang  um 
Cicero«  Rückberufung  gekämpft  worden;  die  gesamte  Staats- 
maschine kam  vollständig  zum  Stillstand,  wenn  auch  die  Wahlen 
zustande  kamen  und  der  Senat  sich  im  November  entschloß, 
wenigstens  die  für  die  Provinzialverwaltung  nötigen  Gelder  an- 
zuweisen2). Die  Gonsuln  weigerten  Bich,  unter  Berufung  auf 
die  Klausel  des  clodischen  Gesetzes,  eine  Diskussion  der  Frage 
im  Senat  zuzulassen1),  dodius  aber  ging  nur  noch  heftiger 
gegen  Pompejus  vor.  Am  11.  August  wurde,  sIb  er  in  den  Senat 
kam,  ein  Sklave  des  Clodius  beim  Castortempel  mit  einem  Dolch 
angetroffen  und  daraufhin  dem  Consul  Gabinius  angezeigt,  daß 
Clodius  den  Pompejus  habe  ermorden  lassen  wollen.  Darauf 
zog  sich  Pompejus  von  der  Öffentlichkeit  zurück,  und  der  Mann, 
der  das  Oberhaupt  des  Staats  sein  wollte,  kam  in  die  eben  so 
schimpfliche  wie  lächerliche  Lage,  daß  er,  unter  fortwährenden 
Straßenkämpfen  von  Clodius'  Banden  belagert,  monatelang  in 
sein  Haus  eingesperrt  war4).    Der  Tribun  Terentius  CuJleo  gab 

')  Cic.  pro  Sept.  68  f.  post  red.  in  sen.  8.  in  Pi».  29.  pro  Mil.  19. 
Dio  38,  80,  8  f.    Plut.  Cic.  88. 
*)  Cic.  ad  Att.  III  24.  2. 

*)  Cic  in  Pia.  29;  mit  einer  durchaus  unwahren,  auf  die  Stimmung 
der  Manen  berechneten  Motivierung  in  der  Rede  post  red.  ad  Quirites  11: 
at  pro  me  superiores  consule^  semper  ut  referrent  flagitati  sunt; 
sed  veriti  sunt,  ne  gratiae  causa  facere  viderentur,  quod  alier  mihi 
adfinis  erat  (Piso  durch  Cicero«  Schwiegersohn),  alterius  causam  ca- 
pitis reeeperam  (wann  dieser  Prozeß  de«  Gabinius  gespielt  hat,  ist  nicht 
bekannt).  Man  sieht,  wenn  es  ihm  ratsam  erschien,  konnte  Cicero  seinen 
Ingrimm  ganz  wohl  unterdrücken. 

*)  Cic.  in  Pis.  28.  pro  Sest.  69.  de  har.  reep.  49.  pro  Mil.  18.  87  u.  a. 
Plut.  Pomp.  49.  Hauptstelle  Ascon.  p.  47  (zu  pro  Mil.  87),  der  aus  den 
Ada  eius  anni  weiter  anführt,  daß  Clodius'  Freigelassener  Damio  den 
l'ompejus  belagerte,  deshalb  von  dem  Praetor  L.  Flavius  verklagt  wurde, 
und  am  16-  August  der  Tribun  L.  Novius  mit  folgenden  Worten  für 
ihn  eintrat:  eiißi  ab}  hoc  apparitore  P.  Clodi  vulneratus  sum  et  ho- 
minibus  armatis,  praesidiis  disposiHs  a  republica  remotus  Cn.  Pom- 
peius  obse*sus(que  est},  cum  appeller,  non  utar  eius  exemplo,  quem 
vitupero,  et  iudicium  toüam.  Man  sieht  aus  diesen  und  ahnlichen 
Anführungen  bei  Asconius,  wie  detailliert  die  Vorgange  in  den  Acta 
aufgezeichnet  waren;  sie  bilden  offenbar  die  eigentliche  Grundlage 


106 


Da,*  Principat  des  Pompejus 


Pompejus  den  Rat,  nach  diesen  Erfahrungen  mit  Caesar  zu 
brechen,  sich  von  Julia  zu  scheiden  und  sich  ganz  dem  Senat 
in  die  Arme  zu  werfen1);  aber  das  war  für  Pompejus  unmöglich, 
er  konnte  den  Druck,  den  Caesar  auf  die  Nobilität  ausübte, 
nicht  entbehren.  So  verhandelte  er  vielmehr  mit  diesem;  der 
designierte  Tribun  Sestius  suchte  ihn  deshalb  in  Gallien  auf; 
aber  Caesar  antwortete  kühl  und  ließ  wenig  Entgegenkommen 
spüren2).  Trotzdem  brachten,  von  Pompejus  gestützt,  acht 
Tribunen  am  29.  Oktober  den  Antrag  auf  Ciceros  Rückberufung 
vor  den  Senat,  und  dieser  sprach  sich  dafür  aus,  voran  der  de- 
signierte Consul  Lentulus  Spinther;  aber  die  Consuln  und  der 
Tribun  Ligus  verhinderten  das  Zustandekommen  eines  Be- 
schlüsse*8). Clodius  antwortete  mit  einer  neuen  Wendung:  er 
drohte  nicht  nur,  mit  Pompejus'  Haus  auf  den  Carinen  ebenso 

unserer  vorzüglichen  Oberlieferung  über  diese  Zeit,  wenn  dieselbe 
natürlich  auch  einer  Ergänzung  und  wesentlichen  Vertiefung  durch 
weitere  Informationen  bedurfte,  wie  sie  namentlich  in  den  Privatkor- 
respondenzen zu  finden  waren :  die  inneren  Zusammenhange  und  die 
Motive  der  handelnden  Personen  ließen  sich  aus  den  Acta  noch  weniger 
entnehmen,  als  gegenwärtig  aus  den  besseren  Zeitungen. 

')  Plut.  Pomp.  49.  Über  Culleos  Plan  eines  Einschreitens  gegen  Clo- 
dius' Gesetz  als  ein  Privilegium  s.  Cic.  Att.  IH  15,  5. 

*)  Cic.  Att.  III  18  (September):  Atticus  hat  geschrieben,  Varro  habe 
ihm  mitgeteilt  causam  nostram  Pompeiutn  certe  suseepturum  et 
simttl  a  Caesars  ei  litterae,  quas  exspectaret,  remissae  essent,  ac- 
torem  etiam  daturum;  vgl.  22,  2.  Cic.  pro  Sest.  71  P.  Sestius  ... 
Oer  ad  C.  Caesarem  pro  niea  salute  suseepü.  quid  egerü,  quantum 
profecerü,  nihil  ad  causam:  equidem  existimo,  si  ille,  ut  arbüror, 
aequus  nobis  fuerat,  nihil  ab  hoc  profectum;  sin  iratior,  non  multwm. 
Daraua  geht  Caesars  wirkliches  Verhalten  klar  hervor. 

•)  Cic.  ad  Att.  HI  28.  pro  Seat.  70.  de  domo  70.  post  red.  in  sen.  4. 
8.  29:  (Pompeius)  qui  cum  ipse  propter  metum  ditnicationis  et  san- 
guinis domo  se  teneret,  iam  a  superioribus  tribunis  (denen  des 
Jahres  58)  petierit,  ut  de  salute  mea  et  promulgarent  et  referrent. 
Völlig  entschieden  war  Pompejus'  Stellung  indessen  noch  keineswegs, 
am  25.  November  schreibt  Cicero  ad  Att.  III  22,  2  Lentulus  suo  in 
nos  officio  (durch  sein  Auftreten  für  Cicero),  quod  et  re  et  promissis 
et  litteris  declarat,  spem  nobis  nonnuUam  adfert  Potnpei  voluntatis 
(daß  es  diesem  wirklich  Ernst  sei):  saepe  enim  tu  ad  me  scripsisti, 
eum  (d.  i.  Lentulus)  totum  esse  in  illius  (d.  i.  Pompejus)  voluntate. 


Anträge  aut  Ciceros  Rüekberufung  107 


zu  verfahren,  wie  mit  dem  Ciceros  auf  dem  Palatin1),  sondern 
griff  jetzt  auch  Caesar  an :  er  erklärte  vor  Senat  und  Volk,  seine 
Gesetze  seien  ungültig,  rief  Bibulus  als  Zeugen  auf,  daß  er  an 
den  Tagen  ihrer  Annahme  seine  Himmelsbeobachtungen  an- 
gestellt habe,  und  ließ  sich  ein  Gutachten  der  Augurn  geben: 
der  Senat  müsse  alle  Gesetze  Caesars  kassieren,  wenn  er  das 
tue,  wolle  er  selbst  den  Cicero  auf  seinen  Schultern  in  die  Stadt 
zurücktragen*).  Ernst  war  es  ihm  mit  diesen  Behauptungen, 
die  die  Grundlage  Beines  eigenen  Tribunats  in  Frage  stellten, 
natürlich  nicht;  aber  gestützt  auf  den  von  ihm  organisierten 
Stadtpöbel  konnte  er  unbedenklich  gegen  die  drei  Machthaber, 
deren  heimliche  Rivalität  eine  energische  Aktion  hinderte*),  einen 
lustigen  Krieg  beginnen.  Zugleich  mochte  er  denken,  Caesar 
dadurch,  daß  er  auch  ihn  bedrohte,  auf  seiner  Seite  festzuhalten. 

Nach  Ablauf  seines  Tribunats  (10.  Dezember)  und  dem  Ab- 
gang der  Consuln  konnte  man  hoffen,  ans  Ziel  zu  gelangen.  Die 
Wahlen  waren  durchaus  zugunsten  des  Senats  ausgefallen;  zu- 
gleich hatte  Cicero,  der  sich  in  Erwartung  seiner  unmittelbar 
bevorstehenden  Rückkehr,  und  zugleich,  um  Piso,  der  jetzt  die 
Statthalterschaft  Macedoniens  übernahm,  aus  dem  Wege  zu 
gehn,  schon  im  November  von  Thessalonike  nach  Dyrrachium 
begeben  hatte4),  dem  Pompejus  durch  seinen  Bruder  Quintus 
bindende  Versprechungen  über  sein  zukünftiges  Verhalten  und 
speziell  über  die  Anerkennung  der  julischen  Gesetze  gegeben 


')  Cic.  har.  reap.  49. 

*)  Cic.  de  domo  39  f.  de  har.  resp.  48. 

■)  Crassus,  wie  immer  auf  Pompejus  eifersüchtig,  blieb  wie  ge- 
wöhnlich im  Hintergrande;  er  stand  ja  auch  den  beiden  anderen  Ge- 
nossen an  Macht  keineswegs  gleich.  Ihm  wird  Clodius  Auftreten  gegen 
Pompejus  sehr  recht  gewesen  sein  und  er  wird  ihn  wohl  insgeheim 
unterstützt  haben.  Am  5.  Oktober  schreibt  Cicero  an  Terentia ,  fam. 
XIV  2,  2:  in  novis  tribunis  pl.  inteüego  sperrt  te  habere,  id  erit 
flrmutn ,  si  Pompei  volunias  erit,  sed  Crassum  tarnen  metuo.  Vgl. 
am  29.  November  an  Atticns  III  28,  5:  tertia  est  epistola  pridie  Idua 
Nov.  data,  in  qua  exponis  prudenter  et  diligenter  quae  sint  qua* 
rem  distinere  videantur,  de  Grosso,  de  Pompeio,  de  ceteris. 

*)  Cic.  Art.  III  22. 


Das  Principat  des  Pompejus 


und  dadurch  nicht  nur  Pompejus'  Eintreten,  sondern  auch 
Caesars  Einwilligung  gewonnen1).  So  brachte  Lentulus  Spinther 
gleich  nach  Antritt  Beines  ConBulats  am  1.  Januar  die  Sache  im 
Senat  aufs  neue  zur  Sprache;  und  auch  sein  Kollege  Metellus 
Nepos  erklärte,  er  lasse  seinen  alten  Hader  mit  Cicero  (S.  39) 
fahren  und  füge  sich  dem  Wunsch  des  Senats  und  den  Anforde- 
rungen des  Staats2).  Indessen  Pompejus,  der  jetzt  wieder  in 
den  Sitzungen  erschien,  erklärte  mit  Recht,  daß  ein  bloßer  Senats- 
beschluß wenig  helfen  könne;  es  sei  vielmehr  ein  vom  Volk  an- 
genommenes Gesetz  erforderlich.  Der  Senat  stimmte  zu.  Aber 
auch  Clodius  hatte  Vertreter  seiner  Interessen:  seinen  Bruder 
Appius,  der  jetzt  Praetor  war,  und  zwei  Tribunen.  Zu  inter- 
cedieren  wagten  sie  bei  der  herrschenden  Stimmung  nicht;  aber 
der  Tribun  Atilius  Serranus  (Gavianus)  erbat  sich  Bedenkzeit  bis 
zum  folgenden  Tage,  und  dann  gelang  es  ihm  um  so  leichter,  die 
Sache  ergebnislos  hinzuziehn,  da  nach  einer  absurden  Bestimmung 
der  Verfassung  (der  lex  Pupia)  im  Januar  nur  an  wenigen  Tagen 
Sitzung  gehalten  und  ein  Beschluß  gefaßt  werden  durfte8).  End- 
lich am  23.  Januar  brachte  der  Tribun  Q.  Fabricius  im  Ein- 
verständnis mit  seinen  Kollegen  die  Sache  vor  das  Volk.  Aber 
wie  die  Anhänger  hatte  auch  Clodius  sich  gerührt  und  seine 
Banden  durch  die  von  seinem  Bruder  Appius  für  eine  Leichen- 
feier bereitgehaltenen  Gladiatoren  verstärkt.  Es  kam  zu  einer 
Straßenschlacht,  und  die  Versammlung  wurde  gesprengt;  bei- 


')  Auf  dies«  Versprechungen  kam  Pompejus  nach  der  Konferenz  in 
Luca  zurück ;  wie  Cicero  an  Lentulus  im  Jahre  54  (fam.  I  9,  9)  schreibt, 
sagte  er  zu  Quintus:  „nisi  cum  Marco  fratre  diligenter  egeris,  de- 
pendendum  tibi  est,  quod  müii  pro  illo  spopondisti".  quid  multa? 
questus  est  graviier;  sua  merita  commemoravit ;  quid  egisset  sae- 
pi88ime  de  actis  Caesaris  cum  ipso  meo  fratre  quidque  sibi  is  de 
me  reeepisset,  in  memoriam  redegit  seque,  quae  de  mea  scUute 
egisset,  voluntate  Caesaris  egisse  ipsum  meum  fratrem  testatus  est. 
Vgl.  de  prov.  cons.  43. 

*)  Cic.  Sest.  72.  de  prov.  cons.  22.  Vgl.  Ciceros  Brief  an  ihn 
fam.  V  4. 

«)  Es  sind  der  1.  2.  5.  6.  9.  10.  11.  13.  14.  15.;  die  übrigen  Tage 
so  die  ganze  zweite  Hüfte  des  Monats,  sind  Comitialtage, 


Kämpfe  um  Ciceros  Rückberufung 


109 


nahe  hatte  auch  Quintus  Cicero  an  diesem  Tage  sein  Leben  ver- 
loren1). In  den  folgenden  Monaten  setzten  sich  diese  Szenen 
fort;  der  Tribun  Milo  organisierte  gleichfalls  eine  Bande  und 
nahm  den  Kampf  mit  Godius  auf,  eifrig  unterstützt  vor  allem 
von  seinem  Kollegen  P.  Seatius,  der  in  einem  dieser  Gefechte 
mit  Wunden  bedeokt  für  tot  dalag,  ebenso  wie  von  der  Gegen- 
partei der  Tribun  Q.  Numerius*).  So  gingen  Monate  hin;  wie 
im  vorigen  Jahre  kamen  alle  Geschäfte,  auch  die  Verhandlungen 
mit  den  Gesandtschaften,  zu  völligem  Stillstand;  und  auch  die 
Gerichte,  wenigstens  die  Kriminalgerichte,  funktionierten  nicht 
mehr3). 


')  Cic.  pro  Sest.  72.  85,  vgl.  Pia.  85.  post  red.  in  sen.  22  u.  a.  Dio 
89,  6  f.  Plut.  Pomp.  49  =  Cic.  88.  Cicero,  der  auf  die  Kunde  von  dem 
Senatsbeschluß  vom  1.  Januar  renommiert,  wenn  dagegen  Einspruch  er- 
hoben werde,  wolle  er  doch  auf  Grund  desselben  zurückkehren  und 
wenn  es  sein  Leben  koste  (si  obtrectabitur,  utar  auctoritate  senatus 
et  potiiM  vita  quam  patria  carebo,  ad  Att.  m  26),  versinkt  auf  die 
Nachricht  von  diesen  Vorgängen  wieder  in  die  tiefste  Depression,  Att. 

III  27:  ex  tuis  litteris  et  ex  re  ipsa  nos  fundilus  perisse  Video. 

*)  Cic.  pro  Sest.  79  ff.  post  red.  in  sen.  19  ff.  und  sonst. 

*)  post  red.  ad  sen.  6:  üaque  postea  nihil  vos  civibus,  nihil 
sociis,  nihil  regibus  respondistis ;  nihü  iudices  sentenHis,  nihil  po- 
pulus  sitffragüs,  nihil  hic  ordo  auctoritate  declaravit.  ad  Quir.  14 
nulla  iudicia.  pro  Sest.  85  non  modo  nuUa  novo  quaestio,  sed  etiam 
vetera  iudicia  sublata.  —  Im  übrigen  liegt  hier  eine  eigenartige 
Schwierigkeit  vor.  Es  ist  sicher,  daß  Milo  den  Clodius  im  Jahre  57 
zweimal  auf  Grund  der  lex  PMia  de  vi  verklagt  hat  (pro  Hfl.  85.  40 
tarnen  se  Milo  continuit  et  P.  Clodium  in  iudicium  bis,  ad  vim  nun- 
quam  vocavit),  ohne  daß  der  Prozeß  zur  Verhandlung  kam,  und  daß  die 
erste  Anklage  vor  Ciceros  Rückkehr  fällt,  da  Cicero  sie  sowohl  ad  Att. 

IV  8,  2  (antea  cum  iudicium  tollebat  [codd.  nolebat])f  geschrieben  28.  No- 
vember, wie  post  red.  in  sen.  19  erwähnt :  T.  Anniuscum  videret, . . .  (Clo- 
dium) si  legibus  uti  liceret,  iudicio  esse  frangendum,  sin  ipsa  iudicia 
vis  impediret  ac  toüeret,  audaciam  virtute  . . .  vim  vi  esse  super an- 
dam,  primo  de  vi  postulavit;  posteaquam  ab  eodem  iudicia  sublata 
esse  vidit,  ne  ille  omnia  vi  posset  efflcere  curavit,  indem  er  seine  be- 
waffnete Bande  organisierte;  und  es  Hegt  nahe,  die  allgemeine  Auf- 
hebung der  Gerichte,  von  der  Cicero  redet,  mit  diesem  Vorgang  in  Ver- 
bindung zu  setzen.  Die  zweite  Anklage  schwebte  nach  der  Andeutung 
Ciceros  ad  Qu.  fr.  II  1,  2  Mitte  Dezember,  kurz  vor  den  Saturnalien. 


110 


Das  Principat  des  Pompejus 


■ 


Pompejus  und  der  Senat  benutzten  diese  Zeit,  um  für  ihre 
Sache  Stimmung  zu  machen;  und  in  der  Tat  mußte  ja  wenn  auch 
nicht  dem  Stadtpöbel,  so  doch  allen  anständigen  Elementen  der 

Nun  erzahlt  Dio  39,  7,  daß  im  Jahre  57  Clodius  sich  am  die  Aedilit&t 
bewarb,  um  dadarch  die  Anklage  durch  Milo  an  möglich  zu  machen 
und  daß  deshalb  die  Aedilenwahlen  nicht  zustande  kamen.  (Das  ist  be- 
kanntlich richtig;  im  November  hinderte  Milo  sie  durch  Obnuntiation 
Cic.  ad  Att.  IV  3,  8,  und  die  Wahl  fand  erst  am  20.  Januar  56  statt, 
ad  Qu.  fr.  II  2,  2).  Infolge  dessen  konnten  auch  die  Wahlen  der 
Quaestoren  nicht  stattfinden  (die  am  5.  Dezember  antreten  sollten);  und 
da  diese  den  Gerichtshof  auszulosen  hatten,  benutzte  der  Consul  Nepos 
das,  um  den  Prozeß  unmöglich  zu  machen,  indem  er  dem  Praetor  verbot, 
vor  der  Losung  irgend  einen  Prozeß  zuzulassen.  (KX<o8to?  . . .  &YopavofjUav 
•£m  u»5  xai  rnv  Slx-rjy  r?;?  ßla?,  fiv  &jioiux&"J,  8iaf  to£<$firvo$.  ifpaty'xxo  T*p 
rxütöv  6  MiXu>v.  xai  o6x  Ivr^iftv.  oßrt  fdp  ol  tauiat,  iC  u>v  rfjv  &KOxk*rj- 
pcootv  tü»v  8txaotä»y  yi'/to^a*  *XP^iv»  fpYtVT0>  &  Nincop  ixt  ixt  t«j>  ctpa- 
trftü,  jvqStfitav  npo  xrfi  xXir]pu»otu»s  a&tüv  3ixt}v  «poocoftat.  ffttt  8*  fipa  too^ 
äf  opavofioo^  xpö  tdiy  tajudiv  xataor?)vai,  xal  Sta  toöto  6«  fiAXiotat  4j 
tpißY)  iftytto.)  Man  würde  also  diese  Vorgänge  (wie  es  auch  allgemein  ge- 
fcohehn  ist)  ins  Ende  des  Jahres  57  setzen  und  auf  die  zweite  Anklage 
beziehn;  und  dazu  stimmt,  daß  nach  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  1,  2  eben  damals, 
Mitte  Dezember,  der  designierte  Consul  Marcellinus  eenlentiam  diocit 
ut  ipse  iudices  per  praeiorem  urbanum  soriiretur  (oder  nach  der 
Vermutung  von  Manutios,  die  nach  anderen  Sternkopf,  Hermes  39,  895 
aufgenommen  und  modifiziert  hat ,  ut  ipse  iudices  per  (pe)  praetor 
urbanua  sortiretur),  iudicum  sortilione  facta  comitia  (der  Aedilen) 
haberentur;  qui  iudicia  impedisset ,  eutn  contra  rempublicam  esse 
fadurum;  dagegen  erhoben  zwei  auf  Clodius'  Seite  stehende  Tribunen 
Einspruch,  so  daß  die  Sache  resultatlos  verlief.  Nach  dieser  Ver- 
handlung würde  dann  der  Consul  Nepos  in  der  von  Dio  angegebenen 
Weise  eingegriffen  haben.  Auf  den  gleichen  Gegenstand  bezieht  man 
mit  Recht  auch  den  Bericht  Ciceros  Über  die  Senatsverhandlungen  am 
14.  November  Att. IV  8,  8:  domi  Clodius;  egregius  MarceUinus,  omnes 

etiam  Hercule  famüiari  tuo  (unbekannt)  .  .  .  Sestius  furere.  JUe 
(Clodius)  postea,  si  comitia  sua  non  fierent,  urbi  minari.  (Milo) 
proposüa  Marcellini  sententia  .  .  .  proscripsü,  se  per  omnis  dies 
comüialis  de  caelo  servaturum.  Aber  Dio  setzt  die  Vorgänge  in  die 
erste  Hälfte  des  Jahres,  nach  dem  Blutbad  vom  23.  Januar  57,  aber  vor 
die  folgenden  Straßeukümpfe;  spater  habe  sich  dann  Nepos  seinem  Kol- 
legen und  dem  Pompejus  gefügt  und  dadurch  Ciceros  Rück berufung  er- 
möglicht   Wenn  das  richtig  wäre,  müßten  wir  annehmen,  daß  Dios 


Kämpfe  am  Cicero«  Rückberufang 


111 


Bürgerschaft  in  ganz  Italien  einleuchten,  daß  die  Notlage,  die 
volle  Auflösung  alles  Regiments,  nach  Abhilfe  schrie.  Pompejus, 
als  Duovir  der  von  ihm  und  Caesar  gegründeten  Kolonie  Capua, 

Bericht  sich  auf  die  erste  Anklage  bezieht  and  weiter  Clodias  sich 
schon  für  57  um  die  Aedilität  beworben  hätte  und  dnß  es  in  diesem 
ganten  Jahr  nicht  zur  Wahl  von  Aedilen  und  Qaaestoren  gekommen 
wäre,  was  ganz  andenkbar  ist  und  jedenfalls  erwähnt  werden  würde.  Nun 
stellt  aber  Cicero  pro  Sest.  89  den  Hergang  ganz  ähnlich  dar  wie  Dio: 
ehe  Milo  zu  gewaltsamen  Mitteln  greift,  descetidit  ad  accusandum. 
. .  .  ecce  tibi  eonsul  (Nepos),  praetor  (Appius  Claudius),  tribunus  plebis 
(Ligus)  nova  novi  generis  edicta  proponunt :  ne  reus  adsit,  ne  citetur, 
ne  quaeratur,  ne  mentionem  omnino  cuiquam  iudicum  aut  iudi- 
ciorum  facere  liceat.  quid  ageret  vir  ad  virtutem  .  .  .  naius  .  .  . 
legibus  iudicüsque  sublatis?  . . .  an  se  dcmi  coniineret?  usw.  Ähn- 
lich äußert  sich  Cicero  im  Jahre  54  in  dem  Bericht  an  Lentulus  fam. 
I  9,  15  (Clodius)  impunitatem  est  Worum  sententiis  adsecutus,  qui, 
cum  tribunus  pl.  (Milo)  poenas  a  seditioso  civi  per  bonos  viros  tudicio 
persequi  veüet,  exemplum  praeclarissimum  in  posterum  vindicandae 
seditionis  de  republica  sustulerunt ;  v  gl.  auch  pro  Sest.  95  Milo  .  .  . 
accusare  eum  moderate  . . .  per  senatus  auctoritatem  non  est  Situs. 
Und  daß  Cicero  an  diesen  Stellen  nicht  etwa  die  Chronologie  tendenziös 
verschiebt,  wird  durch  Metellus  Nepos  selbst  bestätigt,  der  im  Jahre  56 
an  Cicero  über  Clodius  —  denn  nur  dieser  kann  gemeint  sein  —  schreibt: 
de  Wo  ne  meminisse  quidem  tolo,  tametsi  bis  eum  inritum  servavi 
(fam.  Y  8).  Völlige  Klarheit  ist,  soweit  ich  sehe,  nicht  zu  erlangen.  Im 
wesentlichen  scheinen  die  Dinge  so  verlaufen  zu  sein,  daß  Milo  etwa  im 
Februar  57  die  erste  Klage  gegen  Clodius  erhob,  und  zwar,  was  zu  be- 
achten ist,  nicht  als  Tribun  vor  der  Plebs,  sondern  in  einem  regulären 
Prozeß  vor  dem  Praetor,  und  daß  dann  der  Consul  Metellas  Nepos, 
unterstützt  von  dem  Praetor  Appius,  Clodius1  Bruder,  und  dem  Tribunen 
Ligus,  und  sich  berufend  auf  die  vom  Senat  beschlossene  Suspension 
aller  Geschäfte  die  Annahme  der  Klage  verbot  und  so  einen  allgemeinen 
Stillstand  der  Recht  sprechung  herbeiführte.  Nach  Ciceros  Rückkehr, 
als  man,  freilich  vergeblich,  eine  Wiederherstellung  der  normalen  Zu- 
stände hoffte,  hat  dann  Milo  seine  Klage  von  neuem  erhoben;  und  jetzt 
hat  Nepos,  unterstützt  von  seinen  Genossen,  das  Zustandekommen  eines 
Senatsbeschlusses  verhindert  und  nach  dem  5.  Dezember  dem  Praetor 
die  Annahme  der  Klage  verboten,  weil  die  Quaestoren,  die  die  Losung 
vollziehn  sollten,  noch  nicht  gewählt  waren.  Wenn  das  richtig  ist,  so 
hat  wohl  nicht  Dio  selbst,  sondern  schon  seine  Quelle  diese  Vorgänge 
bei  der  zweiten  Klage  irrtümlich  mit  der  ersten  verbanden  and  daher 
viel  zu  früh  datiert,  vermutlich  eben  unter  der  Einwirkung  der  Dar- 


112 


Das  Principat  des  Pompejus 


veranlaßt»  eben  Beschluß  derselben  für  Ciceros  Rückkehr,  der 
überall  in  Italien  Zustimmung  fand1);  der  Senat  empfahl  Cicero 
allen  Beamten,  Untertanen  und  abhängigen  Mächten  und  forderte 
alle  Bewohner  Italiens,  denen  das  Wohlergehn  -  des  Staats  am 
Herzen  liege,  auf,  möglichst  zahlreich  zur  Abstimmung  zu 
kommen2).  Endlich  im  Juli  war  man  so  weit,  daß  der  Consul 
Lentulus  den  Antrag  im  Senat  vorlegen  konnte,  den  Oesetzentwurf 
vor  das  Volk  zu  bringen.  Pompejus  verlas  sein  Votum,  daß  Cicero 
das  Vaterland  gerettet  habe;  der  gesamte  Senat,  416  Anwesende 
gegen  den  einzigen  Clodius,  stimmte  zu,  eine  Intercession  wurde 
nicht  mehr  gewagt.  Am  nächsten  Tag  wurde,  gleichfalls  auf 
Antrag  des  Pompejus,  hinzugefügt,  daß  wer  durch  Himmels- 
beobachtung —  wie  das  Appius  Claudius  versucht  hatte  —  oder 
sonst  die  Verhandlung  zu  hindern  suche,  gegen  den  Staat  handle 
und  die  Consuln  sofort  über  ihn  als  einen  Staatsfeind  referieren 
sollten;  werde  das  Gesetz  innerhalb  der  nächsten  fünf  Tage,  an 
denen  eine  Verhandlung  zulässig  sei,  nicht  angenommen,  so  solle 
Cicero  dennoch  zurückkehren  und  in  seine  alte  Stellung  wieder 
eingesetzt  werden;  zugleich  wurde  allen,  die  aus  ganz  Italien 
herbeigeströmt  waren,  der  Dank  des  Senats  ausgesprochen3). 
Die  Zustimmung  der  Bürgerschaft  äußerte  sich  bei  jedem  An- 


stellung Ciceros  pro  Sest  89,  die  ihm  mit  Nepos'  Vorgehn  auf  Grund 
der  nicht  vollzogenen  Quaestorenwahlen  identisch  schien.  —  An  rich- 
tiger Stelle ,  aber  ohne  weiteres  Detail ,  wird  die  Anklage  des  Clodius 
auch  bei  Plut.  Cic  83  erw&hnt,  nach  dem  Kampf  am  23.  Januar:  xou 
tü»v  8-r)fj/ipx<»v  "Aww?  MiXtnv  icpüfoc  frtöX|iY)3t  tbv  KXti&wv  tt$  tfvnv  4»«- 
Y»tv  ßiat»v. 

')  post.  red.  in  sen.  29.    pro  Mil.  89.   Abcou.  in  Pison.  3. 

*)  Cic  post  red.  in  sen.  24  f.  de  dorn.  74.  85.  pro  Plane.  78.  pro 
Sest.  50.  128 ;  vgl.  de  div.  I  59.  Dieser  Vorgang  ist  in  dem  kursen  Be- 
richt Appians  II  15,  57  erhalten  (xal  \  ßooX*r]  aovtTrr)  tiv  av3p«  koXmi  rt 
xal  ßaoiXtöat  xal  SovasTatc),  der  im  übrigen  mit  Recht  scharf  hervorhebt, 
daß  es  sich  um  einen  Kampf  zwischen  Pompejus  und  Clodius  handelte; 
Pompejus  habe  den  Milo  (den  Appian  aus  Flüchtigkeit  sum  Kollegen 
des  Clodius  macht)  durch  Eröffnung  der  Hoffnung  auf  das  Consulat  für 
seine  Aktion  gewonnen. 

*)  Cic.  pro  Sest.  128  f.  post  red.  ad  sen.  25  ff.  ad  Quir.  15  f.  de 
dorn.  14.  30.  in  Pis.  35.  80. 


Ciceros  Rückherufnng 


113 


laß1);  die  Getreidepreise,  die  unter  der  Anarchie  gewaltig  ge- 
stiegen waren,  sanken  sofort,  da  man  jetzt  die  Wiederkehr 
normaler  Zustande  hoffen  durfte*).  So  wurde  das  Gesetz,  das 
beide  Consuln  einbrachten,  am  4.  August8),  nachdem  Pompejus 
und  andre  dafür  mit  warmen  Worten  gesprochen  hatten,  von  den 
Centuriatcomitien4)  ohne  Schwierigkeit  angenommen.  An  dem- 
selben Tage  schiffte  sich  Cicero  in  Dyrrachium  ein;  von  allen 
Städten  Italiens  wurde  er  mit  Jubel  begrüßt;  am  4.  September 
hielt  er,  unter  dem  Zustrom  aller  Bevölkerungsschichten  —  auch 
Crassus  hielt  es  für  angebracht,  ihm  entgegenzugehn6)  — ,  seinen 
triumphierenden  Einzug  in  Rom*). 


Pompejus,  Cicero  und  der  Senat 

Pompejus  hatte  Ciceros  Rückberufimg  herbeigeführt  in  der 
doppelten  Erwartung,  durch  diese  Konzession  den  Senat  gefügig 
zu  machen  und  in  ihm  die  ersehnte  Stütze  für  seine  Stellung  zu 
gewinnen,  und  auf  der  andern  Seite  so  der  Anarchie  und  de» 
Clodius  Herr  zu  werden.  Aber  keine  der  beiden  Hoffnungen  er- 
füllte sich.  Clodius,  aufs  tiefste  erbittert  durch  die  Restituierung 
seines  Todfeindes,  setzte  sein  Treiben  nur  mit  um  so  größerer 
Heftigkeit  fort.  Es  ist  nicht  erforderlich,  auf  die  Tumulte, 
Schlägereien  und  Brandstiftungen,  mit  denen  er  Cicero  und  seine 
Anhänger  während  der  nächsten  Monate  bedrängte,  näher  ein- 
zugehn7).    Das  Charakteristische  für  die  Situation  ist,  daß  der 

')  Cic  pro  Seat.  128  ff. 

*)  de  dorn.  14.    post  red.  ad  Quir.  18. 

*)  Cic.  Att.  IV  1.  4. 

4)  post  red.  in  sen.  18.  pro  dorn.  75  u.  a.  Natürlich  wandten  sich 
die  Consuln  an  die  Centarien .  wahrend  Clodius'  Gesetz  ein  Plebiscit 
war;  der  Unterschied  i«t  auch  für  den  Ausfall  der  beiden  Abstimmungen 
von  Bedeutung. 

»)  Plut.  (Sc.  88. 

•)  Cic.  Att.  IV  1,  5. 

*)  Wir  haben  darüber  durch  die  Briefe  ad  Att.  IV  1—3  und  ad  Qu. 
fr.  II  1  genaue  Kunde  [dazu  vgl.  Stkrkkopf,  Hermes  89.  392 ff.;  ferner  de 
bar.  resp.  11  ff.;  die  Tatsachen  gibt  Dio  39.  11  richtig  wieder,  kürzer  Plut. 
Hey  er,  Caesar«  Monarchie  8 


in 


Das  Principat  des  Pompejus 


Senat,  der  ehemals  die  Scharen  des  C.  Qracchus  and  des  Satur- 
ninus  niedergeworfen  und  noch  im  Jahre  63  mit  den  Catilinariern 
klirren  Prozeß  gemacht  hatte,  jetzt  gegen  den  amtlosen  Privat- 
mann —  denn  das  war  Clodius  in  diesem  Jahr  —  völlig  wehrlos 
ist,  und  zwar,  obwohl  die  Masse  der  bürgerlichen  Bevölkerung 
dem  Clodius  durchaus  ablehnend  gegenübersteht  und  auch  in 
dieser  Lage  noch  seinen  Banden  die  Wage  halten  kann.  Es  gab 
eben  in  Wirklichkeit  in  Rom  keine  Regierung  mehr.  Man  ver- 
suchte, Clodius'  Wahl  zum  Aedilen  für  das  nächste  Jahr  durch 
Aufschiebung  der  Comitien  zu  hintertreiben,  Milo  zog  ihn  wegen 
seiner  Gewalttaten  vor  Gericht;  aber  eben  diese  Verschiebung 

Cic.  83  und  App.  II  16,  60,  nach  der  gleichen  Quelle,  der  beide  die  Angabe 
entnehmen,  Cicero  aei  im  16.  Monat  nach  seiner  Vertreibung  zurückgekehrt]  : 
29.  September  Cicero«  Rede  de  domo  vor  den  pontiflces,  die  ein  ihm  gün- 
stiges Gutachten  abgeben;  Clodius  fordert  in  einer  von  seinem  Bruder 
Appius  berufenen  contio  auf,  das  auf  der  Brandstätte  des  Hauses  er- 
richtete Heiligtum  der  Liberias  zu  schützen.  1.  Oktober:  Veihandlung 
im  Senat,  Dauerrede  des  Clodius,  Intercession  des  Serranus,  die  auf  das 
energische  Einschreiten  der  Consuln,  die  sofort  darüber  referieren,  zu- 
rückgezogen wird;  2.  Oktober:  Senatsbeschluß,  der  Cicero  sein  Grund- 
stück nebst  den  Baukosten  und  die  Entschädigung  für  die  zerstörten 
Villen  bewilligt.  8.  November:  Clodius  verjagt  die  Arbeiter  Ciceros 
von  der  Baustätte  und  steckt  das  Haus  seinen  Bruders  in  Brand.  11.  No- 
vember: Clodius  überfallt  Cicero  auf  der  via  sacra.  12.  November:  An- 
griff auf  das  Haus  Milos  auf  dem  Cermalus  vom  Hause  des  P.  Sulla 
(des  alten  Catilinariers,  den  Cicero  verteidigt  hatte!)  aus;  in  dem  Straßen- 
kampf werden  mehrere  Clodianer  erschlagen,  er  selbst  entkommt.  14.  No- 
vember: Senatsverhandlung  darüber,  in  der  der  Consul  Metellas  Nepo* 
mit  Unterstütxung  des  Appius  und  eines  ungenannten  famiHaris  de« 
Atticus  durch  lange  Reden  einen  Beschluß  verhindern.  Milo  meldet  für 
alle  Comitialtage  Himmelsbeobachtung  an,  um  ClodiuB'  Wahl  zum  Aedilen 
su  verhindern,  und  besetzt  dafür  am  19.  und  23.  Dezember  das  Mars- 
feld, am  20.  das  comiUum;  zu  Kämpfen  kommt  es  nicht,  obwohl  Milo 
bereit  ist,  den  Clodius  zu  erschlagen.  Mitte  Dezember  bringt  der  neue 
Tribun  Racilius  die  Frage  der  Behandlung  des  Prozesses,  den  Milo 
gegen  Clodius  angestrengt  hat  (S.  HO  Anm.),  im  Senat  zur  Sprache; 
die  Tribunen  C.  Cato  und  Casums  treten  dagegen  auf,  Cicero  greift  in 
seiner  sententia  den  Clodius  an,  dieser  halt  eine  Dancrrede  und  sprengt 
durch  einen  Tumult  seiner  Banden  die  Senatssitzung.  Vor  Ende  des 
Jahres  kommt  es  su  keiner  Entscheidung  mehr. 


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Händel  mit  Clodiw.    Stocken  der  Getreidezufuhr 


115 


der  Wahlen  bot  dem  Consul  Metellus  Nepos,  der  mit  Clodius 
die  Fühlung  nicht  ganz  verlieren  will  und  überdies  dem  Pompejus 
seit  dessen  Scheidung  von  seiner  Schwester  Mucia  gern  einen 
Tort  antat,  die  Handhabe,  den  Prozeß  zu  vereiteln,  weil  dadurch 
zugleich  die  regelrechte  Auslosung  des  Gerichtshofs  durch  die 
Quaestoren,  die  jetzt  auch  noch  nicht  gewählt  werden  konnten, 
unmöglich  gemacht  wurde  (S.  110  Anm.).  Appius  und  die  An- 
hänger des  Clodius  unter  den  Tribunen  unterstützten  ihn,  und 
in  dem  Wortgefecht  über  diese  Frage  verging  der  Dezember; 
so  kam  der  ganze  Verwaltungsapparat  ins  Stocken.  Erst  am 
20.  Januar  56  wurde  Clodius  zum  Aedilen  gewählt.  Jetzt  war 
er  als  Beamter  wieder  unangreifbar;  dagegen  zog  er  nun  seiner- 
seits sofort  den  Milo  wegen  seiner  Gewalttaten  vor  Gericht. 

Weit  bedeutsamer  für  die  Gesamtentwicklung  war,  dali 
Clodius  mit  seinen  Genossen  die  Angriffe  auf  Pompejus  un- 
bekümmert weiter  fortsetzte.  Eben  dagegen  hatte  Pompejus 
im  Senat  und  in  Cicero  eine  Stütze  gesucht;  er  hatte  erfahren, 
daß  er  in  amtloser  Stellung,  als  Privatmann,  lediglich  gestützt 
auf  das  Vertrauen,  das  er  im  Mittelstande  und  in  den  erwerbenden 
Klassen  als  der  einzige,  der  einigermaßen  Ordnung  schaffen 
könne,  immer  noch  besaß,  gegen  die  turbulente  Opposition  des 
von  dem  Demagogen  aufgehetzten  Pöbels,  gegen  die  tiefe  Ab- 
neigung der  Aristokratie,  und  gegen  die  geheimen  Intrigen  seines 
offiziellen  Bundesgenossen  Crassus  die  Leitung  des  Staats  zu 
führen  nicht  imstande  war,  sondern  ein  Amt  haben  müsse,  das 
ihm  eine  staatlich  anerkannte  Machtstellung  gewährte.  Die 
Handhabe  dafür  bot  die  in  dem  anarchischen  Treiben  der  Haupt- 
stadt immer  wieder  anwachsende  Teuerung;  es  ist  begreiflich, 
daß  die  Getreidezufuhr  völlig  unsicher  sein  mußte,  auch  wenn 
nicht  Preistreibereien  und  Schiebungen  aus  geschäftlichem  und 
politischem  Interesse  hinzugekommen  wären.  Zur  Zeit  von 
Ciceros  Rückkehr,  bei  dem  massenhaften  Zustrom  von  Fremden 
aus  ganz  Italien  nach  Rom,  erreichten  die  Brotpreise  wieder  eine 
exorbitante  Höhe;  die  Schuld  schrieb  Clodius,  für  den  das  Wasser 
auf  seine  Mühle  war,  natürlich  dem  Cicero  zu.  Es  kam  auf  dem 
Capitol  zu  heftigen  Tumulten;  der  Pöbel  drohte  mit  Brand- 


110 


Das  Principat  des  Pompejus 


Stiftung  und  Ermordung  der  Senatoren,  der  Gonsul  Metellus 
wurde  mit  Stein  würfen  verfolgt;  Pompejus  Bei  der  einzige  Mann, 
der  helfen  könne,  Cicero  müsse  dafür  sorgen1).  Offenbar  hat 
Pompejus  selbst,  wie  Clodius  mit  Recht  behauptete*),  diese  Be- 
wegung geschürt;  jetzt  griff  er  zu,  sein  Werkzeug  war  Cicero, 
der  hier  den  Dienst  leistete,  zu  dem  er  sich  verpflichtet  hatte. 
Gleich  nach  seiner  Rückkehr  und  Danksagung,  am  7.  September, 
stellte  er  im  Senat  den  Antrag,  mit  Pompejus  über  die  Getreide- 
versorgung in  Verhandlung  zu  treten  und  ein  darauf  bezügliches 
Gesetz  einzubringen.  Willkommen  war  der  Antrag  der  Nobüität 
natürlich  nicht,  und  alle  Consulare  bis  auf  Messalla  (cos.  61  und 
Mitglied  der  Caesarischen  Ackerkommission,  oben  S.  65)  und 
Afranius  (cos.  60)  glänzten  durch  Abwesenheit,  unter  dem  Vor- 
wand, ihre  Sicherheit  sei  bedroht*);  aber  entziehen  konnte  der 
Senat  sich  ihm  nicht,  und  als  Cicero  gleich  darauf  dem  Volk 
davon  Mitteilung  machte,  um  die  aufgeregten  Massen  zu  be- 
ruhigen, erklärten  alle  Magistrate  bis  auf  einen  Praetor  (Appius 
Claudius)  und  zwei  Tribüne  (Clodius'  Anhänger  Serranus  und 
Numerius  Quintius)  ihre  Zustimmung.  Was  Pompejus  begehrte, 
formulierte  der  ihm  ergebene  Tribun  C.  Messiua:  die  Getreide- 
verwaltung im  ganzen  Reich  auf  fünf  Jahre  mit  freier  Verfügung 
über  die  Staatskasse,  eigenes  Heer  und  Flotte  mit  15  Legaten 
und  einer  den  Provinzialstatthaltern  übergeordneten  Kommando- 
gewalt, also  tatsächlich  die  Herrschaft  über  das  gesamte  Reich 
in  noch  größerem  Umfang,  als  sie  ihm  das  gabinische  und  das 
raanilische  Gesetz  in  den  Jahren  67  und  66  verliehen  hatte. 
Aber  in  dieser  Weise  völlig  abzudanken  konnte  der  Senat  sich 
doch  nicht  entschließen:  so  brachten  die  Consuln  einen  Ge<n*n- 
entwurf  ein,  in  dem  die  Verfügung  über  den  Staatsschatz,  Heer 

')  Cic.  ad  Att  IV  1,  6.  de  dorn.  6  ff.  Dio  89,  9. 

■)  Plut.  Pomp.  49  KXn4toc  W  ^ti&t9  fiTj  <rsYpd?d-at  töv  vijtov  8tA  rtjv 
orcoitcav,  aXX*  8«u>;  6  v6f«>c  TP^h  ■{tfovkwt  tty  ottoÄttav.  Danach  er- 
wähnt Plntarch  eine  Version,  nach  der  der  Consul  Lentulus  Spinther 
dafQr  eingetreten  sei,  damit  nicht  Pompejus,  sondern  er  selbst  nach 
Aegypten  geschickt  werde.  Solche  persönliche  Motive  laufen  natürlich 
immer  dazwischen. 

»)  Cic.  ad  Att.  IV  1,  6;  ebenso  de  dorn.  8. 


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Pompejus  erhalt  die  Getreideversorgung 


117 


und  Flotte  und  das  Oberkommando  in  den  Provinzen  gestrichen 
war.  Pompejus'  Vertraute  forderten  das  Gesetz  des  Messius, 
er  selbst  aber  erklärte  sich  mit  dem  der  Consuln  einverstanden. 
An  Widerstand  war  nicht  zu  denken,  wenn  auch,  wie  Cicero 
berichtet,  die  Consulare  murrten,  unter  Führung  des  Favonius,  des 
Verehrers  Catos,  der  wahrend  dessen  Abwesenheit  seine  Rolle 
übernahm.  So  wurde  der  Entwurf  der  Consuln,  „der  jetzt  dem 
unerträglichen  Antrag  des  Messius  gegenüber  bescheiden  er- 
schien", sofort  vom  Senat  und  kurz  darauf  auch  vom  Volk  an- 
genommen1). 

Gegen  das  Verhalten  des  Pompejus  ist  oft  der  Vorwurf  der 
Hinterhältigkeit  erhoben  und  es  ist  für  einen  unverzeihlichen  Fehler 
erklärt  worden,  daß  er  anstatt  zu  fordern  und  zu  befehlen,  sich 
mit  affektierter  Bescheidenheit  zurückhielt,  erklärte,  mit  dem 
Geringeren  zufrieden  zu  sein,  und  dann  nicht  verhindern  konnte, 
daß  man  ihn  beim  Wort  nahm.  Aber  das  liegt  nun  einmal  im 
Wesen  der  Stellung,  die  er  begehrte,  und  ist  der  charakteristische 
Grundzug  des  Principats  im  Gegensatz  zur  Monarchie  geblieben: 
der  erste  Bürger  darf  sich  nicht  aufdrängen,  sondern  muß  ge- 
beten werden,  um  des  Gemeinwohls  willen  die  schwere  Last  auf 


M  Cic.  ad  Att.  IV  1,  6  f.  üla  nostra  lex  consiüaris  nunc  mo- 
desta  tridetur,  haec  Messi  non  ferenda.  Pompeius  iüam  velle  w 
dicit,  familiäres  hanc.  Vonsulares  duce  Favonio  fremunt;  nos  tace- 
intts.  Vgl.  de  domo  15  ff.  25  ff.  Dio  39,  9  6  Kixipwv  . . .  fctto»  o<p*c  «ki- 
fuXtr/jv  toü  ottoo  t&v  FIojiKT4tov  npoxttpicood'at  xat  &ia  toöto  xal  4px"fjv  <wtij» 
äv4roxatoo  xal  cv  rjj  MtaXta  xal  l'u>  txl  Jtivtt  trt\  3oövat.  xal  b  fiiv  utoictp 
exl  tot-:  xataicovtwtxic  xpottpov,  oßta»  xal  tote  rxl  tü>  (ottio)  närtf,  ao«K<;  rijc 
olxoofiivr^  rrjc  &xo  to!$  'Ptbfiatoif;  tott  o5<rrjc  ap£«tv  Plut.  Pomp.  49 

ö  Ktxipcuv  .  .  .  td>  otttxd)  vojiu»  ouvr^opwv  tpöictp  ttvl  xdXtv  y"»J<;  xal  ^aXamfjc, 
Scrjv  txtxrqvto  'Puifialot,  xopiov  tnottt  noftirfjiQv.  Appian  II  18,  67  Hop 
ic^iov  ttXovto  rJjc  öry0?^»  aütoxpatopa  ttvat  xal  o*.  xa&dit»p  txl  t&v  fojorr)- 
piwv  ctxoot  [nach  Cicero  15]  dxö  rfjc  ßooX"?j(;  uir^pita;  t3u»xav.  Appian  be- 
richtet das  fälschlich  erst  nach  dem  zweiten  Consulat  des  Pompejus  und 
Crassus,  ebenso  wie  er  II  28  f.  Catos  Entsendung  nach  Cypern  und  die 
Verurteilung  des  Gabinius  erst  bei  den  milonischcn  Händeln  des  Jahres  52 
anbringt;  derartige  aus  dem  Streben  nach  Kürze  hervorgegangene  Ver- 
schiebungen sind  bei  ihm  sehr  häufig  und  kommen  auf  «eine  eigene 
Rechnung,  nicht  auf  die  seiner  Quelle. 


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118 


Das  Principal  dos  Pompejua 


sich  zu  nehmen,  der  er  sich  gern  entziehn  würde.  Augustus 
ist  durchweg  so  aufgetreten,  und  ebenso  Tiberius  bei  der  Über- 
nahme des  Prinoipats,  nicht  aus  Heuchelei,  wie  z.  B.  Tacitus 
es  darstellt,  sondern  weil  die  Idee  dieser  Gestaltung  des  Staats 
erfordert,  daß  die  Initiative  von  den  zu  Regierenden  ausgehe, 
nicht  von  dem  zukünftigen  Regenten.  Der  Unterschied  der 
Lage  besteht  darin,  daß  unter  Augustus  der  Senat  die  Not- 
wendigkeit der  neuen  Verfassung  erkannt  hat  und  daher  mit 
dem  Princeps  einer  Meinung  ist,  während  er  Pompejus'  Aspi- 
rationen durchaus  ablehnend  gegenübersteht  und  versucht,  das 
kollegiale  Regiment  der  Aristokratie  unter  Führung  der  Consulare 
und  der  erwählten  Beamten  aufrecht  zu  erhalten. 

Mit  der  cura  annonae  ist  ein  neues,  den  staatsrechtlichen  An- 
schauungen der  Republik  widersprechendes  Amt  in  die  Ver- 
fassung eingeführt1).  Wohl  aber  bUdet  dieselbe,  seit  Augustus 
sie  im  Jahre  22  übernahm,  eins  der  wichtigsten  in  dem  Bündel 
von  Ämtern,  die  der  Reihe  nach  dem  Princeps  zugewiesen 
werden.  Wie  die  Provinzialverwaltung  des  Kaisers  nebst  dem 
mit  ihr  verbundenen  Oberkommando  ist  es  formell  befristet, 
aber  tatsächlich  als  dauernd  in  Aussicht  genommen,  wie  denn 
auch  Pompejus  es  über  die  fünf  Jahre  hinaus  fortgeführt  hat; 
und  die  von  ihm  ernannten  und  ihm  persönlich  verantwortlichen 
senatorischen  Legaten  sind  die  Vorläufer  der  Legaten  des  Kaisers. 
Man  sieht,  wie  das  Principat  aus  den  republikanischen  Ordnungen 
herauswächst. 

Pompejus  hat  die  übernommene  Aufgabe  mit  gewohnter  Um- 
sicht mit  Unterstützung  seiner  Legaten  durchgeführt.  Er  selbst 
ging  mitten  im  Winter  nach  Sicilien,  Sardinien  (wo  Q.  Cicero 
als  sein  Legat  tätig  war)  und  Afrika;  bei  diesem  Anlaß  fiel,  als 
die  Steuerleute  des  Sturmes  wegen  Bedenken  trugen,  sein  be- 
rühmtes Wort:  Navigare  tiecesse  est,  vivere  nan  necesse  est").  Eine 

')  Daher  wird  sie  im  Jahre  43  während  des  mntineasischen  Kriege* 
vom  Senat  abgeschafft,  Dio  4tf,  39  toOto  juv  -fap  &K«i*ov,  p,ir)&iva  t«i  «Xu* 
7f>6vov  tviaotoü  6pxktv>  TO5t0  &  aisYjYopwav  jerjt»  «vi  ottoo  i*tfuX^rrjv 
fujf*  cpoyüiv  rrcwcdrrjv  tva  atp«tod,ai. 

')  Plut.  Pomp.  50  (=  apophth.  Pomp.  12)  «Xt?v  &v£f«i),  {-»jv  oi* 


Poui pejus'  Getreideverwaltung.   Cicero«  Stellung  H9 


Folge  dor  jetzt  wieder  gesicherten  Getreideverteil ung  in  der 
Hauptstadt,  die  seit  Clodiue*  Gesetz  unentgeltlich  erfolgte,  war, 
daß  die  Zahl  der  Freilassungen  stark  zunahm,  um  so  die  dadurch 
zu  Bürgern  gewordenen  Sklaven  auf  Staatskosten  zu  füttern. 
Die  Zahl  der  Getreideenipfanger  schwoll  dadurch  gewaltig  an  — 
im  Jahre  46  betrug  sie  320  0001)  — ,  und  Pompe  jus  plante  daher, 
um  eine  Grundlage  für  seine  Maßnahmen  zu  haben,  die  Auf- 
stellung einer  Liste  derselben,  ohne  indessen,  wie  es  scheint, 
irgend  eine  Einschränkung  der  Berechtigten  zu  versuchen1). 

In  einer  schwierigen  Lage  fand  sich  inmitten  dieser  Be- 
wegungen Cicero.  Durch  seine  Verbannung  waren  alle  seine 
stolzen  Honnungen  zusammengebrochen,  er  sah  sich  von  dem 
Senat,  dessen  Führer  zu  sein  er  begehrte,  ohne  ernstlichen  Wider- 
stand —  denn  die  Demonstrationen  konnten  ihm  nichts  nützen  — , 
von  gar  manchem  der  vornehmen  Herren  nicht  ohne  Schaden- 
freude seinen  Feinden  preisgegeben,  Pompejus,  den  zu  gängeln 
er  sich  vermessen  hatte,  hatte  ihn  kühl  von  sich  gestoßen:  so 
brach  sein  niemals  fester  Mut  völlig  zusammen,  eine  ver- 
zweifelnde Stimmung  bemächtigte  sich  seiner  Seele,  die,  von 
dem  Ausspähen  nach  den  Anzeichen  einer  günstigen  Wendung 
wohl  unterbrochen,  aber  nicht  gehoben,  sich  in  kläglichem 
Jammern  und  Vorwürfen  gegen  seine  nächsten  Freunde  und 
gegen  sich  selbst  entlädt.  Mit  Recht  hat  es  den  Anstoß  der  Zeit- 
genossen und  gerade  auch  der  Griechen  erregt,  wie  sehr  dies 
würdelose  Verhalten  dem  Anspruch  auf  philosophische  Bildung 


avaprr|.  Nissan,  Ital.  Landeskunde  I  129  nagt  mit  Recht  »der  Spruch 
am  Bremer  Seemannshaus  nav.  nec.  cet.  deutet  die  Auffassung  an, 
welche  die  Insassen  mit  ihrem  Beruf  verbinden*  and  stellt  den  Schiff- 
f'ahrtsbetrieb  des  Altertums  in  Gegensatz  dazu;  aber  er  hätte  erwähnen 
sollen,  daß  der  Spruch,  in  den  die  Bremer  einen  anderen  Sinn  hinein- 
gelegt haben,  von  einem  Römer  stammt  und  in  seinem  Munde  die  Idee 
der  römischen  militärisch-staatlichen  Disziplin  charakterisiert. 
')  Sueton  Caes.  41  u.  a.,  s.  unten. 

*)  Bio  39,  24  &  IIo|A.it7jK>c  fox«  fUv  xat  sv  rjj  toö  ottou  dtaftooti  tpcß-rjv 
nva'  koXXcüv  yop  icp&c  tic  cot*  aoTOÜ  HkÜclz  «X«o*tpa>&«vTa»v  an©Yp<wp«rjv  of  »v, 
8«<n<  fv  tt  xoajitp  xai  tv  tä£tt  ttvl  OKo8orrjihLoiv,  -qdiX-rp«  icot^ooio&at.  06  pffjv 
aXXa  toöto  jiiv  rij  ti  iautoö  30? ia  xat  ex  xoö  x^Yj*ooc  toö  sitoo  £$©v  «tu»«;  Jupxvjos. 


120 


Das  Principat  des  Pompejus 


des  GeiBtes  und  Gemüts  widerspricht,  den  er  sonst  so  gern  er- 
hebt1); von  männlicher  Haltung,  wie  sie  in  ähnlicher  Lage 
Meteil iis  Numidicuß  und  Rutilius  Rufus  bezeigt  hatten,  war  in 
seinem  Wesen  überhaupt  nichts  zu  finden,  er  war  eine  weiche, 
schwankende  Natur,  die  ganz  unter  dem  Impuls  des  Moments 
stand.  So  war  er  zum  Staatsmann  so  ungeeignet  wie  nur  mög- 
lich; es  war  sein  Unglück,  daß  sein  Ehrgeiz  ihn,  wie  so  viele 
gewandte  Sachwalter  in  alter  und  neuer  Zeit,  dennoch  in  diese 
Bahn  gedrängt  hatte  und  daß  die  Zersetzung  der  Verhältnisse 
ihm  die  Möglichkeit  zu  einer  politisch  bedeutsamen  Rolle  bot. 
An  sich  war  er  ursprünglich  nicht  nur  politisch  völlig  indifferent 
gewesen  und  hatte  den  Mantel  lediglich  nach  dem  Winde  ge- 
hängt1), sondern  ein  Mann  von  seiner  geistigen  Regsamkeit,  der 
überall  die  Gebrechen  deutlich  sah,  konnte,  zumal  bei  einem  so 
weichen  Charakter  wie  der  seine,  überhaupt  kein  Parteimann  sein. 
Soweit  er  damals  überhaupt  einer  Parteigruppe  zugerechnet  werden 
kann,  ist  es  die  Ritterschaft,  der  Kapitalistenstand ,  aus  dem  er 
selbst  hervorgegangen  war;  für  ihre  Interessen  ist  er  sein  Leben 
lang  nach  Möglichkeit  eingetreten,  oft  über  die  sittlich  und  recht- 
lich zulassigen  Grenzen  hinaus  (vgl.  S.  60, 168) :  die  Landsmann- 
schaft mit  ihrem  Vorkämpfer  Marius  und  die  an  diesen  an- 
knüpfenden Traditionen  sowie  die  Freundschaft  mit  Atticus  und 
seine  finanzielle  Abhängigkeit  von  diesem  machte  das  Band  nur 
noch  fester.  Aber  der  Kampf  gegen  die  revolutionären  Umtriebe 
in  seinem  Consulat  und  die  Hinrichtung  der  Gatiünarier  hatte  ihn 
durch  eine  unüberbrückbare  Kluft  von  der  Popularpartei  geschieden 
und  mit  den  Optimaten  verbunden;  und  jetzt  wurde  er  dadurch, 
daß  der  politische  Kampf  sich  zu  einem  Kampf  um  seine  per- 
sönliche Stellung  entwickelt  hatte,  und  der  Senat  ihn  demonstrativ 


])  Plut.  Cic.  32.  Dio  Caan.  88,  18  ff.,  der  hier  bekanntlich  eine  lange 
Trostrede  des  Philiskos  an  Cicero  eingelegt  hat.  Vgl.  auch  Appian  II 
15,  55  f.,  über  Ciceros  klagliches  und  den  Spott  hervorrufendes  Verhalten, 
als  Clodius  seinen  Antrag  einbringt. 

lJ  R.  Hmkze,  Ciceros  politische  Anfänge,  Abb.  8achs.  Ges.  XXVII 
1909,  beurteilt  meines  Eracbtens  Ciceros  Laufbahn  und  Anschauungen 
zu  optimistisch. 


Ciceros  Persönlichkeit 


121 


auf  seinen  Schild  erhob,  erst  recht  zum  Vorkämpfer  dieser  Partei 
berufen.  Cicero  empfand  sehr  wohl,  welche  Verpflichtung  ihm 
damit  auferlegt  war  und  welche  Rolle  er  fortan  spielen  müsse, 
wenn  er  den  auf  ihn  gesetzten  Erwartungen  und  damit  der  ihm 
zugefallenen  geschichtlichen  Stellung  entsprechen  wollte;  in  ge- 
hobenen Momenten  dachte  er  sogar  an  eine  Bewerbung  um  die 
Censur1).  Aber  andrerseits  war  seine  Rückkehr  doch  nur  durch 
Pompejus  und  durch  die  Einwilligung  des  Crassus  und  Caesar 
möglich  geworden,  und  er  hatte  sich  verpflichten  müssen,  ihnen, 
oder  wenigstens  dem  Pompejus,  zu  Willen  zu  sein;  daß  Pompejus 
ihn  unter  verbindlichen  Redensarten  —  er  bezeichnete  ihn  als 
seinen  alter  ego  —  zum  Legaten  ernannte,  wenn  auch  ohne  Ver- 
pflichtung zu  irgendwelcher  wirklicher  Tätigkeit1),  war  doch  zu- 
gleich eine  weitere  Fesselung;  überdies  mußte  sein  Bruder  Quintus 
wirklich  in  Pompejus'  Dienst  treten,  er  wurde  von  ihm  nach 
Sardinien  geschickt.  Das  peinliche  Dilemma,  in  dem  Cicero  sich 
befand,  wurde  dadurch  noch  gesteigert,  daß  ihm  alles  daran 
liegen  mußte,  nicht  nur  seine  Grundstücke,  sondern  auch  die 
Bausummen  für  die  Häuser  wieder  zu  erhalten,  die  ihm  nur  der 
Senat  gewähren  konnte,  und  daß  er  seine  Ansprüche  einzu- 
schränken völlig  unfähig  war,  sondern  es,  als  echter  Empor- 
kömmling, den  vornehmsten  Herren  zu  deren  Ärger  gleichzutun 
strebte. 

So  kam  Cicero  in  eine  Lage,  der  er  noch  weit  weniger  ge- 
wachsen war  als  der  in  den  Parteikämpfen  nach  seinem  Consulat 
und  die  schließlich  bei  seinem  Naturell  unvermeidlich  in  einem 
traurigen  Fiasko  enden  mußte.  Auf  eine  politische  Rolle  zu  ver- 
zichten und  sich  so  weit  wie  möglich  vom  öffentlichen  Leben 
zurückzuziehn,  wie  Lucius  und  Marcus  Lucullus  seit  Caesars 
Consulat,  gestattete  ihm  sein  Ehrgeiz  und  seine  Eitelkeit  nicht. 
Er  suchte  sich  zu  helfen  durch  Lavieren  zwischen  den  Geboten 
der  politischen  Moral,  dem  Kampf  gegen  seinen  Todfeind  Clodius, 

')  ad  Att.  IV  2.  6. 

*)  ad  Att.  IV  1,  7  ille  Ingatos  quindeeim  cum  postularet,  me 
prineipem  nominavit,  ut  ad  omnia  nie  alterum  se  fore  dixit.  2.  6 
ego  me  a  Pompeio  legari  itu  sttm  passus,  ut  nulla  re  impedirer. 


122 


Das  Principat  des  Pom  pejus 


der  Rücksicht  auf  Pompe  jus  und  der  auf  seine  materiellen  Inter- 
essen, und  kam  dadurch  nur  aus  einer  Verlegenheit  in  die  andere. 
Gleich  au  Anfang  trat  das  deutlich  hervor:  nach  überscliweng- 
liohen,  von  hochgradigem  Selbstgefühl  geschwellten  Dankreden 
an  Senat  und  Volk  gab  er,  wie  wir  gesehn  haben,  den  Anstoß 
zu  dem  Getreidegesetz  für  Pompe  jus.  Aber  bei  der  entscheiden- 
den  Abstimmung  im  Senat  „verhielt  ich  mich  schweigend,  um 
so  mehr,  da  die  Pontifices  noch  kein  Gutachten  über  mein  Hau« 
abgegeben  haban"1).  Aber  durch  sein  Eintreten  für  Pompejus 
hatte  er  natürlich  die  überzeugten  Optimaten  vor  den  Kopf 
gestoßen,  und  während  Clodius  den  sachlich  keineswegs  unberech- 
tigten Vorwurf  erhob,  er  schlage  durch  den  Antrag  auf  Verleihung 
einer  außerordentlichen  Gewalt  seinen  Grundsätzen  ins  Gesicht 
und  habe  sich  dadurch  seine  bisherigen  Anhänger  entfremdet, 
ließen  sie  ihn  ihre  Unzufriedenheit  so  deutlich  fühlen,  daß  er 
kurz  darauf  (29.  September)  in  die  vor  den  Pontifices  gehaltene 
Rede  für  die  Rückgabe  seines  Hauses  eine  ausführliche,  inhalt- 
lich äußerst  matte  Verteidigung  seines  Verhaltens  einlegte2). 
Andrerseits  war  Pompejus  ebensowenig  geneigt,  dem  unsicheren 
Gehilfen  eine  wirklich  unabhängige  materielle  Existenz  zu  ver- 
schaffen. So  wurde  ihm  zwar  das  städtische  Grundstück  und  eine 
entsprechende  Bausumme  bewilligt,  aber  die  Entschädigung  für 
seine  Villa  vom  Senat  so  knapp  bemessen,  daß  er  wenigstens 
damit  nicht  auskommen  konnte  und  fortan  bei  seiner  Bauwut 


')  ad  Att.  IV  1,  7  consulares  duce  Favonio  fremunt;  nos  tace- 
mus,  et  eo  magis,  quod  de  domo  nostra  nihil  adhuc  pontifices  re- 
aponderunt. 

*)  de  dorn.  3 — 81;  §  29  verteidigt  er  sich  gegen  den  Vorwurf,  der 
den  Optimalen  in  den  Mund  gelegt  wird:  quod  sibi  iste  voll?  nescU, 
quantum  auetoritate  valcat,  qua*  res  gesserit,  qua  dignitate  sit  re- 
sUUUus.  cur  ornat  eum,  a  quo  desertus  est?  Er  verdanke  seine 
Rückkehr  in  erster  Linie  dem  Pompejus,  daher  sei  Clodius'  Behauptung, 
post  itiam  sententiam,  quam  dixeram  de  annona,  pontificum  animos 
esse  mutatos,  unberechtigt;  und  si  cuius  forte  pontifleis  animnm, 
quod  cerio  scio  alUer  esse  [in  Wirklichkeit  bestätigt  das  nur  die  Tat- 
sache], mea  sententia  offendit,  dürfe  dieser  sich  in  seinem  Votum 
dadurch  doch  nicht  beeinflussen  lassen  (§  31). 


Cicero«  Verhalten  nach  der  Rückkehr 


123 


aus  der  Geldverlegenheit  nie  wieder  herausgekommen  ißt.  „Die, 
welche  mir  die  Flügel  beschnitten  haben",  schreibt  er  an  Atticus, 
„wollen  nicht,  daß  sie  mir  wieder  wachsen;  doch  ich  hoffe,  sie 
wachsen  schon  wieder"1).  Er  überschüttete  denn  auch  das 
Publikum  mit  einer  Rede  und  Broschüre  nach  der  andern,  indem 
er  zugleich  seinem  Selbstlob  und  seinem  Haß  freien  Lauf  ließ. 
Aber  auch  dabei  mußte  er  sich  Zwang  auferlegen:  gegen  die 
eigentlichen  Urheber  seines  Unglücks  durfte  er  nicht  auftreten, 
er  mußte  reden,  als  ob  hier  nur  ein  unglückseliges  Mißverständnis 
vorgelegen  hatte  und  er  mit  Pompejus  und  auch  mit  Caesar 
auf  dem  besten  Fuß  stände.  Um  so  wütender  entlud  sich  sein 
Groll  gegen  die  Werkzeuge,  gegen  Clodius  und  die  beiden  Consuln 
des  Jahres  58  sowie  deren  Gehilfen;  die  Reden,  die  er  in  den 
nächsten  vier  Jahren  produziert  hat,  gehören  zu  den  wider- 
wärtigsten Produkten  dieser  ganzen,  an  sich  schon  durch  ihre 
Verlogenheit  und  ihre  affektierte  moralische  Pose  so  unerquick- 
lichen Literatur  und  überbieten  an  giftiger  Invektive  und 
schmutziger  Skandalsucht  sogar  noch  die  schlimmsten  attischen 
Vorbilder;  eben  durch  das  Streben,  seine  Würde  zu  betonen, 
sinkt  er  hier  zu  völliger  Würdelosigkeit  herab.  Auf  Pompejus 
dagegen  häuft  er  immer  aufs  neue  überschwengliches  Lob; 
und  als  Caesars  Bericht  über  die  Besiegung  der  Belgier  eintraf, 
beantragte  er  im  Senat  ein  fünfzehntägiges  Dankfest,  fünf  Tage 
mehr,  als  sieben  Jahre  zuvor  für  Pompejus*).   Wie  er  in  Wirk- 

')  ad  Att.  IV  2,  5  verum  iidem,  mi  T.  Pomponi,  Odern  inquam  Uli. 
quos  ne  tu  quidem  ignoras,  qui  mihi  pinnas  inciderant,  nolunt  eas- 
dem  renasci.  sed,  ut  spero,  iam  renascuntur.  Mit  diesen  Leuten  aind 
offenbar  nicht  sowohl  Pompejus  und  seine  Genossen  gemeint,  wie  die 
Kivalen  and  Neider  in  der  Aristokratie,  über  die  er  so  oft  klagt;  vgl. 
auch  die  Briefe  an  Lernt ulus  I  7,  7  f.  und  1  (J  und  ad  Att.  IV  5,  1  f., 
speziell  die  Klage  Uber  ii,  qui  vülam  me  molesie  ferunt  habere, 
quae  Catuli  fuerat,  a  Vettio  me  emisse  non  coyilant;  qui  domum 
negant  oportuisse  me  aediftcare,  vendere  aiunt  oportuisse  [sie  hatten 
damit  ganz  recht],  sed  quid  ad  hoc,  si,  quibus  senteniüs  dixi  quod 
et  ipsi  probar ent,  laetati  sunt  tarnen,  me  contra  Pompei  voluntatem 
dixisse? 

*)  de  prov.  cons.  26  supplicaiionem  quindedm  dierum  decrevi 
sententia  mea;  27  in  illa  supplicatione ,  quam  ego  decrevi;  vgl.  25. 


124 


Das  Principat  des  Pompejus 


lichkeit  über  ihn,  sowie  über  dessen  Freund  Crassus  dachte,  hat 
er  geheimen  Aufzeichnungen  anvertraut,  die  vor  seinem  Tode 
niemand  zu  Gesicht  bekommen  sollte;  in  seinen  öffentlichen 
Äußerungen  aus  dieser  Zeit  ignoriert  er  den  Crassus  vollkommen, 
als  den  Unbedeutendsten  der  drei,  zumal  er  recht  wohl  wußte, 
laß  dieser  den  Clodius  stützte1).  Nur  um  so  mehr  schloß  Cicero 
sich  an  Pompe  jus  an ;  und  hier  ist,  so  scheint  es,  zu  der  politischen 
Berechnung  in  der  Tat  ein  wenn  auch  nicht  tiefgehendes  Gefühl 
der  Zuneigung  hinzugekommen.  In  seiner  weichen  Art  empfand 
er  wirklich  Dankbarkeit  gegen  den  Mann,  der  seine  Rückkehr 
ermöglicht  hatte;  und  es  schmeichelte  ihm,  als  intimer  Vertrauter 
neben  dem  großen  Mann  zu  stehn,  der  sich  im  öffentlichen  Leben 
so  unbeholfen  gab  und  dem  er  un  geistiger  Regsamkeit  so  weit 
überlegen  war.  Auch  war  er  ja  an  sich  mit  dem  Principat  des 
Pompejus  durchaus  einverstanden,  wenn  dieser  nur  dazu  zu 
bringen  war,  sich  den  Grundsätzen  der  Aristokratie  zu  fügen, 
sich  mit  einem  maßgebenden  Einfluß  zu  begnügen,  statt  alles 
selbst  in  die  Hand  nehmen  zu  wollen,  und  wenn  er  den  Cicero, 
was  dieser  ihm  schon  im  Jahre  63  insinuiert  und  in  den  folgen- 
den Jahren  scheinbar  erreicht  hatte,  als  seinen  Mentor  oder 
Laelius  anerkennen  wollte. 

Aber  Pompejus  begehrte  ganz  andere  Dienste.  Die  Getreide- 

')  Dio  89,  10.  wo  die  Situation  vortrefflich  geschildert  wird:  Cicero 
versöhnt  «ich  mit  Pompejus  und  stattet  ihm  durch  das  Getreidegesetz 
den  Dank  ab;  Ka:oap  Zt  xal  Kpdsao-:  5>.X<i»c  J*iv  T^dovto  tü>  Kix«pa>v:' 
OJiooSfy  y  o&v  ttva  aOTOü  faxovi  «**iWl  itavtu>c  xa*"f,£ovTx  oütöv  ■jja&ovto 
(xal  f«P  &  Katoap  xal  önwv  r^votdv  ttva  aotij»  iv*Jtt;ato  —  dem  liegt 
offenbar  die  Widmung  der  Bücher  de  analogia  zugrunde,  die  wohl  in 
etwas  spätere  Zeit  fallt),  ob  nivtoi  *«l  /dpi'  oi>3*|uav  avtitaßov.  txttvot; 
•jap  toöto  t«  oi>x  aita  fvtt»nT((:  o«ä<;  micotT.xotac  tltuti  xal  rr^  fOfYfi  al- 
wozüxw:  i tYOvivat  yo]XtC«*v  ix  }ilv  toö  tepof  avouc  o->  jedvj  repbz  aitoic  «frpa- 
ooveto,  &u  xal  tü»v  r»jr  äxpatoo  Kapp^ota':  eittxapKtwv  vtatotl  inittipafüvo-, 
ßißUov  j«y™i  tt  dsoppr^v  covifrfjx»,  nämlich  die  Schrift  de  consüüs  suis. 
Die  Datierung  ist  gewiß  richtig,  wenn  auch  Cicero  noch  in  den  folgen- 
den Jahren  weiter  daran  gearbeitet  haben  mag,  wie  er  sie  denn  schon 
im  April  59  begonnen  hatte  (ad  Att.  II  6,  2.  12,  8).  Nach  Caesars  Er- 
mordung hat  er  wieder  daran  gefeilt  (Att.  XIV  17.  6);  er  selbst  be- 
zeichnet die  Schrift  als  ctvtx2ota. 


Pompejus  Stellang.    Spannung  mit  Caesar  125 


Verwaltung  konnte  ihm  in  der  gegen  seine  Ansprüche  stark  be- 
schnittenen Fassung,  in  der  sie  bewilligt  war,  um  so  weniger 
genügen,  da  inzwischen  seine  Stellung  zu  Caesar  sich  zu  seinem 
Nachteil  verschoben  hatte.  Mit  schwerer  und  berechtigter  Be- 
sorgnis sah  Pompejus,  wie  seüi  Schwiegervater  sich  keineswegs 
mit  der  ihm  zugedachten  Adjutantenstellung  begnügte,  sondern 
sich  in  Gallien  ein  selbständiges  Reich  gründete,  das  ihm  zu- 
gleich die  Mittel  verschaffte,  seinen  Anhang  in  Rom  standig  zu 
starken  und  die  Beamten  durch  seinen  Einfluß  und  sein  Geld 
an  sieb  zu  fesseln1);  auch  konnte  ihm  nicht  verborgen  sein,  daß 
Caesar  ebenso  wie  Crassus  den  Clodius  gewähren  ließ  und  ihm 
seine  Umtriebe,  mochte  er  auch  im  Jahre  58  die  Rechtsbeständig- 
keit der  julischen  Gesetze  angefochten  haben  (oben  S.  107),  im 
Grunde  ganz  genehm  waren.  Daß  seine  eigenen  Siege  vor  denen 
Caesars  verblaßten,  daß  diesem  eine  Ehrung  bewilligt  wurde, 
welche  die  ihm  zuerkannte  überbot  (S.  123),  schmerzte  ihn  tief, 
zumal  er  offiziell  dem  Antrag  zustimmen  mußte*);  auf  seine  Art 
suchte  er  dem  entgegenzuwirken,  indem  er  die  Consuln  veran- 
laßte,  Caesars  Berichte  möglichst  spät  zur  Kenntnis  zu  bringen, 
ja  er  dachte  daran,  Caesar  vor  der  Zeit  einen  Nachfolger  senden 
zu  lassen3)     Diese  Haltung  des  Pompejus  ermöglichte  es,  daß 

')  Sueton  Caes.  23. 

*)  Cic.  de  prov.  cons.  27  suni  Cn.  Pompei  virtuiem  et  animi 
magnitudinem  admiratus,  quod  . . .  ampliorem  honorem  (Uteri  tri- 
buebat,  quam  ipse  erat  consecutus. 

*)  Bio  89,  25.  Ich  sehe  keinen  Grund,  diese  Angabe  zu  bezweifeln, 
wenngleich  Dio  hier  in  seiner  Art  sehr  resolut  durchgegriffen  und  sich 
die  Dinge  so  zurechtgelegt  hat.  wie  er  sie  veratehn  zu  können  glaubte. 
Die  aus  der  veränderten  Lage  entspringende  Spannung  zwischen  Pom- 
pejus und  Caesar  und  jenes  Umtriebe  gegen  diesen  hebt  er  mit  Recht 
scharf  hervor;  aber  er  hat  deshalb  die  Chronologie  verschoben,  die  Be- 
willigungen des  Senats  für  Caesar,  die  im  Mai  erfolgten,  vorweggenommen 
(ebenso  mag  allerdings  in  der  Angabe,  daß  Pompejus  tittytlprpt .  . .  xa\ 
JiäSoxov  wa  aöt«j>  xai  xpi  tou  xxlHjxoyroc  xatpoö  ««pfat  die  Verhandlung 
stecken,  bei  der  Cicero  de  prov.  cons.  gesprochen  hat)  und  vor  allem 
die  Konferenz  von  Luca  gestrichen.  Nach  ihm  verbindet  sich  vielmehr 
Pompejus,  um  gegen  Caesar  eine  Stütze  zu  haben,  aufs  neue  mit  Crassus 
(c.  26,  3  toio6toi?  oav  8-fj  tioi  Xoyiojiot^  it  Ilojjix^to;  tjci  xov  Kaisapa  ÄicXittto, 


126 


Das  Principat  des  Pompeju* 


die  Angriffe  auf  Caesars  Gesetze  wieder  aufgenommen  wurden1). 
Im  Dezember  57,  kurz  vor  den  SaturnaJien  (17.  Dezember), 
brachte  der  Tribun  P.  Rutilius  Lupus,  ein  Anhänger  des  Pom- 
pejus»), die  Präge  des  campanischen  Ackergesetzes  in  einer  von 
ihm  geleiteten  Senatssitzung  zur  Sprache,  „mit  mehreren  Stichen 
gegen  Caesar  und  Herausforderungen  gegen  Pompejus,  der  nicht 
anwesend  war"3).  Seine  Ausführungen  wurden  schweigend  an- 
gehört; er  erklärte,  er  wolle  keine  Umfrage  vornehmen,  aber 
dies  Schweigen  zeige  im  Zusammenhang  mit  den  in  früherer  Zeit 
erhobenen  Vorwürfen  die  Ansicht  des  8enats.  Der  designierte 
Consul  Marcellinus  protestierte  dagegen:  aus  dem  Schweigen  sei 
weder  Zustimmung  noch  Ablehnung  zu  entnehmen,  in  Pompejus* 
Abwesenheit  könne  über  die  Sache  nicht  verhandelt  werden. 
Damit  wurde  die  Frage  für  diesmal  fallen  gelassen. 

Das  militärische  Kommando,  welches  Pompejus  wünschte, 
war  in  Aegypten,  eben  dem  Lande,  welches  Caesar  und  Crassus 

xat,  186mi  f  äp  obx  äy  (!.a2t«K  ftovoc  oitöv  xatatX&oat,  xbv  Kpaaoov  t!>c  *«-  fut' 
aLxoö  koiy(oo»v  Itt  xal  fi&XXov  avT^ptr^oato),  and  sie  erzwingen  ihr  Con- 
sulat;  aach  Clodius  tritt  jetzt  wieder  zu  Pompejus  über  (c.  29,  1  KW 
Su»c  Ii  tv  xo&np  (utainji^oi*:  aofl-ic  Kpbz  t&v  Ilofur^tov),  während  in  Wirk- 
lichkeit beides  nur  durch  Caesars  Hilfe  ermöglicht  wurde. 

')  In  der  Rede  de  domo  (29.  Dezember)  geht  Cicero  der  Frage,  die 
er  berühren  muß,  da  er  die  Rechtsbest&ndigkeit  von  Clodius'  Adoption  und 
Tribunat  angreifen  will,  dadurch  aus  dem  Wege,  daß  er  darauf  hin- 
weist, daß  eben  Clodins  selbst  sie  als  Tribun  angefochten  und  sich  dafür 
auf  BibuW  Zeugnis  berufen  hat:  inftrmas  igitur  tu,  laßt  er  sich  ein- 
wenden, acta  C.  Caesaris  viri  fortissimi?  minime;  neque  enim  mea 
iatn  quidquam  interest  exceptis  eis  Ulis,  quae  ex  illius  actionibus 
in  meum  corpus  inmissa  sunt,  sed  haec  de  auspiciis,  quae  ego  nunc 
perbreviter  attingo,  acta  sunt  a  te  (d.  i.  von  Clodius),  §  89. 

*)  Er  wirkt  fOr  die  Übertragung  des  aegyptischen  Kommandos  an 
Pompejus,  ad  fam.  I  1.  3.  2,  2;  ebenso  steht  er  im  Bürgerkrieg  als 
Praetor  auf  dessen  Seite  (Caes.  civ.  I  24.  III  56). 

*)  ad  Qu.  fr.  U  1.  1  fuerunt  notmulU  aculei  in  Caesarem,  con- 
tumeliae  in  Gallium  (einen  Gehilfen  des  Clodius),  expostulationes 
cum  absente  Pompeio.  Ober  die  Herstellung  des  durch  die  von  Mommsen 
aufgedeckte  15  latt  Versetzung  zerrissenen  Briefs  und  die  richtige  Deu- 
tung s.  Steihkopp,  Hermes  89,  886  ff.,  der  mit  Recht  den  Einschnitt 
zwischen  dixit  und  Milo  macht  und  letzteres  schon  zu  n  8,  4  zieht. 


Pom  pejus  and  die  aegyptischen  Händel 


127 


bisher  als  ihre  Domäne  betrachtet  hatten.  Der  König  Ptolemaeos 
Auletes  konnte  die  Riesensummen,  die  er  an  Caesar,  Pompejus 
und  ihre  Genossen  für  seine  Anerkennung  hatte  zahlen  müssen 
(S.  76),  nur  durch  die  stärksten  Erpressungen  aufbringen;  vor 
den  dadurch  erzeugten  Unruhen  floh  er  etwa  Ende  681)  aus 
Alexandria  zu  seinem  Schutzherrn,  wie  Timagenes  behauptet, 
ohne  dringende  Not,  auf  Anstiften  des  Theophanes  von  Mytilene, 
des  bekannten  Agenten  des  Pompejus,  der  diesem  die  Handhabe 
zum  Einschreiten  verschaffen  wollte2);  und  unmöglich  ist  es 
gewiß  nicht,  daß  dieser  damals  bereits,  in  seiner  Bedrängnis 
durch  Clodius,  an  einen  solchen  Ausweg  gedacht  hat.  Jedenfalls 
wandte  sich  Ptolemaeos  zunächst  an  Cato,  den  er,  ehe  dieser 
nach  Byzanz  und  Cypern  ging,  auf  Rhodos  aufsuchte.  Cato  riet 
ihm,  sein  Geld  nicht  an  die  unersättlichen  römischen  Magnaten 
zu  verschleudern,  sondern  sich  mit  seinen  Untertanen  zu  ver- 
söhnen, er  selbst  sei  bereit,  dabei  zu  vermitteln.  Ptolemaeos  war 
zuerst  dazu  bereit,  ließ  sich  dann  aber  von  seiner  Umgebung 
bewegen,  nach  Rom  zu  gehn3).  Hier  geriet  er  mitten  in  das 
Intrigenspiel  der  Parteien  und  Persönlichkeiten  und  mußte  eine 
Anleihe  nach  der  andern  aufnehmen,  um  die  ständig  wachsenden 
Ansprüche  zu  befriedigen;  Pompejus  aber  empfahl  den  König 
dem  Senat,  nahm  ihn  in  sein  Haus  und  verschaffte  ihm  einen 
neuen  Kredit,  auf  seiner  albanischen  Villa  wurden  die  Anleihen 
abgeschlossen4).  Inzwischen  hatte  man  in  Alexandria  die  Tochter 
des  Königs  Berenike  auf  den  Thron  erhoben8);  auf  die  Kunde, 


')  Über  das  Datum  s.  Strack,  Dynastie  der  Pto lern  Reer  209;  daß  et 
Cato  noch  auf  Rhodos  trifft,  gestattet  kaum,  über  Ende  58  hinabzugehn. 

')  Plnt  Pomp.  49;  Platarchs  Gegenargument,  toöto  .  . .  &xtotov  4j 
Ilofimjloo  «out  <p6oic,  obx  fy000«  ««onfj^t«;  ootf  ivtXtd&epov  o5t«  xb  <piX6- 
tifj.ov  beweist  natürlich  garnicht«. 

•)  Plut.  Cato  85. 

*)  Cic.  pro  Rab.  Post.  6.  Dio  39.  14.  3  &  DojMrtyoc  tj}  «  olxiqi  o5tiv 
fcictUdiwco  *a:  loxop&c,  o't  oovTjptto.  Strabo  XVII  1,  11  töv  A&XtjrJjv  £<pi- 
»6fuvov  tlc  'Ptnjufjv  &«4df»v©<:  noiut^toc  Mätvoc  ouviotirio:  tq  00T*XVjT<p  xal 
SianpÄmtat  *Ä&o5ov  fifcv  to6f<p,  xmv  Ii  sptoBfaty  T«Lv  xX*toru»v,  fcxatöv  ovtujv, 
oXsdpov  wy  xcrtajtpcoßtOoivKov  aötoE>. 

»)  So  Dio  89,  13  und  Strabo  XVII  1.  11;  nach  Porphyrie«  bei  Enseb. 


12S 


Da*  Principat  des  Pompejus 


daß  Ptolemaeos  in  Rom  sei,  schickte  man  eine  Abordnung  von 
hundert  Gesandten  unter  Führung  des  Akademikers  Dion  hin, 
um  sich  zu  rechtfertigen  und  den  König  anzuklagen.  Aber 
Ptolemaeos  und  seine  römischen  Glaubiger  sorgten  dafür,  daß 
zahlreiche  von  ihnen  unterwegs  den  Tod  fanden;  andere  wurden 
in  Born  selbst  umgebracht,  die  übrigen  durch  Drohungen  oder 
Bestechung  zum  Schweigen  gebracht.  Indessen  der  Skandal 
war  zu  groß,  als  daß  er  sich  ganz  hatte  unterdrücken  lassen; 
M.  Favonius,  auch  hier  der  unermüdliche  Vorkampfer  für  Ehre 
und  Recht,  brachte  die  Mordtaten  und  Bestechungen  im  Senat 
zur  Sprache.  Er  erreichte  auch,  daß  Dion  vorgeladen  wurde;  aber 
die  Verhandlung  und  Untersuchung  wurde  hintertrieben,  Dion 
selbst  im  Hause  des  Pompejaners  Luccejus  auf  Anstiften  der  uner- 
sättlichen Wucherer,  die  sich  die  Goldquelle  nicht  verstopfen  lassen 
wollten,  ermordet1).  Im  Senat  aber  erwirkte  der  Consul  Lentulus 
Spinther  im  Sommer  57  den  Beschluß,  daß  der  Statthalter,  dem 
die  Provinz  Cilicien  zufallen  würde  —  das  war  er  selbst  — ,  den 
König  zurückführen  sollte1). 

Damit  war  indessen  die  Sache  keineswegs  zu  Ende;  vielmehr 
setzten  jetzt  die  Intrigen  des  Pompejus  nur  um  so  stärker  ein. 
Seine  Vertrauten  forderten  seine  Entsendung  an  der  Spitze  einer 
Armee,  ebenso  die  Parteigänger  des  Königs,  die  im  Vertrauen 

chron.  I  p.  168  Schöbe  regiert«  sie  zunächst  mit  ihrer  älteren  Schwester 
zusammen,  ».  Strack,  Dyn.  der  Ptol.  66  ff. 

')  Cic.  pro  Cael.  28  f.  51  ff.  Dio  89,  15.  Strabo  XVII  1,  11.  Vgl. 
de  har.  resp.  84-  Als  Mörder  des  Dion  wurde  P.  Aöicius  [vgl.  ad  Qu. 
fr.  II  8,  2]  im  Jahre  56  angeklagt,  aber  von  Cicero  verteidigt  und  frei- 
gesprochen; ebenso  wurde  M.  Caelius,  der  auch  in  Puteoli  die  alexan- 
drinischen  Gesandten  insultiert  haben  soll  (pio  Cael.  23  de  Alexandri- 
norum  pulsatione  Puteolana)  —  auch  er  war  an  den  Geldgeschäften 
beteiligt  —  der  Mitwirkung  beschuldigt,  den  Crassus  und  Cicero  erfolg- 
reich verteidigten.  Auch  Licinius  Calvua  hat  den  Asicius  angeklagt: 
Tac.  dial.  21.  Vgl.  Dio  1.  c:  xad  nivtot  xoä  AUdw:  fmi  touta  SoXotpoviq- 
Myco*:  o68tpi«v  ©o8*  in'  htttvy  tixrp  ttutxt  (6  IlroXsj&a'oc  da  Pompejus  ihn 
bei  »ich  aufnahm);  tdiv  ft  Mv  tÄv  ix?jt<$&*v  i»X.T(*tj3av  fiiv  iv 

6<rcip<u  ooxvot,  *<4X»<jav  ii  oXifot.  *6  xt  fap  Mvapotovrpibr.  koXö  -fjV,  not 
aXX-rjXoic  fct&  tö  i&iov  txastoc  Woc  3ov»fidxouv- 

*)  Cicero  an  Lentulus  I  1,  3.  7.  4.    Dio  39,  12.  3. 


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Verhandlungen  über  d;a  Intervention  in  Aegypten  129 

auf  Pompejuß  ihr  Geld  zu  Wucberzinsen  hergegeben  hatten;  er 
selbst  hielt  sich  nicht  nur  zurück,  sondern  erklärte  überall,  er 
sei  mit  Lentulus'  Beauftragung  einverstanden,  und  trat  am 
11.  Januar  56  im  Senat  in  ausfuhrlicher  Rede  mit  großem  Nach- 
druck dafür  ein;  er  wollte  eben  in  üblicher  Weise  gezwungen 
sein,  die  schwere  Last  auf  sich  zu  nehmen,  da  man  ihm  wieder 
einmal  die  heißersehnte  Ruhe  nicht  gönne1).  Cicero,  der  dem 
Lentulus  wegen  seiner  eigenen  Rückberufung  verpflichtet  war,  tat 
so,  als  ob  er  das  wirklich  glaube,  und  stellte  sich  Pompejus'  Herzens- 
wunsch gegenüber  taub;  er  suchte  ihn  in  ununterbrochenem  Ver- 
kehr in  dieser  Haltung  zu  festigen  und  stellte  ihm  vor,  mit  welcher 
Schmach  er  sich  bedecken  würde,  wenn  er  sich  in  eine  so  schmutzige 
Sache  einließe.  Im  Senat  aber  griff  man,  wie  so  oft,  zu  einem 
religiösen  Mittel:  auf  Grund  eines  Prodigiums  —  zu  Anfang  des 
Jahres  schlug  der  Blitz  in  die  Juppiterstatue  auf  dem  Albaner- 
berge —  entdeckte  man  in  den  sibyllinischen  Orakeln  den  Spruch, 
daß  man  den  König  Aegyptens,  wenn  er  um  Hilfe  bitte,  zwar 
freundlich  unterstützen,  aber  ihm  kein  Heer  zu  Hilfe  senden 
dürfe,  wenn  man  nicht  in  große  Nöte  geraten  wolle.  Natürlich 
beschloß  der  Senat  dementsprechend.  Der  Tribun  C.  Oato,  ehe- 
mals, im  Jahre  59,  Anhänger  des  Senats  (S.  79),  aber  jetzt  mit 
Clodius  verbündet  und  daher  ein  eifriger  Gegner  des  Pompejus, 
hatte  die  aegyptische  Sache  gleich  beim  Antritt  (10.  Dec.  57)  seines 
Amts  aufgenommen  und  gegen  Lentulus'  Entsendung  agitiert1); 
jetzt  brachte  er  den  Sibyllenspruch  sogleich  vor  das  Volk,  um  dem 


')  Cic.  an  Lentulus  11,2  nam  cum  sermone  cotidiano  tum  in 
senatu  palam  sie  egit  causam  tuam,  ut  neque  eloquentia  maiore 
quisquam  nee  gravüate  nee  studio  nee  contentione  agere  potuerit, 
cum  summa  tesUflcoHone  tuorum  in  se  offleiorum  et  amoris  erga 
te  sui. 

*)  Kenestella  in  dem  bei  Nonias  p.  885  s.  v.  rumor  gebrachten 
Kragment  ans  dem  22.  Buche  seiner  Annalen  (fr.  21  Pcm):  itaque  ut 
magistratum  tribuni  inierunt,  C.  Cato,  turbulentus  adulexcens  ei 
audax  nee  imparatus  ad  dicendum,  contionibus  adsiduis  invidiam 
et  Ptolomaeo  simul,  qui  tarn  profectus  ex  urbe  erat,  et  Publio  Lentulo 
consuli,  paranti  iam  Her,  cogitare  (?)  secundo  quidem  populi  rumore 
coepü. 

Mey«r,  Caesars  Monarohi«  9 


130  Das  Principat  des  Pompejus 

Senat  den  Rückzug  unmöglich  zu  machen1).  Wie  man  nun  aber 
weiter  vorgehn  sollte,  war  erat  recht  unsicher:  die  Majorität  des 
Senats,  geführt  von  Hortensius,  Cicero,  Lucullus,  war  für  Len- 
tulus;  Orassus  wollte  den  Auftrag  drei  aus  den  Trägern  eines 
militärischen  Kommandos  entnommenen  Gesandten  zuweisen  — 
darunter  konnte  dann  auch  Pompejus  sein,  wenn  er  Neigung 
hatte,  sich  so  weit  herabdrücken  zu  lassen  — ;  Bibulus,  auf  dessen 
Seite  auch  die  Gonsuln  standen,  mit  einem  großen  Teil  der  Gonsulare 
forderte  drei  amtlose  Gesandte,  so  daß  Pompejus  ausgeschlossen 
blieb.  Der  alte  Servilius  Isauricus  (cos.  79)  stellte  den  vernünftigen 
Antrag,  die  Sache  überhaupt  aufzugeben;  der  die  Verhandlung 
leitende  Tribun  Rutilius  Lupus  dagegen  (oben  S.  126)  nebst  den 
Consularen  Volcacius  Tullus  (cos.  66)  und  Afranius  (cos.  60)  trat 
für  Pompejus  ein,  ebenso  die  Tribunen  Libo  und  Hypsaeus  und 
andre2).  An  den  folgenden  Tagen  wurde  die  Sache  durch  endlose 
Diskussionen  ohne  Entscheidung  hingezogen,  und  vom  17.  Januar 
an  konnte,  weil  die  übrigen  Tage  des  Januar  Comitialtage  waren 
und  im  Februar  nach  einem  Gesetz  des  Gabinius  vom  Jahre  67 
zunächst  die  auswärtigen  Gesandtschaften  beschieden  werden 
mußten,  überhaupt  nicht  darüber  verhandelt  werden3).  Erledigt 
wurde  nichts,  vielmehr  wurde  die  Staatsverwaltung  wieder  ein- 
mal durch  die  inneren  Wirren  völlig  brachgelegt,  und  wie  im 
Jahre  61  die  Bewilligung  der  Geldanweisungen  für  die  Provinzial- 
verwaltung  durch  Godius'  Einwirkung  verhindert4).  Dagegen 


')  Dio  89,  16,  der  hier  wie  immer  völlig  gl&ubig  ist.  Cicero  da- 
gegen macht  ans  dem  8chwindel  kein  Hehl:  senatus  religionie 
calumniam  non  religione  sed  malevolenHa  et  illius  regiae  largi- 
tionis  invidia  comprobat,  an  Lentulns  I,  ],  1;  nomen  flctae  religionis 
I  4,  2. 

*)  Cicero  an  Lentulns  I  1 ;  dem  entspricht  der  Fortgang  der  Senats- 
verhandlungen  am  13.  und  15.  Februar,  Ober  die  Cicero  I  2  und  4  aus- 
fuhrlich berichtet;  ferner  ad  Qu.  fr.  II  2. 

»)  Cic.  an  Lentulns  I  4,  1;  ad  Qu.  fr.  D  2,8.  3,  1. 

4)  Dio  89,  8  &  fop  KXu>$ioc  •  .  .  ob*  sla  xbv  «ppxtptauöy  yäpiov  lotv»x* 
ö-fjvctt*  icplv  yap  ixttvov  w^fjvot,  o6t'  Sikko  ti  tö»v  oicooSatuiv  rv  t«p  xotvip 
spaxd-rjva*.  oow  Ätxfjv  o&&»ptav  foaxd-qvau  Dem  entspricht  Cicero  ad 
Qu.  fr.  n  3,  1  inierim  reiectis  legationibus  in  Idus  (Febr.)  refere- 


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Die  aegyptiscben  Verhandlungen.  Clodius  gegen  Pompejus  131 


brachte  C.  Cato  Anfang  Februar  den  Antrag  vor  das  Volk,  den 
Lentulus  aus  seiner  Provinz  abzuberufen1);  sein  Rivale,  der 
Tribun  L.  Caninius  Gallus  dagegen  beantragte,  daß  Pompejus 
zwar  ohne  Heer,  aber  mit  zwei  Lictoren  nach  Aegypten  geschickt 
werden  solle2),  und  auch  Ptolemaeos  schrieb  einen  Brief  mit 
dieser  Bitte,  den  der  Tribun  A.  Plautius  vor  dem  Volke  verlas8). 
Aber  die  Abstimmung  wurde  durch  den  Consul  On.  Lentulus 
Marcellinus  vereitelt,  indem  er  die  Wiederholung  des  Latinischen 
Festes  und  Dankopfer  (für  Caesars  Siege?)  auf  diese  Tage  ver- 
legte4), und  auch  Pompejus  selbst  verlor  offenbar  schließlich  die 
Neigung,  auf  eine  so  dürftige  Mission  einzugehn.  Die  Aussichten 
für  Lentulus  Spinther  wurden  allerdings  immer  geringer,  wie 
endlich  Cicero  selbst  diesem  eingestehen  mußte6);  aber  im  übrigen 
verlief  die  Angelegenheit,  nachdem  sie  viel  Staub  aufgewirbelt 
hatte,  schließlich  im  Sande. 

Inzwischen  kam  Clodius'  Anklage  gegen  Milo  zur  Verhand- 

batur  de  provinciis  quaestorum  et  de  ornandis  praetoribus ;  sed  res 
multis  querelis  de  republica  interponendis  nulla  transacta  est.  Die 
Ausstattung  der  Provinzen  ebenso  wie  die  Gerichtsbarkeit  der  Praetoren 
hatte  die  lex  curiata  zur  Voraussetzung,  deren  Zustandekommen  Clo- 
dius offenbar  durch  In tercession  eines  Tribunen  verhinderte.  Von  seinen  auf 
völlige  Lahmlegung  der  Verwaltung  zielenden  Plänen  hat  Clodius  bei 
den  Verhandlungen  Qber  das  Gutachten  der  haruspices  in  der  Volksversamm- 
lung geredet :  de  harusp.  resp.  55  in  coniione  ausus  est  dicere,  iustitium 
ediciop&rtere,  iurisdietionem  intermitti,  claudi  aerarium,  iudicia  tollt 

')  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  8,  1.  vgl.  3,  4.  an  Lentulus  I  5  a,  2. 

*)  Plut.  Pomp.  49.  Dio  39,  16.  Ober  Caninius  s.  Cic.  an  Lentulus 
I  2,  1-  4.  7,  3.  ad  Qu.  fr.  ü  2,  8.  4,  6. 

')  Dio  39,  16,  bei  Plut.  Pomp.  49  etwas  abweichend:  -tjv  ii  TP^f1* 
fiaoiv  ivtt>xttv  8itppiji{Uvoic  xat1  dtfopav  xal  jiapa  tö  ßauXturfjpiov ,  un;  8*rj 
ütoXtfiato-j  fcopivoo  nofJkirrtioy  aotqi  axparr^iv  dtvtt  toö  lucv^rjpo«:  $o(Hjvai. 
Ptolemaeos'  Gesandter  Hammonios  war  schon  früher  gegen  Lentulus  für 
Pompejus  eingetreten,  Cic.  an  Lentulus  I  1,  1. 

*)  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  4,  4,  vgl.  über  sein  Auftreten  gegen  Pompejus 
§  5  und  an  Lentulus  I  1,  2.  2,  2. 

»)  Cic.  an  Lentulus  I  6.  7;  vorher  I  5  b  schreibt  er  (kurz  nach  dem 
8.  Februar)  üaque  Alexandrina  causa  . .  .  videiur  ab  illo  (Pompeio) 
plane  esse  deposita.  An  Quintus  schreibt  er  im  Marz  (II  4,  5)  nam 
quod  de  Pompeio  Caninius  agit,  sane  quam  refrixü. 


132 


Das  Principat  des  Pom  pejus 


lung;  für  diesen  trat  neben  Cicero  und  andern  auch  Pom  pejus 
ein.  Aber  als  er  bei  dem  zweiten  Termin,  am  6.  Februar,  das 
Wort  ergreifen  wollte,  erhoben  die  Banden  des  Clodius  einen 
solchen  Lärm,  daß  er  nur  mit  äußerster  Anstrengung  und  viel- 
fachen Unterbrechungen  seine  Rede  zu  Ende  führen  konnte. 
Dem  Clodius  wurde  von  der  Gegenpartei  dasselbe  Schicksal  be- 
reitet und  er  zwei  Stunden  lang  mit  Schimpfworten  und 
schmutzigen  Versen  auf  sich  und  seine  Schwester  überschüttet. 
Da  half  er  sich,  indem  er  in  den  Tumult  die  Frage  warf:  „Wer 
tötet  das  Volk  durch  Hunger?  Wer  begehrt  nach  Alexandria 
zu  gehn?"  und  weiter:  „Wer  ist  der  zuchtlose  Imperator?  Wer 
kratzt  sich  mit  einem  Finger  den  Kopf?"  und  jedesmal  brüllte 
die  Menge  zur  Antwort:  „Pompejus!"  Dann  aber:  „Wen  wünscht 
ihr  nach  Aegypten?"  —  „Crassus!"  —  der  stand,  obwohl  offiziell 
Zeuge  für  Müo,  schadenfroh  dabei.  Dann  kam  es  zu  dem  üblichen 
Anspeien  und  schließlich  zu  einer  Prügelei,  in  der  Clodius'  Banden 
den  kürzeren  zogen1).  Der  Senat  wurde  sofort  berufen  und  nach 
dreitägigen  Verhandlungen  am  8.  Februar  endlich  der  Beschluß 
gefaßt,  Clodius'  Verhalten  am  6.  habe  den  Staat  gefährdet  (contra 
rempubUcam  esse  facta):  man  sieht,  wie  ungern  der  Senat  seine 
Autorität  für  Pompejus  einsetzte;  alle  seine  Gegner,  Bibulus, 
der  alte  Curio,  Favonius,  der  Sohn  des  Servilius  Isauricus 
stichelten  auf  ihn,  Cicero  ging  am  6.  nicht  in  die  Sitzung,  „um 
in  einer  so  wichtigen  Sache  nicht  entweder  zu  schweigen  oder 
durch  Eintreten  für  Pompejus  bei  den  Optimaten  Anstoß  zu  er- 
regen". Umgekehrt  würzte  Cato,  der  Clodianer,  am  8.  seine 
Beschuldigungen  gegen  Pompejus  mit  Lobsprüchen  auf  Cicero 
und  dem  Vorwurf,  Pompejus  habe  diesen  treulos  verraten  —  ein 
charakteristisches  Bild  aus  der  Wirrnis  dieses  Intrigenspiels! 
Pompejus  setzte  sich  energisch  zur  Wehr:  er  gab  deutlich  zu 


')  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  3,  2  (und  kurz  an  Lentulus  14b);  ebenso  Dio  39,  49 
und  Plut  Pomp.  48,  die  einige  bei  Cicero  Übergangene,  von  mir  aufge- 
nommene Insulte  hinzufügen;  Plutarch  hat  den  Vorgang  vorweggenommen; 
hatten  wir  nur  ihn,  so  würden  wir  ihn  ins  Jahr  58  setzen.  Pompejua' 
Manier,  sich  mit  dem  Finger  den  Kopf  zu  kratzen,  wurde  ein  gemein- 
obseöner  Sinn  untergelegt :  Calvus  fr.  18  (Senecacontrov.  Vtl  4.  7.  X  1,8  u.  a.) 


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Pompeji!»'  Händel  mit  Clodius 


133 


verstehn,  daß  er  Crassus  für  den  Hauptschuldigen  halte,  der 
den  Clodius  und  C.  Cato  aufhetze  und  mit  Geld  unterstütze, 
mit  denen  auch  seine  Neider  im  Senat  gemeinschaftliche  Sache 
machten;  er  machte  aus  seinem  Ingrimm  gegen  alle  Welt  kein 
Hehl,  erklärte  aber,  er  werde  sein  Leben  besser  zu  schützen 
wissen,  als  ehemals  Scipio  Africanus  gegen  Carbo.  Wirklich  be- 
gann er  denn  auch  seine  Anhänger  vom  Lande,  namentlich  aus 
Picenum  und  Gallien,  aufzubieten,  um  mit  ihnen  und  mit  der 
Bande  des  Milo  dem  Clodius  entgegenzutreten;  der  Senat  aber 
faßte  einen  Beschluß,  der  den  Klubs  befahl,  sich  aufzulösen,  und 
die  Einbringung  eines  dahingehenden  Gesetzes  mit  Strafbestim- 
mungen forderte;  dadurch  sollte  das  von  Clodius  im  Jahre  58  ge- 
gebene Gesetz  wieder  aufgehoben  werden1).  Zu  den  gefürchteten 
Straßenkämpfen  kam  es  jedoch  nicht;  offenbar  sah  Clodius,  daß 
sein  Anhang  dafür  zu  schwach  war.  Auch  pekuniär  war  er  und 
sein  Anhang  in  Bedrängnis;  C.  Cato  mußte  die  Gladiatorenbande, 
die  er  für  seine  Tumulte  hielt,  verkaufen,  worauf  sie  unter  der 
Hand  von  Milo  erworben  und  zum  Gaudium  des  Publikums  vom 
Tribunen  Racilius  öffentlich  versteigert  wurde*).  Die  Verhand- 
lung gegen  Milo  schleppte  Clodius  hinaus  und  ließ  sie  schließlich 
fallen;  dessen  Genosse  Sestius  dagegen,  der  gleichfalls  eifrig  für 
Ciceros  Rückberufung  agitiert  hatte,  wurde  am  11.  März8)  ein- 
.  stimmig  freigesprochen,  verteidigt  von  Hortensius,  Crassus, 
Licinius  Calvus  und  Cicero4);  auch  Pompejus  war  als  Zeuge  für 
ihn  aufgetreten6).  Wenn  dagegen  um  dieselbe  Zeit  einer  der 
schlimmsten  Gesellen  des  Clodius,  Sextus  Clodius,  dem  jener  in 
seinem  Tribunal  die  Getreideverteilung  übertragen  hatte  und 
auf  dessen  Konto  unter  anderem  eine  Brandstiftung  stand,  bei  der 
die  Bürgerliste  in  Flammen  aufgegangen  war«),  mit  drei  Stimmen 


>)  ad  Qu.  fr.  II  8,  2  ft. 
«)  ad  Qu.  fr.  U  4,  4. 
s)  ad  Qu.  fr.  II  4,  I. 

4)  schob  Bob.  pro  Sentio  p.  292  Orelli.  125  Stakgl;  Cicero  erwähnt 
nur  die  Rede  des  Hortensius. 
*)  An  Lentulus  I  9,  6. 
«)  pro  Cael.  78.  pro  Mil.  78.  de  dorn.  25. 


134 


Das  Principat  des  Pompejus 


Mehrheit  freigesprochen  wurde,  so  beruhte  das  darauf,  daß  die 
senatorischen  Richter  ihn  freisprachen,  weil  er  den  Pompejus 
schikanierte,  wahrend  von  den  Rittern  die  Hälfte,  von  den 
Aerartribünen  —  also  dem  Mittelstand  —  die  große  Majorität 
ihn  verurteilte1). 

Auch  sonst  trat  das  Streben,  Pompejus  zu  demütigen,  immer 
von  neuem  hervor.  Der  Consul  Lentulus  Marcellinus  griff  ihn 
in  seinen  Reden  heftig  an,  unter  Zustimmung  des  Senats;  man 
freute  sich,  daß  er  durch  seine  Händel  mit  Clodius  und  jetzt  durch 
die  Beschützung  Milos  die  Gunst  des  Pöbels  völlig  verloren  hatte, 
und  gar  manche  wollten  eben  darum  von  einem  Einschreiten 
gegen  Clodius  nichts  wissen  und  nahmen  diesen  in  Schutz2).  Cicero 
war  damit  nicht  einverstanden  und  hielt  sich  daher  von  den  Ver- 
handlungen zurück;  wie  in  den  Zeiten  vor  Caesars  Consulat 
wiegte  er  sich  in  der  Illusion,  er  könne  durch  persönliche  Ein- 
wirkung den  Pompejus,  mit  dem  er  ununterbrochen  in  regem 
Verkehr  stand,  dahin  bringen,  daß  er  sich  von  ihm  leiten  ließ 
und  der  Senatspolitik  anschloß3);  unter  dieser  Bedingung  war 

')  ad  Qu.  fr.  II  6  ea  ipsa  in  re  Pompei  offensio  (die  Gereiztheit 
gegen  Pompejus)  nobis  obsiüit;  senatorum  enim  curia  copiose  ab- 
solvit,  equitum  adaeqwwit,  tribuni  aerarii  condemnaverunt. 

»)  ad  Qu.  fr.  Q  4.  4  consul  est  egregius  Lentulus,  non  impediente 
collega  (L.  Philippus,  vermahlt  mit  Caesars  Nichte  Atia);  sie,  in  quam,  . 
bonus  ut  meliorem  non  viderem.  §  5.  Pompeius . . .  hercule  non 
est  idem;  nam  apud  perditissimam  illam  et  inflmam  faecem  populi 
propter  Milonem  suboffendit,  et  boni  multa  ab  eo  desiderant,  multa 
reprehendunt.  Marcellinus  autem  hoc  uno  mihi  quidem  non  satis 
facit,  quod  eum  nimis  aspere  tractat:  quamquam  idsenatunon  in- 
vüo  facit:  quo  ego  me  lubentius  a  curia  et  ab  omni  parte  reipublicae 
8ubtraho.  Vgl.  de  harusp.  resp.  50:  ein  Teil  der  Optimaten  unterstützt  den 
Clodius  quo  tandem  deeepti  munere?  volo,  inquiunt,  esse  qui  in  con- 
tione  detrahat  Pompeio  .  . .  an  üle  demens  (Clodius) . . .  foedior  aut 
inquinatior  eis  Cn.  Pompeio  accusando  quam  in  universo  senatu 
vituperando  fuü?  quod  quidem  miror,  cum  alterum  sit  gratum 
iratis,  alterum  esse  tarn  bonis  civibus  non  acerbum.  Vgl.  auch  an 
Lentulus  I  9.  10. 

*)  Cicero  an  Lentulus  19.  6  itaque  quamquam  et  Pompeio  plti- 
rimum  . . .  debebam  et  eum  non  solum  benefleio  sed  amore  etiam 
et  perpetuo  quodam  iudicio  meo  diligebam,  tarnen  non  reputans, 


Angriffe  Ciceros  and  des  Senats  gegen  Caesar 


135 


er  ja,  anders  als  die  eifrigen  Optimaten,  ganz  bereit,  Pompe  jus' 
Principat  anzuerkennen.  Der  günstige  Verlauf  der  politischen 
Prozesse  schwellte  seinen  Mut;  bei  den  Verhandlungen  über 
Sestius  erjmfiE  er  die  Gelegenheit,  den  als  Zeuse  geladenen  Va« 
tinius,  das  verhaßteste  der  Werkzeuge  Caesars,  und  damit  in- 
direkt, trotz  aller  formell  beobachteten  Rücksicht,  Caesar  selbst 
in  Gegenwart  des  Pompejus  aufs  heftigste  anzugreifen :  Bibulus' 
Schicksal  sei  weit  ruhmvoller  als  alle  Siege  und  Triumphe,  die, 
welche  Bibulus  gezwungen  hätten,  das  Haus  zu  hüten,  d.  i.  Caesar 
und  seine  Gehilfen,  seien  dieselben,  die  ihn  aus  Rom  verjagt  hätten ; 
alle  Maßregeln,  die  Vatinius  als  Tribun  im  Dienste  Caesars  durch- 
gesetzt hatte,  unterzog  er  als  staatsfeindlich  imd  ungesetzlich 
einer  vernichtenden  Kritik1).  Die  Rede  für  Sestius  dagegen 
arbeitete  er  zu  einer  umfassenden  Apologie  seines  eigenen  Ver- 
haltens aus  und  zugleich  zu  einem  breit  ausgeführten  Appell  an 
die  Jugend,  sich,  allen  Gefahren  trotzend,  allein  dem  Dienst  des 
Staats  zu  weihen  und  der  Partei  der  Optimaten,  d.  i.  aller  ehr- 
lichen Bürger  im  Gegensatz  zu  den  selbstsüchtigen  und  moralisch 
verkommenen  Revolutionären  der  Popularpartei,  anzuschließen2). 

quid  ille  veUet,  in  otnnibus  meis  sententiis  de  republica  prislinis  per- 
manebam.  Das  ist  zwar  fast  3  Jahre  später  geschrieben  (Dezember  54) 
und  von  der  damaligen  Situation  beeinflußt,  gibt  aber  doch  Ciceros 
Auffassung  und  Haltung  nicht  unrichtig  wieder. 

')  An  Lentulus  I  9.  7.  In  der  veröffentlichten  Rede  findet  sich  der 
Passus  Ober  Bibulus  nicht;  auch  sonst  wird  sie  stark  überarbeitet  und 
namentlich  die  Äußerungen  aber  Caesar  (15  f.,  vgl.  38)  gemildert  sein. 
Vgl.  ad  Qu.  fr.  II  4,  1 :  bei  der  Verteidigung  des  Sestius  id,  quod  ille 
(Sestius)  maxime  cupiebat,  Vatinium,  a  quo  palam  oppugnabatur, 
arbitrato  nostro  concidimus  dis  hominibusque  plaudentibus. 

*)  Die  veröffentlichte  Hede  pro  Sestio  hat  offenbar  mit  der  wirk- 
lich vor  Gericht  gehaltenen  kaum  etwas  gemein,  sondern  ist  eine  poli- 
tische Broschüre,  die  für  Cicero  und  die  Politik  des  Senats  Stimmung 
machen  soll.  Von  Sestius  und  dessen  Prozeß  —  er  war  an  sich  dem 
Cicero  keineswegs  sympathisch,  ».  ad  Qu.  fr.  TL  3,  5.  4,  1  (defendendo 
?rior080  ficmini  cumulatissime  satisfeeimus).  ad  Att.  VII  17,  2;  vgl. 
Catnll  44  —  ist  in  der  ganzen  Broschüre  kaum  die  Rede.  —  Ein  selt- 
sames Gegenstück  dazu  bildet  die  kurz  darauf  gehaltene  Rede  pro  Caelio, 
in  der  Cicero  einen  höchst  zweifelhaften  Roue  und  ehemaligen  Anhänger 
Catilinas  in  einer  recht  faulen  Suche  zu  verteidigen  hat;  die  Affäre  war 


136 


Das  Principat  des  Pompejus 


In  der  Tat  schien  die  Restauration  des  Senatsregiments  in 
vollem  Gang.  Von  Pompejus  fürchtete  man  nichts  mehr;  um 
so  imbedenklicher  konnte  man  jetzt  Caesar  zu  Leibe  gehn. 
L.  Domitius  Ahenobarbus,  der  alte  Gegner  Caesars  (8.  86.  93), 
als  Persönlichkeit  ein  Optimat  von  typischer  Mittelmäßigkeit, 
aber  dank  dem  Adel  seines  Geschlechts  einer  von  denen,  „die 
schon  von  der  Geburt  an  zum  Consul  designiert  waren"1),  ver- 
kündete offen,  wenn  er  für  das  nächste  Jahr,  wo  er  das  gesetz- 
mäßige Alter  erreicht  hatte,  gewählt  werde,  werde  er  als  Consul 
durchführen,  was  ihm  als  Praetor  im  Jahre  58  nicht  gelungen 
war,  und  Caesar  Heer  und  Provinz  abnehmen1).  Anträge  zu 
Caesars  Gunsten,  die  die  Tribunen  im  März  einbrachten,  wurden 
vom  Consul  Marcellinus  durch  seine  Ansetzung  der  Pesttage  (oben 
S.  131)  lahmgelegt*).  Am  5.  April  aber  wurden  zunächst  dem 
Pompejus  reichliche  Geldmittel  für  die  Getreideversorgung,  40  Mil- 
lionen Seetertien,  bewilligt,  und  dann  die  schon  im  Dezember  57 
von  dem  Tribun  Rutüius  Lupus  zur  Sprache  gebrachte  Frage  der 
Rechtsbeatändigkeit  des  camuanischen  Acker« Gesetzes  wieder  auf- 
genommen.  In  der  sehr  erregten  Debatte  stellte  Cicero  selbst 
als  stimmführender  Consular  den  Antrag,  die  entscheidende  Ver- 


um eo  bedenklicher,  da  Cicero  die  rhetorisch-politische  Ausbildung  des 
jungen  Wüstlings  leitete,  der  Übrigens  ein  amüsanter  Plauderer  war. 
Cicero  hilft  sich  damit,  daß  er  erklärt,  man  müsse  der  Jugend  bei  ihren 
leichtsinnigen  Streichen  etwas  zugute  halten  (vgl.  oben  S.  23  Anm.), 
und  Bucht  die  Vorwürfe  gegen  ihn  mit  den  üblichen  Advokatenkunst- 
stücken möglichst  su  leugnen  oder  abzuschwächen;  im  übrigen  benutzte 
er  die  Gelegenheit,  um  aufs  neue  allen  auf  Clodius  und  seiner  Schwester 
lastenden  Schmutz  mit  Behagen  aufzuwühlen,  über  die  Form,  in  der 
die  Rede  auf  uns  gekommen  ist,  s.  Nordes,  Ber.  Berl.  Ak.  1913,  12  ff. 

')  Cic.  ad  Att.  IV  8  b,  2  (Herbst  56)  quid  enim  hoc  (Domitio)  mise- 
rius,  quam  cum,  qui  tot  annos  quot  habet  designatws  consul  fuerü, 
ficri  coruulem  non  posse? 

*)  Sueton  Caes.  24. 

')  ad  Qu.  fr.  II  4,  5:  durch  seine  Maßregeln  hat  Lentulus  (Marcel- 
linus) Catonem  a  legibus  removit  et  eos,  qui  de  Caesare  monsira 
promulgarunt,  quibus  intercederet  nemo.  Ober  den  Inhalt  dieser  An« 
tröge  wissen  wir  nichts;  vermutlich  waren  sie  identisch  mit  den  Maß- 
nahmen, die  nach  der  Krisis  für  Caesar  beschlossen  wurden  (S.  Uii). 


Der  Senat  gegen  die  Machthaber.  Gutachten  der  Haruepices  137 


Handlung  darüber  auf  den  15.  Mai  anzusetzen.  Das  wurde  an* 
genommen  und  damit  Caesar  in  aller  Form  die  Fehde  angekündigt. 
Daß  auch  Pompejus,  in  dessen  Interesse  die  Kolonie  Capua  ge- 
gründet war,  davon  aufs  schwerste  betroffen  wurde,  kümmerte 
den  Senat  nicht;  bei  der  notorischen  Spannung,  in  der  er  mit 
Caesar  stand  (S.  125,  vgl.  106),  glaubte  man  ihn  sicher  in  Händen 
zu  haben.  Cioero  suchte  ihn  zwei  Tage  darauf  noch  spät  abends 
auf,  da  Pompejus  am  nächsten  Tage  für  die  Getreidebeschaffung 
nach  Sardinien,  Cicero  auf  seine  Villen  gehn  wollte;  er  bat  um 
baldige  Heimsendung  seines  Bruders,  was  Pompejus  bereitwillig 
zusagte;  von  der  tiefen  Verstimmung,  die  er  innerlich  empfand, 
ließ  er  nichts  merken1). 

Daß  inzwischen  Crassus  sich  zu  Caesar  nach  Raven  na  begeben 
hatte2),  daß  Appius  Claudius,  zum  Propraetor  von  Sardinien 
bestellt,  gleichfalls  zu  Caesar  gegangen  war,  offenbar  um  für 
seinen  durch  die  Aedilität  an  Rom  gebundenen  Bruder  mit  ihm 
zu  verhandeln,  und  nicht  zurückkam3),  daß  Clodius  selbst  jetzt 
mit  Pompejus  seinen  Frieden  machte,  blieb  unbeachtet.  Viel- 
mehr forderte  der  Senat  auf  die  Kunde  von  einem  unheilver- 
kündenden Vorzeichen  —  dem  dumpfen  Grollen  eines  Erdbebens 
—  von  den  etruskischen  Haruspices  ein  Gutachten,  und  dieses, 
offenbar  von  den  leitenden  Gegnern  des  Pompejus  inspiriert, 
verkündete,  die  Götter  drohten  wegen  Vernachlässigung  der 
religiösen  Pflichten,  Profanation  heiliger  Orte,  und  Ermordung 
fremder  Gesandten  gegen  Recht  und  Treue  mit  Bluttaten  und 
Gefahren  durch  den  Zwist  der  Optimaten,  aus  denen  die  Herr- 


')  ad  Qu.  fr.  II  5;  vgl.  an  Lentulu»  I  9,  7  Marcellino  et  Philippo 
consulibus  Nonis  Aprilibus  mihi  est  senatus  adsensus,  ut  de  agro 
Campano  frequenti  senatu  Idibus  Maiis  referretur;  num  potui 
magis  in  arcem  iüius  causae  mvadere  aut  tnagis  oblivisci  tem- 
porum  meorum,  meminisse  actionum? . . .  hoc  senatus  consulto  in 
meam  sententiam  facto  Pompeius,  cum  mihi  ni/iil  ostendisset  se 
esse  offensum,  in  Sardiniam  et  in  Africam  profectus  est  eoque  iti- 
tinere  Lucam  ad  Caesarem  venit. 

')  An  Lentulus  I  9,  9. 

*)  ad  Qu.  fr.  II  4,  6  (Mitte  März)  Appius  a  Caesare  nondum  re- 


138 


Das  Principat  des  Pompejus 


schaft  eines  Einzigen  hervorgehn,  die  Verfassung  umgestürzt, 
die  sohlechten  Elemente  zur  Herrschaft  gelangen  würden. 
Offenbar  zielte  das  Gutachten  auf  Pompejus,  mit  dem  zusammen, 
durch  den  Schutz,  den  ein  Teil  der  Optimaten  dem  Clodius  an- 
gedeihen  ließ,  das  Gesindel  zur  Macht  gelangen  werde.  Natür- 
lich gab  es  über  die  Auslegung  weitere  Händel:  Clodius  erklärte 
Cicero  für  den  Schuldigen,  dem  der  von  ihm  geweihte  Boden 
seines  Hauses  mit  Verletzung  der  Religion  zurückgegeben  sei, 
und  gab  dabei  zugleich  von  seiner  Versöhnung  mit  Pompejus 
Kunde,  den  er  mit  Lobsprüchen  überschüttete1).  Cicero,  der 
offenbar  deshalb  seinen  Landaufenthalt  unterbrochen  hatte, 
deutete  es  umgekehrt  auf  Clodius,  den  er  in  einer  sofort  publi- 
zierten Broschüre  aufs  neue  mit  Schmähungen  überschüttete, 
während  er  zugleich  in  üblicher  Weise  die  eigenen  Verdienste 
und  seine  Voraussicht  im  hellsten  Lichte  strahlen  ließ  —  man 
begreift,  daß  einem  Teil  der  Senatoren  bei  diesen  ewigen  Renom- 
raagen  endlich  die  Geduld  ausging2)    Politisch  bedeutsam  war 

')  de  harusp.  reep.  51  Jegant  hanc  eins  contionem  . . .  certe  laudat 
(PotnpeiumJ  et  unum  esse  in  hac  civitate  dignum  huius  imperü 
gloria  dicü  et  significat,  se  UH  esse  amicissimum  et  reconcüiationem 
esse  gratiae  factam.  .. .  nunc  iam  laudat  iüum,  in  eos  inveliitur, 
quibus  se  antea  venditabat.   Vgl.  Dio  39,  29,  1  (oben  S.  125.  3). 

*)  de  har.  resp.  7.  17.  Das  betreffende  Vorzeichen  nebst  einer  Reihe 
anderer  (vgl.  de  har.  resp.  64)  und  dem  Gutachten  erwähnt  auch  Dio 
39,  20,  ebenso  die  gegenseitigen  Schmähungen  c.  21,  3  f.;  er  schließt 
daran  den  neuen  Angriff  des  Clodius  auf  Ciceros  Haus  und  die  Ent- 
fernung der  Gesetzestafeln  des  Clodius  durch  Cicero  (an  die  er  Cato* 
Rückkehr  und  seinen  Konflikt  mit  Cicero  darüber  anschließt,  ebenso 
Plut.  Cic.  34  =  Cat.  40).  Diese  Vorgänge  werden  von  Cicero  nie  er- 
wähnt, fallen  mithin  sicher  später  als  de  harusp.  resp.  oder  gar  pro 
Sest.  usw.;  andrerseits  ist  es  kaum  denkbar,  daß  Cicero  nach  der  Krisi* 
und  seiner  Unterwerfung  so  vorgegangen  wäre  [doch  s.  unten  S.  151  Anm.  4  ]. 
Ebenso  kann  die  Rede  de  har.  resp.  nur  vorher  fallen,  ehe  die  neue 
Vereinigung  der  Drei  in  Luca  ruchbar  wurde  (gegen  Drümamr  II  *  278; 
hätte  Cicero  von  dieser  Wendung  eine  Ahnung  gehabt,  so  würde  er 
ganz  anders  oder  vielmehr  garnicht  geredet  haben);  daher  kann  sie 
auch  nicht  mit  Lange,  Röm.  Alt.  DU  '  330.  auf  den  7.  Mai,  sondern,  da 
die  Feier  der  Megalesien  durch  Clodius  als  Aedilen  darin  §  22  erwähnt 
wird,  die  am  4.  April  (einen  Tag  vor  der  oben  S.  136  berichteten  Senats- 


Pom  pejus,  Cicero  und  Clodius  im  Frühjahr  56 


dagegen,  daß  er  die  Zwietracht  der  Optimateu,  von  der  das 
Gutachten  sprach,  in  der  von  einem  Teil  derselben,  um  Pompejus 
zu  demütigen,  dem  Clodius  gewährten  Förderung  sah  und  sich 
bitter  darüber  beklagte,  und  daß  er  erklärte,  dem  Pompejus  ge- 
reichten die  Lobsprüche,  die  ihm  Clodius  jetzt  erteilte,  viel  mehr 
zur  Unehre,  als  seine  bisherigen  Schmähungen.  Das  war  eine 
an  Pompejus  gerichtete  Mahnung,  auf  dem  richtigen  Wege  zu 
beharren.    Im  übrigen  hat  Clodius  in  der  Tat  noch  einmal  den 

sitzung)  stattfand,  nur  Mitte  oder  spätestens  zweite  Hälfte  April  fallen,  und 
muß  dann  sofort  publiziert  worden  sein.  Nun  schreibt  Cicero  allerdings 
seinem  Bruder  in  der  Morgendämmerung  des  8.  April,  er  wolle  an 
diesem  Tage  aufs  Land  gehn  und  am  6.  Mai  zurückkehren,  und  eben 
darum  hat  man  de  har.  reep.  und  die  weiteren  Vorgänge  nach  letzterem 
Datum  angesetzt.  Aber  Cicero  kann  seinen  Vorsatz  sehr  wohl  geändert 
haben  und  infolge  der  dortigen  Vorgänge  alsbald  nach  Rom  zurück- 
gekehrt sein;  und  dafür  spricht,  daß  wir  aus  diesem  Landaufenthalt 
keine  Briefe  an  Atticus  haben  außer  vielleicht  dem  kurzen ,  politisch 
inhaltlosen  und  daher  nicht  genauer  datierbaren  Billet  IV  4  b.  Denn 
die  folgenden  Briefe  IV  5—7  werden  von  dun  Hurausgebern  allgemein 
falsch  datiert,  wenn  sie  in  den  April  oder  Anfang  Mai  gesetzt  werden: 
ßie  fallen  nach  der  Unterwerfung  Ciceros  unter  das  Gebot  der  Macht- 
haber, mithin  auch  nach  der  Senatssitzung  vom  1">.  Mai,  bei  der  Cicero 
anwesend  war  (ad  Qu.  fr.  II  6,  s.  u.  S.  145),  und  die  notXtvujSta,  die 
Cicero  Att.  IV  5  dem  Freunde  zu  schicken  sich  schämt,  ist,  wie 
Momhsen  richtig  erkannt  hat,  ohne  Zweifel  die  Rede  de  prov.  cons.,  die 
frühestens  etwa  Mitte  Mai  verfaßt  sein  kann.  Gleichzeitig  hat  er  in  Rom 
den  Brief  an  Quintus  II  6  geschrieben,  als  er  von  diesem  nach  dem  Mitte 
Februar  eingetroffenen  Brief  aus  Olbia  (II  3.  7)  erst  jetzt  wieder  einen 
Brief  erhielt,  in  dem  er  seine  bevorstehende  Rückkehr  meldete  und 
offenbar  von  Pompejus'  Warnungen  und  Forderungen  Mitteilung  ge- 
macht hat  (vgl.  an  Lentulus  I  9,  9).  Daß  Cicero  ihm  seit  dorn  8.  April 
(II  4)  nicht  mehr  geschrieben  hat  und  sich  jetzt  auf  ein  kurzes  Billet 
beschränkt,  ist  sehr  natürlich.  Nach  Quintus'  Rückkehr  wird  er  etwa 
im  Juni  wieder  aufs  Land  gegangen  sein,  und  in  diese  Zeit  fallen  dann 
die  Briefe  an  Atticus  IV  5—7,  sowie  der  an  Luccejus  V  12.  —  Daß 
Momisbn  R.G.  IH  7  318  das  Gutachten  der  Haruspices  vor  die  Ver- 
handlung im  Senat  am  5.  April  und  Ciceros  Antrag  über  den  ager 
Campanus  setzt,  ist  lediglich  eine  durch  Gesichtspunkte  des  Aufbaus 
seiner  Darstellung,  also  durch  stilistisch-rhetorische  Motive  verursachte 
Flüchtigkeit,  wie  bei  ihm  so  häufig,  in  derselben  Weist*  wie  bei  so 
vielen  alten  Historikern. 


140 


Das  Principat  des  Pom  pejus 


Versuch  gemacht,  Cicero«  Haus  niederzulegen,  wurde  aber  durch 
Milo  daran  gehindert;  Cicero  rächte  sich  dadurch,  daß  er,  von 
dessen  Banden  und  einigen  Tribunen  begleitet,  die  Tafeln,  auf 
denen  Clodius'  Gesetze  aufgezeichnet  waren,  auf  dem  Capitol 
umstürzte  und  fortschleppte1). 

Die  Konferenz  von  Luca  und  ihre  Folgen 

Aber  die  Erwartung,  daß  Poinpejus  sich  dem  Senat  fügen 
werde,  erfüllte  sich  nicht;  vielmehr  trieb  ihn  eben  die  Notlage, 
in  die  ihn  dieser  im  Zusammenwirken  mit  Clodius  gebracht  hatte, 
aufs  neue  seinem  Schwiegervater  in  die  Arme,  so  sauer  ihm 
dieser  Entschluß  geworden  sein  mag.  Insofern  war  Ciceros 
Politik,  wenn  wir  von  seinen  gehässigen  Invektiven  absehn,  weit 
verständiger  als  die  der  Heißsporne:  er  suchte  die  Kluft  zwischen 
Poinpejus  und  Clodius  zu  vergrößern  und  jenen  dadurch  zur 
Verbindung  mit  dem  Senat  zu  zwingen,  wofür  er  ihm  Kon- 
zessionen und  Ehrungen  in  Aussicht  stellte1),  während  jene 
durch  ihre  gewiß  ehrlichen,  aber  kurzsichtigen  Angriffe  das 
Gegenteil  von  dem  bewirkten,  was  sie  erstrebten3). 


')  Siehe  S.  138.  2.  Bei  seinem  ersten  Versuch  wurde  Cicero  durch 
Clodius  und  dessen  Bruder  Gaius,  damals  Praetor,  der  im  (ihrigen  keine 
politische  Rolle  gespielt  hat,  daran  verhindert,  der  zweite  glückte.  Dio 
39,  21. 

*)  So  weit  ist  auch  Cicero»  Behauptung  de  har.  resp.  3  nihil  feci 
iratus,  nViü  impotenti  animo,  nihü  non  diu  consideratum  ac  mtdto  ante 
meditatum  nicht  unberechtigt,  so  einseitig  sie  ist.  Die  politischen  Hinter- 
gedanken, die  ihn  leiteten,  konnte  er  natürlich  nicht  offen  aussprechen; 
aber  daß  er  sich  von  allen  direkten  Angriffen  auf  Poinpejus  zurückhielt 
(vgl.  S.  124),  war  durchaus  berechtigt,  so  sehr  ihm  das  von  den  Zeit- 
genossen und  den  modernen  Kritikern  zum  Vorwurf  gemacht  worden 
ist.  Natürlich  verdarb  er  indessen  seine  Wirkung  und  schwächte  seine 
Position  durch  seine  maßlose  Eitelkeit  und  durch  das  widerliche  Ge- 
zanke, zu  dem  doch  er  selbst  und  nicht  etwa  Clodius  durch  nein  törichtes 
Verhalten  gegen  diesen  bei  dem  Skandal  beim  Feste  der  Bona  dea  den 
Anstoß  gegeben  hatte. 

*)  An  Lentulus  schreibt  Cicero  Anfang  55  (I  8,  4)  dignüotem  quidem 
illam  consularem  fortis  et  constantis  senaieris  nihü  est  quod  cofji- 


Caesars  Verhalten  gegen  Pompejus 


Hl 


So  lag  die  Entscheidung  in  den  Händen  Caesars.  Mokhsen 
ist  der  Meinung,  daß  wenn  Caesar  den  Pompejus  jetzt  nicht  fallen 
ließ,  sondern  ihm  zu  einer  gesteigerten  Machtstellung  verhalf, 
dies  an  sich  ein  schwerer  politischer  Fehler  gewesen  sei,  der  ihm 
bittere  Früchte  getragen  habe;  erklären  lasse  er  sich  nur  durch 
die  Rücksicht  auf  die  große  und  ideale  Aufgabe,  die  Caesar  in 
Gallien  in  Angriff  genommen  hatte.  Aber  diese  Auffassung  ist 
nach  beiden  Seiten  völlig  unhaltbar;  sie  beruht  auf  der  nicht 
nur  einseitigen,  sondern  durch  und  durch  gewaltsamen  und  die 
wahre  Lage  verkennenden  Auffassung,  von  der  Mommsens  ge- 
samte Darstellung  dieser  Zeit,  so  bestechend  sie  gewirkt  hat, 
beherrscht  ist.  Allerdings  hat  Caesar  die  Eroberung  Galliens, 
wie  alles,  was  er  unternahm,  im  großen  Stil  angefaßt;  er  fühlte 
die  Kraft  in  sich  zu  schöpferischer  Tätigkeit,  und  das  ist  ge- 
schichtlich seine  Rechtfertigung.  Aber  an  sich  war  sie  ihm  immer 
nur  Mittel  zum  Zweck:  sich  eine  dauernde  Machtstellung  im 
römischen  Staat  zu  schaffen  und  gegen  die  ihm  drohenden  An- 
griffe und  Gefahren  mit  allen,  auch  den  bedenklichsten  Mitteln 
zu  sichern,  war  sein  Ziel.  Revolutionär  war  er  durch  und  durch; 
er  mochte  sich  damit  rechtfertigen,  daß  es  nach  seiner  Auf- 
fassung, die  von  manchen  andern  geteilt  wurde,  seit  Sulla  eine 
legitime  Staatsverfassung  überhaupt  nicht  mehr  gab  und  daher 
dem  persönlichen  Ehrgeiz  keine  Schranken  mehr  gesetzt  waren. 
Wie  weit  ihn  der  eingeschlagene  Weg  führen  werde,  konnte  er 
so  wenig  sagen,  wie  sonst  irgend  jemand;  aber  hätte  er  damals 
schon  an  die  Aufrichtung  seiner  Monarchie  gedacht,  so  wäre  er 
ein  Träumer  gewesen  und  kein  Staatsmann.  Die  Stellung,  die 
er  gewonnen  hatte,  beruhte  auf  der  Koalition  mit  Pompejus 
und  der  dadurch  ermöglichten  gewaltsamen  Durchbrechung  des 
Senatsregiments;  hätte  er  jetzt  Pompejus  nur  lau  unterstützt 
oder  gar  fallen  lassen,  wie  Mommsen  fordert,  so  hätte  er  diesen 
zum  Anschluß  an  den  Senat  gezwungen  und  damit  eine  Koalition 
geschaffen,  der  er  in  seiner  damaligen  Lage  in  keiner  Weise  ge- 

tetnus:  amissa  culpa  est  cor  um,  qui  a  senatu  et  ordinem  coniunc- 
tissimum  (die  Ritterschaft)  et  hominem  darissimum  (Pompejus)  o6- 
alienarunt. 


142 


Das  Principat  des  Pom  pejus 


wachsen  war ;  damit  würde  er  sich  selbst  mutwillig  das  Schicksal 
des  Sertorius  bereitet  haben.  Auch  in  den  Jahren  51  und  50 
und  noch  im  Bürgerkriege  hat  er,  obwohl  damals  seine  Macht 
weit  größer  und  Gallien  wirklich  unterworfen  war,  bis  zuletzt 
alles  versucht,  um  durch  weitgehende  Konzessionen  den  Bruch 
zu  vermeiden  oder  wieder  zu  überbrücken,  und  zum  Schwert 
nur  gegriffen,  weil  ihm  kein  anderer  Ausweg  blieb;  wie  die  Dinge 
zu  Anfang  des  Jahres  56  lagen,  kann  ihm  der  Gedanke,  Pom- 
pejus  zurückzuweisen  und  dadurch  den  Bürgerkrieg  herbeizu- 
führen, überhaupt  nicht  in  den  Sinn  gekommen  sein.  Daß  Pom- 
pejus  von  der  einen  Seite  durch  den  Senat,  von  der  andern 
durch  Crassus  und  Clodius  in  eine  Notlage  gebracht  und  damit 
seine  eigene  Stellung  tatsachlich  über  ihn  hinausgehoben  war, 
war  ihm  natürlich  sehr  recht,  und  er  hat  zweifellos  die  Umtriebe 
der  anarchistischen  Demagogen  insgeheim  gefördert;  jetzt  aber, 
wo  Pompejus  sich  wieder  an  ihn  wandte,  mußte  er  alles  tun, 
um  ihm  entgegenzukommen  und  durch  neue  Festigung  der 
Koalition  die  Opposition  in  Rom,  die  auch  und  sogar  in  erster 
Linie  seine  eigene  Stellung  aufs  schwerste  bedrohte,  wieder  in 
die  ohnmächtige  Lage  zurückzuwerfen,  in  die  er  sie  als  Consul 
gebracht  hatte. 

So  hat  Caesar  den  Crassus  in  Ravenna  veranlaßt,  seine  Intrigen 
gegen  Pompejus  aufzugeben,  und  auf  Clodius  eingewirkt,  daß  er 
auf  dessen  Seite  übertrat  und  seine  Banden  aufs  neue  den  ver- 
einten Machthabern  zur  Verfügung  stellte.  Dann  kam  er  dem 
Pompejus  bis  an  die  äußerste  Grenze  seiner  Provinz  entgegen, 
nach  Luca,  nördlich  vom  Arno1).  Hier  traf  Pompejus,  statt  nach 
Sardinien  zu  gehn,  um  die  Mitte  April  (Ende  März  jul.)  mit  Caesar 
und  Crassus  zusammen1).  Während  im  Jahre  60  die  Verbindung 


')  Sueton  Caes.  24  in  urbem  provinciae  «uae  Lucam.  Luca,  ur- 
sprünglich bekanntlich  latinische  Kolonie,  war  jetzt  BQrgerstadt  wie 
alle  Städte  der  Cispadana;  das  benachbarte  Pisae,  in  dessen  Hafen 
PompejuB  gelandet  sein  wird,  gehörte  dagegen  zu  Italia. 

')  Also  zu  einer  Zeit,  wo  der  Feldzog  des  nächsten  Jahres  unmittel- 
bar bevorstand;  Caesar  ist  offenbar  durch  die  politische  Lage  länger  in 
Italien  zurückgehalten  worden,  als  er  sonst  geblieben  wäre.  Im  bellum 


Die  Konferenz  von  Luca 


143 


geheimgehalten  wurde,  vollzog  sie  sich  diesmal  in  breiter  Oeffent- 
lichkeit:  alle  Anhänger  der  Machthaber  wurden  aufgeboten,  und 
dazu  drängte  sich  heran,  wer  immer  hier  seinen  Vorteil  zu  finden 
hoffte,  Männer  und  Frauen.  Uber  zweihundert  Senatoren  fanden 
sich  zusammen,  darunter  zahlreiche  Statthalter  und  Beamte,  so 
der  Proconsul  Meteilus  Nepos  aus  Spanien  und  der  Propraetor 
Appius  Claudius  (S.  137)  aus  Sardinien ;  man  zählte  in  Luca  nicht 
weniger  als  hundertzwanzig  Lictoren1). 

Für  die  Zukunft  wurde  ausgemacht,  daß  Pompejus  und 
Crassus  im  nächsten  Jahre  das  Consulat  übernehmen  und  dann 
jeder  gleichfalls  ein  eigenes  Machtgebiet  erhalten  sollte,  Pompejus 
die  beiden  Spanien,  Crassus  Syrien,  von  dem  aus  er  einen  Krieg 
gegen  die  Parther  unternehmen  und  ebenso  wie  Caesar  ein  Reich 
von  gewaltigem  Umfang  gewinnen  konnte;  zum  Entgelt  sollten 
die  vier  Legionen,  die  Caesar  auf  eigene  Hand  zu  den  vier  ihm 
bewilligten,  ohne  eine  Ermächtigung  dazu  nachzusuchen,  aus- 
gehoben und  bisher  aus  privaten  Mitteln,  aus  der  Beute,  über 
die  er  nach  Gutdünken  verfugte,  und  den  Kontributionen  der 
Untertanen  bezahlt  hatte,  auf  die  Staatbkasse  übernommen 
werden  —  darauf  wird  auch  der  oben  S.  136  erwähnte  Antrag 
der  Tribunen  gegangen  sein  — ,  und  ihm  ebenso  wie  den  beiden 
andern  sein  Kommando  auf  eine  weitere  Reihe  von  Jahren  ver- 
längert werden.  Pompejus  dagegen  verzichtete  auf  die  Ge- 
winnung neuer  kriegerischer  Lorbeeren;  die  aegrptische  Ex- 
pedition, die  immer  nur  eine  Verlegenheitsauskunft  gewesen 
war,  ließ  er  fallen,  sie  wurde  von  den  Machthabern  dem  Gabinius 


Oallioum  verschleiert  er  diese  Dinge  in  Üblicher  Weise;  er  erzählt  mit 
der  harmlosesten  Miene,  daß  er  im  Winter  57/6  nach  Ulyricum  ge- 
gangen sei,  quod  eas  quoque  nationes  adire  et  regiones  cognoscere 
volebat  (III  7,  vgl.  II  35);  da  sei  plötzlich  in  Gallien  ein  neuer  Krieg 
ausgebrochen,  der  Aufstand  der  Veneter.  Durch  P.  Crassus  erhält  er  die 
Kunde  davon,  läßt  Schiffe  auf  der  Loire  bauen,  ipse,  cum  primutn per 
anni  tempus  potuü  (darin  steckt  die  Konferenz  in  Luca,  von  der 
natürlich  mit  keinem  Wort  die  Rede  ist),  ad  exercitutn  contendü. 

')  Plut.  Caes.  20.  Pomp.  51  =  Appian  II  17;  Appian  hat  in  seiner 
Manier  die  alberne  Motivierung  hinzugefügt,  Caesar  sei  nach  der  Cis- 
alpina  gegangen  ix  ouv*xo"C  «oXtfioo  tiv  otpativ  dvanaoowv  h?  bXtfov. 


Iii 


Da»  Principat  des  Pumpejas 


zugewiesen.  Vielmehr  sollte  er  nach  wie  vor  der  Regent  der 
Hauptstadt  und  damit  des  Reichs  bleiben,  jetzt  nach  der  neuen 
Einschüchterung  des  Senats  und  der  Beilegung  des  Haders  mit 
Clodius,  wo  ihm  die  anarchistischen  Banden  wieder  zur  Verfügung 
standen,  in  gefesteterer  Stellung  als  vorher.  Im  übrigen  wurdeu 
für  die  Besetzung  der  Ämter  auch  für  die  folgenden  Jahre  die 
den  Machthabern  genehmen  Kandidaten  in  Aussicht  genommen 
und  eine  Liste  darüber  aufgestellt1);  und  Caesars  Gold  floß  in 
Strömen  allen  zu,  die  sich  um  die  Krippe  drängten  und  geeignet 
erschienen  oder  die  man  zu  erkaufen  strebte. 

Etwa  Anfang  Mai  kam  die  Kunde  von  diesen  Abmachungen 
nach  Rom.  Gegen  die  Koalition  und  ihren  mächtigen  Anhang 
war  jede  Opposition  wehrlos.  Die  Masse  der  Senatoren  fügte 
sichr  teils  resigniert,  teils  durch  die  Lockungen  gewonnen;  wer 
es  ehrlich  mit  der  Republik  meinte,  mochte  wie  im  Jahre  59  den 
Kampf  gegen  das  Gebot  der  Machthaber  bis  zuletzt  fortsetzen, 
aber  mit  dem  lähmenden  Bewußtsein,  daß  jede  Aussicht  auf 
Erfolg  geschwunden  war.  Cicero  gefügig  zu  machen  übernahm 
Pompejus.  Als  er  von  Luca  nach  Sardinien  kam,  stellte  er  Quintus 
Cicero  zur  Rede  und  forderte  die  Erfüllung  der  Verpflichtungen, 
für  die  dieser  sich  bei  der  Rückberufung  seines  Bruders  verbürgt 
hatte,  vor  allem  die  Einstellung  aller  Angriffe  auf  Caesar.  Zu- 
gleich schickte  er  an  Cicero  selbst  den  L.  Vibullius,  einen  seiner 
Offiziere,  mit  der  bestimmten  Forderung,  in  der  Frage  des  cam- 
panischen Ackergesetzes  alles  ruhen  zu  lassen,  bis  Pompejus 
zurückgekehrt  sei2).  Cicero  blieb  nichts  übrig,  als  sich  zu  fügen: 
sein  Traum  war  ausgeträumt,  er  erkannte,  daß  seine  ganze  Politik 
auf  falschen  Voraussetzungen  aufgebaut  und  unausführbar  ge- 

')  Cic.  ad  Att.  IV  8  b.  2  im  Anschluß  an  die  Angabe  über  Domitiua 
(S.  186,  1)  si  vero  id  est,  quod  nescio  an  sit,  ut  non  minus  longas  iam 
in  codicillorum  fastis  futurorum  con&ulutn  paginulas  habeat  (Pom- 
pejus) quam  factorum,  quid  Mo  (Domitio)  miserius  nisi  respublica?  in 
qua  ne  speratur  quidem  melius  quidquam.  Genauen  Bericht  über  die 
Konferenz  in  Luca  gibt  Plut.  Caes.  21  =  Pomp.  51  =  Appian  II  17; 
Dio  hat  sie,  wie  schon  erwähnt,  übergangen,  Sueton  berührt  sie 
nur  kurz. 

s)  An  Lentulus  I  9,  9  f. 


Cicero  unterwirft  sich;  sein  Eintreten  für  Caesar 


145 


wesen  war.  „Ich  weiß/'  achrieb  er  kurz  darauf  an  Atticus,  „daß 
ich  ein  rechter  Esel  gewesen  bin"1).  Bei  der  auf  seinen  Antrag 
vom  5.  April  am  15.  und  16.  Mai  auf  der  Tagesordnung  des  Senats 
stehenden  Verhandlung  über  Campanien  —  die  natürlich  zu 
keinem  Ergebnis  führte  —  blieb  er  dem  Befehl  des  Pompejus 
gemäß  fern:  „In  dieser  Sache/'  schreibt  er  seinem  Bruder, 
„stockt  mir  das  Wasser  in  der  Kehle"2).  Als  dann  aber  die  An- 
träge über  Caesars  Stellung  vor  den  Senat  gebracht  wurden, 
mußte  auch  er  offen  hervortreten:  er  unterstützte  den  Antrag, 
die  Soldzahlung  für  seine,  auf  eigene  Faust,  dem  Senat  zum 
Hohn,  ausgehobenen  Legionen  auf  die  Staatskasse  zu  über- 
nehmen und  ihm  zehn  staatlich  anerkannte  Legaten  zu  be- 
willigen, und  trat  den  zahlreichen  Opponenten,  die  davon  nichts 
wissen  oder  zum  mindesten  die  Entscheidung  vertagen  wollten, 
mit  Nachdruck  entgegen.  Natürlich  wurde  der  Antrag  an- 
genommen; es  half  nichts,  daß  Favonius,  in  Catos  Abwesenheit 
der  Führer  der  Opposition,  zur  Tür  hinaussprang  und  das  Volk 

')  ad  Att  IV  5,  3  quoniam  qui  nihil  possunt,  ii  me  nolunt 
amare,  demus  operam,  ut  ab  iis  qui  possunt  diligamur.  dices:  Vellern 
iam  pridem.  scio  te  voluisse  et  me  asinum  germanum  fuisse.  Der 
Brief  ist  frühestens  im  Juni  geschrieben  (oben  S.  189  Anm.). 

■)  ad  Qu.  fr.  II  6.  Der  Text  ist  korrupt  überliefert.  Cicero  freut 
sich,  daß  am  15.  Mai  der  Senat  dem  Gabinius  die  beantragte  suppli- 
catio  für  in  Syrien  gewonnene  Erfolge  (vgl.  de  prov.  cons.  9;  es  ist 
wohl  der  Sieg  über  den  jüdischen  Prinzen  Alexander)  verweigerte 
(ebenso  de  prov.  cons.  14),  und  zwar  in  Abwesenheit  Cicero*  (mihi  cum 
sua  sponie  iucundum,  tum  iucundius,  quod  me  absente)  —  er  war 
damals  in  Rom.  wo  er  den  Brief  schreibt,  ist  aber  eben  nicht  in  die 
Sitssung  gegangen.  Dann  fahrt  er  fort  eram  ante,  quod  Idibus  et  postri- 
die  fuerat  dictum,  de  agro  Campano  actum  iri,  fnonf  ut  est  actum; 
in  hoc  causa  mihi  aqua  haerei.  non  ist  im  Mediceus  ausradiert  und 
durch  einen  darunter  gesetzten  Strich  von  anderer  Hand  als  zu  tilgen 
«zeichnet.  Mit  vollem  Recht  verwirft  Stbrskopf,  Hermes  39,  1904, 
416  f.  das  Verfahren  der  Herausgeber,  die  trotzdem  allgemein  non  bei- 
behalten und  statt  dessen  ut  tilgen.  Die  Korruptel  steckt  in  eram  ante, 
für  das  Stkuiiopf  aber  am  autem  vorschlägt,  was  einen  guten  Sinn 
gibt.  Jedenfalls  sollen  die  folgenden  Worte  sein  Ausbleiben  in  der 
Sitzung  motivieren,  und  hier  ist  die  Überlieferung  des  Mediceus:  .weil 
gesagt  war.  am  15.  und  16.  Mai  solle  über  den  ager  Campanus  ver- 
Meyer, Caesars  Monarchie  10 


140 


Das  Principat  de«  Pom  pejus 


zum  Widerstand  aufrief1).  Cicero  aber  bekräftigte  die  neue 
Freundschaft  mit  Caesar  noch  weiter  dadurch,  daß  er  bei  der 
Aalsfertigung  des  Beschlusses  als  Zeuge  mitwirkte*).  Bald  darauf 
stand  die  Frage  zur  Verhandlung,  welche  Provinzen  den  Consuln 
des  Jahres  55  zugewiesen  werdeu  sollten  —  der  Beschluß  darüber 
mußte  nach  einem  Gesetz  des  C.  Gracchus  vor  den  Wahlen  ge- 
faßt werden  und  unterlag  nicht  der  tribunicischen  Intercession  — ; 
auch  hier  trat  Cicero  gegen  den  Antrag  auf,  Caesar  seine  beiden 
gallischen  Provinzen  oder  eine  derselben  zu  entziehn,  und  forderte 
statt  dessen  die  Zuweisung  von  Makedonien  und  Syrien  an  die 
Consuln.  Die  Zustimmung  zu  diesem  von  Servilius  Isauricus, 
dem  ältesten  der  Consulare,  gestellten  Antrag  wurde  ihm  formell 
dadurch  erleichtert,  daß  er  so  wenigstens  seinem  Grimm  gegen  die 
bisherigen  Statthalter  Piso  und  Gabinius,  Caesars  Werkzeuge, 
aufs  neue  Luft  schaffen  konnte3).  Durch  ziemlich  fadenscheinige 


handelt  werden,  wie  das  denn  auch  geschehen  ist'  vollkommen  in 
Ordnung. 

')  Plut.  Caes.  21  ot  yop  tooaöta  xPr*i!lata  "'P*  Katoapo^  Xafißdvovtt; 
tu$  ota  ?xovtt  Sifcov«1  r*)v  ßooMjv  fmid-ov,  fi.äXXov  ?i  -rjvdpiaCov,  lntotivoooav 
l^^tCovto»  ■  •  •  4>au>vtO!>  .  .  .  «ü;  ooiiv  Juewepatvtv  ävrtXsTtvv,  igaXXo- 
ucvoo  8iä  &op4t»v  »al  ßoüivtoe  «ls  *i  nX-?jdt)<. 

*)  de  prov.  cons.  28.  Ebenso  pro  Balb.  61.  An  Lentolus  17,  10 
nom  qui  plus  opibus,  armis,  potentia  valent,  perfecisse  tarnen  mihi 
videntur  stultitia  et  ineonstantia  adversariorum ,  ut  etiam  auctori- 
tate  iam  plus  valerent.  itaque  perpaucis  adversantibus  [dagegen  de 
prov.  cons.  28  multis  dissentientibus]  omnia  quae  ne  per  populum 
quidem  sine  sediüone  se  adsequi  arbitrabantur ,  per  senatum  con- 
secuti  sunt:  nam  et  Stipendium  Caesari  decretum  est,  et  decem 
legati  et  ne  lege  Sempronia  succederetur  facile  perfectum  est;  daß 
er  selbst  eifrig  dafür  eingetreten  ist,  verschweigt  er  hier.  Dio  89.  25 
hat  aus  den  zehn  Legaten  Senatskommissare  zur  Einrichtung  der  neuen 
gallischen  Provinz  gemacht  (dagegen  mit  Recht  Grokbe  bei  Drumann 
m  248.  1;  allerdings  berichtet  auch  Sneton  Caes.  24,  daß  der  Senat 
quondam  legatos  ad  explorandum  statum  GaUiarum  mittendos  de- 
creverit):  er  hat  hier,  wie  oben  S.  125,  8  ausgeführt,  alles  verschoben, 
laßt  Pompejus  über  den  Beschluß  sehr  erbittert  sein  und  sich  deshalb 
wieder  mit  Crassus  verbinden. 

')  Er  beantragte  daher,  daß  beide  sogleich  abberufen  werden  und 
ihre  Provinzen  wahrend  des  Jahres  55  an  Propraetoren  vergeben  werden 


Cicero«  Eintreten  für  Caesars  Provinzen 


147 


Argumente  suchte  er  nachzuweisen,  daß  dem  Antrag,  die  Cis- 
alpina  unter  Berücksichtigung  des  Vatinischen  Gesetzes,  das  sie 
dem  Caesar  bis  zum  letzten  Februar  (oder  Intercalaris)  des 
Jahres  54  zuwies,  vom  1.  März  dieses  Jahres  an  neben  Syrien 
für  die  Consuln  von  55  zu  bestimmen,  staatsrechtliche  Bedenken 
gegenüberständen1);  die  Transalpina  aber  ihm  zu  nehmen,  ehe 
daß  große  Werk  der  Unterwerfung  Galliens  vollendet  sei,  sei  im 
Interesse  des  Staats  unzulässig;  und  überhaupt  habe  Caesar  sich 
jetzt  so  gewaltige  Verdienste  erworben,  daß  man  alles  Frühere 
darüber  vergessen  und  ihn  aufs  rücksichtsvollste  behandeln  müsse. 
Auch  er  selbst  habe  deshalb  seinen  Gegensatz  gegen  Caesar  auf- 
gegeben, trage  ihm  die  Unterstützung  des  Clodius,  die  er  durch 
sein  eigenes  ablehnendes  Verhalten  gegen  Caesars  ehrenvolle  An- 
erbietungen im  Jahre  59  herbeigeführt  habe  —  falls  Caesar  wirk- 
lich an  seiner  Verbannung  oder  vielmehr,  wie  Cicero  sagt,  an 
seiner  freiwilligen  Entfernung  aus  Rom  einen  Teü  der  Schuld 
trage  — ,  nicht  mehr  nach,  sondern  habe  sich  völlig  mit  ihm 
versöhnt. 

Natürlich  erregte  dies  Auftreten  Ciceros,  das  sein  ganzes  bis- 
heriges Verhalten  verleugnete,  bei  den  ehrlichen  Verfechtern  der 
Senatsherrschaft  schweren  Anstoß,  zumal  er  sich  zu  allen  andern 
Fragen  schweigend  verhielt2).  Der  Consul  Philippus,  der  sich  sonst 
sehr  zurückhielt  (er  war  der  zweite  Gemahl  der  Nichte  Caesars 

sollten  (de  prov.  cons.  17).  Das  wurde  für  Macedonien  angenommen 
und  Piso  abberufen,  Gabinius  dagegen  nicht  (in  Pison.  88.  Ascon.  p.  1). 
Welche  Provinz  neben  Macedonien  als  consularische  für  54  bestimmt 
wurde,  wissen  wir  nicht;  der  SenatsbeschluB  wurde  bekanntlich  durch 
das  Gesetz  des  Trebonius  für  Pompejus  und  Crassus  beseitigt. 

')  prov.  cons.  86  ff.;  ferner  §  89  gegen  das  sehr  berechtigte  Argu- 
ment des  Consuls  Marcellinus,  wenn  man  nicht  jetzt  über  die  Cisalpina 
verfüge,  werde  dieselbe  in  Zukunft  dauernd  von  den  Gegnern  des  Senats 
in  Beschlag  genommen  und  von  dort  aus  der  Staat  beherrscht  werden 
(ut  provideamus ,  ne  citerior  Gallia  nobis  invitis  alicui  decernatur 
post  eos  consules,  qui  nunc  erunt  designati,  perpetuoque  posthac 
ab  iis,  qui  hunc  ordinem  oppugnent,  populari  ac  turbulenta  ratione 
teneatuY).  Das  ist  völlig  zutreffend,  nur  bot  allerdings  ein  Senats- 
beßchluß,  wie  die  Dinge  lagen,  dagegen  garkeinen  Schutz  mehr. 

2)  qui  Ulcus  omnis  res  egi  silentio  (de  prov.  cons.  29). 


113 


Da*  Principat  des  Pompejus 


Atia,  der  Mutter  des  Augustus),  warf  ihm  ein,  er  habe  mindestens 
ebensoviel  Grund,  Caeaar  zu  hassen  wie  den  Gabinius1);  andre 
nahmen  seine  Äußerungen  mit  erstauntem  Schweigen  auf*).  Das 
veranlagte  ihn,  seine  Rede  über  diese  Frage  als  Broschüre  heraus- 
zugeben und  zu  einer  eingehenden  Verteidigung  seines  Verhalten? 
zu  gestalten.  Sich  selbst  und  andern  gegenüber  suchte  er  sich 
dadurch  zu  rechtfertigen,  daß  die  optimatischen  Heißsporne, 
kurzsichtig  und  neidisch,  weil  sie  ihm  seine  Stellung  nicht  gönnten, 
den  Clodius  protegiert,  ihn  selbst  aber  gegen  Pompejus  aufgehetzt 
und  dann  im  Stich  gelassen  hätten");  aber  im  Innern  wußte  er 
nur  zu  gut,  daß  das  nur  Selbstbetrug  war,  und  wir  begreifen, 
daß  er  sich  schämte,  seine  Palinodie  dem  Atticus  zuzusenden; 
auch  Atticus,  meint  er,  habe  ihm  zwar  geraten,  so  zu  handeln, 
aber  doch  nicht,  auch  gleich  eine  Schrift  darüber  zu  veröffent- 
lichen. Ihm  gegenüber  machte  er  denn  auch  von  seiner  wahren 
Lage  kein  Hehl:  „Adieu  die  graden,  wahren,  ehrlichen  Absichten. 
Es  ist  zu  Ende.  Da  die,  welche  nichts  vermögen,  mich  nicht 
lieben  wollen,  will  ich  mich  bemühen,  daß  die,  welche  etwas  ver- 
mögen, mir  ihre  Liebe  zuwenden."')  Er  preist  den  eben  gestorbenen 
Flamen  Martiaüs  Lentulus  glücklich;  „denn  was  ist  abscheu- 
licher als  unser  Leben,  zumal  das  meinige.  Wenn  ich  in  den 
Staatsgeschäften  etwas  sage,  was  sich  gebührt,  gelte  ich  für 
wahnsinnig,  wenn,  was  die  Umstände  erfordern,  für  sklavisch, 
wenn  ich  schweige,  für  unterdrückt  und  gefangen,  und  mein 
Schmerz  ist  nur  um  so  größer,  da  ich  ihn  nicht  einmal  äußern 

*)  ib.  18.  21. 

*)  ib.  40  quo  minus  saepe  auf  interpeUer  a  nonniülis  auf  taci- 
torum  existimatione  reprehendar,  vgl.  §  47.  pro  Balb.  60  ff.  an  Len- 
tulus I  9.  17  iUud  vero  tum  obscure  queruntur,  in  meis  senientiis, 
quibus  ornem  Caesar em,  quasi  desciscere  me  a  pristina  causa. 

*)  de  prov.  cons.  45,  ebenso  an  Lentulus  I  7,  7.  I  9,  an  Atticus  u.  a. 
—  Auch  die  Rede  für  Baibus,  den  Agenten  Caesars,  dessen  Verteidi- 
gung er  im  Herbst  56  neben  Pompejus  und  Cra«sus  Obernehmen  mußte, 
hat  er  in  eine  Apologie  seines  Verhaltens  gegen  Caesar  ausmünden 
lassen  und  deshalb  publiziert.  Seine  Äußerung  ad  Att.  VII  7,  6  zeigt, 
daQ  er  innerlich  mit  Ballus'  Sache  keineswegs  einverstanden  war. 

*)  ad  Att.  IV  5:  er  habe  das  einzige  Exemplar  der  Schrift  —  daß 
das  die  Rede  de  prov.  cons.  ist,  hat  Mommsen  richtig  erkannt  und  sollte 


Cicero  und  die  Machthaber 


149 


darf,  um  nicht  undankbar  zu  erscheinen"1).  Auch  materiell 
wurde  er  noch  weiter  gebunden:  Caesar  machte  ihm  große  Vor- 
schüsse, sein  Bruder  Qu  intus  aber  mußte  als  Legat  in  Caesars 
Dienste  treten,  um  für  ihn  ab  Geisel  zu  dienen.  So  wird  denn 
der  Mann,  der  geträumt  hatte,  die  dominierende  Persönlichkeit 
im  öffentlichen  Leben  zu  sein,  um  dessen  Stellung  sich  der  Kampf 
der  Parteien  konzentriere,  zum  geschmeidigen  Werkzeug  der 
Machthaber,  zum  Führer  der  gehorsamen  Majorität,  zum  Ver- 
teidiger ihrer  Werkzeuge  in  den  politischen  Prozessen. 

Das  zweite  Consulat  des  Pompejus  und  Crassus 

Wenn  auch  die  Widerstandskraft  des  Senats  gebrochen  war, 
so  ließ  sich  die  Wahl  des  Pompejus  und  Crassus  zum  Consulat 
doch  auf  legitimem  Wege  nicht  durchsetzen;  weder  der  Senat 
noch  die  in  den  Centuriatcomitien  Ausschlug  gebenden  besitzen- 
den Klassen  waren  bereit,  die  Herrschaft  der  Machthaber  offiziell 
aufzurichten;  auch  Caesars  Geld  und  Einfluß  reichten  zur  Be- 
schallung einer  Majorität  nicht  aus,  und  die  Truppensendung, 
die  er  in  Aussicht  stellte,  konnte  erst  im  Winter  eintreffen8). 


nicht  bezweifelt  werden  —  einem  anderen  geschickt,  quid?  etiam  — 
dudum  enim  circumrodo  qtwd  devorandum  est  —  subturpicula  mihi 
videbatur  esse  naki^iit.  sed  valeant  recta,  vera,  honesta  consilia. 
Dann  folgt  der  Ausfall  gegen  die  falschen  Freunde  unter  den  Optimaten. 
vix  aliquando  te  auctore  resipui.  dices  eatenus  te  suasisse  qua  f ace- 
rein, non  etiam  ut  scriberem.  ego  mehercule  mihi  necessitatem  volui 
imponere  huius  novae  coniunctionis,  ne  qua  mihi  liceret  labi  ad 
itlos,  qui  etiam  tum,  cum  misereri  mei  debent,  non  desinunt  in- 
videre . . .  sed  quid  ad  hoc,  si  quibus  sententiis  dixi,  quod  et  ipsi 
probarent,  laetati  sunt  tarnen,  me  contra  Pompei  voluntatem  di- 
xisse?  Finis  est.  quoniam  qui  nüiil  posaunt,  ii  me  nolunt  amare, 
demus  operam,  ut  ab  iis,  quipossunt,  diligamur.  dices:  vettern  iam 
pridem.  scio  te  voluisse  et  me  asinum  germanum  fuisse.  sed  iam 
tempus  est,  me  ipsum  a  me  amari,  quando  ab  Ulis  nullo  modo 
possum. 

•)  ad  Att.  IV  6. 

*)  Plut.  Crass.  14  5?si  aunnparmv  Kato*pa,  tote  t»  tpiXotc  ypd^ovta 
xal  tiuv  otpattiMtiLv  »itiaovta  JtoXXof>s  apxaip«otd<30VTot$  =  Pomp.  51  Kac- 


150 


Das  Principat  des  Pom  pejus 


Offiziell  waren  sie  überhaupt  als  Kandidaten  nicht  aufgetreten; 
sie  wollten,  ohne  sich  au  dem  Amt  gedrängt  zu  haben,  durch  das 
Volk  gezwungen  sein,  in  der  Notlage  des  Staats  als  dessen  Better 
einzuspringen;  es  war  aber  sicher,  daß  der  energische  Consul 
Marcellinus,  der  seine  Opposition  gegen  Pompejus  unentwegt 
fortsetzte,  und  auch  sein  Kollege  Philippus  die  auf  sie  fallenden 
Stimmen  als  ungültig  behandeln  würden,  weil  die  gesetzliche 
Anmeldung  eben  nicht  vorlag1).  Daher  entschloß  man  sich, 
die  Wahlleitung  durch  Inhibierung  der  Comitien  den  Consuln 
zu  entziehn  und  ein  Interregnum  herbeizuführen;  4as  bot  den 
weiteren  Vorteil,  daß  alsdann  die  gewählten  Consuln  das  Amt 
sofort  übernahmen,  ohne  daß  sie  wegen  ihrer  Umtriebe  und  der 
gewaltsamen  Mittel,  die  sie  ergreifen  mußten,  gerichtlich  zur 
Verantwortung  gezogen  werden  konnten.  Daher  legte  der  Tribun 
Q-aius  Cato,  jetzt  seit  der  Versöhnung  des  Clodius  mit  Pompejus 
wie  dieser  ein  willfahriges  Werkzeug  der  Machthaber,  unter  ver- 
schiedenen Vorwänden  sein  Veto  gegen  die  Vornahme  der  Wahlen 
ein.  Das  führte  zu  den  heftigsten  Szenen  im  Senat:  man  be- 
antragte, wie  bei  Ciceros  Verjagung,  Trauer  anzulegen  und  an 
den  Staatsfesten  nicht  teilzunehmen.  C.  Cato  rief  diejenigen 
Senatoren,  die  sich  den  Machthabern  gefügt  hatten,  aber  durch 
Abwesenheit  der  offenen  Stellungnahme  hatten  entziehen  wollen, 
in  die  Curie;  doch  die  andern  Tribunen  hinderten  sie  am  Ein- 
tritt, und  der  Beschluß  wurde  trotz  Gates  Intercession  an- 
genommen. Der  Consul  Marcellinus  brachte  die  Sache  vor  das 
Volk  und  schilderte  das  Elend  der  Lage  und  Pompejus'  Gewalt- 
herrschaft in  beweglichen  Worten;  als  man  ihm  Beifall  zollte, 
forderte  er  die  Bürger  auf,  sich  dieses  Rechts  eifrig  zu  bedienen, 
solange  ihnen  wenigstens  das  noch  freistehe2).  Clodius  redete  da- 
gegen; als  er  dann  in  den  Senat  kam,  wäre  er  von  den  Rittern 
beinahe  erschlagen  worden,  wenn  nicht  der  Pöbel  ihm  mit  Feuer- 
bränden zu  Hilfe  gekommen  wäre  und  gedroht  hätte,  die  Curie 

oapa  aoXXafißdvtiv  a&tol«,  jt4(utovta  td,v  «P»tw«»t<i»v  ooxv<>'J»  tijv  y-i)?ov; 
vgl.  unten  S.  154. 

M  Dio  89,  27,  4. 

')  Val.  Max.  VI  2,  6. 


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Verhinderung  der  Consulwahlen  für  55.   Wirren  in  Rom. 


IM 


in  Flammen  aufgehn  zu  lassen.  Als  dann  Pompe  jus  selbst  im 
Senat  erschien,  um  mit  seiner  Autorität  einzugreifen,  stellte  ihm 
Marcellinus  offiziell  die  Frage,  ob  er  wirklich  Consul  werden 
wolle.  Da  versuchte  er  zunächst,  unter  heftigen  Invektiven  gegen 
Marcellinus,  der  ihm  dankbar  sein  solle,  daß  er  ihm  die  Gelegen- 
heit geboten  habe,  die  Redekunst  zu  lernen  und  seine  Worte 
auszuspeien1),  ausweichend  zu  antworten,  vielleicht  werde  er  sich 
bewerben,  vielleicht  auch  nicht;  schließlich  aber  blieb  ihm  nichts 
übrig,  als  zu  erklären,  für  die  rechtlichen  Männer  sei  seine  Be- 
werbung nicht  nötig,  wohl  aber  um  der  revolutionären  Unruhe- 
stifter willen*)  —  eine  mehr  als  kühne  Behauptung,  da  doch 
lediglich  er  selbst  die  Unruhen  hervorgerufen  hatte.  CrassuB 
begnügte  sich  mit  der  unbestimmten  und  doch  unzweideutigen 
Äußerung ,  er  werde  tun ,  was  dem  Wohl  des  Staates  zuträglich 
sei^).  Positiv  war  nichts  mehr  zu  erreichen;  so  blieb  Mar- 
cellinus, wie  Bibulus  im  Jahre  59,  fortan  den  Senatssitzungen 
fern,  und  ebenso  die  Majorität  der  Senatoren,  so  daß  die  ver- 
fassungsmäßige Präsenzziffer  nicht  mehr  aufzubringen  war  und 
alle  Geschäfte  für  den  Rest  des  Jahres  stockten4). 

*)  Plut.  Pomp.  51  ndtvwov  aJtxwTOtov  «Ivat  t&v  MoqmUtvov,  3«  x*Plv 
ob*  ?xM  Mf»?  f***  'S  «fwvoo  Ji*  aötov,  ifutix&s  ii  ix  mtvattxoö  y»v6- 

*)  Plut.  Crass.  15  IlofUcVjtoc  .  .  .  axtxpivato,  xu^öv  ftiv  |MTUvai,  to^ov 
ih  {rrj  uAti&vai'  x*t  xdX'.v  epu>ta>|i»voc  *<pi\,  fUtiivat  tot^  2ixato({  JtoXttatc* 
|Mtt4vac  &i  toic  a?txoi<;.  Pomp.  51  führt  Plntarch  nur  die  erste  der 
beiden  Äußerungen  an,  Dio  89,  30,  1  dagegen  nur  die  zweite:  tüv  jt4v 
$ixa|u>v  avJptöv  evixi  oMiv  r?]{  apX^C  3t!o*at  f«pYj,  8ia  H  too?  tapaxa>4»t^ 
xai  o<p68pa  ai»r?j^  ivtiicottlad-au 

*)  Dio  89,  30,  2  ßti  «ivd^  03a  td>  xoivtj»  aupuptpo'.  xp£;oi.  Plut.  Crass.  15 
•t  xokn  mpfiptt,  jmtivat  rijv  apxty,  ^  l***»»  w«*'J«o*«;  Pomp.  51 
o5tu>  «^p-vj  *pa£»iv,  6xottp<u(  Äv  otf)t<tt  tq»  xoivip  oovolattv. 

*)  Dio  39,  80,  4  u»o*ep  StSooXutuiyoi  xai  fi-^c'  «px««  ttiafrai  jiirjt*  £XXo  ti 
xoXittxöv  xp&£eu  t£oootav  £xovt*<  T&  Xotxöv  toö  £touc  Äffiyayov.  Auch  an 
den  Festfeiern  beteiligte  sich  der  Senat  nicht.  —  Für  diese  Vorgilngp 
haben  wir  eine  eingehende  Schilderung  nur  bei  Dio  39,  27  ff.  [ebenso 
erzählte  Livius,  ep.  105:  Cum  C.  Catonis  tr.  pl.  intercessionibus  co- 
mitia  toüerentur,  senatus  vestem  mutavit];  Ciceros  Korrespondenz 
versagt  für  die  zweite  Hälfte  des  Jahres  vollständig.  Unmöglich  ist  es 
nicht  daß  Ciceros  Vorgehn  gegen  Clodius  und  die  Entfernung  seiner 


152 


Das  Principat  des  Pompejus 


Inzwischen  war  Cato  gegen  Anfang  des  Winters1)  zurück- 
gekehrt. Seine  Rückkehr  bot,  wie  die  Ciceros  im  Jahr  vorher, 
den  Anlaß  zu  einer  großen  Demonstration:  unter  Führung  des 
Consuls  Philippus,  seines  Schwiegervaters,  zogen  ihm  alle  Be- 
amten und  Priester,  geleitet  von  Senat  und  Volk,  an  den  Tiber 
entgegen,  während  er  die  seiner  Obhut  vertrauten  Schatze  des 
cyprischen  Königs  peinlich  behütete  und  das  mächtige  Königs- 
schifi,  eine  Hexere,  nicht  verließ,  bis  er  im  Arsenal  angekommen 
war2).  Als  Anerkennung  seiner  Verdienste  gestattete  ihm  der 
Senat,  sich  noch  nachträglich  für  das  nächste  Jahr  um  die 
Praetur  zu  bewerben,  und  bewilligte  ihm  schon  jetzt  den  Pur- 
pursaum des  Beamten,  eine  Ehre,  die  er  ablehnte*).  Er  gewährte 
also  dem  Cato,  da  dieser  im  Staatsdienst  abwesend  gewesen  war, 

Gesetztafeln  (oben  S.  138  f.)  erst  in  diese  Zeit  gehört  und  er  den  Mut 
dazu  aus  den  bei  Bio  geschilderten  Szenen  geschöpft  hat. 

')  Mit  Recht  hat  Mommsen  R.G.  III  322  Anm.  hervorgehoben,  daß 
Cato  zur  Zeit  der  Rede  pro  Sestio  ($  60)  und  bei  den  Verhandlungen 
über  Caesars  Legionen  (Plut.  Caes.  21)  nicht  in  Rom  war  und,  da  seine 
Schiffer  8io  tb  faoöv  auf  Korkyra  bei  Nacht  Feuer  machten,  wodurch 
die  Zelte  und  das  Rechnungsbuch  verbrannten  (Plut.  Cato  38),  wahr- 
scheinlich nicht  vor  dem  Herbst  (der  römische  1.  Januar  55  fallt  julianisch 
auf  den  80.  November  56)  zurückkehrte.  Seltsamerweise  ist  Mommsxks 
Bemerkung,  daß  er  nicht  „wie  man  mißverständlich  aus  Asconius  p.  35. 58 
gefolgert  hat*  —  bei  Asconius  ist  von  dem  Prozeß  des  Jahres  52  die 
Rede  —  im  Februar  56  den  Milo  verteidigt  haben  kann,  bei  Drukakn 
II*  272.  V*  178  von  Groebe  nicht  berücksichtigt,  sondern  seine  Rück- 
kehr Anfang  56  gesetzt. 

*)  Plut.  Cato  49.  Val.  Max.  VIII  15.  10.  Vellejus  II  45.  5. 

*)  Plut.  Cato  39  -f}  ßooX-r)  i<yt\f't9axo  x<p  Krftum  oTparqftav  i^pt^ov 
8o<H]vat,  xat  tot«  6va$  aot&v  bi  lod-fjtt  xsp'.icofxpöpw  dsdoao&at.  toöto  niv 
oüv  6  Kdxtov  «ap-gt^oato.  Val.  Max.  IV  1,  14  senatus  relationem  inter- 
poni  iubebat,  ut  praetoriis  comitiis  extra  ordinem  ratio  eius  habe- 
retur;  sed  ipse  id  fleri  non  passus  est.  Dio  89,  23,  1  xal  ot  Bnato: 
fvaijrrjv  tv  t<j>  oüv»?ptt>>  titor/oavro,  oTparrfflav  ai>t(p  SotHjvat  xaticsp 
sx  tiLv  vöjwuv  icpooTjXooaav.  xal  oöx  amtotx&ft  uiv.  auti*;  70p  avtsini,  rrjv 
ttkXstav  xal  Ix  tootoo  (ituova  tox*.  Da  Cato  das  gesetzliche  Alter  für 
die  Praetur  besaß  und  da  er  sich  für  55  in  der  Tat  um  sie  beworben 
hat,  muß  der  Bericht  in  allen  drei  Quellen  ungenau  gefaßt  sein  und 
kann  nur,  mit  Mommskn.  Staatsrecht  IJ  570  (I  *  551,  2;,  so  gedeutet 
werden,  wie  oben  geschehn  ist;  vgl.  Groebe  bei  Drumaks  V  *  173,  12. 


Catos  Rückkehr 


153 


was  er  dem  Pompejus  und  Crassus  verweigerte  und  im  Jahre  60 
dem  Caesar  verweigert  hatte.  Andrerseits  wollte  Cato  von  einer 
Anfechtung  der  Gesetze  des  Clodras,  wie  sie  Cicero  betrieb,  zu 
dessen  großem  Ärger  nichts  wissen :  er  blieb  sich  durchaus  kon- 
sequent, wie  er  sich  dem  Gebot  des  Volkes,  wie  auch  immer  es 
zustande  gekommen  sein  mochte,  durch  Übernahme  der  Mission 
gefugt  hatte,  so  konnte  er  auch  jetzt  nicht  zugeben,  daß  diese 
der  Rechtsgrundlage  entbehre.  Trotzdem  begann  Clodius  Händel 
mit  ihm;  er  stellte  seine  Integrität  in  Frage  und  verlangte  genaue 
Rechenschaftslegung  über  die  Gelder,  die  dadurch  behindert  war, 
daß  beide  Exemplare  des  Rechnungsbuchs  Catos  unterwegs  zu- 
grunde gegangen  waren,  er  focht,  von  Caesar  insgeheim  unter- 
stützt, seine  gesamte  Lebensführung  an,  er  forderte,  daß  die 
freigelassenen  königlichen  Sklaven  den  Namen  Clodii,  nicht,  wie 
Catos  Anhänger  forderten,  Porcii  erhalten  sollten  —  schließlich 
sind  sie  Cyprii  genannt  worden1).  Im  Senat  aber  übernahm 
Cato  jetzt  wieder  an  Stelle  des  FavoniuB  die  Führung  der  Oppo- 
sition im  Kampf  gegen  die  Machthaber,  den  er,  trotz  aller  Aus- 
sichtslosigkeit, wie  im  Jahre  62  gegen  Pompejus  und  59  gegen 
Caesar,  unerschütterlich  mit  allen  gesetzlichen  Mitteln  durch- 
zufechten entschlossen  war. 

Das  Jahr  55  begann  mit  dem  von  den  Machthabern  er- 
zwungenen Interregnum.  Damit  waren  ihre  Bedenken  fort- 
gefallen und  die  Wahl  konnte  stattfinden.  Die  anderen  Kandi- 
daten waren  zurückgetreten1);  aber  den  L.  Doinitius  Ahenobarbus 
bewog  Cato,  an  seiner  Bewerbung  festzuhalten:  es  handle  sich 
nicht  um  das  Amt,  sondern  um  die  Freiheit  der  Römer*).  So 

')  Dio  89.  22.  23.   Plut.  Cat.  40.  Cic.  34.  Seneca  controv.  X  1,  8. 

*)  Nach  Cicero  ad  Att.  IV  3b.  2  (Sommer  56)  hatte  Doinitius,  der 
plebejische  Kandidat,  keine  weiteren  Konkurrenten  außer  Pompejus;  wer 
die  patrieißchen  Bewerber  waren,  wissen  wir  nicht.  Plut.  Cato  41  sagt, 
daß  soXXoi  xot  ayad-ol  fivips«;  »ich  bewerben  wollten,  aber  durch  Pompejus 
und  Crassus  abgeschreckt  wurden,  die  sich  drohend  zeigten,  wenn  sie 
ihre  Kandidatur  anmelden  wollten  (o<pdivTtc  iv  ta:$  napaffikioni);  naeh 
Dio  39,  27,  2  hatten  sie  sich  zuerst  den  Schein  gegeben,  andere  Kandi- 
daten zu  unterstützen  (£«poi^  «oi  «pöttpoy  ooyafumCöfxtvoi). 

s.  Plut.  Cato  41. 


154 


Das  Principat  des  Pompejus 


kam  es  zu  einer  Wahlschlacht.  Pompejus  und  Crassus  schickten 
bei  Nacht  Truppen  auf  das  Marsfeld;  Publius  Crassus,  der 
Sohn  des  Marcus,  der  im  Sommer  56  als  Caesars  Legat  die 
Stamme  Aquitaniens  unterworfen  hatte,  hatte  jetzt,  zu  Anfang 
des  Winters  (die  Wahl  fand  Anfang  Dezember  des  julianische)  i 
Jahres  statt)1),  eine  ganze  Schar  beurlaubter  Soldaten  zur  Durch  - 
fechtung  der  Wahl  nach  Born  geführt2).  Als  dann  Domitius, 
von  Cato  und  zahlreichen  andern  geleitet,  vor  Morgengrauen  auf 
dem  Platze  erschien,  wurde  er  überfallen  und  sein  Fackelträger 
erschlagen,  Beine  Begleiter  auseinandergesprengt.  Cato,  selbst 
am  Arm  verwundet,  suchte  ihn  festzuhalten:  man  müsse  im 
Kampf  gegen  die  Tyrannen  bis  zum  Tode  ausharren  und  so 
wenigstens  zeigen,  welcher  Verbrechen  sie  fähig  seien;  aber 
Domitius  versagte  und  flüchtete  in  ein  benachbartes  Haus.  Du 
half  es  nichts  mehr,  daß  die  Stimmung  der  Massen  durchaus 
auf  seiten  der  Republikaner  stand;  die  Wahlversammlung  war 
gründlich  terrorisiert,  Pompejus  und  Crassus  wurden  als  gewählt 
verkündet  und  traten  sofort  ihr  Amt  an3). 

Cato  gab  den  Widerstand  auch  jetzt  noch  nicht  auf;  damit 
er  ihn  in  amtlicher  Stellung  führen  könne,  bewarb  er  sich,  dem 
ihm  vom  Senat  bewilligten  Privileg  entsprechend  (S.  152),  um 
die  Praetur.  Die  Consuln  wollten  seine  Wahl  natürlich  unter 
allen  Umständen  verhindern.  Bei  den  Scnatsverhandlungen  über 
ein  Gesetz  gegen  Wahlumtriebe  (arribitus)  erzwangen  sie  daher 
im  Anschluß  an  einen  Antrag  des  Afranius,  des  alten  Pompejanere, 
den  Beschluß,  daß  die  gewählten  Praetoren  sofort  ihr  Amt  an- 


%)  Nach  GnoEREs  Reduktion  der  Daten  der  Jahre  65—43  (bei  Dru- 
maiin  III ')  fiel  der  1.  Jannar  55  auf  den  30.  November;  die  Wahl  konnte 
bekanntlich  frühestens  unter  dem  zweiten  Interrez  (6. — 10.  Januar) 
stattfinden;  der  7.  und  8.  Januar  sind  Comitialtage. 

*)  Dio  89,  81.  2;  P.  Crassus  war  noch  Anfang  Februar  in  Rom: 
Cic.  ad  Qu.  fr.  II  7,  2. 

»)  Dio  39,  81.  Plut.  Cato  41  =  Pomp.  52.  Craas.  15.  Appian  II  17,  64, 
der  die  Bespritzung  des  Pompejus  mit  Blut,  die  zu  den  Aedilenwahlen 
gehört  (Plut.  Pomp.  53.  Dio  89,  32,  2).  fälschlich  hierher  versetzt:  er 
zieht,  wie  oft,  die  Ereignisse  zusammen  und  verschiebt  daher  solche 
Kleinigkeiten. 


Die  Wahl  des  Pompejus  a.  Crassus  u.  der  Übrigen  Beamten  erzwungen  155 


treten  sollten,  nicht,  wie  die  Gegner  forderten,  erst  nach  sechzig 
Tagen,  und  ihre  Wahl  daher  nicht  gerichtlich  angefochten  werden 
konnte1).  Trotzdem  wäre  Cato  gewählt  worden;  die  erste  Centurie 
stimmte  für  ihn,  und  die  praerogativa  war  gewöhnlich  ausschlag- 
gebend. Da  erklärte  Pompejus,  er  habe  einen  Donner  gehört, 
und  löste  die  Versammlung  auf.  Für  den  nächsten  Wahltag 
wurden  Bestechung  und  Zwangsmaßregeln  verstärkt,  und  so 
die  Wahl  der  Kandidaten  der  Machthaber  durchgesetzt,  dar- 
unter zum  allgemeinen  Skandal  an  Catos  Stelle  die  Wahl  des 
verhaßten  Vatinius*).  In  eigener  Sache  hatte  Cato,  korrekt 
wie  immer,  jede  Ungesetzlichkeit  vermieden*);  bei  den  folgenden 
Wahlen  der  curulischen  Aedilen  dagegen  kam  es  wieder  zu  einer 
blutigen  Schlägerei  mit  mehreren  Leichen;  auch  Pompejus'  Toga 
wurde  mit  Blut  bespritzt4).  So  bekamen  die  Machthaber  durch 
offene  Gewalt  alle  curulischen  Aemter  in  ihre  Hand ;  die  Tribunen 

')  Plut.  Cato  42:  Die  Consuln  npwxov  fiiv  Haifvr^  xal  tü»v  jcoXX&v 
öyvooövtwv  ßo'A'/jv  oovaYayovtsi;  »'V*lfto«vto  toi»;  aipeJHvtas  oxparrjYoin 
tftfröc  £pXUv  *a-  P-'fi  itotXiie6vt<x^  töv  vöftt^ov  ^pivov,  4v  4»  itx«:  toi;  oixaaaat 
töv  «Tjftov  7)o*v.  Cicero  ad  Qu.  fr.  II  7,  8  a.  d.  III  Idus  Febr.  senatus 
consuUutn  factum  est  de  ambitu  in  Afrani  sententiam,  quam  ego 
dixeram  cum  tu  adesses;  sed  magno  cum  gemitu  senatus  consules 
non  sunt  prosecuti  (haben  keine  Folge  gegeben)  eorum  sententias 
qui,  Afranio  cum  esseni  adsensi,  addiderunt,  ut  praetores  ita  crea- 
rentur,  ut  dies  sexaginta  privati  esseni.  eo  die  Catonem  plane  re- 
pudiarunt.  quid  multa?  tenent  omnia  idque  ita  omnis  intellegere 
volutä.  Der  Eingang  der  Stelle  wird  meist  falsch  verstanden:  Afranius* 
Antrag  bezog  sich  nicht  speziell  auf  die  Praetorenwahlen ,  sondern  for- 
derte eine  Verschärfung  des  Gesetzes  über  ambitus,  für  die  früher  auch 
Cicero  eingetreten  war,  so  in  seinem  Consulat,  und  die  dann  Pompejus. 
wirklich  durchsetzte  (Dio  39,  37,  1,  s.  unten  S.  161). 

»)  Plut.  Cato  42  =  Pomp.  52.  Dio  39,  32.  Li*,  epit.  105. 

•)  Dio  39,  82,  2  6  y«P  Kätwv  oo&iv  ßtvoov  Kp4£ou  t)$iukkv.  Nach  Plu- 
tarch  Cato  42  hält  Cato  in  einer  von  einem  Tribun  berufenen  Versamm- 
lung, zu  der  die  große  Majorität  des  Yolkß  zusammenströmte,  eine 
Ansprache,  in  der  er  den  bevorstehenden  Untergang  der  Republik  vor- 
aussagt und  daraus,  daß  sie  ihn  nicht  als  Praetor  dulden  wollen,  die 
Ruchlosigkeit  der  Absichten  der  beiden  Consuln  erweist. 

*)  Dio  89,  82,  2.  Plut.  Pomp.  53  und  Val.  Max.  IV  6,  4.  wonach 
Julia,  Pompejus*  Gemahlin,  bei  dem  Anblick  in  Ohnmacht  fiel  und  eine 
Kehlgeburt  erlitt. 


156 


Das  Principat  des  Pompejus 


und  Aedilen  der  Plebs,  die  der  Vorschrift  gemäß  bereits  im 
vorigen  Jahre  gewählt  waren,  wurden  durch  Bestechung  ge- 
wonnen, nur  die  beiden  Tribunen  C.  Atejus  Capito  und  P.  Aquiline 
Gallus  blieben  fest1).  „Die  öffentlichen  Angelegenheiten,"  schreibt 
Cicero2),  „liegen  ganz  in  der  Gewalt  unserer  Freunde  (des  Pom- 
pejus  und  Crassus),  und  zwar  so,  daß  zu  unseren  Lebzeiten  keine 
Änderung  irgendwie  zu  erwarten  ist.  Auch  Pompejus'  Gegner 
würden  keinen  Fehler  begehn,  wenn  sie  wie  ich,  da  sie  ihm  nicht 
gewachsen  sein  können,  den  Kampf  aufgeben  wollten.  Das  Ziel 
freilich,  das  ich  mir  gesetzt  hatte,  Würde  in  der  Fassung  meiner 
Äußerungen  im  Senat,  Freiheit  in  der  Behandlung  der  Staats- 

')  Dio  39,  32,  8.  —  Zu  Censoren  worden  der  alte  P.  Servilius  Isau- 
ricus  (cos.  79)  und  M.  Valerius  Messalla  (cos.  61)  gewählt  (CIL  I  608 
bis  614  [2  An.  766].  Dessau,  inscr.  Lat.  5922  a-c),  die  allerdings  keine 
Anhänger  der  Machthaber  waren,  aber  infolge  der  Einschränkung  der 
Censur  durch  Clodius  auch  wenig  ausrichten  konnten.  Offenbar  hatten 
die  Machthaber  keinen  für  die  Censur  geeigneten  Kandidaten  zur  Ver- 
fugung. In  diese  Censur  wird  wohl  der  scharfe  Angriff  gehören,  den 
Mancia  au»  Formiae,  als  er  den  L.  Libo,  einen  Anhänger  des  Pompejus 
(S.  130),  vor  den  Censoren  anklagte,  gegen  Pompejus  wegen  der  Hin- 
richtung der  demokratischen  Führer  in  den  Bürgerkriegen  richtete:  Val- 
Max.  VI  2,  8. 

*)  An  Lentulus  I  8:  res  communes  . .  .  sunt  quidem  certe  in 
amicorum  nostrorum  potestate,  atque  ita,  iä  niiüam  mutationem 
unquam  hac  hominwn  aetaie  habitura  res  esse  mdeatur  .  . .  sed  te 
tum  praeterit,  quam  sit  difflcife,  sensum  in  republka  praesertim 
rectum  et  confirmatum  deponere.  verum  tarnen  ipse  nie  conformo 
ad  eins  voluntatem,  a  quo  honeste  dissentire  non  possum  .  .  .  neque, 
ut  ego  arbitror,  errarent  ne  adversarü  quidem  eins,  si,  ctim  pares 
esse  non  possunt,  pugnare  desisterent .  . .  quae  enim  proposita  fue- 
rant  nobis  . . .  dignitas  in  sententiis  dicendis,  libertas  in  republica 
capesstinda,  ca  sublata  tota  sunt,  nec  mihi  magis  quam  omnibus: 
nam  aut  adsentiendum  est  nulla  mm  gravitate  paucis,  aut  frustra 
dissentiendum  . . .  commutata  tota  ratio  est  senatus,  iudidorum, 
rei  totius  publicae;  otium  nobis  exoptandum  est:  quod  ii  qui  po- 
tiuntur  rerum  praestaturi  videntur,  si  quidam  homines  patientius 
eorum  potent i am  ferre  potuerint.  dignitatem  quidem  ülam  consu- 
larem  fortis  et  constantis  senatoris  nihil  est  quod  cogitemus:  amissa 
culpa  est  eorum,  qui  a  senatu  et  ordinem  coniunctissimum  et  ho- 
minem  clarissimutn  abalienarunt. 


Gesetze  über  die  Provinzen  der  Machthaber 


157 


geschälte,  das  ist  ganz  und  gar  dahin,  wie  für  mich,  so  für  alle 
andern.  Das  gesamte  Verhältnis  des  Senats,  der  Gerichte,  des 
Staatswesens  ist  umgewandelt;  was  wir  allein  erw  im  sehen  können, 
ist  Ruhe,  und  die  würden  die  Machthaber  uns  schaffen  können, 
wenn  nur  gewisse  Menschen  ihre  Macht  geduldiger  ertragen 
könnten.  Freilich  an  jene  consularische  Würde  eines  tapfern 
und  standhaften  Senators  darf  ich  gar  nicht  mehr  denken ;  sie 
ist  verloren  gegangen  durch  die  Schuld  derer,  welche  sowohl  die 
ehemals  ihm  eng  verbundene  Ritterschaft  wie  den  Pompejus 
dem  Senat  entfremdet  haben." 

Nach  der  Eroberung  der  Macht  konnten  die  verabredeten 
Maßregeln  für  die  Zukunft  durchgeführt  werden.  Der  Tribun 
Trebonius  beantragte,  den  Consuln  die  Provinzen  Syrien  und 
beide  Spanien  —  wo  eben  ein  lokaler  Kampf  mit  den  Yaccaeern 
ausgebrochen  war,  in  dem  der  Proconsul  Metellus  Nepos  bei 
Clunia  eine  Schlappe  erlitten  hatte1)  —  auf  fünf  Jahre  zuzu- 
weisen, mit  dem  Recht,  nach  ihrem  Bedürfnis  Truppen  auszu- 
heben und  zu  verwenden,  Krieg  zu  führen  und  Frieden  zu  schließen. 
In  der  Verhandlung  vor  dem  Volk  gewahrte  Trebonius  dem 
Favonius  eine,  dem  Cato  zwei  Stunden  Redezeit ;  beide  benutzten 
diese  lediglich  zu  Beschwerden  über  diese  Beschränkung  der 
Redefreiheit  —  eine  derartige  Obstruktion  durch  Dauerreden 
hatte  Cato  auch  früher  schon  wiederholt  geübt  (S.  50.  58. 69)  — ,  um 
so  die  Dinge  zum  Konflikt  zu  treiben.  Das  geschah  denn  auch; 
als  Cato  fortfuhr  zu  sprechen  und,  auf  die  sachlichen  Argumente 
eingehend,  sich  dem  Befehl,  zu  schweigen,  nicht  fügte,  blieb 
Trebonius  nichts  übrig,  als  ihn  durch  seinen  Amtsdiener  fort- 
führen zu  lassen,  und  als  er  zurückkehrte  und  immer  wieder  das 
Wort  ergriff,  ihn  schließlich  ins  Gefängnis  zu  setzen.  Am  nächsten 
Tage  sollten  Anhänger  der  Consuln  sprechen,  und  zwar,  damit 
der  Schein  einer  freien  Diskussion  gewahrt  werde,  nicht  Beamte, 
sondern  angesehene  Private;  Cato,  Favonius  und  seinem  An- 
hang wurde  der  Weg  versperrt,  ebenso  dem  Tribunen  Atejus 
Capito;  sein  Kollege  Aquilius  Gallus,  der  die  Nacht  in  der  Curie 
zubrachte,  wurde  hier  eingeschlossen.  Jene  bahnten  sich  dennoch 

')  Dio  89.  54,  vgl.  c.  85.  2. 


108 


Das  Principat  des  Pompejus 


den  Weg,  Capito  und  Cato  verkündeten,  daß  es  donnere;  so  kam 
es  auch  diesmal  wieder  zu  einer  blutigen  Schlägerei,  bei  der  vier 
Bürger  den  Tod  fanden.  Dem  Senator  L.  Annalius,  der  gegen 
das  Gesetz  redete,  versetzte  Crassus  selbst  einen  Faustschlag  ins 
Gesicht.  So  wurde  das  Gesetz  angenommen;  es  half  nichts  mehr, 
daß,  als  die  Versammlung  auseinanderging,  Atejus  den  Gallus 
blutüberströmt  aus  der  Curie  herbeiführte.  Unmittelbar  darauf 
brachten  beide  Consuln  das  Gesetz  ein,  daß  auch  dem  Caesar 
seine  Provinzen  bis  zum  gleichen  Termin  verlängert  werden 
sollten,  mit  der  Klausel,  daß  vor  dem  1.  März  50  über  seinen 
Naohfolger  nicht  verhandelt  werden  dürfe.  Jetzt  fanden  sie 
keinen  Widerspruch  mehr;  die  Warnung,  die  Cato  privatim  an 
Pompejus  richtete,  daß  er  sich  dadurch  selbst  für  die  Zukunft 
den  Gegner  auf  den  Hals  lade,  büeb  natürlich  erfolglos1). 


')  Die  Vorginge  sind  ausführlich  von  Dio  89,  88  ff.  berichtet,  in 
der  seiner  Auffassung  (oben  S.  125,  8)  entsprechenden  Fassung,  daß  das 
Gesetz  für  Caesar  eine  von  den  Consuln  widerwillig  dessen  Anhängern 
gemachte  Konzession  gewesen  sei;  kürzer  Plut.  Cato  43.  Crass.  15  (dazu 
der  Nachtrag  Comp.  Nie.  et  Crass.  2).  Pomp.  52.  Liv.  epit.  105.  Be- 
kanntlich haben  Plutarch  (auch  Caes.  28)  und  Appian  II  18  die  falsche 
Angabe,  daß  Pompejus  Spanien  und  Africa  erhalten  habe  (ebenso  fügt 
Plutarch  Cato  42  zu  Syrien  Aegypten  hinzu);  darin  tritt  die  gemeinsame 
Quelle  besonders  deutlich  hervor.  —  In  der  viel  behandelten  Kontroverse 
über  den  Endtermin  von  Caesars  Statthalterschaft  (zuletzt  Htrschpeld,  Klio 
IV  1904,  76  ff.  und  die  Replik  gegen  Holzapfel,  Klio  V1905,  107  ff.,  ebenda 
236  ff.  =  Kl.  Sehr.  810  ff.,  sowie  Jodeich,  Khein.  Mus.  68, 1913, 1  ff.)  hat  Hirsch- 
peld  mit  Recht  in  der  angeführten  Klausel,  die  sich  aus  Caelius  ad  fam. 
VHI  8,  9  ergibt  (Pompejus  erklärt  se  ante  Kai.  Martias  [des  Jahres  50] 
tum  posse  sine  iniuria  de  provineiis  Caesaris  statuere,  post  Kai. 
Martias  se  non  dubüaturum,  und  der  Senat  beschließt  demgemäß  ib. 
8,  5),  eine  Hauptbestimmung  des  Gesetzes  gesehn:  gegen  einen  SenaU- 
beschluß,  der  seine  Provinzen  den  Praetoren  zuwies,  war  Intercession 
zulässig,  gegen  den  über  die  Consularprovinzen  nicht;  als  solche  konnten 
sie  aber  nach  der  damaligen  Ordnung  infolge  der  Klausel  erst  den  Con- 
suln des  Jahres  49  zugewiesen  werden,  da  die  Provinzen  für  die  Con- 
suln vor  der  Wahl,  also  spätestens  anderthalb  Jahre  im  voraus,  be- 
stimmt werden  mußten.  Wahrscheinlich  liefen  die  fünf  Jahre  des  tre- 
bonischen  Gesetzes  gleichfalls  vom  1.  März  55  bis  zum  1.  März  50  (denn 
wie  die  Geschichte  des  Crassus  und  Pompejus  lehrt,  waren  die  Pro- 


Gesetze  über  die  Provinzen  der  Machthaber 


159 


Zu  einer  bedeutsamen  gesetzgeberischen  Tätigkeit,  wie  sie 
Caesar  im  Jahre  59  und  in  anderer  Weise,  durch  die  Verfassungs- 
änderung, Pompejus  und  Crassus  selbst  im  Jahre  70  geübt  hatten, 


vinzen  schon  in  ihrem  Consulatsjahr  ihrer  Verwaltung  unterstellt,  ebenso 
wie  Caesar  die  Cisalpina  schon  als  Consul  erhalten  hat;  das  hat  Jddkich 
S.  8  f.  Ubersehn),  so  daß  die  formelle  Gleichheit  för  alle  drei  gewahrt  war; 
tatsächlich  dagegen  leitete  Caesar  aus  der  Klausel  den  Anspruch  ab,  seine 
Provinzen  bis  zum  81.  Dezember  49,  also  bis  zum  Antritt  seines  zweiten 
Consulats,  behalten  zu  können,  und  hatte  sich  so  einen  Vorrang  ver- 
schafft. Ich  möchte  aber  doch  mit  Jideich  gegen  Hirschefld  daran 
festhalten,  daß  in  der  lex  Licinia  Pompeia  gesagt  war  ttf  in  quin- 
quennium  (Caesari)  Imperium  prorogaretur  (Sueton  Caes.  24),  etwa  in 
der  Formulierung,  daß  ihm  die  Verwaltung  seiner  Provinzen  von  dem 
Termin  des  Gesetzes  an  auf  fünf  Jahre  verlängert  wurde,  mit  der  Klausel, 
daß  erst  nach  dem  I.  März  50  über  die  Vergebung  an  einen  andern  ver- 
handelt werden  dürfe.  Somit  hatte  er  die  Provinzen  offiziell  insgesamt 
auf  nenn  Jahre  erhalten,  während  er  aus  der  Klausel  den  Anspruch  auf 
eine  weitere  Verwaltung  von  einem  Jahr  zehn  Monaten  ableitete.  Ihm 
die  Provinz  schon  im  Rest  des  Jahres  50  zu  entziehn,  ist  denn  auch 
nicht  ernstlich  versucht  worden  (M.  Marcellus"  Vorgehn  im  Jahre  51 
beruhte  auf  ganz  anderen  Voraussetzungen,  s.  unten).  Von  der  Bewilli- 
gung einer  ixipt  itevrorcta  für  Caesar  berichten  denn  auch  Appian  II 
18,  65  =  Plut.  Caes.  21,  Pomp.  52.  Crass.  15  und  Vellerns  II  46,  2, 
ebenso  wie  Sueton.  Dio  dagegen,  der  das  Jahr  59  eicht  mitrechnet, 
andrerseits  aber,  formell  nicht  unrichtig,  annimmt,  daß  der  gesetzliche 
Endtermin  im  Jahre  50  bereits  eingetreten  sei  (40,  59,  8  im  Jahre  51: 
5xav  tiv  8«&OfUvov  o«  xpovov  8t<4p£fl*  toöto  ifc  obx  i$  fiaxpiv,  dXX*  «&ftt>s  iy 
tu»  &at8pq>  itti  y«v*i<j»oövxi  ?|uXXs),  folgert  daher  in  seiner  energisch  durch- 
greifenden Weise,  daß  ihm  im  Jahre  55  die  Provinzen  nur  auf  drei 
Jahre  verlängert  worden  seien  (39,  83,  3  aiats  r*jv  •fyf»f40v'av  **'  ixtCvKp 
tpia  frrj  uX.n<o,  zilrftki;  t'iptsxsxai,  fcrjx&vxt) ,  und  läßt  Antonius  in 

der  Leichenrede  44,  48,  2  sagen,  Caesar  habe  oxtüi  fwotv  5Xot«  ty»^« 
•fjajiovsöoat,  was  natürlich  nicht  zutreffend  ist.  —  Von  Hirschfeld  ist 
ferner  Hirtius  bell.  Gall.  VHI  89  herangezogen:  Caesar  entschließt 
sich  im  Hochsommer  51 ,  die  Eroberung  von  Uxellodunum  mit  aller 
Energie  zu  Ende  zu  führen,  obwohl  die  Kleinheit  der  Besatzung  an 
sich  das  nicht  erfordert  hätte,  damit  nicht  durch  dies  Beispiel  aus- 
harrenden Widerstandes  ceterae  civiiates  locorum  opportunitate  fretae 
se  trindicarent  in  libertatem,  cum  omnibus  Galiis  notum  esse  sciret, 
reliquam  esse  tmam  aestatem  suae  provinciae,  quam  si  sustinerc 
potuissent,  nuüum  ultra  periculum  vererentur.   Hirschfeld  versteht 


160 


Das  Principat  de«  Pompejus 


ist  es  in  ihrem  zweiten  Consulat  nicht  gekommen;  dazu  fehlte 
es  ihnen  an  einem  schöpferischen  Programm  und  gingen  ihre 
Interessen  zu  sehr  auseinander.  Allerdings  plante  Pompejus 
mehrere  praktische  Verbesserungen  der  bestehenden  Gesetz- 
gebung. Er  beantragte,  daß  die  Bestimmungen  des  Repetunden- 
gesetzes  Caesars  über  die  Haftbarkeit  der  Magistrate  auch  auf 
die  dem  Ritterstande  angehörenden  Unterbeamten  und  Gehilfen 
ausgedehnt  werden  sollten;  aber  im  Senat  fand  er  nur  wenig  An- 
klang, die  Majorität  lehnte  aus  Rücksicht  auf  die  Geldleute  die 
Maßregel  ab1).  Ebenso  ließ  man  eine  Verschärfung  der  Luxus- 
gesetze fallen,  gegen  die  vor  allem  Hortensius,  selbst  ein  großer 
Schlemmer,  Einspruch  erhob ;  bei  der  Entwicklung,  die  die  Groß- 
stadt genommen,  sei  eine  derartige  Maßregel  undurchführbar-). 
Dagegen  brachte  Pompejus  ein  Gesetz  durch,  welches  die  Aus- 
wahl der  Richter  aus  den  drei  Ständen  der  Willkür  der  sie  be- 
stellenden Beamten  (des  Praetor  urbanus  und  der  Quaestoren) 
entzog  und  die  Ernannten  zwang,  die  Stelle  anzunehmen4;. 
Ebenso  bewirkte  Crassus  mit  Pompejus'  Unterstützung  eine 

anter  der  Wta  aestas  den  laufenden  Sommer  51;  ich  kann  sie,  der 
herkömmlichen,  zuletzt  von  Holzapfel,  Klio  V  1905,  118  f.  verteidigten 
Auffassung  entsprechend,  nur  auf  den  nächsten  Sommer  50  beziehn. 
Denn  ganz  abgesehn  davon,  daß  der  Sommer  51  schon  mindestens  zur 
Hälfte  vergangen  war,  handelt  es  Bich  an  der  Stelle  ja  garnicht  spe- 
ziell um  üxellodunum,  sondern  um  ganz  Gallien,  dessen  Bewohner,  wenn 
Uxellodunum  jetzt  nicht  rasch  bezwungen  wird,  durch  dessen  Wider- 
stand veranlaßt  werden  würden,  noch  einen,  den  letzten,  Sommer  aus- 
zuharren oder  vielmehr  sich  aufs  neue  zu  empören;  das  kann  also  nur 
der  nächste  Sommer  sein. 

")  Cic.  pro  Rab.  Post.  18. 

*)  Dio  89,  37,  2  ff. 

')  Cic.  in  Pis.  94  ecquid  sentis,  lege  iudiciaria  lata  quos  posthae 
iudices  (timus  habituri?  neque  legetur  quisquis  voluerit,  nee  quis- 
quis noluerit  non  legetur.  nuüi  conicientur  in  illutn  ordinem,  nulli 
eximentur.  Dazu  Asconius:  rursus  deinde  Pompeius  in  consulat  u 
secundo  promulgavit,  ut  amplissimo  ex  censu  ex  centuriis  aliter 
atque  ante  lecH  iudices,  aeque  tarnen  ex  illis  tribus  ordinibus,  res 
iudicarent.  Daß  nach  der  lex  Aurelia  und  der  lex  Pompeia  auch 
Onturionen  Richter  werden  konnten,  wenn  sie  den  erforderlichen  Censu* 
hatten,  bezeugt  Cic.  Phil.  I  20. 


Pompejus'  and  Crassus'  Consulat  55 


161 


Verschärfung  der  Bestimmungen  gegen  die  Wahlumtriebe  der 
Clubs  und  die  Bestechungen:  der  Ankläger  hatte  danach  vier 
Tribus  zu  bezeichnen,  aus  denen  die  Richter  entnommen  werden 
sollten,  und  der  Beklagte  konnte  nur  einen  von  ihnen  verwerfen1). 

Im  übrigen  hat  Pompejus  das  Consulat  zu  einer  glänzenden 
Schaustellung  seiner  Macht  benutzt:  er  erbaute  auf  dem  Mars- 
feld das  erste  steinerne  Theater  Roms  nebst  großen  Säulenhallen, 
einem  Sitzungssaal  des  Senats  und  einem  Tempel  der  Venus 
Victrix,  und  feierte  die  Einweihung  mit  Spielen  von  unerhörter 
Pracht,  bei  denen  unter  anderen  500  Löwen  und  17  Elefanten 
abgeschlachtet  wurden2). 

Im  offenen  Kampf  gegen  die  Machthaber  war  die  Opposition 
erlegen;  aber  den  passiven  Widerstand  gab  sie  natürlich  nicht 
auf,  und  wo  sich  eine  Gelegenheit  bot,  ihnen  Abbruch  zu  tun, 
wurde  sie  ergriffen.  Bei  den  Consulwahlen  für  54  gelang  es  dem 
Pompejus  zwar,  die  des  Valerius  Messalla  zu  hintertreiben3)  und 
an  seiner  Stelle  die  des  Appius  Claudius,  des  Bruders  des  Clodius, 
durchzusetzen;  aber  neben  ihm  wurde  Domitius  Ahenobarbus 
jetzt  wirklich  gewählt,  und  ebenso  gelangte  Cato  jetzt  zur  Praetur. 
Vor  allem  setzte  sich  der  Kampf  vor  den  Gerichten  fort,  und 
hier  wurde  es  Ciceros  Aufgabe,  gerade  die  Leute  zu  verteidigen, 
die  politisch  und  persönlich  seine  Gregner  waren,  so  den  Caninius 
Gallus,  der  im  vorigen  Jahr  als  Tribun  Pompejus*  Entsendung 
nach  Aegypten  betrieben  hatte4).   Den  Senatssitzungen  hielt  er 


')  Dio  39,  37,  1.  Cic.  pro  Plane.  36  ff.  und  schol.  Bob.  in  der  Ein- 
leitung dazu  und  zu  §  36.  Diese  lex  Licinia  de  sodaliciis  wird  auch 
▼on  Caelius  ad  fam.  VIII  2,  1  erwähnt. 

*)  Dio  39,  38.  Plin.  VIII  20.  Plut.  Pomp.  52  u.  a.  Die  Schilderung  der 
Spiele  bei  Dio  stimmt  zu  dem  ausführlichen  Bericht  Ciceros  an  M.  Marius 
faui.  VII  1.  Vollendet  wurde  der  Bau  erst  in  seinem  dritten  Consulat, 
mit  der  Weihinschrift  Pompeius  cos.  tert.,  s.  Varro  und  Tiro  bei  Gel- 
lius  X  1,  6  f. 

«)  Cic.  ad  Att.  IV  9  (27.  April)  nihil  minus  veUe  mihi  visus  est 
(Pompeius),  quam  Messallam  consulatum  petere. 

*)  An  M.  Marius  VII  1,  4  dirupi  mepaene  in  iudicio  Oalli  Ganini, 
famüiaris  tui.  Er  wolle  sich  von  dieser  Tätigkeit  zurückziehn,  nam 
me  cum  antea  taedebai,  cum  . . .  licebai  denique  quem  nolebam  non 

Meyer,  Caesars  Monarchie  11 


162 


Das  Principat  des  Pompejus 


sich  nach  Möglichkeit  fern1);  er  tröstete  sich  mit  der  Verherr- 
lichung Beiner  großen  Zeit,  für  die  er  neben  seinen  eigenen  pro- 
saischen und  poetischen  Darstellungen  wie  früher  bei  Posi- 
donius 2) ,  so  jetzt  bei  Luccejus  um  eine  elegante  Bearbei- 
tung gebettelt  hatte3),  fand  dann  aber  eine  weit  ruhmvollere, 
wirklich  fruchtbringende  Tätigkeit,  indem  er  seine  reiche  Er- 
fahrung als  Redner  in  glänzender  Behandlung  in  dem  großen 
Dialog  de  oratore  niederlegte,  den  er  im  November  55  zum 
Abschluß  brachte4).  Aber  ganz  konnte  er  von  der  Politik  nicht 
loskommen,  zumal  wenn  es  sich  um  seine  persönlichen  Feinde 
handelte.  Mit  Crassus  hatte  er  sich  Anfang  55  offiziell  ver- 
söhnt, ebenso  mit  Appius  Claudius6),  und  den  Crassus  nach 
seiner  Wahl  zum  Consul  demonstrativ  aus  dem  Senat  nach 
Hause  geleitet6;  —  eine  Absage  an  Cato  und  seine  Genossen, 


de f ender e,  tum  vero  hoc  tempore  vita  nulla  est,  neque  enim  fructum 
ullum  laboris  exspecto,  et  cogor  nonnumquam  homines  non  optime 
de  me  merüos  rogatu  eorum,  qui  bene  meriti  sunt,  def endete.  Dazu 
gehört  auch  die  Verteidigung  des  Baibus  im  Jahre  56  (oben  S.  148,  3). 

')  z.  B.  ad  Att.  IV  13  (Mitte  November). 

l)  ad  Att.  II  1.  2. 

»)  An  Luccejus  V  12,  vgl.  ad  Att.  IV  6,  4  (Sommer  56).  11,  2  (Ende 
Mai  55). 

*)  ad  Att.  IV  18. 

>)  An  Lentulus  I  9,  4.  Darauf  bezieht  sich  das  bei  Qointilian  IX 
?,,  41  erhaltene  Fragment  eines  Briefes  an  Brutus  (fr.  7  Baiter,  fr.  11 
Purser)  ego  cum  in  gratiam  redierim  cum  Ap.  Claudio,  et  redieriin 
per  Cn.  Pompeium,  [atj  ego  ergo  cum  redierim.  Ferner  duii  bei 
Servius  ad  Aen.  VIII  395  bewahrte  Fragment  Cicero  libro  primo  ad 
Brutum:  si  Pompeius  non  ex  alto  peteret  et  multis  verbis  me  iam 
kortaretur,  nämlich  für  Appius'  Interessen  einzutreten,  wie  A.  E.  Schmidt. 
Philol.  49,  1899,  47  die  Stelle  durch  Heranziehung  der  Äußerung  ad  Att. 
VI  2,  10  (Mai  50)  evident  richtig  gedeutet  hat.  Brutus  war  der  Schwieger- 
sohn des  Appius  und  daher  auch  Schwager  des  ältesten  Sohnes  des 
Pompejus.    Wann  Brutus  die  Claudia  geheiratet  hat,  wissen  wir  nicht. 

•)  ad  Qu.  fr.  II  7,  2,  vgl.  an  Lentulus  I  9,  4  certiorem  te  per  litteras 
scribis  esse  factum,  me  cum  Caesare  et  cum  Appio  esse  in  gratia, 
teque  id  non  reprehendere  scribis.  §  20  cognosce  de  Crasso.  ego, 
cum  mihi  cum  ülo  magna  iam  gratia  esset,  quod  eius  omnis  gra- 


Cicero  gegen  Piso  and  die  Invektive  gegen  Cicero 


163 


wie  sie  nicht  scharfer  gedacht  werden  konnte;  dadurch  hoffte 
er  zugleich  weiteren  Schutz  gegen  Clodras  zu  finden.  Als  aber 
Piso  im  Hochsommer  56  aus  Macedonien  zurückkehrte,  von  Senat 
und  Volk  ganz  ablehnend  aufgenommen,  und  sich  im  Senat  über 
Ciceros  Angriffe  und  seine  durch  diesen  veranlaßt^  Abberufung 
beschwerte  und  ihm  seine  Herkunft  aus  einem  Municipium,  so- 
wie sein  Exil  vorwarf  —  Cicero  dagegen  wollte  nur  eine  frei- 
willige Entfernung  aus  Rom,  aus  Aufopferung  für  den  Staat, 
anerkennen,  und  der  Senat  stimmte  dem  zu1)  — ,  replizierte  dieser 
in  einer  äußerst  boshaften  Invektive,  die  er  dann  zu  einer  breiten, 
von  Eigenlob  und  Galle  strotzenden  Schmähschrift  verarbeitete2). 
Um  so  peinlicher  vermied  er  alles,  was  Pisos  Schwiegersohn 
Caesar  hätte  verletzen  können,  und  überschüttete  den  Pompejus 
in  gewohnter  Weise  mit  Lobpreis.  Das  hatte  ihm  Piso  bereits 
vorgehalten:  er  greife  nur  diejenigen  an,  die  er  verachten  zu 
können  glaube,  an  die  Hauptschuldigen  wage  er  sich  nicht,  weil 
sie  die  Macht  hätten,  am  wenigsten  an  Pompejus,  den  er  sich 
durch  die  renommistischen  Verse  über  sein  Consulat  zum  Feinde 
gemacht  habe8).  In  einer  kurzen,  eben  so  boshaften  wie  treffenden 
Antwort,  die  Ciceros  gesamtes  privates  und  öffentliches  Leben 
an  den  Pranger  stellt,  ist  das  in  knappen  Sätzen  weiter  aus- 
geführt: diese  Broschüre,  die  im  Hochsommer  des  Jahres  54 
geschrieben  ist,  als  Cicero  die  Verteidigung  des  Vatinius  über- 
nehmen mußte,  ist,  wie  Schwartz  erkannt  hat,  zweifellos  mit 
der  Antwort  identisch,  die  Pis.j  eben  damals  veröffentlicht  hat*;, 

oblitrione  contrieratn  (es  folgt  der  Konflikt  nnd  die  neue  Versöhnung 
zu  Knde  des  Jahres). 
')  in  Pis.  31. 

•)  Die  Scene  im  Senat  spielte  bekanntlich  kurz  vor  den  von  Pom- 
pejus gegebenen  Spielen,  s.  in  Pison.  65  und  Asconius;  veröffentlicht 
wird  die  Bede  wohl  erst  zu  Anfang  des  Jahres  54  sein. 

■)  in  Pis.  72  ff.;  Ober  Caesar  §  79. 

*)  ad  Qu.  fr.  III  1,  11,  geschrieben  Ende  September  54  als  Ant- 
wort auf  einen  Brief  des  Quintus  aus  Britannien:  alterttm  est  de  Cal- 
venti  Man  (d.  i.  Piso)  oratione  quod  scribis.  miror  tibi  placere,  me 
ad  eam  rescribere,  praeserlim  cum  illam  nemo  lecturus  sit,  si  eyo 
nihil  rescripsero,  meam  in  ülum  pueri  omnes  tarn  quam  dictata  per- 
diecant. 


1G4  Das  Principaf  de*  Pom  pejus  , 

sei  es,  daß  sie  den  Namen  des  Sallust,  unter  dem  sie  überliefert 
ist,  fälschlich  tragt,  sei  es,  daß  Piro  sich  wirklich  der  Feder  dieses 
jungen  talentvollen  Schriftstellers  bedient  hat,  dessen  politische 
Laufbahn  eben  damals  begann1).  Der  Redner  ist  bei  Senat  und 
Volk  schlecht  angeschrieben;  er  steht  auf  seiten  der  Machthaber, 
unter  denen  er  besonders  den  M.  Orassus  als  das  Vorbild  eines 
wahrhaft  patriotischen  und  über  alle  Einflüsse  erhabenen,  seinen 
Freunden  mit  Hingebung  dienenden  Mannes  dem  Cicero  gegen- 
überstellt; dessen  damaliges  Verhalten  aber  charakterisiert  er 
mit  scharf  pointierten  Worten,  die  weit  sicherer  zum  Ziele  treffen, 
als  Ciceros  breite  und  doch  inhaltslose  Ergüsse:  „Bitte,  sage  mir, 
Du  Bornums  aus  Arpinum,  der  Du  alle  Paulli,  Fabier,  Scipionen 
durch  Deine  hervorragende  Tugendhaftigkeit  überragst,  welchen 
Platz  nimmst  Du  eigentlich  in  unserem  Staat  ein?  Welche  Partei 
hat  Deine  Billigung?  Wen  haltst  Du  für  Deinen  Freund,  wen 
für  einen  Feind?  Dem,  den  Du  innerhalb  der  Bürgerschaft  mit 
Nachstellungen  verfolgtest*),  leistest  Du  Knechtesdienste;  der 


')  Daß  diese  Invektive  kein  späteres  Machwerk,  sondern  im  August  54 
aus  intimster  Kenntnis  der  damaligen  Lage  geschrieben  ist  (in  bezeichnen- 
dem Gegensatz  zu  der  ganz  vagen  Antwort .  die  unter  Ciceros  Namen, 
mit  Außerachtlassung  aller  Chronologie,  in  der  Kaiserzeit  ein  Rhetor 
Didius  verfaßt  hat,  den  Diomedes  p.  387  ,  6  zitiert),  hat  Rkitzkkstkih, 
Hermes  83,  1898.  87  ff.  schlagend  erwiesen,  die  für  Piso  als  Verfasser 
sprechenden  Argumente  ebenda  101  ff.  Schwartz  vorgelegt.  Sie  sind  in 
der  Tat  zwingend.  Andrerseits  wird  die  Broschüre  von  Quintilian  unter 
Sallust«  Namen  zitiert  (IV  1,  68.  IX  8,  89,  vgl.  XI  1.  24);  und  daß  zwi- 
schen Cicero  und  Sallust  (den  jener  nie  erwähnt)  eine  persönliche  Feind- 
schaft bestand,  ist  durch  das  Zeugnis  Senecas  de  matrimonio  (bei  Hieron. 
adv.  Jovin.  I  48,  bei  Reitzehsteis  1.  c.  94)  gesichert,  nach  dem  Terentia 
nach  der  Scheidung  von  Cicero  nupsii  Sallustio  inimico  eius.  Da  auch 
der  Stil  der  Invektive  zu  Sallust  ganz  gut  paßt,  darf  man  viel- 
leicht annehmen,  daß  dieser  sie  im  Auftrage  und  Namen  Pisos  ver- 
faßt hat.  [Mommsbks  Vermutung  Röm.  Forsch.  II  485,  42,  der  Proquaestor 
des  Bibulus  in  Syrien  im  J.  50  Salustiu«,  dessen  Vorname  in  Canini 
entstellt  ist,  an  den  Cicero  den  gereizten  Brief  fam.  n  17  schreibt,  sei 
der  Historiker,  erscheint  mir  wenig  wahrscheinlich.] 

5)  Pompejus,  mit  Anspielung  auf  das  angebliche  Attentat  im 
Sommer  59. 


Die  Invektive  gegen  Cicero 


165 


sich  für  Dich  aufgeopfert  hat1),  mit  welchem  Recht  verfolgst 
Du  ihn  nach  Deiner  Rückkehr  aus  dem  Exil  in  Dyrrhachium? 
Die  Du  Tyrannen  nanntest,  deren  Macht  förderst  Du,  die  Du 
früher  als  Optimaten  anerkanntest,  nennst  Du  jetzt  kopflos  und 
toll!  Den  Vatinius  verteidigst  Du,  über  Sestius  denkst  Du  ab- 
fällig, den  Bibulus  verletzst  Du  mit  frechen  Reden,  den  Caesar 
lobst  Du;  ihm,  den  Du  am  stärksten  haßst,  bist  Du  am  folg- 
samsten; wenn  Du  stehst  und  wenn  Du  Dich  setzst,  wechselst 
Du  Deine  Ansicht,  diese  schmähst  Du,  jene  haßt  Du,  leichtfertiger 
Überläufer*),  der  Du  weder  der  einen  noch  der  andern  Partei 
treu  bist."  Treffender  konnte  Oiceros  Verhalten  in  diesen  Jahren 
in  der  Tat  nicht  gezeichnet  werden. 

An  der  Fiktion,  daß  sie  die  ihnen  zugewiesenen  Provinzen 
unter  sich  verlosen  sollten,  haben  die  Oonsuln  offiziell  festgehalten, 
und  beide  bezeugten  ihre  Freude,  als  das  Los  wirklich  nach  ihren 
Wünschen  entschied2).  In  Wahrheit  war  das  natürlich  lediglich 
Fiktion,  wie  in  alter  und  neuer  Zeit  meist  in  derartigen  Fällen ;  die 
Zuweisung  war  in  Luca  festgelegt.  Pompejus  übertrug  die  Ver- 
waltung Spaniens  seinen  Legaten;  er  selbst  wollte  natürlich  in 
Rom,  oder  vielmehr  fortan  als  Proconsul  vor  dessen  Toren  bleiben. 
Auch  Crassus  schickte  zunächst  einen  Legaten  nach  Syrien  zur 
Übernahme  der  Provinz,  dem  aber  Gabinius,  der  bisherige  Statt- 
halter, die  Übergabe  verweigerte4).     Das  gab  den  Anlaß  zu 

*)  Siehe  Rkitzikstkin  S.  88,  der  mit  Recht  den  Ausfall  eines  der- 
artigen Satzes  annimmt.  Wer  gemeint  ist.  läßt  sich  nicht  sicher  sagen; 
Reitzekstbih  denkt  an  Hortensius. 

*)  levisaimc  transfuga,  wozu  Rkitzenstkin  mit  Recht  Dio  86.  44,  2 
(im  Jahre  66  beim  Prozeß  des  Manilius)  und  39,  6'i.  5  (im  Jahre  54 
beim  Prozeß  des  Gabinius.  unten  S.  207  ,  2)  heranzieht,  nach  dem  abt6- 
yuoXoi  zum  Beiwort  für  Cicero  wurde. 

*)  Plut.  Crass.  15  f.  Vgl.  ad  Att.  IV  9  (27.  April)  Pompeius  .  .  . 
muUa  mecum  de  republica,  sane  sibi  displiceiut,  ut  loquebatur  (sie 
est  emm  in  hoc  homine  dicendum),  Syriatn  spernens,  Hispaniam 
iactans,  hic  quoque,  ut  loquebatur. 

4)  Dio  39,  60,  4.  Oabinios  beanspruchte  offenbar  das  Recht,  die 
Provinz  bis  zum  Eintreffen  seines  Nachfolgers  zu  verwalten,  erkannte 
also  daB  trebonische  Gesetz,  das  sie  sofort  dem  Crassus  Uberwiesen  hatte, 
nicht  als  rechtsbest&ndig  an  oder  interpretierte  es  anders. 


166 


Das  Principat  des  Pompejus 


weiteren  Händeln  in  Rom.  Bis  dahin  hatten  die  Machthaber 
den  Gabinius  gestützt,  im  Jahre  56  seine  Abberufung  gegen 
Ciceros  Antrag  (S.  146)  verhindert,  und  Pompe  jus  hatte  ihn  an- 
gewiesen, unbekümmert  um  das  Sibyllenorakel  den  Ptolemaeos 
nach  Aegypten  zurückzuführen,  damit  er  und  seine  Anhänger 
auf  ihre  Kosten  kämen.  Gabinius  übernahm  dieses  äußerst  ein- 
trägliche Geschäft  natürlich  sehr  gern  und  führte  den  Auftrag 
im  Sommer  55  ohne  große  Mühe  aus;  um  seinetwillen  gab  er 
den  geplanten  Krieg  gegen  die  Parther  auf1),  den  er  bereits  ein- 
geleitet hatte.  Im  übrigen  hatte  er  in  den  fast  drei  Jahren  seiner 
Statthalterschaft  ununterbrochen  mit  den  Juden  zu  tun,  bei 
denen  der  makkabaeische  Prinz  Alezander  und  sein  aus  Rom  ent- 
flohener Vater  Antigonos  einen  Aufstand  nach  dem  anderen  er- 
regten. Hier  sind  sowohl  seine  militärischen  Maßregeln,  ebenso 
wie  in  dem  aegyptischeu  Feldzug,  wie  seine  politischen  Anord- 
nungen sehr  umsichtig  und  verständig  gewesen :  er  unterließ  wilde 
Strafgerichte,  behandelte  die  gefangenen  Fürsten  sehr  anständig2), 
löste  aber  alle  griechischen  und  halbgriechischen  Städte  von  der 
jüdischen  Zwangsherrschaft  los  und  teilte  das  den  Juden  gelassene 
Gebiet  in  fünf  selbständige  Gerichtssprengel  unter  der  Ober- 
hoheit des  Hohenpriesters  Hyrkanos  und  seines  Ministers  Anti- 
pater.  Auch  die  Nabataeer,  die  das  Kulturland  mit  ihren  Raub- 
zügen heimsuchten ,  wies  er  erfolgreich  zurück.  Uberhaupt  ist 
das  Bild,  das  sowohl  Cicero  wie  auf  Grund  der  aristokratischen 
Tradition  Dio  von  seiner  Tätigkeit  in  Syrien  entwirft,  aufs  stärkste 
verzerrt.  Für  seine  Privatkasse  wird,  wie  die  meisten  römischen 
Statthalter  und  wie  in  gewaltigstem  Umfang  Caesar  in  Spanien 
und  dann  in  Gallien,  so  auch  er  gründlich  gesorgt  haben  —  hat 
doch  sein  Kollege  Piso  im  März  58  seinem  Verwandten,  dem 

')  Darauf  bezieht  sich  Cic.  de  domo  60 :  Clodius  hat  dem  Gabinius 
Syriam,  Babylonem,  Persas,  integerrimas  pacatissimasque  gentia 
[auf  eine  solche  Phrase  kommt  es  Cicero  natürlich  so  wenig  an,  wie 
einem  attischen  Kedner],  ad  diripiendutn  übergeben. 

*)  Ebenso  sachte  er  und  sein  Legat  M.  Antonias,  freilich  vergeb- 
lich, die  Rache  des  Ptolemaeos  Auletes  an  den  aegyptischeu  Rebellea 
zu  hemmen  (Plut.  Anton.  3). 


Gabinius  in  Syrien  and  Aegypten 


167 


Schwiegersohn  Ciceros,  C.  Piso  Frugi,  ganz  offen  gesagt,  Gabinius 
brauche  Geld  und  müsse  daher  den  Clodius  unterstützen,  damit 
dieser  ihm  die  einträgliche  Provinz  verschaffe1);  und  vom  König 
Ptolemaeos  hat  er  sich  für  die  Rückführung  nicht  weniger  als 
10000  Talente  zahlen  lassen"),  wovon  er  allerdings  beträchtliche 
Summen  an  seine  Hintermänner  abgeben  mußte.  Aber  daß  er 
mit  den  schlimmsten  Blutsaugern,  den  römischen  Steuerpächtern, 
in  ständigem  Hader  lebte ,  ihre  Verträge  und  Vorschüsse  nicht 
anerkannte,  in  den  Orten,  die  er  aufsuchte,  ihre  Anwesenheit 
und  die  ihrer  Agenten  nicht  duldete,  viele  Gemeinden  von  der 
Steuerlast  befreite,  „die  armen  Publicani",  wie  ihr  Anwalt  Cicero 
sagt,  „den  Juden  und  Syrern,  zur  Knechtschaft  geborenen 
Nationen,  zur  Knechtschaft  gab"3),  spricht  sehr  zu  seinen 
Gunsten;  und  sicher  ganz  unzutreffend  ist  die  Behauptung,  er 
habe  das  Räuberwesen  gefördert  und  ganz  Syrien  den  Räuber- 
banden zur  Ausplünderung  überlassen4),  wenn  es  auch  an  der- 
artigen Fehden,  namentlich  im  Libanongebiet  und  in  den  arabi- 
schen Grenzdistrikten,  in  dem  unter  den  letzten  Seleukiden  durch 
die  Schuld  der  römischen  Oberherrn  ganz  heruntergekommenen 
und  dem  furchtbarsten  Elend  überantworteten  Lande  nicht  ge- 
fehlt haben  wird.  Vielmehr  hat  sich  auch  unter  ihm,  wie  in 
Caesars  Provinzen,  das  monarchische  Regiment,  das  er  übte, 
trotz  aller  Gebrechen  als  ein  Fortschritt  gegen  die  verrotteten 
republikanischen  Einrichtungen  erwiesen.  Die  Verweigerung 
des  Dankfestes  und  damit  des  Triumphs  im  Mai  56  (oben 


')  Cic.  in  Pia.  12;  vgl.  pro  Se*t.  98  u.  a. 

*)  Cic.  pro  Rab.  Post.  21.  tfO.  vgl.  34.  Plut.  Anton.  8.  schol.  Bob. 
zu  pro  Plane.  86  und  pro  Arch.  9.    Vgl.  Dio  39,  55,  5.  56  f. 

3l  de  prov.  cons.  10.  in  Pia.  41;  ebenso  Dio  39,  59,  2. 

4)  Cic.  de  prov.  cons.  9.  Dio  39,  56,  1.  59,  2.  Ciceros  Behauptung  de 
prov.  cons.  9  adventus  in  Syriam  primus  equitatus  habuü  in- 
terüum,  posi  concisae  sunt  optima*  cohortes.  igüur  in  Syria  impe- 
ratore  illo  nihü  aliud  actum  est  nisi  pactiones  pecuniarum  cum 
tyrannis,  deci&iones,  direptiones,  latrocinia,  caedes  (vgl.  §  18  mili- 
tum  cladis,  publicanorum  ruinös,  provinciamm  vastitates)  ist  eine 
offenkundige  Löge,  hinter  der  »ich  der  Sieg  Ober  die  jüdischen  Rebellen 
und  die  ilort  getroffenen  Anordnungen  verbergen. 


168  I>as  Principal  des  Pompoju« 

3. 146, 2)  war  nach  dem  herkömmlichen  Maßstab  zweifellos  eine 
Ungerechtigkeit,  die  nicht  auf  einer  objektiven  Beurteilung  der 
Vorgänge,  sondern  auf  den  inneren  Gegensätzen  beruhte;  wäre 
man,  wenn  man  es  nur  gekonnt  hatte,  doch  auch  gegen  Caesar 
ebenso  verfahren1). 

Allerdings  war  nicht  zu  verlangen,  daß  der  Senat  für  einen 
Mann,  der  ihm  im  Dienst  der  Machthaber  so  arg  mitgespielt  hatte, 
irgend  etwas  tun  sollte.  Uber  die  Rückführung  des  Ptolemaeos 
konnte  er  überhaupt  nicht  wagen,  an  den  Senat  zu  berichten2). 
Nur  um  so  heftiger  erhoben  sich,  als  die  Sache  ruchbar  wurde8), 
hier  die  Angriffe,  die  durch  die  Klagen  der  Steuerpächter  und 
der  von  ihnen  abhängigen  Provinzialen  gestützt  wurden*).  Die 
Consuln  dagegen  nahmen  ihn  in  Schutz,  bis  die  Schwierigkeiten, 
die  er  Crassus'  Legaten  bei  der  Übergabe  der  Provinz  machte, 
diesen  zu  scharfen  Angriffen  auf  Gabinius  veranlaßten  (Hoch- 
sommer 55)5).  Das  hat  offenbar  Cicero  den  Mut  gegeben,  aufs 
neue  die  »Schleusen  seiner  Beredsamkeit  zu  öffnen:  er  forderte 
die  Bestrafung  des  Gabinius  und  zu  dem  Zweck  die  Verlesung 
des  sibyllinischen  Orakels.  Aber  inzwischen  war  eine  Geldsendung 
des  Gabinius  eingetroffen,  und  überdies  konnten  weder  Pompe  jus, 
der  ja  selbst  aufs  stärkste  kompromittiert  war,  noch  Crassus  ihn 
wirklich  fallen  lassen;  so  antwortete  dieser  mit  einem  scharfen 
Ausfall  gegen  Cicero  und  warf  ihm,  wie  vorher  Piso  (S.  163), 
das  ihn  tödlich  verletzende  Wort  ezsul  ins  Gesicht.  Da  konnte 


')  Genauere  Nachrichten  über  Gabini  at  Tätigkeit  in  Syrien  ver- 
danken wir  Josephus  Bell.  I  160  ff.  =  Ant  XIV  82  ff.;  vgl.  Plut.  Anton.  3. 
Dadurch  wird  Dios  zum  mindesten  einseitiger,  im  übrigen  von  seinem 
naiven  Glauben  an  das  8ibyllenorakel  beherrschter  Bericht  89,  55  ff.  wenig- 
ntens  einigermaßen  kontrolliert.  Zur  Beurteilung  vgl.  vah  dir  Mühu.  bei 
Pauli-Wbsowa  VII 427  ff.  und  in  der  Sammelschrift  Juvenes  dum  sumus  75  ff. 

«)  Dio  89,  59,  1 ;  vgl.  Cic.  in  Pis.  49. 

«)  8chon  am  22.  April  55  schreibt  Cic.  ad  AH.  IV  10  Puteolis  magnus 
est  rumor,  Ptolemaeum  esse  in  regno ;  si  quid  haben  ceriius,  velim  scire. 

*)  Dio  39,  59,  2  lipY'Covto  xat  fvwfjia«;  «  iicotoövt©  xal  feolpac  tfyov 
%«ca<]rr)<pbao(htt  a&coö. 

•)  Cic.  an  Lentulus  I  9,  20  Gabinüts  ,  quem  (Crassus)  proximis 
superioribus  diebus  acerrime  oppugtwMset. 


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Konflikt  zwischen  Cicero  and  Cra.^u!-. 


169 


auch  Cicero  sich  nicht  mehr  halten;  der  ganze  Haß,  der  eich  bei 
ihm  gegen  Crassus  angesammelt  und  den  er  so  lange  mit  Mühe 
niedergehalten  hatte,  brach  gewaltsam  hervor.  Die  Optimaten 
jubelten:  jetzt  sei  er  in  seine  alte  Kampfstellung,  für  die  sie 
seine  Rückberufung  betrieben  hatten,  zurückgekehrt  und  der 
Bruch  unheilbar.  Ihm  aber  war  nicht  wohl  bei  der  Rolle,  die 
ihm  zugemutet  wurde;  Pom  pejus  erhob  dringende  Vorstellungen, 
Caesar  mahnte  und  drohte  in  Briefen,  und  so  kroch  er  aufs  neue 
zu  Kreuze.  Ehe  Crassus  Mitte  November  zur  Armee  nach  Syrien 
abging,  gab  er  ihm  ein  Abschiedsdiner  in  dem  Garten  seines  da- 
maligen Schwiegersohns  Crassipes,  und  bald  darauf  schrieb  er 
ihm  eben  offiziellen  Versöhnungsbrief,  in  dem  er  ihn  seiner 
dauernden  Zuneigung  versicherte,  die  früheren,  durch  böswillige 
Neider  herbeigeführten  Zerwürfnisse  beklagte,  und  sich  feierlich 
verpflichtete,  in  seiner  Abwesenheit  seine  Interessen  in  jeder 
Richtung  zu  vertreten1),  ein  Versprechen,  das  er  denn  auch  in 
den  nächsten  Senatssitzungen  erfüllt  hat«). 

')  An  Crassus  fam.  V  8.  hos  litteras  velim  exisUmes  foederis 
habituras  esse  vim,  non  episiolae  . . .  quae  a  me  suscepta  defenmo 
est  te  absente  dignitatis  Urne,  in  ea  iam  ego  non  solum  amicitiuc 
nostrae  sed  etiam  constantiae  meae  causa  permanebo.  Der  Brief 
(oder  vielmehr  der  Briefentwurf,  in  dem.  wie  Bardt,  Hermes  32,  1897, 
267  ff.  sehr  hübsch  gezeigt  hat,  an  ein  ursprüngliches  Concept  §  1.  2. 
Beine  Verbesserung  §  3.  4  angereiht  ist)  ist  also  einige  Zeit  nach  Crassus' 
Fortgang  geschrieben,  uach  den  vermutlich  durch  die  Handel  mit  Atejus 
hervorgerufenen  Debatten  im  Senat,  von  denen  Cicero  fam.  I  9,  20  an 
Tjentulus  schreibt :  quam  ob  rem  eins  (Crassi)  causam,  quod  te  scribis 
audisse,  magna  illius  commendatione  susceptam  defendi  in  senatu, 
Mcut  mea  ftdes  postuldbat.  Wie  er  in  Wirklichkeit  über  ihn  dachte, 
schreibt  er  am  14.  oder  15.  November  an  Atticus  IV  13:  Crassum  qui- 
dem  nostrum  minore  dignitate  aiuni  profectum  paludatum  quam 
olim  a äqualem  eins  L.  Paullum,  item  Herum  consulem.  0  hominem 
nequam!  — r  Das  Abschicdsdiner  erwähnt  auch  Plut.  Cic.  26. 

*)  Dio  89,  59,  3  (den  Konflikt  zwischen  Crassus  und  Gabinius  berichtet 
er  nachträglich  c.  60,  4):  xai  fap  o  Ktxipiov  td  «  äXXa  loxopt&s  *v*|1f* 
(gegen  Gabinius)  xa-  oovtßotttoi  o<pwi  (dem  Senat)  zu  XtßoXX««*  ftr»]  aäfttc 
ivrfvdövat.  «pooSoxüiv  SYTrfP'*?®'at  ttya  *v  aü?ol(  tifxwptav ,  Stav  itapaßaihj. 
b  oiv  nojiKTjioc  Z  ts  Kp<4o3o;  ök6lwj6v  t»  ftt,  xotl  &  uiv  ^  Po  rn  pejus)  ha'ixip 
ßoTffd-wv,  b  ih  (Crassus)  t^v  t*  fx»tvoo  /äptv  xol  Sp,a  xai  ipr^wx  xapa  tob 


170 


Das  Principat  des  Pompejus 


Inzwischen  hatten  beide  Consuln  in  Italien  starke  Aus- 
hebungen veranstaltet,  Crassus  für  den  von  ihm  geplanten 
Partherkrieg,  Pompe  jus  für  die  Armee,  die  seine  Legaten  in 
Spanien  zu  seiner  Verfügung  hielten :  wahrscheinlich  hat  man  in 
Luca  verabredet ,  daß  wie  bisher  schon  Caesar ,  so  fortan  auch 
jeder  der  beiden  andern  über  acht  Legionen  kommandieren  sollte, 
während  die  Zahl  von  Caesars  Legionen  auf  zehn  erhöht  wurde1). 

raßtvtoo  ntjMpfHvra  ot  Xaßtuv  tx  tt  toü  icp«xpavo5^  6nip  abxob  2t»8txaioov  xal 
£k'k*  x»  xai  fOftf*a  tiv  Kixipuiva  äjroxiXoOvTt<;  oöilv  licrJiT(?taav.  Dadurch 
fallt  Licht  auf  Ciceros  Bericht  an  Lentulus  I  9,  20:  aeeipe  de  Crasso. 
ego  . .  .  repentinam  eins  defensionem  Gabini,  quem  proximis  supe- 
rioribus  diebus  acerrime  oppuanasset,  tarnen,  si  sine  ulla  mea  contu 
melia  (das  ist  dos  Wort  exiil!)  siiscepisset,  tulissem:  sed  cum  me 
diaputantem,  non  Incessentem  laesisset,  exarsi  non  solum  praesenti 
credo  iracundia  —  nam  ea  tarn  vehemens  fortasse  non  fuisset  — , 
sed  cum  inclumtm  iilud  odium  multarum  eins  in  me  iniuriarwn, 
quod  ego  effudisse  me  omne  arbitrabar,  residuum  tarnen  insciente 
me  fuisset,  omne  repente  apparuit.  Es  folgen  die  üblichen  Klagen 
über  die  Freude  der  quidam  homines  et  iidem  Uli,  qtws  saepe  signi- 
ftco  neque  appello  Ober  das  Zerwürfnis,  und  dann  der  Bericht  über 
die  Vermittlung  des  Pompejus  und  des  Caesar  (cum  per  litteras  ma- 
xima  se  molestia  ex  üla  conientione  adfectum  ostender  et)  und  da« 
Versöhnungsdiner.  Da  Caesar  damals  in  Britannien  stand,  muß  die 
Scene  mindestens  2—3  Monate  vor  der  Versöhnung,  also  spätestens  im 
September  gespielt  haben. 

')  Beim  Ausbruch  des  Bürgerkriegs  hat  Pompejus  in  Spanien  be- 
kanntlich sieben  Legionen,  von  denen  eine,  die  vemacula,  in  Spanien 
selbst  ausgehoben  war  (Caesar  bell.  civ.  I  85,  6.  11  20,  4).  Vorher  aber 
hat  er  zu  Anfang  des  Jahres  58  eine  Legion,  die  er  in  der  Cisalpina  aus- 
gehoben hatte,  dem  Caesar  überlassen  (bell.  Call.  VI  1,  2.  VIII  54,  2, 
als  tegio  prima  bezeichnet),  die  er  im  Jahre  50  bekanntlich  von  Caesar 
zurückforderte.  Somit  standen  damals  acht  Legionen  unter  seinem 
Kommando.  Nach  Plutareh  Pomp.  52  hfttte  allerdings  Pompejus  im 
Jahre  55  nur  vier  Legionen  erhalten ,  von  denen  er  zwei  (!)  an  Caesar 
geliehen  habe,  und  nach  Appian  II  24,  92  werden  ihm  im  Jahre  52 
zwei  weitere  bewilligt ;  der  Sold  im  Betrag  von  1000  Talenten  (24  Mill. 
Sest.)  wird  erst  damals  auf  die  Staatskasse  übernommen  (Plut  Caes.  28 
Pomp.  55).  Dem  gegenüber  gibt  Dio  39,  34.  2  als  Inhalt  des  tre* 
bonischen  Gesetzes  an,  ihnen  6eien  die  Provinzen  bewilligt  aTpatiuKatc  t» 
o3oi«  fiv  «{rs)vY,3io!ji  xal  tö»v  noXttAv  xa't  tä»v  oojijiax«jv  xpa»|j.«votc ,  und  das 
wird  richtiger  sein.    Crassus  überschreitet  den  Euphrat  mit  sieben  Le. 


Der  Tribun  Atejus.  gegen  die  Aushebungen  und  den  Partherkrieg  171 


In  der  ganz  unkriegerisch  gewordenen  Bürgerschalt  erregte  das 
starke  Verstimmung,  die  von  den  Gegnern  weidlich  ausgenützt 
wurde,  vor  allem  im  Prozeßkrieg  gegen  die  Gehilfen,  in  dem  die 
sich  bedroht  fühlenden  Consuln  sogar  einmal  mit  ihrem  Anhang 
im  Trauergewand  erschienen.  Die  Tribunen  Atejus  Capito  und 
Aquillius  Gallus  versuchten  sogar,  wie  ihre  Vorgänger  in  der  Zeit 
der  Standekämpfe,  von  denen  die  Annalen  berichteten,  die  Aus- 
hebung durch  ihr  Veto  zu  hindern.  Pompejis  kümmerte  sich 
wenig  darum,  sondern  ließ  die  Aushebungen  in  allen  Bezirken 
Italiens,  wo  ja  die  durch  das  Pomer ium  begrenzte  Intercession 
der  Tribunen  keine  Kraft  hatte,  durch  seine  Legaten  ausführen; 
Crassu?  dagegen  machte  Miene,  in  Rom  mit  Waffengewalt  ein- 
zuschreiten, und  zwang  dadurch  die  Tribunen,  ihren  Einspruch 
aufzugeben1).  Den  Krieg  gegen  die  Parther  unternahm  er  auf 
eigene  Hand,  ohne  das  Volk  oder  auch  nur  den  Senat  zu  befragen 
—  in  dem  treboniscben  Gesetz  war  den  Consuln  zwar  das  Recht 
gegeben,  Krieg  zu  führen,  aber  jede  Spezialisierung  mit  Absicht 
vermieden*);  trotzdem  war  natürlich  Crassus'  Plan  allgemein  be- 
kannt. Der  Tribun  Atejus  machte  jetzt  einen  letzten  Versuch, 
Crassus'  Auszug  (um  den  14.  November  =  6.  Oktober  jul.)  zu 
verhindern:  er  erklärte  es  für  frevelhaft,  daß  er  mit  einem  Volk, 
mit  dem  man  in  Frieden  lebe,  ohne  Provokation  Krieg  beginnen 
wolle*);  zugleich  verkündete  er,  als  Crassus  feierlich  aufs  Capitol 
zog,  um  dem  Juppiter  die  Gelübde  darzubringen  und  hier  das 
Kriegsgewand  anzulegen,  in  üblicher  Weise,  daß  er  den  Himmel 
beobachtet  und  den  Blitz  gesehen  hübe,  um  die  Vollziehung  der 
sakralen  Handlung  durch  Obnuntiation  zu  inhibieren4).  Crassus 

gionen  (Plut.  Crass.  20;  vgl.  Reo  uro  (  Klio  VII  372  f.);  man  wird  wohl 
annehmen  dürfen,  daß  er  eine  Legion  als  Besatzung  in  Syrien  zurück- 
gelassen hat.  zumal  da  die  Legionen,  dem  alten  Bestände  des  consu- 
larischen  Heeres  entsprechend,  bekanntlich  last  immer  in  gerader  Zahl  er- 
scheinen. 

')  Ober  diese  Vorgänge  besitzen  wir  nur  Bio«  Bericht  :>9,  '•>{>. 
*)  Plut.  Crass.  16  xattoi  xqi  Ypaytvr.  wpl  toütu»  vöu,<j>  Ilapftixo;  ico- 
X»}io<  ob  Kporqv. 

3)  Plut.  Crass.  16. 

4J  Dio  39.  39,  6  ot  fojjiapxot  i  Atejus  und  Gallus)  iv  tu»  Katt'.ttuX-.^  t<k; 


172 


Da«  Principat  de«  Pompejus 


ließ  sioh  dadurch  natürlich  nicht  abschrecken;  aber  er  veran- 
laßte  den  Pompejus,  seinen  Auszug  durch  persönliches  Erscheinen 
zu  decken.  An  Pompejus  wagte  sich  die  Menge  nicht  heran, 
und  als  Atejus  den  Craasus  verhaften  wollte,  intercedierten  andre 
Tribunen.  Da  eilte  Atejus  ans  Tor  voraus  und  weihte  den  Aus- 
ziehenden in  allen  Formen  der  überlieferten  Religion  den  unter- 
irdischen Göttern1)  —  ein  Fluch,  der  sich  alsbald  in  furchtbarer 
Weise  erfüllt  hat. 

Auch  gegen  Caesar  wurde,  als  zu  Ende  55  sein  Bericht  über 
den  Feldzng  dieses  Jahres  eintraf,  ein  neuer  Ansturm  versucht: 
Cato  beantragte,  Caesar  wegen  der  schnöden,  alle  seine  bisherigen 
Handlungen  in  Gallien  an  vollendeter  Gewissenlosigkeit  noch 
überbietenden  Verletzung  des  Völkerrechts,  mit  der  er  die  Usipeter 
und  Tenkterer  überfallen  hatte,  den  Germanen  auszuliefern. 
Das  war  freilich  nicht  nur  nach  Lage  der  Verhältnisse,  sondern 
auch  angesichts  der  Stellung,  die  Rom  in  der  Welt  einnahm, 
völlig  unausführbar,  wohl  aber  an  sioh  Rechtens,  und  die  Ehre 
Roms  hätte  es  erfordert*).  Erfolg  hatte  er  damit  natürlich  nicht; 

s&X^S  aotoö  t&c  vopCouiva;  iici  t}  atpattfqt  icoioopivoo  xal  Sioarjuiatc  ttva< 
uol  ttpata  dttfyäoov.  Cic  de  div.  I  29  M.  Orasso  quid  acciderit  vide- 
miis  dirarum  obnuntiatione  neglecta;  in  quo  Appius  . . .  tum  satis 
scienter  virum  bonum  et  civem  egregium  censor  (im  Jahre  50) 
C.  Ateium  notavü,  quod  ementüum  auapicia  subscriberet ;  er  fügte 
hinzu:  ob  eatn  causam  populum  Romanum  calamitatem  maximam 
cepisse,  gegen  welche  Behauptung  Cicero  (oder  sein  dort  das  Wort 
führender  Bruder)  mit  Recht  polemisiert:  nicht  die  Verkündung  des 
Vorzeichens,  sondern  seine  Nichtbefolgung  sei  die  Ursache. 

■)  Dio  89,  39,  6.  Plut.  Crass.  16.  Appian  11  18.  Vellejus  II  46. 
Lucan.  III  125  f.  Florus  II  46,  2  nennt  durch  Verwechslung  mit  dem 
Vorgang  bei  Caesar  im  Jahre  49  den  Tribun  Metellus,  wofür  Halm  nach 
der  schauderhaften  philologischen  Manier  der  angeblichen  Textverbesse- 
rungen Atejus  in  seinen  Text  gesetzt  hat. 

•)  Plut  Cato  41  =  Caes.  22  =  Appian  Celt.  18.  Auch  hier  üegt. 
wie  die  sahireichen  wörtlichen  Übereinstimmungen  und  die  ganze  An* 
Ordnung  zeigen,  bei  Plutarch  und  Appian  dieselbe  Quelle  zugrunde.  Die 
Angabe  über  Catos  Forderung  (die  auch  Sueton  Caes.  24  ut  nonmüli 
dedendum  eum  hosiibus  censuerint  kurz  erwähnt)  stammt  nach  Plu- 
tarch aus  Tanusius,  dem  Caesar  feindlichen  Historiker  (Sueton  Caes.  9, 
oben  S.  18)  =  Appian  tü>v  tt<;  so-f p<M>ia»v ,  rieben  dem  Caesars  eigene 


Cramus'  Aaszag.    Catos  Angriffe  auf  Caesar.  173 

vielmehr  wurde  für  Caesars  Siege  abermals  ein  Danktest  be- 
schlossen, diesmal  sogar,  mit  weiterer  Steigerung,  eins  von 
zwanzig  Tagen.  In  Wirklichkeit  hatte  er  freilich  größere  neue 
Erfolge  und  eine  Erweiterung  des  römischen  Machtbereichs  nicht 
erzielt  ;  aber  der  Ubergang  über  den  Rhein  nach  dem  Siege  über 
die  eingebrochenen  Germanen  und  vor  allem  der  Ubergang 
nach  dem  bisher  nur  im  Dämmerlicht  unbestimmter  Runde  am 
äußersten  Horizont  der  Welt  aufgetauchten  Britannien  haben 
natürlich  auf  das  römische  Publikum  einen  großen  Eindruck 
gemacht,  so  wenig  sie  zu  einem  positiven  Ergebnis  führten  und 
so  ungenügend  vorbereitet  und  verlustreich  gerade  die  Ex- 
pedition nach  Britannien  gewesen  war.  Wie  tief  ihn  Catos 
Angriff  getroffen  hatte,  zeigte  Caesar  dadurch,  daß  er  einen  Brief 
voll  Anklagen  und  Schmähungen  gegen  diesen  an  den  Senat 
richtete  und  hier  verlesen  ließ ;  die  Erregung  wirkt  noch  ein  Jahr- 
zehnt später  in  seinen  Anticatoiies  nach.  Auch  Metellus 
Scipio,  ein  Parteigänger  des  Pompejus,  hat  in  dieser  Zeit  eine 
Schmähschrift  gegen  Cato  veröffentlicht,  in  der  er  sein  Verhalten 
auf  Cypern  und  die  Art,  wie  er  bei  der  Versteigerung  der  einge- 
zogenen Kostbarkeiten  in  Rom  hohe  Geldsummen  für  den  Staats- 
schatz herausschlug,  aufs  schärfste  angriff  (s.  u.  S.  433  A.).  Cato 
hat  die  Gefahren,  die  Rom  nicht  von  den  Kelten  und  Germanen, 
sondern  von  Caesar  drohten,  klar  und  einsichtig  dargelegt1). 
Er  erzielte  damit  einen  großen  Eindruck ;  daß  er  mehr  erreichen 
und  den  Senat  zum  Handeln  fortreißen  könne,  hat  er  gewiß 
selbst  nicht  geglaubt. 

Darstellung  Iv  xal$  ««pYjjMpiai  Plat  =  iv  tat«  totai«  ova-rpayais  «üv  i^nipaiv 
tpftuv  bei  App.,  eine  sehr  korrekte  Übersetzung  von  commentarii,  zitiert 
wird.  Caesar  bemüht  sich  im  bellum  Qallicum  vergeblich .  sein  Ver- 
brechen zu  vertuschen ;  daher  hat  er  die  von  den  eingedrungenen  Germanen 
drohende  Gefahr  maßlos  übertrieben,  und  sich  nicht  geschämt,  seinen 
Lesern  die  Mär  aufzutischen,  daß  die  Feinde  480000  Köpfe  stark  ge 
wesen  seien!  Um  sie  weiter  abzulenken,  hat  er  die  Schilderung  dor 
Sueben  c.  1—3,  die  der  gallischen  Neugier  c.  5  und  den  geographischen 
Exkurs  c  10  eingelegt.  Gegen  Drumanns  mißglückte  Apologie  hat  sich  auch 
Groebk  III'  262  erklärt.  Da«  Dankfest  auch  bei  Caesar  bell.  Gall.  IV  38. 
')  Plut.  Cato  51. 


174 


Da»  Prinzipat  des  Pompejus 


Das  Principat  des  Pompejus  und  Ciceros  Bücher 

vom  Staat 

Durch  die  Ausführung  der  in  Luca  verabredeten  Maßregeln 
ist  das  römische  Gebiet  tatsächlich  in  eine  Anzahl  föderierter 
Staaten  aufgelöst  worden.  Der  Machtbereich  der  Republik  und 
des  Senatsregiments  ist  fortan  auf  das  innere  Gebiet  des  Mittel- 
meers beschränkt,  Italien  und  die  Provinzen  Sicilien,  Sardinien 
mit  Corsica,  Africa,  Cyrene,  Creta,  Macedonien  mit  Griechen- 
land, Aaia,  Bithynia  mit  Pontus,  d.  i.  der  paphlagonischen  Küste, 
Cilicia  mit  Cypern,  ferner  die  Vasallenstaaten  Numidien,  Thrakien, 
Galatien,  Kappadokien  und  die  kleinen  Fürstentümer  und  Frei- 
staaten Kleinasiens.  Gallien  mit  Oberitalien  und  Illyrien,  Spanien, 
Syrien  nebst  seinen  Vasallenstaaten,  zu  denen  jetzt  auch  Aegypten 
gehört,  sind  vom  Körper  des  Reichs  losgelöst  und  zu  selbständigen 
Monarchien  geworden,  deren  Herrscher  zwar  ihre  Truppen, 
wenigstens  zum  größten  Teil,  aus  Italien  beziehn,  aber  im 
übrigen  völlig  selbständig  regieren,  die  nötigen  Verwaltungs- 
maßregeln  ergreifen,  nach  eigenem  Ermessen,  ohne  Auftrag  von 
Rom,  Krieg  füliren,  und  ihren  Machtbereich  ins  üngemesseue 
erweitern.  Wie  Caesar  im  Norden  dem  Römertum  und  damit 
der  hellenistisch-römischen  Kultur  ein  gewaltiges  Gebiet  gewinnt, 
der  Geführ  einer  neuen  Germaneninvasion  vorbaut,  und  den 
freilich  gescheiterten  Versuch  macht,  auch  Deutschland  und  die 
britischen  Inseln  seinem  Reich  einzuverleiben,  so  geht  Orassus 
daran,  das  durch  die  Schuld  des  republikanischen  Regiments 
verlorene  Erbe  Alexanders  bis  nach  Iran  und  Indien  dem  Abend- 
lande wiederzugewinnen1).    Ohne  Kriegserfahrung  war  Crassus 

')  Plutarch  hebt  comp.  Nie.  et  Grase.  4  mit  Recht  diese  ideale  Seite 
des  Unternehmens  des  Crassus  gegenüber  der  Üblichen  Verdammung  ex 
eventu  hervor:  ol  Zh  rijv  jj.lv  rfj?  'AXs^avipoo  otpottca;  öpjAtjv  »naivouvTsc, 
chv  &4  Kpaaoou  4**T0VT«« »  °&x  *P<"™  »pivoostv  iitb  xütv  TtXtutaioov. 

Damit  rechtfertigt  er  aoeh,  daß  Rom  —  er  sogt  fälschlich  6  i^fio?  — 
Caesars  Auslieferang  ablehnte.    Unberechtigt  ist  dagegen  sein  Tadel 
gegen  Nikias'  Unternehmungen:  solche  Aut^iben  waren  der  Griechen 
weit  seit  479  gestellt,  und  Athen  hat  sie  unter  Kimon  und  in  der 


Die  Auflösung  der  Reichseinheit.   Crassus'  Untergang  175 


nicht,  aber  der  überraschenden  Lage,  in  die  sich  sein  Heer  durch 
die  den  Römern  bisher  unbekannte  parthische  Taktik  plötzlich  ver- 
setzt sah,  und  die  z.  B.  Metellus  Numidicus  im  jugurthinischen 
Kriege  mit  Mühe  bestanden  hat,  waren  er  und  vor  allem  sein 
ungeschultes  Heer  nicht  gewachsen,  und  so  erfolgte  die  Kata- 
strophe. Hatte  er  Erfolg  gehabt  und  sich  im  Osten  ein  großes 
Reich  gegründet  wie  Caesar  im  Westen,  so  ist  garnicht  abzu- 
sehen, wie  sich  die  Dinge  weiter  hätten  entwickeln  mögen.  Das 
aber  ist  das  ganz  Eigenartige  der  damaligen  Weltlage,  daß  gerade 
in  der  Zeit  der  furchtbarsten  Zersetzung  des  Staats  und  der 
vollen  Lahmlegung  der  zentralen  Regierung  das  Römertum  nach 
langem  Hinsiechen  die  größten  Erfolge  erringt  und  sich  nach 
allen  Seiten  mächtig  ausbreitet:  aus  der  Peripherie  heraus  er- 
wächst dann  die  Neugestaltung  des  geschlossenen  Weltreichs  des 
Orbis  terrarum.  So  erweist  sich  immer  aufs  neue  die  Überlegen- 
heit des  persönlichen  Regiments,  das,  weil  es  ein,  wenn  auch 
an  sich  aus  sehr  problematischen  persönlichen  Motiven  er- 
wachsendes Ziel  vor  Augen  hat  und  rücksichtslos  verfolgt,  die 
durch  das  zerfahrene  Collegialregiment  lahmgelegten  Kräfte 
freimacht  und  ihnen  Raum  schafft;  das  war  schon  in  Lucullua' 
und  noch  weit  mehr  in  Pompejus'  Feldzügen  hervorgetreten 
und  fehlt  auch  bei  dem  Regiment  des  Gabinius  in  Syrien  nicht. 
Zugleich  aber  tritt  hervor,  daß  der  Kampf  um  die  Macht  im 
Innern  noch  nicht  das  letzte  Stadium  der  Entwicklung  ist,  sondern 
daß  sich  dahinter,  ähnlich  der  Zersetzung  des  Reichs  Alexanders, 
der  Kampf  der  neu  entstandenen  Dynasten  um  die  Alleinherr- 
schaft und  die  Wiederherstellung  der  Reichseinheit  erhebt.  Dieser 
Kampf  hat  denn  auch  den  um  die  innere  Gestaltung  des  Staats 
überdauert  und  ist  unter  den  Triumvirn  erst  recht  entbrannt, 
als  die  Republik  in  den  Proscriptionen  und  bei  Philippi  definitiv 
erlegen  war. 

Im  Innern  war  die  Herrschaft  des  Pompejus  jetzt  fest  auf- 


aegy ptifichen  Expedition  der  Demokratie  tu  lösen  versucht,  aber  ohne 
Erfolg;  und  xu  Nikias'  Zeit  war  vollends  jede  Möglichkeit  dazu  ge- 
schwunden. 


17G 


Das  Principat  des  Pompejus 


gerichtet.  In  welchem  Umfang  er  von  der  Bürgerschaft  ab  der 
Regent  des  Staate  betrachtet  wurde,  das  zeigte  sich  in  geradezu 
überraschender  Weise,  als  im  September  54  seine  Gemahlin, 
Caesars  Tochter  Julia,  im  Wochenbett  starb1):  Pompejus  wollte 
die  Leiche  auf  seinem  albanischen  Gut  beisetzen,  aber  das  Volk 
forderte  ihre  feierliche  Beisetzung  auf  dem  Marsfelde  und  er* 
zwang  sie  gegen  den  Widerspruch  des  Oonsuls  Domitius*).  So 
erhielt  die  Gattin  des  Regenten  ihr  Grab  an  derselben  Stelle, 
wo  ein  Vierteljahrhundert  zuvor  Sullas  Asche  beigesetzt  war: 
Pompejus  erschien  als  der  Herrscher  des  Reichs  wie  dieser,  und 
die  Ehren,  die  ihm  zustanden,  wurden  auch  der  Gemahlin  des 
ungekrönten  Königs  von  Rom  zuerkannt. 

Immer  deutlicher  treten  in  Pompejus'  Stellung  die  Grund- 
züge der  Neugestaltung  des  Staats  hervor,  die  dann  Augustus 
dauernd  zur  Grundlage  der  Verfassung  des  Principats  erhoben 
hat.  Die  Fiktion,  daß  er  in  seine  Provinz  gehn  wolle,  sobald 
die  Umstände  es  gestatteten,  ist  offiziell  noch  eine  Zeitlang 
aufrecht  erhalten  worden3);  tatsächlich  wollte  er  dauernd  in 


')  Das  Datum  ergibt  sich  aus  Ciceroe  Ende  September  geschriebenem 
Brief  an  seinen  Bruder  III  1,  17.  25;  Ende  November  hat  er  durch 
diesen  Kunde  de  virtute  et  gravitate  Caesaris,  quam  in  summo  do- 
lore adhibuisset.  Nach  Plut.  Caes.  23  erhielt  Caesar  die  Nachricht  bei 
der  Rückkehr  aus  Britannien.  Auch  Julias  Kind  starb  kurz  darauf: 
Plut.  Pomp.  53.  Dio  40,  44,  8.  Sueton  Caes.  26.  Vellejus  II  47.  2.  Lucan 
V  474. 

*)  Dio  89,  64.  Plut.  Pomp.  58.  Liv.  ep.  106  Julia,  Caesaris  filia, 
Pompei  uacor ,  decessü,  honosque  ei  a  populo  habitus  est,  ut  in 
campo  Martio  sepeliretur. 

*)  In  dem  natürlich  ganz  offiziell  gehaltenen  Empfehlungsschreiben 
iflr  Trebatius  an  Caesar  fam.  VII  5  im  Frühjahr  54  sagt  Cicero,  er  schicke 
diesen  an  Caesar,  posteaquam  Pompei  commoratio  diulumior  erat  quam 
putaram.  (Zugleich  fingiert  er,  er  habe  eigentlich  beabsichtigt,  ihn  mit 
sich  zu  nehmen,  wenn  er  als  Legat  des  Pompejus  für  die  cura  an- 
nonae  [oben  S.  121]  entsandt  werde;  aber  auch  dazu  komme  es  jetzt 
nicht.)  Ebenso  äußert  sich  Caesar  bell.  Gall.  VI  1  quoniam  ipse  (Pom- 
peius)  ad  urbem  cum  imperio  reipublicae  causa  remanerei.  Nach 
Dio  39,  89,  4  waren  ihm  die  Angriffe  auf  seine  Aushebungen  (oben 
S.  171)  als  Vorwand  zum  Bleiben  sehr  willkommen. 


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Pompejus'  Herrschei-stellung 


177 


oder  vor  Rom  bleiben,  um  die  Regierung  zu  leiten.  Da  er  durch 
sein  proconsularisches  Imperium  verhindert  war,  das  Pomerium 
zu  überschreiten,  mußte  der  Senat  für  die  Sitzungen,  an  denen 
er  teilnehmen  wollte,  vor  die  Stadt  berufen  werden  —  eben 
dazu  diente  das  Sitzungslokal,  das  er  in  deu  Hallen  seines 
Theaters  erbauen  ließ.  Die  Verwaltung  der  ihm  zugewiesenen 
Provinzen  und  das  Kommando  seiner  Legionen  übertrug  er  den 
von  ihm  bestellten  und  nur  ihm  verantwortlichen  legati  pro 
praetor*,  die  zum  Teil  aus  den  höchsten  Kreisen  des  Senats  ent- 
nommen waren  —  neben  Varro,  der  es  bis  zum  Praetor  gebracht 
hatte,  und  Petrejus  stand  der  Consular  Afranius  — ,  aber  unter 
seinen  Auspicien  fochten. 

Mit  der  proconsularischen  Gewalt  verband  er,  wie  Augustus, 
wenn  die  Politik  es  erforderte,  das  reguläre  Oberamt  des  Con- 
sulats,  wie  im  Jahre  55  so  52.  Außerdem  verwaltete  er  wie  dieser 
dauernd  die  cura  annonae ,  welche  die  Ernährung  der  haupt- 
städtischen Bevölkerung  in  seine  Hand  legte  und  so  das  mächtig 
anschwellende  Proletariat  von  ihm  abhängig  machte;  auch  ihre 
Verwaltung,  deren  Kompetenz*  das  ganze  Reich  umfaßte,  er- 
forderte zahlreiche  Hilfskräfte  aus  denselben  Kreisen  als  legali 
pro  praetore.  Es  fehlte  nur  diejenige  Funktion,  welche  Augustus 
mit  klarem  politischem  Blick  zur  eigentlichen  Trägerin  der 
Stellung  des  Principats  im  Innern  erhob,  die  tribunicische  Ge- 
walt, die  Zusammenfassung  nicht  nur  der  Rechte,  sondern  vor 
allem  der  Würde,  der  maiestas  des  römischen  Volkes  in  der  Person 
des  ersten  Bürgers,  die  eben  darum  für  diese  Aufgabe  so  geeignet 
war,  weil  sie  an  sich  durchaus  schillernd  und  unbestimmt  war 
und  ihre  Tragweite  sich  garnicht  in  feste  Sätze  fassen  ließ. 
Den  Ersatz  für  sie  mußte  bei  Pompejus  die  Unterstützung  durch 
die  Demagogen  und  die  Anarchie  bilden,  die  er,  seit  Clodius 
sich  ihm  unter  dem  Druck  Caesars  gefügt  hatte,  fortan  fest  in 
der  Hand  hielt  und  für  seine  Zwecke  zu  benutzen  verstand. 

Im  Jahre  54  hat  Cicero,  von  der  Beteiligung  am  Staatsleben 
immer  mehr  zurückgedrängt,  der  Lehrschrift,  in  der  er  seine 
Erfahrungen  als  Redner  und  Anwalt  zusammenfaßte,  eine  Schrift 
über  seine  politischen  Ideale  folgen  lassen,  die  er  jedoch  nach 

Meyer,  Caesars  Monarchie  12 


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178 


Das  Principat  des  Pompejus 


manchen  Schwankungen  über  den  Plan  und  sorgfältigster  Feilung 
erst  mehrere  Jahre  spater,  im  Frühjahr  51,  veröffentlicht  hat1). 
Durch  den  Mund  des  jüngeren  Africanus,  bei  dem  kurz  vor  seinem 
Tode,  im  Sommer  129,  das  Gespräch  stattfindet,  entwickelt 
Cicero  die  Anschauungen,  die  er  sich  von  Wesen  und  Gestaltung 
des  richtigen  Staats  gebildet  hat,  auf  Grund  eines  eindringenden 
Studiums  der  griechischen  Theoretiker  und  vielfach  in  engem, 
jedoch  keineswegs  sklavischem  Anschluß  an  sie  und  zugleich  mit 


')  Die  Abfassung  des  ersten  Entwurfs  wahrend  des  Landaufenthalts 
in  den  Frühlingsmonaten  des  Jahres  54,  bis  zum  1.  Juni,  ergibt  sich 
aus  ad  Qu.  fr.  II  12,  1.  Dieser  Entwurf  umfaßte  neun  Bücher,  die  Pro- 
oemien  erhalten  sollten,  in  denen  unter  anderm  auf  Atiicus  Mahnung 
auch  Varro  berücksichtigt  werden  sollte  (ad  Att.  IV  16,  2,  Anfang  Juli); 
dann  begann  Cicero  nach  dem  Vorschlag  seines  literarischen  Beirats 
Cn.  Sallostius  eine  völlige  Umarbeitung,  in  der  statt  des  Africanus  er 
selbst  im  Gespriich  mit  Quintus  das  Wort  führte;  er  will  aber  dem 
Bruder  die  erete  Bearbeitung  zuschicken  (ad  Qu.  fr.  III  5,  1  f.,  Ende 
Oktober).  Schließlich  aber  ist  er  zu  seinem  ursprünglichen  Flau  zurück- 
gekehrt, zweifellos  zum  Heil  des  Werks,  hat  es  aber  auf  sechs  Bücher 
verkürzt  und  auch  die  Prooemien  weggelassen,  abgesehn  von  der,  wie 
es  scheint,  an  Quintus  gerichteten  Einleitung,  in  der  er  von  seiner  per- 
sönlichen Stellung  zum  politischen  Leben  spricht.  Die  Veröffentlichung 
erfolgte  erst  im  Jahre  51,  unmittelbar  vor  seinem  Abgang  nach  Cilicien; 
Gaelius  schreibt  ihm  in  seinem  ersten  Brief  Ende  Mai  (fam.  VIII  1,  4) 
tui  politici  libri  omnibus  vigent,  und  ebenso  hat  sie  Atticus  damals 
gelesen  und  seine  Zustimmung  geäußert  (sex  libris  . . .  quos  tibi  tarn 
valde  probari  gaudeo,  ad  Att.  VI  1,  8).  Die  Äußerung  de  div.  II  8 
(Sommer  44)  sex  libri  de  republica,  quos  tum  scripsimus,  cum  guber- 
nacula  reipublieae  tenebamus  zeigt  nur,  wie  so  viele  ähnliche  (z.  B. 
Phil.  XIV  17  utinam  quidem  Uli  prineipes  viverent,  qui  me  per  meutn 
constitutum,  cum  eis  ipse  cederem,  prineipem  non  invüi  videbant), 
welchen  Illusionen  sich  Cicero  über  seine  Vergangenheit  hingab,  und  wie 
sie  sich  ihm  in  der  Erinnerung  verklärte.  [Wahrend  der  Drucklegung 
erhalte  ich  den  Aufsatz  von  Reitzenhtein  ,  Die  Idee  des  Principat»  bei 
Cicero  und  Augustus,  Nachr.  der  Gött.  Ges.  1917,  899  ff.,  481  ff.,  der 
zu  meiner  Freude  gleichfalls  die  fundamentale  Bedeutung  der  Schrift 
und  ihren  beherrschenden  Grundgedanken  eingehend  darlegt,  desgleichen 
ihren  Zusammenhang  mit  dem  Principat  des  AugustuB.  Dagegen  kommt 
bei  ihm  die  Beziehung  auf  die  Zeit,  in  der  sie  entstanden  ist,  und  spe- 
ziell auf  Pom  pejus ,  meines  Erachtens  nicht  genügend  zum  Ausdruck.] 


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Cicero  de  republica 


179 


ständiger  Berücksichtigung  der  römischen  Institutionen  und  der 
Lehren  der  römischen  Geschichte1).  Von  den  drei  traditionellen 
Staatsformen,  die  auch  hier  als  die  maßgebenden  und  in  ihren 
Grenzen  berechtigten  anerkannt  werden,  ist,  wie  für  Plato  und 
Aristoteles,  so  auch  für  Scipio,  d.  h.  für  Cicero,  an  sich  die  wahre 
Monarchie  die  beste1),  wie  sie  denn  auch  über  zweihundert  Jahre 
lang  in  Rom  zum  Segen  des  Staate  bestanden  hat8);  aber  sie 
ist  immer  der  furchtbaren  Gefahr  ausgesetzt,  daß  sie  durch  Ent- 
artung des  Herrschers  in  die  schlechteste  Staatsform,  die  Willkür- 
herrschaft  der  Tyraimifl,  umschlägt4)  —  das  entspricht  v&nz  den 


')  Der  griechischen  Theorie  entstammen  vor  allem  das  im  dritten  Bnoh 
eingehend  behandelte  Problem  des  Verhältnisses  des  Staats  zur  Idee  der 
Gerechtigkeit,  nnd  die  Erziehangsfragen  nebst  der  Behandlang  der  masi- 
schen Künste  in  dem  fast  völlig  verlorenen  vierten  Buch,  ferner  das  kurz 
erledigte  oder  vielmehr  beiseite  geschobene  Problem  des  Ursprungs  des 
.Staats  im  ersten  Buch  88  ff.,  endlich  der  Plato  nachgebildete,  aber  stark 
von  Posidonios  beeinflußte  Schluß,  die  Unsterblichkeit  und  Göttlichkeit 
des  wahren  Staatsmanns,  der  zugleich  der  wahre  Weise  ist,  im  Som- 
nium  Scipionis.  Ferner  gehört  die  Polemik  gegen  die  Hafenstädte 
II  5  ff.  hierher ;  die  dadurch  drohenden  Gefahren  hat  Romulus  weit- 
schauend vermieden. 

*)  I  54  si  unum  ac  Simplex  (genus  reipublicae)  probandum  sit, 
regiutn  probetn ;  69  ex  tribus  primis  generibus  lange  praestat  mea 
senteniia  regiutn.  Vgl.  I  58  ff.  64.  II  43. 

3)  I  58.  II  52. 

«)  II  48  ea  autem  forma  civitatis  (regnum)  mutabilis  maxime 
est  hanc  ob  causam,  quod  unius  vitio  praecipitata  in  pemiciosissi- 
mam  partem  facile  decidit.  nam  ipsum  r egale  genus  civitatis  non 
modo  non  est  reprehendendum,  sed  haud  scio  an  ceteris  simplicibus 
longe  anteponendum.  II  47  (regnum)  sane  bonum,  ut  dixi,  rei- 
publicae genus,  sed  tarnen  inclinatum  et  quasi  pronum  ad  pemicio- 
sissimum  staium.  simul  atque  enitn  se  inflexit  nie  rex  in  dominatum 
iniustioretn,  ftt  continuo  tyrannus  cet  —  Von  Friedrich  d.  Gr.,  der 
bekanntlich  Cicero«  Schriften  hoch  schätzte,  aber  die  Schrift  vom  Staat 
noch  nicht  kennen  konnte,  sagt  Koser  (Gesch.  Fr.  d.  Gr.  III4  484)  im 
Referat  über  seinen  Essai  sur  les  forme«  de  gouvernement  et  sur  les 
devoirs  des  souverains  (1777):  ,Von  der  .wahrhaft  monarchischen4  Re- 
gierung —  er  meint  die  absolute  Monarchie  —  sagt  der  absolute  König 
von  Preußen  mit  der  größten  Unbefangenheit,  sie  sei  die  schlechteste  oder 
beste  von  allen  Formen,  je  nachdem  sie  geführt  werde."  —  Daß  Cicero 


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180 


Das  Principat  des  Pouapejus 


nur  daß  die  Verwirrung 
vermieden  ist,  die  in  Aristoteles'  Politik  (die  Cicero  bekanntlich 
nicht  benutet  hat)  dadurch  entsteht,  daß  sich  der  theoretische 
Begriff  des  wahren  Königtums,  d.  h.  der  Herrschaft  des  Tugend- 
haftesten, immer  mit  der  aus  der  Praxis  stammenden  Auffassung 
des  Königtums  als  der  legitimen  und  daher  erblichen  Monarchie 
im  Gegensatz  zu  der  Usurpation  der  Tyrannis  kreuzt.  Dieser 
Gefahr  hat  auch  Born,  wie  die  Geschichte  des  Tarquinius  zeigt, 
auf  die  Dauer  nicht  entgehn  können,  obwohl  die  Römer  es 
vernünftiger  gemacht  haben  als  die  Spartaner  und  statt  des 
Erbkönigtums,  das  den  Nachkommen  des  Hercules  als  König 
zu  nehmen  zwingt,  wie  er  auch  beschaffen  sein  mochte,  das 
Wahlkönigtum  eingeführt  haben,  das  den  Besten  und  Weisesten 
zum  Herrscher  aussucht1).  Aber  noch  weniger  genügt  die  Aristo- 
kratie oder  gar  die  Demokratie  den  wahren  Forderungen,  wenn- 
gleich beide  ein  sehr  berechtigtes  Element  enthalten,  das  der 
richtige  Staat  berücksichtigen  muß.  Die  beste  Staatsgestaltung 
ist  daher  die  gemischte  Verfassung,  welche  die  Vorzüge  aller  drei 
in  sich  vereinigt  —  ein  Gedanke,  dessen  Verwirklichung  manche 
griechische  Theoretiker  bekanntlich  in  dem  spartanischen  Staat 
gefunden  haben,  und  den  dann  Polybios  auf  Rom  übertragen 
hat.  Eben  an  diesen  und  seine  berühmte  Darlegung  im  sechsten 
Buch  seines  Geschichtswerks  schließt  sich  Scipio  an  (neben  ihm 
ist  Oato  benutzt),  wenn  er  im  zweiten  Buch  die  Entwicklung 
der  römischen  Verfassung  darlegt.  Diese  gemischte  Verfassung*) 


außer  Polybios  in  weitem  Umfang  eine  ßchrift  des  Panaetios  benutzt,  haben 
mit  Abweichungen  im  einzelneu,  Schukkri.,  Philosophie  der  mittleren  Stoa, 
und  Rbitzknstkin  ausgeführt  (vgl.  8.  178  Anm.).  Aber  die  theoretischen 
Grundgedanken  gehn  auf  die  großen  Philosophen  des  vierten  Jahrhundert* 
zurück,  die  Cicero  natürlich  gleichfalls  genau  kennt  und  benutzt;  nnd 
in  der  Gestaltung  ist  er  hier  wie  auch  in  manchen  anderen  seiner  philo- 
sophischen Schriften  viel  selbständiger  als  oft  angenommen  wird,  das 
überkommene  Gut  ist  durchaus  sein  geistiges  Eigentum  geworden. 
')  II  24. 

*)  II  41  (aus  Nonius)  statuo  esse  optume  constitutum  rempubli- 
cam,  quae  ex  tribus  generibus  Ulis,  regali  et  optumati  et  popiüari, 
confusa  modice  nee  punicndo  irritet  animum  immanent  ac  ferum  . . . 


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Cicero  ile  republica 


181 


ist  im  Grande  die  Herrachaft  der  wahren  Optimaten,  d.  i.  der 
idealen  Aristokratie,  die  daa  wahre  Interesse  der  Gesamtheit, 
vertritt;  ihrer  Einsicht  und  Leitung,  die  durch  klug  ersonnene 
Institutionen  der  Verfassung  geschützt  ist,  wie  sie  in  Rom  nach 
der  tatsachlichen  Beseitigung  der  patrum  auctorUas  immer  noch 
vor  allem  die  Auspicien  bieten1),  schließen  sich  daher  alle  guten 
Bürger  willig  an,  wie  Cicero  das  in  der  Rede  pro  Sestio  eingehend 
ausgeführt  hat,  da  auch  der  Masse  des  Volks  nicht  nur  ein  ge- 
rechtes Regiment,  sondern  auch  eine,  wenngleich  nach  den  Grund- 
sätzen der  wahren  Gerechtigkeit  eingeschränkte  und  unter  starker 
Kontrolle  des  Senats  und  der  Beamten  stehende  Betätigung  im 
öffentlichen  Leben  und  damit  die  politische  Freiheit  gewährt 
ist*).  Aber  diese  Aristokratie  bedarf,  um  richtig  funktionieren 
au  können,  selbst  wieder  der  Leitung  eines  starken  monarchi- 
schen Elements,  das  die  vielköpfige  Masse  der  principe*  mit 
überlegener  Einsicht  leitet  und  auf  dem  richtigen  Wege  fest- 
hält. Der  Träger  dieser  königlichen  Stellung,  „ein  großer  Bürger 
und  ein  Mann,  der  als  fast  göttergleich  zu  bezeichnen  ist, 
der  die  Wandlungen  des  staatlichen  Lebens  überschaut  und  das 
Steuer  festzuhalten  und  das  Schiff  in  die  richtige  Bahn  zu  lenken 
vermag"*),  ist  „gewissermaßen  der  Vormund  und  Geschäftsführer 

I  45.  69,  II  65  ff.,  wo  $  69  der  Vergleich  mit  der  musikalischen  Har- 
monie darauf  angewendet  wird. 

')  Über  die  patrum  aucioritaa  II  15.  56;  aber  die  auspicia  II 
16.  26. 

*)  Die  weitere  Ausführung  der  Staatsgestnltung  bat  Cicero  bekannt- 
lich später,  nach  platonischem  Master,  aber  in  engster  Anlehnung  an  die 
Institutionen  Roms,  in  der  nicht  vollendeten  Schritt  de  legibus  ge- 
geben. 

*)  I  45,  im  Anschluß  an  die  miri  orbes  et  quasi  circumitus  in 
rebus  pubHeia  commutationum  et  vicissiUidinum  (die  Scipio  dann 
eingehend  behandelt,  im  Anschluß  an  die  grundlegenden  Gedanken  des 
Polybios,  aber  mit  Verbesserungen  und  die  mannigfachen  Variationen 
berücksichtigenden  Abweichungen  im  einzelnen,  die  auf  Panaetios  zu- 
rOckgehn,  s.  I  34.  36):  ',uoe  cum  cognosse  sapientis  est,  tum  vero 
prospicere  inpendentis  in  gubernandu  republica,  moderantem  cur- 
sum  atque  in  sua  potestaie  retinentem  magni  cutusdam  civis  et 
divini  paene  est  viri. 


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182 


Das  Principat  des  Pompejus 


des  Gemeinwesens;  denn  so  wollen  wir  einen  jeden  nennen,  der 
der  Regent  und  Steuermann  des  Staats  sein  wird"1). 

Dos  ganze  fünfte  und  sechste  Buch,  aus  denen  uns  leider 
im  Palimpsest  bis  auf  ein  paar  Seiten  des  fünften  nichts  mehr 
erhalten  ist,  waren  der  Schilderung  dieses  leitenden  Staats 
mannes,  des  rector  rerum  publicarum  oder  rector  patriae,  des 
moderator  reipublicae,  des  princeps  civitatis*)  gewidmet.  „Wie 
dem  Steuermann  der  richtige  Kurs,"  hieß  es  im  fünften  Buch, 
„dem  Arzt  das  Wohlsein,  dem  Feldherrn  der  Sieg,  so  ist  diesem 
Lenker  des  Gemeinwesens  die  Aufgabe  gestellt,  das  Leben  der 
Bürger  durch  gefestigtes  Vermögen,  reiche  Mittel,  glanzvollen 
Rahm,  ehrbare  Tugend  gesegnet  zu  gestalten;  denn  diese  größte 
und  beste  den  Menschen  gestellte  Aufgabe  soll  nach  meiner  Auf- 
fassung jener  Mann  durchführen"*).  Seine  Stellung  entspricht 
der  der  alten  Könige,  vor  allem  des  Numa,  der  durch  seine  Recht- 
sprechung und  seine  religiöse  Gesetzgebung  die  friedliche  Be- 
schäftigung der  Bürger  sicherte4).  In  der  umfassendsten  Weise 
muß  er  für  seinen  Beruf  vorgebildet  sein,  nicht  nur  das  Recht 
und  die  Gesetze,  sondern  auch  ihre  theoretische  Grundlage  und 
daher  auch  die  griechische  Literatur  kennen6),  aber  nicht  etwa 


')  II  51  bonus  et  sapiens  et  peritus  utilitatis  digtiitatisque  civilis, 
quasi  tutor  et  procurator  reipublicae;  sie  enim  appelletur,  quicum- 
que  erit  rector  et  gubernator  civitatis.   Vgl.  11  65  ff. 

*)  V  5.  6.  8  (ad  Att.  VIII  11,  1).  9.  VI  1  (ad  Att.  VII  8,  2)  ed.  Baitkr. 

*)  ad  Att.  VITI  11,  1  (=  de  rep.  V  8),  Ende  Februar  49:  consumo 
igitur  omne  tempus  considerans ,  quanta  vis  sit  illius  viri,  quem 
nostris  libris  satis  diligenter,  ut  tibi  quidem  videmur,  expressimus. 
tenesne  igitur  moderatorem  illum  rei  publicae,  quo  referre  veUmus 
omnia?  nam  sie  quinto,  ut  opinor,  in  libro  loquitur  Scipio:  „ut 
enim  gübematori  ctirsus  secundus,  medico  salus,  imperatori  Vic- 
toria ,  sie  huic  moderatori  reipublicae  beata  civium  vita  proposita 
est,  ut  opibus  flrma,  copiis  locuples,  gloria  ampla,  virtute  honesta 
sit;  huius  enim  operis  maximi  inter  homines  atgue  optimi  illum 
esse  perfectorem  volo."  hoc  Gnaeus  noster  cum  antea  numquam, 
tum  in  hac  causa  minime  cogüavit  :  dominatio  quaesita  ab  utroque 
est,  non  id  actum,  beata  et  honesta  civüas  ut  esset. 

4)  V  8-5. 

*)  Hierher  gehört  das  von  Baitkr  fälschlich  ins  sechste  Bach  ver- 


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Cicero  und  das  Principat 


183 


seine  Zeit  auf  die  Rechtepflege  und  Rechtsprechung  vergeuden 
—  dann  wäre  er  nur  der  Gutsvogt  oder  Kaasenführer  des  Staats  — , 
sondern  über  den  Einzelaufgaben  stehend  seine  Kenntnisse  für 
die  Staatsleitung  verwenden,  wie  der  Steuermann  die  Astronomie, 
der  Arzt  die  Physik.  Ebenso  soll  er  der  Beredsamkeit  gegen - 
überstehn,  durch  wirkungsvolle,  kurzgefaßte  Worte  die  Menge 
lenken,  aber  ihren  Mißbrauch  vermeiden;  denn  die  korrum- 
pierende Wirkung  der  Beredsamkeit,  welche  die  Wahlen  und 
Abstimmungen  verfälscht,  ist  weit  gefährlicher  als  offene  Be- 
stechung1). Durch  sein  Vorbild  und  seine  Maßregeln  ersieht 
er  das  Volk  zu  Tugend  und  Ehrfurcht,  durch  den  Ruhm,  den 
er  sich  in  Krieg  und  Frieden  erwirbt,  festigt  er  seine  Stellung  — 
„und  nur  so  lange  kann  das  Gemeinwesen  bestehn,  als  alle  dem 
ersten  Bürger  Ehre  erweisen"2).  Im  sechsten  Buch  folgte  die 
Darlegung  der  Stellung,  die  er  in  inneren  Zwistigkeiten  und 
gegenüber  den  auf  einen  Umsturz  der  richtigen  Staatsleitung 
zielenden  Tendenzen  einnehmen  soll*).  „Wer  so  kräftig  sich  regt, 
empfindet,  gedenkt,  vorausschaut,  wer  den  Körper,  an  dessen 
Spitze  er  steht,  so  beherrscht  und  leitet  und  bewegt,  wie  jener 
Obergott  diese  Welt,  der  ist  selbst  ein  Gott"4)  und  unsterblich, 


setzte  Fragment  p.  236  ZI.  10  ff.  ans  Comm.  in  Cic.  de  inv.  p.  349  Osann: 
rcipublicae  rectorem  summum  virum  et  doctissimum  esse  debere,  ita 
ut  sapiens  sü  ei  iustus  et  temper  am,  et  eloquens,  ut  possit  facile 
currente  eloquentia  animi  secrela  ad  regendam  plebem  exprimere. 
sdre  etiam  debet  ius,  Qraecas  nosse  litter  as,  quod  Catonis  facto  pro- 
bater.  Das  gehört  an  V  5  ff. 

')  V  H. 

1V9. 

*)  8.  die  VI  1.  2  zusammengestellten  Fragmente  aus  Nonius.  Den 
Eingang  bildete  das  Fragment  bei  Nonius:  totam  igitur  exspectas 
prudentiam  huius  rectoris  (offenbar  bei  seiner  Stellungnahme  zu  den 
Parteikämpfen) ,  quae  ipsum  nomen  hoc  nacta  est  ex  providendo. 
Anf  diese  Darlegungen  bezieht  sich  das  Zitat  Ciceros  ad  Att.  VII  3.  2, 
9.  Dezember  50:  .wenn  der  Gedanke  an  meinen  Triumph  nicht  da- 
zwischen gekommen  wäre,  ne  tu  haud  multum  requireres  ülum  virum, 
qui  in  sexto  libro  informatus  est". 

*)  VI  26  (Worte  des  im  Traum  erscheinenden  älteren  Africanus  an 
seinen  Adoptivenkel) :  deum  te  igitur  scito  esse,  si  quidem  est  deus, 


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184 


Dan  Principat  des  Pompeji 


wie  nach  Piatos  Lehre  die  Seele  als  das  Prinzip  der  ständigen 
Bewegung;  und  so  klingt  das  Werk,  im  Traum  Scipios,  nach 
dem  Hinweis  auf  die  leitende  Stellung,  die  Scipio  in  der  Bei* 
legimg  der  gracchischen  Wirren  einnehmen  sollte  und  die  durch 
seine  Ermordung  vereitelt  ward,  aus  in  dem  Glauben,  daß  ein 
solcher  Mann,  der  recior  et  conservator  seines  Staats,  sich  den 
Weg  zur  Unsterblichkeit  gewinnt  und  zu  den  Göttern  aufsteigt. 

Rein  theoretisch  betrachtet,  vom  Standpunkt  der  philo- 
sophischen Gedankenentwicklung  aus,  sind  diese  Darlegungen 
lediglich  eine  Übertragung  der  im  Anschluß  an  Sokrates  und 
seine  Auffassung  des  ßaoiXtx^;  avijp  von  Plato  begründeten, 
von  Aristoteles  und  den  Peripatetikern  weiter  ausgebildeten 
Ideen  der  griechischen  Philosophie  über  den  wahren  Staatsmann 
und  König  auf  die  römischen  Verhältnisse.  Aufs  engste  berühren 
sie  sich  vor  allem  mit  Piatos  Politikos:  das  Ziel  ist  das  gleiche, 
nicht  mehr  das  für  menschliche  Verhältnisse  nicht  erreichbare 
Ideal  der  absoluten  Monarchie  des  über  den  Gesetzen  stehenden 
Weisen  der  IToXitsta,  die  icajtßaoiXela  des  Aristoteles,  der  auf- 
geklarte Despotismus,  sondern  die  durch  Gesetze  gebundene,  die 
Freiheit  und  Beteiligung  der  Aristokratie  und  des  Volkes  zwar 
einschränkende  und  leitende,  aber  nicht  aufhebende  konstitu- 
tionelle Monarchie;  nur  soll  ihr  Träger  in  Rom  nicht  ein  erb- 
licher Herrscher  sein,  sondern  der  wahre  Staatsmann,  der  erste 
Bürger,  der  daher  auch  den  durch  den  letzten  Tarquinius  in 
Mißkredit  geratenen  Königstitel  entbehren  kann.  Aber  politisch, 
innerhalb  der  Entwicklung  des  römischen  Staats  und  des  römischen 
Staatsgedaakens,  kommt  dem  Werk  Ciceros  eine  weit  größere, 
ja  geradezu  eine  grundlegende  Bedeutung  zu.  Der  Aristokratie 
und  gerade  derjenigen  Gestaltung,  die  sich  in  Rom  herausgebildet 
hatte,  ist  die  überragende  Stellung  eines  einzigen  Staatsmanns, 
eines  princeps,  durchaus  fremd  und  ihrem  Wesen  widersprechend : 
sie  beruht  vielmehr  auf  dem  innerhalb  der  Schranken  der  Ver- 


tut vigei,  qui  sentit,  qui  meminit,  qui  pro-videt,  qui  tarn  regit  et  mode- 
ratur  et  movet  id  corpus,  cui  praeposüus  est,  quam  hunc  mundum 
iüe  princeps  deus.    Vgl.  VI  12. 


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Die  Entwicklung  de*  Principats 


185 


fassung  sich  abspielenden  Wettstreit  mehrerer  principe»  um  den 
maßgebenden  Einfluß.  Dadurch,  daß  sie  sich  die  Wage  halten, 
wird  die  Bewegungsfreiheit  aller  Standesgenossen  und  damit  die 
freie  Entscheidung  der  Gesamtheit  und  die  Leitung  durch  den 
Senat,  nicht  durch  einen  Einzelnen,  gesichert.  Dem  geschicht- 
lichen Scipio  Africanus,  den  Cicero  dies  Ideal  vortragen  läßt, 
lagen  diese  Gedanken  noch  ganz  fern,  weit  mehr  als  dem  Besieger 
Hannibals,  so  nahe  auch  die  Stellung,  die  der  Adoptivenkel  tat- 
sächlich einnahm,  und  vor  allem  die  Erwartungen,  die  man  auf 
ihn  setzte,  schon  daran  heranreichteu1).  Es  ist  vielmehr  das 
Ideal,  das  Cicero  selbst  aufstellt  und  von  dessen  Verwirklichung 
er  die  Erlösung  aus  der  Zersetzung  der  Gegenwart  und  der  völligen 
Zerfahrenheit  der  Optimatenpartei  erhofft.  Er  stellt  damit  ein 
Programm  auf,  das  unmittelbar  in  der  praktischen  Politik  wirken 
soll;  um  so  mehr  ist  zu  bedauern,  daß  uns  von  diesen  Büchern 
fast  gar  nicht«  erhalten  ist. 

Nicht  auf  dem  Boden  der  Aristokratie,  sondern  auf  dem  der 
Demokratie  ist  die  monarchische  Leitung  des  Staats  durch  den 
dauernd  mit  der  Führung  betrauten  Staatsmann,  den  Dema- 
gogen, erwachsen.  Die  radikale  Demokratie  der  griechischen 
Republiken,  vor  allem  die  Athens,  setzt  sie  voraus:  ihm  er- 
öffnet sie  seine  Bahn,  und  ohne  daß  er  dauernd  die  Zügel  in 
Händen  hält,  vermag  sie,  wie  gerade  das  Beispiel  Athens  zeigt, 


")  Als  der  Tribun  Carbo  im  Jahre  181  den  Scipio  Ober  die  Ermor- 
dung des  Ti.  Gracchus  befragt  uu  \  dieser  antwortet  si  is  occupandae 
reipublicae  animum  habuisset,  iure  caesum  un<l  die  darflber  tobende 
Menge  mit  scharfen  Worten  zurückweist,  kehrt  Gaius  Gracchus  den  gegen 
seinen  Bruder  erhobenen  Vorwurf  gegen  ßcipio  um  und  bezeichnet  diesen 
als  den  Usurpator  der  monarchischen  Gewalt:  täv  »pl  xbv  fdiov  ?oiiv- 
coiv  xts'yjti  tiv  topavvov  (Plnt.  apophth.  Scip.  28).  Nach  Cicero  de  rep. 
VI  12  (im  sotnnium  Scipionis)  soll  Scipio.  als  er  ermordet  wird,  als 
Dictator  den  Staat  neu  ordnen  (tu  eris  unus,  in  quo  nitatur  civitatis 
aalm,  ac,  ne  muUa,  dictator  rempublicam  constituas  oportet);  ob 
aber  diese  Angabe,  wie  ich  Unters,  zur  Gesch.  der  Gracchen  16  (Kl. 
Sehr.  407)  getan  habe,  wirklich  als  geschichtlich  angeeehn  werden  kann 
und  nicht  lediglich  von  Cicero  in  die  Situation  hineingetragen  ist.  ist 
mir  jetst  sehr  fraglich. 


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186 


Das  Principal  des  Pompejus 


eine  zielbewußte  und  erfolgreiche  Politik  nicht  durchzurühren, 
sondern  fällt  der  Anarchie  und  dem  Niedergang  anheim.  Das- 
selbe Schauspiel  erleben  wir  jetzt  in  den  radikalen  Demokratien 
der  romanischen  Staaten  —  mögen  sie  daneben  nominell  ein 
Königtum  haben  oder  nicht  — ,  und  eben  während  des  Welt- 
kriegs in  geradezu  typischer  Weise  in  England  und  in  Amerika 
in  der  Stellung,  die  Lloyd  George  und  Wilson  gewonnen  oder 
vielmehr  usurpiert  haben.  In  Rom  hat  schon  Appius  Claudius 
in  der  Zeit  der  Samniterkriege  den  Staat  in  diese  Bahnen  zu 
führen  versucht,  ist  aber  damit  gescheitert,  und  die  monarchische 
Stellung,  die  der  ältere  Scipio  im  hannibalischen  Kriege  ein- 
genommen hatte,  ist  in  der  Folgezeit  durch  die  Opposition, 
namentlich  durch  Cato  und  Tiberius  Gracchus  den  Vater,  erfolg- 
reich untergraben  und  hat  ihn  schließlich  nach  dem  Krieg  gegen 
Antiochos  in  ein  freiwilliges  Exil  getrieben.  Dann  haben  die 
Gracchen,  Tiberius  durch  die  Not  gezwungen,  Gajus  mit  vollem 
Bewußtsein,  dies  Ziel  erstrebt;  die  Demokratie,  die  Gajus  an 
Stelle  der  bisherigen  Verfassung  setzen  will,  ist  nichts  anderes 
als  sein  persönliches  Regiment.  Damals  hat  die  Aristokratie 
diese  Gestaltung  als  Ende  der  republikanischen  Freiheit  ent- 
rüstet abgewiesen  und  den  Tiberius  erschlagen,  weil  er  offen- 
kundig nach  der  Krone  strebe1).  Aber  auch  sie  ist  nicht  imstande 
gewesen,  sich  aus  eigener  Kraft  zu  behaupten.  Drusus'  Versuch, 
als  konservativer  Demagoge  das  Joch  der  graoehischen  Verfassung 
zu  brechen  und  dem  Senat  seine  Stellung  wiederzugewinnen,  ist  an 
dem  passiven  Widerstand  seiner  Standesgenossen,  die  in  ihm  den 
kommenden  Regenten  scheuten,  gescheitert;  dann  aber  hat  Sulla 
zweimal  aus  eigener  Machtvollkommenheit  an  der  Spitze  einer  ihm 
ergebenen  Armee  den  Kampf  aufgenommen  und  souverän  über 
die  Bürgerschaft  schaltend  in  Strömen  Blutes  die  Herrschaft  der 
Ritterschaft  vernichtet  und  die  der  Nobilität  noch  einmal  wieder 

')  Im  Lael.  41  laßt  Cicero  den  Laelius  sagen:  TL  Gracchus regnum 
occupare  conatus  est,  vel  regnavü  is  quidem  paueos  tnenses.  Das 
gibt  die  Auffassung  der  Aristokratie,  aus  der  heraus  Scipio  Naeica  zur 
Pirschlag img  des  Tyrannen  auffordert  und  nachher  sein  Vorgehn  recht- 
fertigt, durchaus  sutreffend  wieder,  Tgl.  Kl.  Sehr.  398.  425  f. 


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Die  Entwicklang  des  Principats.    Theorie  und  Praxis 


187 


aufgerichtet.  Jetzt  sehn  wir,  daß  die  Erkenntnis,  ohne  eine  solche 
überragende  Persönlichkeit  könne  die  Republik  nicht  dauernd  be- 
stehn,  eine  geordnete  Verfassung  nicht  gesichert  und  die  Einheit 
des  staatlichen  Willens  nicht  erhalten  werden,  auch  in  diese 
Kreise  Eingang  findet  und  von  dem  Theoretiker  der  wahren 
Aristokratie  im  Anschluß  an  die  aus  ganz  analogen  Zustanden 
erwachsenen  Lehren  der  griechischen  Philosophen  eingehend 
entwickelt  wird. 

Die  Einseitigkeit  des  Programms,  durch  das  Cicero  den 
römischen  Staat  regenerieren  will,  liegt  auf  der  Hand.  So  wenig 
wie  irgend  ein  anderer  Theoretiker  des  Altertums  hat  Cicero 
sich  über  den  von  der  geschichtlichen  Tradition  gegebenen  Begriff 
des  Stadtstaats  zu  erheben  vermocht.  Für  die  Probleme,  welche 
die  Weltstellung  Borns  geschaffen  hat,  hat  er  kein  Verständnis; 
sein  Blick  bleibt  ausschließlich  auf  der  urbs  haften.  Daß  der 
poptäus  Romanus  in  Wirklichkeit  langst  über  die  engen  Schranken 
der  Polis  hinausgewachsen  ist  und  in  keiner  Weise  durch  die 
in  den  Comitien  fast  allein  anwesende  hauptstädtische  Bevölke- 
rung repräsentiert  wird1),  kommt  für  seine  Theorie  und  für  den 
nachher  in  den  Büchern  de  legibus  vorgetragenen  Verfassungs- 
entwurf nicht  in  Betracht,  so  sehr  er  selbst  bei  der  Entscheidung 
über  seine  Rückkehr  die  Bedeutung  der  italischen  Bürgerschaft 
erfahren  hatte.  Noch  verhängnisvoller  ist,  daß  die  entscheidende 
Bedeutung  der  Machtfrage  für  den  Staat  nicht  hinlänglich  ge- 
würdigt wird:  die  antike  Theorie  ist  nun  einmal  seit  Sokrates 
und  Plato  von  dem  Gedanken  beherrscht,  daß  der  Staat  die  Ver- 
wirklichung der  Idee  der  Gerechtigkeit  ist,  und  sucht  daher,  wie 
ihre  modernen  Nachfolger  bis  auf  Rousseau  und  den  modernsten 
Liberalismus,  die  Lösung  ihrer  Aufgaben  einseitig  auf  dem  Gebiet 
der  Verfassung,  während  sie  die  Machtfrage  ignoriert,  oder  wo 
sie  ihr  von  Praktikern  und  Skeptikern  entgegengetragen  wird,  sie 
im  Bewußtsein  ihrer  höheren  sittlichen  Auffassung  geringschätzig 

')  Vgl.  pro  Sestio  109  venio  ad  comitia,  sive  magistrctfuum  placet 
sive  legum.  lege»  videmus  saepe  ferri  miütas:  omüto  eas ,  quae 
feruntur  üa.  vix  ut  quini  et  ei  ex  aliena  tribu,  qui  suffragium 
ferant,  reperiantur. 


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188  Da«  Pnncipat  des  Pompejo* 


beiseite  schiebt.  So  verfahrt  auch  Cicero  gegen  die  Einwände, 
die  Philus  vom  Standpunkt  der  Sophisten  und  des  platonischen 
Kallikles  und  Thrasymachos  aus  erheben  muß,  in  der  Antwort, 
die  Laelius  darauf  erteilt,  nach  dem  Vorbild  Piatos,  aber  auch 
hier  mit  mancherlei  Abweichungen  und  Ergänzungen  in  der 
Einzelausführung. 

In  seiner  politischen  Wirksamkeit  hat  Cicero  allerdings  die 
Bedeutung  dieses  Machtfaktors  auf  Schritt  und  Tritt  empfunden 
und  sich  ihm  fügen  müssen,  niemals  stärker,  als  eben  in  den 
Jahren,  in  denen  er  den  Dialog  schrieb.  Da  hält  er  ihm  das  Ideal- 
bild dessen,  was  sein  soll,  entgegen;  aber  daß  er  in  dieses  den 
beherrschenden  monarchischen  Staatsmann  als  Schlußstein  und 
Krönung  des  Gebäudes  einfügt,  ist  allerdings  eine  für  den  Theo- 
retiker der  römischen  Aristokratie  äußerst  bedeutsame  Kon- 
zession an  die  Forderungen  der  realen  Welt.  Natürlich  bleibt 
immer  noch  ein  fundamentaler  Unterschied  bestehn:  für  die 
Theorie  ist  der  Princeps  der  beste  der  Bürger,  und  den  Maßstab 
geben  die  intellektuellen  und  sittlichen  Eigenschaften.  Er  ist 
auch  nicht,  wie  in  der  Demokratie,  der  Vertrauensmann  der 
Massen,  die  er  vielmehr,  nötigenfalls  mit  Gewalt,  im  Zaum  halten 
soll,  sondern  der  der  besten  Elemente  des  Staats,  der  Optimaten 
und  des  Senats:  „in  bürgerlichen  Streitigkeiten  sind,  da  die 
Guten  mehr  bedeuten  als  die  Vielen,  die  Bürger  abzuwägen, 
nicht  zu  zählen";  „der  Staatsleiter  muß  gegen  die  Elemente, 
die  den  Zustand  des  Staats  erschüttern,  immer  gewaffnet  sein"1). 
Eben  dadurch  bleibt  trotz  des  königlichen  Regiments  des  leiten- 
den Staatsmanns  der  republikanische  Charakter  des  Gemein- 
wesens gewahrt. 

In  der  Praxis  dagegen  ist  nun  eiumal  die  Macht  das  Ent- 


')  Fragmente  dee  sechsten  Buches  bei  Nonitw  (Baitkr  p.  -236):  et 
vero  in  dissensione  civüi ,  cum  boni  plus  quam  muiti  vatent,  ex- 
pendendos  civis,  tum  numerandos  puto.  Ferner  quam  ob  rem  se 
comparet  hic  civis  iia  necessest ,  ut  sit  contra  haec,  quae  staium 
civitatis  permovent,  semper  armatus;  als  derjenige,  qui  conpescit 
ei us  mm  et  ecfrenatam  iiiam  ferociam,  war  der  Staatslenker  be- 


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Cicero*  Staatsth^orio  und  l'ompejuÄ 


189 


scheidende,  imd  so  ist  es  Leicht  möglich,  daß  derjenige,  dem  die 
Rolle  des  Princeps  zufallt,  von  den  von  der  Theorie  geforderten 
Eigenschaften  keine  einzige  besitzt.  Aber  trotzdem  behält  die 
Theorie  eine  große  Bedeutung  auch  für  die  praktische  Politik: 
denn  sie  ist  die  Idee,  welche  die  Anschauungen  und  Stimmungen 
des  Volks  und  seiner  besten  Manner  beherrscht,  und  daher  auch 
von  dem  praktischen  Staatsmann  Berücksichtigung  fordert. 
Darin  liegt  die  große  geschichtliche  Bedeutung  der  Schrift 
Cicero«:  sie  enthält  nicht  nur  die  theoretische  Formulierung  der 
Stellung,  die  Pompejus  für  sich  erstrebt,  sondern  zugleich  auch 
die  Grundzüge  der  Staatsordnung,  die  Augustus  im  Principat 
zu  verwirklichen  gesucht  und  in  der  Tat  durch  einen  mit  un- 
vergleichlichem staatsmännischem  Geschick  abgewogenen  Kom- 
promiß zwischen  Theorie  und  Praxis  dauernd  begründet  hat. 
Wie  es  dem  Scipio  sein  Ahn  im  Traume  verkündet ,  ist  denn 
auch  Augustus  wirklich  im  Tode  als  Dwus  zu  den  Göttern 
aufgestiegen. 

Daß  Cicero  bei  der  Schilderung  des  republikanischen  Regenten 
an  Pompejus  gedacht  hat,  bedarf  keiner  Ausführung1).  Schon 
gleich  nach  seinem  Consulat  hat  er  ihn  brieflich  als  den  neuen, 
größeren  Africanus  begrüßt  (S.  38),  und  ab  den  princßps  des 
Staats  bezeichnet  er  ihn  oft  genug  in  seinen  Reden  und  Briefen 
nach  der  Rückkehr  aus  dem  Exil1).  Daß  er  in  Wirklichkeit  für 
diese  Aufgabe,  wie  Cicero  sie  faßte,  recht  wenig  geeignet  war, 
da  13  er  nach  selbstherrlicher  Macht  strebte*)  und  sich  nicht  den 
Grundsätzen  der  Aristokratie  unterordnen,  sondern  sie  unter 
seinen  Willen  zwingen  wollte  und  dazu  die  bedenklichsten  und 
verwerflichsten  Mittel  ergriff,  lag  klar  vor  Augen ;  so  unternimmt 
Cicero  immer  wieder  den  Versuch,  ihn  in  die  richtige  Bahn  zu 
lenken,  wie  in  den  Jahren  61  und  60,  so  nach  seiner  Rückkehr 


')  ad  Att.  VIII 11,  1  (oben  S.  181  Anm.  3)  spricht  Cicero  da»  direkt  aus. 

")  So  post  red.  in  sen.  4.  pro  Sest.  84.  an  Lentulus  19,  11.  pro 
Plane.  93  Pompejus,  quem  omnes  in  republica  prineipem  esse  con- 
cedunt. 

s)  Vgl.  Ciceros  Äußerung  in  dem  Brief  an  AUious  nach  dem  Aus- 
bruch des  Bargerkriegs  Vlll  11,  1  oben  S.  182,  3. 


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Bas  Principe  des  Pompejus 


aus  dem  Exil.  Auch  nach  der  Konferenz  von  Luca  und  den 
Gewalttaten  seines  zweiten  Consulats  hat  er  offenbar  diese  Be- 
mühungen nicht  aufgegeben,  so  gering  auch  die  Aussicht  auf 
Erfolg  war;  eben  darum  will  er  von  dem  schroffen  Auftreten 
Oatos  und  der  optimatischen  Heißsporne  gegen  Pompe  jus  nichts 
wissen.  Seine  eigene  Stellung  entspricht  der,  welche  Plato  vor- 
übergehend im  Jahre  366  neben  Dionvsios  und  dann  spater 
neben  Dion  einnahm,  „die  Verbindung  der  großen  Macht  mit  dem 
großen  Intellekt"1),  durch  die  der  Idealstaat  verwirklicht  werden 
soll.  Schon  im  Jahre  62  bietet  sich  Cicero  dem  Pompejus  als  sein 
Laeliiis  an,  als  den  vertrauten  Gehilfen  und  Ratgeber  des  leiten- 
den Staatsmanns;  und  in  Wirklichkeit  hat  er  natürlich  gehofft, 
ihm  gegenüber  eine  viel  selbständigere,  führende  Stellung  ein- 
nehmen zu  können,  als  die  des  Laelius  neben  Africanus4).  Spater, 

')  Plato  ep.  2,  310  e.  7,  885  d.  —  In  der  letzten  seiner  philosophi- 
eeben Schriften,  de  ofBciis,  kommt  Cicero  wiederholt  auf  diese  Fragen 
zurück.  Wer  durch  Anlage  and  Stellang  dazu  berufen  ist ,  soll  Bich 
nicht  dem  beschaulichen  Leben  hingeben  und,  wie  Plato  meint,  nur 
durch  sein  Pflichtgefühl  gezwungen  widerwillig  den  Staatsgeschäften 
widmen  (I  28.  69  fF.)f  sondern  die  politische  Wirksamkeit  mit  voller  Hin- 
gebung ergreifen :  I  72  sed  iis,  qui  habent  a  natura  adiumenta  rerum 
gerendarum,  abiecta  omni  cunetatione  adipiscendi  magistratus  et 
yerenda  respublica  est;  nec  enim  aliier  aut  regt  civitas  aut  decla- 
rari  animi  magnitudo  potest.  Das  Streben  nach  dem  prineipatus  ist 
an  sich  naturgemäß  und  berechtigt  (I  18);  aber  dem  gegenüber  steht 
der  ungezügelte  Ehrgeiz  und  die  falsche  und  verderbliche  Machtgier, 
wie  sie  Caesar  (I  26)  und  bo  viele  andere  beherrscht  und  zu  den  Bürger* 
kriegen  geführt  hat  (I  86  quae  fbeüa  civütaj  gravis  et  fortis  civis 
et  in  republica  diynus  prineipatu  fugiet  atque  oderit,  tradetque  se 
iotum  reipublicae  neque  opes  aut  potentiam  consectabitur  totamque 
eam  sie  tuebitur,  ut  Omnibus  constüat,  nicht  nur  seiner  Partei).  Die 
Gefahr  ist  in  der  menschlichen  Natur  selbst  begründet:  1  64  sed  iüud 
odiosum  est,  quod  in  hac  elatione  et  magnitudine  animi  faciUime 
pertinacia  et  nimia  cupiditas  prineipatus  innascitur;  wie  Plato  von 
den  Lacedaemoniern  sagt,  sie,  ut  quisque  animi  magnitudine  maxume 
exceüit,  ita  maxume  volt  prineeps  omnium  vel  potius  solus  esse. 
Damit  sind  die  im  realen  Leben  wirksamen  Kräfte  von  Cicero  als  ge- 
geben und  als  durch  die  Theorie  nicht  überwindbar  anerkannt. 

*)  Das  Verhältnis  zwischen  beiden  schildert  de  lep.  1 18:  fuit  enim 
hoc  in  amicitia  quasi  quoddam  itis  inter  illos,  ut  militiae  propter 


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Die  Opposition  gegen  Pompejus 


191 


nach  Caesars  Ermordung,  hat  dann  Cicero  im  Kampf  gegen 
Antonius  die  Stellung  des  Princepe  für  sich  selbst  in  Anspruch 
genommen1)  und  tatsächlich  ein  paar  Monate  innegehabt,  ist 
aber  an  der  Aufgabe,  die  ihm  gestellt  war,  im  Kampf  mit  den 
harten  Mächten  der  Wirklichkeit  nicht  nur  politisch,  sondern 
auch  moralisch  vollkommen  gescheitert. 

Pomp  ejus  und  die  Anarchie 

So  rücksichtslos  Pompejus  seine  Herrschaft  aufs  neue  be- 
festigt hatte,  so  wenig  konnte  er  sich  von  seiner  Lage  befriedigt 
fühlen.  Wie  arg  ihn  die  Mittel  bloßstellten,  zu  denen  er  gegriffen 
hatte,  mußte  er  selbst  empfinden;  und  dabei  verdankte  er  den 
Erfolg  nicht  einmal  der  eigenen  Kraft,  sondern  der  bereitwillig 
gewährten  Hilfe  Caesars,  Die  verstärkte  Abhängigkeit  von 
diesem,  in  die  er  so  geraten  war,  steigerte  nicht  nur  den  Neid 
auf  dessen  ständig  wachsende  Macht,  sondern  bedrohte  zugleich 
seine  eigene  Zukunft.  An  dem  ersehnten  Ziel  war  er  noch  lange 
nicht.  Allerdings  wagte  sioh  die  Opposition  nicht  mehr  un- 
mittelbar an  ihn  heran;  aber  verstummt  war  sie  keineswe<^s. 
Immer  aufs  neue  folgten  die  Nadelstiche,  die  mißliebigen  Maß- 
nahmen, jetzt  gefördert  von  dem  Consul  Domitius  Ahenobarbus, 
gegen  den  sein  Kollege  Appius  Claudius,  dessen  Tochter  mit  dem 
ältesten  Sohn  des  Pompejus  vermählt  war*),  nur  ein  schwaches 
Gegengewicht  bildete,  weil  er  die  Volksgunst  nicht  verlieren 
und  im  übrigen  aus  seinem  Amt  möglichst  viel  Geld  heraus- 
schlagen wollte*).  Dazu  kamen  die  ununterbrochenen  Prozesse 
gegen  seine  und  seiner  beiden  Genossen  Werkzeuge  und  Ver- 
trauten. Da  die  Optimaten  sich  der  Leitung  des  großen  Mannes 

eximiam  belli  gloriam  Africanum  ut  deum  coleret  Laelius,  dotni 
vicissim  Laelium,  quod  aeiate  antecedebat,  observaret  in  parentia 
loco  Scipio.   Genaa  so  dachte  sich  Cicero  seine  Stellung  su  Pompejus. 

')  In  den  Philippiken  und  sonst  bezeichnet  er  sich  wiederholt  selbst  als 
princeps,  so  besonders  drastisch  an  Cornificius  fam.  XII  24,  2  meprin- 
cipem  senaiui  populoque  Romano  professus  surru 

•)  Cic.  an  Appius  III  4,  2.  10,  10. 

*)  Dio  89,  60,  8. 


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192 


Da*  Principat  des  rompejiw 


nicht  gutwillig  fügen  wollten,  mußten  sie  gezwungen  werden; 
als  Mittel  dazu  dienten  die  Anarchisten,  die  ihm  jetzt  durch 
Caesars  Eingreifen  völlig  zur  Verfügung  standen  und  die  er  aufs 
neue  gegen  die  legitime  Regierung  losließ.  Auf  seine  Veranlassung 
bewirkten  die  Tribunen,  daß  die  Wahlen  immer  weiter  hinaus- 
geschoben wurden1).  Als  Heilmittel  gegen  dies  Treiben  forderten 
dann  Pompejus'  Anhänger  seine  Ernennung  zum  Dictator,  zu- 
nächst in  unbestimmten  Andeutungen*),  dann  immer  nachdrück- 
licher; der  für  53  zum  Tribunen  erwählte  C.  Lucilius  Hirrus  ließ 
vernehmen,  daß  er  einen  dahin  gehenden  Antrag  einzubringen 
gedenke.  In  seinen  offiziellen  Erklärungen  wies  Pompejus  einen 
derartigen  Gedanken  weit  von  sich,  obwohl  er  privatim  dem 
Cicero  eingestand,  daß  er  bereit  sei,  auch  diese  Aufgabe  zu  über- 
nehmen8). Das  war  nicht  „unverbesserliche  Hinterhältigkeit" 
oder  „die  ihm  eigene  Schwerfälligkeit  im  Entschließen  und  im 
Handeln  und  seine  wunderliche  Unfähigkeit,  selbst  da,  wo  er 
befehlen  wollte  und  konnte,  mit  der  Sprache  herauszugehn", 
wie  Mommsen  es  darstellt,  sondern,  wie  schon  ausgeführt,  bei  dem 
Ziel,  das  er  erstrebte,  eine  unvermeidliche  Notwendigkeit:  der 
erste  Bürger,  der  Princeps,  begehrt  für  sich  garnichts,  sondern 
der  Staat  fordert  von  ihm,  daß  er  die  dringenden  Aufgaben  über- 
nehme,  die  kein  andrer  lösen  kann. 

Aber  der  Senat  wollte  Pompejus  natürlich  jetzt  so  wenig 
verstehn  und  sich  ihm  unterwerfen,  wie  bei  den  Verhandlungen 
über  den  Getreideauftrag  und  die  aegyptische  Mission.  So  setzte 
Pompejus  sein  Spiel  fort.  Die  Rivalität  und  die  Umtriebe  der 
Kandidaten  kamen  ihm  dabei  zu  Hilfe;  im  November  54  wurde 
festgestellt,  daß  es  in  diesem  Jahr  zu  Comitien  nioht  mehr 

')  ad  Qu.  fr.  II  13,  5  (Anfang  Jani)  erat  non  nulla  spes  conti- 
Horum,  sed  incerta.  II  15,  8  (Ende  August)  cotnitia  in  mensem  Sept. 
reiecta  sunt. 

*)  ad  Qu.  fr.  II  18,  5  erat  aliqua  stispicio  dictaturae,  ne  ea  quU 
dem  certa. 

3)  Vgl.  Appian  II  20,  wo  der  Hergang  sehr  richtig  dargestellt  ist, 
speziell  £  78  (IIojikt^'.^)  crjv  icpoaBoxtav  rrjvit  X6f«p  p-ev  säusyspauvw,  fp*(4> 
V  ii  a&tty  rcdcvca  ftcparciv  äyavüx;  xa;.  rrjv  &oi>vta£tav  cfjs  «oXxttia;  Kai 
ävapXÜxv  i*\  t-p  aa>>vtat£if  iuuiv  <;*.peu»pa. 


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Pompejus  erstrebt  die  Dictatur.    Wählamt  rieb,  im  Jahre  54  193 

küiiimeu  und  das  nächste  Jahr  daher  mit  einem  Interregnum 
beginnen  werde1). 

Im  übrigen  verlief  das  Jahr  in  «ahllosen  kleinen  Händeln 
und  Intrigen  sehmutagster  Art.  Den  wenigen  ehrlichen  Op- 
ponenten, der  kleinen  Gruppe,  die  jetzt  wieder  von  Cato  geführt 
wurde,  war  jede  Möglichkeit  einer  politischen  Wirkung  genommen ; 
sie  vermochte  wohl  einzelne  der  ärgsten  Ausschreitungen  zu 
hemmen  oder  wenigstens  aufzudecken,  wie  denn  Cato  immer 
bereit  war,  sein  Leben  für  das  Recht  in  die  Schanze  zu  schlagen, 
als  Praetor  die  Leitung  der  Gerichte  gewissenhaft  führte  und 
durch  seinen  Einfluß  die  Kandidaten  für  das  Tribunat  dahin 
brachte,  daß  sie  sich  durch  eine  bei  ihm  deponierte  Summe 
von  je  einer  halben  Million  Sestertien  verpflichteten,  alle  illegi- 
timen Wahlumtriebe  und  Bestechungen  zu  unterlassen*);  aber 
irgend  ein  positives  Ergebnis  konnten  sie  nicht  erreichen.  Die 
Masse  der  Nobilität  ließ  sie  vollständig  im  Stich,  benutzte  viel- 
mehr die  Frist,  die  ihr  in  ihrem  Todeskampf  noch  vergönnt  war, 
nur  um  sich  noch  einmal  vor  aller  Welt  auf  das  schmählichste 
zu  prostituieren.  Je  mehr  das  Consulat  für  die  politische  Leitung 

*)  Cicero  ad  Att.  IV  18,  3  (Ende  Oktober)  res  fluit  ad  Interregnum, 
et  est  nonnuüus  odor  dictaturae,  sermo  quidem  multus.  (vgl.  IV 
19,  1  fin.  and  dazu  Stkhjikopt,  Hermee  40  ,  40).  ad  Qu.  fr.  m  8,  4 
(gegen  Ende  November):  res  prolatae:  ad  Interregnum  comitia  ad- 
ducta.  rumor  dictatoris  iniucundus  bonis,  mihi  etiam  magis,  quae 
loquuntur,  sed  tota  res  et  timetur  et  refrigescit.  Pompeius  plane  se 
negat  teile;  antea  mihi  ipse  non  negabat.  Hirrus  auctor  fore 
indetur.  0  di,  quam  ineptus!  quam  se  ipse  amans  sine  rivatt! 
Crassum  Junianum  [den  Namen  hat  Mahutius  mit  Unrecht  in  Coelium 
Vinicianum  korrigiert,  der  fam.  VHI  4,  8  erwähnt  wird,  s.  Grobbb  bei 
Drdmakh  IV*  180],  hominem  mihi  dedüum,  per  me  deterruit  (näm- 
lich davon,  den  Antrag  auf  eine  Dictatur  einzubringen).  Velit,  nolit 
scire  difflcile  est;  Hirro  tarnen  agente  nolle  se  non  probabit.  aliud 
hoc  tempore  de  republica  nihil  loquebatur,  agebatur  quidem  certe 
nihil.  —  Vgl.  auch  Obuequens  64  propter  dictatur  am  Pompei  ingens 
sedüio  in  urbe  fuit  L.  Domitio  Appio  Claudio  coss.  Zur  Charakte- 
ristik des  Pompejus  vgl.  Caeliua'  Bemerkung  ad  fam.  Vm  1,  8  (Mai  50): 
solet  enim  aliud  sentire  et  loqui,  neque  tantum  valet  ingenio,  ut 
non  appareat,  quid  cupiat. 

*)  Cic.  ad  Att.  IV  15,  7.  ad  Qu.  fr.  II  14,  4.  Plut.  Cato  44.  Plin.  praef.  9. 
Meyer,  Caeaars  Monarchie  13 


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194 


Das  Principat  des  Pompejus 


des  Staats  an  Bedeutung  verlor,  da  ihm  alle  wirkliche  Macht 
durch  die  Usurpatoren  entrissen  war,  um  so  gieriger  stürzten 
sich  die  Bewerber  um  des  materiellen  Gewinnes  willen,  den  es 
in  Aussicht  stellte,  in  den  Wahlkampf1).  Die  Machthaber  schürten 
eifrig:  Caesar  stellte  sein  Geld  und  seinen  Einfluß  den  Bewerbern 
zur  Verfügung,  die  sich  hatten  erkaufen  lassen  und  sich  ihm 
womöglich  durch  Eid  und  eine  förmliche  Vertragsurkunde  ver- 
pflichtet hatten*).  So  unterstützte  er  jetzt  zwei  Männer,  die 
ihm  vor  kurzem  noch  eifrig  Op|x>sition  gemacht  hatten,  den 
C.  Memmius,  der  ihn  als  Praetor  Anfang  58  wegen  seines  Con- 
sulats  hatte  zur  Verantwortung  ziehn  wollen  (oben  S.  93) ,  und 
Cn.  Domitius  Calvin us,  der  im  Jahre  59  als  Tribun  zu  den  Gegnern 
des  Vatinius  und  Caesars  gehört  hatte3).  Pompe  jus  trat  natür- 
lich nicht  offen  gegen  sie  auf,  wirkte  aber  insgeheim  Caesars 
Kandidaten  entgegen4),  und  gab  sich  den  Anschein,  seinen  ehe- 
maligen Quaestor  und  Legaten  M.  Scaurus  zu  fördern,  den  ver- 
kommenen Sohn  des  gefeierten  Führers  der  Nobilitat  in  den 
Zeiten  des  jugurthinischen  Krieges  und  des  Saturninus  und  Stief- 
sohn des  Sulla.  Scaurus  hatte  als  Aedil  im  Jahre  58  durch  die 
maßlose  Verschwendung  seiner  Spiele  und  das  für  diese  erbaute 
ephemere  Theater  das  Volk  an  sich  gefesselt  und  eben  jetzt  als 

')  Sehr  treffend  wird  die  Lage  bei  Appian  II  19  charakterisiert  : 
ot  t»  iva  fto;  exiorov  BicoKOt  orpattueiv  piv  soo  xai  itoXtpslv  iiuylfyiuaxov, 
2iaxi.tt6fJUVoc  rjj  Sovaottta  xuivSe  tütv  tpiätv  avftpcöv.  6oot  i*  Tjoav  a&Tütv 
äroKtöttpoc,  «tp8o{  dtvtl  tü»v  atpattuüv  stifttyro  ta  xoiva  rrj<;  «dXtuig  xat  ta$ 
tüty  töla>v  2tad6x<uv  x«'P<«»wk;  dadurch  wird  die  Anarchie  und  das  Be- 
treiben der  Dictatur  des  Pompejus  herbeigeführt.  Der  Satz,  der  dazu 
Überleitet  ol  8'  äcfafroi  8ti  toöta  xou  jcopjtav  fttiXtsov  t&  &px*tv  ist  frei- 
lich in  dieser  Fassung  nicht  zutreffend. 

*)  Sueton  Caes.  53. 

*)  Cic.  pro  Sest.  118  (=  in  Vat  16)  mit  schol.  Bob.  Calvinus  ist 
durch  die  Consuln  des  Jahres  54  zur  Verbindung  mit  Memmius  geführt 
(8.  195,  2);  nachher  im  Bürgerkrieg  war  er  bekanntlich  eifriger  Caesa- 
rianer.  Für  Memmius  vgl.  Sueton  Caes.  78:  Oai  Memmi,  cuius  asper- 
rimis  orationibus  non  minore  acerbitate  rescripserat,  etiam  suffra- 
gutor  mox  in  petitione  consulatus  fuit. 

4)  Vgl.  Plut  Pomp.  54  ton  lh  tov  Kaioapa  8o*äv  ob  npo-rjctofrai  r>jv 
S6vap.iv  iC-rjttt  (flop.*.)  tarti;  *oXtuxai<;  apx<«c  oxopfc«  ttvot  itpo«  a&tiv. 


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Wahlumtriebe  im  Jahre  54 


195 


Propraetor  durch  Ausplünderung  Sardiniens  seine  Kosten  gedeckt; 
deshalb  wurde  er  im  Juli  54  von  Triarius  angeklagt.  Aber  die 
gesamte  Nobihtät  trat  für  ihn  ein,  neun  Consulare,  darunter 
Pompejus,  legten  mündlich  oder  schriftlich  für  seinen  Charakter 
Zeugnis  ab,  sechs  Redner,  darunter  Hortensius,  Cicero  und  dessen 
Todfeind  Clodius,  hielten  Verteidigungsreden,  dazu  kam  das 
übliche  Anflehn  der  Richter;  so  wurde  er  mit  so  überwältigender 
Majorität  freigesprochen,  daß  Cato,  der  den  Vorsitz  im  Gericht 
führte,  eine  Untersuchung  gegen  die  Anklager  veranlagte1).  Der 
vierte  Bewerber  war  wie  schon  im  vorigen  Jahr  (S.  161)  M.  Messalla, 
ein  Vetter  des  Consuls  vom  Jahre  61,  der  von  der  Nobilität  be- 
günstigt, dagegen  von  Caesar  und  Pompejus  bekämpft  wurde.  Der 
letztere  wollte  natürlich  überhaupt  keine  Wahl,  sondern  seine 
eigene  Dictatur1).  Allen  standig,  zuletzt  noch  von  Crassus  (8. 161), 
verschärften  Gesetzen  zum  Trotz  nahmen  die  Wahlumtriebe  und 
Bestechungen  einen  Umfang  an,  wie  er  selbst  in  Rom  unerhört 
war.  Memmius  und  Calvinus  schlössen  mit  den  amtierenden 
Cousuln  einen  förmlichen  Vertrag,  in  dem  sie  sich  gegen  eine 
Strafsumme  von  vierzig  Millionen  Sestertien  verpflichteten,  drei 
mit  Namen  genannte  Augurn  und  zwei  Consulare  zu  stellen, 
die  bezeugen  sollten,  die  lex  curiata  für  beide  Consuln  und  der 
darauf  begründete  Senatsbeschluß  über  die  Ausstattung  ihrer 

')  Das  Detail  bei  Asconius  im  Kommentar  zur  Scauriana.  Diese 
Rede  ist  natürlich  völlig  verlogen  (vgl.  die  schönen  Phrasen  Aber  Appius 
Claudias  §  81  ff  mit  den  gleichseitigen  Äußerungen  in  den  Briefen) ;  bei 
VaL  Max.  VIII  1,  10  wird  Scaurus  Sache  als  adeo  perdita  et  conplo- 
rata  bezeichnet,  daß  er  der  Erklärung  des  Anklägers,  er  solle  in  Sar- 
dinien 120  Menschen  aufbringen,  quibus  in  provincia  nihil  abstulisset, 
nicht  genügen  kann.  Cicero  hilft  sich,  indem  er  die  Sarden  als  ver- 
logenes Gesindel  schildert.  VgL  auch  Cic.  ad  Att.  IV  15,  9:  „wenn 
Scaurus  nicht  zum  Consul  designiert  wird,  in  hoc  iudicio  vcdde  labo- 
rabU". 

*)  Cic.  ad  Att.  IV  15,  7  (27.  Juli) :  Memmium  Caesaris  omnes  opes 
conflrmant ;  cum  eo  Domüium  consules  iunxerunt,  qua  p actione,  epi- 
stulae  committere  non  audeo.  Pompeiua  fremit,  queritur,  Scauro 
studet,  sed  utrum  fronte  an  mente,  dubitatur  . . .  Messalla  languet, 
non  quo  aut  antrmus  desit  aut  amici,  sed  coitio  consulum  et  Pom- 
peius  obsunt. 


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10G 


Das  Principat  des  Pompejus 


Provinzen  seien  regelrecht  erfolgt,  obwohl  beide  überhaupt  nicht 
zustande  gekommen  waren.  Für  die  Bestechungen  wurden  so 
große  Anleihen  aufgenommen,  daß  am  15.  Juli  der  monatliche 
Zinsfuß  plötzlich  von  V»  au^  */a  Prozent  (also  rund  von  vier  auf 
acht  Prozent  im  Jahr)  hinaufging;  der  vorstimmenden  Centurie, 
deren  Wahl  gewöhnlich  die  der  übrigen  beeinflußte,  wurden 
nicht  weniger  als  zehn  Millionen  Sestertien  in  Aussicht  gestellt1). 
Im  September  hat  dann  Memmius,  mit  den  Consuln  zerfallen, 
den  schmutzigen  Handel,  der  langst  ein  öffentliches  Geheimnis 
war,  im  Senat  selbst  bekannt  gegeben,  mit  Vorlegung  der  Ur- 
kunde, in  der  nur  die  Namen  gestrichen  waren,  unter  heimlicher 
Einwirkung  des  Pompejus ,  dagegen  sehr  zum  Ärger  Caesars, 
der  ihn  fortan  fallen  ließ*).  Appius  Claudius  war  so  verhärtet, 
daß  ihn  auch  diese  Enthüllung  wenig  anfocht;  um  so  peinlicher 
war  es,  daß  jetzt  auch  der  wahre  Charakter  des  Domitius  Aheno- 
barbus  entlarvt  war,  der  sich  bisher  als  biederen  Ehrenmann  und 
aufrichtigen  Vorkämpfer  der  Nobilitat  gegeben  hatte*).  Alle 
Kandidaten  wurden  mit  Prozessen  bedroht;  aber  ein  vom  Senat 
angenommener  Vorschlag  Catos,  durch  ein  summarisches  Ge- 
richtsverfahren eine  Verurteilung  der  Schuldigen  herbeizuführen, 
scheiterte  in  der  Volksversammlung:  die  Nobilitat  wurde  in 
üblicher  Weise  durch  Steinwürfe  auseinandergesprengt,  nur  Cato 
erzwang  sich  den  Weg  auf  die  Rednerbühne  und  hielt  dem  Volk 
und  zugleich  seinen  feigen  Standesgenossen  eine  Strafpredigt, 
konnte  aber  nichts  erreichen4).  So  war,  Pompejus'  Wunsch  ent- 

')  Cic  ad  Qn.  fr.  II  14,  4. 

•)  Cic  ad  Att.  IV  15,  7  -  ad  Qu.  fr.  II  14,  4.  ad  Att.  IV  17,  2.  Vgl. 
ad  Qu.  fr.  III  1,  16.  Appian  II  19,  69  u»**tj  Zi  nou  xal  }ita»-pf<rr)H-*  ta' 
X&vttnv  ixTcntooJeov  (—  19200000  Best.,  in  runder  Summe  der  auf  jeden 
der  beiden  Kontrahenten  fallende  Betrag)  6nip        iic<uv6fioo  ftvoftrvov 

«)  Cic  ad  Att  IV  17,  2  f.  vgl.  18,  4;  Appius  dachte  jetzt  daran, 
sine  lege,  suo  mmptu  in  seine  Prolins  Cilicien  zu  gehn.  Ebenso  ad 
Qu.  fr.  III  2,  S.  ad  fam.  I  9,  25. 

*)  Plut.  Cato  44,  Tgl.  Cic.  ad  Att.  IV,  17,  8  Aber  die  lex  de  tacüo 
iudicio,  das  vor  den  Wahlen  stattfinden  soll,  aber  auf  Betreiben  einiger 
in  Aussicht  genommener  Richter  durch  Intercession  des  Tribunen  Teren- 


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Wahlumtriebe  im  Jahre  54.    Pomptinua'  Triumph  197 


sprechend,  jede  Aussicht  geschwunden,  daß  es  noch  zu  Wahlen 
kommen  könne.  Den  weiteren  Verhandlungen  entzog  sich  Pom- 
pe] us,  indem  er  sich  unter  dem  Vorwand  der  Getreideversorgung 
von  Rom  entfernte.  So  wurde  die  Entscheidung  immer  weiter 
hinausgeschoben:  „in  der  Frage  der  Dictatur",  schreibt  Cicero 
im  Dezember  54,  „ist  immer  noch  nichts  verhandelt.  Pompejus 
ist  abwesend,  Appius  fischt  im  trüben,  Hirrus  trifft  seine  Vor- 
bereitungen, viele  Tribunen,  die  intercedieren  wollen,  werden 
aufgezahlt,  dem  Volk  ist  die  Sache  gleichgültig,  die  Führer  des 
Adels  wollen  es  nicht,  ich  selbst  halte  den  Mund"1). 

Zu  den  Skandalszenen  am  Schluß  des  Jahres  gehörte  auch, 
daß  dem  C.  Pomptinus,  der  seit  seinem  Allobrogersieg  im  Jahre  61 
geduldig  vor  den  Toren  Roms  auf  den  Triumph  harrte,  der  ihm 
durch  das  Betreiben  Caesars  und  seiner  Anhänger  unter  religiösen 
Vorwänden  verweigert  wurde«),  jetzt  durch  den  Praetor  Servius 
Galba  (der  vorher  Legat  Caesars  gewesen  war)  ein  den  Triumph 
bewilligender  Volksbeschluß  erschlichen  wurde,  indem  er  die  Ab- 
stimmung gesetzwidrig  noch  vor  Tagesanbruch  von  ein  paar 
Leuten  vornehmeu  ließ.  Cato,  wie  immer  der  Anwalt  strenger 
Gesetzlichkeit,  erhob  Einspruch,  unterstützt  von  seinem  Rollegen 
Servilius  und  besonders  eifrig  von  dem  Tribunen  Q.  Scaevola, 


tiuE  eu  Fall  gebracht  wird.  Die  Consuln  qui  iliud  levi  bracchio  egis- 
st-nt  (ihnen  war  natürlich  die  Sache  in  Wirklichkeit  durchaus  zuwider), 
bringen  die  Frage  vor  den  Senat  hic  Abdera,  non  tacente  me.  dices 
„tarnen  tu  non  quiescis?"  (.Kannst  du  denn  noch  immer  nicht  den 
Mund  halten  ?•).  ignosce,  vix  possum.  verum  tarnen  quid  tarn  ridi- 
culum?  senatus  decreverat,  ne  prius  comitia  haberentur,  quam  lex 
lata  esset:  si  quis  intercessisset,  res  integra  referretur:  coepta  ferri 
leintet,  iniercessum  non  inviiis,  res  ad  senatum,  de  ea  re  ita  cen- 
suerunt,  comitia  primo  quoque  tempore  haben  esse  e  republica. 
Drastischer  läßt  sich  allerding»  die  völlige  Zerfahrenheit  und  Ohnmacht 
der  Regierung  nicht  illustrieren. 

')  ad  Qu.  fr.  III  9,  3.  tv  itapipfcp:  de  dictatore  tarnen  actum  ad- 
huc  nihil  est.  Pompeius  abest,  Appius  miacet,  Hirrus  parat,  multi 
intercessores  numerantur,  populus  non  curat,  principes  noluni,  ego 

■)  schol.  Bob.  *u  Cic.  in  Vat.  80  (impedientibus  amicis  C.  CaesarisJ. 
Cic.  in  Pif.  58  (religionibus  susceptis  impediiur). 


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198 


Das  Principat  des  Pompejua 


und  erklärte,  „so  lange  er  lebe,  werde  Pomptinus  nicht  trium- 
phieren". Aber  die  übrigen  Praetoren  und  Tribunen  traten  für 
diesen  ein,  ebenso  der  Gonsul  Appius,  der  dabei  offenbar  wieder 
sein  Geschäft  gemacht  hat,  und  so  kam  es,  wie  Cicero  voraus- 
sagt: „ich  glaube,  daß  das,  wie  so  viele  Unternehmungen  Catos, 
zu  nichts  führen  wird".  Pomptinus  konnte  am  3.  November  wirk- 
lich triumphierend  einziehn;  ohne  das  übliche  Blutvergießen  ging 
es  freilich  auch  dabei  nicht  ab1). 

Im  übrigen  zieht  sich  durch  das  ganze  Jahr  eine  Folge  großer 
politischer  Prozesse.  Der  des  Scaurus  wurde  schon  erwähnt. 
Kurz  vorher  wurde  C.  Cato,  der  turbulente  Tribun  des  Jahres  56, 
zweimal  freigesprochen,  ebenso  sein  Genosse  Sufenas*).  Ebenso 
scheiterte  der  Versuch,  den  Vatinius,  das  verhaßte  Werkzeug 
Caesars,  nach  dem  Ablauf  seiner  Praetur  zur  Strecke  zu  bringen. 
C.  Licinius  Calvus,  der  Heißsporn  unter  den  jüngeren  dichte- 
rischen und  rednerischen  Talenten,  der  im  Vollgefühl  seines 
Talents  ebenso  wie  sein  Freund  Catull  und  die  unabhängige 
Jugend  überhaupt  mit  voller  Begeisterung  für  das  republikanische 
Tdoal  eintrat  und  auf  die  ängstliche  Rücksichtnahme  eines  Cicero 
mit  Verachtung  herabblickte  —  wie  er  denn  zugleich  die  breiten 
Perioden  Ciceros  und  vollends  gar  Hortensius*  überladene  Bered- 
samkeit verwarf  und  die  Rückkehr  zu  den  älteren  attischen 
Mustern,  vor  allem  zu  der  knappen  und  pointierten  Form  des  Lvsia« 
erstrebte  — ,  zog  den  Vatinius,  den  er  schon  früher  mit  Prozessen 
verfolgt  hatte,  jetzt  auf  Grund  des  von  Crassus  verschärften 


>)  Cic.  ad  Att.  IV  18,  4  Pomptinus  volt  a.  d.  IV  Non.  Nov.  trium- 
phare.  huic  obviam  Cato  et  Servüius  praetores  aperte  et  Q.  Mucius 
tribunus;  negant  enim  lahm  de  imperio,  et  est  latum  hercule  in- 
suise;  sed  ertt  cum  Pomptino  Appius  consul.  Cato  tarnen  adfirmat, 
se  vivo  iüum  non  triutnphaturum :  id  ego  puto,  ut  multa  eiusdem,  ad 
nihil  recasurum.  ad  Qn.  fr.  HI  4,  6.  Dio  89,  65  xat  8ti  toOto  t&v  8-rj- 
|ju4px««v  Ttve$  axoXtKpd'tvTtc  xrfi  ixxX-r)3ta<  Iv  fo&v  Tijj  ito;iirg  Kp&f\vxvx  a&tjj» 
itaptayov,  J»3tt  x<xl  ofafi;  oojiß-ijvat. 

*)  Cic.  ad  Ätt.  IV  16,  5  f.  15,  4:  er  quo  inteUectum  est,  tpiaapu©- 
H-rptas  ambitum,  comitia,  Interregnum,  maiestatem,  totam  denique 
rempublicam  flocci  non  facere.  Zar  Anordnung  and  Chronologie  der 
Briefe  s.  Sternkopf,  Herme«  40,  1905,  11  ff. 


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Cicero  verteidigt  den  Vatinius 


199 


Gesetzes  über  die  Klubs  (de  sodaliciis)  vor  Gericht  und  steue- 
rn einer  feurigen  Rede  sein  gesamtes  Treiben  und  seine  verab- 
scheute Persönlichkeit  womöglich  noch  rücksichtsloser  an  den 
Pranger,  als  Cicero  zwei  Jahre  zuvor.  Am  Beifall  der  Menge 
fehlte  es  natürlich  nicht1).  Aber  Cicero  hatte  sich  schon  gleich 
nach  Vatinius'  erzwungener  Wahl  zum  Praetor  im  Jahre  56  auf 
Pompejus'  Gebot  mit  ihm  versöhnen  müssen2)  ;  und  jetzt  stellte 
Caesar  die  peremptorische  Forderung,  daß  er  die  Verteidigung 
übernehme'),  der  sich  der  arme  Consular  schon  mit  Rücksicht 
auf  die  Vorschüsse,  die  ihm  Caesar  gemacht  hatte,  nicht  ent- 
ziehn  konnte.  So  wurde  Vatinius  unter  dem  Druck  der  Macht- 
haber freigesprochen  (August  54)4).  Natürlich  erregte  Ciceros 
Verhalten  allgemeines  Kopfschütteln  —  schon  in  der  unter 
Sallusts  Namen  erhaltenen  Invektive  (oben  S.  165)  wird  er  des- 
halb mit  Recht  verhöhnt6)  — ,  und  vergeblich  hat  er  sich  damit 


')  Vgl.  Catulls  hübsches  Scherzgedicht  58  Ober  den  naiven  Ausdruck 
der  Bewunderung  (di  magni,  salaputium  disertum),  in  die  ein  braver 
Hörer  ausbricht,  cum  miriflce  Vatiniana  mens  crimina  Calvus  ex- 
plicasset.  Daran  schließt  sich  c.  52  die  Entrüstung,  daß  jetzt  .Vati- 
nius seine  Meineide  schwört:  so  wahr  ich  Consul  werde!"  (per  con- 
sulatum  peierat  Vatinius).  In  dem  Gedicht  an  Cicero  48  ist  die 
Ironie  offenkundig.  —  Die  Fragmente  der  Rede  des  Calvus  bei  Meter 
p.  174  ff.,  vgl.  schol.  Bob.  zu  Cic.  in  Vat.  10.  34  und  Seneca  controv.  VII 4,  6. 

•)  Cicero  an  Lentulus  I  9,  19  de  Vatinio  auiem,  primum  reditus 
intercesserat  in  gratiam  per  Pompeium ,  statim  ut  üle  praetor  est 
factus.   Vgl.  auch  Plut.  Cic.  26. 

*)  ib. :  post  autem  Caesaris,  ut  illum  defenderem,  mira  conientio 
est  consecuta. 

*)  ad  Qu.  fr.  II  15,  3.  Vgl.  pro  Plane.  40  und  schol.  Bob.  dazu.  Val. 
Max.  IV  2,  4. 

*)  §  7.  Vatini  causam  agis,  de  Sestio  male  existumas  cet.  Im 
Prozeß  des  Plancius  halt  ihm  der  Ankläger  Laterensis,  der  im  Jahre  59 
dem  Caesar  so  freimütig  entgegengetreten  war  (S.  75),  vor,  er  selbst 
sei  in  republica  liber,  Cicero  nicht  (pro  Plane.  91).  Wie  tief  dieeer 
Vorwurf  Cicero  traf,  zeigt  seine  sehr  unzulängliche  Verteidigung,  er 
müsse  endlich  einmal  an  Bich  denken,  da  er  sich  bisher  für  den  Staat 
aufgeopfert  habe;  und  im  übrigen  trete  er  für  Pompejus,  der  ihm  die 
Rückkehr  ermöglicht  habe,  den  anerkannten  prineeps,  und  für  Caesar, 
dun  der  Senat  mit  Ehren  überschüttet  habe,  eben  um  des  Staats  willen 


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200 


Da«  Principat  des  Pompejns 


rerteidigt,  daß  die  Aristokraten  ihn  im  Stich  gelassen  und,  nm 
ihn  zu  ärgern,  den  Clodius  verhätschelt  hätten,  und  er  sich  dafür 
durch  die  dem  Vatinius  gewährte  Protektion  räche1).  Daß  er 
die  Rede,  in  der  er  verteidigen  und  gelegentlich  sogar  zum  Lobe 
des  Vatinius  wenden  mußte,  was  er  früher  angegriffen  hatte2), 
nicht  herausgegeben  hat,  ist  begreiflich;  sie  scheint  aber  auf- 
gezeichnet worden  zu  sein. 

Auch  sonst  war  Cicero  mit  Verteidigungen  geradezu  über- 
laden3); und  im  übrigen  tröstete  er  sich  damit,  daß  er  durch 
seine  Beziehungen  zu  den  Machthabem  wenigstens  gegen  alle 
Angriffe  geschützt  war  und  materiell  sorgenfrei  leben  konnte4); 
auch  bei  den  großen  Bauten,  die  Caesar  in  Rom  ausführen  ließ, 
um  dadurch  seinen  Anhang  zu  mehren  und  das  Volk  bei  guter 
Laune  zu  erhalten,  war  er  beteiligt  und  machte  seinen  Profit*). 


ein;  wenn  der  Kare  .jetzt  ein  anderer  sei  ab  der  quem  ego  aUquundo 
probavi  aber  non  minus  tutus  atque  tranquiilus,  so  müsse  er,  der 
anerkannten  Lehre  Ton  *oXttm6c  «po«  *«po6«  folgend ,  dem  nachgeben, 
und  »ein  Verhalten  ändern.  Aach  in  «einen  Briefen  an  Quintus  and 
Atticus  «acht  er  «ich  diese  Rechtfertigung  einzureden ,  aber  geglaubt 
hat  er  sie  seihst  nicht. 

')  An  Lentulus  I  9,  19.  Daß  Cicero  von  der  Verteidigung  des  Va- 
tinius in  meinen  Briefen  möglichst  schweigt,  ist  nur  natürlich. 

»)  schol.  Bob.  so  Ciceros  Worten  in  Vat.  14  tu,  qui  te  Pythago- 
reum  sole*  dicere:  hoc  ipsum  plenissime  purgavit  atque  defendit 
et  non  sine  laude  protulit  in  ea  oratione,  quam  pro  ipso  Vatinio 
scribere  adgressus  est. 

•)  ad  Qu.  fr.  H  15,  1.  3.  8,  1.  ad  Att.  IV  15,  9  and  sonst.  In  den 
August  54  fallt  bekanntlich  auch  die  Rede  für  den  gleichfalls  de  soda- 
lidis  verklagten  Aedilen  PlanciuB,  der  ihn  als  Quaestor  in  Makedonien 
beschützt  hatte. 

4)  Auf  die  ihm  von  Caesar  gewahrten  Darlehn  wird  ad  Qu.  fr.  II 
10,  5  und  Öfter  in  den  Briefen  an  Atticus  angespielt,  am  deutlichsten 
VII  8,  8.  11,  8,  5  beim  Ausbruch  des  Bürgerkriegs. 

»)  ad  Att.  IV  16,  8.  [Daß  Mommskhs  Anordnung  dieses  Briefs  richtig 
ist,  hat  8tirniopf,  Hermes  40,  12  ff.  erwiesen.  Pvrseh  folgt  in  der  Ox- 
forder Ausgabe,  wo  das  Stuck  daher  IV  17,  6  f.  steht,  sehr  mit  Unrecht 
der  durch  Blattversetzung  entstellten  Ordnung  der  Handschrift.]  Es 
handelt  sich  nm  den  erweiterten  Wiederaufbau  der  basilica  Aemilia, 
für  den  Caesar  dem  Aemilius  Paullus  cos.  50  1500  Talente  zuschoß  (Plut. 


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Cicero  und  Caesar  im  Jahre  54 


201 


Freilich  mußte  er  sich  dafür  fortan  seiner  Angriffe  auf  Clodiua 
enthalten1)  und  in  allen  politischen  Fragen  schweigen  oder  seine 
Antrage  so  gestalten,  „daß  andere  ihnen  eher  zustimmen  als  ich 
selbst"2).  Überdies  mußte  er ,  wahrend  sein  Bruder  in  Caesars 
Diensten  stand,  selbst  wieder  eine  Legatenstelle  bei  Pompejus 
annehmen,  durch  die  er  jederzeit  aus  Rom  entfernt  werden 
konnte3).  Da  er  sich  so  in  seine  Lage  fügte  und  sich  Mühe  gab, 
„geschmeidiger  zu  sein  als  ein  Ohrläppchen"4),  wurde  er  im  übrigen 
vor  allem  von  Caesar  mit  der  größten  Rücksicht  behandelt,  so 
daß  er  diesem  jetzt  zeitweilig  näher  zu  stehn  schien  als  dem 
Pompejus.  Caesar  lag  nicht  nur  alles  daran,  durch  berechnetes 
Entgegenkommen  jede  Opposition  mundtot  zu  machen,  sondern 
er  würdigte  sowohl  die  politische  wie  die  persönliche  Bedeutung 
Gceros  vollkommen.  Er  nahm  die  Empfehlungen,  die  dieser 
ihm  schickte,  wohl  auf,  wechselte  mit  ihm  scheinbar  vertrau- 


Caes.  29.  Pomp.  .>8.  App.  II  26),  and  die  hasilica  Iulia  sowie  die  Er- 
weiterungsbauten auf  der  Nordseite  des  Forums,  aus  denen  das  forum 
Caesaris  hervorging,  ferner  die  saepta  für  die  Tributcomitien  auf  dem 
Marsfeld  nebst  den  anschließenden  Bauten.  FOr  den  Aufkauf  der  Grund- 
stücke für  das  Forum  bewilligten  Cicero  und  Oppins  damals  60  Mill. 
Sest.;  später  wuch?  diese  Summe  auf  100  Mill.  (Sueton  Caes.  26.  Plin. 
36,  108).  Aus  dem  Brief  an  Atticus  sehn  wir,  daß  diese  Bauten  schon 
im  Sommer  54  in  Angriff  genommen  wurden. 

')  ad  Att.  IV  15,  4  bei  dem  Prozeß  eines  gewissen  Procilius,  der 
wegen  eines  Mordes  von  Clodius  angeklagt  und  mit  geringer  Majorität 
verurteilt  wird :  nos  verbum  nullutn ;  verita  est  enim  pusilla  (d.  i. 
Tnllia;  das  ist  natürlich  Vorwand),  quae  nunc  laborat,  ne  anitnum 
Publi  offenderem.   Zur  Interpretation  s.  Stbrkkopf  .  Hermes  40 ,  26  ff. 

»)  ad  Qu.  fr.  II  18.  5  (Anfang  Juni):  sententia  auiem  nostra  in 
senatu  eiusmodi,  trwgis  ut  alii  nobis  adsentiantur  quam  nosmet 

*)  ad  Att.  IV  19,  2  (Ende  November)  sed  Heus  tu,  scripseramne 
tibi,  me  esse  legatum  Pompeio?  et  extra  urbem  quidem  fore  ex 
Idibus  Ianuariis?  visum  est  hoc  mihi  ad  multa  quadrare.  Offenbar 
hoffte  er  dadurch  um  die  Verteidigung  des  Gabinius  herumzukommen. 
VgL  ad  Qu.  fr.  III  1,  18. 

4)  ad  Qu.  fr.  II  13,  4  (Anfang  Juni)  tu  quemadmodum  me  censes 
oportet e  esse  in  republica  et  in  nostris  inimicitiis,  ita  et  esse  et 
fore  orieuia  inflma  netto  moUiorem. 


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202 


Das  Principat  dos  Pompejus 


liehe  Briefe  in  scherzendem  Ton,  und  widmete  ihm,  vermutlich 
eben  in  dieser  Zeit,  sein  Werk  über  die  Regeln  der  lateinischen 
Sprache  (de  analogia),  in  dem  er  die  Verdienste  des  Meisters  des 
Stils  um  Rom  und  seine  Literatur  in  warmen  Worten  anerkannte1). 
Ala  Äquivalent  erwartete  er  ein  Gedicht  über  seinen  Feldzug 
nach  Britannien,  und  Cicero  hat  sich  in  der  Tat  eine  Zeitlaug 
ernstlich,  wenn  auch  erfolglos,  mit  dem  undankbaren  und  ihm 
ganzlich  fernliegenden  Stoff  abgeplagt*).  In  derselben  Weise  hat 
Caesar  mit  Unterdrückung  aller  Empfindlichkeit,  an  der  es  sonst 
bei  ihm  nicht  fehlte,  dem  Calvus  und  dem  Catull  die  Hand  zur 
Versöhnung  geboten8). 

Aber  im  Lauf  des  Jahres  standen  Cicero  noch  bitterere  Er- 
fahrungen bevor.  Am  19.  September  kehrte  Gabinius  aus  seiner 
Provinz  zurück,  von  der  Nobilität  und  dem  gesamten  Senat 
und  um  seines  Vorgehns  gehen  die  Steuerpachter  willen  auch 
von  der  Ritterschaft  mit  dem  bittersten  Haß  empfangen.  Schon 
seit  langem  waren  die  Maßregeln  gegen  ihn  vorbereitet4),  und 
gegen  den  Widerspruch  des  Pompe  jus  auch  das  Sibyllenorakel 
über  Aegypten  wieder  hervorgeholt  und  publiziert*).  Er  konnte 
garnicht  daran  denken,  seinen  Anspruch  auf  einen  Triumph 
aufrecht  zu  erhalten,  sondern  kam  bei  Nacht  in  die  Stadt,  mög- 

')  Cic.  Brut.  258.  Nach  Sueton  56  hat  Caesar  die  Schrift  in  tran- 
situ  Älpnim,  cum  ex  ciieriore  Odilia  Conventions  peractis  ad  exer- 
citum  rediret,  geschrieben.  Das  Jahr  ist  nicht  überliefert;  es  können 
aber  nur  Frühjahr  54  oder  53  in  Betracht  kommen ,  vermutlich  das 
letztere,  da  die  Schrift  sonst  wohl  in  der  Korrespondenz  des  Jahres  54 
erwähnt  werden  würde. 

«)  ad  Qu.  fr.  n  13,  2.  III  1,  11.  4,  4.  5,  4.  8,  8.  9,  4. 

»)  Sueton  Caes.  78. 

*)  ad  Qu.  fr.  II  11,  2  f.  (Mitte  Februar). 

•)  Dio  89,  60,  4.  61,  4.  Dio  verbindet  damit  die  große  Überschwem- 
mung im  November  (Cic.  ad  Qu.  fr.  III  7),  die  auch  Cicero  mit  einem 
Homerzitat  auf  den  Götterzorn  wegen  der  Freisprechung  des  Gabiniu* 
deutet  (cadU  in  absotntionem  Gabini);  Dio  nimmt  das  natürlich  weit 
ernster,  und  setzt  sie  überdies  vor  die  Rückkehr  des  Gabinius.  —  Die 
Verhandlungen  Uber  das  Sibyllenorakel  fallen  wohl  in  den  Februar,  wo 
nach  Cicero  ad  Qu.  fr.  II  11.  3  his  comitialibus  diebus  tribuni  pl.  de 
Gubinio  se  acluros  esse  dieunt. 


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I 


Cicero  und  die  Prozesse  des  Gabimus  203 

liehst  unbemerkt,  und  wagte  erst  nach  zehn  Tagen  Bich  im  Senat 
zu  zeigen.  Die  Consuln  griffen  ihn  sofort  an,  die  Steuerpächter 
brachten  ihre  Beschuldigungen  vor,  Cicero  schleuderte  seine  In- 
vektiven  gegen  ihn,  und  als  er,  vor  Erregung  zitternd,  diesem 
das  verpönte  Wort  ezsul  ins  Gesicht  warf,  wie  früher  Piso  und 
Crassus,  erhob  sich  der  ganze  Senat  entrüstet  gegen  ihn1).  Auch 
das  Volk  bezeugte  ihm  bei  jeder  Gelegenheit  seinen  Haß. 

Aber  die  Anklagen  gegen  Gabinius  waren  in  Wirklichkeit 
gegen  seinen  Schirmherrn  Pompe  jus  gerichtet,  und  wurden  nur 
um  so  eifriger  betrieben,  weil  man  sich  an  diesen  selbst  nicht 
heranwagte.  Um  so  dringender  war  es  Pompejus'  Interesse,  ihn 
zu  halten.  So  forderte  er,  daß  Cicero  seinen  Haß  gegen  Gabinius 
fahren  lasse  und  für  ihn  eintrete.  Cicero  sträubte  sich  aufs 
äußerste:  „er  hat  bisher  nichts  erreicht  und  wird  auch,  wenn 
ich  nur  irgend  einen  Rest  von  Freiheit  behalte,  nichts  erreichen"2); 
aber  er  erkannte,  daß,  wenn  er  seine  Angriffe  fortsetze,  er  un- 
vermeidlich den  kürzeren  ziehn  müsse:  Pompejus  würde  in  die 
Stadt  kommen,  den  Clodius  gegen  ihn  loslassen,  ihm  die  Freund- 
schaft kündigen;  jetzt,  wo  seine  Macht  noch  weit  größer  war 
als  im  Jahre  58,  könne  er  einen  Kampf  gegen  den  Einen,  der 
allein  alle  Macht  im  Staat  in  Händen  habe,  unmöglich  auf- 
nehmen3). So  zwang  er  sich,  wenn  auch  mit  dem  äußersten 
Widerstreben,  trotz  seines  Angriffs  im  Senat  auf  die  Beteiligung 
an  der  Anklage  zu  verzichten4) ;  in  dem  Prozeß  wegen  Verletzung 


')  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1.  15.  24.  2.  1-8.    Dio  39,  62,  1. 

*)  ad  Qu.  fr.  III  1,  15  Pompeius  a  me  valde  contendü  de  redüu 
in  gratiam,  sed  adhuc  nihil  profecit,  nec,  si  ullam  partem  libertatis 
tenebo,  profleiet. 

*)  ad  Qu.  fr.  III  4,  2  non  putasset  sibi  Pompeius  de  ittius  salute, 
sed  de  sua  dignitaie  mecum  esse  cer tarnen,  in  urbetn  introisset; 
ad  inimicitias  res  venisset ;  . . .  auriculam  fortasse  mordicus  abstu- 
ndet, cum  Clodio  quidem  certe  redisset  in  gratiam  . . .  nunc,  cum 
ego  ne  eurem  quidem  mulium  posse,  respublica  certe  nihil  possit, 
unus  Ute  omnia  possit,  cum  itto  ipso  contenderem? 

*)  ad  Qu.  fr.  III  2,  2  ego  tarnen  me  teneo  ab  accusando,  vix 
mehercule,  sed  tarnen  teneo,  vel  quod  nolo  cum  Pompeio  pugnare  . . . 
tel  quod  iudices  nullos  habemus.    Nach  seiner  Art  fügt  Cicero  den» 


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204 


Das  Principat  des  Pom  pejus 


der  Majestät  des  römischen  Volkes  (durch  den  gegen  den  Götter- 
sprach  unternommenen  Zug  nach  Aegypten)  am  23.  Oktober  be- 
gnügte er  sich  mit  einer  einfachen  Zeugenaussage,  ohne  ein  ver- 
letzendes Wort1).  Er  hatte  noch  gehofft,  daß  Gabinhis  auch 
ohne  sein  Zutun  der  Verurteilung  nicht  entgehn  werde.  Aber 
Pompe  jus  hatte  seinen  ganzen  Einfluß  geltend  gemacht,  der  An- 
kläger L.  Lentulus  Niger  vertrat  seine  Sache  nur  lau,  das  Geld 
des  Gabinius  und  die  Besorgnisse  vor  der  drohenden  Dictatur 
kamen  hinzu,  und  so  wurde  Gabinius  mit  38  gegen  32  Stimmen 
freigesprochen 2). 

In  den  vertraulichen  Briefen  an  seinen  Bruder  und  an  Atticus 
macht  Cicero  aus  seinen  Empfindungen  kein  Hehl.  Allerdings 
möchte  er  sich  einreden,  er  habe  sich  damit  abgefunden,  „daß 
wir  nicht  nur  allen  Saft  und  alles  Blut,  sondern  selbst  die  Farbe 
und  das  frühere  Aussehn  des  Staats  verloren  haben;  es  gibt  kein 
Gemeinwesen  mehr,  an  dem  man  sich  freuen  könnte";  aber  er 
sei  ganz  zufrieden,  sich  jetzt  auf  die  Tätigkeit  vor  Gericht  und 
die  wissenschaftlichen  Studien  beschränken  zu  können  und  sein 
Privatleben  in  durch  die  Gunst  der  Machthaber  glücklich  wieder- 
gewonnener Sicherheit  genießen  zu  können.  Seine  Vergangen- 
heit malt  er  sich  in  idealem  Licht  aus:  „ich  habe  im  Gedächtnis, 
wie  schön  der  Staat  in  der  kurzen  Zeit  war,  als  ich  ihn  leitete, 
und  welcher  Dank  mir  dafür  geworden  ist.  Jetzt  quält  mich 
kein  Schmerz  mehr,  daß  Einer  alles  vermag;  die  aber  bersten, 


wahren  Grund  noch  Scheingrflnde  hinzu:  daß  das  Selbstbetrug  ist,  ge- 
steht er  in  4,  2  ein. 

')  ad  Qu.  fr.  III  4,8.  ac  mihi  ülud  iueundum  est,  quod  cum 
testimonium  secundum  fidem  et  religionetn  gravissime  dixissem,  reus 
dixit,  si  in  civitate  lieuisset  sibi  esse,  mihi  se  satis  facturum,  neque 
me  quiequam  interrogavit.  III  9,  1  iUum  neque  ursi  neque  levavi. 
testis  vehemens  fui,  praeterea  quievi.  Dios  Angabe  89 ,  61 ,  2  über 
den  ersten  Proceß  *a\  b  Ktxipu>v  tatvotata  a&toö  xarnj6p*jo«v  ist  also  Ober- 
trieben, und  wohl  von  dem  Vorgang  im  Senat  im  September  hierher 
übertragen. 

■)  ad  Qu.  fr.  III  8.  ad  Att,  IV  18.  Dio  39.  55,  4.  62,  8:  die  Ver- 
teidiger erklarten,  der  Sibyllenspruch  beziehe  «ich  auf  ganz  andere 
Zeiten  und  enthalte  überdies  keine  Strafandrohung  für  den  Übertreter. 


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Cicero  and  die  Prozes.se  des  Gabinius 


205 


die  damals  nicht  leiden  konnten,  daß  ich  etwas  vermochte"1). 
Er  tröstet  sich  vor  allem  der  engen  Verbindung  mit  Caesar,  die 
ihn  aus  dem  Schiffbruch  gerettet  habe;  dieser  behandle  ihn  und 
seinen  Bruder  jetzt  mit  der  ausgesuchtesten  Bücksicht,  „nicht 
anders,  als  wie  wenn  ich  der  Oberfeldherr  wäre"2).  Dann  aber 
macht  sich  seinem  Bruder  gegenüber  sein  wahres  Empfinden 
Luft:  „Und  doch  muß  ich  Dir  aussprechen,  was  ich  wahrhaftig 
vor  allem  Dir  verborgen  halten  möchte:  es  quält  mich,  mein 
liebster  Bruder,  es  quält  mich,  daß  es  kein  Gemeinwesen  mehr 
gibt  und  keine  Gerichte,  und  daß  ich  in  dem  Alter,  wo  mein  An- 
sehn im  Senat  in  voller  Blüte  stehn  sollte,  mich  entweder  mit 
advokatischer  Tätigkeit  abgeben  oder  mich  daheim  bei  meinen 
Büchern  trösten  muß,  jenes  Ziel  aber,  das  ich  von  Kindheit  an 
liebgewonnen  hatte,  xoXXöv  ipioteüeiv  xai  offetpoyoc  Sjt|uvat  &XXa>v, 
ganz  und  gar  zusammengestürzt  ist,  daß  ich  meine  Feinde  zum 
Teil  nicht  habe  angreifen  können,  zum  Teil  sogar  habe  verteidigen 
müssen,  daß  nicht  nur  meine  Gesinnung,  sondern  sogar  mein 
Haß  nicht  mehr  frei  ist,  —  und  daß",  wie  er  aus  Rücksicht  auf 
die  Verhältnisse  des  Adressaten  hinzufügt,  „unter  all  den  Leuten 
Caesar  sich  als  der  einzige  erfunden  hat,  der  mich  so  liebt,  wie 
ich  wünschen  muß"3). 

Aber  Pompejus  verlangte  mehr,  als  lediglich  Passivität.  Mit 
Recht  hat  Ciceros  vertrauter  Berater  Cn.  Sallustius  ihm  vor- 
gehalten, er  habe  den  Gabinius  entweder  anklagen  oder  aber, 
Pompejus*  Wunsch  entsprechend,  verteidigen  müssen,  mit  dem 
indifferenten  Mittelweg  köune  er  nicht  durchkommen4).  Er  will 
das  zunächst  nicht  zugeben:  „das  ist  ein  schöner  Freund,  der 
fordert,  ich  solle  mich  entweder  gefahrbringender  Feindschaft 


')  ad  Att.  IV  18,  2. 

')  ad  Att.  IV  19,  2  per  spiee  . . .  et  mehercule  cum  Caesare  mm- 
t  issimam  coniunetionem,  haec  enim  me  una  ex  hoc  naufragio  tabuin 
delectat,  qui  quidem  Quinium  meum  tuumque,  di  boni,  quemad- 
modum  traciai  honore,  dignüaie,  gratia !  tum  secus  ac  «  ego  es&em 
imperator.    Vgl.  ad  Qu.  fr.  III  5,  3  u.  a. 

»)  ad  Qu.  fr.  III  5,  4. 

*)  ad  Qu.  fr.  III  4,  2.  8. 


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206 


Das  Principal  des  Pom  pejus 


aussetzen  oder  ewige  Schmach  auf  mich  nehmen"1).  Noch  Mitte 
Dezember  schreibt  er  dem  Bruder:  „In  der  Sache  des  Gabinius 
durfte  ich  nichts  von  dem  tun,  was  Du"  —  offenbar  auf  die 
Mahnung  Caesars  —  „so  liebevoll  ausgedacht  hast.  Dann  soll 
mir  die  Erde  klaffen"2).  Aber  auf  die  Dauer  konnte  er  dem  von 
Pompejus  ausgeübten,  von  Caesar  unterstützten  Druck  doch 
nicht  widerstehn;  allen  Versicherungen  zum  Trotz  maßte  er  sich 
schließlich  bequemen,  sich  mit  Gabinius  formell  zu  versöhnen 
und  seine  Verteidigung  in  dem  bevorstehenden  Repe  t  und  en- 
prozeß  zu  übernehmen. 

An  Ciceros  Eintreten  lag  dein  Pompejus  um  so  mehr,  da  die 
Freisprechung  des  Gabinius  im  Publikum  allgemeine  Entrüstung 
erregt  hatte;  die  Richter  hatten  sich  vor  den  Drohungen  der 
Menge  durch  die  Flucht  retten  müssen8).  Jetzt  kam  Pompejus 
selbst  vor  die  Stadt,  hielt  in  einer  Volksversammlung  eine  Rede 
für  Gabinius  und  verlas  einen  Brief  Caesars,  der  sich  für  ihn 
verwandte4).  Rechtlich  lag  die  Sache  für  Gabinius  viel  günstiger 
als  im  vorigen  Prozeß,  und  darum  wollte  er  große  Bestechungs- 
summen nicht  aufwenden.  Aber  diesmal  drang  die  öffentliche 
Meinung  durch;  trotz  Ciceros  Verteidigungsrede  wurde  Gabinius 
verurteilt,  und  mußte,  da  er  die  Summe  nicht  zahlen  konnte, 
ins  Exil  gehn5).  Es  zeigte  sich,  daß  Pompejus  nicht  die  Gabe 
besaß,  seine  Werkzeuge  in  der  Weise  gegen  alle  Angriffe  zu 
schützen,  wie  es  Caesar  vermochte. 

Die  Verteidigung  des  Gabinius  durch  Cicero  war  noch  ganz 
etwas  anderes  als  die  des  Vatinius.  Diesen  hatte  er  als  Werk- 
zeug Caesars  und  als  den  verhaßten  Gegner  der  Nobüität  aufs 

')  ib.  lepidum  amicutn  Saüustium,  qui  mihi  aut  inimicitias  putet 
periculosas  subeundas  fuisse  aut  infamiam  sempüernam  l  ego  vero 
hoc  medioeritate  delector. 

•)  ad  Qu.  fr.  in  9  de  Gabinio  nihil  füü  faciendum  istorum,  quae 
a  te  amantissime  cogüata  sunt,  «m  uoi  x«vot  (sc  «6p»ta  x&t»y). 

»)  Dio  89,  68,  1. 

4)  Dio  89,  63,  8  f. 

»)  Dio  89,  63.  Appian  DT  24,  90.  92,  der  in  seiner  Weise  den  Prozeß 
des  Gabinius  mit  den  Verurteilungen  des  Jahres  52  verbindet  und  daher 
zu  spat  ansetzt. 


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Cicero  verteidigt  den  Gabinius 


207 


schärfste  angegriffen;  aber  persönlich  hatte  er  von  ihm  nichte 
zu  leiden  gehabt.  Gegen  Gabinius  dagegen  und  gegen  seinen 
Kollegen  Piso  hatte  er  allen  Groll  entladen,  den  er  auf  dem  Herzen 
trag;  sie  hielt  er  für  die  eigentlich  Schuldigen  bei  seinem  Exil, 
oder  gab  wenigstens  vor,  sie  dafür  zu  halten ;  wenn  er  sich  jetzt 
mit  Gabinius  versöhnt  und  ihn  sogar  verteidigt  hatte,  schlug  er 
damit  seiner  ganzen  Vergangenheit  ins  Gesicht.  Vertrauliche 
Äußerungen  aus  dieser  Zeit  sind  nicht  mehr  erhalten1),  und  so 
wissen  wir  nicht,  wie  er  sich  schließlich  damit  abgefunden  hat. 
Aber  mit  seiner  politischen  Stellung  war  es  jetzt  wirklich  vor- 
bei, er  war  der  notorische  Achselträger  und  Überläufer*).  Man 
begreift,  daß  er  keine  Neigung  hatte,  seine  Schrift  über  den 
Staat  jetzt  zu  veröffentlichen,  sondern  sie  noch  über  zwei  Jahre 
lang  zurückgehalten  hat. 

Fortgang  der  Anarchie.    Pompejus'  drittes  Consulat 

Für  die  folgenden  Jahre,  bis  Ende  Mai  51,  läßt  uns  Ciceros 
Korrespondenz  völlig  im  Stich8);  auch  von  Reden  ist  nur  die 

*)  Seine  Verteidigung  des  Gabinius  erwähnt  Cicero  bekanntlich  in 
der  kurz  darauf  vor  denselben  Richtern  (§  10)  gehaltenen  Rede  für  Ra- 
birius  Postumus,  einen  Bankier  und  Wucherer,  der  dem  Ptolemaeos 
Auletee  gewaltige  Summen  vorgeschossen  hatte  und  dafür  von  diesem 
zum  Stotx-yjrqc  Aegyptens  bestellt  worden  war  (§§  22.  28.  89),  aber  sein 
Geld  nicht  wiederbekommen  hatte  und  jetzt  überdies  für  die  Summen, 
in  die  Gabinius  verurteilt  worden  war,  herangezogen  werden  sollte;  er 
wäre  völlig  bankrott  gewesen,  wenn  Caesar  ihm  nicht  unter  die  Arme 
gegriffen  hatte  (§  41  ff.;  weiteres  über  ihn  hat  Dkssau,  Hermes  46,  1911, 
613  ff.  festgestellt).  Hier  gibt  Cicero  §§  19.  82  ff.  zu,  daß  die  Versöh- 
nung auf  Pompejus*  Betreiben  erfolgt  sei;  aber  er  behauptet,  sie  sei 
freiwillig,  ohne  Zwang  erfolgt;  nam  si  me  invüum  puias,  ne  Cn.  Pom- 
pei  animum  offenderem,  defetidisse  causam,  et  ülum  et  me  vehe- 
menter ignoras.  neque  enim  Pompeius  me  sua  causa  quicquam 
facere  voluisset  invüum,  neque  ego,  cui  omnium  civium  libertas 
carlssima  fuisset,  meam  proiecissem;  wenn  er  die  Versöhnung  abge- 
lehnt hätte,  würde  Pompejus  ihm  das  nicht  übel  genommen  haben. 
Glauben  hat  er  mit  diesen  Ausreden  gewiß  nirgends  gefunden. 

*)  Bio  89,  68,  5  u»om  xal  ix  toötoo  tb  toö  aitojiöXoo  ffxX'njia  wai 
5voua  (vgl.  36,  48,  5.  44,  2)  tn\  isXttöv  ol  aö^^lv«;  vgl.  S.  164,  8. 

')  Atticus  war  in  dieser  Zeit  in  Rom;  die  Briefe  an  Quintus  nach 


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208 


Das  Principat  de«  Pompejus 


für  Milo  erhalten,  nebst  dem  reichen  dazu  von  Asconius  heran- 
gezogenen Material1).  So  können  wir  die  Vorgänge  nicht  in 
der  Weise  wie  bisher  bis  ins  Einzelnste  verfolgen;  aber  für  don 
Gang  der  Ereignisse  sind  die  Nachrichten  der  Historiker  voll- 
kommen ausreichend  und  zuverlässig.  Es  gilt,  durch  Zusam- 
menfügung der  einzelnen  Notizen  die  zugrunde  liegende  aus- 
führliche Darstellung  herzustellen. 

Das  Interregnum,  mit  dem  das  Jahr  53  begann,  setzte  sioh 
monatelang  gleichförmig  fort;  bald  ungünstige  Auspicien,  bald 
die  Tribunen,  jetzt  neben  den  plebejischen  Aedilen  die  einzigen 
regulären  Beamten,  hinderten  die  Vornahme  der  Wahlen9).  Alle 
fünf  Tage  folgte  ein  Interrex  dem  andern;  alle  Geschäfte  und 
Gerichtsverhandlungen  kamen  ins  Stocken8).  Von  den  Kandidaten 
um  das  Consulat  hatte  Pompejus  den  Scaurus,  Caesar  den  Mem- 
mius  fallen  lassen,  so  daß  nur  Calvinus  und  Messalla  übrig  blieben. 
Aber  es  nützte  nichts,  daß  Cicero  sich  schon  im  November  für 
diesen  gegen  Caesar  verbürgt  hatte4)  und  daß  Calvinus  im  Prozeß 
des  Gabinius  als  einer  der  Richter  seine  freisprechende  8timm- 

Dezember  54  sind  nicht  erhalten.  Aach  von  dem  übrigen  Briefwechsel 
ist  bis  auf  Ciceros  Proconsulat  nichts  auf  uns  gekommen  mit  Ausnahme 
der  wenigen,  für  uns  ganz  unergiebigen  Briefe  an  Trebatius  (VII  10  ff.) 
und  Curio  (II  1  fl'.). 

')  Dazu  kommen  noch  die  Reste  der  Rede  de  aere  alieno  Milonia 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  53- 

*)  Dio  40,  45,  8  so«  fitv  jap  5«  x-xi  o't  opvt*!«  ta;  apx<xip»otac  Wo- 
Xov,  ob  ßouXofuvoi  toi<  fuooßowtXtör.  Y*v4o*at  *  ttäXiaxo.  Ii  o:  &-r}U3px°l 
icp&fftata  t4  iv  tj  it6Xtt  itlnoyw^,  toaw  xat  tä?  jcay-rj^üptc^  ftvcl  td>v  otpa- 
tirrr&v  «otefv.  £xa»Xoov  «t?  Xocit&c  äpX^C  atptd~r,vat. 

•)  Darüber  spottet  Cicero  VII  11  in  einem  Brief  an  den  Juristen 
Trebatius.  den  er  in  Caesars  Dienste  empfohlen  hatte:  quis  enitn  tot 
interregnis  iureconsultum  desideret? 

*)  ad  Qu.  fr.  III  8,  8,  wo  er  sich  freut,  daß  auch  .ihr',  d.  h.  Caesar 
und  Quintus,  Messallam  certum  consulem  cum  Domitio  (Calvino)  nume- 
ratis  . . .  ego  Messallam  Caesari  praestabo.  sed  Memmius  in  ad- 
ventu  Caesaris  (in  der  Cisalpina)  habet  spem,  in  quo  ülum  puio  er- 
rare: hic  quidem  friget.  Scaurum  auiem  iam  pridem  Pompeius 
abiecü.  Vgl.  III  9,  8  video  Messallam  nostrum  consulem,  si  per 
interregem,  sine  iudicio,  si  per  dictatorem,  tarnen  sine  periculo:  odi 
nihil  habet. 


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Forderung  der  Dictatur  für  Pom  pejus,  Sommer  58         20  0 

tafel  offen  gezeigt  hatte1);  Pompejus  wollte  eben  keine  Wahlen. 
Er  selbst  blieb  dauernd  von  Rom  fern,  während  seine  Anhänger 
die  Forderung  seiner  Diotatur  immer  von  neuem  erhoben.  Aber 
auch  damit  kam  man  nicht  weiter;  die  Stimmung  war  durchaus 
dagegen,  und  Milo  hielt  seine  Banden  bereit,  um  Hirrus  zu  be- 
kämpfen und  eine  Intercession  zu  unterstützen»);  aber  ebenso- 
wenig wagte  man,  gegen  Pompejus'  Willen  zu  handeln8).  So 
ging  es  Monat  für  Monat  bis  in  den  Juli,  unter  mannigfachen 
Zänkereien.  Einige  Tribunen  schlugen  vor,  man  solle,  wie  in 
den  alten  Zeiten,  statt  der  Consuln  Consulartribunen  ernennen, 
um  so  das  Oberamt  mehreren  zugänglich  zu  machen*);  dem- 
gegenüber stellte  Hirrus  den  Antrag  auf  Bestellung  eines  Dic- 
tators.  Natürlich  trat  Cato  dem  entgegen6);  und  als  der  de- 
signierte Tribun  Q.  Pompejus  Rufus,  Sohn  einer  Tochter  Sullas 
und  Enkel  seines  Kollegen  im  Consulat  88,  der  auch  gegen  Mes- 


')  ad  Qu.  fr.  III  4.  1. 

*)  ad  Qu.  fr.  HI  8,  6  (Ende  November  54):  Milo  furchtet  für  sein 
Consulat  im  Jahre  52,  et  si  Üle  dictator  f actus  sit,  paene  diffldit. 
iniercessorem  dictaturae  si  iuverit  manu  et  prae&idio  suo,  Pompeium 
tnetuü  inimicum ;  si  non  iuverit,  titnet  ne  per  vim  perferatur. 

*)  Dio  40,  45,  5  txstvoc  u  f^p  iirtfr^fui,  xai  Ix  täw  napovrcuv  o5t« 
'i/fjftoaofrat  ttz  a&tö  (xpo;  f<xp  r)jv  toö  EuXXou  wp^tirfca  tjuaoov  icavtec 
xoXfctopa),  08V  au  iXia&ai  8tä  t&v  toö  IIo^x-fj(&ü  tpoßov  oitijmv«.  Den 
Charakter  der  Lage  deutet  Cicero  in  dem  Brief  an  Curio  II  4,  1  (Früh- 
ling 58)  an:  de  republica  . . .  haec  mea  causa  est,  ut  neque  ea  {quae 
sentio  audeam,  neque  ea)  quae  non  sentio  velim  scribere.  Ebenso  redet 
er  in  dem  folgenden  Brief  II  5  von  der  verzweifelten  Lage  des  Staats : 
ita  sunt  omnia  dehiliUita  et  iam  prope  exsHncta.  sed  haec  ipsa  ne- 
8cio,  rectene  sint  Utteris  cotnmissa.  Er  mahnt  den  Curio,  der  aus  der 
Quaestur  in  Asia  (II  6,  1)  zurückkehrte,  sich  für  die  politische  Wirk- 
samkeit zu  rüsten,  swe  Hobes  aliquant  spem  de  republica  sive  de- 
speras,  ea  para,  meditare,  cogita,  quae  esse  in  eo  civi  ac  viro  de- 
bent,  qui  sit  rempublicam  adflictam  et  oppressam  miseris  temporibus 
ac  perditis  moribus  in  veterem  dignitatem  et  libertatem  vindicaturus. 

*)  Dio  40.  45,  4. 

•)  Plnt.  Pomp.  54.  In  der  Biographie  Catos  hat  Plutarch  diese 
Vorgange  übergangen.  Appian  II  20  faßt  die  Kntwicklung  kurz  und 
treffend  zusammen,  geht  aber  auf  die  Vorgange  des  Jahres  58  nicht 
weiter  ein. 

Meyer,  Caesar«  Monarchie  14 


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210 


Das  Principat  de«  Pompeji 


saüa  eine  Anklage  wegen  der  Wahlumtriebe  erhoben  hatte1),  den 
Hirrus  unterstützte  und  Unruhen  erregte,  wurde  er  vom  Senat  ins 
Gefängnis  gesetzt*),  seine  Gehilfen  mit  dem  gleichen  Schicksal 
bedroht  und  der  Beschluß  gefaßt,  der  dem  Proconsul  Pompejus 
—  der  jetzt  endlich  wieder  in  der  Vorstadt  erschien  —  zusammen 
mit  den  übrigen  Beamten  (dem  Interrex  und  den  Tribunen) 
die  Sorge  für  die  Wiederherstellung  der  Ordnung  übertrug8). 
Damit  hörten  die  Unruhen  von  selbst  auf;  Pompejus  aber  war 
vor  die  Frage  gestellt,  ob  er  die  von  den  Tribunen  geforderte 
Dictatur  annehmen  wolle.  Indessen  der  Senat  und  seine  Vor- 
männer wollten  davon  nichts  wissen,  vielmehr  wurde  Hirrus  mit 
Absetzung  bedroht4);  und  aus  den  Händen  des  Pöbels  durfte 
er,  seinen  Prinzipien  und  dem  Charakter  der  von  ihm  erstrebten 
Staatsstellung  entsprechend,  die  Regentschaft  so  wenig  nehmen, 
wie  später  Augustus.  So  erklärte  er  oder  ließ  durch  seine  Ver- 
treter erklären,  daß  er  die  Dictatur  weder  nötig  habe  noch  be- 
gehre, offenbar  immer  noch  in  der  Hoffnung,  daß  der  Senat  ein- 
lenken und  ihn  zu  ihrer  Übernahme  zwingen  werde.  Aber  Cato 
hielt  ihn  bei  seinen  Worten  fest  und  belobte  sein  Verhalten; 
und  so  blieb  ihm  nichts  übrig,  als  nachzugeben  und  die  Consul- 
wahlen  vornehmen  zu  lassen5).  Im  Juli  53  wurden  Messalla  und 

')  Cic  ad  Qu.  fr.  III  2,  8.  ad  Ätt.  IV  17,  5. 

*)  Dio  40,  45,  2,  wo  Q.  Pompejus  ungenau  als  frqpapxüy  statt  ab 
designierter  Tribun  bezeichnet  wird. 

*)  Dio  40,  45,  2  t«i>  IIo|iirf]t(i>  4j  np&$  a6to5{  (die  Unruhestifter)  ßo*q- 
dtta  iv«x«»fwdifj.  Plauhakn  in  der  Abhandlung  Ober  das  sogenannte 
senatus  consuUum  ultimum,  Klio  XIII  1913  hat  den  Fall  des  Jahres  58 
nicht  berücksichtigt.  Natürlich  waren,  wie  immer,  neben  Pompejus 
aucb  die  anderen  damals  vorhandenen  Beamten  in  dem  Beschluß  ge- 
nannt 

*)  Plut.  Pomp.  54  intXafiofiSyoo  ih  Kdttovo^  oSto<  jxly  (Lucilins  Hirrus) 
txivSovtoo«  r*)v  Änrjfiopxt^v  anoßotXtty,  6*lp  riofi*-r)WO  koXXoi  töy  <ftXu»y 
flucsXofoövto  **pi6vuz  o)€  oü  8co|«yoo  rfc  apx^S  iwtvri?  ooftc  ßooXofiiyoo- 
App.  II  19,  78  8  &«  (Pompeius)  r»jv  npoatoxiav  rrjv8«  (der  Dictatur)  XAf<p 
|iiv  Woox'pw^i  ^PTS*  ^  ^  airijv  ttdvta  fjcparav  Äyxviü?. 

')  Plut.  Pomp.  54  Kitu»vo{  Ii  fIo;iiri]tov  »saiyiaxytoc  xai  npotp«-}afiiyo» 
r»)5  e&xo<3fi£a<  ini|«XT)d-f]y™,  *6xt  fiiv  aHeoJHis  intjaX-fjd-r),  xal  xatsotdSnrjoay 
ßtamx  Ao^tto*  «öl  MeooiXa*.    Dio  40,  46,  1  t*XoC  U  6te  «va 


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Die  Consuln  de*  Jahres  58 


211 


Domitius  gewählt1)  und  traten  sofort  ihr  Amt  an,  so  daß  die  ihnen 
drohenden  Prozesse  nicht  zur  Verhandlung  kommen  konnten. 

Irgend  etwas  auszurichten  waren  die  neuen  Consuln  in  den 
wenigen  ihnen  verbleibenden  Monaten  natürlich  so  wenig  im- 
stande, wie  ihre  Vorgänger  im  Jahre  54.  Eben  in  dieser  Zeit 
war  die  Kunde  von  der  Vernichtung  des  Heeres  des  Crassus  in 
der  Schlacht  bei  Karrhae  am  7.  Juni  nach  Rom  gelangt.  Sie 
hat  wohl  Eindruck  gemacht,  aber  eine  Wirkung  auf  das  politische 
Getriebe  konnte  sie,  wie  die  Dinge  lagen,  nicht  ausüben.  Von 
einer  Fortführung  des  eigenmächtig,  im  Gegensatz  gegen  die 
Regierung  und  die  öffentliche  Meinung,  unternommenen  Angriffs- 
kriegs konnte  natürlich  keine  Rede  sein;  aber  auch  der  Ge- 
danke, daß  einer  der  beiden  Consuln  mit  einer  Armee  in  den 
Osten  gehen  müsse,  was  in  andern  Zeiten  selbstverständlich  ge- 
wesen wäre,  ist,  wie  es  scheint,  überhaupt  nicht  erwogen  worden. 
Der  Regierung  war  eben  die  Leitung  der  äußeren  Politik  tat- 
sächlich völlig  entrissen.  So  wurde  nicht  einmal  ein  Statthalter 
nach  Syrien  geschickt,  sondern  man  überließ  die  Verteidigung 
der  Provinz  zwei  Jahre  lang  dem  C.  Cassius,  dem  Quaestor  des 
Crassus2),  der  sich  der  schwierigen,  allerdings  durch  die  inneren 
Wirren  im  Partherreich  erleichterten  Aufgabe  trotz  seiner  geringen 
Truppenmacht  gewachsen  zeigte. 

Dagegen  lebten  die  Wahlumtriebe  sofort  wieder  auf.  Um  das 
Consulat  für  das  nächste  Jahr  bewarben  sich  P.  Plautius  Hypsaeus, 

tKvhbv  Cfjv  uiv  StxtatwpcCav  8»8ouivir)v  ol  trftvt  o?>x  i84£ato,  Kob$  8k  6k4toi>s 
Äjco8ti7&-r|vat  itapeoxsoaoty.  Vgl.  Appian  S.  210.  4.  —  In  diese  Zeit  wird 
die  Schrift  des  Brutus,  des  Neffen  Catos,  de  dictatura  Pompei  fallen 
(Quintil.  IX  8,  95  quäle  apud  Brutum  de  dictatura  Cn.  Pompei: 
praestat menim  nemini  imperare,  quam  alicui  servire;  sine  iüo 
enim  vivere  honeste  licet,  cum  hoc  vivendi  nuüa  condicio  est;  auf  sie 
führen  Dhumann  IV 1 43  und  Meyer,  or.  Rom.  fragmenta  446  f.  gewiß  mit  Recht 
die  oben  S.  79, 2  citierte  Äußerung  zurück).  Vgl.  auch  Seneca,  controv.  X  1, 8. 

')  Nach  Dio  40,  45,  1  findet  die  Wahl  iß)6fiu>  jvr|vt  statt,  nach  Appian 
II  19,  71  dauert  die  Anarchie  acht  Monate;  genauer  kennen  wir  das 
Datum  nicht. 

*)  Dio  40,  28.  2:  Cassius  ton  81  x*:  Mfx^  Eoptas  fv  w  tcJ»  na- 
pövtt  «od  (Uta  taöta  «poiorrj.  Er  verwaltete  Syrien  selbständig  bis  zur 
Ankunft  des  Bibulus  im  Spatsommer  51. 


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Das  Principat  des  Pom  pejus 


ehemals  Quaestor  unter  Pompejus,  Tribun  im  Jahre  56  (8. 130), 
den  dieser  unterstützte1),  Q.  Metelluß  Scipio,  Adoptivsohn  des 
Metellus  Pius,  ein  persönlicher  Feind  Catos,  gegen  den  er  eine 
Broschüre  veröffentlicht  hatte  (S.  173),  und  Milo.  Von  letzterem 
wollte  natürlich  weder  Caesar,  bei  dem  sich  Cicero  schon  im  Jahre 
54  vergeblich  für  seinen  Beschirmer  verwendet  hatte*),  noch  Pom- 
pejus  etwas  wissen3);  aber  er  hoffte  auf  seine  Banden  und  den 
Einfluß,  den  er  dadurch  besaß,  und  auf  die  Unterstützung  der 
Nobilität;  die  Gunst  des  Pöbels  hatte  er  schon  Ende  54  durch 
Spiele  von  unerhörter  Pracht  und  Verschwendung  zu  gewinnen 
gesucht,  und  sich  dafür  in  Schulden  gestürzt  und  „drei  ererbte 
Vermögen  verschleudert"4).  Zu  den  Bewerbern  um  die  Praetur 
gehörte  sein  Todfeind  Clodius,  der  sich  schon  für  53  beworben 
hatte,  dann  aber  zurückgetreten  war,  weil  die  Amtszeit  durch 
das  Interregnum  zu  stark  verkürzt  war6);  denn  er  plante  eine 
Wiederaufnahme  seiner  gesetzgeberischen  Tätigkeit  als  Tribun, 
die  unter  andrem  den  Freigelassenen,  einer  alten  demokratischen 
Forderung  entsprechend,  Zutritt  zu  allen  Tribus  und  damit  ein 
in  den  Tributcomitien  tatsächlich  ausschlaggebendes  Stimmrecht 
gewähren  sollte6)  Milos  Oonsulat  suchte  er  mit  allen  Mitte  Iii  zu 
vereiteln;  er  störte  mit  seinen  Banden  die  Wahlversammlungen, 
wobei  die  Vorsitzenden  Consuln  durch  Steinwürfe  verwundet 

')  Ascon.  p.  86. 

»)  Cicero  an  Caesar  VII  5,  3  cum  ad  te  de  Milone  »cripsissein. 

')  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  8.  6  (November  54)  nunc  de  Milone.  Pom- 
peius  ei  nihil  tribuit  et  omnia  Quttae  [der  Name  ist  corrupt.  die  Kor- 
rektur in  Cottae  sinnlos],  dicüque,  se  perfecturum,  ut  Mo  Caesar 

*)  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  8,  6.  9f  2.  pro  Mil.  95  und  Asconius  da*u. 
»)  Cic.  pro  Mil.  24. 

•)  Ascon.  xu  Cic.  pro  Mil.  87  (vgl.  88.  89);  achol.  Bob.  zu  Cic.  de 
aere  al.  Mil.  p.  178  Stangl.  Da  in  den  Land  tribus  in  der  Regel  nur 
wenige  Stimmberechtigte  anwesend  waren  (g.  oben  8.  187.  1),  hätten  die 
sich  nach  Rom  drängenden  Freigelassenen  meist  die  Majorität  bilden 
können.  Man  vergleiche  die  Art,  wie  die  Organisatoren  der  Partei- 
maschine in  Amerika  den  Ausländern,  und  gerade  der  Hefe  derselben, 
das  Stimmrecht  verschaffen  und  dadurch  die  Wahlen  zu  beherrschen 
suchen. 


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Wahlumtriebe  des  Jahres  53.    Milo  und  Clodius  213 

wurden1);  und  als  dann  im  Senat  darüber  verhandelt  wurde, 
erklärte  er,  Milos  Anhänger,  Cicero  voran,  betrieben  alle  ver- 
pönten Wahlumtriebe,  und  Milo  selbst  sei  durch  seine  Schulden- 
last, die  er  mit  sechs  Millionen  Sestertien  viel  zu  gering  deklariert 
habe,  gesetzlich  von  der  Kandidatur  ausgeschlossen.  Cicero,  der 
sehr  wohl  wußte,  daß  diese  Behauptung  richtig  war,  aber  den 
Mann,  der  ihn  gegen  alle  Angriffe  geschirmt  und  seine  Rückkehr 
ermöglicht  hatte,  nicht  im  Stiche  lassen  durfte*),  half  sich  durch 
einen  neuen  leidenschaftlichen  Ausfall  gegen  Clodius,  den  er  auch 
veröffentlicht  hat3).  Auoh  sonst  waren  Schlägereien  und  Blut- 
vergießen an  der  Tagesordnung;  bei  einem  dieser  Anlässe  wäre 
Cicero,  als  es  auf  der  Via  Sacra  zu  einer  förmlichen  Schlacht 
zwischen  den  Banden  Milos  und  des  von  Clodius  unterstützten 
Hypsaeus  kam,  vor  der  Regia  beinahe  erschlagen  worden4),  ein 
andres  Mal  drang  M.  Antonius,  der  sich  jetzt  um  die  Quaestur 
bewarb,  ehemals  ein  vertrauter  Anhänger  des  Clodius,  auf  dem 
Forum  mit  gezücktem  Schwert  auf  diesen  ein5).  Der  Senat  legte 
wieder  einmal  Trauer  an,  faßte  aber  zugleich  den  vernünftigen 
B '.schluß,  daß  die  städtischen  Beamten  erst  nach  fünfjährigem 
Intervall  eine  Provinz  erhalten  sollten,  um  so  der  Spekulation 
auf  rasche  Bereicherung  und  damit  dem  Fanatismus  der  Wahl- 
agitationen  ein  Ende  zu  machen6).  Das  Endergebnis  war,  daß 
auch  in  diesem  Jahr  die  Wahlen  nicht  zustande  kamen. 

')  «chol.  Bob.  p.  172  lapidibus  duo  consules  ceciderunt  Cn.  Do- 
minum Calvinum  et  M.  Valerium  Messallam,  nee  alia  fuit  causa, 
cur  senatus  convocaretur,  quam  Uta  praecipua,  quod  P.  Clodius  im- 
missa  seditiosorum  manu  comitia  turbaverat,  quae  habebantur  de 
consuiibus  ereandis,  cum  esset  etiam  Milo  candidatus.  Aul  diese 
Wahlversammlung  bezieht  sich  Cic.  pro  Mil.  41  und  96.  Die  Verwun- 
dung des  Calvinus  auch  Dio  40,  46,  3.  Vgl.  Cic.  pro  Mil.  25  convo- 
cabat  tribus,  se  interponebat ,  Collinam  novam  dilectu  perditissi- 
morum  civium  conscribebat. 

*)  Auch  sonst  verwendete  Cicero  seinen  ganzen  Einfluß  für  Milo,  so 
bei  Curio  in  dem  Schreiben  fam.  II  6. 

»)  schol.  Bob.  zu  der  Rede  de  aere  alieno  Milonis. 

*)  Cic.  pro  Mil.  37  und  Asconius  dazu. 

»)  Cic.  pro  Mil.  40.  Phil.  II  21.  49. 

*)  Dio  40,  46.  2. 


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214  t>as  Principat  des  Pom  pejus 

Pompejus  hat  diese  Dinge  ruhig  gewähren  lassen :  ihm  konnte 
es  nur  recht  sein,  wenn  dadurch  die  Sehnsucht  der  besseren 
Elemente  der  Bürgerschaft  nach  Ruhe  um  jeden  Preis  immer 
mehr  gesteigert  wurde  und  man  sich  in  immer  weiteren  Kreisen 
mit  dem  Gedanken  der  Unvermeidlichkeit  der  Aufrichtung  einer 
monarchischen  Gewalt  abfand1).  Im  Jahre  53  war  er  nicht  zum 
Ziele  gelangt,  sondern  hatte  sich,  in  Wirklichkeit  widerwillig 
genug,  fügen  müssen;  so  galt  es,  dasselbe  Mittel,  die  Anarchie, 
in  noch  gesteigertem  Maße  anzuwenden.  Auf  sein  Anstiften 
verhinderte  der  Tribun  T.  Munatius  Plauens  Bursa  jetzt  auch 
das  Zusammentreten  der  Patricier  zur  Bestellung  eines  Interrex, 
so  daß  der  Staat  seit  dem  1.  Januar  52  überhaupt  keinen  Be- 
amten hatte,  sondern  lediglich  die  Beamten  der  Plebs,  Tribunen 
und  plebejische  Aedilen,  funktionierten*).  Diese  höchste  Steige- 
rung der  Anarchie  hätte  wieder,  wie  im  Vorjahre,  monatelang 
andauern  können,  wenn  nicht  der  Zufall  es  gefügt  hätte,  daß 
am  Nachmittag  des  18.  Januar  Clodius  auf  der  Via  Appia  bei 
Bovillae  mit  Milo  zusammentraf.  In  einem  Gefecht,  das  sich 
zwischen  ihrem  Gefolge  entspann ,  wurde  er  von  der  Bande 
des  letzteren  verwundet  und ,  da  das  Unheil  einmal  geschehn 
war,  auf  Milos  Geheiß  umgebracht.  Der  Leichnam  wurde  noch 
am  Abend  nach  Rom  gebracht,  und  die  Kunde  von  der  Mordtat 
durchflog  die  Stadt.  Das  gab  dem  wüsten  Treiben  neue  Nahrung. 
Der  Pöbel  scharte  sich  zusammen,  Clodius'  Gemahlin  Fulvia 
schürte  die  Leidenschaften,  mehrere  angesehene  Männer  wurden 

•)  Plut  Caes.  28  nach  Schilderung  der  Anarchie  und  des  Blutver- 
gießens oKjxt  toi>«  voöv  t^oyt«?  dqaKäv,  ti  npo«  jrrjo'Ev  autot^  x»'P0tf»  **** 
fiovapxtav  tx  toiaorqc  icapa<ppoooy-r)c  xxl  tooootoo  xX6Äa»vo^  foutsostfau  rä 
(cp^Titata.  icoXXot  8i  Y]oay  ot  xal  Xi-fttv  tv  )isa<|>  toXfuLvTt^,  yfir\  tcX4jv  6x6 
fiovapxtoK  avqxtotov  tlvou  tty  «oXittlav,  Pompejus  allein  könne  helfen. 

*)  Ascon.  in  Milon.  p.  82  cum  . . .  Pompeius  gener  Scipionis  [dw 
ist  eine  bei  Asconius  befremdliche  Vorwegnahme  der  erst  spater  ge- 
schlossenen Ehe]  et  T.  Munatius  tribunus  plebis  referri  ad  senatum 
de  patrieiis  convocandis,  qui  interregem  proderent,  non  essent  passi. 
Dio  40,  46,  3  ouxoov  oöv  6x1x05  out»  Qtp%xrrrb$  outs  ito\lipy6$  (prae- 
fedUS  Urbi)  otpä{  ouo'c&aTo,  uXXä  &vapxxoi  xavä  toöto  xavft)uü(  ot  'Pojjixioc 
tä  xpü»ta  toö  itoo^  ifivovto. 


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Steigerang  der  Anarchie.   Clodius'  Ermordung  216 

in  dem  Gedränge  erdrückt.  Am  nächsten  Morgen,  dem  19.  Januar, 
stellten  die  Tribunen  T.  Plancua  und  Q.  Pompejus  die  blutige 
und  beschmutzte  Leiche  des  großen  Volksbeglückers  auf  dem 
Forum  vor  der  Rednerbühne  aus  und  hielten  aufhetzende  Reden ; 
anter  Führung  des  Sextus  Clodius,  des  Sekretars  des  Demagogen 
und  eines  der  Hauptführer  bei  all  seinen  Gewalttaten,  schleppte 
der  Pöbel  den  Leichnam  in  die  Curie  und  errichtete  hier  aus  den 
Tischen  und  Bänken  einen  Scheiterhaufen,  dessen  Flammen  zu- 
gleich den  Sitz  des  verh  ißten  Rats  und  mehrere  benachbarte 
Gebäude  verzehrten.  Das  gleiche  Schicksal  sollte  Milos  Haus 
erleiden ;  aber  seinen  Leuten  —  er  selbst  war  noch  nicht  zurück- 
gekehrt —  gelang  es,  den  Ansturm  abzuwehren1). 

Inzwischen  hatte  der  Senat  veranlaßt,  daß  die  Patricier 
schleunigst  zusammentraten  und  einen  Interrex  bestellten;  und 
zugleich  hatte  er  den  Beschluß  gefaßt,  der  den  Interrex,  die 
Tribunen  und  den  Proconsul  Pompejus  aufforderte,  die  nötigen 
Maßregeln  für  die  Sicherheit  des  Staats  zu  ergreifen.  Tatsäch- 
lich war  damit,  wie  im  Juli  53,  alle  Macht  in  die  Hände  des 
Pompejus  gelegt,  da  der  alle  fünf  Tage  wechselnde  Interrex 
natürlich  nichts  ausrichten  konnte,  während  Pompejus  die  mili- 
tärische Kommandogewalt  besaß2). 

')  Eine  ausführliche  and  korrekte  Darstellung  des  Vorgangs  auf 
Grand  der  Acta  gibt  Asconios;  kürzer  Dio  40,  48  f.  Appian  II  20  f. 

•)  Dio  40,  49,  5:  der  Senat  i&S-i^  To5v  ^1«  ••Ocirjc  (am  19.  Januar) 
i{  xb  «aXdktov  fct*  a&xö  toüto  (des  Brandes  der  Curie  und  des  Angriffs  auf 
Milo«  Haus)  aoXXtfimc  tov  tt  fuooßaotXia  icpo^stptoA^vau  xal  r?)<  «poXanrqc 
r?)s  *6Xtu>$  »od  htitvov  *»l  xob$  &-rjfjuipxo°<;  *oü  itpooett  xal  töv  Ilou,itrto» 
ii«fi»X-nd^vxi  u>ott  U.YJÜV  ait'  abvt^  oiiotptßTjvai  tyirppbavTO.  Den  Auftrag, 
Aushebungen  in  Italien  vorzunehmen,  setzt  Dio  c.  50,  1  erst  später,  als 
die  Tumulte  und  Mordtaten  fortdauern.  Das  wird  ganz  richtig  sein. 
Asconios  p.  85  verbindet  beides,  läßt  aber  die  chronologische  Folge 
noch  erkennen.  Er  berichtet  zuerst  die  Fortdauer  der  Unruhen,  flebant 
interea  alii  ex  aliis  interreges;  dann  folgt:  itaqueprimo  factum  erat 
s.  c,  ut  interrex  et  tribuni  plebis  et  Cn.  Pompcius,  qui  pro  cos. 
ad  urbem  erat,  viderent  ne  quid  dctrimenti  respublica  caperet,  di- 
lectus  autem  Pompeius  tota  ltatia  haberet.  Hier  ist  also  das  soge- 
nannte S.  C.  ultimum  nachgeholt  und  mit  dem  Beschluß  Über  die  Aus- 
hebungen, der  an  der  richtigen  Stelle  steht  verbunden.  Die  Bestellung 


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Das  Principat  des  Pom  pejus 


Zunächst  indessen  gingen  die  Unruhen  und  Gewalttätigkeiten 
ungehindert  weiter.  Offenbar  waren  sie  dem  Pompejus  im  Grunde 
ganz  genehm,  und  er  sah  keinen  Anlaß,  ernsthaft  einzuschreiten. 
Am  20.  Januar  zog  der  Pöbel  vor  das  Haus  des  Interrex  —  es 
war  M.  Lepidus,  der  spätere  Triumvir  —  und  forderte  von  ihm 
die  sofortige  Vornahme  der  Wahlen.  Da  er  sich  pflichtgemäß 
weigerte,  denn  der  erste  Interrex  war  dazu  nicht  befugt,  da 
seine  Auspicien,  weil  nicht  übertragen,  sondern  der  Fiktion  nach 
auf  der  dem  Patricier  innewohnenden  Qualität  beruhend,  nicht 
für  voll  galten,  wurde  er  die  fünf  Tage  seines  Amts  hindurch 
belagert  und  die  Vorderräume  des  Hauses  mit  den  Staats- 
gemächern, den  Ahnenmasken  und  dem  Ehebett  demoliert;  vor 
weiteren  Verwüstungen  schützte  ihn  die  zu  Hilfe  eilende  Bande 
Milos.  Andre  Scharen  zogen  zu  Scipio  und  Hypsaeus  und  boten 
ihnen  die  Fasces  an,  die  man  aus  ihrem  Gewahrsam  im  Hain 
der  Libitina  geraubt  hatte,  und  zogen  dann  nach  dem  Landhaus 
des  Pompejus,  um  ihn  zum  Gonsul  oder  zum  Dictator  auszu- 
rufen1). Die  Tribunen  Q.  Pompejus,  Munatius  Plancus,  und 
C.  Sallustius,  der  Historiker,  ein  eifriger  Parteigänger  des  Clodius, 
hielten  tagtäglich  aufhetzende  Reden2).  Andrerseits  faßte  Milo, 
der  sich  zunächst  verborgen  gehalten  und  an  ein  freiwilliges 

des  Interrex  datiert  auch  Asconius  richtig,  sowohl  p.  84  (mit  unge- 
nauem Ausdruck:  M.  Lepidus  interrex,  is  enim  magistratus  curulis 
erat  creatus,  anstatt  prodüus),  wie  zu  §  18:  post  biduum  medium, 
quam  Clodius  oceistts  erat,  interrex  primus  prodüus  est  M.  Aemilius 
Lepidus;  das  ist  der  Nachmittag  des  19.  Januar,  wie  bei  Dio:  der 
20.  Januar  wäre  tertio  die. 

')  Ascon.  p.  88  und  zu  §  18.  Cic.  pro  Mil.  18. 

•)  Ascon.  p.  88  und  su  §  67,  vgl.  zu  §§  45.  47.  Persönliche  Mo- 
mente spielen  bei  diesen  Dingen  natürlich  immer  mit.  Sallust  hatte, 
wie  Varro  berichtet  (Gell.  XVII  18),  ein  Verhältnis  zu  Milos  Gemahlin 
Fausta  (die  Milo  im  November  55,  nach  der  Scheidung  von  Memmius, 
dem  Bewerber  um  das  Consulat  für  58,  geheiratet  hatte:  Ascon.  in 
Scaur.  §  29,  Cic.  Att  IV  13),  wurde  von  Milo  beim  Ehebruch  ertappt, 
durchgepeitscht  und  gegen  Zahlung  einer  Geldsumme  entlassen;  vgl.  die 
Antwort  auf  Sallusts  Invektive  gegen  Cicero  §  15  f.,  wonach  Sallust  als 
Quaestor  seinen  Ehebruch  bekennen  muß;  sein  Tribunat  wird  hier  selt- 
samerweise ganz  übergangen. 


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Tumulte  Dach  Clodius'  Ermordung 


217 


Exil  gedacht 'hatte,  auf  die  Kunde  von  dem  Brande  der  Curie 
und  dem  Einschreiten  des  Senats  wieder  Mut:  er  kehrte  in  der 
Nacht  des  19.  nach  Rom  zurück,  nahm  seine  Kandidatur  wieder 
auf,  verteilte  ansehnliche  Geldsummen  unter  die  Tribus1),  und  hielt 
in  einer  von  dem  Tribun  M.  Caelius  Rufus,  dem  Schützling  Ciceros, 
berufenen  Volksversammlung  eine  Rede,  in  der  er  sich  verteidigte 
—  er  behauptete  mit  Recht,  daß  er  den  Mord  nicht  vorher  ge- 
plant habe,  aber  mit  Unrecht,  daß  Clodius  ihn  habe  umbringen 
wollen,  und  bestritt  natürlich  auch,  daß  er  den  Mord  schließlich 
befohlen  oder  wenigstens  absichtlich  zugelassen  habe  —  und 
Clodius  nebst  seinen  Anhängern  aufs  heftigste  angriff4).  Da 
brachen  die  Gegner  unter  Führung  der  feindlichen  Tribunen  in 
die  Versammlung  ein,  Caelius  und  Milo  mußten  im  Sklaven- 
>  gewande  flüchten,  und  ein  großes  Gemetzel  folgte,  das  sich  tage- 

lang fortsetzte;  das  von  Clodius  großgezogene  Gesindel,  nament- 
lich die  freigelassenen  und  halbfreien  Sklaven,  denen  er  so  große 
Hoffnungen  erweckt  hatte,  konnten  nach  Herzenslust  sengen, 
plündern  und  morden*).  Am  22.  Januar  wandte  sich  Milo  an 
Pompe] us,  wenn  dieser  es  wünsche,  wolle  er  zugunsten  des 
Hypsaeus  von  seiner  Bewerbung  zurücktreten;  Pompejus  aber 
lehnte  es  ab,  Milo  zu  empfangen,  und  ließ  antworten,  er  habe 
kein  Recht,  sich  in  diese  Dinge  zu  mischen,  für  die  die  Bürger- 
schaft allein  zuständig  sei,  und  bitte,  ihn  mit  solchen  Anfragen 
zu  verschonen4).  Am  nächsten  Tage,  dem  23.,  erklärte  Q.  Pom- 
pejus Rufus  in  einer  Volksversammlung,  Milo  plane  ein  Attentat 
auf  Pompejus:  „er  hat  euch  bereits  einen  zum  Verbrennen  in 
der  Curie  gegeben;  einen  andern  wird  er  euch  geben,  den  ihr 


])  Ascon.  p.  34.  36.  Cic.  pro  Mil.  62  f.  Appian  II  22.   Dio  40,  49,  5. 

*)  Ascon.  p.  84.  Appian  II  22,  der  Caelius  als  von  Milo  erkauft  be- 
zeichnet.  Cic.  pro  Mil.  91. 

»)  Diese  von  Asconius  übergangenen  Szenen  werden  von  Appian 
II  22  ausführlich  geschildert.  Vgl.  Dio  40,  50,  1  ndx<*  «  «*v  **  tootoo 
KoXXal  xai  oyafcd  a&kc  tYifvovto. 

*)  So  erzählte  Metellus  Scipio  am  80.  Tage  nach  Clodius'  Ermor- 
dung, also  am  18.  Februar,  im  Senat.  Ascon.  p.  36  f.  Das  Datum  Ascon. 
zu  §  67. 


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218 


Das  Prineipat  dee  Pompejus 


auf  dem  Capitol  bestatten  könnt".  Pompejus  selbst  glaubte 
diese  Beschuldigung  oder  gab  sich  wenigstens  den  Anschein,  sie 
zu  glauben;  auf  Befragen  des  Q.  Pompejus,  des  Sallust  und  des 
Plancus  erzählte  er  vor  dem  Volk,  ihm  seien  Anzeigen  davon 
gemacht,  Milo  habe  aber  die  Auslieferung  der  Sklaven  und  Frei- 
gelassenen, die  er  für  den  Mord  ausersehen  habe,  verweigert;  er 
traf  Vorsichtsmaßregeln,  schloß  sich  in  seinen  Garten  ein,  und 
legte  eine  Besatzung  in  seine  Wohnung1). 

Infolge  dieser  Vorgänge  gab  der  Senat  dem  Pompejus  den 
Auftrag,  Aushebungen  in  ganz  Italien  zum  Schutz  der  Haupt- 
stadt zu  veranstalten,  und  legte  selbst  das  Kriegsgewand  an2). 
Pompejus  ergriff  den  Auftrag  mit  Eifer  und  traf  rasch  die  nötigen 
Anordnungen8);  auch  Caesar,  der  sich  in  der  Cisalpina  befand, 
nahm  hier  die  vorgeschriebenen  Aushebungen  vor4). 

Der  Brand  der  Curie  und  die  darauf  folgenden  Unruhen  sind 
entscheidend  gewesen :  sie  haben  die  Aristokratie  mürbe  gemacht 
und  den  Senat  dazu  gebracht,  sich  dem  Begehren  des  Pompejus 
zu  fügen.  Ausschlaggebend  war  das  Verhalten  Catos,  des  Führer« 
der  rechtlichen  Opposition. 

Von  Cato  hat  Mommsen,  durch  einseitige  Betonung  einzelner 
Züge,  ein  Zerrbild  gezeichnet,  das  weder  seiner  Persönlichkeit, 
noch  seiner  politischen  Bedeutung  gerecht  wird.  Gewiß  war  er 
ein  Doktrinär  durch  und  durch  —  wie  Mommsen  auch  — ;  er 
glaubte  an  das  Recht  und  an  die  Grundsätze  der  aristokratischen 
Republik  ebenso  wie  an  die  Grundsätze  der  Stoa*),  und  er  handelte 

*)  Cic.  pro  Mil.  65  ff.  und  Ascon.  zu  $  67;  das  fallt  nach  p.  51  fi«. 
noch  vor  die  Abreise  zu  den  Aushebungen. 

*)  Dio  40,  50.  1  &et»  tr4v  ßo-A-ijv  ...  t&v  rTofAtr^iov  (uraicifi-laofau 
xwA6fOO$  t»  ctotü»  xatvo'JC  not-r;c<xofhu  iititpi-^ai  *i\  ti  iolHjfi*Ta  aXX«- 
gaofau.    Vgl.  oben  S.  215  Anm.  2. 

*)  Ascon.  p.  85:  der  Senat  beschließt,  dilectus  Pompeius  tota  Iialia 
haberei,  qui  cum  summa  celerüate  praesidium  comparasset . . . 

4)  Caes.  bell.  Gall.  VII  1  ibi  (in  Italia)  cognoscÜ  de  Clodi  caede, 
ßenatusque  consulto  certior  f actus,  ut  omnes  iuniores  Italiae  con- 
iurarent,  dilectum  tota  provineia  habere  insiituit. 

*)  über  die  Art,  wie  Cato  die  Grundsätze  der  8toa  auch  in  «ein«»n 
Reden  im  ßenat  und  vor  dem  Volk  so  vortrug,  ut  iUa  etiam  populo 


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Pompejis'  Abhebungen.    Catos  Persönlichkeit  219 


danach.  Das  hat  ihn  zu  gar  manchen  ßüsarrerien  verführt,  wie 
sie  dem  Stoiker  von  den  Zeiten  des  Zeno  und  Kleanthes  anhaften 
und  wie  sie  von  Cicero  in  der  Karikatur  der  Rede  pro  Muren a 
—  „was  haben  wir  doch  für  einen  scherzhaften  Cousul",  sagte 
Cato  dazu1)  —  verspottet  werden.  So  trug  er  kein  Bedenken, 
in  der  furchtbaren  Hitze  des  Sommers  542)  auch  bei  seinen  Amts- 
handlungen als  Praetor  die  Tunica  auszulassen  und  nur  mit 
einem  Schurz  unter  der  verbrämten  Toga  bekleidet  halbnackt 
auf  dem  Amtsstuhl  zu  sitzen;  er  rechtfertigte  sich  damit,  daß 
auch  die  Statuen  des  Romulus  und  Titus  Tatius  auf  dem  Capitol 
und  des  Camillus  bei  den  Rostren  nur  die  Toga,  keine  Tunica 
trügen*).  Das  war  ein  Scherz;  in  Wirklichkeit  befolgte  er  auch 
hier  den  stoischen  Satz  naturalia  non  sunt  turpia.  Gleichartig 
ist,  daß  er,  auch  darin  auf  eine  verschollene  altrömische  Sitte 
sich  berufend,  seine  Gemahlin  Marcia  dem  Hortensius  abtrat, 
und  dann  nach  dessen  Tode  im  Jahre  50  wieder  zu  sich  nahm4). 
Die  streng  rechtlichen  Grundsatze  befolgte  er  unerbittlich  in 
allen  Dingen,  ob  groß  oder  klein,  so  auch  in  der  Leitung  der 
Rechtsprechung.  Im  Jahre  53  gab  er  von  seiner  Auffassung 


probabüia  viderentur,  s.  Cicero  in  der  Einleitung  zu  den  paradoxa 
stoicorum.    Vgl.  Brat.  118. 

')  a»  ävfcpi«,  uic  YtXoiov  5r<xtov  *x°f«v,  plut.  Cato  21. 

■)  Cicero  schreibt  im  September  54  an  seinen  Bruder  III  1,  1  ego 
ex  magnis  caloribus  —  non  enim  meminimm  maiores  —  in  Arpi- 
nati  . . .  me  refecL 

*)  Ascon.  in  Scaurianam  p.  80  [der  Prozeß  fiel  auf  den  2.  Sep- 
tember]. Val.  Max.  III  6,  7.  Plut.  Cato  44  vgl.  6,  nach  dem  er  auch 
AvoaoÄifito?  ging.  Die  Statuen  auch  Plin.  84,  28.  Mommsbn  rückt  diesen 
Vorfall  in  ein  völlig  falsches  Licht,  wenn  er  sagt,  Cato  habe  .die 
Wiederherstellung  der  guten  alten  Zeit  damit  einleiten  wollen,  daß  er 
nach  König  Romulus'  Vorgang  ohne  Hemd  ging".  —  Das  Gegenstück 
xu  diesem  Verhalten  ist,  daß  Cato  gern  und  ungeniert  reichlich  Wein 
trank,  was  ihm  von  seinen  Gegnern  znm  Vorwurf  gemacht  wurde,  so 
von  Caesar  (Plin.  epist.  III  12,  2),  vgl.  Plut.  Cato  6  und  44  fvtot  W  faat 
xod  fax'  Äptaxov  olvov  luitouxdta  xp-rjfjiaTtCecv  (als  Praetor).  äXXdt  toöto  fitv 
o'ix  &Xt)&(öc  Xifftat, 

*)  Plut.  Cato  minor  25.  52.  Appian  11  99,  418.  Lucan  II  825  ff. 
Strabo  XI  9.  1  u.  a. 


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220 


Das  Principat  des  Pompejus 


noch  einmal  einen  Beweis,  indem  er,  als  endlich  die  Wahlen  statt- 
fanden, die  Wahl  seines  Anhängers  Favonius  zum  Aedilen  durch 
energisches  Einschreiten  durchsetzte  —  er  wies  nach,  daß  alle 
Stimmtafeln  von  derselben  Hand  geschrieben  seien,  und  erreichte 
so  die  Kassation  der  ersten  Wahl  durch  die  Tribunen.  Dann 
hat  er  dessen  Amtsverwaltung  ganz  nach  seinen  Prinzipien  geleitet, 
vor  allem  bei  den  Spielen,  die  er  geben  mußte,  statt  der  üblichen 
verschwenderischen  Kostbarkeiten  Wein,  Fleisch  und  Obst,  Ge- 
müse und  Holzbündel  und  an  die  Schauspieler  nach  griechischem 
Vorbild  Kränze  verteilen  lassen.  Dies  von  einer  imponierenden 
Persönlichkeit  getragene  Verhalten  machte  so  viel  Eindruck,  daß 
die  Menge  den  Curio,  der  gleichzeitig  kostbare  Spiele  gab,  im 
Stich  ließ,  und  unter  Führung  des  Favonius  selbst  dem  Cato 
Beifall  klatschte1). 

Für  seine  Ueberzeugung  und  für  die  von  den  Vorfahren  er- 
erbte Republik  sein  Leben  aufs  Spiel  zu  setzen  hat  Cato  nie 
Bedenken  getragen,  mochten  die  Aussichten  auf  Erfolg  auch 
noch  so  gering  sein.  In  der  Politik  hat  er  durch  sein  unerschütter- 
liches, streng  rechtliches  Verhalten  der  Sache  seiner  Partei  oft 
geschadet,  so  in  der  Ablehnung  jeder  Konzession  an  die  Steuer- 
pächter, in  der  Cicero  mit  starker  Übertreibung  eine  Haupt- 
wurzel alles  Übels  sah.  Aber  gerade  die  Liberalen  und  Fort- 
schrittler pflegen  sonst  die  Prinzipientreue  über  alles  zu  stellen 
und  für  die  Betonung  des  Rechtsstandpunkts  gar  manche 
politische  Sünde  zu  verzeihn;  bei  Cato  aber  ist  für  Mommsen 
der  Haß  gegen  die  „Junker"  ebenso  das  dominierende,  alles 
andre  überwuchernde  Moment  gewesen,  wie  umgekehrt  in  der 
milden  Beurteilung  aller  Rechtsbrüche  und  skrupellosen  Gewalt- 
taten, die  Caesar  gegen  Römer  wie  gegen  die  äußeren  Feinde 
begangen  hat.  In  Wirklichkeit  verdient  es  volle  Anerkennung, 
daß  die  römische  Aristokratie  in  den  Zeiten  der  vollsten  Zer- 
setzung und  Korruption  in  Cato  noch  einen  Mann  von  ehren - 

')  Plut.  Cato  86.  7o  Ende  des  Jahres  rächte  sich  Q.  Pompejus 
Ruftiß  nach  Antritt  seines  Tribunats  an  der  Mobilität  für  seine  Ver- 
haftung (8.  210),  indem  er  den  Favonias  «wo  ttvo<  ob  iu-f6ik-r\s  «ki-i«  ins 
Gefängnis  setzte,  Dio  40.  45.  4. 


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Gatos  Persönlichkeit  221 

kafter  Gesinnung  und  streng  sittlichem  Verhalten  hervorgebracht 
hat,  der  ihren  Untergang  doch  noch  mit  einem  wettleuchtenden 
Schimmer  des  alten  Glanzes  umgeben  konnte. 

Trotz  seines  harten  Rigorismus  ist  Cato  eine  durchaus  um- 
gängliche, hochgebildete  Persönlichkeit  gewesen.  An  gesellschaft- 
licher Rücksichtnahme,  wo  immer  die  Umstände  es  gestatteten, 
fehlte  es  ihm  keineswegs,  und  noch  weniger  an  Feinheit  der 
Form  und  der  Empfindung.  Ein  vollgültiger  Beweis  dafür  ist 
der  Brief,  den  er  im  Juni  50  an  Cicero  schrieb,  als  dieser  sich 
nach  seinem  Siege  im  Amanos  um  Catos  Stimme  für  Bewilligung 
eines  Dankfestes  beworben  hatte,  das  den  Anspruch  auf  einen 
Triumph  begründete.  Cato  motiviert  sein  durchaus  berechtigtes 
ablehnendes  Verhalten  in  einer  so  verbindlichen  Form  und  dabei 
doch  ohne  alle  konventionellen  Phrasen  und  ohne  jede  Pose, 
daß  dieser  Brief  zu  den  feinsten  der  gesamten  auf  uns  gekommenen 
Sammlung  gehört1).  Auch  sonst  hat  Cato  gezeigt,  daß  er  in 
schwierigen  Lagen,  wo  immer  ein  mit  seinen  Prinzipien  verein- 
barer Ausweg  vorhanden  war,  sehr  wohl  verstanden  hat,  den 
Verhältnissen  Rechnung  zu  tragen,  so  bei  der  Eidesleistung  auf 
Caesars  Ackergesetz,  bei  der  Übernahme  der  Mission  nach 
Cypern,  bei  dem  Cicero  gegebenen  Rat,  freiwillig  aus  Rom  fort- 
zugehn. 

Gegen  Pompejus  hatte  sich  Cato  bisher  völlig  abweisend  ver- 
halten; wie  schon  im  Jahre  62  und  bei  der  Ablehnung  der  ihm 
von  Pompejus  angebotenen  Verschwägerung  (S.  46)  war  er  auch 
jetzt,  im  Gegensatz  zu  Cicero,  der  Führer  der  prinzipiellen  Oppo- 
sition der  Republikaner  gegen  die  Herrschaft  des  Princeps.  Aufs 
tiefste  mißbilligte  er,  daß  Pompejus  eigenmächtig  dem  Caesar 
eine  seiner  Legionen  geliehen  hatte  und  vor  Rom  sitzend  die 
Anarchie  schürte,  statt,  wie  es  sich  gehörte,  in  seine  Provinzen 
zu  gehn2).  Zunächst  wollte  er  nichts  davon  wissen,  daß  zur  Unter- 
drückung der  ununterbrochen  fortgehenden  Straßenkämpfe  ihm 
die  Wahlleitung  übertragen  werde:  „nicht  Pompejus  habe  die 

')  ad  fam.  XV  5.    Ich  würde  am  liebsten  den  ganzen  Brief  ab- 
drucken; ihn  muß  jeder  beherzigen,  der  über  Cato  urteilen  will. 
*)  Plut.  Cato  44. 


• 


■ 


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222  Dm  Principat  des  Pompejus 

Gesetze,  sondern  diese  ihn  zu  schützen"1).  Dann  aber  erkannte 
er,  daß  ein  Einlenken  geboten  sei  und  daß  in  der  Tat  die  zeit- 
weilige Übertragung  der  absoluten  Gewalt ,  sei  es  in  der  Form 
der  Dictatur,  sei  es  in  irgend  einer  andern  Gestalt,  das  einzige 
Mittel  sei,  wieder  Ordnung  zu  schaffen  und  zugleich  die  andern- 
falls drohende  Gewaltherrschaft  des  Pompejus  in  eine  gesetzlich 
erträgliche  Form  zu  kleiden9).  Dafür  gab  Pompejus  die  Ver- 
sicherung, daß  er  das  Regiment  im  Sinne  des  Senats  und  der 
Verfassungspartei  führen  und  die  Verbindung  mit  den  Anarchisten 
und  in  weiterer  Konsequenz  auch  die  mit  Caesar  preisgeben  wolle. 
So  kam  das  Bündnis  zwischen  Pompejus  und  der  Nobilität  zu- 
stande. Pompejus  gelangte  damit  endlich  an  das  Ziel,  dem  er 
ein  Menschenalter  lang  nachgejagt  hatte,  er  war  als  der  Erbe 
Sullas  und  das  legitime  Oberhaupt  des  aristokratischen  Staats 
anerkannt;  zugleich  aber  eröffnete  sich  damit  der  Verfassungs- 
partei die  Aussicht,  zunächst  das  drückende  Joch  abzuschütteln, 
das  Caesar  von  fern  ihnen  auferlege,  und  alsdann  sich  auch 
von  der  Vormacht  des  Pompejus  wieder  befreien  und  noch  ein- 
mal die  Zügel  des  Regiments  ergreifen  zu  können. 

Trotzdem  sind  nach  der  Ermordung  des  Clodius  und  den  un- 
mittelbar anschließenden  Ereignissen,  der  Übertragung  des  Not- 
Mtandskotnmandos  an  Pompejus  und  der  Anordnung  der  Aus- 
hebungen noch  volle  zwei  Monate  vergangen,  bis  die  entscheiden- 
den Maßregeln  ergriffen  wurden3).  Die  Zwischenzeit,  unter  dem 
nominellen  Regiment  der  wechselnden  Interreges,  ist  ausgefüllt 

  i 

■)  Plat.  Cato  47. 

*)  Plat.  Pomp.  54  Sottpov  (nach  dem  Consulat  des  Calvinns  and 
Mt^salla)  icAXiv  arxpyvxz  T,vofA*v"'lS  **•  «ktoveuv  -J^^-q  tiv  «pi  toö  8txtdrcopo<; 

tftipövxuiv  itafuitspov,  <po?r)*ivt«c  ol  mpl  Kittuva,  p/fj  ßw<J*«iotv,  ?rv<i>- 
oiv  ipx>jv  Ttv*  tü>  rio|xirr)t(p  «poSjuvot  vofttftov  anoxpifa  äxpdrcoo  xal 
topawtx*?^  buivr^.    Ebenso  Cato  47  und  Caes.  28. 

*)  Zwischen  Clodius'  Ermordung  am  18.  Januar  (=  8.  Desember  58 
.jul.)  und  der  Wahl  des  Pompejus  zum  alleinigen  Consul  am  24.  Inter- 
calaris  f=  5.  Februar  52  jul.)  liegen  58  Tage;  s.  Gboebss  Rekonstruktion 
des  Kalenders  bei  Drdmann  III  5  S.  805  f.  Dieses  Intervall  ist  in  den 
modernen  Darstellungen  meist  so  gut  wie  völlig  unberücksichtigt  ge- 
blieben, obwohl  in  ihm  das  eigentliche  Hauptproblem  steckt. 


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Bündnis  der  Nobilit&t  mit  Poinpeju.s 


223 


mit  ständigen  Gefechten  zwischen  den  Banden  des  Scipio,  Hyp- 
saeus  und  Milo1).  Zugleich  setzten  die  Tribunen  Q.  Pompejus, 
Sallust  und  Plancus  ihr  aufhetzendes  Treiben  fort;  sie  forderten 
den  Erlaß  eines  Gesetzes  für  den  Mordprozeß  gegen  Milo  und 
behaupteten,  daß  hinter  ihm  als  der  eigentliche  Anstifter  des 
Verbrechens  „ein  Größerer"  gestanden  habe,  Clodius'  Todfeind 
Cicero,  der  sich  natürlich  der  Sache  Milos  mit  Eifer  annahm; 
Plancus  drohte  ihm  geradezu  mit  einer  Anklage2). 

Pompej  us  kehrte  nach  rascher  Erledigung  der  Anordnungen  über 
die  Aushebung  vor  die  Stadt  zurück  und  übernahm  von  hier  aus 
das  ihm  durch  das  Notstandskommando  übertragene  Regiment.  So 
wandten  sich  die  Anklager  des  Milo,  zwei  Neffen  des  Clodius,  Söhne 


')  Ascon.  p.  35:  fiebant  interea  alii  ex  aliiv  interreges,  quid  co- 
mitia  consularia  propter  eorum  candidatorum  tumultus  et  easdem 
manu8  armatas  haberi  non  poterant.  Liv.  ep.  107:  cum  seditiones 
inier  candidatos  consulatus  Hypsaeum  Scipionem  Milonem  essent, 
qui  armis  ac  vi  contendebant,  ad  comprimendas  eas  Pom  peius 
legatus.  Plut.  Cato  47  Exf)*la»vo$  xal  'Tt^atoo  xal  M[Xu>vo£  6x<xntav  ftsttp- 
Xopivtuv  ob  fiövov  tois  oovtp6<po'.{  rfrt]  xal  oojtnoXtTrjouivois  atix-quaai,  8a»- 
poäoxtac  xai  Jsxaanot«,  aXX'  avtixpos  8c*  8kXu>v  xal  <povu>v  «U  *f«p6Xiov  w6- 
Xtaov  u>dt>o|iiva>v  toXft^  xal  axovota;  Cato  lehnt  zunächst  die  Übertragung 
der  Wahlleitung  an  Pompejus  ab  (S.  222,  1);  £1  jwXov  xp«vov  avopxtx? 
oü9t)(  xal  tpi&v  atpatoitiawv  &OY|uipat  xtpux  ovrtuy  oX^ov  £rc£X;ic«v  avBittax8tov 
■pfovivxt  ti  xax6v,  ffwo  tot  «pa-f^ar*  »pi  r?js  bxit-rj?  ivirfnr^  tl$  Ilojj.- 
injiov  ixoootcp  x&pm  ttjc  ßooX-r);  wptor?pai  und  willigt  in  die  Aufrich- 
tung der  Monarchie.  Catos  Verhalten  ist  hier  sehr  richtig  geschildert, 
aber,  dem  Zweck  der  Biographie  entsprechend,  allein  hervorgehoben. 
Die  Ermordung  des  Clodius  und  was  damit  zusammenhängt,  hat  Plu- 
tarch  auch  Pomp.  54  und  Caes.  28  übergangen  und  Cic.  35  nur  kurz 
erwähnt  Daß  Plutarch  in  der  Biographie  Caesars  c.  28  die  Anarchie 
und  die  Momente,  die  zu  Pompejus'  alleinigem  Consulat  führten,  aus- 
führlich schildert,  ist  ein  Anzeichen  dafür,  daß  in  der  Quelle  auch  von 
den  Beziehungen  zu  Caesar  eingehender  geredet  war.  Appian  II  23  ver- 
sagt hier  gänzlich,  mehr  bietet  Dio  40,  50. 

*)  Cic.  pro  Mil.  47  und  Asconius  dazu,  vgl.  Asconius  p.  38  f.  und 
zu  §  67.  Ober  Plancus  (Bursa)  vgl.  Cicero  an  Marius  VII  2.  Wie  weit 
Asconius'  Behauptung  begründet  ist,  postea  Pompeius  (d.  i.  Q.  Rufus) 
et  ScUlustius  in  suspicione  fuerunt,  redisse  in  gratiam  cum  Milone 
et  Cicerone,  läßt  sich  nicht  beurteilen. 


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22-1 


Das  Principat  des  Poinpeju« 


seines  inzwischen  verstorbenen  Bruders  Gaius,  beide  Appius  mit 
Namen,  und  andre  Ankläger  an  ihn  mit  der  Forderung,  ihnen  die 
Auslieferung  der  Sklaven  MUos  und  seiner  Gemahlin  Fausta, 
der  Tochter  Sullas,  zu  peinlichem  Verhör  zu  erwirken,  wahrend 
Oaelius  die  des  Clodius  und  seiner  Anhänger  forderte.  Hortensius, 
neben  Cicero  und  andern  Koryphäen  der  Aristokratie  einer  der 
Anwälte  Milos,  erklärte,  daß  dieser  die  Geforderten  freigelassen 
habe,  weil  sie  sein  Leben  gerettet  hätten1);  und  Cato  rief  in 
einer  Volksversammlung  den  tobenden  Massen  zu,  sie  hätten 
dadurch  nicht  nur  die  Freiheit,  sondern  die  größten  Belohnungen 
verdient*).  Schon  vorher,  gegen  Ende  Februar*),  hatte  Metellus 
Scipio,  in  Erwiderimg  auf  Marcus  Brutus4),  einen  eifrigen  Gegner 
des  Pompe  jus  (S.  211  A. ,  vgl.  S.  86) ,  eine  im  wesentlichen 
zutreffende  Darstellung  des  Hergangs  gegeben,  in  der  er  Milo 
als  Anstifter  des  Mordes  bezeichnete;  auf  der  andern  Seite  be- 
hauptete Favonius,  Clodius  habe  ihm  kurz  vorher  gesagt,  Miio 
werde  in  drei  oder  höchstens  vier  Tagen  den  Tod  finden*).  Pom- 
pe] us  beharrte  gegen  Milo  in  der  unbedingt  ablehnenden  Hal- 
tung6); in  einer  Senatssitzung,  die,  damit  er  anwesend  sein  könne, 
in  der  Curie  bei  seinem  Theater  stattfand,  erschien  er  mit  einer 
Leibwache  und  ließ  den  Milo  bei  seinem  Eintritt  untersuchen, 

')  Ascon.  p.  35,  mit  dem  Datum  haec  ftebant  mense  iniercalari; 
vgl.  Metellus  Scipios  Darstellung  p.  36  fin. 
•)  Cic.  pro  Mil.  58. 

')  Ascon-  p.  85  post  dient  tricesimum  fere  quam  erat  Clodius 
occisus;  das  wäre  am  19.  Februar.  Der  Februar  hat  in  diesem  Schalt- 
jahr 24  Tage;  dann  folgt  der  Intercalaris  mit  27  Tagen. 

«)  Contra  M.  Caepionem  conquestus  est.  Man  hat  den  Namen 
vielfach  beanstandet  und  durch  irgend  einen  andern  ersetzen  «rollen, 
weil  Brutus  bekanntlich  offiziell  Q.  Caepio  hieß.  Aber  M.  Caepio  Brutus 
sagt  auch  Dio  41.  68,  6  und  ahnlich  Appian  II  111,  464  M&pnoc  Bpoüto«; 
h  Kotuttttv  JiwuXfjv;  und  Brutus  hat  eine  Verteidigungsrede  für  Milo  in 
Konkurrenz  zu  Cicero  geschrieben  (Ascon.  p.  42).  ist  also  offenbar  eifrig 
für  ibn  eingetreten. 

»)  Cic.  pro  Mil.  26.  44. 

•)  Asconius  zu  §  67  deinde  ex  8.  C.  düectu  per  ItaUam  habito 
cum  rrdisset,  venientem  ad  se  Müonem  unum  omntum  non  a*i- 
miserat. 


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.  Verbandlangen  zwischen  Pom  pejus  auJ  Caesar  225 


ob  er  Waffen  bei  sich  trage1).  In  dieser  Sitzung  wurde  beschlossen, 
die  Gebeine  des  Clodius  endlich  beizusetzen,  und  den  Wieder- 
aufbau der  verbrannten  Curie  Sullas  Sohn  Faustus  zu  über- 
tragen*). 

Alle  diese  Vorgange  brachten  die  Sache  nicht  weiter,  sondern 
dienten  nur  dazu,  die  Zeit  auszufüllen.  Das  entscheidende 
Moment  lag  vielmehr  in  dem  Verhältnis  zu  Caesar.  Ohne  seine 
Einwilligung  konnte  Pompejus  den  letzten  Schritt  nicht  wagen, 
nicht  nur,  weil  ihm  Caesars  Macht  zur  Einschüchterung  der 
Gregner  noch  immer  unentbehrlich  war,  sondern  ebensosehr,  weil 
dieser  mit  seiner  gewaltigen,  jetzt  auf  zehn  Legionen  erhöhten 
Macht  von  der  Cisalpina  aus  im  Falle  eines  Konflikts  mit  Leichtig- 
keit Italien  überrennen  und  ihn  selbst  erdrücken  konnte.  Aller- 
dings war  Caesars  Stellung  durch  den  Tod  des  Crassus  und  den 
Wegfall  des  damit  gegen  Pompejus  geschaffenen  Gegengewichts 
empfindlich  geschwächt  worden;  aber  dafür  stand  er  selbst  jetzt 
machtiger  da  als  je  zuvor:  er  hatte  im  Jahre  53  die  nach  dem 
Aufstand  des  Ambiorix  überall  sich  vorbereitenden  Erhebungs- 
versuche rasch  erstickt,  die  Trevirer  wieder  unterworfen,  das 
Gebiet  der  Eburonen  von  Grund  aus  verwüstet,  und  noch  ein- 
mal den  Rhein  überschritten.  Dann  hatte  er  auf  einem  Landtag 
in  Durocortorum  (Rheims)  das  Strafgericht  über  die  Urheber 
der  Empörung  gehalten,  den  Carnuten  Acco  hinrichten  lassen, 
seine  Legionen  in  geschlossenen  Massen  in  die  am  meisten  ge- 
fährdeten Gegenden  von  der  Mosel  bis  zur  Seine  ins  Quartier 
gelegt.  Der  Widerstand  Galliens  schien  definitiv  gebrochen,  die 
Unterwerfung  vollendet;  um  so  mehr  mußte  man  in  Rom  mit 
ihm  rechnen.  Er  selbst  ging  tür  den  Winter  53/52  in  gewohnter 
Weise  in  die  Cisalpina,  um  hier  die  Gerichtstage  abzuhalten  und 

')  Ascon.  zu  §  67  p.  52.  Dieselbe  Sitzung  bei  Dio  40,  50,  2  iX- 
Mvxot  abxob  ob  soUfp  Gowpov  (nach  der  Aushebung)  f£u>  toö  «ofiiripioo 
«pbi  t«j>  dt&Xfxp  (xuxoö  oüv  fpoopq  Y){rpoiad"f)oav.  Cicero  sucht  §  65  f.  die 
Wirkung  dieses  Verhaltens  nach  Möglichkeit  zu  entkräften.  Das  (Je 
rQcht  behauptete,  Milo  habe  bei  Nacht  auch  das  Haus  Caesars  ange- 
griffen (also  die  Regia):  nemo  audierat  tarn  celebri  loco,  nemo  sen~ 
serat:  tarnen  audiebatur. 

*)  Dio  40,  50,  2  t. 
Meyer,  Caesars  Monarchie  15 


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22G 


Das  Principat  des  Pompejus 


zugleich  die  Entwicklung  in  Rom  aus  nächster  Nähe  zu  beob- 
achten und  nach  Bedürfnis  in  sie  einzugreifen1). 

Die  Krisis  in  Ro:n  trat  alsbald  ein;  Clodius'  Ermordung  am 
18.  Januar  des  römischen  Kalenders  fällt  auf  den  8.  Dezember 
julianisch,  also  kurz  nach  Caesars  Eintreffen s).  Ob  ihn  Pompejus 
bei  der  Vornahme  der  Aushebungen  selbst  aufgesucht  hat,  wissen 
wir  nicht;  aber  die  Verhandlungen  werden  sofort  eingesetzt 
haben.  An  sich  konnte  Caesar  die  Übernahme  der  dilatorischen 
Vollgewalt  durch  Pompejus  keineswegs  willkommen  sein;  seine 
Anhänger  forderten  denn  auch,  daß  wie  drei  Jahre  zuvor  Crassus, 
so  jetzt  er  mit  Pompejus  das  Consulat  übernehme3);  der  Dispens 
von  der  gesetzlichen  Frist  und  die  Kumulierung  mit  dem  Pro- 
consulat  würde  alsdann  bei  beiden  gleichmäßig  erforderlich  ge- 
wesen sein  und  ihnen  auch  äußerUch  die  gleiche  überragende 
Stellung  gewährt  haben.  Indessen  das  schlug  den  Intentionen 
des  Pompejus  geradezu  ins  Gesicht. 

Und  nun  trat  die  Rückwirkung  der  römischen  Ereignisse  auf 
Gallien  sofort  verhängnisvoll  hervor.  Mit  der  äußersten  Spannung 
hatte  der  durch  das  Strafgericht  von  Durocortorum  aufs  schwerste 

')  Dio  40,  82,  5  ahxb$  tc  r»]v  'ItaXt'ay  ttpotpasiv  jitv  c9j$  ixti  TaXatiac 
tycx?,  tö  3*  dXfjW^  okcu(  f*fT0^*v  t0'<  *v        «4Xet  ipu>fiivoi<  bpsftptüj}, 

*)  Daß  er  bei  Clodius'  Ermordung  in  Italien  war,  sagt  er  selbst 
bell.  Gall.  VII  1;  aber  die  Geschäfte  in  Gallien  müssen  ihn  noch  bis 
in  den  Spätherbst  dort  festgehalten  haben,  vor  dem  julianischen  No- 
vember kann  er  nicht  nach  Italien  gegangen  sein. 

•)  Dio  40,  50,  5  &K»8>poöytu»v  *äv  fiiv,  <»«  toxtdkwpa  tiv  rjofurf)ioy, 
t«Lv  W.  ü>«  Kkqctov  tiv  Kouoopa  alptd-rjvat  <8«t>,  und  nachher:  Pompejus 
wird  tum  alleinigen  Consul  ernannt  tv«a  b  Kacoop  a&t<p  <jov«p;-ß. 
Sueton  Caes.  26  egü  cum  tribunis  plebis  coüegam  se  Pompeio  desti- 
nantibus  verbindet  diese  Tendenz  mit  den  später  folgenden  Vorhand* 
lungen  durch  die  Tribunen.  Ähnlich  schließt  Plut.  Pomp.  56  die  Ver- 
handlung an  die  Verlängerung  der  Statthalterschaft  des  Pompejus  an, 
setzt  sie  also  EU  spät:  ol  fip  Kaioapoc  (plXo*  taorqv  ipxty  Xaß6yrt{ 
7]5to»v  ttvi  ysviadat  xai  Kaloapoc  X^oy  .  .  .  5j  y&p  &ttaf*tac  &&ioy  tly«  tt>xtlv 
kxipa$,  ?|  «pooXaßciv  rjj  otpatti?  xpövov,  worauf  das  Gesetz  Aber  die  ab- 
wesende Bewerbung  folgt  Vgl.  Dio  40,  51 :  Pompejus  y oßfiOri«,  ^kote 
usWj«  X^f**?  o5ot(«  6  Kaloip  sx  tt  rrjs  tiüv  &ovdfitu>y  xxl  ix  r9j<  toö 

kXVj&ouc  QKoolvfi  oovapx*0*'         ^oJ^s  veranlaßt  das  GeseU  der  Tribunen. 


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Verhandlungen  mit  Caesar  und  Aufstand  de«  Vercingetorix  227 

gereizte  gallische  Adel  die  Entwicklung  verfolgt.  Die  Kunde 
von  der  Krisis  in  Rom  verbreitete  sich  sofort  über  das  ganze 
Land»  überall  mit  den  höchsten  Erwartungen  begrüßt:  Caesar, 
so  meinte  man  mit  Recht,  werde  dadurch  in  Italien  festgehalten 
werden,  der  Ausbruch  des  Bürgerkriegs  schien  unmittelbar  be- 
vorzustehn,  die  Stinde  der  ersehnten  Befreiung  hatte  geschlagen1). 
Die  Camuten  griffen  zuerst  zu  den  Waffen  und  erschlugen  in 
Cenabum  (Orleans)  die  römischen  Kauflente  und  Agenten;  und 
rasch  ergriff  der  Aufstand  das  gesamte  zentrale  Gallien,  vor« 
wiegend  gerade  diejenigen  Stämme,  die  sich  bis  dahin  der  römi- 
schen Herrschaft  gefügt  hatten.  In  der  Tat  war  es  für  Caesar 
ganz  unmöglich,  jetzt  nach  Gallien  zu  eilen,  wie  zwei  Jahre  zu- 
vor bei  der  Kunde  von  dem  Aufstand  der  Eburonen;  er  mußte 
in  Italien  bleiben,  und  begab  sich  um  der  raschen  Verbindung 

')  Caesar  bell.  Gall.  VII  1  von  Clodius'  Ermordung  und  den  an- 
schließenden Ereignissen:  ea  res  in  Oalliam  Transalpinam  celeriter 
perfertur;  addunt  ipsi  et  adfingunt  rumoribus  Qalli,  guod  res  pos- 
cere  videbatur,  retineri  urbano  motu  Caesarem  neque  in  tantis  dis- 
sensionibus  ad  exercitum  venire  posse.  Die  übliche  unheilvolle  Tren- 
nung «wischen  äußerer  und  innerer  Geschichte  und  die  Vernachlässi- 
gung der  Chronologie  hat  bewirkt,  daß  die  hier  vorliegenden  Zu- 
sammenhänge, so  augenfällig  sie  sind,  ganz  unbeachtet  geblieben  sind, 
und  daß  man  Caesars  zwar  nicht  geradezu  verfälschter,  aber  durchaus 
tendenziös  gefärbter  und  sorgfältig  auf  ihre  politische  Wirkung  abge- 
stimmter Darstellung  blindlings  vertraut  hat.  Die  Dimensionen,  welche 
der  Aufstand  annahm,  und  die  Organisation  desselben  durch  Vercinge- 
torix  waren  nur  dadurch  möglich,  daß  den  Galliern  bis  zu  Caesars  Er- 
scheinen frühestens  Ende  Februar  julianisch  (s.  8.  283,  2)  zwei  Monate 
Zeit  gelassen  waren.  —  Mommsen  K.  G.  III»  885  ff.  hat  das  dritte  Consulat 
des  Pompejus  nicht  nur  ganz  einseitig,  wie  diese  Dinge  meist,  darge- 
stellt, sondern  in  eine  völlig  falsche  Beleuchtung  gerückt  und  die  zu- 
grunde liegenden  Tendenzen  sowohl  des  Pompejus  wie  die  Caesars  nicht 
erkannt.  Der  8atz,  mit  dem  seino  Darstellung  beginnt:  „Die  Herrscher 
(d.  i.  Caesar  und  Pompejus)  kamen  überein,  eine  wenn  auch  nur  zeit- 
weilige Dictatur  eintreten  zu  lassen*,  ist  eben  so  verkehrt  und  irre- 
führend, wie  der  8chlußsatz,  als  Pompejus  den  Scipio  zum  Kollegen  er- 
hebt: „Die  Machthaber  zeigten  sich  befriedigt*.  Im  nächsten  Kapitel 
„Der  Bruch  der  Gesamtherrscher*  folgt  denn  auch  S.  854  eine  noch- 
malige Darstellung  derselben  Vorgänge,  welche  sie  notgedrungen  in 
ganz  anderer  Beleuchtung  zeigt. 


! 


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228  Da»  Principat  des  Pom  pejus 

willen  nach  Ravenna1)  in  die  östlichste,  Rom  am  nächsten  ge- 
legene Grenzstadt  seiner  Provinz.  Aber  an  die  Übernahme  des 
Consulats  war  nicht  mehr  zu  denken;  statt  dessen  war  ihm  die 
Aufgabe  gestellt,  sein  Reich  wiederzuerobern,  das  sich  inzwischen 
in  ein  gallisches  Reich  unter  dem  Arvernerhäuptling  Veroingetorix 
umzuwandeln  im  Begriff  war. 

So  galt  es,  für  Caesar  ein  Äquivalent  zu  finden,  das  ihn  für 
die  von  Pompe  jus  beanspruchte  Ronzession  entschädigte  und 
seine  Zukunft  sicherte,  und  zugleich  diesem  den  Druck  zur  Ver- 
fügung stellte,  den  Caesar  noch  immer  auf  Rom  ausübte.  Über 
dies  Äquivalent  ist  lange  gefeilsoht  worden.  Caesars  Anerbieten, 
durch  neue  Verschwägerungen  das  alte  Bündnis  zu  bekräftige!) 
—  Pompejus  sollte  Caesars  Großnichte  Octavia  heiraten,  die  mit 
C.  Marcellus  vermählt  war,  Caesar  wollte  sich  von  Calpurnia 
scheiden  und  Pompejus'  Tochter,  bisher  die  Gemahlin  des  Faustus 
Sulla,  heiraten8)  —  lehnte  Pompejus  ab;  damit  gab  er  deutlich 
zu  erkennen,  daß  er  für  die  Zukunft  nioht  gebunden  sein  wollte. 
Schließlich  einigte  man  sich  darauf,  daß  Caesar  gestattet  sein 
solle,  sich  nach  Ablauf  des  gesetzlichen  zehnjährigen  Intervalls 
für  das  Jahr  48  abwesend  um  das  Consulat  zu  bewerben,  wobei 
die  selbstverständliche  Voraussetzung  war,  daß  er  seine  Pro- 
vinzen bis  zum  Ende  des  Jahres  49  behalten  werde;  ein  dahin- 
gehendes Gesetz  sollte  von  allen  zehn  Tribunen  eingebracht,  seine 
Annahme  durch  Pompejus  gesiohert  werden.  Auf  Pompejus' 
Veranlassung  ging  Cicero  nach  Ravenna,  um  mit  Caesar  zu  ver- 
handeln; ihm  gegenüber  verbürgte  er  sich  für  das  Verhalten  des 
Tribunen  Caelius,  des  einzigen,  von  dem  eventuell  eine  Inter- 
ce8sion  zu  befürchten  war3). 

>)  Cic.  AM.  VII  1.  4  (*.  u.  A.  3).  Florue  I  45,  22  bei  Vercingetorix' 
Aufstand:  absens  erat  tutic  Caesar  Ravennae  dilectwn  agens. 

*)  Sueton  Caes.  27  ad  retinendam  autem  Pompei  necessitudinem 
ac  voluntatem  Octaviam  sororis  sitae  nepotem,  quae  Oaio  Marcello 
nupta  erat,  condicionem  ei  detulit,  sibique  filiam  eius  in  matri- 
monium  petit  Fausto  Sxülae  destinatam  [in  Wirklichkeit  war  sie 
schon  mit  diesem,  dem  Schwager  Milos,  vermählt  Drümann  IV1  592]. 

J)  Cic.  ad  AU.  VII  1,  4  (16.  Oktober  50)  im  Anschluß  an  die  Frage, 
ob  bei  eleu  bevorstehenden  Verhandlungen  der  Anspruch  auf  abwesende 


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Pompejus  alleiniger  Consol 


229 


Nachdem  man  sich  endlich  geeinigt  hatte,  kamen  die  Dinge 
in  raschen  Fluß.  Natürlich  waren,  wie  später  bei  der  Über- 
tragung des  Principats  an  Augustus,  für  die  entscheidende  Senats- 
sitzung die  Maßregeln  im  voraus  festgelegt  und  die  Rollen  ver- 
teilt. Bibulus  stellte  den  Antrag,  den  Pompejus  zwar  nicht  zum 
Dictator  —  mit  diesem  Titel  waren  durch  Sullas  Regiment  zu 
häßliche  Erinnerungen  verknüpft,  so  daß  er  allgemein  verab- 
scheut wurde  — ,  wohl  aber  zum  alleinigen  Gonsul  zu  erwählen. 
Cato  sekundierte ,  zur  großen  Überraschung  der  Nichtein- 
geweihten:  er  habe  zwar  einen  derartigen  Antrag  selbst  nicht 
stellen  können,  aber  er  stimme  zu;  denn  jedes  Regiment  sei 
besser  als  die  Anarchie,  und  von  Pompejus  dürfe  man  erwarten, 
daß  er  die  ihm  anvertraute  Stellung  besser  als  irgend  ein  andrer 
verwalten  uud  das  Gemeinwesen  wieder  in  geordnete  Verhält- 
nisse überführen  werde.  Der  Beschluß  wurde  angenommen,  der 
die  Coraitien  anwies,  den  Pompejus  und  zwar  ihn  allein  zum 
Consul  zu  wählen,  und  die  Klausel  hin  zu  fügte,  daß  Pompejus 
nicht  befugt  sein  solle,  vor  Ablauf  von  zwei  Monaten  sich  einen 
Kollegen  wählen  zu  lassen,  falls  das  sich  als  wünschenswert  er- 
weisen sollte1). 

Darauf  wurde  Pompejus  am  24.  des  Intercalaris,  dem 
5.  Februar  julianisch,  von  deu  Comitien  unter  Leitung  des 
Interrex  Servius  Sulpicius  gewählt  und  trat  sein  Amt  sofort 
an1).  Durch  den  Wegfall  der  Kollegialität  war  wie  beim  Dictator 

Bewerbung  anerkannt  werden  solle:  quid  dicam?  . . .  contra  Caesarem? 
ubi  sunt  Ulae  tensae  dexterae?  nam  ut  Uli  hoc  liceret,  adiuvi,  ro- 
gatus  ab  ipso  Ravennae  de  Caelio  tribuno  pl.,  ab  ipso  autem?  etiam 
a  Gnaeo  nostro  in  ülo  divino  tertio  consulatu.  Diese  glücklich  er- 
haltene Notiz,  wirft  ein  helles  Schlaglicht  auf  die  Situation  und  die 
Vorgänge  hinter  den  Kulissen.  Baß  Cicero  in  der  zweiten  Philippica  24 
sagt .  er  habe  Pompejus  geraten  ne  paieretur  ferri,  ut  absentis  eins 
(Caesaris)  ratio  haberetur,  mag  formell  richtig  sein;  aber  wie  der  Brief 
an  Atticus  zeigt,  hat  er  sich  gefügt  und  mitgewirkt. 

')  Plut.  Pomp.  54  =  Cato  47.  App.  II  28,  84.  Dio  40,  50,  4.  Ascon. 
p.  87.  Sueton  Caes.  26  cum  sencUus  unum  consulem  nominatimque 
Gnar-um  Pompeium  fteri  censuisset. 

*(  VKal.  Mart.  Mense  Intercalario  Ascon.  p.  37.  —  Liv.  ep.  107 
a  senatu  consul  tertio  factus  est  absens  et  solus;  er  blieb  eben  vor 


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280 


Dm  Principat  des  Pompeji!« 


und  beim  König  die  gesamte  Amtsgewalt  der  Republik  in  seiner 
Hand  vereinigt.  Daß  er  sie  im  Sinne  des  Senats  und  der  Nobilität 
führen  werde,  bekräftigte  er  dadurch,  daß  er  den  Cato  sofort 
zu  sich  in  seine  vorstädtische  Wohnung  lud  und  ihn  bat,  ihn 
auf  alle  Weise  mit  Rat  und  Tat  zu  unterstützen.  Cato  suchte 
in  seiner  Antwort  die  eingenommene  Haltung  zu  wahren :  privatim 
werde  er,  wenn  befragt,  bereitwillig  Rat  erteilen,  aber  so  wenig 
er  früher  aus  persönlicher  Feindschaft  dem  Pompejus  opponiert 
habe,  sondern  nur  um  des  Staatswohls  willen,  so  wenig  könne 
er  jetzt  ihm  zu  Gefallen  reden;  für  die  öffentlichen  Verhand- 
lungen müsse  er  sich  seine  Unabhängigkeit  vorbehalten1).  Gleich 
darauf,  am  26.  Intercalaris*),  stellte  Pompejus  im  Senat  zwei  neue 
Gesetze  zur  Diskussion,  ein  Spezialgesetz  für  die  Untersuchung 
und  Bestrafung  der  Mordtat  auf  der  Via  Appia,  des  Brandes  der 
Curie  und  des  Angriffes  auf  das  Haus  des  Interrex  Lepidus,  ein 
anderes  umfassendes  gegen  die  Wahlumtriebe;  in  beiden  Ge- 
setzen wurde  das  Prozeßverfahren  verkürzt,  das  Zeugenverhör 
auf  drei  Tage  beschränkt,  der  Unfug  der  Charakterzeugen  ver- 
pönt und  die  Schlußverhandlung  auf  einen  einzigen  Tag  zu- 
sammengedrängt, der  Anklage  zwei,  der  Verteidigung  drei 
Stunden  zur  Verfügung  gestellt.  Die  Aufstellung  des  360  Nameu 
umfassenden  Richteralbums  wurde  ausschließlich  in  die  Hände 
des  Pompejus  gelegt,  als  des  einzigen  zurzeit  vorhandenen 
Oberbeamten;  denn  Praetoren  gab  es  noch  nicht  wieder.  Für 
jeden  Prozeß  sollten  81  Richter  ausgelost  werden,  von  denen 
die  Parteien  je  fünf  aus  jedem  der  drei  Stände  ablehnen  durften, 
so  daß  der  Gerichtshof  aus  51  Richtern  gebildet  wurde.  Der 
Untersuchungsrichter  für  die  Mordtat  sollte  dagegen  von  den 

der  Wahl  außerhalb  des  offisiellen,  staaterechtlichen  Stadtbeiirk* ,  in 
dem  sonst  der  Kandidat  anwesend  sein  maßte. 
')  Plat.  Cato  48  =  Pomp.  54. 

")  deinde  post  diem  tertium  (nach  der  Wahl)  de  legibus  novit 
ferendis  rettulit,  Ascon.  p.  37.  Das  ist  nach  gewöhnlicher  Ausdrucks- 
weise  zwei  Tage  nachher,  also  am  26.;  der  Beschlaß  des  Senate  erfolgte 
nach  Ascon.  zu  §  14  pridie  Kai.  Mari.,  also  am  folgenden  Tage,  dem 
'27.  Interc.  Magni  Pompei  in  teriio  consulatu  extat  edictum  in  tumulht 
necis  Clodianae  proiiibaniis  uüum  telum  esse  in  urbe.   Plin.  84,  189. 


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Pompejus'  Gesetze  über  die  Gerichte  und  die  Wahlen  231 

Comitien  aus  den  Consularen  gewählt  werden1).  Die  Verhand- 
lung führte  zu  erregten  Diskusaionen.  Der  Tribun  Caelius  er- 
klärte die  Maßregeln  für  ein  Auanahmegesetz  {Privilegium)  gegen 
Milo  und  wollte  intercedieren,  bis  schließlich  Pompejus  erklärte, 
wenn  man  ihn  zwinge,  werde  er  zur  Verteidigung  des  Staats  zu 
den  Waffen  greifen2).  Hortensiua  hielt  ein  neues  Gesetz  für  über- 
flüssig; es  genüge  ein  Verfahren  außerhalb  des  Turnus  [extra 
ordinem)  vor  dem  Untersuchungsrichter,  aber  auf  Grund  der 
bestehenden  Gesetze.  Der  Senat  war  am  27.  Intercalaris  bereit, 
darauf  einzugehn;  aber  auf  die  Forderung  des  Q.  Fufius  Calenus, 
eines  eifrigen  Anhängers  des  Caesar  und  Clodius  (oben  8. 81),  wurde 
der  Antrag  zerlegt,  das  außerordentliche  Verfahren  beschlossen, 
der  zweite  Teil,  die  Beibehaltung  der  bisherigen  G  setze,  durch 
Intercession  des  Phncus  und  Sallust  zu  Fall  gebracht.  So  blieb 
dem  Senat  nichts  übrig,  als  der  Forderung  des  Pompejus  zuzu- 
stimmen; zugleich  wurde  erklärt,  daß  die  Mordtat  und  die  an- 
schließenden Ereignisse  das  Staatsinteresse  geschädigt  hätten 
{contra  rempuMicam  esse  facta)9) 

')  Ascon.  p.  37.  40  (vgl.  zu  §  14).  Dio  40,  52.  Plut.  Pomp.  55  tat« 
8lxai<;  tü»v  8u>poSoxi&v  xal  3txaau,d»v  iiciCTa<  xal  vojtou;  ipätyix<;, 
xa&*  o&s  al  xptottc  iftvovto  =  App.  II  28,  87  oixae  tcpoim'ftti  täv  te  &\\io> 
iaap^fidtTtöv  xal  uaXtara  9copo8oxfat  xal  3ixaou.oü.  Bei  Ascon.  p.  39 
hat  Mommsen,  Staatsrecht  II '  647,  2  (II '  646,  3)  die  Emendation  album 
(cod.  aliorum)  quoque  iudicum,  qui  de  ea  re  iudicarent,  Pompcius 
tote  (cod.  tales)  proposuit,  ut  nunquam  neque  clariores  viros  neque 
sanetiores  proposilos  esse  constaret  mit  Unrecht  bestritten :  vgl.  Cic. 
pro  Mil.  21. 105.  fam.  VII  2.  8.  Plut,  Pomp.  55.  Dio  40,  52,  2.  Mommskn 
will  seltsamerweise  nachweisen .  daß  der  Quaesitor  zugleich  als  Richter 
mitgestimmt  habe.  —  Die  51  Richter  waren  so  verteilt,  daß  18  Sena- 
toren, 17  Ritter,  16  Aerartribunen  den  Gerichtshof  bildeten  (Ancon. 
p.  58.  54);  so  kam  der  Vorrang  des  Senat»  zum  Ausdruck. 

*)  Ascon.  p.  87. 

*)  Cic.  pro  Mil.  12  ff.,  dem  dieser  Beschluß,  für  den  er  doch  selbst 
gestimmt  hat  (ego  ipse  decrevi),  natürlich  sehr  unangenehm  ist,  und 
dazu  Asconius  zu  §  14.  Am  nächsten  Tage,  dem  1.  Marz,  berichtete 
Plancns  Ober  diese  Vorgange  in  einer  Volksversammlung.  In  derselben 
Versammlung  behauptete  Plancus,  Milo  habe  nach  der  Mordtat  vier 
freie  Männer ,  die  vorüberkainen ,  festgenommen  und  zwei  Monate  lang 
(vom  18.  Januar  =  8.  Dezember  jul.  bie  1.  Mftrz  =  9.  Februar  jnl.)  in 


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232 


Das  Prinoipat  des  Pompejus 


Auch  das  Gesetz  über  die  Wahlumtriebe  fand  starken  Wider- 
spruch. Poxnpejus  hatte  ihm  rückwirkende  Kraft  für  alle  Wahlen 
bis  «u  seinem  ersten  Consulat  im  Jahre  70  hinauf  verliehn.  Cato 
erklärte  sich  dagegen,  man  solle  das  Vergangene  ruhn  lassen 
und  statt  dessen  für  die  Zukunft  sorgen;  es  werde  damit,  wie 
er  mit  Recht  betonte,  nur  unendlichen  Prozessen  der  Spielraum 
eröffnet,  und  es  sei  unbillig,  ein  verschärftes  Strafgesetz  auf 
Zeiten  anzuwenden,  wo  es  noch  nicht  bestand1).  Schwerer  fiel  der 
Einwand  der  Anhänger  Caesars  ins  Gewicht,  daß  auch  dessen 
Consulat  in  diesen  Zeitraum  falle;  Pompejus  wies  das  mit  wohl- 
gespielter Entrüstung  ab:  Caesar  sei  über  jeden  Verdacht  er- 
haben, überdies  falle  ja  auch  sein  eigenes  zweites  Consulat  unter 
das  Gesetz9). 

Schließlich  wurden  beide  Gesetze  vom  Senat  angenommen 
und  promulgiert;  die  Annahme  durch  die  Comitien  wird  unter 
Wahrung  der  gesetzlichen  Frist  des  Trinundinum  frühestens  am 
18.  März  (26.  Februar  julianisch)  erfolgt  sein.  Unmittelbar  darauf 
wurde  zum  Untersuchungsrichter  für  den  Mordprozeß  L.  Domitius 
Ahenobarbus  gewählt*),  der  bisher  die  Machthaber  so  eifrig  be- 
kämpft hatte;  auch  darin  trat,  da  die  Wahl  natürlich  von  Pom- 
pejus bewirkt  war,  die  Umgruppierung  der  Parteien  zutage.  Die 
Leitung  der  Wahlprozesse  erhielt  Aulus  Torquatus.  Vor  beiden 
Untersuchungsrichtern  wurde  die  Anklage  gegen  Milo  erhoben, 
und  der  Beginn  des  ersten  Prozesses  auf  den  4.  April  angesetzt*). 

Offenbar  gleichzeitig  mit  den  Gesetzen  des  Pompejus  haben 
die  Tribunen  den  Antrag  für  Caesar  eingebracht.  Cato  opponierte 

seiner  Villa  gefangen  gehalten.  Ein  wegen  Mordtaten  verdächtiger 
Sklave  Milos,  Galatas.  war  von  den  triumviri  capitales  festgenommen, 
wurde  aber  durch  die  Tribunen  Caelius  und  Manilius  Cumanus  befreit 
und  an  Milo  zurückgegeben,  Ascon.  p.  38. 

')  Plut.  Cato  48. 

*)  Appian  II  23. 

•)  Ascon.  p.  89  perlata  deinde  lege  Pompeia  . . .  statim  comitia 
habita ,  creatusque  est  L.  Domitius  Ahenobarbus  quaesitor.  Cic  pro 

Mil.  22. 

*)  Ascon.  p.  40.  Die  Quaesitores  für  andere  Gerichtshöfe  bei  Ascon. 
p.  54.  darunter  der  gewesene  Aedil  Pavonius. 


* 

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Gesetz  der  Tribunen  für  Caesar.    I>er  gallische  Aufstand  233 


auch  hier  und  suchte  das  Gesetz  durch  Obstruktionsreden  zu 
Kall  zu  bringen:  wenn  Caesar  seinerzeit  ein  zweites  Consulat 
wünsche,  solle  er,  wie  es  sich  gehöre,  nach  Niederlegung  seiner 
Statthalterschaft  als  Privatmann  nach  Rom  kommen  und  sich 
darum  bewerben.  Aber  Pompejus  war  gebunden  und  setzte  die 
Annahme  durch ;  er  erklärte,  einen  Brief  Caesars  erhalten  zu  haben, 
in  dem  dieser  den  Wunsch  ausspreche,  einen  Nachfolger  zu  er- 
halten und  die  Feldzüge  loszuwerden;  es  sei  aber  billig,  ihm 
das  Privileg  der  abwesenden  Bewerbung  zu  gewähren1). 

Caesar  hat  jedenfalls  die  Wahl  des  Pompejus,  wahrschein» 
lieh  auoh  noch  die  Annahme  des  Gesetzes  der  Tribunen  in  Italien 
abgewartet.  Dann  eilte  er,  frühestens  Ende  des  julianischen 
Februar,  über  die  Alpen*).    Es  war  die  höchste  Zeit;  denn 

')  Plut.  Pomp.  56,  der  dann  die  Erzählung  abbricht  and  mit  den 
Worten  oöx  i'ipnas,  äXX'  ofov  •^Tvridtls  6  riojAifmo^  uicoicto;  vjv  jjl&XXov  uiv 
i'fp6v»t  n*pl  Kato-xpo;  mit  einem  großen  Spränge  unmittelbar  zu  den 
Vorgängen  des  Jahres  50  übergeht.  Caesar  (bell.  civ.  I  82)  sagt  im 
Senat  im  März  49  latum  ab  X  tribunis  plebis  contradicentibus  ini- 
micis,  Catone  vero  acerrime  repugnante  et  pristina  consuetudine 
dicendi  mora  dies  extrahente,  ut  sui  ratio  absentis  haberetur,  ipso 
consxde  Pompeio;  qui  si  improbasset ,  cur  ferri  passus  esset?  Liv. 
«•p.  107.  Sueton  Caes.  26.  Dio  40,  51.  Cic.  ad  Att.  VIII  3,  3  idem  (Pom- 
neius)  etiam  tertio  consulatu,  postquam  esse  defensor  reipublicae 
voepil,  contendit,  ut  decem  tribuni  pl.  ferrent,  ut  absentis  ratio  habe- 
retur; VII  8.  4  cur  tanio  opere  pugnatum  est,  ut  de  eins  absentis 
ratione  habenda  decem  tribuni  pl.  ferrent?  vgl.  VII  1,  4  oben  S.  229,  1. 
Dio  40,  51  bringt  das  Gesetz  an  richtiger  Stelle,  nach  Pompejus* 
Antritt;  Appian  II  25,  96  berichtet  es  erst  nach  der  Verurteilung  Milos 
und  der  Demokraten .  die  zu  Caesar  geflohn  seien  und  ihn  vor  Pom- 
pejuB  gewarnt  hätten;  daß  e*  in  weit  frühere  Zeit  gehört,  hat  zuerst 
wohl  Nissen ,  Hist.  Z.  46,  1881,  59  ff.  ausgesprochen.  Bei  Appian  wird 
es  offenbar  mit  den  an  Pompeius'  Gesetz  de  iure  magistratuum  an- 
knüpfenden Verhandlungen  zusammengeworfen. 

z)  Bell.  Gall.  VII  6  his  rebus  (Vercingetorix  Maßnahmen)  in 
Italiam  Caesari  nuntiatis,  cum  iam  ille  urbanas  res  virtute 
(■n.  Pompei  commodiorem  in  statum  pervenisse  inleUegeret,  in  Trans- 
alpinam  GaUiam  profecttis  est.  Caesar  möchte  den  Anschein  erwecken, 
als  sei  er  sofort  auf  die  Kunde  von  dem  Aufstand  nach  Gallien  geeilt 
und  hat  diese  Wirkung  auch  in  den  neueren  Darstellungen  überall  er- 
reicht, man  hat  es  eben  versäumt,  zwischen  den  Zeilen  zu  lesen;  dazu 


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Das  Principat  des  IVnpejus 


inzwischen  hatte  Yeroingetorix  den  Aufstand  überall  organisiert, 
ja  er  konnte  bereits  an  einen  Angriff  auf  die  röraisohe  Provinz 
und  ihre  Hauptstadt  Narbo  denken1).  Die  Lage  war  so  bedenk- 
lich, daß  Caesar  die  Frage  erwog,  ob  er  nicht  die  Legionen  zum 
Schutz  der  Provinz  heranziehn  und  damit  tatsächlich  alle 
seine  Eroberungen  einstweilen  preisgeben  müsse*);  er  entschied 
sich  aber  doch,  zumal  er  die  Legionen  auf  dem  Marsch  einem 
Angriff  der  Feinde  ausgesetzt  haben  würde,  statt  dessen  nach 
Ergreifung  der  dringendsten  Schutzniaßregeln  für  die  Provinz 
in  die  Winterquartiere  zu  seinen  Truppen  zu  eilen  und  trotz 
der  ungünstigen  Jahreszeit  sofort  den  Feldzug  gegen  die  In- 
surgenten zu  beginnen. 

Während  Caesar  den  schweren  Kampf  gegen  die  Gallier 
führte,  ging  in  Rom  der  Prozeßkrieg  seinen  Gang.  Pompejua 
wünschte  natürlich  die  Verurteilung  Milos,  nicht  aus  rechtlichen 
Gründen,  obwohl  seine  Schuld  offenkundig  war,  sondern  aus 
politischen.  Denn  die  Zeiten,  wo  er  ihn,  im  Kampf  mit  Clodius, 
als  Gehilfen  benutzt  hatte,  waren  längst  vorbei,  mit  Clodius 
hatte  er  sich  versöhnt,  und  Caesar  verlangte  Milos  Bestrafung; 
vor  allem  aber  war  dieser  ein  rücksichtsloser  Agitator,  der  mit 
seinen  Banden  vor  nichts  zurückschreckte,  eben  so  schlimm  wie 
Clodius  und  die  wildesten  Anarchisten.  Daß  er  sich,  im  Gegen- 
satz zu  diesen,  der  Nobilität  zur  Verfügung  gestellt  hatte  und 
deren  Führer  ihn  zu  halten  suchten  und  den  Mord  als  segena- 

kommt  die  oft  nicht  genügend  beachtete  Abweichung  des  damaligen 
römischen  Kalenders  vom  julianischen.  Daß  in  Wirklichkeit  Caesar, 
nachdem  er  die  erste  Kunde  von  dem  Aufstand  erhalten  hatte,  noch 
lange  in  Italien  festgehalten  war,  verrat  sich  in  dem  Satz  VII  9,  4,  daß 
er  in  Vienna  die  Reiterei  zu  sich  nimmt,  quem  multis  ante  diebus 
eo  praemiserat.  -  Bei  Caesars  Ankunft  in  Frankreich  liegen  die  Ce- 
vennen  noch  in  tiefem  Schnee  (VII  8),  es  ist  noch  Winter  (reliquam 
partem  hiemis  VII  10,  1),  der  erst  mit  der  Einnahme  von  Avaricum  bu 
Ende  geht  (VII  82  iam  prope  hieme  confecta,  cum  ipso  omni  tem- 
pore ad  gerendum  bellum  vocaretur);  Avaricum  wird  also  etwa  gegen 
Knde  April  julianiBch,  d.  i.  nach  Mitte  Mai  nach  römischem  Kalender, 
erobert  worden  sein. 

')  Bell.  Gall.  VII  5,  7. 

*)  Bell.  Gall.  VII  6. 


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Verurteilung  Milos 


235 


reich  für  den  Staat  priesen  —  so  redete  Cato,  und  sein  Neffe 
Brutus  hat  nachher  eine  Verteidigungsrede  für  Milo  geschrieben, 
in  der  er  sich  in  diesem  Sinne  offen  zu  seiner  Tat  bekannte1)  — , 
inachte  seine  Beseitigung  nur  um  so  notwendiger;  nimmermehr 
durfte  Pompe  jus  zulassen,  daß  er  sich  doch  noch  das  Consulat 
gewann.  Er  hielt  daher  weiter  die  Fiktion  aufrecht,  daß  Milo 
ihm  nach  dem  Leben  trachte,  blieb  meist  in  seinem  Gartenhaus, 
geschützt  durch  eine  starke  Truppenschar,  und  entließ  einmal 
vorzeitig  den  Senat,  weil  er  ein  Attentat  Milos  fürchte;  in  der 
nächsten  Sitzung  behauptete  Cornificius,  einer  der  Ankläger 
Milos,  dieser  trage  eine  Waffe  unter  der  Tunica,  worauf  Milo 
sich  entblößte  und  die  Unwahrheit  der  Beschuldigung  nachwies*). 
Bei  dem  Prozeß  auf  dem  Forum  nahm  Pompejus  in  Hörweite3) 
gegenüber  beim  Aerarium  Platz,  von  einer  starken  Besatzung 
umgeben,  und  sorgte,  als  beim  Beginn  des  Zeugenverhörs  am 
4.  April  der  Pöbel  ein  wüstes  Geschrei  erhob,  für  Ruhe  und 
ordnungsmäßigen  Verlauf  der  Verhandlung.  Dus  Zeugenverhör 
dauerte  dem  Gesetz  gemäß  drei  Tage;  dann  folgte  am  8.  die 
Auslosung  der  Geschworenen  und  die  Plädoyers.  Für  diesen  Tag 
hatte  Pompejus  das  Truppeuaufgebot  noch  verstärkt  und  alle 
Tempel  besetzen  lassen');  aber  Plancus  hatte  tags  zuvor  die 
Menge  aufgefordert,  in  Masse  zu  erscheinen  und  nicht  zu  dulden, 
daß  Milo  ihnen  entschlüpfe8).  Als  dann  Cicero,  durch  Milo  vor- 
sichtig erst  im  letzten  Moment  in  einer  Sänfte  herbeigeführt, 


')  Ascon.  p.  42  und  schol.  Bob.  pro  Mil.  argum.  Quintil.  III  6,  93. 
X  1,  28.  5,  20  (Meter,  Orat.  Rom.  fragmenta  p.  447).  Cicero  §§  72  ff.  fahrt 
diesen  Gedanken  als  Fiktion  aus,  der  leider  der  Wahrheit  nicht  ent- 
spreche: de  motte  Clodii,  si  tarn  noliem  ita  diluere  crimen  ut  düui, 
tarnen  impune  Miloni  palam  clamare  ac  mentiri  gloriose  liceret: 
occidi,  occidi  non  Sp.  Maelium  . .  non  Tiberinm  Oracchum  . . .,  sed 
eum  —  änderet  enim  dicere,  cum  patriam  periculo  suo  liberaaset  — . 
cuius  nefandum  adulierium  cet.   Vgl.  §  6. 

*)  Cic.  pro  Mil.  66  f.  Ascon.  p.  37  f.  und  p.  39  init. 

*)  Cic.  pro  Mil.  67  Ol.  Pompei,  te  enim  iam  appeilo,  et  ea  voce, 
tU  me  exaudire  possis,  vgl.  71. 

*)  Cic.  pro  Mil.  2.  71.  101. 

sf  Cic.  pro  Mil.  3.  71.  Plut.  Cic.  35. 


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236 


Dm  Principat  des  Pompejus 


seine  Rede  beginnen  wollte,  erhob  sich  ein  wüstes  Geschrei,  so  <UQ 
die  Truppen  einschreiten  mußten  und  es  zu  Blutvergießen  kam1). 
Dies,  sowie  der  ungewohnte  Anblick  der  Soldaten  brachte  ihn  so  in 
Verwirrung,  daß  er  alle  Haltung  verlor  und  von  der  schön  vor- 
bereiteten Rede  kaum  etwas  zusammenhanglos  und  stammelnd 
vorbringen  konnte2;.  Milo  wurde  mit  großer  Majorität  verurteilt1); 
tinter  den  wenigen  Freisprechenden  war  zweifellos  Cato,  der  seine 
Abstimmung  offen  gezeigt  haben  soll4).  Milo  ging  ins  Exil  nach 
Massalia,  ohne  sich  bei  den  weiteren  Prozessen  zu  stellen ;  so  wurde  er 
auch  wegen  Wahlumtriebe,  wegen  unerlaubter  Clubs  und  nochmals 
wegen  Gewalttat  verurteilt.  Seine  Vermögensverhältnisse  waren  so 
zerrüttet,  daß  bei  dem  Verkauf  seines  Besitzes  die  Gläubiger  von 
den  70  Mill.  Sestertien  Schulden,  auf  die  er  es  glücklich  gebracht 
hatte,  nur  den  vierundzwanzigsten  Teil  (4l'j,%)  erhielten4). 


«)  Dio  40,  53. 

*)  Plut.  Cic.  53.  Dio  40,  54.  Ascon.  p.  42  Üaque  non  ea  qua  solitus 
erat  constantia  dixit.  mattet  autein  illa  quoque  excepta  eius  oratio; 
und  scharfer  schol.  Bob.  argum.  in  Mil.  exstat  alius  praeterea  Uber 
actorum  pro  Milone,  in  quo  omnia  interrupta  et  inpolita  et  rudia, 
plena  denique  maximi  terrorig  agnoscas.  Quint  IV  3.  17.  Die  viel- 
gepriesene Rede  pro  Milone  ist  in  Wirklichkeit  ein  traurig  nachhinken- 
des Produkt  der  Studierstube,  mit  dem  er  sich  herauszureißen  suchte, 
als  nicht«  mehr  gut  zu  machen  war.  Vgl.  Milos  bekannten  Spott  (Dio 
40,  54),  er  sei  dankbar,  daß  Cicero  diese  Rede  nicht  gehalten  habe, 
denn  sonst  würde  er  jetzt  nicht  in  Massalia  so  schöne  Seebarben  essen. 
Auf  die  geschriebene,  nicht  auf  die  wirklich  gehaltene  Rede  bezieht 
sich  Cicero  de  opt.  gen.  or.  10  si  eodem  modo  putant  exeicitu  in  foro 
ei  in  omnibus  templis,  quae  circum  forum  sunt,  conlocato  dici  pro 
Milone  deeuisse,  ut  si  de  re  privata  ad  unum  iudicem  diceremus, 
vim  eloquentiae  sua  facultate,  non  rei  natura  metiuntur.  Daß  Milos 
Sache  faul  war,  wußte  er  selbst  sehr  gut:  ad  Att.  IX  7,  8. 

')  Ascon.  p.  58:  12  gegen  6  Senatoren.  18  gegen  4  Ritter,  18  gegen 
8  Aerartribunen. 

*)  Ascon.  p.  58.  Velleius  II  47,  5. 

')  Ascon.  p.  54  bona  eiuspropteraerisalienimagnitudinemsemuncia 
venierunt.  Das  Verständnis  dieser  Angabe,  die  ich  in  der  ersten  Auf- 
ing« gunx  falsch  aufgefaßt  hatte,  verdanke  ich  E.  Seckel:  .Die  bonorum 
venditio  fuhrt  zur  (praetorischen)  üniversalsuccession  des  bonorum 
emptor,  also  «um  Erwerb  des  Vermögens  mit  den  Aktiven  und  Passiven. 


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Verurteilungen  der  Demokraten  und  Anarchisten 


237 


Wenn  bei  Milo  Pompejus  die  Verurteilung  gegen  die  Nobilität 
durchsetzte,  so  verliefen  die  übrigen  Prozesse  ganz  nach  deren 
Wunsche.  Sauf  ejus,  der  die  Bande  Milos  bei  der  Mordtat  ge- 
führt hatte,  wurde  zweimal  freigesprochen,  dagegen  Sextus 
Clodius,  der  die  Leiche  des  Volksmanns  in  die  Curie  gebracht 
hatte,  mit  allen  gegen  fünf  Stimmen  verurteilt,  und  ebenso  viele 
andre  Godianer1).  Dasselbe  Schicksal  traf  den  Hypsaeus,  den 
bisherigen  Kandidaten  des  Pompejus,  den  dieser  jetzt  kühl 
fallen  ließ,  und  von  den  Bewerbern  des  Vorjahrs  den  Memmiue 
und  den  Soaurus;  bei  letzterem,  der  durch  seine  Spiele  die  Volks- 
gunst gewonnen  hatte,  mußten  Pompejus'  Soldaten  gegen  die 
Menge  einschreiten,  die  die  Niederschlagung  des  Prozesses  oder 
die  Freisprechung  forderte.  Als  dann  aber  Memmius  den  Metellus 
Scipio  wegen  Wahlumtriebe  anklagte,  um  dadurch,  nach  einer 
Bestimmung  des  pompejischen  Gesetzes,  selbst  seiner  Strafe  ledig 
zu  werden,  nahm  Pompejus  den  Angeklagten,  dessen  Tochter 
Cornelia  er  gleich  nach  Antritt  seines  Consulats  geheiratet  hatte*), 
in  Schutz:  er  legte  Trauergewand  an  und  lud  die  Richter  z'i 
sich,  um  sie  zu  gewinnen,  so  daß  Memmius  die  Klage  als  aus- 
sichtslos fallen  ließ3).    Zu  Ende  des  Jahres,  nach  Ablauf  ihres 

Der  sogenannte  Kaufpreis  besteht  nicht  in  einer  festen,  an  den  Konkurs- 
verwalter (magister)  zu  zahlenden  Summe,  sondern  in  Prozenten,  welche 
die  Konkursgläubiger  auf  ihre  Forderungen  gegen  den  bonorum  emptor 
von  diesem  zu  bekommen  haben ,  hier  also  4  '/• 0  o  des  Nominalbetrags 
ihrer  Forderungen."  Daß  Milos  Schulden  sich  auf  die  ungeheure  Summe 
von  70  Mill.  beliefen,  berichtet  Plin.  86,  104.  Sein  Aktivvermögen  wird 
mithin  von  dem  Massenkänfer  für  rund  3  Mill.  (genauer  wäre  2,96r>666; 
aber  die  70  Mill.  sind  offenbar  abgerundet)  übernommen,  und  wird  etwas 
höher  gewesen  sein,  da  das  Entgelt  für  Mühe  und  Risiko  sowie  der  Unter- 
nehmergewinn des  emptor  hinzuzurechnen  ist.  Milos  Schulden  gingen 
noch  weit  Ober  die  Caesars  (S.  5P.  1)  hinaus.  —  Von  den  anschließenden 
Geschäften  ist  in  Ciceros  Briefen  an  Atticus  noch  mehrfach  die  Redl? 
(V  8,  2.  VI  4.  5.  7),  ebenso  Caelius  ad  fam.  VIII  8,  2. 

')  Ascon.  p.  55  multi  praeterea  et  praesentes  et  cum  eitati  non 
respondutsent,  damnatt  sunt ;  esc  quibtts  maxima  parsfuü  Clodianorum. 

*)  Flut.  Pomp.  55  gibt  das  Datum. 

*)  Aufzählung  der  Prozesse  bei  Appian  II  24  (natürlich  hat  es  da- 
neben noch  manche  andere  gegeben}.  Hypsaeus  und  Scipio  auch  Plut. 
Pomp.  55.  Dio  40,  58.  Val.  Max.  IX  5,  3. 


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223 


Dus  Principat  des  Pompejus 


willen  nach  Ravenna1)  in  die  östlichste,  Rom  am  nächsten  ge- 
legene Grenzstadt  seiner  Provinz.  Aber  an  die  Übernahme  des 
Consulats  war  nicht  mehr  zu  denken;  statt  dessen  war  ihm  die 
Aufgabe  gestellt,  sein  Reich  wiederzuerobern,  das  sich  inzwischen 
in  ein  gallisches  Reich  unter  dem  Arvernerhäuptling  Vercingetorix 
umzuwandeln  im  Begriff  war. 

So  galt  es,  für  Caesar  ein  Äquivalent  zu  finden,  das  ihn  für 
die  von  Pompejus  beanspruchte  Konzession  entschädigte  und 
seine  Zukunft  sicherte,  und  zugleich  diesem  den  Druck  zur  Ver- 
fügung stellte,  den  Caesar  noch  immer  auf  Rom  ausübte.  Uber 
dies  Äquivalent  ist  lange  gefeilscht  worden.  Caesars  Anerbieten, 
durch  neue  Verschwägerungen  das  alte  Bündnis  zu  bekräftigen 
—  Pompejus  sollte  Caesars  Großnichte  Octavia  heiraten,  die  mit 
C.  Marcellus  vermählt  war,  Caesar  wollte  sich  von  Calpurnia 
scheiden  und  Pompejus'  Tochter,  bisher  die  Gemahlin  des  Faustus 
Sulla,  heiraten»)  -  lehnte  Pompejus  ab;  damit  gab  er  deutlich 
zu  erkennen,  daß  er  für  die  Zukunft  nicht  gebunden  sein  wollte. 
Schließlich  einigte  man  sich  darauf,  daß  Caesar  gestattet  sein 
solle,  sich  nach  Ablauf  des  gesetzlichen  zehnjährigen  Intervalls 
für  das  Jahr  48  abwesend  um  das  Consulat  zu  bewerben,  wobei 
die  selbstverständliche  Voraussetzung  war,  daß  er  seine  Pro- 
vinzen bis  zum  Ende  des  Jahres  49  behalten  werde;  ein  dahin- 
gehendes Gesetz  sollte  von  allen  zehn  Tribunen  eingebracht,  seine 
Annahme  durch  Pompejus  gesichert  werden.  Auf  Pompejus' 
Veranlassung  ging  Cicero  nach  Ravenna,  um  mit  Caesar  zu  ver- 
handeln; ihm  gegenüber  verbürgte  er  sich  für  das  Verhalten  des 
Tribunen  Caelius,  des  einzigen,  von  dem  eventuell  eine  Iuter- 
cession  zu  befürchten  war3). 

')  Cic,  Att.  Vn  1,4  (s.  o.  A.  3).  Florus  I  45,  22  bei  Vercingetorix' 
Aufstand:  absens  erat  Urne  Caesar  Ravennae  dileetwn  agens. 

*)  Sueton  Caes.  27  ad  retinendam  autem  Ponipei  necessitudinem 
ac  voluntatem  Octaviam  sororis  sitae  nepotem,  quae  Oaio  Marcello 
nupta  erat,  condicioneni  ei  detulii,  sibique  flliam  eius  in  matri- 
monium  pelit  Fausto  Sttllae  destinatam  [in  Wirklichkeit  war  sie 
schon  mit  diesem,  dem  Schwager  Milos,  vermählt  Drümah»  IV*  592]. 

■)  Cic.  ad  Att.  VII  1,  4  (16.  Oktober  50)  im  Anschluß  an  die  Frage, 
ob  bei  den  bevorstehenden  Verhandlungen  der  Anspruch  auf  abwesende 


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Pompejus  alleiniger  Consul 


229 


Nachdem  man  sich  endlich  geeinigt  hatte,  kamen  die  Dinge 
in  raschen  Fluß.  Natürlich  waren,  wie  später  bei  der  Über- 
tragung des  Principats  an  Augustus,  für  die  entscheidende  Senats- 
sitzung die  Maßregeln  im  voraus  festgelegt  und  die  Rollen  ver- 
teilt. Bibulus  stellte  den  Antrag,  den  Pompejus  zwar  nicht  zum 
Dictator  —  mit  diesem  Titel  waren  durch  Sullas  Regiment  zu 
häßliche  Erinnerungen  verknüpft,  so  daß  er  allgemein  verab- 
scheut wurde  — ,  wohl  aber  zum  alleinigen  Consul  zu  erwählen. 
Cato  sekundierte ,  zur  großen  Überraschung  der  Nichtein- 
geweihten:  er  habe  zwar  einen  derartigen  Antrag  selbst  nicht 
stellen  können,  aber  er  stimme  zu;  denn  jedes  Regiment  sei 
besser  als  die  Anarchie,  und  von  Pompejus  dürfe  man  erwarten, 
daß  er  die  ihm  anvertraute  Stellung  besser  ab  irgend  ein  andrer 
verwalten  und  das  Gemeinwesen  wieder  in  geordnete  Verhält- 
nisse überführen  werde.  Der  Beschluß  wurde  angenommen,  der 
die  Comitden  anwies,  den  Pompejus  und  zwar  ihn  allein  zum 
Consul  zu  wählen,  und  die  Klausel  hinzufügte,  daß  Pompejus 
nicht  befugt  sein  solle,  vor  Ablauf  von  zwei  Monaten  sich  einen 
Kollegen  wählen  zu  lassen,  falls  das  sich  als  wünschenswert  er- 
weisen sollte1). 

Darauf  wurde  Pompejus  am  24.  des  Intercalaris,  dem 
5.  Februar  julianisch,  von  den  Comitien  unter  Leitung  des 
Interrex  Servius  Sulpicius  gewählt  und  trat  sein  Amt  sofort 
an2).  Durch  den  Wegfall  der  Kollegialität  war  wie  beim  Dictator 

Bewerbung  anerkannt  werden  solle:  quid  dicam?  . . .  contra  Caesarem? 
tibi  sunt  Mae  tensae  dexterae?  nam  ut  Uli  hoc  liceret,  adiuvi,  ro- 
gatus  ab  ipso  Ravennae  de  Caeiio  tribuno  pl.,  ab  ipso  autem  ?  etiam 
a  Onaeo  nostro  in  Mo  divino  tertio  consulatu.  Diese  glücklich  er- 
haltene Notiz  wirft  ein  hellet»  Schlaglicht  auf  die  Situation  und  die 
Vorgänge  hinter  den  Kulissen.  Daß  Cicero  in  der  zweiten  Philippica  24 
sagt .  er  habe  Pompejus  geraten  ne  pateretur  ferri,  ut  absentia  eins 
(Caesaris)  ratio  haberetur,  mag  formell  richtig  sein;  aber  wie  der  Brief 
an  Atticus  zeigt,  hat  er  sich  gefugt  und  mitgewirkt. 

')  Plut.  Pomp.  54  =  Cato  47.  App.  II  28.  84.  Dio  40,  50.  4.  Ascon. 
p.  87.  Sueton  Caes.  26  cum  senatus  unum  consulem  noininatimque 
Qmv  um  Pompeium  fleri  censuisset 

*,  VKal.  Mart.  Mense  Intercalario  Ascon.  p.  37.  —  Liv.  ep.  107 
a  stnatu  consul  tertio  f actus  est  absens  et  solus;  er  blieb  eben  vor 


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280 


Das  Principat  des  Pompajua 


und  beim  König  die  gesamte  Amtsgewalt  der  Republik  in  seiner 
Hand  vereinigt.  Daß  er  sie  im  Sinne  des  Senats  und  der  Nobilität 
führen  werde,  bekräftigte  er  dadurch,  daß  er  den  Cato  sofort 
zu  sich  in  seine  vorstädtische  Wohnung  lud  und  ihn  bat,  ihn 
auf  alle  Weise  mit  Rat  und  Tat  zu  unterstützen.  Cato  suchte 
in  seiner  Antwort  die  eingenommene  Haltung  zu  wahren :  privatim 
werde  er,  wenn  befragt,  bereitwillig  Rat  erteilen,  aber  so  wenig 
er  früher  aus  persönlicher  Feindschaft  dem  Pompejus  opponiert 
habe,  sondern  nur  um  des  Staatswohls  willen,  so  wenig  könne 
er  jetzt  ihm  zu  Gefallen  reden;  für  die  öffentlichen  Verhand- 
lungen müsse  er  sich  seine  Unabhängigkeit  vorbehalten1).  Gleich 
darauf,  am  26.  Intercalaris*),  stellte  Pompejus  im  Senat  zwei  neue 
Gesetze  zur  Diskussion,  ein  Spezialgesetz  für  die  Untersuchung 
und  Bestrafung  der  Mordtat  auf  der  Via  Appia,  des  Brandes  der 
Curie  und  des  Angriffes  auf  das  Haus  des  Interrex  Lepidus,  ein 
anderes  umfassendes  gegen  die  Wahlumtriebe;  in  beiden  Ge- 
setzen wurde  das  Prozeßverfahren  verkürzt,  das  Zeugenverhör 
auf  drei  Tage  beschränkt,  der  Unfug  der  Charakterzeugen  ver- 
pönt und  die  Schluß  Verhandlung  auf  einen  einzigen  Tag  zu- 
sammengedrängt, der  Anklage  zwei,  der  Verteidigung  drei 
Stunden  zur  Verfügung  gestellt.  Die  Aufstellung  des  360  Nameu 
umfassenden  Richteralbums  wurde  ausschließlich  in  die  Hände 
des  Pompejus  gelegt,  als  des  einzigen  zurzeit  vorhandenen 
Oberbeamten;  denn  Praetoren  gab  es  noch  nicht  wieder.  Für 
jeden  Prozeß  sollten  81  Richter  ausgelost  werden,  von  denen 
die  Parteien  je  fünf  aus  jedem  der  drei  Stände  ablehnen  durften, 
so  daß  der  Gerichtshof  aus  51  Richtern  gebildet  wurde.  Der 
Untersuchungsrichter  für  die  Mordtat  sollte  dagegen  von  den 

der  Wahl  anßerhalb  des  offiziellen,  staatsrechtlichen  Stadtbek ,  in 
dem  sonst  der  Kandidat  anwesend  sein  maßte. 
')  Plat.  Cato  48  =  Pomp.  54. 

*)  deinde  post  dient  tertium  (nach  der  Wahl)  de  legibus  novis 
ferendis  rettulit,  Ascon.  p.  87.  Das  ist  nach  gewöhnlicher  Ausdrucks- 
weiae  zwei  Tage  nachher,  also  am  26.;  der  Beschluß  des  Senat«  erfolgte 
mich  Ascon.  zu  §  14  pridie  Kai.  Mart.,  also  am  folgenden  Tage,  dem 
'27.  Interc.  Magni  Pompei  in  teriio  consulatu  exiat  edictum  in  tuvtuUu 
necis  Clodianae  prohibanüs  uUum  telum  esse  in  urbe.   Plin.  84,  13«. 


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Pompeja»'  GeeeUe  Ober  die  Gerichte  and  die  Wahlen  231 

Comitien  aus  den  Consularen  gewählt  werden1).  Die  Verhand- 
lung führte  zu  erregten  Diskussionen.  Der  Tribun  Caelius  er- 
klärte die  Maßregeln  für  ein  Ausnahmegesetz  (privüegium)  gegen 
Milo  und  wollte  intercediereu,  bis  schließlich  Pompejus  erklärte, 
wenn  man  ihn  zwinge,  werde  er  zur  Verteidigung  des  Staats  zu 
den  Waffen  greifen2).  Hortensius  hielt  ein  neues  Gesetz  für  über- 
flüssig; es  genüge  ein  Verfahren  außerhalb  des  Turnus  {extra 
ordinem)  vor  dem  Untersuchungsrichter,  aber  auf  Grund  der 
bestehenden  Gesetze.  Der  Senat  war  am  27.  Intercalaris  bereit, 
darauf  einzugehn;  aber  auf  die  Forderung  des  Q.  Fuf  ins  Calenus, 
eines  eifrigen  Anhängers  des  Caesar  und  Clodius  (oben  S.  81),  wurde 
der  Antrag  zerlegt,  das  außerordentliche  Verfahren  beschlossen, 
der  zweite  Teil,  die  Beibehaltung  der  bisherigen  G.  setze,  durch 
Intercession  des  Plancus  und  Sillust  zu  Fall  gebracht.  So  blieb 
dem  Sanat  nichts  übrig,  ab  der  Forderung  des  Pompejus  zuzu- 
stimmen; zugleich  wurde  erklärt,  daß  die  Mordtat  und  die  an- 
schließenden Ereignisse  das  Staatsinteresse  geschädigt  hätten 
(contra  remjntblicam  esse  facta)') 

')  Ascon.  p.  37.  40  (vgl.  zu  §  14).  Dio  40,  52.  Plut.  Pomp.  55  tal? 
tdiv  JtupoSoxiwv  xal  fcixaofiwv  iittoti«;  xai  vo(lou;  fpd^<, 
x«**  o8{  ai  xpton«  Iftvovro  =  App.  II  28,  87  oixa$  xpouxtdti  twv  «  £XX<uv 
dtpLaprrjp/rruiv  xal  (idXeata  8u>po8oxiac  x a i  8ixaap.o&.  Bei  Ascon.  p.  89 
hat  Möhnsen,  Staatsrecht  II 1  647,  2  (II '  646,  8)  die  Emendation  albtttn 
(cod.  aliorum)  quoque  hidicum,  qtä  de  ea  re  iudicarent,  Pompcius 
tale  (cod.  tales)  propomit,  ut  nunquam  neque  clariores  viros  neque 
sanctiores  propositos  esse  constaret  mit  Unrecht  bestritten :  vgl.  Cic 
pro  Mil.  21. 105.  faui.  VII  2,  8.  PInt.  Pomp.  55.  Dio  40,  52,  2.  Mommsrn 
will  seltsamerweise  nachweisen,  dali  der  Quaesitor  zugleich  als  Richter 
mitgestimmt  habe.  —  Die  51  Richter  waren  so  verteilt,  daß  18  Sena- 
toren, 17  Ritter,  16  Aerartribunen  den  Gerichtshof  bildeten  (Ascon. 
p.  58.  54);  so  kam  der  Vorrang  des  Senats  xum  Ausdruck. 

*)  Ascon.  p.  87. 

*)  Cic.  pro  Mil.  12  ff.,  dem  dieser  Beschluß,  für  den  er  doch  selbst 
gestimmt  hat  (ego  ipse  decrevi),  natürlich  sehr  unangenehm  ist,  und 
dazu  Asconius  ta  §  14.  Am  nächsten  Tage,  dem  1.  Mar«,  berichtete 
Plancus  Ober  diese  Vorgänge  in  einer  Volksversammlung.  In  derselben 
Versammlung  behauptete  Plancus,  Milo  habe  nach  der  Mordtat  vier 
freie  Manner,  die  vorüberkamen,  festgenommen  und  swei  Monate  lang 
(vom  18.  Januar  =  8.  Dezember  jul.  bi.«  1.  Mar«  =  9.  Februar  jul.)  in 


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232 


Im*  Principat  dee  Pompejae 


Auch  das  Gesetz  über  die  Wahlumtriebe  fand  starken  Wider- 
spruch. Pompejus  hatte  ihm  rückwirkende  Kraft  für  alle  Wahlen 
bis  au  seinem  ersten  Consulat  im  Jahre  70  hinauf  verliehn.  Cato 
erklärte  sich  dagegen,  man  solle  das  Vergangene  ruhn  lassen 
und  statt  dessen  für  die  Zukunft  sorgen;  es  werde  damit,  wie 
er  mit  Recht  betonte,  nur  unendlichen  Prozessen  der  Spielraum 
eröffnet,  und  es  sei  imbillig,  ein  verschärftes  Strafgesetz  auf 
Zeiten  anzuwenden,  wo  es  noch  nicht  bestand1).  Schwerer  fiel  der 
Einwand  der  Anhänger  Caesars  ins  Gewicht,  daß  auch  dessen 
Consulat  in  diesen  Zeitraum  falle;  Pompejus  wies  das  mit  wohl- 
gespielter Entrüstung  ab:  Caesar  sei  über  jeden  Verdacht  er- 
haben, überdies  falle  ja  auch  sein  eigenes  zweites  Consulat  unter 
das  Gesetz1). 

Schließlich  wurden  beide  Gesetze  vom  Senat  angenommen 
und  promulgiert;  die  Annahme  durch  die  Comitien  wird  unter 
Wahrung  der  gesetzlichen  Frist  des  Trinundinum  frühestens  am 
18.  März  (26.  Februar  julianisch)  erfolgt  sein.  Unmittelbar  darauf 
wurde  zum  Untersuchungsrichter  für  den  Mordprozeß  L.  Domitius 
Ahenobarbus  gewählt*),  der  bisher  die  Machthuber  so  eifrig  be- 
kämpft hatte;  auch  darin  trat,  da  die  Wahl  natürlich  von  Pom- 
pejus bewirkt  war,  die  Umgruppierung  der  Parteien  zutage.  Die 
Leitung  der  Wahlprozesse  erhielt  Aulus  Torquatus.  Vot  beiden 
Untersuchungsrichtern  wurde  die  Anklage  gegen  Milo  erhoben, 
und  der  Beginn  des  ersten  Prozesses  auf  den  4.  April  angesetzt4). 

Offenbar  gleichzeitig  mit  den  Gesetzen  des  Pompejus  haben 
die  Tribunen  den  Antrag  für  Caesar  eingebracht.  Cato  opponierte 

seiner  Villa  gefangen  gehalten.  Ein  wegen  Mordtaten  verdächtiger 
Sklave  Miios,  Galatas.  war  von  den  triumviri  capitales  festgenommen, 
wurde  aber  durch  die  Tribunen  Caelius  und  Manilius  Cumanus  befreit 
und  an  Milo  zurückgegeben,  Ascon.  p.  88. 

')  Plut.  Cato  48. 

*)  Appian  11  23. 

*)  Ascon.  p.  89  perlata  deinde  lege  Pompeia  . . .  sUtiim  comitia 
habita ,  creatusque  est  L.  Domitius  Ahenobarbus  quaesitor.  Cic  pro 
Mil.  22. 

*)  Ascon.  p.  40.  Die  Quaeaitores  für  andere  Gerichtehöfe  bei  Ascon. 
p.  54.  darunter  der  gewesene  Aedil  Favonius. 


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Geset«  der  Tribunen  für  Caesar.    Der  gallische  Aufstand  233 


auch  hier  und  suchte  das  Gesetz  durch  Obstruktionsreden  zu 
Fall  zu  bringen:  wenn  Caesar  seinerzeit  ein  zweites  Consulat 
wünsche,  solle  er,  wie  es  sich  gehöre,  nach  Niederlegung  seiner 
Statthalterschaft  als  Privatmann  nach  Rom  kommen  und  sich 
darum  bewerben.  Aber  Pompejus  war  gebunden  und  setzte  die 
Annahme  durch ;  er  erklärte,  einen  Brief  Caesars  erhalten  zu  haben, 
in  dem  dieser  den  Wunsch  ausspreche,  einen  Nachfolger  zu  er- 
halten und  die  Feldzüge  loszuwerden;  es  sei  aber  billig,  ihm 
das  Privileg  der  abwesenden  Bewerbung  zu  gewähren1). 

Caesar  hat  jedenfalls  die  Wahl  des  Pompejus,  wahrschein- 
lich auoh  noch  die  Annahme  des  Gesetzes  der  Tribunen  in  Italien 
abgewartet.  Dann  eilte  er,  frühestens  Ende  des  julianischen 
Februar,  über  die  Alpen1).    Es  war  die  höchste  Zeit;  denn 

')  Plut.  Pomp.  56,  der  dann  die  Erzählung  abbricht  und  mit  den 
Worten  oox  i4«pfoa<;>  ^XV  olov  •fjtnjfrtlc  &  nojui-fjio;  uitottto?  -/jv  p.&XXov  u»v 
E'fp6v»i  ntp\  Katoxpo;  mit  einem  großen  Sprunge  unmittelbar  zu  den 
Vorgängen  de«  Jahres  50  übergeht.  Caesar  (bell.  civ.  I  82)  sagt  im 
Senat  im  März  49  latum  ab  X  tribunis  ptebis  contradicentibus  ini- 
jnicis,  Catone  vero  acerrime  repitfftiante  et  pristina  consuetudine 
dicendi  tnora  dies  extrahente,  ut  sui  ratio  absentis  haberetur,  ipso 
conxule  Pompeio;  qui  si  improbasset ,  cur  ferri  passus  esset?  Liv. 
ep.  107.  Sueton  Caes.  26.  Dio  40,  51.  Cic.  ad  Att.  VIII  3,  3  idem  (Pom- 
neius)  etiam  tertio  consulatu,  postquam  esse  defensor  reipublicae 
coepit,  contendit,  ut  decem  tribuni  pl.  ferrent,  ut  absentis  ratio  habe- 
retur; VII  8,  4  cur  tanto  opere  pugnatum  est,  ut  de  eius  absentis 
ratione  habenda  decem  tribuni  pl.  ferrent?  vgl.  VII  1,  4  oben  S.  229,  1. 
J)io  40,  51  bringt  das  Gesetz  an  richtiger  Stelle,  nach  Pompejus' 
Antritt;  Appian  II  25,  96  berichtet  es  erst  nach  der  Verurteilung  Milos 
nnd  der  Demokraten .  die  zu  Caesar  geflohn '  seien  und  ihn  vor  Pom- 
pejus gewarnt  hätten;  daß  es  in  weit  frühere  Zeit  gehört,  hat  zuerst 
wohl  Nissen,  Hist.  Z.  46,  188 1,  59  ff.  ausgesprochen.  Bei  Appian  wird 
es  offenbar  mit  den  an  Pompeius'  Gesetz  de  iure  magistratuum  an- 
knüpfenden Verhandlungen  zusammengeworfen. 

J)  Bell.  Gall.  VII  6  his  rebus  (Vercingetorix  Maßnahmen)  in 
Italiam  Caesari  nuntiatis,  cum  iam  ille  urbanas  res  virtute 
(  n.  Potnpei  commodiorem  in  staium  pervenisse  inteüegeret,  in  Trans- 
alpinam  Gattiam  profectus  est.  Caesar  möchte  den  Anschein  erwecken, 
als  sei  er  sofort  auf  die  Kunde  von  dem  Aufstand  nach  Gallien  geeilt 
und  hat  diese  Wirkung  auch  in  den  neueren  Darstellungen  Uberall  er- 
reicht, man  hat  es  eben  versäumt,  zwischen  den  Zeilen  zu  lesen;  dazu 


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234 


Das  Principat  de«  Pom  pejus 


inzwischen  hatte  Vercingetorix  den  Aufstand  überall  organisiert, 
ja  er  konnte  bereits  an  einen  Angriff  auf  die  römische  Provinz 
und  ihre  Hauptstadt  Narbo  denken1).  Die  Lage  war  so  bedenk- 
lieh,  daß  Caesar  die  Frage  erwog,  ob  er  nicht  die  Legionen  zum 
Schutz  der  Provinz  heranziehn  und  damit  tatsächlich  alle 
seine  Eroberungen  einstweilen  preisgeben  müsse*);  er  entschied 
sich  aber  doch,  zumal  er  die  Legionen  auf  dem  Marsch  einem 
Angriff  der  Feinde  ausgesetzt  haben  würde,  statt  dessen  nach 
Ergreifung  der  dringendsten  Schutzmaßregeln  für  die  Provinz 
in  die  Winterquartiere  zu  seinen  Truppen  zu  eilen  und  trotz 
der  ungünstigen  Jahreszeit  sofort  den  Feldzug  gegen  die  In- 
surgenten zu  beginnen. 

Während  Caesar  den  schweren  Kampf  gegen  die  Gallier 
führte,  ging  in  Rom  der  Prozeßkrieg  seinen  Gang.  Pompejus 
wünschte  natürlich  die  Verurteilung  Milos,  nicht  aus  rechtlichen 
Gründen,  obwohl  seine  Schuld  offenkundig  war,  sondern  aus 
politischen.  Denn  die  Zeiten,  wo  er  ihn,  im  Kampf  mit  Clodras, 
als  Gehilfen  benutzt  hatte,  waren  längst  vorbei,  mit  Clodras 
hatte  er  sich  versöhnt,  und  Caesar  verlangte  Milos  Bestrafung; 
vor  allem  aber  war  dieser  ein  rücksichtsloser  Agitator,  der  mit 
seinen  Banden  vor  nichts  zurückschreckte,  eben  so  schlimm  wie 
Clodius  und  die  wildesten  Anarchisten.  Daß  er  sich,  im  Gegen- 
satz zu  diesen,  der  Nobilität  zur  Verfügung  gestellt  hatte  und 
deren  Führer  ihn  zu  halten  suchten  und  den  Mord  als  segena- 

kommt  die  oft  nicht  genügend  beachtete  Abweichung  des  damaligen 
römischen  Kalenders  vom  julianischen.  Daß  in  Wirklichkeit  Caesar, 
nachdem  er  die  erste  Kunde  von  dem  Aufstand  erhalten  hatte,  noch 
lange  in  Italien  festgehalten  war,  verrat  sich  in  dem  Satz  VII  9,  4,  daß 
er  in  Vienna  die  Reiterei  tu  sich  nimmt,  quem  multie  ante  diebus 
eo  praemiserat.  -  Bei  Caesars  Ankunft  in  Frankreich  liegen  die  Ce- 
vennen  noch  in  tiefem  Schnee  (VII  8),  es  ist  noch  Winter  (reliquam 
partem  hiemis  VII  10,  1),  der  erst  mit  der  Einnahme  von  Avaricum  zu 
Ende  geht  (VII  82  iam  prope  hieme  confecta,  cum  ipso  omni  tem- 
pore ad  gerendum  bellum  vocaretur);  Avaricum  wird  also  etwa  gegen 
Ende  April  julianisch,  d.  i.  nach  Mitte  Mai  nach  römischem  Kaieuder, 
erobert  worden  sein. 

•)  Bell.  Gall.  VII  ö,  7. 

•)  Bell.  »all.  VII  6. 


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Verurteilung  Milos 


235 


reioh  für  den  Staat  priesen  —  so  redete  Cato,  und  sein  Neffe 
Brutus  hat  nachher  eine  Verteidigungsrede  für  Milo  geschrieben, 
in  der  er  sich  in  diesem  Sinne  offen  zu  seiner  Tat  bekannte1)  — , 
machte  seine  Beseitigung  nur  um  so  notwendiger;  nimmermehr 
durfte  Pompejus  zulassen,  daß  er  sich  doch  noch  das  Gonsulat 
gewann.  Er  hielt  daher  weiter  die  Fiktion  aufrecht,  daß  Milo 
ihm  nach  dem  Leben  trachte,  blieb  meist  in  seinem  Gartenhaus, 
geschützt  durch  eine  starke  Truppenschar,  und  entließ  einmal 
vorzeitig  den  Senat,  weil  er  ein  Attentat  Milos  fürchte;  in  der 
nächsten  Sitzung  behauptete  Cornificius,  einer  der  Ankläger 
Milos,  dieser  trage  eine  Waffe  unter  der  Tunioa,  worauf  Milo 
sich  entblößte  uud  die  Unwahrheit  der  Beschuldigung  nachwies*). 
Bei  dem  Prozeß  auf  dem  Forum  nahm  Pompejus  in  Hörweite8) 
gegenüber  beim  Aerarium  Platz,  von  einer  starken  Besatzung 
umgeben,  und  sorgte,  als  beim  Beginn  des  Zeugenverhörs  am 
4.  April  der  Pöbel  ein  wüstes  Geschrei  erhob,  für  Ruhe  und 
ordnungsmäßigen  Verlauf  der  Verhandlung.  Das  Zeugenverhör 
dauerte  dem  Gesetz  gemäß  drei  Tage;  dann  folgte  am  8.  die 
Auslosung  der  Geschworenen  und  die  Plädoyers.  Für  diesen  Tag 
hatte  Pompejus  das  Truppenaufgebot  noch  verstärkt  und  alle 
Tempel  besetzen  lassen4);  aber  Planous  hatte  tags  zuvor  die 
Menge  aufgefordert,  in  Masse  zu  erscheinen  und  nicht  zu  dulden, 
daß  Milo  ihnen  entschlüpfe6).  Ab  dann  Cicero,  durch  Milo  vor- 
sichtig erst  im  letzten  Moment  in  einer  Sänfte  herbeigeführt, 


')  Aeeon.  p.  42  und  schol.  Bob.  pro  Mil.  argnm.  Quintil.  III  6,  98. 
X  1,  28.  5,  20  (Msyer,  Orat.  Rom.  fragmeuta  p.  447).  Cicero  §§  72  ff.  führt 
diesen  Gedanken  als  Fiktion  aus,  der  leider  der  Wahrheit  nicht  ent- 
spreche:  de  morte  Clodii,  si  iam  noUem  ita  diluere  crimen  ut  düui, 
tarnen  impune  Miloni  palam  clamure  ac  mentiri  gloriose  liceret: 
occidi,  occidi  non  8p.  Maelium  . .  .,  non  Tiberium  Gracchum  . . .,  sed 
eum  —  änderet  enim  dicere,  cum  patriam  periculo  suo  liberusset  — , 
cuiuü  nefandum  adulterium  cet.   Vgl.  §  6. 

')  Cic.  pro  Mil.  66  f.  Ascon.  p.  37  f.  nnd  p.  39  init. 

8)  Cic.  pro  Mil.  67  Cn.  Pompei,  te  enim  iam  appello,  et  ea  voce, 
ut  me  exaudire  possis,  vgl.  71. 

*)  Cic.  pro  Mil.  2.  71.  101. 

Cic.  pro  Mil.  8.  71.  Plut.  Cic.  35. 


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236 


Dm  Principat  des  Pompejus 


seine  Rede  beginnen  wollte,  erhob  sich  ein  wüstes  Geschrei,  so  daß 
die  Truppen  einschreiten  mußten  und  es  zu  Blutvergießen  kam1). 
Dies,  sowie  der  ungewohnte  Anblick  der  Soldaten  brachte  ihn  so  in 
Verwirrung,  daß  er  alle  Haltung  verlor  und  von  der  schön  vor- 
bereiteten Rede  kaum  etwas  zusammenhanglos  und  stammelnd 
vorbringen  konnte2).  Milo  wurde  mit  großer  Majorität  verurteilt3) ; 
unter  den  wenigen  Freisprechenden  war  zweifellos  Cato,  der  seine 
Abstimmung  offen  gezeigt  haben  soll4).  Milo  ging  ins  Exil  nach 
Massalia,  ohne  sich  bei  den  weiteren  Prozessen  zu  stellen ;  so  wurde  er 
auch  wegen  Wahlumtriebe,  wegen  unerlaubter  Clubs  und  nochmals 
wegen  Gewalttat  verurteilt.  Seine  Verraögensverhältnisse  waren  so 
zerrüttet,  daß  bei  dem  Verkauf  seines  Besitzes  die  Gläubiger  von 
den  70  Mill.  Sestertien  Schulden,  auf  die  er  es  glücklich  gebracht 
hatte,  nur  den  vierundzwanzigsten  Teil  (4V/a%)  erhielten*). 


«)  Dio  40,  58. 

T)  Plut.  Cic.  53.  Dio  40,  54.  Aecon.  p.  42  itaque  non  ea  qua  solitus 
erat  constantia  dixit.  manet  autem  illa  quoque  excepta  eins  oratio; 
und  scharfer  schol.  Bob.  argum.  in  Mil.  exstat  alius  praeterea  Uber 
actorum  pro  Milone,  in  quo  omnia  interrupta  et  inpolita  et  rudia, 
pleno  denique  maximi  terroris  agnoscas.  Quint.  IV  8,  17.  Die  viel- 
gepriesene Rede  pro  Milone  ist  in  Wirklichkeit  ein  traurig  nachhinken- 
de» Produkt  der  Studierstube,  mit  dem  er  «ich  herauszureißen  suchte, 
als  nichts  mehr  gut  zu  machen  war.  Vgl.  Milos  bekannten  Spott  (Dio 
40,  54),  er  sei  dankbar,  daß  Cicero  diese  Rede  nicht  gehalten  habe, 
denn  sonst  würde  er  jetzt  nicht  in  Massalia  so  schöne  Seebarben  essen. 
Auf  die  geschriebene,  nicht  auf  die  wirklich  gehaltene  Rede  bezieht 
sich  Cicero  de  opt.  gen.  or.  10  si  eodem  modo  putant  exereüu  in  foro 
et  in  omnibus  templis,  quae  circum  forum  sunt,  conlocato  dici  pro 
Milone  deeuisse,  ut  si  de  re  privaia  ad  unum  iudicem  diceremus, 
vim  eloquentiae  sua  facultate,  non  rei  natura  metiuntur.  Daß  Milo« 
Sache  faul  war,  wußte  er  selbst  sehr  gut:  ad  Att.  IX  7,  8. 

*)  Ascon.  p.  58:  12  gegen  6  Senatoren.  18  gegen  4  Ritter,  18  gegen 
3  Aorartribunen. 

*)  Ascon.  p.  58.  Velleius  II  47,  f>. 

»)  Ascon. p.54  bona  eiuspropteraerisalienimagnitudinemsemuncia 
venierunt.  Das  Verst&ndnis  dieser  Angabe,  die  ich  in  der  ersten  Auf- 
lage ganz  falsch  aufgefaßt  hatte,  verdanke  ich  K.  Seckel:  „Die  bonorum 
venditio  führt  zur  (praetorischen)  Universalsuccession  des  bonorum 
emplor,  also  zum  Erwerb  des  Vermögens  mit  den  Aktiven  und  Passiven. 


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Verurteilungen  dor  Demokraten  und  Anarchisten 


2:.$7 


Wenn  bei  Milo  Poinpejus  die  Verurteilung  gegen  die  Nobilität 
durchsetzte,  so  verliefen  die  übrigen  Prozesse  ganz  nach  deren 
Wunsche.  Siufejus,  der  die  Bande  Milos  bei  der  Mordtat  ge- 
führt hatte,  wurde  zweimal  freigesprochen,  dagegen  Sextus 
Clodius,  der  die  Leiche  des  Volksmanns  in  die  Curie  gebracht 
hatte,  mit  allen  gegen  fünf  Stimmen  verurteilt,  und  ebenso  viele 
andre  Clodianer1).  Dasselbe  Schicksal  traf  den  Hypsaeus,  den 
bisherigen  Kandidaten  des  Pompejus,  den  dieser  jetzt  kühl 
fallen  Heß,  und  von  den  Bewerbern  des  Vorjahrs  den  Memmiut 
und  den  Soaurus ;  bei  letzterem,  der  durch  seine  Spiele  die  Volks- 
gunst  gewonnen  hatte,  mußten  Pompejus'  Soldaten  gegen  die 
Menge  einschreiten,  die  die  Niederschlagung  des  Prozesses  oder 
die  Freisprechung  forderte.  Als  dann  aber  Memmius  den  Metellu* 
Scipio  wegen  Wahlumtriebe  anklagte,  um  dadurch,  nach  einer 
Bestimmung  des  pompejischen  Gesetzes,  selbst  seiner  Strafe  ledig 
zu  werden,  nahm  Pompejus  den  Angeklagten,  dessen  Tochter 
Cornelia  er  gleich  nach  Antritt  seines  Consulats  geheiratet  hatte*), 
in  Schutz:  er  legte  Trauergewand  au  und  lud  die  Richter  z'i 
sich,  um  sie  zu  gewinnen,  so  daß  Memmius  die  Klage  als  aus- 
sichtslos fallen  ließ8).    Zu  Ende  des  Jahres,  nach  Ablauf  ihres 

Der  sogenannte  Kaufpreis  besteht  nicht  in  einer  festen,  an  den  Konkure- 
verwalter (magister)  zu  zahlenden  Summe.  Bondern  in  Prozenten,  welche 
die  Konkursgläubiger  auf  ihre  Forderungen  gegen  den  bonorum  emptor 
von  diesem  zu  bekommen  haben ,  hier  also  4  V*  %  des  Nominalbetrag* 
ihrer  Forderungen."  Daß  Milos  Schulden  sich  auf  die  ungeheure  Summe 
von  70  Mill.  beliefen,  berichtet  Plin.  86,  104.  Sein  Aktivvermögen  wird 
mithin  von  dem  Massenkäufer  für  rund  3  Mill.  (genauer  wäre  2,96^  666 ; 
aber  die  70  Mill.  sind  offenbar  abgerundet)  übernommen,  und  wird  etwas 
höher  gewesen  sein,  da  das  Entgelt  för  Mühe  und  Risiko  sowie  der  Unter- 
nehmergewinn des  emptor  hinzuzurechnen  ist.  Milos  Schulden  gingen 
noch  weit  über  die  Caesars  (S.  5R,  1)  hinaus.  —  Von  den  anschließenden 
Geschäften  ist  in  Ciceros  Briefen  an  Atticus  noch  mehrfach  die  Rede 
(V  8,  2.  VI  4.  5.  7),  ebenso  Caelius  ad  fam.  VIII  8,  2. 

')  Ascon.  p.  55  midti  praelerea  et  praesentes  et  cum  cüati  non 
respondissent,  damnatisunt;  ex  quibus  maxima  parsfuit  Clodianorum. 

*)  Plut.  Pomp.  55  gibt  das  Datum. 

')  Aufzählung  der  Prozesse  bei  Appian  II  24  (natürlich  hat  es  da- 
neben noch  manche  andere  gegeben).  Hypsaeus  und  Scipio  auch  Plut. 
Pomp.  55.  Dio  40,  58.  Val.  Max.  IX  5,  8. 


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238 


Das  Principal  das  Pompejus 


Tribunats,  worden  dann  auch  Q.  Pompe  jus  Hufua  und  T.  Mu- 
natius  Plancus  wegen  der  in  den  ersten  Monaten  erregten  Un- 
ruhen vor  Gericht  gezogen,  jener  durch  seinen  Kollegen  und 
eifrigen  Gegner  Caeüus1),  letzterer  durch  Cicero.  Für  ihn  setzte 
Pompe  jus  seinen  ganzen  Einfluß  ein,  ja  er  gab  ihm,  in  offen- 
kundiger Verletzung  seines  eigenen  Gesetzes,  ein  Charakter- 
zeugnis, bei  dessen  Verlesung  Cato  sich  die  Ohren  zuhielt;  er 
wurde  dann  von  Plancus  als  Richter  abgelehnt.  Aber  Pompejus 
vermochte  seinen  Schützling  diesmal  ebensowenig  zu  retten,  wie 
zwei  Jahre  zuvor  den  Gabinius;  vielmehr  bewirkte  seine  Ver- 
wendung nur,  daß  die  Richter  jetzt  erst  recht  entschlossen  waren, 
ihre  Unabhängigkeit  zu  zeigen.  Plancus  wurde  verurteilt;  er 
ging  zu  Caesar,  der  ihn  reich  beschenkte,  ins  Exil  nach  Ravenna*). 
Der  dritte  im  Bunde,  Salluat,  entging  der  Anklage;  spater,  im 
Jahre  50,  wurde  er  wegen  seines  Verhaltens  von  den  Censoren 
aus  dem  Senat  gestoßen. 

Die  beiden  Gesetze,  mit  denen  Pompejus  sein  Consulat  er- 
öffnete, hat  er  durch  zwei  weitere  ergänzt,  welche  die  Staats- 
verwaltung regulierten.  Das  eine  führte  den  im  Jahre  53  ge- 
faßten Senatsbeschluß  (S.  213)  aus,  daß  fortan  die  praetorischen 
und  consularischen  Statthalter  erst  fünf  Jahre  nach  Bekleidung 
des  städtischen  Amts  ihre  Provinz  erhalten  sollten»).  Das  andre 

■)  Val.  Max.  IV  2,  7,  Tgl.  Caelius  ad  fam.  VIII  1,  4.  Cic.  Brat  273 
Jf.  Caelius  .  .  .  quamdiu  auctoritati  tneae  paruit,  talia  iribunus 
plebis  fuit,  ui  nemo  contra  civium  perdüorum  populärem  turbu- 
leniamque  demeniiam  a  senatu  et  a  bonorum  causa  steterü  con- 
etantiue. 

*)  Cicero  an  M.  Marius  VII  2,  der  Qbor  Beinen  Erfolg  große  Freude 
bat,  ebenso  Über  die  Richter  qui  auei  sunt,  eum  contra  tantas  opes  eins, 
a  quo  ipsi  lecti  iudices  erant,  condemnare;  nach  Dio  40,  55  hntfe 
Cicero  hier  nicht  besser  geredet,  wie  bei  der  Verteidigung  Milos.  Das 
weitere  Plut.  Pomp.  55  =  Cato  48.  Val.  Max.  VI  2,  5.  Caelius  ad  fam. 

vni  i,  4.  cic.  Phii.  xm  27. 

*)  Dio  40,  56;  daß  er  40,  SO,  1  die  Entsendung  des  BibuluB  nach 
Syrien  im  Jahr  51  als  damit  im  Widerspruch  bezeichnet,  ist  eine  Flüch- 
tigkeit oder  Tielmehr  ein  Schreibfehler  (Bibuluo  «f*o»v  t4)<  EopU« 
«to  xaU«p  tyriftofitvov  jii)Uva  fi-frw  otparrrrfcv  Biwtev  ftr;«  tifrö? 

jiy>  «pi  xt|umt>  ftooc  1«  tä<  ifa  4jTS}ievi«c  l$i*v«;  statt  uoiwp  hatte 


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Pompeji»'  Gesetzgebung.    Wiederherstellung  der  Censur  289 

Gesetz,  de  iure  magistratuum,  muß  eine  umfassende  Regelung  der 
Befugnisse  der  Beamten  enthalten  haben;  erhalten  ist  davon 
leider  nichts  außer  der  einen  Bestimmung,  welche  für  jedes  Amt 
die  Anwesenheit  des  Bewerbers  in  Rom  vorschrieb1). 

Nachdem  seine  Autorität  genügend  gefestigt  war,  verzichtete 
Pompe  jus  nach  fünfmonatigem  monarchischem  Regiment  auf 
seine  alleinige  Gewalt,  und  ließ  sich  um  den  Anfang  August 
seinen  neuen  Schwiegervater  Metellus  Scipio  zum  Kollegen 
wühlen1).  Dieser  hat  noch  ein  Gesetz  durchgebracht,  welches 
die  durch  Clodius  verfügte  Beschränkung  der  Gensur  wieder  auf- 
hob: man  empfand  das  dringende  Bedürfnis,  den  Senat  und  die 
Ritterschaft  von  den  massenhaft  eingedrungenen  unwürdigen 
Elementen  zu  säubern8).  Indessen  als  dann  zwei  Jahre  darauf, 
im  Sommer  50,  wieder  Censoren  gewählt  wurden,  zeigte  sich, 
ebenso  wie  spater  im  Jahre  22  bei  dem  gleichartigen  Versuch 
des  Augustus,  daß  sie  der  Aufgabe  in  keiner  Weise  gewachsen 
waren  und  das  Amt  des  Sittenmeisters  der  Republik  sich  voll- 
ständig überlebt  hatte  —  das  Odium,  das  mit  seiner  Ausübung 
verbunden  war,  sagt  Dio,  war  so  groß,  daß  kein  Verständiger 
noch  nach  dem  Amt  strebte.  Appius  Claudius  und  Lucius  Piso, 
die  damals  gewählt  wurden,  haben  allerdings  zahlreiche  Sena- 
toren, darunter  den  Sallust,  und  Ritter  aus  den  Listen  gestrichen4) ; 

er  Ä«  oder  ahnlich  sagen  müssen).  Caesar  klagt  civ.  I  85,  9  in  se  iura 
magistratuum  commutari,  ne  ex  praetura  et  consulatu,  ut  Semper, 
sed  per  paucos  probati  ei  elecii  in  provincias  mittantur. 
•)  Dio  40.  56.  ßueton  Caes.  28. 

*)  Plnt.  Pomp.  55  JtpooüXtTO  oowipxovti  *öv  ntvfrtp&y  »l<  toö$  5jw- 
Xolsooc  itivts  ftf)v*«,  bestätigt  durch  die  Inschriften,  Drumakn  IV*  535,  5. 
Appian  II  25,  95  (&{  ffiv\  tä  xp^lCovra  c?}c  p.ovapxt'xc  Suopjhopiyoc).  Dio 
40,  51,  2.  —  Erw&hnt  werden  mag  noch  Plinius'  Angabe  38,  14  nec 
ignoro,  MM  pondo  auri  perisse  Pompeio  III  cos.  e  Capitolini  Iovis 
solio  a  Camillo  ibi  condita.  Weiteres  wissen  wir  darüber  nicht,  so 
daß  sich  nicht  sagen  laßt,  ob  Pompejus  des  Diebstahls  beschuldigt 
werden  soll  oder  ob  die  Angabe  sich  etwa  auf  das  Treiben  der  An- 
archisten  bezieht  Über  die  Vollendung  des  Baus  des  Theaters  in  diesem 
Jahr  s.  S.  161.  2. 

k)  Dio  40,  57. 

*)  Dio  40,  68. 


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240 


Das  Principat  des  Pompejus 


aber  jedermann  empfand,  daß  diese  Männer  nicht  die  Persön- 
lichkeiten waren,  weiche  die  moralische  Haltung  der  Bürger- 
schaft irgendwie  zu  kontrollieren  und  zu  heben  berufen  waren. 

Die  Gesetzgebung  des  Pompejus  in  seinem  dritten  Oonsulat, 
welche  die  in  seinem  zweiten  Consulat  durchgeführten  oder  ge- 
planten Maßregeln  (S.  160)  fortsetzt  —  auch  eine  Kodifikation 
des  Rechts  hat  er  in  Aussicht  genommen,  wie  später  Caesar, 
ist  aber  damit  nicht  durchgedrungen,  sondern  an  dein  Widerstand 
der  interessierten  Kreise,  offenbar  vor  allem  der  Juristen,  ge- 
scheitert1) — ,  war  vielleicht  nicht  so  einschneidend  und  von 
großen  Gesichtspunkten  beherrscht,  wie  die  Caesars  im  Jahre  59, 
aber  sie  war  doch  von  nachhaltigster  Wirkung  und  macht  Epoche 
in  der  Entwicklung  Roms.  Es  war,  wie  Tacitus  sagt,  ein  Ver- 
such, den  sittüohen  Zustand  des  Gemeinwesens  zu  heben ;  und  wenn 
er  die  angewendeten  Mittel  im  Sinne  Catos  verwirft  und  Pom- 
pejus mit  Recht  schuld  gibt,  daß  er  durch  sein  persönliches  Ver- 
halten seine  eigenen  Gesetze  untergraben  habe2),  so  hat  er  doch 
wieder  geordnete  Zustande  geschaffen,  die  an  sich  ein  dauer- 
haftes und  erträgliches  Regiment  durch  Zusammenwirken  des 
Senats  mit  dem  Princeps  jetzt  eben  so  gut  mögUch  gemacht  hätten, 
wie  nachher  unter  Augustus.  Die  Anarchie,  die  er  selbst  groß- 
gezogen hatte,  war  jetzt  mit  einem  Schlage  beseitigt,  die 
schlimmsten  Unruhestifter  ins  Exil  gejagt;  von  einer  unter  dem 
Binner  der  Demokratie  sich  brüstenden  Oppositionspartei  ist 
in  der  Folgezeit  nicht  mehr  die  Rede.  Wenn  es  auch  noch  einzelne 
Leute  gab,  die  an  ihre  Ideale  glaubten,  so  war  doch  die  Masse 
der  Bürgerschaft  durch  die  Wirren  des  letzten  Jahrzehnts  gründ- 
lich bekehrt  und  völlig  bereit,  wie  seit  einem  Jahrhundert  nicht 
mehr,  sich  der  Leitung  der  Aristokratie  und  ihres  Oberhaupts 

')  Isidoras  dogetym.  V  1,  5  leges  autem  redigere  in  libris  pritnus 
consul  Pompeiu8  instiiuere  voluit,  sed  non  perseveravit  obtrectatorum 
metu.  deinde  Caesar  coepU  facere,  sed  aniea  interfectus  est. 

*)  Ann.  III  28  in  der  Übersicht  der  Entwicklung  der  römischen 
GeseUgebung  bis  auf  die  lex  Papia  Poppaea:  tum  Cn.  Potnpeius  ter- 
tium  consul  corrigendis  moribus  electus  et  gravior  remediis  quam 
delicta  erant  suarumque  legum  auctor  idem  ac  subversor,  quae 
armis  tuebatur,  armis  amisü. 


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Pompeja*'  Gesetzgebung  241 

zu  fügen.  So  wurde  denn  sein  Oonsulat  und  seine  Bekehrung 
zu  den  Grundsätzen  der  Nobilität  in  den  höchsten  Tönen  ge- 
priesen1); und  Cicero  entschloß  sich,  sein  Werk  über  den  Staat, 
jetzt  dem  ursprünglichen  Entwurf  entsprechend  zu  vollenden 
und  im  Sommer  51  zu  publizieren  (oben  S.  178).  Freilich  wurde 
^eriule  seine  Tätigkeit  durch  die  neuen  Gesetze  aufs  schwerste 
betroffen:  sie  bezeichnen,  wie  Tacitus  sagt,  das  Ende  der  Bered- 
samkeit, mit  andern  Worten,  der  rabulistischen  Kunst  der  Advo- 
katen, die  sich  wie  früher  in  Syrakus  und  Athen,  so  jetzt  in  Rom 
in  den  Zeiten  der  vollen  politischen  Zersetzung  entwickelt  hatte, 
und  zwar  nach  wie  vor  als  ein  Wunderwerk  angestaunt  wurde, 
aber  nichts  andres  war,  als  ein  Symptom  der  vollsten  Korruption 
und  des  Untergangs  aller  rechtlichen  und  ethischen  Begriffe. 
Jetzt  waren  dem  Fesseln  angelegt,  und  fortan  konnte  ein  Rechts» 
handel  und  gelegentlich  sogar  ein  politischer  Prozeß  wieder  sach- 
lich behandelt  werden*). 

Vorbereitung  des  Bruchs  mit  Caesar 

Durch  die  Übertragung  des  Regiments  auf  Pompejus  und 
sein  Bündnis  mit  der  Nobilität  war  zugleich  der  Knoten  der 

')  Cicero  ad  Att.  VIT  1.  4  (oben  8.  229,  A)  rede*  ironisch  von  illo 
divino  tertio  consulatu. 

*)  Tacitus  dlal.  de  or.  88,  nach  Schilderang  der  früheren  Zustande, 
wo  im  Gegensatz  au  dem  jetzigen  Zustand,  quae  aptior  est  verücUi,  die 
Beredsamkeit  auf  dem  Forum  blühte,  in  quo  nemo  intra  paucissimas 
Horas  perorare  cogebatur  et  liberae  comperendtnaliones  erani  et 
modum  dicendi  sibi  quisque  sumebat  et  numerus  neque  dierum  ne- 
que  patronorum  flniebatur,  primus  haec  tertio  consulatu  Cn.  Pom- 
peius  adstrinxit  imposuitque  velut  frenos  eloquentiae.  Sehr  mit 
Recht  laßt  er  in  diesen  Kapiteln  den  Maternus  ausführen,  daß  die  Be- 
redsamkeit mit  der  Korruption  und  dem  Anwachsen  der  Verbrechen 
aufs  engste  zusammenhange  und  sich  daher  nur  in  turbulenten  Staaten 
wie  Athen  und  später  Rom  und  in  beschranktem  Maße  Rhodos  ent- 
wickelt habe,  aber  nicht  in  den  geordneten  Staaten,  als  deren  Muster 
Sparta  und  Kreta  gelten  —  daneben  werden  die  monarchischen  Reiche, 
wie  Makedonien  und  PerBien .  genannt  (c.  40).  Der  Untergang  der  Be- 
redsamkeit und  ihre  Beschrankung  auf  das  müßige  Treiben  der  Rhe- 
Meyer,  Caesar»  Monarchie  16 


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242 


Da*  Prinoipat  des  Pom  pejus 


Entwicklung  geschürzt,  die  in  regelrechtem,  unaufhaltsamem 
Fortgang  zur  letzten  entscheidenden  Krisis  und  zum  Bürger- 
krieg führen  mußte;  denn  sie  bedingte  die  Mattsetzung  und  Be- 
seitigung Caesars1).  Für  die  dauernde  Sicherung  der  eigenen 
Macht  trug  Pompejus  Sorge:  er  ließ  sich  durch  den  dafür  ver- 
fassungsmäßig durchaus  kompetenten  Senat,  nicht  etwa  durch 
das  Volk,  seine  spanischen  Statthalterschaften  auf  fünf  weitere 
Jahre,  also  bis  zum  Jahre  45,  verlängern,  und  zugleich  die  Kosten 
für  das  vielleicht  noch  weiter  verstärkte  Heer  (oben  S.  170, 1)  auf 
die  Staatskasse  übernehmen1).  Formell  stand  diese  Verfügung 
kaum  im  Widerspruch  mit  seinem  Gesetz  über  die  Provinzen, 
wie  Dio  behauptet8),  da  Pompejus  ja  mit  dem  Consulat  bereite 
das  Proconsulat  und  die  Statthalterschaft  vereinigte;  wohl  aber 
wurde  dadurch  die  exzeptionelle  Stellung  des  Princeps  weiter 
hervorgehoben  und  gefestigt4).  Aber  von  einer  analogen  Be- 
willigung für  Caesar  war  keine  Rede;  das  Bündnis  vom  Jahre  60 
war  tatsächlich  aufgelöst,  die  Ehe  mit  Scipios  Tochter  ver- 
kündete auch  formell,  daß  eine  neue  Koalition  an  seine  Stelle 
getreten  war. 

Zugleich  verschaffte  Pompejus  sich  die  gesetzlichen  Waffen, 


torenschalen  sei  ein  deutliches  Zeichen,  daß  sowohl  die  Rechtspflege  wie 
die  politischen  Zustande  weit  besser  geworden  seien;  man  braucht  jetzt 
glücklicherweise  den  Redner  nicht  mehr. 

*)  Sehr  mit  Recht  wird  die  entscheidende,  von  den  Neueren  so  oft 
verkannte  Bedeutung  des  dritten  ConsulatB  des  Pompejus  und  seines 
damals  vollzogenen  Bundes  mit  den  Optimaten  sowohl  von  Vellejus  II 
47,  4  (cuiu8  Ule  honoris  gloria  veluti  reconciliatis  sibi  optimatibus 
maxime  C.  Caesare  alienatus  est)  wie  von  Dio  40,  50,  5  hervor- 
gehoben. 

»)  Dio  40;  56,  2  und  c.  44,  2.  Plut.  Pomp.  55  (wo  als  Zeitraum 
falschlich  vier  Jahre  angegeben  sind)  =  Caes.  28.  Appian  II  24,  92 
nennt  den  Senat  als  ßeschlufif asser. 

')  40,  56,  2  oM*  ij}ox"v®"'l  xox*  f**v  wwfita  fp&tyau;,  Sottpov  Ä&  oh  iroXXtp 
a5*ö«  rhv  'Ißtjptav  *c  **vtt  ftf)  Xaßciy. 

4)  Daher  äußert  sich  Caesar  civ.  I  85,  8  in  der  Rede  an  das  spa- 
nische Heer  mit  wohlgespielter  Entrüstung:  in  se  novi  generis  imperia 
consiituiy  ut  idem  ad  porias  urbanis  praesideat  rebus  et  duas  belli- 
vosisHmas  provincias  absens  tot  annis  obtineat. 


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Vorbtueitung  det>  Bruchs  mit  Caesar 


die  ihm  ermöglichen  sollten,  seinerzeit  je  nach  Bedürfnis  gegeu 
ihn  vorzugehn1).  Das  Gesetz  über  das  fünfjährige  Intervall  bei 
den  Statthalterschaften  gestattete,  Caesar  nach  Ablauf  seiner 
zehn  Jahre  auch  inmitten  des  Amtsjahrs  einen  Nachfolger  zu 
schicken2),  und  das  Gesetz  über  die  Wahlumtriebe,  das  bis  zum 
Jahre  70  zurückgriff  (S.  232),  ermöglichte,  ihm  wegen  ambitu* 
bei  seiner  Bewerbung  um  das  Oonsulat  für  59  den  Prozeß  zu 
machen.  Die  Voraussetzung  dafür  war,  daß  er  als  Privatmann 
nach  Rom  zurückkehren  maßte;  und  das  erzwang  die  schon 
erwähnte  Klausel  des  Gesetzes  über  die  Magistratur,  welche  die 
Abwesenheit  des  Bewerbers  aus  Rom  nicht  gestattete;  dadurch 
wurde  das  Caesar  durch  das  Gesetz  der  zehn  Tribunen  gegebene 
Privileg  aufgehoben.  Die  Möglichkeit  zu  diesem  Vorgehn  war 
dadurch  gegeben,  daß  Caesar  in  dieser  Zeit  die  schwere  Nieder- 
lage bei  Gergovia  erlitten  hatte,  die  Haeduer  und  nach  ihrem 
Vorgang  fast  alle  andern  gallischen  Stämme  abgefallen  waren, 
und  seine  Macht  zusammenzubrechen  schien.  Er  selbst  konnte 
nichts  dagegen  tun;  aber  seine  Vertreter  in  Rom  waren  ent- 
rüstet und  tobten.  Schließlich  gab  Pompejus  wenigstens  halb- 
wegs nach:  der  Grund  war,  abgesehn  davon,  daß  er  Caesar 
noch  immer  als  Gegengewicht  gegen  den  Senat  brauchte  und 
daher  nicht  ganzlich  fallen  lassen  durfte,  daß  Caesar  inzwischen 
aufs  neue  zu  Kräften  gekommen  war,  die  Gallier  geschlagen 
hatte,  und  den  Vercingetorix  in  Alesia  belagerte.  So  erklärte 
Pompejus  sein  Vorgehn  durch  Vergeßlichkeit,  und  schaltete  aus 
eigener  Machtvollkommenheit  in  die  längst  angenommene  Ge- 
setzesurkunde die  Klausel  ein,  daß  denjenigen,  denen  mit  Namens- 


')  Die  neueren  Darsteller,  welche  meinen,  Pompejus  habe  die  Trag- 
veite der  betreffenden  Maßnahmen  nicht  erkannt,  sondern  sie  seien 
ihm  von  seinen  aristokratischen  Ratgebern  suggeriert,  beurteilen  ihn 
viel  *n  naiv.    Er  wußte  hier  wie  sonst  sehr  wohl,  was  er  tat. 

")  Tatsachlich  sehn  wir,  daß  die  nach  diesem  Gesetz  entsandten 
Statthalter  im  Hochsommer  ihr  Amt  antreten:  Cicero  rechnet  sein  Jahr 
in  Cilicien  ad  Att  V  21,  9.  VI  2,  6  vom  31.  Juli  51  bis  tum  80.  Juli  50, 
Bibulus  traf  in  Syrien  noch  später  ein  (ad  Att.  V  18,  1.  20,  4.  tarn. 
XV  1,  1.  8,  2). 


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244 


Das  i'rincipat  des  Pompejus 


nennung  gestattet  worden  sei,  sich  abwesend  zu  bewerben,  ihr 
Privileg  erhalten  bleiben  solle1). 

Mit  dieser  fadenscheinigen  Konsession,  die  zwar  den  Pom- 
pejus  selbst  moralisch  binden  mochte,  aber  rechtlich  natürlich 
garnichts  bedeutete,  mußte  Caesar  sich  begnügen.  Der  Bruch 
war  offenkundig,  wenngleich  nach  der  Eroberung  von  Alesia 
und  der  Gefangennahme  des  Vercingetorix  (Herbst  52)  der  Senat 
dun  übliche  Dankfest  von  zwanzig  Tagen  bewilligte.  Caesur 
konnte  nichts  weiter  tun,  als  durch  maßlose  Verschwendung, 
durch  seine  Bauten  und  Spiele,  durch  umfassende  Bestechungen 
das  Volk  bei  guter  Laune  zu  erhalten  und  seinen  Anhang  in 
Rom,  vor  allem  unter  den  Beamten  und  Tribunen,  zu  sichern 
und  zu  mehren,  seine  Soldaten  durch  Erhöhung  des  Soldes 
und  reiche  Geschenke  aus  der  Beute  an  sich  zu  fesseln,  und  im 
übrigen  die  Entwicklung  abzuwarten2).   Zugleich  veröffentlichte 


')  Dio  40,  56  im  Anschluß  an  das  Zitat  8.242,  3:  xil  ^  Kaloopi 
xai  &x4vti  (ot  Tip  fiX<n  *6toö  &»iyü»c  -njavaxtoov)  odr?jo«i  rijv  &«attiav 
uiaittp  tyrtf  wto  8005.  xpoorrpa«!'*  uiv  Y«p  tip  vojiip  t4  payott;  aüto  «ietyai 
Koutv,  ot^  Äv  ovoftaoti  rt  xai  avttxpog  iititpaurg,  iiiysp*  8'  obBiv  toöto  toö 
p.v]8>  apx^v  xrxcoXüod'ou.  icdvta»^  T&p  ot  tt  oovdufvoi  xai  «xttvo  «jrrj^pto^rjvai 
atptot  Jiaxpd^aofroa  ffu*XXov.  Diese  Bemerkung  berührt  einen  Punkt,  auf 
den  politisch  nichts  ankommt.  Die  Hauptsache  hebt  Sueton  richtig 
hervor,  dessen  Text  Caes.  28  corrupt  überliefert  ist.  Marcellus  fordert 
im  Jahre  51  Caesars  Abberufung  et  ne  absentis  ratio  comitiis  habe- 
retur,  quando  nee  plebiscito  Pompeius  postea  obrogassei  (codd. 
abrog.).  nec  ist  unverständlich  und  wohl  zu  streichen  (von  den  Ver- 
heBserungsvorschlägen  ist  der  von  Hirschfixd,  Kl.  Sehr.  320,  8  und  810, 
es  in  lege  zu  andern,  wohl  der  probabelste);  der  Sinn  ist  jedenfalls 
.da  ja  Pompejus  das  Plebiscit  (der  zehn  Tribunen,  s.  c.  26)  aufgehoben 
habe".  Sueton  fahrt  fort:  acciderat  autem,  ut  is  legem  de  iure  ma- 
f/istratuum  ferens  eo  tapite,  quo  petUione  honorum  absentis  sub- 
movebat,  ne  Caesar em  quidem  exciperet,  per  oblivionem;  ac  mox, 
lege  iam  in  aes  ineisa  et  in  aerarium  condita,  corrigeret  errorem. 
Sehr  richtig  bezeichnet  Cicero  ad  Att.  VIII  3.  3  den  Sachverhalt:  Pom- 
peius . . .  contendü,  ut  decem  tribuni  pl.  ferrent,  ut  absentis  ratio 
haberetur,  quod  idem  ipse  sanxit  lege  qua  dam  sua. 

*)  Sueton  Caes.  26  f.  Auch  in  den  Provinzen  und  bei  den  Vaeallen 
warb  er  durch  Geschenke  und  Bauten  überall  um  Anhänger,  ib.  28.  Vgl. 
Dio  40,  60. 


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Marcus  Marcellus  KeKen  Caesar 


245 


er  eine  Daxstellung  »einer  Feldzüge  in  Gallien,  in  der  er  in  äußerst 
geschickter  Weise  seine  Willkürlichkeiten  und  Gewalttaten  ver- 
schleierte, seine  aus  eigener  Machtvollkommenheit  begonnenen 
Kriege  möglichst  als  Notwehr  darstellte,  seine  Erfolge  und  seine 
Verdienste  um  Rom  ins  hellste  licht  setzte,  vor  allem  auch 
durch  maßlose  Übertreibung  der  Zahlen  der  Gegner,  und  so  in 
weiten  Kreisen  für  sich  Stimmung  zu  machen  suchte. 

Marcus  Marcellus  und  die  Republikaner  gegen  Caesar 

Die  Optimaten  hatten  den  Bund  mit  Pompejus  geschlossen 
nicht  um  sich  seiner  Herrschaft  zu  unterwerfen,  sondern  um  mit 
seiner  Hilfe  Caesar  zu  Fall  zu  bringen  und  sich  so  von  dem  auf 
ihnen  lastenden  Druck  zu  befreien.  Ihre  Führer  planten  den 
Angriff  gleich  im  nächsten  Jahre.  Zu  diesem  Zweck,  aus  dem 
er  gar  kein  Hehl  machte1),  bewarb  sich  Cato  um  das  Consr.lat. 
Aber  er  verschmähte  nicht  nur,  wie  selbstverständlich,  alle 
Agitation,  sondern  er  setzte  auch  einen  Senatsbeschluß  durch, 
der  lediglich  die  Bewerbung  durch  persönliche  Begrüßung  der 
Wähler  mit  Händedruck  gestattete,  alle  Verwendung  von  Mittels- 
männern untersagte.  So  ist  es  kein  Wunder,  daß  er  erlag1). 
Cicero  machte  ihm  den  Vorwurf,  daß  er  in  blindem  Doktrinaris- 
mus in  einer  Zeit,  wo  der  Staat  ihn  als  Leiter  brauchte,  selbst 
die  unschuldigsten  Mittel  verschmäht  habe3);  er  selbst  trug  sein 
beschick  mit  vollem  Gleichmut.  An  seiner  Stelle  wurde  Marcus 
Marcellus  gewählt,  ein  Mann  der  gleichen  Richtung,  nur  ohne 
Catos  Rigorismus  und  daher  milder,  aber  auch  zurückhaltender 
in  seinem  Auftreten4).    Neben  ihm  gelangte  Servius  Sulpicius 

')  Plut.  Cato  49  m»s  oiprrjo6f»tvoc  töfri»«  tA  SitXa  toT>  Katoapo«  9|  rijv 
feißooMjv  iWUT4u>v.  Dio  40,  58:  Cato  will  dem  drohenden  Bürgerkrieg 
dadurch  Euvorkommen.  daß  er  beide  vorher  zu  Fall  bringt  (•JjdtXifia« 
o<pä{,  jcply  ivtaf umotccs  ^tvio^'U,  xaxaX&oai). 

*)  Plnt  Cato  49.  Liv.  ep.  108.  Dio  40.  58  f. 

•)  Plot  Cato  50. 

*)  Vgl.  z.  B.  Caelius  ad  fam.  VIII  10,  8  nosti  Marcellum,  quam 
tardu8  ei  parum  efftrax  »it,  üemque  Servius  quam  cunctaior,  ein 
Urteil,  das  durch  ihr  getsamtee  Verhalten  und  ihre  Briefe  an  Cicero  be- 
stätigt wird. 


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24o' 


Das  Principat  des  PorapefüH 


Rufus  jetzt  endlich  ins  Consulat,  um  das  er  sich  schon  für  da« 
Jahr  62  beworben  hatte,  ein  angesehener  Jurist,  aber  politisch  in« 
different  und  ängstlich,  der  daher  auoh  wenig  Neigung  hatte, 
die  Verbindung  mit  Caesar  zu  brechen. 

Marcus  Marcellus  hat  den  Vorstoß  gegen  Caesar  erst  im  April, 
in  dem  er  die  Geschäfte  führte,  unternommen.  Caesar  selbst  hat 
ihm  dazu  eine  Handhabe  geboten  durch  die  Forderung,  ihm  die 
Verwaltung  seiner  Provinzen  auch  formell  bis  zum  Antritt  seines 
zweiten  Consulats,  d.  i.  bis  zum  letzten  Dezember  des  Jahres  49, 
zu  verlängern1);  damit  hat  er  versucht,  die  Konsequenz  aus 
Pompejus'  Konzession  zu  ziehn  und  sie  auch  beim  Senat  zur 
Anerkennung  zu  bringen.  Marcellus  und  sein  Anhang  waren 
entschlossen,  das  in  keinem  Fall  zu  dulden.  Er  gab  durch  ein 
Edikt  bekannt,  daß  er  die  Gesamtlage  des  Staats  zur  Verhand- 
lung zu  stellen  beabsichtige58),  damit  bei  der  bedeutsamen  Ver- 
handlung niemand  fehle.  In  seinem  Referat  stellte  er  die  Forde- 
rung, Caesar  schon  jetzt  für  den  nächsten  1.  März  einen  Nach- 
folger zu  bestellen*),  also  zu  dem  Termin,  vor  dem  nach  dem 

')  Appian  11  25,  97  b  Ü  Kaioop  .  .  .  it*xv*C*  8ovd}ua>c  »!vou 
fii^pi  ojiatoi;  fluto8stxö-«CT|.  xal  r)jv  ßooXfy  -gm  XP**0*  SXXov  oXt?ov  rhv 
x-xpo&oav  o't  r?js  ToXetttou;  4tf»}tov(av  9|  |itpo$  aar?je  hußaXetV  feaxtuXo- 
<j<xvtoc  il  MapxsXXor*  xtX.  —  Plat.  Cae«.  29  ix  tootoo  Kaiaip  6nwt*v  tfivate 
ke^lsojv  xal  ypövov  6fi/>tu>c  l&tu>v  iKapxuvv.  Der  Verdacht  liegt  aller- 
dings nahe,  daß  die  geroeinsame  Quelle  hier  die  spateren  Forderungen 
Caesars  schon  in  die  Vorgänge  Anfang  51  hineingetragen  hat;  aber  die 
Richtigkeit  der  Angaben  wird  durch  Caelius  an  Cicero  VIII  8,  9  (ueten 
8.  255,  2)  und  9.  5  (unten  S.  254,  6)  bestätigt. 

*)  Sueton  Cae*.  28  M.  Claudius  Marcellus  consul,  edicto  prae- 
fatus  de  summa  se  republica  acturum,  rettulit  ad  senatum,  ui  ei 
succederetur  ante  tempus,  quoniam  hello  confecto  pax  esset  ac  di~ 
mitti  deberet  Victor  exercüus.  Dio  40,  59.  1  Mdtpx.XXo? . . .  xot  Iti- 
fcoxöv  ol  rfii]  xai  xpo  toö  xod^xovto^  XP0V0°  «t|*f**jv«  hviffrpmto.  Appian 
II  26,  99  xpoatpatfKov  toö  xp°vo°-  ki*.  «P-  108  praei&rea  contentiones 
inier  consules  de  successore  C.  Caesari  mittendo,  agenie  in  senatu 
M.  Marcello  cos.,  ui  Caesar  ad  petitionem  consulatus  veniret,  cum 
is  lege  lata  in  tempus  consulatus  provincias  obtinere  deberet. 

')  Den  Termin  gibt  Cicero  ad  Att.  VIII  8.  8:  Marco  Marcello  con- 
suli  flnienti  provbicias  Qaüias  Kalendarum  Mariiarum  die  restitü 
(Pompeius). 


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Marcus  Maroellas  gegen  Caesar  247 

* 

Consulargesetz  von  55  keine  Verhandlung  darüber  stattfinden 
sollte,  da  der  Krieg  beendet  sei  und  das  siegreiche  Heer  Anspruch 
auf  Entlassung  habe.  Er  konnte  sich  dafür  auf  Caesars  eigene 
Darstellung  berufen,  die  in  der  Tat  den  Anschein  erwecken 
konnte,  als  sei  der  Krieg  mit  dem  Fall  von  Alesia  zu  Ende. 
In  Wirklichkeit  freilich  standen  noch  große  Teile  des  Landes 
unter  den  Waffen  und  eben  jetzt,  seit  dem  letzten  Dezember 
(3.  Dezember  julianisch)1),  hatte  Caesar  einen  sehr  beschwerlichen 
Winterfeldzug  geführt,  der  den  Truppen  die  größten  An- 
strengungen zumutete;  zurzeit  war  er  in  einem  langwierigen, 
äußerst  gefahrvollen  Kampf  gegen  die  Bellovaken  begriffen,  deren 
er  nur  durch  volle  Entfaltung  seiner  genialen  Feldherrnkunst 
Herr  zu  werden  vermochte1).  Der  Anspruch  auf  abwesende  Be- 
werbung um  das  Consulat  vollends,  erklärte  er,  sei  durch  Pom- 
pejus'  Gesetz  hinfallig  geworden8).  Die  anschließende  Diskussion 
muß  sehr  erregt  gewesen  sein  und  sich  mehrere  Tage  lang  hin- 
gezogen haben.  Die  in  Caesars  Solde  stehenden  Tribunen  oppo- 
nierten, auch  Marcellus'  Kollege  Sulpicius  widersprach:  es  sei 
nicht  billig,  einen  Beamten,  der  sioh  nichts  habe  zuschulden 
kommen  lassen,  wahrend  semer  Amtszeit  abzusetzen4).  Pompejus, 


')  Bell.  Gall.  VIII  2. 

*)  Ende  Mai  51  (d.  i.  Ende  April  juL)  schreibt  Cnelias  an  Cicero 
(fani.  VIII  1,  4):  quod  ad  Caesar em,  crebri  et  non  belli  de  eo  ru- 
more*, sed  susurratores  dumtaxat,  veniunt.  alius  equüem  perdidisae, 
quod  opinor  certe  factum  est  (vgl.  bell.  Gall.  VIII  12),  alius  septimam 
tegionem  vapulasse,  ipsum  apud  BeUovaoos  circumsederi  interclusum 
ab  reliquo  exercüu.  neque  adhuc  cerii  quicquam  est,  neque  haec  in- 
certa  tarnen  vulgo  iactantur,  sed  inter  paucos,  quo*  tu  nosti,  palam 
secreto  narrantur;  at  Domiiius,  cum  manus  ad  os  apposuü.  Die 
armselige  Gestalt  des  Domitius  (vgl.  Caelios  fam.  VIII  14,  1)  steht  hier 
ifsina  lebendig  vor  unseren  Augen. 

*)  Saeton  Caes.  28,  s.  oben  S.  244,  1. 
.  *)  Dio  40,  59  xai  a6t4  8  ti  SooXnbuo?  **l  täv  bt\\>Apxa>Y  tiyi«  irci- 
jepafcav,  o&tot  }iiv  rj  «po«  tiv  Kotoapa  X*Ptn<  **«tvo;  &V>tot$  Juotvwjate 
«od  toi?  KoXXotc,  8ti  ob*  ^jptoxt  to  uva  futo46  £pxovc«  V-ifih  rfivarrpfcai 
Koo^jvou.  Saeton  Caes.  29  (Caesar)  summa  ope  restitU,  partim  per 
intercessores  tribunos,  partim  per  Servütm  SulpiHum  aUerum  con- 
sulem. 


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248  Lhu  Princäpat  des  Pompejus 

der  nach  Ablauf  seines  Consulate  wieder  das  Poinerium  nicht 
überschreiten  durfte,  hielt  sich  nach  seiner  Gewohnheit  fern  uud 
hüllte  sich  in  Schweigen,  ja  er  redete  wieder  einmal  davon,  nach 
Spanien  gehn  zu  wollen,  und  fand  damit  wirklich  Glauben,  so 
wenig  er  ernsthaft  daran  dachte1).  Schließlich  stimmte  der  Senat 
der  Tendenz  des  Marcellus  im  allgemeinen  zu;  aber  die  Tribunen 
intercedierten,  und  so  wurde  zwar  der  Senatsbeschluß  als 
auctorUas  aufgezeichnet,  besaß  aber  keine  gesetzlich  bindende 
Kraft»). 

Die  weitere  Verhandlung  über  die  Nachfolge  Caesars  ver- 
schob Marcellus  auf  den  1.  Juni»),  da  im  Mai  Sulpioius  den  Vor- 
sitz führte.  Inzwischen  verbreitete  sich  die  Kunde  von  diesen 
Vorgängen  durch  ganz  Italien  und  schuf  überall  die  größte  Auf- 
regung: man  fühlte  den  Bürgerkrieg  herannahen.  Wilde  Ge- 
rüchte durchschwirrten  die  Luft,  so  vor  allem  die  Behauptung, 
Caesar  habe  die  Gemeinden  der  Transpadaner  angewiesen, 
Quattuorvirn  zu  wählen  und  sich  dadurch  als  römische  Bürger- 
städte zu  konstituieren4). 

')  Dio  40,  59,  2  nofubjioc  •  •  •  **+,p»  **  toö  dbt«u>?  u.C  *ol  i<  r>jv  Mßirj- 
piay  otpatsoocBv,  oi>  uyjv  oWi  x6x*  tx  cijs  'ItaXton;  t4fX">PVv'  t0^  '-"l0" 

otparrjfOK  n&vm  ta  hui  npoatd^'xc  at>?&c  rjj  koXu  itp^Sptuc.  Cic.  ad  Att. 
V  11,  8  Pompeiu8  (den  Cicero  vom  19.— 21.  Mai  in  Tarent  besucht 
hatte,  Att  V  6.  7)  mihi  quoque  videbatur,  quod  scribis  Varronetn 
dicere,  in  Hispaniam  certe  üurus.  id  ego  minime  probabam,  qui 
quidem  Theophani  (dem  Vertrauten  de»  Poinpejus)  facile  persuasü 
nihil  esse  melius,  quam  illum  nusquam  discedere.  Plut  Com.  29  ti 
jiiv  oiv  «pintoy  riouirr)cou  otwuübvto?  oi  stpl  M£p»XXov  xal  AivtXov  (cos.  49. 
von  Plutarch  fälschlich  hierher  gesetzt)  -?jvavsio&vto. 

*)  Cicero  schreibt  am  10.  Mai  an  Atticus  V  2,  8  nondum  satis  huc 
etat  adlalum,  quomodo  Caesar  ferrei  de  auctoritate  per- 
scripta.  Danach  wird  dieser  Beschluß  spätestens  etwa  Mitte  April 
gefaßt  worden  sein.  —  Mit  Ciceros  Abgang  in  seine  Provinz  Anfang 
Mai  51  setzt  seine  Korrespondenz  wieder  ein. 

*)  Caelius  ad  fam.  VIII  1,  2  (gegen  Ende  Mai):  Marcellus,  quod 
adhitc  nihil  rettulit  de  successione  provinciarum  Gaüiarum  (natür- 
lich nachdem  die  erste  Verhandlung  darüber  im  April  zu  keinem  Resultat 
geführt  hatte)  et  in  K.  Jun.,  ut  mihi  ipse  discit,  eam  distulürelatumem. 

*)  Cic.  ad  Att.  V  8,  1  (11.  Mai)  aus  Campanien:  in  oppidis  summum 
video  Ummern,  sed  mutta  inania.    Vorher  V  2,  8  (10.  Mai)  eratque 


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Marcellus  gegen  die  Kolonie  Novum  Com  um 


249 


Natürlich  war  diese  Behauptung  aus  der  Luit  gegriffen;  sie 
beruhte  darauf,  daß  Caesar  in  der  Tat,  seinem  und  des  Crassus 
altem  Programm  entsprechend  (S.  12),  die  Transpadaner,  die 
im  Jahre  89  durch  das  Gesetz  des  Consuls  Pompejus  Strabo 
latinisches  Recht  erhalten  hatten,  durchaus  als  römische  Bürger 
behandelte  und  daher  auch  unbedenklich  für  seine  Legionen 
ausgehoben  hatte1).  Ferner  hatte  er,  auf  Grund  einer  ihm  durch  das 
vatinische  Gesetz  übertragenen  Vollmacht  (S.  92,4),  an  der  Süd- 
spitze des  Corner  Sees  neben  der  alten  Insubrerstadt  Comum«), 
die  Pompejus  Strabo  im  Jahre  89  bei  der  Regelung  der  Ver- 
hältnisse des  Polandes  nach  einer  Heimsuchung  durch  die 
Rhaeter  wiederhergestellt  und  Gaius  Scipio  durch  dreitausend 
Kolonisten  verstärkt  hatte8),  die  Stadt  Novum  Comum  als 
Bürgerkolonie  angelegt.  Unter  die  fünftausend  Ansiedler  nahm 
er  auch  fünfhundert  angesehene  Griechen  auf,  die  so  das  Bürger- 
recht erhielten,  ohne  daß  er  ihnen  die  Verpflichtung  auferlegte, 
dorthin  übersiedeln  zu  müssen4)  —  ohne  Zweifel  wird  er  sich 
dafür  tüchtig  haben  bezahlen  lassen. 


rumor  de  Transpadanis ,  eos  iussos  IUIviros  creare,  quod  si  iia 
est,  magnos  motus  timeo.  CaeliuB  an  Cicero  VIII  1,  2  (Ende  Mai): 
nam  et  Uli  rumor  es  de  comitüs  Transpadanorum  Cumarum  tenus 
caluerunt;  Romam  cum  venissem,  ne  Umuissimam  qitidem  audi- 
tionem  de  ea  re  accepi. 

■)  Bell.  Gall.  V  24,  4  unam  legionem,  quam  proxime  (im  Jahre  57) 
Irans  Padum  conscripserat.  Ende  Dezember  50  schreibt  Cicero  an 
Atticufi  VII  7,  6,  daß  Caesar  zur  Verfügung  stehn  legiones  XI,  equi- 
tatus  tantus  quantum  votet,  Transpadani. 

*)  Liv.  38,  86.    Justin  20,  5.  8- 

*)  Strabo  V  1,  6.  I\4to<  Exmlwv  ist  sonst  unbekannt;  denn  der  Jurist 
Gaius  Scipio  Nasica,  qui  optimus  a  senatu  appellatus  est,  bei  dem 
auch  sonst  ganz  unzuverlässigen  Pomponius  Dig.  I  2,  2,  87.  ist  offenbar 
Versehn  für  Gnaeus. 

*)  Strabo  V  I,  6  ttta  6  tob$  Kaioap  Jtivrax'.axi*aoo$  enioovtpxiosv ,  J>v 
ol  mvtaxootoi  t<öv  'EXX^vtov  6irr)p£av  ol  int<p avsotatoi '  toototc  81  xo/u- 
t«{av  Sium  xal  ivifpatytv  oukot>s  tl^  nb<;  oovoixouc,  ob  jtivtoi  «uxirioav  owtövU. 
Einer  von  ihnen  ist  C.  Avianius  Philoxenus,  quem  Caesar  meo  bene- 
ftcio  in  Novocomensis  rettulit  (Cic.  fam.  VIII  35);  Cicero  empfiehlt  ihn 
um  46  dem  Statthalter  von  Sicilien.  wo  er  also  Geschäfte  betrieb.  Zu 


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250 


Das  Principat  des  Pompejus 


Hieran  hat  Marcellus  angeknüpft.  Bei  der  unsicheren  Haltung 
des  Pompejus  bot  eine  neue  Verhandlung  über  Caesars  Naoh- 
folge  wenig  Aussicht,  so  daß  er  sie  weiter  vertagte1).  Dagegen 
beantragte  er,  die  Gründung  der  Kolonie  und  ihr  Bürgerrecht 
für  ungesetzlich  zu  erklären');  und  um  diese  Auffassung  durch 
die  Tat  zu  bekräftigen,  ließ  er  einen  Ratsherrn  von  Novum 
Comum  aus  Anlaß  irgend  eines  Streithandels  mit  Ruten  peitschen : 
er  möge  zu  Caesar  gehn  und  ihm  die  Striemen  zeigen*).  Dadurch 


den  Ansiedlern  in  Novum  Comum  gehfirte  auch  Catulls  Freund,  der  an- 
gebende Dichter  Caecilius  (Catull  85). 

«)  Caelius  an  Cicero  Anfang  Juni  VIII  2,  2:  de  repubMca  quod 
tibi  scribam  nihil  habeo.  MarceUi  impettis  resederunt  tum  in- 
ertia  (wie  er  VIII  1,  2  angedeutet  hatte),  sed,  ut  mihi  videbantur, 
consilio. 

«)  Sueton  Caes.  28  nec  content us  Marcellus  provincias  Caesari 
et  Privilegium  eripere,  rettulit  etiam,  ut  colonis,  quo»  rogatione  Va- 
tinia  Novum  Comum  deduxisset,  civitas  adimeretur,  quod  per  am- 
bUionem  et  ultra  praescriptum  data  esset. 

*)  Plut.  Caee.  29  Nioxwjtita^  fAp  eva^xo^  6«i  Kaloapoc  iv  r«Xatta 
xattpxiouivooc  i(p^jpoövto  c?)s  itoXittiac'  xal  MapxtXXoc  evx  tü»v  BooXto- 
td»v  tli  Tujuirjv  dtpixofuvov  i xwto  £ft?8o:«,  htiXi-rojv,  u»<;  taOta  toB  pvJj  'Pw- 
fiatov  »tvai  xapao*ifta  xpooTtÖ-fjotv  a&tq»  xal  &«txvouv  axiövta  Kaioap'.  xtXsuct 
=  App.  II  26  td>v  o'jv  Ntoxutauiv  ttyd,  fyxovtd  w  ^ro:?  rtvdjtevov  xal  xapa 
toÜTO  'Ptojtalov  rlvat  vOfuC6ft*vov ,  6  MapxtXXoc  fy'  ößpst  toö  Kouaipo;  f£tyt 
oißlots  l<p'  oto)?Y|,  oJ»  xaoyövtiBV  toöto  'Puifvxtiov *  xal  *&v  voöv  6«6  opPK 
evsxdXox«,  ta<  «Xirpfi«  tlvat  4»vta<  o6u8oXov,  xal  f«p«tv  a^ita«  ix«X«o*  xxl 
8ttxv6vat  tq»  Kafoapt.  Appian  ignoriert,  daß  nach  Caesars  Auffassung 
nicht  nur  die  Magistrate,  sondern  alle  Bewohner  von  Novum  Comum 
romische  Bürger  waren;  ob  das  auf  die  gemeinsame  Quelle  zurückgebt, 
läßt  sich  aus  Plutarch  nicht  Bicher  entnehmen.  Außerdem  hat  Appian 
den  Ratsherrn  fälschlich,  im  Widerspruch  zu  Cicero  und  Plutarch,  su 
einem  Magistrat  gemacht.  Dadurch  hatte  ich  mich  in  der  ersten  Auflage 
irreführen  lassen;  das  Richtige  gibt  bereits  Hirschfku>  Kl.  Sehr.  800  f., 
der  auch  nachweist,  daß  das  maius  Latium  (Gaius  inst.  I  96).  das  auch 
den  Decurionen  der  latinischen  Städte  das  römische  Bürgerrecht  verlieh, 
in  dieser  Zeit  noch  nicht  existierte,  sondern,  wie  Ascon.  in  Pisonianam  p.  8 
angibt,  die  lex  Pompeia  vom  J.  89  den  Transpadanern  lediglich  gewahrte 
ut  possent  habere  ins  quod  ceterae  Lalinae  coloniae,  id  est  ut  gerendo 
magistratus  civitatem  Bomanam  adipiscerentur.  Dio  hat  den  Vorfall 
Ubergangen. 


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ConflikteüberNovumCotuuui.  Beendigung  der  Unterwerfung  Gallien«  251 


bekundete  er,  daß  er  Novum  Coinura  nicht  als  Bürgerstadt  an- 
erkannte. Daß  Marcellus  ein  humaner,  rechtlich  denkender 
Mann  war,  dem  alle  rein  persönlichen  Bestrebungen  fern  lagen, 
gab  der  Tat  nur  um  so  größere  Bedeutung.  Vielfach  wurde  sie 
gemißbilligt,  so  von  Cicero;  auch  Pompejus  mußte  an  ihr  An- 
stoß nehmen,  da  sie  das  von  seinem  Vater  gegebene  Gesetz 
über  die  Transpadaner  ignorierte1).  Aber  gerade  das  war  erst 
recht  ein  Motiv  für  Marcellus'  Handlung:  er  wollte  eine  weithin 
sichtbare  Tatsache  schaffen  und  zeigen,  daß  die  Republikaner 
sich  weder  durch  Caesars  Macht  noch  durch  Pompejus'  Un- 
schlüssigkeit  beeinflussen  ließen,  sondern  Caesar  nur  die  Wahl 
ließen,  sich  entweder  zu  unterwerfen  oder  offen  zu  empören. 

Caesar  mußte  auch  diese  Provokation  hinnehmen.  Für  ihn 
kam  alles  darauf  an,  zunächst  möglichst  rasch  mit  Gallien  fertig 
zu  werden.  So  hat  er  in  seinen  und  seiner  Legaten  Feldzügen 
des  Jahres  51  gegen  die  einzelnen  aufständischen  Gebiete  die 
Kräfte  seiner  Truppen  bis  aufs  äußerste  angespannt;  zugleich 
brach  er  den  letzten  Widerstand  durch  berechnete  Abwechslung 
zwischen  milder  Nachsicht  und  grausamsten  Strafgerichten  — 
so  über  Uxellodunum,  wo  er  nach  der  Kapitulation  der  gesamten 
Besatzung  zum  abschreckenden  Beispiel  „die  Hände  abhauen 
ließ,  aber  das  Leben  schenkte,  damit  die  Bestrafung  der  Ver- 
brecher um  so  offenkundiger  sei";  denn,  so  fügt  Hirtius  hinzu, 
„er  wußte,  daß  seine  Milde  allbekannt  sei,  und  brauchte  nicht  zu 
fürchten,  daß  man  glaube,  er  habe  aus  Hang  zur  Grausamkeit 
so  hart  gehandelt"2);  ferner  über  Gutuater,  den  Führer  des  Aul- 
standes  der  Karnuten,  der  zu  der  allgemeinen  Erhebung  im 
Jahre  52  das  Signal  gegeben  hatte,  den  er  nach  seiner  Aus- 
lieferung „durch  die  dringenden  Forderungen  seiner  Soldaten  gegen 

')  Cicero,  der  den  Vorfall  Anfang  Juli  in  Athen  erfahren  hat  — 
er  fallt  daher  etwa  Mitte  Juni,  später  als  Caelius'  Briefe  VIII  2  und  8  — 
schreibt  V  11,  2  an  Atticus:  Marcellus  foede  in  Comensi;  etsi  üle 
magistratum  non  gesserit  [wie  Puhskr  das  in  gesserat  andern  kann, 
ist  mir  unverständlich],  erat  tarnen  Transpadanus.  ita  mihi  videtur 
non  minus  stomachi  nostro  (dem  Pompejus)  (quam)  Caesari  fecixsc, 
sed  hoc  ipse  videril. 

')  Bell.  Gall.  VII l  44. 


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252 


Da«  Principat  des  Pompejns 


seine  Natur  gezwungen"  zu  Tode  peitschen  ließ1).  Die  meisten 
Führer  der  Aufstande  waren  umgekommen  oder  in  seine  Hände 
gefallen;  dem  Atrebaten  Commius  dagegen,  dessen  er  weder 
durch  einen  perfiden,  von  Labienus  geleiteten  Mordversuch1),  noch 
durch  unablässige  Verfolgung  hatte  habhaft  werden  können, 
wurde  schließlich  nicht  nur  Verzeihung  gewährt,  sondern  auch 
die  Forderung  bewilligt,  daß  er  sich  den  Römern  nicht  persön- 
lich zu  stellen  brauche*).  Die  Adligen,  die  sich  fügten,  wurden 
reich  beschenkt,  der  Druck  der  Steuern  und  Kontributionen  er- 
leichtert4). So  konnte  Gallien  in  der  Tat  zu  Ende  des  Jahres 
als  definitiv  unterworfen  gelten;  falls  er  die  Provinz  wirklich 
einem  Nachfolger  übergeben  mußte,  gab  es  für  diesen  jedenfalls 
nichts  mehr  zu  tun.  Indessen  Caesar  hoffte,  Gallien  dauernd 
in  der  Hand  behalten  zu  können;  alsdann  aber  mußte  er  auf 
einen  Bürgerkrieg  gefaßt  sein,  so  gern  er  ihn  vermeiden  wollte, 
und  daher  in  der  Lage  sein,  seine  Legionen  aus  dem  eroberten 
Lande  fortzuziehn,  ohne  einen  neuen  Aufstand  befürchten  zu 
müssen5).  Den  Bestand  seiner  Armee  hatte  er,  indem  er  jetzt 
auch  bei  den  Galliern  Frankreichs  eine  Legion,  die  legio  V. 
Alaudae,  aushob*),  im  schroffsten  Widerspruch  gegen  die  funda- 


')  Bell.  Gall.  VIII  88.  —  Der  angebliche  Name  Gutnater  ist  in  Wirk- 
lichkeit der  Titel  de»  keltischen  Oberpriwters,  s.  Hirschfeld,  Kl.  Schriften 
81,  7.  206. 

*)  Hirtius  VIII  28  tragt  diese  Geschichte  nach,  um  zugleich  Labienus 
in  möglichst  schlechtes  Licht  zusetzen:  Caesar  sei  nicht  daran  beteiligt 
gewesen,  er  war  zu  der  Zeit  in  der  Cisalpina  (Caesare  in  Gattia  cite- 
riore  ius  diccnte). 

*)  VIII  48,  9. 

«)  Hirtius  bell.  Gall.  VIII  49.  S  Üaque  honorifice  civitatis  appel- 
lando ,  principe*  maximis  praemiis  afflciendo,  nulla  onera  iniun- 
gendo,  dcfessam  tot  adversis  proeliis  Qalliam  condicione  parendi 
meUore  facile  in  pace  continuit. 

*)  Hirtius  VIII  49,  2  nihü  enitn  minus  volebat,  quam  sub  decessum 
suum  necessitatem  sibi  aliquam  imponi  belli  gerendi,  ne,  cum  ex- 
ercüum  deducturus  esset,  bellum  cUiquod  reUnqueretur ,  quod  omnis 
Qaüia  libenter  sine  pnieaenti  periculo  susciperet. 

f)  Sueton  Caes.  24;  vgl.  bell.  Gall.  VII  65,  1.  civ.  I  18,  5,  und  dasu 
Groibe  bei  Druhahn  III*  708. 


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Vollendung  der  Unterwerfung  Galliens.  Wahlen  in  Rom  im  Jahre  51  253 


mentalen  Grundsätze  der  römischen  Verfassung  und  Heeres- 
Organisation,  auf  elf  Legionen  verstärkt;  eine  von  ihnen  ver- 
legte er  nach  Oberitalien,  unter  dem  Vorwand,  die  Städte  gegen 
räuberische  Einfälle  schützen  zu  müssen1),  in  Wirklichkeit,  um 
dadurch  den  Druck  auf  Rom  zu  verstärken  und  für  den  Not- 
fall wenigstens  einige  Truppen  sogleich  zur  Hand  zu  haben. 

In  Rom  stand  die  öffentliche  Meinung  durchaus  auf  Seiten 
der  Republik  und  der  wiederhergestellten  Ordnung,  und  mani- 
festierte sich,  wo  immer  sioh  eine  Gelegenheit  bot.  So  fielen 
bei  den  Aedilen wählen  im  Sommer  M.  Caelius  Vinicianus  und 
Hirrus  durch,  weil  sie  die  Anträge  auf  Pompejus*  Dictatur  ge- 
stellt hatten;  statt  dessen  wurde  der  eifrige  Optimat  M.  Caelius 
Rufus  (oben  S.  217)  gewählt8),  ebenso  als  Tribun  Curio*).  Daß 
Messalla,  der  optimatische  Consul  des  Jahres  53,  in  einem  Prozeß 
wegen  seiner  Wahlumtriebe  infolge  einer  rührseligen  Rede  des 
Hortensius  freigesprochen  wurde,  erregte  gegen  beide  solchen 
Unwillen,  daß  Hortensius,  als  er  sich  im  Theater  zeigte,  auf 
seine  alten  Tage  zum  ersten  Male  ausgezischt,  Messalla  in  einem 
zweiten  Prozeß  verurteilt  wurde*).  Die  Consul  wählen  im  Juli 
verliefen  glatt;  gewählt  wurden  L.  Aemilius  Paulius  und  Gaius 
Marcellus,  der  Vetter  des  Marcus1»).  Dagegen  fiel  Favonius  bei 
der  Bewerbung  um  die  Praetur  durch;  auch  die  Optimaten 
wollten  von  seiner  extremen,  zur  Karikatur  entarteten  Manier 
nichts  wissen6). 

Die  Entwicklung  der  politischen  Fragen  dagegen  ging  ihren 
Schneckengang  weiter.  Zögernd  und  schrittweise  wurde  Pom- 
pejus  gezwungen,  sich  zu  demaskieren.    Am  22.  Juli,  bei  der 

')  Bell.  Gall.  VIII  24,  3. 

*)  Caelius  an  Cicero  VIII  4,  3.  9,  1 

»)  Caelins  VIII  4,  2;  er  erhielt  die  Stelle  des  schon  erwählten,  dann 
aber  verurteilten  Servaens. 

*)  Caelius  VHI  2,  1.  4.  1.  Cicero  ad  Att.  V  12,  2.  Brot.  828.  Val. 
Max.  V  9,  2.  Er  ging  dann  natürlich  auch  zu  Caesar  und  wurde  von 
diesem  48  restituiert  und  als  Legat  verwendet. 

»)  Caelius  VIII  4,  1.  4. 

•)  Caelius  VI  II  9.  5  nolo  t§  puiare,  Farxmium  a  columnariis 
praeteritum ;  optimus  quisque  eum  non  fecit. 


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254 


Da*  Principat  des  Pompejus 


Senatsverhandlung  über  die  Soldzahlung  au  seine  Truppen1), 
wurde  er  gefragt,  wie  lange  er  die  Caesar  geliehene  Legion  diesem 
noch  lassen  werde,  und  mußte  verheißen,  daß  er  sie  demnächst 
abberufen  werde,  nur  nicht  sofort,  um  den  Anschein  der  Ge- 
hässigkeit zu  vermoiden.  Des  weiteren  erklärte  er,  daß  ein  jeder 
verpflichtet  sei,  den  Anordnungen  des  Senats  zu  gehorchen1). 
Weiteren  lästigen  Anfragen  entzog  er  sich  dadurch,  daß  er  zu 
seinen  für  Spanien  bestimmten  Truppen  nach  Ariminium  ging3); 
so  wurde  beschlossen,  mit  der  Verhandlung  über  Caesars  Nach- 
folge bis  zu  seiner  Rückkehr  zu  warten.  Marcellus  versuchte 
wiederholt,  die  Sache  vorwärts  zu  bringen;  aber  im  August  und 
September  konnte  ein  beschlußfähiger  Senat  nicht  zusammen- 
gebracht werden,  und  in  der  Diskussion  wurden  die  mannig- 
fachsten Einwendungen  erhoben,  erklärt,  daß  über  Gallien  nur 
verfügt  werden  könne,  wenn  der  Senat  freie  Disposition  über 
sämtliche  Provinzen  habe,  mit  Intercession  gedroht  u.  ä.*).  Es 
fiel  auf,  daß  Hirrus,  der  nach  wie  vor,  so  auch  im  Bürgerkrieg, 
auf  seiten  des  Pompejus  blieb,  sich  gegen  Caesar  äußerte6); 
Pompejus'  Schwiegervater  Scipio  forderte  Vertagung  der  Ver- 
handlung über  Gallien  bis  zum  1.  März,  über  Pompejus  gewann 
man  den  Eindruck,  daß  er  nicht  wolle,  daß  Caesar  Heer  und 
Provinz  bis  über  seine  Wahl  zum  Consul  hinaus  behalte*).  Das 


')  Caelias  VIII  4.  4;  die  Sitzung  fand  deshalb  ad  Apollinis  außer- 
halb des  Pomerinms  statt;  ebenso  am  29.  September. 

*)  in  disputando  coniecit  illam  vocem  Cn.  Pompeius,  omnis 
operiere  senatui  dicto  andiente  esse.  Caelina  knüpft  daran  die  Er- 
wartung profecio  aut  transigetur  aliquid  out  turpiier  intercedeiur. 

•)  Caelius  VIII  4,  4,  vgl.  Cic.  ad  Att  V  19.  1. 

4)  Caelius  VIII  5,  2  f.  9.  2.  5. 

*)  Caelius  VIII  9.  1.  Hirrus  . . .  post  repulsam  .  .  .  civeni  bonutn 
tudü  et  contra  Caesarem  senientias  dicit;  exspectationem  corripü 
(unklar:  ,er  tadelt  den  Aufschub1  übersetzt  Pohsbr). 

•)  Caelius  VIII  9,  5  Pompeius  tuus  aperte  Caesarem  et  provm- 
ciam  teuere  cum  exercitu  ei  consul(em)  [zu  erganzen  mit  Hrascftm.D 
fteri  oder  designari  non  volt,  wie  H,  8.  14,  2];  ipse  tarnen  hanc  sen- 
tentiam  dixit,  nuUum  hoc  tempore  senatusconsuUum  faciendum; 
Scipio  hanc,  ut  Kai.  Martiis  de  provineiis  Gaüus,  neu  quid  con~ 


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Verhandlungen  über  Caesars  Nachfolge  255 

war  in  der  Tat  der  entscheidende  Punkt:  wenn  man  Caesar 
stürzen  wollte,  mußte  ein  Intervall  zwischen  Statthalterschaft 
und  Consulat  geschaffen  werden,  in  dem  er  nicht  Beamter  war 
und  vor  Gericht  gezogen  werden  konnte.  Cato  hat  denn 
auch  wiederholt  eidlich  erklärt,  er  werde  die  Anklage  gegen  ihn 
erheben,  sobald  er  sein  Heer  entlassen  habe.  Alsdann  konnte 
er  dem  Schicksal  Milos  kaum  entgehn1). 

Endlich  kam  am  29.  September  die  entscheidende  Verhand- 
lung. Pompejus  erklärte,  offenbar  mit  Rücksicht  auf  die  Klausel 
in  dem  von  ihm  und  Crassus  beantragten  Gesetz  (oben  S.  158,  1), 
vor  dem  1.  März  60  könne  er  ohne  Rechtsverletzung  über  Caesars 
Provinzen  keinen  Beschluß  fassen,  nachher  habe  er  keine  Be- 
denken mehr.  Auf  die  Frage,  wie  er  sich  verhalten  werde,  falls 
alsdann  ein  Tribun  intercediere,  antwortete  er,  es  sei  kein  Unter* 
schied,  ob  Caesar  selbst  dem  Senat  nicht  gehorche  oder  jemand 
anstifte,  der  den  Senat  an  der  Beschlußfassung  hindere;  wenn 
Caesar  aber  gar  verlangen  sollte,  sein  Heer  auch  als  Consul  zu 
behalten  —  also  für  sich  dieselbe  Stellung  fordere,  welche  Pom- 
pejus im  vorigen  Jahre  eingenommen  hatte  — ,  sei  das  ebenso, 
„wie  wenn  mein  Sohn  den  Knüttel  gegen  mich  erheben  will"'). 

iunetim  referretur.  contrisiavit  haec  sententia  Balkum  Cornelium 
(den  Agenten  Caesars),  et  scio  eum  questum  esse  cum  Scipione. 

»)  Sneton  Caes.  80  cum  M.  Cato  identidem  nec  sine  iureiurando 
denuntiaret,  delaturum  se  nomen  eius  simul  ac  primum  exereitum 
dimisisset;  cumque  vulgo  fore  praedicarent,  ut  si  privaius  redisset, 
Milonis  exemplo  circumpositis  armatis  causam  apud  iudices  diceret. 

*)  Caelius  VIII  8,  9  „quid,  si"  inquit  alius  „et  consul  esse  et  ex- 
ereitum habere  volet?"  at  ille  quam  dementer  „quid  si  füius  mens 
fustem  mihi  impingere  volet?*  Offenbar  hat  Caesar  oder  sein  Ver- 
treter dieBe  Forderung  erhoben  (vgl.  oben  S.  246,  1),  die  schon  im  Jahre  52 
nach  Clodius'  Ermordung  gestellt  worden  war.  Wenn  Caelius  folgert: 
iiaque  tarn,  ut  video,  alter  am  utram  ad  condicionem  descendere  volt 
Caesar,  aut  ut  maneat  neque  hoc  anno  sua  ratio  habeaiur,  aut, 
si  designari  poterit,  decedat,  so  hat  er  sich  entweder  sehr  flüchtig  und 
inkorrekt  aasgedrückt,  oder  Caesar  hat  wirklich  zunächst  die  Forde- 
rung gestellt,  im  Jahre  50  [denn  nur  die  in  diesem  Jahre  bevorstehen- 
den Wahlen  können  mit  hoc  anno  gemeint  sein]  zum  Consul  für  49 
gewählt  zu  werden,  was  an  sich,  wenn  es  auch  einen  Dispens  von  dem 


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256 


Das  Principat  des  Ponipejus 


Diese  Äußerungen  haben  die  Entscheidung  des  Senats  be- 
stimmt. Marcellus'  Antrag,  Caesar  zum  nächsten  1.  März  einen 
Nachfolger  zu  bestellen,  wurde  mit  großer  Majorität  abgelehnt1), 
dagegen  beschlossen,  daß  die  nächsten  Consuln  vom  1.  März  an 
die  Verhandlung  über  die  Consularprovinzen  auf  die  Tages- 
ordnung setzen  und  in  den  nächsten  Tagen  zu  Ende  führen 
sollten,  unter  Heranziehung  auch  derjenigen  Senatoren,  die  als 
Richter  tätig  waren,  und  ohne  Verbindung  mit  irgend  einem 
andern  Gegenstande;  alsdann  sollten  sie  die  etwa  nötigen  An- 
träge an  das  Volk  veranlassen.  Weiter  beschloß  man,  daß  acht 
gegenwärtig  von  Praetoriern  verwaltete  Provinzen,  sowie  die 
zurzeit  von  dem  Consular  Cicero  verwaltete  Provinz  Cilicien 
für  das  Jahr  50  Praetoriern  zugewiesen  und  diese  in  der 
durch  das  im  Vorjahr  erlassene  Gesetz  vorgeschriebenen  Weise 
bestellt  werden  sollten;  dadurch  wurden  als  Consularprovinzen 
für  das  Jahr  49*)  das  zurzeit  von  Bibulus  verwaltete  Syrien 
und  eine  der  beiden  Gallien  in  Aussicht  genommen,  da  die  beiden 
Spanien  ja  noch  auf  Jahre  hinaus  an  Pompejus  vergeben  waren. 

Gesetz  erfordert  hatte,  sehr  wohl  denkbar  ist,  zumal  er  jetzt  ja  wirklich 
mit  Gallien  fertig  war. 

')  Hirtius  bell.  Gall.  Vm  58  Marcellus .  . .  contra  legem  Pompei 
et  Crassi  rettuleral  ante  tempus  ad  senatum  de  Caeearis  provinciis, 
sententüsque  dictis  discessionem  faciente  Marceüo  . . .  senatus  fre- 
quens  in  alia  omnia  transiü  (das  ist  bekanntlich  die  Form  für  die 
Ablehnung  eines  Antrags:  bei  der  Abstimmung  gehn  die  für  einen  An- 
trag Stimmenden  auf  die  eine  Seite,  wer  für  irgend  einen  andern  ist, 
anf  die  andere).  Dio  40,  59  Pomp,  xb  fiiv  8+)  xbv  Kafoop*  xr^  4rrtfiovla< 
«apiXoS-fjv*'.  obik  ivixth  apioxeiv  fcuXimto,  Snpvcn  l'  5«u>c,  8t-xv  tiv  3sio- 
jiivov  ol  xpivov  3iap$u  (toüto  W  oOx  1$  paxp&v,  £XX'  e68-ö«  sv  ti»  6otep<fi  fxti 
[vgl.  oben  S.  159  Anm.]  y«vi{<»oSai  «fwXX»),  xi  xt  SitXa  xataJbrcat  xal 
I3iwts6(uv  oixv&c  esaviXd-y.  Appian  II  26,  99  SttxcuXoosv  ö  no;j.itrjtoc  e&xp»- 
tttta  xt  Xöyou  xsl  t£»voia<;  uitoxpfott,  fi-Jj  9t Iv  &v8p«  Xaaxp&v  x*l  1$  koXX« 
XpT,oifM>v  tijj  xatptfi  ytvöfievov  &ßptC«tv  ßp*»Xe'  itoorrytatt  xp6vot>,  xal  iijXov 
inoitptv,  Jkt  X9"h  V*x^  tiv  *«P«Xo«tv        opx*J?  a&ttxa  tiv  Katoapa. 

*)  Die  Consularprovinzen  müssen  auch  nach  der  neuen  Ordnung 
auf  Grund  des  Bempronischen  Gesetzes  vor  den  nächsten  Comulwahlen, 
also  anderthalb  Jahre  voraus,  bestimmt  werden,  obwohl  sie  jetzt  nicht  mehr 
den  alsdann  gewühlten  Consuln,  Bondern  älteren  Consularen  zugewiesen 
werden. 


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Makellos  Antrüge  abgelehnt.    Beechlüsse  .Iber  die  Provinzen  257 


Endlich  sollte  über  die  ausgedienten  oder  sonst  au  dem  Anspruch 
auf  Entlassung  berechtigten  Soldaten  im  Heere  Caesars  an  den 
Senat  zu  weiterer  Verhandlang  Bericht  erstattet  werden;  da- 
durch hoffte  man,  Caesars  Stellung  in  seiner  Armee  erschüttern 
und  diese  in  ähnlicher  Weise  innerlich  auflösen  zu  können,  wie 
das  im  Jahre  67  mit  der  Armee  des  Lucullus  geschehn  war. 
Gegen  einen  Senatsbeschluß  über  die  Consularprovinzen  war  eine 
Intercession  unzulässig;  gegen  die  übrigen  Beschlüsse  inter- 
codierten  die  für  Caesar  tätigen  Tribunen,  obwohl  der  Senat 
beschlossen  hatte,  in  diesem  Fall  seine  auctoritas  schriftlich  auf- 
zusetzen und  ein  derartiges  Verhalten  für  staatsfeindlich  (contra 
rempublioam)  zu  erklären;  es  sollte  alsdann  sofort  eine  Verhand- 
lung über  die  weiter  zu  ergreifenden  Maßregeln  erfolgen1). 

Durch  diese  Beschlüsse  war  der  von  Marcellus  geleitete  Ver- 
such der  Republikaner  gescheitert,  selbständig  aus  eigener  Kraft, 
ohne  Rücksicht  auf  Pompejus,  vorzugehn,  und  damit  das  Reichs- 
regiment wirklich  wieder  für  den  Senat  in  Besitz  zu  nehmen. 
Daß  Marcellus  jetzt  nicht  weiter  vorgehn  konnte,  war  selbst- 
verständlich, und  er  verdient  die  Vorwürfe  keineswegs,  die 
CaeliuB  ihm  deshalb  macht«),  wenn  auch  seinem  Naturell  die 
aktive  Energie  und  die  dazu  gehörende  Leidenschaftlichkeit  ab- 
ging. Aber  die  Majorität  des  Senats  hatte  ihn  im  Stich  gelassen : 
und  wie  hätte  er  jetzt  Pläne  fördern  sollen,  die  zu  seiner  strengen 
und  ehrlichen  Auffassung  durchaus  im  Widerspruch  standen? 
Pompejus  hatte  sich  als  der  Stärkere  erwiesen.  Zugleich  aber 
hatte  er  sich  aufs  neue  zu  den  Anschauungen  der  Nobilität  be- 
kannt, im  Gegensatz  gegen  die  Phrasen  von  den  Volksrechten 
und  ihrer  Verkörperung  in  den  Tribunen,  über  deren  Ansprüche  er 
sich  in  wegwerfendster  Weise  geäußert  hatte;  und  er  hatte  deut- 

')  Caelins  VIII  8,  4  ff.,  der  den  Wortlaut  der  SenatsbeschlQsae 
mitteilt. 

*)  Caelius  VIII  10,  3  (17.  November)  plane  nihil  Video  ante  Kai. 
Januarius  agi  posse.  nosii  Marceilum,  quam  tardus  et  parum  effi 
cax  tfit,  itemqtte  Servius  quam  eunctator.  cuiusmodi  putas  hos  esse, 
aut  quam  id  quod  nolini  (d.  i.  eine  Aktion  in  Pompejus'  Sinne)  con- 
flcere  posse,  qui  quae  cupiunt  tarnen  ita  frigide  agunt,  ut  noüe  ex  - 
istimentur? 

Meyer,  CKe-ars  Monarchie  17 


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258 


Das  Principal  des  Pom  pejus 


lieh  zu  erkennen  gegeben,  daß  er  vor  dem  offenen  Bruch  mit 
Caesar  nicht  zurückscheue,  sondern,  wenn  auch  langsam  fort- 
schreitend, dazu  bereit  sei. 

Daß  vor  diesen  Fragen,  von  denen  der  Bestand  der  Republik 
abhing,  alle  übrigen  Aufgaben  des  Staate  in  den  Hintergrund 
traten,  ist  begreiflich  genug.  Aber  freilich  blieben  so  die  wich- 
tigsten Dinge  nach  wie  vor  unerledigt,  und  an  eine  konsequente 
Leitung  der  auswärtigen  Politik  durch  den  Senat  in  den  ihm 
unterstellten  Gebieten  war  nicht  zu  denken.  Gegen  die  drohende 
Purthergefahr  geschah  so  gut  wie  nichts.  Allerdings  hatte  der 
Senat  sich  im  Frühjahr  51  endlich  entschlossen,  wie  nach  Cilicien, 
das  Appius  Claudius,  Consul  54,  verwaltete,  so  auch  nach  Syrien, 
dessen  Statthalterschaft  seit  Craasus'  Tode  unbesetzt  war,  einen 
Oonsuiar  zu  schicken,  nach  Cilicien  Cicero,  nach  Syrien  Bibulus. 
Aber  für  die  Verstärkung  der  gänzlich  ungenügenden  Truppen- 
macht, die  in  beiden  Provinzen  stand,  geschah  garnichts,  alle 
darüber  geführten  Debatten  verliefen  im  Sande1).  Als  dann  im 
Herbst  die  Parther  in  Syrien  einbrachen,  tauchte  der  Gedanke 
auf,  entweder  Pompejus  oder  Caesar  gegen  sie  zu  senden  und  so 
zugleich  den  drohenden  Bürgerkrieg  zu  vermeiden*).  Aber  zu 
namhaftem  Handeln  konnte  man  sich  nicht  aufraffen,  und 
der  Staat  hatte  es  nicht  sowohl  den  umsichtigen  Maßregeln 
des  Cassius  in  Syrien,  als  vielmehr  lediglich  der  inneren  Schwäche 
des  zu  einer  großen  Offensive  nicht  fähigen  Partherreichs  zu 

')  Cicero  an  Appins  Claudias  HI  8,  1;  vgl.  an  den  Senat  XV  1,  4 
(September  51)  magno  opere  vos  et  hortor  et  moneo,  ut  hin  provin- 
ciis  serius  vos  quidem  quam  decutt,  sed  aliquando  tarnen  consu- 
latis.  nos  quemadmodutn  instruetos  et  quibus  praesidiis  munitos 
ad  tanti  belli  opinionem  miseritis,  non  estis  ignari.  Caelius  an 
Cicero  VIII  5,  1  nunc  si  Parthus  movet  aliquid . . .  tuus  porro  ex- 
ercitus  vix  unum  saUum  tueri  polest.  In  Cilicien  standen  zwei 
schwache  Legionen,  ad  Att  V  15,  1  (nach  Plut.  Cic.  36:  12000  Mann 
zu  Fuß,  2600  Reiter),  ebenso  in  Syrien  zwei  aus  den  Resten  der  Armee 
des  Craasus  gebildete,  Caesar  civ.  III  4,  3.    Appian  II  49,  201. 

»)  Caelius  VIII  10,  2,  vgl.  Cicero  ad  Att  V  18,  1.  21,  8.  VI  1,  8.  14. 
Die  Consuln  des  Jahres  51,  denen  einige  diese  verfassungsmäßig  ihnen 
zukommende  Aufgabe  zuweisen  wollten,  hatten  nach  Caelius  garkeine 
Neigung,  sie  zn  Obernehmen. 


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Der  Partherkrieg.    Curios  Tribunat 


259 


danken,  daß  nicht  eine  große  Katastrophe  eintrat,  wie  im 
mithridatischen  Kriege. 

Der  Bruch  zwischen  Pompejus  und  Caesar 

Von  den  Consuln  des  Jahres  50  stand  Gaius  Marcellus,  ob- 
wohl mit  Caesars  Großnichte  Octavia  vermählt,  auf  seiten  der 
Republik  und  des  Pompejus1) ;  seinen  Kollegen  L.  Aemilius  Paullus, 
ehemals  Caesars  Geguer  (S.85),  den  Caesar  schon  früher  durch  Zu- 
schüsse für  den  Neubau  der  Basilica  Aemilia  unterstützt  hatte,  er- 
kaufte er  jetzt  vollends,  indem  er  ihm  im  ganzen  nicht  weniger  als 
1500  Talente  (9  Millionen  Denare)  für  den  Bau  zukommen  ließ2). 
Dagegen  hatte  Caesar  das  Anerbieten  Curios  abgewiesen,  sich  von 
j  hm  durch  Bezahlung  seiner  gewaltigen  Schulden  erkaufen  zu  lassen, 
obwohl  er  sonst  einem  jeden  sein  Geld  zukommen  ließ,  der 
ihm  irgend  nützlich  sein  konnte,  bis  zu  den  Sklaven  hinab,  die 
bei  irgendwie  brauchbaren  Männern  eine  Vertrauensstellung  ein- 
nahmen ;  aber  Curio  hatte  ihn,  wie  sein  Vater,  in  seinem  Consulat 
persönlich  aufs  heftigste  angegriffen,  und  überdies  hatte  er  zu 
seinen  Leistungen  kein  Zutrauen3).  Indessen  Curio  war  eine 
hochbegabte  Persönlichkeit;  wie  Caesar  verband  er  mit  völliger 
Erhabenheit  über  die  Gebote  der  politischen  Moral  und  mit  der 
größten,  ostentativ  zur  Schau  getragenen  Nonchalance  in  seinem 
Auftreten4)  einen  feinen  politischen  Blick  und  das  begründete 

')  Bio  40.  59,  4:  Pompejus  hat  seine  Wahl  unterstützt  iwiif)  tu» 
Katoopi  xacittp  ii  imfan-ias  *pooYjxa)v  ex*P°S  fy- 
»)  Vgl.  oben  S.  200,  5. 

»)  Caeüus  VIII  4,  2,  1.  August  51 :  huius  autem  voluntatis  inüium 
et  causa  est,  quod  eum  (den  Curio)  non  mediocriter  Caesar,  qui 
solet  infimorum  hominum  amicitiam  sibi  qualibet  impensa  ad- 
lungere  (vgl.  Dio  40.  60,  8  f.  Plut.  Caes.  29.  Sueton  27) ,  valde  con- 
tetnpsit. 

')  In  dem  angeführten  Brief  wundert  sich  CaeliuB,  daß  Curio,  qui 
nihil  consilio  facit,  sich  den  ihm  von  Laelius  (einem  Anhänger  des 
Pompejus),  Antonius  (dem  Caesarianer)  und  anderen  bei  der  Bewerbung 
um  das  Tribunat  gelegten  Fallstricken  entzogen  habe ;  vgl.  vorher  sane 
quam  incutit  multis,  qui  eum  facilUatemque  eius  non  norunt,  ma- 
gnum  nietum. 


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260 


Das  Principat  dee  Pom  pejus 


und  adelnde  Bewußtsein,  daß  er  etwas  zu  leisten  vermöge; 
er  steht  Caesar  weit  näher  als  etwa  dem  Clodius,  als  dessen  Erbe 
er  sonst  erscheint,  wie  er  denn  auch  dessen  Witwe  Fulvia  geheiratet 
hatte.  Zurückgewiesen,  warf  er  sich  mit  Feuereifer  in  den  Kampf 
gegen  Caesar1),  plante  einen  neuen  Angriff  auf  dessen  campanisches 
Ackergesetz,  erklärte,  er  werde  ihm  den  Weg  zum  Triumph  oder 
zu  einem  zweiten  Consulat  verschnüren2).  Caesar  erkannte, 
welchen  Fehler  er  begangen  hatte,  und  bewilligte  alles,  was  Curio 
forderte,  angeblich  2*/t  Millionen  Denare*).  Curio  maskierte  seinen 
Übertritt  mit  großem  Geschick;  er  brachte,  während  sonst  alle 
Geschäfte  stockten4),  einen  Antrag  nach  dem  andern  ein,  in  der 
Absicht,  dadurch  einen  Konflikt  mit  der  Regierung  herbeizu- 
führen*). Schließlich  forderte  er  im  Februar  die  Einschiebung 
eines  Schaltmonats,  die  übrigens  der  regelmäßigen  Ordnung 
durchaus  entsprochen  hätte  und  bei  der  heillosen  Verwirrung, 
in  die  der  römische  Kalender  geraten  war,  um  so  mehr  geboten 
gewesen  wäre.    Als  auch  das  abgelehnt  wurde,  erklärte  er,  d«is 


')  Caelius  VIII  4,  2  sed  ut  apero  et  volo  et  ut  se  fori  ipse,  bonos 
et  senatum  malet,  totus,  ut  nunc  est,  hoc  scaturit  (bei  der  Bewerbung 
Sommer  51).  VIII  8,  10  (Oktober):  C'urt'o  se  contra  eum  (Caesarem) 
totum  parat.    Vgl.  Cicero  an  Curio  II  7. 

*)  Caelins  VIII  10,  8  f.  (17.  November,  also  vor  dem  Antritt  des  Tri- 
bunate):  Curionem  tndeo  se  dupliciter  iactaturum:  primum,  ut  ali- 
quid Caesari  adimat;  inde,  ut  aliquid  Pompeio  tribuat,  quodvis 
quamlibet  tenue  munusculum  . . :  iliud  addo  ad  actiones  C.  CurionU, 
de  agro  Campano;  de  quo  negant  Caesarem  laborare,  sed  Pom- 
peium  valde  nolle,  ne  vaeuus  advenienti  Caesari  pateat.  Varro  bei 
Nonius  p.  147,  12  quod  Curio,  cum  id  fecisset,  dicebal  amicis,  ut  Uli 
renuntiaretur,  se  obstringillaturum,  ne  triumphtts  decerneretur  aut 
ne  iterum  fteret  consul. 

*)  Vellejus  II  48,  4  id  gratis  an  aeeepto  centies  sestertio  fecerit, 
ut  aeeepimus,  in  medio  relinquemus.  Dio  40,  60.  Appian  II  26,  101. 
Sueton  29. 

«)  Caelius  VI  II  6,  8  (Ende  Februar,  vgl.  0.  E.  S<  hmiüt,  Briefwechsel 
Ciceros  S.  87  f.),  ironisch :  consules  autem  habemus  summa  diligentia; 
adhuc  senahiscomuUum  nisi  de  feriis  Latinis  nullum  facere  po- 
tuerunt. 

»)  Dio  40.  61,  2  toYflelto  itoUä  x*i  atona. 

i 
I 


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Curie*  Obertritt  in  Caesar 


261 


geschehe  nur,  um  ihm  die  Zeit  seines  Tribunats  zu  verkürzen1), 
und  vollzog  seinen  Übertritt  zur  Volkspartei  und  zu  Caesar 
durch  Einbringung  von  Gesetzen  über  Straßenbauten  und  über 
die  Verteilung  der  Lebensmittel,  die  natürlich  lediglich  den  Zweck 
hatten,  seine  bisherigen  Parteigenossen  zu  reizen  und  die  ge- 
samte Staatsmaschinerie  lahm  zu  legen2). 

Am  1.  März  forderte  dann  der  Consul  C.  Marcellus,  dem  Be- 
schhiß vom  29.  September  51  entsprechend,  die  Bestellung  eines 
Nachfolgers  für  Caesar;  aber  sein  Kollege  Paullus,  der  in  diesem 
Monat  den  Vorsitz  hatte,  verhielt  sich  ablehnend1).    Piso,  der 


')  Das  dürfen  wir  wohl  aas  Dios  Angabe  40,  62,  1  vfiwo  p^v*  ÄXow 
xp&C  t&{  die'  aotwv  ly\  vofiofhata^  (d.  h.  för  die  Gesetzgebung,  die  aus 
seinen  Antrügen  hervorgehen  sollte)  ins^ßX^d^vai  folgern.  Dios  Be- 
hauptung, in  diesem  Jahre  habe  legitimerweise  keine  Schaltung  statt- 
finden können,  ist  falsch:  Cicero  ist  vielmehr  in  Sorge,  daß  geschaltet 
and  die  Daner  seiner  Statthalterschaft  verlängert  werden  könnte  (ad 
Att.  V  9,  2).  Die  Bekanntgebung  der  Schaltung  erfolgte  bekanntlich 
erst  unmittelbar  vorher,  nach  Mommsens  Annahme  an  den  Nonen  des 
Februur. 

*)  Dio  40.  62.  Wahrend  de»  Parteiwechsels,  also  noch  im  Februar, 
ist  der  Brief  des  Caelius  VIII  6  geschrieben,  zunächst  Curioni  nostro 
tribunatm  conglaciat,  dann  in  der  Nachschritt  quod  tibi  supra  scripsi, 
Curionem  valde  frigere,  iam  ccUet.  nam  fertetitissime  concerpitur; 
levissime  enim,  quia  de  intercalando  non  obtinuerat,  transfugit  ad 
populum  et  pro  Caesare  loqui  coepit,  legemque  Hariam,  non  die- 
simüem  Rulli,  et  alimentariam,  quae  iubet  aedüis  metin,  iactavit: 
hoc  nondum  fecerat,  cum  priorem  partem  epistolae  scripsi.  Dazu 
stimmt  Appinn  II  27  ö  3i  Kooptov,  Ivx  ji-rj  5tpvu»  jittattd-ifuvoc  Yl~(VOiXo  ***d- 
<p«»po(,  tt97]*rt'-to  ßapordtoc  Mwv  xoXXüv  fataxtode  Tt  xat  xataaxsoac  xal 
awt&v  hetotdr^v  a&ttüv  in\  «vtiati?  tlv-xt,  »Iftüig  piv  oö&iv  totmuv  ssöfitvov, 
iknifav  &  toö^  Ilofiir^too  fiko^  av«X«;tiv.  —  In  der  Antwort  an  Caelius 
II  18,  2  Anfang  Mai  behauptet  Cicero,  den  Parteiwechsel  Curios  geahnt 
zu  haben  (quid  ais?  Caesarem  nunc  defendit  Curia?  quis  hoc  pu- 
tarat  praeter  me?  nam,  ita  rivam,  putavi);  und  er  kannte  seinen 
Zögling  so  gut,  daß  wir  ihm  diese  Behauptung  diesmal  wohl  glauben 
können;  vgl.  seinen  Brief  an  Curio  II  7  nach  dessen  Wahl. 

s)  App.  II  27.  10:i  KXa-;«io«  V  ««nrfttto  itipKiiv  Katoapi  3ta&x«K 
ixi  tä  UrvTrj'  xal  f*p  j}.t(-(ev  h  xpövo?.  xal  IlaöXo^  ioiuma.  Dio  40,  68,  2. 
Caelius  VII!  II,  1  redet  von  dem  furor  Pauli,  durch  den  dem  Curio 
alle  Comitialtnge  entrissen  sind,  wohl  nicht  durch  Obnuntiation.  son- 


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262 


Da*  Principat  des  Pompejas 


bald  darauf  zum  Censor  gewählt  wurde,  vertrat  die  Sache  seines 
Schwiegersohns1),  Curio  aber  hinderte  jeden  einseitigen  Be- 
schluß gegen  Caesar,  sondern  forderte,  daß  beide  Machthaber 
Heer  und  Provinzen  aufgeben  und  in  den  Privatstand  zurück- 
treten sollten:  nur  so  könne  der  gesetzliche  Zustand  hergestellt 
und  dauernde  Ordnung  und  Sicherheit  geschaffen  werden2).  So 
zogen  sich  die  Verhandlungen  wochenlang  resultatlos  hin,  unter 
mancherlei  Unruhen  und  aufreizenden  Volksreden').   Der  Masse 

dem  weil  sie  infolge  der  Verschleppung  der  Entscheidung  durch  Paullus 
für  die  Senatsverhandlungen  über  die  lonsularprovinzen  mit  Beschlag 
belegt  sind,  was  am  29.  September  öl  verfügt  war  (Senatsbeachluß  bei 
Caelius  VIII  8.  5  utique  eins  rei  causa  per  dies  comitialis  senatum 
haberent). 

')  Dio  40,  63. 

*)  Appian  II  27.    Dio  40,  62. 

*)  Cicero  an  Atticus  VI,  2,  6  habebam  acta  urbana  usqu*  ad 
Nonas  Martias,  e  quibus  iniellegebam ,  Curionis  nostri  comtantia 
omnia  potiux  actum  tri  quam  de  provinciis;  so  kann  Cicero  hoffen, 
daß  sein  Wunsch,  Cilicien  baldmöglichst  verlassen  zu  dürfen,  sich  er- 
füllt (ego,  ut  spero,  propediem  te  videboj.  VI  3,  4  huc  odiosa  ad- 
ferebantur  de  Curione,  de  Paulo,  non  quo  ullum  periculum  videam 
stante  Pompeio,  vel  etiam  sedente,  vaieat  modo.  An  Caelius  II  12 
sollicitits  equidem  eram  de  rebus  urbanis;  ita  tumultuosae  contioties, 
ita  molestae  Quinquatrus  (19.  Marz)  adferebantur ;  nam  citeriora 
nondum  audiebamus.  —  In  die  späteren  Stadien  dieser  Verhandlungen 
etwa  Ende  April  oder  Anfang  Mai  (0.  E.  Schmidt,  Briefwechsel  Ciceros 
S.  88)  fallen  dann  die  absurden  Diskussionen  Über  die  von  Bibulus  und 
Cicero  erhobenen  Ansprüche  auf  ein  Dankfest  und  den  Triumph,  mit 
denen  geraume  Zeit  vergeudet  wird,  s.  Caelius  VIII  11  und  die  darauf 
bezüglichen  Schreiben  Ciceros.  Curio  war,  zumal  nachdem  Caesars 
Agent  Balbns  auf  ihn  eingewirkt  hatte,  konnivent  genug,  seinen  Ein- 
spruch gegen  ein  Dankfest  für  Cicero  zurückzuziehn,  nachdem  ihm  die 
Garantie  gegeben  war,  daß  es  in  diesem  Jahre  nicht  gefeiert  werden 
und  ihm  dadurch  weitere  Comitialtage  nicht  entrissen  werden  sollten. 
Caesar  hat  natürlich  sofort  eingehakt  und  versucht,  Cicero  auf  seine 
Seite  zu  ziehn:  in  einem  Brief  an  diesen  höhnt  er  über  Cato.  der 
dem  Bibulus  ein  zwanzigtägiges  (!  !)  Dankfest  bewilligte,  aber  gegen 
das  für  Cicero  stimmte  (vgl.  oben  S.  221):  Cic.  ad  Att.  VII  1,  7.  2,  7, 
vgl.  8.  5,  wo  man  in  sehr  instruktiver  Weise  sieht,  wie  solche  Insinua- 
tionen bei  Cicero  zunächst  weiter  nachwirken,  ihn  aber  schließlich 
doch  nicht  zu  gewinnen  und  zu  ehrloser  Haltung  zu  verlocken  vermögen. 


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Curio  und  die  V  erhandlungen  über  Caesars  Abberufung.  263 


der  Bürgerschaft  leuchtete  Curios  Vorschlag  vollständig  ein:  er 
wurde  als  der  wahre  Verfechter  der  Republik,  der  unabhängig 
zwischen  den  Machthabern  dastehe  und  gegen  beide  in  gleicher 
Weise  Front  mache,  von  der  Menge  gefeiert  und  bekränzt1). 
Caesars  rechtlich  ganz  unhaltbare  Position  —  denn  der  Termin, 
bis  zu  dem  ihm  die  Provinzen  bewilligt  waren,  war  abgelaufen, 
er  konnte  seine  Ansprüche  nur  noch  auf  die  Klausel  gründen, 
daß  über  die  Bestellung  seines  Nachfolgers  erst  jetzt  verhandelt 
werden  dürfe  —  erhielt  dadurch  aufs  neue  eine  Stütze:  durch 
die  Vertagung  der  Entscheidung  blieb  er  einstweilen  im  Besitz. 
Pompejus  dagegen  und  seine  Anhänger  hatten  einen  schweren 
Stand:  die  Berufung  auf  das  Gesetz,  welches  ihm  seine  Provinzen 
bis  zum  Jahre  45  gewährte,  konnte  demgegenüber  wenig 
fruchten*).  So  geriet  er  in  eine  gereizte  Stimmung,  die  sich  in 
heftigen  Angriffen  gegen  Caesar  und  Curio  Luft  machte3) ;  um  der 
feurigen  Beredsamkeit  entgegentreten  zu  können,  mit  der 
Curio  seine  politische  Laufbahn  und  vor  allem  sein  zweites  Con- 
sulat  zerpflückte4),  machte  er  auf  seine  alten  Tage  noch  einmal 
einen  Kursus  der  Rhetorik  durch5).  Er  erklärte  unter  Zu- 
stimmung des  Senats,  daß  Curio  Händel  suche  und  die  Ein- 
tracht störe;  er  sei  bereit,  Caesar  alles  zu  gewähren,  was  er 
billigerweise  verlangen  könne,  aber  spätestens  am  13.  November 
müsse  er  seine  Stellung  niederlegen;  darauf,  daß  er  zum  Consul 
gewählt  werde,  ehe  er  Heer  und  Provinz  abgegeben  habe,  wollte 
er  sich  in  keinem  Falle  einlassen6). 


')  Appian  II  27,  106. 

*)  Appian  II  27,  105.  Hirtius  bell.  Gall.  VIII  52. 
»)  Dio  40,  63,  1. 

4)  CaeliuB  VIII  11,  8  accipitur  satis  male  a  Curione,  ei  totue  eins 
secundus  consulatus  exagitatur. 
*)  Sueton  de  rbet.  2. 

•)  Caelius  VIII  11,  3  (etwa  Ende  April,  s.  S.  262,  8):  quod  ad  rem- 
publicum  attinet,  in  unam  causam  omni*  contentio  coniecla  est,  de 
provinciis,  in  quam  adhuc  f  incubuisse  cum  senatu  Pompeius 
videtur,  ut  Caesar  Id.  Novembr.  decedai  (natürlich  des  laufenden 
Jahres;  der  Termin  ist  als  eine  große  Konzession  gedacht,  was  oft  ver- 
kannt ist).    Curij  omnia  potius  subire  constituit,  quam  id  pati 


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Das  Principat  des  Pompejus 


Im  Juni  vorsuchte  der  Consul  Marcellus  als  Vorsitzender  ein 
Einschreiten  gegen  den  renitenten  Tribunen  herbeizuführen,  der 
in  üblicher  Weise  alle  Staatsgeschäfte  lahm  legte1).  Seüi  Vetter 
Marcus,  der  Consul  des  Vorjahrs,  beantragte  zu  den  herkömm- 
lichen weitern  Maßnahmen  zu  schreiten,  zunächst  durch  Ver- 
handlung mit  den  Tribunen;  aber  die  Majorität  lehnte  den  An- 
trag ab,  beschloß  vielmehr,  daß  Caesars  Anrecht  auf  abwesende 
Bewerbung  um  das  Consulat  anerkannt  werden  sollte,  ohne  daß 
ihm  für  die  Abgabe  von  Heer  und  Provinz  ein  Termin  gesetzt 
wurde1).  Pompejus  sah  seine  Absichten  durchkreuzt;  er  mußte 
versuchen,  das  verlorene  Terrain  wiederzugewinnen.  So  schrieb 
er  im  Sommer,  als  er  krank  in  Campanien  lag,  einen  Brief  an 
den  Senat,  in  dem  er  den  Schein  eines  weiteren  Entgegen- 
kommens annahm.  Er  pries  Caesars  Verdienste,  hob  aber  zu- 
gleich hervor,  daß  er  selbst  sich  keineswegs  zu  seiner  Stellung 
gedrängt  habe,  sondern  das  dritte  Consulat  nur  auf  das  An- 


ceteras  suas  abiecit  actiones.  nostri  porro ,  quos  tu  bene  tiosti,  ad 
Krtremum  certamen  rem  deducere  non  audearU  (wu  sich  nachher  im 
Juni  bestätigt),  scaena  rei  iotius  haec:  Pompeius,  tamquam  Cae- 
sarem  non  impugnet  sed  quod  Uli  aequum  putet  constüuat ,  ait 
Curionem  quaerere  discordias,  valde  antem  non  volt  et  plane  timei 
Caesarem  cos.  desig.  [d.  i.  cotisulern  designari  oder  designatum, 
woran  man  mit  Unrecht  Anstoß  genommen  and  korrigiert  hat]  prius 
quam  exercüum  et  provinciam  tradiderit.  Es  folgt  der  Satz  8.  268,  4. 

')  Appian  II  29,  HS  oo  iwtdiuv  Ik  idlot  r*jv  ßeoX-Jjv  Int  ittXtot  xäoi 
(vgL  8.  262,  3). 

*)  Oaelias  VIII  18  (vgl.  Cic.  ad  Att.  VII  7,  5)  cum  de  intercessione 
(Cnrionis)  referretur,  quae  relatio  ftebat  ex  senatusconsuUo,  primaque 
M.  Marceüi  sententia  pronuntiata  esset,  qui  agendum  cum  tribunis 
pl.  censebat,  frequens  senatus  iw  alia  omnia  iü.  stomacho  est  scüicet 
Pompeius  Magnus  nunc  ita  languenti,  ut  vix,  quod  sibi  placeat, 
reperiat.  tr ansier ant  illuc,  rationem  eins  haberi,  qui  (neque)  ex- 
ercitum  neque  provincias  traderet.  quemadmodum  hoc  Pompeius 
laturus  sit,  cum  cognoscam  (nämlich,  alsdann  werde  ich  es  schreiben ; 
das  ist  nicht  geschehn,  da  Caelius  in  dem  nächsten  Brief  VIII  12  ledig- 
lich Ton  seinen  persönlichen  Angelegenheiten,  dem  schmutzigen  Handel 
mit  dem  Censor  Appius,  berichtet) ;  quidnam  reipubticae  futurum  sit, 
si  <. .  .>  aut  non  curet,  vos  senes  divites  mderitis.  Daß  die  Verhand- 
lung unter  Marcellus'  Vorsitz  stattgefunden  hat,  also  im  Juni,  ist  klar. 


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Abgabe  der  Legionen  für  den  Partherkrieg 


265 


drängen  des  Staat«  übernommen  habe;  so  sei  er  denn  auch  ganz 
bereit,  Provinzen  und  Heer  vor  der  ihm  zugewiesenen  Zeit  ab- 
zugeben; ebenso  werde  Caesar  sich  freuen,  die  langjährigen 
schweren  Kampfe  los  zu  sein  und  auf  seinen  Lorbeern  aus- 
ruhn  zu  können.  Der  Unterschied  war  nur,  daß  er  sich  hütete, 
für  sich  einen  bestimmten  Termin  zu  nennen,  während  er  von 
Caesar  natürlich  jetzt  den  Rücktritt  forderte1). 

Einen  andern  Erfolg  dagegen  hatte  Pompejus  erreicht:  es 
war,  vermutlich  schon  etwas  früher*),  beschlossen  worden,  daß 
jeder  der  beiden  Machthaber  eine  Legion  für  den  Partherkrieg 
abgeben  solle.  Pompejus  forderte  dafür,  entsprechend  seiner 
Erklärung  im  vorigen  Jahre  (S.  264),  die  Caesar  geliehene 
Legion  zurück,  so  daß  diesem  tatsächlich  zwei  Legionen  ent- 
zogen wurden.  Caesar  gehorchte;  er  entsandte  die  von  Pompejus 
entliehene,  sowie  die  im  vorigen  Jahr  in  die  Cisalpina  verlegte 
fünfzehnte  Legion,  an  deren  Stelle  er  die  dreizehnte  nach  Ober- 
italien schickte;  durch  reiche  Geschenke  —  250  Denare  auf  den 
Mann  —  suchte  er  sich  ihre  Anhänglichkeit  auch  für  die  Zukunft 
zu  sichern').  Im  übrigen  schaffte  er  sich  für  die  verlorenen  Truppen 
nach  Kräften  Ersatz;  die  starken  Aushebungen,  die  er  im  Jahre  52 
in  der  Cisalpina  wie  jenseits  der  Alpen  angeordnet  und  aus  denen 
er  hier  die  gallische  legio  V.  Alaudae  gebildet  hatte  (S.  252),  wurden 
eifrig  wieder  aufgenommen,  und  aus  ihnen  mindestens  zwei  neue 
Legionen  gebildet;  dazu  mochte  noch  eine  Anzahl  noch  nicht  zu 


')  Appian  II  28. 

*)  Die  Kunde  davon  ist  schon  Anfang  Juli  nach  Cilicien  gekommen,  da 
Cicero  am  17.  Juli  auf  eine  darauf  bezügliche  Anfrage  des  Salostius 
(▼gl.  8.  164,  1),  de«  Quaestore  des  Bibulus.  antwortet  (II  17,  5  qtwä 
quaeris,  quid  existimem  de  legionibus,  qtiae  decretae  sunt  in  Syriam, 
antea  dubitabam,  venturaene  essent ;  nunc  mihi  non  est  dubium, 
quin,  si  antea  auditum  erit,  otium  esse  in  Syria,  venturae  non  sint. 
Marium  quidem  successorem  (des  Salustius)  tarde  video  esse  venturum, 
propterea  quod  senatum  ita  decrertt,  ut  cum  legionibus  iref). 
Appian  II  29  setzt  den  Vorgang  nach  Pompejus'  Krankheit,  Plut.  Pomp.  56 
offenbar  richtiger  vorher.  Dio  40.  65  und  Hirtius  bell.  Oall.  VIII  54  sind 
für  die  Chronologie  ohne  Bedeutung. 

')  Appian  II  29,  115  -=  Plut.  dies.  29. 


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206  Principat  des  Ponipejus 

Legionen  formierter  Cohorteu  kommen,  ferner  beträchtliche 
Reiterei.  So  war  seine  Armee  zu  Ende  des  Jahres  wahrschein- 
lich starker  als  vorher1). 

Die  beiden  Legionen,  die  er  abgeben  mußte,  werden  im 
Herbst  in  Italien  eingetroffen  sein.  Natürlich  dachte  man  hier 
garnicht  daran,  sie  in  den  Osten  zu  entsenden;  vielmehr  wur- 
den sie  zunächst  nach  Campanien  ins  Winterquartier  gelegt*). 
So  hatte  man  für  den  Notfall  doch  wenigstens  einige  Truppen 
zur  Verfügung,  die  einen  wenngleich  sehr  ungenügenden  Schutz 
gegen  eine  plötzliche  Überrumpelung  bieten  konnten. 

Eine  derartige  Befürchtung  lag  um  so  näher,  da  Caesar  sich, 
ganz  gegen  seine  sonstige  Gewohnheit,  im  Sommer  nach  Ober- 
italien begeben  hatte,  unter  dem  Vorwand,  für  die  Wahl  seines 
Quaestors  Antonius  zum  Augur  zu  agitieren8),  in  Wirklichkeit, 


')  Dio  40,  65.  4:  Caesar  gehorcht,  um  nicht  ungehorsam  zu  er- 
scheinen 5XXo>{  ts  xa;  jiikXcuv  tiei  icpo^db«  xoövq  koXXü»  icX«to'-><;  atoa- 
ttuutac  avttxacaXt^civ.  Der  Consul  C.  Marcellus  redet  am  2.  Dezember  50 
von  zehn  Legionen,  die  Caesar  über  die  Alpen  führe  (Plut.  Pomp.  58); 
Cicero  ad  Att.  VII  7,  6  (um  den  20-  Dezember)  zählt  auf,  daß  Caesar 
zur  Verfügung  stehn  legiones  XI,  equitatus  tantus,  quantum  volet, 
Transpadani;  auch  Florus  II  13.  5  gibt  ihm  elf  Legionen.  Sehr  mit 
Recht  hat  Domaszewski,  Die  Heere  der  Bürgerkriege  in  den  Jahren  49^42, 
Neue  Heidelberger  Jahrbücher  IV  1894,  161  lerner  Sueton  Caes.  29  heran- 
gezogen, wonach  Caesar  das  transalpinische  Gallien  mit  acht  Legionen 
abgeben,  die  Cisalpina  mit  zwei,  oder  auch  nur  Illjricum  mit  einer 
Legion  behalten  will,  also  mindestens  über  zehn  Legionen  ▼erfügt. 

*)  Appian  1.  c.  t/B^iCsy  tv  K*rö£,  vgl.  II  81,  120  und  Bardt,  Hermes 
45,  1910,  340. 

*)  Hirtius  bell.  Call.  VIII  50  ipse  hibemis  peractis  contra  con- 
suetudinem  in  Italiam  quam  maximis  itineribus  est  profectus.  Das 
würde  etwa  auf  den  Anfang  Mai ,  nach  damaligem  Kalender  römisch 
Mitte  Juni  (11.  Juni  römisch  =  3.  Mai  julianisch)  führen.  Aber  Hirtiu» 
sagt,  daß  Caesar  die  Wahl  des  Antonius  erfahren  habe,  antequatn  Ita- 
liam attiiigeret;  die  Wahl,  in  der  Antonius,  von  Curio  mit  allen 
Mitteln  unterstützt  (Cicero  Phil.  II  4.  Plut.  Anton.  5),  den  L.  Domitius 
Ahenobarbus  schlug,  fand  aber  erst  im  Hochsommer  statt,  als  die  cen- 
sorische  Tätigkeit  des  Appius  Claudius  bereits  in  vollem  Gange  war 
(Caelius  VIII  14.  vgl.  12.  nach  O.  E.  Schmidt,  Briefwechsel  Ciceros  S.  88 
erst  nach  dem  20.  September  =  7.  August  julianiäch,  da  er  die  von  Cae- 


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Steigerung  der  Spannung.  Sommer  50  267 


um  den  Dingen  näher  zu  sein  und  unmittelbar  auf  sie  einwirken 
zu  können.  Dann  eilte  er  nach  Belgien  zurück,  hielt  hier  in 
Nemetocenna  (Arras)  über  die  gesamte  in  Gallien  stehende  Armee 
—  noch  acht  Legionen  —  eine  Heerschau  ab,  und  führte  die 
Truppen  dann  in  die  Winterquartiere,  vier  Legionen  in  Belgien, 
vier  bei  den  Haeduern.    Dann  kehrte  er  nach  Italien  zurück1). 

Diese  Vorgänge,  zusammen  mit  der  Entsendung  der  drei- 
zehnten Legion  nach  Oberitalien  und  den  ständige»  Angriffen 
Cnrios  auf  Pompejus  und  seine  Genossen  erzeugten  in  Rom  den 
Glauben,  Caesar  plane  schon  jetzt  einen  Angriff,  am  15.  Oktober 
(31.  August  julianisch)  sollten  vier  seiner  Legionen  in  Placentia 
eintreffen2).  Wenn  das  zutreffend  war,  so  war  Rom  wehrlos, 
und  Pompejus  blieb  nichts  übrig,  als  die  Stadt  zu  räumen,  und 
alsdann  mochten  auch  nicht  wenige  Beamte  Caesars  Partei  er- 
greifen. Die  Wahlen  waren  allerdings  größtenteils  gegen  Caesar 
ausgefallen,  sein  Kandidat  für  das  Consulat,  Servius  Galba,  ehe- 
mals sein  Legat,  später  einer  seiner  Mörder,  war  durchgefallen3), 
wieder  ein  Gaius  Marcellus,  Bruder  des  Marcus,  und  L.  Lentulus 
Crus  gewählt.  Den  letzteren,  der  tief  verschuldet  war,  hoffte 
Caesar  allerdings  vielleicht  noch  erkaufen  zu  können4),  und  unter 


lius  gegebenen  Circenses  ludi  VIII  12,  3  wohl  mit  Recht  auf  die  ludi 
Romani  bezieht).  Somit  ist  Hirtius'  Angabe  jedenfalls  chronologisch 
nicht  exakt;  bezeichnet  hiberna  bei  ihm  etwa  einfach  die  Standquar- 
tiere, in  denen  die  Truppen  diesmal,  da  der  Krieg  beendet  war,  auch 
im  Sommer  lagerten?  Auch  nach  Plutarch  Anton.  5  fallt  Antonius' 
Wahl  zum  Augur  nach  der  zum  Tribunen. 
')  Hirtius  VIII  52,  1.  54.  4. 

*)  Cic.  ad  Att.  VI  9.  5  au»  Athen  Idibus  Octobribus,  t{iw  die,  ut 
ecribis,  Caesar  Placentiam  legiones  IUI  =  VII  1,  1  vom  nächsten 
Tage:  cohorruisse  autem  me,  quod  tuae  litterae  de  legionibus  Cae- 
8ari8  adferrent. 

■)  Wie  Hirtius  VIII  50  behauptet,  cum  is  mulio  plus  gratia  suf- 
fragiisque  valuisset. 

*)  Cicero  ad  Att.  VI  8.  2.  aus  Ephesos  am  1.  Oktober,  erwähnt  die 
ihm  Oberbrachten  Gerüchte  spero  falsa,  sed  certe  horribüia,  ea> 
ercitum  nuüo  modo  (Caesarem)  dimissurum,  cum  illo  praetores  de- 
signatos,  Cassium  tribunum  pL,  Lentulum  consulem  facere,  Pom- 
peio  in  animo  esse  urbem  relinquere.   Lentulus  erklärt  Anfang  49, 


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268  Das  Principat  des  Pom  pejus 

den  erwählten  Tribunen  waren  der  kurz  darauf  auch  zum  Augur 
gewählte  M.  Antonius  und  Q.  Cassius  Longinua  entschiedene 
Anhänger  Caesars. 

So  verlief  der  Sommer  in  äng8tlioher  Spannung.  Daß  Pom- 
pejus  im  Frühjahr  schwor  erkrankte1),  steigerte  noch  die  Er- 
regung; nach  dem  Vorgang  Neapels,  in  dessen  Nähe  er  weilte, 
wurden  durch  ganz  Italien  Gelübde  für  sein  Leben  dargebracht, 
und  seine  Genesung  in  allen  Gemeinden  mit  Opfern  und  Fest- 
schmausen  gefeiert*).  Diese  große  Demonstration  der  republi- 
kanischen Gesinnung  bestärkte  sein  Vertrauen,  und  ebenso  der 
ganz  tendenziöse  Bericht  des  Appius  Claudius  (eines  Neffen  des 
Clodius),  der  ihm  seine  Legion  von  Caesar  zuführte,  über  die 
Stimmung  in  dessen  Heer:  Caesars  Armee  sei  völlig  zerrüttet, 
die  Truppen  erschöpft  und  des  Kampfes  müde,  wenn  Caesar  sie 
über  die  Alpen  führe,  brauche  Pompejus  sich  nur  zu  zeigen,  so 
würden  sie  in  Masse  Übergehn3).  So  äußerte  er  im  Vollgefühl 
seiner  Autorität,  wo  er  in  Italien  nur  auf  den  Boden  stampfe, 
würden  Fußvolk  und  Reiterei  aufsprießen4). 


wenn  der  Senat;  ihn  im  Stich  lasse,  habere  se  quoque  ad  Caesaris 
gratiam  atque  amicitiam  receptum,  Caes.  bell.  civ.  I  1,  3.  Ober  den 
tfesf  Ii  eiterten  Versuch  Caesars,  ihn  Ende  Februar  49  za  erkaufen,  s.  Cic. 
ad  Att.  VIII  9.  4.  11,  5.  15  a.  2.  IX  6,  1.  Daher  äußert  sich  Caesar  ci?. 

I  4  aber  ihn  besonders  gehässig:  Lentulus  aeris  alieni  magnitudine 
et  spe  exercitus  ac  provinciarum  et  regum  appeUandorum  largi- 
tionibiis  movetur  [genau  dasselbe  konnten  Caesars  Gegner  Ober  sein 
Consalat  59  sagen],  segne  altfrum  fore  Sullam  intet  suos  gloriutur, 
ad  quem  summa  imperü  redeat.  Ebenso  Vellejus  II  49,  8 :  cum  Len- 
tulus dalva  republica  salvus  esse  non  posset. 

')  Die  Krankheit  hat  schon  im  Mai,  vor  C.  Marcellus'  Vorgehn 
ge^en  Curio.  eingesetzt,  da  Cicero  im  Juni  bereits  Sorge  um  Pompejus' 
Gesundheit  hat  (ad  Att.  VI  3,  4,  oben  S.  262,  3).  Vgl.  Cic.  ad  Att. 
VIII  2,  3  (17.  Februar  49)  in  unius  hominis  quotannis  periculose 
aegrotantis  anima  positas  omnes  nostras  spes  habemus. 

•)  Cic.  Tusc.  I  86.  ad  Att.  VIII  16.  1.  Plut.  Pomp.  57.  Vellejiw 

II  86;  erwähnt  auch  Dio  41,  6,  8.  Appian  II  28. 

*)  Plut  Pomp.  57.  Caes.  29.  =  Appian  II  80.    Nach  ihrem  Fahrer 
nennt  Cicero  ad  Att.  VII  15,  8.  20,  1  diese  Truppen  legiones  Appianae. 
*)  Plut.  Pomp.  57. 


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Curio  gegen  Pom  pejus 


269 


Um  so  schwerer  reizten  Um  die  immer  mehr  gesteigerten  An- 
griffe Curioe,  seine  Erklärung,  daß  Caesar  nicht  zurücktreten 
könne,  wenn  nicht  Pompejus  gleichzeitig  sein  Kommando  nieder- 
lege; man  müsse  gegen  beide  Machthaber  zugleich  vorgehn  und 
womöglich  rüsten,  nur  das  sei  wahrhaft  republikanische  Politik; 
andernfalls  werde  Pompejus  sein  Versprechen  nicht  halten  und 
der  Staat  alsdann  willenlos  in  seiner  Gewalt  sein ;  wie  seine  Gegner 
zur  Zeit  der  Koalition  mit  Caesar  beschuldigte  er  ihn  geradezu 
des  Strebens  nach  der  Tyrannis1).  Caesar  sandte  gleichartige 
Erklärungen;  er  sei  bereit,  jederzeit  zugleich  mit  Pompejus  sein 
Heer  abzugeben*).  Die  Vorwürfe  Curios  trafen  um  so  schwerer, 
da  sie  Pompejus'  wahre  Absichten  enthüllten;  durch  sein  Vor- 
gehn, durch  die  fortwährenden  Sticheleien,  mit  denen  er  diesen 
wild  machte,  hat  er  den  vollen  Bruch  herbeigeführt.  Pompejus 
erkannte,  daß  der  Mann,  den  er  als  seinen  Adjutanten  großgezogen 
und  benutzt  hatte,  um  den  Senat  unter  seinen  Willen  zu  zwingen, 
jetzt  sein  Rivale  und  sein  gefährlichster  Gegner  geworden  war*) : 

•)  Appian  II  28  =  Plat.  Pomp.  58.  Caes.  80.  Hirtius  VIII  52.  4 
C.  Curio  . . .  8aepe  erat  senaiui  potticitus,  si  quem  timor  armorum 
Caesaris  laederel,  quoniam  Pompei  dominaHo  atque  arma  non 
minitnum  terrorem  foro  (mit  Bezug  auf  die  so  bewirkten  Verurtei- 
lungen) inferrent,  discederet  uterque  ab  armis  exercitusque  dimitteret  : 
fore  eo  facto  liberam  et  sui  iuris  ciifitatem. 

*)  OaeliuB  VIII  14,  2  (Ende  September)  propositum  hoc  est,  de 
quo  qui  rerur  potiuniur  sunt  dimicaturi,  quod  in.  Pompeius  con- 
stituit  non  pati,  C.  Caesarem  consulem  aliter  fieri,  nisi  exercitum  et 
provincias  tradiderit,  Caesari  autetn  persuasum  est,  se  salvum  esse 
non  po8se ,  si  ab  exercitu  recesserit.  fert  illam  tarnen  condicionem, 
ut  ambo  exercitus  tradant.  —  In  diese  Zeit  etwa  müßte  die  von  Plu- 
tarch  Pomp.  58  Caes.  29  Überlieferte  Anekdote  (ktjtxat)  fallen .  ein 
von  Caesar  mit  seinen  Forderungen  übersandter  Centurio  habe,  als  er, 
vor  der  Curie  stehend,  erfuhr,  daß  der  Staat  Caesar  die  Verlängerung 
der  Provinz  nicht  bewilligen  wolle,  auf  sein  Schwert  schlagend  ge- 
sagt, das  werde  sie  ihm  geben.  Appian  II  25,  97  (<paot)  bringt  die  Ge- 
schichte schon  unter  dem  Jahre  51.  Aber  sie  ist  schriftstellerische  Er- 
findung; bekanntlich  wird  sie  mit  viel  besserer  Gewähr  bei  Octavians 
Forderung  des  Consulats  43  erzahlt,  und  ist  von  hier  auf  Caesar  übertragen. 

')  Vgl.  Ciceros  bekannte  Äußerung  an  Tiro  XVI  11.  8  (12.  Ja- 
nuar 49):  Pompeius  Caesarem  sero  coepit  timere.   Caesar  civ.  I  4,  4 


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270 


Da«  Principat  des  Pompejus 


er  sah  sieb  immer  mehr  auf  die  Seite  der  Aristokratie  gedrängt 
und  war  jetzt  entschlossen,  mit  deren  Hilfe  Caesar  zu  stürzen 
und  den  Kampf  baldmöglichst  zu  beginnen.  Ende  September 
schreibt  Caelius,  ein  Beobachter  von  treffendem  politischem  Blick, 
an  Cicero,  er  sehe  nicht,  wie  der  Friede  noch  ein  weiteres  Jahr 
bestehen  könne,  es  sei  denn,  daß  einer  der  beiden  die  Führung 
des  Partherkriegs  übernehme.  „So  ist  denn  jene  gehässige  Ver- 
bindung mit  ihren  Liebesbanden  nicht  wieder  zu  einer  im  Ver- 
borgenen arbeitenden  Rivalität  zurückgesunken,  sondern  ent- 
lädt sich  in  offenem  Krieg"1). 

Der  Censor  Appius  Claudius,  eben  so  korrupt,  aber  weit  weniger 
begabt  als  sein  Bruder  P.  Clodius  und  daher  im  Gegensatz  zu 
diesem  ein  eifriger  Optimat,  der  inzwischen  schon  in  Senat  und 
Ritterschaft  mit  den  zweifelhaften  Elementen  gründlich  auf- 
geräumt hatte  (S.  239)  und  im  übrigen  in  belustigendem  Gegen- 
satz zu  seinem  eigenen  Verhalten  gegen  den  Luxus  in  Bildnissen 
und  Gemälden,  gegen  übergroßen  Landbesitz,  gegen  Verschuldung 

ipse  Pompeius,  ab  inimicis  Caesaris  incitatus  et  quod  neminem 
dignitate  aecum  exoequari  volebat,  iotum  se  ab  eius  amicüia  aver- 
terat  et  cum  communibus  inimicis  in  graiiam  redierat. 

')  Caelius  VIII  14  de  summa  republica  saepe  tibi  scripsi,  me 
annuam  pacem  non  videre  .  .  .  sie  Uli  amores  et  invidiosa  con- 
iunetio  non  ad  occultam  recidit  obtrectationem,  sed  ad  bellum  se 
erupit  . . .  8i  aUeruter  eorum  ad  Parthicum  bellum  non  eat  [=  Cic. 
ad  Att.  VII  1,  2],  video  magnas  impendere  discordias,  quas  ferrum 
et  vis  iudicabit;  uterque  et  animo  et  copiis  est  paratus.  si  sine  tuo 
periculo  fleri  possei,  magnum  et  iueundum  tibi  fortuna  spectaculum 
parabit.  Über  seine  eigenen  Absichten  erklärt  der  politische  Spieler, 
der  in  seiner  Jugend,  etwa  25  Jahre  alt,  zu  dem  Anhang  Catilinas  gehört 
hatte  (Cic  pro  Cael.  10  ff.,  vgl.  oben  S.  28  Anm.  und  S.  185,  2)  und  sich  in 
den  letzten  Worten  zugleich  selbst  vortrefflich  charakterisiert,  so  lange 
civüiter  sine  armis  certetur,  müsse  man  der  honestior  pars  folgen, 
wenn  es  aber  zum  Kriege  komme,  der  ftrmior,  und  auf  die  eigene 
Sicherheit  bedacht  sein.  In  diesem  Sinne  hat  er  gehandelt  und  ist,  mit 
der  Nobilität  überdies  durch  persönliche  Konflikte  mit  Domitius  Aheno- 
barb ub  und  dem  Censor  Appius  Claudius  zerfallen,  zu  Caesar  gegangen 
[▼gl.  Cicero  ad  Att.  VII  3,  6].  Alsbald  fühlte  er  sich  allerdings  in  dieser 
Gesellschaft  ganz  deplaziert  (VIII  17)  und  unternahm  daher  den  Versuch 
einer  Gegenrevolution. 


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Angriffe  auf  Curio 


271 


einschritt1),  wollte  auch  gegen  Curio  vorgehn  und  ihn  aus  dem 
Senat  ausstoßen.  Dem  traten  sein  Kollege  Piso  sowie  der  Consul 
Aemilius  Paullus  entgegen,  und  er  mußte  nachgeben.  Aber  er 
trug  sein  Urteil  über  den  Tribunen  im  Senat  in  so  scharfen  Aus- 
drücken vor,  daß  dieser  auf  ihn  zusprang  und  ihm  die  Toga 
zerriß.  Der  Consul  C.  Marcellus  brachte  die  Sache  zur  Verhand- 
lung, wahrscheinlich  am  1.  Dezember,  und  wiederholte  den  Ver- 
such, die  Anwendung  von  Zwangsmaßregeln  gegen  ihn  herbei- 
zuführen. Curio  erhob  zuerst  Einspruch,  fügte  sich  dann  aber: 
er  sei  sich  bewußt,  nur  das  Beste  der  Vaterstadt  erstrebt  zu 
haben,  unterwerfe  sich  aber  mit  Leib  und  Leben  dem  Urteil 
des  Senats.  Wie  er  erwartet  hatte,  entschied  die  Abstimmung 
gegen  Marcellus,  und  Curio  konnte  sein  Amt  bis  zu  dem  in  wenigen 
Tagen  bevorstehenden  Ablauf  seines  Tribunats  weiterführen*). 

Der  Consul  C.  Marcellus  benutzte  diesen  Konflikt  zu  den 
heftigsten  Angriffen  auf  Caesar  selbst.    Er  bezeichnete  ihn  als 

l)  Caelius  VHI  u,  4  scis  Appium  censorem  hic  ostenta  facere? 
de  signis  et  tabulis,  de  agri  modo,  de  aere  alieno  acerrime  agere? 
Cicero  ad  Att  VI  9,  5  perscribes  ...  de  censoribus,  maximeque  de 
signis  tabulis  quid  flat,  referaturne. 

*)  Dio  40,  68.  der  einzige,  der  über  diese  Vorgänge  berichtet, 
schließt  daran  unmittelbar  die  Obergabe  des  Kommandos  an  Pompejus. 
Bei  Plutarch  Pomp.  58  =  App.  II  30  wird  diese  Szene  an  die  Abstim- 
mungen Ober  die  Niederlegung  des  Koromandos  angeknüpft,  was  ge- 
schichtlich gewiß  richtig  ist.  Die  modernen  Darstellungen  haben  daher 
meist  entweder  den  Bericht  Dios  oder  den  der  von  Plutarch  und  Ap- 
pian  benutzten  Quelle  Ubergangen,  während  doch  beide  geschichtlich 
sein  müssen  und  sich  deutlich  auf  dieselbe  Senatssitzung  beziehen:  die 
Verbindung  gibt  der  von  Plutarch  bewahrte,  bei  Appian  weggelassene 
Zug.  daß  als  der  Consul  Marcellus  in  der  Debatte  über  Curios  Forde- 
rungen  Caesar  als  Räuber  bezeichnet  und  seine  Erklärung  zum  hostis 
fordert,  Curio  die  Abstimmung  über  die  Abberufung  durchsetzt.  Ap- 
pian hat  davon  nur  den  Schluß  aufgenommen:  4j  ßooXYj  8t  yvtufnrjv 
Sxootov  -gw  xoü  6  KXaöo.oc  xavoöpT«»«  8t£p»i  —  nämlich  die  Forderung 
Curios,  daß  beide  abberufen  werden  sollen  —  xal  titovftdmo  «xotüty  xatd 
pipo;  xtX.  —  Daß  diese  Verhandlung,  bei  der  C.  Marcellus  den  Vorsitz 
führte,  nicht  in  den  Oktober,  wie  man  früher  annahm,  sondern  in  die 
allerersten  Tage  des  Dezember  fällt,  und  zwar  offenbar  auf  den  ersten, 
hat  Nies««  nachgewiesen  und  ist  seitdem  allgemein  anerkannt. 


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272 


Dag  Principat  dett  Pompejuä 


einon  Räuber  und  sprach,  ähnlich  wie  sechs  Jahre  später  Cicero 
im  Kampf  gegen  Antonius,  die  Forderung  aus,  der  Senat  solle 
ihn  für  einen  Landesfeind,  hostis,  erklären,  wenn  er  sein  Heer 
nicht  entlasse.  Da  griff  Curio  ein;  er  forderte,  daß  über  seineu 
eigenen  Antrag,  daß  beide  Machthaber  niederlegen  sollten,  ab- 
gestimmt werde,  und  setzte  das  durch,  unterstützt  von  Piso 
und  dem  designierten  Tribunen  Antonius.  Aber  Marcellus  teilte 
den  Antrag:  die  Frage,  ob  für  Caesar  Nachfolger  bestellt  werden 
sollten,  wurde  bejaht,  der  gleiche  Antrag  betreffs  Pompejus  ab- 
gelehnt. Darauf  aber  ließ  Curio  darüber  abstimmen,  ob  beide 
ihr  Kommando  niederlegen  sollten.  Da  zeigte  sich,  daß  die 
Vertreter  einer  energischen  Politik  nur  über  eine  verschwindende 
Zahl  sicherer  Anhänger  verfügten;  nicht  die  korrupten,  von 
Caesar  gewonnenen  Elemente,  wohl  aber  die  Friedenssehnsucht, 
der  dringende  Wunsch,  den  Bürgerkrieg  noch  im  letzten  Moment 
zu  vermeiden,  hatte  weitaus  das  Übergewicht:  mit  der  über- 
wältigenden Majorität  von  370  gegen  22  Stimmen  stimmte  der 
Senat  dem  Antrag  Curios  zu1).  Vom  Volk  wurde  der  Tribun 
mit  Jubel  als  der  Erretter  aus  aller  Gefahr  begrüßt");  der  Consul 
aber  rief  dem  Senat  bei  der  Aufhebung  der  Sitzung  zu,  er  habe 
sich  durch  seine  Abstimmung  selbst  Caesar  zum  Herrn  gesetzt3). 

•)  Appian  II  30,  119  -  Plat.  Pomp.  58  (vgl.  Cato  51.  Anton.  5,  wo 
die  Szene  falschlich  aai  den  1.  Janaar  verlogt  wird).  Hirtius  VIII  52.  5: 
Curio  . . .  etiam  per  se  discessionem  facere  coepit;  quod  ne  fleret, 
cottsules  amicique  Pompei  iusserunt  atque  ita  rem  moderando  dis- 
cuaserunt.  Diese  Darstellnng  ist  absichtlich  ungenau  gehalten  und  ver- 
meidet die  Berücksichtigung  der  Chronologie;  in  Wirklichkeit  schließt 
c.  55  unmittelbar  daran. 

")  Plut.  Pomp.  58. 

•)  App.  II  SO,  119  h  Kkaöbiot  rrjv  ßooX^jv  SttXüot  ßo<üv*  »vtx&ts  &*- 
OKOrrjv  $x°wi  Kfluoup«'.  Bei  Plut.  Pomp.  58  sind  statt  dessen  sogleich 
die  folgenden  Vorginge,  die  Bedrohung  durch  Caesars  die  Alpen  über- 
steigendes Heer,  angeschlossen:  MäpxtXXo^  Ii  ävaota«;  o&x  fy-rj  Xofutv 
axpoäoeo&r.  xiJKyttvos,  4kX'  öpü>v  Oittpf ruvöuxva  töv  'AXtticov  vfit\  iixi 
x&^fxfx  ßait£tiv  xal  ait6$  huctfvj/ttv  wy  avrica£d|isvov  aotot^  &idp  rfjs 
KtttplSo«.  Ähnlich  Dio  40,  64.  3  f.,  der  wie  erwähnt  nur  das  Vorgehn 
Kegen  Curio  berichtet:  x-mj-rop-rjoos  olv  abxob  (den  Curio)  6  MdpxsUo? 
xal  «avtw*  4X»ooftiyov,  Utt-f  iwtoj  Kp&c  t£v  «Wvu»v  d^pcidiij,  feivöv 


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Der  Senat  -tuumt  Curio  zu 


273 


Am  nächsten  Tage1)  nahm  der  Oonsul  die  Verhandlung  wieder 
auf:  er  behauptete,  in  Anknüpfung  an  die  Italien  seit  Wochen 
durchschwirrenden  Gerüchte  (oben  S.  267),  Caesar  rücke  bereits 
mit  jsehn  Legionen  über  die  Alpen,  und  forderte,  ihm  als  erklärten 
Landesfeinde  die  bei  Capua  stehenden  Legionen  entgegenzu- 
senden*). Curio  erklärte  die  Behauptung  für  falsch,  und  Marcellus 
sah,  daß  er  auoh  diesmal  nicht  werde  durchdringen  können, 
wenngleich  der  Senat  die  Anlegung  der  Trauertracht  beschloß»). 
Da  entschloß  er  sioh,  aus  eigner  Machtvollkommenheit  vorzu- 
gehn;  er  erklärte,  wenn  der  Senat  seine  Pflicht  nicht  erfülle 
und  den  Beschluß  zur  Rettung  des  Staats  versage,  werde  er  als 
Oonsul  auf  eigene  Hand  handeln4).  Offenbar  mit  Absicht  waren 
die  Sitzungen  innerhalb  des  Pomeriums  angesetzt  worden,  so 
daß  Pompejus  nicht  zugegen  sein  und  der  Senat  ohne  ihn  in 


w  ixotTjOito  wal  ixirrjiiTOQK  ix  toö  ?t>vg?ptoo  itpo^  tiv  Ilojjurfjtov  «v  T$  itpoa- 
9T»i<p  ovta  rXö-s-  xtX. 

')  Daß  diese  Vorgänge  auf  den  2.  oder  spätestens  auf  den  8.  oder 
4.  Dezember  fallen  müssen,  hat,  im  Anschluß  an  Nissen,  gegen  0.  E. 
Schmidt  (Rhein.  Mus.  47,  1892,  241  ff.  und  Briefwechsel  Ciceros  96  f.) 
C.  Bardt,  Die  Übergabe  dos  Schwertes  an  Pompejus.  Hermes  45,  1910, 
827  ff.  bewiesen  (der  aber  die  Bedeutung  des  Vorgangs  unterschätzt). 
8ie  müssen  vor  Pompejus'  Reise  nach  Campunien  zu  den  Legionen  liegen, 
die  dieser  am  7.  Dezember  antrat  (Cic.  od  Att.  VII  4,  2,  vgl.  5.  4  den 
Tadel  über  hoc  iter  Pompei),  und  zwar  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
ein  paar  Tage  vorher,  da  Pompejus  eben  noch  die  Ankunft  des  Hirtius 
am  6.  Dezember  abgewartet  hat,  ehe  er  sich  definitiv  entschied,  den 
ihm  vom  Consul  gegebenen  Auftrag  anzunehmen.  Curio  hat  dann  noch 
unmittelbar  vor  Ablauf  seines  Tribunats,  also  am  9.  Dezember,  dagegen 
vor  dem  Volk  geredet  (Dio  40,  64,  5.  Appian  II  81,  128). 

*)  App.  II  81;  120  Xifoo  V  afw>  $to8o5c  «jaiwoövto«,  8«  *AXicn<; 
6  Katoop  6re«ptXö,u>v  cit't  r>jv  xoXtv  »Xaovoi,  d-opoßoc  tt  xoXö«;  -rjv  «au  <pößo( 
äicaytiav,  xal  o  KXiöo'tot  «lotjfrtto  t**]v  iv  Kanö'Q  atpatiotv  axavtäv  u>(  xoXt- 
fiitf  Katsupt'  svtotix/itvou  ii  cb$  cxi  tytobw.  toö  Kooptuivo^  slictv  xtX.  VgL 
Plutarchs  Bericht  S.  272,  8. 

»)  Plut.  Pomp.  59,  im  Anschluß  an  den  8atz  S.  272,  8:  ex  to6too 
t&c  ioß-?|ta?  u>c  ixl  ictvß-rt  nwßdXovco  •  MäpxtXXoc  8i  «pO«  Ilofix-fjiov  cV 
diTfopä<;  iß<4?tC«  rr\$  ßouX-fc  fcsoaivirj^  xtX. 

*)  App.  II  81  «l  xwXooftai  ^fif  xoivg  t&  oofupipowx  ftiocxttv,  «at* 
«jxcukov  <l>5  ßit-xtoc  8101x19041». 

Meyer,  Caesars  Monarchie  18 


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Da*  Principat  des  Pompejuß 


voller  Freiheit  den  Entschluß  fassen  könne,  auf  den  Marcellus 
gehofft  hatte  —  der  tiefe  Gegensatz,  der  trotz  der  Koalition 
zwischen  der  Verfassungspartei  und  dem  Princeps  nach  wie  vor 
bestand,  tritt  darin  wie  in  der  weiteren  Entwicklung  deutlich 
zutage.  Jetzt  begab  sich  der  Oonsul,  gefolgt  von  seinen  An- 
hängern im  Senat  und  von  beiden  designierten  Consuln1),  in  die 
Vorstadt  zu  Pompejus,  forderte  ihn  auf,  die  Rettung  des  Vater- 
landes zu  übernehmen,  und  übertrug  ihm  unter  Überreichung 
eines  Schwerts  das  Kommando  über  die  beiden  Legionen  und 
die  Vollmacht  zur  Aushebung  weiterer  Truppen  in  Italien  in 
derselben  Weise,  wie  ihm  im  Januar  52  der  Senat  diese  Befug- 
nisse übertragen  hatte1). 

Dieses  Vorgehn  des  Consuls  ist  wie  von  den  alten  Schrift- 
stellern so  von  den  neueren  oft  und  schwer  als  ungesetzliche 
Eigenmacht  getadelt  worden.  Aber  die  Dinge  liegen  doch  anders. 
Für  Gaius  Marcellus  war  der  Notstand  des  Staats,  der  bevor- 
stehende Angriff  durch  Caesar  eine  offenkundige  Tatsache.  Da 
war  es  die  Pflicht  des  Senats,  die  gesetzlichen  Mittel  zur  Abwehr 
zu  ergreifen  —  mit  voller  Absicht  verwendet  C.  Marcellus  in  der 
Ansprache  an  Pompejus  die  herkömmliche  Formel,  durch  die 
der  Senat  das  Vaterland  in  Gefahr  erklärt  und  die  Beamten 
auffordert,  für  seine  Rettung  zu  sorgen8)  — ;  wo  er  schmählich 

')  Plut.  Pomp.  59  nennt  nur  Lentulus,  Dio  66,  2  beide. 

*)  Plut.  Pomp.  59.  Anton.  5  =  Appian  II  81.  Dio  40,  64,  4.  66,  1  ff., 
Hirtius  VIII  55.  Sehr  mit  Unrecht  verlegt  O.  E.  Schmidt  gegen  das 
Zeugnis  aller  Quellen  diese  Szene  nach  Neapel  und  kommt  dadurch  zu 
der  falschen,  S.  278,  1  besprochenen  Datierung;  das  ist  von  Bardt  wider- 
legt. Derselbe  weist  nach,  daß  die  Legionen  damals  noch  in  Campa- 
nien  standen  und  erst  dann  nach  Lnceria  geschickt  wurden;  Orosias 
VI  15,  1  «05  Marceüi  consulis  auctorüate  ad  legione*,  quae  apud 
Luceriam  erani,  Pompews  cum  imperio  missus  est  sieht  die  Vor- 
gänge kurz  zusammen  und  kann  gegen  die  detaillierten  Darstellungen 
nichts  beweisen.  Die  Überreichung  eines  Schwertes  erwähnt  nur  Appian; 
doch  ist  kein  Grund,  mit  Bardt  diesen  symbolischen  Akt  anzuzweifeln. 

*)  Das  hat  Plaumaihi,  Das  sogenannte  senatusconsultum  ultimum,  Klio 
XIII  1918,  869  mit  Recht  betont:  Dio  40,  64  rnv  ?oXax*jv  a&t» 
K'köiux;  .  .  .  fituxtv;  Plut:  »«Xtöoo  ot,  01  Ilofiic^w,  ßoY]A*iv  cj)  «atpttt;  App.: 
xtXsuat  ooi  xatw  xal  58t  (der  Consul  Paullus,  den  Appian  falschlich  statt 


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Übertragung  des  Oberbefehls  an  Pompejus  275 

versagt,  wird  es  Bürgerpflicht,  an  seiner  Stelle  zu  handeln,  wie 
es  im  Jahre  133  in  ähnlicher  Lage  Scipio  Nasica  gegen  Tiberius 
Gracchus  als  amtloser  Mann  getan  hatte;  an  erster  Stelle  aber 
liegt  diese  Pflicht  dem  Consul  ob,  als  dem  berufenen  Leiter  und 
Verteidiger  des  Staats.  So  nimmt  er,  auch  ohne  dafür  formell 
autorisiert  zu  sein,  die  volle,  niemals  genau  abgegrenzte  Kom- 
mmdogewalt  des  Consuls  auf.  Eben  darum  hat  er  seine  beiden 
Nachfolger  mitgenommen,  denen  schon  vor  dem  Amtsantritt 
mancherlei  magistratische  Befugnisse  zustanden,  und  Lentulus, 
der  das  Wort  führte,  erklärte  ihre  Zustimmung1);  so  war  die 
Aufrechterhaltung  der  Maßregel  auch  für  das  näcliste  Jahr  ge- 
sichert. Zugleich  ist  dabei  der  republikanische  Charakter  des 
Staats  gewahrt:  das  legitime  Oberhaupt  der  Bepublik  beauf- 
tragt, da  es  sich  selbst  der  Aufgabe  nicht  gewachsen  fühlt,  den 
Princeps  mit  ihrer  Ausführung. 

Pompe  jus  hat  den  Auftrag  angenommen,  freilich  mit  dem 
Zusatz:  „wenn  es  keinen  besseren  Ausweg  gebe"2).  Er  wollte 
noch  die  Ankunft  des  Hirtius  abwarten,  eines  der  intimsten  Ge- 
hilfen Caesars,  der  mit  Aufträgen  von  diesem  erwartet  wurde. 
Hirtius  traf  am  Abend  des  6.  Dezember  in  Rom  ein,  um 
bei  Nacht  unter  Balbus'  Vermittelung  mit  Scipio,  Pompejus* 
Schwiegervater,  zu  verhandeln,  reiste  aber  schon  vor  Tages- 
anbruch wieder  ab,  ohne  Pompejus  aufgesuoht  zu  haben,  offen- 
bar unter  dem  Eindruck,  daß  der  Bruch  durch  Marcellus'  Vor- 
der designierten  Consuln  dabei  sein  laßt)  yu»p»tv  t*l  Kataapa  &ittp  rqc 
xatptfoc;  das  sind  die  üblichen  Formeln,  mit  denen  die  Schriftsteller  das 
8.  C.  ultimum  berichten. 

>)  Plnt.  Pomp.  59.  Dio  40,  66.  2:  er  nimmt  beide  designierte  Con- 
suln mit  xrt:  tKoifjos  xal  ixsiyouc  xa  aöto  Kpo9ta£a*.*  iimdrj  YÖp  x*i  fpdtu- 
{iata  (edicta)  tot^  aicoScoitY  fiivotc  t(  xa<  otp^äc  ixti9iyou  xal  SXXa  ttvi  tcöv 
xrh  ^Yt^oyta  asüiv  itpo-^xövcuiv,  xai  «plv  iytnois&a:  aocijv,  ttt  x*xl  tot*  l£*fjv, 
xal  toütou  xopio:  tvoiuCov  ttyat.  Ohne  ihre  Mitwirkung,  sagt  Dio,  futXXry 
o6x  «l  Kokb,  Stt  fiTjte  rjj  ßooX.-jj  jvrjt«  tto  Mifup  86-avtot,  Icxöouv. 

*)  Appian  II  81,  122  6  ol  6ktjxoo«  fisv  «i>;  xeXctxSpigvoc  Jtpi{  6xatcuv, 
isstt&ci  V  8(iu»^  'tt  jjlyj  ii  xpstooov',  owtottiiv  $j  t»xväCu>v  xal  t6tt  i$  toicpi- 
«ttav.  Die  anderen  Berichte  Übergehn  diesen  Zug;  nach  Dio  40.  66,  8 
hat  Pompejus  nicht  nur  alle  Bedenken  unterdrückt,  aXXä  xoi  ndvo  3b- 


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276  Das  Principat  des  Pompeji» 

gehn  und  Pompejus'  Verhalten  dabei  vollzogen  sei.  Umgekehrt 
wirkte  dieser  Vorgang  wieder  auf  Pompejus  zurück;  er  schloß 
daraus,  daß  Caesar  keine  weiteren  Konzessionen  machen  wolle 
und  der  Krieg  unvermeidlich  sei1).  So  ließ  er  alle  Bedenken 
fahren;  noch  am  7.  Dezember2)  ging  er  nach  Campanien  ab  zur 
Übernahme  des  Kommandos  über  die  Legionen,  und  ordnete 
weitere  Aushebungen  an. 

Damit  war  der  Krieg  so  gut  wie  erklärt.  Caesar  und  seine 
Anhänger  waren  natürlich  entrüstet  über  die  „Infamie",  mit  der 
jenem  seine  Legionen  entzogen  seien3);  die  friedlich  Gesinnten, 
darunter  zahllose  Senatoren  und  Ritter,  mißbilligten,  wie  das 
ganze  Vorgehn,  so  speziell  Pompejus'  Reise,  durch  die  ihre  Hoff- 
nungen begraben  wurden4).  Curio  hielt  unmittelbar  vor  Ablauf 
seines  Tribunats  (9.  Dezember)  noch  eine  Rede  an  das  Volk,  in 
der  er  das  Vorgehn  der  Consuln  und  des  Pompejus  angriff  und 
beklagte,  und  die  Forderung  stellte,  die  Consuln  sollten  ein 
Edikt  erlassen,  welches  verbiete,  Pompejus'  Aushebungsbefehl 
Folge  zu  leisten.  Dann  begab  er  sich  zu  Caesar,  um  ihm  Bericht 
zu  erstatten  und  ihn  zu  raschem  Vorgehn  aufzufordern*). 

')  Cic.  ad  Att.  VII  4,  2  de  republica  ita  mecum  Iccuius  est  (Pom- 
peins), quasi  non  dubium  bellum  haberemus.  nihil  ad  spem  Con- 
cor diae;  plane  illutn  a  se  alienatum  cum  ante  iniellegeret ,  tum 
vero  proxume  iudicasse:  venisse  Hirtium  a  Caesars,  qui  esset  Uli 
familiarissimu8 ,  ad  se  non  accessisse,  et  cum  üle  a.  d.  VIII  Idue 
Decembr.  vesperi  venisset,  Baibus  de  tota  re  constituisset  a.  d. 
VII  ad  Scipionem  ante  lucem  venire,  multa  de  nocte  eum  pro- 
fectum  esse  ad  Caeswrem.  lioc  UUmpwjähi  videbatur  esse  alienationü. 

»)  Das  Datum  ergibt  sich  daraus,  daß  Pompejus  schon  am  10.  De- 
zember mit  Cicero  in  Campanien  zusammentrifft  {ad  Att  VII  4.  2); 
&  Bardt,  Hermes  45,  340. 

')  Caesar  civ.  I  4,  5,  vgl.  9.  4.  Hirtins  bell.  Gall.  VIII  53  f. 

*)  Cicero  ad  Att  VII  5,  4  (Mitte  Dezember):  de  republica  cotidie 
magis  timeo,  non  enim  boni  ut  putant^ur?},  consenUunt.  quos 
ego  equiles  Romanos,  quos  senatores  vidi,  qui  acerrime  cum  cetera, 
tum  hoc  Her  Pompei  vituperarent !  pace  opus  est;  ex  victoria  cum 
multa  mala,  tum  certe  tyrannus  exsistet. 

s)  Dio  40,  66,  5.  Appian  II  31,  123.  der  mit  Recht  hervorhebt  daß 
Cnrio  gegen  die  Consuln  und  Pompejus  nicht  einschreiten  konnte,  da 
die  tribunicische  Amtsgewalt  nicht  Über  das  Pomerium  hinausreicht 


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Pompejus'  Rüstungen 


277 


Während  die  Aushebungen  langsam  und  widerwillig  in  Gang 
kamen1),  verlegte  Pompejus  die  beiden  Legionen  ins  nördliche 
Apulien  nach  Larinum,  Teanum  und  Luceria*).  So  konnte  immer 
noch  der  Schein  aufrecht  erhalten  werden,  als  seien  sie  doch  noch 
für  den  Partherkrieg  bestimmt.  Entscheidend  ist  jedoch  offen- 
bar nicht  diese  Rücksicht,  sondern  militärische  Gründe  gewesen: 
von  hier  aus  konnten  sie  und  die  weiter  zu  ihnen  geführten  neuen 
Truppen  je  nach  Bedürfnis  entweder  auf  der  Küstenstraße  längs 
des  Adriatischen  Meers  gegen  Caesar  geführt  werden,  dessen 
Truppen  eben  auf  dieser  Seite  standen  und  dessen  Angriff  von 
hier  aus  erwartet  werden  mußte,  oder  aber,  falls  Caesar  den 
Gegnern  zuvorkam  und  Italien  daher  unhaltbar  wurde,  recht- 
zeitig in  den  Osten  überführt  werden.  Denn  die  militärische 
Situation  überschaute  Pompejus,  als  erfahrener  Feldherr,  ohne 
Illusion  mit  völliger  Klarheit,  und  hatte  sich  auf  jede  Eventualität 
vorbereitet;  das  zeigten  seine  Anordnungen,  sobald  im  Januar 
die  Kunde  von  Caesars  Angriff  eintraf.  Daß  er  für  diesen  Fall 
die  Räumung  Roms  erwogen  hatte,  zeigt  eine  Äußerung  Ciceros 
aus  dem  Ende  Dezember3);  ja  schon  im  Hochsommer  hatte  das 
Gerücht  davon  geredet4).     Daß  Pompejus  sich  für  den  Fall, 

')  Plut.  Pomp.  59  *p;aftlvor>  il  toö  nofiirrjtoo  wtvMftw  ol  |üv  oO* 
Xoottf  ißowy. 

*)  Hier  liegen  sie  im  Januar.  Cic.  ad  Att.  VII  12,  2;  daß  sie  erst 
jetzt  dorthin  Oberführt  worden  sind,  hat  Bardt.  Herme9  45,  840  f.  aus- 
geführt. Aber  er  beurteilt  Ponipejus  Motive  nicht  richtig  und  spricht 
in  üblicher,  durchaus  verkehrter  Weise  über  seine  militärischen  Fähig- 
keiten. Davon,  daß  die  Legionen  nach  Brundisium  geschickt  seien, 
ist  garkeine  Rede:  die  Straße  von  Campanien  nach  Brundisium  führt 
nicht  Über  Luceria.  geschweige  denn  über  Teanum  und  Larinum.  Zu 
beachten  ist  auch,  daß  die  Truppen  hier  gute  Verpflegung  und  bequeme 
Verbindungen  hatten,  wio  unter  anderem  die  Vorgänge  217/6  lehren, 
die  in  diesen  Gegenden  abspielten.  Im  übrigen  läßt  sich  Rom  von  hier 
aus  je  nach  Umstünden  genau  ebensogut  decken  oder  auch  nicht,  wie 
von  Campanien  aus. 

»)  ad  Att.  VII  9,  2.  wo  Cicero  die  verschiedenen  Eventualitäten  be- 
spricht; mseepto  autem  betto  aut  ienenda  sit  urbs  aut  ea  relicta 
Hie  cammmtu  et  reliquis  copiis  intercludendus.  Vgl.  unten  S.  280,  2. 

*)  ad  Att.  VI  8,  %  oben  S.  267,  4. 


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278 


Da*  Principat  des  Pompejus 


daß  Caesar  den  Krieg  beginne,  vertrauensvoll  aussprach1),  be- 
weist nichts  dagegen ;  denn  wenn  es  gelang,  die  nötige  Truppen  - 
macht  aus  Italien  fortzuziehn,  war  alle  Aussicht  vorhanden,  ihn 
gleichzeitig  von  der  Balkanhalbinsel  und  von  Spanien  aus  zu  er- 
drücken, auch  wenn  man  ihm  zeitweilig  Italien  hatte  überlassen 
müssen*). 

Die  letzten  Verhandlungen 

Auch  Caesar  konnte  nicht  mehr  im  Zweifel  sein,  daß  er  zu 
den  Waffen  greifen  müsse,  wenn  er  sich  nicht  wehrlos  und  nur 
von  dem  mehr  als  zweifelhaften  Schutz  des  Pompe  jus  abhängig 
den  seine  Züchtigung  und  Beseitigung  fordernden  Republikanern 
ausliefern  wollte.  So  schickte  er  an  zwei  der  in  Gallien  stehen- 
den Legionen,  die  zwölfte  und  achte,  sowie  an  zweiundzwanzig 
im  Jahre  52  in  der  Narbonensis  ausgehobene  Cohorten  den  in 
Rom  längst  erwarteten  und  vom  Gerücht  als  schon  erfolgt  be- 

')  ad  Att.  VII  8,  4  äußert  Pompejus  am  25.  Dezember:  sin  autem 
iUe  (Caesar)  fureret,  vehementer  hominem  contemnebat  et  suis  et  rei- 
publicae  copiis  confldebat.  Vgl.  unten  S.  289.  Von  einer  eventuellen 
Räumung  Italiens  hat  Pompejus  begreiflicherweise  damals  zu  Cicero 
nicht  gesprochen,  s.  ad  Att.  VIII  11  D.  6. 

*)  Vgl.  Cicero  an  Tiro  XVI  12,  4.  Daß  Pompejus  je  daran  gedacht 
hätte,  mit  seiner  Armee  nach  Spanien  zu  gehn,  beruht  auf  Mißver- 
ständnis von  Cic.  ad  Att.  VH  18,  2,  wo  Anfang  Februar  49  davon  die 
Rede  ist,  daß  Pompejus  nach  Spanien  gehn  wird,  und  Cicero  mit  ihm, 
wenn  die  Ausgleichsverhandlungen  mit  Caesar  tum  Ziele  fuhren  und 
dieser  Consul  werden  sollte,  vgl.  VII  9,  3.  17,  1.  Vollends  die  Behaup- 
tung, das  wäre  die  richtige  Strategie  gewenen,  oder  gar,  er  habe  den. 
Kopf  verloren  und  nur  der  Zufall  habe  ihn  nach  Griechenland  statt 
nach  Spanien  geführt  (so  Moumsin  und  ähnlich  Nhsch)  ,  beruht  auf 
völliger  Verkennung  der  militärischen  Lage.  In  Spanien  war  er  ebenso 
verloren  und  von  dem  übrigen  Reich  abgeschnitten,  wie  seinerzeit  8er- 
torius;  von  da  aus  ließ  sich  Rom  nicht  wieder  orobern.  überdies  hätte 
er  alsdann  den  gesamten  Orient  mit  seinen  gewaltigen  materiellen  Mit- 
teln ohne  Schwertstreich  dem  Gegner  Oberlassen.  Pompejus'  Krieg- 
führung ist  durchweg  zwar  streng  methodisch,  aber  eben  deshalb  nur 
um  so  korrekter,  bis  auf  den  Fehler,  zu  dem  er  sich  von  seiner  Um- 
gebung drängen  ließ,  Caesar  bei  Pharsalos  die  ersehnte  Möglichkeit  cur 
Schlacht  ?.u  bieten. 


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Casars  Vorbereitungen  zum  Angriff 


270 


zeichneten  Marschbefehl  nach  Oberitalien1).  Er  selbst  ging  nach 
Ravenna  an  die  Südgrenze  seiner  Provinz  und  sog  die  in  der 
Cisalpina  stehende  dreizehnte  Legion  an  sich*).  Curio,  der  Mitte 
Dezember  bei  ihm  eintraf,  riet,  sofort  die  gesamte  Armee  zu- 
sammenzuziehn  und  gegen  Rom  zu  marschieren').  Aber  Caesar 
scheute  vor  dem  entscheidenden  Schritt  noch  zurück:  er  wollte 
noch  einen  Versuch  machen,  ob  sich  nicht  doch  noch  ein  erträg- 
liches Abkommen  finden  lasse,  das  ihm  weiter  eine  Existenz 
innerhalb  des  Staats  ermöglichte.  Vor  allem  hoffte  er,  Pom- 
pe jus  wieder  von  der  Koalition  mit  seinen  Gegnern  abzuziehn, 
da  dieser  doch  empfinden  mußte,  daß  seine  gegenwärtige  domi- 
nierende Stellung  nur  darauf  beruhte,  daß  er  durch  Caesar 
einen  Druck  auf  die  Nobilität  und  den  Senat  ausüben  konnte, 
daß  er  aber  diesem  preisgegeben  sei,  wenn  er  Caesar  fallen  ließ. 
Sollten  indessen  die  Konzessionen,  die  Caesar  bot,  abgewiesen 
werden  und  die  Verhandlungen  scheitern,  so  ließ  sich  wenigstens 
durch  geschicktes  Operieren  ein  Vorwand  gewinnen,  der  Caesars 
Rebellion  notdürftig  legitimieren  konnte. 

In  Rom  hatte  inzwischen  in  dem  neuen  Tribunenkollegium 
Antonius,  von  Q.  Cassius  Longinus  unterstützt,  die  Rolle  des 

')  Die  zwölfte  Legion  trifft  etwa  ara  4.  Februar  49  bei  Cingalom 
(Caesar  civ.  I  15).  die  achte  mit  den  22  cohortcs  ex  novte  Gattiae  de- 
lecHbus  (bell.  «all.  VII  65,  1,  vgl.  oben  S.  265)  und  800  Reitern  aus 
Noricum  etwa  ara  16.  Februar  vor  Corfinium  ein  (civ.  I  18,  5);  mithin 
muß  die  Marschorder  an  sie  gegen  Mitte  Desember  abgegangen  sein, 
vermutlich  auf  Grund  der  Nachrichten,  die  Hirtins  überbrachte. 

*)  Caesar  civ.  I  5,  6.  Sueton  30.  Appian  II  32,  124.  Oros.  VI  15,  2. 
Danach  ist  am  Schluß  des  bell.  Gall.  VIII  55  contendü  (Ravennam) 
m  erganzen,  civ.  I  7,  7  sagt  Caesar  von  der  13.  Legion:  hanc  erdm 
initio  tumultus  evocaverat;  reliquae  nondum  venerant.  Über  diese 
Stulle  ist,  im  Anschluß  an  Adolf  Nissbns  Untersuchung  Uber  den  staats- 
rechtlichen Begriff"  des  tumultus  (Das  Justitium,  1877)  von  H.  Nisse* 
(Der  Ausbruch  des  Bürgerkriegs.  II,  Hist.  Z.  46,  1881)  und  seitdem  viel- 
fach gehandelt  worden.  Aber  technisch  spielt  der  Begriff  des  tumuüvs 
hier  keine  Rolle,  ein  decretum  tttmulius  ist  erst  nach  dem  7.  Januar 
gefaßt  worden;  das  Wort  steht  hier  lediglich  in  dem  allgemeinen  Sinn 
.Unruhen",  wie  z.  B.  civ.  III  18,  3. 

»)  App.  II  r>2,  125. 


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280 


Das  Principat  de»  Pompejos 


Curio  übernommen.  Am  21.  Dezember  hielt  er  vor  dem  Volk 
eine  Rede,  in  der  er  Pompejus'  ganze  Laufbahn  und  vor  allem  die 
ungerechten,  von  ihm  unter  Anwendimg  von  Waffengewalt  er- 
zwungenen Verurteilungen  .schonungslos  angriff;  zugleich  forderte 
er,  wie  Curio,  die  Entsendung  der  beiden  Legionen  nach  Syrien 
gegen  die  Parther  und  untersagte  in  einem  Edikt  die  Befolgung 
der  von  Pompejus  erlassenen  Gestellungsbefehle1).  Natürlich 
wurde  dieser  dadurch  noch  weiter  gereizt:  wenn  schon  Caesars 
bisheriger  Quaestor  so  zu  reden  wage,  sagte  er  zu  Cicero,  was 
werde  erst  von  Caesar  selbst  zu  erwarten  sein?  Wenn  Caesar 
nachgeben,  sein  Heer  entlassen  und  dann  auf  friedlichem  Wege 
Consul  werden  sollte,  bleibe  ihm  (Pompejus)  nichts  übrig,  als 
nach  Spanien  zu  gehn;  alsdann  werde  Caesar,  wie  in  seinem 
ersten  Consulat,  souverain  im  Staat  schalten.  So  sei  nicht  ein- 
mal zu  wünschen,  daß  der  Friede  erhalten  bleibe.  Für  das  Wahr- 
scheinlichste halte  er  allerdings,  daß  Caesar  auf  die  Kunde,  daß 
eifrig  gegen  ihn  gerüstet  werde,  weiter  entgegenkommen  und  sich 
begnügen  werde,  unter  Verzicht  auf  die  Wahl  zum  Consul  Provinz 
und  Heer  noch  ein  Jahr  langer  zu  behalten;  sollte  er  aber  los- 
schlagen, so  sehe  er  der  Entwicklung  mit  Vertrauen  entgegen, 
auch  für  den  Fall,  daß  Rom  selbst  geräumt  werden  müsse*). 


')  Cic.  ad  Att.  VII  8.  •"»:  Pompejus  holt  Cicero  am  25.  Dezember 
auf  der  Bückreise  von  Campanien  nach  Rom  in  Lavernium  bei  Pormiae 
ein.  Habebamu8  autem  in  manibus  Antoni  contionem  habitam 
X  Kol.  Ianuar.,  in  qua  erat  accusaiio  Pampei  usque  a  toga  pura, 
querela  de  damnatis,  terror  armorum.   Plut.  Anton.  5  lfuio8<uv  ta-prj 

8i  nofut-rjioc  xataXiftt,  fiY]  Kpoot^(«aiv  aiit<f>.  Pomp.  59  ~  Caes.  30  hat 
Plutarch  diese  Volksrede  mit  der  Erzwingung  der  Verlesung  dee  Briefs 
Caesar«  im  Senat  am  1.  Januar  zusammengeworfen. 

*)  Ciceros  Bericht  über  das  Gesprach  ad  Att  VII  8  wird  durch  den 
am  nächsten  Tage  geschriebenen  Brief  VII  9  (vgl.  S.  277,  3)  wesentlich 
ergänzt,  in  dem  er  sich  sämtliche  denkbare  Eventualitäten  zurechtlegt 
und  Pompejus'  Äußerungen  wiederholt  zitiert:  nobis  autem,  ut  qui- 
datn  put  an  t,  nihil  est  timendum  magis,  quam  ille  consul.  ,at 
sie  malo'  inquies  „quam  cum  exercitu".  certe ...  sed  istud  ipsum 
,sic*  magnum  malum  putat  aliquis,  neqite  ei  remedium  est 
ullum...  „at  tum  imbecillus  plus"  inquit  Bvaluü  quam  tota 


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Antonio»  gegen  Pompejiu».    Cnrio  überbringt  Caesars  Ultimatum  281 

Caesar  war  in  der  Tat  zu  großen  Konzeasionen  bereit,  wenn 
auch  nicht  gerade  zu  denen,  die  Pompe  jus  hier  erwartete.  Es 
war  dringend  geboten,  daß  seine  Vorschläge  am  1.  Januar,  an 
dem  die  neuen  Consuln  über  die  Lage  des  Staats  referierten  und 
entscheidende  Beschlüsse  zu  erwarten  waren,  in  Rom  vorlagen. 
Curio  übernahm  es,  sie  zu  überbringen,  und  legte,  als  Caesar 
ara  26.  Dezember  nach  langer  Überlegung  mit  sich  ins  reine 
gekommen  war,  den  Weg  von  Ravenna  nach  Rom  in  größter 
Eile  in  den  drei  letzten  Tagen  des  Monats  (27.  bis  29.  Dezember) 
zurück1). 

Den  neuen  Consuln  übergab  Curio  das  Schreiben  erst  am 
Morgen  des  1.  Januar  beim  Eintritt  in  den  Senat,  so  duß  sie  es 
nicht  unterschlagen  konnten.  Sie  weigerten  sich,  es  zu  verlesen, 
wurden  aber  von  Antonius  und  Q.  Cassius  dazu  gezwungen.  Es 
enthielt  zunächst  eine  eingehende  Aufzählung  der  Taten  und 
Verdienste  Caesars,  die  durch  die  Bewilligung  des  Privilegs  der 
abwesenden  Bewerbung  seitens  des  Volks  anerkannt  und  be- 
lohnt  seien,  und  sodann  die  Erklärung,  daß  er  bereit  sei,  seine 
Stellung  niederzulegen,  wenn  Pompejus  das  gleiche  tue,  andern- 
falls aber  seine  Stellung  behalten  und  sich  nicht  seinen  Feinden 
ausliefern,  vielmehr  den  Staat  von  der  Unterdrückung  durch  eine 


respublica'.  quid  nunc  pufas?  et  eo  consule  Pompe io  certum 
est  esse  in  Hispania  .  .  .  o  rem  miseram !  si  quidem  id  ipsum 
deterrimum  est,  quod  rectisari  non  potest  (nämlich  Versieht  auf  die 
Provinz  and  dafür  Wahl  zum  Consul)  et  quod  ille  si  faciat,  iamiam 
a  bonis  omnibus  summam  ineat  gratiam.  tcllamus  igitur  hoc,  quo 
ülum  addud  posse  tiegant:  de  reliquis  quid  est  deterrimum?  cou- 
cedere  Uli,  quod,  ut  idem  dicit,  impudentissime  postulat  . . . 
exercitum  tu  habeas  diutius,  quam  populus  iussit,  invito  senatu? 
,depugnes  oportet,  nisi  concedis".  cum  bona  quidem  spe,  ut  ait 
idem,  vel  vincendi  vel  in  libertate  moriendi. 

l)  Appian  II  32,  127  xoü  ttjv  titiatoX^v  ö  Koopttoy,  tpislv  rjjjip*^  tptn- 
xoatoos  tili .  .  .  x^io'-<  otaJtooc  3iaif.'*;uüv.  sstÄcoxs  toi;  vSot;  öiratotc  tatoöotv 
i(  to  ßooXeorrjptov  t$  yoi>|vqvto:  xoo  ;  Die  Zahl  ist  unsicher  über- 

liefert, eine  Handschrift  bietet  xt^(°'-<<  was  zu  wenig,  die  übrigen  Tp*.o- 
XtXfotc  was  zn  viel  ist:  meist  ist  Schweig häuskrs  Vorschlag  StoxtXtotf  an- 
genommen, was  ziemlich  genau  stimmen  würde. 


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282 


Da*  Principat  des  Pompejas 


widerrechtliche  Usurpation  befreien  werde1).  Der  Brief  machte 
einen  starken  Eindruck*);  aber  die  Consuln  stellten  nicht  ihn, 
sondern  die  Gesaratlage  des  Staats  zur  Diskussion»).  Lentulus, 
der  den  Vorsitz  führte,  verlangte  eben  mutigen  Entschluß,  als- 
dann werde  auch  er  seiner  Pflicht  sich  nicht  entziehn;  wolle 
man  aber  auch  diesmal  doch  wieder  nachgeben  und  Rücksicht 
nehmen,  so  werde  er  die  Sache  des  Senats  fallen  lassen;  auch 
ihm  stehe  der  Weg  zu  Caesar  offen.    An  Stelle  des  mit  seinen 

*)  Appian  II  32,  128.  Dio  41,  1.  Plut  Anton.  5;  in  Pomp.  59 
-  Caes.  30  zum  Teil  entstellt  (S.  280,  1).  Ben  Inhalt  des  Briefs  geben 
Dio,  Appian  und  Sueton  29  (senatum  litteris  deprecatus  est,  ne 
sibi  beneflcium  populi  [das  ihm  eben  ab  Lohn  fUr  seine  Taten  ver- 
liehen ist]  adimereiur,  aut  ut  ceteri  quoque  imperatores  ab  exet- 
citibu8  discederent)  Obereinstimmend;  Dio  fügt  hinzu,  wenn  Pompejus 
sein  Heer  behalte,  o?>Äi  «tot&v  ttxaiov  »W  dvtYxaofr^vai  afod  dtp«ivat 
eXc-fty,  tva  fi-rj  xal  tote  rx*poi?  sxÄodrg,  Appian  dpxovtos  &*  f*i  ix*tvo»  00t» 
dicod*r|i333&ai  xal  ti{uop&(  armxa  rjj  x«  xatptäi  xat  £aottp  «ata  td^o?  d^t- 
itobai,  d.  i.  die  herkömmliche  Phrase,  mit  der  alle  Rebellionen  bis 
zu  der  Octavians  im  Oktober  44  sich  rechtfertigten,  se  rempublicam 
dominatione  faciionis  oppressam  in  übertatem  vindicaturum.  Wie 
wenig  diese  Phrase  ernst  zu  nehmen  ist  und  wie  es  sich  in  Wirklich- 
keit lediglich  um  seine  persönliche  Stellung  handelt,  verrät  Caesar  civ. 
I  22,  5  unwillkürlich,  indem  er  da,  wo  er  sie  bei  den  Verhandlungen 
vor  Corfinium  vorbringt,  sich  selbst  voranstellt;  er  habe,  sagt  er,  den 
Kampf  begonnen,  ut  se  et  populum  Romanum  f actione  paucorum 
appressum  in  libertatem  vindicaret.  ' 

')  Plut.  Anton.  5:  durch  die  Verlesung  des  Briefs  koXXoü?  fimorq« 
rj}  •fvtoji'fl,  3lxata  xal  fiitpwt  Kabapo^  d&ioöv  dtp*  u»v  f-fporpc  fto&avto{.  Da- 
gegen App.  II  32,  129  ify  «j>  8vj  zyoipa  icdvttc  dvixpa^ov,  lisi  xoUjioo 
xawfffXwx,  &«*8oxov  »h«  Atoxiov  Aojiittov.  Beides  wird  einen  Teil  der 
Wahrheit  enthalten.  Cicero  nn  Tiro  XVI  11  Caesar...  minacis  ad 
senatum  et  acerbas  litteras  miserat,  et  erat  adhuc  impudens,  gut 
exercitum  et  provmciam  invito  senatu  teneret. 

')  Caesar  civ.  I  1:  Die  Tribnnen  erzwingen  die  Verlesung,  ut  vero 
ex  litteris  ad  senatum  referretur,  impetrari  non  potuit;  referunt 
eonsules  de  republica  (Plutarch  Pomp.  59  hat  aus  der  entsprechenden 
Angabe  seiner  Quelle  gemacht,  daß  ot  «tpi  AivtXov  oxotttoomc  yjoy] 
ßooX-Jjv  06  «ovvjfov,  und  Antonius  daher  den  Brief  vor  dem  Volk  verliest; 
ebenso  Caes.  80).  Was  in  den  verstümmelten  Eingangsworten  Htt/tris 
a  Fabio  cum  Caesaris  consulibus  redditis  A.t  a  Fabio  Caesare  B, 
C.  Caesaris  a  Fabio  rel.  stecken  mag,  ist  nicht  «u  ermitteln. 


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Verhandlungen  am  1.  Januar  49 


283 


Truppen  vor  der  Stadt  stehenden  Pompe  jus  gab  Scipio  die  Er- 
klärung ab,  Pompejus  sei  bereit,  sich  der  Republik  zur  Ver- 
fügung zu  stellen,  wenn  der  Senat  fest  bleibe;  dagegen  wenn  er 
auch  diesmal  zögere,  werde  man  sich  später  vergeblich  an  ihn 
um 

der  forderte,  Pompejus  solle  in  seine  Provinz  gehn,  und  M.  Caelius 
Rufus,  der  Überläufer  zu  Caesur  (S.  270),  der  sich  in  demselben  Sinne 
äußerte,  wurden  von  Lentulus  schroff  abgewiesen.  Auch  Marcus 
Marcellus  warnte  vergeblich  vor  Übereilung:  sehr  mit  Recht 
betonte  er,  daß  die  zur  Verfügung  stehenden  Streitkräfte  unzu- 
länglich seien,  und  forderte  zunächst  die  Aufstellung  eines  starken 
republikanischen  Heeres  aus  ganz  Italien,  alsdann  erst  könne 
der  Senat  wirklich  frei  entscheiden.  Er  war  eben  zwar  ein  ent- 
schiedener Gegner  Caesars,  aber  nichts  weniger  als  Pompejaner, 
sondern  wollte  den  unvermeidlichen  Kampf,  wie  in  seinem  (Kon- 
sulat 51,  unabhängig  von  den  Machthabern  im  Namen  des  Senats 
und  der  Republik  führen*);  auch  sein  Bruder,  der  Consul  Gaius, 
Hielt  sich  offenbar  ganz  zurück.  Aber  durchdringen  konnte 
Marcus  Marcellus  damit  nicht;  auf  die  Vorwürfe  des  Lentulus 
zog  er  seinen  Antrag  zurück.  In  der  Abstimmung,  die  nicht 
namentlich'),  sondern  in  üblicher  Weise  durch  Auseinandertreten 
stattfand,  wurde  die  Abberufung  des  Pompejus  einstimmig  ab- 
gelehnt, dagegen  die  Caesars  mit  allen  gegen  die  beiden  Stimmen 

•)  M.  Calidius,  ein  außerordentlich  feiner  Redner,  aber  ohne  Leiden- 
schaft (Cic.  Brut.  274  ff.),  im  Jahre  57  Praetor  und  für  Cicero  eintretend 
(post  red.  in  sen.  22),  war  dann  54  als  Verteidiger  des  Gabinius  auf- 
getreten (ad  Qu.  fr.  III  2,  1),  dagegen  im  Intercalaris  52  mit  der  Senats- 
partei far  Milo  (Ascon.  p.  35).  Er  stand  also  unentschieden  zwischen 
den  Parteien.  Für  das  Jahr  50  hatte  er  sich  dann  erfolglos  um  das 
C'onsulat  beworben  (Caelius  ad  fara.  VIII  4,  1,  vgl.  9,  5).  Jetzt  trat  er 
zu  Caesar  über :  Hieron.  ao  57  Marcus  Calidius  orator  clarus  habetur, 
qui  bello  postea  civili  Caesarianas  partes  secutus,  cum  iogaiam 
(ialliam  regeret,  Placentiae  obiit. 

•)  Vgl.  Cicero  an  Marcellus  IV  7,  2  (im  Jahre  46):  sed  idem  etiam 
iüa  vidi,  neque  te  consiiium  belli  ita  gerendi  nec  copias  Cn.  Pompei 
nec  genus  exercitus  probare  semperque  summe  diffidere. 

•)  Dio  41,  2  *•>)  xal  3i'  9|  tuA  <p6ßov  <uvA  napi  t&  imoövxi  oywtv 
änotpYjVw/tat. 


284 


Da*  Principat  de6  Pompeju* 


des  Curio  und  Caeüus  angenommen1):  wenn  er  nicht  bis  zu  einem 
bestimmten  Tage  Heer  und  Provinz  abgebe,  handle  er  gegen  den 
Staat.  Als  Antonius  und  Q.  Cassius  intercedierten,  stellte  Len- 
tulus  ihr  Vorgehn  sofort  zur  Verhandlung;  die  energischsten 
Maßregeln  wurden  gegen  sie  in  Aussicht  genommen,  der  Be- 
schluß des  Senats  als  auctoritas  protokolliert»). 

Am  nächsten  Tage  wurden,  nachdem  Pompejas  auf  seine 
Anhänger  und  die  Lauen  eingewirkt  und  weitere  Truppen  heran- 
gezogen hatte,  die  Verhandlungen  fortgesetzt.  Ein  Vermittlungs- 
vorschlag des  Censors  Piso,  des  Schwiegervaters  Caesars,  und 
des  Praetor*  L.  Roscius,  sie  wollten  Caesar  aufsuchen  und  auf 
ihn  einwirken,  in  sechs  Tagen  könnten  sie  wieder  zurück  sein, 
wurde  abgelehnt;  neben  Lentulus  und  Scipio  trat  vor  allem 
Cato,  der  im  Gegensatz  gegen  Marcellus  an  der  Koalition  mit 
Pompejus  festhielt  und  den  Moment  ergreifen  wollte,  jeder 
weiteren  Zögerung  entgegen:  wo  es  sich  um  die  Existenz  der 
Republik  handle,  dürfe  man  sich  von  keinem  Bürger  Bedingungen 
vorschreiben  lassen,  sondern  eher  in  den  Tod  gehna).  Doch  hielt 
man  mit  einem  entscheidenden  Beschluß  gegen  die  Tribunen 
noch  zurück4),  sondern  begnügte  sich,  in  üblicher  Weise  die 
Ablegung  der  Senatoren tracht  zu  dekretieren,  was  auch  trotz 
der  Intercessioh  der  Tribunen  ausgeführt  wurde*).  Man  wollte 
vielmehr  an  den  beiden  nächsten  Tagen,   an  denen  Senats- 


l)  Dio  41.  2,  1.  Flutareh  Caes.  30  und  Cato  51  verlegt  fälschlich 
die  von  Curio  Anfang  Dezember  50  herbei  geführte  Abstim  mang,  daß 
beide  niederlegen  sollen,  hierher,  und  übertragt  sie  Anton.  5  aaf 
Antonias. 

*)  Den  ausführlichen  Bericht  über  die  Senatssitzung  am  1.  Januar 
gibt  Caesar  civ.  I  1  f.,  wozu  die  kürzeren  anderen  Berichte  stimmen. 
Natürlich  ist  aber  Caesars  Darstellung  ganz  einseitig  zu  Ungunsten 
seiner  Gegner  gefärbt. 

•)  Caesar  civ.  I  :}  f.  Vellejus  II  49,  3  cum  . . .  M.  Cato  morien- 
dum  ante,  quam  uüam  condicionem  ciiHs  aeeipiendam  reipublicae 

*)  Dio  41,  2,  2  oi>  jjwjv  uat  xt>po»{Hjvai  ti  aötwv  öS«  Iv  ixtivjj  rg  -^(up? 
(1.  Januar)  o5w  iv  rjj  »otipoia  o  te  'Avtwvioc  ***t  ö  Ao^tvo;  Irokpr^av. 
»)  Dio  41.  3,  1.    Plut.  Caes.  30. 


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C  aesars  Konzesaiouen 


285 


Sitzungen  nicht  stattfinden  konnten1),  für  die  daneben  einher- 
gehenden privaten  Verhandlungen  Raum  lassen. 

Für  diese  Verhandlungen  hat  Caesar  durch  seine  Vertreter 
die  weitgehendsten  Konzessionen  geboten:  er  erbot  sich,  das 
jenseitige  Gallien  sofort  aufzugeben  und  acht  Legionen  zu  ent- 
lassen, und  die  Statthalterschaft  über  die  Cisalpina  nebst  zwei 
Legionen  nur  so  lange  zu  behalten,  bis  er  zum  Consul  gewählt 
sei.  Er  mochte  hoffen,  den  ihm  alsdann  drohenden  Proceß  durch 
seinen  Anhang,  durch  tribunicische  Intercession  und  durch  den 
ihm  von  Pompe  jus  aufs  neue  gewahrten  Schutz  zu  hintertreiben, 
und  so  ungefährdet  ins  Consulat  zu  gelangen,  in  dem  er  sich 
aLsdann  seine  zukünftige  Stellung  sichern  konnte.  Über  dies 
Angebot  ist  in  den  nächsten  Tagen  eifrig  diskutiert  worden. 
Als  Vermittler  war  vor  allem  Cicero  tätig,  der  eben  jetzt,  am 
4.  Januar,  auf  der  Rückreise  aus  seiner  Provinz  vor  Rom  ein- 
traf; wenn  irgend  jemand,  so  war  er  sowohl  durch  seine  persön- 
lichen Eigenschaften  wie  durch  seine  intimen  Beziehungen  zu 
allen  drei  Parteien  für  diese  Aufgabe  geeignet*).  Auch  erkannte 
er  nur  zu  gut  die  „sullanischen  Gelüste"  des  Pompejus  und 
so  mancher  der  republikanischen  Heißsporne,  die  jetzt  ihre 
schmutzigen  Interessen  unter  den  schönklingenden  Phrasen  ver- 
bargen; er  sah  klar,  welches  Elend  auch  ein  Sieg  dieser  Partei 
über  den  Staat  bringen  müsse.  Als  Pompejus  Caesars  Vorschlag 

•)  Caes.  civ.  I  5,  4:  die  Senatssitzungen  finden  statt  quinque  pri- 
mis  diebua,  quibus  haberi  senatus  potuit,  excepto  biduo  comitiali 
(3.  4-  Janaar). 

*)  In  seine  Stellung  geben  die  Briefe  an  Atticus  aas  dieser  Zeit 
einen  lebendigen  Einblick.  Natürlich  schwanken  sein  Urteil  und  seine 
Erwägungen  wiederholt,  and  der  offenen  Stellungnahme,  vor  allem  in 
den  Senatsdebatten,  möchte  er  sich  gern  entziehn,  wozu  ihm  oben  sein 
Anspruch  auf  den  Triumph  eine  willkommene  Handhabe  bietet  (VII  1,  5, 
▼gl.  8,  2);  und  schwer  empfindet  er,  daß  er  jetzt  zwischen  den  beiden 
Machthabern  wählen  muß,  deren  Verbindung  er  sich  gefügt  hat.  Aber 
darQber  ist  er  niemals  im  Zweifel,  daß  er,  so  schmerzlich  es  ist,  daß  er 
dann  an  Caesar  sein  Darlehn  zurückzahlen  muß  (VII  2,  3.  11.  8,  5), 
seine  Stellung  nur  auf  seiten  des  Pompejus  und  der  Republik  nehmen 
kann,  so  wenig  er  mit  allein  einverstanden  ist.  Um  so  mehr  wird  er 
versuchen,  zu  vermitteln  (VII  3,  5.  6,  2). 


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286 


Das  Principat  des  Poupeju* 


verwarf,  erreichte  er,  daß  dessen  Vertreter  noch  weiter  entgegen- 
kamen und  erklärten,  er  werde  sich  mit  Ulyricum  —  das  alsdann 
von  der  Ciaalpina  getrennt  werden  mußte,  wie  Caesar  das  als 
Herrscher  ausgeführt  hat  —  und  einer  einzigen  Legion  bis  zur 
Oonsulwahl  begnügen.  Darauf  war  Pompejus  in  der  Tat 
bereit  einzugehn;  während  Caesars  Consulat  würde  er  dann,  wie 
Cicero  vorschlug,  nach  Spanien  gegangen  sein.  Aber  die  aus- 
schlaggebenden Männer  in  seiner  Umgebung,  geführt  von  dem 
Consul  Lentulus  und  von  Cato,  erklärten  sich  mit  allem  Nach- 
druck dagegen,  zum  Teil  aus  persönlicher  Begehrlichkeit,  Cato 
aus  ehrlicher  Überzeugung:  ihm  war  nicht  zweifelhaft,  was 
bevorstehe,  wenn  Caesar  noch  einmal  zum  Consulat  gelange. 
Wovor  er  immer  gewarnt  und  was  er  mit  Einsetzung  seiner 
ganzen  Persönlichkeit  bekämpft  hatte,  war  jetzt  eingetreten; 
die  letzte  Möglichkeit,  die  Republik  zu  retten,  durfte  man  nicht 
aus  den  Händen  lassen.  •  Wenn  er  sich  mit  schwerer  Selbstüber- 
windung in  die  Verbindung  mit  Pompejus  gefügt  hatte,  so  ver- 
langte er  jetzt  auch  von  diesem  die  Erfüllung  seiner  Verheißungen. 
Diesen  Vorstellungen  hat  Pompejus  nachgegeben;  auch  er  er- 
kannte, daß  er  gebunden  sei,  daß  er  das  mühselig  gewonnene 
Vertrauen  des  Senats  für  alle  Zukunft  verloren  habe,  wenn  er 
Caesar  aufs  neue  die  Hand  biete;  aus  der  führenden  Stellung  des 
Princeps  wäre  er  alsdann  zu  dessen  Werkzeug  herabgesunken  — 
eben  darum  hat  Caesar  immer  von  neuem  versucht,  ihn  zu  sich 
herüberzuziehn.  Als  ihm  das  klar  wurde,  wurde  seine  Stimmung 
gegen  den  ehemaligen  Genossen,  der  ihn  in  eine  solche  Lage 
gebracht  hatte,  nur  um  so  erbitterter;  er  lehnte  das  Angebot  ab 
und  entschied  sich  für  den  Krieg1). 

')  Caesars  Angebot:  Sueton  29  cum  advermriis  autem  pepiffit, 
ut,  dimisais  octo  legionibus  Transalpinague  Gallia,  dune  sibi 
let/iones  et  Ctealpina  provincia,  vel  etiam  una  legio  cum  Itty- 
rico  concederetur,  quoad  consul  fleret  An  die  Ablehnung  schließt 
Sueton,  der  die  äußeren  Vorgänge  ganz  knapp  behandelt,  f&lscblich  erst 
Caesars  Reise  nach  der  Cisalpina  und  Ravenna.  Appian  II  82,  126 
toi>;  oov  «ptXouc  ixtXtutv  £rcip  a&xoö  cojx^-qvcu,  tä  ulv  £k\a  a&tcv  fftvtj 

jiet'i  rr^  ivtö^  'AXzitov  TaXatia;,  su><  Gjtato;  OtJto&eiyJHtTf).   xot  IlouKYjtcp 


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Cicero*  Vermittlungsversuch  scheitert 


287 


Nach  dem  Scheitern  der  Veihandlungen  wurde  die  offizielle 
Erklärung  des  Bruche  möglichst  beschleunigt.  Am  7.  Januar 
beschloß  der  Senat  definitiv  die  Abberufung  Caesars  und  die 
Bestellung  des  L.  Domitius  zu  seinem  Nachfolger  in  der  Trans- 
alpina, dem  von  den  ausgehobenen  Mannschaften  viertausend 
Mann  zur  Verfügung  gestellt  wurden.  Zur  Bewerbung  um  das 
Consulat  müsse  Caesar  sich,  dem  Gesetz  entsprechend,  persön- 
lich in  Rom  melden1).    Als  Antonius  und  Q.  Cassius  ihr  Veto 

jjlIv  apxtiv  eSoxs».,  xuTaxuiXuovtuiv  Jt  tu>v  onärcDv  [worauf  die  Entsendung 
Curio8  nachgetragen  wird].  Plut.  Pomp.  59  dptt  8t  ix  KtXixia<;  a?tfuivo« 
K.xepmv  fxpart«  8iaXXa<rac,  3*a»c  Katsap  i£tX&bv  TaXatia^  xal  rrjv  £XX?jv 
otpatt&v  acptl(  «&sav  s«l  8t>ai  ta-ruaoi  xal  t<j>  'lXXopixä»  ci]v  8*ot«pav  &*a- 
tslav  xsptuiyy.  IIo|iirv)(oo  8s  SooxoXaivovtoc  licstb^rjoav  ol  Kaiaapo^  <p£Xoi 
datcpov  a^tlvai*  AivtXoo  8'  avrtxpocioavrcx;  xal  Kätcuvoc  a&dxc  duaptävttv 
tov  IIofLR^iov  t£axatu>|uvov  ßowvroc  o&x  s«xov  a'i  StaXusctc  nipac.  Nach 
Caes.  80  (vgl.  83),  wo  dasselbe  kürzer  erzählt  wird  (ebenso  Anton.  5), 
hat  Pompejuß  taXXa  oof^oopiv  to6?  stpattutvta^  a^njjptt;  Cicero  erreicht, 
daß  er  ihm  6000  Soldaten  (=  1  Legion)  concediert.  Vellejus  II  49 
spreiis  omnibus  qxiae  Caesar  postulaveral ,  tantummodo  contentus 
cum  una  legione  titulum  retinere  provinciae.  Dio  übergeht  diese 
privaten  Verhandlungen  ganz.  —  Ciceros  Vermittlung  auch  Vell.  II  48,  5 
unice  cavente  Cicerotie  concordiae  publicae,  vgl.  Plut.  Cic.  87,  wonach 
Cicero  sagt,  lieber  als  selbst  triumphieren,  werde  er  Caesars  Triumph- 
wagen folgen,  wenn  die  Versöhnung  zustande  komme.  Cicero  selbst 
berichtet  darüber  an  Tiro  XVI  11,  2  incidi  in  ipsam  flammam  civüis 
discordiae  vel  potius  belli,  cui  cum  cuperem  mederi  et,  ut  arbiträr, 
possem,  cupiditate8  certorum  hominum  (nam  ex  utraque  parte  sunt, 
qui  pugnare  cupiantj  impedimento  mihi  fuerunt.  Vgl.  12,  2;  an  Ser- 
vius  Sulpicius  IV  1,  1  (April  49);  an  Caecina  VI  6,  5  (Oktober  46):  ea 
me  8uas8is8e  Pompeio ,  quibus  ille  si  paruisset,  esset  hic  (Caesar) 
quidem  clarus  in  toga  et  princeps,  sed  tantas  opes,  quantas  nunc 
habet,  non  haberei;  eundum  in  Hispaniam  censui,  quod  si  fecisset, 
civile  bellum  nullum  omnino  fuisset.  rationem  haberi  absentis  non 
(am  pugnavi  ut  liceret,  quam  ut,  quoniam  ipso  consule  pugnante 
populus  iusserat,  haberetur . .  .  victa  est  auctoritas  mea  non  tarn 
a  Pompeio,  nam  is  movebatur,  quam  ab  iis,  qui  duce  Pompeio  freti 
peropporttmam  et  rebus  domesticis  et  cupiditatibus  suis  ülius  belli 
victoriam  fore  putabant. 

')  Vellejus  n  49,  4  privatus  ii\  urbem  venirel  et  se  in  petitione 
consulatus  suffragiis  populi  Bomani  comüieret  decrevere.  Liv.  109 
cum  senatttsconsultum  factum  esset,  ut  successor  Caesari  mitte- 


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288 


Das  Principat  des  Pompeji 


einlegten,  rüstete  man  sieh  zu  sofortigem  Einschreiten,  und  der 
Consul  Lentulus  gab  ihnen  den  dringenden  Rat,  Rom  sofort  zu 
verlassen,  ehe  der  Beschluß  gefaßt  sei,  der  ihre  ünverietzUchkeit 
aufhob  und  ihnen  das  Schicksal  des  Saturninus  und  des  Tiberius 
Gracchus  bereitet  haben  würde.  Antonius  protestierte  nach- 
drücklich: sie  hätten  sich  nichts  Ungesetzliches  zuschulden 
kommen  lassen  und  keinerlei  revolutionäre  Maßregel  ergriffen, 
welche  die  Verletzung  der  Unantastbarkeit  der  Tribunen  recht- 
fertigen könne;  er  sagte  das  schlimmste  Unheil  voraus.  Dann 
aber  leistete  er  der  Mahnung  Folge  und  verließ  mit  seinem  Ge- 
nossen in  Sklavenkleidern  Rom.  Curio  und  Caelius  schlössen  sich 
ihnen  an1).  Unmittelbar  nach  Entfernung  der  beiden  Tribunen 
wurde  der  Beschluß  gefaßt,  welcher  die  Oberbeamten  einschließlich 
der  vor  der  Stadt  befindlichen  Froconsuln,  die  ein  militärisches 
Kommando  besaßen,  mit  der  Sorge  für  die  Erhaltung  des  Staats 
beauftragte  und  damit  die  verfassungsmäßigen  Garantien  auf- 
hob und  Rom  unter  Kriegsrecht  stellte*).   An  den  nächsten 

retur.  Eutrop.  VI  19  iussus  dimissis  exercitibus  ad  urbem  redire. 
Bestellung  des  Domitius:  Appian  II  32,  129  (schon  auf  den  1.  Januar 
gesetzt);  vgl.  Caesar  civ.  I  6,  5.  Sueton  34  L.  Domitius  per  tumultum 
successor  ei  nominaius. 

')  Dio  41.  3,  2.  Appian  II  33.  Plut.  Caes.  31.  Anton.  5.  Li*.  109 
(=  Oros.  VI  15,  2).  Cicero  an  Tiro  XVI  11  sagt  formell  nicht  gans 
unrichtig,  aber  sachlich  parteiisch  gefärbt:  Antonius  quidem  noster 
et  Q.  Cassius  nulia  vi  expulsi  ad  Caesarem  cum  Curione  profecti 
erant;  vgl.  dagegen  Phil.  II  58  contra  te  dedit  arma  hic  ordo  con- 
sulibus reliquisque  imperiis  et  potestatibus;  quae  non  effugisses,  nisi 
te  ad  arma  Caesaris  contulisses. 

*)  Cicero  an  Tiro  XVI  11  senatus  consulibus,  pr(aetoribus), 
tr(ibunis)  pl.  et  nobis,  qui  pro  cos«,  sumus,  negotium  dtder at,  ut 
curaremu8,  ne  quid  resp.  detrimenti  caperet;  ebenso  pro  Dej.  11.  Dio 
41,  3,  8.  Liv.  109  gibt  sachlich  zutreffend,  aber  nicht  formell  man- 
datum  a  senatu  consulibus  et  Gn.  Pompeio,  ut  viderent  cet.  Die 
richtige  Formel  gibt  auch  Caesar  civ.  1  5  dent  operam  cjnsules,  prar- 
tores,  tribuni  plebis,  quique  pro  coss.  ad  urbem  sini,  ne  cet.;  er  er- 
läutert dieses  extremum  atque  ultimum  senatusconsultum  I  7,  4  da- 
hin: qua  voce  et  quo  setiatusconsulto  populus  Romanus  ad  arma 
sit  vocatus.  Seine  rechtliche  Zulassigkeit  kann  er  um  so  weniger  be- 
streiten, da  es  unter  seinem  eigenen  Regiment  in  den  Jahren  48  und 


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Verjagung  der  caeaarischen  Tribunen 


289 


Tagen  wurden  dann  in  einer  Senatssitzung  außerhalb  des 
Pomeriums  in  Anwesenheit  des  Pompejus  die  weiteren  Maß- 
regeln angeordnet  und  der  Belagerungszustand  durch  ein  decreium 
twnultus  formell  proklamiert1),  was  die  Anlegung  der  Kriegs- 
tracht, der  saqa,  *»r  $o\gp  hatte2).  Pompejus  legte  den  Bestand 
seiner  Machtmittel  dar:  er  habe  zehn  Legionen  zur  Verfügung 
—  sieben  in  Spanien,  die  beiden  Caesar  abgenommenen  in  Italien, 
aus  den  Aushebungen  mochte  bisher  eine  weitere  gebildet  sein  — 
und  habe  gegründeten  Anlaß  zu  der  Annahme,  daß  Caesars 
Truppen  ihn  im  Stich  lassen  würden*),  eine  Annahme,  die  nicht 
nur  auf  den  sanguinischen  Berichten  des  Appius  Claudius  (S.  268), 
sondern  vor  allem  darauf  beruhte,  daß  Labienus,  der  fähigste 
unter  Caesars  Legaten,  und  von  ihm  jetzt  mit  der  Verwaltung 
der  Cisalpina  betraut,  mit  der  Senatspartei  Verbindungen  an- 
geknüpft hatte4)  und  sofort  nach  Caesars  Schilderhebung  den 
Übertritt  vollzog*).    So  hoffte  man,  den  Krieg  angrifisweise 


47  dreimal  erlassen  worden  ist;  aber  er  entrüstet  sich  darüber,  daß  in 
diesem  Fall  gar  kein  legitimer  Anlaß  dafür  vorgelegen  und  der  Senat 
die  Verhandinngen  überstürzt  haba  In  Wirklichkeit  lag  der  Fall  ganz 
analog  den  Vorgangen  Anfang  62,  wo  es  gegen  Metellas  Nepos  and 
Caesar  selbst  erlassen  ist.  nur  daß  Pompejus  sich  damals  nicht  dagegen 
aufgelehnt  hat  und  die  Bewegung  im  Sande  verlief. 

')  Dio  41,  3,  3  f'<u  toö  xou.v|pioo  «p6;  aotöv  töv  IIou,irvjtov  iXtöm< 
TapaY/qv  xt  tlvou  f-rvutaav  xtX.  Plutarch  Pomp.  61  setzt  den  Beschluß 
(IIour.  ^ftodutvo«  tapax-nv  6pöv)  erst  auf  den  17.  Janaar.  —  Dieselbe 
Sitzung  schildert  Caesar  civ.  I  6:  proximis  diebue  habetur  extra 
urbem  Renatus,  in  der  Pompejus  seine  Machtmittel  darlegt. 

*)  Lucan  11  16  ff.  Als  Caesar  im  April  nach  Rom  kommt,  werden 
die  saga  wieder  abgelegt:  Dio  41,  17,  1  rhv  tsß-qta  rnv  tlpinvni-hv  ftrrrju,- 

»)  Caesar  civ.  I  9,  1  f. 

«)  Hirt.  bell.  GalL  VIII  52. 

•)  Cicero  kennt  die  Nachricht  am  19.  Janaar  auf  der  Reise  nach 
Campanien.  und  ist  über  die  Vorgänge  entsetzt  (es  kann  sich  also  nicht 
um  eine  Mitteilung  des  Pompejus  im  Senat  handeln,  wie  0.  E.  Schmidt, 
Cicero«  Briefwechsel  115  annimmt,  der  im  übrigen  den  Brief  richtig 
datiert;  dann  wäre  die  Sache  für  Cicero  nicht  mehr  eine  überraschende 
Neuigkeit),  ad  Att.  VII  11;  „Cingulum*  inquit  (ein  Bote  oder  ähnl.) 
wno8  tenetnus,  Anconam  amiaimus;  Labienus  discessit  a  Caeaare". 

Meyer,  Cuomirs  Monarchie  19 


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290 


Das  Principat  des  Pompejus 


führen  und  Caesar  von  Italien  und  Spanien  aus  erdrücken  zu 
können.  Pompejus  erhielt  den  Auftrag,  die  Aushebungen  in 
gesteigertem  Maße  zu  betreiben,  ein  Heer  von  130  000  Mann 
soll  in  Italien  aufgestellt  werden,  vor  allem  aus  kriegserfahrenen 
Veteranen1);  unter  seiner  Oberleitung  werden  die  einzelnen  Land- 
schaften Italiens  dafür  unter  die  geeigneten  Persönlichkeiten  ver- 
teilt1). Der  Staatsach  atz  wird  Pompejus  zur  Verfügung  gestellt, 
den  Landstädten  Eontributionen  auferlegt,  auch  die  Heranziehung 
der  privaten  Vermögen  und  des  Tempelguts  in  Aussicht  ge- 
nommen1). Die  Provinzen  werden  auf  Grund  des  Gesetzes  des 
Pompejus  verteilt :  die  Consulare  Domitius  Ahenobarbus  und  Scipio 
erhalten  das  jenseitige  Gallien  und  Syrien,  die  übrigen  werden 


Danach  ist  Labienus  etwa  am  18./14.  Janaar  übergetreten,  gleich  nach 
Caesars  Scbilderhebung;  er  versucht  dann,  Cingulom  im  nördlichen 
Picennm  für  die  Senatepartei  zu  halten,  Caesar  civ.  I  15,  2. 

')  Appian  D  84,  184.  Caes.  I  6,  8  tota  ItaJia  delectus  habeatur, 
ebenso  §  8  und  c.  9,  4. 

*)  Cicero  an  Tiro  XVI  11,  8,  am  12.  Januar:  Italiae  regiones  di- 
scriptae  sunt,  quam  quisque  partem  tueretur:  nos  Capuatn  sumpsi- 
mus.  Aach  von  Ciceros  Triumphansprach  ist  dabei  geredet  worden; 
der  Consol  Lentulus  erklarte  sehr  mit  Recht,  sc  reUUurum,  simul 
atque  expedisset,  quae  essent  neeessaria  de  repubüca.  Der  Beschlaß 
fällt  also  spätestens  auf  den  10.  oder  11.  Januar,  ad  Att.  VII  11.  5 
voU  enim  me  Pompeius  esse,  quem  tota  toec  Campania  et  mari- 
tima ora  habeat  ixtmoRov.  ad  quem  dilectus  et  summa  negotii  re- 
feratur  [gegen  die  Übernahme  hat  er  sich  gestraubt,  ad  Att.  VIII  12.  2. 
HD,  4].  Früher,  Mitte  Dezember,  hatte  Pompejus  Cicero  für  Sicilien 
in  Aussicht  genommen,  worüber  sich  dieser  gegen  Atticus  VII  7,  4  ent- 
rüstet äußert. 

*)  Dio  41,  8,  4  xoi  ixtlvtp  jiiv  xä  xpty«««  *«l  oTpereu»«*;  ftumav.  Ap- 
pian II  34.  185  Xr^Uia,a  3'  tiv  *^Xtu.ov  ahxü  tA  t«  xoivd  icdvta  a&ttxa 
i(|rr|(plCovTO,  xal  t&  töttonxi  atf&v  hui  xoi$  xotvoZc,  «I  Srrjatttv,  tlvat  atpar.tu- 
n*& '  1 1  tA$  noXsi;  i(p*  mpa  jc«ptiiup.xov  auv  tt  bprfy  xal  <p tXovtxtqt ,  anoo- 
%  oiWv  iiroXttKovti«  o$ot<iTTfj«.  Caesar  I  6,  8  pecunia  uti  ex  aerario 
Pompeio  detur;  §  8  pecuniae  a  municipiis  exiguntur,  e  fanis  toU 
luntur,  omnia  divina  humanaque  iura  permiscentur.  Caesar  hat 
sich  die  schöne  Schlußphraso  nicht  entgehn  lassen,  die  er  ebensogut  auf 
seine  eignen,  ganz  gleichartigen  Maßregeln  als  Monarch  hätte  anwenden 
können. 


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Kriegsvorbereitangen  in  Rom 


291 


an  Praetoriei  überwiesen1).  Für  die  Beobachtung  der  gesetz- 
lichen Formalitaten  und  die  Einholung  der  lex  cttriala,  duich  die 
ihnen  das  imperium,  die  Koinmandogewalt,  übertragen  wurde, 
war  keine  Zeit;  sie  gingen  sofort  in  ihre  Provinzen  ab*).  Die  ver- 
langte Heranziehung  der  Dynasten  von  Numidien  und  Maure- 
tanien wurde  durch  den  Consul  C.  Marcellus  und  den  Tribunen 
L.  Philippus  verhindert8),  die  von  einer  Einmischung  fremder 
Vasallen  in  die  inneren  Streitigkeiten  nichts  wissen  wollten. 
Betreffs  Caesars  wurde  beschlossen,  daß  er,  wenn  er  Heer  und 
Provinzen  nicht  zu  dem  festgesetzten  Tage  abgebe,  als  Stants- 
feind  (hostis)  anzusehn  sei4). 

')  Caesar  civ.  1  6,  5,  der  den  Vorwurf  erhebt,  daß  Philippus  cos.  56, 
vermählt  mit  Caesars  Nichte  Ätia  und  Stiefvater  Octavians,  im  Bürger- 
krieg neutral  (ad  Att.  IX  15,  4.  X  4,  10),  und  Cotta  cos.  65  Censor  64, 
pritato  consilio  praeiereuntur  neque  eorum  sortes  deiciuntur,  vgl. 
civ.  I  85,  9.  —  Die  Cisalpina  erhielt  M.  Considius  Nonianus  pro  prae- 
iore  Cic.  fam.  XVI  12,  8.  Att.  VIII  11  B,  2.  Wenn  Caesar  I  6,  5  sagt 
in  reliquas  provincias  praetores  miituntur,  so  ist  hier,  wie  so  oft, 
praetores  anstatt  des  korrekten  praetorii  gesetzt. 

*)  Caes.  civ.  I  6,  5  bezeichnet  die  consulurischen  und  prnetorischen 
Statthalter  daher  als  privati  {privatus,  und  daher  auch  anklagbar  ist 
der  Beamte  nach  Ablauf  des  städtischen  Amts  bis  zur  Einholung  der  lex 
curiata,  die  ihm  das  imperium  für  seine  Provinz  übertragt  und  diese 
«agleich  ausstattet,  ornat,  so  Caesar  selbfst  Anfang  61:  Sueton  Caes.  18), 
und  höhnt  neque  expeciant,  quod  superioribus  annis  acciderat,  ut 
de  eorum  imperio  ad  populum  feratur  paludatique  votis  nuncu- 
patis  exeant;  so,  nicht  exeunt,  ist  nach  dem  codex  Ursini  mit  Ad.  Nissen, 
Beitrage  zum  röm.  Staatsrecht  1 12  zu  lesen,  der  diese  Dinge  zuerst  klar- 
gestellt hat.  Vgl.  die  Diskussion  bei  Cicero  ad  fam.  I  9,  25  über  die 
Behauptung  des  Appius  Claudius  cos.  54,  zur  Übernahme  der  Provinz 
legem  curiatam  consuli  ferri  opus  esse,  neccsse  non  esse. 

')  Caes.  I  6,  8  f.  Philippus  ist  offenbar  der  Sohn  des  Philippus 
cos.  56  (S.  289,  2;  Cicero  Phil.  III  25). 

*)  Dio  41,  8,  4  tiv  54  8r,  Kaioapa  tVjv  tt  äpxty  tol$  fttaft^xoi; 
«apaSoövat  xal  tä  axpaTSU^iaxa  ivtö?  "^pas  &?«tvou  $j  stoXtfUov,  u>£ 

Kai  tavavtta  rjj  natpt5i  itotoüvta,  »Ivat  r}-r)f toavro.  Appian  11  83,  180 
setzt  das  schon  in  die  Verhandlungen  mit  Curio  und  Antonius:  rhv 
no;ucirjtoo  orpattav  foXaxa  0(pd>v  -fjfo&vco  ttvai,  rijv  Ik  Kai'aapot  noXtfitav. 
Vgl.  II  50  ,  207  in  Pompejus'  Rede:  Caesar,  8v  6jui<  i»ft«pwaa»*  »Ivu 
«oXIfuov. 


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292 


Das  Principafc  des  Pompejus 


Eröffnung  und  Verlauf  des  Bürgerkriegs 

Auch  für  Caesar  gab  es  nach  dem  7.  Januar  keine  Wahl  mehr: 
„die  Würfel  waren  geworfen".  Er  wird  die  Nachricht  am 
10.  Januar  (23.  November  julianisch)  erhalten  haben.  Noch  an 
demselben  Tage  sandte  er  eine  Anzahl  zuverlässiger  Centurionen 
voraus,  um  in  Friedenstracht,  nur  mit  dem  Schwert  bewaffnet, 
Ariminum  zu  besetzen;  die  Legion  selbst  ließ  er  unter  dem 
Kommando  des  Hortensius,  des  Sohnes  des  berühmten  Redners, 
auf  der  Straße  an  die  Qrenze  vorrücken1).  Er  selbst  erschien 
völlig  unbefangen,  besichtigte  Gladiatoren,  gab  den  Abend  ein 
Gastmahl;  bei  Einbruch  der  Nacht  brach  er  auf,  von  seinen 
vertrautesten  Anhängern ,  darunter  Asinius  Pollio ,  begleitet, 
und  schlug  Seitenpfade  ein,  nicht  ohne  sich  zu  verirren.  Am 
Rubico  erreichte  er  seine  Truppen;  er  stockte  einen  Augenblick, 
die  unermeßlichen  Folgen  des  Schritts  noch  einmal  erwägend, 
dann  führte  er  die  Legion  über  den  Grenzfluß  und  besetzte  nach 
eiligem  Marsch  am  Morgen  des  11.  Januar  Ariminum,  ohne 
Widerstand  zu  finden.  Hier  trafen  die  flüchtigen  Tribunen  bei 
ihm  ein;  Caesar  führte  sie  und  Curio  seinen  Soldaten  vor,  ließ 
sie  ihr  Geschick  erzählen,  und  hielt  selbst  eine  Ansprache,  in 
der  er  mit  allen  Mitteln  der  Rhetorik,  unter  Tränen  und  mit 
zerrissenem  Gewände,  sie  beschwor,  ihn  nicht  fallen  zu  lassen, 
sondern  mit  ihm  zugleich  die  Verletzung  der  geheiligten  Volks- 
rechte des  Tribunats  an  seinen  Feinden  zu  rächen.  Die  Truppe, 
der  erst  jetzt  zum  Bewußtsein  gekommen  sein  wird,  daß  sie 
durch  Überschreitung  der  Grenze  bereits  den  entscheidenden 
Schritt  getan  hatte,  und  die  von  Vertrauen  auf  die  siegreiche 
Fuhrung  und  die  Freigebigkeit  Caesars  erfüllt  war,  stimmte  zu 


')  Za  Hortensias,  den  Plat.  Caes.  32  nennt,  vgl.  Cic.  ad  Att.  X  4,  6 
8€d  nuüa  nostra  culpa  est,  natura  metuenda  est;  haec  Curionem, 
haec  Hortetisii  ftlium,  non  patrum  culpa  corrupit;  ebenso  geht  es  mit 
seinem  Neffen  Quintus,  der  za  seines  und  seines  Bruders  Leidwesen  An- 
schluß bei  Caesar  sucht.  —  Die  bei  Caesar  befindliche  Truppenzahl  gibt 
Appian  II  34,  136  auf  5000  Mann.  Plut.  Caes.  32  =  Pomp.  60  aal  5000 
zu  Fuß,  300  Reiter  an;  das  ist  natürlich  eine  Legion. 


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Caesars  Übergang  Ober  den  Rabico 


293 


und  verpflichtete  sich,  ihren  Feldherrn  nicht  im  Stich  «u  lassen1). 

Mit  kühnem  Entschluß  hatte  Caesar  gezeigt,  daß  er  vor  dem 
Krieg  nicht  zurückscheue  und  sich  nicht  der  Gnade  seiner  Feinde 
ausliefern  wolle;  aber  auch  jetzt  noch  wäre  ihm  ein  friedlicher 
Ausgleich  viel  erwünschter  gewesen,  als  der  Riesenkampf  auf 
Tod  und  Leben  gegen  die  gesamte  Macht  des  römischen  Staats 
mit  seinen  unabsehbaren  Konsequenzen.  Während  der  folgenden 
Tage,  bis  zum  15.  Januar,  ließ  er  die  nächsten  Küstenorte,  Pi- 
saurura,  Fanum,  Ancona,  durch  je  eine  Kohorte  besetzen;  gleich- 
zeitig entsandte  er  den  Antonius  mit  fünf  Kohorten  über  den 
Apennin  gegen  Arretium,  um  sich  in  den  Besitz  der  durch  Etrurien 
nach  Rom  führenden  Straße  zu  setzen;  spätestens  am  15.  Januar 
ist  Arretium  in  seine  Hände  gefallen«).  Er  selbst  blieb  während- 

')  Diese  Hergänge  berichten  Appian  II  85  =  Plut.  Caes.  82  f. ,  wo 
der  Bericht  des  Asinius  Pollio  zugrunde  liegt,  Sueton  31  f.  und  in  kür- 
zerer Passung  Dio  41,  4,  l  in  allem  wesentlichen  übereinstimmend 
(ebenso  Lucan  I  228  ff.).  Sueton  gibt  die  Worte  Caesars  in  etwa« 
anderer  Fassung,  als  Pollio  bei  Plutarch  =  Appian.  Caesar  hat  hier 
bekanntlich  eine  arge  Fälschung  begangen,  indem  er  die  Rede  an  die 
Soldaten  nach  Ravenna  verlegt  und  behauptet,  mit  ihrer  Zustimmung 
nach  Ariminum  gegangen  zu  sein;  das  ist  leider  in  viele  moderne  Dar- 
stellungen übergegangen.  Die  Einwirkung  Caesars  zeigt  sich  bei  Ap- 
pian darin,  daß  er,  wahrend  er  sonst  dem  korrekten  Bericht  folgt,  die 
Rede  Caesars  und  die  Vorführung  der  Tribunen  (letztere  treffen  auch 
bei  Caesar  erst  in  Ariminum  zu  ihm)  nach  Ravenna  verlegt  II  38,  188; 
Plutarch  übergebt  beides  (Lucan  hat  das  Richtige).  In  der  Quelle  war  also 
Asinius  Pollio  mit  Caesar  zusammengearbeitet.  Die  Rede,  die  Caesar 
civ.  I  7  gibt,  und  die  Möhnsen  noch  weiter  idealisiert  und  in  glühenden 
Farben  geschildert  hat,  ist  natürlich  nicht  am  11.  Januar  49  an  die 
Soldaten  gehalten,  sondern  im  Jahre  46  oder  45  für  das  romische  Pu- 
blikum geschrieben. 

*)  Caesar  civ.  I  11.  der  mit  ganz  grober  Fälschung  der  Tatsachen 
dieses  Vorrücken  erst  nach  dem  Abbruch  der  durch  Roscius  geführten 
Verhandlungen  stattfinden  läßt  Am  19.  Januar  weiß  Cicero  bereits, 
daß  Ancona  besetzt  ist  (ad  Att.  VII  11,  oben  S.  289,  5);  die  Besetzung 
von  Pisaurum  und  Fanum  fällt  also  vorher  und  war  in  Rom  sicher  be- 
reits am  17.  Januar  bekannt,  wo  sie  zusammen  mit  der  Besetzung  von 
Arretium  den  Beschluß  herbeiführt,  die  Stadt  zu  räumen:  Cicero  an 
Tiro  XVI  12  (27.  Januar)  cum  Caesar  . . .  Ariminum,  Pisaurum,  An- 
ccnam  [das  hier  wahrscheinlich  mit  Unrecht  genannt  ist;  die  Kunde 


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291 


Das  Principat  des  Pompejut» 


dessen  mit  zwei  Kohorten  in  Ariminum  und  nahm  hier  Aus- 
hebungen vor.  Gleichzeitig  aber  schickte  er  den  Caelius,  den 
am  wenigsten  kompromittierten  der  Flüchtlinge,  aufs  neue  nach 
Rom,  um  hier  die  privaten  Verhandlungen  fortzusetzen.  Caelius 
hat  Cicero  aufgesucht  und  von  ihm  neue  Vorschläge  erhalten, 
die  zum  Frieden  führen  könnten;  dann  ist  er  noch  bei  Nacht, 
vermutlich  der  vom  13.  zum  14.  Januar,  zu  Caesar  zurück- 
gereist1). 

Die  Kunde  von  der  Besetzung  von  Ariminum  erregte  natür- 
lich in  Rom  die  größte  Bestürzung:  die  Erwartung,  daß  er  sich 
einschüchtern  lassen  oder  daß  er  wenigstens  das  Eintreffen 
der  Legionen  aus  Gallien  abwarten  werde,  so  daß  man  zum 
mindesten  einige  Monate,  vielleicht  sogar  bis  zum  Frühjahr  Zeit 
haben  werde,  um  dann  angriffsweise  vorzugehn,  hatte  sich  nicht 
erfüllt.  Jetzt  hatte  man  außer  den  beiden  unzuverlässigen 
Legionen  nur  ungeschulte,  eben  in  der  Formation  begriffene 
Truppen  zur  Verfügung,  die  Caesars  Veteranen  unmöglich  ent- 
gegengeschickt werden  konnten;  für  den  Augenblick  war  Italien 
wehrlos.    So  erhob  die  eingeschüchterte  Friedenspartei  wieder 

von  seiner  Besetzung  trifft  erst  unmittelbar  nachher  ein],  ArreUum 
occupavisset,  wbem  reliqxiimus.  Daß  Cicero  Rom  am  Morgen  des 
18.  Jannar  aniequam  lucerei  (Att.  VII  10)  verlassen  hat.  ergibt  »ich 
aus  Att.  IX  10 ,  4,  wonach  ein  Brief  des  Atticus  vom  X  Kai.  Febr. 
(21.  Januar)  poat  diem  quartum,  quam  ab  urbe  discessimus  ge- 
schrieben ist;  die  letzte  Senatssitzung  und  der  Raumungsbeschluß  fällt 
also  auf  den  17.  Januar. 

')  Wir  erfahren  von  diesem  Vorgang  nur  durch  Caelius'  Brief  an 
Cicero  VIII  16,  1  (Februar  48):  cum  ad  te,  proficiscens  Ariminum  (so 
richtig  STKnNKOPF  statt  des  überlieferten  ~ni;  möglich  wlre  auch  Ari- 
minoj,  noctxi  venissem,  dum  mihi  pacis  mandata  das  ad  Caesarem 
et  mirificum  civem  agis.  Wenn  Caelius  gleich  am  11.  Januar  wieder 
von  Ariminum  abreiste,  konnte  er  am  18.  abends  in  Rom  sein.  Daß  dies 
Gespräch  nur  hierher,  nicht  mit  0.  K.  Schmidt  und  anderen  auf  den 
7.  Januar,  vor  Caelius'  Flucht,  gesotzt  werden  kann,  scheint  mir  evident 
zu  sein.  —  Vgl.  auch  Cicero  an  Tiro  XVI  12,  5  (27.  Januar) :  nuüutn 
maiu8  negotium  suseipere  volui,  quo  plus  apud  illum  (Caesarem) 
meae  litterae  cohortationesque  ad  pacem  vakant.  Caelius  als  Ver- 
mittler zwischen  Cicero  und  Caesar  auch  ad  Att.  VII  17.  8.  21,  3. 


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Bestürzung  in  Rom 


295 


ihr  Haupt,  zumal  Caelius'  Entsendung  die  Hoffnung  auf  eine 
Verständigung  wieder  aufkommen  ließ;  und  die  Führer  der 
Republikaner  stimmten  in  ihre  Vorwürfe  gegen  Pompejus  um 
so  mehr  ein,  da  sie  im  Vertrauen  auf  diesen  den  Bruch  herbei- 
geführt und  beschleunigt  hatten  und  da  ihnen  jedes  militärische 
Verständnis  abging.  Die  Menge  sah  schon  die  Schreckenszeit 
des  Marius  und  Sulla  wiederkommen  und  schrie  nach  Frieden: 
beide  Machthaber  sollten  niederlegen1).  In  der  nächsten  Senats- 
sitzung, am  14.  oder  15.  Januar,  kam  es  zu  stürmischen  Szenen'). 
Volcacius  Tullus,  Consul  66,  ein  friedliebender  Mann,  der  immer 
nur  eine  sehr  bescheidene  Rolle  unter  den  Consularen  gespielt 
hatte8),  fragte  Pompejus  nach  der  Zahl  der  verwendbaren  Truppen, 
und  als  Pompejus  zögernd  dreißigtausend  Mann  nannte4),  rief 
er  aus,  Pompejus  habe  den  Senat  betrogen,  und  forderte  die 
Entsendung  einer  Versöhnuugsgesandtschaft  an  Caesar ;  Favonius 
aber  höhnte,  Pompejus  möge  doch  jetzt  Legionen  aus  der  Erde 
stampfen,  wie  er  sich  zu  sagen  vermessen  hatte').  Cato  erklärte, 
wenn  man  ihm  früher  gefolgt  wäre,  brauchte  man  jetzt  weder 
vor  einem  einzigen  zu  zittern,  noch  alle  Hoffnung  lediglich  auf 
einen  einzigen  zu  setzen;  aber  eben  darum  forderte  er  jetzt  die 
Ernennung  des  Pompejus  zum  alleinigen  Oberfeld herm ;  denn  nur 

')  Dio  41,  5  tov  ts  itoXsfwv  ouvoOyta^  fivijMJ  *6v  Mapwo  x«  t&v  toö 
"ZokXi  8pyu>v,  in  genauer  Übereinstimmung  mit  App.  II  86.  145  b  fr?l|ioc 
iv  fiyYjjj^  ttüv  Maptou  xil  xaxcijv. 

*)  Bas  Datum  ergibt  sich  aus  Plutarch  Pomp.  60  A$  ik  «pcüvov  4j 
e^fiifj  (vom  Übergang  über  den  Kubico)  npooiiMat,  .  .  .  tWo$  4j  ßooMj 
?jpojuv7j  jipii  zbv  noftmfjtov  oov4tp»x«-  Ebenso  Cato  52;  Tgl.  unten  S.  297,  2. 

')  Vgl.  Cic.  ad  Att.  VII  3,  3  (9.  Dezember  50) :  das  Minervabild  mit 
seiner  Inschrift,  da«  er,  ehe  er  ins  Exil  ging,  auf  dem  Capitol  aufge- 
stellt hatte,  würde  ihm  nicht  gestatten  ui  imitarer  Volcacium  aut  8er- 
vium,  quibus  tu  es  contentm;  ähnlich  VIII  9,3,  dagegen  VIII  1,  8, 
vgl.  Atticus  Äußerung  IX  10,  7. 

*)  Dieselbe  Zahl  gibt  der  Brief  bei  Cicero  ad  Att.  IX  6,  3,  der  die 
Einschiffung  dea  Heeres  nach  Epirut*  am  4.  Mars  (in  Wirklichkeit  nur 
der  Consuln  mit  der  größeren  Hälfte  der  Truppen)  meldet. 

»)  Plut.  Pomp.  65  =  App.  II  36,  145  f.,  der  die  Äußerung  des  Vol- 
cacius dem  Cicero  in  den  Mund  legt,  weil  er  Tullus  mit  Tullius  verwech- 
selt hat;  weiter  schließt  er  die  Vorgange  am  17.  unmittelbar  daran. 


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296 


Das  Principat  des  Pompejus 


wer  das  Unheil  herbeigeführt  habe,  könne  es  auch  heilen1).  Darob 
diesen  Antrag  bewies  Cato  aufs  neue,  daß  er  keineswegs  ein  un- 
verbesserlicher Doktrinär  war,  sondern  sehr  wohl  verstand,  den 
Anforderungen  des  Moments  Rechnung  zu  tragen;  aber  er  wider- 
sprach dem  Grundsatz  der  Verfassung,  daß  die  Consuln  die 
offiziellen  Leiter  des  römischen  Staats  waren,  und  wurde  daher 
nicht  angenommen1).  Aber  in  der  Sache  blieb  man  fest:  der 
Antrag  des  Tullus  auf  Friedensverhandlungen  wurde  abgelehnt, 
sowohl  die  Consuln*)  wie  Pompejus  widersprachen:  wer  darin 
den  ersten  Schritt  tue,  erklärte  dieser,  bezeuge  dadurch,  daß  er 
sich  fürchte,  und  erkenne  die  Überlegenheit  des  Gegners  an4). 
Indessen  den  Versuch,  zu  einem  Abkommen  zu  gelangen,  wollte 
man  doch  nicht  aufgeben;  man  einigte  sich  mit  Pompejus*  Zu- 
stimmung dahin,  daß  der  Praetor  L.  Roscius,  der  sich  schon 
am  7.  Januar  dazu  erboten  hatte  (S.  284),  und  der  junge  Lucius 
Caesar,  Sohn  des  Consuls  64,  der  der  älteren,  aristokratisch  ge- 
sinnten Linie  des  caesarischen  Hauses  angehörte,  aber  bei  dem 
Proconsul  eine  Legatenstelle  angenommen  und  im  Jahre  52  die 
narbonensische  Provinz  gedeckt  hatte5)  —  der  Sohn  dagegen 
hat  sich  im  Bürgerkrieg  dem  Pompejus  angeschlossen  und  wurde 
nach  der  Schlacht  bei  Thapsus  trotz  der  ihm  gewährten  Be- 
gnadigung von  den  Soldaten  niedergehauen  — ,  scheinbar  auf 
eigene  Hand  zu  Caesar  gehn  und  mit  ihm  verhandeln  sollten: 


')  Plut.  Cato  52  =  Pomp.  60  f.;  Pompegus  antwortet:  pÄvroturttpa 
jtiv  tlvoi  tot  KeVrwvt  X«x&ivca,  <piXtxu>Ttpa  ftfc  6it*  alnob  mizpäx&at.  —  Kotaov 
U  oovsßooXtotv  aip«io&ai  o<cpotifpf6v  afcoxpettopa  nofurVjtov  -  *vi  IIo|ix*r)t<p 

')  Vellejus  II  49,  2  consules  senatusque  causae  no{mine)  [über- 
liefert ist  non]  Pompeio  ttummam  imperii  detulerunt  vernetzt  ungenau 
die  Übertragung  de«  Oberbefehls  an  Pompejus  schon  hierher;  in  Wirk- 
lichkeit erfolgte  sie  erst  nach  Ablauf  des  Jahre*. 

')  App.  II  87,  146  ötyTiKpatTovt«ov  i'      &xouna  tüv  6nata>v. 

4)  Caesar  civ.  I  82,  8  sagt  April  49  im  Senat:  neque  ge  refonni- 
dare,  quod  in  »enatu  Pompeius  paulo  ante  dixisset,  ad  quos  legaii 
mitter entur,  his  auctoritateni  aitribui  timoremque  eorum,  qui  mitte- 
rent,  signiflcari.  tenuis  atque  inflrmi  haec  animi  tideri. 

•)  Caes.  bell.  Call.  VII  65,  vgl.  civ.  I  8,  2. 


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Nene  Verhandlungen  297 

durch  diesen  Anknüpfungsversuch  sollte  die  Initiative  zu  offi- 
ziellen Verhandlungen  Caesar  zugeschoben  werden1).  Die  Ab- 
gesandten sind  am  17.  oder  18.  Januar  in  Ariminum  eingetroffen1). 
Den  offiziösen  Auftrag,  den  sie  mitbrachten,  hat  Caesar  mit  einer 
inhaltlosen  Wendung  übergangen*):  er  wollte  seine  Leser  nicht 
wi3seu  lassen,  welche  Anerbietungen  er  abgelehnt  habe.  Da- 
gegen berichtet  er,  daß  sie  von  Pompejus  privatim  den  Auftrag 
erhalten  haben,  Caesar  zu  bitten,  er  möge  ihm  nicht  zum  per- 
sönlichen Vorwurf  machen,  was  er  im  Dienste  des  Staats  tun 
müsse,  sondern  vielmehr  selbst  seine  privaten  Interessen  und  den 
Haß  gegen  seine  Feinde  dem  Staatswohl  unterordnen.  Caesar 
hat  die  ihm  gebotene  Handhabe  ergriffen;  er  schickte  die  beiden 
Vermittler  an  Pompejus  zurück  mit  dem  Auftrag,  ihm  zu  melden, 
auch  er  sei  bereit,  alle  die  schweren  ihm  zugefügten  Kränkungen 
um  des  Staats  willen  zu  ertragen.  Als  Weg  zum  Frieden  schlug 
er  vor,  beide  Parteien  sollten  die  Rüstungen  einstellen  und  die 
Besatzungen  entlassen ,  und  Pompejus  nach  Spanien  gehn ;  er 
selbst  sei  bereit,  beide  Provinzen  den  vom  Senat  bestellten  Nach- 
folgern zu  übergeben  und  mit  Verzicht  auf  das  ihm  gewährte 
Privileg  sich  persönlich  in  Rom  um  das  Consulat  bewerben;  um 
die  Bedingungen  im  einzelnen  festsetzen  und  beschwören  zu 

')  Dio  41,  5,  2  no|urf]ioc  .  .  .  firttßaXtto  xal  jtpeoßw?  xpic  x6v  KaU 
oaoa  Aoöxtrfv  tj  Kubapa  ooYftvfj  owxcj»  ovta  xal  Aouxtov  'Pcooxtov  atparrj- 
fo6«a  aoT»;rafT*Vroo?  aiwat«X«v,  si  ru»;  tJjv  4p{iv]y  aotoö  .ixyofuiv  futtt' 
Ixl  (ittpiotc  toi  aojißaif). 

*)  Cicero  spricht  den  L.  Caesar  auf  der  Rückreise  zu  Pompejus 
nach  Teannm  (Att.  VII  13,  1)  am  Morgen  des  28.  Januar  in  Mintornae 
(Att.  VII  12.  6);  er  muß  also  spätestens  am  19.  von  Caesar  abgefertigt 
sein,  und  wird  etwa  am  Tage  vorher  in  Ariminum  eingetroffen  sein. 
Daraus  ergibt  sich  zugleich,  daß  die  Senatssitzung,  die  Beine  Entsen- 
dung veranlaßt  hat,  spätestens  auf  den  15.  Januar  gefallen  sein  kann. 

3)  Caesar  civ.  I  8  L.  Caesar  reliquo  sermone  confecto,  cuius 
rei  causa  venerat,  habere  se  a  Pompeio  ad  cum  privati  offlcii 
mandata  demonstrat:  ebenso  Roscius.  Leider  erfahren  wir  aus  den 
anderen  Quellen  nichts  Ober  den  Inhalt  ihrer  Vorschlage.  Da  beide 
ohne  offiziellen  Auftrag  kamen,  können  sie  Caesar  nicht  etwa  amtlich 
den  Beschluß  des  Senats  über  seine  eventuelle  Erklärung  zum  hastis 
(S.  291)  überbracht  haben. 


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298 


Das  Principat  des  Pompejus 


können ,  möge  Pompejus  näher  herankommen  oder  ihm  das  ge- 
statten; wenn  sie  sich  persönlich  sprechen  könnten,  würden  sich 
alle  Streitpunkte  beilegen  lassen1). 

Mit  diesen  Vorschlägen  ist  Caesar  noch  ein  großes  Stück 
über  seine  früheren  Konzessionen  hinausgegangen  und  hat  im 
Grunde  alles  bewilligt,  was  von  ihm  gefordert  werden  konnte. 
Er  mochte  annehmen,  daß  Pompejus,  über  den  Ernst  der  Lage 
und  die  Unmöglichkeit  einer  Offensive  belehrt  und  zugleich  durch 
die  Vorwürfe  seiner  neuen  Verbündeten  gereizt,  dazu  gebracht 
werden  könne,  ihm  wieder  die  Hand  zu  bieten  und,  zufrieden 
mit  der  gesicherten  Stellung  in  Spanien,  Caesar  für  sein  Consulat 
freien  Spielraum  zu  gewähren;  alsdann  war  er  selbst,  im  Besitz 
der  tatsächlichen  Macht,  ganz  bereit,  ihm  alle  äußeren  Ehren 
zu  lassen,  die  er  begehren  mochte,  und,  wie  er  bald  darauf  zu 
Baibus  sagte,  „unter  dem  Principat  des  Pompejus  ohne  Be- 
sorgnis für  seine  Existenz  zu  leben"*).  Denn  daß,  wenn  wirklich 

')  Caes.  civ.  I  9  proflciscaiur  Pompeius  in  suas  provincias,  ipsi 
exercitits  dimittant,  discedant  in  Italia  omnes  ab  armis,  metus  e 
civitate  tollalur,  libera  eomitin  aique  omnis  respublica  srnatui  po- 
puloque  Romano  permitlatur.  Das  deckt  sich  sachlich  mit  Cicoros 
Angabe  an  Tiro  XVI  12,  die  aber  die  Einzelheiten  zum  Teil  präziser 
gibt:  feruntur  omnino  condiciones  ab  Mo,  ut  Pompeius  eat  in  Hi~ 
8paniam,  düectus,  qui  sunt  habiti,  et  praesidia  nostra  dimittaniur; 
se  ulteriorem  GaUiarn  Domitio,  cüeriorem  Considio  Noniam  (hu 
enim  obiigerunt)  traditurum ;  ad  consulatus  petitionem  se  venturum, 
neque  sc  iam  velle,  abseilte  se  rationem  haberi  suam;  sepraesentem 
trinum  nundinum  petÜHrum.  Die  Forderang  der  persönlichen  Zu- 
sammenkunft gibt  nur  Caesar. 

')  Am  Abend  des  24.  Februar  besucht  Baibus  der  jüngere  bei  dem 
Versuch ,  Lentulus  zu  bestechen .  den  Cicero  in  Formiae  und  erzählt 
(Att.  VII 1  9,  4)  nihil  maUe  Caesarem,  quam  ut  Pompeium  adse- 
queretur  —  id  credo  —  et  rediret  m  gratiam:  id  non  credo  et 
metuo,  ne  omnis  haec  dementia  ad  unam  illam  crudelilaiem  colli- 
gatur  (d.  h.  zu  einem  großen  Akt  der  Grausamkeit,  der  dem  bisherigen 
Schein  der  Milde  ein  Ende  macht;  es  ist  nicht  nötig,  unam  in  Sidla- 
nam  oder  Cinneam  zu  andern).  Baibus  quidem  maior  ad  me  scribit, 
nihil  malle  Caesarem,  quam  principe  Pompeio  sine  me.tu  vivere:  tu 
puto  haec  credis.   Cicero»  Befürchtungen  sind  sehr  begreiflich,  aber 


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1 


Weitere  Konzessionen  Caesar*.    PompejuV  Feldzugsplan.  299 


ein  festes  Abkommen  geschlossen  wurde,  damit  tatsächlich  seine 
Wahl  gesichert  war  und  die  ihm  gedrohte  gerichtliche  Verfolgung 
aufgegeben  werden  mußte,  war,  wie  auch  die  Gegenpartei  an- 
erkannte1), dabei  die  selbstverständliche  Voraussetzung. 

Inzwischen  aber  hatte  das  weitere  Vordringen  der  Truppen 
Caesars  und  vor  allem  die  Besetzung  von  Arretium  und  die 
Räumung  Etruriens  durch  Libo,  der  hier  die  Aushebungen 
leiten  sollte»),  sowie  das  Eintreffen  zahlreicher  Flüchtlings- 
scharen in  Koni  die  Bestürzung  und  Verwirrung  zur  Siedehitze 
gesteigert.  Pompejus  dagegen  behielt  den  Kopf  klar8):  er  er- 
kannte, daß  jeder  Widerstand  in  Italien  unmöglich  sei  und  es 
nur  noch  darauf  ankomme,  möglichst  viel  Mannschaften  aus 
Italien  fortzuziehn  und  dann  auf  der  Balkanhalbinsel,  gedeckt 
durch  das  Meer,  für  den  Entscheidungskampf  auszubilden.  Die 
starke  Armee  in  Spanien  mußte  einstweilen  sich  selbst  über- 
lassen bleiben;  er  durfte  hoffen,  daß  sie  imstande  sein  würde, 
sich,  falls  Caesar  sie  angreifen  sollte,  ihm  gegenüber  zu  behaupten; 
auch  konnte  sie,  wenn  in  Afrika  die  Streitkräfte  der  Provinz 
und  der  Vasallenstaaten  organisiert  waren,  von  hier  aus  weitere 
Unterstützung  erhalten.  In  der  Sitzung  am  17.  Januar  er- 
klärt* er  dem  Senat,  daß  es  geboten  sei,  nicht  nur  die  Haupt« 
stadt,  sondern  auch  ganz  Italien  zu  räumen.  Er  berief  sich  auf 
Themistokles  und  die  Räumung  Athens  vor  den  Persern  und 
wiederholte  das  damals  gesprochene  Wort,  daß  der  Staat  nicht 


')  Für  Cicero  ist  es  selbstverständlich,  daß  wenn  der  Friede  zu- 
stande kommt.  Caesar  Consnl  wird,  und  er  erkennt  an,  daß  dabei  die 
Stellung  der  Republik  wenigstens  noch  notdürftig  gewahrt  wird :  vicerit 
enim,  si  consul  f actus  erit,  et  minore  scelere  vicerit  quam  quo  in- 
gressus  est.  sed  aeeipumdo  plaga  est,  ad  Att.  VII  15,  8;  ebenso  17, 
2.  18,  2. 

«)  Flora«  II  18,  19.  Lucan  II  462:  vgl.  Cicero  ad  Att  VII  12,  2. 
VIII  11  B.  2. 

*)  Die  gegenteilige  Behauptung,  die  sich  wie  bei  Cicero  so  bei  Plut. 
Pomp.  61  =  Caes.  30  und  in  anderer  Fassung  bei  Dio  41,  6  findet  und 
von  den  Neueren  meist  nachgesprochen  wird  (sogar  daß  Pompejus 
&3Tp&rr}Yir]Toc  oder  iotp«tYjYcx«itato?  sei!  ad  Att.  VII  18,  1.  Vlil  16,  1), 
beruht  auf  totalem  Mangel  an  militärischem  Verständnis. 


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300 


Da*  Principal  des  Pompeji 


aus  den  Hauswänden  bestehe1).  Mit  der  Preisgebung  Italiens 
sei  noch  nichts  verloren ;  man  habe  die  gesamten  Hilfsmittel  des 
Orients  nebst  den  Streitkräften  der  abhängigen  Staaten  bis  zu 
den  Geten,  Kolchern  und  Armeniern  zur  Verfügung,  überdies 
eine  starke  Flotte  aus  allen  Küstengebieten,  mit  der  man  die 
Verbindung  Italiens  mit  den  Kornprovinzen  unterbinden  und 
ihm  die  Zufuhr  abschneiden  könne.  Wenn  es  Sulla  gelungen 
sei,  vom  Orient  aus  Italien  zu  erobern  und  die  Herrschaft  des 
Senats  wieder  aufzurichten,  wie  sollte  es  ihm  nicht  möglich 
sein?*)    Die  Senatoren,  militärisch  völlig  urteilslos,  entsetzten 

')  ad  Att.  VII  11,  8  (19.  Januar)  [bei  Plutarch  Pomp.  68  ritiert] 
führt  Cicero  »eine  Worte  an:  nnon  est"  inquit  „in  parietibus  res- 
publica"  —  at  in  aris  et  focis  (Einwurf  Ciceros)  —  »fecit  Themisto- 
cles" ;  fluctum  enim  totius  barbariae  ferre  urbs  una  non  poterat. 
Vgl.  X  8,  4.  Appian  II  37.  147  oü  -jAp  ta  xwpia  xal  ta  olx^jiata  r}p> 
äövaptv  yj  t-qv  rXso&spiav  ;tvai  toi?  ivo'pfto'.v,  aXXä  tou^  fivJpa?,  Ix-q  not'  fiv 
aiotv,  fx,lv  wfjxa  aov  iautotc.  Nachher  benutzt  er  da«  für  die  Rede,  die 
er  Pompejus  in  Macedonien  halten  laßt,  II  50, 205:  xed  *A<hfjvalot  rvjv  x6Xtv 
i4tXiirov,  öslp  eXtoO-tplac  tote  sirtoö«  itoXtpioüvttc.,  ob  ta  olx-rjfiata  «cXtv,  &XX& 
toö<  £v3pac  tiveu  vojuCovtr«,  xat  tdöe  xpa$avt»<;  o$ia»«  afttrv  iviXaßöv  tt  xai 
eöxXwoTrpavaRsftp-av;  ebenso  haben  die  Römer  es  beim  Keltenangriff  gemacht 

*)  Cic.  ad  Att.  IX  10.  2  ridi  liominem  (Pompeium)  XIIII  Kai. 
Febr.  plenum  formidinis:  Mo  ipso  die  sensi,  quid  ageret  . . .  nihil 
nisi  fugam  cogitare  . . .  quae  minae  munieipiis  f  quae  nominutim 
viris  bonis!  quae  denique  omnibus,  qui  remansissent !  quam  crebro 
ülud  ,8uüa  potuit,  ego  non  potero?"  (was  Cicero  völlig  falsch  ver- 
steht) . .  .  huius  belli  genus  fugi,  et  eo  magis,  quod  crudeliora  etiam 
cogitari  et  parari  videbam.  me  . . .  Getarum  et  Armeniorum  et  Col- 
chornm  copias  ad  eam  (urbemi  adducere?  me  meis  civibus  famem, 
vastitatem  inferre  Italiae?  Dazu  IX  9,  2  ut  nostri  prineipes  ... 
patriam  fame  necandam  putent.  atque  hoc  non  opinione  timeo,  sed 
interfui  sermonibus:  omnis  haec  classis  Alexandrea,  Colcliis,  Tyro, 
Sidone,  Arado,  Pamphylia,  Lycia,  Rhodo,  Chio,  Bysantio,  Lesbo, 
Zmyrna,  Mileto,  Coo  ad  intercludendos  commeatus  Italiae  et  ad 
occupandas  frumentarias  provincias  comparatur.  VIII  11,  2  nec 
vero  iüe  urbem  reliquit.  quod  eam  Uteri  non  posset,  nec  Italiam, 
quod  ea  pelleretur,  sed  hoc  a  primo  cogitavit,  omnis  terras,  omnia 
maria  movere,  regen  barbaros  incitare,  genlis  feras  armatas  in 
Italiam  adducere,  exercitus  conficere  maximos;  genus  ülud  SulUini 
regni  iam  pridem  appetitur,  multis,  qui  una  sunt,  cupientibus.  Ebenso 
X  8.  4.    Diese  ganz  schiefe  Auffassung,  in  der  »ich  Cicero,  nicht,  wie 


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Die  Räumung  Roms  301 

sich  bei  diesen  Ausführungen,  die  alle  ihre  Erwartungen  auf 
das  bitterste  enttauschten  und  ihr  Vertrauen  auf  Pompe  jus  aufs 
schwerste  erschütterten;  aber  es  blieb  ihnen  nichts  übrig,  als 
sich  zu  fügen.  Seinem  Antrag  gemäß  wurde  beschlossen,  daß  alle 
Beamten  und  Senatoren  am  nächsten  Tage  die  Stadt  verlassen 
sollten,  die  Zurückbleibenden  als  Genossen  des  Landesfeindes 
mit  schwerster  Strafe  bedroht,  ebenso  die  Municipien,  die  sich 
Caesar  anschließen  sollten1).  Noch  an  demselben  Tage  ging 
Pompejus  nach  Campanien  zu  den  Truppen,  am  18.  Januar 
(1.  Dezember  julianisch)  folgte  der  allgemeine  Auszug.  Auch  die- 
jenigen, welche  zu  Caesar  neigten  oder  neutral  zu  bleiben 
wünschten,  wagten  nicht,  sich  der  allgemeinen  Bewegung  zu 
entziehn*);  sogar  Caesars  Schwiegervater  Piso  ging  mit*).  In 
der  Eile  war  es  unmöglich,  vor  dem  Auszug  in  den  Krieg  die 
lex  curiata  de  imperio  einzuholen  und  die  üblichen  Opfer  darzu- 
bringen4); ebensowenig  gelangte  der  Beschluß,  den  Staatsschatz 


dieser  VII  26,  1,  vgl.  IS,  1  behauptet,  Pompejus  als  ioxpavr^ixmtaxo^ 
erweist,  hat  dann  Nissen  als  das  eigentliche  Motiv  des  Pompejus  hin- 
gestellt: er  habe  sich  dadurch,  daß  er  den  Kriegsschauplatz  in  die  Pro- 
vinzen verlegte,  von  der  Abhängigkeit  von  Consuln  und  Senat  emanzi- 
pieren wollen.  —  Bei  Appian  II  37  sagt  Pompejus:  .ihr  werdet  die  (von 
Favonius  geforderten,  oben  8.295)  Legionen  haben,  äv  a*x>\o'iftffti  fjuot 
*ai  üttv&v  •/jffjafo  rfyv  cPu»|iifjv  äitoXticsiv ,  xai  e!  r»jv  'ItaUav  iicl  rg 
'PwfrB  »rrjotitv.*  Die  Heranziehung  aller  Kräfte  des  Ostens  zu  Lande  und 
zur  See  bringt  er  in  Pompejus'  Rede  II  51,  210  f. 
l)  So  auch  Caea.  civ.  I  88.  2. 

*)  Appian  II  87.  Plut.  Pomp.  61  =  Caes.  88.  Bei  Dio  41,  5  f.  ist 
durch  die  Einwirkung  der  verfälschten  Darstellung  Caesars  die  Rück- 
kehr der  Gesandtschaft  des  Roscius  und  L.  Caesar  vor  den  Beschluß  des 
Auszugs  gesetzt  und  die  Wirkung  des  von  ihnen  überbrachten  Angebots 
fiÜHehlich  zum  Motiv  für  Pompejus'  Entschloß  gemacht,  während  zu- 
gleich die  beiden  noch  einmal  entsandt  werden  (41,  5.  4)  und  diesmal 
die  Verhandlungen  scheitern  (41,  6,  5  f.).  Ciceros  Briefe  gestatten  hier 
eine  genaue  Kontrolle  und  Datierung;  trotzdem  hat  auch  Dios  Bericht 
gelegentlich  Glauben  gefunden.  Seine  Schilderung  des  Auazugs  und 
der  Stimmung  dagegen  c.  7  ff.  ist  vortrefflich. 

«)  ad  fam.  XIV  4.  2.  ad  Att.  VII  18,  1. 

4)  Unterlassung  der  lex  curiata :  Dio  41 ,  48 ,  8.  Plut.  Pomp.  61 
=  Caes.  34  ot  tk  6z«ot  |»}&t  &üo<xv?ic  &  vojäCttou  jcpö  koXsjjloo  e<po«fov. 


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302 


Das  Principat  des  Pompe  jus 


ins  Feld  zu  schaffen1),  zur  Ausführung.  Als  Pompejus  später 
den  Oonsuln  nach  Capua  die  Forderung  sandte,  das  Geld  zu 
holen,  weigerten  sie  sich,  zu  gehorchen,  wenn  nicht  Pompejus 
vorher  zu  ihrer  Deckung  nach  Picenum  vorrücke*);  und  so  fielen 
die  Gelder  in  Caesars  Hände. 

Während  man  inmitten  der  allgemeinen  Verwirrung  ver- 
suchte, die  Aushebungen  und  Rüstungen  energischer  in  Gang 
zu  bringen,  trafen  am  23.  Januar  Lucius  Caesar  und  Rosems 
in  Pompejus'  Hauptquartier  in  Teanum  Sidicinum  ein*).  Pom« 
pejus  verhandelte  mit  den  Consuln  und  den  anwesenden  Sena- 
toren; auch  Labienus,  der  tags  zuvor  eingetroffen  war  und  dessen 
Übertritt  die  Hoffnungen  wieder  etwas  belebt  hatte,  war  zu- 
gegen4).   Pompejus  war  in  der  Tat  zur  Nachgiebigkeit  bereit; 

Caesar  höhnt  darüber  civ.  I  6,  7 :  consules,  quod  ante  id  tempus  ac- 
cidit  nunquam,  ex  urbe  proficiscuntur  lictoresque  habent  in  urbe 
et  in  CapitoHo  privati  (d.  h.  eben  ohne  imperium,  s.  An.  Ntssra,  Beitr. 
■um  röm.  Staatsrecht  113,  vgl.  oben  S.  291,  2)  contra  omnia  vetustatis 
exempla.  Ein  Teil  der  Herausgeber  hat  durch  Kinschiebong  von  dam 
vor  ex  urbe  prof.  den  Sinn  der  ganzen  Stelle  verdorben. 

•)  Dio  41,  6,  8.  Cic.  ad  Att.  VII  15,  3  sumus  enim  flagitiose  im- 
parati  cum  a  müitibus,  tum  a  pecunia,  quam  quidem  omnem,  non 
modo  privatum,  quae  in  urbe  est,  sed  etiam  püblicam,  quae  in  aerario 
est,  iüi  reliquimus.  VIII  S,  4  non  patef actum  (Caesari)  Oer  ad  urbem? 
non  pecunia  omnis  et  publica  et  privata  adversario  credüa  ?  Natür- 
lich wurde  der  Staatsschatz  geschlossen:  VII  12,  2  nec  eum  rerum  pro- 
latio  [natürlich  wurden  alle  Geschäfte  vertagt]  nec  senatus  magistra- 
tuumque  discessus  nec  aerarium  clausuni  tardabii.  Caesar  hat  sich 
bekanntlich  nicht  geschämt,  zu  schreiben,  Lentulus  sei  geflohn,  nach- 
dem er  die  Tür  aufgeschlossen,  und  habe  sie  offen  stehen  lassen  (civ. 
I  14). 

«)  ad  Att.  VII  21,  2  (7.  Februar). 

*)  ad  Att.  VII  14.  Cicero  hat  den  L.  Caesar  am  Morgen  desselben 
Tages  in  Mintumsie  gesprochen  und  gibt  von  seiner  Persönlichkeit  und 
ebenso  von  den  absurdissima  mandata  eine  ganz  wegwerfende  Schil- 
derung VII  18,  6. 

*)  Att.  VII  18,  7,  vgl.  §  1  Labienum  tym*  iudico;  facinus  iam 
diu  nullum  civile  praeclarius,  qui,  ut  aliud  nihil,  hoc  tarnen  pro- 
fecit:  dedit  illi  dolorem;  sed  etiam  ad  summam  profectum  aliquid 
puto;  ferner  vorher  12,  5  sowie  fam.  XIV  14,  2  an  Terentia,  XVI  12.  4 
an  Tiro;  Att.  VII  16,  2  Pompeius  Labienum  secum  habet  non  dubi- 


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Nene  Verhandlungen  mit  Caesar 


303 


auch  mochte  er,  in  seiner  schwierigen  Lage  beengt  und  gereizt 
durch  die  Vorwürfe  und  die  passive  Resistenz  seiner  Alliierten, 
wohl  die  Neigung  verspüren,  sich  wieder  mit  Caesar  zu  ver- 
binden, der  ihm  die  Sache  so  viel  leichter  gemacht  hatte.  In- 
dessen er  empfand,  daß  jeder  Schritt,  der  auf  eine  derartige 
Absicht  hindeutete,  sein  schon  brüchig  gewordenes  Verhältnis 
zu  der  Senatspartei  definitiv  und  für  alle  Zukunft  zerstören 
mußte;  den  Vorschlag  einer  persönlichen  Zusammenkunft  mit 
Caesar  konnte  er  daher  überhaupt  nicht  berücksichtigen.  Bei 
der  Beratung  in  Capua,  unter  Vorsitz  der  Consuln,  vertrat  nur 
Favonius  den  prinzipiell  ablehnenden  Standpunkt:  man  dürfe 
sich  von  Caesar  keine  Gesetze  vorschreiben  lassen.  Aber  er 
wurde  nicht  gehört.  Auch  Cato,  in  seinem  Vertrauen  auf  Pom- 
pejus'  Kriegsbereitschaft  schwer  enttäuscht1),  war  zum  Ein- 

tantem  de  imbeciUitate  Caesaris  copiarum,  cuius  adventu  Onaeus 
noster  tnulto  animi  plus  habet ,  and  dann,  als  der  Rückzug  immer 
weiter  geht,  am  17.  Februar  das  wegwerfende  Urteil  Att.  VUI  2,  8 
Afranium  exspectabimus  et  Petreium;  nam  in  Labieno  parum  est 
dignitatis. 

')  Vgl.  was  Caesar  civ.  I  80,  5  über  Catoß  Rede  berichtet,  die  er 
hielt,  als  er  am  28.  April  (Cic.  Att.  X  16.  3)  Sicilien  räumte:  queritur 
in  contione,  sese  proiecium  ac  proditum  a  Cn.  Pompeio,  qui  Om- 
nibus rebus  imparatissimis  non  necessarium  bellum  suscepisset  et 
ab  se  reliquisque  in  senatu  interrogalus  omnia  sibi  esse  ad  bellum 
apia  ac  paraia  conftrmavisset.  Dieses  Referat  ist  natürlich  einseitig 
und  wird  wesentlich  ergänzt  durch  Plut  Cato  58  (=  Appian  II  40.  162), 
wonach  Cato  erklärt,  an  Poinpejus'  Geschick  zeige  sich  die  Unsicher- 
heit aller  Vorausberechnung  und  die  Unzuverlässigkeit  der  Gottheit,  da 
er,  der  bei  seinen  verwerflichen  Unternehmungen  unbesiegt  geblieben 
sei,  jetzt,  wo  er  für  Vaterland  und  Freiheit  kämpfe,  vom  Glück  ver- 
lassen werde  (itoXöv  ltipl  tä  faia  itXavov  tivat  xal  4a<£<p»iav,  il  riofi.ir^tov, 
iv  ofs  ö^fiis  ou&iv  obhi  Stxatov  ercpamv  i-fjtr»jtov  f  «vöjwvov,  vöv  8«  x+jv  na- 
tptfta  ßooXrtat  ou»£stv  xal  r?j$  tXco&cptac  SictpjjLdxttat,  «poXtXot«  xb  »oto- 
X«v).  Gegen  die  Vorhut  Curios  unter  Asinius  Pollio  würde  er  Sicilien 
halten  können,  aber  nicht  gegen  die  im  Anzug  begriffene  stärkere 
Truppenmacht,  und  so  wolle  er  der  Insel  die  Greuel  des  Kriegs  er- 
sparen (ebenso  Dio  41,  41,  1).  —  Cicero,  der  selbst  in  Campanien  nichts 
ausgerichtet  hatte,  tadelt  natürlich  dies  Verhalten  auf  das  stärkste  und 
behauptet,  Cato  habe  Sicilien  mit  leichter  Mühe  (nullo  negolioj  halten 
können!  ad  Att.  X  16,  3  (vgl.  12,  2). 


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! 


304  Das  Principat  de«  Pompejus 

lenken  bereit;  aber  er  forderte,  daß  Caesar  sofort  die  besetzten 
Orte  räume,  so  daß  man  nach  Rom  zurüokkehren  und  dort  im 
Senat  über  das  weitere  verhandeln  könne.  Dementsprechend 
wurde  die  Antwort  formuliert;  im  übrigen  wurde  erklärt,  daß 
die  Consuln  und  Pompejus  einstweilen  die  Aushebungen  weiter 
fortsetzen  würden;  wenn  Caesar  die  Bedingungen  annehme,  sei 
Pompejus  bereit,  nach  Spanien  zu  gehn;  ein  Termin  dafür  und 
für  die  Entlassung  der  Heere  wurde  nicht  angegeben1).  Pompejus 
ließ  den  Brief,  in  dem  er  diese  Vorschläge  formulierte  und  im 
übrigen  von  Caesar  in  den  verbindlichsten  Ausdrücken  redete  — 
„für  seine  glänzenden  Taten"  stehe  ihm  det  Anspruch  auf  den 
Triumph  und  ein  zweites  Consulat  zu  — ,  in  Rom  durch  Anschlag 
bekanntgeben;  so  zeigte  er,  daß  er  die  Versöhnung  nicht  ablehne, 
und  konnte  die  Stimmung  wieder  für  sich  gewinnen1). 

')  ad  Att.  VII  15,  2:  Am  25.  Januar  hat  er  die  Consuln  multosque 
noatri  ordinis  in  Capna  getroffen;  omnes  cupiebant,  Caesarcm  ab- 
duetis  praesidiis  stare  condicionibus  iis,  quas  tulisset.  unt  Favonio 
lege»  ab  Wo  nobis  imponi  non  placebat,  sed  is  (haud)  auditus  in  con- 
süio;  Cato  enim  ipse  iam  servire  quam  pugnare  mavolt,  sed  tarnen 
aii,  in  senatu  se  adesse  velte,  si  Caesar  adduetus  sü,  ut  praesidia 
dedtteat.  Die  Bedingungen  VII  14,  1:  probata  condicio  est  (die 
Caesar  vorschlügt),  sed  ita,  ut  itte  de  üs  oppidis,  quae  extra  suam 
provinciam  occupavisset,  praesidia  deduceret;  id  si  fecisset,  respon- 
sum  est,  ad  urbem  nos  redituros  esse  et  rem  per  senatum  con- 
fecturos.  Ebenso  an  Tiro  XVI  12,  3  (vgl.  S.  298,  1).  Fortgang  der  Aus- 
hebungen XVI  12,  4  dilectus  enim  magnos  habebamus  [als  ich  den 
Brief  am  27.  Januar  schrieb],  so  daß  wir  hoffen  dürfen  ut  eum  inter- 
dudamus,  wenn  er  a  suis  dondicionibus  ipse  fugerit.  ad  Att  VII 
16,  2  (28.  Januar):  Pompeius  ad  me  scribit,  paucis  diebus  se  ftrmum 
escercitum  habiturum,  spemque  adferi,  si  in  Picenum  agrum  ipse 
venerit,  nos  Romam  redituros  esse.  Dagegen  entrostet  er  sich  18,  2 
(8.  Februar)  darüber,  daß  Caesarevx  aiunt  acerrime  dilectum  habere, 
loca  occupare  cet.  Caesar  civ.  I  10  f.  stellt  die  Bedingungen  und  seine 
eigene  Ablehnung  im  wesentlichen  richtig  dar,  abgesehn  von  der  Ver- 
fälschung der  Datierung  (s.  oben  S.  298,  2).  die  aur  Folge  hat,  daß  er 
als  eu  räumenden  Ort  einzig  Ariminum  nennt. 

*)  ad  Att.  VII  17,  2,  wo  er  bedauert,  daß  Pompejus,  cum  scriptor 
luculentus  esset ,  die  Abfassung  des  Schriftstücks  dem  ungeschickten 
Stilisten  Sestius  (oben  S.  185,  2)  übertragen  habe;  18,  1.  26,  2  (Caesarem), 


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Abbruch  der  Verhandlangen  305 


Wie  Cicero,  so  waren  offenbar  auch  gar  manche  andre  unter 
den  führenden  Männern  des  naiven  Glaubens,  daß  diese  Vor- 
schläge den  Frieden  herbeiführen  könnten.  Aber  es  war  für 
Caesar  in  der  Tat  völlig  unmöglich,  sich  auf  Bedingungen  ein- 
zulassen ,  die  jede  bindende  Verpflichtung  der  Gegner  vermieden, 
wohl  aber  ihnen  die  Zeit  gaben,  ihre  Kräfte  zu  sammeln,  wäh- 
rend sie  ihn  selbst  in  die  Position  vor  Eröffnung  des  Kampfes 
zurückwarfen.  Er  lehnte  die  Vorschläge  ab  und  gab  seinen 
Truppen  den  Befehl  zum  Vorrücken.  Daß  Caesar  die  Bedin- 
gungen verworfen  habe,  erfuhr  Cicero  in  Campanien  am  3.  Fe- 
bruar durch  Briefe  aus  Rom1);  die  Entscheidung  in  Ariminum 
wird  also  vieg  oder  fünf  Tage  vorher  am  27.  oder  28.  Januar  ge- 
fallen sein. 

Den  Versuch,  durch  persönliche  Besprechung  mit  Pompejus 
zu  einem  friedlichen  Abkommen  zu  gelangen,  hat  Caesar  trotz- 
dem nicht  aufgegeben,  sondern  immer  wieder  erneuert,  wo  sich 
eine  Möglichkeit  zur  Anknüpfung  bot.  Als  bald  nach  der  Ein- 
nahme von  Corfijiium  (20.  Februar)  Numerius  Magius,  ein  prae- 
jectus  fabrum  des  Pompejus,  in  seine  Hände  fiel,  entließ  er  ihn 
mit  dem  Auftrag,  er  lasse  den  Pompejus,  wenn  er  nach  Brundisium 
vorgerückt  sei,  um  eine  Unterredung  bitten,  alsdann  würden  sie 

cui  nosier  alterum  consulatum  deferret  ei  triumphum  —  at  qui- 
bus  verbiß!  „pro  tuis  rebus  gestis  amplissimis' ;  ebenso  VIII  9, 
2.  12.  2. 

')  ad  Att  VII 19.  —  Am  8.  Februar  erfahrt  Cicero,  daß  ganz  Picennm 
verloren  ist  (sciebat  nemo  praeter  me  ex  litteris  Dolabellae,  Beines  bei 
Caesar  stehenden  Schwiegersohns).  Mithin  füllt  die  Besetzung  von 
Auximum  nnd  ebenso  von  Ignvium  (Caes.  civ.  I  12  f.;  erst  nach  derselben 
erzählt  er  die  Räumung  von  Rom  c.  14.  die  er  so  künstlich  weit  hinter 
die  Friedensverhandlungen  durch  L.  Caesar  und  Rodeins  c.  8 — 11  schiebt) 
auf  den  28.  und  29.  Januar.  Der  Vormarsch  in  Picenum  (Auximo 
Caesar  progressiv  omnsm  agrum  Picenum  percurrit,  civ.  1  15»,  die 
Gewinnung  von  Cingulum  und  Asculum  schließen  unmittelbar  daran 
an.  etwa  1.— 4.  Februar;  am  .9.  Februar  erfahrt  Cicero  durch  einen 
Brief,  daß  Lentulus  (Spinther),  der  Asculum  geräumt  hatte,  und  Thenn us, 
der  aus  Iguviura  geflohen  war,  mit  ihren  Truppen  bereits  bei  Domitius 
in  Corfinium  eingetroffen  sind;  ihre  Ankunft  dort  muß  also  auf  den 
7.  Februar  fallen. 

Meyer,  Caeaara  Monarchie  20 


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30  C 


Das  Principal  des  Pompejus 


Bich  weit  leichter  einigen,  als  wenn  sie  die  Verhandlungen 
durch  Vermittler  führten1).  Gleichzeitig  schreibt  er  an  seine  Ver- 
trauten Oppius  und  Baibus,  die  seinen  Intentionen  gemäß  den 
Brief  an  Cicero  und  gewiß  auch  an  andre  weitergaben2):  „ich 
bestrebe  mich,  mich  so  milde  wie  möglich  zu  erweisen,  und  mit 
Pompejus  zu  einer  Versöhnung  zu  gelangen  .  .  .  Ich  habe  Pom- 
pejus*  Praefecten  Numerius  Magius  gefangen  genommen,  und 
Üin  natürlich  meinen  Grundsätzen  gemäß  sogleich  entlassen. 
Schon  zwei  praefecti  fabrum  des  Pompejus3)  sind  in  meine  Hände 
gefallen  und  von  mir  entlassen  worden ;  wenn  sie  dankbar  sein 
wollen,  müssen  sie  Pompejus  ermahnen,  daß  er  lieber  mit  mir 
Freund  sein  will  als  mit  denen,  die  ihm  ebensogut  wie  mir 
immer  die  schlimmsten  Feinde  waren  und  die  es  durch  ihre 
Intrigen  erreicht  haben,  daß  der  Staat  in  seine  jetzige  Lage 
gekommen  ist"*). 


')  Caesar  ciy.  I  24. 

*)  ad  Att.  IX  7  C;  Cicero  hat  den  Brief  am  18.  Mar*  weiter  an 
Atticus  mitgeteilt.  —  Mit  Cicero  hat  Caesar  die  ganse  Zeit  hindurch  die 
Verbindung  aufrecht  erhalten,  vor  allem  durch  Trebatius  (22.  Januar, 
ad  Att.  VII  17,  8  f  IX  12,  1  und  IX  15,  6  im  Marz),  Caelius,  Dolabella 
(ad  Att.  VII  21,  8),  Baibus  (VIII  9,  4,  s.  8.  298,  2),  aber  auch  persönlich 
(VII  21,  8  VIII  2,  1.  11,  5,  s.  unten  S.  847).  Cicero,  immer  nach  Frieden 
ausschauend  und  von  dem  Wunsch  beherrscht,  sich  bei  beiden  Gegnern 
möglichst  wenig  su  kompromittieren  und  von  jedem  aktiven  Eingreifen 
fern  ru  halten  (ad  Att.  VIII  12,  2),  hat  entsprechend  geantwortet.  Als 
der  Consul  Lentulns  Caesars  Gladiatoren  in  Capua  beschlign ahmte  und 
eu nächst  für  den  Krieg  verwenden  wollte,  dann  aber  auf  die  dagegen 
gemachten  Vorstellungen  Potnpejas'  sie  auf  die  Familien  verteilen  ließ 
(Caesar  civ.  1  14,  4.  Cicero  ad  Att  VII  14,  2),  schrieb  Caesar  deshalb 
an  Cicero,  und  dieser  antwortete  verbindlich  mit  Mahnungen  zur  Ver- 
söhnung und  Lobaprüchen  auf  Pompejus;  Caesar  hat  den  Brief  ver- 
öffentlicht (ad  Att  VIII  2,  1.  9,  1). 

*)  Der  andere  ist  Vibullius  Rufus,  civ.  I  15,  4.  III  10.  1. 

*)  si  volent  grati  esse,  debebunt  Pompeium  hortari,  ut  maUt 
mihi  esse  amicus  quam  iliis,  qui  et  illi  et  mihi  Semper  fuerunt  tnt- 
mici8simi,  quorurn  artifieiis  effectum  est,  ut  respublica  in  hunc 
slatum  perveniret.  Vgl.  civ.  I  4  ipse  Pompeius  ab  inimids  Caesaris 
incitatus  et  quod  neminem  dignitate  secum  exaequari  volebai,  totum 
se  ab  eius  amicitia  averterat  et  cum  communibus  inimids  in  gra- 


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I 


Spätere  Verhandlungavereuche  Caesars  807 

Pompejus  hat  in  der  Tat  gleich  nach  Caesars  Ankunft  vor 
Brundisium  am  9.  März  den  Magma  zu  ihm  mit  Vorschlägen 
geschickt,,  und  Caesar  hat  darauf  geantwortet.  Über  den  In- 
halt erfahren  wir  nichts;  in  seinem  Geschichtswerk  hat  Caesar 
vielmehr  behauptet,  während  er  darauf  gewartet  und  in 
der  Hoffnung  auf  eine  Versöhnung  mit  seinen  Operationen 
zurückgehalten  habe,  habe  Pompejus  den  Magius  nicht  an 
ihn  geschickt,  obwohl  uns  glücklicherweise  ein  Brief  Caesars 
selbst  erhalten  ist,  der  das  Gegenteil  bezeugt1).  Dagegen  er- 
zählt er,  daß  er  sich  durch  seinen  Legaten  Caninius  Rebilus 
an  dessen  Freund  Libo  wandte,  er  möge  die  Aussöhnung  und 
ein  Gespräch  mit  Pompejus  vermitteln.  Pompejus  ließ  ant- 
worten, da  die  Consuln  nicht  anwesend  seien  —  sie  waren 
schon  am  4.  März  mit  einem  großen  Teil  der  Truppen  nach 
Epirus  abgezogen2)  — ,  sei  er  nicht  in  der  Lage,  über  die 
Beilegung  der  Streitigkeiten  zu  verhandeln*).  Am  17.  März 
ging  dann  Pompejus,  sich  der  von  Caesar  versuchten  Ein- 
schließung geschickt  entziehend,  mit  dem  Rest  der  Truppen  in 


tiam  r  edier at,  quorum  ipse  maximam  partem  iüo  afßnitalis  tem- 
pore iniunxerat  Caesari. 

')  Caemar  civ.  I  26  atque  haec  (die  Belagerung  Brundisium*)  Caesar 
ita  administrabai,  ut  condiciones  pacis  dimittendas  non  existimaret; 
ac  iameisi  magnopere  admirabatur,  Magium  ...  ad  se  non  remitti, 
at'fue  ea  res  saepe  iemptata  etsi  impetus  eius  consiUaque  tardabat, 
tarnen  omnibua  rebus  in  eo  perseverandum  puiabai.  Dagegen  Cae- 
sars Brief  an  Oppius  und  Baibus  Cic.  ad  Att  IX  18  A:  o.  d.  VII  Idus 
Mari  Las  Brundisium  veni,  ad  muros  castra  posui.  Pompeius  est 
Brundisii.  misii  ad  me  N.  Magium  de  pace,  qnae  visa  sunt  respondi. 
hoc  vos  statim  scire  volui.  qxiom  in  spem  vener o,  de  compoeitione 
aliquid  me  confleere,  statim  vos  certiores  faciam.  Offenbar  will 
Caesar  auch  hier,  wie  1  8.  2  (oben  S.  297,  8),  seine  Leser  nicht  wissen 
lassen,  welche  Bedingungen  er  abgelehnt  hat.  Plutarch  Pomp.  68  folgt 
Caesars  Daintellung. 

•)  ad  Att.  IX  6.  8.  9,  2. 

*)  Caesar  civ.  I  26,  3  ff.  paulo  post  renuniial  (Libo),  quod  con- 
sulea  absint,  sine  Ulis  non  posse  agi  de  composüione  .  ita  saepius 
rem  Jrusira  temptatam  Caesar  aliquando  dimittendam  stbi  iudicat 
et  de  belio  agendum.   Ebenso  Dio  41,  12,  2. 


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Das  Principat  des  Pompejus 


See1).  Bin  Versuch  Caesars,  von  Rom  aus  durch  den  Senat 
Verhandlungen  anzuknüpfen,  gelangte  nicht  zur  Ausführung  (s.  u. 
S.  348).  An  dem  Streben  aber  hat  Caesar  bis  zuletzt  festgehalten, 
immer  von  dem  Sitze  ausgehend,  daß  beide  ihr  Heer  entlassen 
und  ihre  Provinzen  aufgeben  sollten*).  Nach  der  Landung  in 
Hl yrien  hat  er  den  Vibullius  Rufus,  der  zweimal,  in  Corfinium  und 
in  Spanien,  in  seine  Hände  gefallen  war,  mit  diesem  Anerbieten 
zu  Pompejus  geschickt8)  und  die  Verhandlung  dann  durch  Libo 
fortgesetzt;  aber  Pompejus  erklarte,  er  könne  sich  auf  nichts 
einlassen,  das  Leben  habe  für  ihn  keinen  Wert  mehr,  wenn  er 
von  Caesars  Gnade  abhänge  und  seine  Rüokkehr  nach  Italien 
ihm  verdanke4).  Eine  Verhandlung,  die  Vatinius  herbeizuführen 
suchte,  vereitelte  Labienua:  es  habe  keinen  Sinn,  von  Verhand- 
lungen zu  reden;  wenn  man  nicht  Caesars  Kopf  einbringe,  sei 
kein  Friede  möglich8).  Auch  der  Versuch,  während  der  Be- 
bgerung von  Dyrrhachium  durch  Scipios  Vermittlung  eine  Ver- 
handlung herbeizuführen,  wurde  von  diesem  unter  dem  Ein- 


')  Matius  ond  Trebatias  an  Cicero,  ad  Att  IX  15,  6;  eine  wie  sich 
»eiste  falsche  Nachricht,  daß  Pompejus  abgefahren  sei,  hatte  Cicero 
schon  am  15.  Milnt  aus  Capaa  erhalten,  IX  14,  3. 

*)  Caesar  civ.  I  85.  12  in  der  Rede  an  das  spanische  Heer  des  Pom- 
pejus nach  der  Kapitulation  von  Herda:  proinde,  ut  esset  dictum,  pro- 
vinciis  excederent  exercitumque  dimitterent;  si  id  sit  factum,  se  noci- 
turum  neminL  hanc  utia  n  aUiue  exiremam  esse  pacis  condicionem. 

»)  civ.  111  10,  8  f.  condiciones  pacis,  quoniam  antea  convenire 
non  potuissent,  Bomae  ab  senatu  et  a  populo  peti  debere;  interea 
et  reipublicae  et  ipsi  placere  operiere,  si  uterque  in  contione  statim 
iuravisset,  se  triduo  proximo  exercitum  dimissurum.  depositis  annis 
auxiliisque,  qutbus  nunc  conflderent,  necessario  populi  senatusque 
iudicio  fore  utrumque  contentum.  Piut  Pomp.  65  nennt  den  Unter- 
händler 'lo-ifto;. 

*)  civ.  III  18. 

*)  civ.  III  19.  Gleichzeitig  wiederholte  er  den  im  Februar  49  ge- 
scheiterten Versuch,  den  Lentulus  (jetzt  Proconsul)  durch  den  jüngeren 
Baibus,  der  sich  deshalb  ins  teindlicbe  Lager  wagte,  tu  erkaufen;  man 
konnte  sich  über  den  Preis  nicht  einigen  (Vellejus  II  51,  8.  Asinius 
Pollio  an  Cicero  X  82.  8;  Baibus  machte  als  dessen  Quaestor  im  Jahre  48 
daraus  eine  praetexta,  die  er  aufführen  ließ). 


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Gegensatze  awißcben  Pompejus  und  der  Senatspariei 


309 


fluß  des  Favonius  abgewiesen1).  So  blieb  kein  andrer  Ausweg, 
als  die  Entscheidungsschlacht. 

Aber  auf  der  Gegenseite  herrschte  keineswegs  Einigkeit.  Nur 
mit  äußerstem  Widerstreben  hatten  sich  der  Senat  und  die  Be- 
amten den  Anordnungen  des  Pompejus  gefügt:  sie  konnten  die 
Räumung  der  Stadt  und  nun  gar  Italiens  nicht  fassen,  die  ihre 
Erwartung,  unter  dem  glorreichen  Feldherrn  einen  raschen  und 
leichten  Sieg  zu  gewinnen,  so  gründlich  widerlegte  und  ihnen 
statt  dessen  einen  langen  schweren  Krieg  in  Aussicht  stellte, 
der  sie  aus  allen  Lebensgewohnheiten  herausriß.  Dazu  kam 
dann  in  ganz  charakteristischer  Weise  der  Gegensatz  zwischen 
der  tief  eingewurzelten  Idee  des  Stadtstaats  und  den  realen 
Bedingungen  des  Weltreichs.  Der  Feldherr  Pompejus  stand  mit 
seinen  Maßnahmen  ganz  auf  dem  Boden  des  letzteren;  ihm  war 
für  seine  Operationen  Rom  eine  Stadt  wie  zahlreiche  andre  auch, 
und  militärisch  nicht  einmal  von  großer  Bedeutung.  Für  die 
Aristokratie  und  den  Senat  dagegen  bedeutete  Rom  alles,  selbst 
Italien  kam  daneben  kaum  in  Betracht,  die  übrigen  Lander 
dagegen  waren  lediglich  untertänige  Gebiete,  für  die  meisten 
sogar  nur  Objekte  für  die  Ausbeutung  durch  die  Machthaber  in 
Rom.  Diese  Auffassung  beherrschte  ihre  gesamte  Denkweise 
und  hatte  sich  in  den  Wirren  der  Revolutionszeit  und  des  haupt- 
städtischen Intrigenspiels  nur  noch  gesteigert;  bei  Cicero  tritt 
sie  uns  durchweg  ab  dominierende  Grundstimmung  entgegen, 
nur  um  so  bezeichnender,  da  er  selbst  aus  einer  Landstadt 
stammte  und  der  stadtrömischen  Aristokratie  als  unberechtigter 
Eindringling  galt;  sie  hat,  wie  sein  ganzes  Leben,  die  Ablehnung 
der  Provinz,  sein  Verhalten  im  Exil,  so  in  verhängnisvollster 
Weise  sein  Verhalten  im  Bürgerkrieg  und  in  dem  letzten  Kampf 
der  Republik  im  Jahre  43  bestimmt.  Die  große  Zeit  Roms, 
deren  Anschauungen  uns  in  Catos  Originei  und  den  sonstigen 


')  civ.  III  57.  Diese  AnknOpfungsversuche  im  Jahre  48  sind 
natürlich  durch  Caesars  schwierige  Lage  in  Illyrien  hervorgerufen 
und  cum  Teil  wohl  nur  Manöver,  um  ihm  Luft  zu  schaffen,  vgl. 
Dio  41,  47,  2.  53,  2. 


i 


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310 


Das  Frincipat  de«  Pompejos 


Überresten  der  ältesten  Annalistik  entgegentreten ,  empfand 
darin  viel  gesünder  und  freier,  indem  sie  Italien  als  die  Basis  des 
römischen  Staats  ansah;  die  engherzige  Beschränkung  auf  die 
Hauptstadt,  die  auch  die  jüngere  Annalistik  und  Livius  durch- 
aus beherrscht,  ist  ein  sehr  bezeichnendes  Symptom  für  den 
Niedergang  des  Römertums  und  die  Unnahbarkeit  der  bisherigen 
Stantsgestaltung.  Bei  der  Opposition  gegen  Pompejus  kommt 
allerdings  ein  ideales  Moment  hinzu:  man  sträubte  sich  dagegen, 
daß  die  Untertanen  in  die  inneren  Zwistigkeiten  der  Bürgerschaft 
hineingezogen  werden  und  hier  die  Entscheidung  geben  sollten. 
Aber  das  Maßgebende  bleibt  doch,  daß  man  sich  eben  von  der 
Stadt  nicht  loszulösen  vermochte,  wie  Athen  im  Perserkriege, 
sondern  die  Gedanken  wirklich  an  den  „Hauswänden"  haften 
blieben. 

Diese  Gegensätze  haben  lähmend  auf  alle  Operationen  in 
Italien  gewirkt.  Abgesehn  von  den  Offizieren  des  Pompejus 
hatten  nur  wenige  die  sittliche  Kraft,  wie  Cato  sich  trotz  aller 
Bedenken  und  alles  Mißtrauens  jetzt  im  Kriege  den  Befehlen  zu 
fügen  und  die  zugewiesene  Aufgabe  gewissenhaft  auszuführen. 
Marcus  Marcellus,  wie  er  durchweg  eine  völlig  selbständige 
Haltung  eingenommen  und  sich  weit  weniger  als  Cato  an  Pom- 
pejus angeschlossen  hatte,  wollte  von  der  ganzen  Art  des  Vor- 
gehns nichts  wissen  und  hielt  sich  möglichst  zurück1);  sein 
Bruder,  der  Oonsul  Gaius,  war  im  Gegensatz  zu  Lentulus  ganz 
lau1),  und  sein  Vetter,  der  Consul  des  Vorjahrs,  blieb  sogar 
dauernd  in  Italien  zurück8).    Cicero  vollends,  obwohl  er  ver- 


')  Cicero  an  Marcellus  (Sommer  46)  IV  7,  2  vidi  neque  te  con- 
silium  civilis  belli  ita  gerendi  nec  copias  Oft.  Pomp  ei  nec  genus 
exercitus  probare  semperque  summe  diffldere;  qua  in  sententia  me 
quoque  fuisse  memoria  tenere  te  arbtiror.  itaque  neque  tu  muUum 
interfuisti  rebus  gerendis,  et  ego  id  Semper  egi,  ne  interessem.  Vgl. 
IV  9,  2. 

*)  Vgl.  ad  Att.  VII  21,  1 :  so  der  von  ihm  mit  Leatulos  angesetzten 
Beratung  in  Capua  am  5.  Februar  kommt  er  überhaupt  nicht;  ferner 

20,  1. 

»)  ad  Att  X  12,  3.  13,  2.  15,  2. 


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Pompejus  und  die  Senatspartei.    Ciceros  Verhalten 


311 


sicherte,  mit  Pompejus  leben  und  sterben  zu  wollen,  betrieb  die 
ihm  übertragene  Aushebung  in  Gampanien  und  an  der  Secküste 
ganz  lässig,  schrieb  an  Pompejus  Briefe  voll  absichtlicher  Miß- 
verständnisse und  boshafter  Sticheleien1)  und  war  im  Herzen 
nur  zu  froh,  ab  er  behaupten  konnte,  ihm  sei  der  Weg  nach 
Brundisium  durch  Caesars  Truppen  verlegt,  so  daß  er  den  Be- 
fehl, mit  den  ausgehobenen  Mannschaften  zu  Pompejus  zu 
kommen,  nicht  ausführen  könne.  Als  er  dann  im  Sommer  49 
schließlich  doch  noch  zu  ihm  ging,  lehnte  er  jede  aktive  Tätig- 
keit  ab*),  verletzte  dagegen  jedermann  durch  die  boshaften 
Witze,  mit  denen  er  alles  tadelte,  was  geschah,  so  daß  man 
schließlich  froh  war,  daß  er  krank  in  Epirus  liegen  blieb 
und  an  dem  Zug,  der  nach  Pharsalos  führte,  nicht  teil- 
nehmen konnte3).  Die  energischeren  unter  den  Führern  der 
Optimaten  dagegen  machten,  statt  die  ausgehobenen  Mann- 
schaften möglichst  rasch  zu  Pompejus  zu  führen,  wie  dieser 
befohlen  hatte,  immer  wieder  den  Versuch,  die  hoffnungslosen 
Positionen  zu  halten  und  dadurch  Pompejus  zu  zwingen,  in 
Italien  zu  bleiben  und  ihnen  Hilfe  zu  bringen,  und  waren 


')  ad  Att.  VLU  11  B.  D,  and  Pompejus'  Briefe  VIII  6.  11  A.  C.  Vgl. 
weiter  Äußerungen  wie  VII  24  (10.  Februar)  non  dubito,  quin  Qnaeus 
in  fuga  sü;  modo  effugiat.  a  consiUo  fugiendi,  ut  tu  censes,  absum; 
ferner  VIII  7.  8.  11  usw. 

*)  ad  Att.  XI  4,  Juli  48  nach  dem  Sieg  bei  Dyrrhachium:  nullas 
habeo  (res)  Utteris  dignas,  quippe  cui  nec  quae  accidunt  nec  quae 
aguntur  ullo  modo  probantur  .  . .  ipse  fugi  adhuc  omne  munus, 
eo  magis,  quod  ita  nihil  polerat  agi,  ut  mihi  et  meto  rebus 
aptum  esset. 

»)  Plut.  Cic  38  f.;  »eine  Krankheit  auch  ad  Att  XI  4,  %  Boshafte 
Witse:  Macrob.  II  3,  7  ff.  —  Während  der  Belagerung  von  Dyrrhachium 
(Pompeio  . .  .  circumvallato  nunc  denique)  schrieb  Dolabella  an  ihn, 
natürlich  im  Auftrag  Caesars,  den  Brief  fam.  IX  9,  um  ihn  für  den 
Fall,  daß  Pompejus  hier  besiegt  werde  (H  forte  Pompeius  pulsus  hin 
quoque  locis  rursus  alias  regiones  petere  cogatur)  oder  sein  Heil 
auf  der  Flotte  suche  (si  iam  iUe  evitaverit  hoc  periculum  et  se  ab- 
diderit  in  classemj,  zum  Rücktritt  in  die  Neutralität  zu  veranlassen: 
er  möge  dann  nach  Athen  vel  in  quamvis  quietam  civitatem  gehn, 
Caisar  werde  ihm  alles  bewilligen. 


■ 


312  Da*  Principat  des  Pompejus 

entrüstet,  wenn  er,  mit  vollem  Recht,  sich  nicht  darauf  ein- 
ließ. Durch  dies  Verhalten  bewirkten  sie  lediglich,  daß  die 
von  ihnen  zusammengebrachten  Mannschaften  Caesar  in  die 
Hände  fielen  und  von  ihm  in  seine  Legionen  eingereiht  wurden, 
und  daß  Pompejus  statt  der  großen  Armee,  die  er  hätte  an- 
sammeln können,  außer  den  beiden  Caesar  abgenommenen 
Legionen  nur  drei  aus  italischen  Rekruten  gebildete  Legionen 
aus  Brundisium  über  See  führen  konnte1). 

Trotzdem  war  die  Lage  keineswegs  hoffnungslos,  auch  dann 
nicht,  ab  Caesar  wider  alles  Erwarten  in  einem  kurzen  Feld- 
zug das  Heer  in  Spanien  besiegt  und  zur  Kapitulation  ge- 
zwungen hatte.  Pompejus  hatte  aus  Italien  immer  noch  eben- 
soviele  Legionen  fortgeführt,  wie  die,  mit  denen  Sulla  den 
Krieg  gegen  die  Italien  und  den  ganzen  Westen  beherrschende 
Demokratie  begonnen  hatte;  wie  diesem,  standen  auch  ihm, 
nur  in  weit  größerem  Umfang,  ^die  reichen  materiellen  Mittel 
des  gesamten  Orients  zur  Verfügung,  und  überdies  beherrschte 
er,  anders  als  Sulla,  die  See  vollständig.  Er  hatte  jetzt  eine 
Frist  gewonnen,  in  der  er  die  Rekruten  militärisch  schulen 
und  aus  den  östlichen  Provinzen  eine  gewaltige  Truppen- 
macht zusammenbringen  konnte.  So  blieb  die  Entscheidung 
bis  zuletzt  völlig  ungewiß:  an  Zahl  waren  Pompejus'  Streit- 
kräfte denen,  die  Caesar  über  das  Adriatische  Meer  geführt 
hatte,  weitaus  überlegen,  und  wenn  sie  ihm  auch  an  Kriegs- 
tüchtigkeit im  offenen  Feld  nicht  gewachsen  waren,  so  zeigten 
die  besonnenen  Operationen  des  Pompejus  und  Caesars  Nieder- 
lage vor  Dyrrhachium  doch,  was  sich  mit  einer  defensiven 
Kriegsführung  erreichen  ließ. 

Einigkeit  herrschte  im  Lager  des  Pompejus  freilich  nur  in 
dem  Haß  gegen  Caesar  und  seine  Anhänger,  der  sich  nach  dem 
Siege  bei  Dyrrhachium  in  der  Abschlachtung  der  Gefangenen 
durch  Labienus  unter  Hohnreden*)  und  in  eifrigen  Streitig- 


')  Caesar  cW.  III  4.  Appian  II  49,  201 ;  vgl.  Ptat  Pomp.  63.  Caesar 
e»T.  I  25,  2  (laiammen  50  Cohorten). 
•)  Caesar  civ.  III  71. 


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Pompejas  Ausachten.   Der  Senat  in  Thessaloniko  813 


keiteu  über  die  antizipierte  Verteilung  der  Siegespreise,  die 
Ämter  Caesars  und  seiner  Anhänger  und  die  Bestrafung  der 
Gegner  und  der  Lauen  entlud1).  Die  äußeren  Formen  der 
Korrektheit  wahrte  man.  Man  erklärte  Thessalonike  für  den 
offiziellen  Sitz  der  Regierung,  wo  Senat  und  Volk  sich  ver- 
sammeln und  die  an  zweihundert  Senatoren,  die  sich  hier 
zusammenfanden,  rechtsgültige  Beschlüsse  fassen  konnten,  und 
erwarb  auch  für  den  Staat  einen  Platz,  um  auf  römischem 
Boden  die  Auspioien  einholen  zu  können.  Aber  Consul- 
wahlen  vorzunehmen  war  rechtlich  unmöglich,  weil  den  bis- 
herigen Consuln  die  für  die  Berufung  der  Centuriatcomitien 
erforderliche  Kommandogewalt  infolge  der  unterlassenen  Ein- 
holung der  lex  curiata  fehlte1).  So  beschloß  der  Senat  auf 
Antrag  des  Consuls  Lentulus,  jetzt,  wo  es  keine  Consuln  mehr 
gab,  dem  Pompejus  für  das  nächste  Jahr  an  ihrer  Stelle 
die  Oberleitung  zu  übertragen8),   wie  das  Cato   schon  vor 

»)  Caesar  cii.  III  82  f.  =  Plut.  Caes.  42.  Pomp.  67.  Cicero  ad  Att 
XI  6. 5  f.  and  an  M.  Marius  fam.  VII  8, 2  extra  ducem  paucosque praeter ea 
(de  principibu8  loquor),  reliquos  primum  in  ipso  beüo  rapacis,  de- 
inde  in  oraiione  ita  crudelis,  ut  ipsam  victoriam  horrerem ;  maxi- 
mum  autem  aes  alienum  amplissimorum  virorum .  quid  quaeris? 
nihil  boni  praeter  causam. 

*)  Dio  41,  48.  Militärisches  imperium,  das  sie  berechtigte,  in  die 
Provinzen  zu  gehn  und  dort  au  operieren,  besaßen  die  Consuln  nach 
Cicero«  Angabe  ad  Att.  VIII  14,  3  allerdings:  sed  tnemento,  praeter 
Appiutn  (den  Censor)  neminem  esse  fere,  qui  non  ins  habeat  trans- 
eundi;  natn  aui  cum  imperio  sunt,  ut  Pompeius,  ut  Scipio,  Sufenas, 
Fannüts,  Voconius,  Sestius,  ipsi  consules,  quibus  more  maiorum  con- 
cessum  est  vel  omnis  adire  provincias,  out  legati  sunt  eorum.  Aber 
offenbar  hat  Cicero  bei  dieser  Bemerkung  das  staatsrechtliche  Bedenken, 
das  in  der  Unterlassung  der  lex  curiata  lag,  nicht  berücksichtigt;  es 
ist  ja  auch  in  Thessalonike  erst  im  letzten  Moment  zum  Bewußtsein 
gekommen. 

■)  Lucan  V  1—48.  d.  i.  Livius;  v.  46  Magnum  iubete  esse  ducem; 
der  Senat  stimmt  zu  et  Magno  fatum  patriaeque  suumque  imposuit. 
Caesar  civ.  III  16,  4  erklarte  Libo  dem  Caesar  bei  den  Verhandlangen 
in  Oricum  Anfang  48,  er  könne  nichts  entscheiden,  propterea  quod  de 
consüii  sententia  summam  belli  rerumque  omnütm  Pompeio  per- 
miserinL   Vgl.  oben  S.  308. 


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314  r>as  Principat  des  Pompejus 

einem  Jahr  gefordert  hatte;  unter  ihm  führten  dann  die  bis- 
herigen Beamten  die  Geschäfte  ab  Proconsuln,  Propraetoren, 
Proquaestoren  weiter1).  Pompe  jus  erkannte  nach  der  Ver- 
einigung mit  Scipio,  der  die  Legionen  aus  Syrien  herbeiführte, 
im  Juli  48  diesen  als  Oberfeldherrn  und  sich  gleichstehend 
an  und  wahrte  so  deu  Schein  republikanischer  Kollegialität"). 
Aber  im  übrigen  herrschte  auf  beiden  Seiten  das  tiefste  Miß- 
trauen: die  Republikaner  hatten  Pompe  jus  in  dem  durch- 
aus berechtigten  Verdacht,  daß  er  nicht  für  den  Staat,  son- 
dern nur  für  die  eigene  Herrschaft  kämpfe');  Domitius  höhnte 
über  den  neuen  Agamemnon,  den  König  der  Könige4);  Fa- 
vonius ,  wie  er  ihn  im  Januar  49  wegen  seiner  unzuläng- 
lichen Vorbereitungen  insultiert  hatte,  spottete  jetzt,  er  ziehe 
den  Krieg  in  die  Länge,  weil  er  ihm  die  Feigen  von  Tus- 
culum  nicht  gönne*).    Nicht  minder  tief  war  Pompejus'  Miß- 


')  Dio  41,  43. 

')  Caesar  cW.  IH  82. 

»)  Cicero  an  Marcellus  IV  9,  2:  Pompeju«  würde  es  als  Sieger 
nicht  viel  anders  machen ,  als  jeUt  Caesar,  an  qui  in  beüo  .  . 
mw  et  certorum  hominum  minime  prudentium  consilio  uteretur, 
eutn  magis  rommunem  censemits  in  victoria  futurum  fuisse, 
quam  incertts  in  rebus  fuisset?  Vgl  schon  ad  Att.  VHI  Ii,  2 
(28.  Februar  49)  dominaiio  quaesüa  ab  utroque  est,  non  id 
actum,  beata  et  honesta  civil as  ut  eit;  dem  von  Cicero  in  der 
Schrift  Ober  den  Staat  gezeichneten  Ideal  habe  er  nie  entsprochen. 
IX  10.  6  (18.  Mars)  hoc  turpe  (die  Flucht)  Qnaeus  noster  biennio 
ante  cogitavit  [als  er  M.  Marcellus  im  Stich  laßt];  ita  aullaturü 
animus  eius  et  proscripturit  iam  diu.  X  7  (April)  regnandi 
contenüo  est,  in  qua  pulsus  et  modestior  rex  et  probior  et 
integrier  et  is,  qui  nisi  vincit,  nomen  populi  Romani  deleatur 
necesse  est;  sin  autem  vincit,  Suüano  more  exemploque  vincet. 
Bekannt  ist  Livins'  treffende,  Caesars  Äußerung  civ.  I  4  (8.  306,  4) 
fortbildende  Charakteristik,  die  bei  Dio  41.  54,  I  Doturipx  |4v  oMtvfc« 
avfyüjcwv  foöttpo«,  Koioap  U  xal  npÄto?  ndvtuiv  ttvat  UtWfUt  =  Lacan  I  125 
nec  quemquam  iam  fette  polest  Caesarve  prior em  Pompeiusve 
parem  =  Flora«  II  18,  15  nec  iüe  fetebat  parem,  nee  hic  superiorem 
erhalten  ist 

*)  Plut  Pomp.  67  =  App.  H  67,  278. 

*)  Plut  Pomp.  67. 


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Gegensätze  zwischen  Pompejus  und  den  Republikanern.   Cato  315 

trauen  gegen  seine  Verbündeten,  vor  allem  gegen  ihr  geistige» 
Oberhaupt  Cato,  einen  der  wenigen,  die  sioh  bemühten,  eine 
ehrenhafte  Haltung  der  Partei  zu  erzwingen:  er  hat  durchge- 
setzt, daß  die  in  Tbessalonike  tagende  Versammlung  des  Senats 
den  Beschluß  faßte,  keine  untertänige  Stadt  zu  plündern 
und  außer  im  Gefecht  keinen  römischen  Bürger  zu  töten, 
und  hat  selbst  auch  wirklich  danach  gehandelt  und  das  un- 
vermeidliche Blutvergießen  aufrichtig  beklagt1).  Auch  war  er 
keineswegs  rigoros  gegen  die  Lauen  und  Unentschiedenen; 
vielmehr  tadelte  er  Cicero,  daß  er  seine  ursprüngliche  Haltung 
aufgegeben  habe  und  ins  Lager  des  Pompe  jus  gekommen  sei; 
er  würde  dem  Vaterland  und  seinen  Freunden  viel  mehr 
haben  nützen  können,  wenn  er  seine  Mittelstellung  beibehalten 
hätte,  statt  daß  er  sich  jetzt  ohne  hinlänglichen  Anlaß  Cae- 
sar zum  Feinde  gemacht  habe*).  Um  so  mehr  fürchtete  Pom- 
pe jus,  Cato  werde  ihm  nach  dem  Siege  entgegentreten  und 
ihn  zwingen,  sich  den  Gesetzen  zu  unterwerfen  und  seiner 
Gewalt  zu  entkleiden.  Daher  suchte  er  ihn  nach  Möglich" 
keit  fernzuhalten,  übertrug  nicht  ihm,  sondern  dem  unfähigen 
Consular  Bibulus  das  Kommando  über  die  Flotte,  und  ließ 
ihn  nach  dem  Sieg  bei  Dyrrhachium  dort  mit  fünfzehn 
Kohorten  zur  Bewachung  des  Lagers  und  der  Kriegskasse 
zurück3). 

Diese  inneren  Gegensätze  haben  die  Entscheidung  herbei- 
geführt. Nach  dem  Siege  von  Dyrrhachium  waren  die  Häupter 
der  Republikaner  so  entrüstet  über  Pompejus'  zögerndes  Ver- 
halten, und  verlangten  so  ungestüm,  daß  er  jetzt  ein 
Ende  mache,  daß  er  gegen  seine  bessere  Einsicht  nachgab; 
einzig  Cato  stimmte  Pompejus  zu,  man  müsse  eine  Schlacht 
vermeiden,  dieser  aus  richtigen  strategischen  Erwägungen, 
jener  um  das  Bürgerblut  zu  schonen«).    Auch  Afranius*  Vor- 

•)  Plnt.  Cato  58  =  Pomp.  85,  vgl.  Cato  54  =  Caes.  41. 
•)  Plut.  Cic.  88. 

*)  Plnt.  Cato  54.  55  -  Pomp.  67  (hier  wird  Pom  pejus'  Motiv  mit 
fvtof  <paoi  eingeführt). 
*)  Plut  Caes.  41. 


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316 


Das  Princip.it  des  Pompe. jus 


schlag,  jetzt  nach  Italien  zu  gehn,  wurde  verworfen;  Pom- 
pe] us  selbst  wollte  nicht  den  Anschein  erwecken,  als  gehe 
er  wieder,  wie  in  Italien,  Caesar  aus  dem  Wege,  und  über- 
dies Scipios  Heer,  mit  dem  er  sich  damals  noch  nicht  ver- 
einigt hatte,  nicht  einem  Angriif  Caesars  preisgeben1).  Aber 
indem  er,  gegen  seine  bessere  Einsicht,  Caesar  nach  Thes- 
salien folgte  und  unmittelbar  an  ihn  heranrückte,  gab  er 
die  strategische  Überlegenheit ,  die  er  gewonnen  hatte ,  frei- 
willig preis  und  kam  Caesars  Wünschen  entgegen.  Caesars 
Zug  nach  Thessalien  war  ein  Verzweiflungsausweg  gewesen ; 
seine  Verpflegung  war  hier  auf  die  Dauer  äußerst  schwierig, 
und  Porapejus  hätte  versuchen  können,  ihm  alle  Verbin- 
dungen abzuschneiden  und  ihn  dann  entweder  zu  erdrücken 
oder  auszuhungern.  Dadurch,  daß  er  aufs  neue  mit  ihm 
in  enge  Fühlung  trat,  verlor  er  die  Bewegungsfreiheit,  die 
er  bis  dahin  besaß.  Eine  Schlacht  konnte  Caesar  allerdings 
nicht  erzwingen,  wenn  Pompejus  sie  ihm  nicht  dadurch  bot, 
daß  er  von  den  Höhen,  auf  denen  er  stand,  in  die  Ebene 
hinabrückte;  aber  ebensowenig  konnte  Pompejus  jetzt  noch 
ohne  Kampf  wieder  abrücken.  Er  hatte  sich  freiwillig  in 
dieselbe  Lage  begeben,  wie  das  römische  Heer  bei  Cannae, 
und  war  wieder  von  Caesars  Bewegungen  abhangig.  Als  Cae- 
sar schon  die  Hoffnung  aufgegeben  hatte ,  ihn  mürbe  zu 
machen,  und  nach  Norden  in  Gegenden  abrücken  wollte,  die 
ihm  eine  bessere  Verproviantierung  boten,  tat  er,  verführt  durch 


')  Plut  Pomp.  66  f.  =  Caes.  40  f.  Appian  II  65.  66  f.  Karzer  Dio 
41,  52.  Vellejus  II  52.  Vgl,  Cicero  an  Marios  VII  3,  2:  desperans  vic- 
toriam  primum  coepi  modere  pacem,  cuius  fueram  Semper  auetor; 
deinde,  cum  ab  ea  senientia  Pompeius  valde  abhorreret,  su  ädere 
inslitui,  ut  bellum  duceret;  hoc  interdum  probabat  et  in  ea 
senientia  videbatur  fore  et  fuisset  fortasse,  nisi  quadam  ex 
pugna  [bei  Dyrrbachinm]  coepisset  suis  militibus  confidere.  ex 
eo  tempore  vir  summus  nullus  itnperaior  fuü:  Signa  throne  et 
collecticio  exercitu  cum  legionibus  robustissimis  contulit,  Vichts 
turpissime  amissis  etiam  castris  sotus  fugü.  Das  Urteil  ist  voll- 
kommen zutreffend. 


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Die  Schlacht  bei  Pharealo* 


317 


das  Drängen  seiner  Umgebung  und  Labicnus'  Versicherung,  daß 
die  Veteranen  Caesars  bereits  so  gut  wie  bereits  aufgerieben 
seien1),  den  letzten  verhängnisvollen  Schritt  und  bot  die 
Schlacht,  eine  Gelegenheit,  die  Caesar  sofort  mit  voller  Sieges- 
zuversicht ergriff. 

Mit  der  Niederlage  brach  die  Koalition  auseinander.  Sobald 
er  sah,  daß  die  Schlicht  verloren  sei,  verließ  Pompejus  das 
Schlachtfeld,  ohne  sich  um  die  Armee  und  ihre  Rettung  weiter 
zu  kümmern:  er  empfand,  daß  seine  Rolle  ausgespielt  sei.  Von 
seinen  Verbündeten  begleiteten  ihn  nur  der  Proconsul  Lentulus 
Crus  sowie  Lentulus  Spinther  (Consul  57)  und  Favonius,  der 
jetzt,  im  Gegensatz  zu  seinem  bisherigen  Verhalten,  dem  Ge- 
fallenen die  größte  Ehrfurcht  bewies  und  ihn  persönlich  be- 
diente8). Auch  Cato  war  entschlossen,  ihm  die  Treue  zu  halten, 
und  versuchte  ihm  von  Dvrrhachium  aus  über  Korkyra  zu  folgen ; 
als  er  nach  Kyrenaika  gelangt  war,  erhielt  er  die  Kunde  von 
Pompejus'  Tode3).  Da  konnte  er  sich  dem  Drängen  der  Repu- 
blikaner nicht  mehr  entziehn,  das  Kommando  zu  übernehmen, 
und  führte  ihre  Streitkräfte  durch  das  Syrtengebiet  in  die  afri- 
kanische Provinz. 

Caesar  aber  hat  auch  jetzt  noch  an  seinem  leitenden 
Gedanken  festgehalten.  Nach  dem  Siege  wandte  er  sich  nicht 
gegen  die  Repubbkaner,  sondern  setzte  so  eilig  wie  möglich 
dem  Pompe j  js  nach,  deutlich  in  der  Absicht,  nicht  ihn  un- 
schädlich zu  machen  —  denn  über  irgendwelche  Macht,  die 
ihm  hätte  gefährlich  werden  können,  gebot  Pompejus  nicht 


')  Caesar  cif.  III  86  Pompeius  qitoque,  ut  postea  cognilum  est, 
suorum  omnium  horiatu  statuerat  proelio  decertare .  Weitere«  Detail 
bei  Appian  11  66  f.  Plut.  Pomp.  68  =  Caea.  42.  —  Labien  us  L'aes. 
III  87. 

*)  Plut.  Pomp.  73.  Velleju»  II  58;  Tgl.  Caesar  III  102,  7. 

')  Plut.  Cato  ß.S  f.  Lucnn  IX  19  f.  iüe  (Cato).  ubi  pendebant  casus 
dubinmque  vnanebat,  quem  dominum  mundi  facerent  civilia  bella, 
oderat  et  Magnum,  quamtis  cowes  isset  in  arma,  auspieiis  raptus 
putriue  duetuque  seuutus;  at  post  Thessalicas  clades  iam  peclore  toto 
Pompeiunus  erat. 


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318 


Dos  Principat  des  Pompejus 


mehr  — ,  sondern  seiner  habhaft  zu  werden,  um  durch  die 
Wiederherstellung  der  Verbindung  mit  dem  bisherigen  Prin- 
cepa,  der  nun  sein  willenloses  Werkzeug  werden  mußte,  den 
Bürgerkrieg  zu  beenden  und  die  Republik  zu  beherrschen. 
Diesen  Plan  hat  die  Ermordung  des  Pompejus  durch  die 
Aegypter  vereitelt. 


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Caesars  Monarchie 


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Caesar  bei  den  neueren  Historikern 


Über  die  Persönlichkeit  und  das  Werk  Caesars  gehn  die 
Anschauungen  weit  auseinander.  Niebuhr  hat  in  seinen  Vor- 
trägen als  Grundzug  seines  Wesens  neben  der  urwüchsigen,  auf 
allen  Gebieten  zur  unmittelbaren  Wirkung  gelangenden  Begabung, 
die  sieh  geltend  machen  will,  Offenheit  und  Herzlichkeit,  das 
„Bedürfnis  vieler  Freunde"  und  die  „Freiheit  von  Scheelsucht 
und  Neid"  hingestellt:  „schlechterdings  war  er  kein  Intrigant, 
sondern  er  war  die  offenste  Seele  von  der  Welt,  und  gerade 
darum  vernachlässigte  er  vieles:  manche  Gewalttätigkeit,  die  er 
beging,  ist  bloß  Folge  von  früherer  Unvorsichtigkeit,  Hingebung 
und  Offenheit".  „Caesar  war  ein  dämonischer  Mensch,  der  mit 
reißender  Leidenschaftlichkeit  vorwärts  ging,  dabei  aber  immer 
wohlwollend  und  liebenswürdig";  dadurch  habe  er  sich  „in  höchst 
unglückliche  Verhältnisse  verwickelt",  so  sei  er  durch  seine  un- 
geheure Verschwendung  „nicht  für  seinen  Luxus,  sondern  für 
das  Volk"  in  Abhängigkeit  von  den  Reichen,  namentlich  von 
Crassus  geraten.  Diese  Charakteristik  wird  wohl  kaum  irgendwo 
Zustimmung  finden,  wie  denn  überhaupt  Nibbuhbs  Darstellung 
dieser  ganzen  Epoche,  in  auffallendem  Kontrast  zu  seiner  Be- 
handlung der  älteren  Zeit,  einen  überraschenden  Mangel  an 
politischem  Urteil  zeigt  und  über  die  wichtigsten  Momente  ganz 
flüchtig  hinweggeht;  so  wird  z.  B.  die  Koalition  von  59  und 
die  herrschende  Stellung,  die  Pompejus  dadurch  erhielt,  über- 
haupt nicht  erwähnt,  das  Abkommen  von  Luca  nur  nachträg- 
lich ganz  beiläufig  berührt.  So  wird  man  hier  immer  wieder  an 
die  Art  erinnert,  wie  Herodot  Geschichte  erzählt:  ein  Erfassen 
der  entscheidenden  Triebkräfte  des  geschichtlichen  Prozesses 
wird  nicht  versucht,  die  maßgebenden  Faktoren,  die  den  Zu- 
sammenhang der  Entwicklung  bestimmen,  sind  nirgends  heraus- 

Meyer,  Caesars  Moaarohie  21 

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Caesar*  Monarchie 


gearbeitet.  Im  Mittelpunkt  der  Darstellung  steht  für  Niebuhr 
durchweg  Cicero,  den  er  enthusiastisch  verehrt  und  maßlos 
überschätzt.  Caesars  Ziel  ist  die  Gewinnung  einer  Provinz  und 
die  Eroberung  Galliens,  bei  der  er  „aus  unseligem  Ehrgeiz"  ge- 
wissenlos und  frevelhaft  handelt.  Beim  Ablauf  seiner  Statthalter- 
schaft „war  sein  Verhältnis  zur  Republik  so  unglücklich,  daß  es 
nicht  in  menschlicher  Macht  stand,  es  auf  eine  heilbare  und  er- 
freuliche Weise  zu  ändern".  Er  konnte  sich  in  den  bevorstehenden 
Rücktritt  in  einfache  bürgerliche  Verhältnisse  noch  weniger 
finden,  wie  seinerzeit  Scipio.  »»Alles,  was  er  auf  gesetzlichem 
Wege  hätte  erreichen  können,  war  ein  zweites  Consulat,  was 
aber  unter  den  damaligen  Verhältnissen  nichts  als  eine  bloße 
Ehre  war,  denn  was  hätte  er  mit  sich  und  der  Republik  anfangen 
sollen?"  Nach  seinem  Siege  „blieben  für  Caesar  eigentlich  weder 
in  Italien  noch  in  den  Provinzen  Einrichtungen  zu  machen  übrig; 
seit  fünfzehn  Jahren  an  die  ungeheuerste  Tätigkeit  gewöhnt, 
war  er  wie  in  einem  Zustand  von  Müßiggang,  wenn  er  sich  nicht 
nach  außen  wenden  konnte";  so  plante  er  den  Feldzug  gegen 
die  Parther  und  die  Geten.  „Auch  für  den  Augenblick  unter- 
nahm er  manches,  so  wild,  daß  man  kaum  begreift,  wie  er  es 
während  der  fünf  Monate,  die  er  noch  lebte,  hat  vollenden 
können."  „Es  ist  aber  besonders  merkwürdig,  daß  bei  allen 
seinen  Maßregeln  keine  Spur  sich  findet,  daß  er  daran  dachte, 
die  Verfassung  auf  irgend  eine  Weise  zu  modifizieren  und  der 
Anarchie  ein  Ende  zu  machen,  denn  alle  seine  Anordnungen  sind 
doch  im  Grunde  unwesentlich . . .  Caesar  scheint  es  sich  gar- 
nicht  gedacht  zu  haben,  wie  er  da  abhelfen  wollte." 

Ein  weit  tiefergreifendes  politisches  Verständnis  zeigt  Heeren 
in  seinem  vortrefflichen  und  noch  durch  kein  andres  ersetzten 
Handbuch  der  Geschichte  der  Staaten  des  Altertums  (2.  Aufl. 
1810),  in  dem  die  entscheidenden  Momente  der  Entwicklung 
zum  großen  Teil  bereits  richtig  herausgehoben  sind.  Über 
Caesar  urteilt  er:  „So  gewiß  es  ist,  daß  Caesar  nicht  wie  Sulla 
die  Republik  unterjochte,  um  sie  wiederherzustellen,  so  unmög- 
lich ist  es,  zu  bestimmen,  was  die  letzten  Entwürfe  des  kinder- 
losen Usurpators  waren,  der  in  seiner  ganzen  Laufbahn  bis  zu 


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Caesar  bei  Niebahr,  Heeren,  Drumanu 


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dem  letztem  Ziel  durch  kein  anderes  Motiv  als  durch  eine  Herrsch- 
sucht, die  unmittelbar  aus  dem  Gefühl  seiner  überlegenen  Kräfte 
entsprang  und  sich  jedes  Mittel  zu  ihrer  Befriedigung  erlaubte, 
geleitet  und  getrieben  zu  sein  scheint . . .  Allein  sein  Versuch, 
das  Diadem  zu  erhalten,  scheint  es  doch  außer  Zweifel  zu  setzen, 
daß  er  eine  förmliche  Monarchie  einführen  wollte."  „Noch  fehlt 
es  an  einer  würdigen  Biographie  des  Mannes,  der  in  den  neueren 
Zeiten  eben  so  übermäßig  gepriesen,  als  Alexander  herabgesetzt 
worden  ist.  Als  Feldherrn  und  Eroberer  waren  beide  gleich 
groß  —  und  klein;  als  Mensch  ragt  in  seiner  besseren  Zeit,  die 
Caesar  nie  hatte,  der  Mazedonier  hervor;  von  den  großen  poli- 
tischen Ideen,  die  sich  bei  Alexander  entwickelten,  kennen  wir 
bei  Caesar  kerne,  der  wie  kein  andrer  die  Herrschaft  zu  erringen, 
aber  weniger  sie  zu  befestigen  verstand." 

Für  Dbumakn  sind  Ehrgeiz  („Ruhmsucht")  und  Herrschsucht 
die  entscheidenden  Triebfedern  Caesars,  die  ihn  den  Plan  eines 
Umsturzes  der  Republik  fassen  lassen,  den  er  von  Anfang  an 
systematisch  verfolgt1).  So  hat  er  auch  den  Bürgerkrieg  bewußt 
erstrebt  und  herbeigeführt;  sein  Endziel  war  die  Aufrichtung 
der  absoluten  Monarchie,  das  Mittel  die  Beschaffung  von  Heer 
und  Geld.  Auch  der  Bund  mit  Potupejus  und  Crassus  war  ihm 
nur  ein  Mittel,  durch  das  er  sie  seinen  Zwecken  dienstbar  inachte, 
wahrend  jene  „nur  Wünsche,  aber  keinen  Plan  für  das  Leben 
hatten",  ebenso  die  Eroberung  Galliens,  die  er  als  Vorbereitung 
für  den  Bürgerkrieg  und  die  Erreichung  der  Alleinherrschaft 
unternahm.  Als  er  diese  gewonnen  hat  und  seine  „Ruhmsucht 
und  sein  Ehrgeiz  befriedigt  waren,  konnte  das  Große  und  Edle, 
das  Unvergleichliche  in  ihm,  durch  jene  Leidenschaften  bisher 
verdunkelt  und  gehemmt,  in  vollem  Glänze  sich  entwickeln", 
bis  er  jäh  mitten  aus  der  großartigsten  Tätigkeit  herausgerissen 
wurde. 


')  Schon  unter  Sulla  im  Jahre  82  (III1  128):  .Seinem  Scharfblick 
entging  es  nicht,  daß  die  Republik  sich  überlebt  hatte;  er  beschloß 
eine  Partei  durch  die  andere  zu  stürzen,  um  dann  über  beide  zu  ge- 
bieten. Diesen  Plan  entwarf  er  schon  jetzt,  und  folgerecht  führte  er 
ihn  auch  aus;  jede  Seite  seiner  Geschichte  bezeugt  es/ 


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Caesars  Monarchie 


Diese  so  weit  auseinandergehenden  Auffassungen,  denen  sich 
leicht  weitere  Belege  aus  allen  Literaturen1)  anreihen  ließen, 
genügen  «um  Erweise,  wie  wenig  der  Satz  Mommsens  den  Tat- 
sachen entspricht,  eine  Persönlichkeit  wie  Caesar  könne  „wohl 
flacher  oder  tiefer,  aber  nicht  eigentlich  verschieden  aufgefaßt 
werden ;  jedem  nicht  ganz  verkehrten  Forscher  ist  das  hohe  Bild 
mit  denselben  wesentlichen  Zügen  erschienen,  und  doch  ist  das- 
selbe anschaulich  wiederzugeben  noch  keinem  gelungen". 

Einen  gewaltigen  Fortschritt  bezeichnet  dann  Momusens 
Römische  Geschichte.  Er  ist  der  erste,  und  ist  im  Grunde  der 
einzige  geblieben,  der  eine  lebendige  und  farbenprächtige  Ge- 
schichte der  Revolutionszeit  wirklich  als  politischer  Historiker 
geschrieben  hat,  der  die  Zersetzung  der  Republik  und  die  Heraus- 
bildung der  neuen  Staatsgestaltung  innerlich  zu  begreifen  und 
anschaulich  zu  machen  versucht,  der  daher  den  wirksamen 
Kräften  überall  nachgeht,  sie  im  einzelnen  herauszuarbeiten 
und  klarzulegen  unternimmt  und  so  in  das  Chaos  Ordnung  bringt. 
Die  Einwirkung  seiner  Darstellung  ist  unermeßlich:  alle  Nach 
folgenden,  auch  wenn  sie  ihn  energisch  bekämpfen  und  sich 
dagegen  sträuben,  sind  doch  durchweg  von  ihm  abhängig,  seine 
Periodisierung,  die  von  ihm  geschaffenen  Termini  und  Schlag 
Wörter  sind,  vielfach  halb  unbewußt,  von  ihnen  übernommen 
und  dauernder  Besitz  der  Geschichtswissenschaft  ee worden. 

Aber  so  fördernd  das  geniale  Werk  gewirkt  hat,  so  wenig 
sind  die  Gebrechen  zu  verkennen,  die  ihm  als  Geschichtswerk 
anhaften.  Wie  überall,  so  steht  Mojimsen  auch  hier  unter  der 
Herrschaft  einer  politischen  Tendenz,  die  nicht  aus  seinem  Gegen- 
stande, sondern  aus  der  Gegenwart  des  Schriftstellers,  aus  den 
politischen  Kämpfen  seiner  eigenen  Zeit  erwachsen  ist:  es  ist 
vielleicht  die  bedeutendste  Manifestation,  welche  der  radikale 
Liberalismus  von  1848  in  der  großen  Literatur  gefunden  hat. 
Neben  der  scharfen  Betonung  der  nationalen  Idee,  welche  ihn 
zu  der  völlig  verkehrten  Auffassung  geführt  hat,  die  Unter- 
werfung Italiens  durch  Rom  und  die  Aufrichtung  des  italischen 


')  Ober  Shakespeare  «.  unten. 


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MommeenB  Auffassung  Caetera  325 

Bundes  sei  die  Herstellung  einer  latent  bereits  vorhandenen 
Nationalität,  eine  „Einigung  Italiens",  und  die  dann,  in  charakte- 
ristischem Umschlag  der  Idee,  zu  der  Verherrlichung  der  Welt- 
eroberung und  im  fünften  Bande  zur  Forderung  einer  fort- 
schreitenden Expansion  ins  Unbegrenzte,  gegen  Parther,  Ger- 
manen, Britannen,  geführt  hat,  steht  als  dominierendes  Moment 
der  Haß  gegen  das  „Junkertum",  mit  andern  Worten :  gegen  die 
geschichtliche  Gestaltung  des  preußischen  Staats,  wie  sie  sich  in 
der  Reaktionszeit  aufs  neue,  die  entgegenstehenden  Tendenzen 
gewaltsam  niederhaltend,  durchsetzte,  ein  Haß,  der  Momksens 
ganzes  Empfinden  und  Handeln  beherrschte  und,  nach  den 
Kämpfen  gegen  Bismarck,  kurz  vor  seinem  Lebensende  noch 
einmal  gewaltsam  hervorbrach;  daß  die  Entwicklung  so  ganz 
andre  Wege  gegangen  ist,  hat  in  sein  Denken  und  sein  Leben 
ein  stark  hervortretendes  Moment  der  Tragik  eingefügt.  Der 
Haß  gegen  das  Junkertum  setzt  sich  um  in  der  älteren  Ge- 
schichte Roms  in  Haß  gegen  die  Patrioier,  in  der  Revolutions- 
zeit in  Haß  gegen  den  Senat  und  die  Optimaten1).  Die  Ver- 
kommenheit und  staatsmännische  Impotenz  dieser  Elemente 
wird  in  drastischen  Farben  geschildert,  ihre  Gegner  dagegen, 
auch  wenn  sie  eben  so  korrupt  sind  wie  jene  und  die  größten 
Verbrechen  begehn,  mit  Sympathie  behandelt  und  entschuldigt, 
die  Ideale  der  römischen  Demokratie  verherrlicht,  die  Verfechter 
der  großen  Traditionen  der  aristokratischen  Republik  mit  gering- 
schätziger Ironie  geschildert.  Diese  Darstellung  gipfelt  dann  in 
der  Darstellung  Caesars.  Er  ist  der  vollendete  Staatsmann,  in 
einem  Maße,  wie  ihn  die  Geschichte  nie  wieder  hervorgebracht 
hat.  Sein  Ziel  ist  die  Wiederherstellung  des  uralten  Königtums 
und  durch  dasselbe  die  Regeneration  des  römischen  Volkes  und 


')  Diese  Tendenz  Mommstns  hat  auch  sein  Staatsrecht  vielfach  ver- 
hängnisvoll beeinflußt.  —  Seine  Schrift  »Die  Rechtsfrage  zwischen  Caesar 
und  dem  Senat"  (1857,  —  Ges.  Sehr.  IV  92  ff.)  ist  ein  glänzendes  Ad- 
vokatenplädoyer für  Caesar,  aber  eben  so  parteiisch  and  sachlich  un- 
haltbar wie  so  manche  Heden  des  Cicero  oder  Demosthenes.  Die  Kon- 
struktion Ober  den  Beginn  des  Imperienjahrs  am  1.  Marz,  auf  die  sie 
aufgebaut  ist,  hat  er  selbst  später  stillschweigend  fallen  lassen. 


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Caesars  Monarchie 


die  Durchführung  der  großen,  diesem  von  der  Geschichte  ge- 
stellten Aufgaben;  zugleich  ist  er  von  Jugend  auf  erfüllt  von 
den  Idealen  der  Demokratie  und  hat  an  ihnen  festgehalten  als 
Demagoge  und  Verschwörer,  als  erobernder  Feldherr,  als  un- 
umschränkter Monarch;  so  bedürfen  seine  Handlungen,  mögen 
sie  dem  populären  Urteil  auch  noch  so  bedeuklich  erscheinen, 
kaum  je  der  Entschuldigung,  ja  nicht  einmal  der  Rechtfertigung : 
es  versteht  sich  von  selbst,  daß  er  dem  Gegner  gegenüber,  sei 
es  im  Innern  der  Rivale  oder  der  bestehende  8taat,  sei  es  der 
äußere  Feind,  immer  im  Rechte  ist. 

So  ist  Mo  Müsen,  der  liberale  Doktrinär  und  Märtyrer  von 
1848,  der  jahrzehntelang  Bismarck  bekämpft  und  in  seinen 
großen  Schöpfungen,  in  der  inneren,  wirtschaftlichen,  politischen 
und  sozialen  Regeneration  des  deutschen  Volkes  immer  nur 
kleinliche  Motive,  Korruption  und  systematische  Vergiftung  des 
deutschen  Volkscharakters  zu  sehn  vermochte,  der  Verherrlicher 
der  schrankenlosesten  absoluten  Gewalt  geworden,  die  nach  dem 
von  ihm  verherrlichten  Ideal  den  Namen  des  Caesarismus  er- 
halten hat.  Caesars  Wirken  und  sein  Staatsbau  ist  das  croß- 
artigste  und  genialste  Werk,  welches  die  Weltgeschichte  kennt: 
„so  wirkte  und  schaffte  er",  schließt  das  Kapitel  über  die  alte 
Republik  und  die  neue  Monarchie,  „wie  nie  ein  Sterblicher  vor 
ihm  und  nach  ihm,  und  als  Wirkender  und  Schaffender  lebt  er 
noch  nach  Jahrtausenden  im  Gedächtnis  der  Nationen,  der  erste 
und  doch  auch  der  einzige  Imperator  Caesar". 

WTie  man  nun  auch  sonst  über  diese  Auffassung  denken  mag 
—  und  sie  ist  im  einzelnen  wie  im  ganzen  in  der  wissenschaft- 
lichen Diskussion  der  nächsten  Jahrzehnte  von  den  verschieden- 
sten Seiten  her  angegriffen  und  mit  mehr  oder  weniger  Erfolg 
bekämpft  worden1)  — ,  offenkundig  ist,  daß  sie  an  zwei  fanda-  • 


')  Eine  Aufzahlung  und  Kritik  dieser  verschiedenen,  teils  an  Mommskn 
anschließenden,  teils  ihn  bekämpfenden  Auffassungen  des  Problems,  von 
denen  ich  nur  die  Arbeiten  von  Nissen,  Ihnt,  0.  E.  Schmidt,  v.  Miss, 
die  Bearbeitung  der  Feldsflge  durch  Venn,  und  die  nüchterne  Material  - 
Sammlung  Längs«  nenne,  um  von  Napoleons  HI.  Caesar  ^anr.  zu  schweigen 
erscheint  an  dieser  8telle  und  für  unsere  Zwecke  nicht  erforderlich. 


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Kritik  der  Monimaenncben  Auffassung 


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mentalen  Gebrechen  leidet,  Einmal  hat  Mommsen,  als  er  die 
Römische  Geschichte  schrieb,  das  Principat  des  Auguatus  noch 
nicht  gekannt  und  gewürdigt  —  das  Verständnis  desselben,  dae 
er  uns  alsdann  erschlossen  hat,  ist  vielleicht  die  großartigste 
seiner  Leistungen  und  daher  erscheint  ihm  Caesars  Staats- 
bau als  die  Grundlage  des  Kaisertums,  seine  Herrschaft  gegen 
alle  Geschichte  nicht  als  eine  mit  seiner  Ermordung  zusammen- 
brechende Episode  in  dem  Ringen  um  die  neue  Staatsgestaltung, 
sondern  als  der  Abschluß  der  bisherigen  Entwicklung  und  das 
Ende  der  römischen  Republik1).  Das  hat  ihn  zugleich  gehindert, 
die  Bedeutung  des  Pompejus  und  seiner  Ziele  richtig  zu  erfassen, 
und  ihn  zu  einer  völlig  verkehrten,  seitdem  unzählige  Male  nach- 
gesprochenen,  Beurteilung  der  Ermordung  Caesars  und  der  neuen 
republikanischen  Erhebung  geführt.  Sodann  aber  hat  er  Caesar 
nioht  nur  als  eine  Idealgestalt,  ja  als  „das  Vollkommene"  schlecht- 
hin geschildert,  sondern  ihn  geradezu  in  eine  übermenschliche 
Sphäre  gerückt.  Von  Anfang  an  steht  sein  Ziel  ihm  klar  vor 
Augen*),  und  unentwegt  hat  er  es  dreißig  Jahre  lang  verfolgt, 
wenn  er  auch,  durch  die  Erfahrung  belehrt,  die  Wege  wechselt 
und  die  Eroberung  Galliens  ihm  aus  einem  Mittel  wieder  zum 
Selbstzweck  wird;  um  sie  durchzuführen,  hat  er,  gegen  seine 
eigenen  Interessen,  dem  Pompejus  im  Jahre  66  auf  der  Konferenz 
von  Luca  eine  der  seinen  gleichartige  Stellung  verschafft  und 
damit,  wenn  man  ihn  lediglich  vom  Standpunkte  der  inneren 
Politik  aus  betrachtet,  „einen  argen  politischen  Fehler"  begangen : 
„allein  der  Ehrgeiz  des  seltenen  Mannes  beschränkte  sich  nicht 
auf  das  niedrige  Ziel  der  Krone".  Aber  sein  Hauptziel,  die  Ge- 
winnung der  unumschränkten  Alleinherrschaft  und  den  Neu- 

Durchans  ablehnend  gegen  Möhnsen  verhalt  sich  auch  K.  W.  Nrascn 
in  seinen  als  „Geschichte  der  römischen  Republik"  veröffentlichten  Vor- 
tragen, die  eine  sachlich  weit  zutreffendere  Auffassung  vertreten. 

')  Eben  darin  Hegt,  weit  mehr  als  in  äußeren  Momenten,  der  ent- 
scheidende Grund,  weshalb  er  sein  Werk  nicht  fortgeführt  und  den 
vierten  Band  nie  geschrieben  hat:  von  seinem  Caesar  fahrt  su  Augustus 
kein  Weg. 

*)  Mommsen  schließt  sich  auch  darin  an  Dunum  an,  nur  daß  er 
dieses   Ziel  ganz  anders  beurteilt. 


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328  Ca«are  Monarchie 

L»au  des  Staats  auf  Grund  der  demokratischen  Ideale,  hat  er 
darüber  nie  ans  den  Augen  verloren,  und  als  die  Zeit  gekommen 
war,  den  Bürgerkrieg  bewußt  herbeigeführt;  und  völlig  klar 
stehn  ihm  seit  langem  nicht  nur  die  Grundzüge,  sondern  selbst 
die  Einzelheiten  dieses  Neubaus  vor  Augen. 

Eine  derartige  Konstruktion  widerspricht  den  Grundbedin- 
gungen  des  menschlichen  Daseins  und  der  historischen  Wirk- 
samkeit und  erschließt  nicht  das  Verständnis,  sondern  versperrt 
es:  es  ist,  als  ob  man  dem  Major  und  Brigadegeneral  Buonaparte, 
dem  Genossen  der  Robespierres,  bereits  den  Gedanken  der  Auf- 
richtung des  Kaiserreichs  ab  Verwirklichung  der  demokratischen 
Ideale  der  Revolution  und  womöglich  gar  der  Verfassung  vou 
1815,  dem  Abgeordneten  Bismarck  ein  auch  nur  in  den  Grund- 
linien faßbares  Bild  der  Wege,  die  zur  Gründung  des  Deutschen 
Reichs  geführt  haben,  oder  seiner  großen  wirtschaftlichen  und 
sozialen  Gesetzgebung  zuschreiben  wollte  — » obwohl  natürlich  die 
Gedanken,  die  dahin  geführt  haben ,  auch  damals  schon  in  ihrer  Seele 
lagen  und,  wo  der  Anlaß  sich  bot,  blitzartig  aufleuchten  konnteu. 
.  In  noch  weit  höherem  Muße  als  diese  ist  Caesar  in  seiner 
Wirksamkeit  von  den  gegebenen,  fortwährend  wechselnden  Be- 
dingungen des  Moments  bestimmt;  diese  richtig  zu  erfassen, 
von  den  Möglichkeiten,  die  sie  umschließen,  die  höchste  er- 
reichbare mit  sicherem  Blick  zu  ergreifen  und  festzuhalten  und 
dann,  wenn  er  Herr  der  Situation  geworden  ist,  die  so  gegebene 
Freiheit  zu  schöpferischem  Neubau  zu  benutzen,  dabei  trotz 
aller  tiefgreifenden  Umgestaltung  doch  nie  die  Schranken  über- 
schreitend, welche  auch  dem  stärksten  Willen  unüberwindbar 
gesetzt  sind  —  darin  besteht  die  Tätigkeit  des  wahren  Staats- 
manns. Ein  Mensch  dagegen,  wie  Mommsens  Caesar,  hat  über- 
haupt niemals  existiert:  darauf,  und  nicht,  wie  Mommsen  glaubt, 
auf  der  idealen  Vollendung  seiner  Erscheinung  beruht  es,  daß 
im  Gegensatz  zu  den  lebensvollen  Porträts,  welche  er  sonst  so 
vielfach  gezeichnet  hat,  sein  Caesar  ein  Schemen  ohne  Fleisch 
und  Blut  geblieben  ist. 

Ich  füge  hier  noch  einige  Bemerkungen  über  Ferreros 
Grandezza  e  Decadenza  di  Roma  (1904  ff.)  ein ;  in  der  vorigen 


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Auflage  hatte  ich  dies  Werk  nicht  berücksichtigt,  da  es  trotz 
glänzender  Darstellung  doch  im  wesentlichen  den  Charakter 
einer  dilettantischen,  von  einem  gewandten  Pamphletisten  ver- 
faßten Arbeit  tragt.  Allerdings  hat  sich  der  Verfasser  in  das 
Quellenmaterial  der  Ciceronischen  und  Augusteischen  Zeit  in 
anerkennenswerter  Weise  hineingearbeitet,  und  sich  bemüht, 
sowohl  die  wirtschaftlichen  und  sozialen  Grundlagen  der  großen 
Krisis,  wie,  im  Gegensatz  zu  Mommsen  und  so  vielen  anderen, 
die  standige  Wechselwirkung  zwischen  innerer  und  äußerer 
Politik  darzulegen.  Diese  Darstellung  enthält  zwar  viele  neue 
und  blendende  Apercus,  aber  doch  nur  wenig,  was  einer  Prüfung 
standhält.  So  wird  auch  das  Bild,  das  er  von  Caesar  und  seiner 
Politik  entwirft,  kaum  irgendwie  Zustimmung  finden  können. 
Die  Reaktion  gegen  die  Auffassung,  die  Caesar  von  Anfang  an 
eine  klare  Anschauung  des  schließlich  von  ihm  erreichten  End- 
ziels und  ein  bewußtes  Streben  nach  demselben  zuschreibt,  schlägt 
bei  Ferrero  in  das  Gegenteil  um:  Caesar  ist  ihm  kein  Staatsmann, 
sondern  ein  genialer  Abenteurer,  der  die  kühnsten  Pläne  faßt, 
aber  fast  regelmäßig  fehlgreift,  ein  Spielball  der  Ereignisse,  dem 
dann  doch,  teils  durch  die  Gunst  der  Umstände,  teils  durch  seine 
rasche  Entschlußkraft,  schließlich,  nach  fortwährenden  Miß- 
erfolgen,  der  Sieg  zufällt.  In  seinen  Plänen  schwankt  er  ständig: 
im  Grunde  ist  er,  wie  bei  Niebuhr,  eine  harmlose  Natur,  mit 
vielseitigen  geistigen  Interessen,  aber  in  seiner  Laufbahn  kommt 
er  nur  langsam  vorwärts.  —  Ferrero  verkennt  ganz,  daß  er 
nach  der  bestehenden  Verfassung  garnicht  früher  in  die  höheren 
Ämter  und  zu  einer  führenden  Stellung  gelangen  konnte  — ; 
zu  Anfang  ist  sein  Ziel  eine  Versöhnung  zwischen  Aristokratie 
und  Demokratie  nach  den  Lehren  des  Aristoteles,  durch  die 
Schulden,  die  er  machen  muß  (über  die  Ferrero  die  Angaben  der 
Überlieferung  möglichst  zu  reduzieren  sucht,  ebenso  wie  die 
über  seine  Liebschaften),  wird  er  gezwungen,  sich  mit  Crassus 
zu  verbinden,  während  er  gleichzeitig  die  „Freundschaft"  mit 
Pompejus  aufrecht  erhalten  will,  und  wird  so  in  die  Laufbahn 
des  Demagogen  gedrängt.  Als  Consul  versucht  er  eine  Neu- 
schaffung einer  gemäßigten  Demokratie  nach  dem  Vorbild  des 


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Caeaiics  Monarchie 


Perikles,  wird  dann  aber  durch  die  Opposition  der  Konservativen 
und  den  Zwang  der  Verhältnisse  zu  der  Machtpolitik  und  der 
Eroberung  Galliens  gedrängt,  um  sich  das  verscherzte  Ansehn 
bei  den  oberen  Klassen  wiederzugewinnen;  an  Ciceros  Ver- 
bannung und  Catos  Entfernung  ist  er  unschuldig.  Mit  Recht 
ist  auch  Ferrero  der  Ansicht,  daß  er  den  Bürgerkrieg  zu  ver- 
meiden gesucht  hat  und  seine  Anerbietungen  ernst  gemeint  waren ; 
aber  auch  hier  begeht  Caesar  Fehler  auf  Fehler.  Nach  dem  Siege 
ist  seine  Stellung  nicht  stark,  sondern  schwach,  er  hat  es  im 
Grunde  mit  allen  verdorben,  zu  einem  Wiederaufbau  des  Staat* 
ist  er  unfähig.  8eine  organisatorischen  Maßnahmen  sind  daher 
im  Grunde  bedeutungslos  und  werden  nur  ganz  flüchtig  behandelt; 
der  einsige  Gedanke,  der  ihn  beseelt,  ist  die  Eroberung  Persiens, 
dadurch  hofft  er,  freilich  völlig  phantastisch,  eine  gesicherte 
Stellung  gewinnen  und  eine  neue  Zeit  herbeiführen  zu  können. 

Man  wird  das  geistvolle  Buch  mit  Interesse  lesen;  aber  als 
ein  geschichtlich  zutreffendes  Bild  der  Zeit  und  des  Mannes  vermag 
ich  es  nicht  anzuerkennen. 

Persönlichkeit  und  Ziele  Caesars 

Um  Caesars  Laufbahn  und  Persönlichkeit  richtig  zu  be- 
urteilen, ist  vor  allem  scharf  im  Auge  zu  behalten,  daß  zu  seiner 
Zeit  eine  legitime,  von  der  Gesamtheit  des  römischen  Volks 
anerkannte  Verfassung  überhaupt  nicht  mehr  existierte.  Aller- 
dings war  die  Herrschaft  des  Senats  von  Sulla  wieder  aufgerichtet, 
aber  in  Strömen  von  Blut;  und  sie  bestand  nur  durch  Gewalt. 
Zahlreiche  Römer,  nicht  nur  ehrgeizige  Streber,  sondern  oft  ge- 
rade ehrliche  Männer,  die  sich  wirklich  von  ihrer  Oberzeuguniz 
leiten  ließen,  bestritten  der  wiederhergestellten  Staatsordnung 
jedes  Recht  und  schauten  auf  Sulla  und  sein  Werk  mit  in- 
grimmigem Haß  —  Gesinnungen,  wie  sie  uns  in  der  Rhetorik 
an  Herennius,  und  in  der  folgenden  Generation  in  Sallusts 
Schriften  lebendig  entgegentreten1).    Diese  Gesinnung  konnte 

')  Auch  bei  Cicero  wirken  diese  Empfindungen  noch  in  der  Zeit, 
als  er  «eine  demokratischen  Neigungen  langst  abgestreift  hat,  in  der 


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Charakter  der  Revolutionszeit 


durch  das  Mißregiment  des  folgenden  Jahrzehnts  nur  noch  ge- 
steigert werden,  ein  Mißregiment,  das  weniger  auf  der  Unfähigkeit 
der  führenden  Aristokraten  beruht  —  denn  unter  ihnen  waren 
nicht  wenige  hervorragend  tüchtige  Männer,  wie  Catulus,  die 
beiden  Lucullua,  auch  Metellus  Pius  — ,  als  in  dem  Wesen  des 
aristokratischen  Regiments,  das,  lediglich  auf  dem  Stadtstaat 
basiert,  den  Aufgaben  des  Weltregiments  in  keiner  Weise  ge- 
wachsen war.  Entscheidend  war  vor  allem  die  Überlastung  des 
Senats  mit  zahllosen  Geschäften  (darunter  auch  seinem  Anteil  an 
der  Rechtsprechung,  die  fortdauernd  zahlreiche  Senatoren  in 
Anspruch  nahm),  und  die  Unmöglichkeit,  daß  die  republi- 
kanischen Beamten  sich  in  der  kurzen  Frist  eines  Jahres,  während 
deren  sie  sich  in  die  ihnen  zugewiesene  Tätigkeit  einarbeiten 
sollten,  von  seltenen  Ausnahmen  abgesehn1),  mehr  als  eine  ober- 
flächliche Kenntnis  ihres  Ressorts  erwerben  und  eine  nachhaltige 
Wirkung  ausüben  konnten,  und  daß  die  jährlich  wechselnden» 
von  der  Wiederwahl  ausgeschlossenen  Consuln  wirklich  die 
zielbewußte  Leitung  der  äußeren  und  inneren  Politik  Über- 


bewundernden Verehrung  nach,  mit  der  er  von  Marius  und  Sulpicius 
redet,  Sie  wurzeln  in  den  Traditionen  seiner  Familie,  die  ihn  mit 
seinen  Sympathien  und  Interessen  auf  die  Seite  der  Ritterschaft  *ien. 
mit  der  er  die  Verbindung  immer  festgehalten  hat,  und  in  der 
Landsmannschaft  mit  Marius;  das  Gegengewicht  bildeten  die  Be- 
ziehungen, in  die  der  junge  Mann  mit  den  Scaevolas,  Crassus,  Antonius 
und  anderen  Koryphäen  der  Nobilität  getreten  war. 

')  Kine  solche  Ausnahme  bildet  Cato«  Verwaltung  der  Quaestur, 
die  bei  Plutarch  in  den  sehr  lehrreichen  Kapiteln  16  ff.  eingehend  ge- 
schildert wird.  Kr  hat  sich  denn  auch  nachher  noch  dauernd  um  diesen 
Zweig  der  Verwaltung  gekümmert  (c.  18  fin.).  In  der  Regel  dagegen 
waren  die  Quaestoren  willenlose  Werkzeuge  in  den  Händen  der  Sub- 
alternen und  Bürobeainfen;  tAv  jntjpetÄv  xai  Ypajijiatsoiv,  ot  8td  X"P&< 
ti  iTfiL&Tja.  Ypdfittatu  xal  w!>*  v6;wj;  ixovtt;.  ett»  vtot>;  äpyovtac  RapaXau.ßavov- 
«5  8t'  dtruptiv  xal  «5f'/otav  ateyvJ>;  oi8a3xd).o»v  itspiuv  xal  Kai&arurf&v 
foouivoot  o'jy  'j^Uvto  tv)(  ft£ot>stac  «utvot;,  ak'ka  y4oav  &pyovtt<  aötot.  Unsere 
Bfirokratie  bietet  ja  dazu  zahlreiche  Parallelen,  vor  allem  im  Bereich 
der  Militärverwaltung,  wo  diese  Gebrechen  im  Kriege  ganz  verhängnis- 
voll gewirkt  haben,  aber  auch  sonst  oft  genug,  und  zwar  nicht  nur 
bei  befristeten  Wahlämtern,  bei  denen  sie  fast  unvermeidlich  sind. 


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332 


nehmen  und  etwa  gar,  wenn  ihnen  nicht  wie  den  beiden Luoollus 
oder  Caesar  eine  hervorragende  militärische  Begabung  angeboren 
war,  einen  schweren  Krieg  erfolgreich  führen  konnten.  Eben 
darum  eröffnete  sich  den  Intriganten  schlimmster  Sorte  und  dem 
Ehrgeiz  der  Individuen  und  damit  einem  wüsten  Koterietreiben, 
das  alle  gesunden  Bestrebungen  überwucherte,  aufs  neue  der 
weiteste  Spielraum. 

Aber  zur  Bildung  einer  wirklichen  Opposition,  zur  Wieder- 
aufnahme des  Versuchs  der  Gracchen,  das  Senatsregiment  durch 
eine  Demokratie  nach  athenischem  Muster  au  ersetzen,  haben 
diese  Stimmungen  nicht  geführt.  Der  Popularpartei  war  durch 
Sulla  das  Rückgrat  gebrochen;  den  Kapitalisten  der  Ritterschaft, 
die  damals  und  dann  nochmals  unter  Marius  und  China  den  Ver- 
such gemacht  hatten,  unter  dem  Namen  der  Demokratie  die 
Regierung  au  übernehmen,  waren  alle  politischen  Gelüste  gründ- 
lich ausgetrieben,  und  sie  beschränkten  sich  fortan  darauf,  ihren 
materiellen  Interessen  nachzugehn.  Dem  dritten  Stande  aber 
und  vor  allem  dem  Proletariat,  das,  durch  Gaius  Gracchus  vor- 
übergehend mit  den  Kapitalisten  verkoppelt,  unter  Saturninus' 
Führung  in  erbittertem  Kampf  mit  diesen  nach  der  Herrschaft 
gestrebt  hatte,  fehlte,  so  stark  es  durch  Sullas  Blaßregeln,  vor 
allem  in  Etrurien,  angewachsen  war,  alle  Kraft  zu  einer  erfolg- 
reichen politischen  Aktion:  in  der  Erhebung  des  Lepidus  und 
Marcus  Brutus  im  Jahre  77  war  seine  Ohnmacht  deutlich  zutage 
getreten,  gegen  die  von  ihm  drohenden  Gefahren  scharten  sich 
alle  Besitzenden  um  den  Senat  und  die  bestehende  Regierung. 
Der  Versuch  des  Sertorius  endlich,  von  Spanien  aus  in  offenem 
Kriege  den  Senat  zu  stürzen  und  die  Demokratie  wieder  aufzu- 
richten, war  von  Anfang  an  zum  Scheitern  verurteilt,  so  ernst- 
liche Schwierigkeiten  er  der  Regierung  bereitet  hat;  die  Basis, 
von  der  er  ausging,  war  viel  zu  klein,  um  den  Sieg  erringen  zu 
können. 

So  blieb  als  ernsthafter  Gegner  des  Senats  nur  die  Einzel  - 
persönlichkeit  und  das  Ringen  um  den  beherrschenden  Einfluß 
im  Staat.  Seit  Pompe  jus  und  Crassus  im  Jahre  70  das  demo- 
kratische Programm  aeeeptiert  und  die  Grundlagen  der  sulla- 


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Charakter  der  Revolutionszeit 


333 


nischen  Verfassung  umgestoßen  hatten,  ist  diesem  Treiben 
vollends  Tor  und  Tür  geöffnet  und  in  der  Hauptstadt  die 
Anarchie  in  Permanenz  erklärt.  Aber  Mommsens  Formulierung, 
daß  damit  die  Demokratie  ans  Regiment  gekommen  sei,  ist 
eine  völlig  irreführende  Formulierung  der  fortan  bestehenden 
Lage1).  Vielmehr  ist  der  Senat  nach  wie  vor  der  offizielle  Regent 
des  römischen  Staats;  aber  er  muß  sich  jeden  von  den  machtigen 
Männern  und  ihrem  Anhang  auagehenden  Eingriff  gefallen  lassen, 
und  ist  viel  zu  schwach,  um  das  Treiben  der  von  ihnen  geförderten 
anarchistischen  Streber  niederzuhalten.  Nur  wenn  diese  Be- 
strebungen über  die  Agitationen  und  Tumulte  in  der  Hauptstadt 
hinausgreifen  und  wirklich  einen  Umsturz  durch  offene  Schild- 
erhebung versuchen,  wie  unter  Catilina,  gelingt  es  ihm,  ihrer, 
sogar  ohne  große  Mühe,  Herr  zu  werden,  da  alsdann  die  be- 
sitzenden Klassen  momentan  ihre  Opposition  aufgeben  und  sich 
ihm  zur  Verfügung  stellen;  sobald  aber  die  augenblickliche  Ge- 
fahr beseitigt  ist,  beginnt  das  wüste  Treiben  von  neuem. 

In  diesen  Verhältnissen  ist  Caesar  emporgekommen.  Auch 
er  lebte  von  Jugend  auf*)  in  den  Anschauungen  der  Demokratie, 
mit  denen  er  durch  seines  Vaters  Schwester  Julia,  die  Gemahlin 
des  Marius,  imd  dann  durch  seine  eigene  Gemahlin  Cornelia,  die 
Tochter  Chinas,  die  er  wahrscheinlich  im  Jahre  84,  kurz  vor 
dessen  Ermordung,  heimführte2),  aufs  engste  verbunden  war. 
Mit  Mühe  entging  er,  mehr  noch  dank  einflußreichen  Protektoren 
als  durch  seine  Jugend,  den  Proskriptionen  Sullas,  obwohl  er 
sich  geweigert  hatte,  der  Cornelia  den  Scheidebrief  zu  schicken. 
Dem  demokratischen  Programm  ist  er  auch  in  der  Folgezeit  treu 
geblieben,  und  wir  haben  keinen  Grund  zu  der  Annahme,  da  Ii 
es  für  ihn  nichts  als  Phrase  gewesen  sei.  Aber  das  Entscheidende 
war,  daß  er  nicht  nur  die  Henker  seiner  Verwandten  und  Ge- 


')  Bei  Mommseh  spielt,  wie  oft  hervorgehoben  ist,  .die  Demokratie* 
in  der  Darstellung  dieser  Zeit,  in  den  Jahren  70—60,  eine  große,  in  den 
Tatsachen  in  keiner  Weise  begründete  Rolle,  am  alsdann,  sobald  Caesar 
aur  Macht  gelangt,  in  der  Versenkung  su  verschwinden. 

*)  Ober  Caesars  Geburtsjahr  s.  oben  3.  59,  2. 

*)  Zum  Datum  vgl.  Groebi  bei  Drümawk  III '  684,  8. 


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3Ö4 


Caesar*  Monarchie 


sinnungsgenoasen  haßte,  sondern  die  Unfähigkeit  der  Optimaten 
und  des  Senateregiments  vollkommen  durchschaute  und  sie  da* 
her  gründlich  verachtete:  dieses  Gefühl  beherrscht  seine  ganze 
Laufbahn  von  seinem  ersten  selbständigen  Auftreten  in  der 
Politik  bis  zum  Schluß,  und  hat  nicht  wenig  zur  Herbeiführung 
der  Endkatastrophe  beigetragen.  Die  Scheinlegitimität,  die  den 
Senat  umgab,  war  ihm  lediglich  ein  Trugbild,  das  seine  Augen 
nicht  blendete;  und  die  Jahrhunderte  alten  Traditionen  der 
Republik,  die  Pompejus  so  gut  wie  nachher  Augustus  immer 
geachtet  hat,  weil  sie  ihre  ideelle  Kraft  empfanden,  konnten 
Caesar,  da  sie  morsch  geworden  waren,  nioht  mehr  imponieren, 
wenn  er  sie  auch,  wo  es  ihm  paßte,  wie  bei  dem  Eintreten  für 
die  Heiligkeit  der  tribunioischen  Gewalt,  als  Aushängeschild  für 
die  Gängelung  der  Massen  benutzte. 

So  war  auoh  für  ihn  die  Bahn  frei  für  die  rücksichtslose  Ent- 
faltung seines  persönlichen  Ehrgeizes,  und  nur  um  so  freier, 
da  er  den  Dingen  offen  und  ohne  jedes  Vorurteil  ins  Gesicht  sah ; 
irgend  ein  Gesetz,  das  ihn  binden  und  ihm  Schranken  setzen 
könnte,  gab  es  für  ihn  nicht.  Eben  darum  trat  er  als  Verkünder 
der  demokratischen  Grundsätze  auf:  wer  für  sich  Raum  ge- 
winnen wollte,  machte  naturgemäß  Opposition.  In  dieser  Be- 
ziehung erinnert  er  an  die  englischen  Staatemänner  des 
achtzehnten  und  auch  noch  des  neunzehnten  Jahrhunderts, 
denen  gleichfalls  der  Glaube  an  die  Grundsatze,  die  sie  in 
tönenden  Worten  verkündigen,  nicht  ganz  abgestritten  werden 
kann,  bei  denen  aber  durchaus  die  Hauptsache  ist,  daß  sie 
dadurch  im  Ringen  der  Parteien  zur  Macht  zu  gelangen  und 
diese  dann  rücksichtslos  auszunutzen  streben,  unbekümmert 
darum,  ob  sie  im  Besitz  der  Herrschaft  ihrem  Programm  ins 
Gesicht  schlagen.  Indessen  Caesars  Ehrgeiz  war  nicht,  wie  der 
so  vieler  anderen,  damit  befriedigt,  daß  er  sich  einen  geachteten 
Platz  in  den  Reihen  der  Nobilität  eroberte  und  dann  im  Genuß 
der  gewonnenen  Stellung  ausruhte;  für  ihn  war  jeder  Erfolg  nur 
die  Vorstufe  zu  neuen  und  höheren  Zielen.  Wie  weit  ihn  das 
führen  könne,  vermochte  er  so  wenig  zu  sagen  wie  irgend  ein 
andrer,  auch  wenn  er  einmal  davon  träumen  mochte,  daß  er* 


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Caesars  persönliche  Auffassung 


335 


ein  neuer  Alexander  werden  könne1):  das  mußte  dem  Moment 
und  den  Fügungen  der  Tyche  überlassen  bleiben. 

Aber  wenn  Caesar  das  demokratische  Programm  zu  benutzen 
und  die  Menge  damit  zu  ködern  verstand,  so  war  er  in  Wirklich- 
keit nichts  weniger  als  ein  Bewunderer  der  Volksherrschaft,  die 
er  vielmehr  als  Monarch  geringschätzig  beiseite  schob,  sondern 
ein  Aristokrat  durch  und  durch.  So  wenig  seine  Familie,  trotz 
des  Patriciats,  bisher  irgendwelche  Rolle  gespielt  hatte  —  keiner 
seiner  Vorfahren  hatte  es  bis  zum  Consulat  gebracht1)  — ,  so 
stolz  war  er  auf  seinen  Adel,  auf  die  Abstammung  von  Aeneas 
und  Venus:  „Meine  Tante  Julia",  sagte  er  im  Jahre  68  in  der 
Leichenrede,  die  er  auf  sie  hielt,  „stammt  von  Mutterseite  von 
den  Königen,  von  seiten  des  Vaters  von  den  unsterblichen  Göttern 
ab.  Denn  von  Ancus  Marcius  stammen  die  Marcier,  das  Geschlecht 
ihrer  Mutter;  von  Venus  die  Julier,  zu  denen  unsere  Familie 
gehört.  So  ist  in  unserem  Geschlecht  die  Unverletzlichkeit 
(sanctitas)  der  Könige,  die  unter  den  Menschen  das  größte  An- 
sehn haben,  verbunden  mit  der  Ehrfurcht  (caeremonia)  vor  den 
Göttern,  in  deren  Gewalt  die  Könige  selbst  sind"3).  Das  ist  der 
echte  Caesar,  der  hier  zu  Worte  kommt.   In  dem  Streben  nach 


')  Die  Tradition  versetzt  den  Seufzer,  daß  er  in  einem  Alter,  wo 
Alezander  bereite  die  Welt  erobert  hatte,  noch  nichts  geleistet  habe, 
in  seine  Quaestur  68  nach  Gades,  wo  er  im  Herculestempel  eine  Statue 
Alezanders  sieht:  Sueton  7.  Dio  87,  52,  2;  bei  Plutarch  Caes.  11  wird 
die  Szene,  der  die  bekannte  Äußerung  im  Alpendorf  vorangeht,  in  die 
Statthalterschaft  61  verlegt  und  dnreh  die  Lektüre  der  Geschichte  Alex- 
anders hervorgerufen.  Ihre  Authentizität  steht  dahin,  aber  die  Ge- 
danken Caesars  gibt  sie  richtig  wieder.  —  Angeschlossen  ist  ein  Traum, 
er  habe  seiner  Mutter  beigewohnt  (Sueton  7.  Dio  41,  24,  2).  was,  wie  schon 
bei  Hippias  (Herod.  VI  107),  auf  die  Gewinnung  der  Herrschaft  ge- 
deutet wird.  Bei  Plutarch  Caes.  32  wird  dieser  Traum  erst  in  den  Aus- 
bruch des  Bürgerkriegs  versetzt. 

*)  Die  Consuln  Sextus  Caesar  157,  sein  Enkel  Lucius.  Caesar  90, 
Censor  89,  dessen  gleichnamiger  Sohn  Consul  65  gehören  der  älteren, 
keineswegs  demokratisch  gesinnten  Linie  der  Familie  an.  Genauer 
kennen  wir  den  Stammbaum  nicht,  der  von  Dri'hanh  III  *  114  gegebene 
ist  ganz  problematisch. 

*)  8ueton  6. 


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336  Caesars  Monarchie 

dominierendem  Einfluß  sieht  er  sein  angeborenes  Recht,  in  den 
Rivalen,  die  ihm  den  Weg  versperren,  in  echt  aristokratischer 
Auffassung  seine  persönlichen  Feinde  —  es  ist  keineswegs  nur 
stilistische,  auf  den  Effekt  berechnete  Phrase,  wenn  er  dieses 
Moment,  die  Intrigen  seiner  Feinde  (inimiri),  die  seine  berech- 
tigten Ansprüche  nicht  gelten  lassen  wollen,  als  Ursache  des 
Bürgerkriegs  so  scharf  betont1).  Wie  die  Adelsgeschlechter  in 
Rom,  so  stehn  die  Römer  in  der  Völkerwelt;  ihr  Anspruch  auf 
Herrschaft  ist  selbstverständlich,  jeder  Widerstand  Verschwörung 
und  Rebellion;  und  wenn  er  für  seine  Landsleute  Sympathie  hat 
und  sie  zu  schonen  sucht,  auch  wenn  sie  gegen  ihn  die  Waffen 
getragen  haben,  so  ist  gegen  die  Ausländer  jedes  Mittel  erlaubt, 
wie  sein  Auftreten  in  Gallien  durchweg  und  in  ärgster  Weise 
sein  Verfahren  gegen  die  Usipeter  und  Tenkterer  beweist. 

Die  Rechtfertigung  seines  Auftretens,  vor  allem  geschichtlich, 
aber  auch  sittlich,  soweit  solchen  Gestalten  gegenüber  überhaupt, 
zumal  inmitten  einer  permanenten  Revolution,  von  sittlichen 
Gesichtspunkten  die  Rede  sein  kann,  liegt  in  dem  Bewußtsein 
semer  Kraft,  in  dem  Gefühl,  Großes  leisten  und  schaffen  zu 
können,  weit  mehr  als  irgend  einer  der  andern,  welche  sich  nur 
zu  oft  ohne  jeden  inneren  Beruf  an  die  Aufgaben  des  Staats 
herandrängen.  Caesar  dagegen  ist,  das  hat  Mommskn  mit  vollem 
Recht  scharf  betont,  der  geborene  Staatsmann,  und  staats- 
männische Gesichtspunkte  beherrschen  all  sein  Tun,  wenn  er 
auch  daneben  noch  Zeit  behielt  für  zahllose  Liebesabenteuer 
und  für  manche  ernste  und  heitere  literarische  Arbeit,  Gedichte 
und  Tragödien  sowie  eine  Sammlung  geistvoller  und  witaiger 
Aussprüche,  so  gut  wie  eine  Schrift  über  Sternkunde  und  das 
Werk  de  analogia  über  den  korrekten  lateinschen  Sprach- 


>)  I  8,  4.  4,  4  (oben  S.  806,  4).  9,  2.  82,  2  ff.  Ebenso  an  Oppins  and 
Baibus  bei  Cic.  ad  Att.  IX  7  o  (oben  S.  806,  4).  Hierher  gehört  auch,  daß 
er  bell.  Gall.  I  12,  7  bemerkt,  durch  die  sive  casu  sive  deorum  im- 
morialium  consüio  (!)  herbeigeführte  Bestrafung  der  Tigoriner  für  die 
Niederlage  des  L.  Cassius  im  Jahre  107  Caesar  non  solum  publica», 
sed  etiam  privatas  iniurias  ultus  est,  da  damals  auch  der  üroßvator 
seines  Schwiegervaters  L.  Piso  gefallen  sei. 


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Cuosars  Individualität 


337 


gebrauch.  Eine  vollkräftige,  kerngesunde  Natur  war  er  keines- 
wegs, trotz  oder  vielleicht  infolge  seiner  überschäumenden  Lebens- 
lust. Er  litt,  wie  bekannt,  an  der  Epilepsie1),  und  Catull,  der 
ihn  im  Hause  seines  Vaters  in  Verona  verkehren  sah,  bezeichnet 
ihn  im  Jahre  54  als  Krankheitsanfällcn  ausgesetzt2).  Aber  mit 
gewaltiger  Willensenergie  warf  er,  der  Lebemann  aus  dem  wüsten 
Treiben  der  Hauptstadt,  dem  nach  seiner  äußeren  Erscheinung 
und  seinem  stutzerhaften  Auftreten  selbst  ein  so  scharfer  Beob- 
achter wie  Cicero  seine  verwegenen  Umsturzpläne  kaum  zutrauen 
mochte3),  dies  ganze  Treiben  weg,  sobald  ernsthafte  Aufgaben  an 
ihn  herantraten,  und  zwang  Körper  und  Geist  zu  angestrengtester 
imermüdlicher  Arbeit  und  nie  ermattender  Ertragung  aller  Stra- 
pazen. Damit  verbindet  sich,  wie  bei  allen  derartigen  Naturen,  ein 
unbegrenztes  Vertrauen  auf  seinen  Genius  und  auf  seinen  Stern. 
Er  ist  sicher,  daß  er  auch  in  der  schwierigsten  Lage  immer  einen 
Ausweg  finden  wird,  der  zum  Ziel  führt,  daß  nichts  ihn  überraschen 
und  verwirren  kann,  und  so  weiß  er  das  Geschick  in  seinen  Dienst 
zu  zwingen  und  nicht  nur  das  böse  Omen,  sondern  auch  eine  Lage, 
in  der  jeder  andre  verzweifeln  würde,  zu  seinen  Gunsten  zu 
wenden.  Eben  dieser  tiefe  Einblick  in  die  das  menschliche  Leben 
beherrschenden  Kräfte,  das  intuitive  Erfassen  der  Situation  des 
Moments,  die  unverhüllt  in  völliger  Klarheit  vor  seinem  Auge 
steht,  gibt  ihm  die  Fähigkeit  des  raschen  und  sicheren  Ent- 
schlusses, der  die  Gefahren  überwindet  und  den  Sieg  an  seine 
Fahnen  heftet.   Wohl  sind  auch  ihm  manche  Unternehmungen 


')  Nach  Platarch  Caes.  17  hatte  die  Epilepsie  Caesar  zuerst  in 
Cordnba  befallen,  nach  Dio  43,  32,  6  vor  der  Schlacht  bei  Munda  bei 
der  Belagerung  von  Corduba  Anfang  45.  Aber  dem  steht,  außer  der 
Äußerung  Catulls  (Anm.  2),  gegenüber,  daß  nach  einer  Überlieferung 
bei  Plutarch  53  er  schon  am  Tage  der  Schlacht  bei  Thapsus  einen  An- 
fall gehabt  haben  soll,  der  ihn  binderte,  am  Kampf  teilzunehmen. 
[Vielleicht  ist  daher  bei  Plut.  17  Caesars  Aufenthalt  in  Corduba  im 
J.  49,  bell.  civ.  II  21,  5,  gemeint] 

*)  Catull  57  über  Caesar  und  seinen  Günstling  Mamurra:  morbosi 
pariter,  gemeüi  uirique  uno  in  lectulo,  erudituli  ambo,  non  hic  quam 
ülemagis  vorax  adulter,  rivales sociei pueüula rum.  Vgl.  Sueton  Caes.  73. 

*)  Plut.  Caes.  4,  vgl.  Sueton  45. 

Meyer,  Caesars  Monarchie  22 


838 


Caesars  Monarchie 


mißglückt,  die  Feldzüge  nach  Britannien,  die  Angriffe  auf 
Gergovia  und  auf  Dyrrhachium,  die  Versuche,  mit  Pompejus 
nochmals  zu  einem  Abkommen  zu  gelangen;  aber  von  den 
phantastischen  Planen  und  Entwürfen,  in  denen  Napoleon  sich 
zu  ergehn  liebte  und  die  ihn  schließlich  zu  einer  Uberspannung 
seiner  Ziele  und  zum  Untergang  geführt  haben,  findet  sich  bei 
ihm  nichts.  Wohl  aber  weiß  er,  daß  über  allem  menschlichen 
Tun  unberechenbar  die  Macht  des  Zufalls,  der  Tyche,  schwebt, 
die  aller  menschlichen  Voraussicht  spottet1);  und  eben  darum 
setzt  er,  wenn  die  Situation  es  erfordert,  sich  selbst  rücksichtslos, 
ja  tollkühn  aufs  Spiel.  Das  ist  nicht  der  aus  Naivität  und 
Blasiertheit  seltsam  gemischte  Glaube  an  sein  Glück,  mit  dem 
Sulla  sich  zu  umgeben  liebte  —  obwohl  auch  seinen  Taten  und 
Erfolgen  in  Wirklichkeit  viel  mehr  verständige  Überlegung  und 
Berechnung  zugrunde  liegt,  ab  er  in  seinen  Memoiren  zugab  — , 
sondern  das  klare  Bewußtsein,  daß  das  Geschick  jederzeit  auch 
die  sicherste  Berechnung  durchkreuzen  kann,  daß  aber  kühnes 
Wagen  und  tatkräftige  Entschlossenheit  es  viel  eher  unter  den 
eigenen  Willen  zwingt,  als  ängstliches  Zögern  und  schwach- 
mütige Halbheit. 

Moralische  Bedenken  freilich  kennt  Caesar  so  wenig  wie  nur 
die  skrupellosesten  der  politischen  Spieler  seiner  Zeit;  wer  solchen 
Anwandlungen  zugänglich  ist,  kann  in  revolutionären  Zeiten 
niemals  etwas  erreichen,  sondern  ist  wie  Cato  —  Cicero  hatte 
ein  viel  weiteres  Gewissen  —  zu  ehrlicher,  aber  unfruchtbarer 
Negation  verurteilt.  Wo  die  Staatsräson  es  verlangte,  ist  auoh 
Caesar  vor  keinem  Verbrechen  zurückgescheut,  und  gar  manche 
schmutzigen  Handlungen  beflecken  seine  Laufbahn;  am  häß- 
lichsten ist  wohl  die  Verwendung  und  Beseitigung  des  Vettius 
in  seinem  Consulat  (S.  84  ff.).  Noch  drastischer  zeigt  sein  Ver- 
halten gegen  Clodius,  wie  vollständig  die  politische  Berechnung 
jedes  andre  Gefühl  beherrschte:  seiner  Frau  schickt  Caesar  den 

«)  bell.  cit.  III  68:  sed  fortuna,  quae  plurimum  polest  cum  in 
reüquis  rebus  htm  praeeipue  in  betto,  parvis  momentis  magnas 
rerum  eommutatUmes  effleit;  vgl.  III  70.  72,  4,  ferner  *.  B.  c  27. 
bell.  Gall.  VI  42. 


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Caesars  Stellung  »ur  Moral  339 

Scheidebrief,  als  sie  auf  dem  Ehebruch  mit  Qodius  ertappt  ist, 
aber  zugleich  verhüllt  er  das  mit  einer  geschickten  Phrase,  um 
Clodius  seibat  zu  decken  und  als  politisches  Werkzeug  zu  ver- 
wenden. Mit  Recht  gefeiert  ist  die  Milde,  mit  der  er  im  Bürger- 
krieg  seine  Gegner  behandelt  und  alle  Erwartungen,  es  stehe 
ein  blutiges  Strafgericht  bevor,  unbeirrt  durch  so  manche 
Enttäuschungen,  die  ihm  die  Begnadigten  bereiteten,  vollkommen 
widerlegt  hat.  Aber  sentimentale  Empfindungen  gegen  die  Be- 
siegten lagen  ihm  ganz  fern,  und  wo  es  zweckdienlich  schien, 
hat  er  ganz  unbedenklich  furchtbare  Strafgerichte  verhangt, 
über  die  Feinde  in  Gallien  und  Spanien  wie  über  meuternde 
Soldaten  (unten  S.  416);  auch  die  Hinrichtung  des  Vercingetorix 
ist  von  Hochherzigkeit  weit  entfernt.  So  ist  Curios  Äußerung, 
der  ihn  gut  kannte,  im  April  49  nicht  unrichtig,  nicht  aus  Nei- 
gung und  Katuranlage  sei  er  nicht  grausam,  sondern  lediglich 
aus  Politik1).  Indessen  gemeine  Rachsucht  war  ihm  völlig 
fremd,  und  sein  Verhalten  im  Bürgerkriege  zeigt  in  der  Tat  eine 
großartige  Auffassung.  „Wir  wollen  versuchen,"  schreibt  er 
Anfang  Marz  49,  „ob  wir  auf  diese  Weise  (durch  Milde)  die  all- 
gemeine Zuneigung  wiedergewinnen  und  den  Sieg  dauernd  sichern 
können,  da  die  übrigen  durch  ihre  Grausamkeit  dem  Haß  nicht 
entgehn  und  den  Sieg  nicht  dauernd  behaupten  konnten,  aus- 
genommen den  einzigen  Sulla,  den  ich  nicht  nachahmen  werde. 
Vielmehr  soll  dies  eine  neue  Methode  des  Sieges  sein,  uns  durch 
Barmherzigkeit  und  Großmut  zu  befestigen.  Wie  das  geschehn 
kann,  darüber  kommt  mir  mancherlei  in  den  Sinn,  und  vieles 
weitere  wird  sich  noch  finden  lassen."  Auch  dieses  Schreiben 
an  seine  Agenten  Oppius  und  Baibus*)  ist  durchaus  berechnet 
und  zur  Verbreitung  und  Propaganda  bestimmt;  aber  zugleich 


')  Cicero  ad  Att.  X  4,  8  ipsum  non  voluntate  aut  natura  non 
esse  crudelem,  seil  quod  populärem  (putaret)  esse  dement iam;  quodsi 
populi  Studium  amisisset,  crudelem  fore. 

*)  Cic.  ad  Att.  IX  7  C.  Vgl.  Caesars  Brief  an  Cicero  ib.  IX  16  A: 
neque  illud  me  movet,  quod  ii,  qui  a  me  dimissi  sunt,  discessisse 
dicuntur,  ut  mihi  rursus  bellum  inferrent;  nihil  enim  malo,  quam 
et  me  tnei  similem  esse  et  iüos  sui. 


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340 


Caesar*  Monarchie 


zeigt  ea,  in  bezeichnendem  Gegensatz  gegen  das  Toben  und  die 
Blutgier  des  Pompejus  und  der  Optiniaten,  eine  Hoheit  und 
Freiheit  des  Geistes,  wie  sie  nur  ganz  wenigen  auch  unter  den 
großen  geschichtlichen  Persönlichkeiten  gegeben  iat.  Uberhaupt 
ist  das  das  Große  an  Caesar,  daß  nichts  Kleinliches  in  ihm  ist, 
daß  er  nichts  nachträgt  —  denn  der  erbitterte  Haß,  mit  dem 
er  Gato  im  Leben  und  nach  dem  Tode  verfolgt,  hat  zugleich 
politische  Bedeutung  — ,  daß  seine  Seele  eine  Schwungkraft  be- 
sitzt, die  ihn  immer  höher  trägt  und  die  Gebrechen  immer  mehr 
zurücktreten  laßt,  je  größer  die  Aufgaben  werden,  vor  die  er 
gestellt  ist.  Daher  besitzt  er  denn  auch  die  gewinnende  Leut- 
seligkeit, die  ohne  zu  schmeicheln  sich  einschmeichelt,  und  ein 
Gefühl  für  die  Bedürfnisse  und  Empfindungen  der  Andern,  das 
sich,  wo  nicht  die  Staatsräson  dazwischen  kam,  oft,  gerade  in 
den  kleinen  Zügen  des  Alltagslebens,  ab  wahrhaftes  Wohlwollen 
äußerte.  Dieser  Zauber  seiner  Persönlichkeit  sicherte  ihm  bei 
allen  Verhandlungen  von  Anfang  an  die  Überlegenheit;  er  hat 
nicht  wenig  dazu  beigetragen,  die  besiegten  Gallier  mit  ihrem 
Schicksal  zu  versöhnen,  er  schuf  bei  seinen  Truppen  die  vollste 
Anhänglichkeit  und  Aufopferungsfähigkeit  und  hat  ihm  bei 
seinen  Gehilfen  und  Untergebenen  viele  Herzen  gewonnen,  die 
in  wahrer  Hingebung  im  Leben  wie  nach  dem  Tode  ihm  die 
'freue  gewahrt  haben,  auoh  wenn  sie  seine  Ziele  keineswegs 
billigten^). 

Aus  den  Anfängen  seiner  Laufbahn,  der  ganzen  Entwicklungs- 
zeit und  dem  frühen  Mannesalter  bis  in  die  Dreißiger  hinein, 
sind  uns,  wie  durchweg  bei  den  großen  Gestalten  des  Altertums, 
nur  einige  wenige  Episoden  bekannt.  Er  hat  in  Asien  Kriegs- 
dienste geleistet  und  dabei  durch  sein  keckes  Vorgehn  gegen 
die  Seeräuber,  in  deren  Hände  er  gefallen  war,  die  Aufmerksam- 
keit auf  sich  gelenkt;  er  hat,  wie  andre  Anfänger  auch,  durch 
Anklagen  gegen  angesehene  Aristokraten,  den  Cn.  Dolabella  und 
C.  Antonius,  sich  einen  Namen  gemacht,  auch  wenn  er  ihre 


')  Vgl.  den  schonen  Brief  dos  Mottos  an  Cicero  vom  August  44 
f  am.  XI  28  und  ebenso  den  vorhergehenden  Ciceros  an  ihn,  besonders  §  8. 


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Verurteilung  nicht  erreichte;  er  ist,  zum  Militärtribunen  ge- 
wählt, im  Jahre  70  für  die  Wiederherstellung  der  tribunicischen 
Gewalt  eingetreten,  ebenso  für  das  Gesetz  des  Tribunen  Plauthis, 
welches  den  zu  Sertorius  geflüchteten  Teilnehmern  am  Aufstand 
des  Lepidus  die  Bückkehr  gestattete1);  er  hat  als  Quaestor  68 
bei  der  Leichenrede  auf  seine  Tante  gewagt,  die  verpönte  Wachs* 
maske  des  Marius  zu  zeigen2),  und  ein  paar  Jahre  später  als 
Aedil  65  die  Siegeszeichen  des  Marius  wiederhergestellt11),  außer- 
dem durch  glänzende  Spiele  und  Bauten  die  Gunst  des  Stadt- 
volks gemehrt  und  zugleich  den  Grund  zu  der  riesigen  Schulden- 
last gelegt,  die  ihn  in  den  nächsten  Jahren  drückte.  Wie  er 
gleichzeitig  mit  Grassus  in  Verbindung  trat,  der  in  ihm  ein 
brauchbares  Werkzeug  für  seine  Pläne  erkannte,  und  beide  sich 
in  die  politische  Agitation  und  die  Verschwörungen  stürzten, 
um  ihre  Zukunft  gegen  die  von  Pompejus'  Übermacht  drohen- 
den Gefahren  zu  sichern,  wie  sie  aber  vor  dem  letzten  Schritt 
jedesmal  zurückscheuten  und  daher  nichts  erreichen  konnten,  ist 
früher  schon  erzählt  worden.  Die  Wahl  zum  Pontifex  maxiinus 
hat  Caesar  gegen  die  Häupter  der  Aristokratie  durchgesetzt  und 
dadurch  seine  materielle  Not  etwas  gelindert;  im  übrigen  aber 
war  er  politisch  noch  immer  ein  Anfänger,  den  die  Woge  des 
Parteikampfs  jederzeit  hinwegspulen  konnte.  Aber  nach  dem 
Scheitern  der  catilinarischen  Verschwörung  trat  er  als  Praetor 
mit  geschickter  Wendung  auf  die  Seite  des  Pompejus,  und  in 
seinem  Consulat  erschien  er  als  dessen  befähigtster  Adjutant, 
der  ihm  verschaffte,  was  seine  bisherigen  Werkzeuge  vergeblich 
für  ihn  begehrt  hatten. 

Zugleich  aber  erwies  Caesar  durch  seine  Gesetzgebung  die 
Befähigung  zu  umfassender,  schöpferischer  Wirksamkeit  im  Staats- 
leben; und  daneben  verschaffte  er  sich  auf  Jahre  hinaus  eine 


')  8ueton  5.    Gellius  XIII  8,  5. 

J)  Plut.  Goes.  5.  In  demselben  Jahre  starb  seine  Gemahlin  Cornelia, 
die  Mutter  der  Julia,  der  er  gleichfalls  die  Leichenrede  hielt;  darauf 
heiratete  er  Pompeja,  die  Tochter  des  Q.  Pompejus  Ruf  os,  Consul  88  su- 
sammen  mit  Sulla. 

3)  Sueton  11.    Plut.  Caes.  6  u.  a. 


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342 


Caesar*  Monarchie 


gesicherte  Stellung,  in  der  er  eine  Tätigkeit  entfaltete,  die  weit 
über  das  hinausging,  was  ihm  bei  der  Koalition  als  Aufgabe  zu- 
gewiesen war.  Innerlich  verschob  sich  dadurch  die  Grundlage 
des  Bündnisses  mit  den  beiden  Rivalen;  er  war  ihre  Stütze, 
aus  der  zweiten  rückte  er,  der  jüngste  der  drei,  tutsächlich  an 
die  erste  Stelle.  Indessen  die  Absicht,  es  von  hier  aus  zum 
Entscheidungskampf  um  die  Herrschaft  zu  treiben,  lag  ihm 
noch  völlig  fern,  wenn  auch  die  Möglichkeit,  daß  die  Dinge  ihn 
dahin  führen  könnten,  ihm  schon  damals  neben  gar  manchen 
andern  gelegentlich  aufgetaucht  sein  mag;  und  noch  weit  ferner 
lag  ihm  der  ungeheure  Gedanke,  daß  er  einen  Kampf  zugleich 
gegen  Pompejus  und  gegen  die  legitime  Bepublik  werde  führen 
müssen,  geschweige  denn,  daß  er  ihn  absichtlich  hatte  herbei- 
führen wollen  oder  gar  die  Gewinnung  der  Alleinherrschaft  in 
Gestalt  der  absoluten  Monarchie  sich  als  Ziel  gesetzt  hätte. 
Wie  die  Zukunft  sich  gestalten  werde,  konnte  er  so  wenig  voraus- 
sehn, wie  irgend  ein  andrer;  aber  das  waren  Zukunftssorgen, 
deren  Behandlung  sich  aus  den  Bedingungen  des  Moments  er- 
geben mußte.  Für  die  Gegenwart  kam  es  lediglich  darauf  an, 
sich  auf  möglichst  lange  Zeit  eine  Machtstellung  zu  sichern  und 
alsdann  in  getesteter  Position  neben  den  Rivalen  ebenbürtig  zu 
behaupten.  Dem  diente  die  Eroberung  Galliens,  die  Gewinnung 
eines  nur  von  ihm  abhängigen  Heeres  und  Reichs  im  Gegensatz 
zu  dem  Regiment  der  Republik.  Erwachsen  ist  diese  Eroberung 
aus  dem  Machtstreben,  und  diesem  hat  sie  und  haben  die  reichen 
Mittel,  die  er  hier  gewann  und  rücksichtslos  ausnutzte,  in  erster 
Linie  gedient.  Aber  allerdings  hat  Caesar  diese  wie  jede  andre 
Aufgabe,  die  er  erfaßte,  im  großen  Stile  ausgeführt ;  und  so  hat 
er  hier  zugleich  eine  große  historische  Mission  erfüllt  und  ein  ge- 
waltiges Werk  geschaffen,  das  die  weltgeschichtliche  Entwick- 
lung bis  auf  den  heutigen  Tag,  bis  auf  den  Kampf  zwischen 
Deutschland  und  Frankreich,  in  dem  wir  gegenwartig  stehn, 
beherrscht  hat. 

Um  sich  zu  behaupten,  mußte  Caesar  die  republikanische 
Opposition  daheim  terrorisieren  und  niederhalten,  und  daher  die 
Stellung  seiner  Verbündeten,  wo  sie  aus  eigener  Kraft  dazu 


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Caesar»  politische  Ziele 


343 


nicht  imstande  waren,  nach  Möglichkeit  stärken;  es  wäre  poli- 
tischer Selbstmord  gewesen,  hätte  er,  wie  Mommskn  fordert,  im 
Jahre  56  den  Pompejus  fallen  lassen.  Wie  dann  durch  den  Tod 
des  Crassus  und  vor  allem  durch  das  immer  starker  und  erfolg- 
reicher hervortretende  Streben  des  Pompejus  nach  dem  Principat 
die  Koalition  sich  lockerte,  wie  sie  bei  den  Händeln  des  Jahres  52 
unter  der  Einwirkung  des  großen  gallischen  Aulstandes  nur  mit 
Mühe  äußerlich  aufrecht  erhalten  wurde,  tatsächlich  aber  durch 
die  Allianz  zwischen  Pompejus  und  dem  Senat  bereits  gesprengt 
war  und  wie  der  Konflikt  von  da  an  langsam,  aber  stetig  fort- 
schreitend sich  bis  zur  letzten  Krisis  steigerte,  braucht  nicht 
nochmals  erzählt  zu  werden.  Durch  die  gesetzgeberischen  Maß- 
nahmen des  Pompejus  war  Caesar  der  Rechtsboden,  auf  den  er 
seine  Ansprüche  stützte,  entzogen.  Der  Versuch  Curios,  durch 
den  Antrag,  beiden  Machthabern  die  Niederlegung  ihrer  Stellung 
zu  befehlen,  die  Koalition  zu  sprengen  und  Pompejus  aufs  neue 
zum  Bunde  mit  Caesar  zu  drängen,  führte  zwar  schließlich  zur 
Annahme  des  Antrags,  bewirkte  aber  das  Gegenteil :  die  Haupter 
der  republikanischen  Partei  entschlossen  sich,  unter  Führung  des 
Vorsitzenden  Consuls  und  der  beiden  Consuln  des  nächsten  Jahres, 
trotzdem  einseitig  gegen  Caesar  mit  Zwangsmaßregeln  vorzu- 
gelin,  und  Pompejus  nahm  ihren  Auftrag  an:  er  war  durch  den 
immer  heftiger  und  persönlicher  werdenden  Streit  aufs  äußerste 
gereizt,  und  er  erkannte,  daß  er  einen  politischen  Selbstmord 
begehn  und  das  nach  jahrzehntelangen  Kämpfen  im  Jahre  52 
glücklich  erreichte  Ziel,  als  Oberhaupt  und  Schirmherr  der 
Republik  und  des  8enats  anerkannt  zu  sein,  definitiv  und  für 
alle  Zukunft  preisgeben  würde,  wenn  er  sich  noch  einmal  mit 
Caesar  verbände.  Darauf  führten  die  letzten  Verhandlungen 
und  Vermittlungsversuche  rasch  zur  definitiven  Entscheidung  in 
Rom;  und  Caesar  antwortete,  indem  er  sein  Heer  über  die  Grenze 
seiner  Provinz  führte  und  den  Bürgerkrieg  eröffnete1). 

')  Seit  seinem  Conaulat  hatte  Caesar,  da  er  selbst  keinen  Sohn 
hatte,  wie  Tnbero  berichtet  (Sneton  Caes.  88),  den  Pompejus  iqid  Erben 
eingesetzt  und  daran  bis  zum  Aasbruch  des  Bürgerkriegs  festgehalten. 
Dann  hat  er  sein  Testament  natürlich  kassiert,  es  aber  zugleich  den 


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344 


Caesars  Monarchie 


Die  Ansicht,  daß  Caesar  den  Bruch  gewollt  habe  und  die 
von  ihm  ergriffenen  Vorschlage  und  Maßnahmen  lediglich  dem 
Zweck  dienen  sollten,  den  Bürgerkrieg  herbeizuführen,  wird  durch 
sein  Verhalten  vollkommen  widerlegt.  Viel  klarer  als  seine 
modernen  Beurteiler  empfand  er,  trotz  aller  Genialität  und  trotz 
der  Kriegserfahrung  seiner  Veteranen,  das  Ungeheure  der  Auf- 
gabe, gestützt  auf  die  Machtmittel  der  Cisalpina  und  des  neu- 
eroberten Galliens  den  Kampf  gegen  die  Bepublik  aufzunehmen, 
die  über  die  gesamte  übrige  Mittelmeerwelt  gebot.  Die  Kon- 
zcssionen, zu  denen  er  in  den  Verhandlungen  bereit  war,  die  noch 
weiter  nachgebenden  Bedingungen,  die  er  nach  der  Besetzung 
von  Ariminum  anbot,  die  immer  wieder  erneuten  Versuche,  zu 
Friedensverhandlungen  zu  gelangen,  zeigen  deutlich,  daß  er 
jeden  andern  Ausweg  vorgezogen  hätte.  Daran  änderte  sich 
auch  dadurch  nichts,  daß  er  mit  seiner  schlagfertigen  Armee 
Italien  zu  überrennen  und  die  Sammlung  der  feindlichen  Heeres- 
macht zu  zersprengen  imstande  war  und  diesen  momentanen 
Vorteil  mit  der  vollen  Energie  seiner  Kriegführung  in  genialer 
Weise  auamtrte;  vielmehr  war  mm  trotzdem  weder  die  Sprengung 
der  feindlichen  Koalition  gelungen,  noch  war  es  ihm  möglich, 
Pompe  jus  mit  dem  geretteten  Rest  seiner  Armee  den  Abzug 
aus  Italien  zu  verwehren.  Damit  war  der  Riesenkampf,  dem  er 
entgehn  zu  können  gehofft  hatte,  erst  recht  eröffnet;  und  bis 
zuletzt  schwankte  trotz  all  seiner  Siege  das  Zünglein  an  der 
Wage,  bis  Pompejus  sich  verleiten  ließ,  ihm  die  Feldschlacht 
zu  bieten  und  ihn  dadurch  aus  einer  fast  schon  verzweifelt  ge- 
wordenen Lage  zu  befreien. 

Es  ist  nicht  anders:  der  Krieg  ist  Caesar  aufgezwungen  worden, 
ihm  blieb  kein  andrer  Ausweg,  als  ihn  aufzunehmen,  wenn  er 
nicht  auf  seine  Zukunft  verzichten  und  sich  wehrlos  den  Gegnern 
ausliefern  wollte.  Er  wußte  und  hat  es  oft  ausgesprochen,  „daß 
es  schwerer  sein  werde,  ihn  aus  der  ersten  Stelle  im  Staat  in 


Soldaten  in  einer  Versammlung  vorgelesen,  um  ihnen  seine  wohlwollende 

Gesinnung  gegen  Pompejus  zu  «eigen  und  diesem  allein  die  Ursache 
des  Bruchs  zuzuschreiben. 


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Caesars  Stellung  beim  Ausbrach  de»  Bürgerkriegs  345 

die  zweite,  als  aus  dieser  in  die  unterste  hinabzustoßen  "*),  daß 
er  daher  sich  zur  Wehr  setzen  müsse,  solange  er  noch  die  Macht 
habe.  Den  Erwägungen,  die  ihn  vor  dem  Überschreiten  des 
Rubikon  einen  Augenblick  stocken  ließen,  entsprechen  die  Worte, 
die  er  auf  dem  Schlachtfeld  von  Pharsalos  beim  Anblick  der 
feindlichen  Leichenhaufen  zu  Asinius  Pollio  gesprochen  hat: 
„Das  haben  sie  gewollt;  nach  so  gewaltigen  Taten  wäre  ich, 
Gaius  Caesar,  vom  Gericht  verurteilt  worden,  wenn  ich  nicht 
bei  der  Armee  meine  Zuflucht  gesucht  hätte"2).  Das  ist  ein 
andrer  und  echterer  Caesar,  als  der,  dessen  Bild  die  Neueren 
gezeichnet  haben. 

Caesars  Machtmittel  und  Anhänger 

Für  den  Krieg  standen  Caesar  die  Kräfte  der  Cisalpina,  wie 
schon  bisher,  im  vollsten  Umfang  zur  Verfügung*).  Das  Po- 
land  hatte  damals  bereits,  dank  der  römischen  Kolonisation, 
die  von  der  Natur  vorgezeichnete  beherrschende  Stellung  in 
Italien  gewonnen,  die  es  seitdem  bis  auf  den  heutigen  Tag  be- 
hauptet hat;  Rom,  der  offizielle  Mittelpunkt  der  Halbinsel,  trat 
ihm  gegenüber  bereits  in  den  Hintergrund,  wie  es  denn  auch 
im  geistigen  Leben  eben  in  dieser  Zeit  durch  das  Neuland  über- 

')  Sueton  Ca«.  29  iudicans,  quod  saepe  ex  eo  audüum  ferunt, 
difficüiu8  se  prineipem  civitatis  a  primo  ordine  in  secundum  quam 
ex  secundo  in  novissimum  detrudi. 

*)  Sueton  dies.  30:  Asinius  Pollio  Pharsalica  ade  caesos  pro- 
fligatosque  adversarios  prospicientem  lutec  eum  ad  verbum  dixisse 
referens:  „hoc  voluerunl;  tantis  rebus  gesiis  Gaius  Caesar  condem- 
natus  essem,  nisi  ab  exercitu  auxüium  petissetn'.  Dagegen  behauptet 
Plntarch  Caes.  46,  Pollio  habe  die  von  Caesar  lateinisch  gesprochenen 
Worte  griechisch  aufgezeichnet;  da  hat  er  wohl  die  griechische  Quelle 
mißverstanden,  die  er  benotete  und  die  hier  den  Pollio  zitierte. 

•)  Ein  berühmtes  Beispiel  ihrer  Hingebung  an  die  Sache  Caesars 
bot  bekanntlich  eine  Schar  aus  Opitergium  in  Venetien,  die  bei  den  un* 
glücklichen  Kämpfen  an  der  illyrischen  Küste  im  Sommer  49  sich  unter 
Führung  des  Tribunen  Voltejus  lieber  selbst  den  Tod  gab.  statt  sich  zu 
ergeben:  Liv.  epit.  110  =  Lucan  IV  462  ff.  Florus  11  13,  88  (Dio  41. 
40.  2). 


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346  Caesars  Monarchie 

Üügelt  wurde;  ja  man  kann  die  Unterwerfimg  Galliens  und  den 
Bürgerkrieg  geradezu  als  die  Eroberung  der  Mittelmeer  weit 
durch  die  Cisalpina  bezeichnen.  Dazu  kamen  die  materiellen 
Mittel  der  Narbonensis  und  des  eben  unterworfenen  Galliens, 
aus  dem,  wie  schon  erwähnt,  Caesar  seit  dem  Jahre  52  auch 
Truppen  zur  Verstärkung  seiner  Armee  und  sogar  eine  eigene 
Legion  entnahm,  ebenso  wie  er  aus  den  Giermanen  Reiter  und 
leichte  Truppen  anwarb.  Für  den  Bürgerkrieg  mußte  er  die 
Veteranen legionen,  (Lie  bisher  das  Land  in  Unterwürfigkeit  ge- 
halten hatten,  aus  Gallien  f ortziehn ;  es  ist  einer  der  erstaun- 
lichsten Beweise  für  Caesars  staatamännische  Fähigkeiten,  daß 
es  ihm  gelungen  war,  in  den  letzten  beiden  Jahren  durch  eine 
kluge  Verbindung  von  Strenge  und  Milde  die  Besiegten  und  vor 
allem  den  gallischen  Adel  so  weit  mit  ihrem  Schicksal  zu  ver- 
söhnen, daß  es  in  den  Jahren,  wo  der  gefürchtete  Sieger  selbst 
nicht  eingreifen  konnte  und  die  Aussichten  auf  Wiedergewinnimg 
der  Unabhängigkeit  größer  erscheinen  mußten  als  je  vorher, 
zu  keinem  größeren  Aufstand  gekommen  ist;  eine  Erhebung  der 
Bellovaken  im  Jahre  46  hat  der  fähige  Statthalter  Decimus 
Brutus,  dem  Caesar  nach  der  Eroberung  von  Massilia  die 
Provinz  übertragen  hatte1),  wie  es  scheint  ohne  große  Mühe, 
niedergeworfen  Ä). 

Seine  Soldaten  hatte  Caesar  durch  seine  Erfolge  und  die 
großen  Versprechungen,  die  er  ihnen  machte,  vollständig  an 
sich  gefesselt.  Ebenso  hielten  die  Offiziere,  die  er  durchweg 
selbst  ausgebildet  und  reich  belohnt  hatte,  ihm  die  Treue  mit 
Ausnahme  des  bewährtesten  unter  allen,  des  Titus  Labienus, 
des  alten  Genossen  Caesars  in  der  demokratischen  Agitation, 
der  als  Tribun  im  Jahre  63  den  Rabirius  angeklagt  und  Caesar 
durch  sein  die  Volkswahl  wieder  einführendes  Gesetz  die  Wahl 
zum  Pontifex  maximus  ermöglicht  hatte.  Gerade  der  Umstand, 
daß  sein  alter  Genosse  ihm  so  gewaltig  über  den  Kopf  gewachsen 
war  und  daß  sich  ihm,  wenn  er  zur  Gegenpartei  übertrat,  bei 

')  Appian  II  48,  197,  vgl.  111,  465. 

*)  Li?,  ep.  114  Brutus  legatus  Caesaris  in  Qaüia  Beltovacos  re- 
bellanies  proelio  vicit,  gleichteitig  mit  der  8chlacht  bei  Thap«us. 


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Caesars  Machtmittel  und  Anhänger 


347 


dieser  die  größten  Aussichten  eröffneten,  wird  ihn  verführt  haben, 
den  Lockungen  der  Senatspartei1)  Gehör  zu  geben.  Auch  die 
übrigen,  die  zum  Teil  aus  sehr  vornehmen  Geschlechtern  stammten, 
gehörten  keineswegs  alle  an  sich  zur  Partei;  manche  waren  offen- 
bar politisch  indifferent,  aber  sie  blieben  bei  der  Fahne,  zu  der 
ihr  Weg  sie  geführt  hatte1). 

Bei  der  römischen  Nation  dagegen,  in  dem  gesunden  Teil  der 
Bevölkerung  Italiens,  konnte  Caesar  im  Kampf  gegen  die  Republik 
kaum  irgendwo  auf  Sympathien  hoffen,  nur  auf  stillschweigende 
Unterwerfung  unter  den  Sieger.  Um  so  eifriger  stand  das  Ge- 
sindel auf  seiner  Seite,  das  vornehme  wie  das  geringe.  All  die 
ruinierten  Existenzen,  deren  Zahl  die  politischen  Prozesse  der 
letzten  Jahre  und  die  Maßregeln  der  amtierenden  Oensoren 
(8.  239)  noch  wesentlich  vermehrt  hatten,  strömten  in  sein 
Lager,  mochten  sie  bisher  schon  unter  demokratischer  Flagge 
gekämpft  haben,  sei  es  aus  wirklicher  Überzeugung,  wie  Sallust, 
sei  es,  weil  sie  durch  die  Opposition  Karriere  zu  machen  suchten, 
wie  Titus  Munatius  Plancus*)  und  so  viele  andre  der  Genossen 
des  Clodius,  oder  mochten  sie  bisher  eifrige  Optimaten  gewesen 
sein,  die  sich  hatten  erkaufen  lassen,  wie  Curio,  oder  berechneten, 
daß  die  Aussichten  auf  Caesars  Seite  die  besseren  seien,  wie 
M.  Caelius  Rufus  und  Ciceros  Schwiegersohn  Dolabella4)  oder 
der  junge  Hortensius  (S.  292);  auch  Ciceros  junger  Neffe  Quintus, 

M  Vgl.  Hirtius  bell.  Gall.  VIII  52. 

*)  Von  den  Legaten  aus  früherer  Zeit  ist  Q.  Cicero,  der  im  Jahre  51 
mit  seinem  Bruder  nach  Cilicien  ging,  diesem  auch  im  Bürgerkrieg  ge- 
folgt (ad  Att.  IX  11,  4.  6,  4  u.  a.;  sein  Sohn  versuchte  dagegen  mit  Caesar 
anzuknüpfen  X  4,  5  f.  7,  3),  was  er  nach  der  Niederlage  bitter  bereute 
und  dem  Bruder  vorwarf  (XI  5,  4);  er  eilte  dann,  mit  seinem  Sohn,  mit 
Caesar  seinen  Frieden  zu  machen,  und  dieser  gewahrte  ihm  Pardon 
{XI  6,  7.  7,  7.  10.  1.  12,  1  ff.  usw.).  —  Lucius  Caesar  cos.  64,  der  52 
bi»  Anfang  49  sein  Legat  war  (oben  S.  296),  ist  dann  zwar  in  Rom  ge- 
blieben, hielt  sich  aber  zu  den  Caesarianern  und  wurde  im  Jahre  47 
von  Antonius  zum  praefectus  urbi  bestellt  (Dio  42,  30,  2).  während 
sein  gleichnamiger  Sohn,  der  Unterhändler  im  Januar  49,  zur  Gegen- 
partei überging  und  in  Africa  ein  Kommando  Obernahm.  , 

•)  Sein  Bruder  Lucius  war  schon  im  Jahre  54  Legat  Caesars. 

*)  Ober  seine  Schulden  s.  Cicero  an  Caelius  II  16,  5. 


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348 


Caesars  Monarchie 


der  Sohn  des  ehemaligen  Legaten  Caesars,  zeigte  gleichartige 
Gelüste  (S.  347,  2).  Unter  diesen  Leuten  waren  manche  sehr 
brauchbar,  und  Caesar  hat  sie  mit  Erfolg  verwendet;  aber  fast 
alle  erwarteten  eine  gründliche  Umwälzung  nach  Art  des  Marius 
und  Cinna,  mit  Blutvergießen,  Schuldentilgung  und  umfassenden 
Konfiskationen,  die  ihnen  Reichtum  und  Ehrenstellen  bringen 
und  unter  ihren  persönlichen  Gegnern  von  Grund  aus  aufräumen 
sollte»). 

Die  nächsten  Aufgaben« 
Sallusts  erste  Schrift  an  Caesar 

Da  alle  Versuche  gescheitert  waren,  mit  Pom  pejus  und  dem 
Senat  zu  einem  Abkommen  zu  gelangen,  mußte  Caesar  die  Ord- 
nung Italiens  und  die  Leitung  des  von  seiner  legitimen  Regierung 
verlassenen  Staats  in  die  eigne  Hand  nehmen  und  sich  über  den 
Weg  klar  werden,  den  er  beschreiten  wollte.  Vor  allem  galt  es,  eben 
die  korrupten  Elemente,  die  er  benutzen  mußte,  zugleich  energisch 
im  Zaum  zu  halten  und  die  allgemeine  Erwartung  gründlich  zu 
widerlegen,  daß  er  diese  vexula,  wie  Cicero  sagt,  die  aus  der 
Unterwelt  des  Exils  wiedererstandenen  Abenteurer,  auf  Italien 
loslassen  und  die  Schreckensszenen  des  vorigen  Bürgerkriegs  er- 
neuern werde.  Weder  den  Weg  des  Marius  durfte  er  gehn,  noch 
den  Sullas;  beide  waren  Parteihäupter,  die  einseitig  für  eine 
der  beiden  Interessengruppen  kämpften,  Caesar  dagegen  focht, 
trotz  des  demokratischen  Programms,  das  er,  um  den  Schein 
zu  wahren,  auf  seine  Fahne  geschrieben  hatte,  nicht  für  eine 
Partei,  sondern  für  seine  persönliche  Stellung,  und  wollte  das 
Regiment  auch  ferner  eben  so  unumschränkt  allein  in  Händen 
halten,  wie  er  es  in  Gallien  geübt  hatte. 

Die  nächste  und  dringendste  Aufgabe  war,  eine  Legitimierung 
für  seine  neue  Stellung  zu  gewinnen.  Der  Versuch,  den  Consul 
Lentulus  auf  seine  Seite  zu  ziehn,  war  mißlungen  (S.  267  ff.);  so 
wandte  er  sich  an  diejenigen  Senatoren,  welche  teils  aus  Angst» 
lichkeit,  teils  aus  Mißtrauen  gegen  Pom  pejus  und  Abscheu  vor 

')  Vgl.  Sallust  an  Ca«*ar  I  %  5  (unten  8.  585). 


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Caewars  Versuche,  die  Mittelpartei  zu  gewinnen  349 


dem  Bürgerkrieg  in  Italien  geblieben  waren;  wenn  sie  seine  An- 
hänger verstärkten,  hoffte  er,  einen  Beschluß  des  Rumpfsenats 
in  Rom  zu  seinen  Gunsten  herbeiführen  zu  können.  Nach  dem 
Abzug  des  Pompejus  und  der  Besetzung  von  Brundisium  ließ 
er  in  den  Städten  Italiens  bekannt  machen,  daß  er  die  Anwesen- 
heit der  Senatoren  zu  der  Sitzung  am  1.  April  verlange1).  Vor 
allem  setzte  er  die  Bemühungen  fort  (oben  S.  306),  Cicero  durch 
Oppius  und  Baibus  zu  gewinnen,  und  schrieb  ihm  selbst  mehrere 
schmeichlerische  Briefe,  in  denen  er  ihn  als  Imperator  bezeichnete, 
also  seinen  Anspruch  auf  den  ersehnten  Triumph  anerkannte2). 
Aber  weder  diese  Schmeicheleien,  noch  die  in  ihnen  versteckten 
Drohungen  erreichten  ihr  Ziel :  bei  der  Zusammenkunft  in  Formiae 
am  28.  März  kam  der  Gegensatz  und  damit  der  innere  Wider- 
spruch in  Caesars  Forderungen  deutlich  zum  Ausdruck.  Cicero 
erklärte,  wenn  er  in  den  Senat  kommen  solle,  werde  er  gegen 
den  geplanten  Feldzug  nach  Spanien  sprechen  und  Pompejus' 
Lage  beklagen.  Da  blieb  Caesar  nichts  übrig,  als  offen  auszu- 
sprechen, daß  er  das  nicht  wolle,  und  die  Unterredung  mit  der 
Bitte  abzubrechen,  Cicero  möge  sich  die  Sache  weiter  überlegen: 
„wenn  er  sich  ihm  versage,  müsse  er  die  Leute  nehmen,  die  er  be- 
kommen könne,  und  werde  zu  jedem  Mittel  greifen  müssen"8;. 

>)  Cic.  ad  Att  IX  17  senatum  enim  Kaiendia  fApr.)  teile  se  fre- 
quentem  adesse  etiam  Formiis  proscribi  iussit.  In  den  anderen 
Städten  ist  das  natürlich  ebenso  geschehn. 

*)  ad  Att.  Vin  15  A  schreibt  Balbns  ihm  (Cicero  hat  den  Brief  am 
8.  Marz  erhalten),  er  hoffe,  wenn  der  Consul  Lentulus  gewonnen  sei 
(oben  S.  268,  Ä.).  werde  der  Senat  auctore  ie,  illo  referente  den  Frieden 
▼ermitteln;  ferner  IX  7  Ä  B.  Caesar  selbst  schreibt  IX  6  A  auf  dem 
Marsch  nach  Brnndisiam  Anfang  Marz,  er  hoffe  Cicero  vor  Rom  zu 
sehn,  ut  tue  consilio,  gratia,  dignilate,  ope  omnium  rerum  uti  pos- 
sim;  Cicero«  Antwort  ib.  11  A.  Nach  dem  Fall  von  Brundisium  schreibt 
er  IX  16  A  Ende  Marz  tu  velim  mihi  ad  urbem  praesto  sie,  ut  tuis 
con&ittis  atque  opibus,  ut  consuevi,  in  omnibus  rebus  utar;  er  hofft, 
daß  Dolabella  das  bewirken  wird.  Dazu  kam  die  Einwirkung  anderer  Mittels- 
männer (IX  14. 15. 17.  fam.  XI 27, 8;  vgl.  0.  E.  Schmidt,  Ciceros  Briefw.  160  f.). 
In  derselben  Weise  wird  Caesar  natürlich  auch  auf  andere  eingewirkt  haben. 

*)  ad  Att.  IX  18:  #i  sibi  consiliis  nostris  uti  non  liceret,  usurum, 
Quorum  po88et,  ad  omniaque  esse  descensurum.    Dem  entspricht 


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8Ö0 


Caesar*  Monarchie 


Er  mußte  zulassen,  daß  Cicero  fernblieb,  und  sich  damit  begnügen, 
daß  von  Consularen,  abgesehen  von  seinem  Schwiegervater  Piso, 
nur  der  alte,  gänzlioh  unbedeutende  Volcacius  Tullus  (cos.  66) 
und  der  angstliche  Servius  Sulpicius  Rufus  (cos.  51)  in  der  von 
den  Tribunen  Antonius  und  Q.  Oassius  Longinus  berufenen 
Senatssitzung  erschienen1).  Aber  erreichen  konnte  er  nichts ;  selbst 
Servius  Sulpicius  redete  nur  vom  Frieden  und  der  Vermeidung 
des  spanischen  Feldzugs-).  Es  wurde  zwar  beschlossen,  Gesandte 
an  Pompejus  zu  schicken,  aber  sie  gingen  nicht  ab,  weil  sie 
fürchten  mußten,  von  diesem  als  Feinde  behandelt  zu  werden3). 
Die  dreitägigen  Verhandlungen  verliefen  resultatlos.  Caesar 
mußte  weiter  aus  eigener,  usurpierter  Machtbefugnis  handeln; 
denn  mit  gefälschten  Senatsbeschlüssen  zu  operieren,  wie  Curio 
ihm  nahelegte,  verschmähte  er  mit  Recht*).    Er  gab  seinen 


Caesars  Äußerung  im  Senat  civ.  I  32,  7  sin  timore  defugiant,  Ulis  se 
oneri  non  futurum  et  per  se  rempublicam  administraturwn. 

»)  Tullus  Kollege  M.  Lepidus  (vgl  ad  Att.  VII  12,  4.  28,  1),  den 
Cicero  VIII  1,  8.  9,  8.  15,  2,  vgl.  IX  10,  7  neben  ihm  nennt,  als  ent- 
schlossen, nach  Rom  zurückzukehren,  scheint  trotz  IX  1,  2  an  der 
Sitzung  nicht  teilgenommen  zu  haben.  Auch  C.  Marcellus,  der  Conaul 
des  Jahres  50,  blieb  in  Italien,  kam  aber  nicht  nach  Rom  (vgl.  Cic. 
Att  IX  1,  4.  X  18,  2.  15,  2).  Tullus  und  Servius  Sulpicius  (vgl.  Att.  VIII 
1,  8)  beklagen  sich  bei  Caesar,  daß  er  ihnen  nicht  erlaubt  hat.  wie  Cicero 
abwesend  zu  sein:  ad  Att.  X  8  a.  Piso:  Dio  41,  16,  4.  Andre  Optimaten, 
wie  die  Praetoren  Sosius  und  Rutilius  Lupus,  kehrten  in  großer  Zahl 
nach  Rom  zurück:  ad  Att  IX  1,  2.  IX  12,  8  (20.  Marz):  wahrend  Pom- 
pejus fliehen  muß,  nos  vivimus,  et  stat  urbs  ista,  praetores  ius  dicunt, 
aedil€8  ludos  parant,  viri  boni  usuras  perscribunt,  ego  ipse  sedeol 

*)  Siehe  Cicero«  Briefwechsel  mit  ihm  fam.  IV  1.  2. 

"•)  Dios  Angabe  41,  15,  4,  daß,  als  Piso  auf  den  Antrag  zurückkam, 
der  Senat  das  mißbilligte,  gehört  wie  Plut.  Caes.  37  zeigt,  in  den  An- 
fang des  nächsten  Jahres,  wo  Isauricus.  der  College  Caesars  im  Consulat. 
den  Antrag  zu  Fall  brachte  (S.  867). 

<)  Cicero  (ad  Att  X  4,  9)  fragt  den  Curio:  „quid  isU",  inquam, 
„sex  tut  fo8ces?  si  a  senatu,  cur  laureati?  si  ab  ipso,  cur  sex?" 
„cupin,*  inquit  „ex  senatus  consüUo  surrepto;  nam  alüer  (non) 
poterat.  at  iüe  impendio  nunc  magis  odit  senatum:  a  me,  inquit, 
omnia  proficiscentur."  „cur  autem  sex?"  „quia  XII  nolui,  nam 
licebat."   Wenn  er,  in  Erfüllung  einer  alten  demokratischen  Forderung, 


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Caesar  in  Rom.    Konflikt  mit  dem  Tribunen  MetelluB 


351 


Offizieren,  soweit  sie  ein  selbständiges  Kommando  über- 
nehmen  sollten,  propraetorisches  Imperium,  ebenso  dem  Tri- 
bunen M.  Antonius,  dem  er  die  Aufsicht  über  Italien  übertrug1), 
während  Lepidus  als  Praetor  die  städtischen  Geschäfte  leitete. 
Dazu  kam  dann  der  berühmte  Konflikt  mit  dem  Tribunen 
L.  Metellus,  der  den  Staatsschatz,  dessen  Caesar  sich  bemächtigen 
wollte,  mit  seinem  Leibe  deckte  und  gewaltsam  beiseite  ge- 
schoben werden  mußte;  es  fehlte  wenig,  daß  Caesar  ihn  hätte 
niederhauen  lassen*).  Er  erklärte,  es  falle  ihm  schwerer,  diese 
Drohung  auszusprechen  als  auszuführen.  Darauf  gub  Metellus 
nach3).  Im  übrigen  redete  er  mit  voller  Zuversicht,  er  betrachte 
den  Pompejus  und  seinen  ganzen  Anhang  als  bereits  in  seinen 
Händen4). 

Aber  durch  dies  Auftreten  verlor  er  den  Schein  eines  Vor- 
kämpfers für  die  Volksrechte  und  das  Tribunat,  in  dessen 

den  Söhnen  der  von  Sulla  Proskribierten  die  Bewerbung  um  die  Ämter 
gestattete  (Dio  41,  18),  so  wird  er  das  als  ein  für  den  römischen  Bürger 
unverlierbares  Recht  betrachtet  haben,  dessen  Anerkennung  keinen  Gesetz- 
gebungsakt erforderte. 

')  Antonius  bezeichnet  sich  in  dem  Brief  an  Cicero  ad  Att.  X  8  a 
als  trib.  pl.  pro  pr.;  daher  die  lictores  laureaH  da  Phil.  II  58,  wie 
Mommsek  richtig  gesehn  hat. 

*)  So  hat  Curio  dem  Cicero  erzählt,  der  zugleich  erkennen  laßt, 
daß  die  Erschlagung  des  Tribunen  und  ein  darauf  folgendes  Gemetzel 
dem  revolutionären  Anhang  Caesars  sehr  willkommen  gewesen  wäre 
(Cic.  ad  Att.  X  4,  8:  plane  iracundia  elatum  voluisse  Caesar em  oc- 
cidi  MeieUum  tribunum  pl.;  propius  factum  esse  nihil;  quod  si 
esset  factum,  caedem  magnam  futuram  fuisse;  permuUos  hortatores 
esse  caedis).  Die  übrigen  Berichte  schwächen  die  Scene  meist  ab,  mit 
Ausnahme  Lucans.  Sehr  möglich  ist  Möhnsens  Annahme,  Röm.  Forsch. 
II  506,  daß  in  Lucans  Darstellung  III  141  ff.,  Cotta,  vielleicht  ein  anderer 
Tribun,  habe  dem  Metellus  vorgestellt,  durch  freiwilliges  Nachgeben 
könne  wenigstens  der  Schatten  der  Freiheit  gerettet  werden,  und  ihn 
so  zum  Zurückweichen  bestimmt,  dadurch  sei  seine  Erschlagung  ver- 
hindert worden,  ein  (auf  Livius  zurückgehender)  tntsächlicher  Kern  ent- 
halten ist,  obwohl  alle  anderen  Berichte  davon  nichts  erzählen. 

•)  Plut.  Caes.  85  -  Pomp.  62. 

4)  Plut.  comp.  Pomp,  et  Ages  3:  er  sagt  zu  Metellus,  in  xaxttvov 
(Pomp.)  aixf*iXü>Tov  autoO  vouiCei  xod  to-jg  SXXoo«;  fiteavtac. 


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352 


Casars  Monarchie 


Namen  er  den  Krieg  begonnen  hatte.  So  ist  es  begreiflich,  daß 
er  in  eine  sehr  gereute  Stimmung  geriet  —  sie  »ttert  in  seiner 
Darstellung  im  Bürgerkrieg  noch  nach  —  und  aus  seinem  mit 
Verachtung  gepaarten  Haß  gegen  den  Senat  gar  kein  Hehl 
mehr  machte1);  er  mußte  sogar  die  Absicht  aufgeben,  eine  An- 
sprache an  das  Volk  zu  halten,  sondern  ging  voll  Erbitterung 
zur  Armee  ab*).  So  war  der  Glaube  weit  verbreitet,  daß  er, 
wenn  er  siegreich  zurückkehre,  sein  wahres  Wesen  enthüllen 
und  dem  Morden  und  dem  sozialen  Unisturz  seinen  Lauf  lassen 
werde3). 

Aber  Caesar  hat  sich  bezwungen  und  gute  Miene  zum  bösen 
Spiel  gemacht.  Schon  gleich  nach  den  Senatssitzungen,  noch 
von  Rom  aus,  schrieb  er  an  Cicero  einen  liebenswürdigen  Brief, 
daß  er  ihm  seine  Abwesenheit  nioht  nachtrage,  sondern  zum 
Besten  auslege4);  und  bald  darauf,  am  16.  April,  als  er  gehört 


')  übereinstimmend  mit  Curios  Äußerungen  (vgl.  oben  8.  850,  4) 
schreibt  Caelius  Mitte  April  an  Cicero  (fam.  VDI  16  =  Att.  X  9  a):  si 
exisiimas,  eandem  rationetn  fore  Caesaris  in  dimittendis  adversativ! 
et  condicionibus  ferendis,  erras;  nihil  nisi  atrox  et  saevum  cogitat 

ainue,  eti/im  lonuitur  •  iratiut  sptuitui  exiit'  hin  intercesftionibtis  nlanf- 

incüatus  est;  non  meherculee  erit  deprecationi  locus.  Zu  dieser  Fär- 
bung hat  freilich  der  offenbar  von  Caesar  gegebene  Auftrag  mitgewirkt, 
Cicoro  vom  Verlassen  Italiens  abzuschrecken,  s.  unten. 

*)  Curio  erzählt  dem  Cicero  (Att.  X  4,  8):  eum  (Caesarem)  per- 
turbatum,  quod  inteltegeret  se  apud  ipsatn  plebem  offendisse  de 
(lerario  •  Hanne  ei  cum  certissimum  fu'isset.  anteouam  vroUcisceretur 
conti onem  habere,  ausum  non  esse  vehementerque  animo  perturbatio 
profectum.  Dios  Angabe  41,  16,  er  habe  zum  Volk  extra  pomerium 
in  derselben  Weise  gesprochen  wie  im  Senat,  und  ihm  große  Geschenke 
in  Aufsicht  gestellt  [ebenso  Vellejus  II  50,  2],  ist  also  falsch;  Caesar 
civ.  I  88  berichtet  denn  auch  nichts  davon.  —  Cicero  erwartet  daher 
ad  Att  X  8,  6  (2.  Mai),  daß  er  sich  nicht  lange  werde  behaupten  können, 
da  er  in  6 — 7  Tagen  sogar  die  Zuneigung  des  Pöbels  verscherzt  habe. 

*)  So  z.  B.  Cicero  Att.  X  8,  2  nam  caedem  video,  si  vicerit,  et 
impetutn  in  privatorum  pecunias  et  exulum  reditum  et  tabulas  novas 
et  turpissimorum  honores  et  regnum.  Die  letzteren  Erwartungen 
haben  sich  erfüllt,  aber  die  beiden  ersten  nicht. 

*)  Cic.  Att.  X  8  a  Caesar  mihi  ignoscit  per  litteras  quod  non  »e- 
nerim,  seseque  in  optimam  partem  id  accipere  dicit.   Als  Folie,  um 


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Caesar  and  die  Opposition  in  Rom,  April  49  353 


hat,  Cicero  plane  nun  doch  noch  Italien  zu  verlassen  und  zu 
Pompejus  zu  gehn,  mahnt  er  ihm  freundschaftlich  ab,  mit  der 
äußerst  charakteristischen  Bemerkung:  „Was  ziemt  einem  tüch- 
tigen und  ruhigen  Mann  und  Bürger  mehr,  als  sich  von  den 
bürgerlichen  Streitigkeiten  fernzuhalten  ?  Du  wirst . . .  nichts 
Sichereres  und  Ehrenhafteres  finden,  als  dem  ganzen  Zwist  fern 
zu  bleiben"1).  Darin  tritt,  in  schroffem  Gegensatz  zu  der  in  dem 
bekannten  Gesetz  Solons  präzis  formulierten  Auffassung  republi- 
kanischer Bürgerpflicht*),  in  bezeichnender  Weise  die  Anschauung 
der  neuen  absoluten  Monarchie  hervor,  die  die  Bürger  zu  passiven 
Untertanen  herabdrückt,  welche  die  Streitigkeiten  der  Macht- 
haber und  ihrer  Armeen  nichts  angehn.  Gleichzeitig  freilich  ließ 
Caesar  ihn  durch  Antonius  und  in  sehr  nachdrücklicher  Weise 
durch  Caelius  mahnen*),  und  als  er  doch  bei  seiner  Absicht 
bleibt,  muß  Antonius  ihm  mitteilen,  daß  Caesar  ihm  befohlen 
hat,  niemanden  ohne  seine  Erlaubnis  aus  Italien  fortgehn  zu 
lassen,  und  daß  er  den  speziellen  Befehl  hat,  Cicero  zu  bewachen4). 
Trotzdem  hat  Cicero  bekanntlich  bald  darauf,  am  7.  Juni,  Italien 
verlassen6). 

Die  gewaltigen  Geldsummen,  die  Caesar  dem  Staatsschatz 
entnahm  —  15  000  Gold-,  30  000  Silberbarren,  dazu  30  Millionen 


seine  Rücksicht  auf  Cicero  in  möglichst  hellet  Licht  an  setsen,  teilt  er 
ihm  mit,  daß  Tullus  und  Servius  Salpicias  (oben  3.  850)  ihm  böse  sind, 
daß  er  ihnen  nicht  das  gleiche  gewährt  habe. 
>)  ad  Att.  X  8  b. 

*)  In  dem  Brief  an  Atticu*  X  1,  2  (8.  April),  wenige  Tage  nach  dem 
Gespräch  mit  Caesar,  ist  Cicero  gestimmt,  dies  solonische  Gesetz  nicht 
su  befolgen  (ego  vero  Soloiiis  legem  neglegam  . . .  et  himc  abero  et 

*)  Att  I  8a,  und  Caelius1  Brief  X  9 a  oben  S.  352,  1. 
«)  Att.  X  10,  2.  12,  1,  Tgl.  13,  2.  15,  3. 

*)  Auch  Oppins  hat  ihm  auf  seine  Anfrage,  ob  er  in  Italien  bleiben 
oder  ru  Pompejus  gehn  solle,  durch  die  Antwort  ut  consulerem  dignitati 
meae  klar  zu  verstehn  gegeben,  daß  der  Anschluß  an  Pompejus  für  ihn 
ein  Gebot  der  politischen  Ehre  sei:  ex  quo  quid  sentias  inteliexi,  et 
sum  admiratus  fldem  tuavx  et  in  consilio  dando  religionem,  quod 
cum  aliud  malle  amidssimum  tuum  polares,  antiquius  tibi  officium 
meum  quam  ülius  vohtntas  fuit  (fam.  XI  29,  1,  Juni  44). 

Meyer.  Caesar«  Monarchie  23 


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354  Caesar*  Monarchie 

Sestertien  gemünzten  Geldes1)  und  was  sich  daselbst  an  Natur- 
produkten vorfand,  die  sich  in  Geld  umsetzen  ließen8)  — ,  deckten 
für  den  Augenblick  wenigstens  die  Bedürfnisse  des  Feldzugs. 
Schon  vorher  hatte  er  Sorge  getragen,  eine  der  dringendsten 
Aufgabe»  zu  erledigen,  die  Regelung  der  Stellung  der  Trans- 
padaner.  Durch  das  auf  uns  gekommene  Bruchstück  eines  daran 
anschließenden  Ausführungsgesetzes  wissen  wir,  daß  bereits  am 
11.  März  49  durch  ein  von  dem  Praetor  Lucius  Roscius  Fabatus, 
den  wir  schon  als  Anhänger  Caesars  kennen  gelernt  haben,  ein- 
gebrachtes Gesetz  ihnen  das  Bürgerrecht  verliehen  worden  ist8;. 
Wenn,  wie  nicht  zu  bezweifeln,  bei  der  Einbringung  die  gesetz- 
lich vorgeschriebene  Frist  des  Trinundinum  eingehalten  worden 
ist,  hat  Roscius  das  Gesetz  spätestens  am  23.  Februar  promulgiert, 
also  zu  der  Zeit  der  Kapitulation  von  Corünium,  als  Pompe  jus 
sich  nach  Brundisium  zurückzog.  Deutlich  erkennt  man,  wie 
dringend  notwendig  es  Caesar  erachtete,  nicht  nur  sein  den 
Transpadanem  gegebenes  Versprechen  zu  erfüllen,  sondern  da- 
mit zugleich  den  Hader  über  diese  Frage  (S.  248  ff.)  aus  der  Welt 
zu  schaffen  und  vor  allem  eine  unanfechtbare  rechtliche  Grund- 
lage für  seine  großenteils  aus  den  Transpadanem  ausgehobene 

')  Plin.  88,  56  primo  introüu  urbis  civiU  belle  suo.  Li  via» 
(Orcs.  VI  15,  5)  gibt  4185  Pfand  Gold,  fast  900000  Pfand  8ilber;  letztere* 
waren  75600000  Sestertien. 

')  Darunter  1500  Pfund  Silpbium  aus  Kyrenaika.  Plin.  19,  40 
Caesarem  dictaiorem  initio  belli  civilis  inter  aurutn  argentumque 
protulisse  ex  aerario  laserpici  pondo  MD. 

*)  Die  lex  seive  illud  pL  sc.  est,  quod  L.  Roscius  a.  d.  V  eid. 
Matt,  populum  plebemve  rogatrit  kennen  wir  seit  1880  durch  das 
Bruchstück  einer  Broncetafel  aas  Ateste  CIL.  1 8  ü00,  8.  Mommsex,  ein  zweites 
Bruchstück  des  rubrischen  Gesetze«,  Hermes  16,  24  ff.  —  Ges.  Sehr.  1 175  ff.; 
Bruns-Gradenwitz,  fontes  iuris  ant.  liomani 7  p.  101.  Roscius  war  im 
Jahre  49  praetor  (Caesar  civ.  I  8,  6.  8,  4).  Das  Gesetz,  dem  das  Bruch- 
stück angehört,  stammt  offenbar  aus  demselben  Jahr.  In  der  viel- 
umstrittenen  Frage,  ob  dies  Ausführungsgesetz  mit  der  lex  Rubria 
CIL.  1 115  (I  *  592).  Brürs-Graderwitz,  fontes  p.  97  ff.  identisch  ist,  enthalte 
ich  mich  jedes  Urteils.  —  Dio  41,  36,  4  setzt  die  Verleihung  des  Bürger- 
rechts an  die  Transpadaner  erst  in  Caesars  Dictatur  im  Dezember;  da- 
mals sind  jedenfalls  weitere  Ausführungsbestimmungen  erlassen  worden. 


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Gesetz  über  die  Transpadaner.   Caesars  erste  Dictatur 


355 


Armee  zu  gewinnen :  erat  jetzt  konnten  die  Veteranen  seiner 
Legionen  wirklich  als  römische  Bürger  gelten. 

Dem  Antonius  ist  es  gelungen,  in  Italien,  dessen  Städte  er 
sorgsam  überwachte  und  inspizierte1),  die  Ordnung  aufrecht  zu 
erhalten.  Als  dann  Caesar  den  spanischen  Krieg  siegreich  beendet 
hatte,  wurde  er  durch  den  Praetor  Lepidus  auf  Grund  einer  ihm 
durch  ein  Gesetz  erteilten  Vollmacht  zum  Dictator  ernannt  — 
den  ursprünglichen  Plan,  dem  Praetor  das  ihm  verfassungs- 
mäßig nicht  zustehende  Recht  zur  Ernennung  eines  Dictators 
oder  Leitung  der  Consulwahlen  durch  ein  Gutachten  der  Augurn 
za  begründen,  bei  dem  Cicero  mitwirken  sollte*),  hatte  man 
fallen  lassen  müssen. 

Je  größer  die  Erfolge  waren,  die  Caesar  mit  einer  auch  die 
kühnsten  Erwartungen  übertreffenden  Schnelligkeit  gewonnen 
hatte,  um  so  dringender  wurde  die  Aufgabe,  in  den  inneren 
Verhältnissen  Ordnung  zu  schaffen  und  dadurch  das  Errungene 
sicher  zu  stellen.  Die  Bürgerschaft  Italiens,  die  sich  gefügt  hatte, 
vornehm  und  gering,  war  voll  banger  Erwartung,  ob  sich  nicht 
jetzt  der  wahre  Charakter  seiner  Herrschaft  enthüllen,  ob  er 
nicht  die  bisher  geübte  Milde  beiseite  werfen  und  schalten  werde 
wie  Marius  und  Cinna.  Die  zahlreichen  Exulanten,  die  zu  ihm 
geströmt  waren,  verlangten  die  Aufhebung  ihrer  Verurteilung 
und  die  Wiedereinsetzung  in  ihre  Rechte.  Aber  damit  waren 

')  Cic.  Phil.  II  57.  über  seinen  dort  drastisch  geschilderten  Aufsog 
vgl.  Att.  X  10,  5.  16,  5.  An  einzelnen  Unruhen  wird  es  nicht  gefehlt 
haben;  so  erhält  Cicero  am  11.  Mai  von  den  Centurionen  dreier  in 
Pompeji  Hegenden  Cohorten  das  Anerbieten,  sie  wollten  ihm  die  Stadt 
übergeben.  Daß  er  sich  dem  entzog,  war  selbstverständlich  und  nur  zu 
billigen  (Att.  X  16,  4). 

*)  ad  Att.  IX  9,  3.  15,  2.  Appians  Bericht  Ober  Caesars  Ernennung 
zum  Dictator  II  48  xai  aüxbv  b  ivjuos  xiyp:*m<;  ^pitto  3txtdtopa,  oßt» 
ri  tffi  ßoü).7j;  'ifjtptCojiivTj?  o5t«  npo7«poTovoüvTo$  iJpxov^o?  ist  staatsrecht- 
lich inkorrekt,  und  vollends  die  Entstellung  bei  Plutarch  Caes.  37  «Ipt- 
*tl?  2:xtd<c<up  &rö  rf];  ßooX-?);.  Das  Richtige  gibt  Dio  41.  36  ev  Ö8(j»  ii  ftt 
ovtoc  ahroö  M&pxo;  AlpiXioe  At^o;  ...  xw  xt  fcvjjup  G'mßouXtoo*  3rpwr|TM>v, 
Ivxxäx^pa  Tiv  Kataapcc  spox*ipto'/o9«i,  xai  sofK>s  tlictv  aitöv  x«4  ti  xätp'.a; 
vgl.  Caesar  civ.  II  21;  in  Massilia  legem  de  diciatore  latam  seseque 
dictatorem  dictum  a  M.  Lepido  praetore  cognovit. 


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356  Caesar»  Monarchie 

ihre  Erwartungen  noch  in  keiner  Weise  befriedigt;  sie  hofften 
a  if  ein  gründliches  Gemetzel,  Vermögenskonfiskationen  und 
raiche  Beute  und  vor  allem  die  Tilgung  ihrer  gewaltigen  Schulden- 
last; eben  der  Glaube,  daß  er  das  gewähren  werde,  hatte  so  viele 
ruinierte,  sittlich  verkommene  Existenzen  in  das  Lager  Caesars 
geführt1).  Im  Lager  des  Pompejus  sah  es  bekanntlich  nicht  viel 
anders  aus;  auch  hier  verband  sich  der  durch  die  Niederlagen 
mir  noch  gesteigerte  Rache-  und  Blutdurst  mit  dem  Begehren, 
die  Schulden  los  zu  werden*). 

Die  gewaltige,  durch  Luxus  und  maßlosen  Ehrgeiz  immer 
mächtiger  anwachsende  Schuldenlast  vor  allem  der  Aristokratie 
und  der  hauptstädtischen  Bevölkerung  und  die  dadurch  herbei- 
geführte Unsicherheit  des  Geldmarkts  war  zwar  nioht  die  Ur- 
sache, wohl  aber  ein  bezeichnendes  Symptom  der  vollen  Zer- 
setzung der  Bürgerschaft  und  des  Staats.  Trotzdem  hielt  sich 
der  Zinsfuß  in  Rom  bei  einigermaßen  genügender  Sicherheit  in 
auffallend  mäßigen  Grenzen;  der  normale  Satz  betrug  auch  in 
den  Zeiten  der  Anarchie  nicht  mehr  als  4%.  Das  erklärt  sich 
dadurch ,  daß  ihm  die  schonungslose  Ausbeutung  der  Provinzen 
gegenüberstand ;  hier  war  die  Erpressung  von  Wucherzinsen  in 
den  abhängigen  Gemeinden  und  Staaten  —  bekanntlich  bis  zu 
48%,  wie  bei  der  Anleihe  von  Salamis  auf  Cvpern  bei  M.  Brutus 
—  ganz  gewöhnlich.  Wiederholt  waren  ehrbare  Statthalter  da- 
gegen eingeschritten,  wie  Lucullus  in  Asien,  der  das  Zinsmaxi 
mum  auf  12%  herabsetzte  und  den  Zmseszins  einschränkte3) ; 
analoge  Bestimmungen  erließ  Cicero  in  Cilicien4).  Durch  ein 
Gesetz  des  Consuls  Gabinius  waren  im  Jahr  58  die  von  den 
Gesandtschaften  der  untertänigen  Städte  in  Rom  aufgenommenen 
Anleihen  für  ungültig  erklärt  und  unter  Strafe  gestellt  worden5) ; 
im  Jahre  61  war  ein  Senatsbeschluß  ergangen,  der,  wie  es  scheint, 

')  Außer  CiceroB  Briefen  8.  vor  allem  Sallust  ad  Caes.  I  2.  4  (Bei- 
lage II). 

«)  Cicero  an  Marios  VII  3  (S.  818,  2)  und  sonst;  Sallost  ad  Caes.  I  2,  7. 

*)  Plut.  Luc  20. 

*)  ad  Att.  V  21,  11. 

»)  ad  Att.  V  21,  12.  VI  2,  7. 


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Die  Schulden  und  die  Uge  des  Geldmarkts 


357 


den  Zinse szins  oder  den  Zuschlag  der  Zinsen  zum  Kapital  für 
die  Provinzen  untersagte1).  Jetzt  aber  schuf  der  Ausbruch  des 
Bürgerkriegs  und  der  Auszug  der  Aristokratie  in  Rom  und  Italien 
ganz  unhaltbare  Zustände;  alle  Zahlungen  stockten,  niemand 
konnte  zu  seinem  Gelde  gelangen  oder  eine  Anleihe  aufnehmen2), 
wer  Metall  besaß,  hielt  es  ängstlich  aus  dem  Umlauf  zurück  — 
und  dem  stand  die  Begehrlichkeit  der  Gefolgschaft  des  Siegers 
gegenüber.  Hier  war  ein  Eingreifen  dringend  geboten. 

Während  Caesar  Spanien  unterwarf  und  dann  die  Belagerung 
von  Massilia  zu  Ende  führte,  richtete  Sallust,  den  er  mit  dem 
Kommando  einer  Legion  betraut  und  zur  Unterstützung  des 
Gaius  Antonius,  des  Bruders  des  Tribunen,  nach  IUyrien  entsandt 
hatte8),  ein  Sendschreiben  an  Caesar4),  in  dem  er  ihn  aufforderte, 

')  ad  Att.  V  21.  18  (Dezember  51):  senatus  consultum  modo  fac- 
tum ...  in  creditorum  causa,  ut  centesimae  (der  Zins  von  1  °/o  monat- 
lich) perpetuo  faenore  ducerentur.  In  der  vielumstrittenen  Frage,  wie 
die  für  uns  sehr  dunkle  Stelle  zu  deuten  ist  (vgl.  Billbtsr,  Gesch.  de» 
Zinsfußes  im  Altertum  169  ff.  Momusen,  Der  Zimtwucher  des  M.  Brutus, 
Hermes  34,  145  =  Ges.  Sehr,  in  215  ff.  und  die  dort  angefahrte  Literatur), 
wage  ich  keine  Entscheidung;  ganz  unsicher  ist  auch,  ob  das  Gesotz 
allgemein  für  olle  Provinzen  erlassen  war. 

*)  Dio  41,  37,  2:  die  Schuldner  konnten  nicht  zahlen,  auch  wenn 
sie  wollten,  oot»  fhp  ircoäooftai  v,  oott  littfayttoaotau  ££5iov  a&tot(  ifi- 
Yvtto. 

»)  Oros.  VI  15,  8  (d.  i.  Livius)  Bosaus  et  Saüusiius  cum  singulis 
legionibus,  quibits  praeerant,  simüüer  et  Antonius  . . .  omnes  parüer 
adversus  Octavium  et  Libonem  profecti  et  victi  sunt;  ebenso  werden 
die  Flotten  des  Dolabella  und  Hortensius  besiegt,  Antonius  muß  schließ- 
lich kapitulieren.  Die  Darstellung  dieser  Vorgänge  ist  bekanntlich  im 
»weiten  Buch  des  bellum  civile  ausgefallen.  Basilus  wird  auch  von 
Lucan  IV  426  und  Florus  II  18,  32  erwähnt  (vgl.  Liv.  ep.  110;  Dio  41, 
40  und  Appian  II  47,  191,  vgl.  41,  166  erwähnen  nur  ganz  kurz  die 
Niederlagen  de«  Dolabella  und  Antonius,  ebenso  Sueton  Caes.  86),  Sallust 
nur  von  Orosius;  es  liegt  über  kein  Grund  vor,  die  Angabe  zu  bezwei- 
feln. Sallust  hatte  durch  die  Ausstoßung  aus  dem  Senat  sein  Bürger- 
recht natürlich  nicht  verloren,  konnte  daher  von  Caesar  ohne  weiteres 
als  Legat  verwendet  werden.  —  Dolabella«  Flottenkommando  im  Adria~ 
num  mare  erwähnt  auch  Cicero  ad  Att.  X  7,  2  im  April  49. 

*)  Die  zweite  der  beiden  auf  uns  gekommenen  Broschüren,  über 
Echtheit,  Charakter  und  Abfazsungszeit  derselben  s.  Beilage  IL 


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;35S  Caesars  Monarchie 

„inmitten  der  militärischen  Operationen,  der  Treffen  und  Siege", 
seine  Aufmerksamkeit  doch  auch  den  Aufgaben  des  Staats  — 
oder,  wie  er  sagt,  den  negotia  urbana  zuzuwenden.  „Wenn  Du 
weiter  nichts  im  Sinn  hast,  als  Dich  gegen  den  Angriff  Deiner 
Gegner  zu  wehren  und  gegen  den  feindlichen  Consul  (Lentulus) 
die  Dir  vom  Volk  bewilligten  Privilegien  aufrecht  zu  erhalten, 
so  denkst  Du,  was  Deiner  geistigen  und  sittlichen  Überlegenheit 
unwürdig  ist1).  Lebt  aber  in  Dir  noch  der  Sinn,  mit  dem  Du 
von  Anfang  an  die  Koterie  der  Nobilität  bedrängt  und  der 
römischen  Plebs  aus  schwerer  Knechtschaft  die  Freiheit  wieder- 
gewonnen hast,  als  Praetor  die  Waffen  Deiner  Gegner  ohne 
Waffen  zersprengt  hast,  daheim  und  im  Felde  so  große  Taten 
vollbracht  hast,  daß  selbst  Deine  Feinde  über  nichts  andres  zu 
klagen  wagen,  ab  über  Deine  Größe,  so  nimm  auch  das  an,  w.is 
ich  Dir  über  die  Gesamtlage  des  Staats  (de  summa  repubUca)  vor- 
tragen will."  Immer  wieder  kommt  er  auf  diese  Mahnung  zurück: 
„Wieder  und  wieder  mußt  Du  Deine  Gedanken  darauf  richten, 
wie  Du  die  Verhältnisse  festigen  und  sichern  kannst"2).  „Ich 
bitte  und  mahne  Dich ,  daß  Du ,  der  ruhmreichste  Feldherr, 
nachdem  Du  die  gallische  Nation  unterworfen  hast,  nicht  zu- 
lassen darfst,  daß  des  römischen  Volkes  gewaltiges  und  un- 
besiegtes  Reich  an  Altersschwäche  dahinsieche  und  durch  schwere 
Nachlässigkeit  auseinanderfalle.  Fürwahr,  wenn  das  geschehn 
sollte,  kann  weder  Nacht  noch  Tag  Dir  die  Sorge  abnehmen, 
sondern  von  Schlaflosigkeit  heimgesucht,  von  den  Furien  ge- 
peinigt und  rasend  würdest  Du  mit  verstörten  Sinnen  umher - 
irren"").  Er  achließt  mit  dem  Appell,  den  Vaterland  und  Vor- 
fahren, wenn  sie  reden  könnten,  an  ihn  richten  würden:  „Als 
Lohn  für  all  das,  was  wir  Dir  bei  der  Geburt  gegeben  haben, 
den  größten  Staat  der  Welt  als  Heimat,  in  dieser  Haus  und 
Familie  von  höchstem  Anselm,  gute  Erziehung,  ehrbaren  Reich- 

')  indigna  virtute  tua  cogitas  II  2.  8. 
•)  H  4,  4. 

')  II  12,  5  fl.  profecto ,  si  id  accidat,  neque  tibi  nox  neqite  die* 
curam  animi  sedaverit,  quin  maomniis  exercüus  furibundus  aUjwt 
amens  aUenaia  mente  feraris. 


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Siilliwtn  .Seiidüchreibwi  an  Caewar 


tum,  alle  Auszeichnungen  daheim  und  Belohnungen  im  Krieg, 
fordern  wir  von  Dir  nichts  Böses  oder  eine  Schandtat,  sondern 
daß  Du  die  zerstörte  Freiheit  wiederherstellst.  Der  Ruhm,  den 
Du  bisher  gewonnen  hast,  hat  in  dem  vieler  andrer  tapferer 
Männer  seinesgleichen  ;  wenn  Du  aber  die  Stadt  mit  ihrem 
ruhmreichen  Namen  und  gewaltigen  Reich,  die  fast  schon  am 
Rande  des  Untergangs  steht,  wiederherstellst,  wer  kann  ruhm- 
voller, wer  größer  sein?  Sollte  es  jetzt  durch  Krankheit  oder 
eine  Schicksalsfügung  für  dieses  Reich  anders  kommen,  wer 
kann  zweifeln,  daß  das  die  Verwüstung,  Kriege,  Bluttaten 
über  den  ganzen  Erdkreis  bringen  würde"  —  eine  Prophezeiung, 
die  sich  buchstäblich  erfüllt  hat.  „Wenn  Du  aber  unsem  Bitten 
nachgibst,  wird  nach  Wiederherstellung  des  Staats  Dein  Ruhm 
alle  Sterblichen  weit  überragen  und  bei  Dir,  und  bei  Dir  allein, 
der  Tod  noch  ruhmvoller  sein  als  das  Leben.  Denn  die  Lebenden 
sucht  mitunter  das  Schicksal,  oft  der  Neid  heim;  ist  aber  das 
Leben  erloschen,  so  fallen  die  Neider  weg,  und  der  wahre  Wert 
(viftus)  wächst  immer  höher  hinauf."  „Ich  habe,"  so  schließt 
er,  „was  mir  als  das  Nützlichste  und  Dir  Dienlichste  erschien, 
mit  so  wenig  Worten  wie  möglich  niedergeschrieben.  Im  übrigen 
flehe  ich  zu  den  unsterblichen  Göttern,  daß,  wie  Du  auch  ver- 
fahren mögest,  es  Dir  und  dem  Staate  günstig  ausfallen  möge." 

Die  Bürgerschaft,  so  führt  er  aus,  zerfallt  seit  alters  in  zwei 
Teile,  Senat  und  Volk  (in  patres  et  plebem))  jener  hatte  vormals 
das  größte  Ansehn,  dieses  weitaus  die  größte  Macht.  „Aber  als  die 
Korruption  um  sich  griff  und  die  ärmere  Bevölkerung,  von  ihrem 
Grundbesitz  vertrieben,  beschäftigungslos  und  ohne  festen  Wohn- 
sitz leben  mußte,  begann  sie,  nach  fremder  Habe  zu  begehren 
und  ihre  Freiheit  und  damit  den  Staat  käuflich  zu  machen.  So 
ist  das  Volk,  das  offiziell  der  Herr  war  und  allen  Völkerschaften 
gebot,  allmählich  herabgesunken  und  hat  an  Stelle  der  Herr- 
schaft der  Gesamtheit  sich  die  persönliche  Knechtschaft  jedes 
einzelnen  beschert.  Diese  Menge,  die  einmal  insgesamt  schlechten 
Sitten  verfallen  ist,  sodann  aber  sich  in  verschiedene  Lebens- 
formen und  Beschäftigungen  aufgelöst  hat"  —  statt  der  Einheit 

inneren  Übereinstimmung 


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360 


Cftewre  Monarchie 


ermangelt,  scheint  mir  wenigstens  wenig  geeignet,  die  Staats- 
leitung zu  übernehmen"1).  Br  forciert  daher  die  Aufnahme  von 
Neubürgern,  „wodurch,  wie  ich  hoffe,  alle  wieder  zur  Freiheit 
werden  aufgerüttelt  werden,  da  die  Neubürger  sorgen  müssen, 
ihre  Freiheit  zu  behaupten,  die  andern,  aus  der  Knechtschaft 
herauszukommen"  —  in  erster  Linie  ist  natürlich  an  die  Trans- 
padaner  gedacht,  aber  auch  an  die  sonstigen  Ausländer,  vor  allem 
die  in  Caesars  Heer.  „Werden  diese  Neubürger  vermischt  mit 
den  Altbürgern  in  Kolonien  angesiedelt,  so  wird  sowohl  für  die 
Aushebung  eine  größere  Volksmenge  zur  Verfügung  stehn,  als 
auch  die  Plebs,  die  jetzt  wieder  durch  eine  heilsame  Tätigkeit 
gefesselt  ist,  aufhören,  den  Staat  zu  schädigen"1).  „Ich  weiß 
sehr  wohl,"  fährt  er  dann  fort,  „wie  wild  die  Vornehmen  werden 
und  welchen  Sturm  sie  erregen  werden  mit  der  Behauptung, 
dadurch  werde  alles  von  Grund  auf  aufgerüttelt  und  die  Alt- 
bürger in  Knechtschaft  hinabgestoßen"  —  wie  das  bei  den  Ver- 
handlungen über  das  Bürgerrecht  der  Italiker  seit  der  Gracchen- 
zeit  geschehen  war  —  „es  werde  an  Stelle  des  Freistaats  eine 
Königsherrschaft  treten,  wenn  durch  das  Geschenkeines  Einzelnen 
eine  ungeheure  Menge  zum  Bürgerrecht  gelange.  Aber  ich  denke 
bei  mir  so:  der  begeht  eine  schlechte  Handlung,  der  zum  Nach- 
teil des  Staats  sich  Gunst  zu  gewinnen  sucht;  aber  wo,  was  dem 
Staat  zum  Heil  gereicht,  auch  persönlichen  Vorteil  bringt,  da 
ist  es  ein  Beweis  von  Schlaffheit  und  Feigheit,  wenn  man  sich 
bedenkt,  das  in  Angriff  zu  nehmen."  An  dem  Beispiel  des  Marcus 
Drusus  führt  er  aus,  wie  die  Koterie  der  Optimaten  ihn,  der  im 
Interesse  der  Nobilität  vorging,  zu  Fall  gebracht  habe,  als  sie 
sahn,  daß  ihm  durch  seine  Anträge  über  das  Bürgerrecht  der 

')  II  5,  6  haec  igitur  mulUtudo  primum  malis  moribus  inbuta, 
deinde  in  artis  vUasque  varias  dispalata,  nullomodo  inier  se  con- 
gruens,  partim  mihi  idonea  videtur  ad  capessendam  rempublicam. 

*)  II  5,  6  ceterum  additis  novis  civibus  magna  me  spes  tenet, 
fore  tU  omnes  expergiscantur  ad  libertatem :  qiiippe  cum  Ulis  liber- 
tfltis  retinendae,  tum  his  servitutis  amittendae  cura  orietur.  hos  ego 
censeo  permixtos  cum  veteribus  novo»  in  coloniis  constituas;  ita  et 
res  müitaris  opulentior  erit  et  plebs  bonis  negotiis  impedita  malum 
publicum  facere  desinet. 


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8allu!<ts  Sendschreiben  an  Caesar 


361 


Italiker  neue  gewaltige  Macht  zufließen  werde:  „Da  jeder  von 
ihnen  sich  seiner  schlechten  und  unzuverlässigen  Gesinnung  be- 
wußt war,  beurteilten  sie  den  Drusus  nach  sich  selbst  Um 

so  mehr  mußt  Du  Sorge  tragen,  daß  Du  über  treue  Freunde 
und  vielfache  Schutzmittel  verfügst." 

Man  sieht,  wie  die  aristokratische  Theorie  in  Ciceros  Schrift 
über  den  Staat  muß  auch  die  der  Demokratie  große  Abstriche 
von  ihrem  idealen  Programm  vornehmen  und  den  realen  Ver- 
hältnissen gewaltige  Konzessionen  machen.  Eine  wirkliche  Volks- 
herrschaft  ist  eben  so  unmöglich  geworden  wie  ein  wahrhaft 
kollegiales  Regiment  der  Nobilität;  über  beiden  erhebt  sich  über- 
mächtig und  für  die  Durchführung  der  Aufgaben  des  Staats  un- 
entbehrlich die  Einzelpersönlichkeit,  so  verschieden  auch  die 
Auffassung  ist,  nach  der  ihre  Stellung  gestaltet  wird. 

Zugleich  erkennt  Bailust  die  völlige  Zersetzung  des  romischen, 
d.  i.  des  italischen  Volkes,  ganz  unumwunden  an.  Es  ist  nicht 
mehr  imstande,  seine  Weltstellung  zu  behaupten :  wenn  es  bleibt, 
wie  es  ist,  muß  es  zugrunde  gehn  und  Roms  Schicksalsstunde 
hat  geschlagen1).  Nur  durch  umfassende  Zuführung  neuen, 
kräftigen  Bluts  aus  den  Untertanen  kann  es  innerlich  regeneriert*) 
und  gerettet  und  damit  die  drohende  Katastrophe  abgewendet 
werden. 

Auf  die  Einzelvorschläge,  die  Sallust  über  die  Gestaltung 
des  Senats,  der  Gerichte,  der  Wahlen  macht,  brauchen  wir  an 
dieser  Stelle  noch  nicht  einzugehn.  Im  Mittelpunkt  seiner  Ge- 
danken und  Forderungen  steht  die  Wiederherstellung  der  alten 
Zucht  und  Sitte,  von  deren  Verfall,  ganz  wie  in  seinen  historischen 
Schriften  oder  wie  bei  Polybios,  mit  dessen  Theorie  sich  die 
Ideen  Sallusts  überhaupt  aufs  engste  berühren,  der  Niedergaug 
des  Staats  hergeleitet  wird;  und  dieser  Verfall  beruht  wieder  auf 
der  Macht,  die  das  Geld  gewonnen  hat.  „Denn  wo  die  Gier  nach 
Reichtum  Eingang  gefunden  hat,  ist  weder  die  Zucht  noch  die 

•)  Vgl.  I  5.  2  f.,  b.  unten  8.  391. 

*)  II  7,  2  ubi  €08  (die  Neubörger)  in  civitatem  adduxeris .  quo- 
niam  quidem  renovata  plebs  erit,  eet.  II  10,  1  nunc  quoniam,  sicuti 
mihi  videor,  de  plebe  renovanda  corrigendaque  satte  dteserui. 


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362 


Caesar*  Monarch!» 


erworbene  Berufsbildung  noch  irgend  ein  Charakter  stark  ge- 
nug1), zu  verhindern,  daß  nicht  der  Geist  früher  oder  spater, 
aber  schließlich  dennoch  der  Versuchung  erliegt".  Viele  Staaten 
und  Königreiche  sind  so  zugrunde  gegangen,  die  begründet 
wurden,  als  sie  arm,  aber  tüchtig  waren*).  „Denn  wo  ein  tüchtiger 
Mann  sieht,  daß  ein  schlechterer  durch  seinen  Reichtum  mehr 
Ruhm  und  Popularität  gewonnen  hat,  schwankt  er  zuerst  und 
wälzt  die  Gedanken  in  seiner  Brust  hin  und  her;  allmählich  aber 
besiegt  der  Ruhm  die  Ehre,  der  Wohlstand  die  Tüchtigkeit, 
und  so  lallt  seine  Gesinnung  von  dem  Wahren  zur  Genußsucht 
ab;  denn  der  Ruhm  wird  durch  betriebsamen  Fleiß  genährt, 
fällt  jener  weg  (führt  jene  Tätigkeit  nicht  zu  Ansehn),  so  ist  die 
Tugend  an  sich  bitter  und  rauh.  So  werden,  wo  der  Reichtum 
in  Ansehn  steht,  alle  guten  Eigenschaften  gering  geschätzt, 
Treue,  Rechtschafienheit,  Scham,  Keuschheit;  denn  der  Weg  zur 
Tugend  ist  steil,  Geld  aber  kann  man  erstreben  auf  welchem 
Wege  man  will,  man  gewinnt  ebensogut  durch  schlechte  wie 
durch  gute  Mittel." 

Die  Grundforderuug,  die  Sallust  stellt,  ist  daher,  die  Macht 
des  Geldes  zu  brechen :  ..Daher  schaffe  vor  allem  das  Ansehn  de» 
Geldes  aus  der  Welt"::);  „bei  weitem  das  größte  Gut  wirst  Du 
dem  Vaterland  für  seine  Bürger,  Dir  für  Deine  Kinder,  ja  über- 
haupt dem  gesamten  Menschengeschlecht  schaffen,  wenn  Du  dio 
Gier  nach  Geld  überhaupt  aufhebst  oder  wenigsten»  soweit  ein- 
schränkst, wie  die  Verhältnisse  es  gestatten,  auf  andre  Weise 
läßt  sich  der  Staat  sowohl  wie  die  eigenen  Angelegenheiten  weder 
im  Frieden  noch  im  Kriege  regieren."  Durch  eine  andre  Ge- 
staltung der  Wahlen  und  der  Besetzung  der  Gerichte  —  wir 
kommen  darauf  zurück  - —  glaubt  er  das  erreichen  zu  können. 
„So  tritt  neben  das  Geld  die  Würdigkeit,  und  jeder  wird  streben, 
den  andern  durch  Tüchtigkeit  zu  überholen.    Das  halte  ich  für 

')  II  7,  4  neque  diseiplina  iitque  artes  bonae  neque  ingenium 
uUum  »Otis  poüet.  Das  hat  Ballast  bekanntlich  an  sich  selbst  erfuhren. 

')  imperia .  . .  quae  per  virtutem  inopes  ceperant.  Vgl.  schon 
den  Abschloß  des  Werk»  Herodots  IX  122. 

'-)  II  7,  10  ergo  in  primis  auetoritatem  pecuniae  demito. 


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SnllosU  Sendschreiben  an  Caesar 

ein  großes  Heilmittel  gegen  den  Reichtum;  denn  nach  dem 
Nutzen,  den  es  bringt,  wird  alle»  gepriesen  lind  erstrebt.  Durch 
den  Lohn,  den  sie  einbringt,  wird  die  Schlechtigkeit  gefördert; 
nimmt  mun  den  Lohn  weg,  so  ist  kein  Mensch  ohne  Entgelt 
schlecht.  Die  Habgier  ist  ja  eine  wilde,  brutale,  unerträgliche 
Bestie;  wo  sie  hiudringt,  verwüstet  sie  Stadt  und  Land,  Heilig- 
tümer und  Wohnungen,  wirft  göttliche  und  menschliche  Dinge 
durcheinander,  weder  Heer  noch  Mauern  können  hindern,  daß 
sie  mit  ihrer  Gewalt  durchdringt;  sie  raubt  allen  Sterblichen 
Ruf,  Ehrbarkeit,  Kinder,  Heimat  und  Eltern.  Aber  wenn  Du 
die  Ehrung  des  Geldes  beseitigst,  wird  diese  gewaltige  Macht 
der  Habgier  durch  gute  Sitten  leicht  besiegt  werden.  Freilich, 
obwohl  alle  Welt,  gut  und  schlecht,  weiß,  daß  es  «ich  so  ver- 
hält, wirst  Du  mit  der  Koterie  der  Nobilität  einen  nicht  geringen 
Kampf  darüber  zu  bestehn  haben.  Kannst  Du  deren  Intrigen 
eutgehn,  so  wird  alles  andre  glatt  verlaufen.  Diese  Leute  aber 
würden,  wenn  ihre  männlichen  Eigenschaften  dazu  ausreichten1), 
lieber  mit  den  Tüchtigen  wetteifern,  statt  sie  zu  beneiden;  da 
aber  Trägheit  und  Kraftlosigkeit,  Stumpfsein  und  Schlaffheit  sie 
beherrscht,  toben  und  neiden  sie  und  erachten  den  guten  Ruf 
andrer  eine  Schande  für  sich  selbst." 

Es  sind  unausfülirbare  Gedanken  und  utopische  Phantasien, 
die  Sallust  als  Mittel  für  eine  radikale  Reform  und  Rückbildung 
zu  den  gesunden  Zuständen  der  Vorzeit  vorträgt;  auch  er  steht 
unter  der  Einwirkung  der  Grundanschauung,  welche  die  gesamte 
politische  Theorie  des  Altertums  seit  Sokrates  beherrscht  und 
in  Plato  ihren  vollendetsten  Ausdruck  gefunden  hat,  daß  eine 
richtige  Gesetzgebung  die  gesamten  Lebensformen  von  Grund 
aus  umgestalten  und  die  geschichtlich  gegebenen  Bedingungen 
des  Daseins  sowie  der  Gestaltung  der  Gesellschaft  aufheben 
könne  —  eine  Vorstellung,  die  ja  auch  in  der  Neuzeit  und  in 
der  Gegenwart  in  Theorie  und  Praxis  eine  gewaltige  Rolle  spielt. 
Aber  eben  darum  ist  seine  Schrift  ein  nur  um  so  wert  vollere» 


')  II  8,  7  st  virüute  satte  valerent.  —  mriius  bildet  er,  am  des 
eigentlichen  Begriff  der  virtus  klarer  hervortreten  so  lassen. 


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Caesars  Monarchie 


Zeugnis  für  die  innere  Zersetzung  der  Grundlagen,  auf  die  der 
Staat  der  Republik  aufgebaut  war.  An  8telle  der  Gleichheit 
der  Lebensformen  und  Anschauungen  und  der  dadurch  ge- 
schaffenen inneren  Homogenitat  der  Bürgerschaft  war  die  indivi- 
dualistische Auflösung  getreten,  welche  die  Republik  innerlich 
längst  aufgehoben  hatte  und  jetzt  den  Zusammenbruch  des  aus- 
gehöhlten und  morsch  gewordenen  Gebäudes  herrjeifährte.  Und 
doch  haftete  an  diesen  Trümmern  eine  gewaltige  Tradition  von 
tiefem  sittlichem  Wert:  unmöglich  konnte  man  dies  Ideal  der 
Vergangenheit  einfach  beiseite  stoßen,  immer  wieder  erwächst 
•aus  der  Tiefe  des  Herzens  das  Streben,  es  zu  retten,  den  alten 
Bau  wiederherzustellen. 
• 

Caesars  Maßregeln  im  Jahre  49 

Auch  Caesar  hat  später  in  seiner  Sittengesetzgebung  solchen 
Illusionen  nachgegeben;  aber  in  den  eigentlich  politischen  Fragen 
lagen  sie  ihm  ganz  fern,  hier  war  er  der  praktische  Staatsmann, 
der  mit  scharfem  Bück  die  realen  Kräfte  und  Bedingungen  er- 
kannte  und  nur  mit  ihnen  rechnete.  Schwerlich  wird  ihm  Sallusts 
Schrift  großen  Eindruck  gemacht  haben,  mochte  er  sie  auch 
freundlich  aufnehmen.  Aber  auch  wenn  er  ihren  Gedanken 
innerlich  näher  gestanden  hätte,  war  es  doch  in  der  damaligen 
Lage  völlig  ausgeschlossen,  daß  er  sich,  wie  Sallust  forderte, 
.jetzt  bereits  dem  Umbau  des  Staats  zugewendet  hätte.  Wie 
die  Dinge  sich  im  Innern  schließlich  gestalten  würden,  ließ 
sich  noch  in  keiner  Weise  absehn,  ja  schwerlich  hat  ihm  damals 
schon  eine  bestimmte  Anschauung  über  die  Stellung  vorgeschwebt, 
die  er  selbst  in  Zukunft  einnehmen  wollte;  dachte  er  doch  immer 
noch  sehr  ernstlich  daran,  den  Krieg  durch  ein  Abkommen  mit 
Pompejus  zu  beenden.  Dadurch  wäre  die  absolute  Monarchie, 
die  er  nach  dem  vollen  Siege  begründete,  natürlich  ausgeschlossen 
gewesen;  offenbar  sind  die  Gedanken,  die  er  dann  durchgeführt 
hat,  in  ihm  erst  allmählich  aus  der  Gestaltung  erwachsen,  zu 
der  die  Entwicklung  geführt  hat.  Zunächst  war  seine  Aufgabe, 
den  Krieg  möglichst  rasch  mit  derselben  Energie  wie  bisher 
weiter  zu  führen  und  zu  beenden. 


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Caesars  Maßregeln  Ende  49  365 

Aber  allerdings  lag  auch  im  Innern  eine  Reihe  dringender 
Aufgaben  vor,  die  nicht  länger  unerledigt  bleiben  konnten.  Vor 
allem  galt  es,  dem  Staat  wieder  ordnungsmäßige  Beamte  zu 
bestellen.  So  trat  er,  als  er  nach  Bändigung  und  Bestrafung 
eines  Aufruhrs  der  neunten  Legion  in  Placentia  zu  Anfang 
Dezember  (jul.  Oktober)  nach  Rom  zurückkehrte,  die  ihm  über- 
tragene Dictatur  an,  ohne  einen  Magister  equitum  zu  ernennen, 
und  leitete  die  Wahlen,  bei  denen  er  selbst  mit  P.  Servilius 
Isauricus  zum  Consul  gewählt  und  die  übrigen  Magistraturen 
mit  seinen  Anhängern  besetzt  wurden.  Die  Verteilung  der 
Ämter  unter  die  Praetoren  bestimmte  er  selbst,  statt  sie,  wie 
herkömmlich,  dem  Los  zu  überlassen1);  ebenso  bestellte  er  die 
Statthalter  für  die  in  seinem  Besitz  befindlichen  Provinzen2;. 
Mehrere  gesetzgeberische  Maßregeln  wurden  bereits  vor  seiner 
Ankunft  in  Rom  von  den  Tribunen  und  Praetoren  eingebracht 
und  unter  seiner  Leitung  angenommen,  so  Ausführungsbestim- 
mungen  für  die  Regelung  der  Rechtsstellung  und  Rechtssprechung 
in  der  Cisalpina8),  und  vor  allem  die  Restitution  der  unter  der 
Herrschaft  des  Pompejus  Verurteilten4),  darunter  auch  des 
Gabinius,  den  Pompejus  nicht  hatte  schützen  können  und  der 
jetzt  in  Caesars  Dienste  trat;  dagegen  blieb  sein  alter  Gegner 

')  Dio  42,  22,  2. 

')  Äppian  II  48,  197. 

')  Vgl.  oben  S.  854. 

*)  Caesar  civ.  HI  1  itemque  praetoribua  tribunisque  plebis  roga- 
tiones  ad  populum  ferentibus,  nonnullos  ambüus  Pompeia  lege  dam- 
natos  . . .  <fi  integrum  restituit.  Den  Antrag  mußten  die  Praetoren 
nnd  Tribunen  stellen,  weil  Caesar  selbst  keine  Zeit  hatte,  da«  Trinun- 
dinum  einzuhalten.  Die  Annahme  bewirkt  er  selbst,  und  tut  sich  nicht 
wenig  darauf  zugute,  daß  er  Torher  von  ihren  Diensten  keinen  Ge- 
brauch gemacht  habe,  also  völlig  korrekt  verfahren  sei.  Cicero  Phil. 
II  56.  98  sagt  von  Antonius:  restituebat  muUos  calamitosos  und  macht 
ihm  zum  Vorwurf,  daß  er  trotzdem  seinen  Oheim  Gaius  nicht  zurück- 
berufen habe  (aus  Cicero  entlehnt  in  der  Rede  bei  Dio  45,  47.  46,  15). 
Mithin  fallt  das  Gesetz  noch  in  Antonius'  Tribunat,  vor  den  10.  De- 
zember: andere  Verbannte  mögen  dann  durch  praetorizche  Spezialgesetz* 
zurückberufen  sein.  —  Die  Historiker  schreiben  diese  Gesetze  natürlich 
Caesar  selbst  zu  (Dio  41,  86.  Appian  H  48.  Plut.  Caes.  87). 


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366  Caesars  Monarchie 

Milo  natürlich  im  Exil,  aber  auch  Sextus  Clodius,  einer  der 
ärgsten  Unruhestifter1),  und  ebenso  um  des  demokratischen  Prin- 
zips willen  Gaius  Antonius,  der  Besieger  Catilinas;  erst  ein  paer 
Jahre  spater  gewährte  Caesar  ihm  die  Rückkehr-). 

Weit  größere  Schwierigkeiten  machte  die  Regulierung  der 
(^Verhältnisse  und  der  Schulden.  Die  Zustände  waren  ganz 
unhaltbar  geworden,  und  die  Tribunen  hatten  bereits  ohne  viel 
Erfolg  durch  Herabsetzung  der  Zinsen  zu  helfen  gesucht8). 
Hier  mußte  Caesar  eingreifen.  Daß  die  Gedanken  Sallusts  un- 
ausführbar waren,  leuchtete  ein;  aber  ebenso  lehnte  Caesar 
einen  Schuldenerlaß  und  eine  allgemeine  soziale  Umwälzung  ab, 
wie  sie  die  Radikalen  forderten.  Er  beschränkte  sich  darauf, 
kraft  seiner  magistratischen  Amtsgewalt  die  Bestellung  von 
Schiedsrichtern  zu  verordnen4),  welche  den  Wert  des  unbeweg- 
lichen und  beweglichen  Vermögens  nach  dem  Stande  vor  Aus- 
bruch des  Bürgerkriegs  abschätzen  und  so  die  Gläubiger  in 
billiger  Weise  befriedigen  sollten;  außerdem  bestimmte  er 
mit  Berufung  auf  ältere  Gesetze,  daß  niemand  mehr  als  fünf- 

')  Cic  Att.  XIV  18.  6.  13  A.  14,  2. 

•)  Cic.  Phil.  II  98.  Strabo  X  2,  18,  Bekanntlich  hatte  Qbrigeiu 
Caesar  diesen  C.  Antonius  im  Jahre  76  wegen  seiner  Erpressungen  in 
Griechenland  verklagt;  es  mag  also  eine  persönliche  Feindschaft  hinzu- 
gekommen sein. 

s)  Dio  41,  87,  2:  infolge  der  Schulden  und  der  Geldnot  hoaJux  piv 
&Ktota,  *oXX4  8t  xcü  &oX»pa  *p6c  atXX-r)Xoo<  snparrov  .  .  .  tu*tpiao$Y)  ulv 
xal  xp6  tootoo  *p©$  fcrjUÄpxwv  ttv&v  tä  xato  wü«  toxoo«. 

4)  constituit  ut  arbitri  darentur;  per  eon  flerent  aestimationes 
possessionum  et  rerum,  quanii  quaeque  earum  ante  bellum  fuissei, 
atqiie  hae  creditoribus  traderentur  Caes.  civ.  III  1.  .Die  Bestellung 
der  arbitri  erfolgte",  schreibt  E.  Seckbi.  mir.  .durch  die  zuständigen 
Jurisdictionsbeamten.  den  praetor  urbanus  u.  s.  w.,  nicht  durch  Caesar 
«elbst  Zu  der  Verordnung  war  er  befugt,  sie  ist  ein  Dienst- 
befehl, den  er  kraft  seiner  maior  potestas  den  magistratus  minore 
poteMate  erteilt."  Ober  den  Inhalt  der  Verordnung  stimmen  Dio  41,  37 
und  App.  II  48  mit  Caesar  überein  (Plut.  Caes.  87  begnügt  sich  mit 
der  allgemeinen  Wendung  ouoaxfct?  ttvl  toxwv  ixoötptC«  tob;  xP'(u'Pu^tac)> 
nur  daß  Dio  c.  38  noch  die  weitere  Anordnung  über  die  Flüssigmachung 
des  Geldes  hinzufügt.  Die  bei  Sueton  42  mit  der  Mafiregel  des  Jahres  49 
verbundenen  Anordnungen  gehören  in  eine  spätere  Zeit 


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Regulierung  der  Schulden 


367 


zehntausend  Denare  in  Bargeld  aufspeichern,  sondern  das  übrige 
in  Umlauf  bringen  müsse1),  lehnte  aber  die  Forderung,  die  Durch- 
führung dieser  Maßregel  dadurch  zu  erzwingen,  daß  die  Sklaven 
darüber  unter  Gewährung  einer  Prämie  zur  Anzeige  zugelassen 
würden,  mit  Entrüstung  ab.  So  erwies  er,  daß  er  nicht  gesonnen 
war,  als  Parteimann  zu  herrschen,  sondern  über  den  Parteien 
stehend  ein  gerechtes,  die  Ansprüche  beider  Seiten  in  billiger 
Weise  ausgleichendes  Regiment  begründen  wollte.  Der  in  Rom 
durch  die  Sperrung  der  überseeischen  Zufuhr  durch  die  pom- 
pejanische  Flotte  drohenden  Teuerung  suchte  er  durch  eine 
Getreideverteilung  an  die  Plebs  abzuhelfen*);  den  Versuch  seines 
Schwiegervaters  Piso  dagegen,  gestützt  auf  die  Stimmung  des 
Volks  im  Senat  noch  einmal  die  Entsendung  einer  Versöhnungs- 
gesandtechaft  an  Pompejus  anzuregen,  ließ  er  durch  den  de- 
signierten Consul  Isauricus  zu  Fall  bringen3}. 

Alle  diese  Dinge,  und  ebenso  die  vorweggenommene  Feier 
des  latinischen  Festes,  hat  Caesar  in  elf  Tagen  erledigt.  Dann 
ging  er,  ohne  den  Antritt  seines  Consulats  abzuwarten,  etwa 
Mitte  Dezember  (Oktober)  zur  Armee;  die  letzten  Gelder  des 
Staatsschatzes  und  der  eingeschmolzenen  Weihegesohenke  auf 
dem  Kapitol  nahm  er  mit4),  um  wenigstens  die  dringendsten 
finanziellen  Bedürfnisse  decken  zu  können.  Auch  Antonius 
begleitete  ihn  als  Legat;  das  Regiment  in  Rom  und  Italien  über- 
nahm jetzt  ordnungsgemäß  der  Consul  Servilius  Isauricus,  der 
Sohn  seines  Rivalen  bei  der  Bewerbung  um  die  Stellung  des 
Pontifex  maximus,  der  sich  jedoch  ganz  an  ihn  angeschlossen 
hatte  und  auf  den  er  sich  verlassen  konnte. 


')  Dio  41,  38.  Tae.  ann.  VI  16:  Im  Jahre  83  werden  sahireiche 
Anklagen  erhoben  in  eoa,  quipecunias  faenore  auctüabant  adoersus 
legem  diciatoris  Caesaris,  qua  de  modo  credendi  posHdendique 
intra  Iialiam  cavetur.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich .  daß  Caesar  die 
im  Jahre  49  erlassene  Verordnung  später  in  seiner  Gesetsgebung  er- 
neuert hat. 

.*)  Nur  bei  Appian  II  48  erwähnt:       o^jmj»  Xtfiumovtt  ottov  «siäcoxc. 
»)  Plut.  Caes.  37  (s.  oben  S.  350  ,  3),  vgl.  Appian  II  48  6  dt  8^ 
•Tnito  (bei  Caesars  Weggang;  aapomaXü»»  oofiß-fjvoi  Hofia-ni'?. 
«,  Dio  41,  3». 


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368 


Caesars  Monarchie 


Wirren  in  Born  während  Caesars  Abwesenheit 

Die  von  Caesar  ergriffenen  Maßregeln  haben,  eben  weil  sie 
einen  verständigen  Mittelweg  innehielten,  keine  Partei  befriedigt. 
Die  Glaubiger  waren  allerdings  froh,  daß  sie  ihr  Kapital  be- 
hielten; um  so  enttäuschter  war  die  Masse  der  Schuldner  und 
des  anarchischen  Pöbels1).  So  konnte  M.  Caelius,  jetzt  einer  der 

eine  Ueßeiirevolution 

zu  erregen.  So  liederlich  und  gewissenlos  er  war,  so  wenig  wohl 
fühlte  er  sich  in  seiner  jetzigen  Umgebung,  nach  seinem  Emp- 
finden stand  er  durchaus  auf  seiten  der  Nobilität*};  überdies 
empfand  er  es  bei  seinen  ungemessenen  Ansprüchen  als  eine 
schwere  Kränkung,  daß  Caesar  die  städtische  Praetur  nicht 
ihm,  sondern  dem  Trebonius,  einem  seiner  tüchtigsten  Offiziere, 
verliehen  hatte8).  Zunächst  versuchte  er,  die  auf  Caesars  An- 
ordnungen beruhende  Rechtsprechung  des  Trebonius  in  Schulden- 
sachen zu  hindern;  dann  brachte  er  ein  Gesetz  ein,  das  ein 
Moratorium  auf  sechs  Jahre  in  Aussicht  nahm  und  überdies  die 
Wohnungsmiete  erließ4).  Aber  seine  vor  keiner  Gewalttätigkeit 
zurückschreckende  Agitation  wurde  in  der  Hauptstadt  durch  den 
Consul  I&auricus  unterdrückt,  der  Senat  erließ  den  üblichen  Be- 
schluß, der  ihn  zum  Einschreiten  aufforderte,  und  suspendierte 

')  Caelius  schreibt  an  Cicero  Anfang  48  in  dem  Brief  VIII  17,  in 
dem  er  seine  Pläne  andeutet:  quod  si  timor  vestrae  crudelitalis  non 
esset,  eiecti  iam  pridetn  hinc  essemus.  nam  hic  nunc  praeter  faene- 
ratore8  paucos  nec  homo  nec  ordo  quisquam  est  nisi  Pompeianus. 
equidem  iam  effeci,  ut  maxime  plebs  et,  qui  antea  noster  fuii,  po- 
pulus  vester  esset,  cur  hoc?  inquis.  immo  reliqua  exspectute:  vos 
invitos  vincere  coegero. 

«)  8.  den  Brief  VIII  17,  wo  er  bedauert,  daß  er  sich  durch  den 
Haß  gegen  Appius  Claudius  und  die  Freundschaft  mit  Curio  zum  An- 
schluß in  hone  perditam  causam  habe  verleiten  lassen;  nam  mihi 
sentio  hon  am  mentem  iracundia  et  amore  ablatam  . . .  neque  haec 
dico,  quod  diffldam  huic  causae,  sed  crede  mihi,  perire  saiius  est 
quam  hos  videre.  Der  Inhalt  des  Briefs  ist  Ton  Drotuim  II*  $54  merk- 
würdig falsch  wiedergegeben. 

')  Dio  42,  22. 

«)  Caesar  ciy.  III  20.  Dio  42,  22. 


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Unruhen  de»  Clodius  and  Milo 


369 


Caelius  von  seinem  Amt;  und  als  dieser  dann  in  Italien  einen 
Aufstand  zu  erregen  suchte  und  sich  zu  dem  Zweck  mit  dem 
aus  seinem  Exil  herbeigekommenen  Milo  verband,  fanden  beide 
durch  Caesars  Truppen  den  Tod. 

Bald  darauf,  am  9.  August  (7.  Juni  48  julianisch),  fiel  bei 
Pharsaios  die  Entscheidung.  Daß  die  Bevölkerung  Italiens  sich, 
so  wenig  sie  auf  Caesars  Seite  stand,  auch  in  den  entscheidungs- 
schweren  Monaten,  als  seine  Sache  fast  verzweifelt  zu  stehn 
schien,  seiner  Herrschaft  gefügt  hatte  und  der  Versuch  der  Gegen- 
revolution gescheitert  war,  beruhte  wesentlich  darauf,  daß  die 
Optimaten  und  Pompejaner  aus  ihren  Rachegelüsten  kein  Hehl 
machten  und  von  ihnen,  wenn  sie  siegten,  ein  furchtbares  Blut* 
gericht  und  ein  gründlicher  Umsturz  der  Besitzverhältnisse  wie 
unter  Sulla  mit  Sicherheit  in  Aussicht  stand,  in  schärfstem 
Kontrast  zu  Caesars  wohlberechneter  Milde.  Nach  dem  Siege 
schickte  Caesar  den  Antonius  mit  mehreren  Legionen  nach  Italien, 
um  es  gegen  einen  Angriff  der  flüchtigen  Republikaner  zu  sichern. 
Antonius  ist  etwa  Ende  Oktober  (August)  in  Brundiaium  ge- 
landet, kurz  nachdem  Cicero  hier  eingetroffen  war.  Dieser  war 
nach  der  Schlacht  nach  Korkyra  geflüchtet,  hatte  den  Ober- 
befehl, den  Cato  ihm  als  dem  ältesten  der  Consulare  anbot, 
entsetzt  abgelehnt  und  kein  Hehl  daraus  gemacht,  daß  er  jetzt 
seinen  Frieden  mit  Caesar  machen  wolle.  Der  junge  Gnaeus 
Pompe j  iis  und  andere  Heißsporne  der  Partei  wollten  ihn  daher 
als  Verräter  umbringen;  nur  mit  Mühe  rettete  ihm  Cato  das 
Leben  und  ermöglichte  ihm  die  Flucht  nach  Brundisium1).  Hier 
hat  ihn  Antonius  verschont,  obwohl  er  von  Caesar  noch  nicht 


')  Plat.  Cic.  89  —  Cato  54.  Kine  Andeutung  dieser  Vorginge  findet 
sich  in  den  Briefen  an  Terentia  XIV  12  und  an  Atticus  XIV  5,  »owie 
pro  Marc.  15.  Er  rechtfertigt  sein  Verhalten  mit  dem  Blutdurst  der 
Partei  und  der  Abneigung,  die  barbarae  gentes  in  den  römischen 
Kampf  hineinzuxiehn  (Att.  IX  6,  2.  7,  S).  Nachher  kommen  ihm  dann 
die  Skrupel  Aber  seinen  Abfall  und  Übergang  zu  Caesar,  nicht  aus  Ge- 
wi iiensbedenken,  sondern  weil  er  den  Verlust  seines  Renommees  und 
das  Prekäre  seiner  Lage  empfindet,  falb  die  Republikaner  doch  noch  in 
Afrika  siegen  (Att  XI  7.  8,  10). 

Meyer,  Caesars  MonaroWe  24 


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370  Caesars  Monarchie 

begnadigt  war1).  In  Rom  dauerte  es  lange,  bis  man  sichere 
Kunde  von  Caesars  Sieg  erhielt  —  zumal  da  Caesar  sich  scheute, 
einen  offiziellen  Bericht  über  die  Schlacht  zu  senden*)  —  und 
seine  Tragweite  völlig  übersah ;  erst  die  Nachricht  von  Pompejus' 
Tod  in  Aegypten  (28.  September  ^  25.  Juli)  machte  allen 
Zweifeln  ein  Ende3).  Darauf  wurde,  kaum  früher  als  gegen 
Bnde  November1),  Caesar  auf  Grund  eines  Gesetzes  vom  Consul 
Isauricus  zum  Dictator  auf  unbestimmte  Zeit*)  ernannt  und 
ebenso,  gegen  das  Staatsrecht,  nach  dem  der  Dictator  ihn  zu 
ernennen  hat,  Antonius  zum  Magister  equitum  bestellt;  daher 
machte  die  Opposition,  die  sich  an  Caesar  nicht  heranwagen 
konnte,  hier  den  Versuch,  Einspruch  zu  erheben,  die  Augurn 
erklärten,  das  Reiterführeramt  dürfe  nicht  länger  als  sechs 
Monate  bekleidet  werden,  natürlich  ohne  Erfolg8).  Die  Bestellung 
der  andern  Beamten,  mit  Ausnahme  der  Tribunen  und  plebe- 
jischen Aedilen,  wurde  auf  Caesars  Rückkehr  vertagt7).  Im 

')  Cic.  Phil.  II  59  (vgl.  5)  von  Antonias:  Victor  e  Thessalia  Brun- 
disium  cum  legionibus  revertisti.  ibi  me  tum  occidisü:  magnum 
beneflciumf  potuisse  etrim  faieor.  Zur  Chronologie  s.  O.  E.  Schmidt, 
Briefwechsel  Cicero«  199  ff.  211. 

*)  Cic.  Phil.  XIV  23.  Dio  42,  18,  1. 

*)  Dio  42,  17  ff. 

*)  Cicero  schreibt  Ober  Pompejus'  Tod  an  Atticus  am  27.  November, 
bat  also  die  Nachricht  kur*  vorher  erhalten.  0.  E.  Schmidt  S.  211  f. 
setzt  Caesars  Ernennung  viel  zu  früh,  auf  Mitte  September,  an. 

h)  Dios  Angabe  42.  20,  3,  er  sei  auf  ein  Jahr  zum  Dictator  er- 
nannt (ebenso  Plut.  Caes.  51),  ist  bekanntlich  falsch;  die  Münzen  mit 
der  Legende  cos.  teii.  dict.  iter.  bewiesen,  daß  Caesars  zweite  Dictatur 
vom  Ende  48  bis  in  sein  drittes  Consulat  Anfang  46  gedauert  hat.  In 
dem  Schreiben  an  die  Sidonier  (Juni  47)  Jos.  Ant.  XIV  190  nennt  sich 
Caesar  aÄtoxp^ctwp  nai  apY.itptbc  otxtatu»p  xb  itottpov,  vgl.  192.  202. 

•)  Dio  42,  21.  Daher  behauptet  Cicero  Phil.  II  62,  er  sei  Caesare 
ignaro,  cum  esset  ille  Alexandreae,  beneflcio  amicorum  eins  zum 
mag.  eq.  bestellt  Offiziell  ist  das  richtig;  tatsächlich  bat  Caesar  natür- 
lich die  Anordnung  vorher  getroffen,  die  jetzt  in  Rom  nach  seinen 
Weisungen  ausgeführt  wird.  Sachlich  ist  daher  Plutarchs  Angabe 
Anton.  7  nicht  unrichtig  (irca  r)jv  vfzfjv  (Katsap)  2txtdtt<up  avayopeoOrtc 
ubxb-  plv  i&ta»x»  üapvirYjtov,  'Avrumov  ik  fanap^ov  iXouwo^  tl(  "Ptuavjv  fxtut]>tv. 

7)  Dio  42,  20,  4.  27,  1;  vgl.  die  Pasten. 


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Maßregeln  nach  der  Schlacht  bei  Pharsalos 


371 


übrigen  bemühte  man  sich,  alle  möglichen  Ehren  und  Rechte 
auf  Gaesar  zu  häufen,  in  der  Absicht,  wie  Dio  sagt,  dadurch 
wenigstens  den  Schein  zu  wahren,  als  ob  man  noch  aus  eigenem 
Willen  als  Bürger  handeln  könne:  ihm  wurde  das  Consulat  auf 
fünf  Jahre  zuerkannt  —  das  hat  er  nicht  angenommen  — ,  femer 
ein  Sitz  auf  der  Tribunenbank.  Das  gegen  Caesar  gerichtete 
Gesetz  vom  Jahre  52,  das  ein  fünfjähriges  Intervall  zwischen 
dem  städtischen  Amt  und  der  Statthalterschaft  eingeführt  hatte, 
wurde  aufgehoben,  die  Vergebung  der  praetorischen  Provinzen  wie 
schon  im  vorigen  Jahr  Caesar  überlassen1).  Weiter  wurde  ihm  die 
Entscheidung  über  Krieg  und  Frieden  ohne  Befragung  des  Volks 
übertragen,  und  vor  allem  das  Schicksal  seiner  Gegner,  über 
das  er  tatsächlich  bereits  nach  eigenem  Ermessen  entschied,  auch 
rechtlich  allein  in  seine  Hand  gelegt.  Die  Statuen  des  Sulla 
und  Pompe  jus  an  den  Rostren  waren  schon  vorher  umgestürzt 
worden1). 

Vom  November  (=  September)  48  an  hat  Antonius  bis  zu 
Caesars  Eintreffen  in  Rom  Ende  September  (=  Juli)  47  neun 
Monate  lang  unumschränkt  in  Italien  geschaltet.  Mit  dem 
Schwerte  umgürtet,  im  Purpurgewand,  erschien  er  auch  in  der 
Stadt  und  leitete  die  Sitzungen  des  Senats  wie  die  Götterfeste 
des  Volks3).  Mit  der  Einsetzung  der  Dictatur  herrschte  eben 
Kriegsrecht  auch  in  der  Hauptstadt,  und  da  der  Dictator  ab- 


')  Dio  42,  20,  4.  Die  Consularprovinzen  sind  dagegen  nach  seiner 
Angabe  unter  die  Consuln,  d.  i.  Caesar  and  Isauricus,  verlost  worden. 
So  mag  diesem  damals  die  Provinz  Ada  zugewiesen  worden  sein,  die 
er  im  Jahre  46  verwaltet,  während  im  Jahre  47  hier  noch  Caesars  Legat 
Cn.  Domitius  Calvinus  Statthalter  ist  und  am  Kriege  gegen  Pharnakes 
teilnimmt.  Allerdings  sollten  gesetzlich  die  Consularprovinzen  schon 
vor  der  Consulwahl  bezeichnet  werden;  das  wird  aber  49  kaum  ge- 
schehn  sein,  und  kam  für  die  eventuellen  Consuln  von  47  nicht  in  'Be- 
tracht, da  ja  keine  gewählt  wurden. 

*)  Genaue,  chronologisch  bestimmte  Angaben  über  die  Beschlaase 
für  Caesar  verdanken  wir  hier  wie  sputer  fast  allein  Dio,  dessen  An- 
gaben sich  da,  wo  wir  sie  kontrollieren  können ,  fast  immer  als  richtig 
erweisen. 

•)  Dio  42,  27. 


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372 


Caesar*  Monarchit- 


wesend  war,  ging  seine  volle  Macht  auf  den  Magister  equitum 
über.  An  Strafurteilen  fehlte  es  nicht ;  vor  allem  suchte  Antonius 
Caesars  Anordnung  über  die  Herausgabe  des  baren  Geldes 
energisch  durchzuführen,  und  die  dadurch  veranlagten  Kon- 
fiskationen, sowie  die  Einziehung  des  Vermögens  verurteilter 
Gegner  schaßten  die  dringend  nötigen  Mittel  für  den  entleerten 
Staatsschatz  und  die  Zahlungen  an  die  Soldaten1).  Die  Städte 
Italiens  wurden  durch  Garnisonen  und  Veteranenansiedlungen 
gesichert  und  von  Antonius  inspiziert2).  Dabei  erregte  er  all- 
gemeines Ärgernis  durch  das  Gefolge  von  Dirnen  und  Possen- 
reißern, mit  dem  er  wie  früher  umherzog,  und  durch  seine  wüsten 
Trinkgelage;  daß  er  sich  selbst  auch  sonst  nicht  vergaß  und 
durch  Erpressungen  und  Mordtaten  seinem  verschleuderten  Ver- 
mögen aufhalf,  wird  kaum  zu  bezweifeln  sein*). 

Auf  die,  natürlich  irrtümliche,  Kunde,  daß  Cato  und  L.  Me- 
t eil us,  der  Tribun  des  Jahres  49,  nach  Rom  gekommen  seien, 
erhielt  er  Ende  November  von  Caesur  die  bestimmte  Weisung, 
daß  er  das  nicht  dulden  und  überhaupt  niemanden  nach  Italien 
laasen  dürfe,  dem  Caesar  nicht  selbst  die  Erlaubnis  gegeben 
habe4).  Selbstverständlich  mußte  er  diesen  Befehl  auch  dem 
Cicero  mitteilen;  als  dieser  nachwies,  daß  Caesar  dem  Dolabella, 
Ciceros  Schwiegersohn,  der  nach  der  Schlacht  von  Pharsalos 
nach  Rom  gegangen  war  und  sich  für  47  zum  Tribun  hatte  wählen 


')  Cic.  Phil.  II  62  in  urbe  auri,  argenti  maximeque  vini  foeda 
direptw.  Die  Konfiskation  des  Weins  ist  natürlich  eine  Bosheit  Ciceros ; 
die  des  Goldes  und  Silbers  erklärt  sich  durch  Caesars  Verordnung. 

*)  Cic.  1.  c  Italiae  rurtn^  percursatio  eadem  comiie  mima;  in 
oppida  müitum  crudelis  et  misera  deduetio. 

*)  Cic.  1.  c.  quid  ego  istiiis  decreta,  quid  rapinas,  quid  heredi- 
tatum  possessionis  datas,  quid  ereptas  proferam?  Daran  schließt 
sich  die  Scene,  daß  er  nach  einem  Gelage  bei  einer  Amtshandlung  auf 
dem  Tribunal  vor  allem  Volk  gebrochen  habe.  Danach  Plut  Anton.  9. 
Dio  41,  27  «al  f&p  Apca-ral  xal  ßßpttc  xal  otpo-f«i  «oXXai  ifivovto,  was 
vielleicht  übertrieben  ist. 

*)  Cic.  Atfc.  XI  7  (17.  Dezember):  die  Anweisung  stand  offenbar  in 
dem  Brief,  den  Caesars  Freigelassener  Diochares  aus  Alezandria  über- 
brachte, der  um  den  27.  November  in  Rom  eintraf  (Att.  XI  6,  7). 


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Antonia«'  Regiment  in  Italien 


373 


lassen,  gesagt  habe,  er  solle  Cicero  auffordern,  baldmöglichst 
nach  Italien  zu  gehn,  nahm  er  in  dem  Edikt,  durch  das  er  die 
Anordnung  publizierte,  Cicero  und  ebenso  den  pompejanischen 
Flottenführer  D.  Laelius,  der  nach  Pharsalos  den  Angriff  auf  den 
Hafen  von  Brundisium  aufgegeben  hatte1)  und  sich  jetzt  wie 
so  viele  andere  unterwarf,  mit  Namensnennung  aus2).  Cicero 
ist  darüber  sehr  böse,  da  er  sich  dadurch  bei  den  Pompejanern 
und  Republikanern  schwer  kompromittiert  fühlte3);  aber  wie 
hätte  Antonius  anders  handeln  können?  Auch  die  Hoffnung, 
daß  die  am  10.  Dezember  antretenden  neuen  Tribunen  (d.  i.  Dola- 
bella)  die  Sache  mildern  könnten,  erfüllte  sich  nicht;  vielmehr 
scheinen  sie  das  Edikt  durch  ein  Gesetz  bestätigt  zu  haben4). 

In  Rom  ist  die  erste  Hälfte  des  Jahres  mit  den  Unruhen  er- 
füllt, welche  Dolabella  als  Tribun  erregte.  Dieser  hochadlige 
Lump  glaubte  die  Gelegenheit,  wo  die  Zukunft  noch  völlig  im 
Dunkel  lag,  benutzen  zu  können,  um  eine  selbständige  politische 
Rolle  zu  spielen  und  dadurch  zugleich  seine  drückende  Schulden- 
last los  zu  werden.  Als  berufener  Vertreter  der  Plebs,  zu  der  er 
übergetreten  war  und  die  ihn  gewählt  hatte,  erneuerte  er  die 
Agitation  für  die  Erleichterung  der  Schulden ;  die  Unverletzlich- 
keit des  Tribunen  gab  ihm  eine  festere  Stellung  als  dem  Caelius 
die  Praetur.    Seine  Kollegen  C.  Asinius  Pollio5)  und  vor  allem 

')  Caesar  civ.  III  100. 

s)  Cic.  1.  c.  tum  Wie  edixit  iia,  ui  me  exciperet  et  Laelium  no- 
ininatim,  quod  sane  twllem;  poterat  enim  sine  nomine  res  ipsa  ex- 
cipi.  Bis  dahin  hatte  Cicero  gehofft,  durch  die  Vermittlung  des  Oppins 
hnd  Balbus  ohne  Schwierigkeit  in  seine  im  Frühjahr  49  eingenommene 
Stellung  zurückkehren  und  auch  seine  Ansprüche  auf  den  Triumph  auf- 
recht erhalten  zu  können  (Att.  XI  6,  3.  7,  1.  8,  1);  durch  Antonius' 
neue  Stellung  wurde  die  Sachlage  wesentlich  verschoben. 

J)  Att.  XI  7,  2  f.  9,  1.  14.  1.  15.  1.  2. 

4)  Att.  XI  9,  1  (3.  Januar  47)  quid  autem  me  iuvat,  quod  ante 
initum  tribunatum  veni,  si  ipsum  quod  veni  nihil  iuvat?  iam 
quid  »perein  ab  eo  (Antonio),  qui  mihi  amicus  numquam  fuit,  cum 
iam  lege  sitn  confectus  et  oppressus?  Ob  dies  Gesetz  mit  dem  von 
Dio  42,  20,  1  erwähnten  identisch  ist,  dos  Caesar  das  Recht  gewahrte 
mit  den  Pompejanern  ndvd'  Zw  rot*  fiv  «»tXi^rj}  3p&ooi,  steht  dahin. 

»)  Nur  Plut.  Anton.  9  genannt.  ÜberTrebelliua  auch  Cic.  PhiL  VI  1 1.  X  22. 


374 


Caesars  Monarchie 


L.  Trebelliua  traten  ihm  entgegen,  und  noch  einmal  wurde  Rom 
der  Schauplatz  erbitterter  Kampfe  zwischen  den  Tribunen  und 
wüsten  anarchischen  Treibens.  Beide  Teile  bewaffneten  sich, 
und  bald  kam  es  in  üblicher  Weise  zu  Blutvergießen.  Antonius 
versuchte,  gestützt  auf  den  Senat,  der  alle  gesetzgeberischen 
Maßregeln  vor  Caesars  Ankunft  untersagte,  die  Unruhen  zu 
unterdrücken;  er  verbot  das  Waffentragen  in  der  Stadt  und 
ließ  sich  und  den  übrigen  Tribunen  durch  ein  8.  C.  ultimum  da^ 
Recht  geben,  Truppen  nach  Rom  zu  legen.  Zu  Anfang  hatte  er 
zwischen  beiden  Parteien  eine  Mittelstellung  einnehmen  wollen, 
und  gegen  Trebellius  den  Vorwurf  erhoben,  er  ziehe  die  Truppen 
auf  seine  Seite,  greife  also  in  die  Militärgewalt  ein;  ein  Ver- 
hältnis, das  Dolabella  mit  Antonius'  Frau  —  der  Tochter  seines 
Oheims  C.  Antonius  —  anknüpfte,  trieb  ihn  dann  auf  die  Seite 
des  Trebellius1).  Militärunruhen  zwangen  ihn,  Rom  zu  verlassen ; 
er  bestellte  seinen  mütterlichen  Oheim  L.  Caesar  (cos.  64,  vgl. 
S.  295)  zum  Praefectus  urbi.  Der  alte  Mann  besaß  keine  Autorität, 
und  die  Unruhen  gingen  weiter1),  bis  etwa  Anfang  Mai3)  die  Nach- 
richt vom  Falle  Alexandrias  (27.  März  =  15.  Januar)  und  der 
Beendigung  des  ägyptischen  Kriegs  nach  Rom  kam  und  die  Tri- 
bunen zur  Besinnung  brachte.  Als  indessen  Caesar  noch  immer 
nicht  nach  Rom  kam  und  gar  in  den  Krieg  gegen  Pharoakes  zog, 
begannen  sie  von  neuem  die  heftigsten  Streitigkeiten,  bei  denen 


')  In  der  zweiten  Philippica  99,  in  der  Cioero  Sympathie  für  C.  An- 
tonius und  Achtung  vor  Dolabella  heuchelt,  stellt  er  diese  Beschuldi- 
gung natürlich  als  unbegründet  hin:  frequentistimo  aenatu  Kalendis 
Januariis  (des  Jahres  44) ,  sedenie  patruo ,  hatte  tibi  cum  Dolabella 
causam  odii  dicere  ausus  es,  quod  ab  eo  sorori  (d.  i.  Cousine)  et 
uxori  tuae  stuprum  esse  oblaium  comperisses.  Antonius  hat  seine 
Frau  deshalb  verstoßen,  Plut.  Anton.  9.  Die  Schwenkung  in  Antonius" 
Verhalten  berichtet  auch  Dio  42,  29.  Sl,  der  aber  diesen  Grund  nicht 
erwähnt,  sondern  den  Anlaß  in  der  wachsenden  Popularität  Dolabella« 
findet. 

*)  Vgl.  Cic.  Att.  XI  12.  4  (8.  Mar«) :  cum  videas  accessisse  ad  su- 
periores  aegritudines  praeclaras  generi  actiones.  Ähnlich  14,  2.  15,  $ 
(14.  Mai). 

*>  Siehe  0.  E.  8chmidt  S.  222  f. 


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Dolabellas  Umtriebe.    Konflikt  mit  Antonias  375 


das  Blutvergießen  und  die  Brandstiftungen  sich  wiederholten, 
ja  der  Tempel  der  Vesta  durch  die  Feuersbrunst  bedroht  wurde. 
Dolabella  promulgierte  jetzt  seine  Gesetze  über  die  Schulden- 
tilgung und  den  Erlaß  der  Miete,  die  offenbar  die  Antrage  des 
Caelius  wiederholten,  und  verpflichtete  sich,  sie  bis  zu  einem 
bestimmten  Termin  durchzubringen1);  da  Caesars  Ankunft  jetzt 
bald  erwartet  werden  mußte,  hielt  er  sich,  wie  Dio  sagt,  für 
verloren,  und  wollte  wenigstens  etwas  Großes  getan  haben  und 
nicht  ruhmlos  zugrunde  gehn.  Antonius,  der  inzwischen  langst 
nach  Rom  zurückgekehrt  war,  ließ  sich  aufs  neue  durch  den 
Senat  absolute  Vollmacht  geben,  zog  noch  weitere  Truppen  nach 
Rom,  und  als  der  Pöbel  sich  auf  dem  Forum  verschauzte  und 
zum  Kampf  rüstete,  brach  er  bei  Tagesanbruch  vom  Kapitol 
aus  ein.  Es  kam  zu  einem  großen  Gemetzel,  wie  in  der  Zeit  der 
Gracchen  und  des  Saturninus;  achthundert  Bürger  sollen  er- 
schlagen sein.  Die  Tafeln  mit  den  Gesetzesanträgen  wurden  zer- 
trümmert, mehrere  der  Unruhestifter  vom  tarpejischen  Felsen 
herabgestürzt2).  Dolabella  selbst  blieb  unangetastet  und  setzte 
trotzdem  seine  Agitation  weiter  fort,  während  Antonius  daa 
Forum  besetzt  hielt. 

Diese  Vorgänge  waren  nicht  geeignet,  Antonius'  Stellung  zu 
heben.  Es  kam  hinzu,  daß  sein  liederliches  Leben  und  seine 
Gewalttätigkeiten  die  Besorgnis  erregen  mußten,  Caesar  selbst 
werde  es  noch  ärger  treiben.  Gerade  in  den  Kreisen  der 
friedlichen  Bürger  und  besseren  Elemente,  die  sich  Caesar  ge- 
fügt hatten,  erzeugten  sie  eine  gedrückte  Stimmung,  die  durch 

!)  Dio  42,  32  tobe  yopiooc,  tov  tc  n«pl  Ttbv  xptwv  xal  töv  rctpl  t&v  svot- 
uiaiv ,  tv  p*fjrj}  «vi  "«yjipa  d-ipuv  öires^"0-  Cicero  spricht  am  9.  Juli  von 
den  tabulae  twvae  seines  Schwiegersohns  und  denkt  ernstlich  an  die 
Scheidung  seiner  Tochter  (Att.  XI  23,  3).  Danach  scheint  es,  daß  Dola- 
bella seine  Gesetze  wirklich  erst  jetzt  eingebracht  und  vorher  lediglich 
im  allgemeinen  für  die  Schuldner  agitiert  hat. 

*)  Dio  42,  32.  Plut.  Anton.  9.  Liv.  epit  118  inducUs  a  M.  Antonio 
mag.  eq.  in  urbem  militibm  ociingenti  «  plebe  caesi  sunt.  Appian 
civ.  H  92  sagt  nur  (Kouoap)  Jtufröjuvo;  sv  'Pinp/g  otdoiv  clyai  xai  'Avttivtov 
töv  Uicapxov  aütoö  rhv  ifOp&v  Ttpatiä  <puXao3«iv,  nivta  fufrel?  'Ptip-^v 

Y|lCtt*f  l«J. 


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376 


CHe-^ar^  Monarchie 


die  anwachsende  Macht  der  Republikaner  in  Afrika,  sowie  durch 
den  Aufstand  des  Q.  Cnssius  Longinus  in  Spanien  noch  gesteigert 
wurde;  man  mußte  darauf  gefaßt  sein,  daß  die  Republikaner 
aus  Afrika  eher  nach  Italien  kommen  würden,  als  Caesar  aus 
dem  Orient1).  So  begreift  es  sich,  daß  den  in  Italien  liegenden 
Soldaten  der  Kamm  schwoll,  zumal  sie  für  die  reichen  ihnen 
versprochenen  Belohnungen  noch  immer  auf  die  Zukunft  ver- 
tröstet wurden.  Schon  am  19.  Januar  schreibt  Cicero  von  der 
unzuverlässigen  Stimmung  der  in  Campanien  liegenden  Legionen1), 
und  wir  sahen,  wie  Antonius  deshalb  mitten  in  den  Wirren  aus 
Rom  fortgehn  mußte.  Als  Mitte  August  (Anfang  Juni)  M.  Qallius 
eintraf,  um  die  Legionen  nach  Sicilien  zu  führen*)  —  Caesar 
wollte  von  Griechenland  aus  unmittelbar  dorthin  und  weiter 
nach  Afrika  gehn  — ,  brach  der  Militäraufstand  aus;  P.  Sulla 
und  Messalla,  die  ihnen  den  Befehl  überbrachten,  wurden  von 
der  zwölften  Legion  mit  Steinwürfen  empfangen ;  sie  und  ebenso 
die  zehnte  Legion  erklärten,  nicht  marschieren  zu  wollen,  ehe 
sie  ihre  Belohnung  erhalten  hätten.  Dem  Sulla  und  Messalla 
blieb  nichts  übrig,  als  eilends  zu  Caesar  zu  gehn  und  ihm  klar 
zu  machen,  daß  er  notwendig  zunächst  nach  Italien  kommen 
müsse4). 


>)  Cic.  Att.  XI  15,  1  (14.  Mai);  ferner  10,  2.  12.  3.  16,  1.  18,  1. 

25,  8. 

*)  Zu  den  Africanae  res  hinzu  accedü  Hispania  et  alienata 
ltalia,  legionum  nec  vis  eadem  nee  voluntas,  urbanae  res  perdiiae 
(Att.  XI  10,  2). 

s)  Cic.  Att.  XI  20  erwähnt  nein  Eint  reifen  am  15.  Augast  (8.  Juni) 
M.  GcUliu8  Q.f....  venit  ut  legUmes  in  Siciliam  traduceret;  eo  pro- 
iinus  iturum  Caesar em  Patris. 

*)  Cic.  Att.  XI  21,  2  (25.  August  =  18.  Juni):  legio  XII,  ad  quam 
primum  Sulla  venit,  lapidibus  egisse  neminem  dicitur;  nuUam  pu- 
tani  8e  commoturam.  iüum  ( Caesar  em)  arbitrabantur  proHnus  Pa- 
tris in  Siciliam  (sc  iturum J;  sed  si  hoc  ita  est,  huc  veniat  necesse 
est.  Kurz  danach  22,  2 :  Sulla,  ut  opinor,  cras  erit  hie  (in  Brundisium) 
cum  Messalla;  currunt  ad  ülum  pulsi  a  müitibus ,  qui  se  negant 
tutquam  (sc.  ituros),  nisi  aeeeperint  (die  Auszahlung),  ergo  iüe  huc 
veniet,  quod  non  putabant,  tarde  quidem  ...  Pharnaces  autetn, 
(pwquomodo  aget,  adferet  moram. 


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MilitüraulVtand.    Caesars  Rückkehr 


377 


Caesars  Bückkehr  im  Sommer  47 

Inzwischen  hatte  Caesar  gegen  alle  Erwartung  den  Krieg 
gegen  Pharnakes  bereits  beendet,  durch  den  Sieg  bei  Zela  am 
2.  August  (21.  Mai),  und  eilte,  nach  rascher  Ordnung  der  asia- 
tischen Verhältnisse,  über  Griechenland  nach  Italien.  Den  Plan, 
geradeswegs  nach  Sicilien  zu  gehn,  hatte  er  natürlich  aufgeben 
müssen;  etwa  am  24.  September  (11.  Juli)  landete  er  in  Tarent1). 

ver- 
lebt, hin  und  her  schwankend  zwischen  der  Angst  vor  Caesar 
und  der  vor  einem  Siege  der  Republikaner,  voll  Sorge  um  seinen 
durch  sein  Verhalten  schwer  gefährdeten  Ruf,  dazu  geplagt  durch 
Geldnöte  und  das  daraus  erwachsende  Zerwürfnis  mit  seiner 
Gattin,  das  skandalöse  öffentliche  und  private  Treiben  seines 
Schwiegersohns,  dem  den  Scheidebrief  zu  schicken  er  doch  nicht 
wagte,  und  durch  den  offenen  Zwist  mit  seinem  Bruder  und 
Neffen,  die  ihm  wegen  seines  Übertritts  zu  Pompejus  schwere 
Vorwürfe  machten  und  die  Gnade  des  Siegers  aufgesucht  und 
gefunden  hatten.  Auch  er  selbst  hatte  Anfang  März  an  diesen 
geschrieben2)  und  durch  seinen  Freund  C.  Cassius,  als  dieser  zu 
Caesar  übergetreten  war*),  und  ebenso  durch  andre  eine  Ver- 
mittlung herbeizuführen  versucht.  Aber  Caesar  wußte  viel  zu  gut, 
welchen  Wert  es  für  ihn  haben  würde,  Cicero  auf  seine  Seite  zu 
ziehn:  er  wollte  ihn  mürbe  machen,  »ber  nicht  strafen.  Einen 
freundlichen  Brief  Caesars  vom  11.  Februar,  den  Atticus  ihm 
Ende  Mai  zuschickte,  hielt  er  allerdings  für  gefälscht4);  aber 
am  12.  August  erhielt  er  endlich  ein  lange  erwartetes  Schreiben, 
das  die  Klärung  brachte.  Caesar  gewährte  ihm  nicht  nur  volle 
Verzeihung,  sondern  erkannte  ihn  als  Imperator  an*).  Ein  Brief 


')  Für  das  Datum  b.  0.  E.  Schmidt  S.  226.  x 
*l  Att.  XI  12,  2. 

3)  fam.  XV  15;  vgl.  Att.  XI  18,  1.  15,  2. 

*i  Att.  XI  16,  1.  17.  8,  vgl.  0.  K.  ScmiroT  S.  222  ff. 

*)  An  Terentia  fan>.  XIV  23.  und  Ober  den  Inhalt  pro  Ligar.  7 
(Caesar)  ad  me  ex  Aegypto  Utteras  misit,  ut  eisern  idein  qui  fnis- 
sem;  qui  cum  ipse  Imperator  in  tote  imperio  popull  Romani  unus 


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378 


Ciliare  Monarchie 


des  Brutus  aus  Asien,  der  ihm  Mut  zusprach,  stärkte  sein  Ver- 
trauen noch  weiter1).  Als  Caesar  in  Tarent  gelandet  war,  ging 
er  ihm  entgegen;  Caesar  stieg  sofort  ab  und  nahm  ihn  eine  weite 
Strecke  mit  sich2).  Er  mochte  hoffen,  ihn  jetzt  wirklich  für 
sich  gewonnen  zu  haben:  Cicero  hätte  das  höchste  Ziel  seines 
Ehrgeizes,  den  Triumph,  erreichen  können,  wenn  er  sich  willenlos 
gefugt  hätte3). 

In  Rom  hörten  auf  die  Kunde,  daß  Caeaun  komme,  die  Un- 
ruhen natürlich  auf;  er  allein  hatte  jetzt  zu  entscheiden.  Die 
Forderung  einer  Schuldentilgung  lehnte  er  auch  diezmal  nach- 
drücklich ab:  auch  er  selbst  müsse,  da  er  Bein  Vermögen  im 
Dienste  des  Staats  zugesetzt  habe,  Gelder  aufnehmen«).  Aber 
er  erkannte  an,  daß  die  Notlage  ein  weiteres  Entgegenkommen 
erheische;  so  verordnete  er,  über  die  Verfügungen  von  49  hinaus- 
gehend, daß  von  dem  nach  dem  Stande  vor  dem  Kriege  ein- 
geschätzten Vermögen,  aus  dem  die  Schuldner  ihre  Verpflich- 
tungen decken  sollten,  die  seither  gezahlten  oder  angewiesenen 
Zinsen  abgezogen  werden  dürften;  dadurch  verloren  die  Gläubiger 
etwa  ein  Viertel  der  ausstehenden  Forderungen»).  Außerdem 


esset,  esse  me  aüerum  passus  est.  C.  Pausa  bringt  ihm  die  Botschaft 
die  fa&ces  laureaii  zu  behalten ,  quoad  tenendos  putavi.  Ferner  pro 
Deiot.  88  iubee  eum  (Deiotarum)  bene  sperare  et  bono  esse  animo, 
quod  scio  te  non  frusira  scribere  solere ;  memini  enim  isdem  fere 
verbU  ad  me  te  scribere  meque  tttis  litteris  bene  eperare  non  frwttra 
esse  iussum;  vgl.  weiter  O.  E.  Schmidt  S.  228  ff. 

')  Cic  Brat.  11.  830. 

*)  Plut.  Cic.  89. 

')  Vgl.  8.  377,  5.  Cicero  hat  die  Lictoren,  mit  denen  er  bis  dahin 
herumzog,  wohl  bei  der  Rückkehr  nach  Rom  entlassen.  Sie  kosteten 
zuviel,  und  hätten  ihm  anch  das  Betreten  der  Stadt  und  seines  Hause* 
unmöglich  gemacht. 

*)  Bio  42,  50,  8  f. 

4)  Sueton  Caes.  42.  Dio  42,  51  erwähnt  die  Schuldenordnung  von  47, 
die  von  der  des  Jahres  49  tu  scheiden  ist,  gibt  aber  das  von  Sueton 
bewahrte  Detail  nicht.  Ferner  Cic.  de  off.  II  84,  *.  S.  879,  2.  Eine 
Anspielung  darauf  findet  sich  in  dem  Brief  an  Atticna  XII  28,  3  vom 
Marz  45:  Si  Castricius  pro  maiicipHs  peamiam  aeeipere  volet  eam- 
que  ita  [so  Ttrell  für  ei]  solvi,  ut  nunc  solvitur,  certe  nihil 


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Neue  Schuldenordnung.    Bruch  Caesars  mit  Antonius 


im 


wurden  die  Wohnungsmieten  in  Rom  bis  auf  2000,  in  Italien 
sogar  bis  auf  500  Sestertien  auf  ein  Jahr  erlassen1).  Natürlich 
fühlten  sich  die  Kapitalisten  durch  diese  Maßregeln  geschädigt, 
wenn  sie  sich  auch  fügen  mußten:  „Als  Sieger,"  schreibt  Cicero 
nach  Caesars  Ermordung*),  „hat  er  die  Absichten,  die  er  als 
Genosse  Catilinas  im  Jahre  63  gehegt  hatte,  durchgeführt,  ob- 
wohl er  selbst  kein  persönliches  Interesse  mehr  daran  hatte;  so 
groß  war  in  ihm  die  Lust  zu  sündigen,  daß  eben  dies  Sündigen 
ihn  ergötzte,  auch  wenn  ein  Anlaß  dazu  fehlte." 

Von  Strafgerichten  über  die  Ruhestörer  sah  Caesar  auch  dies- 
mal ab,  ja  er  nahm  den  Ifolabella  gegen  dessen  eigene  Erwartung 
nicht  nur  gnädig  auf,  sondern  hat  ihn  alsbald  wieder  zu  einem 
seiner  Vertrauten  gemacht  und  seine  Laufbahn  nach  Kräften 
gefördert.  Es  scheint,  daß  Dolabella,  trotz  all  seiner  Verkommen- 
heit, doch  nicht  ohne  Begabung  war,  und  daß  Caesar  in  ihm 
einen  Ersatz  für  den  freilich  ungleich  höher  stehenden  Curio  zu 
finden  glaubte;  hatte  er  es  doch  in  seiner  Jugend  auch  kaum 
anders  getrieben.  Dagegen  hat  er  den  Antonius  fallen  lassen. 
Zwar  scheint  er  sein  Amt  noch  bis  ins  nächste  Jahr  hinein  be- 
halten zu  haben,  obwohl  wir  von  irgendwelcher  Tätigkeit  in  dem- 
selben nichts  mehr  erfahren.  Aber  er  wurde  völlig  kalt  gestellt, 
bei  der  weiteren  Ämterverteilung  demonstrativ  übergangen,  und 
durfte,  anders  als  sein  begünstigter  Gegner,  Caesar  weder  nach 


est  commodius.  Auch  Ciceros  Äußerung  an  Paetus  im  Sommer  46 
fam.  IX  16,  7  nunc,  cum  tarn  aequo  animo  bona  perdas  wird  wohl 
mit  Becht  auf  die  Verloste  bezogen,  die  Paetus  dadurch  erlitten  hat. 
Zahlung  einer  Schuld  durch  Abtretung  eines  nach  seinem  ursprttng 
liehen  Wert  abgeschätzten  Grundstücks  Cic.  fam.  XIII  8,  2  (a  M.  La- 
berio  C.  Albinius  praedia  in  aestimationem  aeeepit). 

l)  Dio  42,  51  xb  ivouuöv,  5oov  iwvtauoouu;  SpaxfiA«  (2000  sest.)  tjv 
maotoß  4v4c,  &<p»ts.  Sueton  Caes.  38  annuam  etiam  habitationem 
Romae  usque  ad  bina  müia  nummum,  in  Italia  non  ultra  qtdngenos 
sestertios  remisif. 

*)  de  off.  II  84  at  vero  hic  nunc  victor,  tum  quidem  victus,  quw 
cogitarat,  ea  perfecü,  cum  eins  tarn  nihil  inter esset;  tanla  in  eo 
peccandi  libido  fuit,  ut  hoc  ipsum  eum  delectaret  peccare,  etiam  ei 
causa  non  esset. 


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380 


Caesars  Monarchie 


Afrika  noch  nach  Spanien  begleiten.  Mit  all  den  schönen  Hoff- 
nungen, mit  denen  er  sich  getragen  hatte  —  er  hatte  sich  ein- 
gebildet, Caesar  werde  ihn  im  Testament  adoptieren  und  zum 
Erben  einsetzen1)  — ,  war  es  vorbei,  und  als  Antonius  bei  der 
Auktion  das  Haus  des  Pompe  jus  erstand  und  mit  der  Zahlung 
des  Kaufpreises  zögerte,  ging  Caesar  ganz  energisch  gegen  ihn 
vor;  so  kam  es  zu  vollem,  offenkundigem  Bruch*).  Das  Motiv 
wird  nicht  angegeben.  An  dein  wüsten  Treiben  des  Antonius 
hat  Caesar  schwerlich  viel  Anstoß  genommen;  wohl  aber  dürfen 
wir  vermuten,  daß  er  mit  der  Art,  wie  er  die  städtischen  Un- 
ruhen behandelt  hatte,  nicht  zufrieden  war,  vor  allem  aber  ihm 
zum  Vorwurf  machte,  daß  er  es  nicht  verstanden  hatte,  die 
Soldaten  im  Zaum  zu  halten. 

Weitere  gesetzgeberische  Maßregeln  von  Bedeutung  hat  Caesar 
in  den  zweieinhalb  Monaten,  die  er  in  Italien  geblieben  ist,  nicht 
eingeführt.  Wohl  aber  nahm  er,  vor  allem,  um  seinen  Anhängern 
eine  amtliche  Stellung  zu  verschaffen  und  sie  für  die  Statthalter- 
schaften verwenden  zu  können,  die  Wahlen  noch  für  den  Rest  des 
laufenden  Jahres  und  für  das  folgende  vor,  und  ließ  zugleich  die 
Zahl  der  Praetoren  vom  nächsten  Jahr  an  von  acht  auf  zehn 
erhöhen  und  den  Kollegien  der  Pontifices,  Augurn  und  Quin- 
decemvim  eine  weitere  Stelle  hinzufügen  —  damals  wird  auch 
er  zum  Augur  cooptiert  worden  sein,  wodurch  ihm  ein  weiterer 
entscheidender  Einfluß  auf  die  staatsrechtlich  nicht  unwichtige 
Behandlung  der  sakralen  Vorschriften  ermöglicht  wurde.  Unter 


>)  Cic.  Phil.  II  71  testamento,  ut  dicehas,  flliwt.  Bei  Nikolaos 
Dam.  vit.  Caes.  21  fin.  wird  diese  Notiz  in  einer  Tradition  (Etspoc  X.670C) 
in«  Jahr  44  versetzt  nnd  als  Motiv  fQr  das  Angebot  des  Diadems  bei 
den  Luperealien  benutzt:  ixtivtf  jiiv,  ü>c  7t  $1x0,  x«ptC»»*«t  ßooX6u*vo{, 

*)  Cic  Phil.  II  64  ff.  Plut.  Anton.  10.  Bei  Plut.  Caes.  51  -Jjv  «k 
abxob  oioßoXvj  koI  4j  AoXaßiXXa  fiavta  xal  4)  'Au.a[v]ttoo  ftXap-ppta  xal 
ps&üuiv  'Avtümot  xat  [Kop<ptvioc]  rijv  Xlo\xn-r\ioQ  oiut>ujpoü{isvo<;  olu(av  xa't 
jwrotxo^ofKöv  tu(  l*av*)v  ob*  ouoav  steckt  in  Kopcplvto«;  eine  meines  Wissens 
noch  nicht  gehobene  Corruptel.  Das  Auftreten  des  Amatins  als  an- 
geblichen Nachkommens  des  Marius  fallt  ins  Jahr  45,  e.  Cic  Att  XII  49. 
Nie  Dam.  vit  Caes.  14. 


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Wahlen  für  47  und  46 


381 


andern  ist  damals  der  von  seiner  verunglückten  Expedition  nach 
Ulyrien  (8.  357,  3)  zurückgekehrte  Sallust  durch  die  Ernennung 
zum  Praetor  wieder  in  den  Senat  aufgenommen  worden1).  Weiter 
wurde  der  Senat  durch  Aufnahme  von  Rittern  und  Genturionen 
ergänzt.  Zu  Consuln  ließ  Caesar  für  den  Rest  des  Jahres  zwei 
semer  bewährtesten  Anhänger,  Fufius  Calenus  und  Vatinius, 
wählen*),  wahrend  für  das  Jahr  46  er  selbst  das  Consulat  über- 
nahm, zusammen  mit  Lepidus3),  der  jetzt  in  die  Rolle  des 
Antonius  trat,  so  wenig  brauchbar  er  sich  auch  gerade  zuletzt 
wieder  als  Statthalter  in  Spanien  gezeigt  hatte.  Strafurteue 
über  die  Besiegten  unterblieben  auch  diesmal,  vielmehr  hatten 
nicht  wenige  derer,  die  sich  ihm  im  Orient  unterworfen  hatten, 
jetzt  naoh  Rom  zurückkehren  können,  so  auch  Servius  Sulpicius 
Rufus  und  die  Schar  Republikaner,  die  sich  in  Griechenland 


')  Dio  41,  52,  2.  In  der  Antwort  auf  Sallusts  Invektive  gegen  Cicero 
wird  §  17  f.  mit  Unrecht  behauptet,  daß  er  a  Victore,  qui  exsules  re~ 
duxit  [zu  denen  Sallust  nicht  gehört],  in  senatum  per  quaesturam 
redudus  est;  nachher  sei  er  dann  Praetor  geworden. 

*)  Grocbe  bei  Drümani«  III  509  ,  9  führt  mit  Recht  die  Tessera  CIL 
I  785  (1  *  9S9),  nach  der  beide  schon  am  16.  November  im  Amt  waren,  gegen 
die  herrschende  Ansicht  an,  daß  sie  nar  wenige  Tage  im  Amt  gewesen 
seien,  die  sich  auf  Dio  42  ,  55  ,  4  (Siccctot  iic;  iiö'.y  a6toü  faco8ttx*ivtt<;) 
und  Cicero»  Witz  bei  Macrob.  II  8,  5  stützt:  magnum  ostentum  anno 
Vatinii  factum  est,  quod  ülo  consule  nec  bruma  nec  ver  nec  aestas 
nec  autumnus  fuit,  eine  Behauptung,  die  für  die  bruma  auch  dann 
zutreffend  bleibt,  wenn  er  schon  etwa  am  1.  November  (17.  August)  das 
Consulat  antrat,  da  der  1.  Januar  (14.  Oktober)  lange  vor  die  Winter- 
sonnenwende fiel :  eine  Übertreibung  liegt  dagegen  in  autumnus.  Übri- 
gens folgt  aus  bell.  Afr.  10,  1  keineswegs,  daß  Vatinius  Caesar  nach 
Afrika  begleitet  hat;  die  Consuln  blieben  vielmehr  zweifellos  in  Rom 
und  gingen  dann  im  Frühjahr  in  ihre  Provinzen.  —  Wenn  am  13.  De- 
zember dieses  Jahres  nicht  die  Consuln,  sondern  der  Praetor  L.  Va- 
lerius L.  f.  die  Senatssitzung  im  templum  Concordiae  halt,  in  der  ein 
Beschluß  für  die  Juden  gefaßt  wird  (Jos.  Ant.  XIV  8,  5,  145,  vgl. 
Mommseh  ,  Ges.  8chr.  IV  146  ff.  und  jetzt  Täubler,  Imperium  Romanum 
I  160.  168  ff.),  so  müssen  die  Consuln  aus  irgendeinem  unbekannten 
Grunde  von  Rom  abwesend  gewesen  sein. 

»)  Teesera  vom  1.  Februar  C.  Caes.  M.  Lep.  CIL.  I  786  (I ■  940);  vom 
18.  November  C.  Jul.  M.  Aem.  ib.  737  (I  *  941). 


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382 


Caesars  Monarchie 


gesammelt  und  dort  Caesar»  Entscheidung  abgewartet  hatte1). 
Wohl  aber  wurden  die  Rechte  der  begnadigten  Gegner  durch 
ein  von  Hirt  ins,  einem  der  für  46  ernannten  Praetoren,  ein- 
gebrachtes  Gesetz  beschränkt*).  Die  Besitzungen  der  Gefallenen, 
so  das  Haus  des  Pompe  jus,  wurden  öffentlich  versteigert;  und 
diejenigen,  welche  wie  Antonius  glaubten,  der  Zahlung  des  Kauf- 
preises entgehn  zu  können,  wie  einst  unter  Sulla,  sahen  sich 
bitter  enttäuscht.  Caesar  brauchte  dringend  Geld,  und  sah  sich 
genötigt,  zur  weiteren  Füllung  seiner  Kasse  „freiwillige"  An- 
leihen von  Städten  und  reichen  Privatleuten  in  großem  Umfang 
zu  erheben3). 

Die  schwierigste  Aufgabe  war  die  Bändigung  der  Militär- 
revolte. Als  Caesar  den  Praetor  Sallust  mit  großen  Ver- 
sprechungen, tausend  Denare  für  den  Mann  —  Geld  konnte  er 
nicht  zahlen  — ,  zu  ihnen  nach  Campanien  schickte,  entging 
dieser  nur  mit  Mühe  dem  Tode;  andre  Abgesandte,  darunter 
zwei  gewesene  Praetoren,  wurden  erschlagen4).  Wie  die  Legionen 
dann  nach  Rom  zogen  und  auf  dem  Marsfelde  lagerten,  und  wie 
es  Caesar  gelang,  durch  ein  psychologisches  Meisterstück  die 
Meuterer  völlig  umzustimmen  und  zu  unbedingtem  Gehorsam 
zurückzuführen,  ist  allbekannt. 

Um  den  1.  Dezember  47  hat  Caesar  Rom  verlassen;  am 
17.  Dezember  (1.  Oktober)  traf  er  in  Lilybaeum  ein,  am  25. 
(9.  Oktober)  ging  er  nach  Afrika  in  See*).  Von  Vorgängen  in 
Rom  in  der  Zeit  seiner  Abwesenheit  hören  wir  nichts;  in  das 


')  Cic  Att.  XI  7,  4.  14,  1.  15f  1.  16,  l  f.  25,  2.  fam.  XV  15,  2. 
XIII  29,  2. 

*)  Cic  Phil.  XIII  32  ans  einem  Brief  des  Antonios  an  seine  Gegner 
(Marz  48):  neminem  l'ompeianum,  qui  vivai,  teneri  lege  Hirtia  dicti- 
Uitis.  Genaueres  Uber  dies  Gesetz  wissen  wir  nicht,  ebensowenig,  ob 
die  rogatio  Hirtia  in  dem  Fragment  CIL  1 627  (I  *  604)  hierhergehört  Daß 
Hirtios  im  Jahre  46  Praetor  war.  zeigt  eine  Goldmünze  mit  den  Legenden 
C.  Caesar  cos.  ter.  und  A.  Hirtius  pr.  (Coubh,  monnaies  de  rempire 
I  p.  7  no.  2). 

*)  Dio  42,  50. 

*)  Dio  42,  53.    Appian  II  92. 
»)  bell.  Afr.  1.  2. 


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Ca«*ar  in  Italien  (Herbet  47).   Cicero  und  Brutus 


383 


Schwanken  der  Stimmung,  wie  es  die  wechselnden  Nachrichten  vom 
Kriegsschauplatz  erzeugten,  gewährt  Cicero«  Korrespondenz  aus 
dieser  Zeit  einigen  Einblick.  Mit  Caesars  Vertretern  in  Rom, 
Baibus,  Oppins,  Hirtius  u.  a.,  behielt  er  Fühlung,  letzterem  und 
dem  nach  der  Schlacht  bei  Thapsus  heimgekehrten  Dolabella  crab 
er  im  Juh  46  auf  dem  Tusculanum  rhetorischen  Unterricht,  und 
Atticus  diente  ihm  nach  wie  vor  als  Mittelsmann  i  im  übrigen 
zog  er  sich  ganz  auf  die  literarische  Tätigkeit  zurück.  Enge 
Fühlung  suchte  er  mit  Brutus,  der  ihn  durch  seinen  Brief  ans 
Asien  aus  der  verzweifelten  Stimmung  in  Brundisium  auf- 
gerüttelt hatte.  Mehr  und  mehr  klammerten  sich  seine  Hoffnungen 
für  die  Zukunft  an  diesen,  namentlich  seitdem  er  in  seiner  Cicero 
gewidmeten  Schrift  de  virtote,  die  Anfang  des  Jahres  46  er- 
schienen sein  muß,  sich  trotz  des  Anschlusses  an  Caesar  zu  den 
römischen  Idealen  bekannt  und  den  M.  Marcellus  verherrlicht 
hatte ;  er  hatte  diesen  im  Exil  in  Mytilene  aufgesucht,  während 
Caesar,  wie  Brutus  berichtete,  an  ihm  vorbeigefahren  war, 
weil  er  sich  beschämt  fühlte,  einen  solchen  Mann  im  Un- 
glück zu  sehn1).  Seitdem  drängte  Cicero  sich  ihm,  der  dann 
im  Juni  (April)  46  als  Statthalter  nach  der  Cisalpina  ging2), 
geradezu  auf,  und  schrieb  für  ihn  ein  Werk  nach  dem  andern, 
zunächst  die  Geschichte  der  römischen  Beredsamkeit  (Brutus), 
dann  den  Oraior.  Namentlich  im  Brutus  macht  er  aus  seiner 
Stimmung,  aus  seiner  Trauer  über  den  Untergang  der  Republik 
und  der  Sorge  um  die  Zukunft  kein  Hehl*);  auch  Brutus*  Urteil 
über  Marcellus  hat  er  in  seine  Schrift  aufgenommen4).  An  ihn 
schließt  sich,  noch  vor  dem  Oraior,  die  Abfassung  des  Calo, 
der  in  ihrer  Tendenz  durchaus  gegen  Caesar  gerichteten  Lobschrift 


')  Cic.  Se  fin.  I  8.  TW.  V  1.  Seneca  cons.  ad  Helviam  8,  4. 
9,  5—10. 

»)  Vgl.  Orator  84. 

»)  equidem  doleo  ...  in  hanc  rei  publicae  noctem  incidisse, 
Brot.  830;  süeamus  deistis,  ne  augeamm  dolorem,  nam  etpraeteri- 
iorum  recordaüoeat  acerbaet  acerbior  exspectatio  reliquo- 
rum  266. 

4)  Brut.  25a 


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384 


Caesars  Monarchie 


auf  den  Heros  der  Republik1).  Ein  anschauliches  Bild  der  Lage 
kurz  vor  Caesars  Rückkehr,  etwa  Anfang  Juli  46,  gewährt  ein 
Brief  Ciceros  an  den  in  Neapel  lebenden  Paetus  (fam.  IX.  16). 
Mit  Caesars  Agenten  steht  er  gut,  von  Caesar  selbst  hat  er  nichts 
zu  fürchten,  „außer  das,  wo  der  Rechtsboden  einmal  verlassen 
ist,  alles  unsicher  ist  und  man  für  die  Zukunft,  die  in  eines  Andern 
Willen,  um  nicht  zu  sagen  Willkür  liegt,  keine  Garantie  über- 
nehmen kann".  Er  sucht  alles  zu  vermeiden,  was  bei  den  Macht- 
habern  Anstoß  erregen  kann;  bedenklich  sind  nur  die  vielen 
Witzworte,  die  von  Cicero  kolportiert  werden,  und  über  die  an 
Caesar  mit  den  übrigen  Akten  auf  seinen  Befehl  genau  berichtet 
wird;  und  Caesar  ist  ein  Kenner*),  der  zu  beurteilen  versteht, 
ob  ein  solches  Wort  wirklich  von  Cicero  stammt.  „So  bleibt 
nur  übrig,  daß  ich  nichts  leichtfertig  gegen  die  Machthaber  sage 
oder  tue,  was  denn  auoh  dem  Verhalten  eines  wahren  Weisen 
entspricht."  Im  übrigen  tröstet  er  sich  mit  den  griechischen 
Weisen,  die  in  Athen  oder  Syrakus  eine  Königsherrschaft  er- 
tragen und  sich  dabei  ihre  Selbständigkeit  und  innere  Freiheit 
gewahrt  haben*). 

Beendigung  des  Bürgerkriegs.    Caesars  Triumphe 

Auf  die  Kunde  von  dem  Siege  bei  Thapsus  (6.  April  =7.  Fe- 
bruar 46)  beschloß  der  Senat  eine  lange  Reihe  weiterer  Ehrungen 

')  Vgl.  Att  XII  4,  Mitte  Juni  (0.  E.  Schmidt  S.  240  ff.)  sed  de  Ca- 
tone  itpoßXfjpwi  y kpxi^fittov  ^st;  non  adsequor,  quod  tui  convivae 
{ Baibus  usw.)  non  modo  Hbenter,  sed  etiam  aequo  animo  legere  pos- 

:)  Wie  Cicero  bemerkt,  hat  Caesar  seibat  Volumina  &Ko<pd*YfL<xtcov 
▼erfaßt;  es  sind  die  dicta  collect a?tea  bei  Sueton  Caea.  56,  die  spater, 
wie  andere  Jugendarbeiten  Caesars  (Landes  Herculis  und  eine  Tra- 
gödie Oedipus),  von  August us  unterdrückt  worden  sind.  —  Eine  Samm- 
lung von  Ciceros  facetiae  hat  kurz  vorher  sein  Freund  Trebonius,  da- 
mals ein  eifriger  Caesarianer,  verfaßt  und  ihm  Ende  47  zugesandt,  fam. 
XV  21 ;  später  sind  sie  bekanntlich  von  Tiro  gesammelt  worden  (Macrob. 
II  1,  12),  auf  den  die  Auszüge  bei  Macrob.  II  3.  VII  3  zurückgehn? 

*)  fam.  IX  16,  vgl.  18  und  aus  derselben  Zeit  VII  3  an  Marius, 
VII  88  an  Volumnius,  u.  a. 


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Caesars  dritte  Dictatur 


385 


für  Caesar,  ein  vierzigtägiges  Siegeafest,  einen  dauernden  Ehren  - 
sitz  auf  der  Bella  curulis,  die  Einsetzung  seines  Namens  statt  des 
Catulus  in  der  Weihinschrift  des  capitolinischen  Tempels  (vgl. 
S.  40),  einen  Siegeswagen  und  eine  eherne  Statue  im  Juppiter- 
tempel,  der  die  Weltkugel  zu  Füßen  lag,  wie  die  Athener  im 
Jahre  290  den  Gott  Demetrios  malten1);  die  Weihinschrift,  die 
Caesar  später  tilgen  ließ,  sollte  ihn  als  Halbgott  bezeichnen2). 
Bedeutsamer  war,  daß  ihm,  außer  der  Besetzung  der  Ämter, 
von  neuem  die  Dictatur,  und  zwar  jetzt  als  Jahramt  auf  zehn 
Jahre,  mit  72  Lictoren,  je  24  für  die  beiden  früheren  und  die 
jetzt  neu  übernommene,  und  daneben  die  Aufsicht  über  die 
Sitten  (praefectwa  morwri),  also  die  Kontrolle  des  Privatlebens 
der  gesamten  Bürgerschaft,  auf  drei  Jahre  übertragen  wurde. 
Seitdem  hat  Caesar  die  Dictatur  als  Jahramt,  neben  dem  Con- 
sulat,  übernommen,  und  datiert  dies  Jahr  fortan  als  seine 
dritte  Dictatur;  zum  Magister  equitum  bestellte  er  an  Stelle  des 
Antonius  den  Lepidus3). 

Am  25.  Juli  (26.  Mai)  traf  Caesar  in  Rom  ein4),  an  der  Spitze 
seiner  siegreichen  Armee,  die  jetzt  der  Belohnung  und  Entlassung 
entgegensah,  mit  unermeßlichen  Geldsummen,  wie  sie  die  Beute 
und  die  Ehrengeschenke  und  goldenen  Kränze  ergaben,  die  er 
von  allen  Seiten  empfangen  hatte6).  Mit  dem  Sieg  über  die 
Republikaner  in  Afrika  war  der  Bürgerkrieg  zu  Ende  —  daß 


')  Duris  fr.  81.  =  Plut.  Demetr.  41. 

*)  Dio  43,  14,  6.  21,  2;  wie  lautet  -fyudtos  lateinisch? 

*)  Dio  48,  14.  Über  Caesars  dritte  Dictatur,  die  Dio  48,  1  falsch- 
lich schon  am  1.  Januar  beginnen  läßt,  s.  Ganter,  Die  Dictaturen  Cae- 
sars, Z.  f.  Numism.  XIX  1895,  188  ff.,  der  die  Fragen  endgültig  gelöst 
bat,  vgl.  oben  S.  870,  5. 

♦)  bell.  Atr  98. 

*)  Nach  Appian  betrugen  die  beim  Triumph  vorgeführten  Summen 
65000  Talente  =  890  Millionen  Drachmen  oder  Denare  (in  unserem 
Gelde  etwa  850  Millionen  Mark),  dazu  2822  goldene  Kränze  im  Gewicht 
von  20414  Pfund  (etwa  6800  kg),  nach  dem  damaligen  niedrigen  Gold- 
wert (Sueton  Caes.  54)  gleich  rund  15  7j  Mill.  Denaren.  Vellejus  II  56 
gibt  als  Gesamtbetrag  der  Beutegelder  einschließlich  der  spanischen  weit 
über  600  Mill.  Sestertien  (150  Mill.  Denare). 

Mayer,  Casars  Monarchie  25 


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386 


Caesars  Monarchie 


Pompejus*  Söhne  den  Versuch  machten,  sich  in  Spanien  noch 
wieder  eine  Macht  zu  gründen,  und  daß  seit  Anfang  des  Jahres 
Oaecilius  Bassus  in  Syrien  einen  Aufstand  erregt  hatte,  konnte 
einstweilen  als  irrelevant  gelten.  Gatos  Selbstmord  erschien 
aller  Welt  als  ein  Symbol  für  den  Tod  der  Republik;  der  römische 
Staat  und  sein  gesamter  Machtbereich  lag  fortan  willenlos  dem 
Sieger  zu  Füßen.  So  konnte  Caesar  jetzt,  als  Abschluß  der 
Kriege,  im  September  seine  vier  Triumphe  feiern,  über  Gallien, 
Aegypten,  Pontus  und  Numidien.  Daran  schlössen  sich  un- 
geheure Geschenke  sowohl  an  die  Soldaten  wie  an  das  Stadt- 
volk, die  die  früher  gemachten  Versprechungen  noch  übertrafen, 
für  jeden  Soldaten  außer  den  Landanweisungen  für  die  Veteranen 
5000  Denare,  für  die  Centurionen  das  Doppelte,  die  höheren 
Offiziere  das  Vierfache,  für  jeden  Bürger  der  Hauptstadt 
100  Denare,  dazu  Getreide  und  01;  weiter  eine  Bewirtung  des 
Volkes,  Wettrennen,  Schauspiele  u.  ä.,  und  gigantische  Gladia- 
torenspiele, bei  denen  ganze  Armeen  zu  Fuß  und  zu  Roß  nebst 
vierzig  Elefanten  gegeneinander  kämpften,  Tierhetzen  und  eine 
Seeschlacht,  als  nachträgliche  Leichenfeier  für  seine  im  Jahre  54 
gestorbene  Tochter  Julia,  die  Gemahlin  des  Pompejus.  Die 
Kämpfer  waren  Verbrecher  und  Gefangene;  die  Beteiligung  von 
Senatoren,  die  dabei  ihre  Fechtkunst  zeigen  wollten,  untersagte 
er;  Rittern  wurde  es  gestattet1).  Das  Blutvergießen  und  die 
Verschwendung  waren  so  ungeheuer,  daß  es  selbst  den  Römern 
zuviel  wurde*).  Auch  sonst  kam  mancherlei  dabei  vor,  was  An- 


*)  Dio  48,  28,  5  xcu  tivt?  xeü  t<iv  Irowwv  ooy  8tt  t&v  äXXcdv,  &XX*  *at 
lotpar*iY^l*ow?  *ivo<;  äv&pö<  olb$  »fiovo|wtxirjo»v .  *al  ßouXtoTijs  Ii  ti<  4>o- 
Xooio;  £ttivo<  4)diX-^a«  yiv  önXofia^oat ,  liu»X6<hj  Ii  *  ixttvo  ulv  f  dp  iirt\(h 
iato  b  Kaioap  frqtcott  oufiß-rjvai,  toö?  V  litic»o<;  mptttftt  |tet)ropivoo<;.  Dieser 
Fulvius  Setinaß  ist  wohl  identisch  mit  Furios  Leptinus  bei  Sueton 
Caes.  89,  den  er  zugleich  als  den  Sohn  eines  Praetoriers  beaeichnet  and 
▼on  dem  er  behauptet,  daß  er  ebenso  wie  ein  ehemaliger  Senator  Cal- 
penus  (der  also  wohl  yon  den  Censoren  des  Jahres  50  aus  dem  Senat 
gestoßen  war)  gekämpft  habe :  munere  in  foro  depufftiavü  Furius  Le- 
ptinus Stirpe  praetoria  et  Q.  Calpenus,  Senator  quondam  actorque 
causarum.    Wer  von  den  beiden  recht  hat,  ist  nicht  zu  sagen. 

»)  Dio  48,  24. 


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Caesars  Triumphe.   Der  Mimue  den  Laberius  387 

stoß  erregte,  so  daß,  wenn  auoh  über  die  besiegten  Bürger  kein 
Triumph  gefeiert  ward,  doch  die  Szenen  aus  dem  Kriege  in  Afrika , 
der  Selbstmord  des  Cato  und  des  Metellus  Seipio  u.  ä.,  neben  den 
Vorgängen  in  Aegypten  im  Bilde  vorgeführt  wurden.  Besonders 
schmerzlich  empfand  man,  daß  Caesar  ganz  gegen  die  römische 
Sitte  den  Wunsch  aussprach,  der  Mimendichter  D.  Laberius  möge 
bei  seinen  Spielen  auf  der  Bühne  auftreten,  was  ihm  seine  Ritter- 
würde nicht  erlaubte,  und  sich  mit  dem  von  Caesar  protegierten 
Publilius  Syrus  messen,  ein  Wunsch,  dem  Laberius  sich  nicht 
entziehen  zu  können  bekannte1).  Caesar  hat  dem  Publilius  den 
Sieg  zuerkannt,  aber  dem  Laberius  den  Ritterring,  den  er  durch 
sein  Auftreten  auf  der  Bühne  verloren  hatte,  zurückgegeben,  so 
daß  er  wieder  auf  den  Ritterbänken  Platz  nehmen  konnte,  und 
ihn  mit  500000  Sestertien  belohnt1).  So  unbedeutend  der  Vorgang 
an  sich  war,  so  tiefen  Eindruck  hat  er  gemacht:  er  führte  den 
Römern  das  Wesen  der  Monarchie  und  die  Notwendigkeit,  sich 
den  Launen  des  Einen  zu  fügen,  drastisch  vor  Augen.  Das  be- 
zeugen ebensowohl  Ciceros  Äußerungen3),  wie  der  Nachhall  des 
Vorgangs  in  der  Literatur  der  Kaiserzeit. 

')  In  seinem  Prolog  bei  Macrob.  II  7 ,  8  (ans  dem  verlorenen  Be- 
richt bei  Gellius  VIII  15  übernommen)  sagt  Laberia«,  viri  exceUcntis 
mente  demente  edita  summissa  placide  blandüoquens  oratio  habe 
ihn  auf  »eine  alten  Tage  dazu  gezwungen;  et  enim  ipei  di  negare  cui 
nihil  potuerunt,  hominem  me  denegare  quis  posset  pati?  Er  rächt 
sich  durch  die  bekannten  Verse  porro  Quirites  libertatem  perdimus 
und  necesse  est  multos  titneat  quem  tnulti  Urnen t  (Macrob.  1.  c. 
Seneca  de  ira  II  11,  3). 

*)  Macrob.  1.  c.  (Vgl.  die  Nachahmung  durch  den  jüngeren  Baibus 
in  Gades  im  Jahre  43.  Asinius  Pollio  Cic.  fam.  X  82,  2).  Daran  schließen 
die  bekannten  Anekdoten  von  den  Bosheiten,  die  Cicero  und  Laberius 
miteinander  austauschen:  Seneca  controv.  VII  3,  9.  Macrob.  II  3,  10 
=  VII  8,  8.  Die  Begünstigung  des  Publilius  durch  Caesar  erwähnt 
auch  Gellius  XVII  14. 

')  Cicero  schreibt  an  Cornificius  fam.  XII  18,  2  equidem  sie  iam 
obdurui,  ut  ludis  Caesaris  nostri  animo  aequissimo  videam  T.  Plan- 
cum  (seinen  alten,  von  Caesar  zurückgeführten  Feind  ans  den  milonischen 
Händeln),  audirem  Laberii  et  Publi(li)i  poemata.  Wie  tief  der  Vorfall 
auf  ihn  gewirkt  hat,  geht  daraus  hervor,  daß  er,  wie  Ribbeck,  scen.  lat. 
II  p.  860  erkannt  hat,  den  Eingang  des  Prologs  des  Laberius:  necessi- 


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388 


Caesar«  Monarchie 


Mit  den  Spielen  war  die  Einweihung  des  Forum  Juliummit 
seinen  Wandelhallen  verbunden,  zu  dem  Caesar  schon  nach  den 
clodischen  Handeln  den  Grund  gelegt  hatte1),  als  es  galt,  der 
Alleinherrschaft  des  Pompejus  durch  populäre  Agitation  und 
reiche  Spenden  und  Versprechungen  entgegenzuwirken.  Die 
Ergänzung  dazu  bildete  auf  der  andern  Seite  des  alten  Markt- 
platzes die  für  die  Gerichtsverhandlungen  bestimmte  Basilica 
Julia.  Dazu  kam  dann  weiter  der  Bau  eines  grüßen  Theaters 
zwischen  Capitol  und  Tiber,  das  erst  Augustus  vollendet  und 
zum  Andenken  an  Marcellus  benannt  hat.  Den  Mittelpunkt  des 
Forum  Julium  bildete  der  Tempel  der  Ahnmutter  des  Herrschers, 
der  Venus  Genetrix,  den  er  vor  der  Schlacht  bei  Pharsalos  gelobt 
hatte;  er  wurde  inmitten  der  Festlichkeiten  am  26.  September 
geweiht.  Auch  sonst  hat  es  Caesar  an  Rücksicht  auf  den  Kult 
nicht  fehlen  lassen,  wie  er  denn  auf  seine  sakrale  Stellung  einen 
besonderen  Nachdruck  legte:  auf  seinen  Münzen  erscheinen  die 
Abzeichen  des  Pontifez  maximus  und  des  Augurs  mindestens 
eben  so  häufig,  wie  die  Anspielungen  auf  seine  Siege.  Als  er  nach 
dem  gallischen  Triumph  durch  die  Reihen  der  als  Lichthalter 
verwendeten  Elefanten  zum  Capitol  hinaufstieg,  um  dem  Juppiter 
den  gelobten  Dank  abzustatten,  hat  er  nach  altem  Brauch  die 
Treppe  auf  den  Knien  liegend  erstiegen2). 

Sallusts  zweite  Schrift  an  Caesar 

Die  Triumphe  und  die  anschließenden  Feste  sind  erst  in  den 
letzten  Septerabertagen  gefeiert  worden,  wahrscheinlich  vom 

tos  .  . .  quo  me  detrusit  paene  extremis  sensibus?  de  off.  I  114  ver- 
wendet hat:  sin  aliquando  necessitas  nos  ad  ea  detru- 
serit,  quae  nostri  ingenii  non  erunt.  —  Bei  Sneton  Caes.  39:  Ludis 
Decimus  Laberius  eques  Romanus  mimutn  suum  egii,  donatusque 
quingentis  sesiertiis  et  anulo  aureo,  sessutn  in  quaituordecim  e 
scaena  per  orchestram  transiit  liegt  die  Spitze  in  der  Fassung  der 
Erzählung,  die  er  als  allbekannt  (daher  mtmum  suum)  voraussetzt 
')  Sueton  Caes.  26. 

')  Dio  43,  21,  2;  ebenso  später  Kaiser  Clandias  Dio  60,  28,  1.  Der 
Brauch  ist  bekanntlich  jetzt  auf  die  Laterantreppe  abertragen.  Sueton 
Caes.  87  erwähnt  nur  die  Elefanten. 


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Caesars  Bauten.    Die  neuen  Aufgaben 


389 


23.  September  bis  3.  Oktober  des  damaligen  Kalenders1),  zwei 
Monate  nach  Caesars  Rückkehr;  die  Vorbereitungen  erforderten 
eben  geraume  Zeit.  Sie  bilden  den  Abschluß  der  Vergangenheit, 
werfen  auch  gelegentlich  auf  die  Persönlichkeit  des  Siegers  ein 
charakteristisches  Licht;  aber  etwas  Neues  und  für  die  Dauer 
Bedeutsames  konnten  sie  nicht  bringen. 

Inzwischen  aber  war,  eben  durch  die  Beendigung  des  Kriegs, 
die  bisher  vertagte  Präge  nach  der  Umgestaltung  des  Staats 
brennend  geworden.  Der  Sieger  konnte  sich  ihrer  Beantwortimg 
garnicht  entziehn;  auch  wenn  er,  so  wenig  das  von  ihm  zu  er- 
warten war,  die  Dinge  hätte  gehn  lassen  wie  bisher  und  sich 
lediglich  auf  gelegentliches  Eingreifen  beschränkt  hätte,  würde 
die  Verantwortung  für  diesen  Zustand  ausschließlich  auf  ihm 
gelastet  haben. 

Gleich  nach  dem  Siege,  wie  es  scheint  noch  in  Afrika,  wo 
ihm  die  Statthalterschaft  der  neuen,  aus  dem  Königreich  Nu- 
midien  gebildeten  Provinz  übertragen  wurde2),  hat  sich  Sallust 
nochmals  an  Caesar  gewandt.  Aufs  neue  mahnt  er  aufs 
dringendste,  sich  der  großen  Aufgabe  zu  widmen:  ..daher,  um 
Gottes  willen,  nimm  die  Staatsleitung  in  die  Hand  und  bahne 
Dir,  wie  Du  gewohnt  bist,  den  Weg  durch  alle  Schwierigkeiten ; 
denn  so  liegen  die  Dinge,  daß  entweder  Du  heilen  kannst  oder 
aber  Alle  die  Bemühung  darum  aufgeben  müssen"3).  „Freilich 
ist  die  Aufgabe,  das  durch  die  Waffen  Gewonnene  nun  einzu- 


')  Nach  dem  Kaleuder  der  Augusteischen  Zeit  sind  die  ludi  Vic- 
tariae  Caesaris  später  vom  20.— .30.  Juli  gefeiert  worden;  da  das  für 
Caesar  selbst  im  Jahre  46  unmöglich  ist  und  fQr  die  damit  verbundene 
Weihung  des  Tempels  der  Venu»  genetrix  der  25.  oder  26.  September 
gleichfalls  inschriftlich  feststeht,  ist  Mommse\s  Annahme  (CIL.  1 1  822  f., 
vgl.  0.  K.  Schmidt  S.  253  f.)  wohl  zweifellos  zutreffend,  daß  die  Daten 
nach  der  Kalenderregulierung  umgerechnet  sind.  So  fiel  das  Fest  dann 
zugleich  in  den  Monat,  der  Caesars  Geburt  seinen  neuen  Namen  ver- 
dankte. 

*)  bell.  Afr.  <J7  1.  Diu  43,  9.  App.  II  100,  415;  vgl.  Beilage  II. 
»)  I  6,  8  quare  capesse,  per  deos,  rempublicam,  et  omnia  aspera 
uti  soles  pervade;  namque  aut  tu  tnederi  potes,  aut  omittenda  est 

cum  omnibus. 


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390 


Cae.-urs  Monarchie 


richten,  für  Dich  schwerer  als  für  alle  vor  Dir,  weil  Du  den  Krieg 
milder  geführt  hast  als  andre  den  Frieden;  und  dazu  fordern 
die  Sieger  ihre  Beute,  die  Besiegten  aber  sind  Bürger.  Zwischen 
diesen  Schwierigkeiten  mußt  Du  einen  Ausweg  finden  und  den 
Staat  für  die  Zukunft  festigen  nicht  nur  durch  Waffengewalt 
und  nicht  gegen  Feinde,  sondern,  was  unendlich  viel  schwieriger 
ist,  durch  die  guten  Mittel  des  Friedens."  Da  müssen  alle  nach 
Kräften  mit  ihrem  Rat  zu  helfen  suchen;  denn  „nach  meiner 
Auffassung  hängt  von  der  Art,  wie  Du  den  Sieg  ausgestaltest, 
alles  andre  ab"1). 

Im  Gegensatz  zu  Sulla  und  Pompejus  und  den  Optimaten, 
welche  nach  seiner  Auffassung  in  den  Jahren  ihrer  Herrschaft 
seit  55  Rom  (in  Abwehr  der  Anarchisten  und  Clodianer)  mit  den 
brutalsten  Mordtaten  und  Massakres  angefüllt  haben,  soll  Caesar 
fortfahren,  Milde  und  Gnade  zu  üben;  dadurch  wird  er  die  Stim- 
mung für  sich  gewinnen  und  seiner  Machtstellung  Dauer  verleihn. 
Freilich  werden  manche  semer  Anhänger  behaupten,  daß  dieser 
Rat  von  zu  großer  Nachsicht  gegen  die  Besiegteu  eingegeben  sei 
und  den  Sieg  schände2);  aber  diesen  Stimmen  soll  er  nicht  folgen. 
„Sie  kommen  von  eben  den  Leuten,  welche  durch  Luxus  und 
Verbrechen  befleckt  und  tief  verschuldet  sind,  und  durch  die 
falsche  Behauptung  der  Feinde,  es  handle  sich  lediglich  darum, 
die  Republik  in  die  eigenen  Hände  zu  bringen,  in  Hoffnung  auf 
Raub  und  Mord  in  Dein  Lager  gelockt  sind3);  als  sie  sahn,  daß 
Du  weder  die  Schulden  aufhobst,  noch  die  Bürger  wie  Feinde 
behandeltest,  sind  sie  zu  Pompejus  geströmt,  nur  die  sind  ge- 
blieben, welche  sich  vor  ihren  Gläubigern  in  Deinem  Lager 
bergen  wollten,  während  andre  aus  demselben  Grunde  massen- 
haft zu  Pompejus  gingen.  Und  dieser  korrupte  Anhang  mahnt 
Dich  jetzt,  es  ebenso  zu  machen,  wie  die  Geguer  boa b ich t igten, 


')  l  1,  7  ff. 

*)  I  8,  4  hand  scio,  an  qui  me  his  dictis  corruplorem  vietoriae 
tuae  nimisque  in  victos  bona  voluntate  praedicent. 

*)  I  2,  5  maJedicHs  ineiquorutn  occupandae  reipublicae  in  spem 
adducii  homines,  quibus  omnia  probro  ac  luxuria  polluia  erant, 
coneurrere  in  castra  Uta. 


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I 

Sallusts  zweite  Schrift  an  Caesar  391 

als  habe  es  sich  darum  gehandelt,  in  wessen  Namen  von  Euch 
beiden  das  Unrecht  begangen  werden  solle,  und  als  ob  der 
Staat  von  Dir  nicht  befreit  und  wiederhergestellt,  sondern  er- 
obert sei1),  damit  dies  verächtliche  Gesindel  seinen  Lüsten  frönen 
und  den  Sieg  schänden  könne. 

„Die  meisten  Machthaber  sind  der  irrigen  Meinung,  ihre 
Stellung  werde  um  so  gefestigter  sein,  je  nichtsnutziger  ihre 
Untertanen  seien.  Gerade  im  Gegenteil  ziemt  es  sich,  wenn  man 
selbst  tüchtig  und  energisch  ist,  so  tüchtige  Untertanen  zu  haben 
wie  möglich;  denn  gerade  je  schlechter  jemand  ist,  um  so  weniger 
fügt  er  sioh  einem  überlegenen  Leiter"2).  Jetzt  aber  handelt  es 
sich  um  die  Zukunft,  ja  um  die  Existenz  des  römischen  Staats. 
„Denn  wie  alles,  was  entstanden  ist,  auch  zugrunde  gehn  muß, 
so  droht  dies  Schicksal  auch  der  Stadt  Rom,  die  sich  durch  die 
Kämpfe  der  Bürger  gegeneinander  aufreiben  wird,  so  daß  sie 
blutleer  und  erschöpft  einem  fremden  König  oder  Volk  zur  Beute 
werden  wird,  während  andernfalls  diese  ihre  weltbeherrschende 
Stellung  nicht  erschüttert  oder  gar  vernichtet  werden  kann, 
auch  wenn  der  ganze  Erdkreis  und  alle  Völker  sich  zusammen- 
scharen.  So  gilt  es,  das  Gut  der  Eintracht  zu- stärken  und  das 
Übel  der  Zwietracht  zu  vertreiben"3). 

Das  Mittel  dafür,  das  Sallust  empfiehlt,  ist  dasselbe,  das  er 
schon  in  der  vorigen  Schrift  angeraten  hat.  „Das  wird  sich  er- 
reichen lassen,  wenn  Du  die  Ungebundenheit  des  Aufwandes  und 
der  Erpressungen  aufhebst,  nicht  dadurch,  daß  Du  die  alten 
Ordnungen  wieder  ins  Leben  zu  rufen  suchst,  die  bei  der  ein- 
getretenen sittlichen  Korruption  schon  längst  zum  Gespött  ge- 
worden sind"  —  also  nicht  durch  Sitten-  und  Luxusgesetze, 
wie  es  die  Nobilität  und  zuletzt  noch  die  Censoren  Appius  und 
Piso  immer  von  neuem  ohne  jeden  Erfolg  versucht  hatten  — 
„sondern  wenn  Du  gesetzlich  bestimmst,  daß  für  einen  jeden 

•)  I  4,  8  ad  quae  te  idem  Wi  hortantur  ,  et  scüicet  Id  certatum 
esse,  utrius  vestrum  arbitrio  iniuriae  fierent,  neque  receptam  aed 
captam  a  te  rempublicam. 

•)I1,5  f. 

»)  I  5,  2  f. 


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392 


Caesar*  Monarchie 


sein  Vermögen  die  Grenze  seiner  Ausgaben  bildet"1),  d.h.  daß 
niemand  mehr  ausgeben  darf,  als  er  als  Eigentum  besitzt.  „Da- 
her muß  für  die  Zukunft  der  Geldverleiher  beseitigt  werden; 
dann  sind  wir  darauf  angewiesen,  uns  nach  unsern  Mitteln  zu 
richten"*).  Was  er  verlangt,  ist  nichts  Geringeres,  als  die  voll- 
ständige Aufhebung  des  Geldgeschäfts;  olle  Darlehn  sollen  ge- 
setzlich verboten  und  dadurch  unmöglich  gemacht  werden  — 
also,  dürfen  wir  hinzufügen,  eben  der  Weg  abgeschnitten  werden, 
auf  dem  Caesar  selbst  zu  seiner  Machtstellung  gelangt  ist  und 
dann  sieh  den  gewaltigen  Anhang  gewonnen  hat.  „Das  ist  der 
wahre  und  einfache  Weg,  daß  man  das  Amt  für  das  Volk,  nicht 
für  den  Gläubiger  verwaltet  und  seine  geistige  Bedeutung  dem 
Staat  durch  Mehrung,  nicht  durch  Minderung  (der  Staatsein- 
künfte) erweist".  „Ich  weiß  wohl,  wie  hart  das  zu  Anfang 
erscheinen  wird,  zumal  für  die,  welche  des  Glaubens  waren,  sie 
würden  als  Sieger  freier  und  ungebundener,  nicht  beengter  leben 
können.  Aber  wenn  Du  statt  für  ihre  Lust  vielmehr  für  ihr 
Heil  Sorge  tragen  willst,  wirst  Du  für  sie  und  für  uns  und  für 
die  Bundesgenossen  (Untertanen)  einen  dauerhaften  Frieden 
schaffen;  wenn  aber  die  jungen  Leute  es  weiter  treiben  können 
wie  bisher,  ist  zu  fürchten,  daß  der  herrliche  Ruf,  den  Du  ge- 
wonnen hast,  binnen  kurzem  zugleich  mit  dem  römischen  Staat" 
—  cum  urlje  Roma,  wie  er  sagt  —  ,,zusammenbricht"8).  „Daher," 
so  schließt  dieser  Abschnitt  mit  dem  schon  angeführten  Satz,  „bei 
den  Göttern,  nimm  Dich  des  Staats  an!" 

Von  seinem  Radikalmittel  erwartet  Sallust  eine  Regeneration 
des  römischen  Volks  und  vor  allem  eine  gründliche  Besserung 
der  heranwachsenden  Generation.    „Es  fordert  ja  niemand  von 

')  I  5,  4  id  ita  eveniei,  si  sumptuum  et  rapinarum  licentiam 
dempseris,  non  ad  vetera  intfituta  revocans,  quae  iam  pridem  cor- 
ruptis  moribus  ludibrio  sunt,  sed  si  suam  quoique  rem  familiärem 
flnem  sumptuum  statueris. 

*)  I  5,  7.  quare  toUendus  est  fenerator  in  posterum,  uti  suas 
quisque  res  curemus.  ea  vera  atque  simplex  via  est,  magistratum 
populo,  non  credüori  gerer e,  et  magnüudinem  animi  in  addendo, 
non  demendo  reipublicae  osieiidere. 

')  I  6.  1  f. 


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Sallusts  Reform  vorschlüge 


393 


Dir  grausame  Strafen  oder  harte  Urteilssprüche,  durch  die  die 
Bürgerschaft  mehr  verwüstet  als  gebessert  wird,  sondern  daß 
Du  schlechte  Sitten  und  Lüste  von  der  Jugend  fernhältst"1). 
Gerade  die  Größe  der  Aufgabe  gibt  mir  das  Vertrauen,  daß  Du 
Dich  ihr  zuwenden  wirst.  „Also  Du  mußt  sorgen,  daß  die  Plebs, 
die  ja  nun  einmal  durch  die  Spenden  und  die  staatliche  Getreide- 
verteilung korrumpiert  ist,  eine  Beschäftigung  hat,  der  sie  nach- 
gelin  kann,  und  dadurch  abgehalten  wird,  dem  Staat  zu  schaden ; 
die  Jugend  aber  soll  nach  Rechtschaffenheit  und  Tätigkeit,  nicht 
nach  Ausgaben  und  Reichtum  streben.  Das  wird  eintreten, 
wenn  Du  dem  Gelde,  der  Wurzel  aller  Verderbnis,  den  Wert  und 
das  Ansehn  nimmst"2).  An  diese  nochmalige  Wiederholung  seines 
Hauptsatzes  schließt  die  aus  der  Geschichte  entnommene  Lehre, 
daß  alle  Sieger  den  Reichtum  verachtet,  die  Besiegten  ihn  er- 
strebt haben.  Vollends  verächtlich  ist  der  Luxus,  der  sich  im 
Prassen,  in  den  Genüssen  der  Tafel  und  der  Wollust,  in  Bauten 
und  prunkhaften  Einrichtungen  sättigen  will  —  das  wird  ganz 
wie  in  seinen  Geschichtswerken  ausgeführt3).  „Aber  das  und 
alle  sonstigen  Übel  werden  zugleich  mit  der  Ehrung  des  Geldes 
verschwinden,  wenn  weder  die  Ämter,  noch  was  die  Menge  sonst 
begehrt,  käuflich  sein  wird"4).  Mit  einer  Rechtfertigung,  daß 
er  sich  mit  seinen  Gedanken  nicht  zurückgehalten,  sondern  her- 
vorgewagt habe,  und  dem  Wunsche,  „daß,  was  Du  auch  für 

')  I  6,  4. 

*)  In  der  Praxis  hat  Sallust  bekanntlich,  wie  seine  Villa  hi  Rom 
lehrt,  anch  diesen  schonen  Grandsatz  recht  wenig  befolgt.  Darin  wie 
in  manchem  anderen  erinnert  er  lebhaft  an  seinen  Antipoden  Cicero, 
▼gl.  dessen  gleichartige  Äußerungen  gegen  den  Bauluxus  de  off.  I  188  ff., 
tu  denen  sein  eigenes  Verhalten  in  schroffem  Widerspruch  steht.  Nur 
zo  wahr  ist,  was  Nepos  an  Cicero  schreibt  (bei  Lactant.  inst.  III  15,  10): 
Um  tum  ab  est,  ut  ego  magistram  esse  putem  vitae  philosophiam 
beataeque  vitae  perfectricem,  ut  nullte  magis  existimem  opus  esse 
magistros  vivendi,  quam  plerisque,  qui  in  ea  disputanda  versentur: 
video  enim  magnam  partein  eorum,  qui  in  schola  de  pudore  ei 
continentia  praeeipiunt  argutissime,  emdein  in  omnium  libidinum 
cupiditatibus  vivere. 

*)  1  8,  8. 


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Caesars  Monarchie 


richtig  halten  mögest,  die  Götter  billigen  und  zu  gutem  Ausgang 
gelangen  lassen  mögen",  schließt  die  Schrift. 

Auf  die  Einzelvorschlage,  welche  er  in  der  ersten  Broschüre 
gemacht  hat,  kommt  er  höchstens  in  Andeutungen  zurück.  Dort 
war  er  auf  die  Gestaltung  des  Staats,  die  er  erstrebte,  naher 
eingegangen.  Von  der  Vermehrung  der  Bürgerschaft  durch  Auf- 
nahme zahlreicher  Neubürger  und  Kolonialgründlingen  war  oben 
schon  die  Rede;  das  wird  in  der  jüngeren  Schrift  ergänzt  durch 
die  Sätze:  „Ferner  mußt  Du  Vorsorge  treffen,  wie  Italien  und 
die  Provinzen  besser  gesichert  werden";  denn,  wie  er  vorher 
bemerkt,  die  schwelgerische  und  entnervte  Gesellschaft  ist 
psychisch  so  degeneriert,  daß  sie  zu  nichts  mehr  zu  brauchen 
ist1);  und  „eben  diese  legen  alles  wüst,  indem  sie  ihren  eigenen 
Wohnsitz  verlassen  und  fremde  widerrechtlich  in  Besitz  nehmen"*). 
„Ferner  sorge  dafür,  daß  nicht  wie  bisher  der  Kriegsdienst  un- 
gerecht und  ungleich  gehandhabt  wird,  indem  einige  dreißig  Jahre, 
andre  dagegen  überhaupt  nicht  dienen.  Ferner  wird  es  billig 
sein,  das  Getreide,  das  früher  eine  Belohnung  für  die  Feigheit 
war"  —  indem  es  unter  die  nicht  zum  Kriegsdienst  herangezogene 
hauptstädtische  Bevölkerung  verteilt  wurde  — ,  „unter  die  Muni- 
eipien  und  Kolonien  an  diejenigen  zu  verteilen,  die  nach  Ab- 
legung ihrer  Dienstzeit  in  ihre  Heimat  zurückkehren." 

Diese  Vorschläge  decken  sich  wenigstens  zum  Teil  mit  dem, 
was  Caesar  ausgeführt  hat.  Er  hat  der  Bürgerschaft  große 
Massen  von  Neubürgern  zugeführt,  Kolonien  gegründet  und  die 
kräftige  Bevölkerung  der  Landgemeinden  im  stärksten  Maße 
zum  Heeresdienst  herangezogen.  Für  seine  Veteranen  hat  er 
nicht  durch  Getreideverteilung,  sondern  durch  reiche  Geldmittel 
und  Landanweisungen  gesorgt.  Die  hauptstädtische  Getreide- 
verteilung hat  er  eingeschränkt  und  in  eine  Armen  Versorgung 
umgewandelt.  Einen  radikalen  Eingriff  in  das  Geldgeschäft  und 

')  I  8,  2  ubi  animum ,  quem  dominari  decebat ,  servüio  (durch 
ihre  Lüste)  oppressere,  nequiquam  eo  postea  hebeti  aique  claudo  pro 
exercito  uti  volunt. 

*)  I  8,  5  nam  idem  omnia  vaslant,  suas  deserendo  domos  et  per. 
iniuriam  alienas  occupando. 


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Ballast«  ReformYoncblilge 


395 


die  Versohuldung  dagegen  hat  er  wie  im  Jahre  49  so  auch  nach- 
her abgelehnt,  geschweige  denn,  daß  er  auf  den  idealistischen 
Gedanken  einer  Aufhebung  der  Darlehn  eingegangen  wäre; 
sondern  er  hat  sich  begnügt,  durch  vermittelnde  Maßregeln  den 
Notstand  zu  lindern  und  den  Geld  verkehr  zu  regulieren.  Eben 
darum  ist  er,  da  er  doch  den  Versuch  machen  wollte,  dem  Sitten- 
verfall entgegenzuwirken,  ebenso  wie  Pom  pejus  zu  dem  alten, 
von  Sallust  mit  Recht  verworfenen  Mittel  der  Luxusgesetze 
zurückgekehrt,  das,  wie  Sallust  voraussagt,  natürlich  auch  jetzt 
wirkungslos  blieb.  In  diesen  Dingen  ist  ihm  dann  das  Principat 
des  Augustus  gefolgt,  sowohl  in  der  Sittengesetzgebung  und  der 
Armenversorgung  wie  in  der  Versorgung  der  Veteranen,  so  andre 
Wege  Augustus  auch  in  der  Bürgerrechtspolitik  und  der  dem 
römischen  Volk  zugewiesenen  Stellung  eingeschlagen  hat. 

Völlig  ablehnend  dagegen  hat  sich  Caesar  gegen  Sallusts 
Vorschläge  für  die  Neugestaltung  der  Verfassung  verhalten. 
Von  der  Aufrichtung  einer  wirklichen  Demokratie  nach  atheni- 
schem Mustor,  einer  Leitung  des  Staats  durch  die  Volksver- 
sammlung, will,  wie  wir  gesehn  haben,  auch  Sallust  nichts  wissen, 
da  das  Volk  viel  zu  degeneriert  und  daher  unfähig  ist,  diese  Auf- 
gabe zu  erfüllen:  es  soll  seinen  privaten  Beschäftigungen  im 
Erwerbsleben  nachgehn  und  dadurch  verhindert  werden,  Unfug 
zu  treiben1).  Aber  eben  so  entschieden  hält  er  an  dem  Grund- 
gedanken der  bisherigen  Verfassung  fest,  an  dem  freien  Selbst  - 
regiment  der  Republik;  nur  soll  dessen  Entartung  beseitigt, 
die  Regierung  wieder  für  ihre  wahren  Aufgaben  fähig  gemacht 
werden.  Auch  das  glaubt  er  durch  die  Aufhebung  der  Macht 
des  Geldes  erreichen  zu  können.  „Weder  ein  Consul,  noch  ein 
Praetor  soll  auf  Grund  seines  Wohlstandes,  sondern  auf  Grund 
seiner  Würdigkeit  gewählt  werden ;  darüber  kann  das  Volk  leicht 
ein  Urteil  gewinnen2)    Für  die  Wahlen  gefällt  mir  ein  Gesetz 

')  II  5.  6  ff.  I  7,  2  uti  plebs  largitionibus  ei  publico  frumento 
corrupta  habeat  negotia  «ua,  quibus  ab  malo  publico  tletineatur. 

*)  II  7.  10  neque  praetor  neque  consul  ex  opttlentia ,  verum  ex 
digniiate  creetur.  sed  de  magistratu  facile  poptüi  iudicium  fll> 
Vgl.  I  8.  8. 


39o 


Caesars  Monarchie 


nicht  schlecht,  das  Gaius  Gracchus  in  seinem  Tribunat  beantragt 
hat,  daß  die  Reihenfolge  der  Centurien  aus  allen  fünf  Klassen 
durcheinander  durch  das  Los  bestimmt  werden  soll'4  —  daß  also 
das  Vorstimmrecht  der  Reichen  in  der  ersten  Klasse  und  den 
Rittercenturien,  das  das  Stimmrecht  der  übrigen  Bevölkerung 
tatsächlich  illusorisch  machte,  aufgehoben  werden  soll.  „So 
wird  Würdigkeit  und  Geld  ausgeglichen,  und  jeder  wird  sich 
beeilen,  dem  andern  durch  Tüchtigkeit  den  Rang  abzulaufen; 
das  halte  ich  für  eine  kräftige  Medizin  gegen  den  Reichtum"1). 
In  Wirklichkeit  wäre  es  höchstens  eine  kleine  homöopathische 
Dosis  gewesen;  die  Frage,  ob  die  Volksmassen,  die  er  selbst  als 
völlig  korrupt  geschildert  hat,  die  geringste  Neigung  haben 
werden,  dem  richtigen  Urteil  zu  folgen,  selbst  angenommen, 
daß  sie  sich  das  bilden  können,  wird  beiseite  gelassen,  die  ge- 
heimen Einflüsse  der  Drahtzieher,  welche  überall  und  zu  allen 
Zeiten  die  Entscheidungen  der  Massen  beherrschen  und  im  da- 
maligen Rom  mindestens  eben  so  durchgebildet  und  unangreif- 
bar geworden  waren,  wie  jetzt  in  Amerika,  werden  überhaupt 
nicht  berührt. 

Für  die  Bestellung  der  Richter  fordert  Sallust  die  Heran- 
ziehung der  ganzen  ersten  Klasse;  denn  „daß  die  Richter  von 
wenigen  bestellt  werden"  —  wie  unter  Pompejus  —  „ist  Königs- 
herrschaft (Tyrannis,  regnum),  daß  sie  auf  Grund  ihres  Geldes 
ausgewählt  werden,  unsittlich.  Auch  die  Rhodier  und  ähnliche 
Staaten  haben  niemals  Grund  gehabt,  ihre  Einrichtung  der  Ge- 
richte zu  bereuen,  wo  reich  und  arm  untereinander,  wie  der 
Zufall  es  fügt,  über  die  größten  wie  über  die  kleinsten  Prozesse 
entscheidet"8).    Es  ist  für  die  römischen  Verhältnisse  ungemein 


')  II  8,  lf.  tta  coaequatur  dignitate  pecunia,  virtute  anteire 
aHus  alium  proper  abii.  haec  ego  magna  remedia  contra  divitias 
statuo. 

*)  II  7, 11  f.  Auch  Cicero  de  rep.  III  48  zieht  Rhodos  (vgl.  8.  241,  2) 
als  Beispiel  einer  gut  geordneten  Demokratie  heran :  „dort  sind  dieselben 
Leate  alle  sowohl  Angehörige  der  Volksgemeinde  (de  plebe)  wie  des  Rats, 
and  Oben  abwechselnd  in  bestimmten  Monaten  die  eine  oder  die  andere 
Funktion;  in  beiden  erhalten  rie  Diäten,  und  so  sitzen  dieselben  Leute 


Sallusts  tteformvorschlage  397 

- 

bezeichnend,  daß  Sallust  hier  garnicht  daran  denkt,  über  die 
erste  Klasse  in  die  Masse  des  Volks  hinabzugreifen,  und  die 
Parallele  aus  Rhodos  ist  daher  so  unangebracht  wie  mög- 
lich; durch  die  Heranziehung  des  höheren  Mittelstandes,  der 
Vermögen  bis  zu  25000  Sestertieu,  glaubt  er  die  Gerichte  bereits 
demokratisiert  und  den  Einfluß  des  Geldes  ausgeschaltet  zu 
haben,  die  unteren  Schichten  kommen  für  ihn,  wie  für  Rom 
überhaupt,  im  Gegensatz  zu  den  griechischen  Staaten,  politisch 
garnicht  mehr  in  Betracht. 

Am  eingehendsten  behandelt  er  den  Senat;  denn  in  einem  ge- 
sunden Staat  haben  die  Höhergestellten  auch  ein  tieferes  Interesse 
an  dem  Staat1),  und  es  muß,  wie  ehemals  in  Rom,  „das  niedere 
Volk  dem  Senat  wie  der  Körper  dem  Geist  gehorchen  und  seine 
Beschlüsse  ausführen;  es  gehört  sich,  daß  die  Senatoren  durch 
ihre  Einsicht  die  Macht  haben,  das  Volk  seine  Verschmitztheit 
nicht  nötig  hat"-).  Bas  ist  nun  freilich  durch  die  einreißende 
Korruption  zerstört,  durch  die  Schuld  der  Nobilität,  und  so  hat 
der  Senat  seine  feste  Haltung  verloren:  „unterdrückt  durch  die 
Willkür  eines  Andern  schwanken  sie  hin  und  her,  beschließen 
bald  so  bald  so;  wie  Eifersucht  auf  die  Machthaber  oder  deren 
Einfluß  sie  treibt,  schätzen  sie  Vorteil  und  Nachteil  des  Staats 
ein.  Weil  es  nun  schwierig  ist,  daß  alle  in  demselben  Ansehn 
8tehn,  da  jene  von  ihren  Vorfahren  Ruhm,  Würde,  Klientelschaft 
ererbt  haben,  die  übrige  Menge  aber  meist  aus  fremden  Empor- 
kömmlingen besteht*),  so  mache  ihre  Abstimmung  frei  von 
Furcht;  alsdann,  wenn  es  verborgen  bleibt,  liegt  jeder  sich  selbst 

sowohl  im  Theater  (in  der  Volksversammlung)  wie  im  Rathaus  und 
sprechen  Recht  in  Kapitalproiessen  (als  Volksgemeinde?)  und  in 
allen  anderen  Rechtshandeln  (als  Rat)'  ...  Der  Rest  ist  leider 
verloren. 

')  II  10,  4  equidem  ego  sie  apud  animum  meum  statuo:  cui- 
cumque  in  ma  eixritate  amplior  inlustriorque  locus  quam  aliis  est, 
ei  magnam  curam  esse  reipublicae. 

■)  II  10,  6  igitur  ubi  plebs  senatui  sicuH  corpus  animo  oboedit 
eiusque  consulta  exsequüur,  patres  consüio  vettere  decet,  populo  super- 
vacanea  est  calliditas. 

*)  II  11,  4  quoniam  . . .  cetera  multitudo  pleraque  insiticia  sii 


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398  Caeaare  Monarchie 

■ 

mehr  am  Herzen  als  das  Anselm  eines  Andern"1).  Zwei  Mittel 
sind  es,  die  er  vorschlägt:  geheime  Abstimmung  und  Vermehrung 
der  Zahl  der  Senatoren*).  Durch  das  letztere  wird  zugleich  er- 
reicht, daß  nicht,  wie  bisher  bei  der  Überlastung  der  Senatoren 
durch  ihre  richterliche  Tätigkeit  und  die  privaten  Geschäfte, 
die  sie  für  sich  selbst  und  für  ihre  Freunde  zu  erledigen  haben, 
viele  bei  der  Beratung  der  staatlichen  Angelegenheiten  fern 
bleiben.  Das  war  noch  gesteigert  durch  die  Überhebung  der 
Machthaber:  „was  einige  wenige  vornehme  Leute  mit  ein  paar 
Anhängern,  die  ihre  Koterie  bildeten,  nach  Belieben  billigten  oder 
verwarfen,  was  ihnen  gefiel,  das  taten  sie,  wie  es  ihnen  beliebte. 
Dem  wird  ein  Ende  gemacht  werden,  wenn  die  Zahl  vermehrt 
und  geheim  abgestimmt  wird;  dann  müssen  jene  ihre  Anmaßung 
aufgeben,  wo  sie  fortan  denen  zu  gehorchen  haben,  denen  sie 
vorher  schonungslos  ihre  Befehle  erteilten"8). 

Man  sieht,  wie  völlig  fern  Sallust  eine  radikale  Demokratie 
liegt,  wie  mächtig  auch  auf  dieser  Seite  die  Traditionen  sind, 
aus  denen  der  römische  Staat  mit  seinen  Einrichtungen  erwachsen 
ist;  der  Gedanke  einer  tiefer  einschneidenden  Änderung  kommt 
für  ihn  überhaupt  nicht  in  Betracht.  Hier  ist  daher  Caesar  ganz 
andre  Wege  gegangen.  Die  einzige  seiner  Maßregeln,  die  zu 
Sallusts  Vorschlägen  stimmt,  ist  die  Vermehrung  der  Zahl  der 
Senatoren;  aber  zu  ihr  hat  Caesar  gegriffen  nicht  um  die  Stellung 
des  Senats  zu  heben,  wie  Sallust  verlangt,  sondern  um  ihn 
vollends  herabzudrücken. 

Die  tiefste  Wurzel  des  Gegensatzes,  der  hier  vorliegt,  ist, 
daß  auch  Sallust,  ganz  wie  Cicero,  durchaus  auf  dem  Boden  des 

')  II  11,  8  sententias  eorum  a  meto  libera :  ita  in  occulto  sibi 
quisque  alterius  poientia  carior  est. 

»)  II  li,  5  8i  numero  auetus  (senatue)  per  tabellam  sententiam 
feret. 

s)  II  11,  6  f.  homines  nobiles  cum  paucis  senaloriis,  quos  addita- 
menta  factionis  habent,  quaecumque  libuit  probare,  reprehendere, 
decernere,  ea,  uti  lubido  tulit,  fecere.  verum  ubi  numero  senatorum 
aueto  per  tabellam  senientiae  dicentur,  ne  Uli  superbiam  suam  di- 
mittent,  ubi  iis  oboediendum  erii,  quibus  antea  crudelissime  im- 
peritabant. 


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Sali  ob  ts  Reformvorschlilge 


399 


Stadtstaats  steht:  unwillkürlich  schieben  sich  ihm  für  den  Staat 
als  damit  identisch  die  urbs  Roma  und  die  res  urbanae  unter, 
das  übrige  Italien  ist  nur  eine  Erweiterung  oder  ein  Anhang  der 
Hauptstadt.  Für  Caesar  dagegen  steht  das  weltumfassende  Reich 
im  Vordergrund:  dessen  zweckmäßige  Gestaltung  ist  ihm  das 

nur  ein  Glied  innerhalb  dos 

iwt  ru>r<i 1  /  »VI      J?s\»ri/i«i  1  i  «VI 

iinptTiuJn  ixAjr/uiikUin, 

Caesar  und  die  Parteien.    Ciceros  Dankrede  für 
Mar cellns'  Begnadigung 

Wie  Caesar  Sallusts  erneutes  Andrängen  aufgenommen  hat, 
wissen  wir  nicht1);  über  seine  Absichten  hat  er  sich  zunächst 
überhaupt  nicht  geäußert.  Aber  bald  darauf  traten  dieselben 
Probleme  auch  von  der  entgegengesetzten  Seite  unmittelbar  an 
ihn  heran. 

Die  weitverbreitete  Besorgnis,  mit  der  man  in  Italien  Caesars 
Rückkehr  entgegensah,  jetzt,  nach  dem  Siege  werde  er  sein 
wahres  Antlitz  enthüllen  und  seiner  wie  seines  Gefolges  Blut- 
durst und  Habgier  freien  Lauf  lassen,  erwies  sich  alsbald  als 
grundlos.  Zwar  gingen  die  Auktionen  der  eingezogenen  Güter 
weiter  fort1),  füllten  seine  Kassen  und  kamen  zugleich  seinen  An- 
hängern zugute;  aber  statt  der  gefürchteten  Strafgerichte  fuhr 
Caesar  fort,  den  Gregnern  Begnadigung  und  Rückkehr  nach 
Rom  zu  gewähren.  Ein  Gesetz,  das  die  Rechte  gewisser  Kate- 
gorien der  Pompejaner  einschränkte,  wurde  von  Caesars  Ge- 

>)  Ober  den  Angriff  Varros  in  seiner  Schrift  Pius  aut  de  pac* 
auf  Sallust  (oben  S.  216.  2)  s.  u.  S.  582,  2  die  Bemerkung  von  E.  Nordes. 

')  Cic.  fam.  IV  18,  2  (Sommer  46)  an  Nigidius  Figalus  klagt  Ober 
die  naufragia  et  bonorum  direpliones  seiner  alten  Freunde;  ferner 
ad  Att.  XII  2,  8.  Phil.  VIII  9.  Vgl.  de  off.  II  27  f.  88  und  I  48  (quare 
L.  Bullae,  C  Caesaris  pecuniarum  translatio  a  iustis  dominis  ad 
alienos  non  debet  liberalis  videri:  nihil  est  enim  liberale,  quod  non 
idem  iustum),  ferner  seine  Bosheiten  beim  Tode  des  P.  Sulla  (des  alten 
Catilinariers  und  Klienten  Ciceros),  eines  eifrigen  Aufkaufers  bei  diesen 
Auktionen,  Ende  Dezember  46:  fam.  IX  10,  8.  XV  17,  2  (Caesarem  puiani 
moleste  laturum,  verentem  ne  hasta  refrixissetj.  19,  3.  de  off.  II  29. 


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400  Caesars  Monarchie 

hilfen  Hirtius,  der  jetzt  die  Praetur  bekleidete,  eingebracht  (oben 
S.  382).  Aber  von  Pompejus  selbst  redete  Caesar  nie  anders 
als  mit  Achtung1);  die  geheime  Korrespondenz,  die  im  Zelt  des 
Pompejus  und  in  Afrika  in  dem  des  Scipio  in  seine  Hände  fiel, 
hat  er  ungelesen  verbrannt,  und  in  Reden  an  Senat  und  Volk 
wiederholte  er  die  Versicherung,  daß  er  seine  versöhnliche  Politik 
fortsetzen  werde*).  So  durfte  Cicero  hoffen,  daß  er  binnen  kurzem 
die  Begnadigung  noch  für  manche  seiner  alten  Freunde  erreichen 
werde,  sogar  für  den  eifrigen  Pompejaner  T.  Ampius  Baibus, 
den  die  Caesarianer  die  Trompete  des  Bürgerkriegs  nannten, 
und  für  A.  Caecina  aus  Volaterrae,  den  Darsteller  der  etruakischen 
Blitzlehre.  Caecina  hatte  Caesar  durch  eine  Schmähschrift 
schwer  beleidigt;  das  suchte  er  jetzt  durch  ein  Buch  Querelae 
wieder  gut  zu  machen,  in  dem  er  seine  Lage  und  seine  Reue 
schilderte,  war  aber  voll  Sorge,  ob  er  den  richtigen  Ton  getroffen 
habe3).  Gegen  derartige  Beleidigungen  war  Caesar,  trotz  der 
Nachsicht,  die  er  unter  ganz  andern  Umständen  z.  B.  dem  Catull 
gezeigt  hatte,  doch,  wie  wir  gesehn  haben  (S.  85.  94.  173),  recht 
empfindlich ,  wie  er  denn  auf  die  Spottgedichte ,  welche  die 
Soldaten  bei  seinem  Triumph  über  sein  Verhältnis  zu  Nikomedes 
gesungen  hatten,  in  einer  Rede  vor  dem  Volk  geantwortet  hat4). 
\lu  ß  gehalten  hat  er  auch  hier ;  aber  alles,  was  Cicero  mit  seinen  Be- 
mühungen um  Caecina  erreichen  konnte,  war,  daß  ihm  Ende  46 

')  Cicero  an  Caecina  VI  6,  10. 
*)  Dio  48,  15  ff.  Plin.  7,  94. 

')  Verwendung  Ciceros  für  Nigidins  Figulns  fam.  IV  13  (derselbe 
stirbt  nach  Hieron.  chron.  im  Jahre  45  im  Exil) ;  fOr  Trebianus  VI  10  f. 
(die  Begnadigung  wird  durch  Dolabella  erreicht);  Rückberufung  des 
T.  Ampius  Baibus,  für  den  vor  allem  Pansa  und  Tillius  Cimber,  der 
spatere  Caesarmörder,  eintraten  VI  12;  Ampius  war  damals  mit  der 
Abfassung  einer  Schrift  in  virorum  fortium  factis  memoriae  pro- 
dendis  beschäftigt,  aus  der  Sueton  Caes.  77  Äußerungen  aus  Caesars 
letzter  Zeit  mit  feindlicher  Tendenz  anfahrt.  —  Briefwechsel  mit  Caecina 
fam.  VI  6.  8.  9.  7.  5,  dazu  XIII  66;  der  erste  Brief  (6)  ist  nach  der  Be- 
gnadigung des  Marcellus  geschrieben. 

4)  Dio  48,  20,  4,  vgl.  8ueton  Caes.  75  aeerbe  loquentibus  satis 
habuit  pro  contione  denuntiare  ne  perseverarent.  (Die  Spottlieder 
Sueton  Caes.  49.) 


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Begnadigung  der  Gegner.   Ciceros  Loge 


401 


durch  Bulbus  und  Oppins  der  Aufenthalt  auf  Sicilien  gestattet 
wurde1). 

Auch  Cicero  hatte,  so  unangenehm  es  ihm  war,  dem  Druck 
der  Lage  nachgeben  und  von  seinen  Landsitzen  nach  Born  zurück- 
kehren müssen,  um  Caesar  zu  begrüßen  und  an  den  Senats- 
sitzungen teilzunehmen.  Aber  er  hielt  sich  vollständig  zurück; 
für  die  Betätigung  seines  Talents  in  der  Debatte  und  vor  Gericht 
war  kein  Kaum;  machten  ihm  doch  die  Heißsporne  seiner  Partei 
schon  Vorwürfe,  daß  er,  in  seinen  Reden  der  eifrigste  Verfechter 
der  Republik,  sich  viel  zu  demütig  unterworfen,  daß  er  sich 
nicht  wie  Cato  freiwillig  den  Tod  gegeben  habe8).  Seine  Lage 
und  Auffassung  im  August  schildern  anschaulich  seine  Briefe  an 
Paetus:  „Des  Morgens  begrüße  ich  in  meinem  Hause  viele  brave 
Männer  in  Trauer,  und  andrerseits  die  frohgestimmten  Sieger, 
die  mir  übrigens  eifrig  alle  Rücksicht  und  Liebe  erweisen;  wenn 
das  vorbei  ist,  stürze  ich  mich  in  die  Korrespondenz,  oder  schreibe 
oder  lese;  die  Trauer  um  das  Vaterland  habe  ich  schwerer  und 
länger  durchgetragen  als  eine  Mutter  um  den  einzigen  Sohn"3). 
„Jetzt  ist  es  schon  seit  fast  vier  Jahren  eb  Geschenk,  auf  das 
wir  kein  Anrecht  haben,  daß  wir  leben  [de  lucro  vivimus),  falls 

')  Cic.  fam.  VI  8;  bei  der  letzten  allgemeinen  Amnestie  Anfang  44 
wird  auch  ihm  die  Rückkehr  gewahrt  worden  sein.  Sueton  sagt  Caes.  75 
Auli  Caecinae  criminosissimo  libro  et  Pitholai  carminibm  maiedicen- 
tissimis  laceratam  exist imationem  suam  civili  animo  tulit.  L.  Volta- 
cilinB  Pitholaus  ist  der  ans  Sueton  de  rhet.  3  (=  de  gramm.  27  Rbikfsr- 
scheid  p.  124,  mit  falscher  Namensform;  Hieron.  chron.  unter  81  v.  Chr.) 
bekannte  Lehrer  des  PompejuB  und  erste  Freigelassene,  der  Geschichte 
geschrieben  hat.  Daß  er  auf  seine  alten  Tage  noch  die  Feder  zu 
Schmahgedichten  gegen  Caesar  ergriff,  ist  sehr  begreiflich.  Macrobius 
II  2,  13  zitiert  ihn  für  ein  Witzwort  über  Caninius  Reblins'  Eintags- 
consulat.  das  er  VII  8,  10  dem  Cicero  zuschreibt  (S.  460,  1). 

»)  An  M.  Marius  fam.  VII  3,  6:  ich  schreibe  Dir  so  ausführlich,  ut 
habere*  quid  diceres,  #i  quando  in  vituperaiores  meos  incidisses;  sunt 
enim  qui,  cum  meus  interitus  nihil  fuerit  reipxiblicae  profuturus,  cri- 
minis  toco  putent  esse,  quod  vivam ;  quibus  ego  certo  scio  non  videri 
miis  mulios  perisse-,  vgl.  §  4  mortem  mihi  cur  consciscerem,  causa 
non  visa  est;  cur  Opturem,  multae  causae. 

»)  fam.  IX  20,  8. 
Meyer,  Caesars  Monarchie  26 


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402  Caesars  Monarchie 

es  Geschenk  und  Leben  heißen  kann,  den  Staat  zu  überleben. 
Was  geschehn  wird,  glaube  auch  ich  zu  wissen,  nämlich  das, 
was  die  wollen,  die  die  Macht  haben;  die  Macht  haben  werden 
aber  immer  die  Waffen.  So  müssen  wir  mit  dem  zufrieden  sein, 
was  uns  gewährt  wird,  wer  das  nicht  ertragen  kann,  hätte  sterben 
müssen. . . .  Ich  kann  nicht  den  nicht  lieben,  durch  dessen  Wohl- 
tat mir  mein  Besitz  erhalten  ist;  falls  der  wirklich  wünscht,  daß 
eine  Staatsverfassung  bestehe  (esse  remjnibUcam),  wie  er  sie  viel- 
leicht will  und  wie  alle  sie  wünschen  müssen,  so  gibt  es  doch 
kein  Mittel,  das  ins  Werk  zu  setzen;  dazu  hat  er  sich  zu  sehr 
mit  so  vielen  verstrickt.  Wisse,  daß  nicht  nur  ich,  der  ich  zu 
seinen  Beratungen  keinen  Zutritt  habe,  sondern  auch  der  Princeps 
selbst  nicht  weiß,  was  werden  wird;  denn  wir  sind  seine  Sklaven, 
er  der  der  Umstände;  so  kann  weder  er  wissen,  was  die  Um- 
stände verlangen  werden,  noch  wir,  was  er  denkt"1).  Natürlich 
schwanken  seine  Stimmungen;  in  einem  andern  Brief  aus  dieser 
Zeit,  durch  den  er  einem  Verbannten  Hoffnung  machen  will, 
schreibt  er2):  „Der  Machthaber  scheint  mir  täglich  mehr  zu 
einem  billigen  und  der  Natur  entsprechenden  Verhalten  hinüber- 
zugleiten;  und  Deine  Angelegenheit  muß  ja  mit  dem  Staat,  der 
doch  nicht  immer  zu  Boden  liegen  kann,  notwendig  wieder  auf- 
leben, auch  kommen  taglich  mildere  und  freisinnigere  Maßregeln 
vor,  als  wir  befürchten  mußten." 

Durch  sein  Verhalten  hat  Caesar  deutlich  gezeigt,  daß  eine 
Ausnutzung  des  Sieges  im  Parteiinteresse  keineswegs  sein  Ziel 
war,  sondern  daß  er,  über  den  Parteien  stehend,  eine  Aussöhnung 
der  Gegensätze  und  die  wirkliche  Beendigung  des  inneren  Haders 
erstrebte;  er  erklärte,  wer  nicht  wider  ihn  sei,  den  betrachte  er  als 
zu  sich  gehörig»).  Durch  dieses  Verhalten  verletzte  er  die  schlechten 


*)  fam.  IX  17;  in  ep.  19  bezeichnet  er  Baibus  und  »eine  Genossen 
als  reges.  Ähnlich  VII  28  an  Carios:  doleo  ita  rem  communem  esse 
düapsam,  ut  ne  spes  quidem  melius  aliquando  fore  relinquatur  . . . 
reliquam  spem  nullam  video. 

»)  An  Trebianus  fam.  VI  10,  5. 

»)  Cic.  pro  Lig.  83  te  enim  dicere  audiebamus,  nos  omnes  adversarios 
putare  nisi  qui  nobiscum  essent,  te  otnnis,  qui  contra  te  tum  essent,  tuos. 


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Verschwörungen  gegen  Caesar 


403 


Elemente  seine«  Anhangs  aufs  tiefet«,  vor  allem  die  wüsten,  tief 
verschuldeten  Gesellen,  die,  auf  Beute  und  Bluttaten  erpicht, 
sich  an  ihn  gedrängt  hatten1),  und  die  er,  so  sehr  er  sie  durch- 
schaute und  im  Zaume  hielt,  doch  einstweilen  hatte  benutzen 
müssen.  So  begreift  es  sich,  daß  sich  in  diesen  Kreisen  Ver- 
schwörungen bildeten  und  man  damit  umging,  den  Machthaber, 
der  als  Parteichef  eine  so  schwere  Enttäuschung  bereitete,  aus 
dem  Wege  zu  räumen.  Caesar  hat  von  diesen  Komplotten  Kunde 
erhalten  —  er  wurde  von  der  politischen  Polizei  vortrefflich  be- 
dient — ,  aber  es  auch  hier  verschmäht,  zu  Vorsichtsmaßregeln 
oder  Bestrafungen  zu  schreiten.  Er  begnügte  sich,  im  Senat 
Mitteilung  von  dem  geplanten  Attentat  zu  machen,  mit  deut- 
lichem Hinweis  darauf,  daß  es  ihm  aus  seiner  nächsten  Umgebung 
drohe4;.  Wie  völlig  er  damals  mit  Antonius  zerfallen  war,  haben 
wir  gesehn;  so  ist  es  sehr  glaublich,  daß  man  schon  damals  an- 
genommen hat,  daß  die  Angabe  in  erster  Linie  auf  diesen  ziele8). 
Im  übrigen  aber  erklärte  er,  „er  habe  lange  genug  gelebt  für  seine 
Ansprüche  an  das  Leben  wie  für  den  Ruhm"'). 


')  Cic.  pro  Lig.  15  si  in  tanta  tua  fortuna  leniias  ianta  twn 
esset,  quam  tu  per  te,  per  te  inquam,  obtines  —  intellego  quid 
loquar  — ,  acerbissimo  luctu  redundaret  ista  victoria.  quam  multi 
enim  esseni  de  victoribus  qui  te  crudelem  esse  vellent,  cum  etiam 
de  victis  reperiantur!  quam  muUi,  qui  cum  a  te  ignosci  nemini 
vellent,  impedirent  clementiam  tuam,  cum  hi,  quibus  ipsis  ignovisti 
(wie  Tubero.  der  Ankläger  des  Ligarius),  nolint  te  ewe  in  alios 
misericordem ! 

*)  Cic.  pro  Marcello  21  ff.  nunc  venia  ad  gravissimam  quereUam 
et  atrocissimam  euspicionem  tuam  . .  .sed  quisnam  est  iste  tarn  de- 
meiis?  de  tuisne?  ...  an  ex  eo  numero,  qui  una  tecum  fuerunt? 
Vgl.  Sueton  Caes.  75  detectas  coniurationes  conventusque  nocturna s 
non  ultra  arguit,  quam  ut  edicto  ostenderet  esse  sibi  notas. 

*)  Cic.  Phil.  11  74  his  ipsis  temporibus  (nach  dem  Konflikt  Ober 
den  Kaufpreis  für  das  Haus  des  Pom  pejus,  also  im  Jahre  46)  dornt 
Caesaris  percussor  ab  isto  {Antonio;  missus  deprehensus  dicebatur 
esse  cum  sica:  de  quo  Caesar  in  senatu  aperte  in  te  invehens 
questus  est. 

*)  Cic.  Marc.  25  üaque  illam  tuam  praeclarissimam  et  sapien- 
tis8imam  vocem  invitus  audivi:  ,satis  diu  vel  naturae  vixi  vel 


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404 


Caesars  Monarchie 


Je  weniger  Caesar  sich  auf  seinen  Anhang  verlassen  konnte, 
nm  so  mehr  suchte  er  Fühlung  mit  den  anständigen  und  kon- 
servativen Elementen  des  Staats,  den  bisherigen  Republikanern. 
Im  weitesten  Umfang  verwendete  er  die  bisherigen  Gegner,  die 
seit  der  Schlacht  von  Pharsalos  seine  Gnade  gesucht  hatten, 
vor  allem  für  die  Provinzialverwaltung.  Nach  wie  vor  hatte  er 
den  Wunsch,  Cicero,  den  Wortführer  dieser  Partei,  für  sich  zu 
gewinnen  und  seinen  Namen  für  seine  Ziele  benutzen  zu  können ; 
und  wenn  er  ihm  auch  das  Recht  freien  Zutritts  bisher  nicht 
gewährt  hatte1),  so  suchte  er  dooh  sowohl  persönlich  wie  vor 
allem  durch  seine  Vertrauten  auf  ihn  einzuwirken.  Daß  Cato, 
der  unbeugsame  Verfechter  der  republikanischen  Traditionen,  sich 
der  Begnadigung  entzogen  und  durch  seinen  Tod  die  Un  versöhn  - 
barkeit  der  Gegensätze  aller  Welt  zum  Bewußtsein  gebracht 
hatte,  hat  er  aufs  bitterste  empfunden.  Um  so  mehr  lag  ihm 
daran,  den  nächst  Cato  weitaus  bedeutendsten  und  geachtetsten 
seiner  prinzipiellen  Gegner,  Marcus  Marcellus,  der  als  Consul  im 
Jahre  51  den  Kampf  gegen  ihn  im  Namen  der  Republik  hatte 
eröffnen  wollen,  zu  einem  Gnadengesuch  zu  veranlassen;  und 
der  Forderung,  dafür  als  Mittelsmann  zu  dienen,  konnte  Cicero 
sich  nicht  entziehn.  So  schrieb  er  ihm  zunächst  eine  allgemeine 
Mahnung,  „wenn  es  wieder  irgend  eine  staatliche  Gestaltung 
geben  sollte"  (H  sü  aliqua  res  publica),  dürfe  er  in  dieser  nicht 
fehlen,  andernfalls  sei  er  in  Rom  doch  am  besten  aufgehoben. 
„Aber  glaube  mir,  auch  er,  der  alle  Macht  in  Händen  hat,  ist  dem 
Talent  günstig  gesinnt;  des  Adels  aber  und  der  Würdenträger 
nimmt  er  sich  an  (amplectüur),  soweit  es  die  Sachlage  und  sein 
Interesse  irgend  zuläßt"*).  Kurze  Zeit  darauf  folgte  ein  zweiter, 


gloriae*  . .  .  saepe  enim  ventt  ad  aures  meas,  te  idetn  istud  nimis 
crebro  dicere,  tibi  satte  te  vixisse.  VgL  Sueton  Caes.  86,  er  habe  oft 
gesagt  non  tarn  sua  quam  reipublicae  interesse,  uti  salvus  esset :  se 
tarn  pridem  potentiae  gloriaeque  abunde  adeptum;  rem  publicam, 
tri  quid  sibi  eveniret,  neque  quietam  fore  et  aliquante  deteriore  con- 
dicione  civilia  bella  subüuram. 

')  fam.  IV  7,  6. 

•)  fam.  IV  8. 


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Begnadigung  des  Marcus  Marcellus 


405 


ausführlicher  motivierter  Brief,  in  dem  er  das  deutlich  auaspricht: 
„Dir  fehlt  zur  völligen  Restitution  Deiner  Stellung  nichts  ab 
der  eigene  Wille;  nur  darum  hat  der  Machthaber  Dir  seine  Wohl- 
tat noch  nicht  erwiesen."  Daran  schließt  sich  die  versteckte 
Drohung,  er  sei  in  Mytilene  oder  Rhodos  doch  ebensogut  in 
seiner  Gewalt,  wie  in  Rom,  laufe  dort  aber  eher  Gefahr  als  hier; 
überdies  sei  andernfalls  die  Konfiskation  seines  Vermögens  zu 
erwarten1).  Wenige  Tage  später  wiederholt  Cicero  diese  Argu- 
mente nochmals  aufs  dringendste.  „Der  Notwendigkeit,  wie  sie 
die  Lage  der  Zeit  bringt,  muß  man  gehorchen;  sagen,  was  Du 
denkst,  wirst  Du  freilich  vielleicht  nicht  dürfen,  wohl  aber 
schweigen.  Denn  alles  liegt  in  den  Händen  eines  Einzigen,  und 
dieser  folgt  auch  den  Ratschlägen  seiner  Vertrauten  nicht, 
sondern  nur  seinen  eigenen;  aber  das  würde  nicht  viel  anders 
sein,  wenn  der  den  Staat  beherrschte,  dem  wir  uns  angeschlossen 
hatten  . . .  Wenn  es  einen  großen  Sinn  zeigt,  den  Sieger  nicht 
um  Gnade  anzuflehn,  so  bedenke,  ob  es  nicht  Übermut  ist, 
sein  freundliches  Entgegenkommen  (liberalitalem)  zu  verschmähn. 
Vor  allem  aber,  wenn  Dir  das  Leben  dort  behaglicher  ist,  so 
mußt  Du  doch  daran  denken,  ob  es  nicht  weniger  sicher  ist: 
groß  ist  der  Spielraum  der  Schwerter  (magna  est  licentia  gladiorum), 
aber  im  Auslande  haben  sie  weniger  Scheu  vor  einem  Ver- 
brechen"2). 

Diese  Worte  waren  deutlich  genug.  Ob  Marcellus  ihnen  nach- 
gegeben haben  würde,  wissen  wir  nicht;  denn  die  Bemühungen 
seiner  Anhänger  und  vor  allem  seines  Vetters  Gaius  Marcellus, 
des  Consuls  vom  Jahre  50  und  Gemahls  der  Octavia,  einer  Groß- 
nichte Caesars,  führten  rascher  zum  Ziele.  In  einer  Senats- 
sitzung gegen  die  Mitte  des  September3),  jedenfalls  noch  einige 
Zeit  vor  Caesars  Triumphen  und  Spielen,  brachte  L.  Piso,  Caesars 
Schwiegervater,  die  Sache  zur  Sprache;  Gaius  Marcellus  warf 
sich  Caesar  zu  Füßen,  der  ganze  Senat  erhob  sich  und  unter- 

■)  fam.  IV  7. 
*)  fam.  IV  9. 

*)  0.  E.  Schmidt  S.  251  f.  Zur  Zeit  der  ludi  Caesaris  war  Ciceros 
günstige  Auffassung  der  Lage  schon  wieder  geschwunden. 


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406 


Caesars  Monarchie 


Btützte  seine  Bitte.  Da  hat  Caesar  seine  Beschwerden  über  die 
Erbitterung,  mit  der  Marcellus  ihm  entgegengetreten  war,  noch 
einmal  ausgesprochen1),  dann  aber  erklärt,  daß  er  den  Bitten 
des  Senats  nachgebe  und  ihn  in  seine  frühere  Stellung  wieder 
einsetze.  Dies  großmütige  Verhalten  hat  einen  gewaltigen  Ein- 
druck gemacht;  man  betraohtete  es  als  die  Ankündigung  einer 
besseren  Zeit.  Cicero  brach  sein  bisher  beachtetes  Schweigen 
und  hielt  eine  feurige  Dankrede;  und  an  seinen  alten  Freund 
Servius  Sulpicius,  jetzt  Proconsul  von  Achaia,  schrieb  er  eine 
enthusiastische  Schilderung  des  Hergangs*).  Marcellus  dagegen 
hat  die  Begnadigung  sehr  kühl  aufgenommen,  so  daß  es  eines 
neuen  Mahnbriefs  Ciceros  bedurfte3).  Erst  im  Frühjahr  45 
trat  er  die  Heimreise  an;  auf  derselben  ist  er  dann  am  27.  Mai 
in  Athen  in  einem  hitzigen  Wortwechsel  von  einem  Mann,  der 
bei  ihm  Geld  borgen  wollte,  erschlagen  worden4). 

Die  Dankrede  für  die  Begnadigung  des  Marcellus,  oder  viel- 
mehr die  Broschüre,  die  Cicero  in  dieser  Form  unmittelbar  darauf 
veröffentlichte,  ist  ein  sehr  interessantes  Dokument  aus  der 
Übergangszeit*).  Wir  sehn,  wie  in  Cicero  die  Hoffnung  auf- 
blitzt, der  Sieger  könne  wirklich  der  berufene  Leiter  des  republi- 
kanischen Staats,  der  wahre  princeps  civitatis  werden,  dessen 

')  commemorati8  praesertim  offensionibus  Cic.  Marc.  8.  Caesar 
accmata  acerbitate  MarceUi,  sie  enitn  appeüabat  fam.  IV  4,  8. 
*)  fam.  IV  4. 
»)  fam.  IV  11.  10. 

4)  ServiuB  Sulpicius,  der  ihn  bestattet  hat,  an  Cicero  fam.  IV  12; 
vgl.  ad  Att.  XIII  10.  22.  2.  Brutus  versichert  hier ,  daß  Caesar .  auf  den 
natürlich  ein  Verdacht  fallen  mußte,  unschuldig  sei,  und  Cicero  stimmt 
dem  zu.  Marcellus*  Tod  war  ja  auch  durchaus  gegen  Caesars  Inter- 
esse, dessen  Stellung  es  nur  gehoben  hätte,  wenn  er  sich  in  die  neue 
Ordnung  fügte;  auch  gab  der  Mörder  sich  sogleich  selbst  den  Tod. 
Livius  per.  115  =  Val.  Max.  IX  11,  4  hat  den  Hergang  ganz  wie  Servius 
Sulpicius  erzählt. 

5)  Bekanntlich  hat  F.  Ä.  Wolf  es  fertig  gebracht,  sie  für  unecht  zu 
erklären,  wie  ja  auch  noch  manche  andere  ciceronische  Reden;  aber 
derartige  traurige  Verirrungen  der  Philologie,  die  im  neunzehnten  Jahr- 
hundert unter  den  antiken  Autoren  aufs  ärgste  gewütet  hat,  braucht 
man  jetzt  kein  Wort  mehr  zu  verlieren. 


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Cicero»  Dankrede  for  Marcellas'  Begnadigung 


407 


Bild  er  in  seinen  Büchern  vom  Staat  gezeichnet  hatte.  Durch 
diesen  hochherzigen  Akt  hat  Caesar  sich  selbst  übertroffen  und 
einen  noch  weit  unvergänglicheren  Ruhm  erworben,  als  durch 
all  seine  Siege:  er  hat  damit  die  Autorität  des  Senats  wieder- 
hergestellt1) und  alle  von  ihm  begnadigten  Gegner  von  dem  auf 
ihnen  lastenden  Druck  befreit;  dadurch  hat  er  auch  Cicero  die 
Zunge  gelöst2).  Aber  damit  hat  Caesar  zugleich  eine  Verpflich- 
tung übernommen,  der  er  sich  garnicht  entziehn  kann.  Wie 
bei  Sallust  schließt  sich  an  den  Dank  die  Mahnung,  nun,  nach 
Beendigung  des  Bürgerkriegs,  an  das  zweite,  noch  größere  Werk 
zu  gehn,  an  den  Wiederaufbau  des  Staats.  „Das  ist  die  Tätig- 
keit, die  noch  aussteht,  und  dafür  hast  Du  Dich  zu  mühen", 
sagt  er  ganz  wie  Sallust,  „daß  Du  die  Verfassung  des  Staats 
ordnest"3).  Auch  die  Aufgaben,  um  die  es  sich  handelt,  sind  bei 
beiden  die  gleichen:  „dio  Ordnung  der  Gerichte,  die  Herstellung 
des  Kredits,  die  Unterdrückung  der  Ausschweifungen,  die  Mehrung 
des  Nachwuchses,  die  Fesselung  alles  dessen,  was  jetzt  zerfallen 
ist  und  bereits  völlig  zerfließt,  durch  strenge  Gesetzgebung"4)  — 
kurz,  die  sittliche  Regeneration  des  Staats  und  des  Volks,  wie 
sie  Caesar  in  der  Tat  in  seiner  Gesetzgebung  unmittelbar  darauf 
in  Angriff  genommen  und  Augustus  diirchzuführen  versucht  hat. 

Mit  allem  Nachdruck  weist  Cicero  Caesars  Wort  zurück,  er 
habe  lange  genug  gelebt,  so  viel  Ehre  es  ihm  auch  mache.  Aufs 

')  §  3  inteüectum  est  . . .  te  auctoritatem  huius  ordinis  digni- 
tatemque  reipublicae  tuis  vel  doloribus  vel  suspicionibus  anteferre. 
S  10  parietes,  me  dius  ftdius,  ut  mihi  videtur,  huius  curiae  tibi 
gratias  agere  gestiunt,  quod  brevi  tempore  futura  sit  Üla  auctorUas 
in  his  maiorum  suorum  et  suis  sedibus. 

*)  §  18  durch  Marcellus'  Begnadigung  auf  die  Bitten  des  Senats 
me  et  mihi  ei  item  reipublicae  nullo  deprecante,  reliquos  amplissi- 
mos  viro8  et  sibi  ipsos  et  patriae  reddidit.  §  2  non  illius  solum, 
sed  etiam  meam  vocem  et  auctoritatem  et  vobis  et  reipublicae  con- 
servatam  ac  restitutam  puto. 

*)  §  27  hic  restat  actus,  in  hoc  elaborandum  est,  ut  rempubli- 
cam  constituas. 

*)  §  28  consiituenda  iudicia,  revocanda  ßdes,  comprimendae  Hbi- 
dines,  Propaganda  suboles,  omnia,  quae  düapsa  iam  diffluxerunt, 
8everis  legibus  vincienda  sunt. 


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408  Caesars  Monarchie 

dringendste  mahnt  er,  Schutzmaßregeln  gegen  die  Attentate,  von 
denen  er  geredet  hatte,  zu  ergreifen :  die  Senatoren  selbst  werden 
ihn  mit  ihren  Leibern  schützen,  denn  auf  ihm  allein  beruht  jetzt 
die  Zukunft  des  Staats  und  das  Heil  aller1).  Nicht  nur  dem 
Staat,  sondern  auch  dem  eigenen  Ruhm  ist  er  es  schuldig,  Hand 
an  das  Werk  zu  legen.  „Wenn  das  der  Ausgang  Deiner  Taten 
sein  soll,  daß  Du  nach  Besiegung  Deiner  Gegner  den  Staat  in 
dem  Zustand  zurückläßt,  in  dem  er  sich  jetzt  befindet,  wirst 
Du  mehr  Bewunderung  als  wahren  Ruhm  hinterlassen  . . .  Wenn 
diese  Stadt  nicht  durch  Deine  Maßnahmen  und  Einrichtungen 
gefestigt  wird,  wird  Dein  Name  bei  der  Nachwelt  unstet  hin 
und  her  schwanken.  Dann  wird  unter  den  Nachgeborenen  ein 
großer  Zwiespalt  der  Meinungen  sein,  ebenso  wie  er  bei  uns  be- 
standen hat;  die  einen  werden  Deine  Taten  in  den  Himmel  er- 
heben, die  andern  werden  etwas,  und  zwar  das  Größte,  daran 
vermissen,  wenn  Du  nicht  den  Brand  des  Bürgerkriegs  durch 
die  Rettung  des  Vaterlands  ausgelöscht  hast.  Nimm  daher  auch 
auf  die  Richter  Rücksicht,  die  nach  vielen  Jahrhunderten  über 
Dich  urteilen  werden,  und  zwar  vielleicht  unparteiischer  als  wir, 
da  sie  ohne  Liebe  und  Begehrlichkeit,  sowie  ohne  Haß  und  Neid 
urteilen  werden"2)  —  Worte  von  hohem  Schwung  und  großer 
Auffassung,  die  sich  als  völlig  zutreffend  erwiesen  haben,  da 
Caesar  eben  die  hier  gestellte  Aufgabe  nicht  erfüllt  hat. 

Die  Überschwenglichkeit,  mit  der  Cicero  redet,  war  durch 
die  Umstände  geboten;  aber  es  wäre  sehr  verkehrt,  in  ihr  ledig- 
lich berechnete  Nachgiebigkeit  gegen  den  Machthaber  zu  sehn. 
Nicht  nur  an  den  Caesarianer  Servilius  Isauricus,  damals  Pro- 
Konsul  von  Asien,  äußert  er  in  einein  Empfehlungsbrief  :  „Ich 

l)  §  22.  Wer  ist  so  unerfahren,  qui  non  inieüegat,  Uta  salute  con- 
tineri  stiam  et  ex  unius  Uta  vitapendere  omnia?  . . .  doleoque,  cum 
respublica  immortalis  esse  debeat,  eam  in  unius  morialis  anitna 
c.onsistere.  si  vero  ad  humanos  casus  incertosque  tnotus  valetudinis 
sceleris  etiam  accedü  insidiarumque  consensio,  quem  deum,  si  cu> 
piat,  posse  opitulari  reipublicae  credamus?  Ganz  gleichartig  äußert 
nch  Sallust  II  13,  6.  I  6,  8  f.  (oben  S.  359.  889). 

s)  §§  26.  29.  Vgl.  bei  Sallust  den  Appell  der  Vorfahren  an  Caesar 
II  18  (S.  358  f.) 


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Ciceros  Rede  für  Marcellus  409 

glaube  hoffen  zu  dürfen,  daß  Caesar  sich  bemühen  wird  und 
schon  bemüht,  daß  wir  eine  Art  von  Verfassungsstaat  erhalten"1), 
sondern  auch  an  Servius  Sulpicius,  damals  Statthalter  von 
Achaia,  dem  gegenüber  er  aus  seiner  wahren  Gesinnung  kein 
Hehl  macht,  schreibt  er  nach  Erzählung  des  Hergangs:  „Frage 
nicht  weiter!  Dieser  Tag  ist  mir  so  schön  erschienen,  daß  ich 
gewissermaßen  eine  Erscheinung  der  wieder  erstehenden  Republik 
zu  sehn  glaubte"").  Meine  Abicht,  dauernd  zu  schweigen,  „hat 
Caesars  Seelengröße  und  das  rühmliche  Verhalten  des  Senats 
gebrochen".  Allerdings  ist  er  von  wirklichem  Vertrauen  noch 
weit  entfernt:  er  fürchtet,  sich  durch  seine  Erklärung  für  die 
Zukunft  die  Bewegungsfreiheit  (otium)  geraubt  zu  haben,  aber 
er  sei  „wenigstens  dem  Anstoß  entgangen,  daß  Caesar,  wenn 
ich  dauernd  schwieg,  hätte  glauben  können,  ich  halte  das  Be- 
stehende nicht  für  eine  Staatsverfassung",  und  hofft,  seine  öffent- 
liche Betätigung  in  engen  Grenzen  halten  zu  können8).  Er  preist 
Servius  glücklich,  daß  er  die  Dinge  in  Rom,  abgesehn  von  dieser 
einen  Szene,  nicht  zu  sehn  braucht  und  „daß  Du  wagen  kannst, 
zu  schreiben,  was  Dich  schmerzt,  wo  wir  nicht  einmal  das  in 
Sicherheit  tun  können"  —  aber  er  setzt  hinzu,  „nicht  durch 
Schuld  des  Siegers,  der  die  Mäßigung  selbst  ist,  sondern  durch 
die  des  Sieges  selbst,  der  in  Bürgerkriegen  immer  ausschweifend 
ist," 

Ciceros  Rede  pro  Marceüo  ist  das  Gegenstück  zu  Sallusts 
Sendschreiben.  Es  ist  sehr  lehrreich,  zu  sehn,  wie  nahe  sich 
beide,  vom  entgegengesetzten  Standpunkt  aus,  in  ihrer  Auf- 
fassung kommen,  so  daß  ihre  Ziele  so  gut  wie  identisch  sind. 
Eine  wirkliche  Demokratie,  die  Herrschaft  des  souveränen  Demos, 


»)  fam.  XIII  68  sperare  tarnen  videor,  Caesari,  collegae  nostro 
(als  Augur),  fore  curae  et  esse,  ut  habeamus  aliquam  rempublicam. 

*)  fam.  IV  4,  3  noli  quaerere:  ita  mihi  pulcher  Ate  dies  visus  est, 
ut  speciem  aliquam  viderer  videre  quasi  revixnscentis  reipublicae. 

5)  sed  tarnen,  quoniam  effugi  eius  offensümem,  qui  fortasse  ar- 
bitraretur,  me  hanc  rempublicam  non  putare,  si  perpetuo  tacerem, 
modice  hoc  faciam  aut  etiam  intra  modum,  ut  et  ülius  voluntati 
et  meis  studiis  serviam. 


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410 


Caesar»  Monarchie 


ist  für  beide  völlig  ausgeschlossen ;  die  dringendste  Aufgabe  ist 
die  Regeneration  des  römischen  Volks  durch  eine  sittliche  und 
soziale  Gesetzgebung;  aber  den  römischen  Staat  können  sie  sich 
nur  in  der  Form  der  Senatsherrschaft  denken,  der  Senat  ist  für 
beide  so  gut  wie  für  Pompejus  und  nachher  für  das  Principat 
des  Augustus  der  allein  ernsthaft  in  Betracht  kommende  Re- 
präsentant des  popuhts  Romanos. 

Caesars  Gesetzgebung  im  Jahre  46 

Caesar  hat  die  von  ihm  geforderte  Gesetzgebung  sogleich  in 
Angriff  genommen.  Auch  er  will  von  einer  Demokratie  nichts 
wissen  und  steht  ihr  innerlich  noch  ferner  als  seine  beiden  Rat- 
geber: über  die  geheiligten  Rechte  des  Volks  und  seiner  Re- 
präsentanten, der- Tribunen,  hat  er  sich,  obwohl  er  ihnen  den 
Vorwand  für  die  Eröffnung  des  Kriegs  entnommen  hatte,  wie 
im  Jahre  49  gegen  Metellus,  so  nachher  bei  der  Gestaltung  der 
Wahlen  und  beim  Einschreiten  gegen  die  Opposition  mit 
souveräner  Geringschätzung  hinweggesetzt;  weder  Sallust  noch 
Cicero  konnten  ein  solches  Vorgehn  billigen1).  Aber  ebensowenig 
denkt  Caesar  an  eine  Wiederherstellung  des  Senatsregiments  und 
an  ein  harmonisches  Zusammenwirken  als  der  führende  Staats- 
mann, der  Princeps,  mit  dem  souveränen  Senat;  vielmehr  ist 
sein  Ziel  die  volle  Erhaltung  der  durch  den  Krieg  gewonnenen 
Stellung,  die  Aufrichtung  der  absoluten  Monarchie  und  daher 
die  Herabdrückung  des  Senats  zu  einem  lediglich  von  ihm  ab- 
hängigen Staatsrat,  zu  einem  willenlosen  Organ,  das  seine  Be- 
fehle ausführt.  Von  einer  Wiederherstellung  der  Republik, 
wenn  auch  nur  der  Form  nach,  wie  sie  Cicero  gehofft  hatte  und 
Sallust  als  selbstverständlich  betrachtete,  ist  bei  ihm  keine  Rede, 


')  bekanntlich  halt  Cicero  in  dem  Entwarf  der  Staatsverfassung  in 
den  Büchern  de  legibus  an  allen  Institutionen  des  bestehenden  Staats 
fest  und  verteidigt  III  19  ff.  das  Tribunat  und  seine  Wiederherstellung 
durch  Pompejus  gegen  die  Angriffe  seines  Bruders  und  des  Atticus, 
wenn  er  auch  zugibt,  daß  die  Gebrechen  offenkundig  und  die  Entscheid 
dung  unsicher  sei. 


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Caesars  monarchische  Tendenzen.   Stellung  zum  Senat  4X1 


im  schroffsten  Gegensatz  zu  der  Staatsgestaltung,  die  sein  Erbe 
Augustus  geschaffen  hat. 

So  ist  denn  der  aufdämmernde  Hoffnungsschimmer  alsbald 
erloschen.  Schon  die  ärgerlichen  Szenen  bei  den  Triumphen 
und  Spielen  brachten,  wenige  Tage  nach  der  Begnadigung  des 
Marcellus,  den  Gegensatz  lebendig  zum  Bewußtsein1).  Noch  deut- 
licher trat  die  rein  monarchische  Tendenz  in  seiner  gesamten 
administrativen  und  gesetzgeberischen  Tätigkeit  und  vor  allem 
in  der  geringschätzigen  Behandlung  des  Senats  hervor,  die  Caesar, 
auch  wenn  er  ihn  formell  benutzte  und,  wie  Dio  berichtet,  seine 
Gesetze  vorher  mit  angesehenen  Senatoren  und  gelegentlich  mit 
dem  ganzen  Senat  beriet1),  überall  mit  voller  Absicht  hervor- 
kehrte. „Glaubst  Du",  schreibt  Cicero  im  Spätherbst  46  an 
Paetus,  der  gefordert  hat,  er  solle  sich  am  politischen  Leben 
ernsthaft  beteiligen,  „daß  es  eine  weniger  große  Menge  von 
Senatsbeschlüssen  geben  würde,  wenn  ich  in  Neapel  wäre? 
Während  ich  in  Rom  bin  und  auf  dem  Forum  tätig  bin,  werden 
die  Senatsbeschlüsse  bei  Caesar  redigiert;  und  wenn  es  ihm  in 
den  Sinn  kommt,  wird  mein  Name  als  Zeuge  der  Abfassung 
darunter  gesetzt,  und  ich  höre  früher,  daß  ein  Senatsbeschluß 
nach  Armenien  und  Syrien  gelangt  ist,  der  auf  meinen  Antrag 
gefaßt  sein  soll,  als  ich  erfahre,  daß  von  dem  Gegenstand  über- 
haupt irgendwie  die  Rede  gewesen  ist.  Glaube  ja  nicht,  daß  ich 
scherze;  wisse  vielmehr,  daß  ich  schon  Dankbriefe  von  Königen 
am  Ende  der  Welt  erhalten  habe,  weil  ich  für  sie  den  Königs- 
titel beantragt  hätte,  während  ich  nicht  nur  nichts  davon  wußte, 
daß  sie  diesen  Titel  erhalten  haben,  sondern  daß  sie  überhaupt 
auf  der  Welt  wären"3)  So  kehrt  er  denn  alsbald  wieder  zu  seinem 
alten  Vorsatz  zurück,  auf  alle  politische  Tätigkeit  zu  verzichten 
und  in  philosophischen  Studien  Zuflucht  zu  suchen.  Bis  Caesar 
nach  Spanien  abging,  mußte  er  allerdings  in  Rom  bleiben  und 


')  Vgl.  CiceroB  Brief  an  CorniBcius  XII  18  oben  S.  887,  3. 

*)  Dio  48,  27  o5t'  i&ioYvu>fuT»v         tfco^o'jXwv  firpatttv  (die 
gebung),  iXXa  Jtavc*        «övru>s  xoiq  itpwtot«;  xf^  favlvfi,  Ioti  V  8tt  xal 
k&otq  airjj  cittxotvoo. 

»)  fam.  IX  15. 


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412 


Caesars  Monarchie 


hat  liier  unter  andrem  am  26.  November  (24.  September)  „die 
ganzen  Demütigungen  und  Mühsale  auf  sich  genommen,  die  es 
kostet,  zu  Caesar  sn  gelangen",  um  sich  bei  ihm  für  Ligarius  zu 
verwenden1),  und  kurz  darauf  auf  dem  Markt  vor  Caesars  Richter- 
stuhl die  Rede  für  diesen  gehalten,  die  seine  Begnadigung  er- 
wirkte*). Sobald  aber  Caesar  Rom  verlassen  hatte,  zog  er  sieb 
auf  seine  Güter  zurück;  zum  Werkzeug  der  neuen  Monarchie, 
wie  Caesar  gehofft  haben  mochte,  wollte  er  sich  nicht  hergeben. 

Inzwischen  hat  Caesar  sich  in  der  Tat,  wenn  auch  in  ganz 
andrem  Sinne,  mit  der  vollen  Energie  seiner  Persönlichkeit  der 
von  Cicero  bezeichneten  Aufgabe  zugewandt.  In  den  rund  fünf 
Monaten,  die  er  im  Jahre  46  in  Rom  verweilte  —  von  Ende 
Juli  (Ende  Mai)  bis  zum  Anfang  des  Intercalaris  posterior  (An- 
fang November)  — ,  hat  er  neben  den  zahlreichen  daneben  sich 
drängenden  Geschäften,  den  Festfeiern  und  Bauten  und  der  Vor- 
bereitung des  spanischen  Feldzugs,  ähnlich  wie  Napoleon  nach 
dem  Staatsstreich  des  18.  Brumaire,  eine  ganz  intensive  Tätig- 
keit auf  dem  Gebiet  der  Verwaltung  und  vor  allem  der  Gesetz- 
gebung entwickelt,  deren  Umfang  geradezu  in  Erstaunen  setzt 
und  von  seiner  Arbeitskraft  wie  von  der  Rascliheit  und  Sicher- 
heit seiner  Entschlüsse  den  höchsten  Begriff  gibt;  sie  steht  in 
dieser  Beziehung  seinen  Leistungen  als  Feldherr  völlig  ebenbürtig 
zur  Seite,  wie  man  auch  sonst  über  ihren  inneren  Wert  denken  mag. 


')  fam.  VI  14. 

')  Über  den  Prozeß  des  Ligarius  hat  Plntarch  Cic.  39  die  hübsche 
Überlieferung  bewahrt,  Caesar  habe  gesagt:  »Was  steht  im  Wege,  ein- 
mal nach  langer  Zeit  wieder  Cicero  reden  zu  hören,  da  ja  das  Urteil 
seit  langem  feststeht,  daß  Ligarius  ein  Bösewicht  und  Feind  ist?"; 
dann  aber  habe  die  Kede.  die  mit  großem  Geschick  die  Tatsachen  der 
Anklage  zngibt,  wenn  sie  auch  sie  abzuschwächen  sucht,  und  sich  ganz 
an  Caesars  Oberall  bezeigte  Milde  wendet  und  wie  bei  Marcellus  um 
Gnade  bittet,  ihn  aufs  tiefste  getroffen  und  die  Begnadigung  erzwungen, 
über  die  große  Wirkung  der  durch  Atticus  publizierten  Ligariana.  die 
Baibus  und  Oppius  an  Caesar  nach  Spanien  schicken,  weil  sie  ihnen 
miriflee  gefallt,  s.  Att.  XIII  12,  2.  19,  2.  20,  2  (ferner  für  eine  nach- 
trägliche Korrektur  zu  §  33,  die  in  die  handschriftliche  Überlieferung 
nicht  aufgenommen  ist,  Att.  XIII  44,  'S). 


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Caesars  gesetzgeberische  Tätigkeit.    Landanweisungen  413 


Hierher  gehören  schon  die  Landanweisungen  an  die  ent- 
lassenen Veteranen,  die  zu  den  überreichen  ihnen  ausgezahlten 
Geldsummen  hinzukamen;  entsprechend  dem  seit  Marius'  Heer- 
reform der  Republik  aufgezwungenen  und  auch  vom  Principat 
des  Augustus  festgehaltenen  Grundsatz,  der  dem  Staat  schon 
so  viele  schwere  Krisen  gebracht  hatte  und  noch  bringen  sollte, 
sollten  die  ausgedienten  Soldaten  in  Bauern  umgewandelt  und 
so  zugleich  der  verfallenen  italischen  Landwirtschaft  wieder  auf- 
geholfen werden.  Formell  halten  sich  die  neuen  Landanweisungen 
im  Rahmen  der  von  Caesar  als  Consul  erlassenen  Ackergesetze. 
Eingriffe  in  die  Besitzverhältnisse  wurden,  wie  bei  der  Schulden  - 
regulierung,  nach  Möglichkeit  vermieden;  statt  einzelne  Ge- 
meinden herauszugreifen  und  die  bisherigen  Besitzer  mit  oder 
ohne  Entschädigung  aus  ihrem  Besitz  zu  vertreiben,  wie  es  Sulla 
getan  hatte  und  nachher  in  noch  weit  brutalerer  Weise  die 
Triumvirn  vorgingen,  verteilte  er  die  Ansiedler  über  ganz  Italien 
und  ließ  überall  außer  dem  Staatsland1)  und  den  ihm  selbst 
gehörenden  Besitzungen  nur  solche  Bezirke  der  Feldmark  für 
die  Assignationen  einziehn  und  aufkaufen,  die  entweder  brach 
lagen  oder  doch  von  den  Eigentümern  ohne  schwere  Schädigung 
hergegeben  werden  konnten.  Das  entspricht  Sallusts  Vor- 
schlägen; dadurch  wurde  zugleich  erreicht,  daß  die  Veteranen 
in  die  bestehenden  Gemeinden  eingegliedert  wurden  und  keine 
geschlossenen  Ansiedlungen  bildeten,  die  dem  Staat  hätten  ge- 
fährlich werden  können*).    Die  beiden  Motive  sind  im  Grunde 


')  Auch  Tempelgut  wurde  zu  dem  Zwecke  verkauft,  Dio  48,  47,  4. 
•vgl.  Brutus'  Rede  bei  Appian  II  140  ,  586:  Sulla  und  Caesar  rhv  'lta- 
Xiav  .  .  .  ico>ifioj  vojicp  xai  X^onrjpioo  vofup  rr,v  tt  fT)v  if^poövto  xai  outa? 
xai  xA^otxi  xai  Upa.  Bei  der  Ansiedlung  von  Kolonisten  in  Capua 
werden  wenige  Monate  vor  Caesars  Ermordung  vetustissima  sepulcra 
zerstört:  Sueton  Caes.  82.  Die  lex  Julia  über  die  Landanweisungen 
an  die  Veteranen  erwähnt  auch  Cic.  Phil.  V  58. 

*)  Sueton  Ca*».  38  adsignavit  (veter anis)  et  agros,  sed  non  con- 
Hnuos,  ne  quis  possessorium  expelleretur.  Appian  II  94,  in  der  Rede 
an  die  Soldaten  bei  dem  Milit&rauf  stand  im  Herbst  47:  luvst»  lk  «al 
fYjv  änaotv  ixtsX?3&fivtcuv  t«üv  itoXifiuiv,  06  xa&dtTup  ^uXXa^  öttpoupoofisvo^ 
ixsputv  -ijv  **t  tote  fyaiptfciat  tobe  taßjycac  oovotxiCwv  *a:  «ouüv 


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414 


Caesars  Monarchie 


identisch1);  es,  handelt  sich  um  die  Oberführung  in  die  ge- 
ordneten Verhaltnisse  des  neuen  Staatsbaus  unter  möglichster 
Schonung  der  bestehenden  Rechtsordnung.  So  wurden  denn 
auch  die  sullanischen  Lmdanweisutiiien  und  Verkäufe  ausdrück- 
lieh  als  gültig  anerkannt,  um  nicht  durch  ihre  Einziehung  bei 
einer  zukünftigen  Umwälzung  auch  die  Caesars  zu  gefährden*). 
Die  Bestimmung  des  Gesetzes  vom  Jahre  59,  daß  das  zuge- 
wiesene Land  zwanzig  Jahre  lang  nicht  veräußert  werden 
darf  (S.  64),  gilt  auch  für  die  neuen  Aasignationen ').  Mit 
der  Ausführung  beauftragte  Caesar  Kommissare,  die  wie  ehe- 
mals die  Adjutanten  des  Pompe  jus  und  seine  mit  selbständigem 
Kommando  betrauten  Generäle  den  Titel  legaii  pro  praetore') 
und  in  der  Entscheidung  der  Einzelfragen  innerhalb  der  ihnen 
von  Caesar  zugewiesenen  Kompetenz  recht  bedeutende  Macht- 
befugnisse erhielten,  wenn  auch  der  Herrscher  jederzeit  mit 
einem  entscheidenden  Wort  eingreifen  konnte6).    Die  grund- 

aXX-f}Xot{  i(  i*{  noXt|iEooc,  aXXa  rhv  toö  br^ou  ytJv  btivfpitv  xal  tyjv  ifioo« 
toö,  xat  tot  ftfovta  xpoowvoöutvoc.  Ebenso  Dio  42.  54,  der  die  Ausführung 
angenau  gleich  an  den  Militäraufstand  anschließt:  x«»pav  tt  rfjc  &y|- 
aooiac  xetl  ix  iaotoö  «&si  o^iotv  fvttfirv,  oUXooc  SXX^  xal  «atvo  ttoppt» 
an*  iXX-r^wv  asapTYjoac,  äot»  jvrj«  tot?  6pox«»poic  o?ä<;  <pojiepo6<;  ji-»jt*  ai 
^(/ö<;  vtiDTtptoji&v  JtotjjLO'jj,  xa$*  iv  xoo  aovotxoövta<,  ftviodm. 

')  Das  hat  z.  B.  Drlmajin  III  -  554  verkannt,  wenn  er  als  Motiv  der 
Maßregel  anführt:  .weniger,  weil  man  sonst  Grundbesitzer  hatte  ver- 
drängen müssen,  wie  Sueton  glaubt,  als  um  die  neuen  zu  trennen  und 
Meutereien  zu  verhüten.' 

*)  Cic.  fam.  XIII  8,  2. 

*)  Appian  III  2,  5.  7,  24.  Nach  Caesars  Ermordung  wird  sie  von 
den  Praetoren  Cassius  und  Brutus  aufgehoben. 

*)  So  im  Jahre  45  Q.  Valerius  Orca  Cic.  fam.  XIII  4.  5. 

*)  fam.  XIII  7  schreibt  Cicero  an  den  Ackerkommissar  Cluvius,  bei 
dem  er  sich  für  die  Erhaltung  der  einträglichen  Güter  verwendet,  welche 
die  campanische  Gemeinde  Atella  in  Gallia  cisalpina  besaß:  non  sum 
nescius  et  quae  temporum  ratio  et  quae  tua  potestas  sit,  tibique 
negotium  datum  esse  a  C.  Caesare,  non  iudicium,  praeclare  inteüego  ; 
aber  Cluvius  hat  ahnliche  Bitten  von  Regium  berücksichtigt,  und  im 
übrigen  hofft  Cicero,  C.  Caesari  nos  causam  munieipii  probaturos. 
In  ähnlicher  Weise  verwendet  er  sich  XIII  4  und  5  bei  Orca  für  Vola- 
terrae  and  für  den  dort  liegenden  Besitz  des  C.  Curtius,  den  Caesar  in 


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Caesars  Veteranenansiedlungen 


415 


legenden  Anordnungen  hat  Caesar  wahrscheinlich  schon  im 
Herbst  47  erlassen1);  nach  seiner  Rückkehr  aus  Afrika  finden 
wir  Ende  August  46,  noch  vor  den  Triumphen,  die  Kommissare 
in  voller  Tätigkeit  und  unter  andrem  mit  der  Vermessung  der 
Feldmark  von  Vejis)  und  Oapena  beschäftigt;  Cicero  ist  nicht 
ohne  Sorge,  daß  man  ihm  auch  sein  Landgut  bei  Tusculum 
nehmen  könnte8).  Diese  Tätigkeit  hat  sich  in  den  beiden  folgen- 
den Jahren  ununterbrochen  weiter  fortgesetzt4)  und  war  auch 
bei  seiner  Ermordung  noch  bei  weitem  nicht  abgeschlossen,  zu- 
mal natürlich  nach  dem  spanischen  Feldzug  noch  wieder  neue 
Veteranen  hinzukamen6).  So  wurden  die  Mannschaften  der 
siebenten  und  achten  Legion  in  Campanien  angesiedelt,  speziell 
in  Casilinum  und  Calatia').  Vielfache  Härten  waren  bei  der 
Ausführung  unvermeidlich ;  aber  im  allgemeinen  scheint  wirklich 
.'iißerordentlich  schonend  verfahren  zu  sein. 


den  Senat  aufgenommen  bat,  und  XIII  8  bei  M.  Rutilius  für  ein  Gut 
des  Senators  C.  Albinius  unter  Hinweis  auf  die  Momente,  aus  denen 
sich  eine  dem  Gesuche  günstige  Auffassung  Caesars  erschließen  laßt. 

0  Vgl.  Dio  und  Appian  S.  413,  2. 

')  Vgl.  S.  66,  2. 

'}  fam.  IX  17  an  Paetus. 

4)  Vgl.  Cic.  ad  fam.  XIII  4—8  (oben  S.  414 ,  5)  aus  dem  Jahre  45. 

6)  Appian  civ.  II  119,  501:  Nach  Caesars  Ermordung  fürchten  die 
Mörder  die  zahlreichen  Veteranen  in  Rom,  tob?  piv  fipri  r?)«  otpattux; 
etystpivooe  xai  t{  xX-rjpooxiac  o'iattTaYftfvoos ,  tou<  £i  npoaiHpxtapivooc  uiv, 
t?  81  RapaitopirTjv  toö  Kabapoc  }£t6vtoc  OHptfuivooc.  Vgl.  c.  120,  507,  wo- 
nach tö  *X-?]*t>e  xü»v  inoorpattoofiivaiv  versammelt  ist  xoivj}  ig  xX-qpooxiac 
äiixoo«  &XXo?plac  tt  7^?  xal  &XXoxptu>v  oixtov  tfctov ;  ferner  Antonius'  Rede 
im  Senat  183  ,  557  und  Brutus'  Rede  an  das  Volk  c.  140  f. ,  worin  er 
den  Veteranen  die  Erhaltung  ihres  zugewiesenen  Besitzes  zusichert  und 
zugleich  den  früheren  Besitzern  eine  Entschädigung  aus  der  Staatekasse 
verheißt  (vgl.  III  2,  5).  Am  17.  März  ist  derselbe  auch  durch  einen  be- 
sonderen Senatsbeschluß,  neben  der  Bestätigung  der  Acta  Caesaris, 
garantiert  worden,  c.  185,  565.  vgl.  Dio  44,  84.  Cic.  Phil.  I  6. 

•)  Nie.  Dam.  Caes.  31.  und  dazu  Cic.  Att.  XVI  8.  Phil.  II  102. 
Appian  ID  40.  Vellejus  II  61.  Ferner  gehört  hierher  die  Angabe  im 
Liter  coloniarum  Röm.  Feldmesser  p.  289:  Votturnum,  muro  duetum, 
colonia  iussu  imp.  Caesaris  dedueta.  Vgl.  weiter  oben  8.  64  sowie 
S.  413,  1. 


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416 


Caesars  Monarchie 


Wenn  Caesar  die  Ansprüche  der  Soldaten  in  weitgehendstem 
Umfang,  noch  über  die  gegebenen  Versprechungen  hinaus,  be- 
friedigte, so  war  er  nicht  gewillt,  ihnen  irgendwelche  Unbot- 
mäßigkeit  nach  zusehn,  sondern  hielt  die  Disziplin  unerbittlich 
aufrecht1).  Auch  bei  dem  Militäraufstand  von  49  hat  er  die 
Rädelsführer  der  neunten  Legion  dezimieren  und  zwölf  von  ihnen 
hinrichten  lassen;  und  bei  dem  Aufstand  von  47  sorgte  er,  trotz 
der  offiziellen  Begnadigung,  dafür,  daß  die  Schuldigsten  nach- 
träglich den  Untergang  fanden.  Als  jetzt  infolge  der  ununter- 
brochenen Festlichkeiten  und  der  bei  ihnen  getriebenen  Ver- 
schwendung, die  die  Begehrlichkeit  reizte,  in  der  Hauptstadt 
Soldatenunruhen  ausbrachen,  ist  Caesar  energisch  eingeschritten: 
einen  der  Rädelsführer  hat  er  mit  eigener  Hand  gepackt  und 
dem  Henker  übergeben,  zwei  andre  wurden  auf  dem  Marsfeld 
unter  Assistenz  der  Pontifices  und  des  Flamen  Martialis  in 
sakralen  Formen  nach  dem  widerlichen  Ritus  der  Opferung  des 
Oktoberrosses  geschlachtet,  ihre  Häupter  an  der  Regia,  dem 
Hause  des  Pontifex  maxi  mos,  in  dem  Caesar  wohnte,  aufgesteckt2). 
Die  Zeremonie  war  als  Sühneritus  gedacht;  als  Wiederbelebung 
und  Steigerung  alter  abergläubischer  Bräuche  ist  sie  ein  Gegen- 
stück zu  der  ostentativen  Ersteigung  des  Capitols  auf  den  Knien 
(oben  S.  388),  und  erscheint  um  so  häßlicher,  da  Caesar  in  Wirk- 
lichkeit aller  Religion  völlig  kühl  gegenüberstand  und  sie  nur 
als  ein  Werkzeug  für  politische  Zwecke  betrachtete. 

Wie  Caesar  die  Soldaten  im  Zaum  hielt,  hat  er  auch  der 
hauptstädtischen  Bevölkerung,  nachdem  sie  in  den  Triumph- 
geschenken und  den  anschließenden  Festen  ihren  reich  be- 
messenen Anteil  an  der  Beute  erhalten  hatte,  die  Zügel  angelegt. 
Er  ermittelte  zunächst  den  Bestand  der  Einwohnerschaft  Roms 
durch  Hausüsteu,  welche  die  Eigentümer  der  Mietshäuser  aus- 
zufüllen hatten,  und  reduzierte  dann  die  Zahl  der  Getreide- 
empfänger, die  seit  den  Maßnahmen  des  Pompejus  für  die  Ge- 

')  delicto  (militum)  neque  observabai  omnia  neque  pro  modo 
exsequebatur ;  sed  deseriorum  ac  seditiosorum  et  inquisüor  et  pu- 
nüor  acerrimus,  connivebat  in  ceteris,  Suetou  Caes.  67. 

•)  Dio  43f  24. 


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I 

Bestrafung  der  MilitarreTolten.    Einschränkung  des  Proletariat«  417 

I 

treideversorgung  Roms  gewaltig,  bis  auf  320  000  Köpfe,  an- 
gewachsen war,  auf  150  000  feste  Stellen,  weniger  als  die  Hälfte; 
die  durch  Todesfall  freigewordenen  Stellen  wurden  fortan  all- 
jährlich durch  einen  Praetor1)  unter  die  Aspiranten  verlost1). 
Seit  dem  Jahre  44  wurden  für  die  Getreideverteilung  zwei  neue 
plebejische  Aedilen,  die  Aediles  Ceriales,  bestellt").  Dadurch 
wurde  die  bisherige  Verpflegung  der  in  die  Hauptstadt  sich  su- 
sammendrangenden  erwerbslosen  Bevölkerung  auf  Staatskosten 
in  eine  geregelte  Armenversorgung  umgewandelt.  Für  die  Aus- 
scheidenden war  eine  Versorgung  durch  Land  in  den  Kolonien 
in  Aussicht  genommen  (unten  S.  495).  Zugleich  hob  Caesar  die 
von  Clodius  im  Jahre  58  geschaffenen  Vereine  auf,  in  denen 
unter  der  Form  religiös-sozialer  Genossenschaften  ganz  wie  in 
den  amerikanischen  Großstädten  die  gesamte  hauptstädtische 
Bevölkerung  organisiert  war  und  den  Drahtziehern  des  politischen 
Getriebes  für  ihre  persönlichen  Zwecke  willenlos  und  dienstbereit 
zur  Verfügung  stand,  dort  in  Amerika  für  die  Beherrschung  der 
Wahlen,  in  Rom  zugleich  für  die  Aufrechterhaltung  der  perma- 
nenten Anarchie  mit  ihren  Straßenschlachten  und  der  Terrorisie- 
rung des  Senats  und  der  Volksversammlungen.  Solange  Caesar  zur 
Macht  emporstrebte,  hatte  er  dieses  Treiben  eifrig  gefördert  — 
wahrlich  nicht,  weil  er  „sogar  jetzt  noch  den  großartigen  Traum 
eines  freien  Gemeinwesens  im  Sinne  trug"1)  — ,  und  im  Jahre  47 

')  Wie  Asconius  in  Hornel,  p.  59  lehrt,  wurden  Praetoren  schon 
früher  (im  Jahre  66)  zur  pnblici  frumenii  cura  herangezogen. 

*)  Sueton  Caes.  41.  Dio  48,  21,  4.  Vgl.  lex  Iuiia  municipaJis 
cp.  6.  Bei  Lirius  epit.  115  recensum  egü,  quo  ceruta  sunt  civium 
capita  CL  erscheint  die  Maßregel  durch  kurze  Fassung  der  Epitome 
in  schiefer  Beleuchtung,  und  die  Quelle  Appians  II  102,  425  und  Plu- 
tarchs  Caee.  55  hat  daraus  in  der  Tat  einen  Rückgang  der  Berölkerung 
auf  die  Hälfte  durch  den  Bürgerkrieg  gemacht,  eine  Auffassung,  die 
auch  Dio  48,  25  vertritt:  iitstä-^  öX^avdpwKMx  iiä  ti  «iv  &koXu>- 

X6?<dv  icXy^oc,       tx  tt  t&v  äno-fpafCDV  (xal  70p  tiutvac  dt  tt  fiXXa  a>ai«p 

i»Xo  i*s8nr]x«v.  im  Widerspruch  mit  seiner  eigenen  Angube  43,  21,  die 
den  Vorgang  richtig  darstellt. 

*)  Dio  48,  51,  8.    Pomponins  Dig.  I  2,  2,  32. 

*)  Mommskm,  Rom.  Gesch.  III  7  333. 
Uefr,  CtMara  Monarchie  27 


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418 


Caesars  Monarchie 


hatte  die  Anarchie  unter  Dolabella  noch  einmal  ihre  Orgien  feiern 
können;  jetzt,  wo  er  Monaroh  geworden  war,  machte  er  dem 
Unfug  energisch  ein  Ende.  Alle  derartigen  Vereine,  mit  Aus- 
nahme der  altüberlieferten  Zünfte,  wurden  aufgehoben1),  Zu- 
sammenrottungen des  Pöbels  nicht  mehr  geduldet,  religiöse  Kult- 
vereine durch  ein  Edikt  verboten2). 

Aber  nicht  nur  mit  den  extremen  Tendenzen  der  Anarchie 
hat  Caesar  aufgeräumt,  sondern  überhaupt  das  demokratische 
Programm,  in  dessen  Namen  er  in  den  Bürgerkrieg  gezogen  war, 
als  Herrscher  vollständig  verleugnet.  Caesars  Monarchie  ist 
ebensowenig  wie  das  Principat  des  Augustus  eine  Erfüllung  der 
Ideale  der  Gracchen,  wie  Mommsen  meint,  sei  es  auch  nur  in 
abgeschwächter  (Jestalt,  sondern  vielmehr  ihr  diametrales  Gegen- 
teil. Beide  Staatsmänner  betrachteten  die  Massen  als  völlig 
unfähig  zur  Teilnahme  sowohl  am  Regiment  —  das  hat  auch 
Sallust  anerkannt  —  wie  an  der  Verwaltung  eines  lebens- 
kräftigen  Staate;  nur  die  oberen,  durch  ein  großes  Vermögen  von 
der  Menge  abgesonderten  Stände  erschienen  ihnen  dazu  befähigt. 
Schon  in  der  Regulierung  der  Schuldennot  tritt  die  Rücksicht 
hervor,  die  Caesar  auf  diese  genommen  hat.  Nicht  eine  Auf- 
hebung der  Macht  des  Geldes,  wie  Sallust  forderte,  sondern  eine 
Steigerung  seiner  Bedeutung,  eine  unverhüllte  Plutokratie,  die 
den  Mantel  demokratischer  Phrasen,  mit  dem  sie  sich  bisher 
deckte,  abgeworfen  hat,  ist  das  Ergebnis  semer  Staatsgestal- 
tung wie  der  des  Augustus.  Nichts  ist  dafür  bezeichnender, 
als  daß  er  bei  der  Besetzung  der  Richterstellen  nicht  etwa,  wie 
Sallust  gefordert  hatte,  den  dritten  Stand  in  weiterem  Umfang 


')  cuncta  coüegia  praeter  antiquitus  constituta  distraxii,  Sneton 
Ca*».  42. 

*)  Erlaß  des  Proconsuls  von  Asia  (der  Eingang  der  Urkunde  ist  be- 
kanntlich corrupt  Oberliefert)  an  die  Gemeinde  Parion  bei  Jos.  Ant. 
XIV  10,  8,  215,  der  den  Jaden  ihre  Kultversamminngen  und  Kultmahle 
gestattet:  xal  *r»p  Tätoc  Kaloap  6  -rjni?spoc  otparfrr&c  ßncito<  iv  xfy  iia- 
* ä f pt o 1 1  * ui X 6 a> v  fr t <4 o o o 5  aovdj is^at  x a t ä  nöXtv  fiovooc  tootooc 
o5x  ixutXoosv  o&w  XrvhllaTa  aov»t<J<piptiv  oßt«  aov&tiicva  itottiv.  6u,oiw;  5i 
x&fu»  touc  aUoo?  *«4ooo«  xuttXöcov  toikotc  fiovot?  Uttp*nu>  xtX. 


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Plutokratiseher  Charakter  der  Gesetzgebung 


419 


heranzog,  sondern  im  Gegenteil  seinen  Vertretern,  den  Aerar- 
tribunen,  die  ihnen  seit  dem  Jahre  70  gewährte  Beteiligung 
durch  ein  Centuriatgesetz  nehmen  und  die  drei  Bichterdecurien 
lediglich  durch  Männer  vom  Senatoren-  und  Ritteroensus  be- 
setzen ließ1).  Diese  Ordnung  hat  bekanntlich  Augustus  bei- 
behalten, nur  daß  dieser,  weil  die  Senatoren  und  Ritter  für  die 
Bedürfnisse  nicht  ausreichten,  für  leichtere  Zivilprozesse  noch 
eine  vierte  Decurie  bildete,  für  die  nur  der  halbe  Rittercensus 
(200000  Sestertien)  gefordert  wurde2). 

Daß  die  Caesar  übertragene  Dictatur  ebenso  wie  die  Sullas 
und  wie  später  die  Amtsgewalt  der  Triumvirn  ausdrücklich  mit 
der  gesetzgebenden  Gewalt,  reipublicae  conslituendae,  ausgestattet 
war,  ist  zwar  nicht  ausdrücklich  überliefert,  aber  kaum  zu  be- 
zweifeln3); trotzdem  hat  er,  wie  Sulla,  alle  gesetzlichen  Anord- 
nungen auf  legitimem  Wege,  unter  Beobachtung  des  Trinun- 
dinums,  durch  die  Comitien  annehmen  lassen,  und  zwar  vom 
Populus  durch  die  Centurien,  nicht  von  der  Plebs  durch  die 
Tribus,  um  ihnen  dauernde  und  unanfechtbare  Gültigkeit  zu 


')  Dio  4-'i,  28  to  SixaotYjpia  tot<  t«  ßooXtoTatc  xal  tot?  licittöo:  (lävotc 
initpt^tv,  8it«K  10  xctfrapüttatov  ott  pdXtata  itl  SixdCor  Rpot«pov  fip  xal 
ix  toö  6utXoo  «vi?  aov8irfiYvu.3xov  a&toi«.  Sueton  Caes.  41  iudicia  ad 
duo  genera  iudicum  redegit,  equestris  ordinis  ac  senatorii;  tribunos 
aerarios,  quod  erat  tertium,  sustulü.  Cic.  Phil.  I  19  f.  24,  wonach 
Caesar  das  Gesetz  ad  populum  centuriatis  comitiis  tulit.  Antonius 
will  auf  Grand  einer  angeblichen  Verfügung  in  Caesars  Nachlaß  in  der 
dritten  Decurie  auch  Centurionen  zulassen,  und  zwar  ohne  Census;  da- 
gegen wendet  Cicero  ein,  daß  der  Nachweis  des  Census  auch  vom  Richter 
gefordert  war,  umgekehrt  aber  die  Richterstelle  auch  den  Centurionen 
offen  .stand,  weun  sie  das  entsprechende  Vermögen  besaßen;  jetzt  aber 
verlange  Antonius,  ut  ei  res  in  tertia  decwria  iudicent,  qui  libere 
iudicare  non  atideant. 

')  Sueton  Aug.  32 ;  dafür  hat  er  im  Jahre  4  v.  Chr.  in  Italien  einen 
Census  derer,  die  dies  Vermögen  besaßen,  aufgenommen  (Dio  55,  18,  4). 

a)  In  den  capitolinischen  Fasten  ist  die  rechte  Seite  der  Tafel, 
welche  den  betreffenden  Zusatz  enthielt,  verloren;  aber  genauere  Be- 
stimmungen Uber  die  Kompetenz  können  den  Gesetzen,  auf  die  Caesars 
Ernennung  begründet  war,  nicht  gefehlt  haben.  Vgl.  Mommssn,  Staats- 
recht II  684. 


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420 


Caesars  Monarchie 


verleihen1).  Weiter  war  ihm  nach  dem  Siege  von  Thapsus  (oben 
S.  385)  neben  der,  in  ihren  äußeren  Ehren  noch  weiter  gesteigerten , 
dritten  Dictatur  «war  nicht  die  Censur,  wohl  aber  die  Zusammen- 
fassung der  cenaorischen  Machtbefugnisse  unter  dem  Titel  der 
Aufsicht  über  die  Sitten  (cura  morwn)  und  damit  die  Kontrolle 
über  die  Lebensführung  eines  jeden  Bürgers  und  das  Recht  d<« 
Eingrins  in  sein  Privatleben  auf  drei  Jahre  zuerkannt  worden8) ; 
und  auch  von  diesem  Recht  hat  er  sogleich  umfassenden  Ge- 
brauch gemacht.  Vor  allem  wurde  der  bis  zum  Übermaß  ent- 
wickelte Tafelluxus  der  vornehmen  Herrn  stark  eingeschränkt 
und  durch  ein  Aufwandgesetz  genau  festgesetzt,  wieviel  fortan 
für  eine  Mahlzeit  ausgegeben  werden  dürfe;  Polizeibeamte  kon- 
trollierten die  Delikatessenläden,  von  Soldaten  begleitete  Lictoren 
inspizierten  die  Küchen,  um  die  über  die  erlaubte  Grenze  hinaus- 
gehenden Gerichte  zu  konfiszieren8).  Ein  andres  Gesetz  schränkte 


•)  Cic.  Phil.  I  17  ff.  24.  25. 

*)  Dio  48,  14  c<üv  tt  tpdtttnv  tcäv  k%4oton  tmotdttinv  (ofitio  yd.p  iciac 
<i»vo|i.ä?\W]  a>3itep  oö*  a£ta(  aotoö  rtjs  too  tifrntoö  icpoap-fjasai;;  o5ot){)  xpia 
abxbv  f-nrj  xal  StKtaceopa  t{  2fxa  ift^-rji;  stXovto.  Sueton  c.  76  erwähnt  in 
seiner  Liste  der  honores  Caesars  auch  praefecturam  morwn.  Monas». 
Staatsrecht  II  685  hat  die  Zuverlässigkeit  der  Angabe  bestritten,  obwohl 
sie  durch  das  gleichzeitige  Zeugnis  Giceros  fam.  IX  15,  5  nosier  hic 
praefectus  moribus  aufs  beste  bestätigt  wird:  das  Amt  des  kon- 
stituierenden Dictators  lasse  ,fdr  eine  zweite  Ausnahmestellung  neben 
sich  keinen  Raum*.  Darin  tritt,  wie  so  häufig  bei  Momm.sk?«,  der  Dok- 
trinarismus der  juristischen  Begriffabildung  hervor,  der  den  in  einer 
Institution  liegenden  Gedanken  bis  in  seine  äußersten  Konsequenzen 
verfolgt,  ein  Verfahren,  das  gerade  auf  staatsrechtlichem  Gebiete  am 
wenigsten  zulässig  ist  und  notwendig  zu  Mißgriffen  führen  muß.  Dal) 
dem  Augustus  in  den  Jahren  19,  18  und  11  dasselbe  Amt  angeboten 
wurde,  erfordert  geradezu  das  Praecedens  aus  caesarischer  Zeit;  «apa 
«ä  itdtpta  ftWj  war  es  natürlich  trotzdem,  so  gut  wie  die  sullanische  und 
raesarische  Dictatur.  und  wurde  daher  ebenso  wie  diese  von  Augustus 
abgelehnt. 

')  Dio  48,  25  vä  AvaXcufiota  td»v  xi  tyovwov  ini  icktistov  i'jr'  ä-uma^ 
i^Ypiva  ob*  sv  vöfup  ftovov  ({istptaatv,  a)Aa  xal  *<p  Sp-f«  toyopt»«;  tv  foXotJCj 
«KoiTjaato.  Sueton  Caes.  48  legem  praecipue  sumpUuvriam  eocercuit, 
dispositis  circa  macellum  custodibus,  qui  obsonüi  contra  vetitum 
retinerent  deportarentque  ad  ae,  aubmissis  nonnunquom  lictoribus 


Caesars  Sittengeset  zgebnng 


421 


den  Bauluxus  ein  und  legte  eine  Steuer  auf  die  Verwendung  von 
Säulen  und  auf  üppige  Grabmaler:  für  den  Betrag,  der  die  er- 
laubte Grenze  überschritt,  war  die  gleiche  Summe  an  die  Staats- 
kasse zu  zahlen1).  Weiter  wurde  der  Gebrauch  von  Sanften 
und  der  Kleiderluxus,  der  Schmuck  mit  Perlen  und  Muscheln 
stark  beschnitten  und  unverheirateten  und  kinderlosen  Frauen 
unter  45  Jahren  überhaupt  verboten2). 

Mit  diesen  Gesetzen  hat  Caesar  den  Weg  eingeschlagen,  vor 
dem  Sallust  ihn  gewarnt  hatte;  und  der  Erfolg  ist  denn  auch 
gewesen,  daß  sie  wirkungslos  blieben:  nachdem  der  erste  Eifer 
verrauscht  und  der  Sittenmeister  nach  Spanien  gegangen  war, 
schliefen  die  Zwangsmaßregeln  ein8).  Dies  Ergebnis  war  unver- 
meidlich und  von  Sallust  vorausgesehn ;  es  war  der  Grundirrtum 
der  antiken  Theorie,  der  in  weitem  Umfang  auch  die  Praxis  be- 
herrschte, man  könne  durch  eine  richtig  gedachte  und  konsequent 
durchgeführte  Gesetzgebung  eine  radikale  Umwandlung  der  ge- 
schichtlich entwickelten  Lebensformen  erzwingen  und  so  den 

atque  militibus ,  qui,  si  qua  custodes  fefellissent ,  iam  adposita  e 
tricliniis  auferrent  Von  dieser  lex  sumptuaria  ist  in  Ciceros  Kor- 
respondenz seit  dem  Herbst  46  mehrfach  die  Rede:  fam.  IX  15,  5.  26,  4. 
Att.  XII  7,  1 ;  Cicero  versichert,  daß  er  für  seine  Mahlzeiten,  auch  wenn 
er  Gaste  habe,  weit  weniger  ansgebe.  als  das  Gesetz,  si  utta  nunc  lex 
est  (IX  26,  4).  gestatte. 

')  Cic.  Att.  XIII  6,  1  (bei  den  für  Tullia  im  Frühjahr  45  geplanten 
Bauten):  Columnarium  (die  Saulensteuer)  vide  ne  nullum  debeamus; 
quamquam  mihi  videor  audisse  a  Camillo,  commutalam  esse  legem. 
XII  35,  2  antequam  a  te  proxime  disce&si,  numquam  mihi  venit  in 
meutern ,  quo  plus  insumptum  in  monumentum  esset  quam  nescio 
quid,  quod  lege  concedüur,  tantumdem  populo  dandum  esse;  Tgl. 
36.  1  sepulcri  similitudinem  effugere  non  tarn  propter  poenam  legis 
studeo  cet. 

*)  Saeton  Caes.  43  lecticarum  usum,  item  conchyliatae  vestis 
et  margaritarum ,  nisi  ceriis  personis  et  aetatibus  perque  certos 
dies,  ademit.  Hieron.  chron.  ao  46:  prohibitae  lecticis  margaritis- 
que  uti,  quae  nec  viros  nec  liberos  haberent  et  minores  essent 
annis  XLV. 

*)  Anfang  Juni  45  schreibt  Cicero  an  Atticns  XIII  7,  er  erfahre, 
Caesar  wolle  nach  der  Rückkehr  aus  Spanien  in  Rom  bleiben,  ne  se 
ubsente  leges  sitae  neglegerentur ,  sicut  esset  neglecta  sumptuaria. 


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422 


Caesars  Monarchie 


Charakter  eines  Gemeinwesens  von  Grund  aus  umwandeln. 
Diese  Auffassung,  die  auch  Caesars  Gesetzgebung  beherrschte, 
ist,  das  muß  stark  betont  werden,  durchaus  aristokratisch:  das 
unerreichte  Muster,  dem  man  nacheiferte,  war  das  Sparta  der 
Lykurglegende,  und  in  Rom  hat  die  Aristokratie  seit  des  alten 
Ca  tos  Zeiten  ein  Luxus«  und  Speisegesetz  nach  dem  andern  er- 
.  lassen.  An  sie  reiht  Caesar  sich  an;  so  unangenehm  seine  Gesetze 
die  einzelnen  vornehmen  Herrn  treffen  mochten,  die  Tendenz 
ist  die  Hebung  der  höheren  Stände,  der  ordines  des  Senats  und 
der  Ritterschaft. 

Der  gleichen  Absicht  diente  der  Versuch,  den  seit  der  Mitte 
des  zweiten  Jahrhunderts  nicht  nur  zum  Stillstand  gekommenen« 
sondern  ständig  zurückgehenden  Bestand  der  bürgerlichen  Be- 
völkerung durch  Prämien  für  Kinderreichtum  zu  heben1),  wie 
er  schon  als  Consul  die  Ackeranweisungen  in  Campanien  nur  für 
Bürger  bestimmt  hatte,  die  drei  Kinder  hatten  (S.  64).  Über 
die  jetzt  erlassenen  Bestimmungen  erfahren  wir  nichts  Genaueres; 
aber  es  ist  klar,  daß  diese  Maßregel  ebenso  wie  die  weit  um- 
fassenderen des  Augustus  nur  auf  die  oberen  Stände  berechnet 
sein  konnte.  Wirkungsvoller  war,  daß  kein  Bürger,  der  nicht  im 
Militärdienst  stand,  vom  20.  bis  zum  40.  Jahre  länger  als  drei 
Jahre  von  Italien  abwesend  sein  dürfe,  und  daß  den  Senatoren  - 
söhnen,  wenn  sie  nicht  dem  Gefolge  eines  Beamten  angehörten, 
überhaupt  vei boten  wurde,  Italien  zu  verlassen2).  Davon,  daß 
Caesar,  wie  später  Augustus,  auch  die  Ritterschaft  weiter  hätte 
kräftigen  und  für  die  Zwecke  der  Reichsverwaltung  über  ihren 
Dienst  als  Richter  hinaus  organisieren  wollen,  findet  sich  in  der 
Uberlieferung  nichts;  denn  daß  er  bei  seinen  Festspielen  auch 
die  ritterliche  Jugend  im  Trojaspiel  paradieren  ließ,  wie  früher 
Sulla3),  besagt  dafür  nichts.  Wohl  aber  suchte  er  dem  weiteren 
Anwachsen  der  Sklavenschaft  entgegenzuwirken:  er  bestimmte, 
daß  von  den  in  der  Weidewirtschaft  des  Großgrundbesitzes  be- 
schäftigten Hirten  mindestens  ein  Drittel  Freigeboreue,  und  zwar 

')  Dio  48,  25,  8  itoXoitat&as  ad-Xi  sjüä-rpuv. 

?)  Sueton  Caes.  42. 

3)  Dio  43,  23,  6.    Sueton  39. 


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Bevölkerungspolitik  und  Krimi nalgesetze  Casars 


423 


erwachsene  Männer,  sein  müßten1).  Wie  weit  sieb  diese  An- 
ordnung hat  wirklich  erzwingen  lassen,  vermögen  wir  nicht  zu 
erkennen. 

Daran  schließt  weiter  eine  Reihe  tief  einschneidender  Kriminal- 
gesotze2), de  vi  und  de  maiestate,  welche  die  Strafen  verschärften 
und  unter  andrem,  um  den  Unfug  einzuschränken,  daß  die 
Schuldigen  freiwillig  ins  Exil  gehn  und  hier  ihr  Vermögen  un- 
gestört genießen  konnten,  bestimmten,  daß  beim  Nächstenmord 
(parricidium)  das  gesamte  Vermögen,  in  andern  Fällen  die  Hälfte 
eingezogen  wurde3).  Die  Provocation  an  das  Volk  gegen  den 
Spruch  der  Geschworenen  blieb  auch  fernerhin  ausgeschlossen, 
wie  es  dem  Wesen  der  Quaestionengerichte  entsprach,  in  denen 
die  Geschworenen  Vertreter  des  Volks,  nicht  etwa  Beamte  sind, 
und  wie  es  auch  Sulla  bestimmt  hatte. 

Auch  persönlich  hat  Caesar,  ebenso  wie  später  die  Kaiser, 
eifrig  an  der  Rechtsprechung  teilgenommen4),  auf  Grund  der 


■ 

*>  Sueton  42  neve  ii,  qui  pecuariam  facerent,  minus  tertia  parte 
puberum  ingenuorum  inter  pastores  haberent. 

*)  In  der  Polemik  gegen  Antonios,  der  durch  die  aas  Caesars 
Nachlaß .  aus  seinen  Chirograph ,  vorgebrachten  Gesetze  die  wirk- 
lichen leges  Caesaris  aufhob.  PhiL  I  16  ff.,  erwähnt  Cicero  unter  den 
leges  multae  et  praeclarar  außer  dem  über  die  Provinzialstatthalter 
auch  opnnes  iudiciariae  leges  Carsarix,  darunter  das  über  die  Gerichts- 
verfassung (§§19  und  24,  oben  S.  76)  und  §  22  die  leges  Caesaris, 
quae  iubent  ei,  qui  de  vi,  iiemque  ei,  qui  maiestatis  damnatus  sit, 
aqua  et  igni  interdici;  dadurch  daß  Antonius  jetzt  hier  die  Provocation 
an  das  Volk  freigeben  will,  acta  Caesaris  rescinduntur  (vgL  §  21). 
Wie  weit  im  einzelnen  die  später  geltenden  Rechtssätze  auf  Caesar,  wie 
weit  auf  Augustus  zurückgehe .  ist  bekanntlich  ganz  unsicher;  vgl. 
Mommskn,  Strafrecht  128  f. 

*)  Sueton  Caes.  42  poenas  facinorum  auxit;  et  cum  locupleten 
eo  facilius  scelere  se  obligarent,  quod  integris  patrimoniis  exula- 
bant,  parricidas,  ut  Cicero  scribit  (die  Stelle  ist  nicht  erhalten),  bonis 
omnibus,  reliquos  dimidia  parte  mulUwit.  Mommskn,  Strafrecht  1009.  3 
bezieht  darauf  wohl  mit  Hecht  Cicero»  Bemerkung  arl  Brut.  I  15,  11. 
daß  die  gerichtliche  Verurteilung  die  Einziehung  des  Vermögens  zur 
Folge  habe  [das  Zitat  ist  bei  Mommskn  verschrieben]. 

*)  Sueton  43  im  laboriosisisme  ac  severissime  dixit. 


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424 


Caesars  Monarchie 


magistratischen  Allgewalt,  die  dem  Dictator  zustand1),  und 
durch  sein  Beispiel  eine  strenge  Durchführung  der  Gesetze  zu 
fördern  gesucht.  Die  vollständige  oder  teilweise  Restitution  der 
in  den  letzten  Jahren  unter  der  Herrschaft  des  Pompejus  wegen 
bürgerlicher  Unruhen  oder  Wahlbestechung  Verurteilten  oder 
von  den  Censoren  des  Jahres  50  aus  dem  Senat  Gestoßenen,  die 
er  aus  politischen  Gründen  nach  seinem  Siege  herbeiführte2), 
gehörte  jetzt  der  Vergangenheit  an  und  entsprach  seinem  Ver- 
halten als  Monarch  in  keiner  Weise.  Als  Beispiele  führt  Sueton 
an,  daß  er  die  wegen  Repetunden  Verurteilten  auch  aus  dem 
Senat  entfernte,  und  daß  er  die  Ehe,  die  ein  Mann  praetorischen 
Ranges  mit  einer  zwei  Tage  vorher  geschiedenen  Frau  schloß, 
wieder  auflöste,  obwohl  gegen  sie  kein  weiterer  Vorwurf  vorlag3). 

Wie  man  sieht,  entspricht  die  Gesetzgebung  Caesars  vom 
Jahre  46  durchaus  dem  Programm,  welches  Cicero  in  der  Mar- 
cellusrede aufstellte:  constüuenda  iudicia,  rcvocanda  fides,  com- 
primendae  Ubidines,  Propaganda  suboles,  omnia,  quae  düapsa  iam 
diffluxerunt,  scveris  legibus  vincienda  sunt.  Die  gleiche  Tendenz 
der  sittlichen  Neukräftigung  der  höheren  Stände  und  der  Wieder- 
belebung der  wirtschaftlich  und  sozial  verfallenen  italischen 
Nationalität  liegt  der  gesamten  Gesetzgebung  des  Augustus  zu- 
grunde, die  daher  in  weitem  Umfang  die  Gesetze  Caesars  wieder 
aufnimmt  und  weiter  ausbildet.    Nur  um  bo  stärker  tritt  der 


')  Daneben  stand  ihm  die  ihm  schon  im  Jahre  48  zugewiesene  Entschei- 
dung über  das  Schicksal  der  Besiegten  zu,  auf  der  der  Prozeß  des  Ligarius 
beruht,  und  die  Entscheidung  über  die  ausländischen  Vasallen,  wie  im 
Prozeß  des  Dejotarus. 

*)  Sueton  41  nudatos  opere  censorio  aut  sententia  iudicum  de 
ambitu  condemnaios  restituit.  Dio  48,  27  8ti  81  ttLv  ^ st>-f6vtu»v  ix 
ÄtmooTYjpiot)  soXXo&c  iii  &iqp.äpxu>v  ^1  ttvuiv  xarrjf a-(t,  xoi  3ti  tol(  Sixasjuiö 
ix'  ipX'*!«  AnotoUt*.  AXo&otv  tv  rjj  'ItoXlqt  2totxöo»at  ixitp»}«v,  fct  «  rrjv 
ßooX-hv  aö<H«  ob*  a^töoi  Tiv«;  aorrj<  rrxatiXttt,  xoUa  xai  navroSaxä  e&po- 
Xtlto.    Vgl.  oben  S.  365. 

*)  Sueton  43.  Baß  bei  Caesars  Rechtsprechung  Entscheidungen  vor- 
kamen, die  als  parteiisch  angefochten  wurden,  war  unvermeidlich;  so 
Dio  43,  47,  4  so&ovofjivoot  sxi  iu>pot<;  ttva^  xal  i£cXt*rx°|*iv0UC  T*  **«k>w, 
«.ot«  xal  altiw  8cup©8ox{ac  fX"v-  Nachprüfen  können  wir  natürlich  nicht 


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Caesars  Gesetzgebung  im  Jahre  46 


425 


Unterschied  hervor  sowohl  in  der  Behandlung  der  Verfassungs- 
f ragen,  der  Stellung  des  Herrschers  wie  des  Senats,  wie  in  der 
spater  zu  besprechenden  Stellung,  welche  dem  römischen  Volk 
innerhalb  des  Reichs  zugedacht  war. 

Zu  den  besprochenen  Gesetzen  kommt,  in  Ergänzung  des  großen 
Repetundengesetzes  aus  seinem  Consulat,  eine  Reihe  weiterer 
über  die  Reichsverwaltung,  vor  allem  die  Ordnung  der  Statthalter- 
schaften. Das  Gesetz  vom  Jahre  52,  welches  ein  fünfjähriges 
Intervall  zwischen  dem  städtischen  Amt  und  der  Provinzver- 
waltung vorschrieb,  konnte  Caesar  nicht  anerkennen  (vgl.  8.  371), 
so  verständig  und  heilsam  es  war  —  Augustus  hat  es  bekannt- 
lich wieder  eingeführt  — ,  weil  es  gegen  ihn  gerichtet  war.  Vor 
allem  aber  war  es  notwendig,  zu  verhindern,  daß  jemand  nach 
dem  von  ihm  selbst  gegebenen  Beispiel  sich  eine  Provinz  auf 
längere  Zeit  verschaffe  und  dadurch  eine  selbständige  Macht 
gründe.  So  bestimmte  das  neue  Gesetz,  daß  fortan  die  Consuln 
zwei  Jahre,  die  Praetorier  ein  Jahr  ihre  Provinz  verwalten  sollten, 
eine  Verlängerimg  der  Amtsdauer  aber  niemals  bewilligt  werden 
dürfe1)  —  eine  Bestimmung,  die  natürlich  nichts  genützt  hat: 
bekanntlich  haben  nach  Caesars  Ermordung  Antonius  und 
Dolabella  sich  ihre  Provinzen  durch  Volksbeschluß  auf  fünf 
Jahre  übertragen  lassen.  Die  Vergebung  der  Statthalterposten 
behielt,  wie  schon  erwähnt,  Caesar  selbst  in  der  Hand,  statt 
nach  republikanischer  Ordnung  das  Los  entscheiden  zu  lassen. 
Des  weiteren  gehört  hierher  die  Wiedereinführung  der  im  Jahre  60 
aufgehobenen  (8.  50)  Zölle  für  die  Einfuhr  überseeischer  Waren 
in  Italien*),  die  bekannte  Nenregulierung  des  Kalenders,  für  die 
im  Herbst  46  zwischen  November  und  Dezember  zwei  Schalt- 
monate eingelegt  wurden8),  und  vor  allem  der  Entwurf  eines 
umfassenden  Municipalgesetzes ,  das  die  Bestimmungen  über 
Verfassung  und  Verwaltung  der  Bürgerstädte  Italiens  und  des 
Reichs  übersichtlich  zusammenfaßte  und  modifizierte,  aber  auch 


M  Dio  43,  25,  3.    Cic.  Phil.  I  19,  24.  III  38.  V  7.  VIII  28. 
»j  Sueton  Caes.  48  peregrinarum  mercium  portoria  instHuit. 
*)  Sueton  Caes.  40.    Dio  48,  26  u.  a. 


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426 


Caesars  Monarchie 


die  Regelung  der  kommunalen  und  Polizeiverwaltung  von  Rom 
selbst  enthielt,  speziell  die  Bestimmungen  über  die  Getreidever- 
teilung, die  Instandhaltung  der  Straßen  und  den  Verkehr  in  der 
Stadt,  und  so  die  Reichshauptstadt  wenigstens  in  dieser  Be- 
ziehung mit  den  übrigen  Bürgerstädten  auf  gleiche  Linie  stellte1). 
Auch  hier  tritt  die  Tendenz  hervor,  die  Qualität  der  regierenden 
Kreise  zu  heben.  Die  Stellung  der  Stadträte  {decuriones)  ist 
lebenslänglich,  wie  die  der  Senatoren  in  Rom;  aber  nicht  nur 
wer  wegen  Verbrechen  verurteilt  ist  oder  sei  es  wegen  Ver- 
armung oder  böswillig  seine  Schulden  nicht  zahlt,  wer  einen 
schimpflichen  Lebenswandel  geführt  hat,  wer  wegen  militärischer 
Vergehn  aus  dem  Heere  ausgestoßen  ist  u.  ä.,  darf  im  Stadtrat 
nicht  sitzen,  sondern  ebensowenig,  wer  das  einträgliche  Ge- 
werbe eines  öffentlichen  Ausrufers  (Auktionators,  praeconium) 
oder  des  Leichenbestatters  betreibt,  so  lange  er  diesem  Beruf 
angehört.  Von  Bewerbern  über  dreißig  Jahren  wird  überdies 
verlangt,  daß  sie  nachweisen,  daß  sie  drei  Jahre  oder  als  solche 
gerechnete  Jahrteile  zu  Pferde  oder  sechs  Jahre  zu  Fuß  in 
einer  Legion  gedient  haben,  wenn  sie  nicht  durch  ein  be- 
sonderes Privileg  davon  dispensiert  sind.  Mit  der  Ausarbeitung 
dieses  Gesetzes  waren  Caesars  Vertrauensmänner  beschäftigt, 
während  er  in  Spanien  Krieg  führte1);  eingeführt  ist  es  dann 

')  Von  der  lex  Julia  munidpalvt  ist  bekanntlich  ein  großes  Bruch- 
stück erhalten;  zu  Anfang  haben  vermutlich  noch  manche  weitere  Be- 
stimmungen Ober  die  Verwaltung  von  Rom  gestanden.  Die  Kontroverse 
über  die  Datierung  des  Gesetzes  hat  zuletzt  G.  Muttelsee,  Unters.  Ober 
die  lex  Iulhi  mun.,  Diss.  Freiburg  1913,  verstundig  besprochen. 

8)  Cicero  schreibt  an  Lepta  im  Januar  45  fam.  VI  18  8imul  atqtie 
aeeepi  a  Seletico  tue  litteras,  statim  quaesivi  a  Balbo  per  codicillos, 
quid  esset  in  lege:  rescripsit,  eos  qui  facerent  praeconium  vetari 
esse  in  decurionibtts,  qui  fuisseni,  non  vetari.  Dazu  stimmt  das  Ge- 
setz §  23;  andrerseits  zeigt  die  Erwähnung  des  Quinctilis  4}  24,  daß  es 
nicht  später  fallen  kann  als  ins  Jahr  45.  Cicero  fOgt  die  sehr  bezeich- 
nende Bemerkung  hinzu,  daß  es  do<li  ein  Skandal  gewesen  wate,  wenn 
man  die  qui  aliquando  praeconium  f'erissent,  in  den  Municipien  nicht 
in  den  Rat  lassen  wollte,  wo  in  Rom  Leute,  die  noch  jetzt  die  Einge- 
weideschau betreiben  (qui  liodie  haruspicinam  facerent),  in  den  Senat 
aufgenommen  würdeu. 


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Municipalgesetz.    Plan  der  Stadterweifcerung 


427 


im  Sommer  45.  Auch  die  Pläne  für  eine  umfassende  Er- 
weiterung der  Stadt  Rom,  Verlegung  des  Tiberbetts  an  die 
Hügel  im  Westen,  Bebauung  des  Marsfeldes  und  Ersetzung  des- 
selben durch  den  Campus  Vaticanus,  wurden  damals  bearbeitet, 
unter  Heranziehung  eines  athenischen  Architekten,  und  das 
betreffende  Gesetz  Anfang  Juli  45,  vor  Caesars  Rückkehr, 
promulgiert1).  An  seiner  Annahme  kann  kein  Zweifel  sein;  aber 
zur  Ausführung  ist  es,  wie  so  viele  andre  Pläne,  nicht  gekommen, 

Born  während  des  spanischen  Kriegs.    Caesar  und 
Cicero.    Die  Schriften  über  Cato 

Neben  der  gesetzgeberischen  Tätigkeit  geht  ununterbrochen 
die  Reichsverwaltung  einher,  die  ständig  ein  Eingreifen  des 
Herrschers  erforderte,  so  für  das  Heerwesen  und  für  die  Stellung 
der  Vasallen  und  der  abhängigen  Gemeinden  in  Ost  und  West2). 

Aus  dieser  angespannten  Tätigkeit  wurde  Caesar  durch  die 
über  Erwarten  rasche  Entwicklung  herausgerissen,  welche  der 
Aufstand  in  Spanien  unter  Führung  der  Söhne  des  Pompejus 
nahm.  Die  Kräfte  der  dortigen  Statthalter  und  Heere  reichten 
für  seine  Bewältigung  nicht  aus3);  so  mußte  Caesar  sich  ent- 

')  Cic.  Att.  XIII  20  de  urbe  augenda  quid  sü  promulgahtm,  non 
intellexi:  id  sane  scire  velitn.  Das  weitere  Detail  88,  4,  wo  Cicero 
vor  einem  dadurch  betroffenen  Ankauf  gewarnt  wird,  natn  ista  lexper^ 
ferretur,  volt  enim  Caesar ;  85,  1.    Vgl.  Sueton  Caes.  44. 

*)  Genauere  Kunde  haben  wir  nnr  von  den  Verfügungen  für  die 
Juden  8.  unten  S.  496,  die  sich  durch  seine  ganze  Regierung  hinziehn; 
hier  hat  Josephus  Ant.  XIV  10  die  Dokumente  bewahrt;  vgl.  Täubleb, 
Imperium  Romanum  I  160  ff.  Inschriftlich  erhalten  ist  ein  Erlaß  an  diu 
Mytilenaeer  ans  dem  Ende  des  Jahres  46:  JG.  XII  2,  3*>.  Dittemberoeh, 
Sylloge  '  II  no.  764.  Eine  Verfügung  (Iber  den  Betrieb  der  Schleifstein- 
gruben auf  Kreta  und  den  Export  der  Schleifsteine:  Dig.  XXXIX  4,  15. 

s)  Die  Niederwerfung  des  «chon  seit  Anfang  des  Jahres,  vor  der 
Schlacht  bei  Thapsus  (Liv.  epit.  114;  nach  Rom  kam  genauere  Kunde 
davon  erst  im  September  =  Juli),  in  Syrien  ausgebrochenen  Aufstände» 
des  Caecilius  Rassus  überließ  er  dagegen  den  asiatischen  Statthaltern, 
die  freilich  damit  bis  zu  Caesars  Ermordung  nicht  fertig  wurden. 


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428 


Caesar*  Monarchie 


schließen,  nachdem  er  etwas  über  fünf  Monate  in  Rom  verweilt 
hatte,  zu  Anfang  des  zweiten  Schaltmonats  (jul.  November)1) 
selbst  nach  Spanien  zu  gehn,  um  ein  Ende  zu  machen. 

Vorher  war  es  nötig,  die  Staatsleitung  für  die  Zeit  seiner  Ab- 
wesenheit zu  ordnen;  und  dabei  trat  der  wahre  Charakter  der 
neuen  Monarchie  noch  unverhüllter  zutage.  Caesar  bekleidete 
damals  außer  der  dritten,  bis  in  den  Frühling  des  Jahres  45 
laufenden  Jahresdictatur 2)  sein  drittes  Consulat;  Lepidus  stand 
ihm  als  Consul  und  Magister  equitum  zur  Seite.  Wahlen  für 
die  Ämter  des  nächsten  Jahres  ließ  er  überhaupt  nicht  vor- 
nehmen, abgesehn  von  den  Tribunen  und  Aedilen  der  Plebs, 
deren  Stellen  nach  alter,  unverbrüchlicher  Satzung  rechtzeitig 
besetzt  werden  mußten;  erst  von  Spanien  aus*)  gab  er  dem 
Lepidus  die  Weisung,  Wahlcomitien  zu  berufen,  in  denen  Caesar 
für  46  zum  alleinigen  Consul  ernannt  wurde4)  —  für  diese  Stellung 
mochte  er  sich  auf  das  Vorbild  des  Pompejus  im  Jahre  52  be- 

»)  O.  E.  Schmidt,  s.  4'22,  setzt  seinen  Abgang  aus  Rom  etwa  auf  den 
5.  November  julianisch. 

')  Völlig  korrekt  bezeichnet  ihn  daher,  worauf  Mommsen  hingewiesen 
hat,  das  bellum  Hispanicum  als  dictator  tertio ,  designatus  dictator 
quorto.  Eben«)  in  der  Inschrift  von  Mytilene  JG.  XII  2,  85  b  ZI.  7 
ITÄtoc  'loöXto?  Kaioap  u&xoxpdxjiop  8txxdxt<»p  xi  xptxov,  xafo[oxda*v©e  xb 
«xapxov]. 

*)  In  Rom  glaubte  man  zunächst.  Caesar  werde  nach  seinem  Ab- 
gang noch  Wahlen  vornehmen  lassen  oder  die  Beamten  selbst  ernennen. 
Scribe  quaeso,  schreibt  Cicero  vom  Tusculanum  aus  an  Atticus  XII  8 
etwa  um  die  Mitte  des  zweiten  Intercalaris  (0.  E.  Schmidt  S.  261  ff.), 
quid  referat  Celer  (der  also  von  Caesar  zurückkommt)  egisse  Caesarem 
cum  candidatis,  utrum  ipae  in  Fenicularium  (das  „Fenchelfeld*  in 
Nordspanien)  an  in  Martium  Campum  cogitei.  et  scire  sane  velim, 
numquid  necesse  sit  cotnitiis  esse  Rornae. 

*)  Dio  43.  83  säixtaxtupsos  Ii  i-vj  xoxe  (als  er  in  Spanien  stand)  xal 
Sitaxoc  o^i  itoxs  xal  fix'  e;<5$u>  toö  fxoa?  «Jtt8jix^rj.  ?oö  Atiu3oo  Iv  x%  \n- 
«ap^ta  xöv  o'iju.ov  i$  xoöxo  oovayocyövxos"  tjtitdpxfios  fdp  xal  xoxe  aüxöc  Ivt- 
auxöv,  «aoxöv  ev  xig  önax»ta  enstixütv  Imt'xpX0''  «apd  xd  icdxpicu  Das  letztere 
soll  wohl  besagen,  daß  er.  obwohl  er  Consul  war  und  als  solcher  die 
Comitien  hatte  berufen  müssen,  sich  bei  dem  Akt  als  mag.  eq.  bezeich- 
nete. Als  cos.  sine  conlega  für  4*>  erscheint  Caesar  auch  in  den  Fasti 
Capitol.,  Amerini  und  Colotiani. 


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I 

Besetzung  der  Ämter  für  4">.    Die  Stadtpraefectur  429 

rufen.  So  war  Rom,  wie  im  Jahre  47,  auch  im  Jahre  45  ohne 
regelrechte  Beamte;  wie  damals  Antonius,  so  blieb  jetzt  der 
Magister  equitum  Lepidus  als  alleiniger  Inhaber  der  höchsten 
Gewalt  in  Rom  zurück.  Indessen  Caesar  hielt  ihn  offenbar  an 
sich  für  diese  Stellung  wenig  geeignet;  auch  mochten  die  Er- 
fahrungen, die  er  im  Jahre  47  mit  Antonius  gemacht  hatte,  ab- 
schreckend wirken.  So  bestellte  er  als  seine  Stellvertreter  eine 
Anzahl  von  Vertrauensmännern,  für  die  er  den  Titel  des  Prae- 
fectus  urbi,  des  vom  Consul  bei  dem  latinischen  Fest  oder  sonst, 
bei  Abwesenheit  aller  Oberbeamten1)  ernannten  Stellvertreters 
für  die  hauptstädtische  Verwaltung,  hervorsuchte.  Gegen  alle 
bisherige  Ordnung  betraute  er  aber  damit  nicht  einen  einzelnen, 
sondern  ein  Collegium  von  sechs  oder  wahrscheinlich  acht  Per- 
sonen, die  die  Geschäfte  unter  sich  teilten.  Sie  hatten  vor  allem 
die  Rechtsprechung  an  Stelle  der  Praetoren  zu  leiten;  zwei  andre 
übernahmen  an  Stelle  der  Quaestoren  die  Verwaltung  des  Ärars2), 
einer  von  diesen  besorgte  zugleich  im  Juli  an  Stelle  des  sonst 
dafür  zuständigen  Praetor  urbanus  die  Abhaltung  der  Apollinaris- 
spiele3). Äußerlioh  traten  diese  Präfecten  mit  den  Abzeichen 
der  vollen  Amtsgewalt  auf,  Lictoren,  Purpurtracht  und  sella 
curulis;  als  dagegen  Einsprache  erhoben  wurde,  beriefen  sie  sich 
auf  das  Gesetz,  das  Caesar  das  Recht  gewährte,  Beamte  mit  Amts- 
insignien  zu  ernennen  (wie  den  Curio  schon  im  Jahre  49,  oben 
S.  350,  4)4).   Auch  trug  einer  von  ihnen  kein  Bedenken,  während 


')  So  bestellte  Antonius  xls  mag.  eq.  im  Jabre  47,  als  er  au  den 
aufständischen  Legionen  ging,  einen  praef.  urbi  (oben  S.  874),  was  aller- 
dings sonst  auch  nie  vorgekommen  war. 

*)  Sueton  76  .  .  .  ita  ut  medio  tempore  comitia  nulla  habuerit 
praeter  tribunorum  et  aedilium  plebis,  praefectosque  pro  praetori- 
bus  constituerit ,  qui  absente  ae  res  urbanwt  administrarenL  Dio 
48,  28  i£ictfM£T«ö3«  cJjv  woXtv  züp  t«  Auctjq>  x-xi  itoXtav^fioi;  ttolv  o*tu>,  J><; 
tioi  Sonst,  5;  i\,  u»$  p&XXov  icticbrtoxat.  tKixpvlat;.  Die  Differenz  wird  sich 
dadurch  erklären,  daß  die  beiden  Vertreter  der  Quaestoren  von  manchen 
nicht  mitgezählt  wurden. 

*)  Dio  43,  48,  3;  die  Leitung  der  Megulesäen  im  April  Übernahmen 
ih^egen  an  Stelle  der  curolischen  die  plebejischen  Aedilen. 

*)  Dio  43,  48,  2. 


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430 


Caesars  Monarchie 


seiner  Abwesenheit  beim  latiniachen  Fest  sein  Amt  weiter  auf 
einen  andern  zu  delegieren,  was  dann  dieser  Stellvertreter  des 
Stellvertreters  am  nächsten  Tage  wiederholte,  Maßnahmen,  die 
nllen  Grundsätzen  des  Staatsrechts  ins  Gesicht  schlugen1). 

Bedeutende  Persönlichkeiten  waren  auch  diese  Präfecten 
nicht*},  und  die  von  Caesar  ihnen  zugewiesene  Kompetenz  ging 
nicht  über  die  Erledigung  der  laufenden  Geschäfte  hinaus.  Die 
wirklichen  Regenten  des  Staats  waren  Caesars  bewährte  Ver- 
trauensmänner und  Kabinettssekretäre  C.  Oppius  und  L.  Cornelius 
Baibus,  der  Bankier  aus  Gades;  sie  kannten  seinen  Willen  und 
hatteu  Vollmacht,  in  den  wichtigsten  Dingen  die  Entscheidung 
zu  geben9).  „In  allen  Angelegenheiten  habe  ich  gesehn,"  schreibt 
Cicero  Ende  46  an  Caecina  (oben  S.  400)  —  und  sein  Briefwechsel 
bestätigt  das  durchweg  —  „daß  das  von  Caesar  als  gültig  an- 
erkannt wird,  was  Baibus  und  Oppius  in  seiner  Abwesenheit 
verfügt  haben"4).  Es  war  die  vollentwickelte  Kabinettsregierung6), 

')  Dio  48.  48.  4  «oXtapxä«  t*  tu;  tv  tat*  avoxat«  newaora?  ixtpov  abeb^ 
t-*is  üoTtpaiac  av&ttXsto  xal  hxtlvoq  fiXXov  5  jtvjtt  irpottpov  pr^-'  üaTtpov 
*ott  i^imo. 

')  Durch  die  Münzen  kennen  wir  zwei  von  ihnen,  L.  Planen«  und 
('.  Clovius,  die  beide  auf  dem  Avers  Caesar  als  dict.  tert.  bezeichnen, 
also  Ende  46  oder  Anfang  45  geprägt  haben.  Unbegründet  ist  die 
Annahme,  daß  auch  Sestius  zu  ihnen  gehört  habe,  den  Cicero  Att.  XIII  2,  2 
(vgl.  7,  1)  ironisch  als  noster  parochus publicum  bezeichnet  (»Lieferant*; 
demnach  bat  er  wohl  irgendwelche  Lieferungen  übernommen;  im  Jahre  62 
hofft  Cicero  nach  fam.  V  6  offenbar,  bei  ihm  eine  Anleihe  machen  zu 
können)  und  der  damals  mit  Ariarathes,  dem  Sohn  des  kappadokischen 
Königs  Ariobarzanes  verhandelte,  der.  wie  Cicero  höhnt,  .von  Caesar 
irgendein  Königreich  kaufen  will',  um  seinen  Schulden  aufzuhelfen. 

3)  Neben  ihnen  standen  Manner  wie  A.  Hirtius,  dessen  Stellung  als 
Leiter  der  Kanzlei  M.  Strack  Bonner  Jahrbücher  118,  1909,  189  ff.  dar- 
gelegt hat.  ferner  Pansa  u.  a.  Hirtius  war  wahrend  des  afrikani- 
schen Kriegs  in  Italien  (oben  S.  882) ,  ging  aber  jetzt  mit  Caesar  nach 
Spanien. 

*)  fam.  VI  8  omnibus  rebus  perspexeram,  quae  Baibus  et  Oppius 
abseilte  Caesare  egissent,  ea  solere  Uli  rata  esse.  Vgl.  z,  B.  Att. 
XII  29.  2. 

»)  Richtig  bezeichnet  Tacitus  Anh.  XII  60  ihre  Stellung,  wo  er  von 
der  Entwicklung  der  Gerichtsbarkeit  der  Procuratoren  redet:  C.  Oppius 


I 


Kabineteregierong.    Die  Stimmung  in  Rom  431 

die  die  überlieferten  staatsrechtlichen  Formen  kaum  noch  irgendwo 
beachtete. 

Dem  Fortgang  des  spanischen  Kriegs  stand  man  in  Rom 
ziemlich  indifferent  gegenüber.  Pompejus  hatte  niemals  große 
persönliche  Sympathien  erweckt;  durch  den  Ausgang  des  Bürger- 
kriegs und  den  innern  Zwist,  der  während  seines  ganzen  Verlaufs 
zwischen  den  Koalierten  bestand,  waren  sie  vollends  geschwunden; 
und  deutlich  empfand  man,  daß  es  sich  hier  nicht  um  Wieder- 
herstellung der  Republik,  sondern  um  einen  dynastischen  Kampf 
der  Prätendenten  gegen  den  Sieger  handelte.  Am  treffendsten 
bezeichnet  Cassius  in  einem  Brief  aus  dem  Januar  45  die  Stim- 
mung, ein  eifriger  Republikaner,  der  im  Frühjahr  47  seinen 
Frieden  mit  Caesar  gemacht  und  von  ihm  eine  Legatenstelle 
erhalten  hatte1):  „Schreib  mir,  was  in  den  beiden  Spanien  vor- 
geht. Ich  will  des  Todes  sein,  wenn  ich  nicht  in  Sorgen  bin,  und 
ich  will  lieber  den  alten  milden  Herrn  behalten  als  einen  neuen 
grausamen  erproben.  Du  weißt,  wie  albern  Gnaeus  ist,  und  wie 
er  Grausamkeit  für  Tugend  hält,  und  Du  weißt  auch,  wie  er 
glaubt,  daß  wir  uns  immer  über  ihn  lustig  gemacht  hätten;  so 
fürchte  ich,  er  wird  sich  für  unsern  Spott  nach  Bauernart  mit 
dem  Schwert  revanchieren  wollen"2). 

Cicero  hatte  in  Rom  bleiben  müssen,  so  lange  Caesar  dort 
war;  die  folgenden  Monate  hat  er  größtenteils  auf  seinen  Gütern 
zugebracht.  Alle  Hoffnung  auf  eine  Besserung  der  Lage  hat  er 
völlig  aufgegeben.    „Wenn  die  Würde  darin  besteht,  daß  man 

et  Cornelius  Baibus  primi  Caesaris  opibus  potuere  condiciones  pacis 
et  arbitria  belli  tractare.  Über  die  Chiffreschrift,  die  Caesar  in  der 
Korrespondenz  mit  ihnen  verwendete,  s.  Gell.  XVII  9.    Sueton  56. 

')  fam.  VI  6. 10.  Nach  seinem  übertritt  zu  Caesar  hatte  Cicero  ihm  im 
August  (Anfang  Juni)  47  von  Brundisium  aus  geschrieben,  mit  der  Absicht, 
daß  auch  er  bei  Caesar  ein  gutes  Wort  für  ihn  einlegen  solle,  fam.  XV  15. 

*)  fam.  XV  19,  4.  Ähnlich  schreibt  Cicero  im  Januar  45  an  Tor- 
quatos, der  im  Exil  in  Athen  lebt>  fam.  VI  4,  1:  illa  in  dien  singuics 
magis  magisque  opinio  hominum  conflrmatur,  etiamsi  inter  causas 
arrnorum  aliquantum  intersit,  tarnen  inter  Victorias  non  multum 
inter  futurum,  alteros  propemodum  iam  sumus  experti;  de  altero 
nemo  est  quin  cogitet,  quam  sit  metuendus  iratus  Victor  armatus. 


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432 


Caesars  Monareh  ie 


über  den  Staat  die  richtige  Ansicht  hat  und  dio  Gutgesinnten 
diese  billigen,  so  behaupte  ich  meine  Würde,"  achreibt  er  dem 
auf  Korkyra  im  Exil  lebenden  Cn.  Plancius1),  der  ihm  gratulierte, 
weil  er  gehört  hatte,  Cicero  „habe  seine  frühere  Würde  wieder- 
erlangt"; „wenn  sie  aber  darin  besteht,  daß  man  seinen  An- 
sichten praktische  Geltung  verschaffen  oder  sie  wenigstens  in 
freier  Rede  verteidigen  kann,  so  ist  mir  auch  nicht  eine  Spur 
von  Würde  übrig  geblieben.  Es  kann  sich  für  uns  nur  noch  darum 
handeln,  das  was  zum  Teil  schon  vorhanden  ist,  zum  Teil  bevor- 
steht, mit  Gelassenheit  zu  ertragen;  das  ist  freilich  in  einem 
Kriege  dieser  Art  nicht  leicht,  dessen  Ausgang,  wenn  die  eine 
Partei  (Pompejus'  Söhne)  siegt,  ein  Blutbad,  im  andren  Fall  die 
Knechtschaft  sicher  in  Aussicht  stellt"2).  Außer  politischen  be- 
schäftigen ihn  hausliche  Sorgen,  die  Auseinandersetzung  mit 
Terentia  nach  der  Scheidung,  die  unselige,  zur  Aufbesserung 
seiner  zerrütteten  Vermögensverhaltnisse  geschlossene  Ehe  mit 
Publilia3),  dann  die  Trauer  um  den  Tod  der  Tullia  (Marz  45), 
die  ihn  in  dieser  Lage  völlig  niederwirft  und  zu  den  sinnlosesten 


•)  fam.  IV  14.  0.  E.  Schmidt  8.  238  setzt  den  Brief,  der  zugleich 
Plancius1  Glückwunsch  za  der  Scheidung  von  Terentia  und  der  Ehe  mit 
Publilia  beantwortet,  in  den  Anfang  dos  Jahres  46.  Der  Krieg,  auf  den 
Cicero  anspielt,  ist  aber  offenbar  der  spanische  Krieg,  und  die  angeb- 
liche Restitution  Ciceros  die  Änderung  seiner  Lage  durch  die  Rede  für 
Marcellus.  Mithin  gehört  der  Brief  in  den  Winter  46/5.  So  auch 
Tyrsll  und  Ptoser  IV  p.  421. 

*)  Ähnlich  die  folgenden  Briefe  VI  2 — 4 ,  ferner  im  April  45  an 
Toranius  fam.  VI  21.  an  Luccejus  V  13.  an  Servius  Sulpicius  IV  6,  2. 
Vgl.  auch  das  Fragment  eines  Briefs  an  Axius  [codd.  ad  Actium]  aus 
der  Zeit  der  spanischen  Kriege  (Seneca  de  brev.  vit.  5,  2):  quid  agatn 
hic  quatris.  moror  in  Tuscidano  meo  semüiber. 

')  Die  Notlage ,  in  die  ihn  diese  junge  Frau  mit  ihren  Verwandten 
und  vor  allem  die  Schwiegermutter  brachte,  schildert  drastisch  ad 
Att.  XII  32  (vgl.  34,  1).  Bekanntlich  blieb  ihm  nichts  übrig,  als 
bald  darauf  die  skandalöse  Ehe  aufzulösen  und  die  schöne  Mitgift 
wieder  herauszugeben.  Vgl.  Plut.  Cic.  41;  die  dort  angeführte  bos- 
hafte, aber  durchaus  zutreffende  Äußerung  des  Antonius  darüber  ist 
bei  Dio  46,  18,  8  in  der  Rede  des  Pufius  Calenus  gegen  Cicero  be- 
nutzt. 


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Cicero  während  des  spanischen  Kriegs.    Seine  Schrift  über  Cato  433 

Projekten  für  ihre  Vergötterung  verlockt.  Aber  in  seiner  poli 
tischen  Haltung  ist  er  fest  und  ehrenhaft  geblieben.  Einen 
Augenblick  faßt  er  den  Gedanken,  daß  sein  Sohn  zu  Caesars  Heer 
nach  Spanien  gehen  könne,  wie  es  sein  damals  mit  dem  Oheim 
völlig  zerfallener  Neffe  Quintus  getan  hatte;  aber  alsbald  ent- 
schied er  sich,  obwohl  der  Sohn  gern  nach  Spanien  gegangen 
wäre,  ihn  vielmehr  zum  Studium  nach  Athen  zu  schicken:  mit 
Recht  „würde  man  ihn  tadeln,  ob  es  nicht  genug  sei,  die  eine 
Seite  verlassen  zu  haben,  daß  er  nun  sogar  für  die  entgegen- 
gesetzte kämpfen  wolle"1).  Aber  dem  immer  wiederholten 
Drangen  des  Oppius  und  Baibus  und  andrer  Caesarianer,  das 
ihm  Atticus  übermittelte,  er  solle  sich  in  Rom  zeigen  und  im 
Senat  und  vor  Gericht  an  den  Geschäften  teilnehmen«),  leistete 
er  keine  Folge8);  dagegen  veröffentlichte  er  gleich  nach  Caesars 
Fortgang  aus  Rom  seine  im  vorhergehenden  Sommer  vollendete 
Lobschrift  auf  Cato.  Daß  diese  Schrift  nicht  auf  uns  gekommen 
ist,  ist  sehr  zu  bedauern;  es  wäre  interessant  und  auch  für  die 
Zeitgeschichte  lehrreich  zu  sehn,  wie  er  sich  mit  dem  „archi- 
medischen Problem"  abgefunden  hat,  von  dem  er  im  Juni  46, 
kurz  nach  dem  Eintreffen  der  Kunde  von  Catos  Selbstmord, 
an  Atticus  schreibt4):  „Ich  kann  es  nicht  erreichen,  etwas  zu 
schreiben,  was  Deine  Tischgenossen  (Baibus,  Oppius  usw.)  nicht 
nur  gern,  sondern  auch  nur  mit  Gleichmut  lesen  können;  ja  so- 
gar, wollte  ich  seine  Anträge,  seine  ganze  Tendenz  und  politische 
Auffassung  und  Tätigkeit  Übergehn  und  lediglich  seine  Würde 
und  Festigkeit  loben,  so  würde  ihnen  das  ein  verhaßter  Ohren- 
schmaus sein.  Aber  in  Wahrheit  kann  dieser  Mann  überhaupt 
nicht  gelobt  werden,  wenn  man  nicht  ausführt,  daß  er,  was  jetzt 


»)  Att.  XII  7,  vgl.  8.  24,  I.  32,  2. 

*)  Att.  XH  21,  8.  28,  1,  27,  3.  28,  2.  In  gleichem  Sinne  schreibt 
Luccejus  fam.  V  14;  Giceros  ablehnende  Antwort  V  15. 

*)  Zwei  ans  dieser  Zeit  stammende  Empfehlungsbriefe  Ciceros  an 
Caesar  sind  fam.  XIII  15.  16  erhalten,  der  eine  in  charakteristischer 
Weise  vollgestopft  mit  Zitaten  aus  Homer  und  Euripides. 

*)  Att.  XII  4,  von  0.  E.  Schmidt  S.  242  ff.  auf  den  13.  Juni  ge- 
setzt 

Meyer,  Caesars  Monarchie  28 


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434 


Caesar«  Monarchie 


eingetreten  ist,  vorausgesehn  und  zu  hindern  gesucht  hat,  und 
daß  er,  um  es  nicht  eingetreten  zu  sehn,  das  Leben  verlassen 
hat:  was  von  diesen  Dingen  kann  man  aber  einem  Aledius 
(einem  der  untergeordneten  Werkzeuge  Caesars)  schmackhaft 
machen  1"  Wir  wissen,  daß  Cicero  durchaus  in  dem  hier  an- 
gedeuteten Sinne  geschrieben  hat;  das  einzige  wörtliche  Zitat, 
das  auf  uns  gekommen  ist,  lautet:  „Ihm  war  beschieden,  wovon 
sonst  meist  das  Gegenteil  einzutreten  pflegt,  daß  alles  an  ihm 
in  Wirklichkeit  großer  erschien  als  im  Gerücht,  und  daß,  was 
sonst  nicht  oft  vorkommt,  die  Erwartung  durch  die  Kenntnis- 
nahme, die  Augen  durch  die  Ohren  besiegt  wurden"1).  Daß 
er  mit  seiner  Schrift  Anstoß  erregen  mußte,  wußte  er;  so  hat  er 
sich  in  dem  unmittelbar  nachher  veröffentlichten  Orator  dadurch 
zu  decken  gesucht,  daß  er  die  Veranlassung  auf  die  Bitte  des 
M.  Brutus  zurückführte,  den  Caesar  protegierte  und  dem  er  im 
Sommer  46  die  Verwaltung  der  wichtigen  Provinz  Gallia  cis- 
alpina  übertragen  hatte:  „Ich  hatte  den  Cato  niemals  geschrieben, 
aus  Furcht  vor  der  der  Tugend  feindlichen  Zeitlage,  hätte  ich 
es  nicht  für  Unrecht  gehalten,  Deinen  Mahnungen,  die  sein  mir 
teures  Gedächtnis  wachriefen,  nicht  zu  folgen.  Aber  ich  bezeuge, 
daß  ich  nur  auf  Deine  Bitte,  nach  anfänglicher  Weigerung,  ge- 
wagt habe,  das  zu  schreiben;  denn  ich  wünsche,  daß  die  Be- 
schuldigung uns  gemeinsam  treffe,  damit,  falls  ich  eine  so  schwere 
Inquisition  nicht  tragen  kann,  Dir  die  Schuld  zufallt,  mir  die 
ungebührliche  Last  (iniuutum  onus)  auferlegt,  mir,  sie  über- 
nommen zu  haben;  dabei  wird  Dich  dann  für  den  Irrtum 
unserer  Beurteilung  der  Lage  das  Lob  entschädigen,  das  aus 
dem  Dir  zugewiesenen  Anteil  entspringt"2). 

Ciceros  Cato  hat  Sensation  gemacht.  Rasch  hintereinander 
folgten  mehrere  Schriften  gleicher  Tendenz,  von  M.  Brutus  im 


J)  Macrob.  VI  2,  83. 

')  Cic.  Orator  85.  Vgl.  Caecina  an  Cicero  fam.  VI  7,  4  (?gl.  oben 
S.  400) :  auges  etiam  tu  mihi  timorem,  qui  in  oraiore  tuo  caves  tibi 
per  Brutum  et  ad  excusationem  socium  quaeris:  tibi  hoc  omnium 
patronus  facit,  quid  me,  veterem  tuum,  nunc  omnium  clientem  sen- 
tire  oportet  ? 


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I 

t 

Ciceros  Cato  und  seine  Wirkung  435 

März  451),  von  M.  Fadius  Gallus  im  Hochsommer«);  ob  auch 
die  von  Plutarch  zitierte  Schrift  des  Munatius,  eines  vertrauten 
Genossen  des  Cato8) ,  in  diese  Zeit  oder  erst  nach  Caesars  Er- 
mordung anzusetzen  ist,  wissen  wir  nicht.  Noch  stärker  war 
die  Wirkung  auf  der  Gegenseite.  Caesar  lag  es  allerdings  ganz 
fern,  gewaltsam  vorzugehn  und  etwa  die  Schrift  zu  unterdrücken 
oder  ihren  Verfasser  zu  verfolgen;  wohl  aber  antwortete  er  ihm 
als  Schriftsteller  mit  einer  Gegenschrift  in  zwei  Büchern,  den 
die  er  um  die  Zeit  der  Schlacht  bei  Munda  (17.  März) 
verfaßt  hat4).  Als  Vorlaufer  derselben  diente  eine  Schrift  des 
Hirtius,  der  in  Caesars  Gefolge  nach  Spanien  gegangen  war;  sie 
►  traf  schon  am  9.  Mai  bei  Cicero  ein*),  mit  dem  Hirtius  ja  in  freund- 

schaftlichen Beziehungen  stand;  im  vorigen  Sommer  hatte  er 
bei  ihm  mit  Dolabella  zusammen  rhetorischen  Unterricht  ge- 
nommen. „Wie  Caesars  Angriff  gegen  meine  Lobschrift  aus- 
fallen wird",  schreibt  Cicero  an  Atticus,  „habe  ich  aus  dem  Buch 
ersehn,  das  Hirtius  mir  geschickt  hat,  in  dem  er  Catos  Laster 
sammelt,  aber  mir  dabei  die  größten  Lobsprüche  erteilt."  Cicero 
bittet  Atticus,  das  Buch  in  seinem  Verlagsgeschäft  vervielfältigen 
zu  lassen ;  er  wünsche  ihm  weite  Verbreitung,  „damit  durch  den 
Tadel  jener  Leute  Catos  Lob  nur  gemehrt  wird"*).  Von  Caesars 
Schrift  wissen  wir,  daß  er  die  zu  Catos  Lob  angeführten  Tat- 


»)  Cic.  Att.  XII  21.  Eine  (nicht  veröffentlichte)  Gegenschrift  hat 
Octavian  verfaßt,  rescripta  Britto  de  Caionex  Sueton  Aug.  85. 

»)  fam.  VII  24,  25.  vgl.  0.  E.  Schmidt  S.  854  f. 

')  Plut  Cato  min.  25.  87  vgl.  c.  9.  27.  81.  Plutarch  kennt  die 
Schrift  durch  die  Schrift  des  Thrasea,  der  Munatius  vielfach  benutzt 
hat ;  es  war  offenbar  eine  wirkliche  Biographie,  nicht  ein  tr*u>u.iov.  Nach 
der  Erzählung  bei  Plut.  86  f.  über  den  Konflikt  zwischen  Cato  und 
Munatius  auf  Cypern,  den  Caesar  ausgenutzt  hat,  während  Munatius 
eine  unparteiische  Darstellung  gab,  ist  es  wohl  am  wahrscheinlichsten, 
daß  Munatius  nach  Caesar  geschrieben  und  ihn  berichtigt  hat. 

*)  Sueton  Caes.  56.  Bekannt  ist  Livius'  Urteil  fr.  45  Weissiuborx  : 
(Catonis)  gloriae  neque  profuit  quisquam  laudando  nee  vüuperundo 
nocuit,  cum  utrumque  summis  praediti  fecerint  ingeniis. 

»)  Att.  XII  40,  1.    Das  Datum  nach  0.  E.  Schmidt  S.  282. 

«)  Att.  XII  40.  1.  41,  4.  44,  1.  45,  3.  47,  3. 


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43Ö 


Caesars  Monarchie 


Sachen  teils  bestritt,  teils  erklärte,  sie  seien  anders  zu  beur- 
teilen oder  überhaupt  nicht  ruhmwürdig,  sondern  unrechtmäßig 
oder  moralisch  anstößig1).  Schon  im  Jahre  55  hatte  Caesar  auf 
Catos  Angriffe  und  seine  Forderung,  ihn  den  Germanen  aus- 
zuliefern, mit  einer  erbitterten  Schmähschrift  geantwortet  (oben 
8.  173);  diese  Schrift  und  ebenso  die  des  Pompejaners  Me- 
telms Scipio  gegen  Cato  hat  er  offenbar  jetzt  verwertet.  Die 
nicht  wenigen  Fälle,  in  denen  Catos  Verhalten  durch  den  starren 
Rigorismus  seines  Tugendbegrirls  oder  gar  durch  die  praktische 
Befolgung  der  stoischen  Paradoxen,  die  sich  bei  ihm  mit  der 
Verherrlichung  der  alten  Traditionen  Roms  verband,  bei  den 
Zeitgenossen  Kopfschütteln  und  Anstoß  erregt  hatte,  wurden 
natürlich  weidlich  ausgenutzt:  in  diesen  Dingen  war  Caesars 
Naturell  und  Auffassung  in  der  Tat  der  diametrale  Gegensatz 
zu  Cato,  und  dieser  mußte  ihm  völlig  unverständlich  erscheinen. 
So  zählte  er  die  Fälle  auf,  wo  er  die  natürliche  Rücksicht  auf 
seine  Angehörigen  und  Vertrauten  kühl  beiseite  gesetzt  habe, 
die  Abweisung  seines  alten  Jugendfreundes  Munatius,  als  er  bei 
der  Einziehung  der  Schätze  des  Königs  Ptolemaeos  auf  Cypern 
mit  seinem  Mißtrauen  bis  an  die  äußerste  Grenze  ging2),  sein 


')  Cic.  Top.  94 :  aut  negari  potent,  id  factum  esse  quod  laude tur, 
aut  non  eo  nomine  adflciendum  quo  laudator  adfecerü,  aut  omnino  non 
esse  laudabile,  quod  non  recte,  non  iure  factum  sit;  quibus  omnibus 
generibus  usus  est  nimis  impudenter  Caesar  contra  Catonem  meum. 

■)  Plut.  Cato  min.  36  8e&  tolc  tt  £XXoic  ?&otc  <5>c  äitiatüv  itpooexpooo«, 
%at  tiv  oovrjdiatatov  ditavtaw  Moovdtiov  il(  opY^v  iXtfOv  8<!v  fcvijxtatov  ytvo- 
(iiy-f)v  tv£ßaX»v,  <t>ot»  xal  Kattaapi  -fpdcpoyK  Xofov  xatä  xoö  Kdtcnvo;  ittxpotdrrjv 
to&to  tö  fiipo«  rfj^  xarrj-fopia«  Siatptß^jv  icapao^Btv.  Über  Munatius'  eigene 
Darstellung  s.  S.  485  Anm.  8.  L.  Piotrowicz,  de  Q.  Caecüü  Metelli 
Pii  Scipionis  in  M.  Porcium  Uticensem  invectiva.  Eos  XVIII  2,  1912, 
129  ff.  hat  gezeigt,  daß  Caesar  hier  wie  offenbar  auch  sonst  eine  Bro- 
schüre des  Metellas  Scipio  (Plut  Cato  7.  57)  gegen  Cato  benutzt,  die 
wahrscheinlich  im  Jahre  56  oder  55  im  Interesse  der  Machthaber  bei  dein 
Kampf  um  das  zweite  Consulat  des  Pompejus  und  Crassus  verfaßt  ist. 
Der  Zwist  war  dadurch  entstanden,  daß  Scipio  «eine  verstoßene  Braut 
Lepida,  als  Cato  sie  heiraten  wollte,  dann  doch  diesem  abspenstig 
machte  und  heimführte;  Cato  rächte  sich  mit  scharfen  Jamben. 
In  seiner  Schrift  griff  Scipio  vor  allem  die  Verkäufe  der  cyprischen 


Caesars  Schriften  gegen  Cato 


437 


Verhalten  gegen  seine  sehr  andersartige,  dem  Genußleben  er- 
gebene Stiefach  wester  Servilia,  die  geschiedene  Gattin  des 
Luculliis1).  „Mit  Ausnahme  dieses  einen,  den  die  Natur  anders 
gebildet  hat,  als  alle  andern,  hält  ein  jeder  die  Seinen  teuer", 
lautet  ein  erhaltener  Satz*).  Geldgier  war  seine  Haupttrieb- 
feder; dadurch  erklärt  sich  nach  Caesar  die  allerdings  höchst 
wunderliche,  auf  altrömischen  Rechtsanschauungen  beruhende 
Überlassung  seiner  Frau  Marcia  an  Hortensius  (S.  219)  und  die 
Wiederaufnahme  der  Ehe  nach  dessen  Tode3).  Auch  dem  Wein 
war  er  ergeben  —  während  Caesar  bekanntlich  darin  sehr  mäßig 
war*)  — ;  aber  wenn  er  nachts  trunken  nach  Hause  kam,  schämten 
sich  die,  welche  ihm  begegneten,  als  hätten  nicht  sie  den  Cato, 

Kostbarkeiten  in  Öffentlicher  Auktion  für  schweres,  durch  Cato  cum 
Besten  des  Staatsschatzes  nach  Möglichkeit  in  die  Höhe  getriebenes 
Geld  an,  8.  Plin.  8,  196.  29.  96.  wo  nach  dem  Autorenverzeichnis 
im  ersten  Buch  Scipio  die  Quelle  ist:  die  spanischen  Fliegen,  die  er 
verkaufte,  seien  Gift  (daher  bei  Seneca  in  einer  kindischen  Con- 
troverse  VI  4  venenum  Cato  vendidit);  auch  daß  er  eine  Statue  des 
Zeno  nicht  verkaufte,  sondern  für  sich  behielt,  Flin.  34,  92,  führt  Pio- 
trowicz  mit  Recht  auf  Sei pios  Schrift  zurück;  ebendaher  wird  stammen, 
daß  er  unum  ex  tribunatu  militum  philosophum,  alierum  ex  Cypria 
legatione  deporiavit,  im  Gegensatz  zu  dem  Verhalten  seines  Urahnen. 
Plin.  VII  118. 

')  Plut.  54,  nachdem  erzählt  ist,  daß  Cato  im  Bürgerkrieg  für  sie 
und  ihren  Sohn  gesorgt  hat:  aXV  5  ft  Kaioap  o63i  t&v  in'  «x»;.v^j  ßXaapv]- 
fi/.ü»  toü  Kättuvot  i<p»t3«o.  Er  warf  ihm  schwerlich  unerlaubten  Um- 
gang mit  ihr  vor,  wie  man  meist  interpretiert,  sondern  vielmehr  ihre 
Vernachlässigung. 

»)  Caesar  in  Anticatone  priore:  uno  enim  excepto,  quem  alius 
modi  atque  onmis  natura  ftnxit,  suos  quisque  habet  caros  (Priscian). 

')  Plut.  (Juto  52:  «1$  o  8-rj  fiaXtota  Xoi8opo'jfi»vo<;  b  Kaioap  tü>  Kätcovt 
ifiXoisXootiav  «pofipei  xal  fuoftapvtav  *ü>  T^F*1?-  Auch  die  Angabe  c.  11, 
jemand  habe  sich  nicht  entblödet  zu  schreiben  (fy  6  tpfyaq),  Cato  habe 
die  Asche  Beines  Bruders  durchgesiebt,  um  aus  ihr  das  mitverbrannte 
Gold  herauszuholen,  bezieht  sich  offenbar  auf  Caesar,  wie  die  weitere 
Bemerkung  o&tu>s  06  tü>  4itp«i  aovov,  oXkä  xal  t<j>  fpavsuo  t6  ayoK«ödovov 
xal  xb  avüKÖ8cxov  inlowo««v  beweist. 

«j  Sueton  Caes.  58  wni  parcissimum  ne  inimici  quidem  negaverunt. 
Vgl.  Cut os  bekanntes  Wort  unum  ex  omnibus  Caesarem  ad  evertendam 
revipublicam  sobrium  accessisse,  Sueton  Caes.  53.  Quintilian  VIII  29. 


i 


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438 


Caesars  Monarchie 


sondern  dieser  sie  abgefaßt1).  Aber  bei  Cato  fügte  sich  nun  ein- 
mal jeder  „der  Anmaßung,  Frechheit  und  Herrschsucht  des 
Einen"*). 

Über  Cicero  äußerte  sich  Caesar  mit  ausgesuchter  Höflich- 
keit: er  entschuldigte  sich,  daß  er,  ein  Soldat,  den  Wettkampf 
mit  dem  unvergleichlichen  Stilisten  wage»),  pries  sein  Verdienst 
um  die  Ausbreitung  des  römischen  Genius  als  alle  kriegerischen 
Triumphe  überstrahlend4),  verglich  seine  Beredsamkeit  und  seine 
politische  Haltung  mit  der  des  Perikles  und  Theramenes»).  Nach 
Tullias  Tode  hat  er  ihm  den  üblichen  Kondolenzbrief  geschickt6). 
Aber  er  begehrte  eine  Sühne,  ein  (utXrriJLa,  für  den  Cato7);  und  so 
wird  Cicero  zu  Anfang  Mai  von  Caesars  Vertrauensmannern  und 
von  Atticus,  der  hier  wie  immer  als  Vermittler  dient,  gedrängt,  eine 
Schrift  an  Caesar  über  die  Staatsgestaltung  zu  richten,  also  eine 
Ausführung  der  Andeutungen  in  der  Marcellusrede,  nach  dem 
Muster  der  Schriften  des  Aristoteles  und  Theopomp  an  Alexander. 


')  Plin.  ep.  III  12  (Caesar)  describit  eos,  quibm  (Cato)  obviam 
fuerat,  cum  Caput  ebrii  reiexissent,  erubuisse;  deinde  adicit  „putares 
non  ab  Ulis  Caionem,  sed  itios  a  Catone  deprekemos* '.  Vgl.  8.  219,  3. 

')  Gellius  IV  16.  8  als  Beispiel  des  Dativs  der  vierten  Deklination 
auf  u :  Caesar  in  Anücatone  Munius*  inquü  „arrogantiae,  superbiae 
dominatuque' '. 

*)  Plut.  Caes.  8  «apaiTtltat,  fivj  otpaTtamxoö  X£rov  ävftp&c  &vt«£*TäCuv 
ttpbt  3wvdtY|Ta  £>Vjtopoc  t&?  ooö{  xal  oxoX-ijv  fcicl  to&to  roXX^v  fi^ovto?. 

*)  Plinins  nat.  hist  VII  117  in  der  Apostrophe  an  Cicero:  ut  die- 
tator  Caesar  hostis  quondam  tuus  de  te  scripsit,  omnium  trium- 
phorum  laurea  maior,  quando  plus  est,  ingenii  Romani  terminos 
in  tantum  propagusse  quam  imperii. 

')  Plut.  Cic.  39:  Im  Anticato  hat  Caesar  töv  xt  Xäjov  a&toB  (Ktxt- 
p<uvo<)  xol  tiv  ßtov  <2>c  [idcXiota  tqi  IhptxXiooc  iotxota  xou  OvjpauivocK  mcouvm. 

•)  Att.  XIII  20,  1  (vgl.  22,  5)  aus  Hispalis  am  80.  April,  bei  Cicero 
im  Juli  eingetroffen. 

*)  Att.  XIII  27  schreibt  Cicero  nach  der  Ablehnung  seiner  Schrift  durch 
Caesars  Vertraute,  er  wolle  den  Plan  aufgeben,  praeseriim  cum  illwi 
occurrat,  ülum  (Caesarem),  cum  aniea  nihil  scripserim,  existima- 
turum,  me  nisi  toto  beüo  confecto  nihil  scripturum  fuisse;  atque 
etiam  vereor,  ne  putet  me  hoc  quasi  Caionis  ^mX^n*  esse  voluisse. 
Natürlich  ist  der  Gedanke,  den  Cicero  hier  abweist,  eben  das  gewesen, 
was  Caesar  und  seine  Agenten  wünschten. 


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Caesar  fordert  eine  politische  Schrift  Cicero»  439 

Er  ist  denn  auch  am  9.  Mai1)  an  die  Ausarbeitung  gegangen : „Den 
oo(ißooX«tm*öc  habe  ich  wiederholt  versucht,  aber  ich  kann 
nichts  finden,  obwohl  ich  sowohl  'AptototsXooc  wie  9eo7cö|tfsoo 
icpö«  'AXeSavSpov  bei  mir  habe.  Aber  worin  besteht  die  Ähn- 
lichkeit? Jene  schrieben,  was  für  sie  ehrenvoll  und  einer  guten 
Aufnahme  bei  Alexander  gewiß  war.  Kannst  Du  etwas  der  Art 
finden?  Mir  wenigstens  kommt  nichts  in  den  Sinn."  Ein  paar 
Tage  darauf,  am  14.  Mai*),  ist  er  trotzdem  mit  der  Arbeit  fertig 
—  Atticus  hat  inzwischen  aufs  neue  gedrängt  — :  „Gestern  habe 
ich  auch  den  Brief  an  Caesar  fertig  gebracht:  denn  Du  wünschtest 
das.  Ihn  zu  schreiben,  war  wohl  nicht  so  schlimm,  wenn  man  es 
für  notwendig  hielt;  aber  so,  wie  er  jetzt  ist,  ist  es  wirklich  nioht 
nötig,  ihn  zu  schicken.  Indessen  darüber  magst  Du  entscheiden  ; 
ich  werde  Dir  aber  ein  Exemplar  schicken,  vielleicht  von 
Lanuvium  aus  (wohin  Cicero  an  den  nächsten  Tagen  gehn 
wollte),  falls  ich  nicht  etwa  nach  Rom  gehe;  das  wirst  Du 
morgen  erfahren."  Man  sieht,  wie  wenig  wohl  sich  Cicero  bei 
der  erzwungenen  Aufgabe  fühlte,  und  wie  unsicher  er  war,  ob 
er  den  richtigen  Ton  getroffen  habe:  denn  seine  Überzeugungen 
zu  verleugnen  und  einfach  als  Caesarianer  zu  schreiben,  hatte 
er  sich  jetzt  so  wenig  wie  früher  überwinden  können.  An 
Schmeicheleien  fehlte  es  nicht,  aber  dabei  kamen  die  Phrasen, 
die  ihm  sonst  so  reichlich  zu  Gebote  standen,  nicht  in  Fluß, 
und  so  empfand  er  selbst,  daß  die  ganze  Schrift  verfehlt  sei  und 
bei  Caesar  nichts  erreichen  könne,  wohl  aber  bei  den  Männern, 
auf  deren  Urteil  er  Gewicht  legte,  berechtigten  Anstoß  erregen 

')  Att,  XII  40,  nach  0.  E.  Schmidts  Chronologie:  oujtßooXtotiuiv  saepe 
conor:  nihü  reperio,  et  quidem  mecum  habeo  et  'Apwtotttoo«  et  0so- 
k6jiicoo  npöc  'AXUavdpov.  sed  quid  simüe?  Uli  et  quae  ipsis  honesta 
essent  scribebant  et  grata  Alexandro.  ecquid  tu  eius  modi  reperis? 
mihi  quidem  nihil  in  meutern  venit. 

■)  Att.  XIII  26,  von  Schichk  und  0.  E.  Schmidt  S.  282  f.  285  mit 
Recht  hierher  gesetzt:  heri  etiam  effeci  epistolam  ad  Caesarem;  tibi 
enim  placebat.  quam  non  fuit  malum  scribi,  si  forte  opus  esse  pu- 
tares;  ut  quidem  nunc  est,  nihil  sane  est  necesse  mittere.  sed  id  qui- 
dem, ut  tibi  videbitur.  mütam  tarnen  ad  te  exetnplum  foriasse  La- 
nuvio,  nisi  forte  Romatn?  sed  cras  scies. 


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440 


Caesars  Monarchie 


müsse1).  Er  hatte  sich  bemüht,  in  der  Art,  wie  es  Theophrast 
in  dem  äoXitixöv  irp&c  toö«  xaipooc  getan  hatte,  den  Um- 
ständen Rechnung  zu  tragen,  ohne  dabei  etwas  zu  sagen,  was 
ein  wahrhaft  guter  Bürger  nicht  sagen  darf2),  und  so  „aus  dem 
rohen  Eichenholz  etwas  herausgeschnitzt,  was  allenfalls  wie  ein 
Bildwerk  aussehn  konnte"3).  Atticus  äußert  sich  natürlich  zu- 
stimmend; aber  Cicero  wünscht,  was  wohl  auch  Atticus  geraten 
hat,  daß  er  die  Broschüre  zunächst  Caesars  Vertretern,  d.  i. 
Oppius  und  Baibus,  zur  Begutachtung  vorlege,  ehe  sie  jenem 
zugeschickt  wird4).  Diese  aber  erklärten  offen,  so  könne  der 
Brief  nicht  abgehn,  und  verlangten  die  Änderung  so  zahlreicher 
Stellen,  daß  die  ganze  Schrift  dadurch  hinfällig  wurde5).  Nach 
ihrer  Absicht  sollte  Cicero  dem  Caesar  eben  das,  was  dieser 

')  Att.  XIII  27  (nach  der  Ablehnung  der  Schrift) :  quod  enim  aliud 
argumentum  epistolae  nostrae  nisi  xoXaxet«  fuü?  an  si  ea  quae 
optima  putarem  suader e  voluissem,  oratio  mihi  defuisset?  totis 
igitur  litteris  nihil  opus  est:  ubi  enim  eiuteoffia  magnum  null  um 
fteri  possit,  axottoriia  vel  non  magnum  molestum  futurum  sit,  quid 
opus  est  jiapamvÄovtosiv?  Es  folgen  die  oben  S.  488  Anm.  7  angefahrten 
Worte.  —  Anch  die  Parallele  des  Aristoteles,  so  schreibt  er  am  nächsten 
Tage  (XIII  28),  war  nicht  zutreffend,  da  der  junge  Alexander  in  der 
Tat  sich  den  Weg  weisen  lassen  wollte,  der  zu  ewigem  Ruhm  führte; 
und  doch  ist  auch  er  alsbald  als  König  entartet.  Das  sicp6ßXi;|Aa  'Ap^t- 
(mj&kov'  war  in  der  Tat  unlösbar. 

*)  Att.  XII  51,  2  nihü  est  in  ea,  nisi  optimi  civis,  sed  ita  optimi, 
ut  tempora,  quibus  parere  omnes  noXittxol  praecipiunt. 

*)  XIII  28,  2. 

4)  XII  51  epistolam  ad  Caesarem  mitti  video  tibi  placere . . .  sed 
scito,  ita  nobis  esse  Visum,  ut  isti  ante  leger  ent:  tu  igitur  id  cu- 
rabis.  sed  nisi  plane  iis  intelleges  placere,  miltenda  non  est.  id 
autem  utrum  Uli  sentiant  anne  simulent,  tu  intelleges;  mihi  simu- 
latio  pro  repudiatione  fuerit.  toöto  ii  |rrpuu<rjj  (»sondiere*).  XII  52,  2 
und  XIII  1.  8  erwartet  er  die  Entscheidung. 

'-)  Att.  X III  27  (nach  0.  E.  Schmidt  am  25.  Mai):  epistolam  ad 
Caesarem  nobis  vero  rectissime  placuü,  ut  isti  ante  leger  ent;  aliter 
enim  fuissemus  et  in  hos  inofflciosi  et  in  nosmet  ipsos,  si  ülum 
offensuri  fuissemus,  paene  perictüosi.  isti  autem  ingenue;  mihique 
gratum,  quod  quid  sentirent  non  reticuerunt;  iUud  vero  vel  optime, 
quod  ita  multa  mutari  volunt,  ut  mihi  de  integro  scribendi  causa 
non  sit. 


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Cicero  sträubt  sich  gegen  die  Schrift  an  Caesar 


441 


plante,  als  Ratschläge  erteilen.  So  mißbilligten  sie  es  auch,  daß 
Cicero  es  diesem  anheimgestellt  hatte,  ob  er  gegen  die  Parther 
ziehen  wolle,  aber  darauf  hingewiesen  hatte,  daß  die  Ordnung 
des  Staats  und  die  Durchiührung  der  neuen  Gesetze  zunächst 
eine  längere  Anwesenheit  des  Regenten  in  Rom  fordere;  Caesar 
beabsichtigte  zwar  auch,  wie  ein  kurz  darauf  eingetroffenes 
Schreiben  lehrte,  zunächst  die  Ordnung  in  Rom  durchzuführen, 
wollte  dann  aber  so  bald  wie  möglich  den  parthischen  Feldzug 
beginnen;  und  das  hätte  Cicero  raten  sollen,  „als  ob  Caesur 
nichts  tun  werde,  als  nach  dessen  Rat"1).  Cicero  fühlt  sich  erlöst; 
er  empfindet  deutlich,  wie  arg  er  sich  nach  allen  Seiten  hin  kom- 
promittiert haben  würde2).  Als  Atticus  nochmals  drängt,  schreibt 
er  freilich,  die  Schmach,  die  er  damit  auf  sich  nähme,  würde  ihn 
doch  nicht  abhalten,  obwohl  sie  es  sollte;  aber  die  Gedanken 
kämen  ihm  nicht3).  Sein  besseres  Selbst  sträubte  sich  eben  mit 
Erfolg  gegen  die  schimpfliche  Nachgiebigkeit,  und  so  erklärt  er 

')  XIII  27  (im  Anschluß  an  das  vorige):  quamquam  de  Parthico 
betio  quid  spectare  debui,  nisi  quod  ittutn  teile  arbürdbar?  XIII  31,  3 
id  ipsum,  quod  isti  aiunt  ülum  scribere,  se  nisi  constitutis  rebus 
non  iturum  in  Parthos,  idem  ego  suadebam  in  illa  epislola:  utrum 
liberet,  facere  posse  auctore  me.  hoc  enim  iüe  exspectat  videlicet 
neque  est  facturus  quicquam  nisi  de  meo  consüio.  XI  LI  7  Sestius  . . . 
venisse  a  Caesars  narrabat  litter as;  hoc  scribere,  sibi  certum  esse 
Romae  manere,  causamque  eam  ascribere,  quae  erat  in  epistola 
nostra,  ne  se  absente  leges  suae  neglegerentur ,  sicut  esset  neglecta 
sumptuaria. 

*)  XIII  27  quid  quaeris?  valde  me  paenitebat,  nec  mihi  in  hac 
quidem  re  quicquam  magis  ut  vettern  accidere  potuit,  quam  quod 
okooSt)  nostra  non  est  probata. 

»)  XIII  28:  de  epistola  ad  (aesarem,  iurato  müii  crede,  non 
possum.  nec  me  turpitudo  deterret,  etsi  maxime  debebat:  quam  enim 
turpis  est  adsentatio,  cum  vivere  ipsum  turpe  sit  nobis!  sed,  ut 
coepi,  non  me  hoc  turpe  deterret ;  ac  Vellern  quidem  —  essem  enim 
qui  esse  debebam  — ,  sed  in  meutern  nihil  venit  .  .  .  Caesar  würde 
sich  bis  nostris  moderatis  epistolis  niemal»  freuen  können;  iüe  vero 
potius  non  scripta  desideret,  quam  scripta  non  probet,  postremo 
ut  volet.  abiit  illud,  quod  tum  me  stimulabat,  cum  tibi  dabam  *p6- 
$lf\p*  'Apxi|»ßKov.  multo  mehercule  magis  nunc  opto  casum  ülum 
quem  tum  timebam,  vel  quem  libebit. 


r 


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442 


Caesars  Monarchie 


die  Sache  für  definitiv  erledigt1).  In  den  nächsten  Tagen  hat  er 
dann  noch  an  die  Abfassung  eines  politischen  Dialocs  eedacht. 
den  ein  in  Olympia  oder  sonst  irgendwo  sich  zusammenfindender 
ÄoXtttxöc  ooXXoTfoc  römischer  Gesandter  des  Jahres  146  halten 
sollte,  und  sich  dazu  die  Werke  Dikaearchs  kommen  lassen*). 
Doch  auch  diesen  Gedanken  hat  er  alsbald  füllen  lassen;  er  warf 
sich  wieder  sranz  in  die  uhilosoohische  Schriftstellerei  und  voll- 
endete  jetzt,  nach  dem  Hortensius,  die  Bücher  de  finibus  und 

Indessen  Caesar  war  mit  Ciceros  Verhalten  keineswegs  be- 
friedigt; er  beharrte  auf  seinem  Ansinnen.  Als  Vorbereitung 
schrieb  er  im  Juli  an  Baibus  einen  zur  Mitteilung  an  Cicero  be- 
stimmten Brief  mit  großen  Lobsprüchen  über  dessen  Cato; 
durch  die  wiederholte  Lektüre  desselben  habe  er  einen  reicheren 
Wortschatz  gewonnen,  während  er  sich  bei  der  Lesung  von 
Brutus'  Schrift  beredt  vorgekommen  sei*)  —  im  übrigen  trotz 
aller  Berechnung  ein  gewiß  zutreffendes  Kompliment.  Cicero 
begnügte  sich,  Caesar  durch  Oppius  und  Baibus  wissen  zu  lassen, 
er  habe  dessen  Schrift  gegen  Cato  gelesen  und  sie  habe  ihm  sehr 
gut  gefallen4).  Indessen  schon  vor  Eintreffen  jenes  Briefes  hatte 
Brutus,  ehe  er  Caesar  entgegenreiste,  ihn  ermahnt,  etwas  an 
diesen  zu  schreiben;  aber  er  hatte,  trotz  anfänglicher  Zusage, 
keine  Lust5).    Jetzt  aber  kam  Mitte  August  durch  Atticus  die 


')  XIII  81,  8  de  epistola  ad  Caesarem  . .  .  obsecro  ab- 

iciamu8  ista  et  semüiberi  saltem  simus:  quod  adsequemur  et  ta- 
cendo  et  latendo. 

»)  Att.  XIII  30,  8.  81,  2.  82,  2  f.  88,  2;  vgl.  0.  E.  Schmidt  8.  874  f. 

*)  Cicero  schreibt  an  Atticus  am  13.  August  (XIII  46):  legi  epistolam 
(Caesars  an  Balbos) :  multa  de  meo  Gatone,  quem  saepissime  legendo 
8c  dicü  copiosorem  factum,  Bruti  Catone  lecto  se  sibi  vteutn  disertum. 

*)  Att.  XIII  50  cum  mihi  Baibus  . . .  dixisset,  se  et  Oppium  scrip- 
sisse  ad  Caesarem,  ine  legisse  libros  contra  Catonem  et  vehementer 
probasse. 

»)  Att.  XIII  44  (21.  Juli)  Brutus  apud  me  fuü,  cui  quidem  valde 
placebat  me  aliquid  ad  Caesarem.  adnueram,  sed  pompa  (bei  deu 
ludi  Victoriae  Caesaris  am  20.  Juli ,  s.  unten  S.  448)  deterret.  Aus 
der  Antwort  darauf  ist  bei  Quintilian  III  8,  42  ein  Bruchstück  erhalten: 


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Cicero  muß  nachgeben 


dringende  Mahnung,  er  müsse  an  Caesar  ein  ausführliches 
Schreiben  aufsetzen,  und  ihm  blieb  nichts  übrig,  als  zu  ge- 
horchen. Der  Brief,  der  nicht  über  die  Staatsgestaltung, 
sondern  über  Caesars  Cato  handelte,  fand  Oppius'  und  Balbus' 
Billigung  und  wurde  von  ihnen  an  Dolabella  geschiokt,  der 
inzwischen  verwundet  aus  Spanien  zurückgekehrt  war  und  ihn 
befördern  sollte1);  denn  mit  seinem  ehemaligen  Schwiegersohn 
stand  Cicero  nach  wie  vor  offiziell  in  intimem  Verkehr,  eins  der 
drastischsten  Bilder  aus  der  Zersetzung  und  inneren  Verlogenheit 
der  Beziehungen  innerhalb  der  sittlich  völlig  morschen  Aristo- 
kratie*). An  Atticus  hat  er  den  Brief  nicht  geschickt,  wie  er 
sagt,  infolge  eines  Versehens,  nicht  aus  Scham:  „denn  ich  habe 
wahrlich  nicht  anders  geschrieben,  als  ich  a  mon  egal  schreiben 
würde;  denn  ich  denke  wirklich  gut  von  jenen  Büchern,  wie  ich 
Dir  mündlich  gesagt  habe.  So  habe  ich  ohne  flatterie  und 
doch  zugleich  so  geschrieben,  daß  ich  glaube,  er  wird  nichts 
lieber  lesen"3).  Trotzdem  ist  es  wohl  unzweifelhaft,  daß  ihn,  wie 

Cicero  scribit  ad  BrtUum,  praepositis  plurimis ,  quae  honeste  mo- 
dert Caesari  possint:  simne  bonus  vir,  ai  hoec  suadeam ?  minime: 
suasoris  enim  finis  est  utilitas  eius,  cui  quisque  suadet .  at  recta 
sunt,  quis  negat?  sed  non  est  semper  rectis  in  suadendo  locus 
(fr.  6  bei  Purser). 

')  Att.  XIII  50  admonitus  quibusdam  tuis  lUteris,  ut  cui  Caesar em 
uberiores  litteras  mittere  instituerem  . . .,  conscrtpsi  de  iis  ipsis 
libris  epistolatn  Caesari,  quae  deferretur  ad  Dolabellam;  sed  eius 
exemplum  misi  ad  Oppum  et  Balbum  scripsique  ad  eos,  ut  tum 
deferri  ad  Dolabellam  iuberent  meas  litteras,  si  ipsi  exemplum 
probassent.  ita  mihi  rescripserunt,  nihil  umquam  se  legisse  melius 
epistolamque  meam  iusserunt  dari  Dolabellae.  0.  E.  Schmidts  kühne 
Kombination  Ober  den  Brief  XIII  47  a.  S.  346  ff. .  den  er  fälschlich  auf 
diese  Vorgange  deutet,  halte  ich  für  verfehlt. 

*)  Vgl.  Ciceros  Brief  fam.  IX  11,  in  dem  er  ihm  Tullias  Tod  mit- 
teilt, ungefähr  dos  moralisch  Verwerflichste,  was  Cicero  geschrieben  bat. 

3)  Att.  XIII  51  ad  Caesarem  quam  misi  epistolatn,  eius  exem- 
plum fugit  me  tum  tibi  mittere,  nec  id  fuit,  quod  suspicaris,  ut  me 
puderet  tui,  \  ne  rtdicule  f  micyüus,  nec  mehercule  scripsi  aliter  ac 
si  icpis  wov  tyoiovque  scriberem;  bene  enim  existimo  de  Ulis  libris, 
ut  tibi  coram.  itaque  scripsi  et  &xoX«x»6t<i>s  et  tarnen  sie,  ut  nihil 
eum  existimem  lecturum  libentius. 


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444 


Caesars  Monarchie 


ehemals  im  Jahre  56  bei  der  ?raXiv<j>$ta  de  provinciis  consukiribus1), 
ein  Gefühl  der  Scham  an  der  Zusendung  an  Atticus  gehindert 
hat.  Wenigstens  der  Schmach  einer  Veröffentlichung  des  Schrei- 
bens scheint  er  entgangen  zu  sein. 

Gleichzeitig  ist  ein  sehr  charakteristischer  Warnungsbrief  an 
Fadius  Gallus,  den  Verfasser  einer  Lobschrift  auf  Cato  (S.  435), 
vor  verfänglichen  Äußerungen:  „Du  scheinst  zu  fürchten,  unser 
Lachen  könne  leicht  ein  sardanisches  Lachen  werden,  das  grimme 
Lachen  der  Todesopfer  über  den  eigenen  Untergang.  Aber  höre, 
Hände  weg!  Der  Meister  ist  schneller  da,  als  wir  dachten;  ich 
fürchte,  die  Cato  als  Held  preisen,  können  leicht  in  die  Hölle 
fahren"2). 

Caesars  Rückkehr  aus  Spanien.    Ehrungen  und 
Attentatspläne.    Cicero  und  Brutus 

Inzwischen  waren  in  schwer  umstrittenem  Kampf  die  Pom* 
pejaner  in  Spanien  vernichtet,  über  die  auf  ihrer  Seite  stehen- 

')  Att.  IV  5,  1.  oben  S.  147. 

*)  Der  Text  fam.  VII  25  gilt  für  coirupt;  quod  autem  me  mcnes, 
valde  gratum  est,  idque  ut  Semper  facias  rogo;  videris  enim  vereri, 
nisi  +  istum  f  hdbuerimus,  rideamus  ^iXioxa  oapidvwv.  sed  heus  tu, 
fnanum  de  tabula!  magxsiet  adest  citius  quam  putaramus;  vereor 
ne  in  Catomum  (s.  Laberius  bei  Gell.  16,  7,  4)  Catoninos.  Aber  sind 
nicht  die  angefochtenen  Worte,  denen  man  durch  die  verschiedensten 
Vorschläge  zu  helfen  gesucht  hat,  einfach  zu  Übersetzen:  ,Du  scheinst 
zu  fürchten,  wenn  jener,  von  dem  Du  redest"  —  nämlich  Caesars 
Günstling,  der  Flötenspieler  Tigellius,  mit  dem  sich  Cicero,  wie  der 
vorhergehende  Brief  VII  24  sowie  XITI  49  ff.  lehrt,  Überworfen  hatte  — 
„nicht  auf  unserer  Seite  stehe,  könnte  es  uub  schlecht  bekommen* 
(nämlich  wegen  der  Schriften  über  Cato).  Das  hat,  meint  Cicero, 
nichts  zu  bedeuten,  aber  jetzt  kommt  der  Meister,  d.  i.  Caesar,  und  wie  es 
uns  da  gehn  wird,  laßt  sich  nicht  sagen.  Der  Schluß  des  Briefs 
spricht  mit  höchster  Anerkennung  von  der  Fassung  eines  Abschnitts 
in  Gallus1  Brief,  der  mit  cetera  labuntur  beginnt,  und  sagt  ihm  als  tiefstes 
Geheimnis,  nur  sie  beide  könnten  so  schreiben :  praeter  duo  nos  loqui- 
tut  isto  modo  nemo ;  bene  malene  videro,  sed  quicquid  est,  nostrum 
est;  er  solle  also  diesen  Stil  weiter  pflegen.  Politische  Bedeutung  hat 
das  nicht. 


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Neue  Ehrungen  Caesars 


den  Städte  ein  hartes  und  blutiges  Strafgericht  verhängt;  noch 
unerschütterlicher  als  vorher  war  Caesars  Allmacht  begründet. 
In  Rom  beeilte  man  sich,  auf  die  Kunde  von  dem  Siege  die  un- 
vermeidlichen Konsequenzen  zu  ziehn  und  weitere  Ehren  und 
Rechte  auf  den  Sieger  zu  häufen.  Der  Senat  bestimmte,  daß 
die  Palilien  (21.  April),  der  Geburtstag  der  Stadt  Rom,  an  dessen 
Vorabend  die  Siegeskunde  von  Munda  eingetroffen  war,  fortan 
zu  seinen  Ehren  mit  Wettrennen  im  Circus  gefeiert  werdeu 
sollten1),  und  ordnete  ein  fünfzigtägiges  Dankfest  an*)  —  die 
vierzig  Tage,  mit  denen  der  Sieg  in  Afrika  verherrlicht  war, 
mußten  natürlich  noch  überboten  werden.  Ihm  selbst  wurde, 
als  dem  ewigen  und  unüberwindlichen  Sieger,  der  Ehrentitel 
des  Siegers,  Imperator,  dauernd  als  Eigenname  {praenomen) 
zuerkannt,  der  sich  auf  seine  Nachkommen  vererben  sollte8); 
als  äußeres  Abzeichen  erhielt  er  das  Recht,  immer  das  Triumphal- 
gewand und  den  Lorbeerkranz  zu  tragen*).  Zugleich  wurde  seine 
Militärhoheit  in  vollem  Umfang  festgestellt:  alle  Heere  des  Staats 
standen  unter  seinem  Oberbefehl,  Siege  konnten  nur  unter  seineu 

')  Dio  48,  42,  3.  45,  6,  4-   Vgl.  Cic.  Att.  XIV  14,  1.  19,  3. 

*)  Dio  43,  42,  2  xal  rcpos«;  (außer  den  Triumphen)  xai  Upou^vtat  inl 
xivtvjxovta  ^pipo;  rj^rjoav. 

•)  Dio  48,  44,  2  xo  tt  toü  aitoxpdtopo^  ovofia  .  .  .  xafrdxa;  toüto  8yj 
■cö  xal  vüv  tolc  xb  xpato<;  aei  igoost  8i86u*vov  «xstvu>  töte  jcpu»tu>  ts  xal 
itptuTOV  utsrcep  n  xopiov  itpo3«ö-»aav.  xai  tooaorj  y«  oiwpßoXfl  xoXaxsta^  tyP^r 
aavro,  Sxnt  xai  too?  woi8o^  too?  -n  ifYOvous  aoroö  o5tu>  xaXzis&ai  'Ir^fi- 
oao&ai,  {i-fitt  *«*v°v  «  *&xo5  l/ovro?  xal  Ytpovxo;  -J^y]  ovto«.  Sueton  (aes.  76 
nennt  unter  den  von  ihm  angenommenen  Ehren  insuper  praenomen 
Imperatorte.  Caesar  hat  den  Vornamen  Imperator  bekanntlich  nicht 
geführt,  wohl  aber  hat  August uß  ihn  als  ererbt  in  Anspruch  genommen 
(Dio  52 ,  40,  2 .  41 ,  4),  und  zwar  schon  vom  Jahre  40  an  (Mommsex, 
Staatsrecht  II  2,  744;  auf  seinen  Münzen  vom  Jahre  38  an).  An  der 
Tatsache  des  Senatsbeschlusses  ist  daher  nicht  zu  zweifeln,  obwohl 
Caesar  von  ihm  keinen  Gebrauch  gemacht  hat  (vgl.  Dio  43,  46:  von  den 
ihm  zuerkannten  Ehren  6  Katoap  tot$  u.iy  xprjoftat  fyi*to,  xoi$  81  ?}itXX«v 
ei  xai  ta  jiäXtaxa  tiva  a2>?ü>v  rcap-^xaxo). 

*)  Dio  43,  43,  1.  Sueton  45,  wonach  dieser  wie  alle  Ehrenbeschlüsse 
vom  Volk  bestätigt  worden  ist  (ex  omnibus  decretis  sibi  a  senatu 
populoque  lumoribus  non  aliud  aut  recepit  aut  usurpavü  libentius 
quam  ius  laureae  coronae  perpetuae  gestandae). 


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Caesars  Monarchie 


Anspielen  erfochten  werden,  und  ihm  allein  stand  daher  das 
Siegesfest  und  der  Triumph  zu,  such  wenn  er  am  Kampf  nicht 
teilgenommen  hatte1).  Auch  die  politische  Leitung  des  Staats 
sollte  fortan  dauernd  in  seinen  Händen  liegen:  zu  der  Diotatur 
auf  zehn  Jahre  wurde  ihm  ein  zehnjähriges  Consulat  und  das 
Recht,  alle  Ämter,  auoh  die  der  Plebs,  ohne  Befragung  des 
Volks  zu  besetzen,  zuerkannt  —  das  hat  er  abgelehnt*)  — ,  ferner 
die  freie  und  alleinige  Verfügung  über  die  Staatskasse»).  Damit 
hängt  zusammen,  daß  fortan  Caesars  Kopf  mit  dem  Lorbeer- 
kranz auf  die  von  den  Münzmeistern  geprägten  Münzen  gesetzt 
wird,  ihm  also  das  Bildnisrecht  zuerkannt  sein  muß4);  bis  dahin 
hatte  er  sich  begnügt,  seine  Amtstitel  und  die  Abzeichen  seines 
Oberpriestertums  und  Augurats,  sowie  den  Kopf  der  Venus,  der 
Victoria  oder  der  Juno,  der  Pax  (des  im  Jahre  46  errungenen 
Friedens)  und  bei  den  zur  Zeit  seiner  Triumphe  geprägten  Münzen 
Trophäen  und  gefesselte  Gallier  als  Repräsentanten  der  besiegten 
Nation  —  in  einem  der  Köpfe  hat  man  bekanntlich,  schwerlich 
mit  Recht,  ein  Porträt  des  Vercingetorix  gesucht  —  auf  seine 
Münzen  zu  setzen;  jetzt  trat  auch  hier  sein  tatsächliches  König- 
tum6) unverhüllt  hervor.     Aber  offiziell  wurde  die  absolute 


')  Dio  48,  44,  6  Upojrrjviav  (—  supplicationem)  tt  Igoipttov,  tadxtc 
ä»  vtXT]  ti  Tic  oojiß'J  »al  Adalat  tic'  aorj)  f  i'yvaiyrat,  xav  fi^te  rjotpattoaaytt 
jujJr*  8X.»»c  ixixoiva>o*vtt  tü»v  xatajrpax*Kvtuiv  fJooav.  c.  45,  2:  acpotnuto^ 
•et  fiovov  tx«v. 

»)  Dio  46,  45  ta«  <ct  Tap  apy4?  ateip  xat  t«c  xoö  icX-^oo?  avUrtaav, 
xal  ßxatov  ahzbv  inl  fttxa  ftTj,  &<mtp  xal  ftixtatropa  itpÖTcpov,  Kpotxtipioawo. 
47,  1  t+jv  axöft<t£iv  aötüfv  (der  Magistrate)  6  Kataap  6&x  i&i£ato. 

■)  Dio  48,  44,  2  xal  ta  8f)n6ata  y^pr^an  u.6vov  Äiotxtiv  txiXtooav. 

4)  Die  Chronologie  der  Münzen  dieser  Zeit  hat  Gamtbr,  Z.  f.  Num. 
XIX  1895,  188  ff.  vortrefflich  klargelegt.  Die  Zahl  der  bisherigen  Illviri 
aere  argento  auro  flando  feriendo  war  im  Jahre  46  auf  vier  vermehrt 
worden ;  seit  dem  Anfang  des  Sommers  45  prägen  sie  mit  Caesars  Kopf 
und  zunächst  der  Legende  Caesar  dict.  quart.,  dann  Caesar  itnp., 
worauf  im  Februar  44  dict.  perpetuo  und  parens  patriae  folgt. 

*)  Als  rex  bezeichnet  Cicero  den  Caesar  am  2.  August  Att.  XIII  87, 
wo  er  aus  Anlaß  der  Beschuldigungen,  die  sein  Neffe  Quintus  bei  Caesar 
gegen  ihn  und  den  eigenen  Vater  vorgebracht  und  gegen  die  Hirt  jus 
ihn  verteidigt  hat  (alienissimos  nos  esse  a  Caesars,  fldem  nobis  ha- 


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Münzrecht  und  göttliche  Ehren  Caesars 


447 


Monarchie,  die  man  so  aufrichtete,  als  Begründung  der  wahren 
Freiheit,  der  Sieg  in  Spanien  ab  ihre  Sicherung  proklamiert 
und  daher  der  Liberias  ein  Staatstempel  beschlossen  und  Caesar 
als  „Beiraer"  bezeichnet  und  dieser  Beschluß  in  die  Akten  ein- 
getragen1). 

Daneben  geht  die  weitere  Annäherung  des  Herrschers  an  die 
Götter  des  Staats  einher.  Im  Mai  wird  beschlossen,  daß  ihm 
als  dem  deus  invictus  eine  Statue  im  Tempel  des  Quirinus,  des 
vergötterten  Romulus  —  diese  Auffassung  des  alten  Gottes  war 
damals  längst  allgemein  angenommen  —  und  daher  zugleich  der 
eigentlichen  Verkörperung  des  römischen  Staats,  aufgestellt 
werden  sollte*);  hier  auf  dem  Quirin al  sollte  zugleich,  so  scheint 
es,  die  Amtswohnung  liegen,  die  ihm  zuerkannt  wurde3).  Eine 
andre  Statue  wurde  denen  der  sieben  (oder  vielmehr  acht)  Könige 
—  und  des  Befreiers  L.  Brutus!  —  auf  dem  Capitol  angereiht4). 


bendam  non  esse,  me  vero  eliam  cavendum).  an  Atticus  schreibt: 
yoß*p&y  &v  -qv,  nisi  oiderem,  scire  regem,  me  animi  nihil  habere. 
')  Dio  48 ,  44  hti      vlvq  . .  .  itpooiti  aötöv  tt  iXtotoputrqv  mal  i{  ti 

')  Dio  48,  45,  8  SXXtjv  xi  ttva  ctxova  i$  tiv  toB  Kopivoo  vafcv,  dt<p  &vtxv)t4> 
ixrrpii^am«, . .  .  ivi&toav.  Cic.  Att.  XII  45,  8  (17.  Mai)  eum  oövvaov  Qui~ 
rini  malo  quam  Salute.  XIII  28,  8  (26.  Mai)  Quirini  contubernalem. 

')  Dio  48,  44,  6  taöta  xt  oov  (den  Imperatornamen)  tot*  xy  Kataapt 
x*l  oluiav,  &oxt  tv  t«p  ZryLoiup  olxitv  .  . .  ftooav.  Diese  Wohnung  (die 
nach  einem  spateren  Beschluß  mit  einem  Giebel  geschmückt  werden 
sollte,  S.  518)  kann  nicht  mit  der  Regia  identisch  sein,  die  Caesar  als 
Pontifex  maximus  schon  seit  dem  Jahre  63  bewohnte  (Sueton  46  habi- 
tavit  primo  in  Subura  modicia  aedibus;  post  autem  pontificatum 
maximum  in  Sacra  via  domo  publica);  sie  wird  nicht  fertig  ge- 
worden sein  und  daher  sonst  nicht  erwähnt.  Daß  sie  auf  dem  Quirinal, 
offenbar  in  nächster  Nähe  des  Tempels,  liegen  sollte,  ergibt  sich  aus 
Cic.  Att.  XII  47,  8  (domum  tuam  pluris  video  futuram  vicino  Cae- 
8are,  vgl.  45,  8  de  Caesare  vicino  scripseram  ad  te,  quia  cognoram 
ex  tuis  lüteris,  woran  sich  die  A.  2  angefahrte  Bemerkung  anschließt), 
wo  Cicero  den  Atticus,  der  auf  dem  Quirinal  wohnte  (Nepos  Att.  18), 
als  zukünftigen  Nachbar  Caesars  bezeichnet. 

4)  Dio  93,  44 ,  3  xai  «XX-nv  k  xb  KarnttiXiov  xapa  *oo«  ßa«Xt<Soavta; 
ito«  iv  tt}  'Piifuj  4v«<hoav;  mit  Recht  weist  er  dabei  auf  die  Statue  des 
Brutus  hin.    Sueton  76:  statuam  inter  reges. 


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448 


Caesars  Monarchie 


Bei  den  Festspielen  sollte  seine  Statue  aus  Elfenbein,  wie  die 
Götterbilder  des  Phidias,  neben  denen  der  übrigen  Götter  in 
Prozession  aufziehn,  wie  man  alsbald  hinzufügte,  auf  dem  Sieges- 
wagen1). Zum  ersten  Male  erschien  sie  bei  der  nach  dem  vor- 
jährigen Beschluß  als  Jahresfest  eingeführten  Feier  der  ludi 
Vidoriae  Caesaris  vom  20.  bis  30.  Juli  (oben  S.  389);  da  erregte 
diese  allem  römischen  Empfinden  ins  Gesicht  schlagende  Ver- 
götterung doch  allgemeines  Entsetzen,  und  bewirkte,  daß  auch 
die  Caesar  begleitende  Victoria  mit  Schweigen  empfangen  ward8). 
Aber  solche  Stimmungen  hatten  keine  Bedeutung  mehr.  Man 
mußte  sich  eben  fügen,  und  als  Lepidus  an  Cicero  die  Auf- 
forderung richtete,  am  1.  August  in  den  Senat  zu  kommen  — 
was  da  verhandelt  werden  sollte,  wissen  wir  nicht  — ,  „das  werde 
ihm  und  Caesar  außerordentlich  willkommen  sein"3),  blieb  ihm 
nichts  übrig,  als  zu  gehorchen.  Eifrig  erkundigt  er  sich  immer 
wieder,  wenn  Caesar  nach  Rom  kommen  wird,  um  nur  ja  recht- 
zeitig zu  seiner  Begrüßung  erscheinen  zu  können. 

Bei  dieser  Entwicklung  ist  es  begreiflich  genug,  daß  der 
Gedanke,  sich  des  Herrschers  gewaltsam  zu  entledigen,  erneut 
auftauchte.  So  hat  C.  Trebonius,  einer  der  tüchtigsten  Offiziere 
Caesars  und  wie  im  Jahre  55,  wo  er  als  Tribun  das  Gesetz  über 
die  Pompe  jus  und  Crassus  zuzuweisenden  Provinzen  einbrachte, 
so  im  Jahre  48  als  Praetor  im  Konflikt  mit  Caelius  (S.  368)  und 
dann  als  Statthalter  des  jenseitigen  Spaniens  ein  eifriger  Ver- 
fechter seiner  Interessen,  erwogen,  ihn  auf  dem  Wege  durch  Süd- 
frankreich zu  ermorden;  offenbar  kam,  als  er  sah,  zu  welchem 
Ergebnis  die  von  ihm  geförderte  Politik  führte,  die  republikanische 

')  Dio  48,  45,  2  xai  tot«  piv  avipiävta  abtoö  IXt?aytivov,  battpov  Ik 
%a\  Spfio  8Xov  sv  tal<;  lnico3po}iuxic  (Uta  x&v  dtiu>v  äf  aXfiittuv  ttifuwafrau 
rTvo»3av.  Vgl.  Cic.  Att.  XIII  28,  3  (am  26.  Mai):  hunc  de  pompa, 
Quirini  contubemalem. 

')  Cic.  Att.  X III  44  (von  0.  E.  Schmidt  S.  829  richtig  datiert  und  ge- 
deutet) :  o  suavis  tuas  liUeras !  etsi  acerba  pompa  . . .  populum  vero 
praeclarum,  quod  propter  malum  vicinum  (d.  i.  Caesar)  ne  Victoriae 
quidem  ploditur.  Der  Eindruck  davon  hielt  Cicero  ab,  auf  Brutus' 
Draugen  an  Caesar  zu  schreiben  {sed  pompa  deterret,  oben  S.  442). 

a)  Att.  Xlll  47  b. 


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Attentatsplüne  gegen  Caesar 


44!) 


Gesinnung  bei  ihm  zum  Durchbruch.  Er  hat  in  Narbo  den 
Antonius,  der  Caesar  entgegengereist  war1),  daraufhin  sondiert. 
Nach  seinem  Bruch  mit  Caesar,  im  vorigen  Jahr,  hatte  man 
diesem  ja  bereits  derartige  Absichten  zugetraut  (S.  403).  Jetzt 
aber  verhielt  Antonius  sich  ablehnend,  und  so  ließ  Trebonius  den 
Gedanken  fallen2).  Andrerseits  hat  Antonius  ebensowenig  Caesar 
Mitteilung  davon  gemacht  und  ihn  gewarnt.  Sein  Verhalten  war 
also  dasselbe,  wie  das  des  Philotas,  als  ihm  die  Verschwörung 
des  Dimnos  gegen  Alexander  mitgeteilt  wurde:  die  Hand  wollte 
er  zu  der  Tat  nicht  bieten,  aber  es  wäre  ihm  ganz  recht  gewesen, 
wenn  sie  ohne  sein  Zutun  geschehn  wäre. 

Auch  Cicero  hat  damals  bereits  mit  diesem  Gedanken  gespielt : 
auf  die  Kunde  von  der  Aufstellung  der  Statue  Caesars  im 
Quirinustempel  schreibt  er  am  17.  Mai:  „Ich  sehe  ihn  lieber  als 
Kultgenossen  des  Quirinus,  als  der  Salus"8),  die  auf  dem  Quirinal 
gleichfalls  einen  Tempel  hatte,  d.  h.  ich  wünsche  ihm,  wie  das 
der  Consul  C.  Piso  im  Jahre  67  bei  der  Lex  Gabinia  dem  Pom- 
pejus  gedroht  hatte*),  das  Schicksal  des  vergötterten  Romnlus, 
der  nach  der  allgemein  angenommenen  Auffassung  der  rationa- 
listischen Annalistik  von  den  Senatoren  zerrissen  worden  war, 
weil  er  zum  Tyrannen  entartete  —  eine  Hoffnung,  die  sich  in 
weniger  als  Jahresfrist  buchstäblich  erfüllt  hat6).    So  weit  war 


l)  In  den  spanischen  Feldzug  hat  Caesar  ihn  so  wenig  mitgenommen, 
wie  vorher  nach  Afrika.  Auf  der  Reise  machte  er  einen  plötzlichen 
Abstecher  zurück  nach  Rom,  der  großes  Aufsehen  erregte  (Cic.  Att.  XII 
18  a,  1.  19,  2.  20,  Mitte  Marz  45);  der  Grund  aber  waren  private  Ge- 
schäfte, die  er  zugleich  benutzte,  um  seiner  Frau  Fulvia,  der  Witwe  des 
Clodius  und  Curio,  die  er  vor  kurzem  geheiratet  hatte,  eine  freudige 
Überraschung  zu  bereiten  (Cic.  Phil.  II  76  ff.  =  Plut.  Anton.  10,  letzterer 
mit  falscher  Motivierung). 

«)  Cic.  Phil.  II  84.    Plut.  Anton.  13. 

*)  Att.  XII  45,  3  cum  oowoov  Qttirini  malo  quam  Saluiis. 

*)  Plut.  Pomp.  25. 

s)  Nach  Appian  II  114,  476  war  diese  Erwägung  für  die  Verschwo- 
renen bei  der  Wahl  der  Curie  zum  Schauplatz  ihrer  Tat  ausschlaggebend, 
u»C  xwv  ßooXtotwv,  «l  xal  fr»)  Kpof"t*oi6v,  icpofr6jiu>s  ot*  tÄowv  xb  fpfov  oovm- 
X^ofiiviov,  3  xal  s«pl  'PüjuöXov  tupawtxov  i%  ßaoiXtxöä  -pvojmov  ilifsto 

Meyer,  Caesars  Monarchie  29 


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450 


Caesar*  Monarchie 


er  von  der  Stimmung  der  Marcellusrede  zurückgekommen. 
Beine  Hoffnungen  klammerten  sich  immer  mehr  an  Marcus 
Brutus,  der  durch  seine  Abstammung  von  dem  Begründer  der 
Republik  und  von  Mutters  Seite  von  dem  Tyrannenmörder  Ser- 
vilius  Ahala,  der  den  Sp.  Maelius,  als  er  sich  zum  König  machen 
wollte,  auf  offenem  Markt  niedergestoßen  hatte,  wenn  irgend 
einer  für  die  Tat  prädestiniert  erschien.  Brutus  war  ein  überzeugter 
Republikaner  und  gehörte  schon  durch  seine  Herkunft  der  demo- 
kratischen Partei,  d.  i.  der  Partei  der  Ritterschaft  an;  sein 
Vater  hatte  im  Jahre  77  als  Genosse  des  Lepidus  den  Auf- 
stand im  Polande  organisiert  und  Pompejus  hatte  ihn  nach 
der  Gefangennahme  hinrichten  lassen.  Als  notorischer  Gegner 
des  Pompejus  war  er  im  Jahre  59  zuerst  unter  die  angeb- 
lichen Attentäter  auf  diesen  eingereiht  worden  (S.  85);  später 
hat  er  gegen  den  Plan  geschrieben,  Pompejus  zum  Dictator 
zu  machen,  und  ist  im  Jahre  52  eifrig  für  Milo  eingetreten 
(Ö.  224,  4.  235).  Um  so  größeres  Aufsehn  machte  es,  daß  er 
beim  Ausbruch  des  Bürgerkriegs,  den  ererbten  Haß  seiner 
Bürgerpflicht  opfernd,  ins  Lager  des  Pompejus  gegangen  war1). 
Nach  Pharsalos  hat  er  dann  allerdings,  wie  so  viele  andre, 
seinen  Frieden  mit  Caesar  gemacht,  der  diesem  infolge  des 
Verhältnisses,  in  dem  er  seit  langen  Jahren  mit  Brutus* 
Mutter  Servilia  (die  dann  den  D.  Junius  Silanus,  Consul  62 
geheiratet  hatte)   stand,   besonders  willkommen  war*).  Aber 


oofiß^vat,  &6£*cv  x»  to  fprov,  utoictp  Htivo  xal  *61k  iv  ßouXsoTV)pi<|>  ftvopcvov, 
oo  xot'  tictßooXvjv  AXX"  &nip  r*jc  «oXhmc  «tup&xfrat. 

')  Bis  dahin  hatte  er  Pompejus  den  Groß  verweigert,  Plut  Brat.  4 
=  Pomp.  64.  Vgl.  Cic.  ad  Att.  XI  4,  ans  Pompejus'  Lager:  Brutus 
amicus;  in  causa  versatur  acriter. 

*)  Sueton  Caes.  50.  Plut.  Brut.  5.  Durch  den  von  Plutarch  Cato  24 
=  Brut.  5  berichteten  Vorgang  bei  der  Verhandlung  über  die  Catilinarier 
wurde  es  stadtbekannt.  Es  setzte  sich,  wie  Sueton  berichtet,  in  Cae- 
sars Consulat  und  Monarchie  fort,  wo  Caesar  ihr,  die  damals  langst  ver- 
witwet war,  aus  der  Beute  großen  Landbesitz  gegen  geringe  Zahlung  zu- 
wandte; vgl.  Cic.  ad  Att.  XIV  21,  3  (11.  Mai  44),  der  es  als  SkosöXoikov  be- 
zeichnet, Pontii  Neapolitanum  a  matte  tyrannoctoni  possideri.  Dafür 
soll  sie  ihm  ihre  Tochter  Junia  Tertia,  die  Gemahlin  des  Cassius,  zuge- 


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Brutus*  politische  Stellang 


451 


Brutus  folgte  darin  nur  den  Traditionen  seines  Zweiges  des 
j umsehen  Geschlechts,  dessen  Angehörige,  im  Gegensatz  zu  den 
Decimi  Bruti  (Albini),  den  Naclikommen  des  Callaicus,  alle  der 
demokratischen  Partei  angehört  und  für  sie  das  Leben  gelassen 
hatten1);  durch  seinen  Schwager  Lepidus,  den  Gemahl  seiner  Stief- 
schwester Junia,  war  er  noch  weiter  mit  der  Partei  verbunden. 
Von  Caesar  wurde  er  begünstigt  und  erhielt  für  das  Jahr  46,  ob- 
wohl er  noch  nicht  Praetor  gewesen  war,  die  Statthalterschaft  des 
cisalpinischen  Galliens.  Aber  aus  seiner  Gesinnung  machte  er 
kein  Hehl,  gab  ihr  vielmehr  sowohl  in  der  Schrift  de  virtute, 


führt  haben,  worüber  Cicero  spottete:  quo  melius  etnptutn  sciatis,  tertia 
dedueta  („damit  alle  Welt  weiß,  daß  es  wirklich  gekauft  ist,  ist  ein 
Drittel  abgezogen*,  oder  aber  .ist  Tertia  ihm  zugeführt";  Sueton  Cnes. 
50  =  Macrob.  II  2,  5).  Daran  knüpft  dann  die  nur  bei  Plut.  Brut.  5 
und  Appian  II  112  ,  468  vorliegende  Fabel  an,  Brutus  sei  Caesars  Sohn 
gewesen,  die  weder  zu  den  Daten  von  Caesars  Leben  (sein  Verhältnis 
zu  Servilia  fallt  in  weit  spätere  Zeit,  als  sie  schon  nicht  mehr  jung 
war],  noch  zu  denen  über  Brutus  stimmt,  mag  dieser  nun.  nach  Cic. 
Brut.  324.  im  Jahre  85,  oder,  nach  Vellejus  II  72,  im  Jahre  78  geboren 
sein  [bei  Liv.  epit.  124  ist  die  Zahl  nicht  erhalten];  über  diese  Frage  ver- 
mag ich  zu  einer  Entscheidung  nicht  zu  gelangen  (s.  Bynuu,  Das  Leben 
des  Brutus  bis  auf  Caesars  Ermordung,  Halle  1897 ;  Groebe,  Hermes  42, 
1907,  304  ff.  und  bei  Drumanm  IV  *  21  f.  (für  85);  Seeck,  Rhein.  Mus.  56, 
1901,  631  ff.  und  Hermes  42,  1907,  505  ff.  (für  78).  Daß  er  um  58  Quaestor 
(de  vir.  ill.  52)  war.  beweist  nichts,  da  es  für  die  Quaestur  keine  feste  Alters- 
grenze gab  (vgl.  8. 577, 4);  daß  ihn  aber  Caesar  für  das  Jahr  44  zum  Praetor 
ernannt  habe,  ehe  er  das  gesetzliche  Alter  erreicht  hatte,  ist  wenig  wahr- 
scheinlich: bei  Dolabella,  den  er  mit  35  Jahren  [so  wird  die  Zahl  25  bei 
Appian  II  129,  539  (vgl.  III  88,  361)  zu  korrigieren  sein]  zum  Consul 
machte,  lagen  die  Dinge  anders,  als  bei  dem  begnadigten  Gegner  Brutus. 
—  Den  Ausruf  Caesars  bei  der  Ermordung  *al  «6  tixvov  geben  übrigen» 
bekanntlich  gerade  Plutarch  und  Appian  nicht;  er  findet  sich  nur,  als 
unverbürgte  (und  gewiß  nicht  historische)  Erzählung  einiger,  bei  Sueton 
Caes.  82  und  Dio  44,  19,  5. 

')  Außer  dem  Vater  des  Caesarmörders ,  Volkstribun  83,  von  Pom- 
pejus  hingerichtet  77  (Liv.  epit.  90),  der  gleichnamige  Praetor  des 
Jahres  88,  der  sich  82,  von  Pom  pejus  eingeschlossen,  bei  Lilybaeum 
tötete  (Liv.  ep.  89),  und  L.  Brutus  Damasippus,  einer  der  fanatischsten 
Marianer,  Praetor  82,  nach  der  Schlacht  am  colli  nischen  Tor  von  Sulla 
hingerichtet 


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452 


Caesars  Monarchie 


mit  der  enthusiastischen  Schilderung  des  M.  Marcellus  (oben 
8.  383),  wie  in  seiner  Lobschrift  auf  Cato,  den  Stiefbruder  seiner 
Mutter,  offenen  Ausdruck.  Daß  er  Catos  Selbstmord  mißbilligte, 
da  man  hinnehmen  müsse,  was  das  Schicksal  verhänge1),  konnte 
zugleich  als  eine  Rechtfertigung  seines  eigenen  Verhaltens  gelten. 
Nach  der  Rückkehr  aus  seiner  Provinz  gestaltete  er  diese 
Beziehungen  noch  enger:  er  schied  sich  von  seiner  Gemahlin 
Claudia,  der  Tochter  des  Appius  Claudius  (Censor  im  Jahre  50), 
und  heiratete  Catos  Tochter  Porcia,  die  Witwe  des  Bibulus2). 

Cicero  fühlte  sich  offenbar  auch  personlich  zu  Brutus  hinge- 
zogen :  seine  in  sich  geschlossene  Persönlichkeit,  sein  sicheres  Auf- 
treten, der  philosophische  Doktrinarismus,  mit  dem  er  alle  Fragen 
beurteilte  —  er  vertrat  bekanntlich  in  der  Hauptsache  die  Lehreu 
der  älteren  Akademie,  zu  denen  dann,  unter  der  Einwirkung 
Catos,  eine  stoische  Beimischung  kam  — ,  die  Festigkeit  des 
Willens,  die  er  überall  bezeigte  und  ostentativ  zur  Schau  trug3), 
das  alles  wirkte  auf  ihn  um  so  stärker,  da  es  so  ganz  das  Gegen- 
teil seiner  eignen,  stetig  schwankenden  und  ängstlich  abwägen- 
den Persönlichkeit  war,  die  nur  schwer  zu  einem  bestimmten 
Entschluß  zu  gelangen,  noch  schwerer  ihn  festzuhalten  und 

')  Bei  Plut  Brat  40  sagt  Brutus  bei  Philippi  zu  Cassius:  ^tta- 
odufjv  Katutva  Staxpirjaäuivov  iaotäv,  <ü<;  oüy  ooiov  o&8'  av8p&(  fpfov  jico- 
X<upttv  ttj>  Äitftovt  «al  p*r]  ?tyto8-ai  xh  oopittntov  &8tü>{,  iuX*  aito$i3paaxttv; 
jetst  aber  habe  er  seine  Ansicht  geändert  Jene  Auffassung  hat  er 
gewiß  in  seiner  Schrift  vorgetragen. 

')  Die  Scheidung  von  Claudia,  mit  der  er  noch  vermählt  war,  aU 
Cicero  den  Brutus  schrieb  (267.  824),  fand  Mitte  Juni  45  statt  (Cic.  Att. 
XIII  9,  2.  10,  8).  Die  Mutter  8ervilia  war  mit  der  neuen  Ehe  wenig 
einverstanden  (Att  XIII  22,  4,  vgl.  16,  2). 

■)  Caesar  sagte  von  ihm:  „Es  kommt  viel  darauf  an.  was  er  will, 
aber  das  was  er  will,  will  er  mit  Energie"  (magni  refert,  hic  quid 
velit,  at  quicquid  voll,  valde  voltj;  das  habe  er  erkannt  als  er  Ende 
August  (d.  i.  Mitte  Juni)  47  vor  ihm  in  Nicaea  für  Dejotaros  redete, 
da  habe  er  sehr  heftig  und  freimütig  gesprochen  (Cic.  Att  XIV  1,2; 
die  Rede  wird  im  Brutus  21  erwähnt  und  war  veröffentlicht,  Tac.  dial.  21). 
Bei  Plutarch  Brut  6  (wo  an  Stelle  des  Dejotaros  versehentlich  &  t«i»v 
Aißotuv  ßaotXtüc  genannt  wird)  ist  Caesar»  Äußerung  entstellt  in  ooto^ 
b  vsavwt?  obx  olio  (iiv  S  ßo6X«tot,  it&v  8'  Ö  {JouXrtat,  a?68pa  ßouXstat. 


Cicero  und  Brutus 


453 


durchzuführen  vermochte.  So  hat  er  sich  ihm  geradezu  auf- 
gedrängt: er  widmet  ihm  eine  rhetorische  und  philosophische 
Schrift  nach  der  andern,  er  will  ihn  nach  seinen  in  einer  laugen 
Praxis  ausgebildeten  Anschauungen  zum  vollendeten  Redner  und 
damit  zum  führenden  Staatsmann  der  nächsten  Generation  er- 
ziehn,  er  nimmt  es  hin,  wenn  Brutus  das  sehr  kühl  und  über* 
legen  aufnimmt  und  ihm  offen  ausspricht,  daß  er  seine  rhetori- 
schen Lehren  nicht  für  richtig  halte  und  sie  nicht  befolgen 
könne1)  —  in  der  Tat  war  es  für  einen  Mann  von  Brutus'  Naturell 
ganz  unmöglich,  in  Ciceros  Stil  zu  reden  und  zu  schreiben,  und 
Cicero  hat  das  auch  anerkannt,  als  Brutus  ihn  nach  Caesars  Er- 
mordung aufforderte,  seine  am  15.  März  an  das  Volk  gehaltene 
Kode  für  die  Veröffentlichung  zu  korrigieren*)  — ,  ja  er  verzieh 

')  Cic.  Att.  XIV  20,  S  (11.  Mai  44)  quin  etiam  cum  ipsius  (Bruti) 
precibus  paene  adductus  scripsissem  ad  eum  de  optimo  genere  di- 
cendi  (d.  i.  den  Orator),  non  modo  mihi,  sed  etiam  tibi  scripsit,  sibi 
ilhtd,  quod  mihi  placeret,  non  probari. 

*)  Cic.  Att.  XV  1  b,  2  (18.  Mai):  Brutus  noster  misit  ad  me  ora- 
tionem  suam  habitam  in  contione  Vapitolina  petivitque  a  me,  ut 
eam  tie  ambitiöse  corrigerem  antequam  ederet.  est  autein  oratio 
scripta  elegantissime  sententiis,  verbis  ut  nihil  possit  ultra:  ego 
tarnen,  si  illam  causam  habuissem,  scripsissem  ardentius.  ^ö- 
»ts:$  indes  quae  sit  et  persona  dicentis.  itaque  eam  corrigere  non 
potui.  quo  enim  in  genere  Brutus  noster  esse  volt  et  quod  iudicium 
habet  de  optimo  genere  dicendi,  id  ita  consecutus  est  in  ea  or ac- 
tione ,  ut  elegantius  esse  nihil  possü ;  sed  ego  sccutus  sum  aliud, 
triee  hoc  recte  sive  non  recte.  Er  bittet  dann  Atticus  um  sein  Urteil, 
fürchtet  aber,  dieser  werde  hyperatticus  in  iudicando  »ein;  sed  si 
recordabere  A-rjuoo&tvooi;  fulmina,  tum  intelleges  posse  et  äxttxiütata 
et  gravissime  dici.  Atticus  stimmt  zu  (XV  3,  2),  wünscht  aber  doch. 
Cicero  möge  etwas  schreiben  quasi  a  Bruto  habita  oratione,  obwohl 
dieser  seine  schon  herausgegeben  habe,  qui  tandem  convenit?  an  sie, 
ut  in  tyrannum  iure  optimo  caesum  ?  mulia  dicentur,  multa  scribentur 
a  nobis,  sed  alio  modo  et  tempore.  Einige  Tage  vorher,  am  II.  Mai, 
hat  sich  Cicero  bereits  eingehend  ausgesprochen  (Att.  XIV  20,  3):  Es 
gibt  keinen  Dichter  und  keinen  Redner,  der  »ich  nicht  selbst  für  den 
besten  hält,  und  das  gilt  auch  von  Brutus,  de  quo  etiam  experti  sumus 
nuper  in  edicto  |es  ist  das  Att.  XIV  20.  4.  fam.  XI  2,  1  erwähnte  Edikt, 
durch  das  Brutus  und  Cassius  ihre  Anhänger  in  den  Municipien  zu  pas- 
sivem Verhalten  ermahnten];  scripseram  rogatu  tuo:  meiim  mihi  pla- 


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454 


Caesars  Monarchie 


ihm  schließlich  sogar,  daß  er  sich  in  seinem  Cato  sehr  von  oben  herab, 
in  einer  Ciceros  Eitelkeit  aufs  tiefste  verletzenden  Weise,  bei  der  er 
überdies  die  Tatsachen  falsch  darstellte,  über  dessen  Tätigkeit  bei 
der  Unterdrückung  und  Bestrafung  der  Catilinarier  geäußert  hatte1 ) . 

Auf  die  politischen  Hintergedanken  Ciceros  einzugehn  war 
freilich  Brutus  zunächst  garnicht  geneigt8).    Offenbar  war  er 

cebat,  iUi8UUtn.  Plutarch  Brut.  2  verwendet  zur  Charakteristik  Keines  8tila 
die  griechischen  Briefe  des  Brutus,  die  nebst  den  von  einem  .König 
Mithridates"  (etwa  aus  der  kommagenischen  Dynastie?)  verfaßten  Ant- 
worten auf  uns  gekommen  sind  und  deren  Echtheit  Röhl  ,  Rhein.  Mos. 
70,  1915,  316  ff.  erwiesen  hat.  Sie  sind  in  der  Tut  äußerst  charakte- 
ristisch für  die  kühle  Art  des  Brutus,  der  durchweg  in  echt  sophisti- 
Hcher  Weise  mit  philosophischen  Argumenten  operiert  und  dabei  die 
Gedanken  in  möglichst  knapper  Formulierung  zusammenfugt;  sie  er- 
innern an  die  Art,  wie  Agesilaos  und  andere  Spartaner  zu  argumen- 
tieren liebten.  Sieh  logisch  scharf  auszudrucken  verstand  Brutus;  aber 
seinen  Worten  fehlte,  wie  Cicero  mit  Recht  empfindet,  jede  Wärme  und 
daher  die  Überzeugungskraft  und  die  Wirkung.  Shakespeare  hat  in 
der  Rede  des  Brutus  vor  Caesars  Leichenfeier  seine  Art  und  seinen  Stil, 
auf  Grund  der  Andeutungen  Plutarchs,  ganz  vorzuglich  getroffen. 

')  Atticus  hatte  ihm  darüber  Vorstellungen  gemacht;  aber  Brutus' 
Antwort  befriedigte  Cicero  garnicht :  legi  Bruti  epistolam  eamque  tibi 
remisi ,  schreibt  er  am  17.  Marz  an  Atticus  (XJ1  21),  sane  twn  pru- 
denter  rescriptam  ad  ea,  quae  requisleras .  sed  ipse  tnderit.  quam- 
quam  illud  turpiter  ignorat  —  es  folgt  die  Darlegung  der  Vorgange 
bei  der  entscheidenden  Senatsverhandlung  am  5.  Dezember  63.  tne  autem 
hic  laudat,  quod  rettulerim,  non  quod  patefecerim,  (quod)  cohortalus 
8im,  quod  denique  anteqwim  consulerem  ipse  iudicavrrim  .  .  .  hie 
autem  se  etiam  tribuere  multum  mihi  putat,  quod  scripserü  9op- 
timum  considem*.  quis  mim  ieiunius  dUrit  inimiew?  ad  cetera  vero 
tibi  quemadmodum  rescripsit!  tantum  rogai,  de  senatus  consitlto 
ut  corrigas.  hoc  quidein  fecissei,  etiam  si  (a  lib)rario  admonitus 
esset,  sed  haec  Herum  ipse  viderit.  Trotzdem  widmet  er  ihm  kurz 
darauf  sein  Werk  de  flnibus  idem  dann  die  Tusculanen  und  de  deorum 
natura  folgen)  und  denkt  daran,  ihn  und  Cato  in  den  Academica  auf- 
treten zu  lassen.  Anfang  August  verfaßt  er  eine  laudatio  auf  die  da- 
mals gestorbene  Porcia,  Schwester  Cutis  und  Witwe  des  L.  Domitius 
Ahenobarbus  (Att.  XIII  87.  "3.  48.  2),  ebenso  wie  Varro  und  ein  sonst 
nicht  bekannter  Ollius  (LolliusV). 

5)  So  große  Verdienste  0.  E.  Schmidt  um  die  Chronologie  und  Inter- 
pretation des  ciceronischen  Briefwechsels  dieser  Zeit  sich  erworben  bat, 


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Brutus'  Stellung  zu  Caesar 


der  Ansicht,  daß  die  Zeit  des  absoluten  Regiments  nur  eine 
durch  den  Zwang  der  Lage  geschaffene  vorübergehende  Not- 
wendigkeit sei,  wie  ehemals  das  womöglich  noch  despotischere 
und  zugleich  weit  blutigere  Regiment  des  Cinna  und  Carbo,  und 
daß  Caesar  nach  voller  Beendigung  der  Bürgerkriege  den  Staat 
in  republikanische  Formen  zurückführen  werde.  Daß  Caesar 
selbst  für  ihn  entschiedene  Sympathie  zeigte  —  obwohl  das  Ver- 
hältnis beider  von  der  späteren  Tradition  stark  übertrieben  und 
romantisch  ausgestattet  ist  — ,  hat  diese  Stimmung  noch  ver- 
stärkt. So  hat  Brutus  in  einem  Brief  an  Cicero  Caesar  gegen  den 
Verdacht  verteidigt,  Marcellus'  Ermordung  veranlaßt  zü  haben1); 

so  seltsam  ist  die  Ansicht,  die  er  sieb,  um  Ciceros  Verhalten  durchweg 
verteidigen  zu  können,  von  Brutus  gebildet  hat,  wohl  das  wunderlichste 
Zerrbild  unter  den  vielen,  die  von  diesem  entworfen  sind  (vgl.  außer 
seiner  Schrift  über  Ciceros  Briefwechsel  seinen  Vortrag  über  Brutus: 
Verhandl .  der  Görlitzer  Philologenvers.  1889).  Er  meint .  Brutus  sei 
ein  geheimer  Agent  Caesars  gewesen,  der  Cicero  in  die  Falle  locken 
sollte,  sein  Cato  sei  in  erster  Linie  bestimmt  gewesen,  Cicero  herabzu- 
würdigen: zum  Mörder  Caesars  sei  er  geworden,  weil  seine  Hoffnung, 
von  diesem  adoptiert  zu  werden,  »ich  nicht  erfüllte!  Gegen  Schmidt 
ist  die  von  mir  veranlaßt«  Schrift  von  Krnkst  T.  Btnuv  ,  Das  Leben 
des  M.  Juni us  Brutus  bis  auf  Caesars  Ermordung,  Halle  1897,  gerichtet. 
Brutus'  Zinswucher  auf  Cyporn  ist  gewiß  nicht  schön;  aber  er  ist  echt 
römisch-republikanisch,  ein  Hecht,  das  dem  vornehmen  Römer  zusteht. 
Um  ihn  moralisch  richtig  zu  beurteilen,  muß  man  die  Art  vergleichen, 
mit  der  viele  im  Privatleben  sehr  human  auftretende  Geschäftsmänner 
in  allen  modernen  Nationen  ihre  Geschäftsinteressen  rücksichtslos  ver- 
folgen und  ihre  ausstehenden  Kapitalien  oder  Zinsen  ausnutzen  und  bei- 
treiben, ohne  sich  darum  zu  kümmern,  was  das  auf  die  Betroffenen  für 
Wirkung  hat.  zumal  erst,  wenn  es  sich  um  Anleihen  ausländischer  und 
vor  allem  orientalischer  Staaten  handelt,  im  übrigen  steht  dieser  Zins- 
wucher mit  Brutus'  Verfahren  in  Asien  43,  das  seine  Briefe  (S.  454,  A.) 
so  anschaulich  illustrieren,  in  vollem  Einklang. 

')  Att.  XIII  10.  3  (ca.  20.  Juni):  Cicero  halt  das  für  völlig  über- 
flüssig, da  die  Schuldlosigkeit  Caesars  klar  sei,  und  begreift  den  Brief 
nicht :  Brutus  .  . .  per  litter  as  purgat  Caesarem  de  interitu  Marcelii, 
in  quem,  ne  si  insidiis  quidetn  iüe  interfectus  esset,  caderei  tdla 
suspicio;  nunc  vero  cum  de  Magio  (sein  Selbstmord)  constet,  nonne 
furor  eius  causam  omnem  sustinet  ?  plane  quid  sit  non  inteUego 
explunabis  igüut.  quamquam  nihil  habeo ,  quod  dubitem  —  und 


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456 


Caesars  Monarchie 


im  Juli  ermahnt  er  Cicero,  an  Caesar  zu  schreiben1),  und 
sucht  durch  Atticus  auf  ihn  einzuwirken,  daß  er  sich  nicht 
weiter  in  seine  philosophische  Schriftstellern  vergrabe,  sondern 
nach  Rom  gehe2).  Er  selbst  reiste  Caesar  mit  frohen  Hoffnungen 
nach  Gallien  entgegen,  und  die  Aufnahme,  die  er  hier  fand, 
bekräftigte  seine  Auffassung:  er  meldete  nach  Rom,  daß  Caesar 
sich  fortan  den  boni  viri,  den  aristokratischen  Republikanern, 
anschließen  werde.  Den  Anlaß  dazu  hat,  wie  man  mit  Recht 
vermutet  hat,  gegeben,  daß  Caesar  erklärte,  er  werde  jetzt  wieder 
Wahlen  vornehmen  lassen,  somit  das  absolutistische  Regiment 
nicht  weiter  fortführen.  Cicero  ist  durch  diese  Auffassung  tief 
enttauscht:  „So  also  meldet  Brutus,"  schreibt  er  an  Atticus, 
„jener  wolle  zu  den  boni  viril  Das  wäre  eine  frohe  Botschaft ! 
Aber  wo  will  er  die  finden  %  es  sei  denn,  daß  er  sich  aufhängt . . . 
Wo  bleibt  da  aber  Dein  Kunstwerk,  das  ich  in  Brutus'  Parthenon 
gesehn  habe,  der  auf  Ahala  und  Brutus  zurückgehende  Stamm- 
baum?"») 

Dieser  Hinweis  in  einem  ganz  vertraulichen  Brief  nimmt  eine 
Äußerung  wieder  auf ,  die  Cicero  nach  der  Aussage  des  Vettius 
schon  in  Caesars  erstem  Consulat  getan  haben  soll  (oben  S.  86). 
Sie  redet  deutlich  genug.  Wer  diese  Worte  und  die  über  Caesar  und 


dann  fällt  ihm  ein,  daß  sich  da«  Motiv  des  Magius  sehr  wohl  vermuten 
lashe  (oben  S.  406,  4). 

')  Ätt.  XIII  44,  s.  oben  S.  442,  5. 

»)  Att  XIII  89,  2  (Anfang  August):  Romam,  ut  censes,  veniam, 
sed  inviius;  valde  enitn  in  scribendo  haereo.  Brutus,  inquis,  eadem. 
scüicet.  sed  nisi  hoc  esset,  res  me  ista  non  cogeret. 

')  Att.  XIII  40  (gegen  Mitte  August):  üane  nuntiat  Brutus,  iUum 
ad  bonos  viros?  tba-ftih*.  sed  ubi  eos?  nisi  forte  se  suspendit.  +  hic 
autem  ut  fultum  est  f.  ubi  igitur  y&o*iyyt\v*  tuum,  quod  vidi  in 
Parthenone,  Ahalam  et  Brutum  ?  —  Atticus  hat  bekanntlich  auf  Brutus' 
Bitte  eine  besondere  Schrift  Qber  den  Stammbaum  seiner  Familie  ver- 
faßt (Nepos  Att.  18),  die  ihn  natürlich  auf  den  Begründer  der  Bepublik 
eu rückführte.  Die  Gegner  bestritten  das  mit  Recht  mit  dem  Hinweis 
darauf,  daß  dieser  seine  Söhne  hingerichtet  und  keine  Nachkommen 
hinterlassen  habe  (Dion.  Hai.  V  18.  Dio  44.  12,  1);  Posidonios  hat  dann 
noch  einen  dritten,  son.4  unbekannten  Sohn  des  alten  L.  Brutus  er- 
funden (Plut.  Brut.  1),  und  ebenso  wird  sich  Atticus  beholfen  haben. 


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Cicero  und  der  Gedanke  der  Ermordung  Casars 


457 


Quirinus  in  ihrer  Tragweite  richtig  würdigt  und  berücksichtigt, 
daß  Cicero  nach  seiner  ganzen  Art  sich  im  Gespräch  noch  viel 
unzweideutiger  ausgesprochen  haben  wird,  zumal  als  während 
des  Winters  die  Aufrichtung  der  Monarchie  immer  weiter  vor- 
schritt, und  daneben  in  Betracht  zieht,  daß  er,  nach  dem  Tode 
so  vieler  bedeutsamer  Männer,  bei  Freund  und  Feind  und  darum 
auch  bei  Caesar  selbst1)  immer  mehr  als  der  letzte  hervorragende 
Repräsentant  der  alten  republikanischen  Zeit  galt  und  daß  des- 
halb nicht  wenige  ehrenhaft«  Männer  es  ihm  verargt  haben,  daß 
er  seinem  Schmerz,  bei  dem  der  Tod  der  Tochter  mit  dem  Falle 
der  Republik  zusammenwirkte,  so  völüg  nachgab  und  sich  ganz 
in  die  philosophische  Schriftstellerei  stürzte,  statt  sich  im  öffent- 
lichen Leben  zu  betätigen2),  der  wird  zugeben  müssen,  daß  es 
nicht  unberechtigt  war,  wenn  Antonius  ihn  am  19.  September  44 
als  den  intellektuellen  Urheber  der  Ermordung  Caesars  be- 
zeichnete, so  wenig  er  jemals  an  der  Tat  teilgenommen  haben 
würde  und  so  recht  die  Verschworenen  daher  taten,  ihn  nicht 
ins  Geheimnis  zu  ziehn. 

Bei  der  Rückkehr  nach  Rom  hat  Caesar  in  der  Narbo- 
nensis  einen  Teil  seiner  Veteranen  angesiedelt  (S.  487).  Unter- 
wegs schloß  sich  ihm  Decimus  Brutus  an,  der  bisher  das  jen- 
seitige Gallien  verwaltet  hatte,  im  cisalpinischen  Gallien  über- 
zeugte er  sich  von  der  trefflichen  Verwaltung  des  M.  Brutus 


')  Vgl.  Cic.  Att.  XIV  17,  6  (8.  Mai  44)  ego  autem  —  credas  mVii 
velim  —  minore  periculo  enistimo  contra  ilias  nefarüu  partes  vivo 
tyranno  dici  potuigse  quam  mortuo;  iüe  enim  nescio  quo  pacto 
ferebat  me  quidem  mir  ab  iiiler.   Vgl.  XV  4,  8. 

*)  z.  B.  Cic.  Att.  XII  21,  5.  23,  1.  28,  2.  88.  8.  40,  2.  Mit  vollem 
Recht  verteidigt  sich  Cicero  dagegen:  si  qui  me  fr  actum  esse  animo 
ei  debilitatum  putant,  sciant,  quid  litterarum  et  cuius  generis  con- 
fliHam,  credo  . . .  existimeni  mi...  reprehendendum  non  esse,  daß 
ich  vielmehr,  weil  ich  den  Trost  gesucht  habe,  quae  inaxime  libe- 
rales sit  doctoque  homine  dignissima,  Lob  verdiene  (XII  88,  3).  An 
wine  Freundin  Caerellia  schreibt  er  (Quintil.  VI  3,  112):  haec  aut 
animo  Catonis  ferenda  sunt  aut  Oiceronis  stomacho.  Daß  ein  Urteil 
wie  das  Mommskns  über  Cicero*  philosophische  Schriften  sachlich  und 
persönlich  von  (»rund  aus  verkehrt  ist.  ist  jetzt  wohl  allgemein  anerkannt. 


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458 


Caesars  Monarchie 


im  letzten  Jahr  —  sein  Nachfolger  war  jetzt  der  recht  tüchtige 
und  humane  C.  Vibius  Pansa.  Den  Antonius  nahm  er,  nach 
zweijähriger  Pause,  aufs  neue  zu  Gnaden  an,  ja  er  gab  ihm  auf 
seinem  Wagen  den  Ehrenplatz  an  seiner  Seite,  wahrend  Decimus 
Brutus  und  sein  junger  Großneffe  Octavius  im  nächsten  Wagen 
folgten1);  er  mochte  ihn  jetzt  für  hinlänglich  gedemütigt  halten, 
um  sein  Talent  wieder  verwenden  zu  können,  und  dachte  ihn 
zugleich  als  Gegengewicht  gegen  Dolabella  zu  benutzen,  den  um 
seinetwillen  fallen  zu  lassen  ihm  ganz  fern  lag.  Etwa  Anfang 
September  traf  er  in  Rom  ein2);  kurz  darauf  feierte  er  seinen 
Triumph,  an  den  sich  eine,  weil  sie  zuerst  ziemlich  dürftig  aus- 
gefallen war,  nochmals  wiederholte  Bewirtung  des  Volkes  an- 
schloß3). Den  republikanischen  Ordnungen  glaubte  er  dadurch 
Rechnung  zu  tragen,  daß  er  auch  den  Statthaltern  der  beiden 
Spanien,  Q.  Fabius  Maximus  und  Q.  Pedius,  in  deren  Provinzen 
der  Krieg  geführt  war,  den  Triumph  gewährte,  obwohl  sie  nicht 
unter  eigenen,  sondern  unter  Caesars  Auspicien  gekämpft  und 
tatsächlich  zur  Entscheidung  nicht  viel  beigetragen  hatten*). 
Beim  Volk  freilich  erregte  es  schweren  Anstoß,  daß  er  jetzt 
offen  über  besiegte  Bürger  triumphierte6);  und  der  Tribun 
Pontius  Aquila  gab  dem  allgemeinen  Gefühl  Ausdruck,  als  er, 
wie  Caesar  auf  dem  Triumphwagen  an  der  Tribunenbank  vorbei- 
fuhr, zu  seiner  Entrüstung  nicht  vor  ihm  aufstand*). 

')  Plor.  Anton.  II,  vgl.  Cic.  Phil.  II  78.  Vellejus  II  59,  3.  Ober 
M.  Brutus  Brut.  6;  über  Caesars  Art  zu  reisen  s.  auch  Plut.  Caes.  17.  Sueton  57. 

")  Vellejus  II  56  sagt,  er  sei  mense  Octobri  nach  Rom  zurück- 
gekehrt ;  aber  schon  am  13.  September  hat  er  in  Lavicano  suo,  einem 
Gut  südöstlich  von  Rom.  sein  Testament  gemacht  (Sueton  Caes.  83), 
und  am  13.  Oktober  triumphiert  Fabius  Maximus.  natürlich  spater  als 
Caesar.    Vellejus'  Angabe  ist  daher  ungenau. 

»)  Dio  48.  42.    Liy.  116.    Sueton  Caes.  38.    Plin.  14.  97. 

*)  Dio  43,  42;  vgl.  Qnintil.  VI  3,  61.  Act.  triumph.  Q.  Fabius  Q. 
f.  Q.  n.  Maximus  cos.  ex  Hispania  III  Idus  Octob.;  Q.  Pedius  M. 
f.  proco8.  ex  Hispania  Idib.  Dec.  Die  Daten  für  Caesars  Triumphe 
sind  nicht  erhalten. 

»)  Plut.  Caes.  56. 

•)  Sueton  Cae*.  78:  Caesars  spateres  Verhalten  gegen  den  ihm  die 
Ehrenbeschlüsse  überbringenden  Senat  (S.  517)  tanlo  intolerabüius  est 


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Caesar»  spanischer  Triumph.    Herabdrückung  des  ConsulaU  459 


Die  republikanischen  Ämter  hat  Caesar  in  der  Tat  wieder 
besetzen  lassen:  er  legte  sein  alleiniges  Consulat  nieder  und  ließ 
für  den  Rest  des  Jahres  zu  Consuln  den  Q.  Fabius  Maximus, 
noch  vor  dessen  Triumph,  und  den  C.  Treboniua  wählen1),  von 
dessen  wahrer  Gesinnung  er  offenbar  keine  Ahnung  hatte.  Die 
allem  Herkommen  widersprechende  Neuerung,  die  in  der  durch 
kein  berechtigtes  Motiv  veranlaßten  Niederlegung  des  Consulat« 
inmitten  des  Amtsjahrs  und  der  Bestellung  eines  Nachfolgers 
für  den  Rest  des  Jahres  lag,  empfand  man  sehr  deutlich.  „Als 
der  Dreimonatsconsul  Fabius  Maximus  das  Theater  betrat  und 
der  Lictor,  wie  es  Brauch  ist,  Achtung  proklamierte,  rief  alle 
Welt,  er  sei  kein  ConsuT'*).  Noch  deutücher  zeigte  sich,  daß  das 
Einlenken  in  die  verfassungsmäßigen  Bahnen  nur  ein  wesenloser 
Schern  war,  als  zu  Ende  des  Jahres  Fabius  Maximus  staib. 
„Auf  den  31.  Dezember  waren  auf  dem  Marsfelde  Comitien  für 
die  Quaestorenwahlen  angesetzt;  um  die  zweite  Morgenstunde, 
als  der  Amtssessel  des  Q.  Maximus,  von  dem  jene  Leute  be- 

rifiiim,  quod  ipse  triumphanti  et  subseUia  tribunicia  praetervehenti 
sibi  unum  e  coüegio  Pontium  Aqiiilam  non  assurrexisse  adeo  in- 
dignaius  sit,  ut  proclamaverit :  „repete  ergo  n  me  Aquila  rempubli- 
catn  tribunus!"  et  nev  destiUiit  per  continuos  dies  qtiicquam  cui- 
qttam  nisi  sub  exceptione  polliceri,  „tri  tarnen  per  Pontium  Aquüam 
licuerif.  Ürumannh  Bemerkung  III  *  .Einer  solchen  Unbesonnen- 
heit, einer  so  achnflden  Verhöhnung  der  Römer  war  Caesar  nicht  fähig; 
die  bedenklichen  Heden  sind  ihm  von  «»inem  Keinde.  etwa  von  Tanusius 
Geminas  angedichtet,  oder  man  hftrt<-  sie  doch  nicht  bei  den  Triumphen, 
nicht  öffentlich  von  ihm.*  ist  sehr  naiv.  Dagegen  nimmt  er  wohl  mit 
Recht  an,  daß  sein  Out  bei  Neapel  (Cic.  ad  AU.  XIV  21.  3,  oben  S.  450,  2) 
nicht  wegen  dieses  Verhaltens,  sondern  früher  konfisziert  ist.  weil  er 
auf  soiten  des  Pompejus  gestanden  hatte.  —  Pontius  Aquila  gehörte 
spater  zu  den  Verschworenen  und  tie!  bei  Mntina. 

')  Dio  48.  46.  Fast.  con«.  Bekanntlich  sind  Suetons  Angaben 
Caes.  76  Ober  Caesars  drittes  und  viertes  Consulat  ungenau;  der 
Satz  nlroque  anno  binos  cotwules  substituit  sibi  in  ternos  novis- 
simos  menses  gilt  nur  für  sein  viertes  Consulat  45.  nicht  fflr  sein 
dritte*  4ü. 

*)  Sueton  Caes.  80.  Auch  Cicero  in  der  gleich  angeführten  Stelle 
fam.  VII  HO  erkennt  Fabius  nicht  ab  Consul  an  (sella  Q.  Maximi, 
quem  Uli  consiilem  esse  dicebant/. 


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460 


Caesars  Monarchie 


haupteten,  er  sei  Consul,  aufgestellt  war,  kam  die  Kunde,  er 
sei  gestorben,  und  der  Stuhl  wurde  fortgenommen.  Er  aber 
(Caesar),  der  für  Tributcomitien  Auspicien  eingeholt  hatte,  hielt 
jetzt  Genturiatcomitien  ab;  um  die  siebente  Stunde  proklamierte 
er  einen  Consul,  der  bis  zum  1.  Januar  amtieren  sollte,  d.  h. 
bis  zum  nächsten  Morgen;  und  so  wisse,  daß  unter  dem  Con- 
sulat  des  Caninius  Rebilus  niemand  zu  Mittag  gegessen  hat. 
Aber  auch  kein  Verbrechen  ist  unter  ihm  vorgekommen;  denn 
er  war  von  so  wunderbarer  Wachsamkeit,  daß  er  in  seinem 
ganzen  Consulat  keinen  Schlaf  gesehen  hat"1).  Es  war  nicht 
möglich,  das  höchste  Amt  des  Staats  ärger  zu  verhöhnen,  als 
es  durch  diese  Szene  geschah*);  und  wohl  begreifen  wir,  daß 
Cicero  seineT  Schilderung  und  seinen  Bosheiten  hinzufügt :  „Das 
erscheint  Dir  lächerlich,  denn  Du  bist  nicht  dabei  gewesen ;  würdest 
Du  das  sehn,  so  würdest  Du  die  Tränen  nicht  halten  können." 

Die  Verleihung  des  Consulats  auf  kurze  Frist  hat  Caesar  bei- 
behalten und  dann  bekanntlich  die  Triumvirn  und  Augustus 
übernommen.  Für  das  Jahr  44  ließ  er  sich  das  fünfte  Consulat 
übertragen,  zusammen  mit  Antonius;  zu  seinem  Nachfolger,  wenn 
er  im  Frühjahr  in  den  Partherkrieg  abgehn  würde,  bestimmte 
er  den  angeblich  erst  25  Jahre  alten*)  Dolabella,  dem  er  auch 
sonst  die  höchsten  Ehren  erwies:  so  führte  er  am  19.  Dezember  45, 
als  er  in  Puteoli  war,  sein  militärisches  Gefolge  in  Parade  an 
Dolabellas  Villa  vorüber,  wie  sonst  bei  niemand  anders4).  Aber 


>)  Cicero  an  Curia«  fam.  VII  30.  Ciceros  Witz  berichten  auch 
Dio  43,  46.  4  und  Macrob.  II  3,  6  und  VII  3,  10  neben  anderen,  darunter 
den,  daß  Rom  jetzt  nicht  nur  flamines  Diales  sondern  auch  consules 
Diales  habe,  der  II  2,  13  richtiger  dem  M.  Voltacilius  Pitholaus  (oben 
S.  401.  1)  zugeschrieben  wird.  Ein  weiterer  Witz  Ciceros  Plut.  Caes.  58 
(variiert  Macrob.  VII  3.  10).  Den  Hergang  berichten  auch  Sueton  Caes.  76. 
Plin.  Vll  181. 

")  Eine  ähnliche  Komödie  hat  Vitellius  aufgeführt,  Tac.  Hist.  III  37, 
während  Nero  ein  gleiches  abgelehnt  hat  (Sueton  Nero  15). 

3)  Appian  civ.  II  129,  539.  Wahrscheinlich  ist  die  Zahl  in  35  zu 
korrigieren,  s.  oben  S.  451.  A. 

4)  Cic.  Att  XIII  52  Dolabellae  vülam  cum  praeteriret,  omnis 
armaiorum  copia  dextra  sinisira  ad  equum  nec  cUibi  usquam. 


Vermehrung  und  Besetzung  der  Ämter  für  das  Jahr  44  461 


daß  sein  Zank  mit  Antonius  eich  fortsetzte,  war  ihm  nur  recht: 
er  duldete,  daß  Antonius  am  1.  Januar  im  Senat,  als  Caesar 
mitteilte,  Dolabella  solle  sein  Nachfolger  werden,  erklärte,  er 
werde  das  als  Augur  verhindern,  und  sich  beide  die  ärgsten 
Insulten  an  den  Kopf  warfen1).  Als  dann  die  Wahlversammlung 
berufen  wurde,  hat  Antonius  in  der  Tat  im  letzten  Moment, 
nachdem  die  Wahlhandlung  schon  fast  beendet  war,  auf  Grund 
eines  angeblichen  Götterzeichens  Einspruch  erhoben  und  die 
Vollendung  der  Wahl  unmöglich  gemacht2).  Hier,  wo  es  ihm 
vielleicht  im  Moment  lästig,  aber  im  Grunde  ganz  willkommen 
war,  duldete  Caesar  die  Betätigung  der  „Freiheiten"  des  römi- 
schen Volks. 

Auch  für  die  übrigen  Ämter  fanden  jetzt  die  Wahlen  statt. 
Die  Zahl  der  Quaestoren  wurde  auf  40,  die  der  plebejischen 
Aedilen  seit  dem  Jahre  44  auf  4  (oben  S.  417),  die  der  im  Jahre  47 
auf  10  vermehrten  Praetoren  (S.  380)  auf  14,  und  vom  Jahre  44 
ab  noch  weiter  auf  16  erhöht3).  Das  entsprach  der  damaligen 
Zahl  der  Provinzen4).  Die  Statthalterschaften  vergab  Caesar 
nach  wie  vor  nach  eignem  Ermessen,  ohne  Heranziehung  des 
Loses5);  die  ihm  übertragene  Ernennung  der  Beamten  dagegen 
hatte  er  abgelehnt  (S.  446).  Dafür  brachte  der  Tribun  L.  Antonius, 
der  jüngste  Bruder  des  Marcus,  vermutlich  gleich  nach  seinem 

')  Cic.  Phil.  II  79  ff.  99. 

*)  Cic  Phil.  II  82,  wo  man  zugleich  sieht,  daß  die  Wahl  eine  Form 
war:  die  Auslosung  der praerogativa,  die  Abstimmung  der  ersten  Klasse, 
der  suffragia,  die  Berufung  der  zweiten  Klasse  omnia  sunt  cüius  facta 
quam  dixi.  Offenbar  nahm  außer  ein  paar  offiziellen  Vertretern ,  wie 
seit  langem  bei  den  Curiatcomitien ,  niemand  daran  teil.  Der  Hergang 
auch  Plnt.  Anton.  11.  Auch  in  der  Senatssitzung  am  15.  März  beab- 
sichtigte Antonius  nach  Cic.  Phil.  II  88  den  Einspruch  zu  wiederholen; 
vgl.  auch  Phil.  1  31.  Dolabellaa  Übernahme  des  Consulats  nach  Caesars 
Ermordung  beruhte  also  lediglich  auf  dessen  Willenserklärung  und  war 
gesetzlich  unberechtigt. 

')  Dio  43,  47,  2.  49,  1.  51,  3.    Sueton  Caes.  41. 

4)  Mommskn  ,  Ges.  Schriften  IV  171  (Hermes  28.  601):  die  Gesamt- 
zahl war  seit  dem  Hinzutreten  von  GaUia  comata,  Africa  nova,  Uly- 
rieum  und  Achaia  18,  2  consularische  und  16  praetorische. 

»)  Dio  43,  47,  1. 


462 


Caesars  Monarchie 


Amtsantritt  am  10.  Dezember  45  ein  Gesetz  ein ,  daß  Caesar 
fortan  mit  Ausnahme  der  Consuln,  für  die  die  alte  Wahlfreiheit 
formell  beibehalten  wurde,  die  Hälfte  der  Beamten  ernennen 
solle  —  er  verwendete  dazu  Empfehlungsschreiben  an  die  Tribus, 
welohe  die  Namen  der  Kandidaten  enthielten,  die  zu  befolgen 
die  Stimmkörper  gesetzlich  gebunden  waren  *)  —  ein  Recht, 
das  das  Principat  bekanntlich  erst  ganz  allmählich,  vielleicht  erst 
vou  Tiberius  an,  und  nur  in  sehr  viel  beschränkterem  Umfang 
wieder  aufgenommen  hat2).  Daß  auch  die  dem  Volk  freigelassenen 
Stellen  im  wesentlichen  nach  seinen  Wünschen  besetzt  wurden, 
bedarf  keiner  Bemerkung.  Die  Zahl  der  Priesterstellen  war  schon 
im  Jahre  47  vermehrt  worden9).  Die  so  neu  geschaffenen  und 
vom  Herrscher  vergebenen  Amtsstellen  reichten  freilich  noch  bei 
weitem  nicht  aus,  die  Ansprüche  und  die  noch  viel  größere  Be- 
gehrlichkeit der  Anhänger  vor  allem  nach  consularischen  Ehre  n 


»)  Cic.  Phil.  VII  16  sagt  ironisch  von  den  dem  L.  Antonius  zuer- 
kannten Ehrungen  (vgl.  VI  12):  est  enim  patronus  quinque  et  tri- 
ginia  tribuum ,  quarum  sua  lege,  qua  cum  Caesare  magistratus 
partitus  est,  suffragium  sustulit;  patronus  centuriarum  equitum 
Romanorum,  quas  item  sine  suffragio  esse  voluit.  Dio  48,  51,  3 
'gptlto  7&p  t«p  jtiv  ^6?<}>  to&c  -fyuoitc  (ttüv  apxovtutv)  6  Kataap  sv  v6p.tp  ttv't 
toöto  «oi7)a<£|«vo9,  !p74>  Ii  xdvtac-  Eutrop.  IV  25  cum  ergo  et  honores 
ex  sua  voluntate  praestaret,  qui  a  populo  antea  deferebantnr.  Sueton 
Caes.  41  comitia  cum  populo  partitus  est,  ut  exceptis  consulatus 
conpetiioribus  de  cetero  numero  candidatorum  pro  parte  dimidia 
quas  populus  vellet  pronuntiarentur ,  pro  parte  altera  quos  ipse 
edidisset.  et  edebat  per  libeüos  circum  tribum  missos  scriptura 
brevi:  „Caesar  dictator  Uli  tribui.  commendo  vobis  illum  et  ittum, 
ut  vestro  suffragio  suam  dignitatem  teneat." 

')  Tiberius  beschränkte  die  Zahl  der  vom  Kaiser  ernannten  Kandi- 
daten für  die  Praetur  gleich  su  Anfang  auf  vier ,  und  lehnte  ein  weiter- 
gehendes Recht  ab  (Tac.  ann.  I  15).  Von  den  Quaestoren  ernannte  der 
Princeps  nach  Mommsens  Vermutung  nur  zwei.  Erst  seit  Nero  ist  das 
kaiserliche  Commendationsreoht  weiter  ausgedehnt  und  auch  auf  das 
Consulat  erstreckt  worden. 

*)  8.  880.  Davon  handelte  die  lex  lutia  de  sacerdotiis,  die  Cicero 
ad  Brut.  I  5,  3  erwähnt;  sie  gestattete  unter  anderm  auch  die  Wahl 
nicht  Anwesender. 


Amterbesetzung  durch  Caesar.    Behandlung  des  Senats  463 

zu  befriedigen1);  daher  hat  Caesar,  außer  der  zugleich  diesem 
Zweck  dienenden  tatsächlichen  Befristung  des  Consulats  auf 
wenige  Monate,  die  er  nach  der  Rückkehr  aus  Spanien  eingeführt 
hatte,  dazu  gegriffen,  gewesenen  Praetoren,  im  ganzen  zehn, 
Rang  und  Abzeichen  der  Consulare  zu  verleihen*);  auch  dies 
Mittel  hat  das  Principat  erst  im  Lauf  seiner  Entwicklung,  seit 
Übernahme  der  Censur  durch  Claudius,  für  die  Erteilung  des 
consularischen  Ranges  sogar  erst  seit  Macrinus  wieder  eingeführt. 

Noch  schärfer  als  in  dieser  Behandlung  der  republikanischen 
Ämter  tritt  der  Gegensatz  zwischen  der  caesarischen  Monarchie 
und  dem  augusteischen  Principat  in  der  Behandlung  des  Senats 
hervor.  Während  Augustus  (und  ebenso  Tiberius)  den  Senat 
durchaus  als  den  eigentlichen  Souverän  und  Regenten  des 
römischen  Staats  anerkannte,  in  dem  er  nicht  mehr  sein  wollte, 
als  das  erste  und  einflußreichste  seiner  Mitglieder,  und  daher  die 
dringend  notwendige  Reinigung  des  Senats  von  unlauteren 
Elementen  nur  mit  der  äußersten  Behutsamkeit  und  möglichster 
Schonung  seiner  vom  Princeps  unabhängigen  Stellung  vornahm*), 
hat  Caesar  auf  den  Reichsrat,  der  nun  einmal  als  überkommenes 
Organ  der  Verwaltung  unentbehrlich  war,  mit  gründlicher  Ver- 
achtung herabgesehn  und  ihn  dementsprechend  behandelt.  Trotz 
der  oben  erwähnten  gesetzlichen  Maßregeln,  welche  die  sittliche 
Haltung  der  höheren  Stände  heben  sollten,  hat  er  kein  Bedenken 
getragen,  große  Massen  der  zweifelhaftesten  Elemente  in  den 
Senat  aufzunehmen,  „ohne  irgendwelchen  Unterschied,  auch 
wenn  einer  Soldat  oder  Sohn  eines  Freigelassenen  war",  darunter 
zahlreiche  Ausländer,  namentlich  Spanier  und  Gallier,  die  eben 
erst,  nach  der  Unterwerfung  durch  Caesar,  das  Bürgerrecht  er- 
halten hatten  und  daher  kaum  Lateinisch  konnten  und  von 


')  Vgl.  z.  B.  Cic  Att  XII  49  (Mai  45),  wo  er  entsetzt  ist,  daß  der 
eifrige  Caesarianer  M.  Cuiüus  (Posturous ,  %.  B.  Att  IX  2a,  8)  daran 
denken  kann,  Consul  »u  werden. 

*)  Sueton  76  decem  praetoriis  viris  consularia  ornamenta  tri- 
buit.   Dio  43,  47,  8  uoXXo&c  84  xfiil  1«  w>s  i&icatptöac  xo6?  «  äkoctoxotoc 

*)  S.  meinen  Aufsatz  Ober  AugostuB,  Kleine  Schrillen  S.  475. 


y  Google 


464 


Caesars  Monarchie 


Koni  nichts  wußten1).  Auch  wenig  ehrenhaft  geltende  Gewerbe, 
wie  die  Eingeweideschau,  standen  der  Aufnahme  nicht  im 
Wege2).  Die  Zahl  der  Senatoren  wurde  so  auf  neunhundert  ge- 
bracht3), und  die  Körperschaft  in  ein  geschmeidiges  Werkzeug 
umgewandelt,  in  dem  die  Träger  der  altrömischen  Traditionen  in 
der  Masse  verschwanden;  aber  dieSchmach  empfand  man  und  gab  der 
Empfindung  durch  Spottgedichte  und  Maueranschlage  Ausdruck4). 

Ein  weiteres  Spezialgesetz,  von  dem  Tribunen  L.  Cassius, 
dem  Bruder  des  Caesarmörders,  eingebracht,  übertrug  Caesar 
das  alte  Königsrecht  der  Patricierernennung,  von  dem  er  eifrig 
Gebrauch  machte5);  unter  anderen  hat  er  seinem  Großneffen 
C.  Octavius  das  Patriciat  verliehen9).    Dies  riecht,  durch  das 

')  Dio  48,  47,  8  rcpoai«  jtau.!cXvjdvl<;  ircl  rrjv  T»pot>3ta/  p.ir)8»v  8t»xptva>v 
{V^jt*  tl  ti<;  «patta>r*)<;  u.-fjt'  st  ti$  «««Xsoöipoo  rcat$  yjv  ior^pa^tv,  o>ot«  xat 
«vaxoolooc  xb  xttföXatöv  a&td»v  Y«vso*at.  Sueton  76  civitate  donatos,  et 
quosdam  e  semibarbaris  Gallorum,  recepü  in  curiatn.  Ein  Beispiel 
ist  Decidius  Saxa,  quem  nobis  Caesar  ex  ultima  Celtiberia  tribunum 
plebis  dedit,  Cic.  Phil.  XI  12.  XIII  27.  Aus  Italien  stammt  z.  B.  C.  Cur- 
tiu»,  der  bei  Volaterrae  ein  Gat  hatte:  hoc  autem  tempore  cum  Caesar 
in  senatum  legit,  quem  ordinem  ille  ista  possessione  amissa  vix  tueri 
polest,  weshalb  Cic.  fam.  XIII  5  sich  für  ihn  verwendet.  Dem  P.  Mallius. 
der  Cicero  bittet ,  er  möge  sich  bei  Caesar  dafür  verwenden ,  daß  sein 
Stiefvater  in  den  Stadtrat  von  Pompei  aufgenommen  werde,  antwortet 
er:  Romae,  si  vis,  habebit ;  Pompeis  difflcile  est  (Macrob.  II  3,  11; 
vgl.  auch  die  Bemerkung  zu  Laberius  II  3,  10  =  VII  3,  8). 

•)  Cicero  fam.  VI  18,  1,  oben  S.  426,  2. 

*)  Dio  43, 47, 8;  vgl.  Cicero  div.  II  23  Caesar  ist  ermordet  in  fOj?enaf  u,g«em 
maiore  ex  parte  ipse  cooptasset,  tot  centurionibus  suis  inspectantibus. 

*)  Sueton  Caes.  80  peregrinis  in  senatum  aüectis  libeUus  pro- 
positus  est:  „bonum  factum:  ne  quis  senatori  novo  curiam  mon- 
strare  velW.  et  illa  vulgo  canebantur: 

GaUos  Caesar  in  triumphum  ducit,  idem  in  curiam. 
Galli  braccas  deposuerunt,  lahm  clavum  sutnpserunt. 

»)  Tac.  ann.  XI  25  patriciae  familiae  . . .  quas  dictaior  Caesar 
lege  Cassia  et  princeps  Augüstus  legi  Saenia  sublegere.  Sueton 
Caes.  41  patricios  adlegit.  Dio  48,  47.  3  noXXoic  .  . .  to&<;  t&natpt3a<; . . . 
sf^atiXt^tv.    L.  Cassius  war  im  Jahre  44  Tribun,  Cic.  Phil.  III  23. 

•)  Sueton  Aug.  2.  Dio  45,  2,  7.  Nie.  Dam.  vit.  Caes.  15  incorrect : 
nach  der  Rückkehr  mit  Caesar  aus  Spanien  3tatptßu»v  iv  *6X»i  ükö 
rffi  ßovX-fj<;  (!)  at«o8«txvotat  »Iva:  tä>v  «atitxtcuv. 


Die  angebliche  Entartung  Caesais 


465 


für  die  Monarchie  ein  neuer  Hofadel  gebildet  wurde,  ist  bekannt- 
lich im  Jahre  29,  als  er  noch  absoluter  Herrscher  war,  auch  dem 
Octavian  übertragen  worden1)  und  dann  seit  Claudius'  Censur 
mit  dem  Principat  verbunden. 

So  traten  die  Grundlinien  der  neuen  Monarchie  immer  deut- 
licher hervor. 

Caesars  Ziele.    Die  absolute  Monarchie 

Nach  einer  weitverbreiteten  Ansicht  wäre  Caesar  in  seinen 
letzten  Jahren  entartet:  seine  Erfolge  hatten  ihn  schwindlig 
gemacht  und  ihm  den  Sinn  für  die  Wirklichkeit  getrübt,  die 
wüsten  Schmeicheleien,  die  er,  unter  dem  Scheine,  sie  abzu- 
lehnen, dennoch  erst  recht  forderte,  hätten  ihn  vollends  ver- 
dorben, so  daß  er  glaubte,  wie  er  alle  Menschen  weitaus  über- 
rage, so  auch  jeder  Despotenlaune  nachgeben  und  sich  alles  er- 
lauben zu  dürfen.  Die  Krankheiten  und  Schwindelanfälle,  an 
denen  er  litt,  hätten  seine  Reizbarkeit  und  daneben  seine  Un- 
bedachtsamkeit und  Willensschwäche  noch  gesteigert.  So  sei 
er  seiner  großen  Aufgabe  nicht  gewachsen  gewesen,  sondern  in 
immer  größere  Abhängigkeit  von  seiner  wüsten  Umgebung  ge- 
raten, er  habe  sich  planlos  von  den  Dingen  treiben  lassen  und 
sei,  während  er  sich  mit  grandiosen,  aber  phantastischen  Ent- 
würfen trug,  in  Wirklichkeit  nicht  mehr  fähig  gewesen,  noch 
etwas  zu  leisten. 

Dieser  Auffassung,  die  namentüch  H.  Nissen  und  0.  E.  Schmidt 
nachdrücklich  vertreten  haben  und  die  ja  vielfach,  so  bei 
Nissen  selbst,  auch  das  Urteil  über  Alexander  beherrscht1),  ent- 

•)  Mon.  anc  2,  1.    Dio  52,  42,  5. 

*)  .Sicher  ist,'  sagt  Nissin,  .daß  kein  Mensch  die  Sittlichkeit  der 
antiken  Welt  so  tief  and  so  nachhaltig  geschadigt  hat.  wie  der  Am- 
monssohn" ;  dem  entspricht  seine  Auffassung  Caesars,  und  0.  E.  Schmidt. 
Ciceros  Briefwechsel  66  f.  stimmt  dem  zu.  Auch  Ober  Bismarck  kann 
man  ja  nicht  selten  dasselbe  Urteil  hören  —  ich  erinnere  nur  an  da« 
Zerrbild ,  das  Haus  Delbrück  von  seiner  letzten  Zeit  entworfen  hat  und 
leidenschaftlich  verficht  — ;  und  Cromwell.  Napoleon  und  andere  Große 
teilen  sein  Schicksal.  Mommsek  sprach  über  Bismarck  genau  wie  Nissim 
Uber  Alexander. 

Meyer,  Caesars  Monarchie  30 


406 


Caesars  Monarchie 


spricht  im  wesentlichen  das  Bild,  das  Shakespeare  von  Caesar 
gezeichnet  hat,  eine  der  großartigsten  Schöpfungen  seines  Genius 
—  und  hier,  bei  dem  psychologischen  Problem,  hat  der  Dichter, 
der  sich  ganz  in  die  Welt  der  Biographien  hineingelebt  hat,  vollen 
Anspruch,  gehört  zu  werden.  Er  zeichnet  Caesar  als  einen  inner- 
lich angefressenen,  an  maßloser  Uberhebung  rettungslos  er- 
krankten Gewaltherrscher,  der  sich  für  ein  übermenschliches, 
göttergleiches  Wesen  hält,  wahrend  er  von  körperlichen  Ge- 
brechen aller  Art  heimgesucht  ist,  der  glaubt,  über  alle 
Schmeichelei  erhaben  zu  sein,  und  dem  Schmeichler,  der  das 
ausnutzt,  erst  recht  anheimfällt,  der  prahlt,  unerschütterlich  und 
der  Furcht  unzugänglich  zu  sein,  und  sich  und  den  andern  vor- 
täuschen möchte,  daß  er  sich  durch  schlimme  Vorzeichen  nicht 
bestimmen  läßt,  sondern  nur  tut,  was  sie  fordern,  weil  er  es  so 
will,  der  nicht  wagt,  die  Hände  nach  dem  Diadem,  das  er  be- 
gehrt, auszustrecken,  sondern  in  kläglicher  Weise  um  die  Volks- 
gunst buhlt,  und  als  das  mißlungen  ist,  verschüchtert  und 
mürrisch  zurückkehrt  und  bekennt,  daß  er  Leute  wie  Cassius 
fürchten  würde,  wenn  er  überhaupt  Furcht  kennte1). 


')  Ein  genialer  Zog,  der  zeigt,  wie  bewußt  Shakespeare  sein  Bild 
gestaltet  hat,  ist,  daß  er  Caesar»  körperliche  Gebrechen  nicht  nur  stark 
betont,  sondern  durch  Hinzufügung  der  Taubheit  auf  dem  linken  Ohr 
noch  gesteigert  hat ;  davon  berichtet  die  Überlieferung  nichts,  höchstens 
daß  Plut  Caes.  17  r»jv  wfaXty  voom&yi«  einen  Anhalt  bot.  Daß  Caesar  bei 
ihm  mit  Vorliebe  von  sich  in  der  dritten  Person  redet,  ist  wohl  aus  seiner 
Kenntnis  der  Schriften  Caesars  entnommen  .  aber  gleichfalls  sehr  cha- 
rakteristisch verwendet:  Caesar  sucht  dadurch  sich  selbst  gewissermaßen 
zu  objektivieren,  er  staunt  sich  selbst  als  ein  höheres  Wesen  an.  Wie 
»ehr  sich  Shakespeare  in  diese  Zeit  eingelebt  hat,  erkennt  man  erst 
recht,  wenn  man  damit  vergleicht,  wie  völlig  fremd  ihm  im  Timon  die 
griechische  Welt  geblieben  ist,  obwohl  er  hier  Plutarchs  Alkibiades  be- 
nutzt hat.  —  Caesars  körperliches  Leiden  ist  in  seinen  letzten  Jahren 
gewachsen,  Sueton  45:  tempore  extremo  repente  animo  Linqui  atque 
etiam  per  somnum  exterreri  solebat;  comiHali  qttoque  morbo  bis 
inier  res  agendas  correptus  est.  Nach  Nie.  Dam.  28  wollten  ihn  die 
Ärzte  am  15.  Marz  nicht  in  den  Senat  lassen  ttä  vfoov  oxotui&ir)  txastote 
oojxßatvoooav  akxy  xat  tote  spooiwaoBaav ;  vgl.  Sueton  81  ob  infirmam 
valetudinetn  diu  cunetatus.  Appian  II  110,  459  zahlt  unter  den  Granden, 


Caesar  bei  Shakespeare 


467 


Wir  besitzen  eine  Äußerung  Caesars,  die  für  diese  Auf- 
fassung spricht,  die  Rede,  die  er  nach  dem  Siege  von  Munda 
in  Hispalis  an  die  Spanier  gehalten  und  die  der  biedere  Ver- 
fasser des  bellum  Hispaniense  offenbar  inhaltlich  getreu  auf- 
gezeichnet hat:  er  hält  den  Spaniern  seine  Verdienste  um  sie 
und  ihre  immer  erneuten  Aufstande  und  Verbrechen  vor.  „Und 
in  diesem  Kriege  glaubtet  ihr  den  Sieg  davontragen  zu  können? 
Wußtet  ihr  denn  garnicht,  daß  auch  wenn  ich  unterging,  das 
römische  Volk  Legionen  hat,  die  nicht  nur  euch  Widerstand 
leisten,  sondern  sogar  das  Himmelsgewölbe  zertrümmern 
können?"1)  Das  ist  in  der  Tat  dieselbe  Denkweise,  die  Shake- 
speare in  den  letzten  Worten  Caesars  bei  Abweisung  des  Bitt- 
gesuchs der  Verschworenen  mit  gewaltigster  Wirkung  zum  Aus- 
druck kommen  läßt.  Und  wohl  können  wir  begreifen,  daß  Caesar 
nach  seinen  unerhörten  Erfolgen  von  solchen  Stimmungen  er- 
faßt wurde.  Hatte  er  doch  erreicht,  was  nie  weder  vor  ihm 
noch  nach  ihm  einem  Menschen  beschieden  war:  nach  fünf,  be- 
reits durch  einen  längeren  Friedenszustand  unterbrochenen 
Kriegsjahren  lag  die  ganze  Welt  willenlos  zu  seinen  Füßen,  es 
gab  niemanden  mehr,  der  ihm  noch  hätte  Widerstand  leisten 
können').  Auch  Napoleon  hat  niemals  auch  nur  einen  Moment 
die  gesicherte  Machtstellung  besessen,  die  Caesar  dauernd  ein- 

weehalb  er  gegen  die  Geten  und  Parther  ziehen  will,  auf  tttt  voo-rjfia 
toö  oiojiato;  d*paiu6u»v,  SKtXfj'itav  xal  csacjiiv  al<pvl8tov  tjut'.TtTOvta  a6rq> 
fiöXiota  xatä  ti{  ip^t«?. 

')  bell,  ffisp.  42,  7:  in  quo  vos  viciores  existimabatis?  an  me  de- 
leto  non  animadvertebatis  habere  legiones  populum  Romanum,  quae 
non  soluni  vobis  obsistere,  sed  etiam  caelum  diniere  possent?  qua- 
rum  laudibus  et  virtuie  .  . .  Damit  bricht  das  Erhaltene  unglücklicher 
weise  ab.  —  Sueton  55  erwähnt  zwei  Reden,  die  Caesar  vor  der  Schlacht 
an  die  Soldaten  gehalten  haben  soll  (apud  milites  in  Hispania) ,  die 
aber  Augustus  kaum  für  echt  hielt. 

*)  Der  flüchtig  im  Gebiet  der  Laeetaner  (Dio  45,  10,  mit  der  oft 
vorkommenden  Verschreibung  in  Aaxr^avLa;  Strabo  III  4,  10,  wo  sie 
weiter  in  'laxx-rriavol  entstellt  sind;  Florus  II  13,  87  nennt  statt  dessen 
Celtiberia)  zwischen  Ebro  und  Pyrenaeen  umherirrende  Sextus  Poni- 
pejus  und  Caecilius  Bassus  in  Syrien  kamen  ernstlich  wirklich  nicht 
in  Betracht. 


468 


Caesars  Monarchie 


nahm;  und  ebensowenig  kann  ihm  Alexander  verglichen  werden, 
der  im  jugendlichen  Alter,  im  Grunde  noch  am  Anfang  seiner 
Laufbahn,  hinweggerafft  wurde  mitten  aus  den  großartigsten, 
durchaus  ideal  gedachten  Aufgaben  einer  sich  in  der  Vollkraft 
der  Jugend  fühlenden  Welt.  An  Ideale  glaubte  auch  Octavian, 
als  nach  der  Einnahme  Alexandrias  sein  Wille  die  Welt  be- 
herrschte: er  hat  ein  langes  Leben  hingebend  der  Aufgabe  ge- 
gewidmet, sie  zu  verwirklichen,  und  sie  durchgeführt,  indem  er 
der  gealterten  Welt  die  Verfassung  des  Principats  gab  und  die 
römische  Nation  in  der  Muße  des  Friedens  zu  neuem  Leben  er- 
weckte und  zur  Bewahrung  der  herrschenden  Stellung  fähig 
machte.  Aber  Caesar  glaubte  nicht  an  Ideale,  oder  wenn  er  es 
einmal  getan  haben  sollte,  so  waren  sie  ihm  längst  vor  der  harten 
Wirklichkeit  in  nichts  zerstoben:  der  Kampf,  den  er  geführt  hatte, 
war  wie  der  Napoleons  ein  Kampf  um  die  persönliche  Macht- 
stellung, um  die  Gewinnung  des  Raums  für  die  umf aasende  Be- 
tätigung seiner  Herrsch  ergaben.  Ein  höheres  Ziel,  bei  dem  der 
h  andelndc  Mensch  als  Werkzeug  in  der  Idee  aufgeht  und  vor  ihr  ver- 
schwindet, stand  nicht  dahinter,  mochte  es  nun  in  mystischen  reli- 
giösen Ideen  halb  unbewußt  wirken,  wie  bei  Cromwell,  oder  lebendig 
befruchtend  vor  der  Seele  stehn,  wie  bei  Alexander  und  beiBismarck. 

In  der  Tat  gab  es  für  Caesar,  bei  seiner  Denkweise,  keine 
andre  Wahl:  er  hatte  die  Macht  und  mußte  sie  festhalten.  Der 
Vollender  und  Typus  des  Römertums,  ab  der  er  so  oft  aufgefaßt 
wird,  ist  er  keineswegs;  vielmehr  war  er  nach  allen  Richtungen 
darüber  hinausgewachsen,  und  steht  Rom  innerlich  jetzt  so 
fremd  gegenüber,  wie  nur  Napoleon  sowohl  seiner  heimischen 
Nationalität  wie  seinem  Adoptivvater  lande.  Aber  er  wußte 
auch,  daß  er  damit  den  Boden  des  Rechts  in  noch  ganz  andrer 
Weise  verließ,  als  bisher  schon,  und  hat  das  offen  ausgesprochen. 
Cicero  bezeugt  uns,  daß  er  die  Worte  des  Eteokles  in  Euripidea' 
Phoenissen  ständig  im  Munde  führte:  „Wenn  es  gilt,  Unrecht 
zu  tun,  so  ist  es  am  ruhmvollsten  um  des  Königtums  willen;  in 
allem  andern  muß  man  die  göttlichen  Gebote  achten"1).  Zu- 

')  Cicero  de  off.  III  82  (daraas  Sueton  Caes.  30);  vgl.  I  26  teme- 
rita8  C.  Caesaris,  qui  omnia  iura  divina  et  humana  perveriil 


Caesar»  Auffassung  and  Ziele 


469 


gleich  jedoch  wußte  er,  was  dem  Staat  bevorstand,  wenn  er 
ihn  nicht  fest  in  der  Hand  behalten  würde:  „Nicht  sowohl  sein 
eigenes  Interesse  sei  es,"  sagte  er,  „sondern  das  des  Staats,  daß 
er  erhalten  bleibe;  er  habe  schon  lange  Macht  und  Ruhm  im 
Überfluß  gewonnen  ;  aber  wenn  ihm  etwas  zustoße,  werde  der 
Friede  im  Staat  nicht  mehr  besteh n  und  die  Bürgerkriege  unter 
wesentlich  schlimmeren  Bedingungen  wieder  ausbrechen"1). 

Man  begreift  wohl,  daß  er  übersättigt  war.  Aber  zur  Ent- 
artung und  etwa  zu  blasierter  Genußsucht  hat  diese  Stimmung 
nicht  geführt,  sei  es  auch  nur  zu  dem  Streben,  die  unumschränkte 
Herrschermacht  voll  auszukosten.  Vielmehr  hat  er  sich  die 
staunenswerte  Elastizität  seines  Geistes  erhalten,  und  auch  das 
lebendige  Interesse  für  alles,  was  an  ihn  herantrat.  Es  offenbart 
sich  ebensowohl  in  seiner  allumfassenden  Tätigkeit  wie  in 
seinen  schlagfertigen  und  geistvollen  Äußerungen  und  hat  ohne 
Zweifel  den  Schriften  gegen  Cato  so  wenig  gefehlt,  wie  dem, 
im  übrigen  mit  sehr  bewußter  politischer  Berechnung  und  ganz 
unbedenklicher  Entstellung  der  Tatsachen  geschriebenen  Werk 
über  den  Bürgerkrieg,  das  er  in  den  letzten  Monaten  seines 
Lebens  geschrieben  haben  wird2)  und  unvollendet  hinterließ. 


propter  eum,  quem  sibi  opinionis  errore  finxerat,  principatum.  Den 
Versen  der  Phoenissen  (524  f.)  stirap  70p  äiixs-.y  xp*f).  topawtöoc  nfyn  xa/.- 
Xtotov  a&iutv,  t£XXa  &'  eootßttv  ^piwv  unmittelbar  voran  geht  v.  520  5p- 
Xtiv  «apov  u.oi,  tö»8»  (dem  Bruder)  8ooX.«üou>  sott; 

')  Sueton  86,  oben  S.  404  A.  Livius  urteilte  Aber  Caesar  in  incerto 
esse ,  utrum  illum  magis  nasci  reipublicae  profuerit  an  non  nasci 
(Seneca  nat.  quaest.  V  18).  Ganz  hübsch  wird  Caesars  Tätigkeit  bei 
Orosius  VI  17,  1,  natürlich  nach  Livius.  in  den  Satz  zusammengefaßt, 
er  sei  ermordet  worden,  dum  reipublicae  statttm  contra  exempla 
maiorum  dementer  instaurat. 

*)  Eine  Angabe  über  die  Abfassungszeit  des  bellum  civile  besitzen 
wir  nicht;  aber  vor  dem  Ende  des  spanischen  Feldzugs  wird  Caesar 
schwerlich  die  Zeit  dafür  gehabt  haben,  so  schnell  und  leicht  er  ar- 
beitete (Hirtius  bell.  Gall.  VIII  1,  6).  Die  Arbeit  ist  durch  den  Tod 
abgebrochen  worden,  der  unglückliche  Krieg  in  Illyrien  im  J.  49,  das 
Seitenstück  zu  Curios  Peldzug  in  Africa,  ist  im  zweiten  Buch,  in  das 
er  hatte  eingefügt  werden  müssen,  nicht  mehr  zur  Darstellung  gelangt; 
für  die  Portsetzung  lagen  nur  die  Rohmaterialien  vor,  die  für  das 


470 


Caesars  Monarchie 


Aber  gerade  darin  zeigt  sich  am  deutlichsten  der  adlige  Kern,  der 
unverwüstlich  in  ihm  steckte,  daß  er  die  gesättigte  Stimmung 
lebendig  und  schwer  empfand  und  unverhüllt  aussprach.  Ihm 
hatte  das  Leben  alles  gewährt,  was  es  von  Herrlichem  zu  bieten 
vermag;  aber  er  hatte  es  als  schal  erfunden,  der  Preis  lohnte  die 
Mühe  nicht,  die  es  gekostet  hatte,  ihn  zu  erringen.  Wie  er  schon 
im  Jahre  46  ausgesprochen  hatte,  er  habe  genug  gelebt,  und  alle 
Mittel  zur  persönlichen  Sicherung  verschmähte,  so  lehnte  er 
Anfang  44  nicht  nur  das  Anerbieten  des  Senats  ab,  ihm  eine 
Leibwache  aus  Senatoren  und  Rittern  zu  bilden,  sondern  auch 
daa  seiner  Anhänger,  seinen  Schutz  zu  übernehmen1);  vielmehr 
entließ  er  die  Garde  aus  spanischen  Cohorten,  die  bis  dahin  zu 
seiner  Bewachung  diente4):  er  wolle,  sagte  er,  nicht  in  ewiger 
Furcht  leben3).  Eben  so  ablehnend  verhielt  er  sich  bei  Anzeigen 


bellum  Alexandriii  um  in  Überarbeitung,  für  die  beiden  anderen  Kriege 
in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  in  das  Corpus  der  Geschichte  seiner 
Feldzüge  aufgenommen  sind;  vgl.  Sueton  Caes.  56. 

l)  Dio  44,  6,  1  fpoopö  tt  ix  twv  twxituv  xol  ix  tu»v  ßooXcotöv  iiö^. 
Plut.  Caes.  57  röv  il  <ptXtov  a£tooytu>v  aotov  8opo<popitodtK  xal  xoXXäv  ixt 
to&to  xapt^ovtutv  (antobe  06^  üxiiutvtv.    Nie.  Dam.  22  fin. 

*)  Sueton  Caes.  86  sunt  qui  putent,  conflsum  man  novissimo  Wo 
senatus  consulto  ac  iure  iurando  etiam  custodias  Hispanorum  cum 
gladiis  adinspectantium  se  removisse  =  Dio  44.  7,  4  to&  Katcapo«  . . . 
*ap<rr)oa«oc  <»<;  o&x  5v  Ttots  o5&'  ux'  ixeiviuv  [dem  Senat]  toiot&rd  -rt  tyr^- 
Copivu>v  otjy  6x'  &'kkoti  tivöc  &t'  ahxobz  extßooXtolhjoofttvov  xax  toötoo  obbk 
owpaTOf  6Xa£iv  ftt  xp-noapivoo'  tä>  fip  8yj  X6y«|>  *P^S  tK  T<*'v  ßoo^otüv 
xal  xpö?  td»v  Ixttxtov  tYjptlofta:  xpotpievoc  xal  t4jv  ix  toö  xplv  «ppoopäv  xpoo- 
xottXaotv.  45,  15.  2.  bei  s.  Ermordung,  xahap  u,Y]8i)u$  ftt  ypoop?  ypm- 
pivoo.  Appian  II  107,  444  oirrtp*:  V  öoai  oTparnjtÄ«?  a&xöv  ix  tä>v  «oXi- 
pov  ?ti  t3ü>jiaTO»üX.axoov,  dxiarr]  t?j<  <poXux-?)s  xal  fttta  tvjs  &Y)fioola<  6xtj- 
ptoia;  ixgyat'vtto  jiövo^.  Cic.  I*hil.  V  17  nnus  M.  Antonius  in  hoc  urbe 
post  conditam  urbem  palam  secum  habuü  armatos,  was  weder  die 
Könige  noch  die  Usurpatoren  Cinna,  Sulla,  Caesar  getan  haben;  non 
possum  adfirmare  nuüis  telis  eos  stipaios  fuisse;  Jioc  dico:  nec 
multi8  ei  occuUis. 

*)  Appian  II  109,  455  xu&ouivwv  2'  ixttvotv  (t£v  tplXoov),  coy^mpti 
xdXtv  abxbv  ou>pjato<poXaxtIv  ta^  'Ißfjptxä^  axetpac.  'o&iiv  atuys^Tspov'  f^tj 
'SiirjvrxoB?  «foXoxfj?'  sott  füp  att  8*016x05' =  Plut.  Caes.  57  (oben  Anm.  1), 
tixdiv  <i>c  ßiXxiov  iottv  axo£  äxodavttv     a»t  xpoo8oxav.    Sueton  Caes.  86 


Ablehnung  der  Schutemaßregeln 


471 


von  Verschwörungen  und  verdächtigen  Äußerungen1).  Den 
klugen  Rat  des  Pausa  und  Hirtius  zu  befolgen,  er  müsse  die 
Herrecherstellung ,  die  er  durch  Waffengewalt  gewonnen  habe, 
durch  Waffengewalt  behaupten*),  also  sich  mit  militärischen 
Schutzmaßregeln  umgeben,  widersprach  seinem  Naturell.  Be- 
kannt ist,  daß  er  sich  einen  raschen  und  unerwarteten  Tod 
wünschte8),  und  nicht  unbegründet  ist  Suetons  Angabe:  „Manche 
der  Seinen  haben  nach  seinem  Tode  den  Verdacht  geschöpft,  er 
habe  nicht  langer  leben  wollen  und  es  sei  ihm  gleichgültig  ge- 
wesen, daß  seine  Gesundheit  nicht  mehr  fest  war,  und  daher 
habe  er  auch  die  warnenden  Vorzeichen  und  die  Meldungen  seiner 
Freunde  vernachlässigt"4). 

Aber  so  lange  er  lebte,  mußte  er  tätig  sein  und  schaffen.  So 
hat  er  sich  mit  rastloser  Energie  dem  weiteren  Ausbau  des  Staats 
zugewandt.  Wie  in  der  Gesetzgebung  des  vorigen  Jahre«  verfuhr 
er  auch  hier,  im  Gegensatz  zu  der  bedächtigen,  lange  und  sorg- 
sam abwägenden  Weise  seines  Großneffen8),  mit  derselben,  auf 


alii  e  diverao  opinantur,  msidias  undique  imminentis  subire  semei 
quam  cavere  (maluisse).  Anders  and  noch  ruhmvoller  gefaßt  bei  Vel- 
iejns  II  57:  ille  diciitans  mori  se  quam  timeri  matte,  dum  cJemen- 
tiam  quam  praestiierat  exspectat . . . 

')  Sneton  Caes.  75,  s.  oben  S.  403,  2.  Dio  44,  15,  2,  die  Verschwö- 
rung wäre  beinahe  verraten  worden,  xattoi  toö  Kotoapo«  fi-Jj«  \6fov  «vi 
«tpi  totoötoo  Ttvi<;  KpooStjopivoo  xai  navo  .axopüx;  toö<;  iaa7Y*XXovrds  ti 
ToiootoTpojtov  «oXaCovtoc.  Versuch  eines  Sklaven,  ihn  zu  vergiften,  den 
er  nur  simplici  morie  bestraft:  Sueton  74. 

*)  Vellejus  II  57  laudandum  experienHa  consilium  est  Pansae 
aique  Rirtii,  qui  Semper  praedixerant  Caesari,  ut  principatum 
arm  18  quaesitum  armis  teneret. 

')  Sueton  87.  Plut.  Caes.  68  =  App.  II  115,  479,  bei  einem  Diner 
bei  Lepidus  am  Abend  vor  («einer  Ermordung. 

*)  Sueton  8t»  suspicionem  Caesar  quibttsdam  suorum  reHquü, 
neque  voluisse  se  düitius  vicere  neque  curasse  quod  vaieiudine 
minus  prospera  uiereiur  cet 

*)  Eb  ist  su  beachten,  daß  die  Zeit,  in  der  Octavian  als  absoluter 
Herrseber  an  der  Spitze  des  Römerreichs  stand,  von  der  Einnahme  Ale 
xandrias  am  1.  August  30  oder  vielmehr  schon  vom  Sommer  32  an  bis 
«uro  13.  Januar  27,  länger  ist  als  die  gesamte  Regierungszeit  Caesars; 


472 


Caesars  Monarchie 


dem  Gebiet  der  inneren  Politik  als  Überstürzung  erscheinenden 
Eile,  die  er  im  Felde  betätigt  hatte  und  der  er  seine  Siege  ver- 
dankt«. Aber  der  oft  erhobene  Vorwurf,  er  habe  nur  nach  den 
Bedürfnissen  des  Moments  gehandelt  und  keinen  organischen  Bau 
aufgeführt,  und  darum  auch  nichts  Bleibendes  geschaffen,  trifft 
ihn  in  keiner  Weise1);  vielmehr  stand  die  Gestaltung,  die  er  dem 
Staat  geben  wollte,  vollkommen  klar  vor  seinen  Augen,  und  er 
hat  sie  vollständig  konsequent  in  dem  Umfang  durchgeführt, 
in  dem  es  in  dem  kurzen  ihm  noch  beschied enen  Zeitraum  über- 
haupt irgend  möglich  war.  Der  Neubau  war  in  allem  Wesent- 
lichen fertig,  als  er  ermordet  wurde;  ihn  dauerhaft  zu  machen, 
so  daß  die  Menschen  ihn  als  gegeben  und  unabänderlich  hin- 
nahmen und  sich  in  ihn  einlebten,  fehlte  nur  die  Zeit,  und  die 
hat  ihm  der  Dolch  der  Republikaner  geraubt.  Jener  Vorwurf 
ist  denn  auch  im  Grunde  lediglich  ein  mißverständlicher  Aus- 
druck für  die  Tatsache,  daß  in  einer  absoluten  Monarchie  wohl 
ausführende  Gesetze  und  Verwaltungsmaßregeln  möglich  sind, 
tlaß  aber  eine  Verfassung  ihrem  Begriff  widerspricht  und  daher 
wohl  von  Sulla  und  Augustus,  aber  nicht  von  Caesar  gegeben 
werden  konnte. 

Die  Welteroberung 

Die  Monarchie  Caesars  ist  ihrer  Idee  nach  die  Wiederauf- 
nahme und  volle  Durchführung  der  Weltmonarchie  Alexanders: 
die  Welteroberung,  im  vollsten  Sinne  des  Worts,  ist  ihre  Voraus- 
setzung und  ihre  Rechtfertigung.  Sie  ist  zugleich  das  Ziel,  auf 
das  nicht  sowohl  die  Entwicklung  der  römischen  Macht,  als  viel- 
mehr die  gesamte  Kulturentwicklung  der  antiken  Welt  seit  Jahr- 
hunderten hingedrängt  hatte  und  die  doch  nie  zur  Wirklichkeit 
geworden  war.  Wie  die  Entwicklung  des  Orients  in  dem  großen 


nnd  dabei  waren  diese  Jahre  für  Octavian  nur  die  Vorbereitungszeit 
für  die  Inangriffnahme  seines  eigentlichen  Lebenswerks. 

')  S.  oben  8.  821  ff.  Nach  dieser  Seite  ist  Mommssns  Darstellung 
▼öllig  im  Rechte,  so  sehr  sie  sonst  in  der  Gesamtanffassung  in  die 
Irre  geht. 


Der  Gedanke  der  Welteroberung 


473 


Kulturstaat  der  Achämeniden,  dem  „Königtum  der  Länder", 
ihren  Abschluß  gefunden  hatte,  so  erschien  die  Erhebung  der 
griechischen  Kultur  zur  Weltkultur  und  der  Zusammenschluß 
der  ganzen  Oikumene  unter  ihrer  Herrschaft  zur  Einheit  eines 
universellen  Kulturstaats  als  der  naturgemäße  Abschluß  der 
griechischen  Entwicklung.  Rom  aber  und  Italien  war  mit  vollem 
Bewußtsein  in  diese  Kultur  eingetreten  und  wäre  ganz  in  sie 
aufgegangen,  wenn  Augustus  nicht  gerade  hier  entscheidend  ein- 
gegriffen und  dem  zwar  hellenisierten,  aber  doch  seiner  selb- 
ständigen Eigenart  sich  bewußten  Römertum  noch  einmal  Raum 
verschafft  hätte.  Inzwischen  aber  waren  weite  Gebiete,  die  im 
Jahre  168  tatsächlich  der  Suprematie  Roms  unterstellt  waren, 
durch  die  Schuld  des  republikanischen  Mißregiments  seiner  Ober- 
leitung entzogen  worden  und  damit  zugleich  der  hellenistisch- 
abendländischen  Kultur  verloren  gegangen;  die  orientalische  Re- 
aktion hatte  eingesetzt  und  alles  Land  östlich  vom  Euphrat  von 
der  Mittelmeerwelt  losgerissen,  ja  sie  hatte  mächtig  nach  Syrien, 
Palästina,  Aegypten,  sogar  weithin  in  Kleinasien  um  sich  ge- 
griffen. Die  erste  ernstliche  Gegenwirkung  hatte,  nach  dem 
Scheitern  des  Lucullus,  Pompejus  durchgeführt,  und  wenigstens 
das  westliche  Asien  geordnet  und  der  römischen  Herrschaft 
unterstellt.  In  derselben  Weise  hatte  Caesar  im  Westen  Gallien 
bis  an  den  Rhein  dem  Römertum  und  der  Kultur  gewonnen, 
während  andre  Unternehmungen,  wie  die  der  Statthalter  Make- 
doniens in  Thrakien,  nicht  zum  Ziele  geführt,  die  des  Crassus 
mit  einer  schimpflichen  Niederlage  geendet  hatte.  Auch  im 
Westen  freilich  war  die  römische  Herrschaft  überall  noch  nicht 
zum  Abschluß  gekommen,  in  Spanien,  in  den  Alpenländern  und 
Tllyrien  waren  noch  überall  weite  Gebiete  unbotmäßig,  Caesars 
Unternehmungen  gegen  Britannien  und  die  Germauen  waren 
resultatlos  ausgegangen;  aber  das  waren  Aufgaben,  deren  Lösung 
Caesar  unbedenklich  der  Zukunft  überlassen  konnte,  wo  sie  bei 
der  Organisation,  die  er  dem  Reich  und  dem  Heerwesen  geben 
wollte,  ohne  große  Anstrengung  durchgeführt  werden  konnten  — 
nur  die  weitere  Unterwerfung  Ulyriens,  das  Caesar  als  gesonderte 
Provinz  konstituierte,  hat  unter  seinem  Regiment  der  Statthalter 


474 


Caesar*  Monarchie 


Vatinius  (cos.  47)  seit  46  in  Angriff  genommen.  Weit  wichtiger 
war  zunächst  die  endliche  Ordnung  der  ganz  verfahrenen  Ver- 
hältnisse auf  dem  Rumpf  der  Balkanhalbinsel,  dem  Hinterland 
Makedoniens  bis  zur  Donau,  und  die  Zurückdrängung  der  Grete» 
und  Daker,  die  im  Norden  derselben  unter  König  Byrebistas  ein 
mächtiges,  nach  allen  Seiten  um  sich  greifendes  Reich  gebildet 
hatten;  sodann  aber  der  Rachekrieg  gegen  die  Parther  und  die 
Wiedergewinnung  der  Osthälfte  des  Reichs  Alexanders  mit  seinen 
zahllosen,  unter  den  Seleukiden  mächtig  aufblühenden,  jetzt  aber 
dem  Verfall  überantworteten  Griechen  Städten  für  die  Mittelmeer- 
welt und  die  abendländische  Kultur.  Diese  großen  Unterneh- 
mungen durchzuführen  war  in  der  Tat  eine  Aufgabe,  die  eine 
zielbewußte  Verwendung  der  Gesamtkräfte  des  Reichs  unter 
genialer  Leitung  erforderte  und  Caesars  würdig  war.  So  hat  er 
schon  gleich  nach  dem  Siege  bei  Munda  zu  erkennen  gegeben, 
daß  er  nach  dem  Abschluß  der  Neuordnung  des  Staats  in  den 
Partherkrieg  ziehen  wolle1).  Die  Volksstimmung  kam  dem 
durchaus  entgegen,  wie  sie  ja  später  das  gleiche  auch  von 
Octavian  erwartete:  jetzt  oder  nie  war  die  Gelegenheit,  die 
Schmach  von  Karrhae  zu  rächen.  So  wurde  zu  Anfang  des 
Jahres  44  der  Partherkrieg  einmütig  beschlossen  und  die  dafür 
erforderlichen  Mittel  bewilligt2). 

Die  Vorbereitungen  traf  Caesar  mit  der  gewohnten  Umsicht 
und  Sorgfalt*).   Von  dem  Kriegsschauplatz  verschaffte  er  sich 


')  Cic.  Att.  XIII  27.  31  ,  8,  vgl.  oben  S.  440  t.  Nach  der  Leichen- 
rede des  Antonius  bei  Dio  45,  46.  3  wollte  Caesar  schon  nach  dem  Sieg 
über  Poropejus  und  Pharnakes  gegen  die  Parther  wehn,  wenn  der  afri- 
kanische Krieg  nicht  dazwischen  gekommen  wäre;  ebenso  Appian  III 
77,  312,  nach  dem  Caesar  deshalb  die  Legion,  die  sich  unter  Caecilios 
Kas8ii8  empörte,  in  Syrien  gelassen  hatte. 

aj  Dio  48,  51  Kpfltftovtoc  84  a&toö  ta&t«  emd-opia  tt  säet  coi(  'Pi»- 
paloic  öpotu>c  iovjXfc  tipiopfjoai  t<j»  tt  Kpdoo<|>  xal  tote  o&v  aottp  f&apttat, 
nai  iXirl«;  tot«,  etiwp  itott,  to?><;  fldpfoo«;  xataatpi<}«io&«w.  tdv  tt  oov  «6Xa- 
pov  tä>  Kataav.  öpo&opa86v  jtjnrjftoavto  xai  rrjv  «apaox«  crr)v  a&too  «oXX-bv 
»jtoioövto. 

')  Vgl.  Sueton  58  wt  obeundis  expedüionibus  dubütm  caulior 
an  audentior. 


Vorbereitung  de«  Kriegs  gegen  Geten  und  Parther  475 

ein  klares  Bild,  die  Grundzüge  des  Feldzugsplans  wurden  genau 
festgelegt,  drei  Jahre  dafür  in  Aussicht  genommen1).  Zunächst 
sollten  die  Geten  und  Daker  besiegt  und  jedenfalls  über  die 
Donau  zurückgeworfen  werden,  dann  wollte  er  von  Kleinarmenien 
aus,  also  gedeckt  durch  das  Gebirge,  nicht  wie  Crassus  durch  die 
mesopotamische  Steppe,  wo  die  Legionen  dem  Angriff  der 
parthischen  berittenen  Schützen  ausgesetzt  waren,  in  das  Parther- 
reich einbrechen,  und  hier  eine  Feldschlacht  vermeiden,  bis  er 
selbst  und  seine  Truppen  ihre  Kampfweise  kennen  gelernt  hätten1). 
Den  Abschluß  mochte  dann  ein  Zug  durch  die  Kaukasuspasse, 
bis  zu  denen  Pompejus  vorgedrungen  war,  längs  des  Kaspischen 
Meeres,  das  damals  bekanntlich  für  eine  Bucht  des  nordischen 
Ozeans  galt,  in  die  Steppen  Osteuropas  bilden,  der  ihn  in  den 
Rücken  der  Germanen  geführt  und  auch  deren  Unterwerfung 
ermöglicht  hätte;  alsdann  „wäre  das  römische  Weltreich  rings 
vom  Ozean"  —  und  im  Süden  von  der  afrikanischen  Wüste  — 
„umschlossen"*). 


»)  Dio  48,  51,  2. 

*)  ßueton  44:  Caesar  plant«.  Dacos,  qui  se  in  Ponium  et  Tkra- 
ciam  effüderant,  coercere,  mox  Parthis  inferre  bellum  per  Arne- 
niam  minorem,  nee  nisi  ante  expertos  adgredi  proelio.  Vgl. 
Kromayer,  Hermes  31.  81,  der  zeigt,  daß  Antonius  bei  seinem 
Partherkrieg  Caesars  Plan  befolgt  hat.  Über  den  Getenkrieg  b.  Strabo. 
VII  3,  5  Bopipwta*;  -rjpxi  tiLv  rWv  (vgl.  Dittexbergkr,  Sylloge  342, 
8.   Aufl.    762),    «<p'  8v  teapsoxtudaato    Kalaap   ö  atpawönv, 

vgl.  S  11.  Appian  civ.  III  25,  93.  Krwßhnt  werden  die  geplanten 
Kriege  auch  Appian  civ.  II  110.  4 -»9.  lllyr.  13.  Sneton  Aug.  7. 
Vellejus  II  59. 

»)  Plut.  Caes.  58:  Nach  Besiegung  der  Parther  plante  Caesar  rcapa 
rvjv  Kaoftiav  ddXaooav  xai  tiv  Kauxaaov  txtHpitXd'Ovtt  töv  Ilövtov  «5  t-rjv 
Xxt>8i«7]v  ifißaXttv,  xal  td  mpi^topa  Tappiavot^  xat  Tcpfiavtav  a6r)jv  swi- 
cpuijLÖyri  3tä  KsXtüv  ixavtXdttv  tl$  MtaXfav ,  xat  juvd'{<ai  töv  xöxXov  roötov 
ttjc  4ji«u.ovüx^  T(j>  iravTa^öd-sv  'Uxtavdi  iceptopto&ttoir^.  Ahnlich  Nie.  Dam.  26 
itavooouivoo  »Xaovstv  npb$  fui  int  ta  üdpikay  dpysta  xal  'Jv&töv,  u><;  dv 
xaxtiv»v  üxfpwSujv  ftvo\iivu>y  tl$  ftiav  dpx*»lv  xs<paXatu>&si-<i  fJjC  *do?|<;  xal 
daXdtrfj^  xa  xpdrf).  Wie  weit  diese  Plane  sich  hätten  ausführen  lassen, 
ist  eine  andere  Frage,  wie  bei  Alexander;  aber  Caesars  Gedanken  gibt 
dieser  Bericht  gewiß  richtig  wieder. 


476 


Caesars  Monarchie 


Für  diese  Kriege  hatte  Caesar  ein  Heer  von  16  Legionen  mit 
10000  Reitern  bestimmt1),  also  rund  100  000  Mann.  Sechs  dieser 
Legionen,  nebst  den  zugehörigen  leichten  Truppen  und  dem 
Troß,  schickte  er  noch  im  Winter  über  das  Adriatische  Meer  nach 
Apollonia2);  die  Gelder  für  den  Partherkrieg  wurden  nach  Asien 
gesandt*).  Andre  Legionen,  so  die  legio  V.  Alaudae,  waren  auf 
dem  Marsch  in  Italien  begriffen  und  sollten  den  Feldherrn  selbst 
begleiten4).  Für  den  Getenkrieg  erschien  offenbar  schon  eine 
geringere  Truppenzahl  ausreichend5);  die  volle  Stärke  von 
16  Legionen  sollte  dann  durch  Heranziehung  der  6  Legionen 
aus  Syrien,  Cilicien  und  Bithynien  erreicht  werden,  die  zunächst 
zur  Niederwerfung  des  Aufstands  des  Caecilius  Bassus  in  Syrien 
bestimmt  waren,  der  sich  mit  seinen  Truppen  in  die  Stadt 
Apamea  geworfen  hatte6). 

Diese  Feldarmee  umfaßte  zugleich  die  Besatzungen  der 
asiatischen  Provinzen  und  Makedoniens.  Der  Gesamtbestand 
der  unter  Caesars  Oberbefehl  stehenden  Truppen  war  natürlich 
viel  großer,  da  nur  die  völlig  befriedeten  Provinzen  Sicilia, 
Achaia,  Asia,  Africa,  Cyrene,  Creta  keine  stehende  Besatzung 

')  Appian  II  110,  460.  Angaben  Ober  die  Starke  der  Legionen  fehlen 
leider  ganz. 

*)  Appian  III  24,  92;  vgl.  Dio  45.  9,  S.    Nie.  Dam.  Caes.  16. 
')  Nie.  Dam.  20. 

*)  Cic.  Phil.  I  20.  ad  Att.  XVI  S,  2  u.  a.  Eine  andere  Legion  lag 
am  15.  Marz  auf  der  Tiberinsel  unter  dem  Kommando  des  mag.  eq. 
Lepidus  (Appian  II  118,  496,  vgl.  Dio  44,  19,  2);  auch  diese  war  wohl 
für  Caesars  Armee,  nicht  etwa  für  Lepidus'  Provinzen  bestimmt. 

')  Daß  die  Truppenmacht  des  Dakerreichs  unter  Byrebistas  auf 
200000  Mann  geschlitzt  wird,  steht  dem  nicht  im  Wege,  sondern  ent- 
spricht durchaus  dem  von  Caesar  gegebenen  Zahlenverhältnis  in  den 
gallischen  Kriegen.  Als  dann,  um  die  Zeit  von  Caesars  Ermordung, 
Byrebistas  gestürzt  wurde  und  sein  Reich  zusammenbrach .  schrumpfte 
die  Zahl  des  Aufgebots  auf  40000  Mann  zusammen  (Strnbo  VII  3,  12.  13). 

•)  Appian  III  77  f.  =  IV  58.  Cassius  an  Cicero  fam.  XII  11.  Bassus 
hatte  zu  der  Legion,  die  sieh  mit  ihm  empört  hatte,  noch  eine  zweite 
ausgehoben. 


Caesar*  Armee 


477 


erforderten,  während  sie  in  den  übrigen  und  vor  allem  im  Weeteti 
überall  zur  Aufrechterhaltung  der  römischen  Herrschaft  unent- 
behrlich war.  Auch  hierin  ist  Caesar  weit  über  das  Maß  der 
Republik  hinausgegangen  und  hat  an  Stelle  des  Zufalls  und 
Schwankens,  die  damals  auch  in  diesen  Dingen  herrschten,  eine 
feste  Ordnung  gesetzt,  die  sich  aus  den  im  Bürgerkriege  zunächst 
zur  Sicherung  der  eroberten  Gebiete  ergriffenen  Maßregeln  er- 
gab. Diesem  Zweck  dienten  in  erster  Linie  die  äußerst  um- 
fangreichen Aushebungen,  welche  er  damals  ununterbrochen  vor- 
nahm1), während  er  den  Krieg  gegen  Pompejus  bekanntlich  fast 
ausschließlich  mit  den  erprobten  Veteranenlegionen  geführt  hat; 
im  afrikanischen  Krieg  mußte  er  dann  zur  Hälfte,  im  spanischen 
in  noch  größerem  Umfang  neugebildete  Truppen  verwenden  — 
eben  darum  wäre  er  bei  Munda  beinahe  den  Feinden  erlegen. 
Im  Jahre  44  standen  in  den  beiden  Spanien  4  Legionen,  in  Qallia 
Narbonensis  und  Comata  5,  in  der  Cisalpina  2,  von  denen  eine 
im  Jahre  45  neu  ausgehoben  war*),  in  Blyricum  4,  in  Africa  nova 
(Numidien)  3,  ferner  ursprünglich  3,  später  4  in  Aegypten  als 
Besatzung  zur  Sicherung  der  Herrschaft  der  Kleopatra»),  und 
wahrscheinlich  eine  in  Sardinien*).    Das  ergibt  zusammen  mit 


')  So  ließ  er  in  Spanien  vier  Legionen  zurück,  zwei  von  Varro  über- 
nommene pompejanische  and  zwei  kurz  vorher  in  Italien  neu  ausge- 
hobene (bell.  civ.  II  21,  4.  Alex.  53,  5).  Nach  Masailia  legte  er  zwei 
Legionen  (civ.  II  22,  6).  Dazu  kam  dann  der  Ersatz  für  die  aus  Gallien 
fortgezogenen  Veteranenlegionen,  usw. 

«)  Planen*  an  Cicero  X  24,  8. 

»)  Sueton  Caes.  76.  bell.  Alex.  38,  8.  Appian  III  78,  818  =  IV 
59,  256.    Gamms  an  Cicero  XII  11.  12. 

4)  Caesar  civ.  I  80,  2.  Mit  Recht  folgert  Domaszevvski  (s.  S.  478,  1) 
8.  177  aus  den  Worten  des  D.  Brutus  (3.  Juni  48)  ad  fam.  XI  26  de- 
liberant  (im  Senat),  uirum  traidant  legiones  ex  Africa  necne  ei  ex 
Sardinia,  daß  damals  auch  auf  Sardinien  mindestens  eine  Legion  stand. 
Dagegen  nimmt  er  mit  Unrecht  an,  daß  auch  in  Africa  vetus,  wo  im 
Jahre  44  Cornificius  Statthalter  war,  eine  Legion  gestanden  habe;  diese 
Provinz  hatte  offenbar  so  wenig  Besatzung  wie  Achaia  und  Asia,  son- 
dern ihren  Schutz  übernahmen  die  drei  Legionen  in  Numidien  (Appian 
III  85,  851).  In  Cicero«  Korrespondenz  mit  Cornificius  (fam.  XII  28.  2. 
80,  4.  6).  den  er  im  Jahre  48  auf  seiten  des  Senats  festhielt,  ist  denn 


478 


Caesars  Monarchie 


den  16  Legionen  der  Feldarmee  einen  Bestand  von  38  oder 
39  Legionen1),  also  einschließlich  der  Legionsreiterei  nahezu  eine 
Viertelnüllion.  Dazu  kommen  dann  die  leichten,  aus  den  Unter- 
tanen genommenen  Truppen,  der  Troß,  und  die  Mannschaft 
der  Flotte.  Um  aber  die  militärischen  Leistungen  dieser  Zeit 
voll  zu  würdigen,  sind,  außer  den  sechs  in  Afrika  und  Dlyrien 
im  Jahre  49  zugrunde  gegangenen  Legionen,  noch  die  neun 
Veteranenlegionen  aus  dem  gallischen  Kriege  hinzuzurechnen,  die 
nach  Beendigung  des  Bürgerkriegs  aufgelöst  und  mit  Landbesitz 
ausgestattet  wurden8),  und  die  Massen  der  sonst  entlassenen 
Veteranen.  Bei  Caesars  Tode  wimmelte  ganz  Italien  von  diesen 
Veteranen,  deren  Besorgnis  um  das  ihnen  zugewiesene  Land  ein 
Hauptferment  der  Gärung  der  folgenden  Monate  bildete;  aus 
ihnen  hat  dann  Octavian  im  Oktober  44  die  Truppen  ange- 
worben, mit  denen  er  die  Insurrektion  gegen  den  Consul 
Antonius  unternahm. 


auch  nie  von  unter  ihm  Btehenden  Legionen  die  Rede,  sondern  nur  von 
der  Beschaffung  von  Geldmitteln,  die  er  zur  Bildung  von  Truppen, 
ofl'enbar  aus  den  in  der  Provinz  ansässigen  Bürgern  (und  Nichtbürgern), 
verwendet  hatte  und  verwenden  wollte  (de  sumptu,  quem  te  in  rem 
mititarem  facere  et  fecisse  dicis,  nihil  sane  possum  tibi  opitulari 
80,  4.  Nach  einem  Senatsbeschluß  vom  Juni  48  sollte  ihm  T.  Seztius. 
der  von  Caesar  eingesetzte  Statthalter  von  Africa  nova,  eine  Legion 
übergeben,  App.  III  85,  851,  vgl.  Ganter,  Provinzial Verwaltung  der 
Triumvirn  S.  15  f.);  mit  diesen  Truppen  hat  er  sich  dann  gegen  T.  Sextius 
zur  Wehr  gesetzt  (Appian  IV  58  ff.    Dio  48,  21  f.,  vgl.  c.  17,  6  u.  a.>. 

')  Die  Entwicklung  der  Armee  Caesars  und  ihren  Bestand  bei  seinem 
Tode  haben  Möhnsen,  Das  Militärsystem  Caesars,  Hist.  Z.  38,  1877  —  Ges. 
Sehr.  IV  156  ff.  und,  im  einzelnen  mehrfach  zutreffender,  v.  Domaszewsm. 
Die  Heere  der  Bürgerkriege  in  den  Jahren  49  bis  42,  Neue  Heidelberger 
Jahrb.  IV  1894,  157  ff.  zu  ermitteln  gesucht;  vgl.  auch  Grokbe  bei 
Drumajin  III  *  702  ff.  Für  die  Zeit  von  Caesars  Tode  kommt  Mommsen 
auf  82,  Don A8ZBW8KI  auf  37  Legionen ;  volle  Sicherheit  ist  nicht  zu  erreichen. 

*)  Domaszewsei  S.  165  f.  175  f. ,  sowie  Tierbilder  der  Signa,  Arch. 
epigr.  Mitt.  XV  184  ff.  —  Die  von  Pompejus  aus  Italien  gezogenen  und 
weiter  in  den  Provinzen  gebildeten  Legionen  kommen  dagegen  hier  im 
wesentlichen  nur  dnreh  ihre  allerdings  recht  beträchtlichen  Verluste  in 
Betracht,  da  Caesar  die  besiegten  Mannschaften  größtenteils  in  sein 
Heer  eingestellt  hat. 


Caesars  Armee.    Einstellung  von  Nichtbürgern 


479 


Die  militärischen  Anforderungen,  welche  durch  diese  Truppen - 
zahl  dauernd  gestellt  waren,  gingen  weit  über  das  Maß  dessen 
hinaus,  was  die  Bevölkerung  Italiens  aufbringen  konnte.  Der 
Census  von  69  hatte  910  000  erwachsene  Bürger  ergeben.  Seit- 
dem waren  allerdings  die  Transpadaner  hinzugekommen;  aber 
diese  waren  bereits  von  Caesar  für  die  gallischen  Kriege  und 
dann  für  die  Aushebungen  der  Jahre  50  und  49  aufs  stärkste  in 
Anspruch  genommen1),  und  ihnen  steht  gegenüber,  daß  die  Be- 
völkerungsvermehrung im  übrigen  Italien  langst  zum  Stillstand 
gekommen  und  rückläufig  geworden  war,  soweit  die  Bürgerrechts- 
verleihungen und  die  massenhaften  Freilassungen  nicht  die 
Lücken  ausfüllten*),  und  daß  die  Massen  des  hauptstädtischen 
Proletariats  militärisch  nicht  verwendbar  waren.  Auf  mehr  als 
rund  eine  Million  erwachsener  Männer,  vom  vollendeten  sieb- 
zehnten Jahr  an,  werden  wir  daher  die  bürgerliche  Bevölkerung 
Italiens  in  der  Zeit  Caesars  keinesfalls  ansetzen  dürfen.  In  der 
Notlage  eines  Kampfes  um  die  Existenz,  wie  in  der  Zeit  Hannibals 
oder  wie  gegenwärtig  in  Deutschland,  mag  ein  Volk  wohl  ein 
Viertel  der  erwachsenen  Männer,  ja  noch  mehr,  zwei  Fünftel 
bis  zur  Hälfte,  jahrelang  ins  Feld  stellen»);  aber  auf  die  Dauer, 
als  stehender  Einrichtung,  kann  kein  Volk  einer  derartigen  An- 
forderung genügen,  wenn  es  nicht  physisch  und  wirtschaftlich 
zugrunde  gehn  soll4). 

Somit  ergibt  sich,  daß  Caesar  für  seine  Armee  die  untertänige, 
nicht  römische  Bevölkerung  nicht  nur  in  beschränktem  Umfang 
für  die  leichten  Truppen  (Schleuderer  und  Schützen)  und  vor 


')  Vgl.  Domasxbwsej  S.  161  ff. 

*)  Gans  gleichartig  Kind  gegenwärtig  die  Zustande  in  dem  Haupt- 
teil  der  nordamerikanischen  Union ,  vor  allem  in  Neuengland  und  dem 
übrigen  Osten,  in  charakteristischem  Gegensatz  zu  den  französischen 
Kanadiern,  die  sich  stark  vermehren ;  aber  in  der  Union  bewirkt  nur  die 
Ginwanderung  und  daneben  die  Vermehrung  der  Neger  ein  ständiges 
Anwachsen  der  Bevölkerung. 

*)  Vgl.  Ober  die  militärischen  Leistungen  Roms  im  hannibalischen 
Kriege  meinen  Aufsatz  Ber.  BerL  Ak.  1915,  948  ff. 

4)  Vgl.  Sueton  Caes.  79,  bei  dem  Plan,  die  Residenz  nach  Alexandria 
oder  llion  zu  verlegen:  exhausta  Italia  düectibus. 


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480 


Caesars  Monarchie 


allem  für  die  Reiterei1)  verwendet,  sondern  gegen  den  funda- 
mentalen Grundsatz  der  Republik,  daß  in  den  Legionen  nur 
römische  Bürger  dienen  können,  in  großer  Zahl  in  seine  Legionen 
eingestellt  haben  muß.  Das  hat  er  denn  auch  bereits  für  die 
gallischen  Kriege  getan.  Schon  daß  er,  gegen  das  Staatsrecht, 
die  Transpadaner  als  Bürger  behandelte  und  aushob,  gehört  hier- 
her. Im  Jahre  52  erschienen  dann  zur  Deckung  der  Narbonensis 
22  Cohorten,  die  er  in  der  Provinz  selbst  hat  ausheben  lassen2); 
aus  ihnen  ist  vermutlich  die  ganz  aus  Galliern  bestehende  legio  V. 
Alaudae  hervorgegangen,  deren  Soldaten  er  dann  als  Herrscher 
das  Bürgerrecht  verlieh').  Mitte  Februar  49  trafen  außer 
der  achten  Legion  und  dreihundert  vom  König  von  Noricum  ge- 
stellten Reitern  auch  „22  Cohorten  aus  den  neuen  Aushebungen 
in  Gallien"  bei  ihm  ein4),  gewiß  nicht  nur  aus  der  Transpadana, 
sondern  auch  aus  dem  jenseitigen  Gallien5).  Auch  Pompejus 
mußte  bei  der  Verstärkung  seines  Heers  nicht  nur  die  Bürger 
aus  den  östlichen  Provinzen,  sondern  auch  die  Untertanen  in 
Massen  heranziehu6);  und  ebenso  bestand  von  den  beiden 
Legionen  des  Varro  in  Hispania  ulterior,  die  dann  Caesar  über- 


')  Caesars  Reiterei  bestand  bekanntlich  durchweg  aas  Amilian. 
Galliern,  Germanen  and  Spaniern. 
*)  bell.  Gall.  VII  65,  1. 

*)  Sueton  24,  vgl.  Domabzbwski  S.  162.  Groebc  bei  Drumann  III  *  703. 
Der  Tribun  L  Antonius  verlangt«  dann  in  dem  Richtergeset«,  das  er  im 
Sommer  44  einbrachte,  unter  Zustimmung  seines  Bruders  Marcos,  da8 
su  der  Ton  ihm  aus  den  Centurionen  neu  gebildeten  dritten  Richter- 
decurie (oben  S.  418,  1)  auch  diese  Legion  herangezogen  werde:  addn 
eüam,  laßt  Cicero  ihn  sagen,  iudices  manipularis  ex  lec/ione  Alau- 
darum:  aliter  enim  nostri  negant,  posse  se  salvoe  esse  (Cic  Phil, 
f  20,  vgl.  V  12.  XIII  3.  87). 

*)  Caesar  civ.  I  18,  5;  mit  den  22  Cohorten  des  Jahres  52  sind  sie 
schwerlich  identisch. 

*)  Allerdings  sagt  Labienus  civ.  III  87,  4  von  Caesars  Truppen 
im  Jahre  48:  hae  copiae  ex  delectibus  horum  otmorum  in 
citeriore  Oallia  sunt  refectae,  et  plerique  sunt  ex  coloniis  Trans- 
padanis. 

•)  vgl.  Caesar  civ.  III  4.  81. 


Das  Heer  Caesars  und  das  des  Principats 


4SI 


nahm,  die  eine  aus  Nichtbürgern1).  Nach  der  Kapitulation  von 
Herda  hat  Caesar  in  Spanien  große  Aushebungen  vorgenommen, 
teils  für  die  Auffüllung  semer  Legionen,  teils  für  „etwa  dreißig 
cohortes  alariae**),  d.i.  Truppen  von  Nichtbürgern  {auxilia). 
Zur  Abwehr  des  Pharnakes  bildete  sein  Legat  Domitius  Calvinus 
eine  legio  Fontica  ex  tumtdtuariis  müüibus?).  Wenn  wir  genauere 
Kunde  besäßen  und  diese  Dinge  nicht  möglichst  verschleiert 
würden,  würde  die  Tatsache  noch  deutlicher  hervortreten,  daß 
ein  beträch tüch  er  Teil  der  Armee  Caesars  aus  Untertanen  be- 
standen hat,  die  beim  Eintritt  in  die  Legionen  zu  Bürgern  ge- 
macht wurden.  In  noch  weit  größerem  Umfang  haben  dann 
nach  Caesars  Ermordung  sowohl  die  Triumvirn  und  ihre  Generäle 
wie  die  Republikaner  im  Osten  und  dann  Sextus  Pompe  jus  ihre 
Massenheere  in  dieser  Weise  gebildet;  und  Antonius  sah  sich, 
da  ihm  Octavian  den  Nachschub  italischer  Rekruten  sperrte4), 
immer  mehr  auf  Aushebungen  in  den  orientalischen  Provinzen 
angewiesen,  aus  denen  seine  Legionen  denn  auch  größtenteils 
entnommen  waren5). 

Und  nun  zeigt  sich  auch,  daß  der  Unterschied  zwischen  der 
Armee  des  Principats  und  der  Caesars  lange  nicht  so  groß  ge- 
wesen ist,  wie  wir  bisher  geglaubt  haben.  Augustus  hat  nach 
der  Beendigung  der  Bürgerkriege  den  Bestand  des  Heeres  be- 
kanntlich auf  22,  ja  vielleicht  auf  18  Legionen  reduziert  und 
dann  beim  pannonischen  Aufstand  im  Jahre  6  n.  Chr.  auf  26  er- 
höht; damit  war  das  Maximum  dessen  erreicht,  was  das  Reich 
bei  der  bestehenden  militärischen  und  finanziellen  Organisation 

')  legio  vernacula  civ.  II  20,  4.  bell.  Alex.  53,  5;  die  andere  stand 
schon  so  lange  dort,  daß  sie  ganz  mit  Spanien  verwachsen  war. 

*)  civ.  II  18 ,  1 ,  vgl.  20,  4.  duae  vemaculae  legiones  gehn  später 
zn  Cn.  Pom  pejus  dem  Sohn  Qber;  eine  andere  bildet  dieser  ex  coloniis, 
weitere  aus  flüchtigen  Sklaven,  bell.  Hisp.  7,  5,  vgl.  13,  1  f. 

•)  bell.  Alex.  34,  5. 

4)  S.  Kromayer,  Hermes  33,  1898,  20  ff. 

*)  Vgl.  Seecjc,  Die  Zusammensetzung  der  Kaiserlegionen,  Rhein.  Mus. 
48,  1893  8.  608  f.  Qber  die  aegyptischen  Legionen  des  Antonius  auf 
Grund  der  Inschrift  aus  Koptos  Ephem.  epigr.  V  5  =  Dessau  2483, 
gegen  Mommsen,  Hermes  19,  4  ff.  =  Ges.  Sehr.  VI  23. 

Meyer,  Caesars  Monarchie  31 


482 


Caesars  Monarchie 


aufbringen  konnte,  und  als  in  der  Varusschlacht  drei  Legionen 
vernichtet  wurden,  konnten  mit  großer  Anstrengung  und  durch 
Zwangskonskription  auch  unter  dem  hauptstädtischen  Proletariat 
nur  zwei  von  ihnen  durch  Neubildungen  ersetzt  werden.  Diese 
25  Legionen  ergeben  eine  Zahl  von  rund  125 000  bis  150000  Mann 
bürgerlicher  Truppen.  Datu  kommen  aber,  abgesehn  von  den 
Praetorianern  und  den  cohortes  urbanae,  die  aus  den  Untertanen 
ausgehobenen  Auxilien,  deren  Mannschaftsbestand  insgesamt  der 
der  Legionen  nahezu  gleichkam1).  Somit  erhalten  wir  auch  für 
die  gesamte  Militärmacht  des  Principats,  wie  für  die  Caesars, 
einen  Bestand  von  rund  250  000  bis  300  000  Mann.  Das  bestätigt 
zugleich  das  oben  gewonnene  Ergebnis.  Der  Unterschied  besteht 
nicht  in  der  Stärke  der  Truppenmacht,  sondern  in  dem  funda- 
mentalen Gegensatz  der  Verfassung  des  Principats  und  der 
caesarischen  Monarchie;  während  die  letztere  Bürger  und  Nicht- 
bürger  möglichst  annäherte  und  gleichmäßig  behandelte,  hat 
Augustus  den  Unterschied  zwischen  beiden  streng  festgehalten 
und  so  die  Herrsch erstellung  der  römisch-italischen  Nation  ge- 
wahrt oder  vielmehr  wiederherzustellen  versucht.  Das  bedingte 
allerdings,  daß  er  die  militärischen  Kräfte  der  Untertanen  nur  in 
beschränktem  Umfange  und  nur  zu  den  Truppen  zweiten  Ranges, 
den  Auxilien,  heranziehen  konnte.  Caesar  dagegen  würde  zweifel- 
los die  Niederlage  des  Varus  in  derselben  Weise,  wie  die  Ver- 
nichtung von  anderthalb  Legionen  durch  Ambiorix,  mit  einer 
umfassenden  Neubildung  von  Legionen  beantwortet  und  jetzt 
die  Unterwerfung  Germaniens  erst  recht  durchgeführt  haben. 

Die  Entwicklung  des  Principats  hat  dann  allerdings,  wie 
überall,  so  auch  auf  diesem  Gebiet  allmählich  und  von  den 
Mitlebenden  kaum  bemerkt  zu  demselben  Ergebnis  geführt,  das 
Caesar  vorwegnehmen  wollte.  Im  zweiten  Jahrhundert  ist  der 
rechtliche  Unterschied  zwischen  Legionen  und  Auxilien  tat- 
sächlich illusorisch  geworden :  auch  die  Legionen  werden  aus  den 
Untertanen  genommen  und  bei  Eintritt  in  den  Dienst  durch 
einen  fiktiven  Akt  zu  römischen  Bürgern  gestempelt,  wie  die 


')  Tac.  Ann.  IV  5. 


Bürgerrechteverleihungen.  Gades 


483 


Aiudlien  beim  Austritt  aus  dem  Dienst.  Dieser  Gedanke,  Italien 
(nnd  die  Kulturländer  überhaupt)  vollständig  vom  Kriegsdienst 
zu  entlasten  und  damit  zu  entwailnen.  lag  Caesar  natürlich  "anz 
fern  und  wäre  damals  überhaupt  noch  unfaßbar  gewesen.  Denn 
damals  war  die  Bevölkerung  Italiens  noch  die  militärisch  brauch- 
barste und  angesehenste  der  gesamten  Welt,  wie  im  vierten 
Jahrhundert  und  weit  bis  ins  dritte  hinein  die  Bevölkerung 
Griechenlands1);  auf  italische  Rekruten  als  Stamm  der  Armee 
konnte  daher  niemand  verzichten,  der  ein  Heer  bilden  und  Krieg 
führen  wollte. 

Das  Reich.    Kolonien,  Latiner  und  Bürger 

Die  Tendenz,  Bürger  und  Nichtbürger  auf  gleiche  Linie  zu 
stellen  und  das  Reich  zu  nivellieren,  beherrscht  die  gesamte 
Staatsgestaltung  Caesars.  Vor  dem  absoluten  Herrscher  ver- 
schwinden die  rechtlichen  Unterschiede  der  Beherrschten  in  der 
homogenen  Untertänigkeit,  und  er  sucht  sie  alle  in  gleicher 
Weise  seinen  Zwecken  und  denen  des  einheitlichen  Reichs  dienst- 
bar zu  macheu.  Daher  hat  Caesar,  auch  hierin  in  scharfem  Gegen- 
satz gegen  Augustus,  das  Bürgerrecht  freigebig  verliehen,  sowohl 
an  einzelne*)  wie  an  ganze  Kategorien  und  zahlreiche  Gemeinden. 
So  hat  er  alle  Ärzte  und  die  Vertreter  der  übrigen  wissen- 
schaftlichen Berufe  —  es  ist  vor  allem  an  die  Lehrer  der  Gram- 
matik und  Rhetorik  und  der  technischen  Disziplinen  zu  denken  — , 
die  in  Rom  ansässig  waren  oder  dorthin  übersiedeln  wollten,  mit 
dem  Bürgerrecht  beschenkt*).  In  Spanien  hat  Gades,  die  Heimat 
seines  Kabinettsministers  Baibus  und  der  Sitz  einer  sehr  betrieb - 

')  Im  dritten  Jahrhundert  treten  ihr  dann  die  Kelten  als  viel- 
begehrte Konkarrenten  zur  Seite  —  ähnlich  wie  bei  Caesar  die  Gallier 
nnd  Germanen  — ;  im  Westen  waren  keltische  Söldner  schon  von  Dionys 
neben  den  Griechen  nnd  den  kraftigen  oskischen  Trappen  verwendet  worden. 

')  So  z.  B.  Saxa  nescio  quis,  quem  nobis  Caesar  ex  ultima  Celti- 
beria  tribunum  plebis  dedit,  Cic.  Phil.  XI  12  ~  XIII  27;  Petraeum 
et  Menedemum,  civitate  donatos  et  hospites  Caesaris  Phil.  XIII  88. 

*)  8aeton  42.  Dem  Peripatetiker  Kratippoa,  der  in  Athen  blieb, 
verschaftte  Cicero  von  Caesar  daB  Bürgerrecht,  Plnt.  Cic.  24. 


484 


Caesars  Monarchie 


samen  und  wohlhabenden  Kaufmannschaft,  schon  im  Jahre  49 
von  ihm  das  Bürgerrecht  erhalten,  was  er  später  durch  die  Co- 
mitien  bestätigen  ließ1).  Dem  folgten  zahlreiche  Verleihungen 
nach  der  Schlacht  bei  Munda  im  Jahre  45:  „während  er  in  den 
Städten,  die  zum  Feinde  gehalten  hatten,  Geld  eintrieb  und 
den  einen  ihr  Gebiet  beschnitt,  den  andern  den  Tribut  erhöhte, 
gab  er  den  zu  ihm  Neigenden  Landbesitz  und  Steuerfreiheit,  und 
einigen  das  Bürgerrecht,  andern  die  Stellung  einer  römischen 
Kolonie,  jedoch  nie  umsonst"2)  —  er  hat  es  eben  immer  vor- 
trefflich verstanden,  ohne  zu  große  Gewaltsamkeit  Geld  zu 
machen.  Zu  der  ersten  Kategorie  gehört  Hispalis  (Sevilla), 
dessen  Bewohner  die  von  ihnen  selbst  nach  der  Schlacht  bei  Munda 
erbetene  Besatzung  überfielen  und  niedermachten;  dafür  wurden 
sie  selbst  bei  einem  Ausfall  überfallen  und  in  Masse  zusammen- 
gehauen8). Als  Strafe  nahm  Caesar  der  Stadt  das  Gebiet  am 
rechten  Ufer  des  Baetis  und  besiedelte  es  unter  dem  Namen 
Osset  quod  oognominatur  Julia  ConsUintia;  auch  das  verödete 
Hispalis  selbst  wird  eine  Verstärkung  der  Bevölkerung  erhalten 
haben  und  wurde  jetzt  Kolonie  mit  dem  Beinamen  Romulensis 
oder  Romula4).  Auch  Corduba,  Gründung  des  Consuls  Marcellus 


')  Liv.  ep.  110  Gaditanis  civitaiem  dedit.  Dio  41,  24.  Im  bellum 
civile  II  2,  1  erwähnt  er  das  nicht,  sondern  nur  die  Belohnungen,  welche 
er  auf  dem  Landtag  in  Corduba  erteilt  habe,  sowie  die  Rückgangig- 
machung  der  Gelderhebungen  und  Strafen  Varros  und  die  Rückgabe 
des  Tempelvermögens  an  den  Hercules  von  Gades.  Über  die  Erweite- 
rung der  Stadt  durch  den  jüngeren  Baibus  (Strabo  III  5,  3)  s.  Kahr- 
steot,  Archftol.  Anzeiger  1912,  217  ff. 

*)  Dio  43,  89,  5. 

»)  bell.  Hisp.  35  f.   Dio  43,  89. 

*)  8trabo  III  2,  1  nennt  Hispalis  nächst  Gades  und  Corduba  die  be- 
deutendste Stadt,  xal  a&rr]  äiwixo?  'Ptofiau»v  vovl  &  tA  uiv  ejutoptov  ooji- 
|iiv«t,  rjj  tt}vg  H  xal  t(f>  iicoixfjoaii  vtcuatl  toi>c  Kaüapoc  otpamu»tac  4j  Baitt^ 
[wohl  verschrieben,  vielleicht  für  Osset]  6rcip*x«t,  xatstp  oo  oovotxooptvYi 
Xa(iicpwc.  Dadurch  erklärt  sich  Plin.  III  11  a  laeva  (des  Baetis)  Hispal 
coUmia  cognomine  Romulensis,  ex  adverso  oppidum  Osset,  quod 
cognominatur  Iulia  ConstanHa.  Ferner  Isidoras,  etymoL  XV  1,  71 
Hispal  im  Caesar  Iulius  condidit,  quam  ex  suo  et  Romas  urbis 
vocabulo  Iuliam  Romulam  nuncupavit.    Osset  kommt  sonst  nicht 


Kolonien  in  Spanien 


485 


152  und  die  älteste  römische  Kolonie  im  Baetisgebiet1),  hatte 
an  den  Pompejanern  noch  nach  der  Niederlage  festgehalten,  und 
als  die  eine  Partei  sich  ergeben  wollte,  steckte  die  andre  die 
Stadt  in  Brand;  da  drangen  Caesars  Soldaten  ein  und  richteten 
ein  gewaltiges  Blutbad  an  —  das  bellum  Hispaniense  nennt 
22  000  Erschlagene,  ungerechnet  die  außerhalb  der  Stadt  Um- 
gekommenen*). Der  Rest  mußte  sich  durch  große  Geldzahlungen 
freikaufen3);  die  Stadt  heißt  später,  ob  seit  Caesar,  ist  nicht 
sicher,  colonia  Patricia4).  Zu  den  Städten,  welche  am  eifrigsten 
auf  Seiten  der  Söhne  des  Pompejus  abgehalten  hatten,  gehörte 
Urso6);  daher  hat  Caesar  auch  dieser  Stadt  einen  Teil  ihres  Ge- 
biets genommen  und  für  Kolonisten  bestimmt,  die  nach  dem 
Namen  der  neuen  Ansiedlung  Colonia  Genetiva  Julia  Urbanorum*) 
aus  der  stadtrömischen  Bevölkerung  entnommen  waren.  Die 
Gründung  war  noch  nicht  perfekt,  als  Caesar  ermordet  wurde; 
das  Statut,  das  er  für  sie  hatte  ausarbeiten  lassen,  ist  dann  von 
Antonius  aus  seinem  Nachlaß  mit  mancherlei  Änderungen  und 
Flüchtigkeiten  publiziert  worden7)  und  uns  großenteils  inschrift- 
lich erhalten. 

Zu  den  Städten,  die  Caesar  treu  geblieben  waren,  gehörte 
Ulia8);  wenn  es  daher  fortan  den  Namen  Fidentia»)  trägt,  offenbar 


vor;   Hispalis  heißt  inschriftlich  sowohl  Eotnula  wie  civitas  Ro- 
mulensium.  —  Ähnlich  mag  es  sich  erklären,  wenn  neben  Astigi  vetus, 
einer  freien  Stadt,  die  Kolonie  Astigi  erscheint  (Plin.  III  12). 
')  Strabo  III  2,  1. 

»)  bell,  flisp.  84.    Dio  43,  89.    App.  II  105. 

')  Dio  48,  39,  2  tobe  Ii  Xouco&c  i^p^upbato ;  ebenso  Hispalis. 

*)  Plin.  III  10  nnd  in  Inschriften  sowie  auf  Münzen. 

*)  bell.  Hisp.  22.  26.  28.  41. 

•)  Plin.  III  12  Urso  quae  Genua  [verschrieben  für  Genetiva]  t7r- 
bonorum;  in  dem  Gesetz  immer  nur  Col.  G en.  lul.  Neben  den  cokmistehn  im 
Gesetz  die  incolae,  d.  i.  die  Altbürger  von  Urso,  sowiedie  hospüesatventores- 
que,  die  dauernd  oder  vorübergehend  dort  anwesenden  Fremden  (cap.  126). 

7)  Das  hat  Fabricius,  Zum  Stadtrecht  von  Urso,  Hermes  35, 1900  S.  205  ff. 
scharfsinnig  erwiesen  und  damit  eine  vielfach  behandelte  Kontroverse  erledigt. 

8)  bell.  Alex.  61.    Hisp.  8  f.   Dio  48,  31,  4. 

•j  Plin.  III  10  Iulia  (Schreibfehler  für  Ulia)  quae  Fidentia,  vgl. 
Dessau  9081. 


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486 


Caesars  Monarchie 


als  Kolonie,  wird  das  als  eine  Belohnung  zu  deuten  sein.  Das 
gleiche  gilt  von  Ucubi,  das  Gnaeus  Pompejus  hatte  niederbrennen 
lassen1),  und  das  jetzt  den  Namen  Ciaritas  Julia  erhielt*).  Bei 
andern  Städten,  wie  Asido,  quae  Caesarino  und  den  Kolonien 
Hasta,  quae  Regia,  sowie  lptuci,  quae  Virtus  Julia,  vielleicht 
auch  üliturgi,  quod  Forum  Julium  dxcüwr2).  ist  nicht  zu  ent- 
scheiden, welcher  der  beiden  Kategorien  sie  angehören,  zum  Teil 
auch,  ob  ihr  in  dem  Beinamen  zum  Ausdruck  kommendes  Bürger- 
recht auf  Caesar  zurückgeht  und  ob  in  ihr  Kolonisten  angesiedelt 
sind4);  aber  zweifellos  stammen  von  ihm  weit  mehr  derartige 
Verleihungen  und  Ansiedlungen,  als  wir  nachweisen  können5). 
In  Lusitanieu  stammt  von  ihm  die  colonia  Norbensis  Caesarina 
cogiunnine,  vielleicht  auch  die  Kolonie  ScaUabis,  quae  Praesidium 
Julium  vocatur,  sowie  das  Bürgerrecht  von  Olisipo  (Lissabon), 
municipium  civium  Romanorum  OUsvpo  Felicitas  Julia  coguo- 
minatum'  ),  und  das  latinische  Recht  vonEbora,  quod  idem  Ltbera- 
lüas  Julia7).  In  Hispania  citerior  geht  auf  Caesar  wohl  sicher 
die  Erhebung  von  Tarraco  zur  Kolonie  zurück8);  ferner  das 
latinische  Recht  von  Castulo,  qui  Caesari{ni)  juvenaUs  appel- 
lantur9).   Auch  nach  Emporiae  hat  er  im  Jahre  45  eine  Bürger- 


')  bell.  Hisp.  27. 

*)  Plin.  III  12;  ebenso  inschriftlich. 

■)  Plin.  III  10 — 12.  Die  meisten  dieser  Namen  sind  auch  inschrift- 
lich vertreten. 

')  Für  weiteres  Ober  die  hier  erwähnten  Städte  Spaniens  und  der 
Narbonen&is  ist  vor  allem  auf  die  Vorbemerkungen  so  den  eintelnen 
Städten  im  CIL.  zu  verweisen;  von  Älteren  namentlich  A.  W.  Zumpt,  Com- 
ment.  epigr.  I  1850.  p-  810  ff. 

*)  So  z.  B.  Urgia  cognominata  Castrum  Iulium  item  Caesaru 
Salutariensis  Plin.  III  15.  und  andere  dort  genannte  Orte. 

«)  Plin.  IV  117,  ebenso  inschriftlich. 

7!  Plin.  IV 1 18,  inschriftlich  spater  municipium  Eborum,  Dksbau6900. 

*)  Inschriftlich  nnd  auf  Münzen  Colonia  Iulia  Victrix  Triumpfialts 
Tarraco;  vgl.  bell.  civ.  II  21,  5,  wonach  Caesar  im  Sommer  49  hier 
die  Gesandten  der  Provinz  empfangt  und  abreist  privatim  ac  pubhce 
quibusdam  civitatibus  habitis  honoribus. 

•)  Plin.  III  25:  inschriftlich  später  municipes  Gwttulonenses  CIL. 
II  3270,  Dkssau  5518. 


Kolonien  in  Spanien  und  der  Narbonensis 


487 


kolonie  geführt,  die  zu  der  alten  Doppelstadt  der  Griechen  und 
Indiketen  hinzukam  und  alsbald  mit  ihr  verschmolz1). 

In  der  Narbonensis  hat  Caesar  nach  Beendigung  des  Bürger- 
kriegs bei  der  Rückkehr  aus  Spanien  im  Jahre  45  einen  Teil  seiner 
Veteranen  mit  Land  ausgestattet  und  die  Kolonien  nach  den  Le- 
gionen, denen  sie  angehörten,  benannt.  Zur  Verfugung  stand  daiür 
das /umfangreiche  Gebiet  im  Bereich  der  Rhonemündungen  und 
an  den  Seealpen,  das  er  im  Jahre  49  den  Massalioten  abgenommen 
hatte1).  Hier  wurde  in  Arelate  die  sechste  Legion  angesiedelt, 
außerdem  wurde  die  alte,  schon  im  Jahre  118  gegründete  Bürger- 
kolonie Narbo  Marthis  durch  die  Mannschaften  der  zehnten 
Legion  verstärkt8).   Beide  Legionen  waren  durch  die  Kriege 

')  Li*.  84,  9,  3.  Über  die  Topographie  s.  Fhickehhaus,  Bonner  Jahrb. 
118,  17  ff. 

*)  Nach  Caesar  civ.  I  35,  4  sagen  die  Massalioten.  daß  Pom  pejus 
ihnen  agros  Volcarum  Arecomiconim  et  Helviorum  publice  conces- 
serit,  Caesar  beUo  vicios  SaUgas  adtribuerü  vectigaliaque  auxerit; 
vgl.  Plin.  III,  88  Agatha  quondam  Massüiensium  et  regio  Volcarum 
Tecto8agum  /!/  atque  ubi  Wwda  Rhodiorum  fuit.  Caesar  nimmt 
ihnen  teils  im  Jahre  49  teils  üattpov  ihr  ganzes  Gebiet  ab  (Dio  41,  25,  3. 
C-ros.  VI  15.  7.  Flor.  II  13,  25  omnia  ablaia).  Im  Marz  48  macht  An 
tonius  der  Senatspartei  unter  anderem  zum  Vorwurf.  MassiUensibus 
iure  belli  adempta  reddüuros  vos  pollicemini  (Cic.  Phil.  18,  321, 
ebenso  daß  sie  veteranorum  colonUis  deductas  lege  et  senatusconsulio 
susttUistia,  wozu  MoiiMSKit  Cic  de  off.  II  27  f.  funten  8.  500,  1)  vergleicht. 

*)  Diese  Vorgänge  hat  Kromater  .  Die  Militärkolonien  Octavians 
und  Caesars  in  Gallia  Narbonensis,  Hermes  81,  1896,  1  ff.  aufgeklärt 
und  die  auf  Mommskns  Annahmen  fußende  Darstellung  von  Herzog, 
Galliae  Narbon.  prov.  hiatoria,  1864.  p.  79  ff.  (danach  Hirschfel»  im 
CIL.  XU)  berichtigt.  Die  beiden  Kolonien  erscheinen  bei  Plinius  III  32 
ab  Narbo  Martins  Decumanorum  colonia  und  86  colonia  .  . .  ilre- 
late  Sextanorum;  ebenso  Mela  II  5.  Die  Ansicht  Mommsews,  Böm. 
Gesch.  III  1  553,  daß  diese  Kolonien  nur  zu  Ehren  der  betreffenden 
Legionen  benannt,  nicht  von  ihnen  besiedelt  seien  (ebenso  Herzog),  ent- 
behrt jeder  Begründung.  Daß  die  zehnte  Legion  bei  Munda  mitkämpfte 
(bell.  Hisp.  31,  4),  beweist  gleichfalls  nichts  dagegen,  da  sie  nach 
dem  spanischen  Feldzug  zweifellos  aufgelost  ist;  überdies  hatte  sie 
damals  nur  noch  einen  sehr  schwachen  Bestand  (etsi  erant  pattcij. 
Der  Ansiedlung  in  Narbo  entspricht  es,  dali  nachher  im  Jahre  43  die 
Veteranen  der  zehnten  Legion,  als  diese  wieder  aufgeboten  wird,  in  der 


Caesars  Monarchie 


fast  ganz  aufgerieben;  gegen  die  zehnte  Legion  hegte  Caesar 
überdies  seit  dem  Militär  aufstand  im  Jahre  47  (oben  S.  376) 
einen  unversöhnlichen  Groll1),  der  es  erklärt,  daß  diese  ehemals 
so  bevorzugte  Truppe  nicht  in  Italien,  sondern  in  der  Provinz 
angesiedelt  wurde.  Einem  glücklichen  Zufall  verdanken  wir  die 
Nachricht,  daß  Tiberius  Nero,  im  Alexandrinischen  Krieg  Quae- 
stor  Caesars,  der  Vater  des  spateren  Kaisers,  mit  der  Organi- 
sation dieser  Kolonien  betraut  war2).  Zwischen  den  Rhone- 
städten Arelate  und  Arausio  im  Osten  und  Baeterrae  weit  im 
Westen,  nahe  bei  Narbo,  lag  das  große  Gebiet  der  arekomi- 
schen  Volker  mit  dem  Vorort  Nemausus,  dem  24  Ortschaften 
unterstellt  waren;  dies  hat  von  Caesar  das  Recht  einer  latini- 
schen Kolonie  erhalten*).  Ebenso  ist  den  übrigen  Städten  und 
Völkerschaften  der  Provinz,  darunter  Tolosa,  Ruscino,  den  AJlo- 
brogern  mit  der  Hauptstadt  Vienna  (die  durch  Augustus  römi- 
sches Bürgerrecht  erhält),  Antipolis,  Avenio,  Cabellio  usw., 
von  Caesar  latinisches  Recht  verliehen  worden4);  nur  die  Ge- 
Armee des  Lepidus  stehn  (fam.  X  11,  2.  Appian  III  88,  842).  —  Die 
vollen  Namen  Colonia  lulia  Paterna  Arelate  and  Colonia  Julia 
Paterna  Narbo  Martins  zeigen,  daß  sie  von  Caesar  begründet  sind, 
im  Gegensatz  zu  den  benachbarten  coloniae  Baeterrae  Septimanorum, 
Arausio  Secundanorum ,  Forum  Iuli  Octavanonttn  Plin.  III  55  f. 
Mela  II  5,  mit  vollem  Namen  Colonia  Firma  lulia  Secundanorum 
Arausio  und  Colonia  V(ictrix?)  lulia  Septimanorum  Baeterrae; 
Kromayer  zeigt,  daß  diese  von  Octavian  nach  Beendigung  des  Kriegs 
gegen  S.  Pompejus  angelegt  sind,  vgl.  Dio  49,  84,  4;  Forum  Iuli  er- 
hält durch  Augustus.  der  es  zum  Reichshafen  erhob,  den  Beinamen 
Pacata  oder  Pacensis  und  Classica  (Plin.  III  35),  wahrscheinlich  im 
Jahre  30.  Caesar  selbst  hat  seine  siebente  und  achte  Legion  in  Cam- 
panien  angesiedelt  (oben  S.  415). 

>)  Appian  II  94,  396.  vgl,  bell.  Afr.  54. 

•)  Sueton  Tib.  4  od  deducendas  in  Qattiam  colonias,  in  quis 
Narbo  et  Arelate  erant,  missus  est. 

*)  Strabo  IV  1,  12  (auch  bei  Plinius  latinisch);  vgl.  Herzog  p.  85. 
Da  es  Bchon  vor  Augustus  Münzen  mit  der  Aufschrift  Col.  Nem.  ge- 
prägt hat,  muß  sein  latinisches  Recht  auf  Caesar  zurflckgehn. 

4)  S.  die  Liste  der  latinischen  Städte  bei  Plin.  III  86  f.,  sowie  vorher 
Ruscino  Latinorum,  85  oppidum  Latinum  Antipolis.  Daß  diese  Stellung 
ülter  ist  als  Augustus,  also  auf  Caesar  zurückgehn  muß,  hat  Herzoo  gezeigt. 


Latini6ches  Recht  in  der  Narbonensis.  Spanien,  Sicilien  489 

birgsstämrne  blieben  Untertan,  die  Vocontier  in  besonders  privi- 
legierter Stellung  als  Föderierte. 

So  rückte  durch  Caesar  die  Narbonensis  in  die  Stellung  ein, 
die  bis  auf  ihn  die  Transpadana  eingenommen  hatte.  Überhaupt 
ist  die  Verleihung  des  latinischen  Rechts  an  romanisierte  Städte 
und  Landschaften  als  Vorstufe  für  die  Aufnahme  der  bisherigen 
Untertanen  in  das  volle  Bürgerrecht  von  ihm  zwar  nicht  ge- 
schaffen worden  —  das  hat  Pompe  jus  Strabo  im  Jahre  89  durch 
sein  Gesetz  über  die  Transpadaner  getan  — ,  wohl  aber  syste- 
matisch weiter  ausgebaut;  und  darin  sind  ihm  bekanntlich 
Augustus  und  die  spätem  Kaiser  gefolgt.  Auch  an  mehrere 
spanische  Gemeinden  hat  Caesar,  wie  wir  gesehn  haben,  latinisches 
Recht  verliehn.  Vor  allem  aber  hatte  Sicilien,  die  älteste  der 
römischen  Provinzen,  längst  völlig  befriedet  und  im  weitesten 
Umfang  romanisiert  —  zugleich  aber  auch  durch  das  Eindringen 
des  italischen  Großgrundbesitzes  und  der  Weidewirtschaft  ver- 
ödet und  seiner  Rolle  als  Kornkammer  Roms  entkleidet1)  — , 
Anspruch  auf  Berücksichtigung.  Caesar  hat  den  Städten 
Syrakus,  Katana  und  Kentoripa  durch  neue  Ansiedler  auf- 
geholfen; ebenso  wurde  Panormos  römische  Kolonie*).  Dann 
hat  er  ein  Gesetz  abfassen  lassen,  welches  der  ganzen  Insel  das 
latinische  Recht  gewährte;  der  Entwurf  fand  sich  in  seinem 
Nachlaß  und  erhielt  wie  alle  seine  Verfügungen  Gesetzeskraft, 


')  Siehe  Strabo  VI  2,  6,  7  und  Oberhaupt  seine  gesamte  Schilderung 
der  Insel.  Aus  diesem  Grunde,  und  nicht  etwa,  wie  Mojimsen,  Röm. 
Gesch.  III  7  507  Anm.  meint,  wegen  der  Verleihung  der  Latinit&t  und 
des  daraus  folgenden  Wegfalls  des  Zehntens ,  nennt  Varro  de  re  rust.  II 
praef.  3  Sicilien  nicht  mehr  unter  den  Provinzen,  aus  denen  das  Brot- 
korn bezogen  wird,  sondern  nur  Africa  und  Sardinien.  In  der  Kaiser- 
zeit kam  dann  Aegypten  hinzu. 

*)  Strabo  VI  2,  4  fin.  xabvrp  rrjv  icöXtv  (Syrakus)  4viXaß«v  6  Kaloop 
xal  t4jv  KatävTjv  (vgl.  2 ,  8  med.  Kan6rt\  .  .  .  otx-ijtopa^  iiltxxat  'Pcu- 
jia'.'ou;),  J>s  8*  aoTu»s  K«vt<Jptic«,  aofißaXofiivrjv  itoXXa  np6<  cr,v  riojucfjtoo 
xaxdXootv  —  die  Stadt  hat  ihm  offenbar  reichliche  Geldmittel  gegeben. 
§  b  üdvopfios  U  «ol  Tiofuuaiv  *x*1  *a™"««v.  Vgl.  CIL.  X  7286  (Dessau 
2938)  col.  Panhormit.  Vielleicht  geht  die  Stellung  von  Panormos  als 
Kolonie  wie  die  von  Syrakus  auf  Augustus  zurück  (Dio  54,  7,  1). 


490 


Caesars  Monarchie 


Antonios  aber  hat,  dorch  große  Geldsummen  bestochen,  das 
Geschenk  in  die  Bewilligung  des  vollen  Bürgerrechts  um- 
gewandelt1). 

Aach  die  alte  afrikanische  Provinz,  der  schmale  Küstenstreifen 
des  den  Karthagern  bis  zuletzt  verbliebenen  Gebiets,  war  bereits 
stark  romanisiert,  vor  allem  die  jetzige  Hauptstadt  Utica. 
Caesar  hatte  sich  derselben  schon  in  seinem  Consulat  angenommen 
und,  wie  es  scheint,  ihr  bereits  damals  durch  ein  Gesetz  die 
Latinität  verliehn,  weshalb  sie  im  Bürgerkrieg ' mit  ihren  Sym- 
pathien durchaus  auf  seiner  Seite  stand*).  Als  Monarch  hat 
Caesar  dann  die  Absicht  des  Gaius  Gracchus,  die  ihm  den  Tod 
gebracht  hat,  wieder  aufgenommen,  Karthago  als  römische  Bürger- 
kolonie wieder  herzustellen;  außer  Veteranen  sollten  auch  Bürger 
angesiedelt  werden3).    Auch  diesmal  kam  der  Tod  dazwischen, 


r)  Cic.  ad  Att.  XIV  12  sds  quam  düigam  Siculos  .  . .  multa  Ulis 
Caesar,  neque  tue  inrifo.  etsi  Latinüas  non  erat  ferenda,  verum 
tarnen  —  ecce  auiem  Antonius  accepta  grandi  pecunia  flxil  legem 
a  dictatore  comitiis  latam,  qua  Sieuli  cives  Romani:  cuius  rei  vivo 
iüo  nulla  mentio.  Diodor  XIII  85,  3:  die  Gesetze  des  Diokles  von 
Syrakus  (d.  i.  sein  Reehtsbuch)  bestanden  jiixpi  fooo  *dvtt<;  ol  2ti»Xiü»Tat 
tt)c  'Pwuauov  KoXtttta<  -fjiuäJWjoav. 

*)  bell.  civ.  U  36  bei  Curio«  Feldzug  49:  UHcenses  pro  quibus- 
dam  Caesaris  in  se  benefteüs  Uli  amicissimi;  bell.  Afr.  87,  3  Cato, 
quod  in  Uticensibtis  propier  beneficium  legis  Iuliae parum 
suis  partibus  praesidii  esse  existimaverat,  plebem  inermem  oppido 
eiecerat  .  . .  senatum  atttem  custodia  tenebat.  Diese  lex  Julia,  die 
natürlich  in  Caesars  Consulat  fallen  muß,  kann,  wie  auch  allgemein 
angenommen  wird ,  kaum  etwa«  anderes  enthalten  haben  als  die  Ver- 
leihung der  Latinit&t.  Bürgerrecht  erhält  Utica  dann  schon  im  Jahre  86 
durch  Augustus  (Dio  4»,  16). 

*)  Dio  43.  50,  3.  Appian  Lib.  136.  Solin  27 ,  1 1 .  die  alle  das 
Datum  44  v.  Chr.  geben.  Flut.  Caes.  57.  Strabo  XVII  3.  15  Kawap<K 
w'i  &toü  ntjx^avToc  titoixou^  'Puijwütov  toü;  Kpoatpoo|itvoo{  xat  tüiv  arpa- 
tia»tu»v  «va<;.  Der  Name  int  Colonia  Iulia  Concordia  Carthago,  Drs- 
sau  9469.  Die  Konstruktionen  Kohnkmanns,  Die  caesarische  Kolonie  Kar 
thago,  Fhilol.  LX  1901.  402  ff.,  der  eine  großzügige,  auf  demokratischem 
Liberalismus  basierte  Kolonialpolitik  Caesars  nachweisen  will  und  an 
nimmt,  daß  Karthago  ein  großes  Territorium  mit  zahlreichen  abhängigen 
Ortschaften  erhalten  habe,  als  , wahre*  Abbild  hellenistischer  Stadt. 


Karthago.    Na  midien 


491 


vollendet  wurde  die  Kolonie  erst  durch  Augustus  im  Jahre  29. 
Auch  mehrere  andere  Orte,  wie  Clupea  und  Curubis,  sind 
durch  Caesar,  der  nach  der  Schlacht  bei  Thapsus  einen  Teil 
der  Truppen ,  die  im  vorigen  Jahr  gemeutert  hatten,  in  Africa 
ansiedelte,  Burgerkolonien  geworden1). 

In  Numidien  hatte  schon  im  zweiten  Jahrhundert  in  der 
Hauptstadt  Cirta  eine  bedeutende  Niederlassung  bestanden*), 
die  durch  Jugurtha  vernichtet,  aber  nach  dessen  Besiegung 
gewiß  wieder  aufgelebt  ist.  Im  afrikanischen  Kriege  hatte  dann 
der  Freibeuter  P.  Sittius,  der  alte  Catilinarier  (S.  17),  verbündet 
mit  dem  Maurenköni"  Bocchus,  mit  seinen  Scharen  energisch 
zugunsten  Caesars  eingegriffen  und  ihm  durch  einen  Angriff  auf 
Jubas  Reich  Luft  geschafft,  und  dabei  Cirta  und  zwei  gaetulische 
Ortschaften  eingenommen»).  Zum  Lohn  überließ  ihm  Caesar 
Cirta  und  teilte  das  Gebiet  des  Numiderhäuptlings  Arabion, 

a.  «_» 

des  Sohns  eines  Mossinissa,  zwischen  ihm  und  Bocchus*).  Sittius 
siedelte  seine  Freischaren  hier  an,  und  dadurch  wird  Cirta  als 
Colonia  Sittianorum  eine  römische  Stadt5) ,  der  die  Küsten- 
städte Chullu  und  Rusicade  sowie  im  Binnenlande  fifileu  als 
Bürgerstädte  zugehören  und  von  der  zahlreiche  Binnenorte 
(cwieUa)  in  Abhängigkeit  stehn.     Unmittelbar  nach  Caesars 


Staaten',  sind  von  W.  Barth  kl  in  der  vortrefflichen  Dissertation  Zur 
Gesch.  der  röm.  Städte  in  Africa,  OreifBwald  1904,  widerleg  worden. 
Kr  zeigt  8.  20,  daß  daneben  eine  punische  Stadt  entstand,  die  im 
Jahre  28  von  August™  offiziell  als  Freistadt  gegründet  wurde  und 
spater  römisches  Bürgerrecht  erhielt. 

')  Barthel  8.  24  f.  29.  Bio  43,  14.  1.  Über  Curubis  s.  CIL.  P  780.  788 
(Dessau  5319.  5320). 

*)  Sallost  Jug.  21.  26.  Micipsa  hatte  auch  zahlreiche  Griechen 
hierher  gezogen  (Strabo  XVII  3,  13). 

»)  bell.  Afr.  25,  2.  Dio  48.  3.  Ungenau  Appian  II  96,  402.  Über 
«eine  weitere  Beteiligung  am  Kriege  ».  bell.  Afr.  86.  48.  93.  95  f.  Dio 
48,  12,  2. 

*)  Appian  IV  54. 

*)  Mela  I  6.  Plin.  V  22.  Zahlreich«  Inwohner  von  Cirta  tragen 
daher  den  Namen  Sittius  (CIL  VUI  7737—7779).  Weiteres  über  die 
Stellung  Cirtas  und  der  zugehöriefcn  Orte  s.  bei  Mommskji  ,  Hermes'  T 
40  ff.  =  Ges.  Sehr.  V  470  ff.  und  IUrthkl  S.      ff.  44. 


492 


Caesars  Monarchie 


Ermordung  ist  dann  Arabion,  der  nach  Spanien  geflüchtet 
war,  zurückgekehrt,  hat  Sittius  umgebracht  und  die  Sittianer 
für  sich  gewonnen,  und  eine  Zeitlang  in  dem  neuen  Bürger- 
krieg  in  Afrika  als  Parteigänger  eine  Rolle  gespielt,  bis  er  im 
Kampfe  den  Tod  fand1).  In  der  Folgezeit  heißt  Cirta  Colonia 
Julia  Juvenalis  Honoris  et  Virtutis  oder  kurz  Cirta  Julia*). 
Im  übrigen  wurde  die  neue  Provinz  dem  Sallust  zur  Aus- 
plünderung überlassen3). 

In  der  griechischen  Osthälfte  des  Reichs  fehlten  die  Vor- 
bedingungen für  die  Erteilung  des  latinischen  Rechts;  und  auch 
zur  Gründung  von  Kolonien,  die  zugleich  als  Stützpunkte  des 
römischen  Westens  dienen  konnten,  bot  sich  nur  selten  die  Mög- 
lichkeit. In  Asien  sind  nur  drei  Kolonien  Caesars  bekannt,  drei 
Handelsstädte  an  der  Propontis  und  dem  Schwarzen  Meer: 
Apamea,  Colonia  Julia  Concordia4),  Heraklea  am  Pontes,  und 
Sinope.  Die  Colonia  Julia  Felix  Sinope*)  wurde  im  Jahre  45 
gegründet  und  den  Ansiedlern  ein  Teil  des  Gebiets  in  Stadt 
und  Land  zugewiesen*).  Heraklea,  im  mithridatischen  Kriege 
durch  Cotta  aufs  schwerste  heimgesucht,  hatte  sich  schon  unter 
Caesars  Consulat  bemüht,  die  Freiheit  wiederzuerlangen,  und 


')  Appian  IV  54  (=  88) ;  55  f.    Das  Datum  ergibt  sich  aus  Cicero 
ad  Att.  XV  17,  1  (14.  Juni  44):  Arabioni  de  Sittio  nihil  irascor. 
")  CIL  VIII  6857  (Dissau  7041).    Ptolem.  IV  3,  28.  VIII  14,  8. 
•)  Dio  48,  9.  [Cic]  in  Sali.  19. 

4)  Strabo  XII  4,  8  oi  8*  'Anau*^  &notxi*v  IM£avro  «Pwuauüv,  wäh- 
rend das  benachbarte  Prusias  (Eios)  xoXtxtoodjMvoi  irp&c  'Ptufictlooi;  tovot- 
m»C  Freistadt  wurde  (etwa  auch  durch  Caesar?).  Plin.  V  149  colonia 
Apamena.  Der  Name  der  Kolonie  inschriftlich  (Dissau  314)  und  auf 
Münzen,  wo  in  der  Regel  noch  der  Beiname  Augusta  hinzutritt.  Wie 
Mommskm  bemerkt  (Res  gestae  Divi  Aug.  120),  lehrt  das  mon.  anc  cep.  28. 
daß  Augustus  in  der  Provinz  Bithynia  et  Pontus  keine  Kolonien  ge- 
gründet hat,  die  dortigen  Kolonien  also  von  Caesar  stammen  müssen. 
Augustus  hat  aber  offenbar  die  Privilegien  von  Apamea  vermehrt, 
daher  der  Beiname. 

»)  So  in  Inschriften  und  auf  Münzen,  deren  Aera  das  Datum  der 
Gründung  ergibt.   Als  Kolonie  auch  Plin.  VI  6. 

•)  Strabo  XU  8,  11  vovl  Ii  *«l  'PcujmUw  axouiav  Mntai,  »od  uipo« 

xöXswc  xal  r9j«  X<"Pa«  t«tva»v  ioti. 


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Kolonien  in  Kleinasien  und  Griechenland.    Korinth  493 


sein  Gesandter  Brithagoras  hatte  ihn  mit  seinem  Sohn  Propylos 
unablässig  heimgesucht,  bis  er  im  Jahre  47  vor  Erfüllung  seines 
Wunsches  starb1).  Dann  hat  Caesar,  wobl  gleichzeitig  mit  der 
Kolonisierung  Sinopes,  auch  hierher  Kolonisten  geschickt,  denen 
in  der  stark  entvölkerten  Stadt8)  ein  Quartier  nebst  einem  Teil 
des  Landgebiets  zugewiesen  wurde3).  Antonius  unterstellte  dieses 
einem  galatischen  Dynasten  Adiatorix,  der  kurz  vor  der  Schlacht 
bei  Actium  die  römischen  Ansiedler  bei  Nacht  überfiel  und  nieder- 
metzelte. Adiatorix  wurde  dann  von  Augustus  nach  seinem 
Triumph  hingerichtet,  die  Kolonie  aber  nicht  wiederhergestellt4). 

In  Europa  hat  Caesar,  auch  hier  dem  Gaius  Gracchus  folgend, 
den  Wiederaufbau  Korinths  in  Angriff  genommen ;  die  Ansiedler 
der  Kolonie  Laus  Julia  Corinthus  wurden  größtenteils  aus 
römischen  Freigelassenen  genommen,  meist  wohl  griechischen 
oder  orientalischen  Ursprungs5),  wie  denn  die  rasch  aufblühende 
Stadt  trotz  des  offiziellen  römischen  Charakters  niemals,  wie 
etwa  Karthago  in  Afrika,  wirklich  eine  römische  Stadt  werden 
konnte;  in  seiner  neuen  Gestalt  wurde  Korinth  eine  internationale 


')  Memnon  hist.  Her.  60.  Die  Daten  ergeben  Bich  daraus,  daß  Britha- 
goras den  Caesar,  auch  als  er  von  Rom  abwesend  ist.  Oberallhin  be- 
gleitet und  dann  8u>3rxa8r.a?  vrjv  itaptipwiv  ii*(Mtpo6oi)c  xal  tttpl  rfjs  »1$ 
'Piüjrfjs  iitayödoo  toö  Kaisapo;  $fxvooopivoo  an  Altersschwache  stirbt.  Auch 
Laodikea  (doch  wohl  L.  am  Lykos)  schickt  seinen  Gesandten  Andrem 
de  libertate  patriae  au  Caesar,  dem  Cicero  sagt :  iav  suttuxB?'  ««P1 
•tyuLv  npioßtooov  Macrob.  II  8,  12.  Über  die  Freiheit  von  Knidos  s.  unten 
S.  507. 

')  Memnon  c.  60  gibt  an,  daß  bei  der  Wiederherstellung  der  Stadt, 
nach  der  Ausplünderung  durch  Cotta,  durch  Brithagoras  (um  65  v.  Chr.) 
mit  Mühe  8000  Einwohner  einschließlich  der  Sklaven  zusammengebracht 
wurden ;  in  den  folgenden  Jahren  sei  dann  die  Stadt  wieder  gewachsen. 

•)  Strabo  XII  8,  6  i8s*ato  V  iitotxiav  'Poujiaubv  iiA  jiip«  xf|<;  «ölUo»? 
xal  r?j<  X^f»«- 

*)  Strabo  I.  c.  Memnon  wird  diese  Dinge  eingehend  im  17.  Buch 
erzahlt  haben,  das  aber  dem  Photios  nicht  mehr  vorgelegen  hat. 

•)  Strabo  VIII  6,  28  4]  K£ptv$o<;  &veX-fj<p{h)  ndXiv  6iw  Kataotpoc  to5 
&eo5  8ii  f>jv  »öipotav,  iitoixoo<  irfn^avto?  toö  &»Xeofttpixoö  fivoo^  nXtiotoo^. 
Erwähnt  bei  Dio  48  ,  50  ,  4.  Plut.  Caes.  57.  Mela  II  8.  Pausan.  II  1, 
2.  3,  1.  Appian  Lib.  136.   Der  Name  auf  Münzen. 


494 


Caesars  Monarchie 


Industrie-  und  Handelsstadt  mit  herrschender  griechischer  Fär- 
bung. Ergänzt  werden  sollte  die  Gründung  durch  die  Durch- 
stech ung  des  Isthmus1),  ein  Plan,  den  schon  Periander  gehegt 
und  Demetrios  Poliorketes  wieder  aufgenommen  hatte,  dessen 
Durchführung  aber  Caesar  so  wenig  beschieden  war  wie  allen 
seinen  Vorgangern  und  Nachfolgern  im  Altertum.  —  Sonst 
kennen  wir  nur  noch  die  Kolonie,  die  in  Buthrotum  in  der  Mitte 
der  epirotischen  Küste,  Korkyra  gegenüber,  begründet  werden 
sollte;  der  Stadt,  die  mit  ihren  Geldzahlungen  im  Rückstände 
war,  sollte  dafür  ihr  Gebiet  abgenommen  werden.  Als  dann 
Cicero  im  Interesse  des  Atticus,  der  hier  große  Besitzungen 
hatte,  sich  für  sie  verwendete,  zeigte  sich  Caesar  zum  Entgegen- 
kommen bereit,  wenn  die  Buthrotier  zahlten;  Atticus  legte  die 
Summe  aus,  und  Caesar  gewährte  auf  den  von  andren  Senatoren 
unterstützten  Vortrag  Ciceros  den  Buthrotiern  ein  Dekret,  das 
sie  freigab.  Trotzdem  aber  gingen  die  Vorbereitungen  weiter, 
die  Kolonisten  sammelten  sich  zum  Abgang;  einer  der  für  das 
Jahr  43  designierten  Praetoren,  Lucius  Plancus  (Plotius)*),  wurde 
mit  der  Ausführung  beauftragt.  Auf  die  Remonstrationen  Ciceros 
erklärte  Caesar,  er  und  Atticus  möchten  ganz  ruhig  sein ;  er  wolle 
nur  einstweilen  das  Aufsehn  und  die  Beunruhigung  in  Rom  ver- 
meiden, wenn  die  Ansiedler  übers  Meer  gegangen  seien,  werde 
er  ihnen  schriftlich  ein  andres  Gebiet  zuweisen.  Ob  es  ihm  damit 
ernst  war,  läßt  sich  nicht  mehr  erkennen;  bei  seiner  Ermordung 
war  die  Sache  jedenfalls  noch  in  der  Schwebe.  Im  folgenden 
Jahre  ist  lange  darüber  verhandelt  worden;  die  Kolonie  aber 
wurde  wirklich  begründet  und  heißt  nach  ihm  Colonia  Julia 


•)  Plin.  IV  10.    Sueton  44.    Dio  44,  5,  1.    Plut  Ca«.  58. 

•)  Bei  Cic.  ad  Att.  XVI  16  Ä  ist  L.  Planco  praet.  des.  [bei 
den  folgenden  Briefen  fehlt  der  Vorname]  nicht  L.  Planoas,  der 
älteste  der  Brüder,  Stadtpraefect  46,  Statthalter  von  Gallia  comata  44. 
tarn  Coneal  fflr  42  designiert,  sondern  sein  Bruder  Gaias,  der  nach 
der  Adoption  L.  Plotius  Plancus  hieß,  wie  Mommszn  bei  Borghesi. 
Oeuvres  I  208,  2  erkannt  hat  Bei  Dhomaioi  IV»  282  irt  das  über- 
sehen, and  der  Name  fälschlich,  nach  Manatitu  Vorgang,  in  Qnaeus 
korrigiert. 


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("aes-ar*  Kolonien.    Entwürfe  tür  Italien 


495 


Buthrotum,  daneben  auch  Colonia  Augusta;  sie  wird  durch 
Octaviau  bestätigt  und  verstärkt  worden  sein1). 

Bs  ist  lediglich  Zufall,  daß  wir  von  einigen  dieser  Kolonien 
etwas  mehr  erfahren  und  so  ein  Bild  von  den  Hergängen  bei 
ihrer  Gründung  gewinnen  können ;  es  wird  noch  manche  gegeben 
haben,  von  denen  keine  Kunde  auf  uns  gekommen  ist1),  ebenso 
wie  bei  der  Verleihung  des  latinischen  Rechts  und  andrer  Privi- 
legien. Außer  den  Veteranen  hat  Caesar,  wie  Sueton  berichtet, 
insgesamt  80  000  Bürger  in  die  überseeischen  Kolonien  über- 
führt*): es  war  vor  allem  das  hauptstädtische  Proletariat,  ein- 
schließlich zahlreicher  Freigelassenen  (so  in  Ureo  S.  485  und  in 
Korinth  S.  493).  So  suchte  er  ihm,  während  er  die  Getreide- 
versorgung einschränkte  (8.  416  f.),  eine  ausreichende  und  dem 
Staate  Nutzen  bringende  Existenz  zu  verschaffen,  während 
er  zugleich  die  Hauptstadt  von  den  turbulenten  Müßiggängern 
befreite4).  Außerdem  wurde  dadurch  die  Verschmelzung  zwischen 


')  Den  Hergang  berichten  die  Briefe  Ciceroe  an  Planen»  und  Capito, 
ad  Ätt.  XVI  16  A.  C;  zahlreiche  Erwähnungen  in  den  sonstigen  Briefen 
an  AUicuß  aus  dem  Jahre  44.  Buthrotum  Kolonie:  Plin.  IV  4.  Strabo 
VII  7,  5.  Der  Name  auf  Manzen.  —  Vielleicht  geht  auch  die  Kolonie 
Byllis  (CIL.  III  600.  Dissau  2724;  colonia  BuUidensis  Plin.  IV  85) 
»chon  auf  Caesar  zurück. 

»)  Vgl.  im  allgemeinen  Dio  43,  50,  3  im  Anschluß  an  Karthago  und 
Korinth:  noXXa?  xai  £aX.O£  »v  ttq  MtaXta  xai  «fco»  *6X»i«  ti?  piv  avipxofte- 
fvrjot,  t&<  8t  xai  ex  xaiv?js  xat»orrtoato.  —  Wenn  Plinius  V  128  die  Insel 
Pharos  bei  Alexandria  als  colonia  Caesaris  dictatoris  bezeichnet,  so 
ist  colonia  hier  in  demselben  Sinne  zu  verstehen,  wie  bei  den  ur- 
sprünglichen römischen  Bürgerkolonien  (col.  mariümae)  und  den  persi- 
schen und  lagidischen  Militarkolonien  in  Aegypten:  die  Legionen,  die 
Caesar  als  Garnison  hinlegte,  sind  hier  dauernd  stationiert  und  daher 
/.ugleich  angesiedelt. 

*)  Sueton  42  ocioginta  civium  milibus  in  transtnarinas  colonias 
distributis ;  dadurch  ist  Rom  exhausta,  er  sorgt  für  die  frequentia 
der  Stadt  durch  die  Anordnungen,  welche  die  besitzenden  Klassen  in 
ihr  festhalten  (oben  S.  422). 

*)  Die  Legende  bei  Appian  Lib.  136  führt  die  Gründung  Karthagos 
darauf  zurück,  daß  Caesar  dort  im  Traum  orportiv  ttoXüv  xXcdovta  sieht, 
und  daher  aus  Rom  die  dhtopot  hinschickt,  die  Land  begehren. 


49G 


Caesars  Monarchie 


Bürgern  und  Untertanen,  das  Hinübergreifen  der  italischen 
Nation  in  das  Reich,  gewaltig  gefördert. 

Eine  heikle  Aufgabe  der  Politik  bildete,  wie  in  der  Neuzeit 
so  auch  damals  schon,  die  Regelung  der  Stellung  der  Juden,  die 
sich  nicht  nur  in  Massen  über  die  ganze  hellenistische  Welt  ver- 
breitet hatten,  sondern  auch  in  Rom  im  Geschäftsleben  sowohl 
wie  unter  dem  turbulenten  Gesindel  schon  seit  geraumer  Zeit 
eine  betrachtliche  Rolle  spielten1).  Caesar  hat  sich,  im  Gegen- 
satz zu  Fompejus  und  der  Senatspolitik,  wie  dem  jüdischen 
Kirchenstaat  von  Jerusalem,  so  auch  den  Juden  der  Diaspora 
gegenüber  sehr  wohlwollend  erwiesen  und  sie  offenbar  als  betrieb- 
same und  anstellige  Geschäftsleute  gewürdigt  und  zu  benutzen 
verstanden.  Er  hat  die  Absonderlichkeiten  ihrer  Religion  und 
ihrer  Sitten  unter  seinen  Schutz  gestellt  und  ihre  Kultvereine 
nebst  den  dafür  erhobenen  Beisteuern  als  rechtlich  anerkannt 
und  von  seinem  gegen  die  Bildung  von  Vereinen  erlassenen  Verbot 
ejrimiert  (S.  418, 2);  ebenso  blieben  sie  von  der  Heranziehung  zum 
Kriegsdienst  befreit,  und  die  Statthalter  und  Gemeinden  wurden 
angewiesen,  sie  am  Sabbat  unbehelligt  zu  lassen8).  Diese  Politik 
ist  bekanntlich  von  Augustus  und  Agrippa  fortgesetzt  und  weiter 
ausgestaltet  worden.  So  begreift  es  sich  sehr  gut,  daß  Caesars 
Ermordung  ganz  besonders  von  den  Juden  beklagt  worden  ist 
und  sie  in  Rom  viele  Nächte  hindurch  eine  Trauerfeier  um  ihn 
begingen8). 

Die  Hauptstadt  Kulturaufgaben 

Uber  dem  Reich  wurde  Italien  und  die  Hauptstadt  in 
keiner  Weise  vernachlässigt.  Auch  hier  nahm  Caesar  Pläne  von 
gewaltigem  Umfang  in  Angriff,  die  ebenso  wie  der  Isthmuskanal 
die  Nachwelt  bis  zur  Gegenwart  beschäftigt  haben  und  zum  Teil 


')  Siehe  Cicero  pro  Flacco  66  ff.    Philo  leg.  ad  Gaium  281  ff. 

»)  S.  die  Urkunden  bei  Josephus  Ant.  XIV  10  (vgl.  8.  427,  2). 

*)  Sueton  Caes.  84  in  sumtno  publico  luctu  exterarum  gentium 
multitudo  circuktfitn  suo  quaeque  more  lamentaia  est,  praecipueque 
Iudaei,  qui  etiam  noctibus  continnis  btistum  frequentarunt. 


Die  Juden.    Pläne  für  Rom  und  Italien 


497 


noch  in  keiner  Weise  gelöst  sind.  So  den  Versuch,  die  pomptini- 
schen  Sümpfe  trocken  zu  legen1),  ferner  die  Trockenlegung  des 
Puciner  Sees  durch  einen  Stolleu  in  den  einschließenden  Bergen'), 
wodurch  das  Ackerland  seiner  Ufer  vor  den  verheerenden  Über- 
schwemmungen durch  den  schwankenden  Wasserstand  geschützt 
und  zugleich  in  dem  Seebecken  ein  neues  reiches  Kulturland  ge- 
wonnen werden  sollte;  das  ist  bekanntlich,  nach  einem  miß- 
glückten Versuch  des  Claudius,  im  Jahre  1875  ausgeführt  worden. 
Vom  Adriatischen  Meer  sollte  über  den  Kamm  des  Apennin 
eine  große  Heerstraße  zum  Tiber  angelegt  werden*).  Diesen  Fluß 
selbst  sowie  den  Anio  wollte  er  regulieren  und  von  Rom  aus 
durch  die  Ebene  von  Latium  und  das  pomptinische  Sumpfgebiet 
nach  Tarracina  einen  großen  Kanal  bauen,  zugleich  den  Unter- 
lauf des  Stroms  eindämmen  und  statt  der  schlechten  Rhede 
von  Ostia  einen  neuen  großen  Seehafen  aulegen;  die  Vorarbeiten 
dazu  waren  bereits  in  Angriff  genommen.  Wenigstens  der  neue 
bequeme  Hafen  ist  dann  bekanntlich  von  Claudius  durch  die 
Anlage  des  Portus  Augusti  geschaffen  worden*). 

In  Rom  selbst  ging  die  Bautätigkeit  (S.  427)  ununterbrochen 
weiter,  und  weitere  Entwürfe  schlössen  sich  an.  An  den  Fuß  des 
Tarpejischen  Felsens  sollte,  wie  in  Athen  an  die  Akropolis,  ein 
gewaltiges  Theater  anlehnen5),  an  die  Stelle  der  im  Jahre  52 
bei  Clodiua'  Leichenfeier  niedergebrannten,  von  Faustus  Sulla 
wieder  aufgebauten  Curia  Hostilia  ein  Tempel  der  Felicitas 
treten  —  den  Namen  dieser  Gottheit,  die  ihn  so  sichtbar  be- 
günstigte, hatte  Caesar  in  der  Schlacht  bei  Thapsus  als  Parole 


')  Soeton  44.  Cic.  Phil.  V  7.  Dio  44,  5,  l.  Nach  Caesar* 
Ermordung  läßt  Antonius  bereits  das  za  gewinnende  Land  durch 
seinen  Bruder,  den  Tribunen  Lucius,  zur  Verteilung  anweisen,  Dio 
45,  9.  1. 

*)  Sueton  Caes.  44.  Claudius  hat  das  Werk  wieder  aufgenommen, 
aber  ohne  bedeutenden  Erfolg,  Tac.  ann.  XII  56  f.  Dio  60,  11,  5.  PI  in. 
86,  124.  Sueton  Claud.  20. 

J)  Sueton  44. 

4)  Plut.  Caes.  58.    Sueton  Claud.  SO  (?gl.  Dio  60,  11). 
5j  Sueton  44.    Dio  43,  49,  2. 
Meyer,  Caesars  Monarchie  32 


498 


Caesar.«  Monarchie 


ausgegeben1)  — ,  während  für  die  Senatssitzungen  fortan»  wenn 
sie  nicht  außerhalb  des  Pomeriums  im  Theater  des  Pompe  jus 
stattfinden  mußten,  eine  neue  Curia  Julia  an  dem  von  Caesar 
erbauten  Forum  Juli  um  bestimmt  war1),  ein  Bau,  der  erst  von 
Augustu8  vollendet  worden  ist.  Auf  dem  Mörsfeld  sollte  dem 
Kriegsgotte,  dem  Stammvater  und  Schirmer  des  römischen 
Volks,  ein  Tempel  ohnegleichen  errichtet  werden*).  Die  Stadt 
sollte  erweitert,  das  ganze  Marsfeld  bebaut  werden  —  das  war 
um  so  nötiger,  da  zahlreiche  Quartiere  der  inneren  Stadt  den 
Neubauten  zum  Opfer  fielen ;  das  Tiberbett  sollte  schon  vom  Pons 
Mulvius  an  an  die  jenseitigen  Höhen  des  Möns  Vaticanus  verlegt 
werden,  die  dadurch  geschaffene  weite  Flache  des  Campus  Vati- 
canus  die  Rolle  des  bisherigen  Marsfeldes  übernehmen4).  Auch 
das  Pomerium,  die  geheiligte  Furche,  welche  die  Stadt  des  Staats- 
rechts aus  der  Feldmark  aushebt  und  die  Grenze  des  Stadt- 
friedens und  der  Tribunengewalt  bildet,  hat  Caesar  verschoben*). 

Auch  sonst  umfaßten  Caesars  Gedanken  alle  Gebiete  der 
materiellen  wie  der  geistigen  Interessen.  Die  unübersehbare  Fülle 
der  römischen  Gesetze,  die  zahlreichen  Spezialgesetze  einerseits, 
welche  jahraus  jahrein  erlassen  wurden,  andrerseits  die  für  die 
Rechtsprechung  maßgebenden  Weisungen,  welche  die  Praetoren 
in  ihren  Edikten  gaben,  und  durch  die  das  formell  noch  immer 


')  bell.  Afr.  83.   Bio  44,  5,  2.  Der  Tempel  wurde  von  Lepidus  er- 
baut; darauf  bezieht  sich  Cicero  ad  Att.  XIII  42,  S  (Ende  Dezember  45) 
orai  Lepidus,  ut  veniam;  opinor  augures  vetie  habere  ad  templum 
effandum.   Vgl  Cicero«  Äußerung  über  Caesars  felicüas  in  dem  Brief 
an  Nepoe  (fr.  4)  bei  Ammian  21,  16,  18. 

')  Dio  44,  5.  44,  49,  2. 

»)  Sneton  44. 

*)  Cic  ad  Att.  XIII  88,  4  (Jnli  45),  vgl.  XIII  20.  85,  1  (oben 
8.  421,  1). 

»)  Dio  48,  50,  1.  44,  49,  2.  Gellius  XIII  14,  4:  den  Aventin  haben 
auch  Sulla  und  divus  Iulius,  cum  pomerium  proferret,  außerhalb  des- 
selben gelassen.  Schwerlich  ist  mit  Mommsen,  Staatsrecht  II 1  717,  1»  dar- 
aus, daß  Tacitus  Ann.  12,  28  und  Seneca  de  brev.  vitae  14  Caesar  nicht 
unter  denen  nennen,  die  das  Pomerium  erweitert  haben,  zu  folgern,  daß 
er  es  nicht  getan  bat. 


Kodißkation  des  Rechts.  Bibliothekplan 


4Ü<> 


als  geltend  betrachtete  Recht  der  zwölf  Tafeln  tatsächlich  fast 
durchweg  obsolet  geworden  war,  dazu  die  Konkurrenz  des  für 
die  Bürger  geltenden  formalen  Rechts  mit  dem  vom  Praetor 
itUer  cwes  et  peregrinos  entwickelten  Recht,  das  auf  dem  Grund- 
satz der  Billigkeit  und  von  Treu  und  Glauben  beruhte,  hatten 
im  Rechtsleben  einen  Zustand  geschaffen,  wie  er  gegenwärtig  in 
England  und  in  noch  höherem  Maße  in  den  Vereinigten  Staaten 
besteht.  Schon  Pompejus  hatte  geplant,  hier  Ordnung  und  Über- 
sichtlichkeit zu  schaffen  (oben  S.  240);  Caesar  hat  den  Gedanken 
aufgenommen,  er  wollte  ein  handliches  bürgerliches  Gesetzbuch 
schaffen,  „das  aus  der  unermeßlichen  und  wirren  Fülle  der  Ge- 
setze das  Beste  und  Unentbehrliche  in  einigen  wenigen  Büchern 
zusammenfaßte"1).  Als  Vorarbeiten  dazu  dienten  die  Arbeiten 
des  Aulus  Oülius,  der  zahlreiche  Werke  über  alle  Teile  des  Zivil- 
rechts verfaßte  und  als  erster  das  praetorische  Edikt  sorgfältig 
bearbeitete1);  neben  ihm  war  in  gleicher  Richtung  Gaius  Trebatius 
tätig,  der  auch  das  Sakralrecht  eingehend  behandelt  hat").  Aber 
dem  Plan  ist  es  gegangen  wie  so  vielen  gleichartigen  in  der  Neu- 
zeit; ausgeführt  ist  er  erst  nach  Jahrhunderten  und  nach  mehreren 
vorläufigen  Ansätzen  von  der  absoluten  Monarchie  unter  Justinian. 

Dem  geistigen  Leben  sollte  eine  große  öffentliche  Bibliothek 
dienen,  mit  deren  Zusammenstellung  der  bedeutendste  Gelehrte 
Roms,  Marcus  Varro,  beauftragt  wurde*).  Der  Plan  knüpft  an 
an  das  Werk  des  ersten  Ptolemaeos  und  seines  Ministers  aus  der 
Schule  des  Peripatos,  des  Demetrios  von  Phaleron;  aber  zu  der 
in  Alexandria  gesammelten  griechischen  Literatur  ■ —  die  dortige 
Bibliothek  ist  übrigens  bekanntlich  in  den  Kämpfen  Caesars  in 


•)  Sueton  44. 

*)  Pomponius  Dig.  I  2,  44,  als  Caesari  familiarissimus  bezeichnet. 

')  ib.  45.  Trebatius  kennen  wir  genauer  au»  Ciceros  Briefen  an 
ihn  (er  hat  ihn  im  Jahre  54  an  Caesar  nach  Gallien  empfohlen)  sowie 
aus  Horaz  Sat.  II  I.  Sein  oft  cifciertee  Werk  de  religionibus  (neun 
Bücher)  war,  wie  die  Fragmente  zeigen,  sakralrechtlichen  Inhalts. 

4)  Sueton  44  bibliothecas  Graecas  Latinasque  qttas  maximas 
posset  publicare,  data  Marco  Varroni  cura  comparandarum  ac  di- 
yerendarum.   Ebenso  Isidor  etyra.  VI  5,  1. 


500 


Caesars  Monarchie 


Alexandria  in  Flammen  aufgegangen  und  dadurch  unermeßliche 
Literaturschatze  unwiederbringlich  vernichtet1)  —  trat  jetzt 
ebenbürtig  die  römische  hinzu.  In  diesem  Gedanken  gelangt 
zugleich  das  Gefühl  zum  Ausdruck,  daß  man  am  Ende  einer 
Entwicklung  stehe  und  die  neue  jetzt  beginnende  Epoche  der 
Weltgeschichte  die  Vergangenheit  als  abgeschlossen  betrachten 
und  in  ihrer  Totalität  überblicken  und  studieren  müsse.  Derselbe 
Gedanke  liegt  der  Bibliotheksgründung  des  Ptolemaeos  zugrunde 
und  tritt  noch  klarer  in  dem  ersten  derartigen  Unternehmen  her- 
vor, das  die  Weltgeschichte  kennt,  in  der  großartigen  Bibliothek 
des  Assyrerkönigs  Assurbanipal. 

Die  Finanzen 

Alle  diese  Maßnahmen  erforderten  gewaltige  Geldmittel.  Es 
würde  sehr  lehrreich  sein,  wenn  wir  in  das  Finanzwesen  Caesars 
einen  Einblick  gewinnen  könnten ;  aber  hier  versagen  die  Quellen 
so  gut  wie  ganz;  denn  daß  er  die  gewaltigen  Goldmassen,  die 
er  aus  der  Beute  und  aus  dem  Staatsschatz  (S.  353  f.)  in  den  Ver- 
kehr brachte,  zur  Einführung  einer  Goldmünze,  des  Aureus, 
im  Wert  von  100  Sestertien,  benutzte,  hilft  wenig  weiter.  Daß 
er  auch  auf  diesem  Gebiet  die  Interessen  des  Gesanitreichs  und 
daher  das  Wohl  der  Untertanen,  nicht,  wie  die  Republik,  ihre 
Aussaugung  duroh  die  Aristokratie  und  die  Geldleute  des 
herrschenden  Volkes  im  Auge  hatte2),  geht  daraus  hervor,  daß  er 


')  Linus  bei  Seneca  de  tranq.  an.  9,  5  und  Orosius  VI  15,  Sl.  Gel 
lins  VII  17,  3.  Ammian  XXII  16,  13.  Als  Gesamtzahl  der  Bibliothek 
geben  Gellius,  Ammian  und  Isidor,  etym.  VI  8,  5  700000  volumina,  als 
verbrannt  Liviui  400000.  Die  spatere  alexandrinische  Bibliothek,  in  der 
I>idjraos  Chalkenteros  und  seine  Genossen  arbeiteten,  war  bekanntlich 
die  frühere  pergamenische ,  die  Antonius  der  Kleopatra  zum  Geschenk 
gemacht  hat  (Plut  Anton.  58). 

*)  Cicero  de  off.  II  27  muß  anerkennen,  daß  die  Herrschaft  des 
Senats  und  der  Nobilität  Aber  die  Untertanen ,  die  ursprünglich  patro- 
cinium  orbis  terrae  verim  quam  imperium  gewesen  sei,  allmählich 
immer  mehr  und  seit  Sulla  vollständig  verloren  gegangen  sei;  desitum 
est  enim  videri  quiequam  in  socios  iniquum,  cum  exstüisset  in  civis 


Caesars  Finanzen.    Die  Stenern 


501 


in  der  Provinz  Asia,  als  er  auf  dem  Feldzuge  gegen  Pharoakes 
im  Sommer  47  von  Tarsos  aus  die  Verhältnisse  des  Orients 
ordnete1),  den  von  Gaius  Gracchus  eingeführten  und  an  die 
Kapitalisten  des  Ritterstandes  verpachteten  Zehnten,  diese 
furchtbare  Geißel  der  Provinz,  aufhob  und  durch  feste  Steuer- 
sätze ersetzte,  deren  Erhebung  den  Gemeinden  selbst  über- 
lassen wurde*);  in  demselben  Sinne  hatte  er  schon  als  Consul 
durch  sein  Repetundengesetz  wie  durch  die  Herabsetzung  der 
Pachtsummen  (S.  75)  gewirkt.  In  SiciUen  fiel  der  Zehnte, 
wenn  nicht  vorher,  so  durch  die  Verleihung  des  latinischen 
Rechts  von  selbst  weg;  in  den  übrigen  Provinzen  war  er  über- 
haupt nicht  eingeführt.  Daß  er  die  Zölle  auf  die  in  Italien  (Rom) 
aus  den  Provinzen  eingeführten  Waren  wiederhergestellt  hat, 
ist  schon  erwähnt  (S.  425). 

Aber  zur  Bestreitung  der  Ausgaben  reichten  die  regulären 
Einnahmen  in  keiner  Weise  aus,  auch  ganz  abgesehn  von  den 
Riesensummen,  die  die  Triumph  algeschenke  nebst  den  Spielen 
und  Bauten  und  daneben  die  Belohnung  seiner  Anhänger  er- 
forderten, zumal  bisher  in  jedem  Jahre  ein  schwerer  Krieg  zu 
führen  war  und  jetzt  erst  recht  ein  Feldzug  von  größten  Dimen- 
sionen bevorstand.  Caesar  wußte,  und  hat  es  ausgesprochen, 
daß  seine  wie  jede  kräftige  Herrschaft  auf  zwei  Stützen  ruhte, 


tarda  crudelitas.  Aber  seine  Behauptung,  Caesar  habe  es  noch  schlimmer 
gemacht,  indem  er  victoria  etiam  foediore  non  singulorum  civium 
bona  publicaret,  sed  universas  provindas  regionesque  uno  calami- 
tatis  iure  comprehenderet,  was  er  durch  die  Behandlung  Massiiias  illu- 
striert, ist  für  das  äußere  Regiment  eben  so  übertrieben  wie  für  das 
innere,  trotz  der  Plünderung  Numidiens  durch  SallusL 
')  bell.  Alex.  66,  2  f. 

*)  Dio  42,  6.  3  über  Caesars  Auftreten  im  Osten  nach  Pharsaloa: 
außer  der  Gelderhebung  SkXo  prfiha  Xoic&v,  dUo  *ai  »b»p-r»x»v 

itavrac  Saa  tvcSt^rtQ.  tob?  foöv  xsXuivac  ittxpöxaxä  c<piot  xpopivoo«  &icaX)ufc4a<; 
i<  «pöpoo  ouvxcXtiav  xö  aupßaivov  1«  x«üv  xsXdtv  xaxeox*»}aaxo.  Appian  V 
4,  19  in  der  Rede  des  Antonius  an  den  Landtag  von  Asia  41  v.  Chr., 
im  Anschluß  an  CaeKars  Maßregeln  als  Consul:  tct<  V  6ßp«c<;  (der  publi- 
cum) inaow  üptv  föp  tob«  «popoo«  i«ixpt<|»«v  af«p*iv  «opi  x&v  fsu>p- 

•fOOVTlUV. 


502 


Cae-fara  Monarchie 


der  Armee  and  dem  Geld,  und  daß  beide  sich  gegenseitig  be- 
dingten und  erhielten1).  Einen  beträchtlichen  Teil  der  Aus- 
gaben deckte,  wie  früher  in  Gallien,  die  Siegesbeute  sowie 
der  im  Jahre  49  gründlich  ausgeleerte  Staatsschatz,  einen 
weiteren  die  Konnskation  und  die  fortgehenden  Auktionen  der 
Besitzungen  der  besiegten  Gegner,  soweit  sie  nicht  begnadigt  waren 
(S.  381  f.  399 f  .)•  Aber  Caesar  war  ein  Finanzkünstler  ersten  Ranges; 
wie  er  schon  als  Propraetor  im  jenseitigen  Spanien  verstanden 
hat,  sich  große  Geldsummen  ohne  schweren  Druck  zu  beschaffen 
(S.  56),  so  hat  er  nachher  als  Prooonsul  in  Gallien,  und  dann 
im  Bürgerkriege  und  als  Monarch  seine  Kunst  im  größten  Stile 
geübt.  Er  war,  wo  nicht  die  Politik  ein  Strafgericht  forderte, 
immer  bereit,  Milde  zu  üben  und  Verzeihung  zu  gewähren,  wenn 
man  nur  zahlte;  darin  aber  stellte  er  um  so  höhere  Forderungen. 
So  hat  er  von  den  Besiegten  und  von  den  Gemeinden,  die  nach 
der  Entscheidung  sich  nicht  sogleich  ergaben,  oder  die  sonst 
sich  vergangen  hatten,  überall  gewaltige  Summen  erhoben,  in 
Spanien,  in  Asien  und  Aegypten,  in  Afrika*).  Hier  hat  er  in 
Zama  den  Besitz  des  Königs  Juba  verkauft ,  das  Vermögen  der 
Römer,  die  in  dessen  Dienste  getreten  waren,  eingezogen,  ebenso 
das  aller  Offiziere  und  Unteroffiziere  des  feindlichen  Heeres; 
Thapsus  mußte  eine  Kontribution  von  2  Millionen  Sestertien, 
der  zugehörige  Gerichtsbezirk  {conventus)  3  Millionen,  Hadrumetum 
3  Millionen,  der  Bezirk  5  Millionen  zahlen,  zusammen  11  Millionen 
(rund  2l/Ä  Millionen  Mark) ;  „dafür  schützte  er  die  Städte  und  ihren 
Besitz  gegen  Plünderung  und  jede  Gewalttat".  In  Utica  gab  er 
den  Mitgliedern  des  von  den  Republikanern  aus  den  römischen 
Kaufleuten  und  Bankiers  gebildeten  Rats  der  Dreihundert  ihr 

*)  Bio  42,  49,  4  ti  8k  oojtitäv  timtv,  xpityiwcoirat&c  AvTjp  i-r'v6T9» 
t»  «Ivai  Xi-fatv  ta        dovaattlac  napooxtoaCovta  xai  <poXd<wovta  xai  ticao- 
Sovta,  otpatuutac  xai  xpV*™»         xaöta  IC  aXX-r)Xu»v  oovtacrjxivai  * 
tt  f&p  fpoyg  ta  atpaT*c>|ia?a  auvi^adat,  xai  ixctvnv  ix  t&v  SrXcov  ouX- 
Xtfcofrat*  x£v  ftattpov  6itottpoöv  aotü»v  tvitl$  -p,  xai  ti  sttpov  ooyxaxa- 
Xt>a-rjoto*au 

»)  Dio  41 ,  24  im  Jahre  49  in  Spanien  iXoi^wv  o :PAv%  oWiv  «X4jv 
Xf>f\\t.6n<»v  btXoftii,  ta5ta  f^p  «ajucXt)^  iatxpa£«v:  ebenso  43  (42,  6,  8) 
und  47  (42,  49)  in  Asien.  45  in  Spanien  (44.  89,  4)  n.  a. 


Kontributionen  und  Strahunimeu 


verfallenes  Vermögen  gegen  eine  auf  drei  Jahre  verteilte  Zahlung 
von  100  Millionen  Sestertien  (rund  22  Millionen  Mark)  zurück. 
Leptis  wurde  eine  jährliche  Abgabe  von  3  Millionen  Oel,  Thapsus 
wegen  der  Armut  der  Gemeinde  eine  Getreidelieferung  auf- 
erlegt. Ebenso  mußte  Sulci  auf  Sardinien,  weil  es  die  feindliche 
Flotte  aufgenommen  und  unterstützt  hatte,  10  Millionen  zahlen 
und  der  Jahreszehnte  wurde  um  den  achten  Teü  des  Ertrags 
(127t  %)  erhöht,  außerdem  das  Vermögen  der  Haupter  der 
Gegenpartei  eingezogen1).  Diese  uns  glücklicherweise  erhaltenen 
Angaben  geben  einen  Begriff  von  der  Art,  wie  er  durchweg  ver- 
fuhr. Auch  Tempelvermögen  hat  er  mehrfach  eingezogen,  so  47 
in  Tyroe,  45  in  Gades*).  Einen  extremen  Fall  bietet  Megara,  das 
nach  der  Schlacht  bei  Pharsalos  im  Widerstand  bis  aufs  äußerste 
ausharrte  und  von  Fufius  Galenus  erstürmt  werden  mußte.  Die 
Bürger,  die  dem  Gemetzel  entronnen  waren,  wurden  ab  Sklaven 
verkauft;  aber  „damit  die  Stadt  nicht  ganz  und  gar  vernichtet 
werde",  verkaufte  er  sie,  offenbar  nach  Caesars  Weisung,  teils 
an  ihre  Angehörigen,  teils  um  ganz  geringe  Summen,  damit  sie 
freigegeben  werden  könnten  —  eine  andre  Art,  wo  sie  selbst 
nichts  mehr  besaßen,  doch  noch  Geld  aufzubringen3).  Wie  er 
in  Spanien  im  Jahre  45  freigebig  Privilegien  für  Geld  erteilte, 
haben  wir  schon  gesehn.  Außerdem  aber  hat  er  es  immer  ver- 
standen, für  sich  Stimmung  zu  machen  und  mit  mehr  oder  weniger 
Zwang  freiwillige  Beiträge  und  Vorschüsse  zu  erhalten,  sowohl 
von  Privaten  wie  von  Gemeinden  und  Dynasten,  und  daneben 
in  üblicher  Weise  die  dem  Sieger  bewilligten  goldenen  Kränze 
von  beträchtlichem  Wert.    Die  Vorteile,  die  der  Anschluß  an 

')  bell.  Afr.  90.  97  f.  Appians  Angabe  II  100,  416  täv  xpiaxooioiv 
Soou^  thpt  iiitpd'etprv  ist  jedenfalls  stark  übertrieben. 

')  Dio  42,  49,  2.  Anf  den  angeführten  Tatsachen  beruht  das  Urteil 
bei  Sueton  54  postea  vero  evidentissimis  rapinis  ac  sacrüegis  et 
onera  bellorum  civilium  et  triumphorum  ac  munerum  sustinuit  im- 
pendia. 

')  Dio  42,  14,  4.  Über  das  Blutbad,  welches  ausbrechende  Löwen, 
die  C.  Cassius  hier  für  seine  Aedilität  verwahrte,  anrichteten,  s.  Plut. 
Brut.  8.  Athen  dagegen  wurde  „um  seiner  Toten  willen*  verschont, 
Dio  42,  14.  2.  Appian  II  88.  368. 


504 


Casars  Monarchie 


ihn  bot,  waren  eben  so  groß,  daß  man  ihm  bereitwillig  große 
Opfer  brachte;  man  wußte,  daß  man  ihm  trauen  konnte. 

So  hat  Caesar  es  fertig  gebracht,  nicht  nur  seine  Ausgaben 
zu  decken,  sondern  im  Tempel  der  Ops  einen  Staatsschatz  von 
700  Millionen  Sestertien  (rund  155  Millionen  Mark)  zu  hinter* 
lassen1).  Dazu  kam  sein  riesiges  Privatvermögen,  dessen  Be- 
stand allein  an  barem  Gelde  auf  25  Millionen  Denare  (100  Mil- 
lionen Sestertien  =  rund  22  Millionen  Mark)  geschätzt  wurde1). 

Caesars  Gehilfen 

Es  ist  in  der  Tat  eine  staunenswerte  Tätigkeit  und  Energie, 
die  Caesar  in  den  wenigen  Monaten  seiner  Herrschaft  entfaltet 
hat;  sie  widerlegt  so  gründlich  wie  möglich  den  Vorwurf,  daß 
seine  Kräfte  oder  die  Klarheit  seines  Geistes  getrübt  gewesen 
seien  oder  daß  er  ohne  bestimmtes  Ziel  in  den  Tag  hinein  gelebt 
habe  und  in  trübselige  Abhängigkeit  von  seiner  Umgebung  ge- 
raten sei.  Er  wußte  sehr  genau,  was  er  tat  und  was  er  erstrebte, 
und  er  war  und  blieb  der  Herr.  Durchführen  freilich  konnte  er 
sein  Werk  nur  durch  Verwendung  zahlreicher  Gehilfen,  und  da 
mußte  er  nehmen,  was  er  vorfand,  auch  so  problematische  Leute 
wie  früher  Vatinius  und  Mamurra  aus  Formiae,  zeitweilig  Leiter 
seines  Geniekorps  {praejeclus  fabrum,  wie  ehemals  Baibus,  S.  60), 
der  dann  zu  allgemeiner  Entrüstung  die  gewaltigen  Summen, 
die  ihm  aus  der  gallischen  Beute  zugeflossen  waren,  in  einem 
luxuriösen,  mit  Marmorsäulen  geschmückten  und  mit  Marmor- 
platten ausgelegten  Stadthause  und  in  ausgedehntem  Grund- 
besitz anlegte  und  in  einem  wüsten  Lebenswandel  verpraßte. 
Caesar  ließ  sich  das  Gerede  nicht  anfechten;  er  trug  seine  Hin- 
neigung zu  dem  Liebling  offen  zur  Schau,  und  Mamurra  wird 
in  der  Tat  bei  aller  Frivolität  keine  unbegabte  Persönlichkeit 

')  Cicero  Phil.  II  98.  V  11.  VIII  26.  XII  12.  XIII  12.  Velleju*  II  60,  4. 

3)  Plut.  Cic.  46;  Anton.  15  anf  4000  Talente  (24  Mill.  Denare)  ab- 
gerundet. Auch  App.  III  17,  68,  wo  Ootavian  erklärt,  das  gern ü ritte 
Geld  würde  sur  Verteilung  an  800000  Bürger  reichen  (75  Denare  auf 
den  Kopf),  ergibt  22>/i  Mill. 


Caesars  Gehilfen 


505 


gewesen  sein1).  Gleichartig  war  das  Verhältnis  zu  Curio,  M.  An- 
tonius und  seinen  Brüdern,  Lepidus,  Dolabella,  den  Brüdern 
Lucius  und  Titus  Plancus  u.  a.  Aber  daneben  stehn  manche 
tüchtige  und  ihm  wirklich  ergebene  Persönlichkeiten,  deren  Ar- 
beitskraft und  Intelligenz  er  voll  auszunutzen  verstand,  und 
deren  im  stillen  sich  abspielender  Tätigkeit  die  Ein  zeigest  altung 
und  der  Ausbau  seines  Werkes  zugewiesen  war.  Unter  ihnen 
stehn  Aulus  Hirtius  und  Oaius  Oppius  in  erster  Linie,  deren 
Vertrauensstellung  zu  Caesar  zugleich  den  Charakter  intimer 
gegenseitiger  Zuneigung  trug.  Oppius  hat  bekanntlich  eine  Bio- 
graphie Caesars  geschrieben,  die  auch  auf  die  rein  persönlichen 
Züge  näher  einging*)  und  offenbar  in  der  auf  uns  gekommenen 
Überlieferung  mehrfach  zugrunde  liegt;  Hirtius  hat  die  Er- 
gänzung und  Fortführung  der  von  Caesar  begonnenen  Darstellung 
seiner  Taten  in  Angriff  genommen.  Ferner  der  gewandte  Ge- 
schäftsmann Balbu&$)  nebst  seinem  gleichnamigen  Neffen,  der 

')  Ober  Mamtimi  s.  außer  den  bekannten  Gedichten  Catolls  29.  41. 
43.  57.  94.  105.  114.  115  Cicero  ad  Att.  VII  7,  6  Labieni  divitiae  et 
Mamurrae  et  Balbi  horti  et  Tttsculanum,  sowie  Nepos  bei  Plin.  36, 
48  mit  der  Angabe  Über  sein  Haus. 

*)  Die  aus  seiner  Schrift  entnommenen  Züge  bei  Plut.  Caes.  17  nnd 
frueton  53.  72  (denn  auch  die  Angabe  Ober  die  Rücksichtnahme  Caesars 
auf  ihn  bei  einer  Erkrankung  im  Winter  auf  der  Reise  geht  offenbar 
auf  Oppius  selbst  zurück)  stammen  ersichtlich  aus  derselben  Mittelquelle; 
solche  Berührungen  zwischen  Plutarch  und  Sueton  finden  sich  gelegent- 
lich auch  sonst  und  geben  einen  Einblick  in  Umfang  und  Gestalt  der 
an  Caesar  anknüpfenden  Literatur.  Aus  Oppius1  Schrift  stammt  auch 
die  Notiz  über  Marius'  Ertragen  von  Schmerzen  bei  einer  Operation 
Plin.  11,  252,  ohne  Angabe  der  Quelle  benutzt  bei  Plut.  Mar.  6;  ferner 
ein  scharfer  Ausfall  über  Pompejus'  Grausamkeit  im  Jahre  81  bei  Plut. 
Pomp.  10,  woran  die  (gleichfalls  der  Quelle  entnommene)  Bemerkung 
anknüpft  iXX'  '0*kU}>  piv,  5tav  iwpl  t&v  Katootpo«;  woXtpiwv  rt  y'tXwv 
XsfYjtai,  ctpdÄpa  itl  ittotuSttv  uit'  t'jXaßtün;.  —  Für  Oppius  und  Matius 
Persönlichkeit  s.  ad  fam.  XI  27—29. 

')  Auf  die  Angabe  des  Sidonius  Apollinaris  epist.  IX  14,  7,  der 
unter  den  Werken  über  Caesar,  die  er  wegen  ihres  Stils  bewundert, 
auch  Balbi  ephemeridem  aufzahlt,  ist  garkein  Verlaß  und  die  Ver- 
mutung, daß  er  Caesars  Commentarii  fälschlich  dem  Baibus  zuschreibe, 
wohl  zutreffend.    Das  von  Sueton  Caes.  81  aus  Cornelius  Baibus,  fa- 


506 


Caesars  Monarchie 


freilich,  als  er  in  den  Jahren  44  und  43  als  Quaestor  im  jenseitigen 
Spanien  unter  Aainius  Pollio  sich  selbst  überlassen  war,  vom 
Größenwahn  befallen  in  wüstem  Treiben  Caesar  nachäffte1);  so- 
dann der  treue  Gaius  Matius,  Gaius  Pansa,  die  Juristen  Aulus 
Ofilius  und  Gaius  Trebatius  (oben  S.  499)  u.  a.,  schließlich 
untergeordnete  Persönlichkeiten,  die  gelegentlich  in  Ciceros  Brief- 
wechsel auftauchen,  wie  Aledius  und  Caesars  Geheimsekretär 
Faberius,  der  es  verstand,  seine  Stellung  zu  einträglichen  Ge- 
schäften zu  benutzen*).  Diese  Vertrauensmänner  und  Kabinets- 
räte  hatten  nicht  nur  die  politischen  Korrespondenzen3)  und  per- 
sönlichen Verhandlungen  mit  Freund  und  Feind  zu  führen,  die 
Geldgeschäfte  zu  besorgen,  die  Verdächtigen  möglichst  unauffällig 
zu  überwachen  und  über  alles,  was  vorfiel,  an  Caesar  zu  be- 
richten (vgl.  oben  S.  384)  —  ein  ganzes  Heer  von  untergeordneten 
Organen  und  Agenten  muß  für  alle  diese  Aufgaben  verwandt 
worden  sein  — ,  sondern  zugleich  die  Gesetze  und  die  Ver- 
waltungsmaßregeln auszuarbeiten.  Für  die  Einbringung  der  Ge- 
setze an  die  Comitien  bediente  sich  Caesar  dann,  wenn  er  nicht 
selbst  hervortreten  wollte,  der  gerade  vorhandenen  Beamten: 
so  im  Jahre  4G  des  Hirtius  als  Praetor  (S.  382),  im  Jahre  44 
des  Lucius  Cassius  (S.  464)  und  Lucius  Antonius  (S.  461  f.)  als 
Tribunen.  Besäßen  wir  für  Rom  auch  nur  so  viel  urkundliches 
Material,  wie  uns  für  Athen  aus  der  zweiten  Hälfte  des  fünften 
Jahrhunderts  erhalten  ist,  oder  wäre  Caesars  Korrespondenz  mit 


miliaris8imu8  Caesaris  angeführte  Vorzeichen  der  Ermordung  Caesars 
braucht  nicht  aus  einem  Geschichtswerk  entnommen  zu  sein. 

')  Pollio  an  Cicero  X  32.  Unter  Augustus  hat  es  dann  bekanntlich 
auch  der  jüngere  Baibus  noch  zum  Consulat  gebracht. 

*)  Über  seine  Geldgeschäfte  mit  Cicero  s.  0.  E.  Schmidt,  Ciceros 
Briefw.  S.  289  ff.  =  Comment.  Flkckwsen  223  ff.  Nach  Caesars  Ermor- 
dung wurde  er  das  willfährige  Werkzeug  des  Antonius  für  seine  Fäl- 
schungen, Appian  III  5,  16,  vgl.  Cic.  ad  Att.  XIV  18.  XV  13,  3.  Auf 
dem  Arentin  baute  er  sich  ein  prächtiges  Haus:  Vitruv  VII  9,  2. 

3)  Bekannt  ist  die  außerordentliche  Raschheit  und  Sicherheit,  mit 
der  Caesar  arbeitete,  so  daß  er  mehrere  Briefe,  bis  zu  sieben,  gleich- 
seitig diktieren  oder  daneben  zugleich  andere  Geschäfte  erledigen  konnte 
(Plin.  VII  91.    Plut.  Caes.  17;  vgl.  Hirtius  bell.  Gall.  VIII  praef.). 


Caesars  Gehilfen 


507 


Oppiufl  und  Baibus  und  andern  Vertrauten,  die  ebenso  wie  sein 
Briefwechsel  mit  Cicero  erhalten  und  veröffentlicht  war1),  auf 
uns  gekommen,  so  würden  wir  in  diese  Dinge  einen  viel  leben- 
digeren Einblick  erhalten. 

Neben  diesen  Bürgern  hat  Caesar,  wie  jeder  römische  Staats- 
mann, die  Angehörigen  seines  Haushalts,  Sklaven  und  Frei- 
gelassene, deren  er  natürlich  gewaltige  Massen  besaß2),  in 
weitestem  Umfang  auch  für  die  Staatsgeschäfte  verwendet ,  so 
vor  allem  für  die  Münze  und  die  Steuererhebung  in  den  Provinzen. 
Besondre  Entrüstung  erregte,  daß  er  den  Legionen  in  Alexandria, 
die  im  übrigen  offenbar  stark  orientalisiert  waren,  den  Sohn 
eines  seiner  Freigelassenen,  Rufinus,  zum  Kommandanten  gab*). 
Auch  angesehene  Griechen  hat  er  verwendet,  so  den  Theopompos 
von  Knidos,  einen  Sammler  der  Mythen,  dem  zuliebe  er  den 
Knidiern  die  Freiheit  schenkte4),  wie  früher  Pompejus  den 
Mytilenaeern  um  des  Theophanes  willen.  In  diesen  Dingen  ist 
das  Principat  dem  Vorbild  Caesars  gefolgt;  aber  in  Abhängig- 
keit von  diesen  Leuten,  wie  Pompejus  und  so  mancher  der  Kaiser, 
ist  Caesar  nie  geraten,  und  wenn  er  es  gern  sah,  daß  seine  Frei- 


')  Sueton  Caes.  56  cxtant  et  (epistulae)  ad  Ciceronem,  item  ad 
familiäres  domesticis  de  rebus,  worauf  die  Mitteilung  über  die  darin 
verwendete  Geheimschrift  folgt  (D  für  A  usw.).  Gellius  XVII  9  libri 
sunt  epistularum  C.  Caesaris  ad  C.  Oppium  et  Balbum  Cornelium, 
qui  rebus  eins  absentis  curabant,  gleichfalls  mit  Bemerkungen  über 
die  darin  vorkommenden  litterae  singulariae  sine  coagmentis  sylla- 
barum,  quas  tu  putas  positas  incondite;  über  ihre  Lesung  habe  der 
Grammatiker  Probus  in  einer  Schrift  gehandelt, 

*)  Daß  er  für  brauchbare  und  gebildete  Sklaven  (servitia  rectiora 
politioraque)  gelegentlich  so  große  Summen  zahlte,  daß  er  den  Preis 
nicht  in  seine  Rechnungen  eintragen  ließ,  erwähnt  Sueton  47. 

»)  Sueton  76.  (Natürlich  wird  Rufinus.  wie  früher  Mamurra,  als 
sein  exsoletlts  bezeichnet.)  Ein  Freigelassener  Caesars,  Demetrius,  ist 
unter  Antonius  Statthalter  von  Cypern  geworden  (Dio  48,  40,  6). 

*)  Plut.  Caes.  48.  Strabo  XIV  2,  lr>  £v8pe;  i^toXofot  Kv&o: . . .  xdfr' 
•f(f*ä$  9(6icO(iitO(.  0  Kateapo«;  to&  $to5  <p&0{  tcüv  US701  3uvajiiv«»v,  xal  n\h$ 
sApttut3ü>Po<.    Erwähnt  bei  Cicero  ad  Att.  XIII  7,  1.    Als  nach  Caesars 
Ermordung  Trebonius  Statthalter  von  Asia  wurde,  flüchtete  er  nudus 
nach  Alexandria:  Cic.  Phil.  XIII  33. 


508 


Caesars  Monarchie 


gelassenen  zu  Reichtum  gelangten1),  so  hielt  er  unter  seinem 
Gesinde  strenge  Disziplin  und  duldete  so  wenig  wie  Augustus 
anmaßende  Überhebung2). 

Die  Begründung  des  Gottkönigtums  Caesars 

Es  blieb,  ehe  Caesar  den  Feldzug  gegen  die  Geten  und  Parther 
antreten  konnte,  die  Krönung  des  Gebäudes,  die  offizielle  Ein- 
führung der  tatsachlich  bereits  nach  allen  Richtungen  begründeten 
Monarchie  als  dauernder,  rechtlich  anerkannter  Verfassung  des 
römischen  Reichs.  Es  gehört  zu  den  kaum  begreiflichen  Dingen, 
denen  wir  in  geschichtlichen  Urteilen  nicht  selten  begegnen,  daß 
Napoleon,  der  doch  sehr  wohl  wußte,  weshalb  ihm  das  lebens- 
längliche Consulat  nicht  genügen  konnte  und  weshalb  er  sich 
zum  Kaiser  krönen  ließ,  ausgeführt  hat,  Caesar  habe  nicht  nach 
der  Königswürde  gestrebt,  weil  ihm  das  Wesen  der  Macht  genügt 
habe  und  auf  den  Titel  nichts  ankomme,  und  daß  Mommsen 
derselben  Ansicht  zuneigt  und  behauptet,  die  Frage  sei  von 
untergeordneter  Bedeutung3).  In  Wirklichkeit  gehört  gerade 
bei  der  Monarchie  der  Titel  ganz  untrennbar  zum  Wesen  der 
Macht,  weil  er  erst  dem  Ubergangsstadium  ein  Ende  macht 
und  die  neue  Staatsgestaltung  als  definitiv  hinstellt:  durch  die 
Zuerkennung  der  Königswürde  wird  der  freilich  im  letzten  Grunde 
immer  hoffnungslose,  aber  doch  ganz  unabweisbare  Versuch  ge- 
macht, die  Usurpation  zu  legitimiereu  und  gesetzlich  zu  begründen. 
Caesars  Absichten  und  die  Schritte,  die  er  zu  dem  letzten  Ziel 
getan  hat,  liegen  denn  auch  so  deutlich  vor  Augen,  wie  nur 
irgend  etwas  in  seiner  Geschichte. 

Das  Königtum,  das  er  erstrebte,  war  nicht,  wie  Mommsek 
meint,  das  römische  Wahlkönigtum,  wie  es  die  8tadtchronik  ge- 

')  App.  III  94,  891. 

*)  Sueton  48  domesticam  disciplinam  in  parvis  ac  maioribux 
rebus  düigenter  adeo  severeque  rexit,  ui  pistorem  alium  quam 
sün  panem  convivis  subiacieniem  compedibus  vinxerit,  Hberium 

querente,  capitali  poena  adfecerit. 
»)  Rßm.  Geech.  III  7  484. 


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Caesars  Gottkönigtuni 


509 


staltet  hatte,  wenn  er  auch  seine  Statue  neben  die  der  Könige 
stellen  Heß  (S.  447).  Schärfer  betonte  er,  mit  Berufung  auf  seine 
Abstammung  von  Julus,  dem  Sohne  des  Aeneas,  das  im  Nebel 
des  Mythus  schimmernde  erbliche  Königtum  von  Alba,  dessen 
sei  es  schon  von  der  Tradition  gestaltete,  sei  es  für  diesen  Zweck 
konstruierte  Tracht  er  annahm,  ein  weites  Purpurgewand  und 
hohe  rote  Schuhe1).  Aber  sein  Reich  umfaßte  nicht  einen  kleinen 
Stadtbezirk,  sondern  die  gesamte  einheitliche  Kulturwelt,  und 
sein  Vorgänger  und  Vorbild  ist  das  Gottkönigtum  der  helle- 
nistischen Weltmonarchie,  wie  es  Alexander  geschaffen  hatte 
und  wie  es  dann  in  dem  asiatischen  Großreich  des  Antigonoa 
und  der  Seleukiden,  und  in  andrer,  noch  schärfer  ausgeprägter 
Gestalt  im  Lagidenreich  voll  ausgebildet  war. 

Wie  die  Idee  des  Gottkömgtums  aus  den  politischen  Theorien 
der  griechischen  Welt  erwachsen  ist  und  die  Aufgabe,  den  freien 
Rechtsstaat  der  Stadtrepublik  in  den  von  dem  einheitlichen 
Willen  des  Herrschers  geleiteten  Gesamtstaat  des  Weltreichs 
einzufügen,  mit  innerer  Notwendigkeit  immer  wieder  auf  diese 
Losung  hinführte,  haben  wir  hier  nicht  zu  verfolgen2).  Von  den 
hellenistischen  Staaten  ist  sie  auf  die  neuen  Weltherrscher,  die 
Römer,  übertragen  worden;  der  Stadt  Rom  werden  in  den 
griechischen  Städten  Spiele  gestiftet  und  gelegentlich  Tempel 
erbaut,  und  mehrfach  haben  in  den  asiatischen  Provinzen  die 
Statthalter  göttliche  Ehren  erhalten.  So  ist  es  nur  natürlich, 
daß  Caesar,  „der  Sproß  des  Mars  und  der  Venus",  gleich  nach 
seinem  Siege  im  Jahre  48  durch  einen  gemeinsamen  Beschluß 
„der  Städte,  Gemeinden  und  Völkerschaften  (d.  i.  Landbezirke) 
von  Asia"  als  „in  die  Erscheinung  getretener  Gott  und  Heiland 
des  gesamten  Menschengeschlechts"  gefeiert  wird*),  ganz  wie 

')  Dio  48,  48,  2:  cg  «  fip  hafrrjn  x«°v0,t*P?  »v  K&<5lv  «vYißpövtto  xal 
rjj  6ito)io*t  xal  (Uta  xabxa  ivtot«  xai  64nr)X^  xal  ipodpoxp&p  xata  to6c  ßaotX.ta<; 
to&c  iv  cj}  "AXfl-g  ltoti  ftvopivot>c,  <2>(  xal  «pooiqxuiv  oeptot  Äta  tiv  "IooXov,  i^pffto. 
Culena»  in  der  Rode  bei  Dio  46,  17,  5.  Vgl.  Festus  p.  142  s.  v.  mulleus. 

*)  Eingehender  habe  ich  diese  Entwicklung  in  dem  Aufsatz  übe  r 
Alexander  in  meinen  Kleinen  Schriften  8.  802  ff.  klargelegt. 

»)  CIG.  2957,  DriTKNBKnogR,  Sylloge  "  347.  » 760  töv  axö  "Apeu»?  xai 
'A<ppo&«trr)c  **iv  'ExifavrJ  xal  xoiviv  to*  avd-paixtvou  ß(oo  9a»r?)pa  —  mau 


510 


Caesars  Monarchie 


nachher  Augustus.  Aber  während  dieser  innerhalb  der  römisch  - 
italischen  Welt  die  göttlichen  Ehren  beharrlich  ablehnte  und  seine 
Nachfolger,  soweit  sie  die  Verfassung  des  Principats  aufrecht 
erhielten,  ihm  darin  folgten,  hat  Caesar  diese  Stellung  gerade  in 
Rom  selbst  und  innerhalb  des  herrschenden  Volkes  begehrt,  wie 
Alexander  sie  von  den  griechischen  Republiken  forderte. 

Schritt  für  Schritt  hat  Caesar  seine  Erhebung  zu  voller  Gött- 
lichkeit gefördert.  Den  göttlichen  Ursprung  seines  Geschlechts, 
den  er  mit  manchen  andern  teilte1),  hat  Caesar  von  Jugend  auf 
betont*);  jetzt  suchte  er  darauf  einen  Vorrang  und  den  Anspruch 
auf  die  Herrscherstellung  zu  begründen.  Den  Namen  seiner 
Ahnmutter  Venus  Victrix  gab  er  als  Parole  in  der  Entscheidungs- 
schlacht von  Pharsalus  wie  spater  bei  Muoda*),  und  der  Tempel, 
den  er  ihr  damals  gelobt  und  im  Jahre  46  bei  seinen  Siegesfesten 
geweiht  hat4),  galt  der  Erzeugerin  seines  Geschlechts,  der  Venus 
Genetrix,  die  dadurch  in  die  Staatsreligion  eingefügt  wurde. 
Erst  damals  ist  die  Gestalt  des  Julus,  des  Eponymen  des  Ge- 
schlechts, hervorgeholt  und  versucht  worden,  sie  in  die  rezipierte 
Geschichte  einzureihn,  was  nur  durch  Gewaltsamkeit  möglich 
war,  sei  es,  daß  man  ihn  zum  Bruder  oder  Sohn  des  Askanios 


würde  yielleicbt  noch  besser  »Heiland  der  gesamten  Kalturwelt"  über- 
setzen. Caesars  Titel  sind  hier  pont.  Utax.,  dict.,  cos.  II.  —  Ebenso  in  Kar- 
thaia  auf  Koos  CIO.  2869.  16.  XII  5,  557  (ygL  556)  6  &f)}LOc  6  Kapdawwv 
tiv  dtöv  uod  aOTOxp&opa  Kai  acurfjpa  rrj<  olxoo|iivYjc  Talov  'IouXiov  Katoapa 
Tatoo  Kaioapo?  olbv  av*d-»)iuv.  In  Pergamon,  gleichfalls  aus  dem  Jahre  48, 
heißt  er  t&v  'FAX-^vcov  aitavttov  oiutfjpa  xai  thtftirrp,  Mitt.  Athen.  Inst.  83, 
1908,  410  no.  44. 

')  Aimylos,  der  Eponym  der  Aemilier,  soll  entweder  ein  Beiname 
des  Mamercus,  Sohn  des  Pythagoras,  oder  ein  Sohn  des  Aeneas  sein: 
Festus  p.  28  Aemiliam,  vgl.  Plut.  Aem.  Paul.  2.  Der  Stammbaum  des 
Antonius  wurde  auf  Anton,  Sohn  de»  Hercules,  zurückgeführt,  Plut.  Ant  4. 

»)  Oben  8.  881.  Dio  41 ,  84 ,  2  laßt  ihn  zu  den  meuterischen  Sol- 
daten in  Placentia  sagen  4}  xl  uiv  aaö  t»  toü  Alvuoo  xal  a*6  too  *IooXot> 
•fi-rov«;  so  bat  er  ohne  Zweifel  wirklich  geredet 

*)  Appian  II  76,  819.  104,  480. 

4)  Appian  II  68,  287.  102,  424.  Da  das  von  Arkesilaos  gearbeitete 
Kultbild  nicht  rechtzeitig  fertig  wurde,  wurde  zunächst  das  Modell  auf- 
gestellt, Plin.  85,  156. 


Caesars  Oberpriebtertum.   Die  Gestalt  des  Julus 


511 


machte,  sei  es,  daß  man  ihn  einfach  mit  diesem  identifizierte1). 
Eine  weitere  Schwierigkeit  machte,  daß  nach  der  Überlieferung 
das  albanische  Königshaus  und  Romulus  (wenn  er  nicht,  nach 
der  älteren  Fassung,  einfach  der  Enkel  des  Aeneas  war)  nicht 
von  Juhis,  sondern  von  Silvius  abstammten ;  man  half  sich  da- 
durch, daß  Julus  mit  der  Uebertragung  des  Oberpriesterturas 
abgefunden  sei,  datierte  also  die  von  Caesar  im  Jahre  63 
gewonnene  Würde  in  die  Urzeit  zurück*).  Um  des  Aeneas  und 
Julus  willen  hat  Caesar  beim  Übergang  über  den  Hellespont 
im  Sommer  48  den  Iiiern  ihre  Freiheit  und  Privilegien  bestätigt 
und  ihr  Gebiet  erweitert8). 

Auf  seine  Stellung  als  Oberhaupt  der  römischen  Staatsreligion 
hat  Caesar  immer  besonderes  Gewicht  gelegt  und  sie  daher  auf 
seinen  Münzen  mit  Vorliebe  betont4),  bis  er  nach  Verleihung 

')  Das  soll  nach  Servius  ad  Aen.  I  267  Caesnr  selbst  getan  haben : 
an  ein  Zitat  aas  Cato  (der  natürlich  von  Iulus  noch  nichts  wußte)  fügt 
er  die  Bemerkung  occiso  Mezentio,  sicut  I.  Caesar  (die  pleniores  codd. 
haben  L.  Caesar;  es  ist  aber  doch  wohl  der  Dictator  gemeint)  scribit 
Iulum  coeptum  vocari;  weiter  wird  der  Name  auch  mit  llos  gleich- 
gesetzt. Ober  die  Schwierigkeiten,  die  die  Einreihung  des  Iulus  in  den 
Stammbaum  des  Aeneas  machte,  und  Wesen  und  Tendenz  der  verschie- 
denen Auswege  s.  Norden,  Vergils  Aeneis  im  Lichte  ihrer  Zeit,  Nene 
Jahrbb.  IV  1901,  S.  257  ff.  276  ff.  Nach  Strabo  XIII  1,  27  ist  Iulus 
tü>v  ajtOf6vu>v  tl$  tcLv  &«©  Alvttoo. 

*)  Diodor  VII  5,  8  Vogel  (der  vielleicht  auf  Kastor  zurückgeht),  aus 
dem  armenischen  Eusebius  (S.  138  Karst):  Silvios  wird  zum  König  ge- 
wählt, .Iulios  aber,  verlustig  gegangen  des  Fürstentums,  wurde  in  das 
Hohenpriestertum  eingesetzt  und  war  wie  ein  zweiter  König;  von  wel- 
chem her,  sagen  sie.  noch  bis  auf  heute  bestehe  zu  Rom  das  julische 
Geschlecht*.  Noch  drastischer  Dion.  Hai.  I  70,  4  'loüXy  8i  ivtl  r^c 
ß«otXcia{  ttpdt  ti{  igooeiot  xpoettifhq  xai  tt|r}]  «j»  «  &mv86vq>  *po5)(ot>oa  r)Jc 
povapxta;  *al  rjj  ^aota»^  wtj  ßtoo,  tti  »ai  ijti  ib  l£  a&toö  fivo<i  ixap- 
«oöto  (! !),  'loöXtot  wXijftivttc  dit*  ixs(vou. 

*)  Strabo  XIII  I,  27;  vgl.  Lucan  IX  959  ff. 

*)  Einmal  findet  sich  auf  dem  Revers  die  Figur  des  Aeneas ,  der 
seinen  Vater  und  das  Palladium  rettet;  auf  der  Vorderseite  sehr  oft 
der  Venuskopf,  aber  auch  andere  Götter,  wie  Janus  ,  Ceres,  Victoria. 
Daneben  die  Trophäen  und  andere  Anspielungen  auf  seine  Siege.  — 
Für  die  Münzen  genügt  der  Verweis  aui'  die  bekannten  Werke  von 
Cohen  und  Babelon. 


512 


Caesars  Monarchie 


des  Bildnisrechte  seinen  Kopf  im  Lorbeerkranz  und  mitunter  in 
der  Tracht  des  Pontifex  inaximus,  mit  hinaufgezogener,  das 
Hinterhaupt  verhüllender  Toga,  auf  die  Vorderseite,  die  Statue 
der  Venus  mit  der  Victoria  auf  der  Hand  auf  die  Rückseite 
setzte.  Wie  sehr  das  Ansehn  des  Herrschers  bei  der  Menge  durch 
die  sakrale  Würde  gehoben  wurde,  hat  er*  sehr  wohl  gewußt. 
Aber  nichts  weist  darauf  hin,  daß  er  in  der  feinen  Weise,  wie 
nachher  Augustus,  die  neue  Staatsgestaltung  mit  einer  Wieder- 
belebung und  klug  erwogenen  Anpassung  der  altrö mischen  Reli- 
gion verbunden  habe;  denn  daß  ihm,  als  dem  pontifex  maximus, 
Varro  seine  antiquarisch -theologischen  Libri  rerum  divinarum 
widmete1),  eine  halb  rationalistische,  halb  von  einem  ver- 
schwommenen religiös-philosophischen  Mystizismus  beherrschten 
Systematik  der  römischen  Staatsreligion,  und  ebenso  Granius 
Flaccus  sein  Buch  de  indigitamerUis*),  kann,  selbst  wenn  Caesar 
diese  Schriften  veranlaßt  haben  sollte,  höchstens  beweisen,  daß 
er  daran  dachte,  auch  in  den  gänzlich  verfallenen  Staatskultus 
wieder  Ordnung  zu  bringen.  Aber  gerade  das,  worauf  es  ihm 
allein  ankam,  die  Einführung  des  Herrscherkultus,  kam  in  diesen 
Büchern  überhaupt  nicht  vor. 

Die  Vorstufen,  die  Götteistatue  im  Tempel  des  Quirinus  und 
seine  Elfenbeinstatue  auf  dem  Siegeswagen  im  Festaufzug  der 
Götterbilder3),  haben  wir  bereits  kennen  gelernt  (S.  447  f.).  Jetzt, 


l)  Lactant.  inst.  I  6,  7.  Augustin  civ.  dei  VII  85.  In  dem  vou 
Augustin  III  4  bewahrten  Fragment  Varro  utile  esse  cwiiatibus  dicit, 
ut  se  viri  fortes,  etiam  falsum  sit,  diis  genitos  esse  credant,  ut  eo  modo 
animus  humanus  velut  divinae  stirpis  flduciam  gerens  res  magnas 
adgrediendas  praesumat  audacius,  agat  vehemenüus,  et  ob  hoc  impleat 
ipsa  securitate  feUcius  vermag  ich  nicht  mit  Agahd  (Jahrb.  cl.  Phil. 
Snppl.  24,  154)  und  Rzitzensteih  (Zwei  religionsgesch.  Fragen  99)  eiue 
Anspielung  auf  Caesar  und  sein  Gottkönigtum  zu  sehn.  Auch  galt 
Caesar  ja  keineswegs  als  diis  genitus  wie  Alezander  und  Scipio;  nur 
sein  Geschlecht  ging,  wie  zahlreiche  andere  auch,  auf  eine  Gottheit 
zurück. 

')  Censorin.  3,  2. 

')  Gleichartig  ist,  daß  Philipp  von  Makedonien  bei  der  Hocbzeitsfeier 
in  Aegae  330  sein  Bild  als  dreizebutes  dem  der  Zwölf  Götter  anreihen 


Erheb  ang  Caesars  zum  Gott 


513 


zu  Anfang  des  Jahres  44,  folgte  die  volle  Durchführung  in  einer 
laugen  Serie  von  Senatsbeschlüssen.  In  allen  Tempeln  Roms  und 
der  Städte  des  Reichs  sollte  seine  Statue  aufgestellt  und  ihm  an 
seinem  Geburtstag  von  Staats  wegen  geopfert  werden1).  Der 
Consul  Antonius  selbst  beantragte,  dem  Monat  Quintiiis,  in 
dem  er  am  12.  geboren  war,  fortan  den  Namen  Julius  zu  geben1); 
ferner,  daß  den  Circusspielen  der  ludi  Romani  ein  fünfter  Tag 
(der  19.  September)  für  Caesar  hinzuzufügen*)  und  die  Siege 
Caesars  jährlich  durch  ein  Fest,  alle  vier  Jahre  durch  feierliche  Ge- 
lübde für  ihn  zu  begehn  seien*).  Auch  eine  durchs  Los  bestimmte 
Tribus  sollte  fortan  seinen  Namen  tragen*).  In  die  Eidesformel 
wird  der  Schwur  beim  Genius  Caesars  aufgenommen*)  Dann 
folgte  der  letzte  Schritt:  Caesar  wird  als  Juppiter  Julius  geradezu 
unter  die  Staatsgötter  aufgenommen  und  ihm,  wie  den  großen 
Göttern  Juppiter,  Mars  und  Quirinus,  ein  Flamen  Julianus  be- 
stellt —  dieses  Priestertum  hat  Antonius  übernommen7)  — 

ließ,  Diod.  16.  92.  Vgl.  zu  diesen  Vorstellungen  Weinrkich,  Lykisnhe 
Zwölfgötterreliefs,  Ber.  Heidelb.  Ak.  1913,  S.  11  f.  Wimowa.  Hermes 
52,  1917,  100  f. 

')  Dio  45,  4,  2.   Florus  11  13,  91  circa  iempla  imagines. 

*)  Censorin.  22,  16.  Macrob.  I  12,  84.  Hieron.  chron.  ao.  45;  ferner 
Dio  45,  5,  2.    Appian  II  106,  443.   Vgl.  Cic  ad  AU.  XVI  1,  1.  4.  1. 

")  Cic.  PhiL  II  110.    Dio  45,  6,  2. 

*)  App.  II  106,  442  ty)v  köXiv  äva  Jto<  ixootov,  at^  a&t&c  "ty^pfciS  *y 
itapata^saiv  ivtxa,  Upta;  th  xal  Uptta{  ava  ictvcatti^  *&X*5  OY|fioola(  6itlp 
a&toö  tttoodat.  Dio  45,  6,  1  t5x*o&at  6nlp  a&toö  Äiyiooia  xat'  «toc  ixao- 
tov  .  .  .  §  2  xax  tooroo  xal  iwvwcrjptoa  ©l  a»<  ^pa»t  .  .  .  ivojiwav.  Diese 
Festtage  sind  denn  auch  in  den  inschriftlich  erhaltenen  Kaiendorf  asten 
durchweg  verzeichnet  (17.  März  Munda;  27.  Marx  Alexandria;  6.  April 
Thapsus;  12.  Juli  Geburtstag;  2.  August  Herda  und  Zela;  9.  August 
Pharsalus),  s.  die  Ubersicht  bei  Wissowa,  Religion  und  Kultus  der 
Römer  *  S.  445  und  563  ff. 

8)  Dio  45,  5,  2. 

•)  Dio  45,  6,  1  erjv  To^v  a&toö  öfivüvai. 

T)  Dio  44,  6,  4  xal  «).o?  Ata  t»  aütiv  avttxpöc  'IoöX,tov  tcpoo*f|-fopioaav 
xal  vaöv  a6t(p  rj}  t'  'Eicucxtto  aüxoö  ttpmadijvat  f-rvwsav,  ttpta  otptoi  töv 
'Avtiivtov  ö»oic«p  ttva  AtdXiov  (Flamen  Dialis)  npoxttpioajuvot.  Cic.  Phil. 
II  110.  est  ergo  Hamen,  ut  Iovi,  ut  Marti,  ut  Quirino,  sie  divo  Iulio 
M.  Antonius?  (Cicero  macht  ihm  zum  Vorwurf,  daß  er  sich  noch  nicht 
Meyer.  Caesars  Monarchie  88 


514 


Caewirs  Monarchie 


ferner  zu  den  Luperci  Quinctiales  und  Fabiani  ein  drittes  Kol- 
legium der  Luperci  Julii  hinzugefügt1).  Als  Gott  erhält  Caesar 
ferner  das  Polster  (jndvinar)  für  das  Göttermahl,  und  auf  sein 
Haus  (vgl.  S.  447),  doch  wohl  die  Regia,  die  Amtswohnung  des 
Pontifex  maximus,  wird  ein  Giebel  gesetzt  wie  auf  die  Tempel,  als 
Abzeichen,  daß  hier  ein  Gott  wohne2).  Im  übrigen  wurde,  wie  von 
Juppiter  seine  Eigenschaften,  wie  Fides  und  Victoria,  sich  als 
gesonderte  Gottheiten  ablösen  und  wie  überhaupt  die  Verehrung 
abstrakter  Begriffe  dem  damaligen  Stande  der  Religion  und  Ethik 
entsprach,  so  dem  Caesar  seine  dementia,  die  göttliche  Milde, 
die  er  fortdauernd  bewies,  als  seine  sinnfälligste  und  heil- 
bringendste Eigenschaft  zur  Seite  gestellt  und  ihr  ein  Tempel 
errichtet,  in  dem  Caesar  mit  ihr  zusammen  verehrt  werden 
sollte").  Diesen  Tempel,  der  indessen  wohl  niemals  fertig  ge- 
worden ist,  hat  Caesar  auf  Münzen  mit  der  Beischrift  Clementiae 
Caesaris  abbilden  lassen. 


hat  inaugurieren  lassen).  XIII  41.  47.  —  Als  Gott,  und  zwar  als  deus 
Caesar,  nicht  wie  später  als  Divus  Iulhts,  bezeichnet  ihn  in  dieser 
Zeit  ein  Ratsherr  von  Nola.  der  durch  ihn  zu  seinem  Amt  ernannt  war : 
CIL.  X  1271,  Dessau  6348  (CIL.  I  *  1611)  M.  Salvio  Q.  f.  Venusio  decurioni 
/be/nefleio  Bei  Caesaris. 

')  Bio  44,  6,  2.  45,  30,  2.   Cic.  Phil.  XIII  81. 

*)  Cic.  Phil.  II  HO  zählt  als  Caesar  bewilligt  auf  ut  haberet  pul- 
vinar,  simulacrum,  fastigium,  flaminem,  Sueton  76  tensam  et  fercu- 
lum  (Prozessionswagen  und  Tragbahre  für  das  Götterbild)  circensi 
pompa,  templa,  aras,  simulacra  iuxta  deos,  pulvinar,  flaminem, 
luper  cos,  appeüationem  mensis  a  suo  nomine.  Das  fastigium  in 
domo  erwähnt  auch  Florus  II  18,  91,  sowie  Plutarch  Caes.  68  aus  Livius 
(äXXa  Yjv  ydp  ti  r$  Katoapo;  oixiqt  icpoaxuutvov  otov  itei  xöafiip  xai  acpv^nqti 
ßooXfjc  t]rY]<ptaa(iiw](  ixpwnjpiov),  der  unter  den  Vorzeichen  der  Er- 
mordung berichtete,  daß  Calpurnia  es  im  Traum  einstürzen  sah  (=  Ob- 
seq.  67). 

•)  Dio  44,  6,  4  (oben  S.  518,  7).  Appian  II  106,  448.  Plut  Caes.  57. 
—  Bei  Cicero  ad  Att.  XIV  22,  1  (14.  Mai  44)  sagen  die  Caesarianer: 
clementiam  Uli  malo  fuisse,  qua  si  usus  non  esset,  nihil  tote  ei  ac- 
cidere  potuisse.  —  Nach  seiner  Ermordung  und  den  anschließenden 
Wirren  erfolgte  die  definitive  Aufnahme  Caesars  unter  die  Staatsgötter 
als  Divus  Iulius  bekanntlich  durch  die  Triumvirn  zu  Anfang  des 
Jahres  42  (Dio  47,  18,  4). 


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Amnestie.   Ausbau  der  monarchischen  Stellung  515 


Von  dieser  Milde  gab  Caesar  jetzt  einen  neuen  Beweis,  indem 
er  eine  allgemeine  Amnestie  erließ,  die  allen  noch  nicht  be- 
gnadigten politischen  Gegnern,  soweit  sie  nicht  wegen  eines 
Verbrechens  verurteilt  waren,  die  Bückkehr  nach  Rom  gewährte. 
Zugleich  ließ  er  die  umgestürzten  Statuen  des  Pompejus  und 
des  Sulla  wieder  aufrichten1)  —  so  die  des  Pompejus  in  der  von 
ihm  erbauten  Curia  bei  seinem  Theater,  zu  deren  Füßen  Caesar 
ermordet  wurde  — ,  ein  Akt,  von  dem  Cicero  sagte,  daß  er  da- 
durch zugleich  seine  eigenen  Statuen  dauernd  festige2).  Damit 
war  der  Bürgerkrieg  definitiv  abgeschlossen;  eben  deshalb  ent- 
ließ Caesar  seine  bisherige  Leibwache  und  lehnte  die  Bewachung 
ab,  welche  die  Senatoren  ihm  aus  ihrer  Mitte  anboten  (oben 
S.  470);  auf  eine  Münze  ließ  er  den  Kopf  der  Friedensgöttin 
setzen,  mit  der  Beischrift  Paxa*).  Der  Senat  beschloß  zum  Dank 
für  die  durchgeführte  Versöhnung  der  Parteien  die  Errichtung 
eines  Tempels  der  „neubegründeten  Eintracht",  der  Concordia 
nova,  der  jährlich  ein  Fest  gefeiert  werden  sollte4). 

Neben  der  religiösen  Begründung  der  monarchischen  Stellung 
geht  ihr  politischer  Ausbau  einher.  Zu  dem  Bildnisrecht  in  der 
Münzprägung  kam  jetzt  ein  erhöhter  golduer  Sitz  in  der  Curie 
und  wo  er  vor  der  Öffentlichkeit  erschien,  z.  B.  bei  der  Recht- 
sprechung; nur  bei  den  Festen  sollte  er,  wie  schon  im  Jahre  48 
beschlossen  war,  zwischen  den  Tribunen  auf  der  Tribunenbank 
sitzen*).   Zugleich  wurde  er  für  unverletzlich  wie  die  Tribunen, 

')  Dio  43.  49,  1.  50.  Appian  II  107,  448.  Plut.  Caes.  57.  Sueton  75 
denique  tempore  extremo  etiam  quibus  nondum  ignoverat  cunetis  in 
Italiam  redire  permisit  magistratusque  et  imperia  capere;  sed  et 
statu as  Lud  Bullae  atque  Pompei  a  plebe  disiectas  reposuit;  ac  H 
qua  posthac  aut  cogitarentur  gravitis  adversus  se  aut  dicerentur, 
inhibere  maluit  quam  vindicare. 

*)  Plut.  Cic.  40  =  Caes.  57. 

*)  Bei  Babklok,  monnaie*  de  la  republique  II  28  no.  89  u.  a. 
*)  Dio  44,  4,  5. 

l)  Dio  44,  4,  2.  6,  1.  17,  8.  57,  15.  6.  Floru*  II  18,  91  suggestus 
in  curia ;  Sueton  76  sitggestum  in  orchestra,  sedem  auream  in  curia 
et  pro  tribunali.  Appian  II  106,  442.  Cicero  div.  I  119  (=  Plin.  11, 
186;  ebenso  Val.  Max.  I  6,  13),  vgl.  II  37,  wonach  das  Opfertier  obne 
Herz,  das  in  der  Regel  auf  die  Iden  des  März  versetzt  wird,  paulo 


516 


Caesars  Monarchie 


jeder  Angriff  auf  ihn  in  Tat  oder  Wort  für  eine  Majestäts- 
beleidigung erklärt,  ganz  wie  bei  diesen1)  —  es  ist  die  persön- 
liche Seite  der  tribunicischen  Gewalt  des  Principats,  welche  auch 
dem  Monarchen  zuerkannt  ist.  Dagegen  fehlt  bei  Caesar  die  Be- 
deutung, welche  diese  durch  Augustus  gewann,  dem  sie  in  ihrer 
allumfassenden,  schillernden  Unbestimmtheit  die  Möglichkeit  ge- 
währt, die  Leitung  des  Staats  auch  im  Innern  ganz  in  seine 
Hand  zu  nehmen;  denn  Caesar  besaß  diese  Leitung  bereits  un- 
verhüllt kraft  der  übrigen  ihm  übertragenen  Rechte  und  Ämter. 

Hinzu  kam  eine  Reihe  weiterer  Ehrungen,  wie  sie  die  ge- 
schäftige Schmeichelei  nur  ersinnen  konnte  —  manche  andre  Be- 
schlüsse der  Art,  die  ihm  nicht  paßten,  hat  Caesar  abgelehnt2)  — : 
lorbeerbekränzte  Faaces,  das  Recht,  in  den  Tempel  des  Juppiter 
Feretrius  spoUa  opima  zu  weihen,  obwohl  er  keinen  feindlichen 
Feldherrn  eigenhändig  erlegt  hatte.  Statuen  an  den  Rostren, 
der  Rednerbühne,  mit  dem  Graskranz,  weil  er  den  Bürgern  das 
Leben  gerettet,  und  dem  Eichenkranz,  weil  er  Rom  von  der 
drohenden  Belagerung  befreit  habe,  triumphierenden  Einzug  in 
Rom  in  Form  der  Ooatio  bei  der  Rückkehr  vom  latinischen  Fest, 
schließlich  ein  Grab  innerhalb  des  Pomeriums*). 

Weit  bedeutsamer  war,  weil  von  staatsrechtlicher  Wirkung, 
daß  alle  seine  Amtshandlungen  für  dauernd  gültig  erklärt  wurden 
und  die  Beamten  sich  beim  Amtsantritt  zu  ihrer  Anerkennung 
und  Beobachtung  eidlich  verpflichten  mußten4).  Zugleich  wurde 
ihm  die  Dictatur  nebst  der  praefectura  momnx  jetzt  auf  Lebens- 
zeit zuerkannt,  und  ihm  daneben  der  Titel  eines  Vaters  des 
Vaterlands  verliehn,  den  er  auf  die  Münzen  setzen  sollte*). 

ante  interitum  Caesaris  (im  Februar)  gefanden  wurde,  cum  immolaret 
iUo  die ,  quo  pritnum  in  sella  aurea  sedü  et  cum  purpurea  veste 
processit  (s.  unten  S.  526.  2).   Vgl.  auch  Sueton  77. 

»)  Lit.  ep.  116.   Dio  44,  5,  3.    Appian  II  106,  442. 

*)  Dio  44,  S.  2.  4.  7,  2.    Sueton  76. 

*)  Dio  44,  5,  8.  5.  7,  1.   Der  Eichenkran*  anch  App.  II  106,  441. 
8tatua  loricata  auf  seinem  Forum  Plin.  84,  18. 
4)  Dio  44,  6,  8.   Appian  II  106,  442. 

»)  Lit.  116.  Dio  44.  4.  4.  Plut.  Caes.  57  fciwiTopa  «itiv  &Kffet£«v 


Weitere  Ehrungen  Caesars 


517 


Alle  diese  Beschlüsse  wurden  im  Senat  mit  überwältigender 
Majorität  angenommen;  nur  einige  wenige,  wie  der  Praetor 
Gaius  Cassins,  haben  dagegen  gestimmt  —  Caesar,  seinem 
ständigen  Verhalten  getreu,  hat  ihnen  das  nicht  nachgetragen1). 
Cicero  dagegen  wagte  nicht,  sich  dem  Zwange  zu  entziehn,  und 
hat  die  ersten,  noch  gemäßigten  Anträge  selbst  eingebracht*). 
Dann  aber  überboten  sich  die  Schmeichler;  und  die  Vertreter 
Caesars  taten  natürlich  alles,  um  zu  erreichen,  was  ihr  Herr 
begehrte,  wenn  auch  der  Gedanke,  für  ihn  die  Königswürde  zu 
beantragen,  den  Stimmungen  so  wenig  entsprach,  daß  Caesar 
selbst  einen  derartigen  Antrag  unter  Hinweis  auf  den  nach  der 
Verjagung  des  Tarquinius  darauf  gelegten  Fluch  untersagte8). 
Aber  Brutus  hatte  nicht  unrecht,  wenn  er  später  dem  Cicero  vor- 
hielt, die  nachgiebige  Schwäche  und  die  verzweifelte  Stimmung, 
die  er  wie  alle  Republikaner  gezeigt  hätten,  habe  Caesar  geradezu 
verlockt,  nach  dem  Königtum  zu  streben4). 

ti  irxaToitoiooTov  RpooXaßo6oif){.    App.  II  106,  442.    Sueton  76.  parens 
patriae  auch  Cic.  Phil.  XIII  23.  25.    Inschrift  von  Brundisium  CIL.  I  * 
789  dkssau  71:  C.  Julio  Caesari  pont.  max.  patri  patriae. 
')  Dio  44,  8.  1. 

J)  Plut.  Caes.  57  =  Cic.  40,  bestätigt  durch  Cicero  Phil.  XIII  40  f., 
wo  Antonios  dem  Cicero  vorwirft,  er  betröge  den  Hirtius  nnd  Octavian 
eisdem  omamentis,  quibus  deeeptum  Caesarem  gloriattis  est.  Cicero 
kann  die  Tatsacho  nicht  leugnen;  aber  er  behauptet,  die  Schuld  an 
Caesars  Ermordung  trage  Antonius  selbst  durch  sein  Auftreten  an  den 
Luperealien.  —  Es  ist  sehr  zu  bedauern,  daß  Ciceros  Korrespondenz  für 
den  Anfang  des  Jahres  44  völlig  versagt;  wir  würden  andernfalls  die 
Vorgänge  noch  genauer  verfolgen  können. 

»)  Appian  II  107,  444. 

*)  Brutus  an  Cicero  I  16,  8  ista  tero  imbecülitas  et  desperatio, 
cuius  culpa  non  magis  in  te  residet,  quam  in  omnibus  aliis,  et 
Caesarem  in  cupiditatem  regni  impulit  et  Antonio  post  interitum 
illius  per8uasit,  ut  interfecti  locum  occupare  conaretur;  jetzt  bezeugst 
Du  sie  gegen  Octavius.  —  Nach  Caesars  Ermordung  hat  die  offiziöse 
Geschichtschreibung  seiner  Anhänger  es  versucht,  die  Schuld  auf  die 
Antragsteller  abzuwälzen,  teils  lediglich  aus  maßloser  Streberei  und 
Schmeichelei,  teils  in  böswilliger  Absicht,  um  ihn  verhaßt  zu  machen 
nnd  zu  verderben;  so  Nikolao«  Dam.  20,  der  Caesar  als  d«Xoö<  xb 
ual  finttpo;  itoXiuxYjc  «xv^c  8ia  xiui  «x8r,}ioi>«  atpattta?  darstellt,  der  sich 


518 


Caesars  Monarchie 


In  der  Tat  war  für  Caesar  alles,  was  ihm  bewilligt  wurde, 
anzureichend.  Wie  für  Napoleon  das  lebenslängliche  Consulat, 
so  war  für  ihn  die  lebenslängliche  Dictatur  nur  die  Vorstufe  für 
die  offen  anerkannte  Monarchie.  Wie  er  seine  Stellung  auf- 
faßte, wurde  aller  Welt  deutlich,  als  der  Senat  in  feierlichem 
Zuge,  unter  Vortritt  des  Consuls  Antonius  und  der  übrigen  Be- 
amten mit  ihren  Lictoren,  ihn  aufsuchte,  um  ihm  die  neuen 
Ehrenbeschlüsse  zu  überbringen1),  die  dann  auf  silbernen  Tafeln 
mit  goldenen  Buchstaben  eingegraben  und  zu  Füßen  des  capito- 
linischen  Juppiter  aufgestellt  werden  sollten3).  Er  selbst  saß  auf 
seinem  goldenen  Stuhl  beim  Tempel  der  Venus  Genetrix;  und 
als  der  Senat  erschien,  stand  er  nicht  auf,  sondern  nahm  die 
Ehren,  darunter  die  lebenslängliche  Dictatur,  sitzend  in  Empfang. 
Das  machte  ungeheures  Aufsehn  und  schuf  eine  tiefgreifende  Er- 
bitterung, und  so  wurde  zu  seiner  Entschuldigung  behauptet,  er 
sei  unwohl  gewesen,  oder  er  habe,  mit  den  Bauten  beschäftigt, 
das  Nahen  des  Senats  nicht  bemerkt3).  Diese  Absurditäten  be- 
dürfen keiner  Widerlegung ;  eben  so  verkehrt  aber  ist  es,  in  seinem 
Verhalten  eine  Anwandlung  von  Sultanslaune  zu  sehn.  Viel- 
mehr hat  Caesar  den  Anlaß  benutzt,  um  seine  Stellung  zum 
Senat  ganz  deutlich  zu  manifestieren:  der  göttliche  Monarch 
empfängt  in  der  öffentlichen  Staatsaktion  seinen  Staatsrat 
sitzend,  wenn  dieser  ihm  seine  Huldigung  darbringt.  Viel  eher 
glaublich  ist  die  Erzählung,  daß  er  habe  aufstehn  wollen,  aber 


daher  leicht  betören  läßt  (!) ;  ebenso  Plut.  Caes.  57.  nach  dem  die  ju3oriv«s 
mit  den  Schmeichlern  zusammenwirken,  um  ihn  dann  angreifen  zu 
können,  ähnlich  Dio  44,  8 .  1 :  die  Senatoren  überbieten  sich  in  An- 
tragen, fttttta  in'  a&raic  ixttvai?  xa:  tfiijjupovro  xai  ÄUßaXXov  tu;  rfitu>i  « 
o<pä<  Xau.ßdvovta  xai  o-rx-qpöttpov  4k'  a&tüv  C*»vta ;  7.  2.  9.  1. 

J)  Die  Szene  wird  geschildert  von  Liv.  116.  Dio  44,  8.  Plut. 
Caes.  60.    Appian  II  107.  445  f.    Sueton  78.    Nie.  Dam.  22. 

*)  Dio  44,  7,  1. 

a)  Letzteres  erzahlt  Nie.  Dam.  22  ganz  naiv ;  nach  Dio  44,  8,  3  wird 
Diarrhöe,  nach  Plut.  Caes.  60  ein  drohender  Anfall  der  Epilepsie  als 
Entschuldigung  angegeben.  Plutarch  soibst  verlegt  dann  die  Szene,  wie 
Caesar  seinen  Hals  zum  Abschneiden  bietet,  vom  Luperealienfest  fälsch- 
lich hierher.    Für  das  Datum  s.  S.  526,  2. 


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Empfang  de«  Senat»  mit  den  Ehrenbeschlüssen 


519 


Baibus,  der  Minister,  der  seine  Gedanken  am  besten  kannte, 
ihn  zurückgehalten  habe1),  oder  daß  Trebatius,  der  leutselige 
Jurist,  ihn  gemahnt  habe,  aufzustehn,  er  aber  diesen  unfreund- 
lich angeblickt  habe*).  Jedenfalls  wußte  Caesar  auch  hier  genau, 
was  er  tat.  Aber  es  ist  natürlich,  daß  der  Senat  sein  Verhalten 
nur  als  eine  schwere  Beleidigung  ansehn  konnte. 

Im  persönlichen  Verkehr  hat  Caesar  sich,  soweit  es  möglich 
war,  wie  bisher  leutselig  und  unbefangen  gegeben;  allerdings  war 
er  so  überlastet,  daß  auch  die  angesehensten  Männer  oft  stunden- 
lang warten  mußten,  wenn  sie  ihn  sprechen  wollten  —  er  selbst 
hat  einmal  bemerkt,  „er  könne  nicht  zweifeln,  daß  alle  Welt 
ihn  hassen  müsse;  wenn  Cicero  im  Vorzimmer  sitzen  und  warten 
müsse,  bis  es  ihm  genehm  sei,  ihn  vorzulassen,  könne  er  ihm  un- 
möglich wohlgesinnt  sein,  und  doch  sei  dieser,  wenn  irgend  jemand, 
noch  leicht  zu  behandeln"*)  — ;  und  er  hat  es  in  vielen  Fallen 
vorgezogen,  auch  in  Rom  selbst  die  Besprechungen  schriftlich 
zu  erledigen,  so  daß  er  Herr  seiner  Zeit  blieb4).  Aber  das  Gefühl 
des  Zwanges  ließ  sich  auch  dann  nicht  vermeiden,  wenn  er  zu 
Gast  war,  denn  er  war  der  Herr.  Sehr  anschaulich  schildert 
Cicero  den  Besuch,  den  er  ihm  auf  seiner  Villa  bei  Puteoli  am 
19.  Dezember  46  machte:  sein  militärisches  und  ziviles  Gefolge 
einschließlich  der  Freigelassenen  und  Sklaven  belief  sich  auf 
2000  Mann,  die  alle  bewirtet  werden  mußten.  Caesar  selbst 
verweilte  zunächst  bei  Philippus,  dem  Gemahl  seiner  Nichte 
Atia,  ließ  niemand  vor,  und  erledigte  mit  Baibus  Rechnungen 
und  Geschäfte.  Dann  machte  er  eine  Strandpromenade,  nahm 
ein  Bad,  entschied  eine  Angelegenheit,  die  Mamurra  betraf,  lieli 
sich  salben,  ruhte,  und  präparierte  sich  auf  das  Diner  durch  ein 

')  Sueton  78  =  Plut.  Caea.  60. 
»)  Sueton  78. 

*)  Cic.  ad  Att.  XIV  1,  2  ego  dubitem,  quin  summo  in  odio  sim, 
cum  M.  Cicero  sedeat  nec  suo  commodo  me  convenire  possit  ?  at- 
qui,  si  quisquam  est  facilis,  nie  est;  tarnen  non  dubito,  quin  tne 
male  oderit  ;  oder  2,  2  in  anderer  Fassung  ego  nunc  tarn  sim  stuüus, 
ut  hunc  ipsum  facilem  hominetn  puiem  mihi  esse  amicum,  cum 
tarn  diu  sedens  meum  commodum  exspectet? 

*)  Plut.  Caes.  17,  offenbar  aus  Oppins. 


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520 


Caesars  Monarchie 


Brechmittel1).  Die  Mahlzeit,  trefflich  gekocht,  verlief  unter  an- 
geregtem Gespräch  ganz  angenehm.  „Aber  der  Gast  war  keiner, 
zu  dem  man  sagt:  bitte,  komm  doch  auf  dem  Rückweg  wieder 
zu  mir.  Einmal  ist  es  genug.  In  der  Unterhaltung  kam  nichts 
Wichtiges  (Politisches)  vor,  dagegen  viele  philologische  Fragen. 
Indessen  er  war  vergnügt  und  zufrieden."  Als  er  an  der  Villa 
Dolabellas,  des  designierten  Consuls,  vorbeikam,  ließ  er  seine 
Truppe  in  Parade  marschieren,  eine  Ehre,  die  er  keinem  andern 
erwies"). 

Wie  er  für  ein  Gespräch  den  Gegenstand  bestimmte,  ver- 
langte er  auch  sonst  die  Rücksichtnahme,  die  dem  Herrscher 
gebührt.  Es  ist  durchaus  glaublich,  daß  seine  Aeußerungen 
authentisch  sind,  die  Sueton  aus  einer  Schrift  des  Titus  Ampius 
(oben  S.  400)  anführt:  „Die  Republik  ist  ein  Nichts,  nur  ein 
Name  ohne  Körper  und  Gestalt.  Sulla  war  ein  Kindskopf,  daß 
er  die  Dictatur  niedergelegt  hat.  Die  Menschen  müßten  sich 
allmählich  gewöhnen,  mit  großer  Rücksicht  mit  ihm  zu  sprechen, 
und  was  er  sage,  als  Gesetz  hinzunehmen"3). 

Wenn  das  Weltreich,  das  er  plante,  durch  die  Besiegung  der 
Parther  und  der  Geten  voll  aufgerichtet  war,  rückte  Rom  in  der- 
selben Weise  aus  der  zentralen  Stellung,  die  es  bisher  einnahm, 
wie  die  griechische  Welt  und  Athen  sie  durch  die  Eroberungen 
Alexanders  verlor.  Der  Schwerpunkt  verschob  sich  dann  in  das 
Ostbecken  des  Mittelmeers,  und  die  Notwendigkeit  wurde  un- 
umgänglich, die  Welthauptstadt  hierhin  zu  verlegen.  Auch  diese 
Konsequenz  hat  Caesar  ziehn  wollen;  sie  bot  zugleich  den  ge- 
waltigen Vorteil,  daß  er  dadurch  von  dem  Druck  frei  wurde, 
den  Rom  mit  seinen  republikanischen  Einrichtungen  und  Tra- 


')  Diese  häßliche  römische  Sitte  hat  Caesar  auch  sonst  befolgt  (pro 
Dejot.  21,  cum  vomere  post  cenam  te  veüe  dixisses),  obwohl  er  im 
allgemeinen  mäßig  war. 

')  Cic.  ad  Att.  XIII  52. 

*)  8ueton  77.  —  Daß  er  im  übrigen  sich  in  private  Beziehungen 
nicht  einmischte  and  nichts  dagegen  hatte,  <iaÖ  man  den  Verkehr  mit 
Leuten  fortsetzte,  quos  ipse  non  diligebat,  bezeugt  Matius  an  Cicero 
XI  28,  7. 


Plan  der  Verlegung  der  Residenz.  Eleopatra 


521 


ditionen  trotz  allem  noch  immer  auf  ihn  ausübte.  Das  weit- 
verbreitete Gerücht,  daß  er  seine  Residenz  nach  Alexandria  oder 
Hion  verlegen  und  Rom  durch  Vertrauensmänner  regieren  lassen 
wolle,  ist  zweifellos  durchaus  zutreffend1),  denn  es  liegt  in  der 
Natur  der  Dinge,  und  wir  müßten  diesen  Plan  vermuten,  auch 
wenn  er  nicht  bezeugt  wäre.  Auch  an  Augustus  ist  diese  Frage 
herangetreten,  als  die  Welt  zu  seinen  Füßen  lag;  dadurch,  daß 
er  sich  entschied,  nicht  ein  Weltreich  zu  gründen  wie  Caesar, 
sondern  die  Herrschaft  Roms  und  darum  die  Republik  wieder 
herzustellen,  ist  auch  diese  Frage  zunächst  entschieden  worden8). 
Aber  die  Entwicklung  hat  schließlich  bei  der  Begründung  der 
absoluten  Monarchie  durch  Diocletian  doch  zu  der  Verlegung 
der  Hauptstadt  in  den  Osten  geführt3),  obwohl  das  Reich  hier 
nicht  erweitert  worden  war;  so  hat  Caesar  auch  hier  das  Ergebnis 
vorwegnehmen  wollen,  zu  dem  dann  die  Entwicklung  langsam 
in  drei  Jahrhunderten  geführt  hat. 

Die  direkte  Anknüpfung  an  Alexander  hatte  Caesar  seit 
langem  ins  Auge  gefaßt.  Es  ist  nicht  nur  ein  Liebesverhältnis 
gewesen,  das  Caesar  im  Jahre  48  mit  Kleopatra  angeknüpft  hat 
—  das  hätte  schwerlich  jahrelang  vorgehalten  — :  sondern  die 
Königin  war  die  letzte  Erbin  Alexanders  und  das  ägyptische 
zugleich  das  letzte,  wenigstens  dem  Namen  nach  noch  selb- 
ständige Königreich  der  Kulturwelt4).  So  hatte  die  Verbindung 


')  Sueton  79  quin  etiam  varia  fama  percrebruit,  migraturum 
Alexandream  vel  Munt,  translatis  simul  opibus  imperii  exhausta- 
que  IUüia  dilectibus,  et  procuratione  xtrbis  amicis  permi&sa.  Nie. 
Dam.  20  o'i  piv  fiip  fyuowov,  ßooiXtiov  eaotip  rpwxivat  ao|MidoY)c  Y^)C  xa 
»aXdtrrj«  Atfontov  axo&tuvövat  .  .  .  ot  V  iy  'IXUp  toöto  fyaoav  abxbv  uiX- 
X»tv  wa&omofcu. 

*)  Horas  carm.  III  3.  Tgl.  Kleine  8chriften  S.  467  f.  472. 

•)  Constantin  hat  bekanntlich  das  neue  Rom  zuerst  in  der  Tat  in 
Ilion  schaffen  wollen. 

4)  Daß  Caesar  nach  der  Einnahme  Alexandrias  (27.  Marz  47  =  15.  Ja- 
nnar  jul.)  noch  etwa  2  '/s  Monate  in  Aegypten  blieb  (Jüdeich.  Caesar  im 
Orient  8.  112)  and  die  Zeit  zu  der  Fahrt  ni  lauf  warte  zusammen  mit 
Kleopatra  benatzte  (Sueton  52.  App.  II  90,  379),  erklärt  sich  wohl  dar- 
aus, daß  er  für  den  Feldzag  gegen  Pbarnakes  den  Eintritt  des  Sommer« 


522 


Caesars  Monarchie 


mit  ihr  eine  weit  höhere  Bedeutung;  und  eben  darum  ließ  Caesar 
sie  im  Jahre  46,  nachdem  sie  ihm  einen  Sohn  geboren  hatte, 
nach  Rom  kommen1),  wies  ihr  eine  Wohnung  in  seinen  Gärten 
jenseits  des  Tiber  an1),  und  stellte  ihre  Statue  im  Tempel  der 
Venus  Genetrix  neben  dem  Kultbild  der  Göttin  auf3).  Seine 
ganze  Regierung  hindurch  ist  sie  in  Rom  geblieben;  erst  Mitte 
April  44  ist  sie  nach  Aegypten  zurückgekehrt4). 

Zum  Wesen  der  Monarchie  gehört  die  Erblichkeit;  und  hier 
schwebte  über  dem  römischen  Weltreich  dasselbe  Verhängnis, 
das  das  Reich  Alexanders  zerstört  hat,  daß  der  Herrscher  keinen 
Sohn  hatte.  Der  Gedanke  daran  hat  Caesar  sehr  ernstlich  be- 
schäftigt. Daran,  seinen  Sohn  von  Kleopatra  zu  legitimieren, 
konnte  er  einstweilen  nicht  denken,  wenn  er  auch  aus  seiner 
Vaterschaft  kein  Hehl  machte8);  aber  Rom  hätte  ihn  unter 
den  gegenwärtigen  Verhältnissen  niemals  anerkannt,  ganz  ab- 
gesehn  davon,  daß  das  römische  Recht  eine  Legitimierung 
eines  unehelichen  Kindes  nicht  kannte  und  auch  die  Arro- 

ab warten  wollte.  Daß,  wie  Sueton  angibt,  die  ihn  begleitenden 
Truppen  eich  weigerten,  ihm  dabei  zu  folgen  (cum  Cleopatra  .  .  .  paene 
Aethiopia  tenus  Aegyptum  penetravit,  nisi  exercüus  sequi  recusasset), 
ist  sehr  glaublich;  sein  Verhältnis  zu  der  Königin  widersprach  allen 
römischen  Anschauungen. 

')  Dio  48,  27,  8.  Hieron.  chron.  ao.  46:  Cleopatra  regio  comitatu 
urbem  ingressa.    Sueton  52. 

■)  Cic.  ad  Att.  XV  15,  2  superbiam  autem  ipsius  reginae,  cum 
esset  trans  Tiberim  in  hortis,  commemorare  sine  magno  dolore  non 
possum. 

*)  Appian  II  102,  424,  vgl.  Dio  51,  22,  3. 

*)  Cic  ad  Att.  XIV  8  (14.  April  44)  reginae  fuga  mihi  non  nw- 
lesta  est;  erwähnt  auch  20,  2.  XV  1  a,  5.  4,  4.  15,  2.  17,  2.  8uetons 
Angabe  Caes.  52,  Caesar  selbst  habe  sie  nonnisi  maximi.s  honoribus 
praemiisque  auctam  remisit,  ist  also  ungenau. 

*)  Nie.  Dam.  20  bestreitet  diese  Behauptung  mit  Berufung  auf  Cae- 
sars Testament,  das  ihn  nicht  erwähnt.  Das  ist  Augustus'  Auf  fassang, 
und  offiziell  zutreffend;  sachlich  wird  wohl  Antonius'  Behauptung 
in  einem  Schreiben  an  den  Senat  (Sueton  Caes.  52)  richtig  sein,  Caesar 
habe  ihn  anerkannt,  Matius  und  Oppius  konnten  das  bezeugen;  aber 
Oppins  bestritt  in  einer  Schrift  dem  Octavian  zuliebe,  daß  Caesariou 
Caesars  Sohn  sei. 


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Die  Frage  der  Nachfolge.  Octavian 


523 


gation  einee  Unmündigen  unzulässig  war1);  überdies  konnte 
er  unmöglich  ein  dreijähriges  Kind  beim  Abgang  in  den  Krieg 
als  Erben  zurücklassen.  So  hat  er,  als  er  nach  der  Rück- 
kehr aus  Spanien  am  13.  September  45  auf  seinem  Gut  bei  Labici 
sein  Testament  machte,  sich  schließlich  entschlossen,  den  nächsten 
Verwandten,  seinen  achtzehnjährigen  Großneffen  Octavius  zum 
Erben  einzusetzen  und  zugleich  zu  adoptieren  —  die  Adoption 
war  am  Schluß  des  Testaments  nachgetragen").  Das  bedeutete 
tatsächlich,  wenn  auch  nicht  rechtlich,  zugleich  die  Ernennung 
zum  Nachfolger  im  Reichsregiment.  Caesar  hatte  den  Knaben 
allmählich  hervorgezogen  und  ihm  allerlei  Ehrenstellen  über- 
tragen; am  spanischen  Feldzug  hatte  er  wegen  Krankheit  nicht 
teilnehmen  können,  sondern  war  erst  nach  dem  Siege  dort  ein- 
getroffen. Nach  der  Rückkehr  verlieh  Caesar  ihm  den  patricischen 
Adel»)  und  schickte  ihn  dann  nach  Apollonia  in  Illyrien,  um  dort 
seine  Studien  zu  vollenden.  Im  Frühjahr  sollte  er  ihn  dann  auf 
dem  Kriegszuge  begleiten,  und  zwar  mit  der  Würde  eines  Magister 
equitum;  denn  Lepidus  sollte  diese  bei  Caesars  Weggang  nieder- 
legen und  die  Verwaltung  des  diesseitigen  Spaniens  nebst  der 
Narbonensis  übernehmen4).   Alsdann  mochte  Octavius  sich  unter 


')  Darauf  hat  mich  Skcxel  hingewiesen  (Gaiusl  102.  Gellius  V  19,  10). 
*)  Sueton  88  (in  ima  cera);  vgl.  Nie.  Dam.  13. 

3)  Sueton  Aug.  2.    Dio  45,  2.  6. 

4)  Dio  43,  51.  7  ff.,  nach  dem  er  an  Lepidus'  Stelle  zwei  mag.  eq. 
treten  lassen  will  (36o  ovr*  aitoü  [codd.  auröv]  itipoo;,  i8uj  f»  ^ättpov, 
-.xitapX'V]oat  inoajoj,  und  vorher  too^  «  tuiiaox'^oavra?  &\\ov  tt  tiva  xat 
töv  'Oxt&kov  . . .  itpoixtipiaato).  Eine  solche  Neuerung  wäre  Caesar  sehr 
wohl  zuzutrauen;  Octavius  hätte  dann  hei  der  Armee,  der  andre  in 
Rom  das  Amt  versehn.  Aber  in  den  Trümmern  der  capitol  mischen 
Fasten  für  44  (CIL.  I  *  p.  28)  ist  erhalten  ut  qum  M.  Lepidus  palu- 
datus  fexissetj,  was  Möhnsen  gewiß  richtig  dahin  ergänzt,  daß  Octa- 
vius alsdann  zu  seinem  Nachfolger  designiert  war  und  nicht  antrat. 
Dann  folgt  Cn.  Domitius  M.  f.  M.  n.  Calvinus  {der  Consul  von  y.i.  als 
Tribun  59  Caesars  Gegner,  spater  Legat  Caesar*  bei  Pharsalus,  im 
Krieg  gegen  Pharnakea  und  in  Africa)  /mag.  eq./  in  insequentem  an- 
n/um  designatus]  erat,  non  iniit.  Weun  diese  Angabe  richtig  und 
nicht  in  Octavians  Interesse  gefälscht  ist,  hat  Dio  ein  Verseil n  begangen. 
—  Appian  III  9,  30  'Outdooio^  .  .  .  twiapxo;  |iiv  Koc'rapoc  7*y«v»jto 


524 


Caesars  Monarchie 


Caesars  Leitung  weiter  ausbilden  und  für  die  Übernahme  der 
Nachfolge  erzogen  werden.  Sollte  er  indessen  vor  seinem  Oheim 
hinweggerafft  werden,  so  Hieb  nichts  übrig,  als  dem  Zufall  freien 
Spielraum  zu  lassen:  für  diesen  Fall  hat  Caesar  sein  Vermögen 
unter  eine  Anzahl  Erben  verteilt,  darunter  Decimus  Brutus,  deD 
bewährten  Statthalter  Galliens  während  des  Bürgerkriegs,  in  den 
letzten  Monaten  des  Jahres  45  Praetor,  dem  er  für  das  Jahr  44 
die  cisalpinisohe  Provinz  und  für  das  Jahr  42  das  Consulat  zu- 
gewiesen hatte1). 

Indessen  die  Adoption  war  immer  nur  ein  Notbehelf;  und  die 
fundamentale  Verschiedenheit  der  Charaktere  läßt  es  fraglich  er- 
scheinen, ob  Caesar  für  Octavius  große  Zuneigung  empfunden 
und  ihn  innerlich  als  den  geeigneten  Nachfolger  betrachtet  hat. 
Die  Möglichkeit  war  immer  noch  vorhanden,  daß  Caesar,  wenn 
das  Geschick  günstig  blieb,  noch  einen  Sohn  zeugte  und  heran- 
zog. Caesar  hat  diesen  Gedanken  sehr  ernstlich  erwogen  und  in 
seinem  Testament  die  Vormünder  für  diesen  eventuellen  Sohn 
bestellt,  unter  ihnen  Antonius,  Decimus  Brutus  und  mehrere 
andre  seiner  Mörder2);  auch  die  Angabe  wird  richtig  sein,  daß 
in  den  Senatsbeschlüssen  zu  seinen  Ehren  auch  bestimmt  war, 
die  Stellung  des  Pontifex  maximus  solle  sich  auf  seinen  even- 

«pi«  ?v  ta>c  setzt  die  Führung  des  Amts  fälschlich  an  Stelle  der  De- 
signation. —  Wenn  die  Angabe  Plin.  VII  147  über  Angustus  richtig 
ist:  repulsa  in  magisterio  equitum  apud  avunculum  et  contra  peti- 
Honem  eins  praelatus  Lepidus,  so  ist  seine  Ernennung  schon  für  das 
Jahr  45/4  erwogen,  aber  von  Caesar  abgelehnt  worden. 

')  Sueton  83.  Zur  Erbschaft  war  Octavius  für  drei  Viertel,  für 
den  Rest  die  beiden  Söhne  seiner  älteren  Schwester,  Lucius  Pinarius 
und  Quintus  Pedia«  berufen  (vgl.  Plin.  35,  21.  Ebenso  Appian  III  22, 
82.  28  ,  89).  Außerdem  vermachte  er  bekanntlich  der  stadtrömischen 
Plebs  viritim  800  Sestertien  sowie  seinen  Garten  jenseits  des  Tiber. 
[Liv.  epit.  116,  Octavius  sei  heres  ex  parte  dimidia  instüutus,  ist 
falsch.] 

')  Sueton  83.  Dio  44,  35  [wo  Antonius,  Decimus  Brutus  u.  a.  flüchtig 
als  zu  Vormündern  des  Octavius  bestellt  bezeichnet  werden].  D.  Brutus 
auch  Appian  II  143,  597  [der  ihn  hier  und  166,  611  zugleich  adoptiert 
werden  laßt!].  Plut  Caes.  64;  Antonius  als  secundus  heres  auch  Flor. 
II  45.  1. 


Die  Nachfolge.    Plan  neuer  Vermählungen 


tuellen  Sohn  oder  Adoptivsohn  vererben1);  so  war  die  sakrale 
Würde,  die  ihm  von  dem  Urahnen  Julus  her  zustand  (S.  511), 
also  seinen  Vorfahren  mit  Unrecht  vorenthalten  war,  dauernd 
mit  seinem  Hause  verbunden. 

Von  Calpurnia  freilich  konnte  er  einen  Nachkommen  nicht 
mehr  erwarten;  aber  den  Weg  wiesen  auch  hier  die  makedonisch - 
hellenistischen  Monarchien,  in  denen  der  König  oft  genug  mehrere 
Gemahlinnen  hatte  und  dann  aus  seinen  Söhnen  einen  als  Nach- 
folger bestimmt  hatte.  So  ließ  er  ein  Gesetz  entwerfen,  das  ihm 
gestattete,  beliebig  viele  Frauen  zum  Zweck  der  Kinderzeugung 
heimzuführen;  der  Tribun  Helvius  Cinna  war  beauftragt,  den 
Antrag  einzubringen,  sobald  Caesar  Rom  verlassen  habe1).  Wenn 
das  bewilligt  war,  stand  es  ihm  frei,  auch  Kleopatra  zu  seiner 
Gemahlin  zu  erheben  und  seinen  Sohn  von  ihr  durch  ein  Ge- 
setz legitimieren  zu  lassen  s).    Das  ist  der  Weg,  den  nachher  in 

•-"^ mm mm h m. 

')  Dio  44,  5,  S  xbv  fti  irk  olov,  <5v  tiva  ^«vv^a^  ?|  xal  fca»caiY|GY]w..  ip- 
/'.epsa  arroSecx^vai  l^tftoavxo.  Ein  derartiger  Beschlaß  liegt  so  in  der 
Richtung  von  Caesars  Politik,  daß  kein  Grund  vorliegt,  die  Angabe  als 
Fälschung  im  Interesse  des  Augustus  zu  betrachten.  Dieser  hat  bekannt- 
lich Lepidus'  Pontificat  als  illegitim  betrachtet,  wie  es  denn  auch  er- 
schlichen war. 

*)  Sneton  52:  Helvius  Cinna  tr.  pl  plerisque  confessus  est,  ha- 
buisse  se  scriptam  paratamque  legem,  quam  Caesar  ferre  iussisset, 
cum  ipse  abesset,  ut  uxores  liberorum  quaerendorum  causa  quas  et 
quot  vellet  ducere  liceret.  Sueton,  der  die  Angabe  unter  die  Geschichten 
von  Caesars  geschlechtlichen  Ausschweifungen  einreiht,  hat  den  Sinn 
des  Antrags  so  wenig  verstanden,  wie  Dio  44,  7,  3  4|A6).ei  xal  fovai$tv 
Soatc  £v  iO-tX^-p  oovtival  ot  itoXfvrjodv  ttvi{  ijcitps^at,  5tt  noXXat^  xal  tott 
ftt,  xatictp  it8vrrjxovto6rr|<  a»v,  iyp^joato.  Auf  den  Antrag  sielen  die  bei 
Gellius  XVI  7.  12  erhaltenen  Verse  des  Laberius: 

Duos  uxores?  hoc  hercle  plus  negoti  est,  inquit  cocio: 

sex  aediles  viderat. 
.Zwei  Frauen  willst  du  haben?  Da  gibt's  wahrhaftig  mehr  au  tun,  sagt 
der  Mittelsmann:  sechs  Aedilen  dagegen  [die  Caesar  eingeführt  hatte, 
oben  8.  461]  hatte  er  schon  gesehn."  —  Helvins  Cinna,  ein  Werkzeug 
Cnesars,  ist  derselbe,  der  bei  Caesars  Leichenfeier  irrtümlich  als  Mörder 
zerrissen  wurde. 

*)  In  seinem  Testament  hatte  er  ihn  selbstverständlich  unter  dein 
bisherigen  Recht  nicht  berücksichtigen  können. 


526 


Caesars  Monarchie 


Nach  ahmung  Caesars  Antonius  gegangen  ißt,  der  Kleopatra  neben 
Octavia  zu  seiner  rechtmäßigen  Gattin  erhob1),  freilich  ohne  dazu 
durch  ein  Gesetz  die  rechtliche  Basis  zu  besitzen.  Antonius  hat 
denn  auch  den  Caesarion  als  Sohn  Caesars  anerkannt.  Eben  darum 
konnte  Octavian  ihn  nicht  dulden;  während  er  die  Kinder 
der  Kleopatra  von  Antonius  aufzog,  ja  halbwegs  als  Mitglieder 
seiner  Familie  behandelte,  hat  er  den  Knaben,  der  ihm  als 
Rivale  und  berechtigterer  Erbe  Caesars  entgegengestellt  wurde, 
umbringen  lassen,  als  er  in  seine  Hände  fiel. 

In  Ausführung  der  Senatsbeschlüsse  hat  Caesar,  wahrschein- 
lich am  14.  Februar*),  die  vierte  Jahresdictatur  niedergelegt  und 
die  lebenslängliche  angetreten8).  Seitdem  erscheint  der  Titel 
did.  perpetw  meist,  und  gelegentlich  statt  dessen  porww  patriae 
auf  seinen  Münzen.  Aber  schon  vorher  hatte  er  die  ersten 
Schritte  zur  Erlangung  der  Königswürde  getan.  Mit  dem  Senat 
war  dafür  zunächst  nichts  zu  machen ;  so  sollte  die  Volksstimme 
die  Forderung  erheben.  Denn  wie  Pompejus  und  später  Augustus 
wollte  auch  Caesar  gezwungen  sein,  die  Last,  die  sein  Herz  be- 
gehrte, auf  sich  zu  nehmen.  Als  er  am  26.  Januar  vom  latinischen 
Fest  im  feierlichen  Zuge  der  Ovation  in  Rom  einritt,  war  seine 
Statue  an  den  Rostren  mit  einem  lorbeerbekränzten  Diadem 
geschmückt,  und  aus  der  Menge  wurde  er  als  König  (Rex)  an- 
gerufen. Scheinbar  unwillig  und  die  Anrede  mißverstehend  ant- 
wortete er,  mit  mißglücktem  Witz,  wie  er  ihm  sonst  kaum  je 
entschlüpfte:  „Ich  heiße  nicht  Rex,  sondern  Caesar."  Das 


')  8.  seinen  Brief  bei  Sueton  Aug.  69.    Vgl.  Kromatbr,  Hermes  38, 

1898,  8.  35  ff. 

*)  Nach  Val.  Max.  VIII 11,  2  (vgl.  1 6,  18)  warnt  der  Haruspex  Spurinna 
infolge  eines  schlechten  Vorzeichens  Caesar  vor  den  nächsten  dreißig  Tagen, 
von  denen  die  Iden  de«  Marz  der  letzte  ist.  Das  geschah  aber  nach 
Cicero  de  div.  I  119.  der  es  genau  wissen  konnte,  an  dem  Tage,  an 
dem  Caesar  zuerst  im  Purpurgewand  auf  dem  goldenen  Stuhle  saß  (vgl. 
oben  S.  515,  5),  also  unmittelbar  nach  der  Szene  mit  dem  Senat,  in  der 
ihm  auch  die  lebenslängliche  Dictatur  übertragen  wurde.  —  Daß  er  am 
26.  Januar  ovans  ex  monte  Albano  noch  Dict.  IUI  war,  lehren  die 
Triumphal  fasten. 

3)  So  in  den  Fasten  CIL.  1 1  p.  28.  61.  64. 


Angebot  des  Königtums 


527 


Diadem  wurde  von  der  Statue  durch  die  Tribunen  C.  Epidius 
Marcellus  und  L.  Caesetius  Flavua  entfernt,  und  sie  schritten 
^ogen  die  Urheber  des  Skandals  ein  und  setzten  sie  unter  all- 
gemeiner Zustimmung  gefangen.  Da  hielt  Caesar  mit  seiner 
wahren  Gesinnung  nicht  mehr  zurück:  er  versuchte  zunächst, 
den  Vater  des  Caesetius,  einen  römischen  Ritter,  zu  bestimmen, 
seinem  Sohn  die  Niederlegung  des  Tribunats  zu  befehlen1),  und 
als  der  sich  weigerte,  verklagte  er  beide  Tribunen  in  einer  Senats- 
sitzung im  Tempel  der  Concordia,  sie  suchten  durch  die  Be- 
schuldigung, er  strebe  nach  dem  Königtum,  beim  Volk  Haß 
gegen  ihn  zu  erregen,  sie  seien  des  Todes  schuldig.  So  weit 
wollte  er  allerdings  nicht  gehn ;  aber  er  veranlaßte  ihren  Kollegen 
Helvius  Cinna,  ihre  Absetzung  zu  beantragen  (vgl.  S.  530,  2)  — 
d  e  Comitien  mußten  natürlich  gehorchen  — ,  und  stieß  sie  dann 
kraft  seiner  sittenrichterlichen  Gewalt  aus  dem  Senat*). 

Wenig  später,  am  15.  Februar  bei  den  Luperealien,  wieder- 
holte sich  derselbe  Vorgang,  diesmal  in  formellerer  Weise.  Der 
Cotisul  Antonius,  der  als  Lupercus  Julianus  den  altherkömm- 
lichen nackten  Wettlauf  hielt,  trat  an  Caesar,  der  in  seinem 
königlichen  Prunkgewand  auf  dem  tags  vorher  bewilligten 
goldenen  Thron  saß,  heran,  und  überreichte  ihm  in  feierlicher 

')  Val.  Max  V  7,  2. 

z)  Der  Hergang  (erwähnt  auch  Cic.  Phil.  XIII  81)  wird,  mit 
mancherlei  Variationen  in  Einzelheiten,  berichtet  von  Liv.  ep.  116.  Dio 
44, 10.  Appian  II  108.  Plut.  Caes.  61  (Anton.  12  hat  Plutarcb  den  Vorgang 
fälschlich  an  die  Luperealienszene  angeschlossen).  Vellejus  II  68,  4  f.  Nie. 
Dam.  20;  bei  letzterem  wird  der  Zuruf  des  Volks  ,  der  CaeBar  als  König  be- 
grüßt, absichtlich  hinter  die  Absetzung  der  beiden  Tribunen  gestellt,  und 
Caesar  antwortet,  dieser  Forderung  könne  er  nicht  nachgeben,  ßooXtQ&oti 
fäp  <}i&XXov)  r»)v  Rjtatov  apx'iiv  t^ttv  vo[Ufiu»$  $j  ßootX«tav  icapavö|ia>c.  Die  Ab- 
setzung durch  Cinna  (vgl.  Dio  46,  49,  2)  und  die  Ausstoßung  aus  dem  Senat 
durch  Caesar  (censoria  nota,  Vell.)  sind  zwei  verschiedene  Akte.  Nach 
Nikolaos  22  waren  sie  verbannt  und  dann  durch  ein  von  Caesar  ge- 
billigtes Gesetz  des  Praetore  Cornelius  Cinna  zurückberufen  worden;  das 
kann,  trotz  Appian  Hl  122,  514,  der  ihre  Röckberufung  aus  dem  frei- 
willigen Exil  durch  Cassius  am  16.  März  gefordert  werden  läßt,  doch 
richtig  sein.  —  Nach  Vellejus  klagt  Caesar,  esse  ifibi  miserrimum, 
quod  aul  natura  sua  ei  excedendum  foret  aut  minuenda  dignitas. 


528 


Caesars  Monarchie 


Rede  ein  Diadem  mit  den  Worten:  „Dies  sendet  dir  das  römische 
Volk  durch  mich."  Die  naive  Auffassung,  als  habe  Antonius 
auf  eigne  Paust  gehandelt,  bedarf  auch  hier  keiner  Widerlegung. 
Aber  die  erwartete  Zustimmung  der  Menge  blieb  aus:  so  lehnte 
Caesar  das  mehrfach  wiederholte  Angebot  ab,  ja  er  riß  sich  das 
Gewand  vom  Hals  und  bot  jedem,  der  Lust  habe  zuzustoßen, 
seine  Kehle  dar1);  das  Diadem  ließ  er  zum  Juppiter  aufs  Capitol 
bringen,  denn  dieser  allein  sei  der  König  der  Römer,  und  zu- 
gleich in  die  Akten  eintragen,  daß  er  die  ihm  vom  Volk  durch 
den  Consul  angebotene  Königswürde  nicht  angenommen  habe 
(vgl.  S.  517) 2). 

Es  war  klar,  daß  auf  diesem  Wege  ohne  offene  Gewaltsam- 
keit nicht  zum  Ziel  zu  gelangen  war.  Da  griff  er  zu  einem  andern 


')  Diesen  Zug  bietet  Plutarch  Anton.  12;  im  Caes.  60  hat  er  ihn 
an  die  Szene  mit  dem  8enat  verschoben  und  läßt  ihn  sein  Verhalten 
später  mit  der  drohenden  Epilepsie  entschuldigen.  Das  hat  Shakespeare 
für  seine  großartige  Ausgestaltung  der  Szene  benutzt. 

*)  Den  Hergang  erzählen  im  wesentlichen  identisch  Liv.  116.  Dio 
44.  11.  Appian  II  109.  Plut.  Caes.  60  =  Anton.  12.  Vellejus  TL  56.  4. 
Erwähnt  bei  Cic.  Phil.  H  84  ff.  III  12.  V  38.  XIII  17.  81.  40.  Nie. 
Dam.  21  läßt  das  Diadem  zuerst  durch  einen  Licinius  auf  den  8ug~ 
gestus  gelegt  werden;  das  Volk  fordert,  daß  Lepidus  es  Caesar  auf- 
setze, als  der  zögert,  legt  es  ihm  Cassius,  der  Caesarmörder,  begleitet 
von  Casca,  auf  die  Knie  —  das  ist  handgreifliche  Verleumdung — ,  dann 
greift  Antonius  ein.  Die  Volksstimmung  ist  nach  dieser  Darstellung 
natürlich  ganz  überwiegend  für  die  Annahme  des  Königtums,  aber  An- 
tonius hat  aus  eigenem  Antrieb  gehandelt,  und  Caesar  bleibt  fest.  Nach 
einem  it»po<;  \öfo$  hofft  Antonius,  in  dem  Glauben,  Caesar  dadurch 
einen  Gefallen  zu  tun,  so  seine  Adoption  zu  erreichen  (?gl.  oben  S.  880). 
Nach  der  Rede  Octavians  an  Antonius  bei  Appian  UI  17,  60,  vgl.  19,  72 
hätte  Caesar  diese  Adoption  ernstlich  erwogen;  aber  er  habe  gefürchtet. 
Antonius,  der  Nachkomme  des  Herakles  (oben  8. 510,  1).  würde  es  als  eine 
Degradation  betrachten,  ein  Aeneade  zu  werden.  —  In  der  Rede  des 
Fufius  Calenus  bei  Dio  46,  17.  19,  4  hat  umgekehrt  Antonius  dem  Caesar 
das  Diadem  angeboten,  um  ihn  zur  Vernunft  zu  bringen  und  zu  zwingen, 
seine  monarchischen  Aspirationen  aufzugeben.  So  absurd  das  ist,  so 
zeigt  es  doch,  in  welchem  Licht  die  Partei  des  Antonius  unter  dem 
Druck  der  öffentlichen  Meinung  ihren  Führer  erscheinen  lassen  möchte; 
es  entspricht  der  Aufhebung  der  Dictatur  durch  Antonius. 


Da«  Sibyllenorakel.    Sonderstellung  Italien«  im  Weltreich  529 


Mittel :  in  den  sibyllinischen  Büchern  entdeckte  der  Quindecemvir 
Lucius  Cotta  (der  Consul  des  Jahres  65)  den  Spruch,  die  Parther 
könnten  nur  von  einem  König  besiegt  werden1).  Dieser  gött- 
lichen Weisung  mußte  der  fromme  Senat  sich  ebenso  fügen, 
wie  zwölf  Jahre  zuvor  der  über  die  Intervention  in  Aegypten. 
Dafür  war  Caesar  bereit,  auch  seinerseits  einen  Schritt  ent- 
gegenzukommen und  dadurch  zugleich  an  seinen  feierlich  ge- 
gebenen Erklärungen  formell  festzuhalten:  Rom  und  Italien 
sollten  von  dem  Königreich  eximiert  bleiben,  der  Königstitel  nur 
für  die  Untertanen lander  gültig  sein*). 

Auch  diese  Angabe  ist  bestritten  worden.  Man  hat  nicht 
beachtet,  daß  sie  vollständig  der  Gestaltung  entspricht,  welche 
Alexander,  und  dann  Antigenes  und  die  Seleukiden  seit 
Antiochos  II.  ihrem  Weltreich  gegeben  haben:  auch  hier 
blieben  die  Griechenstädte  frei,  unter  eigener  Verwaltung  und 
eigenem  Recht;  aus  dem  Machtbereich  des  Königs  waren  sie 
ausgeschieden,  und  seine  Beamten  hatten  in  ihnen  nichts  zu 
befehlen.  Dafür  aber  erkannten  sie  ihn  als  Gott  an,  und  waren 

')  Sueton  79.  als  fama:  proximo  senatu  Lucium  Cottam  quin' 
deeimvirum  sententiam  dicturum,  ut,  quoniam  libris  fatalibus  con- 
tineretur,  Parthos  nisi  a  rege  tum  posse  vinci,  Caesar  rex  appelia- 
retur.  Ebenso  Dio  44.  15,  8  (Xö-po  t«P  *tv0«  °»v  4Xijd«öc  "«  **i 
^•odo&c,  otä  itoo  tptXtc  ÄtOfOKOitloftai ,  3c*Xdovro<).  Appian  110  =  Plut. 
Caee.  60.  Daß  das  Gerücht  durchaus  begründet  war ,  bezeugt  so  deut- 
lich wie  nur  möglich  Cicero  de  div.  II  110  (geschrieben  im  Sommer  44) : 
Sibyllae  versus,  quorum  interpres  nuper  falsa  quadam  hominum 
fama  in  senatu  dicturus  puiabatur  eum,  quem  re  vera  regem  habe- 
bamus,  appellandum  quoque  esse  regem,  si  salvi  esse  veüemus.  Un- 
begreiflicherweise folgert  Momhsen.  Röm.  Gesch.  III  7  485  aus  dieser  Stelle, 
das  Gerücht  sei  wirklich  falsch  gewesen;  als  ob  Cicero  anders  hätte 
reden  können!  Zur  Ausführung  ist  der  Plan  ja  nicht  mehr  gekommen, 
also  ließ  er  sich  ableugnen.  Aber  Mommskn  hat  ganz  übersehn,  daß 
Cicero  unmittelbar  darauf  den  Spruch  als  echt  behandelt:  hoc  si  est  in 
libris,  in  quem  hominem  et  in  quod  tempus  est?  und  den  Zweifel  ge- 
radezu zurücknimmt:  cum  antistitibus  agamus,  ut  quid  vis  potius  ex 
Ulis  libris  quam  regem  proferanl ,  quem  Romae  posthac  nee  di  nee 

')  Diese  Angabe  haben  nur  Appian  II  110,  461  und  Plutarch 
Caes.  64  aus  der  gemeinsamen  Quelle  bewahrt. 

Meyer,  Ca«Bar<  Monarchie  34 


530 


Caesars  Monarchie 


daher  verpflichtet,  seine  Willenserklärungen  als  Gottgebot  an- 
zunehmen und  zu  befolgen  wie  ein  Orakel.  Wie  auf  diese  Weise 
die  freien  Rechtsstaaten  der  Griechenwelt  in  die  Universal- 
monarchie eingefügt  waren,  würde  fortan  Rom  und  Italien  inner- 
halb der  Monarchie  Caesars  als  Freistaat  gestunden  haben,  nur 
daß  Caesar  hier  noch  unmittelbarer  hätte  eingreifen  können, 
da  er  nicht  nur 

hätte  sich  alsdann  die  Gestaltung  der  Welt  in  ihr  Gegenteil  ver- 
kehrt, wie  im  Reich  Alexanders:  aus  dem  weltbeherrschenden 
Volk  wären  die  Römer,  während  ihre  Heere  die  Welt  eroberten, 
ein  von  der  allgemeinen  Reichsordnung  eximiertes  Glied  der 
Weltmonarchie  geworden. 

Die  Opposition  und  die  Verschwörung 

Durch  diese  Vorgänge,  die  sich  in  rascher  Folge  abspielten, 
wurde,  trotz  aller  feierlichen  Erklärungen,  die  Mißstimmung  über 
Caesars  Regiment  gewaltig  gesteigert.  Nicht  nur  die  Anhänger 
des  Senats,  die  sich  ihm  gefügt  hatten,  sahen  alle  Hoffnungen 
Bch winden,  sondern  ebenso  die  Demokraten,  welche  die  Ge- 
danken Sallusts  geteilt  hatten;  gerade  die  ehrlichen  unter  seinen 
Anhängern,  soweit  sie  nicht  überzeugte  Monarchisten  waren, 
mußten  sich  am  meisten  enttäuscht  fühlen.  Wo  sich  ein  Anlaß 
bietet,  kommt  diese  Stimmung  zum  Ausdruck.  Caesetius  und 
Marullus  werden  bejubelt  und  als  neue  Brutus  gepriesen,  die 
wie  dieser  den  Tyrannen  gestürzt  haben1).  Sie  selbst  haben  ein 
Edikt  angeschlagen,  in  dem  sie  über  die  Unterdrückung  der 
Redefreiheit  Klage  führten1).  Als  kurz  darauf  die  Gonsulwahlen 


')  Plnt.  Caes.  61 :  Caesar  habe  daher  in  seiner  Anklage  im  Senat 
beide  wiederholt  als  brttti  et  Cymaei,  d.  i.  als  Dammköpfe  und  Schild- 
bürger nach  Art  der  Bewohner  von  Kjme  (Strabo  XIII  8,  6,  wegen  iv 
atod-noia  verhöhnt)  bezeichnet:  *ov  dr^ov  tfoßptC<»v  soXXdnuc  Bpoötooc  wai 

s)  Dio  45,  10,  2,  nach  dem  erst  die«  Edikt  Caesar  den  Anlaß  an 
ihrer  Absetzung  gibt,  während  er  vorher  nur  seinen  vollen  Unwillen 
ausgesprochen  habe. 


Ein  demokratische«  Pamphlet  gegen  Caesar 


531 


stattfanden,  wurden  mehrfach  Stimmen  für  sie  abgegeben1).  An 
der  Statue  des  Lucius  Brutus  bei  den  Königen  auf  dem  Capitol 
fand  man  die  Inschrift:  „Daß  Du  doch  lebtest!"  und  an  der 
Caesars  die  Verse:  „Brutus  ist,  weil  er  die  Könige  verjagt  hat, 
der  erste  Consul  geworden,  dieser  ist,  weil  er  die  Consuln  ver- 
jagt hat,  zuletzt  König  geworden"2).  Auf  Marcus  Brutus,  den 
Nachkommen  des  Begründers  der  Republik  und  des  ServUius 
Ahala  (vgl.  S.  456),  jetzt  Praetor  urbanus,  richteten  sich  un- 
willkürlich die  Augen;  Worte  wie  „Brutus,  du  schlafet"  oder 
„Du  bist  kein  Brutus"  fanden  sich  wiederholt  auf  seinem  Tri- 
bunal3). Wir  besitzen  Kunde  von  einer  interessanten  Broschüre, 
in  der  diese  Stimmung  Ausdruck  gefunden  hat4).  Ihr  Verfasser 
benutzt  die  Traditionen  von  dem  Prozeß  des  Lucius  Scipio 
Asiaticus:  er  ist  verhaftet  und  soll  ins  Gefängnis  abgeführt 
werden,  da  trifft  sein  Bruder,  Publius  Africanus,  aus  Etrurien 
ein,  stößt  den  Büttel  weg,  und  entreißt  ihn  den  Händen  der 
Tribunen.  Da  hält  Tiberius  Gracchus,  selbst  Tribun,  eine  Rede, 
in  der  er  klagt,  die  tribunicische  Gewalt  sei  so  durch  einen  Privat- 
mann aufgehoben.  Früher  sei  Scipio  ganz  anders  aufgetreten, 
er  habe  dem  Volk  zum  Vorwurf  gemacht,  daß  es  ihn  zum  lebens- 
länglichen Consul  und  Dictator  machen  wolle,  er  habe  ver- 
hindert, daß  ihm  Statuen  auf  dem  Comitium,  den  Rostren,  der 
Curie,  dem  Capitol,  in  der  Cella  Juppiters  gesetzt  würden,  daß 
man  beschließe,  seine  Wachsmaske  im  Triumph  algewand  im 
Juppitertempel  zu  verehren  und  von  dort  zu  holen8).   Jetzt  aber 


')  Sueton  80.   Dio  45,  11,  4. 

')  Sueton  80.   Dio  45,  12.   Fiat  Brat.  9.    Die  Verse  lauten: 
Brutus,  quia  reges  eiecii,  consul  primus  f actus  est; 
Hic,  quia  consules  eiecit,  rex  postremo  f actus  est. 

')  Dio  45,  12.  Plut.  Brat.  9  =  Caes.  62. 

*)  Livius  88,  56,  5.  8—18;  Wesen  und  Tendenz  der  Broschüre  hat 
Mommsen,  Rßm.  Forschungen  II  502  ff.  erkannt  Es  war  eine  selbständige 
Schrift  in  Redeform,  nicht  etwa  eine  Einlage  in  Annalen. 

*)  Das  ist  der  einzige  Zug,  der  für  Scipio  wenigstens  insoweit  zu- 
trifft, daß  seine  Wachsmaske  wirklich  in  späterer  Zeit  hier  verwahrt 
und  für  die  Leichenfeiern  von  hier  geholt  wurde  (Val.  Mai.  VIII  15,  2. 
Appian  Iber.  23;  vgl.  Ber.  Berl.  Ak.  1917,  1076):  aber  Mommsen  weist 


532 


Caesar.  Monarchie 


sei  er  degeneriert  und  habe  alle  Mäßigung  vergessen;  ihm  selbst 
aber,  dem  Redner,  bleibe  nichts  übrig,  als  selbst  gegen  die  Ge- 
fangensetzung des  Lucius  Scipio  zu  interoedieren,  denn  es  sei 
erträglicher,  daß  die  tribunicische  Gewalt  und  die  Staatsver- 
fassung von  einem  Tribunen  als  von  einem  amtlosen  Manne  ge- 
brochen werde.  Daß  alle  diese  Dinge  in  der  Zeit  Soipios  ganz 
unmöglich  sind,  ist  klar;  wohl  aber  treffen  sie  sämtlich  auf  Caesar 
zu.  Somit  ist  unter  der  Maske  des  Scipio  in  Wirklichkeit  Caesar 
gemeint;  die  Schrift  stammt  aus  den  Kreisen  seiner  Anhänger, 
von  einem  Manne,  der  seine  Leistungen  denen  Scipios  gleich- 
stellt, aber  sein  späteres  Auftreten  nur  um  so  schmerzlicher 
empfindet  und  ihm  in  der  Rolle,  die  er  Scipio  spielen  laßt,  vor- 
hält, wie  er  sich  den  Anträgen  auf  seine  übermenschlichen  Ehren 
und  verfassungswidrigen  Ämter  gegenüber  hätte  verhalten  sollen. 
Dem  rechtlichen  Bürger  bleibt  nichts  übrig,  als  seine  Entartung 
zu  bedauern  und  sich  der  Gewalt  zu  fügen,  ja  sie  unter  den  Formen 
des  Rechts  zu  verhüllen,  damit  wenigstens  der  Anschein  gewahrt 
werde,  als  bestehe  der  Staat  noch1).  Die  Broschüre  muß  im 
Februar  44,  nach  der  Übertragung  der  lebenslänglichen  Dic- 
tatur  —  oder  vielleicht  im  Januar  während  der  Verhandlungen 
darüber,  um  womöglich  noch  Caesars  Ablehnung  zu  erwirken?  — , 
geschrieben  sein,  jedenfalls  kurz  vor  Caesars  Ermordung1). 

Andre  gingen  weiter.  Aus  den  geschilderten  Vorgängen  und 
Entwürfen  ist  mit  innerer  Notwendigkeit  die  Verschwörung  er- 
wachsen, der  Caesar  zum  Opfer  gefallen  ist. 

Dieser  einfache  Zusammenhang,  der  den  alten  Historikern, 
Livius,  Dio,  Plutarch,  Sueton,  völlig  klar  ist,  ist  von  den  modernen 
deutschen  Darstellern  meist  gänzlich  verdunkelt  worden.  Für  Dbo- 

mit  Recht  darauf  hin,  daß  auch  Caesar«  Statue  für  die  Feataufsdge  aas 
dem  Jappitertempel  geholt  wurde. 

')  Vgl.  Dios  gleichartige  Äußerung  42,  20.  1  f.,  oben  8.  871. 

*)  Mommsen  will  sie  schon  ins  Jahr  49  setzen,  weil  sich  da«  gewalt- 
same Auftreten  Scipios  gegen  die  Tribunen  deutlich  auf  den  Konflikt 
Caesars  mit  L.  Ifetellus  im  April  49  bezieht  (vgl.  S.  851).  Aber  damals 
konnte  weder  von  der  lebenslänglichen  Di  etat  ur  noch  gar  von  den  son- 
stigen hier  aufgezahlten  Ehren  die  Bede  sein;  sie  muß  wesentlich  später 


Die  Motive  der  Verschwörung.    Brutus'  Stellung  533 

mann  steht  es  fest,  daß  die  Verschwörung  „nicht  dem  Könige 
galt,  sondern  Caesar",  niedrige  Motive  sind  der  wahre  Anlaß, 
die  Losung  Freiheit  und  Republik  nur  ein  Vorwand;  die  Tat  sei 
nicht  nur  politisch  ein  Unglück  von  den  verderblichsten  Folgen, 
sondern  sittlioh  ein  Verbrechen.  Noch  weiter  geht  Mommsen; 
nicht  nur,  daß  er  von  Caesar  und  seiner  Staatsgestaltung  ein 
Idealbild  zeichnet,  welches  unter  den  damaligen  Römern  kein 
einziger  als  zutreffend  hätte  anerkennen  können,  sondern  er  ver- 
langt auch,  daß  man  die  durch  die  Entwicklung  notwendig  ge- 
wordene Monarchie  als  legitim  habe  anerkennen  sollen,  und 
kehrt  so  das  Verhältnis  zwischen  der  Republik  und  dem  Usur- 
pator geradezu  um;  die  „sogenannten  Befreier",  wie  er  standig 
sagt,  haben  unter  dem  Deckmantel  republikanischer  Phrasen  nur 
niedere  persönliche  Ziele  und  die  Aufrichtung  ihrer  eignen  Herr- 
schaft statt  der  Caesars  erstrebt,  die  Person  des  Brutus  verfolgt 
er  geradezu  mit  erbittertem  Haß.  Das  hat  dann  ganz  ver- 
hängnisvoll auf  die  Späteren  gewirkt  und  die  seltsamsten  Zerr- 
bilder von  Brutus  geschaffen,  von  denen  die  Darstellung 
0.  E.  Schmidts1)  und  als  Gegenbild  dazu  die  von  Ed.  Sohwartz8) 
als  Probe  dienen  mögen,  der  zwar  Brutus'  Persönlichkeit  und 
Motive  weit  richtiger  auffaßt,  als  Schmidt,  aber  seine  Politik 
und  Strategie  und  darum  auch  sein  Verhältnis  zu  Cicero  eben  so 
falsch  beurteilt  hat. 

Und  doch  hegen  die  Dinge  einfach  genug.  Brutus'  Stellung 
und  Auffassung  haben  wir  bereite  kennen  gelernt.  Seine  republi- 
kanische Oberzeugung  hatte  ihn,  im  Gegensatz  zu  den  Tra- 
ditionen seiner  Familie,  ins  Lager  des  Pompejus  geführt;  aber 
diese  Traditionen  ermöglichten  es  ihm,  mit  Caesar  seinen  Frieden 
zu  machen  und  unter  ihm  hohe  Stellungen  einzunehmen,  ohne 
seine  Gesinnung  zu  verleugnen.  Zugleich  überbrückte  das  ge- 
meinsame republikanische  Gefühl  in  der  Opposition  gegen  die 
werdende  Monarchie  den  alten  Gegensatz  der  Parteien;  so  wurde 
Cato,  der  Stiefbruder  seiner  Mutter,  sein  Ideal,  er  schrieb  die 
Lobschrift  auf  ihn,  heiratete  seine  Tochter,  und  wies  Ciceros  un- 

')  Oben  S.  454,  2. 

a)  Hennee  33,  1898,  285  ff. 


534 


Caesars  Monarchie 


unterbrochenes  Werben  wenigstens  nicht  zurück.  Aber  noch 
im  Sommer  45  hoffte  er,  Caesars  monarchisches  Schalten  sei 
nur  ein  unvermeidliches  Übergang83tadium  gewesen,  er  werde 
jetzt  nach  dem  Siege  die  Verfassung  wieder  aufrichten  (S.  456) ; 
um  so  tiefer  war  die  Enttäuschung,  als  er  nun  so  ganz  andre 
Wege  einschlug. 

Damit  war  aber  für  einen  Mann  von  Brutus'  Gesinnung  und 
Haltung  der  Weg  gewiesen,  und  daran  konnte  auch  das  Wohl- 
wollen nichts  ändern,  das  Caesar  ihm  fortwährend  bezeugte  — 
für  Caesar  war  offenbar  weit  weniger  eine  aus  seinem  Verhältnis 
zu  Brutus'  Mutter  stammende  Zuneigung  wirksam,  als  da« 
Streben,  gerade  einen  Mann  von  dieser  Haltung  in  seinen 
Diensten  zu  haben;  in  seinem  Testament  hat  er  ihn  nicht  be- 
rücksichtigt. Wenn  Caesar  nach  dem  Königtum  strebte,  stellte 
er  sich  außerhalb  des  Gesetzes;  und  damit  war  jeder  Römer 
nicht  nur  berechtigt,  sondern  verpflichtet,  an  ihm  das  Urteil  zu 
vollziehn,  das  er  sich  selbst  gesprochen  hatte,  und  mit  jedem 
erreichbaren  Mittel  die  Usurpation  zu  verhindern.  Gerade 
Brutus  war  durch  die  Tradition  seiner  Familie  in  doppelter  Weise, 
von  Vaters-  wie  von  Muttersseite  her1),  dazu  prädestiniert.  Von 
allen  Seiten  wurde  ihm  diese  Anschauung  entgegengetragen; 
wenn  sich  ihm  Genossen  für  die  Tat  anboten,  konnte  er  garnicht 
anders,  als  darauf  eingehn. 

Dieselben  Gedanken  traten  auch  bei  andern  hervor.  Es  ist 
nur  natürlich,  daß  dabei  persönliche  Momente  mitwirkten:  so- 
lange man  die  Wirkung  der  Monarchie  nicht  am  eigenen  Leibe 
erfuhr  oder  gar  vom  Herrscher  Vorteile  erhielt,  mochte  man  sie 

')  Dabei  ist  ganz  gleichgültig,  wie  es  sich  mit  der  umstrittenen 
Abstammung  von  dem  sagenhaften  Begründer  der  Republik  tatsachlich 
verhielt  (oben  S.  456,  8);  für  Brutus  selbst  stand  die  Abstammung 
zweifellos  fest,  und  für  die  Masse  der  Römer  auch,  und  allein  auf  diesen 
Glauben  kommt  es  an.  Eben  um  dieser  Stellung  willen  wird  Brutus 
nicht  nur  in  Plutarchs  Biographie  in  den  Mittelpunkt  der  Verschwörung 
gestellt,  sondern  von  Dio  44.  14  geradezu  als  ihr  Anstifter  betrachtet; 
auch  bei  Livius  stand  er  im  Vordergrund  (ep.  116  ex  his  causis  con- 
spiratione  in  eum  facta,  cuius  capita  ftterunt  M.  Brutus  et  C.  Cas- 
sius,  et  ex  Caesaris  partibus  Dec.  Brutus  et  C.  Trebonius). 


Castus'  Persönlichkeit  und  Motive 


535 


ertragen,  sobald  er  die  eigenen  Interessen  verletzte,  trat  das 
Gefühl,  daß  man  wider  alles  Recht  einen  Herrn  habe,  nur  um 
so  stärker  hervor,  und  der  Eidschwur  mahnte,  durch  den  die 
Vorfahren  alle  künftigen  Generationen  gebunden  hatten,  nie 
wieder  einen  König  in  Rom  zu  dulden.  Gerade  bei  Cassius,  dem 
.eigentlichen  Anstifter  und  Organisator  der  Verschwörung1),  wird 
das  Motiv  stark  hervorgehoben,  daß  er  sich  dadurch  gekränkt 
fühlte,  daß  Caesar  seinem  Schwager  Brutus,  obwohl  er  der 
jüngere  war,  die  vornehmere  städtische  Praetur  verliehn  und 
ihn  mit  der  Fremdenpraetur  abgefunden  hatte*).  Aber,  wie 
schon  Plutarch  hervorhebt*),  es  ist  ganz  unberechtigt,  ihm  des- 
halb eben  Vorwurf  zu  machen.  Wir  kennen  ihn  und  seine  Ge- 
sinnung genügend  aus  seinen  Briefen  an  Cicero:  er  war  ein 
stolzer  Republikaner4),  „der  letzte  Römer",  trotz  seines  Be- 
kenntnisses zum  Epikureismus  von  starker,  oft  heftig  hervor- 
brechender Leidenschaft;  schon  als  Knabe  hatte  er  dem  Faustus 
Sulla  eine  Ohrfeige  gegeben,  als  dieser  die  Gewaltherrschaft  seines 
Vaters  pries,  und  Pompejus  hatte  damals  vermitteln  müssen'). 
Im  Bürgerkrieg  hatte  er,  im  Jahre  49  Tribun,  mit  einer  Flotte 
gegen  Sicilien  operiert  und  sich  dann,  nach  Pompejus'  Tode, 

*)  Bei  Plutarch  sammelt  er  die  Verschworenen  und  zieht  auf  ihren 
Wunsch  auch  den  Brutus  heran,  mit  dem  er  bis  dahin  um  der  Praetur 
willen  und  schon  vorher  aus  privaten  Gründen  (14  «ituüv  «potiptov  T,<jo}ej} 
8icKp»pofiivot>c»  Plut.  Brut.  7)  zerfallen  war;  das  Gespräch,  durch  das  er 
ihn  gewinnt,  wird  c.  10  =  App.  II  118  ausführlich  mitgeteilt.  Das  geht 
doch  wohl  auf  Brutus'  Freund,  den  Rhetor  Empylos  zurück,  der  xatm- 
AJXomt  juxpäv  fiiv,  ob  <paöXov  Ii  oö-pfpafifia  trtpl  Kaisapoc  orvatpfatax;, 
3  Bpo&toc  iiu-jifpaitmt.  Das  schließt  natürlich  nicht  aus,  daß  Brutus 
auch  selbst  schon  dem  ihm  so  vielfach  entgegengetragenen  Gedanken 
naher  getreten  war.  Die  bekannte  Szene  mit  Porcia  (Plut.  Brut.  13 
=  Dio  44,  18,  Val.  Max.  III  2,  15.  Polyaen  VIII  50)  stammt  dagegen 
aus  dem  ßtßXi&tov  juup&v  &«opvr))iovct>|i<&Tu>v  Hpoötoo  des  Bibulus,  ihre» 
Sohns  aus  erster  Ehe  (Plut.  Brut.  13.  23). 

»)  Vellejus  n  56,  8.    Plut.  Brut.  7  =  Caes.  62  =  App.  II  112,  446  f. 

»)  Plut.  Brut,  9. 

4)  Vgl.  Cic.  Phil.  II  26  C.  Cassius  in  ea  famüia  natus,  qttae  non 
modo  dominatum,  sed  ne  potentiam  quidem  cuiusdam  ferre  potuit. 
Auf  welche  Vorgänge  oder  Traditionen  sich  das  bezieht,  wissen  wir  nicht 

»)  Plut.  Brut.  9.    Val.  Max.  III  1,  3. 


536 


im  Osten  dem  Caesar  ergeben1);  als  aber  Caesar  beim  Feldzug 
gegen  Pharnakes  von  Antiochia  nach  Tarsus  fuhr2),  wollte  er 
die  Gelegenheit  benutzen,  ihn  bei  der  Landung  zu  beseitigen, 
konnte  indessen,  da  Caesar  am  entgegengesetzten  Ufer  landete, 
den  Plan  nicht  ausführen3).  Dann  hat  er  sich  den  Verhältnissen 
gefügt  und  mit  philosophischen  Fragen  beschäftigt4)  (vgl.  oben 
S.  431),  bis  die  Krisis  eintrat.  Daß  er  zu  Anfang  des  Jahres  44 
im  Senat,  wo  er  als  Praetor  gezwungen  war,  sich  zu  äußern, 
gegen  Caesars  Ehrungen  gestimmt  hat,  wurde  schon  erwähnt 
(oben  S.  517) ;  aus  seiner  Gesinnung  hat  er  also  kein  Hehl  gemacht. 

Für  die  Verschwörung  bezeichnend  ist,  daß  ein  großer,  wenn 
nicht  der  größere  Teil  der  Teilnehmer  aus  alten  Anhängern 
Caesars  bestand6).  So  L.  Tillius  Cimber,  einer  der  Vertrauten 
Caesars  (S.  400, 3)6),  Servius  Galba,  Caesars  Legat  im  Jahre  56 

')  Dio  42.  18,  1.  6;  Tgl.  Cic.  ad  Att.  XI  18,  1.  15.  2.  Daß  die  An- 
gabe Appians  II  88  and  111,  464,  Gaiu»  Cassius  habe  sieb  Caesar  im 
Hellespont  ergeben,  anf  einer  Verwechslung  mit  einem  sonst  nicht  be- 
kannten Loci  ob  Cassius  beruht,  den  Dio  42,  6.  2  und  Sueton  Caes.  68 
nennen,  hat  Groebb  bei  Druman*  II  *  548  f.  erwiesen. 

■)  bell.  Alex.  66,  1 :  Von  Syrien  ans  ipse  eadem  classe,  qua  venerat, 
proficiscitur  in  Ciiiciam. 

*)  Cic.  Phil.  II  26  Cassius  . . .  hanc  rem  in  Cilicia  ad  osiium 
fluminis  Cydni  confecisset,  si  iüe  ad  eam  ripam,  quam  constituerat, 
non  ad  conirariam  navis  appuHsset.  Mit  Unrecht  ist  die  Angabe 
Ton  Neueren  bezweifelt  worden;  ob  Cassius  die  Tat  ausgeführt  haben 
würde,  ist  allerdings  zweifelhaft. 

*)  S.  die  Briefe  fam.  XV  18.  17.  16.  19. 

*}  Der  Gegenpartei  gehörten  außer  Brutus  und  Cassius  Ton  be- 
kannten Persönlichkeiten  noch  Cn.  Domitius,  der  Sohn  des  Consuh»  des 
Jahres  54  an,  den  Cicero  daher  in  der  Liste  der  Hauptverschworenen 
Phil.  II  26  ff.  aufführt.  Es  ist  seltsam,  aber  bezeichnend,  daß  Dromahn 
III  2  35  seine  Teilnahme  diesem  authentischen  Zeugnis  gegenüber  leugnet, 
weil  er  später  Ton  den  Tri  um  vir  n  zu  Gnaden  aufgenommen  und  daher 
seine  Teilnahme  offiziell  bestritten  wurde  (Sueton  Nero  3.  Appian  V 
62,  261,  Tgl.  59,  247).  Die  anderen  Pompejaner,  wie  Ligarius  und  Pon- 
tius Aquila  (8.  458).  treten  den  Caetarianern  gegenüber  an  Bedeutung 
ganz  zurück. 

*)  Von  ihm  sagt  Cicero  Phil.  II  27:  quem  ego  magis  fecisse  illam 
rem  sum  admiratus,  quam  facturum  pitiavi,  admiratus  autem  ob 
eam  causam,  quod  immemor  benefleiorum,  memor  patriae  feett. 


Die  übrigen  Verschworenen 


537 


und  sein  Kandidat  für  das  Consulat  im  Jahr  49  (8.  267), 
L.  Minucius  Basilus,  gleichfalls  Caesars  Legat  und  im  Jahre  45 
Praetor1);  die  beiden  Brüder  Publins  und  Gaius  Casoa*),  von 
denen  jener  für  das  Jahr  43  zum  Tribunen  gewählt  war.  Noch 
wichtiger  war  der  Beitritt  des  Trebonius,  der  schon  im  Sommer  46 
denselben  Gedanken  erwogen  hatte  (S.  448  f.),  dann  aber  von  Caesar 
für  den  Rest  des  Jahres  zum  Consul  gemacht  war,  und  vor  allem 
der  des  Decimus  Brutus,  der  von  allen  Beteiligten  Caesar  weitaus 
am  nächsten  stand  (S.  524)  und  den  Verschworenen  durch  seine 
militärische  Erfahrung,  sowie  durch  die  Gladiatorenschar,  die  er 
zur  Verfügunghatte,  einen  besonders  willkommenen  Rückhalt  bot*). 

Bei  manchen  der  Verschworenen  mögen  rein  selbstsüchtige 
Motive  das  Maßgebende  gewesen  sein,  wie  von  Basilus  berichtet 
wird,  Caesar  habe  ihn  dadurch  in  der  Praetur  schwer  gekrankt, 
daß  er  ihm  statt  einer  Statthalterschaft  Geld  gab4).  Galba  war 
mit  Caesar  in  Konflikt  geraten  infolge  einer  Bürgschaft,  die  er  für 
Pompejus  geleistet  hatte,  und  die  nun,  nach  der  Konfiskation  von 
dessen  Vermögen,  verfallen  war,  und  hatte  Caesar  deshalb  in 
einer  Gerichtssitzung  interpelliert,  worauf  dieser  dem  Gläubiger 


')  Dio  48,  47,  5,  s.  8.  587,  4.  Cicero  hat  ihm  gleich  nach  der  Tat  das 
fam.  VI  15  erhaltene  Billet  geschrieben:  tibi  gratulor;  mihi  gaudeo; 
te  amo;  tua  tueor;  a  te  amari  et  quid  agas  quidque  agatur  certior 
fleri  volo. 

*)  Cic.  Phil.  II  27  genannt. 

»)  Vellejus  II  58.  Plut.  Brut  12.  Nie.  Dam.  26.  Als  tiäv  afe$ 
Katoapi  fiXtd-cuiv  bezeichnet  ihn  Appian  II  111,  464  —  natürlich  waren  die 
Gegner  daher  auf  ihn  ganz  besonders  erbittert,  vgl.  Cic.  Phil.  X  15  — , 
ebenso  Nikolaos  Dam.  19 ,  der  ihn  daher  vor  allen  andern  nennt  and 
daran  den  durch  und  durch  tendenziösen,  ganz  falschen  Satz  knüpft, 
alle  seien  vorher  Gegner  Caesars  gewesen  und  von  ihm  begnadigt  worden. 
—  Vgl.  über  ihn  die  Dissertation  von  Bonduraht,  D.  Ianius  Brutus 
Albinos,  Chicago  1907. 

*)  Dio  48,  47,  5.  dessen  Satz,  er  »ei  berühmt  geworden,  &ct  Kpoxv)- 
Xemothlc  Iv  cj)  «patirjf  t?  6«'  afcoö  6«uaft4pifjö«  aber  jedenfalls  nicht  richtig 
ist.  Appian  III  98,  409  berichtet,  daß  er  im  Jahre  48  von  seinen  Sklaven 
umgebracht  wurde,  als  er  einige  zur  Strafe  zu  Eunuchen  machen  wollte ; 
eine  erfreuliche  Persönlichkeit  scheint  er  also  nicht  gewesen  zu  sein. 
Ebenso  hat  Livius  erzählt,  wie  Oroe.  VI  18,  7  zeigt. 


538 


Caesars  Monarchie 


das  Geld  aus  seiner  Privatkasse  auszahlen  ließ1).  Aber  weder 
bei  Trebonius1)  noch  bei  Decimus  Brutus  liegt  zu  einer  solchen 
Annahme  irgend  ein  Anlaß  vor.  Sie  erhielten  von  Caesar  alles, 
was  sie  nur  begehren  konnten  —  Trebonius  jetzt  als  Procorum I 
die  Provinz  Asia,  Decimus  Brutus  die  Cisalpina  und  dann  das 
Consulat  — ,  die  Ermordung  besserte  in  keinem  Fall  ihre  Lauf- 
bahn, sondern  gefährdete  sie:  nur  ideale  Beweggründe  können 
sie  geleitet  haben,  wie  denn  auf  Decimus  Brutus  ohne  Zweifel 
ebenso  wie  auf  seinen  Namensvetter  die  Abstammung  vom 
Vertreiber  der  Tarqainier  eingewirkt  hat*). 

Oft  genug  sind  den  Verschworenen  der  Mangel  an  Einsicht 
und  die  verderblichen  Polgen  zum  Vorwurf  gemacht  worden  die 
ihre  Tat  über  Rom  und  die  ganze  Welt  gebracht  hat.  Das  ist 
auch  nicht  unbegründet.  Aber  nur  zu  leioht  vergißt  man  dabei, 
daß  oft  gerade  die  unheilvollsten  Taten  aus  den  reinsten  Motiven 
hervorgegangen  sind,  da  eine  idealistische  Gesinnung  das  Ver- 
ständnis der  realen  Mächte  und  der  Bedingungen  geschichtlichen 
Schaffens  eher  hemmt  als  fördert. 

Andre  allerdings  dachten  anders:  Favonius  lehnte  die  Teil- 
nahme ab,  denn  schlimmer  als  eine  ungesetzliche  Monarchie  sei 
ein  Bürgerkrieg4).  Nachher  als  die  Tat  geschehn  war,  hat  er 
sich  natürlich  den  Republikanern  mit  Eifer  angeschlossen ;  aber 
er  sab,  was  bevorstand :  wollte  man  das  Leben  unter  der  Monarchie 
nicht  ertragen,  so  mußte  man  wie  Cato  freiwillig  in  den  Tod 
gehn,  aber  nicht  den  vergeblichen  Versuch  wagen,  die  gefallene 
Entscheidung  rückgängig  zu  machen. 

•)  Val.  Max.  VI  2,  11.  vgl.  Cicero  an  Lepta  fam.  VI  18,  3  (Anfang  45). 

■)  Cicero  sagt  Phil.  II  27  an  C.  Trebonio  ego  persuasi?  cui  ne 
suadere  quidetn  ausus  essem ;  qua  re  etiam  maiorem  ei  respublica 
gratiam  debet,  qui  libertatem  popuH  Romani  unius  amicitiae  prae- 
posuit  depulsorque  dominatus  quam  particeps  esse  maluü. 

»)  Cic.  Phil.  II  26.  Nach  Plnt.  Brot  12  wird  er,  nach  einer  erfolg- 
losen Sondierung  durch  Cassius  und  Labeo,  von  M.  Brutus  sofort  gewonnen. 

')  Plut.  Brut  12,  wo  aht  Gegenbild  zu  ihm  der  Epikureer  Ströhns 
genannt  ist,  der  erklart,  ein  verständiger  Weiser  dürfe  sich  durch 
schlechte  und  unverständige  Leute  nicht  aus  der  Ruhe  bringen  lassen. 
Beiden  tritt  Labeo  nachdrücklich  entgegen. 


Idealistischer  Charakter  der  Verschwörung  539 

Welche  Gesinnung  die  Verschworenen  beherrschte,  zeigt  die 
Ablehnung  des  Eides1)  und  die  Tatsache,  daß  sich  unter  etwa 
sechzig  Teilnehmern2)  kein  Verräter  fand,  und  klarer  noch  die 
Verhandlung  über  die  Frage,  ob  außer  Caesar  noch  andre  fallen 
sollten,  vor  allein  Antonius,  da  man  auf  Trebonius*  Bericht  über 
den  Vorgang  im  Sommer  45  den  Gedanken  aufgab,  auch  ihn 
zur  Teilnahme  aufzufordern*).  Es  ist  dem  Brutus  wie  von  Cicero, 
so  seitdem  immer  wieder  vorgeworfen  worden,  daß  er  das  ver- 
hindert und  so  das  Werk  nur  halb  vollbracht,  sich  selbst  den 
Untergang  bereitet  habe.  Aber  Caesar  war  auf  manifester  Tat 
ertappt  und  vogelfrei,  jeder  andre  dagegen  nicht;  mochte  er 
noch  so  viel  begangen  haben,  dagegen  gab  es  rechtlich  nur  die 
Klage  und  das  Urteil  der  Gerichte.  Gerade  daß  alle  politischen 
Erwägungen  und  Klugheitsrücksichten  zurückstehn  mußten,  hebt 
ihre  Tat:  die  Verschworenen  hätten  ihr  Werk  geschändet,  wenn 
sie  auch  Antonius  umgebracht  hätten. 

Caesars  Ermordung 

Daß  seinem  Leben  Gefahr  drohe,  wußte  Caesar  sehr  wohl, 
er  kannte  die  Römer  gut  genug,  um  zu  wissen,  wie  sie  über  sein 
Verhalten  denken  mußten.  Auch  daß  er  gegen  Cassius  und 
Brutus  Verdacht  schöpfte,  ist  glaubwürdig  überliefert:  denen, 
die  ihn  vor  Antonius  und  Dolabella  warnten,  die  eben  damals 
wieder  in  erbittertem  Hader  lagen  (oben  S.  461),  antwortete 
er,  diese  Leute,  die  das  Leben  in  vollen  Zügen  genössen,  fürchte 
er  nicht,  wohl  aber  die  blassen  und  mageren  Gestalten,  wie 
eben  den  Cassius  und  Brutus4).  Vorsichtsmaßregeln  verschmähte 

')  Plut.  Brut  12.   App.  II  114,  475. 
•)  Sueton  Caes.  80. 

»)  Plut.  Anton.  18.  Brut.  18.  20.  App.  II  114 ,  478.  Vell.  II  58. 
Daß  man  auch  Lepidus'  Ermordung  erwogen  habe,  sagt  Dio  44,  19; 
ifivovto  a  iv  a&toit  Xofot,  a><  ^pvj  xat  5XXoo£  ävaip»ta{hxt,  dem  Brutus  ent- 
gegentritt, Nie.  Dam.  25.  Ober  Antonius  schreibt  Brutus  am  15.  Hai  48 
an  Cicero  (ep.  ad  Brut.  14,  2):  ülud  quidem  non  muto,  quod  ei, 
quem  me  occidere  res  non  coegit,  neque  crudelüer  quiequam  eripui 
neque  dissölute  quiequam  remisi. 

«)  Plut.  Caes.  62  =  Brut.  8.  Anton.  U. 


540 


Caesar»  Monarchie 


er  hier  wie  überall;  aber  es  ist  sehr  glaublich,  daß  er  das 
Zerwürfnis  zwischen  beiden  in  dem  Streit  um  die  Praetur  ab- 
sichtlich schürte1),  ebenso  wie  das  zwischen  Antonius  und  Dola- 
bella.  Als  er  vor  Brutus  gewarnt  wurde,  soll  er  geantwortet 
haben,  dieser  könne  doch  ruhig  seinen  Tod  abwarten;  alsdann, 
das  ist  der  Sinn  dieser  Äußerung,  sei  ihm  eine  leitende  Stellung 
im  Staat  gewiß*).  Indessen  wies  er  alle  weiteren  Warnungen 
ab,  so  gut  wie  die  Schutzwachen,  die  man  ihm  bot  (oben  S.  470): 
er  wolle  nicht  in  ständiger  Furcht  leben.  Innerlich  hatte  er  sich 
längst  gänzlich  von  Rom  losgelöst;  nur  noch  wenige  Tage,  so 
konnte  er  die  Stadt  verlassen,  und  schwerlich  wäre  er,  wenn  er 
den  Osten  erobert  hatte,  je  wieder  in  sie  zurückgekehrt,  es  sei 
denn  auf  wenige  Tage,  um  noch  einmal  einen  Triumph  zu  feiern*). 

AJle  Vorbereitungen  waren  getroffen.  Etwa  Ende  Februar 
hielt  er  die  Wahlcomitien  ab,  in  denen  die  Consuln  gleich  für 
die  Jahre  43  und  42  nach  seinen  Wünschen  gewählt,  die  Praetoren 
und  sonstigen  Beamten  für  das  laufende  Jahr  bestellt  wurden; 
ebenso  hat  er  die  Provinzen  für  das  Jahr  44  vergeben4).  Am 
18.  Marz  beabsichtigte  er,  zur  Armee  nach  Makedonien  abzugehn*) ; 


')  Piat.  Brut.  7  ol  ik  Katoapoc  »pfov  Ttvsa&ou  ?tXovtt«iav  taörnv, 
txaTlpw  xpof  o  iXml&<uv  ivÄiÄovtoc  iaotov.  Dem  entspricht  es,  daß  er  zwar 
Cawnus  größere  Ansprüche  (infolge  seiner  Leistungen  in  Syrien  nach 
Crassun'  Tod)  anerkannte,  aber  dennoch  dem  Brutus  den  Vorrang  gab. 

*)  Plut.  Caes.  52  =  Brut.  8.  0.  E.  Schmidt  hat  die  Erzählung  voll- 
ständig  miügedeutet,  wenn  er  meint,  Caesar  habe  dem  Brutus  dadurch 
Hoffnung  auf  seine  Nachfolge  gemacht  (vgl.  oben  S.  454,  2). 

•)  Cicero  schreibt  am  28.  Mai  44  an  Atticus  (XV,  4,  8):  nus  Idus 
Martiae  non  delectant  (s.  S.  542,  5) :  ille  enim  numquam  revertisset, 
was  doch  wohl  nicht  nur  die  Möglichkeit  einer  Katastrophe,  sondern 
auch  die  seines  dauernden  Aufenthalts  im  Osten  andeutet 

*)  Über  die  Provinzen  und  ihre  Statthalter  unter  Caesar  s.  die  ein* 
gehende  Untersuchung  von  Stkrnkopf,  Hermes  47,  1912  ,  821  ff.,  der 
nachweist,  daß  Caesar  darüber  für  das  Jahr  48  noch  keine  Anordnungen 
getroffen  hat  Im  übrigen  s.  Dio  48,  51,  nach  dem  er  beabsichtigte,  die 
Ämter  auf  alle  drei  Jahre  des  Feldzugs  im  voraus  zu  besetzen,  das  aber 
auch  bei  den  Consuln  und  Tribunen  nur  für  das  zweite  Jahr  ausführte. 

*)  App.  II  111,  462  t&ttvoi  8'oOtov  piXXovta  «pö  raapnjs  Yjuipac  ol 
tX&pol  xatixovov;  ebenso  114,  476. 


Caesar*  Ermordung 


541 


auf  den  vierten  Tag  vorher,  den  15.  Märe,  war  die  Senats- 
sitzung angesetzt,  in  der  der  Antrag  auf  die  Verleihung  des 
Köni^stitels  auf  Grund  des  Sibyllenorakels  gestellt  werden  sollte4). 

Eben  das  hat  die  Verschworenen  gezwungen  zu  handeln.  Sie 
hatten  zunächst  verschiedene  Pläne  erwogen:  Caesar  bei  den 
Vorbereitungen  zu  den  Wahlen  zu  ermorden,  wenn  er  noch  vor 
Tagesanbruch  (um  die  Auspicien  richtig  einzuholen)  die  Brücke 
über  den  Bach  Petronia  auf  dem  Marsfeld  überschritte;  oder  auf 
der  Via  sacra,  wo  er  sich  gleichfalls  im  Gedränge  der  engen  Straße 
leicht  von  seinem  Gefolge  abschneiden  ließ ;  oder  beim  Eintritt  ins 
Theater1).  Keiner  dieser  Pläne  kam  zur  Ausführung;  unent- 
schlossen zögerte  man  so  lange,  daß  die  Gefahr  der  Entdeckung 
immer  dringender  wurde*).  Da  ließ  die  Ansetzung  der  Senats- 
sitzung auf  den  15.  März  keine  Wahl  mehr:  es  war  der  letzte 
Moment,  der  noch  zur  Verfügung  stand,  und  mit  Recht  hob 
Cassius  hervor,  daß  er  und  Brutus  als  Praetoren  alsdann  ge- 
zwungen sein  würden,  sich  über  die  Ernennung  zum  König  zu 

')  Offiziell  stand  nach  Cic.  Phil.  II  88  die  Frage  der  Besetzung 
seines  Consulats  durch  Dolabella  und  der  von  Antonius  dagegen  er- 
hobene Einspruch  (oben  S.  461)  zur  Verhandlung:  auspicia,  de  qui- 
bus  Idibus  Martiis  fuit  in  senatu  Caesar  acturus. 

»)  Diese  Plane  berichten  übereinstimmend  Sueton  80  qui  primum 
cunctati,  utrumne  in  Campo  per  comitia  tribus  ad  suffragia  vocan- 
tem  partibus  divisis  e  ponte  deicerenl  atque  exceptum  trucidarent, 
an  in  Sacra  via,  vei  in  aditu  theatri  adorirentur,  postquam  senatus 
Idibus  Mariiis  in  Pompei  curiam  edictus  est,  facüe  tempus  et  locum 
praettderunt;  und  Nie.  Dam.  23  tivk«  uiv  o&v  clai>ipov,  fco  r?|«  'hpd«; 
xaXoupiwic  ö8oö  Uvxt  i-fttiptlv-  i<poka  -fftp  KoXXaxt«;  ixtlvij  (da  lag  »eine 
Amtswohnung,  die  Regia)  •  Sk\ot  V  Iv  toi?  ap^ouptotau;,  iv  al«  fttt  xa&t- 
stavra  iv  *«p  ttpi  rite  ic&«a»c  iwÄhp  t&c  &PX^C  lu&vm  «vo  fftpopav,  itaxÄ.v]- 
otüjxtvoi  xö  fpyov,  8na»{  ot  |iiv  u>attav  abxbv  4k6  rrjs  fttpüpac  ol  &i  i*i8pa- 
fiovttc  xtnvatav'  alXot  84,  btav  *4at  fiovojtd^tuv  Siftuwu.  (die  an  Stelle  des 
Theaters  bei  Sueton  treten);  dann  entscheidet  man  sich  für  den  Senat. 
Den  Plan  auf  dem  Martfeld  hat  M.  Deutsch,  The  plot  to  murder  Caesar 
on  the  bridge ,  Univ.  of  California  Publications  in  class.  Pb.iL  II  1916, 
267  ff.  sehr  hübsch  erklart,  durch  Heranziehung  der  Petronia  amnis, 
quam  magistratus  auspicato  transeunt,  cum  in  Campo  quid  agere 
volunt  (Pestus  p.  250,  vgl.  Mommsbj»,  Staatsrecht  I  *  98,  6). 

\i  Dio  44,  15.  1. 


542 


Cae*an>  Monarchie 


äußern,  und  weder  schweigen  noch  dagegen  sprechen  konnten, 
also  ihre  Überzeugung  verleugnen  müßten,  wenn  sie  nicht  vor- 
her handelten1).  So  wurde  der  Entschluß  gefaßt;  man  konnte 
sich  dabei  zugleich  auf  das  von  der  jüngeren  Annalistik  geschaffene 
Vorbild  der  Urväter  berufen,  die  in  der  Curie  den  Komulns  zer- 
rissen, als  er  zum  Tyrannen  geworden  war2). 

Den  Verlauf  der  Tat  an  den  Iden  des  März  zu  erzählen,  ist 
nicht  erforderlich.  Die  Verschworenen  waren  der  Überzeugung, 
daß  mit  der  Beseitigung  des  Usurpators  die  legitime  Republik 
wieder  hergestellt  sei  und  von  selbst  wieder  in  Funktion  treten 
werde8).  Brutus  hat  dem  dadurch  einen  bezeichnenden  Aus- 
druck gegeben,  daß  er,  als  Caesar  am  Boden  lag  und  der  ver- 
störte Senat  auseinanderstob,  den  blutigen  Dolch  hoch  empor- 
hebend Ciceros  Namen  ausrief  und  ihm  gratuliert«,  daß  die 
Freiheit  wiedergewonnen  sei4).  Zur  Mitwirkung  hatten  sie  Cicero 
nicht  aufgefordert,  sie  wußten,  daß  er  kein  Mann  der  Tat  war6). 
Aber  er  hatte  jetzt  die  Stellung  gewonnen,  daß  die  Republik  in 
ihm  verkörpert  schien,  er  überragte  alle  andern  Senatoren  weit- 
aus an  Ansehn  und  geistiger  Bedeutung;  imd  niemand  konnte 
zweifeln,  daß  die  Tat  seiner  Gesinnung  entsprach.  Er  hat  sie 
denn  auch  sofort  verherrlicht«)  und  sich  eifrig  bemüht,  den 


')  Dio  44, 15, 4.  In  der  Venion  bei  Plut  Brat.  10  =  Appian  II  1 18, 470ff.  ist 
daraus  ein  Jüngeres  Ge«priich  zwischen  Cassiun  und  Brutus  gemacht,  durch  das 
dieser  fflr  die  Beteiligung  an  der  Verschwörung  gewonnen  wird,  vgl.  S.  585, 1. 

•)  Appian  II  114,  476,  oben  S.  449,  5. 

')  Sehr  deutlich  geben  Brutus  und  Cassius  ihrer  Anschauung  in  dem  Brief 
an  Antonius  vom  4.  Augast  44  (ad  fam.  XI  8)  Ausdruck:  neque  est  Antonio 
postulandum,  ut  eis  imperet,  quorum  opera  liber  est...  nos  in  hac  sen- 
tentia  s  umi48,utte  cupia  m  ws  in  libera  republica  magnum  atquehonestu  m 
esse.. .  tu etiam  atque etiam  vide,  quid suscipias,  quid  wstinere possis, 

')  Cic.  Phil.  II  28,  aus  Antonius'  Anklagerede  gegen  Cicero:  Cae- 
sare  interfecto,  inquti,  statim  cruentum  alte  extollens  Brutus  pu- 
gionem  Ciceronem  nominatim  exclamavit  atque  ei  recttperatam 
libertatem  est  gratulatus.  Den  Ruf  erwähnt  auch  Dio  44,  20,  4. 

5)  Plut  Brut.  12. 

°)  Gelegentlich  freilich  kommen,  in  der  verzweifelten  Lage  der 
folgenden  Monate,  auch  andere  Stimmungen  cum  Ausdruck.   So  ent- 


Cicero  und  Octavian 


543 


Mördern  ihre  Stellung  im  Staate  zu  sichern  oder  wenigstens  zu 
erhalten;  und  so  töricht  es  ist,  wenn  er  später  sein  Bedauern 
ausspricht,  daß  man  ihn  nicht  zugezogen  habe  —  er  würde,  be- 
hauptet er,  die  Verschonung  des  Antonius  hintertrieben  haben  — , 
so  hat  doch  Antonius  nicht  unrecht  gehabt,  wenn  er  ihn  als 
den  intellektuellen  Urheber  der  Tat  bezeichnete  (vgl.  S.  457). 

Die  Erwartung  der  Befreier  hat  sich  bekanntlich  nicht  er- 
füllt. Die  realen  Mächte,  die  sie  in  ihrem  Idealismus  nicht  in 
Rechnung  gestellt  hatten,  machten  sich  sogleich  mit  ganzer  Wucht 
geltend;  auf  sie  gestützt,  erhob  sich  in  dem  Consul,  dessen  Ver- 
schonung Brutus  durchgesetzt  hatte,  ein  neuer  Usurpator,  und 
ihm  zur  Seite  trat  als  sein  Rivale  der  Adoptivsohn  Caesars.  Im 
Kampf  gegen  beide  sollte  die  wiederhergestellte  Republik  sich 
durchsetzen.  Sie  hat  versagt.  Cicero  schloß  den  Bund  mit  dem 
legitimen  Erben  Caesars  gegen  den  illegitimen,  in  der  Hoffnung, 
ihn  in  der  Hand  behalten,  ausnützen,  und  dann  beiseite  werfen 
zu  können:  aber  tatsächlich  setzte  er  sich  und  der  Republik 
dadurch  den  Herrn,  Octavian  war  nicht  nur  der  gewandtere, 
sondern  vor  allem  der  stärkere,  und  durch  das  Bündnis  mit  ihm 
hatte  die  Republik  selbst  ihn,  der  in  offener  Rebellion  sich  sein 
Heer  geschaffen  hatte,  als  eine  selbständige  und  berechtigte 
Macht  anerkannt.  Das  hat  Brutus  dem  Cicero  wiederholt  vor- 
gehalten, als  dieser,  von  leidenschaftlichem  Haß  gegen  Antonius 
und  seine  Brüder  verblendet,  im  Kampf  gegen  diese  jede  Ver- 
söhnung unmöglich  machte1)  und  dadurch  nur  in  immer  stärkere 


schlupfen  ihm  am  23.  Mai  44  zn  seinem  eigenen  Erstaunen  in  einem 
Brief  an  Atticus  die  Worte :  licet  enim  de  me  Ut  Übet  exislirnes  (oelim 
(fuidem  quam  optimej,  si  haec  ita  manerU,  ut  videntur,  —  feres 
quod  dicam  —,  me  Idus  Martiae  non  delectanl.  Ute  enim  num- 
quam  revertisset;  nos  timor  conflrmare  eins  acta  non  coegisset; 
out . . .  ita  gratiosi  eramus  apud  iUum,  quem  di  mortuum  perduint !, 
ut  nostrae  aetati,  quoniam  interfecto  domino  tiberi  non  sumus,  non 
fuerit  dominus  iüe  fugiendus,  rubeo,  mihi  crede;  sed  tarn  scrip- 
8er am:  delere  nolui  (ad  Att.  XV  4,  8). 

J)  Cicero  verlangt  daher,  Brutns  solle  den  gefangenen  Gaius  An- 
tonius hinrichten  lassen  (ad  Brut.  U  5.  5.  I  %  5.  3,  8.  4,  vgl.  Plut. 
Brat. 26),  während  Brutus  ihn  verschonte,  in  der  Hoffnung,  noch  zu 


Caesars  Monarchie 


Abhängigkeit  von  Octaviao  geriet1).  Ganz  unausführbar  war 
dann  Ciceroe  Forderung,  Brutus  solle  mit  seinem  Heer  nach 
Italien  kommen;  Brutus  wäre  damit  lediglich  blindlings  ins 
Verderben  gerannt  und  hätte  die  letzte  Aussicht,  die  sich  der 
Republik  noch  bot,  leichtfertig  preisgegeben;  er  hatte  voll- 
kommen recht,  wenn  er  der  Ansicht  war,  daß  die  Republik  in 
seinem  Lager  sei  und,  wo  die  Lage  in  Rom  hoffnungslos  geworden 
war,  jeder  Republikaner  Rom  verlassen  und  wie  im  Jahre  49 
zu  Pompejus,  so  jetzt  zu  der  Armee  kommen  müsse,  die  er  und 
Cassius  noch  einmal  im  Orient  aufbrachten*). 

Aber  diesmal  blieb  wie  Cicero  so  auch  die  große  Masse  der 
Senatoren  und  ihres  Anhangs  in  Rom.  Als  dann  die  Katastrophe 
hereinbrach,  als  Octavians  Truppen  Anfang  August  43,  statt 
gegen  Antonius  und  Lepidus,  vielmehr  gegen  Rom  vorrückten, 
um  dem  Erben  Caesars  das  Gonsulat  zu  verschaffen,  da  hat  der 
Senat  schmählich  versagt.  Solange  sie  noch  keine  unmittelbare 
Lebensgefahr  bedrohte,  blieben  die  Senatoren  fest  und  wiesen 
Octavians  Forderungen  zurück  oder  gewährten  wenigstens  nur 
halbe  Concessionen ;  sobald  es  bitterer  Rrnst  wurde,  versagte 


einem  Aasgleich  gelangen  zu  können  (14,  2 ;  nach  I  3,  5  hat  er  an  Cicero 
geschrieben  acrius  prohibenda  beüa  civilia  esse,  quam  in  superatos 
iracundiam  exercendam,  wogegen  Cicero  sich  mit  aller  Leidenschaft 
wendet). 

')  In  dem  Brief  I  16 ,  in  dem  Brutus  sich .  nach  langem  Zögern, 
gegen  Cicero  deutlich  ausspricht  (noch  offener  redet  er  in  dem  gleich- 
seitigen, zur  Mitteilung  an  Cicero  bestimmten  Brief  an  Atticus  I  17), 
sagt  er  mit  vollem  Recht:  deinde  quod  pulcherrime  fecisti  ac  facis 
in  Antonio  vide  ne  convertatur  a  laude  maxitni  animi  ad  opi- 
nionem  formiiinis;  nam  si  Octavius  tibi  placet,  a  quo  de  nostra 
salute  petendum  sit,  non  dominum  fugisse,  sed  amiciorem 
dominum  quaesisse  videberis. 

»)  Ed.  Schwartz.  Hermes  88,  1898  S.  218  f.  240.  243  f.  hat  die  mili- 
tärische Lage  vollkommen  verkannt  und  ist  daher  zu  einer  ganz  schiefen 
Beurteilung  des  Brutus  gelangt,  wenn  er  ihm  daraus  einen  Vorwurf  macht 
und  meint,  nicht  staatsmilnnische  Erwägung,  sondern  «die  Wut  des 
eigensinnigen  Fanatismus,  des  gekränkten  Stolzes*  habe  ihn  zurück- 
gehalten, „för  die,  welche  sich  vor  dem  Sohne  Caesars  so  schmachvoll 
erniedrigt  hatten,  auch  nur  einen  Mann  zu  opfern*. 


Der  Untergang  der  Republik.    Cicero«  Aufgang  545 

ihr  Mut  arid  sie  unterwarfen  sich  allen  Geboten  der  Armee  und 
ihres  Führers.  Als  dann  das  Gerücht  sich  verbreitete,  zwei 
Legionen  Octavians  hätten  sich  für  den  Senat  erklärt,  flackerte 
der  Mut  noch  einmal  auf:  noch  einmal  wurden,  trotz  des  schon 
geschlossenen  Abkommens,  Maßregeln  ergriffen,  um  den  Wider- 
stand zu  organisieren,  die  Senatoren  versammelten  sich  bei  Nacht, 
Cicero  begrüßte  sie  an  der  Tür  der  Curie.  Dann  aber  erfuhr  man, 
daß  das  Gerücht  falsch  war,  und  da  stob  alles  auseinander,  Cicero 
flüchtete  in  seiner  Sänfte1).  Vielleicht  wäre  Octavian  doch  noch 
vor  dem  Äußersten  zurückgeschreckt,  wenn  der  Senat  fest  ge- 
blieben wäre  —  er  wußte  indessen,  so  gut  wie  Napoleon  am 
19.  Brumaire,  daß  er  das  nicht  zu  befürchten  brauchte.  Der 
Senat  aber  hat,  wo  alles  verloren  war,  die  Gelegenheit  nicht  er- 
griffen, wenigstens  in  Ehren  unterzugehn,  wie  ehemals  die  Väter, 
welche,  wie  die  Chronik  berichtet,  die  hereinbrechenden  Gallier 
auf  ihren  Sitzen  furchtlos  erwarteten8).  Auch  Cicero  hat  ver- 
sucht, seinen  Frieden  mit  Octavian  zu  machen,  und  ihm  einen 
klaglichen  Brief  geschrieben,  in  dem  er  sich  bedankt,  daß 
er,  jetzt  als  Consul  der  Vorsitzende  des  Senats,  ihm  das  Ge 
schehene  verzeihe  und,  wie  seinem  Stiefvater  Philippus,  die  Er 
laubnis  gewähre,  den  Verhandlungen  fernzubleiben3);  und  er  hat 


')  Appian  III  93. 

*)  Die  Worte,  die  Cicero  Phil.  III  85  ausspricht:  quod  si  iam, 
quod  di  omen  avertant .',  fatum  extremum  reipublicae  venit,  quod 
gladiatores  nobile*  faciunf,  ut  honeste  occumbant,  faciamus  nos, 
principe*  orbis  terrarum  gentium  que  omnium ,  ut  cum  dignüate 
potius  cadamus  quam  cum  ignominia  serviamus,  and  ebenso  X  19: 
postremo  —  erutnpat  enim  aliquando  vera  et  me  digna  voxf — ,  si 
veter anorum  nutu  mentea  huius  ordinis  gubernantur 
omniaque  ad  eorum  voluntatem  nostra  dicta  facta  referunhir,  op- 
tanda  mors  est,  qua»  cwibue  Romanis  semper  fuü  Servitute  potior, 
haben  Cicero  und  der  Senat,  als  die  befürchtete  Lage  eingetroffen  war, 
nicht  wahr  gemacht. 

*)  Appian  III  92,  382  Ktxt  puty  rt  t&v  movowv  xofropsvoc  ntp<*£«  StA  i&v 
Kouoapoc  «plXwv  ivroyttv  awt$,  xat  iytt>x<*"  aitsWftlto ...  6  ik  toaoötov 
ÄK«p(vato  tmoHtDRtwv,  Stt  t»v  filaiv  a6x$  teXsotato«  tvt»rx<4voi.  Von  dem 
Brief  ist  bei  Nonius  486,  17  ein  Satz  erhalten  (fr.  15  Purskr;  das  Zitat  ad 
Caesar em  iuniorem  Ob.  /  ist  falsch,  es  maß  lib.  II  beißen,  da  ein  drittes 
Meyer,  Caesar«  Monarohie  35 


546 


Ciiesar«  Monarchie 


es  über  sich  gebracht,  noch  fast  vier  Monate  lang  in  Rom  oder 
auf  seinen  Gütern  zu  bleiben,  ein  trauriges  Bild  gefallener  Größe, 
bis  das  Geschick  ihn  ereilte.  Mit  vollem  Recht  konnte  Brutus 
sagen,  daß  er  über  Cioeros  Ausgang  mehr  Scham  als  Mitleid 
empfinde:  er  und  seine  Freunde  in  Rom  seien  in  Knechtschaft 
geraten  mehr  durch  eigene  Schuld  als  durch  die  der  Gewalt- 
haber, sie  brachten  es  fertig,  Dinge  zu  sehn  und  zu  erleben, 
die  sie  nicht  einmal  zu  hören  ertragen  dürften1). 

Bnch,  das  in  ein  paar  Zitaten  vorkommt,  wahrscheinlich  auch  Schreibfehler 
ist,  s.  die  sehr  aufklärende  Abhandlung  von  L.  Gurlitt,  Nonios  Mar- 
cellus und  Ciceroe  Briefe.  Programm  Steglitz  1889):  quod  mihi  et  Phi~ 
lippo  vacaUonem  das,  bis  gaudeo:  nam  et  praeteriüs  ignoscis  et 
concedis  futura.  Ober  die  letzten  dreieinhalb  Monate  Ciceros  besitzen 
wir  garkeine  Nachrichten,  geschweige  denn  eigene  Äußerungen.  Asinius 
Pollio  hat  in  einer  Rede  pro  Lamia  aus  der  Zeit  des  Triumvirats  be- 
hauptet, Cicero  sei  bereit  gewesen,  seine  Beden  gegen  Antonius  zu  ver- 
nichten: „üaque  nunquam  per  Ciceronem  mora  fuit,  quin  eiuraret 
suas  esse,  quas  cupidissime  effuderat,  orationes  in  Antonium,  multi- 
plicesque  numero  et  accuratius  scriptae  Ulis  contrarias  edere  ac  vel 
ipse  palam  pro  contione  recitare  poUicebatur" .  adieceratque  (Pollio) 
his  alia  sordidiora  multo,  ut  ibi  facüe  liqueret,  hoc  Uttum  adeo 
falsum  esse,  ut  ne  ipse  quidem  Poüio  in  historiis  suis  ponere  ausus 
sit  (Seneca  suas.  6,  15).  Das  ist  dann  ein  beliebtes  Thema  für  alberne 
Deklamationen  geworden:  deliberat  Cicero,  an  Antonium  deprecetur, 
und  deliberat  Cicero,  an  scripta  sua  conburat  promittente  Antonio 
incolumitatem ,  si  fecisset,  aus  denen  Seneca  suas.  6  und  7  zahlreiche 
Proben  anführt.  Das  Gegenstack  ist  die  epistula  ad  Octavianum.  Nach 
Plut  Cic.  47  hätte  sich  Cicero  noch  auf  der  Flucht  mit  der  Hoffnung 
getragen,  Octavian  werde  ihn  retten,  oder  er  habe  sich  an  dessen  Herd 
schleichen  und  dort  töten  wollen,  um  den  Raehedümon  auf  ihn  herbei- 
zurufen. Ob  an  diesen  Erzählungen  irgend  etwas  historisch  ist  und  aus 
wem  sie  stammen,  läßt  sich  nicht  entscheiden. 

*)  Plut  Brut  28  Bpoütos  Sfe  r?j?  Ktnlptnvo«  «Xtorfc  r&  altty  <p-nolv 
aiaxovM&at  uäXXov  4j  t$  icdfkt  oovaXfMV,  ifaaXelv  ik  tolg  fcsl  'Pa>jiifjc  cpÜLoic ' 
SouXsösiv  t ftp  aöuüv  altty  jväXXov  9j  tfiv  copawoövtaov,  «al  xaptspttv  &pd»vta< 
xal  zapömaq,  &  jcnl*  dmouttv  a&totc  dhwwcov  Y)v.  Es  ist  begreiflich,  daß 
Cicero  sich  nicht  entschließen  konnte,  zu  Brutus  zu  gehn,  nachdem  seine 
Politik  so  völlig  gescheitert  war  und  Brutus*  Warnungen  sich  als  durch- 
aus zutreffend  erwiesen  hatten.  Daß  es  dann  für  ihn,  der  sich  ver- 
messen hatte,  als  leitender  Staatsmann  [princeps,  vgl.  oben  S.  191 ,  1) 
das  Geschick  der  Welt  zu  lenken,  nur  noch  den  Ausweg  Catos  gab.  hat 


Geschichtliche  Bedeutung  der  Ermordung  Caesars 


547 


Das  Geschick  konnte  die  Unterwürfigkeit  nicht  wenden:  es 
war  ein  Kampf  auf  Leben  und  Tod  gewesen,  den  man  geführt 
hatte,  und  wie  Cicero  und  der  Senat  den  Tod  des  Antonius  und 
seiner  Genossen  gefordert  hatten  und  ebensogut  den  Octavian 
beiseite  geschoben  haben  würden,  wenn  sie  gesiegt  hätten,  so 
konnten  die  Sieger  die  von  Caesar  geübte  Schonung,  die  so  arge 
Früchte  getragen  hatte,  nicht  nochmals  wiederholen.  Dazu  kam 
aber  die  Begehrlichkeit  ihres  Anhangs  und  der  gewaltig  an- 
geschwollenen Soldateska,  von  der  sie  selbst  abhängig  waren 
und  die  sie  nicht,  wie  Caesar,  hätten  im  Zaum  halten  können, 
auch  wenn  sie  gewollt  hätten;  das  hat  dem  Strafgericht  seine 
entsetzliche  Gestalt  gegeben. 

Mit  der  Erhebung  Octavians  zum  Consul  und  den  Pro- 
skriptionen ist  die  Republik  in  Rom  erlegen,  auf  dem  Schlacht- 
felde von  Phüippi  der  Versuch,  sie  mit  den  Kräften  des  Reichs 
wieder  herzustellen,  definitiv  begraben.  Das,  und  nioht  etwa 
Caesars  Monarchie,  ist  das  Ende  der  Republik.  Es  blieb  aber 
noch  der  Kampf  um  die  neue  Gestaltung  des  Reichs;  und  mehr 
als  eüi  Jahrzehnt  hat  es  gedauert,  bis  auch  dieser  zum  Austrag 
gelangt  war. 

Unermeßliches  Elend  hat  Caesars  Ermordung  über  die  Welt 
gebracht.  Und  doch  ist  sie  nicht  ohne  gewaltige  und  segensreiche 
Folgen  geblieben.  So  unfähig  zur  Erfüllung  ihrer  Aufgabe  die 
Republik,  so  zersetzt  und  kraftlos  das  Senatsregiment  geworden 
war,  die  Idee,  die  in  ihren  Traditionen  lebte,  hatte  sich  als  eine 
gewaltige  Macht  erwiesen,  die  man  nicht  ungestraft,  wie  Caesar 
sich  vermessen  hatte,  verächtlich  beiseite  schieben  konnte.  Sein 
Erbe  hat  dem  Rechnung  getragen ;  es  entsprach  seinem  Charakter 
und  seiner  gesamten  Denkweise,  daß  er  den  Weg  Caesars  nicht 
gehn  konnte1).  So  hat  er  die  Monarchie  und  die  Welteroberung 
abgelehnt  und  statt  dessen  die  Republik  wieder  hergestellt  und 
damit  das  schon  in  voller  Zersetzung  begriffene  Römertum  noch 
einmal  gekräftigt. 

er  sehr  wohl  empfunden  (s.  S.  545,  2),  aber  er  war  moralisch  tu  schwach, 
um  ihn  zu  betreten. 

')  6.  meinen  Aufsatz  Ober  Augustne  in  meinen  Kleinen  Schritten. 


548 


Caesar»  Monarchie 


Den  Iden  des  März  ist  es  zu  danken,  daß  die  Entwicklung, 
die  Caesar  mit  kühnem  Griff  hatte  vorwegnehmen  wollen,  lang- 
sam und  segensreich  in  Jahrhunderten  sich  vollzogen  hat,  daß 
Rom  und  das  Römerrum  nicht  nur  ein  Name  geblieben  ist, 
sondern  sich  jetzt  erst,  im  Anschluß  an  den  Staatsbau  des 
Augustus,  voli  entfalten  und  ausleben  konnte.  Dieser  Staats- 
bau war  freilich  nicht  mehr  die  alte  Republik,  die  in  der  Welt- 
eroberung ihr  Größtes  geleistet,  für  die  Cato  sowie  Brutus  und 
Cassius  und  ihre  Genossen  in  den  Tod  gegangen  waren  ;  aber 
noch  weniger  die  Monarchie  Caesars,  an  die  sie  nur  dem  Namen 
nach  anknüpft,  und  die  daher  nur  eine  Episode,  nicht,  wie  Caesar 
gewollt  hatte,  ein  Abschluß  gewesen  ist:  sondern  der  wahre  Vor- 
gänger des  Principats  des  Augustus  ist  Pompejus,  es  ist  die 
Staatsgestaltung,  deren  Bild  Cicero  in  der  Schrift  vom  Staat 
entworfen  und  deren  Durchführung  er  von  Caesar  in  der  Mar- 
cellusrede gefordert  hatte. 

So  konnte  Iivius,  der,  wie  alle  seine  Genossen,  ganz  auf  dem 
Boden  der  Ideen  des  Augustus  steht,  die  Geschichte  des  Bürger- 
kriegs, wie  Augustus  sagte,  als  Pompe  janer  schreiben  —  was 
durchaus  nicht  als  Tadel  gemeint  war1).  Es  hat,  gerade  weil  er 
ein  völlig  unbedeutender,  weder  im  Guten  noch  im  Bösen  irgend- 
wie hervortretender  Mensch  war,  nur  eine  um  so  tiefere  sym- 
bolische Bedeutung,  daß  Octavian  nach  der  Einnahme  von 
Alexandria,  die  den  Bürgerkrieg  beendete,  den  Sohn  Ciceros  zum 
Conan I  für  die  nächsten  beiden  Monate  ernannt  hat 

')  Tacitns  ann.  IV  84  (Rede  de»  Cremutiu«  Cordus):  Titus  Livius  . . . 
Cn.  Fompeium  tantis  laudibus  tulit,  ut  Pompeianum  eum  Augustus 
appellaret;  neque  id  amicitiae  eorum  offecit.  Scipionem,  Afranimm, 
hunc  ipsum  Cassium,  hunc  Brutum  nusquam  latrones  et  parrir 
cidas,  quae  nunc  vocabula  imponuntur,  saepe  ut  insignis  viros  no- 
minai.  Bekannt  int  die  Erzählung  Plntarchs  (Cic  49),  Augustus  habe 
einen  seiner  Enkel  bei  der  Lektüre  einer  Schrift  Ciceros  getroffen,  lange 
in  derselben  gelesen  und  sie  dann  mit  den  Worten  zurückgegeben: 


Beilage  I 

Der  Perduellionaprozeß  des  Rabirius  im  Jahre  63 

Über  den  Prozeß  des  Rabirius  im  Jahre  63  sind  so  viele 
verschiedene  Ansichten  aufgestellt  nnd  von  hervorragenden 
Autoritäten  vertreten,  daß  ioh  den  Anlaß  nicht  Vorübergehn 
lassen  will,  ihn  noch  einmal  zu  behandeln,  zumal  ich  glaube, 
daß  sich  ein  völlig  gesichertes  Ergebnis  gewinnen  läßt. 

Die  Berichte  der  Historiker  finden  sich  bei  Sueton  und  Dio. 
Nach  Sueton  Caes.  12  (Caesar)  subomavit  etiam  qui  Gaio  Rabtrio 
perdueUi(jnis  dient  diceret,  ...  ac  sorte  iudex  in  rewn  ductus  tarn 
cwpide  condemnavit,  ut  ad  populwn  provocanti  nihil  aeque  ac  iudicis 
acerbüas  prof  uerü.  Eingehender  erzählt  Dio  37,  26 — 28.  Labienus 
unternimmt,  unterstützt  von  den  andern  Tribunen,  den  Per- 
duellionsprozeß  gegen  Rabirius  wegen  der  vor  36  Jahren  er- 
folgten Tötung  des  Satuminus,  die  ihm  trotz  seines  Leugnens 
zugeschrieben  wird,  um  die  vom  Senat  den  Gonsuln  gegebene 
Vollmacht  für  rechtsungültig  erklären  zu  lassen  und  so  die  Macht 
des  Senats  vollends  zu  brechen  und  für  die  tribunicischen  Um- 
triebe und  die  alsdann  legitimierte  Revolution  völlig  freie  Hand 
zu  gewinnen.  Der  Senat  setzt  sich  zur  Wehr,  es  wird  zunächst 
um  die  Einsetzung  des  Gerichtshofs,  dann,  als  diese  durch  die 
Bemühungen  Caesars  und  andrer  durchgesetzt  ist,  über  das  Ur- 
teil gestritten.  C.  und  L.  Caesar  (der  Consul  des  Jahres  64)  sind 
zu  duumviri  perduellionis  ernannt,  und  zwar  von  einem  Praetor, 
nicht,  wie  es  rechtens  war,  durch  das  Volk.  Rabirius  provociert 
an  das  Volk,  wäre  aber  zweifellos  von  diesem  verurteilt  worden, 
wenn  nicht  der  Praetor  und  Augur  Metellus  Celer,  nachdem  alle 
andern  Bemühungen  gescheitert  waren,  die  Fahne,  die  nach  alter 
Vorschrift  während  der  Centurienversammlung  auf  dem  Jani- 


Beilage  I 


oulum  wehen  mußte,  eingezogen  und  dadurch  ihre  Auflösung 
erzwungen  hätte.  Darauf  laßt  Labienus,  der  den  Prozeß  hätte 
erneuern  können,  die  Sache  fallen. 

Aus  diesem  Prozeß  besitzen  wir  eine  authentische  Urkunde 
und  zugleich  ein  staatsrechtliches  Dokument  ersten  Runges  in 
der  allerdings  nicht  vollständig  erhaltenen  Rede  Ciceros  pro 
Rabirio.  Aber  eben  an  diese  knüpft  die  vielverhandelte  Streit- 
frage an,  wie  sie  aufzufassen  ist  und  wie  sie  sich  zu  den  historisch eu 
Berichten  verhält.  Cicero  erwähnt  sie  kurz  in  der  Aufzählung 
seiner  Consularreden  ad  Att.  II  1,  3  {quarta  pro  Rabirio)  und 
im  Orator  102  (ius  omne  retinendae  maiestatis  Rabirii  causa  con 
tine!)alur;  ergo  in  omni  genere  amplificattonis  exarsimus).  Wichtiger 
ist  die  Angabe  in  der  Rede  gegen  Piso  4:  ego  in  G.  Rabirio  per- 

il  tLpll irvn.ui   rcn    Y  /    tvrvnAa   n*iJ*>  *m>  pjvnjnt]*>-m    iW/>r  rwi&itn m  smntiLi 

ouctorUatem  sustinui  contra  imidiam  aique  defendi. 

Seit  Nekbühr  zuerst  behauptet  hat,  die  auf  uns  gekommene 
Rede  sei  nicht  in  einem  Perduellionsprozeß,  sondern  in  einem 
Multprozeß  gehalten  und  die  Überschrift,  die  sie  in  den  auf 
eine  Abschrift  Poggios  zurückgehenden  Handschriften  trägt,  pro 
C.  Rabirio  perduettioms  reo  ad  Quinte  sei  falsch1),  ist  diese 
Ansicht,  wenn  auch  mit  mancherlei  Modifikationen,  die  herr- 
schende geworden*).  Auch  Mommsbn  hat  sie  angenommen;  er 
formuliert  sie  dahin8),  daß  der  Perduellionsprozeß  vor  den  Oen- 
turien  nicht  zur  Entscheidung  gekommen  sei.  „Der  Prozeß,  in 
dem  Cicero  sprach,  ist  vielmehr  ein  tribunicisohes  Multverfahren, 
das  dem  gescheiterten  Perduellionsprozeß  substituiert  ward" ;  „die 
Worte  in  der  Überschrift  perduellionis  reo  sind  von  den  Heraua- 
gebern aus  der  Rede  in  Pison.  2,  4  irrig  eingesetzt  worden"*). 


•)  Ciceronis  orationnm  pro  M.  Fonteio  et  pro  C.  Rabirio  fragmenta 
ed.  a  B.  6.  Niebuhrio,  1820,  p.  69  f. 

*)  So  bezeichnet  sie  mit  Recht  Plaumakn,  Das  sogen,  senatnscon- 
sultum  ultimum,  Klio  XIII  1918,  377,  der  sich  ihr  gleichfalls  anschließt. 

■)  Staatsrecht  II «,  598.  2  =  11  *  628,  3  and  II  *  287,  1  =  II » 398,  3. 
Ebenso  im  Strafrecht  588.  1. 

4)  Ebenso  wie  Momusir  stellt  Lakob,  Röm.  Alt.  III  241  f.  den  Her- 
gang dar;  desgleichen  Hkituuid  in  seiner  formell  and  sachlich  unbw- 


Der  Perduellionsprozeß  des  Rabirius 


551 


Aber  trotz  dieser  in  solchen  Dingen  seltenen  Ubereinstimmung 
der  modernen  Forscher  kann  diese  Auffassung  nicht  richtig  sein. 
Schon  das  ist  sehr  bedenklich,  daß  sie  die  Darstellung  Dioe,  der 
sich  sonst  überall  in  der  gesamten  Geschichte  dieser  Zeit  als  ganz 
vortrefflich  unterrichtet  erweist,  entweder  schlechthin  verwerfen 
oder  zum  mindesten  in  wesentlichen  Punkten  korrigieren  und 
vor  allem  annehmen  muß,  seine  Behauptung,  nach  der  Vereitelung 
des  Provocationsprozesses  auf  dem  Marsfeld  habe  Labienus  die 
Sache  fallen  lassen  (i£i)v  uiv  7<ip  t<p  Aaß«$V(j>  xai  ao^t? 
Sixdoaoäou,  ob  uivtoi  xal  kxoirpw  afod),  sei  falsch,  es  sei  viel- 
mehr jetzt  noch  ein  Multprozeß  gefolgt,  in  dem  Rabirius  frei- 
gesprochen sei.  in  noch  größere  Schwierigkeiten  aber  kommt 
man  gegenüber  Ciceros  Angaben;  man  muß  alsdann  annehmen, 
er  habe,  obwohl  er  das  nirgends  erwähnt,  in  der  Sache  zweimal 
gesprochen,  zuerst  im  Perduellionsverfahren,  sodann  im  Mult- 
prozeß, und  nur  diese  zweite  Rede  habe  er  herausgegeben;  in 
der  Rede  gegen  Piso  aber  erwähne  er  nicht  diese  zum  Ziele 
führende  und  dem  Publikum  bekannte  Rede,  sondern  sein  Auf- 
treten in  dem  PerduelUonsprozeß,  obwohl  dieser  nach  der  herr- 
schenden Auffassung  keine  Erledigung  der  Frage  gebracht  hatte. 
Indessen  die  Angabe  dieser  Rede,  daß  er  in  dem  PerduelUons- 
prozeß „die  Autorität  des  Senats  gegen  die  gehässigen  Angriffe 

deutenden  Ausgabe  Ciceroiiis  pro  C.  Rabirio  [perduellionis  reo]  oratio 
ad  Quirites,  with  notes,  introdoction  and  appendices,  Cambridge  1882. 
Abweichend  and  im  wesentlichen  richtig  dagegen  Ihne,  Röm.  Gesch.  VI 
282  ff.  Von  älteren  bat  sich  Dbümanw  III  163  =  III 9  158,  4  gegen  Nik- 
buhr  erklart,  dessen  Bemerkung  nach  ihm  .keiner  Widerlegung  bedarf*. 
Rubino  (Unters,  zur  röm.  Verf.  1839,  313  f.)  hat  Nisbuhrs  Ansicht  dahin 
modifiziert,  daß  Cicero  durch  den  Senat  die  Aufhebung  des  Perduellioos- 
Verfahrens  durch  die  Duumvirn  erreicht  und  an  dessen  Stelle  der  tri- 
bunicische  PerduellionsprozeB  tritt;  Hüschke  (Multa  und  Sacramentum, 
1839,  512  ff.)  hat  dann  Nkbuhrs  Ansicht  wieder  aufgenommen  nnd  ein- 
gehend begründet  An  Rubixo  achließt  sich  im  wesentlichen  Wnu  an 
(Der  Perduellionsprozeß  des  Rabirius.  Jahrb.  f.  klass.  Phil.  119, 1879,  177  ff.), 
mit  manchen  richtigen  Bemerkungen,  aber  ganz  unhaltbarem  Gesamt- 
ergebnis. Eingehend  kritisiert  werden  die  angeführten  und  einige  andere 
Arbeiten  von  0.  Schulthbss,  Der  Prozeß  des  Rabirius .  Programm  Thur- 
gau  1891,  der  sich  in  der  Hauptsache  wieder  an  Hüschsjc  anschließt. 


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552  Beilage  I 


aufrecht  erhalten  und  verteidigt  habe",  gibt  genau  den  Inhalt 
der  erhaltenen  Rede  wieder,  und  nicht  minder  die  Angabe  des 
Orator,  daß  die  Rede  ius  omne  retinendae  maiestatis  in  schwung- 
voller Ausführung  behandelte.  Mit  diesen  Worten  ist  in  der 
Tat  ihr  Inhalt  so  gut  wie  erschöpfend  wiedergegeben;  denn  über 
alles  andre  geht  er  ganz  kurz  und  geringschätzig  hinweg  (§§  6—9), 
er  spricht,  wie  er  selbst  sagte,  nicht  sowohl  als  Anwalt,  wie  als 
Consul.  Auch  die  Ausführung  über  die  Vorgänge  des  Jahres  100 
und  die  Erschlagung  des  Saturninus  (§§  18—31),  fast  die  Hälfte 
des  Erhaltenen,  dient  dem  Nachweis  der  Rechtsbeständigkeit  und 
bindenden  Verpflichtung  des  Senatöbesehlusses,  auf  Grund  dessen 
damals  die  Consuln  und  in  ihrem  Gefolge  Rabirius  den  Kampf 
eröffnet  haben,  in  dem  Saturninus  umgekommen  ist.  Durch  die 
ganze  Rede  geht  die  Verherrlichung  des  Senatsbeschlusses  oder 
vielmehr  der  vox  itta  oonsulis  „gut  rempublicam  salvam  esse 
vettent'  als  des  Bollwerks  der  Staatsordnung1);  sie  mündet 
aus  in  die  Erklärung,  daß  er,  wenn  Labienus  die  revolutionären 
Handlungen  des  Saturninus  wiederholen  würde,  als  Consul  in 
der  gleichen  Weise  gegen  ihn  vorgehn  würde2).  So  dient  die 
ganze  Rede  in  der  Tat  der  Festigung  und  Verherrlichung  der 
senatm  auctoritas,  der  retinenda  rnaiestas.  Cicero  nimmt  diese 
maiestas,  als  deren  Vertreter  der  Tribun  und  die  Popularpartei 
sich  und  die  Plebs  betrachtet,  für  den  Senat  und  den  durch 
ihn  bevollmächtigten  Consul  in  Anspruch9).  Das  Auftreten  des 
Labienus  ist  contra  rempublicam  (§  35),  es  ist  die  Pflicht  des 
Consuls,  seinem  Unternehmen  mit  allem  Nachdruck  entgegen- 

')  So  gleich  zu  Anfang  §  2:  Der  Prozeß  dreht  sich  in  Wirklichkeit 
nicht  um  die  Person  des  Rabirius,  sed  ut  ülud  summum  auxilium 
maiestatis  aique  impern,  quod  nobis  a  mawribus  est  traditum ,  de 
re  publica  tolleretur  usw.  Das  stimmt  völlig  zu  der  Angabe  im  Orator. 

«)  Wie  wenift  ahnte  Cicero  damals,  daß  er  in  der  Tat  ein  halbes 
Jahr  später  in  die  gleiche  Lage  kommen  und  gezwungen  sein  werde, 
«ein  Wort  wahr  zu  machen! 

»)  §  38  idem  ego  quod  is,  qui  auctor  huius  iudicii  est,  clamo, 
praedico,  denuntio.  §  85  ncm  vos  ad  arma  vocan(dos  esse,  verum) 
ad  suffragia  cohoriandos  contra  oppugnationem  vestrae  maiestatis 
putavi. 


Der  Perduellionsproaeß  des  Rabirius 


553 


zutreten,  und  aller  guten  Bürger,  mit  ihm  gemeinsam  seine  Ab- 
sieht  zu  vereiteln  und  praesidia  reipublicae,  summum  in  con- 
sulibus  Imperium,  summum  in  senatu  consüium  zu  erhalten  (§  3). 
Ernsthaft  kann,  so  oft  das  bestritten  ist,  garkein  Zweifel  sein, 
daß  die  Rede,  die  wir  besitzen,  dieselbe  ist,  die  er  an  den  an- 
gefühlten Stellen,  auch  in  der  Rede  gegen  Piso,  erwähnt,  daß  er 
in  der  Sache  nur  diese  eine  Rede  gehalten  hat,  und  daß  sie  da- 
her den  Titel  pro  C.  Rabirio  perduellionis  reo  mit  Recht  führt. 

Wir  müssen  also  versuchen,  die  Rede  mit  der  sonstigen  Über- 
lieferung in  Übereinstimmung  zu  bringen  und  ein  Bild  des 
Hergangs  zu  gewinnen.  Den  Anstoß,  von  dem  Niebuhr  und  seine 
Nachfolger  ausgegangen  sind,  bietet  die  Angabe,  daß  Labienus 
behauptet  und  beklagt,  Cicero  bestätigend  sich  rühmt,  daß  er 
das  perduellionis  iudicium  aufgehoben  habe  (nam  de  perduellionis 
ludicio,  quod  a  me 

non  Rabiri),  daß  daher  die  Strafe  der  Hinrichtung,  die  Cicero 
(§§  11  ff.)  mit  schauerlichen  Farben  ausmalt,  um  nachzuweisen, 
daß  nicht  Labienus,  sondern  vielmehr  er  die  wahrhaft  populäre 
Auffassung  vertrete,  den  Rabirius  in  Wirklichkeit  nicht  mehr 
bedroht,  sondern  nur  das  Exil  (§§36  f.),  und  zwar,  wie  es  scheint, 
als  Folge  einer  Verurteilung  in  eine  Geldstrafe,  die  er  nicht 
würde  zahlen  können1);  denn  §  8  bezeichnet  Cicero  die  Anklage, 
in  der  neben  der  Tötung  des  Saturninus  alle  möglichen  andern 
Verbrechen  des  Rabirius  aufgezählt  waren,  als  muliae  inrogatio. 

Indessen  Cicero  hat  das  iudicium  perduellionis  nicht  etwa  in 
einem  vorhergehenden  Prozeßverfahren,  sei  es  durch  seine  Rede, 
sei  es  etwa  mittels  der  Einziehung  der  Fahne  durch  Metellus, 
zu  Fall  gebracht  —  das  müßte  notwendig  in  der  Rede  erwähnt 
werden,  und  in  letzterem  Falle  würde  Labienus  ganz  anders 
reden,  denn  dadurch  ist  das  Verfahren  und  die  drohende  Hin- 
richtung ja  keineswegs  rechtlich  „aufgehoben",  sondern  nur  die 

')  Daß  der  Prozeß  §§  1  und  2  als  defensio  capitis  und  discrimen 
capitis  bezeichnet  wird  (ebenso  §  81)  und  es  sich  nach  §  5  um  die  vita 
C.  Rabirii  handelt,  vgl.  vorher  in  tanta  dimicaiione  capitis  famae 
fortunarumque  omnium,  spricht  natürlich  nicht  dagegen ;  s.  aber  unten 

S.  5M  f. 


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554 


Beilage  I 


Verhandlang  vertagt  — ,  sondern  durch  eine  von  ihm  veranlagte 
Aktion  des  Senats.  Davon  hat  er  am  Schluß  seiner  sachlichen 
Ausführungen  geredet;  der  Schlußsatz  dieses  Abschnittes  ist  im 
vatikanischen  Palimpsest  §  32  erhalten:  üaque  non  senatus  in 

quam  vos  universi,  cum  orbis  terrae  distributionem  atque  illum 
ipsum  agrumCamjxinum  animis,  manibus,  vocibus  (repudiavisti*). 
Dadurch  wird  Dios  Angabe  37,  27  vollauf  bestätigt,  daß  zu- 
nächst über  die  Einsetzung  des  Gerichtshofs  (icspi  toö  Sixaonjctou, 
täv  uiv,  Sjcwc  u,*,  oüvax&t,  töv  äs  ?va  xadiCijoTQ,  8txato6vta»v), 
dann,  als  das  durchgesetzt  war,  über  das  Gerichtsverfahren 
gestritten  wurde  (xtpi  zt  ci)c  xptosox;  aodt«  aoveßiqoav).  Unter 
Berufung  auf  die  lex  Porcia  und  das  Gesetz  des  C.  Gracchus, 
ne  de  cajnie  civium  Romanorum  iniussu  vestro  iudicaretur1) 
(§  12),  und  weiter  darauf,  daß  C.  Gracchus  bei  seinem  Gesetz 
gegen  Popillius  Laenas,  der  als  Oonsul  132  die  Mitschuldigen 
des  Tiberius  hatte  hinrichten  lassen,  nicht  etwa  einen  Per- 
duellionsprozeß  eröffnet  und  seine  Hinrichtung  gefordert  hat,  son- 
dern lediglich  den  bürgerlichen  Tod,  die  Verbannung  (§§  14  f.), 
hat  also  der  Senat  durchgesetzt,  daß  als  Strafe  nicht  der  Kreuzes- 
tod more  rnaiorum,  sondern  nur  eine  Geldstrafe  bestimmt  wurde. 
Möglich  scheint  auch,  daß  diese  mit  Verbannung  verbunden  war ; 
denn  Cicero  erwähnt  die  mttüae  inrogatio  in  §  8  nur  deshalb, 
weil  Labienus  in  der  Motivierung  derselben  alle  möglichen 
anderen  angeblichen  oder  wirklichen  Verbrechen  des  Rabirius 
herangezogen  hatte,  um  dadurch  in  üblicher  Weise  Stimmung 
zu  machen,  obwohl  sie  mit  der  Hauptsache  nichts  zu  tun 
hatten  und  daher  von  Cicero  ganz  geringschätzig  beiseite  ge- 
schoben werden2).   Es  ist  also  nicht  ganz  ausgeschlossen,  daß 


')  Dieses  Gesetz  kam  allerding«  in  Betracht,  da  die  Duamvirn  das 
Urteil  za  fallen  hatten,  nicht  etwa  das  Volk,  vor  dem  nur  das  Ptoto- 
cationsverfahren  stattfand. 

■)  Nach  Aufzählung  der  Übrigen  Beschuldigungen  sagt  Cicero  an 
der  betreffenden  Stelle,  der  einsigen,  wo  von  der  multa  die  Rede  ist, 
sum  Schloß :  nam  quid  ego  ad  id  Umgarn  orationem  comparem,  quod 
est  in  eodem  multae  inrogatione  (in  der  also  auch  die  Torhergehenden 


Der  Perdaellionaprozeß  des  Rabiria« 


555 


Labienus  die  Verhängung  einer  Geldstrafe  um  dieser  Vergehn 
willen  neben  der  Verurteilung  wegen  perduellio  beantragt  hat1). 
Allerdings  steht  eine  solche  Kumulierung  von  zwei  Klagen  im 
Widerspruch  mit  dem  anerkannten  Grundsatz  der  iudicia  populi, 
ne  poena  capitis  cum  pecunia  coniungatur  (Cic.  de  dorn.  45),  und 
erscheint,  wie  Huschke  sagt,  als  eine  „prozessualistische  Unmög- 
lichkeit"; aber  das  ganze  Verfahren  war  überhaupt  so  ex- 
zeptionell, daß  diese  Annahme  doch  vielleicht  zulassig  ist*). 
Wahrscheinlicher  bleibt  indessen  doch  wohl,  daß  der  Straf- 
antrag auf  eine  hohe,  die  bürgerliche  Existenz  des  Beklagten 
vernichtende  Geldstrafe  lautete,  die  dann  das  Exil  zur  unver- 
meidlichen Folge  hatte,  und  Cicero  deshalb  an  dieser  Stelle  von 
einer  multa  spricht.  Jedenfalls  lautete  trotzdem  die  Anklage 
doch  auf  perduellio,  und  der  Prozeß  blieb  ein  Perduelhonsprozeß 
und  war  nicht  etwa  in  einen  tribunicischen  Multprozeß  ver- 
wandelt. Cicero  spricht  denn  auch  nicht  etwa  auf  dem  Forum 
vor  den  Tribus»),  sondern,  obwohl  das  nirgends  ausdrücklich 
gesagt  ist  und  die  Anrede  Quirites  natürlich  nichts  beweist, 
auf  dem  Marsfeld  vor  den  Centurien:  er  redet  zu  den  boni  et 
fortes  eives,  quak»  vos  omnibus  nnpublicae  temponbus  exstitisti* 
(§  3,  vgl.  6),  zu  eben  denen,  die  ihn  zum  Consul  gewählt  haben 
( §  18,  vgl.  2).  Die  Centurien  sind  mithin,  da  der  Tribun  selbst 
nur  die  pUbs,  nicht  den  pofulus  berufen  kann,  für  Labienus  von 


Klagpunkt«  aufgezib.lt  waren),  hunc  nec  suae  nec  alienae  pudicitiae 
pepercisse? 

')  Das  ist  die  Ansicht  von  Druvakh  und  Wir*.  Vgl.  Mommsen, 
Strafrecht  72,  2,  »daß  wenn  der  Angeklagte  bei  einem  Multaproztsti 
zum  Exilium  geht,  die  Interdiction  [von  aqua  et  ignis]  gefolgt  sei, 
ist  anerweislich  und  nicht  wahrscheinlich*. 

*)  Verbanden  findet  sich  multa  und  perduellio  auch  Cic.  pro  Mil.  38, 
wo  Cicero  ironisch  fingiert,  daß  Clodius  diem  mihi,  credo,  dixerat, 
multam  inrogarat,  actionem  perdueUionis  intenderat. 

3)  Ich  bemerke,  weil  das  mehrfach  mißverstanden  ist,  so  von  I>ru- 
ukvh,  Huschke,  Wirz.  daß  Labienus  das  Bild  des  Saturn inus  nicht  etwa 
in  der  Versammlung  aufgestellt  hat,  vor  der  Cicero  spricht,  sondern  in 
rostra  atque  in  contiotum  attulit  (§  24),  also  bei  den  Reden,  die  La- 
bienus für  sein  Gesetx  auf  dem  Forum  gehalten  hatte. 


Beilage  I 


einem  Praetor  berufen  und  ihm  von  diesem  die  Leitung  über- 
tragen worden,  wie  es  im  tribunicischen  Perduellionsprozeß  Her- 
kommen war1),  wenn  es  auch  im  Fall  des  Rabirius  nicht  be- 
sonders bemerkt  wird. 

Tribunicische  Perduellionsprozesse  hat  es  in  Rom  auch  in 
späterer  Zeit  oft  genug  gegeben;  im  Jahre  107  war  für  dieselben 
durch  eine  lex  tabellaria  des  C.  Caelius  die  geheime  Abstimmung 
durch  Stimmtafeln  eingeführt  (Cic.  de  leg.  III  36).  Aber  das 
von  Labienus  beantragte  Verfahren  durch  einen  Prozeß  vor 
duumviri  perduellionis  war  längst  verschollen  und  wurde  von 
ihm  und  Caesar  non  ex  memoria  vestra  ac  patrum  vestrorum  sed 
ex  annalium  monument  is  atque  ex  regum  commentariis  ausgegraben 
(§  15).  Benutzt  haben  sie  dabei  offenbar  die  Aunalen  des  eifrigen 
Demokraten  Licinius  Macer,  der  die  von  seinen  der  Aristokratie 
an  gehörigen  Vorgängern  in  deren  Interesse  reich  ausgestaltete 
annalistische  Darstellung  in  übrigens  recht  wenig  geschickter 
Weise  ins  Demokratische  umgesetzt  hatte  und  der  sich  bei 
SaUust  in  semer  Rede  als  Tribun  im  Jahre  73  auf  das  Vorbild 
der  alten  Plebejer  beruft. 

So  hat  Labienus  denn  auch  die  Beschuldigung  de  locis  reU- 
gioais  oc  de  lucü,  die  Rabirius  verletzt  haben  sollte,  aus  einer 
Klage  wieder  hervorgeholt,  die  Licinius  Macer  (der  bekanntlich 
67  gestorben  war)  mehrere  Jahre  vorher,  vielleicht  eben  in  seinem 
Tribunat,  erfolglos  gegen  Rabirius  erhoben  hatte  (§  7). 

Die  schematische  Darstellung  des  Perduellionsprozesses  stand 
bekanntlich  in  den  Annalen  in  der  Geschichte  des  Königs  Tullus, 
absurderweise  angeknüpft  an  den  Schwestermord  des  Horatius*), 

')  Liv.  26,  3,  9.  48,  16,  10.  Valerius  Antias  bei  Gell.  VI  9,  9.  Vgl. 
unten  S.  559.  —  Gans  unmöglich  ist  die  Ansicht  von  Wim,  die  Rede 
(Sceroa  sei  ebenso  wie  die  des  Hortensias  „in  einer  contio  an  einem 
der  vorläufigen  Anquisitionstermine*  gehalten  —  von  diesen  Terminen 
ist  bei  diesem  ganzen  Vorgang  nirgends  mit  einem  Wort  die  Rede  — , 
also  anf  dem  Forum ,  erst  spater  sei  der  Schlußtermin  vor  den  Cen- 
turien  auf  dem  Martfeld  gefolgt,  der  dann  so  verlaufen  sei,  wie  Dio 
ihn  schildert. 

*)  Diese  widersinnige  Anknüpfung  ist  einer  der  vielen  Belege  dafür, 
wie  verkehrt  die  von  den  Juristen,  speziell  von  Rubwo  vertretene  Her 


Der  Perduellioasprozeß  des  Rabirius 


557 


und  ist  uns  bei  Livius  I  26  erhalten1).  Die  Formulierung  der 
lex  horrendi  carminis  lautet:  Duumviri  perdueüionem  iudicent; 
si  a  duumviris  provocarit,  provocaUone  certato;  si  vincenl,  caput 
obnubüo;  infelioi  orbori  teste  suspendüo;  verberato  vel  intra  po- 
merium  vel  extra  pornerium.  Dem  entspricht  die  Ausführung: 
der  König  bestellt2)  vor  einem  concilium  populi  die  Duumvirn; 
diese  verurteilen  den  Angeklagten,  und  derjenige,  der  das  Wort 
führt  (alter  ex iis),  spricht:  PubUHorati,  tibi  perdueüionem  iudico ; 
lictor,  conliga  manus,  worauf  Horatius  mit  provoco  antwortet. 
Wörtlich  dieselben  Formeln*)  i  lictor  conliga  manus;  caput  ob- 
nubüo, orbori  infelici  suspendito  führt  Cicero  §  13  an.  Ebenso 
berührt  sich  mit  Livius'  Angabe,  daß  die  Duumvirn  glaubten, 
den  Angeklagten  überhaupt  nicht  freisprechen  zu  dürfen,  auch 
wenn  er  schuldlos  war  (qui  se  absolvere  non  rebantur  ea  lege  ne 


htiuptung  war,  von  der  auch  Mommser  ausgegangen  ist  und  die  sein 
Staatsrecht  stark  beeinflußt  hat,  die  Annalisten  hatten  eine  tiefere  juri- 
stische und  staatsrechtliche  Anschauung  besessen.  Nur  zu  oft  ist  genau 
das  Gegenteil  der  Fall. 

')  Bei  Fest us  p.  297  s.  v.  sororium  tigiüum  wird  die  perdueUio 
sachlich  korrekt  durch  parrUHdium  ersetzt:  Horatius  wird  zuerst 
im  Hausgericht  von  seinem  Vater  freigesprochen,  accusatus  tarnen 
parricidi  apud  duumviros  damnatusque  provocavü  ad  popuium. 
Dionys  IU  22  hat  den  Duumviralprozeß  gestrichen  und  lediglich  den 
Prozeß  vor  dem  Volk  gegeben  ,  an  das  der  König  die  Entscheidung 
verweist.  Dadurch  bat  er  den  Sinn  der  Oberlieferung  völlig  zerstört; 
denn  damit  ist  auch  die  Provocation  weggefallen.  —  Auch  bei  Cicero 
stammt  das  Verfahren  mit  »einen  et  suppliciorum  et  verborum  acer- 
bitate8  aus  der  Königszeit  (daher  §  17  non  tribunicia  actione  sed 
regia)  und  ist  nach  Begründung  der  Republik  alsbald,  wenn  auch  nicht 
sofort,  als  vesügium  crudelüatis  regiae  beseitigt  worden  (§§  10.  13). 
Daß  §  18  ista  cruciatus  carmina  auf  Tarquinius  Superbus  zurück- 
führt, ist  natürlich  lediglich  rhetorische  Phrase. 

*)  duumviros,  inquit,  qui  Horatio  perduellionem  iudicent,  secun- 
dum  legem  facio.  Aber  nachher  heißt  es  hoc  lege  duumviri  creati, 
was,  wenn  der  Zusammenhang  nicht  beachtet  wird,  auf  eine  Wahl  durch 
das  Volk  führen  würde;  s.  unten  8.  560. 

*)  8ie  kehren  nachher  bei  Livius  §  11  in  der  Sohüderung  wieder, 
die  der  für  seinen  Sohn  eintretende  Vater  von  der  Hinrichtung  gibt 
dort  steht  auch  »  lictor,  wie  bei  Cicero. 


558 


Beilage  L 


innoxium  quidem  posse),  dieBehauptung  Ciceros  §  12  C.  Gracchus 
legein  tulit,  ne  de  capite  civium  Romanorum  iniuetu  vestro  iudi- 
caretw,  Ate  popidaris  a  II  virie  iniussu  vestro  non  iudicari  de 
cive  Romano,  sed  indicta  cmisa  civem  Romanum  capitis  condemjhan 
coegü;  das  Verfahren  vor  den  Duumvirn  war  eben,  da  die  Ent- 
scheidung bei  dem  jxrpidus  der  Centurien  lag,  tatsachlich  zu  einer 
bloßen  Pormalitat  herabgesunken,  die  die  Provocation  und  das 
Volksgericht  einleitete.  Dem  entspricht  Suetons  Angabe,  daß 
Caesar  »orte  iudex  in  reum  duetus  tarn  cupide  condemnavü,  ut  ad 
poputum  provocanti  nihil  aeque  ac  iudicis  acerbüas  profuerit.  Ob 
er  dem  Kabirius  eine  kurze  Verteidigung  gestattet  hat,  wissen  wir 
nicht;  jedenfalls  hat  ein  regelrechtes  Prozeßverfahren  mit  Zuhilfe- 
nahme eines  An  walts  nicht  stattgefunden  und  ist  Caesar  als  Duumvir 
auf  diese  Verteidigung  nicht  eingegangen,  sondern  hat  das  Todes- 
urteil in  der  vorgeschriebenen  Formulierung  gesprochen.  Man  sieht, 
daß  Mommsen8  Äußerung  (Strairecht  165,  1):  „daß  den  Duovirn 
das  Recht  der  Freisprechung  fehlt  (Cic.proRab.  12),  ist  eine  advo- 
katische Flause",  die  Sachlage  keineswegs  zutrefiend  wiedergibt. 

Im  übrigen  gaben  die  Annalen,  soweit  wir  sehn  können,  kaum 
eben  Anhalt;  der  einzige  Fall,  der  auf  uns  gekommen  ist,  ist  die 
ältere  Version  der  Hinrichtung  des  M.  Manlius  wegen  seines  Ver- 
suchs, sich  zum  König  zu  machen,  Liv.  VI  20,  12:  Sunt  qui  per 
duumviros,  qui  de  perducUione  anquirerent,  creatos  auetorcs  sint 
damnatum1);  in  der  entstellten  Version,  die  Livius  ausführlich 
wiedergibt  und  die  schon  Varro  befolgte8),  ist  das  durch  eine 
Anklage  der  Tribunen  vor  den  Centurien  ersetzt,  und  diese 
stürzen  ihn  nach  seiner  Verurteilung  vom  Tarpejischen  Fels  herab. 
Sonst  kommt  etwa  noch  der  Prozeß  des  Sp.  Cassius  wegen  des 
gleichen  Verbrechens  in  Betracht,  nur  daß  hier  an  Stelle  der 
duumviri  perduellionis  fälschlich  die  quaestores  (parricidii)  ge- 
setzt sind3)  —  das  Gegenstück  zu  der  Darstellung  des  Prozesses 

')  Daher  ist  er  nach  Nepos  bei  Gellius  XVII  21,  24  verberando 
necatus.    Vgl.  Mommskn,  Röm.  Forsch.  II  198. 
2)  Bei  Gellius  1.  c. 

s)  Liv.  II  41,  1 1  intenio  apud  quosdam,  idque  proprius  fide  est 
(die  andere  Version  §  10  laßt  ihn  durch  das  Hausgericht  des  Vaters 


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Der  Perduellioneprozeö  des  Rabirius 


559 


des  Horatius  und  wieder  ein  Beleg,  wie  wenig  die  Annalisten 
sich  um  die  juristischen  Fragen  gekümmert  haben,  welche  die 
alte  Uberlieferung,  die  nur  die  nackte  Tatsache  der  Verurteilung 
kannte1),  ausmalten.  Doch  mag  es  in  der  uns  nicht  erhaltenen 
Überlieferung  aus  dem  dritten  Jahrhundert  noch  Fälle  gegeben 
haben,  in  denen  nicht  ein  Tribun,  sondern  Duumvirn  das  Per- 
duelüonsverfahren  leiteten;  der  Antrag,  sie  zu  bestellen,  muß 
freilich  immer  von  einem  Magistrat,  und  zwar  in  der  Regel  von 
einem  Tribunen  ausgegangen  sein,  und  eben  deshalb  hat  der 
tribunicische  Perduellionsprozeß  sie  verdrängt.  Von  diesen  Pro- 
zessen kommt  für  uns  noch  der  des  P.  Claudius  Puloher  wegen 
seiner  Niederlage  bei  Drepana  (249  v.  Chr.)  in  Betracht:  er  wurde 
deshalb  von  den  Tribunen  Pullius  und  Fundanius  wegen  per* 
duellio  angeklagt,  aber  als  die  Centurieu  zusammentraten,  brach 
ein  Gewitter  aus,  das  als  Vitium  die  Verhandlung  unmöglich 
machte.  Als  dann  die  Tribunen  die  Klage  von  neuem  erheben 
wollten,  intercedierten  ihre  Kollegen:  es  sei  nicht  zulässig,  daß 
sie  während  ihrer  Amtsführung  denselben  Mann  zweimal  wegen 
Perduellion  verklagten.  Darauf  erhoben  sie  eine  Multklage,  und 
Claudius  wurde  vom  populus  zu  einer  schweren  Geldstrafe  ver- 
urteilt*). Dieser  Vorgang  kann  als  Praecedens  gelten  dafür,  daß 
Labienus  die  Perduellionsklage  nach  Metellus'  Eingriff  fallen 

verurteilt  werden),  a  quaestoribus  Kaesone  Fabio  et  L.  Valerio  dient 
dictam  perduellionis  damnatumque  populi  iudicio,  dirutas  publice 
aedes.  Ebenso  Dion.  Hai.  VIII  77  (bei  dem  die  Quaestoren  ihn  78,  5 
vom  Tarpejischen  Fels  stürzen,  was  natürlich  fälschlich  von  den  Tri- 
bunen auf  sie  übertragen  ist);  bei  Cicero  de  rep.  II  60  wird  nur  ein 
quaestor  genannt:  Sp.  Cassium  . . .  quaestor  accusavit  eumque,  ut 
audistis,  cum  pater  in  ea  culpa  esse  comperisse  se  dixi&set,  cedente 
populo  morte  mactavit. 

')  Diod.  XI  87  Eicoptoc  Kdooioc  .  .  .  lofe  im&iobai  topaw&t  «al  xata- 

*)  schol.  Bob.  su  Cic.  in  Clod.  et  Cur.  p.  837  Orhai,  90  Stabol; 
ebenso  Val.  Max.  VIII  1,  4.  Vergleiche  damit  Cicero  pro  domo  45,  wo 
in  der  Aufzahlung  der  dem  Angeklagten  günstigen  Bestimmungen  über 
die  iudida  populi  am  Schluß  erwähnt  wird,  daß  denique  etiam  si 
qua  res  illum  diem  aut  auspieiis  auf  excusatione  sustulü,  toia 
causa  iudidumque  sublatum  sü. 


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560  Böilag«  I 

ließ;  ebenso  aber  haben  sich  natürlich  die  Vertreter  der  Ansicht, 
daß  er  dann  eine  Multklage  erhob,  auf  sie  berulen. 

Im  einzelnen  ließen  diese  Angaben,  als  Labienus  auf  sie 
zurückgriff,  manches  unklar,  und  konnten  verschieden  ausgelegt 
werden.  So  hat  Labienus,  offenbar  nachdem  sein  Antrag  auf 
Eröffnung  des  Verfahrens  durch  die  Plebs  genehmigt  war,  die 
Duumvirn  durch  einen  Praetor  bestellen  lassen,  als  den  Rechts- 
nachfolger  des  Königs  Tullus;  dagegen  aber  wurde  eingewandt, 
daß  sie  dem  Herkommen  gemäß  von  der  Gemeinde  gewählt 
werden  müßten,  offenbar  mit  Berufung  darauf,  daß  in  den 
Annalen  dafür  das  auch  bei  Livius  I  26,  7  (oben  Ö.  557, 2)  und 
VI  20,  12  stehende  doppeldeutige  oreare  verwendet  war;  und 
dieser  Einwand  wird  von  Dio  als  berechtigt  bezeichnet1).  Somit 
wird  dies  eines  der  Argumente  gewesen  sein,  auf  Grund  deren 
der  Senat  unter  Ciceros  Führung  die  Kassation  des  Verfahrens 
durchsetzte;  denn  Ciceros  Ausdruck  de  perduellionis  iudicio,  quod 
a  me  svbhtwn  esse  criminan  soles  (§  10),  erklärt  sich  nur,  wenn 
das  ursprünglich  beabsichtigte  Verfahren  wirklich  aufgehoben 
wurde.  Dazu  kam  dann  die  Behauptung,  daß  das  Verfahren 
längst  antiquiert  sei,  was  Cicero  im  folgenden  kurz  weiter  ausfuhrt 
{quod  utinam,  Quirües,  ego  id  aut  pritnus  aut  sollt*  ex  hoc  re- 
publica  sustulissem/),  und  weiter  die  Angriffe  gegen  die  Grau- 
samkeit des  Urteils,  das  den  Zeiten  des  Königtums  entsprochen 
haben  möge,  aber  für  den  freien  Staat  längst  nicht  mehr  passe 
und  mit  seinen  Gesetzen,  der  lex  Porcia  und  der  lex  Sempronia 
und  dem  Verfahren  des  C.  Gracchus  in  Widerspruch  stehe.  Da- 


')  Dio  37,  27:  Die  Duumvirn  xa«c<]/Y)fioavto  aötoö  xattoi  fit)  xo6$ 
tob  8*r|fioo  xatä  tä  icätpta,  älXa  Kp&c  aotoö  toö  otparrjfoa  o&x  s£6v  alpe- 
Wvxt«.  Praetor  urbanus  war  wahrscheinlich  L.  Valerius  Flaccus  (Cäc. 
proFlacco  6.  100),  und  er  wird  die  Ernennung  vollzogen  haben;  jeden- 
falls nicht,  wie  man  gewöhnlich  annimmt,  Metellus  Celer.  Suetons  An- 
gabe, Caesar  sei  sorte  iudex  in  reum  ductus ,  bezieht  sich  wohl  dar- 
auf, daß  er  unter  den  beiden  Duumvirn  derjenige  ist,  der  das  Urteil 
spricht,  wie  Liv.  1  20,  8  cUter  ex  iis.  Sonst  müßte  man  annehmen,  daß 
offiziell  Losung  vorgeschrieben  war,  der  Praetor  aber  eben  die  für 
erlöst  ausgab,  die  Labienus  gewünscht  hatte,  wie  das  ja  bei  Losungen 
in  Rom  und  anderswo  oft  genug  geschehn  ist  und  geschieht. 


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Der  rerduollionaproBeß  de«  ftabinud  5ßl 


durch  wurde  erreicht,  daß  die  Fällung  eines  Todesurteils  mit 
Geißelung  und  Kreuzigung  für  unzulässig  erklärt  wurde.  So  kann 
Cicero  sich  rühmen,  daß  er  das  von  Labienus  geplante  Verfahren 
unmöglich  gemacht  und  ihn  gezwungen  habe,  seine  grausame, 
den  Vorgang  der  Könige  nachahmende  Aktion  aufzugeben1). 

Aber  damit  war  die  Sache  noch  nicht  erledigt.  Rabirius  hatte 
natürlich  nach  dem  Spruch  Caesars  sofort  an  das  Volk  provociert, 
und  so  mußte  dies  ab  der  Souverän  die  Entscheidung  geben1). 
Die  Duumvirn  freilich  konnten  hier  ihre  Sache  nicht  mehr  ver- 
treten, wie  es  das  Schema  des  Prozesses  des  Horatius  gebot»)  — 
ob  sie  in  solchem  Falle  auch  die  Leitung  der  Verhandlung  hatten, 
wie  Mommsen  annimmt,  analog  den  quaestores  parricidii,  oder 
ob  sie  nur  als  Partei  auftraten,  unter  dem  Vorsitz  eines  andern 
Beamten,  wissen  wir  nicht.  Jedenfalls  wurde  jetzt  die  Leitung 
dem  Labienus  übertragen  und  ihm  zu  dem  Zweck  die  Centimen 
zur  Verfügung  gestellt.  Ob  dabei  alle  sonst  vorgeschriebenen 
Termine  des  Anquisitionsverfahrens  innegehalten  wurden  oder 
ob,  da  ja  der  ganze  Hergang  irregulär  war*)  und  aus  den  Annalen 
konstruiert  wurde,  gleich  die  Schlußverhandlung  stattfand,  ist 
nicht  überliefert.  Die  Klage  lautete  nicht  mehr  auf  den  Tod, 
sondern  auf  eine  Geldsumme,  vielleicht  verbunden  mit  gleich- 
zeitiger, oder,  da  Rabirius  die  Summe  jedenfalls  nicht  zahlen 

')  §  17  quam  ob  rem  fateor,  Labiene,  proflieor  et  prae  me  feto,  te 
ex  iüa  crudeli,  importuna,  tum  tribunicia  actione  8t  d  regia  meo  con- 
ditio, viriuie,  auctoritate  esse  depulsum.  Wenn  et  weiter  fortfahrt 
qua  tu  in  actione  quamquam  ornnia  exempla  maiorum,  omnis  leges, 
omnem  auctoritatem  senatus,  omnis  reUgumes  atque  auspuHorum 
publica  iura  neglexisii,  tarnen  a  me  haec  in  hoc  tarn  exiguo  meo 
tempore  non  audies;  liberum  tempus  nobis  dabitur  ad  istam  die- 
ceptationem,  so  scheint  er  damit  auf  eine  weitere  Diskussion  im  Senat 
nach  dem  Aasgang  des  Prozesses  und  eine  eventuelle  Anklage  zu  ver- 
weisen. 

')  Vgl.  im  Prozeß  des  Paulus  die  Äußerung  des  Königs  Agrippa 
zu  Feetus  aot.  apost.  26,  82  airoXtXö<j*ai  Movuto  s  Ävftptoito«  o&to«,  tl  jtvj 
«tuxexXijTO  Kouoapa. 

')  Liv.  I  26,  6,  s.  ohen  S.  557. 

4)  Vgl.  Dio  37,  27,  3  obV  Sri  mpa  tot  vevojttojuva  -fj  xptat«  frj»YOvtc 
ivt&opoövto. 

Meyer,  Uaesars  Monarchie  36 


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562 


Beilage  I 


konnte  und  ins  Exil  gehn  mußte,  nachfolgender  aquae  et  ignis 
inierdictio.  Die  Verteidigung  übernahm  Hortensius,  der  den 
Nachweis  führte,  daß  nicht  Rabirius  den  Saturninua  erschlagen 
hatte1),  und  Cicero;  diesem  gewahrte  Labienus  für  seine  Rede 
bei  der  abschließenden  Verhandlung  nur  eine  halbe  Stunde 
(§  6)«). 

Cicero  sagt,  daß,  als  er,  den  Vorwurf  gegen  Rabirius  in  eine 
Verherrlichung  umwendend,  das  Bedauern  ausspricht,  daß  Ra- 
birius die  Tat,  wegen  deren  er  angeklagt  ist,  nicht  begangen 
habe  und  ihm  daher  der  Ruhm  derselben  nicht  zukomme,  sich 
ein  Geschrei  erhoben  habe ;  aber  die  Gegner,  die  sich  laut  machten, 
seien  nicht  viele,  das  eigentliche  Volk,  das  ihn  zum  Consul  ge- 
wählt habe,  lasse  sich  dadurch  nicht  beeinflussen  —  und  bei 
diesen  Worten  sei  auch  der  Lärm  schon  viel  schwächer  geworden*). 
Das  mag  übertrieben  sein,  ist  aber  schwerlich  rein  erfunden ; 
denn  er  redet  vor  den  Centurien,  und  hier,  wo  die  Besitzenden 
den  Ausschlag  geben,  ist  die  Stimmung  natürlich  eine  andre, 
als  in  den  Tributconiitien  der  Plebs.  Dazu  stimmt  Suetons  An- 
gabe, daß  dem  Rabirius  bei  dem  Provooationsverfahren  nichts 
so  zugute  gekommen  sei  als  die  Gehässigkeit  (acerbitas),  mit  der 


')  pro  Rab.  18  at  id  C.  Rabirius  multorum  testimoniis,  Q.  Hor- 
tensie) copiosissime  defendenie,  aniea  falsum  esse  doeuit.  Das  konnte 
eventuell  auch  in  den  vorhergehenden  Anquisitionsterminen  geschehen 
fcein.  Aus  Hortensius'  Rede  pro  C.  Rabirio,  die  also  veröffentlicht  war, 
zitiert  Charisius  p.  71  die  Worte  cicatricum  mearum  (H.  Mbybr,  orat. 
rom.  fragmenta  371). 

*)  Die  erhaltene  Rede,  von  der  allzuviel  nicht  verloren  sein  kann, 
ist  in  der  Tat  recht  kurz,  aber  doch,  wenn  wir  die  fehlenden  Stücke 
möglichst  kurz  ansetzen,  langer  als  die  Catilinarien  und  die  Philippiken 
(mit  Ausschluß  von  II  und  etwa  noch  V),  und  würde  jedenfalls  beträcht- 
lich mehr  Zeit  in  Anspruch  nehmen  als  eine  halbe  Stunde;  Cicero  hat 
sie  also  bei  der  Publikation  wesentlich  erweitert. 

•)  §  18  nihil  me  clamor  iste  commovet,  sed  consolatur,  cum, in- 
dicat  esse  quosdam  civis  imperitos,  sed  non  multos.  nunquam,  mihi 
credite ,  populus  Romanus  hic  qui  silet  consulem  me  fecisset,  si 
vestro  clamore  perturbaium  iri  arbiiraretur.  quanto  iam  levior  est 
acclamatio!  quin  coniinetis  vocem  indicem  stultiliae  vestrae,  testem 
uancit atis  ' 


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Der  Perduellionsprozeß  des  Rnbirius 


563 


Caesar  das  Urteil  gesprochen  hatte1).  Indessen  sicher  war  man 
des  Ausgangs  doch  nicht,  zumal  die  Abstimmung  ja  nicht  öffent- 
lich, sondern  durch  Stimmtafeln  stattfand;  und  so  hat  Metellus 
Celer  zu  dem  Mittel  gegriffen,  durch  das  er  die  Auflösung  der 
Versammlung  erzwang. 

Darauf,  daß  Labienus  die  Sache  dann  fallen  ließ,  brauchen 
wir  nicht  nochmals  zurückzukommen;  auch  er  und  Caesar  hatten 
sich  überzeugt,  daß  sie  bei  einem  nochmaligen  Verfahren  jeden- 
falls nicht  zum  Ziel  kommen  würden.  So  haben  sie  ihre  Absicht 
aufgeben  müssen,  das  Senatusconsultum  ultimum  für  unge- 
setzlich erklären  zu  lassen  und  ein  Vorgehn  auf  Grund  des- 
selben in  Zukunft  unmöglich  zu  macheu. 


Beilage  II 

Sallusts  politische  Broschüren  an  Caesar 

Die  beiden  Schriften  ad  Caesarem  senem  de  republica  sind 
zusammen  mit  den  Reden  und  Briefen  aus  Sallusts  Geschichts- 
werken in  der  bekannten  Handschrift  des  Vatikans  überliefert"). 
Lange  Zeit  haben  sie  ganz  allgemein  für  ein  späteres  Machwerk 
gegolten ;  Jordan,  dessen  Ausführungen')  für  die  Neueren  um  so 
mehr  maßgebend  geworden  sind,  da  er  ihr  Ergebnis  in  seiner 
Ausgabe  —  einer  der  wenigen  Sallu  st  ausgaben,  die  diese  Schriften 
aufgenommen  haben  —  wiederholt,  läßt  sie  von  einem  Rhetor 
der  flavischen  oder  trajanischen  Zeit  verfaßt  sein,  andre  denken 

')  Dios  Behauptung  bei  der  Motivierung  der  Maßregel  des  Metellus 
navttoc  8'  fiv  xal  Jtapä  tq»  frfjpwj)  iäXto  ('Paß(pioc)  ist  also  wahrscheinlich 
übertrieben. 

*)  Es  ist  ratsam,  darauf  hinzuweisen,  daß  die  Überlieferung  der 
invectiva  Sallusts  gegen  Cicero  und  der  Antwort  Ciceros  eine  ganz 
andre  ist. 

s)  H.  Jordan,  de  suasoriis  .quae  ad  Caesarem  senem  de  republica 
inscribuntur.  1868. 


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564 


Beilage  II 


gar  an  die  Zeit  Prontoe.  Neuerdings  hat  eine  Reaktion  eingesetzt ; 
neben  andern  ist  vor  allem  Pöhlmann1)  nachdrücklich  für  die 
Echtheit  eingetreten  und  hat  aie  eingehend  zu  erweisen  und 
ihren  Inhalt  politisch  zu  würdigen  versucht.  Doch  dürfte  die 
gegenteilige  Ansicht  auch  jetzt  noch  die  herrschende  sein  und 
vielfach,  wie  es  zu  gehn  pflegt,  ohne  Prüfung  nachgesprochen 
werden;  wie  fest  solche  absprechenden  Urteile  zu  sitzen  pflegen, 
wenn  sie  einmal  Eingang  gefunden  haben»  ist  ja  eine  nur  zu 
häufige  Erfahrung.  So  wird  eine  neue  Prüfung  um  so  mehr  ge- 
boten sein,  da  sich,  wie  ich  glaube,  in  der  Frage  in  mancher 
Richtung  noch  wesentlich  weiterkommen  läßt,  als  ea  Pöhlmann 
gelungen  ist. 

Ganz  zweifellos  ist  zunächst,  daß  die  beiden  Aufsätze  ent- 
weder von  Sallust  selbst  verfaßt  sind  oder  aber  von  einem  Schrift- 
steller, der  die  Maske  Sulluste  angenommen  hat;  es  ist  völlig 
ausgeschlossen,  daß  hier  etwa  der  Zufall  eine  Rolle  gespielt  hat 
und  sie  wider  die  Absicht  des  Verfassers  unter  die  Schriften 
SalhiBts  gekommen  wären,  etwa  wie  so  viele  Reden  in  die  Sammet- 
uusgaben  der  attischen  Redner  oder  die  unechten  Schriften  in 
die  Werke  des  Plato  und  Aristoteles.  Vielmehr  wenn  sie  nicht 
von  Sallust  herrühren,  so  hat  der  Verfasser  es  vorzüglich  ver- 
standen, sich  in  Sprache  und  Geist  Salluste  einzuleben,  und  ebenso 
in  die  Verhältnisse  seiner  Zeit.  Dadurch  unterscheiden  sie  sich 
auf  das  stärkste  von  Machwerken  wie  der  von  Didius  (S.  164, 1) 
verfaßten  Antwort  Ciceros  auf  Sallusts  Invektive  oder  seinem  Brief 
an  Octavian ;  das  Problem  hegt  vielmehr  ebenso  wie  bei  der  jetzt 
glücklich  überwundenen  Anzweiflung  des  Briefwechsels  zwischen 
Cicero  und  Brutus  oder  bei  den  Briefen  Piatos,  und  nichts  ist  ver- 
kehrter und  oberflächlicher,  als  die  Behauptung,  daß  die  beiden 
Aufsätze  ein  annseliges,  von  Fehlern,  Anachronismen,  mißglückten 
Nachahmungen  wimmelndes  Machwerk  wären.  Genau  das  Gegen - 

>)  „An  Caesar!«  .Über  den  Staat!'  Zur  Geschichte  der  antiken 
Publizistik,  in  seinen  Oes.  Abh.  Aas  Altertum  und  Gegenwart,  Neue 
Folge  1911,  184  ff.  (vorher  Ber.  der  Münch.  Ak.  1904).  Auch  Scharz, 
Röm.  Literaturgesch.  1  2,  3.  Aufl.  S.  188  sprioht  sich  entschieden  für  die 
Echtheit  an». 


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SallusU  Broschüren  an  Ottwar 


505 


teil  ist  richtig,  und  ein  sehr  interessantes,  gründliches  Studium  ver- 
dienendes Erzeugnis  der  Literatur  sind  sie  daher  auf  jeden  Fall. 
Stammen  sie  aber  von  Sallust,  so  sind  sie  die  ältesten  Erzeug- 
nisse seiner  Feder,  und  gewinnen  alsdann  durch  den  Einblick, 
den  sie  in  die  geistige  und  Uterarische  Entwicklung  dieses  Schrift- 
stellers gewähren,  trotz  oder  vielmehr  gerade  infolge  der  Imitation 
des  Thukydides  einer  der  selbständigsten  und  eigenartigsten  Ge- 
stalten der  römischen  Literatur,  nur  noch  erhöhte  Bedeutung. 

Vielfach  hat  man  sich  bemüht,  das  Problem  durch  eingehende 
sprachliche  Untersuchungen  zu  lösen,  so  vor  allem  Jordan  im 
negativen,  Pöhlmann  im  positiven  Sinne.  Zu  einem  sicheren 
Resultat  ist  man  dadurch  aber  bisher  nicht  gelangt,  zum  Teil, 
weil  diese  Untersuchungen  mit  Beobachtungen  und  Behaup- 
tungen überladen  sind,  denen  geringe  oder  garkeine  Über- 
zeugungskraft innewohnt,  und  weil  die  Berührungen  mit  Stellen 
der  übrigen  Schriften  Sallusts  meist  nicht  scharf  genug  angefaßt 
sind1).  Ich  sollte  allerdings  denken,  daß  es  möglich  sein  muß, 
bei  dieseu  Stelleu  zu  entscheiden,  wo  die  Priorität  liegt,  ob  wir 
es  mit  einer  mehr  oder  weniger  geschickten  Nachahmung  zu  tun 
haben,  oder  ob  vielmehr  Sallust  einen  Gedanken,  den  er  hier 
zuerst  ausgesprochen  hat,  später  in  seinen  historischen  Schriften 
in  derselben  Fassung  oder  mit  formellen  und  inhaltlichen  Modi- 
fikationen verwertet  hat;  und  ebenso,  ob  in  dem  Hyperarchais- 
iiius,  der  in  den  beiden  Schriften  herrscht,  eine  über  das  Ziel 
hinausschießende,  für  Sallust  unmögliche  Imitation  steckt,  oder  ob 
Sallust  in  der  weiteren  Entwicklung  seines  Stils  seine  Neigungen 
gedämpft  und  die  Extreme  seiner  Anfänge  gemildert  hat.  In- 
dessen eine  derartige  Untersuchung  kann,  wenn  sie  zum  Ziel 
führen  soll,  nur  von  einem  Philologen  geleistet  werden,  der  diese 
Dinge  vollkommen  beherrscht  und  mit  gründlicher  Sachkenntnis 
ein  feines  stilistisches  Gefühl  und  dasjenige,  nicht  allzuhäufige 

')  Sehr  mit  Hecht  hat  Pöhlmaiw  die  Berührungen  mit  Thukydides 
hervorgehoben,  die  Bich  hier  wie  in  den  anderen  Schriften  Sallusts 
finden;  freilich  geht  er  meines  Erachten«  auch  dabei  mehrfach  Aber  die 
(irente  hinaus,  wenn  er  aas  einseinen  Anklangen  eine  direkte  Benutzung 
der  betreffenden  Stelle  dee  Thukjdides  folgert. 


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50(3 


Beilage  II 


Maß  ästhetischen  Urteils  und  gesunden  Menschenverstandes  ver- 
bindet, ohne  das  die  Analyse  notwendig  auf  Irrwege  geraten 
muß.  Nach  dieser  Richtung  hin  werden  also  die  hier  vorgelegten 
Untersuchungen  einer  weiteren  Ergänzung  bedürfen1). 

Um  so  sicherer  läßt  sich  der  Inhalt  der  Schriften  prüfen; 
und  er  führt,  glaube  ich,  zu  einem  völlig  gesicherten  Ergebnis. 

Die  Vorschläge,  welche  der  Verfasser  macht,  sind  früher  schon 
besprochen  worden.  Am  meisten  am  Herzen  hegt  ihm  die  Auf- 
hebung des  unheilvollen  Einflusses  des  Geldes,  der  Habgier  und 
Verschuldung,  worin  er,  ganz  wie  Sallust*),  die  Grundursache 
des  Verfalls  der  alten  Zucht,  der  Korruption  und  der  heillosen 
Zersetzung  des  Staats  sieht.  Aber  daneben  macht  er  eine  Reihe 
einzelner  Vorschläge:  die  Bürgerschaft  in  ihrer  jetzigen  Gestalt 
ist  unfähig,  das  Regiment  zu  führen;  sie  soll  durch  Neubürger 
und  Gründung  von  Kolonien  gestärkt  und  gehoben,  danach  der 
Kriegsdienst  gleichmäßig  gestaltet,  die  Gctreideverteüung  für  die 
ausgedienten  Soldaten  bestimmt  werden.  Der  Senat  soll  durch 
Vermehrung  der  Mitglieder  —  eine  bestimmte  Zahl  will  er  nicht 
geben  —  und  durch  Einführung  der  geheimen  Abstimmung  ge- 
hoben und  für  seine  Aufgaben  brauchbar  gemacht  werden.  Zu 
den  Richterstellen  sollen  alle  Bürger  der  ersten  Klasse  heran- 
gezogen werden.  Bei  den  Wahlen  dagegen  soll  der  Vorrang  der 
Reichen  beseitigt  und,  nach  C.  Gracchus*  Vorschlag,  die  Folge 
der  Centurien  aus  allen  fünf  Klassen  durch  das  Los  bestimmt 
werden. 

Das  sind  Vorschläge,  die  Caesar  größtenteils  nicht  befolgt 
hat.  Zwar  hat  er  zahlreiche  Neubürger  aufgenommen,  Kolonien 
gegründet,  die  Zahl  der  Senatoren  bedeutend  vermehrt;  aber 
eine  Hebung  der  Stellung  und  des  Ansehns  des  Senats  lag  ihm 
ganz  fern,  die  Getreideverteilung  hat  er  anders  geordnet,  den 
Zutritt  zu  den  Riohterstellen  ganz  im  Gegensatz  zu  dem  Wunsch 

')  Zu  meiner  Freude  teilt  mir  E.  Nordkit  mit,  daß  er  diesen  Nach- 
weis der  Echtheit  sowohl  bei  den  Schriften  an  Caesar  wie  bei  der  .In- 
vektive  gegen,  Cicero  erbringen  kann. 

«)  Catil.  10  ff.  36  f.  (vgl.  88).   Jug.  41.  hist.  I  fr.  12  ff.  Mauixkh* 


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Sallusts  BroHchüren  an  Caesar 


567 


des  Verfassers  auf  Senat  und  Ritter  beschränkt,  die  Wahlordnung 
nicht  geändert.  Ebensowenig  entspricht  die  vorgeschlagene 
Staatsgestaltung  den  Ordnungen  des  Principats,  so  daß  etwa, 
was  ja  an  sich  denkbar  wäre,  der  Verfasser  das  Endergebnis  der 
Entwicklung  schon  dem  Caesar  als  zu  erstrebendes  Ziel  vor- 
getragen hätte,  wie  bei  Dio  Maecenas  dem  Augustus  die  Staats- 
gestaltung der  Severerzeit  als  Programm  entwickelt.  Vielmehr 
ist  es  das  Programm  einer  gemäßigten,  ehrlich  gemeinten  Demo- 
kratie, das  sich  nicht  realisiert  hat,  sondern  ein  frommer  Wunsch 
geblieben  ist.  Aber  andrerseits  sind  die  Schriften  nichts  weniger 
als  Rhetorenarbeit,  vielmehr  sehr  ernst  gemeinte  und  mehrfach 
ins  einzelne  gehende  Reformvorschläge1),  deren  Annahme  der 
Verfasser  erhofft.  Das  ist  ein  ganz  starkes  Argument  für  die 
Echtheit:  für  die  vollentwickelte  Kaiserzeit  hatte  dieses  Pro- 
gramm garkeine  Bedeutung  mehr,  weder  praktisch  noch  theo- 
retisch; es  ist  garnicht  einzusehn,  wie  in  der  Zeit  der  Flavier 
oder  etwa  der  des  Claudius  oder  Nero  ein  demokratischer  Theo- 
retiker —  fall?  es  damals  überhaupt  einen  solchen  gab  —  dazu 
hätte  kommen  können,  derartige,  seiner  Zeit  ganz  fernliegende, 
völlig  utopische  Reform  vorschlage  vorzutragen.  Wir  könnten 
uns  vorstellen,  daß  bei  einer  den  Traditionen  des  Altertums  ent- 
sprechenden Gestaltung  der  Schriftstellerei  jemand  ein  halbes 
oder  ganzes  Jahrhundert  später  etwa  Niebuhr  im  Jahre  1815 
eine  Rede  in  den  Mund  legte,  in  der  er  sei  es  die  Grundzüge  der 
Stein-Hardenbergischen  Gesetzgebung  und  der  damals  geplanten 

')  Daß  er  dabei  zunächst  nur  die  Grundlinien  zeichnet  und  die 
weitere  Ausarbeitung  zurückstellt,  bis  Ober  die  prinzipielle  Annahme 
seiner  Gedanken  entschieden  ist,  ist  durchaus  sachgemäß;  aber  er  hat 
auch  diese  Dinge  schon  durchdacht  und  ist  zur  weiteren  Ausführung 
bereit:  .vielleicht,"  sagt  er,  II  12,  .vermißt  du  genauere  Angaben  über 
die  Zahl  der  Senatoren,  die  Zahl  und  Verteilung  der  Richter.  Das  alles 
könnte  ich  leicht  geben;  aber  zunächst  meinte  ich  nur  die  Grundzüge 
Dir  vorlegen  und  empfehlen  zu  sollen,  wenn  du  auf  diesen  Weg  ein- 
gehn  willst,  ist  das  übrige  parat*  (ea  mihi  omnia  generatim  di~ 
scribere  haud  difflcile  factu  fuit;  sed  prius  laborandum  Visum  est 
de  summa  consilii,  idque  tibi  probandum  verum  esse,  si  hoc  itinere 
uti  decreveris,  cetera  in  promptu  erunt). 


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568 


Beilage  II 


preußischen  Verfassung,  oder  aber  die  der  Reichsverfassung  von 
1867,  oder  et  wa  auch  die  ständischen  Ideale  Friedrich  Wilhelms  IV. 
entwickelte;  aber  ganz  unbegreiflich  würde  es  sein,  wenn  man 
ihn  Vorschlage  machen  ließe,  die  weder  für  die  Gegenwart  noch 
für  den  Verlauf  der  geschichtlichen  Entwicklung  irgendwelche 
Bedeutung  hätten  und  daher  völlig  in  der  Luft  schweben  würden. 
Wer  ein  solches  Schriftstück  abfaßt,  will  doch  damit  irgend 
eine  Wirkung  erzielen,  sei  es  lediglich  belehrend,  sei  es  praktisch 
in  der  eigenen  Gegenwart.  Wie  solche  Erzeugnisse  aussehn,  bei 
denen  die  Maske  einer  geschichtlichen  Persönlichkeit  angenommen 
wird,  zeigt  die  oben  besprochene  Rede  des  Tiberius  Gracchus 
gegen  Africanus,  d.  i.  gegen  Caesar  (oben  S.  531  f.),  in  der  die  Ent- 
täuschung seiner  demokratischen  Anhänger  über  die  von  ihm 
eingeschlagene  Bahn  zum  Ausdruck  gelangt,  oder  etwa  die 
drakontische  Verfassung  bei  Aristoteles. 

Auch  der  Ausweg  ist  nioht  gangbar,  daß  die  beiden  Schrift- 
stücke etwa  aus  einem  Geschichtswerk  entnommen  seien,  dessen 
Verfasser  die  Gestalt  des  SaUust  benutzt  hätte,  um  Caesar  das 
demokratische,  von  ihm  nioht  befolgte  Programm  vorzutragen, 
so  wie  Agrippa  bei  Dio  dem  Augustus  das  Ideal  der  Republik 
entwickelt,  und  daß  sie  dann  in  eine  Gesamtausgabe  der  Schriften 
Sallusts  gekommen  wären,  wie  die  Rede,  die  Anaxinienes  dem 
Demosthenes  als  Antwort  auf  Philipps  Manifest  vom  Jahre  341 
halten  ließ,  in  die  Sammlung  der  Reden  des  Demosthenes.  Dieser 
Deutung  steht  nicht  nur  der  Inhalt  entgegen,  sondern  vor  allem 
die  Form;  es  scheint  völlig  unmöglich,  einen  Anlaß  zu  ersinnen, 
bei  dem  ein  Historiker  die  beiden  Sohriftstücke  in  dieser  Gestalt 
hätte  einlegen  können,  sie  müßten  dann  ganz  anders  aussehn.  Sie 
können  garniohts  andres  sein  als  Broschüren  aus  der  Zeit  Caesars 
selbst  :  und  alsdann  müssen  sie,  wie  schon  bemerkt,  in  der  Tat 
von  Sallust  selbst  verfaßt  sein. 

Äußerlich  tragen  beide  Schriften  diejenige  Gestalt,  die  durch. 
Isokrates  für  die  politische  Broschüre  maßgebend  geworden  ist; 
dabei  ist  es  irrelevant,  ob  sie  in  der  Form  von  Reden  oder,  wie 
Isokrates'  Philippos  und  manche  andre,  in  der  von  Sendschreiben 
auftreten.  Es  ist  Pedanterie  und  verkehrte  Spezialisierung,  wenn 


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Sallu*tt>  Broschüren  an  Cae*ar 


509 


Jordan  der  zweiten,  ,  da  sie  sich  selbst  als  Sendschreiben  gibt1), 
den  Titel  epistola,  der  ersten,  die  auch  als  Rede  in  Caesars  Kabinet 
gesprochen  sein  könnte2),  den  Titel  oratio  vorgesetzt  hat;  in  Wirk- 
lichkeit sind  eben  beides  Broschüren. 

Sehr  verschieden  ist  dagegen  die  Situation,  welche  jede  der 
beiden  Schriften  voraussetzt;  sie  stehn  zeitlich  ziemlich  weit  von- 
einander ab,  und  zwar  ist  die  an  zweiter  Stelle  überlieferte  die 
ältere*).  Hier  steht  Caesar  im  Felde,  mitten  im  Bürgerkrieg; 
trotzdem  fühlt  sich  der  Verfasser  verpflichtet,  sich  schon  jetzt 
über  die  Fragen  der  inneren  Politik  und  der  Neuordnung  des 
Staate  mit  Ratschlagen  und  Mahnungen  an  ihn  zu  wenden*). 
Aber  er  ist  nicht  bei  ihm,  und  eben  darum  erhalt  diese  Broschüre 
den  ausgesprochenen  Charakter  des  Sendschreibens.  Offiziell  ist 
Caesars  Gegner  „der  feindliche  Consul",  d.  i.  Lentulus,  er  ist 
damit  beschäftigt,  „sich  gegen  den  Angriff  der  Feinde  zu  wehren 
und  die  ihm  vom  Volk  gewährte  Vergünstigung"  (d.  i.  die  Bei- 
behaltung der  Provinz  und  die  abwesende  Bewerbung  um  das 
Consulat)  „gegen  den  feindlichen  Consul  zu  behaupten";  aber  es 
wäre  seiner  unwürdig,  sich  darauf  zu  beschränken6).  Von  An- 
fang seiner  Laufbahn  an  hat  er  erfolgreich  für  die  Freiheit  der 


')  II  12,  1  bezeichnet  er  die  Schrift  als  lüterae  (perlectis  lüterUJ; 
▼gl.  2,  1  quae  insa  sunt  de  republiea,  tibi  scripsi;  13,  8  quam  pau- 
cissimis  potui  perscripsi. 

')  Die  allgemeinen  Ausdrücke  I  5,  1  de  hello  satis  dictum;  8.  8 
disserere;  8,  10  a  me  quidem  pro  civüi  parte  dictum  et  adiutum 
fuerit,  vgl.  auch  1 ,  9  jeder  muß  jetzt  sein  bestes  sagen  (utei  dicat), 
beweisen  wenig;  ebenso  findet  sich  in  II  dicere  und  disserere  neben 
scribere  gebraucht  (2.  4.  10,  1).  Von  einer  bestimmten  Rücksichtnahme 
auf  rein  mündliche  Verhandlung  in  Gegenwart  Caesars  in  seinem  Hause, 
etwa  wie  in  Ciceros  Rede  pro  Deiotaro,  findet  sich  keine  Spur. 

*)  Das  hat  bereits  Joh.  Clericos  in  der  seiner  Ausgabe  1710  voraus- 
geschickten Vita  Sallustii  ganz  richtig  erkannt,  die  ich  durch  den  Ab- 
druck in  der  Ausgabe  Frotschkrb  kenne,  ».  p.  XIX. 

4)  IX  2,  2  inter  labores  müitiae  interque  proelia.  victorias,  Im- 
perium statui  admonendum  te  de  negotiia  urbanis. 

*)  II  2,  8  namque  tibi  si  id  modo  in  pectore  consiHi  est,  ut  te 
ab  initnicorum  impetu  vindices  quoque  modo  contra  adversum  con- 
Bulem  beneflcia  populi  retineas,  indigna  virtute  tua  eogilas. 


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Beilage  II 


plebs  gegen  die  Koterie  der  Nobilität  gekämpft1);  jetzt  darf  er 
sich  der  Aufgabe  nicht  entziehn,  „die  gestürzte  Freiheit  wieder- 
herzustellen"2). 

Von  den  Gegnern,  der  factio  nobilitatis,  die  auf  alle  Weise 
versuchen  wird,  die  Macht  des  Geldes  aufrecht  zu  erhalten8), 
wird  eine  scharf  pointierte  Schilderung  entworfen.  „Da  sie  der 
Trägheit  und  kraftloser  Schwäche  (inertia),  dem  Stumpfsinn  und 
dem  Starrkrampf  verfallen  sind,  so  toben  und  neiden  sie,  und 
betrachten  den  guten  Ruf  andrer  als  eine  Schande  für  sich  selbst. 
Aber  was  soll  ich  weiter  über  sie  reden,  sie  sind  ja  bekannt  genug. 
Was  Marcus  Bibulus  an  Tapferkeit  und  Geisteskraft  besitzt,  hat 
sich  in  seinem  Consulat  Luft  gemacht;  seine  Zunge  (Redegabe, 
Ungua)  ist  schwach,  nach  seiner  Begabung  ist  er  eher  schlecht 
ab  verschlagen;  was  kann  er  noch  zu  unternehmen  wagen,  dem 
das  Consulat,  das  höchste  Kommando,  zur  größten  Schande  ge- 
reicht hat?  Oder  hat  Lucius  Domitius  die  Kraft,  etwas  zu  leisten? 
ein  Mann,  bei  dem  jedes  Glied  mit  Verbrechen  befleckt  ist4), 
die*Zunge  eitel,  die  Hände  bluttriefend,  die  Füße  flüchtig;  was 
man  anstandshalber  nicht  nennen  kann,  erst  recht  unanständig*). 
Der  einzige,  dessen  Begabung  ich  nicht  verachte,  ist  Cato;  er 
ist  gewandt,  mit  reichem  Redefluß,  verschlagen.  Das  sind 
Künste,  die  man  durch  die  Schule  der  Griechen  erwirbt«).  Aber 
männliche  Tugend  (virtus),  Wachsamkeit,  Arbeitsamkeit  sind  bei 

')  II  2,  4  sin  in  te  ille  animus  est,  qui  iam  a  principio  nobüU 
tatis  factionem  disturbavü,  plebem  Romanam  ex  gravi  Servitute  in 
Uberiatem  restüuit,  in  praetura  inimicorum  arma  inermis  disiecü  cet. 

*)  II  18,  8  utei  libertatem  eversam  restUuas. 

*)  II  8,  6. 

4)  Dieselben  Worte  cuius  nulla  pars  corporis  a  turpitudine 
vacai,  Ungua  vana,  manus  rapacissimae ,  gula  immensa,  pedes 
fugaces,  quae  honeste  nominari  non  possuni,  inhonestissima  ver- 
wendet die  Invectiye  gegen  Cicero  8,  5.  Die  Grundlage  bilden  die  be- 
kannten Schmähreden  und  Verleumdungen  der  attischen  Redner. 

*)  Vgl.  dazu  Caelius'  Schilderungen  des  Domitius  ad  fam.  VIII  1,  4 
(oben  S.  247,  2).  12,  1  ff.  14,  1.  15,  2. 

•)  unius  tarnen  M.  Catonis  ingenium  versutum,  loquax,  caUidum 
haud  contemno.  parantur  haec  disciplina  Graecorum.  sed  virtus, 
vigilantia,  labor  apud  Graecos  nulla  sunt. 


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Sallusts  Broschüren  an  Caesar 


571 


den  Griechen  nicht  zu  finden;  denn  wo  sie  ihre  eigne  Freiheit 
infolge  ihrer  kraftlosen  Schwache  (inertia)  verloren  haben,  wie 
kann  man  glauben,  daß  nach  ihren  Vorschriften  die  Herrschaft 
geführt  werden  kann?  Die  übrigen  Mitglieder  der  Koterie 
sind  die  kraftlosesten  (zur  Leistung  unfähigsten,  inertissimi)  des 
Adels,  in  denen  wie  in  einer  Inschrift1)  außer  dem  guten 
Namen  nichts  zu  finden  ist.  Menschen  wie  Lucius  Postumius 
und  Marcus  Favonius  kommen  mir  vor,  wie  die  überschüssige 
Ladung  eines  großen  Schiffs;  wenn  man  heil  ankommt,  sind  sie 
von  Nutzen;  gerät  man  in  Bedrängnis,  so  wirft  man  sie  zuerst 
über  Bord,  weil  sie  am  wenigsten  Wert  haben"*). 

Diese  eben  so  lebensvolle  wie  boshaft  gezeichnete  Galerie  von 
Porträts  atmet  so  unmittelbar  die  lebendige  Gegenwart  des 
Parteikampfs,  daß  es  völlig  unmöglich  ist,  daß  sie  von  einem 
späteren  Schriftsteller,  und  nun  gar  von  einem  Rhetor  stammen 
könnte.  Dabei  ist  sie  sallustisch  durch  und  durch.  Um  so  mehr 
ist  zu  beachten,  daß  sie  sich  mit  der  berühmten  Schilderung 
Catos  im  Catiliua  zwar  berührt,  aber  keineswegs  deckt.  Auch 
dort  ist  Cato  der  diametrale  Gegensatz  zu  Caesar,  was  in  der 
Charakterisierung  beider  in  allen  Einzelzügen  durchgeführt  wird, 
und  auch  dort  besitzt  Caesar  die  Eigenschaften,  die  hier  Cato 
abgesprochen  werden,  Arbeitsamkeit,  Wachsamkeit,  männliche 
Tugend*).  Aber  im  Catilina  erkennt  er  Cato  als  ebenbürtigen 
Rivalen  seines  Gegenbildes  an,  dem  er  an  Geistesgröße  und  an 
Ruhm  gleichsteht;  er  hat  das  in  der  Leidenschaft  des  Partei- 
kampfs geschriebene  Urteil  seiner  Jugendschrift  ebenso  korri- 
giert, wie  er  das  gehässige  Bild,  das  Caesar  von  Cato  gezeichnet 

')  So  nach  Jordans  Konjektur  sicut  in  tüulo;  die  Handschrift 
bietet  sicut  instituto;  Justus  Lipsiüs,  dem  die  älteren  Herausgeber 
folgen,  korrigierte  sicut  in  statua. 

*)  II  8.  7-9,  4. 

•)  Cat.  54,  4  postremo  Caesar  in  animum  induxerat  lab o  rare 
vigilare,  negotiis  amicorum  intentus  sua  neglegere  . . .;  sibi  ma- 
gnum  imperium,  exercitum,  bellum  novom  exoptabat,  urbi  virtus 
enitescere  posset.  Catos  Streben  dagegen  geht  aut  tnodestia,  decus, 
severitas ;  cum  strenuo  virtute,  cum  modesto  pudore,  cum  innocente 
abstinentia  certabat,  esse  quam  videri  bonus  malebat. 


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Beilage  II 


hat,  und  das  er  naturbeb  genau  kennt,  mit  voller  Absicht  durch 
seine  Schilderung  zurückweist. 

Zugleich  gibt  diese  Stelle  einen  sicheren  Anhalt  für  die 
Datierung  der  Schrift.  Sie  ist  geschrieben,  als  alle  Genannten 
noch  am  Leben  sind,  also  zwar  nach  der  Flucht  des  Domitius 
aus  Corfinium  Ende  Februar  49,  aber  vor  dem  Tod  des  Bibulus 
im  Frühjahr  48,  mithin  im  Spätsommer  oder  Herbst  49,  nach 
der  Kapitulation  von  Herda,  etwa  als  Caesar  vor  Massilia  stand 
und  man  seine  Rückkehr  nach  Rom  und  die  Maßregeln,  die  er 
als  Dictator  ergreifen  mußte,  erwartete. 

Ein  einige  Jahre  spater  geschriebenes  Gegenbild  zu  der 
Schilderung  Sallusts  findet  sich  bei  Cicero  im  Brutus  267  ff., 
wo  im  Anschluß  an  L.  Torquatus  und  C.  Triarius  die  Opfer  des 
Bürgerkriegs  aufgezählt  und  als  Redner  charakterisiert  werden, 
darunter1)  M.  Bibulus,  dessen  Schriftstücke  korrekt  abgefaßt 
sind,  zumal  wenn  man  in  Betracht  zieht,  daß  er  kein  Redner 
war,  und  der  in  vielen  Fällen  sich  standhaft  verhalten  hat; 
L.  Domitius,  der  ohne  jegliche  Kunst,  aber  doch  echt  lateinisch 
und  mit  großem  Freimut  redete;  und  auch  T.  Postumius  ist  als 
Redner  nicht  zu  verachten,  in  Staatsangelegenheiten  aber  war 
er  als  Redner  eben  so  heftig  wie  ab  Krieger;  er  ließ  sich  zu  sehr 
die  Zügel  schießen  und  war  zu  leidenschaftlich,  aber  ein  guter 
Kenner  der  Gesetze  und  Ordnungen  des  Staatsrechts.  Dieser 
Titus  Postumius  ist  offenbar  derselbe,  der  Anfang  49  vom  Senat 
als  Nachfolger  des  Furfanius,  der  Sicilien  als  quaestor  pro 
praetore  verwaltete,  nach  Sicilien  geschickt  wurde,  aber  bei 
den  Verhandlungen  mit  Caesar  Ende  Januar  erklärte,  er  werde 
nur  zusammen  mit  Cato,  zu  dessen  Legaten  er  vermutlich  be- 
stimmt war,  hingeh n,  da  er  glaubte,  bei  den  erwarteten  Verhand- 
lungen im  Senat  in  Rom  werde  seine  Stimme  von  Einfluß  sein1). 


')  Neben  Appius  Claudias  (f  Anfang  48),  P.  Lentulus  Spinther 
(Todesdatum  unbekannt,  jedenfalls  nach  dem  Frühjahr  47,  ad  Att.  XI 
13,  1),  L.  Lentalus  Cru*  (Ende  48  in  Aegypten  umgebracht).  Favonius 
wird  im  Brutus  nicht  erwähnt,  er  war  ja  noch  am  Leben. 

*)  ad  Att.  VII  15,  2  negat  se  sine  Catone  Üurum,  et  suam  in  senatu 
operam  auctorilatemque  quam  magni  aestimat.    An  seiner  Stelle 


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Sallust*  Broschüren  an  Caeaar 


r>73 


Sonst  kommt  er  meines  Wissens  nicht  vor1);  ich  möchte  vermuten, 
daß  er  mit  dem  ebensowenig  bekannten  Lucius  Postumius  bei 
Salhist  identisch  und  der  Vorname  verschrieben  ist. 

Zur  Macht  gelangt  sind  diese  Leute  durch  Pompejus,  der, 
sei  es  aus  angeborener  Schlechtigkeit,  sei  ea,  weil  er  Caesar  auf 
alle  Weise  in  den  Weg  treten  wollte,  dessen  Feinden  —  die  hier 
direkt  hoste* ,  nicht  wie  sonst  mimtet  genannt  werden  —  die 
Waffen  in  die  Hand  gegeben  hat').  Er  hat  die  Plebs,  die  früher 
die  höchste  Gewalt,  die  Souveränität,  besaß*),  in  die  Knechtschaft 
gestoßen4),  und  das  Regiment  einigen  wenigen  Senatoren  über- 
geben, die  über  die  Steuern,  Ausgaben,  Gerichte  verfügen.  Be- 
sonders erbittert  ist  der  Verfasser  über  das  letztere;  die  gewaltige 
Erregung  über  die  politischen  Prozesse,  in  denen  Sallusts  Genoasen 
verurteilt  wurden,  während  er  selbst  zwar  der  Verurteilung  ent- 
ging, aber  durch  die  Censoren  aus  dem  Senat  gestoßen  wurde, 
zittert  hier  nach,  ebenso  wie  sie  bei  Caesar  zum  Ausdruck 
kommt*).  „Zwar  sind  die  Gerichte,  wie  früher,  den  drei  Ständen 

wird  daher  Fannius  cum  imperio  in  Sicüiam  praemittUmr.  Dann 
übernahm  bekanntlich  Cato  selbst  das  Kommando  auf  der  Insel,  wah- 
rend C.  Fannius  die  Provinz  Aua  erhielt 

')  Schwerlich  identisch  ist  Postumius,  Sohn  der  Postumia,  dar  Ge- 
mahlin des  8er vi us  Sulpicius,  bei  Cic.  ad  Att.  V  21.  9.  14,  und  sicher 
ein  anderer  der  pro  Sest.  111  erwähnte  Postumius,  adolescens  gravis, 
Schwestersohn  des  verkommenen  Clodianers  Gellius,  der  diesen  nicht 
zum  Vormund  seiner  Kinder  bestellt  hat,  also  im  Jahr  56  schon  ge- 
storben war.  Ein  sonst  gleichfalls  nicht  bekannter  Günstling  Caesars 
Postumius  wird  fam.  VI  12,  2  im  Jahr  46  erwähnt. 

*)  II  8,  1  sed  quoniam  Cn.  Pompeius  aut  animi  pravitate  aitt 
quia  nihil  eo  maluit,  quod  tibi  obessei,  ita  lapsus  est,  ut  hosübus 
tela  in  manus  iaceret. 

•)  plebeni  Romanam,  quoius  antea  summa  potesfas  erat  —  eben 
durch  die  lex  Hortensia  Ober  die  bindende  Kraft  der  Plebiacite  und 
die  darauf  beruhende  herrschende  Stellung  der  Tribunen,  die  Anfang  49 
vergewaltigt  wird. 

*)  plebem  . . .  ne  aequis  quidem  legibus  in  Servitute  reliquü. 
Vgl.  II  4,  3.  12,  5.  18,  8  über  die  Gefahrdang  der  libertwt,  die  durch 
das  Vorgehn  gegen  Caesar  unterdrückt  ist. 

5)  civ.  III  1,  4:  durch  Gesetze  der  Praetoren  und  Tribunen  non- 
nullos  ambitus  Pompeia  lege  damnatos  illis  temporibus,  quibus  in 


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Beilage  II 


überlassen,  aber  die  Mitglieder  jener  Koterie  regieren,  geben  und 
nehmen  nach  Belieben,  umgarnen  die  Unschuldigen,  erheben  ihre 
Genossen  zu  Ehrenamtern.  Kein  Verbrechen,  keine  Schandtat 
steht  der  Erwerbung  der  Magistratur  im  Wege.  Nach  ihrer  Be- 
quemlichkeit schleßpen  und  plündern  sie  die  Leute,  als  hätten 
sie  die  Stadt  erobert,  setzen  sie  Willkür  und  Belieben  an  Stelle 
der  Gesetze.  Hatten  sie  den  Sieg  durch  ihre  Tüchtigkeit  er- 
rungen und  nutzten  sie  ihn  dann  Dich  ihrer  Art  dadurch  aus, 
daß  sie  die  andern  in  Knechtschaft  hielten,  so  würde  mich  das 
nur  mäßig  wurmen;  aber  es  sind  kraftlose  Menschen  (homines 
inertissimi),  deren  ganze  Macht  und  Tüchtigkeit  in  der  Zunge 
sitzt,  die  die  Herrschaft,  die  ihnen  durch  Zufall  und  die  Sorg- 
losigkeit eines  andern  zugefallen  ist,  frech  ausnützen."  Und  nun 
folgt  die  Behauptung,  daß  kein  früherer  Bürgerzwist  so  viele 
angesehene  Familien  von  der  Wurzel  aus  vertilgt  habe,  selbst 
Sulla  sei  nicht  so  heftig  und  maßlos  aufgetreten:  „obwohl  er, 
dem  nach  Kriegsrecht  im  Siege  alles  gestattet  war,  einsah,  daß 
durch  Hinrichtung  der  Feinde  seine  Partei  gefestigt  werde,  zog 
er  es  doch  vor,  nach  Tötung  einiger  weniger  die  übrigen  lieber 
durch  Wohltaten  als  durch  Furcht  an  sich  zu  fesseln1).  Dagegen 
sind  durch  M.  Cato,  L.  Domitius  und  ihre  Parteigenossen*)  vierzig 


urbe  praesidia  legionutn  Potnpeius  habuerat,  quae  iudicia  aliis 
audientibus  iudicibus,  aliis  sententiam  ferentibus  [dem  liegt  zu- 
grunde, daß  die  Auslosung  der  Richter  und  die  den  Parteien  freistehende 
Ablehnung  einzelner  erat  nach  dem  Zeugenverhör,  aber  vor  den  Plä- 
doyers erfolgte]  singulis  diebus  erant  perfecta,  in  integrum  restituü. 

')  L.  Sulla,  cui  omnia  in  victoria  lege  belli  licuerunt,  tametsi 
8upplicio  hostium  partis  suas  muniri  inteüegebat ,  tarnen  paucis 
interfectis  ceteros  beneftcio  quam  metu  retinere  maluü. 

*)  Die  handschriftliche  Überlieferung  at  bereutem  Catonem  L.  Do- 
müio  ceterisque  eiusdem  factionis  quadraginta  Senatoren,  multi 
praeterea  cum  spe  bona  adulescentes  sicutei  hostiae  mactati  sunt 
ist  von  Morosen  in  at  bereute  a  M.  Catone  L.  Domitio  cet.  korri- 
giert. Dasselbe  besagt  Ohsllis  Vorschlag  at  fiercule  M.  Catoni,  falls 
der  Dativ  die  Bedeutung  von  a  mit  dem  Ablativ  haben  soll;  ganz  un- 
möglich wäre  dagegea  die  von  Pöhlmajih  dieser  Lesung  gegebene  Über- 
setzung :  „dem  Cato  und  dem  Domitius  usw.  sind  sie  geopfert  worden*. 
Aber  in  jener  Auffassung  ist,  wie  mir  E.  Nords«  bemerkte,  diese  Le- 


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Salluste  Broschüren  an  Caesar 


575 


Senatoren,  ferner  viele  hoffnungsvolle  junge  Leute  wie  Opfer- 
tiere abgeschlachtet,  und  der  Blutdurst  dieser  unverschämten 
Menschenkinder  war  durch  das  Blut  so  vieler  armer  Bürger  noch 
nicht  gestillt1):  weder  die  verwaisten  Kinder,  noch  die  hoch- 
betagten Eltern,  noch  die  Klagen  und  Seufzer  von  Männern  und 
Frauen  haben  ihren  grausamen  Sinn  gebeugt,  sondern  tagtäglich 
immer  heftiger  gingen  sie  daran,  durch  arge  Taten  und  Reden 
die  einen  aus  ihrer  Rangstellung"  —  so  den  Sallust  selbst  und 
die  übrigen  durch  die  Censoren  aus  dem  Senat  Ausgestoßenen  — , 
„die  andern  aus  der  Bürgerschaft  auszustoßen*).  Denn  was  soll 
ich  noch  von  Dir  selbst  reden?  wollen  doch  die  feigen  Leute 
ihr  Leben  hingeben,  um  Dir  Schmach  anzutun,  wenn  es  ihnen 
nur  möglich  wäre"'). 

Diese  Stelle  hat  von  jeher  ein  Hauptargument  für  die  Un- 
echtheit  der  Schrift  gebildet;  denn  es  ist  zweifellos,  daß,  selbst 
wenn  in  den  Wirren  der  letzten  Zeit  vor  dem  Ausbruch  des 
Bürgerkriegs  einzelne  politische  Morde  vorgekommen  sein  sollten, 
ein  derartiger  Massenmord,  wie  er  hier  geschildert  zu  werden 
scheint,  vollkommen  ausgeschlossen  ist.  Wir  kennen  die  Zeit 
in  allen  Einzelheiten  so  genau,  um  das  mit  Sicherheit  sagen  zu 
können,  ganz  abgesehn  davon,  daß  Catos  Verhalten  ein  total 
andres  war,  und  daß  Caesar,  wenn  auch  nur  Ansätze  dazu  vor- 
gekommen wären,  sich  das  in  seiner  Darstellung  im  Bürgerkriege 
gewiß  nicht  hätte  entgehn  lassen.  Von  der  Blutgier  der  Gegner, 
von  der  Abschlachtung  der  Gefangenen  durch  Bibulus  und 
Labienus  redet  er;  und  ebenso  kennen  wir  die  blutigen  Gelüste 
der  Republikaner  und  des  Pompejus  aus  Ciceros  Korrespondenz 
und  sonst.  Aber  das  sind  Dinge,  die  hier  nicht  in  Frage  kommen. 

sung  noch  besser  als  die  Mommscts;  der  Dativ  verschleiert  die  unmittel- 
bare Beteiiigang,  etwa:  „im  Namen  des  Cato  osw.  sind  sie  zum  Opfer 
hingeschlachtet". 

l)  quom  interea  inportunissima  genera  hominum  tot  miserorum 
civiutn  sanguine  satiari  nequierunt. 

')  quein  acerbim  in  dies  male  faciundo  ac  dicundo  dignüate 
alios,  alias  civiiate  eversum  irent. 

*)  nam  quid  ego  de  te  dicam?  cuius  contumeliam  homines 
ignavissimi  vita  sua  commutare  volunt,  si  liceat. 


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576 


Beilage  II 


Der  Ausweg  freilich,  daß  ein  unwissender  Rhetor  diese  Behaup- 
tungen aus  den  Fingern  gesogen  habe  und  sich  dadurch  verrate, 
führt  hier  so  wenig  zum  Ziel,  wie  in  allen  ähnliohen  Fallen,  wo 
man  sich  damit  beruhigt  und  ein  schwieriges  Problem  dadurch 
zu  lösen  versucht  hat,  daß  man  der  Unwissenheit  und  dem 
Stumpfsinn  eines  Fälschers  die  Schuld  zusohreibt;  denn  der 
Verfasser  der  Schrift,  selbst  wenn  es  nicht  Sallust  wäre,  ist  sonst 
überall  über  die  Vorgänge  so  genau  orientiert  und  schreibt  so 
vollständig  aus  der  Situation  zu  Anfang  des  Bürgerkriegs  heraus, 
daß  diese  Beschuldigung  völlig  unzulässig  ist:  im  Gegenteil,  ein 
schwerer  Irrtum  oder  eine  krasse  Übertreibung ,  falls  etwas  Der- 
artiges vorhegt ,  wäre  viel  eher  bei  einem  Zeitgenossen  in  der 
Leidenschaft  des  Parteikampfes  zu  begreifen,  als  bei  einem 
spätem  Sohriftsteller,  der  die  geschichtlich  feststehenden  Tat- 
sachen genau  kannte. 

Aber  eben  so  unhaltbar  sind  die  Deutungen,  welche  die  Ver- 
teidiger der  Echtheit  versucht  haben.  Seit  der  Aldina  las  man 
at  hereuie  nunc  am  Colone,  L.  Domüio  ceterisque,  und  das  wird, 
im  Anschluß  an  Spandau,  von  Pöhlmann  in  der  ersten  Fassung 
seiner  Schrift  in  cumGarbone,  Domüio,  ceteris  korrigiert:  es  seien 
die  Opfer  des  sullanischen  Bürgerkriegs  und  speziell  des  Pom- 
pe jus  Cn.  Carbo  und  On.  Domitius,  die  Pompe  jus  im  Jahre  81 
in  Sicilien  und  Afrika  hinrichten  ließ.  Pöhlmann  beruft  sich 
darauf,  daß  Appian  als  Opfer  der  sullanischen  Proskriptionen 
„gegen  vierzig  Senatoren"  angibt1).  Daran  knüpft  eine  Deu- 
tung Bardts*)  an,  der  Pöhlmann  sich  in  dem  Wiederabdruck 
seiner  Schrift  zuneigt:  nicht  Sulla  ist  der  Massenmörder  ge- 
wesen ,  sondern  die  noch  heute  bestehende  Adelskoterie ,  als 
deren   Repräsentanten  Cato    (geb.  95)*)    und    L.  Domitius 


')  civ.  I  95,  442  ßootaut&c  «ooapdxovta  wal  räv  x«Xooftivu>v  Ikxcu>v 
äfjupl  xt^t°ü<  xal  i£axos(ooc  hcl  &av&tq»  «pot>Tpaytv. 

*)  In  seiner  Rezension  der  PöHLMiNitschen  Abhandlung  in  der  Berl. 
Philol.  Wochenschr.  1904,  940  ff. 

»)  Liv.  per.  114.  Plut.  Oafco  8.  78.  Da  das  Datum  von  Grokbk, 
Hermes  42,  1907.  310  ff.  =  Drumaks  V  »  169,  6  auf  Grund  der  Tatsache, 
daß  Cato  im  Jahr  65  Quaestor  war,  bezweifelt  ist,  weil  die  Quaestur 


* 


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Satlust«  Broschüren  an  Ca«*ar 


577 


(geb.  98)1)  genannt  werden,  obwohl  sie  zur  Zeit  der  su  IIa  machen 
Proskriptionen  noch  nicht  dem  Knabenalter  entwachsen  waren. 
Aber  diese  Deutung  ist  nicht  nur  so  gezwungen  und  unnatürlich, 
daß  ihr  wohl  niemand  zustimmen  wird,  sondern  sie  widerspricht 
geradezu  dem  Text:  denn  der  Verfasser  stellt  ja  die  Bluttaten, 
welche  die  Optimaten  gegenwärtig,  vor  Ausbruch  des  Bürger- 
kriegs, begangen  haben,  in  scharfen  Gegensatz  zu  denen  der 
sullanischen  Zeit,  die  eben  darum  nach  Möglichkeit,  weit  über 
die  realen  Tatsachen  hinaus,  abgeschwächt  und  entschuldigt 
werden  (paucis  inUerfectis). 

Es  kommt  hinzu,  daß  der  Verfasser  in  der  zweiten  Broschüre 
I  4  zweieinhalb  Jahre  spater  seine  Behauptung  wiederholt,  nur 
daß  er  hier  Sullas  blutiges  Vorgehn  sachgemäß  schildert:  „Ist 
schon  in  Vergessenheit  versunken,  was  kurz  vor  dem  gegen- 
wärtigen Kriege  dem  Porapejus  und  dem  Siege  Sullas  zum  Vor- 
wurf gemacht  wurde2),  daß  Domitius,  Carbo,  Brutus  und  andre 
nicht  mit  den  Waffen  in  der  Hand,  noch  in  der  Schlacht  nach 
Krie<£srecht,  sondern  nachher  als  Schutzflehende  durch  ein  ver- 
brecherisch  es  Verfahren  getötet,  die  römische  Plebs  in  dem 
städtischen  Schlachthof  wie  Vieh  zusammengehauen  ist?  0  weh, 
wie  waren  jene  geheimen  Begräbnisse  von  Bürgern  und  plötz- 
lichen Mordtaten,  die  Flucht  von  Frauen  und  Knaben  in  den 

nach  Möhnsen  ,  Staatsrecht  1  1  563  ff.  erst  im  Lauf  des  81.  Lebensjahrs 
habe  bekleidet  werden  dürfen,  so  bemerke  ich,  daß  diese  Behauptung 
Mommhens  falsch  ist:  es  gab  für  die  Quaestur  Oberhaupt  keine  Alten 
grenze,  sondern  es  war  nur  die  Vollendung  einer  zehnjährigen  militäri- 
schen Dienstzeit  gefordert  (vgl.  S.  451  A.) 

')  Domitius  bewarb  sich  um  das  Consulat  für  55,  natürlich  suo 
ö««o,  vgl.  Cic.  ad  Att.  IV  8  b. 

')  an  iila,  quae  paulo  ante  hoc  bellum  in  Cn.  Pompeium  vic- 
toriamque  Sullanam  increpabantur,  oblivio  interfecit,  Domitium  . . . 
interfectos  cet?  Diese  Dinge,  die  Hinrichtung  der  demokratischen 
Führer  durch  Pom  pejus,  sind  diesem  wirklich  eben  damals  wiederholt 
vorgerückt  worden,  sowohl  von  Brutus  (Seneca  controv.  XI,  8  M.  Brutus . . . 
eius  (Pompei)  civili  sanguine  non  inquinatas  solum  manua,  sed 
infectas  ait,  vgl.  o.  S.  211  A.)  wie  von  Helvius  Mancia  aus  Formiae  in 
einem  Prozeß  pegen  L.  Libo  vor  den  Censoren  (im  J.  55?),  als  Pompejus 
für  diesen  auftrat  (Val.  Ma*.  VI  2,  3.  oben  8.  15«,  I). 

Meyer,  Caesars  Monarchie  W 


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578 


Beilag«  II 


Schoß  der  Ehern  oder  Ruder,  die  Verwüstung  der  Häuser,  ehe 
Du  den  Sieg  erfochtest,  sch rocklich  und  grausam!1)  Und  jetzt 
lordern  eben  jene  Leute  (die  zu  Caesar  übergetretenen  Optimaten) 
Dich  auf,  das  gleiche  zu  tun!"  Diese  Parallelstelle  schließt  auch 
von  vornherein  den  Versuch  aus,  die  Worte  veUdi  hostiae  mactati 
sunt  und  civium  stmguine  iu  II  4  als  rhetorische  Übertreibung 
für  die  Verurteilung  in  Capitalprozessen  zu  fassen,  bei  denen 
es  sich  in  Wirklichkeit  nur  um  das  Exil  und  den  bürgerlichen  Tod 
gehandelt  hätte:  beide  Stelleu  redeu  vou  wirklichen  Bluttaten, 
von  einem  oder  mehreren  Massakres,  die  die  Optimaten  unter 
Führung  des  Cato  und  Domitius  veranstaltet  haben. 

Die  Lösung  des  Rätsels  bietet  eine  genaue  Analyse  der 
Stelle  II  4.  Das  vergossene  Bürgerblut  war  ihnen  noch  nicht 
genug,  so  daß  sie  acerbius  in  dies  male  faciundo  ac  dicundo 
dignüate  alios,  alios  civitaU:  eversum  irent.  Das  bezieht  sich,  wie 
schon  bemerkt,  auf  die  gerichtlichen  Verurteilungen  der  Jahre  52 
bis  50  und  das  Vorgehn  der  Censoren  im  Jahre  50;  die  Bluttaten 
liegen  also  vorher.  Das  führt  zunächst  auf  die  Ermordung  des 
Clodius  und  die  anschließenden  Händel,  bei  denen  am  Morgen 
des  19.  Januar  oomplures  noti  homines  elisi  sunt,  inter  qucs 
C.  Vibienus  Senator  (Ascon.  p.  33),  die  Kämpfe  um  das  Haus  des 
Milo  und  des  Interrex  Lepidus,  die  täglichen  Schlägereien  zwischen 
den  Scharen  der  Bewerber  um  das  Consulat,  bei  denen  ft£xaL 
xoXXal  xal  a^pa-ral  aodw  Mvovto  (Dio  40  ,  50,  1),  das  Ein- 
schreiten der  Soldaten  des  Pompejus  gegen  den  clodianischen 
Pöbel  beim  Prozeß  des  Milo,  wo  gleichfalls  hptßxbjoiv  ttvsc 
aotöv  xal  ourtöavov  (Dio  40,  53,  3).  Aber  auch  die  an  der- 
artigen Scenen  reichen  Jahre  der  vorhergehenden  Anarchie  ge- 
hören hierher  mindestens  bis  hiuauf  zu  dem  Consulat  des  Pom- 
pejus und  Crassus;  und  hier  waren  ja  Cato  und  Domitius  die 
Hauptgegner,  die  im  Widerstand  gegen  ihre  Wahl  bis  zum  Blut- 
vergießen beharrten;  und  daran  schlössen  sich  weitere  Massakres 
bei  den  Aedilenwahlen  und  bei  der  Durchbringung  des  trebo- 

')  eheu,  quam  illa  occuUa  civium  fünera  et  repentinae  caedes, 
in  patent  um  aut  liberorumsinum  fuga  mulierum  et  puerorum,  vasiatio 
domuum  ante  pariam  a  te  victoriam  saeva  atque  crudeüa  erant. 


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SaUuste  Broschüren  an  Ca«sur 


579 


uischen  Gesetzes  (oben  S.  154 f.  157  f.).  Daß  der  demokratische 
Schriftsteller  alle  Schuld  auf  die  Optimaten  schiebt  und  die 
turbulenten  Massen,  Clodius  und  seine  Gefolgschaft  und  die 
Anhänger  der  Machthaber  als  unschuldige  Opferlämmer  be- 
trachtet, ist  selbstverständlich  und  kehrt  in  Vergangenheit  und 
Gegenwart  bei  allen  Revolutionen  und  Parteikämpfen  und  ebenso 
bei  den  Straßenkämpfen  ausnahmslos  wieder  —  wir  erleben 
das  ja  jetzt  tagtäglich  — ;  der  Vorwurf,  daß  die  Regierung 
ihre  Macht  frevelhaft  mißbraucht  und  ohne  jedes  Recht  auf 
das  harmlose  Volk  schießt,  wird  allezeit  erhoben  und  verfehlt 
niemals  seine  Wirkung,  auch  wenn  der  Konflikt  völlig  bewußt 
von  den  Massen  und  ihren  Leitern  herbeigeführt  ist  und  sie  das 
Blutvergießen  direkt  provozieren  wollten. 

In  demselben  Sinne  äußert  sich  an  beiden  Stellen  Sallust; 
daß  er  als  Opfer  aus  dem  Senat  dieselbe  Zahl  nennt,  die  für 
Sullas  Proskriptionen  gegeben  wird  —  hier  ausdrücklich  als 
runde  Zahl  — ,  ist  entweder  eine  zufällige  Koinzidenz  oder 
der  Schriftsteller  hat  absichtlich  die  Zahl  der  Opfer  Sullas  auf 
Pompejus  und  seine  Genossen  übertragen.  Über  das  Ein- 
schreiten des  Pompejus  gegen  die  Unruhestifter  hat  sich  Caesar 
im  bellum  Gallicum  billigend  geäußert,  da  er  damals  offiziell 
noch  mit  seinem  Rivaleu  im  Einvernehmen  stand;  die  wahre 
Gesinnung  seiner  Partei  kommt  bei  Sallust  zu  Wort. 

Auf  die  Einzelvorschläge,  die  Sallust  im  Jahre  49  macht, 
und  auf  den  Appell  im  Namen  des  Vaterlandes  und  der  Vor- 
fahren am  Schluß  brauchen  wir  hier  nicht  weiter  einzugehn. 
Die  Distanz  zwischen  dem  sich  hervorwagenden  Ratgeber  und 
dem  Feldherrn  und  Herrscher,  dem  außer  seinen  gewaltigen 
Machtmitteln  die  Übersicht  der  gesamten  Lage  und  die  Mög- 
lichkeit, sich  von  allen  Seiten  Rats  zu  erholen,  zur  Verfügung 
steht,  und  auch  die  geistige  Überlegenheit  Caesars  erkennt  er 
unumwunden  an;  Caesar  wird  entscheiden,  ob  er  die  Ratschläge 
für  brauchbar  hält  und  befolgen  will1).   Von  sich  selbst  sagt  er, 

')  II  4,  5  mihi  quidetn  qxiae  mens  suppetit  eloqui  non  dubitabo; 
ceterum  tuei  erit  ingenii,  probare  quae  vera  atque  utilia  factu  putes. 
Ähnlich  am  Schluß,  und  ebenso  I  8,  7  ff. 


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580 


Beilage  II 


daß  er  als  junger  Mann  in  die  politische  Laufbahn  eingetreten 
sei  und  sich  bemüht  habe,  das  öffentliche  Leben  genau  kennen 
zu  lernen,  nicht  nur,  um  in  die  Ämter  zu  gelangen,  was  vielen 
durch  schlechte  Mittel  gelungen  ist,  sondern  um  auch  in  Wesen 
und  Machtmittel  des  Staats  den  richtigen  Einblick  zu  gewinnen1); 
daher  habe  er  auch  nicht  körperliche,  militärische,  sondern 
geistige  Ausbildung  erstrebt  und  sich  mit  der  Literatur  be- 
schäftigt2). Das  gibt  ihm  die  Berechtigung,  sich  mit  seinen 
Ratschlagen  hervorzuwagen;  und  wiederholt  beruft  er  sich  in 
beiden  Broschüren,  ganz  in  der  Art,  wie  nachher  im  Catilina 
und  Jugurtha,  auf  die  Lehren  und  allgemeinen  Sätze,  zu  denen 
ihn  das  Geschichtsstudium  geführt  hat8),  gelegentlich  in  engem 
Anschluß  an  Sätze  des  Thukydides4).  Es  ist  der  zukünftige 
Historiker,  der  zu  Caesar  spricht,  der  aber  den  Wunsch,  eine 
Rolle  im  Staat  zu  spielen,  damals  noch  nioht  aufgegeben  hat. 

Auf  seine  gegenwärtige  Lage  deutet  Sallust  nur  einmal  hin, 
gegen  Ende  der  ältern  Schrift,  mit  den  Worten:  „Wo  immer 
Du  glückliche  Fortschritte  machst,  da  wird  man  auch  von  mir 
gut  sprechen.  Aber  mir  liegt  noch  mehr  der  dringende  Wunsch 
am  Herzen,  daß  sobald  als  möglich,  auf  welche  Weise  immer, 

*)  II  1,  8  sed  mihi  Studium  fuü  adulescentulo  rempublicam  ca- 
pessere,  atque  in  ea  cognosemda  multam  magnamque  cur  am  habui: 
non  ita,  ut  magistratum  modo  caperem,  quem  mutti  malte  arti- 
bus  adepti  erant,  sed  etiam  ut  rempublicam  domi  militiaeque, 
quaniumque  armis  viris  opulentia  possei,  cogniium  habuerim. 

*)  II  10,  2  postquam  mihi  aetas  ingeniumque  adolevit,  haud 
ferne  armis  atque  equis  corpus  exercui,  sed  animum  in  litteris 
agitavi;  quod  natura  ftrmius  erat,  id  in  laboribus  habuL  atque  ego 
in  ea  vita  multa  legendo  atque  audiendo  ita  comperi  cet.  Vgl.  dazu 
die  bekannten  Stellen  Cat.  3  f.  lug.  3  f. 

»)  II  5,  1.  10,  8.  10,  7  f.  I  3,  2  f.  7,  4. 

*)  I  5,  2  ego  sie  existimo:  quoniam  orta  omnia  inlereunt,  wird 
auch  Rom  einmal  dem  Untergang  anheimfallen,  und  zwar  dadureh,  daß 
die  Bürger  miteinander  kämpfen  und  dann  erschöpft  einem  König  oder 
Volk  zur  Beute  werden;  sonst  könnten  alle  Völker  zusammen  das 
römische  Reich  nicht  erschüttern.  Das  entspricht  ganz  der  Auffassung 
des  Thukydides  vom  Schicksal  Athens;  vgl.  speziell  Perikles'  letzte  Rede 
mit  den  Worten  Kdvta  fi-i  ?«<p'>xt  xal  iX*3ooüa9'«'.  II  64. 


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Sallust«  Broschüren  an  Caesar 


581 


dem  Staat  geholfeil  weide;  denn  die  Freiheit  steht  mir  höher 
al»  der  Ruhm"1)  -  daran  schließt  die  pathetische  Mahnung  am 
Schluß.  In  diesen  Worten  bekennt  er  zugleich,  daß  er  bisher 
keineswegs  in  gutem  Renommee  steht;  durch  Caesars  Siege  wird 
das  ausgeglichen  und  innerhalb  der  siegreichen  Partei  sein  Ruf 
wiederhergestellt  werden. 

Am  Schluß  der  älteren  Schrift  gibt  er  seiner  Überzeugung 
Ausdruck,  daß  alles  menschliche  Leben  unter  der  Aufsicht  einer 
göttlichen  Macht  steht  und  daß  es  daher  nicht  gleichgültig  ist, 
ob  man  gut  oder  schlecht  handelt,  sondern  nach  der  Ordnung 
der  Natur  (die  mit  der  Gottheit  identisch  ist)  der  Lohn  für  die 
Guten  und  für  die  Bösen  ein  verschiedener  ist  —  damit  ist  nicht 
die  sittliche  Vergeltung  gemeint,  sondern  der  Ausgang,  zu  dem 
ihre  Handlungen  führen,  der  Erfolg,  der  ihnen  schließlich  zuteil 
wird.  Daher  darf  man  sich  im  Bewußtsein  seiner  Handlungen 
mit  der  Hoffnung  trösten,  wenn  dieser  Erfolg  durch  die  Ein- 
wirkung zufälliger  Umstände  länger  auf  sich  warten  läßt2); 
„denn  allerdings",  so  sagt  er  an  einer  andern  Stelle,  „waltet 
über  den  Dingen  der  Zufall,  die  Tyche  (Fortuna),  und  gestaltet 
sie  nach  Laune,  und  so  fuhren  schlechte  Pläne  oft  eher  zu  einem 
glücklichen  Ausgang  als  gute"3). 

')  II  12.  3  f.  natn  ubicumque  tibi  res  prospere  cedet,  ibi  mihi 
bona  fama  eveniet.  sed  me  Uta  magis  cupido  exercet,  ut  quocum- 
que  modo  quam  primum  respublica  adiutetur;  liberiatem  gloria 
cariorem  habeo. 

■)  II  12,  7  namque  mihi  pro  vero  constat,  omnium  morialium 
citam  dwino  numine  invisier,  neque  bonutn  neque  malum  facinus 
quoiusqam  pro  nihüo  haberi,  sed  ex  natura  divorsa  praemia  bono* 
malosque  sequi,  interea  si  forte  ea  tardius  procedtmt,  suus  quoi- 
que  animus  ex  conscientia  spem  praebet. 

*)  II  1 .  2  quin  etiam  saepe  prava  magis  quam  bona  consilia 
prospere  eveniunt,  quia  plerasque  res  Fortuna  ex  Ubidine  sua  agitat. 
Dazu  vgl  Cat.  8,  1,  wo  Sallust  wieder  zu  seinem  alten  Sat*  snrück- 
kehrt:  sed  profecto  Fortuna  in  omni  re  dominatur:  ea  res  cunctas 
ex  lubidine  magis  quam  ex  vero  celebrat  obscuratque.  Den  Anlaß 
dazn  gibt  ihm  die  Bemerkung,  daß  Athen«  Taten  Überall  gepriesen 
werden,  weil  es  große  Schriftsteller  hervorgebracht  hat,  wahrend  Rom 
diese  und  daher  der  Ruhm  versagt  geblieben  sind. 


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582 


Beilag«  U 


Diesen  Satz,  der  mit  dem  andren  logisch,  aber  nicht  psycho- 
logisch im  Widerspruch  steht  —  er  soll  ihn  entschuldigen,  wenn 
seine  Vorschlage  nicht  zu  dem  gehofften  Ausgang  führen  sollten  — , 
nimmt  er  im  Eingang  seiner  zweiten  Schrift  zurück:  „Bisher", 
so  sagt  er  hier,  „herrschte  allgemein  die  Ansicht,  daß  die  Tyohe 
(Fortuna)  Königreiche  und  Herrschaft  und  alles  andre,  was  die 
Sterblichen  gierig  begehren,  als  Geschenk  vergebe,  weil  sie  häutig 
Unwürdigen,  wie  nach  Laune  gegeben,  in  die  Hände  fielen  und 
keinem  dauernd  und  unversehrt  verblieben.  Aber  die  Erfahrung 
hat  gelehrt,  daß  der  Spruch  des  Appius  wahr  ist,  daß  ein  jeder 
seines  Glückes  Schmied  ist;  vor  allem  Du  beweist  das,  der  Du 
alle  andern  so  sehr  übertroffen  hast,  daß  die  Menschen  eher  müde 
geworden  sind,  Deine  Taten  zu  loben,  als  Du,  Lobeswürdiges  zu 
tun"1).  Das  bildet  den  Eingang  zu  der  Aufforderung,  nunmehr 
dafür  zu  sorgen,  das  was  er  durch  seine  Leistungen  errungen  hat, 
auch  zu  erhalten. 

Diese  Broschüre  ist  geschrieben,  als  der  Krieg  beendet  ist: 
Caesar  ist  der  Sieger,  er  hat  jetzt  die  Aufgabe,  den  Kriegszustand 
in  den  Frieden  h iiiüberzuführen  und  dauernd  zu  sichern').  Wie 
er  sich  den  Besiegten  gegenüber  verhalten  wird,  ist  noch  nicht 
entschieden,  seine  Anhänger  erwarten  Beute*)  und  die  Optimaten 
unter  ihnen  fordern  ein  blutiges  Strafgericht  nach  Art  des  Sulla4). 

')  I  1,  1  pro  vero  antea  optinebat,  regna  atque  imperia  Vor- 
tun am  dono  dare,  item  alia  quae  per  mortalis  avide  cupiuntur, 
quia  et  apud  indignos  saepe  erant  quasi  per  libidinem  data  neque 
cuiquam  incorrupta  permanserant.  sed  res  doeuit,  id  verum  esse 
quod  in  carminibus  Appius  ait,  fabrum  esse  suae  quemque  For- 
tuna? ,  atque  in  te  maxime  cet.  Das  berührt  sich  eng  mit  Cicero 
pro  Marcello  7 :  im  Kriege  hat  der  Feldherr  den  Ruhm  mit  andern 
eu  teilen,  maximam  vero  partem  quasi  suo  iure  Fortuna  sibi 
vindicat  .  .  .  Aber  den  durch  die  Begnadigung  den  Marcellus  gewon 
nenen  Ruhm  teilt  Caesar  mit  niemand,  quin  etiam  üla  ipsa  rerum 
humanarum  domina  Fortuna  in  isiius  sodetatem  gloriae  se  non  offert. 

*)  I  8,  1  igitur  quoniam  tibi  victori  de  beüo  atque  pace  agi- 
tandum  est,  hoc  uti  civiliter  deponas,  iüa  ut  quam  iusiissima  et 
diuturna  sit.   Vgl.  I  1,  8. 

»)  1  1,  8  ad  hoc  Victore*  praedam  petunt,  vicü  cives  sunt, 

')  l  4,  3. 


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8allnst#  Broschüren;  an  Caesar  5g;} 

Aber,  so  argumentiert  der  Verfasser  ganz  wie  Caesar  in  dem  Brief 
an  Oppius  und  Baibus  (oben  S.  339),  grausame  Gewaltherrschaften 
haben  keinen  langen  Bestand  und  ihr  Träger  lebt  in  fortdauernder 
Gefahr;  „dagegen  wer  durch  Wohlwollen  und  Gnade  seine  Herr- 
schaft mildert,  dem  erscheint  alles  froh  und  glänzend,  auch  die 
Feinde  sind  ihm  gewogener  als  dem  andern  die  Mitbürger.  Ich 
weiß  nicht,  ob  nicht  manche  behaupten  werden,  durch  diese 
Worte  verfälsche  ich  Deinen  Sieg  und  sei  gegen  die  Besiegten 
viel  zu  wohlwollend;  aber  ich  meine,  wir  sollen,  was  wir  und 
Vorfahren  unseren  ausländischen  Feinden  so  oft  gewährt 
haben,  erst  recht  den  Bürgern  gewähren  und  nicht  nach  Barbaren  - 
art  Mord  mit  Mord  und  Blut  mit  Blut  sühnen.  Oder  hat  man 
schon  die  Vorwürfe  vergessen,  mit  denen  kurz  vor  diesem  Kriege 
Pompejus  und  Sulla  überschüttet  wurden?"') 

Man  sieht,  die  Besorgnis  besteht  noch,  die  bei  Cicero  immer 
wieder  zum  Ausdruck  gelangt,  daß  Caesar  dieses  Beispiel  nach- 
ahmen, daß  jetzt  das  so  lange  befürchtete  Blutbad  wirklich 
kommen  würde,  sicher  ist  man  noch  nicht,  ob  seine  bisherige 
Milde2)  nicht  nur  eine  Maske  war,  die  er  nach  dem  vollen  Siege 
abwerfen  werde.  Das  ist  die  Situation  nach  der  Schlacht  bei 
Thapsus,  wo  die  Erschlagung  so  zahlreicher  Bürger  und  der  an- 
gesehensten Häupter  der  Gegner,  und  speziell  die  Tötung  des 
Lucius  Caesar  durch  die  Soldaten  trotz  der  ihm  gewährten  Be- 
gnadigung die  Befürchtungen  von  neuem  steigerte*).  Damals 
also  ist  die  Broschüre  geschrieben. 

Von  dem  Krieg  sagt  der  Verfasser:  „Du  hast  ihn  zu  führen 
gehabt  gegen  einen  berühmten  Mann,  der  über  große  Mittel  ver- 
fügte und  nach  Macht  gierig  war,  dessen  Glück  aber  größer  war 
als  seine  Einsicht;  angeschlossen  haben  sich  ihm  einige  wenige, 
die  durch  eignes  Unrecht4)  Deine  Gegner  waren,  ferner  solche, 
die  die  Verwandtschaft  oder  andere  Beziehungen  dahin  zogen. 

')  I  8,  2  ff. 

*)  Vgl.  I  1,  8  bellum  (Uforum  paee  mollius  gessisü. 
»)  Vgl.  Cicero  an  Varro  IX  7. 

4)  I  2,  2  per  suam  tniuriam,  doch  wohl  das  Unrecht,  das  sie  reibst 
begangen  haben,  nicht  das,  was  Caesar  Urnen  angetan  hat. 


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584 


Beilage  11 


Denn  einen  Anteil  an  seiner  Herrschaft  hatte  niemand"  —  die 
Optimalen  sind  also  nur  seine  Gehilfen  gewesen,  und  werden  als 
selbständige  kriegführende  Macht  nicht  anerkannt;  die  Auf- 
fassung deckt  sich  ganz  mit  der  Caesars  im  bellum  civile  — 
„noch  wäre,  wenn  er  einen  Genossen  hätte  dulden  wollen,  der 
Erdkreis  durch  den  Krieg  erschüttert  worden.  Die  übrige  Volks  - 
masse  ließ  sich  mehr  durch  das  Herkommen  als  durch  eignes 
Urteil  lei+en,  dann  folgte  einer  jenem,  ein  anderer  Dir  als  dem 
Einsichtigeren"1).  Dann  folgt  ein  äußerst  charakteristischer  Satz 
über  die  Anhängerschaft  Caesars:  „Zu  derselbeu  Zeit  erregten 
die  gehässigen  Schmähungen  gegen  Dich,  Du  wollest  Dich  zum 
Herrn  des  Staats  machen,  Hoffnungen  bei  denen,  deren  ganzes 
Leben  durch  Schmach  und  Laixus  befleckt  war*)"  —  das  sind  also 
Leute  wie  Caelius,  Dolabella  und  die  ganze  vtxoia  — ,  „so  daß 
sie  in  Dein  Lager  strömten  und  offen  den  friedlichen  Bürgern 
Tod  und  Plünderung  und  was  immer  ihrer  verderbten  Gesinnung 
gefiel,  androhten.  Von  diesen  Leuten  hat  ein  großer  Teil,  als  sie 
sahen,  daß  ihnen  weder  ihre  Schulden  erlassen  wurden,  noch  Du 
mit  den  Bürgern  wie  mit  Feinden  umgingst,  sich  verlaufen 
(deßuxcre)"  —  das  sind  also  Leute  wie  Caelius  —  „wenige  sind 
zurückgeblieben,  die  von  ihren  Gläubigern  so  bedrängt  waren, 
daß  sie  im  Lager  sich  sicherer  fühlten  als  in  Rom"3)  —  Leute 
wie  Dolabella  und  sein  Anhang.  „Aber  es  ist  ungeheuerlich  zu 
sagen,  wie  viele  und  zahlreiche  Sterbliche  aus  demselben  Grunde 
später"  —  so  wie  C»cero  —  „zu  Pompejus  gegangen  sind ;  er  war 
für  die  Schuldner  die  ganze  Kriegszeit  hindurch  gewissermaßen 
ein  Heiligtum,  in  dem  sie  für  die  Gläubiger  unantastbar  waren"4). 

')  I  2,  4  cetera  muttüudo  volgi  more  magis  quam  iudicio,  post 
alius  alium  quasi  prudentiorem  secuti. 

*)  I  2,  5  per  idem  tempus  maledictis  ineiquorum  occupandae 
reipublicae  in  sperrt  adducii  homines,  quibus  omnia  probro  ac 
luxuria  polluta  erant. 

•)  I  2,  6  pauci  restitere,  quibus  maius  otium  m  caslris  quam 
Romas  futurum  erat:  tanta  vis  creditorum  impendebat. 

')  I  2,  7  sed  ob  f-asdem  causas  immane  dictust  ,  quanti  et 
quam  rnulti  mortale»  pvntea  ad  Pompeium  discesserint,  ecque  per 
omne  tempus  belti  quasi  sacro  atque  inspoliato  fano  debitores  usi. 


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Sullust*  Brobchüren  tin  Caesar 


Das  stimmt  vollständig  überein  mit  der  Schilderung,  die  Cicero 
im  Hochsommer  46  seinem  Freunde  M.  Marius  gibt:  er  sei  aus 
Scham  und  um  seines  Rufes  willen  zu  Pompejus  gegangen.  „Pas 
habe  ich  bereut  nicht  so  sehr  um  der  Gefahr  willen,  der  ich  mich 
aussetzte,  als  wegen  der  vielen  Gebrechen,  die  ich  dort  antraf: 
erstlich  weder  große  noch  kriegsbereite  Truppenmacht;  sodann, 
mit  Ausnahme  des  Feldherrn  und  außerdem  einiger  weniger  — 
ich  rede  von  den  ersten  Männern  {principes)  —  die  übrigen  im 
Krieg  selbst  raubgierig,  sodann  aber  in  ihrea  Reden  so  grausam, 
daß  mir  vor  dem  Siege  selbst  schauderte;  dazu  aber  eine  ge- 
waltige Schuldenlast  gerade  der  hochgestelltesten  Männer1).  Mit 
einem  Wort:  gut  war  nichts  mit  Ausnahme  der  Sache." 

Diese  korrupten,  mehr  als  problematischen  Elemente,  die  sich 
an  Caesar  herandrängen,  schüttelt  Sallust  von  diesem  und  von 
sich  ab  —  sie  haben  ihm,  als  sie  nach  Caesars  Ermordung  zur 
Macht  kamen,  die  weitere  Beteiligung  am  politischen  Leben  ver- 
ekelt und  ihn,  nicht  ohne  innere  Kämpfe  und  äußere  Gefahren, 
zu  dem  Entschluß  gebracht,  definitiv  auf  die  weitere  politische 
Laufbahn  zu  verzichten  und  sich,  ähnlich  wie  wenige  Jahre 
später  sein  Nachfolger  und  Rivale  Asinius  Pollio,  ganz  der  Ge- 
schichtsschreibung zu  widmen1).  Eben  diese  Leute  sind  es,  die 
jetzt  von  Caesar  fordern,  er  solle  verfahren  wie  seinerzeit  Sulla 
und  Pompejus');  sie  haben  vergessen,  wie  deren  Bluttaten  in  den 
Jahren  vor  dem  Krieg  angegriffen  wurden  und  wie  wüst  und 
grausam  damals  die  herrschende  Partei  mit  Morden  gewütet  hat, 
„als  ob  darum  gekämpft  worden  wäre,  nach  wessen  von  euch 
beiden  Willkür  das  Unrecht  begangen  werden  sollte,  und  als 


')  f am.  VII 8, 2  maximum  autem  aes  alitnum  amplissimorum  virorum. 

*)  Jag.  3,  1  magistratus  et  imperia,  posiremo  omnis  cura  rerutn 
pubUcarum  minume  mihi  hoc  tempesiaie  cupümda  videntur,  quo- 
niam  neque  viriuü  honos  datur,  neque  Uli,  quibus  per  fraudem  is 
fuit,  tuti  out  eo  magis  honesti  sunt.  Cat  4,  1  igitur  ubi  animus 
ex  multis  miseriis  atque  periculis  requievit  et  mihi  reüquam  aetatem 
a  republica  procul  habendam  decrevi. 

»)  I  4,  8  ad  quae  te  idem  Uli  hortantur.  Vgl.  Tnbero  im  Prozeß 
de»  LigariuB  oben  S.  408,  1. 


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586 


Beilage  II 


ob  der  Staat  vou  Dir  nicht  befreit,  sondern  erobert  wäre1) 
und  deshalb  die  ältesten  und  besten  un*er  allen  Truppen  nach 
Ablauf  ihrer  Dienstzeit  geger  ihre  Brüder  und  Eltern  die  Waffen 
ergriffen  hätten  —  nämlich  damit  die  Verworfensten  der  Sterb- 
lichen durch  das  Unglück  andrer  die  Mittel  erhielten,  dem  Bauch 
und  bodenlosen  Lüsten  zu  frönen  und  den  Sieg  zu  schänden,  so 
daß  durch  ihre  Schandtaten  das  Lob,  das  die  Tüchtigen  sich  er- 
worben hätten,  befleckt  würde2).  Denn  auch  Dir,  denke  ich, 
entgeht  es  nicht,  wie  es  um  die  Lebensführung  und  die  Ansprüche 
dieser  Leute  bestellt  war,  als  der  Sieg  noch  zweifelhaft  war,  und 
wie  manche  von  ihnen  in  den  militärischen  Operationen  Dirnen 
mit  sich  geführt  und  Gelage  gehalten  haben,  die  ihrem  Alter 
uach  nicht  einmal  in  friedlichen  Zuständen  sich  solchen  Aus- 
schweifungen ohne  Entehrung  hätten  hingeben  dürfen3).'4 

Diesem  Gesindel  soll  Caesar  nicht  folgen,  sondern  fortfahren, 
Milde  zu  üben  und  sich  der  großen  Aufgabe  zuwenden,  den  Staat 
und  die  alte  Zucht  wiederherzustellen.  „Daher,  bei  den  Gottern," 
beschwört  er  ihn,  wie  wenige  Monate  später  Cicero  in  der 
.Marcellusrede,  „nimm  Dich  des  Staats  an  und  bahne  Dir,  wie 
Du  es  gewohnt  bist,  den  Weg,  der  durch  alle  Schwierigkeiten 
hindurch  führt;  denn  entweder  kannst  Du  helfen,  oder  alle  müssen 
den  Gedanken  daran  aufgeben4).  Niemand  fordert  von  Dir  grau- 
same Strafen  oder  harte  Urteilssprüche,  durch  die  die  Bürger- 


l)  neque  receptam  sed  capiam  a  te  rempublicam. 

■)  ut  ex  alienis  malis  deterrumi  mortale*  ventri  atque  pro- 
funda* lubidini  sumptus  quaererent  atque  essent  obprobria  victoriae, 
quorum  flagitiis  commacularetur  bonorum  laus. 

*)  neque  te  praeterire  puto,  quali  quisque  eorum  more  out 
modesiia  etiam  tum  dubia  victoria  sese  gesserit  quoque  modo  in 
belli  administratione  scorta  aut  convivia  exercuerint  nonnuüi,  quo- 
rum aetas  ne  per  oHum  quidem  talis  voluptatis  sine  dedecore  at~ 
HngeriL 

*)  I  6,  8  quare  capesse,  per  deos,  rempublicam,  et  omnia  asper  o, 
uti  soles,  pervade;  namque  aut  tu  mederi  potes,  aut  omittenda  est 
cura  omnibus.  Ebenso  Cicero  pro  Marc  27  hacc  igitur  tibi  reliqua 
pars  est,  hie  restat  actus,  in  hoc  elaborandum  est,  ut  rempublicam 
constitutum;  ebenso  22. 


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Snllosts  Broschüren  an  Cae*ar 


587 


schaft  mehr  verwüstet  als  gebessert  wird,  sondern  daß  Du  die 
schlechten  Sitten  und  Gelüste  von  der  Jugend  fernhältst." 

Immer  von  neuem  wird,  wer  auch  nur  einiges  politische  Ver- 
ständnis besitzt,  staunen  über  die  Naivität,  mit  der  derartige, 
unmittelbar  aus  der  Situation  heraus  geschriebene  und  sie  ganz 
lebendig  vor  Augen  führende  Äußerungen  dem  Zeitgenossen  ab- 
gesprochen und  einem  stümperhaften  Rhetor  späterer  Jahr- 
hunderte zugewiesen  werden. 

Verfaßt  ist  die  Schrift,  wie  schon  gesagt,  kurz  nach  der 
Schlacht  bei  Thapsus,  im  Frühjahr  46.  Man  könnte  sich  sehr 
wohl  denken,  daß  Caesar  in  seiner  tiefen  Menschenkenntnis  dem 
idealistischen  Mahner  die  neue  afrikanische  Provinz  verliehen 
hat,  damit  er  hier  seine  Grundsätze  selbst  bewähren  könne. 
Sallust  hat  bekanntlich  die  Probe  nicht  bestanden1).  Er  wird 
sich,  wie  für  seine  Jugendsünden,  darunter  den  Ehebruch  mit 
Milos  Frau*),  damit   vor  andern  und  vor  sich   selbst  ent- 


')  Dio  48,  9,  2  f.  Caesar  abergibt  dem  Sallust  Numidien  U<r<p  piv 
apx*tvi  ^PTM*  ^  £tiiv  Tt  **l  f  fipstv  iititp«'}»v.  &uiX*i  xal  e$u>po&öxYpt  koXXü 
xal  fipicaotv,  &azt  xal  xarrrfop*r)*^)vat  xal  oIo^ovtjv  ala^Corrjv  o^Xtpau;  Caesar 
spricht  ihn  frei.  Diese  Überlieferung  ist  von  Didius,  dem  Verfasser  der  Ant- 
wort auf  die  unter  Sallust*  Namen  Überlieferte  Invective.  benutzt:  Ans 
Africa  inferior  tantum  hic  exhausü,  quantum  potuit  aut  fide  no- 
minum  traici  aut  in  naves  contrudi  .  . .  ne  causam  diceret,  sesiertio 
duodeciens  (1200000)  cum  Caesare  paciscitur. 

5)  E.  Norden,  der  Teile  vorliegenden  Werkes  in  der  Korrektur  la* 
achreibt  mir:  .Durch  die  obigen  Darlegungen  scheint  mir  neues  Licht 
auf  das  einzige  Fragment  zu  fallen,  das  Gellius  XVII  18  aus  dem  3.  216,  2 
zitierten  Logistoricus  überliefert :  M.  Varro  ...  in  libro  quem  inscripsit 
Pius  aut  de  pace  C.  Sallustium  scriptorem  seriae  illius  et  severae 
orationis  .  . .  in  aduUerio  deprehensum  ab  Annio  Milone  loris  bene 
caesum  dicit  et,  cum  dedisset  pecuniam,  dimissum.  Daß  unter  Pius 
Q.  Caecilius  Metellus  Pius  Scipio,  der  Schwiegervater  des  Pompejus,  der 
sich  nach  der  Schlacht  bei  Thapsus  den  Tod  gab,  verstanden  ist,  unter- 
liegt wohl  keinem  Zweifel;  er  war  mit  Varro  befreundet  (r.  r.  III  10.  1). 
Ihm  zu  Ehren  verfaßte  also  Varro  eine  Gegenschrift  .Ober  den  Frieden, 
gegen  die  sallustische  Broschüre:  der  Hieb  traf  nicht  nur  den  Sallust,  de«<«ri 
Widerstreit  zwischen  Worten  und  Lebensführung  auch  sonst  der  poin- 
pejanischen  Partei  willkommenen  Anlaß  zu  Pamphleten  bot,  sondern 
auch  das  Gedächtnis  des  Milo,  eines  erbitterten  Gegners  des  Pius 


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Beilage  II 


schuldigt  haben,  daß  eben  die  Zeiten  so  korrupt  seien,  daß 
solche  Mittel  und  Wege  unvermeidlich  waren  uud  auch  er  der 
Versuchung  nicht  ganz  habe  entgehn  können1). 


Beilage  III 

Ciceros  Briefwechsel 

Ober  Entstehung  und  Charakter  der  Sammlungen  der  Briefe 
Cioeros  haben  die  Untersuchungen  der  letzten  Jahrzehnte,  vor 
allem  die  Arbeiten  von  L.  Gurlitt2),  die  bis  dahin  sehr  ver- 
schwommenen und  phantastischen  Anschauungen  wesentlich  ge- 
klärt und  einer  sachgemäßen  Auffassung  den  Weg  geebnet.  In- 
dessen herrschen  über  manche  Dinge  noch  immer,  auch  bei 
ihm,  unbegründete,  aus  Vorurteilen  erwachsene  Vorstellungen. 
Daher  erscheint  es  ratsam,  auf  diese  Probleme  kurz  einzugehn ; 
in  Wirklichkeit  hegen  die  Dinge  auch  hier  viel  einfacher,  als  man 
meist  annimmt. 


(oben  S.  217,  4.  224),  wurde  nach  seinem  wenige  Jahre  zuvor  erfolgten 
Tode  verunglimpft." 

')  Vgl.  II  7,  4  ff.  (oben  S.  362).  Ferner  Cat  3,  4:  es  herrschen 
audacia,  largitio,  avaritia:  qttae  tameisi  animus  aapernabatur,  in- 
soiens  malarum  artium,  tarnen  inier  tanla  ciiia  imbecüla  aetas  am 
büUme  corrupia  tenebatur;  ac  me  cum  ab  reliquorutn  malis  moribus 
dissentirem  (!),  nihilo  minus  honoris  cupido  eadem  qua  ceteros 
fama  aique  invidia  vexabat.  Der  geschraubte  Stil  zeigt  deutlich,  wie 
wenig  rein  sein  Gewissen  war.    Vgl.  Cat.  12. 

»)  Vor  allem  in  dem  Programm:  Nonius  Marcellus  und  die  Cicero- 
Briefe,  ßteglite  1888,  und  in  dem  zusammenfassenden  Aufsatz :  Die  Knt- 
Htehung  der  ciceronischen  Briefsammlungen,  Neue  Jahrb.  VII  1901,  532  ff., 
ferner  in  sahireichen  Ein  sei  arbeiten  von  seiner  Dissertation  de  Cic.  epi- 
stulis,  Göttingen  1879,  an.  Neben  ihm  ist  H.  Pktkr,  Der  Brief  in  der 
Literatur,  Abb.  sachs.  Ge».  d.  W.  XX  1901  zu  nennen,  ferner  die  kurze 
treffliche  Einleitung  C.  Bardtk  zu  seinen  Ausgewahlten  Briefen  aus 
ciceronischer  Zeit,  Kommentar.  1898.  Auf  die  einzelnen,  von  ihnen  sehr 
verschieden  aufgefaßten  Streitfragen  gehe  ich  nicht  weiter  ein,  sondern 
begnüge  mich,  meine  Auffassung  kurz  darzulegen. 


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Ciceros  Briet« 


589 


Eine  Gesaratsanimlung  der  Briefe  Ciceros  hat  es  niemals  ge- 
geben, und  ebensowenig  eine  umfassende  Auslese  sei  es  inhalt- 
lich, sei  es  formell  interessanter  Briefe,  abgesehn  von  der  Samm- 
lung der  Empfehlungsbriefe,  die  jetzt  das  13.  Buch  ad  fam. 
bildet,  mit  dem  Titel  ad  C.  Memmium  et  ceteros.  Von  diesen 
79  Briefen  stammen  nahezu  zwei  Drittel,  etwa  48,  aus  caesarischer 
Zeit  (Jahr  46  und  45),  etwa  17  aus  dem  Proconsulat  in  Cilicien 
(51/50),  der  Rest,  etwa  ein  Dutzend,  aus  älterer  Zeit.  Somit  ist 
ganz  klar,  daß  diese  Sammlung  gegen  Ende  seines  Lebens  angelegt 
ist,  und  zwar  nach  stilistischen  Gesichtspunkten,  als  Probe  einer 
gewandten,  aber  sachlich  inhaltlosen  Briefkunst,  und  daß  dafür 
zusammengestellt  wurde,  was  von  solohen  Briefen  zur  Hand  lag 
oder  sich  ohne  Mühe  erreichen  ließ.  So  ist  Güblttts  Vermutung 
zweifellos  zutreffend,  daß  Cicero  in  dem  Brief  an  Atticus  XVI  5,  5 
vom  9.  Juli  44  eben  diese  damals  von  Tiro  vorbereitete  Sammlung 
im  Sinn  hat,  wenn  er  schreibt:  mearum  epistukirum  nuüa  est 
oovaftü'pj ;  sed  habet  Tiro  instar  septuaginta,  et  quidem  sunt  a  le 
quaedam  sumendae.  eas  ego  oportet  perspiciam,  corrigam;  tum 
denique  edentur. 

Alle  anderen  Briefe  sind  isolierte  Einzelpublikationen,  Brief- 
wechsel mit  einzelnen  Persönlichkeiten,  die  teils  nur  die  Briefe 
Ciceros  an  diese,  teils  die  beiderseitige  Correspondenz  bald  voll- 
ständig, bald  mit  kleineren  oder  größeren  Lücken  enthalten. 
Unter  ihnen  treten  zunächst  die  großen,  mehrere  Bücher  um- 
fassenden Sammlungen  hervor1):  die  16  Bücher  ad  Atticum,  die 
9  ad  M.  Brutum,  9  ad  A.  Hirtium,  3  ad  C.  Pansam,  2  ad  Cae- 
8arem  (Octavian)2),  2  ad  Marcum  filium,  2  ad  Q.  Axium,  2  ad 

')  Bei  den  Briefen  an  Hirtius,  Panaa,  Axius,  den  Sohn  beruht  die 
Briefzahl  auf  Zitaten  bei  Nonius,  bei  denen  an  Nepos  auf  Macrob.  II 
1,  14.  Natürlich  kann  es  in  diesen  Fallen  noch  mehr  Bücher  gegeben 
haben,  es  kann  aber  anch  umgekehrt  die  hohe  Buchzahl  fehlerhaft  sein. 

*)  Daß  die  Zitate  ad  Caesarem  und  ad  Caesarem  iuniorem  die- 
selbe Sammlung  bezeichnen  und  daß  »ie  wahrscheinlich  nur  zwei  Bucher 
umfaßte,  nicht  drei,  wie  einzelne  Zitate  bei  Nonius  angeben,  hat  Gur- 
litt  in  dem  Steglitzer  Programm  erwiesen.  Dagegen  waren  Caesar» 
Briefe  an  Cicero  zugänglich  (Sueton  Caes.  56,  Tgl.  unten  S.  616,  3),  und 
in  dieser  Sammlung  mögen  auch  Briefe  Ciceros  enthalten  gewesen  sein ; 


Beilage  in 


Corntlium  Nepotem,  3  ad  Quintum  fralrem,  und  die  Briefe  ad 
G.  Licmium  Calvum,  die,  da  bei  Priacian  das  erste  Buch  zitiert 
wird,  auch  mindestens  zwei  Bücher  umfaßt  haben  müssen.  Von 
diesen  größeren  Sammlungen  sind  bekanntlich  später  die  Briefe 
an  Atticus,  Quintus  und  Brutus  nebst  dem  gefälschten  Brief  an 
Octavian  zu  einem  Sammelband  zusammengefaßt  und  so  auf 
uns  gekommen,  von  den  zu  Anfang  stehenden  Brutusbriefen 
allerdings  nur  das  letzte,  neunte  Buch. 

Neben  diesen  umfangreicheren  Sammlungen  stehen  diejenigen, 
welche  nur  ein  Buch  füllen,  und  weiter  diejenigen  Korrespon- 
denzen, welche  nur  aus  wenigen  Briefen  bestehen.  Mit  diesen 
ist  man  verfahren  wie  mit  den  isolierten  Gedichten  in  den  Ge- 
dichtsammlungen, z.  B.  bei  Pindars  Isthmioniken :  es  wurden 
mehrere  Korrespondenzen  zu  einem  Buch  zusammengefaßt  und 
dies  dann  nach  den  zu  Anfang  stehenden  Stücken  benannt.  Fünf- 
zehn dieser  isolierten  Bücher  sind  dann  später  mit  den  Emp- 
fehlungsbriefen zu  der  Sammlung  zusammengefaßt,  die  wir  ad 
familiäres  zu  nennen  pflegen.  Dafür,  daß  diese  Sammlung  von 
Tiro  zusammengestellt  ist,  scheint  zu  sprechen,  daß  die  Briefe 
an  diesen  am  Schluß  stehn;  und  kaum  zu  bezweifeln  ist,  daß 
er,  wie  diese  letzteren  und  die  Empfehlungsbriefe  in  lib.  XHI,  so 
auch  die  Briefe  an  Terentia  lib.  XIV  zusammengestellt  hat  und 
an  der  Publikation  beteiligt  gewesen  ist.  Aber  im  übrigen  läßt 
die  Anordnung  der  Bücher  jede  ordnende  Hand  und  überhaupt 
jeden  leitenden  Gedanken  vollkommen  vermissen,  sondern  ist  so 
willkürlich  wie  möglich.  Bekanntlich  wird  denn  auch  diese  Samm- 
lung im  Altertum  nie  erwähnt.  Durchweg  werden  die  einzelnen 

aber  eine  besondere  Aufgabe  des  Briefwechsels  Ciceros  mit  Caesar  bat 
wahrscheinlich  nicht  existiert.  —  Ferner  bestreitet  Ourlitt  mit  Recht 
die  Existenz  einer  Briefsammlung  an  Porapejus;  die  beiden  Zitate  aas 
M.  Tuüius  ad  Pompeium  lib.  IUI  (Nonina  p.  298  s.  excipit)  stammen 
aas  dem  von  Cicero  ad  Att  VIII  11  d  mitgeteilten  Brief  an  Pom  pejus. 
Ebenso  stammen  die  Zitate  M.  Tuüius  ad  M.  Catonem  Non.  p.  264 
s.  v.  cogere  und  p.  278  s.  v.  contineiis  in  Wirklichkeit  aas  fam.  XV 
4,  2  and  8,  2  (Gorlitt  8.  2).  Danach  wird  es  sehr  fraglich,  ob  das 
einzige  sonstige  Zitat  M.  Tuüius  episiola  ad  Catonem  Non.  p.  488 
k,  v.  plus  suyerlassig  ist  and  diese  Briefsammlung  existiert  hat* 


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Cicero«  Briefe.    Die  einzelnen  Sammlungen 


591 


Bücher  unter  ihrem  Solidertitel  zitiert1),  und  auch  im  Mediceus 
erschienen  sie  durchaus  als  solche,  als  u.ovoßlßXot,  nicht  etwa 
durchgezählt:  M.  Tutti  Ciceronis  epistolarum  ad  P.  Lentuhtm, 
ad  Curionem  [consulem]  et  oeteros,  ad  App.  Claudium,  ad.  Q.  Me- 
tellum  et  ceteros  usw.  Gleichartig  werden  die  vereinzelt  zitierten 
Briefe  ad  M.  Titinium  (Sueton  de  rhet.  2)  und  ad  Hastüium 
(Charis.  I  p.  110)  gewesen  sein,  ferner  die  von  Quintiii  an  und 
Ausonius  zitierten  Briefe  ad  Caereüiam.  Dazu  kommen  die  von 
Plutareh  Cic.  24  angeführten  griechisch  geschriebenen  Briefe  an 
die  Rhetoren  Gorgias,  Pelops  und  Herodes,  von  denen  die  letz- 
teren vielleicht  in  der  Sammlung  der  Briefe  an  seinen  Sohn 
standen1). 

Von  den  erhaltenen  Sammlungen  ist  die  Entstehung  und 
Oberlieferung  bei  den  Briefen  an  Atticus  völlig  klar.  Atticus 
hat  die  Briefe,  wie  sie  einkamen,  zu  Rollen  aneinandergeklebt 
und  in  elf  Volumina  bewahrt,  die  wie  Nep03*)  so  zweifellos  auch 
andre  schon  bei  seinen  Lebzeiten  eingesehn  haben  (s.  S.  83, 1.  610). 
Die  Abgrenzung  dieser  Rollen  wird  von  einem  seiner  Itbrarii  oder 
anagnostae4)  besorgt  und  teilweise  dem  Zufall  überlassen  worden 


')  Wer  genau  zitiert,  sagt  wie  GellioB  I  22,  19  in  libro  epistularum 
M.  Ciceronis  ad  L.  Plancum  et  in  episiula  Asini  PoUionis  ad  Cice- 
ronem  =  fara.  X  88,  5  oder  Nonius  p.  83  s.  comedim :  Cicero  ad 
Varronem  epistola  Paeti  =  fam.  IX  20,  8.  Daneben  zitiert  Nonius 
aas  fam.  XV  (ad  senatum  et  ceteros)  p.  264  s.  v.  cogere  and  273  s. 
continens  als  ad  M.  Catonem  =  XV  4 ,  2  and  3 ,  2,  ebenso  p.  378  s.  v. 
delenitu*  and  291  s.  exigere  als  ad  Cassium  -  XV  16,  8  und  1  (an 
der  ersten  Stelle  mit  dem  irrtümlichen  Zusatz  üb .  I);  ferner  p.  274  s. 
continens:  ad  senatum  -  XV  2,  2. 

*)  imotoXotl  icapi  Ktxfpotvoc  «iol  'HptuJ-rjv,  Sttpat  Ii  «pi?  t&v  oi6v, 
rfxtXeoofL/voo  ot>|jtftXooo<ptlv  Kpatimccp.  —  Das  Zitat  bei  Charisius  p.  108 
Cicero  ad  Marcellum  simiolum  deminutive  dixit  ist  bekanntlich  ein 
Schreibfehler  für  ad  Marium  (fam.  VII  2,  8). 

*)  Nepos  Att  16  ei  rei  (der  vertrauten  Freundschaft  mit  Cicero) 
sunt  indicio  praeter  eos  libros,  in  quibus  de  eo  facit  mentionem, 
qui  in  vulgus  sunt  editi,  undeeim  volumina  epistolarum  ab  consu- 
latu  eius  usque  ad  extremum  tempus  ad  Atticum  missarum ;  quae 
qui  legat,  non  multum  desideret  historiam  contextam  eorutn  temporum. 

')  Nepos  Ätt  18,  8. 


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502 


Beilag«»  III 


sein;  doch  ist  anzunehmen,  daß  auch  bei  dieser  ursprünglichen 
Einteilung  der  Einschnitt  da  lag,  wo  eine  Unterbrechung  der 
Korrespondenz  eingetreten  ist.  Als  sie  dann  später  publiziert 
wurden,  hat  man  sie  der  Bequemlichkeit  wegen  auf  16  vdumina 
(Bücher)  verteilt.  Wann  diese  Publikation  stattgefunden  hat, 
läßt  sich  nicht  ermitteln.  Daß  das  Schweigen  des  Asconius  über 
die  Absicht,  Catilina  zu  verteidigen,  nichts  beweisen  kann,  ist 
S.  23  A.  bemerkt,  ebenso,  daß  sie  in  der  historischen  Literatur  von 
Anfang  an  benutzt  sind  (unten  8.  615 f.);  zitiert  werden  sie  seit 
Seneca.  Aber  gänzlich  unhaltbar  ist  die  weitverbreitete  Ansicht, 
bei  der  Herausgabe  sei  an  ihneu  inhaltlich  etwas  geändert  oder 
ein  Teil  der  Briefe  unterdrückt  worden1).  Man  beruft  sich  dar- 
auf, daß  nach  Ncp03  die  Briefe  „bis  in  die  letzte  Zeit  des  Lebens 
Ciceros"  reichten,  während  sie  Mitte  November  44  abbrechen; 
die  späteren  Briefe  seien  wegen  absprechender  Urteile  über  Octa- 
vian  unterdrückt  worden.  Aber  bei  dieser  für  antike  Anschau- 
ungen ganz  unwahrscheinlichen  Annahme  einer  Censur*)  —  denn 
der  Verfasser  war  ja  tot  —  hat  man  nicht  nur  übersehn,  daß 
zahllose  Briofe  mit  sehr  bedenklichen  Äußerungen  in  den  andern 
Sammlungen  ruhig  veröffentlicht  waren,  sondern  vor  allem,  daß 
von  da  an  Cicero  und  Atticus  beide  zusammen  in  Rom  lebten, 
daß  also  Cicero  im  letzten  Jahre  seines  Lebens  garkeine  Ver- 
anlassung hatte,  an  Atticas  zu  schreiben.  Wie  Nepos  sich  hier 
ungenau  ausgedrückt  hat,  so  auch  bei  der  Angabe,  die  Briefe  be- 
gännen mit  Ciceros  Consulat.  Bekanntlich  hegen  vielmehr  aus 
Ciceros  Consulat  keine  Briefe  vor  — damals  war  Atticus  in  Rom  — , 
wohl  aber  einige  aus  den  Jahren  67  (I  3.  5 — 11),  66  (I  4)  und  65 
(1 1.  2).  Aber  zu  Anfang  stehn  eben  diese  Briefe  aus  dem  Jahre 


')  Die  beiden  in  den  Sammlangen  Baitirs  nnd  Purscrs  für  die 
Worte  vectigaliorum  und  propriua  grammatico  aeceasi  angefahrten 
angeblichen  Zitate  aus  den  Briefen  an  Atticas  bei  Charisius  and  Dio- 
medes  beruhen  natürlich  auf  Flüchtigkeit  oder  Konfusion. 

*)  Aaf  diese  Annahme  hat  F.  Lbo,  Die  Publikation  Ton  Ciceros 
Brieten  an  Atticas.  Gött.  Nachr.  1895,  442  ff.,  seine  Behauptung  be- 
gründet, weder  die  Briefe  an  Atticus  noch  die  ad  familiäres  hätten  ror 
Tiberiu»  Tode  publiziert  werden  können. 


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Cicero«  Briefe  an  Atticus 


593 


65,  in  denen  Cicero  von  den  Aussichten  seiner  Bewerbung  redet, 
und  so  ist  Nodos'  Aussage  erklärlich  genug. 

Nicht  weniger  verkehrt  ist  es,  wenn  man  sich  darüber  wun- 
dert, daß  in  der  Sammlung  keine  Briefe  des  Atticus  stehn,  und 
darin  einen  Beweis  ängstlicher  Vorsicht  sieht,  mit  der  er  sie  unter- 
drückt habe  —  man  hat  an  die  Briefe  der  Frau  von  Stein  er- 
innert. Atticus  hat  die  Briefe  Ciceros  aneinandergeklebt  und 
verwahrt,  seine  eigenen  Briefe  in  die  Rollen  aufzunehmen  hatte 
er  garkeinen  Anlaß.  Die  bewahrte  vielmehr  Cicero  in  der 
gleichen  Weise:  in  den  Nöten  des  Bürgerkriegs  schreibt  er 
ihm  am  18.  März  49  (IX  10,  4):  nam  cum  ad  kunc  locum  venissem, 
ewlvi  volumen  epistularum  tuarum,  quod  ego  (sub)  »igno  habeo 
servoque  düigentiswme ,  und  führt  daraus  der  Reihe  nach 
Atticus'  Äußerungen  aus  den  letzten  Monaten  an.  Diese  Briefe 
des  Atticus  später  zu  publizieren  lag  garkein  Anlaß  vor:  da» 
Interesse  richtete  sich  ausschließlich  auf  Cicero,  nicht  auf  seineu 
Korrespondenten. 

Als  Cicero  ein  berühmter  Mann  geworden  war,  hat  Atticus 
begonnen,  seine  Briefe  sorgfältig  aufzuheben,  von  der  ersten 
Trennung  der  beiden  Anfang  61  (I  12)  an.  An  den  Anfaug  der 
Rolle  ließ  er  stellen,  was  noch  von  früheren  Briefen  bis  zum 
Jahre  67  hinauf  vorhanden  war;  dabei  hat  man  sich  um  die 
chronologische  Ordnung  nicht  weiter  gekümmert,  und  so  gerieten 
die  beiden  jüngsten  Briefe,  aus  dem  Jahre  65,  an  den  Anfang. 
Fortan  aber  wurden  die  Briefe  regelmäßig  so  aneinandergeklebt, 
wie  sie  eingingen;  nur  ganz  selten  ist  dabei  einmal  eine  Ver- 
tauschung des  Platzes  vorgekommen,  abgesehn  von  den  Briefen 
in  XII  und  XIII. 

Im  übrigen  gliedern  sich  die  Briefe  folgendermaßen: 

1.  Älteste  Briefe  v67 — 65)  I  1—11. 

2.  Briefe  an  Atticus  nach  Epirus  Januar  61  bis  December  60 
I  12—11  3. 

3.  Cicero  geht  im  April  59  aufs  Land  II  4 — 17;  hier  besucht 
ihn  Atticus  am  10.  Mai  auf  der  Reise  nach  Epirus  (II  15,  2.  16,  4. 
17, 1).  Die  Briefe  dorthin  II  18—25  (Juni  bis  October  59)  schließen 
unmittelbar  an. 

Meyer,  Caesars  Monarchie  38 


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594  Beilage  III 

4.  Briefe  Cicero«  ans  dem  Exil  April  bis  Deoember  57  III 
1—27.  Im  December  reist  Atticus  nach  Epirus  (III  25—27), 
damit  hört  die  Korrespondenz  auf. 

5.  Briefe  Ciceros  aus  Rom  nach  seiner  Rückkehr  bis  zu  Atticus' 
Heimreise  September  57  bis  Januar  56  IV  1 — 4.  Cicero  geht  am 
8.  April  56  aufs  Land  (ad  Qu.  fr.  II  5),  kehrt  aber  alsbald  wieder 
nach  Rom  zurück  (S.  139  Anm.);  in  diesen  kurzen  Aufenthalt 
fällt  vielleicht  das  Billett  IV  4  b.  Dann  geht  er  im  Juni  längere 
Zeit  aufs  Land;  hierher  gehört  IV  5—8  (S.  139  Anm.)  Im  nächsten 
Jahre,  55,  geht  er  wieder  Ende  April  aufs  Land:  IV  9—12;  und 
dann  im  November  IV  13.  Im  Mai  54  geht  Atticus  nach  Asien 
und  kehrt  im  November  zurück.    Hierher  gehören  IV  14 — 19. 

Diese  kleinen  Gruppen  schließen  sich  ganz  natürlich  zu  einer 
Rolle  zusammen,  die  in  Buch  IV  vorliegt. 

6.  Jetzt  folgt  eine  große  Lücke  in  der  Korrespondenz,  da  beide 
Freunde  vom  December  54  bis  April  51  zusammen  in  Rom  leben. 
Wenn  Cicero  auch  in  diesen  Jahren,  woran  nicht  zu  «weifein  ist, 
aufs  Land  gegangen  ist  und  von  da  aus  an  Atticus  geschrieben 
hat,  so  hat  dieser  die  vermutlich  sehr  kurzen  Billetts  nicht  auf- 
gehoben. 

Die  Korrespondenz  setzt  wieder  ein  mit  Ciceros  Abgang  in 
die  Provinz  Anfang  Mai  51  und  reicht  bis  zu  seiner  Rückkehr 
nach  Rom  (oder  vielmehr  Formiae)  Ende  December  50:  V  1 
bis  VII  9. 

7.  Daran  schließen,  mit  kurzer  Unterbrechung,  die  Briefe 
aus  dem  Bürgerkrieg  vom  Weggang  aus  Rom  am  Morgen  des 
18.  Januar  49  bis  zur  Rückkehr  aus  Brundisium  Anfang  Sep- 
tember 47:  VII  10 — XI  25.  Hier  sind  die  letzten  Briefe  un- 
geordnet eingereiht,  die  richtige  Ordnung  ist:  XI  18.  25.  23.  19. 
24.  20.  21.  22. 

8.  Im  Gegensatz  zu  allen  übrigen  Briefen  liegen  die  aus  der 
caesarischen  Zeit  (April  46  bis  December  45)  nicht  nur  in  völlig 
ungeordnetem  Zustande  vor,  sondern  sind  in  den  Handschriften 
überhaupt  nicht  voneinander  geschieden  oder  durch  die  Adresse 
getrennt,  sondern  fortlaufend  geschrieben.  Um  die  Zerlegung  in 
die  einzelnen  Briefe  und  die  chronologische  Anordnung  hat  sich, 


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Ciceros  Briefe  an  Atticue 


595 


nach  dem  Vorgang  vonTh.  Sohiohe,  O.E.  Schmidt  die  größten 
Verdienste  erworben1);  über  manche  Einzelheiten  wird  natürlich 
niemals  volle  Sicherheit  erlangt  werden  können. 

Die  Konfusion  mag  bei  der  Publikation  und  in  den  Abschriften 
gesteigert  sein,  namentlich  durch  Weglassung  der  Überschriften, 
die  ja  auch  sonst  nicht  selten  vorkommt  und  dazu  geführt  hat, 
daß  gelegentlich  mehrere  Briefe  in  den  Handschriften  ab  Einheit 
erscheinen;  aber  in  der  Hauptsache  muß  sie  schon  im  Original 
vorhanden  gewesen  sein.  Man  wird  annehmen  müssen,  daß 
Atticus  die  zahlreichen,  vielfach  sehr  kurzen  Briefe  aus  dieser 
Zeit  zunächst  nicht  sorgfältig  aufgehoben  hat,  und  sie  dann 
später,  zum  Teil  vielleicht  schon  zu  kleinen  Konvoluten  zu- 
sammengefaßt, zu  Rollen  zusammenstellen  ließ,  wobei  die  zeit- 
liche Folge  noch  weniger  berücksichtigt  wurde,  als  bei  den  elf 
ältesten  Briefen. 

9.  Den  Abschluß  bilden  die  Briefe  aus  dem  Jahre  44  (7.  April 
bis  Ende  November),  Buch  XIV— XVI.  Während  sonst  die 
chronologische  Ordnung  festgehalten  ist,  ist  ein  kurzes  Billett, 
mit  dem  Cicero  ihm  Anfang  Juli  sechs  Briefe  zusendet,  in  denen 
er  sich  für  Atticus'  Besitzungen  in  Buthrotum  verwendet  (vgl. 
S.  494),  an  den  Schluß  gestellt,  also  nachträglich  hinzugefügt. 

Wenn  wir  von  diesen  neun  Gruppen  die  beiden  ersten  zu- 
sammenfassen und  annehmen,  daß  die  großen  Gruppen  6.  7.  9 
je  zwei  volumina  bildeten,  ergeben  sich  die  elf  volumina,  von 
denen  Nepos  redet,  ohne  Schwierigkeil.  Bei  der  Publikation 
sind  sie  dann  noch  weiter  zerlegt  worden. 

Ähnlich  wie  mit  den  Briefen  an  Atticus  hegt  es  mit  denen 
an  den  Bruder;  sie  müssen  aus  dessen  Nachlaß  stammen.  Quintus 
hat  von  den  Briefen,  die  er  während  seiner  Statthalterschaft  in 
Asien  und  dann  aus  dem  Exil  von  seinem  Bruder  erhielt,  nur 
die  wichtigsten  aufgehoben,  je  zwei  (I  1 — 4),  alle  sehr  umfang- 

')  Cicero«  Briefwechsel  S.  487  ff.,  mit  einer  Neuausgabe  der  beiden 
Bflcber.  Er  weist  auch  nach,  wie  die  herkömmliche  Einteilung  und  Zäh 
lung  der  Briefe  im  sechzehnten  Jahrhundert  schrittweise  eingeführt  und 
1680  durch  8wbo  Bonn«  zum  Abschluß  gebracht  ist,  aber  garkeine  Ge- 
wahr besitzt. 


596  Beilage  III 

reich.  Sorgfältiger  hat  er  dann  die  Briefe  bewahrt,  die  er  von 
ihm  erhielt,  als  er  Legat  des  Pompejus  (II  1—6,  Deoember  57 
bis  Mai  56,  vgl.  S.  139  Anm.)  und  dann  vom  Jahre  55  an  Legat 
Caesars  war  (II  7— III  9).  Wenn  sie  bereits  mit  dem  Deoember 
54  abbrechen,  obwohl  er  bis  zu  Cioeros  Proconsulat  in  Caesars 
Diensten  blieb  (bell.  Gall.  VII 90),  und  von  spateren  Briefen  keine 
Spur  erhalten  ist,  so  werden  diese  bei  der  Katastrophe  des 
Qu  intus  und  seiner  Familie  bei  den  Proskriptionen  zugrunde 
gegangen  sein.  Was  sich  erhalten  hat,  ist  dann  publiziert  worden, 
ob  von  Tiro  oder  von  wem  sonst,  läßt  sich  nicht  sagen. 

In  derselben  Weise  sind  die  Briefe  an  Tiro  von  diesem  ge- 
sammelt und  veröffentlicht:  zu  Anfang  stehn  die  vom  November 
50  bis  Februar  49,  als  Tiro  krank  in  Griechenland  zurückgeblieben 
war  (XVI  1—12),  dann  folgen  ein  paar  ältere  (13 — 16),  zum 
Schluß  die  aus  der  letzten  Zeit  (17—27);  auch  ein  paar  Briefe 
des  Quintus  und  des  Sohns  hat  er  aufgenommen  (8. 16. 21. 25 — 27). 
Ebenso  stammen  die  Briefe  an  Terentia  aus  dem  Exil  (XTV  1 — 4) 
und  aus  dem  Bürgerkrieg  (5 — 24,  schlecht  geordnet)  aus  deren 
Besitz  und  sind  vielleicht  von  Tiro  gesammelt  und  publiziert. 

Die  Briefe  an  den  Redner  und  Dichter  Licinius  Calvus,  offen- 
bar im  wesentlichen  literarischen  Inhalts,  sind,  wie  Ciceros  Brief 
an  Trebonius  XV  21,  4  aus  dem  Herbst  47  lehrt,  nach  Calvus' 
Tode,  also  schon  bei  Lebzeiten  Ciceros,  veröffentlicht  worden, 
woran  dieser,  wenn  er  auch  seine  Einwilligung  dazu  nicht  ge- 
geben hatte,  doch,  wie  seine  Äußerung  zeigt,  ernstlichen  Anstoß 
nicht  genommen  hat1). 

Ganz  anders  liegt  es  bei  den  übrigen  auf  uns  gekommenen 
Briefsammlungen :  sie  stammen  aus  Ciceros  Nachlaß,  und  ebenso 
offenbar  die  Briefwechsel  mit  Octavian,  Hirtius  und  Pansa2). 


')  ego  illas  Calvo  litteras  mini,  non  plus  quam  hos,  quas  nunc 
legis,  exüKmans  exüuras;  aliter  enim  scribimus,  quod  eos  solos, 
quibus  miüimus,  aliter  quod  multos  lecturos  putamus. 

*)  Die  Briefe  an  Nepos  und  Axius  mögen  ans  deren  Besitz  veröffent- 
licht Bein,  ebenso  die  an  Caerellia  und  gewiß  die  an  seinen  Sohn  nach 
Athen.  Über  die  Briefe  an  Titinius  und  Hostilius  läßt  sich  garnichU 
sagen. 


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Ciceros  Briefe  aue  den  Sammlungen  Anderer 


597 


Wie  die  Briefe  des  Atticus  hat  Cicero  auch  andere  wichtige  Korre- 
spondenzen in  Rollen  gesammelt  und  bewahrt,  wahrend  andere 
Briefe  vereinzelt  oder  etwa  in  kleinen  Convoluten  aufbewahrt 
wurden.  Im  Jahre  45  hat  Tiro  ihm  den  Wunsch  angedeutet,  er 
möge  auch  seine  Briefe  in  Sammelrollen  aufheben1).  Natürlich 
bewahrte  er  in  derselben  Art  auch  die  wichtigeren  eigenen  Briefe 
im  Konzept2)  oder  in  einer,  meist  wohl  von  Tiro  gefertigten, 
Kopie3),  ganz  wie  es  in  der  Gegenwart  und  überhaupt  zu  allen 
Zeiten  geschieht  —  in  der  Sorgfalt,  mit  der  man  dabei  zu  Werke 
geht,  unterscheiden  sich  natürlich  wie  jetzt  so  auch  damals  die 
einzelnen  Persönlichkeiten.  Nichts  war  natürlicher,  als  daß  diese 
eigenen  Briefe  dann  mit  denen  der  Korrespondenten  zusammen- 
gelegt und  zu  einem  vokimen  verbunden  wurden.  In  dieser  Gestalt 
liegt  uns  der  Briefwechsel  mit  Brutus  vor :  die  Briefe  von  Brutus 
stehn  zwischen  denen  Ciceros  meist  eben  an  der  Stelle,  wo  sie 
eingetroffen  sind,  und  daher  vor  ihrer  Beantwortung,  aber  oft 
nach  einem  erst  später,  aber  vor  ihrer  Ankunft  geschriebenen 


')  XVI  17  video  quid  agas:  tuas  quoque  epistolas  vis  referri  in 
Volumina.  Die  Stelle  ist  oft  falsch  verstanden ;  offenbar  hat  Tiro  in  einer 
philologisch-stilistischen  Frage  auf  eine  frühere  Äußerung  verwiesen 
und  Cicero  nahegelegt,  diese  Briefe  wieder  nachsusehn.  Mit  der  Samm- 
lung der  Briefe  Ciceros  hat  diese  Äußerung  garnichte  zu  tun.  —  Für 
die,  übrigens  keineswegs  sichere,  Datierung  des  Briefs  s.  0.  E.  Schmidt 
S.  368. 

*)  So,  wie  Bahdt  erkannt  hat,  den  Brief  an  Crassus  V  8  in  doppelter 
Fassung,  s.  S.  169.  1. 

5)  ad  Qu.  fr.  II  10,  5:  als  ein  Brief  an  Caesar  nach  Balbus  Mitteilung 
durch  Feuchtigkeit  verwischt  angekommen  ist,  itaque  postea  misi  ad 
Caesarem  eodem  Wo  exemplo  lüteras.  Ebenso  im  Jahre  45  an  Fadius 
Gallus  VII  25  quod  epistukm  conscissam  doles,  noli  laborare,  salva 
est;  domo  petes,  cum  libebit  (das  ist  wahrscheinlich  der  Brief  VII  24). 
Ferner  ad  Att.  XIII  6,  8  quod  epistulam  meam  ad  Bnitum  poscis 
non  habeo  eius  exemplum ;  sed  tarnen  salvum  est  et  aii  Tiro  te  ha- 
bere oportet e,  et,  ut  recordor,  una  cum  Uta  obiurgatoria  tibi  meam 
tjuoque,  quam  ad  cum  rescripseram ,  misi.  Bekanntlich  hat  Cicero 
vielfach  eigene  und  fremde  Briefe  an  Atticus  geschickt,  die  uns  so  er- 
halten sind,  gelegentlich  sogar  doppelt,  wenn  sie  zugleich  in  ad  fam. 
Ktehn. 


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598 


Beilag*  III 


Brief;  verstellt  ist  I  4,  und  nachträglich  eingefügt  die  beiden 
zusammengehörigen  Briefe  an  Cicero  und  an  Atticus  1  16.  17. 

Eine  Sonderstellung  nimmt  das  Buch  der  Briefe  des  Caelius 
an  Cicero  ein  (fam.  VIII),  das  in  den  Handschriften  fälschlich 
als  M.  TuUi  Cic.  episttUarum  ad  M.  Ceteliuin  bezeichnet  wird. 
Bs  enthält  lediglich  Briefe  des  Caelius.  Es  ist  begreiflich,  daß 
Cicero  die  für  ihn  äußerst  wertvollen  Berichte,  die  dieser  ihm 
während  seines  Proconsulats  schickte,  sorgfältig  bewahrte1), 
getrennt  von  seinen  Antworten,  und  dann  die  drei  Briefe,  die 
Caelius  ihm  im  Bürgerkrieg  geschrieben  hat,  daran  anfügte. 
Seine  eigenen  Antworten  stehn  in  lib.  II.  Daß  Caelius'  Briefe 
aus  Ciceros  Nachlaß  veröffentlicht  sind  und  sich  in  der  Sammlung 
seiner  Korrespondenz  erhalten  haben,  erklärt  sich  nur  aus  dem 
historischen  Interesse,  das  sie  beanspruchen  konnten.  Das  gleiche 
Interesse  betont  übrigens  auch  Nepos  bei  den  Briefen  an  Atticus, 
und  es  ist  ohne  Zweifel,  neben  dem  rein  persönlichen  bei  den 
Briefen  an  Terentia  und  Tiro,  bei  der  Veröffentlichung  seiner 
gesamten  Korrespondenz  das  maßgebende  gewesen;  ein  rein 
literarisch -stilistisches,  wie  z.  B.  bei  Plinius'  Briefen,  liegt  nur 
bei  den  Empfehlungsbriefen  lib.  XIII  vor,  hat  also  sonst  glück- 
licherweise nicht  eingewirkt.  Im  übrigen  ist  es  bezeichnend,  daß 
an  eine  chronologische  oder  sachliche  Ordnung  der  Briefe  niemand 
gedacht  hat;  sie  sind  genau  so  veröffentlicht,  wie  man  sie  im 
Nachlaß  vorfand*). 

')  Dabei  sind  ep.  8 — 10  an  falscher  Stelle  eingefügt;  die  richtig 
Ordnung  ist  5.  9.  8.  10.  6.  7.  11.  Solche  Versehn  kommen  beim  Ordnen 
von  Briefschaften  nur  xu  leicht,  vor. 

*)  Parallelen  aas  den  moderneu  Publikationen  von  Briefwechseln 
bieten  sich  in  Fülle,  namentlich  bei  Goethe  und  Bismarck.  Besonders 
instruktiv  sind  die  beiden  Bände  „Kaiser  Wilhelm  I.  und  Bismarck4 
und  .Aus  Bismarcks  Briefwechsel",  die  1901  als  .Anhang  zu  den  Ge- 
danken und  Erinnerungen*  von  seinem  literarischen  Gehilfen  Horst 
Kohl  aul  Grund  seiner  eigenen  Weisungen  veröffentlicht  sind.  Der 
erste  Band  enthalt  seine  gesamte  Korrespondens  mit  Kaiser  Wilhelm  1., 
der  zweite  eine  Fülle  der  verschiedensten  Briefe  an  Bismarck,  Hoch 
interessante«  neben  siemlich  Unbedeutendem,  nebst  einigen  Briefen  Bis- 
marcks. Nur  sind  die  Briefe  hier,  anders  als  bei  Cicero,  streng  chrono- 
logisch geordnet,  ohne  Rücksicht  auf  die  einxelnen  Korrespoudontea. 


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Cicero«  Briefe  ad  familiäres 


51)9 


Lediglich  Briefe  Ciceros  an  einen  einzelnen  Adressaten  ent- 
halten die  Bücher  ad  P.  Lentidum,  den  Statthalter  von  Cilicien, 
(fam.  I)  über  die  ägyptischen  Händel  der  Jahre  56 — 54,  mit 
Hinzufügung  eines  Briefs  an  den  Juristen  L.  Valerius,  den  er 
dem  Lentulus  empfiehlt  —  es  ist  klar,  daß  dieser  Brief  nur  von 
Cicero  selbst  hierhergestellt  sein  kann  — ,  und  die  ad  Appium 
Claudium,  seinen  Vorgänger  in  Cilicien  und  Censor  im  Jahre  50 
(fam.  III),  aus  den  Jahren  51  und  50.  In  beiden  Büchern  ist 
die  chronologische  Folge  gewahrt,  nur  daß  III  8  vor  7  stehn 
müßte.  Bezeichnend  ist,  daß  in  III  10,  11  auf  die  Ankündigung 
nunc  ea,  quae  a  me  profecta  quaeque  instüuta  sunt,  cognosce  die 
Ausführung  fehlt,  sondern  der  Text  fortfährt  atqw  haec  agimw 
et  agemris  magis  pro  dignitate  quam  pro  perieub  tuo.  Cicero  hat 
also  in  der  Abschrift  (oder  dem  Entwurf),  die  er  bei  seinen  Akten 
behielt,  dies  Detail  als  irrelevant  weggelassen. 

Die  übrigen  11  Bücher  enthalten  alle  Briefe  an  mehrere 
Korrespondenten1).  Sachlich  zerfallen  sie  in  folgende  Gruppen: 

1.  Drei  Bücher  Briefe  aus  der  Zeit  nach  Caesars  Ermordung 
(X— XII)2).  Lib.  XII,  ad  0.  Gassium  et  ceteros,  enthält  Ciceros  Briefe 
an  Cassius  vom  Mai  44  bis  Ende  Mai  43  (1—10)  und  anschließend 
die  Briefe,  die  dieser  ihm  im  Jahre  43  geschrieben  hat  (11—13), 
sowie  ein  Schreiben  des  Proquaestors  von  Asien  Lentulus  an  Cicero 
und  einen  offiziellen  Bericht  desselben  an  den  Senat  aus  der 
gleichen  Zeit  (14.  15).  Es  folgt  ein  Brief  des  Trebonius  an  Cicero 
vom  25.  Mai  44  (16),  und  dann  Ciceros  Briefe  an  Cornificius, 
den  Statthalter  von  Africa.  aus  den  Jahren  44  und  43  (21—30), 
denen  vier  ältere  Briefe  aus  dem  Jahre  46  vorangesetzt  sind 
(17 — -20).  Die  früheren  Briefe  an  Cassius  und  Trebonius  stehn 
dagegen  in  üb.  XV,  ein  weiterer  an  Trebonius  in  lib.  X.  So  zeigt 
sich  deutlich,  daß  die  Absicht  war,  in  Buch  XII  nur  Briefe 


•)  Ks  ist  denkbar,  daß  die  Bacher  ad  TiHnium,  ad  Hosttiium,  ad 
Caerelliam  ebenso  aassahn. 

*)  In  dieselbe  Zeit  gehören  die  Briefe  an  Hirtius  (die  wohl  47/6 
begannen),  Pansa,  Octarian  (ad  Caesarem  iuniorem)  and  die  an 
seinen  Sohn,  ferner  natürlich  der  Hauptteil  des  Briefwechsels  mit 
Brutus. 


♦ 


600  Beilage  in 

aus  der  Zeit  zusammenzustellen,  wo  Cicero  der  Vertreter  der 
Mörder  Caesars  und  schließlich  der  Regent  der  Republik  war; 
nur  das  Convolut  der  Briefe  an  Comificius  ist  ungetrennt  geblieben. 
Das  gleiche  gilt  von  üb.  XI,  ad  M.1)  Brutwn  et  ceteros.  Den  Anfang 
bildet  ein  Schreiben  des  Decimus  Brutus  an  Brutus  und  Cassius 
vom  16.  März  44,  gleich  nach  der  Mordtat,  und  zwei  offizielle 
Schreiben  dieser  beiden  an  Antonius.  Dann  folgt  Ciceros  Brief- 
wechsel mit  D.Brutus  November  44  bis  Juli  43  (4—26).  Als 
Appendix  sind,  um  sie  irgendwo  unterzubringen,  Ciceros  Brief 
an  Matius  und  dessen  Antwort  (27.  28)  aus  dem  Spätsommer  44 
und  ein  ähnlicher  Brief  an  Oppius  (29)  angefügt.  Buch  X,  ad 
L.  Pkmcum  et  ceteros,  enthält  den  Briefwechsel  mit  Plancus,  dem 
Statthalter  der  Gallia  nova,  aus  derselben  Zeit  (1—24,  darunter 
wieder  ein  offizielles  Schreiben  an  den  Senat  8),  an  den  sich  zwei 
Briefe  an  seinen  Legaten  Furnius  (25.  26)  und  einer  an  Lepidus  (27) 
naturgemäß  anschließen.  Den  Schluß  des  Buchs  bilden  drei  Briefe 
des  Asinius  Pollio,  Statthalters  der  Hispania  Ulterior  (31 — 33), 
und  drei  des  Lepidus  (34. 34a.  35),  die  seinen  Übertritt  zu  Antonius 
vorbereiten  und  entschuldigen.  Dazwischen  sind  versprengt  ein 
Brief  Ciceros  an  Trebonius  Anfang  43  (28)  und  der  Bericht  des 
Galba  über  die  Schlacht  bei  Forum  Gallorum  am  14.  April  43  (30) 
eingefügt,  ferner  seltsamerweise  ein  kurzes  Trostschreiben  an  Appius 
Claudius,  einen  Anhänger  des  Antonius,  das  richtiger  bei  dem  Brief 
an  D.  Brutus  XI 22  stehn  sollte,  wo  Cicero  ihn  diesem  empfiehlt. 

Man  wundert  sich  allgemein,  daß  diese  Briefcorpora  und  ebenso 
die  Brutusbriefe  mit  dem  Ende  Juli  43  abbrechen  und  aus  den 
letzten  Monaten  von  Ciceros  Leben  überhaupt  keine  Briefe  vor- 
liegen«), und  auch  hier  wieder  hat  man  vermutet,  sie  seien  aus 
Rücksicht  auf  Octavian  unterdrückt  worden.  Aber  man  sieht 
den  Wald  vor  Bäumen  nicht.  Die  Briefe  aus  Ciceros  letztem 
Lebensjahr  stammen  aus  der  Zeit,  wo  er  das  anerkannte  Oberhaupt 
der  Republik  war,  und  sind  daher  größtenteils  halb,  manchmal 
sogar  ganz  offizielle  Schreiben,  welche  den  Regenten  des  Staats 

')  So  im  Mediceus.  aber  wohl  Flüchtigkeit  für  D. 
•)  Nur  die  Briefe  an  Octavian  reichten  weiter,  *.  das  Fragment 
S.  545,  8. 


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Ciceros  Briefe  ad  fanailiaie* 


601 


über  die  Ereignisse  unterrichten  und  in  denen  er  zu  ihnen  Stellung 
nimmt  und  seine  Weisungen  gibt.  Aber  im  Juli  43  bricht  seine 
Macht  jäh  zusammen,  mit  Octavians  Marsch  gegen  Rom,  der 
klaglichen  Unterwerfung  des  Senats,  und  seiner  Wahl  zum  Consul 
am  19.  August  sinkt  Cicero  in  volle  Unbedeutendheit  hinab  und 

sein  Leben  bis  zur 
Katastrophe  am  7.  Dezember.  Da  ist  es  nur  natürlich,  daß  seine 
Korrespondenz  mit  dem  Ende  Juli  abbricht;  von  da  an  hatten 
weder  Plancus  und  Asinius  Pollio,  noch  Brutus  und  Cassius  und 
ihre  Genossen  ihm  noch  etwas  zu  schreiben,  und  er  ihnen  auch 
nicht. 

2.  Aus  der  Zeit  der  Monarchie  Caesars  stammen  fam.  IV. 
VI.  VII.  IX1).  Buch  IV,  ad  Servi[li]um  Sutyiciwn  et  ceteros, 
enthält  die  Briefe  an  diesen  aus  den  Jahren  49 — 46  nebst  zwei 
seiner  Schreiben  (5.  12)  und  den  eng  damit  verbundenen  Brief- 
wechsel mit  M.  Marcellus  aus  dem  Jahre  46  (7—11).  Angeschlossen 
ist  ein  gleichzeitiger  Brief  an  Figulus  und  zwei  an  Plancius  (13 — 15). 
Buch  VI,  ad  A.  Torquattm  (et  ceteros),  sammelt  zahlreiche  gleich- 
artige Briefe  aus  dem  Jahre  46  und  45:  an  Torquatus  (1 — 4), 
an  Caecina  (5 — 8),  mit  einem  Schreiben  von  diesem  und  dem 
zugehörigen  Empfehlungsbrief  an  Furfanius  (9),  den  Statthalter 
Siciliens,  an  Trebianus  (10.  11),  an  Ainpius  (12),  an  Ligarius 
(13. 14),  an  Lepta  (18. 19),  an  Toranius  (20.  21),  an  Domitius  (22)«). 
Dazwischen  steht  ein  kurzes,  wahrscheinlich  unmittelbar  nach 
Caesars  Ermordung  geschriebenes  Billett  an  Basilus  (15,  oben 


')  In  diese  Zeit  gehört  auch  der  Brief  an  Caerellia  S.  457,  2.  In  den 
Briefen  an  Atticus  wird  sie  in  dieser  Zeit  wiederholt  erwähnt  (XII  51,  8» 
XHI  21,  5  u.  8.  w.;  ebenso  an  Servilios  Isauricus  fam.  XIII  72  im  J.  46), 
in  der  Rede  des  Fafios  Calenus  bei  Dio  46,  18  Ciceros  Verhalten  zu  ihr 
alK  unsittlich  geschildert.  Dieser  ganze  Passus  geht  auf  Antonius'  Ant- 
wort auf  die  philippischen  Reden  bei  Plut.  Cic.  41  zurück.  —  Der  Brief- 
wechsel mit  Nepos,  der  sich  offenbar  durch  viele  Jahre  hingezogen  hat, 
reichte,  wie  die  erhaltenen  Fragmente  lehren,  bis  Uber  Caesars  Tod 
hinab,  ebenso  der  mit  Axius;  denn  Tiro  hat,  offenbar  beträchtlich  nach 
Ciceros  Tode,  ein  8endschreiben  an  diesen  publiziert,  in  dem  er  Catos 
Rede  für  die  Rhodier  kritisierte  (Gellius  VI  8,  8  ff.). 

")  Vgl.  0.  E.  Schmidt  S.  238.  275. 


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602 


Beilage  HI 


8.  537,  1),  und  ein  kurzer  Briefwechsel  mit  Bithynious,  dem  Statt- 
halter Siciliens,  aus  den  nächstfolgenden  Wochen  (16. 17).  Gleich- 
artig ist  Buch  IX,  ad  M.  Varronem  et  ceteros :  zuerst  acht  Briefe 
an  Varro,  literarischen  Inhalts,  dann  der  Briefwechsel  mit  dem 
Schwiegersohn  Dolabella  aus  den  Jahren  4S-44  (9—14),  dann 
Briefe  an  Paetus  (15—26)  aus  dem  Jahre  46,  nebst  einem  älteren 
aus  dem  Jahre  50  (25)  und  einem  aus  dem  Jahre  43.  Noch  weiter 
zurück  greift  Buch  VII,  ad  M.  Marium  et  oeteros.  Zunächst  vier 
Briefe  an  Marius  aus  den  Jahren  55—46,  dann  die  Briefe  an 
Trebatius  nach  Gallien  im  Jahre  54  und  53  (6—18),  denen  der 
Empfehlungsbrief  an  Caesar  (5)  vorangeht,  und  angeschlossen 
vier  aus  der  Zeit  nach  Caesars  Ermordung  (19—22).  Sodann 
Briefe  an  Fadius  Gallus  aus  den  Jahren  46  und  45  (24—27)  nebst 
einem  älteren  (23),  drei  Briefe  an  Curius  und  einer  von  diesem 
aus  der  caesarischen  Zeit  (28—31),  zwei  Briefe  an  Volumnius 
aus  den  Jahren  50  und  46.  In  diesen  vier  Büchern  sind  also 
Ciceros  von  ihm  bewahrte  Briefe  oder  Briefkonzepte  aus  der 
caesarischen  Zeit  gesammelt,  einige  ältere  und  jüngere,  sowie 
die  wichtigsten  Schreiben  der  Adressaten  hinzugefügt;  dagegen 
liegt  hier  nicht,  wie  in  der  ersten  Giuppe,  die  vollständige  gegen- 
seitige Korrespondenz  vor. 

3.  Aus  Ciceros  Pioconsulat  stammt  Buch  XV,  ad  senatum 
et  cetero8.  An  zwei  offizielle  Schreiben  an  den  Senat  schließen 
sich  völlig  sachgemäß  die  Schreiben  an  Cato,  in  denen  er  diesen 
über  seine  Lage  genauer  unterrichtet  und  ihn  für  den  .Triumph 
zu  gewinnen  sucht,  nebst  dem  Antwortschreiben  Catos  (3 — 6); 
sodann  die  Gratulationsschreiben  an  die  neu  gewählten  Consuln 
L.  Paullus  und  Garns  Marcellus  nebst  seinem  Vater  und  seinem 
Vetter  Marcus1)  (7 — 13).  Dann  folgt,  ebenfalls  hierher  gehörig, 
ein  Brief  an  Cassius  nach  Syrien;  an  diesen  sind  dann  die  ihm 
in  caesarischer  Zeit  geschriebenen  Briefe  nebst  einer  seiner  Ant- 
worten angefügt  (15—19)*),  und  daran  reihen  sich  zwei  Briefe 

')  Die  Briefe  an  diesen  au«  dem  Jahre  46  stehn  dagegen  in  lib.  IV, 
s.  oben  S.  601. 

*)  Die  15,  4  erwähnten  Briefe  des  Cassini  dagegen  sind  nicht  er- 
halten. 


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Cioeros  Briefe  ad  familiäres  (503 

an  Trebonius  aus  derselben  Zeit  (20.  21)1).  Deutlich  erkennt  mau, 
von  welchen  Gesichtspunkten  der  Sammler  sich  leiten  ließ:  die 
Briefe  aus  dem  Proconsulat  bilden  den  Grundstock,  an  den  letzten 
Adressaten  sind  einige  andre  interessante  Briefe  angefügt,  die 
für  ein  selbständiges  Buch  zu  wenig  waren  und  sich  anderswo 
nicht  gut  unterbringen  ließen.  Denn  der  Briefwechsel  mit  Cassiufl 
und  Trebonius  aus  der  Zeit  nach  Caesars  Ermordung  war  in  die 
für  diese  Zeit  bestimmte  Sammlung  aufgenommen  (oben  S.  599). 

Die  Ergänzung  zu  diesem  Buch  bildet  Buch  II,  ad  Curionem 
[consulem]  et  ceteros.  Zunächst  Briefe  an  Curio  wahrend  seiner 
Quaestur  in  Asien  im  Jahre  53  (1 — 6)  und  ein  Gratulationsbrief 
aus  Cilicien  nach  seiner  Wahl  zum  Tribunen  (7,  Ende  51),  der  ihn 
zu  richtigem  Verhalten  mahnt:  er  solle  nur  sich  selbst  folgen. 
Dann  folgen  die  Antworten  auf  die  Berichte,  die  Caelius  ihm  nach 
Cilicien  schickt  (7—15),  nebst  einem  späteren  Brief  Anfang  Mai  49 
(16,  Antwort  auf  VIII  16).  Den  Schluß  bilden  die  Schreiben  an 
die  Quaestoren  Cn.  Sallustius  (oben  S.  164, 1)  und  Coelius  Caldus 
und  an  den  Propraetor  von  Asien  Minucius  Thermus  aus  dem 
Jahre  50  (17—19). 

Aus  dem  Proconsulat  stammen  ferner  die  schon  besprochenen 
Briefe  an  Appius  Claudius  (III)  und  die  Briefe  des  Caelius  (VIII). 

4.  Eine  Sonderstellung  nimmt  endlich  Buch  V  ein,  ad  Q. 
Meteilum  et  ceteros.  Die  Sammlung  erstreckt  sich  vom  Jahre  62 
bis  zu  Caesars  Ermordung,  also  über  18  Jahre,  und  die  21  Briefe 
verteilen  sich  auf  nicht  weniger  als  13  verschiedene  Korrespon- 
denten. Zum  TeU  sind  es  auserlesene  Stücke  von  höchstem  In- 
teresse, wie  der  Brief  an  Pompejus  vom  Jahre  62  (7),  der  an  Crassus 
vom  Jahre  54  (8),  an  C.  Antonius  vom  Jahre  62  (5),  der  Brief- 
wechsel mit  Metellus  Celer  vom  Jahre  62  (1.2),  mit  Metellus 
Nepos  vom  Jahre  57/6  (3.  4),  der  Brief  an  Luccejus  vom  Jahre  56, 
in  dein  er  ihn  bittet,  eine  Schrift  über  sein  Consulat  zu  schreiben 
(12),  an  den  dann  ein  Briefwechsel  zwischen  beiden  aus  dem 
Jahre  45  anschließt  (13—15),  ferner  so  rare  Stücke  wie  der  Brief 

*)  Daß  Brief20  Ende  46  geschrieben  ist,  nicht  im  April  44,  wie  die  Heraas- 
geber angenommen  haben,  hat  Mommsen,  Hermes  28, 604  =  Ges.  Sehr.  IV 174  ff. 
gezeigt.  Das  hat  Pürsbr  auch  noch  in  der  Oxforder  Ausgabe  abersehn. 


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604 


Beilage  III 


an  Sestius  über  Caesars  Hauskauf  im  Jahre  62  (6),  und  der  Brief 
an  Sittius  (17,  vgl.  oben  S.  17,  1).  Dazu  kommen  dann  einige 
recht  unbedeutende  Briefe,  die  offenbar  aus  stilistischen  Gründen 
aufgenommenen  Trostschreiben  an  Titius  (16)  und  Fadius  (18), 
der  Briefwechsel  mit  Vatinius  aus  dem  Jahre  45  (9 — 11),  die 
Briefe  an  Mescinius  Rufus  aus  den  Jahren  49  und  46  (19 — 21). 
So  kann  dies  Buch  als  eine  Auswahl  interessanter  Briefe  aus 
Ciceros  Nachlaß  bezeichnet  werden,  in  die,  wie  auoh  in  moderner 
Zeit  so  oft,  auch  eine  Nachlese  einiger  unbedeutender  Stücke 
aufgenommen  ist. 

Wenn  somit  das  Verfahren  des  oder  der  Herausgeber  der 
einzelnen  Sammlungen  klar  genug  ist,  so  ist  es  müßig,  weiter 
nach  dem  Namen  desselben  zu  fragen,  so  nahe  es  liegt,  an  Tiro 
zu  denken.  Nur  das  sei  noch  einmal  betont,  daß  von  einer  Aus- 
wähl  aus  einer  größeren  Publikation,  sei  es  nach  stilistischen, 
sei  es  nach  historischen  Gesichtspunkten,  bei  den  auf  uns  ge- 
kommenen Sammlungen  nicht  die  Rede  sein  kann.  Soweit  sie 
sich  überhaupt  erhalten  haben,  besitzen  wir  sie  vollständig  so, 
wie  sie  die  Originalausgabe  veröffentlicht  hat. 

Überblicken  wir  schließlich  den  Gesamtbestand  der  Briefe, 
so  zeigt  sich,  daß,  wie  zu  erwarten  war,  ganz  wie  in  den  modernen 
Parallelen,  vor  allem  bei  Goethe1),  die  große  Masse  den  letzten 
Lebensjahren  entstammt.  Sie  setzt  mit  dem  Proconsulat  ein; 
vorher  liegt,  da  hier  auch  der  Briefwechsel  mit  Atticus  und  mit 
dem  Bruder  versagt,  sogar  eine  fast  vollständige  Lücke  von  zwei- 
einhalb Jahren  (Januar  53  bis  Mai  51,  oben  S.  207).  Aus  seiner 
Entwicklungszeit  und  den  Anfängen  seiner  Laufbahn  bis  zum 
Jahre  67  ist  kein  einziger  Brief  erhalten.  Wenn  wir  von  den 
Briefen  an  Atticus  und  an  den  Bruder  absehn,  reichen  über  das 
Proconsulat  hinaus  die  Briefe  an  Curio  aus  dem  Jahre  53  (Hb.  II), 
die  in  den  Jahren  55  und  54  beginnenden  Briefe  an  Marius  und 
an  Trebatius  in  üb.  VII  (sowie  vielleicht  der  Brief  an  Fadius  Gallus 
VII  23),  das  Briefbuch  an  Lentulus  (I),  die  Briefe  an  Terentia 
aus  dein  Exil  XIV  1 — 4,  und  einige  Empfehlungsbriefe  in  lib.  XIII. 

')  Eine  Ausnahme  bildet  Bismarck,  der,  seitdem  er  Minister  ge« 
worden  war,  immer  weniger  zum  Briefschreiben  gekommen  ist. 


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Ciceros  Briefe.  Gesamtbe^Uind 


605 


In  noch  frühere  Zeit,  bis  zum  Jahre  62,  geht  nur  eine  Anzahl  der 
auaerlesenen  Briefe  in  lib.  V  zurück,  dessen  Sonderstellung  auch 
darin  ganz  augenfällig  hervortritt.  An  dieser  Sachlage  würde 
sich  auch  nicht  viel  ändern,  wenn  die  verlorenen  Bücher  auf  uns 
gekommen  wären.  Denn  bis  über  die  Mitte  der  fünfziger  Jahre 
kann  auch  der  Briefwechsel  mit  Calvus,  und  vielleicht  der 
mit  Axius  und  mit  Nepos,  nicht  hinaufgeragt  haben1).  Der  Brief- 
wechsel mit  Brutus  wird  erst  in  Ciceros  Proconsulat  eingesetzt 
haben,  als  Atticus,  der  Mittelsmann  zwischen  beiden,  Cicero 
drängte,  sich  der  Schuldforderungen  des  Brutus  anzunehmen. 
In  diese  Zeit  gehören  die  Brieffragmente,  in  denen  Cicero  von 
seinem  Verhältnis  zu  Appius  Claudius,  dem  damaligen  Schwieger- 
vater des  Brutus,  an  diesen  schreibt  (oben  S.  162,  5).  — 

Was  die  Humanisten,  vor  allem  Paulus  Manutius,  und  ihre 
Nachfolger  durch  liebevolle  Versenkung  in  den  Schriftsteller  zur 
Aufhellung  des  Textes  und  zur  Erschließung  des  Verständnisse» 
geleistet  haben  —  und  das  ist  trotz  gar  mancher  Verirrungen 
und  überfeiner  Kombinationen  nicht  wenig  — ,  findet  sich  bequem 
in  Wielands  vorzüglicher  Übersetzung  (1808  ff.)  verwertet. 
Das  neunzehnte  Jahrhundert  ist  dann  über  sie  vielfach  hinaus- 
gekommen, sowohl  in  der  Konstituierung  des  Textes  —  bei  der 
bekanntlich  wie  so  vielfach  in  der  Philologie  des  letzten  Jahr- 
hunderts die  Einquellenhypothese  in  der  Handschriftenfrage 
lange  Zeit  verhängnisvoll  gewirkt  hat  — ,  wie  in  der  Interpretation. 
Bahnbrechend  war  vor  allem  Mommsens  Aufdeckung  der  Blatt- 
versetzungen im  zweiten  Buch  der  Briefe  an  den  Bruder  und  im 
vierten  der  Briefe  an  Atticus*).  Von  den  Neueren  haben  in  erster 
Linie  die  Arbeiten  0.  E.  Schmidts  und  Sternkopfs  reiche 
Förderung  gebracht.  Die  große  kommentierte  Ausgabe  sämtlicher 
Briefe  in  chronologischer  Ordnung  von  Tyrrell  und  Purser3) 


')  Auch  die  Briefe  an  Caerellia  gehören  erst  in  die  letzte  Zeit 
(vgl.  S.  601.  1).  Die  Briefe  an  den  Bankier  Axius  mögen  früher  begonnen 
haben;  in  der  Korrespondenz  mit  Atticus  erscheint  er  schon  I  12,  1. 

»)  Ztechr.  f.  Altertumsw.  1844  und  1845  =  Ges.  Sehr.  VII. 

*)  The  correspondence  of  M.  Tullius  Cicero,  by  Ttrrbll  and  Purser, 
7  vol.,  1884  ff.,  2.  Aufl.  1904  ff. 


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Beilage  1? 


verdient  dagegen,  so  wenig  sie  im  berücksichtigt  bleiben  kann, 
das  Lob  kaum,  mit  dem  sie  überschüttet  wird.  Bs  fehlt  an 
energischem  Zugreifen;  nur  zu  oft  versagt  sie  bei  Einzelheiten 
ganz,  und  vor  allem  vermißt  man  eine  wirklich  in  die  Tiefe 
dringende,  umfassende  geschichtliche  Auffassung;  mit  den  Ein- 
leitungen und  Anmerkungen  Wielands  halt  ihr  Werk  den  Ver- 
gleich nicht  aus.  In  der  Oxforder  Ausgabe  der  Briefe  von  Purser 
sind  manche  Mißgriffe  verbessert,  aber  wirklich  ausreichend  ist 
sie  auch  nicht1).  0.  E.  Schmidt  und  Sternkopf  sind  weit 
tiefer  eingedrungen  und  viel  weiter  gekommen.  Eine  wirklich 
den  idealen  Anforderungen  entsprechende  kommentierte  Ausgabe 
könnte  nur  ein  philologisch  gründlich  geschulter  Historiker 
schaffen,  der  dies  geschichtliche  Material  ersten  Ranges  auf  Grund 
voller  Versenkung  in  die  Zeit  und  ihre  Bedingungen  und  mit 
lebendigstem  Einblick  in  alle  in  der  geschichtlichen  Entwicklung 
wirksamen  Kräfte  bis  ins  einzelnste  erläutern  würde. 


Beüage  IV 

Die  Quellen 

Wie  für  die  ersten  beiden  Generationen  der  Revolutionszeit 
und  überhaupt  die  ganze  Epoche  vom  Ende  des  Polybios  bis  auf 
Tacitus,  ist  auch  für  die  ciceronische  Zeit  von  den  grundlegen- 
den Geschichtswerken  fast  nichts  auf  uns  gekommen.  Erhalten 
sind  uns,  mit  Ausnahme  von  Caesar  und  8allust,  nur  Schriftsteller, 
die  das  Material  aus  dritter  oder  vierter  Hand  haben;  und  dabei 
sind  natürlich  Entstellungen  und  Irrtümer  unvermeidlich.  Ab- 
gesehn  von  einfachen  Flüchtigkeiten,  sind  sie  vielfach  durch  das 
Streben  veranlaßt,  die  Vorlage  kurz  zusammenzufassen.  Der- 
artiges ist  namentlich  bei  Appian  ganz  gewöhnlich,  wenn  auch 


>)  So  sind  nicht  einmal  die  Zitate  au*  den  Briefen  in  der  antiken 

Literatur  vollständig  aufgenommen. 


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Die  Quellen.    Appian  and  Plutarch  t)07 


in  dieser  Zeit,  eben  weil  er  hier  viel  ausführlicher  wird,  nicht 
so  häufig  wie  in  den  anderen  Abschnitten  seines  Werkes1).  Dazu 
kommt  dann  seine  alles  Maß  übersteigende  Unwissenheit,  die  ihn 
mitunter  zu  den  naivsten  Kombinationen  veranlaßt1).  Nur  um 
so  deutlicher  tritt  demgegenüber  die  Vortrefflich keit  des  Materials 
hervor,  das  die  Vorlage,  die  er  ausschreibt,  in  selbständiger  Auf- 
lassung gestaltet  hat;  und  im  allgemeinen  muß  man  anerkennen, 
daß  er  hier  wie  sonst  nicht  ungeschickt  exzerpiert  hat. 

Auch  bei  Plutarch  fehlt  es  durchaus  nicht  an  solchen  Ver- 
sehen, entstellenden  Kürzungen  und  Auslassungen*).  Als  Schrift- 
steller steht  er  natürlich  auf  einem  ganz  anderen  Niveau  als 
Appian,  und  wenn  er  auch  der  Aufgabe  nicht  gewachsen  ist,  die 
gewaltigen  Staatsmänner  und  Feldherrn,  deren  Leben  er  erzählt, 
in  den  großen  Weltverhältnissen,  in  denen  sie  sich  bewegen,  richtig 
zu  erfasse)],  sondern  sie  kleinbürgerÜoh  anschaut  und  danach 
sein  ethisches  Urteil  fällt4),  so  hat  er  doch  durch  die  geschickte 
Auswahl  und  Gruppierung  der  Tatsachen  und  durch  die  Form 
semer  Darstellung  fesselnde  Lebensbilder  geschaffen,  die  ihre  Wir- 
kung immer  geübt  haben  und  weiter  üben  werden. 

Wie  überall,  hat  Plutarch  auch  in  den  zahlreichen  Biographien 
aus  der  hier  behandelten  Zeit  neben  den  umfassenden  Gesohichts- 
werken  anderweitige  Literatur  herangezogen,  vor  allem  bio- 
graphische Schriften.    So  ist  für  sein  Leben  des  jüngeren  Cato 

»)  80  8.  67,  8.  69,  4.  72,  2.  87.  1.  117,  1.  154,  8.  206,  5.  288,  1. 
265,  2.  274,  8.  295,  6.  528,  4.  586,  2. 

«)  80  in  dem  hier  behandelten  Zeitraum  S.  148,  1.  Um  ein  rich- 
tiges Urteil  Ober  Appian  and  seine  Quellen  zu  gewinnen  ,  ist  es  vor 
allem  notwendig,  alle  die  Stellen  im  Auge  zu  behalten,  an  denen  er 
eigene  Vermutungen  vorbringt  und  seine  Unwissenheit,  im  Gegensatz  zu 
den  oft  vortrefflichen  Angaben  »einer  Quelle,  klar  zutage  tritt.  Eine 
Zusammenstellung  derselben  wäre  sehr  willkommen. 

*)  80  8.  27,  1.  88,  1.  68.  1.  69,  3.  75.  2.  98,  1.  182,  1.  170,  2.  226,  8. 
238,  1.  272,  1.  280,  1.  282,  8.  284,  1. 

*)  Vgl.  S.  127,  2  und  dem  gegenüber  das  verständige  Urteil  CU>er 
Crassus'  Feldsug  gegen  die  Parther  S.  174.  1.  Die  Entstellung  der 
Nachrichten  zugunsten  Caesars  S.  22  A.  (unter  Einwirkung  Sallusts), 
96  A.  und  Ciceros  S.  98,  1  geht  dagegen  wohl  schon  auf  die  von  ihm 
benutzte  Quelle  zurück. 


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(308 


Beilage  IV 


die  Biographie  Thraseas  die  Hauptquelle,  die  wieder  die  ältere 
Biographie  des  Munatius  benutzt1);  für  das  Ciceros  eine  Bio- 
graphie, in  der  neben  Ciceros  Sohriften  vor  allem  auch  die  Tiros 
verwendet  ist;  die  große  Einlage  der  dieta  Ciceronis  c.  24—27 
geht  direkt  oder  indirekt  auf  diesen  zurück2).  Für  die  sich  überall 
ergänzenden  Biographien  des  Pompejus,  Craasus  und  Caesar  und 
für  große  Abschnitte  der  übrigen  hat  Plutarch  dagegen  ein 
umfassendes  Geschiohtswerk  ausgezogen,  und  zwar  bekanntlich 
dasselbe,  das  auch  Appian  exzerpiert;  im  weitesten  Umfang 
stimmt  er  mit  diesem  inhaltlich  und  oft  auch  wörtlich  übereiL»). 
Diese  Übereinstimmung  reicht  in  einzelnen  Abschnitten  weit  über 
die  caesarische  Zeit  hinaus;  sie  findet  sich  ebenso,  neben  andern 
stark  abweichenden  Stücken,  in  der  Gracohenzeit*),  im  mithri- 
datischen  Krieg,  in  der  Erzählung  von  Hannibals  Unterredung 
mit  Scipio  und  seinen  letzten  Schicksalen5).  Schon  dadurch  ist 
ausgeschlossen,  daß,  wie  man  eine  Zeitlang  geglaubt  hat,  Strabo 
oder  gar  Asinius  Pollio  diese  Quelle  wäre*).  Diese  immer  wieder 
auftauchende  Meinung  wird  weiter  daduroh  widerlegt,  daß  die 
Quelle  mehrfach  arge  Fehler  begangen  hat,  so  daß  Pompejus  im 


')  8.  485,  3. 

*)  Zitiert  wird  Tiro  c.  41  und  49;  aber  die  Art  der  Anführung 
zeigt,  wie  Leo,  Griech.-röm.  Biographie  168  ff.  mit  Recht  betont,  daß  er 
nicht  etwa  die  Vorlage  Plutarch*  ist  (wenn  auch  auf  ihn  gewiß  noch 
viel  mehr  zurückgeht).  Ein  Name  für  die  biographische  Hauptquelle 
laßt  sich  nicht  ermitteln;  man  könnte  an  Nepos  denken. 

*)  So  z.  B.  S.  38,  1.  68,  1.  78,  2.  113,  7.  144,  1.  172.  2.  281,  1. 
246,  1.  250,  8.  450,  2.  529,  2  und  an  zahlreichen  anderen  Stellen. 

*)  Siehe  meine  Untersuchungen  zur  Gesch.  der  Gracchen  (Kleine 
Schriften  S.  897  ff.). 

»)  Appian  8yr.  10  f.  =  Plut.  Tit.  21  und  Pvrrh.  8,  wonach  er  das 
gleiche  auch  im  Üben  Scipios  erzählte.  Die  Ansicht  Nisssns,  das  Ge- 
spräch zwischen  Scipio  und  Hannibal  (das  bekanntlich  auch  Livius 
35,  14  aus  Claudius  entlehnt  hat)  gehe  auf  Polybios  zurück,  ist  unhalt- 
bar und  jetzt  von  Hollbadx,  Hermes  48,  1913,  75  ff.  endgültig  wider- 
legt; dessen  Ansicht  freilich,  Scipio  sei  im  Sommer  193  doch  in  Asien 
gewesen,  vermag  ich  nicht  zuzustimmen. 

•)  Daß  Plntarch  die  Angabe  Pollios  nur  durch  Vermittlung  eines 
griechischen  Schriftstellers  kennt,  lehrt  deutlich.  Caes.  46,  s.  S.  845,  2. 


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Die  Quellen.    Appian  and  Plutarch 


609 


Jahre  55  nicht  nur  beide  Spanien,  sondern  auch  Africa  als  Pro- 
vinzen erhalten  habe  (S.  158, 1),  ferner  die  Übertragung  des  Auf- 
tretens eines  Centurionen  bei  Octavians  Forderung  des  Consulats 
im  Jahre  43  auf  Caesar  und  die  Verhandlungen  im  Jahre  50 
(S.  269,  2),  sowie  die  schiefe  Auffassung  der  Volkszählung  Caesars 
in  Rom  (S.  417,  2),  die  sich  allerdings  auch  bei  Dio  findet  und 
vielleicht  bei  Livius  vorkam.  In  der  Erzählung  von  Caesars  Über- 
gang über  den  Rubico  ist  der  Bericht  des  Aainius  Pollio  mit 
Caesars  verfälschter  Darstellung  kontaminiert  (S.  293, 1).  Weiter 
wird  Pollios  Angabe  über  die  Zahl  der  bei  Pharsalos  gefallenen 
Pompejaner  bei  Plutarch  und  Appian  gegeben,  bei  Appian  neben 
den  Zahlen  Caesars  und  anderer1).  Auch  Pollios  Beurteilung 
Ciceros  klingt  bei  Appian  und  Plutarch  durch  (S.  99  A).  Daneben 
ist  Livius  gelegentlich  bei  Plutarch  benutzt  und  zitiert8).  Somit 
liegt  bei  Appian  und  Plutarch  nicht  eine  Primärquelle  zugrunde, 
sondern  eine  abgeleitete  Darstellung,  welche  das  in  den  grund- 
legenden Werken  enthaltene  vortreffliche  Material  meist  umsichtig 
verarbeitet,  aber  dabei  einzelne  Fehler  begeht').  Die  Quelle  ist, 
wie  ja  auch  Appian  ausdrücklich  sagt,  ein  Werk,  das  die  gesamte 
römische  Geschichte  behandelt  hat4).    Einen  Namen  dafür  zu 


')  Es  seien  nnr  6000  Soldaten  gefallen,  die  übrigen  seien  der  au« 
Sklaven  bestehende  Troß  im  Lager  (Plut.  Caes.  46  =  Pomp.  72.  App. 
II  82).  Caesar  civ.  III  99  gibt  ungefähr  15000  gefallene  Pompejaner, 
was  bei  Appian  in  25  000  entstellt  iat.  Ebenso  stammen  bei  Appian 
30  Centurionen  und  200  Soldaten,  die  auf  Caesars  Seite  gefallen  sind 
d>{  Wpotc  ooxti,  x&toi  ucü  oiaxioiot),  aus  Caesar,  den  er  aber  nicht 
zitiert. 

*)  Außerdem  zitiert  er  bekanntlich  den  Nepos  und  Marcell.  30. 
Brut  58  sogar  einen  so  sekundären  Schriftsteller  wie  Valerius  Maximus. 

*)  Aus  derselben  Quelle  stammen  auch  die  Reden,  welche  bei  Ap- 
pian II  50  ff.  Pompejus  und  Caesar  im  Winter  49/8,  vor  Caesars  Über- 
gang nach  Illyrien,  halten;  für  die  Rede  des  Pompejus  sind  wertvolle 
tatsächliche  Notizen  richtig  verwertet  (S.  291,  4.  300,  1.  301  A.)  Ebenso 
in  Caesars  Rede  an  die  Meuterer  II  94  (S.  413,  2)  und  sonst  (S.  415,  5). 
Ferner  die  Reden  des  Octavianus  und  Antonius  III  17.  19  (S.  528,  2). 

*)  Vgl.  Unters,  zur  Gesch.  der  Gracchen,  Kleine  Schriften  897  ff, 
wo  ich  es  indessen  noch  mit  Unrecht  für  denkbar  hielt,  daß  Asinius 
Pollio  die  Quelle  Appians  und  Plutarchs  für  die  Bürgerkriege  sei.  Aber 
Meyer,  Caesar«  Monarchie  89 


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4 


592  Beilage  III 

sein;  doch,  ist  anzunehmen,  daß  auch  bei  dieser  ursprünglichen 
Einteilung  der  Einschnitt  da  lag,  wo  eine  Unterbrechung  der 
Korrespondenz  eingetreten  ist.  Als  sie  dann  später  publiziert 
wurden,  hat  man  sie  der  Bequemlichkeit  wegen  auf  16  Volumina 
(Bücher)  verteilt.  Warnt  diese  Publikation  stattgefunden  hat, 
läßt  sich  nicht  ermitteln.  Daß  das  Schweigen  des  Asconius  über 
die  Absicht,  Gatilina  zu  verteidigen,  nichts  beweisen  kann,  ist 
S.  23  A.  bemerkt,  ebenso,  daß  sie  in  der  historischen  Literatur  von 
Anfang  an  benutzt  sind  (unten  S.  615 f.);  zitiert  werden  sie  seit 
J^neca.  Aber  i/änzlich  unhaltbar  ist  die  weitverbreitete  Ansicht, 
bei  der  Herausgabe  sei  an  ihneu  inhaltlich  etwas  geändert  oder 
ein  Teil  der  Briefe  unterdrückt  worden1).  Man  beruft  sich  dar- 
auf, daß  nach  Nepo3  die  Briefe  „bis  in  die  letzte  Zeit  des  Lebens 
Ciceros"  reichten,  während  sie  Mitte  November  44  abbrechen; 
die  späteren  Briefe  seien  wegen  absprechender  Urteile  über  Octa- 
vian  unterdrückt  worden.  Aber  bei  dieser  für  antike  Anschau- 
ungen ganz  unwahrscheinlichen  Annahme  einer  Oensur*)  —  denn 
der  Verfasser  war  ja  tot  —  hat  man  nicht  nur  übersehn,  daß 
zahllose  Briefe  mit  sehr  bedenklichen  Äußerungen  in  den  andern 
Sammlungen  ruhig  veröffentlicht  waren,  sondern  vor  allem,  daß 
von  da  an  Cicero  und  Atticus  beide  zusammen  in  Rom  lebten, 
daß  also  Cicero  im  letzten  Jahre  seines  Lebens  garkeine  Ver- 
anlassung hatte,  an  Atticas  zu  schreiben.  Wie  Nepos  sich  hier 
ungenau  ausgedrückt  hat,  so  auch  bei  der  Angabe,  die  Briefe  be- 
gännen mit  Ciceros  Consulat.  Bekanntlich  liegen  vielmehr  aus 
Ciceros  Consulat  keine  Briefe  vor  —  damals  war  Atticus  in  Rom  — , 
wohl  aber  einige  aus  den  Jahren  67  (I  3.  5—11),  66  (I  4)  und  66 
(I  1.  2).  Aber  zu  Anfang  stehn  eben  diese  Briefe  aus  dem  Jahre 


')  Die  beiden  in  den  Sammlangen  Baiters  aml  Pursfrs  für  die 
Worte  vectigaliorum  and  proprium  grammatico  accessi  angeführten 
angeblichen  Zitate  ans  den  Briefen  an  Atticas  bei  Charisius  and  Dto- 
medes  beruhen  natürlich  aof  Flüchtigkeit  oder  Konfasion. 

*)  Aaf  diese  Annahme  hat  F.  Lio,  Die  Publikation  Ton  Ciceros 
Briefen  an  Atticus ,  öött.  Nachr.  1895  ,  442  ff. ,  seine  Behauptung  be- 
gründet, weder  die  Briefe  an  Atticas  noch  die  ad  familiäres  hätten  vor 
Tiberius'  Tode  publiziert  werden  können. 


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Cicero«  Briefe  an  Atticna 


593 


65,  in  denen  Cicero  von  den  Aussichten  seiner  Bewerbung  redet, 
und  so  ist  Nodos*  Aussage  erklärlich  genug. 

Nicht  weniger  verkehrt  ist  es,  wenn  man  sich  darüber  wun- 
dert, daß  in  der  Sammlung  keine  Briefe  des  Atticus  stehn,  und 
darin  einen  Beweis  ängstlicher  Vorsicht  sieht,  mit  der  er  sie  unter- 
drückt habe  —  man  hat  an  die  Briefe  der  Frau  von  Stein  er- 
innert. Atticus  hat  die  Briefe  Ciceros  aneinandergeklebt  und 
verwahrt,  seine  eigenen  Briefe  in  die  Rollen  aufzunehmen  hatte 
er  garkeinen  Anlaß.  Die  bewahrte  vielmehr  Cicero  in  der 
gleichen  Weise:  in  den  Nöten  des  Bürgerkriegs  schreibt  er 
ihm  am  18.  März  49  (IX  10,  4):  nam  cum  ad  huno  locwn  ventesem, 
evolvi  volumen  epistularum  tuarum,  quod  ego  ($ub)  signo  haljeo 
8ervoque  düigentissime ,  und  führt  daraus  der  Reihe  nach 
Atticus'  Äußerungen  aus  den  letzten  Monaten  an.  Diese  Briefe 
des  Atticus  später  zu  publizieren  lag  garkein  Anlaß  vor:  das 
Interesse  richtete  sich  ausschließlich  auf  Cicero,  nicht  auf  seinen 
Korrespondenten. 

Als  Cicero  ein  berühmter  Mann  geworden  war,  hat  Atticus 
begonnen,  seine  Briefe  sorgfältig  aufzuheben,  von  der  ersten 
Trennung  der  beiden  Anfang  61  (1  12)  an.  An  den  Anfang  der 
Rulle  ließ  er  stelle*),  was  noch  von  früheren  Briefen  bis  zum 
Jahre  67  hinauf  vorhanden  war;  dabei  hat  man  sich  um  die 
chronologische  Ordnung  nicht  weiter  gekümmert,  und  so  gerieten 
die  beiden  jüngsten  Briefe,  aus  dem  Jahre  65,  an  den  Anfang. 
Fortan  aber  wurden  die  Briefe  regelmäßig  so  aneinandergeklebt, 
wie  sie  eingingen;  nur  ganz  selten  ist  dabei  einmal  eine  Ver- 
tauschung des  Platzes  vorgekommen,  abgesehn  von  den  Briefen 
in  XII  und  XIII. 

Im  übrigen  gliedern  sich  die  Briefe  folgendermaßen: 

1.  Älteste  Briefe  ^67 — 65)  I  1 — 11. 

2.  Briefe  an  Atticus  nach  Epirus  Januar  61  bis  December  60 
I  12—11  3. 

3.  Cicero  geht  im  April  59  aufs  Land  II  4 — 17;  hier  besucht 
ihn  Atticus  am  10.  Mai  auf  der  Reise  nach  Epirus  (II  15,  2.  16,  4. 
17, 1).  Die  Briefe  dorthin  II  18 — 25  (Juni  bis  October  59)  schließen 
unmittelbar  an. 

Meyer,  Ca e-sars  Monarchie  38 


- 


! 

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694  Beilage  HI 

4.  Briefe  Ciceroa  ans  dem  Exil  April  bis  Deoember  57  III 
1—27.  Im  December  reist  Atticua  nach  Epirus  (III  25—27), 
damit  hört  die  Korrespondenz  auf. 

6.  Briefe  Cäeeros  aua  Rom  nach  seiner  Rückkehr  bis  zu  Atticus' 
Heimreise  September  57  bis  Januar  56  IV  1—4.  Cicero  geht  am 
8.  April  56  aufe  Land  (ad  Qu.  fr.  II  5),  kehrt  aber  alsbald  wieder 
nach  Rom  zurück  (8. 139  Anm.);  in  diesen  kurzen  Aufenthalt 
fallt  vielleicht  das  Billett  IV  4  b.  Dann  geht  er  im  Juni  längere 
Zeit  aufs  Land;  hierher  gehört  IV  5—8  (S.  139  Anm.)  Im  nächsten 
Jahre,  55,  geht  er  wieder  Ende  April  aufs  Land:  IV  9—12;  und 
dann  im  November  IV  13.  Im  Mai  54  geht  Atticus  nach  Asien 
und  kehrt  im  November  zurück.    Hierher  gehören  IV  14—19. 

Diese  kleinen  Gruppen  schließen  sich  ganz  natürlich  zu  einer 
Rolle  zusammen,  die  in  Buch  IV  vorliegt. 

6.  Jetzt  folgt  eine  große  Lücke  in  der  Korrespondenz,  da  beide 
Freunde  vom  December  54  bis  April  61  zusammen  in  Rom  leben. 
Wenn  Cicero  auch  in  diesen  Jahren,  woran  nicht  zu  zweifeln  ist, 
aufs  Land  gegangen  ist  und  von  da  aus  an  Atticus  geschrieben 
hat,  so  hat  dieser  die  vermutlich  sehr  kurzen  Billetts  nicht  auf- 
gehoben. 

Die  Korrespondenz  setzt  wieder  ein  mit  Ciceros  Abgang  in 
die  Provinz  Anfang  Mai  51  und  reicht  bis  zu  seiner  Rückkehr 
nach  Rom  (oder  vielmehr  Formiae)  Ende  December  50:  V  1 
bis  VII  9. 

7.  Daran  schließen,  mit  kurzer  Unterbrechung,  die  Briefe 
aus  dem  Bürgerkrieg  vom  Weggang  aus  Rom  am  Morgen  des 
18.  Januar  49  bis  zur  Rückkehr  aus  Brundisium  Anfang  Sep- 
tember 47:  VTI  10 — XI  25.  Hier  sind  die  letzten  Briefe  un- 
geordnet eingereiht,  die  richtige  Ordnung  ist:  XI  18.  25.  23.  19. 
24.  20.  21.  22. 

8.  Im  Gegensatz  zu  allen  übrigen  Briefen  liegen  die  aus  der 
caesarischen  Zeit  (April  46  bis  December  45)  nicht  nur  in  völlig 
ungeordnetem  Zustande  vor,  sondern  sind  in  den  Handschriften 
überhaupt  nicht  voneinander  geschieden  oder  durch  die  Adresse 
getrennt,  sondern  fortlaufend  geschrieben.  Um  die  Zerlegung  in 
die  einzelnen  Briefe  und  die  chronologische  Anordnung  bat  sich, 


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Cit-eros  Briefe  an  Atticus 


595 


nach  dem  Vorgang  von  Th.  Sohiohe,  0.  £.  Schmidt  die  größten 
Verdienste  erworben1);  über  manche  Einzelheiten  wird  natürlich 
niemals  volle  Sicherheit  erlangt  werden  können. 

Die  Eonfusion  mag  bei  der  Publikation  und  in  den  Abschriften 
gesteigert  sein,  namentlich  durch  Weglassung  der  Überschriften, 
die  ja  auch  sonst  nicht  selten  vorkommt  und  dazu  geführt  hat, 
daß  gelegentlich  mehrere  Briefe  in  den  Handschriften  als  Einheit 
erscheinen;  aber  in  der  Hauptsache  muß  sie  schon  im  Original 
vorhanden  gewesen  sein.  Man  wird  annehmen  müssen,  daß 
Atticus  die  zahlreichen,  vielfach  sehr  kurzen  Briefe  aus  dieser 
Zeit  zunächst  nicht  sorgfältig  aufgehoben  hat,  und  sie  dann 
später,  zum  Teil  vielleicht  schon  zu  kleinen  Konvoluten  zu- 
sammengefaßt, zu  Rollen  zusammenstellen  ließ,  wobei  die  zeit- 
liche Folge  noch  weniger  berücksichtigt  wurde,  als  bei  den  elf 
ältesten  Briefen. 

9.  Den  Abschluß  bilden  die  Briefe  aus  dem  Jahre  44  (7.  April 
bis  Ende  November),  Buch  XIV— XVI.  Während  sonst  die 
chronologische  Ordnung  festgehalten  ist,  ist  ein  kurzes  Billett, 
mit  dem  Cicero  ihm  Anfang  Juli  sechs  Briefe  zusendet,  in  denen 
er  sich  für  Atticus*  Besitzungen  in  Buthrotum  verwendet  (vgl. 
S.  494),  an  den  Schluß  gestellt,  also  nachträglich  hinzugefügt. 

Wenn  wir  von  diesen  neun  Gruppen  die  beiden  ersten  zu- 
sammenfassen und  annehmen,  daß  die  großen  Gruppen  6.  7.  9 
je  zwei  volumina  bildeten,  ergeben  sich  die  elf  wlumina,  von 
denen  Nepos  redet,  ohne  Schwierigkeil.  Bei  der  Publikation 
sind  sie  dann  noch  weiter  zerlegt  worden. 

Ähnlich  wie  mit  den  Briefen  an  Atticus  liegt  es  mit  denen 
an  den  Bruder;  sie  müssen  aus  dessen  Nachlaß  stammen.  Quintus 
hat  von  den  Briefen,  die  er  während  seiner  Statthalterschaft  in 
Asien  und  dann  aus  dem  Exil  von  seinem  Bruder  erhielt,  nur 
die  wichtigsten  aufgehoben,  je  zwei  (I  1—4),  alle  sehr  umfang- 

')  Ciceros  Briefwechsel  S.  437  ff.,  mit  einer  Neuausgabe  der  beiden 
Bücher.  Er  weist  auch  nach,  wie  die  herkömmliche  Einteilung  und  Zah- 
lung  der  Briefe  im  sechzehnten  Jahrhundert  schrittweise  eingeführt  und 
1580  dnrch  Simko  Bosiu«  zum  Abschluß  gebracht  ist,  aber  garkeine  Ge- 
wahr besitzt. 


4 


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596  Beilage  III 

reich.  Sorgfältiger  hat  er  dann  die  Briefe  bewahrt,  die  er  von 
ihm  erhielt,  als  er  Legat  des  Pompejus  (II  1—6,  December  57 
bis  Mai  56,  vgl.  S.  139  Anm.)  und  dann  vom  Jahre  55  an  Legat 
Caesars  war  (II  7— III  9).  Wenn  sie  bereits  mit  dem  December 
54  abbrechen,  obwohl  er  bis  zu  Cioeros  Prooonsulat  in  Caesars 
Diensten  blieb  (bell.  Gall.  VII  90),  und  von  späteren  Briefen  keine 
Spur  erhalten  ist,  so  werden  diese  bei  der  Katastrophe  des 
Quintus  und  seiner  Familie  bei  den  Proskriptionen  zugrunde 
gegangen  sein.  Was  sich  erhalten  hat,  ist  dann  publiziert  worden, 
ob  von  Tiro  oder  von  wem  sonst,  läßt  sich  nicht  sagen. 

In  derselben  Weise  sind  die  Briefe  an  Tiro  von  diesem  ge- 
sammelt und  veröffentlicht:  zu  Anfang  stehn  die  vom  November 
50  bis  Februar  49,  als  Tiro  krank  in  Griechenland  zurückgebheben 
war  (XVI  1—12),  dann  folgen  ein  paar  ältere  (1&— 16),  zum 
Schluß  die  aus  der  letzten  Zeit  (17—27);  auch  ein  paar  Briefe 
des  Quintus  und  des  Sohns  hat  er  aufgenommen  (8. 16. 21. 25 — 27). 
Ebenso  stammen  die  Briefe  an  Terentia  aus  dem  Exil  (XTV  1 — 4) 
und  aus  dem  Bürgerkrieg  (5 — 24,  schlecht  geordnet)  aus  deren 
Besitz  und  sind  vielleicht  von  Tiro  gesammelt  und  publiziert. 

Die  Briefe  an  den  Redner  und  Dichter  Licinius  Calvus,  offen  - 
bar  im  wesentlichen  literarischen  Inhalts,  sind,  wie  Ciceros  Brief 
an  Trebonius  XV  21,  4  aus  dem  Herbst  47  lehrt,  nach  Calvus* 
Tode,  also  schon  bei  Lebzeiten  Ciceros,  veröffentlicht  worden, 
woran  dieser,  wenn  er  auch  seine  Einwilligung  dazu  nicht  ge- 
geben hatte,  doch,  wie  seine  Äußerung  zeigt,  ernstlichen  Anstoß 
nicht  genommen  hat1). 

Ganz  anders  liegt  es  bei  den  übrigen  auf  uns  gekommenen 
Briefsammlungen:  sie  stammen  aus  Ciceros  Nachlaß,  und  ebenso 
offenbar  die  Briefwechsel  mit  Octavian,  Hirtius  und  Pansa2). 


')  ego  illas  Calw  Uiteras  misi,  twn  plus  quam  hm,  quas  nunc 
legis,  existimans  exituras;  aliier  enim  soribimus,  quod  eos  soloa, 
quibus  mitHmus,  aliler  quod  multos  lecturos  putamus. 

*)  Die  Briefe  an  Nepoa  und  Axius  mögen  ans  deren  Besitz  veröffent- 
licht sein,  ebenso  die  an  Caerellia  und  gewiß  die  an  seinen  Sohn  nach 
Athen.  Über  die  Briefe  an  Titinios  und  Hostiliua  läßt  sich  garnicbU 
sagen. 


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Ciceros  Briefe  aus  den  Sammlungen  Anderer 


597 


Wie  die  Briefe  des  Atticus  hat  Cicero  auch  andere  wichtige  Korre- 
spondenzen in  Rollen  gesammelt  und  bewahrt,  während  andere 
Briefe  vereinzelt  oder  etwa  in  kleinen  Convoluten  aufbewahrt 
wurden.  Im  Jahre  45  hat  Tiro  ihm  den  Wunsch  angedeutet,  er 
möge  auch  seine  Briefe  in  Sammebollen  aufheben1).  Natürlich 
bewahrte  er  in  derselben  Art  auch  die  wichtigeren  eigenen  Briefe 
im  Konzept2)  oder  in  einer,  meist  wohl  von  Tiro  gefertigten, 
Kopie3),  ganz  wie  es  in  der  Gegenwart  und  überhaupt  zu  allen 
Zeiten  geschieht  — ■  in  der  Sorgfalt,  mit  der  man  dabei  zu  Werke 
geht,  unterscheiden  sich  natürlich  wie  jetzt  so  auch  damals  die 
einzelnen  Persönlichkeiten.  Nichts  war  natürlicher,  als  daß  diese 
eigenen  Briefe  dann  mit  denen  der  Korrespondenten  zusammen- 
gelegt und  zu  einem  volumen  verbunden  wurden.  In  dieser  Gestalt 
liegt  uns  der  Briefwechsel  mit  Brutus  vor :  die  Briefe  von  Brutus 
ptehn  zwischen  denen  Ciceros  meist  eben  an  der  Stelle,  wo  sie 
eingetroffen  sind,  und  daher  vor  ihrer  Beantwortung,  aber  oft 
nach  einem  erst  später,  aber  vor  ihrer  Ankunft  geschriebenen 


')  XVI  17  video  quid  agas:  tuas  quoque  epistolas  vis  referri  in 
Volumina.  Die  Stelle  ist  oft  falsch  verstanden ;  offenbar  hat  Tiro  in  einer 
philologisch-stilistischen  Frage  auf  eine  frühere  Äußerung  verwiesen 
nnd  Cicero  nahegelegt,  diese  Briefe  wieder  nachzusehn.  Mit  der  Samm- 
lang der  Briefe  Ciceros  hat  diese  Äußerung  garnichts  zu  tun.  —  Für 
die,  übrigens  keineswegs  sichere,  Datierung  des  Briefs  s.  0.  E.  Schmidt 
8.  368. 

*)  So.  wie  Bardt  erkannt  hat,  den  Brief  an  Crassus  V  8  in  doppelter 
Fassung,  s.  S.  169,  1. 

s)  ad  Qu.  fr.  II  10,  5 :  als  ein  Brief  an  Caesar  nach  Baibus'  Mitteilung 
durch  Feuchtigkeit  verwischt  angekommen  ist,  itaque  postea  mUi  ad 
Caesarem  eodem  Mo  exemplo  liiieras.  Ebenso  im  Jahre  45  an  Fadius 
(iallus  VII  25  quod  epistulam  conscissam  doles,  noli  laborare,  salva 
est;  domo  petes,  cum  libebit  (das  ist  wahrscheinlich  der  Brief  VII  24). 
Ferner  ad  Att.  XIII  6,  3  quod  epistulam  meam  ad  Brutum  poscis 
non  habeo  eius  exemplum;  sed  tarnen  salvum  est  et  ait  Tiro  ie  ha- 
bere oportere,  et,  ut  recordor,  una  cum  iüa  obiurgatoria  tibi  meam 
quoque,  quam  ad  eum  rescripseram ,  misi.  Bekanntlich  hat  Cicero 
vielfach  eigene  und  fremde  Briefe  an  Atticus  geschickt,  die  uns  so  er- 
halten sind,  gelegentlich  sogar  doppelt,  wenn  sie  zugleich  in  ad  fam. 
ptehn. 


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598 


Beilage  III 


Brief;  verstellt  ist  I  4,  und  nachträglich  eingefügt  die  beiden 
zusammengehörigen  Briefe  an  Cicero  and  an  Atticus  1  16.  17. 

Eine  Sonderstellung  nimmt  das  Buch  der  Briefe  des  Caelius 
an  Cicero  ein  (fam.  VIII),  das  in  den  Handschriften  fälschlich 
als  M.  Tutti  Cic.  epistidarwn  ad  M.  CaeUum  bezeichnet  wird. 
Es  enthält  lediglich  Briefe  des  Caelius.  Es  ist  begreiflich,  daß 
Cicero  die  für  ihn  äußerst  wertvollen  Berichte,  die  dieser  ihm 
während  seines  Proconsulats  schickte,  sorgfältig  bewahrte1), 
getrennt  von  seinen  Antworten,  und  dann  die  drei  Briefe,  die 
Caelius  ihm  im  Bürgerkrieg  geschrieben  hat,  daran  unfügte. 
Seine  eigenen  Antworten  stehn  in  lib.  II.  Daß  Caelius'  Briefe 
aus  Ciceros  Nachlaß  veröffentlicht  sind  und  sich  in  der  Sammlung 
seiner  Korrespondenz  erhalten  haben,  erklärt  sich  nur  aus  dem 
historischen  Interesse,  das  sie  beanspruchen  konnten.  Das  gleiche 
Interesse  betont  übrigens  auch  Nepos  bei  den  Briefen  an  Atticus, 
und  es  ist  ohne  Zweifel,  neben  dem  rein  persönlichen  bei  den 
Briefen  an  Terentia  und  Tiro,  bei  der  Veröffentlichung  seiner 
gesamten  Korrespondenz  das  maßgebende  gewesen;  ein  rein 
literarisch -stilistisches,  wie  z.  B.  bei  Plinius'  Briefen,  hegt  nur 
bei  den  Empfehlungsbriefen  lib.  XIII  vor,  hat  also  sonst  glück- 
licherweise nicht  eingewirkt.  Im  übrigen  ist  es  bezeichnend,  daß 
an  eine  chronologische  oder  sachliche  Ordnung  der  Briefe  niemand 
gedacht  hat;  sie  sind  genau  so  veröffentlicht,  wie  man  sie  im 
Nachlaß  vorfand*). 

')  Dabei  sind  ep.  8 — 10  an  falscher  Stelle  eingefügt;  die  richtig* 
Ordnung  ist  .">.  9.  8.  10.  6.  7.  11.  Solche  Vereehn  kommen  beim  Ordaen 
von  Briefschaften  nur  zu  leicht  vor. 

*)  Parallelen  ans  den  modernen  Publikationen  von  Briefwechseln 
bieten  sich  in  Fülle,  namentlich  bei  Goethe  und  Bismarck.  Besonder* 
instruktiv  sind  die  beiden  Bände  «Kaiser  Wilhelm  I.  und  Bismarck* 
und  „Aus  Bismarck«  Briefwechsel*,  die  1901  als  .Anhang  tu  den  Ge- 
danken und  Erinnerungen*  von  seinem  literarischen  Gehilfen  Horst 
Koni,  auf  Grund  seiner  eigenen  Weisungen  veröffentlicht  sind.  Der 
erste  Band  enthalt  seine  gesamte  Korrespondenz  mit  Kaiser  Wilhelm  1., 
der  zweite  eine  Fülle  der  verschiedensten  Briefe  an  Bismarck,  Hoch 
interessantes  neben  ziemlich  Unbedeutendem,  nebst  einigen  Briefen  Bis- 
marcks. Nur  sind  die  Briefe  hier,  anders  als  bei  Cicero,  streng  chrono 
logisch  geordnet,  ohne  Rücksiebt  auf  die  einzelnen  Korrespondenten. 


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Cicero«  Briefe  ad  familiäres 


599 


Lediglich  Briefe  Oiceros  an  einen  einzelnen  Adressaten  ent- 
halten die  Bücher  ad  P.  Lentulum,  den  Statthalter  von  Cilicien, 
(fam.  I)  über  die  ägyptischen  Händel  der  Jahre  56-^54,  mit 
Hinzufügung  eines  Briefs  an  den  Juristen  L.  Valerius,  den  er 
dem  Lentulus  empfiehlt  —  es  ist  klar,  daß  dieser  Brief  nur  von 
Cicero  selbst  hierhergestellt  sein  kann  — ,  und  die  ad  Appium 
Claudium,  seinen  Vorgänger  in  Cilicien  und  Censor  im  Jahre  50 
(fam.  III),  aus  den  Jahren  51  und  50.  In  beiden  Büchern  ist 
die  chronologische  Folge  gewahrt,  nur  daß  III  8  vor  7  stehn 
müßte.  Bezeichnend  ist,  daß  in  III  10,  11  auf  die  Ankündigung 
nunc  ea,  quae  a  me  profecta  quaeque  imtüuta  sunt,  cognosce  die 
Ausführung  fehlt,  sondern  der  Text  fortfährt  atquc  haec  agimus 
et  agemus  magig  pro  dignitate  quam  pro  periculo  tuo.  Cicero  hat 
also  in  der  Abschrift  (oder  dem  Entwurf),  die  er  bei  seinen  Akten 
behielt,  dies  Detail  als  irrelevant  weggelassen. 

Die  übrigen  11  Bücher  enthalten  alle  Briefe  an  mehrere 
Korrespondenten1).  Sachlich  zerfallen  sie  in  folgende  Gruppen: 

1.  Drei  Bücher  Briefe  aus  der  Zeit  nach  Caesars  Ermordung 
(X— XII)2).  Lib.  XII,  ad  C.  Cassium et  ceteros,  enthält  Ciceros  Briefe 
an  Cassius  vom  Mai  44  bis  Ende  Mai  43  (1—10)  und  anschließend 
die  Briefe,  die  dieser  ihm  im  Jahre  43  geschrieben  hat  (U— 13), 
sowie  ein  Schreiben  des  Proquaestors  von  Asien  Lentulus  an  Cicero 
und  einen  offiziellen  Bericht  desselben  an  den  Senat  aus  der 
gleichen  Zeit  (14.  15).  Es  folgt  ein  Brief  des  Trebonius  an  Cicero 
vom  25.  Mai  44  (16),  und  dann  Ciceros  Briefe  an  Comiflcius, 
den  Statthalter  von  Africa,  aus  den  Jahren  44  und  43  (21 — 30), 
denen  vier  ältere  Briefe  aus  dem  Jahre  46  vorangesetzt  sind 
(17 — 20).  Die  früheren  Briefe  an  Cassius  und  Trebonius  stehn 
dagegen  in  lib.  XV,  ein  weiterer  an  Trebonius  in  lib.  X.  So  zeigt 
sich  deutlich,  daß  die  Absicht  war,  in  Buch  XII  nur  Briefe 


')  Es  ist  denkbar,  daß  die  Böcher  ad  Tiiinium,  ad  HostUium,  ad 
(Jaereüiam  ebenso  aussah n. 

l)  In  dieselbe  Zeit  gehören  die  Briefe  an  Hirtius  (die  wohl  47/6 
begannen),  Pansa,  Octavian  (ad  Gaesarem  iuniorem)  und  die  an 
seinen  Sohn,  ferner  natürlich  der  Hauptteil  des  Briefwechsel*  mit 
Brutus. 


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600 


Beilage  III 


aus  der  Zeit  zusammenzustellen,  wo  Cicero  der  Vertreter  der 
Mörder  Caesars  und  schließlich  der  Regent  der  Republik  war; 
nur  das  Convolut  der  Briefe  an  Cornificius  ist  ungetrennt  geblieben. 
Das  gleiche  gilt  von  üb.  XI,  ad  M.x)  Brutum  et  ceteros.  Den  Anfang 
bildet  ein  Schreiben  des  Decimus  Brutus  an  Brutus  und  Cassius 
vom  16.  März  44,  gleich  nach  der  Mordtat,  und  zwei  offizielle 
Schreiben  dieser  beiden  an  Antonius.  Dann  folgt  Ciceros  Brief- 
wechsel mit  D.  Brutus  November  44  bis  Juli  43  (4—26).  Als 
Appendix  sind,  um  sie  irgendwo  unterzubringen,  Ciceros  Brief 
an  Matius  und  dessen  Antwort  (27.  28)  aus  dem  Spatsommer  44 
und  ein  ähnlicher  Brief  an  Oppius  (29)  angefügt.  Buch  X,  ad 
L.  Plancum  et  ceteros,  enthält  den  Briefwechsel  mit  Plancus,'dem 
Statthalter  der  Gallia  nova,  aus  derselben  Zeit  (1—24,  darunter 
wieder  ein  offizielles  Schreiben  an  den  Senat  8),  an  den  sich  zwei 
Briefe  an  seinen  Legaten  Furnius  (25.  26)  und  einer  an  Lepidus  (27) 
naturgemäß  anschließen.  Den  Schluß  des  Buchs  bilden  drei  Briefe 
des  Asinius  Pollio,  Statthalters  der  Hispania  ülterior  (31—33), 
und  drei  des  Lepidus  (34. 34a.  35),  die  seinen  Ubertritt  zu  Antonius 
vorbereiten  und  entschuldigen.  Dazwischen  sind  versprengt  ein 
Brief  Ciceros  an  Trebonius  Anfang  43  (28)  und  der  Bericht  des 
Galba  über  die  Schlacht  bei  Forum  Gallorum  am  14.  April  43  (30) 
eingefügt,  ferner  seltsamerweise  ein  kurzes  Trostschreiben  an  AppiuB 
Claudius,  einen  Anhänger  des  Antonius,  das  richtiger  bei  dem  Brief 
an  D.  Brutus  XI  22  stehn  sollte,  wo  Cicero  ihn  diesem  empfiehlt. 

Man  wundert  sich  allgemein,  daß  dieße  Briefcorpora  und  ebenso 
die  Brutusbriefe  mit  dem  Ende  Juli  43  abbrechen  und  aus  den 
letzten  Monaten  von  Ciceros  Leben  überhaupt  keine  Briefe  vor- 
liegen*), und  auch  hier  wieder  hat  man  vermutet,  sie  seien  aus 
Rücksicht  auf  Octavian  unterdrückt  worden.  Aber  man  sieht 
den  Wald  vor  Bäumen  nicht.  Die  Briefe  aus  Ciceros  letztem 
Lebensjahr  stammen  aus  der  Zeit,  wo  er  das  anerkannte  Oberhaupt 
der  Republik  war,  und  sind  daher  größtenteils  halb,  manchmal 
sogar  ganz  offizielle  Schreiben,  welche  den  Regenten  des  Staats 

')  So  im  Medice«,  aber  wohl  Rflchtigkeit  für  7). 
*)  Nur  die  Briefe  an  Octavian  reichten  weiter,  s.  das  Fragment 
S.  545,  3. 


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Ciceros  Briefe  ad  familiaie« 


601 


über  die  Ereignisse  unterrichten  und  in  denen  er  zu  ihnen  Stellung 
nimmt  und  seine  Weisungen  gibt.  Aber  im  Juli  43  bricht  seine 
Macht  jäh  zusammen,  mit  Octavians  Marsch  gegen  Rom,  der 
kläglichen  Unterwerfung  des  Senats,  und  seiner  Wahl  zum  Consul 
am  19.  August  sinkt  Cicero  in  volle  Unbedeutendheit  hinab  und 
fristet  kümmerlich  und  entschlußlos  sein  Leben  bis  zur 
Katastrophe  am  7.  Dezember.  Da  ist  es  nur  natürlich,  daß  seine 
Korrespondenz  mit  dem  Ende  Juli  abbricht;  von  da  an  hatten 
weder  Plauens  und  Asinius  Pollio,  noch  Brutus  und  Cassius  und 
ihre  Genossen  ihm  noch  etwas  zu  schreiben,  und  er  ihnen  auch 
nicht. 

2.  Aub  der  Zeit  der  Monarchie  Caesars  stammen  fam.  IV. 
VI.  VII.  IX1).  Buch  IV,  ad  Servi[l%]um  Sulpicitm  et  ceteros, 
enthält  die  Briefe  an  diesen  aus  den  Jahren  49 — 46  nebst  zwei 
seiner  Schreiben  (5.  12)  und  den  eng  damit  verbundenen  Brief- 
wechsel mit  M.  Marcellus  aus  dem  Jahre  46  (7 — 11).  Angeschlossen 
ist  ein  gleichzeitiger  Brief  an  Figulus  und  zwei  an  Plancius  (13 — 15). 
Buch  VI,  ad  A.  Torquatum  (et  ceteros).  sammelt  zahlreiche  gleich- 
artige Briefe  aus  dem  Jahre  46  und  45:  an  Torquatm  (1 — 4), 
an  Caecina  (5 — 8),  mit  einem  Schreiben  von  diesem  und  dem 
zugehörigen  Empfehlungsbrief  an  Furfanius  (9),  den  Statthalter 
Siciliens,  an  Trebianus  (10.  11),  an  Ainpius  (12),  an  Ligarius 
(13.  14),  an  Lepta  (18. 19),  an  Toranius  (20.  21),  an  Domitius  (22)«). 
Dazwischen  steht  ein  kurzes,  wahrscheinlich  unmittelbar  nach 
Caesars  Ermordung  geschriebenes  Billett  an  Basilus  (15,  oben 


•)  In  diese  Zeit  gehört  auch  der  Brief  an  Caerellia  S.  457,  2.  In  den 
Briefen  an  Atticus  wird  sie  in  dieser  Zeit  wiederholt  erwähnt  (XII  51,  S. 
XHI  21,  5  n.  s.  w.;  ebenso  an  Servilius  Isauricus  fam.  XHI  72  im  J.  46), 
in  der  Rede  dee  Fufius  Calenus  bei  Dio  46,  18  Ciceros  Verhalten  zu  ihr 
alx  unsittlich  geschildert.  Dieser  ganze  Passus  geht  auf  Antonius'  Ant- 
wort auf  die  philippischen  Reden  bei  Plut  Cic.  41  zurück.  —  Der  Brief- 
wechsel mit  Nepos,  der  sich  offenbar  durch  viele  Jahre  hingezogen  hat, 
reichte,  wie  die  erhaltenen  Fragmente  lehren,  bis  über  Caesars  Tod 
hinab,  ebenso  der  mit  Axius;  denn  Tiro  hat,  offenbar  beträchtlich  nach 
Ciceros  Tode,  ein  Sendschreiben  an  diesen  publiziert,  in  dem  er  Catos 
Rede  ffir  die  Rhodier  kritisierte  (Gelliun  VI  8.  8  ff.). 

*)  Vgl.  0.  E.  Schmidt  S.  23tf.  275. 


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602 


Beilage  III 


S.  537,  1),  und  ein  kurzer  Briefwechsel  mit  Bithynicus,  dem  Statt- 
halter Siethens,  aus  den  nächstfolgenden  Wochen  (16. 17).  Gleich- 
artig ist  Buch  IX,  ad  M.  Varronem  et  ceteros:  zuerst  acht  Briefe 
an  Varro,  literarischen  Inhalts,  dann  der  Briefwechsel  mit  dem 
Schwiegersohn  Dolabella  aus  den  Jahren  48 — 44  (9—14),  dann 
Briefe  an  Paetus  (15—26)  aus  dem  Jahre  46,  nebst  einem  älteren 
aus  dem  Jahre  50  (25)  und  einem  aus  dem  Jahre  43.  Noch  weiter 
zurück  greift  Buch  VII,  ad  M.  Marium  et  ceteros.  Zunächst  vier 
Briefe  an  Marius  aus  den  Jahren  55—46,  dann  die  Briefe  an 
Trebatius  nach  Gallien  im  Jahre  54  und  53  (6—18),  denen  der 
Empfehlungsbrief  an  Caesar  (5)  vorangeht,  und  angeschlossen 
vier  aus  der  Zeit  nach  Caesars  Ermordung  (19—22).  Sodann 
Briefe  an  Fadius  Gallus  aus  den  Jahren  46  und  45  (24—27)  nebst 
einem  älteren  (23),  drei  Briefe  an  Curius  und  einer  von  diesem 
aus  der  caesarischen  Zeil  (28—31),  zwei  Briefe  an  Volumnius 
aus  den  Jahren  50  und  46.  In  diesen  vier  Büchern  sind  also 
Ciceros  von  ihm  bewahrte  Briefe  oder  Briefkonzepte  aus  der 
caesarischen  Zeit  gesammelt,  einige  ältere  und  jüngere,  sowie 
die  wichtigsten  Schreiben  der  Adressaten  hinzugefügt;  dagegen 
liegt  hier  nicht,  wie  in  der  ersten  Giuppe,  die  vollständige  gegen- 
seitige Korrespondenz  vor. 

3.  Aus  Ciceros  Proconsulat  stammt  Buch  XV,  ad  senatum 
et  ceteros.  An  zwei  offizielle  Schreiben  an  den  Senat  schließen 
sich  völlig  sachgemäß  die  Schreiben  an  Cato,  in  denen  er  diesen 
über  seine  Lage  genauer  unterrichtet  und  ihn  für  den  .Triumph 
zu  gewinnen  sucht,  nebst  dem  Antwortschreiben  Catos  (3 — 6); 
sodann  die  Gratulationssch reiben  an  die  neugewählten  Consuln 
L.  Paullus  und  Gaius  Marcellus  nebst  seinem  Vater  und  seinem 
Vetter  Marcus1)  (7 — 13).  Dann  folgt,  ebenfalls  hierher  gehörig, 
ein  Brief  an  Cassius  nach  Syrien;  an  diesen  sind  dann  die  ihm 
in  caesarischer  Zeit  geschriebenen  Briefe  nebst  einer  seiner  Ant- 
worten angefügt  (15—19)*),  und  daran  reihen  sich  zwei  Briefe 

')  Die  Briefe  an  diesen  an»  dem  Jahre  46  stehn  dagegen  in  lib.  IV, 
s.  oben  S.  601. 

»)  Di©  15 .  4  erwlhnten  Briefe  de«  Cossios  dagegen  sind  nicht  er- 
halten. 


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Cicero*  Briete  ad  familiär«« 


an  Trebonius  aus  derselben  Zeit  (20.  21)1).  Deutlich  erkennt  mau, 
■von  welchen  Gesichtspunkten  der  Sammler  sich  leiten  ließ:  die 
Briefe  aus  dem  Proconsulat  bilden  den  Grundstock,  an  den  letzten 
Adressaten  sind  einige  andre  interessante  Briefe  angefügt,  die 
für  ein  selbständiges  Buch  zu  wenig  waren  und  sich  anderswo 
nicht  gut  unterbringen  ließen.  Denn  der  Briefwechsel  mit  Cassius 
und  Trebonius  aus  der  Zeit  nach  Caesars  Ermordung  war  in  die 
für  diese  Zeit  bestimmte  Sammlung  aufgenommen  (oben  S.  599). 

Die  Ergänzung  zu  diesem  Buch  bildet  Buch  II,  ad  Curionem 
[consukm]  et  ceteros.  Zunächst  Briefe  an  Curio  während  seiner 
Quaestur  in  Asien  im  Jahre  53  (1—6)  und  ein  Gratulationsbrief 
aus  Cilicien  nach  seiner  Wahl  zum  Tribunen  (7,  Ende  51),  der  ihn 
zu  richtigem  Verhalten  mahnt :  er  solle  nur  sich  seibat  folgen. 
Dann  folgen  die  Antworten  auf  die  Berichte,  die  Caelius  ihm  nach 
Cilicien  schickt  (7—15),  nebst  einem  späteren  Brief  Anfang  Mai  49 
(16,  Antwort  auf  VIII  16).  Den  Schluß  bilden  die  Schreiben  an 
die  Quaestoren  Cn.  Sallustius  (oben  S.  164, 1)  und  Coelius  Caldus 
und  an  den  Propraetor  von  Asien  Minucius  Thermus  aus  dem 
Jahre  50  (17-19). 

Aus  dem  Proconsulat  stammen  ferner  die  schon  besprochenen 
Briefe  an  Appius  Claudius  (III)  und  die  Briefe  des  Caelius  (VIII). 

4.  Eine  Sonderstellung  nimmt  endlich  Buch  V  ein,  ad  Q. 
Metellum  et  ceteros.  Die  Sammlung  erstreckt  eich  vom  Jahre  62 
bis  zu  Caesars  Ermordung,  also  über  18  Jahre,  und  die  21  Briefe 
verteilen  sich  auf  nicht  weniger  als  13  verschiedene  Korrespon- 
denten. Zum  Teil  sind  es  auserlesene  Stücke  von  höchstem  In- 
teresse, wie  der  Brief  an  Pompejus  vom  Jahre  62  (7),  der  an  Crassus 
vom  Jahre  54  (8),  an  C.  Antonius  vom  Jahre  62  (5),  der  Brief- 
wechsel mit  Metellus  Celer  vom  Jahre  62  (1.  2),  mit  Metellus 
Nepos  vom  Jahre  57/6  (3.  4),  der  Brief  an  Luccejus  vom  Jahre  56, 
in  dein  er  ihn  bittet,  eine  Schrift  über  sein  Consulat  zu  schreiben 
(12),  an  den  dann  ein  Briefwechsel  zwischen  beiden  aus  dem 
Jahre  45  anschließt  (13—15),  ferner  so  rare  Stücke  wie  der  Brief 

')  Daß  Brief  20  Ende  46  geschrieben  ist,  nicht  im  April  44,  wie  die  Heraus- 
geber angenommen  haben,  hat  Mommsen,  Hermes  28, 604  =  Ges.  Sehr.  IV 174  ff. 
gezeigt.  Das  hat  Poturr  auch  noch  in  der  Oxforder  Aasgabe  Übersehn. 


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Beilage  III 


an  Se8tius  über  Caesars  Hauskauf  im  Jahre  62  (6),  und  der  Brief 
an  Sittius  (17,  vgl.  oben  S.  17,  1).  Dazu  kommen  dann  einige 
recht  unbedeutende  Briefe,  die  offenbar  aus  stilistischen  Gründen 
aufgenommenen  Trostschreiben  an  Titius  (16)  und  Fadius  (18), 
der  Briefwechsel  mit  Yatinius  aus  dem  Jahre  45  (9 — 11),  die 
Briefe  an  Mescinius  Rufus  aus  den  Jahren  49  und  46  (19 — 21). 
So  kann  dies  Buch  als  eine  Auswahl  interessanter  Briefe  aus 
Ciceros  Nachlaß  bezeichnet  werden,  in  die,  wie  auoh  in  moderner 
Zeit  so  oft,  auch  eine  Nachlese  einiger  unbedeutender  Stücke 
aufgenommen  ist. 

Wenn  somit  das  Verfahren  des  oder  der  Herausgeber  der 
einzelnen  Sammlungen  klar  genug  ist,  so  ist  es  müßig,  weiter 
nach  dem  Namen  desselben  zu  fragen,  so  nahe  es  liegt,  an  Tiro 
zu  denken.  Nur  das  sei  noch  einmal  betont,  daß  von  einer  Aus- 
wahl aus  einer  größeren  Publikation,  sei  es  nach  stilistischen, 
sei  es  nach  historischen  Gesichtspunkten,  bei  den  auf  uns  ge- 
kommenen Sammlungen  nicht  die  Rede  sein  kann.  Soweit  sie 
sich  überhaupt  erhalten  haben,  besitzen  wir  sie  vollständig  so, 
wie  sie  die  Originalausgabe  veröffentlicht  hat. 

Uberblicken  wir  schließlich  den  Gesamtbestand  der  Briefe, 
so  zeigt  sich,  daß,  wie  zu  erwarten  war,  ganz  wie  in  den  modernen 
Parallelen,  vor  allem  bei  Goethe1),  die  große  Masse  den  letzten 
Lebensjahren  entstammt.  Sie  setzt  mit  dem  Proconsulat  ein; 
vorher  liegt,  da  hier  auch  der  Briefwechsel  mit  Atticus  und  mit 
dem  Bruder  versagt,  sogar  eine  fast  vollständige  Lücke  von  zwei- 
einhalb Jahren  (Januar  53  bis  Mai  51,  oben  S.  207).  Aus  seiner 
Entwicklungszeit  und  den  Anfängen  seiner  Laufbahn  bis  zum 
Jahre  67  ist  kein  einziger  Brief  erhalten.  Wenn  wir  von  den 
Briefen  an  Atticus  und  an  den  Bruder  absohn,  reichen  über  das 
Proconsulat  hinaus  die  Briefe  an  Curio  aus  dem  Jahre  53  (üb.  II), 
die  in  den  Jahren  55  und  54  beginnenden  Briefe  an  Marius  und 
an  Trebatius  in  üb.  VII  (sowie  vielleicht  der  Brief  an  Fadius  Gallus 
VII  23),  das  Briefbuch  an  Lentulus  (I),  die  Briefe  an  Terentia 
aus  dem  Exil  XIV  1—4,  und  einige  Empfehlungsbriefe  in  üb.  XIII. 

J)  Eine  Ausnahme  bildet  Bismarck,  der,  seitdem  er  Minister  ge- 
worden war,  immer  weniger  «um  Briefschreiben  gekommen  ist. 


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Ciceros  Briefe.  Gesamtbe^tand 


605 


In  noch  frühere  Zeit,  bis  zum  Jahre  62,  geht  nur  eine  Anzahl  der 
auserlesenen  Briefe  in  lib.  V  zurück,  dessen  Sonderstellung  auch 
darin  ganz  augenfällig  hervortritt.  An  dieser  Sachlage  würde 
sich  auch  nicht  viel  andern,  wenn  die  verlorenen  Bücher  auf  uns 
gekommen  wären.  Denn  bis  über  die  Mitte  der  fünfziger  Jahre 
kann  auch  der  Briefwechsel  mit  Calvus,  und  vielleicht  der 
mit  Axius  und  mit  Nepos,  nicht  hinaufgeragt  haben1).  Der  Brief- 
wechsel mit  Brutus  wird  erst  in  Ciceros  Proconsulat  eingesetzt 
haben,  als  Atticus,  der  Mittelsmann  zwischen  beiden,  Cicero 
drängte,  sioh  der  Schuldforderungen  des  Brutus  anzunehmen. 
Li  diese  Zeit  gehören  die  Brieffragmente,  in  denen  Cicero  von 
seinem  Verhältnis  zu  Appius  Claudius,  dem  damaligen  Schwieger- 
vater des  Brutus,  an  diesen  schreibt  (oben  S.  162,  5).  — 

Was  die  Humanisten,  vor  allem  Paulus  Manutius,  und  ihre 
Nachfolger  durch  liebevolle  Versenkung  in  den  Schriftsteller  zur 
Aufhellung  des  Textes  und  zur  Erschließung  des  Verständnisses 
geleistet  haben  —  und  das  ist  trotz  gar  mancher  Verirrungen 
und  überfeiner  Kombinationen  nicht  wenig  — ,  findet  sich  bequem 
in  Wiblands  vorzüglicher  Ubersetzung  (1808  ff.)  verwertet. 
Das  neunzehnte  Jahrhundert  ist  dann  über  sie  vielfach  hinaus- 
gekommen, sowohl  in  der  Konstituierung  des  Textes  —  bei  der 
bekanntlich  wie  so  vielfach  in  der  Philologie  des  letzten  Jahr- 
hunderts die  Einquellenhypothese  in  der  Handschriftenfrage 
lange  Zeit  verhängnisvoll  gewirkt  hat  — ,  wie  in  der  Interpretation. 
Bahnbrechend  war  vor  allem  Mo  Müsens  Aufdeckung  der  Blatt- 
versetzungen im  zweiten  Buch  der  Briefe  an  den  Bruder  und  im 
vierten  der  Briefe  an  Atticus1).  Von  den  Neueren  haben  in  erster 
Linie  die  Arbeiten  0.  E.  Schmidts  und  Stebnkopfs  reiche 
Förderung  gebracht.  Die  große  kommentierte  Ausgabe  sämtlicher 
Briefe  in  chronologischer  Ordnung  von  Tyrrell  und  Pursee3; 


')  Aach  die  Briefe  an  Caerellia  gehören  erst  in  die  letzte  Zeit 
(vgl.  8.  601,  1).  Die  Briefe  an  den  Bankier  Axius  mögen  früher  begonnen 
haben;  in  der  Korrespondenz  mit  Atticus  erscheint  er  schon  1  12,  1. 

*)  Ztechr.  f.  Altertumsw.  1844  und  1845  =  Ges.  Sehr.  VII. 

*)  The  correspondence  of  M.  Tullius  Cicero,  by  Tyrrell  and  Purser, 
7  vol.,  1884  ff.,  2.  Aufl.  1904  ff. 


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«06 


Beilage  17 


verdient  dagegen,  so  wenig  sie  nnberückmohtigt  bleiben  kann, 
das  Lob  kaum,  mit  dem  sie  überschüttet  wird.  Es  fehlt  an 
energischem  Zugreifen;  nur  zu  oft  versagt  sie  bei  Einzelheiten 
ganz,  und  vor  allem  vermißt  man  eine  wirklich  in  die  Tiefe 
dringende,  umfassende  geschichtliche  Auffassung;  mit  den  Ein- 
leitungen und  Anmerkungen  Wielands  halt  ihr  Werk  den  Ver- 
gleich nicht  aus.  In  der  Oxforder  Ausgabe  der  Briefe  von  Pubser 
sind  manche  Mißgriffe  verbessert,  aber  wirklich  ausreichend  ist 
sie  auch  nicht1).  0.  E.  Schmidt  und  Sterhkopf  sind  weit 
tiefer  eingedrungen  und  viel  weiter  gekommen.  Eine  wirklich 
den  idealen  Anforderungen  entsprechende  kommentierte  Ausgabe 
könnte  nur  ein  philologisch  gründlich  geschulter  Historiker 
schaffen,  der  dies  geschichtliche  Material  ersten  Ranges  auf  Grund 
voller  Versenkung  in  die  Zeit  und  ihre  Bedingungen  und  mit 
lebendigstem  Einblick  in  alle  in  der  geschichtlichen  Entwicklung 
wirksamen  Kräfte  bis  ins  einzelnste  erläutern  würde. 


Beilage  IV 

Die  Quellen 

Wie  für  die  ersten  beiden  Generationen  der  Revolutionszeit 
und  überhaupt  die  ganze  Epoche  vom  Ende  des  Polybios  bis  auf 
Tacitus,  ist  auch  für  die  ciceronische  Zeit  von  den  grundlegen- 
den Geschiohtswerken  fast  nichts  auf  uns  gekommen.  Erhalten 
sind  uns,  mit  Ausnahme  von  Caesar  und  Sallust,  nur  Schriftsteller, 
die  das  Material  aus  dritter  oder  vierter  Hand  haben ;  und  dabei 
sind  natürlich  Entstellungen  und  Irrtümer  unvermeidlich.  Ab- 
gesehn  von  einfachen  Flüchtigkeiten,  sind  sie  vielfach  durch  das 
Streben  veranlaßt,  die  Vorlage  kurz  zusammenzufassen.  Der- 
artiges ist  namentlich  bei  Appian  ganz  gewöhnlich,  wenn  auch 


*)  So  sind  nicht  einmal  die  Zitate  aus  den  Briefen  in  der  antiken 

Literatur  vollständig  aufgenommen. 


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Die  Quellen.    Appian  und  Plotarch  (J07 


in  dieser  Zeit,  eben  weil  er  hier  viel  ausführlicher  wird,  nicht 
so  hanfig  wie  in  den  anderen  Abschnitten  seines  Werkes1).  Dazu 
kommt  darin  seine  alles  Maß  übersteigende  Unwissenheit,  die  ihn 
mitunter  zu  den  naivsten  Kombinationen  veranlaßt*).  Nur  um 
so  deutlicher  tritt  demgegenüber  die  Vortrefflich keit  des  Materials 
hervor,  das  die  Vorlage,  die  er  ausschreibt,  in  selbständiger  Auf- 
fassung gestaltet  hat;  und  im  allgemeinen  muß  man  anerkennen, 
daß  er  hier  wie  sonst  nicht  ungeschickt  exzerpiert  hat. 

Auch  bei  Plutarch  fehlt  es  durchaus  nicht  an  solchen  Ver- 
sehen, entstellenden  Kürzungen  und  Auslassungen*).  Als  Schrift- 
steller steht  er  natürlich  auf  einem  ganz  anderen  Niveau  als 
Appian,  und  wenn  er  auch  der  Aufgabe  nicht  gewachsen  ist,  die 
gewaltigen  Staatsmänner  und  Feldherrn,  deren  Leben  er  erzählt, 
in  den  großen  Weltverhältnissen,  in  denen  sie  sich  bewegen,  richtig 
zu  erfassen,  sondern  sie  kleinbürgerlich  anschaut  und  danach 
sein  ethisches  Urteil  fällt4),  so  hat  er  doch  durch  die  geschickte 
Auswahl  und  Gruppierung  der  Tatsachen  und  durch  die  Form 
seiner  Darstellung  fesselnde  Lebensbilder  geschaffen,  die  ihre  Wir- 
kung immer  geübt  haben  und  weiter  üben  werden. 

Wie  überall,  hat  Plutarch  auch  in  den  zahlreichen  Biographien 
aus  der  hier  behandelten  Zeit  neben  den  umfassenden  Geschichts- 
werken anderweitige  Literatur  herangezogen,  vor  allem  bio- 
graphische Schriften.    So  ist  für  sein  Leben  des  jüngeren  Cnto 

')  80  S.  67,  8.  69,  4.  72,  2.  87.  1.  117,  1.  154,  8.  206,  5.  288,  1. 
265,  2.  274,  8.  295,  5.  528,  4.  586,  2. 

■)  80  in  dem  hier  behandelten  Zeitraum  S.  148,  1.  Dm  ein  rich- 
tiges Urteil  über  Appian  und  seine  Quellen  xu  gewinnen  ,  ist  es  vor 
allem  notwendig,  alle  die  Stellen  im  Auge  zu  behalten,  an  denen  er 
eigene  Vermutungen  vorbringt  und  seine  Unwissenheit,  im  Gegensatz  zu 
den  oft  vortrefflichen  Angaben  seiner  Quelle,  klar  zutage  tritt.  Eine 
Zusammenstellung  derselben  wäre  sehr  willkommen. 

»)  80  8.  27,  1.  88,  1.  68.  1.  69,  3.  75,  2.  98,  1.  182,  1.  170,  2.  226,  8. 
288,  1.  272,  1.  280.  1.  282,  3.  284,  1. 

*)  Vgl.  8.  127,  2  und  dem  gegenüber  das  verständige  Urteil  Ober 
Crassus*  Feldlug  gegen  die  Parther  S.  174.  1.  Die  Entstellung  der 
Nachrichten  sugunsten  Caesars  S.  22  A.  (unter  Einwirkung  Sallusta), 
96  A.  und  Ciceros  S.  98,  1  geht  dagegen  wohl  schon  auf  die  von  ihm 
benutzte  Quelle  En  ruck. 


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C08  Beilage  IV 

die  Biographie  Thraseas  die  Hauptquelle,  die  wieder  die  ältere 
Biographie  des  Munatius  benutzt1);  für  das  Ciceroe  eine  Bio- 
graphie, in  der  neben  Cioeros  Schriften  vor  allem  auch  die  Tiros 
vorwendet  ist;  die  große  Einlage  der  dicta  Ciceronis  c.  24—27 
geht  direkt  oder  indirekt  auf  diesen  zurück2).  Für  die  sich  überall 
ergänzenden  Biographien  des  Pompejus,  Crassus  und  Caesar  und 
für  große  Abschnitte  der  übrigen  hat  Plutarch  dagegen  ein 
umfassendes  Geschichtswerk  ausgezogen,  und  zwar  bekanntlich 
dasselbe,  das  auch  Appian  exzerpiert;  im  weitesten  Umfang 
stimmt  er  mit  diesem  inhaltlich  und  oft  auch  wörtlich  übereüi*). 
Diese  Übereinstimmung  reicht  in  einzelnen  Abschnitten  weit  über 
die  caesarische  Zeit  hinaus;  sie  findet  sich  ebenso,  neben  andern 
stark  abweichenden  Stücken,  in  der  Gracchenzeit1),  im  mithri- 
datischen  Krieg,  in  der  Erzählung  von  Hannibals  Unterredung 
mit  Scipio  und  seinen  letzten  Schicksalen5).  Schon  dadurch  ist 
ausgeschlossen,  daß,  wie  man  eine  Zeitlang  geglaubt  hat,  Strabo 
oder  gar  Asinius  Pollio  diese  Quelle  wäre6).  Diese  immer  wieder 
auftauchende  Meinung  wird  weiter  dadurch  widerlegt,  daß  die 
Quelle  mehrfach  arge  Fehler  begangen  hat,  so  daß  Pompejus  im 


')  8.  485,  8. 

*)  Zitiert  wird  Tiro  c.  41  and  49;  aber  die  Art  der  Anfahrung 
zeigt,  wie  Leo,  Griech.-röm.  Biographie  168  ff.  mit  Recht  betont,  daß  er 
nicht  etwa  die  Vorlage  Platarchs  ist  (wenn  auch  auf  ihn  gewiß  noch 
viel  mehr  zurückgeht).  Ein  Name  für  die  biographische  Hauptquelle 
laßt  sich  nicht  ermitteln;  man  könnte  an  Nepoa  denken. 

»)  So  z.  B.  S.  88,  1.  68,  1.  78,  2.  113,  7.  144,  1.  172.  2.  281,  1. 
246,  1.  250,  8.  450,  2.  529,  2  und  an  zahlreichen  anderen  Stellea. 

*)  Siehe  meine  Untersuchungen  zur  Gesch.  der  Gracchen  (Kleine 
Schriften  S.  397  ff.). 

»)  Appian  Syr.  10  f.  =  Plut.  Tit.  21  und  Pyrrh.  8,  wonach  er  das 
gleiche  auch  im  Leben  Scipios  erz&hlte.  Die  Ansicht  Nissbns,  das  Ge- 
spräch zwischen  Scipio  und  Hannibal  (das  bekanntlich  auoh  Livius 
85,  14  aus  Claudius  entlehnt  hat)  gehe  auf  Polybios  zurück,  ist  unhalt- 
bar und  jetzt  von  Holliadx,  Hermes  48,  1913,  75  ff.  endgültig  wider- 
legt; dessen  Ansicht  freilich,  Scipio  sei  im  Sommer  193  doch  in  Asien 
gewesen,  vermag  ich  nicht  zuzustimmen. 

*)  Daß  Plutarch  die  Angabe  Pollios  nur  durch  Vermittlung  eines 
griechischen  Schriftstellers  kennt,  lehrt  deutüch.  Caes.  46,  s.  S.  345,  2. 


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Die  Quellen.   Appian  and  Plutarch 


000 


Jahre  55  nicht  nur  beide  Spanien,  sondern  auch  Africa  als  Pro- 
vinzen erhalten  habe  (8. 158, 1),  femer  die  Übertragung  des  Auf- 
tretens eines  Centurionen  bei  Octaviana  Forderung  des  Consulats 
im  Jahre  43  auf  Caesar  und  die  Verhandlungen  im  Jahre  50 
(S.  269,  2),  sowie  die  schiefe  Auffassung  der  Volkszählung  Caesars 
in  Rom  (S.  417,  2),  die  sich  allerdings  auch  bei  Dio  findet  und 
vielleicht  bei  Livius  vorkam.  In  der  Erzählung  von  Caesara  Über- 
gang über  den  Rubico  ist  der  Bericht  des  Aainius  Pollio  mit 
Caesars  verfälschter  Darstellung  kontaminiert  (S.  293, 1).  Weiter 
wird  Pollios  Angabe  über  die  Zahl  der  bei  Pharsalos  gefallenen 
Pompejaner  bei  Plutarch  und  Appian  gegeben,  bei  Appian  neben 
den  Zahlen  Caesars  und  anderer1).  Auch  Pollios  Beurteilung 
Ciceros  klingt  bei  Appian  und  Plutarch  durch  (S.  99  A).  Daneben 
ist  Livius  gelegentlich  bei  Plutarch  benutzt  und  zitiert55).  Somit 
liegt  bei  Appian  und  Plutarch  nicht  eine  Primärquelle  zugrunde, 
sondern  eine  abgeleitete  Darstellung,  welche  das  in  den  grund- 
legenden Werken  enthaltene  vortreffliche  Material  meist  umsichtig 
verarbeitet,  aber  dabei  einzelne  Fehler  begeht*).  Die  Quelle  ist, 
wie  ja  auch  Appian  ausdrücklich  sagt,  ein  Werk,  das  die  gesamte 
römische  Geschichte  behandelt  hat«).    Einen  Namen  dafür  zu 


')  Es  seien  nur  6000  Soldaten  gefallen,  die  übrigen  seien  der  aus 
Sklaven  bestehende  Troß  im  Lager  (Plut  Caes.  46  =  Pomp.  72.  App. 
II  82).  Caesar  civ.  III  99  gibt  ungefähr  15000  gefallene  Pompejaner, 
wus  bei  Appian  in  25000  entstellt  ist  Ebenso  stammen  bei  Appian 
30  Centurionen  und  200  Soldaten,  die  auf  Caesars  Seite  gefallen  sind 
(4j,  <«c  itipoi«  8o*tt,  xö-toi  ual  8ta*6oiot) ,  aus  Caesar,  den  er  aber  nicht 
zitiert. 

*)  Außerdem  zitiert  er  bekanntlich  den  Nepos  und  Marceil.  30. 
Brot  53  sogar  einen  so  sekundären  Schriftsteller  wie  Valerius  Maximus. 

*)  Aus  derselben  Quelle  stammen  auch  die  Reden,  welche  bei  Ap- 
pian II  50  ff.  Pompejus  und  Caesar  im  Winter  49/8,  vor  Caesars  Über- 
gang nach  Illyrien,  halten;  für  die  Rede  des  Pom  pejus  sind  wertvolle 
tatsächliche  Notizen  richtig  verwertet  (8.  291,  4.  300,  1.  301  A.)  Ebenso 
in  Caesars  Rede  an  die  Meuterer  II  94  (S.  413,  2)  und  sonst  (S.  415,  5). 
Ferner  die  Reden  des  (Marianus  und  Antonius  III  17.  19  (S.  528.  2). 

*)  Vgl.  Unters,  zur  Gesch.  der  Gracchen,  Kleine  Schriften  S97  ff., 
wo  ich  es  indessen  noch  mit  Unrecht  für  denkbar  hielt,  daß  Asinius 
Pollio  die  Quelle  Appians  und  Plutarchs  für  die  Bürgerkriege  sei.  Aber 
Meyer,  Caesars  Monarchie  89 


610 


Beilage  IV 


finden,  halte  ich  bei  der  Dürftigkeit  unserer  Überlieferung  über 
die  späteren  Historiker  für  aussichtslos;  auch  Juba,  an  den  zu 
denken  nahe  liegt  und  den  Plutarch  in  den  römischen  Bio- 
graphien sowie  in  den  quaest.  Rom.  sehr  oft  zitiert,  ist  doch 
dafür  zu  wenig  greifbar,  vor  allem  für  die  spätere  Zeit1). 

Sehr  selbständig  steht  Dio  Cassius  dem  von  ihm  verarbeiteten 
Material  gegenüber.  Er  ist  ein  wirklicher  Historiker,  der  inmitten 
des  politischen  Lebens  semer  Zeit  steht,  und  daher  auch  von  der 
Vergangenheit  ein  lebendiges,  der  Wirklichkeit  und  den  in  ihr 
wirksamen  Kräften  entsprechendes  Bild  zu  gewinnen  strebt.  Eine 
fundamentale  Neugestaltung  des  StofEs  auf  Grund  selbständiger 
Durcharbeitung  des  ursprünglichen  Quellenmaterials  ist  ihm  so 
wenig  möglich  wie  irgendeinem  andern  der  antiken  Historiker 
(und  auch  dem  größten  Teil  der  modernen  Historiker  vor  der  Ent- 
stehung der  kritischen  Geschichtsforschung  des  neunzehnten  Jahr- 
hunderts), wenn  sie  nicht  die  eigene  Gegenwart  darstellen.  Aber 
ebenso  wie  Polybios  beschränkt  er  sich  keineswegs  auf  ein  ein- 
faches Nacherzählen,  sondern  sucht  die  Überlieferung  auf  Grund 
der  durch  eigenes  Nachdenken  gewonnenen  Anschauung  kritisch 
zu  gestalten ;  und  wo  er  einen  Anstoß  rindet,  wo  ihm  das  Berichtete 
unwahrscheinlich  oder  unmöglich  vorkommt,  scheut  er  vor  ener- 
gischem Eingreifen  und  selbständigen  Kombinationen  so  wenig 
zurück,  wie  irgendein  moderner  Historiker2).   Daß  er  dabei  Irr- 


er ist,  wie  erwähnt,  von  der  benutzten  Quelle  herangezogen  worden, 
vielleicht  sogar  sehr  stark. 

')  Das  gleiche  gilt  z.  B.  von  Nikolaos  von  Damaskos'  Geschichte  werk 
and  von  Timagenes  (vgl.  S.  127, 2).  die  im  Übrigen  für  diese  Quelle  natürlich 
nicht  in  Betracht  kommen.  Auch  Fenestellas  Annalen,  die  bei  Asconius 
wiederholt  für  Einzelheiten  aas  Cicero»  Leben  and  ebenso  bei  Plutarch 

■ 

Sulla  28.  Crass.  4  herangezogen  werden,  bleiben  für  uns  unfaßbar. 
Das  einzige  größere  Bruchstück  Fenestellas  aus  dieser  Zeit  s.  S.  129,  2. 

*)  So  S.  78,  3.  87,  1.  88,  1.  125,  3.  158,  1.  242,  2.  870,  5.  Ganz 
selbständig  und  das  überlieferte  Material  umgestaltend  und  neu  dis- 
ponierend verfahrt  er  in  der  Zeit  nach  Caesars  Ermordung.  Er  er- 
ledigt die  Vorgänge  in  Rom  nach  der  Leichenfeier  ganz  kurz  und  stellt 
dann  von  Anfang  an  Octavian  in  den  Mittelpunkt  der  Darstellung, 
während  er  Antonius  und  ebenso  die  Senatspartei  in  den  Hintergrund 


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Die  Quellen.   Dio  611 

* 

tümer  begeht  und  uns  das  Robmaterial  willkommener  wäre,  ist 
unvermeidlich ;  denn  eine  abgeleitete  Quelle  ist  um  so  wertvoller, 
je  sklavischer  sie  der  Vorlage  folgt  und  je  unbedeutender  ihr  Ver- 
fasser ist.  Aber  das  Werk  selbst,  das  Dio  geschaffen  hat,  ist 
natürlich  ganz  anders  zu  werten:  seine  römische  Geschichte  ist 
eine  großartige  Leistung,  zumal  in  einer  Zeit,  in  der  wir  sonst 
nur  vollen  Niedergang  und  Zersetzung  und  höchstens  noch,  wie 
auf  juristischem  Gebiet,  die  letzten  schon  gesunkenen  Aus- 
läufer der  alten  Kultur  erblicken.  Auch  über  die  Persönlich- 
keiten hat  er  sich  ein  selbständiges  Urteil  gebildet,  das  seinen 
Erlebnissen  entsprechend  durchweg  pessimistisch  ist  und  die 
unlauteren  und  niedrigen  Motive  betont;  bekannt  ist  seine 
scharfe  Verurteilung  Ciceros  und  Senecas.  Besonderes  Interesse 
wendet  er  durchweg  den  staatsrechtlichen  Momenten  zu,  die 
überall  in  scharfer  Formulierung  gegeben  werden.  Daneben  ist 
für  ihn  bekanntlich  die  volle  Gläubigkeit  an  Vorzeichen  charak- 
teristisch1), in  der  sich  der  Geist  seiner  Zeit  drastisch  wider- 
spiegelt. Mißgriffe  und  Irrtümer  kommen  gelegentlich  vor*), 
aber  als  Ganzes  ist  seine  Darstellung  dieser  Epoche  ganz  vor- 
trefflich, und  ich  glaube,  daß  sie  beträchtlich  über  der  des  Livius 
gestanden  hat. 

Daß  Dio  den  Livius  hier  wie  sonst  in  weitem  Umfang,  aber 
keineswegs  als  einzige  Quelle,  benutzt  hat,  ist  zweifellos.  Sonst 


drängt  and  geringschätzig  und  vielfach  im  einzelnen  verkehrt  behandelt. 
Um  »ich  dnrch  die  Wirren  dieser  Zeit  den  Weg  zn  bahnen  und  dem 
Leser  ein  möglichst  übersichtliches  Bild  der  unendlich  verschlungenen 
Vorgänge  zu  gewähren ,  erzählt  er  zunächst  die  Vorgänge  in  Italien  bis 
zum  Triumvirat  und  den  Proskriptionen,  und  holt  dann  erst  die  Ge- 
schichte des  Brutus  und  Cassius  sowie  des  Trebonius,  Dolabella,  Cae- 
cilius  Bassus  nach,  verfährt  also  hier  nicht  synchronistisch.  Daß  diese 
Anordnung  sein  Werk  ist,  ist  klar;  Livius  hat,  wie  die  periochae  lehren, 
wesentlich  anders  disponiert. 

')  Siehe  S.  180,  1.  108,  1.  u.  a. 
i.  B.  S.  15,  1.  41,  4.  111  A.  146.  2.  204,  1.  210,  2.  288,  3.  261,  1. 
801.  2.  850,  3.  352,  2.  370.  5.  Auch  bei  Dio  findet  sich  die  Einwirkung 
der  verfälschten  Darstellung  Caesars  bei  den  Verhandlungen  zu  Anfang 
des  Bürgerkriegs,  die  bei  ihm  zu  einer  Dublette  geführt  hat,  S.  801.  2. 


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612 


Beilage  IV 


ist  Lucans  Epos  bekanntlich  die  Hauptquelle,  aus  der  wir  Livius' 
Darstellung  erkennen  können.  Manche  Einzelzüge  und  Äuße- 
rungen, wie  die  bekannte  antithetische  Charakteristik  des  Caesar 
und  Pompejus  (S.  314,  3),  sind  bei  ihm  erhalten;  aber  weder 
dies  Epas,  noch  die  bei  Orosius,  in  den  Periochae,  bei  Florus, 
Obsequens,  Valerius  Maximus  und  sonst  erhaltenen  kurzen  No- 
tizen1) reichen  aus,  um  sein  Werk  wirklich  zu  rekonstruieren 
und  zu  erkennen,  was  er  aus  eigenem  zur  Gestaltung  der  Über- 
lieferung beigetragen  hat.  Indessen  der  Verlust,  den  wir  dadurch 
erlitten  haben,  ist  nicht  so  groß,  wie  er  vielfach  geschätzt  wird. 
Denn  er  steht  von  den  Vorgängen  viel  zu  weit  ab,  um  als  Primär- 
quelle in  Betracht  zu  kommen.  Nach  Hieronymus*  Chronik  ist 
er  im  Jahre  59  geboren,  war  also  bei  Caesars  Ermordung  eben 
erst  15  Jahre  alt,  mithin  noch  nicht  fähig,  die  Ereignisse  der 
vorhergehenden  Epoche  selbständig  in  sich  aufzunehmen8).  Als 
er  zur  Zeit  der  Begründung  des  Principats  daran  ging,  sein  Werk 
zu  schreiben,  und  vollends,  als  er  damit  bis  an  die  caesarische 
Zeit  vorgedrungen  war,  war  diese  längst  bearbeitet,  und  er  dar- 
auf angewiesen,  die  ihm  vorliegenden  Darstellungen  zu  benutzen, 
im  günstigsten  Falle  etwa  in  der  Weise,  wie  Polybios  in  der  Ge- 
schichte des  hannibalischen  und  der  folgenden  Kriege  die  Priraär- 
quellen  selbständig  überarbeitet.  Neues  Material  hat  er  schwer- 
lich noch  in  irgendwie  bedeutendem  Umfang  hinzugebracht  oder 
hinzubringen  können.  Aus  seiner  ehrlichen  Überzeugung  hat 
er  kein  Hehl  gemacht,  wie  er  denn  bekanntlich,  trotz  alles  En- 
thusiasmus für  die  Regeneration  des  Römertums  durch  Augustus, 
seine  Sympathien  für  die  Republik  und  Pompejus  nicht  verleugnet 
hat  —  das  vertrug  sich  ja  auch  in  Wirklichkeit  viel  besser  mit- 

')  z.  B.  S.  98,  2.  851.  2.  435,  4.  469,  1.  500,  1.  Bei  Plutarch  wird 
Linas  wie  nicht  selten  in  den  alteren  Biographien,  so  im  Caesar  47 
(s.  Anm.  2)  und  68  (oben  S.  514,  2)  angefahrt,  bei  Appian  nur  III  77,  815, 
falls  die  Korrektur  Acßüp  für  Aißcovi  richtig  ist,  für  den  Aufstand  des 
Bassus.    Eine  Berührung  zwischen  Appian  und  Li?ius  s.  S.  537,  4. 

a)  Eine  Jugenderinnerung  hat  er  in  der  Erzählung  aufgenommen, 
daß  Caesars  Sieg  bei  Pharsalos  an  demselben  Tage  von  einem  Seher 
C.  Cornelius  in  Patavium  verkündet  wird  (Plut.  Caes.  47.  Obsequens  65; 
aufgenommen  von  Dio  41,  61,  4). 


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Die  Quellen.  Livius 


613 


einander,  als  es  den  Anschein  hatte,  da  Augustus  trotz  der  An- 
knüpfung an  Caesar  in  Wirklichkeit  viel  mehr  der  Fortsetzer  des 
Pompejus  war.  Auch  für  historische  Kritik  und  eine  richtige 
Würdigung  der  Quellen  hatte  livius  Verständnis,  wie  die  er- 
haltenen Bücher  durch  zahllose  Einzelbemerkungen,  durch  die 
ständige  Anführung  der  von  den  späteren  Fälschungen  völlig 
abweichenden  Angaben  der  ältesten  Annalen,  durch  die  Verwertung 
des  Polybios  beweisen;  er  steht  darin  hoch  über  Dionysios  von 
Halikarnaß.  Aber  Herr  seines  Stoffs  ist  er  nicht  geworden;  ganz 
abgesehn  von  seiner  starken  rhetorischen  Manier  muß  die  Weich- 
heit seiner  Empfindung,  die  Neigung  zu  milder  Beurteilung  und 
zur  Vertuschung  häßlicher  Szenen  ihm  eine  wirklich  zutreffende 
Schilderung  der  Revolutionszeit  mit  all  ihrem  Schmutz  und  ihren 
brutalen  Verbrechen  noch  weiter  erschwert  haben1). 

Nur  um  so  deutlicher  tritt,  den  individuellen  Variationen  der 
abgeleiteten  Darstellungen  gegenüber,  sowohl  die  Vortrefflich keit 
wie  die  Einheitlichkeit  des  zugrunde  liegenden  und  von  ihnen 
allen  benutzten  Materials  hervor.  Somit  müssen  wir  als  Grund- 
lage für  die  gesamte  Uberlieferung  über  diese  Zeit  ein  großes, 
alle  Vorgänge  bis  ins  einzelnste  verfolgendes  Geschichtswerk 
betrachten,  auf  dem  direkt  oder  indirekt  alle  späteren  Bear- 
beitungen fußen.  Im  Grunde  ist  die  Aufgabe  der  modernen  Ge- 
schichtsforschung nichts  anderes,  als  dies  Werk  zu  rekonstruieren 
und  durch  Einfügung  des  ciceronischen  Materials  zu  kontrollieren 
und  gelegentlich  zu  ergänzen ;  in  der  Auffassung  und  Beurteilung 
der  so  ermittelten  Tatsachen  und  der  Persönlichkeiten  mag  man 
dann  seine  eignen  Wege  gehn.  Wer  der  Verfasser  gewesen  ist, 
wird  sich  freilich  kaum  ermitteln  lassen;  dafür  ist  eben  unsere 
Kunde  von  der  historischen  Literatur  viel  zu  dürftig,  Fragmente 
fehlen  für  all  die  zahllosen  Historiker  nach  Posidonios  fast  voll- 
ständig. Natürlich  wird  sich  einem  jeden  zunächst  der  große 
Name  des  Asinius  Pollio  aufdrängen.  Aber  direkte  Nachrichten 
über  sein  Werk  besitzen  wir  so  gut  wie  garnicht.  Die  Fragmente 

')  VgL  S.  98,  2  fein  Urteil  über  Cicero.  Bei  der  Verschwörung 
von  05  hui  er  wahrscheinlich,  ebenso  wie  Sallust,  die  Beteiiigang  des 
CraKBus  und  Cnesar  vertuscht,  8.  21  Anm. 


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61  t 


Beilage  IV 


beschränken  sich,  abgesehn  von  ein  paar  für  uns  nicht  in  Betracht 
kommenden  Notizen,  auf  die  Charakteristik  Ciceros  (S.  98,  2), 
eine  Notiz  über  die  Schlacht  bei  Munda1),  die  Angabe  über  die 
Äußerung  Caesars  auf  dem  Schlachtfeld  von  Pharsalos  nebst  der 
von  Caesar  abweichenden  Angabe  über  die  Zahl  der  gefallenen 
Pompejaner2)  und  den  Bericht  über  den  Übergang  über  den 
Rubico3),  in  dem  er  Caesars  gefälschte  Darstellung  berichtigt  — 
für  diese  Vorgänge  wird  er  als  Augenzeuge  von  der  Quelle  Appians 
und  Plutarche  verwertet.  Zu  diesen  Angaben  stimmt,  daß  er,  wie 
Sueton  bezeugt,  sich  über  die  Zuverlässigkeit  der  Berichte  Caesars 
in  seinen  Kommentaren  mit  Recht  sehr  absprechend  geäußert 
hat4);  wenn  er  die  Schuld  der  Fehler  zum  Teil  auf  unzuverlässige 
Berichterstatter  und  ungenaue  Erinnerung  schob  und  die  Ansicht 
äußerte,  Caesar  selbst  würde  sie  bei  längerem  Leben  korrigiert 
haben,  so  ist  das  offenbar  nur  eine  Konzession  an  den  Divus 
Julius,  an  die  er  selbst  schwerlich  geglaubt  hat4).  Sonst  wissen 
wir  nur  noch,  daß  sein  Werk  mit  der  Koalition  der  Machthaber 
im  Jahre  60  begann9);  und  eben  das  spricht  aufs  stärkste  dagegen, 
daß  es  die  grundlegende  Quelle  ist.  Denn  die  Überlieferung  über 
die  vorhergehenden  Jahre  trägt  genau  denselben  Charakter  wie 
nachher,  ein  Einschnitt  ist  nirgends  erkennbar.  Überdies  ist 
Appians  Darstellung  der  Bürgerkriege  von  der  Graochenzeit  an 
in  Auffassung  und  Tendenz  durchaus  einheitlich  und  aus  einem 
Guß;  das  geht  natürlich  nicht  auf  ihn  und  auch  nicht  auf  die 
von  ihm  selbst  benutzte  Vorlage,  sondern  auf  die  ursprüngliche 

l)  Sueton  Caes.  55. 

*)  8.  845  und  oben  S.  609,  1. 

»)  PlQt  Caes.  82  =  Appian  II  85,  a.  S.  298,  1.  Daß  Asinius  Pollio 
die  Quelle  ist,  geht  aus  Plutarchs  Angabe  iroXXä  ftfc  xal  täv  ? iXtuv  tote 
«apobotv,  u»v  Tjv  xal  IIoXUwv  'Aolvio?,  oüvJnrjii6p-rjo»v  ÄvaXoYtCöjisvo;  xtX. 
hervor. 

')  Sueton  Caes.  56  Asinius  Pollio  parum  dilig  enter  parumque 
integra  verüate  composilos  putal,  cum  Caesar  pleraque  et  quae  per 
alios  erant  gesta,  temere  crederet  ei  quae  per  se,  vel  consulto  vel 
etiam  memoria  lapsus  perperam  ediderü,  exiatimatque  rescripturum 
ei  correcturum  fuisse. 

8)  Hora*  carm.  II  1,  vgl.  S.  60,  2. 


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Die  Quellen.    Asinius  Pollio 


615 


Darstellung  zurück  —  übrigens  weicht,  was  noch  besonders  betont 
werden  muß,  diese  Auffassung  von  der  des  Livius  aufs  stärkste 
ab  und  stellt  die  Ereignisse  in  ganz  andrem  Lichte  dar,  als  dieser1). 
Es  wird  nichts  übrig  bleiben,  als  uns  zu  bescheiden  und  wie  für 
die  Gracchenzeit  so  auch  für  die  caesarische  das  Spiel  mit  Ver- 
fassernamen zu  unterlassen  *). 

Um  so  weniger  darf  die  Frage  umgangen  werden,  woher  das 
hier  zusammengefaßte  und  verarbeitete  Material  stammt;  und 
darauf  ist  eine  Antwort  allerdings  möglich.  Daß  es  durchaus 
zuverlässig  ist,  beweist  die  Kontrolle,  die  uns  hier  durch  Ciceros 
Briefwechsel  und  Reden  ermöglicht  ist.  Daß  das  darin  vorliegende 
Material  in  weitestem  Umfang  benutzt  worden  ist,  ist  zweifellos3), 
gleichgültig,  ob  die  Korrespondenz  schon  veröffentlicht  oder 
noch  in  Privatbesitz  war:  wenn  Nepos  die  Briefe  Ciceros  bei 
Atticus  lesen  konnte,  wird  dieser  dem  Asinius  Pollio  und  andren 
dio  Einsicht  ebensogut  gestattet  haben.  So  wird  deim  auch  der 
Brief  ad  Att.  VII  11,  3  bei  Plutarch  Pomp.  63,  d.  i.  natürlich 
von  der  Quelle  Plutarchs,  zitiert  (S.  300, 1),  ebenso  bei  Livius 
der  Bericht  des  Servius  Sulpicius  über  Marcellus'  Tod  an  Cicero 
fam.  IV.  12  benutzt  (S.  406,  4),  bei  Plutarch  im  Brutus  22.  Cic.  45. 
comp.  Dem.  et  Cic.  4  die  Briefe  des  Brutus  1 16.  17  —  wie  mau  an 
deren  Echtheit  zweifeln  konnte,  ist  mir  unverständlich  — ;  und 
die  Berührung  der  Geschichtsdarstellung  mit  Ciceros  Briefwechsel 


•)  Siehe  meine  Untere,  zur  Gesch.  der  Gracchen,  Kl.  Schriften  397  ff. 

s>  Sonst  wissen  wir  über  Asinius  Pollio  noch,  daß  er  sich  für  den 
Stil  durch  den  Philologen  Atejus  P rae textat us  beraten  ließ,  der  für  ihn 
praecepta  de  ratione  scribendi  verfaßte.  Derselbe  hatte  früher  für  Sallust 
ein  breviarium  rerum  omnium  Romanarum,  ex  quibus  quae  vellet 
elujeret  verfaßt  (Sueton  de  gramm.  10).  So  mag  er  auch  dem  Pollio 
bei  der  Materialsammlung  geholfen  haben,  wie  er  denn  ein  philologisch- 
antiquarisches  Sammelwerk  (Hyle)  in  achthundert  Büchern  zusammen- 
gebracht hat  Undenkbar  wäre  es  nicht,  daß  dies  Werk  die  große 
Fundgrube  bildete,  in  der  das  Material  geordnet  vorlag  und  aus  der 
die  Historiker  geschöpft  haben. 

*)  In  den  Reden  des  Cicero  und  Fufius  Calenns  bei  Dio  lib.  45  u.  46 
sind  bekanntlich  Ciceros  Philippiken  und  Antonius  Antwort  auf  diese 
ausgiebig  benutzt  (vgl.  S.  432.  3). 


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616 


Beilage  IV 


ist  vielfach  so  eng1)  und  die  Schilderang  seines  Verhaltens  bis 
ins  einzelnste  so  zutreffend,  daß  die  Benutzung  ganz  evident  ist. 

Gleichartige  Sammlungen  lagen  aus  Caesars  Nachlaß  vor, 
außer  seinen  Berichten  an  den  Senat*)  seine  Briefe  an  Cicero 
und  ad  familiäres  (S.  607,  1)*).  Dazu  kamen  dann  seit  Caesars 
Consulat  die  acta  diurna  tarn  senattis  quam  populi  (S.  68).  Wie 
eingehend  diese  über  die  täglichen  Vorgänge  berichteten,  zeigen  die 
bei  Asconius  erhaltenen  Bruchstücke4).  Aber  auch  schon  für  die 
Zeit  vorher,  seit  um  die  Mitte  der  sechziger  Jahre  wieder  eine 
genauere  Kunde  auf  uns  gekommen  ist,  trägt  die  Überlieferung 
den  gleichen  Charakter,  so  daß  auch  da  schon  —  und  offenbar 
weit  hinauf  bis  in  die  Gracchenzeit  —  ein  ähnliches,  weim  auch 
nicht  so  reiches  Material  vorhanden  gewesen  sein  muß.  Zum 
Teil  stammte  dasselbe  aus  den  Senatsprotokollen  und  den  Akten 
(commentarii)  der  Beamten,  wie  sie  Polybios  für  die  Darstellung 
der  Vorgänge  in  Rom  vom  Jahre  188  an  benutzt;  daneben  aber 
offenbar  aus  privaten  Aufzeichnungen.  Als  Cicero  im  Jahre  51 
in  seine  Provinz  geht,  besorgt  ihm  Caelius  einen  regelmäßigen 
commentaritis  rerutn  urbanamm,  der  alle,  auch  die  unbedeutend- 
sten, Tagesereignisse  verzeich neteÄ),  und  zu  dem  er  dann  die  auf 

')  ».  B.  S.  88.  1.  98,  2.  182,  1.  299.  8.  460,  1  und  sonst  oft. 

•)  Diese  Berichte,  die  viel  umfangreicher  waren  als  sonst  üblich,  und 
daher  auch  Äußerlich  Buchform  hatten  (quas  primus  videtur  ad  paginas 
et  formam  memorialis  libelli  convertisse,  Sueton  56),  hat  er  ofFenbar  bei 
Abfassung  des  Bellum  Gallicura  tugrunde  gelegt  und  überarbeitet,  vor 
allem  auch  durch  die  Einschiebung  geographisch-ethnographischer  Exkurse. 

*)  Von  den  Briefen  an  Oppins  und  Baibus  (GeUins  17.  9)  sind  in 
Ciceros  Briefwechsel  Proben  erhalten.  Aus  der  Korrespondenz  mit  Cicero 
findet  sich  in  KOblers  Caesarausgabe  III  2  p.  206  nur  ein  Zitat  aus 
dem  dritten  Buch,  bei  Servius  in  Verg.  Georg.  III  204  (III  p.  298  Thilo): 
Caesar  tesüs  est  libro  ad  Ciceronem  III:  multa  milia  equitutn  atque 
esgedariorum  habet.  Das  gehört  also  in  den  britannischen  Feldzug 
des  Jahrs  54  und  zu  dem  Material,  das  Caesar  dem  Cicero  für  das  dar- 
über gewünschte  Epos  sandte  (S.  202).  Sonst  findet  sich  noch  ein  Zitat 
Caesar  ad  Pisonetn:  loceüum  tibi  signatum  remisi,  aus  Charisius 
(Hobler  p.  221).  das  inhaltlich  nichts  ergibt 

*)  S.  105,  4.  215,  1. 

•)  ad  fam.  VIII  1,  1.  2,  2.  11,  4,  und  dazu  Ciceros  Äußerung  II  8,  1. 


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Die  Quellen.    Briefe  und  Akten.  Reden 


617 


uns  gekommenen  politischen  Berichte  achrieb.  Ebenso  werden 
es  andere  vornehme  Männer  auch  gemacht  haben;  sie  mußten  ja, 
wenn  sie  in  der  Provinz  oder  im  Felde  tatig  waren,  über  die  Vor- 
gänge in  Rom  genau  orientiert  bleiben.  So  wird  es  derartige 
Berichte  in  Masse  gegeben  haben,  analog  den  schriftlich  ver- 
breiteten Korrespondenzen  und  Journalen,  welche  als  Quellen 
der  neueren  Geschichte  eine  so  große  Bedeutung  haben;  und 
natürlich  ist  dann  derartiges  Material  im  Altertum  so  gut  wie  in 
der  Neuzeit  von  den  Historikern  verwertet  worden.  Das  gleiche 
gilt  übrigens  auch  von  der  Geschichte  der  hellenistischen  Welt, 
z.  B.  von  den  Details  der  Hofgeschichte  des  Lagidenreichs  und 
des  Seleukidenreichs,  die  Polybios  bewahrt  hat;  und  die  Anfänge 
werden  schon  bis  in  den  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts  hinauf- 
reichen, wie  u.  a.  das  Detail  über  Konon  zeigt,  das  Theopomp 
in  dem  Bruchstück  aus  Oxyrynchus  hat  geben  können. 

Zu  diesem  Material  kommen  dann  die  veröffentlichten  Reden 
und  Pamphlete.  Erhalten  sind  von  dieser  äußerst  umfangreichen 
Tagesliteratur  außer  den  Reden  Ciceros,  von  denen,  soweit  er 
sie  publiziert  hat,  wenigstens  die  Mehrzahl  auf  uns  gekommen 
ist,  die  unter  Sallusts  Namen  überlieferte  Invective  Pisos  gegen 
Cicero  aus  dem  Jahre  54  (S.  163  ff.)  und  seine  beiden  Schreiben 
an  Caesar1).  Gleichartig  waren  die  Reden  und  Pamphlete  der 
beiden  Curio  (S.  80,  vgl.  S.  19, 3.  22  A.  78,  3),  des  Memmius  nebst 
Caesars  Antwort  darauf  (S.  93  f.),  die  Edikte  des  Bibulus  (S.  81, 
vgl.  22  A.),  die  Reden  und  Broschüren  des  Brutus  (S.  79, 2. 
211  A.  224,  4.  235,  1.),  Varros  Tptxipavoc  (S.  80),  die  Schmäh- 
schrift des  Caecina  gegen  Caesar  (S.  400),  sodann  die  zahl- 
reichen Schriften  über  Cato  (S.  436)  und  Brutus'  Schrift  de 
virtute  mit  der  Äußerung  über  M.  Marcellus  (S.  383);  ferner 


')  Erwähnt  sei  noch,  daß  bei  Athenaeos  VI  278  b  ein  ooYTP(Wa  des 
L.  Aurunculeius  Cotta  stpi  rJj«  'Ptopaunv  ftoXrofa;  in  lateinischer  Sprache 
erwähnt  wird  (Pktbr,  Hirt.  Rom.  Rel.  II  p.  LXI),  das  er  kurz  vor  seinem 
Tode  im  Winter  54/3  verfaßt  haben  muß,  da  er  in  ihm  von  Caesars  Ex- 
pedition nach  Britannien  redete.  Weiter  wissen  wir  darüber  nichts ;  es 
zeigt  aber  auch  wieder,  wieviel  Literatur  es  gegeben  hat,  von  der  gar- 
keine  Kunde  auf  ans  gekommen  ist. 


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618 


Beilage  IV 


kamen  natürlich  auch  die  veröffentlichten  und  vielgelesenen 
Reden  des  Hortensius  und  des  Calvus  (8. 128, 1.  198)  in  Betracht. 
Daran  reihen  sich  die  anticaesarischen  Schriften  von  T.  Ampius 
Baibus  (S.  400,  3.  520),  Tanusius  Geminus  (S.  18.  22  A.  172  2.), 
M.  Actorius  Naso  (S.  19,  3.  22  A.),  die  zum  Teil  die  Geschiohte 
dieser  Zeit  oder  einen  Abschnitt  derselben  behandelt  zu  haben 
scheinen.  Harmloser  waren  die  Sammlungen  von  Anekdoten  und 
Aussprüchen  berühmter  Manner,  vor  allem  Ciceros  (durch  Tre- 
bonius  S.  384,  und  spater  durch  Tiro),  wie  sie  auch  Caesar  selbst 
verfaßt  hat  (S.  384, 2).  Ferner  gehört  die  Literatur  über  Cato 
hierher,  die  schon  bei  seinen  Lebzeiten  mit  der  Broschüre  des 
Metellus  Scipio  gegen  ihn  (S.  436,  2)  begann.  Auch  die  poetische 
Literatur  hatte  politische  Bedeutung,  die  Invectiven  des  Catull 
und  Calvus  (S.  198  f.  60Ö,  1),  des  Voltacilius  Pitholaus  (S.  401, 1), 
des  Furius  BibaculuB  (Tac.  Ann.  IV.  34)  gegen  Caesar,  Varros 
Saturae,  auch  der  Mimus  des  Laberius  (S.  387).  Endlich  gehört 
auch  die  bei  Livius  im  Auszug  erhaltene  Broschüre  hierher, 
welche  Caesars  monarchische  Stellung  in  der  Form  einer  Rede 
des  Tiberius  Gracchus  im  Scipionenprozeß  angreift  (S.  531  f.). 

Von  den  größeren  zeitgenössischen  Geschichtswerken  ist  aus 
der  an  Pompejus  anknüpfenden  Literatur  das  seines  Günstlings 
Theophanes  wohl  für  seine  Feldzüge  erkennbar,  aber  nicht  für 
die  innere  Geschichte  Roms.  Ganz  ungreifbar  ist  Luccejus,  von 
dessen  historischen  Arbeiten  wir  nur  durch  Ciceros  Brief  f  am.  V  12 
Kunde  haben,  in  dem  er  ihn  vergeblich  für  ein  Werk  über  sein 
Consulat  zu  gewinnen  sucht.  Posidonios,  von  dem  er  sich  bei 
dem  gleichartigen  Versuch  ebenso  eine  höfliche  Absage  holte 
(ad  Att.  IT  1,  2),  liegt  uns  für  den  Anfang  der  von  uns  behandelten 
Epoche  noch  in  ein  paar  wohl  zweifellos  aus  ihm  geschöpften 
Fragmenten  Diodors  vor,  darunter  zwei  Bruchstücken  aus  der 
Geschichte  der  catilinarischen  Verschwörung  (oben  S.  29,  4). 
Daß  er  durchaus  auf  Seiten  des  Pompejus  stand,  ist  bei  seiner 
Stellung  ohnehin  zweifellos  und  wird  durch  mehrere  Fragmente 
über  Pompejus'  Auftreten  in  der  Zeit  Sullas  bestätigt1);  die 


')  Diod.  89,  ».  10.  20. 


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Die  Quellen.    Pamphlete  und  Geschichtswerke  619 

« 

Zeit  nach  dem  Abschluß  der  Feldzüge  des  Pompejus  im  Osten 
hat  er  nicht  mehr  behandelt1).  Auch  die  letzten  Auslaufer  der 
vorlivianischen  Annalistik  sind  hier  anzuführen,  so  wenig  sie 
wirklich  maßgebende  Darstellungen  gewesen  sein  können.  Aber 
eine  und  die  andere  wichtige  Notiz  wird  in  ihnen  zu  finden  gewesen 
sein,  wie  denn  Sueton  aus  Tubero  die  Angabe  entnimmt,  daß 
Caesar  ursprünglich  den  Pompejus  zum  Erben  eingesetzt  hatte1). 

Weit  wichtiger  sind  dann  die  von  den  handelnden  Persönlich- 
keiten selbst  verfaßten  Darstellungen  ihrer  Taten,  die  natürlich 
immer  zugleich  eine  politische  und  persönliche  Tendenz  haben. 
Ganz  unverhüllt  trat  diese  in  den  prosaischen  und  poetischen 
Schriften  Ciceros  über  sein  Consulat  hervor,  an  die  sich  seine 
Anecdota  oder  de  consUits  suis  anreihen3).  Aber  nicht  minder 
beherrscht  sie  Caesars  Cominentarien,  die  uns  glücklicherweise 
erhalten  sind,  zusammen  mit  der  von  Hirtius  begonnenen  Er- 
gänzung und  Fortsetzung  und  dem  Rohmaterial  für  den  afrika- 
nischen und  spanischen  Krieg,  freilich  nur  auf  Grund  einer 
einzigen  stark  verstümmelten  Handschrift.  Im  übrigen  ist  das 
Corpus  in  der  vorliegenden  Gestalt  offenbar  bald  nach  dem  Tode 
des  Hirtius  publiziert  worden,  von  wem,  wissen  wir  nicht,  und 
wird  so  von  Sueton  Caes.  56  beschrieben4);  zur  Ausfüllung  der 
im  zweiten  Buch  des  Bürgerkrieges  gebliebenen  Lücke,  in  der 

l)  In  der  vielumstrittenen  Frage,  wie  weit  sein  Werk  herabgereicht 
hat,  halte  ich  für  das  Wahrscheinlichste,  daß  er  ebenda  geschlossen  hat, 
wo  Diodor  abbricht,  mit  der  Rückkehr  des  Pompejus  und  den  unmittel- 
bar anschließenden  Ereignissen  bis  zum  Jahre  59. 

»)  Caes.  83,  S.  343,  1.  Höchst  unwahrscheinlich  ist,  daß  bei  Sueton 
56,  7  der  korrupte  Text  feruntur  et  f  ait  vero  ab  adulescenttüo  (Cae- 
sare)  quaedam  scripta,  ut  Laudes  Herculis,  tragoedia  Oedipus,  item 
Dicta  CoUectanea  (s.  8.  384,  2) ,  quos  omnis  libeUos  vetuit  Augustus 
publicari  in  epistula,  quam  brevem  admodum  ac  simplicem  ad  Pom- 
peium  Macrum,  cui  ordinandas  bibliothecas  delegaverat,  mimt,  mit 
Rufferschied  und  Peter  ut  ait  Q.  Tubero  zu  korrigieren  sei. 

*)  S.  27,  1.  33.  2.  Bekanntlich  hat  auch  Atticus  eine  griechische 
Schrift  über  Ciceros  Consulat  verfaßt  fad  Att.  II  1,  1.  Nepos  Att.  18,  6.) 

*)  Cicero»  bekannte,  auch  von  Sueton  zitierte  Äußerung  Brut.  262 
bezieht  sich  offenbar  nur  auf  das  Bellum  Gallicum.  Dagegen  keunt 
Asinius  Pollio  offenbar  auch  das  Bellum  civile  (vgl.  S.  469,  2). 


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620  Beilage  IV 

der  mißglückte  Feldzug  in  Ulyrien  im  Jahre  49  hatte  behandelt 
werden  sollen  (8.  357,  3),  hat  offenbar  kein  Material  vorgelegen1). 
Daß  Caesars  beide  Schriften  durchweg  von  einer  ausgeprägten 
Tendenz  beherrscht  sind,  seiner  Politik  dienen  und  sie  rechtfertigen 
sollen,  und  daher  voll  sind  von  Verschleierungen  und  argen  Ent- 
stellungen, tritt  an  vielen  Stellen  klar  zutage*). 

An  Caesars  Schriften  schließt  sich  in  Charakter  und  Tendenz 
Sallusts  Catilina  an,  obwohl  er  als  Schriftsteller  eine  ganz  anders- 
artige Stellung  beansprucht  und  den  Thukydides  zum  Vorbild 
nimmt.  Aber  sachlich  ist  es  eine  geistvolle  caesarianiscbe  Tendenz- 
schrift, die  vor  starken  Entstellungen  keineswegs  zurückscheut; 
darüber  hat  E.  Schwartz  eingehend  gehandelt8).  Wie  es  scheint, 
hat  er  unter  anderm  die  Darstellung  des  Tanusius  Qeminus  be- 
rücksichtigt und  korrigiert  (S.  18,  2);  andrerseits  hat  sein  Werk, 
ebenso  wie  die  Schriften  Caesars,  die  grundlegende  Darstellung, 
welche  die  Späteren  benutzen,  mehrfach  beeinflußt4).  Dieses 
Werk  ist  also  jünger  als  Sallust,  was  auoh  ohnehin  anzunehmen 
war;  es  wird  in  die  Anfange  der  augusteischen  Zeit  zu  setzen  sein. 

Daneben  stehn  die  Biographien  Cioeros  von  Nepos5)  und  Tiro, 
die  Catos  von  Munatius  (S.  436),  die  Caesars  von  Oppius  (S.  505,  2. 


')  Die  Annahme  von  Klotz,  daß  das  Bellum  Gallicnm  zahlreiche 
wpatere  Interpolationen  geographischen  Inhalts  enthalte,  halte  ich  für 
ganz  unmöglich.  Wohl  aber  sind  derartige  Einfügungen  von  Caesar 
»elbst  bei  der  Herausgabe  im  Winter  52/1  vorgenommen  und  an  den 
von  Klotz  aufgezeigten  Fugen  erkennbar.  Baß  Caesar  dabei  seine  all- 
jährlich eingesandten  Berichte  an  den  Senat  (S.  616,  2)  ebenso  wie  die 
Berichte  seiner  Unterfeldherrn  benutzt  hat,  ist  selbstverständlich;  aber  die 
jetzt  vielfach  vertretene  Ansicht,  er  habe  die  einzelnen  Bücher  bereits 
als  selbständige  Schriften  publiziert,  kann  ich  nicht  für  zutreffend  halten. 

»)  Siehe  Uber  das  Bellum  Gallicum  S.  94.  8.  142,  2.  17S  A.  227.  1. 
238  ,  2.  245.  Über  das  achte  Buch  von  Hirtius  S.  252,  1.  2.  266,  8. 
272,  1.  Über  das  Bellum  civile  S.  282,  1.  290,  3.  291,  1.  2.  298,  1.  2. 
297,  3.  802,  1.  807,  2.  4.  302,  1.  803,  1.  804.  1.  805.  1.  806,  2.  351. 
365,  4.  469,  2. 

*)  6.  20,  8;  vgl.  18,  2.  19.  25,  1.  29,  4.  32,  1.  34.  1. 

*)  S.  22  A.;  vgl.  21  A.  82,  2  (Asconius  benutzt  ßalhut  direkt  S.  18,  2. 
19,  8). 

s)  Gell.  XV  28,  1. 


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Die  Quellen.  Caesar.  Sallust.  Biographien.  Sueton  021 


519,  4.  522,  5),  die  des  Atticus  von  Nepoa,  weiter  die  Schriften 
des  Empylos,  Bibulus  und  Volumnius  über  Brutus1)  und  schließ- 
lich die  Selbstbiographie  des  Augustus,  die  auch  seine  Jugend  - 
geschiente  nebst  Caesars  Ermordung  behandelt  hat.  Sie  ist  auch 
von  Nikolaos  von  Damaskus  in  dem  größtenteils  erhaltenen 
Eingang  seiner  Biographie  des  Augustus  benutzt1);  aber  das 
reiche  und  gute  Material,  das  hier  gegeben  wird  und  zum  Teil  fast 
wörtlich  ebenso  bei  Sueton  wiederkehrt9),  kann  wenigstens  zum 
größten  Teil  nicht  auf  ihn  zu  rückgeh  n,  sondern  muß  aus 
einem  detaillierten  Bericht  über  Caesars  Ermordung  stammen. 

Daneben  findet  sich  bei  ihm  eine  sehr  naive  offizöse  Apolo- 
getik, welche  Caesar  von  den  ihm  gemachten  Vorwürfen  ent- 
lasten und  die  Schuld  auf  seine  Werkzeuge  und  falschen  Freunde, 
vor  allem  auf  Antonius  schieben  und  zugleich  die  Mörder  mög- 
lichst belasten  will4).  Umgekehrt  findet  sich  eine  eben  so  naive 
und  unhistorische  Apologie  des  Antonius  in  der  von  Dio  46, 1  ff. 
aufgenommenen  Rede  des  Fufius  Calenus  gegen  Cicero6),  für  die 
im  übrigen  die  Antwort  des  Antonius  auf  die  Phibppiken  in  der- 
selben Weise  benutzt  ist,  wie  diese  für  die  Rede  Ciceros  bei 
Dio  45,  18  ff.6). 

Abseits  von  den  Geschichtswerken  steht  Sueton,  der  gemäß 
der  Anlage  seiner  Biographien  im  Gegensatz  zu  Plutarch  die 
Lebensgeschichte  nur  kurz  berührt,  dagegen  ein  um  so  reicheres 
Material  zur  Dlustration  der  Persönlichkeit,  Lebensführung  und 
administrativen  Tätigkeit  zusammenstellt.  Dabei  sind  die  ver- 
schiedenartigsten Quellen  benutzt,  im  Leben  Caesars  gelegentlich 
Fassungen  zu  seinen  Gunsten  (S.  56,  2),  weitaus  überwiegend  aber 
ihm  feindliche,  zum  Teil  direkt  gehässige  und  entstellende  An- 
gaben (z.  B.  S.  56,  4).  In  der  Materialsammlung  berührt  er  sich 


«)  Plut.  Brut.  2.  18.  28.  48.  51;  vgl.  8.  585,  1. 
»)  Vgl.  dazu  E.  Schwartz,  Die  Verteilung  der  römischen  Provinzen 
nach  Caesars  Tod,  Hermes  38,  1898,  S.  205  ff. 
»)  S.  521,  1.  541,  2. 

*)  S.  380,  1.  464,  5.  517,  5.  518,  3.  527,  2.  528,  2. 
»)  S.  432,  3.  528,  2. 
«)  8.  365,  4. 


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622 


Beilage  IV 


mit  dein  reichen  Material,  welches  Asconius  und  auch  die  scholia 
Bobbiensia  u.  a.  zur  sachlichen  Erläuterung  der  ciceronischen 
Reden  zusammengetragen  haben1).  Natürlich  hat  Sueton  auch  die 
Geachichtswerke  gekannt,  und  berührt  sich  daher  vielfach  eng, 
zum  Teil  fast  wörtlich  (z.  B.  S.  68,  1.  505,  2)  mit  Dio,  Plu- 
tarch  u.  a.  Aber  es  ist  nicht  zu  vergessen,  daß  die  Hauptereignisse 
dieser  Zeit  ihm  und  den  andern  Gebildeten  natürlich  völlig  ge- 
läufig waren,  und  daß  es  daher  verkehrt  ist,  jede  einzelne  An- 
gabe auf  eine  bestimmte  Quelle  zurückführen  zu  wollen.  Das 
gilt  auch  von  dem  kurzen,  geschickt  und  mit  Umsicht  das 
Wichtigste  heraushebenden  Abriß  des  Vellejus  Paterculus,  der 
es  verstanden  hat,  auf  wenigen  Seiten  ein  lebensvolles  Bild  der 
Zeit  und  der  Persönlichkeiten  zu  entwerfen. 


»)  Ein  großes  Sammelwerk  ahnlichen  Inhalts  hat  unter  Vespasian, 
nach  seinem  Rücktritt  aus  dem  öffentlichen  Leben,  Mucianus  begonnen, 
der  bekanntlich  gleichzeitig  auch  noch  ein  anderes  großes  Kollektaneen- 
werk  zusammengeschrieben  hat,  aus  dem  Plinius  zahlreiche  Curiosa  mit- 
teilt. Jenes  Werk  erwähnt  Tacitus  in  dem  kurz  vor  Mucians  Tod  (f  76) 
spielenden  Dialogus  87:  nescio  an  venerint  in  mantis  vestras  hoec 
vetera,  quae  et  in  antiquariorum  bibliothecis  adhuc  manent  et  cum 
maxime  a  Muciano  contrahuntur  ac  tarn  undecim,  ut  opinor,  Ac- 
•  torum  libris  et  tribus  Epistularum  composiia  et  edita  sunt.  Daraus 

war  xu  ersehn,  daß  Pompejus  und  Crassus  non  viribus  modo  et  armis, 
sed  ingenio  quoque  et  oratione  oaluisse,  und  ebenso  die  Lentuli,  Metelli, 
Luculli,  Cjiriones  und  andere  Vornehme.  Somit  muß  hier  das  Reden- 
material eingehend  behandelt  und  durch  die  Akten  erläutert  worden  sein. 


s 


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Register 


Die  römischen  Persönlichkeiten  sind  nnter  den  Namen  aufgeführt,  nnter  denen  sie 
bekannt  sind,  nicht  unter  den  Gentilnamen.  Pur  die  Schicksale  <les  Caesar,  Cicero 
tiuJ  Pompejus  sind  die  Stellen  nicht  aufgeführt. 


A 

Acta  diurna  68,  ölfi, 
M.  Actorius  Naso  19.  3,  22  A. 
Adiatorix  in  Heraklea  493. 
Aegypten  12,  14.  18.  126  ff.  422. 

495.  2»  502. 
Aelius  Ligus  (Tribun  58)  IM.  106, 

111  A. 

Aemilier,  Abstammung  von  Aemylus 
510,  L 

L.  Aemilius  Paullus  (cos.  50)  29,  2» 

8a.  200,  ö.  253.  259,  2fiL  220. 
Aesernia  66j  2« 

L.  Afranius  (cos.  60)  52.  118,  130, 

177.  318, 
Afrika  420  ff. 

Albanische  Königstracht  509. 
C.  Albinius  (Senator)  415  A. 
Aledius  434.  506. 

Alexandria,  Brand  der  Bibliothek 
499;  Plan  der  Verlegung  der  Resi- 
denz mich  Alexandria  52L 

C.  Alfius  Flavus  (Tribun  59)  70,  5. 

Aüobroger  488. 

Amatius  280,  2. 

T.  Ampius  Bulbus  38.  400.  520. 

Q.  Ancharius  (Tribun  59)  10. 

Andron  von  Tjw>dik>-n  493,  L 

L.  Annalius  (Senator)  158. 

Antipolis  488. 

L.  Antistius  (Tribun  58)  94. 
Antonier,  Abstammung  von  Hercules 

510,  L  528,  2. 
C.  Antonius  (cos.  63)  23.  28.  44,  3. 

73.  80.  340.  308.  374. 
C.  Antonius  (Praetor  44)  357,  543,  L 


L.  Antonius  (Tribun  44)  4£1  f .  4Sa  3. 
497,  L 

M.  Antonius  (cos.  44)  166,  2»  213» 
266;  Tribun  4fii  288.  222,  280  ff. 
2SS.  2113.  3üü  f.  353.  35JL  305,  4, 
367;  tiw^.  eq.  48—47:  389  ff;  Zer- 
würfnis mit  Caesar  328.  f.  403. 449. 
458;  cos.  44j  460  f.  485,  490.  513. 
518,  521  f.  539.  541,  L  542,  3. 
543  f.  Antwort  auf  Ciceros  Ph  i  1  i  pp. 
601,  L  621. 

Apamca  492. 

Appian  ÖOl  ff.;  Reden  604,  3. 

P.  Aquillius  Gallus  (Tribun  55)  156. 

152  f.  12L 
Arabion,  Numiderhäuptling  491  f. 
Arausio  488  A. 
Arelate  482  f. 

Aristoteles,  polit.  Theorien  129  f.  184. 
Arretium  52,  62,  3. 
Asconiue  18,  2.  22  A.  23  A. 
Asia,  Steuern  unter  Caesar  501 ; 

Beschluß  für  Caesar  509. 
P.  Asicius  128,  L 
Asido  in  Spanien  486. 
Q  Asiniue  Pollio  292.  303,  L  313. 

506.  546  A. ;  Sein  Geschichtswerk 

9A  2.  345.  608  f.  613 f. 
Astigi  in  Spanien  485.  L 
C.  Atejus  Capito  (Tribun  55)  156. 

151  f.  171  f. 
Atella  414,  ä 
Athen  503,  3. 

Atilius  Serranus  (Gavianus),  Tribun 

57;  108. 
M.  Atius  Baibus  65,  2. 
T.  Pomponius  Atticus  383,  433. 


624 


Register 


494;  Schrift  über  Brutus  Familie 
466.  3j  Briefwechsel  mit  Cicero 
522  ff.  619,  3, 

Augustus  s.  Octavianus. 

P.  Autronius  Paetus  lfi.  21  A.  32,  L 

Avenio  in  Gallien 

C.  Avianus  Philoxenus  249,  4. 
Axius  60L  L  606,  L 

B 

Bae  terrae  in  Gallien  488  A, 
Cornelias  Baibus  60.  148,  3.  254,  1. 

275.  298.  2,  40L  402,  L  430.  434. 

440. 442.  505.  519;  Cicero  pro  Balbo 

148,  3;  Briefe  Caesars  an  ihn  und 

Oppius  306,  507 :  angebt  Schrift 

über  Caesar  505,  IL 
Baibus  minor,  Neffe  des  Vorigen 

(cos.  40}  298,  2,  387,  2.  484,  L 

505f. 

L.  Minucius  Basilus  357  .  3»  537, 

L.  Bellienus  24,  4, 

Bibliotheksplan  Caesars  499  f. 

Bibulus,  cos.  59:  68,  69  ff.  83  f.  93. 
570.  572;  spätere  Zeit  102.  130, 
132.  229;  in  Syrien  238,  3.  243,  2, 
268,  262,  3.  315j  Edikte  22  A.  8i ; 
—  sein  Sohn.  Schrift  über  Brutus 
535,  L 

Bovianum  60,  2. 

Brithagoras  von  Heraklea  41)3. 

bruti  et  Cymati  530.  L 

D.  Brutus  34£L  467.  624,  631  f. 

L.  Brutus,  Begründer  der  Bepublik 
447.  63L 

M.  Brutus,  Abstammung  456.  3j 
Stellung  seiner  Familie  460  ff. ; 
Geburtsdatum  451  A.;  erstes  Auf- 
treten 06,224, 236,  605;  nachPhar- 
salos, Stellung  zu  Cioero  undCacsar 
378,382,  406, 4.434, 442, 450ff.  457. 
516;  Verschwörung  63L  533  ff. ; 
nach  Caesars  Ermordung  414,  3j 
Stil  453  f.;  Schrift  gegen  Pom- 
pe jus  und  Caesar79, 2.211A.  577,  2 ; 
pro  Milone  224,  4.  235;  pro  Dejo- 
taro  452,  3j  de  virtute  378;  Cato 
434,  442=  46L  453  f. ;  griechische 
Briefe  464  A. 

Buthrotum,  Caesar.  CoL  404. 

Byllis,  Colonie  495,  L 

Byrcbistas,  Getenkönig  474.  475,  2. 
'476.  5, 


c 

Cabellio  in  Galien  488. 

Caecilius  Bosaus,  Aufstand  gegen 
Caesar  386,  427,  3,  474,  L  476,  Ö. 

A.  Caecina  400.  430. 

M.  Caclius  Rufus  128,  2.  270,  1_L  Tri- 
bun 52:  2LL  228.  23L  238j  Aedil 
51;  253;  üebertritt  zu  Caesar: 
270,  L  283  f.  288.  2ft4  f.  362.  L 
353;  Versuch  der  Gegenrevolution 
366  f. ;  Cicero  pro  Cadio  23  A. 
135,  2, 

M.  (Caclius  Vinioianus  263, 

M.  Caepio  =  Brutus  224,4. 

Caerelha,  Briefe  CJseroe  an  sie  457. 2, 
C01,  L 

C.  Caesar,  Familie  335:  Stammbaum 
335.  509  fT.;  Geburtsdatuni  59,  2j 
Krankheit  337,  lj  Persönlichkeit 
und  Beurteilung  321  ff.  330  ff. 
465  ff;  Anfange  seiner  Laufbahn 
334,  340 f.  8 f.  12  ff.;  Rede  über 
die  Catilinarier  34  f;  dicta  collec- 
tanea  und  andere  Schriften  384,  2_; 
de  analogia  202;  ArUicatonea  435  ff. 
vgl.  173;  bellum  Gallicum  246. 
616.  2.  620j  bellum  civüe  469,  2. 
619;  über  Iulus  öl_L  Li  Bricf- 
wcchael  507,  L  589.  2.  616.  3. 

L.  Caesar,  cos.  6±i  15,  2H6,  347,  2* 
549;  praef.  urbi  47;  374. 

L.  Caesar,  Sohn  des  Vorigen  2U6. 
302,  347,  2,  583. 

Caesarion  622  f.  626  f. 

L.  Caesetius  Flavus  (Tribun  44)  627, 
630  f. 

Calatia  416. 

BL  Calidius  283, 

calle*,  provincia  58,  3. 

Q.  Calpenus  386,  L 

L.  Calpurnius  Bestia  39, 

C.  Licinius  Calvus  128,  L  132,  L 
133, 

im  20  Ij  Briefwechsel  mit  Cicero 
69(5. 

Campanien  14,  62  f.  63  ff.  416,  488,  4. 
L.  Caninius  Gallus  (Tribun  56)  131. 
161. 

C.  C;minius  Rebilus  (cos.  45]  307, 

460. 
Cape  na  415. 

Capua  14,  03  ff.  LLL  413,  L 
Casilinum  415. 


Register 


C.  und  P.  Casca  528,  2.  53L 
C.  (?)  Cassius  (Tribun  66)  114  A 
C.  Cassius  Lunginus  (Praetor  44) 

21L3IL43LfiQ2,3.512.528,2. 

535  f. ;  nach  Caesars  Ermordung 

414,  3. 

L.  Cassius  (Tribun  44),  Bruder  des 
Vorigen  464.  —  ein  anderer  636,  L 

Q.  Cassius  Longinua  (Tribun  49) 
J68.  279  ff.  2ML  361).  376. 

Sp.  Cassius,  Hochverrat  sprozeß  558  f. 

Castulo  in  Spanien  488. 

Catihna  15,  16  ff.  454,  L 

C.  Cato  79j  Tribun  öJk  114  A  129.  ff. 
150  f.  128. 

M.  Cato  (Uticen-ns),  Persönlichkeit 
218  ff.  295 f-  670  ff.  526. ff.;  Ge- 
burtsdatum 676, 2 ;  gegen  die  Cati- 
linarier  ZSk  454,  l±  Tribun  62i 
37  3.;  die  folgenden  Jahre:  45. 
47.  SQ  ff •  öS,  69  ff.  92.  101 ;  nach 
Cvpern  89  f.  97,  152.  436,  2; 
Rückkehr  152  fT.  155  ff.  172  fT7 
Praetor  64:  7JL ß,  16L  193,  195  ff.; 
gegen  Pompejus  2Ü9  f. ;  Bündnis 
mit  Pompejus  221  f.  229  f. ;  in  den 
milon.  Händeln  224,  232.  226 f.; 
Bewerbung  ums  Consulat  245; 
gegen  Caesar  25JL  262,  3,  281  f. 
295;  auf  Sicilien  3U3, 1 ;  im  Bürger- 
krieg 310,  315,  317,  3601  Ab- 
tretung seiner  Frau  an  Hortensius 
219.  437;  Schriften  über  Cato 
431  ff.,  vgl.  173, 

Cat  ull  198f.  202. 250A.  337,  L  2. 505,1. 

Q.  Catulus  (cos.  78)  Censor  65;  12  f . 
ÜL  32.  10. 

Censoren  10,  12  f.  50,  96,  15«,  1 ,  239. 
270. 

Chullu  in  Numidien  491. 

M.  Cicero,  Persönlichkeit  119  ff.  330, 
L  393,  3j  —  de  coiundatu  ZL  62,  L 
163;  de  consiliis  33,  124;  Bericht 
an  Pompejus  37j  Gedicht  über 
Caesars  britannischen  Feldzug202. 
616,  3;  facetiae  384,vgLMacrobiuB; 
—  de  lege  agraria  14j  pro  Rabirio 
perduell.  15,  36,  5üQff.;  in  Coli- 
linam  2S  ff.  34 f.;  pro  Murena  24, 
L  219j  pro  Sulla  17^  L  21  A  3_L  2j 
gegen  Metellus  Ncpos  39,  4j  in 
Clodium  et  Curionem  47,  3j  pro 
Flacco%&,  post  red.  122,  vgl.  105,3; 
de  domo  Iii  A.  121L  126. 1 ;  de  har. 
Meyer,  Caesars  Monarchie 


re*p.  132 ff.;  pro  Sestio  133,  135; 
»»  Vatinium  136;  pro  Gaelio  23  A. 
135,  2j  de  prov.  com.  146  f.  167, 4j 
pro  ßalbv  148.  3_i»'n  Pisonem  163  f. 
103,  3;  pro  Plancio  24.  7,  199.  5; 
200,  3j  pro  Scauro  194  f.;  pro 
Vatinio  198 f.;  pro  Qabinio  206: 
pro  Rabirio  Postumo  207,  1;  de 
aere  aiieno  Milonis  213;  pro  Milane 
235.  L  236;  pro  Marcello  406  ff. ; 
pro  Ligario  403.  412;  —  de  repu- 
blica  112  ff.  24L  296,  2j  de  legibus 
187.  410,  l_i  Brutus  383.  572; 
Oralor  m  434,  453, 1;  Cato  38JL 
133  ff. ;  laudatio  auf  Porcia  464,  Ii 
de  offieiis  190,  L  387,  3.  399^  2j 
dedivin.  529,  L  —  Briefe:  BeuJIL 
an  Brutus  162,  5,  442.  5,  517,  4_j 
597 f. ;  ad  Axium  005, 1 ;  ad  Caerel- 
liam  467.  2,  601.  Lj  °d  Caesaretn 
t  uniorem 545,  3,  589, 2j  adNzpotem 
393,  3,  498,  L  60L.  L 
M.  Cioero,  Sohn  des  Vorigen  433. 
518, 

Q.  Cicero  (Praetor  62)  109,  113,  7, 

118,  12L  139  A.  HL  119,  347,  2. 

377;  —  de  pet.  cons.  H,  L 
Q.  Cicero,  Sohn  des  Vorigen  3-17.  2. 

377,  433,  446,  5, 
L.Tülius  Cimbt  r  400,  3,  53JL 
L.  Cornelius  Cinna  (Praetor  44  )  527.2. 
C.  Helvius  Cinna  (Tribun  44}  525, 

527. 

Cirta  in  Numidien  491. 
Claudia,  erste  Gemahlin  des  Brutus 
152, 

Appius  Claudius,  Praetor  52j  108. 
111 A.  112.  115,  116,  137.  I43j 
cos.  54i  16L  162,5.  19L  195  f.  im 
258,  599,  60öj  Censor  60j  122  A. 
239,  266,  3.  270,  572,  L 

Appius  Claudius,  zwei  Neffen  des 
Vorigen  224.  268, 

P.  Claudius  Pulcher,  Prozeß  im 
Jahre  249  :  559. 

dementia  Caesaris,  Tempel  614. 

Clodia  Boüiictf,  Gemahlin  des  Me- 
tellus Celer  48» 

P.  Clodius  Puloher,  Anklage  Cati- 
linas  16,  22;  Sakrileg  42  £;  Adro- 
gation  73j  Tribun  53_;  80,  82  ff. 
93,  95  ff.;  politische  Ziele  103: 
Konflikte  mit  Pompejus  103  fT. 
113  ff.  13J  ff.;  Versöhnung  137. 

IQ 


620 


Register 


142;  gegen  Cicero  31,  2.  138 ff.; 

späteres  Auftreten  150  ff.  201,  1 ; 

Tod  212  ff. 
S.  Clodius  133.  215.  231.  366. 
C.  Clovius,  praef.  urbi  45:  430,  2. 
Clupea  in  Afrika  491. 
Cluviua,  Aekerkommisaar  414.  5i 
Gomitien,  nicht  besucht  182.  212,  L 

461,  2j  Centuriatoomitien  555. 

562. 

Novum  Comum,  Gründung  durch 

Caesar  92^  4.  240. 
Conoordia  nova,  Fest  615. 
M.  Coiisidius  Konianus  291,  L 
Q.  Considius  Gallus  84. 
Corduba  in  Spanien  484.  337,  L 
Cornelia,  Gemahlin  des  Poin  pejus 

231. 

Q.  Cornificius  23A  47T,  4, 
Coeconius,  Ackerkommiasar  (Prae- 
tor 63)  66,  3, 
L.  Cottälcofi.  65)  8..  16;  Censor  13,  ^ 

291,  lj  Quindecemvir  522, 
Cotta,  Tribun  48  (!):  351,  2, 
L.  Aurunouleius  Cotta,  Schrift  über 

röm.  Verf.  617,  L 
Craasipcs,    Ciccros  Schwiegersohn 

im 

M.  Crassus  8 f.;  Censor  fifi;  12 f.; 
Umtriebe,  Verbindung  mit  Cati- 
lina  13  fL  23  ff.  21.  32,  1;  Gegen- 
satz gegen  Pom  pejus  37  f.  4ß  f. 
öl  ff.;  Verbindung  mit  ihm  und 
Caesar  56.  5iL  18,  1011  124.  130  ff. 
137.  142  f. ;  cos.  55:  153  ff.  158  ff. ; 
Versöhnung  mit  Cicero  162f.  168f. ; 
Partherkrieg  165,  170  ff.  174  f. 
21L 

P.    Crassus,    Sohn    des  Vorigen 

154. 

Cura  marum  420. 

C.  Curio  (coa.  76)  12,  2.  4L  80.  85. 

99,  132;  Ikdeji  19.  3.  22  A.  78,  3; 

Dialog  81^  L 
C.  Curio,  Sohn  des  Vorigen  47.  81. 

83.  85  f.  209,  3j  Tribun  50:  253, 

259  ff.  276:  im  Burgerkrieg  279. 

28L  284.  28JL  302,  L  350.  f. ;  Reden 

78,  3. 
Q.  Curius  32. 

C.  Curtius  aus  Volaterrae  414,  L 
464,  L 

M.  Curtius  Postunius  463,  L 
Curubis  in  Afrika  491. 


D 

Dakerkrieg  Caesars  474  f.  476.  5. 
Decidiua  Saxa,  Celtiberer  464.  L 
Dejotarus  424,  L  452,  4. 
Demetrius,   Freigelassener  Caesars 

507,  3. 

Didiu»,  Verfasser  der  Schrift  gegen 

Sallimt.  164,  L 
Dikaearch  442. 
Pinn  von  Alexandria  128. 
Bio  Cassius  610 f.;  Beden  62L 
Dionys  von  Halikarnaß  557,  L 

559  A. 

Cn.  Dolabella,  von  Caesar  angeklagt 
340. 

P.  Dolabella,  Geburtsdatum  444,  2j 
Anschluß  an  Caesar  305,  2.  347. 
357.  3j  Tribun  47:  373  ff.  379; 
von  Caesar  begünstigt  383.  400,  3. 
443;  Consul  44j  46L  520.  54L  L 

I,.  Dom it jus  Ahenobarbus  86j  Prae- 
tor 58:  93;  Bewerbung  ums  Con- 
eulat  55:  136.  153 f.;  cos.  54j  lfiL 
176.  191.  195 f.;  Quaesitor  im 
Prooeß  Mi  los  232;  Persönlichkeit 
190.  247  .  2.  570.  512.  514  IT.;  im 
Burgerkrieg  26A  3.  28L  220.  314. 

Cn.  Domitius,  Sohn  des  Vorigen 
536,  & 

Cn.  Domitius  Calvinus,  Tribun  59: 
70j  cos.  53:  12L  125  f .  208,  211; 
unter  Caesar  371,  L  523,  4. 

Dbühahn,  Vorrede  g.  VI.  35.  48, 2. 
fiäi  L  74i  3.  323.  368,  2.  414^  L 
459  A.  494,  2.  533.  536,  5, 


£ 

Ebora  in  Lusitanien  486. 
Emporiae  in  Spanien  486, 
Empylos,  Schrift  über  Brutus  535.  L 


F 

Faberius,  Caesars  Sekretär  506. 
Q.  Fabius  Maximus  (coa.  44)  459. 
q.  FabriciuB  (Tribun  57)  108, 
M.  Fadius  Gallus,  Schrift  über  Cato 
435.  444. 

C.  Fannius  (Tribun  59)  70.  573  A. 
Fausta,  Gemahlin  Müob  216,2.  224. 


9d  by  Google 


Register 


(>27 


M.  Favonius  72.  117.  128.  132.  Un.  | 
157.  571:  Aedil  53i  220i  in  den 
milonischen  Händeln  224.  253; 
im  Bürgerkrieg  (Praetor  49)  29JL 
309.  31L  317j  lui  Caesars  Er- 
mordung  538. 

Felicitas,  Tempel  491. 

Fenestella,  Annalen,  22,  2,  129,  2. 
610,  L 

Ferrero  229  ff. 

L.  Flaccus  (Praetor  63]  SIL 

L.  Flavius,  Tribun  fr):   52.  51; 
Praetor  58i  193,  105,  L 

Forum  Iulii  in  Gallien  481,  4» 

Fuciner  See  497. 

Q.  Fufius  Calenus,  Tribun  Qii  45. 

41 ;  Praetor  59:  TL  81. 23  A. ;  bei  den 

milonischen   Händeln   231;  im 

Bürgerkrieg  gegen  Megara  503 ; 

cm.  47:  381:  Rede  hei  Dio:  432,  3. 

528,  L  ('»Ol.  L  615,  3.  62L 
Fulvia,  Gemahlin  des  Clodius,  Curio, 

Antonius  214,  289.  449*  L 
Fulvius  Setinus  oder  Furius  Lep- 

tinus  386,  L 


G 

A.  Gabini  ub,  cos.  5&  19.  OL  92.  99. 
103  ff.;  in  Syrien  145,  2.  185  ff.; 
Processe  202  ff.  365j  Gesetze  1 30. 
356. 

Gadcs  5L  483,  CÜ3. 

Scrvius  Galba  (Praetor  54]  192.  282. 

536.  532. 
M.  Gallius  328. 

L.  Gellius  Poblicola  (Censor  70]  la 
Col.  Genetiva  in  Spanien  485.  66.  A. 
Geten  s.  Daker. 

Getreideversorgung  Roms  416  f. 
Gracchen  186. 

Tib.  Gracchus,  fingierte  Redo  unter 
seinem  Namen  gegen  Caesar  531  f. 
Granius  Flaccus  de  indigüamentie 


Hadrumetum  in  Afrika  502» 
Hannihal,  angebliche  Unterredung 
mit  Scipio  608. 


Hasta  in  Spanien  486. 

Heeren  322 £. 

Helvius  Cinna  s.  Cinna. 

Helvius  Mancia  156,  L  577,  2. 

Heraklea  am  Pontos  492. 

C.  Lucilius  Hirrus  (Tribun  53]  1 92. 

20fi  f.  253  f. 
A.  Hirtius  275_i  Praetor  46:  382.  383. 

4M  430.  3.  446,  fL  47_L  505_; 

Schrift  über  Cato  435;  Bell.  GhU. 

VIII:  620,  3. 
Hispalis  in  Spanien  484. 
Horatius,  Perduellionsproceß  556  f. 
Q.  Hortcnsius,  cos.  6ih  18.  99.  L3IL 

133.  160.  195;  in  den  milonischen 

Handeln  224,  23L  253.  562j  Ehe 

mit  Catos  Frau  219.  437. 
Q.  Hortenaius,  Sohn  des  Vorigen 

292,  357.  2. 
P.  Plautius  Hypsjteus,  Tribun  56: 

130;  Kandidat  für  das  Consulat 

52i  2LL  213.  2m  223.  232. 


I 

Bion  SIL  521 
Illiturgi  in  Spanien  486. 
Rlyricn  unter  Caesar  472. 
Juba,  Geschichtswerk  610. 
Juden,  unter  Caesar  381.  2.  418,  2. 
4M 

Julia,  Caesars  Tochter,  Pompejus' 
Gemahlin  78.  108.  155, 4»  llfi,  388. 

Julus,  Ahne  Caesars  5Q9_.  ßiü  f.  525. 

Junia  Tertia,  Cassius'  Gemahlin 
450,  2. 


K 

Karthago  490.  495,  4, 
Karthaia  auf  Kos,  Dekret  für  Caesar 
519  A. 

Katana  auf  Sioilien  489. 
Kentoripa  auf  Sicilien  489. 
Kios  492,  4. 
Kleopatri  521  f.  525  f. 
Knidos  507. 
Korintb  493  f. 

Kratippos  Peripatetiker  483.  3. 
Kymaeer  =  Dummköpfe  530,  L 


628 


Register 


L 

Antistius  Labeo  538.  3.  4. 

T.  Labienus,  Tribun  ftk  15.  38, 

649  ff.;  im  Bürgerkrieg  251,  289. 

302.  308,  313,  311  340. 
D.  Laberius,  Mimen  387.  525,  2, 
Laectaner  in  Spanien  467.  2. 
D.  Laelius  323. 
T.  Lamia  99, 
Laodikca  ±93,  L 

M.  Juventius  Laterensis  75  f.  Sil 
122.  fi. 

Latinisches  Recht  unter  Caesar  489. 
Legionen  CaesarB  143.   145.  266. 

470  IL  48L  3j  legio  V  Alaudae  252. 

476.    480;   des    Pom  pejus  und 

Crassu*  170,  L  242.  311  f. 
Cn.  Lentulus  Clodianus  (cos.  72, 

Censor  70)  10. 
L.  Lentulus  Crua  (cos.  49)  2QL  274, 

281  ff.  298,  2.  306,  2.  313.  317.  5fiIL 

572.  L 

Cn.  Lentulus  Marccüinus  (oos.  56) 
110  A.  124.  131  ff.  130.  150  f. 

L.  Lentulus  Niger,  Flamen  Martialis 
85,  204, 

P.  Lentulus  Spinther  (cos.  57)  lüß, 
108. 112,  116, 2, 128  ff.  317.  572,  L 

P.  Lentulus  Sura  (coe.  7L  Praetor 
63)  30. 

M'.  Lepidus  (cos.  66)  350,  L 

iL  Lepidus,  Interrcx  52j  216;  Prae- 
tor üb  35L  355;  cos.  4&  381^ 
mag.  eq.  38A  428.  f.  44JL  471,  3, 
476.  4.  498,  L  522.  539,  3, 

Leptis  in  Afrika  503. 

lex  curiata  22L  313* 

lex  Iulia  municijxilw  425  f. 

L  Scribonius  Libo  (Tribun  56)  130. 
150,  L  222,  302,  314  A. 

C.  Licinius  Macer  (Tribun  73),  der 
Historiker  8.  L  42.  2.  55JL 

C.  Licinius  Calvus,  sein  Sohn,  siehe 
Calvus. 

Q.  Ligarius  412,  424,  L  536,  5. 

Aclius  Ligu»  a.  Aelius. 

Livius  SlSTüüiL  ßllff.;  über  Cicero 
1)8.  2j  über  Pompe  jus  und  Caesar 
314. 3. 469,  L  514, 2. 548,  Rede  des 
Tiberius  Gracchus  gegen  Scipio 
531  f. 

L  Lucullus  2.  6L  20.  25.  80,  130, 
Lucana  Pharsalia  612, 


L,  Luccejuß  24.  58.  128.  162.  432,  2. 
618, 

L  Luscius  24,  4. 
Lusitanicn  486. 


Macrobius,  Witae  Cioeros  381,  2. 
384.  2.  387,  2j  Laberius'  Prolog 
387,  L 

Num.  Magius,  praef.  fabrum  des 

Pompe  jus  305  f. 
P.  MalliuB  aus  Pompeji  464.  L 
Mamilius,  lex  M am  Uta  Q6A. 
Mamurra  504,  519. 
C.  Manlius,  Aufstand  Ü3i  22. 
M.  Manlius,  Perduellionsproceß  558. 
C  Marcellus  (cos.  50)  228.  253.  252. 

261  ff.  271  ff.  310.  350,  L  405. 
C.  Marcellus,  Vetter  des  Vorigen 

(cos.  49)  267.  274.  281.  283,  22L 

310. 

M.  Marcellus,  Bruder  des  Vorigen 

27j  cos.  51:  245  ff-  224,  282  f.  310; 

Exil,  Rückbei'ufung   und  Tod: 

383,  404  ff.  455,  L 
Marcia,  Catos  Frau  212,  437. 
Q.  Marciua  Rex  (cos.  68)  12, 
Mars,  Tempel  CaeBars  498. 
C.  Epidius  Marullus  (Tribun  44}  527. 

530. 

Massilia  487  f.  500,  2, 

C.  Matius  340.  L  500.  520,  3.  522,  5. 

Megara  503. 

C.  Memmius  (Praetor  68)  143.  124  ff, 

208,  4.  237, 
M.  Valerius  Messalla,  cos.  fili  47. 

65,  65,  3.  U6_i  Censor  ßfil  156,  L 
M.  Valerius  Messalla  (cos.  53)  12L 

195.  208.  210.  253,  320.  " 
C.  Messius  (Tribun  57)  liö. 
L  Metellus  (Tribun^)  352.  322. 
Q.  Metellus  Celer,  Praetor  03,  15» 

39,  5,  48,  543,  554,  2j  cos.  8Ü, 

52  ff,  22.  74,  3, 
Q.  Metellus  Creticus  (cos.  69}  4L 

5L 

Q.  Metellus  Nepos,  Tribun  62:37  ff.; 

Praetor  60:  51;  cos.  57:  108.  U0A. 

112  f.  U5  f.  143.  157. 
Q.  Metellus  Pius  Scipio  27j  cos.  52: 

212,  210.  217,  4,  223  f.  232.  232. 

254;  im  Bürgerkrieg  283 f.  220. 


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Register 


629 


308.  314;  Schrift  gegen  Cato 
212,  436,  2. 

Mileu  in  Numidien  4ÖL 

Milo  (Tribun  67)  108»  Iii  f.  131  f. 
140;  Kandidat  für  das  Consulat 
52:  209.  212  f.  214  ff.;  Proxcsse 
234  ff.;  Ausgang  366.  369. 

Q.  Minucius  Therreius  (Tribun  62)  40. 

Mommbhn,  Vorr.  S.  VII.  4^30.  3JLL 
3üf.  5612.6Ö12.6ö12.13üA. 
141  f.  218.  f.  227,  L  324  IL  420,  2. 
^2.  4^3.50^  533,556, 2.  558. 
521 A.  603,  L  605. 

Mucia,  Pompejus'  Gemahlin  45,  3» 
52.  78.  115. 

Mucianus,  antiquariacbea  Sammel- 
werk. 622,  L 

Mucius  Orestinus  (Tribun  64)  23. 
Munatius,  Freund  Catos,  40j  Schrift 

über  Cato  435,  3.  436.  608. 
Munatius  Planous  s,  Plauens. 
Murena  (cos.  62)  39,  L  ML 


N 

Narbo,  Narbonenais  487  ff. 
Nemauaus  ÜüL 

Nepos  608,  2,  609,  2.  620;  Brief- 
Wechsel  mit  Cicero  393.  3.  49». 
L  601.  L 

Ti.  Nero,  Vater  des  Kaisera  4 88. 

Nibbuhb  321  f. 

Nigidius  Figulus  400,  3. 

Nikolaos  vonDamaskos  610, 1;  Bio- 
graphie des  Augustus  374,1.  458,  5. 
3S0,  L  464,  fl.  517,  4.  518,  3» 
527.  2.  528,  2.  621j  Berührungen 
mit  Sueton  5217  L  541,  2, 

I*  Ninniua  Quadratus  (Tribun  58) 
07.  99.  104. 

H.  Nisskk  465. 

Norba  in  Lusitanien  480. 

I*  Novius  Niger,  Quaestor  fi2i  32j 
Tribun  58;  105.  4. 
Numcriua  (Tribun  57)  109. 


0 

Octavia,  Caesars  Großnichte  228. 

405. 

C.  üftavius,    Octavian   458.  464. 


523  f.;  aus  späterer  Zeit  471,  4, 
487,  1  543  ft  Ö2L  ~  Principat 
des  .Augustus  17JL  18J,  4ÜL  420, 2. 
4JKL  IM.  4SI  f .  510.  512,  5UL  52L 
548;  Schrift  gegen  Brutus'  Cato 
435,  L 

Octavius,  gegen  Pompejus  und 
Caesar  79,  2. 

A.  Ofilius,  Jurist  499. 

Olisipo  in  Lusitanien  480. 

C.  Oppius  201  A.  349.  353,  5,  4ÜL 
430.  433.  iALL  142.  505_i  Biographie 
Caesars  505,  2.  5^19,  4.  522,  öj 
Briefe  Caesars  an  ihn  und  Baibus 
507.  306. 

Orca,  Ackerkommissar  414,  4*  jg. 

Osset  in  Spanien  484. 


P 

Pauaetios  178,  L 
Panormos  auf  Sicilien  489. 
C.  Vibius  Pausa  378  A.  400,  3.  458. 
471. 

Pari  her  krieg   des   Crassua    Hü  ff. 

174  f.  21L  252j  Caesars  413  f. 
L.  Aemilius  Paullus  (cos.  50)  siehe 

Aomilius. 
M.  Papirius  103. 
C.  Papius  (Tribun  64)  13. 
Q.  Pedius  458,  524.  L 
Pergamon,  Dekret  für  Caesar  510  A. 
Petronia  amnis  auf  dem  Ma  rufe  kl 

541. 

Pbaros,  angebliche  Kolonie  Caesars 
495,  2. 

L.  Marcius  Philippus  (cos.  56)  147. 
150.  152.  29_L  L  5UL  513= 

L.  Philippus,  Sohn  des  Vorigen  (Tri- 
bun 49)  2ÖL 

L.  Pinarius  624,  L 

C,  Piso  (cos.  67)  12t  L  32» 

C.  Piso  Frugi,  Ciceros  Schwieger- 
sohn 86.  98,  L  167. 

Cn.  Piso,  Quaestor  pro  praetore  in 
Spanien  Uff.  2k 

L.  Piso,  Caesars  Schwiegervater  78: 
cos.  58:  91.  95.  97  ff.  103.  107. 
1Ü3  ff.  166j  Censor  5Üi  239-  2ßl  f. 
271  f.;  im  Bürgerkrieg  2ÜL  301. 
35L  ML  404. 

M.  Pupius  Piso  s.  Pupius. 

Cn.  Planciua  199,  öx  200,  3.  432» 


i 


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630 


Register 


C.  Munatius  Plancus  =  I*.  Plotius 

PlancuB  494»  2. 
L.  Plancus,   Brader   des  Vorigen, 

praef.  urbi  45j  430,  2.  494,  2, 
T.  Plancus  Bursa,  Bruder  des  Vori- 
gen (Tribun  52)  214,  '210.  224. 

23!  f.  235,  23JL  38L  3. 
Plato  11Ü,  184,  1HL  190. 
A.  Plautius  (Tribun  56)  13L 
Plautius,  Tribun  20  (?):  34L 
L.  Plotius  Plancus  (=  C.  Munatius 

Plancus)  494^  2. 
Plutarch  607  fL 
Polybios  im 
Pomerium  498. 
Pompeji  464,  L 
Pomptinische  Sümpfe  41)7. 
C.  Pomptinus,  Praetor  63_:  92; 

Triumph  197  f. 
Pompeja,  Caesars  Gemahlin  48, 
Cn.  Pompe  jus  Strabo  (cos.  89}  249. 
Cn.  Pompejus  Magnus,  dessen  Sohn 

1—318. 

Cn.  Pompejus,  dessen  Sohn  369. 
43L 

3»  Pompejus,  dessen  Bruder  467.  2. 
Q.  Pompejus  Rufus  (Tribun  52) 

209  f.  216  ff.  220,  L  223,  238* 
Pontius  Aquila  (Tribun  45]  450,  2, 

458,  536,  5. 
Porcia,  Gemahlin  des  Bibulus  und 

Brutus  452.  535.  L 
Porcia,  Ca  tos  Schwester,  Gemahlin 

des  Domitius  Ahenobarbus  454,  L 
Posidonios  2?»  4.  178,  L  456»  3. 

618  f. 

L.  und  T.  Postumius  571.  572  f. 
Procilius  20L  L 
Praeneste  66»  2» 
Prusias  (Kios)  492,  4» 
Ptoleraaeos  Auletes  14^  1.  76.  127  ff. 

im  207,  L 
Publilia,  Cioeros  Gemahlin  432,  3, 
Publilius  Syrus,  Mimen  387. 
M.  Pupius  Piso  (cos.  61)  iL  45,  4L 


Q 

Quaestur,  keine  Altersgrenze  dafür 

451  A.  576.  3. 
Numerius    Quintius   (Tribun  56) 

116. 

Quirinus  44_L  ALL 


C.  Rabirius  15.  549  ff. 

C.  Rabirius  Postumus  207,  L 

L.  Racilius  (Tribun  56)  114  A.  133. 

Regium  in  Gallia  cisnlpina  414.  fi. 

Rhodos.  Verfassung  24L  2,  3JML  - 

L.  Roscius  (Praetor  49)  284,  21ML 

302.  354. 
Romulus  und  Caesar  447.  449.  542. 
lex  Rubria  354»  3> 
Rufinus,  Sohn  eines  Freigelassenen 

Caesars  50L 
Rullus,  Tribun  63.  Ackergesetet  13  f. 
Ruscino  in  Gallien  488, 
Rusicade  in  Numidien  491. 
M  Rutilius,  Ackerkommissar  415  A 
P.  Rutilius  Lupus,  Tribun  Sh  12JL 

130.  136;  Praetor  40;  350^  L 


S 

Sallust,  Tribun  52:  2111  224,  231. 
238;  im  Bürgerkrieg  357.  3;  Prae- 
tor 4L  38L  3Wi  in  Numidien  3S1L 
393,  3,  492,  58_7_i  Invektive  gegen 
Cicero  163.fi,;  Antwort  darauf 
(von  Didius)  164.  L  216.  2.381.  L 
587,  Li  °d  Caesarem  sentm  351  ff; 
389  ff.  409  f.  Beil.  II;  Catilina 
20,  2,  25»  L  34»  L  ^.  über 
Cato  und  Caesar  571 ;  über  seine 
Laufbahn  580  f.  588.  L  Rede  des 
Lioinius  Macer  42»  2. 

Cn.  Sallustius,  Ciceros  Berater  205. 

Salustius,  Proquaestor  in  Syrien 
164.  L  265,  2m 

Scallabis  in  Lusitanien  486. 

Saufejus  237» 

Q.  Scaevola  (Tribun  54)  19L 
M.  Soaurus  (Praetor  56)  liLL  2Ü8. 
23L 

C.  Scipio  in  Comum  249. 

Scipio  Africanus  maior  185;  Ge- 
spräch mit  Hannibal  668;  angeb- 
liche Rede  gegen  Tib.  Gracchus 
531  f. 

Scipio  Africanus  minor  bei  Cicero 

de   rep.  184. 
Metellus  Scipio  s.  Metellus. 
O.  E.  Schmidt  454»  2,  465,  540»  2* 

595,  605  f. 
Ed.  Sohwabtz  20»  2.  533,  544,  2» 


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Register 


631 


Serranus  (Tribun  57]  114  A.  111L 
Servilia,  Brutus'  Mutter  8iL  450,  2. 
462.  2. 

Servilia,  Catos  Stiefschwester  437. 

Q.  Servil  i  us  Caepio  7JL 

P.  Servilius  Isauricus  (cos.  79)  15, 

130.  146;  Censor  55j  156,  L 
P.  Servilius  Isauricus,  Sohn  des 

Vorigen  132i  Praetor  54:  1SL 

cos.  i&i  3ül  m  am  32L  l  4m 

P.  Sestius  (Tribun  57)  IM,  109.  122. 

135,  2.  304,  2.  430,  2. 
Shakespeare,    Auffassung  Caesars 

466.  528,  L  Rede  des  Brutus 

4M  A. 

SibyUenorakel  12k  202,  204,  2.  529, 
Sicüien  489 f.  SOI. 
Sinopo  492. 

P.  Sittius  12.  20.  491  f. 
C.  Sosius  (Praetor  49)  350,  L 
Spurinna,  Haruspex  526.  2. 
.statilius  538.  4. 
Sueton  621  f. 
Sufrna.«  (Tribun  56)  198. 
Sulci  auf  Sardinien  503. 
Faustus  Sulla  78.  225.  228.  525. 
P.  Sulla  liL17JL21A.114A.  37JL 
399.  2. 

Servius  Sulpicius  Rufus,  Interrex 
52i  229i  cos.  Sil  245 f.  257  f.;  im 
Bürgerkrieg  35£L  28L  406,  410. 

Syrakus  489. 


T 

Tacitus  über  Pompe  jus'  drittes  Con- 
sulat  240. f.;  über  Oppius  und 
Baibus  430,  iL 

Tanusius  Geminus  18, 2.  22  A.  172, 2. 

L.  Tarquinius,  Denunziant  iL 

Tarraco  480. 

Terentia,  Ciceros  Gemahlin  48. 
164.  L 

Terentius  (Tribun  54)  196,  4, 
Q.  Terentius  Culleo  (Tribun  58)  105. 
Thapsus  in  Afrika  503. 
Theophanes  v.  Mytilene  12L  618. 
Tbeophrast  80,  ß,  440. 
Theopomp,  der  Historiker  80.  438  f. 
617. 

Thfopompos  v.  Knidos  507. 
lex  Thann  67,  3, 
Thrasca  über  Cato  608_- 


L.  Tüliufl  Cimber  400.  3.  536. 

Timagenes  121.  610,  L 

Tiro  689.  5m  596  f .  60L  lj  Leben 

Ciceros  608. 
Tolosa  in  Gallien  488. 
A.  Torquatus  222.  431*  2. 
L.  Torquatus  (cos.  65)  ÜL  18.  22. 

24,  4. 

L.  Torquatus,  Sohn  des  Vorigen 
21  A.  21,  2. 

Transpadaner  12.  248  f.  245  f.  354. 

C.  Trebatius  208  A.  306,  2.  499.  519. 

L.  Trebellius  (Tribun  47)  374. 

Trebianua  400,  2.  402,  2. 

C  Trebonius,  Tribun  55i  157. 158, 1 ; 
Praetor  48i  36&  448j  cos.  45: 
450;  Verschwörung  gegen  Caesar 
448,  521  f. ;  Sammlung  von  Cice- 
ros facetiae  384.  2. 

Cn.  Tremullius  Scrofa  65,  2. 

P.  Triarius  195. 

Tubero.  Annalen  342,  L  619,  2j 

Anklage  des  Ligarius  403,  L 
Tutculum  415. 


U 

Ucubi  in  Spanien  486. 

Ulia  in  Spanien  485. 

Urgia  in  Spanien  486,  5. 

Urso  (Col.  Genetiva)  in  Spanien  485. 

Utica  TA  49Ü  502. 


V 

L,  Valerius  (Praetor  46)  381,  2. 

L.  Valerius  Klaccus,  Praetor  6JL- 
560.  Ii  Proceß  8JL 

Valerius  Maximus  83,  L  609,  2. 

Valerius  Messalla  s.  Messalla. 

M.  Varro,  Ackerkommissar  65j  Le- 
gat des  Pompe  jus  177:  Biblio- 
theksplan  499;  Tptxipavo;  80_; 
über  Sallust  216.  2.  587,  2;  libri 
rerum  divinarum  512, 

P.  Vatinius,  Tribun  ßfii  U  A.  12. 
76,5.11.84.86.  92.94,  2.  135; 
Praetor  55:  155j  Proceß  198  ff.; 
unter  Caesar  308;  cos.  Iii  28L 
414. 

Veji  66,  2.  415. 
Vellejus  Paterculus  622» 


632  ' : 


liebster 


Vcnafrum  in  Samnium  66,  2. 
Venus  Viotrix  und  Genetrix  510.  522. 
Vercingetorix*  Aufstand  226  f.  233  f. 

243.  Ml.  m  446. 
L.  Vettius  32  f.  84  ff. 
C.  Vibicnus  im 

L.  Vibullius  Rufus  144.  306,  3.  309. 
Victoria  Caesaris,  Spiele  389.  L  418. 
Vicnna  in  Gallien  488. 
Vocontier  48Ü. 

Volaterrae  53.  62,  3.  414,  5.  464,  L 
L.  Volcacius  TuIIuü  (cos.  66)  HL  130. 
295  f.  350. 


Arekomische  Völker  488. 
L.   Voltacilius  Pitholau«,  carmirui 
und  Gescbichtswerk  40_L  L  460,  L 
Volturnum  in  Campanien  415,  6. 
Volumnius,  Schrift  über  Brutus  62L 


Z 

Zama  in  Nu  midien  502. 

Zinsen  und  Zinsgesetze  196.  3561. 

307.  368.  378  f.  321  f.  Vgl.  24.  26. 

ßSf. 


Anzeigen  des 
Cotta'schen  Verlages 


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Eduard  Meyer 

Geschichte  des  Altertums 

Erster  Band.  Erste  Hälfte:  Einleitung.  Elemente 
der  Anthropologie.  4.  Auflage.  (Omnltypie- Druck) 

Erster  Band.  Zweite  Hälfte:  Die  ältesten  geschicht- 
lichen Völker  und  Kulturenbis  zum  sechzehn- 
ten Jahrhundert.  4.  Auflage.  (Omnitypie- Druck) 

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auf  die  Perserkriege.  2.  Auflage  in  Vorbereitung 

Dritter  Band.  Das  Perserreich  und  die  Griechen. 
Erstes  und  zweites  Buch:  Bis  zu  den  Friedens- 
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2.  unveränderte  Auflage,  neuer  Abdruck 

Vierter  Band:  Das  Perserreich  und  die  Griechen. 
Drittes  Buch:  Athen  (vom  Frieden  von  446  bis  zur 
Capitulation  Athens  im  Jahre  404  v.  Chr.)  2.  unver- 
änderte Auflage,  neuer  Abdruck 

Fünfter  Band:  Das  Perserreich  und  die  Griechen. 
Viertes  Buch:  Der  Ausgang  der  griechischen 
Geschichte.  5.  Auflage.  (Omnitypie-Druck) 

L 


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Eduard  Meyer 

Weltgeschichte  und  Weltkrieg.  Gesammelte 

Aufsätze.  6.— 8.  Tausend 

Inhalt:  Die  Einwirkung  des  Weltkrieges  auf  die  Kultur  und  die 
Kulturaufgaben  der  deutschen  Zukunft  —  Die  Entwicklung  der 
römischen  Weltherrschaft  —  Italien  und  die  Entstehung  der 
italischen  Nation  im  Altertum.  Mit  einem  Überblick  der  weiteren 
Entwicklung  Italiens  bis  zur  Gegenwart  —  Der  Staat,  sein  Wesen 
und  seine  Organisation  —  Deutschland  und  der  Krieg 

England.  Seine  staatliche  und  politische  Entwick- 
lung und  der  Krieg  gegen  Deutschland. 
6.  und  7.  Auflage 

Caesars  Monarchie  und  das  Principat 

des  PompejllS.  Innere  Geschichte  Roms  von 
66  bis  44  v.  Chr.  Dritte  Auflage 

Das  gesamte  Geschichtsbild  wird  in  unserer  revolutionären  Oegenwart  auf 
einen  um  so  größeren  Kreis  wirken  können,  als  es  erstaunlich  aktuell  tat  mit 
seiner  Mischung  der  Probleme,  die  auch  auf  uns  lasten :  Diktatur,  Proletariat, 
Arbeltslose,  Militarismus,  Demobllmachung.  Weltpolitik  und  Weltkriege.  Wir 
begrüßen  Eduard  Meyers  .Caesar*  als  eines  der  Bücher,  die  gelesen  haben 
muß,  wer  zu  den  Kennern  der  großen  literarisch  gelehrten  Arbelten  Deutschlands 
gehören  will.  Und  diesen  Willen  möchten  wir  weit,  viel  welter  als  bisher  ver- 
breitet wissen,  damit  das  deutsche  Volk  auch  nach  dem  Niederbruch  seiner 
politischen  und  wirtschaftlichen  Krüfte  das  gebildetste  der  Welt  bleibe,  nicht  um 
eitlen  Ruhmes,  sondern  um  seiner  selbst  willen,  weil  die  Oesamterneuerung 
nur  möglich  Ist  auf  dem  Boden  höchstentwickelter  Kultur. 

UrsprungundAnfängedesChristentums 

In  drei  Bänden.  1.— 3.  Auflage 

Erster  Band:  Die  Evangelien 

Zweiter  Band:  Die  Entwicklung  des  Judentums 

und  Jesus  von  Nazarel 


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Das  wirtschaftsfriedliche  Manifest 

Richtlinien  einer 
zeitgemäßen  Sozial-  und  Wirtschaftspolitik 

Von 

Andreas  Voigt 

Geh.  Regicrungsrat,  Professor  an  der  Universität  Frankfurt 

Ein  wirklich  zeitgemäßes  Buch,  das  gerechtes  Maß  an  unsere 
wirtschaftskämpferische  Zeit  legt.  Der  Verfasser  ist  Jedoch  weit 
entfernt  von  jeder  unfruchtbaren  Ideologie.  Es  ist  vielmehr  ein 
großer  Vorzug  des  bedeutsamen  Buches,  sich  stets  in  abgeklärter 
Ruhe  zu  hallen,  in  jener  sieghaften  wirtschaftsfriedlichen  Ruhe,  die 
ein  Ergebnis  tiefster  Menschenkenntnis  ist. 

Bremer  Nachrichten 

Staat  und  Marxismus 

Grundlegung  und  Kritik 
der  marxistischen  Gesellschaftslehre 

Von 

Friedrich  Lenz 

Professor  an  der  Universität  Gießen 

2.  durchgesehene  Auflage  (3.  u.  4.  Tausend) 
Wer  polirisch  führt,  wer  in  politischen  Ausbildungskursen  Auf- 
klärung verbreiten  will  Uber  Karl  Marx  und  seine  Lehre,  vor 
allem  seine  Staats-  und  Gesellschaftslehre,  findet  in  dem  Lenz- 
schen  Buche  eine  Fülle  von  Stoff,  dessen  geistige  Beherrschung 
ihn  befähigt,  die  Probleme,  die  im  Marxismus  verschlossen  sind, 
zu  erkennen  und  sieghaft  zu  Uberwinden. 

Dr.  A  Bovenschen  in  der  »Halleschen  Allgemeinen  Zeitung" 

Die  Aera  Bülow 

Eine  historisch-politische  Studie 
von 

Johannes  Haller 

Der  bekannte  Tübinger  Historiker  zieht  in  diesem  für  die 
neueste  Geschichte  höchst  bedeutenden  Buche  den  Schleier  von 
bisher  ängstlich  verhüllten  Vorgängen  und  Zustanden. 


Druck  der  Union  Deutsche  Verlagsgescllschaft  In  Stuttgart 


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